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German Pages 1006 [1007] Year 2008
JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 138
Alexander Peukert
Güterzuordnung als Rechtsprinzip
Mohr Siebeck
Alexander Peukert, geboren 1973; Studium der Rechtswissenschaft in Freiburg i.Br.; 1999 Promotion; 2002 wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht, München; 2008 Habilitation an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort. e-ISBN PDF 978-3-16-151215-5 ISBN 978-3-16-149724-7 ISSN 0940-9610 (Jus Privatum) Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2008 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen aus der Garamond-Antiqua belichtet, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
Vorwort Die vorliegende Studie wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München im Wintersemester 2007/2008 als Habilitationsschrift angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind bis zum Sommer 2008 berücksichtigt. Die Ausführungen zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb beziehen den Regierungsentwurf vom 21. Mai 2008 zur Umsetzung der EG-Richtlinie 2005/29 über unlautere Geschäftspraktiken unter der Überschrift UWG 2004/2008 mit ein. Herrn Professor Dr. Reto M. Hilty danke ich herzlich für die Betreuung der Arbeit und die freundschaftliche Unterstützung während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht. Er hat mich in meinem wissenschaftlichen Interesse bestärkt und mir Freiräume verschafft, ohne die ich dieses Projekt nicht hätte bewältigen können. Herrn Professor Dr. Wolfgang Schön gebührt mein Dank für die Erstellung des Zweitgutachtens. Besondere Impulse hat meine Auseinandersetzung mit dem Verhältnis zwischen Eigentum und Freiheit aus mehreren Gesprächen mit Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Wolfgang Fikentscher empfangen. Für sein Interesse und seine Anregungen danke ich sehr. München, im September 2008
Alexander Peukert
Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Teil 1: Grundlagen der Güterzuordnung . . . . . . . . . . . . . .
31
§1 §2 §3
Begriffliche Konkretisierung der Fragestellung . . . . . . . Der verfassungsrechtliche Rahmen . . . . . . . . . . . . . . Ökonomische Grundlagen der Güterzuordnung . . . . . .
32 65 94
Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung. . . . . . . . .
135
§ § § § § § § §
. . . . . . .
136 211 237 313 402 473 534
. . . . . . .
660 730
Teil 3: Konsequenzen und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . .
793
§ 13 Grenzen güterzuordnungsrelevanten Rechts und Lösung der Beispielsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . § 14 Dogmatik des Güterzuordnungsrechts . . . . . . . . . . . . § 15 Güterzuordnung und Freiheitsschutz im Privatrecht . . . .
794 856 891
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personen- und Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
911 979
4 5 6 7 8 9 10 11
Beispiele und relevante Rechtsgrundlagen . . . . . . Normierte Ausschließlichkeitsrechte . . . . . . . . . Deliktsrecht des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb . . . . . . Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . Generalklauseln des Rechtsverkehrs . . . . . . . . . Die Eigentumsgarantie als Grundlage der Güterzuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 12 Güterzuordnung auf der Basis eines Rechtsprinzips?
. . . . . . .
. . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V VII
Einleitung A. Das Ausgangsproblem
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. Herangehensweise und Stand der Forschung . I. Sacheigentum und Immaterialgüterrechte als Orientierungspunkte . . . . . . . . . II. Numerus clausus und Rechtsgrundlage III. Wertung und Rechtsgrundlage . . . . . IV. Kompetenz zur Güterzuordnung . . . .
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1 6
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6 7 15 17
C. Konkretisierung und Beschränkung des Themas . . . . . . . . . . . . I. Die Frage nach originären Ausschließlichkeitsrechten . . . . . II. Das geltende deutsche Recht als Untersuchungsgegenstand . .
21 21 23
D. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
Teil 1
Grundlagen der Güterzuordnung § 1 Begriffliche Konkretisierung der Fragestellung . . . . . . . . . .
32
A. Notwendigkeit, Gefahren und Kriterien der Begriffsbildung . I. Begriffe und Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausgangspunkt: Die Trennung von Sein und Sollen . . III. Ungeeignete Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Am Rechtsobjekt ausgerichtete Dogmatik . . . . . . 2. An den Interessen ausgerichtete Dogmatik . . . . . . 3. An der Funktion des geltenden Rechts ausgerichtete Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die formale Wirkung des objektiven Rechts . . . . . . .
. . . . . .
32 32 34 37 37 41
. . . . . . . .
42 44
B. Die Fragestellung im Kontext des Privatrechtssystems . . . . . . . . I. Güterzuordnung als Thema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46 47
. . . . . .
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X
Inhaltsverzeichnis
II. Güterzuordnungsrelevante Bereiche und des Privatrechtssystems . . . . . . . . . 1. Rechtsverhältnisse . . . . . . . . . . 2. Subjektive Rechte . . . . . . . . . . . 3. Gestaltungsrechte . . . . . . . . . . . 4. Relative Rechte . . . . . . . . . . . . 5. Absolute Rechte . . . . . . . . . . .
Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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48 48 48 50 50 52
C. Hier verwendete Begrifflichkeiten und Grundunterscheidung . . I. Subjektive Rechte, insbesondere Ausschließlichkeitsrechte 1. Primäre und sekundäre subjektive Rechte . . . . . . . . 2. Ausschließlichkeitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schutz auf der Grundlage gesetzlicher Schuldverhältnisse . III. Rechtsposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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54 54 54 56 61 61
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
§ 2 Der verfassungsrechtliche Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
A. Fragestellung
65
D. Zusammenfassung
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B. Die Bedeutung der Grundrechte für ein Rechtsprinzip der Güterzuordnung . . . . . . . . . . . . I. Grundrechte und Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte . . . . . 2. Herleitung und Struktur grundrechtlicher Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Güterzuordnungsrelevante Grundrechte . . . . . . . . . . 1. Menschenwürde und Güterzuordnung . . . . . . . . . . 2. Allgemeine Handlungsfreiheit und Güterzuordnung . . 3. Allgemeines Persönlichkeitsrecht und Güterzuordnung 4. Eigentumsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . .
66 66 66
. . . . . .
. . . . . .
70 73 74 74 81 84
C. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Grenzen richterlicher Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Überwindung des engen Gesetzespositivismus . . . . . . II. Die Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht . . . .
84 85 87
D. Zusammenfassung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92
§ 3 Ökonomische Grundlagen der Güterzuordnung . . . . . . . . .
94
A. Warum „ökonomische Grundlagen“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gegenstand der Wirtschaftswissenschaften . . . . . . . . . . . II. Positive und normative ökonomische Analyse . . . . . . . . .
94 95 98
XI
Inhaltsverzeichnis
B. Die positive ökonomische Analyse der Güterzuordnung und ihre Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff und Grundfunktionen von property rights . . . . . . . II. Differenzierende Analyse von property rights . . . . . . . . . . 1. Verschiedene property rights . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verschiedene Güter und Nutzungen . . . . . . . . . . . . . a) Verbrauchbare Naturgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nicht verbrauchbare Güter, deren Nutzung rivalisierend ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Öffentliche Güter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Immaterielle Güter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Immaterielle Güter im Vergleich zu anderen Gütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unterschiedliche Immaterialgüter und daran bestehende property rights . . . . . . . . . . . . . . . (1) Immaterialgüter mit einem Nutzwert als solchem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kennzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der originäre Rechtsinhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schlussfolgerungen und Grenzen der positiven ökonomischen Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
100 100 102 102 104 105 107 108 108 109 110 110 115 116 117
C. Die normative ökonomische Analyse und ihre Grenzen . . . . . . . I. Normative Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Umsetzung im Verhältnis zur Rechtsordnung . . . . . . . . . .
123 123 125
D. Der Adressat eines normativen Postulats der Güterzuordnung . . . .
130
E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
132
Teil 2
Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung § 4 Beispiele und relevante Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . .
136
A. Zweck der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
136
B. Beispiele für „neue“ Güter und ihre Zuordnung I. Bilder von Sachen . . . . . . . . . . . . . 1. Sachverhaltskonstellationen . . . . . . 2. Diskutierte Rechtsgrundlagen . . . . . 3. Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . II. Übertragung von Sportveranstaltungen . 1. Sachverhaltskonstellationen . . . . . .
137 137 137 138 142 143 143
. . . . . . .
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XII
Inhaltsverzeichnis
. .
145 150
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
151 151 155 159 163 163 164 166 166 166 167 169 170 170 171 172 173 174 174 175 175 175 189 197 197 199 206
C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
207
§ 5 Normierte Ausschließlichkeitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . .
211
A. Fragestellung
211
III.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII.
2. Diskutierte Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inzwischen durch das Immaterialgüterrecht zugeordnete Güter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachverhaltskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Diskutierte Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internet-Domain . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachverhaltskonstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Diskutierte Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geheimnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachverhaltskonstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Diskutierte Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Energieverbrauch, insbesondere elektrische Energie . . . . . 1. Sachverhaltskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Diskutierte Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Persönlichkeitsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachverhaltskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Klassisches allgemeines Persönlichkeitsrecht . . . . . . b) Vermögenswerte Bestandteile des Persönlichkeitsrechts 2. Diskutierte Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . a) Klassisches allgemeines Persönlichkeitsrecht . . . . . . b) Vermögenswerte Bestandteile des Persönlichkeitsrechts 3. Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Klassisches allgemeines Persönlichkeitsrecht . . . . . . b) Vermögenswerte Bestandteile des Persönlichkeitsrechts Virtuelle Güter aus Online-Welten . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. Vertikale und horizontale Grenzen des Schutzbereichs normierter Ausschließlichkeitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Sacheigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die rivalisierende Nutzung von Sachen als vertikale Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Sache als zugeordnetes Gut . . . . . . . . . . . b) Die Einwirkung als zugeordnete Nutzung . . . . . 2. Die horizontale Grenze zugeordneter Sachnutzungen
. . . . . .
212 212
. . . .
213 213 218 222
. . . .
. . . .
XIII
Inhaltsverzeichnis
II. Immaterialgüterrechte . . . . 1. Urheberrecht . . . . . . . 2. Gewerbliche Schutzrechte 3. Kennzeichenrecht . . . . .
. . . .
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225 226 229 231
C. Zusammenfassende Bewertung und Überleitung . . . . . . . . . . . .
232
§ 6 Deliktsrecht des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
237
A. Einführung und Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
237
B. Das „sonstige Recht“ gem. § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . I. § 823 Abs. 1 BGB und die Funktion des Deliktsrechts im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. § 823 Abs. 1 BGB und das „sonstige Recht“ im System des Deliktsrechts des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das „sonstige Recht“ im Kontext von § 823 Abs. 1 BGB IV. Übersicht: Die Rechtsentwicklung zum „sonstigen Recht“ 1. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . 2. Das Recht am Gewerbebetrieb . . . . . . . . . . . . . a) Schutzgegenstand und Schutzzweck . . . . . . . . . b) Formale Wirkungen und Struktur . . . . . . . . . . 3. „Sonstige Rechte“ und Familienrecht . . . . . . . . . . 4. „Sonstige Rechte“ und Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassende Stellungnahme . . . . . . . . . . . . .
. . .
240
. . .
240
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
243 249 254 255 256 256 264 269 271 274
. . . .
. . . .
277 278 278 278
. . . . . . . . .
281 284 284
. . . .
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285 285 286 288
D. Der allgemeine Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch . . . . . . I. Der allgemeine Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch als Ausdruck der Anerkennung gegen jedermann wirkender subjektiver Rechte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
289
C. Die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung gem. § 826 BGB . . I. § 826 BGB und die Funktion des Deliktsrechts . . . . . . II. § 826 BGB im System des Deliktsrechts des BGB . . . . 1. Die Entwicklungsfunktion als Generalklausel . . . . . 2. Das Enumerationsprinzip und die Begrenzung des Tatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Tatbestand des § 826 BGB und die Güterzuordnung 1. Güterschutz als Gebot der guten Sitten . . . . . . . . . 2. Kritik aus der Sicht des Tatbestands und des Zwecks von § 826 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Struktur des Tatbestands . . . . . . . . . . . . . . . b) Zweck der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassende Stellungnahme . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
289
XIV
Inhaltsverzeichnis
II. Überblick: Gesetzliche Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Tatbestand des allgemeinen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das verwirklichte Rechtsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Folgerungen für die dogmatische Einordnung des allgemeinen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs . . . . . . . . . . . VI. Folgerungen für die Frage nach dem Rechtsprinzip der Güterzuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
293 296 296 302 303 306 309
E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
311
§ 7 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb . . . . . . . . . . . . .
313
A. Einführung
313
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. Das UWG als Schrittmacher der Güterzuordnung . . . . . . . . . I. Die Entwicklungsfunktion der Generalklausel des § 3 UWG II. Güterschutz auf der Basis des UWG . . . . . . . . . . . . . 1. Wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz im UWG 1909 . a) Entwicklung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . b) Dogmatische Verarbeitung in der Literatur . . . . . . . 2. Wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz im UWG 2004/2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundzüge der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . b) Auffassungen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . .
316 316 320 320 320 330
. . .
333 333 335
C. Das UWG als Sonderdeliktsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
338
D. Der Zweck des UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Individuelle Interessen und Interessen der Allgemeinheit . . . 1. Reiner Individualschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sozialrechtliches Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schutzzwecktrias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schutz des Allgemeininteresses am unverfälschten Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wortlaut, Systematik und Begründung der §§ 1, 3 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorgeschichte, verfassungsrechtliche und europarechtliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Geistesgeschichtliche Wurzeln der Schutzzweckdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schutz des unverfälschten Wettbewerbs als Umsetzung verfassungs- und europarechtlicher Vorgaben . . . .
340 342 342 345 347 349 350 353 353 359
XV
Inhaltsverzeichnis
II. Schutz unverfälschten Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . 1. Ordnung subjektiver Wettbewerbsfreiheiten als Ziel des Lauterkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Folgerungen für die Frage nach der Güterzuordnung . . III. Konkretisierung des Zwecks des UWG . . . . . . . . . . . 1. Wahrung der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs . . . 2. Inkompatibilität eines grundsätzlichen Leistungsschutzes mit diesem Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. .
362
. . . .
. . . .
363 368 371 371
. .
374
. . . . . .
. . . . . .
376 377 377 383 384 388
F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
396
§ 8 Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
402
A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
402
B. Deliktsrecht und Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Formale Unterschiede zwischen Deliktsund Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konsequenzen für die Einordnung der Eingriffskondiktion: Die Rechtswidrigkeitstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
408
C. Eingriffskondiktion und Güterzuordnung . . . . . . . . . . . . . . I. Einheitlicher Zweck des Bereicherungsrechts? . . . . . . . . II. Zweck der Eingriffskondiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Theoretische Verarbeitung: Lehre vom Zuweisungsgehalt III. Offenheit und Grenzen des Tatbestands der Eingriffskondiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Offene Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Enumeration der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
417 417 420 420 426
. . .
429 429 432
. . . . . . . . .
437 438 443
. . . .
443 446 446 448
E. Die güterzuordnungsrelevanten Regelungen des UWG . I. Nachahmung als unlauterer Wettbewerb . . . . . . 1. Besondere Umstände . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zweck und Struktur der einschlägigen Verbote 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Weitergehender Leistungsschutz? . . . . . . . . . .
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. . . . . .
D. Quellen und Voraussetzungen des Zuweisungsgehalts . . . . . I. Interne oder externe Generierung des Zuweisungsgehalts II. Voraussetzungen externer Güterzuweisung . . . . . . . . 1. Unklarheit über Voraussetzungen und Grenzen des Zuweisungsgehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertretene Auffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Negativer Zuweisungsgehalt . . . . . . . . . . . . . b) Positiver Zuweisungsgehalt . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . .
. . . .
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408 413
XVI
Inhaltsverzeichnis
aa) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Übertragbare Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gesetzliche Güterzuordnung . . . . . . . . . . . dd) Rechtlich anerkannte Verwertungsmöglichkeit . ee) Marktrelevanztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Negativer oder positiver Zuweisungsgehalt? . . . . . b) Positiver Zuweisungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . aa) Marktrelevanztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtlich anerkannte Verwertung . . . . . . . . . cc) Gesetzliche Zuweisung von Vermögensvorteilen
. . . . . . . . . . .
448 451 452 453 455 456 457 460 460 462 464
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
467
§ 9 Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
473
A. Einführung
473
E. Zusammenfassung
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. Echte und unechte Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . I. Die Unterscheidung zwischen echter und unechter Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . 1. Vertretene Auffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zweck der echten Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677–686 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Funktion der unechten Geschäftsführung ohne Auftrag
. . . .
478
. . . . . . . . . . . .
478 478 480
. . . . . . . .
484 492
C. Geschäftsanmaßung im Vergleich zum Deliktsund Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Geschäftsanmaßung und Deliktsrecht . . . . . . . . . . . . . . II. Geschäftsanmaßung und Bereicherungsrecht . . . . . . . . . .
496 496 500
D. Der Tatbestand der Geschäftsanmaßung gem. § 687 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Enumeration der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Interne oder externe Ausfüllung des Merkmals „fremdes Geschäft“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bedeutung des Tatbestandsmerkmals „fremdes Geschäft“ 1. Gesetzliche Zuweisung von Gewinnen . . . . . . . . . 2. Anwendungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Zusammenfassende Stellungnahme und Überleitung . . . . I. Güterzuordnender Gehalt der Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesetzliche Schuldverhältnisse und Güterzuordnung III. Überleitung zum Rechtsverkehrsrecht . . . . . . . . .
. . . . . .
504 504
. . . .
. . . .
509 511 512 519
. . . . .
523
. . . . . . . . . . . . . . .
523 527 532
. . . .
XVII
Inhaltsverzeichnis
§ 10 Generalklauseln des Rechtsverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . .
534
A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . I. Relevanz der Verkehrsfähigkeit II. Herangehensweise . . . . . . . III. Aufbau . . . . . . . . . . . . . .
534 534 537 538
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B. Die Begründung der Übertragbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff der Übertragbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Vorschriften zur Übertragung von Rechten im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. § 413 BGB als Rechtsgrundlage der Übertragbarkeit? . . . . . IV. Die Ermächtigung als Ersatzinstrument zur Begründung der Verkehrsfähigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsnatur der Ermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ermächtigung als Teilrechtsübertragung? . . . . . . . . . b) Die Ermächtigung als Überlassung zur Ausübung . . . . c) Die Ermächtigung als der Vertretung verwandtes Rechtsinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grenzen zulässiger Ermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . a) Grenzen der Einziehungsermächtigung und der gewillkürten Prozessstandschaft . . . . . . . . . . . . b) Einwilligungsermächtigung als unzulässige Verpflichtungsermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
539 539
C. Nießbrauch und Pfandrecht an Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die §§ 1068 ff., 1273 ff. BGB als Rechtsgrundlage der Nießbrauchsbestellung und Verpfändung? . . . . . . . . . III. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine konstitutive Wirkung der §§ 1068 Abs. 1, 1273 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nießbrauch und Pfandrecht an Gesamtheiten, insbesondere dem Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis und Verbindungslinien zur Übertragbarkeit und zur Pfändbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
570 570
D. Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. § 857 ZPO als Rechtsgrundlage der Zwangsvollstreckung? III. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zwangsvollstreckungsrecht als Verfahrensrecht . . . . 2. Begrenztheit der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . .
587 587 589 593 593 594
. . . . . . . . . . . . . . . . .
543 546 551 551 556 556 559 560 563 564 565 568
573 574 574 578 584
XVIII
Inhaltsverzeichnis
3. Zwangsvollstreckung in subjektive Rechte . . . . . . . . . . 4. Der Begriff des „anderen Vermögensrechts“ . . . . . . . . IV. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pfändung nur selbständiger subjektiver Rechte . . . . . . . 2. Anwendung auf „neue“ Güter in der Zwangsvollstreckung a) Internet-Domain . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geheimnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Persönlichkeitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Reichweite des Insolvenzbeschlags . . . . . . . . . . . . 1. Das subjektive Recht als Gegenstand der Insolvenzmasse 2. Sonstige Vermögenswerte als Gegenstand der Insolvenzmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Materiellrechtliche Wirkungen des Insolvenzbeschlags . . . 1. Das Insolvenzrecht als Verfahrensrecht . . . . . . . . . . 2. Die Verwertung nicht zugeordneter Vermögenswerte . . a) Die Orientierung am einzelnen „Gegenstand“ . . . . . b) Unternehmen, Kundenlisten und Geheimnis in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
596 598 603 603 606 606 608 610
. . . .
611 611 614 614
. . . . . .
616 622 626 627 630 630
. .
631 633
. . . . . .
636 636 640
. . . .
644 644
. . . . . .
647 650 652
G. Strukturen des Rechtsverkehrsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . .
654
§ 11 Die Eigentumsgarantie als Grundlage der Güterzuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
660
A. Einführung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
660
B. Der Schutzbereich der Eigentumsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . I. Funktion der Eigentumsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Begriff des verfassungsrechtlichen Eigentums . . . . . . .
664 665 668
F. Vererblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einführung und Zusammenhang zur Gesamtvollstreckung II. Der Begriff des Vermögens gem. § 1922 BGB . . . . . . . III. Der Regelungsgehalt des Erbrechts im Hinblick auf die Vererblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungszweck des § 1922 BGB . . . . . . . . . . . . . 2. Maßgeblichkeit erbrechtsexterner Wertungen im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine Modifikation der materiellen Güterordnung . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIX
Inhaltsverzeichnis
1. Art. 14 GG als normgeprägter Tatbestand . . . . . . . . 2. Merkmale des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs a) Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis als formale Merkmale des verfassungsrechtlichen Eigentums . . . b) Irrelevanz von Leistung, Vermögenswert und Verkehrsanschauung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Eigene Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Subjektive Privatrechte . . . . . . . . . . . . . (2) Subjektive öffentliche Rechte . . . . . . . . . bb) Der Vermögenswert . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Verkehrsanschauung . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
668 675
. .
675
. . . . . . .
. . . . . . .
682 682 683 685 687 689 690
C. Zuordnungsgebot aus Art. 14 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gestaltungsbefugnis und Bindung . . . . . . . . . . . . . 1. Das Paradox der Eigentumsgarantie . . . . . . . . . . . 2. Die Ebenen der Bindungs- und Verpflichtungswirkung a) Generelle Bestandsgarantie und Schutzpflichten . . b) Konkrete Institutsgarantie . . . . . . . . . . . . . . c) Abstrakte Institutsgarantie . . . . . . . . . . . . . . II. Pflicht zur Schaffung verfassungsrechtlichen Eigentums . 1. Materielle Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grenzen des Zuordnungsgebots . . . . . . . . . . . 2. Kompetenz und Verfahren zur Umsetzung des Zuordnungsgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
691 692 692 694 695 697 698 702 702 702 708
. . .
711
D. Zusammenfassende Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . I. Kein Zuordnungsgebot aus Art. 14 GG . . . . . . . 1. Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendung auf das Recht am Gewerbebetrieb 2. Die Pflicht zur Gewährleistung des Eigentums . II. Eigentum und Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
717 717 718 718 719 723 726
§ 12 Güterzuordnung auf der Basis eines Rechtsprinzips?
. . . . . .
730
A. Rechtsprinzipien als Mittel zur Überwindung der Hürde zwischen Sein und Sollen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
730
B. Die Kerngedanken der Zuordnung . . . . . . . . I. Vermögenswert . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Gut als Emanation persönlicher Arbeit III. Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . .
732 733 734 737
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
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. . . . . . .
. . . .
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. . . . . . .
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. . . .
XX
Inhaltsverzeichnis
C. Geltung als zur Rechtsfortbildung legitimierendes Rechtsprinzip? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Scheinbare und fehlende „Begründungen“ . . . . . . . . . . . II. Naturrecht als Quelle des Rechtsprinzips? . . . . . . . . . . . 1. Naturrechtliche Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Normabhängigkeit und Wandelbarkeit des Eigentums . b) Legitimität des Naturrechts . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Grundgesetz als Einbruchstelle und Begrenzung des Naturrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die fehlende Durchführung der Zuordnungsgedanken in der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Kerngedanken der Güterzuordnung und das Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Kerngedanken der Zuordnung und das Privatrecht . . IV. Grenzen der Kompetenz der Judikative im demokratischen Rechtsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rechtsphilosophische Bestätigung des Transformationsvorbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Wahrung gleicher Freiheit als kollidierendes Rechtsprinzip . . D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
739 739 745 745 747 748 752 756 761 761 763 766 772 784 790
Teil 3
Konsequenzen und Ausblick § 13 Grenzen güterzuordnungsrelevanten Rechts und Lösung der Beispielsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Grenzen güterzuordnungsrelevanten Rechts . . . . . . . . . . I. Statik güterzuordnender Vorschriften . . . . . . . . . . . . . II. Grenzen deliktsrechtlicher Dynamik . . . . . . . . . . . . . 1. Fortbildung des BGB-Deliktsrechts . . . . . . . . . . . . a) Statik und Dynamik des BGB-Deliktsrechts . . . . . . b) Kein Verbot der Fortbildung des Deliktsrechts . . . . c) Unzureichende Erklärungen der Rechtsfortbildung . . d) Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Voraussetzungen für eine Überwindung des Enumerationsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nachweis der Tragfähigkeit anhand von Beispielen 2. Anwendung der lauterkeitsrechtlichen Generalklausel . . a) Dynamik des Lauterkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . b) Allgemeine Marktstörung und Investitionsschutz . . .
794
. . . . . . . .
794 794 796 796 796 797 799 802
. . . . .
802 805 811 811 812
XXI
Inhaltsverzeichnis
B. Lösung der Beispielsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bilder von Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Übertragung von Sportveranstaltungen . . . . . . . . . . III. Inzwischen immaterialgüterrechtlich geschützte Güter und Parfüm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Internet-Domain . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Geheimnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Energieverbrauch, insbesondere elektrische Energie . . . VII. Persönlichkeitsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutz vor Kommerzialisierung . . . . . . . . . . . . . a) Zu Lebzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Postmortal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ermöglichung von Kommerzialisierung . . . . . . . . 3. Die Marlene-Rechtsprechung als verfassungswidrige Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfassungsrechtliche Verankerung des Persönlichkeitsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kein Rechtsprinzip der Zuordnung persönlicher Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Virtuelle Güter aus Online-Welten . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . .
816 816 817
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
819 820 821 822 825 826 826 830 836
. . .
838
. . .
838
. . . . . .
845 854
§ 14 Dogmatik des Güterzuordnungsrechts . . . . . . . . . . . . . . .
856
A. Subjektive Rechte vs. gesetzlicher Interessen- und Güterschutz . . . I. Das subjektive Recht als irrelevante Hilfsvorstellung? . . . . . II. Güterschutz als Verwirklichung eines subjektiven Rechts? . . III. Relative Ausschließlichkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
857 857 863 872
B. Eine allgemeine Theorie der Güterzuordnung . . . . . . . . . . . I. Die privatautonome Begründung primärer relativer Rechte II. Die richterliche Kompetenz zum Schutz negativer Freiheit im Verhältnis zu jedermann . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die gesetzgeberische Kompetenz zum Schutz positiver Freiheit im Verhältnis zu jedermann . . . . . . . . . . . . .
. . . .
873 874
. .
880
. .
884
C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
888
§ 15 Güterzuordnung und Freiheitsschutz im Privatrecht . . . . . . .
891
A. Eine Generalklausel für Ausschließlichkeitsrechte?
. . . . . . . . . .
891
B. Freiheitsschutz als Aufgabe der Privatrechtswissenschaft . . . . . . . I. Liberale Kritik der Eigentumslogik . . . . . . . . . . . . . . . .
895 896
. . . . . . . . .
XXII
Inhaltsverzeichnis
1. Das subjektive Recht als notwendiges Element einer freiheitlichen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Hypertrophie der Ausschließlichkeitsrechte als Gefahr für die Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Instrumente des Freiheitsschutzes im Privatrecht . . . . . . . 1. Grenzen der Zuordnung und Haftung als Schutz der Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Freiheitsschutz durch das allgemeine Gesetz . . . . . . . .
906 907
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
911
Personen- und Sachverzeichnis
979
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
896 899 906
Einleitung
A. Das Ausgangsproblem Die Erfahrung lehrt, dass gesellschaftliche, wirtschaftliche und technologische Entwicklungen immer wieder Güter und darauf bezogene Bedürfnisse hervorbringen, für die sich die Frage stellt, ob, in welchem Umfang und wem diese Güter zugeordnet werden sollen1. So werden zum Beispiel unterschiedliche soziokulturelle Voraussetzungen für ein Bedürfnis nach individueller Zuordnung von beweglichen und unbeweglichen Sachen formuliert. Während Grabbeigaben darauf schließen lassen, dass ein Eigen an beweglichen Sachen bereits in frühester Zeit menschlicher Kultur anerkannt war, wird die Entstehung des Eigentums an Grundstücken erst mit dem Übergang von der nomadisierenden zur ackerbauenden Lebensweise und dem Erlebnis der Tragödie der Allmende in Zusammenhang gebracht, so dass Grundstücke wohl erst später als bewegliche Sachen und Tiere als zuordnungsbedürftig empfunden wurden2. Weitere und aktuellere Beispiele der Kommerzialisierung3 eines bereits bekannten, aber nicht marktmäßig gehandelten Gutes aufgrund gesellschaftlich-wirtschaftlicher Veränderungen sind die Vermarktung von Persönlichkeitsmerkmalen wie Name, Bildnis und Stimme sowie die Übertragung von Sportveranstaltungen im Fernsehen und Hörfunk.
1 Zum „gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technischen Wandel“ als Grund, gesetzliche Regelungen für ergänzungsbedürftig zu halten BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 – Marlene. Ferner Kruse, Eigentumsrecht, 182 („In jedem Augenblick kann bei den starken technischen Fortschritten der Gegenwart … eine Reihe von Erscheinungen entstehen, die wirtschaftlich von größtem Wert sind und die nur durch einen bedeutenden individuellen Arbeitseinsatz geschaffen werden können …“.); Schapp, JZ 2006, 581, 585 („Der Fortschritt der Naturwissenschaften forciert die Eigentumswelt und deren immer weitere Ausdehnung forciert den naturwissenschaftlichen Erkenntnisprozeß.“); Schwartländer, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 83, 90 (die „Versachlichung der Natur“ durch „wissenschaftlich-technischen Zugriff“ könne den Umfang des möglichen Eigentums „unendlich erscheinen“ lassen); Damm, ARSP 79 (1993), 159, 170 f. (zum Zusammenhang zwischen gen- und medizintechnischer Entwicklung und neuen subjektiven Rechten). 2 Müller-Erzbach, ZHR 88 (1926), 173, 180 ff. m.w.N. auf Untersuchungen in verschiedenen Kulturkreisen; Willoweit, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 7; Pipes, Property and Freedom, 88 ff.; Parisi, in: Porrini/Ramello, Property Rights Dynamics, 19 ff. Zur Tragödie der Allmende noch unten § 3 B II a. 3 Zum Begriff der Kommerzialisierung Wagner, Perspektiven im Schadensersatzrecht, A 24.
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Einleitung
Außer solch sozio-kulturellen Entwicklungen generiert der technische Fortschritt neue Waren und Dienstleistungen, auf die sich menschliche Bedürfnisse richten. Zum Beispiel musste elektrische Energie als Naturkraft überhaupt erst von Menschen beherrscht und nutzbar gemacht werden, bevor die Nutzungsverhältnisse an diesem Gut rechtlich einzuordnen waren. Die Geschichte des Immaterialgüterrechts zeigt, dass das Bewusstsein der Existenz schutzbedürftiger Immaterialgüter wie der persönlichen geistigen Schöpfung im Bereich von Literatur, Wissenschaft und Kunst oder der technischen Erfindung vom Stand der jeweils verfügbaren Reproduktionstechniken abhängt. Denn ohne die Möglichkeit, das Schriftwerk oder die Erfindung in kommerziell relevanter Weise zu vervielfältigen, werden Urheber und Erfinder gar nicht gewahr, dass sie zuordnungsbedürftige Güter geschaffen haben4. Ein ganze Reihe neuer Güter hat die Entstehung des Internets mit sich gebracht. Zu ihnen zählen die Internet-Domain und als wohl aktuellstes, in der Rechtswissenschaft noch relativ wenig beachtetes Phänomen virtuelle Güter aus Online-Computerspielen, die in der realen Welt gegen harte Währung getauscht werden, um ohne eigenen Spielaufwand an Figuren und andere virtuelle Gegenstände zu gelangen5. Die Beispiele verdeutlichen, dass die Wandlungen der Eigentumsordnung nicht nur auf rechtlicher Ebene vonstatten gehen6, sondern auch faktische Entwicklungen in Gestalt „neuer“ Güter zu berücksichtigen sind, auf die sich menschliche Bedürfnisse richten. Bekanntlich reagiert das Recht auf die Änderung von Lebenssachverhalten7. Dies betrifft eben auch die Frage der Zuordnung „neuer“ Güter, die sich überhaupt erst stellt, wenn Konflikte um deren Nutzung auftreten. Es wäre nun vorstellbar, dass eine Rechtsordnung für diese Situation eine Generalklausel vorhält, die ein weiteres Tätigwerden des Gesetzgebers entbehrlich macht, indem etwa jedes faktisch vermögenswerte Gut demjenigen, der es maßgeblich hervorgebracht hat, unter Ausschluss aller anderen zugewiesen wird. In der deutschen Rechtsordnung, der die folgende Untersuchung gewidmet ist, findet sich eine solche Generalklausel jedenfalls in kodifizierter Form unstreitig nicht8. Nimmt man – hier noch als Arbeitshypothese9 – hinzu, dass die Regelungen des Sachen- und Immaterialgüterrechts durchweg ein bestimmtes Gut be4 Zum Begriff des Immaterialguts unten § 1 A III 1; ferner Troller, FS Gutzwiller, 769, 771 f.; für Persönlichkeitsrechte Damm, ARSP 79 (1993), 159, 181 (grundsätzliche Weichenstellungen zur Anerkennung der Persönlichkeitsrechte seien ohne die Entwicklung der Technik nicht erklärbar). 5 Dazu unten § 4 B VIII. Zum Internet als Beispiel der Entstehung neuer Güter durch technische Entwicklung Mueller, Ruling the Root, 255. 6 Dazu unten § 12 C II 2 a. 7 Zu diesem sog. cultural lag nur Rehbinder, Rechtssoziologie, Rn. 49, 191; ferner BVerfG NJW 2006, 3409 – Marlene (begrenzte Reaktionsmöglichkeiten des Gesetzgebers angesichts des beschleunigten Wandels der gesellschaftlichen Verhältnisse). 8 Siehe nur BVerfG NJW 1992, 36 f. (die deutsche Rechtsordnung kenne kein „subjektives Recht an einem ,auf dem Markt eingeführten Produkt‘ in seiner konkreten Beschaffenheit und Zusammensetzung“). 9 Im Einzelnen unten § 5.
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treffen und einen bestimmten Schutzbereich haben, dann erscheint diese gesetzliche Güterzuordnung häufig als unvollständig10. Hierauf kann der an die verfassungsmäßige Ordnung gebundene Gesetzgeber (Art. 20 Abs. 3 1. Alt. GG) mit einem neuen Ausschließlichkeitsrecht reagieren. Aber selbst dann wird es immer eine gewisse Zeitspanne geben, in der die Zuordnungsfrage noch nicht durch die Legislative entschieden und zwischen den betroffenen Privatrechtssubjekten streitig ist. Während manche für sich beanspruchen, allein über die Nutzung des neuen Gutes entscheiden und das daran bestehende „Recht“ übertragen und verwerten zu können, reklamieren andere die uneingeschränkte Nutzung unter Berufung auf ihre allgemeine Handlungsfreiheit für sich. Zur Entscheidung solcher Streitigkeiten ist die rechtsprechende Gewalt berufen, deren Kompetenz schon wegen der andersartigen Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 3. Alt. GG) streng von derjenigen des Gesetzgebers zu unterscheiden ist11. Und tatsächlich gibt es eine Vielzahl einschlägiger Urteile zum skizzierten Interessenkonflikt um (noch) nicht spezialgesetzlich zugeordnete Güter12: Dabei deuten einige Entscheidungen und ganze Rechtsentwicklungen darauf hin, dass die Gerichte durchaus für sich in Anspruch nehmen, die vor sie gebrachte Zuordnungsfrage positiv beantworten zu können, indem sie aussprechen, wem in welchem Umfang alleinige, durchaus auch verkehrsfähige Befugnisse zukommen. So haben das Reichsgericht und der Bundesgerichtshof viele inzwischen normierte Immaterialgüterrechte auf allgemein bürgerlichrechtlicher und insbesondere lauterkeitsrechtlicher Grundlage vorweggenommen, indem bestimmten Personen Ansprüche gegen die Vervielfältigung und sonstige Übernahme von – in chronologischer Reihenfolge der Entscheidungen – künstlerischen Darbietungen und deren Veranstaltung, Tonträgern, Sendungen, Modeerzeugnissen, Pflanzenzüchtungen, Computerprogrammen und Datenbanken gewährt wurden. Rechtsprechung und ganz herrschende Meinung sind ferner der Auffassung, (elektrische) Energie sei dem Versorgungsunternehmen bzw. dessen vertraglichen Abnehmer so zugewiesen, dass bei unerlaubtem Energieverbrauch Ansprüche aus Eingriffskondiktion gegen den jeweilig Begünstigten gegeben seien. Aber nicht nur Ansprüche gegen unerlaubte Nutzung wurden gewährt, sondern auch der Rechtsverkehr mit nicht ausdrücklich normierten Rechtspositio-
10 Siehe Zitelmann, IPR, 52; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 232 ff.; Raiser, JZ 1961, 465, 467; Kur, GRUR 1990, 1, 15; Sambuc, Nachahmungsschutz, 3. 11 Zur geringeren Bindung des Gesetzgebers im Vergleich zur Rechtsprechung BVerfGE 37, 67, 81 (1974). Undifferenziert hingegen BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 – Marlene („… der Gesetzgeber und die Zivilgerichte sind grundsätzlich nicht daran gehindert, den Schutz des Persönlichkeitsrechts weiter auszubauen als verfassungsrechtlich geboten …“); ebenso Heinz, Mitt. 1994, 1, 5; Walch, Leistungsschutz, 105 (die richterliche Herausbildung von „Ersatz-Ausschließlichkeitsrechten“ sei zulässig, weil der Gesetzgeber selbst diesen Kanon ja dauernd durchbreche); Fournier, Bereicherungsausgleich, 109 ff. (die Gesetzesgeschichte spreche für die Erweiterungsfähigkeit des Schutzes von Immaterialgütern). 12 Im Einzelnen unten § 4 B.
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nen für möglich erachtet: In der bis heute nicht aufgegebenen Dücko-Entscheidung zur Verwertung nicht patentierten Geheimwissens im Konkurs führte der Bundesgerichtshof 1955 aus, auch ohne Patent habe der Schuldner „auf Grund seines im Betriebe benutzten Geheimverfahrens ein Ausschlußrecht, das ihm im Verletzungsfall Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche aus § 823 BGB und § 17 UWG“ gewähre und das der Konkursverwalter auf Dritte übertragen könne, so dass dem Erwerber ein Anspruch auf Unterlassung künftiger Benutzung des Geheimverfahrens gegen den Schuldner zukomme13. Den vorläufigen Schluss- und Höhepunkt von Entscheidungen, die ohne spezialgesetzliche Grundlage die Güterzuordnungsfrage positiv beantworteten, bildet die richterrechtliche Anerkennung ungeschriebener, aber dennoch vererblicher „vermögenswerter Bestandteile des Persönlichkeitsrechts“. Schon das in der Leserbrief-Entscheidung anerkannte „klassische“ allgemeine Persönlichkeitsrecht (aPR) sucht man im geschriebenen Recht vergeblich. Es wird von der Rechtsprechung aber seit mehr als 50 Jahren als „sonstiges Recht“ i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB angesehen, so dass Abwehr- und Schadensersatzansprüche gegeben sein können. Demnach ist insbesondere die Nutzung von persönlichen Merkmalen zu kommerziellen Zwecken, etwa in der Werbung, grundsätzlich nur mit Zustimmung des Betroffenen zulässig. Die Rechtsprechung anerkennt für diese Fälle auch Ansprüche auf Herausgabe der Bereicherung; die Pflicht zur Gewinnherausgabe wegen Geschäftsanmaßung (§§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 BGB) wird in der Literatur überwiegend bejaht. Dabei sind die Gerichte nicht stehengeblieben. Der durch Kommerzialisierung entstehende Vermögenswert der Persönlichkeitsmerkmale erfahre eine „Verselbständigung“ und werde dem nach dem Tod wahrnehmungsberechtigten Erben „zugeordnet“14. Die herrschende Meinung in der Literatur stimmt zu und folgert konsequent eine dem Urheberrecht entsprechende (beschränkte) Übertragbarkeit und Pfändbarkeit der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts. Damit weisen diese ungeschriebenen Rechte alle Merkmale des Urheberrechts auf, das anerkanntermaßen verfassungsrechtliches Eigentum darstellt. Diese Rechtsprechung wurde vom Bundesverfassungsgericht 2006 als unbedenkliche Rechtsfortbildung eingestuft. Der Gesetzgeber habe nicht geklärt, wem die Vermögensvorteile aus der Vermarktung von Persönlichkeitsmerkmalen zustehen sollen; die Klärung dieser Frage könne Gegenstand richterlicher Rechtsfortbildung sein15. In anderen Entscheidungen zu „neuen“ Gütern stützen sich die Gerichte hingegen auf das normierte Sachen- und Immaterialgüterrecht sowie etwaige vertragliche Vereinbarungen, ohne die Zuordnungsproblematik über diesen Rahmen hinaus selbst zu beantworten. So hat der Bundesgerichtshof in der Literatur vielfach geforderte, ausschließliche und verkehrsfähige Rechte zur Übertragung 13
BGHZ 16, 172 ff. (1955) – Dücko; ausdrücklich offengelassen wird die Frage der Pfändbarkeit von Know-how von BGH NJW 1989, 2536, 2537. 14 BGHZ 165, 203, 209 (2005); grundlegend BGHZ 143, 214 ff. (1999) – Marlene. 15 BVerfG NJW 2006, 3409 f. – Marlene.
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von Sportveranstaltungen in Funk und Fernsehen ausdrücklich abgelehnt und den Veranstalter auf seine Befugnis zur vertraglichen Vereinbarung zusätzlicher Entgelte auf der Basis des Hausrechts am Stadion verwiesen16. Gegen Stimmen in der Literatur haben Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht ferner ein „absolutes Recht“ an der Internet-Domain als solcher ausdrücklich verworfen. Die Rechtsposition des Domain-Inhabers beschränke sich auf den schuldrechtlichen Anspruch auf Konnektierung der Domain und etwaigen Kennzeichenschutz nach Maßgabe der Gesetze. Die Domain als technische Adresse sei eine rein faktische Ausschließlichkeit, aber kein pfändbares „sonstiges absolutes Recht“ ähnlich einem Immaterialgüterrecht, weil es an einem vom Gesetzgeber geschaffenen, durch Parteivereinbarung nicht zu begründenden „Absolutheitsanspruch“ fehle17. Diese Gegenüberstellung bestätigt das Phänomen der Unvollständigkeit der Güterzuordnung beim Auftreten „neuer“ Güter aufgrund gesellschaftlich-wirtschaftlicher oder technologischer Entwicklungen. Des Weiteren erweisen sich die Reaktionen der Rechtsprechung als uneinheitlich. Für einige Güter werden rechtsfortbildend positive Zuordnungsentscheidungen getroffen, für andere verbleibt es dagegen bei einem Verweis auf gesetzliche und vertragliche Regelungen. Wenn das Bundesverfassungsgericht einerseits ein ungeschriebenes verfassungsrechtliches Eigentum an der Internet-Domain als solcher mit dem Bundesgerichtshof ablehnt18, andererseits ausdrücklich akzeptiert, dass die ordentlichen Gerichte aus „den allgemeinen Rechtsgrundlagen“ die „Verselbständigung“ und Vererbung von vermögenswerten Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts ableiten und damit bestimmen, wem die entsprechenden Vermögensvorteile zustehen sollen19, ist ersichtlich klärungsbedürftig, ob jenseits des Sachen- und Immaterialgüterrechts eine Rechtsgrundlage für gerichtliche Zuordnungsentscheidungen besteht oder ob das Interesse der nutzungswilligen Dritten auch rechtsfortbildend nicht zugunsten individueller Schutzbedürfnisse zurückgestellt werden darf20.
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BGHZ 165, 62, 67 ff. (2005) – Hörfunkrechte; BGHZ 110, 371, 383 f. (1990). BGH NJW 2005, 3353 f.; BVerfG NJW 2005, 589. 18 So die 3. Kammer des 1. Senats in der Besetzung der Richter Papier, Steiner und HohmannDennhardt, BVerfG NJW 2005, 589. 19 So die 1. Kammer des 1. Senats in der Besetzung der Richter Papier, Hohmann-Dennhardt und Hoffmann-Riem, BVerfG NJW 2006, 3409 f. – Marlene. 20 Zur Bedeutung der Fragestellung, ob die Gerichte auch ohne spezialgesetzliche Rechtsgrundlage Zuordnungen vornehmen können, siehe Götting, Wettbewerbsrecht, 22 („Eine grundlegende dogmatische Klärung der Problematik steht bis heute aus.“); ders., Mitt. 2005, 12, 13 („elementare[n]“ Frage); Helle, RabelsZ 60 (1996), 448, 473 („Die Gretchenfrage des Problems lautet, ob nur der Gesetzgeber befugt ist, für Persönlichkeitsrechte dingliche Verwertungsformen etwa nach dem Vorbild der urheberrechtlichen Nutzungsrechte zu schaffen.“); Fezer, FS GRUR II, 939, 942 („bedeutsame[n] Frage“ zur Reichweite der Kodifikationsidee); Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 121 (die Rechtsprechung habe die Frage nach dem numerus clausus nicht geklärt, sondern anhand von Unterstellungen beiseite geschoben). 17
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B. Herangehensweise und Stand der Forschung I. Sacheigentum und Immaterialgüterrechte als Orientierungspunkte Anhand der bisher referierten Beispiele lässt sich die hier gestellte Frage in einer ersten Annäherung dahin umreißen, ob die Rechtsprechung ggf. unter Berufung auf ein Rechtsprinzip der Güterzuordnung „neue“ Güter zugunsten einer Person exklusiv schützen und den Rechtsverkehr mit den anerkannten Rechtspositionen zulassen darf. Diese noch sehr allgemeine Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen richterlicher Güterzuordnungen ist problematisch, weil ganz verschiedene Vorstellungen mit der Rede verbunden sind, etwas „gehöre“ jemandem, stehe in seinem Eigentum21 oder sei ein „Recht“22. So erklären zum Beispiel viele, vom geschriebenen Recht weitgehend abgekoppelte Ausführungen zum Begriff des Eigentums im Allgemeinen den Ausschluss Dritter zum maßgeblichen Kriterium23. Dass eine solche abstrakte Feststellung nicht genügt, weil „das Eigenthum … nicht die einzige Form des Gehörens“ ist, hat v. Ihering mit folgendem Beispiel treffend verdeutlicht: „Meine Haare gehören mir und, wenn sie abgeschnitten sind, fallen sie in mein Eigenthum, daraus folgt aber nicht, daß sie schon vorher in dieser Form mir gehören müßten.“24 Erforderlich ist also eine Konkretisierung dessen, was unter Güterzuordnung verstanden wird25. Als Orientierungspunkte werden hier das Sacheigentum und die Immaterialgüterrechte verwendet, wie sie als umfassendste Kategorie der Zuordnung von Gütern in der deutschen Rechtsordnung normiert sind. Wie noch zu zeigen sein wird, weisen jene subjektiven Rechte übereinstimmende Strukturen auf und werden daher als „Ausschließlichkeitsrechte“ bezeichnet. Damit lässt sich die Fragestellung der folgenden Untersuchung dahingehend fokussieren, ob
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Siehe Schwartländer, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 83, 91 (Begriff des Eigentums kaum eindeutig bestimmbar); Ryffel, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 61, 64. Kritisch gerade zur in jenem Band versammelten rechtsphilosophischen Diskussion Raiser, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 121, 125. 22 Zum Begriff des „right“ in der englischsprachigen rechtsphilosophischen Diskussion Rainbolt, Concept of Rights, 80 (diese Fragestellung beantworte nicht, unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen ein „right“ im Rechtssystem gegeben sei). 23 So etwa v. Ihering, Geist des römischen Rechts, 337; Gast, FS Wolf, 87 (Eigentum als „die ursprüngliche Zuständigkeit einer Person (oder Personenmehrheit), in bezug auf einen Gegenstand Entscheidungen zu treffen“); Bucher, Das subjektive Recht, 163 (die Absolutheit des Eigentums sei ein „allgemeingültiges formales, d.h. unabhängig von einer bestimmten Privatrechtsordnung und damit für alle Privatrechtsordnungen geltendes Merkmal des Eigentumsrechts“); aus philosophisch-anthropologischer Sicht Ryffel, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 61, 64; aus rechtsphilosophischer Sicht zum Begriff des „right“ Rainbolt, Concept of Rights, passim; rechtsanthropologisch Ramsauer, Geistiges Eigentum und kulturelle Identität, 174. 24 V. Ihering, Geist des römischen Rechts, 336 mit Fn. 476 (Hervorh. im Original); ebenso Schapp, Neue Wissenschaft vom Recht II, 80 f. (hinter dem Ausdruck „mein“ stünde eine „verwirrende Fülle von Beziehungen“); ferner Baur, in: Soergel, § 903 Rn. 1. 25 Im Einzelnen unten § 1 B, C.
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die Gerichte „neue“, bisher spezialgesetzlich nicht erfasste Güter so zugunsten einer Person schützen und den Rechtsverkehr für zulässig erklären dürfen, dass sich diese Wirkungen nicht mehr von jenen normierter Ausschließlichkeitsrechte unterscheiden. Die zentralen Merkmale einer solchen Güterzuordnung sind positiv-exklusive Befugnisse an einem Gut sowie die Möglichkeit der rechtsgeschäftlichen und zwangsweisen Übertragung des entsprechenden Rechts. Erst diese Ausrichtung auf das Sacheigentum und die Immaterialgüterrechte ermöglicht die Anknüpfung an intersubjektiv nachprüfbare und damit der rationalen Kritik zugängliche Strukturen des geltenden Rechts und damit zugleich eine spezifisch rechtliche Argumentation, während philosophische und sozialwissenschaftliche Dimensionen „des“ Eigentums nicht primärer Gegenstand dieser Arbeit sind26. Die Überprüfung der genannten Merkmale erlaubt ferner eine Beschränkung des Prüfungsprogramms auf Vorschriften, die für die genannten Wirkungen relevante Aussagen enthalten. Eher als Nebeneffekt wird sich zeigen, was die einschlägigen Regelungen ggf. als Weniger an Rechtsfolgen hergeben, um individuelle Interessen am betreffenden Gut zu schützen, so dass sich nach und nach Strukturen eines „allgemeinen Güterzuordnungsrechts“ herausschälen, das dann wieder über Ausschließlichkeitsrechte hinausgreift27.
II. Numerus clausus und Rechtsgrundlage Die Rechtslage jenseits der spezialgesetzlichen Güterzuordnung durch das Sachen- und Immaterialgüterrecht sowie vertraglicher Vereinbarungen kann man nun aus verschiedenen Blickwinkeln angehen. Bisher wurde praktisch ausschließlich gefragt, ob ein numerus clausus der Ausschließlichkeits-, insbesondere der Immaterialgüterrechte besteht. Demnach würde es nur die gesetzlich geregelten Ausschließlichkeitsrechte mit ihrem jeweiligen Schutzbereich geben; nur der Gesetzgeber, nicht aber die Rechtsprechung wäre befugt, weitere Rechte dieser Art zu schaffen28. Freilich verfahren wie bereits skizziert nicht nur die Gerichte in dieser Hinsicht uneinheitlich, auch in der Literatur ist diese Frage zunehmend umstritten. Nach einer vor allen Dingen auf das Verhältnis zwischen UWG und Immaterialgüterrecht bezogenen Auffassung besteht ein solcher numerus clausus: Da die normierten „Sonderschutzrechte“ jeweils einen konkret definierten Schutzbereich hätten, folge im Umkehrschluss „zwingend“, dass die wirtschaftliche Betä26
Zur ökonomischen Analyse der Güterzuordnung unten § 3; zur Philosophie des Eigentums unten § 12 B, C V. Als begrifflich und nicht weiterführend wird der Streit um das „Wesen“ des Eigentums bezeichnet von Olzen, JuS 1984, 328, 329. 27 Nachweise unten § 1 B I. Zu einer allgemeinen Theorie der Güterzuordnung unten § 14 B. 28 In diesem Sinne etwa die Fragestellung bei Wagner, Perspektiven im Schadensersatzrecht, A 38 f. („numerus clausus der Vermögensrechte“); Ulmer, Sinnzusammenhänge, 29 f. (die Frage des Nachahmungsschutzes erfordere eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit den Sonderrechten); Burmann, WRP 1968, 258 mit Fn. 1; Ohly, FS Schricker, 105, 106; Jänich, Geistiges Eigentum, 240; David, AJP 1995, 1403, 1404.
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tigung des Einzelnen jenseits dieser Schutzbereiche frei sein soll und nicht durch extensive Anwendung etwa des UWG, durch Analogie zu normierten Ausschließlichkeitsrechten oder sonstige Rechtsfortbildung eingeschränkt werden dürfe (Grundsatz der Nachahmungsfreiheit)29. Eine wohl im Vordringen befindliche Auffassung30 stellt hingegen einen numerus clausus der Ausschließlichkeitsrechte explizit in Abrede31 bzw. erachtet eine richterliche Anerkennung ungeschriebener Ausschließlichkeitsrechte für möglich32, namentlich auf gewohn29
Zum UWG-Leistungsschutz RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 18; zum Immaterialgüterrecht RegE PrPG 1989, BT-Drucks. 11/4792, 19 (das System des gewerblichen Rechtsschutzes gehe vom Grundsatz der Nachahmungsfreiheit als marktwirtschaftlichem Prinzip aus); KG JW 1928, 363, 364 – Piscator (unzulässige Erweiterung des Kreises der absoluten Rechte durch Analogie); Walch, Leistungsschutz, 75 ff., 89; Knies, Leistungsschutz, 160 f.; Emmerich, FS Gernhuber, 857, 864 („klarer Übergriff in die Prärogative des Gesetzgebers“); ders., Unlauterer Wettbewerb7, 182; Schulze, Kleine Münze, 299; Lehmann-Schmidtke, Wettbewerbliche Eigenart, 27 f.; Heyers, GRUR 2006, 23, 24; Jänich, Geistiges Eigentum, 238; Peifer, Individualität, 273, 286; ders., UFITA 2007, 327, 354 f.; Krasser, Schutz vertraglicher Rechte, 185; zum Geheimnisschutz Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 354; zum absoluten Recht an der Internet-Domain Hartig, GRUR 2006, 299, 300. Aus der schweizerischen Literatur Troller, Immaterialgüterrecht, 59; ders., FS Gutzwiller, 769, 770 f.; Druey, Information, 100 f.; David, AJP 1995, 1403, 1404; Weber, UFITA 132 (1996), 5, 10, 11; zurückhaltender ders., UFITA 2005/II, 315, 326 (diese Meinung unterstelle, dass der Grundsatz der Nachahmungsfreiheit auf dem Willen des Gesetzgebers beruhe); Berger, FS Lucas, 3 ff. 30 Das konstatierte bereits Raiser, JZ 1961, 465, 467 mit besonderem Hinweis auf die Frage, welche Güter einer Person zum ausschließlichen Haben und Nutzen zugewiesen werden können oder sollen, ohne dass seiner Schrift zum „Stand der Lehre vom subjektiven Recht“ eine umfassende Untersuchung gefolgt wäre. 31 Siehe Fikentscher, Methoden IV, 335; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 234; Kruse, Eigentumsrecht, 107 ff.; Hubmann, GRUR 1953, 316, 320 f.; Wippermann, Leistungsschutz ausübender Künstler, 36; Fournier, Bereicherungsausgleich, 90–94 (im Hinblick auf „Rahmenrechte“); Götte, Schutzdauer, 115; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 445 (in Bezug auf das UWG als Quelle von Ausschließlichkeitsrechten), 450, 784 (in Bezug auf die Entwicklung von Ausschließlichkeitsrechten an Persönlichkeitsmerkmalen: „Wie in anderen Bereichen auch ist der Kreis der absoluten subjektiven Rechte nicht statisch für alle Zeit festgelegt, sondern unterliegt Veränderungen.“), 473, 832 (ausnahmsweise könne die Anerkennung eines absoluten Rechts auch durch Richterrecht erfolgen); Müller-Laube, ZHR 156 (1992), 480, 510 (gäbe es den institutionalisierten Schutz der Immaterialgüterrechte nicht, müsste man ihn über die Generalklausel des UWG schaffen); Köhler, WRP 1999, 1075, 1077 (mit Hinweis auf den Schutz schöpferischer Leistungen auf der Basis von §§ 1 UWG 1909, 823 Abs. 1, 826 BGB oder im Wege der Gesamtanalogie zu den Sonderschutzrechten); Fezer, in: Fezer, §§ 1–4 UWG Einleitung E Rn. 3 („unsägliche Theorie vom angeblichen numerus clausus der Immaterialgüterrechte“); Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 42, 64, 114 f.; Ahrens, Verwertung, 153; Roth, Geschützte Stellungen, 94, 226 und öfter (es sei Sache der Gerichte, im Bedarfsfall subjektive Ausschließlichkeitsrechte zu gewähren); Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 22 ff. (Rechte mit „absoluter Sperrwirkung“ wie das Patent dürften nur vom Gesetzgeber geschaffen werden; Immaterialgüterrechte, die einen reinen Nachbildungsschutz gewähren, dagegen auch von den Gerichten); unklar Hilty/Henning-Bodewig, Leistungsschutzrechte, 73 (es gebe grundsätzlich keinen numerus clausus der Rechte an geistigem Eigentum), 77 (die Schaffung neuer IP-Rechte sei dem Gesetzgeber vorbehalten). 32 Siehe zum Beispiel Heck, Schuldrecht, 450 (in Bezug auf das sonstige Recht in § 823 Abs. 1 BGB: „Der Kreis der subjektiven Rechte ist nun weder unumstritten noch in der Entwicklung abgeschlossen.“); Smoschewer, GRUR 1929, 381, 384 f. (die Idee des Privateigentums müsse bei Lücken „gestützt auf die Generalklauseln der Sittlichkeitsparagraphen“ durch das „ergänzende Richterrecht“ verwirklicht werden); Wilburg, Ungerechtfertigte Bereicherung, 45 (in Bezug auf die
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heitsrechtlicher Basis33 oder durch punktuelle Gesetzes-34 oder umfassende Rechtsanalogie35. Auch das Bundesverfassungsgericht hat im Marlene-Beschluss ausgeführt, Gesetzgeber und Zivilgerichte seien grundsätzlich nicht daran gehindert, den Schutz des Persönlichkeitsrechts im Hinblick auf kommerzielle Interessen weiter auszubauen als verfassungsrechtlich geboten36. In jüngerer Zeit ha-
33 Eingriffskondiktion, deren Anerkennung im Recht des unlauteren Wettbewerbs „der Schaffung neuer ausschließlicher Rechte“ zustrebe); Brehm/Berger, Sachenrecht, Rn. 5.18 a.E. („Die Anerkennung neuer Vermögensrechte ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, aber man darf nicht voreilig jedes Gut zum eigenständigen Rechtsobjekt verselbständigen, weil sonst ein Rückfall in die unübersichtliche Formenvielfalt älterer Rechte droht.“); Kobbelt, Der Schutz von Immaterialgütern, 166 (wirtschaftlich verwertbare Positionen bestünden auch außerhalb des Kreises positiv anerkannter subjektiver Rechte, und die Entwicklung solcher Positionen unterliege einem dynamischen Prozess); Hartig, Domain als Verfügungsgegenstand, 42 (trotz Annahme eines numerus clausus der Immaterialgüterrechte gebe es „kein auf ewig geschlossenes System von Immaterialgüterrechten …“, sondern „Erweiterungen aufgrund sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung“ seien „möglich und üblich“); Forkel, FS Neumayer, 229, 241 f. (ein allgemeines Persönlichkeitsnutzungsrecht könne zwar nicht angenommen werden, die Anerkennung eines vermögensrechtlichen Gehalts könne aber auch nicht strikt von einer Regelung durch den Gesetzgeber abhängig gemacht werden), 247 (das Schwergewicht bei der Fortentwicklung des Persönlichkeitsschutzes werde bei der freien ungestörten Entfaltung im wirtschaftlichen Bereich liegen, während bei der Zuordnung von Vermögensgütern nur eine sehr behutsame Rechtsfortbildung angebracht erscheine); Fezer, WRP 2001, 989, 1007 (für einen wettbewerbsrechtlichen Güterschutz in Abgrenzung zum Immaterialgüterrecht); differenzierend Kur, GRUR 1990, 1, 2 (keine uneingeschränkte Befugnis der Herausbildung neuer Sonderrechte kraft Richterrechts, aber auch kein Verbot der Herausbildung neuer Schutzpositionen, solange und soweit gesetzliche Regelungen fehlen); dies., GRUR Int. 1998, 771, 776 (die Kodifikationen seien kein pauschales Verdikt); Merkl, Immaterialgüterrecht, 188 (in Bezug auf ein von den §§ 17 f. UWG unabhängiges absolutes Recht am Know-how); Sosnitza, JZ 2004, 992, 993 (ungeschriebene, der Zwangsvollstreckung unterliegende „sonstige Vermögensrechte“); schwankend unter Einschränkung einer früher vertretenen These auch Traub, FS Söllner, 1213, 1215 mit Fn. 5 (an die Stelle eines „logischen“ Umkehrschlusses könne auch eine „pragmatische“ Betrachtung treten, wonach das UWG oder § 823 BGB eben doch für einen Schutz herangezogen werden könnten). 33 So offenbar Körner, Rechtsschutz, 8 (in Bezug auf ein Recht am Unternehmen mit Zuweisungsgehalt); Pehle, in: Pehle/Stimpel, Rechtsfortbildung, 1, 7; wohl auch Walch, Leistungsschutz, 20 (trotz der Annahme, die Rechtsprechung könne keine neuen Ausschließlichkeitsrechte schaffen). 34 Siehe Dieckmann, UFITA 127 (1995), 35, 49 ff. (analoge Anwendung der §§ 73 ff. UrhG auf Sportler wegen vergleichbaren Schutzbedürfnisses aufgrund der „Grundsätze des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte“); Birner, Internet-Domain als Vermögensrecht, 27 (Vergleich der Domain mit dem Kennzeichenrecht). 35 Siehe Walch, Leistungsschutz, 102, 116 ff. („teleologische Extension“ der Generalklauseln zu einem erweiterten Leistungsschutz für „schutzrechtsäquivalente Leistungen“, weil dies der Gleichheitssatz gebiete); Kobbelt, Schutz von Immaterialgütern, 201 mit Fn. 824 (es sei über das positive Recht hinausgehend nach Wertungen zu fragen, die zum Erlass von Spezialgesetzen geführt hätten, woraus ein „Abwägungsintrumentarium“ gewonnen werden könne, das zu verallgemeinerbaren Lösungen in bisher nicht erfassten Bereichen führe), 205 (bei Betriebsgeheimnissen spreche die gleiche Interessenlage wie bei technischen Schutzrechten für einen identischen Schutz); Köhler, WRP 1999, 1075, 1077 mit Fn. 29 („Gesamtanalogie“ zu den Sonderschutzrechten sei möglich; die Rechtsprechung habe den Schutz schöpferischer Leistungen des Einzelnen über § 1 UWG 1909 verwirklicht). 36 BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 – Marlene.
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ben aus der deutschen Literatur vor allen Dingen Gerhard Wagner in einem Gutachten zum Schadensersatzrecht für den 66. Deutschen Juristentag 200637 und Ansgar Ohly38 unter Hinweis auf die oben skizzierten Rechtsprechungsentwicklungen pointiert gegen einen in der Theorie behaupteten, aber eben nicht praktizierten numerus clausus der „Vermögensrechte“ (Wagner) bzw. der „Immaterialgüterrechte“ (Ohly) Stellung bezogen. Vorzugswürdig sei die Prüfung, ob die einschlägigen Sondergesetze im konkreten Fall einen Schutz versagen und deshalb e contrario ein ergänzender Schutz auf der Basis der §§ 3 UWG, 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog ausscheide und ob anhand einer Abwägung zwischen den Interessen des Anspruchstellers, der potentiellen Nachahmer und der Allgemeinheit ein ergänzender immaterialgüterrechtlicher Schutz angemessen erscheine39. Zwar betreffen diese Stellungnahmen den hier behandelten Grundkonflikt und wichtige Teilaspekte zu seiner Lösung40. Die Frage nach dem numerus clausus argumentiert ausgehend von den Grenzen der Sachen- und Immaterialgüterrechte und kommt damit vor allen Dingen bis zur Prüfung, ob ein Umkehrschluss von diesen Schranken der „Sonderschutzrechte“ auf ein punktuelles Verbot des Rückgriffs auf alternative Rechtsgrundlagen, namentlich auf Generalklauseln des Deliktsrechts und anderer gesetzlicher Schuldverhältnisse, geboten ist. Damit wird indes ein Blickwinkel eingenommen, der aus verschiedenen Gründen als unzureichend abzulehnen und durch eine andere Herangehensweise zu ersetzen ist41. Die Unzulänglichkeit der numerus-clausus- und e-contrario-Argumentation offenbart bereits der Umstand, dass die Grenzen der Sachen- und Immaterialgüterrechte zwar ganz überwiegend anerkannt, die Folgerungen hieraus aber umstritten sind, und die große Anzahl von „Sonderschutzrechten“ sogar für einen Grundsatz der Zuordnung gleichwertiger Güter ins Feld geführt wird42. Auch der Marlene-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts hat die rechtsfortbildende Anerkennung vererblicher Bestandteile des Persönlichkeitsrechts unter anderem damit gerechtfertigt, dass die Spezialregelung der postmortalen Wahrnehmungs37 Wagner, Perspektiven im Schadensersatzrecht, A 38 f. (die gewagte These vom numerus clausus der Vermögensrechte sei durch nichts belegt und habe in verschiedenen Rechtsentwicklungen „nie eine Rolle gespielt“). 38 Ohly, FS Schricker, 105 ff., 119; zuvor bereits ders., Richterrecht und Generalklausel, 247; anschließend ders., FS Ullmann, 795, 810. 39 Ohly, FS Schricker, 105, 115 ff. 40 Unten § 5 C. 41 Ebenso Weihrauch, Leistungsschutz, 94; Roth, Geschützte Stellungen, 101 f.; Lubberger, FS Ullmann, 737, 746. 42 Siehe RGZ 120, 94, 96 (1928) (Das Patent- und Gebrauchsmusterrecht schließe einen ergänzenden Nachahmungsschutz gem. §§ 826 BGB, 1 UWG a.F. aus, nicht aber das Geschmacksmusterrecht, bei dem kein Interesse der Allgemeinheit bestünde, den Gegenstand des Schutzes gemeinfrei zu machen (a.a.O., 98)); Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 226 ff.; Fechner, Geistiges Eigentum, 372; Körner, FS Ullmann, 701, 714 (schutzbedürftiger Freiraum jenseits der Ausschließlichkeitsrechte).
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befugnis der Angehörigen gem. § 22 S. 3 KUG der Vererblichkeitslösung nicht entgegenstehe, weil diese Norm historisch nur ideelle Interessen betreffe und der Gesetzgeber deshalb eben keine abschließende Regelung getroffen habe, wer einen Vermögenswert aus der Verwertung des Bildnisses des Verstorbenen geltend machen könne43. Diese offenkundige Unsicherheit ist darauf zurückzuführen, dass der numerus clausus und damit verbunden der Umkehrschluss für oder wider die Nachahmungsfreiheit, für oder wider eine planwidrige Regelungslücke nicht im Wege formallogischer Operation zu gewinnen ist, sondern wie stets eine normativwertende Argumentation voraussetzt44. Diese Analyse muss sämtliche relevanten Wertungsgrundlagen einbeziehen, zu denen eben nicht nur die Regelungen des Sachen- und Immaterialgüterrechts zählen. Wenn deren Grenzen nämlich durch Verweis auf Vorschriften etwa des UWG oder BGB überwunden werden, die anwendbar bleiben sollen, weil sie einen anderen Schutzzweck als die Ausschließlichkeitsrechte haben, dann müssen diese Regelungen ebenfalls Gegenstand der Prüfung sein; aus den „Sonderschutzrechten“ können insoweit keine Schlüsse abgeleitet werden45. Wenn alternativ über Analogieschlüsse argumentiert wird, müssen die positiven Gründe für die Übertragung der Wertungen angegeben werden46; nichts anderes gilt für Rechtsfortbildungen unter Verweis auf ein Rechtsprinzip, dessen Inhalt zumindest zu benennen ist47. Insbesondere aber scheitert jeder isolierte Rückschluss aus den normierten Sachen- und Immaterialgüterrechten auf die Zuordnung solcher Güter, die wie gezeigt erst durch technischen Fortschritt oder sozio-kulturelle Veränderungen als zuordnungsrelevant erkannt werden. Über diese „neuen“ Güter können die bereits vorher bestehenden Ausschließlichkeitsrechte schon deshalb nichts aussagen, weil dieser Zuordnungskonflikt dem Gesetzgeber noch nicht einmal bekannt war und damit auch nicht adressiert gewesen sein kann48. Folglich kann aus den begrenzten Schutzbereichen der normierten Ausschließlichkeitsrechte nicht auf einen allgemeinen
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BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 – Marlene. Ebenso für die Feststellung einer Lücke im Gesetz BVerfGE 82, 6, 13 (1990); Würdinger, AcP 206 (2006), 946, 973; Brecher, Unternehmen als Rechtsgegenstand, 49 (mit Verweis auf die Rechtsfortbildungsbefugnis der Gerichte). 45 Insoweit zutreffend Köhler, WRP 1999, 1075, 1078; ders., GRUR 2007, 548, 550. 46 Siehe nur Larenz, NJW 1965, 1, 4. 47 So wohl auch Fezer, WRP 2001, 989, 1007 (neben dem e-contrario-Argument sei eine „sachliche“ Rechtfertigung des Schutzes und eine Abgrenzung zur Nachahmungsfreiheit nötig). Ohly, FS Schricker, 105, 120 f., lässt diese Frage ausdrücklich offen; ebenso Wagner, Perspektiven im Schadensersatzrecht, A 39 („Ein konsentierter Katalog von Normativbedingungen für Vermögensrechte existiert nicht; die Begründung erfolgt meist ad hoc.“). 48 So ausdrücklich für den vom damaligen Urheberrecht nicht berücksichtigten Schutz der Tonträgerhersteller RGZ 73, 294, 296 f. (1910); Lehmann-Schmidtke, Wettbewerbliche Eigenart, 175; allgemein Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 354 („Es kann schwerlich angenommen werden, daß der Gesetzgeber über den Schutz von Leistungen abschließend entscheidet, die er bei Erlaß einer Regelung nicht einmal kennt und deren Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit er in keiner Weise abschätzen kann.“). 44
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Satz geschlossen werden, sondern zunächst nur negativ konstatiert werden, dass eine entsprechende Generalklausel fehlt49. Die demnach erforderliche, umfassende Analyse aller in Betracht kommenden Wertungen der Rechtsordnung im Fall, dass „das Eigeninteresse mit dem Gesamtinteresse zusammenstößt“50, setzt voraus, dass man sich vom inhärent reduzierten Problem des numerus clausus löst und gewissermaßen umgekehrt fragt, ob eine Rechtsgrundlage besteht, um ein ungeschriebenes Recht anzuerkennen, das Wirkungen wie das Sacheigentum und die Immaterialgüterrechte aufweist. Damit eröffnet sich ein viel weiterer Prüfungshorizont, der bewusst und bereits im Ansatz über die „Sonderschutzrechte“ hinaus sämtliche güterzuordnungsrelevanten Rechtsnormen umfasst; insbesondere werden die ergänzend angewendeten General- und Auffangnormen des BGB und des UWG auf ihren güterzuordnenden Gehalt hin analysiert. Die hier gestellte Frage nach der Rechtsgrundlage für eine richterliche Güterzuordnung nach dem „Vorbild“ der normierten Ausschließlichkeitsrechte ist aber nicht nur methodisch und argumentativ vorzugswürdig, sondern auch aus Rechtsgründen zwingend. Das ergibt sich, wie an späterer Stelle noch näher zu begründen sein wird51, aus dem selbst von Befürwortern einer solchen judikativen Kompetenz weitgehend anerkannten Umstand, dass jede von Gerichten ausgesprochene Verpflichtung, die nicht auf eine Zustimmung des Schuldners zurückgeführt werden kann, eine Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit oder speziellerer Freiheitsgrundrechte wie der Meinungs- und Pressefreiheit darstellt. Denn der Schuldner kann auf der Basis des Urteils als hoheitlicher Maßnahme zur Vornahme oder Unterlassung von Handlungen gezwungen werden, zu denen er sich gerade nicht einverstanden erklärt hat52. Ein solcher Eingriff in den Schutzbereich jedenfalls des umfassend verstandenen Art. 2 Abs. 1 GG muss formell und materiell verfassungsmäßig sein. Eine richterliche Entscheidung muss auf jene „verfassungsmäßige Ordnung“ zurückgeführt werden können, die von den Gerichten angewendet wird. Und zu dieser güterzuordnungsrelevanten, verfassungsmäßigen Ordnung zählen eben nicht nur normierte Sachen- und Immaterialgüterrechte, sondern weitere Rechtsgrundlagen sowie ggf. ein allgemeines Rechtsprinzip der Güterzuordnung. Damit unterscheidet sich die folgende Untersuchung nicht im allgemeinen Erkenntnisinteresse oder dem möglichen Ergebnis, sondern in der Herangehensweise von der Frage nach dem numerus clausus der Ausschließlichkeitsrechte. Soweit ersichtlich, existiert bisher keine Untersuchung, die ausgehend von dieser Fragestellung alle kritischen Beispiele und güterzuordnungsrelevanten
49 Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 353 (den Sondergesetzen Grundsatzwertungen zu entnehmen, sei verfehlt, weil die Gesetze einen begrenzten sachlichen Anwendungsbereich hätten). 50 RGZ 120, 94, 97 (1928) – Huthaken; beispielhaft auch RGZ 115, 180, 184 (1926) (Abwägung von Nachahmungsfreiheit und Grundsatz, dass schrankenlose Ausnützung fremder Gedanken und Arbeiten nicht schlechthin freistehe). 51 Siehe unten §§ 2 B II 2, 11 C II 1 b, 12 C VI.
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Rechtsgrundlagen im deutschen Recht horizontal betrachtet. Die vorhandene Literatur lässt sich im Wesentlichen in zwei Gruppen einteilen. Zum einen werden häufig zwar mehrere Sachverhaltskonstellationen, aber dafür nur einzelne Wirkungen der Sachen- und Immaterialgüterrechte bzw. einzelne ergänzende Rechtsgrundlagen in Betracht gezogen. Insbesondere liegen mehrere ausführliche Untersuchungen des Lauterkeitsrechts vor, die auf die hieraus ableitbaren Ansprüche beschränkt sind und weitere relevante Rechtsgrundlagen im BGB sowie insbesondere den Aspekt der rechtsgeschäftlichen und zwangsweisen Übertragung von Rechten unberücksichtigt lassen53. Ellgers Habilitationsschrift „Bereicherung durch Eingriff“ geht zwar von der Erkenntnis aus, dass die Abgrenzung zwischen individueller Zuweisung und allgemeiner Handlungsfreiheit gerade bei neu geschaffenen Gütern von hoher Bedeutung und der Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion gem. § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB hierfür relevant ist, beschränkt sich aber auf dieses gesetzliche Schuldverhältnis, das doch nur einen Baustein im komplexen System der güterzuordnungsrelevanten Generalklauseln des BGB darstellt54. Die Würzburger Dissertation von Katharina Roth zu „Lizenzen an geschützten Stellungen ohne gesicherten Rechtscharakter“ deckt zwar das Deliktsrecht und die Frage der Übertragbarkeit ab, behandelt aber weder das Bereicherungsrecht, die Geschäftsführung ohne Auftrag noch Rechtsgrundlagen der Zwangsvollstreckung und Insolvenz. Hinzu kommt, dass sie bereits im Ausgangspunkt den numerus clausus der originären Ausschließlichkeitsrechte mit dem numerus clausus der dinglichen Rechtsgeschäfte ver52 Allgemein Heck, Schuldrecht, 4 ff.; Jellinek, System, 107 (in jedem Zivilurteil sei ein Ausspruch über die Freiheit und Subjektion des Beklagten vorhanden); Westermann, AcP 178 (1978), 150, 169 m.w.N.; Picker, AcP 183 (1983), 369, 471; Sosnitza, JZ 2004, 992, 993; Dreier, in: Schricker/ Dreier/Kur, Geistiges Eigentum, 51, 60; für gesetzliche Zahlungsansprüche BVerfG NJW 2006, 1339, 1340; für gesetzliche Schuldverhältnisse BVerfGE 34, 269, 282 (1973) – Soraya (§ 823 Abs. 1 BGB); Stoll, Richterliche Fortbildung, 34 (§ 826 BGB); Canaris, FS Larenz, 27, 35 (Deliktsrecht); Steindorff, in: summum ius, 58, 60 (§ 1 UWG a.F.); Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 352; Wuttke, WRP 2007, 119, 121 (UWG); Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 73; Peifer, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 29; Esser, Einführung, 155 f.; Canaris, Vertrauenshaftung, 433; in Bezug auf Immaterialgüterrechte BGH GRUR 2006, 842, 845 (eine übermäßige Ausdehnung des Patent- und Gebrauchsmusterschutzes sei mit der verfassungsrechtlich geschützten Handlungsfreiheit Dritter nicht zu vereinbaren); Hauck, DB 1985, 1927, 1931; Sosnitza, in: Forkel/ Sosnitza, Recht der Persönlichkeit, 33, 43; Hilty/Geiger, IIC 36 (2005), 615, 646. Aus rechtsphilosophischer Sicht Radbruch, Rechtsphilosophie, 239; Zippelius, Rechtsphilosophie, 177; Ryffel, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 61, 67. A.A. für die Anerkennung von „Persönlichkeitsnutzungsrechten“ Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 206 f. (der Allgemeinheit werde nichts entzogen); tendenziell auch Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 223 mit Fn. 572. 53 Siehe dazu insbesondere die Monografien zum UWG 1909 von Walch, Leistungsschutz, 26 (die Frage nach der Übertragbarkeit und Vererblichkeit von wettbewerbsrechtlich begründeten „Ersatz-Ausschließlichkeitsrechten“ ausdrücklich ausklammernd); Beater, Nachahmen im Wettbewerb, passim; Knies, Leistungsschutz, passim; ferner Ohly, FS Schricker, 105, 112. Zum UWG 2004 mit allerdings starken Bezügen zum UWG 1909 Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, passim. Zum UWG als Rechtsgrundlage unten § 7. 54 Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 13 f., 441.
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wechselt55. Abgesehen von rudimentären Ausführungen fehlen in all diesen Studien der privatrechtlichen Literatur ferner verfassungsrechtliche Aspekte, insbesondere eine detaillierte Einbeziehung der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, die gerade für die Frage nach einem allgemeinen Rechtsprinzip der Güterzuordnung maßgebliche Bedeutung entfaltet56. Zum anderen betrachten viele Studien zwar mehr als nur einzelne, güterzuordnungsrelevante Rechtsgrundlagen, beschränken sich dafür aber auf ein bestimmtes „neues“ Gut. Hierzu zählen die gesamte Literatur zur Entwicklung der „vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts“57, die Arbeiten von Pfister und Hauck zu Geheimnissen/Know-how58, Untersuchungen zu Übertragungsrechten an Sportveranstaltungen59 und zu anderen, auch hier in die Betrachtung einbezogenen, praktischen Fallkonstellationen. Derartige Analysen vermögen keine allgemeinen Strukturen der privatrechtlichen Güterzuordnung herauszuarbeiten, weil sie nur die mit dem jeweiligen Gut verbundene, besondere Interessen- und Rechtslage berücksichtigen. Auch reflektieren sie nicht, dass der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff alle vermögenswerten Privatrechte umfasst. Die bisher wohl umfassendste, zugleich aber auch abstrakteste Erörterung eines „allgemeinen Güterzuordnungsrechts“ im Kontext der gesamten Privatrechtsordnung hat Wolfgang Fikentscher 1958 mit seiner Habilitationsschrift „Gewerblicher Rechtsschutz und Wettbewerb“ vorgelegt. In diesem Werk arbeitet Fikentscher den Unterschied zwischen der „Innehabungsordnung“ durch „Einzelrechte“, zu denen er neben dem Eigentum, Rechten an immateriellen Gütern und Vertragsansprüchen gerade auch besondere Persönlichkeitsrechte und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als Produkt richterlicher Rechtsfortbildung rechnet, und der „Erwerbsordnung“ zum Schutz des „Erwerbenkönnens“ heraus60. Eine nähere Erörterung der „Innehabungsordnung“ unter den hier formulierten Vorzeichen ist indes nicht Gegenstand jener Arbeit.
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Roth, Geschützte Stellungen, 93 f.; dazu unten C I. Dazu unten §§ 2; 11; 12 C II 2 c, III. Ohne detaillierte Prüfung des Art. 14 GG gerade umgekehrt Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 50 mit Fn. 113, der sein Ergebnis vom technischen Geheimnis als Vermögensrecht auf Art. 14 GG stützt und das Privatrecht als Quelle ausdrücklich außer Betracht lässt. 57 Dazu unten §§ 4 B VII, 13 B VII. 58 Pfister, Know-how als Vermögensrecht, passim; Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, passim. 59 Dazu unten §§ 4 B II, 13 B II. 60 Fikentscher, Wettbewerb, 208 ff.; ders., FS Lukes, 375, 390. In diese Richtung bereits v. Ihering, IherJarb 10 (1871), 245, 269 („Das Recht ist etwas Dauerndes, die Handlung etwas Transitorisches …“); Heck, Sachenrecht, 3 (die Obligationen stünden mit „Veränderungsinteressen“, der Güterbewegung, dem Verkehr in Zusammenhang, während die absoluten Rechte den „Erhaltungsinteressen“, dem Genuss der bereits erworbenen Güter, dienten); Radbruch, Rechtsphilosophie, 243 („… das Sachenrecht ist das ruhende, das Forderungsrecht das bewegende Element der Rechtswelt“). 56
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III. Wertung und Rechtsgrundlage Die vorstehend begründete Herangehensweise, nach einer Rechtsgrundlage für richterliche Güterzuordnungen in der verfassungsmäßigen Ordnung zu suchen, unterscheidet sich nicht nur von der verbreiteten numerus-clausus-Argumentation, sondern auch vom zweiten vorherrschenden Argumentationsmuster, die einschlägigen Konstellationen unmittelbar wertend und damit letztlich doch weitgehend abgekoppelt vom positiven Recht zu entscheiden. So dominieren auf Seiten der Befürworter wie der Gegner einer richterlichen Kompetenz zur Anerkennung ungeschriebener Ausschließlichkeitsrechte sowie in den besonders „progressiven“ Urteilen, etwa in der Marlene-Entscheidung61, allgemein wertende Aussagen über das „richtige“ Verhältnis zwischen individueller Güterzuordnung und allgemeiner Handlungsfreiheit, wobei häufig mit einer Interessenabwägung62 oder spezieller mit Hinweisen auf die Rechtssicherheit63 oder z.B. internationale Rechtsbeziehungen64 argumentiert wird65. Die rechtspolitische Motivation und Dimension dieser Ausführungen bestätigt sich an Hinweisen auf eine individualistische bzw. kollektivistische Weltanschauung, die für das eine oder andere Ergebnis ausschlaggebend sei66. Hervorgehoben sei 61 So auch Wagner, Perspektiven im Schadensersatzrecht, A 39 (die Marlene-Entscheidung habe die Entscheidungsparameter offengelegt). 62 Zum UWG insbesondere Walch, Leistungsschutz, 75 ff.; Sambuc, Nachahmungsschutz, 190 ff.; Jenny, Nachahmungsfreiheit, 112 ff.; Fournier, Bereicherungsausgleich, 92; Weihrauch, Leistungsschutz, 122 (die theoretische Berechtigung des ergänzenden Leistungsschutzes sei kein dogmatisches, sondern ein Wertungsproblem); Heyers, GRUR 2006, 23, 24; Erdmann, FS Vieregge, 197, 208 m.w.N.; Mayrhofer, Rufausbeutung, 172 ff. (Vergleich zwischen Immaterialgüterrechtsschutz und Wettbewerbsschutz); Lehmann-Schmidtke, Wettbewerbliche Eigenart, 24 ff. Übergreifend Roth, Geschützte Stellungen, 91 ff. (Rechtssicherheit und Abwägung zwischen Wettbewerbsfreiheit und effektivem Rechtsschutz); Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 450 (die Institutionalisierung neuer Ausschließlichkeitsrechte erscheine nur dann „lohnend“, wenn die zu erwartenden Institutionalisierungsgewinne der Rechtsinhaber die Kosten der Internalisierung übersteigen); Kobbelt, Der Schutz von Immaterialgütern, 161 ff. (die ökonomische Analyse in Gestalt der Lehre von den property rights könne als Methode zur Bestimmung neuer Rechtspositionen dienen), 168 (die Bildung von Ausschließlichkeitsrechten könne auf die Abwägung der Anreizwirkung gegen das öffentliche Interesse am freien Zugang zu Gütern zurückgeführt werden). Kritik wie hier bei Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 20, 199 f. (rechtspolitische Forderungen ohne rechtlichen Belang). 63 Siehe Walch, Leistungsschutz, 100 (allein der Einwand der Schaffung von Rechtsunsicherheit könne als relevant anerkannt werden); Knies, Leistungsschutz, 166. 64 Kur, GRUR 1990, 1, 15; Emmerich, FS Gernhuber, 857, 864. 65 Siehe etwa Weber, UFITA 132 (1996), 5, 26 (Begründung des numerus clausus der Immaterialgüterrechte unter Verweis auf die Nachahmungsfreiheit im Wettbewerb); Hartig, GRUR 2006, 299, 300 (es sei nicht notwendig, wirtschaftlichen Bedürfnissen sogleich durch Schaffung eines neuen Rechts nachzugeben); Schick, Schutz nicht geschützter Arbeitsergebnisse, 75 ff. („Urleistungsschutz“ ohne Rücksicht auf Rechtsgrundlagen, die erst nach Aufstellung des Ergebnisses geprüft werden, a.a.O., 131 ff.); Schneidinger, Leistungsschutz, 68 ff. („Analyse der technischen Leistung“ und der Interessenlage); Troller, FS Gutzwiller, 769, 779 ff. (wertende Stellungnahme zur Frage, ob der numerus clausus der Immaterialgüterrechte „gerecht“ sei). 66 Siehe zum Beispiel die Diskussion bei Schick, Schutz nicht geschützter Arbeitsergebnisse, 80 ff. m.w.N.; Kriwat, Grenzen des rechtlichen Schutzes, 27 m.w.N.
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insoweit die Habilitationsschrift Axel Beaters, in der die Vor- und Nachteile eines weitgehenden Nachahmungsschutzes für den Wettbewerb erörtert und anhand einer abwägenden, konsequentialistischen Argumentation eine abgestufte, allgemeine Theorie entwickelt wird, wonach ein intensiver, die Gewerbefreiheit nachhaltig tangierender Schutz auf der Basis des UWG nur gerechtfertigt sei, wenn weniger eingreifende Schutzmechanismen nicht angemessen seien67. Wenn im Folgenden stattdessen güterzuordnungsrelevante Rechtsgrundlagen gesucht und jeweils analysiert werden, wendet sich der Blick unweigerlich und primär auf die geltende Rechtsordnung. Zur Begründung dieses Vorgehens sei an dieser Stelle zunächst nur auf die erkenntnistheoretischen und normativen Grenzen bloßer Interessenabwägungen68 sowie folgenorientierter, insbesondere ökonomischer Erwägungen verwiesen69. Unmittelbar wertende Stellungnahmen kranken daran, dass das ersichtlich auf dem jeweiligen Vorverständnis des Verfassers70 beruhende Ergebnis eine letztlich persönliche Wertung wiedergibt, dem sich der Leser anschließen kann – oder eben auch nicht71. Dabei wird selbstverständlich nicht geleugnet, dass auch der Verfasser mit einem bestimmten Vorverständnis an dieses Thema herangegangen ist, nämlich mit einer gewissen Skepsis gegenüber einem die Rechtsprechung legitimierenden Rechtsprinzip der Güterzuordnung. Aber gerade darauf nimmt die Frage nach einer Rechtsgrundlage in der verfassungsmäßigen Ordnung Rücksicht, die für sich genommen eine relativ schwache Ausgangsannahme ist. Denn statt die eigene Auffassung zu begründen72, sucht diese Herangehensweise die Fundamente und den Inhalt der für zweifelhaft befundenen Antithese herauszufiltern und zu
67 Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 344 ff., 359 f., 408 (der Innovationsschutz als ultima ratio solle den Gesetzgeber entlasten, aber nur in Betracht kommen, wenn sondergesetzliche Regelungen entweder fehlen oder die Besonderheiten eines Produkts nicht angemessen erfassen können), 438 („Die rechtliche Beurteilung muß sich danach bestimmen, wie sich die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Nachahmungen auf das Marktgeschehen auswirkt.“). 68 Ebenso Walch, Leistungsschutz, 100, 104, 108; näher unten § 1 A III 2. 69 Unten § 3 B III, C II. 70 Siehe aus dem Kreis der Skeptiker judikativer Güterzuordnung nur Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 17 (Grundsatz der Gemeinfreiheit), 192 („Die Gedanken sind frei.“), 367 (die Versuche, Wirtschaftsgeheimnisse zu Informationseigentum kraft richterlicher Entscheidung zu konzipieren, widersprächen Recht und Gesetz, der Methodik und praktischen Bedürfnissen). 71 Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 391, lässt denn auch die Frage nach der gewohnheitsrechtlichen Geltung der von ihm ausgearbeiteten Prinzipien ausdrücklich offen, weil es sich um einen Prozess und nicht um die Idee eines Einzelnen handele. A.A. insbesondere Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, 96 (über dogmatische Einordnungsfragen könne man endlos streiten, man solle sich eher den Sachproblemen zuwenden). Auf dieser Ebene begründet Schwerdtner dann unter anderem „Persönlichkeitsnutzungsrechte“, die neben dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht stehen und eine Kommerzialisierung ermöglichen; a.a.O., 100. 72 So Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 17, 104, der bereits eingangs seiner Untersuchung den Grundsatz formuliert, nicht zugeordnete Güter seien gemeinfrei.
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überprüfen und dadurch die eigene Voreingenommenheit der ständigen Reflexion zu unterziehen73. Hinter dem hier gewählten Ansatz steht weiterhin ein Bekenntnis zur Möglichkeit, anhand juristischer Methodik intersubjektiv nachprüfbare Aussagen über den Inhalt der „verfassungsmäßigen Ordnung“ im Bereich der Güterzuordnung formulieren zu können74. Dabei werden materiale Wertungen nicht im Sinne eines strengen Positivismus75 ausgeblendet, sondern nur der transparente Nachweis ihrer Rückkopplung im geltenden Recht verlangt. Insbesondere werden im 1. Teil zu den Grundlagen der Güterzuordnung auch verfassungsrechtliche und ökonomische Aspekte einbezogen. Am Ende des Hauptteils zu den Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung wird überdies nach einem Rechtsprinzip gefragt, das auch jenseits einzelner Rechtsnormen für möglich erachtet wird. Zumindest an letztgenanntem Punkt berührt die Untersuchung rechtsphilosophische Fragen nach der „Richtigkeit“ der Güterzuordnung jenseits der Methoden der Jurisprudenz76. Im Unterschied zu unmittelbar wertenden Stellungnahmen hat das vorherige Studium aller güterzuordnungsrelevanten Rechtsgrundlagen des Privat-, Verfahrens- und Verfassungsrechts anhand der anerkannten Auslegungsmethoden den Vorteil, dass bereits eine breite normative Basis für die Frage nach dem allgemeinen Rechtsprinzip – hier dem der Güterzuordnung – gelegt ist. Sollte sich weder im Privat- noch im Verfassungsrecht eine ausreichende Grundlage für eine positive richterliche Zuordnungsentscheidung finden, so ist das ein starkes Indiz gegen die Existenz eines dann die „verfassungsmäßige Ordnung“ notwendig transzendierenden Rechtsprinzips.
IV. Kompetenz zur Güterzuordnung Schließlich lenkt die Suche nach einer Rechtsgrundlage für richterliche Zuordnungsentscheidungen die Aufmerksamkeit unmittelbar auf die allzu häufig im Hintergrund stehende Kompetenzproblematik, ob die Legislative und/oder die 73 Zu dieser Argumentationsweise allgemein Mill, Über Freiheit, 46 („Was Cicero um des forensischen Erfolges willen praktizierte, das sollte von allen Menschen nachgeahmt werden, die irgendeinen Gegenstand studieren, um die Wahrheit zu finden. Der, der nur seine eigene Seite des Falles kennt, kennt wenig von ihm. Seine Gründe mögen gut sein und es mag niemand in der Lage sein, sie zu widerlegen. Aber wenn er in gleichem Maße unfähig ist, die Gründe der anderen Seite zu widerlegen, wenn er nicht einmal weiß, von welcher Art sie sind, dann hat er keine Veranlassung, einer der beiden Meinungen den Vorzug zu geben.“). 74 Zur intersubjektiven Nachprüfbarkeit von Sätzen als Merkmal ihrer wissenschaftlichen Objektivität Popper, Logik der Forschung, 18. 75 Siehe dazu Kelsen, JZ 1965, 465 ff. 76 Zum Unterschied zwischen rechtswissenschaftlicher Dogmatik und systemtranszendenter Rechtsphilosophie und den entsprechenden Methoden Radbruch, Rechtsphilosophie, 209 ff.; Kaufmann, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, Rechtsphilosophie, 1 f.; Engisch, Einführung, 262 f.; Fikentscher, Methoden IV, 7 (Unterschied zwischen recht und Recht, just and law etc.); Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, 494 ff. Zur rechtsphilosophischen Begründung des Transformationsvorbehalts gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG unten § 12 C V.
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Judikative über die Ausgestaltung der materiellen Güterordnung entscheiden dürfen. Selbst ein kursorischer Blick auf insoweit relevante Grundstrukturen der Rechtsordnung gebietet das hier gewählte Vorgehen: Erstens korrespondiert nur die Frage nach einer Rechtsgrundlage mit den Prinzipien der Rechtsquellenlehre im deutschen Recht. Viele einschlägige Stellungnahmen formulieren ausdrücklich oder lassen bei unvoreingenommener Lektüre darauf schließen, die Gerichte würden ungeschriebene Rechte an Gütern überhaupt erst „kreieren“77. Die Güterzuordnung würde demnach mit einer gerichtlichen Grundsatzentscheidung generell anerkannt sein und von jedermann im Verhältnis zu Dritten geltend gemacht werden können. Einer solchen Sichtweise steht jedoch entgegen, dass die deutsche Rechtsordnung ihrer Idee nach nicht auf Präjudizien-, sondern Gesetzesrecht beruht78. Der Erlass generell-abstrakter Regelungen ist gem. Art. 77, 80, 81 GG den gesetzgebenden Körperschaften und zulässigerweise ermächtigten Organen vorbehalten79, während die rechtsprechende Gewalt konkret-individuelle Entscheidungen trifft (Art. 92 ff. GG)80. § 31 BVerfGG ist nur vor diesem Hintergrund als ausnahmsweise Erklärung einer gesetzlichen Wirkung von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts verständlich81. Demnach sind auch höchstrichterliche Zivilurteile keine Gesetze gem. Art. 2 EGBGB, weil sie grundsätzlich keine vergleichbare, über die Prozessparteien hinausreichende, allgemeine Gültigkeit und Bindung erlangen82. Von ihnen abzuweichen, führt daher nicht zu einem Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG83. Verfahrensrechtlich spiegelt sich diese Auffassung darin wider, dass eine Feststellungsklage zur Beantwortung einer generell-abstrakten Rechtsfrage – zum Beispiel im Hinblick auf das Bestehen einer bestimmten Rechtsposition unabhängig vom konkreten Rechtsverhältnis zwi-
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So z.B. Wagner, Perspektiven im Schadensersatzrecht, A 38. Picker, JZ 1984, 153, 158; kritisch zur Gegenauffassung (dazu sogleich) auch Müller, „Richterrecht“, 102 ff. Erahnt, aber nicht gelöst wird dieses Problem nach der Anerkennung richterlich zu entwickelnder, ungeschriebener Ausschließlichkeitsrechte an Sportveranstaltungen von Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 287. 79 BVerfGE 4, 219, 233 f. (1955); Neuner, Rechtsfindung contra legem, 59 ff. 80 Neuner, Rechtsfindung contra legem, 53 f. m.w.N.; Müller, „Richterrecht“, 88 f. (keine Kompetenz zur Erzeugung von Normtexten). 81 Neuner, Rechtsfindung contra legem, 63; Bernsdorff, in: Umbach/Clemens, Art. 97 GG Rn. 14; Jellinek, System, 98. 82 BVerfGE 84, 212, 227 (1991); Pehle, in: Pehle/Stimpel, Rechtsfortbildung, 1, 5 ff.; Meyer, in: v. Münch/Kunig, Art. 97 GG Rn. 22; Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 236. Zum Unterschied zwischen Präjudizienrecht und Gesetzesrecht Neuner, Rechtsfindung contra legem, 54 ff.; Bydlinski, Methodenlehre, 501 ff.; Esser, Vorverständnis, 191 f.; Canaris, Systemdenken, 69 f.; Engisch, Einführung, 242 mit Fn. 3; Brecher, Unternehmen als Rechtsgegenstand, 36 ff.; Picker, JZ 1984, 153, 158; Schünemann, JZ 2005, 271, 274. Anderer Begriff der Rechtsquelle bei Esser, Grundsatz und Norm, 138 f. (Rechtsquelle seien je nach System und Organisation des rechtsschöpferischen Handelns nicht die Akte, sondern die Akteure, also z.B. Parlament oder Rechtsprechung). 83 BVerfGE 38, 386, 396 (1975); BVerfGE 84, 212, 227 (1991); Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 20 GG (Rechtsstaat) Rn. 93; Bydlinski, Methodenlehre, 503; Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, 466. 78
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schen den Parteien – unzulässig ist84. All das impliziert, dass gerichtliche Entscheidungen eine bereits getroffene, generell-abstrakte Norm voraussetzen, die vom zuständigen Gericht angewendet wird85. Mit anderen Worten schaffen Urteile keine subjektiven Rechte, sondern stellen fest, was zum streitgegenständlichen Zeitpunkt rechtens ist86. Nur verschoben wird die Problematik mit der Annahme87, die Gewährung bestimmter Ansprüche und sonstiger Rechtsfolgen (z.B. Übertragbarkeit) lasse darauf schließen, dass diesen Rechtsfolgen ein subjektives Recht zugrunde liegt, denn auch jenes Recht muss ja von irgend einer Instanz geschaffen worden sein. Verweise auf ein „law in action“ im Sinne der von Richtern geschaffenen, „eigentlichen“ positiven Norm88 oder die faktische Präjudizwirkung von Entscheidungen höherer Gerichte89 erklären nur die praktische Bedeutung konkret-individueller Urteile, nicht aber die behauptete generell-abstrakte Wirkung. Fragt man hingegen wie hier nach einer Rechtsgrundlage für eine richterliche Zuordnungsentscheidung, ergeben sich derartige Verwerfungen nicht, weil davon ausgegangen wird, dass die Gerichte die objektive verfassungsmäßige Ordnung anwenden und nicht selbst hervorbringen. Dasselbe gilt für ein etwaiges Rechtsprinzip der Güterzuordnung. Denn ein solches ermächtigt als generell-abstrakte, wenn auch nicht geschriebene, sondern von der Rechtsprechung selbst aus dem Sinnganzen der Rechtsordnung abgeleitete Rechtsquelle zu einer konkret-individuellen Entscheidung90. Bei näherer Betrachtung folgt das Bundesverfassungsgericht im bereits erwähnten Beschluss zur Verfassungsmäßigkeit der Marlene-Rechtsprechung ebenfalls diesem Konzept, wenn dort von einer rich84
BGHZ 165, 62, 65 (2005) – Hörfunkrechte. BVerfGE 84, 212, 226 f. (1991); BVerfGE 88, 103, 115 (1993) (Ableitung des materiellen Rechts aus allgemeinen Rechtsgrundlagen); Reichel, Gesetz und Richterspruch, 109; Müller, „Richterrecht“, 88 f., 106; Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 344; Larenz/Wolf, AT, § 4 Rn. 26; Stein, NJW 1964, 1745, 1746; Steindorff, in: summum ius, 58, 64; Picker, JZ 1984, 153, 154 f. (Gerichte hätten das Recht zu finden, nicht zu erfinden); Sachs, in: Sachs, Art. 20 GG Rn. 120; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20 Rn. 42; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 20 Abs. 3 GG Rn. 286; aus staatstheoretischer Sicht Schmitt, Verfassungsrechtliche Aufsätze, 71, 77 f. 86 RGZ 129, 246, 248 (1930); Flume, 46. DJT II, K5, K22 ff. 87 Zu dieser Sichtweise unten § 14 A II. 88 BVerfGE 59, 231, 257 (1982) (Richterrecht nähere sich der Sache nach einer rechtssatzmäßigen Regelung an); Fikentscher, Methoden IV, 221 f. (richterrechtliche Fallnorm als „Rechtsquelle“); Less, Richterrecht, 66 (rechtssystematisch hätten Gesetzgebung und Rechtsprechung gleichen Rang); Esser, Grundsatz und Norm, 287; für gewohnheitsrechtlich anerkannte Rechtsprechung ders., Methodik des Privatrechts, 1, 10; Kramer, Methodenlehre, 214 f. (Rechtsquelle sui generis); für Entscheidungen im Bereich des gesetzlichen „non liquet“ Bydlinski, Methodenlehre, 506; Picker, JZ 1984, 153, 160. 89 BAG BAG NJW 1978, 2114, 2115 (Befriedungs- und Ordnungsfunktion der rechtsfortbildenden Entscheidungen des Großen Senats des BAG); Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 519; Esser, Vorverständnis, 184 ff.; Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, 445 ff.; Zippelius, Methodenlehre, 80 ff.; siehe aber auch BVerfGE 84, 212, 227 (1991) (der Geltungsanspruch höchstrichterlicher Entscheidungen über den Einzelfall hinaus beruhe allein auf der Überzeugungskraft ihrer Gründe sowie der Autorität und den Kompetenzen des Gerichts). 90 Dazu unten § 12 A. 85
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terlichen „Anerkennung“ ungeschriebener, vermögenswerter Bestandteile des Persönlichkeitsrechts im Wege der „Ableitung“ des materiellen Privatrechts aus „allgemeinen Rechtsgrundlagen“ bzw. „Grundgedanken des bürgerlichen Rechts“ die Rede ist91. Damit lässt sich die zentrale Kompetenzproblematik wie folgt zuspitzen: Besteht eine Rechtsgrundlage für positive Güterzuordnungsentscheidungen im geschriebenen Recht oder aufgrund eines noch zu formulierenden Rechtsprinzips, dann sind die Gerichte auf dieser Basis zuständig; fehlt es hieran, liegt die Kompetenz für die Schaffung derartiger, gegen jedermann wirkender Rechtspositionen bei der Legislative. Wenn man zweitens unterstellt, dass es sich bei den eingangs erwähnten Entscheidungen über die Zuteilung „neuer“ Güter um Rechtsfortbildungen handelt, dann greift das hier gewählte Vorgehen die Erkenntnis auf, dass die Grenzen solch richterlicher Rechtsfortbildung nicht losgelöst von der konkreten Rechtsfrage und den einschlägigen Vorschriften ausgelotet werden können92. Teilte man die Kompetenzen der Judikative und der Legislative nämlich abstrakt auf, müsste man den Gerichten entweder eine umfassende Rechtsfortbildungskompetenz zusprechen (etwa weil der gesetzgeberische Prozess fehleranfällig ist) oder jede Überschreitung des Regelungsplans des Gesetzes ausschließen (etwa weil das Demokratieprinzip dies gebietet). Ein solch pauschaler Ansatz entspricht jedoch nicht der deutschen Rechts- und Verfassungsordnung, die in den Grenzen von Recht und Gesetz auch richterliche Rechtsfortbildung akzeptiert (siehe Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG)93: Weder ist die Bundesrepublik Deutschland ein Richterstaat noch muss der Gesetzgeber jede Entscheidung selbst treffen, während die Richter nur willenlose Boten der gesetzgeberischen Anordnung sind. Eine differenzierte Kompetenzabgrenzung setzt dann aber zwingend voraus, die in Frage kommenden Rechtsgrundlagen – hier die güterzuordnungsrelevanten Bereiche von „Gesetz und Recht“ – im Einzelnen auf ihre Tragweite zu überprüfen.
91 BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 – Marlene; ferner BGHZ 33, 20, 28 – Figaros Hochzeit (Anerkennung ungeschriebener Zustimmungsrechte ausübender Künstler aufgrund „allgemein bürgerlichrechtliche[r] Grundsätze“). 92 Siehe BVerfGE 34, 269, 288 (1973) – Soraya; BVerfGE 49, 304, 318 (1978); Bernsdorff, in: Umbach/Clemens, Art. 97 GG Rn. 19; Wank, Rechtsfortbildung, 254; Stern, Staatsrecht II, 583; v. Caemmerer, FS v. Hippel, 27, 31 („Befugnis und Spielraum zur Fortbildung des Rechts lassen sich nicht durch Aufstellung allgemeiner Grundsätze bestimmen.“); ferner der Diskussionsbeitrag von Rittner, in: Pehle/Stimpel, Rechtsfortbildung, 25 f. (gültige Sätze über die (Un-)Zulässigkeit von Rechtsfortbildung könnten nicht aufgestellt werden). 93 Näher unten § 2 C und Müller, „Richterrecht“, 100 (die Alternative „enger Gesetzespositivismus“ oder „Normtextsetzung durch den Richter“ sei unhaltbar).
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C. Konkretisierung und Beschränkung des Themas Nachdem das Ausgangsproblem der Unvollständigkeit der Güterzuordnung und die hier gewählte Herangehensweise erläutert worden sind, gilt es, zwei weitere wichtige Konkretisierungen der Thematik herauszuarbeiten und zu begründen. Gemeint sind die Beschränkungen auf die richterliche Anerkennung originärer Ausschließlichkeitsrechte im Gegensatz zur Ausbildung derivativer Rechte (I) und auf die deutsche Rechtsordnung als Untersuchungsgegenstand (II).
I. Die Frage nach originären Ausschließlichkeitsrechten Bereits die oben erläuterte Orientierung am Sacheigentum und den Immaterialgüterrechten schärft das Bewusstsein dafür, dass im Folgenden allein die richterliche Anerkennung originärer im Gegensatz zu bloß abgeleiteten, derivativen Rechtspositionen in Rede steht94. Der Unterschied kann am Beispiel des originären Erwerbs von Sacheigentum durch Aneignung herrenloser Sachen gem. § 958 BGB einerseits und des derivativen, ein Sacheigentum gem. § 903 BGB voraussetzenden Erwerbs eines beschränkten dinglichen Rechts wie etwa einer Hypothek gem. §§ 1113 ff. BGB andererseits verdeutlicht werden95. Erwähnenswert ist diese Differenzierung, weil nicht nur für die originären Ausschließlichkeitsrechte ein numerus clausus diskutiert wird (oben B II), sondern auch für die von diesen Rechten abgeleiteten Rechtspositionen. In der Literatur werden häufig Bezüge zwischen beiden Fragen hergestellt, indem vom Bestehen oder Nichtbestehen eines numerus clausus der abgeleiteten Rechte auf ein entsprechendes Ergebnis für originäre Rechte und umgekehrt geschlossen wird96. Derartige Schlussfolgerungen sind indes abzulehnen, weil es sich um strukturell und teleologisch vollkommen unterschiedliche Rechtsfragen handelt97: Für beschränkte dingliche Rechte geht die ganz herrschende Meinung davon aus, dass die rechtsgeschäftlichen Handlungsmöglichkeiten auf dem Gebiet des Sachenrechts auf die im Gesetz benannten dinglichen Rechte und deren kodifizier94
Zu diesem Unterschied Esser, Einführung, 151; Schön, Nießbrauch an Sachen, 261; Holmes, Common Law, 193. 95 Dazu v. Tuhr, AT II/2, 34 ff. 96 Siehe Ohly, FS Schricker, 105, 117 (wenn im Immaterialgütervertragsrecht kein Typenzwang herrsche, bestehe erst recht kein numerus clausus der Immaterialgüterrechte); Martinek, JuS 1985, 596, 599 (ein Verfügungsrecht sui generis an elektrischer Energie verstoße nicht gegen den sachenrechtlichen numerus clausus, wie die ausschließliche Lizenz zeige); Birner, Internet-Domain als Vermögensrecht, 24 f.; Hartig, Domain als Verfügungsgegenstand, 42 f.; Roth, Geschützte Stellungen, 93 f. (aus der Ablehnung eines numerus clausus der Verfügungsgeschäfte folge, dass es „Sache der Gerichte [sei], im Bedarfsfall subjektive Ausschließlichkeitsrechte an geschützten Stellungen zu gewähren“); Merrill/Smith, Yale L.J. 110 (2000), 1, 19 f.; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, 3, 24 („Es könnte sein, daß deshalb auch im gewerblichen Rechtsschutz das Prinzip fest ausgeprägter eigenständiger Rechte eine Auflockerung erfährt.“). 97 Jänich, Geistiges Eigentum, 237; Weinmann, Rechtsnatur der Lizenz, 282 f.
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ten Inhalt begrenzt sind (Typenzwang/Typenfixierung)98. Zur Begründung verweist man auf die Absicht des historischen Gesetzgebers, eine Funktionsteilung des Sacheigentums wie beim feudalistischen Ober- und Untereigentum auszuschließen99, auf die konsequente Unterscheidung zwischen schuldvertraglichen Rechtsgeschäften und abstrakten Verfügungsgeschäften100 und schließlich auf das Publizitätsprinzip im Interesse der Klarheit und Übersichtlichkeit der Rechtsverhältnisse101. Der numerus clausus der beschränkten dinglichen Rechte hat den Zweck, eine Aushöhlung und Entwertung des Sacheigentums durch mehrere, sich gegenseitig blockierende Berechtigungen zu verhindern102. Zwar wird der Gesichtspunkt der leichten Erkennbarkeit gegen jedermann wirkender Rechtspositionen auch für die Frage nach dem numerus clausus originärer Ausschließlichkeitsrechte vorgebracht. Gleichwohl betrifft der numerus clausus der derivativen dinglichen Rechte eine ganz andere Rechts- und Interessenlage. Letztgenannter Grundsatz schränkt die Privatautonomie des Eigentümers ein, der nur bestimmte Verfügungsgeschäfte im Hinblick auf das vorausgesetzte Sacheigentum abschließen kann103. Dagegen kommen für die Anerkennung bzw. Schaffung der originären Zuordnung von Gütern von vornherein nur die Gerichte oder der Gesetzgeber als Akteure in Betracht104. Während der Verweis auf Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Güterzuordnungskontext Rücksicht auf die allgemeine Handlungsfreiheit potentieller Rechtsverletzer nimmt, die wissen sollen, wie weit der Schutzbereich eines Ausschließlichkeitsrechts reicht, dient die leichte Erkennbarkeit beschränkter dinglicher Rechte dem Rechtsverkehr105. Diese teleologische Ausrichtung auf die Interessen vertraglich 98
Siehe BVerfGE 45, 297, 339 (1977); Johow, in: Schubert, Sachenrecht 2, 267 f. (die Befugnis zur Bestellung von Rechten an fremder Sache beruhe auf der Anerkennung durch den Gesetzgeber, der den Inhalt der zu schaffenden Rechte bestimmt und begrenzt habe, um ungeeignete dauernde Mitbesitz- und Mitgebrauchsverhältnisse an Sachen zu vermeiden); v. Tuhr, AT I, 137; Schön, Nießbrauch an Sachen, 241 ff.; ders., ZHR 158 (1994), 229, 233 f.; Eichler, Institutionen Sachenrecht I, 54 ff.; Brehm/Berger, Sachenrecht, Rn. 1.37; Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rn. 17; Jänich, Geistiges Eigentum, 234 ff.; Ohly, FS Schricker, 105, 106 f. 99 Johow, in: Schubert, Sachenrecht 1, 625, 646 ff.; Mot. III, 262; Heck, Sachenrecht, 87; Kroeschell, FS Thieme, 34, 37 ff.; Raiser, FS Sontis, 167, 176 ff.; Brehm/Berger, Sachenrecht, Rn. 5.1 ff.; Olzen, JuS 1984, 328, 334; Pawlowski, AcP 165 (1965), 395, 408 f.; Seiler, in: Staudinger, vor § 903 BGB Rn. 2; Baur/Stürner, Sachenrecht, 31. 100 Schön, Nießbrauch an Sachen, 248 ff.; kritisch zur „Versteinerung der dogmatischen Tradition“ im Hinblick auf die Dichotomie zwischen absoluten (dinglichen) Rechten und Obligationen Walz, KritV 1986, 131 ff., 163. 101 Wolff/Raiser, Sachenrecht, 9 f.; Schön, Nießbrauch an Sachen, 244 f. m.w.N.; Walz, KritV 1986, 131, 153, 157; Merrill/Smith, Yale L.J. 110 (2000), 1, 24 ff. 102 Dazu Baur/Stürner, Sachenrecht, 4; Wiegand, AcP 190 (1990), 112, 117 f.; Schön, Nießbrauch an Sachen, 245 ff. Eine ökonomische Analyse des numerus clausus beschränkter dinglicher Rechte findet sich bei Merrill/Smith, Yale L.J. 110 (2000), 1, 24 ff., die den numerus clausus für vorteilhaft halten; zustimmend Parisi/Schulz/Depoorter, Int. J. Law & Econom. 25 (2006), 578, 589. 103 Zum Begriff der Privatautonomie unten § 14 B I. 104 Dazu, dass privatautonom keine gegen jedermann wirkenden Rechtspositionen geschaffen werden können unten §§ 10 A, 14 B I. 105 Siehe Schön, Nießbrauch an Sachen, 244 f.
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verbundener Personen bestätigt die Diskussion um den numerus clausus der Übertragungstypen im Immaterialgüterrecht, der von der ganz herrschenden Meinung abgelehnt wird106. Maßgeblich hierfür ist der Umstand, dass die Nutzung immaterieller Güter nicht rivalisierend ist und sich deshalb anders als bei körperlichen Gegenständen mehrere vertraglich Berechtigte nicht gegenseitig blockieren und ausschließen können, so dass die mit dem Rechtsverkehr bezweckte, möglichst effiziente Nutzung dieser Güter nicht kompromittiert wird107. Wenn folglich aus der Diskussion um den numerus clausus beschränkter dinglicher Rechte wegen struktureller und vor allen Dingen teleologischer Unterschiede keine Rückschlüsse auf die hier gestellte Frage nach originärer Güterzuordnung gezogen werden können, muss auf die richterrechtliche Anerkennung ungeschriebener derivativer Sachenrechte – etwa das Anwartschaftsrecht108 und vor dem Inkrafttreten des BGB das Stockwerkseigentum109 – nicht eingegangen werden. Die Zulässigkeit dieser Rechtsfortbildungen ist nach anderen Maßstäben zu beurteilen110.
II. Das geltende deutsche Recht als Untersuchungsgegenstand Zwar ermöglicht die Beschränkung auf die gerichtliche Anerkennung von Rechtspositionen mit den Wirkungen des Sacheigentums und der Immaterialgüterrechte eine recht klare Ausrichtung der Fragestellung, mit der güterzuordnungsrelevante Rechtsnormen ausgemacht und gezielt analysiert werden können. Dennoch kann abgesehen von vereinzelten Hinweisen111 eine umfassende 106 Johow, in: Schubert, Sachenrecht 2, 267 f. (bei anderen Rechten als dem Sacheigentum könne es die Übelstände mehrfacher Berechtigungen nicht geben, so dass die privatautonome Gestaltung grundsätzlich unbeschränkt sei); Hilty, Lizenzvertragsrecht, 86 ff.; Forkel, Gebundene Rechtsübertragung, 67 ff.; Weinmann, Rechtsnatur der Lizenz, 281 ff., 414 ff.; Krasser, GRUR Int. 1973, 230, 232; Schricker, in: Schricker, vor § 28 UrhG Rn. 52; a.A. Larenz/Wolf, AT, § 15 Rn. 14; offenbar auch Emmert, Markenlizenz, 116 ff. 107 Weinmann, Rechtsnatur der Lizenz, 473 f.; wenig klar Engels, Markenlizenz, 60 ff. (aus der angeblich eingetretenen Typisierung der Lizenz sei zu schließen, dass eine Lizenzerteilung mit dinglicher Wirkung möglich sei). 108 Siehe insbesondere BGHZ 20, 88, 97 (1956) (Anwartschaftsrecht kraft „bedingter Verfügung über ein bestehendes Recht“, Hervorh. v. Verf.); Wolf, NJW 1987, 2647, 2650 m.w.N.; Gast, FS Wolf, 87, 90 ff.; Heck, Sachenrecht, 76 ff. 109 Siehe zur gewohnheitsrechtlichen Anerkennung des Stockwerkseigentums seit dem Mittelalter bis in das 19. Jahrhundert Württembergisches Obertribunal SeuffArch 24, 782 ff. (1869) (die dem Akzessionsprinzip widerstreitende Teilung des Gebäudeeigentums in eigenständiges Eigentum an einzelnen Räumen sei durch ständige Übung zum Gewohnheitsrecht geworden); Thümmel, JZ 1980, 125 ff. m.w.N. Gem. Art. 182 EGBGB bleibt zur Zeit des Inkrafttretens des BGB bestehendes Stockwerkseigentum bestehen; das Rechtsverhältnis der Beteiligten untereinander bestimmt sich nach den bisherigen Gesetzen. Neues Stockwerkseigentum kann aber nicht mehr begründet werden; dazu Thümmel, a.a.O., 130. 110 Siehe Schön, Nießbrauch an Sachen, 253 f. 111 Zum schweizerischen UWG etwa unten §§ 7 D I 4 a, 13 A II 2 b.
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rechtsvergleichende Erörterung nicht geleistet werden. Das hat nicht nur Kapazitäts- und Raumgründe. Die hier verfolgte Herangehensweise verbietet den vorschnellen Rückzug auf angeblich universelle Wertungen ohne erkennbaren Bezug zum jeweils anwendbaren objektiven Recht. Sie fußt auf einer Analyse unterschiedlicher, miteinander korrespondierender Rechtsgebiete und zielt letztlich nicht auf eine zur funktionalen Rechtsvergleichung geeignete Sachfrage112, sondern auf eine in der Struktur der Rechtsordnung angelegte Kompetenzproblematik. Ferner wird die historische Entwicklung bei der Analyse des deutschen Rechts, zum Beispiel im Hinblick auf das Deliktsrecht und die Rechtsprechung zum „sonstigen Recht“ gem. § 823 Abs. 1 BGB, nicht wesentlich länger zurückverfolgt als bis zu den Vorarbeiten des BGB und den Einflüssen, die das gemeine Recht hierauf hatte. Ältere Rechtsordnungen werden bewusst ausgeblendet. Rechtfertigen lässt sich dies wiederum mit der Rückkopplung auf das objektive Recht, das sich gerade im Bereich der Eigentumsordnung im 20. und 21. Jahrhundert mehrfach grundlegend gewandelt hat. Erweitert man den Blick auf die gegenwärtige, marktwirtschaftlich geprägte Wirtschaftsordnung, so erscheint eine Beschränkung auf die Zeit seit der wirtschaftsverfassungsrechtlichen Grundentscheidung zugunsten der allgemeinen Gewerbefreiheit im Jahre 1869 auch sachlich vertretbar113. Schließlich ist der Prüfungs- und Aussagegehalt dieser Studie im Hinblick auf europarechtliche und völkerrechtliche Rechtsquellen klarzustellen. Es versteht sich von selbst, dass im Folgenden insbesondere das primäre und sekundäre Europarecht berücksichtigt wird. In die Betrachtung einbezogen werden etwa die Richtlinie 2005/29 über unlautere Geschäftspraktiken und auf verfassungsrechtlicher Ebene die Eigentumsgarantien der EMRK und der Europäischen Grundrechtecharta114. Ferner ist der europäische Gesetzgeber seit einigen Jahren bei der Normierung neuer oder erweiterter Immaterialgüterrechte sogar aktiver als die deutsche Legislative, sei es in Form von Richtlinien oder Verordnungen, mit denen gemeinschaftsweit gültige, einheitliche Immaterialgüterrechte – sog. Gemeinschaftsrechte – geschaffen werden. Große Teile der in Deutschland geltenden Immaterialgüterrechtsordnung beruhen daher unmittelbar oder mittelbar auf europäischem Recht115. Solche gesetzgeberischen Aktivitäten sind jedoch nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Die hier avisierte richterrechtliche Güterzuordnung ist hingegen aus verschiedenen Gründen nicht durch europäisches Recht und seine Anwendung durch europäische Gerichte geprägt: Die in Teil 2 im Zentrum stehenden, güterzuordnungsrelevanten General- und Auffangklauseln des BGB, des UWG, der ZPO und der InsO jenseits der nor112
Siehe hierzu Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 31 ff. Zur Einführung der Gewerbefreiheit als wirtschaftsverfassungsrechtliche Gesamtentscheidung Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, 40. 114 Siehe unten §§ 7 A, 11 A. 115 Unten § 5 B II 2, 3. 113
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mierten Ausschließlichkeitsrechte haben allesamt kein Pendant im europäischen Sekundärrecht, denn ein europäisches Zivil- und Verfahrensrecht in diesen allgemeinen Bereichen existiert bisher nicht. Ferner finden sich in den beschränkten Einzelermächtigungen des Primärrechts keine Regelungen, die den europäischen Institutionen einschließlich des EuGH die Zuordnung von Gütern als Aufgabe übertragen würden. Im Gegenteil, Art. 295 EG lässt die Eigentumsordnungen der Mitgliedstaaten ausdrücklich unberührt116; das „gewerbliche und kommerzielle Eigentum“ erscheint nur als Rechtfertigungsgrund für mitgliedstaatliche Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit (Art. 30 S. 1 EG). Es verwundert daher nicht, dass die genannten Rechtsakte im Immaterialgüterrecht primär auf die Binnenmarkt- und Abrundungskompetenz gem. Art. 95 Abs. 1, 308 EG gestützt wurden117. Diese im Primärrecht angelegte Kompetenzabgrenzung zwischen EG und Mitgliedstaaten wirkt sich auch auf eine etwaige Fortbildung des Güterzuordnungsrechts durch den EuGH aus. Zwar ist anerkannt, dass der EuGH bei der ihm gem. Art. 220 EG aufgetragenen Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung des primären und sekundären EG-Rechts und – schon vom Tatbestand der Norm her eingeschränkter – im Rahmen des Art. 46 EUV auch jenes Vertrags rechtsfortbildend tätig werden darf118. Es wäre ferner zumindest denkbar, dass dem EuGH eine güterzuordnungsrelevante Frage zur Auslegung europäischen Rechts gem. Art. 234 EG von einem mitgliedstaatlichen Gericht vorgelegt wird. Nur mangelt es abgesehen von normierten Ausschließlichkeitsrechten, die als solche nicht Gegenstand dieser Darstellung sind, wie gezeigt an einschlägigem Sekundärrecht. Diesen Mangel an relevanten Rechtsgrundlagen dürfen die europäischen Gerichte nicht in einer Weise rechtsfortbildend überwinden, die von den Kompetenzen der Gemeinschaft insgesamt nicht getragen ist119. Jedenfalls die Formulierung eines europäischen Rechtsprinzips der Güterzuordnung, das die mitgliedstaatlichen „Eigentumsordnungen“ überwölbt und modifiziert, 116
Siehe unter Verweis auf Art. 295 EG im Zusammenhang mit der Frage, ob Sportveranstaltern „Fernsehrechte“ zustehen, EG-Kommission, Vermarktung UEFA Champions League, Ziff. 122 mit Fn. 61 („The Commission takes note of the fact that there is no common uniform concept in the EEA Member States regarding the ownership of the property media rights to football events nor is there any Community or EEA law concept. … The question of ownership is for national law and the Commission’s appreciation of the issue in this case is without prejudice to any determination by national courts.“). An Handelsnamen besteht nach Auffassung der EG-Kommission dann ein „Recht des geistigen Eigentums“ gem. Art. 2 Abs. 1 RL 2004/48/EG, „soweit es sich dabei nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaates um ausschließliche Rechte handelt“; siehe EG-Kommission, Erklärung zu Artikel 2 RL 2004/48/EG. Ferner Hilty/Henning-Bodewig, Leistungsschutzrechte, 22 ff. 117 Siehe Hilty, in: Behrens, Stand und Perspektiven, 139, 140 ff. m.w.N. 118 Siehe nur etwa Calliess, NJW 2005, 929 ff.; in Bezug auf das Primärrecht Pechstein/Drechsler, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 111 ff.; in Bezug auf das Sekundärrecht Neuner, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 234 ff.; Bultmann, JZ 2004, 1100 ff. (Richtlinien). Zur Einordnung dieser Rechtsfortbildung als konkret-individueller und nicht gesetzgebender Gewalt Neuner, a.a.O., 235. 119 Neuner, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 236 f. m.w.N. auch zur Gegenauffassung.
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wäre mit Art. 295 EG wohl kaum in Einklang zu bringen120. Vor diesem Hintergrund fehlen ausreichende Anhaltspunkte für eine europarechtlich fundierte Zuordnung „neuer“ Güter durch die Judikative.
D. Gang der Darstellung Der so konkretisierten und begründeten Fragestellung geht die Arbeit in folgenden Schritten nach: In einem ersten Teil werden Grundlagen des Güterzuordnungsrechts und seiner Analyse erläutert. Hierzu sind in § 1 zunächst methodisch-begriffliche Vorbemerkungen erforderlich. In dieser Einleitung wurden mehrere Begriffe verwendet, ohne deren Bedeutung und ihr Verhältnis zueinander zu erläutern. Das genügt jedoch nicht, um die Kompetenzbereiche von Judikative und Legislative präzise zu bestimmen. Daher sind Termini wie „Ausschließlichkeitsrecht“ und „Rechtsposition“ im Einzelnen zu definieren. Indem die Kriterien der Begriffsentwicklung offengelegt werden, soll überdies dem naheliegenden Einwand begegnet werden, es werde mit zirkulärer Begriffsjurisprudenz erst ein Untersuchungsgegenstand formuliert, der anschließend je nach gewünschtem Ergebnis mit Leben gefüllt wird. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Problematik beginnt mit § 2, der den verfassungsrechtlichen Rahmen der Güterzuordnung absteckt, indem das strukturell einschlägige Grundrecht benannt, seine potentielle Wirkung auf privatrechtliche Streitigkeiten ausgewiesen sowie die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Rechtsfortbildung skizziert werden. § 3 schließt den Grundlagenteil mit einer knappen Darstellung der positiven und normativen ökonomischen Analyse der Güterzuordnung unter besonderer Berücksichtigung ihrer Grenzen im Hinblick auf die Frage nach einem entsprechenden Rechtsprinzip ab. Den Kern der Arbeit bildet der zweite Teil zu den Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung im deutschen Recht. Ihm ist eine Übersicht zu den bereits oben erwähnten sowie weiterer Beispiele „neuer“ Güter und ihrer Einordnung in Rechtsprechung und Literatur vorangestellt (dazu § 4). Diese hat den Zweck, die anschließend abzuarbeitenden Rechtsgrundlagen in der Gerichtspraxis zu identifizieren und die für das jeweilige Ergebnis vorgebrachten Argumente zusammenzutragen. Im Anschluss hieran werden die güterzuordnungsrelevanten Rechtsgrundlagen anhand der anerkannten Auslegungsmethoden auf ihren güterzuordnenden Gehalt überprüft. Dabei richtet sich der Blick zunächst auf die normierten Ausschließlichkeitsrechte (Sacheigentum und Immaterialgüterrechte) und die Frage, ob zumindest eines als allgemeine Grundlage der Güterzuordnung dienen kann 120
In diesem Sinne EuGH RS. C-456/06, Peek & Cloppenburg/Cassina, Ziff. 38 (es sei nicht Sache des Gerichtshofs, neue Rechte zu schaffen). Dazu, dass vom geltenden Primärrecht nicht gedeckte Rechtssetzung ohne Bindungswirkung für Deutschland ist, siehe BVerfGE 89, 155, 209 f. (1993).
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(dazu § 5). Aufgegriffen wird damit der Gedanke, dass die Rechtsprechung ein Ausschließlichkeitsrecht auf zwei Wegen herzuleiten vermag: Erstens könnte sie eine solche originäre Rechtsposition unmittelbar anerkennen und aus ihrer Verletzung im Einzelfall sekundäre Ansprüche ableiten sowie den Rechtsverkehr zulassen. Da die deutsche Rechtsordnung keine geschriebene Norm kennt, die ohne Bezug auf ein bestimmtes Gut derartige Rechtsfolgen ausspricht, kann sich eine solche Argumentation nur auf die unmittelbare oder analoge Anwendung bestehender Ausschließlichkeitsrechte stützen. Entsprechend dieser spezifischen Fragestellung gilt es nur kurz nachzuweisen, dass sich das Sachen- und Immaterialgüterrecht auf bestimmte Güter und bestimmte Nutzungshandlungen bezieht und damit für die Entscheidung über die Zuordnung „neuer“ Güter ohne Aussagegehalt ist. Es gibt aber noch einen zweiten Weg, auf dem die Rechtsprechung die Wirkungen dieser normierten Ausschließlichkeitsrechte auf „neue“ Güter erstrecken kann; und die Rechtspraxis zeigt, dass diese Variante von den Gerichten bevorzugt wird und daher im Hinblick auf die Rechtsgrundlagen vertieft zu erörtern ist: Es ist nämlich nicht erforderlich, solche Rechte auf einen Schlag aus der Taufe zu heben, sondern die einzelnen Merkmale dieser Rechte können auch nach und nach, je nach Streitgegenstand und Begehren des Klägers anerkannt werden. Hier verfahren die Gerichte wie in einem Baukastensystem, das am Ende eines ggf. jahrzehntelangen Weges ein in der positiven Rechtsordnung nicht auffindbares Ausschließlichkeitsrecht hervorbringt. Dabei greift die Rechtsprechung – soweit sie überhaupt Rechtsnormen nennt – auf allgemeine Regelungen zurück, die die jeweils begehrte, einzelne Rechtsfolge aussprechen. Bemerkenswert ist nun, dass sich im deutschen Recht sowohl für den Schutz eines Gutes zugunsten einer Person im Verhältnis zu jedermann als auch für die rechtsgeschäftliche und zwangsweise Verwertung von Rechtspositionen offene General- bzw. Auffangklauseln finden. Die Untersuchung jener Vorschriften des BGB, des UWG, der ZPO und der InsO bildet den Schwerpunkt dieser Arbeit. Die insoweit jeweils gestellte Frage lässt sich dahin umreißen, ob die in Betracht kommenden Regelungen die jeweilige Rechtsfolge aus sich selbst heraus („normintern“) generieren oder ob sie im Hinblick auf positiv-exklusive, übertragbare Befugnisse durchweg auf normexterne Wertungen, insbesondere die normierten Ausschließlichkeitsrechte verweisen. Anders gewendet: Delegieren diese Normen die Entscheidung über derartige Wirkungen an die Rechtsprechung oder setzen sie entsprechende Aussagen der Rechtsordnung voraus121? Zu diesen, anhand der Rechtspraxis als relevant erkannten allgemeinen Normen zählen zunächst jene, die unter bestimmten Tatbestandsvoraussetzungen Ansprüche auf Schadensersatz, Unterlassung, Beseitigung, Herausgabe der 121
Ebenso die Fragestellung bei BVerfGE 51, 193, 212 ff. (1979). Das Bundesverfassungsgericht prüft, ob ein unter die Eigentumsgarantie fallendes subjektives Recht an der geographischen Herkunftsangabe auf der Basis der §§ 5, 6 WeinG 1930 und des UWG 1909 herzuleiten sei und geht dabei maßgeblich auf den Zweck dieser Normen ein.
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Bereicherung und Herausgabe des Gewinns gewähren und damit den Aspekt des Schutzes im Verhältnis zu allen Dritten ansprechen. Zu nennen sind insoweit – das Deliktsrecht des BGB, insbesondere das „sonstige Recht“ gem. § 823 Abs. 1 BGB, die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung gem. § 826 BGB und der hier sog. allgemeine Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch gem. § 1004 BGB analog (dazu § 6); – das Recht gegen unlauteren Wettbewerb, insbesondere das Verbot „unlauterer Wettbewerbshandlungen“ gem. §§ 3, 4 Nr. 9, 10 UWG (dazu § 7); – das Bereicherungsrecht, insbesondere die Verpflichtung zur Herausgabe des in „sonstiger Weise auf dessen Kosten … ohne rechtlichen Grund“ Erlangten, also die sog. Eingriffskondiktion gem. § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB (dazu § 8); – sowie die Geschäftsführung ohne Auftrag, insbesondere die sog. angemaßte Eigengeschäftsführung, die gem. §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 BGB dem Geschäftsherrn einen Anspruch auf Herausgabe alles Erlangten gewährt, wenn jemand ein „fremdes Geschäft als sein eigenes“ behandelt, obwohl er weiß, dass er dazu nicht berechtigt ist (dazu § 9). Neben diese Anspruchsgrundlagen bei unerlaubter Nutzung des „neuen“ Gutes treten Auffangnormen des Rechtsverkehrsrechts, namentlich – § 413 BGB zur Übertragung „anderer Rechte“ sowie die Rechtsprechung zur sog. „Ermächtigung“ als Ersatzinstrument zur Verfügung über ein Recht (dazu § 10 B); – die §§ 1068 ff., 1273 ff. BGB zur Bestellung eines Nießbrauchs bzw. zur Verpfändung von „Rechten“ (dazu § 10 C); – § 857 Abs. 1 ZPO zur Zwangsvollstreckung in „andere Vermögensrechte“ (dazu § 10 D); – § 35 Abs. 1 InsO zum Begriff der Insolvenzmasse, die das „gesamte Vermögen“ erfasst (dazu § 10 E); – sowie schließlich § 1922 BGB zur Vererbung des Vermögens als Ganzem (dazu § 10 F). Im Anschluss an die Prüfung des güterzuordnenden Gehalts dieser Normen des Privat- und Verfahrensrechts ist die in § 2 als einschlägig identifizierte Eigentumsgarantie in die Betrachtung der „verfassungsmäßigen Ordnung“ einzubeziehen. Insoweit lautet die Fragestellung, ob Art. 14 GG die Zivilgerichte legitimiert, den Regelungsplan des einfachen Rechts im Hinblick auf ungeschriebene Ausschließlichkeitsrechte zu überwinden. Zu diesem Zweck sind der Schutzbereich der Eigentumsgarantie und seine Ausstrahlungswirkungen auf das Privatrecht im Sinne eines Zuordnungsgebots herauszuarbeiten. Erst im Anschluss an die Erörterung der güterzuordnungsrelevanten Vorschriften wird in § 12 auf ein sonstiges Rechtsprinzip der Güterzuordnung eingegangen, auf das sich Gerichte und Literatur zur Fortbildung des einfachen Rechts ebenfalls berufen – wenn auch oft verklausuliert. Denn nur vor diesem Hintergrund lässt sich beurteilen,
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ob ein solcher Grundsatz zu „Gesetz und Recht“ gehört, an die die Gerichte gebunden sind. Der abschließende dritte Teil beschäftigt sich mit den Konsequenzen des Ergebnisses der Suche nach einer Rechtsgrundlage für positive richterliche Zuordnungsentscheidungen. In § 13 sind die zunächst noch unter dem Vorbehalt eines verfassungsrechtlichen bzw. allgemeinen Zuordnungsgebots stehenden Grenzen güterzuordnungsrelevanter Bestimmungen endgültig zu formulieren sowie – als ganz praktisches Ergebnis – der Schutz und die rechtsgeschäftliche Verwertbarkeit der in dieser Arbeit betrachteten „neuen“ Güter de lege lata darzustellen. Die einzelnen Auslegungsergebnisse gilt es anschließend zu einer Dogmatik des Güterzuordnungsrechts zu verarbeiten (dazu § 14). Zum einen wird das in § 1 lediglich gesetzte, begrifflich-dogmatische Konzept anhand der gefundenen Aussagen des geltenden Rechts überprüft. Zum anderen soll eine allgemeine Theorie der Güterzuordnung in einem weiteren Sinne formuliert werden, die neben Ausschließlichkeitsrechten einen gesetzlichen Schutz von Interessen und Gütern sowie relative Rechte umfasst und die Kompetenz zu ihrer Begründung bzw. Anerkennung mit den unterschiedlichen Wirkungen dieser Rechtspositionen in Beziehung setzt. Der abschließende Ausblick lässt die Auslegung und dogmatische Verarbeitung des geltenden Rechts hinter sich. Zu erörtern ist, ob die lückenhafte Güterzuordnung durch gesetzgeberische Maßnahmen gestärkt werden sollte oder ob das Augenmerk der Rechtspolitik und Rechtswissenschaft nicht vielmehr dem Gegenpol des statischen Bestandsschutzes gewidmet sein sollte, nämlich dem Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit (dazu § 15).
Teil 1
Grundlagen der Güterzuordnung
§ 1 Begriffliche Konkretisierung der Fragestellung In der Einleitung wurden die Unvollständigkeit der Güterzuordnung als das Ausgangsproblem dieser Studie, die Herangehensweise mit der Frage nach der Rechtsgrundlage für eine richterliche Zuordnungsentscheidung sowie die thematische Begrenzung auf originäre Rechte nach dem Vorbild des Sacheigentums und der Immaterialgüterrechte dargelegt. Dabei wurde allerdings mit mehreren nicht näher erläuterten Begriffen agiert. Hierzu zählt bereits der Terminus des „Gutes“, ferner das für das Sacheigentum und Immaterialgüterrechte gesetzte „Ausschließlichkeitsrecht“ und namentlich der ausgesprochen vage Terminus der „Güterzuordnung“ selbst. Der folgende Paragraph hat den Zweck, den Gehalt dieser Begriffe festzulegen, die Thematik in den allgemeinen Kontext des Privatrechtssystems einzuordnen und damit weiter zu konkretisieren. Dafür ist es allerdings zunächst erforderlich, den Zweck, die Gefahren und die Kriterien der Begriffsbildung aufzuzeigen. Sämtliche Ausführungen sind nicht an den Leser gerichtet, der eine schnelle Antwort auf die in der Einleitung formulierte Frage sucht, sondern sie dienen der methodischen Absicherung gegen potentielle Kritik.
A. Notwendigkeit, Gefahren und Kriterien der Begriffsbildung I. Begriffe und Dogmatik Der Inhalt der Rechtsordnung wird über Sprache transportiert. Die dabei verwendeten Begriffe sind wie alle Bezeichnungen arbiträr1. Es ist daher erforderlich, sich über die Bedeutung von (Rechts-)Begriffen zu einigen. Diesem Zweck dienen Definitionen2, die per se zwar nicht „falsch“ sein können, eben weil Gemeintes willkürlich bezeichnet werden kann. Dennoch sollten sie das Bezeichnete transparent beschreiben, um den Diskurs zu erleichtern3. Diese allgemeine Problematik der Arbitrarität und damit Manipulierbarkeit des Zeichens erfährt in der rechtswissenschaftlichen Arbeit eine seit langem er1
Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 164 ff.; Vesting, Rechtstheorie, Rn. 54 ff. Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 195 ff. (Präzision durch Definition); Bucher, Das subjektive Recht, 33. 3 Larenz, FS Sontis, 129, 147. 2
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kannte, besondere Zuspitzung4. Hier können nicht nur die Begriffe zur Beschreibung des Seins und des konkreten Sollens willkürlich gesetzt werden, sondern auch die Termini zur Darstellung eines dogmatischen Systems mit dem Ziel, „die wertungsmäßige Folgerichtigkeit und innere Einheit der Rechtsordnung“ darzustellen und zu verwirklichen5. Um letztgenannte Kategorie von Begriffen geht es im Folgenden. Sie dienen der Systematisierung des Rechtsstoffs oder synonym der Dogmatik, indem die Ergebnisse der vorangegangenen sachorientierten Diskussionen in ein gut überblickbares und die weitere Rechtsgewinnung dadurch erleichterndes, beschreibendes System gebracht werden6. Aber selbst wenn man entsprechend dieses Verständnisses von Dogmatik das Recht nur verallgemeinernd wiedergeben und nicht versteckt Rechtspolitik betreiben möchte, ist die im Folgenden beabsichtigte Begriffsbildung problematisch. Denn wenn die Dogmatik die Ergebnisse der bereits erfolgten, sachorientierten Diskussion nur zusammenfasst und systematisiert, ihre Begriffe aber wie hier der Rechtsgewinnung durch Auslegung des objektiven Rechts vorangestellt werden, dann erweckt das den Anschein einer tendenziell zirkulären Begriffsjurisprudenz, die in unzulässiger Weise allein aus einem Begriff und seiner Stellung in einem geschlossenen System Rechtsfolgen ableitet7. Bezogen auf die folgende Darstellung würde der Vorwurf lauten, die Bezeichnungen für bestimmte Arten der Güterzuordnung würden so gewählt und mit Inhalt gefüllt, dass sie genau das gewünschte Ergebnis im Hinblick auf die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Legislative und Judikative ermöglichen. An dieser Kritik ist richtig, dass die Auswahl, Definition und Ordnung der Begriffe eben willkürlich und damit allzu häufig zielgerichtet, wertend erfolgt8. Dem könnte man zunächst nur mit der Zusicherung begegnen, die Systembegriffe seien erst nach der Analyse des geltenden Rechts gebildet und hier nur zu Darstellungszwecken vorangestellt worden. Darüber hinaus kann die Befürchtung des begriffsjuristischen Zirkels, wonach man in den Begriff (etwa des Aus4
„Omnis definitio in iure civili periculosa est.“; D.50.17.202. So zur Aufgabe des Systembegriffs Canaris, Systemdenken, 18; Larenz, Methodenlehre, 125; Zippelius, Rechtsphilosophie, 193 f.; Fikentscher, Methoden IV, 84 ff.; zum common law entsprechend Hohfeld, Yale L.J. 26 (1917), 710, 712 f. 6 In diesem Sinne zur Bedeutung der Dogmatik Bydlinski, Methodenlehre, 16; Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 225; Vesting, Rechtstheorie, Rn. 21; Larenz, Methodenlehre, 165 ff.; Larenz/ Wolf, AT, § 4 Rn. 19, 92; Raiser, Grundgesetz und Privatrechtsordnung, 14; Kupisch, FS v. Lübtow, 501, 502; Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 311; Esser, in: Esser/Engisch, Methoden I, 1, 19. Zur Bedeutung und zum Begriff der Dogmatik ausführlich etwa Gödicke, Bereicherungsrecht und Dogmatik, 47 ff. m.w.N. (die Dogmatik habe die Bedeutung, den Rechtsstoff vorbereitend zu ordnen und Vorschläge zur Auslegung und Anwendung von Normen herauszuarbeiten (a.a.O., 79), so dass sie als „Lehre vom geltenden Recht“ nur systemimmanente Kritik an der Rechtsordnung formulieren könne (a.a.O., 84)). 7 Siehe zur Begriffsjurisprudenz nur etwa Fikentscher, Methoden III, 96 ff.; Larenz, Methodenlehre, 165 f., 173; Larenz/Wolf, AT, § 4 Rn. 2 ff.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, 430 ff.; Zippelius, Rechtsphilosophie, 194; in Bezug auf die Aussagekraft des Begriffs „geistiges Eigentum“ Ramsauer, Geistiges Eigentum und kulturelle Identität, 172. 8 Bucher, Das subjektive Recht, 33 f. 5
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schließlichkeitsrechts) hineinlegt, was man später als Rechtsfolge (hier die Zuständigkeit des Gesetzgebers bzw. der Gerichte) gewinnen möchte, nur mit transparenter Methodik zerstreut werden. Dazu wird in diesem Abschnitt zunächst ein – begründetes – Bekenntnis zum methodologischen Dualismus, also zur Unterscheidung zwischen Sein und Sollen abgelegt. Ferner wird erläutert, welche Kriterien aus welchen Gründen zur Bildung dogmatischer Begriffe herangezogen werden. Die weiteren Abschnitte zur Einordnung des Themas in das Privatrechts(begriffs)system (B) und zu den hier verwendeten Termini (C) legen nur ihre hier verwendete Bedeutung fest, ohne diese Wahl und das Verhältnis der Begriffe zueinander zu begründen, denn hierfür ist allein der Inhalt des objektiven Rechts maßgeblich. Mit anderen Worten wird lediglich das sprachliche Werkzeug bereitgestellt und erläutert, um in Teil 2 in verständlicher Form an die Auslegung der güterzuordnungsrelevanten Rechtsgrundlagen zu schreiten, die einer anderen Methodik und Zielsetzung als die beschreibende Dogmatik folgt9. Erst im anschließenden dritten Teil werden die hier gesetzten Begriffe und Unterscheidungen vor dem Hintergrund der Auslegungsergebnisse des zweiten Teils begründet10. Der Aufwand für diese Methodenehrlichkeit erscheint notwendig, weil – wie zu zeigen sein wird – in Grenzbereichen wie der richterlichen Zuordnung von Gütern besonders häufig rechtspolitische Wunschvorstellungen mit argumentativ und methodisch allenfalls scheinbar tragfähigen Ausführungen propagiert werden. Hierzu möchte diese Untersuchung einen Kontrapunkt setzen.
II. Ausgangspunkt: Die Trennung von Sein und Sollen Um begründen zu können, warum bestimmte Kriterien zur Entwicklung von dogmatischen Begriffen gewählt und andere verworfen werden, ist ein methodischer Ausgangspunkt zu formulieren und zu begründen, der Tenor sämtlicher Ausführungen sein wird. Gemeint ist die Trennung von Sein und Sollen, der sogenannte methodologische Dualismus. Die Erkenntnis, wonach allein aus dem Sein, der Wirklichkeit/Faktizität kein Sollen und aus dem Sollen wiederum kein Sein gefolgert werden kann, ist bestimmend für die methodische Entwicklung im mitteleuropäischen Rechtskreis seit der Neuzeit und bestimmt das Verständnis davon, was Recht ist und insbesondere, wie es entsteht11. Auch in der heutigen Methodenlehre und Rechtsphilosophie ist ungeachtet weit divergierender Positionen im Einzelnen anerkannt, dass „ex factis ius non oritur“12. 9
Dazu unten § 2 D. Dazu unten § 14 A. 11 Im Einzelnen Fikentscher, Methoden III, 7 ff. 12 Radbruch, Rechtsphilosophie, 97; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, 568 f.; Fikentscher, Methoden IV, 659 f.; ders., Wirtschaftliche Gerechtigkeit und kulturelle Gerechtigkeit, 43; Larenz, FS Nikisch, 275, 288; ders., Methodenlehre, 132 (ohne diese Trennung komme die Rechtswissenschaft nicht aus); Zippelius, Rechtsphilosophie, 8 ff.; Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 94 ff.; Ellscheid, 10
§ 1 Begriffliche Konkretisierung der Fragestellung
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Die Gründe hierfür wurden vor allen Dingen von David Hume13 und Immanuel Kant formuliert, der das Sollen autonom im „kategorischen Imperativ“14 und nicht wie das Naturrecht im Sein verankerte. Demnach kommt die Kategorie des Sollens nicht in der naturgesetzlichen Kausalität des Seins vor, so dass aus deskriptiven Sätzen (wahr/unwahr) nicht auf normative Sätze (gut/böse) geschlossen werden kann15. Es ist demnach sinnlos zu sagen, dass etwa der Zirkel rund oder der Schwan weiß sein sollen16. Während über die Wirklichkeit aus der Erfahrung nur Wahrscheinlichkeitssätze und vorläufige Annäherungen formuliert werden können, geht es bei den Rechts- oder Sittengesetzen um unbedingte, notwendige Sätze, für die bloße Wahrscheinlichkeiten gerade nicht genügen, und die daher getrennt vom Sein zu erfassen und zu begründen sind17. Schließlich impliziert der Methodendualismus eine Wertung für eine auf der Freiheit des Indiviin: 13Kaufmann/Hassemer/Neumann, Rechtsphilosophie, 201 ff.; Rupp, AöR 101 (1976), 161, 162 (Trennung von Sein und Sollen als gesicherter Bestand der Rechtstheorie); Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 755; Achterberg, Rechtstheorie 1978, 385, 396; Kelsen, JZ 1965, 465; für das common law Hohfeld, Yale L.J. 23 (1913/14), 16, 20 ff. Einschränkend unter Berufung auf Carl Schmitt Engel, in: Engel, Methodische Zugänge, 12, 19. 13 Dazu Kunz/Mona, Rechtsphilosophie, 76 f. Siehe auch Locke, Two Treatises, Book 2, § 103 („… though at best an argument from what has been, to what should of right be, has no great force …“). 14 Zur Struktur der Sollenssätze etwa Kant, Grundlegung, 413 (alle Imperative werden durch ein Sollen ausgedrückt und sagen, dass etwas zu tun oder zu unterlassen gut sein würde). 15 Siehe Kant, Rechtslehre, 215 („Allein mit den Sittengesetzen ist es anders bewandt. Nur sofern sie als a priori gegründet und nothwendig eingesehen werden können, gelten sie als Gesetze, ja die Begriffe und Urtheile über uns selbst und unser Thun und Lassen bedeuten gar nichts Sittliches, wenn sie das, was sich blos von der Erfahrung lernen läßt, enthalten, und wenn man sich etwa verleiten läßt, etwas aus der letztern Quelle zum moralischen Grundsatze zu machen, so geräth man in Gefahr der gröbsten und verderblichsten Irrthümer.“). Dazu etwa Fikentscher, Methoden III, 9; Kunz/Mona, Rechtsphilosophie, 80 f. 16 Kant, Kritik der reinen Vernunft, 371 („Daß diese Vernunft nun Causalität habe, wenigstens wir uns eine dergleichen an ihr vorstellen, ist aus den Imperativen klar, welche wir in allem Praktischen den ausübenden Kräften als Regeln aufgeben. Das Sollen drückt eine Art von Nothwendigkeit und Verknüpfung mit Gründen aus, die in der ganzen Natur sonst nicht vorkommt. Der Verstand kann von dieser nur erkennen, was da ist oder gewesen ist oder sein wird. Es ist unmöglich, daß etwas darin anders sein soll, als es in allen diesen Zeitverhältnissen in der That ist; ja das Sollen, wenn man bloß den Lauf der Natur vor Augen hat, hat ganz und gar keine Bedeutung. Wir können gar nicht fragen, was in der Natur geschehen soll; eben so wenig als, was für Eigenschaften ein Cirkel haben soll; sondern was darin geschieht, oder welche Eigenschaften der letztere hat.“). 17 Kant, Rechtslehre, 226 f.; ders., Grundlegung, 389 („Jedermann muß eingestehen, daß ein Gesetz, wenn es moralisch, d.i. als Grund einer Verbindlichkeit, gelten soll, absolute Nothwendigkeit bei sich führen müsse; daß das Gebot: du sollst nicht lügen, nicht etwa bloß für Menschen gelte, andere vernünftige Wesen sich aber daran nicht zu kehren hätten, und so alle übrige eigentliche Sittengesetze; daß mithin der Grund der Verbindlichkeit hier nicht in der Natur des Menschen, oder den Umständen in der Welt, darin er gesetzt ist, gesucht werden müsse, sondern a priori lediglich in Begriffen der reinen Vernunft, und daß jede andere Vorschrift, die sich auf Principien der bloßen Erfahrung gründet, und sogar eine in gewissem Betracht allgemeine Vorschrift, so fern sie sich dem mindesten Theile, vielleicht nur einem Bewegungsgrunde nach auf empirische Gründe stützt, zwar eine praktische Regel, niemals aber ein moralisches Gesetz heißen kann.“); ders., Kritik der reinen Vernunft, 103 („Erscheinungen geben gar wohl Fälle an die Hand, aus denen eine Regel möglich ist, nach der etwas gewöhnlicher maßen geschieht, aber niemals, daß der Erfolg nothwendig sei …“); ferner unten § 3 B III.
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Teil 1: Grundlagen der Güterzuordnung
duums fußende Rechtsidee, denn nur der frei gedachte Mensch kann sich gegen eine das Sein bestimmende Kausalität entscheiden, weil er sich so verhalten soll. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass gerade solche Rechtsauffassungen einen Methodenmonismus, also eine Einheit von Sein und Sollen vertreten, die nicht von der individuellen Würde und Freiheit ausgehen, sondern von einer objektiven Sein-Sollensordnung, in die der Einzelne eingebettet ist18. Angewendet auf den Inhalt und die Entwicklung der Rechtsordnung kann demnach von faktischen Umständen oder typischen menschlichen Verhaltensweisen nicht auf einen entsprechenden Rechtssatz geschlossen werden, der seinerseits ebenfalls nicht wieder wie eine Naturkausalität in das Sein hineinwirkt19. Weitergehend werden zweifellos wirksame, informelle Verhaltensregeln vom Recht unterschieden20. Zwar handelt es sich jeweils um Sollenssätze. Die faktischen Übungen, denen sich der Einzelne ggf. verpflichtet fühlt, werden aber durch gesellschaftliche Selbstorganisation und nicht durch die Rechtsordnung und ihre Zwangsmechanismen verwirklicht21. Dabei wird hier keiner undurchlässigen Scheidung von Sein und Sollen das Wort geredet. Recht und Wirklichkeit22 sowie Recht und Moral23 sind aufeinander bezogen, sie wirken aufeinander ein. Insbesondere kann nur die intensive Berücksichtigung von Wirklichkeit und Moral gewährleisten, dass das Recht 18
Z.B. für die nationalsozialistische Rechtsauffassung Larenz, in: Dahm/Huber, Grundfragen, 225, 239 („Das Recht ist nach unserer Auffassung die Lebensform der Volksgemeinschaft, ihre wirkliche Daseinsordnung, nicht nur ein Sollen, sondern ein Sein.“, Hervorh. im Original). 19 Kant, Rechtslehre, 219. 20 Zur Unterscheidung zwischen Recht und Moral Kant, Rechtslehre, 220 („Die Ethik lehrt hiernach nur, daß, wenn die Triebfeder, welche die juridische Gesetzgebung mit jener Pflicht verbindet, nämlich der äußere Zwang, auch weggelassen wird, die Idee der Pflicht allein schon zur Triebfeder hinreichend sei.“); Radbruch, Rechtsphilosophie, 131 ff.; Wieacker, Richterkunst, 10; ders., JZ 1961, 337, 339 f.; Esser, Grundsatz und Norm, 74 f.; Kunz/Mona, Rechtsphilosophie, 91; Vesting, Rechtstheorie, Rn. 30 ff.; Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 99a ff.; Behrends, in: Bydlinski/ Mayer-Maly, Ethische Grundlagen, 1 ff. m.w.N.; Schapp, Freiheit, Moral und Recht, 226, 232 ff.; Neuner, Rechtsfindung contra legem, 108; Müller, „Richterrecht“, 82 (Formeln wie „Billigkeit“, „allgemeine Rechtsidee“, „Bedürfnisse des Rechtsverkehrs“ seien keine Normtexte, aus denen Entscheidungen abgeleitet werden können); Stein, NJW 1964, 1745, 1749; Kelsen, JZ 1965, 465, 468; Ellickson, Order Without Law, 169 f.; trotz unterschiedlicher Ergebnisse im Hinblick auf die Zuordnung von Geheimnissen ferner sowohl Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 40 f. als auch Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 233. 21 Näher unten § 12 A. 22 Siehe zur Bedeutung der Lebenssachverhalte für das Recht, zum Zusammenhang zwischen Seins- und Sollensebene Larenz, Methodenlehre, 132; Coing, Rechtsphilosophie, 183; Kaufmann, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, Rechtsphilosophie, 132; Kruse, Eigentumsrecht, 27; Nawiasky, Allgemeine Rechtslehre, 6 (die Rechtsnormenlehre müsse auf die sozialen Tatsachen und Ideen Rücksicht nehmen); Achterberg, Rechtstheorie 1978, 385, 396, 406; Mestmäcker, Recht und ökonomisches Gesetz, 150 (die Natur der wirtschaftlichen Macht zwinge zu Normen); Neuner, Rechtsverhältnisse, 12 f. (die „meisten Rechtsregeln“ hätten ihre ratio schon in Grund und Zweck der tatsächlichen Lebensverhältnisse, für welche sie gelten sollen); zu Rückkopplungseffekten auch Vesting, Rechtstheorie, Rn. 62. 23 Kelsen, JZ 1965, 465, 468; Ellscheid, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, Rechtsphilosophie, 214 ff.; für eine weitgehende Überwindung der Trennungsthese Lieth, Ökonomische Analyse, 146.
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dauerhaft wirksam bleibt. Diesem Spannungsverhältnis zwischen der Berücksichtigung des Seins und dem Vorbehalt, nicht jedes Sein in Gesolltes zu transformieren, zwischen Positivismus und Naturrecht, muss nicht im Einzelnen nachgegangen werden24, soweit nur dem Postulat des Methodendualismus Genüge getan und angegeben wird, wie und warum der Graben zwischen Sein und erzwingbarem Sollen ohne naturalistische Kurzschlüsse überwunden wird. Für die Analyse der Güterzuordnung folgt aus dieser Grundannahme insbesondere das Erfordernis, zwischen den faktischen Gütern und Bedürfnissen einerseits und den daran bestehenden Rechtspositionen andererseits zu unterscheiden, was allzu häufig nicht geschieht25. Zu betonen ist, dass hier nur eine methodische Entscheidung getroffen wurde, die noch keine Antwort auf die Frage zulässt, welcher Hoheitsträger aufgrund welcher Erwägungen Rechte an Gütern begründen bzw. anerkennen darf. Vielmehr eröffnet erst der methodologische Dualismus den Zugang zu dieser, einer gewaltenteiligen Rechtsordnung inhärenten Kompetenzproblematik, denn nur wenn Güter und rechtliche Zuordnung auseinandergehalten werden, können differenzierte materielle und formelle Lösungen erarbeitet werden.
III. Ungeeignete Kriterien Nimmt man diese methodologische Grundposition ein, erscheinen mehrere, häufig verwendete Kriterien für die Entwicklung von Systembegriffen im Bereich der Güterzuordnung als ungeeignet, weil sie an Seinsaspekten orientiert sind und damit die Trennung zwischen Sein und Sollen zu überspielen drohen, ja geradezu auf unzulässige Rechtsfolgendeduktionen aus Begriffen angelegt sind. 1. Am Rechtsobjekt ausgerichtete Dogmatik Die hier als Orientierungspunkte gewählten Ausschließlichkeitsrechte, also das Sacheigentum und die Immaterialgüterrechte, beziehen sich jeweils auf ein Objekt, eben die Sache bzw. Immaterialgüter26. Auch sonst werden Rechtspositio24
Dazu etwa Fikentscher, Methoden III, 37 ff.; ders., Methoden IV, 383 ff. Wie hier Coing, in: Coing/Lawson/Grönfors, Das subjektive Recht, 7, 12 (die Gegenauffassung sei eine „naive[n]“ Vorstellung); Willoweit, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 7, 14; Thon, Rechtsnorm, 150 ff.; Bucher, Das subjektive Recht, 113 ff.; Kruse, Eigentumsrecht, 158; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 59; Zippelius, Rechtsphilosophie, 177; Zitelmann, IPR, 59 f.; v. Ihering, IherJb 23 (1885), 155, 310 (wenn das Recht die von der Person begründete Beziehung zu außerpersönlichen Sachen oder Immaterialgüterrechten schütze, liege ein exklusives Recht vor); Neuner, Rechtsverhältnisse, 9 ff.; ebenso für das common law Holmes, Common Law, 170; Hohfeld, Yale L.J. 23 (1913/14), 16, 21 ff. m.w.N.; ders., Yale L.J. 26 (1917), 710, 721 („physical relations are wholly distinct from jural relations“); rechtsvergleichend Gretton, RabelsZ 71 (2007), 802, 831. Zur entsprechenden Unterscheidung in den Wirtschaftswissenschaften unten § 3 B I. Nachweise und Kritik zur Identifizierung von Gut und Rechtsposition unten § 12 C I. 26 Zum Begriff des Rechtsobjekts Esser, Einführung, 150 f.; v. Tuhr, AT I, 62; Hübner, AT, Rn. 285. Zum Erfordernis des Güterbezugs von Rechten Wolf, FS v. Hippel, 665, 676 f.; v. Gierke, Dt. Privatrecht I, 258. 25
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nen häufig anhand der jeweils betroffenen Objekte systematisiert. So teilte Kant das „äußere Mein und Dein“ nach der Materie (dem Objekt) in Sachen („Substanz“), die Leistung („Causalität“) eines anderen und andere Personen selbst ein27. In einer bis auf Donellus zurückreichenden Tradition werden private Rechte an äußeren Gütern (Vermögensrechte) den Rechten an der Person (Persönlichkeitsrechte) gegenübergestellt28. In Bezug auf den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff des Art. 14 GG unterscheidet Leisner bewegliche und unbewegliche Sachen sowie Forderungen und Immaterialgüter im Hinblick auf ihre „natürlich vorgegebene Eigentumsfähigkeit“29. Eine solche Ausrichtung der privat- und verfassungsrechtlichen Dogmatik an den Rechtsobjekten vermag jedoch nicht zu überzeugen. Zunächst haben schon nicht alle subjektiven, vom verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff des Art. 14 GG erfassten Rechte ein Gut zum Objekt. Unter einem Gut werden hier und im Folgenden alle wahrnehmbaren körperlichen oder immateriellen Erscheinungen der empirisch fassbaren Welt verstanden, deren Genuss angestrebt wird und geeignet ist, menschlichen Interessen zu dienen und Nutzen zu stiften30. Dazu zählen Sachen und Immaterialgüter, so dass das Sacheigentum und die Immaterialgüterrechte mit dieser Betrachtungsweise erfasst werden können, nicht aber die Gestaltungsrechte31 und Ansprüche, die sich nur auf das Verhalten einer anderen Person beziehen32. 27 Kant, Rechtslehre, 259. Siehe auch die Gliederung von Larenz/Wolf, AT, § 15 (Absolute Herrschaftsrechte, persönliche Familienrechte, Forderungsrechte, Ansprüche, Gestaltungsrechte, Anteils- und Mitgliedschaftsrechte, Erwerbs- und Teilhaberechte). 28 So etwa Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 452 ff. (Haupteinteilung der Privatrechte); Neuner, Rechtsverhältnisse, 9 ff. (Güter der Persönlichkeit, die Familienverhältnisse und Vermögensverhältnisse). Zur entsprechenden Einteilung bei Donellus siehe Coing, in: Coing/Lawson/Grönfors, Das subjektive Recht, 7, 16 f. („quod nostrum est … in persona cuiusque“ oder „in rebus externis“). Kritik dazu unten § 13 B VII 3 b. 29 Leisner, in: HdbStR, § 149 Rn. 66 ff.; Söllner, FS Traub, 367, 369 (Grundeigentum und Eigentum an beweglichen Sachen seien nicht erst durch die staatliche Rechtsordnung geschaffen); ähnlich für ein Schutzgebot in Bezug auf technische Geheimnisse als ebenfalls faktisch exklusive Güter Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 42 ff. 30 In diesem Sinne Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 438 Fn. 25; Becker, Recht der unerlaubten Handlungen, 330 (Wesensmerkmal der Güter sei ihre Verwendbarkeit zur Bedürfnisbefriedigung); Troller, Immaterialgüterrecht, 49; Schloßmann, IherJb 45 (1903), 289, 294 f. („… alles, was wirklich oder auch nur in unserer Vorstellung existiert …“); Kruse, Eigentumsrecht, 184 f.; Ulsamer, Lehre vom Persönlichkeitsrecht, 42 Fn. 92; aus der Ökonomik Bartling/Luzius, Volkswirtschaftslehre, 3 (jedes Mittel, das geeignet und in der Lage ist, einen Nutzen zu stiften, d.h., ein Bedürfnis zu befriedigen); Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 98. Der etwa von Raiser, JZ 1961, 465, 467; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 59; Troller, Immaterialgüterrecht, 49, verwendete Begriff „Rechtsgut“ bzw. „Rechtsobjekt“ impliziert bereits, dass das Gut in bestimmtem Umfang vom Recht geschützt wird (siehe v. Tuhr, AT I, 54) und wird hier daher bewusst vermieden. Zum Rechtsbegriff des „Gegenstands“ unten §§ 10 B IV 1, 14 B I. 31 Siehe Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 452. 32 Krasser, Schutz vertraglicher Rechte, 186 (kein außerpersönlicher Gegenstand, auf den sich die Forderung beziehe). Näher unten B II 4 und zum verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff § 11 B II 2 a.
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Ferner transportiert diese Dogmatik ungefiltert Unklarheiten der Beschreibung der Seinswelt in die juristische Begrifflichkeit. So ist zum Beispiel durchaus keine klare Vorstellung davon vorhanden, was ein Immaterialgut wie eine Erfindung, ein Werk der Literatur, Wissenschaft und Kunst oder eine Marke denn recht eigentlich ist33. Vorherrschend ist insoweit eine idealistisch-metaphysische Sichtweise, wonach Immaterialgüter unkörperlicher, geistiger Art und von ihren Verkörperungen in Büchern, Maschinen etc. zu unterscheiden seien34. Freilich zeigt ein kleines Gedankenexperiment, dass hieran berechtigte, noch ganz der ontologischen Ebene zugehörige Zweifel bestehen. Man stelle sich vor, dass ein Gedichtband in einer bestimmten Auflage erschienen ist. Die darin enthaltenen Gedichte sind Immaterialgüter, denen eine von den Verkörperungen im Buch usw. losgelöste Existenz zugebilligt wird. Werden nun sämtliche Exemplare des Buches einschließlich des Manuskripts und sonstiger Vervielfältigungen auf Datenträgern usw. vernichtet, und ist auch die letzte Person verstorben, die die Gedichte noch auswendig hersagen konnte – welche „Existenz“ hat das Gedicht dann noch? Eine materialistisch-nominalistische Sicht auf diesen in der Menschheits- und Kulturgeschichte häufigen Vorfall kann darauf nur eine Antwort geben: Das Immaterialgut „Gedicht“ ist nicht mehr35. Existent sind nur Verkörperungen in verschiedenen statischen und dynamischen Trägermedien. Hierzu zählt neben Papier, elektronischen Dateien usw. insbesondere das menschliche Gehirn36. Soweit diese Fixierungen für die menschliche Wahrnehmung den glei-
33 Siehe Merkl, Immaterialgüterrecht, 23 (das Wesen der Immaterialgüter sei noch nicht genügend geklärt); Humphrey/Verdery, in: Verdery/Humphrey, Property in Question, 1, 7 f. („What is the thingness of a gene sequence or other forms of bio-information …?“); beispielhaft die streitgegenständlichen Ausführungen des US-amerikanischen Supreme Court zum Begriff des Computerprogramms in Sachen Microsoft v. AT&T, 127 S. Ct. 1746, 1753 ff. (2007); BGH NJW 2007, 2394, 2395 (verfehlter Vergleich zwischen Daten und dem Buch als Datenträger zur Begründung der Anwendung des Mietrechts auf einen sog. ASP-Softwarevertrag); ferner die nur im Hinblick auf den Begriff des „geistigen Eigentums“ dunklen Ausführungen bei Gretton, RabelsZ 71 (2007), 802, 846 f. 34 Siehe nur etwa Troller, Immaterialgüterrecht, 55 ff.; Merkl, Immaterialgüterrecht, 72 ff.; Druey, Information, 3 f. („Nicht die Wirkung von Nukleinsäuren im Organismus, allgemeiner nicht die kybernetischen Einflüsse in der ,Menschenmaschine‘ … sollen für uns Betrachtungsgegenstand sein.“ Information sei etwas Geistiges und abstrakt von den Verkörperungen auf Trägern.). 35 Wie hier auf die Fixierungen abstellend Boldrin/Levine, in: Porrini/Ramello, Property Rights Dynamics, 93, 110 f.; Landes/Posner, Intellectual Property Law, 1. Trotz Anerkennung der Möglichkeit, dass sämtliche Fixierungen eines Immaterialguts verloren gehen können a.A. Merkl, Immaterialgüterrecht, 79 f. (auch dann höre das Immaterialgut nicht auf, immateriell zu existieren). 36 Im Ansatz auch Strömholm, GRUR Int. 1963, 481, 489; Merkl, Immaterialgüterrecht, 76 f. (die körperlichen Unterlagen einer Stegreifdichtung seien die Schallwellen und das Gedächtnis der beteiligten Personen, die jedoch vom „geistigen Erleben“ zu unterscheiden seien); Pfister, Knowhow als Vermögensrecht, 12 (geistige Güter seien vollständig und ausschließlich durch „sinnliche Mitteilungsträger“ bestimmt). Dass von einer geistigen Natur der Immaterialgüter ausgegangen wird, dürfte darin begründet sein, dass man das menschliche Erinnerungsvermögen nicht als Materialisierung im Gehirn be-
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chen Inhalt repräsentieren, wird für diese einzelnen Verkörperungen der allgemeine Begriff des Immaterialguts bzw. des Gedichts mit Titel X gesetzt. Folglich ist schon das Immaterialgut selbst, das doch der Seinswelt entnommen wird, nichts als ein Begriff, der die Gemeinsamkeiten einer unbestimmten Zahl von Materialisierungen beschreibt, die der menschlichen Wahrnehmung zugänglich sind. Den weitreichenden Folgen dieser Auffassung für das Verständnis von Immaterialgütern und ihrem von Sachen abweichenden Rechtsschutz ist an dieser Stelle nicht nachzugehen. Es sollte lediglich verdeutlicht werden, dass eine am zugeordneten Gut orientierte Dogmatik alle Unsicherheiten der Beschreibung lebensweltlicher Güter unmittelbar in das Recht überträgt. Entsprechende Auseinandersetzungen werden mit ontologischen Argumenten geführt, die auf der Basis des Methodendualismus gesondert in das Recht überführt werden müssten. Dadurch wird die Orientierungsleistung der Dogmatik reduziert37. Aber nicht nur diese inhärente Unsicherheit darüber, was unter einem bestimmten Gut zu verstehen ist und wie Güter voneinander abzugrenzen sind, lässt Zweifel an dieser Systematisierungsart aufkommen. Wie verschiedene Beispiele zeigen, tendiert die Einteilung nach dem Objekt dazu, den jeweiligen Gütern eine „Natur“, ein „Wesen“ zuzusprechen und bereits daraus Schlussfolgerungen für die juristische Einteilung und gar bestimmte Rechtsfolgen zu ziehen38. So wurde argumentiert, das Unternehmen, nicht aber Immaterialgüter seien beherrschbar, so dass am Unternehmen, nicht aber an Immaterialgütern „absolute Herrschaftsrechte“ bestehen könnten39. Zu erwähnen ist ferner Savignys Ablehnung des Persönlichkeitsrechts mit der Begründung, der Mensch könne an der eigenen Person keine Rechte haben, weil ein von der Person des Inhabers gesondertes Gut mit selbständiger Existenz, das dem Willen der betreffenden Person
37 greift; in diesem Sinne insbesondere Troller, Immaterialgüterrecht, 55 mit Fn. 11; Druey, Information, 102 (Träger des Immaterialguts seien „das Schriftstück, die Diskette, der menschliche Körper (Körpersprache)“). 37 Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 452 f.; Larenz, FS Sontis, 129, 146 (was dem Berechtigten zukommt oder gebührt, sei verschieden und mit einem Einheitsbegriff nicht zu erfassen). 38 Beispielhaft Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 25, 31 ff.; Dulckeit, Verdinglichung, 45 (über die Grundsätze der im geltenden Recht anerkannten dinglichen Rechte würden naturgegebene Eigenart, wirtschaftliche Zwecksetzung und soziale Funktion des Gegenstandes entscheiden); Hubmann, ZHR 117 (1955), 41, 42 („Im folgenden soll nun versucht werden, das Verhältnis dieser verschiedenen Seiten des Unternehmens zueinander zu prüfen, um so sein eigentliches Wesen zu erfassen und zu einer wesensgemäßen Einordnung in das System unserer subjektiven Rechte zu kommen.“); Wolf, FS v. Hippel, 665, 677 (das absolute Recht sei seinem Inhalt nach dergestalt auf einen Gegenstand bezogen, dass sich seine Wirkung aus dem Gegenstand ergebe); Neuner, Rechtsverhältnisse, 14 f. (Einteilung der Privatrechtsverhältnisse nach ihrem Gegenstand und nicht nach ihrer formalen Eigenschaft im Erkennen der „wahren Arten“ der Privatrechtsverhältnisse). 39 In Bezug auf das Unternehmen ein „absolutes Herrschaftsrecht“ bejahend Hubmann, ZHR 117 (1955), 41 ff.; Brecher, Unternehmen als Rechtsgegenstand, 100, 130; verneinend Wolf, FS v. Hippel. Zu Immaterialgütern Savigny, System I, 335; Ulsamer, Lehre vom Persönlichkeitsrecht, 44 ff.; Löwisch, Deliktsschutz, 18 ff.
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unterliegt, nicht erkennbar sei40. In diesen exemplarisch herausgegriffenen Ausführungen wird von angeblichen Eigenschaften der betroffenen Güter auf ihre rechtliche Zuordnung geschlossen, ohne die Ergebnisse mit genuin auf das Sollen bezogenen Argumenten zu begründen. Besonders deutlich wird das wiederum am Beispiel der Immaterialgüter: Die in der ökonomischen Analyse als „Nichtexklusivität“ beschriebene Eigenart dieser Güter, gar nicht oder nur mit ganz erheblichem Aufwand vor unerlaubter Nutzung bewahrt und damit beherrscht werden zu können, ist als Beschreibung der empirischen Wirklichkeit zutreffend. Hieraus zieht das geltende Recht indes den kontrafaktischen Schluss, dass durch subjektive Immaterialgüterrechte individuelle Exklusivität herzustellen ist, gerade weil das im Sein nicht angelegt ist. Folglich verleitet eine am Rechtsobjekt orientierte Dogmatik zu unzulässigen, die Eigenständigkeit des Rechts negierenden naturalistischen Fehlschlüssen von der „Natur“ des Gutes auf eine „natürliche“ Ordnung. 2. An den Interessen ausgerichtete Dogmatik Ebenso verbreitet wie die am Rechtsobjekt orientierte Dogmatik ist eine Systematisierung individueller Befugnisse anhand der jeweils geschützten Interessen. Diese Sichtweise steht im größeren Kontext der Interessenjurisprudenz und v. Iherings Definition der subjektiven Rechte als „rechtlich geschützter Interessen“41. Sie kommt im Bereich der Güterzuordnung und der hier problematisierten Beispielsfälle vor allen Dingen in Bezug auf Persönlichkeitsrechte zur Geltung, indem das klassische aPR zum Schutz ideeller Interessen von den „vermögenswerten Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts“ zum Schutz kommerzieller Interessen unterschieden wird42. Eine auf die Interessen abstellende Güterzuordnungsdogmatik ist zwar eingängig, sie weist jedoch ähnliche Schwachpunkte auf wie eine Dogmatik, die auf das Rechtsobjekt bzw. Gut fokussiert43. Interessen bilden eine zufällige44, kaum abgrenzbare45 und deshalb intersubjektiv nicht nachprüfbare Basis für eine beschreibende Ordnung des objektiven Rechts. Das verdeutlicht gerade das bisher vergebliche Bemühen, den Schutzbereich des aPR anhand der betroffenen Interessen zu bestimmen46 und seine klassische Ausprägung ex post, geschweige denn ex ante von den vermögenswerten Bestandteilen zu unterscheiden. Selbst wenn eine abstrakte Festlegung individueller Interessen gelingen würde, so wäre damit 40
Savigny, System I, 336 ff.; Ulsamer, Lehre vom Persönlichkeitsrecht, 49. V. Ihering, Geist des römischen Rechts, 327. Dazu noch unten § 14 A II. 42 Dazu unten § 4 B VII. 43 Es geht daher entgegen Wagner, AcP 193 (1993), 319, 339, nicht nur um eine begriffliche Frage, wenn im Begriff des subjektiven Rechts die „Interessen“ berücksichtigt werden. 44 V. Tuhr, AT I, 59, 147; de Boor, in: Deutsche Landesreferate, 692, 697 f.; Pawlowski, Rechtsbesitz, 44; Peukert, ZUM 2000, 710, 714; ders., Leistungsschutzrechte, 38. 45 Hubmann, Persönlichkeitsrecht, 133; Troller, Immaterialgüterrecht, 53. 46 Siehe unten §§ 4 B VII 3 b, 13 B VII 3. 41
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noch nicht der im Methodendualismus entscheidende normative Schritt vollzogen und begründet, warum welches Interesse bevorzugt wird47. Bei dieser Herangehensweise ist der naturalistische Fehlschluss von den tangierten faktischen Interessen auf bestimmte Rechtsfolgen vielmehr geradezu angelegt. Das beweisen etwa die Rede von den vermögensrechtlichen Interessen48 sowie der Hinweis, Interessen seien in den Begriff des subjektiven Rechts einzubeziehen, um deren Grenzen bei unzulässiger Rechtsausübung herleiten zu können49. Diese Parallelen zu einer an Gütern orientierten Dogmatik50 sind auch nicht verwunderlich, wenn man Interessen mit Fikentscher als „auf Güter gerichtete Willensbildungen“, als „Ausrichtungen auf ein Gut“, begreift51. Wenn Interessen also die Beziehung zwischen dem jeweiligen Rechtssubjekt und dem Rechtsobjekt beschreiben, dann wird wiederum die „Natur“ oder das „Wesen“ des Guts für die Art dieser Interessen ausschlaggebend sein, so dass – wie gezeigt freilich ebenfalls nicht überzeugend – auch direkt bei den Gütern angeknüpft werden könnte52. 3. An der Funktion des geltenden Rechts ausgerichtete Dogmatik Schließlich findet sich im hier relevanten Bereich des Schutzes individueller Interessen an Gütern die Auffassung, die einschlägigen Rechtsregeln seien anhand ihrer Funktion bzw. ihres Zwecks zu systematisieren53. Soweit nicht auf die Funk47 Allgemein zu dieser Schwäche der Interessenjurisprudenz Wieacker, Privatrechtsgeschichte, 577; ders., Richterkunst, 9; Fikentscher, Methoden III, 378. 48 Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1582 (keine noch so eingehende Ermittlung der auf dem Spiel stehenden Interessen enthebe den Richter von der Wertung); Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 416 (dieser Ansatz enthalte keine Aussage zum Inhalt bestimmter Rechte). Entlarvend Heitmann, Persönlichkeitssphäre, 54 („Je nachdem also, ob ein subjektives Recht primär wirtschaftliche oder persönliche Interessen schützt, sind seine rechtlichen Eigenschaften und Regeln, denen es unterworfen ist, verschieden ausgestaltet. Dabei handelt es sich um Regeln, die von den Zufälligkeiten des positiven Rechts weitgehend unabhängig sind.“). 49 Siehe Larenz/Wolf, AT, § 14 Rn. 14; Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 437 f.; Medicus, AT, Rn. 70, 129 ff. Beispiel: LG Kiel Seuffarts Archiv 71 (1916), 154, 155 f. (das Interesse des Eigentümers eines Weges, ein Monopol an der Stromversorgung zu haben, genüge nicht, um unter Berufung auf das Eigentum am Weg ein nicht störendes und nicht gefährliches Stromkabel eines Dritten entfernen zu lassen). 50 Ausdrückliche Gleichstellung der geschützten Interessen mit dem Rechtsgut etwa bei Zitelmann, AcP 99 (1906), 1, 18. 51 Fikentscher, Wirtschaftsrecht II, 378; ähnlich Jellinek, System, 43 („Was objektiv gefasst als Gut erscheint, wird subjektiv zum Interesse.“); Troller, Immaterialgüterrecht, 53 f. 52 Fikentscher, Wirtschaftsrecht II, 378. 53 Siehe v. Ihering, IherJahrb 10 (1871), 387, 392 (relevant für die Einordnung als subjektives Recht sei die individualschützende Funktion, nicht der Gehalt bzw. die Wirkungen der Befugnis); Bürge, Ius Commune 18 (1991), 275, 284 f.; für die „sonstigen Rechte“ gem. § 823 Abs. 1 BGB Wagner, in: MünchKomm, § 823 BGB Rn. 138 f.; Hübner, AT, Rn. 355 (die Unterscheidung zwischen absoluten und relativen Rechten beziehe sich auf die Funktion der Rechte); für das UWG Thouvenin, Funktionale Systematisierung, 1 f.; für die verwandten Schutzrechte der Tonträgerhersteller, Sendeunternehmen usw. gem. §§ 73 ff. UrhG Hilty, UFITA 116 (1991), 35, 41 ff.; ders., GRUR Int. 1993, 818 ff.; ders., UFITA 124 (1994), 85, 127 ff. (aufgrund ihrer wettbewerbsrechtli-
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tion des betroffenen Guts abgestellt wird, vermeidet dieser Ansatz immerhin einen naturalistischen Kurzschluss durch eine genuin normative Kategorie54. Auch erscheint die Orientierung an der generellen Funktion einer Befugnis besonders geeignet, das Verständnis und die Widerspruchslosigkeit der Gesamtrechtsordnung zu befördern, also die eigentlichen Ziele der Dogmatik zu erreichen. Allerdings ist es bisher nicht gelungen, Funktionen so zu benennen und voneinander abzugrenzen, dass eine stabile Systematisierung der Rechtsordnung möglich wäre55. Eine Einteilung anhand dieses Kriteriums wird zusätzlich dadurch erschwert, dass eine Norm bzw. Rechtsposition verschiedene Funktionen aufweisen kann56. Insbesondere aber tendiert eine funktionale Betrachtung dazu, Dogmatik nicht als bloß abstrahierende Beschreibung des Rechts zu verstehen, sondern die Zwecke der einzelnen Normen mit den Zwecken des Systems und seiner Grenzen zu verkoppeln und damit wiederum die Auslegung der einzelnen Vorschrift zu beeinflussen, letztlich also gerade das zu erreichen oder jedenfalls zu erleichtern, was man an der Begriffsjurisprudenz als unhaltbar ablehnt: die Beeinflussung der Rechtsfolgen durch das begriffliche System57. So kann eine Änderung der generellen Funktion „der“ subjektiven Rechte unmittelbar auf den Schutzbereich einer konkreten Rechtsposition durchschlagen, die ja diese Funktionsänderung automatisch mit vollzieht, auch wenn sich ihre konkrete Ausgestaltung in der Rechtsordnung nicht verändert hat58.
54 chen Herkunft und vom Urheberrecht abweichenden Funktion seien diese Rechte keine absoluten (Immaterialgüter)rechte, sondern dem Delikts- und Wettbewerbsrecht angehörige, als „Leistungsschutzrechte“ gesondert zu kategorisierende Rechtspositionen, kurz „qualifiziertes Wettbewerbsrecht“); umfassende funktionale Systematisierung unterschiedlicher Rechtspositionen im Lauterkeits- und Immaterialgüterrecht bei dems., in: Hilty/Henning-Bodewig, Unfair Competition, 1, 30 ff.; ebenso Weber, UFITA 132 (1996), 5, 9 ff. (insbes. 16 ff.); Osterwalder, Übertragungsrechte, 220 f., 422; Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 231 (obgleich es sich bei den verwandten Schutzrechten „unstreitig um subjektive Ausschließlichkeitsrechte“ handele, könnten diese Rechte dem „Lauterkeitsrecht im weiteren Sinne zugerechnet werden.“). Wie hier differenzierend zwischen formaler und funktionaler Betrachtung Hilty, FS Ullmann, 643, 658 ff. 54 Siehe aber Fikentscher, Methoden III, 336 (bei der Rechtsgewinnung aus Funktionen folge der Rechtssatz aus der direkten Seinsbeobachtung). 55 Fikentscher, Methoden III, 336 (eine allgemeine Rechtstheorie der „Funktionen“ fehle noch); beispielhaft Thouvenin, Funktionale Systematisierung, 2 (der Begriff „Funktion“ habe im ökonomischen Kontext eine etwas andere Bedeutung als im juristischen). 56 Siehe Wagner, in: MünchKomm, § 823 BGB Rn. 138 f. (§ 823 Abs. 1 BGB umfasse ein „Bündel funktional unterschiedlicher Rechtspositionen“, die sich „eindimensionaler Qualifikation“ entziehen). 57 Siehe zur Frage, ob die unterschiedlichen Funktionen des Warenzeichen- und Firmenrechts im Vergleich zum Patentrecht daran hindern, die dreifache Art der Schadensberechnung in allen diesen Rechtsgebieten anzuwenden BGHZ 41, 84, 94 (1964); BGHZ 60, 206, 208 (1973); ausdrückliche Abkehr von dieser Funktionsbetrachtung dann in BGHZ 99, 244, 247 (1986). 58 Zur Umwidmung des Eigentums auf der Basis einer Funktionsbetrachtung im Nationalsozialismus Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, 354, allgemein a.a.O., 430.
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IV. Die formale Wirkung des objektiven Rechts Wenn also die Entwicklung von Systembegriffen im Bereich der Güterzuordnung weder anhand des Rechtsobjekts, der geschützten Interessen noch der Funktion der betreffenden Rechtsposition erfolgen kann, so fragt sich, welches Kriterium die zentralen Schwachpunkte dieser Ansätze, nämlich die Tendenz zum naturalistischen Fehlschluss und zur Manipulation der Funktionen des geltenden Rechts aus dem System heraus vermeiden kann. Ursache solcher Neigungen zur Begriffsjurisprudenz sind einerseits die Einbeziehung faktischer Elemente wie des Rechtsobjekts oder der Interessen, andererseits die Ausrichtung der Dogmatik an materiellrechtlichen Funktionen. Möchte man mit Dogmatik nur auf einer Metaebene verallgemeinernd beschreiben, was das geltende Recht aussagt, müssen solche Rückkopplungen auf die Basis der geregelten Wirklichkeit und die Ebene des zu systematisierenden Rechts unterbleiben. Dafür bietet es sich an, dogmatische Begriffe anhand der formalen Wirkungen des objektiven Rechts ohne Rücksicht auf den Gegenstand, die Funktion der Normen und die geschützten Interessen zu bilden59. Dieser formal-abstrakte Ansatz stellt auf die Struktur und die potentiellen Rechtsfolgen der jeweiligen Befugnis ab und ist gerade im Hinblick auf die hiesige Thematik in der privatrechtlichen Literatur weit verbreitet60. Er korrespondiert ferner auf der (Meta-)Ebene des Grundgesetzes mit den vom Bundesverfassungsgericht formulierten Anforderungen an verfassungsrechtliches Eigentum gem. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, die sich ebenfalls an formalen Aussagen des einfachen Rechts orientieren61. Nur eine solche Begriffsbildung gewinnt ihre Kriterien aus dem Gegenstand der Beschreibung, nämlich der objektiven Rechtsordnung und nicht aus der von jener adressierten Wirklichkeit. Sie ist einerseits offen genug, alle Gestaltungsvarianten zu erfassen. Andererseits gewährleistet sie noch am ehesten intersubjektive Nachprüfbarkeit und damit Anreiz zur Einigung auf bestimmte Begriffe, indem an stabile, formale Wirkungen von Rechtspositionen angeknüpft wird, während die „Natur“ von Gütern, Interessen oder die Funktion von Rechtsnormen
59 Zutreffende Differenzierung zwischen funktionaler und formaler Betrachtung bei Hilty, FS Ullmann, 643, 658 ff. (in Bezug auf den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz). 60 Siehe v. Tuhr, AT I, 54, 62, 147 (maßgeblich seien die Befugnisse); Larenz/Wolf, AT, § 15 Rn. 1 (Art der Rechtsmacht als entscheidendes Kriterium); Wagner, AcP 193 (1993), 319, 343 m.w.N. (abzustellen sei auf die Modalitäten des Rechtsschutzes); Löwisch, Deliktsschutz, 18 ff.; Neuner, Rechtsverhältnisse, 13 („Eigenschaften der Privatrechtsverhältnisse“); Sohm, ArchBürgR 28 (1906), 173, 174 ff. (Privatrechtsbegriffe seien nach Maßgabe der positiven Rechtssätze zu bilden); Schloßmann, IherJb 45 (1903), 289, 314 („Aber was ist die Definition eines Begriffes denn anderes als die Feststellung seines wesentlichen Inhalts, und wie läßt ein Recht sich anders definiren, als durch Feststellung seines Inhalts, d.h. der in ihm enthaltenen Befugnisse?“). Im Kontext des Streits um den Begriff „des“ Eigentums ferner Sontis, FS Larenz, 981; Georgiades, FS Sontis, 149, 155 f.; Baur, in: Soergel, § 903 BGB Rn. 12; Kübler, FS Baur, 51; Bittner, Fotografieren fremder Sachen, 18. Allgemein zur Sinnhaftigkeit rein formaler Systematisierungen im Recht Canaris, Systemdenken, 20. 61 Unten § 11 B II 2.
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häufig zweifelhaft und umstritten ist. Beispielsweise sind die Auseinandersetzungen um den Begriff „des“ Eigentums oder „des“ subjektiven Rechts langwierig, aber wenig fruchtbar gewesen und inzwischen erlahmt, während der formale, wirkungsbezogene Unterschied zwischen relativen und absoluten Rechten längst geklärt ist, so dass die Ziele der Dogmatik, durch beschreibende Systeme eine Erleichterung des juristischen Diskurses herbeizuführen, erreicht wurden62. Entscheidend ist jedoch, dass eine formale, an der Wirkung orientierte Begriffsbildung die Dogmatik auf eine bloße Beschreibung reduziert und ihr dadurch die Tendenz zur Ableitung konkreter Rechtsfolgen nimmt63. Wenn die Aussagen des geschriebenen Rechts für maßgeblich erachtet werden, ist diese Haltung zugegebenermaßen positivistisch64. Und doch wäre es bereits im Ansatz verfehlt, ihr vorzuwerfen, sie blende unzulässig normative Wertungen aus. Denn der Zweck dieser formalen Begriffsbildung ist eben auf die Dogmatik beschränkt, die nicht sagt, was recht und was unrecht ist, sondern nur die wertenden Entscheidungen des objektiven Rechts zusammenfassend darstellt. Zur Feststellung der Aussagen der Rechtsordnung müssen selbstverständlich Wertungen, Funktionen sowie Interessen und sonstige Aspekte der Lebenswirklichkeit berücksichtigt werden. Diese teleologische Aufgabe erfolgt anhand bestimmter Rechtsfindungs-/Auslegungsmethoden, die sich von der dogmatischen Begriffsbildung grundlegend unterscheiden, weil beide Operationen unterschiedliche Zwecke verfolgen65. Die Methodik der Auslegung geltenden Rechts und die Methodik der Dogmatik müssen daher auseinandergehalten werden. Dass es sich hierbei um eine ganz praktische Forderung handelt, zeigt ein Beispiel, das der in Teil 2 folgenden Auslegung güterzuordnungsrelevanter Normen entnommen ist. In seiner jüngeren Rechtsprechung macht der Bundesgerichtshof die Anwendung der Grundsätze der sog. Störerhaftung davon abhängig, ob ein absolutes Recht verletzt oder nur objektives Verhaltensunrecht vorliegt. Hier wird also eine bestimmte materielle Rechtsfolge von einer begrifflich-abstrakten Unterscheidung abhängig gemacht, die für sich genommen keine Wertung offenlegt, die für die Reichweite der Passivlegitimation aussagekräftig wäre. Das heißt natürlich nicht, dass die Rechtsprechung nunmehr auf Wertungen verzichtet. Nur werden diese jetzt unausgesprochen unter der formalen Fragestellung be62 Zur Einfachheit als Qualität juristischer Systeme Eidenmüller, Law and Philosophy 10 (1991), 1, 24 f. Ökonomisch gesprochen geht es um die Senkung von Transaktionskosten bei der Verständigung über Recht. 63 Siehe Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 878; Löwisch, Deliktsschutz, 22 f. 64 Siehe z.B. Isay, Rechtsgut, 14 f. (ob ein absolutes Recht existiere, könne sich nur durch eine Synthese aus Rechtsnormen ergeben). Trotz entgegengesetzter dogmatischer Basis ebenso Eltzbacher, Unterlassungsklage, 126 f. Zum Rechtspositivismus als Orientierung an gesetzten Regeln und nicht als Rechtssetzung durch ein „wie auch immer legitimiertes Subjekt“ Vesting, Rechtstheorie, Rn. 92. 65 Hierzu Radbruch, Rechtsphilosophie, 218 (im Aufbau des Rechtssystems wechselten kategoriale und teleologische Gesichtspunkte); Löwisch, Deliktsschutz, 22 f. (eine Einteilung ohne materialen Gehalt sei für die Auslegung des Begriffs des „sonstigen Rechts“ in § 823 Abs. 1 BGB nicht tragfähig).
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handelt, ob ein „absolutes Recht“ verletzt oder gegen bloßes „Verhaltensunrecht“ verstoßen wurde. Wie zu erwarten, wird derjenige dogmatische Begriff gewählt, der das gewünschte Ergebnis hergibt66. Verkannt wird hier, dass die Reichweite der Störerhaftung nur den einschlägigen Vorschriften und nicht einer nur abstrakt-begrifflichen Unterscheidung entnommen werden kann. Die Kritik an formal-abstrakter Dogmatik verkennt aber nicht nur die Unterscheidung zwischen beschreibender Analyse und teleologisch-wertender Rechtsfindung, sondern auch, dass eine solche Orientierung an den Wirkungen des objektiven Rechts gerade diejenigen Wertungen transparent macht, die den einschlägigen Normen zugrunde liegen67. Rechtspolitische Werte werden also nicht durch Formulierung eines Idealsystems zielgerichtet ausgeblendet, sondern nur auf bestimmten Pfaden in die juristische Diskussion eingelassen68. An diesen methodischen Vorgaben ist die folgende Untersuchung orientiert. So wird sich keine Argumentation nach dem Muster finden: Weil ein Gut von bestimmter Art sei, bestimmte Interessen betreffe oder bestimmte Funktionen beachtet werden müssten, sei dieses in bestimmter Weise zugeordnet. Vielmehr sind die einschlägigen Normen durch Auslegung auf ihre Wirkungen zu untersuchen und die so identifizierte Rechtsposition anhand ihrer formalen Wirkungen zu benennen und von anderen zu unterscheiden.
B. Die Fragestellung im Kontext des Privatrechtssystems Nachdem die Notwendigkeit, aber auch Problematik der Bildung von Systembegriffen dargelegt und die hier gewählte formale, von den Wirkungen des objektiven Rechts ausgehende Methode der Begriffsbildung erläutert wurden, ist die eingangs skizzierte Thematik genauer in das Privatrechtssystem einzuordnen und damit weiter zu konkretisieren.
66 Siehe BGH GRUR 2006, 957 f.; OLG Brandenburg NJW-RR 2006, 1193, 1194 (Namensrecht gem. § 12 BGB); KG ZUM 2006, 464 f.; KG ZUM 2006, 461 (das allgemeine Persönlichkeitsrecht als „absolutes Recht“); Neubauer, K&R 2004, 482, 483 („absolut geschützte Rechtsgüter“); Schultz, WRP 2004, 1347, 1353 (Gesundheit der Bevölkerung); Lehment, GRUR 2005, 210, 211 f. (UWG-Vorschriften). 67 Siehe unten §§ 10 G, 14; ferner Hohfeld, Yale L.J. 23 (1913/14), 16, 59; ders., Yale L.J. 26 (1917), 710, 770 („… correct analysis … is … essential to the clear apprehension of the important teleological aspects of the various jural problems involved“). 68 Zur Formalität als Voraussetzung für Neutralität, formale Gleichbehandlung und Sicherung persönlicher Handlungsfreiheit im pluralistischen Rechtsstaat Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 878 ff., 930; Ladeur, Negative Freiheitsrechte, 7 f. (der Positivismus setze in der Priorität des allgemeinen Gesetzes die Suche nach einer wandelbaren Ordnung frei). Konsequent gegen eine „nur“ nach den formalen Wirkungen fragende Dogmatik die idealistische Rechtsphilosophie, die nicht nur „irgendwelche äußeren Kennzeichen“ aufzählen möchte, sondern „die Wurzelidee, den Urgedanken“ des betrachteten Lebenssachverhalts zu erfassen sucht; beispielhaft für den Rechtsschutz des Unternehmens Brecher, Unternehmen als Rechtsgegenstand, 121.
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I. Güterzuordnung als Thema In der Einleitung wurde das Generalthema dieser Untersuchung mit dem Terminus „Güterzuordnung“ umschrieben. Die Begriffe Zuordnungs- oder synonym Güterzuordnungsrecht werden vor allen Dingen in Darstellungen des Sachen-69 und Immaterialgüterrechts70 verwendet, darüber hinaus aber auch, um das allgemeine Phänomen zu bezeichnen, welche Güter wem, wie und wozu zugeteilt werden71. Unter einer solch generellen Themenstellung können viele verschiedene Abstufungen und Varianten von Rechtspositionen betrachtet werden, neben dem Sacheigentum und den Immaterialgüterrechten insbesondere ein deliktsrechtlicher Schutz von Interessen72 sowie relative Rechte73. Es verwundert daher nicht, dass die Rede vom Güterzuordnungsrecht auf Kritik ob ihrer Allgemeinheit und geringen Erklärungskraft stößt74. Zunächst einmal bestätigt sich hier erneut die Notwendigkeit, dogmatische Analysen auf die formalen Wirkungen des objektiven Rechts zu stützen, weil sonst kaum eine stabile Begrifflichkeit vereinbart werden kann. Freilich ist mit der Rede von der Güterzuordnung lediglich ein allgemeines Thema bezeichnet; es wird noch keine Systematisierung des Rechts vorgenommen oder gar auf bestimmte Rechtsfolgen geschlossen. Vielmehr bemühen sich die zitierten Autoren, das Spannungsverhältnis zwischen dem Individualinteresse am Erhalt und der Durchsetzung des Erworbenen und der allgemeinen Handlungsfreiheit der Schuldner bzw. Ausgeschlossenen als allgemeines Phänomen in den Blickpunkt zu rücken. In einer solchen, nur problembeschreibenden Funktion wird der Terminus „Güterzuordnung“ auch hier verwendet. Damit bleibt aber die bereits angesprochene Kritik virulent, die Rede von der Güterzuordnung komme nicht über eine bloße Umschreibung der Thematik hinaus und sei viel zu undifferenziert. Daher ist im Folgenden genauer zu fragen,
69 Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 231 ff.; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, 9 ff.; Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rn. 14 („Zuordnungsrecht“). 70 Siehe Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 31; Dreier, in: Schricker/Dreier/Kur, Geistiges Eigentum, 51, 58. 71 Siehe Raiser, JZ 1961, 465, 467; Esser, Einführung, 150 (das subjektive Recht als „Mittel der Zuständigkeitsregelung“), 152 („Güterverteilungsrecht“); Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 105 („Güterordnung“ als Gesamtheit der Normen, die über das „Mein“ und „Dein“ von Gütern entscheidet); rechtsvergleichend Gretton, RabelsZ 71 (2007), 802, 832. Zur Berechtigung und Notwendigkeit einer „allgemeinen Zuordnungslehre“ unter Einbeziehung des Sacheigentums, der Immaterialgüterrechte und der Forderungen auch Schulze-v. Lasaulx, AcP 151 (1950/51), 449, 455; Walz, KritV 1986, 131 ff. 72 Siehe Dreier, in: Schricker/Dreier/Kur, Geistiges Eigentum, 51, 58 ff.; Mincke, JZ 1980, 86, 88 („Zuweisung“ und Schadensersatzverpflichtung); Henckel, AcP 174 (1974), 97, 136 (deliktsrechtlicher Schutz als „Zuweisung“). 73 Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, 9 f. 74 Siehe Aicher, Eigentum als subjektives Recht, 73 f. m.w.N.; Eichler, Institutionen Sachenrecht I, 144 ff.; Wolff/Raiser, Sachenrecht, 4, 174 (der Zuordnungsbegriff sei keiner inhaltlichen Differenzierung fähig); v. Gierke, Sachenrecht, 5.
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Teil 1: Grundlagen der Güterzuordnung
welche Bereiche des Privatrechtssystems güterzuordnungsrelevant und daher in dieser Arbeit zu beachten sind, und welche Systembegriffe hierfür stehen.
II. Güterzuordnungsrelevante Bereiche und Begriffe des Privatrechtssystems 1. Rechtsverhältnisse In vielen Darstellungen des Privatrechtssystems wird noch vor dem subjektiven Recht das Rechtsverhältnis als die abstrakteste und umfassendste Kategorie genannt. Hierunter wird eine rechtsnormgestaltete Beziehung zwischen zwei oder mehreren Subjekten verstanden, die subjektive Rechte enthält und erzeugt, aber auch Rechtspflichten, Obliegenheiten und sonstige Gebundenheiten zur Folge hat75. Dieser von vornherein relationale Blick auf die Rechtsordnung als „Rechtsverhältnisordnung“76 ist auch für die Güterzuordnungsthematik von Bedeutung. Die Erkenntnis, dass die Anerkennung von exklusiven Berechtigungen an Gütern zwangsläufig zu einer Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit führt, ist gerade der Auslöser für die Generalfrage nach einer einschlägigen Rechtsgrundlage. In Bezug auf das Verständnis von Ausschließlichkeitsrechten wie dem Sacheigentum und den Immaterialgüterrechten wird noch zu klären sein, ob diese als Rechtsverhältnis zu jedermann zu denken sind oder ob ihre formale Wirkung anders zu beschreiben ist77. Gleichwohl steht im Folgenden nicht der Terminus des Rechtsverhältnisses und mit ihm das Moment der Verpflichtung im Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern verschiedene Arten von Befugnissen, also das Können oder Dürfen, nicht aber das Müssen. 2. Subjektive Rechte Der Zugang zu den im Rechtsverhältnis enthaltenen Berechtigungen wird herkömmlicherweise und so auch hier über den Begriff des nicht mehr weiter abgeleiteten „subjektiven Rechts“ genommen78. Dieser Eckpfeiler einer freiheitlichen
75 Siehe Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 427; v. Tuhr, AT I, 123 ff.; Medicus, AT, Rn. 54 ff.; Hübner, AT, Rn. 285; Larenz/Wolf, AT, § 14 Rn. 3; Jellinek, System, 41 (von der Rechtsordnung anerkannte und geregelte Lebensverhältnisse); Georgiades, FS Sontis, 149, 159 ff.; Nawiasky, Allgemeine Rechtslehre, 167 ff.; Achterberg, Rechtstheorie 1978, 385, 394 f.; für eine Identität von Rechtsverhältnis und subjektivem Recht Neuner, Rechtsverhältnisse, 4 (ein Privatrechtsverhältnis sei jede Beziehung einer Person zu einem Gute des Privatlebens, sofern diese Beziehung der Person vom Rechte anerkannt und gegen den widerstrebenden Willen Dritter rechtlich geschützt sei). 76 Siehe Achterberg, Rechtstheorie 1978, 385 ff.; Larenz/Wolf, AT, § 13 Rn. 24, § 14 Rn. 1 ff.; Habersack, Mitgliedschaft, 66 ff. 77 Dazu unten § 14 A. 78 Siehe Larenz/Wolf, AT, § 14 Rn. 10 (nicht weiter ableitbare Kategorie); insoweit übereinstimmend Bucher, Das subjektive Recht, 65 f. (das subjektive Recht als die „nicht mehr weiter zu reduzierende Einheit einer dem Individuum verliehenen Befugnis zur Normsetzung“).
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Rechtsordnung79 ist freilich so weit abstrahiert, dass zunächst ganz unterschiedliche Vorstellungen über seine Bedeutung bestehen80. Während die auf Savigny zurückgehende Auffassung das subjektive Recht als individuelle Willensmacht oder Willensherrschaft versteht81, v. Ihering es als rechtlich geschütztes, vom Berechtigten selbst durchsetzbares Interesse beschrieb82 und die derzeit wohl überwiegende Auffassung beide Elemente kombiniert83, negiert eine auf die Imperativentheorie zurückgehende, normlogisch argumentierende Gegenmeinung das subjektive Recht als „Verfügendürfen“ und versteht die Befugnisse als bloßen Reflex objektiver Normen84. Ungeachtet dieser offensichtlichen und weitreichenden Differenzen ist doch ohne weiteres erkennbar, dass mit dem subjektiven Recht sinngemäß zum Ausdruck kommen soll, dass einer Person etwas rechtens zukommt oder gehört85. Folglich – und nur hierauf kommt es an dieser Stelle an – ist das subjektive Recht als Systembegriff güterzuordnungsrelevant und in die verwendete Begrifflichkeit (dazu unten C) und Dogmatik (dazu Teil 3, § 14) an prominenter Stelle einzubinden. Allerdings ist damit die genauere Verortung des Themas Güterzuordnung im Privatrecht noch nicht abgeschlossen, weil als subjektive Rechte mehrere, mit unterschiedlichen formalen Wirkungen ausgestattete Positionen gefasst werden, wobei herkömmlich zwischen absoluten Rechten, relativen Rechten und Gestaltungsrechten differenziert wird86. 79
Siehe unten § 15 B I 1. Siehe Larenz, FS Sontis, 129, 130; Habersack, Mitgliedschaft, 27 (subjektives Recht als „Rahmenbegriff“); Kasper, Das subjektive Recht, 176 ff. (Sammelbezeichnung); Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1558 (weit getriebene Abstraktion); Zitelmann, IPR, 52 („Die Arten selbst bloß der ursprünglichen subjektiven Rechte … sind so verschieden, daß jede zusammenfassende Begriffsbestimmung entweder allzu massig oder allzu dünn wird.“); Sohm, ArchBürgR 28 (1906), 173 („Was ist ein subjektives ,Recht‘ im Sinne des Privatrechts? … Niemand weiß es.“); Schrauder, Wettbewerbsverstöße, 159; Schlechtriem, DRiZ 1975, 65, 68 („Denkfigur“). Übersicht zu unterschiedlichen Auffassungen im Laufe der Rechtsgeschichte bei Kasper, Das subjektive Recht, 131 f.; Fezer, Teilhabe und Verantwortung, 98 ff.; im vertragsrechtlichen Kontext Unberath, Vertragsverletzung, 32 ff. 81 Siehe Savigny, System I, 7, 334 ff.; Windscheid/Kipp, Pandekten I, 156; Neuner, Rechtsverhältnisse, 10 ff.; v. Tuhr, AT I, 133; Heck, Sachenrecht, 449 („Willenssphäre“); Coing, in: Coing/ Lawson/Grönfors, Das subjektive Recht, 7, 19; zum Zusammenhang mit der Rechtsphilosophie Hegels Jellinek, System, 42. 82 V. Ihering, Geist des römischen Rechts, 327 f. 83 Larenz/Wolf, AT, § 14 Rn. 10 ff.; Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 428 f., 438; Heck, Schuldrecht, 66; Raiser, JZ 1961, 465; Jellinek, System, 44; Medicus, AT, Rn. 70 (subjektive Rechte als dem Einzelnen zur Befriedigung seiner Interessen von der Rechtsordnung verliehene Willens-/ Rechtsmacht). 84 Nachweise und Kritik unten § 14 A I. 85 Larenz, FS Sontis, 129, 141, 147 (Zuweisung eines Vermögenswerts); Larenz/Wolf, AT, § 14 Rn. 15; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 248 („Recht ist Zuweisung“); Löbl, AcP 129 (1928), 257, 293 f.; Esser, Einführung, 150 ff.; Löwisch, Deliktsschutz, 26; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, 128 (zugewiesenes berechtigtes Interesse); Jellinek, System, 42 (individuelles Recht soll etwas verschaffen, erhalten). 86 Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 428 ff.; v. Tuhr, AT I, 159 ff., 203 ff.; Hübner, AT, § 22; differenzierter Medicus, AT, Rn. 62 ff., 79 ff. (Absolute/relative Rechte; Vollrechte und Anwartschaftsrechte; Herrschafts-, Aneignungs- und Ausschließungsrechte sowie Gestaltungsrechte). 80
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3. Gestaltungsrechte Kennzeichen der Gestaltungsrechte ist die Rechtsmacht, durch Klage oder Willenserklärung eine Rechtsänderung, d.h. die Entstehung (z.B. Option), Aufhebung (z.B. Kündigung) oder Änderung (z.B. vereinbartes Wahlrecht) subjektiver Rechte zu bewirken, ohne dass Dritte mitwirken müssen87. Derartige Befugnisse zum rechtlichen Können88 gewähren ihrem Inhaber zwar eine Vorzugsstellung, der jedenfalls unmittelbar auch keine Pflichten anhaften. Gestaltungsrechte ordnen als solche aber keine Güter zu, sondern ihre Geltendmachung bringt allenfalls subjektive Rechte zur Entstehung, die dann ihrerseits güterzuordnenden Gehalt aufweisen. Folglich bleibt diese Kategorie subjektiver Rechte im Folgenden außer Betracht. 4. Relative Rechte Relative Rechte zeichnen sich im Hinblick auf ihre formalen Wirkungen dadurch aus, dass sie sich nicht gegen jedermann richten, sondern nur einen oder mehrere bestimmte Schuldner verpflichten89. Für Forderungen auf der Basis eines Schuldverhältnisses stellt § 241 Abs. 1 BGB diese Relativität ausdrücklich klar90. Dasselbe gilt für den häufig synonym verwendeten Begriff des Anspruchs, der gem. § 194 BGB das Recht bezeichnet, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen91. Die sog. dinglichen Ansprüche bilden hiervon keine Ausnahme. Sie unterscheiden sich zwar im Hinblick auf ihren Ursprung und ihre Funktion von schuldrechtlichen Ansprüchen (Forderungen), weil sie unmittelbar der Verwirklichung dinglicher Rechte bzw. Immaterialgüterrechte dienen92 und deshalb 87
Larenz/Wolf, AT, § 15 Rn. 65 ff.; Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 441 ff.; Medicus, AT, Rn. 79 ff.; Hübner, AT, Rn. 374; v. Tuhr, AT I, 159 ff.; Schürnbrand, AcP 204 (2004), 177, 179; Aicher, Eigentum als subjektives Recht, 54 ff.; Bucher, Das subjektive Recht, 91 („Möglichkeit, in den Bestand subjektiver Rechte … verändernd einzugreifen.“). 88 BGHZ 154, 64, 67 (2003). 89 RGZ 57, 353, 356 (1904); Windscheid/Kipp, Pandekten I, 176; v. Gierke, Dt. Privatrecht I, 258; Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 433, 470 f.; Heck, Sachenrecht, 1 ff. („Das absolute Recht gleicht einer Ringschanze, die nach allen Richtungen Schutz gewährt, das obligatorische Recht einer Wegsperre, welche nur nach einer Richtung sichert, aber Eingriffe aus anderer Richtung nicht verhindert.“); Medicus, AT, Rn. 63; Hübner, AT, Rn. 366; Larenz/Wolf, AT, § 15 Rn. 38; Schwab/ Prütting, Sachenrecht, Rn. 15; Brehm/Berger, Sachenrecht, Rn. 1.13; Bucher, Das subjektive Recht, 132 f. (der Berechtigte kann nur eine beschränkte Zahl von Personen verpflichten); Krasser, Schutz vertraglicher Rechte, 88; Schrauder, Wettbewerbsverstöße, 159. 90 RGZ 57, 353, 356 (1904); BGHZ 166, 84, 115 (2006) (Prinzip der Relativität der Schuldverhältnisse). 91 Siehe Medicus, AT, Rn. 75 m.w.N.; Larenz/Wolf, AT, § 15 Rn. 56; Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 466; Aicher, Eigentum als subjektives Recht, 63. Differenzierend hingegen v. Tuhr, AT I, 241 f. (der Anspruch sei der Kern der Forderung, aber nicht ihr ganzer Inhalt). Für identisch hält den Inhalt der Begriffe „Forderung“ und „schuldrechtlicher Anspruch“ Henckel, AcP 174 (1974), 97, 122. 92 Siehe Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 109; Stadler, in: Soergel, vor § 985 BGB Rn. 2; v. Tuhr, AT I, 245 f., 266; Gursky, in: Staudinger, § 1004 BGB Rn. 2; Picker, FS Bydlinski, 269 ff. m.w.N.; Enneccerus/Nipperdey, AT I/2, 1009; Wesel, FS v. Lübtow, 787, 799 f.; in Bezug auf Immaterialgüterrechte Merkl, Immaterialgüterrecht, 193 f. Zur abweichenden Ansicht Windscheids vom Anspruch gegen jedermann unten § 14 A II.
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nicht losgelöst von jenen übertragbar sind93. Aber auch sie verpflichten nur einen bestimmten Schuldner, nicht jedermann. Maßgeblich dafür, relative Rechte zumindest im Hinblick auf die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung (Teil 2) nicht im Einzelnen zu berücksichtigen, ist neben ihrer Beschränkung auf bestimmte Schuldner vor allen Dingen ihr Bezugspunkt. Sämtliche relative Rechte, seien sie schuldrechtlicher oder „dinglicher“ Natur, vermitteln nämlich keine unmittelbare Herrschaft über ein Gut, sondern generieren lediglich eine persönliche Verhaltenspflicht des Schuldners zu einem Tun oder Unterlassen94. Ein „ius ad rem“ wurde vom BGB bewusst verworfen95. Die thematische Beschränkung auf Befugnisse, die Güter im Verhältnis zu jedermann zuweisen, reduziert das Prüfungsprogramm in verschiedener Hinsicht. So bleibt etwa die außerordentlich umstrittene Problematik ausgeklammert, ob – im Übrigen unstreitig bestehende – subjektive relative Rechte als „sonstige Rechte“ Deliktsschutz genießen und ob man aufgrund anderer Wirkungsverstärkungen von einer „Verdinglichung relativer Rechte“ sprechen kann96. Allerdings ermöglicht die Offenheit der Frage nach dem Spannungsverhältnis zwischen individuellen Befugnissen und allgemeiner Handlungsfreiheit der Schuldner, relative Rechte zumindest im dritten Teil in eine allgemeine Theorie 93
Allgemein Henckel, AcP 174 (1974), 97, 127 ff.; Fritzsche, Unterlassungsanspruch, 125 f.; Lehmann, ZZP 38 (1909), 68, 74; Berger, JZ 1993, 1169, 1170. Zur ausgeschlossenen isolierten Abtretung von Ansprüchen aus §§ 985, 1004 BGB RGZ 78, 87, 89 ff. (1911); RGZ 91, 390, 396 (1918); BGH WM 1972, 384, 385 (jeweils zum Grundbuchberichtigungsanspruch); zu § 1004 BGB BGHZ 18, 223, 224 (1955); BGHZ 60, 235, 240 (1973); BGH NJW 1983, 112 (offengelassen); BGHZ 98, 235, 240 (1986); BGHZ 111, 364, 369 (1990); OLG Köln NJW-RR 1997, 57, 59; v. Tuhr, AT I, 266; Krückmann, AcP 103 (1908), 139, 152; Werner, JuS 1987, 855, 856 ff.; Stadler, in: Soergel, vor § 985 BGB Rn. 3; Wolff/Raiser, Sachenrecht, 328; Busche, in: Staudinger, § 413 BGB Rn. 7; Zeiss, in: Soergel, § 413 BGB Rn. 1, Fritzsche, in: Bamberger/Roth, § 985 BGB Rn. 22; Gursky, in: Staudinger, § 1004 BGB Rn. 88 m.w.N.; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, 12; a.A. Heck, Sachenrecht, 493. Zur Verhaltensunabhängigkeit der Ansprüche gem. §§ 985, 1004 BGB Picker, FS Bydlinski, 269, 282 ff. Zum Patentrecht RGZ 148, 146, 147 (1935); zum Warenzeichenrecht RG Mitt. 1936, 265, 267. 94 RGZ 103, 419, 420 (1922) m.w.N.; v. Ihering, Geist des römischen Rechts, 339; Larenz, FS Sontis, 129, 142; Canaris, FS Steffen, 85, 96; Thiele, Zustimmungen, 28; v. Tuhr, AT I, 143 f.; Hübner, AT, Rn. 366; Larenz/Wolf, AT, § 15 Rn. 38 (der Leistungsgegenstand werde nicht der unmittelbaren Herrschaft des Gläubigers unterworfen); Brehm/Berger, Sachenrecht, Rn. 1.9 ff.; Eichler, Institutionen Sachenrecht I, 2, 60 ff.; Dulckeit, Verdinglichung, 7; entsprechend zum common law Hohfeld, Yale L.J. 26 (1917), 710, 718 f. 95 RGZ 57, 353, 357 f. (1904); RGZ 103, 419, 420 (1922); Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 75; Michaels, Sachzuordnung durch Kaufvertrag, 428. Das ist auch der Grund, warum das Erbrecht zwischen dem Übergang des sachlichen Vermögens in § 1922 BGB und der Anordnung der persönlichen Haftung für die Verbindlichkeiten in § 1967 BGB differenziert: Die Verbindlichkeiten sind persönliche Willensbindungen des Verpflichteten und keine unmittelbaren Belastungen der Vermögensgegenstände; Boehmer, JW 1938, 2634. Zum System der Haftung für Nachlassverbindlichkeiten unten § 10 F I. 96 Siehe hierzu Dulckeit, Verdinglichung, passim; Löwisch, Deliktsschutz, passim; Krasser, Schutz vertraglicher Rechte, passim; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 82 ff.; Larenz/Wolf, AT, § 15 Rn. 52 ff.
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der Güterzuordnung einzubeziehen. Denn immerhin steht auch das relative Recht mit seinem beschriebenen Inhalt wie jedes andere subjektive Recht dem Gläubiger dergestalt positiv-exklusiv zu, dass eben nur dieser zur Durchsetzung und rechtsgeschäftlichen Verwertung des Anspruchs befugt ist97. 5. Absolute Rechte Anders als die relativen Rechte98 wirken absolute Rechte wie die unstreitig als solche eingeordneten dinglichen Rechte an Sachen und Immaterialgüterrechte gegenüber jedermann99. Damit entfalten diese Rechtspositionen zumindest potentiell formale Wirkungen, die den Kern der Güterzuordnungsthematik berühren: Während einer Person ein Gut zur exklusiven Nutzung vorbehalten ist, werden alle Übrigen hiervon ausgeschlossen und damit in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit beschränkt. Freilich erweist sich auch diese Verortung der Problematik als ungenügend, denn zu den gegen jedermann wirkenden „absoluten Rechten“ werden Befugnisse mit ganz unterschiedlichen formalen Wirkungen gezählt. Die sich hieraus ergebenden Unklarheiten nötigen zu einer eigenen Terminologie und Dogmatik (dazu unten C), die im dritten Teil zu begründen ist100; sie sind an dieser Stelle nur an einigen Beispielen aus Rechtsprechung und Literatur auszuweisen. Uneinheit-
97 Das betont Michaels, Sachzuordnung durch Kaufvertrag, 52. Zur Forderungszuständigkeit als bereicherungsrechtlich geschützte Rechtsposition unten § 8 C II 1. Zum relativen Recht im Kontext der Güterzuordnung unten § 14 B I. 98 Ausführlich zur Dogmengeschichte der Unterscheidung von relativen und absoluten Rechten Dubischar, Zweiteilung der Rechte, 3 ff.; Medicus, AT, Rn. 64 (auf diesem Unterschied basiere die Trennung zwischen 2. und 3. Buch des BGB); kritisch Walz, KritV 1986, 131, 145 ff. 99 Aus der Rechtsprechung RGZ 12, 50, 52 (1884) (Urheberrecht als dem Eigentumsrecht gleiches absolutes Recht, „welches jedem Dritten gegenüber unbedingt geltend gemacht werden kann“); RGZ 57, 353, 356 (1904) (jedermann habe das absolute Recht zu respektieren); BGHZ 143, 214, 218 (1999) – Marlene (das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleiste die Menschenwürde und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit „gegenüber jedermann“); zu § 823 Abs. 1 BGB BAG NJW 1999, 164, 165. Aus der Literatur Windscheid/Kipp, Pandekten I, 176; v. Gierke, Dt. Privatrecht I, 258; Dulckeit, Verdinglichung, 7; Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 433 (subjektiv absolutes Recht); v. Tuhr, AT I, 203 f.; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 65; Heck, Sachenrecht, 1; Wolff/Raiser, Sachenrecht, 3, 8; v. Gierke, Sachenrecht, 2; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1558; Medicus, AT, Rn. 62; Eichler, Institutionen Sachenrecht I, 5; Larenz/Wolf, AT, § 15 Rn. 2; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, 16 (die Absolutheit eines Rechts als Ausfluss der durch das Recht bewirkten Zuordnung); Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rn. 15; Brehm/Berger, Sachenrecht, Rn. 1.13; Schumacher, ZHR 113 (1950), 166, 170; Schrauder, Wettbewerbsverstöße, 159. Auch die auf der Imperativentheorie beruhende allgemeine, reine Rechtslehre akzeptiert die Unterscheidung zwischen absoluten und relativen Rechten und fasst das absolute Recht als ein Recht auf, das die Verpflichtung aller bzw. einer unbestimmten Vielzahl der Rechtsgenossen auslöst; siehe Kelsen, Reine Rechtslehre, 136 f.; Bucher, Das subjektive Recht, 132 f. (die Normsetzungsbefugnis absoluter Rechte erstrecke sich gegen jedes denkbare Rechtssubjekt); Aicher, Eigentum als subjektives Recht, 63 m.w.N.; Nawiasky, Allgemeine Rechtslehre, 164 f. Zur reinen Rechtslehre noch unten § 14 A I. 100 Unten § 14 A.
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lich beurteilt wird etwa, ob auch im Hinblick auf deliktisch, insbesondere gem. § 823 Abs. 1 BGB geschützte Rechtsgüter von „absoluten Rechten“ gesprochen werden kann. Insbesondere nach der Erweiterung des negatorischen Rechtsschutzes auf jene Rechtsgüter wurde die Auffassung vertreten, der Unterschied zwischen einem deliktischen Schutz von Lebensgütern und subjektiven Rechten sei zumindest praktisch beseitigt101. Und tatsächlich besteht auf dieser Grundlage ein gegen jedermann wirkender Schutz, so dass dieses formale Kriterium der absoluten Rechte erfüllt ist102. Teilweise wird die Differenzierung zwischen absoluten subjektiven Rechten und Deliktsschutz jedoch aufrechterhalten. Als „Herrschaftsrechte“ sind demnach nur solche Befugnisse aufzufassen, bei denen allein der Inhaber auf bestimmte Rechtsobjekte einwirken und andere ausschließen darf103. Die Zweifel und Streitigkeiten kumulieren in der Einordnung der rechtsfortbildend anerkannten „sonstigen Rechte“, insbesondere dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Diese werden einerseits von Rechtsprechung und Literatur als „gegenüber jedermann“ wirkende, absolute subjektive Rechte bezeichnet104. Andererseits ist weitgehend unstreitig, dass sich diese Rechtspositionen vom Sacheigentum als Paradigma der absoluten Rechte in mehrerer Hinsicht unterscheiden. Insbesondere indiziert eine Verletzung die Rechtswidrigkeit nicht, sondern ist positiv festzustellen. Außerdem können diese „sonstigen Rechte“ nicht als solche rechtsgeschäftlich und zwangsweise übertragen werden, so dass mit gutem Grund bezweifelt werden kann, ob hier überhaupt von einem selbständigen subjektiven 101 Siehe Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 1011 (der Unterschied zwischen subjektivem Recht und Rechtsgut sei „praktisch bedeutungslos“); Münzberg, JZ 1967, 689, 692 (verschwimmende Grenze); Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte, 18 (Schutz des Rechtsgutes als „partielles subjektives Recht“); Schrauder, Wettbewerbsverstöße, 160; Lobe, Unlauterer Wettbewerb, 197 mit Fn. 2 (lasse man wie das Reichsgericht die Unterlassungsklage auch bei bloß geschützten Rechtsgütern zu, entfalle jeder Unterschied mit einem absoluten Rechtsschutz); Reeb, Bereicherungsrecht, 41 (wegen der Gewährung des Unterlassungsanspruchs lasse sich eine unterschiedliche Behandlung von relativen und absoluten Rechten nicht mehr aufrechterhalten; es handele sich nur um einen quantitativen Unterschied); Ebert, Geschäftsanmaßung, 406 f. (mit der Anerkennung von Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen würden durchaus subjektive Rechte geschaffen). 102 Siehe Larenz, NJW 1955, 521, 525; Larenz/Wolf, AT, § 15 Rn. 2 ff. (die später das elterliche Sorgerecht zwar als absolutes Recht, aber nicht als Herrschaftsrecht bezeichnen, § 15 Rn. 28); Medicus, AT, Rn. 62; Wagner, in: MünchKomm, § 823 BGB Rn. 136; Dulckeit, Verdinglichung, 7; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 136. 103 Seiler, in: Staudinger, § 903 BGB Rn. 2; Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 440; Hübner, AT, Rn. 356 (Herrschaft über einen Gegenstand und Befugnis gegenüber allen, Einwirkungen auszuschließen); Larenz/Wolf, AT, § 15 Rn. 2 (absolute Herrschaftsrechte); Medicus, AT, Rn. 66 f. (absolute Rechte, die auf Beherrschung eines Guts gerichtet seien wie Eigentum und Patentrecht im Unterschied zu Ausschließungsrechten, bei denen die Ausschlussfunktion im Vordergrund stehe); Roeber, FuR 2/1961, 3, 4 (die Unterscheidung zwischen absoluten Rechten wie dem Urheberrecht, das „Verbotsansprüche und Vergütungsansprüche“ gewähre, und den absoluten Rechten wie dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, das nur auf das Verbot abziele, sei „entscheidend“). 104 Nachweise zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht unten § 4 B VII 2; zum Recht am Gewerbebetrieb unten § 6 B IV 2.
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Recht zu sprechen ist, dessen Verletzung gesondert erfassbare Ansprüche auslöst. Es verwundert jedenfalls kaum, wenn Ehmann diese Rechtspositionen als „Mitteldinger“ einordnet105, der zivilrechtliche Datenschutz einmal über Schutzgesetze gem. § 823 Abs. 2 BGB106, ein andermal über ein besonderes Recht am eigenen Datum bzw. ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung107 begründet wird oder – um ein weiteres, auch hier relevantes Beispiel aufzugreifen – der Bundesgerichtshof am nicht patentierten Geheimnis ein absolutes Recht mit „dinglicher Ausschlusswirkung“ verneint, ein in der Insolvenz übertragbares „Ausschlussrecht“ jedoch bejaht108. Solch offensichtlichen Verwerfungen ist an dieser Stelle nicht nachzugehen. Sie dienen nur der Sensibilisierung für offene dogmatische Fragen auch und gerade im Bereich der „absoluten Rechte“, die wie gezeigt das Zentrum der Güterzuordnungsthematik markieren. Hier wird lediglich der Schluss gezogen, auf den jedenfalls inzwischen verwässerten Terminus „absolutes Recht“ zu verzichten und eine eigene Begrifflichkeit zur Erfassung von exklusiven Güterzuordnungen nach dem Vorbild der Sachen- und Immaterialgüterrechte zu entwickeln.
C. Hier verwendete Begrifflichkeiten und Grundunterscheidung Bevor die wegen der Unklarheiten des Begriffs „absolutes Recht“ verwendeten Termini vorgestellt werden, sei erneut betont, dass es an dieser Stelle der Untersuchung nur darum geht, Bedeutungen durch Definition festzulegen. Die Begründung der hinter diesen Begriffen stehenden Dogmatik setzt die Erarbeitung der relevanten Aussagen des geltenden Rechts voraus. Sie kann daher erst im dritten Teil erfolgen109.
I. Subjektive Rechte, insbesondere Ausschließlichkeitsrechte 1. Primäre und sekundäre subjektive Rechte Wie erläutert, ist das subjektive Recht die abstrakteste, aber auch eine in ihrer Bedeutung umstrittene Kategorie zur Beschreibung individueller Befugnisse. Aus dem Bekenntnis zum Methodendualismus folgt insoweit lediglich, dass zwischen dem Gut und dem daran bestehenden subjektiven Recht unterschieden werden muss. Eine formal-abstrakte Dogmatik verlangt ferner, bei der Begriffsbildung auf Elemente der Lebenswirklichkeit und der Funktionen des geltenden Rechts
105 106 107 108 109
Ehmann, FS 50 Jahre BGH, 613, 616, 619 f. So BGHZ 80, 311, 319 (1981). So BGHZ 91, 233, 238 f. (1984); Buchner, Informationelle Selbstbestimmung, 203 ff. Siehe BGHZ 16, 172, 174 ff. (1955) – Dücko. Unten § 14 A.
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zu verzichten. Fraglich ist, ob vor diesem Hintergrund auf eine der gegenwärtig diskutierten Definitionen des subjektiven Rechts zurückgegriffen werden kann. Die Willens- und Interessentheorie wie auch ihre Kombination durch die herrschende Meinung genügen diesen Vorgaben nicht, weil diese Ansätze zentral auf Aspekte des Seins abstellen110. Damit tragen sie die Unsicherheit über die Bedeutung des „Willens“111 bzw. der „Interessen“112 in die Dogmatik und von dort in das Verständnis des geltenden Rechts hinein. Außerdem verleiten sie zu naturalistischen Fehlschlüssen auf die Existenz oder eben Nichtexistenz von subjektiven Rechten. So wurden auf der Basis der Willenstheorie Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechte allein deshalb abgelehnt, weil weder die Person des Inhabers noch immaterielle Güter einer Willensmacht unterlägen113; und immer wieder werden subjektive Rechte schon dann bejaht, wenn schutzwürdige Interessen ausgemacht werden114. Die hier verfochtene Orientierung an den formalen Wirkungen des objektiven Rechts könnte an die reine Rechtslehre anknüpfen und das subjektive Recht als bloßen Reflex der Verpflichtung des Schuldners auffassen. Diese Sichtweise ist zwar ohne weiteres denkbar und in sich schlüssig, aber sie gibt, wie in Teil 2 herauszuarbeiten und in Teil 3 dogmatisch zu begründen ist, die einschlägigen Aussagen und Wirkungen der deutschen Rechtsordnung nicht zutreffend wieder, die eben doch subjektive Rechte als ein privilegiertes Dürfen und nicht als bloßen Rechtsreflex kennt. Daher werden subjektive Rechte im Folgenden als eine von der Rechtsordnung gewährte, selbständige Rechtsmacht verstanden115, die der Einzelne autonom ausüben darf und die dem Zugriff anderer in bestimmtem Umfang entzogen ist. Noch auf dieser abstrakten Ebene angesiedelt ist die für das Verständnis der folgenden Begrifflichkeit bedeutsame Differenzierung zwischen primären subjektiven Rechten und sekundären subjektiven Rechten, die dem Schutz und der
110 A.A. für die Interessentheorie Wagner, AcP 193 (1993), 319, 339 (diejenigen, die den Begriff des subjektiven Rechts auf einen formalen Begriff reduzieren wollten, trügen die Argumentationslast für diesen Ansatz; eine Notwendigkeit, den Interessenschutz nicht mehr zum Begriffsinhalt des subjektiven Rechts zu erheben, sei nicht dargetan). 111 Siehe Neuner, Rechtsverhältnisse, 11 (es gehe nur um den Willen in der Potenz, nicht um den aktuellen Willen). 112 Siehe Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 429 mit Fn. 3; Raiser, JZ 1961, 465, 466. 113 Zum Persönlichkeitsrecht Savigny, System I, 335 f.; Windscheid/Kipp, Pandekten I, 174; Ulsamer, Lehre vom Persönlichkeitsrecht, 48. Zum Immaterialgüterrecht ebenfalls Savigny, System I, 335 („Manche sind in dieser Ansicht so weit gegangen, dem Menschen ein Eigenthumsrecht an seinen Geisteskräften zuzuschreiben, und daraus das was man Denkfreyheit nennt abzuleiten; es ist aber gar nicht die Möglichkeit zu begreifen, wie ein Mensch den andern am Denken hindern, oder umgekehrt in ihm denken, und durch Jenes oder Dieses einen Eingriff in das angegebene Eigenthumsrecht verüben könnte.“). 114 Beispiele unten § 4 B. 115 Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 430; Zitelmann, IPR, 53 (das subjektive Recht als rechtliche Macht); Löbl, AcP 129 (1928), 257, 293 („Subjektives Recht ist die zu einer bestimmten Person zuständig gedachte objektive Rechtsnorm.“).
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Verwirklichung jener primären Rechte dienen116. Zum Beispiel sind die Ansprüche wegen Verletzungen des Sacheigentums, seien sie „dingliche“ wie die Ansprüche auf Herausgabe, Beseitigung und Unterlassung (§§ 985, 1004 BGB) oder schuldrechtliche wie die Ansprüche auf Schadensersatz oder Herausgabe des Erlangten (§§ 823 Abs. 1, 812 Abs. 1 S. 1. 2. Alt. BGB), sekundäre relative Rechte zur Verwirklichung des primären Sacheigentums gem. § 903 BGB117. Primäre subjektive Rechte, zu denen auch die vertraglich begründeten relativen Rechte zählen, werden folglich ohne Rücksicht auf eine akute Verletzung als bestehend gedacht, so dass sich insbesondere die Übertragung dieser Rechte zwanglos darstellen lässt118. Sekundäre subjektive Rechte hingegen entstehen unter bestimmten, in der Regel gesetzlich spezifizierten Voraussetzungen erst mit einer ggf. drohenden Verletzung primärer Rechte, stellen dann aber ihrerseits wieder selbständige und damit grundsätzlich übertragbare subjektive Rechte dar. So unproblematisch sich diese Unterscheidung am Beispiel des Sacheigentums und auch vertraglicher Ansprüche darstellen lässt, so schwierig und ersichtlich zentral für die hier gestellte Gesamtproblematik ist die Konstellation, dass gerade kein ausdrücklich normiertes subjektives Recht wie das Sacheigentum in Rede steht, sondern ein ggf. richterrechtlich entwickeltes. Die entsprechende dogmatische Frage, deren Beantwortung wiederum dem dritten Teil vorbehalten ist, lautet insoweit, ob sekundäre Rechte nur zur punktuellen Verwirklichung vorbestehender primärer Rechte zu denken sind oder ob die in Frage kommenden Rechtsgrundlagen (namentlich die gesetzlichen Schuldverhältnisse) Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz, Herausgabe des Erlangten usw. auch dann hergeben, wenn kein primäres subjektives Recht verletzt wurde. 2. Ausschließlichkeitsrechte Während auf die primären relativen Rechte wie erläutert im Folgenden nicht näher eingegangen wird, ist noch ein Begriff festzulegen, der die originäre, exklusive Zuordnung eines Gutes zu einer bestimmten Person unter Ausschluss aller Übrigen zum Ausdruck bringt. Ein solches primäres subjektives Recht wird im Folgenden als Ausschließlichkeitsrecht119 bezeichnet. Dagegen wird aus 116 Raiser, JZ 1961, 465, 466; Bucher, Das subjektive Recht, 51 ff.; Nawiasky, Allgemeine Rechtslehre, 13 f., 99 ff.; Hohfeld, Yale L.J. 26 (1917), 710, 752 f. Von „primären“ und „sekundären“ Normen (aus denen freilich auch Rechte abgeleitet werden) sprechen Eltzbacher, Unterlassungsklage, 111; Lehmann, Unterlassungspflicht, 7, 65. 117 Raiser, JZ 1961, 465 f.; Rimmelspacher, Anspruch und Streitgegenstandsprobleme, 107, 168; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 134 (Schutzansprüche zur Sicherung von Rechtspositionen); Picker, FS Bydlinski, 269, 275, 313; ders., FS Canaris I, 1001, 1017 (Schutzrechte zur Sicherung von Substanzrechten). 118 Hohfeld, Yale L.J. 26 (1917), 710, 755. Näher unten § 14 A II. 119 So für die Immaterialgüterrechte allgemein BGHZ 44, 372, 374 (1966); BGH NJW 2000, 72, 73; BGHZ 145, 366, 371 (2000); BGHZ (GS) 164, 1, 3 (2005); BVerfG NJW 1992, 36 f.; Troller, Immaterialgüterrecht, 69 f.; Dreier, in: Schricker/Dreier/Kur, Geistiges Eigentum, 51, 59 f.; für das
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den oben dargelegten Gründen auf das „absolute Recht“ sowie stark wirklichkeits- und damit potentiell begriffsjuristisch-ergebnisgeneigte Formulierungen wie120 Vermögensrechte121, Monopolrechte122 oder Herrschaftsrechte123 verzichtet. Die ein Ausschließlichkeitsrecht kennzeichnenden formalen Wirkungen werden dem Sacheigentum und den Immaterialgüterrechten124 entnommen, die in § 5 noch näher beleuchtet werden. An dieser Stelle sei lediglich festgehalten, dass sich Ausschließlichkeitsrechte anhand dieser Vorbilder auszeichnen durch
120 Markenrecht mit Blick auf das TRIPS-Abkommen etwa EuGH Rs. C-245/02, Anheuser-Busch/ Budjowick Budvar, Slg. I 2004, 10989, Ziff. 67; für das „geistige Eigentum“ einschließlich des Patentrechts BGHZ 163, 369 (2005); für das „ausschließliche Recht“ der deutschen Bundespost gem. Art. 143 Abs. 2 GG BVerfGE 108, 370, 389 f. (2003); für den Begriff des verfassungsrechtlichen Eigentums Leisner, in: HdbStR, § 149 Rn. 74; für die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts Brändel, FS Erdmann, 49, 50; in Bezug auf den Schutz von Wirtschaftsgeheimnissen Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 233. Von originären Ausschließlichkeitsrechten sind „ausschließliche“ relative Rechte bzw. derivative Rechte zu unterscheiden, insbesondere die sog. „ausschließliche Lizenz“; siehe Hilty, UFITA 124 (1994), 85, 133; ders., GRUR Int. 1993, 818, 822. 120 Ebenfalls verwendet werden die Begriffe „Verfügungsrecht“ (Peifer, GRUR 2002, 495, 498), „positives Verwertungsrecht“ (Schack, AcP 195 (1995), 594, 595; Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 20). 121 Der Begriff der Vermögensrechte ist zudem gem. § 857 Abs. 1 ZPO ein Begriff des einfachen Rechts, dessen Bedeutung anhand der anerkannten Auslegungsmethoden zu klären ist (dazu unten § 10 D III), und der sich schon deshalb nicht als abstrakt-beschreibender, dogmatischer Begriff eignet. Ablehnend auch v. Tuhr, AT I, 313 (der Begriff des Vermögensrechts sei im Gesetz weder definiert noch aus bestimmten Merkmalen zu entnehmen); a.A. Sohm, ArchBürgR 28 (1906), 173, 179 (der Begriff des „Vermögensrechts“ sei noch wichtiger als die Frage nach dem Begriff des „Rechts“ im Sinne des BGB); ders., IherJb 53 (1908), 373 ff. Beispiele für naturalistische Fehlschlüsse auf begrifflicher Basis: BGHZ 32, 103, 123 (1960) (das Warenzeichenrecht sei Vermögensrecht, weil es nicht Personen, sondern die Herkunft einer Ware aus einem bestimmten Betriebe kennzeichne); BGHZ 85, 221, 223 (1982) (bei der Firma werde der Name mit einem Objekt – einem Unternehmen – verbunden, so dass vermögensrechtliche Interessen ins Spiel kämen und das Firmenrecht daher Vermögensrecht sei); Sohm, ArchBürgR 28 (1906), 173, 183 („Durch den Begriff des Vermögensrechts wird dann der Inhalt und zugleich das Anwendungsgebiet jener Rechtssätze ausgedrückt.“); Hubmann, FS Lehmann II, 812, 813 (da Persönlichkeitsrechte häufig einen erheblichen Vermögenswert (Hervorh. v. Verf.) hätten, bedürfe die Frage der Pfändbarkeit gem. § 857 ZPO („Vermögensrecht“) einer näheren Prüfung). 122 Siehe in Bezug auf Immaterialgüterrechte zum Beispiel Hubmann, Persönlichkeitsrecht, 130 und öfter; Hilty, UFITA 116 (1991), 35, 50; ders., GRUR Int. 1993, 818, 819 ff.; ders., UFITA 124 (1994), 85, 127 ff.; Weber, UFITA 132 (1996), 5, 16 („Monopolpositionen“). 123 Siehe mit Abweichungen in den Einzelheiten v. Tuhr, AT I, 62; Dulckeit, Verdinglichung, 48; Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 440; Larenz, FS Sontis, 129, 139; Hübner, AT, Rn. 356; Raiser, JZ 1961, 465, 466 f.; Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rn. 49, 294; Larenz/Wolf, AT, § 15 Rn. 2; Larenz/ Canaris, SchuldR II/2, 374; Staudinger, in: Hk-BGB, § 823 BGB Rn. 31 ff.; Bucher, Das subjektive Recht, 89. Kritisch auch Eichler, Institutionen Sachenrecht I, 3 (der Herrschaftsgedanke sei wenig aufschlussreich für die Erläuterung des Sachenrechts). 124 Zu diesem Begriff Kohler, Autorrecht, 1 f. („Rechte an immateriellen Gütern, wie das Eigenthum ein Recht an einem materiellen Gute ist.“). Zur ideengeschichtlichen Entwicklung dieses Begriffs Merkl, Immaterialgüterrecht, 1 ff. Zum hier nicht verwendeten Begriff des „geistigen Eigentums“ unten § 12 C V.
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– den negativen Ausschluss aller anderen und die positive Zuweisung von Befugnissen tatsächlicher und rechtlicher Art125; – die grundsätzliche Rechtswidrigkeit des Eingriffs in einen gedanklich zuvor definierten Schutzbereich, der ausnahmsweise gerechtfertigt sein kann126; – sekundäre Ansprüche bei objektiv rechtswidrigen Eingriffen in den Schutzbereich, und zwar unter ggf. weiteren Voraussetzungen auf Herausgabe127, Unterlassung, Beseitigung, Schadensersatz, Kondiktion des Erlangten sowie Herausgabe des erlangten Gewinns128;
125 Zum Sacheigentum siehe § 903 BGB und Johow, in: Schubert, Sachenrecht 1, 623; Prot. II 3, 119 f.; BGH NJW 1989, 2251, 2252 – Friesenhaus; Seiler, in: Staudinger, § 903 BGB Rn. 2, 10 ff.; Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rn. 307; Wolff/Raiser, Sachenrecht, 178; v. Gierke, Sachenrecht, 69; Eichler, Institutionen Sachenrecht I, 6; Brehm/Berger, Sachenrecht, Rn. 1.15; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 373 f. (Zuweisungsgehalt und Ausschlussfunktion); Medicus, BürgR, Rn. 607 (negative Ausschluss- und positive Nutzungsfunktion); v. Tuhr, AT I, 133; Boecken, Deliktsrechtlicher Eigentumsschutz, 205 ff.; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, 160; Meier-Hayoz, FS Oftinger, 171, 174 f.; ebenso für „property“ an körperlichen Objekten im common law Hohfeld, Yale L.J. 26 (1917), 710, 746. Zu Immaterialgüterrechten allgemein Merkl, Immaterialgüterrecht, 61 f.; für das Urheberrecht § 15 UrhG und Schricker, in: Schricker, Einleitung UrhG Rn. 19; für das Patentrecht § 9 PatG und Scharen, in: Benkard, § 9 PatG Rn. 4; für das Gebrauchsmusterrecht § 11 GebrMG und Scharen, in: Benkard, § 11 GebrMG Rn. 2 f.; für das Halbleiterschutzrecht § 6 HalblSchG; für das Markenrecht §§ 14 Abs. 1, 15 Abs. 1 MarkenG, Art. 9 GMVO („ausschließliches Recht“); für das Geschmacksmusterrecht § 38 Abs. 1 S. 1 GeschmMG, Art. 19 Abs. 1 S. 1 GeschmMVO („ausschließliche[s]) Recht“); für das Sortenschutzrecht § 10 Abs. 1 SortSchG, Art. 13 SortSchVO. 126 Allgemein BGH GRUR 1962, 254, 255; zum Sacheigentum Johow, in: Schubert, Sachenrecht 1, 640 f.; Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 442; Mot. III 259; Aicher, Eigentum als subjektives Recht, 85 f.; Liver, GS Gschnitzer, 247, 263 m.w.N.; Seiler, in: Staudinger, vor § 903 BGB Rn. 56; Augustin, in: RGRK, § 903 Rn. 19; Olzen, JuS 1984, 328, 335; zum Beweis einer vertraglichen Duldungspflicht zur Nutzung eines Kabels auch OLG München MMR 2001, 49, 50; zum Urheberrecht RGZ 12, 50, 52 (1884). 127 Gem. § 985 BGB für das Sacheigentum, nicht aber für die Immaterialgüterrechte, weil jene sich auf einen bloßen Begriff beziehen; dazu oben A III 1 und unten §§ 3 B II 2 d, 5 B II. 128 Zu beachten sind dabei die weiteren Tatbestandsmerkmale der jeweiligen Anspruchsgrundlagen, die trotz eines objektiv-widerrechtlichen Eingriffs in den Schutzbereich der Ausschließlichkeitsrechte einen Anspruch scheitern lassen können; siehe zur Differenzierung zwischen einheitlichem Schutzbereich und differenziertem deliktsrechtlichem Schutz Stoll, AcP 162 (1963), 203, 219 ff., 228 f. Siehe dazu die – §§ 985, 1004 BGB; dazu Baur/Stürner, Sachenrecht, 119 f.; Pikart, WM 1976, 606; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 740. Nach der Rechtsprechung des BGH richtet sich die Frage, ob ein Anspruch aus § 1004 BGB gegeben ist, danach, ob ein dem Inhalt des Eigentumsrechts widersprechender Zustand herrscht; siehe BGHZ 66, 37, 39 (1975); BGH NJW-RR 2001, 232; BGH MMR 2004, 29; Fritzsche, in: Bamberger/Roth, § 1004 Rn. 1, 34; Pikart, in: RGRK, § 1004 Rn. 19; Gursky, in: Staudinger, § 1004 BGB Rn. 1 ff., 19. – § 823 Abs. 1 BGB. Dazu Wagner, in: MünchKomm, § 823 BGB Rn. 95; Zeuner, in: Soergel12, § 823 BGB Rn. 32; Teichmann, in: Jauernig, § 823 BGB Rn. 9; Brüggemeier, Deliktsrecht, 202 (Objekt des deliktischen Eigentumsschutzes sei aber nicht die Sache, sondern das Eigentum als absolutes Recht); Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1564 ff.; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 373, 376 (eine Verletzung der in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechte und Güter sei tatbestandsmäßig, wenn sie in den Zuweisungsgehalt eingreife); Boecken, Deliktsrechtlicher Eigentumsschutz, 209 ff.;
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– die Übertragbarkeit des primären Rechts129, auch wenn diese wie bei Rechten an geschäftlichen Bezeichnungen an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft130 oder wie beim Urheberrecht gesetzlich eingeschränkt ist131, solange nur überhaupt eine andere Person aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Verfügung das Recht umfassend oder teilweise im eigenen Namen gegen Dritte geltend machen kann; – die Verpfändbarkeit und anderweitige beschränkte rechtsgeschäftliche Übertragbarkeit des Rechts132; – die zwangsweise Verwertbarkeit in der Zwangsvollstreckung und der Insolvenz133.
v. 129 Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht I, Rn. 530 (das Sachenrecht gebe dem Deliktsrecht Schutzpositionen vor, bei deren schuldhafter Verletzung es systemnotwendig Ersatz gewähren müsse). Zur Parallelität des deliktischen und negatorischen Eigentumsschutzes insoweit BGH NJW-RR 1990, 1172, 1173; Boecken, Deliktsrechtlicher Eigentumsschutz, 219 f.; Brüggemeier, Deliktsrecht, 212 (insoweit identische Voraussetzungen). – § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB (Eingriffskondiktion). Dazu LG Hamburg AfP 1994, 161 f. (da der Vermögenswert, der im äußeren Erscheinungsbild einer nicht urheberrechtlich geschützten Sache nicht vom Eigentum erfasst werde, scheiterten Ansprüche aus den §§ 812, 823 Abs. 1 BGB). Zur Berücksichtigung gesetzlicher Grenzen des Eigentums siehe BGHZ 88, 344, 346 (1983); BGH NJW-RR 1990, 1172, 1173 f. („Beeinträchtigung im Zuweisungsgehalt des Eigentums“ als Voraussetzung für Ansprüche aus den §§ 823, 1004, 906 Abs. 2 S. 2 analog BGB); Schiemann, in: Erman, § 823 BGB Rn. 33; Ebbing, in: Erman, § 1004 BGB Rn. 41. – §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 BGB (Gewinnherausgabe aufgrund Geschäftsanmaßung); Nachweise unten § 9 D III. 129 Dazu unten § 10 B sowie v. Tuhr, AT I, 151, 313 ff.; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 59; Binder, ArchBürgR 34 (1920), 209, 249 f.; Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 36 ff.; mit anderer Akzentsetzung Sohm, IherJb 53 (1908), 373, 386 (alle veräußerlichen Rechte); für die Immaterialgüterrechte Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 9 f.; Ullmann, AfP 1999, 209, 210; für das common law Hohfeld, Yale L.J. 26 (1917), 710, 746. 130 Rechte an Unternehmenskennzeichen einschließlich der Firma (siehe die §§ 5 Abs. 1, 2 MarkenG, 17, 37 HGB) sind gem. § 23 HGB bzw. nach der Rechtsprechung des BGH nur zusammen mit dem Geschäftsbetrieb übertragbar; siehe RGZ 95, 235, 236 (1919); BGH GRUR 2002, 972, 974 f. m.w.N.; Ingerl/Rohnke, vor §§ 27–31 MarkenG Rn. 11 m.w.N. Ebenso zum früheren Warenzeichenrecht § 8 WZG (dazu BGHZ 44, 372, 381 (1966) (Warenzeichenrecht als „ausschließliches Recht zur Kennzeichnung von Waren“)). Werktitelrechte (§ 5 Abs. 1, 3 MarkenG) sind nach allerdings bestrittener Auffassung nur mit den Rechten am Kennzeichnungsobjekt übertragbar; siehe RGZ 68, 49, 55 (1908); BGH GRUR 1990, 218, 220; Starck, WRP 1994, 698, 701; Teplitzky, in: Großkomm UWG, § 16 UWG Rn 144; einschränkend zur Akzessorietät hingegen Fezer, § 15 MarkenG Rn. 168c ff. m.w.N.; Ingerl/Rohnke, § 5 MarkenG Rn. 102. 131 Siehe v. Tuhr, AT I, 316 f.; Sohm, IherJb 53 (1908), 373, 379, 386; Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 447; Schack, AcP 195 (1995), 594, 595; Schrauder, Wettbewerbsverstöße, 171; a.A. für das nicht translativ, aber konstitutiv übertragbare Urheberrecht (siehe die §§ 29, 31 ff. UrhG) Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 10; für Persönlichkeitsnutzungsrechte Forkel, FS Neumayer, 229, 245 (auch beschränkt übertragbare Persönlichkeitsrechte seien noch Persönlichkeitsrechte); Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 203. Ebenso bleibt eine Forderung ein subjektives Recht, auch wenn ihre Abtretbarkeit durch Vereinbarung ausgeschlossen ist (§ 399 1. Alt. BGB). 132 Dazu unten § 10 C. 133 Dazu unten § 10 D, E.
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Kernbestandteile des Begriffs „Ausschließlichkeitsrecht“ sind daher zum einen positive, gegen jedermann wirkende Befugnisse an einem Gut, deren Verletzung sekundäre Rechte auslöst, und zum anderen die Verkehrsfähigkeit des primären Rechts durch rechtsgeschäftliche oder zwangsweise Übertragung134. Zu betonen ist, dass zu diesen formalen Wirkungen nicht ein abstrakt zu definierender Schutzbereich zählt, denn dieser ist untrennbar mit den materiellrechtlichen Funktionen des jeweiligen Rechts verbunden und damit als Anknüpfungspunkt zur Systematisierung ungeeignet135. Daher können dingliche Aneignungsrechte136 und Rechte auf erst kraft Registrierung entstehende Immaterialgüterrechte137
134 Für dingliche Rechte ähnlich Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, 9 (die „güterzuordnende Funktion“ der dinglichen Rechte zeichne sich aus durch Klageschutz, Befugnis zur Einwirkung und Veräußerung); Krasser, Schutz vertraglicher Rechte, 101; für das Sacheigentum Gast, FS Wolf, 87, 88. Da auch die in den §§ 73 ff. UrhG geregelten verwandten Schutzrechte (näher dazu unten § 5 B II 1) diese Merkmale aufweisen, werden sie als Ausschließlichkeitsrechte bezeichnet, während eine funktional-teleologische Betrachtung diese Rechte als „qualifiziertes Wettbewerbsrecht“ einordnet; siehe dazu § 1 A III 3 mit Fn. 53. 135 V. Caemmerer, FS DJT II, 49, 90 mit Fn. 181; v. Tuhr, AT I, 151; Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 433 f. (es komme nicht darauf an, ob ein Rechtsgut „generell“ geschützt sei, sondern nur auf die Wirkung gegenüber jedermann in Abgrenzung zum relativen Recht); Ulsamer, Lehre vom Persönlichkeitsrecht, 50 f.; Hubmann, GRUR 1953, 316, 321 (jedes absolute Recht trage auch Beschränkungen in sich); de Boor, UFITA 13 (1940), 185, 188 (die Absolutheit des Rechts sage über seinen Inhalt und die Grenzen des Schutzbereichs nichts aus). Anders insbesondere Neumann-Duesberg, Das gesprochene Wort, 182 f. (Unterscheidung zwischen „totale[n] Ausschlussrechte[n]“, die gegen jeden Angriff geschützt seien (Sacheigentum), und „partielle[n] Ausschlussrechte[n]“ (Immaterial- und Persönlichkeitsrechte)); für das Recht am eigenen Bild Reinhardt, Persönlichkeitsrecht, 16; Ehmann, in: Erman, Anh § 12 BGB Rn. 166 (das Recht am eigenen Bild sei kein absolutes Recht, weil es nicht gegen die Aufnahme, sondern nur gegen die Verbreitung schütze); für den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz gegen Nachahmungen, der nur bewusste Handlungen und keine zufälligen Doppelschöpfungen erfasse, Kur, GRUR 1990, 1, 13 („kein Vollrecht“). 136 Aneignungsrechte regeln die Befugnis zur Aneignung herrenloser oder nicht vom Grundeigentum getrennter Sachen (RG JW 1938, 3040, 3041; Raiser, JZ 1961, 465, 468 f. (Herrschaftsrechte an einem Tätigkeitsbereich)). Auf sie können die Vorschriften über das Sacheigentum angewendet werden. Siehe für das Bergwerkseigentum die §§ 8, 9 Abs. 1 BBergG; dazu RGZ 135, 94 ff. (1932) (kein Verstoß gegen den numerus clausus der Sachenrechte, weil Art. 67 EGBGB landesrechtliche Vorschriften unberührt lasse); RG JW 1938, 3040. Für das Jagdrecht §§ 1, 3, 11 BJagdG. Zum landesrechtlichen (Art. 69 EGBGB) Fischereirecht z.B. Art. 1 Abs. 1 S. 1 Bayerisches Fischereigesetz („Das Fischereirecht gibt die Befugnis, in einem Gewässer Fische, Neunaugen und Krebse sowie Fluss-, Teich- und Perlmuscheln (Fische) zu hegen, zu fangen und sich anzueignen.“), Art. 3 S. 1 („Soweit nicht auf besonderen Rechtsverhältnissen beruhende Rechte dritter Personen bestehen, ist der Eigentümer des Gewässers fischereiberechtigt.“); RGZ 75, 397, 398 (1911) (Fischereirecht als „objektiv dingliches Recht“). 137 Rechte auf kraft Eintragung entstehende gewerbliche Schutzrechte wie das Recht auf das Patent oder das Recht auf das Gebrauchsmuster sind übertragbar (siehe die §§ 15 Abs. 1 PatG, 22 GebrMG) und gewähren dem Erfinder das ausschließliche Recht auf das zu registrierende Immaterialgüterrecht, so dass der Erfinder von jedem nichtberechtigten Anmelder das für jenen registrierte Recht vindizieren kann (§§ 6–8 PatG, 13 Abs. 3 GebrMG). Keine eigenständigen Immaterialgüterrechte, sondern Schutzbereichserweiterungen im Sinne von Schutzgesetzen, die einen ergänzenden Schutz des Immaterialgüterrechts bezwecken, aber nicht selbständig neben dem jeweiligen Immaterialgüterrecht stehen, sind dagegen die mittelbare
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ebenfalls als Ausschließlichkeitsrechte eingeordnet werden, auch wenn dem Inhaber nur wenige Befugnisse positiv-exklusiv vorbehalten werden.
II. Schutz auf der Grundlage gesetzlicher Schuldverhältnisse Von den primären relativen Rechten und insbesondere den primären Ausschließlichkeitsrechten wird in dieser Untersuchung der Schutz von Interessen und Gütern auf der Grundlage gesetzlicher Schuldverhältnisse unterschieden. Angesprochen sind damit Ansprüche auf der Basis des Deliktsrechts des BGB und des UWG, des Bereicherungsrechts und der Geschäftsführung ohne Auftrag. Diese Ansprüche stehen nach Maßgabe der jeweiligen Tatbestände dem Aktivlegitimierten gegen potentiell jedermann zu; es muss zuvor keine Sonderverbindung zwischen Gläubiger und Schuldner bestanden haben. Damit wird für den Anspruchsinhaber im Verhältnis zu allen Dritten ein Schutz bestimmter Belange begründet. Diese Interessen und Güter können verschiedener Art sein; sie ergeben sich aus dem einfachen Recht und werden auf der formaldogmatischen Ebene bewusst ausgeblendet. Allerdings – und das ist der Struktur- und Wirkungsunterschied zu den Ausschließlichkeitsrechten – verwirklichen bzw. sanktionieren diese Ansprüche138 kein primäres subjektives Recht, sondern gehen direkt auf die jeweilige Grundlage im objektiven Recht zurück. Daher kann ein derartiger gesetzlicher Interessen- und Güterschutz auch nicht als solcher139 rechtsgeschäftlich oder zwangsweise übertragen werden, weil es an einem unverletzt gedachten, selbständigen Verfügungsgegenstand140 unabhängig von einer konkreten Verwirklichung der gesetzlichen Tatbestände fehlt.
III. Rechtsposition Insgesamt weisen Ausschließlichkeitsrechte und der gesetzliche Interessen- bzw. Güterschutz grundlegende formale Unterschiede, aber auch gewisse Gemeinsamkeiten auf. Insbesondere bewirken beide jedenfalls im Ergebnis eine individuelle Vorzugsstellung einer bestimmten Person im Verhältnis zu allen anderen, weil niemand in den Schutzbereich des Ausschließlichkeitsrechts widerrechtlich eingreifen bzw. gegen die Tatbestände der gesetzlichen Schuldverhältnisse verstoßen darf; andernfalls drohen jeweils zivilrechtliche Ansprüche. Es ist daher er-
138 Patentverletzung gem. § 10 PatG (BGH GRUR 2005, 848, 854 m.w.N. („§ 10 PatG gewährt dem Patentinhaber kein ausschließliches Recht zum Anbieten und Liefern von Mitteln zur Erfindungsbenutzung.“); a.A. Holzapfel, GRUR 2002, 193 ff.) sowie das Verbot der Umgehung technischer Schutzmaßnahmen gem. § 95a UrhG; siehe OLG München GRUR-RR 2005, 372; LG Köln ZUM-RD 2006, 187, 192 m.w.N.; Peukert, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, § 33 Rn. 11 m.w.N. 138 Die ihrerseits relative subjektive Rechte sind. 139 Übertragbar sind wiederum die entstandenen Ansprüche. 140 Zu diesem Begriff unten § 10 B I, IV 1.
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forderlich, einen Oberbegriff für primäre subjektive Rechte und einen gesetzlichen Interessen-/Güterschutz zu setzen, der den von diesen Kategorien gebildeten gesamten Rechtskreis einer Person beschreibt und offen genug ist, um diese voneinander abweichenden Strukturen zu umfassen. Verwendet wird hierfür im Folgenden der Terminus „Rechtsposition“, der damit auf einer noch abstrakteren Ebene als das subjektive Recht angesiedelt ist141.
D. Zusammenfassung Die vorstehenden Ausführungen hatten den Zweck, die in der Einleitung anhand von Beispielen skizzierte Thematik der Güterzuordnung begrifflich zu konkretisieren und zugleich in den Kontext des Privatrechtssystems einzuordnen. Um dem naheliegenden Einwand zu begegnen, das Ergebnis dieser Untersuchung werde durch eine geschickte Setzung und Abgrenzung von Begriffen prädestiniert, wurden die Kriterien einer notwendigen, aber gefährlichen Bildung von dogmatischen Systembegriffen offengelegt und begründet. Hierfür wurde zunächst ein Bekenntnis zum methodologischen Dualismus, also zur Trennung von Sein und Sollen abgelegt. Daraus folgt für die Güterzuordnungsproblematik jedenfalls die Unterscheidung zwischen dem Gut als Rechtsobjekt und der daran bestehenden Rechtsposition. Außerdem wurde erläutert, dass und warum die für diese Befugnisse verwendeten Termini an dieser Stelle nur definiert, aber nicht als System begründet werden. Dogmatik wird hier nämlich verstanden als abstrahierend-beschreibende Zusammenfassung der durch Auslegung gewonnenen Aussagen der Rechtsordnung. Diese Auslegung folgt erst im zweiten Teil, so dass eine Erläuterung der Dogmatik mit Rückkopplung auf materiale Wertungen des geltenden Rechts dem abschließenden dritten Teil vorbehalten ist. Ferner ist die in diesem Paragraphen problematisierte Methodik der Dogmatik streng von der den zweiten Teil betreffenden Methodik der Gewinnung von Rechtsregeln (Auslegung von Gesetzen, Erarbeitung von Rechtsprinzipien) zu unterscheiden. Während Letztere selbstverständlich teleologisch-funktional Wertungen und Aspekte der Lebenswirklichkeit einbeziehen muss, ist Erstere auf die formalen Wirkungen des objektiven Rechts zu beschränken, um unzulässige begriffsjuristische Kurzschlüsse zu vermeiden. Mit Blick auf die Güterzuordnung scheiden demnach allgemeine Differenzierungen auf der Basis der betroffenen Rechtsobjekte (Güter), der Interessen und der Funktionen der einschlägigen Vorschriften aus (dazu A). Unter diesen Vorzeichen galt es, das Thema dieser Untersuchung, nämlich das Spannungsverhältnis zwischen dem Individualinteresse am Erhalt des Erworbe141 Ähnlich Prot. II 5, 651 (zur Vererblichkeit des Besitzes: es seien „nicht nur Rechte, sondern auch Rechtspositionen vererblich“); BGHZ 95, 10, 18 (1985); Thiele, Zustimmungen, 23 (Rechtsstellung als „alle rechtlich bedeutsamen Beziehungen eines Rechtssubjekts zu seiner Umwelt“).
§ 1 Begriffliche Konkretisierung der Fragestellung
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nen und der allgemeinen Handlungsfreiheit der Schuldner bzw. Ausgeschlossenen in den Kontext des Privatrechtssystems und der hierfür gängigen Systembegriffe einzuordnen. Als relevant für diese Güterzuordnungsproblematik wurden das subjektive Recht, wonach sinngemäß zum Ausdruck kommen soll, dass einer Person etwas rechtens zukommt oder gehört, und das absolute Recht als im Unterschied zum relativen Recht gegen jedermann wirkende Befugnis ausgemacht. Weil aber dem Begriff des absoluten Rechts Befugnisse mit ganz unterschiedlichen formalen Wirkungen unterstellt werden, und daher eine erhebliche Unsicherheit über seine Reichweite herrscht, erscheint es erforderlich, eine weniger vorbelastete, auf die formalen Wirkungen der jeweiligen Befugnisse abstellende Begrifflichkeit zu wählen (dazu B). Demnach werden hier subjektive Rechte und der Schutz von Interessen und Gütern auf der Grundlage gesetzlicher Schuldverhältnisse unterschieden. Subjektive Rechte werden als eine von der Rechtsordnung gewährte, selbständige Rechtsmacht aufgefasst, die der Einzelne autonom ausüben darf und die dem Zugriff anderer in bestimmtem Umfang entzogen ist. Einmal entstandene subjektive Rechte werden ohne Rücksicht auf eine akute Rechtsverletzung gedacht und können daher als selbständige Rechte übertragen werden. Sie werden im Hinblick auf ihre Entstehung in primäre und sekundäre subjektive Rechte unterteilt. Sekundäre subjektive Rechte verwirklichen primäre Rechte, indem sie Verletzungen primärer Rechte, z.B. des Sacheigentums oder vertraglicher Ansprüche, sanktionieren. In Bezug auf ihre Wirkungen wird zwischen subjektiven relativen Rechten und Ausschließlichkeitsrechten differenziert. Relative Rechte erzeugen lediglich Verhaltenspflichten des Schuldners und sind daher im Folgenden nicht näher zu betrachten. Ausschließlichkeitsrechte hingegen weisen durch den Ausschluss Dritter und positive Befugnisse zu tatsächlichem und rechtlichem Handeln Güter zu. Ein Eingriff in ihren Schutzbereich ist grundsätzlich rechtswidrig und löst ggf. sekundäre Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz und Herausgabe des Erlangten aus. Der Schutz von Interessen und Gütern auf der Grundlage gesetzlicher Schuldverhältnisse verwirklicht bzw. sanktioniert demgegenüber kein primäres subjektives Recht, sondern geht unmittelbar auf die gesetzliche Rechtsgrundlage zurück. Er kann als solcher nicht übertragen werden. Da sowohl Ausschließlichkeitsrechte als auch der gesetzliche Interessen- und Güterschutz gegen jedermann wirken, wird im Folgenden die Rechtsposition als Oberbegriff für beide Kategorien gesetzt. Sie beschreibt den gesamten Rechtskreis einer Person (dazu C). Auch wenn diese Begriffe als System erst im dritten Teil begründet werden, ermöglicht ihre Setzung doch eine weitere Konkretisierung der Frage nach der Rechtsgrundlage für eine richterliche Güterzuordnung, der der Hauptteil dieser Arbeit gewidmet ist. Sie kann nunmehr dahingehend formuliert werden, ob die Gerichte Ausschließlichkeitsrechte anerkennen dürfen, indem sie die oben C I 2 aufgelisteten Wirkungen als Rechtsfolgen aussprechen. Damit wird schon hier das Prüfungsprogramm erkennbar, das anhand der einschlägigen Rechtspraxis in § 4 auf konkrete Rechtsgrundlagen zu beziehen ist: Zu untersuchen ist, ob im
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deutschen Recht eine Grundlage vorhanden ist, negative und positive, gegen jedermann wirkende Befugnisse an einem Gut, deren Verletzung sekundäre Ansprüche auf Unterlassung usw. auslöst, sowie die rechtsgeschäftliche und zwangsweise Übertragung derartiger Rechte anzuerkennen. Bevor jedoch diese Aufgabe anzugehen ist, sind im Grundlagenteil noch der verfassungsrechtliche Rahmen der privatrechtlichen Güterzuordnung abzustecken (dazu § 2) und ökonomische Erkenntnisse über Güterzuordnungen und deren Aussagekraft für die Frage nach einem entsprechenden Rechtsprinzip zu erörtern (dazu § 3).
§ 2 Der verfassungsrechtliche Rahmen
A. Fragestellung Nachdem im vorangehenden Paragraphen die methodischen und begrifflichen Grundlagen der Themenstellung und -bearbeitung gelegt worden sind, gilt es nunmehr, in einem ersten Schritt zur Beantwortung der Frage nach der Zulässigkeit richterlicher Güterzuordnungen den einschlägigen verfassungsrechtlichen Rahmen abzustecken. Wie bereits in der Einleitung erläutert, beschränkt sich diese Untersuchung auf die deutsche Rechtsordnung, insoweit also auf das Grundgesetz. Hingegen werden weder das primäre Europarecht noch europäische Grundrechte in Gestalt der gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen als allgemeiner Grundsätze des Gemeinschaftsrechts1 behandelt. Denn auch dieser Grundrechtsschutz ändert nichts an den für die Güterzuordnung unergiebigen Kompetenzen der Gemeinschaftsorgane im Allgemeinen und des EuGH im Speziellen2. Mit dem „verfassungsrechtlichen Rahmen“ der Güterzuordnung sind in concreto zwei Aspekte angesprochen: Zum einen ist darzustellen, welche Bedeutung die Grundrechte für ein Rechtsprinzip der Güterzuordnung entfalten können. Da sich jenes auf das Verhältnis der Privatrechtssubjekte untereinanderSV bezieht, ist zunächst zu skizzieren, in welcher speziellen Funktion Grundrechte für dieses genuin privatrechtliche Thema relevant werden können. Im Anschluss wird erörtert, in welchen Grundrechten das Spannungsverhältnis der Güterzuordnung angesprochen ist (dazu B). Zum anderen wurde in der Einleitung angedeutet, dass sich richterliche Güterzuordnungsentscheidungen nicht unbedingt auf das positive Recht in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich stützen müssen, sondern dass es sich auch um 1 Art. 6 Abs. 2 EUV. Die Charta der Grundrechte „bekräftigt“ diese Grundsätze und macht sie „sichtbarer“, ohne (bisher) unmittelbare Bindungswirkung zu erlangen; siehe die Präambel der Charta. 2 Siehe Art. 51 Abs. 2 Charta („Diese Charta begründet weder neue Zuständigkeiten noch neue Aufgaben für die Gemeinschaft und für die Union, noch ändert sie die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten und Aufgaben.“) und Art. 52 Abs. 2 Charta („Die Ausübung der durch diese Charta anerkannten Rechte, die in den Gemeinschaftsverträgen oder im Vertrag über die Europäische Union begründet sind, erfolgt im Rahmen der darin festgelegten Bedingungen und Grenzen.“). Zur Kompetenz des EuGH siehe Art. 46 lit. d EUV, der dem Gerichtshof eine Zuständigkeit im Hinblick auf Art. 6 Abs. 2 EUV in Bezug auf Handlungen der Organe zuweist, „sofern der Gerichtshof im Rahmen der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und im Rahmen dieses Vertrags zuständig ist“.
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Fortbildungen des geschriebenen Rechts handeln kann. Gerade hierfür wäre ein Rechtsprinzip der Güterzuordnung von maßgeblicher Bedeutung. Im zweiten Abschnitt sind daher die verfassungsrechtlichen Grundlagen richterlicher Entscheidung und ihre Abgrenzung zur Kompetenz der Legislative im Überblick darzustellen (dazu C). Zwar wird zu diesen verfassungsrechtlichen Rechtsfragen nicht im Einzelnen Stellung bezogen, weil sie eben nur den Rahmen der primär privatrechtlichen Erörterung bilden. Das schmälert ihre Bedeutung für die hiesige Untersuchung jedoch nicht. So wird die in der Einleitung noch eher postulierte Ausgangsposition begründet, eine Rechtsgrundlage für richterliche Güterzuordnungen sei wegen der Einschränkung jedenfalls der allgemeinen Handlungsfreiheit Dritter und der Unterscheidung zwischen generell-abstrakten Gesetzen und individuell-konkreter Rechtsprechung notwendig. Die Darstellung grundlegender Strukturen und Funktionen einzelner Grundrechte wird ferner das Prüfungsprogramm des Hauptteils im Hinblick auf das Grundgesetz als Bestandteil der „verfassungsmäßigen Ordnung“ abstecken und zugleich aufzeigen, welche gegenläufigen Grundrechtspositionen zu berücksichtigen sind. Schließlich werden sich aus den Prinzipien der Kompetenzabgrenzung zwischen Judikative und Legislative methodische Schlussfolgerungen für die Auslegung des geltenden Rechts in Teil 2 ergeben.
B. Die Bedeutung der Grundrechte für ein Rechtsprinzip der Güterzuordnung Bevor die güterzuordnungsrelevanten Grundrechte identifiziert werden, ist aufzuweisen, wie Grundrechte für die Frage richterlicher Güterzuordnung im Privatrechtsverhältnis überhaupt relevant werden können.
I. Grundrechte und Privatrecht 1. Die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte Entsprechend ihrer geistesgeschichtlichen Wurzeln und Entstehung, ihres Wortlauts und ihrer Funktion nach sind Grundrechte in erster Linie Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat3. Beschränkten sie sich hierauf, würden sie sich auf das zwischen gleichgeordneten Privatrechtssubjekten geltende Privatrecht nicht auswirken.
3
BVerfGE 1, 97, 104 (1951); BVerfGE 7, 198 (Leitsatz 1), 204 f. (1958) – Lüth; BVerfGE 33, 303, 329 f. (1972); Raiser, Grundgesetz und Privatrechtsordnung, 12; Schlink, EuGRZ 1987, 457 ff.; Enders, in: Berliner Kommentar, vor Art. 1 GG Rn. 34; v. Münch, in: v. Münch/Kunig, vor Art. 1– 19 GG Rn. 16; Stern, in: HdbStR, § 109 Rn. 41; Isensee, in: HdbStR, § 111 Rn. 9 ff.
§ 2 Der verfassungsrechtliche Rahmen
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Art. 1 Abs. 3 GG bringt jedoch zum Ausdruck, dass sich die Grundrechte nicht in der Abwehrfunktion erschöpfen, sondern eine „objektive Wertordnung“ darstellen, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt und Impulse für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung setzt4. Gegenstand andauernder Kontroversen ist demnach nicht, dass Grundrechte das Privatrecht beeinflussen, sondern wie. Herkömmlich werden unmittelbare und mittelbare Wirkung unterschieden: Eine unmittelbare Wirkung der Grundrechte auf das Privatrecht würde bedeuten, dass Rechtsgeschäfte gem. § 134 BGB nichtig wären, wenn sie Verpflichtungen enthielten, die nicht gerechtfertigte Eingriffe in den Schutzbereich des Grundrechts einer Partei darstellten; ferner würden Grundrechte als „sonstige Rechte“ gem. § 823 Abs. 1 BGB Deliktsschutz genießen5. Die ganz herrschende Meinung geht hingegen von einer bloß mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte aus. Zwar dürfe keine bürgerlich-rechtliche Vorschrift im Widerspruch zum Grundgesetz stehen, und jede müsse in seinem Geiste ausgelegt werden. Festgehalten wird aber am eigenständigen Gehalt der das Privatrecht unmittelbar beherrschenden Regelungen, während eine ungeschriebene Metarechtsordnung zwischen Privaten abgelehnt wird, die schließlich nicht Adressaten grundrechtlicher Bindung sind6. Dieser Ausgangspunkt ist weiter ausdifferenziert worden. Insbesondere wird unterschieden, ob Adressat der Grundrechtswirkung die Privatrechtssubjekte,
4 BVerfGE 6, 55, 71 (1957) (das Ermessen des Gesetzgebers finde seine Grenzen auch in sonstigen Grundsatznormen, in denen Wertentscheidungen des Verfassungsgebers ausgedrückt sind); BVerfGE 7, 198, 205 (1958) – Lüth; BVerfGE 33, 303, 330 (1972) (Art. 12 GG); BVerfGE 35, 79, 112 ff. (1973) (Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG als objektive, wertentscheidende Grundsatznorm); BVerfGE 39, 1, 41 (1975) (Schutzpflicht für das Leben); BVerfGE 49, 89, 140 ff. (1978); BVerfGE 73, 261, 269 (1986); BVerfGE 81, 242, 254 (1990). In Bezug auf Art. 14 Abs. 1 GG als Wertentscheidung, die auch der rechtsanwendende Richter zu beachten habe BVerwG NJW 1991, 3293, 3296. Allgemein zur Bedeutung und zu den Ausstrahlungswirkungen der „objektiven“ Bedeutung der Grundrechte aus der Literatur etwa Leisner, Grundrechte, 151; Jarass, AöR 110 (1985), 363, 373 ff.; ders., FS 50 Jahre BVerfG, 35 ff.; Böckenförde, Staat 29 (1990), 1, 3 ff.; Stern, in: HdbStR, § 109 Rn. 50 ff.; Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 290 ff.; Enders, in: Berliner Kommentar, vor Art. 1 GG Rn. 62; v. Münch, in: v. Münch/Kunig, vor Art. 1–19 GG Rn. 22 ff. 5 Siehe Nipperdey, FS Molitor, 17, 24 (mit Vorbehalt im Hinblick auf die Privatautonomie: gewisse Einschränkungen der grundrechtlichen Position könnten vereinbart werden); Leisner, Grundrechte, 356 ff.; im Ergebnis auch Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 48. Für die Koalitionsfreiheit BAG AP Art. 9 GG Nr. 49 (1987); BAG NZA 1998, 754, 756 (die Gewährleistung der Koalitionsfreiheit richte sich nach Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG auch gegen privatrechtliche Beschränkungen; die Vorschrift habe Drittwirkung). Zur frühen Rechtsprechung zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht unten § 4 B VII 2 b. 6 Siehe nur BVerfGE 7, 198, 204 ff. (1958) – Lüth; BVerfGE 73, 261, 269 (1986); BVerfGE 81, 242, 254 ff. (1990); BVerfGE 103, 89, 100 (2001); BVerfG JZ 2007, 576; BGHZ 36, 91, 95 (1961); Canaris, AcP 184 (1984), 201, 203 ff. m.w.N.; Hager, JZ 1994, 373; Jarass, in: Jarass/Pieroth, vor Art. 1 GG Rn. 58; Rüfner, in: HdbStR, § 117 Rn. 54 ff.; Dürig, ZgS 109 (1953), 326, 339 f.; ders., FS Nawiasky, 157, 184 (eine die Eigenständigkeit des Privatrechts überwindende Grundrechtslehre habe die Tendenz zur Verstaatlichung des Privatrechts); Badura, FS Molitor, 1, 5; Mestmäcker, Recht und ökonomisches Gesetz, 373; Diederichsen, AcP 198 (1998), 171, 211, 236, 258.
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der Gesetzgeber oder die Gerichte sind7. Die außerordentlich umstrittene Beeinflussung der privatautonomen Gestaltung von Rechtsbeziehungen durch einen grundrechtlich gebotenen Schutz des schwächeren Vertragspartners8 kann im Folgenden außer Betracht bleiben, weil damit vertragliche Rechtsbeziehungen und nicht der Interessenkonflikt der Güterzuordnung zwischen dem (angeblichen) Inhaber einer Rechtsposition und allen anderen angesprochen ist. Der Privatrechtsgesetzgeber ist jedenfalls bei der Normierung zwingender Regeln unmittelbar an die Vorgaben der Grundrechte gebunden9. Aber auch diese Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte, die letztlich den Gestaltungsspielraum der Legislative im Verhältnis zum Bundesverfassungsgericht betrifft10, bezieht sich nicht auf die hier im Zentrum stehende Auslegung und Anwendung des Privatrechts durch den für zivilrechtliche Streitigkeiten zuständigen Richter. Für die Judikative als Hoheitsträger sind zunächst die Kernaussagen der Lehre von der mittelbaren Drittwirkung zu beachten. Demnach ist im Sinne einer dualistischen Konstruktion stets das generell-abstrakte Privatrecht anzuwenden, das freilich vor dem Hintergrund der Grundrechte als „objektiver Wertordnung“ zu lesen ist11. Die damit erzielte Eigenständigkeit des Privatrechts spiegelt sich in der beschränkten Überprüfung privatrechtlicher Gerichtsentscheidungen durch das Bundesverfassungsgericht wider. Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Entscheidung ist nämlich nicht das privatrechtliche Ergebnis und seine Herleitung, sondern ob die Gerichte die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte grundlegend verkannt haben12. Es ist das Verdienst von Canaris, diese vagen Grundsätze weiter geklärt zu haben, indem er zwischen der Wirkung der Grundrechte in einer Abwehr- und ei7 Siehe Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 34 f.; Leisner, Grundrechte, 379 (Drittwirkung im vertraglichen und außervertraglichen Bereich); Schwabe, AcP 185 (1985), 1, 2; Hager, JZ 1994, 373 ff. 8 Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 33 ff. Eine Relevanz der Grundrechte im Privatrechtsverkehr verneinend Dürig, FS Nawiasky, 157, 158 ff. Gegen die Differenzierung zwischen dispositivem Vertragsrecht und konkreter Vereinbarung Schwabe, AcP 185 (1985), 1, 3 ff.; Hager, JZ 1994, 373, 376 ff.; einschränkend zur Rede von der Irrelevanz der Grundrechte für die Vertragsfreiheit auch Diederichsen, AcP 198 (1998), 171, 205 (schon bei der Vertragsgestaltung müssten die Anforderungen des Grundrechtsabschnitts berücksichtigt werden). Beispiele aus der Rechtsprechung: BVerfGE 89, 214, 229 ff. (1993); BVerfGE 103, 89, 100 ff. (2001); BVerfG NJW 2005, 596, 598. 9 BVerfGE 7, 198, 206 (1958) – Lüth; BVerfGE 81, 242, 254 (1990); Badura, FS Molitor, 1, 7; Burghart, in: Leibholz/Rinck, vor Art. 1–19 GG Rn. 13; Jarass, in: Jarass/Pieroth, vor Art. 1 GG Rn. 56; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 11 ff.; ders., AcP 184 (1984), 201, 212 f.; Hager, JZ 1994, 373, 374. Zum vertragsergänzenden, dispositiven Recht Canaris, AcP 184 (1984), 201, 213 ff. 10 Hierzu Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 23 ff., 71 ff.; Diederichsen, AcP 198 (1998), 171, 231. 11 Siehe Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 81 ff.; Larenz, AfP 1973, 450, 452 (der Richter dürfe Verfassungsprinzipien erst dann eigenständig konkretisieren, wenn das Gesetz nicht als mögliche Ausfüllung des gegebenen legislativen Konkretisierungsspielraums anzuerkennen sei); Dürig, FS Nawiasky, 157, 158, 164; Raiser, Grundgesetz und Privatrechtsordnung, 19; Hager, JZ 1994, 373, 374 f.; Badura, FS Molitor, 1, 5; Diederichsen, AcP 198 (1998), 171, 210 ff., 234. 12 Siehe z.B. BVerfGE 73, 261, 269 (1986); BVerfGE 89, 276, 285 f. (1993); BVerfG JZ 2007, 576; Badura, FS Molitor, 1, 8. Zur Problematik dieser Prüfung unten § 13 B VII 3 a.
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ner Schutzkonstellation unterscheidet13: In der Abwehrkonstellation wird einer Person durch das Privatrecht eine Handlung untersagt; zum Beispiel wird der Presse eine Berichterstattung zum Schutz von Persönlichkeitsrechten verboten14. Hier führt die Anwendung der Privatrechtsordnung zu einem staatlichen Eingriff in grundrechtliche Freiheiten. Dieser Eingriff soll durch die Grundrechte in ihrer klassischen Eingriffsabwehrfunktion verhindert werden, indem die privatrechtliche Verbotsnorm kassiert oder verfassungskonform restriktiv ausgelegt wird. In der Schutzkonstellation dagegen werden die Grundrechte nicht von einer aktiven, mit einem Verbot konfrontierten Person vorgebracht, sondern von einer Person, die gegen das ggf. rechtsgeschäftliche Handeln einer dritten Privatperson Schutz sucht, den das Privatrecht aber ggf. nicht bietet. Im Beispiel wäre das der Kläger, der eine Untersagung der Berichterstattung wegen einer Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts begehrt. In dieser Situation greift der Richter auf die Grundrechte zurück, um ein verfassungsrechtlich gebotenes Schutzminimum zu erreichen15. Eine solch extensive Auslegung bzw. Fortbildung des Privatrechts wird unmittelbar durch die Grundrechte legitimiert, deren Aussagegehalt die Überschreitung des Regelungsplans des einfachen Rechts trägt und zugleich begrenzt16. Hintergrund ist wiederum, dass – um auf das Beispiel zurückzukommen – der Schutz der Person, über die berichtet wurde, mit einer rechtfertigungsbedürftigen Einschränkung der Pressefreiheit einhergeht (siehe Art. 5 Abs. 2 GG). Maßgebliches Kriterium zur Abgrenzung von Abwehr- und Schutzkonstellation ist demnach, ob die Einschränkung privater Entfaltung auf ein Gesetz zurückgeht (dann Abwehrkonstellation) oder auf ein Verhalten anderer Privatrechtssubjekte (dann Schutzkonstellation). Auch wenn in beiden Situationen Grundrechte vorgebracht werden, um Privatrecht zu modifizieren, ist diese Grundunterscheidung eindeutig durchführbar und zudem ergebnisrelevant, weil die Beeinflussung des Privatrechts durch die Grundrechte als Eingriffsabwehr-
13 Canaris, AcP 184 (1984), 201, 212 f., 225 ff.; ders., JuS 1989, 161, 163 ff. m.w.N.; ders., Grundrechte und Privatrecht, 23 ff., 71 ff. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 47, begründet die Differenzierung zwischen Abwehr- und Schutzfunktion zutreffend mit der schwächeren Wirkung der Schutzpflicht und damit dem dogmatisch-konstruktiven Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit des Schuldners. Ebenso BVerfGE 66, 116, 135 (1984) (der Pressefreiheit könnten in ihrer Einwirkung auf privatrechtliche Vorschriften engere Grenzen gezogen werden als in ihrer Bedeutung als Abwehrrecht); Jarass, in: Jarass/Pieroth, vor Art. 1 GG Rn. 56. 14 Weitere Beispiele bei Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 12 ff. 15 Dazu auch Pietzcker, FS Dürig, 345, 350 ff.; Hermes, NJW 1990, 1764, 1765 f. m.w.N. Beispiel für eine die Vertragsfreiheit beschränkende Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 4 GG bei BVerfGE 103, 89, 100 ff. (2001). 16 BVerfGE 59, 231, 257 (1982) (gesetzesübersteigendes Richterrecht könne keiner anderen Kontrolle unterliegen als eine rechtssatzmäßige Regelung); Badura, FS Molitor, 1, 9; Hager, JZ 1994, 373, 375 f., 378 (mit Bezug auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht); wohl auch Diederichsen, AcP 198 (1998), 171, 234; weitergehend Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 87 f. (die Gerichte dürften über das Schutzminimum hinausgehen, weil und sofern das auch der Gesetzgeber dürfe).
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rechte viel intensiver und engmaschiger ist als durch die Grundrechte in ihrer Funktion, gewisse Schutzminima grundrechtlich abgebildeter Interessen im Horizontalverhältnis zwischen Bürgern zu verwirklichen17. Überträgt man diese Grundunterscheidung auf die hier thematisierte Problematik, so ist ersichtlich die Schutzkonstellation einschlägig. Denn der inaktive Kläger macht vor Gericht nicht eine verfassungsrechtlich unzulässige Verbotswirkung geschriebenen Privatrechts geltend, sondern ein Schutzdefizit im Hinblick auf den Zugriff dritter Personen auf ein bestimmtes Gut. 2. Herleitung und Struktur grundrechtlicher Schutzpflichten Die vorstehend als einschlägig erkannte Funktion der Grundrechte, ein Schutzminimum für bestimmte Lebensbereiche und Interessen vorzugeben, das auch von den Zivilgerichten zur Geltung gebracht werden muss, gehört wiederum zu den umstrittensten Bereichen der Grundrechtstheorie. Sie folgt nämlich nicht wie die Eingriffsabwehrfunktion unmittelbar aus dem Grundgesetz, sondern wurde durch Auslegung gewonnen18. Im Folgenden geht es nicht um eine eigenständige wissenschaftliche Stellungnahme zu dieser Thematik, sondern um die Grundstruktur und Herleitung derartiger Schutzpflichten, die für ein Rechtsprinzip der Güterzuordnung von besonderer Bedeutung sein werden. Ausgangspunkt der Entwicklung grundrechtlicher Schutzpflichten ist die Erkenntnis, dass die grundrechtlich garantierten Interessen nicht nur durch den Staat, sondern auch durch andere Privatrechtssubjekte beeinträchtigt werden können19. So werden Leben und Gesundheit durch staatliches und privates Handeln bedroht20; auch das Eigentum kann vom Staat entzogen oder von privater Hand verletzt werden. Die grundrechtliche Schutzpflicht ist daher anders als die Abwehrkonstellation nicht in einem zwei-, sondern einem dreiseitigen Verhältnis zu denken: A stört B in der Wahrnehmung grundrechtlich geschützter Interessen. B begehrt Schutz gegen diese Störung und wendet sich dazu an den Staat, der den A zügeln soll. Wenn ein Gericht als Hoheitsträger diesem Begehren nachkommt, schränkt es freilich zumindest die umfassend gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit des Störers ein, so dass ein Ausgleich zwischen den einander gegenüberstehenden Grundrechten unter Berücksichtigung der Allgemeinbe-
17 Gegen die Unterscheidung zwischen Abwehr- und Schutzsituation und für eine durchgängig unmittelbare Geltung der Grundrechte aber Schwabe, AcP 185 (1985), 1, 5 ff.; Hager, JZ 1994, 373, 381. Zum Zusammenhang beider Fragenkomplexe auch Badura, FS Molitor, 1, 9. 18 Isensee, in: HdbStR, § 111 Rn. 18. 19 Ausführlich zur Struktur der Schutzpflicht Isensee, in: HdbStR, § 111 Rn. 1 ff.; Sachs, in: Sachs, vor Art. 1 GG Rn. 35 ff. 20 BVerfGE 39, 1, 42 (1975) (rechtswidrige Eingriffe in das Leben von Seiten anderer); BVerfGE 88, 203, 252 (1993) (die Schutzpflicht für das ungeborene Leben beziehe sich auf Gefahren, die von anderen Menschen ausgehen); BVerfGE 103, 89, 100 (2001) (Grundrechte vor Verletzungen durch andere bewahren).
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lange herbeizuführen ist21. Von einer Grundrechtsverletzung des B kann nur im Verhältnis zwischen B und dem Staat die Rede sein, der keine ausreichenden, einfachen Schutzgesetze i.w.S. erlassen hat, um das Verhalten des A zu verhindern22. Hergeleitet werden grundrechtliche Schutzpflichten in dieser Situation mit Hinweis auf das Gewaltmonopol des Staates, der die Sicherheit des einzelnen Bürgers vor den Angriffen anderer zu gewährleisten habe23. Außerdem sei der Staat verpflichtet, die Grundrechte als „objektive Wertordnung“24 und insbesondere die alle Grundrechte fundierende Menschenwürde25 aktiv zu schützen. Angeknüpft wird also an den Schutzbereich des jeweiligen Grundrechts und den hiervon abgesteckten Freiheitsraum bzw. Wirkbereich, der gegen das Verhalten anderer Privater verstärkt und verwirklicht wird26. Folglich hängen die Voraussetzungen, das Ausmaß und die Art der Schutzpflicht vom Rang des betroffenen Grundrechts innerhalb der gesamten Wertordnung sowie von der jeweils drohenden Gefährdung ab27. Bejaht wurden entsprechende Schutzpflichten für das 21 BVerfGE 39, 1, 47 (1975); für das Privatrecht BVerfGE 81, 242, 255 (1990) (jede Begrenzung der Vertragsfreiheit zum Schutze des einen Teils greife gleichzeitig in die Freiheit des anderen Teils ein); BVerfG NJW 1998, 3264 f.; BVerfG NJW 2005, 2376, 2381; Badura, FS Molitor, 1, 18; Preu, JZ 1991, 265, 266; a.A. etwa Isensee, in: HdbStR, § 111 Rn. 171 ff. m.w.N. Zum Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit unten B II 2. 22 Isensee, in: HdbStR, § 111 Rn. 5. 23 Grundlegend Isensee, Grundrecht auf Sicherheit, 21 ff.; ders., in: HdbStR, § 111 Rn. 83 ff.; Sachs, in: Sachs, vor Art. 1 GG Rn. 37; Stern, in: HdbStR, § 109 Rn. 59. Zur Abgrenzung von sozialen Grundrechten bzw. Teilhaberechten Isensee, in: HdbStR, § 111 Rn. 132. Beispiele für grundrechtliche Teilhaberechte BVerfGE 33, 303, 330 f. (1972) (Schaffung bzw. Verteilung von Ausbildungskapazitäten); in Bezug auf Art. 14 GG Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 14 GG Rn. 33 (Verpflichtung, für eine gleichmäßigere Vermögenslage zu sorgen); allgemein Enders, in: Berliner Kommentar, vor Art. 1 GG Rn. 72 (Teilhaberechte ließen sich nicht aus den Grundrechten gewinnen); Stern, in: HdbStR, § 108 Rn. 15. 24 BVerfG JZ 2007, 629, 630. Nachweise etwa bei v. Münch, in: v. Münch/Kunig, vor Art. 1–19 GG Rn. 22; Calliess, JZ 2006, 321 ff. m.w.N.; Isensee, in: HdbStR, § 111 Rn. 12 ff. Zu weiteren Ausprägungen der objektiv-rechtlichen Dimension der Grundrechte Wahl, in: HdbGRe, § 19 Rn. 5 ff.; Enders, in: Berliner Kommentar, vor Art. 1 GG Rn. 68 ff.; Stern, in: HdbStR, § 109 Rn. 57. 25 Siehe Art. 1 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 GG; ferner BVerfGE 1, 97, 104 (1951); mit Bezug auf den Schutz des Lebens BVerfGE 39, 1, 41 (1975); BVerfG NJW 2006, 751, 757; Dürig, AöR 81 (1956), 117, 118; Burghart, in: Leibholz/Rinck, vor Art. 1–19 GG Rn. 50; Canaris, AcP 184 (1984), 201, 226. 26 Siehe etwa BVerfGE 35, 79, 116 (1973) (Wissenschaftsfreiheit); BVerfGE 39, 1, 38 (1975); BVerfGE 50, 290, 337 (1979); BVerfGE 53, 30, 57 (1979); BVerfGE 77, 381, 403 (1988) (die Schutzpflicht bestehe für die grundrechtlich geschützten Rechtsgüter); Isensee, in: HdbStR, § 111 Rn. 93 ff.; Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 349 ff.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 98; Sachs, in: Sachs, vor Art. 1 GG Rn. 35; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 72 ff. 27 BVerfGE 39, 1, 42 (1975) (menschliches Leben als Höchstwert); BVerfGE 49, 89, 125 (1978); BVerfGE 53, 30, 57 (1979) (bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie löse auch eine entfernte Wahrscheinlichkeit einer Gefahr konkrete Schutzpflichten aus); BVerfGE 77, 381, 402 f. (1988) (Schutzpflicht jedenfalls für die durch Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG geschützten Rechtsgüter); BVerfGE 88, 203, 254 (1993) (menschliches Leben); BVerfG NJW 1997, 249 f. (Warnhinweise bei gewichtigen Gefahren für Gesundheit und Leben); Isensee, Grundrecht auf Sicherheit, 37 (keine einheitliche Gefahrenschwelle); ders., in: HdbStR, § 111 Rn. 141; Canaris, JuS 1989, 160, 163.
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menschliche Leben und die körperliche Unversehrtheit28, die Bewegungsfreiheit29 sowie für Ehe und Familie, insbesondere zugunsten von Kindern auf Schutz vor verantwortungsloser Ausübung des Elternrechts30; aus der Berufsfreiheit wurden Anforderungen an die Vergabe von Studienplätzen31, aus der grundrechtlichen Garantie der Selbstbestimmung ein Schutz der schwächeren Partei im Vertragsrecht32 gefolgert. In diesem Kontext steht schließlich eine Aussage des Bundesverfassungsgerichts, die zugleich die Bedeutung dieser Grundrechtsfunktion für die hiesige Problematik erweist. Demnach sei aus der „sichernden und abwehrenden Funktion der Eigentumsgarantie“ ein Gebot des Schutzes von Erfindungen abzuleiten33. Ungeklärt sind allerdings die genauen Voraussetzungen für ein Eingreifen der Schutzpflicht. Während teilweise verlangt wird, dass die staatlichen Organe gänzlich untätig geblieben oder die bisher getroffenen Maßnahmen evident unzureichend seien34, wird in anderen Entscheidungen ein angemessener und als solcher wirksamer Schutz verlangt und vom Bundesverfassungsgericht im Detail entwickelt35. Einerseits bestehen also grundrechtliche Schutzpflichten, die auf Privatrechtsverhältnisse einwirken und ggf. von Gerichten vollzogen werden müssen. Andererseits verkürzt die Erfüllung einer Schutzpflicht jedenfalls die allgemeine Handlungsfreiheit des „Störers“. Auch hieraus ergeben sich bedeutsame Folge-
28 Die Schutzpflicht für das Leben findet ihren Grund in Art. 1 Abs. 1 GG, ihr Gegenstand und ihr Maß werden durch Art. 2 bs. 2 GG näher bestimmt; siehe BVerfGE 39, 1, 41 ff. (1975); BVerfGE 46, 160, 164 (1977); BVerfGE 53, 30, 57 (1979); BVerfG EuGRZ 1987, 353; BVerfGE 77, 170, 214 (1987); BVerfGE 77, 381, 402 f. (1988); BVerfGE 85, 191, 212 (1992); BVerfGE 88, 203, 251 (1993); BVerfG JZ 2006, 463, 464 f.; Enders, in: Berliner Kommentar, vor Art. 1 GG Rn. 65. 29 Schutzpflichten für Art. 2 Abs. 2 GG sind im Deliktsrecht verwirklicht; siehe BVerfGE 49, 304, 318 ff. (1978); ferner BVerfGE 79, 174, 201 f. (1988). 30 Zu Schutzpflichten in Bezug auf Art. 6 GG BVerfGE 6, 55 (Leitsatz 5), 72 (1957); BVerfGE 103, 89, 101 ff. (2001) m.w.N.; BVerfGE 112, 332, 352 ff. (2005). 31 BVerfGE 33, 303, 329 ff. (1972). 32 BVerfGE 81, 242, 255 (1990); BVerfGE 92, 26, 46 (1995). 33 BVerfGE 36, 281, 290 (1974). 34 So BVerfGE 33, 303, 333 (1972); BVerfG EuGRZ 1987, 353, 354; BVerfGE 77, 170, 215 (1987); BVerfGE 77, 381, 405 (1988); BVerfGE 79, 174, 202 (1988); BVerfGE 92, 26, 46 (1995); BVerfG NJW 1998, 3264, 3265; abweichende Meinungen BVerfGE 109, 190, 247 (2004); Gellermann, Grundrechte, 363 (wenn die Lösung des Gesetzgebers zur objektiven Bedeutung der relevanten Gesichtspunkte außer Verhältnis stehe); Sachs, in: Sachs, vor Art. 1 GG Rn. 36; Wahl/ Masing, JZ 1990, 553, 560 ff. (nur eine Minimalposition werde gesichert); Jarass, in: Jarass/Pieroth, vor Art. 1 GG Rn. 6; Klein, DVBl. 1994, 489, 493 („Grundrechte auf Schutz“); zurückhaltend Isensee, Grundrecht auf Sicherheit, 50 (kein Anspruch des Einzelnen auf eine bestimmte Schutzmaßnahme). 35 So BVerfGE 39, 1, 47 (1975); BVerfGE 53, 30, 57 f. (1979); BVerfGE 81, 242, 255, 261 (1990); BVerfGE 88, 203 (Leitsatz 6), 254, 258 ff. (1993); BVerfG JZ 2007, 629, 630; abweichende Meinungen BVerfGE 109, 190, 247 (2004); aus der Literatur in diesem Sinne etwa Klein, DVBl. 1994, 489, 494 f.; Calliess, JZ 2006, 321, 327 ff. (es bestehe nur noch ein offenbar äußerst schmaler „Korridor“ für den Gesetzgeber zwischen Erfüllung des Schutzgebots und Respektierung des Freiraums des „Störers“, der aber nur einer gerichtlichen „Evidenzkontrolle“ unterliege).
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rungen für die Frage nach einem Rechtsprinzip der Güterzuordnung36. Zunächst bedarf es für diesen Eingriff einer ihrerseits formell und materiell verfassungsmäßigen Grundlage nach Maßgabe des jeweils eingeschränkten Grundrechts des Störers37. Ferner kommt den zuständigen Staatsorganen für den notwendigen Ausgleich zwischen den Interessen des Schutzsuchenden und den Interessen Dritter ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu, innerhalb dessen sie die grundsätzlich unbestimmten Schutzpflichten ausfüllen und in eigener Verantwortung lösen38. Um diese Abwägung innerhalb der Grundrechtsdogmatik vornehmen zu können, müssen zunächst diejenigen Grundrechte bestimmt werden, die für das Interesse an einem exklusiven Schutz bestimmter Güter einerseits und das Interesse am ungehinderten Zugriff auf diese Güter andererseits einschlägig sind. Diesem Zweck dient der nächste Abschnitt.
II. Güterzuordnungsrelevante Grundrechte Grundrechte vermitteln dem Individuum Rechtspositionen im Verhältnis zu Hoheitsträgern. Bereits diese Strukturparallele zu privatrechtlichen Rechtspositionen fehlt dem vereinzelt im Güterzuordnungskontext erwähnten Sozialstaatsprinzip39. Als für das hiesige Thema relevant erscheinen hingegen die Menschenwürdegarantie, die allgemeine Handlungs- und insbesondere wirtschaftliche Betätigungsfreiheit, das verfassungsrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Eigentumsgarantie.
36 BVerfG JZ 2007, 629, 632. Zu den Einzelheiten der Erfüllung von Schutzpflichten Enders, in: Berliner Kommentar, vor Art. 1 GG Rn. 129 ff.; Jarass, AöR 110 (1985), 363, 382 ff.; Pietzcker, FS Dürig, 345, 353 ff.; Hermes, NJW 1990, 1764, 1768; Wahl/Masing, JZ 1990, 553 ff.; Böckenförde, Staat 29 (1990), 1, 13 ff. (mit Kritik an der mit der Entfaltung der Grundrechte als objektiver Grundsatznormen verbundenen Entwicklung vom parlamentarischen Gesetzgebungsstaat zum verfassungsgerichtlichen Jurisdiktionsstaat (a.a.O., 25)); Calliess, JZ 2006, 321, 327 ff. 37 BVerfG JZ 2007, 629, 630; Isensee, in: HdbStR, § 111 Rn. 8; Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 245 (für ein Güterzuordnungsgebot). Siehe auch BVerfGE 115, 118, 159 f. (2006) (die Mittel zur Erfüllung der Schutzpflicht müssten ihrerseits mit der Verfassung im Einklang stehen). 38 BVerfGE 46, 160, 164 (1977); BVerfGE 49, 304, 320 (1978); BVerfGE 77, 170 (Leitsatz 2 a), 214 (1987); BVerfG EuGRZ 1987, 353, 354 (die Erfüllung der Schutzpflicht sei eine höchst komplexe Frage); BVerfGE 77, 381, 405 (1988) (das Gericht habe den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zu beachten); BVerfGE 79, 174, 202 (1988); BVerfGE 81, 242, 255 (1990) (bei der Einschränkung der Privatautonomie zum Schutz des Schwächeren bestehe ein besonders weiter Gestaltungsspielraum); BVerfGE 85, 191, 212 (1992); BVerfGE 88, 203, 254 (1993); BVerfGE 92, 26, 46 (1995) (bestimmte Anforderungen ließen sich der Verfassung grundsätzlich nicht entnehmen); BVerfGE 96, 56, 64 (1997); BVerfG NJW 1998, 3264, 3265; BVerfG NJW 2005, 2363, 2376; BVerfGE 115, 118, 159 f. (2006); BVerfG ZUM 2007, 380, 381; BVerfG JZ 2007, 629, 630; abweichende Meinungen BVerfGE 109, 190, 247 (2004); Canaris, AcP 184 (1984), 201, 228 ff., 232; Isensee, in: HdbStR, § 111 Rn. 162; Jarass, in: Jarass/Pieroth, vor Art. 1 GG Rn. 6; Wahl/Masing, JZ 1990, 553, 558. 39 Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 201.
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1. Menschenwürde und Güterzuordnung Fraglich ist zunächst, ob die von aller staatlichen Gewalt zu achtende und zu schützende Würde des Menschen ihrer Funktion und Struktur nach ein Güterzuordnungsgebot zu tragen vermag. Zwar setzt ein menschenwürdiges Dasein eine gewisse Grundausstattung mit Gütern voraus. Deswegen wird aus Art. 1 GG ein staatlich zu garantierendes Existenzminimum abgeleitet40. Diese Basis könnte auch über subjektive Rechte, namentlich Ausschließlichkeitsrechte an Gütern, vermittelt werden. Allerdings betrifft die erstgenannte Folgerung soziale Teilhaberechte, der zweite Gesichtspunkt wird vom Menschenwürdekern des einschlägigen Spezialgrundrechts abgebildet (siehe unten 4). Ohnehin erscheint es nicht angängig, die Menschenwürde mit der Zuordnung von Gütern zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse in Zusammenhang zu bringen41. Mit Art. 1 GG wird der Mensch als vernunftbegabtes, freies und selbstverantwortliches Wesen anerkannt, das als Rechtssubjekt mit unveräußerlicher und gleicher Freiheit existiert42. Die Menschenwürdegarantie verbietet, den Menschen zum Objekt der Zwecke des Staates bzw. in der Schutzpflichtkonstellation zum Objekt der Zwecke anderer Privater zu machen43. Mit dieser gezielten Ausrichtung auf die Person fehlt ihr jeder Bezug auf Güter, die ja gerade Objekte von staatlichen und privaten Interessen sind. Da die Zuordnung von Gütern, wie noch zu zeigen sein wird, häufig mit dem Argument der „Verobjektivierung“ begründet wird, würde man die Grundidee der Menschenwürde vielmehr konterkarieren. 2. Allgemeine Handlungsfreiheit und Güterzuordnung Auch der Gleichheitsgrundsatz sowie die speziellen Freiheitsgrundrechte der Art. 4 bis 11, 13, 16 und 17 GG kommen als güterzuordnungsrelevante Grundrechte schon thematisch nicht in Betracht. Eine Pflicht zum Schutz von Gütern könnte sich jedoch aus der Garantie allgemeiner Handlungsfreiheit insbesondere im wirtschaftlichen Bereich ableiten lassen. Art. 2 Abs. 1 GG schützt in einem negativ-abwehrenden Sinn44 die freie Entfaltung der Persönlichkeit, und zwar nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in einem umfassenden Sinn ohne Rücksicht auf das Gewicht 40 Dürig, FS Apelt, 13, 24; ders., AöR 81 (1956), 117, 131. Übersicht etwa bei Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 1 GG Rn. 36 Stichwort „Existenzminimum“ m.w.N. 41 Ebenso Hecker, Eigentum, 256. 42 Kant, Grundlegung, 428 („Nun sage ich: der Mensch und überhaupt jedes vernünftige Wesen existiert als Zweck an sich selbst, nicht bloß als Mittel zum beliebigen Gebrauch für diesen oder jenen Willen, sondern muß in allen seinen, sowohl auf sich selbst, als auch auf andere vernünftige Wesen gerichteten Handlungen, jederzeit zugleich als Zweck betrachtet werden.“; Hervorh. im Original). Siehe dazu nur Enders, in: Berliner Kommentar, Art. 1 GG Rn. 15. 43 Grundlegend Dürig, AöR 81 (1956), 117, 127; ferner nur etwa Nipperdey, FS Molitor, 17, 18; Stern, in: HdbStR, § 108 Rn. 3 ff.; Enders, in: Berliner Kommentar, Art. 1 GG Rn. 31 ff. m.w.N. 44 Zum Begriff der negativen Freiheit als Abwesenheit von Zwang unten §§ 14 B II, III; 15.
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der jeweils in Frage stehenden Verhaltensweise für die Persönlichkeit, also nicht nur eine engere persönliche Lebenssphäre45. Die allgemeine Handlungsfreiheit wird damit zum Auffanggrundrecht, das alle Lebensbereiche umfasst, die nicht vom Schutzbereich spezieller Freiheitsgrundrechte gedeckt sind46. Auch die wirtschaftliche Betätigungs- sowie die Vertragsfreiheit werden von Art. 2 Abs. 1 geschützt47, soweit nicht mit identischer Schutzintensität die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) eingreift48, die das berufsbezogene Verhalten einzelner Personen oder Unternehmen am Markt sowie deren Teilhabe am Wettbewerb nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen garantiert49. Nun könnte man meinen, dass zum umfassenden Schutzbereich insbesondere der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit auch die Freiheit gehört, bestimmte „eigene“ Güter geschützt zu sehen und hiermit ungestört vom Staat und von Dritten individuelle Interessen zu verfolgen50. Um feststellen zu können, ob Art. 2
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So aber insbesondere Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 428. BVerfGE 6, 32, 36 ff. (1957) – Elfes; BVerfGE 80, 137, 152 ff. (1989); BVerfGE 95, 267, 303 (1997). Aus der Literatur etwa Stern, in: Stern, Staatsrecht IV/1, 888 ff. m.w.N. auch zur Gegenauffassung; Hillgruber, in: Umbach/Clemens, Art. 2 GG Rn. 17 ff.; Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 2 GG Rn. 12 ff.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 2 GG Rn. 3; Epping, Grundrechte, Rn. 512 ff.; Höfling, in: Berliner Kommentar, Art. 2 GG Rn. 26 ff.; Murswiek, in: Sachs, Art. 2 GG Rn. 51; Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 2 GG Rn. 21; Erichsen, in: HdbStR, § 152 Rn. 20 ff.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 2 Abs. 1 GG Rn. 9 ff.; Lindner, Grundrechtsdogmatik, 197 ff. Das entspricht dem Konzept, das während der Ausarbeitung des Grundgesetzes verfolgt wurde; siehe Parlamentarischer Rat, Band 5/I, 606 (Art. 2 Abs. 1 GG weitestgehend entsprechender Formulierungsvorschlag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Ziel, die Maßgeblichkeit der Rechtsordnung für den Begriff der allgemeinen Handlungsfreiheit zu verhindern); Parlamentarischer Rat, Band 5/II, 918 (v. Mangoldt: Art. 2 GG als „allgemeine Freiheit, die alles in sich schließt.“), 924 (v. Mangoldt zur Ablehnung der Formel, „jedermann hat die Freiheit, zu tun und zu lassen …“ aus sprachlichen Gründen); zusammenfassend Parlamentarischer Rat, JöR 1 (1951), 61 f. Siehe auch Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte v. 26.8.1789, Art. 4 („La liberté consiste à pouvoir faire tout ce qui ne nuit pas à autrui: ainsi, l’exercice des droits naturels de chaque homme n’a de bornes que celles qui assurent aux autres Membres de la Société la jouissance de ces mêmes droits. Ces bornes ne peuvent être déterminées que par la Loi.“), Art. 5 („La Loi n’a le droit de défendre que les actions nuisibles à la Société. Tout ce qui n’est pas défendu par la Loi ne peut être empêché, et nul ne peut être contraint à faire ce qu’elle n’ordonne pas.“). 47 BVerfGE 25, 371, 407 (1969); BVerfGE 65, 196, 210 (1983); BVerfGE 74, 129, 151 f. (1987); BVerfGE 73, 261, 270 (1986); BVerfGE 91, 207, 221 (1994); BVerfGE 95, 267, 303 (1997); Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 2 GG Rn. 16; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 2 GG Rn. 4 f.; Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 2 GG Rn. 23; Manssen, Privatrechtsgestaltung, 130 ff. 48 Siehe BVerfGE 30, 292, 334 (1971); BVerfGE 45, 142, 181 (1977); BVerfGE 82, 209, 223 (1990); BVerfG NJW 1993, 1969, 1971; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 12 GG Rn. 98; Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 12 GG Rn. 17; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art. 12 GG Rn. 18. 49 BVerfGE 65, 196, 209 f. (1983); BVerfG NVwZ 2006, 1041, 1042 m.w.N. 50 In diesem Sinne Hubmann, GRUR 1953, 316, 320 f. (für den Leistungsschutz der Sendeunternehmen); Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 201 (für das wirtschaftliche Akteurspersönlichkeitsrecht der Sportler parallel zu den §§ 73 ff. UrhG); Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 64 (Art. 2 Abs. 1 GG mit der Garantie der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit erfordere die Anerkennung der vermögenswerten Interessen im allgemeinen Persönlichkeitsrecht). 46
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Abs. 1 GG tatsächlich eine solche güterzuordnende Kraft entfalten kann oder nicht vielmehr den Gegenpol hierzu bildet, müssen Funktion und Struktur der allgemeinen Handlungsfreiheit etwas näher betrachtet werden. Hinter dem umfassenden Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit steht die Idee der „natürlichen“ menschlichen Freiheit, die vom Staat vorgefunden wird und nur noch eingeschränkt werden kann51. Hierbei handelt es sich um eine Fiktion, denn menschliche Freiheit setzt schon begrifflich das Zusammentreffen mehrerer Personen voraus, die sich in ihrer Entfaltung notwendig gegenseitig behindern, so dass niemand ungebunden „frei“ ist: Robinson ist bis zur Ankunft von Freitag nicht frei, sondern allein52. Dass eine „umfassende“ Abwesenheit von Zwang in menschlichen Gemeinschaften in der Realität nicht anzutreffen ist, darf zunächst nicht zum naturalistischen Fehlschluss veranlassen, das normative Freiheitspostulat sei ebenfalls abzulehnen53. Auch impliziert gerade die Erkenntnis, dass Freiheit nur in Bindung zu denken ist, dass mit dem Verlangen nach Freiheit nicht eine ungebundene Macht des Stärkeren (laissez faire), 51
Siehe BVerfGE 95, 220, 237 (1997); Hobbes, Leviathan, Chapter XIV („The right of nature, which writers commonly call jus naturale, is the liberty each man hath to use his own power as he will himself for the preservation of his own nature; that is to say, of his own life; and consequently, of doing anything which, in his own judgement and reason, he shall conceive to be the aptest means thereunto.“); Locke, Two Treatises, Book 2, § 4 („To understand political power right, and derive it from its original, we must consider, what state all men are naturally in, and that is, a state of perfect freedom to order their actions, and dispose of their possessions and persons, as they think fit, within the bounds of the law of nature, without asking leave, or depending upon the will of any other man.“); Rousseau, Contrat Social, Kap. 2.6; Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, 75 ff. m.w.N.; Jellinek, System, 45 f., 95 (die Menschen opferten im Staat einen Teil ihrer Freiheit, um sich des anderen mit desto größerer Sicherheit und Ruhe zu erfreuen); Meyer/Anschütz, Staatsrecht, 954; Leisner, Grundrechte, 3 ff.; Schapp, Freiheit, Moral und Recht, 6 ff., 261 (zur „natürlichen“ Freiheit bei Hobbes, dem Freiheitsbegriff von Kant und den Verbindungslinien zum christlichen Begriff der Freiheit); ders., JZ 2006, 581, 585. Aus der Ideengeschichte der Freiheitsgrundrechte siehe Fikentscher/Fochem, Quellen, 54 (Ermahnung (Vermaninghe) des Wilhelm v. Oranien v. 16.6.1572, der von „frei geborenen Menschen“ spricht); Unabhängigkeitserklärung der USA v. 4.7.1776 („We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness.“); Art. 1 Französische Menschenrechtserklärung v. 26.8.1789 („Les hommes naissent et demeurent libres et égaux en droits.“); Berlin, Liberty, 173 ff. (die Freiheitsidee sei nicht älter als die Renaissance oder die Reformation). A.A. Hegel, Rechtsphilosophie, § 194 („Die Vorstellung, als ob der Mensch in einem sogenannten Naturzustande … in Freiheit lebte, ist … eine unwahre Meinung, weil das Naturbedürfnis als solches und dessen unmittelbare Befriedigung nur der Zustand der in die Natur versenkten Geistigkeit und damit der Roheit und Unfreiheit wäre, und die Freiheit allein in der Reflexion des Geistigen in sich, seiner Unterscheidung von dem Natürlichen und seinem Reflexe auf dieses, liegt.“); Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 282 (nicht mehr als eine ungeschichtliche Abstraktion). 52 Siehe zu diesem Paradox etwa Dürig, ZgS 109 (1953), 326, 336 f.; Stern, in: HdbStR, § 109 Rn. 78; Di Fabio, Freiheit, 113 f.; Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie, 171; Mestmäcker, in: Monopolkommission, Wettbewerbspolitik, 19, 24 (Freiheit lasse sich ohne Bezug auf eine Regel nicht einmal denken). 53 So aber jedenfalls in der Tendenz etwa Erichsen, in: HdbStR, § 152 Rn. 3, 6 m.w.N. Zur Konstruktion und Kontingenz individueller Freiheit als Höchstwert der westlichen Kultur Di Fabio, Freiheit, 74. Zur Unterscheidung zwischen Sein und Sollen oben § 1 A II.
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sondern das Ideal einer geordneten, gleichen Freiheit unter allgemeinen Gesetzen eingefordert wird54. Die in die staatliche Rechts- und Sozialordnung transformierte „natürliche“ Handlungsfreiheit im Sinne der Abwesenheit von Zwang findet demnach ihre Grenzen in den Rechten anderer, der verfassungsmäßigen Ordnung bzw. dem Sittengesetz (Art. 2 Abs. 1 GG). Gerade an dieser Stelle entfaltet die Konstruktion der natürlichen Freiheit ihre maßgebliche argumentative Bedeutung, die Carl Schmitt als „Verteilungsprinzip“ der freiheitlich-bürgerlichen Verfassung beschrieben hat: „Die Freiheitssphäre des Einzelnen wird als etwas vor dem Staat Gegebenes vorausgesetzt, und zwar ist die Freiheit des Einzelnen prinzipiell unbegrenzt, während die Befugnis des Staates zu Eingriffen in diese Sphäre prinzipiell begrenzt ist.“55. Vorstaatlich ist an dieser Freiheit, dass „ihr Gebrauch gegenüber dem Staat nicht gerechtfertigt werden muss“56, während jede staatliche Verkürzung der allgemeinen Handlungsfreiheit rechtfertigungsbedürftig ist57. 54 Hierbei handelt es sich um das häufigste und folgenschwerste Missverständnis der liberalen Grundrechts- und Staatstheorie; siehe Locke, Two Treatises, Book 2, § 22 („… freedom of men under government is, to have a standing rule to live by, common to every one of that society, and made by the legislative power erected in it; a liberty to follow my own will in all things, where the rule prescribes not; and not to be subject to the inconstant, uncertain, unknown, arbitrary will of another man …“), § 57 („freedom is not, as we are told, a liberty for every man to do what he lists: (for who could be free, when every other man’s humour might domineer over him?) but a liberty to dispose, and order as he lists, his person, actions, possessions, and his whole property, within the allowance of those laws under which he is, and therein not to be subject to the arbitrary will of another, but freely follow his own …“); Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, 99; Enders, in: Berliner Kommentar, vor Art. 1 GG Rn. 10; v. Hayek, Verfassung der Freiheit, 21 ff. (Freiheit im ursprünglichen Sinn ist nicht gleich Freiheit als Macht), 79 ff. m.w.N.; Schapp, Freiheit, Moral und Recht, 259 (bürgerliche Freiheit als zivilisierte natürliche Freiheit); Berlin, Liberty, 170; Ladeur, Negative Freiheitsrechte, 2, 294 (negative Freiheitsrechte garantierten „alles andere als den Schutz eines naturwüchsigen Egoismus“); in Bezug auf die Wirtschaftsverfassung Eucken, Wirtschaftspolitik, 26 ff.; zum Vorwurf des laissez faire und zur „sozialrechtlichen“ Gegenbewegung im 19. Jahrhundert auch Leisner, Grundrechte, 216 ff. Zum Freiheitsschutz durch allgemeines Gesetz unten § 15 B II 2. 55 Schmitt, Verfassungslehre, 126. In diesem Sinne auch Schapp, Freiheit, Moral und Recht, 8 („Schrankenmodell der Freiheit“); Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 47 („Prinzip vom Vorrang der Gesellschaft gegenüber dem Staat …, wonach der Verkehr der Bürger untereinander grundsätzlich von staatlichen Eingriffen frei ist und solche daher jeweils einer besonderen Legitimation bedürfen.“); Stern, in: Stern, Staatsrecht IV/1, 894 f. 56 Schlink, EuGRZ 1987, 457, 467. 57 Siehe BVerfGE 6, 55, 81 (1957) (grundsätzliche Begrenztheit aller öffentlichen Gewalt in ihrer Einwirkungsmöglichkeit auf das freie Individuum als „Leitidee unserer Verfassung“); BVerfGE 17, 306, 313 f. (1964); Jellinek, System, 103; Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, 99 f.; Lindner, Grundrechtsdogmatik, 212 ff. (Regel-Ausnahme-Mechanismus); Isensee, in: HdbStR, § 111 Rn. 7 m.w.N.; Wahl/Masing, JZ 1990, 553, 556, 563; Schlink, EuGRZ 1987, 457, 467. Zu diesem Prinzip als Kennzeichen einer liberalen Grundrechtstheorie Böckenförde, NJW 1974, 1529, 1530; v. Hayek, Verfassung der Freiheit, 299 („Unter einem Regime der Freiheit schließt der freie Bereich des Individuums alle Handlungen ein, die nicht durch ein allgemeines Gesetz ausdrücklich eingeschränkt sind.“). A.A. Hegel, Rechtsphilosophie, § 234 („… es ist daher keine Grenze an sich vorhanden …, was schädlich oder nicht schädlich, auch in Rücksicht auf Verbrechen, was verdächtig oder unverdächtig sei, was zu verbieten oder zu beaufsichtigen, oder mit Verboten, Beaufsichtigung und Verdacht, Nachfrage und Rechenschaftsgebung verschont zu lassen sei.“).
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Art. 2 Abs. 1 GG greift dieses Prinzip mit seinem umfassenden Schutzbereich und der Schranken-Schranke auf, dass ein Eingriff auf ein formell und materiell verfassungsmäßiges Gesetz zurückgeführt werden und seinerseits verhältnismäßig sein muss58. Damit ist Art. 2 Abs. 1 GG das Grundrecht des Bürgers, nur aufgrund solcher Vorschriften mit einem Nachteil belastet, also zu etwas gezwungen zu werden, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind59, und die einen angemessenen Spielraum belassen, sich frei entfalten zu können60. Um diese Verteilung der Rechtfertigungslast zu wahren, muss jede auch noch so (angeblich) gemeinschaftsschädliche Handlung Grundrechtsschutz genießen, auch wenn sie unter den genannten Voraussetzungen selbstverständlich verboten werden darf61. Würde man hingegen für bestimmte Handlungen schon den Schutzbereich des Auffanggrundrechts unter Verweis auf die „Rechte anderer“ und ein Gebot des neminem laedere tatbestandlich reduzieren, bestünde die Tendenz, dem „Störer“ einen Grundrechtsschutz von vornherein zu versagen62, und damit zum Gegenteil einer freiheitlichen Verfassung zu gelangen, indem nicht das staatliche, sondern sein Verhalten als rechtfertigungsbedürftig angesehen wird63. Deshalb kann die Garantie persönlicher Freiheit auch nicht als ggf. der Verfassung entnommenes subjektives Recht gedeutet werden, weil damit im Widerspruch zur Ausgangsannahme eine staatliche Verleihung impliziert wäre64.
58 Siehe etwa BVerfGE 6, 32, 36 ff. (1957) – Elfes; BVerfGE 17, 306, 313 f. (1964); BVerfGE 80, 137, 152 ff. (1989) m.w.N.; BVerfGE 95, 267, 306 (1997). 59 BVerfGE 29, 402, 408 (1970); BVerfGE 65, 196, 215 ff. (1983); BVerfGE 80, 137, 154 (1989); BVerfGE 95, 267, 306 (1997); Enders, in: Berliner Kommentar, vor Art. 1 GG Rn. 22 (allgemeines subjektives Recht auf Unterlassung bzw. Aufhebung gesetzwidrig einschränkender Akte des Staates); Epping, Grundrechte, Rn. 512; Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, 97. 60 Siehe etwa BVerfGE 91, 207, 221 (1994); Ladeur, Negative Freiheitsrechte, 7. 61 Siehe in diesem Sinne etwa Kant, Rechtslehre, 223; Hobbes, Leviathan, Chapter XXI („… followeth necessarily that in all kinds of actions, by the laws pretermitted, men have the liberty of doing what their own reasons shall suggest for the most profitable to themselves“); v. Hayek, Verfassung der Freiheit, 299; Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, 87 ff.; Lindner, Grundrechtsdogmatik, 242 ff.; Schapp, Freiheit, Moral und Recht, 8 f.; Ladeur, Negative Freiheitsrechte, 67; Epping, Grundrechte, Rn. 515; Höfling, in: Berliner Kommentar, Art. 2 GG Rn. 31. Anders Stemmler, neminem laedere, 186 ff. (keinen grundrechtlichen Freiheitsschutz habe, wer „fremde“ Rechtsgüter beeinträchtigt, a.a.O., 250). Anders auch das Konzept von Mill, Über Freiheit, 90 ff. (der freie Bereich der Individualität beschränke sich auf den Teil des Lebens, der vornehmlich das Individuum selbst betrifft, während Handlungen, die auch andere betreffen, deren Interessen nicht verletzen dürfen); ähnlich Jellinek, System, 46. 62 So für die Begründung von Schutzpflichten aus dem Gedanken des neminem laedere Isensee, in: HdbStR, § 111 Rn. 105 (vorpositive rechtsethische Schranken der Freiheit). 63 Siehe v. Hayek, Verfassung der Freiheit, 328 m.w.N.; zum institutionellen Verständnis der Freiheitsgrundrechte Schapp, Freiheit, Moral und Recht, 8 f. m.w.N. 64 Siehe Enders, in: Berliner Kommentar, vor Art. 1 GG Rn. 23 a.E. („Nur die Trennung der Freiheit von dem aus ihrer Anerkennung resultierenden rechtlichen Anspruch erlaubt es jedoch, die gesellschaftliche Sphäre staatsunabhängiger (undefinierbarer) Existenz klar zu scheiden von dem staatlich gewährleisteten und zugleich staatsgerichteten Recht des Einzelnen, in seiner selbstbestimmten Entfaltung vom Staat nicht rechtswidrig gehindert zu werden.“). Ferner unten §§ 14 B III, 15 B II 2.
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Schon dieses in Struktur und Funktion der allgemeinen Handlungsfreiheit zum Ausdruck kommende Verteilungsprinzip schließt eine güterzuordnende Kraft dieses Grundrechts aus. Wenn nämlich Art. 2 Abs. 1 GG jedem Menschen garantiert, nur aufgrund der verfassungsmäßigen Ordnung in seiner persönlichen Entfaltung beschränkt zu werden, folgt hieraus das Prinzip gleicher Freiheit für jedermann (Rechtsgleichheit)65. In dieser Gleichordnung lässt sich eine mit einer ausschließlichen Güterzuordnung notwendig verbundene Privilegierung einer Person im Verhältnis zu allen anderen gerade nicht abbilden. In den Worten der Lüth-Entscheidung: „Niemand kann sich … auf die angeblich absolut geschützte Position des Art. 2 GG zurückziehen und jeden Angriff auf sie, von wem sie auch kommen mag, als Unrecht oder Verstoß gegen die guten Sitten ansehen.“66. Außerdem schützen die Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG primär persönlichkeitsbezogen die Freiheit des dynamischen Erwerbs und nicht wie Art. 14 GG objektbezogen die Innehabung und Verwendung der bereits erworbenen Vermögensgüter67. Folglich können diese Freiheitsgrundrechte nicht aus sich heraus eine bestehende Gesetzeslage zu einer individuellen Begünstigung verfestigen68 oder ein Recht auf die Erhaltung eines bestimmten Geschäftsumfangs und weiterer Erwerbsmöglichkeiten gewähren69. Im Gegenteil, in verschiedenen Konstellationen haben die Gerichte die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit und 65
Siehe BVerfGE 89, 214, 232 (1993) (alle Beteiligten des Zivilrechtsverkehrs könnten sich gem. Art. 2 Abs. 1 GG „gleichermaßen auf die grundrechtliche Gewährleistung ihrer Privatautonomie berufen“); Kant, Rechtslehre, 237 f. („Die angeborene Gleichheit, d.i. die Unabhängigkeit nicht zu mehrerem von Anderen verbunden zu werden … – alle diese Befugnisse liegen schon im Princip der angebornen Freiheit und sind wirklich von ihr nicht … unterschieden.“); Locke, Two Treatises, Book 2, § 54 („… which was the equality I there spoke of, as proper to the business in hand, being that equal right, that every man hath, to his natural freedom, without being subjected to the will or authority of any other man …“); Mill, Über Freiheit, 114; Jellinek, System, 108 („Prinzip[e] der gleichen Eigentumsfähigkeit der Staatsangehörigen“); Enders, in: Berliner Kommentar, vor Art. 1 GG Rn. 3, 7, 12; Lindner, Grundrechtsdogmatik, 197 f. m.w.N. (Prinzip gleicher Freiheit für jedermann); Di Fabio, Freiheit, 109 f. (Gleichheit der Freien ist Rechtsgleichheit und nicht Verteilungsoder Ergebnisgleichheit); Mestmäcker, Recht und ökonomisches Gesetz, 124, 137; ders., in: Monopolkommission, Wettbewerbspolitik, 19, 27 (Recht als Verwirklichung der gleichen Freiheit unter allgemeinen Gesetzen). 66 BVerfGE 7, 198, 220 (1958) – Lüth. 67 Offengelassen noch von BVerfGE 22, 380, 386 (1967); siehe dann aber BVerfGE 30, 292, 334 f. (1971); BVerfGE 38, 61, 102 (1974) (Belastung als Eigentümer eines Unternehmens oder in der Ausübung des Berufs); BVerfGE 45, 272, 296 (1977); BVerfGE 65, 237, 248 (1983); BVerfGE 77, 84, 117 (1987); BVerfGE 81, 12, 16 (1989); BVerfGE 82, 209, 234 (1990); BVerfGE 84, 133, 157 (1991); BVerfG NJW 1992, 36 f.; BVerfGE 85, 360, 383 (1992); BVerfGE 88, 366, 377 (1993); BVerfG ZUM-RD 2008, 114, 115 (Art. 12 Abs. 1 GG gewähre keine Sicherung künftiger Erwerbsmöglichkeiten). Ebenso BGHZ 78, 41, 46 (1980) (Verbot künftiger Verkehrsmittelwerbung als Berufsausübungsregelung; Verbot der Nutzung vorhandener Sachen als die Eigentumsgarantie berührende Regelung); BGHZ 92, 34, 46 (1984) (Art. 14 GG vermittle Bestands-, nicht aber Erwerbsschutz); BGHZ 111, 349, 357 f. (1990); BGHZ 132, 181, 186 f. (1996); BGHZ 161, 305, 312 f. (2004). Aus der Literatur Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 12 GG Rn. 99; Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 12 GG Rn. 36. 68 BVerfGE 97, 67, 83 (1997). 69 Siehe Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 12 GG Rn. 15 m.w.N.
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den Schutz statischen Habens durch die Eigentumsgarantie regelrecht kontrastiert, weil die Durchsetzung der Eigentumsposition die allgemeine Handlungsfreiheit Dritter einschränke, und beide Positionen in einen Ausgleich gebracht werden müssten70. Aus alldem folgt, dass die Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG positiv-exklusive Güterzuordnungen nicht gewährleisten und damit auch nicht über Schutzpflichten generieren können71. Vielmehr bestätigt sich die in der Einleitung postulierte Annahme, dass die gerichtliche Anerkennung ungeschriebener Ausschließlichkeitsrechte bzw. ihrer Wirkungen die allgemeine Handlungsfreiheit oder speziellere Freiheitsgrundrechte des Beklagten beeinträchtigt und deshalb der Grundlage in der verfassungsmäßigen Ordnung bedarf72. Nicht die persönliche Entfaltungsfreiheit der Dritten, sondern ihre Reduzierung durch Güterzuordnungen muss gerechtfertigt und begründet, namentlich auf eine formell und materiell verfassungsmäßige, gesetzliche Grundlage zurückgeführt werden, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben73. Damit erweist sich die allgemeine Handlungsfreiheit als einem etwaigen Rechtsprinzip der Güterzuordnung in gewisser, im Laufe der Untersuchung zu präzisierender Weise entgegengesetzt74. Nur in diesem begrenzenden Sinne kann die allgemeine Handlungsfreiheit als „güterzuordnungsrelevant“ bezeichnet werden.
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Für die Abwägung zwischen dem Schutz des Eigentums von Minderheitsaktionären mit den Interessen der Allgemeinheit an einer freien Entfaltung der unternehmerischen Initiative BVerfGE 14, 263, 282 (1962); BVerfGE 16, 94, 110 (1963) (Schutz vermögenswerter Leistungen gem. Art. 14 GG und nicht gem. Art. 12 Abs. 1 GG); für die Schranken des Patentrechts als Abgrenzung von Eigentum und Handlungsfreiheit BVerfGE 18, 85, 90 (1964); zur Berufsfreiheit als Quelle subjektiver Rechte auf Einhaltung der Grenzen gesetzlicher Monopole gem. Art. 143 Abs. 2 GG BVerfGE 108, 370, 389 f. (2003); für den Schutz der Wettbewerbsfreiheit gegen unberechtigte Verwarnungen aus Immaterialgüterrechten BGHZ (GS) 164, 1 ff. (2005); weitere Nachweise oben Einleitung B II. 71 Ablehnend zu einer Rechtsfortbildung im Hinblick auf ein Domainrecht ohne nähere Begründung auch Herrmann, Zwangsvollstreckung in die Domain, 85. 72 So auch BVerfGE 51, 193, 211 (1979) („Die Begründung eines subjektiven Rechts setzt eine Norm des objektiven Rechts voraus, die geeignet ist, entweder unmittelbar oder durch Vermittlung eines von der Norm mit Rechtswirkungen ausgestatteten Aktes eine Rechtsposition des Einzelnen zu begründen.“). Siehe in diesem Sinne auch Art. 5 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte v. 26.8.1789 („La Loi n’a le droit de défendre que les actions nuisibles à la Société. Tout ce qui n’est pas défendu par la Loi ne peut être empêché, et nul ne peut être contraint à faire ce qu’elle n’ordonne pas.“); a.A. Heinze, Rechtsnachfolge in Unterlassen, 26 ff. (Aufspaltung der Güterzuweisung in eine erste Phase, die andere Personen nicht berühre („Bewertungsnormen“) und eine eigentliche Zuweisung durch das positive Recht („Bestimmungsnormen“)). 73 BVerfGE 113, 29, 50 (2005); BVerfGE 115, 166, 190 f. (2006). Von bloßer „Wahrung“ gegenläufiger Positionen Dritter beim Ausbau des Persönlichkeitsschutzes spricht dagegen BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 – Marlene. 74 Dazu unten §§ 12 C VI, 15 B I 2.
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3. Allgemeines Persönlichkeitsrecht und Güterzuordnung Gewissermaßen zwischen der Menschenwürdegarantie und der allgemeinen Handlungsfreiheit steht das verfassungsrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht (aPR), das in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verankert wird75. Auch auf seine Güterzuordnungsrelevanz sei noch kurz eingegangen, denn immerhin wurde das zivilrechtliche aPR auf ein Schutzgebot aus dem verfassungsrechtlichen aPR zurückgeführt76, und gerade in diesem Bereich ist die wohl umfassendste Ausbildung von Ausschließlichkeitsrechten bzw. ihrer Wirkungen zu beobachten. Das verfassungsrechtliche aPR ist ein die benannten Freiheitsrechte ergänzendes, unbenanntes Grundrecht mit offenem, im Einzelfall herauszuarbeitenden Tatbestand hinsichtlich solcher Lebensbereiche, die den besonderen Freiheitsgarantien in ihrer konstituierenden Bedeutung für die Persönlichkeit nicht nachstehen77. Konkret sichert es die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen, in der der Einzelne seine Individualität entwickeln und wahren kann78. Hierzu zählen das Recht, in der Privat- und Intimsphäre für sich zu sein79, der Schutz der persönlichen Ehre und das Recht, über die Verwendung persönlicher Daten80, das eigene Wort und Bild81 sowie Darstellungen des Lebenswandels82 selbst zu bestimmen. Während Art. 1 Abs. 1 GG abwägungsresistent den unantastbaren Kernbereich innerster privater Lebensgestaltung be75 Ständige Rechtsprechung: BVerfGE 34, 238, 245 (1973); BVerfGE 35, 202, 219 (1973) – Lebach; BVerfGE 54, 148, 153 (1980) – Eppler; BVerfGE 54, 208, 217 (1980) – Böll; BVerfGE 65, 1, 41 (1983); BVerfGE 73, 118, 201 (1986); BVerfGE 79, 256, 268 (1988); BVerfGE 82, 236, 269 (1990); BVerfGE 95, 220, 241 (1997); BVerfGE 96, 56, 64 (1997); BVerfGE 97, 125, 146 (1998); BVerfG NJW 2000, 1026; BVerfGE 101, 361, 379 (1999); Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats, abgedruckt in NJW 2000, 2187 ff.; BVerfG NJW 2003, 591, 592; BVerfG NJW 2005, 883; BVerfG NJW 2005, 590, 591; BVerfG NJW 2005, 3271, 3272; BVerfG NJW 2006, 595. Zum zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrecht unten §§ 4 B VII, 13 B VII. 76 Siehe BVerfGE 34, 269, 272, 281 (1973) – Soraya; BVerfGE 96, 56, 64 (1997) m.w.N.; zum Schutz der Privatheit durch die Verfassung Hohmann-Dennhardt, NJW 2006, 545 ff. 77 BVerfGE 54, 148, 153 f. (1980) – Eppler; BVerfGE 65, 1, 41 (1983); BVerfGE 79, 256, 268 (1988); BVerfGE 101, 361, 380 (1999); BVerfGE 106, 28, 39 (2002); BVerfG NJW 2005, 883; BVerfG NJW 2005, 590, 591. Siehe zum verfassungsrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 2 GG Rn. 26 ff.; Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 2 GG Rn. 30 ff.; Murswiek, in: Sachs, Art. 2 GG Rn. 59 ff., jeweils m.w.N. 78 Zum Gedanken der Selbstbestimmung BVerfGE 65, 1, 41 ff. (1983). Zum Begriff des „Privatlebens“ gem. Art. 8 EMRK in diesem Sinne EGMR NJW 2004, 2647, 2648 – Caroline m.w.N.; Heldrich, NJW 2004, 2634 ff.; Schweßinger, Menschenrechtskonvention und Persönlichkeitsschutz, 4 ff. m.w.N. 79 BVerfGE 35, 202, 220 (1973) – Lebach; BVerfGE 79, 256, 268 (1988); BVerfGE 95, 220, 241 (1997). 80 BVerfGE 65, 1, 42 f. (1983) m.w.N.; BVerfG JZ 2007, 576. 81 BVerfG NJW 2005, 3271, 3272. 82 BVerfGE 35, 202, 220 (1973) – Lebach; BVerfGE 54, 148, 153 f. (1980) – Eppler m.w.N.; BVerfGE 54, 208, 217 (1980) – Böll; BVerfG NJW 2001, 594, 595; BVerfGE 106, 28, 39 ff. (2002). Zum Schutzbereich etwa Murswiek, in: Sachs, Art. 2 GG Rn. 121 ff.; Grimm, in: Grimm/ Schwerdtner, Schutz der Persönlichkeit, 3 ff.
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trifft83, und Art. 2 Abs. 1 GG die persönliche Entfaltung umfassend, aber unter dem ebenfalls weiten Vorbehalt der verfassungsmäßigen Ordnung verbrieft84, ist der Schutzbereich des verfassungsrechtlichen aPR in Abwägung mit den kollidierenden Grundrechten zu bestimmen85. Die Abgrenzung zum Schutzbereich der vorstehend untersuchten Grundrechte kann aber nicht nur nach Maßgabe der betroffenen (inneren oder äußeren) Lebenssphäre vorgenommen werden, sondern auch im Hinblick auf den geschützten Personenkreis. Während mit Würde nur die natürliche Person ausgestattet ist, die allgemeine Handlungs- und insbesondere wirtschaftliche Betätigungsfreiheit hingegen zweifellos auch von juristischen Personen geltend gemacht werden kann, ist die Frage, ob juristische Personen sich gem. Art. 19 Abs. 3 GG auf das verfassungsrechtliche aPR berufen können, vom Bundesverfassungsgericht bisher nicht endgültig entschieden worden86. Soweit wie beim Zwang zur Selbstbezichtigung nur Äußerungsformen und Beziehungen berührt werden, die natürlichen Personen wesenseigen sind, wurde dies ausdrücklich verneint87; soweit wie beim Recht am gesprochenen Wort auch juristische Personen einer grundrechtstypischen Gefährdungslage ausgesetzt sind, wurde auf die allgemeine Handlungsfreiheit auf wirtschaftlichem Gebiet gem. Art. 2 Abs. 1 GG rekurriert88. Schon diese Bemerkungen zeigen, dass Schutzbereich und Struktur dieses Grundrechts nicht auf die Zuordnung von Gütern bezogen sind und daher auch keine entsprechende Schutzpflicht auszulösen vermögen89. Wenn weder die 83 BVerfGE 34, 238, 245 f. (1973); BVerfGE 35, 202, 232 (1973) – Lebach; BVerfGE 75, 369, 380 (1987). 84 BVerfG JZ 1957, 167 ff.; BVerfGE 34, 238, 246 f. (1973). 85 BVerfGE 34, 269, 282 ff. (1973) – Soraya; BVerfGE 35, 202, 219 (1973) – Lebach. Zur Verdichtung der Abwägung im Sinne von „Vorzugsregeln“ für typische Fallgruppen, die eine Abwägung im Einzelfall erübrigen BVerfGE 99, 185, 196 f. (1998) (Formalbeleidigungen); BVerfG NJW 2001, 594, 595 (Verwendung zu Werbezwecken grundsätzlich unzulässiger Eingriff); BVerfG NJW 2005, 3271, 3272 (Schmähkritik grundsätzlich unzulässig). 86 Siehe BVerfG NJW 1994, 1784; BVerfGE 95, 220, 242 (1997); BVerfGE 106, 28, 42 (2002); BVerfG NZG 2004, 616, 617; BVerfG NJW 2005, 883. 87 BVerfGE 95, 220, 241 f. (1997); BVerfGE 106, 28, 42 (2002); verneinend für Abbildungen der Betriebsstätte BVerfG NJW 2005, 883 f. (hier kämen allenfalls die Art. 12 Abs. 1 und 13 GG in Betracht). 88 BVerfGE 10, 89, 99 (1959); BVerfGE 20, 283, 290 (1966); BVerfGE 42, 374, 383 f. (1976) (für die KG); BVerfG NJW 1994, 1784; BVerfGE 106, 28, 43 f. (2002); Peifer, Individualität, 491 ff.; Quante, Persönlichkeitsrecht juristischer Personen, 63 ff.; a.A. Wronka, Persönlichkeitsrecht juristischer Personen, 104 ff.; v. Lilienfeld-Toal, Allgemeines Persönlichkeitsrecht, 113 ff. (das verfassungsrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht juristischer Personen folge aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG). 89 Siehe BVerfGE 81, 208, 222 (1990) (das allgemeine Persönlichkeitsrecht verpflichte den Gesetzgeber nicht, den Schutz von Darbietungen außerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland zu ermöglichen); Leisner, in: HdbStR, § 150 Rn. 2 (die Menschenwürde verlange begrifflich nicht die Eigentums-Grundrechtsfähigkeit über den Tod hinaus); Nipperdey, Leistungsschutz, 63; Hubmann, FS Ulmer, 108, 115 (die Art. 1, 2 GG wollten keine Vermögensverteilung oder -zuteilung vornehmen; aus ihnen dürften daher keine Vermögensrechte oder Verwertungsbefugnisse abgeleitet werden); Freitag, Kommerzialisierung, 51. Siehe auch unten § 13 B VII 3 a.
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Menschenwürdegarantie noch die allgemeine Handlungsfreiheit diese Funktionen aufweisen, kann für das zwischen beiden angesiedelte aPR nichts anderes gelten. In seiner offenen, auf umfassende Abwägung mit zuwiderlaufenden Grundrechten angelegten Struktur entspricht es gerade nicht den auf statisches Haben ausgerichteten Ausschließlichkeitsrechten, deren Verletzung grundsätzlich rechtswidrig ist. Insbesondere gewährt das verfassungsrechtliche aPR kein umfassendes Verfügungsrecht über die eigene Person, nur so von anderen dargestellt zu werden, wie man sich selbst sieht oder gesehen werden möchte90; entsprechend bedeutet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht „ein Recht im Sinne einer absoluten, uneingeschränkten Herrschaft über ,seine‘ Daten“91. Damit dient es in negativ-abwehrendem Sinne der Vermeidung von Gefährdungen der Persönlichkeitsentfaltung, nicht der über die betroffene Person hinausweisenden Beeinflussung der Umwelt92. Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich festgehalten, dass der Schutz der Privatsphäre als Teilaspekt des verfassungsrechtlichen aPR nicht im Interesse einer Kommerzialisierung der eigenen Person gewährleistet wird. Zwar ist niemand an einer entsprechenden Vermarktung privater Bereiche gehindert. Der Betroffene vermag sich dann aber nicht gleichzeitig auf den öffentlichkeitsabgewandten Privatsphärenschutz zu berufen, sondern muss seine Erwartungen an die Öffentlichkeit situationsübergreifend und konsistent zum Ausdruck bringen93. Schließlich sprechen auch verfassungsrechtliche Grundlage und Struktur des postmortalen Persönlichkeitsschutzes gegen einen güterzuordnenden Gehalt des verfassungsrechtlichen aPR. Die postmortale Wahrung des sittlichen, personalen und sozialen Geltungswerts einer verstorbenen Person gegen Herabwürdigung 90 Ständige Rechtsprechung: BVerfGE 54, 148, 153 f., 156 (1980) – Eppler; BVerfGE 82, 236, 269 (1990); BVerfGE 97, 125, 149 (1998); BVerfGE 99, 185, 194 (1998); BVerfGE 101, 361, 380 (1999) („Ein so weitreichender Schutz würde nicht nur das Schutzziel, Gefährdungen der Persönlichkeitsentfaltung zu vermeiden, übersteigen, sondern auch weit in die Freiheitssphäre Dritter hineinreichen.“); BVerfG NJW 2000, 2189; BVerfG NJW 2000, 2191, 2192; BVerfG NJW 2000, 2193; BVerfG NJW 2001, 1921, 1925; BVerfG NJW 2004, 3619, 3620; BVerfG NZG 2004, 616, 617; BVerfG NJW 2005, 3271, 3272; BVerfG NJW 2005, 590, 591 (aber Schutz gegenüber entstellenden oder verfälschenden Darstellungen, die die Persönlichkeitsentfaltung erheblich beeinträchtigen können). Entsprechend für den Schutz von Unternehmen auf der Basis des Art. 12 Abs. 1 GG BVerfG ZUM-RD 2008, 114, 115. 91 BVerfGE 65, 1, 43 f. (1983) (die Person sei „eine sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende, auf Kommunikation angewiesene Persönlichkeit“); BVerfG JZ 2007, 576, 577 („kein dingliches Herrschaftsrecht über bestimmte Informationen“). Ob aus dem Grundrecht ein Anspruch auf Information über persönliche Daten folgt, hat das BVerfG bisher offengelassen; siehe BVerfG NJW 2006, 1116 ff. 92 BVerfGE 54, 148, 153 f., 156 (1980)- Eppler; BVerfGE 101, 361, 380 (1999); a.A. Möller, Paternalismus und Persönlichkeitsrecht, 60 (Persönlichkeitsschutz sei nicht nur Integritätsschutz, sondern auch Aktivitätsschutz). 93 BVerfGE 101, 361, 385 (1999); BVerfG NJW 2005, 1857, 1858; LG Berlin ZUM-RD 2005, 282, 283 (kein Anspruch auf Geldentschädigung über wahrheitsgemäßen Trennungsbericht bei früherer Information des Klägers über sein Privatleben in der „Unterhaltungsöffentlichkeit“); a.A. Götting, FS Ullmann, 65, 73.
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und Erniedrigung basiert weder auf einer Vererbung noch einer Fortwirkung des lebzeitigen Persönlichkeitsrechts, sondern auf einem besonderen Persönlichkeitsschutz gem. Art. 1 Abs. 1 GG mit entsprechenden Folgerungen für den Schutzbereich dieser Position94. Die hier vertretene Auffassung, wonach aus dem verfassungsrechtlichen aPR nichts für eine privatrechtliche Zuordnung von Gütern insbesondere in Gestalt von Ausschließlichkeitsrechten gewonnen werden kann, wird letztlich vom Marlene-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts inzident bestätigt, wenn dort ausgeführt wird, einen Schutz gegen postmortale, kommerzielle Ausbeutung unterhalb der Schwelle der Menschenwürdeverletzung gewährleiste das Grundgesetz nicht95. 4. Eigentumsgarantie Während der Menschenwürdegarantie, der allgemeinen Handlungsfreiheit und dem verfassungsrechtlichen aPR demnach keine güterzuordnende Kraft innewohnt, wurde bereits im Zusammenhang mit der Funktion der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit auf Art. 14 Abs. 1 GG und den dort verankerten, objektbezogenen Schutz statischen Habens verwiesen. Und tatsächlich gewährleistet Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG Eigentum und Erbrecht und bezieht sich damit auf das Sacheigentum als Paradigma der Güterzuordnung sowie die Vererbung, die sich gem. § 1922 BGB auf das „Vermögen“ erstreckt. Damit ist ersichtlich die hiesige Problematik der Zuordnung von Gütern durch Ausschließlichkeitsrechte und ihrer verfassungsrechtlichen Verankerung angesprochen, so dass es nicht verwundert, dass ein entsprechendes Gebot häufig auf die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes gestützt wird96. Bei der Suche nach einer Rechtsgrundlage für richterliche Zuordnungsentscheidungen in Teil 2 ist daher aus dem Kreis der Grundrechte lediglich Art. 14 GG in Betracht zu ziehen.
C. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Grenzen richterlicher Entscheidung Zum verfassungsrechtlichen Rahmen der richterlichen Anerkennung von Ausschließlichkeitsrechten zählen neben den güterzuordnungsrelevanten Grundrechten die Grundlagen judikativer Kompetenz im Verhältnis zur Legislative. 94 Siehe BVerfGE 30, 173, 194 (1971) – Mephisto; BVerfG NJW 2001, 594 f.; BVerfG NJW 2001, 2957, 2958 f.; BVerfG NJW 2006, 3409 f. – Marlene; BVerfG ZUM 2007, 380, 381; BGH GRUR 2007, 168, 169 (2006) – kinski-klaus.de m.w.N. Anders Fechner, Geistiges Eigentum, 446; Fischer, Entwicklung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes, 117 f. (auch der postmortale Persönlichkeitsschutz müsse auf Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG gestützt werden, um die notwendige Abgrenzung zum Schutz der Menschenwürde als absolut geschütztem Grundrecht zu verdeutlichen). 95 BVerfG NJW 2006, 3409 f. – Marlene. 96 Nachweise unten § 11 A.
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Hierfür sind nämlich nicht abstrakte methodische Erwägungen, sondern die Art. 20 Abs. 2, 3 und 97 Abs. 1 GG maßgeblich97. In der Einleitung ist bereits der formale Unterschied zwischen generell-abstraktem Gesetz und konkret-individueller Entscheidung der Rechtsprechung hervorgehoben sowie angedeutet worden, dass die Zulässigkeit einer richterlichen Rechtsfortbildung nicht pauschal bejaht oder verneint werden kann, sondern auf die jeweils konkrete Rechtsfrage hin zu beurteilen ist98. Diese Annahme ist im Folgenden mit Hinweisen auf die Überwindung eines engen Gesetzespositivismus einerseits und die Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht andererseits zu begründen und zu vertiefen.
I. Die Überwindung des engen Gesetzespositivismus Die hier als „enger Gesetzespositivismus“ beschriebene Vorstellung, das positive Recht sei lückenlos und vom Richter als „Subsumtionsautomat“ nur noch auszusprechen99, wird zumindest seit der Geltung des Grundgesetzes als „naiv“100 abgelehnt, während die Aufgabe und Befugnis der Judikative zur schöpferischen Fortbildung des Rechts unstreitig anerkannt ist101. Aus methodischer Sicht wird insoweit unter anderem102 verwiesen auf notwendige Lücken des der Wirklichkeit hinterherhinkenden Gesetzesrechts103, auf erkenntnistheoretische und hermeneutische Probleme bei der Anwendung des Normtextes auf 97 Ebenso allgemein Larenz, NJW 1965, 1, 2; Krey, JZ 1978, 465; Koch/Rüßmann, Begründungslehre, 253 (methodologische Erwägungen könnten die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung nicht abstecken); Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 753d (Einbeziehung organisatorischer Aspekte in die juristische Methodenlehre); Müller, „Richterrecht“, 79; Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 649 (es gehe bei Methodenfragen letzten Endes um die Gewaltentrennung). 98 Dazu oben Einleitung B IV. 99 Siehe zu dieser Vorstellung Bydlinski, Methodenlehre, 236 ff.; Esser, in: Esser/Engisch, Methoden I, 1, 7; Wieacker, JZ 1961, 337, 338; Reichold, AcP 193 (1993), 204, 222 mit Fn. 83. 100 BVerfGE 3, 225, 242 f. (1953). 101 Das BVerfG hat die Aufgabe und Befugnis der Gerichte zur Rechtsfortbildung stets anerkannt: BVerfGE 3, 225, 242 f. (1953); BVerfGE 13, 153, 164 (1961); BVerfGE 34, 269, 287 ff. (1973) – Soraya; BVerfGE 49, 89, 125 (1978); BVerfGE 49, 304, 318 (1978); BVerfGE 54, 100, 111 (1980); BVerfGE 65, 182, 190 (1983); BVerfGE 69, 315, 371 (1985); BVerfGE 74, 129, 152 (1987); BVerfGE 96, 375, 394 (1997); BVerfGE 108, 150, 160 (2003); BVerfG NJW 2006, 3409 – Marlene. Aus der Literatur zustimmend Zippelius, Methodenlehre, 82 ff.; Fikentscher, Methoden IV, 325 ff. (Gesetzesbegriff gem. Art. 97 Abs. 1 GG schließe „Recht“ i.S.d. Art. 20 Abs. 3 GG mit ein; Art. 20 Abs. 3 GG enthalte mit der Nennung des „Rechts“ einen Auftrag zur Rechtsfortbildung); Coing, Rechtsphilosophie, 287; Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 97 Abs. 1 GG Rn. 14; Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 97 GG Rn. 9; Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 20 GG Rn. 607. 102 Siehe ferner Oertmann, Gesetzeszwang, 11 ff.; Wieacker, Richterkunst, 5 ff.; Koch/Rüßmann, Begründungslehre, 58 ff.; Hassemer, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, Rechtsphilosophie, 252 ff.; Meier-Hayoz, JZ 1981, 417, 418 f.; Reichel, Gesetz und Richterspruch, 48; mit Bezug auf die Entwicklung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, 11 ff. 103 Stern, Staatsrecht II, 582.
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einen Sachverhalt104 sowie auf die Faktizität unterschiedlicher, dem Vorverständnis des jeweiligen Rechtsanwenders geschuldeter Auslegungsergebnisse105. Im Grundgesetz kommt diese Sichtweise in Art. 20 Abs. 3 GG zum Ausdruck, der die Richter nicht nur an das Gesetz, sondern auch an das „Recht“ und damit ersichtlich ein Mehr gegenüber positiven Satzungen bindet106. § 132 Abs. 4 GVG anerkennt die Zulässigkeit einer richterlichen Fortbildung des Rechts ausdrücklich107. Hieraus wird generell gefolgert, dass den Gerichten bei der Rechtsfindung eine gewisse schöpferische Freiheit zukommt, mit der sie Wertvorstellungen, die der verfassungsmäßigen Rechtsordnung immanent sind, aber in den Texten der geschriebenen Gesetze nicht oder nur unvollkommen zum Ausdruck gelangt sind, in einem Akt des bewertenden Erkennens, dem auch willenhafte Elemente nicht fehlen, ans Licht bringen und in Entscheidungen realisieren108. Obwohl diese Auffassung auch die „bloße“ Anwendung des Gesetzes betrifft, wird allgemein an der Terminologie der „Rechtsfortbildung“ festgehalten, um eine richterliche Entscheidung zu beschreiben, die sich nicht als Vollziehung des geschriebenen Rechts durch Subsumtion darstellt, sondern das geschriebene Recht durch Lückenfüllung im Wege der Analogie, Restriktion und insbesondere durch Rückgriff auf ungeschriebene Rechtsprinzipien transzendiert109. Für die hiesige Untersuchung ist festzuhalten, dass bei der Suche nach einer Rechtsgrundlage für die Anerkennung von Ausschließlichkeitsrechten bzw. ihren Wirkungen nicht bei den Buchstaben des geschriebenen Rechts stehengeblieben werden darf, sondern weiter zu prüfen ist, ob es ein „Mehr“ an Recht jenseits des geschriebenen Rechts gibt, das richterliche Güterzuordnungen legitimiert. 104 Dazu etwa Fikentscher, Methoden IV, 313 ff. (Lehre von der Fallnorm); Esser, Grundsatz und Norm, 164; Larenz, Methodenlehre, 137 ff.; Müller, „Richterrecht“, 45 f.; Kelsen, JZ 1965, 465, 468; Meier-Hayoz, JZ 1981, 417, 419. 105 Esser, Vorverständnis, 136 und öfter (es würden mögliche Ergebnisse vorweg ins Auge gefasst, und an ihnen werde die Verstehbarkeit des Textes ausgemacht); ders., Methodik des Privatrechts, 1, 32; Wank, Rechtsfortbildung, 19 ff.; Hassemer, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, Rechtsphilosophie, 266. 106 BVerfGE 34, 269, 286 f. (1973) – Soraya; Neuner, Rechtsfindung contra legem, 5 ff.; Krey, JZ 1978, 465 f. m.w.N.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 20 GG (Rechtsstaat) Rn. 94; Stern, Staatsrecht II, 582. 107 BVerfGE 34, 269, 288 (1973) – Soraya; BVerfGE 54, 100, 111 f. (1980); BVerfGE 65, 182, 190 f. (1983); kritisch Hillgruber, JZ 2008, 745 ff. 108 BVerfGE 13, 153, 164 (1961) (schöpferische Füllung weiter Lücken als herkömmliche und stets bewältigte richterliche Aufgabe); BVerfGE 34, 269, 286 f. (1973) – Soraya; Hassemer, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, Rechtsphilosophie, 261 (der Richter gehe mit dem Gesetz schöpferisch um); Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 20 GG Rn. 610 f.; Wieacker, Richterkunst, 6 f.; Larenz, FS Nikisch, 275; ders., NJW 1965, 1; Meier-Hayoz, JZ 1981, 417, 419; Brecher, Unternehmen als Rechtsgegenstand, 36; Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, 474. 109 Siehe BVerfGE 59, 231, 257 (1982) (Richterrecht vs. Rechtsanwendung im üblichen Sinne); BVerfGE 65, 182, 190 (1983) (richterliche Rechtsfortbildung); Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 339; Larenz, FS Nikisch, 275, 276 (neue Rechtsgedanken und Rechtsinstitute); ders., NJW 1965, 1, 2; ausführlich Fischer, Rechtsfortbildungen, 35 ff. Zur Bedeutung des Begriffs „Richterrecht“ Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, 458 ff.
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Angesprochen ist damit ein entsprechendes Rechtsprinzip, dessen Einbeziehung110 die folgende Analyse vom Vorwurf befreit, sie teile einen „naiven“ Glauben an die Aussagekraft von Gesetzen und gehe davon aus, Recht erschöpfe sich in geschriebenen Vorschriften.
II. Die Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht Einen engen Gesetzespositivismus zu verwerfen, bedeutet aber nicht, jede Bindung der Rechtsprechung an das normierte Recht aufzugeben111. Diese radikale Konsequenz vertrat die sog. Freirechtsschule im frühen 20. Jahrhundert112. Auch der die hiesige Problematik betreffende Marlene-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts formuliert, es liege „grundsätzlich fern, unter Verweis auf die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung den gegenwärtigen Zustand eines richterrechtlichen Rechtsinstituts gegen richterrechtliche Weiterentwicklungen abzuschirmen“113. Eine in dieser Passage anklingende, vollständige Entbindung der Judikative vom Gesetz wird jedoch selbst von denjenigen gescheut, die aus methodischen Gründen gegen die „naive“ Vorstellung von einer eindeutigen Aussagekraft und Alleinrelevanz der Gesetzestexte opponieren. Denn ein solcher Verzicht auf das deduktive Schema verunmöglicht die in einem Rechtsstaat normativ geforderte (wenn auch durch das Moment der individuellen Wertung ggf. begrenzte) Gleichbehandlung von Gleichem, die Voraussehbarkeit sowie rationale Begründung und Kritik von Entscheidungen114. Zutreffend wird daher die in den Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG niedergelegte Gesetzesbindung der Rechtsprechung aus
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Dazu unten § 12. Zutreffend Larenz, Methodenlehre, 141; Müller, „Richterrecht“, 98. 112 Dazu nur etwa Oertmann, Gesetzeszwang, 4 ff., 17 f.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, 579 ff.; Kaufmann, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, Rechtsphilosophie, 121 ff. 113 BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 – Marlene. 114 Siehe etwa BVerfGE 34, 269, 287 (1973) – Soraya (Rechtsfortbildung müsse auf rationaler Argumentation beruhen); Heck, Rechtserneuerung, 16 (der Richter müsse dem Gesetze gehorchen); Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, 436, 474; Wieacker, Richterkunst, 9; Koch/Rüßmann, Begründungslehre, 69 (irriger Schluss von der begrenzten Realisierbarkeit des Gesetzesbindungspostulats auf eine Widerlegung des Deduktivitätspostulats), 112 ff.; Müller, „Richterrecht“, 80 f. (Wortlautgrenze als normative Forderung), 123 (hermeneutische Probleme berechtigen nicht zur Freistellung des Richters); Neuner, Rechtsfindung contra legem, 85 ff., 186; Less, Richterrecht, 81; Larenz, Methodenlehre, 150; ders., FS Nikisch, 275, 279 f.; Bydlinski, Methodenlehre, 173 ff.; Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 359, 616, 755 (hinter der vermeintlichen Erkenntnis der neueren Methodenlehre stehe die Option für die Kadijustiz); Zippelius, Methodenlehre, 83 f.; Engisch, Einführung, 208; Meier-Hayoz, JZ 1981, 417, 423; Stern, Staatsrecht II, 583. Letztlich für das Gesetzesbindungspostulat auch Esser, Vorverständnis, einerseits 175 (der Auslegungskanon könne keine Grenze der Richtertätigkeit beschreiben), andererseits 194 (der Gesetzestext sei vorhanden und werde nicht verleugnet); Hassemer, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, Rechtsphilosophie, 267 f. 111
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Gründen der Rechtsstaatlichkeit für „unverzichtbar“ gehalten115. Andernfalls würde der Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG)116 sowie die demokratische Legitimation des aus dem politischen Willensbildungsprozess hervorgegangenen Parlamentsgesetzes117 zugunsten eines Richterstaates in Frage gestellt. Beachtung verdient schließlich die Erkenntnis, dass die richterliche Unabhängigkeit, die häufig Ansatzpunkt für eine Bejahung der Rechtsfortbildungskompetenz ist, untrennbar mit der Bindung an generell-abstrakte Normen zusammenhängt. Der nach eigenem Gutdünken entscheidende Richter agiert nämlich nicht unabhängig, sondern willkürlich118. Die damit in einem demokratischen Rechtsstaat trotz methodischer Bedenken normativ zwingende Bindung der Rechtsprechung an das Gesetz hat zwei Facetten, nämlich den Vorrang und den Vorbehalt des Gesetzes. Der Vorrang des Gesetzes besagt, dass sich der Richter dem eindeutigen Wortlaut und Zweck bestehender Vorschriften nicht entziehen darf, sondern diese auch unter gewandelten
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BVerfGE 34, 269, 288 f. (1973) – Soraya; BVerfGE 49, 304, 318 (1978); BVerfGE 65, 182, 191 (1983); BVerfGE 69, 315, 372 (1985); BVerfGE 96, 375, 394 (1997); BVerfGE 102, 347, 361 (2000); BVerfGE 108, 150, 160 (2003). Aus der Literatur nur etwa Wieacker, JZ 1961, 337, 341 f.; Larenz, AfP 1973, 450, 452; Ridder, AfP 1973, 453; Krey, JZ 1978, 465; Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/ Klein, Art. 97 GG Rn. 4; Gellermann, Grundrechte, 389; a.A. Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, 59 (Art. 20 Abs. 3 GG formuliere ein unerfüllbares und damit leer laufendes Postulat). Zur Entstehungsgeschichte siehe zusammenfassend Parlamentarischer Rat, JöR 1 (1951), 197 ff. Ursprünglich war formuliert worden: „Rechtsprechung und Verwaltung stehen unter dem Gesetz.“ Die jetzige Fassung geht auf den allgemeinen Redaktionsausschuss zurück, ohne dass ersichtlich wäre, dass hiermit grundlegend andere Vorstellungen verbunden waren. Ferner führte v. Mangoldt aus, die Befolgung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit verstehe sich bei der Rechtsprechung von selbst, weil diese nur die Aufgabe habe, die Gesetze anzuwenden und auszulegen (a.a.O., 200). 116 BVerfGE 34, 269, 286 (1973) – Soraya; BVerfGE 38, 386, 396 (1975); BVerfGE 49, 304, 318 (1978); Wank, Rechtsfortbildung, 89 f.; Müller, „Richterrecht“, 94 f.; Stein, NJW 1964, 1745; Krey, JZ 1978, 465, 466; Schmitt, Verfassungsrechtliche Aufsätze, 71, 87 (ein Staat ohne Gewaltenteilung habe keine bürgerlich-rechtsstaatliche Verfassung), 98 f.; Böckenförde, Staat 1990, 1, 25 ff. (andernfalls Gesetzgeber bloßer Verordnungsgeber); Zippelius, Methodenlehre, 66. Zur Bindung der Gesetzgebung an die „verfassungsmäßige Ordnung“ im Unterschied zur Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht bereits oben Einleitung B II. 117 BVerfGE 34, 269, 286 (1973) – Soraya; BVerfGE 49, 304, 318 (1978); BVerfGE 82, 6, 12 (1990); Wank, Rechtsfortbildung, 215 ff.; Neuner, Rechtsfindung contra legem, 140 ff. (Prinzip der Volkssouveränität); Krey, JZ 1978, 465, 466 f.; Meier-Hayoz, JZ 1981, 417, 422; Dreier, in: Dreier, Art. 20 GG (Demokratie) Rn. 145; Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 97 Abs. 1 GG Rn. 14; Brecher, Unternehmen als Rechtsgegenstand, 47; a.A. Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, 61 (trotz des demokratischen Hintergrunds der Richterbindung sei jene nur Augenwischerei), aber dann doch 64 (angesichts der Pluralität der Gesellschaft sollte die Zukunft in verstärktem Maße dem positiven Gesetz gehören); Less, Richterrecht, 76 (unter Verweis auf ein pauschales „Versagen des Gesetzgebers“); kritisch hierzu Kübler, JZ 1969, 645, 651. 118 BVerfGE 49, 304, 318 (1978); Dreier, in: Dreier, Art. 20 GG (Demokratie) Rn. 145; Meyer, in: v. Münch/Kunig, Art. 97 GG Rn. 10; Stein, NJW 1964, 1745, 1748; Krey, JZ 1978, 465; Gellermann, Grundrechte, 389; Schmitt, Verfassungsrechtliche Aufsätze, 71, 79, 83 f.; anders in historischer Sicht Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 97 GG Rn. 17 (Spannungsverhältnis zwischen gerichtlicher Unabhängigkeit und Gesetzesbindung).
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Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen hat119. Möchte ein Gericht eine gesetzliche Regelung wegen Verstoßes gegen höherrangige Normen unangewendet lassen, muss es das in Art. 100 GG niedergelegte Verfahren beschreiten120. Nach dem Vorbehalt des Gesetzes dürfen Einschränkungen der umfassenden Freiheit des Bürgers nur durch oder aufgrund staatlicher Gesetze erfolgen, während Gewohnheitsrecht hierfür nur genügt, wenn es bereits vor Inkrafttreten des Grundgesetzes allgemein angewendet und von den beteiligten Rechtsgenossen als verbindliche Rechtsnorm anerkannt wurde121. Unterschieden werden demgemäß eine auf Wertungen des positiven Rechts beruhende Rechtsfortbildung intra ius von einem unzulässigen Richterrecht contra legem und extra ius122. Gerichten ist es versagt, die Rolle des Anwenders der Rechtsordnung zu verlassen und als normsetzende Instanz einen subjektiven, politisch-weltanschaulichen Willen zur Geltung zu bringen123. Die Einhaltung
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BVerfGE 37, 67, 81 (1974) (möglichst enge Anlehnung an das geltende Recht); BVerfGE 49, 304, 320 (1978); BVerfGE 82, 6, 12 (1990); BVerfGE 96, 375, 394 (1997); BVerfG NJW 2000, 3635; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 20 GG Rn. 96; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20 GG Rn. 42; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 20 GG (Rechtsstaat) Rn. 92; Larenz, AfP 1973, 450, 451 f.; Wieacker, JZ 1961, 337, 345; a.A. noch BGHZ 17, 266, 275 f. (1955) – Magnettonbänder (Fortbildung des Rechts auch gegen den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes zulässig). 120 BVerfGE 3, 225 (Leitsatz 3) (1953); BVerfGE 4, 219, 233 (1955); Neuner, Rechtsfindung contra legem, 191 ff.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 20 GG (Rechtsstaat) Rn. 94; Jarass, in: Jarass/ Pieroth, Art. 20 GG Rn. 42. 121 Für Art. 12 GG BVerfGE 22, 114, 121 f. (1967) (die Weiterentwicklung vorkonstitutionellen Gewohnheitsrechts finde dort ihre Grenze, wo ein neuer Eingriffstatbestand geschaffen werde); allgemein etwa BVerfGE 64, 208, 214 (1983); BVerfGE 95, 267, 307 (1997) m.w.N.; abw. Meinung BVerfGE 109, 190, 252 (2004) (gegen Freiheitsentziehungen auf gewohnheitsrechtlicher Grundlage); Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20 GG Rn. 44. 122 Larenz/Wolf, AT, § 4 Rn. 77 ff.; Kramer, Methodenlehre, 156 ff.; Stern, Staatsrecht II, 584 ff.; zum Begriff der unzulässigen Rechtsfortbildung contra legem Neuner, Rechtsfindung contra legem, 185. Anders die Terminologie bei Müller, „Richterrecht“, 96 ff. (Richterrecht stets unzulässig, wenn es sich nicht auf einen Normtext zurückführen lasse). 123 BVerfGE 25, 167, 182 (1969); BVerfGE 34, 269, 292 (1973) – Soraya; BVerfGE 69, 315, 372 (1985); BVerfGE 87, 273, 280 (1992); BVerfGE 96, 375, 394 (1997); abw. Meinung BVerfGE 109, 190, 252 (2004); BVerfG NJW 2006, 1339, 1340; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 20 GG (Rechtsstaat) Rn. 94; Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, § 51 Anm. 10 (Richter seien verfassungsrechtlich nicht befugt, Rechtsnormen zu setzen); Bydlinski, Methodenlehre, 523; Kramer, Methodenlehre, 262 f.; Zippelius, Methodenlehre, 51 f.; Coing, Rechtsphilosophie, 289 (eine grundsätzliche Neuregelung sei dem Richter verwehrt); Meier-Hayoz, JZ 1981, 417, 421 (strategische Entscheidungen im Sinne langfristiger, grundlegender Planung seien dem Gesetzgeber vorbehalten, während der Richter taktische Entscheidung im Einzelfall treffen dürfe); Wieacker, JZ 1961, 337, 341 (Kampf um neue Ethik müsse auf dem Gesetzgebungsweg geführt werden); Steindorff, in: summum ius, 58, 68; Gellermann, Grundrechte, 395; Schmitt, Verfassungsrechtliche Aufsätze, 71, 88; Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 97 Abs. 1 GG Rn. 15. Beispielhaft für eine ausschließlich wertende, folgenorientierte politische Entscheidung BGHZ 62, 54 ff. (1973) zur Beschränkung der Haftung von gerichtlichen Sachverständigen auf grobe Fahrlässigkeit (Interessen der am Verfahren Beteiligten, Funktion des Sachverständigen, Rechtssicherheit).
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Teil 1: Grundlagen der Güterzuordnung
dieser freilich noch sehr abstrakten124 Grenzen richterlicher Kompetenz kann im Wege der individuellen Verfassungsbeschwerde überprüft werden. Wenn das Fachgericht nämlich zu seinem Ergebnis auf einem methodischen Weg gelangt, der den für die Rechtsfindung verfassungsrechtlich bestehenden Rahmen überschreitet, beruht die mit der Entscheidung einhergehende Einschränkung eines Freiheitsgrundrechts nicht mehr auf der verfassungsmäßigen Ordnung und ist daher verfassungswidrig125. Allerdings prüft das Bundesverfassungsgericht lediglich, ob die Rechtsfortbildung mit den Regeln zivilrechtlicher Hermeneutik offensichtlich unvereinbar ist, und ob die Entscheidung die gesetzgeberische Grundentscheidung willkürlich verlässt126. Bereits aus dieser rudimentären Skizze ergeben sich mehrere wichtige Folgerungen für die im Hauptteil zu erörternde Frage nach der Rechtsgrundlage richterlicher Güterzuordnung: Zunächst offenbaren die Grenzen judikativer Kompetenz, dass allein der Verweis auf das Rechtsverweigerungsverbot, wonach der Richter auf jede Rechtsfrage eine Antwort zu geben hat127, nicht in jedem Fall eine positive Güterzuordnungsentscheidung erfordert, denn der Richter spricht gerade auch dann Recht, wenn er die Gesetzesbindung beachtet und deshalb die Klage eines Schutzsuchenden mangels entsprechender Rechtsgrundlage abweist128. Ferner erweist sich die deduktive Begründung des geltenden Rechts aus den jeweiligen Normtexten trotz ihrer methodischen Probleme im Rechtsstaat als normativ zwingend129. Daher wird der güterzuordnende Gehalt relevanter
124 Kritisch zu den „vagen Allgemeinheiten“ der Soraya-Entscheidung insoweit Larenz, AfP 1973, 450, 451; schärfer noch Ridder, AfP 1973, 453 ff.; Diederichsen, AcP 198 (1998), 171, 196 (methodischer Skandal). 125 Siehe anhand des Prüfungsmaßstabs der Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG als Ausdruck des Rechtsstaats- und Demokratieprinzips BVerfGE 34, 269, 280 (1973) – Soraya; BVerfGE 38, 386, 396 (1975); BVerfGE 49, 304, 314 (1978); BVerfGE 64, 208, 212 (1983); BVerfGE 65, 182, 190 (1983); BVerfGE 73, 261, 269 (1986); BVerfGE 87, 273, 279 (1992); BVerfGE 96, 375, 394 (1997) (auch Art. 20 Abs. 2 GG genannt); BVerfG NJW 2006, 1339, 1340 (für die „Kreierung“ eines vom Gesetzgeber nicht geschaffenen „gesetzlichen“ Anspruchs); BVerfG NJW 2006, 3409; Müller, „Richterrecht“, 97; Krey, JZ 1978, 465, 466. Gegen Art. 20 Abs. 2 GG soll richterliche Rechtsfortbildung nicht verstoßen können, weil der Richter niemals eine generell-abstrakte Regelung erlassen könne; Brecher, Unternehmen als Rechtsgegenstand, 46; a.A. Wank, Rechtsfortbildung, 89 (sedes materiae für die Grenzen der Rechtsfortbildung sei Art. 20 Abs. 2 GG). 126 BVerfGE 18, 224, 240 (1964); BVerfGE 34, 269, 280 f., 287, 291 (1973) – Soraya; BVerfGE 82, 6, 13 (1990); BVerfGE 87, 273, 280 (1992); BVerfGE 96, 375, 395 (1997); BVerfG NJW 2006, 3409; Bernsdorff, in: Umbach/Clemens, Art. 97 GG Rn. 17. 127 BVerfGE 34, 269, 292 (1973) – Soraya; BVerfGE 84, 212, 227 (1991); Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 336; Meier-Hayoz, JZ 1981, 417; Neuner, Rechtsfindung contra legem, 53 f. 128 Siehe Kelsen, JZ 1965, 465, 468; Engisch, Einführung, 208; Neuner, Rechtsfindung contra legem, 190; Stein, NJW 1964, 1745, 1748; Gellermann, Grundrechte, 389 f.; Knies, Leistungsschutz, 128; zu offen insoweit Fikentscher, Methoden IV, 382 (wo der Wortlaut des Gesetzes ende, sei der Richter frei, Fallrecht neu zu bilden). 129 Siehe v. Hayek, Verfassung der Freiheit, 295 („Eine einzelne Gesetzesauslegung mag strittig sein, und es mag manchmal unmöglich sein, zu einem völlig überzeugenden Schluß zu kommen; das ändert aber nichts daran, daß der Streit durch eine Berufung auf die Regeln und nicht durch
§ 2 Der verfassungsrechtliche Rahmen
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Rechtsgrundlagen in Teil 2 anhand der anerkannten Auslegungsmethoden, insbesondere der grammatischen, systematischen, historischen und teleologischen Betrachtung ermittelt130. Besonderer Wert wird dabei auf den historischen Zweck der jeweiligen Norm gelegt, weil nur auf diesem Wege transparent gemacht werden kann, inwieweit eine Diskrepanz zwischen der ursprünglichen Regelungsabsicht und der späteren Lebenswirklichkeit besteht und welche „objektiven“ Zwecke eine Rechtsfortbildung zur Schließung dieser Lücke nahelegen131. Schließlich müssen auch die Argumente für eine etwaige gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung aus der Rechtsordnung selbst als einem „Sinnganzen“ gewonnen werden132. 130 einfachen Willensakt entschieden werden muß.“); Wieacker, Privatrechtsgeschichte, 440 f., 542 (Abkehr vom dogmatischen Formalismus rufe die Gefahr grundsatzlos experimentierender Billigkeitsjudikatur hervor). 130 Siehe BVerfGE 3, 225, 244 (1953); BVerfGE 25, 167, 183 (1969) (Interpretation, Lückenfüllung und Rechtsvergleichung als erprobte Hilfsmittel); BVerfGE 82, 6, 11 (1990) (herkömmliche Auslegungsmethoden verfassungsrechtlich unbedenklich); BVerfGE 84, 212, 226 (1991); BVerfGE 88, 103, 115 (1993); BVerfGE 96, 375, 395 (1997) (Überprüfung auf die Anwendung der „anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung“); anders BVerfGE 108, 150, 160 (2003) (die Wahl der Methode sei nicht überprüfbare Sache der Fachgerichte); wie zuvor wiederum BVerfG NJW 2006, 3409 (Überprüfung der anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung); Wank, Rechtsfortbildung, 251; Müller, „Richterrecht“, 91; Neuner, Rechtsfindung contra legem, 196; Bernsdorff, in: Umbach/Clemens, Art. 97 GG Rn. 24; Stein, NJW 1964, 1745, 1752; Picker, JZ 1984, 153, 163; Larenz, Methodenlehre, 155 f.; Vesting, Rechtstheorie, Rn. 232 ff.; Koch/Rüßmann, Begründungslehre, 115 ff.; Dworkin, Taking Rights Seriously, 109 f. (interpretation without absurdity). Zu „Diskursund Argumentationstheorien“ als Methoden der Verschleierung richterlicher Oligarchie Meyer, in: v. Münch/Kunig, Art. 97 GG Rn. 16 ff. Zu den Methoden der Gesetzesauslegung, ihren Grenzen und ihrer Bedeutung zur Realisierung der Richterbindung etwa Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 696 ff.; Larenz/Wolf, AT, § 4 Rn. 34 ff.; Bydlinski, Methodenlehre, 428 ff.; Coing, Rechtsphilosophie, 261 ff.; Koch/Rüßmann, Begründungslehre, 163 ff.; Kramer, Methodenlehre, 47 ff.; Zippelius, Methodenlehre, 42 ff.; Fikentscher, Methoden III, 657 ff.; dafür letztlich auch Esser, Vorverständnis, 194 (bis zu welchem Punkt der Text die Lösung bestimme, lasse sich nur unter Einschluss sämtlicher hermeneutischer und politischer Vorbewertungen beantworten); siehe aber auch dens., Methodik des Privatrechts, 1, 35 (die Schuldarstellung traditioneller Rechtsfindungstechniken sei von geringem Erkenntniswert). 131 Aus diesem Blickwinkel kritisch zur „objektiven Auslegung“ Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 806 ff.; ders., Unbegrenzte Auslegung, 490 („Wer von ,objektiver Auslegung‘ spricht, betrügt entweder sich selbst oder andere.“), 492 (bei Verzicht auf den historischen Normzweck Verzicht auf die Bindung an das Gesetz); Würdinger, AcP 206 (2006), 946, 975 ff.; a.A. Engel, in: Engel, Methodische Zugänge, 12, 29 (das weitere Schicksal der politischen Entscheidung liege in der Hand der Juristen). 132 BVerfGE 13, 153, 164 (1961); BVerfGE 34, 269, 286, 292 (1973) – Soraya; BVerfGE 65, 182, 191 (1983) (Relevanz der gesetzlichen Ordnung des Konkursrechts); BVerfGE 96, 375, 394 (1997). Deshalb kann sich die Nichtigkeit einer Verfassungsnorm nur aus einer Missachtung von Gerechtigkeitspostulaten ergeben, „die zu den Grundentscheidungen dieser Verfassung selbst gehören“; BVerfGE 3, 225 (1953) (Hervorh. v. Verf.). Aus der Literatur Oertmann, Gesetzeszwang, 14; Wieacker, Richterkunst, 12 f.; Neuner, Rechtsfindung contra legem, 68; Müller, „Richterrecht“, 82 f.; Hoffmann, Gesetz und Recht, 78 ff.; Stern, Staatsrecht II, 585; Steindorff, in: summum ius, 58, 64; Larenz, AfP 1973, 450, 451; Larenz/Wolf, AT, § 4 Rn. 83; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 20 Abs. 3 GG Rn. 286; Meyer, in: v. Münch/Kunig, Art. 97 GG Rn. 23; a.A. BGHZ 17, 266, 275 f. (1955) – Magnettonbänder (Rechtsfortbildung auch gegen den eindeutigen Gesetzeswortlaut zulässig). Ferner unten § 12 A, C II.
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Teil 1: Grundlagen der Güterzuordnung
D. Zusammenfassung In diesem Paragraphen wurde der verfassungsrechtliche Rahmen der Generalfrage nach einer Rechtsgrundlage für die richterliche Anerkennung ungeschriebener Ausschließlichkeitsrechte abgesteckt. Der erste Abschnitt war der Bedeutung der Grundrechte für ein Rechtsprinzip der Güterzuordnung gewidmet. Die Grundrechte wirken als objektive Wertordnung auf die richterliche Anwendung des Privatrechts ein. Im Hinblick auf die Legitimation richterlicher Zuordnungsentscheidungen kommt insbesondere grundrechtlichen Schutzpflichten Bedeutung zu. Diese betreffen ein dreiseitiges Verhältnis zwischen einer schutzsuchenden Privatperson, einem privaten „Störer“ und dem Staat, der Maßnahmen ergreifen muss, um die Grundrechtsposition des Betroffenen vor dem Handeln des „Störers“ zu bewahren. Eine solche Konstellation ist gegeben, wenn eine Privatperson geltend macht, der Staat habe eine unerlaubte Nutzung „ihrer“ Güter durch Dritte zu verhindern, indem Ausschließlichkeitsrechte anzuerkennen seien. Einen hierfür aussagekräftigen güterzuordnenden Gehalt weist allerdings nur die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG auf, der deshalb im zweiten Teil der Studie näher zu betrachten ist133. Dagegen dienen weder die Menschenwürdegarantie, das verfassungsrechtliche aPR noch die allgemeine Handlungsfreiheit dem objektbezogenen Schutz statischen Habens. Im Gegenteil, das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gem. Art. 2 Abs. 1 GG ist mit seinem umfassenden Schutzbereich Anknüpfungspunkt für das Erfordernis einer Rechtsgrundlage und seinem Sinn und Zweck nach einer Güterzuordnung tendenziell entgegengesetzt (dazu A). Im zweiten Abschnitt wurden die Grundlagen und Grenzen richterlicher Entscheidung im demokratischen Rechtsstaat skizziert. Im Spannungsfeld zwischen zulässiger Rechtsfortbildung und zu wahrender Gesetzesbindung zeigte sich, dass judikative und legislative Kompetenzen voneinander abzugrenzen sind und hierfür nicht apodiktisch auf „fließende Grenzen“ verwiesen werden kann134. Vielmehr haben die Gerichte aus normativen, rechtsstaatlichen Gründen das geschriebene Recht zur Geltung zu bringen und eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung aus dem „Sinnganzen“ der Rechtsordnung abzuleiten, ohne unmittelbar politisch-weltanschaulich motivierte Entscheidungen zu treffen. Daraus folgt in methodischer Hinsicht die Anwendung der anerkannten Auslegungsmethoden, die die Einhaltung dieser Kompetenzgrenzen intersubjektiv nachprüfbar machen. Schließlich bestätigt sich der Aufbau des Hauptteils, wonach zunächst das einfache Privatrecht (§§ 5–10), daraufhin ein verfassungsrechtliches Zuordnungsgebot aus Art. 14 GG (§ 11) und vor dem Hintergrund dieser umfassenden Analyse des positiven Rechts ein ungeschriebenes Rechts-
133 134
Dazu unten § 11. Radbruch, Rechtsphilosophie, 170 f.
§ 2 Der verfassungsrechtliche Rahmen
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prinzip der Güterzuordnung in Blick zu nehmen ist (§ 12)135. Erst aufgrund dieser Gesamtbetrachtung kann beurteilt werden, bei welchen Güterzuordnungsentscheidungen (Beispiele in § 4) es sich um zutreffende Gesetzesanwendung oder jedenfalls um zulässige Rechtsfortbildung intra ius handelt (dazu B)136.
135 Siehe den Prüfungsaufbau bei BVerfGE 65, 182, 190 ff. (1983) (gesetzliche Ordnung des Konkursrechts und höherrangiges Recht als Grundlage der Rechtsfortbildung); Stein, NJW 1964, 1745, 1748 ff. (dreistufige Bindung des Richters an das positive Gesetz, die Grundrechte und schließlich die freiheitlich-demokratische Grundordnung). 136 Siehe zu diesen Konsequenzen des Hauptteils unten § 13.
§ 3 Ökonomische Grundlagen der Güterzuordnung
A. Warum „ökonomische Grundlagen“? Zum Abschluss des Grundlagenteils seien nunmehr die ökonomischen Grundlagen der Güterzuordnung beleuchtet. Damit verlässt die Untersuchung die Domäne der Rechtswissenschaften und wendet sich den Sozialwissenschaften zu, die menschliches Handeln als empirisches Datum erforschen. Im Vordergrund steht also die Ebene des Seins, die in § 1 von der Ebene des Sollens scharf abgegrenzt wurde. Allerdings wurde dort ebenfalls gezeigt, dass das Recht als Sollensordnung nicht von der Wirklichkeit abgekoppelt ist, sondern die Vorgegebenheiten des Seins aufnimmt und zugleich auf die Faktizität einwirkt. Dieser Befund gilt selbstverständlich auch für die Ordnung des Umgangs mit Gütern, die zum Beispiel nichts Unmögliches von Rechtsinhabern und ausgeschlossenen Dritten verlangen kann. Trotz des Bekenntnisses zum methodologischen Dualismus ist daher der Frage nachzugehen, wie intensiv das Sein in diesem Bereich das Sollen beeinflusst. Insbesondere ist zu prüfen, ob die einschlägigen Erkenntnisse der Sozialwissenschaften es nahelegen oder gar fordern, Güter unter bestimmten Voraussetzungen einer Person zuzuordnen. Zu diesem Zweck werden – abgesehen von rechtshistorischen und rechtsvergleichenden Bemerkungen1 – nur die Wirtschaftswissenschaften näher betrachtet, obwohl auch andere Sozialwissenschaften relevante Einsichten liefern2. So kann etwa die Psychologie Auskunft geben über die Beziehung des Menschen zu außerpersönlichen Gütern, die Soziologie über die Funktionsweise und Bedeutung von Zuordnungen in Gruppen, die Politikwissenschaft über die politischen Implikationen bei der Entwicklung der Eigentumsordnung sowie die Kulturanthropologie/Ethnologie über kulturspezifische Ausprägungen der Güterzuordnung und darüber, ob das Privateigentum eine kulturelle Universalie darstellt3. Es ist daher anhand des Forschungsgegenstandes, des Erkenntnisinteresses und der Methodik der Wirtschaftswissenschaften zu begründen, warum gerade jene Sozialwissenschaft gewählt wurde. Vorauszuschicken bleibt, dass durchweg nur der Stand der ökonomischen Analyse wiedergegeben, nicht aber für sich gesehen kritisch gewürdigt wird. 1 2 3
Dazu oben Einleitung C II. Siehe Senn, in: Backhaus, Law and Economics, 442, 443. Siehe Rössler, Wirtschaftsethnologie, 13; zum „property instinct“ noch unten § 12 C II 2 a.
§ 3 Ökonomische Grundlagen der Güterzuordnung
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I. Gegenstand der Wirtschaftswissenschaften Mit der Rede von den „ökonomischen Grundlagen“ wird zunächst der gegenstandsbezogene Forschungsbereich der Wirtschaftswissenschaften in Bezug genommen. Demnach wird Wirtschaft als der Ausschnitt menschlichen Handelns verstanden, der in Verfügungen über knappe Mittel zur Erfüllung menschlicher Bedürfnisse besteht4. Ausgangsproblem dieser (neo)klassischen Ausrichtung der Wirtschaftswissenschaften ist, wie eine Gesellschaft die axiomatisch relativ knappen Güter so einsetzt, dass ein möglichst hoher Grad an ebenfalls vorausgesetzter Bedürfnisbefriedigung erreicht wird5. Angestrebt wird also eine Mehrung des Gesamtwohlstandes, die wiederum von bestmöglicher Ressourcennutzung – kurz Effizienz – abhängt6. Für dieses Wirtschaften werden im Wesentlichen zwei Ordnungrahmen diskutiert, nämlich die Markt- oder Verkehrswirtschaft, in der viele Einzelwirtschaften (Betriebe, Haushalte) dezentral-selbständig planen, miteinander in wirtschaftlichen Verkehr treten und durch Wettbewerb eine Koordination der Märkte herbeigeführt wird7, während in der Planwirtschaft der Wirtschaftsprozess zentral für ein bestimmtes Gebiet gesteuert wird8.
4
Bartling/Luzius, Volkswirtschaftslehre, 3. Bontrup, Volkswirtschaftslehre, 29; Bartling/Luzius, Volkswirtschaftslehre, 3 ff.; Samuelson/ Nordhaus, Economics, 4 f.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 1, 57 ff. 6 Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 1; Knieps, Wettbewerbsökonomie, 68 f. 7 Siehe Smith, Wealth of Nations, 1. Buch 2. Kapitel; Smith, Moral Sentiments, 4. Teil 1. Kapitel („The rich only select from the heap what is most precious and agreeable. They consume little more than the poor, and in spite of their natural selfishness and rapacity, though they mean only their own conveniency, though the sole end which they propose from the labours of all the thousands whom they employ, be the gratification of their own vain and insatiable desires, they divide with the poor the produce of all their improvements. They are led by an invisible hand to make nearly the same distribution of the necessaries of life, which would have been made, had the earth been divided into equal portions among all its inhabitants, and thus without intending it, without knowing it, advance the interest of the society, and afford means to the multiplication of the species.“, Hervorh. v. Verf.). Dazu für Deutschland grundlegend Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, 124 ff.; ders., Die Ordnung der Wirtschaft, 104 ff.; Eucken, Wirtschaftspolitik, 19 ff.; ferner etwa Schünemann, in: Harte/Henning, § 1 UWG Rn. 23 („Wettbewerbsgesteuerte Marktwirtschaft erscheint als hochkomplexes, evolutorisch-dynamisches, kybernetisch-selbstregulatives, sich auf der Zeitachse bewegendes System. In ihm löst das spontan-autonome Handeln der Marktteilnehmer in interdependenten Parallel- und Austauschprozessen bei dezentraler Koordination auf dem Markt nicht nur die Interessenkonflikte der Beteiligten, sondern bringt zugleich auch das überindividuelle Interesse an der Erfüllung allgemeiner wettbewerblicher Zielfunktionen zur Geltung.“). 8 Die Überlegenheit der Marktwirtschaft im Vergleich zur Planwirtschaft wird nach dem Zusammenbruch des Ostblocks gemeinhin akzeptiert; siehe nur etwa Bontrup, Volkswirtschaftslehre, 96 ff.; Bartling/Luzius, Volkswirtschaftslehre, 34 ff.; Homann/Suchanek, Ökonomik, 206 ff.; Pipes, Property and Freedom, 62; Engel, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 9, 36 ff. Zum Fortwirken der Diskussion aber auch Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, 87. Ein an den Unterschieden zwischen Markt- und Planwirtschaft ausgerichteter, umfassender Vergleich zwischen dem Inhalt und den Funktionen des subjektiven Rechts findet sich bei Hofmann, Subjektives Recht und Wirtschaftsordnung, 10 ff. 5
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Teil 1: Grundlagen der Güterzuordnung
Während Klassik und Neoklassik den Markt als maßgebliches Ordnungsgefüge weitgehend ohne Rücksicht auf die vorausgesetzten, die Handlungen aber doch bedingenden Institutionen9 wie Verträge und individuelle Rechte analysierten10, hat es sich die sog. Neue Institutionenökonomik (NIÖ) seit etwa den 1960er Jahren zur Aufgabe gemacht, die für die Marktwirtschaft grundlegenden Institutionen als endogene und nicht mehr exogene Faktoren auf theoretischer Ebene11 mit in die Analyse einzubeziehen12. Damit erscheint der „Markt“ nicht mehr als „black box“, die ein effizientes Ergebnis herbeizaubert. Vielmehr wird untersucht, welche allgemeinen Regeln den Markt konstituieren, wie sie entstehen, sich ändern, und wie sie wirken13. Im Blickpunkt stehen dabei diejenigen Institutionen, die für eine funktionierende Verkehrswirtschaft für erforderlich gehalten werden, nämlich der freie Wettbewerb, die Grenzen zulässiger einzelwirtschaftlicher Aktivität unter allgemeinen Gesetzen, die Vertragsfreiheit und das Privateigentum14. Diese Erweiterung wirtschaftswissenschaftlicher Forschung war zugleich die Geburtsstunde der ökonomischen Analyse des Rechts bzw. der Rechtsökono9 Zum Begriff der Institution als Regelsystem Homann/Suchanek, Ökonomik, 48; Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, 7. 10 Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 5; Barzel, Property Rights, 8 ff.; Müller/Tietzel, in: Backhaus, Law and Economics, 40. Siehe auch Smith, Wealth of Nations, 2. Buch, Einleitung („But when the division of labour has once been thoroughly introduced, the produce of a man’s own labour can supply but a very small part of his occasional wants. The far greater part of them are supplied by the produce of other men’s labour, which he purchases with the produce, or, what is the same thing, with the price of the produce of his own. But this purchase cannot be made till such time as the produce of his own labour has not only been completed, but sold.“). 11 Zur „alten“ Institutionenökonomie der 1920er Jahre in den USA, die zwar Marktinstitutionen studierte, aber nicht über eine empirische Beschreibung hinauskam, siehe Posner, JITE 149 (1993), 73, 74; Janson, Ökonomische Theorie, 21. 12 Zu verschiedenen Ausprägungen der NIÖ siehe Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 5; Samuels, in: Oppenheimer/Mercuro, Law and Economics, XI, XII; Oppenheimer/Mercuro, in: Oppenheimer/Mercuro, Law and Economics, 3, 4 f. (institutional economics, new institutional economics, socioeconomics, social economics, behavioral economics, game theory, feminist economics, Rawlsian economics, radical economics, Austrian economics, personalist economics); Janson, Ökonomische Theorie, 22 („die ökonomische Rechtstheorie (gibt es) überhaupt nicht“; Hervorh. im Original); Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 120; Kirchner, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 23, 38. 13 Siehe zur historischen Entwicklung der NIÖ und der ökonomischen Analyse Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, 1 ff.; Weigel, Rechtsökonomik, 14 ff.; Posner, Economic Analysis of Law, 23 f.; ders., JITE 149 (1993), 73, 74 ff.; Menard/Shirley, in: Menard/Shirley, New Institutional Economics, 1; Rowley, in: Parisi/Rowley, Origins of Law and Economics, 3 ff.; Etzioni, in: Oppenheimer/Mercuro, Law and Economics, 15, 16 f.; Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, 186 ff. Inzwischen wird den maßgeblichen Institutionen (insbesondere der Rechtsstaatlichkeit) sogar eine ganz zentrale Rolle für die langfristig erfolgreiche Entwicklung einer Marktwirtschaft beigemessen; siehe dazu Weigel, Rechtsökonomik, 11; Kruse, in: Oppenheimer/Mercuro, Law and Economics, 161, 175 ff.; Barzel, Theory of the State, 273; Levine, Law, Endowments, and Property Rights, 1 m.w.N.; Norton, in: Colombatto, Property Rights, 85 ff. m.w.N. 14 Böhm, Die Ordnung der Wirtschaft, 104; Eucken, Wirtschaftspolitik, 24; Bartling/Luzius, Volkswirtschaftslehre, 35 f.; Knieps, Wettbewerbsökonomie, 3 ff., 75; Mestmäcker, in: Monopolkommission, Wettbewerbspolitik, 19, 23.
§ 3 Ökonomische Grundlagen der Güterzuordnung
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mik15, denn die untersuchten Institutionen ergeben sich aus der Rechtsordnung16. Insbesondere hat sich unter dem sehr weiten Begriff der property rights17 ein für die hiesige Frage ersichtlich relevanter Forschungszweig entwickelt, der nicht wie die Neoklassik den Tausch von Gütern, sondern die hierfür bedeutsamen property rights analysiert18. Dabei ist es zu einer weiteren Verallgemeinerung des Forschungsbereichs der Wirtschaftswissenschaften gekommen. Ein als „Interaktionsökonomik“19 bezeichneter Zweig der NIÖ definiert sich inzwischen nicht mehr über die „Wirtschaft“ als Untersuchungsgegenstand20, sondern über den Problembezug auf die „Erklärung und Gestaltung der Bedingungen und Folgen von Interaktionen auf der Basis von individuellen Vorteils-/Nachteils-Kalkulationen“ in Anbetracht der Knappheit von Ressourcen und alternativen Wahlmöglichkeiten21. Das besondere Interesse an den Wirtschaftswissenschaften und insbesondere der Ökonomik bei der Lösung der genuin rechtlichen Frage nach richterlicher 15 Siehe Weigel, Rechtsökonomik, XIII; Kirchner, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 23, 38. 16 Homann/Suchanek, Ökonomik, 386 f. (Eheschließungen, Scheidungen, Politikerverhalten, Entwicklung von Institutionen und Moral usw.); Janson, Ökonomische Theorie, 21 f. (ökonomische Theorie des Rechts als Teil der NIÖ); Shavell, Economic Analysis, 2. Zum Verhältnis zwischen NIÖ und ökonomischer Analyse des Rechts Posner, JITE 149 (1993), 73, 83 (aus der Sicht der Ökonomik sei das Besondere der ökonomischen Analyse im Vergleich zur NIÖ nur ihr Gegenstand, nämlich das Rechtssystem); Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 5 (die NIÖ beziehe den ökonomischen Ansatz auf die Erklärung wirtschaftlicher Institutionen). 17 Dazu unten B I. 18 Siehe zu diesem, dem methodologischen Dualismus im Recht (oben § 1 A II) entsprechenden Ansatz Coase, J.L. & Econ. 3 (1960), 1, 8 („… since without the establishment of this initial delimitation of rights there can be no market transactions to transfer and recombine them“), 43 f.; Demsetz, Am. Econ. Rev. 57 (1967), 347; Alchian/Demsetz, J. Econ. History 33 (1973), 16, 17; Heinsohn/Steiger, Eigentumsökonomik, 9 ff.; dies., Eigentum, Zins und Geld, 89 ff.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 98; Noll, Rechtsökonomie, 45; Weigel, Rechtsökonomik, 25; Fezer, JZ 1986, 817, 821; Engel, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 9, 48; ebenso aus Sicht der Anthropologie Humphrey/Verdery, in: Verdery/Humphrey, Property in Question, 1, 10 f. 19 Homann/Suchanek, Ökonomik, V f., 347, 386 ff. 20 Daher ist im Folgenden nicht mehr die Rede von „Ökonomie“, sondern von „Ökonomik“; siehe dazu Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 3 mit Fn. 6; Janson, Ökonomische Theorie, 21. 21 Zu dieser Theorie der rational choice Homann/Suchanek, Ökonomik, V f.; Posner, Economic Analysis of Law, 3 („… science of rational choice in a world … in which resources are limited to human wants“); Cooter/Ulen, Law and Economics, 4 („behavioral theory to predict how people respond to changes in laws“), 14 („study of how scarce resources are allocated among competing ends“); Janson, Ökonomische Theorie, 253; Kirchner, Ökonomische Theorie, 7; ders., in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 23, 26, 38 (wie reagieren Menschen unter Knappheitsbedingungen in der sozialen Interaktion auf Änderungen von Anreizen und Sanktionen); Anderson/McChesney, in: Anderson/McChesney, Property Rights, 2 f.; Becker, in: Parisi/Rowley, Origins of Law and Economics, 135, 152; Coase, in: Parisi/Rowley, Origins of Law and Economics, 199 f. („Economics is the science which studies human behavior as a relationship between ends and scarce means which have alternative uses.“); Menard/Shirley, in: Menard/Shirley, New Institutional Economics, 1, 2.
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Teil 1: Grundlagen der Güterzuordnung
Güterzuordnung ergibt sich also daraus, dass sich diese Forschungsrichtung seit ihrem Beginn22 und ganz zentral23 individuellen Rechtspositionen – den property rights – zuwendet24. Dabei argumentieren ihre Vertreter im Ordnungsrahmen der Marktwirtschaft als der für Deutschland gültigen Wirtschaftsverfassung25 bzw. gar nicht mehr gegenständlich auf „Wirtschaft“ beschränkt, so dass sich ihr Erkenntnisinteresse auf alle hier erörterten Beispiele richterlicher Zuordnungen erstreckt.
II. Positive und normative ökonomische Analyse Aber nicht nur ihr Untersuchungsgegenstand lässt die Ökonomik interessant erscheinen, sondern auch und gerade ihre Fragestellung und Methodik. Insoweit wird allgemein zwischen positiver und normativer Analyse unterschieden26. Die positive Ökonomik erforscht als Real- und Erfahrungswissenschaft deskriptiv-analytisch, was in der sozialen Welt „der Fall ist“, und wie sich die Dinge mit oder ohne bestimmte Änderungen entwickeln werden27. Es geht ihr also anders als der Rechtswissenschaft nicht um die Erforschung des Gesollten, sondern des Seins28. Zu diesem Zweck greift die Ökonomik auf die Axiome der Neoklas22
Kirchner, Ökonomische Theorie, 11; Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, 40 f.; Pejovich, in: Pejovich, Property Rights I, XIII, XIV. 23 Siehe z.B. die Darstellung von Shavell, Economic Analysis, 7 ff., die mit „property law“ beginnt; Weigel, Rechtsökonomik, 5. 24 Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 99; Cooter/Ulen, Law and Economics, 77; Gotthold, ZHR 144 (1980), 545, 546; Alchian/Demsetz, J. Econ. History 33 (1973), 16, 17. Zu den strukturellen Ähnlichkeiten von Recht und Ökonomik mit Blick auf die Lösung von Verteilungsproblemen Noll, Rechtsökonomie, 11. 25 Siehe in Abgrenzung zur Ethnologie Rössler, Wirtschaftsethnologie, 165 (Wirtschaftswissenschaften seien implizit zugeschnitten auf ein spezifisches Wirtschaftssystem als Teil einer bestimmten Kultur). 26 Siehe zu dieser Unterscheidung Kirchner, Ökonomische Theorie, 8 f.; Posner, Economic Analysis of Law, 24 ff.; Shavell, Economic Analysis, 1; Janson, Ökonomische Theorie, 22 f.; Bontrup, Volkswirtschaftslehre, 3 f.; Bartling/Luzius, Volkswirtschaftslehre, 11 (Wirtschaftstheorie vs. Wirtschaftspolitik); Homann/Suchanek, Ökonomik, 24 f.; Cooter/Ulen, Law and Economics, 4; Samuelson/Nordhaus, Economics, 7 f.; Weigel, Rechtsökonomik, 9 f.; Backhaus, in: Backhaus, Law and Economics, 465; Kübler, in: Neumann, Eigentums- und Verfügungsrechte, 105, 119 ff. 27 Janson, Ökonomische Theorie, 22 f., 87; Bontrup, Volkswirtschaftslehre, 1; Bartling/Luzius, Volkswirtschaftslehre, 8; Homann/Suchanek, Ökonomik, 24; Samuelson/Nordhaus, Economics, 7 f.; Kirchner, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 23, 24; für behavioral law and economics Englerth, Behavioral Law and Economics, 36; für einen Sammelband zum Thema property rights Anderson/McChesney, in: Anderson/McChesney, Property Rights, 3. Schon Ronald Coase, der häufig als der Begründer der NIÖ und der ökonomischen Analyse des Rechts angesehen wird, ging es vorrangig um die positive Analyse; siehe Rowley, in: Parisi/Rowley, Origins of Law and Economics, 3, 24. 28 Die ökonomische Analyse wird wohl überwiegend als ein theoretischer Ansatz außerhalb der klassischen, rechtsphilosophischen Gerechtigkeitstheorien gesehen; siehe etwa Kunz/Mona, Rechtsphilosophie, 208, 230 ff.
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sik zurück29. Dazu zählen erstens die Knappheit von Ressourcen jeder Art sowie hierauf bezogene, unbegrenzte Bedürfnisse30, zweitens die Betrachtung der Handlungen des einzelnen Individuums und nicht der Gruppe (methodologischer Individualismus)31 und drittens – zunehmend umstritten32 – das Verhaltensmodell des rationalen, eigeninteressierten, nutzenmaximierenden homo oeconomicus33. Anhand dieser Ausgangsannahmen werden nicht nur Institutionen und ihre Entstehung untersucht, sondern es wird ex ante prognostiziert, welche künftigen Auswirkungen eine Veränderung der Institutionen auf das Handeln der Menschen haben wird. Bereits diese, der positiven ökonomischen Analyse inhärente Folgenorientierung führt über den Vergleich unterschiedlicher Zustände oder Geschehensverläufe häufig zu einer Bewertung der analysierten Institutionen (etwa bestimmter property rights)34. Geradezu auf Wertungen angelegt ist die normative Ökonomik, die der Frage nachgeht, welche Entscheidungsalternative unter mehreren zur Wahl stehenden präferiert werden soll, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen35. Jedenfalls mit dieser Fragestellung wird die bloß beschreibende Erforschung der Wirklichkeit verlassen und die Ebene des Sollens erreicht. Diese Herangehensweise weckt zusätzliche Hoffnungen auf relevante Aussagen zu einem Rechtsprinzip der Güterzuordnung. Die Ökonomik orientiert sich wie die deutsche Rechtsordnung am einzelnen Individuum und seinen property rights. Außerdem beschränkt sie sich nicht auf deren positiv-analytische Erforschung, sondern geht in ihrem normativen Zweig der Frage nach, wie property 29 Posner, Economic Analysis of Law, 3 ff.; ders., JITE 149 (1993), 73, 75; Weigel, Rechtsökonomik, 13; Kirchner, Ökonomische Theorie, 11; Buhbe, Ökonomische Analyse, 5, 8; Gotthold, ZHR 144 (1980), 545, 546; Etzioni, in: Oppenheimer/Mercuro, Law and Economics, 15, 16; Menard/ Shirley, in: Menard/Shirley, New Institutional Economics, 1, 2. Kritisch zur Arbeit mit neoklassischen Annahmen Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, 3, 573 ff. (ein voll entwickeltes Alternativmodell zur Neoklassik sei in naher Zukunft nicht zu erwarten). In der Kulturanthropologie/ Wirtschaftsethnologie ist die Frage, ob diese Annahmen universell gültig sind (so die sog. Formalisten) oder nicht (so die wohl herrschende Meinung der Substantivisten) umstritten; siehe Rössler, Wirtschaftsethnologie, 37; Fikentscher, IIC 38 (2007), 137 ff. 30 Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 57 f.; Janson, Ökonomische Theorie, 26; Kirchner, Ökonomische Theorie, 12 f.; Engel, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 9, 33; Anderson/McChesney, in: Anderson/McChesney, Property Rights, 4. 31 Bontrup, Volkswirtschaftslehre, 29; Homann/Suchanek, Ökonomik, 26; Kirchner, Ökonomische Theorie, 18 ff.; Janson, Ökonomische Theorie, 24 f. 32 Zu behavioral law and economics unten B III. 33 Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 58 ff.; Kirchner, Ökonomische Theorie, 13 ff.; Weigel, Rechtsökonomik, 16 ff.; Noll, Rechtsökonomie, 16 ff.; Homann/Suchanek, Ökonomik, 26 ff., 363 ff.; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 28 ff.; Janson, Ökonomische Theorie, 26 ff.; Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, 19 ff.; Cooter/Ulen, Law and Economics, 15 ff.; Bartling/Luzius, Volkswirtschaftslehre, 5; Bontrup, Volkswirtschaftslehre, 46. 34 Eucken, Wirtschaftspolitik, 340; Janson, Ökonomische Theorie, 22 f.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 2; Georgakopoulos, Methods of Law and Economics, 22 (ökonomische Analyse des Rechts als konsequentialistische Theorie); Kirchner, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 23, 26; Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 132 (positive und normative Aussagen verschwimmen). 35 Dazu unten C.
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rights ausgestaltet sein sollten, um bestimmte Ergebnisse, insbesondere eine Steigerung der Gesamtwohlfahrt, zu erzielen. Damit erscheint sogar die Formulierung eines Gebots der Güterzuordnung nicht mehr ausgeschlossen, das auch auf der Grundlage des Methodendualismus Beachtung verdiente. Denn wenn die Ökonomik ein solches Gesetz entwickelt hätte, könnte sich eine Rechtsordnung dem wohl kaum prinzipiell widersetzen, solange sie nicht Ressourcenverschwendung auf ihre Fahnen schreibt. Insgesamt verwundert daher die gegenwärtige Dominanz der Ökonomik im Vergleich zu anderen realwissenschaftlichen Betrachtungen des Rechts nicht36. Um herauszufinden, ob die Ökonomik tatsächlich ein solches Güterzuordnungsgesetz ausspricht, sind im Folgenden die zentralen Aussagen der positiven Analyse zusammenzufassen (dazu B) und der Anspruch der normativen Analyse im Hinblick auf eine konkrete Sollensordnung zu hinterfragen (dazu C). Schließlich ist zu erörtern, ob die ökonomische Analyse angibt, wer ein etwaiges Postulat der Begründung von property rights zu erfüllen hat (dazu D).
B. Die positive ökonomische Analyse der Güterzuordnung und ihre Grenzen Zur Darstellung der positiven ökonomischen Analyse der Güterzuordnung und ihrer Grenzen sind zunächst der Begriff und die Grundfunktion von property rights zu klären (dazu I), bevor anhand der Differenziertheit der Studien (dazu II) gezeigt werden kann, welche Kernaussagen bisher geliefert wurden und ob diese ein Güterzuordnungsgesetz nahelegen (dazu III).
I. Begriff und Grundfunktionen von property rights Zentraler Terminus der güterzuordnungsrelevanten positiven Ökonomik ist das „property right“. Hierunter werden in denkbar weitem Sinne sozial anerkannte bzw. gesellschaftlich sanktionierte Handlungs- und Verfügungsrechte verstan36 Siehe Böhm/Eucken/Großmann-Doerth, in: Böhm, Die Ordnung der Wirtschaft, XIX f. („Das Zusammenwirken beider Wissenschaften … ist schlechthin notwendig.“); Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 14 (ökonomische Analyse des Rechts als „der mit Abstand fruchtbarste neue Ansatz zur Erforschung und Bewertung der Folgen von Rechtsnormen in der Rechtswirklichkeit“); ders., JZ 2005, 216, 217; Engel, in: Engel, Methodische Zugänge, 12, 36; Weigel, Rechtsökonomik, 16 (ökonomische Analyse sei salonfähig geworden); Noll, Rechtsökonomie, 42; Posner, Economic Analysis of Law, XIX; Cooter/Ulen, Law and Economics, 2 f. („most important legal development in legal scholarship of the twentieth century“); Oppenheimer/Mercuro, in: Oppenheimer/Mercuro, Law and Economics, 3; siehe ferner beeindruckend beeindruckt Georgakopoulos, Methods of Law and Economics, 3 („To its users, economic analysis of law is the greatest innovation in legal thinking at least since the code of Hammurabi – since the very idea of having laws.“). Zur Angst der Rechtswissenschaftler vor einem „Imperialismus“ der Wirtschaftswissenschaften als Grund für die Zurückhaltung gegenüber diesem Ansatz Janson, Ökonomische Theorie, 19.
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den, die in Bezug auf Güter Verhaltensweisen festlegen, die jeder zu beachten hat37. Der Begriff umfasst allerdings nicht nur individuelle Rechtspositionen, sondern auch gemeinschaftliches „Eigentum“ (Allmende), Befugnisse des Staates und sogar den Zustand fehlender Zuordnung, also ungehinderten Zugang aller, und zwar unabhängig davon, ob diese Regeln auf die Rechtsordnung oder soziale Konventionen zurückgehen38. Wegen dieser speziellen Bedeutung im Kontext der Ökonomik wird hier auf eine Übersetzung und Eingliederung in die in § 1 dargelegte Begrifflichkeit verzichtet, auch weil den Begriffen „Handlungs- und Verfügungsrecht“ in der juristischen Diskussion teilweise ein eigenständiger, engerer Gehalt zugemessen wird39. Im Übrigen konzentriert sich die folgende Darstellung auf property rights im Sinne von Ausschließlichkeitsrechten40. Property rights werden weithin als notwendige Voraussetzung für das Funktionieren des Marktmechanismus angesehen41. Ohne klar definierte Rechte an Gütern kämen keine Transaktionen mit gegenseitigen Kooperationsgewinnen zu-
37 Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 98; Weigel, Rechtsökonomik, 26; Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, 95 ff.; Buhbe, Ökonomische Analyse, 3; Pejovich, in: Pejovich, Property Rights I, XIII; Müller/Tietzel, in: Backhaus, Law and Economics, 40 („socially recognized entitlements of individuals to use a good.“); Lehmann, FS Hubmann, 255, 260; Reich, Ökonomische Analyse des Urheberrechts, 70. 38 Siehe Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 100; Weigel, Rechtsökonomik, 28 f. (Formenvielfalt der Handlungsrechte); Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, 143 (jegliche Art von Berechtigung, über Ressourcen zu verfügen, nicht nur das Eigentum); Buhbe, Ökonomische Analyse, 3; Alston/Mueller, in: Menard/Shirley, New Institutional Economics, 573; Anderson/McChesney, in: Anderson/McChesney, Property Rights, 1. 39 Zwischen juristischen und wirtschaftswissenschaftlichen Begriffen unterscheidend auch Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, 95 ff. Siehe ferner Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 155 (die Theorie des subjektiven Rechts sei über die Entdeckung von property rights „seit langem weit hinaus“). Nach Engel, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 9, 49, entspricht das Konzept der Verfügungsrechte dem Eigentumsbegriff des Verfassungsrechts.a.A. und wohl richtig Häberle, in: Neumann, Eigentums- und Verfügungsrechte, 63, 65 (Begriff der property rights weiter als der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff). Gerade umgekehrt mit Blick auf das US-amerikanische „property law“ Cooter/Ulen, Law and Economics, 77 („Traditional legal scholarship on property law is notoriously weak in its use of theory …“). 40 Generelle Beschränkung auf „absolute“ Rechte bei Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 549 f.; auf übertragbare „Besitzrechte“ bei Shavell, Economic Analysis, 9 ff.; Reich, Ökonomische Analyse des Urheberrechts, 70 f. 41 Siehe allgemein Eucken, Wirtschaftspolitik, 271 (Privateigentum als Voraussetzung der Wettbewerbsordnung); Fikentscher, FS Lukes, 375, 391; Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, 94; Luhmann, in: Krawietz/Martino/Winston, Technischer Imperativ, 43, 55 („Die Wirtschaft könnte dagegen überhaupt nicht ausdifferenziert werden, sie könnte kein Funktionssystem der Gesellschaft werden, wenn es kein Eigentum gäbe. Denn für alle Transaktionen der Wirtschaft ist Voraussetzung, dass man feststellen kann, wer über was disponieren kann … Im Wirtschaftssystem ist das Eigentum Komponente eines binären Codes, der das System überhaupt erst ausdifferenziert. Hier geht es um Verteilung der Dispositionbefugnis, um Haben und Nichthaben. Wäre Haben und Nichthaben nicht unterscheidbar, käme keine Wirtschaft zustande; so wenig wie es ein Rechtssystem geben könnte, wenn man nicht zwischen Recht und Unrecht unterscheiden könnte.“).
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stande (bargaining theory)42. Auch die dezentrale Koordination der Einzelpläne über die Preisbildung als Maßstab der Bedürfnisse und ihrer gegenwärtigen Befriedigung würde scheitern43. Ferner sollen property rights Sicherheit im Umgang mit Gütern begründen und damit zu einem produktiven, ressourcenschonenden Verhalten anreizen44.
II. Differenzierende Analyse von property rights Diese Darstellung erweckt den Eindruck, als würde die positive ökonomische Analyse property rights undifferenziert als für die Marktwirtschaft günstige und daher unverzichtbare Institution einschätzen. Bei diesen, im Grunde nur die impliziten Annahmen der Neoklassik bestätigenden Annahmen45, ist die NIÖ aber längst nicht stehengeblieben. Die einschlägigen Studien haben vielmehr zu derartig ausdifferenzierten Ergebnissen geführt, dass sich pauschale Urteile über die Notwendigkeit einer bestimmten Art von Rechtsposition verbieten. Das sei im Folgenden anhand der Analyse unterschiedlicher Arten von property rights (dazu 1), von verschiedenen Gütern und Nutzungen, auf die sich diese Rechte beziehen (dazu 2) sowie in Bezug auf die Frage nachgewiesen, welche Regeln für die erste Inhaberschaft von property rights diskutiert werden (dazu 3). 1. Verschiedene property rights Wie eingangs gezeigt, hatten es sich die Vertreter der NIÖ zur Aufgabe gemacht, die von der Neoklassik vorausgesetzten property rights einer näheren Prüfung 42 Posner, Economic Analysis of Law, 9, 33 („necessary rather than a sufficient condition for the efficient use of resources“); Shavell, Economic Analysis, 18 ff.; Cooter/Ulen, Law and Economics, 78 ff.; Knieps, Wettbewerbsökonomie, 3; Homann/Suchanek, Ökonomik, 118 f.; Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, 93; Weigel, Rechtsökonomik, 5, 30; Noll, Rechtsökonomie, 53; Anderson/McChesney, in: Anderson/McChesney, Property Rights, 6; Merges, Berkeley Tech. L.J. 20 (2005), 1477 ff.; Alston/Mueller, in: Menard/Shirley, New Institutional Economics, 573, 574; Engel, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 9, 47 ff.; Walz, KritV 1986, 131, 150 f.; Kirchner, Ökonomische Theorie, 22 f. (Schaffung von property rights und Regelung der Transaktionskosten als zustimmungsfähige Lösung); Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 551, 562 f.; Demsetz, in: Parisi/Rowley, Origins of Law and Economics, 241, 242 („… to support perfect competition all scarce recources should be privately, unambiguously, and securely owned“; Hervorh. im Original); Einhorn, J. Copyright Soc’y U.S.A. 51 (2003/2004), 279, 313 f. 43 Zu Oskar Langes 1936 formulierter Gegenauffassung einer effizienten Ressourcenallokation in einer sozialistischen Volkswirtschaft ohne Privateigentum nur etwa Nutter, in: Pejovich, Property Rights II, 26 ff. („Markets without divisible and transferable property rights are a sheer illusion.“). 44 Posner, Economic Analysis of Law, 32 („The principle applies to all valuable resources.“); Shavell, Economic Analysis, 11 ff.; Cooter/Ulen, Law and Economics, 84; Knieps, Wettbewerbsökonomie, 3; Weigel, Rechtsökonomik, 29; Homann/Suchanek, Ökonomik, 118 f.; Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, 93; Müller/Tietzel, in: Backhaus, Law and Economics, 40; Alston/ Mueller, in: Menard/Shirley, New Institutional Economics, 573, 574. 45 Siehe Barzel, Property Rights, 8 („… in the Walrasian, perfectly competitive, model, rights are perfectly delineated and transaction costs are zero“).
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dahingehend zu unterziehen, wie sie zustande kommen und welche Auswirkungen sie auf die Ressourcenallokation haben. Einer der ersten Schritte in diese Richtung war, verschiedene „Ausdünnungen“ von property rights zu unterscheiden46. Gebräuchlich sind insoweit – die property rule, wonach eine bestimmte Güternutzung nur nach Zustimmung des Berechtigten zulässig ist, der diese Befugnis auch übertragen darf47; – die liability rule, bei der eine unerlaubte Nutzung zwar nicht abgewehrt werden kann, aber immerhin zu entschädigen ist48; – die inalienablility, womit auf die Unübertragbarkeit bestimmter Rechtspositionen Bezug genommen wird49; – die commons als gemeinsame Nutzung einer Ressource durch eine Gruppe, der die ausschließlichen Rechte hieran zustehen50; – und schließlich open/free access, wo jedermann nutzen darf, ohne dass eine Person oder Gruppe ausschließliche Rechte am betreffenden Gut innehat51. Die positive Ökonomik fragt nun, welche Rechtestruktur zu einer optimalen Ressourcenallokation beiträgt. Dabei geht sie gerade nicht davon aus, dass eine bestimmte Variante per se vorzugswürdig ist52. So wird eine property rule der liability rule nicht mehr vorgezogen, wenn zu hohe Transaktionskosten53 zweiseitige Kooperationsgewinne verhindern, so dass eine bloße Entschädigungslösung effizienter erscheint54. Die Unübertragbarkeit von property rights (inalienability) 46
Kruse, in: Oppenheimer/Mercuro, Law and Economics, 161, 165. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 551; Miceli, in: Backhaus, Law and Economics, 246, 249; Alston/Mueller, in: Menard/Shirley, New Institutional Economics, 573. 48 Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 551; Miceli, in: Backhaus, Law and Economics, 246, 249. 49 Siehe Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 49 (Unterscheidung zwischen übertragbaren „entitlements“ und unübertragbaren „rights“, die aus Effizienzgesichtspunkten nicht begründbar seien). 50 Alston/Mueller, in: Menard/Shirley, New Institutional Economics, 573; Eggertsson, in: Anderson/McChesney, Property Rights, 73, 74. 51 Alston/Mueller, in: Menard/Shirley, New Institutional Economics, 573; Eggertsson, in: Anderson/McChesney, Property Rights, 73, 74; dort auch zur Abgrenzung von open access und common property; zu einer freiheitlichen Gemeinschaftsgüterwirtschaft mit „collective goods“ Fikentscher, FS Mestmäcker, 199, 216 ff. 52 Ausdrücklich Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, 122 (Privateigentum nicht die einzige soziale Institution, die eine effiziente Mittelverwendung fördern kann); Barzel, Theory of the State, 161; Shavell, Economic Analysis, 21 f.; Kruse, in: Oppenheimer/Mercuro, Law and Economics, 161, 165 m.w.N. und Kritik an der Reduktion mancher Studien auf private property vs. open access. 53 Zum Begriff und zu Einzelheiten der Analyse von Transaktionskosten nur etwa Coase, J.L. & Econ. 3 (1960), 1, 15; Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, 55 ff.; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 91 ff.; Noll, Rechtsökonomie, 44 f. 54 Posner, Economic Analysis of Law, 67 ff.; Miceli, in: Backhaus, Law and Economics, 246, 249; Calabresi/Melamed, Harv. L. Rev. 85 (1972), 1089, 1092 ff.; Kaplow/Shavell, Harv. L. Rev. 109 (1996), 715 ff.; Ronen, Int. Rev. L. & Econ. 24 (2004), 269 ff. Zur ausgedehnten Diskussion im Bereich der immateriellen Güter unten 2 d. Behavioral Law and Economics hat diese Abwägungsargumentation insofern ergänzt, als einerseits auf Transak47
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wird nicht nur mit der Durchsetzung moralischer Vorstellungen, sondern auch mit der langfristigen Sicherung und damit effizienten Nutzung von Gütern erklärt und begründet55. Während in großen, heterogenen Gruppen viel für eine individuelle Zuordnung spricht, haben sich gemeinschaftlich ausgeübte Rechte (commons) in homogenen Gruppen als stabil und vorteilhaft erwiesen56. Schließlich wurde sogar der ungehinderte Zugang zu Gütern (open access) unter bestimmten Bedingungen als effizient eingestuft. Dies gilt zum Beispiel im Hinblick auf Straßen, Bürgersteige und Parks, die diskriminierungsfrei und steuerfinanziert zugänglich sein sollten, damit solche Güter überhaupt zur Verfügung stehen57. Schließlich wird vermehrt auf Effizienzgewinne hingewiesen, die sich daraus ergeben, dass viele an sich zugeordnete Nutzungen von Rechtsinhabern freigegeben werden, weil sie selbst damit ingesamt mehr Vor- als Nachteile erzielen (klassisches Beispiel: der Salzstreuer im Restaurant)58. 2. Verschiedene Güter und Nutzungen Aber nicht nur die differenzierende Analyse verschiedener Arten von property rights lässt eine gesetzmäßige Aussage über die Vorzugswürdigkeit von property rules bzw. Ausschließlichkeitsrechten kaum zu. Denn welche Variante effiziente Ergebnisse hervorbringt, hängt nach neueren Erkenntnissen der positiven Ökonomik maßgeblich von der jeweiligen Sachverhaltskonstellation und insbesondere davon ab, welche Eigenschaften das betreffende Gut aufweist59. Ausschlaggebend für diese nunmehr nachzuzeichnende Differenzierung ist, ob die Nutzung des Gutes durch Person A den Nutzwert für Person B und alle anderen
55 tionskosten erhöhende Besitzeffekte (was für liability rules spreche), andererseits auf fairnessbezogenes Verhalten (was für property rules spreche) hingewiesen wird; siehe Englerth, Behavioral Law and Economics, 44 f. 55 Zur Unübertragbarkeit als ggf. effiziente, wenn auch zweitbeste Lösung Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 564 ff.; zweifelnd in Bezug auf das Verbot des Handels mit Blutkonserven Cooter/Ulen, Law and Economics, 162. 56 Alchian/Demsetz, J. Econ. History 33 (1973), 16, 24 f.; Posner, Economic Analysis of Law, 75 ff.; Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, 122 ff.; Eggertsson, in: Anderson/McChesney, Property Rights, 73, 86 („… in some cases, common property is the most efficient arrangement“); Engel, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 9, 36 m.w.N.; Vanneste/ van Hiel/Parisi/Depoorter, Int. Rev. L. & Econ. 26 (2006), 104, 116 ff. (common property könne weniger nachteilig sein als zu viele überlappende property rules, die zu einem durch Besitzeffekte verstärkten anticommons Problem gegenseitiger Veto-Rechte führten). 57 Siehe Shavell, Economic Analysis, 110 ff. Zu dieser Diskussion in Bezug auf immaterielle Güter unten 2 d. Allgemein zu einer freiheitlichen Gemeinschaftsgüterwirtschaft Fikentscher, FS Mestmäcker, 199, 216 ff. 58 Barzel, Property Rights, 64 („Property rights … are never perfectly defined.“), 72 („The a priori conclusion that making … assets private will get better use out of them is not warranted.“); Eggertsson, in: Anderson/McChesney, Property Rights, 73, 80 f.; Alston/Mueller, in: Menard/Shirley, New Institutional Economics, 573. 59 Damit wird die Ebene unterschiedlicher Güter, die auf der Ebene juristischer Dogmatik bewusst ausgeklammert wurde (oben § 1 A III 1), gesondert in diesem, der Seinsebene gewidmeten Kontext betrachtet.
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reduziert (Rivalität), und ob der Ausschluss Dritter überhaupt effizient möglich ist (Exklusivität)60. Auch wenn es sich hierbei um relative Kriterien handelt61, so ist in der Tendenz doch erkennbar, dass property rules umso eher gefordert werden, je rivalisierender die Nutzung und exklusiver das Gut ist62, während derartige Rechte umso umstrittener sind, je weniger diese Charakteristika gegeben sind. a) Verbrauchbare Naturgüter Zu den Gütern, für die das Axiom der Knappheit gilt, werden bewegliche Sachen, Land, Bodenschätze, Gewässer – letztlich alle Naturgüter der Erde gezählt63. Sie stehen nur in begrenzter Menge zur Verfügung, und ihre Nutzung ist rivalisierend. Hierauf reagiert die Ökonomik mit der Forderung nach property rights. Zur Begründung wird unter anderem die „Tragödie der Allmende“ angeführt: Dürften etwa Land und Gewässer von jedermann einschränkungslos genutzt werden, drohte ihre Zerstörung, weil kein Nutzer die negativen Externalitäten64 seiner Handlung berücksichtigen müsste. Vermieden wird dies durch die exklusive Zuordnung derartiger Güter, und die damit ermöglichte, eigensinnige Schonung durch den Berechtigten65. Eine solche Eigentumsordnung hat zudem den Vorteil, dass niemand in ständiger Sorge um seine Güter Verteidigungskosten aufwenden
60 Siehe etwa Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 108; Cooter/Ulen, Law and Economics, 46 f.; Maughan, Prometheus 22 (2004), 379, 382. 61 Siehe Demsetz, J.L. & Econ. 13 (1970), 293 ff.; Boyle, Vanderbilt L. Rev. 53 (2000), 2007, 2015 (Unterscheidung zwischen öffentlichen Gütern, bei denen zumindest eine gewisse Exklusivität hergestellt werden könne (dann Einrichtung von property rights und private Herstellung), und collective goods, bei denen Exklusivität nicht hergestellt werden könne (dann öffentliche Finanzierung)); Kruse, in: Oppenheimer/Mercuro, Law and Economics, 161, 165 (in Bezug auf Sendefrequenzen als „common-pool resource“). 62 Sog. „private“ Güter; siehe nur Kruse, in: Oppenheimer/Mercuro, Law and Economics, 161, 165. 63 Bartling/Luzius, Volkswirtschaftslehre, 4; Engel, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 9, 33 (freie Güter gebe es auf der dicht besiedelten Erde kaum noch). 64 Die Studie der sog. Externalitäten ist ein wichtiges Kriterium der Analyse von property rights. Demnach wird als technische Externalität der Umstand beschrieben, dass die Aktivität einer Partei A bei Partei B Kosten oder Vorteile auslöst, ohne dass A dafür zahlen muss oder im Rahmen des Marktmechanismus ein Entgelt erhält (z.B. Ansicht eines schönen Hauses als positive Externalität, umweltbelastende Emmissionen als negative Externalität). Wenn diese Externalitäten einer Person zugeordnet und damit seiner Haftung (negative Externalität: Kosten) oder seinem Entgeltanspruch (positive Externalität: Umsatz) unterstellt werden (Internalisierung), werden sie über den Marktmechanismus optimal (positive Externalitäten) bzw. minimal (negative Externalitäten) ausgenutzt, so dass die Gesamtwohlfahrt gesteigert wird; siehe Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, 109 ff.; Noll, Rechtsökonomie, 21 ff.; Cooter/Ulen, Law and Economics, 167 ff.; Shavell, Economic Analysis, 77 ff. 65 Demsetz, Am. Econ. Rev. 57 (1967), 347, 354 f.; Hardin, Science 162 (1968), 1243 ff.; Lehmann, Ökonomische Analyse, 35 ff.; ders., GRUR Int. 1983, 356 ff.; Homann/Suchanek, Ökonomik, 120 f.; Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, 119 ff. Zu diesem Gedanken bei Aristoteles Szaif, in: Eckl/Ludwig, Eigentum, 52 f. m.w.N.
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muss und sich deshalb nicht ihrer Nutzung und Pflege widmen kann66. Mehrere historisch-empirische Studien (z.B. in Bezug auf Jagdgebiete der Indianer in Nordamerika) haben diese Hypothese bestätigt, indem sie zeigten, dass Zuordnungsregeln dann „automatisch“ entstanden, wenn die Güternutzung aufgrund sozio-kultureller und technologischer Änderungen intensiviert wurde67. Der Kern dieser Argumentation trägt in jüngerer Zeit die Etablierung eines Marktes für „Treibhausgasemissionszertifikate“, denn durch diese Internalisierung negativer externer Effekte soll eine Zerstörung der Umwelt durch übermäßige Luftverschmutzung verhindert werden68. Insgesamt wird für verbrauchbare Güter, deren Nutzung rivalisierend ist, die Einrichtung einer property-rights-Struktur befürwortet69. Freilich darf daraus nicht vorschnell auf ein entsprechendes Güterzuordnungsgebot geschlossen werden. Zum einen können die property rights unterschiedlich ausgestaltet sein; insbesondere wird unter bestimmten Voraussetzungen auch eine gemeinschaftliche Verwaltung (commons) für effizient erachtet70. Zum anderen wird die beschreibende Theorie der „automatischen“ Entstehung von property rights inzwischen als „naiv“ kritisiert71, weil sie den politisch-sozialen Kontext ignoriere und nicht frage, wer welchem Anspruchsteller welche Rechte gewährt habe72. Hein66 Cooter/Ulen, Law and Economics, 84; Shavell, Economic Analysis, 20; Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, 94; Alston/Mueller, in: Menard/Shirley, New Institutional Economics, 573, 579. Zur Kritik an dieser Verallgemeinerung unten III. 67 Klassisch Demsetz, Am. Econ. Rev. 57 (1967), 347, 350 ff. (Entstehung individueller Jagdgebiete unter nordamerikanischen Indianern mit Aufleben des Pelzhandels); ders., in: Parisi/Rowley, Origins of Law and Economics, 241, 246; ferner Cooter/Ulen, Law and Economics, 143, 149; Weigel, Rechtsökonomik, 32 ff.; Müller/Tietzel, in: Backhaus, Law and Economics, 40, 50; Miceli, in: Backhaus, Law and Economics, 246, 255. Nachweise zu entsprechenden Studien bei Alston/Mueller, in: Menard/Shirley, New Institutional Economics, 573, 575; zu ethnologischen Studien bei Rössler, Wirtschaftsethnologie, 98. 68 Siehe § 1 S. 1 Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz – TEHG („Zweck dieses Gesetzes ist es, für Tätigkeiten, durch die in besonderem Maße Treibhausgase emittiert werden, die Grundlagen für den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen in einem gemeinschaftsweiten Emissionshandelssystem zu schaffen, um damit durch eine kosteneffiziente Verringerung von Treibhausgasen zum weltweiten Klimaschutz beizutragen.“). 69 De Alessi, in: Anderson/McChesney, Property Rights, 90 ff. m.w.N. (es gehe nicht darum, ob property rights eingeführt würden, sondern wann und wie). 70 Oben Fn. 56. 71 Siehe Alston/Mueller, in: Menard/Shirley, New Institutional Economics, 573, 578 f. Kritisch zu Demsetz Studie der Entstehung von Grundstückseigentum im Indianerland unter Hinweis auf vorbestehende, aber ausgeblendete Stammesrechte (common property) Kruse, in: Oppenheimer/ Mercuro, Law and Economics, 161, 169; Buhbe, Ökonomische Analyse, 113 f. (Vorteile der Entwicklung „unbewiesene Unterstellung“). Kritik an der „naiven“ property-rights-Theorie aus marxistischer Sicht bei Gotthold, ZHR 144 (1980), 545, 547 ff. 72 Siehe Alston/Mueller, in: Menard/Shirley, New Institutional Economics, 573, 576 ff. (Unterscheidung zwischen der Nachfrage und dem Angebot von staatlich etablierten property rights); Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, 126, 132 ff.; Heinsohn/Steiger, Eigentum, Zins und Geld, 119, 137 (Eigentum entstand nicht aus ökonomischer Zwangsläufigkeit, sondern aus einer politischen Revolution); Cooter/Ulen, Law and Economics, 149; Kruse, in: Oppenheimer/Mercuro, Law and Economics, 161, 173 ff., 180 (die Schaffung von property rights sei in der Regel mit
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sohn/Steiger bemängeln darüber hinaus, viele historische Studien erläuterten eigentlich ein bloßes System des Besitzschutzes in Stammes- oder Feudalordnungen und keine Ausschließlichkeitsrechte wie das Sacheigentum, weil die für eine moderne Geldwirtschaft entscheidende Übertragbarkeit und insbesondere Verpfändbarkeit des Eigentums ausgeblendet bleibe73. Selbst wenn man trotz dieser Kritik von einer gleichsam naturwüchsigen Tendenz zur ausschließlichen Zuordnung ausgeht, so betrifft diese Aussage insbesondere bewegliche und unbewegliche Sachen, deren Zuordnung über das Sacheigentum bereits „erledigt“ ist. b) Nicht verbrauchbare Güter, deren Nutzung rivalisierend ist Von Sachen und Naturgütern sind solche Güter zu unterscheiden, die zwar selbst bei intensivster Nutzung nicht zerstört oder aufgebraucht werden können, deren Gebrauch aber doch rivalisierend ist, so dass man ebenfalls von knappen Gütern sprechen kann. Auch wenn die Tragödie der Allmende in diesen Fällen als Argument ausfällt, werden property rights grundsätzlich bejaht, um gegenseitige Störungen von Nutzungswilligen und kostenintensive Auseinandersetzungen um diese Güter zu vermeiden. In diese Kategorie fallen etwa Sendefrequenzen74, für die in der Ökonomik staatlich verliehene, unübertragbare Lizenzen oder auktionierte, ggf. beschränkt übertragbare Nutzungsrechte75 diskutiert werden, und Umlaufbahnen für Satelliten76. Ferner weisen die in dieser Untersuchung noch näher zu betrachtenden Internet-Domains die genannten Charakteristika auf77. Die Konnektierung einer bestimmten Internet-Adresse mit einem Rechner wird nämlich durch besonders häufige Anwahl dieser Domain in ihrem Nutzwert nicht beeinträchtigt, sondern allenfalls gesteigert. Dass dennoch jeder vernetzte Computer mit einer einmaligen Adresse versehen sein muss, ist nicht Folge einer Zuordnungsentscheidung, sondern der technischen Struktur des Internets78. Die Bedeutung externer Faktoder73Ausübung von Macht verbunden, bei der die Gewinner nur so viele Kosten internalisieren wie unbedingt nötig); Müller/Tietzel, in: Backhaus, Law and Economics, 40, 49 f.; McChesney, in: Anderson/McChesney, Property Rights, 227, 251. Allgemein zur Bedeutung der public-choiceTheorie für die ökonomische Analyse Parisi, in: Parisi/Rowley, Origins of Law and Economics, 33, 37 f. 73 Siehe Heinsohn/Steiger, Eigentumsökonomik, 9 ff., 42 ff. (mit Kritik insbesondere an Demsetz, der in seiner klassischen Studie zur Entstehung von property rights unter Indianern nur die Abgrenzung von Jagdgebieten beschreibe, nicht aber ein Eigentumssystem unter Einbeziehung des Rechtsverkehrs). 74 VG Köln MMR 2003, 61, 62 (der technisch nutzbare Teil der elektromagnetischen Wellen sei begrenzt und daher ein knappes Gut). Zur Frequenzverteilung im deutschen Recht siehe die §§ 52– 65 TKG sowie VG Köln a.a.O. 75 Siehe dazu Posner, Economic Analysis of Law, 46 f.; Shavell, Economic Analysis, 26 m.w.N.; Kruse, in: Oppenheimer/Mercuro, Law and Economics, 161, 183 ff. (Unterschiede der rechtlichen Ordnung von Sendefrequenzen in den USA und Europa seien auf ideologische und institutionelle Divergenzen zurückzuführen). 76 Shavell, Economic Analysis, 26. 77 Siehe unten § 4 B IV, dort auch zur technischen Struktur. 78 Siehe Mueller, Ruling the Root, 114 ff.
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ren für die Entstehung bestimmter property rights erweist sich an diesem Beispiel außerdem dadurch, dass durch die Vergabe weiterer Top Level Domains praktisch unbegrenzt viele Internet-Adressen etabliert und auf diese Weise das Knappheitsproblem behoben werden könnte. Dazu kommt es aufgrund institutioneller Entscheidungen im Interesse bestimmter Beteiligter jedoch nicht79. c) Öffentliche Güter Während für die vorgenannten „privaten“ Güter eine allerdings erheblich variierende property-rights-Struktur befürwortet wird, werden andere Grundsätze für „öffentliche“ Güter formuliert, deren Nutzung nicht rivalisierend und nicht exklusiv ist80. Klassische Beispiele hierfür sind Leuchttürme und die Landesverteidigung. Die Nutzung ihrer Vorteile durch ein weiteres Schiff bzw. einen weiteren Bürger ist nicht rivalisierend, wenn auch die Zahl derjenigen, die die Lichtstrahlen eines Leuchtturms empfangen bzw. verteidigt werden können, begrenzt ist. Zugleich können Trittbrettfahrer kaum ausgeschlossen werden, so dass eine individuelle Rechtestruktur sehr hohe Kosten verursachen würde. Folglich wird ganz überwiegend eine Steuerfinanzierung für effizient gehalten81. d) Immaterielle Güter Mit Blick auf die folgende Untersuchung relevanter als Leuchttürme und die Landesverteidigung sind immaterielle Güter. Damit sind wie erläutert Begriffe für reproduzierbare Fixierungen gemeint, die von Menschen als identische Informationen wahrgenommen werden, z.B. eine Erfindung, ein Musikstück oder die Firma eines Unternehmens82. Zu diesen Gütern und daran bestehenden „intellectual property rights“ liegt eine seit den 1980er Jahren entstandene, inzwischen kaum mehr übersehbare Fülle ökonomischer Studien vor83. Die Kernaussagen dieses Forschungsbereichs sollen im Folgenden in Bezug auf zwei Aspekte zusammengefasst werden. Darzulegen ist erstens, inwieweit diese Güter von den übrigen, insbesondere den privaten Gütern unterschieden werden. Zweitens ist zu zeigen, welche weiteren Differenzierungen innerhalb der Gruppe der immate-
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Siehe Mueller, Ruling the Root, 255 ff. (dort auch zu einem alternativen Modell, bei dem private Betreiber von Registern Top Level Domains als ihre Marke vergeben). 80 Cooter/Ulen, Law and Economics, 108 („… private goods should be privately owned and public goods should be publicly owned“). 81 Kritisch mit Hinweis auf fehlende empirische Überprüfung dieser Annahmen Coase, in: Parisi/Rowley, Origins of Law and Economics, 199, 218 f. (in England würde eine individuelle Vergütung für Leuchttürme erhoben, so dass sich eine bessere Abstimmung zwischen den Bedürfnissen der Schiffsführer und den Hafenbehörden ergeben habe). 82 Zum Immaterialgut als Begriff oben § 1 A III 1. 83 Zur historischen Entwicklung der ökonomischen Analyse von „intellectual property rights“ Landes/Posner, Intellectual Property Law, 1 f. Ein systematisierender Überblick der Literatur zur ökonomischen Analyse der Immaterialgüterrechte findet sich bei Benkler, Int. Rev. L. & Econ. 22 (2002), 81–83. Siehe ferner nur etwa die dreibändige Aufsatzsammlung von Towse/Holzhauer, Economics of Intellectual Property Law, 2002.
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riellen Güter vorgenommen werden. Wenn diese weitgehend konsentierten Erkenntnisse einen allgemeinen Satz nahelegen, dann den, dass sich pauschale Urteile über eine effiziente Rechtestruktur verbieten. aa) Immaterielle Güter im Vergleich zu anderen Gütern In frühen Studien wurden sog. intellectual property rights teilweise noch mit denselben Argumenten wie Rechte an Sachen begründet84. Inzwischen sind jedoch die grundlegend unterschiedlichen Charakteristika von verbrauchbaren, in ihrer Nutzung sonst rivalisierenden und öffentlichen Gütern einerseits und immateriellen Gütern andererseits anerkannt85. Letztere zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Nutzung, d.h. weitere Reproduktion, nicht oder nur mit sehr hohen Kosten gesteuert werden kann (Nichtexklusivität)86 und insbesondere nicht rivalisierend ist87. Zum Beispiel macht die Aufführung oder Vervielfältigung eines Musikstücks es keiner anderen Person unmöglich oder aufwendiger, diese Nutzungen parallel dazu ebenfalls vorzunehmen; ferner kann das immaterielle Gut Komposition selbst bei intensivster Nutzung nicht aufgezehrt werden88. Es drohen weder eine Tragödie der Allmende noch eine gegenseitige Störung wie bei Sendefrequenzen. Ein volles Verständnis dieser Eigenschaften setzt voraus, wie hier zwischen den einzelnen Fixierungen und dem jeweiligen Begriff des Immaterialguts zu unterscheiden. Dann wird ohne weiteres deutlich, dass allenfalls von einer mittelbaren, nämlich auf die Träger bezogenen Nutzungsrivalität gesprochen werden kann. Während Trägerobjekte (z.B. Papier, Festplatten) und menschliches Erinnerungsvermögen nur in
84 Siehe z.B. Demsetz, Am. Econ. Rev. 57 (1967), 347, 359 (die Probleme der Externalitäten seien „closely analogous“ im Vergleich zu Grundstücken); v. Weizsäcker, Kyklos 34 (1981), 345, 361 (Vergleich zwischen einem Patentpool und einem See); ebenso dann Lehmann, GRUR Int. 1983, 356, 360 („Geistiges und gewerbliches Eigentum wurde daher genauso wenig ökonomisch optimal genützt wie der See in unserem vorab dargestellten Beispiel.“); weitere Nachweise bei Lemley, Texas L. Rev. 83 (2005), 1031, 1035. 85 Gegen die Analogie Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 357; Cornish, in: Schricker/ Dreier/Kur, Geistiges Eigentum, 9, 16 f.; Lessig, Future of Ideas, 237 f.; Lemley, Chicago L. Rev. 71 (2004), 129 ff.; ders., Texas L. Rev. 83 (2005), 1031 ff.; Boyle, L. & Contemp. Probs. 66 (2003), 33, 41 ff.; kritisch Duffy, Texas L. Rev. 83 (2005), 1077 ff. mit Erwiderung Lemley, Texas L. Rev. 83 (2005), 1097 ff., jeweils m.w.N.; anderer Akzent bei Landes/Posner, Intellectual Property Law, 8 (der Hauptunterschied zwischen Rechten an Sachen und immateriellen Gütern sei, dass bei Rechten an Sachen die Transaktionskosten höher seien und deshalb mehr für eine Zuordnung spreche). Generell kritisch zu Rechten an Informationen Sieber, NJW 1989, 2569, 2575 („unbrauchbar“). 86 Digital Rights Management (DRM) mag faktische Exklusivität herstellen, ist jedoch unstreitig mit erheblichen Kosten verbunden; dazu aus Sicht der ökonomischen Analyse nur etwa Bechtold, Vom Urheber- zum Informationsrecht, 282 ff. 87 Siehe nur Benkler, Int. Rev. L. & Econ. 22 (2002), 81, 83 mit Fn. 13; Elkin-Koren/Salzberger, Int. Rev. L. & Econ. 19 (1999), 553, 559 ff.; Gordon, Columbia L. Rev. 82 (1982), 1600, 1611; Bechtold, Vom Urheber- zum Informationsrecht, 284 ff. 88 Cohen, Michigan L. Rev. 97 (1998), 462, 511; Koboldt, in: Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse der rechtlichen Organisation von Innovationen, 69, 72 f.
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begrenzter Menge verfügbar und in der Benutzung rivalisierend sind89, tangiert die Herstellung einer weiteren Fixierung eines Musikstücks den dafür gewählten allgemeinen Begriff – eben das Immaterialgut – nicht. Hieraus ergibt sich ein von den privaten Gütern grundlegend abweichendes Knappheitsproblem, für das unterschieden werden muss zwischen dem, was knapp ist und auf welchen Zeitpunkt sich die Knappheit bezieht. Soweit auch nur eine Fixierung eines Immaterialguts existiert, besteht zwar eine Knappheit dieser Materialisierungen, seien es Trägermedien wie Papier und Computer oder Menschen, die sich für das Immaterialgut interessieren. Diese gegenwärtige Knappheit von Fixierungen vorhandener Immaterialgüter kann am besten behoben werden, indem die Reproduktion erleichtert, also möglichst nicht eingeschränkt wird. Davon zu unterscheiden ist die begrenzte und damit knappe Gesamtzahl verfügbarer Immaterialgüter. Hier steht nicht die einzelne Reproduktion im Blickpunkt, sondern die Vermehrung der Anzahl von Erfindungen oder Werken der Literatur90. Diese Eigenheiten verbieten es, die Gründe, mit denen insbesondere das Sacheigentum ökonomisch gerechtfertigt wird, auf Rechte an immateriellen Gütern zu übertragen. Für die folglich eigenständige Erklärung von intellectual property rights unterscheidet die positive Ökonomik des Weiteren Immaterialgüter, denen unmittelbarer Nutzwert zukommt und deren Zahl deshalb erhöht werden soll, von geschäftlichen Kennzeichen wie Marken, Firma usw., denen lediglich eine mittelbare, spezifische Bedeutung zugebilligt wird91. bb) Unterschiedliche Immaterialgüter und daran bestehende property rights (1) Immaterialgüter mit einem Nutzwert als solchem. Die erstgenannte Gruppe von Immaterialgütern befriedigt als solche Bedürfnisse ästhetischer, technischer, wirtschaftlicher oder sonstiger Art. Dazu zählen mit Blick auf das deutsche
89 Je wichtiger das Trägermedium für die Nutzung des Immaterialguts ist, desto deutlicher wirkt sich die Rivalität der Nutzung des Trägermediums auf die Nutzung des darin verkörperten Immaterialguts aus: Existiert z.B. nur ein Original eines Schriftwerkes und ist die Nutzung durch einen anderen schwierig (etwa weil das Werk per Hand abgeschrieben werden muss), ergibt sich faktisch kein Unterschied zum körperlichen Gut. Ist das Trägermedium aber überall verfügbar (wie im Fall von Speichermedien für digitale Daten, die zudem über das Internet verbunden sind), wird die Nichtrivalität der Nutzung des Immaterialguts (z.B. des Musikstücks, der Software usw.) greifbar: Die Güter sind allverfügbar und dennoch nicht knapp. 90 Zu immateriellen Gütern als nicht knappe Güter Druey, Information, 100; Reich, Ökonomische Analyse des Urheberrechts, 108; Humphrey/Verdery, in: Verdery/Humphrey, Property in Question, 1, 9; Maughan, Prometheus 22 (2004), 379, 386; für Erfindungen/das Patentrecht bereits Plant, Economica 1 (1934), 37, 38; gegenwärtige Knappheit an Fixierungen und Knappheit an künftigen Immaterialgütern vermengend hingegen v. Weizsäcker, Kyklos 34 (1981), 345, 363. 91 Daneben treten weitere, besondere Arten von Informationen. Z.B. wird für Informationen über die künftige Marktentwicklung (Insiderwissen) ein Verbot des Handels befürwortet, um keine Fehlleitung von Investitionen zu verursachen; siehe Shavell, Economic Analysis, 166 ff. Diese Forderung entspricht der Rechtslage; siehe die §§ 13 f. WpHG (Verbot von Insidergeschäften mit Insiderwissen).
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Recht92 die Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst sowie darauf bezogene bzw. damit verwandte Leistungen, Erfindungen, Muster und Modelle, Halbleiter, Pflanzensorten sowie nach umstrittener Auffassung auch persönliche Merkmale wie Bildnis, Name und Stimme93. Die positive ökonomische Analyse dieser Kategorie von Immaterialgütern und daran bestehender intellectual property rights konzentriert sich auf das Patent- und Urheberrecht. Sie hat, abgesehen von einer Vielzahl spezieller Untersuchungen, vor allen Dingen zwei allgemeine, für die Suche nach einem ökonomischen Güterzuordnungsgesetz relevante Einsichten erbracht: Der Schutz immaterieller Güter muss ausgewogen sein und darf nicht pauschal auf seine Vor- oder Nachteile hin beurteilt werden. Bereits die Bemerkungen zu den allgemeinen Charakteristika immaterieller Güter haben angedeutet, dass ausschließliche Rechte in diesem Bereich nicht dem Problem knapper Fixierungen, also der Verbreitung bestehender Immaterialgüter94, sondern der begrenzten Anzahl von Werken, Erfindungen usw. mit Blick auf die Zukunft gewidmet sind. Und tatsächlich begründet die positive Ökonomik intellectual property rights überwiegend damit, dass die bestehenden immateriellen Güter künstlich verknappt werden, um einen Markt zu eröffnen95, ihrem Inhaber die Amortisation der versunkenen Kosten in die Herstellung dieser Güter zu ermöglichen und damit insgesamt Anreize für die künftige Schaffung von Erfindungen, Werken usw. zu setzen96. Für den im deutschen Recht primär im 92
Dazu unten § 5 B II. Das als übertragbares und vererbliches Ausschließlichkeitsrecht ausgestaltete right of publicity im Recht einzelner Staaten der USA wird überwiegend damit gerechtfertigt, dass ein ökonomischer Anreiz gesetzt werden soll, in die Ausbildung für die Öffentlichkeit interessanter Persönlichkeitsmerkmale zu investieren; so etwa Zacchini v. Scripps-Howard Broad. Co., 433 U.S. 562, 576 (1977); Law v. Sony Music Entertainment, 78 USPQ2d 1910, 1918 (9th Cir. 2006); ebenso Klüber, Persönlichkeitsschutz, 207 ff.; kritisch hierzu Dogan/Lemley, 58 Stanford L. Rev. (2006), 1161, 1187 f. („… the right of publicity does not encourage the production of any identifiable value …“). 94 Im Gegenteil: Wäre es unmöglich, neue immaterielle Güter zu schaffen, wäre daher die Aufhebung des Immaterialgüterrechts die ökonomisch optimale Lösung, weil die bestehenden Güter dann von allen zu minimalen Kosten genutzt werden könnten; siehe Arrow, in: National Bureau of Economic Research, Inventive Activity, 609, 614 f.; Koboldt, in: Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse der rechtlichen Organisation von Innovationen, 69, 74. 95 So die „reine Funktionslehre“; siehe Elkin-Koren/Salzberger, Int. Rev. L. & Econ. 19 (1999), 553, 555 ff.; Dowell, California L. Rev. 86 (1998), 843, 853 f.; Drahos, Intellectual Property, 108 ff.; Ullrich, GRUR Int. 1996, 555, 565 f.; Depoorter/Parisi, Int. Rev. L. & Econ. 21 (2002), 453, 465 mit Fn. 4. Zum Zusammenhang zwischen Marktstruktur und der Bereitschaft, Wissen kostenlos weiterzugeben Willgerodt, FS Böhm 1975, 687, 698 f. 96 Mazer v. Stein, 347 U.S. 201, 219 (1954) (Supreme Court USA); Plant, Economica 1 (1934), 37, 38; Arrow, in: National Bureau of Economic Research, Inventive Activity, 609, 616 f.; Knieps, Wettbewerbsökonomie, 248; Lemley, Texas L. Rev. 75 (1997), 989, 994 ff.; Depoorter/Parisi, Int. Rev. L. & Econ. 21 (2002), 453, 465, Fn. 4 m.w.N.; Elkin-Koren/Salzberger, Int. Rev. L. & Econ. 19 (1999), 553, 559; Cohen, Michigan L. Rev. 97 (1998), 462, 471 m.w.N.; Gordon, Columbia L. Rev. 82 (1982), 1600, 1610 ff.; Koboldt, in: Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse der rechtlichen Organisation von Innovationen, 69, 74. f. Diese Argumentation war offenbar schon im antiken Griechenland bekannt; siehe Fezer, FS GRUR II, 939, 941 (Verweis auf ein Gesetz der griechischen Kolonie Sybaris aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. zum Schutz von Kochrezepten). 93
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UWG verankerten Schutz technischer und unternehmerischer Geheimnisse wird hinzugefügt, dieser vermeide die Kosten einer privaten Verteidigung gegen gewalttätige und betrügerische Konkurrenten97. Daraus folgt wiederum eine zusätzliche Rechtfertigung für das Patentrecht, das eine vollständige property rule nur gegen Offenlegung der Erfindung gewähre und damit verhindere, dass technische Neuerungen zeitlich unbegrenzt geheim gehalten werden; außerdem helfe das Patent gerade neuen Marktteilnehmern, Erfindungen rechtsgeschäftlich zu verwerten und als Kreditsicherheit einzusetzen98. Erhellen diese Analysen die positiven Wirkungen des Schutzes immaterieller Güter, so kann doch als unstreitig gelten, dass insbesondere mit intellectual property rules ökonomische Nachteile verbunden sind99. Genannt wird insoweit zunächst die Gefahr einer Überinvestition in immaterielle Güter, für die property rights verliehen werden100. Außerdem komme es zu einer suboptimalen Verbreitung bestehender Werke, Erfindungen usw., weil die Kosten der unveränderten Nutzung und der kreativen Weiterentwicklung bestehenden Wissens erhöht würden101. Diese negativen Effekte verschärfen sich, wenn der Rechtsinhaber ggf. 97
Der sog. Mehrebenenansatz anerkennt zwar, dass Immaterialgüterrechte partikulare Wettbewerbsbeschränkungen auf der Ebene des Konsums bzw. der Produktion darstellten, weil sie die dem Wettbewerb inhärente Imitationstätigkeit der Konkurrenten verhinderten. Sie seien aber notwendig, um auf der jeweils höheren Stufe (Produktion bzw. Innovation) Anreize für einen Wettbewerb mit den damit verbundenen positiven Wirkungen zu setzen; siehe v. Weizsäcker, Kyklos 34 (1981), 345, 347 ff.; Knieps, Wettbewerbsökonomie, 245; Lehmann, GRUR Int. 1983, 356, 360 f. m.w.N.; Walz, KritV 1986, 131, 148; Übersicht bei Heinemann, Immaterialgüterschutz, 14 f. 97 Landes/Posner, Intellectual Property Law, 354 ff.; ferner die Beiträge in Towse/Holzhauer, Economics of Intellectual Property Law III, 171 ff. Zur Zuordnung dieser Güter im deutschen Recht unten §§ 4 B V, 13 B V. 98 Hierauf primär abstellend etwa Gambardella, Value of Patents, 36 ff.; Harhoff, in: Monopolkommission, Wettbewerbspolitik, 73, 75; Landes/Posner, Intellectual Property Law, 294 ff., 328 ff. m.w.N.; Merges, Berkeley Tech. L.J. 20 (2005), 1477, 1487 ff. (mit Hinweis auf eine „modulare“ Ökonomie, in der viele kleinere Unternehmen Spezialwissen und -produkte einbringen (a.a.O., 1514)); Federal Trade Commission, Berkeley Tech. L.J. 19 (2004), 861, 862; OECD, Patents and Innovation, 9; a.A. unter Hinweis auf große Unternehmen als Quelle der Innovation, die Erfindungen ohnehin nicht geheim halten könnten, noch Plant, Economica 1 (1934), 37, 44. 99 Siehe Lemley, Texas L. Rev. 83 (2005), 1031, 1058 ff. m.w.N.; ebenso Supreme Court USA KSR Intl. Co. v. Teleflex Inc., 127 S. Ct. 1727, 1741, 1745 f. (2007). 100 Für das Patentrecht bereits Plant, Economica 1 (1934), 37, 51; Landes/Posner, Intellectual Property Law, 300 ff. (mit Hinweisen auf „patent races“); für Markenrechte a.a.O., 181; für das Urheberrecht etwa Cullen, Behavioralism and Copyright, 23. 101 Cohen, Vanderbilt L. Rev. 53 (2000), 1799, 1801 ff.; Lemley, Texas L. Rev. 75 (1997), 989, 996 ff.; Landes/Posner, J. Legal Studies 18 (1989), 325, 335; Breyer, Harvard L. Rev. 84 (1970), 281, 313 ff. Zur Steigerung der „cost of expression“ Posner, Economic Analysis of Law, 47; Landes/Posner, J. Legal Studies 18 (1989), 325, 335 f.; dies., Intellectual Property Law, 66 ff. (Urheberrecht), 317 (Patentrecht); Besen/Raskind, J. Econ. Persp. 5 (1991), 3, 16 f.; Lemley, Texas L. Rev. 75 (1997), 989, 990 ff. m.w.N.; Kitch, Vanderbilt L. Rev. 53 (2000), 1727, 1738 f.; Depoorter/Parisi, Int. Rev. L. & Econ. 21 (2002), 453, 459 ff.; Benkler, Int. Rev. L. & Econ. 22 (2002), 81, 87; Oddi, Hastings Comm. & Ent. L.J. 25 (2002), 1 ff. Zum Wissen als Grundvoraussetzung für Kreativität aus psychologischer Sicht siehe Peukert, in: Rehbinder, Psychologische Dimension des Urheberrechts, 113, 130 f.
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aufgrund des Immaterialgüterrechts über erhebliche Marktmacht verfügt102, sowie dann, wenn er sich strategisch verhält, die Exklusivität also für andere Zwecke einsetzt als zur Amortisation von Herstellungskosten103. Die Gegenüberstellung der wesentlichen Vor- und Nachteile von ausschließlichen Immaterialgüterrechten verweist auf das mit solchen property rules verbundene, nicht hintergehbare Dilemma: In dem Maße, wie die Schaffung künftiger Immaterialgüter gefördert wird, wird die Verbreitung bestehender und mittelbar auch die Erzeugung neuer Geistesprodukte gehemmt104. Zwar halten nur wenige unter Hinweis auf alternative Innovationsanreize sowie das sogar nachgewiesene105 Fehlen einer Korrelation zwischen ausschließlicher Zuweisung und vermehrter Schaffung bestimmter immaterieller Güter einen vollständigen Verzicht auf intellectual property rights für wünschenswert106. Allgemein anerkannt ist in der positiven Ökonomik aber jedenfalls, dass die mit Immaterialgüterrechtsschutz verbundenen Nachteile im Bereich der statischen Effizienz (suboptimale Nutzung) geringer sein müssen als die Vorteile im Hinblick auf die dynamische 102
Immaterialgüterrechte weisen dem Inhaber grundsätzlich kein wirtschaftliches Monopol zu; siehe EuGH GRUR Int. 2004, 644 ff. – IMS Health; BGH GRUR 2004, 966 ff. (zur Anwendung von Art. 82 EGV bzw. der §§ 19, 20 GWB auf die Verweigerung einer Lizenz an einem Urheberrecht bzw. Patent); Kitch, Vanderbilt L. Rev. 53 (2000), 1727, 1729 ff.; Federal Trade Commission, Berkeley Tech. L.J. 19 (2004), 861, 863; Heinemann, Immaterialgüterschutz, 85 ff., 428 ff.; Stapper, Das essential facility Prinzip, 80 ff. 103 Siehe Gambardella, Value of Patents, 9 ff.; Depoorter/Parisi, Int. Rev. L. & Econ. 21 (2002), 453, 459 f.; Dowell, California L. Rev. 86 (1998), 843, 873; OECD, Patents and Innovation, 9; Heller, Harvard L. Rev. 111 (1998), 621, 624; Parisi/Schulz/Depoorter, Int. Rev. L. & Econ. 25 (2006), 578 ff.; Buchanan/Yoon, J.L. & Econ. 43 (2000), 1 ff.; Oddi, Hastings Comm. & Ent. L.J. 25 (2002), 1 m.w.N.; Lessig, Code, 132; ders., Future of Ideas, 199 ff.; Benkler, Int. Rev. L. & Econ. 22 (2002), 81, Fn. 13; weitere Nachweise über die kritische US-amerikanische Literatur zu diesem Aspekt bei Bartow, Villanova L. Rev. 48 (2003), 13, 40 mit Fn. 86. Zur Verstärkung dieses Problems durch Besitzeffekte Vanneste/van Hiel/Parisi/Depoorter, Int. Rev. L. & Econ. 26 (2006), 104, 116 ff. 104 Supreme Court USA KSR Intl. Co. v. Teleflex Inc., 127 S. Ct. 1727, 1741, 1745 f. (2007); abweichende Meinungen Laboratory Corp. v. Metabolite, 126 S. Ct. 2921, 2922 ff. (2006); Schäfer/ Ott, Ökonomische Analyse, 618; Knieps, Wettbewerbsökonomie, 246; OECD, Patents and Innovation, 9; Landes/Posner, J. Legal Studies 18 (1989), 325, 332; Lemley, Texas L. Rev. 75 (1997), 989, 994 ff.; Koboldt, in: Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse der rechtlichen Organisation von Innovationen, 69, 76; Cohen, Vanderbilt L. Rev. 53 (2000), 1799, 1812; Dowell, California L. Rev. 86 (1998), 843, 849 ff.; Drahos, Intellectual Property, 119 ff.; Boyle, Vanderbilt L. Rev. 53 (2000), 2007, 2013 f. 105 Es ist z.B. für verschiedene Branchen empirisch nachgewiesen, dass mehr Patentrechte nicht zu einer Steigerung der Ausgaben für Forschung und führen; siehe Landes/Posner, Intellectual Property Law, 326 ff. m.w.N.; Harhoff, in: Monopolkommission, Wettbewerbspolitik, 73, 76 f. Auch die Einführung des sui-generis-Rechts für Datenbankhersteller hat nicht zu einer nachweisbaren Steigerung der Produktion von Datenbanken geführt; siehe EG-Kommission, Evaluation of Directive 96/9/EC, 20. 106 Shavell, Economic Analysis, 141, 144 (die Annahme, property rights an Information führten zu mehr Informationen, sei zweifelhaft); offen Landes/Posner, Intellectual Property Law, 9 f. Zur Amortisation der versunkenen Herstellungskosten ohne intellectual property rights Landes/Posner, a.a.O., 41 ff. (schlechtere Qualität der Kopie, Zeit und Kosten der Erstellung der Kopie, Wertsteigerung des Originals durch viele Kopien, gesunkene Kosten der Herstellung von Originalen, alternativer Schutz durch Verträge und Technik).
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Teil 1: Grundlagen der Güterzuordnung
Effizienz (Innovation)107. Ökonomisch sinnvoll und notwendig sei daher ein angemessener Schutz, der zwischen den genannten Polen eine Balance herstellt108. Hieran schließt sich eine umfangreiche und andauernde Diskussion darüber an, wo und wie der optimale Punkt des Immaterialgüterrechtsschutzes zwischen zu geringem Anreiz und zu intensivem Schutz zu bestimmen ist. Dabei wird insbesondere erörtert, welche Immaterialgüter (z.B. grundlegende naturwissenschaftliche Erkenntnisse, künstlerische Stile) und Nutzungen (z.B. für Versuche, Zitate) frei verfügbar sein109, und in welchen Bereichen liability rules (also eine bloße Entschädigung) an die Stelle von exklusiven property rules treten sollten110. Aber nicht nur diese, auf ein Abwägungs- und nicht ein pauschales Zuordnungsgebot hinauslaufenden Ergebnisse verbieten die Annahme, die positive Ökonomik fordere Ausschließlichkeitsrechte an immateriellen Gütern. Denn die skizzierte Diskussion wird nicht undifferenziert geführt, sondern man betont die Notwendigkeit, zwischen dem jeweiligen Sachkontext zu unterscheiden. Demnach muss eine Analyse insbesondere den betroffenen Markt, seine Funktionsweise und die Erwartungen/Interessen der Marktteilnehmer berücksichtigen, um den optimalen Immaterialgüterrechtsschutz zwischen property rule, liability rule und open access zu bestimmen111. Eine solche Herangehensweise ermöglicht gerade keine Aussage über ein Gesetz der Güterzuordnung – und sei es auch nur unter Vorbehalten. 107 Siehe bereits Plant, Economica 1 (1934), 167, 191 f.; ferner etwa Knieps, Wettbewerbsökonomie, 252; Cooter/Ulen, Law and Economics, 122; Harhoff, in: Monopolkommission, Wettbewerbspolitik, 73, 75 f.; Lemley, Texas L. Rev. 75 (1997), 989, 996 f.; Benkler, Int. Rev. L. & Econ. 22 (2002), 81, 83 mit Fn. 13; Cohen, Michigan L. Rev. 97 (1998), 462, 551 mit Fn. 342; Lichtman/Landes, Harvard J.L. & Tech. 16 (2003), 395, 409 f.; Landes/Posner, J. Legal Studies 18 (1989), 325, 326; Oddi, Hastings Comm. & Ent. L. J. 25 (2002), 1, 27 ff.; Reich, Ökonomische Analyse des Urheberrechts, 93; Lehmann, GRUR Int. 1983, 356, 361 f.; Ramello, in: Backhaus, Law and Economics, 127, 136. 108 Siehe Supreme Court USA KSR Intl. Co. v. Teleflex Inc., 127 S. Ct. 1727, 1741, 1745 f. (2007); Laboratory Corp. v. Metabolite, 126 S. Ct. 2921, 2922 ff. (2006) (abweichende Meinungen); Maughan, Prometheus 22 (2004), 379 ff.; Koboldt, in: Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse der rechtlichen Organisation von Innovationen, 69, 104 ff. (Mindestschutz, aber kein Maximalschutz); Koelman, IIC 35 (2004), 603, 619 ff. 109 Für das Urheberrecht etwa Landes/Posner, Chicago L. Rev. 70 (2003), 471 ff.; dies., Intellectual Property Law, 85 ff., 147 ff. Für das Patentrecht etwa Supreme Court USA Laboratory Corp. v. Metabolite, 126 S. Ct. 2921, 2922 ff. (2006) (abweichende Meinungen); Landes/Posner, Intellectual Property Law, 302 ff.; ferner die Aufsätze in Towse/Holzhauer, Economics of Intellectual Property Law II, 449 ff. 110 Siehe allgemein Arrow, in: National Bureau of Economic Research, Inventive Activity, 602, 623; Demsetz, J.L. & Econ. 12 (1969), 1; Calabresi/Melamed, Harvard L. Rev. 85 (1972), 1089, 1092. Zur aktuellen Diskussion am Beispiel des Urheberrechts nur etwa Merges, Compulsory Licensing, passim. 111 V. Weizsäcker, Kyklos 34 (1981), 345, 358; Shavell, Economic Analysis, 166; Ramello, in: Backhaus, Law and Economics, 127, 140 („… reliance on a universal theory seems increasingly inadequate and conducive to inefficient economic results“); OECD, Patents and Innovation, 6; Jenny, Nachahmungsfreiheit, 103 ff.; Harhoff, in: Monopolkommission, Wettbewerbspolitik, 73, 74; Landes/Posner, Intellectual Property Law, 210 (Sonderfall Software), 313 (Relevanz von Patenten in verschiedenen Branchen); Gambardella, Value of Patents, 31 ff. (Wert und Wirkung von Patenten in verschiedenen Branchen).
§ 3 Ökonomische Grundlagen der Güterzuordnung
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(2) Kennzeichen. Damit sind noch nicht einmal alle in der ökonomischen Analyse für notwendig erachteten Differenzierungen angesprochen. Während nämlich die ökonomische Analyse des Urheber-, Patentrechts und weiterer Immaterialgüterrechte im Ansatz von denselben Erwägungen ausgehen kann, weil jeweils die Behebung der Knappheit an künftigen immateriellen Gütern in Rede steht, gelten für geschäftliche Kennzeichen und daran bestehenden property rights (Marken- und Firmenrecht)112 abweichende Grundsätze. Demnach dienen Marken und sonstige Zeichen dazu, Waren, Dienstleistungen und Geschäftsbetriebe kenntlich und damit für den Kunden unterscheidbar zu machen113. Ihnen wird in der rechtswissenschaftlichen Diskussion teilweise ebenfalls die Funktion zugeschrieben, Investitionen anzuregen, und zwar in den guten Ruf (Goodwill) des betreffenden Unternehmens114. In der positiven Ökonomik hingegen wird der Goodwill nicht als per se zu vermehrendes Immaterialgut betrachtet. Vielmehr wird darauf abgestellt, dass Kennzeichen die Suchkosten von Konsumenten und damit allgemeiner die Markttransaktionskosten reduzieren und den Wettbewerb um hochqualitative Produkte befördern, weil der jeweilige Hersteller die an das erinnerbare Zeichen geknüpften Kundenerwartungen nicht enttäuschen möchte. Um zu verhindern, dass Konkurrenten irreführende Angaben verwenden und die genannten Zwecke vereiteln, müssten property rules an Marken, Firma etc. anerkannt werden115. Damit wird für Kennzeichenrechte eine spezielle Rechtfertigung vorgebracht, die überdies wiederum unter dem für die ökonomische Analyse typischen Vorbehalt steht, die Vorteile dieser property rights müssten mit ihren Nachteilen in Gestalt der System- und zusätzlichen Transaktionskosten sowie überhöhter Marketingausgaben und Markenproduktpreise abgewogen werden116.
112 Dogan/Lemley, Stanford L. Rev. 58 (2006), 1161, 1190 ff., rechtfertigen auch das right of publicity nur nach Maßgabe des Markenrechts, also nur in Fällen der Irreführung der Verbraucher. 113 Siehe die §§ 3 Abs. 1, 5 MarkenG, 17 f. HGB sowie unten § 5 B II 3. 114 Siehe Fezer, Markenrecht, Einl. MarkenG Rn. 30 ff.; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, Einl. MarkenG Rn. 66 f. In diesem Sinne aus der US-amerikanischen Rechtsprechung 1-800 Contacts, Inc. v. WhenU.com, 309 F. Supp. 2d 467, 509 (S.D.N.Y. 2003) (Unterlassungsanspruch mit dem Zweck, „to prevent Defendants from capitalizing on the goodwill and reputation that Plaintiff has earned through its own investment“); Playboy Enters., Inc. v. Netscape Communications Corp., 354 F.3d 1020, 1025 (9th Cir. 2004) („initial interest confusion impermissibly capitalizes on the goodwill associated with a mark and is therefore actionable trademark infringement“); Nissan Motor Corp. v. Nissan Computer Co., 378 F.3d 1002 (9th Cir. 2004) (Markenverletzung wegen Aneignung des Goodwill unabhängig von einer Verwechslungsgefahr); I.P. Lund Trading ApS v. Kohler Co., 163 F.3d 27, 50 (1st Cir. 1998) (Markenverletzung als „an appropriation of or free riding on“ der Investition des Markeninhabers). 115 Siehe Ty Inc. v. Ruth Perryman (7th Cir. 2002), GRUR Int. 2003, 656 ff.; Landes/Posner, J.L. & Econ. 30 (1987), 265 ff.; dies., Intellectual Property Law, 166 ff.; Cooter/Ulen, Law and Economics, 134 ff.; Shavell, Economic Analysis, 169; Lehmann, GRUR Int. 1986, 6, 14 ff.; van den Bergh/Lehmann, GRUR Int. 1992, 588 ff.; Hilty, FS Ullmann, 643, 663; Thouvenin, Funktionale Systematisierung, 368 f. 116 Landes/Posner, Intellectual Property Law, 172 ff.; Shavell, Economic Analysis, 170 f.; Maughan, Prometheus 22 (2004), 379, 387.
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Teil 1: Grundlagen der Güterzuordnung
3. Der originäre Rechtsinhaber Bisher wurde gezeigt, dass die positive ökonomische Analyse sowohl im Hinblick auf die formale Struktur der property rights als auch in Bezug auf die hiervon erfassten Güter bzw. Nutzungen unterscheidet und deshalb ein ökonomisches Gesetz der Güterzuordnung allenfalls punktuell formuliert werden könnte. Selbst dann aber wäre immer noch offen, zu wessen Gunsten eine Zuordnungsentscheidung ausfallen würde, wer also originärer Rechtsinhaber werden soll. Zwar wird auch dieser Frage in der positiven Ökonomik nachgegangen. Es sollte nach dem bisher Gesagten aber nicht verwundern, dass sich insoweit ebenfalls keine gesetzmäßigen Aussagen nach dem Schema wenn-dann finden. Die häufig als „positives Coase-Theorem“ bezeichnete Annahme, es komme bei fehlenden Transaktionskosten gar nicht darauf an, wem ein property right ursprünglich zusteht, weil es über den Markt letztlich ohnehin bei demjenigen landet, der am meisten dafür zu zahlen bereit ist und dann den höchsten Anreiz hat, es effizient zu nutzen117, erklärt anerkanntermaßen nicht die Wirklichkeit vorhandener Transaktionskosten118. Sie hatte in Kritik an der Neoklassik auch primär den Zweck, die Relevanz dieser Kosten für die ökonomische Analyse nachzuweisen119. 117 Coase, J.L. & Econ. 3 (1960), 1, 8 („But the ultimate result (which maximises the value of production) is independent of the legal position if the pricing system is assumed to work without cost.“); Posner, Economic Analysis of Law, 9 („… resources tend to gravitate toward their most valuable uses if voluntary exchange – a market – is permitted“); Lemley, Texas L. Rev. 83 (2005), 1038 f. 118 Coase, J.L. & Econ. 3 (1960), 1, 15 f. („In these conditions the initial delimitation of legal rights does have an effect on the efficiency with which the economic system operates.“); Schäfer/ Ott, Ökonomische Analyse, 552; Noll, Rechtsökonomie, 45; Shavell, Economic Analysis, 108. Selbst wenn es keine Transaktionskosten gäbe, hat „behavioral law and economics“ Verzerrungen bei der Preisbildung nachgewiesen, weil Güter, die jemand bereits innehat, systematisch höher bewertet werden als zu erwerbende Güter (sog. Besitzeffekte, Verlustaversion); siehe Kahnemann/ Knetsch/Thaler, J. Econ. Perspectives 5 (1991), 193 ff.; dies., in: Sunstein, Behavioral Law and Economics, 211 ff.; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 125 ff.; Englerth, Behavioral Law and Economics, 43 ff.; Noll, Rechtsökonomie, 49 f. („status-quo-Befangenheit“, „endowment effect“); Engel, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 9, 55 ff.; Vanneste/van Hiel/Parisi/Depoorter, Int. Rev. L. & Econ. 26 (2006), 104, 116 ff. Zu weiteren Anwendungen der Erkenntnisse von behavioral law and economics auf die Analyse des Urheberrechts Cullen, Behavioralism and Copyright, 4 ff. 119 Coase ging es bei der Formulierung dieser „Invarianzthese“ allerdings nicht darum, die Wirklichkeit zu beschreiben (siehe Coase, J.L. & Econ. 3 (1960), 1, 15: „The argument has proceeded up to this point on the assumption … that there were no costs involved in carrying out market transactions. This is, of course, a very unrealistic assumption.“). Im Bewusstsein der Tatsache, dass die Transaktionskosten in der Realität natürlich nicht gleich Null sind, wollte er vielmehr zeigen, dass positive Transaktionskosten bei der Analyse von wirtschaftlichen Vorgängen berücksichtigt werden müssen; siehe Coase, in: Parisi/Rowley, Origins of Law and Economics, 199, 208 f., 219 (die an der „Invarianzthese“ formulierte Kritik sei „invalid, unimportant, or irrelevant“, weil sie ein unrealistisches theoretisches Modell angreife, statt realitätsnahe Modelle zu entwickeln). Verkannt wird das z.B. von Fezer, JZ 1986, 817, 823; Reich, Ökonomische Analyse des Urheberrechts, 64 ff.; Georgakopoulos, Methods of Law and Economics, 34 (aus der Invarianzthese folge grundsätzlich, dass rechtliche Regelungen abzulehnen seien).
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Soweit man in Umsetzung der Erkenntnis existierender Transaktionskosten fordert, das Gut müsse dann eben unmittelbar demjenigen zugewiesen werden, der es am höchsten bewertet und damit voraussichtlich am effizientesten nutzt120, reformuliert man nur das allgemeine (neoklassische) Erkenntnisinteresse. Im Übrigen wird häufig auf die Regel der ersten körperlichen oder gedanklichen „Inhaberschaft“ verwiesen121, die relativ einfach zu handhaben sei und Anreize setze, sich das betreffende Gut zu verschaffen bzw. es hervorzubringen122. Weil damit aber wiederum die Gefahr einer Überinvestition heraufbeschwört wird, kommt die ökonomische Analyse nicht über die Forderung hinaus, die Vor- und Nachteile dieser Lösung abzuwägen123. Außerdem finden sich alternative Regelungsmodelle, die teilweise auf formelle Erwerbsgründe abstellen (z.B. eine Registrierung oder sonstige staatliche Verleihung)124 oder die Zuweisung eines Guts zu demjenigen propagieren, der bereits andere, eng hiermit verbundene Güter innehat125. Soweit ersichtlich gar nicht diskutiert wird die rechtlich und ökonomisch doch ganz zentrale Frage – man denke nur an § 950 BGB –, ob derjenige originärer Inhaber des property right werden sollte, der das betreffende Gut tatsächlich geschaffen hat oder derjenige, der dieses Tun finanziert und letztlich das unternehmerische Risiko trägt126. Insgesamt hat die positive Ökonomik hinsichtlich der Frage nach dem originären Rechtsinhaber ebenfalls keine generellen Regeln, sondern verschiedene Alternativen und ihre Vor- und Nachteile formuliert127.
III. Schlussfolgerungen und Grenzen der positiven ökonomischen Analyse Nimmt man die hier nur skizzierten, im Wesentlichen aber anerkannten Ergebnisse der positiven Ökonomik zusammen, erscheint die eingangs angeklungene These, Ausschließlichkeitsrechte (property rules) seien als Voraussetzung für Kooperationsgewinne und Anreiz effizienter Güternutzung grundsätzlich zu
120 Posner, Economic Analysis of Law, 34; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 113; Shavell, Economic Analysis, 108; Cooter/Ulen, Law and Economics, 97 f. („normatives Hobbes-Theorem“; der Gesetzgeber wisse aber nicht, wer diese Person ist); Noll, Rechtsökonomie, 51. 121 Siehe Cooter/Ulen, Law and Economics, 144 ff.; Weigel, Rechtsökonomik, 32; Lueck, in: Anderson/McChesney, Property Rights, 200 ff. m.w.N. Zur Prioritätsregel im römischen Recht und im Sachsenspiegel Jacobs, IIC 2006, 156, 159. Der Prioritätsregel wird auch Gerechtigkeitsgehalt zugemessen; siehe zur Internet-Domain unten §§ 4 B IV, 13 B IV. 122 Lueck, in: Anderson/McChesney, Property Rights, 200, 222. 123 Posner, Economic Analysis of Law, 80 ff.; für das Markenrecht Landes/Posner, Intellectual Property Law, 179 ff. 124 Posner, Economic Analysis of Law, 81; Landes/Posner, Intellectual Property Law, 179 ff. 125 Siehe für die Zuordnung von Bodenschätzen zum Grundstückseigentümer, auch wenn er sie nicht gefunden hat, Cooter/Ulen, Law and Economics, 144 ff. 126 Siehe dazu unten § 12 C III 2. 127 Siehe Duffy, Texas L. Rev. 83 (2005), 1077, 1094.
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begrüßen128, in dieser Allgemeinheit von den inzwischen formulierten Erkenntnissen der ökonomischen Analyse eher widerlegt als gestützt129. Diese Relativierung beruht nicht auf generellen Vorbehalten gegenüber den Methoden und Axiomen der positiven Ökonomik, etwa den nachgewiesenen, systematischen Defiziten des klassischen Rationalmodells vom homo oeconomicus130, den relativ vagen, anerkannt nicht punktgenauen und statischen131 Folgeneinschätzungen132 und weitgehend fehlender empirischer Überprü-
128 Siehe nur etwa Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 551 (die property rule sei der liability rule grundsätzlich vorzuziehen). 129 Kritisch zum Denken „if value, then right“ Dogan/Lemley, Stanford L. Rev. 58 (2006), 1161, 1174 m.w.N. 130 Siehe zu den entsprechenden Ergebnissen von „behavioral law and economics“ Jolls/Sunstein/Thaler, in: Sunstein, Behavioral Law and Economics, 13 ff.; Englerth, Behavioral Law and Economics, 7 ff., 37 f.; Georgakopoulos, Methods of Law and Economics, 59 ff.; Engel, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 9, 55 ff.; Eidenmüller, JZ 2005, 216, 218 ff. m.w.N. Zu ethischen Geboten als Gründe für „bounded rationality“ Etzioni, in: Oppenheimer/Mercuro, Law and Economics, 15, 20 f. (dieser Aspekt müsse in einer künftigen „Sozioökonomik“ erfasst werden). Zur Verteidigung des homo oeconomicus etwa Homann/Suchanek, Ökonomik, 374 f.; Kirchner, Ökonomische Theorie, 18; Noll, Rechtsökonomie, 17; Posner, JITE 149 (1993), 73, 76 f.; ders., Economic Analysis of Law, 17 f.; Shavell, Economic Analysis, 663; Janson, Ökonomische Theorie, 54; Cooter/Ulen, Law and Economics, 17; Coase, in: Parisi/Rowley, Origins of Law and Economics, 199, 201 („… in almost all circumstances, a higher (relative) price for anything will lead to a reduction in the amount demanded“); Grundmann, RabelsZ 61 (1997), 423, 432; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 70 f. (den Wirtschaftswissenschaften gehe es um die Erklärung von Makrophänomenen, nicht um Psychologie). Für die Einbeziehung systematischer Abweichungen vom Modell des homo oeconomicus in die positive Analyse Englerth, Behavioral Law and Economics, 33 ff.; Eidenmüller, JZ 2005, 216, 220 (eine überzeugende Deutung aller Effekte im Rahmen des konventionellen ökonomischen Ansatzes sei nicht möglich). Für „Bereichsausnahmen“, in denen das reduzierte Modell zu systematisch falschen Ergebnissen führt, Janson, Ökonomische Theorie, 55 f. (der allerdings keine solche Bereiche benennt); differenzierend auch Kirchner, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 23, 41 (für die Untersuchung sozialer Interaktionen jenseits von Märkten sei die REM-Annahme nicht haltbar). 131 Zur schwierigen Beschreibung dynamischer Marktprozesse Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, 40; Menard/Shirley, in: Menard/Shirley, New Institutional Economics, 1, 3 f. 132 Siehe für den bisher nicht bekannten Punkt des „optimalen“ Immaterialgüterrechtsschutzes MGM Studios, Inc. v. Grokster Ltd., 125 S.Ct. 2764, 2793–96 (2005) (Supreme Court USA); Machlup, GRUR Ausl. 1961, 524, 537 (die Streitfrage nach den Vor- und Nachteilen des Patentsystems bleibe unentschieden); Landes/Posner, Intellectual Property Law, 9; Lemley, Texas L. Rev. 83 (2005), 1031, 1065 ff. m.w.N.; McGowan, Missouri L. Rev. 69 (2004), 1 („It is easy to say that the right to exclude is needed to provide incentives for authors. It is hard to show that any particular rules provide optimal incentives. It is easy to point to deviations from the model of perfect competition. It is hard to show why these deviations imply particular rules.“); Epstein, Liberty vs. Property, 37–38 („Quite simply, any system of private property imposes heavy costs of exclusion. However, these costs can only be eliminated by adopting some system of collective ownership that for its part imposes heavy costs of governance. The only choice that we have is to pick the lesser of two evils.“); Koelman, IIC 35 (2004), 603, 619 („… it is impossible to know the optimal trade-off between incentive and non-rivalry“).
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fung133. Sie begnügt sich ferner nicht mit dem Hinweis darauf, dass eine solch gesetzmäßige Aussage im Modell vollständiger Konkurrenz verharren würde134, das für sich gesehen weder realistisch ist135 noch als Leitbild einer auf dynamischen Wettbewerb ausgerichteten Wirtschaftspolitik dienen kann, weil bei vollständiger Konkurrenz gerade kein Wettbewerb mehr möglich ist136. Entscheidend ist vielmehr, dass eine Zusammenschau der Ergebnisse der positiven ökonomischen Analyse vor allen Dingen Differenzierungen und Abwägungen („komparativer Institutionenansatz“) sowie die daraus gezogene Konsequenz ergibt, es müsse bei der Entscheidung für und wider bestimmte property rights eben differenziert137 und die Vor- und Nachteile ihrer Einführung müssten miteinander abgewogen138 werden. Dies gilt in besonderem Maße für immaterielle Gü133
Kritisch insofern die Vertreter der Ökonomik selbst; siehe nachdrücklich Coase, in: Parisi/ Rowley, Origins of Law and Economics, 199, 219 f.; Alchian/Demsetz, J. Econ. History 33 (1973), 16, 26; Homann/Suchanek, Ökonomik, 115 („normativistischer Fehlschluss“); Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, X; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 168. Empirie wird z.B. von der Ethnologie geliefert; siehe Rössler, Wirtschaftsethnologie, 143. 134 Siehe Demsetz, in: Parisi/Rowley, Origins of Law and Economics, 241, 242 („… to support perfect competition all scarce resources should be privately, unambiguously, and securely owned.“). 135 Eucken, Wirtschaftspolitik, 24; Knieps, Wettbewerbsökonomie, 68 f.; Fikentscher, IIC 38 (2007), 137 ff. 136 Siehe Schmidt, Wettbewerbspolitik, 6 ff. (Marktunvollkommenheiten seien in einer dynamischen Theorie des Wettbewerbs erforderlich), 62 (Wettbewerb als dynamischer Prozess zeige Marktunvollkommenheiten als Ergebnis, die aber zugleich wieder Voraussetzung für imitatorische Wettbewerbshandlungen seien); Hellwig, FS Mestmäcker, 231, 244 f.; Möschel, FS Mestmäcker, 355, 364. 137 Siehe nur Porrini/Ramello, in: Porrini/Ramello, Property Rights Dynamics, 1, 6 (erforderlich sei stets eine „case-by-case evaluation“); Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 358 („Wer hauptsächlich auf tatsächliche Unterscheidungen oder wirtschaftswissenschaftliche Lehren abstellen möchte, käme aus dem Differenzieren nicht mehr heraus.“). Freilich propagiert Beater später (a.a.O., 438) eine konsequentialistische Anwendung des § 1 UWG 1909, die sich mit dieser Zurückweisung der ökonomischen Analyse schlecht verträgt. Dass die Forderung nach Differenzierungen kein neuer Gedanke ist, beweist die 1863 veröffentlichte Auffassung von Puchta, Pandekten, § 46, wonach es etwas „Logisches“ sei, dass die Rechte an Sachen eine andere Natur haben als Rechte an Handlungen, weil der Gegenstand des Rechts ein verschiedener sei. 138 Zum komparativen Ansatz bereits Coase, J.L. & Econ. 3 (1960), 1, 27 („What has to be decided is whether the gain from preventing the harm is greater than loss which would be suffered …“), 43 (Vergleich mit alternativen sozialen Arrangements wünschenswert); Kirchner, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 23, 32 f.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 111; Walz, KritV 1986, 131, 149; für die Wettbewerbspolitik Hellwig, FS Mestmäcker, 231, 248. In Bezug auf property rights Demsetz, Am. Econ. Rev. 57 (1967), 347, 348; v. Weizsäcker, Kyklos 34 (1981), 345, 355; Shavell, Economic Analysis, 23; Merges, Berkeley Tech. L.J. 20 (2005), 1477, 1482; Lemley, Texas L. Rev. 83 (2005) 1031, 1050 f.; Duffy, Texas L. Rev. 83 (2005), 1077, 1086; Müller/Tietzel, in: Backhaus, Law and Economics, 40, 41; Posner, Economic Analysis of Law, 33 („The discussion … may seem to imply that if every valuable (meaning scarce as well as desired) resource were owned by someone (the criterion of universality), ownership connoted the unqualified power to exclude everybody else from using the resource (exclusivity) as well as to use it oneself, and ownership rights were freely transferable …, value would be maximised. This leaves out of account, however, the costs of a property-rights system, both obvious and the subtle ones.“). Ohne Rücksicht auf diese von Posner selbst formulierte Einschränkung des Universalitätsanspruchs
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ter, die wegen der bereits bestehenden, umfassenden Zuordnung von körperlichen Gegenständen durch das Sacheigentum gegenwärtig primär zur Diskussion stehen139. Allenfalls aufstellen ließe sich das Gebot, Güter dann zuzuordnen, wenn damit mehr Vor- als Nachteile im Vergleich zu anderen Lösungen erzielt werden. Eine solche Aussage ist offensichtlich inhaltsleer und würde nicht die Grundforderung der Ökonomik nach eindeutig strukturierten Rechten erfüllen140. Die Gründe für diese begrenzten Aussagen und dafür, dass die positive ökonomische Analyse sich selbst ganz bewusst nicht in der Tradition naturrechtlicher Begründungen und Forderungen nach „property“ sieht141, liegen in ihrer Fragestellung und Methodik. Schon im Ausgangspunkt begreift die NIÖ Rechtsnormen als veränderbare Variablen im Rahmen einer umfassenden, folgenorientierten Analyse142. Damit erscheinen property rights nicht als natur-gegeben, sondern als staatlich verliehen143 oder informell, spontan vereinbart144.
139 noch Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, 93; Kruse, in: Oppenheimer/Mercuro, Law and Economics, 161, 166; Buhbe, Ökonomische Analyse, 144; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 450; für den UWG-Leistungsschutz in diesem Sinne Walch, Leistungsschutz, 96; Weihrauch, Leistungsschutz, 214 ff. Weitergehend Kobbelt, Der Schutz von Immaterialgütern, 200, der die Abwägungsnotwendigkeit zwar bestätigt (a.a.O., 67 f.), die Zuweisung von Leistungspositionen aber dennoch mit dem Ergebnis einer Interessenabwägung zwischen Allgemein- und Individualinteresse begründet und damit die selbstgesteckten Grenzen der ökonomischen Analyse sprengt. 139 Siehe Landes/Posner, Intellectual Property Law, 9 („But neither economic theory nor empirical evidence enables a ringing endorsement of any complete body of intellectual property law other than trademark law, which protects ,property‘ in only an attenuated sense.“). 140 Siehe Hoppe, in: Colombatto, Property Rights, 48, 60 f.; Homann/Suchanek, Ökonomik, 116 (die wichtigsten Voraussetzungen für die Erfüllung der Funktion von Institutionen sei ihre Berechenbarkeit und Durchsetzbarkeit). 141 Rowley, in: Parisi/Rowley, Origins of Law and Economics, 3, 22. Siehe zu naturrechtlichen Ansätzen unten § 12 C II 1. 142 Kirchner, Ökonomische Theorie, 7; Noll, Rechtsökonomie, 41; Barzel, Property Rights, 2; Pejovich, in: Pejovich, Property Rights I, XIII, XIV; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 1 f., 10; siehe auch Buhbe, Ökonomische Analyse, 86 (die Eigentumsrechtsökonomen hätten mit dem von ihnen gewählten analytischen Rahmen nicht die Möglichkeit, ein Maximum an privaten Eigentumsrechten als institutionelles Optimum zu substantiieren). Zum Eigentum als kontingentes Instrumentarium in der wirtschaftswissenschaftlichen Betrachtung auch Luhmann, in: Krawietz/ Martino/Winston, Technischer Imperativ, 43, 50. 143 Eucken, Wirtschaftspolitik, 290 (Eigentum kein naturrechtliches Prinzip); Heinsohn/Steiger, Eigentum, Zins und Geld, 462 (die Eigentumsverfassung sei nicht naturgegeben, sondern benötige eine Rechtsverfassung); dies., Eigentumsökonomik, 87; Knieps, Wettbewerbsökonomie, 75; Homann/Suchanek, Ökonomik, 123 (Eigentumsordnung als gesellschaftlicher Vertrag); Cooter/Ulen, Law and Economics, 84 („… a parable about the incentive structure that motivates societies to continually create property law“); Posner, Economic Analysis of Law, 47; Levine, Law, Endowments, and Property Rights, 1; Maughan, Prometheus 22 (2004), 379, 383; McChesney, in: Anderson/McChesney, Property Rights, 227, 251; Samuels, in: Oppenheimer/Mercuro, Law and Economics, XI, XIV; Miceli, in: Backhaus, Law and Economics, 246; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 561. 144 Zu „sozialen Normen“ in der ökonomischen Analyse Adams, Ökonomische Theorie, 27 ff.; Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, 102 ff.; Miceli, in: Backhaus, Law and Economics, 246, 248 f.; Alston/Mueller, in: Menard/Shirley, New Institutional Economics, 573; Georgakopoulos, Methods of Law and Economics, 57 ff.; Weigel, Rechtsökonomik, 12. Zur Regelung der Vergabe von Top-Level-Domains Mueller, Ruling the Root, 255 ff.
§ 3 Ökonomische Grundlagen der Güterzuordnung
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Ferner fällt auf, dass property rights von der positiven Ökonomik relational und nicht einseitig, apriorisch gedacht werden, so dass eine Abwägung geradezu unausweichlich ist. In die Analyse einbezogen wird damit der Umstand, dass property rights die Handlungs- und Wettbewerbsfreiheit der verpflichteten Dritten einschränken145. Diese Vorgehensweise reflektiert den Ordnungsrahmen der dezentralen Marktwirtschaft, der voraussetzt, dass die Marktteilnehmer ihre Wirtschaftspläne selbständig entwickeln und verwirklichen, also von ihrer Handlungsund konkreter Wettbewerbsfreiheit Gebrauch machen können146. Hieraus folgt nicht nur die Dichotomie von Innehabungs- und Erwerbsordnung (Fikentscher)147, sondern auch eine nicht zu übersehende Zurückhaltung gegenüber einer umfassenden, gesetzmäßigen Zuordnung sämtlicher, bedürfnisbefriedigender Güter. In den Worten von Ronald Coase: „A system in which the rights of individuals were unlimited would be one in which there were no rights to acquire.“148. Letztlich lässt sich die beschränkte Aussagekraft der positiven Ökonomik auf ihren realwissenschaftlichen Ausgangspunkt und die erkenntnistheoretischen Grenzen der Untersuchung der Wirklichkeit zurückführen. Mit der Unterscheidung zwischen positiver und normativer Analyse greifen die Wirtschaftswissenschaften die in dieser Studie vertretene Scheidung von Sein und Sollen auf. Die hier zusammengefasste positive Ökonomik geht deduktiv vor, indem Hypothesen bzw. Modelle aufgestellt und anschließend empirisch überprüft werden149. 145 Coase, J.L. & Econ. 3 (1960), 1, 44; Schmidt, Wettbewerbspolitik, 18; Kirchner, Ökonomische Theorie, 21; Herdzina, Wettbewerbspolitik, 13 (Freiheit könne daher nicht als absolute, sondern ausschließlich als relative Freiheit interpretiert werden); Homann/Suchanek, Ökonomik, 123; Knieps, Wettbewerbsökonomie, 75; Weigel, Rechtsökonomik, 26; Noll, Rechtsökonomie, 43; Buhbe, Ökonomische Analyse, 3; Gotthold, ZHR 144 (1980), 545, 546; Walz, KritV 1986, 131, 147; Epstein, in: Parisi/Rowley, Origins of Law and Economics, 263, 268; Pejovich, in: Pejovich, Property Rights I, XIII. Ebenso die Wirtschaftsethnologie: Rössler, Wirtschaftsethnologie, 180. Zur ideengeschichtlichen Entwicklung dieser Sichtweise im anglo-amerikanischen Rechtsraum Merrill/Smith, Yale L.J. 111 (2001), 357 ff. 146 Eucken, Wirtschaftspolitik, 175 ff.; Herdzina, Wettbewerbspolitik, 12 ff. (Forderung nach Freiheit impliziere die Entscheidung für die Marktwirtschaft), 98 (wirtschaftliche Freiheit als Voraussetzung und erwünschtes Ergebnis des Wettbewerbs); Schmidt, Wettbewerbspolitik, 33; Mestmäcker, in: Monopolkommission, Wettbewerbspolitik, 19, 23 f. (Wettbewerb als Ausübung von Freiheitsrechten); Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 352 ff. (die Wettbewerbsidee verlange Freiheit und Beweglichkeit); Coase, J.L. & Econ. 3 (1960), 1, 43 f.; Homann/Suchanek, Ökonomik, 123; Federal Trade Commission, Berkeley Tech. L.J. 19 (2004), 861, 863 („Free competition is the baseline on which the patent system’s incentive to creative efforts depends.“). Aus verfassungsrechtlicher Sicht oben § 2 B II 2. 147 Fikentscher, Wettbewerb, 205 ff., 227; ders., FS Lukes, 375, 388 ff., 391 („Es gibt kein berechtigtes Eigentum ohne eine Rechtsordnung, die freien und lauteren Wettbewerb verbürgt, und es gibt keinen freien und lauteren Wettbewerb ohne eine Rechtsordnung, die Güter zum Haben zuordnet.“); ders., FS Schippel, 563 ff. m.w.N. 148 Coase, J.L. & Econ. 3 (1960), 1, 44. 149 Siehe Bontrup, Volkswirtschaftslehre, 13 ff.; Bartling/Luzius, Volkswirtschaftslehre, 12 ff.; Weigel, Rechtsökonomik, 9; Gäfgen, in: Neumann, Eigentums- und Verfügungsrechte, 43, 45; Backhaus, in: Backhaus, Law and Economics, 465; Parisi, in: Parisi/Rowley, Origins of Law and Economics, 33; in Bezug auf property-rights-Modelle Barzel, Property Rights, 1. Aus Sicht der Ethnologie, die induktiv vorgeht, Rössler, Wirtschaftsethnologie, 34 f.
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Die hinter dieser Methodik stehende Erkenntnistheorie des kritischen Rationalismus besagt, dass Verifikationen von Naturzuständen und Kausalzusammenhängen ausgeschlossen sind und stattdessen nur falsifizierbare – im Kontext der Sozialwissenschaften und ihrer komplexen Annahmen zumindest empirisch überprüfbare und kritisierbare –, wahrscheinlich wahre Hypothesen aufgestellt werden können150. Mit diesem Anspruch bleiben die Realwissenschaften einschließlich der positiven Ökonomik von vornherein hinter dem für die Aufstellung von Sollensschlüssen notwendigen, unbedingten Satz „wenn Tatbestand X, dann Rechtsfolge Y“ zurück. Letztgenannte Aussage wird denn auch nicht deduktiv als Annäherung an die objektive Wirklichkeit gewonnen, sondern deontologisch aus dem geschriebenen Recht oder einem Rechtsprinzip, das wiederum aus dem Sinnganzen der Rechtsordnung zu induzieren ist151. Mit fertigen, absolut gültigen Lösungen wie einem ökonomischen Gesetz der Güterzuordnung würde sich die positive Ökonomik über ihre erkenntnistheoretischen und methodischen Grenzen hinwegsetzen152. 150
Allgemein Hume, Enquiry Concerning Human Understanding, 27 (Sect. IV Part 1) („The most perfect philosophy of the natural kind only staves off our ignorance a little longer: as perhaps the most perfect philosophy of the moral or metaphysical kind serves only to discover larger portions of it.“), 30 (Sect. IV Part 2) („The bread, which I formerly eat, nourished me; that is, a body of such sensible qualities was, at that time, endued with such secret powers: but does it follow, that other bread must also nourish me at another time, and that like sensible qualities must always be attended with like secret powers? The consequence seems nowise necessary.“), 62 (Sect. VII Part 2) („Even after one instance or experiment where we have observed a particular event to follow upon another, we are not entitled to form a general rule, or foretell what will happen in like cases.“); Kant, Kritik der reinen Vernunft, 103; ders., Grundlegung, 419 („Wer kann das Nichtsein einer Ursache durch Erfahrung beweisen, da diese nichts weiter lehrt, als daß wir jene nicht wahrnehmen?“); Popper, Logik der Forschung, 3 ff.; Mill, Über Freiheit, 29 f. In Bezug auf die Ökonomik Samuels, in: Oppenheimer/Mercuro, Law and Economics, XI, XII; Bontrup, Volkswirtschaftslehre, 15 f.; Bartling/Luzius, Volkswirtschaftslehre, 13 ff.; Backhaus, in: Backhaus, Law and Economics, 465; Kirchner, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 23, 32 f. Homann/Suchanek, Ökonomik, 345 (Kritisierbarkeit der ökonomischen Theorien erforderlich), 378; Senn, in: Backhaus, Law and Economics, 442; Rowley, in: Parisi/Rowley, Origins of Law and Economics, 3, 26 ff. m.w.N. Aus dem Bereich der Rechtswissenschaft in diesem Sinne BVerfGE 49, 89, 143 (1978) (menschliche Erfahrung generiere immer nur Annäherungswissen, das durch jede neue Erfahrung korrigierbar sei und sich immer nur auf dem neuesten Stand unwiderlegten möglichen Irrtums befinde); Koch/Rüßmann, Begründungslehre, 326 ff.; Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, 45 ff. m.w.N. 151 Zur rechtswissenschaftlichen Methodik oben § 2 C II; zur Herleitung von Rechtsprinzipien unten § 12 A, C II. Zu den Unterschieden zwischen universeller, aber falsifizierbarer „science“ und kontingentem, aber absolutem Recht Mestmäcker, Legal Theory, 46 f. („… an analysis of the relation of ends to means teaches us only to be skilful, prudent or efficient. It does not imply or create normative obligations.“); Senn, in: Backhaus, Law and Economics, 433, 434; Parisi, in: Parisi/Rowley, Origins of Law and Economics, 33, 35 f. Gegen diese Unterscheidung und für die Übertragung des kritischen Rationalismus in das Recht Engel, in: Engel, Methodische Zugänge, 12, 38 f. 152 Aus der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur Homann/Suchanek, Ökonomik, 115 („empiristischer Fehlschluss“); Samuelson/Nordhaus, Economics, 5 („post hoc fallacy“); ebenso aus der rechtswissenschaftlichen Literatur Kramer, Methodenlehre, 239; Wieacker, Privatrechtsgeschichte,
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Dieses Zwischenergebnis liefert zunächst eine weitere Begründung dafür, dass der Güterzuordnungsproblematik im Folgenden jedenfalls nicht im Schwerpunkt mit wettbewerbspolitischen Argumenten nachgegangen wird153. Denn keine noch so ausgeklügelte Lösung kann für sich in Anspruch nehmen, ihre Konsequenzen sicher abgeschätzt zu haben und deshalb unbedingt gültig zu sein, so dass man nicht über persönliche Stellungnahmen hinauskommt. Außerdem muss die normative Ökonomik nunmehr nur noch hilfsweise darauf befragt werden, ob sie ein ökonomisches Gesetz der Güterordnung in die Rechtsordnung tragen könnte, wenn man eine entsprechende Forderung der positiven ökonomischen Analyse unterstellt.
C. Die normative ökonomische Analyse und ihre Grenzen Immerhin hat es sich die normative Ökonomik zum Programm gemacht, den Graben zwischen Sein und Sollen zu überwinden und zu formulieren, wie das Recht gestaltet sein sollte154. Problematisch aber ist, worauf sich dieser Anspruch stützt (dazu I) und inwieweit entsprechende Aussagen in der Rechtsordnung Berücksichtigung verlangen (dazu II).
I. Normative Kriterien Die normative Ökonomik nennt verschiedene Höchstwerte, anhand derer die Differenzierungen und Abwägungsgebote der positiven Ökonomik entschieden werden155. Die Wohlfahrtsökonomik als der normative Zweig der Neoklassik strebt Regelungen und Institutionen an, die die Effizienz der Mittelverwendung fördern (Allokationseffizienz) und damit zu einer Steigerung der Gesamtwohlfahrt führen156. Ihr philosophischer Ursprung ist der klassische Utilitarismus, der das größte Glück der größten Zahl anstrebt und hierfür individuelles Glück für
568153ff. A.A. Georgakopoulos, Methods of Law and Economics, 12 („The methodological rigor of law and economics produces normative conclusions that approach the certainty of positive scientific conclusions.“; einschränkend im Hinblick auf die Entscheidung zwischen denjenigen Alternativen, die in die Analyse einbezogen wurden aber a.a.O., 17). 153 Oben Einleitung B III. 154 Siehe zum Programm einer normativen ökonomischen Analyse etwa Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4; Shavell, Economic Analysis, 571. 155 Um Konsolidierung bemüht Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, 572. 156 Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 1; Noll, Rechtsökonomie, 52; Cooter/Ulen, Law and Economics, 4; Weigel, Rechtsökonomik, 29; Shavell, Economic Analysis, 2; weitere Nachweise bei Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 117. Zu verschiedenen Effizienzkriterien nur etwa Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 41 ff.; Parisi, in: Parisi/Rowley, Origins of Law and Economics, 33, 41 ff.
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messbar und vergleichbar hält157. Diese interpersonellen Nutzenvergleiche führt die Wohlfahrtsökonomik mit dem Pareto-158, Kaldor-Hicks-Kriterium159 oder einer Monetarisierung der Konsumenten- und Produzentenrenten mit anschließender Entscheidung über Kosten und Gewinne durch160. Unter rechtswissenschaftlichen Vertretern der Ökonomik ist hingegen der sog. „normative Individualismus“ verbreitet. Demnach ist nicht nur die positive Analyse methodisch auf das Individuum auszurichten, sondern auch wertende Entscheidungen finden ihre letzte Rechtfertigung ausschließlich in Bezug auf die Ziele und Präferenzen der einzelnen Gesellschaftsmitglieder161. Entscheidungsmaßstab ist entweder ein tatsächlicher Konsens aller („vertragstheoretisches Paradigma“) oder ein hypothetischer Konsens auf der Basis der Zustimmungsfähigkeit im Hinblick auf zu erwartende Kooperationsvorteile („konsenstheoretisches Paradigma“)162.
157 Zu diesen ideengeschichtlichen Wurzeln Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 21 ff.; Mestmäcker, Legal Theory, 20; Janson, Ökonomische Theorie, 89 f.; Behrens, in: Bydlinski/MayerMaly, Ethische Grundlagen, 35 ff.; Rowley, in: Parisi/Rowley, Origins of Law and Economics, 3, 18 ff.; Engel, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 9, 34. Siehe insbesondere Shavell, Economic Analysis, 595 ff. („welfare economics“ zeichne sich dadurch aus, dass individuelle Nutzwerte als Indikatoren des individuellen Wohlbefindens bestimmt und in „some way“ addiert würden); Georgakopoulos, Methods of Law and Economics, 21 („Economic analysis of law takes the position that the proper ideal of the legal system is the promotion of social welfare, that is, the maximalization of the satisfaction of individuals preferences.“), 34 („… the goal of maximizing human happiness …“). Zu den Unterschieden zwischen den Zielen der Wohlfahrtsökonomik (Erhöhung des Wohlstandes) und des Utilitarismus (Erhöhung des Glücks) Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 317; Parisi, in: Parisi/Rowley, Origins of Law and Economics, 33, 46. 158 Demnach ist der Zustand X dem von Y sozial vorzuziehen, wenn jedes Mitglied der Gesellschaft entweder den Zustand X dem von Y persönlich vorzieht oder zwischen beiden Zuständen indifferent ist, mindestens aber ein Gesellschaftsmitglied X vorzieht; siehe nur Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 24 ff. 159 Demnach ist ein sozialer Zustand X gegenüber dem sozialen Zustand Y dadurch charakterisiert, dass mindestens ein Gesellschaftsmitglied den Zustand X und mindestens ein Gesellschaftsmitglied den Zustand Y vorzieht. Der Zustand X sei sozial besser als der Zustand Y, wenn diejenigen, die X präferieren, Entschädigungszahlungen an diejenigen leisten könnten, die Y präferieren, so dass Letztere zwischen den Zuständen X und Y indifferent werden und diejenigen, die die Entschädigung leisten, diesen Zustand immer noch gegenüber Y präferieren würden. Eine Kollektiventscheidung sollte demnach durchgeführt werden, wenn die Begünstigen die Benachteiligten voll entschädigen könnten und für sie trotzdem ein Nettovorteil übrig bliebe; siehe nur Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 31 ff. 160 Knieps, Wettbewerbsökonomie, 9 m.w.N. Ähnlich in normativer Hinsicht Posners „Reichtumsmaximierungsprinzip“; siehe Posner, Economic Analysis of Law, 16. Dazu Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, 147 ff.; Janson, Ökonomische Theorie, 98 ff.; Parisi, in: Parisi/Rowley, Origins of Law and Economics, 33, 46 f. 161 Kirchner, Ökonomische Theorie, 20; ders., in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 23, 42 ff. m.w.N.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 3; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 326 ff. (normative Präferenzautonomie); Janson, Ökonomische Theorie, 25; von der Pfordten, JZ 2005, 1069. 162 Siehe Kirchner, Ökonomische Theorie, 20 f.; Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, 180 ff.; Janson, Ökonomische Theorie, 108 ff. m.w.N.
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II. Umsetzung im Verhältnis zur Rechtsordnung Zur Beantwortung der Frage, inwieweit derartige Wertungen das geltende Recht beeinflussen können, ist zunächst eine bestimmte Rechtsordnung als Referenzpunkt festzulegen, denn gegenüber genuin außerrechtlichen Normen zeigen sich nicht alle Rechtsordnungen gleichermaßen aufgeschlossen163. In Bezug auf die hier erörterte deutsche Rechtsordnung ist mit Eidenmüller weiterhin zu unterscheiden, ob die normative Ökonomik den Gesetzgeber in Bezug auf künftige Kodifikationen oder die Gerichte hinsichtlich der Auslegung geltenden Rechts adressiert164. Soweit die Umsetzung ökonomischer Postulate durch den Gesetzgeber geschehen soll, ist anerkannt, dass eine effiziente Ressourcennutzung angestrebt werden darf165. Eine ganz andere Frage ist es dann aber, ob die Legislative insbesondere auf das Effizienzkriterium festgelegt ist, also allein nach diesem Kriterium vorzugehen hat166. Ein solcher Absolutheitsanspruch wird zwischenzeitlich von der ganz überwiegenden Auffassung unter Rechtswissenschaftlern und Ökonomen abgelehnt167. Zur Begründung wird angeführt, die notwendigerweise 163 Senn, in: Backhaus, Law and Economics, 442, 447. Zum Unterschied zwischen common law und civil law als wichtiger Aspekt bei der Beurteilung der normativen Implikationen der ökonomischen Analyse Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 486; Kirchner, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 23, 39 (in einem Fallrecht stelle sich die methodische Verarbeitung der Rechtsökonomik völlig anders als in Kontinentaleuropa). 164 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 414 ff. (Gesetzgebungstheorie), 450 ff. (Theorie der Gesetzesauslegung). 165 Eucken, Wirtschaftspolitik, 370; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 486; Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, 211 f. (Effizienz als Gebot der Gerechtigkeit); Grundmann, RabelsZ 61 (1997), 423, 442 f.; Posner, Economic Analysis of Law, 27; Homann/Suchanek, Ökonomik, 389; Cooter/Ulen, Law and Economics, 4 („Public officials never advocate wasting money.“); Mestmäcker, in: Monopolkommission, Wettbewerbspolitik, 19, 25. Zur faktischen Berücksichtigung der ökonomischen Analyse in der deutschen Gesetzgebung Janson, Ökonomische Theorie, 140 ff. 166 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 8. 167 Posner, Economic Analysis of Law, 14 f. und öfter (die Ökonomik beantworte nicht „the ultimate question whether an efficient allocation of resources would be socially or ethically desirable“); Samuelson/Nordhaus, Economics, 8 („There are no right or wrong answers to these questions because they involve ethics and values rather than facts. They can be resolved only by political debate and decisions, not by economic analysis alone.“); Homann/Suchanek, Ökonomik, 349; Weigel, Rechtsökonomik, 203; Noll, Rechtsökonomie, 14 (die Ökonomie gebe keine Wertungen vor), 54 (ein ethisches Minimum bleibe vorbehalten); Hellwig, FS Mestmäcker, 231 (Vorbehalte gegen rein ökonomische Grundlegung der Wettbewerbspolitik); Samuels, in: Oppenheimer/Mercuro, Law and Economics, XI, XII; Backhaus, in: Backhaus, Law and Economics, 465; Parisi, in: Parisi/Rowley, Origins of Law and Economics, 33, 35 („… economists generally recognized the limits of their role in providing normative prescriptions for social change or legal reform“), 47 („Even the most extreme advocates of wealth maximization do not contend that such a criterion should override moral concerns.“); Kunz/Mona, Rechtsphilosophie, 239 f. m.w.N.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 1 (Hauptgegenstand der normativen Ökonomie sei es, „Regelungen und Institutionen vorzuschlagen …“, Hervorh. v. Verf.); zum UWG Ott, FS Raiser, 403, 416; letztlich auch Engel, in: Engel, Methodische Zugänge, 12, 40 (Juristen dürften sozialwissenschaftliche Erkenntnisse nicht unmittelbar in juristische Dogmatik übersetzen); zur Begrenzung einer als Realwissenschaft aufgefassten Rechtswissenschaft auf „wissenschaftliche Beratung“ im Unterschied zur
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reduzierten Modelle sozialwissenschaftlicher Forschung genügten für weitreichende normative Folgerungen nicht168. Ferner schlägt die seit langem formulierte Kritik am klassischen Utilitarismus direkt auf absolute Effizienz- oder sonstige Kriterien der normativen Ökonomik durch, die ja ebenfalls mit interpersonellen Nutzenvergleichen argumentiert169. Nicht nur, dass Glück oder eben Effizienz als Höchstwerte gesetzt und nicht ihrerseits utilitaristisch/konsequentialistisch begründet werden. Unbeantwortet ist insbesondere, wer anhand welcher Kriterien individuelle Nutzwerte bestimmt und mit anderen vergleicht170. Schließlich ergeben sich ungelöste Konflikte mit anderen, in der Rechtsordnung verankerten Werten171 sowie dem Demokratieprinzip, das auch ineffiziente Ent168 Rechtspolitik Eidenmüller, JZ 1999, 53, 58 (Regelbildung sei nicht Sache einer realwissenschaftlich betriebenen Rechtswissenschaft); ders., JZ 2005, 216, 217 mit Fn. 6; ders., JZ 2007, 487, 490 ff. Siehe zu diesem Rückzug der normativen ökonomischen Theorie auch Janson, Ökonomische Theorie, 115 f., 119 f.; Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 126 f. m.w.N. (ein absoluter Vorrang des Effizienzprinzips werde kaum noch vertreten). Für eine utilitaristische Wohlfahrtsökonomik mit Absolutheitsanspruch aber Georgakopoulos, Methods of Law and Economics, 30 („The ambition of developing rules of general application is the antithesis of moral relativity.“); auf der Basis des klassischen Utilitarismus auch Shavell, Economic Analysis, 611. 168 Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, 41 f.; Kirchner, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 23, 31 (mit Kritik an einer „common sense“ Analyse); Parisi, in: Parisi/Rowley, Origins of Law and Economics, 33, 40 f. Damit wird die erkenntnistheoretische Lücke zwischen nur wahrscheinlich wahren Hypothesen über die Wirklichkeit und absoluten Sollensschlüssen vom Tatbestand auf die Rechtsfolge geltend gemacht. 169 Siehe Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 187 ff.; Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, 121 ff.; Janson, Ökonomische Theorie, 90; Posner, Economic Analysis of Law, 12; Homann/ Suchanek, Ökonomik, 165 (Utilitarismus als Widerspruch zu moralischen Überzeugungen). Zur Notwendigkeit von interpersonellen Vergleichen Georgakopoulos, Methods of Law and Economics, 29 („Once social preferences are determined, they guide legal design.“). 170 Bontrup, Volkswirtschaftslehre, 29 (eine kardinale Messung der Bedürfnisse sei nicht möglich, ebenso wenig ihr intersubjektiver Vergleich); Herdzina, Wettbewerbspolitik, 55; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 40 f.; Weigel, Rechtsökonomik, 22; Kirchner, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 23, 40; Rowley, in: Parisi/Rowley, Origins of Law and Economics, 3, 27 („This is an impossible task in a science of human action.“); Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 164 f.; Hoppe, in: Colombatto, Property Rights, 48, 60; zu Posners „Reichtumsmaximierungsprinzip“ Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, 170 ff.; Janson, Ökonomische Theorie, 99 ff.; Parisi, in: Parisi/Rowley, Origins of Law and Economics, 33, 47 („… Posner’s normative criterion remains subject to several of the shortcomings of the Kaldor-Hicks criterion …“). Einfach ausgeblendet wird diese Problematik bei Georgakopoulos, Methods of Law and Economics, 33; den Schwachpunkt offenlegend, aber nicht lösend Shavell, Economic Analysis, 597, 668 („… so in fact we do not know what wealth is“). 171 Zur antiliberalen Logik des Pareto-Kriteriums und mit der Menschenwürde unvereinbaren Forderungen der normativen Ökonomik Posner, Economic Analysis of Law, 12 f., 28; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 390; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 50 (eine befriedigende Theorie, die andere Präferenzen einbeziehe, sei „bisher nicht in Sicht“); Hellwig, FS Mestmäcker, 231, 238 (Wohlfahrtstheorie könne nicht erklären, welche staatlichen Interventionen angemessen sind). Konsequent anders Shavell, Economic Analysis, 611 („… any person who believes that a measure of social welfare should rise whenever the utilities of all individuals rise … must abandon any view that ascribes independent importance to a notion of morality, that is, any deontological view … If a theory about the social good conflicts with a principle that one endorses in any situation, the theory must be rejected for that reason.“).
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scheidungen anerkennt, wenn sie formal ordnungsgemäß von der Mehrheit getroffen wurden172. Ebenso gravierend sind die am „normativen Individualismus“ geäußerten Bedenken. Zwar wird hier ein mit westlichen Rechts- und Gesellschaftsordnungen scheinbar ohne Weiteres vereinbarer Höchstwert gesetzt. Weil man aber nicht bei der formalen Aussage bleibt, individuelle Präferenzen seien möglichst umfassend zu verwirklichen, sondern Regelungen mit bestimmten Zwecken im Auge hat, muss doch wieder ein Kriterium gefunden werden, mit dem vom Besonderen auf das Allgemeine geschlossen werden kann. Der hierfür vorgeschlagene faktische Konsens ist wie das Pareto-Optimum vollkommen unrealistisch. Der folglich allein in Betracht kommende „hypothetische“ Konsens zielt auf einen „größeren Nutzen im Vergleich zu anderen Alternativen“ ab173 und ist damit denselben Bedenken ausgesetzt wie der klassische Utilitarismus und die Wohlfahrtstheorie174. Noch geringer sind die Spielräume für eine Berücksichtigung der normativen ökonomischen Analyse, wenn sich ihre Umsetzung nicht durch die Legislative, sondern durch die Gerichte im Rahmen der Anwendung und Auslegung des geltenden Rechts vollziehen soll. Denn wegen der Bindung des Richters an Gesetz und Recht175 dürfen ökonomische Effizienzkonzepte nur berücksichtigt werden oder gar den Ausschlag geben, wenn dies mit den Aussagen und Zielen des Gesetzes im Einklang steht176. Diese vom positiven Recht gesteckten Grenzen 172 Siehe Senn, in: Backhaus, Law and Economics, 442, 447; Homann/Suchanek, Ökonomik, 158 ff., die auf eine normative Analyse jenseits einer „streng demokratischen Konzeption“ (a.a.O., 349) verzichten und sich auf eine positive Analyse der modernen westlichen Demokratie als „hochdifferenziertes und leistungsfähiges System unterschiedlicher Regeln“ (a.a.O., 168) beschränken. Konsequent anders wiederum Shavell, Economic Analysis, 670 („… what is socially desirable … sometimes is consistent with our legal system and other times it conflicts with it“); Georgakopoulos, Methods of Law and Economics, 39 („The pure majority rule cannot be reconciled with the idea of maximizing social welfare …“), 44 („… majority rule was clearly rejected as mechanism for making decisions. The rejection of the dominant method of political decision making begs the question of how the economic analysis of law can improve majority rule.“). 173 Siehe Kirchner, Ökonomische Theorie, 25 ff. (theoretische Fundierung des Ansatzes in der Wohlfahrtsökonomie); ders., in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 23, 44. Nicht anders der mit Absolutheitsanspruch auftretende, rechtsphilosophisch-normative Individualismus nach von der Pfordten, JZ 2005, 1069, 1071 („Mutmaßungen über die tatsächlichen Wünsche“ der Individuen und „abstrakte“ Vermutung individueller Belange und Bedürfnisse). 174 Janson, Ökonomische Theorie, 114 f.; Parisi, in: Parisi/Rowley, Origins of Law and Economics, 33, 47. Kirchner, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 23, 46, sieht denn auch den Unterschied zwischen neoklassicher Wohlfahrtsökonomik und der von ihm präferierten normativen Institutionenökonomik „darin, daß die erstere oft vorschnell zu Effizienzanalysen übergeht, in denen nicht oder schwer meßbare Größen ausgeblendet werden“; es geht im also um Methodik, nicht um ein anderes Ziel. 175 Dazu oben § 2 C. 176 Zu den Voraussetzungen und Grenzen im Einzelnen Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 451 ff. (erheblich großzügiger inzwischen aber ders., JZ 2007, 487, 491); Kramer, Methodenlehre, 236 ff. m.w.N.; Janson, Ökonomische Theorie, 142 ff.; Grundmann, RabelsZ 61 (1997), 423, 432 ff.; weitergehender Lieth, Ökonomische Analyse, 156 (der Gedanke der Zweckmäßigkeit sei in jedem Einzelfall zu berücksichtigen).
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dürfen auch nicht rechtsfortbildend überwunden werden, weil der deutschen Rechtsordnung ein allgemeines Rechtsprinzip der Herstellung von Allokationseffizienz fremd ist177. Insgesamt kann daher der Versuch, ein allgemeingültiges normatives Vergleichskriterium für gesellschaftliche Zustände aufzustellen und über die normative Ökonomik zu verwirklichen, als gescheitert angesehen werden178. Vielmehr wird über das Verhältnis unterschiedlicher Werte zueinander in jeder Gesellschaft nach bestimmten Regeln entschieden. In einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat werden Wertkonflikte in einem komplexen repräsentativen Verfahren auf politischer Ebene gelöst und die Ergebnisse in die Rechtsordnung gespeist179. Ein zur Rechtspolitik übergehender Naturalismus läuft diesem rechtsstaatlichen System zuwider und ist abzulehnen180. Damit scheidet ein unmittelbarer Rückgriff der Judikative auf Erkenntnisse der positiven Ökonomik und Postulate der normativen ökonomischen Analyse aus181. Das gilt auch im Hinblick auf ein Rechtsprinzip der Güterzuordnung. Auch wenn folglich am Primat des Rechts gegenüber dem Ökonomischen festzuhalten ist182, wird hier keiner Ignoranz gegenüber den Erkenntnissen der
177 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 459 ff.; ders., JZ 1999, 53, 58; Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, 214; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 16 f. 178 Fezer, JZ 1986, 817, 819; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 321; Janson, Ökonomische Theorie, 107, 117. Konsequent an eine Glaubensgemeinschaft von Wohlfahrtstheoretikern appellierend Shavell, Economic Analysis, 611 („… any person who believes that a measure of social welfare should rise whenever the utilities of all individuals rise …“; Hervorh. v. Verf.), 669 („… those who endorse wealth maximization …“). 179 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 473; Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, 212 (Wertkonflikte müssten in einer Demokratie im politischen Entscheidungsprozess entschieden werden); Senn, in: Backhaus, Law and Economics, 433, 434. 180 Wieacker, Privatrechtsgeschichte, 582 ff. (zu den Gefahren eines normativ angewandten Rechtsnaturalismus); Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 132 (Tatsachen- oder Effizienzpositivismus als totalitärer Ansatz); Mestmäcker, Recht und ökonomisches Gesetz, 18 f. (ökonomischer Positivismus als „Missgriff“ rechter wie linker Hegelianer). Ein verfeinerter und vermutlich realitätsnäherer Positivismus in Gestalt von „Behavioral Law and Economics“ führt denn auch schnell zur Frage, ob eine „hochspezialisierte Expertokratie die beschränkten Mittel nicht besser verteilen“ würde als die Politik, wobei diese Aussage natürlich nur „polemisch“ gemeint sei; Englerth, Behavioral Law and Economics, 74; hiergegen bereits Flume, 46. DJT II, K5, K18. 181 Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 139; Janson, Ökonomische Theorie, 200; Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 127. 182 Mestmäcker, Recht und ökonomisches Gesetz, 20 („Je nachdrücklicher … auf die Interdisziplinarität von Rechts- und Wirtschaftswissenschaften hingewiesen ist, desto entscheidender wird es, die Selbständigkeit der Funktionen des Rechts gerade gegenüber dem Wirtschaftlichen zu explizieren und durchzusetzen. Das Recht nimmt wirtschaftliche Regelzusammenhänge in Bezug …, aber die Selektion dieser Momente … muß es durch die Gesetzgebung und in der Auslegung der Normen selbst bestimmen.“); ders., in: Monopolkommission, Wettbewerbspolitik, 19, 21; ebenso Homann/Suchanek, Ökonomik, 390 (Rechtsdogmatik liege jenseits der ökonomischen Methode); Senn, in: Backhaus, Law and Economics, 433, 439 („The knowledge science provides has to take second place to putative political realities.“); Janson, Ökonomische Theorie, 108; Häberle, in: Neumann, Eigentums- und Verfügungsrechte, 63, 71, 89 (Wertsetzungen der Verfassung begrenzten die Ökonomisierung der Rechtsverhältnisse); Kübler, in: Neumann, Eigentums- und Verfü-
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ökonomischen Analyse das Wort geredet. Vertreten wird diese totale Ausblendung wirtschaftswissenschaftlicher Lehren nur von denjenigen, die der Ökonomik zu Unrecht einen normativen Ausschließlichkeitsanspruch unterstellen183. Trennt man hingegen zwischen positiver und normativer Ökonomik und akzeptiert den Selbstand des Rechts, sollte die ökonomische Analyse zweifellos dazu genutzt werden, die faktischen Grundlagen einer (beabsichtigten) Regelung und ihre Folgen aufzudecken, also für die normative Wertung eine möglichst vollständige Tatsachengrundlage zu liefern184. Eher kontraproduktiv ist dann auch die normativ geleitete Modifikation der methodischen Grundlagen der positiven Ökonomik, wie sie Josef Drexl mit dem Konzept der „normativen Effizienz“
183 gungsrechte, 105, 120 ff.; Walz, KritV 1986, 131, 154 ff.; unter Einschränkungen auch Engel, in: Engel, Methodische Zugänge, 12, 26 (gebrochene Rezeption sozialwissenschaftlicher Theorie ins Recht). Eine andere, hier nicht zu vertiefende Frage ist, welche Konsequenzen sich aus dieser grundsätzlichen Arbeitsverteilung zwischen Ökonomik und Rechtswissenschaft ergeben. Umstritten ist insoweit insbesondere, ob und wie der Rechtswissenschaftler durch Aneignung ökonomischer Kenntnisse selbst die Rechtswissenschaft von einer „Rechtsprechungswissenschaft/Jurisprudenz“ zu einer stärker rechtsfolgenorientierten Gesetzgebungswissenschaft mit empirisch überprüfbaren Theorien umgestalten sollte; siehe befürwortend Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, VII f., 489.; ders., JZ 1999, 53, 59 ff.; ders., JZ 2005, 216 f. mit Fn. 6 (Unterscheidung zwischen „wissenschaftliche[r] Beratung von Gesetzgebungsgremien“ und „Rechtspolitik im Sinne von normativen Zielvorgaben“, die nicht die Aufgabe der Rechtswissenschaft als Realwissenschaft sei); Jansen/Michaels, RabelsZ 71 (2007), 345, 396; Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 45 („Recht ist ,social engineering‘ und Rechtswissenschaft Sozialwissenschaft.“); Engel, in: Engel, Methodische Zugänge, 12, 30 ff., 40 („Rechtswissenschaft ist angewandte Sozialwissenschaft.“); ablehnend Rittner, JZ 2005, 668 ff.; Jakobs, JZ 2006, 1115 ff.; Fikentscher, IIC 38 (2007), 137, 148; aus US-amerikanischer Sicht nach Jahrzehnten ökonomischer Analyse von Immaterialgüterrechten McGowan, Missouri L. Rev. 69 (2004), 1, 72 (2004) („The debate would be clearer if we spent less time swapping utilitarian narratives that cannot be falsified and more time acknowledging the first principles that drive the narratives, and debating those principles on their own terms.“). 183 So aber Fezer, JZ 1986, 817, 823 (ökonomische Rechtsanalyse und freiheitliches Rechtsdenken seien „unvereinbar“); sehr pauschal auch Grundmann, RabelsZ 61 (1997), 423, 425 (die Lawand-Economics-Bewegeung postuliere, dass dem effizientesten Ergebnis zum Durchbruch zu verhelfen sei). Wie hier Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 122, 126; Kötz/Wagner, Deliktsrecht10, Rn. 86. Wenig förderlich für eine größere Aufgeschlossenheit kontinentaleuropäischer Juristen gegenüber der ökonomischen Analyse sind unzutreffende, negative Pauschalurteile über rechtswissenschaftliche Methodik; siehe etwa Adams, Ökonomische Theorie, 12 (in der Rechtswissenschaft herrsche ein methodisches Vakuum), 21 (es werde mit alltagstheoretischen Daumenregeln gearbeitet); in Bezug auf das common law Georgakopoulos, Methods of Law and Economics, 11 f. („judges … were forced to use informal normative reasoning to choose an interpretation and decide the case“). 184 Ebenso Posner, Economic Analysis of Law, 15; Kirchner, Ökonomische Theorie, 30; Janson, Ökonomische Theorie, 119; Weigel, Rechtsökonomik, 197; Kramer, Methodenlehre, 239; Möschel, FS Mestmäcker, 355, 364, 365; Senn, in: Backhaus, Law and Economics, 433, 440; Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 166 f.; Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, 95 f.; Kübler, in: Neumann, Eigentumsund Verfügungsrechte, 105, 119; Walz, KritV 1986, 131, 147; Lemley, Texas L. Rev. 83 (2005), 1031, 1065 ff. m.w.N.; insoweit zutreffend und übereinstimmend auch Shavell, Economic Analysis, 646, 672; Samuelson, University of Ottawa L. & Tech. J. 1 (2003–2004), 1 ff.; allgemein und ohne Rücksicht auf die ökonomische Analyse Wieacker, Privatrechtsgeschichte, 570.
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vertritt185. Denn dieser radikale Ansatz birgt die Gefahr, eine wie hier als bloße Hilfswissenschaft verstandene Ökonomik zu kompromittieren, indem ihr die methodischen Axiome – die immerhin in vielen Fällen zutreffende Voraussagen erbrachten – genommen werden186.
D. Der Adressat eines normativen Postulats der Güterzuordnung Selbst wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung der positiven Ökonomik eine gesetzmäßige Aussage über die Güterzuordnung entnimmt und darüber hinaus eine Umsetzung dieses Postulats auch gegen kollidierende Wertvorstellungen im Recht für möglich hält, bliebe noch die für die folgende Untersuchung zentrale Frage offen, ob der Gesetzgeber oder die Gerichte ein solches ökonomisches Gesetz der Güterordnung zu vollziehen hätten. Wenn Institutionen als veränderbare Regelsysteme in die Analyse einbezogen werden, liegt diese Kompetenzfrage nahe. Und tatsächlich beschäftigt sich die Ökonomik sowohl in ihrem positiven als auch in ihrem normativen Zweig mit der Frage, welcher Akteur für die Festlegung von property rights zuständig ist bzw. sein sollte187. Eine insbesondere von Posner propagierte Auffassung hält die Gerichte für den vorzugswürdigen Adressaten normativer Folgerungen. Ein richterrechtliches Fallrecht sei effizienter als ein primär auf Gesetzen beruhendes Recht, weil es die wirtschaftlich-technische Entwicklung anpassungsfähig und evolutiv begleite. Zur Bestätigung wird auf das dauerhafte und größere Wirtschaftswachstum von common-law-Ländern verwiesen, in denen stabile property rights gewährt würden und das Vertragsrecht besser durchgesetzt werde188. Dem wird entgegengehalten, die stare-decisis-Regel des common law sei ebenfalls unflexibel, politische und sonstige Einflussnahmen auf Richter, die nicht a priori zu ef185 Siehe Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, 176 ff. (das normative Menschenbild der jeweiligen Rechtsordnung (etwa das des Grundgesetzes) müsse bereits bei der Hypothese vom homo oeconomicus berücksichtigt werden, so dass die Effizienz ihren ökonomsichen Charakter verliere und von Anfang an normativ definiert werde). 186 Siehe Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, 183 (das Konzept normativer Effizienz sei zur Vermeidung modelltheoretischer, die Wirklichkeit reduzierender Annahmen „nicht als Beschreibung der Wirklichkeit gedacht“). Skeptisch auch Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, 571 (ein Ansatz, der die Effizienzkriterien lose, qualitativ offen definiere, könne allenfalls grobe Unterscheidungen zwischen effizient und ineffizient formulieren und sei daher „nicht besonders befriedigend“); Kirchner, Ökonomische Theorie, 16. 187 Siehe Coase, J.L. & Econ. 3 (1960), 1, 27 f. (Gerichte oder der Gesetzgeber für property rights zuständig); Homann/Suchanek, Ökonomik, 110 f. („Management von Institutionen“); Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, 143; Englerth, Behavioral Law and Economics, 72 ff.; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 68 ff. 188 Posner, Economic Analysis of Law, 249 ff., 532 („… judge-made rules tend to be efficiencypromoting while those made by legislatures tend to be efficiency-reducing“); Rubin, in: Parisi/ Rowley, Origins of Law and Economics, 383, 388 ff. m.w.N.; Parisi, in: Parisi/Rowley, Origins of Law and Economics, 33, 39; ferner Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 70 ff. m.w.N.
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fizienteren Ergebnissen als der Gesetzgeber in der Lage seien, würden ausgeblendet, und es bestehe eine normativ zweifelhafte Tendenz zur Kadijustiz189. Ergänzen ließe sich, dass ein solch oberflächlicher Vergleich zwischen Fallrecht und Gesetzesrecht unter anderem ausblendet, dass Gesetzbücher wie das BGB den Erfahrungsschatz des gemeinen Rechts zu kodifizieren suchten und der Anpassung an geänderte Lebenssachverhalte durch Rechtsfortbildung unterliegen190. Dieser allgemeinen Diskussion lassen sich freilich nur wenige konkrete Anhaltspunkte im Hinblick auf die Frage entnehmen, ob Gerichte gerade property rights mit den Wirkungen von Ausschließlichkeitsrechten begründen bzw. anerkennen sollten. Die intensive Erörertung des Zusammenhangs zwischen Rechtssystem und wirtschaftlicher Entwicklung ist nicht speziell auf die Anerkennung derartiger property rules bezogen, sondern genereller auf einen funktionierenden Rechtsstaat mit allgemeinen Gesetzen und einem stabilen, unabhängigen Gerichtssystem, das bestehende Ansprüche durchsetzt und vor willkürlichen staatlichen Eingriffen in Eigentum und Handlungsfreiheit schützt191. Soweit es spezieller um die Begründung von property rights geht, wird damit der eingangs erläuterte, sehr umfassende Begriff von „Handlungs- und Verfügungsrechten“ angesprochen, so dass zum Beispiel auch die Anerkennung und Durchsetzung von vertrags- und deliktsrechtlichen Ansprüchen umfasst ist192. Dagegen liegt bisher – soweit ersichtlich – keine ökonomische Analyse vor, die im Hinblick auf die Zuständigkeit von Privatrechtssubjekten, Gerichten und dem Gesetzgeber verschiedene Arten von property rights unterscheidet, so wie dies hier getan wird193. Zudem finden sich mehrere Stellungnahmen, die jedenfalls im Hinblick auf property rules für die Zuständigkeit des Gesetzgebers plädieren. So bedürfe die Anerkennung derartiger, gegen jedermann wirkender Rechte der Zustimmung
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Siehe Tullock, in: Parisi/Rowley, Origins of Law and Economics, 464 ff. m.w.N.; Rowley, in: Parisi/Rowley, Origins of Law and Economics, 3, 24 ff. m.w.N.; Menard/Shirley, in: Menard/Shirley, New Institutional Economics, 1, 8 („highly controversial issue“); Levine, Law, Endowments, and Property Rights, 8 ff. m.w.N. („These arguments suggest that simply knowing whether the country has a civil or common law system will not provide much information on the effectiveness of property rights institutions.“). Diese Kritik wird von Posner selbst teilweise aufgegriffen; siehe Posner, Economic Analysis of Law, 534 (für „big changes“ seien die Richter institutionell nicht ausgerüstet), 560 f. (stare-decisis-Regel teilweise unflexibel). 190 Vorbehalt insoweit auch bei Posner, Economic Analysis of Law, 532 mit Fn. 3 zur Kodifikation von common law. Zur Konvergenz der Rechtssysteme auch Adams, Ökonomische Theorie, 34 ff. Allgemeine Kritik wie hier bei Mestmäcker, Legal Theory, 37 („highly speculative“); zur Rechtsfortbildung allgemein oben § 2 C und zum Deliktsrecht des BGB unten §§ 6 C IV, 13 A II 1. 191 Alston/Mueller, in: Menard/Shirley, New Institutional Economics, 573, 580 mit Fn. 12 („… the rule of law … is a broader set of rights than property rights“); ferner Liggio/Chafuen, in: Colombatto, Property Rights, 3, 42 (wirtschaftliche Freiheit, Korruption, Rechtsstaat und Eigentum als mehrere Faktoren); Torstensson, in: Pejovich, Property Rights II, 183, 184 (zur negativen Wirkung willkürlicher Enteignungen auf das wirtschaftliche Wachstum). 192 Siehe Posner, Economic Analysis of Law, 249 f. 193 Siehe unten § 14 B.
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Teil 1: Grundlagen der Güterzuordnung
aller Betroffenen und daher der Niederlegung im allgemeinen Gesetz194. Außerdem werden Bedenken gegen ad-hoc-Entscheidungen der Gerichte über die Eigentumsordnung formuliert, weil sich dann keiner mehr seines Eigentums sicher sein und entsprechend planen und handeln könnte195. Schließlich fungiere ein numerus clausus als eine Art verfahrensrechtliche „Bremse“ gegen punktuell vielleicht sinnvolle, generell aber möglicherweise zu Ineffizienzen führende property rights196.
E. Zusammenfassung Vorstehend wurden die ökonomischen Grundlagen der Güterzuordnung anhand einer Zusammenfassung der Ergebnisse der ökonomischen Analyse des Rechts erörtert. Die Wirtschaftswissenschaften und insbesondere die Neue Institutionenökonomik wurden für diese Einblendung der Seinsebene gewählt, weil sie im Vergleich zu anderen Sozialwissenschaften und mit Blick auf die Suche nach einem Rechtsprinzip der Güterzordnung relevante Fragen stellen und einschlägige Forschungsergebnisse liefern. Außerdem beschränkt sich die Ökonomik nicht auf die analytische Beschreibung dessen, was ist (positive Ökonomik), sondern postuliert in ihrem normativen Zweig auch, welche Institutionen zur Erreichung bestimmter Ziele gewählt werden sollten (dazu A). Die Skizze der güterzuordnungsrelevanten positiven Ökonomik hat ergeben, dass property rights im Sinne von Handlungs- und Verfügungsrechten unterschiedlicher Wirkung und Struktur grundsätzlich für erforderlich gehalten werden, weil sie Voraussetzung für die dezentrale Marktwirtschaft sind und eine effiziente Nutzung von Gütern anregen. Der hiermit auf den ersten Blick naheliegende Satz, wonach jeder faktische Vermögenswert zugeordnet werden sollte („wenn Wert, dann Recht“), entspricht jedoch nicht den Ergebnissen der positiven Ökonomik. Ihre Vertreter formulieren nämlich durchweg und mit zunehmender Deutlichkeit den Vorbehalt, dass zwischen verschiedenen Arten von property rights und dem jeweils betroffenen Lebenssachverhalt und Gut zu un194 Demsetz, Am. Econ. Rev. 57 (1967), 347 („An owner of property rights possesses the consent of fellowmen to allow him to act in particular ways.“); Richter/Furubotn, Institutionenökonomik, 128 f. („Konsensualcharakter subjektiver Rechte“); Homann/Suchanek, Ökonomik, 156 (wechselseitige Einräumung von Verfügungsrechten), 181 (Schutz von Verfügungsrechten als kollektive Entscheidung); Alston/Mueller, in: Menard/Shirley, New Institutional Economics, 573 („Definition of property rights is a legislative function of the state.“). 195 Hoppe, in: Colombatto, Property Rights, 48, 60 f. In Bezug auf den numerus clausus der derivativen dinglichen Rechte auch Merrill/Smith, Yale L.J. 110 (2000), 1, 66 (die Zuständigkeit des Gesetzgebers sei im Interesse allgemein gültiger, klarer und stabiler Rechte effizient). 196 Für originäre intellectual property rights Lemley, Texas L. Rev. 83 (2005), 1031, 1072 ff. Ebenso für den numerus clausus der derivativen dinglichen Rechte Merrill/Smith, Yale L.J. 110 (2000), 1, 40 („… the numerus clausus imposes a brake on efforts by parties to proliferate new forms of property rights“).
§ 3 Ökonomische Grundlagen der Güterzuordnung
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terscheiden ist. Außerdem beschränken sie sich wegen des typischerweise relationalen, die Wettbewerbsfreiheit Dritter einbeziehenden Blicks auf property rights und der erkenntnistheoretischen Grenzen der Erforschung der Wirklichkeit darauf, die Vor- und Nachteile verschiedener property-rights-Strukturen herauszuarbeiten (komparativer Institutionenansatz). Die positive ökonomische Analyse von property rights läuft daher auf ein Differenzierungs- und Abwägungsgebot hinaus, das eine gesetzmäßige Aussage über die Zuordnung von Gütern nicht zu tragen vermag (dazu B). Ohnehin kann eine nur beschreibende Analyse den Graben zwischen Sein und Sollen nicht überwinden und ein Rechtsprinzip der Güterzuordnung etablieren. Diesen Geltungsanspruch erhebt indes die normative Ökonomik, deren Entscheidungskriterien sowie ihre Umsetzbarkeit in die Rechtsordnung daher trotz des negativen Befundes zur positiven Ökonomik erörtert wurden. Insoweit ist festzuhalten, dass weder die Wohlfahrtsökonomik mit ihrem Höchstwert Effizienz noch ein normativer Individualismus einen Absolutheitsanspruch erheben können, der konfligierende Werte verdrängt und dessen Forderungen unverändert in das Recht zu transformieren wären. Die inhärenten Defizite dieser Ansätze und ihre Unvereinbarkeit mit der Art und Weise, wie in einem freiheitlichdemokratischen Rechtsstaat Wertkonflikte gelöst werden, machen den Selbstand des Rechts unabdingbar. Auch hieran würde ein ökonomisches Zuordnungsgesetz mit Auswirkungen auf die Rechtsordnung scheitern (dazu C). Selbst wenn man ein von der positiven und normativen Ökonomik demnach nicht getragenes Güterzuordnungsgesetz unterstellt, bliebe offen, ob die Gerichte oder der Gesetzgeber die relevanten Forderungen zu vollziehen hätten. Insoweit war zwar eine intensive Diskussion um die Vorzüge eines richterrechtlich geprägten Fallrechtssystems im Vergleich zu einem Gesetzesrecht zu referieren. Abgesehen von vereinzelten Bemerkungen, die im Interesse der Klarheit und Voraussehbarkeit des Rechtsverkehrs gesetzliche Regelungen bevorzugen, liegen indes keine ökonomischen Studien vor, die dieser Kompetenzfrage im Hinblick auf verschiedene Arten von property rights nachgehen und insbesondere originäre Ausschließlichkeitsrechte in Blick nehmen (dazu D). Insgesamt vermag die ökonomische Analyse nur – aber immerhin und unverzichtbar – Argumente für die genuin normativ und damit von der Rechtsordnung zu entscheidende Frage nach dem materiellen Inhalt von und der formellen Zuständigkeit für Güterzuordnungen zu liefern. Der damit methodisch-begrifflich, verfassungsrechtlich und sozialwissenschaftlich abgesteckte Rahmen der Güterzuordnung ist nunmehr im Hauptteil auf der Basis des geltenden deutschen Rechts auszufüllen.
Teil 2
Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
§ 4 Beispiele und relevante Rechtsgrundlagen
A. Zweck der Darstellung Das Phänomen der Unvollständigkeit der Güterzuordnung ist in der Einleitung anhand einiger Beispiele aufgezeigt worden. Die folgende Übersicht zu „neuen“1, vom güterzuordnungsrelevanten Recht zu einem bestimmten Zeitpunkt noch nicht ausdrücklich geregelten Gütern knüpft hieran an und bildet das Scharnier zum Hauptteil der Studie, der den Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung gewidmet ist. Bevor jene Rechtsgrundlagen auf ihren güterzuordnenden Gehalt untersucht werden können, muss zunächst einmal das entsprechende Prüfungsprogramm festgelegt werden. Dazu werden im Folgenden acht Konflikte um „neue“ Güter dargestellt (jeweils 1) und die zu ihrer Lösung ins Feld geführten Rechtsnormen benannt (jeweils 2). Aus diesem Reservoir der Praxis werden die in den §§ 5 bis 11 im Einzelnen zu analysierenden Vorschriften gewonnen. Ferner sind die in den Beispielen ausgetauschten sachlichen Kernargumente für und wider eine individuelle Zuordnung auszuweisen (jeweils 3). Die letztgenannte Darstellung bildet wiederum die Basis der den Hauptteil abschließenden Analyse eines ungeschriebenen Rechtsprinzips der Güterzuordnung (dazu § 12). Denn ein solches Rechtsprinzip stützt sich auf konkrete Wertungen, die ebenfalls aus der einschlägigen Rechtspraxis kondensiert werden können. Der hierfür gewählte Aufbau, jedes Beispiel gesondert im Hinblick auf diese drei Aspekte darzustellen, kommt nicht ohne gewisse Längen und Wiederholungen aus. Dieser darstellerische Mangel wird jedoch bewusst in Kauf genommen, um die durchgängigen Parallelen und wiederkehrenden Grundgedanken deutlich zu machen, die letztlich den hier gewählten horizontalen Ansatz eines allgemeinen Güterzuordnungsrechts rechtfertigen. Was die Abfolge der einzelnen Beispiele anbelangt, werden zuerst diejenigen Beispiele referiert, die nach Auffassung der Rechtsprechung über die normierten Ausschließlichkeitsrechte und hier namentlich das Sacheigentum abwickelt werden. Die insoweit zu nennenden Grenzfälle sind Rechte an Bildern von Sachen sowie an der Übertragung von Sportveranstaltungen. Die übrigen Güterzuordnungskonflikte werden jenseits 1
Die Anführungszeichen verweisen darauf, dass manche Güter (wie zum Beispiel Persönlichkeitsmerkmale) lange Zeit bekannt sein können, bevor sich aufgrund wirtschaftlich-sozialer Entwicklungen die Frage stellt, ob Ausschließlichkeitsrechte anerkannt werden sollten; dazu oben Einleitung A.
§ 4 Beispiele und relevante Rechtsgrundlagen
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der normierten Ausschließlichkeitsrechte ausgetragen und betreffen allgemeine Rechtsgrundlagen des BGB, des UWG, der ZPO und der InsO. Aus dieser Gruppe werden zunächst historische Fälle berichtet, die zwischenzeitlich durch das Immaterialgüterrecht geklärt sind. Von den derzeit (noch) nicht durch normierte Ausschließlichkeitsrechte zugewiesenen Gütern werden nacheinander die Internet-Domain, betriebliche und technische Geheimnisse (Know-how), elektrische und sonstige Energie, Persönlichkeitsmerkmale sowie schließlich virtuelle Spielfiguren betrachtet.
B. Beispiele für „neue“ Güter und ihre Zuordnung I. Bilder von Sachen 1. Sachverhaltskonstellationen Das erste Beispiel eines Güterzuordnungskonflikts betrifft einen Grenzfall des Sacheigentums, nämlich die Herstellung und Verwertung von Bildern unbeweglicher Sachen2 und in wenigen Fällen auch von Mobilien3 auf Postkarten, Werbeprospekten oder in Filmen. Während der Verbrauch und die sonstige Verwendung von Sachen durch körperliches Ergreifen seit jeher zweifellos vom Sacheigentum erfasst waren, konnten Abbildungen von Sachen erst seit der Erfindung der Fotografie und des Films hergestellt und verwertet werden, so dass insoweit von einem „neuen“ Gut gesprochen werden kann. Der nicht um Zustimmung ersuchte Eigentümer der abgebildeten Sache ist vorwiegend in seinen kommerziellen Interessen an der Sache berührt (Postkartenfälle); teilweise wird aber auch das Interesse geltend gemacht, die Sache gar nicht öffentlich abgebildet zu sehen (Zeitschriftenfälle) oder nicht mit Dritten in Verbindung gebracht zu werden (Werbeprospektfälle). Vertragliche Ansprüche
2 Siehe KG OLGE 20, 402 (1909) (Postkarte von Innenaufnahmen eines Raumes); BGH NJW 1960, 1614 f. (Filmaufnahme der Außenansicht eines Hauses); KG Schulze KGZ 52 (1969) (Postkarten vom Zoologischen Garten); BGH NJW 1971, 1359 f. (Aufnahme eines Hauses im Werbeprospekt eines Bauunternehmers); BGH GRUR 1975, 500 – Schloss Tegel (Postkarten vom Schloss Tegel); OLG Celle MDR 1980, 311 f. (Aufnahme des Balkons eines Mieters); LG Freiburg GRUR 1985, 544 f. (Postkarten eines Fachwerkhauses); OLG München AfP 1988, 45 f. (Postkarten eines Klinikums); BGH NJW 1989, 2251 ff. – Friesenhaus (Aufnahme eines Hauses für Werbung); BGH NJW-RR 1997, 104 (Fotografien eines Ladengeschäfts); BGH JZ 1998, 1120 f. (Filmaufnahmen in einer Ferienanlage); OLG Brandenburg NJW 1999, 3339, 3340 (Außenaufnahmen eines Hauses). 3 Siehe Hanseatisches OLG Hanseatische Rechtszeitung 1927, 138 ff. (Geschäftsurkunden und Privatbrief eines Gesellschafters); BGHZ 44, 288 ff. (1965) – Apfel-Madonna (Abgüsse gemeinfreier Kunstwerke aus Museen); BGHZ 81, 75 ff. – Carrera (Foto eines Autos auf einer Verpackung); LG Hamburg AfP 1994, 161 f. (Foto einer Segeljacht in einer Fachzeitschrift); OLG Köln, GRUR 2003, 1066 ff. – Wayangfiguren (private Sammlung indonesischer Schattentheaterfiguren); ferner die Fallkonstellation bei Ruhwedel, JuS 1975, 243 (Zeitschrift druckt den Kopf eines Rassehahns).
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
sind in diesen Fällen häufig nicht gegeben, weil entweder schon keine vertragliche Beziehung zum Fotografen/Filmhersteller bzw. endgültigen Nutzer besteht oder keine entsprechenden Pflichten vereinbart wurden. Auch zwei in Betracht kommende normierte Ausschließlichkeitsrechte stehen dem Eigentümer nicht ohne Weiteres zur Verfügung: Das Eigentum an der Sache ist nicht verletzt, weil durch Abbildungen und deren Vervielfältigung nicht in relevanter Weise auf die Sache „eingewirkt“ wird (§ 903 BGB)4. Ein Schutz durch das Urheberrecht scheidet aus, wenn die fotografierte Sache nicht z.B. als Skulptur oder Werk der Baukunst gem. § 2 UrhG urheberrechtlich geschützt ist5. Selbst wenn das der Fall sein sollte, dürfen Werke an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen unter anderem durch Lichtbild und Film unentgeltlich vervielfältigt, verbreitet und öffentlich wiedergegeben werden (§ 59 UrhG)6. Es stellt sich daher die Frage, ob und wenn ja wem ein „Recht am Bild der eigenen Sache“ zusteht7. 2. Diskutierte Rechtsgrundlagen Unstreitig ist zunächst, dass der Eigentümer bzw. der berechtigte Besitzer Abbildungen von Sachen und deren anschließende Verwertung vertraglich regeln und ggf. von der Zahlung eines Entgelts abhängig machen kann8. Da diese Möglichkeit aber in vielen Fällen nicht gegeben ist, wird seit einer Entscheidung des Kammergerichts aus dem Jahre 1909 das Sacheigentum als Rechtsgrundlage von Ansprüchen diskutiert9. Allerdings ist umstritten, ob und inwieweit dieser Ansatz trägt10: Während einige Instanzgerichte bereits die Herstellung einer Auf4
Dazu sogleich und unten § 5 B I. BGHZ 44, 288, 292 f. (1965) – Apfel-Madonna. 6 Siehe dazu BGH NJW 1989, 2251, 2252 – Friesenhaus; BGHZ 144, 232, 234 f. (2000); BGHZ 150, 6, 8 (2002); BGH ZUM 2003, 955, 956; OLG Hamburg GRUR 1974, 165, 166 f.; Gerstenberg, Photograph und Urheberrecht, 12. § 59 UrhG bringt allerdings nach Auffassung des BGH keinen allgemeinen Rechtsgedanken zum Ausdruck; siehe BGHZ 144, 232, 237 (2000). 7 Die Formulierung wird, soweit ersichtlich, erstmals von Löhr, WRP 1975, 523, 524, benutzt; ferner Brehm/Berger, Sachenrecht, Rn. 7.11 f. 8 BGH NJW 1994, 188, 189 (Taschenkontrollen auf Grundlage des Hausrechts oder allgemeiner Geschäftsbedingungen, auch im Rahmen des vorvertraglichen Schuldverhältnisses); Hanseatisches OLG Hanseatische Rechtszeitung 1927, 138 ff. (aus Gesellschaftsvertrag ergebe sich, dass ein ausgeschiedener Gesellschafter Geschäftsurkunden nicht vervielfältigen und verbreiten dürfe); KG Schulze, KGZ 52, 6 ff. (1969); Löhr, WRP 1975, 523, 525; Wagner, in: MünchKomm, § 823 BGB Rn. 109; Schack, Urheberrecht, Rn. 39; Brüggemeier, Deliktsrecht, 213. 9 Siehe KG OLGE 20, 402 ff. (1909); BGHZ 44, 288, 293 (1965) – Apfel-Madonna; BGH NJW 1989, 2251 ff. – Friesenhaus; BGH GRUR 1975, 500, 501 – Schloss Tegel; OLG München AfP 1988, 45 f.; LG Waldshut-Tiengen NZM 1999, 1166, 1167; OLG Köln GRUR 2003, 1066, 1067 – Wayangfiguren; Gerauer, GRUR 1988, 672 f.; Bittner, Fotografieren fremder Sachen, 27 f., 101; Pikart, RGRK, § 1004 BGB Rn. 27 (in Abgrenzung zur Befugnis, sich gegen das unbefugte Betreten oder Befahren eines Grundstücks zu wehren); anders indes ders., WM 1976, 606, 611 (entsprechende Anwendung des § 1004 BGB). 10 Ähnlich die Rechtslage in Frankreich, wo eine ganz ähnliche Diskussion zur Anwendung des Art. 544 CC auf Fotografien von Sachen zu beobachten ist; Nachweise dazu bei Dreier, FS Dietz, 250 mit Fn. 46; Geiger, IIC 2005, 706 ff. Nachdem ein Recht am Bild der eigenen Sache in der Rechtsprechung jahrelang bejaht worden war, hat die Cour de cassation, Recueil Dalloz (D) 2004, 5
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nahme als ausreichende Einwirkung auf das Eigentum an der Sache bzw. den berechtigten Besitz ansahen11, erkannte der Bundesgerichtshof in der FriesenhausEntscheidung 1989 hierin weder eine Beeinträchtigung der rechtlichen Stellung des Eigentümers noch eine tatsächliche Einwirkung gem. § 903 BGB. Vielmehr liege eine immaterielle Nutzung vor, für die zudem die urheberrechtliche Schrankenregelung des § 59 UrhG zu beachten sei12. Konsequent wurde jedenfalls für gem. § 59 UrhG öffentlich zugängliche Sachen auch die nachfolgende Verwertung von Aufnahmen nicht als Eigentumsverletzung angesehen13. Dem steht jedoch weiterhin die auch durch die Friesenhaus-Entscheidung nicht aufgegebene und von Instanzgerichten und herrschender Meinung weithin akzeptierte Schloss-Tegel-Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1974 entgegen. Demnach wird zumindest die gewerbliche Verwertung von Aufnahmen nicht öffentlich zugänglicher Sachen als Eingriff in das Sacheigentum ange11 1545, entschieden, aus dem nicht unbegrenzten Art. 544 CC ergebe sich kein ausschließliches Recht des Eigentümers einer Sache an den Fotografien dieser Sache („le droit de propriété n’est pas absolu et illimité et ne comporte pas un droit exclusif pour le propriétaire sur l’image de son bien“). Allerdings soll der Eigentümer sich immer noch gegen die Nutzung eines solchen Fotos wehren können, bei der ein „trouble anormal“ auftritt („Mais attendu que le propriétaire d’une chose ne dispose pas d’un droit exclusif sur l’image de celle-ci; qu’il peut toutefois s’opposer à l’utilisation de cette image par un tiers lorsqu’elle lui cause un trouble anormal“). Unklar ist, ob diese ausnahmsweise Haftung sich noch auf Art. 544 CC, also das Sacheigentum stützen lässt (dafür Schack, ZEuP 2006, 150, 155). Im zu entscheidenden Fall wurde dieser Tatbestand abgelehnt, obwohl – oder weil? – die Eigentümerin selbst Postkarten des abgebildeten Gebäudes vertrieb. 11 KG OLGE 20, 402 f. (1909); wohl auch KG Schulze KGZ 52, 6 (1969). Befürwortend auch Brüggemeier, Deliktsrecht, 212 („Als Grundsatz muß daher gelten, daß das Fotografieren privater Sachen gegen oder ohne den Willen des Eigentümers oder des sonst sachenrechtlich Nutzungsberechtigten eine rechtswidrige Eigentumsverletzung darstellt, die negatorische Rechtsschutz- und Eingriffskondiktionsansprüche begründet.“); Gerauer, GRUR 1988, 672, 673 (dem Eigentümer müsse das Recht vorbehalten bleiben, „über Art und Weise der Verwendung der Sache und ihrer Vorstellung in der Öffentlichkeit zu entscheiden“); Dreier, FS Dietz, 235, 248 ff. 12 BGH NJW 1989, 2251, 2252 f. – Friesenhaus; ebenso die Vorinstanz OLG Bremen NJW 1987, 1420; ferner OLG Oldenburg NJW-RR 1988, 951, 952; Hanseatisches OLG Hanseatische Rechtszeitung 1927, 138 (allerdings sei nicht ausgeschlossen, dass der Akt der Herstellung unter Umständen eine unzulässige Einwirkung auf die Sache bedingen und insofern die Herstellung selbst gemäß § 903 BGB verhindert werden könne); OLG Celle MDR 1980, 311; OLG Köln GRUR 2003, 1066, 1067 („Es gibt nicht in Anlehnung an § 22 KUG ein Recht am Bild der eigenen Sache. Denn die Herstellung von Abbildungen einer Sache greift in keiner Weise in das Recht des Eigentümers zum Besitz und zur Benutzung einer Sache ein.“); LG Freiburg GRUR 1985, 544 f.; LG Waldshut-Tiengen NZM 1999, 1166, 1167 f. Ebenso die h.M. in der Literatur, siehe Bittner, Fotografieren fremder Sachen, 62–88 (es bestehe kein schutzwürdiges Interesse des Eigentümers, ferner drohten Überschneidungen mit dem Urheberrecht); Mühl, in: Soergel, § 1004 BGB Rn. 61; Wagner, in: MünchKomm, § 823 BGB Rn. 109; Schack, Urheberrecht, Rn. 39; ders., ZEuP 2006, 150, 156; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 391; Lammek/Ellenberg, ZUM 2004, 715 f. (die aber für gesetzliche Ansprüche aus einem „Hausrecht“ eintreten, dazu sogleich); Ruhwedel, JuS 1975, 242, 243. Offengelassen bzw. nicht entschieden wurde diese Frage von BGH NJW 1971, 1359; BGH GRUR 1975, 500, 501 – Schloss Tegel (die Klägerin hatte nur die Verwertung der Fotos angegriffen, nicht die Herstellung der Fotos selbst); BGHZ 81, 75, 77 (1981) – Carrera (bejahend noch die Vorinstanz OLG München AfP 1988, 45 unter Verweis auf BGH Schloss Tegel); BGH NJW-RR 1997, 104, 105.
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sehen, der gem. §§ 903, 1004 BGB untersagt werden könne14. Wo die Grenzen dieses „Rechts am Bild der eigenen Sache“ verlaufen, ist freilich weitgehend ungeklärt15. Eine andere Auffassung gründet etwaige Ansprüche auf das Hausrecht und knüpft damit an die Befugnis des Eigentümers bzw. berechtigten Besitzers an, den Zugang zum Grundstück bzw. zur beweglichen Sache als unstreitig eigentumsrelevante Nutzung faktisch und rechtlich zu steuern16. Allerdings ist die genaue Herleitung des Hausrechts streitig. Während es teilweise als aus dem Eigen-
13 BGH NJW 1989, 2251, 2252 – Friesenhaus; LG Waldshut-Tiengen NZM 1999, 1166, 1167 f.; obiter BGH NJW 1960, 1614; wohl auch OLG Oldenburg NJW-RR 1988, 951, 952; offengelassen von LG Berlin AfP 1999, 525, 526; zustimmend Spindler, in: Bamberger/Roth, § 823 BGB Rn. 57; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 391; Schack, ZEuP 2006, 150, 152. Anders die Abgrenzung von OLG München AfP 1988, 45, 46 (maßgeblich sei, ob das Grundstück betreten werde oder nicht); zustimmend Gerauer, GRUR 1988, 672 ff.; wohl auch Lammek/ Ellenberg, ZUM 2004, 715, 718. 14 BGH GRUR 1975, 500 f. – Schloss Tegel; KG OLGE 20, 402 ff. (1909); KG Schulze KGZ 52, 6 ff. (1969); OLG Köln GRUR 2003, 1066 f.; zustimmend Pikart, in: RGRK, § 1004 BGB Rn. 27 (sonstige Zudringlichkeiten); Löhr, WRP 1975, 523; Gursky, in: Staudinger, § 1004 BGB Rn. 78; Schmieder, NJW 1975, 1164; Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 132 ff.; Spindler, in: Bamberger/Roth, § 823 BGB Rn. 57 (Recht des Eigentümers, die Nutzung seines Eigentums zu bestimmen); Fritzsche, in: Bamberger/Roth, § 1004 BGB Rn. 41; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 391; Lammek/Ellenberg, ZUM 2004, 715, 718; Mühl/Hadding, in: Soergel, § 812 BGB Rn. 155; a.A. LG Hamburg AfP 1994, 161 f.; Schiemann, in: Erman, § 823 BGB Rn. 34; Grüning, Eigentumsfreiheitsklage, 36 ff. 15 BGH GRUR 1975, 500, 501 – Schloss Tegel; KG OLGE 20, 402, 403 (1909) (das Verbietungsrecht sei nur insoweit anzuerkennen, als es durch „vernünftige Zwecke“ erfordert werde); OLG München AfP 1988, 45 (zu wahren sei ein „allgemeines Interesse, das abgebildete Bauwerk kennenzulernen“). Zur Schutzdauer Gursky, in: Staudinger, § 1004 BGB Rn. 80 m.w.N.; Schmieder, NJW 1975, 1164; Grüning, Eigentumsfreiheitsklage, 72 („ewige“ Dauer); a.A. Bittner, Fotografieren fremder Sachen, 98 ff. (Schutzfrist des Urheberrechts). Zur Freiheit der Berichterstattung analog § 50 UrhG Beater, JZ 1998, 1101, 1108 f.; Dreier, FS Dietz, 235, 251. Zur Verwendung als Hintergrund analog § 23 Nr. 2 KUG Brüggemeier, Deliktsrecht, 212. Auch die nichtgewerbliche Nutzung wird für zulässig erklärt: BGH NJW 1989, 2251 – Friesenhaus; OLG Köln GRUR 2003, 1066, 1067 – Wayangfiguren; Bittner, Fotografieren fremder Sachen, 123 (Rechtsgedanke der §§ 53 ff. UrhG); Dreier, FS Dietz, 235, 251; Spindler, in: Bamberger/Roth, § 823 BGB Rn. 57; Wagner, in: MünchKomm, § 823 BGB Rn. 108 f. 16 Siehe aus der Rechtsprechung BGH NJW 1989, 2251, 2252 – Friesenhaus mit Verweis auf BGH Apfel-Madonna; BGH NJW-RR 1997, 104, 105 unter Verweis auf BGH Schloss Tegel. Zum Hausrecht des berechtigten Besitzers RGZ 45, 170, 173 f. (1899) (Erben Bismarcks als Inhaber des Hausrechts kraft „natürlichem Rechtsgefühle“; das Hausrecht gewähre an sich das Recht und die Macht, die photographische Aufnahme und folgeweise deren Veröffentlichung zu verhindern; diese Möglichkeit hätten die Beklagten den Klägern entzogen und gleichzeitig die Verfügung über das Photo erlangt; zwar sei die condiction ob injustam causam an sich für die Entziehung von Eigentum oder Besitz gedacht, dies müsse jedoch „entsprechende Anwendung finden auf die widerrechtliche thatsächliche Entziehung anderer Machtbefugnisse und Aneignung entsprechender Vorteile“); Kübler, FS Baur, 51, 59; Löwisch/Rieble, NJW 1994, 2596. Nicht geprüft von LG Düsseldorf NJW 1959, 629 f. (unberechtigte Fotografie der Mieterwohnung durch den Eigentümer). Zu Ansprüchen aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 123 StGB Brüggemeier, Deliktsrecht, 213. Gegen die Argumentation mit dem „Hausrecht“ etwa Dreier, FS Dietz, 235, 246 f.; Grüning, Eigentumsfreiheitsklage, 43 ff.
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tum folgende Befugnis gegen die gewerbsmäßige Verwertung von Abbildungen erscheint, die unter Verletzung des Hausrechts hergestellt wurden17, grenzen andere das Hausrecht ausdrücklich vom nicht verletzten Eigentum ab, lassen es dann aber doch wie ein Ausschließlichkeitsrecht mit eigenem Inhalt gegen unerlaubte Aufnahmen und Verwertungshandlungen wirken18. Wieder andere sehen im Hausrecht nur die Grundlage für ein relatives Recht, das anschließend allein denjenigen verpflichte, mit dem die Zugangs- und Nutzungsregelung vereinbart worden sei19. Auch die dem Inhaber des Hausrechts zustehenden Ansprüche werden, abgesehen von übereinstimmend bejahten Ansprüchen auf Unterlassung, Beseitigung (§ 1004 BGB) und Schadensersatz20, unterschiedlich beurteilt. Einige Stimmen halten Ansprüche auf Herausgabe des Erlangten auf der Basis der Eingriffskondiktion und der Geschäftsanmaßung für möglich21, andere wollen die Ansprüche des Berechtigten sogar auf diese Zahlungsansprüche beschränken, um kein neues „Monopolrecht“ zu kreieren22. Schließlich werden außervertragliche Ansprüche wegen der Herstellung und Verwertung von Sachabbildungen unabhängig vom Eigentum auf persönlichkeitsrechtlicher Basis begründet23, und zwar zum Schutz der Privatsphäre inner-
17 In diesem Sinne wohl OLG München AfP 1988, 45 f. („Ausfluss der Befugnisse nach § 903“); OLG Brandenburg NJW 1999, 3339, 3340 (Fotografien von Sachen verletzten das Eigentumsrecht dann nicht, wenn die Fotografie ohne Verletzung des Hausrechts angefertigt worden ist, wie etwa beim Foto vom öffentlichen Straßenland aus); Gerauer, GRUR 1988, 672, 673 f. (Hausrecht des Eigentümers gem. § 903 BGB, „über sein Grundstück tatsächlich frei verfügen zu können“); Lammek/Ellenberg, ZUM 2004, 715, 716 ff. 18 So Löhr, WRP 1975, 523, 525 (keine Eigentumsverletzung durch Fotografien und Verwertung der Fotos, aber Fotografierverbot als Betätigung der mit dem Eigentum verbundenen Ausschließlichkeitsbefugnis und Konkretisierung der rechtlichen Beziehung zur Sache); Beater, JZ 1998, 1101, 1105 f. (die Rechtswidrigkeit der Verletzung des Hausrechts setze sich in der Herstellung und Nutzung der Bilder fort); in diesem Sinne auch Dreier, FS Dietz, 235, 246 f.; wohl auch Gerstenberg, Photograph und Urheberrecht, 13. Im Ergebnis ähnlich Pfister, JZ 1976, 156, 157 f. (es reiche für Ansprüche gegen die Verwertung von Fotos eine auf fremdes Eigentum bezogene Handlung (z.B. Fotografie), deren Rechtswidrigkeit sich aus der Rechtsordnung im Übrigen ergebe (hier: Foto erlangt durch Hausfriedensbruch)). 19 Kübler, FS Baur, 51, 59, 62; Grüning, Eigentumsfreiheitsklage, 42 f. In diesem Sinne wohl auch BGH JZ 1998, 1120, 1121 (Verletzung des Hausrechts kollisionsrechtlich gem. Art. 38 EGBGB a.F. (unerlaubte Handlungen, jetzt Art. 40 EGBGB) zu beurteilen); dazu auch Tonner, NJW 1981, 1921, 1925; Bittner, Fotografieren fremder Sachen, 63. 20 Beater, JZ 1998, 1101, 1105 f. 21 So Lammek/Ellenberg, ZUM 2004, 715, 720 ff.; Dreier, FS Dietz, 235, 245 f.; für einen Gleichlauf von § 1004 BGB (vor der Nutzung) und Ansprüchen aus Eingriffskondiktion (nach vollzogener Nutzung) auch Baur, JZ 1975, 493. 22 Ruhwedel, JuS 1975, 242 ff.; Schmieder, NJW 1975, 1164 f.; differenzierend auch Löhr, WRP 1975, 523, 525. 23 Zur Abgrenzung von sachbezogenem Eigentumsschutz und individualbezogenem Schutz durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht Zeuner, FS Flume, 776, 778 f.; Pikart, in: RGRK, § 1004 BGB Rn. 25 (das allgemeine Persönlichkeitsrecht sei betroffen, wenn allein die ideellen Interessen oder das ästhetische Empfinden berührt seien); Bittner, Fotografieren fremder Sachen, 45 ff.; Grüning, Eigentumsfreiheitsklage, 61 (Abbildung von Gebäuden könne Neugierige anlocken, so dass das Familienleben gestört werde); in diese Richtung auch v. Gerlach, JZ 2004, 625.
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halb geschlossener Räume oder umfriedeter Außenanlagen24 und zum Schutz gegen Werbeanzeigen, die eine unzutreffende Verbindung zwischen dem Sacheigentümer und dem beworbenem Produkt suggerieren25. Dagegen wurden das Recht am Gewerbebetrieb26 und das UWG mangels Wettbewerbsverhältnisses zwischen Eigentümer-Kläger und Beklagten27 in der Regel nicht für einschlägig erachtet. 3. Argumente Die Anwendung dieser Rechtsgrundlagen erfolgt nun kaum im Sinne einer sorgfältigen Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale der genannten Vorschriften. Stattdessen werden die jeweils auf dem Spiel stehenden Interessen abgewogen und stark ergebnisorientiert ein „passendes“ Gefäß für die gewünschte Lösung bereitgestellt. Die hierfür ausschlaggebenden sachlichen Kriterien sind freilich ebenfalls kaum auszumachen. Häufig wird die Berechtigung des Eigentümers gesetzt und allenfalls noch rhetorisch ausgeschmückt. In der Schloss-Tegel-Entscheidung heißt es etwa: „Die gewerbliche Nutzung des Eigentums steht unbeschadet der sich aus der Rechtsordnung ergebenden Sozialbindung des Eigentums im Grundsatz dem Eigentümer zu.“28. Dabei kommt eine „natürliche 24
BGH NJW 1960, 1614 f.; BGH NJW 2004, 762 ff.; BVerfG NJW 2006, 2836 ff.; OLG Düsseldorf HRR 1936 Nr. 146; LG Düsseldorf NJW 1959, 629 f.; v. Gerlach, JZ 2004, 625; verneint wurde eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch die Anfertigung einer Kartei mit Häuserfronten von VG Karlsruhe NJW 2000, 2222, 2224; LG Waldshut-Tiengen NZM 1999, 1166, 1168. 25 BGH NJW 1971, 1359 f.; BGH NJW 1989, 2251, 2253 – Friesenhaus (im Einzelfall verneint); LG Freiburg GRUR 1985, 544. 26 Siehe bejahend KG OLGE 20, 402, 403 f. (1909); unter Vermengung mit dem „Hausrecht“ auch KG NJW 2000, 2210 f. („Die Ast. übt in den von ihr betriebenen Zügen als Ausfluss ihres Eigentumsrechts das Hausrecht aus … Insoweit erstreckt sich die geschützte Individualsphäre im Rahmen des Unternehmenspersönlichkeitsrechts juristischer Personen auf den räumlich gegenständlichen Bereich ihres Geschäftsbetriebs und damit jedenfalls auf den ihrem Hausrecht unterliegenden Bereich. Grundsätzlich muss es im Rahmen dieser Sphäre niemand hinnehmen, dass gegen seinen Willen Filmaufnahmen gefertigt werden. Ausfluss des Hausrechts und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (hier des Unternehmenspersönlichkeitsrechts) ist auch das Recht, die Ausübung des Hausrechts im Einzelnen zu regeln und zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen das Betreten und die Nutzung der dem Hausrecht unterliegenden Bereiche gestattet wird. Eine derartige Gestattung hat im vorliegenden Fall jedoch nicht vorgelegen.“); ablehnend aber BGH JZ 1998, 1100 (vorreservierte Zimmer keine Betriebsmittel eines Reiseunternehmens); Beater, JZ 1998, 1101, 1106 ff. (kein Unterlaufen der Grenzen des Eigentumsschutzes). 27 So in den Entscheidungen BGH NJW 1971, 1359 f.; BGH NJW 1989, 2251, 2253 – Friesenhaus (jeweils zur Verwendung von Fotos von Privatgebäuden für Werbeprospekte); LG Freiburg GRUR 1985, 544 (keine Anhaltspunkte dafür, dass Eigentümer des Gebäudes selbst Postkarten herstellen wollte). 28 Siehe BGH GRUR 1975, 500, 501 – Schloss Tegel; zustimmend zu dieser Aussage in anderem Kontext BGH MMR 2004, 29, 31; Bittner, Fotografieren fremder Sachen, 93, 101; ferner Beater, JZ 1998, 1101, 1105 f. (ein Verbot der gewerblichen Verwertung „müsse“ bejaht werden, ein anderes Ergebnis sei „schwer erträglich“); Dreier, FS Dietz, 235, 248–250 (erweitere die Technik die Nutzungsmöglichkeiten, erscheine es gerechtfertigt, darauf mit einer Ausdehnung von Herrschaftsbe-
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Betrachtung“ zum Tragen, aus der sich ein „natürliches Vorrecht des Eigentümers“ ergibt, „den gewerblichen Nutzen, der aus seinem nur mit seiner Erlaubnis zugänglichen Eigentum gezogen werden kann, für sich zu beanspruchen“29. Hierbei klingt teilweise die Vorstellung an, das Sacheigentum ordne dem Eigentümer sämtliche potentiell relevanten, irgendwie auf die Sache bezogenen Nutzungen zu, und Ausnahmen hiervon seien begründungsbedürftig30. An konkreten sachlichen Argumenten für diese Auffassung lässt sich zum einen rekonstruieren, dass die Arbeit/Investition für die Herstellung oder jedenfalls Unterhaltung der Sache es gebieten, die hieraus erwachsenen Vorteile dem Eigentümer/berechtigten Besitzer zuzuweisen31. Zum anderen müsse das Recht den marktmäßigen Vermögenswert der Abbildungen zugunsten des Eigentümers und seiner wirtschaftlichen Interessen anerkennen32.
II. Übertragung von Sportveranstaltungen 1. Sachverhaltskonstellationen Auch der nächste Güterzuordnungskonflikt in Bezug auf die Bild- und/oder Tonberichterstattung über Sportveranstaltungen wird überwiegend mit dem Sacheigentum in Verbindung gebracht. Sportereignisse ziehen seit langer Zeit weite Teile der Gesellschaft in ihren Bann und verkörpern damit einen potentiell hohen Vermögenswert33. Abgesehen von der unstreitig zustimmungsfreien 29 fugnissen zu reagieren); Brüggemeier, Deliktsrecht, 212 (Fotografieren und Verwertung der Fotos fremder Sachen stelle „unbestreitbar“ eine Form des Konsums der Sache dar, die das zivile Eigentumsrecht bei nicht-öffentlichen Gütern ausschließlich dem Sacheigentümer zugestehe); Gerauer, GRUR 1988, 672, 673 (dem Eigentümer müsse das Recht vorbehalten bleiben, „über Art und Weise der Verwendung der Sache und ihrer Vorstellung in der Öffentlichkeit zu entscheiden“). 29 BGH GRUR 1975, 500, 502 – Schloss Tegel; OLG München AfP 1988, 45, 46; OLG Köln GRUR 2003, 1066, 1067 – Wayangfiguren; zurückhaltend zu diesen Formeln Bittner, Fotografieren fremder Sachen, 97 ff.; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 535; Grüning, Eigentumsfreiheitsklage, 36 ff. 30 KG OLGE 20, 402 f. (1909). Kritisch dazu Grüning, Eigentumsfreiheitsklage, 36 ff. (rechtspolitische Entscheidung). 31 BGH GRUR 1975, 500, 501 – Schloss Tegel (es liege nahe, das Recht solcher Nutzung dem Eigentümer vorzubehalten, der die Sache errichtet hat oder unterhält). 32 KG OLGE 20, 402 f. (1909) (besonderes wirtschaftliches Interesse des Eigentümers); Bittner, Fotografieren fremder Sachen, 106 f., 113, 118 („Der Rechtswissenschaft kommt nicht mehr die Aufgabe zu, die Grenze der Unentgeltlichkeit zu ziehen. Vielmehr muß von einem marktüblichen Verhalten ausgegangen werden, welches die Erlaubnis zur Veröffentlichung von Bildern gewisser Sachen auch dem Sacheigentümer vergütet. Da diese Sachlage gegeben ist, überzeugt eine Rechtsanwendung, die dennoch behauptet, der Eigentümer habe seine Rechtsposition weiterhin unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, nicht mehr. Sie verkennt nämlich, dass es aufgrund des tatsächlichen Marktverhaltens nicht mehr darum geht, eine unerwünschte Kommerzialisierung zu unterbinden, sondern nur noch um die Frage, wem der erzielbare Ertrag zustehen soll.“); Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 541. Auf Schwierigkeiten bei der Berechnung des Schadens abstellend Beater, JZ 1998, 1101, 1104. 33 BVerfGE 97, 228, 257 (1998); Pesahl, Sportübertragungsrechte, 7 ff.; Mailänder, FS Geiß, 605, 621.
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
Schriftberichterstattung34 kann dieser Wert nicht nur durch den Verkauf von Eintrittskarten, sondern seit der Erfindung der entsprechenden Techniken auch durch die Liveübertragung in Bild und/oder Ton realisiert werden. Das Interesse an diesem Gut spiegelt sich in den seit Jahren steigenden Entgelten, die Sendeunternehmen für die Übertragung im Fernsehen35 und seit einiger Zeit auch im Hörfunk entrichten36. Diese Entwicklung wird auf einen Preiswettbewerb der Sendeunternehmen zurückgeführt, die jeweils danach trachten, möglichst exklusiv von großen Sportereignissen berichten zu können37. Damit hat sich ein Kreislauf in Gang gesetzt, bei dem Sportveranstalter größere Umsätze erzielen, der Sport professionalisiert und die Sportler besser bezahlt werden, so dass die Veranstalter wiederum auf höhere Einnahmen aus Übertragungen angewiesen sind, um ihre Investitionen decken zu können38. Mit der Entstehung dieses Marktes sind Streitigkeiten über die Zuordnung des Sportereignisses als dem wirtschaftlichen Gut39 zu erwarten. Die Konfliktlinie verläuft zwischen den Sportveranstaltern einerseits, die sich häufig zu nationalen (z.B. Deutscher Fußballbund) oder internationalen Verbänden zusammenschließen (z.B. UEFA, FIFA), um die Ereignisse zentral zu vermarkten, und den Sendeunternehmen andererseits, die möglichst wenig für die Übertragung zahlen wollen40. 34
Mailänder, ZUM 2003, 820, 822. Zahlen finden sich etwa bei Sandy/Sloane/Rosentraub, Economics of Sport, 127 ff.; Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 1 ff.; Weihs, Vermarktung Sportübertragungsrechte, 16 ff.; Waldhauser, Fernsehrechte, 32 ff.; Osterwalder, Übertragungsrechte, 35 ff.; Hügi, SpuRT 2003, 84, 85; Elter, Fußballunternehmen, 78 ff.; zur Entwicklung im Automobilsportbereich Liegl/Schmitz, WRP 1998, 244 ff. 36 Zu den diesbezüglichen Entwicklungen BGHZ 165, 62 ff. (2005) – Hörfunkrechte; Melichar, FS Nordemann, 213 ff. m.w.N.; Winter, ZUM 2003, 531, 532 ff.; Mailänder/Mailänder, in: Dörr/ Mailänder, Hörfunkberichterstattung, 101, 117 ff. 37 Siehe BVerfGE 97, 228, 229 (1998); Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 5; Osterwalder, Übertragungsrechte, 43 ff. Anfang der 1960er Jahre hatten die Sportverbände noch nichts dagegen, dass Großereignisse auch Live im Kino gezeigt wurden, weil diese Nutzung im Verhältnis zum Fernsehen irrelevant sei; siehe BGHZ 37, 1, 19, 21 f. (1962) – AKI. Zur historischen Entwicklung des Marktes für die Übertragung von Sportveranstaltungen Osterwalder, Übertragungsrechte, 5 ff. (in Mitteleuropa erste Forderungen nach Vergütung der Fernsehübertragung im Rahmen der Fußball-WM 1954). 38 So Ulmer, Schulze KGZ 4, 16 („Es ist daher kein Zweifel, daß den Sportveranstaltern ein Recht zuerkannt werden muß, das ihre berechtigten Interessen sicherstellt: sie müssen durch ein Verbietungsrecht in die Lage versetzt werden, Verträge mit den Filmunternehmungen zu schließen, die sie finanziell entschädigen.“); ausführlich Pesahl, Sportübertragungsrechte, 7 ff. 39 Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 4 f.; Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 37; Mailänder, FS Geiß, 605 f. Mit Blick auf die kartellrechtliche Beurteilung der Zentralvermarktung von Sportereignissen ist umstritten, ob das einzelne Spiel oder der gesamte Ligawettbewerb das vermarktungsfähige Produkt ist; siehe KG NJWE-WettbR 1996, 187, 190 („Das einzelne Spiel hat seinen Marktwert und ist marktfähig.“); BGH NJW 1998, 756, 758 (durch die organisatorische Leistung des Veranstalters werde „das Fußballspiel als Veranstaltung zu einer gewerblichen Leistung, die eine Vermarktung in umfassender Weise ermöglicht.“); Archner, Fernsehübertragungsrechte an Bundesligaspielen, 38 ff. 40 Zu den Wertschöpfungsketten bei der medialen Verwertung von Fußballspielen Elter, Fußballunternehmen, 111 ff. 35
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Zwar stehen dem Sendeunternehmen an der einmal hergestellten Sendung originäre Ausschließlichkeitsrechte insbesondere gem. § 87 UrhG gegen die unerlaubte Nutzung der Sendung zu41. Von diesen Rechten der Sendeunternehmen zu unterscheiden ist jedoch die vorgelagerte Frage, ob bereits die Aufnahme der Bilder bzw. die Durchführung einer Hörfunkübertragung der Zustimmung des Sportveranstalters bedarf. Ein Urheberrechtsschutz scheidet insoweit nach nahezu einhelliger Meinung aus, weil die sportliche Leistung – abgesehen von Ausnahmefällen wie der Choreografie beim Eistanz als Werk der Tanzkunst gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UrhG – kein urheberrechtlich schutzfähiges Werk ist42. Wenn die Sportler folglich keine Werke oder Ausdrucksformen der Volkskunst darbieten (§ 73 UrhG), kann sich der Sportveranstalter im Hinblick auf die Aufnahme und deren Verwertung auch nicht auf das Veranstalterrecht gem. § 81 UrhG berufen43. Da sich die Sportler als Personen der Zeitgeschichte schließlich nicht gegen unerlaubte Bildnisaufnahmen zur Wehr setzen können44, fehlt demnach ein normiertes originäres Ausschließlichkeitsrecht des Sportveranstalters, über die Erstfixierung der Bilder/Töne der Veranstaltung zu entscheiden. Damit scheint das gesamte System exklusiver Berichterstattung und Finanzierung von Sportveranstaltungen auf dem Spiel zu stehen. 2. Diskutierte Rechtsgrundlagen Wie bei allen übrigen Beispielen werden zur Begründung einer Rechtsposition – hier der des Sportveranstalters – mehrere Rechtsgrundlagen erörtert. Die medienrechtlichen Vorschriften über die exklusive Rundfunkübertragung bestimmter Ereignisse scheinen eine solche Befugnis vorauszusetzen, regeln aber ihrem Zweck nach nicht deren etwaigen Inhalt, sondern gesetzliche Befugnisse gerade nicht autorisierter Sendeunternehmen45. 41
Zum verwandten Schutzrecht der Sendeunternehmen gem. § 87 UrhG siehe Lerche/Ulmer, Kurzberichterstattung, 107 ff. Zum Anspruch aus § 1 UWG 1909 in der Zeit vor dem Inkrafttreten des § 87 UrhG siehe BGHZ 37, 1, 13 ff. (1962) – Aki und unten III. Zum Schutz der Aufnahmen als Laufbilder gem. der §§ 95, 94 UrhG OLG München ZUM-RD 1997, 290, 293 f. (Aufnahme von Boxveranstaltungen); Waldhauser, Fernsehrechte, 162. Zu derivativen urheberrechtlichen Nutzungsrechten des Sendeunternehmens an der Liveberichterstattung als Sprachwerk AG Münster AfP 1994, 68. 42 Dazu unten § 5 B II 1. 43 Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 126 f. Eine analoge Anwendung des § 81 UrhG auf den Sportveranstalter wird als contra legem abgelehnt, weil es sich um eine bewusste Beschränkung der Rechte auf künstlerische Darbietungen handele; siehe Siegfried, Fernsehberichterstattung, 14 f.; Waldhauser, Fernsehrechte, 118 ff.; Tumbrägel, Zentralvermarktung, 59 f.; Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 41 f. 44 Nachweise unten VII 2 a. 45 Siehe Art. 3 lit. a Richtlinie 97/36/EG v. 30.6.1997 (Fernsehrichtlinie); Art. 2 lit. a, 9, 9 lit. a des Europäischen Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen v. 5.5.1989 in der durch das Protokoll v. 9.9.1998 geänderten Fassung (BGBl. 1994 II, 639; 2000 II, 1090); Empfehlung Nr. R (91) 5 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten zum Recht auf Kurzberichterstattung über bedeutende Ereignisse, wenn Exklusivrechte für deren Fernsehübertragung in einem
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In der Literatur wird eine gegen jedermann wirkende Rechtsposition des Sportveranstalters ganz überwiegend bejaht. Verwiesen wird insoweit auf ein Recht am Bild des Veranstaltungsorts wie nach der Schloss-Tegel-Entscheidung (oben)46 bzw. auf ein sachenrechtlich fundiertes Hausrecht, dessen Inhalt aber über das Sacheigentum hinausgehe und deshalb die Aufnahmen als solche erfasse47. Ferner werden Abwehr- und Zahlungsansprüche des Sportveranstalters bei unerlaubten Aufnahmen auf der Grundlage von § 826 BGB48, dem Recht am 46 grenzüberschreitenden Zusammenhang erworben worden sind v. 11.4.1991, abgedruckt bei Höfling/Mewes/Pechstein, Europäisches Medienrecht, 248 ff.; §§ 5, 5a RStV (Befugnis von Fernsehveranstaltern zum Zugang, zur kurzzeitigen Direktübertragung, zur Aufzeichnung, zu deren Auswertung zu einem einzigen Beitrag und zur Weitergabe). Dennoch wird vereinzelt vertreten, aus diesen Normen ergebe sich im Umkehrschluss, dass eine unerlaubte Fernseh- oder Hörfunkübertragung unzulässig sei, also ein Recht bestehe, dieses Verhalten zu untersagen; für § 5 RStV Melichar, FS Nordemann, 213, 222. Ebenso ohne Aussage zur Rechtsnatur von Sportübertragungsrechten § 31 GWB a.F., wonach das Kartellverbot des § 1 GWB keine Anwendung auf die zentrale Vermarktung von Rechten an der Fernsehübertragung satzungsgemäß durchgeführter, sportlicher Wettbewerbe durch Sportverbände fand; dazu etwa Glinke, § 31 GWB, 136 ff.; Weihs, Vermarktung Sportübertragungsrechte, 193 ff.; kritisch zur zentralen Vermarktung aus ökonomischer Sicht Seitel, Exklusivrechte, 19 ff.; Quitzau, Fernsehrechte, 204 ff. Ökonomische Analyse der Zentralvermarktung im Fußball bei Kruse/Quitzau, in: Albach/Frick, Sportökonomie, passim. 46 Haas/Reimann, in: Dierker, Vermarktungsrechte, 31, 41 (Eigentum und Besitzschutz); Hoeren, JR 1998, 332, 333 („Übertragungsrechte“ als Ausfluss von Immobiliarsachenrechten unter Berufung auf BGH Schloss Tegel). 47 Siehe Schmieder, GRUR 1964, 121, 124; Mailänder, ZUM 2003, 820, 826 f.; Mailänder/Mailänder, in: Dörr/Mailänder, Hörfunkberichterstattung, 101, 169 f.; Archner, Fernsehübertragungsrechte an Bundesligaspielen, 82 ff. (Verbot der Aufnahme des Spiels gem. §§ 859, 862, 903, 1004 BGB); Stopper, Ligasport und Kartellrecht, 76; Petersen, Fußball, 12, 19 (absolutes Recht mit Zuweisungs- und Ausschlussfunktion); Haas/Reimann, in: Dierker, Vermarktungsrechte, 31, 42 (Aufnahme und Verwertung von Filmaufnahmen könne gem. § 1004, 859, 862 untersagt werden); Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 110 („unproblematisch“ für die Aufnahme, nicht aber für die Verwertung); Wertenbruch, SpuRT 2001, 185, 187; Siegfried, Fernsehberichterstattung, 39 f.; Glinke, § 31 GWB, 62; v. Westerholt, ZIP 1996, 264, 266. Wenig klar die Einordnung des Hausrechts bei Jessen, Vermarktung Sportereignisse, 143 f.; Tumbrägel, Zentralvermarktung, 69; Kübler, Massenmedien, 63 f.; Schmid-Petersen, SpuRt 2003, 234, 236; Winter, ZUM 2003, 531, 537 ff. (einerseits greife die Hörfunkübertragung weder in das Eigentum noch in Besitzrechte ein, andererseits sei doch eine präventiv wirkende, dingliche Berechtigung gegen Hörfunkübertragungen aus dem Hausrecht abzuleiten). Die Frage der Bedeutung des Verweises auf das Hausrecht stellt sich auch rechtsvergleichend in Bezug auf die Lösungen des öOGH GRUR Int. 1977, 211, 212 (Ausschließungsrecht des Veranstalters auf der Basis des im Eigentum bzw. Besitz wurzelnden Hausrechts gem. §§ 354, 339, 344 ff., 363 ff. öABGB) und des niederländischen Hoge Raad GRUR Int. 1988, 784, 785 f.; dazu Ruijsenaars, GRUR Int. 1988, 764 f.; Waldhauser, Fernsehrechte, 323 f., 343 (das Gericht habe auf die Eigentums- und Nutzungsrechte am Stadion abgestellt). Ablehnend Osterwalder, Übertragungsrechte, 108 ff.; Agudo y Berbel/Engels, WRP 2005, 191, 194 f.; Ladeur, GRUR 1989, 885, 886 (nur faktisch könnten Berichte verhindert werden). 48 Dazu in Parallele zur Lösung über das UWG Agudo y Berbel/Engels, WRP 2005, 191, 195; Archner, Fernsehübertragungsrechte an Bundesligaspielen, 81; Siegfried, Fernsehberichterstattung, 32 f.; Waldhauser, Fernsehrechte, 157; Ladeur, GRUR 1989, 885, 886; Winter, ZUM 2003, 531, 537; Glinke, § 31 GWB, 62; Tumbrägel, Zentralvermarktung, 65; Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 99 ff.; Heß, Fernsehübertragung, 145 f.; Fuhr, FS Armbruster, 117, 133.
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Gewerbebetrieb49, den §§ 3, 4 Nr. 9 UWG (§ 1 UWG 1909) wegen verbotener unmittelbarer Übernahme der Leistung des Sportveranstalters50 sowie auf der Basis der Eingriffskondiktion51 angenommen; vereinzelt wird die Privat- bzw. Verbandsautonomie als Quelle einer Befugnis angeführt52. Diese Rechtspositionen stellen nach vielfach vertretener Auffassung nicht nur Ansprüche auf der Grundlage gesetzlicher Schuldverhältnisse dar, sondern ein aus dem UWG bzw. durch allgemeine Rechtsfortbildung begründetes übertragbares Ausschließlichkeitsrecht mit vordefiniertem Schutzbereich53, das der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG unterfalle54. 49 Ulmer, Schulze KGZ 4, 18 f.; Schmieder, GRUR 1964, 121, 124; Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 106 ff.; für den Schutz des DFB Archner, Fernsehübertragungsrechte an Bundesligaspielen, 84 ff.; Haas/Reimann, in: Dierker, Vermarktungsrechte, 31, 46 f. Waldhauser, Fernsehrechte, 153 ff.; Jessen, Vermarktung Sportereignisse, 147; Melichar, FS Nordemann, 213, 217 ff.; Spickhoff, in: Soergel13, Anh V § 823 BGB Rn. 112. 50 Für Hörfunkübertragung Strauß, Hörfunkrechte, 43 (im Ergebnis aber ablehnend a.a.O., 109). Für Fernsehberichterstattung etwa Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 269 (jedenfalls beschränkt übertragbares, absolutes Leistungsschutzrecht); Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 61 ff.; Waldhauser, Fernsehrechte, 133 ff.; Archner, Fernsehübertragungsrechte an Bundesligaspielen, 71 ff.; Jessen, Vermarktung Sportereignisse, 142 f.; Tumbrägel, Zentralvermarktung, 60 ff.; Siegfried, Fernsehberichterstattung, 31 f.; v. Westerholt, ZIP 1996, 264, 265; Roth, AfP 1989, 515, 517 f.; Rodewald, BB 1995, 2103, 2104; Weng, Vermarktung Fernsehübertragungsrechte, 33 f.; Glinke, § 31 GWB, 58 ff.; Urek, Exklusivvereinbarungen Fernsehberichterstattung, 125 ff.; Stopper, Ligasport und Kartellrecht, 76 f.; ders., SpuRt 1999, 188, 190 f.; mit Ausnahme nachrichtenmäßiger Kurzberichte auch Lerche/Ulmer, Kurzberichterstattung, 77 ff.; einschränkend Haas/ Reimann, in: Dierker, Vermarktungsrechte, 31, 44 (bei erschlichenem Zugang, nicht bei öffentlich zugänglichen Veranstaltungen); für kulturelle Großveranstaltungen außerhalb des Sportbereichs Heß, Fernsehübertragung, 139 ff.; einschränkend Kübler, Massenmedien, 58 f. (nicht bei eigener Leistung und Sendung zu Informationszwecken); ganz ablehnend ders., ZUM 1989, 326, 328 (§ 87 UrhG zeige, dass der Rundfunkveranstalter eine schutzwürdige, eigene Leistung erbringe, die zudem den Schutz des Art. 5 GG genieße und daher nicht als unlauter unterbunden werden dürfe); Fuhr, FS Armbruster, 117, 132. In Bezug auf Hörfunkberichterstattung ablehnend Mailänder, ZUM 2003, 820, 824; Mailänder/Mailänder, in: Dörr/Mailänder, Hörfunkberichterstattung, 101, 153 ff.; Agudo y Berbel/Engels, WRP 2005, 191, 192 f.; Ory, AfP 2002, 195, 197; Jessen, Vermarktung Sportereignisse, 142 f.; Waldhauser, Fernsehrechte, 146 f.; Wertenbruch, SpuRT 2001, 185, 186 f.; Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 74 Fn. 178; Fikentscher, SpuRT 2002, 186 f.; Ladeur, GRUR 1989, 885, 886; für eine Anwendung des § 1 UWG 1909 gegen unerlaubte Hörfunkberichte aber Melichar, FS Nordemann, 213, 217; Winter, ZUM 2003, 531, 536; SchmidPetersen, SpuRt 2003, 234, 236 f.; zweifelnd an der kostenfreien Zulässigkeit von Hörfunkberichten Tettinger, ZUM 1986, 497, 505. 51 Waldhauser, Fernsehrechte, 158 ff.; Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 213 f. 52 Vieweg, in: Vieweg, Vermarktungsrechte, 95, 147 („Die Verbandsautonomie umfaßt das Recht zur eigenen Normsetzung und -anwendung.“). 53 Siehe Petersen, Fußball, 19 (auf der Basis des Hausrechts und des § 1 UWG 1909); Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 64, 114 f.; Ohly, FS Schricker, 105, 112 f., 121; Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 291 (leistungsbezogenes Immaterialgüterrecht). Widersprüchlich Waldhauser, Fernsehrechte, 226, 231 (Unternehmensschutz gem. § 823 Abs. 1 und wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz als „Rechtsposition mit eigenem Zuweisungsgehalt, und nicht lediglich als Abwehrrechte“, die gebunden übertragen werden könnten), 346 (dem Sportveranstalter stünde in Deutschland ein absolutes, gegenüber jedermann wirkendes Schutzrecht nicht zur Verfügung). 54 Siehe Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 291 mit Fn. 850; Lerche/Ulmer, Kurzberichterstattung, 28 f. (die Kurzberichterstattung berühre über die nicht mehr notwendige Einwilligung
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Die Rechtsprechung hingegen hat sich so weitgehenden Folgerungen nicht angeschlossen55. Zwar könnten sich aus den genannten gesetzlichen Schuldverhältnissen einzelne Ansprüche ergeben, wenn denn der entsprechende Tatbestand gegeben sei – was freilich bisher in keinem Fall angenommen wurde. Im Übrigen verweist die Rechtsprechung den Veranstalter auf sein Hausrecht. Dieses beruhe auf dem Grundstückseigentum bzw. dem berechtigten Besitz. Werde das Grundstück unerlaubt betreten, stünden dem Hausrechtsinhaber Abwehransprüche aus den §§ 858 ff., 1004 BGB zu. Ferner dürfe der Inhaber des Hausrechts den Zutritt zur Veranstaltung zum Zwecke der Übertragung von der Entrichtung eines gesonderten Entgelts abhängig machen, also letztlich auf vertraglicher Basis redie55Vertragsfreiheit und das Recht am Gewerbebetrieb, die beide dem Tatbestand des Eigentums im spezifisch verfassungsrechtlichen Sinn des Art. 14 GG unterfielen); Horn, Jura 1989, 17, 19; Bork, ZUM 1992, 511, 512 f.; Jessen, Vermarktung Sportereignisse, 147. 55 Siehe im kartellrechtlichen Kontext BGHZ 110, 371, 385 f. (1990) („ausschließliches Übertragungsrecht“ seiner rechtlichen Natur nach als die Einwilligung in die Fernsehübertragung, verbunden mit der Übernahme der Verpflichtung, keinem anderen Rundfunkveranstalter die Übertragung der Sportveranstaltung zu gestatten); BGH NJW 1998, 756, 758; BGHZ 165, 62, 67 ff. (2005) – Hörfunkrechte (Vorinstanzen: LG Hamburg ZUM 2002, 655 ff.; OLG Hamburg ZUM 2003, 782 ff.); BVerfGE 97, 228, 262, 268 (1998) („vertraglich begründete[n] Übertragungsrechte[n]“); KG NJWE-WettbR 1996, 187, 189; OLG München ZUM-RD 1997, 290, 292 ff.; OLG Frankfurt SpuRT 1999, 200, 201; OLG Hamburg GRUR-RR 2007, 181, 184; LG Frankfurt WRP 1997, 1108, 1111 ff.; zu anderen Sportarten LG Frankfurt SpuRt 1996, 63 f. (Leichtathletik); OLG Frankfurt SpuRt 1998, 195 ff. (Motorsport). In Bezug auf Ansprüche gegen unerlaubte Aufnahmen/Verwertungen ebenso KG Schulze KGZ 4, 14 f. (1952) („Einen allgemeinen Leistungsschutz kennt das deutsche Recht nicht.“); OLG München ZUM 1996, 527 ff.; im Ergebnis auch BGH GRUR 1971, 46, 47 (allerdings mit Hinweis auf „die entgeltliche Einräumung des Rechts, für Zwecke der aktuellen Berichterstattung – sei es in Lichtspieltheatern, sei es im Fernsehen – die Kämpfe zu filmen oder mit der Fernsehkamera für eine Direktsendung aufzunehmen“); AG Münster AfP 1994, 68 (Zahlungsansprüche für Hörfunkübertragung nur auf vertraglicher, nicht auf gesetzlicher Grundlage); a.A. LG Stuttgart MMR 2008, 551, 552 f. Aus der Literatur zur vertragsrechtlichen Lösung Osterwalder, Übertragungsrechte, 108; Waldhauser, Fernsehrechte, 83; Lerche/Ulmer, Kurzberichterstattung, 96 f. (durch die Eintrittskarte werde noch nicht die Befugnis zur Filmaufnahme erworben); Mailänder, FS Geiß, 605, 608 f.; Fuhr, FS Armbruster, 117, 121; kritisch Hilty/Henning-Bodewig, Leistungsschutzrechte, 85 (Scheinlösungen, die am Kern der wirtschaftlichen Problematik vorbeigingen); ablehnend Mailänder/Mailänder, in: Dörr/Mailänder, Hörfunkberichterstattung, 101, 172, 192 (mangels Abwehrrecht auch keine entgeltpflichtige Gestattung). In der Tendenz wie der BGH, allerdings aufgrund des Art. 295 EG ohne Festlegung EG-Kommission, Vermarktung deutsche Bundesliga, Ziff. 6, 118, 122 („For each individual football match played in the UEFA Champions League, the two participating football clubs may claim ownership to the commercial rights. This is because it would be difficult to deny that an individual home club, as user of the football ground, has the right to deny admission to media operators wishing to record those matches. Likewise, it would be difficult to deny that the visiting club, as a necessary participant in the football match, should have some influence as to whether the match should be recorded and, if so, how and by whom.“). Keine Ausführungen zur Rechtsnatur und Inhaberschaft der häufig als „Fernseh-“ oder „Übertragungsrechte“ bezeichneten Rechtspositionen finden sich in den weiteren kartellrechtlichen Entscheidungen des EuG verb. Rs. T-528/93, T-542/93, T-543/ 93 und T 546/93, Métropole télévision SA u.a./Kommission, Slg. 1996 II, 649 ff.; EuG verb. Rs. T185/00, T-216/00, T-299/00 und T-300/00, Métropole télévision SA u.a./Kommission, Slg. 2002 II, 3805 ff.
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geln56. Hierbei mache er von seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit gem. der Art. 2, 12 GG Gebrauch57. Eine sonstige ausschließliche Befugnis, über die Aufnahme zu entscheiden, wurde dagegen ausdrücklich abgelehnt58. Erneut relevant wird der Disput, ob die Sportveranstaltung nur mittelbar über gesetzliche Schuldverhältnisse und das Hausrecht geschützt oder durch ein Ausschließlichkeitsrecht dem Veranstalter unmittelbar zugewiesen ist, im Kontext des Rechtsverkehrs. Die ganz überwiegende Auffassung hält nur schuldrechtliche Gestattungen sonst abwehrfähiger Handlungen für möglich; der Vertragspartner des Veranstalters erlange keine gegen Dritte wirkende Rechtsposition, sondern nur einen relativen Anspruch gegen den Veranstalter59. Wer hingegen ein Ausschließlichkeitsrecht an der Sportveranstaltung bejaht, geht auch von seiner vollständigen oder beschränkten Übertragbarkeit aus60. Das soll sogar dann gelten, wenn ein „dingliches Verwertungsrecht“ eigentlich verneint wurde61. Aber
56 BGHZ 110, 371, 383 f. (1990); BGHZ 165, 62, 67 ff. (2005) – Hörfunkrechte; OLG Hamburg GRUR-RR 2007, 181, 184; LG Frankfurt WRP 1997, 1108, 1111; Kübler, Massenmedien, 63; Waldhauser, Fernsehrechte, 68; Siegfried, Fernsehberichterstattung, 39; Tumbrägel, Zentralvermarktung, 69; v. Westerholt, ZIP 1996, 264, 266; Weng, Vermarktung Fernsehübertragungsrechte, 32; Winter, ZUM 2003, 531, 537; Hausmann, BB 1994, 1089, 1091; Heß, Fernsehübertragung, 25. Entsprechend wird der Schutzbereich des Art. 13 GG beschrieben; siehe BVerfGE 97, 228, 265 (1998). 57 Zur verfassungsrechtlichen Einordnung der Befugnisse gem. Art. 2, 12 GG BVerfGE 97, 228, 252 ff. (1998); BGHZ 165, 62, 72 f. (2005) – Hörfunkrechte (das Hausrecht sichere die Verwertung der Sportveranstaltung als beruflich erbrachter Leistung und nehme damit an deren verfassungsrechtlicher Gewährleistung teil). Ebenso die h.M. in der Literatur: Tettinger, ZUM 1986, 497, 505; ders., SpuRt 1998, 109, 111; Jarass, AfP 1993, 455, 458 ff.; Dörr/Burkard, in: Dörr/Mailänder, Hörfunkberichterstattung, 9, 79 ff.; Gröpl, ZUM 2004, 865, 868 ff. 58 Ausdrücklich BGHZ 165, 62, 69 (2005) – Hörfunkrechte („Ein ,Hörfunkrecht‘ im Sinne einer ausschließlichen Befugnis, von der Örtlichkeit über Hörfunk zu berichten, ist damit als solche nicht verbunden …“); für die Einordnung des Hausrechts ebenso Strauß, Hörfunkrechte, 129. 59 BGHZ 110, 371, 385 f. (1990); OLG Hamburg GRUR-RR 2007, 181, 184; Herr, Übertragungsrechte, 46 ff.; Ahrens/Jänich, in: Vieweg, Vermarktungsrechte, 9, 13 f.; Hügi, SpuRT 2003, 84, 87; v. Westerholt, ZIP 1996, 264, 266 (Verzicht auf Ausübung eines Verbotsrechts); Jänich, GRUR 1998, 438, 439; Hoeren, JR 1998, 332, 333; Schmid-Petersen, SpuRt 2003, 234, 235; Winter, ZUM 2003, 531, 535; Liegl/Schmitz, WRP 1998, 244, 246; Roth, AfP 1989, 515, 518; Rodewald, BB 1995, 2103, 2104; Tumbrägel, Zentralvermarktung, 54 f., 70 f.; Mailänder, FS Geiß, 605, 608 ff.; Mailänder/Mailänder, in: Dörr/Mailänder, Hörfunkberichterstattung, 101, 142 (aus den Abwehrrechten der Veranstalter auf Basis der deliktischen Generalklauseln könne kein positives Recht für die abstrakte Vergabe der Fernsehrechte abgeleitet werden); wohl auch Melichar, FS Nordemann, 213, 220 f. 60 In diesem Sinne Waldhauser, Fernsehrechte, 226, 231, 233; wohl auch Vieweg, in: Vieweg, Vermarktungsrechte, 95, 146, 177; Petersen, Fußball, 19 (absolutes Recht mit Zuweisungs- und Ausschlussfunktion); Ohly, FS Schricker, 105, 113 (Sportveranstalter erteile den Zuschauern eine Lizenz); für beschränkte, nicht aber unbeschränkte Übertragbarkeit eines „absoluten Leistungsschutzrechts“ wegen mangelnder Bestimmtheit des Schutzbereichs Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 263. 61 Siehe KG NJWE-WettbR 1996, 187, 189 (die Befugnis zur Fernsehübertragung aufgrund der Zusage des Veranstalters, ihm zustehende Abwehrrechte nicht auszuüben, sei eine übertragbare „Position“); OLG Frankfurt SpuRT 1999, 200, 201 („Diese Abwehrposition des Veranstalters ist übertragbar und damit Gegenstand des wirtschaftlichen Verkehrs.“); Stopper, Ligasport und Kar-
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nicht nur die Grundsätze des Rechtsverkehrs, auch der genaue Inhalt der Rechtspositionen des Sportveranstalters ist alles andere als geklärt62. So bestehen unterschiedliche Auffassungen darüber, wer als „Veranstalter“ berechtigt ist63, ob und wenn ja welche Nutzungen zustimmungsbedürftig sind und wie lange etwaige Befugnisse zu beachten sind64. 3. Argumente Fragt man nach den sachlichen Argumenten für die letztlich unstreitige Befugnis des Sportveranstalters, über die Liveübertragung in Bild und/oder Ton zu entscheiden und dafür ein Entgelt zu verlangen, stößt man neuerlich auf viele Axiome, wonach das jeweilige Ergebnis „zweifellos“ so lauten „müsse“65. Eine eigentliche Begründung wird damit jedoch nicht geliefert, auch wenn man das um den Verweis auf „Prinzipien“ ergänzt, deren Gehalt jedoch dunkel bleibt66. Im 62 tellrecht, 78; Petersen, Fußball, 10; Birner, Internet-Domain als Vermögensrecht, 41 (Abtretung der auf unbeschränkter Einwilligung beruhenden Befugnis); Liegl/Schmitz, WRP 1998, 244, 246; im kartellrechtlichen Kontext auch Mestmäcker, in: Vieweg, Vermarktungsrechte, 53, 61 ff. (die Rechtsprechung habe ein übertragbares „Veranstalterrecht“ anerkannt, das aber kein dingliches, sondern ein „schuldrechtliches Verwertungsrecht“ sei). 62 Ebenso Mailänder, FS Geiß, 605, 611, der deshalb de lege ferenda für die Schaffung immaterieller Sportgüterrechte plädiert; im Ergebnis auch Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 243 ff. (Schutzbereich und Schutzdauer nicht eindeutig zu bestimmen). 63 Zum Begriff des Veranstalters BGH NJW 1998, 756, 758 f. (Heimatverein als Veranstalter); LG Frankfurt WRP 1997, 1108, 1111; Strauß, Hörfunkrechte, 29 ff.; Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 296 ff.; Waldhauser, Fernsehrechte, 229; Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 86 f. (wer das unmittelbare finanzielle Risiko trage); andere Gewichtung im Bereich des Motorsports bei OLG Frankfurt SpuRt 1998, 195 f.; später teilweise revidiert von OLG Frankfurt SpuRT 1999, 200, 201 (Veranstaltereigenschaft des Verbandes offengelassen); a.A. insoweit Liegl/ Schmitz, WRP 1998, 244, 246 ff.; Petersen, Fußball, 12 (FIFA kraft Vereinbarung berechtigter Besitzer); gegen die Disponibilität des Veranstalterbegriffs mit Verweis auf § 950 BGB und die kartellrechtlichen Folgen wiederum Springer, WRP 1998, 477, 482. Zum Zusammenhang dieser Frage mit der gewählten Rechtsgrundlage Stopper, SpuRT 1999, 188 ff.; Mestmäcker, FS Sandrock, 689 ff. 64 Dazu BGHZ 165, 62, 70 ff. (2005) – Hörfunkrechte; Waldhauser, Fernsehrechte, 142 ff.; Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 71 ff. Zur Schutzdauer BGH GRUR 1971, 46 f. (zwei Jahre); Günther, a.a.O., 70 f. (Schutzdauerbegrenzung über Entfallen des Tatbestandsmerkmals „Wettbewerbsverhältnis“); Waldhauser, Fernsehrechte, 152 f. („fließende Grenzen“); für Güterabwägung Mailänder, ZUM 2003, 820, 826 f.; Agudo y Berbel/Engels, WRP 2005, 191, 198 ff.; Ory, AfP 2002, 195, 197 f. 65 Siehe Ulmer, Schulze KGZ 4, 16 (1952) („Es ist daher kein Zweifel, daß den Sportveranstaltern ein Recht zuerkannt werden muß, das ihre berechtigten Interessen sicherstellt: sie müssen durch ein Verbietungsrecht in die Lage versetzt werden, Verträge mit den Filmunternehmungen zu schließen, die sie finanziell entschädigen.“); Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 8 (es leuchte „ohne weiteres“ ein, dass dem Veranstalter das Recht auf Verwertung des Sportereignisses zustehen müsse); Osterwalder, Übertragungsrechte, 58, 107, 216; Vieweg, in: Vieweg, Vermarktungsrechte, 146; Weng, Vermarktung Fernsehübertragungsrechte, 32 f.; Waldhauser, Fernsehrechte, 138 ff.; Ohly, FS Schricker, 105, 112 f.; Mailänder, FS Geiß, 605, 609 f. 66 Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 232 (einheitliches lauterkeitsrechtliches Schutzprinzip des Schutzes bestimmter Leistungen vor Nutzungen und Verwertungen), 253 („gesetzliche[r] Wertungen, rechtsethische[r] Maximen, maßgebliche[n] Rechtsüberzeugungen und … richterliche[n] Eigenwertung“).
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Übrigen finden sich drei Wertungen, die in diesem Paragraphen schon im ersten Beispiel genannt wurden und noch häufiger anzutreffen sein werden: Sportveranstaltungen seien ein einmaliges, mit gewisser Individualität ausgestattetes Arbeitsergebnis, das nach einem allgemeinen Grundsatz schutzwürdig sei67. Ihre Durchführung erfordere hohe Investitionen, die nur erbracht würden, wenn die Vereine die Chance zu angemessener Verwertung hätten68. Schließlich und wiederum in auffälliger Nähe zu Grundannahmen der neoklassischen ökonomischen Analyse eröffne erst eine individuelle Rechtsposition einen Markt und damit einen Wettbewerb um dieses Gut69.
III. Inzwischen durch das Immaterialgüterrecht zugeordnete Güter Der dritte, hier zu berichtende Güterzuordnungskonflikt betrifft Urteile zu Gütern, an denen inzwischen normierte Immaterialgüterrechte bestehen. Wegen dieser ausdrücklichen Klärung der Zuordnungsfrage könnte man ihre Erörterung für überflüssig halten. Ihnen kommt jedoch nicht nur rechtshistorische Bedeutung zu, weil sie für die späteren gesetzlichen Regelungen prägend waren. Vielmehr lässt sich gerade an diesen, über das ganze 20. Jahrhundert hinweg ergangenen Entscheidungen zeigen, dass immer wieder dieselben Rechtsgrundlagen herangezogen werden, und wie konstant die zugrundeliegenden Wertungen sind. Sie bilden daher eine reichhaltige Fundgrube für die hier verfolgten Zwecke, das Prüfungsprogramm des Hauptteils abzustecken und die sachlichen Argumente für ein etwaiges Rechtsprinzip der Güterzuordnung namhaft zu machen. 1. Sachverhaltskonstellationen Die insoweit nennenswerten Entscheidungen können unter einem Gliederungspunkt zusammengefasst werden, weil sie im Kern dieselbe Sachverhalskonstellation betreffen. In allen Fallgruppen war es aufgrund der technologischen Entwicklung erstmals möglich geworden, bestimmte Produkte zu geringen Kosten zu reproduzieren. Waren jene zuvor teilweise gar nicht als eigenständige Güter wahrgenommen worden, wurden sie nunmehr zu Immaterialgütern im Sinne der in § 1 dargelegten materialistisch-nominalistischen Sicht, weil sie in einer für die menschliche Wahrnehmung identischen Form vervielfältigt werden konn67 LG Hamburg ZUM 2002, 655, 660; Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 67 f.; Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 231 („Früchte der Arbeit“, „Pflügen mit fremdem Kalbe“); Strauß, Hörfunkrechte, 39. 68 OLG Hamburg ZUM 2003, 782, 785; LG Stuttgart MMR 2008, 551, 552 f.; Vieweg, in: Vieweg, Vermarktungsrechte, 95, 146 („Kreative Leistungen, denen ein wirtschaftlicher Wert zukommt, verdienen rechtlichen Schutz, um Kreativität zu belohnen und zu fördern.“); Ohly, FS Schricker, 105, 112 f., 121. 69 Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 58, 70 ff.
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
ten70. Die ursprünglichen Hersteller der jetzt reproduzierbaren Information gingen gegen diese technische Übernahme vor, weil sie ihre bis dato automatische Exklusivität verloren hatten und (angeblich) nicht mehr in der Lage waren, die versunkenen Kosten in die Schaffung des Gutes zu amortisieren. Da zuvor kein Schutzbedürfnis bestanden hatte, war keines der Güter spezialgesetzlich zugeordnet, so dass sich die Betroffenen auf allgemeine Rechtsgrundlagen und Prinzipien beriefen. Die jeweils mit gewissem Verzug normierten Ausschließlichkeitsrechte zählen entsprechend dem Schutzgegenstand zum Immaterialgüterrecht71. Die ersten Fälle dieser Art beziehen sich auf die Erfindung von Technologien zur Aufnahme, Vervielfältigung und sonstigen Verwertung von Tönen und Bildern. So ist die jetzt in den §§ 73 ff. UrhG geregelte Darbietung von Werken durch ausübende Künstler seit Ende des 19. Jahrhunderts reproduzierbar72. Ausschließlichkeitsrechte in Bezug auf die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wahrnehmbarmachung durch Lautsprecher73 sowie die Rundfunksendung von Tonträgern74 wurden den Interpreten 1910 durch ein fiktives
70 Grundlegend oben § 1 A III 1. Siehe ferner BGHZ 33, 20, 25 (1960) – Figaros Hochzeit; Kohler, GRUR 1909, 230; Kleine, JZ 1961, 354, 355; Süss, Recht der ausübenden Künstler, 46; wenig deutlich Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht2, 442 (die Darbietung sei zwar kein Geisteswerk, erfordere aber ihrerseits einen ihrer Bedeutung angemessenen Schutz). Die Gleichstellung von Werken und fixierbaren Interpretationen durch Kohler, GRUR 1909, 230 f.; ders., MuW 1910, 267, 269 f., zeigt beispielhaft die Richtigkeit des hier vertretenen Verständnisses des Immaterialguts als eines allgemeinen Begriffs für identisch wahrgenommene Fixierungen: Persönliche geistige Schöpfung und bloß werkvermittelnde Leistung unterscheiden sich eigentlich grundlegend (siehe RGZ 73, 294, 297 (1910) (Schutz der Leistungen des Tonträgerherstellers); RGZ 153, 1, 20 f. (1936); BGHZ 8, 88 (1953); BGHZ 33, 1, 2 f., 11 (1960) – Künstlerlizenz Schallplatten; BGHZ 33, 48, 53 (1960) – Orchester Graunke; BGHZ 37, 1, 8 (1962) – AKI; BVerfGE 31, 275, 276 f. (1971); Allfeld, Werke Literatur- und Tonkunst, § 2 Anm. 8; de Boor, UFITA 13 (1940), 185 ff.; Kleine, GRUR 1960, 577, 578; ders., JZ 1961, 354 f.). Gemeinsam ist ihnen jedoch, dass ein Schutzbedürfnis erst entsteht, wenn das Werk oder die Leistung fixierbar und zu geringen Kosten kopierbar ist. Was nicht auf materiellen Trägerobjekten fixiert werden kann, kann auch nicht von Dritten verwertet werden. Zuvor besteht eine natürliche Exklusivität, die an die Person geknüpft ist. Nun sind viele Werke schon dadurch fixierbar, dass die Zuhörer/Zuschauer sie sich merken können; das Werk wird dann im Gedächtnis fixiert. Es kann von dort niedergeschrieben oder anders materialisiert werden. Daher bestand ein Schutzbedürfnis für kurze Texte, Ideen, Melodien schon seit langer Zeit. Die technologische Entwicklung hat diesen Grundvorgang nur auf eine viel größere Anzahl von Gütern erweitert, seien dies Werke i.S.d. Urheberrechts (z.B. Skulpturen) oder Leistungen (Darbietung, Tonträger, Veranstaltungsatmosphäre). 71 Dazu noch unten § 5 B II. 72 BGHZ 33, 20, 26 (1960) – Figaros Hochzeit; RGZ 134, 198, 203 (1931); Peukert, Leistungsschutz, 18 f. m.w.N. (die Entwicklung effektiver Vervielfältigungsmethoden als Initialzündung für den Schutz der künstlerischen Darbietung). Zum Schutzbedürfnis der Interpreten in ideeller Hinsicht RG GRUR 1934, 627 ff.; BGHZ 33, 20, 22–24 (1960) – Figaros Hochzeit; Ulmer, Urheberund Verlagsrecht2, 441; Wippermann, Leistungsschutz ausübender Künstler, 45 ff.; Roeber, FuR 12/1960, 3, 8 (allerdings sei dieses „leichter, gründlicher und besser“ durch den Gesetzgeber denn durch die Rechtsprechung zu erfüllen). 73 BGHZ 33, 1 ff. (1960) – Künstlerlizenz Schallplatten. 74 RGZ 153, 1 ff. (1936).
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Bearbeiterurheberrecht gem. § 2 Abs. 2 LUG gewährt. Diese Befugnisse standen jedoch nur Sprechern und Sängern zu und erstreckten sich nicht auf die Aufnahme, also erstmalige Fixierung75 und Sendung einer Livedarbietung76. Entsprechende Rechte wurden erst durch das Urheberrechtsgesetz 1966 normiert. Im engen Zusammenhang dazu steht der Schutz von Bild- und Tonträgern. Durch die Entwicklung kostengünstiger Reproduktionstechniken wurde nicht nur die fixierte Darbietung zum Immaterialgut, sondern auch die im Trägermedium verkörperte, unternehmerisch-organisatorische Leistung zur Herstellung der ursprünglichen Aufnahme77. Die davon betroffenen Tonträgerhersteller konnten seit 1910 das fiktive Bearbeiterurheberrecht der Interpreten erwerben, das eigentlich in ihrem Interesse und auf ihr Betreiben hin eingeführt worden war78. Eigene originäre Ausschließlichkeitsrechte stehen ihnen ebenfalls erst seit 1966 gem. der §§ 85 f. UrhG zu. Zwei weitere organisatorischwirtschaftliche Leistungen wurden durch die Erfindung von Technologien zur Aufnahme und Vervielfältigung von Bildern und Tönen zu immateriellen Gütern. Zum einen machten die Veranstalter von Livedarbietungen geltend, durch die unerlaubte Aufzeichnung und Verwertung der Ereignisse ginge der Anreiz zur Organisation und Durchführung derartiger Veranstaltungen verloren79. Zum anderen wurden auch Funksendungen vermehrt von Dritten gewerblich genutzt, etwa durch ihre Ausstrahlung in öffentlich zugänglichen Räumen. Hiergegen konnten die Sendeunternehmen nur vorgehen, wenn sie sich Urheberrechte an den gesendeten Werken hatten einräumen lassen80. In Bezug auf beide Investitionen sind Ausschließlichkeitsrechte ebenfalls erst 1966 normiert worden81. Diese zwischenzeitlich im Urheberrechtsgesetz geregelten „verwandten Schutzrechte“ reagierten mit gewissem Verzug auf die Entwicklung von Repro75
BGHZ 33, 20, 25 f. (1960) – Figaros Hochzeit. Peukert, Leistungsschutz, 20–22 m.w.N.; Ulmer, UFITA 33 (1961), 1, 6 ff.; v. Rauscher auf Weeg, Aufführungsrecht, 1960, passim. 77 Siehe BGHZ 33, 1, 17 (1960) – Künstlerlizenz Schallplatten. Beispielhaft die Herleitung des Schutzbedürfnisses in RGZ 73, 294, 297 f. (1910). 78 Siehe Verhandlungen des Reichstags, XII. Legislaturperiode, II. Session, Bd. 175, 1793; RGZ 153, 1, 7 f. (1936); BGHZ 33, 20, 26 f. (1960) – Figaros Hochzeit (mit Vergleich zur Entstehung der Privilegien, die ebenfalls im Interesse der Verleger und nicht der Urheber erlassen worden seien); BGHZ 33, 48, 50 f. (1960) – Orchester Graunke; Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht2, 443 f. 79 Dazu BGHZ 39, 352, 354 f. (1963) – Vortragsveranstaltung; siehe ferner Schmieder, GRUR 1964, 121. 80 Deshalb beziehen sich die Entscheidungen zum Schutz der Sendeunternehmen gegen die Auswertung ihrer Sendung durch Dritte auf Sportveranstaltungen; siehe KG JW 1929, 1251 (Boxkampf); BGHZ 37, 1 (1962) – AKI (Fußball-WM 1958). Damit geht es hier um den Schutz der Sendeunternehmen, während die jüngere Diskussion um die Übertragung von Sportveranstaltungen (oben II) den vorgelagerten Schutz des Sportveranstalters betrifft. Für einen urheberrechtlichen Schutz der Sendung als Werk Bobsin, GRUR 1954, 57, 60 f.; ablehnend Sterner, GRUR 1963, 303, 307 f.; Krause, GRUR 1959, 346, 349; Hubmann, GRUR 1953, 316, 320. 81 Siehe die §§ 81, 87 UrhG. 76
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duktionstechniken und damit auf die Entstehung von faktisch nicht exklusiven Immaterialgütern. In anderen Sachverhalten war zwar die technische Übernahme kein unbekanntes Phänomen, „neu“ aber waren die kopierten Produkte. So sind Modeerzeugnisse seit jeher mehr oder minder identisch nachgeahmt worden, ohne dass sich der betroffene Originalhersteller auf ein spezielles Ausschließlichkeitsrecht berufen konnte. Die verhältnismäßig hohen Voraussetzungen für einen urheberrechtlichen Schutz als angewandte Kunst gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4, 7 UrhG waren und sind häufig nicht gegeben. Bei bloß saisonalen, nicht aber objektiv neuen Modeerzeugnissen scheidet ferner ein Geschmacksmusterschutz aus, der ohnehin häufig an der fehlenden Registrierung eines Musters scheitert82. Die letztgenannte formale Hürde fiel zwar 2001 mit dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster, das objektiv neue und eigenartige Erscheinungsformen von Erzeugnissen ohne Eintragung im Register für drei Jahre gegen Nachahmungen schützt83. Aber auch hierfür qualifizieren sich saisonale Mode-„Neuheiten“ nicht, wenn sie schon früher einmal auf dem Markt waren84. Zu nennen sind ferner Pflanzenzüchtungen, die sich durch natürliche Vermehrung reproduzieren, so dass der genetische Code als immaterielles Gut und die Pflanze als Trägermedium bezeichnet werden kann85. Leicht zu ersparen ist damit die Investition in die Züchtung der Pflanze. Darauf hat das Sortenschutzrecht seit 1953 reagiert. Computerprogramme konnten ebenfalls stets zu relativ geringen Kosten vervielfältigt werden. Sie standen aber bis zur Umsetzung der Computerprogrammrichtlinie 199386 nur unter Urheberrechtsschutz, wenn das Programm als „persönliche geistige Schöpfung“ im Gesamtvergleich mit dem Vorbekannten schöpferische Eigenheiten aufwies und das Können des Durchschnittsprogrammierers deutlich überragte, so dass das Gros der Alltagsprogramme nicht spezialgesetzlich zugeordnet war87. Ähnliches gilt für Datenbanken, die unter dem Gesichtspunkt bloßer Vollständigkeit und nach wenigen alphabetischen, numerischen oder sonstigen, sachlich zwingenden Ordnungskriterien rein schematisch und damit ohne phantasievolle Prägung angelegt waren und damit die Voraussetzungen des Urheberrechtsschutzes für Sammelwerke nach § 4 UrhG a.F.
82
Siehe die §§ 1, 2, 27 GeschmMG. Siehe die Art. 1 Abs. 2 lit. b, 4, 19 Abs. 2 GeschmMVO. 84 Fezer, WRP 1993, 63, 70; ohne Rücksicht hierauf und für eine Anwendung des Geschmacksmusterverordnung Ohly, ZEuP 2004, 296, 310 f.; gerade umgekehrt ohne Rücksicht auf das nicht eingetragene Geschmacksmuster Plaß, in: HK-Wettbewerbsrecht, § 4 UWG Rn. 374 (Geschmacksmusterschutz drohe überflüssig zu werden). 85 BGHZ 28, 387, 392 (1958) – Nelkenstecklinge (mit dem Verkauf einer Züchtung werde gleichsam die „Fabrik“ mitverkauft, in der man weitere Pflanzen dieser Art herstellen kann). 86 Zur Rechtslage seither § 69a Abs. 3 UrhG und BGH GRUR 1994, 39 – Buchhaltungsprogramm; BGH GRUR 2005, 860 (tatsächliche Vermutung für hinreichende Individualität von Computerprogrammen). 87 BGH GRUR 1985, 1041, 1047 f. – Inkasso-Programm; BGH GRUR 1991, 449, 452 – Betriebssystem; Loewenheim, in: Schricker, vor §§ 69a ff. UrhG Rn. 2. 83
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nicht erfüllten88. Für derartige Produkte steht seit 1998 ein Ausschließlichkeitsrecht zugunsten des Datenbankherstellers zur Verfügung, das erstmals nicht ein bestimmtes Gut (wie den Tonträger, die Sendung usw.), sondern explizit die Investition in die Datenbank zum Schutzgegenstand erklärt89. Das wohl jüngste Beispiel in diesem Zusammenhang ist das seit 2003 geltende Verbot der Umgehung technischer Schutzmaßnahmen, die eingesetzt werden, um die Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte technisch zu steuern. Wie in allen übrigen Fällen war es auch hier vor dem genannten Zeitpunkt jedenfalls nicht spezialgesetzlich untersagt, Kopierschutzmechanismen zu umgehen, um an die begehrten Inhalte zu gelangen. 2. Diskutierte Rechtsgrundlagen Im hier interessierenden Zeitraum zwischen der Entwicklung neuer Reproduktionstechniken bzw. Güter und der Normierung einschlägiger Immaterialgüterrechte waren die Schutzsuchenden gezwungen, auf allgemeine, im 20. Jahrhundert zumindest äußerlich unveränderte Rechtsgrundlagen im BGB und UWG oder auf generelle Rechtsprinzipien zu rekurrieren. Es verwundert daher nicht, dass in sämtlichen Konflikten weitgehend ähnlich argumentiert wurde. Abgesehen von einer rechtsähnlichen Anwendung des urheberrechtlichen Schutzes von einzelnen Fotografien auf Livesendungen90 sind die zum jeweiligen Zeitpunkt bestehenden Immaterialgüterrechte in keiner Entscheidung zur Lösung des Zuordnungskonflikts herangezogen worden, weil deren Schutzbereich die neuen Immaterialgüter nicht erfasse91. Auch in der Literatur ist dieser Ansatz nur ganz vereinzelt und ohne praktische Auswirkungen verfolgt worden, und zwar bemerkenswerterweise im Sinne einer Anwendung des Sacheigentums auf Computerprogramme92. Allerdings hat der von den Verfechtern eines numerus 88 Siehe OLG München WRP 1996, 1221, 1222; OLG Frankfurt NJW-RR 1995, 681, 682; offengelassen von OLG Frankfurt CR 1996, 211, 212. Zu den Schutzvoraussetzungen im früheren Recht etwa BGH GRUR 1980, 227, 231 („Eine bloße Zusammenstellung einzelner Fakten in einem Register genügt allerdings zur Begründung der Urheberrechtsschutzfähigkeit allein auch dann nicht, wenn dies mit großer Mühe und erheblichem Zeitaufwand verbunden ist.“). 89 Siehe die §§ 87a-e UrhG. Zur Auslegung der dem deutschen Recht zugrunde liegenden Art. 1 und 7 der Datenbankrichtlinie siehe EuGH GRUR 2005, 244 ff. 90 BGHZ 37, 1, 8 ff. (1962) – AKI (Anwendung des Urheberrechts auf die Ausstrahlung von Livesendungen über einen rechtsähnlichen Schutz der Fotografie gem. §§ 3, 15 KUG aufgrund des „Rechtsgedankens des Leistungsschutzes“); Taeger, GRUR 1954, 304 ff. 91 RGZ 73, 294, 296 f. (1910) (Tonträgerhersteller nicht vom Urheberrecht geschützt); siehe aber LG Berlin GRUR 1900, 131 f.; LG Leipzig, Urteil v. 7.12.1908, mitgeteilt bei Mittelstädt, GRUR 1909, 34 (Urheberschutz für Gesang als geistiges Arbeitswerk); für Urheberschutz der Darbietung auch Kohler, GRUR 1909, 230 ff.; ders., MuW 1910, 267, 269 f.; Troller, Jurisprudenz auf dem Holzwege, 63 ff. (Urheberschutz für den ausübenden Künstler); a.A. Allfeld, Werke Literatur- und Tonkunst, § 2 Anm. 8. 92 Bösert, Nießbrauch an Computerprogrammen, 139 ff. (das auf einem Speichermedium verkörperte Computerprogramm sei eine Sache, die Programmüberlassung ein Sachnießbrauch gem. der §§ 1030 ff. BGB; das Eigentum an der Programmfixierung verbleibe beim Hersteller, der Dritten kraft seines Eigentums untersagen könne, diese als Vorlage für unerlaubte Kopien zu benut-
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clausus der gesetzlichen Ausschließlichkeitsrechte so betonte Umkehrschluss vom begrenzten Schutzbereich dieser Rechte auf die Zulässigkeit der Nachahmung in keinem Fall dazu geführt, dass ein ergänzender Rückgriff auf zivil- und lauterkeitsrechtliche Generalklauseln und allgemeine Rechtsprinzipien verworfen worden wäre93. Damit bestätigen sich sowohl die in der Einleitung erläuterte Skepsis gegenüber der Aussagekraft dieser Argumentation als auch die Notwendigkeit, die alternativen Rechtsgrundlagen für eine Zuordnung als solche in Blick zu nehmen. Insoweit wurde von den Gerichten ganz überwiegend auf § 826 BGB und in späterer Zeit inhaltlich parallel94 auf § 1 UWG 1909 zurückgegriffen, indem die Übernahme eines fertigen Arbeitsprodukts durch technische Mittel als Schmarotzen an fremder Leistung sanktioniert wurde, weil dieses Verhalten dem ursprünglichen Investor die Möglichkeit nehme, seine Herstellungskosten angemessen zu amortisieren und damit am Markt konkurrenzfähig zu sein95.
93 zen); weitergehender noch a.a.O., 379 ff. (Programmkopien als Sachfrucht der Vorlage analog § 99 Abs. 1 BGB, an der der Hersteller gem. § 953 BGB Eigentum erlange); Weitz, Software als Sache, 188 (der weite, naturwissenschaftliche Sachbegriff gelte auch für das Sachenrecht). De lege ferenda für einen § 90 Abs. 2 BGB n.F. für „sonstige beherrschbare Gegenstände, die zulässigerweise im Rechtsverkehr stehen, soweit sie nach der Übung des redlichen Verkehrs wie Sachen behandelt werden“ auch Bydlinski, AcP 198, 287, 328 (einschränkend aber noch in diesem Beitrag auf Vorschriften über Sachen „im rechtsgeschäftlichen Verkehr“, die entsprechend auf sonstige beherrschbare Gegenstände anzuwenden seien, soweit nicht abweichende Regelungen bestünden). In der Frühphase der Computerverwertung wurde häufig von „Eigentum“ am Computerprogramm gesprochen, ohne dass dabei deutlich wurde, welchen Inhalt diese Rechtsposition hat und worauf sie sich bezieht; siehe BGH CR 1994, 275, 277; OLG Düsseldorf, CR 1990, 122, 124; OLG Nürnberg CR 1993, 359 f. Ohne Rücksicht auf das Sacheigentum z.B. Taeger, Außervertragliche Haftung, 123 ff., 153 ff.; ders., CR 1996, 257, 261; König, Computerprogramm, Rn. 404 ff.; Marly, Softwareüberlassungsverträge, Rn. 96 ff., der lediglich auf den sachenrechtlichen Begriff der Übergabe eingeht (Rn. 111–113). 93 Besonders problematisch erscheint dies im Hinblick auf den wettbewerbsrechtlichen Schutz von ästhetischen Erzeugnissen, für die ein Geschmacksmuster- und Urheberrechtsschutz in Betracht kommt; eine abschließende Regelung gleichwohl verneinend RGZ 115, 180 ff. (1927); RGZ 120, 94, 97 f. (1928) – Huthaken; OLG Hamburg v. 25.2.2005, 5 U 66/04, juris KORE455662005, Rn. 55; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 UWG Rn. 9.8; Eck, in: Gloy/Loschelder, Hdb WettbewerbsR, § 43 Rn. 143. Ausdrücklich offengelassen wird diese Frage für den Modeneuheitenschutz unabhängig von Herkunftstäuschung und Rufausbeutung von BGH GRUR 2006, 346, 347. Keinen abschließenden Vorrang genießt das Geschmacksmusterrecht im Verhältnis zu § 4 Nr. 9 UWG (Herkunftstäuschung); siehe BGH GRUR 2006, 79, 80 m.w.N.; BGH GRUR 2006, 346, 347. 94 RGZ 73, 294 (1910); RGZ 128, 330, 339 ff. (1930) (§ 1 UWG „in Verbindung mit § 826 BGB“); BGHZ 33, 20 ff. (1960) – Figaros Hochzeit; BGHZ 33, 38 ff. (1960) – Künstlerlizenz Rundfunk. 95 – In Bezug auf die Aufnahme und Livesendung von Darbietungen BGHZ 33, 20, 28 (1960) – Figaros Hochzeit („Es widerspricht dem Anstandsgefühl des verständigen Gewerbetreibenden, Leistungen Dritter, die erfahrungsgemäß nur gegen eine angemessene Vergütung zur Verfügung gestellt werden, sich ohne Erlaubnis des Leistenden anzueignen und kostenlos zur Förderung des eigenen gewerblichen Gewinnstrebens auszunutzen.“); bestätigt von BGH GRUR 1986, 454, 456; offengelassen KG JW 1929, 1251, 1252; ohne Erörterung zivil- oder lauterkeitsrechtlicher Rechtsgrundlagen RG GRUR 1934, 627 ff. (Schadensersatz einer Opernsängerin gegen Aufzeichnung und Sendung). Zur Livesendung entsprechend BGHZ 33, 38, 46 f. (1960) – Künstlerlizenz Rund-
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Die unerlaubte Nutzung künstlerischer Darbietungen untersagte der Bundesgerichtshof zudem auf der Basis des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das den
funk. Aus der Literatur Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht2, 440 ff. (Recht der Aufnahme, der öffentlichen Wiedergabe, der Sendung, Vervielfältigung und Verbreitung); Wippermann, Leistungsschutz ausübender Künstler, 100–102 (Schutz durch § 1 UWG gegen alle nicht von § 2 Abs. 2 LUG verstoßenden gewerblichen Nutzungen); Troller, Jurisprudenz auf dem Holzwege, 59 f. (Kopieren von Schallplatten als unlauterer Wettbewerb). – Für Tonträger und die Interessen der Tonträgerhersteller RGZ 73, 294, 296 f. (1910). – In Bezug auf die Leistung des Veranstalters von Darbietungen gegen die Aufnahme der Darbietung BGHZ 39, 352, 356 (1963) – Vortragsveranstaltung; Schmieder, GRUR 1964, 121, 124. – Für den Schutz der Sendeunternehmen in Bezug auf die Verwertung der Sendungen BGHZ 37, 1, 18 ff. (1962) – AKI; KG JW 1929, 1251 f.; Kleine, JZ 1961, 354, 359; ders., GRUR 1962, 478, 479; Sterner, GRUR 1963, 303, 308 f.; Hubmann, GRUR 1953, 316, 319. Im Ergebnis anders wegen bloßer Übernahme einer Information aus einer Sendung durch eine Zeitung unter eigener Vermittlungsleistung RGZ 128, 330, 339 f. (1930). – Für ästhetische Gestaltungen und insbesondere Modeerzeugnisse zurückhaltend noch RGZ 111, 254, 256 (1925) (Verwechslungsgefahr und Rufausbeutung erforderlich); RG GRUR 1929, 483, 484 f. (Grundsatz der Nachahmungsfreiheit); für einen „anerkannten Rechtsgrundsatz“ des Verbots der Übernahme fremder Arbeitsergebnisse dann aber RGZ 115, 180, 183 f. (1927); RGZ 120, 94, 96 ff. (1928) – Huthaken; RG GRUR 1938, 68, 69 ff.; RGZ 135, 385, 392 ff. (1932); Müller-Laube, ZHR 156 (1992), 480, 498. Die Bedeutung der Grenzen des Geschmacksmusterrechts für die Interessen der Allgemeinheit betont hingegen BGHZ 5, 1, 9 (1952). Speziell zu saisonalen Modeneuheiten BGHZ 60, 168, 172 (1973) – Modeneuheit; BGH GRUR 1984, 453 f.; BGHZ 117, 115, 117 (1992); BGH GRUR 1997, 477, 479 f. (zwei Jahre nach Markteinführung kein Modeneuheitenschutz mehr); allgemein für ästhetische Gestaltungen BGH WRP 1976, 370, 372; gegen die Übertragung dieser Grundsätze auf die „langsamere“ Möbelindustrie OLG Düsseldorf WRP 1978, 378, 382; zuletzt OLG Hamburg v. 25.2.2005, 5 U 66/04, juris KORE455662005, Rn. 44 m.w.N. Aus der Literatur zustimmend Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rn. 514 (wettbewerbliche Eigenart); Jacobs, GRUR 1984, 454 f.; Schulze, GRUR 1988, 693 f.; Walch, Leistungsschutz, 137 ff.; Helfrich, Rechtsschutz der Mode, 116 ff.; Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 396 f. (das Geschmacksmusterrecht sei zu träge); kritisch Englert, FS Ulmer, 297, 303 ff. Für eine weitere Ausdehnung der Modeneuheitenrechtsprechung (zeitlich begrenzter Neuheitenschutz) auf andere Produkte Krüger, GRUR 1986, 115, 126; Kur, GRUR 1990, 1, 3 mit Fn. 23; Fezer, FS GRUR II, 939, 950; ders., WRP 1993, 63, 69; ders., WRP 2001, 989, 1007 (der allgemeine Designschutz sei eine Aufgabe des Wettbewerbsrechts); Erdmann, FS Vieregge, 197, 211; Krüger/v. Gamm, WRP 2004, 978, 983. – Für Pflanzenzüchtungen BGHZ 28, 387, 393 f. (1958) – Nelkenstecklinge. – Für Computerprogramme vor 1993 OLG Frankfurt GRUR 1983, 757, 758; OLG Frankfurt GRUR 1984, 509; OLG Frankfurt GRUR 1989, 678, 680 („Bei Computer-Programmen ist allerdings die Sittenwidrigkeit einer unmittelbaren Leistungsübernahme ohne Rücksicht auf Herkunfts- oder Gütevorstellungen schon allein auf der Grundlage dessen zu bejahen, daß der kopierende Wettbewerber, der sich die relativ lange und mit hohen Kosten – wie von den Ast. für den vorliegenden Fall dargelegt – verbundene Entwicklung eines Programms erspart und sich hierdurch ohne nennenswerte eigene Anstrengungen einen Wettbewerbsvorsprung verschafft.“); OLG Celle NJW-RR 1993, 109; LG München GRUR 1990, 311; LG Oldenburg GRUR 1996, 481, 484 ff. m.w.N. – Für nicht schöpferische Datenbanken BGH GRUR 1988, 308, 309; OLG Frankfurt CR 1996, 211, 212 f.; im Einzelfall für das Scannen von Telefonbuchseiten ablehnend OLG Frankfurt NJWRR 1995, 681, 682 f.; mit abgewandelter Begründung OLG Karlsruhe NJW 1997, 262, 263 (Behinderung der DT AG, die gem. TKG verpflichtet sei, Teilnehmerdaten diskriminierungsfrei zur Verfügung zu stellen); LG Hamburg CR 1994, 476, 477 ff.; Übersicht zu den „Telefonbuchfällen“ bei Heinrich, WRP 1997, 275, 278 ff.
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
Interpreten garantiere, selbst über die Verwertung ihrer Leistungen zu bestimmen96. Die auf diesen Grundlagen zugunsten der Originalhersteller ergangenen Entscheidungen lassen häufig nicht klar erkennen, ob ein Ausschließlichkeitsrecht oder ein Schutz individueller Interessen bzw. des jeweiligen Gutes auf der Basis gesetzlicher Schuldverhältnisse gewährt wurde97. Einerseits wurden insbesondere den sog. „Leistungsschutzurteilen“ des Bundesgerichtshofs in Bezug auf ausübende Künstler, Veranstalter und Sendeunternehmen positive Befugnisse an den jeweiligen Gütern entnommen, deren Verletzung sekundäre Ansprüche aus Eingriffskondiktion auslöse98. In der Tat geht der Bundesgerichtshof in der Entscheidung zum Schutz künstlerischer Darbietungen davon aus, dass die im Urteil anerkannten Rechtspositionen der Interpreten auf den Arbeitgeber übertragen werden können, so dass es sich nach hiesiger Terminologie um Ausschließlichkeitsrechte handelt99. Andererseits wird verschiedentlich betont, es seien 96
– In Bezug auf das Verbot der Umgehung technischer Schutzmaßnahmen BGH CR 1996, 79 f. mit zustimmender Anmerkung Lehmann, CR 1996, 80 f.; OLG Stuttgart CR 1989, 685 ff.; OLG Düsseldorf CR 1991, 352, 353; OLG München CR 1995, 663; OLG München CR 1996, 11, 16 ff.; LG München CR 1995, 542, 544; LG München CR 1995, 669; Grützmacher, in: Wandtke/Bullinger, § 69f UrhG Rdnr. 25 ff.; Wand, GRUR Int. 1996, 897, 903; Raubenheimer, CR 1996, 69, 77 ff. Zum Vertrieb von Mitteln zum unerlaubten Empfang von Pay-TV OLG München WRP 1992, 661; OLG Frankfurt NJW 1996, 264 f. 96 BGHZ 33, 20, 22 ff. (1960) – Figaros Hochzeit; BGHZ 33, 38, 46 f. (1960) – Künstlerlizenz Rundfunk. Dafür aus der Literatur Nipperdey, Leistungsschutz, 62 ff.; Papaconstandinou, Schutz ausübender Künstler, 74 ff.; Wippermann, Leistungsschutz ausübender Künstler, 106 ff.; zum persönlichkeits- und wettbewerbsrechtlichen Schutz Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht2, 440 ff. (Recht der Aufnahme, der öffentlichen Wiedergabe, der Sendung, Vervielfältigung und Verbreitung); Wawretzko, Recht der ausübenden Künstler, 73, 83 ff.; Schiefler, GRUR 1960, 156, 164; zurückhaltend Troller, Jurisprudenz auf dem Holzwege, 54 ff. (primär Namensschutz, aber keine Grundlage für allgemeine Abwehrstellung). Zur Frage, ob aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Ausschließlichkeitsrechte abgeleitet werden können Roeber, FuR 2/1961, 3, 4. 97 Siehe zu dieser Unterscheidung oben § 1 C. 98 Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht2, 442; Lewenton, Ausübende Künstler, 43 f.; Wippermann, Leistungsschutz ausübender Künstler, 105 f.; Papaconstandinou, Schutz ausübender Künstler, 78; Troller, Jurisprudenz auf dem Holzwege, 57 f. (die Arbeitskraft und ihre Anwendung zählten zu den allgemein anerkannten Rechtsgütern, die gegen unerlaubte Dienstbarmachung durch Bereicherungsrecht geschützt sei). 99 Siehe BGHZ 33, 20, 34 f. (1960) – Figaros Hochzeit; Hubmann, GRUR 1953, 316, 320 f.; Kleine, GRUR 1960, 577, 578 f. (selbständiges Recht), 581 (Übertragung des Rechts auf den Arbeitgeber); ders., JZ 1961, 354, 355; Haeger, FuR 11/1960, 9, 11; Roeber, FuR 11/1960, 2, 7 f. (Herleitung positiver Nutzungsrechte); ders., FuR 2/1961, 3, 4 (dito); ders., FuR 3/1961, 3, 8 (Verbotsund Vergütungsanspruch als Ausschließlichkeitsrecht); Hubmann, Persönlichkeitsrecht, 243 („vermögensrechtliche Verwertungsrechte“); anders wohl Ulmer, UFITA 33 (1961), 1, 13 („Verbotsrechte“); anders Ohly, FS Schricker, 105, 114 (kein grundlegender Wandel vom bloßen deliktsrechtlichen Schutz zur Schaffung echter Immaterialgüterrechte). Die Literatur äußerte sich überwiegend zustimmend zu diesen als Rechtsfortbildung erkannten Entscheidungen; siehe Kleine, GRUR 1960, 577; ders., JZ 1961, 354; Lewenton, Ausübende Künstler, 43 ff.; Ulmer, UFITA 33 (1961), 1, 6 ff.; Haeger, FuR 11/1960, 9 ff. Kritisch aber Pfennig, FuR 11/1960, 14 f.; Roeber, FuR 11/1960, 2, 7 (Rechtsfortbildung contra legem ohne gesetzliche Grundlage).
§ 4 Beispiele und relevante Rechtsgrundlagen
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keine subjektiven Rechte begründet, sondern gesetzliche Schuldverhältnisse teilweise extensiv zur Herleitung im Ergebnis erwünschter Ansprüche herangezogen worden100. 3. Argumente Die Argumente für die Begründung des Schutzes ausübender Künstler und Hersteller leicht reproduzierbarer Produkte fußen erneut kaum auf einer Subsumtion unter die genannten Vorschriften, sondern weisen die bereits bekannten Merkmale einschlägiger Entscheidungen auf. Zunächst finden sich häufig Ausführungen, die nicht begründen, sondern rhetorisch überzeugen sollen. Hierzu zählen verbale Inkriminierungen („schmarotzen“, „sklavische Nachahmung“)101, Erklärungen zur Schutzwürdigkeit des Gutes102, die Behauptung einer allgemeinen Überzeugung zugunsten des Schutzes103 oder der „ordnungspolitischen“ 100 Siehe für die Befugnisse der Sendeunternehmen KG JW 1929, 1251 f. (eines Eingehens auf die umstrittene Frage eines allgemeinen „Rechtes an der Sendung“ bedürfe es nicht); für ein übertragbares Leistungsschutzrecht auf der Basis des § 823 Abs. 1 BGB (allgemeines Persönlichkeitsrecht) aber Hubmann, GRUR 1953, 316, 320 f. („Unsere Rechtsordnung enthält den Rechtsgedanken, daß die individuelle Leistung – und hierzu zählt die Rundfunksendung – in grundsätzlich umfassender Weise gegen jedermann geschützt ist.“); a.A. Sterner, GRUR 1963, 303, 307 f. (aus der enumerativen Aufzählung von Rechten im UrhG folge, dass es weitere Rechte nicht gebe); Krause, GRUR 1959, 346, 349. Für den Veranstalterschutz als bloß deliktischem Schutz Schmieder, GRUR 1964, 121, 124. 101 Siehe Hillig, GRUR 1929, 247, 254; Kur, GRUR 1990, 1, 3; Ott, FS Raiser, 403, 408 f.; exemplarisch Traub, GRUR 1973, 186, 191 (die „besonders unverschämte Übernahme eines fremden Arbeitsergebnisses“, wo sich der „Dieb des geistigen Arbeitserzeugnisses nicht einmal darum bemüht, seinen Diebstahl zu kaschieren“); Fezer, WRP 1993, 63, 70 („sklavische[r] Leistungsaneignung“, „reproduktive[r] Leistungsaneignung“ und „Ächtung von Piraten“); kritisch Sambuc, Nachahmungsschutz, 19 (Begründungsinstrumente, die angewendet würden, wo es passt); Heyers, GRUR 2006, 23, 27. 102 BGHZ 60, 168, 173 (1973) – Modeneuheit; siehe auch BGH GRUR 1997, 477, 478 f. (besonderer „Schutzwert“ des Produkts); Roth, Geschützte Stellungen, 135 (aufgrund der wettbewerblichen Eigenart sei die Leistung schutzwürdig). 103 Smoschewer, GRUR 1929, 381, 387 (es sei Sache der Juristen, hier endlich für einen angemessenen Schutz kostbarer gewerblicher Arbeit zu sorgen); Nerreter, GRUR 1957, 525 (Rechtsüberzeugung, einer schöpferischen Leistung gebühre Nachahmungsschutz); Traub, GRUR 1973, 186, 188 (über den Schutz von Werbeslogans bestehe wohl Einigkeit); Hubmann, GRUR 1975, 230, 234 (es könne nicht zweifelhaft sein, dass das Gebot des neminem laedere dem Anstandsgefühl aller gerecht und billig Denkenden entspreche); Krüger, GRUR 1986, 115 (die zurückhaltende Rechtsprechung werde beklagt); Kur, GRUR 1990, 1, 2 (allgemeiner Konsens, dass Nachahmungen etwas Unrechtes seien); dies., GRUR Int. 1998, 771, 775 (konsensfähiger Lösungsansatz erkenne die Legitimität eines wettbewerblichen Leistungsschutzes an); Müller-Laube, ZHR 156, 480, 499 (man sei sich weitgehend einig); Fezer, WRP 1993, 63, 64 (weltweit gehe es um den Schutz der Innovation vor Imitation); ders., WRP 2001, 989, 1005 (die Notwendigkeit des Schutzes vor Imitationen stehe außer Streit, nur der Weg dahin sei streitig); Lubberger, FS Ullmann, 737 (man könne die Behauptung wagen, dass in Deutschland die Nachahmung von Leistungen als unlauter angesehen wird); Ohly, FS Ullmann, 795, 808 (der Sache nach berechtigter Schutz); Fournier, Bereicherungsausgleich, 93; rechtsvergleichend Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367, 1381, die indes zugleich festhalten, eine Regelung des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes außerhalb des Tatbestands der Verwechslungsgefahr sei wegen der unterschiedlichen Rechtsauffassungen in der EU mit Schwierigkeiten verbunden.
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
Unzulänglichkeit einer anderen Lösung104. Im Übrigen wird die offen rechtsund wettbewerbspolitische Wertung105 mit mehreren Begründungslinien unter104 Müller-Laube, ZHR 156 (1992), 480, 493 (die Rechtsentwicklung habe keinen befriedigenden Stand erreicht); Fezer, WRP 1993, 63, 64 (über die Notwendigkeit eines Rechtsschutzes bedürfe es keiner weiteren rechtstatsächlichen Bemerkungen); Fournier, Bereicherungsausgleich, 92 (normativ geboten); Köhler, WRP 1999, 1075, 1082 (effizienter und umfassender Schutz des geistigen Eigentums); Krüger/v. Gamm, WRP 2004, 978, 983. Allein mit Behauptungen agiert Götte, Schutzdauer, 96 ff. (man würde ohne Not die Rechtsfortbildung beschränken; den besonderen Schutzrechten liege keine Gesamtkonzeption zugrunde; unerträgliche, dem Rechtsstaat nicht angemessene Verstärkung der strukurellen Nachteile des Schutzes von immateriellen Positionen; der Schutz sei notwendig; es sei nicht einsichtig, warum die Innovatoren schutzlos bleiben sollten; der Umkehrschluss der h.M. sei schlichtweg verfehlt; es bestehe unbestreitbar eine generelle Gleichwertigkeit von Innovation und Imitation; die deliktische Grundlage des Wettbewerbsrechts verbiete nicht die Einführung wettbewerbsrechtlicher Ausschließlichkeitspositionen; die Rechtsprechung könne den Kreis der unter Art. 14 GG fallenden Vermögensrechte erweitern; aus der Wesentlichkeitstheorie und dem Vorbehalt des Gesetzes folge kein Einwand). 105 Siehe BGH GRUR 1988, 385, 387 (entscheidungserheblich sei, ob ein Ausweichen des Beklagten „wettbewerblich sinnvoll“ erscheine); BGH GRUR 2002, 820, 822 (wettbewerbliche Eigenart fehle bei technisch notwendigen Elementen „aus Rechtsgründen“ im Interesse der Freiheit des Stands der Technik). Die Schutzinteressen wurden nach Abwägung als überwiegend angenommen in den Entscheidungen RGZ 120, 94, 97 ff. (1928) – Huthaken; BGHZ 41, 55, 57 ff. (1963) – Klemmbausteine I (in Abgrenzung zum Ersatzteilgeschäft); BGH GRUR 1969, 292, 293 f. (erweiterter Schutz von ästhetischen Gestaltungen im Vergleich zum rein technischen Bereich); BGHZ 60, 168, 169 ff. (1973) – Modeneuheit. Hingegen überwogen die Allgemeininteressen an der Nachahmungsfreiheit in den Entscheidungen BGH GRUR 1958, 500, 504; BGH GRUR 1967, 315, 317; BGHZ 50, 125, 128 ff. (1969) („Recht auf Benutzung des freien Standes der Technik“); BGHZ 51, 41, 46 ff. (1968); BGH GRUR 1972, 127 f.; BGH GRUR 1976, 434, 436 (der Markt für vom Kultusministerium empfohlene Lernmittel müsse allen Mitbewerbern offen stehen); BGH GRUR 1977, 666, 668; BGH GRUR 1986, 895, 896; BGH GRUR 2000, 521, 525 f. – Modulgerüst (das Berufungsgericht habe bei seiner den Nachahmungsschutz gewährenden Entscheidung das Interesse der Abnehmer, unter mehreren Konkurrenzprodukten ein nach Preis und Leistung geeignet erscheinendes Erzeugnis auszuwählen und damit das Interesse an einem Preis-/Leistungswettbewerb unberücksichtigt gelassen); BGH GRUR 2002, 275, 276 f.; OLG Düsseldorf WRP 1978, 378, 381 (keine Zuordnung einer neuen Mode zu einem Hersteller); OLG Frankfurt GRUR 1982, 175, 178 (keine Schutzfähigkeit und -bedürftigkeit einer Monopolstellung). Siehe aus der Literatur Nolting-Hauff, MuW 1929, 430 ff.; Smoschewer, GRUR 1929, 381, 385 f., 388 f.; Krüger, GRUR 1986, 115, 123; Kur, GRUR 1990, 1, 7; Fezer, FS GRUR II, 939, 950; ders., WRP 1993, 63, 69 (abstrakte Ideen müssten frei bleiben); Müller-Laube, ZHR 156 (1992), 480, 482 (optimale Koordination zwischen Innovations- und Imitationswettbewerb), 496 (erforderlich sei eine wertende Abstimmung zwischen Nachahmungsfreiheit und Leistungsschutz), 497 (keine rechtsdogmatische, sondern wettbewerbspolitische Frage); Walch, Leistungsschutz, 75 ff., 129 f. (trotz Hinweises auf die mangelnde Lösungsrelevanz wettbewerbspolitischer Argumente (a.a.O., 96)); Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 344 ff. (Nachahmungsschutz und Marktfolgen); Helfrich, Rechtsschutz der Mode, 154 f.; Ulrich, NJW 1994, 1201 (der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz habe wegen der vielfältigen Nachahmungen in den asiatischen Ländern an Bedeutung gewonnen); Sambuc, Nachahmungsschutz, 190 ff. (Interessenabwägung und gesamtwirtschaftliches Optimum); Fournier, Bereicherungsausgleich, 92 (Anregung des Wettbewerbs auf höherer Ebene); Köhler, WRP 1999, 1075, 1077 f. (es stünden sich die widerstreitenden Grundrechte des Nachahmers und des Inhabers des Leistungsergebnisses gegenüber); Weihrauch, Leistungsschutz, 122, 156 ff. (die Berechtigung des Leistungsschutzes sei kein dogmatisches, sondern ein Wertungsproblem, das anhand wettbewerblicher Zusammenhänge und ökonomischer Analyse zu lösen sei).
§ 4 Beispiele und relevante Rechtsgrundlagen
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mauert. So müssten die Früchte der Mühen und der Arbeit jeweils demjenigen zugeordnet werden, der sie erbracht hat106. Künstlerische und andere Leistungen seien Ausdruck der Persönlichkeit, die dem „Schöpfer“ so gehören, wie dieser sich selbst gehört107. Wenn für das Hervorbringen eines kommerziell verwertbaren Arbeitsergebnisses ein erheblicher Aufwand an Finanzkraft notwendig war, und auf diese Weise eine Position geschaffen wurde, die üblicherweise erhebliche Ertragschancen bietet, sei das ein ausreichender Grund für einen schützenswerten Besitzstand108. Denn der Kopist erspare sich die versunkenen Herstellungskosten, so dass der Anreiz zur Schaffung von Waren und Dienstleistungen verloren gehe109. Diese individualethisch und konsequentialistisch motivierten Erwä106 Siehe LG Berlin GRUR 1900, 131 f.; RGZ 73, 294, 298 (1910); RGZ 88, 183, 185 (1916); RGZ 111, 254, 255 f. (1925); RGZ 115, 180, 185 (1927); RGZ 120, 94, 100 (1928) – Huthaken; BGHZ 28, 387, 394 (1958) – Nelkenstecklinge; BGHZ 41, 55, 59 (1963); BGH GRUR 1969, 292, 294; BGHZ 60, 168, 170 ff. (1973) – Modeneuheit; BGHZ 117, 115, 119 (1992); wohl auch OLG Hamburg GRUR 1950, 82, 87 (billiges Ergebnis für Erfindungen in der patentamtslosen Zeit); Sambuc, in: Harte-Bavendamm/Henning, Einl UWG F Rn. 218; Hubmann, GRUR 1975, 230, 234 f.; Kur, GRUR 1990, 1, 6 („Der Gedanke, daß diese faktisch unbezweifelbar vorhandenen Werte nicht beliebig von Dritten ,geerntet‘, sondern demjenigen rechtlich zugeordnet werden sollen, auf dessen Investitionen sie beruhen, entbehrt nicht der inneren Logik …“). 107 RGZ 120, 94, 98 (1928) – Huthaken; RGZ 135, 385, 394 f. (1932); BGHZ 60, 168, 170 (1973) – Modeneuheit (Einsatz fähiger und einfallsreicher Gestalter in der Modebranche); BGH GRUR 1999, 1106, 1108; BGH GRUR 2000, 521, 524 – Modulgerüst; BGH GRUR 2002, 86, 90; LG Berlin GRUR 1900, 131, 132 (das aus dem Naturrecht sich ergebende Recht an der eigenen Person gewähre den klagenden Sängern die Befugnis, die Vervielfältigung der Aufnahmen zu untersagen); Kur, GRUR 1990, 1, 9 ff. (Verweis auf die Parallelen zur Kommerzialisierung des Persönlichkeitsrechts); Köhler, WRP 1999, 1075, 1077 (schöpferische Leistung des Einzelnen); Weber, Mode- und Designschutz, 132 („Recht des Gestalters, die Früchte aus seinem ,Geistigen Eigentum‘ allein zu ziehen“); Fournier, Bereicherungsausgleich, 93 (der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz müsse als Eigentum i.S.d. Art. 14 GG anerkannt werden, weil „die Rechtsordnung einen Immaterialgüterschutz typischerweise durch die Zuerkennung von subjektiven Rechten gewährt und kein sachlicher Grund ersichtlich ist, weshalb diese Schutzform dem Schöpfer einer schutzwürdigen Leistung, für den der Gesetzgeber keinen spezialgesetzlichen Schutz zur Verfügung stellt, vorenthalten bleiben soll, wenn eine an Art. 14 I GG orientierte Rechtsfortbildung dies ermöglichen würde“); Götte, Schutzdauer, 96 f. (ein anderes Ergebnis sei beim heutigen Verständnis urheberrechtlicher Positionen dem Rechtsstaat unangemessen); Roth, Geschützte Stellungen, 121 (weil das Interesse des Schöpfers an der Leistung zu schützen sei, könne die Zuweisung nicht mit dem Argument des bloßen Handlungsschutzes verneint werden); wie hier die Analyse bei Knies, Leistungsschutz, 81, 102 (Rechtsgefühl). 108 Callmann, GRUR 1928, 251, 254; Kur, GRUR 1990, 1, 7, 11 (die Herausbildung eines neuen Schutzrechtes habe seine Wurzeln zum einen in erheblichen Investitionen, zum anderen in der Verwertbarkeit der Leistung). 109 Für den Tonträgerhersteller RGZ 73, 294, 296 f. (1910); RGZ 119, 408, 415 (1928); für die BGHZ 28, 387, 394 ff. (1958) – Nelkenstecklinge (mit Unterscheidung zwischen dem Argument der Frucht der Arbeit und dem Investitionsschutzargument); BGH GRUR 1966, 617, 620 („Die Frage, wann die grundsätzlich erlaubte Preisunterbietung durch den Nachbilder dazu führen kann, den Nachbau überhaupt … als wettbewerbswidrig zu erachten, hängt mit der … Frage zusammen, wann eine wettbewerbswidrige unmittelbare, mühelose Übernahme eines fremden Leistungsergebnisses tatbestandlich als gegeben angesehen werden kann. Gerade eine unmittelbare, mühelose Vervielfältigung mit Hilfe technischer Verfahren kann erfahrungsgemäß, sofern sie sich auf ein mit hohen Entwicklungskosten belastetes Arbeitsergebnis bezieht, zu einer so erheblichen, sich im
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
gungen fließen häufig ineinander und verstärken sich damit gegenseitig110. Zusätzliche Legitimität wird ihnen mit Verweisen auf die „Natürlichkeit“ des Ergebnisses111 oder das biblische Gebot, nicht zu stehlen112, verliehen. Festzuhalten ist, dass die technische Reproduzierbarkeit von Tönen, Bildern und anderen Informationen, also die Entstehung eines für die menschlichen Sinne identischen Immaterialguts, in vielen Fällen einen Güterzuordnungskonflikt zwischen dem ursprünglichen Hersteller der Information und nutzungswilligen Dritten ausgelöst hat. Dieser wurde von den Gerichten auf der Basis von Generalklauseln zugunsten einer individuellen Rechtsposition des Originalherstellers am werthaltigen, aber faktisch eben nicht exklusiven Gut gelöst. Nicht nur die Konstanz dieser Haltung, sondern auch ausdrückliche Verweise auf „allgemeine bürgerlichrechtliche Grundsätze“ lassen darauf schließen, dass sich hier ein allgemeines Rechtsprinzip der Güterzuordnung die Bahn bricht113.
110 Verkaufspreis niederschlagenden Diskrepanz der Gestehungskosten der beiderseitigen Erzeugnisse führen, daß im Bereich der nur wettbewerbsrechtlich schutzwürdigen Leistungen auf bestimmten Gebieten jeder Anreiz zur Fortentwicklung des Standes der Technik genommen wäre.“); BGH GRUR 1969, 618, 620; im Ansatz auch BGHZ 51, 41, 46 ff. (1968); BGHZ 37, 1, 21 (1962) – AKI; BGHZ 60, 168, 170 ff. (1973) – Modeneuheit; BGH GRUR 1986, 895, 896 (Amortisation der Herstellungskosten sei erfolgt); BGHZ 117, 115, 119 (1992); BGH GRUR 1996, 210, 213 – Vakuumpumpen (durch Preisunterbietung dürfe dem Hersteller nicht jeder Anreiz zur Fortentwicklung des Standes der Technik genommen werden); KG JW 1929, 1251 f.; OLG Düsseldorf WRP 1978, 378, 380; OLG Frankfurt CR 1996, 211, 213 (Investitionen amortisieren und Gewinn machen durch Originalprodukte); Kur, GRUR 1990, 1, 5; Köhler, in: Ott/Schäfer, Ökonomische Analyse, 245, 246; ders., WRP 1999, 1075, 1078; Müller-Laube, ZHR 156 (1992), 480, 481. 110 Siehe BGHZ 51, 41, 46–48 (1963) (die Frage, ob der Kläger in „unbilliger Weise um die Früchte seiner Arbeit“ gebracht worden sei, sei maßgeblich danach zu entscheiden, „ob die vom Nachdrucker angewandte Methode des Nachdrucks nach Zeit und Umständen geeignet ist, einen nach den Gepflogenheiten ordentlicher Verleger planenden Erstverleger mit einem zusätzlichen Risiko zu belasten, das zu tragen ihm nicht zugemutet werden kann“); BGH GRUR 1972, 127 f. (die Übernahme könne als anstößig empfunden werden, weil der Übernehmende einen solchen geschäftlichen Vorsprung erreiche, dass der auch im Allgemeininteresse liegende Anreiz zur Entwicklung fortschrittlicher Leistungen genommen werden würde); BGHZ 60, 168, 170 f. (1973) – Modeneuheit (Früchte der Arbeit und Realisierung des Gewinns in einer Saison); BGH GRUR 1984, 453; BGH GRUR 1986, 895, 896; LG Oldenburg GRUR 1996, 481, 484 ff. m.w.N.; OLG Saarbrücken GRUR-RR 2005, 196 f.; aus der Literatur Kur, GRUR 1990, 1, 5 (Belohnung und Wettbewerbsanregung), 7 (einerseits property-rights-These, andererseits Kritik an einer reinen Ausrichtung auf die Ökonomik); Weber, Mode- und Designschutz, 130 (Amortisationsschutz als ethische Forderung); Weihrauch, Leistungsschutz, 249 (Verteilungsgerechtigkeit des Wettbewerbs und Belohnung). 111 BGHZ 27, 264, 272 (1958) („natürliches“ Nebengeschäft, das dem Kläger zustehe). Naturrechtlich auch die Argumentation von Hubmann, GRUR 1975, 230, 234 (unausgesprochene Grundlagen unserer Rechtsordnung); Götte, Schutzdauer, 116 („naturrechtlich begründetes Verwertungsrecht“). 112 Götting, in: Fezer, § 4–9 UWG Rn. 2 m.w.N. Gegen derartige Floskeln auf „scheinwissenschaftlicher Grundlage“ bereits Callmann, GRUR 1928, 251. 113 Siehe BGHZ 33, 20, 28 (1960) – Figaros Hochzeit; BGHZ 33, 38, 45 (1960) – Künstlerlizenz Rundfunk; BGHZ 37, 1, 8 (1962) – AKI; weitergehend noch Hubmann, GRUR 1953, 316, 320 f. (Rechtsgedanke, dass individuelle Leistung in grundsätzlich umfassender Weise gegen jedermann geschützt ist); ders., GRUR 1975, 230, 235 (gesetzliche Regelung als Leitbild für den Nachah-
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IV. Internet-Domain Einen Kontrapunkt hierzu setzt das nächste Beispiel, die Internet-Domain. Während in den bisher dargestellten Fällen stets zugunsten des individuellen Interesses am exklusiven Haben entschieden wurde, lehnen Gerichte und ganz herrschende Meinung in der Literatur ein Recht an der Internet-Domain als solcher ausdrücklich ab. 1. Sachverhaltskonstellation Internet-Domains spielen eine zentrale Rolle in der Gesamtstruktur des Internets. Ihre Funktionsweise beruht auf einer Unterscheidung zwischen der numerischen Internet-Protokoll (IP)-Adresse eines Rechners und dem sog. Domain Name System (DNS)114. Jeder vernetzte Rechner wird über eine IP-Adresse identifiziert, damit Datenpakete an den richtigen Empfänger gelangen. Weil Zahlenkolonnen aber wenig einprägsam sind, wurde das DNS entwickelt, das es erlaubt, leicht erinnerbare Begriffe statt der numerischen IP-Adresse zu verwenden, um einen an das Netzwerk angeschlossenen Computer anzuwählen. Wenn eine solche Internet-Domain aufgerufen wird, übernehmen sogenannte Nameserver die Aufgabe, die IP-Adresse in die alphanumerische Zeichenfolge der Domain zu übersetzen. Um eine Identifizierung zu gewährleisten, muss jeder Rechner in einem Netz zu einem bestimmten Zeitpunkt eine nur einmal vorhandene IP-Adresse aufweisen. Folglich darf auch jede Domain lediglich einmal vergeben werden. Diese Zuteilung von Internet-Domains durch Konnektierung von IPAdresse und Domain erfolgt weltweit über Registrierungsstellen, die jeweils für bestimmte „Top Level Domains“ (TLD) zuständig sind115. Wegen der Beschränkung dieser Untersuchung auf das deutsche Recht wird im Folgenden lediglich die Vergabe von .de-Domains durch die DENIC berücksichtigt116. Hier erfolgt
114 mungsschutz); Wippermann, Leistungsschutz ausübender Künstler, 34 ff. („Damit haben wir den Grundsatz für die Zuordnung der geschaffenen und verwirklichten Werte gewonnen: Wer einen Wert schöpft oder verwirklicht, hat auf ihn ein Anrecht …“); Smoschewer, GRUR 1929, 381, 384 („Idee des Privateigentums“); Nerreter, GRUR 1957, 525; Kleine, GRUR 1962, 478; zurückhaltend Traub, FS Söllner, 1213, 1229; ablehnend Süss, Recht der ausübenden Künstler, 46, 69 („Es gibt keinen Rechtssatz, daß jede geistige Leistung urheberrechtlich durch ,Nachbarrechte‘, die dem Urheberrecht so gut wie gleichstehen, geschützt wäre. Und es ist ein Glück, daß es einen solchen Rechtssatz nicht gibt und nicht geben kann. Er hätte unübersehbare und verhängnisvolle Folgen, wenn jede geistige Leistung ,nachbarrechtlich‘ geschützt wäre.“). 114 Bereits insoweit unklar Fezer, § 3 MarkenG Rn. 297 („Der Domainname als ein alphanumerisches Zeichen …“) und Rn. 303 („Domainnamen, die als technische Adressen im Internet dienen, haben in erster Linie eine Adressfunktion, einen angeschlossenen Rechner über die IP-Nummer zu bezeichnen.“). Zum technischen Hintergrund Schäfer, in: Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch, 289 ff.; Krumpholz, Domain-Namen, 5 ff.; Hanloser, CR 2001, 456 mit Fn. 6; Herrmann, Zwangsvollstreckung in die Domain, 19 f. 115 Herrmann, Zwangsvollstreckung in die Domain, 25 ff. 116 Siehe dazu nur Schäfer, in: Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch, 300 ff.; zur Marktstellung der DENIC aus kartellrechtlicher Sicht BGHZ 148, 13, 24 f. (2001) – ambiente.de.
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die Registrierung nach Abschluss eines „Domainvertrags“ zwischen der DENIC und dem jeweiligen Domaininhaber, wonach die DENIC für die Aufnahme der Domain und ihrer technischen Daten in die Nameserver für die TLD .de sorgt117. Wenn eine Domain technisch bedingt nur einmal vergeben werden kann, sind Konflikte um werthaltige, aussagekräftige Bezeichnungen vorprogrammiert118. Dabei besteht Klärungsbedarf in zweierlei Hinsicht. Zum einen ist fraglich, nach welchen Regeln bestimmte Namen und Kennzeichen für Internet-Domains verteilt werden. Zum anderen war lange Zeit zweifelhaft, ob und wenn ja wie Internet-Domains übertragen und insbesondere in Einzelzwangsvollstreckung und Insolvenz verwertet werden können. 2. Diskutierte Rechtsgrundlagen Eine vor allen Dingen von Fezer und Koos verfochtene Ansicht bejaht ein neben etwaigen Kennzeichenrechten119 stehendes Ausschließlichkeitsrecht an der Internet-Domain als solcher. Zwar anerkennen sie das auch von der herrschenden Meinung vertretene Prioritätsprinzip als Grundregel der Verteilung von Internet-Domains („wer zuerst kommt, mahlt zuerst“)120. Gleichwohl sei ein Recht an der einmal bestehenden Domain anzuerkennen, weil diese dann als solche gem. § 857 ZPO pfändbar sei und ihr Vermögenswert in die Insolvenzmasse falle121. Rechtsprechung und herrschende Meinung erkennen hingegen ein subjektives Recht an der Domain als solcher jenseits von Markenrechten am Zeichen 117
Der Konnektierungsanspruch des Domaininhabers umfasst den Anspruch auf konstitutive Eintragung der Domain in das DENIC-Register und den Nameserver sowie den Anspruch auf dauerhafte Sicherstellung dieser Konnektierung; siehe Engler, Übertragungsanspruch, 68 m.w.N. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen der DENIC zum Domainvertrag sind mehrfach erheblich und für die folgenden Ausführungen relevant geändert worden. Die folgenden Ausführungen basieren auf der Fassung der DENIC-Domainbedingungen mit Stand Dezember 2006; abrufbar unter http://www.denic.de. 118 Siehe nur Herrmann, Zwangsvollstreckung in die Domain, 20 ff.; Hombrecher, MMR 2005, 647 (mit Beispielen für Kaufpreise von Internet-Domains); Ingerl/Rohnke, nach § 15 MarkenG Rn. 34 f. 119 Zur Entstehung von Namens- und Kennzeichenrechten durch Benutzung einer Domain BVerfG GRUR 2005, 261; BGH GRUR 2005, 262, 263 (Schutz als Unternehmenskennzeichen); Hartig, Domain als Verfügungsgegenstand, 18 ff.; Ingerl/Rohnke, § 15 MarkenG Rn. 118 ff.; Schäfer, in: Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch, 326 ff.; Viefhues, MMR 2000, 286, 287 f.; Fezer, WRP 2000, 669, 671 ff.; Neumann, Internet-Domain-Names, 117 ff. Zur Namensfunktion der Internet-Domain nur etwa BGHZ 149, 191 198 f. (2001) – shell.de; BGHZ 155, 273, 276 (2003); Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 2791 ff.; Ingerl/Rohnke, nach § 15 MarkenG Rn. 56 m.w.N.; Bücking, NJW 1997, 1886 ff. Eine empirische Untersuchung zur Kennzeichenfunktion von Domains findet sich bei Krumpholz, Domain-Namen, 125 ff. 120 Koos, MMR 2004, 359, 364 f. 121 Fezer, § 3 MarkenG Rn. 350; Koos, GRUR 2004, 808, 815; ders., MMR 2004, 359, 360 ff.; Hombrecher, MMR 2005, 647, 652; Schließ, ZUM 1999, 307, 312 (originäres Recht entsprechend § 958 BGB); wohl auch Hartmann/Kloos, CR 2001, 469 (Recht sui generis an der Domain sei diskutabel). Kritisch dazu Hartig, Domain als Verfügungsgegenstand, 41 ff.
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und der vertragsrechtlichen Rechtsposition des Domaininhabers nicht an122. Die Zuordnung von Domains erfolgt demnach grundsätzlich nach dem Prioritätsprinzip, das ausnahmsweise zugunsten bestehender Namens- und Kennzeichenrechte durchbrochen wird, wenn nach den Umständen des Einzelfalls das Interesse an der Namensführung in der Domain gegenüber dem Interesse, Verwechslungen mit einem geschützten Kennzeichen zu vermeiden, klar zurücktritt123. Dieses Ergebnis gilt auch im Hinblick auf die zwangsweise Verwertung der Internet-Domain: „Eine Internet-Domain als solche ist kein „anderes Vermögensrecht“ i.S. von § 857 I ZPO. Der Domain kommt keine etwa mit einem Patent-, Marken- oder Urheberrecht vergleichbare ausschließliche Stellung zu. Diese Rechte zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihrem Inhaber einen Absolutheitsanspruch gewähren, der vom Gesetzgeber begründet worden ist und nicht durch Parteivereinbarung geschaffen werden kann. Eine Internet-Domain ist lediglich eine technische Adresse im Internet … Eine derartige, rein faktische Ausschließlichkeit begründet kein absolutes Recht i.S. von § 857 I ZPO.“124. 122
BVerfG GRUR 2005, 261; BVerfG MMR 2006, 735 f. (keine Prüfung von Art. 14 GG zur Abwehr eines Urteils auf Unterlassung der Domainnutzung); EGMR MMR 2008, 29, 30; BGHZ 148, 1, 9 (2001); BGHZ 155, 273, 277 f. (2003) (keine absolute Rechtsstellung an einer Domain trotz mehrjähriger Benutzung); OLG Hamm MMR 2005, 381, 382 f. („Damit fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage, die Dritten Eingriffe in diese Zugangsposition generell verbietet.“); LG Hanau MMR 2006, 761. Die Entscheidung BGHZ 149, 191, 205 (2001) – shell.de betrifft die Grenzen des Kennzeichenrechts, das kein absolutes Recht auf eine bestimmte Domain vermittle, nicht aber den hier problematisierten Schutz der Domain als solcher. Ebenso die ganz h.M. in der Literatur: Brock, Zwangsvollstreckung in Internet-Domains, 95 f.; Birner, Internet-Domain als Vermögensrecht, 23 ff.; Hartig, Domain als Verfügungsgegenstand, 41 ff.; Ingerl/Rohnke, nach § 15 MarkenG Rn. 37; Schäfer, in: Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch, 326; Viefhues, MMR 2000, 286, 287; Berger, Rpfleger 2002, 181, 182; Welzel, MMR 2001, 321, 323; ders., MMR 2001, 131, 133; Hanloser, CR 2001, 344 f.; ders., CR 2001, 456, 458 f.; Kulejewski, Domain-Übertragung, 12; Engler, Übertragungsanspruch, 63 ff.; Kleespies, GRUR 2002, 764, 766; Krumpholz, Domain-Namen, 192; Herrmann, Zwangsvollstreckung in die Domain, 82 ff.; mit Vorbehalten auch Ohly, FS Schricker, 105, 115; wenig klar Plaß, WRP 2000, 1078, 1079 (die Domain sei auch dann, wenn sie kein geschütztes Kennzeichen enthalte, „rechtlich geschützt“). Ebenso zum US-amerikanischen Recht Wornow v. Register.Com, Inc., 778 N.Y.S.2d 25, 26 (N.Y.A.D. 2004) („a domain name that is not trademarked or patented is not personal property, but rather a contract right that cannot exist separate and apart from the services performed by a registrar“). 123 Zur Verletzung von Namens- und Kennzeichenrechten durch Internet-Domains BGHZ 148, 1, 10 (2001); BGH GRUR 2002, 898, 900; BGHZ 149, 191, 205 (2001) – shell.de; BGH GRUR 2005, 430 ff.; BGH NJW 2005, 2315, 2316; Ingerl/Rohnke, nach § 15 MarkenG Rn. 38, 53 ff.; Schäfer, in: Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch, 342 ff.; Krumpholz, Domain-Namen, 131 ff. Zur lauterkeitsrechtlichen Beurteilung der Domainverwendung Ingerl/Rohnke, nach § 15 MarkenG Rn. 48 ff., 133 ff.; zur Verwendung von Gattungsbezeichnungen als wettbewerbswidriges Verhalten BGHZ 148, 1 ff. (2001) m.w.N. Zu Gleichnamigkeitsfällen BGHZ 149, 191, 199 ff. (2001) – shell.de; BGH GRUR 2002, 706, 707 ff.; BGH NJW 2004, 1793, 1794 f. 124 BGH NJW 2005, 3353 f. unter ausdrücklicher Zurückweisung der Mindermeinung; ebenso LG Essen GRUR 2000, 453 (Domain als Rechtsinstitut sui generis, vergleichbar etwa einer Lizenz); LG München MMR 2001, 319, 320 (Domain kein selbständig pfändbares Recht); LG Hanau MMR 2006, 761 (mangels Vermögensrechts an der Domain keine Übertragung der Domain als sol-
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3. Argumente Befragt man die Mindermeinung auf Argumente für das ungeschriebene Recht an der Domain als solcher, so wird die hier im Zentrum stehende Frage nach einer Rechtsgrundlage für dieses Ergebnis schon gar nicht gestellt. Im Übrigen finden sich nur offenbar zirkuläre Behauptungen125 und Hinweise auf die in der Praxis anerkannte, technische Monopolstellung des Inhabers, aus der sich zwangsläufig eine gegen jedermann wirkende Berechtigung ergebe126.
V. Geheimnisse 1. Sachverhaltskonstellation Die nächste Sachverhaltskonstellation betrifft mit nicht immaterialgüterrechtlich zugeordneten Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen erneut ein faktisch exklusives Gut127. Unter einem technischen Betriebs- und kaufmännischen Geschäftsgeheimnis bzw. synonym Know-how werden alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind, und an deren Nichtverbreitung ihr Inhaber ein berechtigtes Interesse hat128. 125 cher); unklar LG Düsseldorf CR 2001, 468 (Internetdomain „veräußerlich und damit als Vermögensrecht nach § 857 ZPO pfändbar“). Aus der Literatur für das Erfordernis einer gesetzlichen Regelung Hanloser, CR 2001, 456, 458 f.; Schäfer, in: Bröcker/Czychowski/Schäfer, Praxishandbuch, 326; Kleespies, GRUR 2002, 764, 766; Herrmann, Zwangsvollstreckung in die Domain, 82 ff.; Berger, Rpfleger 2002, 181, 182; Hartig, Domain als Verfügungsgegenstand, 45 (bei Anerkennung eines Rechts an der Domain als solcher würden die Voraussetzungen des Markenrechtsschutzes unterlaufen); ders., GRUR 2006, 299, 300 (der BGH habe den numerus clausus der Immaterialgüterrechte noch einmal bestätigt). Ebenso im Ergebnis zum Recht des Staates Virginia/USA Network Solutions v. Umbro Intl., 259 Va. 759, 770 ff. (2000). 125 Koos, MMR 2004, 359, 362 (das positive Benutzungsrecht an der Domain als solcher folge aus der „absoluten Rechtsposition des Domaininhabers im Zusammenhang mit der Innehabung des Domainvermögensrechts“). 126 Koos, MMR 2004, 359, 361 f. 127 Zum Verhältnis zwischen Patentrecht und Geheimnisschutz aus Sicht der positiven Ökonomik oben § 3 B II 2 d bb (1). 128 Siehe BGH GRUR 1960, 554, 557; BGH NJW 2006, 3424, 3425 f. m.w.N. zu § 17 UWG; BVerfG NVwZ 2006, 1041, 1042; Pfister, „Know how“ als Vermögensrecht, 7 ff.; Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 29; Krasser/Schmid, GRUR Int. 1982, 324, 325; Ullmann, in: Benkard, § 15 PatG Rn. 140; Haedicke, Rechtskauf, 298 f.; Martinek, Moderne Vertragstypen II, 226 ff.; Henn, Patent- und Know-how-Lizenzvertrag, Rn. 29. Siehe auch Art. 39 Abs. 2 TRIPS zum Begriff der „nicht offenbarten Information“ („Natürliche und juristische Personen haben die Möglichkeit zu verhindern, dass Informationen, die rechtmäßig unter ihrer Kontrolle stehen, ohne ihre Zustimmung auf eine Weise, die den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel zuwiderläuft, Dritten offenbart, von diesen erworben oder benutzt werden, solange diese Informationen a) in dem Sinne geheim sind, dass sie entweder in ihrer Gesamtheit oder in der genauen Anordnung und Zusammenstellung ihrer Bestandteile Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit den fraglichen Informationen zu tun haben, nicht allgemein bekannt oder leicht zugänglich sind, b) wirtschaftlichen Wert haben, weil sie geheim sind, und c) Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen seitens der Per-
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2. Diskutierte Rechtsgrundlagen Im Hinblick auf solches Know-how hat die Rechtsprechung – und das spitzt die bereits bis hierher erkennbar gewordenen Verwerfungen weiter zu – ein ungeschriebenes, gegen jedermann wirkendes Recht bejaht, das in der Insolvenz übertragbar sei und damit nach hier vertretener Auffassung ein Ausschließlichkeitsrecht darstellt. Sie hat folglich ein Ergebnis erzielt, das in Bezug auf die ebenfalls faktisch exklusive Internet-Domain gerade abgelehnt worden ist. Aus den §§ 17 ff. UWG i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB bzw. §§ 3, 4 Nr. 9 lit. c, 11 i.V.m. §§ 8 f. UWG folgt das sanktionierte Verbot, sich Know-how unbefugt zu verschaffen, zu verwerten und Dritten mitzuteilen129. Allerdings wird diese Rechtsposition des Geheimnisträgers nicht als „Ausschließlichkeitsrecht oder Rechtsgut, das von der Rechtsordnung mit ausschließender Wirkung einer bestimmten Person zugewiesen ist“, verstanden, sondern als besonderer deliktischer Schutz vor bestimmten Handlungen in Bezug auf Know-how130. Konsequent kommen die sich aus diesen Normen ergebenden Ansprüche nicht mehr in Betracht, wenn das Geheimnis offenkundig wird, weil dann die entscheidende Tatbestandsvoraussetzung fehlt131. Die Gegenauffassung wurde vor allen Dingen von Pfister in seiner Habilitationsschrift formuliert132. Weil an technischem Geheimwissen ein „Vermögensson129waren, unter deren Kontrolle sie rechtmäßig stehen). Ferner die Definition des Begriffs Knowhow gem. Art. 1 Abs. 1 lit. i Verordnung 772/04 („Know-how“: eine Gesamtheit nicht patentierter praktischer Kenntnisse, die durch Erfahrungen und Versuche gewonnen werden und die i) geheim, d.h. nicht allgemein bekannt und nicht leicht zugänglich sind, ii) wesentlich, d.h. die für die Produktion der Vertragsprodukte von Bedeutung und nützlich sind, und iii) identifiziert sind, d.h. umfassend genug beschrieben sind, so dass überprüft werden kann, ob es die Merkmale „geheim“ und „wesentlich“ erfüllt). 129 Siehe nur etwa BGH NJW 2006, 3424, 3425. Im internationalen Recht siehe Art. 39 Abs. 1 TRIPS i.V.m. Art. 10bis PVÜ; dazu Ann, GRUR 2007, 39, 41 ff. 130 BGH GRUR 1960, 554, 557; Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 327 ff.; Wiebe, Know-howSchutz Computersoftware, 208 ff.; Loewenheim, ZHR 135 (1971), 97, 139; Druey, Information, 376; Ann, GRUR 2007, 39, 40 f. Übersicht etwa bei Beater, Unlauterer Wettbewerb, § 18 Rn. 3 ff. m.w.N. 131 RGZ 37, 41, 43 (1896); BGHZ 17, 41, 52 (1955) („Mit der Offenkundigkeit erlöschen alle Rechte an einer Erfindung oder einer sonstigen technischen Vorschrift.“); BGH GRUR 1960, 554, 555 (eine anschließende Nutzung sei auch ohne Gestattung nicht rechtswidrig); Nolting-Hauff, MuW 1929, 430, 431; Ann, GRUR 2007, 39, 41. Dieser an das faktische Geheimsein gekoppelte Schutz spiegelt sich in der kartellrechtlichen Bewertung von Know-how-Lizenzverträgen: Nach Art. 2 Abs. 2 Verordnung 772/04 und § 2 Abs. 2 GWB gilt die Freistellung von Know-how-Technologietransfer-Vereinbarungen nur „solange das Know-how geheim bleibt, es sei denn, das Know-how wird infolge des Verhaltens des Lizenznehmers offenkundig; in diesem Fall gilt die Freistellung für die Dauer der Vereinbarung“, so dass nach Offenkundigwerden des Know-hows Art. 81 EG bzw. §§ 1, 2 Abs. 1 GWB direkt anzuwenden und die Vor- und Nachteile der Lizenzierung mit den Konsequenzen für die Freiheit des Wettbewerbs miteinander abzuwägen sind. 132 Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 31 ff.; Forkel, FS Schnorr v. Carolsfeld, 105, 111 ff.; Merkl, Immaterialgüterrecht, 188; Berkemeier, Verwertung, 32, 61, 122 (Unternehmensgeheimnisse als Rechtsgüter, die durch absolute Vermögensrechte zugeordnet sind); Götting, Wettbewerbsrecht, 285; Ohly, FS Schricker, 105, 114 f. m.w.N.; ders., in: Piper/Ohly, Einf D Rn. 16; Fournier, Bereicherungsausgleich, 174 f.
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recht“ bestehe, ergebe sich ein Deliktsschutz direkt aus § 823 Abs. 1 BGB („sonstiges Recht“)133. Außerdem sei die für Immaterialgüterrechte wie das Patentrecht entwickelte, dreifache Art der Schadensberechnung anwendbar134. Insbesondere sei das Vermögensrecht nach Maßgabe der §§ 929 ff. oder der §§ 413, 398 ff. BGB rechtsgeschäftlich übertragbar, soweit sich aus der Rechtsordnung nichts anderes ergebe135. Ebenso sei es in der Einzelzwangsvollstreckung und in der Insolvenz zwangsweise zugunsten der Gläubiger verwertbar136. Letztgenannte Konsequenz zog auch der Bundesgerichtshof in der 1955 zur Konkursordnung ergangenen Dücko-Entscheidung137, die vom Gericht noch im Jahr 2006 mit der Bemerkung in Bezug genommen wurde, es unterliege „keinem Zweifel, dass ein Geschäftsgeheimnis veräußert werden kann“138. Im Sachverhalt, der dieser Entscheidung zugrundeliegt, war der Konkursschuldner gezwungen worden, dem Verwalter ein Betriebsgeheimnis zu offenbaren. Der Verwalter hatte das Unternehmen des Schuldners samt Know-how an einen Erwerber verkauft. Später setzte der Schuldner das Betriebsgeheimnis wieder gewerblich ein. Nunmehr ging der Unternehmenserwerber gegen den Schuldner aus den §§ 823 Abs. 1, 826 BGB und dem UWG vor. Der Bundesgerichtshof gab der Klage statt139: „Wenngleich ein Konkursverwalter nicht zu Lasten des Gemeinschuldners neue Verpflichtungen eingehen kann, so ist er doch berechtigt, mit bindender Wirkung gegenüber dem Gemeinschuldner Ansprüche und Rechte zu übertragen, die einen Bestandteil des Geschäftsvermögens bilden und daher zur Masse gehören. Ein absolutes Recht auf ausschließliche Benutzung des Geheimverfahrens besaß der Schuldner D. allerdings nicht. Denn einer Erfindung kommt nur dann eine dingliche Ausschlußwirkung gegenüber Dritten zu, wenn sie angemeldet und bekanntgemacht ist … Gleichwohl besaß der Schuldner auf Grund seines im Betriebe benutzten Geheimverfahrens ein Ausschlußrecht, das
133 Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 85 ff.; offengelassen von BGHZ 38, 391, 395 (1962); a.A. Ann, GRUR 2007, 39, 43 (Know-how kein sonstiges Recht gem. § 823 Abs. 1 BGB). Auf die §§ 17 ff. UWG, 823 Abs. 2 BGB abstellend mit entsprechendem Ergebnis wie Pfister Berkemeier, Verwertung, 118 ff. 134 Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 144; BGH NJW 1977, 1062, 1063 (Betriebsgeheimnisse verschafften dem Unternehmer oft eine Rechtsposition, die sich dem Immaterialgüterrecht in besonders starkem Maße nähere); BGH WRP 2008, 938, 939. 135 Siehe Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 146 ff. (analoge Anwendung der §§ 929 f. BGB, um eine Übergabe der Unterlagen einzubeziehen); Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, vor §§ 17–19 UWG Rn. 2 m.w.N. 136 Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 157 ff. (Zwangsvollstreckung), 167 (Konkurs). 137 BGHZ 16, 172 ff. (1955) – Dücko; zustimmend etwa Ohly, FS Schricker, 105, 114; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 17 UWG Rn. 3. Ausdrücklich offengelassen wird die Frage der Pfändbarkeit von Know-how dagegen von BGH NJW 1989, 2536, 2537 m.w.N. (die Pfändung einer Arzneimittelzulassung erfasse allenfalls die öffentlich-rechtliche Erlaubnis und berühre nicht privatrechtliche Gegenrechte gegen den Schuldner und ggf. Erwerber, der deshalb ggf. immer noch nicht befugt wäre, das Arzneimittel herzustellen und in Verkehr zu bringen). 138 BGH NJW 2006, 3424, 3426. Zum Begriff der Veräußerung als Vorläufer der Verfügung unten § 10 B III mit Fn. 73. 139 BGHZ 16, 172, 174 f. (1955) – Dücko.
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ihm im Verletzungsfall Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche aus § 823 BGB und § 17 UWG gewährte … Dieses Recht stellt einen Vermögenswert dar, der durch den Konkursverwalter in vollem Umfange und mit allen aus ihnen sich ergebenden Ansprüchen übertragen werden konnte. In der in dem Konkursverfahren über das Vermögen des Schuldners ergangenen Entscheidung des Beschwerdegerichts … ist zutreffend ausgeführt, daß ein Geheimverfahren schon dann aufhöre, ein der Zwangsvollstreckung nicht unterliegendes Persönlichkeitsrecht zu sein, wenn der Erfinder seine Absicht, die Erfindung wirtschaftlich zu verwerten, kundgetan und damit zu erkennen gegeben habe, daß er selbst seine Erfindung als Vermögenswert ansehe und ausbeute … In einem solchen Falle gehört das Geheimverfahren in der Tat, gleichgültig, ob ihm eine patentfähige Erfindung zugrunde liegt oder nicht, zum Geschäftsvermögen und fällt damit in die Konkursmasse, da es nunmehr ein wenigstens der Ausübung nach übertragbares Vermögensrecht (§ 857 ZPO) darstellt … Das hat aber zur Folge, daß der Erwerber dieses Vermögensrechts die gleiche Rechtsstellung erlangt, die ehedem der Schuldner besessen hat. Dem Erwerber steht hiernach auch das Recht zu, Dritten, die seine Geheimsphäre verletzen, die Benutzung des Verfahrens zu verbieten. Dieses Recht besteht auch dem Gemeinschuldner gegenüber. Insoweit ist die Rechtslage keine andere, als wenn der Gemeinschuldner selber das Verfahren durch Vertrag an einen Dritten veräußert und sich damit des eigenen Rechts auf Benutzung begeben hätte.“
3. Argumente Während sich die Auffassung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen „als“ Ausschließlichkeitsrechten heute vornehmlich auf völkerrechtliche und europarechtliche Quellen berufen könnte, die Know-how unter den Begriff des „Geistigen Eigentums“ fassen140, begründet Pfister ein übertragbares Recht mit einem Zuordnungsgebot aus Art. 14 GG141: Zwar sei zwischen Gütern als Rechtsobjekten und der Zuordnung durch die Rechtsordnung zu unterscheiden142; auch verpflichte Art. 14 GG nicht generell zur Verleihung von Ausschließlichkeitsrechten. Bei faktisch exklusiven „Vermögensgegenständen“ wie der Sache oder dem Geheimnis stehe es aber nicht im Belieben der Zivilrechtsordnung, ob an einem solchen Gut ein Vermögensrecht anerkannt wird oder nicht143. Denn das Ergebnis eigener Leistung und eigenen Kapitalaufwands sei regelmäßig als verfassungsrechtliches Eigentum anzuerkennen144, das in seiner „soziale[n] Funktion“ im Interesse der Einheit der Rechts- und Friedensordnung auch zwischen Privatrechtssubjekten wirke145. 140
Siehe Art. 1 Abs. 2 TRIPS, Art. 1 Abs. 1 lit. g Verordnung 772/04. Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 42 ff. 142 Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 40. 143 Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 43 (auf die vom Privatrecht getroffene Regelung komme es „letztlich gar nicht an“), 53 (Geheimwissen sei Vermögensrecht, soweit es geheim und damit faktisch Vermögensgegenstand sei). 144 Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 43 f. Die Zuordnung zum Inhaber des Geheimnisses ergebe sich aus der Arbeitstheorie von John Locke; a.a.O., 49 m.w.N. 145 Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 48. An späterer Stelle ergänzt Pfister, die Rechtsordnung müsse als Friedensordnung eine erfolgte Zuordnung auch schützen; a.a.O., 90. 141
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
Die Dücko-Entscheidung des Bundesgerichtshofs stützt sich nicht auf solche verfassungsrechtlichen Argumente, sondern vornehmlich auf eine folgenorientierte Wertung: Eine Abweisung der Klage des Erwerbers könne nicht zugelassen werden, weil der Schuldner sonst das Unternehmen für die Gläubiger völlig entwerten könnte, die ihm doch mit Blick auf den Wert des Betriebs und Knowhows erst Kredit gewährt hätten. Daran könne auch der Umstand nichts ändern, dass es früheren Mitarbeitern eines Unternehmens nicht verboten sei, erworbene Kenntnisse für ihr eigenes Fortkommen zu verwenden und anderen mitzuteilen146.
VI. Energieverbrauch, insbesondere elektrische Energie 1. Sachverhaltskonstellationen Weder zu den immateriellen noch den ohne Weiteres faktisch exklusiven Gütern zählt elektrische und sonstige Energie bzw. der Verbrauch solcher Energie. Auch insoweit fehlt es bis heute an normierten Ausschließlichkeitsrechten. Die physikalisch-technischen Grundlagen von verschiedenen Arten der Herstellung, Lieferung und des Verbrauchs von Energie können hier nicht erörtert werden. Bemerkt sei nur die fehlerhafte umgangssprachliche Gleichstellung des Verbrauchs von elektrischer Energie und elektrischem Strom, der lediglich die gerichtete Bewegung von Ladungsträgern in einem Stoff oder im Vakuum bezeichnet und deshalb nicht in Kilowattstunden, sondern Ampere gemessen wird. Wichtig ist ferner die Unterscheidung zwischen dem Verbrauch von flüssigen oder gasförmigen, zweifellos vom Sacheigentum erfassten Gütern wie Wasser oder Erdgas und eben nicht körperlich anfassbarer, elektrischer und sonstiger Energie (etwa Fernwärme), für die diese Einordnung ausgesprochen zweifelhaft ist. Konflikte um die Zuordnung elektrischer Energie haben sich in zwei Fallkonstellationen abgespielt: Zum einen entziehen Personen dem Leitungsnetz des Anbieters Energie für eigene Zwecke, so dass sich die Frage nach etwaigen Ersatzansprüchen des Energieversorgungsunternehmens stellt147. Zum anderen kommt es immer wieder zu einem fehlerhaften Anschluss der Verbrauchszähler oder des gesamten Hausanschlusses an das Netz, so dass eine Person irrtümlich den höheren Verbrauch des ebenfalls unwissenden Nachbarn bezahlt und von diesem Ersatz verlangt, weil Ansprüche gegen das Energieversorgungsunternehmen prä-
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BGHZ 16, 172, 174 ff. (1955) – Dücko. So der Sachverhalt bei BGHZ 117, 29 (1992); LG Wuppertal RdE 1979, 24 f.; LG Osnabrück RdE 1987, 55; siehe auch OLG Frankfurt NJW-RR 1989, 249 (Stromentnahme nach Kündigung des Vertrages durch den Kunden). Zum Begriff des Energieversorgungsunternehmens siehe die Legaldefinition in § 2 Abs. 3 EnWG (Unternehmen oder Betriebe, die andere mit Energie versorgen oder ein Netz für die allgemeine Versorgung betreiben). 147
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kludiert sind148. In beiden Varianten stand insbesondere die Frage im Raum, ob die Energie dem jeweiligen Kläger so zugewiesen ist, dass Ansprüche aus Eingriffskondiktion gegeben sind. 2. Diskutierte Rechtsgrundlagen In der Frühzeit der Elektrizitätswirtschaft im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert wurde die Zuordnungsproblematik vereinzelt über das Eigentum gelöst, indem elektrische Energie als Sache gem. § 90 BGB eingestuft wurde149. Aber weder dieser noch der Ansatz über ein ungeschriebenes, verkehrsfähiges „Eigenrecht“ an Energie150 haben in der Folgezeit Anhänger gefunden. Vor diesem Hintergrund ist bemerkenswert, dass über den deliktisch-strafrechtlichen Schutz vor widerrechtlicher Entziehung von Energie gem. der §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 248c, 263 StGB hinaus Ansprüche aus Eingriffskondiktion praktisch allgemein bejaht werden, man also davon ausgeht, dass elektrische Energie einer bestimmten Person zugewiesen ist, obwohl weder das Sacheigentum noch ein anderes normiertes Ausschließlichkeitsrecht für einschlägig erachtet wird. Das gilt sowohl für die genannten Zweipersonenverhältnisse, bei denen eine Person unberechtigterweise Energie aus dem Netz des Versorgers entnimmt151, als auch für die Dreipersonenverhältnisse zwischen zwei Abnehmern und dem Energieversorgungsunternehmen. In letztgenannter Konstellation ist Hauptstreitpunkt weniger die Zuordnung der Energie zum „wahren“ Kunden, als die Frage, ob nicht der bereicherungsrechtliche Vorrang der Leistungskondiktion im Verhältnis zwischen Kunde und Versorger einen Anspruch aus Eingriffskondiktion zwischen den Abnehmern aus-
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Siehe § 21 AVBEltV und LG Berlin NJW 1982, 2782 (Auskunftsanspruch gegen den Stromversorger im Hinblick auf die Identität des begünstigten Nachbarn); KG NJW 1985, 1714; LG Aachen NJW 1984, 2421; LG München NJW-RR 2002, 994; für die Gasbelieferung auch LG Hagen WuM 1991, 499. 149 Pfleghart, Archiv BürgR 24 (1904), 300 ff., 321. 150 Kohler, KritV Bd. 36 (1894), 510, 519 (an Elekrizität bestehe ein „Civilrecht an der Kraft, analog dem Civilrecht an der Sache“); Kloeß, AcP 103 (1908), 34, 90 ff. (de lege lata bestehe ein „Eigenrecht an Energien“ als übertragbares, verkehrsfähiges, absolutes Privatrecht; rechtsgeschäftlich übertragen werde das Eigenrecht durch „Einräumung der mittelbaren tatsächlichen Verfügungsgewalt, also durch die Lieferung“ (a.a.O., 114 ff.)); zustimmend Sohm, IherJb 53 (1908), 373, 384 f. Von einem übertragbaren „Eigen- oder Verfügungsrecht“ an elektrischer Energie spricht auch RGSt 45, 230, 232 ff. (1911). 151 Ansprüche aus Eingriffskondiktion bejahen ohne nähere Begründung BGHZ 117, 29, 31 ff. (1992) (dort Ausführungen zur Frage, dass vertraglicher Anspruch, Schadensersatz und Wertersatz gem. § 818 Abs. 2 BGB jeweils auf die tarifliche Vergütung hinauslaufen); LG Wuppertal RdE 1979, 24 f.; AG Hamburg RdE 1990, 170; LG Hamburg RdE 1997, 155 f.; hilfsweise neben vertraglichen Ansprüchen geprüft und bejaht von OLG Osnabrück RdE 1987, 55, 56 (der vertragslose Verbrauch von Strom und Gas sei eine ungerechtfertigte Bereicherung); ebenso LG Hildesheim RdE 2001, 193, 194.
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schließt152. Im Rahmen der Begründung der Eingriffskondiktion schließt sich sogar der Kreis zurück zu den frühen Annahmen eines „Eigenrechts“ an Energie, denn dem Kunden wird ein nicht wie das Sacheigentum übertragbares „Verfügungsrecht sui generis“ im Sinne einer Herrschaftsposition mit Zuweisungsgehalt über elektrische Kraft „in einem sehr abstrakten Sinne“ zuerkannt153. 3. Argumente Diese im Kontext der Eingriffskondiktion angesiedelten Zuweisungsentscheidungen werden mit den weitgehend bekannten sachlichen Argumenten begründet: Soweit es um die Rechtsposition des Versorgungsunternehmens geht, wird auf Energie als Frucht der Arbeit154 und Ausdruck der Persönlichkeit155 desjenigen verwiesen, der dieses Gut geschaffen bzw. beherrschbar gemacht habe. Außerdem sei der tatsächliche Markt für diese vermögenswerten Güter vom Recht zu respektieren und zu unterstützen, denn: „Der Verkehr ist es, der die Vermögensrechte macht.“156. Schließlich sei Energie auch dem berechtigten Kunden zugewiesen, weil der an ihn verbrauchsbestimmt weitergeleitete Strom trotz seiner Immaterialität beherrschbar sei157.
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Siehe LG Aachen NJW 1984, 2421 („Der Bekl. hat dadurch, daß er – irrtümlich – Strom verbrauchte, der über den Zähler für die Wohnung der Kl. lief, in den Zuweisungsgehalt eines fremden Rechtes eingegriffen. Der Strom nämlich, der an den Entnahmestellen hinter dem gesondert für die Kl. betimmten Anschluß verbraucht wurde, stand alleine den Kl. selbst zu … Es liegt daher ein typischer Fall einer Eingriffskondiktion vor …“); zustimmend Recknagel, in: Hermann/Recknagel/ Schmidt-Salzer, § 21 AVBeltV Rn. 5 mit Fn. 17. Für Vorrang der Leistungskondiktion im Verhältnis zum Stromversorger KG NJW 1985, 1714 f.; zustimmend insoweit Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 586 f.; Martinek, JuS 1985, 596, 600 f.; Bork, JA 1983, 174, 177. Wieder anders (Rückgriffskondiktion) LG München NJW-RR 2002, 994. 153 Martinek, JuS 1985, 596, 599 (unter Vermengung des numerus clausus der derivativen und der originären Rechte); Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 588 (ohne nähere Begründung für ein exklusives Verfügungsrecht des Versorgungsunternehmens über die im Stromnetz befindliche Elektrizität); Stadler, in: Jauernig, § 812 BGB Rn. 55; bejahend zum Bereicherungsanspruch in diesem Fall auch Edelmann, RdE 1986, 79, 80. 154 Kloeß, AcP 103 (1908), 34, 93. 155 Kloeß, AcP 103 (1908), 34, 91 f.; zustimmend Sohm, IherJb 53 (1908), 373, 384 f. 156 Sohm, IherJb 53 (1908), 373, 384 mit Fn. 17 („Welche Rechte veräußerlich sind, kann nicht nach Maßgabe eines Prinzips, sondern nur nach Maßgabe des Verkehrs entschieden werden.“), 392 (der Verkehr habe die neuen Vermögensrechte wie z.B. das Urheberrecht geschaffen); Kloeß, AcP 103 (1908), 34, 93 ff. 157 Martinek, JuS 1985, 596, 599; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 588 (der Stromkunde besitze „hinsichtlich des in seiner ordnungsgemäßen Kundenanlage abgenommenen Stroms ein exklusives, quasi-dingliches, vom Recht des Versorgungsunternehmens abgeleitetes Verfügungsrecht an der Elektrizität“).
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VII. Persönlichkeitsmerkmale Eine ausführlichere Darstellung erfordert die richterrechtliche Entwicklung von Rechtspositionen in Bezug auf äußere und innere Merkmale einer Person158. Hierzu sind seit dem 19. Jahrhundert viele güterzuordnungsrelevante Entscheidungen ergangen. Es handelt sich um die wohl prominenteste Fallgruppe der richterlichen Anerkennung eines – in den Worten des Bundesgerichtshofs – ungeschriebenen „vermögenswerten Ausschließlichkeitsrechts“ bzw. „marktgängigen Immaterialgüterrechts“159, die vom Bundesverfassungsgericht 2006 gerade mit Blick auf die Grenzen richterlicher Rechtsfindung geprüft und akzeptiert wurde160, und die zu Recht als „dogmatischer Quantensprung“ eingeschätzt wird161. Die folgende Darstellung orientiert sich an der Unterscheidung zweier Arten von Persönlichkeitsrechten, wie sie besonders plastisch im Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs zum Ausdruck kommt: Demnach ist der I. Zivilsenat unter anderem zuständig für Rechtsstreitigkeiten über Urheberrecht, Verlagsrecht und das Geschmacksmusterrecht sowie über ein „allgemeines Persönlichkeitsrecht, das vom Berechtigten kommerziell (wie ein Immaterialgüterrecht) verwertet wird“, während der VI. Zivilsenat über die sonstigen, hiervon nicht erfassten Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche aus unerlaubten Handlungen aus der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechts am eigenen Bild zu entscheiden hat162. Die Zuständigkeit des VI. Senats betrifft das durch die Leserbrief-Entscheidung 1954 geprägte „klassische“ allgemeine Persönlichkeitsrecht (aPR), diejenige des I. Senats die „vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts“, wie sie in der Marlene-Entscheidung 1999 herausgearbeitet wurden. Die Sachverhaltskonstellationen, diskutierten Rechtsgrundlagen und maßgeblichen Wertungsgesichtspunkte der beiden Fallgruppen weichen so deutlich voneinander ab, dass sie jeweils gesondert auszuweisen sind. Auch wenn eigentlich nur die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts das Güterzuordnungsthema unmittelbar betreffen, ist das klassische aPR zu berück-
158 Zum hier nicht näher zu erörternden Begriff der Person siehe Larenz, NJW 1955, 521, 522 („Allein das Wesen der Persönlichkeit besteht gerade darin, daß sie sich nicht, wie eine Sache, in feste Grenzen einschließen läßt, sondern unaufhörlich über ihre Grenzen hinausstrebt. Gerade dieses Über-sich-Hinausstreben ist es ja, was wir mit der ,freien Entfaltung der Persönlichkeit‘ meinen.“); ähnlich bereits v. Ihering, IherJb 23 (1885), 155, 310 (die Persönlichkeit begründe außerpersönliche Gegenstände (z.B. Immaterialgüter), womit sie über sich selbst hinausgehe); ferner unten § 13 B VII 3 a. 159 BGHZ 143, 214, 220, 224 (1999) – Marlene; BGHZ 165, 203, 208 f. (2005); BPatG GRUR 2006, 333, 336; OLG Hamburg ZUM 2006, 639, 640; LG Hamburg GRUR 2007, 143, 145. 160 BVerfG NJW 2006, 3409 ff. – Marlene. 161 Schulze Wessel, Vermarktung Verstorbener, 12; Ullmann, WRP 2000, 1051, 1053 („epochemachend“); Götting, NJW 2001, 585 (Klassiker der Rechtsgeschichte, Meilenstein in der Entwicklung des Persönlichkeitsrechts); Fischer, Rechtsfortbildungen, 174 f. 162 Der aktuelle Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs ist abrufbar unter http:// www.bundesgerichtshof.de.
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sichtigen, weil es das Fundament dieser jüngeren Entwicklung bildet und weiterhin ganz überwiegend von einer gemeinsamen Wurzel beider Zweige des Persönlichkeitsschutzes im deutschen Recht ausgegangen wird. 1. Sachverhaltskonstellationen Die Unterschiede zwischen dem klassischen aPR und den vermögenswerten Bestandteilen lassen sich bereits auf der Sachverhaltsebene aufzeigen. Die Differenzen betreffen dabei weniger die betroffenen Güter wie Name oder Bildnis als vielmehr die tangierten Interessen an diesen Gütern und den Zweck der angegriffenen Nutzung163: a) Klassisches allgemeines Persönlichkeitsrecht Das aPR in seiner klassischen Ausprägung schützt die Menschenwürde und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit im Sinne eines inneren, höchstpersönlichen Lebens- und Persönlichkeitsbereichs, der grundsätzlich der freien und eigenverantwortlichen Selbstbestimmung des Einzelnen untersteht164. Die relevanten Lebenssachverhalte entsprechen dem Schutzbereich des verfassungsrechtlichen aPR165, nur dass sich die Ansprüche auf das Privatrechtsverhältnis und nicht auf die Abwehr staatlicher Eingriffe richten. So gewährleistet dieser Zweig des Persönlichkeitsschutzes die Privat-, Geheim- und Intimsphäre und das Interesse, in diesen Bereichen ungestört für sich zu sein, den Schutz der persönlichen Ehre, die grundsätzliche Selbstbestimmung über die Verwendung der eigenen persönlichen Merkmale und Äußerungen wie Wort, Bild, Stimme, persönliche Daten und die gesamte Vita. Hierbei stehen ideelle Interessen im Vordergrund und nicht das Begehren des Betroffenen, die eigene Person möglichst exklusiv und umfassend vermarkten zu können166.
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Auf „Schutzgut und Interessenlage“ stellt zur Abgrenzung ab BGHZ 165, 203, 208 (2005). Für eine güterbezogene Unterscheidung hingegen Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 34, 64 (während die Persönlichkeit als humanbiologisches Steuerungssystem, dessen individuelle Einzigartigkeit die Würde des Menschen ausmache, nur negativ als Lebensgut geschützt sei, bestünden an den von dieser Persönlichkeit abgelösten Persönlichkeitsgütern wie Name, Bildnis, biosoziale Lebensdaten übertragbare Immaterialgüterrechte an „eigenpersönlichen Gegenständen“); Beuthien, NJW 2003, 1220, 1222; Schierholz, Stimmenschutz, 84 f. (Recht an der Stimme). 164 BGHZ 26, 349, 354 f. (1958) – Herrenreiter; BGHZ 27, 284, 286 (1958); BGH NJW 1959, 525, 526; BGHZ 30, 7, 11 (1959); BGHZ 31, 308, 312 (1959) (Schutz der Presse); BGHZ 143, 214, 218 (1999) – Marlene; LG Berlin NJW 1997, 1155; Heldrich, FS Lange, 163, 166; Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, 172 (Inhalt des Persönlichkeitsrechts sei die freie Entfaltung des Menschen), 245 (es sei der Rechtsprechung nicht um die Schaffung von Persönlichkeitsnutzungsrechten, sondern um die Abwehr von Eingriffen in das Substrat der freien Entfaltungsmöglichkeit gegangen). Zur Abgrenzung von den „vermögenswerten Bestandteilen“ siehe auch OLG Hamburg NJW-RR 1994, 990, 991 (das Interesse, „tunlichst diskret und unbeobachtet leben und aufwachsen“ zu wollen, sei nicht das Recht am eigenen Bild als „ausschließliches Immaterialgüterrecht“, sondern als „reines Persönlichkeitsrecht“). 165 Dazu oben § 2 B II 3. 166 BGHZ 165, 203, 209 (2005).
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b) Vermögenswerte Bestandteile des Persönlichkeitsrechts Letztgenanntes Interesse kennzeichnet die vermögenswerten Bestandteile des aPR. Typischerweise macht der Kläger hier nicht einen Schutz vor unerwünschter Kommerzialisierung geltend, sondern erstrebt die rechtliche Absicherung von Eigenvermarktung. Stichwort ist das Merchandising von Persönlichkeitsmerkmalen wie Name, Bildnis, Stimme und Image öffentlich bekannter Personen im Rahmen der Werbung für Waren und Dienstleistungen Dritter sowie als Produkt an sich167. 2. Diskutierte Rechtsgrundlagen a) Klassisches allgemeines Persönlichkeitsrecht Anders als etwa im schweizerischen Recht168 findet sich im deutschen Privatrecht bis heute keine ausdrückliche Regelung des aPR in seiner klassischen Gestalt169. Trotz vorhandener Ansätze im gemeinen Recht170 und entgegen wiederholter Forderungen nach der Einbeziehung zumindest der Ehre in den Kreis der deliktisch geschützten Güter171, wurde ein solch umfassender Persönlichkeitsschutz 167 Siehe OLG Hamburg ZUM 2006, 639, 640; Ullmann, AfP 1999, 209 ff.; ders., in: Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz, 17, 20 ff. (abspaltbares, übertragbares und dinglich verwertbares Recht); Heitmann, Persönlichkeitssphäre, 81; Tampe, Schutz gegen kommerzielle Ausnutzung, 183; Lausen, ZUM 1997, 86, 92; Magold, Personenmerchandising, 571 (Unterscheidung zwischen reinem Persönlichkeitsrecht und Persönlichkeitsverwertungsrecht); Lichtenstein, Persönlichkeitsrecht vor und nach dem Tode, 100 ff.; Spickhoff, in: Soergel13, Anh IV § 823 BGB Rn. 33 ff.; für das Namensrecht Klippel, Namensschutz, 501 ff. 168 Siehe die Art. 27 f. ZGB, Art. 41 OR. Mit Verweis auf Art. 28 ZGB BGHZ 13, 334, 337 f. (1954) – Leserbrief. 169 Mehrere Kodifikationsentwürfe sind gescheitert: Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des zivilrechtlichen Persönlichkeits- und Ehrenschutzes (BT-Drucks. III/1237) und Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung schadensersatzrechtlicher Vorschriften aus dem Jahr 1967; siehe dazu BVerfGE 34, 269, 272 f. (1972) – Soraya; Gottwald, Allgemeines Persönlichkeitsrecht, 261 ff. Zu anderen Entwürfen, vor allen Dingen im Zusammenhang mit urheberrechtlichen Novellen Neumann-Duesberg, Das gesprochene Wort, 162 ff. 170 Zur Rechtslage vor Inkrafttreten des BGB RGZ 41, 43, 49 f. (1898); Gründe zum Dresdner Entwurf, abgedruckt bei Schubert, Schuldverhältnisse 3, 843 f. m.w.N.; v. Ihering, IherJb 23 (1885), 155 ff. (die Erweiterung der actio iniuriarium über Geldinteressen hinaus auf Interessen nichtökonomischer Art sei darauf zurückzuführen, dass mit dem Fortschritt der Kultur und der Verfeinerung des Gefühls auch das Ehrgefühl sich steigere, reizbarer, empfindlicher werde); Windscheid/Kipp, Pandekten II, 1054 ff.; Herrmann, Persönlichkeitsschutz 16.–18. Jhdt., 9 ff., 50 ff.; Leuze, Entwicklung Persönlichkeitsrecht, 65 ff.; Scheyhing, AcP 158 (1959/1960), 503, 505 ff.; Mincke, JZ 1980, 86, 89 f.; zur deliktischen, sanktionsorientierten Haftung im römischen Recht Jansen, Struktur des Haftungsrechts, 185 ff.; Thon, Rechtsnorm, 152 m.w.N.; Bernotat, Beschränkung des Ehrenschutzes, 8 ff.; Simon, Allgemeines Persönlichkeitsrecht, 169 ff.; Leuze, Entwicklung Persönlichkeitsrecht, 46 ff.; ferner BVerfGE 34, 269, 270 (1972) – Soraya (die Rechtssysteme, die in Deutschland um die Mitte des 19. Jahrhunderts galten, hätten einen verhältnismäßig umfassenden Persönlichkeitsschutz auch in Form von Schmerzensgeldansprüchen gewährt). Zum Beitrag v. Iherings zur Entwicklung des Rechtsschutzes der Persönlichkeit Fikentscher, Methoden III, 178 ff. 171 Siehe zu E I § 704 Abs. 2 S. 2 unter Nennung der Ehre Mot. II, 728; Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 889, 908 f.; zur Ablehnung in der 2. Kommission Prot. II 2, 637 f.; zur Ableh-
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wie auch ein Ersatz des immateriellen Schadens bei Ehrverletzungen vom BGBGesetzgeber ausdrücklich abgelehnt172. In der Folgezeit ging die Rechtsprechung dementsprechend davon aus, ein allgemeines Persönlichkeitsrecht sei dem bürgerlichen Recht jenseits der besonderen, gesetzlich geregelten Persönlichkeitsrechte fremd und nur ein Oberbegriff für die vom „Gesetz gegebenen“ Befugnisse ohne eigenständigen Gehalt173. Durchaus wahrgenommene Lücken des Rechtsschutzes der Persönlichkeit suchten die Gerichte über die extensive Auslegung der besonderen Persönlichkeitsrechte der §§ 12 BGB, 22 KUG174 und den Rückgriff auf § 826 BGB175 zu schließen176. 172 nung in der Reichstangskommission Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 899 ff. Dazu auch Gottwald, Allgemeines Persönlichkeitsrecht, 7 ff.; Bernotat, Beschränkung Ehrenschutz, 28 ff.; Simon, Allgemeines Persönlichkeitsrecht, 155 ff. (in den Beratungen habe sich die „Rechtskreistheorie“ durchgesetzt, wonach das Individuum nur in einzelnen, schutzwürdigen Positionen geschützt werde). Zum Verständnis der „Freiheit“ gem. § 823 Abs. 1 BGB als bloße Bewegungsfreiheit siehe Art. 1011 f. des Dresdner Entwurfs, abgedruckt bei Schubert, Schuldverhältnisse 3, 752 sowie die Erläuterungen, a.a.O., 836 ff.; RGZ 48, 114, 123 f. (1901) (nicht jeder Eingriff in die freie Willensbetätigung sei ein Eingriff in die Freiheit); BGHZ 26, 349, 355 (1958) – Herrenreiter; BGH LM §§ 23 Abs. 1 Ziff. 1, 22 KUG Nr. 5 (1961); Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 385 f.; Schulz-Schaeffer, Das subjektive Recht, 157 f.; Teichmann, in: Jauernig, § 823 BGB Rn. 5; für einen umfassenden Begriff der Freiheit zur Einbeziehung der bisher vom Recht am Gewerbebetrieb bzw. dem aPR erfassten Fallgruppen Lobe, Unlauterer Wettbewerb, 165 f.; Wolf, FS v. Hippel, 665, 683 ff.; Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 23. 172 Offen noch der Dresdner Entwurf, siehe Schubert, Schuldverhältnisse 3, 853 f. Anders dann Mot. II, 729 f.; Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 908 f.; Prot. II 2, 640 f. 173 RGZ 69, 401, 403 f. (1908); RGZ 79, 397, 398 (1912); RGZ 102, 134, 140 (1921); RGZ 113, 414 f. (1926); RGZ 91, 350 ff. (1917); KG JW 1928, 363 – Piscator (dafür mit der Ersatzlösung, § 22 KUG analog anzuwenden); aufgeschlossener, wenngleich im Ergebnis verneinend RG HRR 1933, Nr. 1319; wie die Rechtsprechung etwa v. Tuhr, AT I, 152; Planck1, BGB II, § 823 Anm. 2a; Kober/ Engelmann, in: Staudinger2, § 823 Anm. II A 2 e; Oertmann, Recht der Schuldverhältnisse, § 823 Anm. 1; Cosack/Mitteis, Bürgerliches Recht I, 765; Wieruszowski, DRiZ 1927, 225, 229 f. (gegen Kohlers naturrechtliche Argumentation); zweifelnd Müller, UFITA 2 (1929), 367, 384 f.; Bernotat, Beschränkung Ehrenschutz, 66 ff., 78 f. m.w.N. zur Gegenauffassung; Übersicht zu den vertretenen Auffassungen bei Simon, Allgemeines Persönlichkeitsrecht, 191 ff. A.A. und für eine Rechtsfortbildung zu einem umfassenden Schutz des Gesamtkreises der Person, wenngleich ohne ausdrückliche Anerkennung eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts OLG Kiel JW 1930, 78, 79 f.; Kohler, Bürgerliches Recht II 1, 515; ders., Unlauterer Wettbewerb, 20 (auf die Entscheidung des BGB-Gesetzgebers komme es nicht an); v. Gierke, Dt. Privatrecht III, 887 f. 174 KG JW 1928, 363, 364 – Piscator (analoge Anwendung von § 22 KUG auf das gesprochene Wort; das aber ausdrücklich nicht im Sinne einer „unzulässigen Erweiterung“ des Kreises der absoluten Rechte, sondern in der Tendenz des Reichsgerichts, „den einzelnen Persönlichkeitsrechten durch weitherzige Auslegung einen möglichst umfangreichen und … wirksamen Schutz zu gewähren“); zustimmend Reinhardt, Persönlichkeitsrecht, 17 f.; Neumann-Duesberg, Das gesprochene Wort, 164 f.; ablehnend aber OLG Kiel JW 1930, 78, 79; Bernotat, Beschränkung Ehrenschutz, 72 ff. m.w.N.; Windscheid/Kipp, Pandekten I, 174, (aus § 12 BGB könne die Anerkennung anderer absoluter Persönlichkeitsrechte nicht gefolgert werden). 175 Siehe aus der Rechtsprechung RGZ 72, 175 f. (1909) (Sorgfaltspflichtverletzungen genügen für einen Anspruch aus § 826 BGB); RGZ 115, 416, 417 f. (1926); RGZ 162, 7, 15 (1939); OLG Kiel JW 1930, 78, 80 f. (Theaterstück über einen tatsächlichen Kriminalfall); RG HRR 1933, Nr. 1319; im Einzelfall ablehnend RGZ 91, 350, 359 (1917) (dem Beklagten, der den Namen des Klägers in einem Gedicht benutzt hatte, das sich kritisch mit dessen unternehmerischer Tätigkeit beschäftigte,
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Zu einem „feste[n] Bestandteil unserer Privatrechtsordnung“ sollte das aPR aber erst nach dem zweiten Weltkrieg werden177. Die Begründung der LeserbriefEntscheidung 1954 formulierte noch im Stile einer direkten Wirkung der Grundrechte zwischen Privaten: „Nachdem nunmehr das GG das Recht des Menschen auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit auch als privates, von jedermann zu achtendes Recht anerkennt, soweit dieses Recht nicht die Rechte anderer verletzt oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt (Art. 2 GG), muß das allgemeine Persönlichkeitsrecht als ein verfassungsmäßig gewährleistetes Grundrecht angesehen werden …“178.
Dieser Ansatz wurde nach der Lüth-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1958 zwar zugunsten einer Transformation des verfassungsrechtlichen aPR in das Zivilrecht über den Weg der Auslegung und Fortbildung zivilrechtlicher Generalklauseln aufgegeben179. Aber auch wenn das zivilrechtliche seither vom verfassungsrechtlichen aPR klar unterschieden wird180, prägen die Art. 2 Abs. 1 176 habe kein Bewusstsein der Rechtswidrigkeit nachgewiesen werden können). Für diesen Weg statt einer Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts v. Tuhr, AT I, 152; Wieruszowski, DRiZ 1927, 225, 230; Reinhardt, Persönlichkeitsrecht, 18 ff.; dazu rückblickend Simon, Allgemeines Persönlichkeitsrecht, 232 ff. 176 Siehe BVerfGE 34, 269, 271 (1973) – Soraya; Gottwald, Allgemeines Persönlichkeitsrecht, 41 ff.; Helle, Ehre, 149 ff.; Hubmann, JZ 1957, 521 f.; v. Caemmerer, FS DJT II, 49, 102 ff.; ders., FS v. Hippel, 27 ff.; Coing, FS Maihofer, 75, 82 (die Lehre von den Persönlichkeitsrechten sei im 19. Jahrhundert ein Element der Zivilrechtssysteme im deutschen Rechtskreis geworden). Offengelassen wird das Bestehen eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts bereits von RGZ 72, 251, 255 (1909). 177 BGHZ 13, 334 ff. (1954) – Leserbrief; BVerfGE 34, 269, 281 (1973) – Soraya; Gottwald, Allgemeines Persönlichkeitsrecht, 124 (spezifische, die Rechtsprechung selbst betreffende „Vergangenheitsbewältigung“); Coing, JZ 1954, 700 (Wendepunkt in der Entwicklung des deutschen Privatrechts). Kritisch zur Anerkennung eines umfassenden Persönlichkeitsrechts noch Helle, Ehre, 4 ff., 149 ff.; Larenz, NJW 1955, 521, 523 ff.; Zeuner, in: Soergel12, § 823 BGB Rn. 72; Enneccerus/ Lehmann, Schuldverhältnisse, 936 ff.; kritisch dazu wiederum Schlechtriem, DRiZ 1975, 65 f.; Canaris, JBl 1991, 205, 208. 178 BGHZ 13, 334, 338 (1954) – Leserbrief; ferner BGHZ 15, 249, 257 f. (1954) (Schutz gegen unbefugte Veröffentlichung von Texten folge „aus dem durch Art. 1 und 2 des Grundgesetzes verfassungsmäßig gewährleisteten Grundrecht des Schutzes der Persönlichkeit“); BGHZ 24, 72, 76 f. (1957); BGHZ 26, 349, 354 f. (1958) – Herrenreiter; BGHZ 27, 284, 285 (1958) (Art. 1, 2 GG seien von jedermann im Privatrechtsverkehr zu achten); BGH NJW 1959, 525; BGHZ 30, 7, 10 (1959); OLG München NJW 1959, 388 f.; in diese Richtung auch noch Leisner, Grundrechte, 243. 179 Dazu allgemein oben § 2 B I sowie BGHZ 31, 308, 311 ff. (1959) mit Hinweis auf BVerfGE 7, 198, 204 ff. (1958) – Lüth; BGHZ 35, 363, 367 (1961); BGH LM §§ 23 Abs. 1 Ziff. 1, 22 KUG Nr. 5 (1961); BGH GRUR 1965, 256, 257 (zivilrechtlicher Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts); BGHZ 50, 133, 143 (1969) – Mephisto; BGHZ 143, 214, 218 (1999) – Marlene; BGH GRUR 2002, 690, 691 f.; bestätigend aus verfassungsrechtlicher Sicht wiederum BVerfG ZUM 2004, 917, 918. Zur Entwicklung der Rechtsprechung in diesem Sinne siehe Grimm, in: Grimm/ Schwerdtner, Schutz der Persönlichkeit, 3, 21 f.; schon die Leserbriefentscheidung wird in diesem Sinne aufgefasst von Ehmann, FS 50 Jahre BGH, 613 mit Fn. 3. 180 Abgesehen vom grundlegenden Lüth-Urteil BVerfGE 7, 198, 205 ff. (1958) mit Blick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht BVerfGE 34, 269, 280 (1973) – Soraya; BVerfGE 35, 202, 219 (1973); BVerfGE 97, 125, 145 (1998); BVerfGE 99, 185, 194 f. (1998); BVerfGE 101, 361, 388 (1999); BVerfG NJW 2004, 3619 f.; BVerfG NJW 2006, 595 f.
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG den zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz doch maßgeblich181, weil die Schutzpflicht für das verfassungsrechtliche aPR die Fortbildung des Deliktsrechts hin zum zivilrechtlichen aPR legitimiert182. Daraus ergibt sich zunächst, dass nicht jedes Interesse an freier Entfaltung im Verhältnis zu anderen Privatrechtssubjekten vom aPR geschützt ist, weil eine Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit nicht genügt, sondern ein engerer Persönlichkeitsbereich mit Bezug zur Menschenwürde berührt sein muss183. Fer181
BGHZ 26, 349, 356 (1958) – Herrenreiter; BGHZ 98, 94, 97 (1986) („Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist eine Rechtsschöpfung der Rechtsprechung, die Lücken im Persönlichkeitsschutz ausfüllt und aus den in Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG getroffenen Wertentscheidungen ihre Legitimation erfährt. Dieser Entstehungsgrund macht die thematische Begrenzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts deutlich.“); zur Verknüpfung des zivilrechtlichen und des verfassungsrechtlichen aPR etwa BVerfG NJW 2006, 595; BVerfG ZUM-RD 2006, 1, 3; Grimm, in: Grimm/ Schwerdtner, Schutz der Persönlichkeit, 3, 21; Spickhoff, in: Soergel13, Anh IV § 823 BGB Rn. 6; Ehmann, in: Erman, Anh § 12 BGB Rn. 12; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 244 f.; Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 2 GG Rn. 125 ff.; Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 2 GG Rn. 40; Murswiek, in: Sachs, Art. 2 GG Rn. 67; a.A. Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, 75. 182 Siehe BVerfGE 34, 238, 246 f. (1973); BVerfGE 34, 269, 272, 280 ff. (1973) – Soraya; BVerfGE 35, 202, 224 (1973); BVerfG NJW 1999, 1322, 1323; für die §§ 22 f. KUG BVerfGE 101, 361, 386 f. (1999); BVerfG NJW 2001, 1921, 1923 (die §§ 22 f. KUG dienten dem Persönlichkeitsschutz des Abgebildeten gem. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und nicht dem Schutz des Urheberrechts des Abgebildeten); zur Schutzpflicht des Staates im Hinblick auf die Gewährleistung des aPR auch BVerfGE 73, 118, 201 (1986); BVerfGE 96, 56, 64 (1997) (wie die zuständigen staatlichen Organe ihre Schutzpflicht erfüllen, sei von ihnen in ihrer Verantwortung zu entscheiden); BVerfGE 97, 125, 146 ff. (1998); BVerfG NJW 2000, 2187 (Geldentschädigung); BVerfG NJW 2006, 595 m.w.N. (die Rechtsprechung zur Geldentschädigung bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen gehe auf den verfassungsrechtlichen Schutzauftrag zurück); allgemein zu Schutzpflichten aus dem verfassungsrechtlichen aPR BVerfG JZ 2007, 576, 577. Aus der zivilrechtlichen Rechtsprechung etwa BGH NJW 1959, 525, 526; BGH NJW 2000, 2194, 2195 (das aPR sei unter Beachtung der Ausstrahlungswirkung des Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG zu konkretisieren); BGH GRUR 2002, 690, 691 f.; BGH GRUR 2005, 76, 77 (das „berechtigte Interesse“ gem. § 23 Abs. 2 KUG stehe dem Grundrechtseinfluss offen); BGH GRUR 2005, 788, 790 ff. (Abwägung Persönlichkeitsschutz und Kunstfreiheit als „kollidierender Grundwerte“); OLG Hamburg ZUM 2004, 309, 310; KG GRUR 2005, 79; OLG Jena NJW-RR 2005, 1566, 1568 (Recht auf ungestörte Trauer um Familienangehörige im Schutzauftrag der Art. 1, 2 Abs. 1, 6 Abs. 1 und 2 GG); AG Charlottenburg ZUM-RD 2002, 221, 222 (in ausdrücklicher Unterscheidung zum Urheberrecht); LG München ZUM 2004, 318. Ebenso die ganz h.M. in der Literatur: Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 936; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, 113; Neumann-Duesberg, NJW 1957, 1341; Mertens, JuS 1962, 261, 262 ff.; Canaris, AcP 184 (1984), 201, 231 (mit Hinweis auf die Grenzen dieses Schutzauftrags für die Ausgestaltung im Einzelnen); ders., JuS 1989, 160, 169; Burkhardt, in: Wenzel, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 5 Rn. 8; Weggel, Persönlichkeitsschutz, 8 ff.; Steindorff, Persönlichkeitsschutz, 10 ff.; Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte, 51; Baston-Vogt, Schutzbereich des aPR, 141; Klass, Persönlichkeitsschutz, 189 f.; Neben, Personenberichterstattung, 278 ff.; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 736; Moosmann, Exklusivstories, 35; Witzleb, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 12; Trebes, Presseveröffentlichungen, 29 f.; Gounalakis/Rhode, Persönlichkeitsschutz, Rn. 189 ff.; Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 31; Bungart, Dingliche Lizenzen, 65; Schlechtriem, DRiZ 1975, 65, 69. 183 Baston-Vogt, Schutzbereich des aPR, 125 ff.; Ehmann, in: Erman, Anh § 12 BGB Rn. 11 m.w.N.; Canaris, JuS 1989, 161, 170; ders., JBl 1991, 205, 213 mit Fn. 56; anders noch Larenz, NJW 1955, 521.
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ner ist das klassische aPR wie sein verfassungsrechtliches Pendant ein „generalklauselartiger Auffangtatbestand“, der insbesondere das Namens- und Bildnisrecht der §§ 12 BGB, 22 f. KUG als besondere Erscheinungsformen umfasst184. Diese Ausstrahlungen des aPR teilen daher seine verfassungsrechtliche Fundierung185 und lösen bei einer Verletzung dieselben besonderen Rechtsfolgen aus186. Aber nicht nur in seinem potentiellen Anwendungsbereich ist das zivilrechtliche aPR offen wie das Grundrecht gem. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, sondern auch seine Verletzung setzt eine umfassende Güter- und Interessenabwägung unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Wertungen und damit eine positive Feststellung der Rechtswidrigkeit voraus187. Das zivilrechtliche aPR un184 BGH NJW 1971, 885, 886; BGH GRUR 2007, 168, 169 f. – kinski-klaus.de; für das Bildnisrecht BGHZ 20, 345, 347 (1956) – Dahlke; BGH NJW 1962, 1004, 1005; BGH NJW 1971, 698, 699; BGH NJW 1971, 885, 886; BGH NJW 1985, 1617, 1618; BGH JZ 1987, 158 – Nena; BGH NJW 1992, 2084 – Fuchsberger; BGH NJW 1996, 593; BGH NJW 1996, 984, 986; BGHZ 131, 332, 336 (1995); BGHZ 143, 214, 218 (1999) – Marlene; BGH GRUR 2002, 690, 691; BGHZ 156, 206, 209 (2003); BGHZ 165, 203, 204 (2005); BGH GRUR 2007, 139, 140 – Rücktritt eines Finanzministers; BGH GRUR 2007, 523, 524; OLG Frankfurt NJW 1966, 254, 256; OLG Frankfurt GRUR 1991, 49, 50; OLG Hamburg Schulze OLGZ 113, 9 (1971); OLG Hamburg NJW 1990, 1995, 1996 (Recht am eigenen Bild als „Teil“ des nach § 823 Abs. 1 BGB geschützten Persönlichkeitsrechts); OLG Hamm NJW-RR 1987, 232; OLG München AfP 1989, 570; für das Namensrecht BGHZ 30, 7, 11 (1959); BGHZ 143, 214, 218 (1999) – Marlene; LG München ZUM 2000, 526, 528; OLG München ZUM-RD 2005, 396, 397; OLG Brandenburg MMR 2006, 107. Aus der Literatur etwa Neumann-Duesberg, Das gesprochene Wort, 179; Peifer, Individualität, 273; Spickhoff, in: Soergel13, Anh IV § 823 BGB Rn. 10. Zum Konkurrenzverhältnis zwischen den vorrangig zu prüfenden Spezialregelungen und dem ggf. ergänzend hinzutretenden aPR BGHZ 24, 200, 208 (1957) (Recht am eigenen Bild gegen heimliche Aufnahmen, die nicht von § 22 KUG erfasst sind); zum Namensrecht BGH NJW 1959, 525; BGHZ 30, 7, 11 (1959); BGHZ 81, 75, 78 (1981) – Carrera; OLG Brandenburg MMR 2006, 107; zum Datenschutzrecht BGHZ 80, 311, 319 (1981); BGHZ 91, 233, 237 ff. (1984); zum abschließenden Charakter der Leistungsschutzrechte des ausübenden Künstlers gem. der §§ 73 ff. UrhG BGH GRUR 1987, 814, 817 (dazu kritisch Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 174). Aus der Literatur dazu etwa Hubmann, Persönlichkeitsrecht, 129 ff.; v. Gamm, NJW 1955, 1826; Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 781; Ramelow, Lebensbildschutz, 45 ff.; Wronka, Persönlichkeitsrecht juristischer Personen, 5 ff.; Dasch, Einwilligung, 24 ff.; Osiander, Recht am eigenen Bild, 105 ff.; Baston-Vogt, Schutzbereich des aPR, 106 ff.; Schulze Wessel, Vermarktung Verstorbener, 28; Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte, 46; Rüll, Persönlichkeitsrechtsschutz des ausübenden Künstlers, 98, 117 f.; Neumann-Duesberg, VersR 1991, 957, 960; Funkel, Schutz der Persönlichkeit, 40 f.; Ehmann, in: Erman, Anh § 12 BGB Rn. 139; Klippel, Namensschutz, 511 ff.; Schertz, Merchandising, Rn. 307. 185 BGH NJW 1996, 593, 594 („Das Recht am eigenen Bild genießt als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dessen verfassungsrechtlichen Grundrechtsschutz.“). 186 Für das Bildnisrecht BGH NJW 1971, 698, 699; BGH NJW 1971, 885, 886; BGH GRUR 1974, 794, 795; BGH GRUR 2007, 139, 140 – Rücktritt eines Finanzministers. 187 Siehe BGHZ 24, 72, 78 (1957); BGH NJW 1959, 525; BGHZ 30, 7, 11 (1959); BGHZ 156, 206, 210 (2003); BGH NJW 2005, 56, 57; BGHZ 165, 203, 211 (2005) (allgemeines Persönlichkeitsrecht als „Schutzgut“); BGH GRUR 2007, 168, 169 – kinski-klaus.de (das zivilrechtliche aRP als „offener oder Rahmentatbestand“); BGH GRUR 2007, 139, 141 – Rücktritt eines Finanzministers (Rahmenrecht); BGHZ 166, 84, 111 (2006); LG Düsseldorf AfP 2002, 64, 65; LG Frankenthal (Pfalz), ZUM 2004, 317; LG München ZUM 2004, 318; Spickhoff, in: Soergel13, Anh IV § 823 BGB Rn. 33.
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terscheidet sich also strukturell von den übrigen in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechtsgütern, deren Verletzung grundsätzlich die Rechtswidrigkeit der Handlung indiziert (Lehre vom Erfolgsunrecht)188. Das gilt auch für die hier besonders interessierende Konstellation, bei der Merkmale einer Person zu gewerblichen, insbesondere Werbezwecken benutzt werden. Zwar tritt das wirtschaftliche Interesse des Beklagten in der Regel hinter den Schutz vor unerlaubter Kommerzialisierung zurück189. Gleichwohl kann eine stets erforderliche Abwägung ergeben, dass auch kommerzielle Nutzungen im Einzelfall zulässig sind. So liegt keine Persönlichkeitsverletzung vor, wenn das gewerbliche Interesse nur eine mittelbare Nebenfolge ist, das Informationsinteresse an der Person im Vordergrund steht, und nicht der Eindruck erweckt wird, der Abgebildete empfehle die betreffenden Produkte190. 188 BGHZ 13, 334, 338 (1954) – Leserbrief; BGHZ 15, 249, 258 (1954); BGHZ 24, 72, 80 (1957); BGHZ 27, 284, 289 f. (1958); BGHZ 50, 133, 143 (1968) – Mephisto; BGH NJW 1978, 2151, 2152; BGHZ 98, 94, 99 (1986) („Der deliktische Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs ist ebenso wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht absolut, sondern jeweils für den konkreten Fall im Wege der Interessen- und Güterabwägung zu bestimmen.“); BGHZ 156, 206, 210 (2003) (wegen der Eigenart des aPR als eines Rahmenrechts liege seine Reichweite nicht absolut fest, sondern müsse grundsätzlich erst durch eine Güterabwägung mit den schutzwürdigen Interessen der anderen Seite bestimmt werden); BGH NJW 2005, 2844, 2846 ff.; BGHZ 165, 203, 211 (2005). Dies gilt nach BGH GRUR 2007, 168, 169 f. – kinski-klaus.de auch für die vermögenswerten Bestandteile (dazu sogleich). Zur Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Eigentumsgarantie beim Einsatz von Überwachungskameras LG Bonn NJW-RR 2005, 1067, 1068 f.; differenzierend zwischen abwägungsfreiem Kernbereich der privaten Lebensführung und Abwägung im „Außenbereich“ BGH JZ 1988, 304, 306; anders Jung, Vererblichkeit, 98 (bei gesetzlich normierten Aspekten Rechtswidrigkeitsindikation). 189 So bereits RGZ 74, 308, 310 f. (1910) – Graf Zeppelin; BGHZ 8, 318, 321, 323 (1953); ferner BGHZ 20, 345, 350 (1956) – Dahlke; BGHZ 30, 7, 12 f. (1959); BGH LM KUG §§ 23, 22 Nr. 4 (1960); BGH LM §§ 23 Abs. 1 Ziff. 1, 22 KUG Nr. 5 (1961); BGHZ 35, 363, 369 (1961) (Geldentschädigung gerade im Fall der Zwangskommerzialisierung); BGHZ 49, 288, 293 (1968); BGH NJW 1971, 698, 699; BGH NJW 1979, 2203, 2204 f. – Wandkalender (zu den für § 23 Abs. 2 KUG relevanten Interessen); BGHZ 81, 75, 80 (1981) – Carrera (Selbstbestimmungsrecht im Hinblick auf Verwendung des Namens in der Werbung); BGHZ 98, 94, 98 (das Selbstbestimmungsrecht verbiete eine Zwangskommerzialisierung in der Werbung); im Ansatz auch BGH JZ 1987, 158 – Nena (aus dem Wesen des Rechts am eigenen Bild als eines Ausschnitts des allgemeinen Persönlichkeitsrechts folge, dass die Verfügung über das eigene Bild nur dem Abgebildeten zustehe); BGH NJW 1992, 2084 – Fuchsberger; BGH NJW 1996, 593, 594; BGH NJW 1997, 1152; OLG Frankfurt NJW-RR 1986, 1118, 1119; OLG Hamburg ZUM 2005, 164, 166; OLG München ZUM-RD 2005, 396, 397; LG München AfP 1997, 559, 560; OLG Hamburg ZUM 2005, 164, 166; Zeuner, in: Soergel12, § 823 BGB Rn. 73 ff. Klare Einfallstore für die Berücksichtigung kommerzieller Interessen fehlen auch nach Auffassung von Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 37; Ahrens, Verwertung, 110 (das klassische Persönlichkeitsrecht sei trotz ökonomischer Ansätze sehr stark vom Schutzaspekt geprägt); Pietzko, AfP 1988, 209, 216. 190 Die Rechtsprechung erweist sich in Grenzfällen als wenig einheitlich, ja kaum vorhersehbar: So wurden Sammelbilder von Fußballspielern von RGZ 125, 80, 83 ff. (1929) – Tull Harder, für zulässig erachtet, von BGHZ 49, 288, 293 ff. (1968) dagegen als Verletzung des Bildnisrechts wegen Zwangskommerzialisierung untersagt. Für gem. § 23 Abs. 1 KUG zulässig erklärt wurde die unerlaubte Nutzung von Bildnissen für Wandkalender (BGH NJW 1979, 2203 ff.), Tennislehrbücher (OLG Frankfurt NJW 1989, 402, 403), redaktionelle Informationen über Bildnisse in anderen Zeitschriften (OLG Hamburg AfP 1992, 159 f.); Kundenzeitschriften (BGH AfP 1995, 495), Ge-
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Im Hinblick auf den Zweck des zivilrechtlichen aPR in seiner klassischen Ausformung ist eine weitere Gemeinsamkeit mit dem verfassungsrechtlichen aPR festzustellen. Wie jenes dient der privatrechtliche Schutz nämlich nicht der Selbstvermarktung und erst recht nicht dem statischen „Haben“, sondern schützt negativ abwehrend vor einer ungewollten Zwangskommerzialisierung191. Daher muss das Bedürfnis nach ungestörter Privatheit konsistent zum Ausdruck gebracht werden, während eine Vermarktung des Privatlebens zu einem teilweisen Verlust des Schutzes gegen entsprechende spätere Berichterstattungen führen kann192. Auch ist das Begehren, möglichst umfassend Merchandising zu betreiben und die eigene Popularität zu versilbern, für sich gesehen kein „berechtigtes“ Interesse im Rahmen der Abwägung mit gegenläufigen Positionen193. Deshalb können Übertragungsrechte an Sportveranstaltungen nach ganz herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur nicht auf den Persönlichkeitsschutz
191 denkmünzen (BGH NJW 1996, 593 ff.) sowie in der Werbung für Presseerzeugnisse (BGH GRUR 2002, 690, 691 f.); für unzulässig hingegen die Bezugnahme auf eine verstorbene Person in einem Comic (LG München AfP 1997, 559, 560), auf eine lebende Person in einem rechtmäßig vertriebenen Tonträgerbooklet (BGH NJW 1997, 1152 f.) bzw. als Puppe in der Werbung (AG Hamburg NJW-RR 2005, 196, 197). 191 Siehe BGH NJW 1959, 525, 526; BGHZ 98, 94, 97 (1986) („Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist eine Rechtsschöpfung der Rechtsprechung, die Lücken im Persönlichkeitsschutz ausfüllt und aus den in Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG getroffenen Wertentscheidungen ihre Legitimation erfährt. Dieser Entstehungsgrund macht die thematische Begrenzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts deutlich.“); KG ZUM-RD 2006, 555, 556 (der Einzelne habe keinen Anspruch, nur so dargestellt zu werden, wie er gesehen werden möchte). Ebenso bereits die frühen Verfechter des Persönlichkeitsrechts: Neuner, Rechtsverhältnisse, 17 f. (ein solches Recht führe entgegen Savigny nicht zu einem Recht auf Selbstmord, sondern es bestehe „überall nur in dem gebundenen Willen Dritter, nicht nothwendig in einer rechtlichen Willensherrschaft des Berechtigten über das faktische Objekt des Rechtsverhältnisses“); Lobe, Unlauterer Wettbewerb, 161 (das Persönlichkeitsrecht sei keine rechtliche Herrschaft, sondern bezwecke das Freisein von anderer Herrschaft); grundsätzlich auch v. Gierke, Dt. Privatrecht I, 706 (Persönlichkeitsrechte seien als solche keine Vermögensrechte); später Neumann-Duesberg, VersR 1991, 957, 960 (Schutz der Freiheit der Selbstbestimmung); Baston-Vogt, Schutzbereich des aPR, 37 (Ziel sei es, die Persönlichkeitsentfaltung des Einen mit der Persönlichkeitsentfaltung des Anderen in Einklang zu bringen); Brandner, JZ 1983, 689, 691 (der Ausbau des aktiven Rechtsstatus erfordere größere Vorsicht und Behutsamkeit als die Gewährung von Rechtsschutz im statischen Bereich); Müller, VersR 2000, 797, 800 (Abwehrrecht); Frassek, Geldentschädigung, 58; Westermann, FamRZ 1969, 561, 565; Seemann, Prominenz als Eigentum, 152 (es bestünde ein wesensmäßiger Unterschied zwischen „Haben“ und „Sein“); Freitag, Kommerzialisierung, 51; a.A. Heisig, Persönlichkeitsschutz, 173 ff. (das aPR umfasse ein aktives Recht auf Verwirklichung seiner Interessen); offenbar auch Ehmann, JuS 1997, 193, 201; nicht problematisiert wird diese Differenzierung von Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 137 (der Einzelne habe das Recht, der zu sein, der er sein wolle und als der zu gelten, der er sei). 192 BGH GRUR 2005, 76, 78; KG ZUM-RD 2006, 555, 556; LG Berlin NJW 1997, 1155; LG Berlin ZUM-RD 2006, 248, 249; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, 134 (das aPR sei „nicht zur Kommerzialisierung bestimmt“); ders., FS Ulmer, 108, 115; Moosmann, Exklusivstories, 207. Zur entsprechenden Rechtsprechung des BVerfG oben § 2 B II 3. 193 BGHZ 49, 288, 293 (1968); BGH NJW 1996, 593, 595; auch nach der Marlene-Entscheidung BGH GRUR 2002, 690, 691 f. Tendenziell weitergehend Dasch, Einwilligung, 13 (das Recht am Bild sichere die autonome Selbstdarstellung nach außen).
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der Sportler zurückgeführt werden. Die Sportler als Personen der Zeitgeschichte müssen grundsätzlich eine unveränderte Aufnahme ihres öffentlichen Verhaltens in Bild und Ton hinnehmen194. Schließlich wirkt sich das verfassungsrechtliche aPR auf die Aktivlegitimation bzw. Dauer des zivilrechtlichen aPR aus. Denn nicht nur lebende Personen sind zu seiner Geltendmachung befugt, sondern zur Sicherung des den Tod überdauernden Achtungsanspruchs aus Art. 1 Abs. 1 GG besteht ferner ein postmortaler Persönlichkeitsschutz gegen grob ehrverletzende Entstellungen des Lebensbildes auch jenseits der Tatbestände der §§ 22 S. 3 KUG, 76 UrhG195. Diese postmortalen Verhaltens- und Rechtspflichten196 werden von den Angehörigen im Interesse
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Siehe dazu KG UFITA 14 (1941), 196, 198 f. (selbst ein Bildnisgebrauch zu Reklamezwecken sei nicht gem. §§ 22 f. KUG zu untersagen); KG Schulze KGZ 4, 13 ff. (1952); OLG München ZUM 1996, 527, 529; Osterwalder, Übertragungsrechte, 93 ff. (schweizerisches und deutsches Recht); Jessen, Vermarktung Sportereignisse, 157 ff.; Haas/Reimann, in: Dierker, Vermarktungsrechte, 31, 36 ff.; Waldhauser, Fernsehrechte, 164 ff.; Hausmann, BB 1994, 1089, 1090; Glinke, § 31 GWB, 54 ff.; Lerche/Ulmer, Kurzberichterstattung, 89 ff. (der Bildnisschutz stehe der Aufzeichnung und Sendung in den meisten Fällen nicht im Wege); v. Westerholt, ZIP 1996, 264 f.; Winter, ZUM 2003, 531, 536; Roth, AfP 1989, 515, 516 f.; Kübler, Massenmedien, 49 ff.; Fuhr, FS Armbruster, 117, 134 f.; befürwortend hingegen Wertenbruch, SpuRT 2001, 185, 186. Grundsätzlich a.A. Siegfried, Fernsehberichterstattung, 21 ff., 51 ff.; Tumbrägel, Zentralvermarktung, 57 f. (übertragbares Leistungsschutzrecht der Sportler); Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 155 ff., 210 (Schutz der wirtschaftlichen Interessen durch ein „Akteurpersönlichkeitsrecht“); ähnlich Papier, AfP 1989, 510, 513 (der grundrechtliche Persönlichkeitsschutz aus Art. 1, 2 Abs. 1 GG schütze die Sportler gegen ein beliebiges und voraussetzungsloses „Sich-verfügbar-machen“ durch Dritte). 195 Von einem fortwirkenden Persönlichkeitsrecht sprechen BGHZ 15, 249, 259 (1954); BGHZ 50, 133, 137 ff. (1968) – Mephisto; BGH GRUR 2007, 168, 169 – kinski-klaus.de (Namensnutzung als Verletzung des postmortalen allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Erfüllung des Schutzgebots aus Art. 1 GG); OLG Hamburg NJW 1990, 1995; OLG München NJW-RR 1994, 925; LG München AfP 1997, 559, 560. Aus der Literatur in diesem Sinne Hubmann, Persönlichkeitsrecht, 340 ff.; Schack, GRUR 1985, 352, 355 f.; ders., JZ 1989, 609, 614. Für einen Persönlichkeitsschutz zur Verwirklichung des Schutzgebotes aus Art. 1 GG BGH GRUR 1984, 907, 908; BGHZ 107, 384, 391 (1989); BGHZ 165, 203, 204, 210 (2005); OLG München ZUM 1998, 417, 421; OLG München GRUR-RR 2002, 341 f.; OLG Köln NJW 1999, 1969, 1970; Rixecker, in: MünchKomm, Anh § 12 BGB Rn. 34 ff.; Schulz-Schaeffer, Das subjektive Recht, 240 ff. Zu den Unterschieden zwischen der Auffassung vom fortwirkenden Persönlichkeitsrecht und einem geringeren postmortalen Würdeschutz OLG Schleswig JZ 1987, 774, 775; OLG Düsseldorf NJW-RR 2000, 321. Das Namensrecht gem. § 12 BGB soll dagegen mit dem Tode erlöschen; siehe BGH GRUR 2007, 168, 169 – kinski-klaus.de m.w.N.; OLG Nürnberg WRP 1958, 253, 254; OLG Schleswig JZ 1987, 774, 775; offengelassen von BGHZ 107, 384, 390 (1989); BGHZ 143, 214, 223 (1999) – Marlene; OLG Stuttgart NJW-RR 1997, 603; a.A. LG München ZUM 2000, 526, 528; für einen postmortalen Namensschutz als Schutz des Namenspersönlichkeitsrechts der Angehörigen Klippel, Namensschutz, 557 ff. 196 Verhaltenspflichten in rechtsfortbildender Anwendung des § 823 Abs. 2 BGB durch ungeschriebene Schutzgesetze nehmen an Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 532; für eine allgemeine Rechtspflicht, die Würde Verstorbener zu achten, Schulze Wessel, Vermarktung Verstorbener, 54 ff. m.w.N.; Heldrich, FS Lange, 163, 169; Schlechtriem, DRiZ 1975, 65, 68 (Schutz ohne die Annahme eines subjektiven Rechts); für ein Recht auf ungestörte Trauer um Familienangehörige gem.
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des Verstorbenen wahrgenommen und nicht gem. § 1922 BGB vererbt, weil – so die herrschende Rechtsauffassung – das Erbrecht Vermögensrechte betreffe, von denen sich Persönlichkeitsrechte ihrer Natur nach unterschieden197. Aufgrund dieser besonderen Struktur und Funktion des Persönlichkeitsschutzes Verstorbener werden nur negatorische Abwehransprüche, nicht aber Ansprüche auf Schadensersatz und Geldentschädigung zuerkannt. Einem Toten könne, so die Begründung, weder Genugtuung noch Ausgleich gewährt werden. Außerdem werde einer Kommerzialisierung des Persönlichkeitsrechts in bisher nicht vermarkteten Bereichen Vorschub geleistet, was unter Präventionsgesichtspunkten nicht erwünscht sei198. Eine Abweichung zwischen zivil- und verfassungsrechtlichem Persönlichkeitsschutz lässt sich aber doch konstatieren: Während das Bundesverfassungsgericht juristischen Personen diesen Grundrechtsschutz bisher versagt hat199, billigt die Zivilrechtsprechung juristischen Personen und Handelsgesellschaften ein Unternehmenspersönlichkeitsrecht zu, wenn sie – etwa durch Offenlegung von Interna – in ihrem sozialen Geltungsbereich als Arbeitgeber oder Wirtschaftsunternehmen betroffen sind200. 197 § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Schutzauftrag aus Art. 1, 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 und 2 GG OLG Jena NJW-RR 2005, 1566, 1568. Für eine Anknüpfung an das Persönlichkeitsrecht der Angehörigen hingegen Westermann, FamRZ 1969, 561, 566 ff.; Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, 117; Stein, FamRZ 1986, 7, 18; Schack, GRUR 1985, 352, 356; Ramelow, Lebensbildschutz, 187 ff.; Lehmann, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 120 ff.; Hoch, Fortwirken, 176 ff.; Nikoletopoulos, Zeitliche Begrenzung, 101 ff.; Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 69 ff.; im Ergebnis OLG München NJW-RR 1994, 925 f. (unter den Umständen des Falles sei den Angehörigen ein besonderes Interesse, gegen grobe Entstellungen des Lebensbildes des Verstorbenen vorzugehen, nicht abzusprechen). Für „subjektlose Rechte“ im Zuge der Anerkennung einer Zuweisungsfunktion des postmortalen Persönlichkeitsschutzes Bender, VersR 2001, 815, 825. 197 BGHZ 15, 249, 259 (1954); BGHZ 50, 133, 137 (1968) – Mephisto; BGH GRUR 1984, 907, 908 f.; BGHZ 143, 214, 220, 223 ff. (1999) – Marlene; BGHZ 165, 203, 208 (2005); KG ZUM-RD 2007, 232, 233 f.; LG München AfP 1997, 559, 560. Aus der Literatur Lehmann, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 55 ff.; Heldrich, FS Lange, 163, 167; Ernst-Moll, GRUR 1996, 558, 563; Jung, Vererblichkeit, 187 ff.; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 533 m.w.N.; Westermann, FamRZ 1969, 561, 563; Stein, FamRZ 1986, 7, 9; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, 347; Schack, GRUR 1985, 352, 360; Fischer, Entwicklung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes, 50 ff.; a.A. Lichtenstein, Persönlichkeitsrecht vor und nach dem Tode, 361 (das zivilrechtliche aPR sei als Ganzes vererblich). 198 BGHZ 165, 203, 205 ff. (2005) m.w.N.; BGH GRUR 2007, 168, 169 – kinski-klaus.de; so bereits zuvor BGH GRUR 1974, 794, 795; BGH NJW 1975, 1371; BGHZ 143, 214, 220, 223 ff. (1999) – Marlene; Heldrich, FS Lange, 163, 174 f.; Schack, GRUR 1985, 352, 358; Ernst-Moll, GRUR 1996, 558, 563 f.; Götting, GRUR 2004, 801, 802; a.A. OLG München GRUR-RR 2002, 341 f.; auf der Basis des Angehörigenschutzes Westermann, FamRZ 69, 561, 571; offengelassen von OLG Jena NJW-RR 2005, 1566, 1567. 199 Zur Zurückhaltung des BVerfG in dieser Frage oben § 2 B II 3. 200 BGH NJW 1974, 1762; BGH NJW 1975, 1882, 1883 f.; BGHZ 78, 24, 25 f. (1980) (zivilrechtlicher Ehrenschutz von Handelsgesellschaften); BGHZ 81, 75, 78 (1981) – Carrera; BGH NJW 1982, 2246 (in entsprechender Anwendung von § 1004 i.V.m. §§ 823, 824 BGB, 185 StGB); BGHZ 98, 94, 97 (1986); BGH LM § 823 (Ah) BGB Nr. 110 (1994); BGH ZUM 2005, 645, 648 f.; OLG Hamburg AfP 1971, 35, 36 (Widerrufsanspruch gegen Ehrverletzung durch falsche Tatsachenbehauptung); OLG Karlsruhe NJW-RR 1986, 588, 589 (Universität als Körperschaft des öf-
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
Die besondere Struktur und Funktion des klassischen aPR im Gesamtkontext der Güterzuordnung erweist sich ferner an den zivilrechtlichen Ansprüchen bei Rechtsverletzungen201 sowie der Frage, ob diese Rechtsposition dem Rechtsverkehr zugänglich ist. Was zunächst die Rechtsfolgen von Verletzungen des aPR betrifft, sind negatorische Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung in entsprechender Anwendung der §§ 12 S. 2, 862 Abs. 1 S. 2, 1004 BGB anerkannt202. Hierfür gelten die allgemeinen Grundsätze der Störerhaftung, obwohl oder eben weil die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hierfür die Verletzung eines „absoluten Rechts“ verlangt, während bloß deliktisches Verhaltensunrecht hierfür nicht genüge203. Hinzukommen kann ein Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens gem. §§ 823 Abs. 1, 249 ff. BGB, wenn ein kausaler Schaden dargetan werden kann204. Da Ansprüche aus Eingriffskondiktion und angemaßter Ei201 fentlichen Rechts); KG NJW 2000, 2210 ff. (Unternehmenspersönlichkeitsrecht i.V.m. dem Hausrecht am räumlich gegenständlichen Bereich des Geschäftsbetriebs); OLG Köln NJW-RR 2001, 1486, 1487 (Geschäftsehrenverletzung bei unterstelltem „Gefälligkeitsjournalismus“); LG Hamburg ZUM-RD 2005, 463, 464 („Vereinspersönlichkeitsrecht“ gegen Schmähkritik). Deutliche Zweifel nun aber bei OLG Köln NJW-RR 2007, 698, 701 (der Unternehmenspersönlichkeitsschutz habe jedenfalls nicht das Gewicht des aPR einer natürlichen Person). Aus der Literatur v. Gierke, Dt. Privatrecht I, 710; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, 333 ff.; Schwerdtner, in: Grimm/Schwerdtner, Schutz der Persönlichkeit, 27, 33 f.; Meissner, Persönlichkeitsschutz juristischer Personen, 100 f., 161 f. (für ein „wirtschaftliches Persönlichkeitsrecht juristischer Personen“, das alle Erscheinungsformen der juristischen Person im wirtschaftlichen Leben erfasse, z.B. das Image, den Goodwill, Know-how etc.); Ehmann, JuS 1997, 193, 201 f.; v. Lilienfeld-Toal, Allgemeines Persönlichkeitsrecht, 137 ff.; im Ergebnis auch Wronka, Persönlichkeitsrecht juristischer Personen, 104 ff.; auf der Basis von Art. 2 Abs. 1 GG auch Gounalakis/Rhode, Persönlichkeitsschutz, Rn. 232; Zeuner, in: Soergel12, § 823 BGB Rn. 91. Gegen ein umfassendes allgemeines Persönlichkeitsrecht der juristischen Person v. Gamm, NJW 1955, 1826; Brauer, Persönlichkeitsrecht, 38 ff.; Ahrens, Verwertung, 255 f.; Peifer, Individualität, 491 ff.; Klippel, Namensschutz, 577 ff. Nur am Rande sei bemerkt, dass zwar ein von den natürlichen Personen abstrahierter Persönlichkeitsschutz juristischer Personen und Handelsgesellschaften bejaht (sogar dann, wenn sich die Äußerung auf einen leitenden Mitarbeiter bezieht: OLG Köln NJW-RR 2001, 1486, 1489), eine vom einzelnen Familienmitglied losgelöste Familienehre aber inzwischen (zur anderweitigen Rechtslage nach gemeinem Recht unten § 12 C V mit Fn. 262) verneint wird; siehe BGH NJW 1969, 1110; BGH GRUR 1974, 794, 795; BGH NJW 1975, 1371. 201 Ein Nachweis aller Literaturstimmen zu Einzelfragen der Rechtsfolgen von Persönlichkeitsrechtsverletzungen kann hier nicht geleistet werden. Übersicht etwa bei Klass, Persönlichkeitsschutz, 23 ff.; Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 303 ff.; Soehring, Presserecht, Rn. 29.1 ff.; Müller, VersR 2000, 797, 799 ff. 202 BGHZ 30, 7, 14 (1959); BGHZ 128, 1, 6 (1994) (analog § 1004 BGB); Übersicht etwa bei Klein, Sensationspresse, 17 ff.; Burkhardt, in: Wenzel, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 12; Stoll, Jura 1979, 576 ff. Übersicht zu den presserechtlichen Besonderheiten des Beseitigungsanspruchs in Gestalt von Widerruf und Richtigstellung bei Gamer, in: Wenzel, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 13. Zu gesetzlich verankerten Gegendarstellungsansprüchen BVerfGE 63, 131, 142 f. (1983); BVerfGE 97, 125, 145 ff. (1998); Gesamtdarstellung etwa bei Burkhardt, in: Wenzel, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 11. 203 Siehe LG Berlin MMR 2005, 324, 325. 204 RGZ 140, 393, 395 (1932) (in Bezug auf Ehrverletzungen gem. §§ 823 Abs. 2, 824, 826 BGB); BGHZ 20, 345, 352 f. (1956) – Dahlke; BGHZ 30, 7, 14 ff. (1959) (auch zu den Anforderungen an den Nachweis entgangenen Gewinns); OLG Hamburg NJW-RR 1994, 990, 991; OLG Saarbrü-
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gengeschäftsführung erst im Zusammenhang mit den vermögenswerten Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts erörtert werden, bleibt hier nur noch die alternativ neben dem Anspruch auf Ersatz des materiellen Schadens stehende Geldentschädigung zu erwähnen205. Eine solche wird bei schwerwiegenden Eingriffen gewährt, die sich nicht auf andere Weise befriedigend ausgleichen lassen, wobei insbesondere die Bedeutung und Tragweite der Beeinträchtigung, der Grad des Verschuldens sowie Anlass und Beweggrund des Handelnden berücksichtigt werden206. Die Herleitung dieses Anspruchs verdeutlicht wiederum die enge Beziehung, ja Abhängigkeit des zivilrechtlichen aPR von der grundrechtlichen Schutzpflicht. Denn diese rechtsfortbildende Durchbrechung des gem. § 253 Abs. 1 BGB enumerativen Ersatzes immaterieller Schäden wird nicht mehr als rein privatrechtliche Entscheidung für ein „Schmerzensgeld“ angesehen207, sondern als Anspruch eigener Art auf der Grundlage von § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Schutzgebot aus Art. 1 und 2 Abs. 1 GG208. Dieser An205 cken ZUM-RD 2007, 244, 246; OLG München K&R 2007, 320; Rixecker, in: MünchKomm, Anh § 12 BGB Rn. 218 ff.; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, 134 mit Fn. 114, 349 ff.; Witzleb, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 25 ff.; Gregoritza, Persönlichkeitsrechte Verstorbener, 198; Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 222 ff.; Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 63 f.; Pietzko, AfP 1988, 209, 219; Müller, VersR 2000, 797, 798. Für das nicht-vermögensrechtliche absolute Recht der elterlichen Sorge ebenso BGHZ 111, 168, 175 (1990). 205 Zur Unterscheidung und Geltendmachung BGHZ 30, 7, 17 f. (1959); BGH NJW 1971, 698, 699; OLG Hamburg Schulze OLGZ 113, 6 (1971); LG Berlin AfP 2004, 455, 456 (entweder oder); a.A. OLG München GRUR-RR 2002, 341, 343 (kumulative Anwendung). Zur Ablehnung der Geldentschädigung für postmortale Persönlichkeitsverletzungen unten § 13 B VII 1 b. 206 BGHZ 35, 363, 368 f. (1961); BGH LM §§ 23 Abs. 1 Ziff. 1, 22 KUG Nr. 5 (1961); BGH NJW 1962, 1004, 1005; BGHZ 39, 124, 132 f. (1963); BGH NJW 1971, 698, 699; BGH GRUR 1974, 794, 795; BGH NJW 1980, 994, 995; BGH NJW 1985, 1617, 1619; BGHZ 128, 1, 12 (1994); BGH NJW 1996, 984, 986; BGHZ 132, 13, 27 (1996); BGH NJW 2005, 215, 217; OLG München GRUR-RR 2002, 341, 342; verfassungsrechtlich bestätigt wurde diese Rechtsprechung von BVerfG 2004, 591, 592; BVerfG 2004, 592; Übersicht bei Burkhardt, in: Wenzel, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 14 Rn. 99. 207 So aber noch unter Verweis auf § 847 BGB a.F. BGHZ 26, 349, 356 f. (1958) – Herrenreiter; BGH LM §§ 23 Abs. 1 Ziff. 1, 22 KUG Nr. 5 (1961); auf dieser Basis wohl auch die Entscheidungen des VI. Senats in BGHZ 35, 363, 366 ff. (1961); BGHZ 39, 124, 130 ff. (1963); BGH NJW 1963, 904, 905; BGH LM § 847 BGB Nr. 25 (1963); BGH NJW 1971, 698, 699; BGH NJW 1971, 885, 886; ferner OLG Frankfurt NJW 1966, 254, 256 (§ 847 BGB i.V.m. Art. 1 und 2 Abs. 1 GG); OLG Hamburg Schulze OLGZ 113, 9 (1971); noch gem. § 847 OLG Frankfurt NJW 1992, 441; AG Düsseldorf NJW-RR 1998, 1481. Aus der Literatur in diesem Sinne Ehlers, Geldersatz, 32 ff.; Müller, Allgemeines Persönlichkeitsrecht, 38 ff.; für das Namensrecht ablehnend Klippel, Namensschutz, 517 ff. (keine gesetzliche Lücke); generell ablehnend Larenz, NJW 1958, 827, 828 f.; historische Zusammenschau bei Lange, VersR 1999, 274, 275 f. Zum Schmerzensgeld bei einer Verletzung des „Rechts am Körper“ durch Vernichtung einer Spermakonserve im Wege erweiternder, durch das Persönlichkeitsrecht legitimierter Rechtsanwendung der §§ 823 Abs. 1, 847 BGB a.F. BGHZ 124, 52, 56 (1993). 208 BVerfGE 34, 118, 135 (1972) (Schmerzensgeldanspruch bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen aus Art. 1 und 2 Abs. 1 GG); BVerfG NJW 2005, 591, 592. Aus der Zivilrechtsprechung BGH GRUR 1974, 794, 795; BGH NJW 1975, 1371; BGH NJW 1985, 1617, 1618 (Geldentschädigung). Eindeutig dann die Abkehr durch BGHZ 128, 1, 15 (1994) (es handele „sich im eigentlichen Sinn nicht um ein Schmerzensgeld nach § 847 BGB, sondern um einen Rechtsbehelf, der auf den Schutz-
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
schauungswandel erbrachte nicht nur eine zusätzliche Legitimation, sondern ermöglichte zudem die verstärkte Einbeziehung präventiver Elemente. Die Geldentschädigung soll Genugtuung verschaffen und für den Verletzer spürbar sein, um einen echten Hemmungseffekt auszuüben. Dazu wird zwar nicht der Gewinn als solcher abgeschöpft, aber der aus der Verletzung erzielte Profit immerhin als Bemessungsfaktor in die Entscheidung über die Höhe der Geldentschädigung einbezogen209. Auch im Hinblick auf den Rechtsverkehr weichen die für das klassische aPR geltenden Grundsätze ersichtlich von den Ausschließlichkeitsrechten im hier vertretenen Sinne ab. Denn selbst eine nur beschränkte Übertragung des aPR wird als Widerspruch zur Unverzichtbarkeit der Menschenwürde und des Grundrechts auf Selbstbestimmung aufgefasst und daher einhellig abgelehnt210. Für zulässig erachtet werden lediglich die widerrufliche Einwilligung, die den Tatbestand der Rechtsverletzung entfallen lässt211, sowie eine vertragliche und damit bindende, ggf. entgeltliche Gestattung zur kommerziellen Nutzung von Persönlichkeitsmerkmalen, die je nach Vereinbarung auch mit Bezug auf den Intimbereich (Nacktaufnahme) nicht voraussetzungslos widerrufen werden kann212. Dritte können in diese, auf Verpflichtungsgeschäften beruhende Vermarktung vornehmlich im Wege der Bevollmächtigung einbezogen werden213. 209 auftrag aus Art. 1 und 2 Abs. 1 GG zurückgeht“); BGH NJW 1996, 984, 985 f.; BGHZ 143, 214, 218 f. (1999) – Marlene; BGH NJW 2005, 215, 216; BGHZ 165, 203, 204 f. (2005); OLG München GRUR-RR 2002, 341 (kein Schmerzensgeld gem. § 847 BGB, sondern ein Anspruch eigener Art, der gewohnheitsrechtlich fundiert sei und für den § 253 BGB nicht gelte); OLG Jena NJW-RR 2005, 1566, 1567. 209 BGHZ 128, 1, 15 f. (1994); BGH NJW 1996, 984, 985; BGH NJW 2005, 215, 216 (trotz der Präventivfunktion keine verbotene, weil ungeschriebene Strafe i.S.d. Art. 103 Abs. 2 GG). Siehe bereits BGH GRUR 1974, 794, 796 (Prävention allein sei nicht geeignet, eine Geldentschädigung zu begründen); BGH NJW 1985, 1617, 1619 (Geldentschädigung sei in erster Linie dadurch gerechtfertigt, dass das Persönlichkeitsrecht sonst ohne ausreichenden Schutz bliebe); v. Bar, NJW 1980, 1724, 1727. Das ist verfassungsrechtlich unbedenklich: BVerfG NJW 2000, 2187 f. Zustimmend etwa Witzleb, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 44 ff.; Seitz, NJW 1996, 2848 ff.; Steffen, NJW 1997, 10 ff.; Westermann, Symposium Canaris, 125, 147; nicht unvereinbar mit dem zivilrechtlichen System hält die Berücksichtigung präventiver Elemente Stürner, AfP 1998, 1, 7. § 847 BGB a.F. war hingegen nicht im Hinblick auf Prävention in das BGB aufgenommen worden; siehe Göthel, AcP 205 (2005), 36, 54 ff. 210 Für das Namensrecht RGZ 74, 308, 310 f. (1910); für das Namens- und Persönlichkeitsrecht BGHZ 107, 384, 388 f. (1989); BGHZ 119, 237, 240 (1992); für das Bildnisrecht offengelassen von BGH JZ 1987, 158 – Nena; für die höchstpersönlichen Bestandteile zum Schutz ideeller Interessen BGHZ 143, 214, 220 (1994) – Marlene; aus der Literatur etwa Gareis, FS Schirmer, 59, 97; v. Gamm, NJW 1955, 1826; Helle, AfP 1985, 93, 99; ders., Besondere Persönlichkeitsrechte, 52; Schricker, EWiR 1987, 79, 80; im Ergebnis auch Ernst-Moll, GRUR 1996, 558, 562 f.; Schack, AcP 195 (1995), 594, 596; ders., Urheberrecht, Rn. 51; Moosmann, Exklusivstories, 116 (Vergabe dinglich wirkender Lizenzen nur de lege ferenda). Zum Begriff der Übertragung näher unten § 10 B I. 211 Siehe Helle, AfP 1985, 93 ff. m.w.N.; ders., Besondere Persönlichkeitsrechte, 101 ff. 212 Siehe § 22 S. 2 KUG und BGH JZ 1987, 158 – Nena; BGHZ 119, 237, 244 (1992) (Auslegung einer „Übertragung“ als Gestattung zur Verwertung); BGH NJW 2002, 2093 ff.; OLG Freiburg GRUR 1953, 404, 405 (kein Widerruf einer Einwilligung in eine Bildnisverwendung); OLG München AfP 1981, 347, 348 f. (Exklusivvertrag über Lebensbildstory); OLG Hamburg Schulze OLGZ
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Die dogmatische Verarbeitung dieser Rechtsprechungsentwicklungen ist bei weitem nicht so eindeutig, wie dies die allgemeine Anerkennung des zivilrechtlichen aPR in seiner klassischen Form suggeriert214. Es können im Wesentlichen zwei Sichtweisen unterschieden werden. Einerseits wird häufig formuliert, das aPR sei ein subjektives „absolutes Recht“215 und könne daher samt seiner nor-
213 153, 6 ff.; siehe für eine umfassende schuldrechtliche Gestattung OLG Hamm NJW-RR 1987, 232 f.; OLG München AfP 1989, 570, 571 (weder unwiderruflich noch einschränkungslos frei widerruflich); OLG Stuttgart NJW-RR 1997, 603, 604; LG Hamburg AfP 1995, 526, 527; zum Widerruf LG Oldenburg GRUR 1988, 694, 695; AG Charlottenburg ZUM-RD 2002, 221, 222 (keine Entschädigungspflicht bei Widerruf analog § 42 Abs. 3 UrhG); aus der Literatur Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte, 118 ff.; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, 132 f. (Kernbereichsthese); Siemes, AcP 201 (2001), 202, 221 f.; Büchler, AcP 206 (2006), 300, 328 ff. Für weitgehende Bindungswirkung Dasch, Einwilligung, 84 ff.; Neumann-Klang, Recht am eigenen Bild, 215 (wenn der vermögensrechtliche Aspekt betroffen sei); Bungart, Dingliche Lizenzen, 144; differenzierend Helle, AfP 1985, 93, 99 ff.; zu den Grenzen der Wirksamkeit von Verträgen über persönlichkeitsrelevante Informationen gem. § 138 BGB Moosmann, Exklusivstories, 135 ff. 213 Das akzeptierte bereits Kohler, ArchBürgR 7 (1893), 94, 126; ferner Moosmann, Exklusivstories, 205; Dreier, in: Hohloch, Audiovisuelle Kommunikation, 9, 22 mit Fn. 78. Zur sog. Einwilligungsermächtigung unten § 10 B IV 1, 3 b. 214 Beide im Folgenden wiedergegebenen dogmatischen Lösungsansätze wurden vor der Anerkennung des aPR von Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht1, 323, für möglich gehalten: Anerkennung ausschließlicher Rechte oder Schutz bestimmter Rechtsgüter durch deliktische und negatorische Klagen. Rechtsvergleichend zu den unterschiedlichen Ansätzen Rechtsgüterschutz als subjektive Rechte (Deutschland, Frankreich, Schweiz) vs. bloßer Deliktsschutz (englisches Recht, Stand 1998) Neumann-Klang, Recht am eigenen Bild, 204 ff.; Forkel, in: Forkel/Sosnitza, Recht der Persönlichkeit, 9. Nach Auffassung von Trebes, Presseveröffentlichungen, 227 f., hat sich die Vorstellung vom aPR als eines subjektiven Rechts im Gegensatz zu bloßen Schutzsphären nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich und Spanien durchgesetzt. Zur Ambivalenz des Begriffes „absolutes Recht“ bereits oben § 1 B II 5. 215 BGHZ 24, 72, 77 (1957); BGHZ 27, 284, 285 (1958); BGHZ 30, 7, 10 f. (1959); BGHZ 50, 133, 143 (1968) – Mephisto; BGHZ 91, 233, 239 (1984); BGHZ 98, 94, 99 (1986) (Deliktsschutz eines Rechts); OLG München NJW 1959, 388, 389 (die Abgrenzbarkeit des Rechts genüge für die Gewährung des Schutzes des § 823 Abs. 1 BGB, außerdem sei nicht einzusehen, weshalb das Eigentum einen stärkeren Schutz genießen solle als die Persönlichkeit); von einem anerkannten absoluten Recht spricht LG Dresden NJW-RR 2005, 411, 412. Aus der Literatur Hübner, AT, Rn. 363; Larenz/Wolf, AT, § 15 Rn. 4; Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 436; Larenz, NJW 1955, 521, 524 f.; Stephan, Unterlassungsklage, 90; Eltzbacher, Unterlassungsklage, 107 f.; Schwarz/Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 337; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, 113 ff.; 140 ff.; ders., JZ 1957, 521, 522; Coing, JZ 1954, 700 (das bringe der Aufbau des deutschen Deliktsrechts mit sich); ders., JZ 1958, 558, 559; Neumann-Duesberg, NJW 1957, 1341, 1344 (Bestimmbarkeit des Schutzbereiches genüge); ders., VersR 1991, 957; Heitmann, Persönlichkeitssphäre, 47; Fikentscher, Wirtschaftsrecht II, 131, 133 f.; wohl auch v. Caemmerer, FS DJT II, 49, 102, 106; ders., FS v. Hippel, 27, 39 f. (in Bezug auf „verfestigte“ Persönlichkeitsgüter wie den Namen, das Bild usw. könne man „von Güterzuweisung im Sinne der überkommenen subjektiven Rechte sprechen“); Stoll, Jura 1979, 576, 577; Helle, AfP 1985, 93, 94; ders., Besondere Persönlichkeitsrechte, 50; ders., RabelsZ 60 (1996), 448, 464 („deliktsrechtlich geschützte[n] Rechte[n]“); Schack, GRUR 1985, 352; Ricker, NJW 1990, 2097, 2098; Hager, AcP 196 (1996), 168, 172; v. Strobl-Albeg, in: Wenzel, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 7 Rn. 3; Brauer, Persönlichkeitsrecht, 24 f.; Ramelow, Lebensbildschutz, 42 ff.; Freitag, Kommerzialisierung, 45; Magold, Personenmerchandising, 418; Weggel, Persönlichkeitsschutz, 8 ff.; Dasch, Einwilligung, 4 ff.; BastonVogt, Schutzbereich des aPR, 88 ff.; Quante, Persönlichkeitsrecht juristischer Personen, 31; v. Hol-
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mierten Erscheinungsformen ohne Weiteres als ein „sonstiges Recht“ gem. § 823 Abs. 1 BGB eingeordnet werden216, auch wenn wie gezeigt anerkannt ist, dass das aPR anders als das Eigentum und die übrigen, in der Norm ausdrücklich genannten Güter im Wege einer umfassenden Güterabwägung und nicht nach dem Schema des Erfolgsunrechts, also des Eingriffs in einen vorab definierten Schutzbereich mit indizierter Rechtswidrigkeit, konstruiert wird217. Andererseits werden diese strukturellen Differenzen in den Vordergrund gerückt und das zivilrechtliche aPR als ein deliktisches „Schutzgut“218, als generalklauselartiges „Rah216 leben, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 19; Rüll, Persönlichkeitsrechtsschutz des ausübenden Künstlers, 39, 196 (für § 83 UrhG a.F. als sonstiges Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB); Dreier, in: Hohloch: Audiovisuelle Kommunikation 9, 14; Funkel, Schutz der Persönlichkeit, 18 (Kritik sei inzwischen überholt); Müller, VersR 2000, 797, 798; Moosmann, Exklusivstories, 35; Witzleb, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 21 f.; Trebes, Presseveröffentlichungen, 32; Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 31; Ahrens, Verwertung, 190; Soehring, Presserecht, Rn. 12.50; Ehmann, JuS 1997, 193, 196; ders., in: Erman, Ahn § 12 BGB Rn. 1, 8; für das Namensrecht Klippel, Namensschutz, 438 ff.; für allmählich herauszubildende besondere Persönlichkeitsrechte mit hinreichend bestimmten Schutzbereichen auch Larenz, NJW 1955, 521, 523 f. (nicht hingegen für die Generalklausel des aPR); konsequent für das Recht am eigenen Bild als sonstiges Recht ders., NJW 1958, 827; für Namens- und Bildnisrecht als sonstige Rechte Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 393. 216 BGH LM §§ 23 Abs. 1 Ziff. 1, 22 KUG Nr. 5 (1961); BGH NJW 1978, 2151, 2152; BGHZ 80, 311, 319 (1981); BGHZ 143, 214, 218 (1999) – Marlene; BGH GRUR 2007, 168, 169 – kinskiklaus.de; als „unumstritten“ wird diese Einordnung bezeichnet von LG Berlin NJW 1997, 1155. § 823 Abs. 1 BGB allein, ohne Bezug auf das „sonstige Recht“ nennen etwa BGHZ 31, 308, 318 (1959); BGHZ 35, 363, 365 (1961); BGHZ 39, 124, 129 (1963); BGH NJW 1963, 904; BGH NJW 1971, 698, 699; BGH NJW 1980, 994, 995; BGHZ 91, 233, 238 (1984); BGH NJW 1985, 1617, 1618; BGHZ 128, 1, 10 (1994); BGH AfP 1995, 495; BGHZ 143, 214, 218 (1999) – Marlene; OLG Karlsruhe NJW-RR 1986, 588; OLG Frankfurt GRUR 1991, 49, 50; OLG München NJW-RR 1998, 1480, 1481; OLG Köln NJW-RR 2001, 1486, 1487; LG Düsseldorf NJW 1959, 629, 630; LG Düsseldorf AfP 2002, 64, 65; sowie BVerfGE 34, 269, 272 (1973) – Soraya. Auf § 823 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 und 2 GG stellen ab OLG Hamburg AfP 1971, 32, 33; KG ZUM 2004, 922. Zum „Recht am eigenen Körper“ als gesetzlich ausgeformtem Aspekt des aPR gem. § 823 Abs. 1 (Verletzung des Körpers) BGHZ 124, 52, 54 f. (1993). Postmortalen Schutz gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 i.V.m. Art. 1, 2 GG gewähren BGHZ 107, 384, 391 (1989); BGHZ 165, 203, 204 f. (2005); OLG Köln NJW 1999, 1969; OLG München GRUR-RR 2002, 341; auf die §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog stellt ab OLG Düsseldorf NJW-RR 2000, 321. Für das Namens- und Bildnisrecht als „sonstige Rechte“ und nicht als bloße Schutzgesetze BGHZ 24, 200, 210 (1957); BGH NJW 1985, 1617, 1618; BGH NJW 1992, 2084 – Fuchsberger; OLG Frankfurt NJW 1966, 254, 256; OLG Frankfurt NJW-RR 1986, 1118; OLG Hamburg Schulze OLGZ 113, 4 (1971); OLG Hamburg AfP 1992, 159; OLG Stuttgart NJW-RR 1997, 603 (§ 12 BGB als absolutes Recht i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB); OLG München ZUM-RD 2005, 396, 397. 217 Stürner, Gutachten, 67 m.w.N.; Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 51; Brandner, JZ 1983, 689 (mit der Anknüpfung in § 823 Abs. 1 BGB als „sonstiges Recht“ sei auch nur im Ansatzpunkt etwas gewonnen); Müller, VersR 2000, 797, 802 (das aPR erscheine im Vergleich mit den anderen absoluten Rechten des § 823 Abs. 1 BGB „weniger absolut“); Ehmann, FS 50 Jahre BGH, 613, 616, 619 ff. (das aPR sei ein „Mittelding“, eine bloße „Hilfsvorstellung“ zwischen Erfolgsunrecht gem. Abs. 1 und Verhaltensunrecht gem. Abs. 2, das von der Rechtsprechung zum „sonstigen Recht“ erklärt werden musste, weil Abs. 2 eine gesetzliche Regelung voraussetze); Zeuner, in: Soergel12, § 823 BGB Rn. 72 (Generalklausel). 218 BGHZ 165, 203, 211 (2005) (Persönlichkeitsrecht „als ein erst durch Güterabwägung und Interessenabwägung im Einzelfall zu ermittelndes Schutzgut“ in Gegenüberstellung zu den „in
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menrecht“ und Bündel ungeschriebener Verhaltensnormen219 aufgefasst, so dass namentlich seine Verankerung als „sonstiges Recht“ in § 823 Abs. 1 BGB zweifelhaft erscheint220. b) Vermögenswerte Bestandteile des Persönlichkeitsrechts Eine Darstellung der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts, also des Schutzes kommerzieller Interessen an der Vermarktung der eigenen Person und der hierfür ins Feld geführten Rechtsgrundlagen muss die Marlene-Entscheidung aus dem Jahr 1999 als Meilenstein dieser Evolution hervorheben. Das heißt freilich nicht, dass bis zur hiermit erfolgten Aufspaltung des Persönlichkeitsrechts in einen klassischen und einen „vermögenswerten“ Zweig allein ideelle Interessen an einem Schutz vor Zwangskommerzialisierung berücksichtigt worden wären, und die Entscheidung, persönliche Merkmale zu Markte zu tragen, ohne rechtlichen Schutz geblieben wäre. So gingen die Verwertungsabsichten des Betroffenen und seine wirtschaftlichen Interessen an einer Erlösbeteiligung seit jeher mit in die Gesamtbeurteilung 219 § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechtsgüter[n] und absoluten Rechte[n]“); OLG Schleswig JZ 1987, 774, 775 (aPR als geschütztes Rechtsgut im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB). In diesem Sinne aus der Literatur Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 936 ff. (unterscheidend zwischen dem aPR und besonderen, konkretisierten Persönlichkeitsrechten); Reinhardt, Persönlichkeitsrecht, 16 (das Recht am Bild sei kein absolutes Recht, weil es nicht in jeder Hinsicht, insbesondere nicht gegen die Aufnahme, geschützt sei); Medicus, BürgR, Rn. 615 (das Persönlichkeitsrecht als „juristische Missgeburt“ solle über eine Analogie zum Schutz der genannten Lebensgüter und nicht als sonstiges Recht bejaht werden); Helle, Ehre, 4 ff.; Mertens, JuS 1962, 261, 262; Burkhardt, in: Wenzel, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 5 Rn. 7; Ehmann, AcP 188 (1988), 230, 247, 376; Fikentscher, Wettbewerb, 215 (bloße „Denkform“); Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 21 f. (im Gegensatz zu den Persönlichkeitsgüterrechten als ungeschriebener sonstiger „Herrschaftsrechte“ i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB); ausdrücklich gegen die Annahme eines absoluten Rechts Raiser, JZ 1961, 465, 470 f. 219 BGH GRUR 2007, 139, 141 – Rücktritt eines Finanzministers (Persönlichkeitsrecht als Rahmenrecht auch im kommerziellen Kontext); Neumann-Duesberg, VersR 1991, 957; Schwerdtner, in: Grimm/Schwerdtner, Schutz der Persönlichkeit, 27, 34; Rixecker, in: MünchKomm, Anh § 12 BGB Rn. 3 (fallrechtlich entwickelte Verhaltenspflichten); Bungart, Dingliche Lizenzen, 49 ff. (Schutz gem. §§ 823 Abs. 2, 826 BGB), anders aber a.a.O., 53 f. (subjektiv-absolutes Recht); differenzierend zwischen den gesetzlich geregelten Persönlichkeitsrechten als „konkretisierte Güter des Rechtsverkehrs“ und dem aPR als bloßem Rahmenrecht Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, 99. 220 Auf § 823 BGB ohne Spezifikation stellen ab etwa BGHZ 36, 77 (1961); BGH JZ 1988, 304, 305; BGHZ 156, 206, 208 (2003); offengelassen wird die Frage von RG JW 1929, 2257; beide Absätze des § 823 BGB nennen gar OLG München AfP 1989, 570; OLG Hamburg ZUM 2004, 309, 310; OLG München K&R 2007, 320. Für die Anwendung von § 823 Abs. 2 BGB auf Verletzungen des Namens- oder Bildnisrechts BGH LM §§ 23, 22 KUG Nr. 4 (1960); BGH LM §§ 23 Abs. 1 Ziff. 1, 22 KUG Nr. 5 (1961) und wieder AG Hamburg NJW-RR 2005, 196; sowie Seifert, NJW 1999, 1889, 1896; Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 783 m.w.N.; Schulze Wessel, Vermarktung Verstorbener, 134. Diese Unsicherheiten lassen sich auch am Datenschutzrecht zeigen: Das BDSG wurde vom BGH zunächst nur als persönlichkeitsrechtlich relevantes Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB angesehen; BGHZ 80, 311, 319 (1981). Später ließ der BGH (BGHZ 91, 233, 238 f. (1984)) aber offen, ob es ein besonderes Recht am eigenen Datum bzw. ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung gebe, das insoweit aber wie das aPR nur ein Auffangtatbestand jenseits des BDSG sei.
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ein221. Kommerzielle Begehrlichkeiten rückten im Laufe der Zeit schon deshalb in den Vordergrund, weil viele Fälle die standardisiert für rechtswidrig erachtete, unerlaubte Nutzung persönlicher Merkmale in der Werbung betrafen222. Demnach sollte allein die betroffene Person über eine derartige Vermarktung entscheiden und dafür entsprechenden Rechtsschutz erhalten. Die Konsequenzen wurden bereits in den 1960er Jahren gezogen, vor allen Dingen in der PaulDahlke-Entscheidung. Die Befugnis, über die gewerbliche Verwertung von Bildnis und Namen zu entscheiden, stelle ein „vermögenswertes Ausschließlichkeitsrecht“ dar; entsprechende Nutzungen würden Dritten üblicherweise nur gegen Entgelt gestattet. Von diesem Ausgangspunkt aus wurden nicht nur die dreifache Art der Schadensberechnung aus dem Immaterialgüterrecht auf derartige Sachverhaltskonstellationen erstreckt223, sondern auch Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (Eingriffskondiktion) gewährt224. Nur wenn feststand, dass
221 RGZ 74, 308, 310 f. (1910) – Graf Zeppelin (auch vermögensrechtliche Interessen seien verletzt, wenn ein anderer ohne Zustimmung ein entsprechendes Warenzeichen eintrage oder den Namen/das Bildnis für Reklamezwecke nutze, u.a., weil die Person dann das Warenzeichen nicht mehr selbst eintragen könne); BGHZ 49, 288, 294 (1968) (Abgebildete seien an Kommerzialisierungserlösen zu beteiligen); BGH NJW 1979, 2203, 2204 f. – Wandkalender; BGH NJW 1997, 1152, 1153 (Schutz gegen Zwangskommerzialisierung); BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 – Marlene; OLG Karlsruhe NJW-RR 1986, 588, 589; für die Erben OLG Hamburg NJW 1990, 1995, 1996; LG Hamburg AfP 1995, 526, 527 („wirtschaftliches Selbstbestimmungsrecht“); im Ergebnis nicht für durchschlagend erachtet, aber berücksichtigt wird dieser Gedanke von OLG Hamburg AfP 1992, 159, 160. 222 Büchler, AcP 206 (2006), 300, 314. 223 BGHZ 20, 345, 353 (1956) – Dahlke; BGHZ 26, 349, 352 (1958) – Herrenreiter; BGHZ 30, 7, 17 (1959); OLG Frankfurt NJW 1966, 254, 255; Witzleb, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 38 ff.; Gregoritza, Persönlichkeitsrechte Verstorbener, 8 ff.; Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 43; Heitmann, Persönlichkeitssphäre, 78 f.; ablehnend v. Holleben, Geldersatz, 102 ff.; Magold, Personenmerchandising, 456 f. (historisches Relikt); Hort, Finanzieller Ausgleich, 66 f. 224 BGHZ 20, 345, 355 (1956) – Dahlke; BGHZ 81, 75, 81 f. (1981) – Carrera (allerdings ohne Hinweis auf einen Ausschließlichkeitsrechtscharakter des aPR und in Bezug auf eine juristische Person); BGH NJW 1992, 2084, 2085 m.w.N. – Fuchsberger; OLG Karlsruhe AfP 1996, 282, 283; OLG Hamburg Schulze OLGZ 113 4 f. (1971) (Recht am eigenen Bild als Ausschließlichkeitsrecht); OLG Hamburg AfP 1992, 159; OLG Hamburg NJW-RR 1994, 990, 991; LG Hamburg AfP 1995, 526, 527. Aus der Literatur Ullmann, WRP 2000, 1049, 1051; Schlechtriem, FS Hefermehl, 445, 449 ff.; Krüger, GRUR 1980, 628; Helle, RabelsZ 60 (1996), 448, 463 f.; Krautwig, Verletzung des Persönlichkeitsrechts, 11 ff., 100 ff.; Neben, Personenberichterstattung, 390 ff.; Hoppe, Persönlichkeitsschutz, 75 ff.; Funkel, Schutz der Persönlichkeit, 168 ff.; Schierholz, Stimmenschutz, 80 ff.; für vermögensrechtlich nutzbare Persönlichkeitsgüter Witzleb, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 183 ff.; Klein, Sensationspresse, 129 ff.; Erlanger, Gewinnabschöpfung, 65 ff.; Gregoritza, Persönlichkeitsrechte Verstorbener, 153 ff.; Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 80 ff.; Ahrens, Verwertung, 234; Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 39 ff.; Heitmann, Persönlichkeitssphäre, 78 f.; Hort, Finanzieller Ausgleich, 68 ff.; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 219 ff.; Gauß, Mensch als Marke, 39 f.; Beuter, Kommerzialisierung, 152 ff.; auch postmortal für erwägenswert gehalten von Ernst-Moll, GRUR 1996, 558, 565 f.; Canaris, FS Deutsch, 85, 88 (wegen der tatbestandlichen Präzisierung und Konkretisierung); Moosmann, Exklusivstories, 204; Schack, AcP 195 (1995), 594, 595 f.; von einer gewohnheitsrechtlichen Anerkennung spricht Neumann-Klang, Recht am eigenen Bild, 214; zurückhaltender Westermann, Symposium
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die betroffene Person die Verwendung des Persönlichkeitsmerkmals aus besonderen Gründen niemals gestattet hätte, wurden derartige Ansprüche nach der Herrenreiter-Doktrin abgelehnt, und so ein nicht kommerzialisiertes Reservat ideeller Interessen geschaffen225. Auch auf die Möglichkeiten der rechtsgeschäftlichen Verwertung von Persönlichkeitsrechten wirkte sich die größere Offenheit gegenüber dem entstehenden Markt für Bildnisse, Namen usw. aus. Zwar wurde am Dogma der Unübertragbarkeit des aPR nicht offensiv gerüttelt. Immerhin aber standen dem mit einer Generalermächtigung ausgestatteten Verwerter nach der Nena-Entscheidung eigene Ansprüche aus Eingriffskondiktion gegen Rechtsverletzer zu226, die dieser bei einer rechtswirksamen Ermächtigung und Verpflichtung zur Rechtsverfolgung gerichtlich im eigenen Namen geltend machen konnte (gewillkürte Prozessstandschaft)227. Im praktischen Ergebnis war man damit der Verkehrsfähigkeit also schon vor 1999 sehr nahe gekommen228. Dennoch scheute sich die Rechtsprechung, das kommerzielle Interesse an exklusiver Selbstvermarktung als unmittelbaren Schutzgegenstand des Persönlichkeitsrechts anzuerkennen und die Konsequenzen hin zu einem Ausschließlichkeitsrecht nach der Art des Sacheigentums und der Immaterialgüterrechte zu ziehen:
225 Canaris, 125, 144 (die Anerkennung eines vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalts sei nicht mehr zu vermeiden, wenn man die Abschöpfung schon als Zweck des Schadensersatzanspruchs gelten lasse); Frommeyer, JuS 2002, 13, 17 f. (nicht unproblematisch). 225 Für die dreifache Schadensberechnung BGHZ 26, 349, 352 (1958) – Herrenreiter; BGHZ 30, 7, 16 f. (1959); BGHZ 35, 363, 366 (1961); für die Lizenzanalogie auf der Basis des Schadensersatzrechts anders als für die Eingriffskondiktion auch OLG München NJW-RR 1996, 539 f.; a.A. OLG Hamburg ZUM 2005, 164, 167. Für die Eingriffskondiktion BGHZ 26, 349, 353 f. (1958) – Herrenreiter; OLG Hamburg Schulze OLGZ 113, 5 (1971); a.A. für die Eingriffskondiktion, nicht aber für die Lizenzanalogie OLG München NJW-RR 1996, 539, 540 f. (durch die Eingriffskondiktion solle nicht im Sinne einer nachträglichen Fiktion ein quasi vertragliches Verhältnis hergestellt werden, sondern nur die ungerechtfertigte Bereicherung möglichst weitgehend rückabgewickelt werden). 226 BGH JZ 1987, 158 – Nena; OLG Hamm NJW-RR 1987, 232 f.; OLG München AfP 1989, 570 f. (Verwertung von Bildnissen in verschiedenen Zeitschriften). Für eine „Einwilligungsermächtigung“ zum Abschluss von Verwertungsverträgen im Namen des Ermächtigten Dasch, Einwilligung, 92 ff.; Schulze Wessel, Vermarktung Verstorbener, 123; Helle, AfP 1985, 93, 99; ders., Besondere Persönlichkeitsrechte, 109 f.; Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 162 ff.; a.A. Ahrens, Verwertung, 324 ff. 227 BGHZ 119, 237, 241 f. (1992); als „anerkannt“ bezeichnet von LG München ZUM 2000, 526, 528 (die Entscheidung liegt zwar zeitlich nach der Marlene-Entscheidung des BGH v. 1.12.1999, allerdings lagen die schriftlichen Urteilsgründe der Marlene-Entscheidung erst Mitte 2000 vor, so dass die bis dahin ergangenen Urteile noch in die Vor-Marlene Periode eingeordnet werden müssen); Schricker, EWiR 1987, 79, 80; Ernst-Moll, GRUR 1996, 558, 562 f. Ablehnend Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte, 116 (Prozessführungsbefugnis nur bei einem Umschlag des Rechts in ein Vermögensrecht). 228 Siehe Seemann, Prominenz als Eigentum, 166 (eine im praktischen Ergebnis der Übertragung entsprechende, „quasi-dingliche Wirkung“ der Generalermächtigung). Ablehnend zur NenaEntscheidung Helle, RabelsZ 60 (1996), 448, 467 (unzulässige Verdinglichung einer schuldrechtlichen Befugnis).
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
„Ob und inwieweit die wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen seit Schaffung des Kunsturhebergesetzes im Jahre 1907 Anlaß geben, dem Abgebildeten Leistungsschutzrechte zuzubilligen, muß der Gesetzgeber entscheiden. Die Rechtsprechung kann sie nicht durch Ausdehnung der Einwilligungsrechte der §§ 22, 23 KunstUrhG gewähren, zumal auf diesem Weg der Gesetzeszweck gefährdet würde.“229
Diese Zurückhaltung wurde 1999 vom vor allen Dingen für Urheber- und Lauterkeitsrecht zuständigen I. Zivilsenat aufgegeben230, indem das bis dahin als einheitlich aufgefasste aPR in höchstpersönliche Bestandteile einerseits und die vermögenswerten Bestandteile als durch die Rechtsprechung anerkanntes, „vermögenswertes Ausschließlichkeitsrecht“ andererseits aufgespalten wurde231. Die Sachverhalte der beiden, am gleichen Tage ergangenen Entscheidungen betrafen die Verwendung des Bildnisses und des Namens von Marlene Dietrich für ein Musical über ihr Leben samt entsprechender Merchandisingprodukte sowie für eine Werbekampagne für Elektrogeräte. Die Tochter Marlene Dietrichs verlangte Unterlassung und Zahlung einer angemessenen Lizenzvergütung. Während die Abwehransprüche unproblematisch auf der Grundlage des klassischen postmortalen Persönlichkeitsschutzes zu begründen waren, bestanden Zweifel, ob Gleiches für Ansprüche auf Ersatz materieller Schäden gelte, denn der fortwirkende Achtungsanspruch verwirklicht wie gezeigt die Menschenwürdegarantie, die einer Kommerzialisierung gerade keine Grundlage bietet232. Der Bundesgerichtshof urteilte, die vermögenswerten Bestandteile des aPR seien nicht in derselben Weise unauflöslich an die Person des Trägers gebunden wie die höchstpersönlichen Aspekte des aPR. Sie könnten deshalb – übrigens 229
BGH NJW 1979, 2203, 2205 – Wandkalender in einschränkender Klarstellung der Ausführungen desselben Senats in BGHZ 49, 288, 294 (1968); BGH NJW 1996, 593, 595; KG UFITA 14 (1941), 196, 199; KG Schulze KGZ 4, 14 (1952); OLG Frankfurt NJW 1989, 402, 403. Noch ganz ohne Rücksicht auf kommerzielle Interessen in den 1990er Jahren aus der Literatur Stürner, Gutachten, 59 ff.; Baston-Vogt, Schutzbereich des aPR, 207 ff.; Wanckel, Persönlichkeitsschutz, 85 ff., 277 ff. 230 BGHZ 143, 214 ff. (1999) – Marlene; Vorinstanz KG AfP 1997, 926 ff.; ferner die Parallelentscheidung vom selben Tage BGH ZUM 2000, 589 ff. – Der blaue Engel; Vorinstanz OLG München ZUM-RD 1997, 449 ff. Ebenso in der Folgezeit BGH GRUR 2002, 690, 691; BGHZ 165, 203, 208 ff. (2005). Eine Auseinandersetzung mit der Wandkalender-Entscheidung fehlt in BGHZ 143, 214, 229 f. (1999) – Marlene. 231 Die Differenzierung im Hinblick auf ideelle und kommerzielle Interessen war freilich schon vorher mehrfach angeklungen; obiter BGHZ 50, 133, 137 (1968) – Mephisto (abgesehen von vermögenswerten Bestandteilen); BGH NJW 1996, 593 f. (es handele sich ausnahmsweise bei Klagen aus dem Recht am eigenen Bild um vermögensrechtliche Streitigkeiten im Sinne des Prozessrechts, sofern sich aus dem Klagevorbringen oder offenkundigen Umständen ergebe, dass es dem Kläger in wesentlicher Weise auch um die Wahrung wirtschaftlicher Belange gehe); OLG Hamburg NJWRR 1994, 990, 991 (werde ein Bildnis zu Werbezwecken verwendet, nehme das Recht am Bild den „Charakter eines ausschließlichen Immaterialgüterrechts“ an, während das Interesse, diskret und unbeobachtet leben zu wollen, das Recht am Bild als „reines Persönlichkeitsrecht“ betreffe; nur im erstgenannten Fall kämen Ansprüche aus Eingriffskondiktion und Geschäftsanmaßung in Betracht; die auch insoweit eingelegte Revision hat der BGH nicht angenommen; siehe BGH NJW 1996, 985, 986); ebenso wohl OGH MR 2008, 145, 147. 232 Dazu auch oben § 2 B II 1, 2.
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ohne Rekurs auf § 1922 BGB – vererbt werden233. Freilich führt der Senat aus, die Erben leiteten ihre Befugnisse vom Träger des Persönlichkeitsrechts ab und könnten ihre Befugnisse nicht gegen seinen mutmaßlichen Willen einsetzen; in diesem Zusammenhang ist sogar wieder von einer „Wahrnehmung“ die Rede234. Obwohl für postmortale Verletzungen der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts nicht mehr gem. § 22 S. 3 KUG die Angehörigen, sondern die Erben aktivlegitimiert sind, entschied der Bundesgerichtshof 2006 unter Berufung auf genau jene Vorschrift, der Schutz der vererblichen Befugnisse erlösche zehn Jahre nach dem Tode der Person235. Mit dieser Anknüpfung an kodifizierte Ausstrahlungen des aPR bestätigt sich die Aussage der Marlene-Entscheidung, die vermögenswerten Bestandteile seien untrennbar mit den höchstpersönlichen verknüpft, so dass eine unerlaubte kommerzielle Verwertung häufig sowohl die Befugnisse der Erben als auch der Angehörigen tangieren werde236. Trotz dieser Reminiszenzen an das klassische aPR bedeutete die Anerkennung der Vererblichkeit der vermögenswerten Bestandteile die rechtliche Umsetzung der faktischen Kommerzialisierung von Persönlichkeitsmerkmalen. Von hier aus war es dann auch nur ein kleiner Schritt, materielle Schäden der Erben auszugleichen und ihre Höhe anhand der aus dem Immaterialgüterrecht bekannten Berechnungsarten zu bestimmen. Anders als für die Geldentschädigung komme es dabei nicht auf eine besondere Eingriffsintensität an237. Die gesonderte Betrachtung der vermögenswerten Bestandteile des aPR wirkte sich des Weiteren auf bereicherungsrechtliche Ansprüche wegen Eingriffs in die „ausschließlich zugewiesene Dispositionsbefugnis“ über persönliche Merkmale aus. Der auf die Herrenreiter-Entscheidung zurückgehende Vorbehalt, wonach ein Wertersatz ausschied, wenn der Abgebildete eine Vermarktung prinzipiell ab-
233 BGHZ 143, 214, 220 ff. (1999) – Marlene; BGH GRUR 2007, 168, 169 – kinski-klaus.de (Vererblichkeit der vermögenswerten Bestandteile); zustimmend Lichtenstein, Persönlichkeitsrecht vor und nach dem Tode, 86; Jung, Vererblichkeit, 231; Heitmann, Persönlichkeitssphäre, 80; Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 281; Magold, Personenmerchandising, 497; Schierholz, Stimmenschutz, 157; Schulze Wessel, Vermarktung Verstorbener, 114 ff.; Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 43; Fischer, Entwicklung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes, 238; Lettl, WRP 2005, 1045, 1059 (gem. § 1922 BGB); Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 173 ff.; de lege ferenda auch Schertz, Merchandising, Rn. 388; ablehnend Ahrens, Verwertung, 264 (trotz Bejahung einer beschränkten Übertragung „reiner“ Persönlichkeitsrechte); offengelassen von OGH MR 2008, 145, 147. Von einer „Verselbständigung“ des Vermögenswerts und einer Zuordnung des Vermögenswerts zum Wahrnehmungsberechtigten spricht BGHZ 165, 203, 209 (2005); von einem „Grundgedanken des bürgerlichen Rechts, die Wahrnehmung solcher Vermögensinteressen den Erben zuzugestehen“, BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 – Marlene. 234 BGHZ 143, 214, 226 (1999) – Marlene; BGHZ 165, 203, 209 (2005). 235 BGH GRUR 2007, 168, 169 f. – kinski-klaus.de; kritisch hierzu Götting, GRUR 2007, 170 f. 236 BGHZ 143, 214, 226 f. (1999) – Marlene. 237 BGHZ 143, 214, 228 (1999) – Marlene; BGH ZUM 2000, 589, 590 – Der blaue Engel; dazu Fischer, Entwicklung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes, 251 mit Fn. 722 (auf dieser Grundlage erübrige sich auch eine postmortale Geldentschädigung, die ohnehin eine besondere Schwere des Eingriffs voraussetze).
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
lehnte, wurde aufgegeben238. Noch nicht höchstrichterlich bestätigt, aber in der Literatur ganz überwiegend anerkannt sind ferner Ansprüche auf Herausgabe des Gewinns, sei es auf Grundlage der §§ 812, 818 Abs. 4, 819 Abs. 1, 285 BGB oder der Geschäftsanmaßung gem. §§ 687 Abs. 2, 682 S. 2, 667 BGB239. Mit diesem Ausbau des Anspruchsarsenals geht eine zunehmende Kritik an der dann praktisch überflüssigen Geldentschädigung mit präventiven Zwecken einher240. 238 BGHZ 143, 214, 225, 231 f. (1999) – Marlene; BGH ZUM 2000, 589, 590 f. – Der blaue Engel; BGH GRUR 2007, 139, 140 – Rücktritt eines Finanzministers; OLG Hamburg ZUM 2005, 164, 165 ff. (Anspruch auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr gem. § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB unabhängig davon, ob der Kläger bereit gewesen wäre, seine Zustimmung zur Veröffentlichung zu erteilen, solange der entsprechende Vertrag nicht nichtig ist); OLG Hamburg NJW-RR 2007, 1417 ff.; LG Düsseldorf AfP 2002, 64, 66 f. (Eingriffskondiktion wegen Eingriffs in Ausgestaltungen des aPR als vermögenswerte Ausschließlichkeitsrechte, Vermögensvorteil: unentgeltlicher Werbeeffekt); dito LG Berlin AfP 2004, 455, 456. 239 Siehe OLG Hamburg NJW-RR 1994, 990, 991. Aus der Literatur Schlechtriem, FS Hefermehl, 445, 458 f.; ders., DRiZ 1975, 65, 69; v. Holleben, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 112 ff.; Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 79 ff.; Witzleb, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 42 f.; Klein, Sensationspresse, 191 ff.; Erlanger, Gewinnabschöpfung, 153 f.; Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 45 ff., 53 ff.; Hort, Finanzieller Ausgleich, 79 ff.; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 226 ff.; Traub, FS Erdmann, 211 ff.; Wagner, VersR 2000, 1305, 1308; ders., GRUR 2000, 717, 718 f.; Lettl, WRP 2005, 1045, 1085 f. Zur Gewinnabschöpfung über § 687 Abs. 2 BGB Mertens, JuS 1962, 261, 268 f.; Beuthien, NJW 2003, 1220, 1221; Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 85 ff.; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 228 f.; zum schweizerischen Recht BG JZ 2007, 1159 ff. mit Anm. v. Gerlach. Für Gewinnabschöpfung über §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 285 BGB Canaris, FS Deutsch, 85, 87 ff.; Hort, Finanzieller Ausgleich, 80 f.; Witzleb, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 195; dazu ablehnend Beuthien, in: Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz, 91 ff.; Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 83 f.; Bungart, Dingliche Lizenzen, 63, 96; Erlanger, Gewinnabschöpfung, 88. Für bereicherungsrechtliche Gewinnabschöpfung Pietzko, AfP 1988, 209, 220 f.; Ehmann, FS 50 Jahre BGH, 613, 666. Für die Übertragung der dreifachen Art der Schadensberechnung Gregoritza, Persönlichkeitsrechte Verstorbener, 198 ff.; Staudinger/Schmidt, Jura 2001, 241, 246 f.; hiergegen wiederum Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 79 f. 240 Siehe die Kritik an dieser Rechtsprechung bei Wagner, VersR 2000, 1305, 1308 f.; Funkel, Schutz der Persönlichkeit, 198 f.; Hoppe, Persönlichkeitsschutz, 66 ff.; v. Holleben, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 36 ff.; Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 59 f., 77 ff. m.w.N.; Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 3; Beuthien, in: Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz, 11; Canaris, FS Deutsch, 85, 107; Hort, Finanzieller Ausgleich, 101, 108 f.; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 212 ff.; Neben, Personenberichterstattung, 380 ff. (verfassungswidrige Rechtsfortbildung contra legem); Ullmann, AfP 1999, 209, 213; Lettl, WRP 2005, 1045, 1085; Klein, Sensationspresse, 50 f., 102; Erlanger, Gewinnabschöpfung, 63 (die Rechtsprechung biete kein geeignetes Instrument für eine Abschöpfung der erzielten Gewinne); Taupitz, in: Taupitz/ Müller, Rufausbeutung, 1, 15 ff. Allgemein für die Lösung über § 687 Abs. 2 BGB ohne Rücksicht auf die Kommerzialisierung bereits Mertens, JuS 1962, 261, 268 f. (die Geldentschädigung sei nur insoweit gerechtfertigt, als sie das Minimalschutzgebot aus der Verfassung erfülle, aber nicht darüber hinaus). Für eine Kumulation von vermögensrechtlichen Ansprüchen und Geldentschädigung Wagner, VersR 2000, 1305, 1309; ders., GRUR 2000, 717, 720; Beuthien/Hieke, AfP 2001, 353, 361; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 230; gegen die Kumulation von Bereicherungsrecht und Schmerzensgeld wegen fiktiver Genehmigung des Handelns hingegen Krüger, GRUR 1980, 628, 629 (Wahlrecht des Betroffenen).
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Während die vermögensrechtlichen Sanktionen deutliche Ähnlichkeiten mit den sekundären Rechten zum Schutz des Sacheigentums und der Immaterialgüterrechte aufweisen, versteht die Rechtsprechung die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts weiterhin als „offenes Rahmenrecht“, so dass die Feststellung einer rechtswidrigen Verletzung selbst bei kommerziellen Nutzungen zu Lebzeiten und postmortal eine umfassende Güterabwägung voraussetzt241. Trotz der Anerkennung eines vererblichen „vermögenswerten Ausschließlichkeitsrechts“ samt entsprechender Sanktionen greift daher das Modell des Erfolgsunrechts nicht. Die Rechtswidrigkeit ist bei Verwirklichung eines bestimmten Tatbestands nicht indiziert, sondern muss in jedem Einzelfall positiv festgestellt werden. Die Frage, ob die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts rechtsgeschäftlich übertragbar sind, hat der Bundesgerichtshof bisher nicht geklärt242. Aus der Anerkennung der Vererblichkeit folgern Instanzgerichte und ganz herrschende Meinung in der Literatur jedoch die Zulässigkeit einer beschränkten Übertragung, die einen Kernbestand an Persönlichkeitsentfaltung unberührt lasse243. Selbst wenn demnach eine translative Übertragung der vermö241 BGH GRUR 2007, 168, 169 f. – kinski-klaus.de; BGH GRUR 2007, 139, 140 f. – Rücktritt eines Finanzministers (auch bei einem kommerziellen Zusammenhang sei die Rechtswidrigkeit gem. § 23 KUG in einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung festzustellen); OGH MR 2008, 145, 147; für Rechtswidrigkeitsindikation bei „kommerzieller Instrumentalisierung“ dagegen Lichtenstein, Persönlichkeitsrecht vor und nach dem Tode, 170 f. 242 BGHZ 143, 214, 221 f. (1999) – Marlene; BVerfG NJW 2006, 3409, 3411 – Marlene. 243 OLG Hamburg ZUM 2004, 309, 311 (mit Verweis auf die entsprechende Rechtslage im Urheberrecht); LG Berlin AfP 2004, 455, 457; verfassungsrechtlich für zulässig erachtet wird diese Lösung von BVerfG NJW 2006, 3409, 3411 – Marlene; Hubmann, Schulze BGHZ 356, 5, 7; Ullmann, WRP 2000, 1049, 1052 (ohne eine rechtliche Verselbständigung der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts gebe es keine Vererblichkeit); Wagner, GRUR 2000, 717, 718 (Bedenken gegen die Übertragbarkeit der Rechtsposition seien gegenstandslos); Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 65, 278 f.; ders., GRUR 2004, 801, 805; Magold, Personenmerchandising, 515, 542, 666; Schertz, Merchandising, Rn. 380; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 754 f.; Forkel, NJW 1983, 1764, 1765 f.; ders., GRUR 1988, 491, 493 ff.; Freitag, Kommerzialisierung, 165; Bungart, Dingliche Lizenzen, 127; Ohly, volenti non fit iniuria, 260, 266; ders., FS Schricker, 105, 109 f. (die Anerkennung eines Persönlichkeits-Immaterialgüterrechts mache den Weg frei für die Entwicklung eines Persönlichkeitsvertragsrechts nach urheberrechtlichem Vorbild); Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 215, 264 (gebundene, nicht aber translative Übertragung); Lichtenstein, Persönlichkeitsrecht vor und nach dem Tode, 274 f.; Schulze Wessel, Vermarktung Verstorbener, 124 ff. (Ordnungsrahmen im Sinne der „dienenden Funktion“ der Rechtsordnung); NeumannKlang, Recht am eigenen Bild, 214; Sosnitza, FS Ullmann, 387, 405 f.; Schierholz, Stimmenschutz, 73 ff., 146 ff.; Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 65 ff. (ohne Aussage zur Grundlage der beschränkten Übertragbarkeit unter Lebenden); Ahrens, Verwertung, 173 (für die Anerkennung eines abgesonderten Persönlichkeitsverwertungsrechts fehle das Bedürfnis), 409 f. (Anerkennung „dinglicher“ Lizenzen an reinen Persönlichkeitsrechten); Gauß, Mensch als Marke, 93; Seitz, NJW 2000, 2167, 2168 (Immaterialgüterrechte, verfügbar wie das Urheberpersönlichkeitsrecht); Roth, Geschützte Stellungen, 206; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 754; Freitag, Kommerzialisierung, 171 (analoge Anwendung des § 78 UrhG a.F. in Bezug auf ausübende Künstler); im Ergebnis auch Peukert, ZUM 2000, 710, 716 ff.; anders Bungart, Dingliche Lizenzen, 130 ff., 150 (konstitutive Rechtsstellung des Verwerters analog § 956 Abs. 1 S. 1 BGB); Freudenberg, Zwangsvollstreckung in Persönlichkeitsrechte, 119 (Überlassung zur Ausübung statt beschränkte Übertragung).
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
genswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts als unvereinbar mit Art. 1 GG abgelehnt wird244, offenbart gerade diese Anerkennung der Umlauffähigkeit, dass man in den Kategorien eines selbständigen subjektiven Rechts denkt, das von einer akuten Verletzung unabhängig ist. Nur konsequent erscheint dann die Zulassung der Pfändbarkeit von bereits vermarkteten Persönlichkeitsmerkmalen, und zwar entweder als „anderes Vermögensrecht“ gem. § 857 ZPO245 oder analog § 113 UrhG, also grundsätzlich nur mit Zustimmung des Betroffenen, die aber erzwungen werden kann, wenn die Versagung missbräuchlich erscheint246. Den vorläufigen Schlusspunkt setzt die Auffassung, verwertbare, persönlichkeitsrelevante Bilder oder Tonträger unterlägen dem Insolvenzbeschlag. Zwar könne der Schuldner von der Kommerzialisierung seiner Person aufgrund eines ernsthaften Überzeugungswandels Abstand nehmen und damit die grundsätzlich erfassten Vermögensgegenstände wieder der Insolvenzmasse entziehen. Diese neue Einstellung sei aber vom Schuldner nachzuweisen, und die Massegläubiger seien nach dem Rechtsgedanken des § 42 Abs. 3 S. 3 UrhG zu entschädigen247. Abgesehen davon, dass überwiegend nicht mit dem Schema des Erfolgsunrechts argumentiert wird, weisen die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts somit sämtliche Merkmale eines Ausschließlichkeitsrechts im hier vertretenen Sinne auf. Sie ähneln insbesondere dem Urheberrecht, das unstreitig unter den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff fällt248. Dem entspricht die dogmatische Umsetzung dieser richterrechtlichen Entwicklung in der Literatur249: Die ganz herrschende Meinung differenziert zwischen den vermögenswerten und den ideellen Aspekten des Persönlichkeitsrechts, wobei diese Auffassung wiederum in zwei Untergruppen zerfällt. Eine Gruppe von Autoren sieht beide Bestandteile im zivilrechtlichen aPR verwurzelt (Monismus), eine andere geht von einer vollständigen Abspaltung der vermögenswerten Bestandteile aus, die sich zu verkehrsfähigen Immaterialgüterrechten an Persönlichkeitsgütern entwickelt hätten (Dualismus). Nur vereinzelt werden besondere Regeln für vermö-
244 BVerfG NJW 2006, 3409, 3411 – Marlene; Ahrens, Verwertung, 384; Freudenberg, Zwangsvollstreckung in Persönlichkeitsrechte, 92; Jung, Vererblichkeit, 136 ff. 245 Freudenberg, Zwangsvollstreckung in Persönlichkeitsrechte, 17 ff., 136 f., 146 f. 246 Freitag, Kommerzialisierung, 179; Bungart, Dingliche Lizenzen, 149 (weil man schon das Konstrukt der gebundenen Übertragung aus dem Urheberrecht übernommen habe); Sosnitza, JZ 2004, 992, 997 ff.; Wortmann, Vererblichkeit, 390 („Bei Übertragung dieser Grundsätze auf die vermögensrechtlichen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts ergibt sich folgendes: …“). 247 Freudenberg, Zwangsvollstreckung in Persönlichkeitsrechte, 148 ff.; für die Nachlassinsolvenz auch Wortmann, Vererblichkeit, 394. 248 Dazu unten § 11 B II. 249 Näher dazu mit Nachweisen unten § 13 B VII 3 a im Rahmen der Stellungnahme zur „Lösung“ dieser Fallgruppe. Wie hier die Einteilung bei Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 132; Seemann, Prominenz als Eigentum, 62 (dualistische Betrachtungsweise des US-amerikanischen Privatrechts und Monismus des deutschen und schweizerischen Rechts); bereits ohne Rücksicht auf den rein persönlichkeitsrechtlichen Ansatz Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 65 ff.
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genswerte Bestandteile noch prinzipiell verworfen und allein die klassische Form des zivilrechtlichen aPR anerkannt. Die Anerkennung vermögenswerter Bestandteile des Persönlichkeitsrechts durch die Marlene-Rechtsprechung ist vom Bundesverfassungsgericht gebilligt worden; insbesondere habe sich der Bundesgerichtshof nicht von der Bindung an Gesetz und Recht verabschiedet250. Dieser verfassungsgerichtliche Segen erledigt die noch ausstehende Prüfung, ob die hierfür in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen und Prinzipien tragfähig sind, freilich nicht. Denn das Bundesverfassungsgericht geht zwar davon aus, das von der Zivilrechtsprechung gefundene Ergebnis sei aus den maßgeblichen „allgemeinen Rechtsgrundlagen“ abzuleiten. Es hat diese Rechtsgrundlagen aber aufgrund des beschränkten Prüfungsumfangs bei Verfassungsbeschwerden gegen Zivilurteile gar nicht darauf untersucht, ob sie die Lösung der Marlene-Entscheidung hergeben oder ihr gar entgegenstehen251. Überdies geht der Beschluss, obwohl er sich mit der Vererblichkeit von Persönlichkeitsrechten beschäftigt, mit keinem Wort auf Art. 14 GG und die dort verankerte Erbrechtsgarantie ein252. Damit wurden weder das güterzuordnungsrelevante Privatrecht noch das einschlägige Grundrecht vom Bundesverfassungsgericht angesprochen, geschweige denn im Einzelnen analysiert. Folglich rechtfertigt gerade die zivil- und verfassungsrechtliche Anerkennung eines „vermögenswerten Ausschließlichkeitsrechts“ an Persönlichkeitsmerkmalen die folgende Studie einschließlich der Frage, ob zumindest in diesem Fall ein Rechtsprinzip der Güterzuordnung verwirklicht wurde. 3. Argumente a) Klassisches allgemeines Persönlichkeitsrecht Die ursprüngliche Ablehnung eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts im BGB wird mit einer bürgerlich-liberalen Einstellung in Zusammenhang gebracht, die gesetzlichen Einschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit skeptisch gegenüberstand und Regeln gegenseitiger Rücksichtnahme ausreichend in der herr-
250
BVerfG NJW 2006, 3409 ff. – Marlene; OLG München NJW-RR 2003, 767; Schlechtriem, FS Hefermehl, 445, 453 f.; Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 59–61 (Rechtsprechung zur Geldentschädigung verfassungswidrig; Marlene-Rechtsprechung aber „verfassungsrechtlich einwandfreie Lösung“); Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 21 f. (eigentumsähnliche Gegenstände mit nahem Persönlichkeitsbezug führten einfacher und gesetzesnäher zum Ziel eines umfassenden Schutzes der Persönlichkeit); Ernst-Moll, GRUR 1996, 558, 562. Keine gesetzliche Regelung für erforderlich hält auch Hoppe, Persönlichkeitsschutz, 76; Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 175 ff.; zweifelnd Helle, RabelsZ 60 (1996), 448, 474 (es sei „völlig offen“, ob die Rechtsfortbildung zu einem Vermögensrecht der verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten würde). 251 BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 – Marlene (die verfassungsgerichtliche Kontrolle beschränke sich auf die Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Maßgaben für die Interpretation des einfachen Rechts). Kritik dazu unten § 13 B VII 3 a. 252 Siehe BVerfG NJW 2006, 3409 ff. – Marlene.
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
schenden Sozialmoral verankert sah253. So erklärt sich, dass bei der Ausarbeitung des BGB konstatiert wurde, die „Schaffung einer allgemeinen actio culpae könnte zu großem Mißbrauch und zu einer erheblichen Gefährdung des Verkehrslebens führen“254, während die Ehre als Gut bezeichnet wurde, „welches in Geld sich nicht anschlagen lasse und für deren Verletzung der Empfang einer Geldsumme daher überhaupt keine Genugthuung bilden könne, wie es denn auch dem wahren Ehrgefühle widerstreiten müsse, aus einer Beleidigung pekuniäre Vortheile zu ziehen …“255. Als weiteres Hindernis erwies sich das auf das römische Recht256 zurückgehende Dogma der Pandektistik, wonach zivilrechtlicher Schutz grundsätzlich nur vermögenswerte Güter betreffen könne, weil eine Deliktsobligation ebenfalls einen Vermögenswert aufweisen müsse257. Überwunden wurden diese Auffassungen wie gezeigt erst nach Inkrafttreten des Grundgesetzes unter Hinweis auf den verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsschutz und seine Ausstrahlung auf das Privatrecht. Wie die Grundrechte als solche war dies zunächst eine Reaktion auf die Entwertung der Persönlichkeit im Nationalsozialismus258. Ferner sollte den Gefahren des technischen Fortschritts und der Massenmedien für die individuelle Entfaltung im inneren Lebensbereich begegnet werden259. Auch der postmortale Schutz diente der persönlichen Freiheit zu Lebzeiten, indem der Betroffene sicher sein konnte, nicht nach seinem Ableben zum vogelfreien Objekt der Öffentlichkeit zu werden260. Diese Erwägungen sah man im Kulturbewusstsein verankert und argumentierte – für die 253
Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, 99 m.w.N.; ferner Ehmann, FS 50 Jahre BGH, 613,
615 ff. 254 Prot. II 2, 574, auch a.a.O., 638 (ein solcher Vorschlag gehe ins Ungewisse); ebenso die Mehrheit der Reichstagskommission; siehe Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 900 f. 255 Schubert, Schuldverhältnisse 3, 851. Dazu Simon, Allgemeines Persönlichkeitsrecht, 247; v. Bar, NJW 1980, 1724; Göthel, AcP 205 (2005), 36, 61 mit Hinweisen auf § 112 ALR, der den Schmerzensgeldanspruch auf „Personen vom Bauer- oder gemeinen Bürgerstande“ beschränkte. Zur Ablehnung von Privatstrafen wie der actio iniuriarium und der Beschränkung auf Beleidigungsdelikte im Strafrecht siehe Schubert, Schuldverhältnisse 3, 844 mit Verweis auf Art. 2 EGStGB und § 11 EGStPO; Prot. II 2, 640 f.; Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 908 f. (1. Kommission, die für einen Deliktsschutz der Ehre eingetreten war), 900 f. (Reichstagskommission); Windscheid/Kipp, Pandekten II, 1056 f. Zur Geschichte des Schmerzensgelds umfassend Walter, Geschichte des Anspruchs auf Schmerzensgeld, passim. 256 Siehe Göthel, AcP 205 (2005), 36, 38. 257 Siehe etwa Coing, JZ 1958, 558, 560; ders., FS Maihofer, 75, 79; Mertens, JuS 1962, 261, 262; Heldrich, FS Lange, 163, 164 f. Ehmann, AcP 188 (1988), 230, 237 mit Fn. 27; Forkel, FS Hubmann, 93 mit Fn. 4; Bungart, Dingliche Lizenzen, 42. In Reinform war diese Sichtweise aber schon zum Zeitpunkt des Erlasses des BGB überwunden, wie § 847 BGB a.F. verdeutlicht; dazu Göthel, AcP 205 (2005), 36, 54 ff. 258 BVerfGE 34, 269, 271 (1973) – Soraya; BVerfGE 65, 1, 41 ff. (1983); BGHZ 131, 332, 337 (1995); Neumann-Duesberg, Das gesprochene Wort, 179 ff.; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, 90 ff. (das aPR als „ursprüngliches und vorstaatliches Menschenrecht“); Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht1, 323 ff.; weitere Nachweise bei Gottwald, Allgemeines Persönlichkeitsrecht, 124 Fn. 255 (zur naturrechtlichen Diskussion der frühen Nachkriegszeit a.a.O., 157 ff.). 259 BVerfGE 34, 269, 271 (1973) – Soraya; BVerfGE 65, 1, 41 ff. (1983); BGHZ 131, 332, 337 (1995); Gottwald, Allgemeines Persönlichkeitsrecht, 137; Ehmann, AcP 188 (1988), 230, 245. 260 Nachweise oben Fn 195.
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1950er Jahre nicht unüblich – auf naturrechtlicher Grundlage261. Der folglich mit anderen Argumenten als richterliche Zuordnungsentscheidungen hergeleitete Schutz wurde, soweit ersichtlich, zu keinem Zeitpunkt mit dem Hinweis auf einen angeblichen numerus clausus der originären „absoluten Rechte“ in Zweifel gezogen262. Es wird daher zu klären sein, wie sich das ungeschriebene zivilrechtliche aPR in seiner klassischen Ausprägung zur Güterzuordnung durch Ausschließlichkeitsrechte verhält. b) Vermögenswerte Bestandteile des Persönlichkeitsrechts Dagegen beziehen sich die für die Anerkennung verkehrsfähiger, vermögenswerter Bestandteile des Persönlichkeitsrechts vorgebrachten Argumente auf den Konflikt zwischen individueller Herrschaft über ein Gut und allgemeinem Zugang. Sie weisen größere Übereinstimmung mit den bisher erörterten Beispielen richterlicher Güterzuordnung auf als mit den für das klassische aPR streitenden Gründen. Diese Einschätzung beruht zunächst auf der Beobachtung, dass in vielen progressiven Gerichtsentscheidungen und literarischen Stellungnahmen nicht eine Subsumtion unter bestimmte Vorschriften erfolgt, sondern unmittelbar wertend argumentiert wird. Dieses Vorgehen kennzeichnet nicht nur die herrschende Meinung. Denn auch die an der klassischen Struktur des aPR orientierte Gegenauffassung betont vor allen Dingen, ein marktgängiges Immaterialgüterrecht an der Person richte sich in letzter Konsequenz gegen den Betroffenen und mache seine Persönlichkeit für Dritte verfügbar263. Auf die hier im Zentrum stehende Frage nach einer Rechtsgrundlage für die Anerkennung „vermögenswerter Ausschließlichkeitsrechte“ gehen diese Autoren ebenfalls nicht ein. Im Einzelnen führen Rechtsprechung und herrschende Meinung aus, Gründe gegen die rechtliche Verankerung der faktischen Kommerzialisierung seien nicht ersichtlich264. Dieser „negativen“ Argumentation lässt sich allerdings keine kritisierbare, eigenständige Aussage entnehmen. Nichts anderes gilt für apodiktische Erklärungen265 und – besonders häufig und folgenschwer – eine nicht erklärte 261
Siehe nur etwa Neumann-Duesberg, NJW 1957, 1341. Auch nicht von Larenz, NJW 1955, 521, 525 („… die ,sonstigen Rechte‘ können daher ebensowohl weitere einzelne Persönlichkeitsrechte sein, wenn sie nur hinreichend bestimmt sind, wie eigentumsähnliche Vermögensrechte. Dabei sollte man nicht in positivistischer Engherzigkeit darauf bestehen, daß solche weiteren Persönlichkeitsrechte … im Gesetz ausdrücklich als ,Rechte‘ bezeichnet sind. Vielmehr sollte es genügen, dass sie, sei es durch spezielle Gesetzesvorschriften, sei es durch Entwicklung des allgemeinen Rechtsbewußtseins, eine gefestigte Rechtsprechung und Lehre, hinreichend bestimmt und deutlich begrenzt sind.“). 263 Schack, Urheberrecht, Rn. 51; ders., JZ 2000, 1060; Peifer, Individualität, 293 und öfter; Moosmann, Exklusivstories, 35 ff., 111 ff.; Büchler, AcP 206 (2006), 300, 325 f. 264 Für die Vererbung von Persönlichkeitsrechten Jung, Vererblichkeit, 237; Stein, FamRZ 1986, 7, 15 f. 265 So etwa Schierholz, Stimmenschutz, 83 („Denn es kann kein Zweifel bestehen, daß der wirtschaftliche Wert einer potentiellen Kommerzialisierbarkeit dem Rechtsträger zugeordnet werden muß.“); im Hinblick auf die Einbeziehung positiver Befugnisse ohne Begründung Bungart, Ding262
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(erkannte?) Identifizierung des Rechtsguts mit der daran bestehenden Rechtsposition266, die auf dem Boden des hier vertretenen methodischen Dualismus doch ebenfalls der gesonderten Begründung bedarf267. Sachlich nachvollziehbar und in keiner einschlägigen Stellungnahme fehlend ist dagegen der Hinweis auf die tatsächliche Kommerzialisierung von Persönlichkeitsmerkmalen, die die Rechtsordnung aufzugreifen und anzuerkennen habe268. 266 liche Lizenzen, 49 f., 53 f. Zur Vererblichkeit ohne Begründung Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 284; Lichtenstein, Persönlichkeitsrecht vor und nach dem Tode, 375 („Notwendigkeit der Weitergabe von Vermögenswerten“); Sack, WRP 1982, 615, 618 f. (wenn der Schöpfer einer schutzwürdigen Leistung sterbe, bevor er Gewinn aus seiner Leistung ziehen könne, kämen auch noch seine Erben in den Genuss dieses Schutzes). 266 Etwa Schlechtriem, DRiZ 1975, 65, 69 („Die Möglichkeit, bestimmte Persönlichkeitsdetails mit finanziellem Gewinn zu verwerten, verleiht diesen Ausprägungen vermögenswerten Gehalt wie Immaterialgüterrechten.“); Forkel, GRUR 1988, 491, 498 (Verdinglichgungen der Eigensphäre als Verfügungsgegenstand; die Grenze, an der ein Recht aufhöre, Persönlichkeitsrecht zu sein, sei erst dort überschritten, wo ein Gut sich endgültig und ganz von der Person verselbständigt habe); Ullmann, AfP 1999, 209, 210 (aPR als immaterielles Gut); Ahrens, FS Erdmann, 3, 15 (die Verletzung abgelöster Elemente der Persönlichkeit, die sich zu einem Immaterialgut entwickelt haben, folge dem Immaterialgüterrechtsstatut); Koos, GRUR 2004, 808 (es sei fraglich, ob der Name, soweit er kommerzielle Interessen betrifft, ein Immaterialgüterrecht sei). Auch Autoren, die diese Auffassung nicht vorantreiben, unterscheiden nicht deutlich zwischen Recht und Rechtsgut, etwa Ehmann, FS 50 Jahre BGH, 613, 665 („eigentumsähnliche Rechtsgüter“); Helle, RabelsZ 60 (1996), 448, 458 („Das Eigentümliche der ökonomischen Rückseite der Medaille zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes ist sowohl ,das Wirtschaftsgut als Persönlichkeitsrecht‘ wie ,das Persönlichkeitsrecht als Wirtschaftsgut‘“; Hervorh. im Original). 267 Dazu oben § 1 A II. 268 Nicht weniger als sechzehn Hinweise auf die faktische Entwicklung, die nachzuvollziehen sei, finden sich bei Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 7, 50 f., 54, 60, 65 f., 68 f., 134, 137, 162, 166, 268, 275, 279); siehe ferner BGHZ 143, 214, 223, 225 f. (1999) – Marlene; BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 – Marlene (gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und technischer Wandel hin zu üblich gewordener Vermarktung); Wagner, Perspektiven im Schadensersatzrecht, A 40, 132; Jung, Vererblichkeit, 127; Ullmann, WRP 2000, 1049, 1051; ders., AfP 1999, 209 ff.; ders., in: Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz, 17, 22 (die Faktizität der Marktverhältnisse müsse auch auf die rechtliche Qualifizierung des Rechts am eigenen Bild als eines selbständigen Vermögensrechts durchschlagen); Schlechtriem, FS Hefermehl, 445, 453; ders., DRiZ 1975, 65, 69; Krüger, GRUR 1980, 628, 631; Taupitz, in: Taupitz/Müller, Rufausbeutung, 1, 32; Krautwig, Verletzung des Persönlichkeitsrechts, 12 ff. (Anpassung der Rechtsanwendung an soziologische Tatbestände); Schertz, Merchandising, Rn. 380; Neumann-Klang, Recht am eigenen Bild, 214 f.; Mertens, JuS 1962, 261, 268 mit Fn. 41; Helle, AfP 1985, 93, 99; Pietzko, AfP 1988, 209, 216 (vor dem Hintergrund der kommerziellen Gegebenheiten ließe sich nicht leugnen, dass der Werbewert eines Prominenten ein nicht unbeträchtlicher Aktivposten im Vermögen geworden ist, „der wegen seiner lizenzmäßigen Verwertung einem Property Right, einem Immaterialgüterrecht oder aber einem urheberrechtsähnlichen Nutzungsrecht“ zumindest nahestehe); Magold, Personenmerchandising, 461; Wolf, Kommerzialisierung, 62 ff.; Lichtenstein, Persönlichkeitsrecht vor und nach dem Tode, 92 (Zuweisung von Vermögenswerten erfolge durch den Markt und nicht durch Gesetz); ErnstMoll, GRUR 1996, 558, 562; Lausen, ZUM 1997, 86, 92; Seifert, NJW 1999, 1889, 1891, 1895; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 219 ff.; Heisig, Persönlichkeitsschutz, 180; v. Holleben, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 89 („Der Vermögenswert wird einem Persönlichkeitsrecht durch die bestehende Nachfrage verliehen. Grundsätzlich muß sich daher die Schutzfunktion des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch auf andere vermarktbare Persönlichkeitsrechte erstrecken.“); Kläver, Bereicherungsrechtliche Ansprüche, 64; Neben, Personenberichterstattung, 394 f. (vor dem
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Dieses Argument schließt vom Vorhandensein eines im Markt erzielbaren Vermögenswerts auf die Schutzwürdigkeit desselben269. Ergänzt wird häufig, aus dem „Prinzip der Privatautonomie“ bzw. dem wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrecht folge eine grundsätzliche Bindung der Rechtsordnung an die im Verkehrsleben akzeptierte Wertzuweisung; daher dürfe das objektive Recht nur dann abweichende Regeln vorsehen, wenn höherrangige Rechtsgrundsätze entgegenstünden270. Ebenfalls noch stark der Seinsebene verhaftet sind Verweise auf 269 Hintergrund der wirtschaftlichen Realität sei eine ausschließlich ideelle Ausrichtung des Persönlichkeitsschutzes „als nicht mehr zeitgemäß“ zu verwerfen); Forkel, GRUR 1988, 491, 495; Haun, Doppelgänger, 29 f.; Erlanger, Gewinnabschöpfung, 75; Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 139; Rüll, Persönlichkeitsrechtsschutz des ausübenden Künstlers, 83; Biene, Starkult, 168 (zentrales Argument); Freitag, Kommerzialisierung, 49 f., 165; Hoppe, Persönlichkeitsschutz, 68 ff.; Beuter, Kommerzialisierung, 62 und öfter; Ohly, FS Schricker, 105, 109 (Merchandising sei sozialüblich und unbedenklich); Beuthien, in: Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz, 9, 13 (anders noch Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 18); Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 747; Dasch, Einwilligung, 22 f.; Schierholz, Stimmenschutz, 74; Knudsen, Werbung mit Prominenten, 82; Schulze Wessel, Vermarktung Verstorbener, 115, 127 (für die Frage der Vererblichkeit); Gauß, Mensch als Marke, 39, 103; Rixecker, in: MünchKomm, Anh § 12 BGB Rn. 29; Koos, WRP 2003, 202 (die tatsächlichen Verhältnisse zwingen das Recht zur Realisierung von übertragbaren Immaterialgüterrechten); Wortmann, Vererblichkeit, 117, 284 f. Simon, Allgemeines Persönlichkeitsrecht, 249 f. (nach dem zweiten Weltkrieg habe die Marktallmacht immer mehr Teile der Person ausdifferenziert, angreifbar und verwertbar gemacht und schließlich verrechtlicht). Auch Vertreter der „klassischen“ Lesart des aPR rekurrieren auf dieses Argument, um Ansprüche aus Eingriffskondiktion zu rechtfertigen; siehe Moosmann, Exklusivstories, 203 f. Die Hintergründe dieser Denkweise beschreibt Ullmann in einem Diskussionsbeitrag in: Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz, 68: „Als Immaterialgüterrechtler, als Markenrechtler kann ich mir das leicht plausibel machen: Es gibt eine registrierte Marke. Diese ist für jedermann erkennbar, eingetragen beim Patent- und Markenamt in München. Dort gibt es eine Registrierungsnummer. Es gibt aber auch Marken, die entstehen so. Da kommt etwa einer in einer kleinen Klitsche auf die Idee, sein Sprudelwasser „Aqua tinta“ zu nennen. Keiner denkt an eine Marke. Dann setzt sich dieses Sprudelwasser durch im Verkehr. Infolgedessen fragt jeder nach „Aqua tinta“ und schon bläht sich dieses Nichts auf, ohne daß irgend etwas registriert worden ist. Weil der Verkehr interessiert ist, kommt es zur Verkehrsgeltung und zur Verkehrsdurchsetzung. Bums. Irgendwann entsteht dann das Immaterialgüterrecht … So verhält es sich jetzt in meiner rechtlichen Konstruktion auch.“. Gegen das Abstellen allein auf die faktische Marktentwicklung Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 70 f. (aber Verpflichtung zum Schutz vermögenswerter Interessen aus Art. 2 Abs. 1 GG, a.a.O., 64); Bungart, Dingliche Lizenzen, 85 (aber Ansprüche aus Eingriffskondiktion wegen deren allgemeinen Güterschutzzwecks, a.a.O., 89). 269 Widersprüchlich insoweit Forkel, FS Neumayer, 229, 242 einerseits (wenn Objektivierungen der Persönlichkeit einen wirtschaftlichen Wert annehmen, komme eine mehr oder minder weitgehende Zuordnung in Frage), 245 andererseits (ein ökonomischer Gehalt allein lasse das Persönlichkeitsrecht nicht zu einem andersartigen Recht, z.B. einem Immaterialgüterrecht, werden). 270 Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 54 und 66 f.; Schulze Wessel, Vermarktung Verstorbener, 115; Klüber, Persönlichkeitsschutz, 82; Frommeyer, JuS 2002, 13, 17; Bezug zur Privatautonomie auch bei Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 29 („Ist der Gegenstand marktgängig, kann der Inhaber anderen grundsätzlich durch Vertrag (§ 305 BGB) die Verwertung gegen Entgelt gestatten. Indes bleibt die Frage, ob ein solcher Verwertungsvertrag rechtlich zulässig ist. Ist das der Fall, so besteht ein umfassendes Persönlichkeitsgüterrecht.“); Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 139 („… diejenigen, die einen wirtschaftlichen Zuweisungsgehalt ablehnen, müssen Argumente anführen; nicht diejenigen, die ihn bejahen“); Kläver, ZUM 2002, 205,
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die Interessenlage. So seien die wegen ihrer großen Bedeutung für den Einzelnen schutzwürdigen materiellen Interessen vom klassischen aPR gar nicht geschützt271, könnten aber selbst auf der Basis eines einheitlichen Persönlichkeitsrechts neben ideellen Interessen Berücksichtigung finden272. Neben diese gängigste Begründung tritt in der Rechtsprechung häufig die Erwägung, Vererblichkeit und vermögensrechtliche Ansprüche seien anzuerkennen, weil sonst kein effektiver Schutz vor unerlaubten gewerblichen Nutzungen gegeben sei273. Dem stimmt die Literatur unter gleichzeitiger Kritik an einer Geldentschädigung mit präventiven Aspekten zu. Denn „ehrlicher“ seien vermögensrechtliche Rechtsbehelfe wie die Eingriffskondiktion und eine Gewinnhaftung über §§ 687 Abs. 2 ff. BGB, die unmittelbar vermögenswerte Interessen abbildeten274. Vorgebracht wird ferner, die betroffenen Persönlichkeitsmerkmale (Bild, Name, Stimme, Image usw.) könnten wie das urheberrechtliche Werk oder die Marke genutzt werden und folglich als außerpersönliche Immaterialgüter auch Objekt subjektiver Rechte sein, während die Person selbst nicht Gegen271 206; Buchner, Informationelle Selbstbestimmung, 188; auf den Schutz von Art. 2 Abs. 1 GG (wirtschaftliche Selbstbestimmung) stellt ab Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 64, 70 f.; ähnlich Biene, Starkult, 169 (die Rechtsordnung müsse die Verhältnisse widerspiegeln, solange nicht gegen grundlegende, der Verfassung immanente Wertungen verstoßen werde); Magold, Personenmerchandising, 466 (Selbstbestimmung bedeute, dass dem Einzelnen das Rechtsgut der eigenen Persönlichkeit zur Verwendung nach Gutdünken überlassen sei). 271 Heitmann, Persönlichkeitssphäre, 65 ff.; zum Rechtsverkehrsrecht Forkel, GRUR 1988, 491, 492 f.; Ernst-Moll, GRUR 1996, 558, 562; Ohly, volenti non fit iniuria, 260; Koos, GRUR 2004, 808, 813; Gauß, Mensch als Marke, 103; Magold, Personenmerchandising, 465, 471 (Gegenauffassung zur Eingriffskondiktion sei „rechtspolitisch unhaltbar“), 506 (Übertragbarkeit) und öfter. 272 Krautwig, Verletzung des Persönlichkeitsrechts, 15 ff.; Kläver, Bereicherungsrechtliche Ansprüche, 67 ff.; Magold, Personenmerchandising, 544; widersprüchlich Forkel, GRUR 1988, 491, 497 f. (die Interessen sollen zwar kein Abgrenzungskriterium sein, die Interessenlage indes soll für die Objektivierung des Gutes und damit die Übertragbarkeit von Persönlichkeitsrechten maßgeblich sein); Gregoritza, Persönlichkeitsrechte Verstorbener, 57 f. 273 Zu diesem Schutzargument BGHZ 143, 214, 223 ff. (1999) – Marlene; BGHZ 165, 203, 209 (2005); BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 – Marlene. 274 Müller, GRUR 2003, 31 („der einzige Weg“); Frommeyer, JuS 2002, 13, 17; Bötticher, AcP 158 (1959/1960), 385, 403 f.; Schlechtriem, FS Hefermehl, 445, 456 f.; Knudsen, Werbung mit Prominenten 84; Klein, Sensationspresse, 188 f.; Erlanger, Gewinnabschöpfung, 75; Schertz, Merchandising, Rn. 386; Vinck, Anm. zu LM § 823 (Ah) BGB Nr. 131; am Rande Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 57; anders dann ders., NJW 2001, 585 (zentraler und tragender Grund); Magold, Personenmerchandising, 439; Bungart, Dingliche Lizenzen, 74, 103; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 219 ff.; Staudinger/Schmidt, Jura 2001, 241, 246; Gauß, Mensch als Marke, 39 (umfassender Schutz nur durch duales System); Beuthien, NJW 2003, 1220, 1221; im Hinblick auf die Frage der Vererblichkeit Schulze Wessel, Vermarktung Verstorbener, 114, 127 („Präventionswirkung finanzieller Ausgleichsansprüche“); Gregoritza, Persönlichkeitsrechte Verstorbener, 81 (nach Ablehnung postmortaler Entschädigungsansprüche); Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 140 (nach Ablehnung der Fortwirkungslehre); Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 61 f. (nach Ablehnung der Rechtsprechung zur Geldentschädigung als verfassungswidrig und dogmatisch unhaltbar); Beuter, Kommerzialisierung, 74, 85 (effizienter Schutz vor Zwangskommerzialisierung nur durch Anerkennung der Kommerzialisierung); in diese Richtung auch Biene, Starkult, 158.
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stand verkehrsfähiger Rechte sein könne275. Es sei überdies unbillig, den Vermögenswert dieser Immaterialgüter beliebigen Dritten und nicht den Erben, Angehörigen oder anderen Personen zuzuweisen, die dem Prominenten nahestehen, der den streitigen Wert schließlich durch eigene Leistung bzw. Arbeit geschaffen habe276. Eine solche Zuordnung biete einen Anreiz, in der Öffentlichkeit stark nachgefragtes Personenmerchandising zu betreiben und in Berühmtheit zu investieren277. Hierbei drohe keine unerwünschte Monopolisierung von Gütern, weil persönliche Merkmale ohnehin einmalig seien und nicht nachgeschaffen werden könnten278. Wenn aber Prominente auf dieser Grundlage ein hohes Einkommen erzielten, dann müssten die entsprechenden Vermögenswerte ihren Gläubigern konsequenterweise als Haftungsgrundlage in der Einzel- und Gesamtvollstreckung zur Verfügung stehen279. Schließlich verweisen Rechtspre-
275 Zu diesem Verobjektivierungsargument namentlich Freitag, Kommerzialisierung, 44, 75 ff., 160 (abzulösende „Persönlichkeitssplitter“ als Immaterialgüter, an denen in dynamischer Weise absolute Rechtspositionen anerkannt werden könnten, im Gegensatz zur unveräußerlichen Person als körperliche Erscheinung); Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 11 ff.; Beuthien/Hieke, AfP 2001, 353, 355; Beuthien, in: Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz, 9, 49 f., 77; ders., NJW 2003, 1220, 1221; Bötticher, AcP 158 (1959/1960), 385, 403 (Persönlichkeitsschutz und Güterschutz); Schlechtriem, FS Hefermehl, 445, 449; ders., DRiZ 1975, 65, 69; Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 42 (in dem Maße, in dem das Bildnis zum marktgängigen Gut geworden sei, habe sich auch das Recht am eigenen Bild vom Rechtsträger gelöst); Magold, Personenmerchandising, 470; Bungart, Dingliche Lizenzen, 128 f.; Heisig, Persönlichkeitsschutz, 183; Schierholz, Stimmenschutz, 86; Forkel, NJW 1983, 1764, 1765 f. (Vergegenständlichung bestimmter Aspekte der Persönlichkeit wie bzgl. des Bildnisses); ders., GRUR 1988, 491, 498; ders., NJW 1993, 3181, 3182; ders., FS Neumayer, 229, 242; Lausen, ZUM 1997, 86, 92; Ullmann, AfP 1999, 209, 210 („materialisierte Persönlichkeitsdetails“); Gauß, Mensch als Marke, 98; Fischer, Entwicklung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes, 217 (nach dem Tode verselbständige sich das dann abgeschlossene Image zum Gut); Schertz, Merchandising, Rn. 38 (reale Personen als Merchandising-Objekte wie fiktive Personen); Ehmann, FS 50 Jahre BGH, 613, 667 (Handelswaren). 276 BGHZ 143, 214, 224 (1999) – Marlene; BGHZ 165, 203, 209 (2005); Seifert, NJW 1999, 1889, 1891; Wolf, Kommerzialisierung, 21 f.; Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 178; Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 281; Neumann-Klang, Recht am eigenen Bild, Fn. 865; Rixecker, in: MünchKomm, Anh § 12 BGB Rn. 29; konsequent wachsen die vermögenswerten Bestandteile des aPR einer Person mit zunehmender Prominenz zu: Ullmann, WRP 2000, 1051, 1052 f. (mit Hinweis auf die Entstehung des Markenrechts kraft Benutzung). Zum Leistungskriterium Biene, Starkult, 21 ff. Ebenso die Argumentation für die Anerkennung des right of publicity in den USA; siehe Dogan/Lemley, Stanford Law Review 58 (2006), 1161, 1172 f. m.w.N. Kritisch dazu Gregoritza, Persönlichkeitsrechte Verstorbener, 98 ff. (mit Hinweis auf Fälle, in denen Prominenz und vermarktbarer Wert ganz ohne Leistung oder durch missbilligenswerte Leistung (Kriminalität) erlangt werde); für irrelevant gehalten wird das Leistungskriterium von Beuthien/ Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 35 f.; Forkel, FS Neumayer, 229, 241. 277 Biene, Starkult, 175 ff. Ablehnend insoweit Gregoritza, Persönlichkeitsrechte Verstorbener, 101 ff. (der maßgebliche Anreiz komme vom beruflichen Streben und habe auch ideelle Wurzeln). Anders der Akzent bei Wagner, GRUR 2000, 717, 718 (Persönlichkeitsattribute seien knappe Güter, deren optimale Allokation nur gewährleistet sei, wenn sie nicht von jedem x-beliebigen Interessenten willkürlich angeeignet werden könnten, sondern ihr Inhaber sie an denjenigen Nutzer veräußern könne, der den höchsten Preis biete). 278 Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 206 ff. 279 Freudenberg, Zwangsvollstreckung in Persönlichkeitsrechte, 147.
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
chung und Literatur auf andere Fälle, in denen sich Persönlichkeitsrechte in Vermögens- bzw. Immaterialgüterrechte gewandelt hätten, unter ihnen das Firmenund Markenrecht, das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte, ja sogar das Sacheigentum280. Die deutsche Rechtsentwicklung ebenfalls beflügelt hat der Rechtsvergleich mit dem in einigen Staaten der USA anerkannten, verkehrsfähigen right of publicity, das ebenfalls streng vom negativ-abwehrenden right of privacy unterschieden wird281. Soweit die einschlägige Literatur über diese Wertungsgesichtspunkte und ein entsprechendes Naturrecht282 hinaus nach einer Grundlage in der geltenden Rechtsordnung und damit nach der Kompetenzabgrenzung zwischen Judikative und Legislative fragt, wird auf das Verfassungs- und nicht das Privatrecht Bezug genommen. Wenn nämlich ein kommerzielles Interesse an Persönlichkeitsgütern bestehe, gebiete zwar nicht der Schutzauftrag der Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, wohl aber jener des ebenfalls der individuellen Entfaltung dienenden Art. 14 Abs. 1 GG, den Einzelnen vor der kommerziellen Indienstnahme seiner durch
280 BGHZ 143, 214, 222 (1999) – Marlene (Firmen- und Warenzeichenrecht); OLG Hamburg NJW-RR 1994, 990, 991. Siehe ferner Buchner, Informationelle Selbstbestimmung, 283 (Recht auf informationelle Selbstbestimmung ähnlich dem Urheberrecht); Schlechtriem, FS Hefermehl, 445, 454 (Urheberrecht, eigentumsähnliche Positionen); Krüger, GRUR 1980, 628, 631 ff. (Eigentum, Urheberrecht); Forkel, FS Neumayer, 229, 241 (Schutz persönlicher Leistungen wie im Urheberrecht); ders., NJW 1993, 3181, 3182 (Urheberrecht, Markenrecht); Lausen, ZUM 1997, 86, 92 (Urheberrecht); Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 4, 108 ff., 279 f. (Urheberrecht, Marke, Firma); Magold, Personenmerchandising, 524 ff. (Firma, Markenrecht, Urheberrecht); Ohly, volenti non fit iniuria, 266 f. (Urheberrecht); Sosnitza, JZ 2004, 992, 995 ff. (Firma, Marke, für die Zwangsvollstreckung auch noch Patent-, Gebrauchs-, Urheber- und Geschmacksmusterrecht); Dreier, in: Hohloch, Audiovisuelle Kommunikation, 9, 23 (Urheberrecht); Wolf, Kommerzialisierung, 62, 127 f. (Firma, Marke, Leistungsschutzrechte); v. Holleben, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 89; Schierholz, Stimmenschutz, 75 f.; Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 76 (Urheberrecht); Knudsen, Werbung mit Prominenten, 155 (Urheber- und Markenrecht); Gottwald, Allgemeines Persönlichkeitsrecht, 154 (bereits die Anerkennung des aPR in den 1950er Jahren sei von dem Bemühen geleitet gewesen, ein „Eigentum an der eigenen Persönlichkeit“ zu etablieren, das einen Tauschhandel ermögliche und kommerzielle Interessen berücksichtige); Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 173 (Vererblichkeitslösung nach urheberrechtlichem Modell); Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 156 (Leistungsschutzrechte der ausübenden Künstler); Ullmann, AfP 1999, 209, 210 f.; ders., in: Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz, 17, 20 f. (Marke); ders., WRP 2000, 1049, 1051 (Urheberrecht); Gauß, Mensch als Marke, 105 (Firmen- und Markenrecht). 281 Erstmals wohl Schlechtriem, FS Hefermehl, 445, 450 ff.; Krüger, GRUR 1980, 628, 631; umfassend Götting, passim; Beuter, Kommerzialisierung, 67 ff.; Jacobs, WRP 2000, 896. 282 Für Zuordnung „kraft Natur der Sache“ bzw. auf naturrechtlicher Grundlage Fischer, Entwicklung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes, 240; Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 30 f. (Natur der Sache); Beuthien/Hieke, AfP 2001, 353, 360 (jeweils ohne weitere Begründung); Beuter, Kommerzialisierung, 76 (Das right of publicity im US-amerikanischen Recht beruhe auf naturrechtlichen Prinzipien, wonach jeder Mensch ein „natürliches Eigentumsrecht“ an seinen Identitätsmerkmalen habe. Diese Argumentation sei auf die Frage der Notwendigkeit einer kommerziellen Präformierung in Deutschland übertragbar.). Für die Lebensgüter des ausübenden Künstlers (Bild, Name, Image) Freitag, Kommerzialisierung, 52 ff., 59 (naturrechtlich gebotene Zuordnung der Früchte der erbrachten Leistung).
§ 4 Beispiele und relevante Rechtsgrundlagen
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Leistung ausgebildeten Persönlichkeit zu bewahren283, und durch die Anerkennung der privatnützigen Verfügung (Übertragbarkeit) eine Vermarktung zu ermöglichen284. Zur Erfüllung dieses Schutzgebots sei die Rechtsprechung befugt, weil eine alleinige Zuständigkeit des Gesetzgebers „die zulässige Beteiligung von Rechtsprechung und Wissenschaft an der Ausbildung und Konkretisierung von geschützten Rechtspositionen zu eng fassen“ würde285. Das Bundesverfassungsgericht hat sich dieser verfassungsrechtlichen Ableitung von „vermögenswerten Ausschließlichkeitsrechten“ an persönlichen Merkmalen jedoch nicht angeschlossen. Im Gegenteil, durch die Anerkennung der Kommerzialisierung habe die Rechtsprechung den Schutz des Persönlichkeitsrechts weiter ausgebaut als verfassungsrechtlich geboten286. Damit wird die Marlene-Rechtsprechung auf eine genuin privatrechtliche Argumentation und 283 Heitmann, Persönlichkeitssphäre, 74 ff., 99 ff. (ungeschriebenes Persönlichkeitsnutzungsrecht analog zum Sacheigentum); Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 9, 139 f.; Ernst-Moll, GRUR 1996, 558, 562; Magold, Personenmerchandising, 468; Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 200 ff.; Wolf, Kommerzialisierung, 65 ff.; Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 174 ff.; Rixecker, in: MünchKomm, Anh § 12 BGB Rn. 3 a.E.; die Befugnis zur Rechtsfortbildung des Rechts am eigenen Bilde im Sinne einer Zuweisung von positiven Befugnissen anerkennt bei schutzwürdigen Belangen auch Buchner, Unternehmensschutz, 265; ohne Bezug auf Art. 14 GG auch Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 64, 69. 284 Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 284 (mit Verweis auf die wirtschaftliche Selbstbestimmung gem. Art. 2 Abs. 1 GG). 285 Schlechtriem, FS Hefermehl, 445, 453; Forkel, GRUR 1988, 491, 495 (wenn der Gesetzgeber die vom Marktgeschehen gestellten Fragen nicht beantworte, dürfe man sich vor Rechtsfortbildung nicht scheuen); ders., FS Neumayer, 229, 242; Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 140 (denn Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG sei kein zwingender Parlamentsvorbehalt; Gesetz sei jede Rechtsnorm); Siemes, AcP 201 (2001), 202, 221; Lichtenstein, Persönlichkeitsrecht vor und nach dem Tode, 92, 96 ff. (das Persönlichkeitsrecht sei ein „natürlich vorgegebene[s] Gut“); Magold, Personenmerchandising, 468; Kläver, Bereicherungsrechtliche Ansprüche, 62 (die Vermögensverteilung könne durch richterliche Rechtsfortbildung erfolgen); dies., ZUM 2002, 205, 207; Wolf, Kommerzialisierung, 69; v. Holleben, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 93 f. (Inhalt und Grenzen des Eigentums gem. Art. 14 GG könnten mit den ausfüllungsfähigen Generalklauseln des BGB, insbes. § 812 BGB, durch Rechtsfortbildung entwickelt werden); Ahrens, Verwertung, 94 f. (das Eigentum gänzlich zur Disposition des „einfachen“ Gesetzgebers zu stellen, widerspreche der Institutsgarantie); Biene, Starkult, 21 (der Eigentumsbegriff des Art. 14 GG sei wandelbar und erfasse auch die von der Rechtsprechung anerkannten, vermarktbaren Aspekte der Persönlichkeit). 286 BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 – Marlene (ohne Bezugnahme auf Art. 14 GG); Forkel, GRUR 1988, 491, 492; Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 98; Ahrens, Verwertung, 95, 291 (man könne optimistisch sein, dass diese rein zivilrechtliche Rückbesinnung nicht zu ihrerseits verfassungswidrigen Ergebnissen führe); Seitz, NJW 2000, 2167, 2168 (das zivilrechtliche Persönlichkeitsrecht habe sich deutlich verselbständigt); Forkel, LM § 823 (Ah) BGB Nr. 132 (das Verhältnis von ökonomischen Anliegen und Persönlichkeitsschutz sei komplex und keinesfalls mit einer strikten Entgegensetzung von zivilrechtlichem und verfassungsrechtlichem Persönlichkeitsschutz zu erfassen); v. Strobl-Albeg, in: Wenzel, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 7 Rn. 4, Kap. 9 Rn. 10 (Bereicherungsanspruch, unter Verweis auf das Verhältnis zwischen bürgerlichrechtlichem Eigentum und Art. 14 GG); Bungart, Dingliche Lizenzen, 102; Kläver, ZUM 2002, 205, 206; in diese Richtung auch Ullmann, AfP 1999, 209, 211 (das Recht am eigenen Bild sei nicht nur Ausprägung des Selbstbestimmungsrechts, sondern auch ein vermögenswertes Recht). Gerade umgekehrt mit Blick auf den Aktivitätsschutz des verfassungsrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts Ehmann, FS 50 Jahre BGH, 613, 673.
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Grundlage zurückverwiesen. Das Bundesverfassungsgericht spricht insoweit – freilich ohne nähere Erläuterung – von „bürgerlichrechtliche[n] Grundsätze[n]“, die auf ein dort verankertes Rechtsprinzip der Güterzuordnung hindeuten287.
VIII. Virtuelle Güter aus Online-Welten Der letzte zu berichtende Beispielsfall „neuer“ Güter betrifft eine verhältnismäßig junge und in der rechtswissenschaftlichen Literatur bislang wenig beachtete Entwicklung, die hier nur als möglicher künftiger Güterzuordnungskonflikt vorgestellt werden soll. Gemeint sind Figuren und Objekte aus Online-Computerspielen und Online-Welten wie Second Life288, die Millionen Menschen in ihren Bann ziehen. Diese Darstellungen von Lebewesen und Gegenständen werden als „virtuelle“ Güter bezeichnet, weil es sich um digitale Datensätze handelt, die nur im Rahmen der Spiele, nicht aber in der „wirklichen“ Welt verwendet werden können. Dennoch hat sich binnen kurzer Zeit ein beachtlicher internationaler Markt gebildet, auf dem diese virtuellen Objekte gehandelt werden. Die Anbieter haben sich die Figuren, Gegenstände usw. erspielt bzw. geschaffen. Die Nachfrager wollen sich diese Mühen ersparen und sind bereit, hierfür mit harter Währung zu bezahlen289. Auch in dieser Fallgruppe treten die beiden typischen Rechtsfragen zu „neuen“ Gütern auf. Zu klären ist, wem die entsprechenden Vermögenswerte zustehen und nach welchen Regeln der betreffende Rechtsverkehr abläuft. Der erstgenannte, eigentliche Zuordnungskonflikt betrifft wegen der Zuteilung der Spielfiguren zu einem Spieler über einen passwortgeschützten Account weniger das Verhältnis der Spielteilnehmer untereinander als vielmehr das Rechtsverhältnis zwischen dem Betreiber und demjenigen, der sich Figuren und Objekte erspielt oder von Dritten verschafft hat. „Spielfremde“ Eingriffe des Betreibers in 287
Siehe BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 – Marlene (Grundgedanke des bürgerlichen Rechts, die Wahrnehmung von Vermögensinteressen den Erben zuzugestehen); Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 29 f. (Grundsatz der Einheit von Ausschließungs- und Verwertungsbefugnis im bürgerlichen Vermögensrecht), 31 f. (die Zuweisung diene der Friedensfunktion des Rechts und damit der Rechtsidee selbst; die Anerkennung von Persönlichkeitsgüterrechten entspreche der Ordnungsfunktion des Privatrechts, das möglichst wenig herrenlose Gegenstände kenne und möglichst sämtliche Gegenstände bestimmten Personen zuordne). 288 Siehe zum Beispiel http://secondlife.com/world/de/commerce/ („Verdienen Sie reales Geld in einer virtuellen Welt. Second Life ist nicht wie andere virtuelle Umgebungen, in denen nur durch das Sammeln von Währungen auf dem grauen Markt oder das Aufstöbern seltener künstlicher Gegenstände reales Geld verdient werden kann. Second Life ist eine vollständig integrierte Wirtschaftswelt, in der Risikobereitschaft, Innovation und handwerkliches Können belohnt werden. Die Bewohner kreieren ihre eigenen virtuellen Güter und Dienstleistungen, die sie in verschiedenen Second Life-Geschäften verkaufen. Durch Einfallsreichtum, Kunstfertigkeit, Geschäftssinn und den guten Ruf der Betreiber sind die Geschäfte so erfolgreich.“). 289 Zu den technischen und wirtschaftlichen Hintergründen dieses Gutes Lober/Weber, MMR 2005, 653 ff.; dies., CR 2006, 837; Trump/Wedemeyer, K&R 2006, 397 f. (allein der mit Spielfiguren erzielte Umsatz bei eBay.com belaufe sich auf mindestens 100 Mill. US-$); aus US-amerikanischer Sicht Jankowich, Boston U.J. Sci. & Tech. L. 11 (2005), 173 ff.
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den individuellen Bestand an virtuellen Gütern werden nach einer ersten Stellungnahme in der Literatur nicht nur über vertragsrechtliche Ansprüche sanktioniert, sondern sollen trotz Ablehnung eines absoluten Rechts an den virtuellen Gütern Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB wie bei einem Eingriff in das Recht am Gewerbebetrieb auslösen290. Die dem Rechtsverkehr gewidmeten Stellungnahmen offenbaren ebenfalls, dass die rechtliche Bewältigung „neuer“ Güter Schwierigkeiten bereitet. So wird einerseits der Handel mit virtuellen Gegenständen als Übertragung urheberrechtlicher Nutzungsrechte an den virtuellen Gegenständen eingeordnet291. Andererseits findet sich der schon für sich gesehen wenig konsistente Vorschlag einer analogen Anwendung des § 929 S. 1 BGB, obwohl die virtuellen Objekte gerade nicht als Sachen, sondern als Immaterialgüter angesehen werden, an denen eine vertragliche Befugnis „gemischten Charakters“ zwischen relativem und absolutem Recht bestehe292.
C. Fazit Die nähere Darstellung der bereits in der Einleitung angesprochenen Beispiele „neuer“ Güter hatte den Zweck, die für eine richterliche Zuordnung in Frage kommenden Rechtsgrundlagen aus der einschlägigen Rechtspraxis herauszufiltern und die maßgeblichen sachlichen Wertungen für ein etwaiges Rechtsprinzip der Güterzuordnung zu konkretisieren. Damit wurde der Boden für die folgende Suche nach einer Legitimation für richterliche Zuordnungsentscheidungen bereitet. Die referierten Urteile und literarischen Stellungnahmen stützen sich auf eine ganze Reihe offenbar güterzuordnungsrelevanter Rechtsgrundlagen. Entsprechend umfangreich ist das Prüfungsprogramm. In Bezug auf Bilder von Sachen und die Übertragung von Sportveranstaltungen wurde primär das Sacheigentum als normiertes Ausschließlichkeitsrecht herangezogen, auch wenn die betroffenen Güter bzw. Nutzungen allenfalls am Rande des von § 903 BGB ausgesprochenen Schutzbereichs liegen. Folglich sind zunächst die normierten Ausschließlichkeitsrechte, also das Sacheigentum und die Immaterialgüterrechte, darauf zu überprüfen, ob sie eine allgemeine Grund290 Siehe Lober/Weber, CR 2006, 837 ff., 842 f. in ihrem Beitrag mit dem symptomatischen Titel „Den Schöpfer verklagen – Haften Betreiber virtueller Welten ihren Nutzern für virtuelle Güter?“ (Verwendung verbotener Methoden zur Herstellung von virtuellen Gegenständen, etwa durch die Programmierung von Makros); für einen „immaterialgüterrechtsähnliche[n] Schutz“ virtueller Güter ohne nähere Erläuterung auch Rippert/Weimer, ZUM 2007, 272, 275. 291 So Trump/Wedemeyer, K&R 2006, 397, 401 ff. (mit Verweis auf die §§ 413, 398 ff. BGB, 34 UrhG). 292 So Lober/Weber, MMR 2005, 653, 655 (Befugnis, „einen abgrenzbaren Teil eines Computerprogramms nach Maßgabe der Spielregeln der Onlinewelt ausschließlich nutzen zu dürfen“); zustimmend Geis/Geis, CR 2007, 721. Generell für ein „property right“ der Spieler an den Figuren anstelle einer Kontrolle durch den Spieleanbieter aus US-amerikanischer Sicht Jankowich, Boston U.J. Sci. & Tech. L. 11 (2005), 173, 180 ff., 219 ff.
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
lage der Güterzuordnung abgeben. Dazu ist nicht zu untersuchen, welche Güter und Nutzungen diese Rechte im Einzelnen zuordnen. Vielmehr genügt es zu fragen, ob sie überhaupt einen begrenzten Schutzbereich aufweisen oder im Sinne von Generalklauseln auf nicht spezifizierte Güter anwendbar sind (dazu § 5). Die Mehrzahl der Sachverhaltskonstellationen wurde jedoch nicht unter Rückgriff auf die normierten Ausschließlichkeitsrechte beurteilt, sondern auf der Basis von Generalklauseln des BGB, des UWG, der ZPO und der Insolvenzordnung. Ansprüche gegen die nicht gestattete Nutzung „neuer“ Güter wurden häufig auf deliktsrechtlicher Grundlage gewährt. Aus dem BGB sind insoweit Schadensersatzansprüche wegen widerrechtlicher Verletzung eines „sonstigen Rechts“ gem. § 823 Abs. 1 BGB (dazu § 6 B) sowie wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gem. § 826 BGB (dazu § 6 C) zu nennen. Hinzu tritt der „quasinegatorische“ Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch entsprechend § 1004 BGB (dazu § 6 D). In vielen Fällen wurden diese Rechtsfolgen dem UWG entnommen. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist seit 2004 freilich nicht mehr das Verbot sittenwidriger Wettbewerbshandlungen gem. § 1 UWG 1909, sondern die §§ 3 f., 8 ff. UWG (dazu § 7). Ebenfalls als Reaktion auf eine unerlaubte Nutzung des betreffenden Guts bejahen Rechtsprechung und Literatur Ansprüche aus Eingriffskondiktion gem. § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB (dazu § 8) und Geschäftsanmaßung gem. §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 BGB (dazu § 9). Der güterzuordnende Gehalt dieser allgemeinen Vorschriften wird jeweils anhand der Frage bestimmt, ob sie Ansprüche bei unerlaubter Nutzung „neuer“ Güter aufgrund norminterner Wertungen generieren oder einen Verstoß gegen normextern angesiedelte Rechtspositionen voraussetzen. Während man im erstgenannten Fall tatsächlich von einer Legitimationsgrundlage sprechen kann, bleibt in der zweiten Variante offen, worauf sich die Anerkennung positiv-exklusiver Befugnisse an Gütern stützt. Selbst wenn die betreffende Regelung ihren Anwendungsbereich aus sich selbst heraus bestimmt, ist weiter zu prüfen, ob damit eine Güterzuordnung im Sinne eines exklusiven „Habens“ bezweckt ist. Sanktioniert bzw. verwirklicht eine relevante Vorschrift nur normexterne Rechtspositionen oder zielt eine entwicklungsoffene Bestimmung nicht auf Güterzuordnung ab, kann ihr für ein Rechtsprinzip der Güterzuordnung nichts entnommen werden. Im Zuge dieser Analyse wird sich des Weiteren klären, ob das deutsche Recht der in § 1 C lediglich gesetzten Unterscheidung zwischen dem Schutz individueller Interessen und Güter auf gesetzlicher Grundlage einerseits und primären Ausschließlichkeitsrechten andererseits folgt293. Ein in seiner Bedeutung für die Rechtspraxis und Dogmatik nicht zu unterschätzender, bisher allerdings kaum beachteter weiterer Aspekt betrifft die Verkehrsfähigkeit der Rechtspositionen, die auf der Basis vorgenannter Normen anerkannt wurden. Damit ist ausweislich der Beispielsfälle nicht nur die rechtsgeschäftliche Übertragbarkeit angesprochen, sondern auch die zwangsweise
293
Siehe oben § 1 C, sowie die zusammenfassende Begründung unten § 14 A.
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Verwertung in der Einzel- und Gesamtvollstreckung. Insoweit ist zunächst zu klären, ob wie für die Güterzuordnung im Verhältnis zu jedermann überhaupt eine Rechtsgrundlage erforderlich ist (dazu § 10 A). Anschließend werden die generalklauselartigen Vorschriften des Rechtsverkehrsrechts darauf überprüft, ob ihnen hinsichtlich der rechtsgeschäftlichen und zwangsweisen Verwertbarkeit konstitutive Wirkung zukommt oder ob sie insoweit auf anderweitig (wiederum normextern) auffindbare Rechtspositionen verweisen. Die Rechtsnormen und Grundsätze zur translativen Übertragbarkeit, insbesondere § 413 BGB („andere Rechte“), werden in § 10 B in Blick genommen; die §§ 1068 ff., 1273 ff. BGB zum Nießbrauch bzw. Pfandrecht an „Rechten“ kommen als allgemeine Instrumente beschränkter Übertragungen hinzu (dazu § 10 C). Das rechtsgeschäftliche Pfandrecht bildet zugleich das Scharnier zur Pfändung in der Zwangsvollstreckung, für die in den Beispielen auf § 857 ZPO als Generalklausel für „andere Vermögensrechte“ abgestellt wurde (dazu § 10 D). Der in Bezug auf Geheimnisse und Persönlichkeitsmerkmale ebenfalls entschiedene bzw. diskutierte Insolvenzbeschlag wird anhand der Grundnormen zur Bestimmung der Insolvenzmasse gem. §§ 35 f. InsO zu erörtern sein (dazu § 10 E). Den Abschluss bildet die Vererblichkeit, die sich gem. § 1922 BGB auf das „Vermögen als Ganzes“ erstreckt (dazu § 10 F). Die Prüfung dieses güterzuordnungsrelevanten Privat- und Verfahrensrechts wird ergänzt um eine Analyse der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie, die bereits als einschlägig erkannt294 und in der Literatur verschiedentlich als Grundlage einer Zuordnungsentscheidung angeführt wurde. Um die Tragfähigkeit dieser Erwägung zu klären, ist der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG zu bestimmen und weiter zu fragen, inwieweit aus diesem Grundrecht eine staatliche Pflicht folgt, Güter individuell zuzuordnen. Hierbei ist der Kompetenzproblematik besondere Aufmerksamkeit zu widmen und zu erörtern, ob sich ein etwaiges Zuordnungsgebot an die Judikative oder die Legislative richtet (dazu § 11). Erst wenn die güterzuordnende Kraft dieser Vorschriften des Privat-, Verfahrens- und Verfassungsrechts geklärt sein wird, kann der Hauptteil der Untersuchung mit der Analyse eines ungeschriebenen Rechtsprinzips der Güterzuordnung im deutschen Recht abgeschlossen werden (dazu § 12). An dieser Stelle wird auf die hier zusammengetragenen, sachlichen Argumente für richterliche Zuordnungen zurückzukommen sein. Denn welche Wertungen wenn nicht jene könnten das Fundament eines etwaigen allgemeinen Rechtsprinzips bilden? Die vorstehende Darstellung hat als insoweit durchgängig formulierten Kerngedanken ergeben, dass Güter, die menschliche Bedürfnisse befriedigen und damit potentiell vermögenswert sind, demjenigen zukommen sollen, der sie aufgrund eigener Leistung bzw. Arbeit und damit als Ausfluss seiner Persönlichkeit erschaffen hat.
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Oben § 2 B II.
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
Die Rekapitulation einschlägiger Beispiele bestätigt die Notwendigkeit, für das offenbar allgemeine Problem nicht spezialgesetzlich geregelter Güter ebensolche allgemeine Rechtsgrundsätze herauszuarbeiten. Das betrifft zunächst die Entscheidung, ob derartige „neue“ Güter einer bestimmten Person unter Ausschluss aller anderen durch positiv-exklusive Befugnisse vorzubehalten sind. In manchen Fällen wurde das bejaht, und zwar nicht nur im Sinne eines Interessenund Güterschutzes auf der Basis gesetzlicher Schuldverhältnisse (z.B. bei elektrischer Energie), sondern auch in Gestalt von verkehrsfähigen Ausschließlichkeitsrechten (insbesondere für den ungeschriebenen Leistungsschutz ausübender Künstler, Geheimnisse und vermögenswerte Bestandteile des Persönlichkeitsrechts). In anderen Fällen hat die Rechtsprechung ungeschriebene, gegen jedermann wirkende Rechtspositionen ausdrücklich abgelehnt und die Schutzsuchenden auf die normierten Ausschließlichkeitsrechte und vertragsrechtliche Vereinbarungen verwiesen (so für die Übertragung von Sportveranstaltungen und die Internet-Domain). Das Fehlen allgemeiner Grundsätze führt nicht nur in dieser Hinsicht zu Rechtsunsicherheit und ersichtlich inkonsistenten Entscheidungen. Das jüngste Beispiel „neuer“ Güter – virtuelle Gegenstände aus Online-Welten – offenbart ähnliche Schwierigkeiten bei der rechtlichen Bewältigung eines neuen Marktes, also im Hinblick auf das Rechtsverkehrsrecht. Es erscheint daher erforderlich, ein allgemeines Güterzuordnungsrecht zu erarbeiten, das auch für künftige Konstellationen dieser Art tragfähige Rechtsgrundsätze formuliert. Für diese dem dritten Teil (§ 14) vorbehaltene Aufgabe bildet die nunmehr folgende, detaillierte Prüfung des güterzuordnungsrelevanten objektiven Rechts das Fundament.
§ 5 Normierte Ausschließlichkeitsrechte
A. Fragestellung Die soeben referierte Beurteilung verschiedener „neuer“ Güter in Rechtsprechung und Literatur hat gezeigt, dass eine Zuordnungsentscheidung auf zwei Wegen erreicht werden kann. Entweder es kommen allgemeine Vorschriften und Grundsätze zum Einsatz, auf deren Grundlage sich nach und nach – wie in einem Baukastensystem – eine Rechtsposition herauskristallisiert, die sich in ihren Wirkungen nicht mehr von normierten Ausschließlichkeitsrechten unterscheidet. Oder die Gerichte greifen direkt auf diese geschriebenen Ausschließlichkeitsrechte zurück und lösen damit den neuen Zuordnungskonflikt1. Letztgenannter Variante ist in diesem Paragraphen nachzugehen. In der Einleitung wurde insoweit noch unterstellt, dass das deutsche Recht keine Vorschrift kennt, die ohne Bezug auf bestimmte Güter generalklauselartig ausschließliche Rechte vorsieht. Nun haben Rechtsprechung und Literatur aber Rechte an Bildern von Sachen, an der Übertragung von Sportveranstaltungen und vereinzelt auch an elektrischer Energie und sogar Computerprogrammen aus dem Sacheigentum hergeleitet2. Wie noch zu zeigen sein wird, werden auch Immaterialgüterrechte, insbesondere das Urheberrecht, teilweise im Sinne allgemeiner Auffangregelungen für praktisch jedes Bedürfnis nach individuell-exklusivem Schutz verstanden3. Es ist an dieser Stelle allerdings weder möglich noch erforderlich, den Anwendungsbereich des Sacheigentums und der Immaterialgüterrechte im Einzelnen abzustecken. Für die hier gestellte generelle Frage nach einer Rechtsgrundlage für richterliche Güterzuordnungen genügt nämlich der Nachweis, dass die normierten Ausschließlichkeitsrechte überhaupt einen auf bestimmte Güter und hierauf bezogene Nutzungen begrenzten Schutzbereich aufweisen. Denn schon dann fallen sie als legitimierende Generalklauseln aus; zeitlich nach ihrer Kodifi1 Siehe zu diesem Ansatz Kube, JZ 2001, 944, 947 (Befugnis in Ableitung von einer bereits bestehenden eigentumsrechtlichen Gegenstandszuordnung); Schick, Schutz nicht geschützter Arbeitsergebnisse, 131 ff. (im Sinne eines allgemeinen Zuordnungsprinzips); Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 29 f. (es existiere ein Grundsatz der Einheit von Ausschließungs- und Verwertungsbefugnis im bürgerlichen Vermögensrecht; das zeige sich in § 903 BGB und den immaterialgüterrechtlichen Vorschriften). 2 Oben § 4 B I 2, II 2, III 2, VI 2. 3 Siehe unten B II 1 zur Anwendung des Urheberrechts auf Parfüm und Sport.
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
zierung bekannt werdende bzw. kommerzialisierte Güter können dann nicht ohne zusätzliche Begründung subsumiert werden. Zum Zwecke dieser Prüfung werden „vertikale“ und „horizontale“ Grenzen der normierten Ausschließlichkeitsrechte unterschieden. Mit den vertikalen Grenzen wird das zugeordnete Gut aus der Gesamtmenge der Güter herausgehoben; die horizontalen Grenzen markieren, welche Nutzungen jenes Gutes zugewiesen werden und welche dem Zugriff Dritter offenstehen. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt dabei auf dem Sacheigentum, das wie gezeigt für die Lösung neuartiger Zuordnungskonflikte herangezogen wurde. Außerdem handelt es sich um das älteste Ausschließlichkeitsrecht, das im Hinblick auf formale Strukturen für neuere Güterzuordnungen Modell gestanden hat4, und das mit der „Einwirkung“ auf Sachen gem. § 903 BGB über einen relativ offenen und damit potentiell entwicklungsfähigen Tatbestand verfügt (dazu B I). Anschließend sind die vertikalen und horizontalen Grenzen des Schutzbereichs der Immaterialgüterrechte im Überblick darzustellen (dazu B II). Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse kann gezeigt werden, warum sich eine Zuordnung „neuer“ Güter weder auf eine direkte noch eine analoge Anwendung der normierten Ausschließlichkeitsrechte stützen kann (dazu C).
B. Vertikale und horizontale Grenzen des Schutzbereichs normierter Ausschließlichkeitsrechte I. Das Sacheigentum Wendet man sich unter diesen Vorzeichen dem Sacheigentum als dem Paradigma der normierten Ausschließlichkeitsrechte zu, so kann als anerkannt gelten, dass § 903 BGB die Befugnisse des Eigentümers und damit nach hiesiger Terminologie das primäre Ausschließlichkeitsrecht regelt, nicht aber eine Anspruchsgrundlage darstellt5. Auf die sekundären Rechte zur Sanktionierung und Verwirklichung des Sacheigentums und die für sie geltenden eigenständigen Tatbestandsvoraussetzungen ist nicht hier, sondern – soweit sie generalklauselartigen Charakter haben – in den §§ 6 bis 9 einzugehen. Im Folgenden soll vielmehr nachgewiesen werden, dass der Schutzbereich des Sacheigentums6 vertikale und 4
Sohm, IherJb 53 (1908), 373, 382; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 236; Pawlowski, AcP 165 (1965), 395, 407 f.; Brüggemeier, Deliktsrecht, 82 (Sacheigentum als Prototyp für andere absolute subjektiven Rechte); Brehm/Berger, Sachenrecht, Rn. 1.14 (dogmatische Stellvertreterfunktion des Sachenrechts). Zu § 823 Abs. 1 BGB in diesem Sinne Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 61. 5 Seiler, in: Staudinger, § 903 BGB Rn. 6, 12; Boecken, Deliktsrechtlicher Eigentumsschutz, 205. 6 Von einem „Schutzbereich“ des Eigentums sprechen auch Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 362; ferner Walz, KritV 1986, 131, 151 („Schutzumfang“ als die äußere Umgrenzung des Handlungsbereichs, den das absolute Recht umfasst, im Unterschied zum „Schutzinhalt“ als dem Ausmaß des Rechtsschutzes).
§ 5 Normierte Ausschließlichkeitsrechte
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horizontale Grenzen hat. Die vertikalen Grenzen werden einerseits über den Begriff der „Sache“ als dem zugeordneten Gut, anderseits über die „Einwirkung“ als die Art der zugeordneten Nutzung gezogen (dazu 1). Dass ferner nicht jede Einwirkung auf eine Sache den Schutzbereich verletzt, ist anhand der „horizontalen“ Grenzen des Sacheigentums zu zeigen (dazu 2). 1. Die rivalisierende Nutzung von Sachen als vertikale Grenze a) Die Sache als zugeordnetes Gut Gem. § 903 S. 1 BGB kann „der Eigentümer einer Sache … mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen.“ § 90 BGB wiederum definiert den Begriff der Sache im BGB dahin, dass Sachen „nur körperliche Gegenstände“ sind. Dass und wo hiermit eine vertikale Grenze des Schutzbereichs gesetzt ist, sei anhand zweier in § 4 erwähnter Beispiele verdeutlicht, nämlich digitalen Datensätzen einschließlich Computerprogrammen sowie elektrischer Energie. Während diese Güter in der Literatur vereinzelt als eigentumsfähige Sachen angesehen wurden, so dass sich die Zuordnungsfrage über § 903 BGB erledigte7, lehnen Rechtsprechung und ganz herrschende Meinung diese Einordnung sowohl für Daten/Computerprogramme8 als auch für Elektrizität9 ab, weil es sich jeweils nicht um Sachen handele. Unter einer Sache sei nämlich ein gemäß natürlicher Anschauung für sich allein bestehender10, räumlich begrenzter, im Ver-
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Siehe oben § 4 B III 2 (Computerprogramme), VI 2 (elektrische Energie). Generell gegen die Einordnung als Sachen OLG Düsseldorf ZGS 2004, 437, 438; AG Brandenburg ITRB 2002, 199 f.; Hilty, MMR 2003, 3, 4; Fritzsche, in: Bamberger/Roth, § 90 BGB Rn. 25 f.; Wagner, in: MünchKomm., § 823 BGB Rn. 96; Deutsch, MDR 1988, 441, 443; Redeker, NJW 1992, 1739 f.; Junker, JZ 1989, 316, 321; ders., JZ 1993, 447, 448 f.; ders., NJW 1993, 824; Müller-Hengstenberg, NJW 1994, 3128, 3131; Tellis, BB 1990, 500, 501; Bormann/Bormann, DB 1991, 2641 ff.; Kort, DB 1994, 1505, 1506 f. (der allerdings für eine entsprechende Anwendung von Normen plädiert, die auf die Überlassung von Sachen gerichtet sind); Moritz, CR 1994, 257 ff. Jedenfalls gegen die Anwendung des Sachenrechts OLG Nürnberg CR 1993, 359, 360; wohl auch BGH CR 1994, 275, 277 („Sicherungsübereignung“ von Computerprogrammen könne nur als Übertragung urheberrechtlicher Nutzungsrechte ausgelegt werden); OLG Düsseldorf NJWRR 1999, 851, 852 (kein Eigentumsvorbehalt an Computerprogrammen); LG Konstanz NJW 1996, 2662 (kein Schutz vor Datenverlust nach § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Eigentumsverletzung). 9 Aus der Rechtsprechung des Reichsgerichts für das Steuerrecht RGZ 56, 403, 409 (1904); RGZ 58, 403, 409 (1904); RGZ 86, 12, 13 (1914) (aus der Berechnung des Preises nach Kilowattstunden sei kein Schluss für die Natur der elektrischen Energie zu ziehen); RG JW 1930, 1924; für das Haftpflichtrecht RGZ 67, 229, 232 (1907) („kein Körper“); Kohler, KritV 36 (1894), 510, 519 f.; Binder, ArchBürgR 34 (1920), 209, 256. Ferner Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 764 m.w.N. aus der älteren Literatur; Marly, in: Soergel, § 90 BGB Rn. 2; ders., Softwareüberlassungsverträge, Rn. 109 m.w.N.; Kregel, in: RGRK, § 90 BGB Rn. 13; Dilcher, in: Staudinger, § 90 BGB Rn. 11; Heinrichs, in: Palandt, § 90 BGB Rn. 1; Fritzsche, in: Bamberger/Roth, § 90 BGB Rn. 24. Das ist auch die Auffassung derjenigen, die gleichwohl ungeschriebene Rechte an Elektrizität annehmen; siehe Martinek, JuS 1985, 596, 598; Kloeß, AcP 103 (1908), 34, 62. 10 Sachgesamtheiten sind keine Sache gem. § 90 BGB: BGHZ 76, 216, 220 (1980) m.w.N. 8
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kehrsleben besonders bezeichneter und bewerteter Ausschnitt der beherrschten Natur (Materie) zu verstehen11. Dieser Auffassung ist aus folgenden Gründen zuzustimmen. Zwar beschreiben auch Daten/Computerprogramme und Elektrizität Zustände bzw. Vorgänge von Materie, die zudem vom Menschen gesteuert wird12. Für den Sachbegriff der §§ 90, 903 S. 1 BGB ist aber nicht auf diese physikalische Körperlichkeit abzustellen, sondern auf die alltagsweltlich anerkannte Möglichkeit, den betreffenden Gegenstand für sich betrachtet verwenden („anfassen“) zu können13. Materie hingegen, die keine gesonderte, von anderen Gegenständen losgelöste Körperlichkeit aufweist, ist als solche auch nicht beherrschbar14. Dass für den Sachbegriff des 11 RGZ 87, 43, 45 (1915); Johow, in: Schubert, Sachenrecht 1, 126, 629 f.; Dilcher, in: Staudinger, vor § 90 BGB Rn. 8, § 90 BGB Rn. 1; Marly, in: Soergel, § 90 BGB Rn. 1; ders., Softwareüberlassungsverträge, Rn. 96; Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 761; Deutsch, MDR 1988, 441, 443; Kregel, in: RGRK, § 90 BGB Rn. 11; Hübner, AT, Rn. 291; zur Grenze von Grundstücken als Pendant zur körperlichen Begrenztheit beweglicher Sachen Darmstaedter, AcP 151 (1950/1951), 311, 329 ff.; a.A. Weitz, Software als Sache, 59 (naturwissenschaftlicher Sachbegriff unter Einbeziehung von Software und Elektrizität). 12 Die notwendige Verkörperung von Computerprogrammen und Daten auf/in Speichermedien ist das Hauptargument der Verfechter der Sacheigenschaft von Software; siehe Baur/Stürner, Sachenrecht, 11 („Auch Computerprogramme sind mangels Körperlichkeit keine Sachen; sie werden es aber, soweit sie fassbare Gestalt durch Speicherung in einen Datenträger gewonnen haben.“); Marly, in: Soergel, § 90 BGB Rn. 3; ders., DB 1991, 432, 433; ders., Softwareüberlassungsverträge, Rn. 96 ff.; König, Computerprogramm, Rn. 273 ff. (die Steuerung durch das Programm werde „durch entsprechend zusammengeschaltete und ggfs. in entsprechenden mechanischen oder elektrischen Zuständen befindliche mechanische oder elektronische Bauteile bewirkt“; a.a.O., Rn. 306); ders., CR 1990, 106, 109 f.; ders., NJW 1989, 2604; ders., NJW 1993, 3121 ff.; Koch, NJW 2004, 801, 802 f.; Bydlinski, AcP 198 (1998), 287, 295 f.; Taeger, Außervertragliche Haftung, 123 ff., 155; ders., CR 1996, 257, 261 m.w.N.; Holch, in: MünchKomm, § 90 BGB Rn. 25; Bösert, Nießbrauch an Computerprogrammen, 143 ff. (für alle Programmspeicherungen außer für flüchtige Kopien im Arbeitsspeicher, weil diese vom Fortbestand der Stromspannung abhingen); Pötzsch, Hardware und Software, 57 f. Speichertechnisch unterscheiden sich Computerprogramme und bloße Daten wie z.B. eine Text-Datei nicht. Der Unterschied bezieht sich vielmehr auf die Funktion; siehe nur Marly, Softwareüberlassungsverträge, Rn. 1 ff.; König, Computerprogramm, Rn. 75 ff. 13 Eichler, Institutionen Sachenrecht I, 59; Kregel, in: RGRK, § 90 BGB Rn. 13; Marly, in: Soergel, § 90 BGB Rn. 1; Bydlinski, AcP 198 (1998), 287, 303 f.; Redeker, NJW 1992, 1739 (der damit an den römischrechtlichen Begriff der res corporales anknüpft; siehe Inst. 2.2.1: Corporales hae sunt, quae siu natura tangi possunt: veluti fundus homo vestis aurum argentum et denique aliae res innumerabiles.); Medicus, AT, Rn. 1174 (Sachen „grob gesagt“ alles, was man anfassen kann); a.A. König, Computerprogramm, Rn. 263 f., 283 (das BGB habe die römischrechtliche Beschränkung der Sachen auf „res, quae tangi possunt“, nicht übernommen). 14 Für elektrische Energie siehe Kloeß, AcP 103 (1908), 34, 61 ff.; so auch das maßgebliche Argument in Bezug auf den strafrechtlichen Sachbegriff bei RGSt 32, 165, 180 ff. (1899); zu eigentumsfähigen Gasen/Flüssigkeiten entsprechend Johow, in: Schubert, Sachenrecht 1, 157 ff.; Jakobs/ Schubert, Sachenrecht 1, 432 (Eine klarstellende Vorschrift, die im Entwurf von Johow noch als § 3 Abs. 2 enthalten war, wurde als überflüssig angesehen und gestrichen. Die Vorschrift lautete: „Soweit an Sachen ihrer Natur nach eine ausschließliche Willensherrschaft nicht stattfindet, wie bei der freien Luft und dem freifließenden Wasser, können sie nicht Gegenstand von Rechten oder Rechtsverhältnissen sein. Der in einem Behälter eingeschlossene gasförmige Körper und das in ein Gefäß oder in eine den endlichen freien Abfluß hindernde Leitung gefaßte Wasser sind als selbständige Sachen zu betrachten.“).
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§ 903 S. 1 BGB nicht allein auf physikalische Masse abgestellt werden kann, lässt sich wiederum anhand des in § 1 vorgestellten, nominalistisch-materialistischen Verständnisses von Immaterialgütern erläutern. Demnach sind Immaterialgüter nur allgemeine Begriffe für eine Vielzahl körperlicher Fixierungen auf Trägermedien. Sie werden dennoch unstreitig nicht mit Sachen gleichgesetzt, wie auch das Sacheigentum von den Immaterialgüterrechten geschieden wird. Diese Abgrenzung wäre unmöglich, wenn auch der auf Papier geschriebene Text als eigenständige Sache angesehen würde15. Nichts anderes kann dann für elektronisch/magnetisch gespeicherte Daten oder Computerprogramme gelten16. Das beweist gerade der für diese Güter in Frage kommende Urheberrechtsschutz, der ausweislich des § 44 UrhG streng vom Eigentum am Träger zu unterscheiden ist17. Der von der herrschenden Meinung vertretene Begriff der eigentumsfähigen Sache entspricht ferner den Aussagen, die sich den unmittelbar einschlägigen §§ 903, 90 BGB entnehmen lassen. So geht die Beschreibung der Eigentümerbefugnisse implizit davon aus, dass der Eigentümer überhaupt in der Lage ist, Einwirkungen auf die Sache auszuschließen. Sie basiert damit auf der Idee faktischer Exklusivität, die eben nur bei Gütern gegeben ist, über die tatsächliche Sachherrschaft ausgeübt und jeder Dritte schon damit ausgegrenzt werden kann18. Auch die in § 903 S. 2 BGB gesondert genannten Tiere weisen diese Eigenschaften auf. Dass das Eigentum mit dem Bezug auf Sachen vertikal begrenzt ist – und nur um diesen Nachweis geht es hier –, ergibt sich zudem eindeutig aus den allgemeinen Bestimmungen zu Sachen. Denn wenn gem. § 90 BGB nur körperliche Gegenstände Sachen sind, dann kann auch nur an solchen Gegenständen Eigentum bestehen19. Außer15
Das erkennt auch Marly, Softwareüberlassungsverträge, Rn. 103 („das Buch mitsamt seinem Inhalt [stellt] einen körperlichen Gegenstand i.S.d. § 90 BGB dar …“). 16 Köhler/Fritzsche, in: Lehmann, Verwertung von Computerprogrammen, 513, 517 ff.; Hoeren, Softwareüberlassung, Rn. 134 („… ein Eigentumsrecht and dem – vom Datenträger losgelösten – Computerprogramm“ sei „juristisch nicht denkbar“); Schröder, Standardanwender-Software, 126 (es entstehe durch die Herstellung einer Kopie keine zusätzliche Materie); Fritzsche, in: Bamberger/Roth, § 90 BGB Rn. 25 f.; Weitz, Software als Sache, 21; Dilcher, in: Staudinger, § 90 BGB Rn. 2; Mehrings, NJW 1986, 1904, 1905 (auch bei einer Verkörperung von Software auf einem Datenträger bleibe diese ein geistiges Gut, nämlich ein Teil der DV-Anlage, „den man nicht anfassen kann“); zur Megede, NJW 1989, 2580, 2582; verkannt von Pötzsch, Hardware und Software, 58 (Buch und Computerprogramm seien als Wirtschaftsgut fungibel); Bösert, Nießbrauch an Computerprogrammen, 146 f. Da jeder Softwarebefehl auf einem Träger fixiert sein muss, kommt auch ein Deliktsschutz gegen die Veränderung/Löschung von Daten in Betracht, indem an eine Eigentumsverletzung am Datenträger angeknüpft wird; siehe dazu Peukert, FS Schricker, 149, 155 m.w.N. 17 Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 58 f.; Weimann, Software in der Zwangsvollstreckung, 44; a.A. Baur/Stürner, Sachenrecht, 11. Die vereinzelt gebliebenen Ansätze zum Sacheigentum an Computerprogrammen/Daten sind – jedenfalls soweit sie aus der Zeit bis Anfang der 1990er Jahre stammen – ohnehin primär rechtshistorisch im Zusammenhang mit der Entwicklung des urheberrechtlichen Schutzes von Computerprogrammen aufzufassen; dazu oben § 4 B III 1. 18 Siehe zum Begriff der Exklusivität oben § 3 B II 2. 19 Siehe Baur/Stürner, Sachenrecht, 269; Johow, in: Schubert, Sachenrecht 1, 125 ff., 639; Wolff/ Raiser, Sachenrecht, 177 f. Die Ausnahme der Tiere vom Sachbegriff gem. § 90a BGB bei gleichzeitiger entsprechender Anwendbarkeit der Regelungen auf Sachen ist eine aus Tierschutzgründen später hinzugetretene Fiktion.
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dem scheidet für Computerprogramme, Daten und elektrische Energie eine für Sachen vorgesehene Bestandteilseigenschaft (§ 93 BGB) von vornherein aus, weil jene Güter keine von Trägern oder Leitern losgelöste Existenz einnehmen können20. All das entspricht der Regelungsabsicht des historischen Gesetzgebers, der mit dieser Gesetzesfassung bewusst von früheren natur- und vernunftrechtlichen Kodifikationen21 abweichen und das Eigentum auf Sachen als gesondert beherrschbare Materie beschränken wollte, um Unklarheiten zu vermeiden22. Es verwundert daher nicht, dass das geltende Sachenrecht bis zur Unkenntlichkeit modifiziert werden muss, um – etwa in Bezug auf den Rechtsschutz des Herstellers von Computerprogrammen und die entsprechenden Regeln des Rechtsverkehrs – sinnvolle Ergebnisse zu erzielen23. Zentrale Konzepte des Sachenrechts wie die „Übergabe“ von Daten/Software funktionieren hier ebenso wenig24 wie der auf Herausgabe einer eigenständigen Sache abzielende § 985 BGB25. Auffällig ist ferner, dass sowohl für diese Güter als auch für Elektrizität spezielle Strafrechtsnormen gelten, die neben den auf das Sacheigentum bezogenen 20
Köhler/Fritzsche, in: Lehmann, Verwertung von Computerprogrammen, 513, 518 mit Fn. 23 (weil das Programm wieder vom Speichermedium getrennt werden könne); anders Bydlinski, AcP 198 (1998), 287, 314 f. (zusammengesetzte Sachen); wohl auch Weimann, Software in der Zwangsvollstreckung, 124; König, Computerprogramm, Rn. 284 (Programm als selbständiger Teil einer Sache). Zur Unterscheidung zwischen einheitlicher und zusammengesetzter Sache nur RGZ 87, 43, 45 (1915); Heinrichs, in: Palandt, § 93 BGB Rn. 2; Hübner, AT, Rn. 3. 21 Siehe das ALR („Was Sache sey. §. 1. Sache überhaupt heißt im Sinne des Gesetzes alles, was der Gegenstand eines Rechts oder einer Verbindlichkeit seyn kann. §. 2. Auch die Handlungen der Menschen, ingleichen ihre Rechte, in so fern dieselben den Gegenstand eines andern Rechts ausmachen, sind unter der allgemeinen Benennung von Sachen begriffen. §. 3. Im engern Sinne wird Sache nur dasjenige genannt, was entweder von Natur, oder durch die Uebereinkunft der Menschen, eine Selbstständigkeit hat, vermöge deren es der Gegenstand eines dauernden Rechts seyn kann.“). Zur Frage, ob elektrischer Strom eine Sache im Sinne dieser Vorschrift ist, bejahend RGZ 17, 269, 272 (1887). Zum ebenso weiten Sach- und Eigentumsbegriff der §§ 285, 353 öABGB Bydlinski, AcP 198 (1998), 287, 290 f. (Sache ist alles, was von der Person verschieden ist, und zum Gebrauche der Menschen dient; Eigentum heißt alles, was jemandem zugehört, alle seine körperlichen und unkörperlichen Sachen). 22 Siehe Johow, in: Schubert, Sachenrecht 1, 141 ff.; Mot. III, 32 f., 257; Jakobs/Schubert, Allgemeiner Teil 1, 426 f. Zum Gesetzgebungsverfahren auch Weitz, Software als Sache, 28 ff. 23 Siehe für den Rechtsschutz von und den Rechtsverkehr mit Computerprogrammen auf der Basis des Sacheigentums die Ausführungen von Bösert, Nießbrauch an Computerprogrammen, 72 ff., sowie 119 f.; Bydlinski, AcP 198 (1998), 287, 316. Für die Anwendung der §§ 947, 950 BGB auf Software wie hier Marly, Softwareüberlassungsverträge, Rn. 113 mit Fn. 367. 24 Dazu, dass stets ein Datensatz beim Veräußerer verbleibt Bormann/Bormann, DB 1991, 2641, 2643; Hoeren, Softwareüberlassung, Rn. 361; a.A. Bösert, Nießbrauch an Computerprogrammen, 144 f.; Marly, BB 1991, 432, 435 f.; ders., Softwareüberlassungsverträge, Rn. 111 ff. (vollständige Besitzaufgabe auf Seiten des Veräußerers nicht nötig, weil der Softwareanwender eine uneingeschränkte Sachherrschaft über die Verkörperung erlange); Bydlinski, AcP 198 (1998), 287, 319 f.; Taeger, CR 1996, 257, 261; Franke, MDR 1995, 236, 238. Wieder anders Kort, DB 1994, 1505, 1507 (nur entsprechende Anwendung der §§ 929 ff. BGB, nicht auch „entsprechende“ Anwendung des § 903 BGB). 25 Anders Bydlinski, AcP 198 (1998), 287, 321 (Daten als wesentlicher Bestandteil des Speichermediums). Bösert, Nießbrauch an Computerprogrammen, geht auf den Herausgabeanspruch nicht ein.
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§§ 242 ff., 303 StGB stehen26. Diese Differenzierung ist schon wegen der Eigenschaft dieser Vorschriften als Schutzgesetze gem. § 823 Abs. 2 BGB auch im Zivilrecht zu beachten27. Schließlich wird zur Begründung der Eigentumsfähigkeit von Daten/Computerprogrammen und Elektrizität auf höchstgerichtliche Entscheidungen verwiesen, die diese Güter seit langer Zeit als „Sachen“ angesehen hätten. Dabei wird jedoch verkannt, dass sich diese Entscheidungen durchweg nicht mit dem Sacheigentum beschäftigen, sondern im Kontext des Schuld-, insbesondere Vertragsrechts sowie des Steuer- und Kennzeichenrechts angesiedelt sind28. Folglich kann dieser Rechtsprechung keine Aussage dazu entnommen werden, ob an den betreffenden Gütern Eigentum gem. § 903 S. 1 BGB besteht29. Das gilt namentlich für die im Vordergrund stehende Frage, ob das Sachkaufrecht auf Verträge über
26 Siehe für Computerprogramme und Daten zunächst die §§ 106 ff. UrhG für etwaige Urheberrechtsverletzungen, ferner die §§ 202a-202c (Ausspähen und Abfangen von Daten), 303a, b (Datenveränderung und -löschung) StGB. Für die Entziehung elektrischer Energie § 248c StGB; zur Unanwendbarkeit von § 242 StGB auf diesen Fall RGSt 29, 111 ff. (1896); RGSt 32, 165, 179 (1899) (der strafrechtliche Sachbegriff befinde sich mit dem bürgerlichen Recht im Einklang, weil § 90 BGB Sachen als „körperliche Gegenstände“ definiere). Siehe zu § 248c StGB als Reaktion auf diese Entscheidungen OLG Celle MDR 1969, 597; Ruß, in: Leipziger Kommentar, § 248c StGB Rn. 1; Eser, in: Schönke/Schröder, § 248c StGB Rn. 1. Für das Tatbestandsmerkmal der „Fremdheit“ elektrischer Energie kommt es auf das Bestehen eines obligatorischen Verbrauchsrechts, nicht auf den Eingriff in ein „absolutes“ Recht an; siehe OLG Celle MDR 1969, 597 f.; Ruß, in: Leipziger Kommentar, § 248c StGB Rn. 3; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 248c StGB Rn. 1; Eser, in: Schönke/Schröder, § 248c StGB Rn. 3–5; Tröndle/Fischer, 248c StGB Rn. 2; Herzberg/Hardtung, JuS 1994, 492, 494 (elektrische Energie sei dann „fremd“, wenn der Täter zur rechtmäßigen Nutzung des Stromes einer Erlaubnis bedürfe). 27 Wie hier AG Brandenburg ITRB 2002, 199 f.; Rombach, CR 1990, 101, 104 f. (Parallelität des Sachbegriffs im Sachen- und Deliktsrecht sowie im Strafrecht). 28 Für Software BGH NJW-RR 1986, 219 f. (zur Wareneigenschaft von Software im Markenrecht); BGH NJW 1988, 406 ff. (Kaufgewährleistungsrecht); BGH NJW 1993, 2436, 2438 (§ 381 Abs. 2 HGB); BGH NJW 1990, 320, 321 (Abzahlungsgesetz); BGH NJW 2007, 2394 m.w.N. (Mietrecht); Sacheigenschaft offengelassen von BGH CR 2002, 95 (Kaufgewährleistungsrecht); zur entsprechenden Anwendung des § 809 BGB auf Computerprogramme BGH Schulze BGHZ 511 (2002). Für elektrische Energie RGZ 17, 269, 271–273 (1887); RGZ 56, 403, 404 (1904) (Steuer- und Vertragsrecht); RGZ 67, 229, 231 ff. (1907) (Haftpflichtgesetz); RGZ 86, 12, 14 (1914) (Steuerrecht). 29 Köhler/Fritzsche, in: Lehmann, Verwertung von Computerprogrammen, 513, 519; Junker, JZ 1993, 447, 448 f.; Bormann/Bormann, DB 1991, 2641, 2642 ff.; Kort, DB 1994, 1505, 1506 f.; Moritz, CR 1994, 257, 259 ff.; Fritzsche, in: Bamberger/Roth, § 90 BGB Rn. 27; differenzierend auch OLG Nürnberg CR 1993, 359 f. (Anwendung des Sachkaufrechts, aber Ablehnung der Eigentumsfähigkeit des Computerprogramms gem. § 903 BGB). Zur Unterscheidung zwischen der Bedeutung des Sachbegriffs im Sachen- und sonstigen Zivilrecht (insbes. Vertragsrecht und Irrtumsanfechtung) LG Konstanz NJW 1996, 2662; Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 768 f.; Kregel, in: RGRK, § 90 BGB Rn. 38 ff.; Rombach, CR 1990, 101, 104; Bydlinski, AcP 198 (1998), 287, 297; Koch, NJW 2004, 801, 802. A.A. Weitz, Software als Sache, 25 ff. (der Sachbegriff gelte für alle Bücher des BGB; König, NJW 1989, 2604; ders., CR 1990, 106; ders., NJW 1993, 3121, 3122 f.; Marly, Softwareüberlassungsverträge, Rn. 106.
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Energie und Computerprogramme ggf. entsprechend anzuwenden ist30. Denn insoweit wurde im Rahmen der Schuldrechtsreform der Begriff des „sonstigen Gegenstands“ in § 453 Abs. 1 BGB etabliert, der sich ausweislich der Gesetzesbegründung gerade auf Software und Elektrizität bezieht, so dass sich die Notwendigkeit erübrigt, diese Güter auch nur im Sinne des Kaufrechts als Sachen anzusehen31. Schon vor diesem Hintergrund überzeugt es kaum, die Eigentumsfähigkeit von Computerprogrammen/Daten und elektrischer Energie allein mit Hinweis auf ihren wirtschaftlichen Wert32 oder eine angebliche Verkehrsanschauung, die doch nur für die Abgrenzung des Sachbegriffs von physikalisch-naturwissenschaftlichen Anschauungen über Körperlichkeit von Bedeutung ist33, zu bejahen. Freilich wird auf diese allgemeinen Erwägungen im Zusammenhang mit der Frage nach einem Rechtsprinzip der Güterzuordnung zurückzukommen sein34. b) Die Einwirkung als zugeordnete Nutzung Das bürgerlichrechtliche Eigentum ist aber nicht nur mit der Bezugnahme auf Sachen, die man anfassen kann, vertikal begrenzt. Sein Schutzbereich wird ferner gem. § 903 S. 1 BGB dadurch konkretisiert, dass dem Eigentümer jede „Einwirkung“ auf die Sache vorbehalten ist. Fraglich ist, ob und inwieweit dieses Merkmal den Schutzbereich des Eigentums weiter einschränkt. Zu diesem Zweck soll im Folgenden das von der Rechtsprechung aus dem Sacheigentum abgeleitete Recht am Bild der eigenen Sache näher beleuchtet werden35. Bei diesem Beispiel 30 Siehe für Fernwärme OLG Frankfurt NJW 1980, 2531, 2532; Dilcher, in: Staudinger, § 90 BGB Rn. 11. Für Computerprogramme OLG Nürnberg CR 1993, 359; Köhler/Fritzsche, in: Lehmann, Verwertung von Computerprogrammen, 513, 519 f. m.w.N.; Dilcher, in: Staudinger, vor § 90 BGB Rn. 10, § 90 BGB Rn. 3. 31 Siehe E Schuldrechtsreform, BT-Drucks. 14/6040, 242; für Computerprogramme Stichtenoth, K&R 2003, 105, 106 ff.; ohne Rücksicht auf § 453 Abs. 1 2. Alt. BGB Warnke, Rechtsmangelhafte Software, Rn. 32 (Software als bewegliche Sache oder analoge Anwendung des Kaufgewährleistungsrechts); Marly, Softwareüberlassungsverträge, Rn. 116–118 (diese Vorschrift habe keine Aussagekraft für die Frage der Sacheigenschaft von Software). Ferner unten § 14 B I. Auch Verträge über die Erstellung von Software und die Anpassung von Software werden als reine Werkverträge und nicht als Werklieferungsverträge gem. § 651 S. 3 BGB eingeordnet, weil es sich bei Software eben nicht um eine Sache handele; dazu etwa Junker, NJW 2005, 2829, 2831 f. m.w.N. 32 So aber Mehrings, GRUR 1985, 189, 191 mit Fn. 26; Junker, WM 1988, 1217, 1218; wie hier Marly, BB 1991, 432, 434; ders., Softwareüberlassungsverträge, Rn. 103; Bydlinski, AcP 198 (1998), 287, 307; König, Computerprogramm, Rn. 281. 33 Ebenso Kregel, in: RGRK, § 90 BGB Rn. 29. Zu weitgehend daher Bydlinski, AcP 198 (1998), 287, 302 (es gehe um die typisierte Lösung von Interessenkonflikten); Warnke, Rechtsmangelhafte Software, Rn. 29 f. (zur Klärung der Sacheigenschaft von Software sollte eine repräsentative Erhebung des Meinungsbildes der beteiligten Kreise oder der Allgemeinheit durchgeführt werden); für elektrische Energie Pfleghart, Archiv BürgR 24 (1904), 300, 308 (maßgeblich sei die Verkehrsanschauung); eine entsprechende Verkehrsauffassung verneinend Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 764 mit Fn. 24; Kregel, in: RGRK, § 90 BGB Rn. 13. 34 Dazu unten § 12 C. 35 Dazu Oben § 4 B I.
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„neuer“ Güter und ihrer Zuordnung sind mit den abgebildeten Objekten wie dem Schloss Tegel zweifellos eigentumsfähige Sachen betroffen. Wie gezeigt auch innerhalb der Rechtsprechung umstritten36 ist jedoch, ob die Herstellung und anschließende Verwertung von Fotografien dieser Sachen relevante „Einwirkungen“ darstellen. Wendet man sich zur Beantwortung dieser Frage nicht unmittelbar wertenden Argumenten zu, sondern geht von den einschlägigen Rechtsnormen und namentlich den in § 903 S. 1 BGB geregelten Befugnissen des Eigentümers aus, so erscheint die hierauf beruhende Ablehnung sachenrechtlich begründeter Ansprüche insbesondere durch die Friesenhaus-Entscheidung des Bundesgerichtshofs überzeugend37. Demnach ist die rechtliche Verfügungsmacht des Eigentümers durch die angegriffenen Verhaltensweisen von vornherein nicht tangiert. Aber auch an einer tatsächlichen „Einwirkung“ fehlt es: Ohne Belang ist insoweit, dass § 903 S. 1 BGB jede Einwirkung verbietet. Denn diese Vermutung für ein uneingeschränktes Eigentum bezieht sich nur auf Eingriffe, die überhaupt vom Schutzbereich erfasst sind und dann in der Tat jeweils gesonderter Rechtfertigung bedürfen. Davon ist aber die Vorfrage zu unterscheiden, wie weit der objektive Schutzbereich denn generell reicht. Mit anderen Worten: Dass „jede“ Einwirkung verboten ist, sagt noch nichts darüber aus, was zunächst einmal unter einer „Einwirkung“ zu verstehen ist38. Bedeutsam ist hingegen der Umstand, dass von einer Einwirkung auch die positive Seite der Eigentümerbefugnisse, nämlich das beliebige Verfahren „mit der Sache“ betroffen sein muss. Nimmt man hinzu, dass Sachen nur gesondert beherrschbare Gegenstände sind, die man anfassen kann und die faktisch exklusiv sind, dann erscheint die Annahme der überwiegenden Auffassung zutreffend, eine „Einwirkung“ setze ebenfalls eine unmittelbare Berührung der Sache vor36 Siehe auch BGHZ 81, 75, 77 (1981) – Carrera („Die Frage, ob das ungenehmigte Fotografieren fremden Eigentums und das Gebrauchmachen von der Fotografie eine Abwehr- oder Zahlungsansprüche auslösende Einwirkung auf fremdes Eigentum ist, hat der Senat – abgesehen von dem Fall der Anfertigung von Fotografien eines im Privateigentum stehenden, von der öffentlichen Straße aus nicht einsehbaren Gebäudes zu kommerziellen Zwecken – bislang nicht abschließend entschieden.“). 37 Siehe BGH NJW 1989, 2251, 2252 f. – Friesenhaus; OLG Bremen NJW 1987, 1420 f.; LG Freiburg GRUR 1985, 544 f.; Grüning, Eigentumsfreiheitsklage, 45 ff.; im Anschluss daran Kübler, FS Baur, 51, 58; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 534; Wagner, in: MünchKomm, § 823 Rn. 108 f.; Schack, Urheberrecht, Rn. 39; Pikart, WM 1976, 606, 607 m.w.N.; Zeuner, FS Flume, 776, 779 (spezifische Sachbezogenheit der Störung); a.A. Bittner, Fotografieren fremder Sachen, 30 ff. (die hier formulierte Grenze sei „problemfern“). Ebenso im Hinblick auf Rechte an der Übertragung von Sportveranstaltungen Strauß, Hörfunkrechte, 151; Waldhauser, Fernsehrechte, 79 f.; Kübler, Massenmedien, 61 f.; ders., ZUM 1989, 326, 328; Mailänder/Mailänder, in: Dörr/Mailänder, Hörfunkberichterstattung, 101, 132. Überdies geht es in dieser Fallgruppe gar nicht um das Interesse an der abgelichteten Sache (Stadion, Rasen), sondern um die Aufnahme von Leistungen „auf“ diesen Sachen; siehe Mailänder, ZUM 2003, 820, 823; Agudo y Berbel/Engels, WRP 2005, 191, 195; Melichar, FS Nordemann, 135; Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 114. 38 Siehe Grüning, Eigentumsfreiheitsklage, 52 f.; Aicher, Eigentum als subjektives Recht, 84 f.
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aus, die der Eigentümer tatsächlich zu verhindern vermag. Ein solches, die Sache selbst betreffendes Verhalten muss geeignet sein, die dem Eigentümer vorbehaltene, tatsächliche Sachherrschaft zu beeinträchtigen. Die wohl präziseste Umschreibung dieser Vorstellung gewinnt man unter Rückgriff auf den in der ökonomischen Analyse geläufigen Ausdruck der rivalisierenden Nutzung. Diese liegt vor, wenn die Nutzung durch Person A den Nutzwert des Gutes für Person B reduziert bzw. beeinträchtigt, weil B das Gut nicht mehr wie zuvor einzusetzen vermag. Körperliche Gegenstände im Sinne des BGB sind in ihrer Nutzung rivalisierend: Eine bewegliche Sache kann nur von einer oder wenigen Personen gleichzeitig ergriffen und verwendet, ein Grundstück nur von einer begrenzten Anzahl Personen betreten werden. Die Herstellung und erst recht die folgende Verwertung einer Abbildung stellt jedoch keine rivalisierende Nutzung der Sache selbst dar, sondern eine Vervielfältigung und damit neue Fixierung ihres Erscheinungsbildes, die auf das analoge oder digitale Bildspeichermedium einwirkt, nicht aber auf die abgebildete Sache. Der Eigentümer kann dasselbe tun, ohne dass die Sache aufgebraucht oder zerstört würde; nur der Aufenthalt des Dritten als unstreitig eigentumsrelevante Nutzung des Grundstücks kann ihn daran hindern, im jeweiligen Moment dasselbe Motiv zu wählen. Zugleich sind Aufnahmen und erst recht ihre weitere Verwendung faktisch nicht exklusiv, weil es aufwendig oder gar unmöglich ist, sie zu unterbinden. Auch insoweit unterscheiden sich diese Handlungen qualitativ von klassischen Eingriffen wie Verzehr, Wegnahme, Betreten usw.39. Insgesamt zeigt sich, dass bei der Herstellung und Verwertung von Bildern ein immaterielles, weil reproduzierbares Gut genutzt wird, nämlich das in der Sache nur ursprünglich verkörperte Erscheinungsbild. Wenn aber die Eigentumsordnung nur dem Schutz der Sachherrschaft über einen körperlichen Gegenstand dient, nicht aber der Zuordnung hierin ggf. verkörperter immaterieller Güter40, dann scheidet das Sacheigentum als Grundlage eines Rechts am Bild der eigenen Sache aus. Das bestätigt zum einen die Undurchführbarkeit sachenrechtlicher Grundprinzipien wie Publizität, Gutglaubensschutz usw. in Bezug auf Bilder von Sachen. Zum anderen reflektiert diese Auffassung, dass die Fotografie von Werken der Baukunst, Skulpturen usw. eine urheberrechtlich relevante Vervielfältigung darstellt, die freilich nicht dem jeweiligen Eigentümer, sondern dem Urheber vorbehalten ist41. Würde man daneben für sämtliche Sachen ein Recht am Bild der eigenen Sache aus § 903 S. 1 BGB anerkennen, folgten daraus nur sich gegenseitig blockierende Berechtigungen verschiedener Rechtsinhaber42. Außerdem wären die wesentlichen Unterschiede im Hinblick
39 Auf die mangelnde faktische Ausschließungsbefugnis verweist auch Grüning, Eigentumsfreiheitsklage, 49. 40 BGHZ 44, 288, 293 (1965) – Apfel-Madonna; Löhr, WRP 1975, 523, 524; Ruhwedel, JuS 1975, 242, 243; Schmieder, NJW 1975, 1164; verkannt von Brüggemeier, Deliktsrecht, 212 (Konsum der Sache als nicht-öffentlichem Gut). 41 Siehe die §§ 2 Abs. 1 Nr. 4, 15 ff. UrhG. 42 Siehe Löhr, WRP 1975, 523, 524 (Eigentümer, Urheber und Lichtbildner gem. § 72 UrhG).
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etwa auf Schutzdauer und Schranken des Urheberrechts im Vergleich zum Sacheigentum nicht erklärlich und allenfalls mit kühnen Operationen zu beheben43. Im Ergebnis ist also der Widerspruch44 zwischen der Schloss-Tegel- und der Friesenhaus-Entscheidung dadurch aufzulösen, dass auch die gewerbliche Nutzung von Bildern nicht öffentlich zugänglicher Grundstücke oder beweglicher Sachen eigentumsrechtlich irrelevant ist, weil es sich nicht um „Einwirkungen“ auf die Sache handelt. Ein Recht am Bild der eigenen Sache lässt sich folglich ganz generell nicht auf das Sacheigentum stützen. Ebenso wenig tragfähig ist die hiermit eng verbundene Annahme, Ansprüche könnten sich aus dem „Hausrecht“ ergeben, das durch das unerlaubte Betreten des Grundstücks verletzt sei und auf dessen Grundlage auch die anschließende Herstellung und Verwertung der Fotos untersagt werden könne. Denn das Hausrecht beruht seinerseits auf dem Eigentum bzw. dem berechtigten Besitz am Grundstück. Weder ersichtlich noch begründet wird, wie es über deren Grenzen hinauszuwirken vermag45. Unter Berufung auf das Hausrecht können daher lediglich das Betreten der Immobilie, das Aufstellen von Kameras usw. verboten und Verstöße sanktioniert werden, nicht aber das Fotografieren oder Filmen und die anschließende Verwertung der Aufnahmen als nicht rivalisierende Nutzungen46. Dasselbe gilt für Ansprüche aus den §§ 123 StGB i.V.m. 823 Abs. 2, 1004 BGB, denn auch jene beziehen sich auf das Hausrecht und teilen dessen Grenzen47. Für den Hausrechtsinhaber verbleibt es damit bei der Möglichkeit, den 43 Siehe zur Schutzdauer des Urheberrecht, die dem Sacheigentum ebenso fremd ist wie die Schranken der §§ 44a ff. UrhG LG Freiburg GRUR 1985, 544 f.; Grüning, Eigentumsfreiheitsklage, 77; Kübler, FS Baur, 51, 61; a.A. Bittner, Fotografieren fremder Sachen, 102 ff. (Anwendung des 6. Abschnitts des UrhG und des § 23 KUG auf die sachenrechtlichen Befugnisse); Gerauer, GRUR 1988, 672 ff. (direkte Anwendung von Art. 14 Abs. 2 GG). 44 Siehe dazu kritisch Löhr, WRP 1975, 523, 524; Kübler, FS Baur, 51, 54 (Vergleich zwischen BGH „Apfelmadonna“ und BGH „Schloss Tegel“); Schmieder, NJW 1975, 1164; Grüning, Eigentumsfreiheitsklage, 16 (Widerspruch). 45 OLG Frankfurt OLGZ 1977, 348, 350 (kein Schutz dagegen, dass sich Dritte mit einer Veranstaltung beschäftigen); OLG Frankfurt NJW-RR 1993, 788, 789 (Hausrecht folge für den Eigentümer aus § 903 BGB); Löwisch/Rieble, NJW 1994, 2596; Fikentscher, SpuRT 2002, 186, 187 (aus einem bloßen dinglichen Abwehrrecht werde sonst ein umfassendes Vermarktungsrecht mit leistungsschutzrechtlicher Qualität); Agudo y Berbel/Engels, WRP 2005, 191, 194 f.; Waldhauser, Fernsehrechte, 69 (kein vom Eigentum abspaltbares, selbständiges Recht), 81 ff.; Ladeur, GRUR 1989, 885, 886. Zur Abgrenzung von Ansprüchen aus dem Hausrecht von Ansprüchen auf vertraglicher Grundlage BGH NJW-RR 1997, 104, 105; zur Unterscheidung zwischen Taschenkontrollen auf Grundlage des Hausrechts („Hausordnung“) und allgemeiner Geschäftsbedingungen BGH NJW 1994, 188, 189. 46 Kübler, FS Baur, 51, 59; ders., Massenmedien, 63 f. (Zutritt ja oder nein); ders., ZUM 1989, 326, 328; Bittner, Fotografieren fremder Sachen, 64 f.; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 535 f. („Es hieße den Eigentumsschutz überspannen, wenn der Unterlassungsanspruch gegen das Betreten eines Grundstücks jegliche gewerbliche Nutzung von Fotos, die anlässlich eines Verstoßes gegen den Unterlassungsanspruch gemacht worden sind, rechtswidrig machte.“); in diese Richtung auch RGZ 45, 170, 173 f. (1899). Zur Aufnahme von Sportveranstaltungen in diesem Sinne Waldhauser, Fernsehrechte, 81 ff.; Heß, Fernsehübertragung, 24 f.; Winter, ZUM 2003, 531, 538 mit Fn. 96. 47 Waldhauser, Fernsehrechte, 82 f.
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faktisch und rechtlich kontrollierbaren Zutritt zu den Sachen von einem vertraglichen Fotografierverbot oder einem vereinbarten Entgelt abhängig zu machen48. Im Ergebnis verläuft die vertikale Schutzbereichsgrenze des Sacheigentums an der rivalisierenden Nutzung selbständig beherrschbarer, körperlicher Gegenstände. Mit diesem Ansatz lassen sich weitere, hier nicht gesondert angesprochene Problemfälle des bürgerlichrechtlichen Eigentums befriedigend erklären. So stellt einerseits die Projektion von Bildern auf eine Hauswand eine eigentumsrelevante, rivalisierende Nutzung derselben dar, weil der Eigentümer die betroffene Fläche nicht selbst auf diese Art und Weise zu verwenden vermag49. Andererseits kann das Eigentum an einer Sache nicht gegen die rivalisierende Nutzung anderer Sachen geltend gemacht werden, selbst wenn Letztere mittelbare („negative“) Rückwirkungen auf die Umgebung zeitigt50. Ferner muss es sich um eine objektbezogene Einwirkung handeln; personenbezogene („ideelle“) Beeinträchtigungen genügen nicht, auch wenn diese Abgrenzung nicht durchweg trennscharf vorzunehmen ist, weil rivalisierende Nutzungen letztlich immer menschliche Handlungen betreffen51. 2. Die horizontale Grenze zugeordneter Sachnutzungen Die horizontale Grenze des Eigentums betrifft nun zwar solche rivalisierenden Sachnutzungen. Ausnahmsweise stellen aber auch jene keine verbotene Einwirkung dar. Dabei geht es hier wiederum nicht um die Voraussetzungen sekundärer Ansprüche wegen an sich tatbestandsmäßiger Eigentumsverletzung, wie beispielsweise im Deliktsrecht angesiedelte Einschränkungen der Schadensersatzhaftung im Interesse einer nicht übermäßigen Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit Dritter52. Zu fragen ist vielmehr, unter welchen Umständen die grund48 In diesem Sinne Kübler, FS Baur, 51, 59, 62; unklar Grüning, Eigentumsfreiheitsklage, 42 f. („Das begründende Recht ist jedoch das Recht der Zugangsregelung.“). 49 Zutreffend deshalb OLG Dresden NJW 2005, 1871 f.; Berg, JuS 1961, 73 f.; Gursky, in: Staudinger, § 1004 BGB Rn. 24. Die dem Sacheigentum an sich fremde Abwägung zur Feststellung der Rechtswidrigkeit kann über die Grundsätze der Wahrnehmung berechtigter Interessen analog § 193 StGB aufgefangen werden. 50 Siehe dazu BGH LM § 903 Nr. 1 (1951); BGHZ 88, 344, 346 ff. (1983); BGH NJW 1991, 1671 ff. m.w.N.; ferner die Übersicht und Nachweise bei Medicus, in: MünchKomm, § 1004 Rn. 33 ff.; Wolf, NJW 1987, 2647, 2648; Pikart, in: RGRK, § 1004 Rn. 23 ff. (die negative, außerhalb der Grundstücksgrenzen ablaufende Veränderung sei keine Beeinträchtigung im Rechtssinn, jedoch soll sich aus der Verkehrsauffassung anderes ergeben können); Ebbing, in: Erman, § 1004 Rn. 18 ff.; Gursky, in: Staudinger, § 1004 BGB Rn. 65 ff.; Boecken, Deliktsrechtlicher Eigentumsschutz, 89 ff. 51 Offengelassen von RGZ 38, 379, 382 (1897); ferner BGH NJW 1969, 1208, 1209; BGH NJW 2006, 689 f. m.w.N. (Beschränkung der Entschließungsfreiheit des Besitzers bzw. Eigentümers als Eingriff in das Sacheigentum). Nachweise bei Gursky, in: Staudinger, § 1004 BGB Rn. 76 ff.; Pikart, in: RGRK, § 1004 Rn. 25 (sachbezogener Störungswert erforderlich); Wagner, in: MünchKomm BGB § 823 Rn. 109 (ideelle Einwirkung nicht ausreichend). 52 Paradigmatisch die sog. Stromkabelfälle: Hier wird auf das Eigentum an den durch Stromabschaltung nicht mehr nutzbaren Sachen eingewirkt, aber dennoch aus deliktsrechtlichen Gründen grundsätzlich nicht auf Schadensersatz wegen Nutzungsausfalls gehaftet; siehe BGHZ 29, 65, 75
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sätzlich dem Eigentümer vorbehaltene Einwirkung ausnahmsweise bereits das primäre Recht nicht verletzt. Da § 903 S. 1 BGB wie gezeigt jede Einwirkung verbietet, muss sich der Handelnde auf eine Zustimmung des Eigentümers berufen können, die vom Bundesgerichtshof als „eigentumsrechtliche Dispositionsbefugnis“ bezeichnet wird53. Während ausdrückliche Zustimmungen naturgemäß einzelfallabhängig und hier nicht näher zu betrachten sind, können allgemeine Grundsätze über die Reichweite dieser Dispositionsbefugnis aus Entscheidungen abgeleitet werden, bei denen eine stillschweigende, letztlich aufgrund genereller Wertungen unterstellte Zustimmung des Eigentümers in Rede stand. Dazu sei auf zwei Konstellationen des sogenannten „Nutzungsschutzes“ hingewiesen, der Fälle betrifft, in denen zwar die Substanz der Sache unbeschädigt bleibt, aber doch eine rivalisierende Verwendung vorliegt54. In einer Fallgestaltung streiten die Parteien um eine Sachnutzung, die technisch-wirtschaftlich gesondert verwertbar ist, also einen eigenständigen Folgemarkt betrifft. Derartige vermögenswerte Nutzungen werden grundsätzlich dem Eigentümer zugewiesen, der kraft seiner „eigentumsrechtlichen Dispositionsbefugnis“ darüber entscheidet, ob und zu welchen Bedingungen ein solcher Eingriff in den Schutzbereich erfolgen darf. Auf dieser Grundlage kann zum Beispiel der Eigentümer eines Kabelnetzes von Anbietern digitaler Programme und Mediendienste verlangen, es zu unterlassen, gegen seinen Willen entsprechende Signale in sein Netz ein- und durchzuleiten55. Ebenso ist der Eigentümer von Gasoder Öltanks berechtigt, seinen Mietern die Befüllung dieser Tanks mit nicht von
53 (1958) (ebenfalls ablehnend zum Recht am Gewerbebetrieb, da sonst der beschränkte Schutz des Vermögens ausgehöhlt würde); BGHZ 41, 123, 126 f. (1964) (reiner Vermögensschaden eines lediglich mittelbar geschädigten Dritten und nicht des unmittelbar geschädigten Elektrizitätswerks); BGHZ 66, 388, 393 f. (1976) (zum Gewerbebetrieb, dessen Schutz nicht in einen allgemeinen deliktischen Vermögensschutz ausufern dürfe); BGH NJW 1977, 2209 f.; Zeuner, FS Flume, 776, 783 f. m.w.N.; v. Caemmerer, ZHR 127 (1965), 241, 245, 247 („wohl doch gerechtfertigt“). Weiteres Beispiel: Keine Eigentumsverletzung bei Aussperrung und kurzfristiger Einsperrung von Sachen; siehe dazu BGH NJW 1977, 2264, 2265; BGH VersR 1961, 831 f.; BGHZ 57, 359 ff. (1971) m.w.N.; BGH NJW 1976, 1312 ff.; BGH NJW 1977, 1817 f.; BGHZ 86, 152, 153 ff. (1982). Zur dogmatischen Verankerung der Lösung im Deliktsrecht etwa Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 405 f.; Medicus, BürgR, Rn. 647. 53 Siehe BGHZ 156, 172, 177 f. (2003). 54 Siehe dazu BGHZ 41, 123, 127 f. (1964); BGHZ 55, 153, 159 (1970); BGHZ 67, 378, 382 (1976); BGH NJW 1977, 2264, 2265 m.w.N.; BGH NJW 1990, 908 f.; BGH NJW-RR 1990, 1172, 1173; BGH NJW 1994, 517, 518 (nachhaltige Verunreinigung ohne Substanzveränderung); BGH NJW-RR 1995, 342; BGHZ 138, 230, 235 f. (1998); Boecken, Deliktsrechtlicher Eigentumsschutz, 67 ff. (zur reinen Nutzungsbeeinträchtigung als Eigentumsverletzung a.a.O., 216 ff.); Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 514 ff.; Zeuner, FS Flume, 776 ff.; Brüggemeier, Deliktsrecht, 209 f.; Grüning, Eigentumsfreiheitsklage, 31 ff. Zur Bedeutungszunahme des Nutzungsschutzes im Vergleich zum bloß statischen Bestands- und Substanzschutz bereits Hedemann, DNotZ 1952, 6, 12 ff. 55 BGHZ 156, 172 ff. (2003).
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ihm stammenden Produkten zu untersagen56. Auf diesem Gedanken beruht letztlich auch die Befugnis der Inhaber des Hausrechts an Sportstätten, den Zutritt zur Veranstaltung zu Zwecken der Rundfunkübertragung als unstreitig eigentumsrechtlich relevantem Verhalten von einem Entgelt abhängig zu machen57. Soweit hingegen die bloße Abwehr einzelner Nutzungseingriffe im Vordergrund steht, denen keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung im Sinne eines potentiellen Folgemarkts zukommt, ist der Schutzbereich des Eigentums zunächst in verschiedener Hinsicht gesetzlich beschränkt (siehe die §§ 904 ff. BGB). Auch die „eigentumsrechtliche Dispositionsbefugnis“ verhilft dem Eigentümer in diesen Konstellationen nicht stets zum Erfolg. So wird zum Beispiel bei der unerlaubten Zusendung elektronischer Nachrichten (z.B. Spam) unter Verwendung ebensolcher Kabel wie im soeben referierten Kabelnetzfall das Eigentum des Empfängers überwiegend gar nicht erst geprüft. Vielmehr werden Abwehransprüche nur nach Abwägung gegenseitiger Interessen auf der Basis des UWG und des Rechts am Gewerbebetrieb gewährt58. Zwar liegt hier ein stillschweigendes Einverständnis des nun einmal an das Netzwerk angeschlossenen Empfängers in die Nutzung seines Eigentums tatsächlich oft nahe. Wenn aber zum Beispiel E-Mail-Listen thematisch beschränkt sind und entgegen dieser Vereinbarung eine sachfremde Nachricht versendet wird, wäre mit dieser Argumentation kaum mehr auszukommen, denn es wird gegen ein explizites Verbot verstoßen. Will man dennoch eine Eigentumsverletzung in Bezug auf die Rechner und Kabel der Empfänger bzw. Dritter verneinen, weil z.B. Aspekte der Meinungsfreiheit berücksichtigt werden sollen, liegt eine analoge Anwendung des § 906 BGB nahe. Denn wie benachbarte Gründstückseigentümer sind die Eigentümer der Infrastruktur eines Computernetzwerks auf gegenseitige Rücksichtnahme angewiesen. Eine strikte Durchführung des Prinzips, dass jede unerlaubte Einwirkung auf Computer und Kabel verboten ist, würde die Funktionsfähigkeit des Internets grundlegend beeinträchtigen59. Im Ergebnis ordnet § 903 S. 1 BGB dem Eigentümer nur rivalisierende Nutzungen von körperlichen Gegenständen zu, die man anfassen kann. Die Regelung des primären Ausschließlichkeitsrechts an Sachen erstreckt sich weder auf andere Güter (wie Daten/Computerprogramme und Elektrizität) noch auf nicht
56 BGH GRUR 2004, 263 f.; BGH NJW-RR 2006, 1378, 1379; Grotheer, GRUR 2006, 110 ff. m.w.N.; kritisch König, NJW 2005, 191, 192 ff. (der Eigentümer des Tanks sei nicht unmittelbarer Besitzer und damit in seiner potentiellen Nutzungsmöglichkeit der Sache nicht beeinträchtigt). 57 BGHZ 165, 62, 67 ff. (2005) – Hörfunkrechte; dazu bereits oben § 4 B II 2 a. 58 Nachweise hierzu bei BGH NJW 2006, 3781 f.; Peukert, FS Schricker, 149, 161 ff. 59 Bei der Netzwerkkommunikation handelt es sich um eine dem Nachbarschaftsverhältnis vergleichbare Situation, bei dem die an das Netzwerk angeschlossenen Personen wie Grundstücksnachbarn gegenseitige „Immissionen“ ggf. dulden müssen; entsprechend etwa LG Hamburg ZMR 2001, 742 (notwendiges Überqueren eines Stellplatzes keine Eigentumsverletzung). Zum Verständnis von § 906 BGB als Sozialbindungsschranke des Eigentums, bei dem schon kein tatbestandsmäßiger Eingriff vorliegt, Gursky, in: Staudinger, § 1004 BGB Rn. 25 m.w.N. auch zur Gegenauffassung.
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rivalisierende Nutzungen (Bilder von Sachen)60. Hinzu kommen horizontale Grenzen in Bezug auf eigentlich erfasste Eingriffe in den Schutzbereich. Abgesehen von gesetzlichen Schranken des Eigentums und ausdrücklichen Zustimmungen des Berechtigten agiert die Rechtsprechung insoweit mit dem flexiblen Instrument der „eigentumsrechtlichen Dispositionsbefugnis“. Während Nutzungen mit eigenständiger wirtschaftlicher Bedeutung durchweg dem Eigentümer vorbehalten werden, tritt das Eigentum bei vereinzelten Eingriffen im Interesse der allgemeinen Handlungsfreiheit Dritter und der Funktionsfähigkeit von Netzwerkstrukturen wie dem Internet zurück. Damit kann festgehalten werden, dass das Sacheigentum einen in mehrfacher Hinsicht konkretisierten und beschränkten Schutzbereich aufweist. Es stellt daher keine allgemeine Grundlage für die Anerkennung von Ausschließlichkeitsrechten an sonstigen Gütern und Nutzungen dar.
II. Immaterialgüterrechte Eindeutiger noch als auf das Sacheigentum lässt sich das Konzept vertikaler und horizontaler Grenzen auf Immaterialgüterrechte anwenden. Denn jene betreffen, wie in § 1 erläutert, nur sprachlich zu allgemeinen Begriffen abstrahierte, identisch reproduzierbare Fixierungen von Information. Wenn aber das Immaterialgut als solches nur ein Begriff ist, dann muss das hierauf bezogene und ebenfalls über Sprache konstruierte Ausschließlichkeitsrecht seinen Anwendungsbereich in jeder Hinsicht selbst festlegen, weil anders als beim Sacheigentum ein schon für sich abgegrenztes Gut fehlt61. Damit ist allerdings nur die Erwartung ausgedrückt, dass Immaterialgüterrechte ihren Gegenstand letztlich über die Gesetzessprache definieren. Dass das tatsächlich der Fall ist, ist im Folgenden zu zeigen. Dabei geht es wiederum nur um die Frage, ob überhaupt Grenzen des Schutzbereichs festgestellt werden können, die es ausschließen, die normierten Immaterialgüterrechte als Generalklauseln für die Entscheidung über die Zuordnung „neuer“ Güter zu verstehen. Die vertikale Grenze unterscheidet das zugeordnete Immaterialgut von anderen immateriellen Gütern, etwa das urheberrechtliche Werk von der patentrechtlichen Erfindung. Die horizontale Grenze verläuft innerhalb der betroffenen Kategorie immaterieller Güter und formuliert insoweit weitere, qualitative Anforderungen für einen Schutz. Wo diese Grenzen im Einzelnen verlaufen, ist erneut nicht Gegenstand der Darstellung.
60 Gursky, in: Staudinger, § 1004 BGB Rn. 80 m.w.N.; so auch LG Waldshut-Tiengen NZM 1999, 1166, 1167; Schmieder, NJW 1975, 1164 f. (Schaffung eines „weiteren Monopolrechts“); Kübler, FS Baur, 51, 58 f.; Jänich, Geistiges Eigentum, 309 („Keinesfalls kann hier aus Sacheigentum und Urheberrecht ein einheitliches, vom weiten Schutzbereich des § 1004 Abs. 1 BGB erfaßtes Recht modelliert werden.“); a.A. Bittner, Fotografieren fremder Sachen, 25 ff. 61 Walch, Leistungsschutz, 20 f.
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
1. Urheberrecht Das Urheberrecht im objektiven Sinne umfasst das „ausschließliche“ Urheberrecht an Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst (§§ 1, 15 UrhG) sowie eine Vielzahl sog. verwandter Schutzrechte, die eigenständige Ausschließlichkeitsrechte in Bezug auf besondere Güter darstellen (§§ 70 ff. UrhG). Aus diesem Kreis verdient lediglich das Urheberrecht eine etwas nähere Betrachtung. Zum einen stellt es anders als die meisten gewerblichen Schutzrechte keine formellen Voraussetzungen im Sinne einer Registrierung auf, sondern ist formlos bei Erfüllung der Schutzvoraussetzungen gegeben. Zum anderen wird es im Gegensatz zu den verwandten Schutzrechten vereinzelt als eine Art Generalklausel für die Zuordnung von Immaterialgütern aufgefasst, die ersichtlich außerhalb seines Schutzbereichs liegen. Am Beispiel des Urheberrechts lässt sich der Unterschied zwischen vertikalen und horizontalen Schutzbereichsgrenzen besonders deutlich dartun: Seine vertikale Grenze ist in den §§ 1, 2 Abs. 1 UrhG niedergelegt. Demnach erstreckt sich das Urheberrecht auf Werke aus den Bereichen der Literatur, Wissenschaft und Kunst. Die nicht abschließende Liste von Werkarten liefert Anhaltspunkte dafür, welche Geistesprodukte hierunter fallen. Die horizontale Grenze bildet gem. § 2 Abs. 2 UrhG das Erfordernis der „persönlichen geistigen Schöpfung“. Auf diese Schutzuntergrenze (Stichwort: „kleine Münze“)62 ist im Folgenden nicht näher einzugehen, weil in einem ersten Schritt festgestellt worden sein muss, dass es sich um ein Werk aus einer der Kategorien des § 1 UrhG handelt. Allerdings wird die Abgrenzungsfunktion der dort aufgezählten Bereiche von Literatur, Wissenschaft und Kunst teilweise verneint63, so dass das Urheberrecht doch als Generalklausel für Immaterialgüter verschiedenster Art in Betracht kommen könnte. Das sei an zwei gegenwärtig diskutierten Beispielen gezeigt: Erstens wird in der Literatur vertreten, die sportliche Darbietung sei ein urheberrechtlich schutzfähiges Werk64: Diese sei ästhetischer Natur und überdies eine qualifizierte menschliche Kommunikation, weil sie im Bewusstsein des Betrachters Empfindungen und Gefühle bewirke. Wolle man das Merkmal der Kunst nicht ohnehin als nicht justiziabel aufgeben, sei hierfür letztlich der subjektive Schutzwille des Betroffenen maßgeblich: Wenn eine Person ihre Handlung als Kunst verstanden wissen wolle, dann handele es sich um Kunst. Entscheidendes Indiz für einen individuellen Charakter der sportlichen Leistung sei, ob ein Dritter zu wirtschaftlichen Zwecken eine Aufzeichnung des Wettkampfs begehrt.
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Dazu nur etwa Rehbinder, Urheberrecht, Rn. 162 ff.; Schack, Urheberrecht, Rn. 260 ff. Schack, Urheberrecht, Rn. 152; Loewenheim, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, § 6 Rn. 1 („grobe[n] Abgrenzung“). 64 Siehe Osterwalder, Übertragungsrechte, 171–246. Das schweizerische Urheberrecht bezieht sich ebenfalls auf Werke der Literatur und Kunst; siehe Art. 2 Abs. 1 CH-URG („Werke sind, unabhängig von ihrem Wert oder Zweck, geistige Schöpfungen der Literatur und Kunst, die individuellen Charakter haben.“). 63
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Das treffe auf massenattraktive Sportwettkämpfe zu. Letztlich falle unter einen solch weiten Kunstbegriff alles, „was der kulturellen Wertschöpfung dient“. Zweitens hat der Hooge Rad für das niederländische Urheberrecht entschieden, der Duft von Parfüm sei ein schutzfähiges Werk65. Die Aufzählung der Werkarten gem. Art. 10 NL-URG sei allgemein gehalten und hindere nicht die Subsumtion des Duftes, solange dieser einen „eigenen ursprünglichen Charakter“ und eine persönliche Prägung durch den Urheber erfahren habe. Die Grenze des Urheberrechtsschutzes verlaufe erst dort, wo lediglich technische Effekte betroffen seien. Ein solches Verständnis des Urheberrechts als eines Ausschließlichkeitsrechts für alle vermögenswerten Immaterialgüter, die sich mangels technischen Charakters nicht für das Patentrecht qualifizieren können, vermag jedoch nicht zu überzeugen. Weder sportliche Darbietungen noch Parfümdüfte sind schutzfähige Werke, weil sie nicht den Bereichen von Wissenschaft, Literatur und Kunst angehören66; auf die Frage der „persönlichen geistigen Schöpfung“ gem. § 2 Abs. 2 UrhG kommt es daher gar nicht mehr an. 65
Hoge Raad GRUR Int. 2006, 951 ff.; allgemein dafür Balañá, GRUR Int. 2005, 979 ff. Auch das niederländische Urheberrecht gilt für Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst; siehe die Art. 1, 10 Wet van 23 september 1912, houdende nieuwe regeling van het auteursrecht (Auteurswet 1912). 66 Für die sportliche Leistung ständige Rechtsprechung: BGH GRUR 1971, 46; BGHZ 110, 371, 383 (1990); KG UFITA 14 (1941), 196, 199; OLG München ZUM-RD 1997, 290, 293; OLG Hamburg GRUR-RR 2007, 181, 184; LG Frankfurt WRP 1997, 1108, 1111; AG Münster AfP 1994, 68; LG Hamburg ZUM 2002, 655, 658; bestätigt von OLG Hamburg ZUM 2003, 782, 784; zustimmend etwa Hilty/Henning-Bodewig, Leistungsschutzrechte, 44 f.; Mailänder, FS Geiß, 605, 606; ders., ZUM 2003, 820, 823; Melichar, FS Nordemann, 213, 215 f.; Horn, Jura 1989, 17, 18; Agudo y Berbel/Engels, WRP 2005, 191; Fuhr, FS Armbruster, 117, 133 f.; Vieweg, in: Vieweg, Vermarktungsrechte, 95, 147; Jessen, Vermarktung Sportereignisse, 139 f., 155 f. (ungerecht, aber de lege lata hinzunehmen); Petersen, Fußball, 13; Jarass, AfP 1993, 455, 459; Haas/Reimann, in: Dierker, Vermarktungsrechte, 31, 33 f.; Siegfried, Fernsehberichterstattung, 13 f.; Stopper, Ligasport und Kartellrecht, 75 f.; Fikentscher, SpuRT 2002, 186; Tumbrägel, Zentralvermarktung, 54 f.; Waldhauser, Fernsehrechte, 89 ff., 116; Ladeur, GRUR 1989, 885, 886; Kübler, ZUM 1989, 326, 327; ders., Massenmedien, 49; v. Westerholt, ZIP 1996, 264; Winter, ZUM 2003, 531, 535; Hausmann, BB 1994, 1089, 1090; Roth, AfP 1989, 515, 516; Rodewald, BB 1995, 2103, 2104; Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 66; Glinke, § 31 GWB, 47 ff.; Lerche/Ulmer, Kurzberichterstattung im Fernsehen, 71, 75 f.; Wertenbruch, SpuRT 2001, 185, 186; Strauß, Hörfunkrechte, 69; Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 278 f.; Dieckmann, UFITA 127 (1995), 35, 45 f. (aber analoge Anwendung der §§ 73 ff. UrhG auf Sportler). Das ist auch rechtsvergleichend anerkannt; siehe für die Niederlande Hoge Raad GRUR Int. 1988, 784, 785 f.; für die Schweiz Appellationshof Bern SpuRt 1995, 30, 36; für Frankreich Henning-Bodewig, ZUM 1994, 454, 455; für die USA National Basketball Ass’n v. Motorola, 105 F.3d 841, 846 f. (2nd Cir. 1997); Philadelphia Eagles Football Club, Inc. v. City of Philadelphia, 573 Pa. 189, 212 Fn. 19 (2003) („However, Motorola merely applied the well-established rule that the actual performance of a professional sports game is not protected by copyright.“); Morris Communications Corp. v. PGA Tour, Inc., 235 F.Supp.2d 1269, 1279 (M.D.Fla., 2002); für Österreich öOGH GRUR Int. 1977, 211, 212; für Italien Pedriali/Peifer, ZUM 1994, 461, 464. Zu den gesetzlichen Spezialregelungen der Rechte des Sportveranstalters in Brasilien und Frankreich Osterwalder, Übertragungsrechte, 85 ff. Für den Schutz des Parfüms nach französischem Urheberrecht Cour de cassation GRUR Int. 2006, 951; Well-Szönyi, GRUR Int. 2006, 1039, 1041; nach niederländischem Recht Cohen Jehoram, GRUR Int. 2006, 920 ff. m.w.N.
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
Zunächst ist schon nicht ersichtlich, warum dieses im Wortlaut und der Systematik der §§ 1, 2 Abs. 1 UrhG67 eindeutig angelegte Kriterium obsolet sein soll. Aus diesen Regelungen ergibt sich eindeutig, dass die Zugehörigkeit zu Literatur, Wissenschaft und Kunst eine eigenständige Schutzvoraussetzung neben dem Erfordernis persönlicher geistiger Schöpfung ist68. Die Aufzählung der Werkarten in § 2 Abs. 1 UrhG konkretisiert diese ausfüllungsbedürftigen Begriffe und nennt problematische Grenzfälle wie Computerprogramme ausdrücklich69. Die Behauptung, der Begriff der „Kunst“ könne oder dürfe zur Vermeidung ästhetischer Urteile nicht zur Ausgrenzung angeblich nicht künstlerischer Immaterialgüter verwendet werden, verkennt den Kontext der hiesigen Diskussion70. In Rede steht nämlich nicht die Freiheit der Kunst gem. Art. 5 Abs. 3 GG, sondern eine gesetzliche Voraussetzung für ein subjektiv-ausschließliches Recht, das der Eigentumsgarantie unterfällt. Außerdem wird Kunst als Rechtsbegriff sogar im Rahmen des Art. 5 Abs. 3 GG definiert71. Selbst der insoweit „liberalste“, nämlich der offene Kunstbegriff, rechtfertigt keine Subsumtion jeder reproduzierbaren menschlichen Handlung (wie Sport) oder jedes Produkts (wie Parfüm). Denn diese Verhaltensweisen und Güter sind als solche nicht mit einer über sie selbst und ihre rein sinnliche Wirkung hinausgehenden intellektuellen Aussage verknüpft, die verschiedene Interpretationen zulässt72. Ferner ist das Urheberrecht seiner ganzen Ausgestaltung nach auf Immaterialgüter aus den Bereichen Literatur, Wissenschaft und Kunst angelegt; auf sportliche Darbietungen und Parfüme passen seine Konzepte nicht73: So lässt sich in diesen Fällen bereits der Schutzgegenstand kaum anhand der urheberrechtlichen Dichotomie zwischen Ausdrucksform und geistigem Inhalt bestimmen74. Auch die Rechte des Urhebers (etwa im Hinblick auf Bearbeitungen) und deren Schranken 67 Ebenso die völkerrechtlichen Konventionen zum Urheberrecht; Art. 2 Abs. 1 rBÜ, I WUA, 3 WCT, 9 Abs. 1 TRIPS. 68 Siehe Rehbinder, Urheberrecht, Rn. 145 ff.; Loewenheim, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, § 6 Rn. 1 ff. (mit Beispielen auszugrenzender Materien); ders., in: Schricker, § 2 UrhG Rn. 3; Ahlberg, in: Möhring/Nicolini, § 2 UrhG Rn. 1. Ganz ohne Rücksicht auf die Formulierung der Art. 1, 10 Auteurswet hingegen Hoge Raad GRUR Int. 2006, 951, 953. 69 Zum Rechtsschutz von Computerprogrammen oben § 4 B III 1. Bevor diese Klarstellung erfolgt war, hatte der BGH Computerprogramme dem Bereich der Wissenschaft zugeordnet und daher einen Urheberrechtsschutz grundsätzlich für möglich erachtet; siehe BGH GRUR 1985, 1041, 1046. 70 Siehe Loewenheim, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, § 5 Rn. 5. 71 Siehe nur etwa BVerfGE 30, 173, 188 f. (1971) – Mephisto; BVerfGE 67, 213, 224 ff. (1984); BVerfGE 81, 278, 291 ff. (1990); Nierhaus, AöR 116 (1991), 72, 87. 72 So für Sport auch Waldhauser, Fernsehrechte, 88 ff. 73 Für Parfüm konsequenzlos erkannt von Hoge Raad GRUR Int. 2006, 951, 953 (nicht alle Bestimmungen des Urheberrechts könnten angewendet werden). 74 Siehe zur Unterscheidung von schutzfähiger „Form“ und freiem „Inhalt“ nur etwa BGHZ 18, 175, 177 (1955); BGH GRUR 2003, 876 ff. Für sportliche Darbietungen kommt sowohl die einzelne sportliche Leistung als auch das ganze Spiel in Betracht. Für Parfüm unterscheidet der Hoge Raad GRUR Int. 2006, 951, 953 den „Duft“ von den Duftstoffen und dem Duftgemisch, ohne klarzustellen, was denn dieser „Duft“ unabhängig von den ihn ausmachenden Bestandteilen sein soll; ebenso Balañá, GRUR Int. 2005, 979, 983 f.
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(etwa für den privaten Gebrauch oder zu Zitatzwecken) sind hier entweder obsolet oder müssen praktisch neu formuliert werden, um zu sinnvollen Ergebnissen zu gelangen. Schließlich ist seit langem anerkannt, dass eine einseitige Erklärung des angeblichen „Urhebers“ ohne Rücksicht auf den gesetzlichen Tatbestand nicht zu einem Schutzrecht verhilft75. Das gilt auch für Sportler und Parfümeure76. Im Ergebnis stellt daher das Urheberrecht im subjektiven Sinn keine Generalklausel für Immaterialgüter jenseits persönlich geistiger Schöpfungen im Bereich von Literatur, Wissenschaft und Kunst dar77. Dasselbe gilt unstreitig für die im zweiten Teil des Urheberrechtsgesetzes normierten verwandten Schutzrechte, die unter gesetzlich näher spezifizierten Voraussetzungen wissenschaftliche Ausgaben (§ 70 UrhG), nachgelassene Werke (§ 71 UrhG), Lichtbilder (§ 72 UrhG), Darbietungen ausübender Künstler (§§ 73 ff. UrhG), Veranstaltungen derartiger Darbietungen (§ 81 UrhG), Tonträger (§§ 85 f. UrhG), Funksendungen (§ 87 UrhG), Datenbanken (§§ 87a ff. UrhG), Bildträger oder Bild- und Tonträger (§ 94 UrhG) sowie Laufbilder (§ 95 UrhG) zuordnen. 2. Gewerbliche Schutzrechte Ebenso wenig wie das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte stellen die gewerblichen Schutzrechte Generalklauseln dar, auf deren Grundlage „neue“ Güter zugewiesen werden können. Das ergibt sich nicht nur aus den jeweils gesetzlich niedergelegten vertikalen und horizontalen Schutzbereichsgrenzen dieser Ausschließlichkeitsrechte, sondern zudem aus formellen, in jedem Einzelfall zu erfüllenden Entstehungsvoraussetzungen. So beziehen sich das Patent- und Gebrauchsmusterrecht auf – als vertikale Schutzgrenze – Erfindungen, die – und das sind die Merkmale der horizontalen Grenze – neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind78. Während die horizontalen Schutzvoraussetzungen gesetzlich näher erläutert werden, fehlt eine solche Definition für den zentralen Begriff der „Erfindung“, der sich damit als ausfüllungsbedürftig und zugleich entwicklungsfähig erweist. Seine Konkretisierung erfolgt herkömmlicherweise unter Hinweis auf das sog. Technizitätserfordernis: Patent- und Gebrauchsmusterrecht erfassen nur Erfindungen auf dem Gebiet der Technik79. Diese Vorausset75
Schack, Urheberrecht, Rn. 155 m.w.N.; Cohen Jehoram, GRUR Int. 2006, 920, 921. A.A. für den Sportler Osterwalder, Übertragungsrechte, 218 f.; für den Parfümeur Hoge Raad GRUR Int. 2006, 951, 954; Balañá, GRUR Int. 2005, 979, 987. 77 BGH GRUR 2003, 876, 878 („Das Urheberrecht schützt nicht alle Ergebnisse individueller geistiger Tätigkeit, sondern nur Werke i.S.d. § 2 UrhG.“); ferner BGH GRUR 2003, 956, 957 (grundsätzlich abschließende Regelung der aus dem Urheberrecht fließenden Befugnisse). 78 Siehe §§ 1 ff. PatG, 1 ff. GebrMG. Zu den Schutzvoraussetzungen des Gebrauchsmusterrechts im Verhältnis zum Patentrecht BGH NJW 2006, 3208 ff. – Demonstrationsschrank. 79 BGHZ 143, 255, 266 (1999); BGHZ 144, 282, 285 (2000); BGH GRUR 2004, 667, 668 f.; BPatG GRUR 2004, 850, 851; BPatG GRUR 2004, 931, 933; BPatG GRUR 2005, 493. Ebenso zum zeitweise sehr offenen US-amerikanischen Patentrecht nunmehr In re Stephen W. Comiskey, 499 F.3d 1365, 1375 (Fed. Cir. 2007); In re Nuijten, 500 F.3d 1346, 1361 (Fed. Cir. 2007). 76
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zung ergibt sich insbesondere aus einer völkerrechtskonformen Auslegung des deutschen Rechts im Hinblick auf Art. 27 Abs. 1 S. 1 TRIPS, der von den Vertragsstaaten verlangt, Patente für Erfindungen „auf allen Gebieten der Technik“ vorzusehen. Zwar verlagert sich die Abgrenzungsaufgabe damit zunächst nur auf den Begriff der Technik. Auch vermeidet die Rechtsprechung insoweit eine starre Festlegung und hält stattdessen eine Wertung für erforderlich. Dabei wird aber immerhin an herkömmliche Vorstellungen von Technik als eines planmäßigen Handelns unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur Erreichung eines kausal übersehbaren Erfolges angeknüpft80. Und ohnehin stehen hier nicht die Grenzen des Technikbegriffs im Einzelnen in Rede, sondern allein die letztlich unstreitige Feststellung, dass auch dieses Merkmal kein generalklauselartiger Zuordnungsauftrag an die Rechtsprechung ist, sondern eine Tatbestandsvoraussetzung des Patent- und Gebrauchsmusterrechts, das den Anwendungsbereich dieser Gesetze und Rechte beschränkt. Im Übrigen vermögen diese Regelungen eine solche Wirkung schon deshalb nicht zu entfalten, weil Patente und Gebrauchsmuster erst entstehen, wenn sie von der zuständigen Behörde in ein Register eingetragen worden sind81. Diese formellen Voraussetzungen kann eine auf „neue“ Güter gerichtete Entscheidung eines ordentlichen Gerichts keinesfalls ersetzen. Entsprechende Schutzvoraussetzungen und -grenzen lassen sich für die übrigen gewerblichen Schutzrechte feststellen. Auch wenn es neben den zu registrierenden Geschmacksmustern82 inzwischen ein nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster gibt, das lediglich öffentlich zugänglich gemacht sein muss83, beschränken sich das deutsche und europäische Geschmacksmusterrecht doch auf die Zuordnung zwei- oder dreidimensionaler Erscheinungsformen eines ganzen Erzeugnisses oder Teils davon84, wenn dieses Muster neu und eigenartig ist85. Das Halbleiterschutzgesetz regelt ein Ausschließlichkeitsrecht für angemeldete dreidimensionale Strukturen von mikroelektronischen Halbleitererzeugnissen (Topographien), wenn sie Eigenart aufweisen86. Ein Sortenschutzrecht
80 Siehe im Einzelnen nur etwa Bacher/Melullis, in: Benkard, § 1 PatG Rn. 46 ff. m.w.N. (dynamischer Technikbegriff). Zu Gründen, der Patentierung Grenzen zu setzen, Godt, Eigentum an Information, 447 ff. 81 Siehe die §§ 34 ff. PatG, 4 ff. GebrMG; ferner nur RGZ 37, 41, 43 (1896); RGZ 83, 37, 40 (1913). Das galt auch in der patentamtslosen Zeit nach 1944, siehe BGH GRUR 1952, 562; BGHZ 16, 172, 175 (1955); OLG Hamburg GRUR 1950, 83, 84 ff.; Kriwat, Grenzen des rechtlichen Schutzes, 35 (zum „Erfinderrecht“). Für das Gebrauchsmusterrecht BGHZ 47, 132, 138, 140 f. (1967) (vor der Eintragung Dritten gegenüber überhaupt keine Rechte). Aus verfassungsrechtlicher Sicht BVerfGE 36, 281, 290 (1974). 82 § 27 Abs. 1 GeschmMG, Art. 1 Abs. 2 lit. b GeschmMVO. 83 Für den Schutz des „nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters“ siehe Art. 1 Abs. 1 lit. a, 7, 11, 19 Abs. 2 GeschmMVO. 84 § 1 GeschmMG, Art. 3 lit. a GeschmMVO; vertikale Grenze des Schutzgegenstands. 85 §§ 2–6 GeschmMG, Art. 4–6 GeschmMVO; horizontale Grenze. 86 §§ 1, 5 HalblSchG.
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schließlich entsteht kraft Eintragung87 an Pflanzensorten88, wenn sie unterscheidbar, homogen, beständig, neu und durch eine eintragbare Sortenschutzbezeichnung bezeichnet sind89. 3. Kennzeichenrecht Das Kennzeichenrecht ist die dritte Säule des Immaterialgüterrechts90. Wie im Rahmen der ökonomischen Analyse der Güterzuordnung dargestellt, sind derartige Ausschließlichkeitsrechte zwar ebenfalls auf Immaterialgüter bezogen, verfolgen aber andere Zwecke als das Urheberrecht und der sonstige gewerbliche Rechtsschutz. Sie zielen nämlich nicht darauf ab, Anreize für die effiziente Nutzung und künftige Schaffung der zugeordneten Kennzeichen zu setzen, sondern dienen primär der Senkung von Suchkosten und der hochqualitativen Produktdiversifizierung91. Mit dieser speziellen Funktion des Kennzeichenrechts korrelieren besondere Kriterien zur Festlegung der vertikalen und horizontalen Schutzbereichsgrenzen. Diese orientieren sich nämlich nicht wie bei den übrigen Immaterialgüterrechten an Merkmalen des geschützten Immaterialguts als solchem, sondern an der Eignung der geschützten Kennzeichen, die genannten Ziele zu erreichen. Das ausschließliche Markenrecht92 bezieht sich gem. § 3 MarkenG93 auf alle Zeichen wie Buchstaben, Zahlen, Hörzeichen und dreidimensionale Gestaltungen, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Dieser denkbar weite vertikale Schutzbereich wird durch die absoluten Schutzhindernisse des § 8 MarkenG94, insbesondere die Erfordernisse der graphischen Darstellbarkeit und der Unterscheidungskraft konkretisiert und steht des Weiteren unter dem Vorbehalt älterer Rechte95. Die horizontalen Grenzen des Markenrechts betreffen die Vor87
§§ 22 ff. SortSchG, Art. 49 ff., 62 SortSchVO. § 1 SortSchG, Art. 5 SortSchVO (Sorten aller botanischer Gattungen und Arten); vertikale Grenze. 89 §§ 1, 3–7 SortSchG, Art. 6–10 SortSchVO; horizontale Grenze. 90 Nach hier vertretener Begrifflichkeit keine Ausschließlichkeitsrechte, sondern nur deliktische Ansprüche (§ 128 MarkenG) aufgrund eines Schutzgesetzes (§ 127 MarkenG) bestehen im Hinblick auf geographische Herkunftsangaben, also gem. § 126 MarkenG im Hinblick auf Namen von Orten, Gegenden, Gebieten oder Ländern sowie sonstigen Angaben oder Zeichen, die im geschäftlichen Verkehr zur Kennzeichnung der geographischen Herkunft von Waren oder Dienstleistungen benutzt werden. Zur dogmatischen Einordnung dieses unübertragbaren Schutzes von Gütern und Interessen noch unten § 14 A II. 91 Oben § 3 B II 2 d bb (2). 92 Zum „ausschließlichen Recht“ an der Marke § 14 Abs. 1 MarkenG, Art. 9 Abs. 1 S. 1 GMVO. 93 Für die Gemeinschaftsmarke entsprechend Art. 4 GMVO. Zum „ausschließlichen Recht auf die Verwendung und Verwertung des olympischen Emblems und der olympischen Bezeichnungen“ siehe Gesetz zum Schutz des olympischen Emblems und der olympischen Bezeichnungen (OlympSchG) v. 31.3.2004, BGBl. 2004 I, 479 ff. 94 Siehe für die Gemeinschaftsmarke Art. 7 GMVO. 95 §§ 9 ff. MarkenG, Art. 8 GMVO. 88
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aussetzungen für eine rechtsverletzende Benutzung des geschützten Zeichens, also insbesondere den kennzeichenmäßigen Gebrauch identischer oder verwechslungsfähiger Zeichen im geschäftlichen Verkehr96. Als generelle Ermächtigungsnorm für eine richterliche Zuordnung scheidet das Markenrecht nicht nur wegen dieser generell-abstrakten Schutzbereichsgrenzen aus97, sondern auch, weil jedes einzelne Markenrecht erst entsteht, wenn es in das Markenregister eingetragen ist98 oder kraft Benutzung im Verkehr Verkehrsgeltung bzw. notorische Bekanntheit erlangt hat99. Zu nennen sind ferner Ausschließlichkeitsrechte an Unternehmenskennzeichen einschließlich der Firma sowie an Werktiteln, die jeweils mit Benutzung im geschäftlichen Verkehr entstehen100 und sich gegen die Verwendung verwechslungsfähiger Zeichen richten101. Für sie gilt aufgrund ihrer Schutzvoraussetzungen derselbe negative Befund wie für das Markenrecht.
C. Zusammenfassende Bewertung und Überleitung Im Ergebnis weisen sämtliche normierte Ausschließlichkeitsrechte einen speziellen Anwendungsbereich auf, dem durch die Bezugnahme auf ein Gut als Schutzgegenstand vertikale und durch weitere Schutzvoraussetzungen innerhalb des vertikalen Bereichs horizontale Grenzen gesetzt sind. Auch wenn der genaue Verlauf dieser Grenzen hier nicht nachgezeichnet wurde, ist damit doch geklärt, dass es in der deutschen Rechtsordnung keine Generalklausel gibt, die ein subjektiv-ausschließliches Recht vorsieht, ohne diese Rechtsfolge auf bestimmte Güter und Nutzungen zu beschränken. Der erste Weg zur richterlichen Anerkennung derartiger Rechte ist daher verschlossen: Es fehlt eine Rechtsgrundlage, um das primäre Recht „auf einen Schlag“ aus der Taufe zu heben. Dieses Zwischenergebnis entspricht einer bis ins 19. Jahrhundert zurückreichenden Rechtsprechung, die die geschriebenen Ausschließlichkeitsrechte nicht über deren gesetzlich definierten Schutzbereich hinaus auf andere Güter erstreckt102. Auch wenn an dieser Stelle der Untersuchung 96
Siehe § 14 Abs. 2 MarkenG; ferner die in den §§ 20 ff. MarkenG normierten Schranken des Markenrechts sowie die Art. 9–15 GMVO. Zur Voraussetzung einer kennzeichenmäßigen Verwendung der kollidierenden Bezeichnungen nur etwa BGH ZUM-RD 2007, 5, 7 m.w.N. 97 Zur Einhaltung der Grenzen des Markenrechts auch bei einem faktischen Bedürfnis nach wirksamerem Schutz BPatG GRUR 2006, 333, 337 – Marlene Dietrich. 98 Siehe § 4 Nr. 1 MarkenG, Art. 6 GMVO. 99 § 4 Nr. 2, 3 MarkenG. 100 Zur Vorverlegung der Priorität, nicht aber der Entstehung des Werktitelrechts durch eine Titelschutzanzeige BGH GRUR 1989, 760, 761; BGH GRUR 2001, 1054, 1055; Teplitzky, WRP 2005, 654, 655 m.w.N. 101 Siehe die §§ 5, 15 Abs. 1–3 MarkenG; zum unzulässigen Firmengebrauch § 37 HGB. 102 In diesem Sinne RGZ 18, 28, 30 (1886) (Markenschutzgesetz); für das Urheberrecht RGZ 107, 277, 281 (1923); RGZ 108, 277, 281 (1924); RGZ 113, 413, 415 (1926) (Umfang des urheberrechtlichen Schutzes sei durch das LUG abschließend geregelt); BGH GRUR 1987, 814, 817 (für
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noch offen bleibt, ob eine fehlende ausdrückliche Zuweisung „neuer“ Güter eine planwidrige Regelungslücke darstellt, verwundert es demnach nicht, dass keines der in § 4 referierten Güter im Wege einer analogen Anwendung von normierten Ausschließlichkeitsrechten zugeordnet wurde103. Hierbei würde es sich um eine punktuelle Gesetzesanalogie handeln, bei der ein einzelner Rechtssatz auf einen rechtsähnlichen Sachverhalt angewendet wird, der vom Wortlaut der Vorschrift eigentlich nicht erfasst ist; ob eine umfassende Rechtsanalogie im Sinne einer Anwendung zuvor herausgearbeiteter allgemeiner Rechtsprinzipien in Frage kommt, kann wie erläutert erst nach Prüfung aller güterzuordnungsrelevanten Rechtsgrundlagen am Ende des Hauptteils beantwortet werden104. Eine Gesetzesanalogie setzt neben einer planwidrigen Regelungslücke voraus, dass der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem geregelten Tatbestand vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen105. Die bereits an dieser Stelle zu resümierende Ursache für das Fehlen eines solchen Analogieschlusses von normierten Ausschließlichkeitsrechten auf Güter außerhalb ihres Schutzbereichs ist, dass es 103 nicht vom deutschen Urheberrecht geschützte ausländische ausübende Künstler auch kein Persönlichkeitsschutz, da sonst die Grenzen des Urheberrechts ausgehebelt würden); BAG NJW 1969, 861 f. (keine analoge Anwendung des Urheberrechts auf Tarifverträge); OLG Hamburg GRUR 1950, 82, 85 (die Rechtsprechung sei nicht befugt, in dieser Weise den grundsätzlichen Charakter eines Rechts „umzugestalten“); OLG Hamburg v. 25.2.2005, 5 U 66/04, juris KORE455662005, Rn. 24 (keine ungeschriebene Rückwirkung der Geschmacksmusterverordnung und damit kein Schutz nicht eingetragener Geschmacksmuster vor deren Inkrafttreten, „erst recht, wenn es um die gesetzliche Einführung eines zuvor gerade nicht anerkannten Schutzgegenstandes … geht“); ferner im Hinblick auf die freie Imitation der Stimme Schwarz/Schierholz, FS Kreile, 723, 734; a.A. für das Geschmacksmusterrecht RGZ 120, 94, 98 (1928) (hier bestehe kein Interesse der Allgemeinheit, den Gegenstand des Schutzes gemeinfrei zu machen). Letztgenannte Aussage widerspricht den Erkenntnissen der ökonomischen Analyse des Immaterialgüterrechts; oben § 3 B II 2 d. 103 Auch die Befürworter eines grundsätzlichen Leistungsschutzes schließen Lücken der Ausschließlichkeitsrechte nicht mit einer Analogie, sondern mit den allgemeinen Generalklauseln; siehe etwa Nerreter, GRUR 1957, 525, 534 (bei offensichtlich ungewollter Lücke Anwendung von § 1 UWG 1909); gegen Analogie auch Walch, Leistungsschutz, 89 (mit Verweis auf die Rechtssicherheit); Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 21; Knies, Leistungsschutz, 160 (es fehle an einer planwidrigen Regelungslücke); Piper, in: Piper/Ohly, § 4.9 UWG Rn. 9/3; Hillers, Darbietungen, 143 (identische Schutzbedürfnisse seien nur de lege ferenda zu befriedigen); a.A. soweit ersichtlich nur Dieckmann, UFITA 127 (1995), 35, 49 ff. (analoge Anwendung der §§ 73 ff. UrhG auf Sportler wegen vergleichbaren Schutzbedürfnisses aufgrund der „Grundsätze des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte“); Birner, Internet-Domain als Vermögensrecht, 27 (Vergleich der Domain mit dem Kennzeichenrecht). 104 Zum Unterschied zwischen Gesetzes- und Rechtsanalogie Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 339 f.; Würdinger, AcP 206 (2006), 946, 953 ff.; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Analogie BVerfGE 82, 6, 12 (1990). 105 Siehe BGHZ 105, 140, 143 (1988); BGHZ 110, 183, 192 (1990); BGHZ 120, 239, 251 (1992); BGHZ 149, 165, 174 (2001); BGH GRUR 2003, 622, 623; Larenz, NJW 1965, 1, 4; Enneccerus/ Nipperdey, AT I/1, 339 ff.; Würdinger, AcP 206 (2006), 946, 949 ff.
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
jedenfalls an der rechtlichen Vergleichbarkeit der Sachverhalte fehlt, so dass es auf die Frage nach der Regelungslücke gar nicht mehr ankommt. Zwar könnte man auf den Gedanken kommen, dass jedenfalls bei immateriellen Gütern wegen deren faktischer Nichtexklusivität106 stets ein berechtigtes Schutzinteresse gegeben ist, das in rechtlich vergleichbarer Weise in ähnlichen Konstellationen bereits anerkannt wurde. Abgesehen davon, dass diese Annahme ein allgemeines Rechtsprinzip der Güterzuordnung impliziert, dem zumindest die geregelten Ausschließlichkeitsrechte wegen ihres bewusst begrenzten Schutzbereichs kaum eine Stütze liefern, kann eine analoge Anwendung eines Gesetzes nach ständiger Rechtsprechung nicht schon damit begründet werden, dass bei einem nicht geregelten Tatbestand auf Seiten eines Beteiligten ein Interesse vorliegt, das der Gesetzgeber in anderem Zusammenhang berücksichtigt hat. Denn eine solche Betrachtungsweise würde die Interessen der anderen Beteiligten zu Unrecht vernachlässigen107. Nimmt man diesen umfassenden Standpunkt ein, lässt sich nicht ignorieren, dass sämtliche Ausschließlichkeitsrechte mit ihrem Schutzbereich, den hierfür geltenden sekundären Ansprüchen und den Regelungen zum Rechtsverkehr speziell auf ein Gut und die insoweit bestehende Interessenlage zugeschnitten sind. Mehrfach hat sich erwiesen, dass selbst die grundlegenden Konzepte eines Ausschließlichkeitsrechts von vornherein fehlschlagen, wenn sie auf andere Güter und Lebenssachverhalte angewendet werden sollen108. Der gegenteilige Ansatz würde ferner die von der ökonomischen Analyse längst formulierte Einsicht verkennen, wonach undifferenzierte Folgerungen von einer Zuordnung auf einen anderen Lebenssachverhalt unerwünschte Wirkungen zeitigen können109. Selbst der für sich gesehen relativ bestimmte Zweck, den Originalhersteller nicht exklusiver Güter gegen unerlaubte Übernahmen zu schützen, lässt sich demnach nur erreichen, wenn die einschlägigen Markt- und sonstigen Verhältnisse eingehend analysiert und in eine rechtliche Regelung umgesetzt werden. Für die hiermit angesprochenen Immaterialgüterrechte ist schließlich eine regelungstechnische Besonderheit zu beachten, die entscheidend gegen einen Analogieschluss spricht. Sämtliche Immaterialgüterrechtsgesetze knüpfen die Strafbarkeit von Verletzungen dieser Ausschließlichkeitsrechte nämlich an einen Eingriff in den privat106
Oben § 3 B II 2 d aa. BGHZ 105, 140, 143 (1988); BGHZ 110, 183, 193 (1990); BGHZ 120, 239, 251 f. (1992); BGH GRUR 2003, 622, 623 f. Zum verfassungsrechtlichen Gebot, Güterzuordnungen nicht einseitig auf den Begünstigten auszurichten, unten § 11 C II 1 b. 108 Gegen die von Dieckmann, UFITA 127 (1995), 35, 49 ff. vorgeschlagene analoge Anwendung der §§ 73 ff. UrhG auf Sportler denn auch Waldhauser, Fernsehrechte, 174 m.w.N.; Weng, Vermarktung Fernsehübertragungsrechte, 29 f.; Winter, ZUM 2003, 531, 535; Tumbrägel, Zentralvermarktung, 56; Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 169 f. (aber für ein inhaltlich praktisch identisches, persönlichkeitsrechtlich hergeleitetes „Akteurpersönlichkeitsrecht“). 109 Zum Differenzierungsgebot der ökonomischen Analyse oben § 3 E. Diese Erkenntnis „wegzudenken“, ist keine Lösung; gegen Ullmann, AfP 1999, 209, 210; ders., in: Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz, 17, 20; kritisch wie hier Frassek, Geldentschädigung, 63 („simplifizierende Betrachtung“). 107
§ 5 Normierte Ausschließlichkeitsrechte
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rechtlich konstruierten Schutzbereich110. Zwar folgt hieraus nicht die Geltung des strafrechtlichen Analogieverbots111 im Immaterialgüterrecht. Und doch müsste eine analoge Anwendung auf privatrechtliche Wirkungen beschränkt bleiben und damit das durchgängige System der Kopplung strafrechtlicher Tatbestände an privatrechtliche Verbote durchbrechen. Die Zulässigkeit einer umfassenden Rechtsanalogie lässt sich hingegen erst nach Durchsicht aller güterzuordnungsrelevanten Vorschriften des Privat-, Verfahrens- und Verfassungsrechts klären. Wie bereits in der Einleitung erläutert, genügt die Analyse der normierten Ausschließlichkeitsrechte mit Blick auf einen angeblichen numerus clausus nicht, um die Frage zu beantworten, ob die gleiche Befugnis zur Nutzung „neuer“ Güter durch jedermann oder ein Rechtsprinzip der Güterzuordnung den Grundtenor des deutschen Rechts bildet; aus den Spezialregelungen kann keine allgemeingültige Aussage gewonnen werden. Die demnach erforderliche und sich nunmehr anschließende Überprüfung einschlägiger Generalklauseln des BGB, des UWG, der ZPO und der Insolvenzordnung entspricht überdies der Rechtspraxis. Denn die angeblichen Lücken der Güterzuordnung werden eben nicht mit den Sonderregelungen geschlossen, sondern mit jenen allgemeinen Rechtsgrundlagen. Zwar ist stets zu prüfen, ob sich aus den Grenzen der Ausschließlichkeitsrechte im Umkehrschluss ergibt, dass eine bestimmte Nutzung nicht zugeordnet werden sollte. Eine in diesem Sinne abschließende Regelung darf durch einen Schutz von Gütern und Interessen auf der Basis gesetzlicher Schuldverhältnisse nicht unterlaufen werden, weil sich der Gesetzgeber konkludent für die Zulässigkeit der Nutzung entschieden hat112. 110
Siehe die §§ 142 PatG, 25 GebrMG, 10 HalblSchG, 143–145 MarkenG, 51, 65 GeschmMG, 39–40 SortSchG, 106–111a UrhG. Siehe ferner Art. 61 TRIPS und den geänderten Vorschlag für eine Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates über strafrechtliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums v. 26.4.2006, KOM(2006)168 endgültig, 2005/ 0127 (COD). 111 Die Strafbarkeit muss gesetzlich bestimmt gewesen sein, bevor die Tat begangen wurde; Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB. 112 Dazu RGZ 73, 294, 296 f. (1910) („Allerdings ergibt sich aus dem Wesen der Sondergesetzgebung, daß die darin festgelegten Tatbestände rechtswidrigen Handelns nicht unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten anders betrachtet werden können, und daß da, wo das Urheberrecht ausdrücklich und absichtlich einen Schutz für einen gewissen Tatbestand ausschließt, ein solcher auch nicht aus allgemeinen Gesichtspunkten des Bürgerlichen Gesetzbuchs hergeleitet werden kann.“); RGZ 107, 277, 280 f. (1923); RGZ 115, 180, 184 (1926); KG UFITA 14 (1941), 196, 199; Hillig, GRUR 1929, 247, 249; Smoschewer, GRUR 1929, 381, 385; Nerreter, GRUR 1957, 525, 534; Traub, GRUR 1973, 186, 189; für den Sportveranstalterschutz Haas/Reimann, in: Dierker, Vermarktungsrechte, 31, 44; Reimer, FS Wendel, 1969, 98, 102; Englert, FS Ulmer, 297, 298; Hubmann, GRUR 1975, 230, 235; Lehmann-Schmidtke, Wettbewerbliche Eigenart, 175; Kur, GRUR Int. 1998, 771, 776; Köhler, WRP 1999, 1075, 1077; Ohly, GRUR 2004, 889, 899; ders., FS Ullmann, 795, 808 ff.; Kriwat, Grenzen des rechtlichen Schutzes, 37; Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 396 f.; Sambuc, Nachahmungsschutz, 4 f.; Fournier, Bereicherungsausgleich, 113; Götte, Schutzdauer, 101 f. Zum UWG 2004 Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 UWG Rn. 9.6; Eck, in: Gloy/ Loschelder, Hdb WettbewerbsR, § 43 Rn. 4 ff.; Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 1605 ff.; Sambuc, in: Harte/Henning, § 4 Nr. 9 UWG Rn. 5; Dallmann, Nachahmungsschutz, 173 ff.; insbeson-
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Aber selbst mit dieser Prüfung eines etwaigen Zuordnungsverbots verlässt man den Kreis der normierten Ausschließlichkeitsrechte und ihrer begrenzten Aussagekraft noch nicht113. Denn auch ohne ausdrücklichen Verweis114 bleiben insbesondere die Generalklauseln des BGB und des UWG grundsätzlich neben den Spezialregelungen anwendbar115. Inwieweit auf ihrer Grundlage positiv-exklusive Befugnisse an Gütern anerkannt werden können, ist in den folgenden Paragraphen zu untersuchen.
113 dere zum Verhältnis zwischen Markenrecht und den deliktsrechtlichen Generalklauseln des UWG und des BGB BGH GRUR 2005, 583, 585; OLG Köln GRUR-RR 2005, 12, 13 (Vorrang des Markenrechts im Verhältnis zu § 4 Nr. 9 lit. b UWG für den Schutz der bekannten Marke); OLG Rostock GRUR-RR 2005, 352 f. (Schutz der berühmten Marke und Deliktsrecht des BGB); Ingerl, WRP 2004, 809 ff.; Bornkamm, GRUR 2005, 97 ff. m.w.N.; Körner, FS Ullmann, 701, 709 ff.; Dorndorf, Herkunftstäuschung und Rufausbeutung, 91 ff. 113 Siehe z.B. Wagner, in: MünchKomm, § 826 BGB Rn. 110, der einerseits festhält, § 826 BGB sei durch die Regelungen der Immaterialgüterrechtsgesetze nicht gesperrt und könne daher Lücken des Leistungsschutzes schließen, während die Norm nicht den geregelten Umfang des Leistungsschutzes erweitern, etwa die §§ 45 ff. UrhG überspielen könne. Das e-contrario-Argument hilft nur für das zweite Argument, nicht für das erste. 114 Ausdrückliche Verweise auf allgemeine Vorschriften finden sich in den §§ 2 MarkenG, 50 GeschmMG, 37 Abs. 4 SortSchG; 97 Abs. 3, 69g Abs. 1 UrhG (allgemeiner Verweis auf die Anwendbarkeit anderer gesetzlicher Vorschriften); §§ 140b Abs. 5 PatG, 24b Abs. 5 GebrMG, 9 Abs. 2 HalblSchG, 19 Abs. 5 MarkenG, 37b Abs. 5 SortSchG (weitergehende Auskunftsansprüche); § 18 Abs. 3 MarkenG (weitergehende Beseitigungsansprüche); Art. 98 Abs. 2 GMVO, 88 Abs. 2, 96 Abs. 1 GeschmMVO (dazu BGH GRUR 2006, 79, 80), 97 SortSchVO (Verweis der EGVerordnungen zu Gemeinschaftsrechten auf das nationale Recht). 115 Allgemein RGZ 83, 37, 42 (1913) (das allgemeine bürgerliche Recht stehe ergänzend neben den besonderen Bestimmungen der gewerblichen Schutzgesetze und komme nur insoweit nicht zur Anwendung, als deren Inhalt die Anwendbarkeit der allgemeinen Bestimmungen ausdrücklich oder sinngemäß ausschließe); Körner, FS Ullmann, 701, 714; a.A. noch RGZ 3, 67, 68 f. (1880); RGZ 29, 57, 60 f. (1892); Kohler, Bürgerliches Recht II 1, 459 f. (sonst Widerspruch zur „Natur dieser Güter, die doch der Allgemeinheit zustreben“). In Bezug auf § 826 BGB OLG Köln GRUR-RR 2005, 317, 319 m.w.N. Zum allgemeinen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch analog § 1004 BGB RGZ 62, 320, 321 (1906). In Bezug auf § 1 UWG 1909 RGZ 107, 277, 280 f. (1923); RGZ 111, 254, 256 f. (1925); RGZ 115, 180, 184 (1926) m.w.N.; RGZ 120, 94, 97 (1928) – Huthaken m.w.N.; BGHZ 5, 1, 10 (1952); BGHZ 26, 52, 58 (1957); BGHZ 60, 168, 171 f. (1973) – Modeneuheit; BGH WRP 1976, 370, 371; BGH GRUR 2005, 600, 602 m.w.N.; OLG Dresden JW 1926, 1242, 1244; OLG Dresden MuW 1933, 207 f.; Piper, in: Köhler/Piper, Einf Rn. 12. Zu § 4 Nr. 9 UWG BGH GRUR 2006, 79, 80; Piper, in: Piper/Ohly, § 4.9 UWG Rn. 9/7. Zur Eingriffskondiktion BGHZ 68, 90, 96 (1976) m.w.N. In Bezug auf § 687 Abs. 2 BGB ROHG 22, 338, 342 (1877) (Verhältnis zwischen KUG und Ansprüchen aus negotiorum gestio); RGZ 29, 49, 50 ff. (1892) (Anwendbarkeit der Vorschriften des ALR zum Schadensersatz und des gemeinen Rechts zur Geschäftsanmaßung auf das Recht auf das Patent); RGZ 70, 249, 252 (1909).
§ 6 Deliktsrecht des BGB
A. Einführung und Übersicht Da die normierten Ausschließlichkeitsrechte als allgemeine Rechtsgrundlage für die Zuordnung „neuer“ Güter ausscheiden, richtet sich der Blick auf die güterzuordnungsrelevanten Generalklauseln der gesetzlichen Schuldverhältnisse des BGB, des UWG sowie auf das allgemeine Rechtsverkehrsrecht. In den §§ 4 und 5 ist ferner nachgewiesen worden, dass die Rechtspraxis angebliche Lücken des Güterzuordnungsrechts nicht über eine analoge Anwendung normierter Ausschließlichkeitsrechte füllt, sondern hierfür auf eben jene allgemeinen, grundsätzlich nicht gesperrten Vorschriften zurückgreift. Sie beschreitet damit den zweiten möglichen Weg zur Anerkennung von Zuordnungen nach dem Vorbild des Sacheigentums und der Immaterialgüterrechte: Statt das primäre Recht als solches und auf einen Schlag zu gewähren, werden die Wirkungen von Ausschließlichkeitsrechten wie in einem Baukastensystem nach und nach auf der Basis ausfüllungsbedürftiger gesetzlicher Tatbestände zugesprochen. Zur Überprüfung dieses Vorgehens werden folgende Fragen gestellt: Erstens ist zu klären, ob sich die Tatbestandsvoraussetzungen für die jeweils angeordnete Rechtsfolge (Ansprüche auf Schadensersatz, Unterlassung, Beseitigung, Herausgabe der Bereicherung, Herausgabe des Erlangten einschließlich des Gewinns bzw. Übertragbarkeit, Verpfändbarkeit, Pfändbarkeit in der Zwangsvollstreckung, Insolvenzbeschlag und Vererblichkeit) aus den einschlägigen Vorschriften selbst ergeben (interne Generierung der Rechtsfolgen) oder ob die Normen auf anderweitig abzuleitende Rechtspositionen verweisen, deren Existenz und Verletzung sie als externes Tatbestandsmerkmal voraussetzen. Nur im erstgenannten Fall kommt ihnen eine eigenständige güterzuordnende Kraft zu, die ggf. für ein entsprechendes Rechtsprinzip fruchtbar gemacht werden kann. Das allerdings zweitens nur, wenn die norminternen Wertungen auch eine Güterzuordnung im Sinne eines exklusiven „Habens“ bezwecken. Sanktioniert bzw. verwirklicht die relevante Vorschrift hingegen nur normexterne Rechtspositionen oder zielt die entwicklungsoffene Norm nicht auf Güterzuordnung ab, kann ihr für ein Rechtsprinzip der Güterzuordnung nichts entnommen werden. Stattdessen würde es bei der bisher als Zwischenergebnis konstatierten punktuellen Güterzuordnung durch normierte Ausschließlichkeitsrechte verbleiben. Eine sonstige Rechtsgrundlage für die Zuordnung „neuer“ Güter wäre im Privatrecht nicht vorhanden. In diesem Fall könnte nur noch ein grundrechtliches Schutzgebot aus
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Art. 14 GG (dazu § 11) oder ein sonstiges, ungeschriebenes Rechtsprinzip der Güterzuordnung (dazu § 12) einer positiven Zuweisungsentscheidung Rückhalt in der verfassungsmäßigen Ordnung verleihen. Unter diesen Vorzeichen wird in diesem Paragraphen das güterzuordnungsrelevante „Deliktsrecht des BGB“1 in Blick genommen. Hierzu zählen nach Maßgabe der Rechtspraxis und Literatur in den einschlägigen Fallbeispielen zunächst zwei Vorschriften des 27. Titels des BGB zu den „unerlaubten Handlungen“, die jeweils Ansprüche auf Schadensersatz gewähren, wie sie auch bei der schuldhaften Verletzung von Ausschließlichkeitsrechten in Frage kommen2. Zum einen wurde § 823 Abs. 1 BGB in der Variante der widerrechtlichen Verletzung eines sonstigen Rechts als Rechtsgrundlage für die Begründung ungeschriebener Rechtspositionen an Elektrizität, an Geheimnissen sowie für das aPR in seiner klassischen Ausprägung als auch hinsichtlich seiner vermögenswerten Bestandteile angeführt3. Darüber hinaus diente dieses Tatbestandsmerkmal der Rechtsprechung als Anknüpfungspunkt für weitere, richterrechtlich anerkannte „sonstige Rechte“ (insbesondere das Recht am Gewerbebetrieb), die allerdings üblicherweise nicht im Kontext der Güterzuordnung behandelt werden und daher auch in § 4 nicht als einschlägige Beispiele referiert wurden. Sie sind nunmehr in die Prüfung einzubeziehen und darauf zu analysieren, ob diese ggf. normintern begründeten Rechtspositionen der Zuordnung von Gütern oder aber sonstigen Zwecken dienen (dazu B). Zum anderen ordnen Rechtsprechung und Literatur die unerlaubte Nutzung von Sportveranstaltungen, Geheimnissen, Tonträgern, Sendungen und Darbietungen ausübender Künstler als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung gem. § 826 BGB ein4. Auch wenn die praktische Bedeutung dieser Norm inzwischen stark zugunsten des UWG zurückgegangen ist5, verlangt der besonders entwicklungsfähige, außerrechtliche Normen einbeziehende Tatbestand eine Überprüfung (dazu C).
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Zu dieser Begrifflichkeit näher unten E. Siehe § 823 Abs. 1 BGB („Eigentum“) und die Sonderregelungen in den Immaterialgüterrechtsgesetzen §§ 139 Abs. 2 S. 1 PatG; 24 Abs. 2 S. 1 GebrMG; 9 Abs. 1 S. 2 HalblSchG; 14 Abs. 6, 15 Abs. 5 MarkenG; 42 Abs. 2 S. 1 GeschmMG; 37 Abs. 2 S. 1 SortSchG; 97 Abs. 1 S. 1 UrhG; Art. 94 Abs. 2 SortSchVO; für die Gemeinschaftsmarke und das Gemeinschaftsgeschmacksmuster ergibt sich ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB („sonstiges Recht“), siehe die Verweise auf das nationale Recht in den Art. 98 Abs. 2 GMVO, 88 Abs. 2 GeschmMVO. 3 Siehe oben § 4 B. 4 Oben § 4 B. Zu Geheimnissen siehe insbesondere BGH NJW 1977, 1062 f. (unerlaubte Benutzung eines Betriebsgeheimnisses unter Verletzung einer „dem Immaterialgüterrechtsschutz vergleichbaren Leistungsposition“). 5 Zur geringen praktischen Relevanz von § 826 BGB im Verhältnis zu § 1 UWG 1909 siehe Schricker, Gesetzesverletzung und Sittenverstoß, 92 ff. Nähere Auseinandersetzung mit § 826 BGB in den Urteilen RGZ 107, 277, 281 f. (1923) (unter Hinweis auf § 138 BGB); RGZ 120, 94 ff. (1928); BGHZ 38, 391, 393 (1962); BGHZ 51, 41 ff. (1968). Die eigenständige Bedeutung von § 826 BGB kann aber mit Blick auf die längere Verjährung der deliktischen Ansprüche im BGB eine Rolle spielen; siehe dazu BGHZ 36, 252 ff. (1961) und unten C II 1. 2
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Nicht näher zu betrachten sind wegen ihrer speziellen Voraussetzungen die Sonderdeliktsnormen der §§ 824 f., 839 BGB und insbesondere § 823 Abs. 2 BGB. Zwar ist diese dritte „kleine“ Generalklausel des Rechts der unerlaubten Handlung für die Zuordnung von Bildern von Sachen und Sportveranstaltungen (i.V.m. § 123 StGB), Geheimnissen (i.V.m. §§ 17 ff. UWG) und elektrischer Energie (i.V.m. §§ 248c, 263 StGB) ebenfalls vorgebracht worden6. Gerade diese Auflistung verdeutlich indes, dass hierbei stets Schutzgesetze im Sinne von generellabstrakten „Rechtsnormen“ (Art. 2 EGBGB) vorausgesetzt und angewendet wurden7. Auch losgelöst von diesen Sachverhaltskonstellationen hat sich die Auffassung, aus § 823 Abs. 2 BGB (also normintern) könnten richterrechtlich Schutzgesetze bzw. Verkehrspflichten entwickelt und zugleich sanktioniert werden, nicht durchsetzen können8. Demnach finden sich im 27. Titel des BGB zwei Generalklauseln mit dem Potential, Entscheidungen über die Zuordnung „neuer“ Güter zu legitimieren. Freilich ergeben sich hieraus nur Schadensersatzansprüche. Praktisch nicht minder bedeutsam, im Recht der unerlaubten Handlungen aber nicht ausdrücklich geregelt, sind abwehrende Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung einer Störung9. Auf diesen Mangel hat die Rechtsprechung seit langem mit der Anerkennung „quasinegatorischer“ Ansprüche – hier als allgemeine Unterlassungsund Beseitigungsansprüche oder allgemeine Abwehransprüche bezeichnet – reagiert. Derartige Sanktionen wurden auch in Bezug auf die in § 4 dargestellten Beispiele ausgesprochen, insbesondere für das aPR10. Weil die Rechtsprechung hierfür auf die sachenrechtliche Vorschrift des § 1004 BGB rekurriert, ist zunächst zu erörtern, ob dieses richterrechtlich entwickelte Rechtsinstitut überhaupt dem „Deliktsrecht“ zugeschlagen werden kann. Dazu ist dem Anwendungsbereich, den Tatbestandsvoraussetzungen und namentlich dem Zweck dieser Rechtsfortbildung nachzugehen. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse zu den §§ 823 Abs. 1, 826 BGB wird zu klären sein, ob der Verweis auf § 1004 BGB eine den Ausschließlichkeitsrechten entsprechende Struktur der jeweils anerkannten Abwehrposition zum Ausdruck bringt (dazu D). Der Abschnitt E fasst die Ergebnisse dieser Analysen zusammen.
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Wiederum oben § 4 B. Zur bloßen Konkretisierungs- und Ergänzungsfunktion des § 823 Abs. 2 BGB im Vergleich zu § 823 Abs. 1 und § 826 BGB Canaris, FS Larenz, 27, 48. 8 Siehe BGH GRUR 1965, 690, 692; Canaris, FS Larenz, 27, 51 ff.; Picker, JZ 1987, 1041, 1047 f. m.w.N.; Schiemann, Erman, § 823 BGB Rn. 76; Schmidt, JuS 1993, 985, 986 f.; Schwitanski, Deliktsrecht, 306; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 211; Spickhoff, in: Soergel13, vor § 823 BGB Rn. 9, 15. Nachweise zur Gegenauffassung bei Mertens, AcP 178 (1978), 227, 228 ff.; siehe auch Fezer, Teilhabe und Verantwortung, 528 f. m.w.N.; für die Anerkennung ungeschriebener Verkehrspflichten außerhalb von § 823 Abs. 1 BGB Leser, AcP 183 (1983), 568, 585 f. (allgemeine Fahrlässigkeitshaftung für sorgfaltspflichtwidriges Verhalten); Bälz, Zivilrechtliche Haftung, 22; als Alternative zum Recht am Gewerbebetrieb als „sonstigem Recht“ Gieseke, GRUR 1950, 298, 310 f. 9 Flad, IherJb 70 (1921), 336, 341; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 1008. 10 Oben § 4 B. 7
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B. Das „sonstige Recht“ gem. § 823 Abs. 1 BGB Der erste deliktsrechtliche Anhaltspunkt für eine Entscheidung über „neue“ Güter ist § 823 Abs. 1 BGB und dort das „sonstige Recht“. Zur Ermittlung des güterzuordnenden Gehalts dieses Tatbestands ist die Funktion des Deliktsrechts im BGB zu bestimmen (dazu I). Im Sinne einer weiteren Annäherung an das Problem wird anschließend die Stellung des § 823 Abs. 1 BGB im System des 27. Titels betrachtet und gefragt, ob hier ein Grundsatz der Haftung für Schädigungen verwirklicht wurde, der sich auch auf die Nutzung „neuer“ Güter erstreckt (dazu II). Erst dann sind Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Norm auf eine etwaige Ermächtigung der Rechtsprechung zu untersuchen (dazu III). Weil die Rechtsentwicklung über die hier formulierten Vorbehalte jedoch hinweggegangen ist, sind schließlich die bisher abgesehen vom aPR nicht berücksichtigten weiteren, ungeschriebenen „sonstigen Rechte“ mit Bezug auf den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie familien- und arbeitsrechtliche Konstellationen in die Betrachtung einzubeziehen. Dabei ist das Erkenntnisinteresse freilich auf die Frage reduziert, ob sich in diesen Entwicklungen ein Prinzip der Güterzuordnung die Bahn bricht oder ob ganz andere Interessen geschützt werden (dazu IV).
I. § 823 Abs. 1 BGB und die Funktion des Deliktsrechts im BGB Die Funktion des Deliktsrechts kann anhand der Rechtsfolgen oder des Tatbestands der einschlägigen Regelungen beschrieben werden. In Bezug auf die im 27. Titel des BGB angeordnete Rechtsfolge Schadensersatz wird von einer Schadensausgleichsordnung gesprochen, die vorgebe, wer mangels rechtlicher Sonderverbindung einen Schaden zu tragen hat11. Daneben wird vermehrt die verhaltenssteuernde (präventive) Wirkung und Funktion des Deliktsrechts betont12. Eine eher tatbestandsorientierte Betrachtungsweise sieht in Übereinstimmung mit den Absichten des historischen Gesetzgebers13 im BGB-Deliktsrecht den 11
V. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht I, Rn. 1; Spickhoff, in: Soergel13, vor § 823 BGB Rn. 30; Fuchs, Deliktsrecht, 1; Leupertz/Schaub, in: Prütting/Wegen/Weinreich, vor §§ 823 ff. BGB Rn. 2 f.; Schwitanski, Deliktsrecht, 93 (Zuordnung von Schäden), 221. Zum Begriff der Sonderverbindung Canaris, FS Larenz, 27, 34. 12 Zum Streit, ob neben dem Ausgleich von Schäden (ausgleichende Gerechtigkeit) auch Prävention und andere Aspekte (Buße usw.) Funktionen des Deliktsrechts sind, siehe nur etwa Wagner, Perspektiven im Schadensersatzrecht, A 14 ff.; Kötz, FS Steindorff, 643 f. m.w.N.; Spickhoff, in: Soergel13, vor § 823 BGB Rn. 31; Looschelders, Schuldrecht BT, Rn. 1167; Staudinger, NJW 2006, 2433, 2434. 13 Siehe Mot. II, 725 (Grundgedanke sei, „daß Jedermann die Rechtssphäre Anderer zu achten und sich eines jeden widerrechtlichen Eingriffes in dieselbe zu enthalten habe“); Prot. II 2, 567 f. (das Recht der unerlaubten Handlung sei dazu bestimmt, „die Rechtskreise der Einzelnen, innerhalb derer diese ihre individuelle Freiheit entfalten und ihre Interessen verfolgen dürfen, von ein ander abzugrenzen.“); Denkschrift, 100 (Recht der unerlaubten Handlung habe den Zweck, „den
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Schutz des Einzelnen vor Eingriffen in seinen Rechtskreis bzw. seine Rechtssphäre außerhalb von Sonderbeziehungen durch die Aufstellung allgemeiner, gegenüber jedermann bestehender Rechtspflichten verwirklicht14. Dabei komme das Gerechtigkeitsgebot des neminem laedere zum Tragen15. Larenz/Canaris sehen darin „geradezu ein Paradigma für Kants Definition des Rechts als des Inbegriffs der Bedingungen, unter denen die Willkür (d.h. die Freiheit) des Einzelnen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit zusammen vereinigt werden kann“16. Diese Abgrenzung von Rechtskreisen erfolgt durch objektive Verhaltenspflichten, die anzeigen, welche Handlungen widerrechtlich sind, ohne dass es insoweit auf das Verschulden ankommt. Damit kann nicht nur der auf Verschulden beruhende Schadensersatzanspruch17, sondern auch ein die Rechtskreise abbildender, in die Zukunft gerichteter Unterlassungsund Beseitigungsanspruch deliktsrechtlich qualifiziert werden18. Freilich lassen alle Funktionsbeschreibungen auf dieser abstrakten Ebene weitgehend offen, anhand welcher Prämissen Interessenkollisionen im Einzelfall zu lösen sind19. Insbesondere klärt der Verweis auf eine Schadensausgleichsordnung oder eine Abgrenzung von Rechtskreisen nicht, ob grundsätzlich für alle schädigenden Handlungen gehaftet wird (neminem laedere) oder ob umgekehrt jeder die ihn treffenden Schäden selbst tragen muss, während eine Haftung anderer die zu begründende Ausnahme darstellt (casum sentit dominus). Dementsprechend ist umstritten, ob das Deliktsrecht ersatzorientiert dem fairen Rechtsgüter- und 14 Rechtskreis des Einzelnen gegen widerrechtliche Eingriffe Anderer zu sichern.“); RG JW 1899, 749, 750 (objektiver Eingriff in den Rechtskreis eines anderen als Kennzeichen des Delikts). Zur Herkunft des Gedankens der Abgrenzung individueller Freiheitssphären aus dem Naturrecht Jansen, Struktur des Haftungsrechts, 359; Benöhr, in: Zimmermann, Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, 499, 501 f. 14 Siehe dazu RGZ 56, 271, 275 (1902) (Eingriffe in die „Rechtssphäre“ Dritter); BGHZ 34, 375, 380 (1961) (das gemeinsame Merkmal der im 25. Titel des BGB geregelten unerlaubten Handlungen bestehe „in der widerrechtlichen Verletzung der allgemeinen, zwischen allen Personen bestehenden, gewissermaßen nachbarlichen Rechtsbeziehungen, die von jedermann zu beachten sind, weil sie die Grundlage des Gemeinschaftslebens bilden“; erforderlich sei ein Eingriff in den allgemeinen Rechtskreis einer anderen Person, mit dem das Gesetz die Rechtswirkung einer Schadensersatzpflicht verknüpfe); BGH NJW-RR 1996, 1121, 1122 (Verstoß nicht nur gegen eine vertraglich begründete Verpflichtung, sondern gegen eine allgemeine Rechtspflicht); KG MDR 1998, 897; Jansen, Struktur des Haftungsrechts, 143 (auf Ausgleich gerichtete Verteilung von Schadens- und Haftungsrisiken); Peifer, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 42; Teichmann, in: Jauernig, vor § 823 BGB Rn. 1 f.; Sprau, in: Palandt, § 823 BGB Rn. 1; Schrauder, Wettbewerbsverstöße, 106 f. 15 Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 352; Brüggemeier, Deliktsrecht, 84; Spindler, in: Bamberger/ Roth, § 823 BGB Rn. 0.1; Schiemann, JuS 1989, 345 ff.; Schmidt, JuS 1993, 985, 987 (Abgrenzung individualschützender und deshalb durch Ansprüche sanktionierter Verhaltensgebote); Preusche, Unternehmensschutz, 90 (vernünftige Trennlinien zwischen der Verteidigung erworbener Rechtsgüter und -interessen einerseits und der prinzipiellen Handlungsfreiheit der Rechtsgenossen andererseits). 16 Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 350. 17 Grundlegend v. Ihering, Schuldmoment, 40 ff.; zur Entstehungsgeschichte Benöhr, in: Zimmermann, Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, 499, 523. 18 Dazu unten D. 19 Schwitanski, Deliktsrecht, 221 (abstrakte Einheitsfomel); Kötz, FS Steindorff, 643, 644 f.
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
Vermögensschutz dient20 und damit distributive Zuweisungsentscheidungen die einheitliche normative Grundlage für das Deliktsrecht und die Eingriffskondiktion bilden21 oder ob das Deliktsrecht im wie gezeigt kantischen Sinne vorwiegend der Verwirklichung individueller Freiheit durch Aufstellung allgemeiner Rechtspflichten dient22. Die Aussagekraft selbst derartig zugespitzter Funktionsbeschreibungen wird dadurch relativiert, dass das Deliktsrecht Rechtskreise mit ganz unterschiedlichen formalen Strukturen ab- bzw. ausbildet. So kommen Schadensersatzansprüche sowohl dann in Betracht, wenn ein primäres Ausschließlichkeitsrecht schuldhaft verletzt wurde (z.B. das Eigentum gem. § 823 Abs. 1 BGB), als auch im Fall der vorsätzlichen sittenwidrigen Vermögensschädigung, die unstreitig kein Ausschließlichkeitsrecht auf der Seite des Geschädigten voraussetzt23. Insgesamt lassen sich für die Frage nach dem güterzuordnenden Gehalt des Deliktsrechts und speziell des § 823 Abs. 1 BGB aus einer allgemeinen Funktionsbetrachtung nur wenige Schlussfolgerungen ziehen. Einerseits sanktioniert das Deliktsrecht auch Verletzungen von Ausschließlichkeitsrechten, so dass eine richterrechtliche Anerkennung entsprechender Rechtspositionen im Interesse des exklusiven „Habens“ nicht von vornherein als Fremdkörper im Deliktsrecht erscheint. Andererseits rechtfertigen Schadensausgleichs- und Rechtskreisabgrenzungsfunktion für sich betrachtet noch keineswegs die Annahme, das Gesetz beruhe auf dem Prinzip, dass für jeden Schaden und insbesondere für jede Verletzung des Interesses an exklusiver Verfügung über Güter zu haften sei. Zur Klärung dieser Grundsatzfrage ist es daher erforderlich, § 823 Abs. 1 BGB und das „sonstige Recht“ zunächst in das Deliktsrechtssystem des BGB einzuordnen und anschließend einen genaueren Blick auf die Vorschrift selbst zu werfen. 20 So insbesondere Jansen, Struktur des Haftungsrechts, 479, 523, 581 (ausgehend u.a. vom Fall, dass die Hausfrau für Wasserschäden des Nachbars hafte, die wegen eines Bruchs der Zuleitung zur Waschmaschine während einer viertelstündigen Abwesenheit auftreten, a.a.O., 3). Jansen beschränkt diese Auffassung freilich im Wesentlichen auf die Rechtsgüter des § 823 Abs. 1 BGB, a.a.O., 481; zur Ausgrenzung des Rechts am Gewerbebetrieb a.a.O., 486. 21 Jansen, Struktur des Haftungsrechts, 521. 22 So insbesondere Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 22, 135, 241 (die deliktsrechtlichen Vorschriften seien als System zu begreifen, das allein die allgemeine Handlungsfreiheit des Einzelnen zu sichern bestimmt sei; der Bestandsschutz von Rechten und Gütern sei lediglich Funktion des Freiheitsschutzes); in diese Richtung auch BVerfGE 49, 304, 319 (1978); v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht I, Rn. 570 ff.; Becker, Recht der unerlaubten Handlungen, 14 (§ 823 Abs. 1 BGB schütze die Freiheit des Seins); Spickhoff, in: Soergel13, vor § 823 BGB Rn. 29 (Zweck des Deliktsrechts sei es, Freiräume abzustecken). Kritisch zu Fraenkel wegen dessen zu rechtsgut- und damit strafrechtsorientierter Argumentation Schwitanski, Deliktsrecht, 210 ff. 23 Siehe dazu Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1395, 1400 f. (das Deliktsrecht schütze die Erwerbs- und Innehabungsordnung gegen bestimmte schädigende Handlungen auf Grund einer Wertentscheidung durch Verhaltensnormen, wobei die absoluten Rechte den Unrechtsgehalt dieser Handlungen typisieren und Vermutungen der Rechtswidrigkeit aufstellen lassen); Lobe, Unlauterer Wettbewerb, 151 f. (die Rechtskreise im weiteren Sinne bildeten die subjektiven „Rechte“ und die „Freiheiten“ (von Eingriffen fremder Machtbetätigung geschonte Kreise)); Peifer, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 42 (Abgrenzung privater Interessenssphären); Spickhoff, in: Soergel13, § 823 BGB Rn. 87.
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II. § 823 Abs. 1 BGB und das „sonstige Recht“ im System des Deliktsrechts des BGB Das Recht der unerlaubten Handlung im BGB enthält keine große Generalklausel wie Art. 41 Abs. 1 OR oder Art. 1382 Code Civil, wonach zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, wer einem anderen schuldhaft und widerrechtlich Schaden zufügt. Stattdessen wurde ein Mittelweg zwischen Skylla und Charybdis, zwischen notwendig lückenhaften Einzeltatbeständen24 und einer weitgehend unbestimmten Generalklausel mit kaum vorhersehbarem Anwendungsbereich25 gesucht. Abgesehen von mehreren detaillierten Sonderdeliktstatbeständen26 meinte man die goldene Mitte mit drei „kleinen“ Generalklauseln27 gefunden zu haben, nämlich § 823 Abs. 1 BGB für besonders schutzwürdige Güter und Rechte, § 823 Abs. 2 BGB als deliktsrechtliche Umsetzung individualschützender Gesetze28 sowie § 826 BGB als Auffangklausel für sonstige Vermögensschäden29. Hinzu trat die Entscheidung, nur dem unmittelbar Geschädigten Ansprüche zuzusprechen, während mittelbare vermögensrechtliche Nachteile aus dem einem anderen gegenüber begangenen Delikt nur im Rahmen der Ausnahmeregeln der §§ 844 f. BGB ersatzfähig sein sollten30. 24 So noch die Art. 1007 ff. des Dresdner Entwurfs, abgedruckt bei Schubert, Schuldverhältnisse 3, 751 ff. 25 Siehe Denkschrift, 100; Schwitanski, Deliktsrecht, 96 ff.; Keppelmann, Entwicklung der objektiven Tatbestände der §§ 823, 826 BGB, 74 f. 26 Siehe die §§ 824, 832–834, 836–839 BGB. Zu § 824 BGB und dem damit nicht verbundenen Schutz nur mittelbar Betroffener BGH NJW 1963, 1871 f. (ansonsten über Gebühr ausgedehnter Schutz der gewerblichen Betätigung zum Nachteil der freien Meinungsäußerung und öffentlichen Meinungsbildung); BGHZ 90, 113, 119 f. (1984) (Anwendung der Norm nur in Bezug auf geschäftliche Beziehungen, da andernfalls Schutz der wirtschaftlichen Existenz- und Fortkommensgrundlage sogar über das Recht am Gewerbebetrieb hinaus). Zur Amtshaftung und dem Erfordernis des Drittbezugs der Amtspflicht nur etwa BGHZ 69, 129, 136 (1977). 27 Siehe etwa RGZ 56, 271, 276 (1902); v. Caemmerer, FS DJT II, 49, 67 f.; ders., FS Rabel, 333, 336; Reinhardt, JZ 1961, 713; Schwitanski, Deliktsrecht, 96 ff.; Canaris, FS Larenz, 27, 30 f., 35; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 354 f.; Deutsch, JZ 1963, 385; Leser, AcP 183 (1983), 568, 577 f.; Fezer, Teilhabe und Verantwortung, 525; Steffen, in: RGRK, § 823 BGB Rn. 1; Schildt, WM 1996, 2261; Kötz/Wagner, Deliktsrecht10, Rn. 94; Medicus, BürgR, Rn. 605; Peifer, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 43 f.; Spickhoff, in: Soergel13, vor § 823 BGB Rn. 7. 28 Zum Begriff des Schutzgesetzes und der erforderlichen Zweckrichtung auf den Individualschutz zur Vermeidung einer allgemeinen Haftung für Vermögensschäden nur etwa BGHZ 66, 388, 390 f. (1976); BGH NJW 2004, 356, 357 m.w.N. (Schutzgesetz sei nur eine solche Rechtsnorm, die nach Zweck und Inhalt zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen; der Individualschutz müsse im Aufgabenbereich der Norm liegen; der konkrete Schaden müsse aus der Verletzung des Rechtsguts entstanden sein, zu dessen Schutz die Rechtsnorm erlassen wurde). 29 Siehe z.B. BGH NJW 1990, 706, 708 (Schutz allgemeiner Maßstäbe und vermögensrechtlicher Interessen auch im ansonsten vom Deliktsrecht nicht erfassten innerehelichen Bereich). 30 Siehe § 823 Abs. 1 BGB („dem anderen zum Ersatz des … Schadens verpflichtet“); aus der Entstehungszeit Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 892 (Vorkommission des Reichsjustizamtes 1892); ferner RGZ 97, 87, 89 (1919); BGHZ 7, 30, 33 f. (1952) (kein Anspruch des Arbeitgebers aus § 823 Abs. 1 BGB wegen der Verletzung der Arbeitnehmer); BGH NJW 2001, 971, 972; BGH NJW 2003, 1040, 1041.
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Hinter dieser differenzierten Gesamtstruktur steht – wie stets hinter scheinbar nur formalen Aspekten – eine auch für die folgende Untersuchung bedeutsame Entscheidung gegen die Haftung für Schadenszufügungen als oberstem Grundsatz des Deliktsrechts. Ein solches Prinzip des neminem laedere war noch in der Frühphase der Arbeiten am BGB Ausgangspunkt der Überlegungen, indem für jeden Schaden gehaftet werden sollte, es sei denn, der Schuldner habe ein besonderes Recht ausgeübt oder in einer mit den guten Sitten übereinstimmenden Ausübung der natürlichen Freiheit gehandelt31. Doch schon in der 1. Kommission setzte sich die Überzeugung durch, die Haftung für unerlaubte Handlungen müsse begrenzt werden32. Infolgedessen knüpften die Tatbestände nicht mehr an den Schaden, sondern die Widerrechtlichkeit der Handlung wegen Gesetzesverstoßes (Abs. 1 der Entwurfsvorschrift) oder Rechtsverletzung (Abs. 2) an33. An diesem Konzept wurde – wenngleich mit knapper Mehrheit und nach intensiver Diskussion – auch in der 2. Kommission bis zum Abschluss der Gesetzgebungsarbeiten festgehalten34. Hierfür wurde vorgebracht, dem Richter werde ein gewisser, nachvollziehbarer Maßstab statt einer unbestimmten Generalklauseln an die Hand gegeben35. Diese Konkretisierung bei gleichzeitiger Verhinderung einer unübersehbaren Gläubigerzahl36 diene der Berechenbarkeit der Haftung im Interesse des Rechtsverkehrs im Allgemeinen und des Versicherungswesens im Besonderen37.
31 Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 875; zu den auf die Naturrechtslehren des 17. und 18. Jahrhunderts zurückreichenden Wurzeln dieser Auffassung Keppelmann, Entwicklung der objektiven Tatbestände der §§ 823, 826 BGB, 18 ff. 32 Siehe auch Benöhr, in: Zimmermann, Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, 499, 537 (die erste Kommission beschloss die Enumeration). 33 Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 882 (eine weitergehende Haftung führe zu unerträglichen Härten), 888 ff. (zur Redaktion). 34 Zur Ablehnung der großen Generalklausel in der 2. Kommission siehe Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 895 (10 gegen 8 Stimmen). Zur Intensität der Beratungen und zur Kritik an diesem Konzept Benöhr, in: Zimmermann, Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, 499, 521 ff. 35 Prot. II 2, 571; Denkschrift, 100 („feste gesetzliche Grundlage für die richterliche Entscheidung“); Canaris, FS Larenz, 27, 35. Aus historischer Sicht Keppelmann, Entwicklung der objektiven Tatbestände der §§ 823, 826 BGB, 126 f. Nicht überzeugend die gegenteilige Bewertung der Aussage der Denkschrift, 100, der Entwurf regele die Voraussetzungen der Haftung auf „allgemeiner Grundlage“ bei Börgers, „Restrukturierung“ des Deliktsrechts?, 52 f. Diese Bemerkung bezieht sich nämlich auf das römische Recht, das eine Schadensersatzpflicht nur für bestimmte unerlaubte Handlungen anerkannte. Eine solche kasuistische Regelung sieht das Recht der unerlaubten Handlung in der Tat nicht vor. An der Entscheidung gegen eine große Generalklausel und für das Enumerationsprinzip ändert das nichts. 36 Picker, JZ 1987, 1041, 1053; Kötz/Wagner, Deliktsrecht10, Rn. 163. 37 Mit Blick auf den abgelehnten Schutz der Ehre Prot. II 2, 574 (die Schaffung einer allgemeinen actio culpae könne zu großem Missbrauch und zu einer erheblichen Gefährdung des Verkehrslebens führen), 638 (ein solcher Schutz verliere sich ins Unbestimmte); ferner Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 56; Emmerich, Schuldrecht BT, 251 (Rechtssicherheit durch eingeschränkte richterliche Freiheit); aus historischer Sicht Keppelmann, Entwicklung der objektiven Tatbestände der §§ 823, 826 BGB, 114 f.
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Maßgeblich dafür, dass diese Entscheidung des historischen Gesetzgebers noch heute Beachtung verdient, ist ein Gesichtspunkt, der sich aus dem Sinnganzen der verfassungsmäßigen Ordnung ergibt und vielleicht deshalb nur selten zur Sprache kommt. Mit dieser Struktur des Deliktsrechts ist nämlich ein Bekenntnis zum Verteilungsprinzip einer freiheitlichen Rechtsordnung verbunden, wie es zur allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG dargelegt wurde und demgemäß gegenwärtig Gültigkeit hat38. In den Worten der Motive heißt das: „Der Mangel einer gesetzlichen Erlaubniß hat keine Bedeutung; was nicht widerrechtlich ist, ist erlaubt.“39. Umgekehrt tritt eine Ersatzpflicht für Schäden nur ein, wenn ein Tatbestand der abschließend aufgezählten gesetzlichen Haftungsregelungen erfüllt ist; der Zweck des Deliktsrechts ist also von vornherein auf bestimmte Verletzungshandlungen beschränkt (Enumerationsprinzip)40. Damit reflektiert das Recht der unerlaubten Handlung im BGB, dass die gesetzlich begründete Haftung des Schuldners stets eine hoheitlich erzwingbare und damit rechtfertigungsbedürftige Einschränkung seiner allgemeinen Handlungsfreiheit oder anderer Freiheitsrechte bedeutet41. Folglich gilt, dass der Satz, man habe allgemein für vorsätzlich oder fahrlässig verursachte Vermögensschäden einzustehen, dem BGB fremd ist42. Vielmehr ist grundsätzlich jeder Vermögensschaden von demjenigen zu tragen, der ihn erlitten hat43, es sei denn, aus den gesetzlichen Tatbeständen und den dort niedergelegten Beweggründen lässt sich eine Ersatzpflicht ableiten44. Insgesamt verdeutli38 Oben § 2 B II 2. Siehe ferner Reinhardt, JZ 1961, 713, 714 (in Bezug auf einen abweichenden Entwurf der Akademie für deutsches Recht während des 3. Reiches). Zur entsprechenden Enumeration der Gefährdungshaftung nur Kötz/Wagner, Deliktsrecht10, Rn. 509 ff.; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 363; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, § 84 I 1 b; Fuchs, Deliktsrecht, 241; Spickhoff, in: Soergel13, vor § 823 BGB Rn. 44 ff. Das anerkennt im Sinne eines Haftungsprinzips auch Jansen, Struktur des Haftungsrechts, 621 (wenn es keinen von Rechts wegen akzeptablen Grund für einen strengeren Sorgfaltsmaßstab gebe, wäre eine verschuldensunabhängige Haftung gesetzeswidrig). 39 Mot. II, 725 f. Nicht verwunderlich daher die Kritik von v. Gierke, Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, 262 f. (mit der Frage, ob denn nicht eine allgemeine Verpflichtung zur Achtung fremder Rechte bestehe). Zur Kritik an dieser Auffassung während des Gesetzgebungsverfahrens siehe Keppelmann, Entwicklung der objektiven Tatbestände der §§ 823, 826 BGB, 109 ff. Aus der Tatsache, dass die Ausgangsposition des Gesetzes umstritten war, ist zugleich zu schließen, dass das Festhalten an diesem Konzept ziel- und zweckgerichtet und nicht zufällig war, also zu beachten ist. 40 BGH NJW 1974, 1503, 1504 f.; Deutsch, JZ 1963, 385, 389; Lorenz, FS Larenz 1973, 575, 615; Leupertz/Schaub, in: Prütting/Wegen/Weinreich, vor §§ 823 ff. BGB Rn. 8; Looschelders, Schuldrecht BT, Rn. 1170; Sprau, in: Palandt, § 823 BGB Rn. 1; Löwisch, Deliktsschutz, 57 (festumrissene Typen von Verletzungshandlungen, keine Orientierung am Einzelfall); Peifer, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 43 (Enumerationsprinzip). 41 Oben Einleitung B II. 42 RGZ 57, 353, 354 (1904); RGZ 58, 24, 28 (1904); Schiemann, JuS 1989, 345, 350; Krasser, Schutz vertraglicher Rechte, 164. 43 Casum sentit dominus (den Zufall spürt der Herr/einen Zufallsschaden trägt der Eigentümer). 44 Emmerich, Schuldrecht BT, 249 f.; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 351 f.; Teichmann, in: Jauernig, vor § 823 BGB Rn. 1; Sprau, in: Palandt, § 823 BGB Rn. 1 (nicht erfasste Schäden muss der Verletzte selber tragen); Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 814; Fikentscher/Heinemann, Schuld-
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chen die differenzierte Struktur der §§ 823 ff. BGB und ihre Entstehungsgeschichte, dass das deutsche Deliktsrecht gerade nicht auf dem Prinzip des neminem laedere und der Haftung für jedes Vermögensinteresse basiert45. Berücksichtigt man – wie zunehmend gefordert – die verhaltenssteuernde Wirkung des Deliktsrechts, werden die weitreichenden Folgen dieser Grundentscheidung ersichtlich. Denn das Enumerationsprinzip verhindert eine übermäßige Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit potentieller Schädiger nicht nur im Hinblick auf deren etwaige Zahlungspflichten im Einzelfall, sondern ganz allgemein, indem es ihnen keine umfassenden Risikovermeidungsstrategien abverlangt und damit Spielräume einengt. Der Rechtsanwender ist wegen der Begründungsbedürftigkeit der Haftung gezwungen, die Interessen des Schuldners mit in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen, statt einseitig auf den Geschädigten zu achten. Gerade eine solche Tendenz können große Generalklauseln auslösen, indem sie negative Folgen weitreichender Haftung ausblenden. Der abschließenden Aufzählung deliktischer Ersatzpflichten nach Maßgabe der gesetzlichen Tatbestände kommt also freiheitswahrender Charakter zu46. Eine Umkehrung dieser Grundsätze zugunsten eines umfassenden Prinzips des neminem laedere wäre mit dem Verteilungsprinzip und damit der Grundstruktur eines freiheitlichen Rechtsstaats unvereinbar. Daran ändert auch das angeblich gewachsene Bedürfnis nach sozialer Sicherheit und damit verbun-
45 recht, Rn. 1395, 1570 (der Grundsatz des neminem laedere gelte ohne Einschränkung nur im Bereich der ungerechtfertigten Bereicherung); Rohe, AcP 201 (2001), 117, 124; Kötz/Wagner, Deliktsrecht10, Rn. 5, 61 (das Haftungsrecht steuere das Verhalten der Menschen hin auf Unfallvermeidung, sei aber nur insoweit gerechtfertigt, als die Kosten der Unfallvermeidung nicht höher seien als die Kosten potentieller Unfälle); Wagner, FS Canaris II, 473, 490; Kötz, FS Steindorff, 643, 644; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 1; v. Bar, Gutachten, 1681, 1719. 45 BGHZ 7, 30, 33, 36 (1952) (ohne zwingende Gründe sei die Überwindung des Enumerationsprinzips eine unzulässige Rechtsfortbildung contra legem); BGH NJW 1974, 1503, 1505; Körner, Rechtsschutz des Unternehmens, 5; Peifer, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 43 f.; v. Caemmerer, FS DJT II, 49, 113 (Zwang zur Rechtfertigung von Unrechtswertungen); Stoll, Richterliche Fortbildung, 31; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 356 f.; Schiemann, JuS 1989, 345 ff.; Bydlinski, System des Privatrechts, 189 f. (Verschuldensprinzip gelte im Interesse der Freiheitsmaxime); Rohe, AcP 201 (2001), 117, 122 f. (mit Hinweis auf das Verschuldensprinzip); Fuchs, Deliktsrecht, 2 f. A.A. Hubmann, GRUR 1975, 230, 234 (Grundsatz des neminem laedere auf naturrechtlicher Basis); Picker, JZ 1987, 1041, 1048 f. (dazu noch unten § 9 E II); für eine allgemeine Nichtstörungspflicht auch Becker, AcP 196 (1996), 439, 463; offen Braun, AcP 205 (2005), 126, 152 mit Fn. 74 (es komme auf die Sichtweise an, ob man von einem Grundsatz der Haftung nur im begründeten Ausnahmefall oder von einer grundsätzlichen Haftung mit Ausnahmen für die Handlungsfreiheit ausgehe); ähnlich Schwitanski, Deliktsrecht, 95 (das Prinzip der Schadenszuordnung beruhe auf einem Ausgleich zwischen dem statischen Element des Bestandsschutzes und dem dynamischen Element der Handlungsfreiheit). 46 Canaris, FS Larenz, 27, 35 f.; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 356 f.; Fuchs, Deliktsrecht, 2 (mit Verweis auf die Übereinstimmung des Grundsatzes „casum sentit dominus“ mit dem Liberalismus des 19. Jahrhunderts, der an der Wahrung von Freiheiten orientiert war); Bydlinski, System des Privatrechts, 186 ff. (in Kritik an Tendenzen, für jeden Schaden irgend einen Haftenden schaffen zu wollen).
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den nach einem Ersatz praktisch aller Schäden nichts47. Denn das Festhalten am Grundsatz der Handlungsfreiheit und der nur ausnahmsweisen, begründungsbedürftigen Ersatzpflicht hindert natürlich nicht daran, die deliktische Haftung auszuweiten. Nur bedarf es dazu eben einzelner Schritte im Rahmen der bestehenden Haftungsnormen oder anderer tragfähiger Grundlagen. Ein von der Rechtsprechung stillschweigend vollzogener Paradigmenwechsel wäre hingegen anerkanntermaßen mit dem differenzierten Deliktssystem des deutschen Rechts unvereinbar48. Hieraus ergeben sich wichtige Konsequenzen für den güterzuordnenden Gehalt zunächst des § 823 Abs. 1 BGB. Wenn das deutsche Deliktsrecht keinen umfassenden Schutz des Vermögens und der auf seinen Erhalt bezogenen, individuellen Interessen gewährt, sondern eine Schadensersatzpflicht nur für solche Schädigungen vorsieht, welche die Folge einer Verletzung der genannten gesetzlichen Tatbestände einschließlich des § 823 Abs. 1 BGB sind49, dann kann insbesondere der Begriff des „sonstigen Rechts“ genauso wenig jedes denkbare Schutzinteresse erfassen. Denn hiermit wäre man doch wieder bei einer großen Generalklausel und dem ausdrücklich verworfenen Grundprinzip des neminem laedere ange-
47 Siehe hingegen Fuchs, Deliktsrecht, 4 ff. (Wandel der Wertorientierung); Kötz/Wagner, Deliktsrecht9, Rn. 34 (ob der Grundsatz des casum sentit dominus noch dem „sozialstaatlichen Rechtsbewusstsein“ unserer Zeit entspreche, sei zweifelhaft geworden, weil die faktischen Grundlagen der individualistischen Gesellschaftstheorie des ausgehenden 19. Jahrhunderts (Geborgenheit des Einzelnen im Kollektiv der Großfamilie, des Kleinunternehmens und des Bauerns mit Gesinde) entallen seien); anders aber jetzt Kötz/Wagner, Deliktsrecht10, Rn. 48 ff. (Grenzen des Wohlfahrtsstaates). 48 BGHZ 7, 30, 36 (1952); Deutsch, JZ 1963, 385 ff.; Zeuner, in: Soergel12, § 823 BGB Rn. 109; Hager, in: Staudinger, § 823 BGB Rn. A2 (der Gesetzgeber schaffe Grund und Grenze der Haftung); in Bezug auf das Recht am Gewerbebetrieb BGH NJW 1956, 1719, 1720; BGHZ 55, 153, 162 (1970); BGH NJW 1977, 2264, 2265. Zum punktuell rechtsfortbildenden Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und ihrer Ausprägungen in Ausnahmefällen insbes. durch das Recht am Gewerbebetrieb unten IV und §§ 13 A II 1, 15 B II 2. 49 RGZ 56, 271, 275 (1902); RGZ 57, 353, 354 (1904); RGZ 58, 24, 29 (1904); RGZ 64, 155, 156 (1906) (kein Schutz der Arbeitskraft oder Erwerbsmöglichkeit im Allgemeinen); RGZ 76, 35, 48 (1911); RGZ 97, 87, 88 f. (1919); BGHZ 29, 65, 74 (1958); BGHZ 41, 123, 127 (1964); BGH NJW 1974, 1503, 1505 (kein Ersatz reiner Vermögensschäden); LG Frankfurt NJW-RR 2000, 831, 832; LG Hamburg AfP 1994, 161 (der Vermögenswert des äußeren Erscheinungsbilds einer nicht urheberrechtlich geschützten Sache sei nur ungeschütztes Vermögen); Planck1, BGB II, § 823 Anm. 2a m.w.N.; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 944; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 356 (Vermögen nicht generell, sondern nur unter besonderen Voraussetzungen deliktsrechtlich geschützt); Deutsch, FS Michaelis, 26, 31; ders., JZ 1963, 385; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1557 (der Satz, § 823 Abs. 1 BGB schütze nicht das Vermögen, sei falsch), 1215; Braun, AcP 205 (2005), 126, 152 f.; Körner, Rechtsschutz des Unternehmens, 48 f.; Staudinger, in: Hk-BGB, § 823 BGB Rn. 29; Teichmann, in: Jauernig, § 823 BGB Rn. 19; Sprau, in: Palandt, § 823 BGB Rn. 11; Spindler, in: Bamberger/Roth, § 823 Rn. 0.5; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 845; Schiemann, in: Erman, § 823 BGB Rn. 36; Zeuner, in: Soergel12, § 823 BGB Rn. 47; Steffen, in: RGRK, § 823 BGB Rn. 26; Kötz/Wagner, Deliktsrecht10, Rn. 163; a.A. vor Inkrafttreten des BGB auf der Basis der umfassenden Persönlichkeitstheorie v. Gierke, Dt. Privatrecht I, 713 (allgemeines Recht an der Gewerbefreiheit).
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langt50. Stattdessen ist bei der Auslegung und Anwendung dieses Tatbestandsmerkmals zu berücksichtigen, dass die Nennung einzelner Güter sowie des Eigentums und des „sonstigen Rechts“ wie gezeigt der Haftungsbegrenzung und -konkretisierung dient: Nur wenn ein solches, aus dem allgemeinen Vermögen herausgehobenes „Rechtsgut“ verletzt ist, kommt ein Schadensersatzanspruch in Betracht51. Bezogen auf die Funktion des hier im Zentrum stehenden § 823 Abs. 1 BGB sprechen das Enumerationsprinzip und die damit einhergehende Wertung dagegen, die Vorschrift allein oder auch nur primär dem Rechtsgüterschutz zuzuordnen. Überzeugender erscheint ein Erklärungsansatz, der sowohl die individuelle Rechtsposition als auch das gleichzeitig mit zu bedenkende Freiheitsinteresse des Schädigers einbezieht. Ein in diesem Sinne übergreifender Erklärungsansatz kann nur auf die Gewährleistung individueller Entfaltung beider Betroffener abstellen. Demnach dient auch der Schutz der in § 823 Abs. 1 BGB genannten Lebensgüter und Rechte dazu, dem Berechtigten einen von Dritten ungestörten (und insoweit freien) Umgang mit seinen Rechtsgütern zu ermöglichen. Bei dieser Betrachtungsweise sind sowohl die Rechtsposition des Geschädigten als auch diejenige des Schädigers unter dem überwölbenden Zweck des Ausgleichs und der Abgrenzung individueller Freiheitssphären zusammengefasst. Dieses auf den kantischen Rechtsbegriff zurückgehende Verständnis des Deliktsrechts entspricht der wohl herrschenden Meinung52. Vor diesem Hintergrund ist es kaum verwunderlich, dass nicht durch normierte Ausschließlichkeitsrechte zugewiesene Güter wie unpatentierte Geheimnisse53 oder der Gemeingebrauch öffentlicher Verkehrswege54 nicht als „sonstige Rechte“ angesehen werden, so dass Ansprüche bei unerlaubter Nutzung nur im Rahmen von Sonderverbindungen zwischen den Parteien oder auf der Basis anderer deliktsrechtlicher Tatbestände bejaht werden. Dennoch wäre es verfrüht, unter Hinweis auf das Enumerationsprinzip und den korrespondierenden Grundsatz des casum sentit dominus eine güterzuordnende Tendenz des § 823 50 Schulz-Schaeffer, Das subjektive Recht, 46; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 392; Deutsch, JZ 1963, 385 ff. 51 Siehe BGH NJW 1974, 1503, 1505; Fuchs, Deliktsrecht, 10; Schwitanski, Deliktsrecht, 222; Reinhardt, JZ 1961, 713, 716; Deutsch, JZ 1963, 385, 389 (das Recht müsse scharfe Kanten haben); ders., FS Michaelis, 26, 31. 52 Oben B I Fn. 16. 53 Offengelassen von BGHZ 38, 391, 394 f. (1962) (mit Hinweis darauf, dass sich auch bei Anwendung des § 823 Abs. 1 BGB auf den Schutz von Betriebsgeheimnissen die Rechtswidrigkeit nicht ohne Weiteres aus der Nutzung des Geheimnisses ergeben könne, sondern erst nach umfassender Abwägung aller Umstände und Interessen wie bei §§ 826 BGB, 1 UWG 1909); siehe ferner Schiemann, in: Erman, § 823 BGB Rn. 40; Steffen, in: RGRK, § 823 BGB Rn. 35; Schulz-Schaeffer, Das subjektive Recht, 228; Buchner, Unternehmensschutz, 178; a.A. Zeuner, in: Soergel12, § 823 BGB Rn. 145. 54 Siehe BGHZ 23, 157, 170 (1957); BGHZ 55, 153, 160 (1970); BGH NJW 1977, 2264, 2265; BGHZ 86, 152, 156 (1982); Schiemann, in: Erman, § 823 BGB Rn. 44; Zeuner, in: Soergel12, § 823 BGB Rn. 49; Hager, in: Staudinger, § 823 BGB Rn. B185 ff. (keine Teilhaberechte an öffentlichen Gütern und der Umwelt).
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Abs. 1 BGB zu verneinen und die Untersuchung abzubrechen. Denn die Norm sanktioniert nun einmal auch Verletzungen des Sacheigentums als dem Paradigma der Ausschließlichkeitsrechte, und sie delegiert mit der Nennung der „sonstigen Rechte“ die Entscheidung über einen entsprechenden Schutz in gewisser Hinsicht an die Rechtsprechung55. Demzufolge ist näher zu prüfen, ob norminterne Wertungen des § 823 Abs. 1 BGB eine positive Zuordnungsentscheidung rechtfertigen können oder ob mit dem Tatbestandsmerkmal des „sonstigen Rechts“ lediglich auf anderweitig aufzufindende Rechtspositionen verwiesen wird, über deren Etablierung das Deliktsrecht nichts aussagt.
III. Das „sonstige Recht“ im Kontext von § 823 Abs. 1 BGB Wendet man sich der Auslegung des Tatbestands von § 823 Abs. 1 BGB zu, so geben der Satzbau und die Abfolge der genannten Rechtsgüter zunächst kaum verlässliche Auskunft, was unter einem „sonstigen Recht“ zu verstehen ist. Denn dieser Terminus kann sowohl auf das unmittelbar zuvor genannte Eigentum bezogen werden56 als auch auf sämtliche Rechtsgüter oder aber nur die zuerst aufgezählten Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit. Für die im Aufbau immerhin reflektierte Nähe zum Eigentum spricht jedoch, dass nur das Eigentum gem. § 903 S. 1 BGB ein subjektives „Recht“ darstellt, während die Vorschrift sonst Lebensgüter aufzählt, die unabhängig von einer Anerkennung subjektiver Rechte auf der Seinsebene erfasst werden können. Diese Differenzierung zwischen Eigentum und „sonstigem Recht“ als subjektiven Rechten auf der einen und Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit als im Verhältnis zu jedermann geschützten Lebensgütern auf der anderen Seite ist in Rechtsprechung und Literatur weithin anerkannt57. 55 Für eine weitgehende Ermächtigung Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 92 f. („zirkulärer Gegenstandsschutz“, der der Rechtsprechung eine Erweiterung der Zuordnung ermögliche). 56 Dahin tendierend, aber im Ergebnis offen RGZ 51, 369, 373 (1902); ausdrücklich offengelassen von RG Schubert 1902, 471, 475 f. (insoweit in RGZ 51, 66 (1902) nicht abgedruckt); dafür Deutsch, JZ 1963, 385, 388; Schrauder, Wettbewerbsverstöße, 162. 57 RGZ 51, 369, 372 ff. (1902); RGZ 56, 271, 275 (1902); RGZ 58, 24, 28 (1904); RGZ 72, 128, 130 (1909) („Rechtsgüter oder Rechte“; Unterscheidung zwischen den Rechts- bzw. Lebensgütern und den „wirklichen subjektiven Rechten“, dem „Privatrecht im eigentlichen Sinne“ wie dem Eigentum); BGHZ 36, 252, 254 (1961) (der Begriff der unerlaubten Handlung in § 852 BGB umfasse Eingriffe in fremde absolute Rechte oder Rechtsgüter); BGHZ 80, 25, 27 (1981). Aus der Literatur Planck1, BGB II, § 823 Anm. 2a m.w.N.; Windscheid/Kipp, Pandekten I, 174 (das BGB folge der Auffassung, dass das objektive Recht die Person schütze und erst aus der Verletzung ein subjektives Recht entstehe, nämlich eine Forderung aus unerlaubter Handlung); Kress, Allgemeines Schuldrecht, 13; Zitelmann, AcP 99 (1906), 1, 25 („Darfrechte“ entsprechend dem Eigentum); Heck, Schuldrecht, 449 (bzgl. der Rechtsgüter sei § 823 Abs. 1 BGB Anerkennungsnorm, bezüglich des „sonstigen Rechts“ Sanktionsnorm); Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 935 f.; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 355 („bestimmte Rechtsgüter und subjektive Rechte“ würden zum Gegenstand eines umfassenden Schutzes gemacht); Canaris, FS Larenz, 27, 31; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1558 (die Persönlichkeitsgüter seien keine subjektiven Rechte, sondern diesen für den Deliktsschutz nur gleichgestellt); v. Caemmerer, FS DJT II, 49, 67; Deutsch,
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Hieraus ergeben sich zwei wichtige Schlussfolgerungen für die Bedeutung des „sonstigen Rechts“. Wenn man diesen Terminus nämlich mit der ganz überwiegenden Auffassung auf das Eigentum bezieht, müssen derartige „sonstige Rechte“ eben auch normierte Ausschließlichkeitsrechte mit den Wirkungen des Sacheigentums sein. § 823 Abs. 1 BGB würde demnach auf anderweitig geregelte subjektive Rechte dieser Art verweisen und könnte nicht aufgrund norminterner Wertungen zur Anerkennung derartiger Rechte herangezogen werden58. Mit anderen Worten wird der Tatbestand der deliktischen Haftung hier heteronom bestimmt59. Zugleich ergibt sich, dass ein entwicklungsoffenes Tatbestandsmerkmal lediglich für „Rechte“ und nicht für die geschützten Lebensgüter vorhanden ist. Jene sind folglich abschließend in § 823 Abs. 1 BGB aufgelistet. Ihre Anzahl kann nicht über den Umweg des „sonstigen Rechts“ erhöht werden, indem die Rechtsprechung unbenannte Güter (wie etwa das Geheim-
58 Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 60 f.; Staudinger, in: Hk-BGB, § 823 BGB Rn. 2 (Rechtsgüter oder Rechte); Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 829 ff. (Geschützte Rechtsgüter und Rechte); Medicus, BürgR, Rn. 607; Steffen, in: RGRK, § 823 BGB Rn. 4; Schmidt, JuS 1993, 985, 986; Kötz/ Wagner, Deliktsrecht10, Rn. 143; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 175 f. (der absolute Güterschutz stelle kein absolutes Recht dar, denn er könne nicht übertragen werden); Schwarz/Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 309; Krasser, Schutz vertraglicher Rechte, 164 f. (Persönlichkeitsverletzungen und Verletzung subjektiver Rechte); Katzenberger, Recht am Unternehmen, 20; Schrauder, Wettbewerbsverstöße, 162; v. Bar, Gutachten, 1681, 1691; kritisch Fezer, Teilhabe und Verantwortung, 527 f. (Versteinerung der Lebensgüter im Deliktsrecht). Auch in einem Entwurf für eine Neufassung von § 823 BGB durch eine „Kommission Haftpflichtrecht“ in den 1960er Jahren unterschied man in einem Satz 1 den Schutz der Lebensgüter unter dem Oberbegriff des Persönlichkeitsschutzes von den „wirtschaftlichen Herrschaftsrechten“ Eigentum und sonstiges Recht in Satz 2; siehe dazu Nipperdey, NJW 1967, 1985, 1986. Anders Neumann-Duesberg, Das gesprochene Wort, 182 f. Neumann-Duesberg scheidet die absoluten Rechte in „totale Ausschlussrechte“ wie das Eigentum, die gegen jeden Angriff geschützt seien, und „partielle Ausschlussrechte“ wie das Urheberrecht, den gewerblichen Rechtsschutz und die Persönlichkeitsrechte. Nur die Erstgenannten seien „sonstige Rechte“ i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB, die Übrigen könnten nur über § 823 Abs. 2 BGB als Schutzgesetze zu Schadensersatzansprüchen führen. Diese Differenzierung verkennt, dass selbst das Sacheigentum keineswegs schrankenlos gewährleistet ist; siehe oben § 5 B I. Ablehnend wie hier Körner, Rechtsschutz des Unternehmens, 33; Katzenberger, Recht am Unternehmen, 17 f. m.w.N.; Buchner, Unternehmensschutz, 259 f.; Preusche, Unternehmensschutz, 95; Stadtmüller, Schutzbereich, 226; Peifer, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 50 f. (Lebensgüter und subjektive Rechte). 58 Heck, Schuldrecht, 449 f. (§ 823 Abs. 1 BGB sei im Hinblick auf Eigentum und sonstige Rechte „Sanktionsnorm“ oder „Blankettgesetz“: „Es wird … vorausgesetzt, daß die Rechtsordnung ein Gut bereits in der Form des subjektiven Rechts geschützt hat.“); Deutsch, JZ 1963, 385, 388; Katzenberger, Recht am Unternehmen, 16 f.; Buchner, Unternehmensschutz, 20; v. Bar, Gutachten, 1681, 1698; Schwitanski, Deliktsrecht, 223 (Anknüpfung an außerdeliktsrechtlich umschriebenen, positiven Zuweisungsgehalt subjektiver Rechte); Peifer, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 73 (die subjektiven Rechte als „sonstige Rechte“ werden nicht von § 823 Abs. 1 BGB definiert, sondern nur mit einer Sanktionsfolge versehen); Krasser, Schutz vertraglicher Rechte, 165 f.; Walch, Leistungsschutz, 21. 59 Stoll, Richterliche Fortbildung, 30 (§ 826 BGB sei die einzige Grundlage für eine deliktsrechtlich autonome Unrechtsbestimmung); Reichold, AcP 193 (1993), 204, 217.
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nis, Persönlichkeitsmerkmale, Sportveranstaltungen, elektrische Energie usw.) unter jenen Terminus fasst60. Und noch ein weiteres Indiz für die Bedeutung dieses Begriffs lässt sich der Vorschrift entnehmen. Für die in Absatz 1 genannten Güter und Rechte gilt nämlich jeweils die Lehre vom Erfolgsunrecht. Demnach indiziert die Verletzung dieser Güter und des Eigentums unabhängig von der Art der in Rede stehenden Handlung die Rechtswidrigkeit, die nur aufgrund von Rechtfertigungsgründen ausnahmsweise entfällt. Dies gilt selbst für die umstrittenen Fälle nur mittelbarer Verletzungen und Unterlassungen. Denn auch insoweit begründet der durch Verkehrspflichten konkretisierte Tatbestand der Rechtsgutsverletzung die Rechtswidrigkeit, die nicht etwa durch eine Einzelfallbetrachtung positiv festgestellt werden muss61. Wenn aber diese Struktur für sämtliche in Absatz 1 genannten Güter und das Eigentum gültig ist, kann für die „sonstigen Rechte“ nichts anderes angenommen werden. Hieraus wird gefolgert, dass entsprechende Rechtspositionen einen verhältnismäßig klar definierten Schutzbereich aufweisen müssen, damit das Modell von Rechtsgutsverletzung und dadurch indizierter Widerrechtlichkeit der Handlung überhaupt anwendbar ist62. Es erscheint daher nur konsequent, Rechtspositionen nicht unter den Begriff des „sonstigen Rechts“ zu fassen, deren Verletzung erst aufgrund einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung festgestellt werden kann63. In der Zusammenschau können § 823 Abs. 1 BGB keine Anhaltspunkte für norminterne Wertungen entnommen werden, aufgrund derer der Rechtsprechung ein Spielraum zur rechtsfortbildenden Anerkennung ungeschriebener „sonstiger Rechte“ zukommt. Die Vorschrift fungiert lediglich als Sanktionsnorm für anderweitig abzuleitende, primäre subjektive Rechte mit Wirkungen wie das Sacheigentum64. In dieser Funktion war und ist die Norm keineswegs obsolet. Denn das seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstandene Imma60
RGZ 51, 369, 372 ff. (1902); RGZ 58, 24, 28 f. (1904); RG JW 1939, 484, 485 (erforderlich sei ein „wirkliches“, andere ausschließendes Recht); Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 175; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 58; ders., JZ 1963, 385, 388 (abschließend aufgezählte Lebensgüter); v. Bar, Gutachten, 1681, 1698. 61 Siehe zur umstrittenen Lehre vom Erfolgsunrecht nur etwa Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 399 ff.; Stoll, AcP 162 (1963), 203, 206 ff.; v. Caemmerer, FS DJT II, 49 ff.; Reinhardt, JZ 1961, 713, 716 f.; Deutsch, JZ 1963, 385, 388 f.; Spickhoff, in: Soergel13, vor § 823 BGB Rn. 4a; Zitelmann, AcP 99 (1906), 1 f. (§ 823 Abs. 1 BGB betreffe die „an sich“ vorhandene Widerrechtlichkeit). 62 Siehe Reinhardt, JZ 1961, 713, 716; Deutsch, JZ 1963, 385, 389 (das Recht müsse scharfe Kanten haben). 63 Reinhardt, Persönlichkeitsrecht, 14 f.; Deutsch, JZ 1963, 385, 388 f.; ders., Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 69 f. (das Recht am Gewerbebetrieb und das aPR seien nicht zu den „sonstigen Rechten“ zu zählen); Krasser, Schutz vertraglicher Rechte, 169 (Rechtssätze, die sich in der Gewährung von Erlaubnissen oder Freiheiten erschöpften (Hervorh. im Original), seien für die erforderliche Ausfüllung des § 823 Abs. 1 BGB nicht geeignet). 64 Deutsch, JZ 1963, 385, 388 f.; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1412 (das „sonstige Recht“ meine „an sich nur absolute Rechte, z.B. Immaterialgüterrechte“); Peifer, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 73, 81 f.; Lehmann, NJW 1959, 670 (Rechtsbildung, die nicht zur Normenerschleichung werden dürfe); Schmidt, JuS 1993, 985, 988.
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terialgüterrecht ist nicht in das BGB integriert worden. Der Verweis auf jene „sonstigen Rechte“ stellt sicher, dass stets eine einheitliche Anspruchsgrundlage für schuldhafte Rechtsverletzungen gegeben ist, ohne dass Parallelnormen in allen Spezialgesetzen vorgehalten werden müssen. Derzeit besteht dieses Bedürfnis für die Verletzung EG-weiter Marken- und Geschmacksmusterrechte, für die die einschlägigen Verordnungen keinen europarechtlichen Schadensersatzanspruch vorsehen und stattdessen auf das nationale Recht, also letztlich auf § 823 Abs. 1 BGB als Anspruchsgrundlage verweisen65. Es erscheint nach alldem zutreffend, dass vor allen Dingen die originären Ausschließlichkeitsrechte66 sowie hiervon abgeleitete (derivative) ausschließliche Rechte67 zu den „sonstigen Rechten“ gezählt werden. Zum Tragen kam diese restriktive Lesart insbesondere für die Frage, ob ein Monopolist einen Angriff auf seine Alleinstellung im Markt unter Berufung auf § 823 Abs. 1 BGB abzuwehren vermag. Die Rechtsprechung verlangte hierfür eine außerhalb des Deliktsrechts angesiedelte rechtliche Regelung, aus der sich ergab, dass das betreffende Monopol zulässig war68. Gleichwohl würde man die geltende Rechtslage weit verfehlen, bliebe man bei dieser Wortlautauslegung stehen. Denn die Rechtsentwicklung ist über das Verständnis des „sonstigen Rechts“ als eines bloßen Verweises auf andere Ausschließlichkeitsrechte längst hinweggegangen. Die Gerichte haben gerade in diesem Tatbestandsmerkmal weitreichende Fortbildungen des Deliktsrechts wie das aPR in seiner klassischen Ausformung verankert69.
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Siehe die Art. 98 Abs. 2 GmarkenVO; 88 Abs. 2, 89 GeschmMVO. Siehe nur Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 939 ff.; Teichmann, in: Jauernig, § 823 BGB Rn. 15 ff.; Staudinger, in: Hk-BGB, § 823 BGB Rn. 31 ff. („Herrschaftsrechte“); Fikentscher/ Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1568; Hager, in: Staudinger, § 823 BGB Rn. B150; zu Aneignungsrechten Schiemann, in: Erman, § 823 BGB Rn. 39 m.w.N.; Steffen, in: RGRK, § 823 BGB Rn. 32; zu Immaterialgüterrechten nur Steffen, in: RGRK, § 823 BGB Rn. 35 m.w.N. 67 RGZ 59, 326, 327 f. (1904); zum Anwartschaftsrecht RGZ 170, 1, 6 f. (1942); BGHZ 114, 161, 164 ff. (1991); BGH NJW 2001, 971, 972 f. m.w.N. (erforderlich sei dann ein grundstücksbezogener Eingriff, der die Verwirklichung des jeweiligen Rechts am Grundstück als solches durch rechtliche oder tatsächliche Maßnahmen beeinträchtige); Schiemann, in: Erman, § 823 BGB Rn. 37 ff.; Zeuner, in: Soergel12, § 823 BGB Rn. 51 ff.; Hager, in: Staudinger, § 823 BGB Rn. B126 ff.; Steffen, in: RGRK, § 823 BGB Rn. 27 ff. 68 BGHZ 15, 338, 349, 354 (1954) (kein Schutz der Alleinstellung der GEMA); OLG Hamburg NJW 1956, 716 (der Inhaber einer Genehmigung zur Personenbeförderung könne sich nicht aufgrund der Genehmigung gegen Mitbewerber wehren, weil die Genehmigung kein absolutes Recht an der alleinigen Beförderung begründe); offengelassen für die Tätigkeit einer gesetzlich ausschließlich für den Fleischhandel zuständigen Zentraleinkaufsgenossenschaft von RGZ 100, 142, 146 (1920); bejahend für den Schutz einer nach Inkrafttreten der Gewerbeordnung noch gültigen „Realgewerbeberechtigung“ auf Aneignung von Pferden RG JR Beilage 1925, 734 f. (Nr. 1047). Konsequent und zutreffend für den Schutz nicht des Unternehmens, sondern des Monopolrechts Zeuner, in: Soergel12, § 823 BGB Rn. 146. 69 Wagner, in: MünchKomm, § 823 BGB Rn. 61 (sollte § 823 Abs. 1 BGB nach dem Willen der Gesetzesverfasser eine bloße Verweisungsnorm sein, so sei dieses Konzept gescheitert); Hager, in: Staudinger, § 823 BGB Rn. A14 (die Entwicklung sei über die ursprünglichen Restriktionen hinweggegangen); Steffen, in: RGRK, § 823 BGB Rn. 26 (der Streit um die Frage, ob sonstige Rechte auch Rechtsgüter sein können, sei gegenstandslos); Spickhoff, in: Soergel13, vor § 823 BGB Rn. 18. 66
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Überdies war das vorstehend erläuterte Verständnis des „sonstigen Rechts“ während der Entstehungszeit keineswegs eindeutig geklärt70. Vielmehr offenbaren die Dokumente der Beratungen erhebliche Unsicherheiten im Hinblick auf den Begriff des „absoluten Rechts“, die letztlich nicht überwunden werden konnten und bis heute fortwirken71. So war die Formulierung „Rechte eines Anderen“ im Dresdner Entwurf dahingehend erläutert worden, man müsse hierfür subjektive Rechte des einzelnen Menschen auf Leben, körperliche Integrität und Bewegungsfreiheit anerkennen, während eine durch die Rechtsordnung verbotene Handlung ohne gleichzeitige Verletzung eines subjektiven Rechts nicht genüge72. Durch die 1. Kommission wurde die auf die Verletzung des „Rechts eines Anderen“ bezogene Schadensersatzpflicht73 um einen Satz ergänzt, wonach als Verletzung im Sinne dieser Bestimmung „auch die Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit und der Ehre anzusehen“ sei. Diese Klarstellung wurde für erforderlich gehalten, weil „mit Grund bezweifelt werden“ könne, ob diese Rechtsgüter zu den subjektiven Rechten zählten74. Die Protokolle der Kommission für die zweite Lesung geben denn auch die Auffassung wieder, die vom Deliktsrecht markierten Rechtskreise umfassten die Vermögensrechte (dingliche wie obligatorische) und die „sogen. Persönlichkeitsrechte (Leben, körperliche Unversehrtheit, Gesundheit, Freiheit, Ehre), welche durch das an Jedermann gerichtete Verbot eines Eingriffes ebenso geschützt seien, wie die Rechte an Sachen“75. Auf eine Aufzählung der Güter verzichtete die 2. Kommission, weil eine solche für Leben, Körper und Gesundheit unter Berücksichtigung des strafrechtlichen Schutzes überflüssig und für Freiheit und Ehre zu weitgehend sei76. Folglich sprach der E II nur noch von der widerrechtlichen Verletzung eines Rechts eines anderen und der Entziehung der Freiheit77. Erläuterungen zur Wiederkehr der Liste und damit den noch heute gültigen Wortlaut des § 823 Abs. 1 BGB im Zug der Redaktionskommission sind, soweit ersichtlich, nicht überliefert78. Die Denkschrift zum E III, der dem jetzigen § 823 BGB 70 Allgemein zum Gesetzgebungsprozess etwa Schwitanski, Deliktsrecht, 98 ff.; ferner Benöhr, in: Zimmermann, Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, 499, 512 (die Interpretation sei offen); Simon, Allgemeines Persönlichkeitsrecht, 165 (die Einordnung sei unentschieden). 71 Dazu oben § 1 B II 5; ferner unten § 14 A II. 72 Siehe zu § 145 Abs. 2 des Entwurfs Schubert, Schuldverhältnisse 3, 807 f. (Tötung, Körperverletzung), 842 (Freiheitsberaubung), 851 (Ehre), 877 (Willensfreiheit). Zu Windscheids Begriff des absoluten Rechts unten § 14 A II. 73 Die Entwurfsvorschrift ist abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 889. 74 Mot. II, 728; Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 908 f.; siehe auch Prot. II 2, 572 (es sei häufig schwer, die rechtlich geschützten Interessen und die absoluten Rechte auseinanderzuhalten); dazu Benöhr, in: Zimmermann, Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, 499, 508; v. Bar, Gutachten, 1681, 1698 (der Gesetzgeber sei von einem Unterschied zwischen Rechtsgütern und Rechten ausgegangen, weil es sonst der Aufzählung nicht bedurft hätte). 75 Prot. II 2, 567 f.; ferner a.a.O, 630 (körperliche Bewegungsfreiheit als ein Recht absoluter Natur, welches die Rechtsprechung also unter die Generalklausel fassen werde). 76 Prot. II 2, 573 f. 77 Die §§ 746 f. E I sind abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 898. 78 Siehe Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 898.
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entspricht, führt aus, der von der Vorschrift geschützte Rechtskreis des Einzelnen werde bestimmt „theils durch die in seiner Person begründeten Rechte, theils durch allgemeine, vorwiegend dem Gebiete des Strafrechts angehörende Vorschriften, welche zum Schutze des Einen eine Handlung des Andern verbieten oder gebieten. Dementsprechend macht der § 807 die Schadensersatzpflicht davon abhängig, daß die schädigende Handlung entweder das Recht eines Anderen, insbesondere dessen Leben, Gesundheit, Freiheit, Eigenthum, verletzt oder gegen ein den Schutz eines Anderen bezweckendes Gesetz verstößt.“
Die Entstehungsgeschichte des § 823 Abs. 1 BGB liefert also im Gegensatz zum Wortlaut Argumente dafür, die genannten Lebensgüter ebenfalls als subjektive Rechte zu betrachten. Folglich lässt sich vertreten, mit der Erwähnung des „sonstigen Rechts“ sei nicht nur auf Ausschließlichkeitsrechte nach dem Vorbild des Sacheigentums verwiesen, sondern des Weiteren auf Güter der Lebenswirklichkeit, die ggf. noch keine spezielle Regelung erfahren haben. Diese Auffassung vertrat insbesondere v. Gierke: Weil die ausdrücklich genannten Persönlichkeitsgüter nur beispielhaft genannt und als subjektiv-absolute Rechte zu begreifen seien, dürften Güter wie die Ehre, die „vom Leben zu besonderen Rechten ausgeprägt“ seien und „vom Rechtsbewusstsein als solche empfunden“ würden, als sonstige Rechte anerkannt werden79. Nach dieser Sichtweise wäre die Rechtsprechung durchaus legitimiert, ungenannten Gütern deliktischen Schutz zukommen zu lassen. Die dafür maßgeblichen Wertungen würden aus der Vorschrift selbst gewonnen. Vor diesem Hintergrund erscheint es erforderlich, die einschlägige Rechtsprechungsentwicklung im Überblick nachzuzeichnen und zu prüfen, ob tatsächlich das Interesse am exklusiven Haben geschützt wurde.
IV. Übersicht: Die Rechtsentwicklung zum „sonstigen Recht“ Die folgende Bestandsaufnahme geht der Frage nach, ob das in Struktur und Wortlaut eigentlich nicht angelegte Verständnis des § 823 Abs. 1 BGB als Delegationsnorm zur Herausbildung weiterer „Rechtsgüter“ zu positiven Zuordnungsentscheidungen geführt hat oder ob die seither anerkannten, ungeschriebenen „sonstigen Rechte“ anderen Zwecken dienen und darüber hinaus formal nicht die Wirkungen von Ausschließlichkeitsrechten aufweisen. Dazu geht es an dieser Stelle80 – ähnlich wie im Hinblick auf die vertikalen und horizontalen Grenzen des Sacheigentums und der Immaterialgüterrechte – nicht um eine vollständige Rekapitulation und Beurteilung der Rechtsprechung, sondern allein darum, die 79 V. Gierke, Dt. Privatrecht III, 887 f., 891 (eine restriktivere Lesart sei als „doktrinärer Irrtum“ des Gesetzgebers mit dem „modernen Rechtsbewusstsein“ nicht vereinbar); ebenso Zeuner, in: Soergel12, § 823 BGB Rn. 46 (unter das „sonstige Recht“ fielen nach der Entstehungsgeschichte auch Positionen, die nicht die gleichen fest umrissenen Merkmale aufweisen wie das Eigentum). 80 Zu den Grundlagen und Grenzen der richterlichen Anerkennung „sonstiger Rechte“ unten § 13 A II 1; zur Unterscheidung zwischen subjektiven Rechten und dem Schutz von Interessen und Gütern unten § 14 A.
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für die Anerkennung neuer „sonstiger Rechte“ maßgeblichen Wertungen und Strukturen herauszuarbeiten. Thematischer Orientierungspunkt ist dabei stets die Zuordnung von Gütern durch originäre Ausschließlichkeitsrechte. Außer Betracht bleibt daher etwa der Deliktsschutz relativer Rechte, denn hier besteht zweifellos ein primäres subjektives Recht, dessen deliktsrechtliche Bewehrung umstritten ist, weil es über geringere Wirkungen als das Eigentum verfügt81. 1. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht Das zivilrechtliche aPR war zwar nicht das erste von der Rechtsprechung anerkannte, ungeschriebene „sonstige Recht“, seine Entwicklung wurde aber bereits erläutert und sei daher nur in den maßgeblichen Aspekten zusammengefasst82. Die Anerkennung des aPR in seiner klassischen, von der Leserbrief-Entscheidung geprägten Gestalt wird unstreitig als Rechtsfortbildung in Erfüllung eines grundrechtlichen Schutzauftrags angesehen, und zwar zur Verwirklichung des verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes gem. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG bzw. des Art. 1 Abs. 1 GG für den postmortalen Würdeschutz. Es dient folglich nicht dazu, Persönlichkeitsgüter zum exklusiven Haben und Vermarkten zuzuweisen, sondern es gewährleistet den abwehrenden Schutz der Privatheit und Integrität der Person. Ferner unterscheidet sich das aPR in seiner formalen Ausgestaltung grundlegend vom Eigentum. Denn es stellt einen subsidiären Auffangtatbestand dar, dessen Verletzung erst nach einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung positiv festgestellt werden kann; auch ist es als solches unstreitig weder translativ oder konstitutiv übertragbar noch in der Einzel- und 81 Siehe dazu aus der Entstehungsgeschichte Mot. II, 727; Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 882, 892. Ferner RGZ 57, 353, 356 f. (1904); Krasser, Schutz vertraglicher Rechte, 158 ff.; aus der Rechtsprechung grundsätzlich gegen die Subsumtion relativer Rechte unter den Begriff des „sonstigen Rechts“ RGZ 57, 353, 355 ff. (1904); RGZ 59, 326, 327 f. (1904); BGHZ 7, 30, 36 (1952); BGHZ 12, 308, 317 f. (1954); BGHZ 29, 65, 73 f. (1958); BGH NJW 1970, 699 (im Gegensatz zum Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers); BGH JZ 1976, 278, 279; KG MDR 1998, 897 f.; OLG München NJW 2004, 224, 230; aus der Literatur ablehnend Planck1, BGB II, § 823 Anm. 2a a.E. m.w.N.; v. Gierke, Dt. Privatrecht III, 892 ff.; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 942 ff.; Teichmann, in: Jauernig, § 823 BGB Rn. 17; Staudinger, in: Hk-BGB, § 823 BGB Rn. 30; Sprau, in: Palandt, § 823 BGB Rn. 11; Spindler, in: Bamberger/Roth, § 823 BGB Rn. 0.4; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 845; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1570; Schiemann, in: Erman, § 823 BGB Rn. 36; Zeuner, in: Soergel12, § 823 BGB Rn. 48; Hager, in: Staudinger, § 823 BGB Rn. B162; Canaris, FS Steffen, 85; Kötz/Wagner, Deliktsrecht10, Rn. 162; Krasser, Schutz vertraglicher Rechte, 90, 119 ff., 200. Gegen die Argumentation mit „relativen“ und „absoluten“ Rechten bei der Auslegung von § 823 Abs. 1 BGB Löwisch, Deliktsschutz, 22 f. (hierbei handele es sich um eine rein formale, nicht zur Gesetzesauslegung taugende Differenzierung; aber ein allgemeiner Deliktsschutz des Gläubigerrechts gegen jede auch nur fahrlässig verursachte Beeinträchtigung sei nicht gewollt, a.a.O., 146); wesentlich weiter als die h.M. auch Becker, AcP 196 (1996), 439 ff. Zur dogmatischen Bewältigung der Ausnahmen von diesem Grundsatz im Hinblick auf den Deliktsschutz der Forderungszuständigkeit, des berechtigten Besitzes und der Mitgliedschaft unten § 13 A II 1 d bb. 82 Siehe oben § 4 B VII.
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Gesamtvollstreckung zwangsweise verwertbar. Damit steht dieses „Rahmenrecht“ thematisch, formal und im Hinblick auf seine verfassungsrechtliche Verankerung nicht im Zusammenhang mit der Güterzuordnung durch Ausschließlichkeitsrechte. Freilich subsumiert der Bundesgerichtshof in der Marlene-Entscheidung auch die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts unter das „sonstige Recht“, indem der I. Senat auf die Gewährleistung des Schutzes bestimmter Bereiche „gegenüber jedermann“ verweist83. Dazu ist jedoch zu bemerken, dass die Herausbildung dieser „vermögenswerten Ausschließlichkeitsrechte“ weniger im Kontext des Deliktsrechts als vielmehr auf der Grundlage des Bereicherungsund Rechtsverkehrsrechts erfolgte. Da die Rechsprechung die vermögenswerten Bestandteile überdies weiter im einheitlich verstandenen aPR ansiedelt, kann diesem Urteil kein von der klassischen Phase grundsätzlich abweichendes Verständnis des Begriffs „sonstiges Recht“ entnommen werden – und nur darum geht es hier. 2. Das Recht am Gewerbebetrieb Bisher nicht betrachtet wurde das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (im Folgenden: Recht am Gewerbebetrieb)84 als das älteste der ungeschriebenen „sonstigen Rechte“. a) Schutzgegenstand und Schutzzweck Schutzgegenstand und Schutzzweck des Rechts am Gewerbebetrieb lassen sich bis in das ausgehende 19. Jahrhundert zurückverfolgen85. Denn schon zu dieser Zeit hatte das Reichsgericht Fallgruppen des späteren Rechtsinstituts zu beurteilen. Den Boykott von Betrieben und unberechtigte Verwarnungen aus Immaterialgüterrechten stufte das Reichsgericht als rechtswidrige Beeinträchtigungen der Unternehmerpersönlichkeit bzw. der Integrität des Geschäftsbetriebs ein86. Ansprüche gegen unzutreffende Angaben über tatsächlich nicht bestehenden Patent- oder Musterschutz stützte das Gericht bemerkenswerterweise auf einen Verstoß gegen § 1 der Gewerbeordnung und eine damit einhergehende Verlet-
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BGHZ 143, 214, 218 (1999) – Marlene. Siehe zur hier verwendeten Terminologie nur etwa BGHZ (GS) 164, 1 ff. (2005); BGHZ 166, 84, 96 ff. (2006); OLG Stuttgart GRUR-RR 2006, 20 ff. 85 Zur Beschränkung dieser Arbeit auf die Zeit seit der Anerkennung der Gewerbefreiheit 1869 oben Einleitung C II. 86 Siehe RGZ 22, 93, 96 (1888) (Klagerecht auf Feststellung, dass dem Abmahner das angebliche Untersagungsrecht nicht zustehe, da diese Handlungsweise ehrverletzend sei und den anderen ohne Rechtsgrund in rechtlich erlaubten Verfügungen störe); RGZ 28, 238, 243, 247 ff. (1890) (Anspruch des Boykottierten gegen vorsätzlichen Ausschluss von Bezugs- und Absatzquellen als vorsätzliche rechtswidrige Vermögensbeschädigung, die das Recht auf Achtung der Person und das Ansehen des individuellen Geschäftsbetriebs verletzten); RG JW 1899, 749 f. (Unterlassungsanspruch gegen unberechtigte Schutzrechtsverwarnung wegen Eingriffs in den Gewerbebetrieb eines anderen und Ehrverletzung). 84
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zung der freien Betätigung der Mitbewerber87. Auch wenn diese Fallgruppen teilweise als Vorläufer des UWG (unberechtigte Auszeichnung mit Immaterialgüterrechtsschutz) bzw. des § 826 BGB (Boykott als vorsätzliche rechtswidrige Schädigung des Vermögens) angesehen werden können, haben sie doch die Entstehung eines Rechts am Gewerbebetrieb befördert, weil sie das Bewusstsein der Rechtsprechung weckten, dass es eines flexiblen Schutzes der gewerblichen Tätigkeit jenseits eines Eingriffs in eines der später in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechtsgüter bedurfte. Und so berief sich das Reichsgericht denn auch auf diese früheren Entscheidungen, als es unmittelbar nach Inkrafttreten des BGB und trotz der restriktiven Rechtsprechung zum deliktischen Ehrenschutz und der Arbeitskraft 1904 das Recht am Gewerbebetrieb als „sonstiges Recht“ anerkannte88. Kerngedanke war freilich, „daß es sich bei dem bestehenden selbständigen Gewerbebetriebe nicht bloß um die freie Willensbetätigung des Gewerbetreibenden handelt, sondern dieser Wille darin bereits seine gegenständliche Verkörperung gefunden“ habe und deshalb „die feste Grundlage für die Annahme eines subjektiven Rechts an diesem Betriebe gegeben sei“89. 87 RG Bl. f. PMZ 1, 94 f. (1894) mit Verweis auf RGZ 22, 93 (1888) („Für die Ausführung des Berufungsgerichts, daß die Beklagte … in den Rechtskreis aller derjenigen Personen verletzend eingreife, die solche Waren gewerblich herstellen und vertreiben, indem sie dieselben in ihren berechtigten gewerblichen Dispositionen störe, ihren Absatz beeinträchtige und deren rechtlich erlaubte Erwerbshandlungen mit dem Schein der Ungesetzlichkeit belege, bietet § 1 der Gewerbeordnung für das Deutsche Reich eine ausreichende gesetzliche Grundlage. Daß dem in solcher Weise in der Freiheit seiner gewerblichen Tätigkeitsentwicklung Beeinträchtigten und zugleich in seinen vermögensrechtlichen Interessen Verletzten ein Klagerecht“ auf Feststellung der mangelnden Berechtigung zu diesen Handlungen und zur Unterlassung zusteht, habe das Reichsgericht schon früher entschieden.); RGZ 28, 238 (1890); RGZ 45, 61 f. (1899). Dazu, dass § 1 GewO kein Schutzgesetz ist, siehe RGZ 112, Anhang 21, 25 (1925) (Staatsgerichtshof); zur privatrechtlichen Umsetzung der Gewerbefreiheit aus wettbewerbspolitischer Sicht Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, 210. 88 Grundlegend die Jutefaser-Entscheidung RGZ 58, 24, 29 ff. (1904) unter Verweis auf frühere Urteile zum Persönlichkeitsschutz (RGZ 22, 93 (1888)) und den Ansatz über § 1 GewO (RGZ 28, 238 (1890)). Zuvor bereits RG Schubert 1902, 471, 475 f. (insoweit in RGZ 51, 66 (1902) nicht abgedruckt). Offengelassen noch von RGZ 48, 114, 120 f. (1901); erwogen, aber letztlich abgelehnt noch von RGZ 56, 271, 275 f. (1902) (§ 826 BGB genüge). 89 RGZ 58, 24, 29 f. (1904); so bereits RGZ 51, 369, 373 f. (1902); ferner BGHZ 24, 200, 206 (1957) (geschützt sei nicht die Tätigkeit, sondern die in einem Geschäftsunternehmen verkörperten Werte); offengelassen von RGZ 48, 114, 120 f. (1901) (die Ausübung des Gewerbebetriebs habe durch den Erwerb von Kundschaft den Charakter eines subjektiven Rechts („Individualrechts“) erworben). Grundsätzlich ablehnend zu dieser Rechtsfigur etwa Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 537 ff.; Zöllner, JZ 1997, 293, 295; Wolf, FS v. Hippel, 665, 683 ff. (Lösung über einen Schutz der Entscheidungsfreiheit über das in § 823 Abs. 1 BGB genannte Rechtsgut „Freiheit“); Körner, Rechtsschutz des Unternehmens, 83 f. (Anwendung der §§ 826, 824, 14 UWG 1909); v. Bar, Gutachten, 1681, 1699 (Rechtsfortbildung contra legem), aber 1720 (gewohnheitsrechtliche Anerkennung); Schwitanski, Deliktsrecht, 311 (systemsprengend); für Lösung über richterrechtlich entwickelte Schutzgesetze gem. § 823 Abs. 2 BGB Gieseke, GRUR 1950, 298, 310 f. Gegenkritik bei Schildt, WM 1996, 2261, 2264 f.; zum alternativen Schutz der unternehmerischen Tätigkeit über die §§ 826 BGB, 1 UWG 1909 ablehnend Buchner, Unternehmensschutz, 254 ff.
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
Nach mancherlei Schwankungen90 wird der Anwendungsbereich dieser Rechtsposition seit Ende der 1950er Jahre dahingehend umschrieben, dass der Gewerbebetrieb in seinem Bestand und in seinen Ausstrahlungen, soweit es sich um wesensgemäße und eigentümliche Erscheinungsformen und Beziehungen des Betriebs handelt, geschützt wird91. Erforderlich sei ein unmittelbarer, über eine bloße sozialübliche Behinderung hinausgehender, betriebsbezogener Eingriff92 in den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit und nicht nur in vom Gewerbebetrieb ohne Weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter93. Diese Tatbestandsvoraussetzungen sollen ein „Sonderrecht für Gewerbetreibende“ ebenso vermeiden helfen94 wie eine übermäßige und systemwidrige Ausweitung des Schutzes, „die dem deutschen Rechtssystem der kasuistischen Art geregelten Deliktstatbestände zuwider laufen würde“95. Ausgeweitet wurde der Schutzbereich jedoch insoweit, als nicht nur fest etablierte Betriebe in ihrem jeweiligen Bestand erfasst sind, sondern auch ernsthafte Gründungs- und Erweiterungsvorhaben96. Außerdem können sich neben Gewerbetreibenden
90 Übersicht über die Rechtsentwicklung bis 1958 bei BGHZ 29, 65, 67 ff. (1958); bis 1967 bei Fikentscher, FS Kronstein, 261 ff.; bis Mitte der 80er Jahre bei Stadtmüller, Schutzbereich, 172 ff.; Schwitanski, Deliktsrecht, 22 ff.; bis 2007 bei Sack, Recht am Gewerbebetrieb, 3 ff. 91 BGHZ 29, 65, 70 (1958); BGH NJW 1983, 2195, 2196. 92 Auch durch Unterlassen: BGHZ 55, 153, 160 f. (1970). 93 Siehe etwa BGHZ 29, 65, 72 f. (1958); BGH NJW 1967, 1857 (nicht bei Beeinträchtigung des Absatzes bestimmter Waren, sondern etwa bei Aufgabe eines Geschäftszweigs); BGHZ 41, 123, 127 (1964); BGHZ 55, 153, 161 (1970) (nicht die Schiffbarkeit einer Wasserstraße, sondern der Schwerpunkt des Einsatzes der Gerätschaften sei relevant); BGH NJW 1972, 1571, 1572; BGH NJW 1977, 2208, 2209; BGHZ 86, 152, 156 (1982); BGH NJW 1983, 812, 813 (Bedrohung der Grundlagen des Betriebs oder des Funktionszusammenhangs der Betriebsmittel auf längere Zeit oder Infragestellung der Tätigkeit als solcher); BGH NJW 1985, 1620; BGHZ 138, 311, 317 (1998); BGH NJW 1999, 279, 281; BGH NJW 2001, 971, 972 (Verletzung oder Tötung des Inhabers oder Mitarbeiters eines Unternehmens kein relevanter Eingriff in den Gewerbebetrieb); dito BGH NJW 2003, 1040, 1041; BGH NJW 2004, 356, 358 (verneint für Behinderungen des Gemeingebrauchs einer Straße); OLG Düsseldorf DB 1969, 1398, 1399; OLG Stuttgart GRUR-RR 2006, 20 f. 94 BGH NJW 1977, 2264, 2265; BGH NJW 1979, 1351, 1353 (objektiv unberechtigt in Gang gesetztes Offenbarungsverfahren); BGH NJW 1983, 812, 813; BGH NJW 1985, 1620, 1621; BAG NJW 1989, 61, 62; BGH NJW 2003, 1040, 1041; BGH NJW 2004, 356, 358 (Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs einer Straße). 95 BGH NJW 1956, 1719, 1720; BGHZ 29, 65, 73 (1958); BGH NJW 1969, 1202, 1203; BGHZ 66, 388, 393 (1976) (kein allgemeiner deliktischer Vermögensschutz für Gewerbetreibende); BGH NJW 1977, 2264, 2265; BGHZ 90, 113, 123 (1984); BGH NJW 1985, 1620, 1621 (kein Schutz vertraglicher Positionen über den Umweg des Rechts am Gewerbebetrieb); BAG NJW 1989, 61, 62 (§ 823 Abs. 1 BGB schütze nicht das Vermögen). Kritisch gegenüber einer zu starken Ausdehnung des Schutzes bestehender Unternehmen und damit der Bevorzugung der etablierten Marktteilnehmer gegenüber den Newcomern Biedenkopf, FS Böhm, 113, 126 ff.; Wolf, FS v. Hippel, 665, 682 (eine ständische oder monopolisierende Privilegierung eines bestehenden Betriebs sei nach unserem Recht nicht zulässig). 96 BAG NJW 1964, 1291, 1292; BGH NJW 1969, 1202, 1203; BGHZ 90, 113, 123 (1984); Steffen, in: RGRK, § 823 BGB Rn. 39 (auch die ersten Anfänge werbender Tätigkeit seien geschützt).
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i.S.d. Gewerbeordnung97 alle Inhaber rechtlich zulässiger „Unternehmen“ auf dieses Rechtsinstitut berufen98. Insbesondere durch die Ausbildung des Lauterkeitsrechts werden gegenwärtig nur noch relativ wenige Fallgruppen nach Maßgabe des subsidiären Rechts am Gewerbebetrieb beurteilt99. Hierzu zählt insbesondere die sog. unberechtigte Schutzrechtsverwarnung. Seit der Jutefaser-Entscheidung 1904 war die Rechtsprechung davon ausgegangen, dass eine Abmahnung wegen angeblicher Verletzung eines Immaterialgüterrechts als ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht (§§ 1, 3 UWG a.F.) oder – je nach Sachlage – als ein bei Verschulden zum Schadensersatz verpflichtender Eingriff in den Gewerbebetrieb des Verwarnten gem. § 823 Abs. 1 BGB beanstandet werden konnte, wenn die Verwarnung objektiv unberechtigt oder ihrem sonstigen Inhalt oder der Form nach unzulässig war100. 97 So ursprünglich RG Schubert 1902, 471, 475 f. (insoweit in RGZ 51, 66 (1902) nicht abgedruckt; Schutz des Betriebs einer Privatkrankenanstalt als Gewerbe); RGZ 56, 271, 275 (1902); RGZ 64, 155, 157 (1906) (ärztlicher Beruf wegen des höheren wissenschaftlichen und sittlichen Interesses außerhalb des materiellen Gewerbebetriebs); offengelassen von BGH GRUR 1965, 690, 694. 98 Siehe BGHZ 45, 150, 154 (1966) (es sei gleichgültig, ob der Betrieb bzw. das Unternehmen eine Gewerbebetrieb im Sinne der Gewerbeordnung sei); OLG München NJW 1977, 1106; OLG Karlsruhe NJW 1992, 1329; OLG Köln VersR 1996, 234, 235; OLG München NJW-RR 1999, 1706 f. OLG Düsseldorf VersR 2003, 984, 985 (Arzt); OLG Hamburg NJW-RR 1999, 1060 (Künstler); offengelassen für den „Gewerbebetrieb“ einer Sportlergruppe von BGH NJW 2003, 1040, 1041; Spickhoff, in: Soergel13, Anh V § 823 BGB Rn. 1; Sprau, in: Palandt, § 823 BGB Rn. 127; zur Arztpraxis als geschützter Gewerbebetrieb im Sinne des Enteignungsrechts BGHZ 81, 21, 33 (1981); BGHZ 132, 181, 186 (1996); Schulz-Schaeffer, Das subjektive Recht, 223; Schiemann, in: Erman, § 823 BGB Rn. 60; Zeuner, in: Soergel12, § 823 BGB Rn. 151; Schmidt, JuS 1993, 985, 988; a.A. Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 540; Katzenberger, Recht am Unternehmen, 36 f. (kein Gewerbe im Rechtssinne). Zum Begriff des Unternehmens als „Inbegriff all dessen, was zu seinem Betrieb gehört“ BGHZ 7, 208, 211 (1952); Hueck, Unkörperliche Geschäftswerte, 15; Isay, Rechtsgut, 38. Von einem „Recht am Unternehmen“ sprechen daher OLG Köln VersR 1996, 234, 235; OLG Rostock ZIP 2001, 793, 794. Aus der Literatur Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 940 f.; Müller-Erzbach, Handelsrecht, 75; Gieseke, GRUR 1950, 298 ff.; Raiser, JZ 1961, 465, 469; Reinhardt, JZ 1961, 713, 714; v. Bar, Gutachten, 1681, 1719 mit Fn. 251; Fikentscher, FS Kronstein, 261, 287; Staudinger, in: Hk-BGB, § 823 BGB Rn. 115; Spindler, in: Bamberger/Roth, § 823 BGB Rn. 105; Fezer, Teilhabe und Verantwortung, 556; ferner die Monographien von Isay, Rechtsgut; Katzenberger, Recht am Unternehmen; Schrauder, Wettbewerbsverstöße; Buchner, Unternehmensschutz; Preusche, Unternehmensschutz; Stadtmüller, Schutzbereich und Schwitanski, Deliktsrecht. 99 Siehe etwa die Übersicht bei Sack, Recht am Gewerbebetrieb, 131 ff.; Schiemann, in: Erman, § 823 BGB Rn. 68 ff.; Fikentscher, FS Kronstein, 261 ff.; Wiemann, Deliktsschutz des Unternehmens, 45 ff.; Buchner, Unternehmensschutz, 135 ff.; Spickhoff, in: Soergel13, Anh V § 823 BGB Rn. 11. Zum Schutz des berühmten Kennzeichens, das jetzt von den §§ 14 Abs. 2 Nr. 3, 15 Abs. 3 MarkenG geregelt ist, BGH GRUR 1960, 550 f.; Schiemann, in: Erman, § 823 BGB Rn. 56 m.w.N. 100 RGZ 58, 24 (1904); BGHZ 38, 200 ff. (1962); BGH WRP 1965, 97 ff.; BGH NJW 1969, 2045, 2047 f. (kein Eingriff in den Gewerbebetrieb bei unberechtigtem Verlangen auf Rücknahme einer Warenzeichenanmeldung, weil damit keine sofortige und weittragende Entscheidung über die Produktionssphäre nötig sei); BGHZ 62, 29 (1973); BGH GRUR 1979, 332, 333; BGHZ 111, 349, 358 (1990); BGH GRUR 1996, 812, 813; BGH GRUR 1997, 741, 742; BGH GRUR 2001,
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
An diesem „Eckpfeiler“ des Rechtsinstituts101 hat der Große Senat des Bundesgerichtshofs entgegen dem Vorlagebeschluss des I. Zivilsenats, der eine Schadensersatzhaftung nur unter den strengeren (subjektiven) Voraussetzungen des § 826 BGB oder der §§ 3, 4 UWG annehmen wollte102, fast genau 100 Jahre nach seiner erstmaligen Anerkennung ausdrücklich festgehalten: Die unbegründete Schutzrechtsverwarnung könne wie bisher unter dem Gesichtspunkt des rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zum Schadensersatz verpflichten103. Eine weitere aktuelle Fallgruppe des Rechts am Gewerbebetrieb sind unerwünschte elektronische Nachrichten. Obwohl bei der Zusendung von E-Mails oder SMS-Nachrichten Kabel bzw. Speicherchips benutzt werden, wird hierin keine Einwirkung auf das Sacheigentum gesehen104. Falls zudem Ansprüche auf lauterkeitsrechtlicher Grundlage ausscheiden, weil die besonderen Tatbestandsvoraussetzungen des UWG nicht gegeben sind105, greift die Rechtsprechung zur Beurteilung der Rechtswidrigkeit dieses Verhaltens auf das Recht am Gewerbebetrieb zurück106, 54,101 55; OLG Hamburg NJW-RR 1999, 1060. Teilweise wurden die Ansprüche bei Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses auf § 1 UWG 1909 gestützt; siehe BGH GRUR 1995, 424, 426. Zu den Sorgfaltspflichten des Verwarnenden und zum Mitverschulden des Verwarnten BGHZ 62, 29, 36 ff. (1973); BGH GRUR 1979, 332, 336 f.; BGH GRUR 1996, 812, 814; BGH GRUR 1997, 741, 742; siehe ferner Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, Kap. 30 Rn. 19; Lindacher, ZHR 144 (1980), 350, 352, jeweils m.w.N. 101 Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 558 (der „wichtigste Eckpfeiler der Lehre vom Recht am Gewerbebetrieb“); Meier-Beck, WRP 2006, 790. 102 BGH GRUR 2004, 958 ff.; kritisch zur früheren Rechtsprechung auch OLG Düsseldorf GRUR 2003, 814, 816; Deutsch, WRP 1999, 25, 29; Ullmann, GRUR 2001, 1027, 1028 f. m.w.N.; Horn, Unberechtigte Verwarnung, 168 f.; v. Filseck, GRUR 1963, 260, 262; Zeuner, in: Soergel12, § 823 BGB Rn. 118; zum Vorlagebeschluss etwa Lindacher, EWiR 2004, 1123 f. (§ 823 BGB); Wagner, ZIP 2005, 49 ff. Gegen diesen Wechsel der Anspruchsgrundlage wurde vorgebracht, die Masse der einschlägigen Fälle unverschuldeter oder nur fahrlässig unberechtigter Abmahnungen wäre nicht mehr sanktioniert gewesen; siehe dazu RGZ 58, 24, 27 (1904); BGHZ 62, 29, 33 (1973) (grob fahrlässig unberechtigte Schutzrechtsverwarnung); BGHZ 69, 129, 139 (1977); Meier-Beck, GRUR 2005, 535 ff.; ders., WRP 2006, 790, 792 f.; Peukert, Mitt. 2005, 73 ff. m.w.N. 103 BGHZ (GS) 164, 1 ff. (2005); Meier-Beck, WRP 2006, 790 ff.; seitdem BGHZ 165, 311, 314 f. (2005); BGH NJW 2006, 1432, 1433 f.; BGH GRUR 2006, 432 f.; BGHZ 171, 13, 16 ff. (2007); kritisch Deutsch, GRUR 2006, 374 ff.; Haedicke, JZ 2006, 578 ff.; Faust, JZ 2006, 365 ff.; umfassend Sack, Unbegründete Schutzrechtsverwarnungen, 1 ff. 104 Dazu oben § 5 B I 2. 105 Zum Fehlen einer Wettbewerbshandlung KG GRUR-RR 2005, 66; Mankowski, JZ 2005, 96, 99 (Werbe-E-Mails einer politischen Partei). Zum Fehlen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses gem. § 8 Abs. 3 UWG OLG Celle MMR 2004, 820, 821; AG Dresden NJW 2005, 2561 f. (Werbe-E-Mail für Büromaterialien an Rechtsanwalt). 106 Siehe OLG Celle MMR 2004, 820 f.; OLG München MMR 2004, 324; KG MMR 2002, 685; AG Charlottenburg MMR 2000, 775; LG Bautzen Urteil v. 16.12.2003, 2 O 829/03, juris KORE419762004; LG Karlsruhe MMR 2002, 402; LG Berlin MMR 2004, 44; LG Berlin MMR 2003, 202; LG Berlin MMR 2004, 688; LG München MMR 2003, 282; LG München MMR 2003, 483 (E-Cards); LG München GRUR-RR 2007, 59; AG Bochum MMR 2004, 707; AG Dresden NJW 2005, 2561; AG Hamburg NJW 2005, 3220 ff.; im Einzelfall ablehnend AG Hannover NJWRR 2003, 1272; generell verneinend AG Dachau MMR 2002, 179; AG München CR 2004, 379 (einmaliges Herunterladen einer Werbe-E-Mail habe nicht genügend Intensität für einen Eingriff).
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wobei die Ergebnisse inhaltlich den Aussagen des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG entsprechen107. Schließlich werden Belagerungen eines Betriebs, Demonstrationen, Boykott(aufrufe), der Ausschluss aus gewerblichen Verbänden, Streiks, Warnungen und sonstige geschäftsschädigende Äußerungen und Bewertungen anhand des Rechts am Gewerbebetrieb beurteilt, soweit diese Verhaltensweisen nicht schon von speziellen Deliktstatbeständen des BGB bzw. vom UWG erfasst sind108. Die Skizze des Schutz- und Anwendungsbereichs lässt erkennen, dass dieses „sonstige Recht“ der Sicherung unternehmerischer Betätigungsfreiheit dient, mithin der Möglichkeit, mit dem Betrieb am Marktgeschehen teilnehmen zu können109. Die aufgezählten Fallgruppen betreffen durchweg das in die Zukunft 107 Zur Rechtswidrigkeit schon der ersten E-Mail OLG Celle MMR 2004, 820, 821; AG Hamburg NJW 2005, 3220 ff.; a.A. AG Dresden NJW 2005, 2561 f. (mit Hinweis darauf, dass Verbraucher für Ansprüche aus UWG nicht aktivlegitimiert seien); ferner LG München GRUR-RR 2007, 59 (Werbe-Fax). 108 Siehe RGZ 76, 35, 46 (1911) (Belagerung einer Gaststätte durch Arbeiter, die dort nicht bedient wurden). Zu Boykottaufrufen RG JW 1906, 595, 596; BGHZ 24, 200 ff. (1957); BGH NJW 1985, 1620 (Aufruf zum kollektiven Vertragsbruch); zum Begriff des Boykotts BGH DB 1965, 889; zur Bestimmung der Rechtswidrigkeit beim Boykott zur Verfolgung nichtwirtschaftlicher Interessen Weick, Boykott, 67 ff.; BGHZ 90, 113, 122 f. (1984) (Aufruf eines Naturschutzverbandes zu massenhaften Einsprüchen gegen ein Bauvorhaben); LG Chemnitz ZUM 2005, 572 ff.; OLG Stuttgart GRUR-RR 2006, 20 ff. (Boykottaktion einer Umweltschutzorganisation). Zum Ausschluss aus gewerblichen Verbänden RG MuW 1929, 378, 380 (Schwarze Liste bestimmter Präparate, die von den Krankenkassen nicht mehr erstattet werden); BGHZ 36, 91 ff. (1961). Zum rechtswidrigen Streik BAG NJW 1964, 887; BAG NJW 1964, 1291, 1292; BAG NJW 1970, 486, 487; BAG NJW 1978, 2114; BAG NJW 1989, 57, 60 f. m.w.N. (Warnstreik); BAG NJW 1989, 61, 62; BAG NJW 1989, 63; BAG NJW 1989, 1881, 1882; BAG MDR 2003, 753, 754 m.w.N.; Zeuner, in: Soergel12, § 823 BGB Rn. 133. Zum Begriff des Streiks etwa BAG NJW 1964, 1291 ff. Die Arbeitskampfregeln werden teilweise als Schutzgesetze gem. § 823 Abs. 2 BGB eingeordnet; siehe etwa Schiemann, in: Erman, § 823 BGB Rn. 58 m.w.N. Zu Warnungen BGHZ 8, 142 (1952) (schwarze Liste säumiger Zahler); BGH NJW 1999, 279 (negative Äußerungen einer Haftpflichtversicherung über ein Mietwagenunternehmen gegenüber den eigenen Kunden). Zu negativen Bewertungen siehe BGH GRUR 1970, 465, 466; BGH NJW 1987, 2746 (kritische Berichterstattung in den Medien); BGH NJW 2002, 1192, 1193 (Grenze der Kritik an gewerblichen Leistungen in den Medien sei die unzulässige Schmähkritik). Speziell zu Waren- und Dienstleistungstests BGHZ 65, 325, 328 (1975); BGH NJW 1987, 1082, 1083 (Gastrokritiker); BGH NJW 1989, 1923; BGH NJW 1997, 2596, 2597 (Tests seien zulässig, wenn die Untersuchung neutral, objektiv und sachkundig durchgeführt worden sind und sowohl die Art des Vorgehens als auch die aus den Untersuchungen gezogenen Schlüsse vertretbar erscheinen); OLG Karlsruhe NJW-RR 2003, 177 ff. Zu Demonstrationen BGH NJW 1972, 1571, 1573; BGHZ 59, 30, 38 (1972). 109 Siehe BGH NJW 1976, 1312, 1313 (Recht am Gewerbebetrieb als „das Recht auf Fortsetzung des Gewerbebetriebs auf Grund schon getroffener Maßnahmen“); Deutsch, JZ 1963, 385, 386 (Schutz des „werbend aktiven Vermögens“); Nipperdey, NJW 1967, 1985, 1987 (Recht auf freie berufliche und gewerbliche Betätigung); Zeuner, in: Soergel12, § 823 BGB Rn. 222 (der Schutz des Gewerbebetriebes sei nicht auf ein eigentumsähnliches, besonderes Vermögensobjekt, sondern auf die Tätigkeit des Gewerbebetreibens und die Person des Inhabers zu beziehen); Steffen, in: RGRK, § 823 BGB Rn. 36 (keine Zuweisung absoluter Herrschaftsbefugnisse, sondern Schutz gegenüber
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gerichtete, dynamische Interesse, von der allgemeinen Handlungs- und Wettbewerbsfreiheit unbeeinträchtigt von Dritten Gebrauch zu machen110. Verwirklicht werden individuelle Interessen, die Grundrechtsschutz gem. Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG und im Fall von Presse- und Medienunternehmen gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG genießen111. Diese Ausrichtung auf den Erwerb und nicht den statischen Schutz des bereits Erworbenen beruht auf der Erkenntnis, dass ohne Schutz der Freiheit zum Wirtschaften kein Vermögen in Gestalt des ggf. erst geplanten Betriebs entstehen kann112. Die Zugehörigkeit des Rechts am Gewerbebetrieb zur Erwerbs- und nicht zur Innehabungsordnung113 wird bereits anhand der historischen Bezugnahme des Reichsgerichts auf die Gewerbefreiheit deutlich. Inzwischen offenbart sich dies anhand der Parallelen und gleichzeitig der Subsidiarität dieses „sonstigen“ Rechts im Verhältnis zum UWG, das ebenfalls
110 spezifischen Verhaltensweisen als Ausgleich kollidierender Interessen); Spickhoff, in: Soergel13, Anh V § 823 BGB Rn. 28 (Schutz vor Risiken, denen ein am Markt tätiges Unternehmen nicht ausgesetzt werden dürfe), Rn. 57 ff. (Marktzugang); Schildt, WM 1996, 2261, 2264 (Objekt des Schutzes sei die unternehmerische Tätigkeit, Chancen seien nicht garantiert); Buchner, Unternehmensschutz, 246 (Abwehrrecht gegen Behinderungen der Tätigkeit); Wolf, FS v. Hippel, 665, 680; Schrauder, Wettbewerbsverstöße, 180 (Freiheit zum Erwerb); Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 307. Auch Preusche, Unternehmensschutz, 116, und Stadtmüller, Schutzbereich, 438 f., erblicken im Schutz der unternehmerischen Betätigung den Schwerpunkt des Rechts am Unternehmen, obwohl sie für eine Einordnung als absolutes Recht eintreten. Beide Aspekte, nämlich den Schutz der Ergebnisse der unternehmerischen Leistung und an der ungestörten unternehmerischen Betätigung beziehen ein Schippel, Das Recht am Gewerbebetrieb, 55; Wiemann, Deliktsschutz des Unternehmens, 11 ff. (statische und dynamische Interessen); Schrauder, Wettbewerbsverstöße, 152; Gieseke, GRUR 1950, 298, 303; Pawlowski, Rechtsbesitz, 108 f., 121 (Recht auf ungehinderte Gewerbetätigkeit als Verwirklichung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts); v. Bar, Gutachten, 1681, 1719 (gewisse Fälle der freien unternehmerischen Entfaltung mit Gesetzesvorschlag de lege ferenda, a.a.O. 1761 f.). Aufgrund der Einordnung des Rechts am Gewerbebetrieb als „bloßer Freiheitsschutz“ (Reuter/ Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 269) wird auch kein Anspruch aus Eingriffskondiktion gewährt; siehe unten § 8 D II 2. A.A. Fikentscher, Wettbewerb, 233 (Vorhandensein objektiv fassbarer Verkörperungen der Unternehmertätigkeit, nicht Schutz der Tätigkeit als solcher). 110 Siehe bereits RGZ 22, 93, 96 (1888) (Klagerecht auf Feststellung, dass dem Abmahner ein angebliches Untersagungsrecht nicht zustehe, da diese Handlungsweise ehrverletzend sei und den Anderen ohne Rechtsgrund in rechtlich erlaubten Verfügungen störe); RG Schubert 1902, 471, 475 f. (insoweit in RGZ 51, 66 (1902) nicht abgedruckt; Schutz des freien Ermessens der Ärzte, mit wem sie konsultieren möchten); BGHZ 36, 91, 99 (1961) (der Kläger begehre durch den Schutz vor der Ausschließung die Gelegenheit zur Erweiterung des Kundenkreises); BVerfGE 25, 256, 268 (1969) (der Boykott einer Wochenzeitung verstoße gegen die Pressefreiheit, die der BGH über das Recht am Gewerbebetrieb verwirklichte); ebenso dann BGH NJW 1972, 1571, 1573 (Schutz der Handlungsfreiheit der Presseorgane gegen Zwang); OLG Rostock ZIP 2001, 793, 794 (Schutz vor unbilligen Beeinträchtigungen der wirtschaftlichen Betätigung); Fikentscher, FS Kronstein, 261, 275 ff. (die Rechtsprechung habe von Anfang an die freie wirtschaftliche Betätigung geschützt); zu Boykottfällen Weick, Boykott, 37 (Konflikt zwischen der Entfaltung des Aufrufers und des Gegners); ferner Schildt, WM 1996, 2261, 2264 (keine Zuordnung von Chancen). 111 Siehe BVerfGE 25, 256, 268 (1969); Canaris, JuS 1989, 161, 168. 112 Schippel, Das Recht am Gewerbebetrieb, 44. 113 Zu diesen, auf Fikentscher zurückgehenden Begriffen oben Einleitung B II.
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der Funktionsfähigkeit des freien Wettbewerbs dient114. Besonders pointiert zum Ausdruck gebracht wurde dieses Verständnis des Rechts am Gewerbebetrieb im Beschluss des Großen Senats vom 15.7.2005 zur unberechtigten Schutzrechtsverwarnung. Der Große Senat begründet die Haftung des Verwarners nämlich mit dem Schutz des Wettbewerbs, der Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit sei und mit den von Art. 14 GG garantierten Ausschließlichkeitsrechten in einen Ausgleich zu bringen sei115. Das Recht am Gewerbebetrieb wird hier als ein den Ausschließlichkeitsrechten ausdrücklich entgegengesetztes Instrument zum Schutz der Handlungs- und Wettbewerbsfreiheit eingesetzt, in concreto zur Gewährleistung des ungehinderten Zugriffs auf nicht immaterialgüterrechtlich zugeordnete Güter (die sog. Gemeinfreiheit). Individuelle Unterlassungsund Schadensersatzansprüche sanktionieren rechtswidrige Einschränkungen dieser Freiheiten116. Im Ergebnis bezweckt dieses älteste der „sonstigen Rechte“ also gerade keine statische Zuordnung erworbener Güter im Verhältnis zu jedermann117. Dieser Telos erklärt, warum der Haftungstatbestand nach Auffassung des Bundesgerichtshofs eine im Einzelfall fehlende spezialgesetzliche Zuordnung nicht zu ersetzen vermag118, und für die Sicherung eines Monopols gegen Konkurrenzunternehmen eine außerhalb des § 823 Abs. 1 BGB liegende rechtliche Bestätigung für eine solche Vorzugsstellung verlangt wird119.
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Zum UWG unten § 7. Zur Subsidiarität des Rechts am Gewerbebetrieb sogleich. BGHZ (GS) BGHZ 164, 1, 2 ff. (2005). 116 Ausdrücklich spricht der Große Senat von einem notwendigen „Korrelat“ zur wettbewerbsbegrenzenden Wirkung der Immaterialgüterrechte und von einem „Bedürfnis nach einer Sanktion“; BGHZ (GS) BGHZ 164, 1, 2 f., 8 ff. (2005); ebenso BGH WRP 2007, 430, 432; BGHZ 171, 13, 20 (2007) (Störung der freien wettbewerblichen Betätigung); Meier-Beck, WRP 2006, 790, 793. Siehe auch BVerfG NZG 2004, 616, 617 (§ 823 BGB als den Inhalt des Eigentums beschränkendes Gesetz). 117 Siehe Reinhardt, JZ 1961, 713, 716; Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 22; Spindler, in: Bamberger/Roth, § 823 BGB Rn. 113; v. Caemmerer, FS DJT II, 49, 89 f. (Recht am Gewerbebetrieb kein absolutes Recht, keine Güterzuweisung), 100 (keine Enteignungsentschädigung auf der Basis des Rechts am Gewerbebetrieb); Burkhardt, in: Wenzel, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 5 Rn. 7; Mestmäcker, FS Sandrock, 689, 694 („Keinesfalls darf mit Hilfe des Rechts am eingerichteten ausgeübten Gewerbebetrieb ein Schutz begründet werden, der einem dinglichen Verwertungsrecht gleichkommt.“); Jarass, AfP 1993, 455, 459 (das Recht am Gewerbebetrieb könne nicht die Grenzen des Urheberrechts überspielen bzw. unterlaufen, indem daraus ein generelles Leistungsschutzrecht entwickelt werde); Körner, Rechtsschutz des Unternehmens, 8 (aus § 823 Abs. 1 BGB könne kein subjektiv-absolutes Recht hergeleitet werden); Schrauder, Wettbewerbsverstöße, 171 (allein aufgrund des § 823 Abs. 1 BGB könne ein subjektives Recht – das Schrauder als positive Rechtsmacht auffasst, a.a.O., 161 – nicht begründet werden); Meier-Beck, WRP 2006, 790, 793 (freiheitssichernder Tatbestand als „Negativ der gewerblichen Ausschließlichkeitsrechte“). 118 Für offenkundiges Know-how BGHZ 107, 117, 122 (1989) – Forschungskosten. 119 Siehe oben Fn. 68. Zweifelhaft daher der vereinzelt gebliebene Schutz eines bestimmten Vertriebssystems gegen Eingriffe und Konkurrenz; siehe BGH DB 1978, 784 f. 115
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b) Formale Wirkungen und Struktur Der vorstehend anhand der Rechtspraxis erarbeitete Zweck des Rechts am Gewerbebetrieb spiegelt sich ferner in der formalen Wirkung und Struktur dieses Haftungstatbestands sowie seiner dogmatischen Einordnung wider. Allerdings löste der noch auf eine „gegenständliche Verkörperung“ abstellende Ansatz des Reichsgerichts in der Jutefaser-Entscheidung bis etwa in die 1970er Jahre den Eindruck aus, es handele sich tatsächlich um ein eigentumsähnliches subjektives Recht mit absoluter, gegen jedermann gerichteter Wirkung, das sich deshalb selbst bei restriktiver Lesart unter das „sonstige Recht“ subsumieren lasse120. Dabei wurde das Recht am Gewerbebetrieb – in erneut bemerkenswerter Parallele zur Erklärung des Lauterkeitsrechts121 – entweder als absoluter Persönlichkeitsschutz des Unternehmers122 oder als Immaterialgüterrecht am Unternehmen123 aufgefasst. Auftrieb bekam diese Ansicht durch Tendenzen der Rechtsprechung, den Haftungstatbestand nach dem Modell des Erfolgsunrechts zu strukturieren: Liege ein Eingriff in den geschützten Bereich vor, sei dieser nur dann nicht widerrechtlich, wenn ein besonderer Rechtfertigungsgrund gegeben sei, der jedoch die Gestalt berechtigter Interessen (gem. § 193 StGB analog) annehmen könne124. Schon letztgenannter Umstand lässt erkennen, dass die Lehre 120 Siehe RGZ 58, 24, 29 f. (1904); BAG NJW 1964, 1291, 1292; LG Chemnitz ZUM 2005, 572, 573 („absolutes Recht“); Flad, IherJb 70 (1921), 336, 377; Steffen, in: RGRK, vor § 823 BGB Rn. 142; Hübner, AT, Rn. 363; Larenz, NJW 1955, 521, 524 f.; Larenz/Wolf, AT, § 15 Rn. 18; Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 436; Katzenberger, Recht am Unternehmen, 83 f., 172 ff. (bei unmittelbaren Eingriffen gehe es um positiv zugewiesene Güter und Interessen, auch sei das Recht inhaltlich fest umgrenzt); Preusche, Unternehmensschutz, 190 f.; Stadtmüller, Schutzbereich, 394 (das Unternehmen genieße absoluten Rechtsschutz für einen immaterialgüterrechtlichen Bestandteil (unkörperliche Geschäftswerte) und eine persönlichkeitsrechtliche Komponente (Schutz der Unternehmensleistung); weitere Nachweise bei Schippel, Das Recht am Gewerbebetrieb, 34 mit Fn. 9. 121 Unten § 7 D. 122 Kohler, Bürgerliches Recht II 1, 520 ff.; ders., Unlauterer Wettbewerb, 22 (das Gewerbe oder Unternehmen sei nichts anderes als die Persönlichkeit in ihrem zusammenhängenden Wirken); v. Gierke, Dt. Privatrecht I, 713 (als eine Art der Persönlichkeitsrechte sei ein Privatrecht auf einen besonderen wirtschaftlichen Tätigkeitsbereich anzuerkennen); Gareis, FS Schirmer, 59, 86 (Recht auf Ausübung der Gewerbefreiheit als Persönlichkeitsrecht); a.A. Müller-Erzbach, Handelsrecht, 75 f. 123 So namentlich Isay, Recht am Unternehmen, 23, 41, 57 ff., kritisch dazu Schulz-Schaeffer, Das subjektive Recht, 219 ff. Ferner Oppikofer, Unternehmensrecht, 136 ff. (das Recht am Unternehmen als das Recht an der durch die Unternehmensorganisation geschlossenen Einheit von Rechten, Rechtsverhältnissen und tatsächlichen Beziehungen); Brecher, Unternehmen als Rechtsgegenstand, 130; offenbar auch Forkel, FS Neumayer, 229, 245; für Übertragbarkeit, aber gegen Pfändbarkeit der „objektivierten Leistung“ des Unternehmers Hubmann, ZHR 117 (1955), 41, 50 ff. 124 Siehe RG in Schubert 1902, 471, 475 f., insoweit in RGZ 51, 66 (1902) nicht abgedruckt; zurückhaltend und umfassend die Rechtswidrigkeit der Gewerkschaftsaktion prüfend RG JW 1906, 595, 596 (eine Handlung könne nicht schon deshalb rechtswidrig sein, weil sie für den Ertrag eines Gewerbebetriebs nachteilig sei, weil viele derartige Handlungen der allgemeinen und speziell der gewerblichen Handlungsfreiheit unterfielen); für eine Indizlösung dann wieder RG JW 1929, 378, 380. Sehr weitgehend auch noch BGHZ 3, 270, 280 ff. (1951) – Constanze I; BGHZ 8, 142, 145
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vom „absoluten Charakter“ dieser Rechtsposition die strukturellen Unterschiede zum Eigentum letztlich nicht ausblenden konnte. Insbesondere wurde niemals der Schritt zur Rechtsverkehrsfähigkeit vollzogen. Es blieb daher bei der Bezeichnung als „unvollkommen“ absolutes Recht125. Inzwischen ist allgemein anerkannt, dass das Recht am Gewerbebetrieb kein eigentumsähnliches subjektives und damit ohne Weiteres subsumierbares „sonstiges Recht“ darstellt, sondern ein die gesetzliche Enumeration rechtsfortbildend überwindender, offener Tatbestand bzw. ein generalklauselartiges „Rahmenrecht“126, mit dem ungeschriebene allgemeine Rechts- und Verhaltenspflichten etabliert werden127. In diese Richtung deutete bereits die auch für den Schutzbe125 (1952); BGHZ 24, 200, 206 (1957) (Grundsatz größtmöglicher Schonung); zurückhaltender dann BGH GRUR 1970, 465, 466 (bei Meinungsäußerungen müsse ein weiterer Freiheitsspielraum gewährt werden); BGH NJW 1972, 1571, 1572 (nicht jede Beeinträchtigung der gewerblichen Tätigkeit eines anderen sei grundsätzlich rechtswidrig). Für eine Rechtswidrigkeitsindikation bei Herausarbeitung klarer Schutzbereiche auch noch Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 942. 125 Siehe RGZ 68, 49, 51 (1908); RGZ 70, 228 (1909) (ein Unternehmen sei ein Inbegriff von Vermögensgegenständen der verschiedensten Art, aber kein pfändbares Recht); RGZ 95, 235, 237 f. (1919); BGHZ 7, 208, 211 (1952); Hueck, Unkörperliche Geschäftswerte, 38 ff. (unvollkommen absolute Rechte im Gegensatz etwa zum Patent als vollkommen absolutes Recht), 78 (keine Übertragung des Rechts am Geschäftswert im Rechtssinn, sondern nur tatsächlich), 110 f. (es gebe kein einheitliches Recht am Unternehmen, das übertragen oder gepfändet werden könne); MüllerErzbach, Handelsrecht, 76 f.; v. Caemmerer, FS DJT II, 49, 89; Spindler, in: Bamberger/Roth, § 823 BGB Rn. 104; Schrauder, Wettbewerbsverstöße, 172; Pawlowski, Rechtsbesitz, 108; Isay, Recht am Unternehmen, 21 ff., 188 ff.; Schwitanski, Deliktsrecht, 310 f. Für ein verkehrsfähiges Immaterialgüterrecht aber wohl Oppikofer, Unternehmensrecht, 136 ff. (wobei wenig klar ist, inwieweit seine Ausführungen nur rechtspolitischer Natur sind – wie der Titel vermuten lässt – oder auch de lege lata Beachtung verlangen, wie der Text nahe legt); Hubmann, ZHR 117 (1955), 41 ff. (aber gegen die Pfändbarkeit a.a.O., 69 ff.); Ahrens, Verwertung, 143; weitere Nachweise bei Schrauder, Wettbewerbsverstöße, 154 mit Fn. 23. 126 Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1402, 1580; Fikentscher, FS Kronstein, 261, 286 f.; zustimmend etwa Nipperdey, NJW 1967, 1985, 1987; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 197; Deutsch, VersR 1991, 837, 838; Looschelders, Schuldrecht BT, Rn. 1250; Schildt, WM 1996, 2261, 2264; Schlechtriem, FS Deutsch, 317, 318; Kropholler, Studienkommentar BGB, § 823 BGB Rn. 9 ff. 127 BGH NJW 1980, 881, 882; BGHZ 80, 25, 27 (1981); BGHZ 166, 84, 109 (2006) (offener Tatbestand); BGHZ 171, 13, 21 (2007) (geschützte Rechtsposition); OLG Stuttgart GRUR-RR 2006, 20, 21; Sack, Recht am Gewerbebetrieb, 150 f.; v. Caemmerer, FS DJT II, 49, 71, 89 f. (Schaffung von Generalklauseln zur Lückenschließung), 89 f. (Recht am Unternehmen kein „echtes“ absolutes Recht); ders., FS Rabel, 333, 336, 400 (Art Generalklausel); Brüggemeier, Deliktsrecht, 78 ff.; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 539 (praktische Hauptfunktion sei die Ausweitung des Schutzes gegen primäre Vermögensschäden über die Grenzen der §§ 823 Abs. 2, 826 BGB hinaus); Ehmann, FS 50 Jahre BGH, 613, 616, 619 (aPR und Recht am Gewerbebetrieb als „Mitteldinger“ zwischen Erfolgsunrecht gem. Abs. 1 und Verhaltensunrecht gem. Abs. 2); Spickhoff, in: Soergel13, Anh V § 823 BGB Rn. 1; Spindler, in: Bamberger/Roth, § 823 BGB Rn. 104; Wagner, in: MünchKomm, § 823 BGB Rn. 61; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 846 (Schutz des Vermögens entsprechende Funktion); Schiemann, in: Erman, § 823 BGB Rn. 55; Becker, Recht der unerlaubten Handlungen, 347 (kein absolutes sonstiges Recht, sondern ein Lebensgut, eine Schutzposition); Ohly, in: Piper/ Ohly, Einf D Rn. 59; für das Recht am Unternehmen und den Schutz der Ehe Steffen, in: RGRK, § 823 BGB Rn. 36, 65; Buchner, Unternehmensschutz, 265 (Schutz des Gewerbebetriebs ohne Zuweisungsgehalt); Schwitanski, Deliktsrecht, 310 f.; Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, Allg.
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reich wegweisende Leitentscheidung zur Haftung für die Unterbrechung von Stromkabeln, die die Rechtsentwicklung bis 1958 rekapitulierte und ausführte, das Recht am Gewerbebetrieb sei den in § 823 Abs. 1 BGB aufgeführten Rechtsgütern und Rechten „hinsichtlich des Schutzes“ gleichgestellt und solle das Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit und in seinem Funktionieren vor widerrechtlichen Eingriffen bewahren128. Der Große Senat spricht von einer „nach § 823 Abs. 1 BGB geschützte[n] Rechtsposition“, die im Interesse eines Schutzes der Wettbewerbsfreiheit und als notwendiger Ausgleich zu den Immaterialgüterrechten anzuerkennen sei129. Zudem wurde mehrfach hervorgehoben, für ein verkehrsfähiges subjektives Recht ermangele es an einer Rechtsgrundlage, denn das „sonstige Recht“ bedeute einen bloßen Verweis auf normextern herzuleitende, dem Eigentum entsprechende Rechte130. Diese oben begründete Auffassung wird von der ganz herrschenden Meinung mittelbar bestätigt, wenn sie das Recht am Gewerbebetrieb als Überwindung des ursprünglichen Regelungsplans einordnet. Diese klarstellende Differenzierung zwischen dem Recht am Gewerbebetrieb einerseits und dem Eigentum sowie „sonstigen“ Ausschließlichkeitsrechten andererseits erscheint aus mehreren Gründen zutreffend. Das Recht am Gewerbebetrieb folgt anders als die in § 823 Abs. 1 BGB genannten Güter und das Eigentum nicht dem Schema des Erfolgsunrechts. Vielmehr ergeben sich seine Reichweite und damit die Rechtswidrigkeit der verletzenden Handlung erst aus einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung im Einzelfall131. Es verfügt insgeRn.128113 f.; Wolf, FS v. Hippel, 665 ff. (es fehle der einheitliche Gegenstand, um von einem „Recht“ sprechen zu können); Isay, Rechtsgut, 42; Körner, Rechtsschutz des Unternehmens, 50 f.; Deutsch, JZ 1963, 385, 386 (eigenartig beschränkte Generalklausel zum Schutz des werbend aktiven Vermögens); Mertens, AcP 178 (1978), 227, 237 (Einführung beschränkter Generalklauseln); dito Leser, AcP 183 (1983), 568, 584 mit Fn. 50; Fuchs, Deliktsrecht, 69 f.; Kötz/Wagner, Deliktsrecht10, Rn. 431; Krasser, Schutz vertraglicher Rechte, 208 (aPR), 213 (Recht am Unternehmen); Weick, Boykott, 49; v. Bar, Gutachten, 1681, 1699 (aPR und Recht am Unternehmen seien fälschlich so genannte „Rechte“, sondern contra legem aufgefächerte Verhaltensanforderungen); ders., VersR 1983, Beil. 80, 83; Schmidt, JuS 1993, 985, 986; Schrauder, Wettbewerbsverstöße, 213; Medicus, BürgR, Rn. 614; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 837 f. 128 BGHZ 29, 65, 69 f. (1958); BGHZ 69, 129, 138 (1977) (zu den „sonstigen Rechten“ gehöre auch der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb); BGH NJW 1983, 812, 813; BGH ZUM 2005, 645, 646; siehe auch Hager, in: Staudinger, § 823 BGB Rn. A14 (in den Rechtsfolgen der Verletzung seien Rechte und Rechtsgüter einander angeglichen). 129 BGHZ (GS) 164, 1, 2 ff. (2005); ebenso BGH WRP 2007, 430, 432. 130 Isay, Rechtsgut, 43; Körner, Rechtsschutz des Unternehmens, 80; Schrauder, Wettbewerbsverstöße, 172; Buchner, Unternehmensschutz, 24 (begründungslose, durch keine Auslegungsmethode gedeckte Behauptung). 131 BGHZ 29, 65, 74 (1958); BGHZ 45, 296, 307 (1966) – Höllenfeuer gegen BGHZ 3, 270, 280 ff. (1951) – Constanze I; ferner BGH NJW 1964, 29, 31; BGH DB 1965, 889; BGHZ 59, 30, 34 (1972); BGHZ 65, 325, 331 ff. (1975); BGH GRUR 1977, 801, 803; BGHZ 80, 25, 27 ff. (1981); BGH NJW 1987, 2746 f.; BGHZ 138, 311, 318 (1998); BGH NJW 1999, 279, 281; BGHZ 166, 84, 109 (2006); BAG NJW 1989, 63 (inzidente Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Streiks); OLG Düsseldorf DB 1969, 1398, 1399; OLG München NJW 1977, 1106, 1107; OLG Rostock ZIP 2001, 793, 795 f.; OLG Stuttgart GRUR-RR 2006, 20, 21; Zeuner, in: Soergel12, § 823 BGB Rn. 115; Steffen, in: RGRK, § 823 BGB Rn. 46; Kübler, Wirtschaftsordnung und Meinungsfreiheit, 12; ders., AcP
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samt über keinen festen, eigenständigen Anwendungsbereich wie das Eigentum oder die Immaterialgüterrechte, sondern ist im Verhältnis insbesondere zum UWG und den übrigen Deliktstatbeständen des BGB subsidiär132 und vermag eine Haftung nur zu begründen, wenn der Zusammenhang der einschlägigen Normen ergibt, dass eine ausfüllungsbedürftige Lücke und keine abschließende Regelung besteht133. Im Unterschied zum Sacheigentum und anderen Ausschließlichkeitsrechten löst eine Verletzung des Rechts am Gewerbebetrieb überdies nur Ansprüche auf Schadensersatz, Unterlassung und Beseitigung gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 (analog) aus134, während weder Wertersatz auf der Ba-
172132(1972), 177, 186 ff. (nur ein Minimum an Fairness sei zu beachten); Schricker, AcP 172 (1972), 203, 234 (die Rechtsprechung müsse zu größerer Toleranz finden); Weick, Boykott, 51 (Rechtswidrigkeit sei in jedem Fall positiv zu bestimmen); Fuchs, Deliktsrecht, 69 ff. Allgemein zum Unterschied zwischen dem vom Erfolgsunrecht ausgehenden Indikationsmodell und den „offenen Verletzungstatbeständen aPR und Recht am Gewerbebetrieb BGH NJW 1979, 1351, 1352; OLG München NJW 2004, 224, 229; Raiser, JZ 1961, 465, 469. Zur verfassungsrechtlichen Notwendigkeit der Abwägung BVerfG NJW 1989, 381, 382 (medialer Aufruf zum Mietboykott). A.A. Katzenberger, Recht am Unternehmen, 84 (das Recht am Unternehmen sei fest umgrenzt). 132 Zum UWG BGH WRP 1965, 97, 101 (unberechtigte Schutzrechtsverwarnung); BGHZ 41, 314, 315 ff. (1964); BGH GRUR 1965, 690, 690; BGHZ 43, 359, 361 (1965); BGHZ 65, 325, 328 (1975); OLG Stuttgart GRUR-RR 2006, 20, 21; Sack, FS Ullmann, 825, 828 ff.; Katzenberger, Recht am Unternehmen, 150 f. (mit der Folgerung, das Recht am Gewerbebetrieb wirke „völlig außerhalb der Wettbewerbsordnung“). Zu § 824 BGB BGH NJW 1980, 881, 882; BGH NJW 1983, 2195, 2196; BGH NJW 1986, 981 (unwahre Tatsachenbehauptungen bei Warentests würden nur an § 824 BGB gemessen); BGH NJW 1989, 1923 f. (bei Warentests unterfalle die Tatsachenbehauptung § 824 BGB, die Gesamtwertung dem Recht am Gewerbebetrieb); BGH VersR 1992, 363, 364; BGH NJW 1999, 279, 281; BGHZ 166, 84, 108 (2006); OLG München NJW 2004, 224, 228 (§ 824 BGB lex specialis zum aPR und zum Recht am Gewerbebetrieb); Staudinger, in: Hk-BGB, § 823 BGB Rn. 116. Zu § 823 Abs. 2 BGB BGHZ 138, 311, 315 (1998). A.A. (kumulative Anwendbarkeit) BGH GRUR 1970, 465, 466 f.; OLG Düsseldorf DB 1969, 1398 f. 133 BGHZ 8, 387, 394 f. (1953) (Recht am Gewerbebetrieb und Schutz von besonderen Bezeichnungen gem. § 16 Abs. 1 UWG 1909); BGHZ 36, 252, 257 (1961); BGHZ 38, 200, 204 (1962); BGH GRUR 1964, 154, 156; BGH NJW 1969, 2046, 2047; BGHZ 55, 153, 158 f. (1970); BGH NJW 1980, 881, 882 (ohne geregelten Deliktsschutz im Zweifel kein Anspruch aus dem Recht am Gewerbebetrieb); BGH NJW 1983, 2195, 2196 (nur bei regelungsbedürftiger Lücke im Rechtsschutz); BGH NJW 1985, 1620, 1621; BGH NJW 2003, 1040, 1041 m.w.N. (kein Ausbau des Haftungsschutzes dort, wo ihn das Gesetz gerade verwehre); BGHZ 166, 84, 108 (2006); Schiemann, in: Erman, § 823 BGB Rn. 61 f.; Zeuner, in: Soergel12, § 823 BGB Rn. 114; Steffen, in: RGRK, § 823 BGB Rn. 37. 134 BGH NJW 1972, 1571, 1573 (Unterlassungsanspruch gem. § 1004 BGB); BGHZ 90, 113, 121 (1984) (§§ 823 Abs. 1, 1004 BGB); BGH NJW 1998, 2058, 2059 f.; BGHZ 138, 311, 314 f. (1998); BGH NJW 1999, 279, 281; BGHZ (GS) 164, 1, 6 ff. (2005) (zum Unterlassungsanspruch des Mitbewerbers gegen Abnehmerverwarnungen, nicht aber gegen Klagen bzw. einstweilige Verfügungen); OLG Hamburg NJW-RR 1999, 1060 (Anspruch auf Verzicht gegenüber den Abnehmern geltend gemachten, objektiv unberechtigten Ansprüchen); OLG Rostock ZIP 2001, 793, 794; OLG Karlsruhe NJW-RR 2003, 177 (jeweils gem. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004); BAG NJW 1989, 1881, 1882 (Unterlassungsanspruch gegen rechtswidrige Streiks der Gewerkschaft gem. §§ 1004 BGB analog i.V.m. § 31 BGB); LG Chemnitz ZUM 2005, 572, 573 (Schutz aller absoluten Rechte wie des Rechts am Gewerbebetrieb).
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
sis der Eingriffskondiktion noch Gewinnherausgabe wegen angemaßter Eigengeschäftsführung verlangt werden können135. Wie bereits nachgewiesen, ist diese Rechtsposition auch nicht übertragbar, verpfändbar oder pfändbar136. In materieller Hinsicht greift die Entwicklung weg vom Schein eines dem Sacheigentum entsprechenden subjektiven Rechts den gerade nicht auf exklusive Zuordnung gerichteten Zweck der Rechtsfigur auf. Würde man das Recht am Gewerbebetrieb konsequent als verfassungsrechtliches Eigentum verstehen, würde an die Stelle der Wettbewerbs- eine Monopolordnung treten, weil jeder auf Konkurrenz beruhende geschäftliche Verlust abgewehrt werden könnte137. Das ganze Gegenteil einer solch fatalen Entwicklung ist wie gezeigt die Absicht der Rechtsprechung zumindest in der jüngeren Vergangenheit gewesen. Das Modell des einzelfallabhängigen Verhaltensunrechts reflektiert die Einsicht, dass ein Unternehmen im Rahmen einer freien Marktwirtschaft ständigen Eingriffen durch legitime Konkurrenz ausgesetzt ist, weshalb es grundsätzlich nicht Sache des Handelnden ist, einen besonderen Rechtfertigungsgrund für sein Verhalten darzutun138. Das Recht am Gewerbebetrieb ist also wie das aPR in seiner klassischen Ausprägung ein offener Auffangtatbestand für den Fall, dass ein über sonstige Rechtsgrundlagen hinausgehender Schutz der freien Entfaltung der Person (hier im wirtschaftlichen Bereich) erforderlich ist139. Als Zwischenergebnis für den erst 2005 vom Großen Senat bestätigten, ältesten Fall richterrechtlich anerkannter „sonstiger Rechte“ gem. § 823 Abs. 1 BGB sind zwei Erkenntnisse hervorzuheben: Erstens zählt das Recht am Gewerbebetrieb im Hinblick auf seinen sachlichen Anwendungsbereich und Schutzzweck nicht zum Güterzuordnungsrecht, sondern dient dem Schutz der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit. Bezogen auf die Grundrechte verwirklicht diese richterliche Rechtsfortbildung die von den Art. 2, 12 bzw. 5 GG geschützten Freiheitsbereiche und nicht die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Zweitens 135 136
V. Caemmerer, FS Rabel, 333, 400. V. Caemmerer, FS Rabel, 333, 400; Gieseke, GRUR 1950, 298, 302; Wolf, FS v. Hippel, 666,
679 f. 137 So der Ausgangspunkt von Hueck, Unkörperliche Geschäftswerte, 34 (der Staat müsse eine Vernichtung von Beziehungen zur Kundschaft verhüten). Kritisch hierzu Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, 290 (die Entwicklung „wohlerworbener Rechte wirtschaftsberufsständischer Art“ wäre einer wirtschaftlichen Friedens-, nicht aber einer Kampfordnung angemessen); MüllerErzbach, Handelsrecht, 75; Weick, Boykott, 50; Körner, Rechtsschutz des Unternehmens, 6, 62 ff. und öfter; Sack, Recht am Gewerbebetrieb, 154 f.; Schrauder, Wettbewerbsverstöße, 157 f. m.w.N.; Buchner, Unternehmensschutz, 246; Medicus, BürgR, Rn. 611. Zur Rechtsprechung zum Schutz nur des rechtlich anerkannten Monopols oben Fn. 68. 138 BGH NJW 1980, 881, 882. 139 Siehe etwa BGHZ 3, 270, 279 (1951) – Constanze I; BGH GRUR 1965, 690, 694; BGHZ 43, 359, 361 (1965); BGHZ 45, 296, 307 (1966) – Höllenfeuer; BGHZ 59, 30, 34 (1972); BGHZ 65, 325, 328 (1975); BGHZ 66, 388, 393 (1976); BGHZ 69, 129, 138 (1977); BGH NJW 1977, 2264, 2265; BGH NJW 1980, 881, 882; BGH NJW 1983, 812, 813; BGH VersR 1990, 1283 f.; BGH VersR 1992, 363, 364; BGH NJW 2001, 1346, 1349; BGHZ 166, 84, 108 (2006); Staudinger, in: Hk-BGB, § 823 BGB Rn. 116; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1573 ff.; ferner unten § 13 A II 1 d bb.
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weicht dieses subsidiäre „Rahmenrecht“ in seiner formalen Struktur weitgehend vom Sacheigentum als Paradigma der Ausschließlichkeitsrechte ab. Es verfügt nicht über einen Schutzbereich, dessen Verletzung die Rechtswidrigkeit des Eingriffs grundsätzlich nach sich zieht, ist nicht verkehrsfähig und nur mit Ansprüchen auf Schadensersatz sowie Unterlassung/Beseitigung sanktioniert. Damit weist es teleologisch und formal viel mehr Gemeinsamkeiten mit dem aPR in seiner klassischen Ausprägung auf als mit den Ausschließlichkeitsrechten. 3. „Sonstige Rechte“ und Familienrecht Allgemeines Persönlichkeitsrecht und Recht am Gewerbebetrieb sind nicht die einzigen „sonstigen Rechte“, die seit Inkrafttreten des BGB von der Rechtsprechung ausgebildet wurden. So empfand man im Hinblick auf mehrere familienrechtliche Sachverhalte Rechtsschutzlücken, die unter Anwendung von § 823 Abs. 1 BGB geschlossen wurden. Zunächst bejahte die Rechtsprechung einen deliktischen Schutz des „räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe“, indem einem Ehegatten „nichtvermögensrechtliche“ Ansprüche gem. §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1, 1004 BGB gegen den anderen Ehepartner sowie einen „Ehestörer“ zugesprochen wurden. Sie sind darauf gerichtet, dass sich dieser Dritte aus der gemeinsamen Ehewohnung bzw. dem gemeinsam betriebenen Geschäft als der äußeren sachlichen Grundlage des Ehe- und Familienlebens entfernt (Ehestörungsklage)140. Weitergehende Begehren in Richtung auf eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft141 und in Bezug auf andere vermögensrechtliche Folgen innerehelicher Sachverhalte (Ehebruch) wurden hingegen abgelehnt, weil das Eherecht eine abschließende Regelung der vermögensrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen den Ehegatten enthalte und ein auch nur mittelbarer Druck zur Vornahme oder Unterlassung bestimmter ehebezogener Handlungen mit der deutschen Rechtsordnung unvereinbar sei142. 140 RGZ 72, 128, 130 (1909); RGZ 151, 159, 164 (1936); BGHZ 6, 360, 364 ff. (1952); BGH NJW 1990, 706, 708; OLG Celle NJW 1980, 711, 712; OLG Zweibrücken NJW 1989, 1614 f.; Riegel, NJW 1989, 2789 f.; für den Schutz des gemeinsamen Geschäfts BGHZ 34, 80, 86 f. m.w.N. (1960) (für bloße Kapitalbeteiligung am gemeinsamen Geschäft verneint); BGHZ 35, 302, 304 (1961). 141 Dazu OLG Frankfurt NJW 1974, 2325 f.; OLG Zweibrücken NJW 1989, 1614 f. (der Schutz gehe verloren, wenn der klagende Ehegatte die Gefährdung durch einen Partnertausch in den eigenen Wänden heraufbeschworen und sich damit des Schutzes begeben habe). 142 RGZ 72, 128, 130 ff. (1909); RGZ 151, 159, 163 ff. (1936); BGHZ 14, 358, 359 ff. (1954); BGH NJW 1956, 1149 f.; BGHZ 23, 215, 216 ff. (1957); BGHZ 23, 279, 281 ff. (1957); BGHZ 26, 217, 220 ff. (1958); BGHZ 57, 229, 232 ff. m.w.N. (1971) (aber Anspruch des Scheinvaters gegen den Vater auf Ersatz der Unterhaltskosten nach Unterhaltsrecht); BGH NJW 1973, 991, 992; BGH NJW 1990, 706 ff.; Wagner, in: MünchKomm, § 823 BGB Rn. 161; Deutsch, VersR 1993, 1, 2, 6 (die bestehende oder frühere Ehe sei kein sonstiges Recht). Kritisch zu dieser Begrenzung Boehmer, FamRZ 1957, 196 ff. m.w.N.; Schwab, JuS 1961, 142 ff.; Schiemann, in: Erman, § 823 BGB Rn. 45; Zeuner, in: Soergel12, § 823 BGB Rn. 66 f.; Jayme, Familie, 226 ff. m.w.N.; weitergehender noch v. Hippel, NJW 1965, 664 ff. (auch Anspruch gegen den Ehegatten nach der Scheidung und gegen
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
Ferner ist das Recht der elterlichen Sorge (§§ 1626 ff. BGB) als ein nicht-vermögensrechtliches, dem Eigentum gleichstehendes „sonstiges Recht“ anerkannt. Dass es sich um ein „absolutes Recht“ handelt, komme im elterlichen Aufenthaltsbestimmungsrecht, dem Anspruch auf Herausgabe des Kindes und der Befugnis zur Regelung des Umgangs im Verhältnis zu jedermann zum Ausdruck. Ohne einen deliktischen Schutz dieser Befugnisse wäre die Personensorge gegenüber Störungen durch Dritte, insbesondere Kindesentziehungen, nur unvollkommen zu verwirklichen143. Ist hingegen das Innenverhältnis zwischen dem sorgeberechtigten und dem mit bloßem Umgangsrecht ausgestatteten, nicht sorgeberechtigten Elternteil betroffen, agiert die Rechtsprechung wie für innereheliche Sachverhalte nicht mit den §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB, sondern mit einem gesetzlichen Rechtsverhältnis, dessen Verletzung Schadensersatzansprüche nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung auslösen könne144. Zu erwähnen bleibt schließlich das sog. Totenfürsorgerecht, das ebenfalls als „sonstiges Recht“ eingeordnet wird. Demnach sind die Angehörigen des Verstorbenen145 befugt, Eingriffe in den testamentarisch oder von ihnen selbst bestimmten Umgang mit dem Toten abzuwehren und zu diesem Zweck Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadensersatzansprüche geltend zu machen146.
den143Dritten während der Ehe); ferner die Nachweise bei BGHZ 23, 215, 217 (1958); BGHZ 23, 279, 281 (1957); BGHZ 26, 217, 221 (1958); BGHZ 57, 229, 231 (1971); BGH NJW 1990, 706, 707 f. (hier auch zur Anwendung des § 826 BGB auf eine bewusst wahrheitswidrige Irreführung des Scheinvaters durch die ehemalige Ehefrau). 143 Siehe zu einschlägigen Fällen RG JW 1913, 202; RGZ 141, 319, 320 f. (1933) (vorbeugende Unterlassungsklage bei drohenden Eingriffen in das Elternrecht); BGHZ 111, 168, 172 f. m.w.N. (1990) (Ersatz von Detektivkosten); OLG Frankfurt NJW 1979, 2052; Windscheid/Kipp, Pandekten I, 176 (die elterliche Gewalt sei im Außenverhältnis ein absolutes Recht); Wagner, in: MünchKomm, § 823 BGB Rn. 163 m.w.N.; Schiemann, in: Erman, § 823 BGB Rn. 46; Zeuner, in: Soergel12, § 823 BGB Rn. 68; Hager, in: Staudinger, § 823 BGB Rn. B183; Deutsch, VersR 1993, 1, 7. 144 BGH JZ 2003, 46, 47. Skeptisch trotz Bejahung eines Rechtsverhältnisses Schwab, FamRZ 2002, 1297, 1303 (das Schuldrecht enthalte keine angemessenen Regeln für personale familienrechtliche Pflichten). 145 Siehe dazu § 2 Abs. 1 FeuerbestattungsG: Die Bestattungsart richtet sich nach dem Willen des Verstorbenen. Abs. 2: Liegt eine Willensbekundung des Verstorbenen über die Bestattungsart nicht vor, so haben die Angehörigen, soweit sie geschäftsfähig sind, diese zu bestimmen. Als Angehörige im Sinne dieser Bestimmung gelten der Ehegatte, Verwandte und Verschwägerte ab- und aufsteigender Linie, Geschwister und deren Kinder sowie der Verlobte. Abs. 3: Bestehen unter den Angehörigen Meinungsverschiedenheiten über die Art der Bestattung, so geht der Wille des Ehegatten demjenigen der Verwandten, der Wille der Kinder oder ihrer Ehegatten dem der übrigen Verwandten, der Wille näherer Verwandter dem der entfernteren Verwandten oder des Verlobten vor. 146 LG Kiel FamRZ 1986, 56, 58 m.w.N. (Ort, Zeit und Art der Bestattung); AG Wiesbaden NJW 2007, 2562; Zeuner, in: Soergel12, § 823 BGB Rn. 69; Hager, in: Staudinger, § 823 BGB Rn. B136; Struckmann, NJW 1964, 2244. Zum Einwilligungserfordernis im Hinblick auf Obduktionen und Exhumierungen BGH NJW 1990, 2313, 2314; OLG Karlsruhe NJW 2001, 2808 f.; Edenhofer, in: Palandt, v. § 1922 BGB Rn. 12.
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Nimmt man diese familienrechtlichen Konstellationen zusammen, so dient die Anwendung des § 823 Abs. 1 BGB zunächst der Verwirklichung von leges imperfectes wie dem elterlichen Sorgerecht und der den Angehörigen vorbehaltenen Totenfürsorge, so dass eigentlich ein Rückgriff auf § 823 Abs. 2 BGB naheliegen würde. Im Übrigen hat sich die Beurteilung dieser Rechtspositionen ähnlich verändert wie im Hinblick auf das Recht am Gewerbebetrieb. Nachdem ursprünglich noch die Vorfrage formuliert worden war, ob jeder Ehegatte ein „absolutes Recht“ auf einen ungestörten, räumlich-gegenständlichen Bereich der Ehe habe147 bzw. ob ein Sorgerecht als „sonstiges Recht“ bestehe148, wird der deliktische Schutz der Ehe inzwischen auf eine Schutzpflicht gem. Art. 6 Abs. 1 GG zurückgeführt149. Dieser Ansatz erklärt die Grenzen des Deliktsrechts in diesem Bereich, denn Art. 6 GG bezieht sich ebenfalls nicht auf die innerehelichen Beziehungen der Ehegatten und kann daher insoweit keine Auswirkungen auf das Privatrecht entfalten150. Eine Güterzuordnungsrelevanz weisen diese Entscheidungen schon deshalb nicht auf, weil sie nichtvermögensrechtliche Ansprüche betreffen. Die Rechtspositionen der Ehegatten, Eltern bzw. Angehörigen sind als solche zweifellos nicht verkehrsfähig und ihrem Zweck nach überhaupt nicht auf die Zuordnung von Gütern ausgerichtet. Die verfassungsrechtlichen Impulse stammen erneut nicht aus Art. 14 GG, sondern aus dem Schutz von Ehe und Familie gem. Art. 6 Abs. 1 GG. 4. „Sonstige Rechte“ und Arbeitsrecht Eine Fortbildung des Deliktsrechts unter Verweis auf „sonstige Rechte“ wird schließlich in Bezug auf das einzelne Arbeitsverhältnis und die kollektive Tätigkeit von Gewerkschaften und anderen Koalitionen diskutiert. Die individualarbeitsrechtlichen Konstellationen betreffen zum einen Schutzinteressen des Arbeitgebers, der Vermögensschäden ersetzt verlangt, die ihm durch Körper- oder Gesundheitsverletzungen der Arbeitnehmer und den damit verbundenen Arbeitsausfall entstanden sind. Zum anderen haben sich Arbeitnehmer auf der Grundlage eines „Rechts am Arbeitsplatz“ gegen Druckkündi147
BGHZ 6, 360, 366 (1952) (im Ergebnis offengelassen). RG JW 1913, 202, 203. 149 OLG Zweibrücken NJW 1989, 1614, 1615; Jayme, Familie, 266 (Rückführung der Rechtsprechung auf ihren aus Art. 6 GG abgeleiteten Kern); Hager, in: Staudinger, § 823 BGB Rn. B176; Steffen, in: RGRK, § 823 BGB Rn. 65; Riegel, NJW 1980, 2789 (äußerer Bereich der Ehe, der das Zusammenleben erst ermögliche, sei von Art. 6 GG geschützt); Deutsch, VersR 1993, 1, 7. Gegen einen Anspruch unmittelbar aus Art. 6 GG BGHZ 26, 217, 223 (1958) (Art. 6 GG beziehe sich nicht auf das persönliche Verhältnis der Ehegatten zueinander). A.A. Wagner, in: MünchKomm, § 823 BGB Rn. 162 (Lösung über das aPR des betroffenen Ehegatten); anders insoweit BGH NJW 1973, 991, 992 (die Persönlichkeitsentfaltung in der Ehe sei betroffen und damit Art. 6 Abs. 1 GG spezieller). 150 BGH NJW 1956, 1149 f.; BGHZ 34, 80, 84 f. (1960); BGH NJW 1973, 991, 992 (kein Schmerzensgeldanspruch des gekränkten Ehegatten); BGHZ 57, 229, 231 ff. m.w.N. (1971); BGH NJW 1990, 706 ff.; Steffen, in: RGRK, § 823 BGB Rn. 65. 148
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
gungen des Arbeitgebers und die Auslösung einer objektiv unberechtigten Kündigung durch Dritte (Verleumdung) zu wehren versucht. Derartige Begehren sind von der Rechtsprechung und herrschenden Meinung jedoch nicht aufgegriffen worden. Der Arbeitgeber mache bei Körperverletzungen von Arbeitnehmern nicht liquidierbare mittelbare Vermögensschäden geltend; zudem bleibe das Arbeitsverhältnis auch dann ein nur relatives Schuldverhältnis, wenn man es als „personenrechtlich“ beschreibe151. Die Beeinträchtigung der Erwerbsmöglichkeiten von Arbeitnehmern durch rechtswidrige Kündigungen betreffe ebenfalls nur deliktsrechtlich nicht geschützte Chancen152. Überdies habe das Arbeitsrecht die Beendigung des relativen Arbeitsverhältnisses und ihre Folgen abschließend geregelt; das faktische Abfindungswesen ändere hieran nichts153. Jedenfalls wäre auch bei einem solchen „sonstigen Recht“ die Rechtswidrigkeit im Einzelfall „aus der zu missbilligenden Art der Schädigung abzuleiten“154. Im kollektiven Arbeitsrecht haben die Gerichte hingegen in zwei Fallgruppen deliktische Ansprüche rechtsfortbildend anerkannt. Betroffen ist erstens die Abgrenzung der Rechts- und Interessenkreise von Gewerkschaften untereinander. So kann eine Gewerkschaft die Unterlassung unlauteren (unwahren, beleidigenden, unsachlichen) oder auf Existenzvernichtung gerichteten Konkurrenzverhaltens anderer Gewerkschaften verlangen155. Dahinter steht der Gedanke, dass auch in diesem, nicht vom UWG erfassten Bereich ein Wettbewerb um Mitglieder grundsätzlich zulässig ist, aber nicht mit allen Mitteln geführt werden darf. Zweitens gewährt die Rechtsprechung den Gewerkschaften Schutz gegen rechtswidrige Eingriffe von Arbeitgebern und Dritten in die Koalitionsfreiheit. So stehe der Gewerkschaft gegen unzulässige Betriebsvereinbarungen, die geltende Tarifbestimmungen verdrängen sollen, ein Unterlassungsanspruch gem. §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 9 Abs. 3 GG zu, weil alle nach § 823 BGB geschütz151
BGHZ 7, 30, 36 f. (1952). RGZ 56, 271, 275 (1902) in offenbarem Spannungsverhältnis zur kurz zuvor erfolgten Anerkennung des Rechts am Gewerbebetrieb. 153 Zöllner, FS BAG, 745, 747 ff.; Zeuner, in: Soergel12, § 823 BGB Rn. 152; Steffen, in: RGRK, § 823 BGB Rn. 38; Looschelders, Schuldrecht BT, Rn. 1247; sehr zurückhaltend BAG NJW 1999, 164, 165; LG Frankfurt a.M. NJW-RR 2000, 831 f.; ausdrücklich abgelehnt von OLG Koblenz NJW 2003, 1673, 1674; Spindler, in: Bamberger/Roth, § 823 Rn. 99; Riesenhuber, JZ 1999, 711, 715 f.; Ebert, Recht am Arbeitsplatz, 152 (allerdings mit Hinweis auf den Schutz der Entschließungsfreiheit bei Druckkündigungen gem. § 823 Abs. 1 BGB); skeptisch auch Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385, 395. Erwägend dagegen BAG NJW 1971, 480 (es spreche „einiges dafür“, dass das Recht des Arbeitnehmers auf den Arbeitsplatz ein absolutes Recht i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB sei); befürwortend in Anlehnung an den Schutzbereich des Rechts am Gewerbebetrieb v. Caemmerer, FS DJT II, 49, 90; Spindler, in: Bamberger/Roth, § 823 BGB Rn. 99 (Angriffe von Konkurrenten, rechtswidrige Aussperrungen durch den Arbeitgeberverband); Fabricius, AcP 160 (1961), 273, 305 ff. (auf der Basis einer „sozialtypischen Offenkundigkeit“); Hager, in: Staudinger, § 823 BGB Rn. B191 (in Ausnahmefällen zur Lückenfüllung); weitere Nachweise bei BAG NJW 1999, 164, 165. 154 BAG NJW 1999, 164, 166. 155 BGHZ 42, 210, 219 (1964); BAG NJW 1969, 861, 862 (§ 1004 BGB analog i.V.m. Art. 9 Abs. 3 GG); BAG NJW 2005, 3019, 3021. 152
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ten Rechte, Lebensgüter und Interessen auch negatorischen und nicht nur schadensersatzrechtlichen Schutz genießen müssten; eine abschließende Regelung durch das Betriebsverfassungsgesetz liege nicht vor156. Diese Rechtsprechung wird erkennbar durch die verfassungsrechtliche Garantie der Koalitionsfreiheit gem. Art. 9 Abs. 3 GG geprägt, die im Interesse der individuellen Freiheitsrechte der Mitglieder157 die korporativen Daseins- und Betätigungsrechte der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen ihres Bestandes und Wirkens schützt158. Dieser grundrechtliche Schutzbereich wird unverändert auf Privatrechtsverhältnisse übertragen, weil Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG zuwiderlaufende privatrechtliche Verträge für nichtig und Maßnahmen zur Behinderung der Koalitionsfreiheit für rechtswidrig erklärt159. Die privatrechtlichen Grundlagen zur Umsetzung dieser Vorgaben sind wie gezeigt § 1004 BGB analog für Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung160 sowie für den Schadensersatz nach Auffassung der Literatur § 823 Abs. 1 BGB161 oder § 826 BGB162, nach einer jüngeren Auffassung des Bundesarbeitsgerichts hingegen § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 9 Abs. 3 GG als Schutzgesetz163. Wenn man den Schutz der Koalitionsfreiheit demnach überhaupt dem hier problematisierten § 823 Abs. 1 BGB und dem „sonstigen Recht“ zuordnet, so ist diese Rechtsprechung jedenfalls genauso wenig auf die Zuordnung von Gütern ausgerichtet wie die referierten familienrechtlichen Entscheidungen. Außerdem generiert sie – abgesehen von Ansprüchen auf Schadensersatz und Unterlassung/ Beseitigung – keine für Ausschließlichkeitsrechte typischen Wirkungen. 156
BAG NJW 1999, 3281, 3284. Zur Frage, ob hiermit zumindest de facto ein Deliktsschutz der Gewerkschaften gegen ihre eigenen Mitglieder gewährt wurde kritisch Löwisch, BB 1999, 2080, 2082; Buchner, NZA 1999, 897 ff.; Bauer, NZA 1999, 957 ff.; Trappehl/Lambrich, NJW 1999, 3217 ff.; zustimmend Wohlfahrt, NZA 1999, 962 ff. Zum in der Tat abweichenden Ansatz der Rechtsprechung im Verhältnis zwischen sorge- und umgangsberechtigten Eltern oben 3 sowie im Verhältnis zwischen Verein und Mitgliedern unten § 13 A II 1 d bb. 157 Nikisch, Arbeitsrecht II, 76 ff.; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht, 110; Trappehl/Lambrich, NJW 1999, 3217, 3218 m.w.N. Zur Unanwendbarkeit des UWG auf die Mitgliederwerbung von Gewerkschaften BGHZ 42, 210, 218 (1964); BGH AP Art. 9 GG Nr. 32 (1980); BAG NJW 1969, 861, 862; BAG AP Art. 9 GG Nr. 49 (1987) (Unterlassungsanspruch gem. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. Art. 9 Abs. 3 S. 1 und 2 GG gegen Arbeitgeber, die Einstellung eines Arbeitnehmers nicht von dessen Austritt aus der Gewerkschaft abhängig zu machen); BAG NJW 2005, 3019, 3019. 158 BGHZ 42, 210, 217 (1964); BAG NJW 1969, 861, 862; BAG NZA 1998, 754, 755 ff. (§ 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG); BAG NJW 1999, 3281, 3284 f.; BAG NJW 2005, 3019, 3021; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht, 110 f. 159 BAG NJW 2005, 3019, 3021 m.w.N.; Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385, 403 ff. m.w.N. 160 BAG NJW 2005, 3019, 3021 m.w.N.; zum allgemeinen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch als deliktsrechtlichem Rechtsbehelf unten D. 161 Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht, 98; Buchner, NZA 1999, 897, 898. Der Schutz des Bestandes und der Betätigungsfreiheit von Verbänden gem. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 9 GG wurde offengelassen von BGHZ 44, 393, 397 (1969). 162 Nikisch, Arbeitsrecht II, 81; Zeuner, in: Soergel12, § 823 BGB Rn. 64. 163 BAG NJW 2005, 3019, 3021. Zum Umfang des Schutzes der Koalitionsfreiheit im Verhältnis zu anderen Privatrechtssubjekten etwa BVerfG NZA 1996, 381; BAG NJW 2005, 3019, 3021 f.
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V. Zusammenfassende Stellungnahme Als Ergebnis der vorstehenden Ausführungen ist festzuhalten, dass § 823 Abs. 1 BGB mit dem Tatbestandsmerkmal des „sonstigen Rechts“ keine Generalklausel darstellt, die aufgrund norminterner Wertungen die Anerkennung positiv-exklusiver Befugnisse an Gütern legitimiert, indem zu diesem Zwecke Ansprüche auf Schadensersatz gewährt werden. Die Eingangsnorm des Deliktsrechts gibt folglich keine Rechtsgrundlage für richterliche Güterzuordnungen ab. Zwar sanktioniert § 823 Abs. 1 BGB auch Verletzungen des Sacheigentums als dem Paradigma der Ausschließlichkeitsrechte. Ferner gilt für alle in Absatz 1 genannten Rechtsgüter das für jene Rechte typische Modell des Erfolgsunrechts. Schließlich hat seit der Entstehungszeit des BGB Unsicherheit darüber geherrscht, ob mit dem Terminus „sonstiges Recht“ alle von der Rechtsprechung für schutzwürdig befundenen Güter oder nur normierte Ausschließlichkeitsrechte wie das Sacheigentum gemeint sind. Und doch sprechen die besseren Gründe dagegen, eine ungeschriebene Güterzuordnung auf diese Norm zu stützen. Ausweislich des Systems der §§ 823 ff. BGB geht das Deliktsrecht des BGB gerade nicht vom Grundsatz aus, es sei für jeden Vermögensschaden zu haften. Ausgangspunkt ist vielmehr das Prinzip des casum sentit dominus; eine begründungsbedürftige Schadensverlagerung tritt nur ein, wenn die Voraussetzungen eines der enumerativen Haftungstatbestände gegeben sind. Der 27. Titel des BGB zu unerlaubten Handlungen betont also die Beschränkung der Haftung, um Handlungsspielräume zu wahren164. Ein Grundsatz der Güterzuordnung würde dieser fundamentalen Wertentscheidung zuwiderlaufen, weil vom individuellen Schutz und nicht von der allgemeinen Handlungsfreiheit ausgegangen würde. Ein solches Prinzip stünde ferner nicht im Einklang mit der übergeordneten Gesamtfunktion des Deliktsrechts, gleichgeordnete Rechtskreise zur Verwirklichung individueller Freiheit abzugrenzen; stattdessen würden individuelle Vorzugspositionen begründet165. Die Rechtskreisabgrenzung kann schon deshalb nicht allein oder vorrangig auf Güterzuweisung zielen, weil nur das Eigentum, nicht aber der Schutz der Lebensgüter exklusives Haben und Vermarkten be164 BGH NJW 2007, 1683, 1684 („Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch.“); Canaris, FS Larenz, 27, 36 (die differenziert-enumerative Deliktsrechtsstruktur des BGB sei freiheitlich gedacht, indem „ein allzu einseitiges Übergewicht des ,Habens und Behaltens‘ gegenüber dem ,Erwerben und Verändern‘, der ,Beharrungs-‘ gegenüber den ,Bewegungsinteressen‘ hintangehalten wird“; es handele sich um eine beifallswürdige Lösung, „ja geradezu“ um „eine Tat“); zustimmend auch Deutsch, FS Michaelis, 26, 31 (erfreuliche Einschränkung der Verantwortlichkeit); Emmerich, Schuldrecht BT, 249 ff.; Lorenz, FS Larenz 1973, 575, 617; letztlich auch Schlechtriem, VersR 1973, 581, 584. Auch die richterrechtlichen Erweiterungen der Deliktshaftung werden vor diesem Hintergrund tatbestandsmäßig beschränkt; für das Recht am Gewerbebetrieb BGHZ 29, 65, 73 (1958) (Erfordernis der Betriebsbezogenheit des Eingriffs). 165 Siehe v. Caemmerer, FS DJT II, 49, 93 (mit Blick auf Entscheidungen zu faktischen Monopolen, deren Aufrechterhaltung nicht mit dem Recht am Gewerbebetrieb erzwungen werden konnte). Zu dieser Differenzierung näher unten §§ 12 C VI, 14 B II, 15 B.
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trifft. Damit geht das Deliktsrecht einerseits über die Sanktionierung von Zuordnungen hinaus, andererseits bleibt es hinter einem insbesondere von Nils Jansen propagierten Verständnis als Verwirklichung der Güterzuordnung166 zurück, weil es die Entscheidung über das Ob der Zuweisung nicht selbst trifft. Hierfür spricht insbesondere der Wortlaut des § 823 Abs. 1 BGB. Denn wenn mit der ganz herrschenden Meinung zwischen den abschließend aufgezählten Lebensgütern einerseits und dem Eigentum sowie dem „sonstigen Recht“ andererseits unterschieden wird, folgt daraus ein bloßer Verweis auf normextern abzuleitende Ausschließlichkeitsrechte, die mit ihrer Privilegierung einer einzelnen Person nicht aus § 823 Abs. 1 BGB entwickelt werden können. In dieses Gesamtbild fügen sich schließlich die von der Rechtsprechung anerkannten, ungeschriebenen „sonstigen Rechte“ ein. Zum einen werden sie als Rechtsfortbildungen jenseits des ursprünglichen Regelungsplans der Norm eingeordnet, was die soeben erläuterte, restriktive Lesart bestätigt167. Zum anderen entfaltet keine dieser Rechtspositionen („Rahmenrechte“) Wirkungen eines Ausschließlichkeitsrechts. Insbesondere sind sie weder verkehrsfähig noch folgen sie dem Modell des Erfolgsunrechts. Vielmehr ist jeweils eine positive Feststellung der Rechtswidrigkeit unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls er-
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Jansen, Struktur des Haftungsrechts, bezieht die von ihm betonte Zuweisungsfunktion des Deliktsrechts ausdrücklich auf die in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechtsgüter und behauptet nicht, dass diese von der Rechtsprechung ohne Weiteres erweitert werden dürften. So hält er hinsichtlich der von ihm begrüßten (a.a.O., 523) Umgestaltung des aPR in ein Recht mit Zuweisungsgehalt fest, die Rechtsordnung müsse derartige Kommerzialisierungen nicht zwingend anerkennen; a.a.O., 497 mit Rn. 277. Im Übrigen ist die Güterzuweisung auch bei Jansen kein umfassender Erklärungsansatz, sondern ein „folgerichtiges Teilstück des Haftungsrechts“ eben hinsichtlich zugewiesener Güter, wobei offenbleibt, warum auch Schäden zu ersetzen sind, die unabhängig von der Verletzung eines individuell zugewiesenen Rechts entstehen (a.a.O., 523 f.). Das Recht am Gewerbebetrieb kann Jansen mit seinem Ansatz daher nicht erklären; siehe a.a.O., 486 (hierbei ginge es nicht um eine Verantwortlichkeit für eine Rechtsgutsverletzung, sondern allein um Verstöße gegen allgemeine Verhaltenspflichten im wirtschaftlichen Wettbewerb). Dazu unten § 13 A II 1. 167 Von einer Rechtsfortbildung über den ursprünglichen Regelungsplan des § 823 Abs. 1 BGB geht auch die Rechtsprechung aus; siehe BGHZ 62, 29, 32 (1973); BGHZ 65, 325, 328 (1975) („Andererseits ist aber nicht zu übersehen, daß die – jedenfalls nach dem Vorhaben des Gesetzgebers gewollte – Geschlossenheit der Regelung der §§ 823 ff. BGB in Schwierigkeiten geraten ist, weil im Wege der Rechtsentwicklung der Gewerbebetrieb und das Persönlichkeitsrecht in den deliktischen Schutz einbezogen und unter den Schutz des § 823 Abs. 1 BGB gestellt wurden.“); BGHZ 69, 129, 139 (1977) („erweiterter Vermögensschutz“); BGH NJW 1980, 881, 882 (richterrechtlich entwickelter besonderer Deliktstatbestand); BGH NJW 2003, 1040, 1041; so auch Nipperdey, NJW 1967, 1985, 1987; Buchner, Unternehmensschutz, 20 und passim; v. Caemmerer, FS DJT II, 49, 69 (System gesprengt); zum aPR Larenz/Canaris, Methodenlehre, 244 f.; dies., SchuldR II/2, 359; Ehmann, AcP 188 (1988), 230, 249 f.; Neumann-Duesberg, NJW 1957, 1341, 1344 (Modifikation des § 823 Abs. 1 BGB durch das GG); Spindler, in: Bamberger/Roth, § 823 BGB Rn. 72; Brüggemeier, Deliktsrecht, 78 ff.; Stadtmüller, Schutzbereich, 5; im Ansatz auch Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 1580 (die Gemeinsamkeit zwischen ausdrücklich genannten Gütern, Ausschließlichkeits- und Rahmenrechten bestehe darin, dass jeweils ein Bündel von Verhaltensnormen aufgestellt werde, entweder mit oder ohne Indikation der Rechtswidrigkeit). Kritisch und vor einer Überdehnung warnend Raiser, JZ 1961, 465, 470 f.
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forderlich168. Damit verbleiben sie auf der Stufe sonstigen Verhaltensunrechts wie das UWG169; sie treten im Verhältnis hierzu sogar als subsidiär zurück. Entscheidend aber sind nicht diese formalen Strukturen, sondern die materialen Gründe für die Überwindung des Enumerationsprinzips. Jene sachlichen Argumente zielen nicht auf die Kerngedanken der Güterzuordnung ab, wie sie in § 4 anhand von Beispielen herausgearbeitet wurden. Vielmehr bezwecken sie die negative Abwehr von Eingriffen in grundrechtlich fundierte, gleichgeordnete Freiheitsräume. So schützt das aPR in seiner klassischen Ausprägung die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG), das Recht am Gewerbebetrieb die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 2 GG), die Rechtspositionen im familienrechtlichen Kontext schirmen einen nichtvermögensrechtlichen Kernbereich freier Entfaltung in der Ehe, zu Kindern und zu Verstorbenen im Verhältnis zu Dritten ab (Art. 6 Abs. 1 GG)170, und im Arbeitsrecht wird in direkter Umsetzung des Art. 9 Abs. 3 GG ein Schutz der Koalitionsfreiheit verwirklicht171. Keine dieser Durchbrechungen des Grundsatzes abschließender Haftung nach Maßgabe des gesetzlichen Tatbestands gewährt einen statischen Bestandsschutz des Erworbenen, wie er für Güterzuordnungen und deren verfassungsrechtliche Absicherung in Art. 14 GG charakteristisch ist. Nur vor diesem Hintergrund wird die Wandelbarkeit der jeweiligen Schutzbereiche aufgrund geänderter Wertungen der Rechtsprechung wie beim Schutz der 168 Siehe BGHZ 45, 296, 306 f. (1966) – Höllenfeuer; Gieseke, GRUR 1950, 298, 302 f.; Körner, Rechtsschutz des Unternehmens, 17; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 53; Spindler, in: Bamberger/Roth, § 823 BGB Rn. 72, 112 (mit Hinweis auf den Wettbewerb zwischen Unternehmen); Schrauder, Wettbewerbsverstöße, 200 (wegen der Offenheit des Tatbestandes könne das Recht am Unternehmen weder ein echtes subjektives Recht noch ein „sonstiges Recht“ sein); Fuchs, Deliktsrecht, 69 f. (mangels Indizwirkung handele es sich beim aPR und dem Recht am Gewerbebetrieb nur um Rahmenrechte); Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 369 (Indizwirkung des Tatbestandes gelte auch für mittelbare Verletzungen der in Abs. 1 genannten Güter und Rechte, nur das insoweit die Verletzung einer Gefahrvermeidungspflicht hinzutrete); Leser, AcP 183 (1983), 568, 584 f. Zu den Gründen der Orientierung am absoluten Recht wegen der Struktur des § 823 Abs. 1 BGB („sonstiges Recht“) Müller-Erzbach, Handelsrecht, 75; unten § 15 B II 2. 169 Dazu unten § 7 E I 2. 170 BGHZ 34, 80, 86 (1960) (kein Schutz des positiven Entfaltungsinteresses); Lipp, Eherechtliche Pflichten, 184 ff. (keine ausschließliche Zuordnung des räumlichen Bereichs der Ehe zum Haben und Nutzen); für das elterliche Sorgerecht RG JW 1913, 202 f.; BGHZ 111, 168, 175 (1990) (nichtvermögensrechtliches, absolutes Recht). 171 Siehe BAG NJW 1969, 861, 863 (das Recht der Beklagten finde seine Grenze darin, dass durch seine Ausübung nicht berechtigte Belange der Klägerin beeinträchtigt würden); BAG AP Art. 9 GG Nr. 49 (1987); BAG NJW 1999, 3281, 3284, 3286 (Schutz des Rechts der Koalition auf koalitionsmäßige Betätigung durch Anspruch auf Unterlassung von Eingriffen, nicht hingegen durch Ansprüche auf ein positives Tun (Einwirkungsklage)); Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht, 111 (es gehe um widerrechtliche Eingriffe in die Freiheit der Koalition); allgemein unter Einbeziehung des Rechts am Gewerbebetrieb Schmidt, JuS 1993, 985, 987 (Schutz von „Leben und Gesundheit“ einer Organisation). Keinesfalls kann das Recht am Arbeitsplatz über Art. 14 GG gerechtfertigt werden, indem man an die Verluste des Arbeitgebers anknüpft, weil verletzte Arbeitnehmer ausfallen. Das würde nämlich bedeuten, die Arbeitskraft in das Eigentum des Arbeitgebers zu stellen; so aber Becker, AcP 196 (1996), 439, 475 f.
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Ehe172 und dem Recht am Gewerbebetrieb173 sowie ihre Abhängigkeit vom konsistent auf Bewahrung des Freiraums ausgerichteten Verhalten des Geschädigten verständlich174. Eine solche Flexibilität und Einzelfallabhängigkeit ist für Ausschließlichkeitsrechte untypisch und entspricht generell nicht den Anforderungen an eine möglichst eindeutige Zuordnung von Gütern175. Die Grenzen der Anerkennung neuer Deliktstatbestände durch Rechtsfortbildung können zwar erst endgültig geklärt werden, wenn feststeht, ob Art. 14 GG ein Zuordnungsgebot ausspricht und der deutschen Rechtsordnung ein sonstiges allgemeines Prinzip der Güterzuordnung zu entnehmen ist176. Hier jedoch kann festgehalten werden – und das war das Erkenntnisinteresse dieses Abschnitts –, dass § 823 Abs. 1 BGB die Rechtsprechung nicht aufgrund norminterner Wertungen legitimiert, ungeschriebene positiv-exklusive Befugnisse an Gütern anzuerkennen, um das individuelle Interesse an der Wahrung des Erworbenen zu gewährleisten177. Mit dem Tatbestandsmerkmal des „sonstigen Rechts“ wird vielmehr auf anderweitig zu begründende, subjektiv-ausschließliche Rechte mit Wirkungen wie das Eigentum verwiesen.
C. Die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung gem. § 826 BGB Die zweite ausbaufähig erscheinende Norm des Rechts der unerlaubten Handlungen im BGB ist § 826 BGB, wonach zum Schadensersatz verpflichtet ist, wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt. Sie erscheint als Rechtsgrundlage für eine Anerkennung negativer und positiver Befugnisse an nicht spezialgesetzlich zugeordneten Gütern vor 172
Siehe Lipp, Eherechtliche Pflichten, 186 f. Zu den Schwankungen der Rechtsprechung Schwitanski, Deliktsrecht, 75. 174 OLG Zweibrücken NJW 1989, 1614, 1615 (kein Schutz des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe, wenn der klagende Ehegatte diesen Bereich durch einen Partnertausch in der Ehewohnung selbst entwertet hat). Zur entsprechenden Einschränkung des verfassungs- und zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes oben §§ 2 B II 3, 4 B VII 2 a. 175 Dazu oben § 3 B I. 176 Dazu unten § 13 A II 1. 177 Eine andere Auslegung des § 823 Abs. 1 BGB im Sinne eines Schutzes ungeschriebener absoluter Rechte mit Rechtswidrigkeitsindikation wäre nach den Worten Heinrich Lehmanns „Normenerschleichung“; siehe Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 937 (allgemeines Persönlichkeitsrecht), 941 (Recht am Gewerbebetrieb); Lehmann, NJW 1959, 670. Aus der Sicht des § 823 Abs. 1 BGB abzulehnen ist der Ansatz des OLG Rostock GRUR-RR 2005, 352, 353, das berühmte Kennzeichen eines Unternehmens jenseits des Markenrechts (also etwa im Verhältnis zu politischer Werbung einer Partei) „selbst“ als sonstiges Recht zu qualifizieren statt die ungestörte Verwendung des Zeichens im Rahmen des Rechts am Gewerbebetrieb zu schützen. Diese Begründung setzt nicht nur Gut und Recht ineinander („das berühmte Zeichen [ist] selbst als sonstiges Recht zu qualifizieren“), sondern ist auch aus markenrechtlicher Sicht verfehlt. Das Markenrecht dient nämlich nicht der Zuordnung eines Werbewertes, sondern primär der Unterscheidung von Waren und Dienstleistungen; siehe oben §§ 3 B II 2 d bb (2), 5 B II 3. 173
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dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen besonders interessant, weil auf ihrer Grundlage unstreitig Vermögensschäden jenseits von Schutzgesetzen und normierten Ausschließlichkeitsrechten ersatzfähig sind178. Ob die Norm tatsächlich güterzuordnende Kraft entfaltet, ist ähnlich wie im Hinblick auf § 823 Abs. 1 BGB anhand der Funktionen des Deliktsrechts (dazu I), der Stellung des § 826 BGB im System der deliktischen Haftungstatbestände (dazu II) sowie einer Analyse des Tatbestands jener Norm (dazu III) zu ergründen.
I. § 826 BGB und die Funktion des Deliktsrechts Das Deliktsrecht dient wie gezeigt dem Ausgleich von Schäden und der verhaltenssteuernden Abgrenzung von Rechtskreisen. Allein aus diesen abstrakten Funktionsbeschreibungen lässt sich jedoch nicht ableiten, warum im Einzelfall eine Haftung eintritt, und wie die entsprechenden Rechtssphären beschaffen sein müssen. § 823 Abs. 1 BGB konnte wegen der Nennung des Eigentums und entsprechender „sonstiger Rechte“ immerhin noch ein gewisser Bezug auf Güterzuordnungen durch Ausschließlichkeitsrechte entnommen werden. Schon hieran fehlt es jedoch bei § 826 BGB. Die Vorschrift etabliert eine Haftung ohne jede Rücksicht auf etwaige Rechtsgüter und subjektive Rechte in der Hand des Geschädigten. Der Tatbestand knüpft allein an das Verhalten des Schädigers an. Schon vor diesem Hintergrund kann der Norm schwerlich eine Aussage zur Güterzuordnung, geschweige denn ein Auftrag zur Anerkennung entsprechender Befugnisse entnommen werden.
II. § 826 BGB im System des Deliktsrechts des BGB Wie zu § 823 Abs. 1 BGB erläutert, kommt im System der deliktischen Tatbestände das Enumerationsprinzip zum Ausdruck. Demnach ist die Verlagerung des Schadens auf den Schädiger und nicht das Freibleiben von Haftung der begründungsbedürftige Ausnahmefall. § 826 BGB erweckt demgegenüber einen ambivalenten Eindruck, weil die Norm deutlicher noch als § 823 Abs. 1 BGB eine Entwicklungsfunktion als Generalklausel einnimmt (dazu 1), zugleich aber an Voraussetzungen geknüpft ist, die das Enumerationsprinzip reflektieren (dazu 2)179. 1. Die Entwicklungsfunktion als Generalklausel Der Tatbestand des § 826 BGB erweist sich in zweierlei Hinsicht als ausgesprochen offen180. Zum einen ergibt sich aus der fehlenden Vorschaltung von Rechts178 179 180
Siehe nur Wagner, in: MünchKomm, § 826 BGB Rn. 1. So auch die Einschätzung von Teubner, in: AK, § 826 BGB Rn. 13. Wagner, in: MünchKomm, § 826 BGB Rn. 4.
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gütern (§ 823 Abs. 1) oder Schutzgesetzen (§ 823 Abs. 2), dass eben jeder Vermögensschaden bzw. jedes rechtlich anerkannte Interesse181 einschließlich bloß tatsächlicher Erwerbsaussichten182 geschützt ist. Zum anderen verweist das Merkmal der „guten Sitten“ zwar wie das „sonstige Recht“ auf normexterne Wertungen183. Aber anders als jene Voraussetzung verschafft es der Rechtsprechung einen Spielraum zur Entscheidung, welche Sitten ggf. zwangsweise durchgesetzt werden. Hierzu dürfen, ja müssen Richter eigene Wertungen vornehmen184. Das betrifft zunächst den objektiven Maßstab der guten Sitten, der stets umstritten gewesen ist. Die Rechtsprechung verwies lange Zeit auf das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“185 und zog Parallelen zu den guten Sitten i.S.d. § 1 UWG 1909186. Die Literatur hingegen ermittelt allgemein akzeptierte Verhaltensminima wegen der Auflösung eines homogenen „Anstandsgefühls“ in der pluralistischen Gesellschaft187 anhand einer Mittel-Zweck-Analyse und bildet
181 RGZ 48, 114, 124 (1901) (es komme auf die Natur des verletzten Rechts nicht an); RG GRUR 1939, 397, 404; Heck, Schuldrecht, 452 (Güter jeder Art); Schiemann, in: Erman, § 826 BGB Rn. 1; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 235 (auch immaterielle Schäden); Teichmann, in: Jauernig, § 826 BGB Rn. 5; Sprau, in: Palandt, § 826 Rn. 1; Leser, AcP 183 (1983), 568, 577 f. 182 RGZ 48, 114, 124 (1901); Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 955 (Ehre und Kundschaft). 183 Siehe Heck, Schuldrecht, 452 (Sanktionsnorm für Gebote, die als „gute Sitten“ bezeichnet werden); Schiemann, in: Erman, § 826 BGB Rn. 2; Brüggemeier, Deliktsrecht, 495 (Implementation nicht in Frage stehender Sozialnormen); Teubner, Generalklauseln, 61 (Verweis auf außerrechtliche soziale Ordnungsgefüge); Wagner, FS Canaris II, 473, 492 ff. (eine „autonome“ Auslegung des § 826 BGB sei nicht möglich); angewendet wird dieser Gedanke auf den Schutz von obligatorischen Rechten und Normen objektiven Rechts über § 826 BGB von Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 452. 184 Stoll, Richterliche Fortbildung, 30; Reichold, AcP 193 (1993), 204, 219 m.w.N.; Hönn, in: Soergel, § 826 BGB Rn. 2; zur damit angesprochenen „Delegationsfunktion“ der Generalklausel Teubner, Generalklauseln, 61, 106 ff. (Delegation legislativer Aufgaben). 185 So bereits die Protokolle der 1. Kommission 1882, abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 875 (die Feststellung dieser illoyalen Handlungen erfordere „Umsicht und Behutsamkeit“ durch den Richter). Die Formel hat in allen Gesellschafts- und Herrschaftssystemen während der Geltung des BGB Verwendung gefunden: RGZ 48, 114, 124 (1901) (ehrbarer Kaufmann im Handelsverkehr); RGZ 56, 271, 279 (1902) („Vergewaltigung der Gewerbsgenossen“ durch Zufügung schwerer materieller Nachteile durch vollständige Liefersperren); RGZ 64, 155, 158 (1906) (Maßnahme der „Willkür und Gehässigkeit“); auf das „gesunde Volksempfinden“ stellt ab RGZ 166, 193, 199 (1941); BGHZ 17, 327, 330 ff. (1955) (§ 826 BGB als das positive Recht während des Nationalsozialismus durchbrechendes „Recht höherer Ordnung“); BGHZ 129, 136, 172 (1995); OLG München NJW 1977, 1106, 1107; Schricker, AcP 172 (1972), 203, 221 (sittliches Bewusstsein der Allgemeinheit). 186 BGH GRUR 1965, 690, 693 (zur beruflichen Tätigkeit des Arztes). 187 Aus der Kritik etwa Schwitanski, Deliktsrecht, 229; Esser/Weyers, SchuldR II/2, 202 (heute sei ein Rekurs auf ein relativ homogenes Weltbewusstsein unmöglich); Brüggemeier, Deliktsrecht, 487 ff.; Teubner, in: AK, § 826 BGB Rn. 1 ff.; Haberstumpf, Formel vom Anstandsgefühl, 74 (Leerformel, weil es auf die Auffassung der Gerichte ankomme); anders Arzt, Die Ansicht aller billig und gerecht Denkenden, 100 (es handele sich nicht um eine Begründung, sondern um eine Behauptung, mit der der Richter an die Rechtsgemeinschaft appelliere, sein Urteil nachzuvollziehen und mitzutragen); aus primär wettbewerbsrechtlicher Sicht zu den unterschiedlichen Strömungen des Begriffs der „guten Sitten“ Schricker, Gesetzesverletzung und Sittenverstoß, 185 ff.
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
Fallgruppen, in denen sich Wertungserfahrungen verdichten188. Einig ist man sich allenfalls noch insoweit, als eine empirische Feststellung der Mehrheitsmeinung nicht genügt, sondern stets eine normative Wertung erforderlich ist189. Teubner hat den Wandel von der bloßen Rezeption außerrechtlicher Moralvorstellungen zu einer den Richter ermächtigenden Delegationsfunktion mit dem Scheitern der klassisch bürgerlichen Gesellschaftskonzeption in Zusammenhang gebracht. Weil kein homogenes „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ mehr auszumachen sei, komme dem Recht und damit dem Richter eine unmittelbar gestaltende Rolle zu190. Dabei ist zu beachten, dass der subjektive Tatbestand es ermöglicht, Verhaltensweisen selbst dann ex post als sittenwidrig einzuordnen, wenn der Handelnde ex ante an eine Befugnis glaubte und kein entgegenstehendes Gesetz oder Präzedenzurteil existiert191. Denn es genügt die Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Tatumstände und sogar leichtfertiges bzw. grob fahrlässiges Verhalten192, während gerade kein Bewusstsein der normativen Sittenwidrigkeit erforderlich ist: Rücksichtslosigkeit soll nicht noch belohnt werden193. Trotz dieses weiten Anwendungsbereichs soll § 826 BGB im Verhältnis zu anderen Haftungsgrundlagen rechtlich194 nicht subsidiär sein, weil eine spezi-
188 In diesem Sinne bereits Bierhoff, Ersatzanspruch wegen unsittlicher Schadenszufügung, 29; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1639; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 449 ff.; Emmerich, Schuldrecht BT, 302; Sprau, in: Palandt, § 826 BGB Rn. 2 ff.; Teichmann, in: Jauernig, § 826 BGB Rn. 3; Fuchs, Deliktsrecht, 155 f.; Teubner, in: AK, § 826 BGB Rn. 1 ff.; auf berechtigte Verhaltenserwartungen abstellend Oechsler, in: Staudinger, § 826 BGB Rn. 24 ff.; mit der Mittel-Zweck-Prüfung argumentiert auch BGHZ 129, 136, 172 ff. (1995). Siehe etwa die Fallgruppen bei Wagner, in: MünchKomm, § 826 BGB Rn. 42 ff.; Schiemann, in: Erman, § 826 BGB Rn. 27 ff.; Teichmann, in: Jauernig, § 826 BGB Rn. 12 ff.; Fuchs, Deliktsrecht, 157 ff. Für eine Bewertung des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Prinzipien der Verfassungsund Rechtsordnung Schwitanski, Deliktsrecht, 232. 189 RGZ 48, 114, 125 (1901) (allein die Üblichkeit eines Verhaltens genüge nicht als Maßstab, weil eine im Handelsverkehr oder sonst tatsächlich aufgekommene Praxis möglicherweise keine „Sitte“, sondern eine „Unsitte“ sei); BGHZ 17, 327, 332 (1955) (Sittenwidrigkeit als Verwirklichung eines „Rechts höherer Ordnung“); dito ohne Verweis auf diese Entscheidung BGH NJW 1990, 706, 708. 190 Teubner, Generalklauseln, 52 ff., 116. Allerdings ist Teubners Lösungsvorschlag, die empirische Sozialforschung an die Stelle einer gesetzgeberischen Direktive treten zu lassen (so zumindest tendenziell a.a.O., 118), auf der Basis des methodologischen Dualismus abzulehnen; dazu oben §§ 1 A II, 3 B III. 191 Oechsler, in: Staudinger, § 826 BGB Rn. 65; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 234 (mit Verweis auf das Kopieren von Modeneuheiten). 192 BGH WM 1966, 1150, 1151 m.w.N. 193 RGZ 58, 24, 28 (1904) für die unberechtigte Abmahnung; BGHZ 8, 387, 393 (1953); BGH NJW 2007, 2689, 2692; siehe ferner nur etwa Teichmann, in: Jauernig, § 826 Rn. 4; Hönn, in: Soergel, § 826 BGB Rn. 52; Fuchs, Deliktsrecht, 162; Sprau, in: Palandt, § 826 BGB Rn. 11; a.A. Schwitanski, Deliktsrecht, 242 f.; Sack, Recht am Gewerbebetrieb, 179; ders., NJW 2006, 945 ff. (keine Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände erforderlich). 194 Allerdings ist anerkannt, dass die Vorschrift häufig praktisch subsidiär ist, weil die Voraussetzungen anderer Normen leichter dargelegt und bewiesen werden können; siehe Oechsler, in: Staudinger, § 826 BGB Rn. 9; Schiemann, in: Erman, § 826 BGB Rn. 1 (Ergänzungsfunktion ohne Subsidiarität).
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elle Form des Verhaltensunrechts geregelt werde195. So tritt die Vorschrift ergänzend neben Ansprüche aus dem UWG, weil der Umstand, dass der Verletzer in Wettbewerbsabsicht gehandelt habe, keine Berufung auf die kurze lauterkeitsrechtliche Verjährung rechtfertige196. § 826 BGB wird nur verdrängt, wenn andere, abschließende Regelungen das betreffende Verhalten als erlaubt kennzeichnen. Ein solcher Umkehrschluss kann sich insbesondere aus den Grenzen der normierten Ausschließlichkeitsrechte ergeben197. Der Umstand, dass § 826 BGB anders als die ungeschriebenen „sonstigen Rechte“ kein subsidiärer Auffangtatbestand ist, bestätigt die Eignung zur norminternen Entwicklung von Rechtskreisen198. Demnach bietet das Sittenwidrigkeitsverdikt den Gerichten einen Anhaltspunkt zur fortbildenden Überwindung herkömmlicher Vorstellungen oder praktischer Übungen199. Das gilt gerade dort, wo § 823 BGB mangels Rechtsguts oder Schutzgesetzes keine Haftungsgrundlage abgibt. Es kann zumindest ein erster Schritt getan werden, ein neues oder bisher nicht beanstandetes Verhalten als rechtswidrig einzustufen200. 2. Das Enumerationsprinzip und die Begrenzung des Tatbestands § 826 BGB erscheint daher dank der Offenheit seines Tatbestands und seiner eigenständigen Bedeutung für eine Rechtsfortbildung im Hinblick auf die Zuordnung „neuer“ Güter eher prädestiniert als § 823 Abs. 1 BGB. Freilich darf bei der
195 Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 955; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1636; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 448; Teichmann, in: Jauernig, § 826 BGB Rn. 1 f.; Wagner, in: MünchKomm, § 826 BGB Rn. 40; Oechsler, in: Staudinger, § 826 BGB Rn. 132 ff. (gerade die Deprivilegierung des Schuldners verbiete eine Subsidiarität des Anspruchs); anders aus rechtssoziologischer Sicht wegen eines Funktionswandels der Norm Brüggemeier, Deliktsrecht, 494 (residuale Interventionsnorm). 196 RGZ 74, 434, 435 f. (1910); BGHZ 36, 252, 256 (1961); anders Sack, FS Ullmann, 825, 839 (Vorrang des UWG). Zur Anwendbarkeit neben den §§ 30 f. GmbHG BGH NJW 2007, 2689, 2693 (Anspruchskonkurrenz). 197 Siehe OLG Köln GRUR-RR 2005, 317, 319 (Verhältnis zwischen § 826 und dem Markenschutz der bekannten Marke) und oben § 5 C. Zum Verhältnis zum Familienrecht BGH NJW 1990, 706, 708 in ausdrücklicher Abkehr von BGHZ 23, 215, 221 f. (1957), als auch § 826 BGB für ausgeschlossen gehalten wurde. 198 Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 448; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1636 (Korrektiv für neue Entwicklungen); Teichmann, in: Jauernig, § 826 BGB Rn. 1; Spickhoff, in: Soergel13, vor § 823 BGB Rn. 11; Mertens, in: MünchKomm3, § 826 BGB Rn. 2 f. (weniger eine Verweisung als eine Ermächtigung zur Normbildung); Kötz/Wagner, Deliktsrecht10, Rn. 249 (Zentralnorm des deliktischen Vermögensschutzes); Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 231 („eigentliche Generalklausel des Deliktsrechts“); Teubner, in: AK, § 826 BGB Rn. 8 f. 199 Oechsler, in: Staudinger, § 826 BGB Rn. 32 (Rechtsfortbildungsauftrag); Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 448 („Legitimationsfunktion“); Emmerich, Schuldrecht BT, 303 („Pilotfunktion“); Teubner, in: AK, § 826 BGB Rn. 13 („Auslösefunktion“); Schiemann, in: Erman, § 826 BGB Rn. 2; aus rechtssoziologischer Sicht Brüggemeier, Deliktsrecht, 492 f. 200 Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 65 f.; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 232; Fuchs, Deliktsrecht, 154.
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Betrachtung seiner Rolle im Gesamtsystem des BGB-Deliktsrechts nicht übersehen werden, dass nach dem Enumerationsprinzip eben kein Grundsatz des Ersatzes aller Vermögensschäden besteht. Eine Zahlungspflicht darf nur ausgesprochen werden, wenn die Voraussetzungen einer deliktsrechtlichen Vorschrift gegeben sind. Dieses Prinzip verlangt auch für § 826 BGB Beachtung, der eben nur eine von drei „kleinen“ und keine „große“ Generalklausel wie § 3 UWG darstellt201. Das bestätigt zunächst die Entstehungsgeschichte der Norm, in der sich der Paradigmenwechsel vom Grundsatz der Haftung für Schäden hin zum umgekehrten, bis heute gültigen Ansatz nachzeichnen lässt202. Denn während zunächst galt, dass einer Ersatzpflicht nur derjenige entgeht, dessen Handlungsweise den guten Sitten entspricht203, wurde dann formuliert, dass nur für sittenwidrige Ausübungen der allgemeinen Freiheit gehaftet wird204. Im Übrigen reflektieren die Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB die Geltung des Enumerationsprinzips im Interesse einer überschaubaren Haftung und der Bewahrung von Handlungsspielräumen potentieller Schädiger. Zentrale Bedeutung kommt dabei dem Erfordernis zu, wonach der Schaden vorsätzlich herbeigeführt werden muss205. Hierbei handelt es sich um eine selbständige Voraussetzung neben den objektiven und subjektiven Aspekten der Sittenwidrigkeit, so dass grobe Fahrlässigkeit zwar zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit führen kann, den erforderlichen Schädigungsvorsatz aber nicht ersetzt206. Dieses Merkmal wurde in Abweichung von der im E I noch vorgesehenen Fahrlässigkeitshaftung207 201 Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 448; Emmerich, Schuldrecht BT, 302 (partielle Generalklausel); Fuchs, Deliktsrecht, 154; einschränkend daher zur Entwicklungsfunktion der Norm auch Teubner, in: AK, § 826 BGB Rn. 13 (lediglich „Auslösefunktion“ für „extreme Fälle“ als Vorläufer für gesetzgeberische Umsetzungen). 202 Zur Entstehungsgeschichte der Vorschrift Übersicht bei Oechsler, in: Staudinger, § 826 BGB Rn. 2 ff. 203 Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 875; Mot. II, 726 f. 204 Mot. II, 726 f. 205 Bedingter Vorsatz genügt: RGZ 72, 128, 130 (1909) (verneint für die Mehrkosten des verlassenen Ehegatten aufgrund eines Ehebruchs); RG GRUR 1939, 397, 405; BGHZ 8, 387, 393 (1953); BGH NJW 2007, 2689, 2692; OLG München NJW 2004, 223, 231; Fuchs, Deliktsrecht, 156 f. Überdies ist es ausreichend, dass die Art und Richtung des Schadens vom Vorsatz umfasst sind; siehe RGZ 100, 175, 177 (1920); BGH WM 1966, 1150, 1152; Spindler, in: Bamberger/Roth, § 826 BGB Rn. 10; Sprau, in: Palandt, § 826 BGB Rn. 10; Teichmann, in: Jauernig, § 826 BGB Rn. 9; Fuchs, Deliktsrecht, 156 f. 206 RGZ 76, 35, 48 f. (1911); BGH NJW 1962, 1766 m.w.N.; BGH WM 1966, 1150, 1151; BGHZ 62, 54, 56 (1973); Oechsler, in: Staudinger, § 826 BGB Rn. 23; Medicus, Schuldrecht BT, Rn. 838; Sprau, in: Palandt, § 826 BGB Rn. 12; Schiemann, in: Erman, § 826 BGB Rn. 12; Spindler, in: Bamberger/Roth, § 826 BGB Rn. 11; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 453 m.w.N. (Leichtfertigkeit könne zwar das Merkmal der Sittenwidrigkeit, aber nicht das Vorsatzerfordernis begründen); eng verknüpft werden beide Aspekte hingegen etwa von Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 957. 207 Siehe Mot. II, 727; Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 883 (es sei Aufgabe des Richters, im einzelnen Falle zu prüfen, ob bei bloßer Fahrlässigkeit der Verstoß gegen die guten Sitten zu verneinen sei).
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bewusst als Instrument der Haftungsbegrenzung kodifiziert208. Dennoch erkennbare Tendenzen hin zu einer Ersatzpflicht schon bei fahrlässigen Schadenszufügungen209 verkennen, dass das vorsätzliche Handeln maßgeblicher Rechtfertigungsgrund für die potentielle Ersatzpflicht sämtlicher Vermögensschäden ist, und sonst eine Auflösung der Deliktsrechtsstrukturen droht210. Selbst diejenigen, die wie Erwin Deutsch die Fortentwicklung des Deliktsrechts unter punktueller Überwindung der Enumeration nicht in § 823 Abs. 1 BGB, sondern in § 826 BGB verankert sehen wollen, halten am Vorsatzerfordernis fest, weil eine Haftung ohne Vorsatz überraschend und drückend wäre. Erst nachdem das Sittenwidrigkeitsurteil durch eine Reihe von Entscheidungen etabliert sei, könne eine Fahrlässigkeitshaftung eingreifen211. Dieses subjektive Tatbestandsmerkmal bringt aber nicht nur die prinzipielle Begrenztheit der deliktischen Haftung zum Ausdruck, sondern disqualifiziert § 826 BGB als Rechtsgrundlage für Güterzuordnungen, weil dafür ein objektiver Schutzbereich benannt werden müsste, der ganz ohne Rücksicht auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit des Verletzers auskommt. Weitere Haftungsbeschränkungen ergeben sich daraus, dass nur der unmittelbar Geschädigte ersatzberechtigt ist212 und der Schaden in den Schutzbereich der die Sittenwidrigkeit begründenden Norm fallen muss213. Schließlich erfasst § 826 BGB eben nur sittenwidrige und damit trotz der Offenheit dieses Begriffs qualifiziert rechtswidrige Handlungen, deren Unterlassung als rechtsethisches
208 Siehe Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 892 f. (Vorkommission Reichsjustizamt); ein Antrag Plancks auf Rückkehr zur Fahrlässigkeitshaftung wurde von der 2. Kommission ausdrücklich abgelehnt; siehe Jakobs/Schubert, a.a.O., 897; Wagner, in: MünchKomm, § 826 BGB Rn. 1 a.E.; Esser/Weyers, SchuldR II/2, 204; Oechsler, in: Staudinger, § 826 BGB Rn. 8 f. (andernfalls Gefahr einer ungebührlichen Beschränkung der persönlichen Freiheit). 209 Brüggemeier, Deliktsrecht, 498 (die Notwendigkeit dafür entfalle, wenn das Vermögen als nach § 823 Abs. 1 BGB geschütztes Interesse aufgefasst werde); Mertens, in: MünchKomm3, § 826 BGB Rn. 2; sachlich für richtig hält die Ausdünnung des Vorsatzerfordernisses auch Wagner, in: MünchKomm, § 826 BGB Rn. 3; im Ergebnis weitgehend BGH WM 1966, 1150, 1152 (der fahrlässige Sittenverstoß könne sich mit dem bedingten Vorsatz in Bezug auf die Schadenszufügung verbinden); BGHZ 129, 136, 177 (1995) (aus der Art und Weise des sittenwidrigen Handelns könne auf den Schädigungsvorsatz geschlossen werden). 210 Siehe BGHZ 36, 252, 256 f. (1961) (zur lückenfüllenden Funktion des Rechts am Gewerbebetrieb u.a. wegen des Vorsatzerfordernisses in § 826 BGB); Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 455 (Aufgabe des Vorsatzerfordernisses keine legitime Rechtsfortbildung); Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 231 (wegen der restriktiven Auslegung der Tatbestandsmerkmale habe sich § 826 BGB von einer Generalklausel zum Auffangtatbestand entwickelt); Spindler, in: Bamberger/Roth, § 826 BGB Rn. 1; Teubner, in: AK, § 826 BGB Rn. 10; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 955; Oechsler, in: Staudinger, § 826 BGB Rn. 14; anders Kötz/Wagner, Deliktsrecht10, Rn. 265 ff.; Wagner, in: MünchKomm, § 826 BGB Rn. 3 (Dreh- und Angelpunkt der Norm sei das Tatbestandsmerkmal der Sittenwidrigkeit). 211 Deutsch, JZ 1963, 385, 390 f. (die Rechtsprechung könne als Gewohnheitsrecht über § 823 Abs. 2 BGB sanktioniert werden); Oechsler, in: Staudinger, § 826 BGB Rn. 20 f. 212 Siehe Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 893 (Vorkommission Reichsjustizamt 1892: „Wer … einem Dritten … Schaden zufügt, ist diesem …“), 896 f. (2. Kommission). 213 BGHZ 96, 231, 236 ff. (1985); Spindler, in: Bamberger/Roth, § 826 BGB Rn. 13; Deutsch/ Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 235; Staudinger, in: Hk, § 826 BGB Rn. 4.
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Minimum von jedem erwartet werden kann214. Insgesamt wahrt die Vorschrift daher das Enumerationsprinzip. Nach der ratio legis soll es nur in evidenten Fällen ohne Rechtsguts- und Schutzgesetzverletzung zu einem Schadensausgleich kommen215.
III. Der Tatbestand des § 826 BGB und die Güterzuordnung 1. Güterschutz als Gebot der guten Sitten Trotz dieser Vorbehalte ist die Nutzung „neuer“ Güter unter Rekurs auf das Verbot sittenwidriger Schädigungen mehrfach bestimmten Personen exklusiv vorbehalten worden216, soweit aus den Grenzen einschlägiger Ausschließlichkeitsrechte kein Verbot eines solchen Schutzes abgeleitet wurde217. Dass das Gebot der guten Sitten auf die Sicherung exklusiver Vermarktung gerichtet sein kann, zeigt besonders eindrücklich eine Formulierung in den sog. Leistungsschutzurteilen in Bezug auf Darbietungen ausübender Künstler, wonach es „… eine sittenwidrige Vermögensschädigung dar[stellt] (§ 826 BGB), eine fremde Leistung, die üblicherweise nur gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung erbracht wird, sich kostenlos unter Zuhilfenahme der technischen Errungenschaften zunutze zu machen, die es dem Leistenden verwehren, Wirkungsbereich und Art der Auswertung seiner Leistung in tatsächlicher Beziehung zu beherrschen und durch entsprechende Verträge auch Dritten gegenüber rechtswirksam abzugrenzen.“218.
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Werner, Generalklauseln und Richterrecht, 7 (Verbot der Willkür); Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 451; Schiemann, in: Erman, § 826 BGB Rn. 3; Brüggemeier, Deliktsrecht, 495 (grob sozialwidrige Verhaltensweisen); Oechsler, in: Staudinger, § 826 BGB Rn. 27; Mertens, in: MünchKomm3, § 826 BGB Rn. 5; Spindler, in: Bamberger/Roth, § 826 BGB Rn. 3. 215 Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 449; Peifer, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 148; Leser, AcP 183 (1983), 568, 577 f., 592; Hönn, in: Soergel, § 826 BGB Rn. 6 (die Grundentscheidung gegen eine Vermögenshaftung ist in einer freiheitlichen Gesellschaft keine Privilegierung des Schuldners). 216 Siehe oben A sowie allgemein Heck, Schuldrecht, 452; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 960 (Ausnutzung fremder Arbeitsergebnisse); Wagner, in: MünchKomm, § 826 BGB Rn. 110; Spindler, in: Bamberger/Roth, § 826 BGB Rn. 88; Sprau, in: Palandt, § 826 BGB Rn. 40 (unerlaubte Ausnutzung fremder geistiger Leistungen); für Ausnahmefälle auch Oechsler, in: Staudinger, § 826 BGB Rn. 401. 217 Aus der Rechtsprechung RGZ 107, 277, 281 (1923) (kein ergänzender Schutz gemeinfreier Werke); BGHZ 26, 52, 59 (1957) (zusätzliche Umstände seien erforderlich). Aus der Literatur in Bezug auf Immaterialgüterrechte Schiemann, in: Erman, § 826 BGB Rn. 25 (die Anwendung des § 826 BGB dürfe nicht dazu führen, sonst nicht bestehenden Schutz zu ersetzen); für das Urheberrecht Spindler, in: Bamberger/Roth, § 826 BGB Rn. 82; Oechsler, in: Staudinger, § 826 BGB Rn. 42 („Marktstrukturhaftungen, die nicht mehr an einen individuellen Verschuldensvorwurf anknüpfen“, könnten aus der Norm nicht begründet werden); 388 (§ 826 BGB biete keine Handhabe, die Nachahmungsfreiheit über den gesetzgeberischen Willen hinaus einzuschränken); Wagner, in: MünchKomm, § 826 BGB Rn. 4 (keine Erweiterung des Rechtsgüterschutzes gem. § 823 Abs. 1 BGB), unklar aber a.a.O., 110 (§ 826 BGB könne Lücken des Leistungsschutzes schließen, aber nicht den Umfang des Leistungsschutzes erweiten). 218 BGHZ 33, 20, 28 (1960) – Figaros Hochzeit.
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Die maßgeblichen Wertungsaspekte für dieses Sittenwidrigkeitsverdikt sind, dass eine bedürfnisbefriedigende und damit potentiell vermögenswerte Leistung von einem Dritten ohne eigene Anstrengungen übernommen wird, so dass die Früchte dieser Arbeit nicht dem ursprünglichen Hersteller zukommen, der überdies seine versunkenen Kosten nicht zu amortisieren vermag. Hierbei handelt es sich ganz generell um die tragenden Gründe für positive Zuordnungsentscheidungen219. Sie entfalten ihre Wirkung über § 826 BGB sogar noch unmittelbarer als über den Begriff der guten Sitten gem. § 1 UWG a.F., weil bereits das UWG 1909 nach Auffassung der Rechtsprechung dem Interesse der Mitbewerber, Verbraucher und der Allgemeinheit an der Bewahrung der Lauterkeit des Wettbewerbs diente, während § 826 BGB den Einzelnen gegen vorsätzlich-sittenwidrige Schädigungen in Schutz nehme220. Mit dieser Ausrichtung auf Individualinteressen weist § 826 BGB folglich noch größeres Zuordnungspotential auf als das UWG, das anerkanntermaßen zumindest auch Belange der Allgemeinheit fördern soll. 2. Kritik aus der Sicht des Tatbestands und des Zwecks von § 826 BGB Nimmt man hingegen den gesetzlichen Tatbestand auch dann noch zur Kenntnis, wenn er eine so lange Geschichte und Offenheit wie § 826 BGB aufzuweisen hat, erscheint es doch sehr zweifelhaft, ob ein solches Gebot der guten Sitten einen Baustein für ungeschriebene, positiv-exklusive Befugnisse an Gütern liefern kann. a) Struktur des Tatbestands Diese Bedenken speisen sich zunächst aus der Struktur des Haftungstatbestands, die grundlegend von den normierten Ausschließlichkeitsrechten abweicht. Erneut wäre es verfehlt, derartige Argumente als bloß formale Oberflächlichkeiten abzutun, weil dabei verkannt wird, dass hinter jeder bewusst gewählten Rechtsstruktur materiale Wertungen stehen. Zunächst ist § 826 BGB anders als § 823 Abs. 1 BGB nicht rechtsguts-, sondern handlungsorientiert, indem vorsätzlich sittenwidrige Schadenszufügungen sanktioniert werden. Im Vordergrund steht also die konkrete Handlung des Schädigers und nicht ein abstrakt fassbares Gut oder Interesse auf Seiten des Geschädigten. Dieser Ansatz spiegelt den Zweck der Norm im Deliktsrechtssystem wider, die illoyale Handlungen generell und nicht nur in Bezug auf bestimmte Rechtsgüter betrifft221. Folglich fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, Güter unabhän-
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Siehe oben § 4 B III 3, C. So zum UWG 1909 BGH GRUR 1999, 751, 753 m.w.N.; Oechsler, in: Staudinger, § 826 BGB Rn. 381; Schwitanski, Deliktsrecht, 230. Das gilt nach hier vertretener Auffassung noch eindeutiger für das UWG 2004; zu dessen Funktion unten § 7 D. 221 Reinhardt, JZ 1961, 713, 717; Deutsch, JZ 1963, 385; siehe auch Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 954 (erfasst würden Handlungen, die an sich nicht rechtswidrig sind); Medicus, Schuldrecht BT, Rn. 746 (es komme nicht auf die Art des verletzten Rechtsguts, sondern auf die Art der Schadenszufügung an). 220
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gig von einer akuten „Angriffshandlung“ als geschützt zu denken. Dies ist jedoch das Hauptmerkmal eines selbständigen subjektiven Rechts, das nur deshalb dem Rechtsverkehr zugänglich ist. Anders als bei Ausschließlichkeitsrechten und § 823 Abs. 1 BGB ist es unmöglich, auf der Basis des § 826 BGB einen abstrakten Tatbestand zu formulieren, dessen Verwirklichung die Rechtswidrigkeit indiziert222. Stattdessen muss für einen Anspruch wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung die Spannungslage der betroffenen Interessen und einschlägigen Grundrechtspositionen in jedem Einzelfall eingehend analysiert werden, um die Sittenwidrigkeit positiv festzustellen223. Hierauf verzichteten die Gerichte selbst in den referierten „kritischen“ Sachverhaltskonstellationen nicht, weil anerkanntermaßen weder die bloße Schädigungsabsicht noch der Umstand, dass ein bestimmtes Gut ohne Erlaubnis genutzt wird, für sich gesehen eine Haftung rechtfertigen224. Dieses Konzept entspricht ebenfalls nicht dem für Güterzuordnungen durch Ausschließlichkeitsrechte typischen Modell des Erfolgsunrechts. b) Zweck der Norm Maßgeblich ist jedoch, dass diese von Ausschließlichkeitsrechten divergierenden Tatbestandsstrukturen kein Zufallsprodukt sind, sondern dem Zweck der Norm entsprechen. Das gilt bereits für die eigentlich zugunsten eines güterzuordnenden Gehalts streitende Entwicklungsfunktion des § 826 BGB. Denn jene beruht gerade auf der Erkenntnis, dass sich Sittenwidrigkeitsmaßstäbe und -urteile ändern und folglich auch Ersatzpflichten entfallen können, wenn ein Verhalten nicht mehr als sittenwidrig eingeschätzt wird. Diese Flexibilität ermöglicht zwar eine dynamische Fortschreibung des Deliktsrechts225, ist jedoch mit einer statisch-sichernden Güterzuordnung unvereinbar226. Auch deshalb wird die evolutive Bedeutung der Vorschrift in der Regel auf eine „Initialzündung“ reduziert, während eine dauerhafte Festlegung allgemeiner Rechtspflichten entweder durch gesetzgeberischen Eingriff oder auf anderer Grundlage zu erfolgen habe227. Die gegen eine Güterzuordnungskraft des § 826 BGB weiterhin vorgebrachte Handlungsorientierung des Tatbestands bringt schließlich den Kerngedanken dieser dritten „kleinen“ Generalklausel des BGB-Deliktsrechts zum Ausdruck. 222
Esser/Weyers, SchuldR II/2, 202. Mit Blick auf den Leistungsschutz BGHZ 51, 41, 46 f. (1968); allgemein zu § 826 BGB BGH NJW 1970, 657, 658; BGHZ 80, 25, 27 f. (1981); Esser/Weyers, SchuldR II/2, 202; Staudinger, in: Hk, § 826 Rn. 7; Oechsler, in: Staudinger, § 826 BGB Rn. 49. 224 BGHZ 51, 41, 46 f. (1968) – Reprint; Oechsler, in: Staudinger, § 826 BGB Rn. 388 (das Sittenwidrigkeitsverdikt könne nur auf zusätzliche, besondere Umstände gegründet werden); Teichmann, in: Jauernig, § 826 BGB Rn. 25. Entsprechendes galt für das UWG 1909; dazu unten § 7 B II 1. 225 Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 448 f.; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1636; Staudinger, in: Hk, § 826 BGB Rn. 1; Brüggemeier, Deliktsrecht, 503; Portz, Gebot sittlichen Verhaltens, 73 ff. 226 Ebenso oben B IV zu den „Rahmenrechten“ aPR und Recht am Gewerbebetrieb. 227 Teubner, in: AK, § 826 BGB Rn. 13; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 232. 223
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Die Rechtskreise werden hier nämlich deshalb nicht mit Blick auf objektive Rechtsgüter oder Schutzgesetze, sondern allein über die Art der Handlung des Schädigers abgegrenzt, weil mit der Vorschrift eine Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit auf ein normatives Minimum bezweckt ist228. Dieser Ansatz hat das Verständnis der Haftung für sittenwidrige Verhaltensweisen durchgängig geprägt, und zwar unabhängig davon, ob – wie zu Beginn der Beratungen des BGB – die Ersatzpflicht oder – wie in der in Kraft getretenen Gesetzesfassung – die Haftungsfreiheit der Ausgangspunkt deliktsrechtlichen Denkens war229. Dass § 826 BGB mit dieser Funktion eine Güterzuordnung nicht zu legitimieren vermag, wird noch deutlicher, wenn man sich vor Augen führt, dass nicht nur der allgemeinen Handlungsfreiheit Grenzen gesetzt werden sollen, sondern insbesondere der Ausübung subjektiver Rechte. Nachdem die 2. Kommission noch Handlungen aufgrund „besonderer Rechte“ vom Tatbestand ausgenommen hatte230, die entsprechende Passage später jedoch bewusst wieder gestrichen wurde231, ist heute allgemein anerkannt, dass § 826 BGB auch den Missbrauch „formaler Rechtsstellungen“, auch von Ausschließlichkeitsrechten, erfasst232. Wenn die Norm demnach die Geltendmachung subjektiver Rechte in allgemeiner Weise begrenzt, dann kann sie nicht zugleich Grundlage ihrer Herleitung sein233 – eine solche Funktionszuschreibung würde den Telos der Norm geradezu auf den Kopf stellen. Selbst die von Jansen verfochtene, stark rechtsgutorientierte Betrachtung des Deliktsrechts geht davon aus, dass es bei § 826 BGB 228 Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 956 (Selbstbeschränkung in der Befolgung eigener Interessen, die nicht ohne Missbilligung aller Wohldenkenden außer Acht gelassen werden könne); Brüggemeier, Deliktsrecht, 495 („Stopp-Regeln für eklatantes Fehlverhalten“); Schwitanski, Deliktsrecht, 232; Emmerich, Schuldrecht BT, 303 (wichtigste Fallgruppen seien grobe Täuschungsversuche und Missbräuche formaler Rechtspositionen); Oechsler, in: Staudinger, § 826 BGB Rn. 1, 12 ff. und öfter („haftungsrechtliche Deprivilegierung des Vorsatztäters zum Schutz seiner Opfer“, indem tatbestandliche Grenzen der Haftung gem. §§ 823–825 bei Vorsatz überwunden werden können); hiergegen Wagner, in: MünchKomm, § 826 BGB Rn. 4. 229 Siehe E I § 705: „Als widerrechtlich gilt auch die kraft der allgemeinen Freiheit an sich erlaubte Handlung, wenn sie einem Anderen zum Schaden gereicht und ihre Vornahme gegen die guten Sitten verstößt.“; abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse, 892; ferner Brüggemeier, Deliktsrecht, 487 (Begrenzung bürgerlicher Freiheit durch die „guten Sitten“). 230 Siehe Denkschrift, 101 (gem. § 810 E III keine Haftung für die Ausübung „besonderer Rechte“); Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 897; anders der vorherige Entwurf; siehe Jakobs/ Schubert, Schuldverhältnisse 3, 893. 231 Siehe Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 901 f. (Streichung der Worte „die er nicht in Ausübung eines ihm zustehenden Rechtes vornimmt“ durch die Reichstagskommission 1896); zur Kritik an der früheren Fassung siehe nur v. Gierke, Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, 262 ff. 232 BGHZ 26, 391, 396 (1958) (rechtskräftiges Urteil); ferner Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 247; Sprau, in: Palandt, § 826 BGB Rn. 6; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 461 f.; Wagner, in: MünchKomm, § 826 BGB Rn. 111 ff.; Oechsler, in: Staudinger, § 826 BGB Rn. 389 ff. (Patent- und Markenerschleichung); Schwitanski, Deliktsrecht, 226 ff.; nicht überzeugend daher die Differenzierung zwischen der Ausübung eines besonderen Rechts, die nur unter ganz besonderen Voraussetzungen sittenwidrig sein könne, und der allgemeinen Handlungsfreiheit, bei der der Schädigungsvorsatz die Sittenwidrigkeit indiziere, bei Medicus, Schuldrecht BT, Rn. 840 f. 233 Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 447.
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um das berechtigte Vertrauen in die Wahrung bestimmter Verhaltenspflichten und nicht wie bei § 823 Abs. 1 BGB um das gegenständliche Vertrauen in die Integrität bestimmter Rechtsgüter gehe234.
IV. Zusammenfassende Stellungnahme Festzuhalten ist, dass § 826 BGB seiner Struktur und seinem Sinn und Zweck nach keine güterzuordnende Aussagekraft aufweist und folglich keinen Baustein für die Anerkennung ungeschriebener, positiv-exklusiver Befugnisse an Gütern abgibt. Zwar ermächtigt die Vorschrift die Gerichte dazu, das Deliktsrecht anhand des ausfüllungsbedürftigen Begriffs der „guten Sitten“ dynamisch fortzuentwickeln, ohne dass § 826 BGB im Verhältnis zu anderen Regelungen grundsätzlich subsidiär wäre. Die Rechtsprechung hat auf diesem Wege auch ethische Postulate wie den Schutz der Früchte eigener Arbeit zur Geltung gebracht. Gleichwohl würden Struktur und Zweck der Norm grundlegend verkannt, wollte man in ihr eine Rechtsgrundlage für Güterzuordnungen sehen: § 826 BGB zieht die Rechtskreise – anders als § 823 Abs. 1 BGB – ohne jede Bezugnahme auf individuelle Güter oder Rechte, sondern orientiert sich allein am Verhalten des Schädigers. Die Entwicklungsfunktion wird erst durch eine einzelfallbezogene, positive Feststellung der Sittenwidrigkeit ermöglicht, die mit einer auch nur relativ eindeutigen Güterzuordnung unvereinbar ist. Diese formalen Kennzeichen entsprechen dem Rechtsgedanken, die Ausübung der allgemeinen Handlungsfreiheit und insbesondere auch subjektiver Rechte im Interesse genereller Verhaltensminima zu begrenzen. Folglich bezweckt die Vorschrift eine Beschränkung individueller Freiheit und keine Etablierung herausgehobener, exklusiver Freiräume zugunsten einzelner Personen. Dabei wahrt diese dritte „kleine“ Generalklausel das Enumerationsprinzip, indem eine Ersatzpflicht nur unter den Voraussetzungen eines Sittenverstoßes und des Schädigungsvorsatzes eintritt. Mit diesem Respekt vor den Handlungsspielräumen potentieller Schädiger ist § 826 BGB geradezu das Paradigma für das eingangs erläuterte Verständnis des Deliktsrechts als Instrument zur Abgrenzung individueller, gleichgeordneter Freiräume, die miteinander im Einzelfall in einen Ausgleich zu bringen sind235. Zugleich erklärt sich, warum die Vorschrift für richterliche Zuordnungsentscheidungen nur vereinzelt Bedeutung erlangte, die bald ganz vom UWG 1909 übernommen wurde. Hingegen entfaltete § 826 BGB als Regelung des Missbrauchs privater Macht eine rechtsfortbildende Pilotfunktion für das Kartellrecht, das gerade nicht den Zweck hat, Eigentumspositionen herauszubilden und zu sichern236. Unter welchen Voraussetzungen eine unerlaubte Nutzung von nicht spezialgesetzlich zugewiesenen Gütern im Einzelfall einmal als vorsätzliche sittenwid234
Jansen, Struktur des Haftungsrechts, 542. Oechsler, in: Staudinger, § 826 BGB Rn. 1. 236 Siehe dazu etwa Wagner, in: MünchKomm, § 826 BGB Rn. 104 ff.; Sprau, in: Palandt, § 826 BGB Rn. 41a; Emmerich, Schuldrecht BT, 303; Medicus, Schuldrecht BT, Rn. 836. 235
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rige Schädigung ersatzpflichtig machen kann, ist erst im dritten Teil zu klären, wenn feststeht, inwieweit dem deutschen Recht ein verfassungsrechtliches oder sonstiges Gebot der Zuordnung zu entnehmen ist237. Hierbei wird zudem auf die Wertungen des für Wettbewerbshandlungen einschlägigen Sonderdeliktsrechts des UWG Rücksicht zu nehmen sein238. Für ein Rechtsprinzip der Güterzuordnung, nach dem in diesem Hauptteil gefragt wird, gibt § 826 BGB jedenfalls ebenso wenig etwas her wie § 823 Abs. 1 BGB.
D. Der allgemeine Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch I. Der allgemeine Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch als Ausdruck der Anerkennung gegen jedermann wirkender subjektiver Rechte? Die bisher betrachteten Vorschriften zum Recht der „unerlaubten Handlungen“ sprechen Schadensersatzpflichten aus. Dagegen finden sich im 27. Titel des BGB keine in die Zukunft gerichteten Ansprüche auf Unterlassung rechtswidriger Handlungen und auf Beseitigung der dadurch ggf. ausgelösten Folgen239. Derartige Abwehransprüche sind im deutschen Privatrecht als sekundäre Rechte zur Verwirklichung von Ausschließlichkeitsrechten (insbes. § 1004 BGB), aber auch im Lauterkeitsrecht normiert240. Eine allgemeine Regelung im BGB existiert hingegen nicht. Dennoch hat die Rechtsprechung schon kurz nach Inkrafttreten des BGB solche Ansprüche jenseits der genannten Bestimmungen anerkannt241; und das nicht nur im Sinne einer hier nicht weiter zu verfolgenden analogen Anwendung des § 1004 BGB auf gesetzliche oder behördlich erteilte subjektiv-öffentliche Nutzungsrechte242 und Immaterialgüterrechte, sondern auch bei sonstigen rechtswidrigen Verletzungen des Rechtskreises einer Person243. So kann Unterlassung
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Unten § 13 A II 1 a. Zu lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsverboten unten § 7 E. 239 Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 704; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 499; Brose, Unterlassungsklage, 68; Fritzsche, Unterlassungsanspruch, 38; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 110. 240 Siehe unten II. 241 Siehe auch die Übersicht bei Duvigneau, Entwicklung des Unterlassungsanspruchs, 21 ff. Zur entsprechenden Rechtslage nach dem ALR Eltzbacher, Unterlassungsklage, 41 ff. 242 Siehe für ein gesetzliches Recht auf Zufluss von Wasser RGZ 89, 216, 219 f. (1916); für eine Badekonzession als Sondernutzungsrecht BGHZ 44, 27, 32 ff. (1965). 243 Siehe RG JW 1899, 749 f. (unberechtigte Schutzrechtsverwarnung); RG JW 1903, Beil. 11; RG HansGZ 1926, 42; RGZ 116, 151, 153 (1927) (sonstige Rechtsgüter); RGZ 156, 372, 374 f. (1937); BGHZ 30, 7, 14 (1959) m.w.N.; BGH LM § 1004 BGB Nr. 132 (1973) (dieser Grundsatz sei nicht auf bestimmte Rechtsgüter beschränkt); BGH NJW 1998, 2058, 2059 f. (absolute Rechte und darüber hinaus alle deliktsrechtlich geschützten Rechtsgüter); OLG Hamburg NJW 1956, 716 (jeder Eingriff in gesetzlich geschützte Rechtsgüter); Medicus, BürgR, Rn. 628 f. 238
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verlangt werden, wenn eine rechtswidrige Verletzung der in § 823 Abs. 1 BGB genannten Lebensgüter244 und der rechtsfortbildend entwickelten „sonstigen Rechte“245 droht. Auch Verstöße gegen Schutzgesetze gem. § 823 Abs. 2 BGB246 und Kreditgefährdungen (§ 824 BGB)247 können abgewehrt werden; sogar allgemeine Vermögensschäden und Beeinträchtigungen von Erwerbsaussichten vermag der Geschädigte zu verhindern, soweit diese Güter und Interessen durch § 826 BGB Schutz genießen248. Dauern die Folgen dieser objektiv-widerrechtlichen Handlungen an, kommt mit demselben Anwendungsbereich ein Anspruch auf Beseitigung in Betracht, z.B. auf Widerruf rechtswidriger Äußerungen249 oder eines Stadionverbots zum Schutz der Pressefreiheit250. Bezeichnet werden diese Befugnisse häufig als „quasinegatorischer“ Anspruch oder „quasinegatorische“ Klage251, während hier der Terminus allgemeiner Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch bzw. synonym allgemeiner Abwehranspruch verwendet wird252. 244
Siehe etwa RG GRUR 1939, 397, 404. Nachweise dazu oben §§ 4 B VII 2 a (allgemeines Persönlichkeitsrecht), 6 B IV (weitere „sonstige Rechte“). 246 Siehe RGZ 151, 159, 166 f. (1936) (Vorrang der familienrechtlichen Regelungen vor dem allgemeinen Unterlassungsanspruch gegen Dritte und den untreuen Ehegatten); RG GRUR 1939, 397, 404; BGH NJW 1952, 417, 418; BGH LM § 1004 BGB Nr. 132 (1973); BGH NJW 1997, 55; OLG Karlsruhe NJW 1978, 274; Reinhardt, JZ 1961, 713, 714. 247 Siehe RGZ 56, 271, 286 (1902) (Widerrufsanspruch); RG GRUR 1939, 397, 404; BGH NJW 1989, 1923. 248 Siehe RGZ 48, 114, 118 ff. (1901); RG JW 1903, Beil. 11; RG HansGZ 1926, 42; RGZ 115, 416 (1927); RG GRUR 1939, 397, 404; OLG Saarbrücken NJW-RR 1987, 500; Hönn, in: Soergel, § 826 BGB Rn. 92. Der Vorläufige Entwurf UWG 1909, MuW 1907/1908, 48, 56, verzichtete noch auf eine Generalklausel gegen unlauteren Wettbewerb und verwies auf die Anwendung von § 826 BGB, der von der Rechtsprechung zutreffend für Unterlassungsansprüche gegen rechtswidrige Handlungen angewendet werde. Dieser Schutz sollte lediglich durch eine entsprechende Anwendbarkeit der wettbewerbsrechtlichen Sondervorschriften zur Aktivlegitimation und Durchsetzung der Unterlassungsansprüche verstärkt werden. 249 RGZ 56, 271, 286 (1902); RGZ 60, 12, 19 f. (1905) (in Abgrenzung zum Widerruf und zur Abbitte, die der Genugtuung dienten und dem Strafrecht vorbehalten seien); siehe aus der Literatur Schmidt, Negatorischer Beseitigungsanspruch, 84 ff.; zum Widerrufsanspruch im Wettbewerbsrecht Ulmer, ZAkDR 1936, 535, 536 ff. 250 LG Münster NJW 1978, 1329 (§§ 823, 1004 BGB i.V.m. Art. 5 GG); ferner Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 503 f. 251 Siehe RGZ 48, 114, 120 f. (1901); RGZ 60, 6, 7 (1905); RGZ 78, 210, 213 (1912); RGZ 132, 311, 315 (1931); RGZ 109, 272, 276 (1924); RGZ 116, 151, 153 (1927); RG GRUR 1939, 397, 404; Rosenthal, Unterlassungsklage, 1 f.; Flad, IherJb 70 (1921), 336, 367; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 1010; Baur, AcP 160 (1961), 465; Wesel, FS v. Lübtow, 787, 788; Mühl, in: Soergel, § 1004 BGB Rn. 10; Gursky, in: Staudinger, § 1004 BGB Rn. 16; Larenz/Canaris, SchuldR II/ 2, 673. Anders Baur, JZ 1966, 381 (es gebe noch eine dritte Kategorie des Unterlassungsanspruchs zum Schutz von Individualbereichen); Timm, Unterlassungsklage, 15 („vorbeugende Unterlassungsklage“). 252 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war in der Diskussion der Begriff der „allgemeinen Unterlassungsklage“ geläufig, der jedoch das Anspruchssystem des deutschen Rechts verfehlt; siehe Leonhard, Besonderes Schuldrecht, 641. Zu anderen Instrumenten des vorbeugenden Rechtsschutzes im Zivilrecht Henckel, AcP 174 (1974), 97 ff. Zu den Gründen für die hier gewählte Terminologie unten V. 245
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Schon die Rede vom „quasinegatorischen“ Gehalt weckt Assoziationen zu den Ausschließlichkeitsrechten. Betrachtet man die hierfür herangezogene Rechtsgrundlage, wird dieser Konnex noch deutlicher: Ihren Ausgang nahm die Entwicklung des allgemeinen Abwehranspruchs im Schadensersatzrecht. Das Reichsgericht begründete die Pflicht zur Beseitigung von Folgen schuldhaft rechtswidriger Handlungen mit dem Anspruch auf Wiederherstellung gem. §§ 823 ff., 249 S. 1 BGB253; auch der Unterlassungsanspruch wurde unter der Voraussetzung schuldhaften Verhaltens zur Verhinderung von Schäden zugesprochen254. Besonders letztgenannter Ansatz sah sich jedoch bald mit der Kritik konfrontiert, dass der Schadensersatzanspruch nicht künftige Schäden abwehren, sondern vorhandene Schäden nachträglich ausgleichen soll255. Das Reichsgericht griff diese Bedenken kurz nach Inkrafttreten des BGB auf und koppelte den Unterlassungsanspruch vom Schadensersatzrecht und damit dem Verschuldenserfordernis ab256, weil nicht die Wiederherstellung des früheren Zustandes, sondern die Verhütung neuer schadenstiftender Handlungen in der Zukunft begehrt werde257; ebenso verfuhr die Rechtsprechung mit dem dann ebenfalls verschuldensunabhängigen Anspruch auf Beseitigung andauernder Störungen258.
253 Siehe RGZ 56, 271, 286 (1902); RG JW 1913, 202, 203 (Herausgabe eines Kindes nach rechtswidriger Entziehung); RGZ 88, 129, 133 (1915); RGZ 97, 343, 344 f. (1920) (Widerruf als Form des Schadensersatzes zur Wiedergutmachung); RG JW 1934, 408, 410 (ausdrückliche Ablehnung eines Widerrufsanspruchs ohne Verschulden analog § 1004 BGB); Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 1009 (deliktischer Unterlassungsanspruch). 254 RGZ 25, 347 f. (1890); RGZ 38, 379, 382 f. (1897) (jeweils zu Art. 1382 des badischen Landrechts); RGZ 38, 165, 171 (1897) (zum Warenzeichenrecht); offengelassen von RGZ 48, 114, 119 ff. (1901); BGH DB 1978, 784 (Unterlassungsanspruch auf der Basis des Rechts am Gewerbebetrieb gem. § 823 Abs. 1 BGB). 255 Siehe Flad, IherJb 70 (1921), 336, 354 ff.; Brose, Unterlassungsklage, 68; Duvigneau, Entwicklung des Unterlassungsanspruchs, 108 f.; Münzberg, JZ 1967, 689, 691 (das rechtswidrige Verhalten liege in der Zukunft und sei daher zwar Gegenstand, aber nicht Grund eines Unterlassungsgebotes). 256 RGZ 48, 114, 119 ff. (1901) (offengelassen, ob der Unterlassungsanspruch auf eine Analogie zur negatorischen Klage oder auf § 826 BGB gestützt wird); RGZ 56, 271, 286 (1902) (für den Beseitigungsanspruch offengelassen); eindeutig gegen das Verschuldensmerkmal dann RGZ 60, 6, 7 f. (1905). Zuvor bereits RG JW 1899, 749, 750 auf der Basis des UWG 1896. Siehe auch Oertmann, DJZ 1904, 616, 622 und die ergebnisbezogene Ablehnung der schadensersatzrechtlichen Begründung etwa durch Bierhoff, Ersatzanspruch wegen unsittlicher Schadenszufügung, 35 f. 257 RGZ 91, 350, 354 (1917). 258 Zuerst wohl RGZ 56, 271, 286 (1902) (Rücknahme kreditschädigender Äußerungen); RGZ 60, 12, 19 f. (1905); im Einzelfall mangels andauernder, für die Zukunft zu beseitigender Störung verneinend RGZ 95, 339, 341 (1919); RG MuW 1931, 276, 278; RGZ 148, 114, 122 f. (1935); RGZ 163, 210, 214 f. (1940); daran anknüpfend OGH brit. Zone NJW 1949, 24; BGH LM § 812 BGB Nr. 6 (1951) (der Anspruch sei allgemein anerkannt); BGHZ 14, 163, 173 f. (1954) – Constanze II; BGHZ (GS) 34, 99, 102 f. (1960) (der Widerrufsanspruch sei immer weiter von den Schranken des Deliktsrechts befreit und es seien eigenständige Rechtssätze entwickelt worden); siehe ferner Rosenthal, Unterlassungsklage, 6. Sowohl auf den allgemeinen Beseitigungsanspruch analog § 1004 BGB als auch auf den Schadensersatzanspruch stellt ab BGHZ 99, 133, 136 f. (1986). Einen zwischen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch angesiedelten „Verhinderungsanspruch“ bejahen Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 706.
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Hierfür wurde überwiegend auf eine Gesamtanalogie zu den §§ 12, 862, 1004 BGB259 bzw. auf einen Rechtsgedanken jener und weiterer Normierungen im Immaterialgüterrecht und dem UWG260 abgestellt, vereinzelt auch lediglich auf den objektiven Tatbestand der einschlägigen unerlaubten Handlung verwiesen261. Inzwischen nennt die Rechtsprechung § 1004 BGB analog ggf. neben einer Norm der §§ 823 ff. BGB262. Die Rede vom „quasinegatorischen“ Schutz unter entsprechender Anwendung des auf das Sacheigentum bezogenen § 1004 BGB wurde zum Anlass genommen, den allgemeinen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch „absolutrechtlich“ einzuordnen263. Ferner entspann sich eine dogmatische Diskussion, ob an allen Gütern, auf die dieser „quasinegatorische“ Schutz bezogen wurde, subjektiv absolute Rechte bestehen264. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob der allgemeine Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch Ausdruck und zugleich Sanktion ungeschriebener, subjektiv-ausschließlicher Rechte an Gütern ist und damit einen wesentlichen Baustein zur schrittweisen Etablierung richterlicher Güterzuordnungen liefert. Handelt es sich hingegen nicht um ein selbständiges Haftungssystem neben den §§ 823 ff. BGB265, sondern lediglich um eine Ergänzung dieser Schadensersatzansprüche, spräche wenig für eine Güterzuordnungstendenz dieser Rechtsentwicklung, weil der 27. Titel des BGB ebenfalls keine entsprechenden Impulse aussendet.
259 RGZ 48, 114, 119 (1901); RGZ 60, 6, 7 (1905); RGZ 61, 366, 369 (1905); für das aPR BGHZ 30, 7, 14 (1959); Hager, in: Staudinger, § 823 BGB Rn. C258 m.w.N. 260 RGZ 116, 151, 153 (1927); RGZ 156, 372, 374 f. (1937); BGHZ 14, 163, 176 (1954) – Constanze II. 261 RGZ 101, 335, 339 (1921) (zu § 824 BGB). 262 Offengelassen von RGZ 48, 114, 118 (1901). Auf eine entsprechende Anwendung von § 1004 BGB abstellend dann RGZ 140, 392, 402 (1932); RG JW 1939, 484, 486; BGH LM § 812 BGB Nr. 6 (1951); BGHZ 8, 387, 394 f. (1953); BGHZ 14, 163, 173 (1954) (ohne Hinweis auf Analogie); BGHZ 91, 233, 239 (1984); ähnlich BGH GRUR 1977, 801, 802 (Erstreckung des § 1004 BGB auf die insbes. in §§ 823 f. BGB geschützten Rechtsgüter); BGHZ 99, 133, 136 (1986); BGH NJW 1997, 55; BVerfG NJW 1999, 1322, 1323; OLG Saarbrücken NJW-RR 1987, 500; weitere Nachweise zum aPR oben § 4 B VII 2 a. 263 Siehe RGZ 18, 28, 36 f. (1886) (Negatorienklage in Bezug auf den Markenschutz als absolutes Recht); RGZ 48, 114, 121 (1901); RGZ 60, 6, 7 (1905); RGZ 61, 366, 369 (1905); ferner mit Bezugnahme auf „absolute Rechte“ RG JR Beilage 1925, 734 f. (Nr. 1047). Aus der Literatur in diesem Sinne Leonhard, Besonderes Schuldrecht, 641; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 1011; Eltzbacher, Unterlassungsklage, 90; Pikart, in: RGRK, § 1004 BGB Rn. 137 (allgemeiner Rechtsgedanke des Schutzes absoluter Rechte); Fritzsche, in: Bamberger/Roth, § 1004 BGB Rn. 4; in der Tendenz auch Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 673 (der Analogieschluss auf alle absoluten Rechte sei unmittelbar einleuchtend); Picker, FS Bydlinski, 269, 313 f. (in den §§ 985, 1004 BGB sei der allgemeine Rechtsgedanke verankert, wonach das Zivilrecht das von ihm gewährte „Substanzrecht“ durch „Schutzrechte“ sichere). 264 Dazu unten § 14 A II. 265 Für eine solche eigenständige Bedeutung auf der Grundlage des Prinzips des neminem laedere Hohloch, Negatorische Ansprüche, 63, 127, 143.
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Da unstreitig eine richterliche Fortbildung des Rechts in Rede steht266, ist im Folgenden maßgeblich auf die Rechtsprechung als Rechtserkenntnisquelle abzustellen267. Bevor jedoch auf die Tatbestandsvoraussetzungen und die von den Gerichten vorgebrachten sachlichen Erwägungen näher einzugehen ist (dazu III, IV), soll anhand eines Überblicks der Kodifikationen von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen im deutschen Privatrecht geklärt werden, ob diese Ansprüche tatsächlich ein Kennzeichen von Ausschließlichkeitsrechten darstellen oder auch für andere Konstellationen vorgesehen sind (dazu II). Erst auf dieser Grundlage kann der allgemeine Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch im Verhältnis zum Recht der unerlaubten Handlung dogmatisch eingeordnet werden (dazu V). Eine zusammenfassende Stellungnahme formuliert abschließend die Konsequenzen für die Suche nach einer Rechtsgrundlage für richterliche Güterzuordnungen (dazu VI).
II. Überblick: Gesetzliche Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche Wie bereits eingangs erwähnt, sind für fast alle normierten Ausschließlichkeitsrechte ausdrücklich sekundäre Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche vorgesehen. Das gilt zunächst für das Sacheigentum268 und die davon abgeleiteten, beschränkten dinglichen Rechte269. § 1004 BGB bildet sogar die eigentliche Generalklausel der dinglichen Ansprüche, weil die Vorschrift alle nicht bereits vom Vindikationsanspruch erfassten objektiven Verletzungen des Eigentums sanktioniert270. Dass diese dinglichen Ansprüche nicht losgelöst vom Sacheigentum abtretbar sind271, offenbart ihre unmittelbare Verknüpfung mit dem zugrundeliegenden, primären Ausschließlichkeitsrecht. Dementsprechend ist anerkannt, dass zwischen den negatorischen Ansprüchen aus § 1004 BGB und der schuldrechtlichen, verschuldensabhängigen Naturalrestitution gem. §§ 823 Abs. 1, 249
266 Siehe RGZ 88, 129, 132 (1915) (aus dem Gesetz entwickelte Klage); RGZ 101, 335, 339 (1921) (Rechtsweiterbildung); BGHZ (GS) 34, 99, 103 (1960); v. Bar, Gutachten, 1681, 1722; Münzberg, JZ 1967, 689, 690. Zu den Hintergründen der Ausdehnung der actio negatoria rechtsvergleichend Kötz, AcP 174 (1974), 145 ff. 267 Zur Rechtsquellenlehre oben Einleitung B IV. 268 Zur historischen Entwicklung der Unterlassungsklage Eltzbacher, Unterlassungsklage, 5 ff.; Stephan, Unterlassungsklage, 4 ff.; Jakobsohn, Unterlassungsklage, 55 ff.; Hohloch, Negatorische Ansprüche, 21 ff. 269 §§ 1017 (Erbbaurecht) 1027 (Grunddienstbarkeit), 1065 (Nießbrauch), 1090 Abs. 2 (beschränkte persönliche Dienstbarkeit), 1227 (Pfandrecht), 1134, 1192 (Grundschuld und Hypothek), 1107 (Reallast) BGB; 11 Abs. 1 ErbbauVO (Erbbaurecht), 34 Abs. 2 WEG (Dauerwohnrecht); siehe ferner Fritzsche, in: Bamberger/Roth, § 1004 BGB Rn. 2; Ebbing, in: Erman, § 1004 BGB Rn. 7. Für ein Fischereirecht als „objektiv dingliches Recht“ siehe RGZ 75, 397, 398 (1911). 270 Jakobs/Schubert, Sachenrecht 1, 851; Mot. III, 422 f.; Windscheid/Kipp, Pandekten I, 1009; Baur, AcP 160 (1961), 465, 476; Medicus, in: MünchKomm, § 1004 BGB Rn. 1; Ebbing, in: Erman, § 1004 BGB Rn. 1; Gursky, in: Staudinger, § 1004 BGB Rn. 1; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 1013; Münzberg, JZ 1967, 689, 691. 271 Oben § 1 B II 4.
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BGB zu unterscheiden ist272. Umstritten ist jedoch – und dieser Streit wirkt sich auch auf die Einordnung der „quasinegatorischen“ Ansprüche aus –, wie und auf welcher dogmatischen Basis diese Abgrenzung zu bewältigen ist. Eine Ansicht grenzt die „Beeinträchtigung“ gem. § 1004 BGB streng vom ausgleichenden Schadensersatz ab und betont dabei die historische, systematische und tatbestandsmäßige Qualifizierung der dinglichen Ansprüche zur Verwirklichung des Eigentums, über dessen Inhalt sie nicht hinausgreifen273. Die wohl überwiegende Auffassung dagegen stellt § 1004 BGB in die Nähe des deliktischen Schadensersatzes und begründet die Beseitigungspflicht über die Kausalität des Handelns oder eine Risikohaftung für den eigenen Rechtskreis274. Auch sämtliche Immaterialgüterrechtsgesetze enthalten Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung275. Für jene gelten dieselben Grundsätze wie für die dinglichen Ansprüche, auch wenn sie wegen des abweichenden Schutzgegenstandes nicht so bezeichnet werden sollten. Sie sind schon wegen des Fehlens von Herausgabeansprüchen im Immaterialgüterrecht die eigentlichen Ansprüche zur Verwirklichung der primären Rechte, denen sie unmittelbar entspringen276, und von denen sie nicht durch Abtretung getrennt werden können. Ihre Sonderstellung erweist sich ferner im Hinblick auf die Passivlegitimation. Auf Unterlassung und Beseitigung haften nämlich nicht nur Täter und Teilnehmer gem. § 830 BGB, sondern alle Störer277. 272 Jakobs/Schubert, Sachenrecht 1, 852 f., 854; Mot. III, 425 ff.; Windscheid/Kipp, Pandekten I, 1010 mit Fn. 5; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 674 f. (eine Abgrenzung zwischen Beseitigungspflicht und Naturalrestitution sei notwendig). 273 Picker, Negatorischer Beseitigungsanspruch, 49 ff.; ders., FS Bydlinski, 269, 290 ff. (§ 1004 BGB als vindikatorisches Derivat); Gursky, JR 1989, 367 ff.; ders., in: Staudinger, § 1004 BGB Rn. 4 ff. Siehe auch Jakobs/Schubert, Sachenrecht 1, 852 (kein Ausgleich eines entstandenen Vermögensabbruchs, sondern Beseitigung eines andauernden, mit dem Eigentum in Widerspruch stehenden Zustands). Entsprechend für ein Fischereirecht als „dingliches Recht“ RGZ 75, 397, 400 (1911). 274 Siehe etwa Schmidt, Negatorischer Beseitigungsanspruch, 9 ff.; Herrmann, Der Störer nach § 1004 BGB, 131 ff., 556; Medicus, in: MünchKomm, § 1004 BGB Rn. 25 ff.; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 694 ff., 703 (kleine Generalklausel der Gefährdungshaftung), jeweils m.w.N. Zu den einschränkenden Voraussetzungen siehe BGH NJW 2004, 1035, 1036 f. m.w.N. 275 Siehe die §§ 139 Abs. 1 PatG, 24 Abs. 1 GebrMG, 9 Abs. 1 S. 1 HalblSchG, 14 Abs. 5, 15 Abs. 4 MarkenG, 37 Abs. 1 SortSchG, Art. 98 Abs. 1 S. 1 GMVO, 89 lit. a GeschmMVO, 94 Abs. 1 SortSchVO (jeweils nur Unterlassung); §§ 42 Abs. 1 GeschmMG, 97 Abs. 1 S. 1 UrhG (Beseitigung und Unterlassung), 37 Abs. 2 HGB (unbefugter Firmengebrauch). Soweit eine ausdrückliche Regelung des Beseitigungsanspruchs fehlt, wird unstreitig auf eine analoge Anwendung des § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB rekurriert. 276 RGZ 49, 33, 36 (1901) (das Urheberrecht erzeuge als absolutes Recht den Anspruch auf Unterlassung und – bei Verschulden – auf Entschädigung); RGZ 62, 320, 322 (1906) (der Unterlassungsanspruch folge aus dem Eingriff in das Patentrecht und sei dem § 1004 BGB entsprechend zu behandeln). 277 Siehe BGHZ 158, 236, 251 (2004) m.w.N. (wer durch eine Handlung die Rechtsverletzung selbst bewirkt oder daran in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal beiträgt, indem er die Verletzung aktiv ermöglicht oder trotz Verpflichtung zur Unterlassung untätig bleibt). Zu den Voraussetzungen der Anstiftung und Beihilfe siehe dagegen RGZ 101, 135, 139 f. (1920); ferner RGZ 155, 316, 319 (1937) (Störer könne auch sein, wen kein Verschulden trifft).
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Diese Skizze erweckt den Eindruck, als seien Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung typische Kennzeichen normierter Ausschließlichkeitsrechte. Das ist jedoch keineswegs so. Sie sind vielmehr in vielen anderen Zusammenhängen normiert, die teilweise gar keinen Bezug auf individuelle Befugnisse an Gütern aufweisen. Zu nennen sind etwa Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung wegen – der Bestreitung oder des unbefugten Gebrauchs eines Namens gem. § 12 BGB als einer Ausstrahlung des aPR in seiner klassischen Gestalt; – datenschutzrechtlicher Verstöße, gerichtet auf Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten (§§ 20, 35 BDSG); – einer vom Sacheigentum gerade unabhängigen Besitzstörung (§ 862 BGB)278; – einer unerlaubten Benutzung geographischer Herkunftsangaben (§ 128 Abs. 1 MarkenG); – Verstößen gegen das Verbot unlauteren Wettbewerbs (§ 8 Abs. 1 UWG)279 sowie Zuwiderhandlungen gegen kartellrechtliche Vorschriften (§ 33 Abs. 1, 2 GWB)280, also Regelungen zur Sicherung des freien Wettbewerbs und seiner Funktionsfähigkeit; – grober Verstöße des Arbeitgebers gegen gesetzliche Verpflichtungen aus dem BetrVG (§ 23 Abs. 3 BetrVG)281. Insgesamt ergibt bereits diese rudimentäre Übersicht, dass der Unterlassungsund Beseitigungsanspruch im Privatrecht nicht nur zur Verwirklichung von Ausschließlichkeitsrechten zum Einsatz kommt, sondern auch der Bewehrung sonstiger gesetzlicher Regelungen dient, die nicht auf die Zuordnung von Gütern ausgerichtet sind. Damit bleibt die hier gestellte und im Zusammenhang mit der dogmatischen Einordnung des § 1004 BGB erneut aufscheinende Frage virulent, ob der allgemeine Abwehranspruch „absolutrechtlicher“ oder „deliktsrechtlicher“ Natur ist282. Zu ihrer Klärung ist nunmehr auf die Tatbestandsvoraussetzungen und den hinter dieser Rechtsfortbildung stehenden Rechtsgedanken einzugehen.
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Dazu, dass § 862 BGB sich nicht auf ein primäres subjektives Recht bezieht, siehe Timm, Unterlassungsklage, 30. 279 Zur früheren gewohnheitsrechtlichen Anerkennung des Beseitigungsanspruchs im UWG RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 22 (zudem Verweis auf § 1004 BGB). 280 Siehe RegE GWB, BT-Drucks. 15/3640, 53 (derartige Ansprüche seien von der Rechtsprechung in analoger Anwendung von § 1004 BGB zuerkannt worden). 281 Siehe Fritzsche, Unterlassungsanspruch, 113 f. („allgemeiner Anspruch bei Verletzung von Mitbestimmungsrechten“). 282 Siehe auch Baur, JZ 1966, 381, 382.
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III. Tatbestand des allgemeinen Unterlassungsund Beseitigungsanspruchs 1. Voraussetzungen Der allgemeine Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch setzt einen objektiv tatbestandsmäßigen und widerrechtlichen, aber nicht notwendig schuldhaften Eingriff in den Rechtskreis einer Person voraus283. Dabei ist es wie erläutert gerade das Kennzeichen dieses Rechtsbehelfs, über die Verletzung von Ausschließlichkeitsrechten hinauszugreifen und die gesamte Rechtssphäre aller geschützten Interessen und Güter zu erfassen284. Daraus folgt indes kein uferloser Anwendungsbereich des allgemeinen Abwehranspruchs, denn erforderlich ist insbesondere eine widerrechtliche Handlung. Der Maßstab hierfür wird dem Recht der unerlaubten Handlung entnommen285. Mit dieser Rückkopplung auf die §§ 823 ff. BGB gelten die entsprechenden Grenzen des Rechts der unerlaubten Handlung automatisch für den allgemeinen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch. Deshalb kann nicht gegen jedwede schädigende Handlung vorgegangen werden286; ferner ist nur der unmittelbar in seinem Rechtskreis Verletzte und nicht jedermann aktivlegiti-
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RG JW 1899, 749, 750 (es genüge der objektive Eingriff in den Rechtskreis eines anderen und der Mangel einer Rechtfertigung); RGZ 60, 6, 7 f. (1905); RGZ 61, 366, 369 (1905) (die Wahrnehmung berechtigter Interessen gem. § 824 Abs. 2 BGB sei irrelevant, dennoch wird ein objektiv widerrechtlicher Eingriff in den Rechtskreis gefordert); ebenso Schmidt, Negatorischer Beseitigungsanspruch, 86 (auch bei Wahrnehmung berechtigter Interessen sei der allgemeine Beseitigungsanspruch zu gewähren); korrigiert dann von RGZ 78, 210, 215 f. (1912) (Widerrechtlichkeit sei für den Anspruch auf Unterlassung stets erforderlich); RGZ 95, 339, 342 (1919); RGZ 101, 335, 339 f. (1921); RG HansGZ 1926, 42; RGZ 140, 392, 402 (1932); RG JW 1934, 408, 410; RGZ 156, 372, 374 f. (1937); RGZ 166, 150, 156 (1941); BGHZ 3, 270, 280 (1951) – Constanze I (die Wahrnehmung berechtigter Interessen schließe die erforderliche Widerrechtlichkeit aus); BGH LM § 812 BGB Nr. 6 (1951) (bei Duldungspflicht analog § 1004 Abs. 2 BGB keine erforderliche Widerrechtlichkeit); BGHZ 14, 163, 170, 173 (1954) – Constanze II; BGHZ 30, 7, 14 (1959); BAG NJW 1969, 861, 863; für Warentests und § 824 BGB BGH NJW 1989, 1923, 1924; Baur, AcP 160 (1961), 465, 470; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 706 f., 714 f.; Fritzsche, Unterlassungsanspruch, 133 ff.; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 1012; Mühl, in: Soergel, § 1004 BGB Rn. 112; Wagner, in: MünchKomm, vor § 823 BGB Rn. 75; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 499. 284 Siehe Rosenthal, Unterlassungsklage, 1; Flad, IherJb 70 (1921), 336, 367; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 1009 f.; zu deliktsrechtlichen Verkehrspflichten als Grundlage des Anspruchs v. Bar, VersR 1983, Beil. 80, 84; Mühl, in: Soergel, § 1004 BGB Rn. 112; Ebbing, in: Erman, § 1004 BGB Rn. 10; Gursky, in: Staudinger, § 1004 BGB Rn. 15 f.; Steffen, in: RGRK, vor § 823 BGB Rn. 122; Medicus, in: MünchKomm, § 1004 BGB Rn. 6. 285 Baur, AcP 160 (1961), 465, 470; Wagner, in: MünchKomm, vor § 823 BGB Rn. 75; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 1014. 286 Siehe bereits RGZ 25, 347 f. (1890) (wegen des widerrechtlichen Eingriffs in die Rechtssphäre des anderen bedürfe es keines sonstigen, bereits bestehenden Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien); RGZ 101, 335, 339 (1921) (auch bei Verzicht auf das Verschuldenserfordernis müsse eine relevante Beeinträchtigung vorliegen oder ernsthaft drohen; diese Voraussetzung gehöre zu den „wesentlichen Grundlagen dieser Rechtsweiterbildung“); RGZ 140, 392, 402 (1932).
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miert287. Auf diese Weise wird zugleich der Grundsatz gewahrt, dass es keine allgemeine Rechtspflicht gibt, andere vor Schäden zu bewahren, sondern dass Haftung auf gesetzlicher Grundlage die begründungsbedürftige Ausnahme ist (Enumerationsprinzip)288. Dieser Gleichlauf zwischen den §§ 823 ff. BGB und dem allgemeinen Abwehranspruch stellt sicher, dass die Privatrechtssubjekte ihr Verhalten an einheitlichen allgemeinen Rechtspflichten ausrichten können, und zwar unabhängig davon, ob es um die künftige Verhinderung oder den nachträglichen Ausgleich von Beeinträchtigungen geht289. Damit wird bereits der Telos dieses Rechtsbehelfs erkennbar, der darauf gerichtet ist, die vom Deliktsrecht insgesamt markierten Grenzen individueller Freiheit für die Zukunft zu sichern und zu verwirklichen (unten IV). Im Zusammenhang mit dieser Vorverlagerung von Sanktionen stehen auch die weiteren Voraussetzungen für einen Anspruch auf Unterlassung, nämlich die konkrete Gefahr erstmaliger widerrechtlicher Verletzung von Rechtskreisen290 bzw. die aus früheren Verstößen zu vermutende Wiederholungsgefahr291, und für einen Anspruch auf Beseitigung das Fortdauern der widerrechtlichen Handlung bzw. ihrer Folgen292. Mit dieser präventiven Bedeutung kommen Unterlassungsund Beseitigungsansprüche für die Tatbestände der Gefährdungshaftung von vornherein nicht in Betracht, weil jene kein steuerbares menschliches Verhalten betreffen293. Einerseits bleibt der allgemeine Abwehranspruch hier sogar hinter dem Anwendungsbereich des Schadensersatzrechts zurück. Andererseits bestätigt die Handlungsorientierung die Nähe des Anspruchs zum Recht der unerlaubten Handlung. In einem zentralen Punkt jedoch unterscheidet sich der allgemeine Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch grundlegend vom Tatbestand der §§ 823 ff.
287 Siehe RGZ 56, 271, 273 (1902) (für die allgemeine Unterlassungsklage sei ein im Rechtskreis der Prozessparteien gelegener Schuldgrund erforderlich). 288 Timm, Unterlassungsklage, 53; Spindler/Volkmann, WRP 2003, 1, 7. Unbegründet vor diesem Hintergrund die Befürchtungen von Leonhard, Besonderes Schuldrecht, 641 ff. (die Lehre der „allgemeinen Unterlassungsklage“ sei mit dem deutschen Recht, namentlich dem Deliktsrecht, völlig unvereinbar). 289 Baur, AcP 160 (1961), 465, 470; Stoll, FS Lange, 729, 737 (der vorbeugende Rechtsschutz sei am deliktsrechtlichen Schutzbereich des bedrohten Rechts oder Rechtsguts auszurichten); anders Bierhoff, Ersatzanspruch wegen unsittlicher Schadenszufügung, 36 f. (maßgeblich seien das Rechtsschutzbedürfnis und die Wiederholungsgefahr). 290 Für das Patentrecht RGZ 101, 135, 137 f. (1920); für einen objektiv widerrechtlichen Verstoß gegen § 824 BGB RGZ 101, 335, 339 f. (1921) unter Verweis auf die „richtunggebende“ Entscheidung RGZ 48, 114 (1901); ebenso BGHZ 2, 394, 395 f. (1951); ferner BGH NJW 2001, 157, 159 m.w.N.; Fritzsche, Unterlassungsanspruch, 177 ff.; Canaris, JBl 1991, 205, 216. 291 Siehe zur Wiederholungsgefahr Eltzbacher, Unterlassungsklage, 179 ff.; Fritzsche, Unterlassungsanspruch, 148 ff. Zur Erstbegehungs- bzw. Wiederholungsgefahr als materiellen Tatbestandsvoraussetzungen und zum Zusammenhang zur Konzeption, dass der Unterlassungsanspruch erst im Moment der „Beeinträchtigung“ entsteht Fritzsche, Unterlassungsanspruch, 115 f. 292 BGH LM § 812 BGB Nr. 6 (1951). 293 Lehmann, Unterlassungspflicht, 221; Flad, IherJb 70 (1921), 336, 375; Timm, Unterlassungsklage, 51.
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BGB, und zwar im Verzicht auf das Verschuldenserfordernis. Das gilt sowohl für den Unterlassungs-, als auch für den Beseitigungsanspruch, obwohl Letzterer wie das Schadensersatzrecht auf die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands hinausläuft294. Allerdings folgt hieraus keine Ablösung vom Recht der unerlaubten Handlung und der insoweit geltenden Prinzipien, namentlich der beschränkten, enumerativen Haftung. Denn immer noch muss ein gegen jedermann geschützter Rechtskreis objektiv widerrechtlich verletzt worden sein – und dieser Maßstab wird den §§ 823 ff. BGB entnommen. Ohnehin lässt sich das Verschulden des Handelnden nicht durchweg ausblenden: Ganz unabhängig von einem Verschulden können noch die Tatbestände des § 823 Abs. 1 BGB sowie der richterrechtlich entwickelten, ungeschriebenen „sonstigen Rechte“ beschrieben werden, auch wenn ggf. eine umfassende Güterund Interessenabwägung vorzunehmen ist295. Bei Schutzgesetzverletzungen kommt es hingegen auf die Struktur des verletzten Gesetzes an296. Setzt der jeweilige Tatbestand gar kein Verschulden voraus, genügt eben ein drohender oder andauernder Verstoß für Abwehransprüche297. Anders ist es jedoch bei Strafvorschriften, deren Tatbestand bereits subjektive Merkmale umfasst. So ist eine Beleidigung (§ 185 StGB) oder ein Betrug (§ 263 StGB) nur dann ein Verstoß gegen ein Schutzgesetz gem. § 823 Abs. 2 S. 1 BGB, wenn diese Taten vorsätzlich begangen wurden298. Folglich können Beleidigungen und betrügerische Handlungen nur abgewehrt werden, wenn eine vorsätzliche Begehung droht, auch wenn ein strafrechtliches Verschulden i.S.d. individuellen Unrechtsbewusstseins irrelevant ist299. Allerdings bleibt es dabei, dass dieses subjektive Merkmal aus dem Tatbestand des Schutzgesetzes und nicht aus demjenigen des allgemeinen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs herrührt. Differenzierend zu beurteilen
294 Siehe RG MuW 1931, 276, 278; Hager, in: Staudinger, § 823 BGB Rn. C272 m.w.N. Ablehnend zum verschuldensunabhängigen Widerrufsanspruch unter Hinweis auf eine Gefahr für die Freiheit der Meinungsäußerung noch RGZ 97, 343, 344 f. (1920). Die Aufgabe dieser Einschränkung durch RGZ 163, 210, 214 f. (1940) erfolgte unter dem Zusatz, es müsse ein dauernder Zustand geschaffen worden sein, der sich für den Verletzten als eine stetig neu fließende und fortwirkende Quelle der Schädigung und Ehrverletzung darstelle. Auf die Erforderlichkeit und Geeignetheit des Anspruchs abstellend hingegen OGH brit. Zone NJW 1949, 24; BGH LM § 812 BGB Nr. 6 (1951); BGH NJW 1957, 827 (kein Vernichtungsanspruch auf der Basis des allgemeinen Beseitigungsanspruchs); BGH LM § 1004 BGB Nr. 132 (1973) (der Beseitigungsanspruch könne nicht weiter gehen als der Schadensersatzanspruch); zur Rechtsprechung in Bezug auf das aPR oben § 4 B VII 2 a, insbesondere BGHZ 99, 133, 136 ff. (1986). 295 Baur, JZ 1966, 381, 383. 296 So auch Baur, JZ 1966, 381, 383. 297 Siehe für Verstöße gegen Bauvorschriften, die auch individuelle Interessen schützen BGH LM § 1004 BGB Nr. 132 (1973). 298 Fahrlässige Handlungen in diesem Bereich können nur als Verstöße gegen das aPR bzw. bei Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände gem. § 826 BGB deliktsrechtlich sanktioniert werden. 299 Im Ergebnis ebenso RGZ 91, 350, 356 (1917); RGZ 101, 335, 337 f. (1921); BGH LM § 812 BGB Nr. 6 (1951).
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sind ferner die subjektiven Voraussetzungen für vorbeugende Rechtsbehelfe gegen Kreditgefährdungen gem. § 824 BGB. Grundsätzlich lässt die Rechtsprechung eine objektiv unwahre Tatsachenbehauptung genügen, weil eine solche regelmäßig rechtswidrig sei300. Weiß der Betreffende im Zeitpunkt der Äußerung hingegen nichts von der Unwahrheit und besteht ein berechtigtes Interesse an der Mitteilung (Abs. 2), liegt noch keine objektiv rechtswidrige Handlung vor, gegen die Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gegeben sind. Erst wenn der Schädiger nach einer Information über die wahre Sachlage weiter an der unwahren Behauptung festhält, kann Unterlassung der Äußerung wegen drohender Erstbegehungsgefahr verlangt werden301. Besonders schwierig und umstritten ist die Formulierung eines vom Verschulden unabhängigen, objektiv-widerrechtlichen Eingriffs in den Rechtskreis einer Person im Hinblick auf vorsätzliche sittenwidrige Schädigungen gem. § 826 BGB. Gesichert ist nur, dass wie in allen übrigen Fällen ein Anspruch auf Unterlassung derartiger Handlungen einen erstmals oder wiederholt drohenden Verstoß voraussetzt302. Eine Auffassung betont insoweit die Bedeutung des Schädigungsvorsatzes als Rechtfertigung und Begrenzung des gesetzlichen Tatbestands und verlangt dieses subjektive Merkmal daher auch für den allgemeinen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch, weil sonst sogar fahrlässige Vermögensschädigungen sanktioniert und zugleich das Enumerationsprinzip aufgeweicht würden303. Die überwiegende Meinung verweist dagegen pragmatisch darauf, dass der Handelnde die relevanten Umstände jedenfalls durch die Abmahnung oder Klage erfahre, so dass alle subjektiven Merkmale gegeben und somit der in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch begründet sei304. Damit ist zwar 300 RGZ 61, 366, 370 f. (1905); RGZ 95, 339, 343 (1919) (dort auch zur Verteilung der Beweislast); RGZ 140, 392, 402 (1932); RG JW 1934, 408, 410; BGH LM § 812 BGB Nr. 6 (1951); BVerfG NJW 1999, 1322, 1324 (grundsätzlich trete in diesen Fällen die Meinungsfreiheit hinter das Persönlichkeitsrecht zurück); zur Darlegungs- und Beweislast Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 711 ff. 301 Insoweit bejahend RGZ 60, 6, 8 f. (1905). Wie hier RGZ 78, 210, 215 f. (1912); RGZ 101, 335, 340 ff. (1921); RGZ 163, 210, 216 (1940) (das Festhalten an der nach Information unwahren Behauptung sei eine nunmehr relevante Wiederholung, die den Unterlassungsanspruch rechtfertige); BVerfG NJW 1999, 1322, 1324 m.w.N.; Baur, AcP 160 (1961), 465, 481 (es komme darauf an, ob das Verhalten nach der Veränderung der äußeren Rahmenbedingungen fortwirke oder neuerlich drohe). 302 Das dürfte RG GRUR 1939, 397, 404 mit der Aussage gemeint haben, der „gegenständliche“ Tatbestand der quasinegatorischen Klage sei mit Blick auf § 826 BGB nicht vom „persönlichen“ Anwendungsbereich zu trennen, so dass die Tatbestandsmerkmale der quasinegatorischen Unterlassungsklage mit der Erörterung der Schadensersatzansprüche zusammenfielen. 303 Jedenfalls im Ergebnis RGZ 48, 114, 128 (1901) (es liege Schädigungsvorsatz vor); RG JW 1913, 202, 203; wohl auch RG GRUR 1939, 397, 404 (eine abwehrende Unterlassungsklage sei nicht anders als aufgrund des erfüllten Tatbestands der unerlaubten Handlung in der Vergangenheit denkbar); offengelassen von OLG Saarbrücken NJW-RR 1987, 500, 501; ausdrücklich Flad, IherJb 70 (1921), 336, 376; Timm, Unterlassungsklage, 53; wohl auch Hager, in: Staudinger, vor §§ 823 ff. BGB Rn. 63; Steffen, in: RGRK, vor § 823 BGB Rn. 122 (die von § 826 BGB geforderten subjektiven Voraussetzungen müssten vorliegen); Koziol, FS Canaris I, 631, 641 f. 304 RGZ 109, 272, 277 f. (1924) (mala fides superveniens, dolus subsequens); Deutsch, JZ 1963, 385, 390; Canaris, JBl 1991, 205, 216; Hönn, in: Soergel, § 826 BGB Rn. 92; Oechsler, in: Staudin-
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eine praktische Lösung für eine bestimmte Sachverhaltskonstellation beschrieben, das grundsätzliche Problem aber nicht gelöst305. Abgesehen davon, dass eine nachträgliche Information dem Handelnden lediglich die Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände verschafft, nicht jedoch den ggf. fehlenden Schädigungsvorsatz herbeiführt, verkennt die pragmatische Sicht die abzulehnende Rückwirkung ihrer Konstruktion: Weder kann die vom Geschädigten ausgehende Information der in der Vergangenheit liegenden Handlung des Schädigers nachträglich die für eine sittenwidrige Schädigung erforderlichen subjektiven Merkmale hinzufügen306 noch die Befürchtung erwecken, der Schädiger werde daraufhin sein ursprünglich gutgläubiges oder nicht auf Schädigung ausgerichtetes Handeln fortsetzen. Vielmehr ist ein Anspruch auf Unterlassung sittenwidriger Schädigungen in diesem Fall nur gegeben, wenn für die Zeit nach der Information die Gefahr erstmaliger Begehung gesondert dargelegt wird307. Die Abmahnung eines Gutgläubigen ist dagegen noch nicht „berechtigt“, so dass der Geschädigte keinen Kostenersatz auf der Grundlage einer Geschäftsführung ohne Auftrag verlangen kann308. Demnach ist für einen Anspruch auf Unterlassung künftiger sittenwidriger Schädigungen wie folgt zu differenzieren: Die Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände ist als Element der Sittenwidrigkeit stets erforderlich309, das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit hingegen wie für den Schadensersatzanspruch durchweg irrelevant310. Für den Abwehranspruch kann ferner auf den Schädigungsvorsatz grundsätzlich verzichtet werden, weil sittenwidrige Handlungen im Allgemeinen und unabhängig davon verhindert werden sollen,
ger,305§ 826 BGB Rn. 94, 123 (wenn nach dem Schutzzweck der Norm für den Schuldner eine Pflicht zum Tätigwerden bestehe); in diesem Sinne für den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch gem. §§ 3, 8 UWG auch Gegenäußerung Bundesregierung, BT-Drucks. 15/1487, 40 (Unabhängig davon, ob für den Begriff der Unlauterkeit erforderlich sei, dass der Wettbewerber Kenntnis von den die Unlauterkeit begründenden Tatumständen habe, erfahre der Zuwiderhandelnde diese Umstände spätestens mit dem Zugang der Abmahnung. Setze er daraufhin sein Verhalten fort, so sei der Unterlassungsanspruch in jedem Falle gegeben.). 305 Davon scheint auch die Gegenäußerung Bundesregierung, BT-Drucks. 15/1487, 40, auszugehen, die dieses Argument nur vorbringt, um die geringe praktische Relevanz der Frage zu bestätigen, die dogmatische Klärung aber der Rechtsprechung überlässt. 306 Siehe Baur, AcP 160 (1961), 465, 481; skeptisch auch Oechsler, in: Staudinger, § 826 BGB Rn. 94 (unter besonders strengen Voraussetzung unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der verletzten Norm seien doch Ausnahmen zulässig). 307 In diesem Sinne BGH NJW 1987, 2225, 2227. 308 Siehe demgemäß für die Pflicht zur Erstattung von Abmahnkosten im UWG, die eine Störereigenschaft im Zeitpunkt der Abmahnung voraussetze Köhler, WRP 1997, 897, 902; Spindler/ Volkmann, WRP 2003, 1, 14; Lehment, GRUR 2005, 210, 213. 309 So wohl auch BGHZ 8, 387, 393 (1953); Oechsler, in: Staudinger, § 826 BGB Rn. 123. Zur entsprechenden Rechtslage im UWG 1909 BGHZ 117, 115, 118 (1992) (Sittenwidrigkeit gem. § 1 UWG 1909 ab nachträglicher Kenntnisnahme von den Tatumständen); zum UWG 2004 unten § 7 B I, C. 310 A.A. RGZ 91, 350, 359 (1917); RGZ 148, 114, 122 f. (1935) (der Beseitigungsanspruch wirke in die Vergangenheit und diene der Wiederherstellung).
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ob der Handelnde auch noch den daraus ggf. erwachsenden Schaden wollte311. Nur wenn sich der Sittenwidrigkeitsvorwurf allein auf die feindselige Gesinnung des Schuldners stützt, setzt der Unterlassungsanspruch den Nachweis des Schädigungsvorsatzes voraus. Denn in dieser Sonderkonstellation wird die unerlaubte Handlung und zugleich der geschützte Rechtskreis nur über dieses Element beschrieben312. Sind diese Voraussetzungen gegeben, sollte nach früherer Rechtsprechung auf Unterlassung und Beseitigung nicht nur jeder Täter und Teilnehmer gem. § 830 BGB haften, sondern entsprechend der Rechtslage bei der Verletzung von Ausschließlichkeitsrechten auch der sog. Störer313, also derjenige, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Handlung aktiv mitwirkt oder eine rechtliche Möglichkeit zu ihrer Verhinderung unterlässt314. Diese Störerhaftung erlangte vor allen Dingen im Lauterkeitsrecht, für die Haftung von Redakteuren und Verlegern wegen Verletzungen des aPR und für das Recht am Gewerbebetrieb Bedeutung315. Allerdings werden in der Rechtsprechung zunehmend Zweifel laut, ob an dieser weitgehenden Verantwortlichkeit festgehalten werden kann. Dabei wird nicht nur – insoweit noch parallel zur Rechtslage bei Ausschließlichkeitsrechten316 – die Verletzung von zumutbaren Prüfungspflichten verlangt317, sondern es kommen grundsätzliche dogmatische Bedenken zur Sprache. Denn die Störerhaftung habe „ihre Grundlage nicht im Deliktsrecht, sondern in der Regelung über die Besitz- und Eigentumsstörung in § 862 und § 1004 BGB“318. Folglich könnten diese Grundsätze beim rechtswidrigen Eingriff in andere „absolute Rechte“319 uneingeschränkt zur Anwendung gelangen. Handele es sich hingegen um „Fälle des Verhaltensunrechts, in denen keine Verletzung eines absoluten Rechts in Rede steht“320, formuliert 311 312
RGZ 140, 392, 396 (1932). Siehe z.B. RG Recht 1919 Nr. 2116; im Ergebnis wie hier Eltzbacher, Unterlassungsklage,
121. 313
Übersicht bei Fritzsche, Unterlassungsanspruch, 421 ff. Zum UWG Wiegand, Passivlegitimation, 51 ff.; Köhler, WRP 1997, 897 ff.; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, Kap. 14 Rn. 4 ff. m.w.N. Zum UWG 2004 in diesem Sinne Mees, Mitt. 2004, 534, 543. 314 BGH GRUR 2003, 969, 970 m.w.N.; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, Kap. 14 Rn. 4 m.w.N. 315 Siehe z.B. BGHZ 3, 270, 275 f. (1951) – Constanze I; BGHZ 14, 163, 173 f. (1954) – Constanze II; OLG Saarbrücken NJW-RR 1987, 500, 501; weiterhin in diesem Sinne LG Berlin MMR 2005, 324, 325. 316 Siehe zur immaterialgüterrechtlichen Störerhaftung BGHZ 148, 13, 17 ff. (2001) m.w.N.; BGHZ 158, 236, 251 (2004). 317 Siehe BGH GRUR 1997, 313, 316 m.w.N. aus dem Bereich des UWG und der presserechtlichen Haftung wegen Verletzung des aPR; BGH GRUR 2003, 969, 970 f.; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, Kap. 14 Rn. 4 ff.; Spindler/Volkmann, WRP 2003, 1, 4 ff., jeweils m.w.N. 318 BGH GRUR 2002, 618, 619; OLG Frankfurt MMR 2005, 241, 243; OLG Hamburg GRUR-RR 2005, 209, 213 („dogmatische Grundlage“). 319 Zur Unklarheit dieses Begriffs gerade in diesem Zusammenhang bereits oben § 1 A IV. 320 BGHZ 158, 236, 251 (2004) (markenrechtlicher Störerbegriff); BGH GRUR 2006, 957 f. m.w.N; OLG Brandenburg NJW-RR 2006, 1193, 1194 f.
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der Bundesgerichtshof eine „gewisse Zurückhaltung gegenüber dem Institut der Störerhaftung“ und erwägt, die Passivlegitimation für den Unterlassungsanspruch allein nach den deliktsrechtlichen Kategorien der Täterschaft und Teilnahme zu begründen321. Für diese Tendenzen wird insbesondere angeführt, der Unterlassungsanspruch sei dem Schadensersatz vorgelagert, so dass eine weitergehende Verantwortlichkeit nicht gerechtfertigt sei322. 2. Bewertung Auch wenn Unterlassung und Beseitigung nicht dem Ausgleich vergangener Schäden dienen, sondern genuin zukunftsgerichtet sind, zeigen die Tatbestandsvoraussetzungen des allgemeinen Abwehranspruchs doch eine ausgesprochene Nähe zum Recht der unerlaubten Handlung. So werden die gegen objektiv widerrechtliche Eingriffe geschützten Rechtskreise anhand der Vorgaben der §§ 823 ff. BGB bestimmt. Dass dabei von subjektiven Tatbestandsmerkmalen weitgehend abgesehen werden kann, steht dieser Einordnung nicht entgegen. Denn der Wegfall des Verschuldenserfordernisses korrespondiert mit den eingeschränkten Rechtsfolgen, die den Vermögensstand des Schuldners unberührt lassen, so dass die Handlungsfreiheit potentieller Schädiger nicht über Gebühr mit Haftungsrisiken belastet wird323. Außerdem kommt darin der Rechtsgedanke des allgemeinen Abwehranspruchs zum Tragen, wonach frühere Schuldlosigkeit kein Freibrief für künftiges rechtswidriges Handeln sein darf (dazu sogleich). Die hier vertretene Auffassung kommt in der jüngeren Rechtsprechung zur Störerhaftung zum Ausdruck, die zwischen der Verletzung „absoluter Rechte“ und bloßem „Verhaltensunrecht“ unterscheidet und die Passivlegitimation für Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche im letztgenannten Bereich nach dem Recht
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BGHZ 158, 236, 251 (2004) (Störerhaftung im Markenrecht); ebenso KG ZUM-RD 2005, 127, 128 (Störerhaftung im Urheberrecht); BGH GRUR 2005, 1059, 1060 (für die Passivlegitimation bedürfe es nicht des Rückgriffs auf die Störerhaftung, weil die Beklagten täterschaftlich den Verstoß gegen das UWG begangen hätten); für Anwendung der Störerhaftung bei Verletzung von Prüfungspflichten auch im UWG LG Bonn WRP 2005, 640, 641. Offengelassen von BGH GRUR 2003, 969, 970 m.w.N.; BGHZ 155, 189, 194 (2003). In der Literatur werden unterschiedliche Alternativen für die Passivlegitimation für den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch diskutiert (siehe auch Fritzsche, Unterlassungsanspruch, 440 ff. m.w.N.): Störerhaftung nur bei eigener Wettbewerbsabsicht des Inanspruchgenommenen (Wiegand, Passivlegitimation, 101, 129 f.); Beschränkung auf die Teilnehmerhaftung gem. § 830 BGB (Köhler, WRP 1997, 897, 898 ff.; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, Kap. 14 Rn. 10c f.); Beschränkung auf die Personen gem. § 8 Abs. 2 UWG (Schünemann, WRP 1998, 120, 123 f. zu § 13 Abs. 4 UWG 1909). 322 BGHZ 155, 189, 195 (2003). 323 RGZ 61, 366, 371 (1905); im Ergebnis auch Eltzbacher, Unterlassungsklage, 176; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 113. In diesem Zusammenhang ist die Aussage des Reichsgerichts in RGZ 60, 6, 7 (1905), zu verstehen, wonach der Unterlassungsanspruch nicht auf das Gebiet der unerlaubten Handlungen beschränkt sei, sondern bei jedem objektiv widerrechtlichen Eingriff in ein Recht oder Rechtsgut gegeben sei.
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der unerlaubten Handlung bestimmt324. Endlich entspricht die Qualifikation des allgemeinen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs als ergänzender Rechtsbehelf zu den §§ 823 ff. BGB seiner Beurteilung in anderen Zusammenhängen. So richtete sich die Verjährung konkreter Unterlassungsansprüche325 nach der besonderen dreijährigen Verjährung von Ansprüchen aus unerlaubter Handlung gem. § 852 BGB a.F.326, und im Internationalen Privatrecht kommt das Deliktsstatut zur Anwendung327. Insgesamt fehlen Anhaltspunkte dafür, dass die richterrechtliche Entwicklung eines allgemeinen Abwehranspruchs mehr ist als eine Ergänzung des insoweit lückenhaften 27. Titels des BGB. Ein spezieller Bezug auf die Güterzuordnung durch positiv-exklusive Befugnisse und den damit angesprochenen Interessenkonflikt lässt sich nicht nachweisen.
IV. Das verwirklichte Rechtsprinzip Dieses Zwischenergebnis lässt sich anhand des materialen Rechtsprinzips erhärten, das sich im allgemeinen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch durchsetzt. Denn die tragenden Erwägungen der Rechtsprechung sind nicht auf die exklusive Zuordnung von Gütern gerichtet, sondern knüpfen unmittelbar an die Funktion des Rechts der unerlaubten Handlung an, das wie gezeigt aus sich heraus keine güterzuordnungsrelevante Kraft entfaltet. Kaum aussagekräftig ist insoweit freilich der bloße Hinweis auf eine möglichst wirksame Rechtsverfolgung, weil gerade offen bleibt, warum so umfassend wie möglich zu sanktionieren ist328. Erklärungsgehalt weist demgegenüber das ur324 Kritisch zu diesem Ansatz als Schema zur Bestimmung der Passivlegitimation für Abwehransprüche oben § 1 A IV. Richtigerweise bestimmt sich der Anwendungsbereich der Störerhaftung danach, ob der Beklagte zum Kreis derjenigen Personen zählt, an die sich die allgemeine, deliktsrechtliche Rechtspflicht richtet, und ob ihre Einhaltung zumutbar war, ob der Beklagte also ihn treffende, objektive Prüfungspflichten verletzt hat; in diesem Sinne Duvigneau, Entwicklung des Unterlassungsanspruchs, 130; Volkmann, Störer im Internet, 142; Spindler/Volkmann, WRP 2003, 1, 6 ff. (es gehe um die Etablierung von Verkehrspflichten parallel zum deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch); Ahrens, FS Canaris I, 3, 14 ff. 325 Zur Verjährbarkeit von in die Zukunft gerichteten Unterlassungspflichten Henckel, AcP 174 (1974), 97, 126; Fritzsche, Unterlassungsanspruch, 470 ff. (Unterscheidung zwischen der Verjährung des konkreten, an eine Handlung geknüpften Unterlassungsanspruchs und dem unverjährbaren gesetzlichen Verbot bzw. primären Recht). 326 Siehe zum früheren Verjährungsrecht, das zwischen der deliktsrechtlichen (§ 852 BGB a.F.) und der dreißigjährigen Regelverjährung unterschied, Rosenthal, Unterlassungsklage, 68; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 1013; Leonhard, Besonderes Schuldrecht, 645; Hohloch, Negatorische Ansprüche, 201 f.; zurückhaltend Bassenge, in: Palandt, § 1004 BGB Rn. 45 a.E. (Herkunft des Instituts aus dem Deliktsrecht werde überbewertet); differenzierend Fritzsche, Unterlassungsanspruch, 487 f.; für verschuldensunabhängige deliktische Ansprüche allgemein RGZ 70, 150, 157 (1908). 327 BGHZ 138, 311, 316 f. (1998) (zu Art. 38 EGBGB a.F.). 328 RGZ 25, 347 f. (1890); RGZ 48, 114, 120 (1901); RGZ 60, 6, 7 (1905); RGZ 116, 151, 154 f. (1927) („Gebot der Gerechtigkeit“); RGZ 151, 159, 166 (1936) (die Unterlassungsklage diene ei-
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sprünglich im Vordergrund stehende schadensersatzrechtliche Verständnis des allgemeinen Abwehranspruchs auf. Die Vertreter dieser Auffassung gingen davon aus, dass die Anordnung der Schadensersatzpflicht zwar nicht wörtlich, aber der Sache nach zugleich den Ausdruck eines Unterlassungsgebots enthalte. Wenn das Gesetz eine Ausgleichspflicht auferlege, müsse es auch dem Verlangen nach Unterlassung künftiger Schädigungen nachkommen329, denn jener Anspruch sei in der Schadensersatzpflicht „begrifflich“ enthalten330. Auf dieser Grundlage ließ sich zumindest dann argumentieren, wenn die Fortsetzung oder Vollendung einer bereits verübten oder zumindest begonnenen Schädigung begehrt wurde331. Für die vorbeugende Unterlassung künftiger schädigender Handlungen greift der schadensrechtliche Ansatz jedoch zu kurz, weil noch nicht einmal eine potentiell vermögensschädigende Ursache gesetzt ist. Folglich wurde ergänzend darauf hingewiesen, die Rechtsordnung setze sich mit sich selbst in Widerspruch, wenn sehenden Auges eine schädigende Handlung erst abgewartet und nachträglich ausgeglichen werden müsse, statt diese ex ante zu verhindern, auch wenn zunächst nur objektiv widerrechtliches Verhalten betroffen sein mag. Kurz: „Schadensverhütung ist besser als Schadensvergütung.“332. Dieser Gedanke wird durch
329 nem dringenden Rechtsschutzbedürfnis); BGHZ 14, 163, 173 (1954) – Constanze II.; Baur, AcP 160 (1961), 465, 466; Fritzsche, in: Bamberger/Roth, § 1004 BGB Rn. 2; Medicus, in: MünchKomm, § 1004 BGB Rn. 6. 329 RGZ 48, 114, 118, 120 (1901). Zur entsprechenden Argumentation der Gerichte zum ALR und zum sächsischen Gesetzbuch 1863 Eltzbacher, Unterlassungsklage, 43, 63. Der Sache nach ebenso für das BGB Eltzbacher, a.a.O., 121. 330 Lehmann, Unterlassungspflicht, 10; Flad, IherJb 70 (1921), 336, 364. 331 RGZ 48, 114, 118 f. (1901) m.w.N.; RGZ 56, 271, 286 (1902); RGZ 60, 6, 7 f. (1905); RGZ 115, 416, 417 f. (1927); BAG NJW 1999, 3281, 3284 (Unterlassungsanspruch zur Abwehr aller nach § 823 BGB geschützten Rechte, Lebensgüter und Interessen); Kohler, Bürgerliches Recht II 1, 534 (Unterlassungs- als Schadensersatzanspruch); Canaris, JBl 1991, 205, 216; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 499; Schiemann, in: Erman, vor § 823 BGB Rn. 20 (der Gläubiger brauche nicht zu warten, bis es zu einem Schaden gekommen ist); zum Beseitigungsanspruch OLG Hamburg AfP 1971, 35 f.; offenbar auch Hubmann, Urheber- und Verlagsrecht, 323. 332 RGZ 88, 129, 132 (1915) (Abwehr künftigen unerlaubten Handelns); RGZ 91, 350, 354 (1917) (Verhütung schadensstiftender Handlungen); RGZ 95, 339, 341 (1919); RGZ 116, 151, 155 (1927) (Schutz gegen Fortsetzung widerrechtlicher Eingriffe ohne Rücksicht auf das Verschulden); Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 704; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 499 („Verhüten ist … besser als heilen.“); Lehmann, Unterlassungspflicht, 7; Timm, Unterlassungsklage, 51; Heck, Schuldrecht, 446 (Rechtsgüter, die durch allgemeine Vorschriften geschützt seien, verdienten denselben Schutz wie in den normierten Fällen der Abwehransprüche); Duvigneau, Entwicklung des Unterlassungsanspruchs, 126 f.; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 1008; Hager, in: Staudinger, vor §§ 823 ff. BGB Rn. 63; v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht I, Rn. 1 mit Fn. 3; Flad, IherJb 70 (1921), 336, 338; rechtsvergleichend Kötz, AcP 174 (1974), 145, 158 ff. (zum französischen und englischen Recht, die beide das Ergebnis des deutschen Rechts im teilweise vom Verschulden unabhängigen Deliktsrecht erreichten); Hohloch, Negatorische Ansprüche, 122 f. (zum schweizerischen und französischen Recht). Nur dieser Präventionszweck erklärt, weshalb es eine Diskussion darüber gab, ob für den allgemeinen Abwehranspruch das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, weil eine Strafverfolgung möglich ist; siehe dazu RGZ 88, 129, 130 ff. (1915) (Rechtsschutzbedürfnis für Zivilklage verneinend); RGZ 91,
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den Anspruch auf Unterlassung erstmaliger Verletzungen nicht abgewandelt, sondern in besonders prägnanter Weise verwirklicht, indem bereits die erste, möglicherweise schadensstiftende Überschreitung von Rechtskreisen verhindert wird333. Der verschuldensunabhängige Beseitigungsanspruch knüpft an diese präventionsorientierten Erwägungen an. Wenn nämlich die Unterlassung andauernder oder drohender Beeinträchtigungen gefordert werden könne, sei es nur folgerichtig und demselben Gerechtigkeitsgebot folgend, dass des Weiteren die Pflicht zur aktiven Beseitigung gegenwärtiger Störungen auszusprechen sei334. Außerdem lasse die Rechtsordnung gegen widerrechtliches Handeln sogar private Gewalt zu (§ 229 BGB); dann müssten die entsprechenden Absichten erst recht auf gerichtlichem Wege verfolgt werden können335. Dass dafür ein Verschulden nicht verlangt werde, bedeute keinen moralischen Vorwurf gegenüber dem Schuldner und nehme auf die Beweisschwierigkeiten des Betroffenen Rücksicht336. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der allgemeine Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch die verhaltenssteuernde, präventive Abwehr widerrechtlicher Handlungen bezweckt. Was widerrechtlich ist, ergibt sich aus den §§ 823 ff. BGB. Weil das Recht der unerlaubten Handlung unterschiedlich strukturierte Rechtskreise abgrenzt, kommt es für den hieran formal und wertungsmäßig anknüpfenden allgemeinen Abwehranspruch ebenfalls nicht darauf an, ob ein Ausschließlichkeitsrecht oder ein sonst gesetzlich geschütztes Interesse widerrechtlich verletzt wird337. Der maßgebliche Präventionsgedanke ist für beide Bereiche gültig.
333 350, 354 ff. (1917); RGZ 151, 159, 166 f. m.w.N. (1936) (offengelassen); RGZ 116, 151, 152 ff. (1927) (Rechtsschutzbedürfnis bejahend); Flad, IherJb 70 (1921), 336, 369 ff.; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 1010. 333 Siehe RGZ 101, 335, 339 f. (1921) (unter Verweis auf die Entscheidung RGZ 48, 114 ff. (1901), die ebenfalls bereits der Abwehr eines erst noch drohenden, erstmaligen Verstoßes diente); Heinze, Rechtsnachfolge in Unterlassen, 20; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 705; Fritzsche, Unterlassungsanspruch, 121 f.; Baur, JZ 1966, 381; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 99. Entsprechend in Bezug auf den direkten Anwendungsbereich des § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB OLG Zweibrücken NJW 1992, 1242. 334 Zuerst wohl RGZ 56, 271, 286 (1902) (Rücknahme kreditschädigender Äußerungen); RGZ 60, 12, 19 f. (1905); im Einzelfall mangels andauernder, für die Zukunft zu beseitigender Störung verneinend RGZ 95, 339, 341 (1919); RG MuW 1931, 276, 278; RGZ 148, 114, 122 f. (1935) (der quasinegatorische Beseitigungsanspruch folge denselben Gerechtigkeitserwägungen wie der Unterlassungsanspruch); siehe ferner Ulmer, ZAkDR 1936, 535, 536; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 1011 f.; Mühl, in: Soergel, § 1004 BGB Rn. 286. 335 Münzberg, JZ 1967, 689; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 675 (in der Rechtswidrigkeit des Handelns liege ein überzeugender Gerechtigkeitsgrund). 336 OGH brit. Zone NJW 1949, 24; BGHZ (GS) 34, 99, 103 (1960). 337 Flad, IherJb 70 (1921), 336, 359 f.; Baur, JZ 1966, 381, 383; allgemein für den vorbeugenden Rechtsschutz Henckel, AcP 174 (1974), 97, 104 (der vorbeugende Rechtsschutz sei unabhängig von der Ausgestaltung der schutzwürdigen Rechtssphäre), 120 (es genüge ein Handlungsverbot, das der Sicherung eines schutzwürdigen Interesses diene).
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V. Folgerungen für die dogmatische Einordnung des allgemeinen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs Sowohl die Tatbestandsvoraussetzungen als auch der hinter dem allgemeinen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch stehende Rechtsgedanke sprechen mithin dafür, diese Rechtsentwicklung dogmatisch mit dem Recht der unerlaubten Handlung in Zusammenhang zu bringen. Anfänglich war gegen diese Einordnung vorgebracht worden, dass die Abwehransprüche eine qualitativ andere Rechtsfolge als der Schadensersatz gem. §§ 823 ff., 249 ff. BGB darstellten und daher nur auf schadensrechtlicher Grundlage oder gem. der ausdrücklichen Normierungen im BGB gewährt werden dürften338, so dass konsequent die Verletzung eines „absoluten Rechts“ an bestimmten Rechtsgütern für erforderlich gehalten wurde339. Über diese Bedenken, die ohnehin nicht gegen das Ergebnis der Rechtsentwicklung gerichtet waren340, ging die Praxis jedoch schnell hinweg341. Zwar hatte sich der VI. Senat während einer kurzen Phase in missverständlichen Ausführungen auf den Schutz „besonderer Rechtsgüter“ wie das Fortkommen und den Kredit bezogen, denen das BGB z.B. in § 824 BGB Schutz gewähre342. Das aber entsprach nicht dem Ansatz der 1901 ergangenen Leitentscheidung, die einen Vergleich zum Sonderdeliktsrecht des § 1 UWG a.F. gezogen hatte343. Auch in der gesamten Folgezeit hob die Rechtsprechung die Verwandtschaft mit dem Recht der unerlaubten Handlung ausdrücklich hervor344. Diese zutreffende Auf338 V. Tuhr, AT I, 154; Lehmann, Unterlassungspflicht, 228 f.; Fraenkel, Schutz der Ehre, 104 f.; Stephan, Unterlassungsklage, 146 ff.; Eltzbacher, Unterlassungsklage, 84 (bei nicht fälligen Ansprüchen sei eine ausdrückliche Regelung erforderlich); Brose, Unterlassungsklage, 61; Leonhard, Besonderes Schuldrecht, 640 ff.; Oertmann, DJZ 1904, 616, 621. Zur allgemein abgelehnten Begründung des Unterlassungsanspruchs aus § 259 ZPO siehe Eltzbacher, Unterlassungsklage, 85 ff.; Stephan, Unterlassungsklage, 139; Brose, Unterlassungsklage, 75; Flad, IherJb 70 (1921), 336, 348 ff. 339 Nachweise unten § 14 A II. 340 Siehe Eltzbacher, Unterlassungsklage, 130 (Ergebnisse der Rechtsprechung auf anderer dogmatischer Basis); Stephan, Unterlassungsklage, 154 (wünschenswertes Ergebnis der Rechtsprechung); Lehmann, Unterlassungspflicht, 226 (das von der Rechtsprechung verfolgte Prinzip sei sicher nicht zu leugnen); Timm, Unterlassungsklage, 12 (die Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes sei nicht nur ein Gebot der Gerechtigkeit, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen richtig); Duvigneau, Entwicklung des Unterlassungsanspruchs, 1 f.; Hohloch, Negatorische Ansprüche, 52. Schon frühzeitig wurde deshalb um eine gewohnheitsrechtliche Anerkennung der Rechtsprechung gestritten. Bejahend Brose, Unterlassungsklage, 76 ff.; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 1010; verneinend Leonhard, Besonderes Schuldrecht, 642; Timm, Unterlassungsklage, 29. 341 Siehe Reichsgerichtsrat Flad, IherJb 70 (1921), 336, 348 (ohne erkennbaren Einfluss auf die Rechtsprechung); Geipel, Unterlassungsklage, 11 (die Praxis habe sich durch die vielfältigen Literaturstimmen nicht beirren lassen); Hohloch, Negatorische Ansprüche, 45. 342 RGZ 60, 6, 7 (1905); RGZ 61, 366, 369 (1905). 343 RGZ 48, 114, 119 f. (1901). 344 Siehe RG JW 1899, 749, 750 (es genüge der objektive Eingriff in den Rechtskreis eines anderen und der Mangel einer Rechtfertigung); RGZ 88, 129, 132 (1915) (Klagegrund von Unterlassungs- und Schadensersatzbegehren sei „derselbe, nämlich die unerlaubte Handlung des Beklagten. Beide Ansprüche leiten sich aus ihr ab. Sie sind aber ihrem Wesen nach verschieden. Der Unter-
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fassung wird namentlich von denjenigen geteilt, die schon die negatorischen Ansprüche aus § 1004 BGB deliktsrechtlich qualifizieren345. Folgerichtig kommt es auf eine bestimmte formale Qualifikation der verletzten Rechtsposition als subjektives „absolutes“ Recht nicht an346. Entgegen der insoweit missverständlichen Berufung auf eine entsprechende Anwendung des § 1004 BGB basiert der allgemeine Abwehranspruch demnach nicht auf einer Analogie zu jener oder anderer Normierungen des Unterlassungsund Beseitigungsanspruchs, sondern stellt eine Rechtsfortbildung in Umsetzung eines im Gesetz vielfach verwirklichten allgemeinen Rechtsprinzips dar, wonach die vorbeugende Verhinderung rechtswidriger Handlungen durch die Rechtsordnung möglich sein muss, damit der Betroffene nicht sehenden Auges einen vom Recht missbilligten Schaden hinzunehmen hat, den er erst nachträglich und unter Belastung mit dem Insolvenzrisiko auszugleichen vermag347. Mit der Beschränkung auf tatbestandsmäßige und widerrechtliche Handlungen gem. der 345 lassungsanspruch bezielt die Abwehr künftigen unerlaubten Handelns, der Schadensersatzanspruch Erstattung des wenn auch erst künftig entstehenden Schadens aus dem vergangenen abgeschlossenen Handeln.“); RGZ 101, 335, 339 (1921) (vorbeugende Unterlassungsklage auf dem Gebiete der unerlaubten Handlung in Nachbildung der Rechtsprechung zu § 1004 BGB unter Absehung vom Verschulden); RGZ 116, 151, 154 (1927) (die quasinegatorische Unterlassungsklage trete „ergänzend neben die gesetzliche Regelung der Schadensersatzpflicht bei unerlaubten Handlungen“); RGZ 151, 159, 165 (1936) (Herleitung der vorbeugenden Unterlassungsklage aus der Gefahr einer unerlaubten Handlung); RGZ 156, 372, 374 f. (1937) (weil und soweit die Ehre gem. §§ 823 Abs. 2, 824, 826 BGB geschützt sei, könne sie auch Gegenstand der vorbeugenden Unterlassungsklage sein); BGHZ 14, 163, 173 (1954) – Constanze II (auch als eigenständiger Anspruch handele es sich um eine dem Deliktsrecht nahestehende Beseitigung des rechtswidrigen Zustands); BGHZ (GS) 34, 99, 108 (1960) (zur Parallele von Schadensersatz- und Widerrufsanspruch gegen Beamte gem. §§ 839, 1004 BGB); BGH NJW 1998, 2058, 2059 f. (alle „deliktsrechtlich“ geschützten Rechtsgüter); BGHZ (GS) 164, 1, 9 (2005) (Unterlassungsanspruch bei Eingriff in das Recht am Gewerbebetrieb als „deliktsrechtliche[r] Schutz“). Aus der Literatur Jakobsohn, Unterlassungsklage, 108 (die Unterlassungsklage sei ein Analogon zur Deliktsklage); Brose, Unterlassungsklage, 60; Fritzsche, Unterlassungsanspruch, 127; Zeuner, FS Dölle II, 295, 309; Wagner, in: MünchKomm, vor § 823 BGB Rn. 74; Medicus, in: MünchKomm, § 1004 BGB Rn. 6, 10; Kübler, AcP 172 (1972), 177, 180; v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht I, Rn. 1 mit Fn. 3; ders., Gutachten, 1681, 1723 m.w.N.; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 501. 345 So das Konzept von Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 673 f.; Hohloch, Negatorische Ansprüche, 147 (negatorischer Rechtsschutz kein Kennzeichen der absoluten Rechte). 346 Siehe bereits RGZ 48, 114, 120 f. (1901) (qualifiziere man den Gewerbebetrieb als subjektives Recht, ergebe sich die quasinegatorische Klage aus der absoluten Natur dieses Rechts); BGH LM § 1004 BGB Nr. 132 (1973) (der allgemeine Unterlassungsanspruch sei nicht auf bestimmte Rechtsgüter beschränkt); Flad, IherJb 70 (1921), 336, 359 f.; Stephan, Unterlassungsklage, 97; Duvigneau, Entwicklung des Unterlassungsanspruchs, 130 ff.; Schiemann, in: Erman, vor § 823 BGB Rn. 21; Gursky, in: Staudinger, § 1004 BGB Rn. 16; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 1013; Spindler/Volkmann, WRP 2003, 1, 7 (mit einer Parallele zwischen dem Umfang der Störerhaftung und schadensersatzrechtlichen Verkehrspflichten). Anders Baur, JZ 1966, 381 (die Anerkennung eines geschützten Rechtsguts müsse sich nicht aus dem Deliktsrecht ergeben, sondern könne sich in der gesamten Rechtsordnung finden). 347 RGZ 72, 251, 254 (1909) („allgemeine[n] Rechtsgrundsätze“); Flad, IherJb 70 (1921), 336, 366 (Gerechtigkeit und das praktische Bedürfnis); Ahrens, FS Canaris I, 3, 5.
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§§ 823 ff. BGB werden die hierfür maßgeblichen Wertungen dem Gesetz entnommen und zugleich eine Aushebelung des Enumerationsprinzips als dem Ausgangspunkt deliktsrechtlichen Denkens vermieden. Dem allgemeinen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch für alle objektiv rechtswidrigen Eingriffe in geschützte Rechtskreise fehlt daher keineswegs die erforderliche Verankerung im geschriebenen Recht348. Um diese Auffassung terminologisch deutlich zu machen, wird hier bewusst nicht von „quasinegatorischen“ Ansprüchen gesprochen, womit nichts anderes als die Unklarheit über die Herkunft und Einordnung dieses Rechtsbehelfs zum Ausdruck kommt349. Gegen diese Begrifflichkeit spricht nicht nur, dass die römische actio negatoria nur die Unterlassung, nicht aber die Beseitigung umfasste350, und heute materielle Ansprüche und nicht Klagearten in Rede stehen351. Wichtiger noch als diese rechtshistorischen Aspekte ist die Einsicht, dass der allgemeine Abwehranspruch strukturell und teleologisch gerade nicht an die sekundären Rechte zur Verwirklichung des Sacheigentums oder anderer Ausschließlichkeitsrechte anknüpft, sondern ein Rechtsbehelf ist, der die Schadensersatzansprüche der §§ 823 ff. BGB ergänzt. Der Verweis auf § 1004 BGB dient der Rechtsprechung dabei lediglich als Anknüpfungspunkt für die begehrte Rechtsfolge und den Verzicht auf das Verschulden352. Nur hierauf bezog sich die irreführende Formulierung des Reichsgerichts, der allgemeine Unterlassungsanspruch sei „nicht auf das Gebiet der unerlaubten Handlungen“ beschränkt353. Daran ist
348 Anders noch Leonhard, Besonderes Schuldrecht, 644 f. Zu dieser Voraussetzung für allgemeine Rechtsprinzipien unten § 12 A, C. 349 Unklar denn auch Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 1013 (quasi-negatorischer Anspruch sei kein Deliktsrecht, aber doch beim Deliktsrecht darzustellen); Münzberg, JZ 1967, 689, 690 (es handele sich beim quasinegatorischen Anspruch um eine „Nachbildung des § 1004 BGB“, die sogleich als „quasideliktische Klage“ bezeichnet wird). 350 Siehe Jakobs/Schubert, Sachenrecht 1, 851 (in analoger Weise zur Vindikation müsse auch bei sonstigen, dem Eigentum widersprechenden Zuständen ein Anspruch auf Beseitigung des Zustands gegeben sein); Mot. III, 424 ff. Anders noch der Vorentwurf, siehe Johow, in: Schubert, Sachenrecht 1, 1137 (Ansprüche auf Hinwegräumung beschädigender Anlagen nur auf der Grundlage des Schadensersatzes als persönlicher Anspruch), 1141 (die Restitutionsverpflichtung sei eine Obligation). 351 Siehe zur inzwischen erledigten Kontroverse um die Frage, ob es sich um „Klagen“ oder – richtig – um materielle Ansprüche handelt Zeuner, FS Dölle II, 295, 301 ff. m.w.N.; Baur, JZ 1966, 381, 382; Duvigneau, Entwicklung des Unterlassungsanspruchs, 7 ff.; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 705; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 500; Fritzsche, Unterlassungsanspruch, 114 ff.; zur Terminologie wie hier Medicus, in: MünchKomm, § 1004 BGB Rn. 2 f.; Baur, JZ 1966, 381, 382. 352 Siehe RGZ 95, 339, 342 (1919) (Ausschaltung des Schuldmoments bei der vorbeugenden Unterlassungsklage, die der abwehrenden Eigentumsklage nachgebildet sei); RGZ 101, 335, 339 (1921); Lehmann, Unterlassungspflicht, 124; Brose, Unterlassungsklage, 60; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 501; Flad, IherJb 70 (1921), 336, 367. 353 Siehe RGZ 109, 272, 276 (1924) (zum Verzicht auf das Verschuldenserfordernis); RGZ 140, 392, 402 (1932) („Und zwar setzt dieser Anspruch keine unerlaubte Handlung, also kein Verschulden des Urhebers der Bedrohung voraus.“); dito RGZ 166, 150, 156 (1941); Flad, IherJb 70 (1921), 336, 367.
§ 6 Deliktsrecht des BGB
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richtig, dass im 27. Titel des BGB nur Schadensersatzansprüche vorgesehen sind, die sich hinsichtlich der Rechtsfolgen vom in die Zukunft gerichteten, verschuldensunabhängigen allgemeinen Abwehranspruch unterscheiden. Man sollte Letzteren daher in der Tat nicht als Anspruch aus „unerlaubter Handlung“ benennen. Wohl aber können beide Anspruchstypen unter den Oberbegriff der deliktsrechtlichen Rechtsbehelfe zusammengefasst werden, weil die anspruchsbewehrten Rechtskreise nach denselben Kriterien definiert werden354.
VI. Folgerungen für die Frage nach dem Rechtsprinzip der Güterzuordnung Die vorstehend zusammengetragenen Erkenntnisse zum allgemeinen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch und seine dogmatische Einordnung als deliktsrechtlicher Rechtsbehelf erlauben die Folgerung, dass diese Rechtsentwicklung bereits keinen besonderen Bezug zur Güterzuordnungsthematik aufweist. Jedenfalls fehlen Anhaltspunkte dafür, dass mit der rechtsfortbildenden Anerkennung der Abwehransprüche für jeden rechtswidrigen Eingriff in einen Rechtskreis ein Rechtsprinzip verwirklicht wurde, wonach individuelle Interessen an der exklusiven Nutzung und Vermarktung von Gütern mit negativen und positiven Befugnissen zu schützen sind. Erstens sind die entsprechenden Rechtsfolgen nicht nur als sekundäre Rechte zur Verwirklichung primärer Ausschließlichkeitsrechte normiert, sondern unter anderem in wettbewerbs- und arbeitsrechtlichen Kontexten ohne jede Güterzuordnungsrelevanz gesetzlich geregelt, so dass die Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung von Störungen ersichtlich kein den Ausschließlichkeitsrechten vorbehaltenes formales Merkmal darstellen. Zweitens zeigen der Anwendungsbereich und die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Rechtsbehelfe, dass nicht jede schädigende Handlung abgewehrt werden kann, sondern nur solche, die tat354 Ebenso RGZ 109, 272, 276 (1924); BGH NJW 1998, 2058, 2059 f. (alle „deliktsrechtlich“ geschützten Rechtsgüter); BGHZ (GS) 164, 1, 9 (2005) (Unterlassungsanspruch bei Eingriff in das Recht am Gewerbebetrieb als „deliktsrechtliche[r] Schutz“); Medicus, in: MünchKomm, § 1004 BGB Rn. 10 („deliktischer“ Unterlassungsanspruch); Duvigneau, Entwicklung des Unterlassungsanspruchs, 126 f.; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 113 (die fälschliche Annahme, die Erweiterung des vorbeugenden Rechtsschutzes habe zu einer Ausweitung der subjektiv absoluten Rechte geführt, sei auf die Abkopplung der quasinegatorischen Unterlassungsklage vom Deliktsrecht zurückzuführen). Unklar insbesondere die häufig – allerdings zu Unrecht, denn grundlegend ist die Entscheidung RGZ 48, 114 (1901) (siehe Stephan, Unterlassungsklage, 140; Flad, IherJb 70 (1921), 336, 360; Lobe, Fünfzig Jahre Reichsgericht, 266) – als Leitentscheidung genannte Entscheidung RGZ 60, 6 ff. (1905) (einerseits sei der Anspruch auf Unterlassung nicht auf das Gebiet der „unerlaubten Handlungen“ beschränkt, andererseits wird doch wieder auf einen objektiv widerrechtlichen Eingriff in die von § 824 BGB geschützten Rechtsgüter abgestellt). Diese unzutreffende Gleichsetzung von Deliktsrecht und Schadensersatzrecht (ebenso Hohloch, Negatorische Ansprüche, 155) wurde bereits in der Entscheidung RGZ 88, 129, 132 (1915) klarstellend korrigiert.
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
bestandsmäßig und rechtswidrig einen Rechtskreis verletzen, der anhand der Vorgaben der §§ 823 ff. BGB zu bestimmen ist. Aus dieser Anknüpfung an das Recht der unerlaubten Handlung folgt zunächst die Geltung des Enumerationsprinzips auch für den allgemeinen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch, der als Einschränkung der umfassenden Handlungsfreiheit des Schuldners begründungs- und rechtfertigungsbedürftig ist, also kein allgemeines Haftungs- bzw. Schutzprinzip verwirklicht. Ferner teilen diese Ansprüche den gerade nicht auf Güterzuordnung ausgerichteten allgemeinen Zweck des Rechts der unerlaubten Handlung, mit dem sie das Deliktsrecht bilden: Nach dem Motto, dass Schadensverhütung besser ist als Schadensvergütung, sichern sie die Rechtssphäre der Person präventiv gegen solche objektiv widerrechtlichen Handlungen, deren schädigende Wirkungen bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen für eine Ersatzpflicht (insbesondere Verschulden), ex post auszugleichen wären. Diese Rechtssphäre umfasst neben positiven Befugnissen zum exklusiven „Haben“ von Gütern auch nur negativ-abwehrend gesicherte Freiräume355, die mit gleichgeordneten Rechtskreisen anderer in einen Ausgleich zu bringen sind356. Wenn aber der allgemeine Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch nur Rechtskreise schützt, die auch von den §§ 823 ff. BGB sanktioniert bzw. etabliert werden, dann kommt in diesem Rechtsbehelf folglich keine weitergehende Zuordnungstendenz zum Tragen. Für das „sonstige Recht“ gem. § 823 Abs. 1 BGB und die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung konnte gezeigt werden, dass positive Zuordnungsentscheidungen nicht auf interne Wertungen dieser Vorschriften gestützt werden können, sondern dass hierfür normexterne Grundlagen heranzuziehen sind. Rechtsfortbildend anerkannte allgemeine Rechtspflichten – insbesondere in Gestalt der ungeschriebenen „sonstigen Rechte“ – dienen nicht dem exklusiven Schutz des Erworbenen, sondern der Sicherung gleichgeordneter Entfaltungsspielräume. Das gilt für Schadensersatzansprüche ebenso wie für die ergänzenden Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung357. Diese Zusammenhänge erklären, warum der deliktsrechtliche allgemeine Abwehranspruch nicht zur Monopolisierung eines Tätigkeitsbereichs wie der Durchführung von Alt355
RGZ 72, 251, 254 (1909) („… die allgemeinen Rechtsgrundsätze sprechen vielmehr für die Notwendigkeit, Rechtsschutz zu gewähren, wie zur Verfolgung eines Rechts, so auch zur Verteidigung gegen Unrecht“). 356 Siehe RGZ 97, 343, 346 f. (1920) (für den Anspruch auf Widerruf von Erklärungen als gegenseitiger Freiheitsverletzung); OLG Saarbrücken NJW-RR 1987, 500, 501 f. (auch ohne ausschließliches Recht auf die Durchführung von Altkleidersammlungen sei die allgemeine Handlungsfreiheit desjenigen, der eine solche Sammlung veranstalte und damit die allgemeine Handlungsfreiheit anderer einschränke, zumindest über §§ 826, 1004 BGB auch abwehrend geschützt); für die Abgrenzung der Rechtskreise von konkurrierenden Gewerkschaften BAG NJW 1969, 861, 863. 357 Münzberg, JZ 1967, 689, 692; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 114 (unselbständige Pflichten würden zu einklagbaren erhoben und damit ohne Anerkennung von absoluten Rechten die Grenzen der Handlungsfreiheit markiert), 139 (der Unterlassungsanspruch sei nur Schutzmittel für außerhalb seiner selbst liegende Rechtspositionen).
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kleidersammlungen instrumentalisiert werden kann, der dem Kläger nicht aufgrund anderer rechtlicher Regelungen vorbehalten ist. Die Gewährung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen kommt vielmehr nur im Rahmen des Rechts am Gewerbebetrieb oder des § 826 BGB im Einzelfall nach positiver Begründung der Rechts- bzw. Sittenwidrigkeit in Betracht358. Um die Anerkennung eines exklusiven „Gehörens“ geht es dann nicht.
E. Ergebnis In diesem Paragraphen ist das Deliktsrecht des BGB darauf überprüft worden, ob es eine Rechtsgrundlage für richterliche Zuordnungsentscheidungen im Hinblick auf „neue“ Güter abgibt. Zu diesem Zweck sind die in den kritischen Beispielsfällen verschiedentlich in Bezug genommenen §§ 823 Abs. 1, 826 BGB sowie der ebenfalls zum Deliktsrecht zählende allgemeine Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch auf ihre güterzuordnende Kraft untersucht worden. Anders als bei der Analyse der normierten Ausschließlichkeitsrechte richtete sich das Interesse nicht auf eine Anerkennung derartiger Rechtspositionen auf einen Schlag, sondern auf Rechtsgrundlagen für eine schrittweise Gewährung der dafür kennzeichnenden Wirkungen im Sinne eines Baukastensystems, hier der Ansprüche auf Schadensersatz, Unterlassung und Beseitigung. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass die auf Schadensersatz lautenden Rechtsgrundlagen die Rechtsprechung nicht zur Anerkennung von exklusiven, positiven Befugnissen an Gütern ermächtigen. Nichts anderes gilt für den rechtsfortbildend entwickelten allgemeinen Abwehranspruch, der lediglich die objektiven Rechtskreise gem. der §§ 823 ff. BGB präventiv bewehrt und damit nicht über die Aussagekraft jener Normen hinausreicht. Schadensersatzansprüche markieren allgemeine Verhaltenspflichten durch nachtatliche Ersatzpflichten; Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche verhindern etwaige Schäden ex ante. Werden diese Rechtskreise durch den Schutzbereich der Ausschließlichkeitsrechte gebildet, verwirklichen die deliktischen bzw. negatorischen Ansprüche jene primären subjektiven Rechte. In diesem Kontext steht das „sonstige Recht“ gem. § 823 Abs. 1 BGB. Hierbei handelt es sich um einen bloßen Verweis auf normextern aufzufindende, subjektiv-ausschließliche Rechte ohne eigenständige Aussagekraft für eine richterliche Entscheidung über deren Existenz. Soweit das Deliktsrecht die individuellen Rechtssphären aus sich heraus („intern“) generiert, dient dies dem Ausgleich gleichgeordneter Freiheiten und zu-
358 Siehe OLG Saarbrücken NJW-RR 1987, 500, 501 f. (kein Anspruch auf allgemeine Untersagung der Durchführung von Altkleidersammlungen, sondern nur Ansprüche in Bezug auf besondere Umstände, die das Handeln des Beklagten als sittenwidrig erscheinen ließ); Henckel, AcP 174 (1974), 97, 112 f. (die Erweiterung des vorbeugenden Rechtsschutzes stelle keine Ausweitung der subjektiv-absoluten Rechte dar).
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
gleich der Sicherung von Bereichen, in denen der Einzelne von Beeinträchtigungen durch Dritte ungestört bleibt, nicht jedoch der Zuordnung von Gütern nach dem Vorbild der normierten Ausschließlichkeitsrechte und verfassungsrechtlich dem Eigentumsschutz gem. Art. 14 GG. Diese deliktsrechtliche Dynamik entfaltet sich in der rechtsfortbildenden Anerkennung ungeschriebener „sonstiger Rechte“ wie dem Recht am Gewerbebetrieb und in der Entwicklungsfunktion des § 826 BGB, der die Ausübung bestehender subjektiver Rechte beschränken soll und nicht ihre Sicherung oder gar originäre Anerkennung bezweckt. Wenn der Grundsatz der enumerativen Haftung ausnahmsweise überwunden wird, indem gesetzliche Tatbestandsvoraussetzungen wie das „sonstige Recht“ als bloßer Verweis auf normexterne Ausschließlichkeitsrechte umgewidmet oder der Schädigungsvorsatz gem. § 826 BGB ignoriert wird359, dann darf dies in Übereinstimmung mit der Grundfunktion des Deliktsrechts allenfalls geschehen, um vom Gesetz nicht erfasste Kollisionen gleichgeordneter Freiheiten zu lösen. Zu einem Paradigmenwechsel vom Enumerationsprinzip zum Grundsatz der Haftung für jeden Schaden darf es dabei niemals kommen. Die Untersuchung galt dem allgemeinen güterzuordnenden Gehalt des BGBDeliktsrechts. Ein solcher lässt sich nicht feststellen. Im dritten Teil wird auf die freilich ebenfalls nachgewiesene Entwicklungsfähigkeit des deliktsrechtlichen Haftungssystems zurückzukommen sein360. Denn erst dann wird geklärt sein, ob diese Dynamik auf die Anerkennung positiv-exklusiver Befugnisse zum Haben umgelenkt werden darf, weil Art. 14 GG oder ein sonstiges Rechtsprinzip der Güterzuordnung solches gebieten. Deshalb bleibt an dieser Stelle auch noch offen, ob Ansprüche auf Schadensersatz, Unterlassung und Beseitigung bei einer unerlaubten Nutzung „neuer“ Güter in Betracht kommen361.
359 Zu den §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 826 als bewegliches Haftungssystem Mertens, AcP 178 (1978), 227 ff.; Körner, Rechtsschutz des Unternehmens, 31; zum Zusammenspiel der drei Säulen auch Fezer, Teilhabe und Verantwortung, 526. 360 Unten §§ 13 A II 1, 14 B II. 361 Zur Lösung der Beispielsfälle unten § 13 B.
§ 7 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
A. Einführung Nach der Betrachtung der deliktsrechtlichen Regelungen der §§ 823 Abs. 1, 826 BGB und des allgemeinen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs ist das BGB als mögliche Rechtsgrundlage der Güterzuordnung vorübergehend zu verlassen und der Blick auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zu richten. Dieser Einschub des Lauterkeitsrechts beruht auf der noch näher zu erläuternden Einsicht, dass das UWG ein Sonderdeliktsrecht für Wettbewerbshandlungen darstellt, das grundlegende Strukturen und Funktionen mit dem BGB-Deliktsrecht teilt (dazu unten C). Dass der güterzuordnenden Kraft des UWG gleichwohl ein eigener Paragraph gewidmet wird, ist auf die vom BGBDeliktsrecht abweichenden besonderen Zwecke des Lauterkeitsrechts (dazu unten D) sowie darauf zurückzuführen, dass das UWG mit gesetzlichen Verboten (§§ 3 ff. UWG) und eigens normierten Ansprüchen bei Zuwiderhandlungen gegen diese Verbote (§§ 8 ff. UWG) eine besondere Struktur aufweist, die auf ihre güterzuordnungsrelevanten Aussagen im Einzelnen zu überprüfen ist (dazu unten E). Dabei richtet sich die Fragestellung anders als im Hinblick auf das Deliktsrecht des BGB nicht nur darauf, ob die gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolgen als Bausätze für eine Güterzuordnung mit negativen und positiven Befugnissen verwendet werden dürfen, so dass sich erst in einer Gesamtschau die Wirkungen eines Ausschließlichkeitsrechts ergeben. Vielmehr wird gerade das UWG als mögliche Rechtsgrundlage einer unmittelbaren Anerkennung von Ausschließlichkeitsrechten angesehen1. Wie naheliegend letztgenannter Ansatz ist, beweist zum einen eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungsrechtlichen Beurteilung des Schutzes geographischer Herkunftsangaben nach Maßgabe des UWG 1909. Das Verfassungsgericht prüft, ob sich auf dieser einfachgesetzlichen Grundlage ein „subjektives Recht am Lagenamen“ begründen lasse, das dann konsequent Eigentumsschutz gem. Art. 14 GG genießen würde2. Zum anderen konnte in § 4 B nachgewiesen werden, dass verkehrsfähige Rechtspositionen an „neuen Gütern“ mit Wirkung gegen jedermann insbesondere unter Berufung auf das UWG hergeleitet wurden. Erinnert sei an Entscheidungen zum Schutz in1 2
Siehe oben Einleitung B II. BVerfGE 51, 193, 214 (1979); dazu unten § 11 B II 2 a.
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
zwischen immaterialgüterrechtlich zugewiesener Güter wie Tonträger, Pflanzensorten und Computerprogramme, ferner an die Herleitung übertragbarer Übertragungsrechte an Sportveranstaltungen sowie schließlich an die Dücko-Entscheidung des Bundesgerichtshofs, in der unter Bezugnahme auf den straf- und wettbewerbsrechtlichen Schutz von Betriebsgeheimnissen gem. §§ 1, 17 ff. UWG 1909 ein „Recht“ anerkannt wurde, das im Rahmen der Gesamtvollstreckung zwangsweise übertragbar sei. Gegenstand der folgenden Darstellung ist freilich nicht jenes UWG vom 7.6.1909, sondern das an seine Stelle getretene UWG vom 3.7.2004 unter Berücksichtigung der Änderungen aufgrund der Umsetzung der Richtlinie 2005/29 über unlautere Geschäftspraktiken3. Mit der vollständigen Neufassung des Lauterkeitsrechts gewinnt die häufig erörterte Frage nach der Tragfähigkeit des UWG für einen originären „Leistungsschutz“ neue Aktualität und Relevanz4. Das gilt besonders für den in dieser Arbeit ganz bewusst gewählten Ansatz, nicht allgemeine Wertungen, sondern die gesetzliche Regelung in den Mittelpunkt des Interesses zu stellen und deren Aussagen anhand der anerkannten Auslegungsmethoden unter besonderer Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte des noch verhältnismäßig jungen Gesetzes zu ermitteln5. Bereits mit dieser positivistischen Herangehensweise unterscheidet sich die folgende Untersuchung vom Gros der einschlägigen Darstellungen. Weil jedoch das geltende Recht trotz der angestrebten „grundlegenden Modernisierung“6 in vielerlei Hinsicht an das UWG 1909 und die dazu ergangene Rechtsprechung anknüpft, wird das frühere Lauterkeitsrecht in knappen Rückblenden mitberücksichtigt, um die ggf. erfolgten Änderungen herausarbeiten zu können.
3
Auf der Basis des RegE UWG 2008 v. 21.5.2008, BR-Drucks. 345/08. Eine ausführliche Analyse des § 1 UWG 1909 in diesem Sinne findet sich etwa bei Walch, Leistungsschutz, 59 ff.; Knies, Leistungsschutz, 82 ff.; Fournier, Bereicherungsausgleich, 94 ff. Ansatzweise, aber stark ergebnisorientiert und ersichtlich vom UWG 1909 beeinflusst für das UWG 2004 Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 156 ff. Allein in der 2006 erschienenen Festschrift für Ullmann widmen sich sechs Beiträge mit sehr unterschiedlichen Ansätzen und Lösungsvorschlägen dem Thema „wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz“; ferner Hilty/Henning-Bodewig, Leistungsschutzrechte, 75 mit Fn. 180 (die dogmatischen Auswirkungen des neuen UWG auf diesen Aspekt seien noch vergleichsweise wenig erforscht). 5 Siehe die vorbereitenden Gutachten von Fezer, WRP 2001, 989 ff.; Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1366 ff. Ferner den generell und speziell für die Nachahmungsverbote prägenden, aus den Erörterungen der Arbeitsgruppe Unlauterer Wettbewerb des Bundesministeriums der Justiz hervorgegangenen, allerdings privaten Vorschlag von Köhler, Bornkamm und Henning-Bodewig für eine Richtlinie zum Lauterkeitsrecht und eine UWG-Reform; abgedruckt in WRP 2002, 1317 ff. Schließlich die Gesetzgebungsmaterialien, BT-Drucks. 15/1487. Der unveröffentlichte Referentenentwurf v. 23.1.2003 (Kopie lag dem Verfasser vor) enthält keine gegenüber dem Regierungsentwurf im hiesigen Zusammenhang interessierenden Unterschiede. Allgemein zur subjektiven Auslegungsmethode oben § 2 C. Unklar BGH GRUR 2007, 795, 797 – Handtaschen (das neue UWG habe lediglich die gesetzlichen Grundlagen, nicht aber den Inhalt des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes verändert). 6 RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 12. 4
§ 7 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
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Das europäische Lauterkeitsrecht wird hingegen nicht gesondert betrachtet7. Denn die einschlägigen Rechtsakte beziehen sich nicht auf die hier diskutierte Problematik insbesondere in Gestalt des sog. wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes im Verhältnis zwischen Mitbewerbern, sondern konzentrieren sich auf den Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher, namentlich im Hinblick auf irreführende und vergleichende Werbung8. Die jüngste und umfassendste Richtlinie 2005/29 über unlautere Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen und Verbrauchern stellt in den Erwägungsgründen ausdrücklich klar, dass sie die nationalen Rechtsvorschriften in Bezug auf unlautere Geschäftspraktiken, die lediglich die wirtschaftlichen Interessen von Mitbewerbern schädigen, nicht erfasst und berührt. Die Mitgliedstaaten können solche Praktiken „unter uneingeschränkter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht weiterhin regeln“9. Einen gewissen Bezug zum Schutz von Gütern bzw. Leistungen weisen lediglich Art. 6 Abs. 2 lit. a sowie Anhang I Nr. 13 RL 2005/29/EG auf. Demnach gilt jegliche Art der Vermarktung eines Produkts, die eine Verwechslungsgefahr mit einem anderen Produkt oder Kennzeichen eines Mitbewerbers begründet, als irreführend und damit als verbotene unlautere Geschäftspraxis (Art. 5 Abs. 1, 4 RL 2005/29/EG); bei Irreführungsabsicht tritt diese Rechtsfolge sogar „unter allen Umständen“ ein (Anhang I Nr. 13 i.V.m. Art. 5 Abs. 5 RL 2005/29). Zwar kann in diesen Fällen ein Nachahmungsverbot auf europarechtliche Grundlagen zurückgeführt werden10. Allerdings begründet hier nicht die Imitation als solche das Verbot, sondern die damit verbundene Gefahr der Irreführung von Verbrauchern. Dementsprechend erfolgt die Umsetzung in § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG-E 2008 und im Anhang Nr. 13 i.V.m. § 3 Abs. 3 UWG-E 2008. Folglich fehlt diesen Regelungen bereits im Ansatz der spezifische Bezug zum Schutz von Gütern vor unerlaubter Nutzung durch Mitbewer-
7
Zur generellen Beschränkung auf das deutsche Recht oben Einleitung C II. Siehe Richtlinie 84/450/EWG des Rates v. 10.9.1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung, ABl. Nr. L 250/17; Richtlinie 97/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 6.10.1997 zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG über irreführende Werbung zwecks Einbeziehung der vergleichenden Werbung, ABl. Nr. L 290/18; Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.2.1998 über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse, ABl. Nr. L 80/27; Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.3.2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür, ABl. Nr. L 109/29; Richtlinie 2003/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.5.2003 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen, ABl. EU Nr. L 152/16; ferner Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 324 ff.; Weihrauch, Leistungsschutz, 102 ff.; Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367, 1383; Köhler/Lettl, WRP 2003, 1019, 1033; Glöckner/Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311, 1319 ff.; Ohly, FS Ullmann, 795, 796. 9 ErwGrd 6 RL 2005/29; Glöckner/Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311, 1320. 10 Kur, FS Ullmann, 717, 720; Köhler, GRUR 2007, 548, 550; Henning-Bodewig, GRUR Int. 2007, 986, 987 ff. 8
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
ber11. Im Hinblick auf die hier interessierenden Fallgruppen des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes (§ 4 Nr. 9 UWG), der Mitbewerberbehinderung (§ 4 Nr. 10 UWG) und des Geheimnisschutzes (§§ 4 Nr. 9 lit. c, 17 ff. UWG) sieht der Entwurf des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2005/29 hingegen keine Änderungen vor12. Abgesehen von einer terminologischen Anpassung gilt dasselbe für die Schutzzweckklausel des § 1 UWG13. In einem ersten Schritt zur Ermittlung des güterzuordnenden Gehalts des UWG sind nunmehr Anhaltspunkte für seine so häufig betonte Funktion als Schrittmacher der Güterzuordnung zusammenzutragen. Zu diesem Zweck ist zum einen die Offenheit der Generalklausel des § 3 UWG und die damit verbundene Delegation von Entscheidungen an die Rechtsprechung zu erläutern und zum anderen zu referieren, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen wettbewerbsrechtlichen Argumenten ein originärer Leistungs- bzw. Güterschutz bejaht wird14.
B. Das UWG als Schrittmacher der Güterzuordnung I. Die Entwicklungsfunktion der Generalklausel des § 3 UWG § 3 UWG erklärt unlautere Wettbewerbshandlungen, die geeignet sind, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen, für unzulässig. Im UWG-E 2008 heißt es, „unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen“. An Zuwiderhandlungen gegen dieses Verbot knüpfen die §§ 8 ff. UWG Sanktionen, namentlich Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung sowie auf Schadensersatz. Dass hiermit der Rechtsprechung ein weitreichender Gestaltungsspielraum zur Entscheidung über zulässiges und unzulässiges Verhalten im Wettbewerb aufgrund UWG-interner Wertungen erteilt wurde, bestätigt zunächst die historische Entwicklung hin zu einer lauterkeitsrechtlichen Generalklausel. Während 11 RegE UWG 2008, 29 f. („Aspekte des Leistungsschutzes enthält diese Regelung hingegen nicht.“); Köhler, GRUR 2007, 548, 550 f.; Henning-Bodewig, GRUR Int. 2007, 986, 987 ff. Zur entsprechenden Einordnung des § 4 Nr. 9 lit. a UWG unten E I 1. 12 RefE UWG, 29; RegE UWG 2008, 29 f. („Damit liegt § 4 Nr. 9 UWG außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie, weshalb diese Vorschrift unverändert bleiben kann.“); Glöckner/ Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311, 1334 (die Regelbeispiele des § 4 Nr. 7–10 UWG blieben unberührt, weil sie keinen unmittelbaren Zusammenhang mit der Verbraucherentscheidung aufwiesen); Köhler, GRUR 2005, 793, 799; anders aber ders., GRUR 2007, 548, 551 (eine Neufassung des § 4 Nr. 9 lit. a UWG sei empfehlenswert). 13 RefE UWG, 14; RegE UWG 2008, 16 f.; Glöckner/Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311, 1324 f.; Köhler, GRUR 2005, 793, 794. Zur Neufassung der Generalklausel des § 3 UWG unten D I 4 a. 14 Zu allgemein-materialen Wertungsaspekten bereits oben § 4 B, jeweils 3.
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nämlich das UWG von 1896 nur Spezialtatbestände vorgesehen, und auch ein erster Entwurf für das UWG 1909 auf eine über § 826 BGB hinausgehende Vorschrift verzichtet hatte, „durch welche in die freie Befugnis des Geschäftsmannes eingegriffen werden würde, den Preis für Waren oder Leistungen nach dem Maße seines Interesses zu bestimmen“15, setzte sich in der parlamentarischen Beratung sowie der eingesetzten Kommission die Auffassung durch, eine umfassende Handhabe gegen unlauteren Wettbewerb sei erforderlich16. Zu diesem Zweck formulierte § 1 UWG 1909, dass auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden konnte, „wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen“. Damit erweiterte man die Haftung im Vergleich zu § 826 BGB auf Verhaltensweisen, die noch keinen tatsächlich nachweisbaren Schaden ausgelöst hatten17 und die nicht mit Schädigungsvorsatz ausgeführt worden waren18. Der Rechtsprechung sollte ein scharfes Schwert an die Hand gegeben werden, das der Richter weniger anhand begriffsjuristischer Deduktionen als vielmehr aufgrund von Beobachtungen und Erfahrungen aus dem praktischen Leben einsetzen sollte19. Folglich wurde § 1 UWG 1909 nicht als bloßer Verweis auf heteronome, außerrechtliche Sitten, sondern als Ermächtigung zur rechtsschöpferischen Gestaltung des Marktverhaltensrechts unter Berücksichtigung der gesamten Rechtsordnung aufgefasst20. Der Gesetzgeber der UWG-Reformen 2004 und 2008 hielt an der Idee einer Generalklausel fest, weil nicht alle denkbaren Fälle ausdrücklich geregelt werden könnten und insbesondere eine Grundlage zur sachgerechten Beurteilung neuar15
Vorläufiger Entwurf UWG 1909, MuW 1907/1908, 48, 56; Entwurf UWG 1909, 10; Reichold, AcP 193 (1993), 204, 224 f. 16 Siehe die Stenographischen Berichte über die Lesungen des UWG, XII. Legislaturperiode, 1. Session 1907/1909, 6523–6552 (1. Lesung am 25.1.1909), 8433–8438, 8458–8460 (Bericht der 35. Kommission v. 5.5.1909, Nr. 1390 der Anlagen), 8496–8500 (2. Lesung am 17.5.1909). Die dritte Lesung am 18.5.1909 brachte keine Aussprache mehr zu § 1 UWG (siehe a.a.O., 8542). Siehe dazu nur etwa Fikentscher, Wettbewerb, 153; zur Verfassungsmäßigkeit der Generalklausel BVerfGE 102, 347, 360 f. (2000). 17 BGHZ 35, 329, 333 (1961). 18 Zum subjektiven Tatbestand des § 1 UWG 1909 siehe nur BGH GRUR 1969, 292, 294 m.w.N. 19 Siehe den stenographischen Bericht der 2. Lesung am 17.5.1909, XII. Legislaturperiode, 1. Session 1907/1909, 8498. 20 Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, Einl UWG Rn. 71 m.w.N.; Ott, FS Raiser, 403, 417 ff. (der Richter habe das Recht nicht anzuwenden, sondern zu setzen); Reichold, AcP 193 (1993), 204, 226; Ohly, Richterrecht und Generalklausel, 248 (Delegationsfunktion); ders., GRUR 2004, 889, 895; Götting, Wettbewerbsrecht, 109; mit Bezug auf den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz Müller-Laube, ZHR 156 (1992), 480, 500; Götte, Schutzdauer, 108 f.; Knies, Leistungsschutz, 104 m.w.N. („umfassende[n] Lückenschließungsfunktion“). Diese Entwicklung ist neuerlicher Ausdruck des Scheiterns der klassisch-liberalen Konzeption, wonach außerrechtliche, von allen geteilte Moralvorstellungen existieren, aufgrund derer die Bürger von sich aus auf bestimmte Verhaltensweisen verzichten, ohne dass es eines Eingreifen des Staates gegen den Missbrauch der Freiheit bedarf; siehe dazu bereits oben § 6 C II 1 zum Begriff der guten Sitten in § 826 BGB; allgemein Teubner, Generalklauseln, 52 ff.; Ott, FS Raiser, 403, 410.
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
tiger Wettbewerbsmaßnahmen zur Verfügung stehen müsse21. Daran ändern die in § 4 UWG aufgelisteten „Beispiele unlauteren Wettbewerbs“ nichts, denn jene stellen keine selbständigen Verbotstatbestände dar, sondern konkretisieren nur das Tatbestandsmerkmal der Unlauterkeit gem. § 3 UWG; von der Vorschrift nicht erfasste Konstellationen können weiterhin unmittelbar auf der Basis der Generalklausel erwogen werden („insbesondere“)22. Die eigenständige Bedeutung des § 3 UWG im Verhältnis zu anderen Rechtsgrundlagen zeigt sich daran, dass die Vorschrift grundsätzlich neben den normierten Ausschließlichkeitsrechten23 und dem Deliktsrecht des BGB anwendbar ist24, während sie das subsidiäre Rahmenrecht am Gewerbebetrieb verdrängt25. Dabei erfordert das allgemeine Verbot unlauteren Wettbewerbs ebenso wenig wie § 1 UWG 1909 den Nachweis eines objektiven Schadens26 und eines Schädigungsvorsatzes27, so dass sogar diese haftungsbeschränkenden Voraussetzungen des § 826 BGB entfallen. Von zentraler Bedeutung für die Aussagekraft des § 3 UWG im Hinblick auf neuartige Sachverhaltskonstellationen, namentlich die Frage der Zuordnung „neuer“ Güter, ist damit der Begriff der „Unlauterkeit“, der in der Vorschrift nicht definiert wird28. Bereits die bewusste Abkehr von der Sittenwidrigkeit als dem in § 1 UWG 1909 verwendeten Terminus bringt zum Ausdruck, dass nicht mehr auf norm-, ja rechtsordnungsexterne Wertungen zurückzugreifen ist, die wegen weit divergierender Auffassungen über zulässiges und unzulässiges Wettbewerbshandeln für inoperabel gehalten wurden29. Zwar verweist die Begründung des UWG wie Art. 10bis Abs. 2 PVÜ30 und die Richtlinie über unlautere 21 RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 16; RegE UWG 2008, 41 f.; Lettl, UWG, Rn. 134; Ohly, GRUR 2004, 889, 895; ebenso Art. 5 RL 2005/29/EG (generalklauselartiges Verbot „unlauterer Geschäftspraktiken“). 22 RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 13, 17; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 3 UWG Rn. 10; Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 42. Dazu noch unten E II. 23 Oben § 5 C. 24 Zum UWG 1909 in diesem Sinne Fikentscher, Wettbewerb, 155; BGHZ 36, 252, 255 f. (1961). 25 Oben § 6 B IV 2. 26 Lettl, UWG, Rn. 143. Ob wie zum UWG 1909 ein Bewusstsein der die Unlauterkeit begründenden Umstände erforderlich ist, kann nur im Kontext des Zwecks des UWG entschieden werden; dazu unten D. Dass jedenfalls Ansprüche gegen Nachahmungen/Übernahmen das Bewusstsein der Nachahmung voraussetzen, ist allgemeine Ansicht; dazu ebenfalls unten E I. 27 RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 23. 28 RegE UWG 2008, 43. 29 Siehe zum Begriff der „guten Sitten“ Schricker, Gesetzesverletzung und Sittenverstoß, 190 ff., 274 f. m.w.N.; Teubner, Generalklauseln, 13 ff.; Möschel, Pressekonzentration, 138 f.; gegen den Begriff des „Unsittlichen“ im Wettbewerbsrecht bereits Lobe, Unlauterer Wettbewerb, 47; ferner rechtsvergleichend Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367, 1379 (möglichst neutrales Kriterium); Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig, WRP 2002, 1317, 1324 (gute Sitten „antiquiert und missverständlich“); RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 16 (der Wettbewerber werde unnötig mit dem Makel der Unsittlichkeit belastet). 30 „Unlauterer Wettbewerb ist jede Wettbewerbshandlung, die den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel zuwiderläuft.“ Dazu nur etwa Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367, 1379 („Wo es auch um den Schutz von Verbrauchern und der Allgemeinheit geht, kann nicht allein die Unternehmermoral entscheiden.“).
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Geschäftspraktiken31 auf die „anständigen Gepflogenheiten“ in Handel, Gewerbe, Handwerk und sonstigen selbständigen Tätigkeitsbereichen32. Aber auch dieser nicht im Gesetzeswortlaut genannte33 Hinweis auf faktische Gewohnheiten dient nur der Konkretisierung dessen, was letztlich aus dem UWG selbst („intern“) zu entscheiden ist, weil das übliche, aber ggf. wettbewerbsfeindliche Verhalten von Marktteilnehmern nicht unbesehen zur Rechtsregel erhoben werden darf34. Insgesamt handelt es sich daher bei § 3 UWG um eine Generalklausel mit eigenständigem Gehalt, die der Rechtsprechung insbesondere die Möglichkeit eröffnet, solche Wettbewerbshandlungen als unzulässig einzustufen, die bei Erlass des Gesetzes noch nicht bekannt waren. Diese in die Zukunft reichende Offenheit des Tatbestands rechtfertigt die Einschätzung, § 3 UWG habe die Rechtsprechung zur Entscheidung über die unerlaubte Nutzung „neuer“ Güter ermächtigt35. Hierfür werden die Gerichte nicht auf normexterne Wertungen und Rechtspositionen verwiesen, sondern dürfen und müssen aufgrund UWG-interner Erwägungen entscheiden. Damit scheint sich das UWG tatsächlich als Stütze richterlicher Güterzuordnungen zu eignen. Im Folgenden ist in Ergänzung zu den in § 4 B zusammengetragenen Beispielen zu zeigen, dass die Rechtsprechung diese Ausgangsposition tatsächlich dazu genutzt hat, einzelnen Marktteilnehmern nicht spezialgesetzlich zugewiesene Güter bzw. Leistungen exklusiv vorzubehalten. Exemplarisch für diese Sichtweise ist die Aussage: „Dem Wettbewerbsrecht kommt … eine Auffangfunktion für die Fälle zu, in denen ein Sonderrechtsschutz (noch) nicht besteht. Es hat zugleich eine Schrittmacher- und Ergänzungsfunktion zum Immaterialgüterrecht.“36. 31 Siehe Art. 5 Abs. 2 lit. a, 2 lit. h RL 2005/29/EG (berufliche Sorgfaltspflichten als „Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt, bei denen billigerweise davon ausgegangen werden kann, dass der Gewerbetreibende sie gegenüber dem Verbraucher gemäß den anständigen Marktgepflogenheiten und/oder dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben in seinem Tätigkeitsbereich anwendet“). Rechtsvergleichend Ulmer, in: Ulmer, Recht des unlauteren Wettbewerbs I, 42 f. (ein zwischen Übung und sittlich-rechtlichem Maßstab vermittelndes Kriterium); Schricker/HenningBodewig, WRP 2001, 1367, 1379 f. (Verweis auf außerrechtliche Normen, die einerseits der Übung, andererseits der ethischen Bewertung zuzuordnen seien). 32 RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 16; RegE UWG 2008, 26. Siehe zum Begriff der Unlauterkeit nur Plaß, in: HK-Wettbewerbsrecht, § 3 UWG Rn. 39 ff.; Lettl, UWG, Rn. 134; Ohly, GRUR 2004, 889, 895 (keine sachliche, sondern nur terminologische Änderung unter Aufgabe des Verdikts der „Sittenwidrigkeit“). 33 RegE UWG 2008, 26. Der Entwurf von Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig, WRP 2002, 1317, 1318, hatte diese Definition noch ausdrücklich im Katalog des § 2 unter Nr. 2 aufgeführt. 34 Gegen die Maßgeblichkeit der „anständigen Gepflogenheiten“ denn auch BGHZ 166, 154, 161 f. (2006); Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 3 UWG Rn. 36 ff.; ders., NJW 2004, 2121, 2122; Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 131 ff.; Schünemann, WRP 2004, 925, 930 f. 35 Götting, Wettbewerbsrecht, 103 f. („Angesichts der sich stetig verschlechternden Qualität gesetzlicher Regelungen, die zum Teil grobe handwerkliche Fehler aufweisen, führen richterliche Entscheidungen auf der Grundlage von Generalklauseln zu (sach-)gerechteren Ergebnissen als gesetzliche Spezialtatbestände.“). 36 LG Oldenburg GRUR 1996, 481, 485 mit Hinweis auf Baums, DB 1988, 429, 432. Zu dieser Schrittmacherfunktion Sieber, NJW 1989, 2569, 2575 (§ 1 UWG 1909 habe eine „Schrittmacher-
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II. Güterschutz auf der Basis des UWG Die Fallgruppe im Spannungsverhältnis zwischen individuellem Güterschutz und Nachahmungsfreiheit wird als „wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz“ bezeichnet37. Da sich die einschlägige Rechtspraxis unter Geltung des UWG 1909 noch sehr stark auf das derzeitige Lauterkeitsrecht auswirkt, sind zunächst die Entwicklung und die maßgeblichen Wertungen der früheren Rechtsprechung sowie ihre theoretische Verarbeitung in der Literatur zu referieren, bevor auf das UWG 2004/2008 einzugehen ist. 1. Wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz im UWG 1909 a) Entwicklung der Rechtsprechung Die Entwicklung des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes in der Rechtsprechung zum UWG 1909 verlief nicht geradlinig, sondern oszillierte zwischen dem Grundsatz der Nachahmungsfreiheit und dem Bemühen, Originalhersteller gegen unerlaubte Nachahmungen ihrer Produkte und damit gegen Nutzungen des verkörperten Immaterialguts zu schützen. Ausgangspunkt war die „gefestigte Rechtsüberzeugung“, dass Produktimitationen zulässig sind38. Begründet wurde dieser Ansatz mit dem bereits erläuterten39 Umkehrschluss aus den Grenzen der normierten Ausschließlichkeitsrechte40. 37 funkion für neue Leistungsschutzrechte“, „deren Vereinbarkeit mit dem numerus clausus des Immaterialgüterrechts jedoch in der Wissenschaft angezweifelt wird“); Fezer, WRP 1993, 63, 64 (das Wettbewerbsrecht als Jungbrunnen des Immaterialgüterrechts); Müller-Laube, ZHR 156 (1992), 480, 510 (gebe es den institutionalisierten Schutz der Immaterialgüterrechte nicht, müsste man ihn über die Generalklausel des UWG schaffen); Fikentscher, Wettbewerb, 273 (Leistungen, die billigerweise geschützt werden sollten, aber vom Sonderrecht nicht erfasst sind); Junker, NJW 1994, 897, 899; Ohly, Richterrecht und Generalklausel, 249 ff.; für das UWG 2004 ders., FS Ullmann, 795, 810; dagegen unter Betonung des Grundsatzes der Nachahmungsfreiheit Weber, UFITA 132 (1996), 5, 26. 37 Siehe Wiebe, in: MünchKomm, § 4 Nr. 9 UWG Rn. 1; Fezer, FS GRUR II, 939, 941; MüllerLaube, ZHR 156 (1992), 480, 481; Erdmann, FS Vieregge, 197, 199; Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367, 1381 (Schnittstelle zwischen Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht); Piper, in: Piper/Ohly, § 4.9 UWG Rn. 9/6; Martin, Imitationsanreiz, 51; Sambuc, Nachahmungsschutz, 1; von einer „Paradoxie“ spricht gar Osterrieth, FS Tilmann, 221. Dass die Entwicklung dieser Fallgruppe bereits in den ersten 20 Jahren der Geltung des UWG 1909 erfolgte, zeigt ein Vergleich zwischen der 3. Aufl. des Kommentars von Rosenthal, UWG (1911, erstmalig zum UWG 1909), in der nur täuschende Nachahmungen und die Entscheidung RGZ 73, 294 ff. (1910) als sittenwidrig dargestellt werden, während in der 8. Aufl. 1930 das „Ausnutzen einer fremden Arbeitsleistung und Gedanken“ auf 20 Seiten erörtert werden. 38 BGHZ 41, 55, 57 (1963) – Klemmbausteine I. 39 Oben Einleitung B II und § 5 C. 40 RGZ 107, 277, 280 f. (1923); RGZ 120, 94, 97 ff. (1928) – Huthaken; BGHZ 44, 288, 296 (1965) – Apfel-Madonna; BGHZ 26, 52, 59 (1957); BGH GRUR 1958, 500, 503; BGHZ 50, 125, 128 f. (1968); BGHZ 60, 168, 169 (1973) – Modeneuheit; OLG Dresden JW 1926, 1242; OLG Düsseldorf WRP 1978, 378, 380; OLG Frankfurt GRUR 1982, 175, 176; LG Hamburg ZUM 2002, 655, 659 (wenn weder die Fallgruppen des Schmarotzens noch besondere Umstände bei nachschaffender eigener Leistung vorliegen, könne § 1 UWG 1909 nur dann Ansprüche auslösen, wenn
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Weil deren Wertungen im Hinblick auf nicht zugeordnete Güter und Nutzungen gewahrt werden sollten, sei die Nachahmung jenseits dieser Regelungen grundsätzlich zulässig und nur unter zusätzlichen, besonderen Umständen wettbewerbswidrig41. Dagegen genüge die bloße Benutzung eines mit Mühe und Kosten errungenen Arbeitsergebnisses eines Mitbewerbers42 selbst bei einer glatten Übernahme durch technische Mittel oder bei einem maßstabsgetreuen Nachbau als solche ebenso wenig für ein Sittenwidrigkeitsverdikt43 wie die damit ggf. erzielte Preisunterbietung44 und das Eindringen in den entsprechenden Markt45. Denn hierbei handele es sich um nicht sondergesetzlich verbotene und mithin e contrario zulässige Folgen von Konkurrenz. Die dieser Begründungslinie inhärente Schwäche, nicht vom Boden des Wettbewerbsrechts aus zu argumentieren, offenbarte sich bereits vier Jahre nach Inkrafttreten des UWG 1909, als das Reichsgericht vom „anerkannte[n] Rechtsgrundsatz“ sprach, dass auch außerhalb der gewerblichen Schutzrechte eine schrankenlose Ausnützung „fremder“ Gedanken und Arbeiten nicht schlechthin freistehe. Vielmehr sei es sittenwidrig, sich ein mit besonderen Mühen und Kosten errungenes Arbeitsergebnis zum Nachteil dessen anzueignen, dem billiger-
41 Sonderrechte ein Verhalten unterbieten); rechtsvergleichend Ulmer, in: Ulmer, Recht des unlauteren Wettbewerbs I, 110; Reimer, in: Ulmer, Recht des unlauteren Wettbewerbs III, 190; Piper, in: Köhler/Piper, § 1 UWG Rn. 591; Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rn. 439; Gastiger, GRUR 1965, 179, 181 f.; Fikentscher, Wettbewerb, 272 f. (mit Hinweis auf die zulässige Schrittmacherfunktion); Süss, Recht der ausübenden Künstler, 46, 69 ff.; Lehmann-Schmidtke, Wettbewerbliche Eigenart, 24; Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367, 1381. Im Verhältnis zum Geschmacksmusterrecht wurde der Grundsatz der Nachahmungsfreiheit jedoch vom Reichsgericht abgelehnt, siehe RGZ 115, 180, 183 (1926); RGZ 120, 94, 96 ff. (1928) – Huthaken; anders wieder BGHZ 5, 1, 9 (1952). 41 Siehe RGZ 88, 183, 187 (1916) (das Sittenwidrige liege nicht in der Nachahmung an sich, sondern im Verhalten des Beklagten); RGZ 120, 94, 97 ff. (1928) – Huthaken; nachdrücklich unter Klarstellung und Einschränkung früherer Entscheidungen RG GRUR 1929, 483, 484 f.; RG GRUR 1938, 68, 69; BGHZ 5, 1, 10 (1952); BGHZ 26, 52, 59 (1957); BGH LM § 1 UWG Nr. 58 (1958); BGH GRUR 1958, 500, 503; BGHZ 28, 387, 396 (1958) – Nelkenstecklinge; BGHZ 41, 55, 57 (1963) – Klemmbausteine I; BGH GRUR 1968, 49, 51; BGH GRUR 1969, 618, 619; BGHZ 60, 168, 169 (1973) – Modeneuheit; BGH GRUR 1990, 528, 529; BGHZ 126, 208, 212 f. (1994); OLG Dresden JW 1926, 1242; OLG Düsseldorf WRP 1978, 378, 380; Ulmer, in: Ulmer, Recht des unlauteren Wettbewerbs I, 110 f.; Reimer, in: Ulmer, Recht des unlauteren Wettbewerbs III, 191; Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rn. 440 m.w.N.; Piper, in: Köhler/Piper, Einf Rn. 12, § 1 UWG Rn. 589, 594, 625. 42 RGZ 135, 385, 394 f. (1932); BGHZ 18, 175 (1955); BGH GRUR 1958, 500, 503; BGH GRUR 1960, 244; BGHZ 44, 288, 301 (1965) – Apfel-Madonna; OLG Hamburg GRUR 1950, 82, 85 f.; Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rn. 440 m.w.N. 43 Ein solches konsequent verneinend noch RG LZ 1908, 599; siehe ferner BGH GRUR 1969, 618, 620; BGHZ 51, 41, 45 (1968); BGH GRUR 1977, 666, 667; BGH GRUR 1986, 895, 896; zustimmend Hellenschmidt, Leistungsübernahme, 130 f. 44 RGZ 135, 394 f. (1932); BGHZ 28, 388 (1958) – Nelkenstecklinge; BGHZ 44, 288, 302 (1965) – Apfel-Madonna; BGH GRUR 1966, 617, 620. 45 RGZ 135, 385, 394 (1932); BGH GRUR 1962, 144, 149; BGHZ 44, 288, 303 (1965) – ApfelMadonna.
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weise die Früchte zukommen müssten46. Auch nach Auffassung des Bundesgerichtshofs schloss das Prinzip der Wettbewerbsfreiheit nicht aus, eine wettbewerbliche Leistung gegen eine unerlaubte Ausnutzung durch Konkurrenten zu schützen47. Auf dieser Grundlage wurden zunächst die inzwischen in den Regelbeispielen des § 4 Nr. 9 und 10 normierten Fallgruppen anerkannt, bei denen das Nachahmungsverbot auf besonderen Umständen (vermeidbare Herkunftstäuschung, Rufausbeutung, unredliches Erlangen der erforderlichen Kenntnisse sowie gezielte Behinderung) beruht, so dass kein originärer Schutz von Leistungen um ihrer selbst willen etabliert wird48. Hinzu kamen jedoch weitere Fälle, bei denen die Gerichte das Sittenwidrigkeitsurteil nicht mit derartigen, handlungsbezogenen Besonderheiten, sondern durchaus mit Erwägungen begründeten, die primär oder sogar allein am übernommenen Produkt orientiert waren49. Hierzu zählt zunächst die Gewährung von Ansprüchen gegen das „Schmarotzen an fremder Leistung“ in Gestalt unmittelbarer Übernahmen und identischer Nachbildungen im Gegensatz zur eigenständigen, nur angelehnten Nachahmung50. Die bekanntesten Beispiele und ihre Vorläuferfunktion für spätere Immaterialgüterrechte sind bereits in § 4 B III nachgewiesen worden. Typisches Merkmal einer solch sittenwidrigen „Aneignung eines fremden, schutzwürdigen Arbeitsergebnisses“ war die meist technisch erfolgende Vervielfältigung und Vermarktung eines Erzeugnisses in unverän-
46 RGZ 83, 37, 41 (1913); RGZ 115, 180, 183 f. (1926); RGZ 120, 94, 96 (1928) – Huthaken. Verstärkt betont wurde der Grundsatz der Nachahmungsfreiheit in der an Gemeinwohlinteressen ausgerichteten Rechtsprechung während des Nationalsozialismus; siehe zuletzt RG GRUR 1944, 88, 90 m.w.N.; ferner Beater, Unlauterer Wettbewerb, § 3 Rn. 98 m.w.N. 47 BGHZ 5, 1, 10 (1952); BGH GRUR 1960, 244, 246; BGHZ 44, 288, 296 (1965) – Apfel-Madonna; Erdmann, FS Vieregge, 197, 200; Piper, in: Köhler/Piper, § 1 UWG Rn. 601. 48 Weitgehend in diesem Sinne bereits etwa RG GRUR 1938, 68, 69 f. m.w.N. Übersicht etwa bei Walch, Leistungsschutz, 96 ff. (ergänzender Handlungsschutz als unproblematischer Anwendungsbereich des § 1 UWG 1909); Max, Sittenverstoß, 44 ff.; Sambuc, Nachahmungsschutz, 40 ff. 49 Einteilung wie hier bei Meineke, Nachahmungsschutz, 82; Lehmann-Schmidtke, Wettbewerbliche Eigenart, 43 ff.; Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 149 ff. („nachahmungssensible Bereiche“). Eine Sonderkonstellation ergab sich für die Abwicklung der patentamtslosen Zeit 1944/45. Insoweit hatte das OLG Hamburg zur Erzielung eines „billigen Ergebnisses“ ein unlauteres Handeln angenommen, wenn eine schutzfähige, aber ohne Verschulden des Erfinders wegen Ausfalls des Patentamts schutzrechtslose Erfindung benutzt werde, wenn der Nutzer diese objektiven Tatbestandsmerkmale kenne oder infolge völlig leichtfertigen, gewissenlosen Verhaltens nicht kenne. Ein automatischer Schutz der nicht bekanntgemachten Erfindung wurde jedoch ausdrücklich abgelehnt; siehe OLG Hamburg GRUR 1950, 82, 87; ebenso BGH GRUR 1952, 562, 563. 50 Ohne Differenzierung bzw. für Parallelbehandlung von unmittelbarer Leistungsübernahme und identischer Nachbildung BGHZ 28, 387, 394 ff. (1958) – Nelkenstecklinge; BGH WRP 1976, 370, 371; BGH GRUR 1979, 119; BGH GRUR 1983, 377, 379; BGH GRUR 1992, 523, 524; ferner Fezer, FS GRUR II, 939, 963; Müller-Laube, ZHR 156 (1992), 480, 492; Hefermehl, in: Baumbach/ Hefermehl, § 1 UWG Rn. 503 („Eine unmittelbare Übernahme ist zwar nicht schlechthin wettbewerbswidrig, wohl aber dann, wenn ein Wettbewerber ohne einen sachlich anzuerkennenden Grund ein fremdes, schutzwürdiges Leistungsergebnis, dessen Früchte dem Erbringer dieser Leistung weder aufgrund eines Sonderrechts noch auf andere Weise zugeflossen sind, sich aneignet.“).
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derter Form51. In derartigen Konstellationen wurde auf den Nachweis zusätzlicher, handlungsorientierter Umstände praktisch verzichtet52, weil – so die Gerichte – die Nachahmungsfreiheit mangels einer Bereicherung der Allgemeinheit durch nennenswerte Eigenleistungen gar nicht tangiert sei53. Ein auf das betroffene Gut bzw. die Leistung ausgerichteter wettbewerbsrechtlicher Schutz wurde ferner in zwei vereinzelt gebliebenen Sonderkonstellationen gewährt: Zum einen untersagte der Bundesgerichtshof das Eindringen in ein „zwangsläufiges Nebengeschäft“ eines Konkurrenten, so dass ein Sportveranstalter die Vermarktung von Programmheften exklusiv für sich beanspruchen konnte54. Zum anderen wurden dem Hersteller von LEGO-Bausteinen auch nach Ablauf gewerblicher Schutzrechte, jenseits des Markenrechts und ohne Anhaltspunkte für eine vermeidbare Herkunftstäuschung Ansprüche gegen den Vertrieb kompatibler, aber nicht vom Originalhersteller stammender oder autorisierter Spielsteine zugebilligt. Das ursprüngliche Erzeugnis sei von vornherein auf einen fortgesetzten Bedarf zugeschnitten, so dass der Produkterfolg auch den Ergänzungsmarkt umfasse. In diesem Sonderfall55 sei es mit den kaufmännischen guten Sitten nicht vereinbar, sich gleichsam in diese Serie einzuschieben und dadurch den Erfolg der fremden Leistung auf sich abzuleiten, obwohl eine Fülle von Ausweichmöglichkeiten bestehe56. 51 BGHZ 28, 388, 396 (1958) – Nelkenstecklinge; BGHZ 37, 1, 20 f. (1962) – AKI; BGH GRUR 1966, 617, 619; BGHZ 44, 288, 296 f. (1965) – Apfel-Madonna; BGHZ 51, 41, 46 (1968); BGH GRUR 1969, 618, 620; BGH GRUR 1972, 127 f.; BGH GRUR 1977, 666, 667; BGHZ 141, 329, 343 (1999) (neben anderen Unlauterkeitsmerkmalen); OLG Saarbrücken GRUR-RR 2005, 196 f.; Ulmer, Rechtsschutz, 30 (nur die Neuaufnahme von Werken auf Tonträgern, nicht aber das Nachpressen fremder Schallplatten entspreche den Regeln des lauteren Wettbewerbs); Reimer, in: Ulmer, Recht des unlauteren Wettbewerbs III, 214 ff.; Piper, in: Köhler/Piper, § 1 UWG Rn. 618; Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rn. 495 ff. 52 BGH GRUR 1969, 618, 620; BGH WRP 1976, 370, 371; BGH GRUR 1992, 523, 524; BGH GRUR 1995, 581, 583; BGH GRUR 1996, 210, 211 – Vakuumpumpen; BGHZ 138, 143, 150 (1998); BGHZ 141, 329, 341 (1999); BGH GRUR 1999, 1106, 1108; OLG Saarbrücken GRUR-RR 2005, 196 f.; Piper, in: Köhler/Piper, § 1 UWG Rn. 618 ff.; Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rn. 500. 53 BGHZ 28, 387, 394 (1958) – Nelkenstecklinge; BGH GRUR 1969, 618, 620. 54 BGHZ 27, 265, 269 ff. (1958). Die Entscheidung blieb vereinzelt und wurde später vom BGH selbst eingeschränkt; siehe BGH GRUR 1962, 254, 255 (es sei primär um eine Irreführung über die Herkunft des Programmhefts gegangen); BGH GRUR 1968, 49, 51; OLG Frankfurt OLGZ 1977, 348, 350 f. (der Ausschluss jeglicher Konkurrenz aus dem Nebengeschäft sei nicht gerechtfertigt); zurückhaltend auch Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rn. 493 m.w.N. 55 Zur Unübertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf andere Konstellationen, insbesondere den Schutz von Ersatzteilen und Zubehör siehe BGHZ 41, 55, 58 (1963) – Klemmbausteine I; BGH GRUR 1968, 698, 701; BGH GRUR 1976, 434, 436; BGH GRUR 1977, 666, 667 f.; BGH GRUR 1990, 528, 529 f.; BGH GRUR 1996, 210, 212 – Vakuumpumpen; BGH GRUR 2000, 521, 525 f. – Modulgerüst (die Übertragung der Klemmbausteine-Entscheidung auf Ersatzteile und Zubehör würde einen ungerechtfertigten Bestandsschutz für die Kundenbeziehungen bedeuten); Piper, in: Köhler/Piper, § 1 UWG Rn. 654 ff. Zur Kritik in der Literatur siehe Kur, GRUR Int. 1995, 469, 470 ff.; Heyers, GRUR 2006, 23, 25 ff., jeweils m.w.N. 56 BGHZ 41, 55, 57 ff. (1963) – Klemmbausteine I; BGH GRUR 1992, 619 ff. – Klemmbausteine II (47 Jahre nach Markteinführung Schutz mit Hinweis auf eine Rufausbeutung); Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rn. 492 m.w.N.; Piper, in: Köhler/Piper, § 1 UWG Rn. 650 ff.
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
Betrachtet man die Gewichtung der beiden konfligierenden Rechtsgrundsätze „Nachahmungsfreiheit“ und „Leistungsschutz“ auf einer Zeitachse, so lässt sich bis zum Ende des 20. Jahrhunderts eine Tendenz der Rechtsprechung ausmachen, bestimmte Waren und Dienstleistungen grundsätzlich gegen unerlaubte Imitationen zu schützen. Besonders deutlich wird dies am gewandelten Verständnis des Tatbestandsmerkmals der „wettbewerblichen Eigenart“ der jeweiligen Leistung57. Ursprünglich hatte es sich hierbei nur um eine inzidente Voraussetzung für eine vermeidbare Herkunftstäuschung oder Rufausbeutung gehandelt. Denn die entsprechenden Fehlvorstellungen der Verbraucher können nur ausgelöst werden, wenn das in Rede stehende Erzeugnis wegen seiner eben „eigenartigen“ Merkmale als solches überhaupt von Produkten anderer Hersteller unterschieden wird, während der Verkehr bei bloßer Dutzendware keinen Wert auf die betriebliche Herkunft und den Ruf des Produkts legt58. Diese verhältnismäßig eindeutige Funktion des Kriteriums der Eigenart wurde in den 1960er Jahren jedoch durch die sog. Wechselwirkungslehre aufgeweicht. Demnach bestand ein Zusammenhang zwischen der Schutzwürdigkeit des nachgeahmten Leistungsergebnisses und dem erforderlichen Unlauterkeitsgehalt des Nachahmerverhaltens: Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je intensiver der Grad der Übernahme war, desto geringere Anforderungen wurden an die sonstigen „besonderen Umstände“ gestellt, um die Sittenwidrigkeit des Wettbewerbsverhaltens zu bejahen59. Gerade diejenigen Entscheidungen, die einen weitreichenden Leistungsschutz gewähren, beruhen auf einer kumulativen Gesamtschau mehrerer Aspekte ohne eindeutige Gewichtung einzelner Kriterien60. Eine weitere, besonders bemer57
Siehe dazu auch Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 120; Hubmann, GRUR 1975, 230, 231 f.; Lehmann-Schmidtke, Wettbewerbliche Eigenart, 174; Meineke, Nachahmungsschutz, 84. 58 In diesem Sinne BGH GRUR 1966, 617, 619; BGH GRUR 1967, 315, 317 f.; BGHZ 50, 125, 130 (1968); BGH GRUR 1968, 698, 702; BGH GRUR 1969, 292, 293; BGH WRP 1976, 370, 372; BGH GRUR 1981, 517, 519 f.; BGH GRUR 1982, 305, 307; Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rn. 504; Piper, in: Köhler/Piper, § 1 UWG Rn. 614 ff. In Entscheidungen, die Ansprüche aus § 1 UWG 1909 verneinten, wurde auch später noch dieses Prüfungskonzept verwendet: BGH GRUR 1986, 895, 896; BGH GRUR 1988, 385, 386. Zur die Freiheit der Technik betonenden Rechtsprechung der 1920er Jahre siehe Smoschewer, GRUR 1929, 381, 382 f. m.w.N. 59 So BGH GRUR 1960, 244, 246; BGH GRUR 1969, 618, 620; BGH GRUR 1979, 119; BGH GRUR 1986, 673, 675; BGH GRUR 1996, 210, 211 – Vakuumpumpen; BGH GRUR 1999, 751, 752; BGH GRUR 1999, 1106, 1108; BGH GRUR 2002, 86, 89; BGH GRUR 2002, 820, 821; BGH GRUR 2002, 629, 631; BGH GRUR 2003, 356, 357; BGH GRUR 2004, 941, 942; Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rn. 445; formuliert wurde dieser Grundsatz wohl zuerst von Nerreter, GRUR 1957, 525, 529; zu Nerreters Rolle in der geistesgeschichtlichen Entwicklung des UWG unten D I 4 b aa. 60 Siehe insoweit etwa BGH GRUR 1960, 244, 246; BGH GRUR 1969, 618, 620; BGH GRUR 1996, 210, 213 – Vakuumpumpen („Die nach alledem gebotene Gesamtschau bedarf einer Einbeziehung der zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Intensität der Übernahme und den besonderen Unlauterkeitsumständen bestehenden Wechselwirkung …“); BGHZ 141, 329, 342 (1999) (es liege eine Rufausbeutung vor, die zumindest zusammen mit weiteren Umständen die besondere Unlauterkeit des Verhaltens der Beklagten begründe); BGH GRUR 1999, 1106, 1109 (vermeidbare Herkunftstäuschung und Rufausbeutung durch Anlehnung); BGH GRUR 2000, 521, 524 – Modulgerüst (wertende Betrachtung einer Gesamtkombination zahlreicher Gestaltungs-
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kenswerte Bedeutungsverschiebung erfuhr das Merkmal der „Eigenart“ ab Ende der 1960er Jahre. Nunmehr wurde es nämlich nicht mehr als inzidente Voraussetzung für eine Herkunftstäuschung und Rufausbeutung aufgefasst, sondern als eigenständiges, ja zentrales Tatbestandsmerkmal für den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz insgesamt, der nur für „eigenartige“ Waren und Dienstleistungen geltend gemacht werden konnte. Demgemäß wurde formuliert, dass die wettbewerbliche Eigenart ein Erzeugnis voraussetze, dessen konkrete Ausgestaltung oder Merkmale geeignet61 seien, im Verkehr auf seine betriebliche Herkunft oder „ganz allgemein“62 auf seine Besonderheit hinzuweisen63. Insbesondere die letztgenannte, ab Mitte der 1980er Jahre auftauchende Variante stellt mit ihrem tautologischen64 Verweis auf die notwendige „Besonderheit“ des Erzeugnisses eine Schutzvoraussetzung auf, die wie bei den normierten Ausschließlichkeitsrechten allein auf die Art des Gutes bezogen ist und insoweit gewisse horizontale und vertikale Grenzziehungen erlaubt, indem zumindest Allerweltserzeugnisse vom wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz ausgeschlossen bleiben. Ohne dass hierfür eine eigenständige Begründung auszumachen ist, verabschiedete die Rechtsprechung damit das aus dem e-contrario-Argument abgeleitete Erfordernis zusätzlicher, auf die Art der Handlung bezogener Umstände und wendete sich unmittelbar der Schutzwürdigkeit des betroffenen Guts zu65. Dieses Zurückdrängen des Grundsatzes der Nachahmungsfreiheit lässt sich ferner an subtilen Formulierungsänderungen ablesen, mit denen einschlägige Entscheidungen ihr Ergebnis rhetorisch gekonnt – wenngleich nicht wirklich be61 tungsmerkmale). Für dieses Vorgehen etwa Reimer, in: Ulmer, Recht des unlauteren Wettbewerbs III, 191 f.; kritisch Raiser, GRUR Int. 1973, 443, 445 (die wortreiche Häufung verschiedenartiger Gesichtspunkte gebe zu denken). 61 Aus dem Erfordernis der bloßen Eignung wurde gefolgert, es müsse noch kein wettbewerblicher Besitzstand oder gar eine Bekanntheit vorhanden sein, so dass auch neu eingeführte Erzeugnisse schutzfähig waren; BGH WRP 1997, 306, 307. 62 So BGHZ 141, 329, 340 (1999). 63 Zuerst BGH GRUR 1985, 876, 877; BGH GRUR 1995, 581, 583 m.w.N.; BGH GRUR 1996, 210, 211 – Vakuumpumpen; BGHZ 138, 143, 148 (1998); BGH GRUR 1999, 751, 752; BGHZ 141, 329, 340 f. (1999) (mit Verweis auf die Gütevorstellungen, die mit dem Produkt verbunden werden); BGH GRUR 1999, 1106, 1108; BGH GRUR 2000, 521, 523 – Modulgerüst; BGH GRUR 2002, 86, 89 f.; BGH GRUR 2002, 275, 276; BGH GRUR 2002, 820, 822; BGH GRUR 2002, 629, 632; BGH GRUR 2003, 359, 360. Ohne Hinweis auf die Funktion, auf die „Besonderheit“ hinzuweisen, hingegen BGH GRUR 1992, 523, 524. 64 Tautologisch, weil die auf die Besonderheit des Erzeugnisses hinweisenden Merkmale die Merkmale selbst sind. Eigenartig ist also jedes „besondere“ Erzeugnis; so konsequent Hubmann, GRUR 1975, 230, 235; Kur, GRUR 1990, 1, 9; Müller-Laube, ZHR 156 (1992), 480, 488 (objektiver Mindestgehalt für die Schutzfähigkeit); Erdmann, FS Vieregge, 197, 209 (der Schutz dauere, bis die Modeneuheit nicht mehr als etwas Besonderes empfunden werde). 65 Siehe in diesem Sinne die Entscheidungen BGH GRUR 1969, 292, 293; BGH WRP 1976, 370, 371; BGH GRUR 1979, 119, 120; BGH GRUR 1982, 305, 307; BGH GRUR 1983, 377, 378; BGH GRUR 1985, 876, 877; BGH GRUR 1986, 673, 675; BGH GRUR 1988, 690, 693; BGH GRUR 1992, 523, 524; BGH GRUR 1995, 581, 583; BGHZ 138, 143, 148 (1998); BGH GRUR 1999, 751, 752; BGHZ 141, 329, 340 f. (1999); BGH GRUR 1999, 1106, 1108; BGH GRUR 2000, 521, 523 – Modulgerüst; BGH GRUR 2003, 359, 360 f.
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
gründet – herleiteten. Während der Ausnahmecharakter eines wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes teilweise ausdrücklich hervorgehoben worden war66, unterblieb die nach dem e-contrario-Argument eigentlich notwendige Vorfrage nach relevanten Aussagen der normierten Ausschließlichkeitsrechte häufig, weil das UWG einen „ergänzenden“ Schutz ermögliche67. Dabei verschoben sich die Gewichte bereits mit der Rede, dass die Imitation anderer Produkte „zwar“ grundsätzlich zulässig sei, „aber“ unter besonderen Umständen wettbewerbswidrig sein könne68, um schließlich in die Aussage zu münden, der Nachbau fremder, nicht unter Sonderrechtsschutz stehender Erzeugnisse könne wettbewerbswidrig sein, wenn die Erzeugnisse von wettbewerblicher Eigenart seien und das Hinzutreten besonderer Umstände den Nachbau unlauter erscheinen lasse69. Von hier aus ist es kein weiter Schritt zum Satz, wonach der „Vertrieb dieser Nachahmungen … wettbewerbswidrig [ist], weil es sich um eine fast identische, planmäßige Übernahme eines schutzwürdigen Leistungsergebnisses handelt.“70. Sogar das Modell des Erfolgsunrechts kam zum Einsatz, so dass der Imitator Gründe darlegen und beweisen musste, warum die Nachahmung bzw. Übernahme ausnahmsweise wettbewerbsrechtlich unbedenklich war71. Für diesen wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz konnten sich Erzeugnisse aller Art qualifizieren72, nachdem neben ästhetischen Gestaltungsmerkmalen73 ab Mitte 66
Siehe oben Fn. 41 und wieder BGHZ 138, 143, 150 (1998). Siehe etwa RGZ 115, 180, 182 (1926); BGH GRUR 1988, 690, 693 (Bestehen von Urheberrechtsschutz offengelassen); BGH GRUR 2002, 629, 631 (Prüfung des § 1 UWG 1909 „unabhängig“ vom Bestehen eines Geschmacksmusterschutzes). 68 So oder ähnlich die Formulierungen in BGH GRUR 1981, 517, 519; BGH GRUR 1982, 305, 307; BGH GRUR 1983, 377, 378; BGH GRUR 1985, 876, 877; BGH GRUR 1986, 673, 675; BGH GRUR 1988, 620, 621 f. (mit der zusätzlichen Bemerkung, die Beurteilung als wettbewerbswidrig setze die Berücksichtigung des maßgebenden Gesamttatbestandes voraus). 69 BGH GRUR 1996, 210, 211 – Vakuumpumpen; BGH GRUR 1999, 751, 752; BGHZ 141, 329, 340 (1999); BGH GRUR 2000, 521, 523 – Modulgerüst; BGH GRUR 2002, 275, 276; BGH GRUR 2002, 820, 821; BGH GRUR 2004, 941, 942. 70 BGH GRUR 1988, 690, 693. 71 BGH GRUR 1969, 618, 620; BGHZ 60, 168, 171 (1973) – Modeneuheit (der wirtschaftliche Vorsprung gebühre grundsätzlich dem, auf dessen Initiative das Muster zurückgeht); BGH GRUR 1999, 1106, 1109 (bei der Übernahme frei wählbarer Gestaltungen technischer Erzeugnisse müsse der Übernehmer die Unbedenklichkeit darlegen und beweisen); eher für Anscheinsbeweis Piper, in: Köhler/Piper, § 1 UWG Rn. 621. 72 RGZ 128, 330, 340 f. (1930) (mit Hinweis auf einen möglichen gesetzlichen Sonderschutz, der die Anwendung des UWG aber ebenfalls nicht ausschließe); BGH WRP 1997, 306, 307 (Werbesprüche); Piper, in: Köhler/Piper, § 1 UWG Rn. 624. 73 Siehe BGH GRUR 1969, 292, 293; BGH WRP 1976, 370, 371; BGH GRUR 1979, 119, 120 (jeweils ohne Rücksicht auf Herkunftstäuschungen oder Rufausbeutung und trotz nicht gezielter „Behinderung“); BGH GRUR 1981, 517, 519 (unter Bejahung einer Herkunftstäuschung); ohne nähere Prüfung der Herkunftstäuschung auch BGH GRUR 1982, 305, 307; BGH GRUR 1983, 377, 379; ferner BGH GRUR 1984, 453, 454; BGH GRUR 1988, 690, 693; OLG Frankfurt GRUR 1991, 778 f. Dieser grundsätzliche Schutz ästhetisch-eigenartiger Gestaltungen wurde häufig gegen die großzügigeren Instanzgerichte zur Geltung gebracht. Siehe z.B. die einen Leistungsschutz ablehnenden Entscheidungen OLG Düsseldorf WRP 1978, 378, 380; OLG Frankfurt GRUR 1982, 67
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der 1990er Jahre auch technische Elemente geschützt wurden, soweit diese austauschbar und nicht konstruktionsbedingt notwendig waren74. Die Blickrichtung auf das betroffene Gut statt auf die Art der Wettbewerbshandlung war jedoch nicht der einzige Ausdruck einer Güterzuordnungstendenz auf der Basis des § 1 UWG 1909. Mit der veränderten Gewichtung der beiden konfligierenden Rechtsgrundsätze „Nachahmungsfreiheit“ und „Leistungsschutz“ wäre die Rechtsprechung immer noch auf dem Boden eines Verständnisses des UWG als eines gesetzlichen Schuldverhältnisses verblieben, das einen Schutz von Waren und Dienstleistungen gegen akute sittenwidrige Imitationen ermöglicht, ohne ein selbständiges, primäres Ausschließlichkeitsrecht zu etablieren75. Aber auch hierüber gingen die Gerichte mit der Formulierung hinaus, dem Berechtigten werde eine „mit der Stellung des Inhabers eines Immaterialgüterrechts“ vergleichbare, gegen jeden Dritten wirkende „Rechtsstellung“ zuerkannt, aus der entsprechende Folgewirkungen abzuleiten seien76. Auf der Basis dieser, offensichtlich von einem primären subjektiven Recht am betroffenen Gut geprägten Vorstellung konnte die Aktivlegitimation entgegen § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG 1909 auf den jeweiligen Originalhersteller beschränkt werden, weil der ergänzende Leistungsschutz „trotz seiner Grundlage in § 1 UWG“ nicht dem Schutz der Allgemeinheit, sondern dem Schutz individueller Interessen diene und die Ausschließlichkeitsrechte ergänze77. Ferner erleichterte diese Auffassung die Übertragung der dreifachen Art der Schadensberechnung vom Immaterialgü17574ff. (vgl. speziell zu dieser Nachahmung des „Rubik’s Cube“ die den Nachahmungsschutz gewährenden Entscheidungen des öOGH GRUR Int. 1982, 64 ff., schweizerisches Bundesgericht, BGE 108 II 69, 72 ff. (1982)) und die erfolgreichen Revisionen in Bezug auf die Anwendung von § 1 UWG 1909 in BGH GRUR 1983, 377, 378 f.; BGH GRUR 1984, 453 f.; BGH GRUR 1988, 620 ff.; BGH GRUR 1988, 690, 693. 74 Sehr zurückhaltend noch BGHZ 50, 125, 130 (1968); differenzierend zwischen der Nachahmung frei wählbarer Gestaltungselemente und technisch bedingten Elementen BGH GRUR 1981, 517, 519 f.; erste Aufweichungstendenzen bereits bei BGH GRUR 1988, 385, 386; später dann BGH GRUR 1996, 210, 211 – Vakuumpumpen; BGH GRUR 1999, 751, 752; BGH GRUR 1999, 1106, 1108 f.; BGH GRUR 2000, 521, 523 – Modulgerüst; BGH GRUR 2002, 86, 90; BGH GRUR 2002, 275, 276 (technisch notwendige Gestaltungselemente könnten nicht gem. § 1 UWG 1909 geschützt sein, weil nach dem Grundsatz der Freiheit des Standes der Technik die Übernahme solcher Merkmale nicht zu beanstanden sei); BGH GRUR 2002, 820, 822 (der Verkehr könne sich grundsätzlich nur an äußeren Gestaltungsmerkmalen orientieren). 75 Zum Unterschied zwischen Güter- und Interessenschutz auf der Basis gesetzlicher Schuldverhältnisse und Ausschließlichkeitsrechten oben § 1 C; Begründung unten § 14 A. 76 Siehe BGHZ 57, 116, 121 f. (1971) – Wandsteckdose II; BGHZ 60, 168, 173 (1973) – Modeneuheit (wegen des besonderen Schutzwerts des nachgebildeten Erzeugnisses); BGH WRP 1976, 370, 371 f. (die Schutzwürdigkeit ergebe sich nicht aus den Mühen der Erzeugung, sondern aus der wettbewerblichen Eigenart, die das Erzeugnis von den üblichen Durchschnittserzeugnissen abhebe); BGH NJW 1977, 1062, 1063; BGH GRUR 1979, 119; BGH GRUR 1991, 914, 917 (eine dem Immaterialgüterrecht ähnliche Rechtsposition). 77 BGH GRUR 1988, 620, 621; BGH GRUR 1991, 223, 225; BGH GRUR 1993, 34, 37; zum UWG 2004 BGHZ 162, 246, 252 f. (2005) – Vitamin-Zell-Komplex; für systematisch unbefriedigend hielt die Anknüpfung des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes an § 1 UWG 1909 daher Köhler, WRP 1999, 1075, 1080 (Plädoyer für eine Sonderregelung bei den individualschützenden Vorschriften der §§ 14 ff. UWG 1909).
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terrecht auf den wettbewerbsrechtlichen Leistungs- und Geheimnisschutz. Denn insoweit liege nicht nur ein vergleichbares Schutzbedürfnis vor78, sondern der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz sei den Immaterialgüterrechten zumindest darin ähnlich, dass er wegen des „besonderen Schutzwerts des nachgebildeten Erzeugnisses“ Nachahmungen generell verbiete79. Der damit greifbare Zuweisungsgehalt dieser Rechtsposition wurde in der Literatur für Ansprüche aus Eingriffskondiktion fruchtbar gemacht80. Vor dem Hintergrund, dass die Übertragbarkeit einer Rechtsposition der entscheidende Nachweis für die Annahme eines primären subjektiven Rechts im Unterschied zu einem punktuellen Schutz auf der Basis gesetzlicher Schuldverhältnisse ist, erscheint schließlich besonders bemerkenswert, dass der Bundesgerichtshof davon ausging, dass der Originalhersteller seine Rechtsstellung in der Weise lizenzieren könne, dass „dem Lizenznehmer eine Rechtsposition eingeräumt werden kann, von der jeder Dritte ausgeschlossen ist“81. Das aber ist nichts anderes als eine beschränkte Übertragung, die ein verkehrsfähiges subjektives Recht voraussetzt82. Allerdings ließ die Bereitschaft der Rechtsprechung, Güter mit (nahezu) den Wirkungen der normierten Ausschließlichkeitsrechte zuzuordnen, gegen Ende der 1990er Jahre wieder nach. Insbesondere in der Modulgerüst-Entscheidung wird der Grundsatz der Nachahmungsfreiheit jedenfalls für technische Erzeugnisse neuerlich betont und dabei maßgeblich auf das Allgemeininteresse an dynamischem Wettbewerb abgestellt83; ggf. müsse sogar eine Herkunftstäuschung „im 78 Offengelassen wird die Frage noch von BGH GRUR 1960, 554, 555 f. Bejahend dann BGHZ 57, 116, 118 f. (1971) – Wandsteckdose II; BGH NJW 1977, 1062, 1063; BGHZ 119, 20, 30 f. (1992); KG GRUR 1988, 702, 703 (analoge Anwendung der Grundsätze zu den Sonderschutzrechten); ferner Schaub, GRUR 2005, 918, 920 m.w.N.; für den Geheimnisschutz Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 144; zum UWG 2004 BGH GRUR 2007, 431, 433. 79 BGHZ 57, 116, 120 f. (1971) – Wandsteckdose II; BGH NJW 1977, 1062, 1063. 80 Siehe Loewenheim, WRP 1997, 913, 916 (erforderlich sei eine dem Immaterialgüterrechtsschutz ähnliche Position); Beater, Unlauterer Wettbewerb, § 30 Rn. 79 ff.; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, Kap. 40 Rn. 7 m.w.N.; Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, UWG Einl Rn. 420; differenzierend Büsching, Eingriffskondiktion im Wettbewerbsrecht, 68 f., 100 (in Zweifelsfällen des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes könne die Eingriffskondiktion nicht gewährt werden, weil sonst Friktionen mit der Wettbewerbsordnung hervorgerufen und die Nachahmungsfreiheit unterlaufen würden); Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 176; Hüffer, JuS 1981, 263, 265 (für die §§ 17 f. UWG 1909 bejahend); a.A. Callmann, GRUR 1928, 251, 255 (unerlaubte Handlung genüge); v. Caemmerer, FS Rabel, 333, 395 ff.; Hubmann, FS Ulmer, 108, 117; Stadler, in: Jauernig, § 812 BGB Rn. 56; Lehmann-Schmidtke, Wettbewerbliche Eigenart, 230 f. m.w.N.; Schulze, Die kleine Münze, 290. Offengelassen von BGH GRUR 1960, 554, 557; BGH GRUR 1991, 914, 916 f. 81 BGHZ 57, 116, 121 (1971) – Wandsteckdose II; Fournier, Bereicherungsausgleich, 146; Kroitzsch, GRUR 1986, 579, 582 (das Ersatzschutzrecht könne wie ein echtes absolutes Recht durch Vergabe von Lizenzen kommerzialisiert werden); unklar Müller-Laube, ZHR 156 (1992), 480, 503 (unter Hinweis auf die Unterschiede zwischen Leistungsschutz und dem Urheberrecht mit Blick auf die Vererblichkeit). 82 Siehe oben § 1 C I 2, II, ferner unten § 10 B. 83 BGH GRUR 2000, 521, 525 ff. – Modulgerüst mit Verweis auf BGHZ 41, 55 (1963) – Klemmbausteine I; BGH GRUR 2002, 275, 276 f. (technisch notwendige Gestaltungselemente könnten keine Eigenart gem. § 1 UWG 1909 begründen, weil nach dem Grundsatz der Freiheit des
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weiteren Sinn“ hingenommen werden, wenn freizuhaltende Elemente übernommen worden seien84. Auch die sprachliche Einkleidung dieser Entscheidungen lässt eine größere Distanz zur Idee wettbewerbsrechtlich fundierter Güterzuordnungen erkennen. So wurde zur Formel zurückgekehrt, dass „zwar“ Nachahmungsfreiheit herrsche, „aber“ im Einzelfall doch Leistungsschutz zu gewähren sei, und die hierfür erforderlichen, „besonderen“ Umstände wurden wieder separat statt kumulativ geprüft85. Unter anderem wegen dieses Richtungswechsels blieb bis zur Aufhebung des UWG 1909 unklar, ob Ausgangspunkt wettbewerbsrechtlichen Denkens – parallel zum Deliktsrecht des BGB – nun die Wettbewerbs- und spezieller die Nachahmungsfreiheit oder eben doch der Schutz eigenartiger Erzeugnisse gegen unerlaubte Übernahmen war. In Entscheidungen seit der Jahrtausendwende wird einerseits ausgeführt, der ergänzende Leistungsschutz technischer Produkte sei dadurch beschränkt, dass der Stand der Technik frei sei (also Grundsatz des ggf. eingeschränkten Schutzes), andererseits wird unmittelbar im Anschluss ausgeführt, gemeinfreie technische Lösungen dürften grundsätzlich verwendet werden86. Ebenso dunkel blieben die eigentlichen Quellen des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes. Die daraus erwachsende Unsicherheit offenbarte sich etwa im Streit um die Dauer dieser Rechtsposition, in dem sowohl konsequentialistische als auch deontologische Rechtfertigungen eine Rolle spielten87, so dass manche Entscheidungen auf die notwendige Frist zur Amortisation der versunkenen Kosten des Originalherstellers abstellten88, andere hingegen mit Blick auf 84 Standes der Technik die Übernahme solcher Merkmale nicht zu beanstanden sei); BGH GRUR 2002, 629, 633 (der ergänzende Leistungsschutz dürfe sich auch bei Herkunftstäuschungen nicht auf eine gestalterische und praktische Grundidee erstrecken, die einem Sonderschutz nicht zugänglich wäre). 84 BGH GRUR 2000, 521, 526 f. – Modulgerüst; BGH GRUR 2002, 275, 277; BGH GRUR 2003, 359, 361. 85 Siehe BGH GRUR 1999, 1106, 1108; BGH GRUR 2002, 86, 89; BGH GRUR 2003, 356, 357; BGH GRUR 2003, 359, 360. 86 BGH GRUR 1999, 1106, 1108 (mit insoweit unzutreffenden Verweisen auf frühere Entscheidungen); ebenso BGH GRUR 2002, 86, 90; kaum mehr nachzuvollziehen in der Aneinanderreihung von „Grundsätzen“, die sich gegenseitig einschränken auch BGH GRUR 2002, 275, 276 f.; BGH GRUR 2002, 820, 822. 87 BGHZ 60, 168, 171 (1973) – Modeneuheit (maßgeblich sei, ob der dem Unternehmer gebührende wettbewerbliche Vorsprung eine kurzfristige Ausdehnung des Nachahmungsschutzes erfordere); BGH GRUR 2003, 356, 358 (erforderlich sei eine „Gesamtwürdigung unter Abwägung der betroffenen Interessen“); Hubmann, GRUR 1975, 230, 236 (Erhalt eines „angemessenen Lohns“); Kur, GRUR 1990, 1, 12 (die Dauer des Schutzes hänge davon ab, wie „belohnenswert“ die Leistung sei bzw. innerhalb welcher Zeitspanne eine angemessene Entlohnung erzielt werden könne); Fezer, FS GRUR II, 939, 950, 965 f. (denkbar sei auch ein per se-Verbot des Nachdrucks von ungeschützten Inhalten innerhalb eines Zeitraums von 50 Jahren); Erdmann, FS Vieregge, 197, 211; Götte, Schutzdauer, 162; Weihrauch, Leistungsschutz, 287 (jeweils Amortisations- und Belohnungsaspekte). 88 BGHZ 51, 41, 48 f. (1968); BGH GRUR 1972, 127 f.; BGHZ 60, 168, 171 (1973) – Modeneuheit (der Gewinn müsse möglichst in einer Saison realisiert werden); BGH GRUR 1986, 895, 896 (Quersubventionen aus den Gewinnen könnten nicht als Rechtfertigung eines Schutzes dienen);
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das Gut für maßgeblich erachteten, wie lange der Verkehr das betreffende Erzeugnis als eigenartig, also schutzwürdig ansah, so dass es auf Gestaltungshöhe und Zeitgeist ankam89. b) Dogmatische Verarbeitung in der Literatur Das Spannungsverhältnis zwischen Wettbewerbsfreiheit und dem Schutz einzelner Mitbewerber vor unerlaubter Nachahmung „besonderer“ Waren und Dienstleistungen bestimmt auch die einschlägige literarische Diskussion zum UWG 190990: Die wohl stets überwiegende Meinung hielt daran fest, Imitationsverbote seien die Ausnahme vom Grundsatz der Nachahmungsfreiheit. Jener Grundsatz folge im Umkehrschluss aus dem begrenzten Schutzbereich der normierten Ausschließlichkeitsrechte, entspreche dem Prinzip des freien Wettbewerbs und reflektiere die Interessen der Allgemeinheit am Zugriff auf den erreichten Entwicklungsstand. Es handele sich um punktuelles Handlungsunrecht, hinter dem kein „Ersatz-Ausschließlichkeitsrecht“ an bestimmten Gütern stehe91. 89 BGH GRUR 1990, 528, 529 (kein Schutz einer bestimmten Marktstrategie, hier der hohen Gewinnmarge von Zubehör bei preisgünstigem Angebot des Ausgangsprodukts); OLG Frankfurt GRUR 1982, 175, 179 (der Schutz ende, wenn die Früchte der Bemühungen gezogen seien); OLG Frankfurt GRUR 1983, 757, 758 (Schutzdauer bei Computerspielen 6 Monate bis ein Jahr); LG Oldenburg GRUR 1996, 481, 486 (nach fünf Jahren hinsichtlich eines Computerprogramms noch keine Anhaltspunkte, dass „ausreichende“ Amortisierung eingetreten sei); Piper, in: Köhler/Piper, § 1 UWG Rn. 647 ff.; Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rn. 516 m.w.N. (i.d.R. eine Saison für Modeerzeugnisse). 89 Dafür OLG Frankfurt GRUR 1991, 778, 779; ohne Rücksicht auf den Amortisationsaspekt auch BGH GRUR 1988, 690, 693; ferner Smoschewer, GRUR 1929, 381, 387 (Dauer hänge vom Maß der Übereinstimmung ab); Piper, in: Köhler/Piper, § 1 UWG Rn. 660 a.E.; Krüger, GRUR 1986, 115, 124 (je schutzwürdiger die Leistung, desto länger die Schutzdauer); Müller-Laube, ZHR 156 (1992), 480, 508 (Qualität des Ergebnisses sei entscheidend); dazu Hefermehl, in: Baumbach/ Hefermehl, § 1 UWG Rn. 516 (das sei ein monopolartiger Schutz). 90 Siehe etwa den Überblick bei Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 74 ff. 91 Siehe Rau, Wettbewerbsgesetz und Spezialnormen, 121 f.; Böhme, Gewerbliche Nachahmung, 123 f.; Crain, Sklavische Nachahmung, 34, 53 ff. (mit starker Betonung der Allgemeininteressen im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie); Fikentscher, Wettbewerb, 272 (Schutz vor einer Handlung, nicht eines Gutes), 275 (der Unternehmensschutz im Wettbewerb durch den ergänzenden Leistungsschutz nach UWG zähle nicht zum gewerblichen Rechtsschutz, sondern habe ein viel weiter gefasstes Schutzgut zum Gegenstand, das man nicht mehr als Sonderrecht bezeichnen könne); Müller, Sklavische Nachahmung, 11, 63; Max, Sittenverstoß, 153; Hellenschmidt, Leistungsübernahme, 130 f.; Ott, FS Raiser, 403, 420 ff.; Reimer, FS Wendel, 98, 108 f.; Englert, FS Ulmer, 297, 303 ff.; Hillig, GRUR 1929, 247, 250 ff.; Nolting-Hauff, MuW 1929, 430, 431 ff. m.w.N.; Kroitzsch, GRUR 1986, 579, 583 f. (man müsse sich damit abfinden, dass es keinen absoluten Schutz für alles und für jedes gebe); Meineke, Nachahmungsschutz, 207 (mit Hinweis darauf, dass das Festhalten an diesem Grundsatz eher eine rational nachvollziehbare, weniger emotionale Begründung erzwinge); Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 185 (aber differenzierter Innovationsschutz als ultima ratio, bei dem es sich nicht um einen allgemeinen Leistungsschutz handele, a.a.O., 408); ders., Unlauterer Wettbewerb, § 22 Rn. 11; Knies, Leistungsschutz, 160; Erdmann, FS Vieregge, 197, 199; Weber, UFITA 132 (1996), 5, 24 (der Investitionsschutz sei nicht Selbstzweck des Lauterkeitsrechts, sondern bloß ein Reflex des Verbots bestimmter Verhaltensweisen). Zum Geheimnisschutz in diesem Sinne Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 17, 130 ff. m.w.N.
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Die erstmals Ende der 1920er Jahre formulierte Gegenauffassung92 griff die beschriebenen Güterzuordnungstendenzen der Rechtsprechung auf und verstand den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz als originäre, eigenständige Zuordnung von Gütern auf der Basis des UWG93. In Anlehnung an das Modell des Erfolgsunrechts seien eigenartige Leistungsergebnisse grundsätzlich gegen unmittelbare Übernahmen und sklavische Nachahmungen geschützt, soweit dieses Verhalten nicht ausnahmsweise gerechtfertigt sei94. In einer etwas weniger weitgehenden Variante wurde für einen originären Leistungsschutz in Abwägung mit dem gleichgeordneten Prinzip der Nachahmungsfreiheit plädiert95. Die spezifisch auf das UWG bezogenen Argumente96 für diese Ansicht richteten sich zunächst gegen den Umkehrschluss der herrschenden Meinung. Das Lauterkeitsrecht werde nämlich wegen seines besonderen Schutzzwecks nicht von den nor-
92 Smoschewer, GRUR 1929, 381 ff. Siehe dazu im Überblick Schick, Schutz ungeschützter Arbeitsergebnisse, 82 ff.; Müller, Sklavische Nachahmung, 35 m.w.N.; Lehmann-Schmidtke, Wettbewerbliche Eigenart, 180 f. (Smoschewers Gegenmeinung habe sich nicht durchgesetzt). Tatsächlich trat die ganz überwiegende Meinung damals gegen einen Grundsatz des Leistungsschutzes ein; siehe die Verweise bei Smoschewer, GRUR 1929, 381, 382 f. Auch in der Diskussion des Vortrags von Smoschewer wurde dessen Auffassung unter Hinweis auf eine ablehnende Stellungnahme des Verbandes der Ingenieure ohne Ausnahme abgelehnt; siehe den Diskussionsbericht in GRUR 1929, 479 ff. 93 Nerreter, GRUR 1957, 525, 527, 533 („echter Leistungsschutz“, der aus derselben Wurzel wie die Sonderschutzgesetze stamme); Traub, GRUR 1973, 186, 191 („Quasi-Monopol“ durch „ursprünglichen Schutz aus § 1 UWG“); Fezer, FS GRUR II, 939, 956 (Leistungsschutz als vornehme Aufgabe des Wettbewerbsrechts); ders., WRP 1993, 63; Weber, Mode- und Designschutz, 34; Ohly, Richterrecht und Generalklausel, 247; gegen eine feste Etablierung als gleichrangiges Normensystem aber Kur, GRUR 1990, 1, 15; auf den Einzelfall abstellend Büsching, Eingriffskondiktion im Wettbewerbsrecht, 101, 151 (auch im Wettbewerbsrecht könnten in bestimmten Fällen Ausschließlichkeitspositionen geschaffen werden). 94 So zuerst wohl Smoschewer, GRUR 1929, 381, 385; Hubmann, GRUR 1975, 230, 235 f. (unter Verweis auf die Wertungen der Sonderschutzgesetze); Krüger, GRUR 1986, 115, 126; Fezer, FS GRUR II, 939, 959; ders., WRP 1993, 63, 71; ders., WRP 2001, 989, 1004 ff. m.w.N. (mit Gesetzesvorschlag: „Wer eine schutzwürdige Leistung eines anderen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar übernimmt oder wesentlich nachahmt, handelt unlauter im Sinne des § 1 UWG.“, a.a.O., 1007); Müller-Laube, ZHR 156 (1992), 480, 500; Weber, Mode- und Designschutz, 128 ff.; für die identische Verwertung auch Kur, GRUR Int. 1998, 771, 775 mit Fn. 44; Schricker/HenningBodewig, WRP 2001, 1367, 1384 (generelles Verbot der unmittelbaren Leistungsübernahme oder sklavischen Nachahmung schutzwürdiger Leistungen oder Leistungsergebnisse und Ausnahme für „fair use“); Roth, Geschützte Stellungen, 114; unentschieden Götting, in: Fezer, § 4–9 UWG Rn. 23 (an einem dogmatischen Fundament für den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz fehle es bis heute). 95 In diesem Sinne Kur, GRUR 1990, 1, 3 (das Prinzip der Nachahmungsfreiheit werde durch die Gründsätze über den wettbewerblichen Leistungsschutz eingeschränkt); Helfrich, Rechtsschutz der Mode, 155; Sambuc, Nachahmungsschutz, 204 f.; Köhler, WRP 1999, 1075, 1081 (mit Gesetzesvorschlag für einen neuen § 16 UWG: „Wer … das von einem anderen geschaffene Leistungsergebnis verwertet und dadurch dessen berechtigte Interessen verletzt, kann, soweit sich aus den Gesetzen zum Schutze des geistigen Eigentums nichts anderes ergibt, vom Verletzten auf Unterlassung und Beseitigung in Anspruch genommen werden.“); Götte, Schutzdauer, 103 f. (diese Auffassung führe zu einer Begrenzung des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes). 96 Zu sachlichen Argumenten siehe oben § 4 B III 3.
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mierten Ausschließlichkeitsrechten verdrängt97. Im Gegenteil, es sei sogar häufig Vorläufer entsprechender gesetzlicher Normierungen gewesen98. Außerdem gebe es „fließende Grenzen“ zwischen Ausschließlichkeitsrechten und wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz99, die nicht im Sinne eines „alles oder nichts“ verabsolutiert werden dürften100. Das UWG diene ohnehin nicht nur dem Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb, sondern maßgeblich der Abwehr von Behinderungswettbewerb im individuellen Verhältnis, so dass ein Einzelgüterschutz zulässig sei101. Der Grundsatz der Wettbewerbs- und Nachahmungsfreiheit sei hingegen ein bloßes Lippenbekenntnis der Rechtsprechung; die tatsächliche Praxis originären Güterschutzes müsse dogmatisch transparent gemacht werden102. Nicht einigen konnten sich die Vertreter dieser Auffassung freilich im Hinblick auf die hier betonte Unterscheidung zwischen einem Schutz von Gütern und Interessen auf der Basis gesetzlicher Schuldverhältnisse einerseits und subjektiven Ausschließlichkeitsrechten andererseits. Während manche Stellungnahmen trotz ihrer Fokussierung auf das eigenartige Erzeugnis als Grund und Gegenstand des Schutzes die immer noch verbleibenden Divergenzen im Vergleich mit verkehrsfähigen Ausschließlichkeitsrechten hervorhoben103, vollzogen
97 Smoschewer, GRUR 1929, 381, 386; Fezer, WRP 1993, 63, 64; Köhler, WRP 1999, 1075, 1078; Roth, Geschützte Stellungen, 98. 98 Reimer, in: Ulmer, Recht des unlauteren Wettbewerbs III, 193; Hubmann, GRUR 1975, 230, 235; Müller-Laube, ZHR 156 (1992), 480, 495 f.; Fezer, WRP 1993, 63, 64 (das Wettbewerbsrecht als Jungbrunnen des Immaterialgüterrechts); Walch, Leistungsschutz, 105 (Durchbrechung des Kanons durch den Gesetzgeber); Ohly, Richterrecht und Generalklausel, 249 ff. (die Urteile analysierten Charakter und Wert der jeweiligen künstlerischen oder unternehmerischen Leistung gründlich und überzeugend); Weber, Mode- und Designschutz, 34; Fournier, Bereicherungsausgleich, 109; Roth, Geschützte Stellungen, 96. 99 Schneidinger, Leistungsschutz, 66 („grauer Raum“); Schulze, Kleine Münze, 296; ders., GRUR 1988, 693, 694. Zum UWG 2004 auch Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 UWG Rn. 9.4 (die Grenzen seien fließend; die Abgrenzung zwischen der Gewährung von Interessenschutz durch subjektiv absolute Rechte und bloßen Handlungsschutz eine Frage der „Rechtstechnik“); Lubberger, FS Ullmann, 737, 746. 100 Kur, GRUR 1990, 1, 2 (gegen eine „uneingeschränkte Befugnis zur Herausbildung und Anwendung neuer Sonderrechtskategorien kraft Richterrechts“); Sambuc, Nachahmungsschutz, 204 f.; Fournier, Bereicherungsausgleich, 109. 101 Siehe Fezer, WRP 2001, 989, 1007 (Nachahmung aller Neuheiten eine individuelle Behinderung); Fournier, Bereicherungsausgleich, 101 ff. (wettbewerbsrechtlicher Einzelgüterschutz sei mit dem Zweck des UWG vereinbar). 102 Hubmann, GRUR 1975, 230, 236; Kur, GRUR 1990, 1, 3 (Gewinn an Glaubwürdigkeit); dies., GRUR Int. 1995, 469, 472; dies., GRUR Int. 1998, 771, 775; Fezer, FS GRUR II, 939, 960 („Leerformel“); ders., WRP 1993, 63, 65; ders., WRP 2001, 989, 1005 f.; Müller-Laube, ZHR 156 (1992), 480, 494; Fournier, Bereicherungsausgleich, 146 ff.; Sambuc, Nachahmungsschutz, 19 (das Dogma der Nachahmungsfreiheit funktioniere in der Praxis nicht); Ohly, Richterrecht und Generalklausel, 244 („Legitimation durch Begründung“); Köhler, WRP 1999, 1075, 1078; Schricker/ Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367, 1382, 1384 (in Wahrheit gehe es häufig um den Schutz bestimmter Leistungen und Leistungsergebnisse); Lubberger, FS Ullmann, 737, 754. 103 Insbesondere Walch, Leistungsschutz, 24 f.; Sandrock/Witte-Wegmann, GRUR 1978, 335, 344; wenig klar Kur, GRUR 1990, 1, 2 mit Fn. 14 (keine „vollwertige Rechtsposition“, sondern nur Umkehr der Rechtfertigungslast zugunsten des Leistungserbringers, aber Herausbildung neuer
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andere den Schritt zur Anerkennung eines mit negativen und positiven Befugnissen versehenen, übertragbaren subjektiven Rechts104. 2. Wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz im UWG 2004/2008 a) Grundzüge der Rechtsprechung Betrachtet man die zum UWG 2004 ergangene Rechtsprechung zu Nachahmungsfällen, so ist zunächst zu beachten, dass viele Entscheidungen nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes beide Fassungen parallel anzuwenden hatten, weil auf vergangene Vorfälle bezogene Schadensersatzansprüche anhand des UWG 1909 zu beurteilen waren, während für den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch die Neuregelung einschlägig war105. Schon dieser Umstand dürfte eine Neigung auslösen, trotz unterschiedlicher gesetzlicher Grundlagen jeweils dieselben Maßstäbe walten zu lassen106. Und tatsächlich geht die Rechtsprechung davon aus, dass die oben formulierten Grundsätze zum wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz in den §§ 3, 4 Nr. 9 UWG „verankert“ seien107. Fortgeschrieben werden nicht nur die in § 4 Nr. 9, 10 UWG normierten Fallgruppen der Herkunftstäuschung, Rufausbeutung, unredlichen Kenntniserlangung und gezielten Behinderung108, sondern ganz allgemein der Grundsatz, dass 104 „Schutzrechte“, a.a.O., 11); dies., GRUR Int. 1998, 771, 776 (mit Hinweis auf die erforderliche Interessenabwägung im Einzelfall). 104 Erwägend Waldhauser, Fernsehrechte Sportveranstalter, 186 f.; ferner Piper, in: Köhler/Piper, § 1 UWG Rn. 625 (Quasi-Ausschließlichkeitsrecht); Köhler, in: Ott/Schäfer, Ökonomische Analyse, 245, 254 f. (die Rechtsprechung habe ein subjektives Recht geschaffen), 264 (de facto werde den geschützten Leistungspositionen der Status von Ausschließlichkeitsrechten zugebilligt); ders., WRP 1999, 1075, 1078 (mit Hinweis auf Art. 14 GG); Müller-Laube, ZHR 156 (1992), 480, 501 (der Leistungsschutz sei seiner Struktur nach ein immaterialgüterähnliches Recht); Götte, Schutzdauer, 116 (Ausschließlichkeitsrecht); Büsching, Eingriffskondiktion im Wettbewerbsrecht, 151 (immaterialgüterrechtsähnliches, monopolartiges Verwertungsrecht); Fournier, Bereicherungsausgleich, 145 (subjektiv-rechtlicher Immaterialgüterrechtsschutz); ohne Festlegung Fezer, WRP 2001, 989, 1004 ff.; in diesem Sinne zum UWG 2004 Götting, in: Fezer, § 4–9 UWG Rn. 3 (der ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz verleihe ein negatives Verbietungsrecht und ein positives Benutzungsrecht). 105 Siehe z.B. die Entscheidungen BGH GRUR 2004, 941, 942 f. – Metallbett; BGHZ 162, 246, 251 (2005) – Vitamin-Zell-Komplex; BGH GRUR 2005, 600, 602 f.; BGH GRUR 2007, 339, 342; BGH GRUR 2007, 795, 797 – Handtaschen. 106 Siehe Zettel, MDR 2004, 1040 f. (mit Hinweis auf laufende Verfahren und darauf, dass Schwierigkeiten wegen abweichender Rechtslagen „eher die Ausnahme“ sein würden; „allmählich“ seien „Akzentverschiebungen“ zu erwarten). 107 Siehe BGH GRUR 2004, 941, 942 f. – Metallbett; BGHZ 161, 204, 210 ff. (2004) – Klemmbausteine III; BGH GRUR 2005, 166, 167; BGH GRUR 2005, 600, 602; BGH GRUR 2007, 339, 342; BGH GRUR 2007, 795, 797 – Handtaschen; BGH GRUR 2008, 793, 795 (der Inhalt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes habe sich nicht geändert); OLG Hamburg v. 25.2.2005, 5 U 66/04, juris KORE4556622005, Rn. 30 (im Wesentlichen inhaltlich unverändert); OLG Hamburg v. 28.4.2005, 5 U 138/04, juris KORE410822005, Rn. 16 (Kodifizierung der Grundsätze „ohne inhaltliche Änderung“); RegE UWG 2008, 29 (es handele sich um den im deutschen Lauterkeitsrecht seit jeher anerkannten ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz). 108 Dazu unten E I 1.
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der Vertrieb eines nachgeahmten Erzeugnisses unlauter sein kann, wenn das Erzeugnis von wettbewerblicher Eigenart ist und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. Dabei wird weiterhin mit der Wechselwirkungslehre (oben) und dem Merkmal der wettbewerblichen Eigenart im Sinne einer eigenständigen Tatbestandsvoraussetzung für den Schutz „besonderer“ Leistungen agiert, so dass z.B. nur gemeinfreie Lösungen einer technischen Aufgabe unerlaubt übernommen werden dürfen109. Obwohl im Allgemeinen bezweifelt wird, ob eine wettbewerbsrechtliche Haftung noch die Kenntnis der die Unlauterkeit begründenden objektiven Tatumstände erfordert, wird für Imitationsfälle ferner daran festgehalten, dass der Handelnde Kenntnis vom Originalprodukt gehabt haben muss, weil sonst schon begrifflich nicht von einer „Nachahmung“ gesprochen werden könne110. Schließlich geht die Rechtsprechung offenbar davon aus, dass die direkt auf den Schutz von Gütern ausgerichteten Fallgruppen der unmittelbaren Leistungsübernahme111 und des Einschiebens in eine fremde Serie auch jenseits der Regelbeispiele des § 4 Nr. 9, 10 UWG in Betracht kommen und im Unterschied zu sonstigen Verboten einer zeitlichen Begrenzung unterliegen112. Allerdings zeigt die Doktrin des unveränderten wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes erste Risse. Bisher ist die Rechtsprechung bei Nachahmungsfällen nicht über die in § 4 Nr. 9 UWG aufgeführten „besonderen“ Umstände hinausgegangen113. Das Merkmal der wettbewerblichen Eigenart des übernommenen 109 BGH GRUR 2004, 941, 942 f. – Metallbett; BGH GRUR 2005, 166, 167; BGH GRUR 2005, 600, 602 f.; BGH GRUR 2006, 79, 80 f.; BGH GRUR 2006, 493, 495; BGH GRUR 2007, 339, 342 f. (Schutz technischer Produkte); BGH GRUR 2007, 795, 797 – Handtaschen; BGH GRUR 2007, 984, 985 f.; OLG Hamburg v. 28.4.2005, 5 U 138/04, juris KORE410822005, Rn. 16; LG Köln CR 2008, 61, 62 f.; OLG Köln GRUR-RR 2008, 166, 167 f. 110 OLG Hamburg GRUR-RR 2006, 94, 98; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 UWG Rn. 9.68; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb7, 188; Lettl, UWG, Rn. 349 (aber Ausnahme für die Haftung der Händler). Siehe insoweit zum alten Recht BGH GRUR 1991, 914, 915; Kur, GRUR 1990, 1, 13; Sambuc, Nachahmungsschutz, 267. 111 Siehe OLG Köln GRUR-RR 2005, 228, 229 (im zu entscheidenden Fall aber von vornherein wegen mangelnder Übernahme einer Leistung verneint). 112 BGHZ 161, 204, 213 f. (2004) – Klemmbausteine III (allerdings nimmt der BGH nicht allgemein zu dieser Fallgruppe Stellung, sondern verneint Ansprüche wegen Ablaufs der zeitlichen Grenzen des Schutzes 45 Jahre nach der Markteinführung der LEGO-Bausteine); BGH GRUR 2007, 795, 799 – Handtaschen; siehe Ohly, in: Piper/Ohly, Einf D Rn. 81; Riesenhuber, WRP 2005, 1118, 1122. 113 Siehe BGH GRUR 2004, 941, 943 – Metallbett; BGHZ 162, 246, 252 f. (2005) – VitaminZell-Komplex; BGH GRUR 2006, 79, 80 f.; BGH GRUR 2006, 493, 495; BGH GRUR 2008, 793, 796. Im Vordergrund stehen Ansprüche wegen der Gefahr einer Herkunftstäuschung: BGH GRUR 2005, 166, 167 („Nach den zu § 1 UWG a.F. entwickelten Grundsätzen, die nunmehr in §§ 3, 4 Nr. 9 lit. a UWG verankert sind, können Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz begründet sein, wenn bei dem Vertrieb von Nachahmungen eines wettbewerblich eigenartigen Erzeugnisses die Gefahr der Herkunftstäuschung besteht und der Nachahmer zumutbare und geeignete Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlassen hat.“); BGH GRUR 2005, 600, 602; BGH GRUR 2007, 339, 342; BGH GRUR 2007, 984, 986 f.; OLG Hamburg GRUR-RR 2006, 94, 95 (mit alleinigem Verweis auf die Fallgruppe der Herkunftstäuschung
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Erzeugnisses wird dabei nur noch als inzidente Voraussetzung für eine Herkunftstäuschung aufgefasst, hingegen nicht mehr als abstraktes, rein leistungsbezogenes Schutzkriterium114. Darüber hinaus kommen in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung vermehrt Bedenken zum Ausdruck, ob unabhängig von den zusätzlichen Umständen gem. § 4 Nr. 9 UWG überhaupt noch Nachahmungsverbote ausgesprochen werden dürfen115. Das OLG Hamburg hat ausdrücklich offengelassen, ob der wettbewerbsrechtliche Saisonschutz für Modeerzeugnisse als ein klassisches Beispiel originären Güterschutzes auf der Basis des Lauterkeitsrechts „nach Einführung des § 4 Nr. 9 UWG und damit der ausdrücklichen gesetzlichen Kodifzierung bestimmter Tatbestände des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes auf Grundlage der Generalklausel des § 3 UWG“ fortgeschrieben werden könne116. b) Auffassungen in der Literatur Die Literatur zum UWG 2004 geht ganz überwiegend davon aus, dass die Neuregelung den Grundsatz der Nachahmungsfreiheit gerade durch die einschlägigen Regelbeispiele des § 4 Nr. 9 UWG bestätigt hat, weil das Gesetz für das Verbot einer Imitation von Waren oder Dienstleistungen stets besondere Umstände verlangt117. Folglich dürften über das Lauterkeitsrecht keine Quasi-Schutzrechte und114§ 4 Nr. 9 lit. a UWG); LG Frankfurt ZUM-RD 2006, 530, 531; unklar LG Köln CR 2008, 61, 62 f. In der Entscheidung BGH GRUR 2007, 795, 799 – Handtaschen, wird zwar über § 4 Nr. 9 UWG hinaus ein Tatbestand der „wettbewerbswidrigen Behinderung“ geprüft, dieser jedoch abgelehnt, da keine fast identische Nachahmung eines berühmten Produkts vorliege. 114 BGH GRUR 2005, 166, 168 („gerade die übernommenen Gestaltungsmerkmale“ müssten „geeignet sein, im Verkehr auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen“; die bloße „Besonderheit“ der Ausstattung genüge aus Rechtsgründen im Interesse der Freiheit des Wettbewerbs nicht); BGH GRUR 2005, 600, 603 (von einer vermeidbaren Herkunftstäuschung könne nicht gesprochen werden, wenn die übernommenen Gestaltungsmerkmale nicht geeignet seien, im Verkehr auf die betriebliche Herkunft hinzuweisen); BGH GRUR 2005, 857, 860 (den übernommenen Daten komme keine wettbewerbliche Eigenart zu; sie seien als solche nicht geeignet, auf eine bestimmte betriebliche Herkunft hinzudeuten); wohl auch BGH GRUR 2007, 339, 342; ausdrücklich OLG Hamburg GRUR-RR 2006, 94, 95 (für die Fallgruppe der vermeidbaren Herkunftstäuschung komme es nur auf die Funktion der Eigenart als Eignung zum Herkunftshinweis an); ferner OLG Köln GRUR-RR 2005, 299, 301 (es genüge nach geltendem Recht für die wettbewerbliche Eigenart nicht, dass eine Website mit marktüblichem Aufwand sorgsam erstellt und nicht lediglich halbprofessionell sei). 115 OLG Hamm MMR 2005, 106, 107 (für einen ergänzenden Leistungsschutz komme „allein“ § 4 Nr. 9 UWG in Betracht; bei Fehlen von Herkunftstäuschung und Rufausbeutung keine Monopolisierung von Farbkombinationen); zur unmittelbaren Leistungsübernahme OLG Köln GRURRR 2005, 228, 229; OLG Köln GRUR-RR 2005, 299, 301 f.; wohl auch OLG Frankfurt ZUM-RD 2005, 500, 503 f. (Schutz von Websites bei üblicher Gestaltung nur gem. § 4 Nr. 9 UWG). 116 OLG Hamburg GRUR-RR 2006, 94, 97. Zum Schutz von Modeerzeugnissen oben § 4 B III 1. 117 Piper, in: Piper/Ohly, § 4.9 UWG Rn. 9/6; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb7, 182; Eck, in: Gloy/Loschelder, Hdb WettbewerbsR, § 43 Rn. 2 f., 10; Berlit, Wettbewerbsrecht, Rn. 68; Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 1401, 1621; Boesche, Wettbewerbsrecht, Rn. 381; Ingerl, WRP 2004, 809, 816; Zettel, MDR 2004, 1099, 1100; Riesenhuber, WRP 2005, 1118, 1119; Dallmann, Nachahmungsschutz, 171 ff.; Dorndorf, Herkunftstäuschung, 16 ff.; Köhler, GRUR-RR 2006, 33, 34
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ausgebildet werden, die die vertikalen und horizontalen Grenzen der normierten Ausschließlichkeitsrechte zu unterlaufen drohen118. Gleichwohl werden die zum UWG 1909 entwickelten Grundsätze des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes praktisch unverändert fortgeschrieben, insbesondere im Hinblick auf die in § 4 Nr. 9, 10 UWG nicht kodifizierten Konstellationen, die auf einen unmittelbaren Schutz bestimmter Waren oder Dienstleistungen abzielen119. Auch eine Kondiktion wegen Eingriffs in diese Rechtspositionen wird weiterhin für möglich erachtet, obwohl bereicherungsrechtliche Ansprüche im Kapitel zu den Rechtsfolgen unlauterer Wettbewerbshandlungen fehlen120.
118 (durch § 4 Nr. 9 UWG sei klargestellt, dass die Leistung als solche noch keinen wettbewerbsrechtlichen Schutz rechtfertige); zweifelnd ders., GRUR 2007, 548, 549; a.A. Lubberger, FS Ullmann, 737 ff. 118 Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 UWG Rn. 9.4; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb7, 182 (nicht zu rechtfertigender Eingriff in die Prärogative des Gesetzgebers); Körner, FS Ullmann, 701, 705. Für das Markenrecht BGH GRUR 2007, 339, 342; Bornkamm, GRUR 2005, 97, 102; Plaß, in: HK-Wettbewerbsrecht, § 4 UWG Rn. 372. 119 Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 UWG Rn. 9.1 ff.; ders., GRUR-RR 2006, 33 („grundsätzliche Kontinuität“); Ohly, in: Piper/Ohly, Einf D Rn. 78; ders., FS Ullmann, 795, 799 ff. (für die Fallgruppe des Einschiebens in fremde Serie); Lehmler, § 4 Nr. 9 UWG Rn. 25 ff. (Merkmal der Eigenart); Ahrens, Wettbewerbsrecht, Rn. 220; Piper, in: Piper/Ohly, § 4.9 UWG Rn. 9/1 ff.; Lettl, UWG, Rn. 320 ff.; Plaß, in: HK-Wettbewerbsrecht, § 4 UWG Rn. 379; Eck, in: Gloy/Loschelder, Hdb WettbewerbsR, § 43 Rn. 11 ff.; Keller, in: Harte/Henning, Einl A Rn. 24 a.E. mit Fn. 86 (zum Merkmal der Eigenart); Sambuc, in: Harte/Henning, Einl F Rn. 213; Berlit, Wettbewerbsrecht, Rn. 68 ff.; Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 1621 ff.; Mees, Mitt. 2004, 534, 539; Henning-Bodewig, GRUR Int. 2004, 713, 717; Sack, WRP 2005, 531, 536 ff.; Götting, in: Fezer, § 4–9 UWG Rn. 69 ff. („Sonderfragen“); ders., Mitt. 2005, 12, 15 ff.; ders., Wettbewerbsrecht, 231 ff.; Dorndorf, Herkunftstäuschung, 18 ff.; offenbar auch Boesche, Wettbewerbsrecht, Rn. 381 ff.; für Rückgriff auf die Generalklausel über § 4 Nr. 10 UWG hinaus und sogar gegen eine Vermutungswirkung der Regelbeispiele für die Unlauterkeit Omsels, WRP 2004, 136, 140 mit Fn. 32, 144. Zweifelnd hingegen Starck, MarkenR 2005, 81; Ingerl, WRP 2004, 809, 814, 816 (zum Schutz von Werbeaussagen); ablehnend Körner, FS Ullmann, 701, 707 (die Fallgruppen sklavischer Nachbau, Einschieben in fremde Serie und der Schutz von Modeneuheiten seien nicht aufrechtzuerhalten); zur Modeneuheiten-Rechtsprechung ebenso Ohly, GRUR 2007, 731, 739. 120 Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 UWG Rn. 9.84; Piper, in: Piper/Ohly, § 4.9 UWG Rn. 9/127; Ullmann, in: Ullmann, § 4 Nr. 9 UWG Rn. 54; Plaß, in: HK-Wettbewerbsrecht, vor §§ 8 ff. UWG Rn. 27 ff. (Bereicherungsrecht komme bei den Immaterialgüterrechten gleichstehenden, wettbewerbsrechtlich geschützten Positionen in Betracht); Emmerich, Unlauterer Wettbewerb7, 499; Lehmler, § 9 UWG Rn. 49; Eck, in: Gloy/Loschelder, Hdb WettbewerbsR, § 43 Rn. 190; Götting, in: Fezer, § 4–9 UWG Rn. 76; Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 1897 f. (auch zu § 687 Abs. 2 BGB); Wiebe, in: MünchKomm, § 4 Nr. 9 UWG Rn. 269 f.; Sambuc, in: Harte/ Henning, § 4 Nr. 9 UWG Rn. 220 ff. (jeweils unter Verweis auf Urteile zum UWG 1909); wohl auch Koos, in: Fezer, § 9 UWG Rn. 33 f. (allerdings in Bezug auf Immaterialgüterrechte); Boesche, Wettbewerbsrecht, Rn. 159. Ohne Nennung des Bereicherungsrechts Lettl, UWG, Rn. 251 ff. A.A. Fritzsche, in: MünchKomm, § 9 UWG Rn. 126 (aus § 4 Nr. 9 UWG lasse sich kein Zuweisungsgehalt ableiten). Zur Gewinnherausgabe Wittmann, Geschäftsführung ohne Auftrag, 159 f. („bei erhöhter Schutzbedürftigkeit eines absolut geschützten Rechtsguts unter der Voraussetzung eines schuldhaft-rechtswidrigen Eingriffs“ gelte ein allgemeines Prinzip der Gewinnhaftung des Eingreifers); Plaß, in: HK-Wettbewerbsrecht, vor §§ 8 ff. UWG Rn. 35 ff. (unter Verweis auf die Voraussetzungen für Ansprüche aus Eingriffskondiktion).
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Dementsprechend findet sich nicht nur die bekannte Schlussfolgerung, der Leistungsschutz habe im praktischen Ergebnis „ähnliche Ausschließlichkeitswirkungen“ wie die Immaterialgüterrechte121, sondern vereinzelt wird sogar am Grundsatz des originären Leistungsschutzes festgehalten, von dem zugunsten der Wettbewerbsfreiheit ggf. Ausnahmen gemacht werden dürften122. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass sowohl unter Geltung des UWG 1909 als auch nach derzeitigem Lauterkeitsrecht ein Schutz von Erzeugnissen gegen unerlaubte Nachahmung gewährt worden ist, der von einer allerdings bestrittenen Auffassung als originärer, grundsätzlicher Güterschutz mit Wirkungen wie ein Ausschließlichkeitsrecht aufgefasst und befürwortet wird. Gemeinsam mit der eingangs als entwicklungsoffener Delegationsnorm charakterisierten Generalklausel des § 3 UWG scheint das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb daher durchaus eine geeignete Rechtsgrundlage zur Anerkennung positiv-exklusiver Befugnisse an Gütern abzugeben, sei es durch Zubilligung der im UWG normierten Rechtsfolgen, sei es darüber hinaus durch Anerkennung primärer subjektiver Ausschließlichkeitsrechte. Die folgenden Abschnitte dienen der kritischen Überprüfung dieser Annahmen unter besonderer Berücksichtigung der 2004 erfolgten bzw. für 2008 anstehenden Neuregelungen. Zunächst ist zu zeigen, dass das UWG ein Sonderdeliktsrecht für Wettbewerbshandlungen normiert und schon deshalb kaum über weitergehende Zuordnungskraft verfügt als das Deliktsrecht des BGB (dazu C). Im Anschluss sind die in § 1 UWG kodifizierten Zwecke des Gesetzes in die Betrachtung einzubeziehen (dazu D), bevor im letzten Abschnitt die einschlägigen Regelbeispiele des § 4 Nr. 9, 10 UWG auf ihre güterzuordnungsrelevanten Aussagen und ein etwaiges Verbot weitergehenden Leistungsschutzes auf der Basis der Generalklausel des § 3 UWG in Blick zu nehmen sind (dazu E). 121 Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 UWG Rn. 9.4; Plaß, in: HK-Wettbewerbsrecht, § 4 UWG Rn. 371, 373 f.; Eck, in: Gloy/Loschelder, Hdb WettbewerbsR, § 43 Rn. 3, 10; Sambuc, in: Harte/Henning, Einl F Rn. 202, § 4 Nr. 9 Rn. 12 (Abgrenzungen verschwimmen); Koos, in: Fezer, § 9 UWG Rn. 28 (den Immaterialgüterrechten vergleichbare Leistungspositionen); Götting, Wettbewerbsrecht, 227 f.; Beyerlein, WRP 2005, 1354, 1355 (die Grenze sei fließend); Ohly, FS Ullmann, 795, 797, 806 (gemischttypisches Recht mit Elementen des Marken- und Geschmacksmusterrechts); ders., in: Piper/Ohly, Einf D Rn. 16, 78 (zumindest immaterialgüterrechtsähnliche Rechtsposition); ders., GRUR 2007, 731, 735 („Quasi-Immaterialgüterrecht“). 122 Ohne Rücksicht auf das neue UWG unter Zitierung der Rechtsprechung zum UWG 1909 Sambuc, in: Harte/Henning, § 4 Nr. 9 UWG Rn. 29; ferner Fezer, in: Fezer, Einl E Rn. 96, § 3 UWG Rn. 100–103 (UWG als „Jungbrunnen des Immaterialgüterrechts“; Leistungsschutz als eigenständige Aufgabe des UWG, die über § 3 UWG verwirklicht werden könne); Ohly, in: Piper/ Ohly, Einf D Rn. 80 (Schrittmacherfunktion); Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 232, 236, 288 und öfter (lauterkeitsrechtlicher Grundkonsens, wonach auf Nachfrage stoßende Immaterialgüter nicht der Freiheit unterliegen, von anderen genutzt zu werden); für den Fall des „legal lag“ auch Götting, Mitt. 2005, 12, 20; für „schutzbedürftigen Freiraum“ letztlich auch Körner, FS Ullmann, 701, 714 f.; eher zurückhaltend Emmerich, Unlauterer Wettbewerb7, 179 ff., 201 (mit Verweis auf die Rechtsprechung zu Modeneuheiten); Henning-Bodewig, GRUR Int. 2004, 713, 717 („gewisse Akzentverschiebung“). Kritisch zur Beschränkung der Aktivlegitimation auf den verletzten Mitbewerber Münker, FS Ullmann, 781, 784 ff.
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C. Das UWG als Sonderdeliktsrecht Erste Anhaltspunkte zur Bestimmung des güterzuordnenden Gehalts des Lauterkeitsrechts lassen sich aus einem Vergleich mit den gesetzlichen Schuldverhältnissen des Zivilrechts gewinnen. Ein Zusammenhang besteht dabei vor allen Dingen mit dem Deliktsrecht des BGB, dem das Lauterkeitsrecht in historischer und rechtsvergleichender Perspektive als Sondermaterie entwachsen ist123. In Frankreich hatte sich seit Beginn des 19. Jahrhunderts eine Rechtsprechung zur concurrence illoyale auf der Basis des Art. 1382 Code Civile entwickelt124. Dazu kam es in Deutschland insbesondere deshalb nicht, weil bis 1900 ein reichseinheitliches Deliktsrecht fehlte, das vom Reichsgericht auch nicht rechtsfortbildend entwickelt wurde125. Folglich musste die Legislative tätig werden. Da sich der BGB-Gesetzgeber aber gegen eine „große“, auch auf Wettbewerbshandeln anwendbare Generalklausel entschieden hatte, man aber zunehmend die Notwendigkeit empfand, Auswüchse wettbewerblichen Verhaltens einzudämmen, entschied man sich 1896 für ein spezielles Gesetz zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs126. Grundlegendes Ziel dieser Kodifikation war die Herstellung einer Ordnung des Wettbewerbs durch allgemeine Rechtspflichten, wie sie auch außerhalb des gewerblichen Verkehrs zu beachten waren127. Die Bezugnahme auf das Deliktsrecht wurde im UWG 1909 noch deutlicher erkennbar. Erste Entwürfe knüpften für die Generalklausel noch direkt an § 826 BGB an und erweiterten diese Vorschrift nur im Hinblick auf Unterlassungsansprüche und die Ak123
Siehe auch Reichold, AcP 193 (1993), 204, 228 (mit Hinweis auf die Entlastungsfunktion des § 1 UWG 1909 im Vergleich zum BGB-Deliktsrecht); Leistner, Richtiger Vertrag, 229 ff. 124 Dazu rechtsvergleichend nur Ulmer, in: Ulmer, Recht gegen unlauteren Wettbewerb I, 1 ff. 125 In den Entscheidungen RGZ 3, 67, 68 f. (1880); RGZ 29, 57, 60 f. (1892) lehnte das Reichsgericht eine Anwendung von Art. 1382 CC gegen eine vom Markenschutzgesetz 1874 und vom HGB nicht erfasste Kennzeichen- bzw. Firmenbenutzung ab, weil der Schutz von Kennzeichen auch zivilrechtlich für das Deutsche Reich einheitlich und erschöpfend geregelt sei. Den Urteilen ist zu entnehmen, dass es dem Reichsgericht hauptsächlich um eine einheitliche Rechtslage im gesamten deutschen Reich ging. Dieser Zustand wäre nicht zu erreichen gewesen, wenn in Baden die Rechtsprechung zum Code Civil gegolten hätte, in Hamburg aber nicht. Zur abschließenden Regelung der Sanktionen im Patentgesetz 1870 in diesem Sinne RGZ 43, 56, 58 (1898); so auch Klippel, in: HK-Wettbewerbsrecht, E 1 Rn. 13 (das Reichsgericht habe eine Rechtszersplitterung verhindern wollen und damit den Anwendungsbereich des Markenschutzgesetzes extrem ausgedehnt). Hingegen deutliche Kritik am begriffsjuristischen Vorgehen der Rechtsprechung während der Beratungen des UWG 1909, siehe Stenographischen Bericht über die 2. Lesung am 17.5.1909, XII. Legislaturperiode, 1. Session 1907/1909, 8498 (Abgeordneter Dr. Bitter). 126 Siehe Kraft, Interessenabwägung, 93 ff. m.w.N. Zu den Gründen auch Bericht Reichstagskommission, 2 (die Richter seien an positive Beweisregeln gebunden, Laien könnten nicht an Entscheidungen mitwirken und dem Richter Kenntnisse des praktischen Geschäftsverkehrs vermitteln; es habe ein oberster Gerichtshof gefehlt, der die Einheitlichkeit der Rechtsprechung sicherte); Osterrieth, UWG 1896, 16 (mangels fassbaren Rechtsgutes habe es lange gedauert, bis der Gesetzgeber einen Schutz gegen unlauteren Wettbewerbs normiert habe). 127 Bericht Reichstagskommission, 2 ff.; Osterrieth, UWG 1896, 12 ff.; ferner Kraft, Interessenabwägung, 175 f.; zu dieser Aufgabe des BGB-Deliktsrechts oben § 6 B I.
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tivlegitimation128. Zwar entschied man sich im Laufe der Beratung doch für eine eigenständige, lauterkeitsrechtliche Regelung, übernahm jedoch den zentralen Begriff der „guten Sitten“ aus § 826 BGB129 und verwendete auch sonst deliktsrechtliche Kategorien wie das Verschuldensprinzip und die Orientierung der gesetzlichen Tatbestände an rechtswidrigen Handlungen130. An der Idee einer Generalklausel für Verhaltensunrecht im Wettbewerb hat das UWG 2004 trotz der Ersetzung der „Sittenwidrigkeit“ durch die „Unlauterkeit“ wie gezeigt festgehalten. Es verwundert daher nicht, dass das Lauterkeitsrecht kollisionsrechtlich als „unerlaubte Handlung“ qualifiziert wird, und Art. 6 Abs. 2 Rom-II-Verordnung gerade für unlauteres Wettbewerbsverhalten, das „ausschließlich die Interessen eines bestimmten Wettbewerbers betrifft“, auf die allgemeine Kollisionsnorm jenes außervertraglichen Schuldverhältnisses verweist131. Auch die internationale Zuständigkeit für lauterkeitsrechtliche Ansprüche richtet sich nach den Vorschriften für unerlaubte Handlungen132. Schließlich wird die deliktsrechtliche Verjährungsregel des § 852 BGB für Ansprüche aus dem UWG für anwendbar gehalten133. Vor diesem Hintergrund ordnet die ganz herrschende Meinung das geltende UWG zutreffend als Sonderdeliktsrecht ein134. Wie das Deliktsrecht des BGB grenzt das Lauterkeitsrecht bei Interessenkollisionen individuelle Rechtskreise ab. Das Besondere des UWG ist also nicht diese grundlegende Funktion, sondern sein Anwendungsbereich, der sich auf geschäftliche Handlungen, also das Markt-
128 Vorläufiger Entwurf UWG 1909, MuW 1907/1908, 48, 55 f. (lediglich gesetzliche Anordnung, dass Unterlassungsansprüche wegen drohender Verstöße gegen § 826 BGB nach Maßgabe des UWG zulässig seien); Entwurf UWG 1909, 9 f. 129 Siehe nur Schricker, Gesetzesverletzung und Sittenverstoß, 186 m.w.N. 130 Siehe Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367, 1378 (letzten Endes sei die lauterkeitsrechtliche Generalklausel mit den allgemeinen zivilrechtlichen Missbrachstatbeständen wie etwa § 826 BGB verwandt). 131 Siehe ErwGrd 21 Rom-II-Verordnung („Die Sonderregel nach Artikel 6 stellt keine Ausnahme von der allgemeinen Regel nach Artikel 4 Absatz 1 dar, sondern vielmehr eine Präzisierung derselben.“); zum deutschen Recht nur etwa BGHZ 35, 329, 333 ff. (1961); BGH NJW 2006, 2630, 2632 m.w.N.; Walch, Leistungsschutz, 143 f. (anwendbar sei das Recht am Ort der wettbewerblichen Interessenüberschneidung). Gegen das Territorialitäts- und Schutzlandprinzip im Immaterialgüterrecht zur Begründung der Einheitlichkeit von Ausschließlichkeitsrechten und Leistungsschutz Götte, Schutzdauer, 119 (mit sachlich unzutreffender Bezugnahme auf Schack, Urheberrecht, Rn. 806 ff.). 132 Siehe BGHZ 162, 246, 249 (2005) – Vitamin-Zell-Komplex m.w.N.; ebenso zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ BGH NJW 2006, 2630, 2632 m.w.N. 133 BGH GRUR 1999, 751, 754 m.w.N. 134 Zum UWG 2004 RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 26; Ohly, in: Piper/Ohly, Einf D Rn. 56; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Einl UWG Rn. 7.2; Klippel, in: HK-Wettbewerbsrecht, E 2 Rn. 6; Ahrens, in: Harte/Henning, Einl F Rn. 133; Fezer, in: Fezer, § 1 UWG Rn. 55; Mees, Mitt. 2004, 534, 543; Keßler, WRP 2005, 1203, 1208. Zum UWG 1909 ebenso BGH NJW 1974, 1503, 1505 (§ 32 ZPO erfasse auch Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht); BGHZ 41, 314, 315 (1964) (unerlaubte Handlungen im weiteren Sinne); Ulmer, in: Ulmer, Recht des unlauteren Wettbewerbs I, 35; Reichold, AcP 193 (1993), 204, 221 (Sonderdeliktsrecht der UnternehmensVerkehrspflichten); Weihrauch, Leistungsschutz, 98 ff.
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verhaltensrecht beschränkt, während das BGB-Deliktsrecht für alle übrigen Handlungen einschlägig ist135. Folglich dient der Schadensersatzanspruch gem. der §§ 3 ff., 9 UWG dem Ausgleich von Vermögensschäden durch unlauteren Wettbewerb136. Immerhin wird man dem Lauterkeitsrecht noch deutlicher als dem BGB-Deliktsrecht neben der Schadensverteilung die Aufgabe zusprechen können, das Verhalten der Marktteilnehmer im Hinblick auf ein Funktionieren der Wettbewerbsordnung zu steuern. Denn ein Vermögensschaden ist keine Voraussetzung für die Feststellung der Unlauterkeit und die ausdrücklich normierten Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gem. § 8 UWG137. Bereits dieser Standortbestimmung lassen sich erste Rückschlüsse auf den güterzuordnenden Gehalt des UWG entnehmen138. Zwar sind die Schadensausgleichs- und Rechtskreisabgrenzungsfunktion auf einer sehr hohen Abstraktionsebene angesiedelt. Gleichwohl dürfte die Aussagekraft des UWG im Hinblick auf richterliche Güterzuordnungen kaum fundamental vom Deliktsrecht des BGB divergieren, wenn es historisch, strukturell und teleologisch mit jenem Rechtsbereich verwandt ist. Demnach würde das Lauterkeitsrecht keine Rechtsgrundlage für die Zuweisung von Gütern abgeben. Außerdem fehlt der rein handlungsorientierten Generalklausel des § 3 UWG ebenso wie § 826 BGB jeder Bezug auf Ausschließlichkeitsrechte oder bestimmte Güter, während § 823 Abs. 1 BGB gerade solche Rechtspositionen betrifft. Damit mangelt es bereits an einem Anhaltspunkt für die Etablierung von Rechtssphären in Gestalt von negativen und positiven Befugnissen an Gütern. Gegen eine güterschützende Tendenz des UWG spricht schließlich, dass für ein Verbot unlauteren Verhaltens noch kein individualisierbarer Vermögensschaden eingetreten sein muss, so dass weniger die Interessen des Einzelnen als vielmehr die Allgemeininteressen an einem geordneten Wettbewerb im Vordergrund stehen dürften139.
D. Der Zweck des UWG Mit letztgenanntem Hinweis auf den Schutz individueller und/oder allgemeiner Interessen wurde bereits ein Bogen zum Zweck des Lauterkeitsrechts geschlagen, der nunmehr im Hinblick auf seine güterzuordnungsrelevanten Implikationen 135 RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 15 f.; Lettl, UWG, Rn. 64; Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 44. Zum UWG 1909 RGZ 117, 16, 21 (1927); BVerfGE 32, 311, 316 (1972); Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 71. 136 Siehe zum UWG 1896 Bericht Reichstagskommission, 4 (der leitende Gedanke des Gesetzentwurfs sei es, den redlichen Wettbewerber gegen Schäden zu schützen, der ihm aus verwerflichen Operationen seines unlauteren Wettbewerbers erwachsen könne). 137 Siehe zum UWG 1909 in diesem Sinne BGHZ 36, 252, 254 (1962); Schrauder, Wettbewerbsverstöße, 106 f.; Piper, in: Köhler/Piper, Einf Rn. 13. 138 Zurückhaltender Walch, Leistungsschutz, 22, zum UWG 1909. Zum BGB-Deliktsrecht oben § 6 B I, C I. 139 Siehe bereits Rosenthal, UWG3, § 1 UWG Anm. 5.
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überprüft werden soll. Wie eingangs erläutert, erscheint eine vom BGB-Deliktsrecht gesonderte Darstellung des UWG angezeigt, weil dieses Marktverhaltensrecht besondere, vom allgemeinen Zivilrecht abweichende Ziele verfolgt. Diese sind nunmehr in § 1 UWG kodifiziert: „Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und Verbraucher140 sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauterem Wettbewerb (bzw. im UWGE 2008 „vor unlauteren geschäftlichen Handlungen“). Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.“
Bei dieser Regelung handelt es sich nicht etwa um einen unverbindlichen Programmsatz zur wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Legitimation des UWG, sondern um die Kodifikation eines verbindlichen Maßstabs für die teleologische Auslegung aller folgenden Normen einschließlich der Generalklausel141. Die Schutzzweckklausel ist daher für die hier behandelte Problematik von hervorragender Bedeutung142. Allerdings würde eine Beschränkung auf § 1 UWG ein sehr unvollständiges Bild von den in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen zum Zweck des geltenden Lauterkeitsrechts ergeben. Denn auch jene sind maßgeblich von den Diskussionen zum UWG 1909 geprägt, die folglich mit zu berücksichtigen sind143. Die bereits im Wortlaut des § 1 UWG erkennbare Komplexität dieses Themas soll in mehreren Schritten bewältigt werden. Zunächst ist dem Verhältnis zwischen dem Schutz individueller Interessen und den Interessen der Allgemeinheit, also dem Verhältnis von Satz 1 zu Satz 2 dieser Norm nachzugehen (dazu I). Im Anschluss soll erörtert werden, welcher Art die Allgemeininteressen „an einem unverfälschten Wettbewerb“ sind (dazu II) und wie jene für eine konkrete Anwendung lauterkeitsrechtlicher Vorschriften operabel gemacht werden können (dazu III). 140 Hier wie auch sonst in dieser Untersuchung werden personenbezogene Begriffe geschlechterneutral aufgefasst. 141 Schünemann, in: Harte/Henning, § 1 UWG Rn. 1; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 1 UWG Rn. 4; Lettl, UWG, Rn. 17, 137; Klippel/Brämer, in: HK-Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 3; Fezer, in: Fezer, § 1 UWG Rn. 3 (Auslegungsdirektive); Piper, in: Piper/Ohly, § 1 UWG Rn. 1 (der gleichwohl „Grundlagen“ des Schutzzwecks von der „gesetzlichen Regelung“ unterscheidet). Zur Bedeutung der Schutzzwecküberlegungen zum UWG 1909 nur Beater, Schutzzweckdenken, 31 ff. 142 Ebenso Köhler, GRUR 2007, 548, 549; Münker, FS Ullmann, 781, 785; in Bezug auf die Liberalisierung des Lauterkeitsrechts Wuttke, WRP 2007, 119, 122. 143 Siehe BGHZ 162, 246, 251 (2005) – Vitamin-Zell-Komplex (mit undifferenziertem Verweis auf den „Schutz der Interessen der Allgemeinheit“ gem. § 1 UWG 1909 und die Entscheidung RG GRUR 1944, 88 f.). Aus der Literatur etwa Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 1 UWG Rn. 35 (was § 1 S. 2 UWG im Einzelnen bedeute, bedürfe noch der Klärung); Berlit, WRP 2003, 563, 564 (mit strafrechtlichen Erwägungen zum Begriff der Verfälschung des Wettbewerbs); Ahrens, JZ 2004, 763, 772 (einen übergreifenden Normzweck des UWG 2004 gebe es nicht); Keßler, WRP 2005, 1203 f. (es habe noch keine Klärung des Schutzzwecks des UWG stattgefunden). Vorschnell daher der Ansatz von Schünemann, WRP 2004, 925, 934 (diese Diskussion brauche seit dem Inkrafttreten des UWG 2004 nicht mehr nachgezeichnet zu werden). Zur Schutzzweckdiskussion im UWG 1909 siehe etwa Kraft, Interessenabwägung, 196 ff.; Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, Einl UWG Rn. 44 ff.
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I. Individuelle Interessen und Interessen der Allgemeinheit Der güterzuordnungsrelevante Aussagegehalt des UWG hängt wesentlich davon ab, ob das Gesetz primär individuelle Interessen der Marktteilnehmer – ggf. an einem exklusiven „Haben“ von Gütern – oder vorrangig Interessen der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb schützt. Insoweit lassen sich vier Auffassungen unterscheiden, nämlich die Lehre vom reinen Individualschutz (dazu 1), das „sozialrechtliche Verständnis“ des Lauterkeitsrechts, das neben individuellen Belangen auch sonstige Allgemeininteressen verwirklicht sehen möchte (dazu 2), die sog. Schutzzwecktrias im Sinne einer gleichrangigen Berücksichtigung von Interessen der Mitbewerber, Verbraucher und der Allgemeinheit (dazu 3) sowie eine funktionale Betrachtung, die die Aufrechterhaltung eines unverfälschten Wettbewerbs als das die Individualinteressen überwölbende Ziel des UWG ansieht (dazu 4). 1. Reiner Individualschutz Wäre das UWG allein auf (bestimmte) individuelle Interessen von Marktteilnehmern ausgerichtet, ließe sich noch am ehesten ein güterschützender, bestimmte Personen begünstigender Telos des Gesetzes ausmachen. Und tatsächlich verweist § 1 S. 1 UWG auf den Schutz der Mitbewerber, Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer. Ein Verbot unlauteren Wettbewerbs gem. § 3 UWG setzt voraus, dass die Interessen jener Schutzsubjekte beeinträchtigt werden144. Dementsprechend ist die Aktivlegitimation für Ansprüche wegen wettbewerbswidriger Verhaltensweisen weitgehend individualisiert. Schadensersatzansprüche können nur von Mitbewerbern geltend gemacht werden (§ 9 UWG); Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche stehen ebenfalls nur dieser Gruppe von Marktteilnehmern sowie bestimmten Verbänden, Einrichtungen und Kammern zu (§ 8 Abs. 3 UWG). Ein solch individualbezogenes Verständnis des Lauterkeitsrechts, verbunden mit der Annahme, dass wettbewerbsrechtliche Ansprüche aus der Verletzung eines subjektiven „absoluten“ Rechts erwachsen, wurde vornehmlich im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert vertreten145. Als Schutzgüter wurden entweder die Persönlichkeit des Wettbewerbers146 oder das Immaterialgut „Unternehmen“ als 144
Lettl, UWG, Rn. 143 (kein Schutz der Lauterkeit des Wettbewerbs um ihrer selbst willen). Siehe Schrauder, Wettbewerbsverstöße, 110 m.w.N.; ferner Fikentscher, Wettbewerb, 157 ff.; Fezer, Teilhabe und Verantwortung, 542 ff.; Schricker, AcP 172 (1972), 203, 219. 146 Kohler, Unlauterer Wettbewerb, 17 f. („Hiernach ist die Wirtschaft individualistisch frei, aber so, daß die Persönlichkeit nicht angetastet werden darf. Jede Wirtschaft des Einen hat sich in den Grenzen zu halten, welche die Persönlichkeit des Anderen erfordert. Die Persönlichkeit eines jeden verlangt aber, daß er nicht durch täuschende anstandswidrige Mittel geschädigt oder unterdrückt wird.“); v. Gierke, IherJb. 35 (1896), 137, 168 f. (bei voller Erfassung des Rechts der Persönlichkeit könne die Rechtsprechung hieraus den erforderlichen privatrechtlichen Schutz gegen unlauteren Wettbewerb herleiten, ohne dass erst die Gesetzgebung bemüht zu werden brauche); ders., Dt. Privatrecht I, 713 ff.; Rosenthal, UWG8, 1 ff.; unter Berufung hierauf RGZ 135, 385, 395 145
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Inbegriff der Einzelgüter bzw. als Goodwill147 aufgefasst. Damit einher ging zunächst die Ausblendung der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher148. Zwar leugneten die Vertreter dieser Auffassung nicht, dass der Schutz der Persönlichkeit bzw. des Unternehmens letztlich in eine Wettbewerbsordnung eingebettet ist, die auf freier wirtschaftlicher Betätigung beruht und die allgemeinen Interessen dient149. Und doch wird der das ganze Wettbewerbsrecht beherrschende Gedanke betont, der redlich erworbene Besitzstand verdiene „als solcher“ Berücksichtigung150, so dass der Schutz von Gütern gegen unerlaubte Nutzungen durchaus als wettbewerbskonformes Ziel des UWG erscheint. Solche rein individualistischen Theorien werden allerdings bereits seit den 1930er Jahren kaum noch vertreten, weil sie die Schutzzwecke des Lauterkeitsrechts allenfalls teilweise wiedergeben151. Mit § 1 UWG ist ein solcher Ansatz offensichtlich unvereinbar, weil das Interesse der Allgemeinheit am unverfälschten
147 (1932). Siehe auch Bericht Reichstagskommission, 4 (Schutz des redlichen Wettbewerbers); siehe aber auch Osterrieth, UWG 1896, 15 f. (es fehle bei trügerischen Reklamen ein sachlich fassbares Rechtsgut); zum UWG 1909 Stenographischer Bericht über die Lesungen des UWG, XII. Legislaturperiode, 1. Session 1907/1909, 8498 (2. Lesung am 17.5.1909, Abgeordneter Dr. Bitter: Schutz des „ehrlichen Gewerbetreibenden“); kritisch zu einem „immaterielle[n] Rechtsgut der ungehinderten Ausübung einer Gewerbstätigkeit und des Rechts auf Kundschaft“ aber Bericht der 35. Kommission v. 5.5.1909, XII. Legislaturperiode, 1. Session 1907/1909, 8436 (Nr. 1390 der Anlagen). 147 Isay, Unternehmen, 57 ff.; Callmann, UWG, 26 ff. m.w.N.; Baumbach, UWG, 126 f. (absolutes Recht, das jede fremde Einwirkung eigentumsartig ausschließe, weil es inhaltlich dem Eigentum völlig entspreche). 148 Callmann, UWG, 34 (das UWG wolle in erster Linie nicht das kaufende Publikum, sondern die ehrbaren Geschäftsleute schützen); Baumbach, UWG, 128 (es sei ein grundlegender, nicht auszurottender Irrtum, dass das deutsche Wettbewerbsrecht auch das Publikum, den Verbraucher, schütze). 149 Zum Schutz der persönlichen Betätigungsfreiheit siehe Lobe, Unlauterer Wettbewerb, 183 ff., 197; Rosenthal, UWG8, 5 (Schutzgegenstand sei die Persönlichkeit, deren Recht auf gewerbliche Betätigung vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen behütet werden müsse); Ulmer, Sinnzusammenhänge, 8 (Schutzgut sei die geschäftliche Betätigung von Personen und Unternehmen); Nerreter, Allgemeine Grundlagen, 97 (Betätigungsrecht); Fikentscher, Wettbewerb, 228, 230; ders., Wirtschaftsrecht II, 378 mit Fn. 770 (Ableitung aus einer persönlichkeitsrechtlichen Betrachtung); Fournier, Bereicherungsausgleich, 105. A.A. Kummer, Anwendungsbereich und Schutzgut UWG, 87 ff., 100 (Schutzgut des UWG sei ein „Recht an der Wettbewerbsstellung“ im Sinne eines absoluten subjektiven Rechts). Kummer beruft sich zu Unrecht auf ein „ähnliches Ergebnis“ Franz Böhms, wenn dieser die „Siegchance“ als geschütztes Interesse bezeichnet (a.a.O., 88). Zu Böhms funktionaler Theorie unten 4. Zum Schutz der Allgemeininteressen an lauterem Wettbewerb Callmann, UWG, 35; Baumbach, UWG, 128 (die Redlichkeit des Verkehrs komme „letzten Endes“ in stärkstem Maß der Allgemeinheit zugute); Kummer, Anwendungsbereich und Schutzgut UWG, 110 (reflexweiser Schutz der Wettbewerbsordnung). 150 Rosenthal, UWG8, 5 (für sehr weitreichenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz a.a.O., § 1 Anm. 49 ff. (Ausnutzung fremder Arbeitsleistung)). 151 Siehe Beater, Unlauterer Wettbewerb, § 3 Rn. 88 m.w.N. Zweifelnd an der Aufgabe der klassischen Vorstellung vom Schutz individueller Interessen durch subjektive Rechte aber Fikentscher, Wettbewerb, 162; für eine persönlichkeitsrechtliche Betrachtung auch ders., Wirtschaftsrecht II, 378.
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Wettbewerb „zugleich“ mit in den Telos einbezogen wird. Im Übrigen war bereits frühzeitig bemängelt worden, dass der Schutz der Verbraucher152 und die Aktivlegitimation von Verbänden unerklärt bleibe153. Außerdem müssten zulässige, aber den einzelnen Mitbewerber doch schädigende Wettbewerbshandlungen akzeptiert werden154, ohne dass die hierfür maßgeblichen Kriterien aus dem Persönlichkeits- oder Unternehmensschutzgedanken abzuleiten seien155. Eine für die hiesige Problematik besonders interessante Kritik formulierte Hermann Isay in seiner Schrift „Das Rechtsgut des Wettbewerbsrechts“ (1933). Seiner Auffassung nach gingen die individualrechtlichen Auffassungen begründungslos und ohne Rückkopplung auf die Rechtsordnung vom Bestehen eines subjektiv-absoluten Rechts an der Persönlichkeit bzw. dem Unternehmen aus156. Ein solches Recht bestehe jedoch nicht, weil nicht jede Störung in Ausübung der allgemeinen Freiheit verboten sei157 und Ansprüche zur Bewehrung lauterkeitsrechtlicher Verbote kein primäres Recht voraussetzten158. Geklärt ist damit allerdings nur, dass eine einseitige Fokussierung auf individuelle Interessen bestimmter Mitbewerber unter Ausblendung von Verbraucherund Allgemeininteressen keinen genügenden Ansatz zur Erklärung des Lauterkeitsrechts liefert. Zu erörtern bleibt, wie sich diese in § 1 UWG genannten Positionen zueinander verhalten, und wie sie zu gewichten sind.
152 Kritisch Ulmer, Sinnzusammenhänge, 20 m.w.N.; aus späterer Zeit Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, Einl UWG Rn. 46; Reimer, in: Ulmer, Recht des unlauteren Wettbewerbs III, 17; mit pointiert subjektivrechtlicher Begründung Fezer, WRP 1993, 565, 568 ff.; ferner Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 1 UWG Rn. 2 (unter dem Interesse der Allgemeinheit sei insbesondere das Interesse der Verbraucher verstanden worden). 153 Siehe dazu RGZ 128, 330, 342 (1930); RGZ 132, 311, 317 (1931) (die Klagebefugnis der Verbände entstamme grundsätzlich nicht einem Individualrecht). Allerdings wurde bereits zum UWG 1909 festgehalten, das UWG diene nicht dem Schutz der Verbände selbst; siehe BGHZ 44, 393, 397 (1969). 154 Siehe für die Persönlichkeitsrechtstheorie etwa Kohler, Unlauterer Wettbewerb, 17 („… der Einzelne mag versinken: das ist sein Schicksal; er stirbt im redlichen Kampfe“); v. Gierke, Dt. Privatrecht I, 714; Rosenthal, UWG8, 4; Kummer, Anwendungsbereich und Schutzgut UWG, 126 (sonderbare Zweiteilung des negatorischen Schutzes); für die Immaterialgüterrechtstheorie etwa Isay, Unternehmen, 59. 155 Kritisch in diesem Sinne Nipperdey, Kartell-Rundschau 1930, 127 f. Siehe die entsprechenden Ausführungen von Kohler, Unlauterer Wettbewerb, 17 („der Wettstreit ist ein Kampf, aber er ist kein Krieg, kein bellum omnium contra omnes“); v. Gierke, Dt. Privatrecht I, 714 (das Recht auf freie Gewerbebetätigung verleihe keinen Freibrief zur Unterdrückung oder Anmaßung der einem anderen Persönlichkeitsbereiche angehörigen Kräfte und Mittel); Isay, Unternehmen, 59 ff. (der Kampf solle ein ehrlicher sein). Ohne konkretes Abgrenzungskriterium auch Isay, Rechtsgut, 54 ff. (erforderlich sei ein neues „Berufsethos“, dessen Inhalt Isay aber schuldig bleibt). 156 Isay, Rechtsgut, 10, 14 f. 157 Isay, Rechtsgut, 17, 32. Dahinter steht der Aspekt, dass der Schutz absoluter Rechte über das Modell des Erfolgsunrechts verwirklicht wird, der Eingriff also die Rechtswidrigkeit indiziert. 158 Isay, Rechtsgut, 13 (Normenschutz und subjektives Recht seien nicht identisch); Kraft, Interessenabwägung, 203; Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, Allg. Rn. 88 (Institutionsschutz und Individualschutz seien keine unvereinbare Gegensätze).
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2. Sozialrechtliches Verständnis Insbesondere Fezer vertritt unter Berufung auf Hefermehl ein „sozialrechtliches“ Verständnis des UWG, das neben „verbraucherrechtlichen“ und „ordnungsrechtlichen“ auch „allgemein gesellschaftsrechtliche“ Wertungen unrechtsbegründend berücksichtigt159. Diese umfassende Sicht schließt den individualrechtlichen Charakter des Lauterkeitsrechts keineswegs aus, sondern umfasst konkurrentenund konsumentenbezogene Belange in einem „Dualismus der Schutzzwecke“160. Demnach kommen in § 1 S. 1 UWG vorrangige, lauterkeitsbezogene Allgemeininteressen zum Ausdruck, in Satz 2 hingegen das institutionelle Allgemeininteresse an einem unverfälschten Wettbewerb161. Obwohl die Rechtsprechung dogmatische Festlegungen vermeidet, dürfte auch der Bundesgerichtshof dieser Sichtweise zuneigen. Denn ohne nähere Auseinandersetzung mit § 1 UWG, dafür aber mit Verweisen auf die Rechtslage zum UWG 1909 einschließlich einer Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahr 1944 verwirklicht der I. Senat über das geltende Lauterkeitsrecht weiterhin nicht genuin auf Wettbewerb bezogene Belange wie den Gesundheitsschutz der Bevölkerung162. Dieser „sozialrechtliche“ Ansatz vermag jedoch nicht zu überzeugen. Er ist nicht mit den kodifizierten Zwecken des UWG 2004 vereinbar, denn § 1 S. 2 UWG nennt eben nur die Allgemeininteressen an einem unverfälschten Wettbewerb163. Das ist kein Zufall, sondern Ausdruck der erklärten Absicht des Gesetzgebers, wonach sonstige Belange wie der Schutz der Volksgesundheit, der Umwelt usw. nicht vom Lauterkeitsrecht erfasst, sondern auf der Basis anderer,
159
Fezer, in: Fezer, § 1 UWG Rn. 12–15, 21, § 3 Rn. 94 (Schutz gegen diskriminierende und vor informierender Umweltwerbung); Sack, WRP 2005, 531, 543 f. (eine die „Würde des Menschen als Gattungswesen“ beeinträchtigende Werbung werde von § 3 UWG erfasst). Von einem „sozialrechtlichen Verständnis“ sprechen auch noch Holtorf, in: Gloy/Loschelder, Hdb WettbewerbsR, § 2 Rn. 8; Götting, Wettbewerbsrecht, 84 ff. 160 Fezer, in: Fezer, § 1 UWG Rn. 29, 36; zustimmend Boesche, Wettbewerbsrecht, Rn. 1; Götting, Wettbewerbsrecht, 3 (der „Akzent“ des UWG im Gegensatz zum GWB sei der Individualschutz); Brüning, in: Harte/Henning, Einl F Rn. 125 (das UWG schütze die Lauterkeit des Wettbewerbs als primär wettbewerblicher Individualschutz); Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 221 (es sei nicht einzusehen, den Individualschutz abzulehnen). 161 Fezer, in: Fezer, § 1 UWG Rn. 38 f., 58, 60 („Der Lauterkeitsschutz ist die Politik des UWG.“), § 3 Rn. 12; ohne Zitat des § 1 S. 2 UWG bei der Herleitung des „sozialrechtlichen“ Schutzobjekts des UWG auch Götting, Wettbewerbsrecht, 87. 162 BGHZ 162, 246, 251 ff. (2005) – Vitamin-Zell-Komplex; ohne Berücksichtigung von § 1 UWG für einen Gesundheitsschutz der Verbraucher gem. §§ 3, 4 Nr. 1 UWG BGH GRUR 2006, 953, 954; zum Jugendschutz BGH GRUR 2007, 890, 893 f. Ebenso die von BGHZ 162, 246, 253 (2005) – Vitamin-Zell-Komplex in Bezug genommene Entscheidung RG GRUR 1944, 88 f. (Schutz „allgemeiner Belange der Gesundheitspflege“). Beater, Unlauterer Wettbewerb, § 3 Rn. 98 f., unterscheidet hinsichtlich der nationalsozialistischen Einflüsse auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts die Zeit vor und nach Beginn des 2. Weltkriegs. 163 Sosnitza, in: MünchKomm, § 1 UWG Rn. 30 ff. und öfter; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/ Bornkamm, § 1 UWG Rn. 36; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb7, 29 f., 80 f.; Schünemann, in: Harte/Henning, § 1 UWG Rn. 52 ff.; Wuttke, WRP 2007, 119, 126 f. (der BGH wende das UWG 2004 nicht „de lege artis“ an); Leistner, Richtiger Vertrag, 222 ff.
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insbesondere öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu verfolgen sind164. Im Zuge der Umsetzung der verbraucherschutzorientierten Richtlinie 2005/29 wurde hieran ausdrücklich festgehalten165. Dem entspricht das Regelbeispiel zum Rechtsbruch gem. § 4 Nr. 11 UWG, das nur Zuwiderhandlungen gegen solche Vorschriften für unlauter erklärt, die im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten regeln, so dass insbesondere nicht mehr zwischen „sittlich fundierten“ und „wertneutralen“ Gesetzen unterschieden werden darf166. Im Übrigen verkennt der von Fezer nur behauptete Dualismus zwischen Mitbewerberund Verbraucherschutz167 in problematischer Fortführung wettbewerbsfeindlicher Ansätze aus den 1920er und 1930er Jahren die theoretischen Grundlagen des Wettbewerbs und seiner rechtlichen Ordnung, in der sich Anbieter- und Nachfragerinteressen zum Wohle der Allgemeinheit dialektisch aufheben168. Der angebliche weitere Gegensatz zwischen lauterkeitsbezogenen Allgemeininteressen und einem Institutionenschutz wird von Fezer nicht aufgelöst169; die Bedeutung der Allgemeininteressen an einem „unverfälschten Wettbewerb“ bleibt in diesem Konzept unerklärt170. Die in § 1 UWG hineingetragenen Widersprüche lassen sich der Norm jedoch ebenso wenig entnehmen wie der Generalklausel des § 3 UWG, die auch § 1 S. 2 UWG abbilden soll171. Der Hinweis auf
164
RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 16; Piper, in: Piper/Ohly, § 1 UWG Rn. 8; Wuttke, WRP 2007, 119, 122 f. Rechtspolitische Kritik hieran bei Fezer, in: Fezer, § 1 UWG Rn. 37 (die Nennung der Allgemeinheit sei „gesetzestechnisch überflüssig“ und „missglückt“, ein „Rückschritt“), § 1 UWG Rn. 49 f. („Ideologisierung des Lauterkeitsrechts“ durch eine „neoliberale Kritik am lauterkeitsrechtlichen Schutz der Allgemeininteressen“), § 3 Rn. 94 („gravierender Rückschritt“). Zu den Ideologien, die hinter dem „sozialrechtlichen“ Verständnis des Wettbewerbsrechts stehen, sogleich. 165 RegE UWG 2008, 16 f. (es seien neben den Verbrauchern „Mitbewerber, sonstige Marktteilnehmer und gewisse Interessen der Allgemeinheit“ geschützt (Hervorh. v. Verf.); für den Bereich des Schutzes der Allgemeininteressen enthalte die Richtlinie keine Vorgaben, so dass kein Umsetzungsbedarf bestehe). 166 Grundlegend dazu Schricker, Gesetzesverletzung und Sittenverstoß, 239 ff., 274 f. 167 Siehe Fezer, in: Fezer, § 1 UWG Rn. 29 (das wettbewerbliche Unrecht zentriere um die Interessen der Mitbewerber und Verbraucher, so dass sich ein Dualismus der Schutzzwecke zwischen Mitbewerber- und Verbraucherschutz ergebe), Rn. 42 (die ausdrückliche Aufnahme des unverfälschten Wettbewerbs stelle „keinesfalls“ eine Restriktion des Lauterkeitsrechts, sondern eine Extension im Sinne des umfassenden Wettbewerbsschutzes dar), Rn. 60 („unterschiedliche Schutzrichtung der Regelungen“). 168 Dazu unten 4. 169 Fezer, in: Fezer, § 1 UWG Rn. 58 („Allgemeines Schutzobjekt des UWG im Sinne des § 1 ist der lautere und unverfälschte Wettbewerb.“). 170 Fezer, in: Fezer, § 1 UWG Rn. 37 (die Nennung der Allgemeinheit sei „überflüssig“). Dasselbe gilt für die Fallgruppe der allgemeinen Marktstörung; siehe Osterrieth, in: Fezer, § 4–S1 UWG Rn. 36 (mit zutreffendem Hinweis auf die Bewältigung dieser Fallgruppe durch objektive Verhaltensnormen nach Abkehr von der rein individualrechtlichen Sicht). 171 Siehe RegE UWG 2008, 42 (durch die Änderung des § 3 UWG werde „der sachliche und sprachliche Gleichklang zu den Regelungen in § 1 Satz 2 UWG, § 4 Nr. 11 UWG und § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG hergestellt“). Ohne Differenzierung insoweit Fezer, in: Fezer, § 3 UWG Rn. 42 (die Kernaussage von § 3 UWG gehe dahin: „Unlauterer Wettbewerb ist verboten.“).
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die richterliche Güter- und Interessenabwägung172 kann die Antagonismen nicht aufheben, weil kein Maßstab für die Entscheidung zwischen konfligierenden Belangen formuliert wird173. 3. Schutzzwecktrias Die wohl herrschende Meinung zum UWG 1909 beschrieb die Funktion des Lauterkeitsrechts denn auch anders, nämlich im Sinne einer „Schutzzwecktrias“, wonach das UWG die Interessen der Mitbewerber, Verbraucher sowie der Allgemeinheit mit dem objektiven Ziel schütze, die Lauterkeit des Wettbewerbs sicherzustellen174. Dieser Ansatz soll nach überwiegend vertretener Lesart in § 1 UWG kodifiziert worden sein175. Die Allgemeininteressen stünden demnach gleichrangig neben den Interessen der Verbraucher und der Mitbewerber176. § 1 S. 2 UWG stellt lediglich klar, dass sonstige Belange wie Gesundheits- und Umweltschutz ein lauterkeitsrechtliches Verbot nicht tragen können177. Da Satz 2 anders als nach „sozialrechtlichem Verständnis“ nicht für obsolet erklärt wird, werden Konstellationen gesucht, bei denen ausnahmsweise einmal allein Interessen am unverfälschten Wettbewerb betroffen sind178. Im Hinblick auf die Güterzuordnungsproblematik ist bedeutsam, dass auch diese Auffassung einen wettbewerbsrechtlichen Individualschutz für zulässig erachtet, weil die Interessen der Allgemeinheit nicht den endgültigen Maßstab liefern, sondern mit gleicher Be172 Fezer, WRP 1993, 565, 571 (Das „geltende Wettbewerbsrecht ahndet subjektivrechtliches, objektivrechtliches und sittlichrechtliches Unrecht im Wettbewerb. Der unterschiedliche Gehalt der drei Arten des zivilen Unrechts verlangt auch im Wettbewerbsrecht, die Richtung der anhand einer marktbezogenen Güter- und Interessenabwägung vorzunehmenden Rechtswertung nach der rechtlichen Struktur der berührten Lebensbereiche zu bestimmen.“); ders., in: Fezer, § 3 UWG Rn. 87. 173 Allgemein zu diesem Defizit jeder reinen Interessenjurisprudenz oben § 1 A III 2. 174 BGHZ 35, 329, 336 (1961); BGHZ 50, 125, 128 (1968); BGH GRUR 1999, 751, 753 f.; BGH GRUR 2000, 521, 525 – Modulgerüst (jeweils zur Fallgruppe der sklavischen Nachahmung); aus der Literatur etwa Piper, in: Köhler/Piper, Einf Rn. 23; Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, Allg. Rn. 79, Einl UWG Rn. 42 ff. m.w.N.; Schricker, Gesetzesverletzung und Sittenverstoß, 4 und öfter; Schrauder, Wettbewerbsverstöße, 136; Fezer, JZ 1990, 657, 660 f. 175 Siehe RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 13 m.w.N. zum Funktionswandel; RegE UWG 2008, 40 (bewährte allgemeine Schutzzwecktrias des deutschen Rechts); Sosnitza, in: MünchKomm, § 1 UWG Rn. 9 f.; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 1 UWG Rn. 3; ders., NJW 2004, 2121; Piper, in: Piper/Ohly, § 1 UWG Rn. 9; Henning-Bodewig, GRUR Int. 2004, 713, 715; Lehmler, § 1 UWG Rn. 1; Ahrens, Wettbewerbsrecht, Rn. 2; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb7, 29 f.; Leistner, Richtiger Vertrag, 221 ff. Zu ideologischen Einflüssen Schill, Wettbewerbsideologie, 81 f. 176 Klippel, in: HK-Wettbewerbsrecht, E 2 Rn. 2. 177 So RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 16; Klippel/Brämer, in: HK-Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 21 f.; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 1 UWG Rn. 3; ders., NJW 2004, 2121; Henning-Bodewig, GRUR Int. 2004, 713, 715; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb7, 29 f.; Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 55; Zettel, MDR 2004, 1040; Glöckner/Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311, 1317; Leistner, Richtiger Vertrag, 226 (klarstellender Charakter des Verweises auf die Allgemeininteressen). 178 Siehe Ohly, GRUR 2004, 889, 894 f.
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deutung neben die einzelnen Mitbewerber- und Verbraucherbelange treten179. Daher konnten sich die Verfechter eines originären Leistungsschutzes auf der Basis des UWG 1909 auf den Telos des Lauterkeitsrechts berufen, den redlich erworbenen Besitzstand des einzelnen Unternehmers vor unlauteren Angriffen der Mitbewerber zu bewahren, während die individualrechtlichen Theorien primär wegen der mangelnden Berücksichtigung des Verbraucherschutzgedankens verworfen wurden180. Auch diese Lehre von der Schutzzwecktrias ist abzulehnen. Dabei verdeckt die apodiktische Rede von ihrer Fortgeltung, dass bis zur Neuregelung ausgesprochen umstritten war, welche Allgemeininteressen Berücksichtigung finden durften181, und was unter zulässigem „Leistungswettbewerb“ zu verstehen war182, während eine umfassende Erklärung des Lauterkeitsrechts unter Einbeziehung von Mitbewerber- und Verbraucherinteressen ausdrücklich vermisst wurde183. Die bereits im Zusammenhang mit dem „sozialrechtlichen“ Verständnis des UWG erwähnte Methode der Interessenabwägung erfreute sich zwar großer Beliebtheit, krankt aber an ihrer Beliebigkeit und am Fehlen von Entscheidungsmaßstäben, die im Konfliktfall sagen, welches Interesse warum vorzuziehen ist184. Darüber hinaus steht eine Schutzzwecktrias schon auf den ersten Blick mit 179
Für das UWG 2004 Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 55. Siehe Fezer, WRP 1993, 565, 568 ff.; Reichold, AcP 193 (1993), 204, 230; Fournier, Bereicherungsausgleich, 104 ff. 181 Siehe die Kritik bei Burmann, WRP 1968, 258, 259; Raiser, GRUR Int. 1973, 443 mit Fn. 3 (mit zutreffender Differenzierung zwischen dem Argument der Berücksichtigung der Verbraucherinteressen und der Frage nach dem sonstigen „öffentlichen Interesse“ am lauteren Wettbewerb); Emmerich, Recht des unlauteren Wettbewerbs5, 13 f. (es sei im Grunde unklar geblieben, was eigentlich konkret mit dem „sozialrechtlichen“ Verständnis gemeint sei); Möschel, Pressekonzentration, 134 (begriffliche Unschärfen und Scheingegensätze); Reichold, AcP 193 (1993), 204, 216, 232 f. (Zauberformel); Schricker, GRUR Int. 1996, 473, 476; Schwartz, GRUR 1967, 333, 342 (Lehrsatz als Hilfskonstruktion); Giese, Öffentliche Interessen, 97 (schillernder Begriff, der einer nur an Teilproblemen ausgerichteten Betrachtungsweise Vorschub leiste); Beater, Unlauterer Wettbewerb, § 10 Rn. 15. Zur Entwicklung von Rechtsprechung und Literatur zum Begriff des Allgemeininteresses ausführlich Giese, Öffentliche Interessen, 21 ff.; Schnieders, Allgemeininteressen, 6 ff. 182 Freitag, Leistungswettbewerb, 123 ff. (keine rechtlich erhebliche Bedeutung); Sosnitza, Wettbewerbsbeschränkungen, 84 („schillerndes Schlagwort“); Schricker, GRUR Int. 1996, 473, 476 („Schimäre“); Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 1 UWG Rn. 39 (unklarer Begriff). Dunkel denn auch die Verweise von Kraft, Interessenabwägung, 214; Schricker, Gesetzesverletzung und Sittenverstoß, 235, 275 (jeweils auf eine „Natur der Sache“ des zulässigen Leistungswettbewerbs). 183 Reimer, in: Ulmer, Recht des unlauteren Wettbewerbs III, 18 (eine befriedigende Definition des geschützten Rechtsguts sei bisher nicht gelungen); kritisch zu den Versuchen, ein einheitliches, durch das Wettbewerbsrecht geschütztes, subjektives Recht zu konstruieren Schricker, Gesetzesverletzung und Sittenverstoß, 4 („Fata Morgana“). 184 Zur Interessenabwägung siehe insbesondere Reimer, in: Ulmer, Recht des unlauteren Wettbewerbs III, 194; Kraft, Interessenabwägung, 207 (der Schutzzweck des UWG beziehe sich auf die im Wettbewerb aufgrund unserer Rechtsauffassung und der Natur der Wettbewerbs als schutzwürdig angesehenen Interessen der Gewerbetreibenden, der Verbraucher sowie der öffentlichen Belange gegen missbräuchliche Ausübung der Wettbewerbsfreiheit). Zutreffende Kritik bei 180
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§ 1 UWG in Widerspruch, der vier Schutzsubjekte aufzählt, nämlich die Mitbewerber, die Verbraucher, die sonstigen Marktteilnehmer sowie die Allgemeinheit. Mit der Nennung der „sonstigen Marktteilnehmer“ wird nämlich nicht etwa ein überflüssiger Oberbegriff für Mitbewerber und Verbraucher eingeführt, sondern ausweislich des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG werden hiermit neben diesen beiden Gruppen „alle Personen, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig sind“, angesprochen185. Dagegen konnten bisher keine Fallgruppen benannt werden, bei denen ausschließlich Allgemeininteressen am unverfälschten Wettbewerb betroffen sind, nicht aber Belange einzelner Marktteilnehmer186, so dass § 1 S. 2 UWG im Ergebnis doch wieder leerläuft. Vor allen Dingen bleibt bei einer Gleichrangigkeit aller Belange weiterhin offen, warum die einzelnen Interessen Schutz verdienen187 und anhand welcher Kriterien Interessenkollisionen zu lösen sind188. 4. Schutz des Allgemeininteresses am unverfälschten Wettbewerb Die Defizite einer Auffassung, die die individuellen Interessen von Marktteilnehmern und die Interessen der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb als gleichrangig auffasst, vermeidet eine zunehmend vertretene Meinung, die sich auf Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte der §§ 1 und 3 UWG berufen kann (dazu a), und die als Einzige die wettbewerbsfeindlichen Wurzeln der Gegenmeinungen unter Berücksichtigung verfassungs- und europarechtlicher Einflüsse reflektiert (dazu b). Nach dieser insbesondere von Schünemann formulierten Ansicht ist das Allgemeininteresse an der freien Wettbewerbsordnung der gemeinsame Bezugspunkt der Partikularinteressen der Marktteilnehmer. Es steht nicht auf derselben Stufe wie die Individualbelange, sondern bildet den überwöl185 Schünemann, in: Harte/Henning, § 3 UWG Rn. 175 f.; Koppensteiner, WRP 2007, 475, 479; Raiser, GRUR Int. 1973, 443, 445 mit Fn. 24 (mit der Frage nach dem Maßstab der Interessenabwägung); Fikentscher, Wirtschaftsrecht II, 378 (statt der Interessen könne man auch die Güter, auf die sich die Interessen beziehen, zum Gegenstand der Betrachtung machen); kritisch ohne Alternativvorschlag Schricker, GRUR Int. 1996, 473, 476. 185 Siehe Piper, in: Piper/Ohly, § 1 UWG Rn. 26 ff. (öffentliche Hand, Kirchen); Omsels, WRP 2004, 136, 139; a.A. Sosnitza, in: MünchKomm, § 1 UWG Rn. 9; Fezer, in: Fezer, § 1 UWG Rn. 25; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb7, 29; widersprüchlich Ahrens, Wettbewerbsrecht, Rn. 13 (Oberbegriff, aber eigenständige Bedeutung). 186 Ohly, GRUR 2004, 889, 894; Ahrens, Wettbewerbsrecht, Rn. 15 (es falle schwer, solche Fälle zu finden). 187 Das erkennen Klippel/Brämer, in: HK-Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 6 ohne Konsequenzen; aus diesem Grund letztlich doch für das Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb als maßgeblichen „Abwägungsmaßstab“ bei der Berücksichtigung der verschiedenen Schutzzwecke Wuttke, WRP 2007, 119, 124. 188 Ohne entsprechende Maßstäbe denn auch Sosnitza, in: MünchKomm, § 1 UWG Rn. 39 (die Abwägung entscheide zugleich über die Rangfolge der betroffenen Interessen); Piper, in: Piper/ Ohly, § 1 UWG Rn. 32 (Abwägung der im Einzelfall berührten Interessen); Köhler, in: Hefermehl/ Köhler/Bornkamm, § 1 UWG Rn. 44 (dennoch an der Schutzzwecktrias festhaltend); Wuttke, WRP 2007, 119, 124 (deshalb sei das Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb der „teleologisch fundierte[n] Abwägungsmaßstab“). Den Wortlaut des Gesetzes apodiktisch als „Irrweg“ überwindend Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 224 f.
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benden und letztlich entscheidenden Gesichtspunkt: „Die Maßstäbe wettbewerblich-unlauteren Verhaltens sind … ,ausschließlich aus den Funktionsvoraussetzungen von Wettbewerb zu entnehmen‘“.189. Diese wettbewerbsfunktionale Sichtweise vermeidet eine Reduzierung des Lauterkeitsrechts auf singuläre Belange der Mitbewerber, Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer190 und ist zudem nicht gezwungen, sich in eine letztlich beliebige Interessenabwägung zu flüchten. a) Wortlaut, Systematik und Begründung der §§ 1, 3 UWG Für einen solchen Ansatz sprechen zunächst Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte der Schutzzweckklausel. So ergibt sich bereits aus der bewusst gewählten191 Formulierung des § 1 S. 2 UWG, wonach dieses Gesetz „zugleich“ das Interesse der Allgemeinheit am unverfälschten Wettbewerb schützt, dass ein zwangsläufiger Bezug zwischen subjektiver und objektiv-allgemeiner Ebene besteht. Dagegen treten die Allgemeininteressen gerade nicht im Sinne einer kumulativen Aufzählung („und“/„auch“) neben die Belange der einzelnen Marktteilnehmer. Schon deshalb ist es verfehlt, den Allgemeininteressen eine isolierte Bedeutung zuzusprechen und nach Fällen zu suchen, in denen nur jene berührt sind. Vielmehr müssen alle Beeinträchtigungen individueller Interessen „zugleich“ eine Verfälschung des Wettbewerbs hervorrufen können, um überhaupt wettbewerbsrechtlich relevant zu sein192. Für eine solche Überordnung funktionaler Gesichtspunkte statt einer Gleichrangigkeit mit anschließender Interessenabwägung spricht ferner die Systematik 189 Schünemann, WRP 2004, 925, 931 ff.; ders., in: Harte/Henning, § 1 UWG Rn. 52 ff., 63 ff.; Thouvenin, Funktionale Systematisierung, 140 ff.; ferner Henning-Bodewig, GRUR Int. 2004, 713, 716 (die Unlauterkeit sei künftig eher wettbewerbsfunktional als ethisch zu bestimmen); Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 1 UWG Rn. 43 (der Schutz der Institution Wettbewerb sei nicht bloße Kehrseite des Schutzes des Marktteilnehmer, sondern habe eigenständige Bedeutung); Emmerich, Unlauterer Wettbewerb7, 78 (Referenzsystem für die Unlauterkeit sei das System unverfälschten Wettbewerbs); Koppensteiner, WRP 2007, 475, 476; Sosnitza, in: MünchKomm, § 1 UWG Rn. 10; Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 139 (der eigentliche Zweck des UWG liege darin, das Interesse der Marktteilnehmer an einem unverfälschten Wettbewerb zu schützen); Wuttke, WRP 2007, 119, 124 (Schutz der Allgemeininteressen als ausschlaggebender Abwägungsmaßstab); Münker, FS Ullmann, 781, 782; rechtsvergleichend Hilty, in: Hilty/Henning-Bodewig, Unfair Competition, 1, 8 ff.; gerade umgekehrt Ernst, in: Ullmann, § 1 UWG Rn. 10 (den Allgemeininteressen komme nachrangige Bedeutung zu). 190 Diese selektive Sichtweise auf die Interessen bestimmter Marktteilnehmer droht neuerdings durch eine einseitige, auf Verbraucherschutz ausgelegte Gesetzgebung der EG; das befürwortend Keßler, WRP 2005, 1203, 1209 (vorrangige Aufgabe des UWG sei es, eine ausreichende Informationsversorgung der Konsumenten zu gewährleisten); dazu mit Recht kritisch Henning-Bodewig, GRUR Int. 2004, 183, 188 ff.; Glöckner/Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311, 1313 ff. 191 Der Entwurf von Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig, WRP 2002, 1317, hatte noch von „damit“ statt „zugleich“ gesprochen; siehe Klippel/Brämer, in: HK-Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 25. 192 Klippel/Brämer, in: HK-Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 25 f. („das geeinte Interesse aller Marktbeteiligten und überhaupt der Gesellschaft an einem funktionierenden Wettbewerb“); anders OLG Köln GRUR-RR 2008, 166, 167 (der ergänzende Leistungsschutz diene „vorrangig dem Schutz individueller Leistung und daneben dem Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerbsrecht“).
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der Schutzzweckklausel, die Partikular- und Allgemeininteressen trotz ihrer sprachlichen Verknüpfung in getrennten Sätzen ausweist193. Ein positives Schutzobjekt, nämlich der unverfälschte Wettbewerb, wird dabei nur in Satz 2 genannt. Satz 1 verweist mit dem „unlauteren“ Wettbewerb bzw. den „unlauteren geschäftlichen Handlungen“ gem. UWG-E 2008 hingegen lediglich auf die Generalklausel des § 3 UWG und bleibt damit gerade eine Antwort auf die Frage schuldig, warum solches Verhalten unzulässig ist. In diesem Sinne formuliert auch die Begründung des § 1 UWG, der „eigentliche Zweck“ des UWG liege darin, das Marktverhalten im Interesse der genannten drei Schutzsubjekte „und damit zugleich“ das Interesse der Allgemeinheit zu regeln194. Von einem gleichrangigen Schutz ist lediglich hinsichtlich der in Satz 1 genannten Mitbewerber, Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer die Rede195, während davon abgesetzt ausgeführt wird, das Gesetz verfolgte ein „integrierte[s] Modell eines gleichberechtigten Schutzes der Mitbewerber, der Verbraucher und der Allgemeinheit“196. Diese Passage bringt zweierlei zum Ausdruck. Zum einen soll das UWG als einheitlicher Ansatz („integriertes Modell“) verstanden werden; ein „Dualismus“ oder gar „Antagonismus“ von Zwecken ist damit unvereinbar. Zum anderen ist jede relevante Beeinträchtigung individueller und damit zugleich allgemeiner Interessen ohne Bevorzugung bestimmter partikulärer Belange zu berücksichtigen197. Diese Lesart entspricht dem schweizerischen Lauterkeitsrecht, das gerade in den grundlegenden Ziel- und Strukturentscheidungen Vorbild für die deutsche Novellierung war198. Gem. Art. 1 CH-UWG bezweckt jenes Gesetz, „den lauteren und unverfälschten Wettbewerb im Interesse aller Beteiligten zu gewährleisten“. Damit wird genau wie in § 1 S. 2 UWG der Schutz des Wettbewerbs zum Programm des Gesetzes erklärt199. In der schweizerischen Rechtsprechung und Lehre wird dementsprechend überwiegend die Funktionsfähigkeit der Institution Wettbewerb als Schutzobjekt angesehen200. 193 Insoweit zutreffend Fezer, in: Fezer, § 1 UWG Rn. 29, der daraus allerdings eine ganz andere als die hier vertretene Schlussfolgerung zieht. 194 RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 15 f.; siehe zum Unterschied zwischen der Wortwahl des Gesetzes („zugleich“) und der Begründung („damit“) Köhler, in: Hefermehl/Köhler/ Bornkamm, § 1 UWG Rn. 43 f.; Schünemann, in: Harte/Henning, § 1 UWG Rn. 64, 67. In diesem Sinne bereits der Entwurf von Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig, WRP 2002, 1317, 1324; ferner Lettl, UWG, Rn. 64 (Schutz des Wettbewerbs als Institution). 195 Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig, WRP 2002, 1317, 1324; RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, 15 f.; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2008, 64, 65 f.; Ohly, GRUR 2004, 889, 894 (Gleichrangigkeit des Konkurrenten- und Verbraucherschutzes). 196 RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 16. 197 A.A. Lettl, UWG, Rn. 16 (Gleichrangigkeit). 198 Siehe Fezer, in: Fezer, § 1 UWG Rn. 2. 199 Botschaft CH-UWG, BBl. 1983 II, 1009, 1037 ff. (auch zur Berücksichtigung der Lauterkeit des Verhaltens, also „geschäftsmoralischer“ Kriterien, die aber letztlich mit Blick auf eine Wahrung der Funktionen des Wettbewerbs angewendet werden müssten). 200 Siehe BGE 126 III 198, 202 (2000); BGE 131 III, 384, 388 (2005); Jenny, Nachahmungsfreiheit, 163 ff. m.w.N.; Thouvenin, Funktionale Systematisierung, 123 f., 421 ff. m.w.N.
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Zu demselben Ergebnis führt eine nähere Betrachtung der Generalklausel des § 3 UWG in der Fassung 2004. Denn auch diese zentrale Regelung bezieht sich auf „den Wettbewerb“, der nicht zum Nachteil der Marktteilnehmer „beeinträchtigt“ werden darf. Schutzobjekt ist also wiederum der unverfälschte Wettbewerb als Institution201. Damit wird § 1 S. 1 UWG, der wie gezeigt lediglich auf „unlauteren Wettbewerb“ verweist, ebenfalls auf dieses umfassende Ziel ausgerichtet. Die Individualinteressen sind theoretischer und praktischer Anknüpfungspunkt, „Durchgangsstation“ bzw. Ausdruck der objektiven Wettbewerbsbeeinträchtigung. Anhand des subjektiven Nachteils lässt sich die Funktionsstörung des Wettbewerbs erkennen. Ohne individuelle Betroffenheit würden Mitbewerber und aktivlegitimierte Verbände/Einrichtungen kaum Ansprüche geltend machen und damit „zugleich“ das Marktverhalten im Allgemeininteresse regulieren. Im Einklang mit dieser wettbewerbsfunktionalen Lesart steht, dass der Verweis auf die „anständigen Gepflogenheiten“ in Gewerbe, Handel usw. als Maßstab der Lauterkeit vom Gesetzeswortlaut in die Begründung verbannt wurde, und eine etwaige Verkehrsmoral unstreitig der normativen Kontrolle anhand des Gesetzeszwecks unterliegt202. Zwar findet sich in den Erwägungsgründen der Satz, unter „Verfälschung des Wettbewerbs sei „von vornherein nicht eine Verfälschung des Wettbewerbs als Institution der Marktwirtschaft zu verstehen“203. Diese Aussage bezieht sich jedoch nicht auf den Schutzzweck des Lauterkeitsrechts, sondern auf die Bagatellklausel des § 3 UWG, die anhand der „Wirkungen wettbewerbswidrigen Verhaltens auf das Marktgeschehen“ unter Einbeziehung des Gesetzeszwecks wertend zu beurteilen sei204. In der Entwurfsfassung zur Umsetzung der Richtlinie 2005/29 verliert diese Argumentation zwar an Überzeugungskraft, weil das Merkmal der Beeinträchtigung des Wettbewerbs aufgegeben und nur noch auf die Interessen der Marktteilnehmer abge201 In diesem Sinne Emmerich, Unlauterer Wettbewerb7, 78 ff. (System unverfälschten Wettbewerbs als Referenzsystem für die Definition der Unlauterkeit); Klippel/Brämer, in: HK-Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 26; Koppensteiner, WRP 2007, 475, 477 (einzelne Unternehmen werden nur reflexartig geschützt); verfehlt die strafrechtliche Sichtweise von Berlit, WRP 2003, 563, 564. 202 Oben Fn. 32–34. Die hier vertretene wettbewerbsfunktionale Auffassung verstößt auch nicht gegen Art. 10bis PVÜ. Dieser verlangt lediglich einen wirksamen Schutz gegen unlauteren Wettbewerb, ohne zur Funktion dieses Schutzes Stellung zu nehmen, die von der jeweiligen nationalen Wirtschaftsverfassung abhängig ist; siehe zu diesem Zusammenhang Giese, Öffentliche Interessen, 247; Ulmer, GRUR 1937, 769, 772 (die Frage nach dem geschützten Rechtsgut des Wettbewerbsrechts sei die Frage nach „Ziel und Zweck der gesetzlichen Ordnung“). Das beweist bereits der Umstand, dass auch sozialistische Staaten – deren Wirtschaft ja gerade nicht auf der Freiheit des Wettbewerbs, sondern der Planung beruht – Mitglied der PVÜ werden konnten (siehe Beier, GRUR Int. 1983, 339, 340 f.). Im Übrigen sind die Definition des unlauteren Wettbewerbs in Art. 10bis Abs. 2 PVÜ („Unlauterer Wettbewerb ist jede Wettbewerbshandlung, die den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel zuwiderläuft.“) und die auf Irreführung abzielenden Beispiele in Abs. 3 ohne Weiteres mit einer funktionalen Sichtweise vereinbar. Demnach läuft ein Verhalten den „anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel“ zuwider, das die Funktionen des Wettbewerbs beeinträchtigt. 203 Unter Berufung hierauf Keßler, WRP 2005, 1203, 1205. 204 Siehe RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 17., li. Sp.
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stellt wird. Indes soll gerade damit ein „sachlicher und sprachlicher Gleichklang“ zu § 1 S. 2 UWG hergestellt werden205, so dass die hier vertretene, wettbewerbsorientierte Betrachtungsweise auch für das UWG 2008 Gültigkeit behält. Für einen Schutz der Institution sowie der Funktionen des Wettbewerbs wird schließlich die Kollektivierung der Unterlassungsansprüche gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2–4 UWG vorgebracht206. Die Gewinnabschöpfung kann gem. § 10 Abs. 1 UWG sogar nur von Verbänden, Einrichtungen und Kammern geltend gemacht werden. Allerdings wird die nunmehr folgende Skizze der geistesgeschichtlichen Wurzeln der Schutzzweckdiskussion erweisen, dass dieser formale Umstand auch mit anderen Auffassungen vom Zweck des Lauterkeitsrechts kompatibel und daher insgesamt wenig aussagekräftig ist. b) Vorgeschichte, verfassungsrechtliche und europarechtliche Rahmenbedingungen In Anbetracht der Dauer und Intensität, mit der über den Telos des UWG gestritten worden ist, dürfte die bloße Auslegung der §§ 1, 3 UWG nicht genügen, um die wettbewerbsfunktionale Auffassung überzeugend herzuleiten. Daher sei ihr eine kurze Geschichte der Schutzzweckdiskussion zum UWG 1909 an die Seite gestellt, die zeigt, dass ihre gegenwärtigen Hauptkonkurrenten, nämlich die „sozialrechtliche“ Auffassung und die Rede von der Schutzzwecktrias, bewusst oder unbewusst auf wettbewerbspolitischen Annahmen beruhen, die mit der gegenwärtigen deutschen und europäischen Wirtschaftsverfassung unvereinbar sind207. aa) Geistesgeschichtliche Wurzeln der Schutzzweckdiskussion Die intensive Orientierung des deutschen Lauterkeitsrechts an Kriterien, die gerade nicht auf die Wahrung eines freien und funktionsfähigen Wettbewerbs abzielen, lässt sich zumindest bis auf die Entstehung des UWG 1909 zurückverfolgen. Nachdem das erste UWG von 1896 eine Überreglementierung des Wettbewerbs insbesondere durch den Verzicht auf eine Generalklausel vermeiden wollte, setzte man bei der Neufassung die Gewerbefreiheit als wirtschaftsverfassungsrechtliche Grundentscheidung zwar weiterhin voraus, bezweckte aber vor allen Dingen, den Mittelstand gegen ruinösen Wettbewerb zu schützen208. Die 205
RegE UWG 2008, 41 f. Siehe OLG Köln GRUR 2007, 86 f. (das vom UWG geschützte Allgemeininteresse gebiete nicht die Überwindung der enumerativen Aktivlegitimation gem. § 8 Abs. 3 UWG); Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 1 UWG Rn. 45 (Institutionsschutz auf der Rechtsfolgenebene). 207 Siehe Giese, Öffentliche Interessen, 200 ff., 211 (die Ordnung des Wettbewerbs wurde nicht in der Institution des freien Wettbewerbs, sondern in einem System der genossenschaftlichen Selbsthilfe gesehen); Reuter, AcP 189 (1989), 199, 216 (zur Rechtfertigung von Kartellen als Ausdruck einer materialen Wertethik); anders Schill, Wettbewerbsideologie, 51 (der Schutz der Allgemeinheit habe vor 1933 nicht dazu gedient, wettbewerbsfremde Überlegungen in das UWG einzuführen). 208 Siehe die stenographischen Berichte über die Lesungen des UWG, XII. Legislaturperiode, 1. Session 1907/1909, 6523–6552 (1. Lesung am 25.1.1909), 8433–8438, 8458–8460 (Bericht der 35. Kommission v. 5.5.1909, Nr. 1390 der Anlagen), 8496–8500 (2. Lesung am 17.5.1909). 206
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Wirtschaftskrise seit Ende der 1920er Jahre verstärkte die Tendenz zur Regulierung und zum Protektionismus nicht nur in der allgemeinen Wirtschaftspolitik209. Auch die Rechtsprechung zum UWG 1909 vertraute bereits während der Weimarer Republik auf eine korporatistische Selbstregulierung der Wirtschaft. So bezogen sich die Leitentscheidungen des Reichsgerichts zur Einbeziehung öffentlicher Interessen in das Lauterkeitsrecht auf die Durchsetzung eines nicht (!) für unlauter erklärten Preiskartells210, auf die Vermeidung von „Auswüchsen des Wettbewerbs“211 sowie die Herleitung der Aktivlegitimation von Kollektiven212. Das von Nipperdey betonte Begriffspaar Leistungs- und Nichtleistungswettbewerb ließ jenseits seiner metaphorischen Kraft nicht nur offen, anhand welcher Kriterien eine zulässige Schädigung durch Konkurrenz von einer verbotenen Behinderung des Mitbewerbers zu unterscheiden war, sondern – und das gilt es in Erinnerung zu rufen – es diente der Rechtfertigung eines nach heutigem Recht zweifellos wettbewerbswidrigen Kartells213.
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Dabei ist zu beachten, dass die einschlägigen Artikel der WRV das Verteilungsprinzip einer freiheitlichen Rechtsordnung (oben § 2 B II 2) für das Wirtschaftsleben jedenfalls nicht eindeutig zum Ausdruck brachten; siehe Artikel 151 WRV („(1) Die Ordnung des Wirtschaftslebens muß den Grundsätzen der Gerechtigkeit mit dem Ziele der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle entsprechen. In diesen Grenzen ist die wirtschaftliche Freiheit des Einzelnen zu sichern. (2) Gesetzlicher Zwang ist nur zulässig zur Verwirklichung bedrohter Rechte oder im Dienst überragender Forderungen des Gemeinwohls. (3) Die Freiheit des Handels und Gewerbes wird nach Maßgabe der Reichsgesetze gewährleistet.“); Artikel 152 Abs. 1 („Im Wirtschaftsverkehr gilt Vertragsfreiheit nach Maßgabe der Gesetze.“). 210 Siehe RGZ 28, 238, 244 (1890) (aus dem Prinzip der Gewerbefreiheit folge keine Unantastbarkeit des freien Spiels wirtschaftlicher Kräfte in dem Sinne, dass den Gewerbetreibenden der Versuch untersagt wäre, im Wege genossenschaftlicher Selbsthilfe die Betätigung dieser Kräfte zu regeln und Ausschreitungen, die für schädlich erachtet werden, zu verhindern); RGZ 38, 155, 158 (1897) (es verstoße nicht wider das Prinzip der Gewerbefreiheit, wenn sich Gewerbsgenossen miteinander verbinden, um einen Gewerbszweig durch Schutz vor Preisunterbietungen Einzelner lebensfähig zu erhalten); RGZ 134, 342, 349 (1931) (dem deutschen Recht sei die Auffassung fremd, eine Preiskonvention mit dem Ziel der Schaffung einer Monopolstellung durch Preiskampf sei ohne Weiteres sittenwidrig). Bemerkenswert ist, dass zwei Entscheidungen die Ansprüche der Kläger gegen die Kartelle im Einzelfall gewährten, aber nur wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls (siehe RGZ 28, 238, 245 ff. (1890); RGZ 134, 342, 355 f. (1931)). Gleichwohl konnte sich die Rechtsprechung bis 1933 nicht durchringen, die Freiheit des Leistungswettbewerbs als solche zum Schutzgegenstand des UWG 1909 zu erklären. 211 RGZ 120, 47, 49 (1928); RGZ 132, 311, 317 (1931) („Wahrung des Rechtsfriedens). Bezeichnend die Berufung auf die Entscheidung RGZ 120, 47 (1928) in RGZ 148, 114, 125 f. (1935) (die aus dem Reichsverband der Kautschukindustrie hervorgegangene „Fachgruppe Kautschukindustrie“ habe polizeiliche Befugnisse im Interesse der Allgemeinheit für die Reinhaltung des geschäftlichen Verkehrs, in diesem Fall gegen die Geschäftsführung durch einen Juden). Zur Entwicklung auch Schwartz, GRUR 1967, 333, 334 ff.; Möschel, Pressekonzentration, 134 ff.; Pause, Allgemeinheit, 11 ff. 212 RGZ 128, 330, 342 f. (1930). Zur Einbindung der kartellartigen Verbände der Weimarer Republik in die nationalsozialistische Planwirtschaft, unter anderem zur Ausschaltung der jüdischen Unternehmen siehe RGZ 148, 114, 125 f. (1935). 213 Siehe Nipperdey, Kartell-Rundschau 1930, 127, 136, 139 ff. Zum Begriff „Leistungswettbewerb“ Sosnitza, in: MünchKomm, Grundl UWG Rn. 15 ff.
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Erst Franz Böhms Werk „Wettbewerb und Monopolkampf“ aus dem Jahr 1933 erklärte auf der Basis der klassischen Nationalökonomie, weshalb in einer herrschaftsfreien Wirtschaftsverfassung eine Ordnung des Wettbewerbskampfes erforderlich sei, damit die hiermit verknüpften Vorteile im Allgemeininteresse tatsächlich eintreten214. Zu diesem Zweck müsse der Leistungswettbewerb selbst als Schutzgut des UWG anerkannt werden215. Die Abgrenzung vom unzulässigen Nichtleistungswettbewerb habe unter Berücksichtigung ökonomischer Erkenntnisse zu erfolgen. Könne der Anbieter wählen, welche Ware oder Dienstleistung er offeriert, und sei der Nachfrager in seiner Entscheidung hierüber ebenfalls frei, so zähle zum Nichtleistungswettbewerb alles, was geeignet ist, einen echten Vergleich der Angebote zu verfälschen oder zu verhindern216. Geschützt sei dann nicht wie in einer berufsständischen Ordnung die Persönlichkeit des Unternehmers oder das Unternehmen als die Summe des Erworbenen, sondern nur die Gleichheit der Siegchance in einem geregelten Wettbewerbskampf217. Hierbei handelte es sich keineswegs um eine bloß „ökonomische“ Argumentation, vielmehr machte Böhm die eminent ethisch motivierte Grundentscheidung für eine freiheitliche Wirtschaftsverfassung für das Lauterkeitsrecht fruchtbar und versuchte damit, planwirtschaftliche Tendenzen zurückzudrängen218. Allerdings kam diese, mit der hier vertretenen Auffassung übereinstimmende Lösung zu spät, um dem UWG eine Funktion zuzuweisen, die es gegen nationalsozialistische Instrumentalisierung zumindest im Ansatz gestärkt hätte219. So
214 Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, 125 f.; ders., Die Ordnung der Wirtschaft, 4, 104 („Damit in einer solchen freien Wirtschaft ein geordnetes, vernünftiges Zusammenwirken der einzelnen zum Wohl der Gesamtheit stattfinde, bedarf es verfassungsrechtlicher Einrichtungen, die dafür sorgen, daß die einzelnen von ihrer so außerordentlich weit bemessenen Bewegungsfreiheit zu jeder Zeit denjenigen Gebrauch machen – und keinen andern –, der dem Interesse der Gesamtheit am besten entspricht.“); Reuter, AcP 189 (1989), 199, 213 („Die ,unsichtbare Hand‘ des Marktes als tendenziell taugliches Medium zur Steuerung des Eigennutzes der Einzelnen in Richtung auf sozial nützliche Gesamtergebnisse ist im freien Spiel der kollektiven Kräfte ohne Parallele.“). 215 Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, 178 ff., 284 mit Kritik an anderen Theorien. 216 Böhm/Eucken/Großmann-Doerth, in: Böhm, Die Ordnung der Wirtschaft, XIX f.; Böhm, Die Ordnung der Wirtschaft, 123 f. (Spielregeln für ein organisiertes Ausleseverfahren); Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, UWG Einl Rn. 96. Zu den Voraussetzungen des Leistungswettbewerbs aus ökonomischer Sicht Homann/Suchanek, Ökonomik, 150 f. (definierte und durchsetzbare property rights, freier Marktzutritt, faire Bedingungen). 217 Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, 285 ff.; Willgerodt, FS Böhm 1975, 687, 696; Kraft, Interessenabwägung, 205; Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, Einl UWG Rn. 44 ff.; a.A. Kummer, Anwendungsbereich und Schutzgut UWG, 112 (mit wenig überzeugender Berufung auf Franz Böhm a.a.O., 88). 218 Siehe Böhm, Die Ordnung der Wirtschaft, 126 (mit Hinweis auf die „Moral der freien Verkehrswirtschaft; sie ist das Äquivalent der Freiheit …“). Zur Moralität der Marktfreiheit auch Reuter, AcP 189 (1989), 199, 214 ff. m.w.N.; Schünemann, in: Harte/Henning, § 3 UWG Rn. 165 ff. (Freiheits- und Verantwortungsmoral). 219 Giese, Öffentliche Interessen, 243. Ulmer, Sinnzusammenhänge, 15, konstatiert noch 1932, eine wettbewerbsrechtliche Ordnung werde noch immer versucht; es gehe ein Riss durch das Wettbewerbsrecht, indem zwei unvereinbare Ordnungen nebeneinanderstehen, nämlich die Reinhaltung freier Konkurrenz und die auf Wettbewerbsbeschränkung bedachte Marktregulierung.
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aber konnten sich die bereits vor 1933 angelegten, wettbewerbsfeindlichen Tendenzen ungehindert entfalten; und das Lauterkeitsrecht vermochte den Wechsel von der freien Markt- zur zentralisierten Planwirtschaft im Interesse des „Volksganzen“ äußerlich unverändert mitzuvollziehen220. Das Reichsgericht hatte keine Schwierigkeiten, die Lauterkeit einer Werbemaßnahme am „gesunde[n] Volksempfinden“ zu messen, weil es hierfür auf den seit jeher anerkannten Zweck des UWG verweisen konnte, „Auswüchse[n] im Wettbewerb … zu steuern“221. Auch die für die spätere Entwicklung des Lauterkeitsrechts äußerst bedeutenden Aufsätze von Eugen Ulmer zu „Wandlungen und Aufgaben im Wettbewerbsrecht“ (1937)222 sowie die „Allgemeinen Grundlagen eines deutschen Wettbewerbsrechtes“ von Paul Nerreter (1936)223 stehen auf dem Boden der damaligen Wettbewerbs- und Rechtspolitik. Ulmer würdigt die Schriften von Franz Böhm zwar eingangs als imponierend. Doch sei die Wirtschaftsverfassung eben nicht mehr auf die freie Verkehrswirtschaft, sondern staatliche Lenkung ausgerichtet; die Gewerbefreiheit im einstigen Sinne bestehe nicht mehr224. Mit dem „breiten Einbruch des Gemeinschaftsgedankens im Wettbewerbsrecht“ habe sich ein „Wandel von einer individual- zu einer sozialethischen Beurteilung vollzogen“225. Zwar bleibe – und das ist für die hiesige Problematik bemerkenswert – der in der Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechtstheorie angesprochene „Schutz der schöpferischen wirtschaftlichen Leistung des Einzelnen“ in hervorragendem 220 Allgemein zum Wesen des NS-Rechts BVerfGE 8, 71, 78 (1958) („Damals genossen die wirklichen oder vermeintlichen Staatsinteressen den unbedingten Vorrang vor der individuellen Freiheit des Staatsbürgers.“); in Bezug auf das UWG Giese, Öffentliche Interessen, 227 ff.; Schill, Wettbewerbsideologie, 6 ff.; Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, 219 ff.; Pause, Allgemeinheit, 313 ff.; Sambuc, Nachahmungsschutz, 26 f.; Beater, Unlauterer Wettbewerb, § 3 Rn. 96 ff. 221 RG GRUR 1936, 810, 811 f.; zum Werberecht auch Ulmer, ZAkDR 1936, 535 (mit Verweis auf die Führung der Wirtschaftswerbung durch den Werberat und die ergänzenden privatrechtlichen Streitigkeiten, die der „Säuberung des Werbungswesens“ und „der Gesamtheit“ dienten, von der die Wettbewerber „ihre Rechtsgüter als Lehen“ erhielten). Siehe ferner Schwartz, GRUR 1967, 333, 336 f. m.w.N. (die Urteile trügen den Stempel und führten die Sprache der Zeit); Beater, Unlauterer Wettbewerb, Rn. 97 (Tendenz, das Gesamtinteresse über das Individualinteresse zu setzen). 222 Ulmer, GRUR 1937, 769 ff. m.w.N. 223 Nerreter, Allgemeine Grundlagen, stellt seiner Arbeit ein Zitat Hitlers voran: „Von nun an gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Recht und Moral.“ Zur Rolle Nerreters in der „Akademie für Deutsches Recht“ Schill, Wettbewerbsideologie, 35 f. 224 Ulmer, GRUR 1937, 769 f. (aber: die Vorschriften gegen unerwünschten Wettbewerb dienten nicht einer planmäßigen Wirtschaftslenkung, sondern sie bezweckten nur die Verhinderung von Auswüchsen im Wettbewerb; a.a.O., 772); siehe dagegen Ulmer, Sinnzusammenhänge, 1932, 10 (die rechtliche Ordnung im Wettbewerb sei am Grundsatz der freien Konkurrenz ausgerichtet). Auch Nerreter, Allgemeine Grundlagen, 97 f., bezeichnet Böhms Werk als „wertvoll“, lehnt es aber ohne Diskussion der wettbewerbspolitischen Grundlagen ab, weil kein Grund bestehe, das Wettbewerbsrecht auf die künftige Siegchance auszurichten und nicht auf die gegenwärtige Betätigungsfreiheit. 225 Ulmer, GRUR 1937, 769, 771; Nerreter, Allgemeine Grundlagen, 23 f. (mit Berufung auf die Vorgaben der NSDAP und einer Definition des „Rechts“ als die „Aktivierung des sittlichen Volksbewußtseins durch den Staat“; hingegen Betonung der Vorzüge der Wettbewerbsfreiheit im Vergleich zu einer vollständigen Planung a.a.O., 69, 71).
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Maße Ziel der Wettbewerbsordnung. Hinzu träten aber zwei überindividualistische Zielsetzungen, nämlich „das Interesse des Volksganzen an einer gesunden und sauberen Ordnung des Wirtschaftslebens“ sowie die Interessen der Abnehmer226. Mit dem Verweis auf die Lauterkeit der deutschen Wirtschaftsordnung, den Schutz des ehrlichen Schaffens der einzelnen Mitbewerber sowie den Schutz der Abnehmer wird die Lehre von der Schutzzwecktrias vorweggenommen. Allerdings bezog sich diese theoretische Grundlegung wie gezeigt ausdrücklich nicht auf eine dezentrale Mehrplanwirtschaft auf der Basis der Gewerbe- und Wettbewerbsfreiheit. Die Theorieentwicklung während des 3. Reiches müsste nicht so ausführlich nachgezeichnet werden, hätte sie sich nicht prägend auf die Betrachtung des unverändert fortgeltenden UWG nach Kriegsende ausgewirkt227, ja wäre nicht sogar die Auslegung des UWG 2004 hiervon beeinflusst228. Während das Kartellrecht mit dem GWB 1957 die verfassungsrechtlichen und wirtschaftspolitischen Grundentscheidungen für eine auf individueller Handlungsfreiheit beruhende Mehrplanwirtschaft229 nachvollzog, wurden in der lauterkeitsrechtlichen Schutzzweckdiskussion die vor und während der NS-Zeit formulierten, im Kern wettbewerbsfeindlichen Thesen fortgeschrieben230. Das gilt nicht nur für die Fallgruppe des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes231, sondern auch im Hinblick auf die Schutzzweckdiskussion. Besonders aufschlussreich hierfür ist die Neubearbeitung des UWG-Kommentars von Baumbach durch Hefermehl in den 1950er Jahren. In der bereits von Hefermehl bearbeite226
Ulmer, GRUR 1937, 769, 772; siehe auch Nerreter, Allgemeine Grundlagen, 68. Speziell für die Schutzzweckdiskussion Beater, Schutzzweckdenken, 11 f.; Schill, Wettbewerbsideologie, 47 ff.; Giese, Öffentliche Interessen, 245 f. m.w.N.; Pause, Allgemeinheit, 325 (der BGH scheine sich nicht darüber im Klaren gewesen zu sein, an welche Traditionen er anknüpfe); Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Einl UWG Rn. 2.8 („Das nationalsozialistische Gedankengut gewann über die Generalklausel des § 1 allmählich Einfluss auf die Entscheidungspraxis …“). Burmann, WRP 1968, 258, 259 f., 265 (einer neuen, die Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften aufgreifenden, wettbewerbsrechtlichen Betrachtung stünden „das ,Establishment‘ traditioneller, geschützter Auffassungen, konservativer Wertvorstellungen und eine überholte hierarchische Ordnung gegenüber“). Der Zeitpunkt und Zeitgeist auch dieser Ausführungen sprechen für sich. Siehe die auf die Zeit zwischen 1933 und 1945 bezogenen Nachweise bei Hefermehl, FS Nipperdey, 283, 286 f.; Ott, FS Raiser, 403, 418; Reimer, in: Ulmer, Recht des unlauteren Wettbewerbs III, 18; Beater, JZ 1997, 916, 918 (mit Verweis auf Nerreter, Ulmer 1936/37 und Hefermehl, der diese Ansätze kombiniert habe); regelrecht irreführend Fezer, WRP 1993, 565, 570; ders., in: Fezer, § 1 UWG Rn. 12 („Anfang der 30er Jahre …“ mit Verweis auf Ulmer, GRUR 1937). 228 Siehe BGHZ 162, 246, 253 (2005) – Vitamin-Zell-Komplex, mit Verweis auf RG GRUR 1944, 88 f.; Glöckner/Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311, 1317 (Verweis auf RG GRUR 1936, 810 zum Schutzzweck des UWG 2004); Sosnitza, in: MünchKomm, § 1 UWG Rn. 5 (Verweis auf Ulmer, GRUR 1937). 229 Siehe oben §§ 2 B II 2, 3 B I. 230 Schill, Wettbewerbsideologie, 47 ff., für einzelne Fallgruppen der Rechtsprechung a.a.O., 61 ff. 231 Siehe zur Entwicklung der Wechselwirkungslehre durch Nerreter dens., GRUR 1957, 525, 529 (unter Berufung hierauf BGH GRUR 1958, 500, 503), 534 (zur Sittenwidrigkeit). 227
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ten sechsten Auflage 1951 wird noch das Unternehmen als primäres Schutzgut des Wettbewerbsrechts benannt, daneben aber – unter ausdrücklichem Verweis auf Böhms „Wettbewerb und Monopolkampf“ – „das Interesse der Allgemeinheit an der Verwirklichung eines auf dem Grundsatz der Leistung beruhenden Wettbewerbs“232. In der siebten Auflage von 1955 heißt es dann jedoch, das UWG fördere die Interessen der Allgemeinheit nicht nur als Reflex des Individualschutzes, sondern beide Aspekte gleichmäßig233. Hefermehl leitet diesen Paradigmenwechsel entwicklungsgeschichtlich her. Nach einer individualistischen Betrachtung habe sich „in einer Zeit umfassender staatlicher Wirtschaftslenkung“ eine „sozialrechtliche Auffassung des Wettbewerbsrechts“ immer stärker in den Vordergrund gedrängt; teilweise sei sogar geleugnet worden, dass das Wettbewerbsrecht den einzelnen Wettbewerber schütze234. Der Zweck des Wettbewerbsrechts sei aber nicht in einem Entweder-Oder, sondern in einer Synthese beider Auffassungen zu suchen235. Im Übrigen sei das UWG „wirtschaftspolitisch neutral“, so dass es nicht darauf ankomme, ob die Abgrenzung zwischen lauterem und unlauterem Wettbewerb in einer freien oder gelenkten Wirtschaft erfolge236. Die vorstehende Skizze zeigt, dass sowohl die „sozialrechtliche“ Auffassung237 als auch die Lehre von der Schutzzwecktrias geistesgeschichtlich auf Vorstellungen zurückgehen bzw. hiervon maßgeblich beeinflusst sind, die der freiheitlichindividualistischen Wirtschaftsverfassung ablehnend gegenüberstehen238. Hinzu kam die mangelnde Durchdringung des Phänomens Wettbewerb als ökonomisches Ordnungsprinzip, wie es von Franz Böhm und der „Freiburger Schule“
232 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht6, Allg III Anm. 2, 3. Siehe dazu Schill, Wettbewerbsideologie, 4 mit Fn. 20 (Hefermehl habe die Entwicklungen im Nationalsozialismus totgeschwiegen). 233 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht7, Allg Rn. 42 f., 57; siehe auch Hefermehl, FS Nipperdey, 283, 286 (die sozialrechtliche Betrachtung des Wettbewerbs sei „an die Stelle oder neben“ die individualrechtliche getreten). 234 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht7, Allg Rn. 42. 235 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht7, Allg Rn. 42 (mit Verweis auf Ulmer, GRUR 1937, 769, 772). Nur am Rande sei bemerkt, dass „Wettbewerb und Monopolkampf“ anders als in der 6. Aufl. nicht mehr im Literaturverzeichnis genannt wird. Allerdings ist das Werk Hefermehl offenbar zugänglich gewesen, siehe Hefermehl, FS Nipperdey, 283, 285 mit Fn. 2 und Verweis auf Böhm. 236 Hefermehl, FS Nipperdey, 283 f.; Freitag, Leistungswettbewerb, 121; weitere Nachweise bei Reichold, AcP 193 (1993), 204, 230. So zum UWG 2004 Götting, Wettbewerbsrecht, 72 ff. 237 Teilweise werden hierfür Begriffe wie „kollektivrechtlicher Schutz“ (Piper, in: Köhler/Piper, Einf Rn. 11) oder „sozialrechtliche Funktion“ (Hefermehl, FS Nipperdey, 283, 286; ders., in: Baumbach/Hefermehl, Einl UWG Rn. 43 und öfter) gewählt. Unklar zum UWG 2004 Fezer, in: Fezer, § 1 UWG Rn. 13 f. („Versuch, die Entwicklung von einer individualrechtlichen zu einer sozialrechtlichen und institutionellen Funktionsausrichtung … zu einer pluralistischen Wettbewerbstheorie fortzuschreiben, die den Wettbewerb … auch subjektivrechtlich legitimiert.“). 238 Konsequent bezieht Pause, Allgemeinheit, 257, diesen Aspekt auf die Umsetzung des Sozialstaatsprinzips im Wettbewerbsrecht. Kritisch etwa Schünemann, in: Harte/Henning, § 1 UWG Rn. 4 (sehr missverständliche Formulierung).
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formuliert worden war239. Damit war das intellektuelle Fundament für ein im internationalen Vergleich strenges Lauterkeitsrecht mit wettbewerbsfeindlichen Tendenzen gelegt240. Die zugrundeliegenden Wertungen wurden nicht offengelegt, sondern mussten – wie am Beispiel des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes dargetan – aus subtilen Formulierungsänderungen entziffert werden241. Stattdessen beließ man es bei vagen Verweisen auf die „Interessen der Allgemeinheit“ und den „Leistungswettbewerb“, denen nicht selten wettbewerbsfremde Überlegungen folgten242. Der Schutz individueller Interessen gegen die unerlaubte Nutzung bestimmter Erzeugnisse jedoch überdauerte die wechselvolle Geschichte des deutschen Wirtschafts- und Lauterkeitsrechts243. Die persönlichkeits- und immaterialgüterrechtlichen Ansätze wurden nicht mit Böhms Argumenten aus den Funktionsbedingungen des Wettbewerbs verworfen, sondern unter anderem wegen der Ausblendung der Verbraucherschutzdimension kritisiert244. Die Persistenz des Schutzes einzelner Mitbewerber gegen bestimmte, ggf. auf Imitationen beruhende Konkurrenz ist nach Schünemann darauf zurückzuführen, dass dieser Gedanke sowohl mit der materialen, individualethisch konzipierten Wertethik als auch mit dem christlich oder marxistisch begründeten Kanon der an Solidarität und Empathie ausgerichteten Moraldirektiven kompatibel sei – beide Denkweisen bestärkten die „Liebe zum Verbot“ im deutschen Lauterkeitsrecht245. bb) Schutz des unverfälschten Wettbewerbs als Umsetzung verfassungs- und europarechtlicher Vorgaben Die aufgezeigten Widersprüche und Unklarheiten des „sozialrechtlichen“ Verständnisses und der Lehre von der Schutzzwecktrias sind mithin auf geistesgeschichtliche Wurzeln zurückzuführen, die konträr zur freiheitlichen Wirtschaftsverfassung stehen und ohne Abkehr von dieser Grundentscheidung nicht mehr durchgeführt werden dürfen. Dagegen entspricht die hier präferierte funktionale 239 Kritisch auch Burmann, WRP 1968, 258, 259; Martin, Imitationsanreiz, 65 f.; Sosnitza, Wettbewerbsbeschränkungen, 126 (für eine stärkere Beachtung wirtschaftswissenschaftlicher Grundsätze); noch zum UWG 2004 wird die Bestimmung des Begriffs „Wettbewerb“ für entbehrlich gehalten, weil diese Begriffsbestimmung zu abstrakt sei; siehe Götting, Wettbewerbsrecht, 3. 240 Siehe Schünemann, in: Harte/Henning, § 1 UWG Rn. 9 f.; Emmerich, FS Gernhuber, 857 ff. m.w.N.; Schwartz, GRUR 1967, 333, 343 (der Keim richterlichen Dirigismus werde erkennbar); Meineke, Nachahmungsschutz, 204; umfassend Sosnitza, Wettbewerbsbeschränkungen, passim. 241 Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 3 UWG Rn. 10; Beater, Unlauterer Wettbewerb, § 10 Rn. 15. Das wird als Flexibilität sogar begrüßt von Götting, Wettbewerbsrecht, 73 f. 242 Beater, Schutzzweckdenken, 211 (Vorstellung, das UWG verfolge und beschränke sich auf den Schutz vor unlauterer Konkurrenz); Schill, Wettbewerbsideologie, 67 (der Schutz der Allgemeininteressen im UWG sei daher aufzugeben, a.a.O., 78 f.). 243 Siehe Sambuc, Nachahmungsschutz, 27 m.w.N.; Beater, Unlauterer Wettbewerb, § 3 Rn. 112 (die auf den individuellen Konkurrentenschutz gemünzte Dogmatik sei über die NS-Zeit hinaus stets unverdächtig geblieben). 244 Oben D I 1. 245 Siehe Schünemann, WRP 2004, 925, 930; ders., in: Harte/Henning, § 3 UWG Rn. 165 (mit Hinweisen auf Luthers Großen Katechismus und eine Rede Erich Honeckers).
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
Sichtweise vom überwölbenden Schutz der Interessen der Allgemeinheit am unverfälschten Wettbewerb nicht nur den Aussagen des UWG 2004, sondern reflektiert insbesondere die verfassungs- und europarechtlichen Einflüsse auf das deutsche Lauterkeitsrecht, deren Umsetzung eines der Hauptziele der Neufassung war246. Grundrechte und EG-Recht haben seit den 1990er Jahren eine Phase der Liberalisierung und Deregulierung des deutschen Lauterkeitsrechts eingeläutet247. So hielt das Bundesverfassungsgericht eine auf der Basis des UWG 1909 erfolgende Einschränkung der wirtschaftlichen Handlungs- bzw. Meinungsfreiheit des Beklagten nur für gerechtfertigt, wenn dadurch eine konkrete Gefährdung des Leistungswettbewerbs unterbunden wird. Verfassungsrechtlich zulässiger Zweck des UWG sei es, im Interesse des Schutzes der Wettbewerber, Verbraucher und sonstigen Marktbeteiligten Verhaltensweisen zu verhindern, welche die Funktionsfähigkeit des leistungsorientierten Wettbewerbs stören248. Das entspricht der in § 1 UWG zum Ausdruck gekommenen Absicht des Gesetzgebers, nur die Allgemeininteressen am unverfälschten Wettbewerb als Schutzobjekt zu berücksichtigen249. Das Europarecht wiederum basiert auf der Idee eines gemeinsamen Marktes zur Förderung des wirtschaftlichen Fortschritts (Art. 2 1. Spiegelstrich EU, 246 Dazu unten E II. Unzutreffend ist dagegen die Behauptung, das UWG sei wirtschafts- oder wettbewerbspolitisch neutral. Mit dieser Aussage wird zwar „Industriepolitik“ im Sinne einer Förderung bestimmter Unternehmen oder Unternehmensgruppen zurückgewiesen (siehe etwa Schwartz, GRUR 1967, 333, 338 f. m.w.N.), im Übrigen aber das Wettbewerbsrecht nur gegen Angriffe immunisiert, es sei wettbewerbspolitisch überhaupt zu beeinflussen und damit auch zu missbrauchen; zutreffend Giese, Öffentliche Interessen, 248 (Versuch, überholte wirtschaftspolitische Vorstellungen zu retten); Emmerich, Unlauterer Wettbewerb7, 82 (irreführendes Stichwort). Allgemein offenbart diese Einstellung eine Verkennung des Umstands, dass bereits die Entscheidung für den freien Wettbewerb eine politische Grundentscheidung ist. Zu Recht ablehnend denn auch Schluep, GRUR Int. 1973, 446, 452; P. Ulmer, GRUR 1977, 565, 578 ff. m.w.N.; Möschel, Pressekonzentration, 147 ff.; Pause, Allgemeinheit, 423; Giese, Öffentliche Interessen, 163 ff.; zu wettbewerbspolitischen Eingriffen der Rechtsprechung kritisch Sosnitza, Wettbewerbsbeschränkungen, 20 ff.; Emmerich, FS Gernhuber, 857, 860 ff. Unverständlich ist, weshalb diese angebliche „Neutralität“ als Flexibilität gepriesen wird, so dass das UWG auch in der NS-Zeit und der DDR habe gelten können; so Götting, Wettbewerbsrecht, 73 f. 247 Siehe dazu Sosnitza, in: MünchKomm, vor § 1 UWG Rn. 21; Emmerich, FS Gernhuber, 857, 862; Keller, in: Harte/Henning, Einl UWG A Rn. 10 m.w.N.; Götting, Wettbewerbsrecht, 81; zum Einfluss des Verfassungsrechts Ahrens, JZ 2004, 763. 248 Siehe zum UWG 1909 BVerfGE 51, 193, 215 (1979) (in Bezug auf den Schutz geographischer Herkunftsangaben: „Schutzgut ist die Lauterkeit des geschäftlichen Verkehrs; die Institution des Wettbewerbs wird geschützt.“); BVerfGE 78, 58, 72 (1988); BVerfGE 102, 347, 360, 364 (2000) (Belange des Leistungswettbewerbs als Rechtfertigungsgrund); BVerfG GRUR 2002, 455 (Schutz der Funktionsfähigkeit des an der Leistung orientierten Wettbewerbs im wettbewerblichen Handeln einzelner Unternehmen oder als Institution); dito BVerfG NJW 2003, 277, 278 (Relevanz weiterer Schutzgüter offengelassen); BVerfG GRUR 2003, 965, 966 (Schutz gegen unlauteren Wettbewerb); BVerfG NJW 2005, 3201 f. (Schutz der Lauterkeit des Wettbewerbs); BVerfG GRUR 2008, 81, 82 f.; zum UWG 2004 entsprechend OLG Düsseldorf GRUR-RR 2008, 64, 65 f. 249 Siehe oben D I 4 a; kritisch Ahrens, JZ 2004, 763, 771; a.A. Fezer, in: Fezer, § 1 UWG Rn. 47 a.E. (die Rechtsprechung des BVerfG stelle eine Verstärkung der geschützten Gemeinwohlbelange im Lauterkeitsrecht dar).
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Art. 2 EG). Die Tätigkeit der Europäischen Gemeinschaft umfasst unter anderem ein System, das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen schützt (Art. 3 Abs. 1 lit. c, g EG)250. Für die Wirtschaftsverfassung der EG haben das Wettbewerbsprinzip und die Gewährleistung seiner Funktionsbedingungen folglich „normativ-institutionellen“, konstitutiven Charakter251. Daher ist auch das lauterkeitsrechtliche Sekundärrecht auf das Ziel eines unverfälschten, gemeinsamen Binnenmarkts ausgerichtet, wenngleich mit zunehmendem Fokus auf den Verbraucherschutz252. Diese externen Einflüsse auf das deutsche Lauterkeitsrecht haben bereits zum UWG 1909 der funktionalen, auf die Institution Wettbewerb bezogenen Betrachtung zum Durchbruch verholfen253. Spätestens seit ihrer Kodifikation in § 1 UWG steht dieser Zweck des Lauterkeitsrechts nicht mehr zur Disposition der Gerichte. Das gilt auch und gerade in Anbetracht der Umsetzung der Richtlinie 2005/29. Denn anders als der europäische Gesetzgeber, der sich in diesem Rechtsakt auf die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher kapriziert, hat die deutsche Legislative bewusst am umfassenden lauterkeitsrechtlichen Ansatz festgehalten, die Interessen aller Marktteilnehmer und der Allgemeinheit am unverfälschten Wettbewerb zu schützen254. Die „unbegrenzte Auslegung“ des UWG 250 Siehe Köhler/Lettl, WRP 2003, 1019, 1050; Sosnitza, in: MünchKomm, Grundl UWG Rn. 22 f. 251 Schünemann, WRP 2004, 925, 931. 252 Siehe ErwGrd 2 S. 2 RL 2005/29 („Die Entwicklung der Lauterkeit des Geschäftsverkehrs innerhalb dieses Raums ohne Binnengrenzen ist für die Förderung grenzüberschreitender Geschäftstätigkeiten wesentlich.“); Emmerich, Unlauterer Wettbewerb7, 82; Köhler/Lettl, WRP 2003, 1019, 1050 (mit Verweis auf § 1 S. 2 UWG); Glöckner/Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311, 1314 (Schutzziel „Wettbewerbsordnung“). 253 Siehe Ulmer, in: Ulmer, Recht des unlauteren Wettbewerbs I, 56 f. (Schutz der Institution des Wettbewerbs); Loewenheim, ZHR 135 (1971), 97, 129 (das UWG bemühe sich um eine bestimmte Qualität des Wettbewerbs, das GWB um eine bestimmte Quantität); Ott, FS Raiser, 403, 419 (Ziel von UWG und GWB sei es, den Wettbewerb als „selbständiges Ordnungsprinzip des wirtschaftlichen und sozialen Lebens“ zu institutionalisieren und zu erhalten); Burmann, WRP 1968, 258, 259 ff. (unter Verweis auf Kantzenbachs Theorie vom „funktionierenden Wettbewerb“); Raiser, GRUR Int. 1973, 443, 445; P. Ulmer, GRUR 1977, 565, 568, 580 (das UWG diene der Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Marktes zur Ermöglichung des Leistungsvergleichs); Pause, Allgemeinheit, 143; Möschel, Pressekonzentration, 133 und öfter (diese Auffassung sei 1978 noch nicht in der Rechtsprechung verankert, a.a.O., 163); Martin, Imitationsanreiz, 65; Reichold, AcP 193 (1993), 204, 216 m.w.N.; Schrauder, Wettbewerbsverstöße, 136; Schnieders, Allgemeininteressen, 312; Mayrhofer, Rufausbeutung, 42 und öfter; Sosnitza, Wettbewerbsbeschränkungen, 20 f.; Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 438; ders., Unlauterer Wettbewerb, § 3 Rn. 119 ff. (Umbruch seit etwa 1996), § 12 Rn. 19 ff. (maßgebend seien wettbewerbsbezogene Wertungen); ders., JZ 1997, 916, 922 (ein grundlegender dogmatischer Wandel stehe dem Wettbewerbsrecht erst noch bevor); Emmerich, FS Gernhuber, 857, 859; ders., Unlauterer Wettbewerb7, 28; Schricker, GRUR Int. 1996, 473, 477 (Schutz der Freiheit des Wettbewerbs); Schnieders, Allgemeininteressen, 312 (allerdings möchte Schnieders auch Interessen wie den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der öffentlichen Gesundheit im UWG verankert sehen, a.a.O., 313); Brander/Bergmann, in: GroßKomm UWG, § 1 UWG Rn. A1 f.; Köhler, in: GroßKomm UWG, § 1 UWG Rn. D1 f. (mit der Einschränkung, die Hervorhebung des institutionellen Charakters des Wettbewerbs ermögliche nur eine Problemverdeutlichung). 254 RegE UWG 2008, 11–17.
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
im Sinne eines Ordnungsinstruments für jedwede Wirtschaftsordnung, sei sie marktwirtschaftlich, korporatistisch oder streng dirigistisch geprägt, wird durch § 1 UWG eigentlich ausgeschlossen, zumindest aber erschwert255. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass der Schutz des Allgemeininteresses am unverfälschten Wettbewerb den überwölbenden Zweck des deutschen Lauterkeitsrechts bildet. Gewahrt werden sollen die Funktionsbedingungen des freien Wettbewerbs als des Ordnungsinstruments der deutschen und europäischen Wirtschaftsverfassung. Die Individualinteressen der Mitbewerber, Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer sind hierfür Anknüpfungspunkt, aber nicht ihrerseits Selbst- und Endzweck; die Entscheidung über ihren Schutz muss letztlich („zugleich“) auf das Allgemeininteresse ausgerichtet und anhand dieses Maßstabs gerechtfertigt sein. Im Hinblick auf den güterzuordnenden Gehalt des UWG lassen sich zwei Schlussfolgerungen ziehen. Gegen eine entsprechende Aussagekraft des UWG spricht zum einen, dass die drei Gruppen von individuell begünstigten Marktteilnehmern gleichrangig geschützt werden. Mithin fehlt ein Anhaltspunkt dafür, einem Mitbewerber im Verhältnis zu allen übrigen Marktteilnehmern durch Anerkennung positiv-exklusiver Befugnisse an einem Gut eine Vorzugsstellung zu verschaffen. Zum anderen sind für die Abgrenzung der Rechtskreise nicht individuelle Interessen – z.B. an einem Schutz vor unerlaubter Nachahmung von Erzeugnissen – ausschlaggebend, sondern die allgemeinen Interessen daran, eine Verfälschung bzw. Beeinträchtigung des Wettbewerbs zu verhindern. Eine solche nur mittelbare, reflexartige Berücksichtigung individueller Belange genügt nicht, um „neue“ Güter schrittweise oder gar auf einen Schlag unter Berufung auf das UWG zuzuordnen256.
II. Schutz unverfälschten Wettbewerbs Das erste Kapitel dieses Abschnitts diente der Klärung des Verhältnisses von individuellen zu allgemeinen Interessen im Telos des UWG. Dabei wurde nur angedeutet, was der Schutz des „unverfälschten Wettbewerbs“ recht eigentlich bedeutet. Jenes, die Partikularinteressen umfassende Ziel des Lauterkeitsrechts ist nunmehr näher zu beleuchten, denn immerhin könnte eine positive Güterzuordnungsentscheidung damit gerechtfertigt werden, dass das Allgemeininteresse am unbeeinträchtigten Wettbewerb gerade ein solches Ergebnis diktiert.
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Zutreffend Wuttke, WRP 2007, 119, 121 f. Schneidinger, Leistungsschutz, 63; Kraft, Interessenabwägung, 208; wenig klar Knies, Leistungsschutz, 122 (die zeitliche Steuerung eines Innovationsschutzes sei mit dem Schutzzweck des UWG unvereinbar, aber der Erhalt von Innovation gehöre zu einem funktionierenden Wettbewerb); für das UWG 2004 Münker, FS Ullmann, 781, 785. 256
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1. Ordnung subjektiver Wettbewerbsfreiheiten als Ziel des Lauterkeitsrechts Eine Analyse der lauterkeitsrechtlichen Zwecke, den Wettbewerb vor „Verfälschungen“ (§ 1 S. 2 UWG) zu schützen, muss an der Vorstellung von Wettbewerb ansetzen, die dem Gesetz zugrundeliegt. Unter Wettbewerb wird im Allgemeinen das Streben von zwei oder mehr Personen nach einem Ziel verstanden, wobei der höhere Zielerreichungsgrad des Einen in der Regel einen geringeren Erfolg des Anderen bedingt. Im Wirtschaftsleben wird Wettbewerb durch die Existenz von Märkten mit mindestens zwei sich antagonistisch verhaltenden Anbietern oder Nachfragern nach Gütern charakterisiert257. Wie schon im Rahmen der ökonomischen Analyse der Güterzuordnung gezeigt, setzt dieses Konzept zwingend voraus, dass die Teilnehmer frei entscheiden können, ob und wie sie am Wettbewerb teilnehmen wollen: Ohne Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer ist Wettbewerb als Ordnungsprinzip der Wirtschaft nicht denkbar258. Die subjektive Wettbewerbsfreiheit umfasst vor allen Dingen die Marktzutrittsfreiheit und die Freiheit, Entschlüsse auf dem Markt ohne Zwang zu fassen, durchzuführen oder davon Abstand zu nehmen259. Wenn aber bereits das Phänomen „Wettbewerb“ die Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer impliziert, kann sich auch die Frage nach der Lauterkeit des Marktverhaltens nur stellen, wenn freier Wettbewerb möglich ist260. Folglich ist das Urteil über die (Un-)Zulässigkeit wettbewerblichen Handelns auf die institutionelle Grundentscheidung für die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer und damit den Wettbewerb als Ordnungsprinzip auszurichten261. Ein257
Schmidt, Wettbewerbspolitik, 1 f.; Piper, in: Piper/Ohly, Einf A Rn. 46. Nachweise oben § 3 B III. Aus der wettbewerbsrechtlichen Literatur Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, Allg Rn. 7, 17; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Einl UWG Rn. 1.17; Fezer, JZ 1990, 657, 660 f.; Piper, in: Piper/Ohly, Einf A Rn. 53; Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, 184; Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 352 („Es ist die Wettbewerbsidee selbst, die nach Freiheit und Beweglichkeit verlangt.“); Sosnitza, in: MünchKomm, Grundl UWG Rn. 12 ff.; Thouvenin, Funktionale Systematisierung, 72 f. 259 Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, Allg Rn. 27 f. 260 Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, Allg Rn. 76; Piper, in: Piper/Ohly, Einf A Rn. 53 ff.; Schluep, GRUR Int. 1973, 446, 447 f. (Schutz der Lauterkeit im Interesse der Entfaltungsfreiheit der Konkurrenten und der Erhaltung der Sozialfunktion des Wettbewerbs); Kummer, Anwendungsbereich und Schutzgut UWG, 122 (die Lauterkeit werde geregelt, weil der Gesetzgeber vom freien Wettbewerb als institutioneller Grundlage ausgehe). 261 Piper, in: Piper/Ohly, Einf A Rn. 55 (Wettbewerbsfreiheit von zentraler Bedeutung für die Konkretisierung der Generalklausel); Beater, Unlauterer Wettbewerb, § 12 Rn. 31 ff.; Schünemann, in: Harte/Henning, § 3 UWG Rn. 145 und öfter; Osterrieth, in: Fezer, § 4–S1 UWG Rn. 99 („in dubio pro libertate“); Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, UWG Einl Rn. 74; Wuttke, WRP 2007, 119, 123 mit Fn. 53 (unverfälschter Wettbewerb als freier Wettbewerb); widersprüchlich Fezer, in: Fezer, Einl E Rn. 82 f. (mit Hinweis auf das Verdienst „neoklassischer“ Wettbewerbstheorien und die Freiheit als Grundlage des Wettbewerbs), a.a.O. § 1 Rn. 49 f. (die vor allen Dingen von Schünemann vertretene „neoliberale“ Kritik am sozialrechtlichen Verständnis des Allgemeininteresses sei eine „Ideologisierung des Lauterkeitsrechts, das monokausal mit dem systemtheoretisch basierten Konzept der Wettbewerbsfreiheit erklärt wird“ und mit „einem verfassungsgestalteten Wettbewerbsrecht in der Grundrechtsdemokratie unvereinbar“ sei); a.A. Köhler, WRP 1999, 1075, 1077 (Grundsatz der Nachahmungsfreiheit eine petitio principii). 258
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schränkungen der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit durch gesetzliche Haftung auf der Basis des UWG müssen auf die Erhaltung der Funktionsbedingungen des Gesamtsystems und damit wiederum auf Wettbewerbsfreiheit bezogen sein262. Andernfalls unterminiert das Lauterkeitsrecht die Grundelemente des Ordnungsprinzips, das es voraussetzt und dessen „Verfälschung“ bzw. „Beeinträchtigung“ es durch allgemeine Regeln verhindern soll. Eine solche Verknüpfung der Allgemeininteressen an „unverfälschtem Wettbewerb“ mit dem Schutz der subjektiven und objektiven Wettbewerbsfreiheit im Interesse der Funktionen der dezentralen Mehrplanwirtschaft steht nicht nur im Einklang mit ökonomischen Grundannahmen, sondern entspricht wiederum den bereits referierten europa- und verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen des UWG. Das Ziel der Errichtung eines gemeinsamen Marktes (Art. 2 EG) beruht auf der Annahme, dass die Wettbewerbsfreiheit in den Grenzen der Lauterkeit gemeinsames Merkmal der Wirtschaftsverfassungen der Mitgliedstaaten ist263. Für die deutsche Rechtsordnung gelangt das Bundesverfassungsgericht zum selben Ergebnis; auch jene enthalte den grundsätzlich freien Wettbewerb der Anbieter und Nachfrager als eines ihrer Prinzipien264. Folglich wird ein lauterkeitsrechtliches Verbot am Maßstab der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit des Schuldners gemessen265 und mit der gleichrangigen Freiheit des Gläubigers in Einklang gebracht266. Vor diesem Hintergrund ist es ausgeschlossen, lauterkeitsrechtlich bewehrte Rechtspositionen als verfassungsrechtliches Eigentum zu begreifen. Vielmehr dienen Verbote auf der Basis des UWG der Verwirklichung der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG im rechtlich geordneten Wettbewerb267. 262 Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, UWG Einl Rn. 74; Wuttke, WRP 2007, 119, 122 ff.; Thouvenin, Funktionale Systematisierung, 140 ff., 548. 263 Siehe nur Ulmer, in: Ulmer, Recht des unlauteren Wettbewerbs I, 1; Beater, Unlauterer Wettbewerb, § 22 Rn. 6 (der Grundsatz der Nachahmungsfreiheit gelte wohl in allen nationalen Wirtschaftsrechten). 264 Siehe dazu BVerfGE 32, 311, 317 (1972); BVerfGE 50, 290, 336 (1979); BVerfGE 81, 242, 254 (1990); Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Einl UWG Rn. 1.44 (das Grundgesetz stecke den Gesamtrahmen der Wirtschaftsordnung ab, die auf Freiheit und sozialer Gebundenheit beruhe); Ahrens, in: Harte/Henning, Einl UWG F Rn. 18 f.; Fezer, in: Fezer, Einl E Rn. 47; Reuter, AcP 189 (1989), 199, 207 f. 265 BVerfG GRUR 1993, 751; BVerfG GRUR 1993, 754; BVerfG NZG 2004, 616, 617 (§ 1 UWG 1909 als das Eigentum gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG beschränkendes Gesetz); Beater, Unlauterer Wettbewerb, § 12 Rn. 31; Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 4; Mees, Mitt. 2004, 534, 535; entsprechend aus schweizerischer Sicht Jenny, Nachahmungsfreiheit, 144 ff. Zur wirtschaftlichen Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG oben § 2 B II 2. 266 BVerfGE 102, 347, 360 (2000) („Die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung darf nicht dazu führen, dass Einzelne sich durch unzulässige Praktiken Vorteile im Wettbewerb verschaffen.“). 267 BVerfGE 32, 311, 317 ff., 319 (1972) („Unlauteres Wettbewerbsverhalten kann keinen objektiven Besitzstand – als ,Eigentum‘ – begründen und keinen Vertrauensschutz für den Betriebsinhaber rechtfertigen.“); BVerfG GRUR 1993, 751, 753; für Goodwill und den Unternehmensruf offengelassen von BVerfG NZG 2004, 616, 617; BGHZ 140, 134, 145 (1998); BGH MMR 2007, 704, 705 (ein Mitbewerber habe keinen Anspruch auf Erhaltung seines Kundenstamms); Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 3 UWG Rn. 5; Götting, Wettbewerbsrecht, 14; unklar Fezer, FS
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Ferner korrespondieren inhaltliche Aussagen und formale Merkmale des UWG mit der Abgrenzung gleichgeordneter Wettbewerbsfreiheiten der Marktteilnehmer. So reflektiert die Anknüpfung an individuelle Interessen bzw. Nachteile gem. §§ 1 S. 1, 3 UWG den normativen Individualismus, auf dem die Entscheidung für die dezentrale Verkehrswirtschaft beruht und der seinerseits subjektive Handlungsspielräume fordert268. Die geschützten Belange von Mitbewerbern und Verbrauchern beziehen sich auf deren Freiheit zum Wettbewerb unabhängig von Gewalt und Täuschung269: Mitbewerber sollen ihr geschäftliches Verhalten autonom bestimmen270, Verbraucher ihre wirtschaftlichen Entscheidungen selbstbestimmt treffen können271. Außerdem werden die lauterkeitsrechtlichen Verbote über den Schutz vor unlauteren Wettbewerbshandlungen konstruiert. Darin kommt zum Ausdruck, dass Marktverhalten im Interesse des Gesamtsystems beschränkt wird272, und zwar nicht nur dann, wenn der Handelnde von seiner allgemeinen Wettbewerbsfreiheit Gebrauch macht, sondern
268 GRUR II, 939, 942 (die Anerkennung des verfassungsrechtlichen Schutzes der Immaterialgüterrechte dürfe der grundrechtlichen Verankerung des schlichten Interessenschutzes im Wettbewerbsrecht keinen Abbruch tun); Traub, FS Söllner, 1213, 1214 mit Fn. 2 („Der Schutz von Arbeitsergebnissen gegen Nachahmung dürfte zwischen den gesetzlich positivierten Leistungsschutzrechten z.B. des Urheberrechtsgesetzes (dann: Art. 14 GG anzuwenden) und den bloßen Reflexen aus dem Verbot wettbewerbswidrigen Verhaltens (dann: Art. 14 GG nicht anwendbar) liegen.“); a.A. Beater, Unlauterer Wettbewerb, § 9 Rn. 25 (Art. 14 GG sei einschlägig für den wettbewerbsrechtlichen Ausschließlichkeitsschutz von Innovationen); Ohly, in: Piper/Ohly, Einf D Rn. 16 (mit ungelöstem Hinweis auf Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG); offenbar auch Köhler, WRP 1999, 1075, 1078 (Grundrechtsposition des Inhabers des Leistungsergebnisses aus Art. 2, 12, 14 GG); Fournier, Bereicherungsausgleich, 93 (der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz müsse als Eigentum i.S.d. Art. 14 GG anerkannt werden, weil „die Rechtsordnung einen Immaterialgüterschutz typischerweise durch die Zuerkennung von subjektiven Rechten gewährt und kein sachlicher Grund ersichtlich ist, weshalb diese Schutzform dem Schöpfer einer schutzwürdigen Leistung, für den der Gesetzgeber keinen spezialgesetzlichen Schutz zur Verfügung stellt, vorenthalten bleiben soll, wenn eine an Art. 14 I GG orientierte Rechtsfortbildung dies ermöglichen würde“); Roth, Geschützte Stellungen, 95 (ohne Begründung). 268 Zutreffend Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Einl UWG Rn. 1.47 (die Wirtschaftsordnung freier Konkurrenz entspreche der menschlichen Würde in einer Gemeinschaft freier Menschen am meisten); Wuttke, WRP 2007, 119, 122 f.; skeptisch Giese, Öffentliche Interessen, 279 f. (Gefahr einer völligen Funktionalisierung individueller Freiheit durch die Ökonomie). Zum normativen Individualismus in der ökonomischen Analyse oben § 3 C I. 269 Schünemann, in: Harte/Henning, § 1 UWG Rn. 37 f. (Schnittmenge wettbewerbsproduktiver und freiheitsbezogener Interessen); Glöckner/Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311, 1325 (weder Verbraucher noch Mitbewerber dürften auf Grundlage lauterkeitsrechtlicher Normen mehr verlangen als der Schutz des funktionsfähigen Wettbewerbs gebiete). 270 Beater, Unlauterer Wettbewerb, § 12 Rn. 37 ff.; Wuttke, WRP 2007, 119, 122 f.; Schünemann, in: Harte/Henning, § 1 UWG Rn. 39 (Schutz nur vor wettbewerbsdysfunktionalem Konkurrentenverhalten); Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 1 UWG Rn. 7. 271 Wuttke, WRP 2007, 119, 123. Siehe die Regelbeispiele der §§ 4 Nr. 1–5, 5–7 UWG zum Schutz der wirtschaftlichen Informations- und Entscheidungsfreiheit der Verbraucher. Zu § 4 Nr. 9, 10 UWG unten E I 1. 272 Ulmer, in: Ulmer, Recht des unlauteren Wettbewerbs I, 36 f.; Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 44.
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potentiell auch bei missbräuchlicher Ausübung subjektiver Rechte273. Die Lösung von Konfliktfällen erfolgt im Wege einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung, anhand derer die Unlauterkeit in jedem Einzelfall positiv festzustellen ist274. Der Verwirklichung einer geordneten und erst dadurch dauerhaft stabilen Wettbewerbsfreiheit dient insbesondere das Prinzip enumerativer Haftung275. Dass Ausgangspunkt deliktsrechtlichen Denkens im UWG wie im BGB nicht die Einstandspflicht für jeden Vermögensschaden sein kann, sondern umgekehrt die Haftung begründungsbedürftige Ausnahme bleibt, ergibt sich aus dem Verteilungsprinzip der freiheitlichen Rechtsordnung276 und aus den wettbewerbsfeindlichen Konsequenzen des gegenteiligen Ansatzes. Denn durch Konkurrenz zwangsläufig verursachte Vermögenseinbußen dürfen grundsätzlich keine verbotene Beeinträchtigung des Mitbewerbers darstellen, weil der Wettbewerb als Ordnungsprinzip der Wirtschaft sonst aufgehoben und durch ein dirigistisches System konkret gestatteter Aktivitäten ersetzt würde277. Richtig ist offenbar das 273
Siehe nur Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, Kap. 19 Rn. 11 ff. m.w.N.; Piper, in: Köhler/Piper, Einf Rn. 10. 274 Zum UWG 1909 in Bezug auf Nachahmungsfälle etwa BGHZ 38, 391, 395 (1962); BGH GRUR 1968, 49, 51; BGHZ 51, 41, 45 (1968) (es komme stets auf die Umstände des Einzelfalls an); allgemein BVerfG GRUR 2002, 455, 456; BGHZ 140, 134, 142 ff. (1998) (zur Wahrnehmung berechtigter Interessen und zur Berücksichtigung und Abwägung grundrechtlicher Positionen); Kraft, Interessenabwägung, 175; für den Leistungsschutz Kur, GRUR Int. 1998, 771, 776 („bewegliche Systeme“); Walch, Leistungsschutz, 69; mit Blick auf verfassungsrechtliche Wertungen Ahrens, JZ 2004, 763, 767. Siehe zu § 826 BGB in diesem Sinne oben § 6 C III 2 a. 275 Zum UWG 1909 und zur Diskussion um die Generalklausel siehe Stenographische Berichte über die Lesungen des UWG, XII. Legislaturperiode, 1. Session 1907/1909, 6523 (ein Zuviel an Vorkehrungen gegen Missbräuche könne dem reellen Geschäftsmann unerwünschte Fesseln anlegen), 6524 (legitimen Handel nicht einengen), 6537 (Gefahr übergroßer Strenge der Richter sei gering), 6549 (Hinweis auf die überwiegende Lauterkeit des Verkehrs und Warnung vor Übertreibungen) (1. Lesung am 25.1.1909); 8436 (Warnung vor einer Übertreibung des Lauterkeitsgedankens auch im Interesse des Mittelstandes) (Bericht der 35. Kommission v. 5.5.1909, Nr. 1390 der Anlagen). Diesem Grundsatz entsprechen alle oben genannten Theorien zum UWG; siehe Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, 100 ff.; Isay, Rechtsgut, 54 ff.; Lobe, Unlauterer Wettbewerb, 115 ff. (mit rechtsvergleichenden Hinweisen); rückblickend unter Einbeziehung der wirtschaftsund geistesgeschichtlichen Entwicklung bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts Schluep, GRUR Int. 1973, 446, 449 ff.; zu den Hintergründen des Scheiterns der auf außerrechtliche, allgemein anerkannte Moralvorstellungen als Freiheitszügel verweisenden, klassisch-liberalen Konzeption Teubner, Generalklauseln, 52 ff. 276 A.A. Lubberger, FS Ullmann, 737, 738 (der Grundsatz der Nachahmungsfreiheit sei nirgendwo gesetzlich verankert). 277 Siehe nur RGZ 35, 166, 169 (1895); RGZ 132, 311, 317 (1931); Mestmäcker, in: Monopolkommission, Wettbewerbspolitik, 19, 25 (Schäden, die sich Wettbewerber im redlichen Wettbewerb zufügen, seien nicht rechtswidrig); Callmann, GRUR 1928, 251, 252; Ulmer, in: Ulmer, Recht des unlauteren Wettbewerbs I, 38; Knies, Leistungsschutz, 160; Sambuc, Nachahmungsschutz, 5 (Selbstverständlichkeit); Piper, in: Piper/Ohly, Einf A Rn. 54; Köhler, in: Hefermehl/ Köhler/Bornkamm, Einl UWG Rn. 1.21 (Kundenverlust als Folge des Wettbewerbs); Beater, Unlauterer Wettbewerb, § 17 Rn. 11 (kein Schutz vor Konkurrenz); Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, Allg Rn. 21; Ott, FS Raiser, 403, 421; Beater, Unlauterer Wettbewerb, § 17 Rn. 21 (die Behin-
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Gegenteil, denn das UWG schützt den Wettbewerb als Ausleseprozess, bei dem derjenige Einbußen erleidet, der von Konkurrenten überflügelt wird. § 1 S. 2 UWG hat daher nach zutreffender Auffassung auch die Funktion, funktional unberechtigte Begehren nach individuellem Schutz durch eine durchgängige Ausrichtung der Gesamtpolitik auf den freien Wettbewerb zurückzuweisen278. Protektionistische Tendenzen, mit denen bestimmte Marktteilnehmer vor zu „scharfer“ Konkurrenz bewahrt werden, widersprechen überdies der angestrebten Liberalisierung des Lauterkeitsrechts im Zuge der Neufassung 2004, die eine restriktive Handhabung des Verbots unlauteren Wettbewerbs unter präziser Beachtung der hierfür erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen nahelegt279. Die angegriffene Handlung muss mithin unter maßgeblicher Berücksichtigung der Regelbeispiele als unlauter qualifiziert werden können und tatsächlich geeignet sein, die geschützten Interessen „nicht nur unerheblich“ zu beeinträchtigen280. Ansonsten bleibt das Konkurrentenverhalten zulässig. Die Ausrichtung des Lauterkeitsrechts auf die subjektive und objektive Wettbewerbsfreiheit offenbart sich schließlich in weitgehenden Parallelen zum Kartellrecht. Nicht nur, dass das GWB 2005 über eine ganz ähnliche Struktur wie das UWG 2004 verfügt, indem Verbote unzulässigen Wettbewerbshandelns von wiederum sehr ähnlichen Rechtsfolgen gem. §§ 8 ff. UWG, 33–34a GWB flankiert werden281. Wichtiger noch ist die sich in diesen Äußerlichkeiten ausprägende 278 derung reiche für die Begründung der Wettbewerbswidrigkeit nicht aus); a.A. Fezer, WRP 1993, 63, 64 f. (das Wettbewerbsrecht diene der Abwehr von Behinderungswettbewerb zum Schutze des Leistungswettbewerbs). 278 Schünemann, in: Harte/Henning, § 1 UWG Rn. 34; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 1 UWG Rn. 46. 279 Emmerich, Unlauterer Wettbewerb7, 80; Holtorf, in: Gloy/Loschelder, Hdb WettbewerbsR, § 2 Rn. 22 (nur langfristige Sicherung der Wettbewerbsordnung); Schünemann, WRP 2004, 925, 927 ff.; ders., in: Harte/Henning, § 3 UWG Rn. 48 (nur besonders gravierende Fälle unlauteren Wettbewerbs seien erfasst); Osterrieth, in: Fezer, § 4–S1 UWG Rn. 99; das erkennt, aber negiert auch Fezer, in: Fezer, § 1 UWG Rn. 37 (eine restriktive Auslegung des Anwendungsbereichs des Lauterkeitsrechts sei intendiert). 280 RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 17; Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 152 ff.; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 3 UWG Rn. 47 ff. (spürbare Beeinträchtigung der Marktchancen erforderlich); ders., GRUR 2005, 1, 3 f., 9 (nicht nur unerheblich sei eine Beeinträchtigung, wenn sie nicht so geringfügig ist, dass ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Marktteilnehmer ihr keine Bedeutung zumisst); Fezer, in: Fezer, § 3 UWG Rn. 20, 28 (hypothetische, allein theoretisch vorstellbare Nachteile genügten nicht); Schünemann, in: Harte/Henning, § 3 UWG Rn. 230 ff.; ders., WRP 2004, 925, 926 (es gehe nicht nur um das Prinzip „minima nun curat praetor“); Emmerich, Unlauterer Wettbewerb7, 85 ff.; Götting, Wettbewerbsrecht, 114 ff.; Mees, Mitt. 2004, 534, 542. Zur Darlegungs- und Beweislast des Klägers BGH GRUR 1972, 127 f. (Nachweis für erforderlichen Investitionsschutz); BGH GRUR 1996, 210, 212 – Vakuumpumpen (der Verletzte haben die besonderen Umstände darzulegen und zu beweisen); BGH GRUR 1997, 477, 479 (Nachweis der Eigenart); aus ökonomischer Sicht zustimmend Eger, in: Ott/Schäfer, Ökonomische Analyse, 270, 277. 281 RegE GWB, BT-Drucks. 15/3640, 69; BGHZ 166, 154, 160 f. (2006) (Vergleich der Anspruchsgrundlagen von UWG und GWB). Zur Streitwertherabsetzung im Interesse der Effektivität der Verfolgung von Verstößen siehe die §§ 12 Abs. 4 UWG, 89a GWB.
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Zielkomplementarität von Lauterkeits- und Kartellrecht. Das GWB und die Art. 81, 82 EG verbieten Marktverhalten, das eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt. Diese Regelungen dienen daher wie das UWG dem Schutz des freien und lauteren Wettbewerbs im Allgemeininteresse an den Wirkungen dieses marktwirtschaftlichen Ordnungsprinzips282. Verkürzt ausgedrückt widmet sich das GWB der Sicherung des „Ob“ der Betätigungsfreiheit, das UWG dem „Wie“283. Dagegen ist es verfehlt, unter Verweis auf die Beschränkung der „ungezügelten“ Wettbewerbsfreiheit durch das Lauterkeitsrecht einen Gegensatz zwischen beiden Rechtsmaterien zu konstruieren284. Denn dabei wird verkannt, dass individuelle Betätigungsfreiheit – so sie mit Hilfe des Kartellrechts besteht – im kompetitiven Verhaltensprozess gar nicht unbeschränkt gedacht werden kann und daher einer Ordnung bedarf, die die zwangsläufigen gegenseitigen Beeinträchtigungen auf die mit Wettbewerb verbundenen Allgemeininteressen ausrichtet285. Folglich etablieren UWG und Kartellrecht den allgemeinen Rahmen, innerhalb dessen die Marktteilnehmer ihre gleiche Wettbewerbsfreiheit ausüben286. 2. Folgerungen für die Frage nach der Güterzuordnung Die Gründe für dieses Verständnis des UWG als einer Ordnung gleichrangiger Handlungsfreiheiten im wirtschaftlichen Wettbewerb sprechen zugleich dagegen, diesem Regelungsgebiet einen güterzuordnenden Gehalt zuzusprechen. Da282 Ulmer, in: Ulmer, Recht des unlauteren Wettbewerbs I, 5; Raiser, GRUR Int. 1973, 443, 445; Schluep, GRUR Int. 1973, 446, 448; Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, Allg Rn. 86 f., UWG Einl Rn. 74; Piper, in: Köhler/Piper, Einf Rn. 14 (Institutionenschutz und Individualschutz ergänzten sich); Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Einl UWG Rn. 6.11 ff.; Fezer, in: Fezer, Einl E Rn. 39; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb7, 82; ders., FS Gernhuber, 857, 859; Keßler, WRP 2005, 1203 ff. 283 Schluep, GRUR Int. 1973, 446, 448; Botschaft CH-UWG, BBl. 1983 II, 1009, 1038; Piper, in: Piper/Ohly, Einf A Rn. 46 (anders und differenzierend aber a.a.O., § 1 UWG Rn. 7). 284 So insbesondere – aus geistesgeschichtlicher Sicht wie gezeigt nicht überraschend – die „sozialrechtliche“ Auffassung, die für eine scharfe Unterscheidung zwischen dem wettbewerbsund dem kartellrechtlichen Tatbestand eintrat; siehe Hefermehl, FS Nipperdey, 283, 299; Kummer, Anwendungsbereich und Schutzgut UWG, 122 ff. (Lauterkeits- und Freiheitsschutz seien streng zu unterscheiden, das Lauterkeitsrecht diene nicht der Erhaltung des freien Wettbewerbs). Differenzierend noch zum UWG 2004 Götting, Wettbewerbsrecht, 3 f. („unterschiedliche Schwerpunkte“ zwischen UWG und GWB); Brüning, in: Harte/Henning, Einl F Rn. 125 (wettbewerblicher Institutions- vs. Individualschutz); Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367 (es gehe nicht um den Schutz der Freiheit des Wettbewerbs, sondern um die Abwehr von Verfälschungen; allerdings dürften die Verbindungslinien zwischen beiden Materien nicht übersehen werden). 285 Böhm, Die Ordnung der Wirtschaft, 11, 120 ff.; Schluep, GRUR Int. 1973, 446, 451; Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 1 (die Wurzel des Wettbewerbsrechts liege in Art. 2 Abs. 1 GG). 286 Raiser, GRUR Int. 1973, 443, 445; Schluep, GRUR Int. 1973, 446, 451 f.; Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, Allg Rn. 29; offener Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Einl UWG Rn. 1.29 (der Satz, dass der vom Kartellrecht geschützte freie Wettbewerb nur der lautere und erlaubte Wettbewerb sei, sei nur in dem Sinne zu verstehen, dass Wettbewerbshandeln im Kontext der Verfassung und bestehenden Wirtschaftsordnung ablaufe).
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bei ergeben sich eine Reihe von Gemeinsamkeiten mit dem Deliktsrecht des BGB. So schließt der für beide Rechtsgebiete gültige Gedanke der enumerativen Haftung für widerrechtliche bzw. unlautere Handlungen das gegenteilige Prinzip des Verbots bzw. der Ausgleichspflicht jedes schädigenden Verhaltens aus. Folglich kann der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz ebenfalls nicht grundsätzlich, sondern nur ausnahmsweise gewährt werden, „wenn und soweit die [angegriffene] Benutzung dem Prinzip des freien Leistungswettbewerbs zuwiderläuft“287. Schon dieser Ausgangspunkt ist mit einem Rechtsprinzip der Güterzuordnung inkompatibel. Auch die formale Struktur lauterkeitsrechtlicher Tatbestände steht einer Güterzuordnungstendenz des Gesetzes entgegen. Jene sind zur Beschränkung individueller Wettbewerbsfreiheit und subjektiver Rechte an der Art der Handlung und nicht an bestimmten Gütern orientiert288. Sie folgen überdies nicht dem für Güterzuordnungen typischen, statischen289 Modell des Erfolgsunrechts, wonach der Eingriff in einen vorab fest definierten Schutzbereich die Rechtswidrigkeit der Verletzung indiziert290. Mit diesen Grundelementen des Lauterkeitsrechts ist ein Wechsel der Blickrichtung auf das betroffene Gut sowie die Erklärung, seine unerlaubte Nutzung sei grundsätzlich unlauter, unvereinbar. Bedeutsam ist ferner die Abkehr von primär ethisch/moralisch motivierten Überlegungen, wie sie im Wechsel von der „Sittenwidrigkeit“ zur „Unlauterkeit“ und im Verzicht auf eine gesetzliche Nennung der „anständigen Gepflogenheiten“ erkennbar wird. Während etwa der sittlich fundierte Schutz der Persönlichkeit und des redlich erworbenen Unternehmensbestandes in den Hintergrund treten, gewinnen funktional auf den objektiven Wettbewerb gerichtete Argu-
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OLG Frankfurt ZUM-RD 2005, 500, 503. Zum hier angesprochenen Argument BGH GRUR 1962, 254, 255; BGH GRUR 1967, 315, 317; BGH GRUR 1969, 618, 619; Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rn. 439; Fikentscher, Wettbewerb, 150 f., 304 f. („Denn es schützt nicht Rechte und Rechtsstellungen, sondern es schützt gegen die Vornahme unlauterer Handlungen.“); Körner, Rechtsschutz, 31; Isay, Rechtsgut, 22 (werde kein objektiviertes Gut zugewiesen, sondern ein Tätigkeitsbereich vor Eingriffen bewahrt, könne kein absolutes Recht vorliegen); Walch, Leistungsschutz, 69; unentschieden Piper, in: Köhler/Piper, § 1 UWG Rn. 588 f. (der wettbewerbsrechtliche Schutz sei zwar handlungsbezogen, in den Fällen des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes werde aber zugleich eine fremde Leistung geschützt, was aber nicht als Ausschließlichkeitsrecht aufgefasst werden dürfe). Negiert wird die Relevanz dieses Umstandes von Weihrauch, Leistungsschutz, 78; Götte, Schutzdauer, 106 f. (der bei dieser Gelegenheit auch noch die dreigliedrige Struktur des Deliktsrechts des BGB auflöst); Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 217. 289 Zur Flexibilität der Unlauterkeitsbeurteilung auf der Basis der Generalklausel des UWG 1909 RGZ 134, 342, 355 (1931); Schricker, Gesetzesverletzung und Sittenverstoß, 196 m.w.N.; Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, Einl UWG Rn. 72. Zum UWG 2004 RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, 16 (die Generalklausel ermögliche es, den sich wandelnden Anschauungen und Wertmaßstäben in der Gesellschaft Rechnung zu tragen); Ohly, GRUR 2004, 889, 896 (richterrechtliche Fallgruppenbildung ermögliche formlose Kassation kraft besserer Einsicht). 290 Siehe Fikentscher, Wettbewerb, 304; Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rn. 439; Wiebe, FS Schricker, 772, 778; ebenso trotz Ablehnung eines numerus clausus der originären Ausschließlichkeitsrechte Fournier, Bereicherungsausgleich, 91. 288
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mente an Bedeutung291. Damit aber können sich die in § 4 herausgefilterten Kerngedanken richterlicher Zuordnung, nämlich Vermögenswert, Arbeit und persönliche Prägung des Leistungsergebnisses, nicht mehr ohne Rücksicht auf die Folgen ihres Schutzes für den freien Wettbewerb entfalten. Dagegen lassen sich der genuin konsequentialistischen Ökonomik und Wettbewerbstheorie wie gezeigt keine Impulse für ein Rechtsprinzip der Güterzuordnung entnehmen292, so dass das UWG auch materiell an Zuordnungskraft eingebüßt hat. Unverändert geblieben und letztlich entscheidend ist jedoch, dass das Lauterkeitsrecht gleichrangige Freiheiten der Marktteilnehmer zum Erwerb und nicht den Schutz des bereits Erworbenen regelt. Gesichert werden soll die Gleichheit der Siegchancen im Wettstreit der Mitbewerber. Über die Zuweisung der Prämien entscheidet kein subjektives Recht, sondern der Wettbewerbsmechanismus als solcher293. Damit wird die grundlegende Bedeutung ausschließlicher subjektiver Rechte an Gütern für den Marktmechanismus keineswegs geleugnet. Gesagt ist lediglich, dass sich das UWG mit dieser Vorbedingung für Markt und Wettbewerb nicht beschäftigt, sondern mit der gedanklich nachgeordneten, dauerhaften Wahrung der Lauterkeit existierenden Wettbewerbs. Die ganz herrschende Meinung sah daher bereits im UWG 1909 zutreffend keine Rechtsgrundlage zur Anerkennung von Ausschließlichkeitsrechten294. Jenseits der Grenzen der normierten Schutz291
Siehe dazu bereits Schricker, Gesetzesverletzung und Sittenverstoß, 274 f.; Schünemann, in: Harte/Henning, § 3 UWG Rn. 67 m.w.N. (wettbewerbstheoretische Erkenntnisse); Henning-Bodewig, GRUR Int. 2004, 713, 716; Glöckner/Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311, 1327; im Ergebnis auch Götting, Wettbewerbsrecht, 105 f. (wettbewerbsbezogene Wertungen in einem funktionalen Verständnis). 292 Oben § 3 E. 293 Lobe, Unlauterer Wettbewerb, 6 („Nicht gegen das Haben, sondern gegen das Erwerben des als Siegespreis ausgesetzten Gutes richtet sich also die Tätigkeit des Wettbewerbers.“); Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, 285 ff.; Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 44 (das UWG gewähre keine „positiven Rechte“, sondern es nehme in einer Art Negativliste von der grundsätzlich bestehenden Freiheit hier und da ein Stück weg); Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 328 (in Bezug auf den Schutz des Know-hows im UWG 1909 und gem. § 826 BGB); Hefermehl, in: Baumbach/ Hefermehl, Einl UWG Rn. 60. 294 Siehe zum UWG 1909 BVerfGE 51, 193, 215 (1979) (in Bezug auf den Schutz geographischer Herkunftsangaben); RGZ 132, 311, 317 (1931) (zu § 20 Abs. 1 FGG: „Das Zutreffen irgendeiner … Vorschrift des Wettbewerbsgesetzes wird also gerade nicht (Hervorhebung im Original) dahin beurteilt, daß dadurch die Klägerin ,in ihren Rechten verletzt‘ sein müsse.“ Die Unterlassungsansprüche der §§ 1, 3, 6, 8, 10, 11–13 UWG 1909 entstammten „grundsätzlich nicht einem Individualrecht“); BGHZ 35, 329, 333 (1961); BGH GRUR 1967, 315, 317 (auf dem Wege über § 1 UWG 1909 könnten keine erweiterten „Ersatz-Ausschließlichkeitsrechte“ begründet werden); rechtsvergleichend Ulmer, in: Ulmer, Recht des unlauteren Wettbewerbs I, 55 (im Wettbewerbsrecht gehe es nicht um Verwertungsmonopole, sondern um die Grenzen der Wettbewerbsfreiheit); v. Gamm, GRUR 1978, 453 ff.; Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, Allg Rn. 95 (das UWG gewähre keine Ausschließlichkeitsrechte wie das Patent- und Musterrecht), Einl UWG Rn. 49 (die Zuweisung ausschließlicher Herrschaftspositionen widerspreche dem Wesen des Wettbewerbs); Piper, in: Köhler/Piper, Einf Rn. 11, § 1 UWG Rn. 592 (auch mit dem ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz werde kein Ersatz-Ausschließlichkeitsrecht geschaffen). Zum UWG 2004 Sosnitza, in: MünchKomm, § 1 UWG Rn. 5; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 1 UWG Rn. 7; Ahrens, in: Harte/Henning, Einl F Rn. 138.
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bereiche dieser Rechte bleibe die wirtschaftliche Betätigung und Nutzung von Gütern frei295. Daher ist zwischen beiden Materien – entgegen der begrifflichsystematischen Zusammenfassung von Lauterkeits- und Immaterialgüterrecht unter dem Terminus „Schutz des gewerblichen Eigentums“ in Art. 1 Abs. 2 PVÜ – streng zu unterscheiden296.
III. Konkretisierung des Zwecks des UWG 1. Wahrung der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs Der Schutz der Allgemeininteressen am unverfälschten Wettbewerb ist nach den vorstehenden Erörterungen das ausschlaggebende, überwölbende Ziel des UWG. Anhand dieses Maßstabs werden Kollisionen gleichrangiger Wettbewerbsfreiheiten der Marktteilnehmer beurteilt. Zum Abschluss dieses Kapitels gilt es, diese beiden Erkenntnisse in ein „integriertes Modell“ des Lauterkeitsrechts einzubetten und hieran die These vom originären Leistungsschutz zu messen. Ein solch einheitlicher Ansatz muss vor allen Dingen erklären, worauf die im Wort „zugleich“ zum Ausdruck kommende Verknüpfung individueller (subjektiver) und allgemeiner (objektiver) Interessen gem. § 1 UWG beruht. Hierzu kann wiederum auf Erkenntnisse über die grundlegenden Funktionsweisen des Wettbewerbs als dem vom Gesetz vorausgesetzten und zugleich geschützten Ordnungsprinzip der Wirtschaft zurückgegriffen werden. Zur Erklärung dieses Phänomens wird methodisch und normativ vom einzelnen Akteur ausgegangen, der seinen Wirtschaftsplan unabhängig von äußerem Zwang aufstellt und verfolgt297. Diese individuellen, gleichrangigen Wettbewerbsfreiheiten der Marktteilnehmer spricht § 1 S. 1 UWG an. Der Wettbewerb als solcher führt nun dazu, 295
Nachweise oben Einleitung B II. So auch EuGH GRUR Int. 2001, 327, 330 f. – Dior (Unterscheidung zwischen den Immaterialgüterrechten und dem „nach den allgemeinen Vorschriften des nationalen Rechts über unerlaubte Handlungen, insbesondere über unlauteren Wettbewerb, gegebenen Klagerecht“; Art. 50 TRIPS überlasse es den Vertragsparteien, ob der auf das Recht der unerlaubten Handlungen gestützte Schutz gegen Nachahmungen im Wettbewerb ein Recht des geistigen Eigentums i.S.v. Art. 50 Abs. 1 TRIPS sei); Burmann, WRP 1968, 258, 264 (die gemeinsame persönlichkeitsrechtliche Basis sei nicht mehr gegeben). Zusammenfassend hingegen BGHZ 141, 329, 345 (1999) (strenge Fahrlässigkeitshaftung im Wettbewerbsrecht, gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht); Hefermehl, FS Nipperdey, 283 mit Fn. 3; Ulmer, in: Ulmer, Recht des unlauteren Wettbewerbs I, 2 f.; Piper, in: Köhler/Piper, Einf Rn. 11 (aber: es handele sich um zwei Schutzebenen mit nicht übereinstimmender Zielsetzung und grundlegend unterschiedlichen Voraussetzungen, a.a.O., § 1 UWG Rn. 592); Bayerlein, WRP 2005, 1354 ff. (der ergänzende Leistungsschutz gem. § 4 Nr. 9 UWG sei als „geistiges Eigentum“ i.S.d. RL 2004/48/EG anzusehen). Das Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des Geistigen Eigentums v. 7.7.2008, BGBl. I, 1191 ff., lässt die Sanktionen des UWG unverändert, geht also nicht davon aus, dass der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz unter die RL 2004/48/EG fällt. 297 Zum methodologischen und normativen Individualismus der ökonomischen Analyse des westlichen Wirtschaftssystems oben § 3 A I. 296
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dass das egoistisch-nutzenmaximierende Verhalten der Anbieter und Nachfrager „zugleich“ Wirkungen zeitigt, die das allgemeine Wohl fördern. Dazu zählen insbesondere die Funktionen des Wettbewerbs, die Einzelpläne zu koordinieren, an bestehende Bedürfnisse anzupassen und Renten nach individueller Leistung zu verteilen – kurz, eine effiziente Ressourcenallokation zu ermöglichen. Außerdem ist freier Wettbewerb eine mögliche Antwort auf das Problem privater Macht298. Die für das deutsche Lauterkeitsrecht grundlegende Einsicht Franz Böhms war es nun, dass diese positiven Folgen dauernder rechtlicher Flankierung bedürfen, indem Verfälschungen des Wettbewerbsprozesses durch Gewalt und Täuschung zu verbieten sind299. Genau dieses Ziel formuliert § 1 S. 2 UWG, indem nicht (mehr) auf den Nachteil des einzelnen Marktteilnehmers, sondern auf die negativen Folgen für das Allgemeininteresse abgestellt wird300. Dadurch verschwindet der einzelne Akteur jedoch keineswegs aus dem Blickfeld, denn individuelle Selbstbestimmung im Wirtschaftsleben und gemeinwohlfördernder Wettbewerb sind aus den genannten Gründen untrennbar miteinander verbunden. Diesen Konnex meint das „integrierte Modell“ des UWG 2004/2008. Unverkennbar stützt sich diese Auffassung auf Erkenntnisse der ökonomischen Wettbewerbstheorie301. Die damit zulässige, ja gebotene funktions- und folgenorientierte Argumentation zur Herleitung lauterkeitsrechtlicher Verbote302 tritt an die Stelle eines vagen „lauterkeitsrechtliche[n] Empfinden[s]“303 oder zumindest schiefer Metaphern aus der Welt des Sports304, die zwar ein Judiz veranschaulichen mögen, dabei aber den Gegenstand des Lauterkeitsrechts unnötig verdunkeln. Die Entscheidung über die (Un-)Lauterkeit eines Verhaltens ist stattdessen daran auszurichten, ob die angegriffene Handlung geeignet ist, die ge298 Zu den Funktionen des Wettbewerbs (Anpassung, Fortschritt, Verteilung und Freiheitssicherung/Kontrolle wirtschaftlicher Macht) Schmidt, Wettbewerbspolitik, 31 ff.; Herdzina, Wettbewerbspolitik, 20 ff.; Thouvenin, Funktionale Systematisierung, 77 ff.; Botschaft CH-UWG, BBl. 1983 II, 1009, 1038. 299 Mit ausdrücklichem Verweis auf den Ordoliberalismus der „Freiburger Schule“ auch Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Einl UWG Rn. 1.47; Wuttke, WRP 2007, 119, 123 f. 300 Zur Struktur von Allgemeininteressen siehe Schnieders, Allgemeininteressen, 311 f. („generelle Interessen“). 301 Auch in Bezug auf das Lauterkeitsrecht wird die Berücksichtigung wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse vermehrt gefordert und akzeptiert, weil nicht über Wettbewerb geurteilt werden könne, wenn dessen Funktionsweise nicht klar sei; siehe Mestmäcker, ZHR 137 (1973), 97, 100 f.; Reuter, AcP 189 (1989), 199, 214 ff.; Emmerich, FS Gernhuber, 857, 864; Schünemann, in: Harte/Henning, § 1 UWG Rn. 9; Beater, Unlauterer Wettbewerb, § 2 Rn. 29; Thouvenin, Funktionale Systematisierung, 5 ff.; anders Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Einl UWG Rn. 1.6 f. (genügend sei ein „allgemeines Vorstellungsbild vom wirtschaftlichen Wettbewerb“). 302 Schünemann, in: Harte/Henning, § 1 UWG Rn. 9 f.; Sosnitza, in: MünchKomm, Grundl UWG Rn. 14, § 1 UWG Rn. 14 (Schutz des freien und fairen Wettbewerbs als Institution); Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Einl UWG Rn. 1.16 (die Konzeption der Wettbewerbsfreiheit biete die Grundlage für die Wertung, ob ein Verhalten im Wettbewerb lauter ist oder nicht), Rn. 1.46 (das Konkurrenzprinzip gründe sich auf die Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaft); für die allgemeine Marktstörung a.a.O., § 3 UWG Rn. 44. 303 So aber Piper, in: Piper/Ohly, § 1 UWG Rn. 3. 304 Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 2 (Tour de France).
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nannten Funktionen des Wettbewerbs „nicht nur unerheblich“ zu beeinträchtigen305. Gerade weil hierfür schwierige Folgenabschätzungen anzustellen sind, hat der Gesetzgeber dem Rechtsanwender mit den Regelbeispielen verhältnismäßig konkrete Maßstäbe an die Hand gegeben, so dass dem Richter keine ins Einzelne gehende Analyse der wirtschaftlichen Zusammenhänge abverlangt wird306. Im Übrigen bekennt sich das UWG nicht eindeutig zu einer bestimmten wettbewerbspolitischen Konzeption. In Betracht kommen namentlich die Lehre vom funktionsfähigen Wettbewerb und der „systemtheoretische“, auf die Wahrung der Wettbewerbsfreiheit konzentrierte Ansatz307. So kann in der Rede vom „unverfälschten Wettbewerb“ (§ 1 S. 2 UWG) ein funktional-regulatives Denken verwirklicht gesehen werden308, während die „Beeinträchtigung“ des Wettbewerbs (§ 3 UWG i.d.F. 2004) eher auf die Vorstellung vom Wettbewerb als eines möglichst ungestörten Entdeckungsverfahrens verweist309. Allerdings ist diese Unterscheidung für die hiesige, auf der Prinzipienebene angesiedelte Frage ohne Bedeutung, weil beide Konzepte die Wettbewerbsfreiheit als Ausgangspunkt akzeptieren und sich lediglich graduell im Ausmaß der für notwendig erachteten Eingriffe unterscheiden310. 305 Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Einl UWG Rn. 1.25 (Schutz der Steuerungsfunktion des Wettbewerbs), § 1 UWG Rn. 38 (Schutz des freien Wettbewerbs), Rn. 43 (Schutz des Wettbewerbs als Institution); Emmerich, Unlauterer Wettbewerb7, 78 ff.; Koppensteiner, WRP 2007, 475, 476 ff. Zum UWG 1909 in diesem Sinne Burmann, WRP 1968, 258, 259 ff.; Raiser, GRUR Int. 1973, 443, 445; Schluep, GRUR Int. 1973, 446, 447 ff. m.w.N. (Schutz einer Institution in seiner gesellschaftlichen Funktion); P. Ulmer, GRUR 1977, 565, 568, 580; im Ansatz auch Fezer, JZ 1990, 657, 660 (Aufgabe des Rechts sei es allein, eine Rahmenordnung von Verhaltensregeln am Markt zu erstellen); Müller-Laube, ZHR 156 (1992), 480, 495 (Funktionsbedingungen für einen fairen Leistungswettbewerb näher präzisieren); zu pauschal Reichold, AcP 193 (1993), 204, 205 („Wettbewerbsrecht ist die Antwort auf das Freiheitsparadox der Marktwirtschaft.“). 306 Siehe Mestmäcker, ZHR 137 (1973), 97, 106. Bei der Bewältigung dieser Aufgabe steht man erst am Anfang; siehe aber Thouvenin, Funktionale Systematisierung, 421 ff. (funktionale Betrachtung lauterkeitsrechtlicher Vorschriften im schweizerischen UWG). Die größere Regelungsdichte im Vergleich zum Kartellrecht erleichtert indes die Aufgabe, wenn man die gesetzliche Regelung denn zur Kenntnis nimmt (dazu unten E). 307 Dazu zum alten Recht Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, Allg Rn. 16 ff. (diese wettbewerbspolitischen Konzeptionen besäßen keine rechtliche Bedeutung, wobei nur das Konzept der Wettbewerbsfreiheit einen justiziablen Ansatz biete, a.a.O., 16c); ebenso Köhler, in: Hefermehl/ Köhler/Bornkamm, Einl UWG Rn. 1.16. 308 Der Begriff soll Art. 3 Abs. 1 lit. g EG entnommen sein; Lettl, UWG, Rn. 16 mit Fn. 21. 309 Letztgenannte Formulierung wurde auf Intervention des Bundesrates als „sprachliche Verbesserung“ geändert, weil der Wettbewerb weder richtig noch falsch sein könne, sondern nur beschränkt oder behindert, also beeinträchtigt; siehe Stellungnahme Bundesrat, BT-Drucks. 15/1487, 30 und die zustimmende Gegenäußerung Bundesregierung, BT-Drucks. 15/1487, 40. Allerdings wird diese auf die Konzeption der Wettbewerbsfreiheit deutende Konsequenz nicht für § 1 S. 2 UWG gezogen; siehe Schünemann, in: Harte/Henning, § 1 UWG Rn. 57; Lettl, UWG, Rn. 141 (Nachlässigkeit des Gesetzgebers); Sosnitza, in: MünchKomm, § 1 UWG Rn. 35 (kein signifikanter Unterschied). 310 Ohne Entscheidung denn auch Möschel, Pressekonzentration, 134; auf Hayekscher („systemtheoretischer“) Basis Sosnitza, Wettbewerbsbeschränkungen, 21 (Ziel des Lauterkeitsrechts sei die allseitige Öffnung der Märkte und die Verhinderung von Marktzutrittsschranken, um mög-
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2. Inkompatibilität eines grundsätzlichen Leistungsschutzes mit diesem Zweck Der auch zum geltenden UWG noch vertretene originäre Leistungsschutz ist mit diesen folgenorientierten Schutzzwecken nicht vereinbar311. Grundsätzlich jedes „eigenartige“ Leistungsergebnis vor unerlaubten Nutzungen zu bewahren312, verkennt nämlich den Wettbewerb als dynamischen, durch eine Folge von Vorstoß- und Verfolgungsphasen gekennzeichneten Prozess313. Auf initiative Wettbewerbshandlungen folgen imitatorische Aktivitäten der Mitbewerber. Die Intensität des Wettbewerbs ist umso stärker, je schneller Vorsprungsgewinne aufgezehrt werden; der dadurch ausgelöste Konkurrenzdruck dient der Realisierung des wettbewerblichen und damit zugleich des lauterkeitsrechtlichen Zielkatalogs314. Die Nachahmung anderer Waren und Dienstleistungen muss grundsätzlich zulässig sein, weil jede wirtschaftliche Aktivität auf dem vorhandenen Erfahrungsschatz aufbaut, der im Interesse der Fortschritts- und Anpassungsfunktion des Wettbewerbs aktiv genutzt werden sollte315. Auch identische Imitate dürfen 311 lichst viel Wettbewerb auf möglichst vielen Märkten zu erhalten); ders., in: MünchKomm, Grundl UWG Rn. 12 (Wettbewerb als Entdeckungsverfahren sei allgemein anerkannt); Weihrauch, Leistungsschutz, 177 (auch der wohlfahrtsökonomische Ansatz des funktionsfähigen Wettbewerbs ziele auf die Wettbewerbsfreiheit und ökonomische Effizienz ab). 311 Das anerkennt als „folgerichtig“ auch Fezer, FS GRUR II, 939, 962, der sich dieser Auffassung aber ohne wettbewerbspolitische Begründung verschließt. 312 In diese Richtung BGH GRUR 1988, 385, 386 („Denn der Verkehr wird in der Regel nicht erwarten, daß das Konkurrenzerzeugnis mit Zustimmung oder Duldung eines Lizenzgebers im Preiskampf gegen diese eingesetzt wird.“). Würde diese Erwartung wirklich bestehen und wäre sie überdies rechtlich relevant, müssten alle Märkte Monopolisten zugewiesen werden, die nur Lizenznehmer auf den Markt lassen. Anders und richtig dagegen BGH GRUR 2000, 521, 525 – Modulgerüst (es sei „ein grundsätzlich berechtigtes Anliegen eines Gewerbetreibenden, bei der Produktgestaltung den Gebrauchszweck und die Verkäuflichkeit des Erzeugnisses im Auge zu behalten“). Ferner Fezer, FS GRUR II, 939, 959 und öfter (grundsätzliche Abwehr von Behinderungswettbewerb zum Schutz unternehmerischer Leistungen); Müller-Laube, ZHR 156 (1992), 480, 496 (die Nachahmungsfreiheit stehe zur Disposition); Smoschewer, GRUR 1929, 381, 391 (Annahme eines Vertrauensverhältnisses zwischen den Konkurrenten). 313 Kritisch zur wettbewerbsfeindlichen Rechtsprechung früher bereits Gastiger, GRUR 1965, 179, 182 (es bedeute eine sinnwidrige Anwendung von § 1 UWG 1909, wenn mit dieser Fassung nicht ein Wettbewerbsverstoß gerügt, sondern durch den Leistungsschutz Wettbewerb von vornherein verhindert werde); allgemein unter Hinweis auf die unklaren Schutzzwecke Emmerich, FS Gernhuber, 857 ff. m.w.N. („Der Wettbewerb hat in Deutschland, immer noch oder wieder, zahlreiche Feinde.“); Schricker, GRUR Int. 1996, 473, 474 f.; Meineke, Nachahmungsschutz, 204; Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 344 ff. A.A. Lubberger, FS Ullmann, 737, 740 ff. (der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz entfalte keine Blockadewirkung). 314 Siehe Willgerodt, FS Böhm 1975, 687, 693 ff.; Schmidt, Wettbewerbspolitik, 62; Jenny, Nachahmungsfreiheit, 70 ff.; Wuttke, WRP 2007, 119, 123 f. 315 Siehe nur etwa RGZ 115, 180, 184 (1926); RGZ 119, 408, 414 f. (1928); RGZ 128, 330, 340 (1930); RGZ 135, 385, 394 f. (1932); RG GRUR 1938, 68, 69 ff.; BGHZ 41, 55, 57 (1963) – Klemmbausteine I; BGH GRUR 1967, 315, 317; BGH GRUR 1969, 618, 619; Callmann, GRUR 1928, 251, 252 (die Ausnutzung fremder Arbeit sei die Vorbedingung für die Fortentwicklung der Menschheit); Hillig, GRUR 1929, 247, 249; Smoschewer, GRUR 1929, 381, 385 f.; Reimer, FS Wendel, 98, 108 f. (mit Kritik an der Formel vom Schutz der Früchte der Arbeit); Willgerodt, FS Böhm 1975, 687, 696; Erdmann, FS Vieregge, 197, 199 (auf diesen Erwägungen beruhe der Grundsatz der Nachahmungsfreiheit, auf dem unsere Rechtsordnung beruhe); Piper, in: Köhler/Piper, § 1 UWG
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keinesfalls generell als unlauter angesehen werden, denn erst die ggf. unveränderte Nachahmung führt zu substituierenden Waren und Dienstleistungen, die zum Originalprodukt in Konkurrenz treten und damit einen Preis- und Qualitätswettbewerb auslösen316. Die potentiell wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen eines unmittelbar auf bestimmte Erzeugnisse bezogenen Leistungsschutzes lassen sich in der Gerichtspraxis denn auch ohne Weiteres nachweisen. Sämtliche Sachverhalte der hier zitierten Entscheidungen beziehen sich auf Auseinandersetzungen zwischen Mitbewerbern, die um Marktanteile ringen. Von der Nachahmung betroffen sind erwartungsgemäß erfolgreiche, gut eingeführte Erzeugnisse. Mit der Berufung auf den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz versuchen die Originalhersteller, ihre Position gegen preisgünstigere Konkurrenzprodukte zu sichern. Nicht selten kommen die Gerichte diesem Begehren mit der folgenschweren Logik nach, ein hoher Marktanteil sei Anzeichen für ein besonders eigenartiges Erzeugnis, und deshalb sei ein weitreichender Schutz zu gewähren317. Das mit dieser – im Rn.316591; Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, Allg Rn. 21, § 1 UWG Rn. 439 (jeder Fortschritt der menschlichen Kultur knüpfe an Bestehendes an); Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 355; Kriwat, Grenzen des Schutzes, 57; Schneidinger, Leistungsschutz, 59; Martin, Imitationsanreiz, 51; Jenny, Nachahmungsfreiheit, 73, 170; Nolting-Hauff, MuW 1929, 430, 434; a.A. Götte, Schutzdauer, 99 (die Grundvorstellung der Nachahmungsfreiheit sei überholt); Müller-Laube, ZHR 156 (1992), 480, 498; Köhler, WRP 1999, 1075, 1077 f.; ders., in: Ott/Schäfer, Ökonomische Analyse, 245, 254 (die Rechtsprechung habe als „unbestreitbares Verdienst“ eine auch ökonomisch befriedigende Grenzziehung zwischen erlaubter und unerlaubter Produktnachahmung geschaffen); siehe dazu die Kritik aus ökonomischer Sicht von Eger, a.a.O., 270 (es sei unter Ökonomen allerdings durchaus umstritten, unter welchen Bedingungen überhaupt ein starker Schutz von Markenprodukten erforderlich sei, um den Anreiz zur Bereitstellung bestimmter wertvoller Leistungen zu schaffen und unter welchen Bedingungen ein starker Schutz zur Verschwendung knapper Ressourcen führen könne), 279 (die Anwendung der Fallgruppe der „Behinderung“ könne dazu führen, dass gesellschaftlich unerwünschte Verhaltensweisen durch die Rechtsprechung unterstützt werden); in diesem Sinne auch Meineke, Nachahmungsschutz, 18. 316 Wie hier Beater, Unlauterer Wettbewerb, § 24 Rn. 49; Nolting-Hauff, MuW 1929, 430, 431 ff.; Jenny, Nachahmungsfreiheit, 262; Heyers, GRUR 2006, 23 mit Fn. 5 („Schon die reine Imitation verbreitert das Warenangebot zugunsten der Verbraucher und schafft Wahlmöglichkeiten.“); Ohly, GRUR 2007, 731, 735; a.A. Smoschewer, GRUR 1929, 381, 385 f. (die genaue Nachahmung bedeute nicht Fortschritt, sondern Stillstand); Erdmann, FS Vieregge, 197, 210 f.; ohne Rücksicht auf die preissenkende Wirkung von Konkurrenz auch Köhler, WRP 1999, 1075, 1077 f.; Thouvenin, Funktionale Systematisierung, 454 ff. (unveränderte Übernahme eines Erzeugnisses grundsätzlich unlauter). 317 Beispiele: BGH GRUR 1968, 698 (Kläger mit größtem Marktanteil für Rekordspritzen gegen einen Kleinbetrieb, der Ersatzteile und identische Produkte vertrieb); BGH GRUR 1988, 385 ff. (Kläger belieferte 1100 von 1200 Wäschereien mit dem streitgegenständlichen Kennzeichnungsband; der Beklagte berief sich auf das Interesse der Wäschereien an niedrigeren Preisen); BGH GRUR 2000, 521, 523 – Modulgerüst (der unstreitige Marktanteil des klägerischen Unternehmens betrage 70%); BGH GRUR 2003, 359 (nur die beiden Parteien böten die streitgegenständlichen Pflegebetten an); BGH GRUR 2005, 166 (der Marktanteil der Klägerin betrage 82%, derjenige der Beklagten 9%); BGH GRUR 2007, 339, 343 (aus hohen Verkaufszahlen sei auf erhebliche Bekanntheit und aus dieser auf eine „mittlerweile“ durchschnittliche Bekanntheit zu schließen); LG Frankfurt ZUM-RD 2006, 530, 532 f. (Herkunftstäuschung in Bezug auf eine Reisebürosoftware mit einem Marktanteil von 80%). Siehe ferner Emmerich, FS Gernhuber, 857, 864;
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Ergebnis zudem kaum vorhersehbaren – Rechtsprechung verbundene Haftungsrisiko führt in den typischen Konstellationen dazu, dass aus Produktwettbewerb entstehende Effizienzgewinne verhindert und Marktzutrittsschranken errichtet werden, die nur finanzstarke Neulinge überwinden können318. Dagegen wird von den Verfechtern eines grundsätzlichen Leistungsschutzes kein folgenorientiertes Argument vorgebracht, warum der Substitutionswettbewerb gerade für „eigenartige“ Produkte verboten sein soll, wo doch die Allgemeinheit ein Interesse an preisgünstigen und vielfältigen Angeboten dieser Art hat. Folglich ist die „Eigenart“ des nachgeahmten Produktes als eigenständige, zentrale Voraussetzung des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes funktional nicht zu rechtfertigen319. Vielmehr muss das Verbot konkurrierender Waren und Dienstleistungen so begründet werden, dass es die im Allgemeininteresse liegenden Wirkungen freien Wettbewerbs zu fördern geeignet ist. Ein originärer Leistungsschutz für grundsätzlich jedes eigenartige Produkt erfüllt diese Voraussetzung nicht. Folglich qualifiziert sich das UWG seinem Sinn und Zweck nach nicht als Rechtsgrundlage für richterliche Güterzuordnungen. Da jedoch selbst auf der Basis der hier vertretenen, wettbewerbsfunktionalen Betrachtungsweise ein Schutz getätigter Investitionen in erfolgreiche Produkte für möglich erachtet und hierfür auf die Immaterialgüterrechte und den Geheimnisschutz verwiesen wird320, ist nunmehr der Aussagegehalt der insoweit einschlägigen Regelungen näher zu erörtern.
E. Die güterzuordnungsrelevanten Regelungen des UWG Wie oben (B II 2) nachgewiesen, wird die Fallgruppe des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes in den Regelbeispielen des § 4 Nr. 9 UWG verortet, die die Nachahmung von Waren und Dienstleistungen eines Mitbewerbers unter bestimmten weiteren Voraussetzungen als unlauter kennzeichnen321. Güterzuord318 Erdmann, FS Vieregge, 197, 210; Kur, GRUR Int. 1995, 469, 472 („Quasi-Monopolstellung“ des marktbeherrschenden Unternehmens); a.A. Müller-Laube, ZHR 156 (1992), 480, 505 (die Rechtsunsicherheit sei hinzunehmen, weil der Nachahmer einen Sicherheitsabstand halten könne); Köhler, WRP 1999, 1075, 1076. 318 Siehe beispielsweise die Auseinandersetzungen zwischen Spezialherstellern und dem Versandhandel einzelner, wegen Massenabsatzes preiswerter Produkte durch die Kaffeehauskette Tchibo; BGH GRUR 2005, 600 (Handtuchhalter); OLG Hamburg GRUR 2006, 94 (Damenunterwäsche); BGH GRUR 2007, 984 (Gartenliege); kritisch wie hier Wuttke, WRP 2007, 119 f. 319 Das war in der Literatur der 1920er Jahre bereits in aller Deutlichkeit herausgearbeitet; siehe Hillig, GRUR 1929, 247, 254. Ohne Rückkopplung auf die von ihm selbst geforderte wettbewerbspolitische Abwägung denn auch Müller-Laube, ZHR 156 (1992), 480, 503; anders auch Kur, GRUR Int. 1998, 771, 776 (je „schutzwürdiger“ die Leistung, desto weiter der ihr zuzubilligende Schutzumfang). 320 Schünemann, WRP 2004, 925, 932. 321 BGH GRUR 2004, 941, 942 f.; BGH GRUR 2005, 600, 602; RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 18 f.; Ohly, GRUR 2004, 889, 898 f. Siehe zum UWG 2004 den Regelungsvorschlag von Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig, WRP 2002, 1317, 1319 (dort § 5 Nr. 2, 3).
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nungsrelevant sind daneben das Regelbeispiel der gezielten Behinderung gem. § 4 Nr. 10 UWG322 und der im Zuge der UWG-Reform 2004 im Kern unveränderte323 Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen gem. §§ 17–19 i.V.m. 3; 4 Nr. 9 lit. c, 11; 8 f. UWG324. Hingegen betreffen die Regelungen irreführender und vergleichender Werbung sowie unzumutbarer Belästigungen gem. §§ 5–7 UWG ersichtlich andere Interessen und kommen daher von vornherein nicht als Rechtsgrundlage für eine Güterzuordnung in Betracht325. Im Folgenden sind die einschlägigen Konkretisierungen des in § 3 UWG nicht definierten Unlauterkeitsmerkmals326 auf ihren güterzuordnenden Gehalt zu untersuchen. Nach einer Analyse des Zwecks, der Struktur und der Rechtsfolgen dieser Vorschriften (dazu I) ist zu fragen, ob angesichts der eingehenden Regelung von Nachahmungs- und Nutzungsverboten ein hierüber hinausgehender, unmittelbarer Schutz von Leistungen bzw. Gütern weiterhin zulässig ist (dazu II).
I. Nachahmung als unlauterer Wettbewerb 1. Besondere Umstände § 4 Nr. 9 UWG betrifft das Angebot von Waren oder Dienstleistungen, die eine Nachahmung der Erzeugnisse eines Mitbewerbers sind. Es erscheint daher zutreffend, die frühere Fallgruppe des „wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes“ in dieser Konkretisierung der Generalklausel verankert zu sehen. Auf den bloßen Umstand der Nachahmung beschränkt sich die Regelung jedoch nicht. Denn die Buchstaben a bis c knüpfen das Verbot von Imitationen und den damit verbundenen Schutz des Leistungsergebnisses an weitere Voraussetzungen. Diese sind nicht auf bestimmte Charakteristika des Gutes bezogen, sondern betreffen jenseits der Güterzuordnung angesiedelte Zwecke und Umstände, die in den Beispielen der Zuordnung „neuer“ Güter auf der Basis des UWG gerade fehlten. So verlangt Buchstabe a, dass der Nachahmer „eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt“. Unter Geltung des UWG 1909 setzte diese fest etablierte Fallgruppe voraus, dass sich die Abnehmer in der Herkunft der Produkte täuschten, weil sie das Imitat für das mit gewisser
322 Siehe Erdmann, FS Vieregge, 197, 209 (vier Hauptfallgruppen des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes im UWG 1909: vermeidbare Herkunftstäuschung, Rufausbeutung, Erschleichen und Vertrauensbruch, Behinderung). 323 BGH NJW 2006, 3424, 3425; Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig, WRP 2002, 1317, 1326. 324 Zu Ansprüchen wegen Verstoßes gegen § 17 UWG BGH NJW 2006, 3424, 3425 f. 325 Siehe zum UWG 1909 Körner, Rechtsschutz, 57 f. Zum Verbot der Irreführung über die betriebliche Herkunft von Waren oder Dienstleistungen gem. § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG-E 2008 als Umsetzung von Art. 6 Abs. 2 lit. a RL 2005/29 oben A und RegE UWG 2008, 29 f. 326 Siehe dazu nur Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 3 UWG Rn. 2; Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 42; Schünemann, JZ 2005, 271, 276; Sack, WRP 2005, 531, 532.
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Bekanntheit ausgestattete Originalprodukt hielten327. Auslöser des Sittenwidrigkeitsverdikts war also nicht die Schutzwürdigkeit des „eigenartigen“ Erzeugnisses als solchem, sondern die Irreführung der Abnehmer, die ihre Auswahlentscheidung nicht mehr frei von Täuschung treffen konnten. Nach der Begründung des UWG 2004 sind diese Grundsätze in Nr. 9 lit. a kodifiziert worden, der folglich nicht auf die Zuordnung bestimmter Güter gerichtet ist328. Gegen eine solche Einordnung spricht zudem, dass dieses Regelbeispiel enge Bezüge zu Art. 6 Abs. 2 lit. a RL 2005/29/EG (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG-E 2008) aufweist, der als Irreführungstatbestand keinen Leistungsschutz bezweckt329. Aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte ergeben sich sogar Anhaltspunkte dafür, dass Nr. 9 lit. a an noch strengere Voraussetzungen geknüpft ist als die Fallgruppe der Herkunftstäuschung gem. § 1 UWG 1909. Denn es werden nur „Nachahmungen“, nicht auch identische Übernahmen genannt330; außerdem verlangt die Regelung eine tatsächlich herbeigeführte Herkunftstäuschung, nicht nur eine Verwechslungsgefahr331. Besonders bemerkenswert ist die Funktion des Merkmals der „Eigenart“ der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung in diesem Zusammenhang. Im früheren und – jedenfalls nach Auffassung der ganz herrschenden Meinung – im geltenden Lauterkeitsrecht handelt es sich hierbei um das zentrale, auf das Gut bezogene Tatbestandsmerkmal des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes. In der Begründung des UWG 2004 wird die Eigenart des Erzeugnisses hingegen allein im Rahmen der Erläuterung der Nr. 9 lit. a erwähnt: Eine vermeid327 Allgemein zur Fallgruppe Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rn. 450 ff.; Piper, in: Köhler/Piper, § 1 UWG Rn. 629 ff.; Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 122 ff.; Beispiele aus der Rechtsprechung RGZ 88, 183, 185 f. (1916); RGZ 111, 254, 255 f. (1925); RGZ 135, 385, 395 (1932); BGHZ 50, 125, 128 ff. (1968); BGH GRUR 1981, 517, 519; BGH GRUR 1999, 1106, 1109; OLG Dresden JW 1926, 1242, 1244. Eine rein objektive Verwechslungsgefahr sollte nicht genügen nach BGHZ 5, 1, 10 f. (1952); OLG Hamburg GRUR 1950, 82, 85; a.A. (Verwechslungsgefahr ausreichend) RGZ 115, 180, 184 f. (1926); RGZ 120, 94, 100 (1928) – Huthaken; BGH GRUR 1958, 351, 352 f.; BGH LM § 1 UWG Nr. 58 (1958); BGH GRUR 1966, 617, 619; BGH GRUR 1967, 315, 318; BGHZ 50, 125, 131 (1968); BGH GRUR 1982, 305, 307; BGH GRUR 1986, 673, 675; BGH GRUR 1988, 620, 623 (auch mittelbare Verwechslungsgefahr genüge, wenn der Verkehr annehmen könne, das nachgeahmte Produkt stamme von einem Hersteller, der mit dem Originalhersteller zusammenarbeitet); BGH GRUR 2000, 521, 524 – Modulgerüst; BGH GRUR 2001, 443, 445 (mittelbare Verwechslungsgefahr). Zur erforderlichen Bekanntheit des nachgeahmten Produkts BGH GRUR 2002, 275, 277; BGH GRUR 2002, 820, 823; BGH GRUR 2002, 629, 631; BGH GRUR 2007, 339, 343. 328 RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 18; Köhler, GRUR 2007, 548, 551 f. (besonders ausgeprägter Irreführungstatbestand). 329 Siehe Köhler, GRUR 2007, 548, 551; RegE UWG 2008, 29 („verwandte[n] Vorschrift“). 330 So auch Ohly, GRUR 2004, 889, 899 (mit Verweis auf den Grundsatz der Nachahmungsfreiheit); wohl auch BGH GRUR 2007, 795, 798 f. – Handtaschen. 331 BGH GRUR 2004, 941, 943 – Metallbett (tatsächliche Verwechslung nachgewiesen); BGH GRUR 2005, 166, 167 ff. (Gefahr der Herkunftstäuschung genüge, nicht aber die bloße Übernahme von Ausstattungsmerkmalen); BGH GRUR 2005, 600, 602 (Begehung einer Herkunftstäuschung); BGH GRUR 2007, 795, 798 f. – Handtaschen; anders BGH GRUR 2006, 79, 81 f. (die Gefahr einer nicht auf ein bestimmtes Unternehmen bezogenen Herkunftstäuschung genüge); ebenso Emmerich, Unlauterer Wettbewerb7, 188.
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bare Herkunftstäuschung komme nur für „eigenartige“ Waren und Dienstleistungen in Betracht, weil der Verkehr nur bei solchen Leistungen auf die Herkunft achte332. Damit ist das Kriterium der Eigenart bzw. Besonderheit des nachgeahmten Gegenstands wieder auf seine ursprüngliche Funktion als inzidente Voraussetzung einer Herkunftstäuschung zurückgeführt worden. Das seit den 1960er Jahren vorherrschende, gegenteilige Verständnis der Bedeutung der „Eigenart“ mit all ihren unmittelbar leistungsschützenden Implikationen ist mit dieser gesetzgeberischen Absicht unvereinbar333. Auch die Wechselwirkungslehre darf nur noch in dem Sinne fortgeführt werden, dass bei einem ausgesprochen eigenartigen und damit stark herkunftshinweisenden Erzeugnis bereits eine ähnliche Nachahmung zu Verwechslungen führen kann, während durchschnittliche Erzeugnisse schon identisch übernommen werden müssen, damit eine „nicht nur unerhebliche“ Irreführung eintritt334. § 4 Nr. 9 lit. b UWG knüpft die Unlauterkeit einer Nachahmung an das weitere Erfordernis, dass der Nachahmer „die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt“. Auch diese Fallgruppe der Rufausbeutung war zum UWG 1909 allgemein anerkannt. Sie betraf Erzeugnisse, mit denen der Verkehr eine besondere Wert- und Gütevorstellung verband. Durch die Art der Nachahmung versuchte der Mitbewerber, dieses positive Vorstellungsbild auf seine Angebote zu übertragen oder sich in anderer Weise an den guten Ruf anzulehnen, um diesen als Vorspann für das eigene Angebot zu benutzen335. Nummer 9 lit. b soll diese Grundsätze kodifizieren, wobei die „Ausnutzung“ den irreführenden Imagetransfer betrifft, die „Beeinträchtigung“ eine Schmälerung der Wertschätzung durch qualitativ minderwertige Imitate336. Diese zusätzlichen Umstände beziehen sich zunächst nicht di332 RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 18; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb7, 184; a.A. Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 UWG Rn. 9.24. In diese Richtung tendierte auch die Rechtsprechung des BGH in der Spätphase des UWG 1909; siehe Krüger/v. Gamm, WRP 2004, 978, 983 f. („Zurückschraubung des wettbewerblichen Leistungsschutzes“). 333 Köhler, GRUR 2007, 548, 549. Gerade umgekehrt die Schlussfolgerung von Plaß, in: HKWettbewerbsrecht, § 4 UWG Rn. 379; Wiebe, in: MünchKomm, § 4 Nr. 9 UWG Rn. 76; Ohly, FS Ullmann, 795, 796 mit Fn. 5 (die Begründung referiere lediglich die wesentlichen Grundsätze der bisherigen Rechtsprechung); wie hier zum UWG 1909 Kur, GRUR Int. 1998, 771, 774 ff. (kennzeichenrechtliche Aspekte); zum UWG 2004 Münker, FS Ullmann, 781, 786 ff. (nicht nur der Schutzrechtsinhaber sei betroffen, sondern auch die Verbraucher und die Allgemeinheit). 334 Emmerich, Unlauterer Wettbewerb7, 186. 335 Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rn. 541 ff.; Piper, in: Köhler/Piper, § 1 UWG Rn. 636. Aus der Rechtsprechung RGZ 88, 183, 185 f. (1916); RGZ 111, 254, 255 f. (1925); BGHZ 5, 1, 11 f. (1952); BGHZ 28, 387, 394 f. (1958) – Nelkenstecklinge; BGH GRUR 1960, 244, 246; BGHZ 50, 125, 132 (1968); BGH GRUR 1996, 210, 212 – Vakuumpumpen; zur zweiten Alternative (Rufausbeutung) und der damit verbundenen Irreführung nicht unbedingt der Abnehmer, aber Dritter BGH GRUR 1985, 876, 878; BGHZ 138, 143, 151 ff. (1998); BGHZ 141, 329, 342 (1999). 336 RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 18; siehe dazu BGHZ 161, 204, 213 (2004) – Klemmbausteine III; BGH GRUR 2007, 795, 799 – Handtaschen; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/ Bornkamm, § 4 UWG Rn. 9.51 ff.; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb7, 191 ff. (man solle zur Verhinderung von Meinungsmonopolen nicht weiter gehen als die bisherige Rechtsprechung); Heyers, GRUR 2006, 23, 25.
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rekt auf die nachgeahmten Waren und Dienstleistungen, sondern auf deren guten Ruf. Aber auch das positive Image der Produkte ist nicht als solches Schutzgegenstand, weil bloße Assoziationen zum anderen Erzeugnis nicht genügen337. Grundlage des Unlauterkeitsurteils ist wie bei der Herkunftstäuschung vielmehr die Irreführung der Verbraucher. Es soll verhindert werden, dass sie das Produkt des Nachahmers mit dem guten Ruf des Originals in Verbindung bringen, so dass sie ihrer Nachfrageentscheidung unzutreffende Qualitätsvorstellungen zugrundelegen338. Folglich normiert die zweite Alternative ebenfalls keinen unmittelbaren Schutz bestimmter Leistungen oder Güter339. § 4 Nr. 9 lit. c UWG erklärt Nachahmungen für unlauter, wenn der Imitator „die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat“. Erneut handelt es sich um eine Kodifikation einer im UWG 1909 etablierten Fallgruppe340. Das Regelbeispiel bezweckt wie der strafrechtliche Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen gem. §§ 17–19 UWG341, Mitbewerber und insgesamt das auf gegenseitiges Vertrauen angewiesene Wettbewerbsgeschehen davor zu bewahren, dass Marktteilnehmer sich mit Gewalt oder Täuschung geheime Informationen von und über Konkurrenten verschaffen, um ihre Wettbewerbsposition zu verbessern (Stichwort: Industriespionage)342. Ökonomisch gesehen geht es darum, den Inhabern von Betriebsgeheimnissen aufwendige Sicherungsmaßnahmen gegen zu neugierige Mitbewerber zu ersparen343. Auf eine bestimmte (Eigen-)Art oder den Vermögenswert der Geheimnisse kommt es nicht an, so dass von einem Leistungsschutz erneut keine Rede sein kann. § 4 Nr. 10 UWG erklärt schließlich für unlauter, Mitbewerber gezielt zu behindern. Ein solches Marktverhalten war bereits unter dem UWG 1909 für sit337 BGHZ 161, 204, 215 (2004) – Klemmbausteine III; BGH GRUR 2007, 795, 798 – Handtaschen; anders noch BGH WRP 1997, 306, 309 zum UWG 1909. 338 Siehe BGHZ 50, 125, 129 (1968) (der Gesichtspunkt der Irreführung des Publikums stehe im Vordergrund); zur Irreführung bei der Rufausbeutung BGH GRUR 1985, 876, 878; BGH GRUR 2007, 795, 799 – Handtaschen (irrige Vorstellungen über die Echtheit bzw. die Herkunft der Produkte); Münker, FS Ullmann, 781, 788. 339 BGH GRUR 2007, 795, 799 – Handtaschen (§ 4 Nr. 9 lit. b sei nicht den Sonderschutzrechten mit Ausschließlichkeitsbefugnis gleichzusetzen); Köhler, GRUR 2007, 548, 552 f. (Beeinträchtigung wettbewerblicher Entfaltungsfreiheit); Münker, FS Ullmann, 781, 788 f. 340 Zum UWG 1909 RGZ 109, 272, 278 (1924); RGZ 135, 385, 395 (1932); BGH GRUR 1958, 351, 353 f.; BGH GRUR 1960, 554, 555; BGHZ 38, 391, 398 (1962) (mit Bezug auf die §§ 17 ff. UWG 1909); BGH GRUR 1983, 377, 379; BGH GRUR 2003, 356, 357; OLG Dresden MuW 1933, 207; Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rn. 476 ff.; Piper, in: Köhler/Piper, § 1 UWG Rn. 634 f. Zum UWG 2004 RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 18; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/ Bornkamm, § 4 UWG Rn. 9.60 ff. 341 Zum Geheimnisschutz BGHZ 17, 41, 51 (1955) („Die Geheimhaltung wird mit dem Rechtsgut auf uneingeschränkte Ausübung der gewerblichen Betätigung geschützt.“); BGHZ 80, 25, 35 (1981); BGH NJW 2006, 3424, 3426 (auf den Vermögenswert komme es nicht an). 342 Köhler, GRUR 2007, 548, 553; Münker, FS Ullmann, 781, 789 (betroffen sei das Interesse der Allgemeinheit an einem nicht durch Kenntniserschleichung verzerrten Wettbewerb). 343 Siehe oben § 3 B II 2 d bb (1).
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tenwidrig und daher verboten gehalten worden, wobei zwischen individueller und allgemeiner Behinderung unterschieden wurde. Bei der ersten Variante ging es um Fälle, in denen einzelne Mitbewerber daran gehindert wurden, ihre Produkte am Markt anzubieten344. Die allgemeine Behinderung dagegen betraf die Gesamtheit der Mitbewerber und gefährdete die Grundbedingungen und den Bestand des Wettbewerbs insgesamt (sog. Marktstörung)345. An sich hätte die Fallgruppe der individuellen Behinderung auch auf unerlaubte Nachahmungen angewendet werden können; immerhin hemmen die häufig preisgünstigeren Imitate den Absatz des Originalherstellers346. Die Praxis des UWG 1909 schlug diesen Weg jedoch nicht ein, weil ein Imitat den betroffenen Konkurrenten per se nicht daran hindert, seine Erzeugnisse anzubieten347. Nur wenn ein Wettbewerber koordiniert, systematisch und zielbewusst fast jedes Produkt eines anderen Unternehmens nachahmte, sollte eine verbotene Behinderung vorliegen348. Ohne auf die Zweifel an der Fortgeltung dieser Grundsätze näher einzugehen349, ist doch erkennbar, dass das Verbot der gezielten Behinderung jedenfalls keine exklusive Zuordnung von Leistungen bzw. Gütern bezweckt. Denn wiederum genügt die Nachahmung und die mit ihr verbundene Reduzierung von Marktchancen für sich gesehen nicht. Ausschlaggebender Gesichtspunkt ist vielmehr – wie schon zum UWG 1909350 – das subjektive Merkmal der gezielten Störung der Entfaltungsfreiheit eines Mitbewerbers351. Dieser zusätzliche Umstand bezieht 344 Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rn. 208 ff.; siehe etwa RGZ 134, 342, 353 ff. (1931) (Preisunterbietung). 345 Piper, in: Köhler/Piper, Einf Rn. 26; Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rn. 208; Reichold, AcP 193 (1993), 204, 208 ff. m.w.N. Zu dieser Marktstörung KG ZUM 2008, 137, 138 und unten § 13 A II 2 b. 346 In diesem Sinne wohl BGH WRP 1976, 370, 371 (Behinderung, obwohl sie nicht gezielt sei); Erdmann, FS Vieregge, 197, 209 ff. (Behinderung durch Nachahmung im Unterschied zur systematischen Behinderung); Kraft, Interessenabwägung, 275 f.; für fließend hält die Abgrenzung Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rn. 208. 347 Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rn. 208–437 (Formen der gezielten Behinderung: Absatz-, Werbe-, Lizenz- und Bezugsbehinderung, Betriebsstörung, Preisunterbietung, Boykott, Diskriminierung, Geschäftsehrverletzung und Anschwärzung sowie vergleichende Werbung). 348 Siehe in diesem Sinne BGH GRUR 1969, 618, 619 f. (systematisches, zielstrebiges Anklammern); BGH GRUR 1996, 210, 212 – Vakuumpumpen; BGH GRUR 1999, 751, 753. 349 Ausführlich Omsels, WRP 2004, 136 ff. 350 Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rn. 480; Piper, in: Köhler/Piper, § 1 UWG Rn. 640 ff. 351 Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig, WRP 2002, 1317, 1326; RegE UWG 2004, BTDrucks. 15/1487, 19; LG Frankfurt CR 2006, 816, 818 (erforderlich sei der Zweck, die wettbewerbliche Entfaltung des Konkurrenten zu stören); Omsels, WRP 2004, 136, 139; Lettl, UWG, Rn. 66, 351 ff.; Götting, in: Fezer, § 4–9 UWG Rn. 64; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 UWG Rn. 10.7; ders., NJW 2004, 2121, 2124; Mees, Mitt. 2004, 534, 539; Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 1406 f.; Sambuc, in: Harte/Henning, § 4 Nr. 10 UWG Rn. 7 (Absicht erforderlich); wohl auch Sack, WRP 2005, 531, 534 (Zweck und Ziel des Handelns). Umgekehrt genügt die subjektive Zielrichtung auf einen Mitbewerber nicht immer; siehe BGH GRUR 2006, 596, 598 (gezielte Preisunterbietung nur unlauter, wenn sie die objektiv ernsthafte Gefahr einer Verdrängung von Mitbewerbern begründe).
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sich von vornherein nicht auf objektive Eigenschaften von Waren oder Dienstleistungen. Will man die bereits in § 4 Nr. 9 UWG explizit angesprochenen Nachahmungskonstellationen überhaupt noch unter Nr. 10 subsumieren, dann wie zum früheren Recht nur den Sonderfall systematischer und planmäßiger Übernahmen ganzer Produktlinien352. Das Unlauterkeitsurteil dient auch hier nicht dem statischen Schutz bestimmter Erzeugnisse, sondern der Sicherung der Wettbewerbsfreiheit gegen einzelne, zielgerichtete Störaktionen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass keines der für einen wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz in Frage kommenden Regelbeispiele Anhaltspunkte für die Anerkennung positiv-exklusiver Befugnisse an bestimmten Gütern liefert. Zur unerlaubten Nutzung des in Waren und Dienstleistung verkörperten immateriellen Guts müssen stets noch weitere Umstände hinzutreten, die ganz andere Zwecke verfolgen als den statischen Schutz des Erworbenen. Nachahmungen werden verboten, weil die Entscheidungsfreiheit der Abnehmer durch Irreführungen beeinträchtigt ist (§ 4 Nr. 9 lit. a, b UWG) oder die Wettbewerbsfreiheit der Mitbewerber durch Gewalt oder Täuschung gezielt gestört wird (§ 4 Nr. 9 lit. c, 10 UWG). Parallelen lassen sich allenfalls zum Markenrecht ziehen, das Kennzeichen jedoch ebenfalls nicht um ihrer selbst willen zuordnet, sondern Such- und Informationskosten der Verbraucher reduzieren soll353. Außerdem verabschiedet man sich mit diesem Vergleich bereits vom Gedanken des unmittelbaren Schutzes eigenartiger Erzeugnisse und anerkennt, dass Aspekte der Irreführung von Abnehmern im Vordergrund stehen. Der Bundesgerichtshof hat daher bereits ausgesprochen, dass diese Regelbeispiele nicht zum Schutz eines „bestimmten Leistungsergebnisses“ als solchem führen354. Eine Konsequenz dieses Sinneswandels ist, dass Nachahmungsverbote nicht mehr wie in der Modeneuheiten-Rechtsprechung zu befristen sind, weil – wie auch sonst im Lauterkeitsrecht – die konkret angegriffene Handlung unrechtsbegründend ist355. 352
Dafür auch Emmerich, Unlauterer Wettbewerb7, 197; Lettl, UWG, Rn. 347 mit Fn. 962; Dallmann, Nachahmungsschutz, 199; Omsels, WRP 2004, 136, 140 (§ 3 UWG biete einen wesentlich elastischeren Rahmen); Sack, WRP 2005, 531, 535 (nur § 3 UWG biete Schutz); ohne Bezugnahme auf § 4 Nr. 10 UWG Wiebe, in: MünchKomm, § 4 Nr. 9 UWG Rn. 211 ff.; a.A. Köhler, GRUR 2007, 548, 553 (Schutz von Modeneuheiten); Sambuc, in: Harte/Henning, § 4 Nr. 9 UWG Rn. 161 (Sammelbecken für Missbilligungen verschiedenster Art); Götting, Mitt. 2005, 12, 17 (zu den besonderen wettbewerblichen Umständen zähle auch die Behinderung von Mitbewerbern). 353 Ohly, FS Ullmann, 795, 797 ff.; zum Zweck des Markenrechts oben §§ 3 B II d bb (2), 5 B II 3. 354 BGH GRUR 2006, 79, 80; BGH GRUR 2007, 795, 799 – Handtaschen; Teplitzky, LMK 2005, 162219 (beck-online). 355 Zum UWG 1909 BGH GRUR 1997, 477, 478 f. (zur Unterscheidung zwischen dem Schutz kurzlebiger Modeneuheiten und Modeerzeugnissen, bei denen eine vermeidbare Herkunftstäuschung bestehe); BGHZ 138, 143, 149 (1998) (Schutz gegen Rufausbeutung, der so lange bestehe, wie die maßgeblichen Verkehrskreise zwischen Original und Kopie unterschieden); allgemein BGH GRUR 1999, 751, 754 (mit Ausnahme der Nachahmung kurzlebiger Erzeugnisse); OLG Frankfurt GRUR 1991, 778, 779; Erdmann, FS Vieregge, 197, 212 ff. Zum UWG 2004 BGH GRUR 2006, 79, 80 (nicht von vornherein befristeter Schutz gegen Herkunftstäuschungen im Gegensatz zum befristeten Geschmacksmusterschutz); Wiebe, in: MünchKomm, § 4 Nr. 9 UWG Rn. 236.
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2. Zweck und Struktur der einschlägigen Verbote Es sind jedoch nicht nur die gesetzlich vorgesehenen, weiteren Voraussetzungen für Nachahmungsverbote, die einer güterschützenden Tendenz des UWG entgegenstehen. Hinzu kommt, dass die einschlägigen Regelbeispiele ausweislich ihres Zwecks und ihrer Struktur wie das Lauterkeitsrecht insgesamt auf den Ausgleich gleichrangiger Wettbewerbsfreiheiten im Allgemeininteresse gerichtet sind und daher keine individuell-exklusiven Vorzugsbereiche für bestimmte Marktteilnehmer etablieren sollen. Zunächst verlangt die Schutzzweckklausel des § 1 UWG zweifellos auch für die §§ 4 Nr. 9, 10; 17 ff. UWG Beachtung. Folglich müssen die Verbote von Nachahmungen und gezielten Behinderungen sowie der (strafrechtliche) Geheimnisschutz das Allgemeininteresse am unverfälschten Wettbewerb zu fördern geeignet sein. Anknüpfungspunkt dafür bilden die individuellen Interessen der Marktteilnehmer an freier Entfaltung im Wettbewerb. Und tatsächlich konnte vorstehend gezeigt werden, dass die güterzuordnungsrelevanten Regelbeispiele dazu dienen, die subjektive Wettbewerbsfreiheit von Anbietern und Nachfragern vor Zwang und Täuschung und damit „zugleich“ den objektiven Wettbewerb vor Verfälschungen zu schützen. Sie sichern den Erwerb und nicht das Erworbene. Ferner weisen die genannten Vorschriften die allgemeinen Strukturmerkmale des UWG auf, die wie erörtert durchweg gegen eine güterzuordnende Kraft dieses Sonderdeliktsrechts sprechen: Die gesetzlich konkretisierten, vom Kläger nachzuweisenden Voraussetzungen für ein Unlauterkeitsverdikt wahren das Prinzip der enumerativen Haftung356. Nur unter diesen besonderen Umständen darf die im Übrigen zulässige Nachahmung bzw. Nutzung untersagt werden. Weil Kollisionen gleichrangiger Wettbewerbsfreiheiten Gegenstand des Lauterkeitsrechts sind, orientieren sich die Tatbestände an bestimmten Verhaltensweisen357. § 4 Nr. 9 UWG verbietet dementsprechend erst das Angebot und nicht schon die unerlaubte Herstellung der nachgeahmten Ware/Dienstleistung und reflektiert damit, dass erst ab diesem Moment eine Verfälschung des Wettbewerbs eintreten kann358. Strukturell handelt es sich um Schutzgesetze, die in den §§ 8 ff. UWG wie von § 823 Abs. 2 BGB sanktioniert werden, und nicht um primäre subjektive Rechte359. 356
Für den Geheimnisschutz BGHZ 38, 391, 396 (1962); Fezer, FS Traub, 81 ff. m.w.N. Herbeiführung vermeidbarer Täuschung, Ausnutzung oder Beeinträchtung der Wertschätzung, unredliches Erlangen von Kenntnissen oder Unterlagen für § 4 Nr. 9; gezielte Behinderung gem. § 4 Nr. 10; Verrat und unerlaubte Verwertung von Geheimnissen gem. §§ 17–19 UWG; siehe Piper, in: Piper/Ohly, § 4.9 UWG Rn. 9/4; Köhler, GRUR 2007, 548, 549 (das Wettbewerbsrecht wolle keine Freiräume schaffen, sondern begrenzen). 358 Zum UWG 1909 in diesem Sinne BGHZ 35, 329, 334 (1961); BGHZ 50, 125, 129 (1968); BGH GRUR 1982, 305, 308; BGH GRUR 1988, 690, 693; BGH GRUR 1996, 210, 212 – Vakuumpumpen; BGH GRUR 1999, 751, 754; BGHZ 141, 329, 345 (1999); zum UWG 2004 BGHZ 161, 204, 211 f. (2004) – Klemmbausteine III; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb7, 202 f. 359 So auch Schricker, Gesetzesverletzung und Sittenverstoß, 91 f. (parallele Rechtsfolgevorschriften, die als „Sekundärnormen“ rechtliche Folgerungen aus der Verletzung von „Primärnor357
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3. Rechtsfolgen Schließlich ist zu erörtern, ob die im 2. Kapitel geregelten Rechtsfolgen von Zuwiderhandlungen gegen die §§ 3 f. UWG einen güterzuordnenden Gehalt des Gesetzes signalisieren. Die ganz im Vordergrund stehenden Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung sowie auf Schadensersatz gem. §§ 8 f. UWG, für die teilweise (Schadensersatz) nur der jeweils betroffene Mitbewerber aktivlegitimiert ist, werden auch vom Deliktsrecht des BGB ausgesprochen360 und kennzeichnen daher nicht zwingend eine Verletzung primärer Ausschließlichkeitsrechte. Vielmehr können sie – wie insbesondere § 823 Abs. 2 BGB zeigt – auch allgemeine, auf Gesetz beruhende Rechtspflichten sanktionieren. Allerdings hat die Rechtsprechung die für Immaterialgüterrechtsverletzungen entwickelte dreifache Art der Schadensberechnung auf den wettbewerbsrechtlichen Leistungs- und Geheimnisschutz im UWG 1909 übertragen und diese Rechtsprechung in Bezug auf die §§ 4 Nr. 9, 9 UWG aufrechterhalten361. Bevor man hierin jedoch einen Anhaltspunkt für unmittelbaren Güterschutz erblickt, sollte man sich die dogmatischen Wurzeln der dreifachen Schadensberechnung vor Augen führen. Zwar hat die Rechtsprechung sowohl die Lizenzanalogie als auch den Anspruch auf Gewinnherausgabe im Immaterialgüterrecht teilweise außerhalb des Schadensrechts angesiedelt, indem sie auf „starke Ähnlichkeiten“ mit der Eingriffskondiktion bzw. der angemaßten Geschäftsführung verwies362. Maßgeblich für die Anerkennung dieser beiden Berechnungsarten neben dem konkreten Schaden des Verletzten gem. §§ 249 ff. BGB war jedoch die besondere Verletzlichkeit von Immaterialgüterrechten und das entsprechende Schutzbedürfnis des Rechtsinhabers363. Schon die weiterhin auf Schadensersatz lautenden 360 men“ anordnen); Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 1 UWG Rn. 7 (seiner Struktur nach sei das Wettbewerbsrecht nicht dem Regelungsmodell des § 823 Abs. 1 BGB, sondern dem des § 823 Abs. 2 BGB vergleichbar). Siehe auch § 4 Nr. 11 UWG, der einen weiteren Verweis auf Schutzgesetze enthält und dennoch in die Struktur der §§ 3 f., 8 ff. UWG integriert werden kann. 360 § 6 D V, E. 361 Oben B II 1 a und BGH GRUR 2007, 431, 433 m.w.N.; zweifelnd Köhler, GRUR 2007, 548, 554. 362 Zur Nähe zur Eingriffskondiktion BGHZ 77, 16, 25 (1980). Für einen Gewinnherausgabeanspruch des Urheberrechtsinhabers bei einer Rechtsverletzung auf der Basis einer negotiorum gestio bereits ROHG 22, 338, 340 f. (1877). Später BGHZ 34, 320, 321 (1961) (entsprechende Anwendung des § 687 Abs. 2 BGB); BGH GRUR 1962, 401, 402 (rechtsähnliche Anwendung des § 687 Abs. 2 BGB); BGHZ 82, 299, 308 (1981) (die Schadensliquidation auf der Grundlage der Gewinnherausgabe habe ihre Wurzeln in § 687 Abs. 2 BGB). Siehe ferner die Sonderregeln auf Gewinnherausgabe „an Stelle des Schadensersatzes“ gem. §§ 97 Abs. 1 S. 2 UrhG, 44 Abs. 2 S. 2 GeschmMG und dazu BGHZ 145, 366, 371 ff. (2000) (Geschmacksmusterrecht); OLG Köln GRURRR 2005, 247, 248 (Urheberrecht); zum Markenrecht ohne Sonderregelung dieser Art zustimmend OLG Frankfurt GRUR-RR 2003, 274, 276 f. Für eine Analogie zu den beiden immaterialgüterrechtlichen Vorschriften im Kontext der dreifachen Schadensberechnung Beuthien, in: Soergel, § 687 BGB Rn. 17; Ehmann, in: Erman, § 687 BGB Rn. 16. 363 Liegen diese besonderen Umstände nicht vor, scheidet auch eine objektive Schadensberechnung aus; siehe für eine Vertragsverletzung OLG Karlsruhe v. 5.5.2000, 17 U 143/99, juris KORE425122001, Rn. 39; a.A. OLG Dresden LZ 1916, 960 (bei der Verletzung eines Nutzungs-
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Voraussetzungen der Ansprüche zeigen an, dass aus diesen Billigkeitserwägungen heraus ein normativer Schadensbegriff für das Immaterialgüterrecht entwickelt worden ist364. Die schadensrechtliche Lesart ist in Anbetracht der Vorgaben von Art. 13 Abs. 1 S. 2 RL 2004/48 EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums inzwischen europarechtlich zwingend. Für wettbewerbsrechtliche Tatbestände kann unter diesen Vorzeichen nichts anderes gelten. Und tatsächlich hat der Bundesgerichtshof die Lizenzanalogie und die Gewinnherausgabe stets als besondere Instrumente zum Ausgleich wettbewerbswidrig verursachter Schäden aufgefasst. Da der Nachweis eines konkreten Schadens aufgrund unlauterer Nachahmungen nur in den seltensten Fällen möglich ist, wird fingiert, dass die Parteien einen Lizenzvertrag mit entsprechender Entgeltregelung abgeschlossen hätten oder der betroffene Mitbewerber die vom Nachahmer erzielten Gewinne verzeichnet hätte365. Im Einklang hiermit verweist der Reformgesetzgeber zur Berechnung von Ansprüchen aus § 9 UWG auf die §§ 249 ff. BGB366. Die dreifache Schadensberechnung stellt – und nur das 364 vertrages über ein nicht sondergesetzlich geschütztes Stickereimuster könnten dieselben Grundsätze wie bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten zur Anwendung kommen, weil sich der Entwickler des Musters „eine den erwähnten Schutzrechten entsprechende Rechtsstellung“ habe „schaffen wollen“). 364 Das Reichsgericht stellte auf drei unterschiedliche schädigende Ereignisse ab, nämlich auf die Tatsache der Nutzung als solcher (konkreter Schaden), die Nutzung ohne Genehmigung (Lizenzgebühr) und die Aneignung des aus der Benutzung zu erzielenden Gewinns; siehe RGZ 35, 63, 66 ff. (1895); RGZ 43, 56, 58 (1898); RGZ 50, 111, 115 (1902); RGZ 126, 127, 131 f. (1929). Aus der Rechtsprechung des BGH siehe BGH GRUR 1960, 554, 556 ff. (Lizenzanalogie ohne Rücksicht auf die gewohnheitsrechtliche, dreifache Schadensberechnung aus dem Immaterialgüterrecht gem. §§ 252 BGB, 287 ZPO); BGH GRUR 1962, 401, 402; BGH GRUR 1962, 509, 511; BGHZ 44, 372, 374, 379 (1966); BGHZ 57, 116, 118 f. (1971) – Wandsteckdose II m.w.N.; BGHZ 60, 168, 172 f. (1973) – Modeneuheit; BGHZ 41, 84, 94 (1964); BGHZ 60, 206, 209 (1973); BGH GRUR 1963, 640, 642 (Gewinnherausgabe- als Schadensersatzanspruch); BGHZ 68, 90, 94 f. (1976) (unter ausdrücklicher Betonung der deliktischen Wurzel der dreifachen Schadensberechnung im Unterschied zur Eingriffskondiktion, die anderen Zwecken diene); BGH NJW 1977, 1062 f. (Ergänzung des allgemeinen Schadensrechts der §§ 249, 252 BGB); BGHZ 77, 16, 18 ff. (1980); BGHZ 119, 20, 23 (1992); BGH GRUR 1991, 914, 916 f. Aus der Literatur in diesem Sinne Loewenheim, ZHR 135 (1971), 97 ff., 117 m.w.N.; Bälz, JZ 1977, 519, 520; Büsching, Eingriffskondiktion im Wettbewerbsrecht, 128 ff.; Stoll, Dreifache Schadensberechnung, 280 ff.; Koos, in: Fezer, § 9 UWG Rn. 28; RegE MarkenG, BT-Drucks. 12/6581, 75; anders KG GRUR 1988, 702, 703 (Analogie zu den Immaterialgüterrechten); a.A. (bereicherungsrechtliche Deutung) Taupitz, in: Taupitz/Müller, 1, 44 f. m.w.N.; a.A. (Analogie zu §§ 97 Abs. 1 S. 2 UrhG, 14a Abs. 1 S. 2 GeschmMG a.F.). Beuthien/Wasmann, GRUR 1997, 255, 259 ff.; für gewohnheitsrechtliche Geltung der Rechtsprechung Mueser, § 687 Abs. 2 BGB, 28; dagegen Sack, FS Hubmann, 373, 393. Wie im Kontext des aPR im Verhältnis zwischen Geldentschädigung und Bereicherungsrecht vertreten auch im UWG die Befürworter einer Anwendung des Bereicherungsrechts eine Zurückdrängung der dreifachen Schadensberechnung; siehe Fournier, Bereicherungsausgleich, 207 f. 365 Zum UWG 1909 BGH GRUR 1960, 554, 556 f.; BGH GRUR 1962, 509, 512 (kein Bereicherungsanspruch); BGHZ 57, 116, 120 ff. (1971) – Wandsteckdose II; BGH GRUR 1991, 914, 916 f.; für die Gewinnherausgabe BGH GRUR 2007, 339, 342 (Ausgleich von Schäden nach dem Gedanken, dass der Verletzte den gleichen Gewinn erzielt hätte wie der Verletzer). 366 RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 23.
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gilt es hier nachzuweisen – daher insgesamt keine auf Ausschließlichkeitsrechte beschränkte Rechtsfolge dar, sondern kann auf Verstöße gegen deliktsrechtliche Verhaltensnormen ausgedehnt werden, deren Schäden aus denselben Gründen wie bei Immaterialgüterrechtsverletzungen nur schwer bezifferbar sind367. Weitere individuelle Ansprüche sieht das 2. Kapitel des UWG nicht vor; der Gewinnabschöpfungsanspruch gem. § 10 UWG kann nur von Kollektiven geltend gemacht werden. Insbesondere fehlt eine Regelung zur Herausgabe des aufgrund unlauterer Handlung Erlangten und damit eine Parallele zum Bereicherungsrecht (Eingriffskondiktion) und zur Geschäftsführung ohne Auftrag (Geschäftsanmaßung). Wie in den §§ 8 und 9 noch zu zeigen sein wird, besteht nun aber gerade zwischen jenen gesetzlichen Schuldverhältnissen und dem Güterzuordnungsrecht ein besonders enger Zusammenhang. Konsequent bejahen diejenigen Schriftsteller Ansprüche aus Eingriffskondiktion und angemaßter Eigengeschäftsführung bei unlauterer Nachahmung und unerlaubter Nutzung von Geheimnissen, die im UWG einen unmittelbaren Leistungsschutz verankert sehen368. Diese Auffassung vermag jedoch schon mit Blick auf das UWG nicht zu überzeugen369. Denn im systematisch abgesetzten370 Kapitel zu den Rechtsfolgen unlauterer Wettbewerbshandlungen sind – ebenso wie im Abschnitt des GWB zu kartellrechtlichen Sanktionen371 – derartige Ansprüche nicht vorgesehen. Hierbei handelt es sich nicht um eine planwidrige Regelungslücke372, denn ausweislich der Materialien sind die „Regelungen zu den zivilrechtlichen Rechtsfolgen sowohl hinsichtlich der Klagebefugnis als auch hinsichtlich der Anspruchsgrundlagen abschließend“373; daher dürften Verstöße gegen das UWG nicht als Schutzgesetzverletzungen gem. § 823 Abs. 2 BGB geahndet werden, und Ver367 Siehe Loewenheim, ZHR 135 (1971), 97, 122 ff., 132 (bei Anerkennung der dreifachen Schadensberechnung in bestimmten Fällen des Verhaltensunrechts bestehe ein Grund weniger, den Rechtsschutz über subjektive Rechte zu bevorzugen). 368 Oben B II 2 b. 369 Zum Tatbestand der Eingriffskondiktion unten § 8 D II 3; zur Geschäftsanmaßung § 9 D III. 370 Siehe dazu Henning-Bodewig, GRUR Int. 2004, 713, 715; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/ Bornkamm, § 8 UWG Rn. 1.1; Mees, Mitt. 2004, 534, 536. Ohne Rücksicht hierauf unter Verweis auf die bisherige Rechtslage Götting, in: Fezer, § 4–9 UWG Rn. 75. 371 Siehe §§ 33–34a GWB; RegE GWB, BT-Drucks. 15/3640, 35 (im Hinblick auf die Aktivlegitimation für Unterlassungsansprüche knüpfe das GWB an das bewährte Rechtsschutzsystem des UWG an), 36, 56 (Verweis auf § 10 UWG). Der RegE GWB erwähnt Bereicherungsansprüche im Übrigen nicht, sondern spricht im Rahmen der Verzinsung von Bußgeldern – bezeichnenderweise in Anführungszeichen – von einer zu vermeidenden „Bereicherung“ des sich rechtswidrig verhaltenden Unternehmens, die es zu vermeiden gelte; siehe a.a.O., 42. 372 A.A. Beckedorf, in: Harte/Henning, vor § 8 UWG Rn. 7. 373 RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 22; Gegenäußerung Bundesregierung, BT-Drucks. 15/1487, 43; RegE UWG 2008, 34 f.; Köhler, NJW 2004, 2121, 2125; Sosnitza, AnwBl 2004, 545, 550; Zettel, MDR 2004, 1040, 1042; für das GWB BGHZ 166, 154, 159 ff. (2006); diese Erwägung fehlt noch im Vorschlag von Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig, WRP 2002, 1317 ff.; a.A. ohne Begründung Henning-Bodewig, GRUR Int. 2004, 713, 719 (das Bereicherungsrecht sei ungeregelt geblieben).
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braucher seien nicht aktivlegitimiert374. In Anbetracht der Tatsache, dass bereicherungsrechtliche Ansprüche bereits zum UWG 1909 ausführlich diskutiert und überwiegend bejaht worden waren, kann man das beredte Schweigen des Gesetzes auch nicht auf die beiden, in den Materialien ausdrücklich erwähnten Aspekte reduzieren und im Übrigen doch wieder eine offene Regelungslücke proklamieren375. Der Verweis auf die Verjährung „anderer Ansprüche“ gem. § 11 Abs. 4 UWG steht dem ebenfalls nicht entgegen. Schon aus systematischen und teleologischen Gründen vermag diese Verjährungsvorschrift nichts über die Anwendbarkeit von Rechtsgrundlagen außerhalb des UWG auszusagen. Entnähme man ihr eine dreijährige, kenntnisabhängige Verjährung bereicherungsrechtlicher Ansprüche, würde die bewusst kurze, sechsmonatige Verjährung des Schadensersatzanspruchs gem. § 11 Abs. 1 UWG weitgehend unterlaufen376. Die Materialien verweisen insoweit denn auch nur auf den Gewinnabschöpfungsanspruch377 sowie „konkurrierende Ansprüche aus den §§ 824 und 826 BGB oder aus Vertragsstrafeversprechen“378. Im Gegensatz zu Ansprüchen aus Eingriffskondiktion und Geschäftsanmaßung ergeben sich die Voraussetzungen für diese allgemeinen Rechtsbehelfe, die unstreitig kumulativ neben dem Lauterkeitsrecht anwendbar sind, vollständig aus Rechtsquellen außerhalb des UWG. Folglich bleibt der hier vertretene Grundsatz unberührt, dass die Ansprüche wegen Zuwiderhandlungen gegen § 3 UWG – auch im Interesse der Vermeidung unangemessener Haftungsrisiken wettbewerblichen Verhaltens379 – abschließend in den §§ 8–10 UWG normiert sind. Im Ergebnis ziehen unlautere Wettbewerbshandlungen einschließlich verbotener Nachahmungen und Verletzungen des Geheimnisschutzes nur typisch deliktsrechtliche Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung und Ersatz des (normativen) Schadens nach sich. Hingegen fehlen mit Ansprüchen aus Eingriffskondiktion und Geschäftsanmaßung gerade solche Sanktionen, die bei Verletzungen von primären Ausschließlichkeitsrechten durchgehend anerkannt sind, und die ihrerseits speziell der Verwirklichung positiver Güterzuweisungen dienen380. Schließ374 RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 22; Gegenäußerung Bundesregierung, BT-Drucks. 15/1487, 43; mit Blick auf die Funktion des Gewinnabführungsanspruchs v. Braunmühl, in: Fezer, § 10 UWG Rn. 5. 375 So aber Fritzsche, in: MünchKomm, § 8 UWG Rn. 2 (die missverständliche Formulierung habe nur den Schutzgesetzcharakter des UWG ausschließen wollen). 376 A.A. Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 11 UWG Rn. 1.12 f. 377 Siehe Stellungnahme Bundesrat, BT-Drucks. 15/1487, 35 und Gegenäußerung Bundesregierung, BT-Drucks. 15/1487, 44; ferner Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 11 UWG Rn. 1.36; ders., NJW 2004, 2121, 2126; Büscher, in: Fezer, § 11 UWG Rn. 38; unklar und unter Verweis auf einen inexistenten § 11 Abs. 1 S. 2 Ekey, in: HK-Wettbewerbsrecht, § 11 UWG Rn. 46 ff. 378 Gegenäußerung Bundesregierung, BT-Drucks. 15/1487, 44. Zur Anwendbarkeit des UWG neben dem BGB-Deliktsrecht oben B I 2. 379 Zur fehlenden Aktivlegitimation der Verbraucher RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 22; zum Gewinnabführungsanspruch in diesem Sinne a.a.O., 23. 380 Näher unten §§ 8 C, 9 C. Ebenso zum UWG 1909 Weihrauch, Leistungsschutz, 87 ff. (Dualismus im Nachahmungsschutz), 107 (abwägender, deliktischer Schutz im Einzelfall).
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lich finden sich im UWG keine Vorschriften zum Rechtsverkehr mit lauterkeitsrechtlich begründeten Rechtspositionen, wie dies im Sachen- und Immaterialgüterrecht der Fall ist381. Vielmehr verbleibt es beim deliktsrechtlichen Grundsatz, dass nur der unmittelbar Verletzte Ansprüche geltend machen kann. So sind bei wettbewerbswidrigen Imitaten lediglich der Originalhersteller und ausnahmsweise sein am Markt allein auftretender Vertriebsberechtigter aktivlegitimiert382, nicht aber ggf. betroffene Händler383. Folglich fehlt jeder Anhaltspunkt für die vereinzelt befürwortete beschränkte Übertragbarkeit384 und insgesamt für die Verkehrsfähigkeit385 wettbewerbsrechtlicher Rechtspositionen als besonders markantes Zeichen für das Denken in den Kategorien primärer und sekundärer subjektiver Rechte.
II. Weitergehender Leistungsschutz? Aus den Tatbestandsmerkmalen, den Zwecken, der Struktur und den Rechtsfolgen der einschlägigen Regelbeispiele in Bezug auf die Nachahmung von Waren und Dienstleistungen sowie den Schutz von Geheimnissen lässt sich also schließen, dass das UWG in den Vorschriften, die nunmehr den „wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz“ verkörpern sollen, keinen unmittelbaren Schutz von Gütern normiert, schon gar nicht in Gestalt von Ausschließlichkeitsrechten. Die §§ 3, 4 Nr. 9, 10 erfassen gerade diejenigen Fallgruppen nicht, die Grund für die Annahme waren, das UWG sei vielleicht sogar die allgemeine Rechtsgrundlage für die Zuordnung „neuer“ Güter. Dennoch gehen die herrschende Lehre und wohl auch die Rechtsprechung davon aus, dass die Grundsätze des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes gem. UWG 1909 unverändert fortgeführt werden können386. Teilweise nehmen 381
Unten § 10 B II. RegE UWG 2008, 30; BGH GRUR 1994, 630, 634. Zum Herstellerbegriff siehe OLG München GRUR-RR 2004, 85 (der Herr des Produktionsvorgangs allein, nicht alle am Verfahren Beteiligten). 383 BGH GRUR 1988, 620, 621; BGH GRUR 1991, 223, 224 f. (dies folge aus dem Wesen und der Funktion des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes, dessen Schutzgegenstand nicht ein bestimmtes Individualgut als solches, sondern die Art und Weise der Benutzung und Verwertung sei); BGH GRUR 1993, 34, 37; diese Entscheidung zeigt, dass diese Einschränkung auch wettbewerbspolitisch relevant ist, weil Importeure ausländischer Hersteller für die Verhinderung eines Reimports nicht aktivlegitimiert sind. Ferner BGHZ 141, 329, 344 (1999). Zum UWG 2004 in diesem Sinne BGH GRUR 2004, 941, 943 – Metallbett; BGH GRUR 2005, 414, 417. 384 Siehe viel vorsichtiger denn auch BGH NJW 1977, 1062, 1063 (eine Lizenzerteilung sei üblich „und der Berechtigte [habe] für sein konkretes Leistungsergebnis eine einem Dritten gegenüber (wenn auch nur wettbewerbsrechtlich) geschützte Rechtsstellung“). 385 Zur Prozessstandschaft BGH GRUR 1991, 223, 225 unter Verweis auf BGH GRUR 1990, 361 f. zum Warenzeichenrecht; BGH GRUR 2005, 166, 171 (wirksame Ermächtigung zur Geltendmachung von Ansprüchen aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz); ferner unten § 10 B IV 1, 3 a. 386 Oben B II 2 b. 382
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die diesbezüglichen Stellungnahmen die gesetzliche Neuregelung überhaupt nicht zur Kenntnis oder sprechen ihr gar offen eine Bedeutung ab387. Als Begründung hierfür wird angeführt, ein weitergehender Schutz gegen Behinderungen sei „unentbehrlich“388, die Entscheidung des Gesetzgebers „willkürlich“389. Diejenigen Vertreter der herrschenden Meinung, die sich mit dem Inhalt des UWG 2004 beschäftigen, stützen sich vornehmlich auf die Gesetzesbegründung. So wird darauf verwiesen, der Begriff der „Eigenart“ werde in der Gesetzesbegründung genannt und dürfe daher weiterhin als Tatbestandsvoraussetzung verwendet werden390. Im Übrigen soll der Begriff des „Nachahmens“ gem. § 4 Nr. 9 UWG die identische Übernahme umfassen391; die Behinderung durch Nachahmung sei unter § 4 Nr. 10 UWG zu subsumieren, weil der Originalhersteller um die Früchte seiner Arbeit gebracht werde392. Hauptargument ist jedoch die Aussage der Gesetzesbegründung zu § 4 Nr. 9 UWG, die dortige Aufzählung unlauterer Imitationen sei nicht abschließend393. Freilich gibt es gute Gründe, diese Auffassung zu bezweifeln. Inakzeptabel ist es zunächst, das neue Gesetz stillschweigend oder gar explizit zu ignorieren und die gesetzgeberische Entscheidung aufgrund der eigenen Weltsicht für ungültig zu erklären. Dass ein unmittelbarer wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz oder ein grundsätzliches Verbot von Nachahmungen mit den Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 3, 4 Nr. 9, 10 UWG unvereinbar ist, wurde oben dargetan. Ins387 Ohne Erkennbare Rücksicht auf die Neuregelung Lettl, UWG, Rn. 323 f.; Götting, in: Fezer, § 4–9 UWG Rn. 69 ff. (für die Fallgruppen „Einschieben in fremde Serie, Nachbau von Ersatzteilen, Modeneuheiten“ unter Berufung auf die ständige Rechtsprechung des BGH); Sambuc, in: Harte/Henning, § 4 Nr. 9 UWG Rn. 1 f., 23 (die Neufassung habe die gesetzlichen Grundlagen, aber nicht den Inhalt des Leistungsschutzes verändert); dito BGH GRUR 2007, 795, 797 – Handtaschen (allerdings mit sorgfältiger Subsumtion unter § 4 Nr. 9 UWG). 388 Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 UWG Rn. 9.63; Sambuc, in: Harte/Henning, Einl F Rn. 215 (das Gesetz bringe nicht zum Ausdruck, dass es den vorhandenen Bestand an Richterrecht beschneiden wolle); Sack, WRP 2005, 531, 537 (der unmittelbare Leistungsschutz lasse sich mit den Spezialregelungen nicht erfassen; „Hier ist ein Rückgriff auf die Generalklausel des § 3 UWG notwendig.“); Krüger/v. Gamm, WRP 2004, 978, 985 (ein eingeschränkter Leistungsschutz sei kein „befriedigendes Ergebnis“, so dass auf § 3 UWG zurückgegriffen werden „sollte“. Das sei für den Rechtsanwender ein „willkommener Trost“). 389 Eck, in: Gloy/Loschelder, Hdb WettbewerbsR, § 43 Rn. 12. 390 Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 UWG Rn. 9.24; zweifelnd Emmerich, Unlauterer Wettbewerb7, 184. 391 Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 UWG Rn. 9.34; Lettl, UWG, Rn. 331 („in Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 1 UWG a.F.“). 392 Berlit, Wettbewerbsrecht, Rn. 80; Henning-Bodewig, GRUR Int. 2004, 713, 717. 393 Siehe RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 18. Mit Verweis hierauf BGH GRUR 2004, 941, 943 – Metallbett („ausdrücklich aber nicht abschließend“); BGH GRUR 2007, 795, 799 – Handtaschen; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 UWG Rn. 9.4; Lettl, UWG, Rn. 347; Plaß, in: HK-Wettbewerbsrecht, § 4 UWG Rn. 379; Eck, in: Gloy/Loschelder, Hdb WettbewerbsR, § 43 Rn. 26; Götting, in: Fezer, § 4–9 UWG Rn. 11, 24 (richterliche Rechtsfortbildung solle nicht verbaut werden); Berlit, Wettbewerbsrecht, Rn. 68; Zettel, MDR 2004, 1099, 1100; Riesenhuber, WRP 2005, 1118 mit Fn. 4; Götting, Mitt. 2005, 12, 15; Dallmann, Nachahmungsschutz, 170; Dorndorf, Herkunftstäuschung, 14 f.; in Bezug auf § 4 Nr. 10 UWG Omsels, WRP 2004, 136, 140.
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besondere ist daran zu erinnern, dass das zentrale Merkmal der Eigenart im Gesetzestext nicht erscheint und in der Begründung allein als inzidente Voraussetzung einer Herkunftstäuschung (Nr. 9 lit. a) erwähnt wird. Einer kumulativen Vermengung besonderer Umstände steht entgegen, dass die zusätzlichen Merkmale des Nachahmungstatbestands Nr. 9 alternativ („oder“) nebeneinander stehen394. Tragfähig erscheint daher nur der Hinweis auf die nicht abschließende Aufzählung der Regelbeispiele unlauteren Wettbewerbsverhaltens in § 4 UWG („insbesondere“)395. Dieses Charakteristikum jeder Kodifikation, die eine generelle Regelung mit Beispielen konkretisiert, genügt jedoch nicht, um die herrschende Meinung zu rechtfertigen. Schreibt man die ohnehin alles andere als konsistente Rechtsprechung zum unmittelbaren Leistungsschutz ohne Rücksicht auf besondere Umstände fort, setzt man sich zunächst in Widerspruch mit der Systematik des UWG sowie dem Zweck der Regelbeispieltechnik. Die Neufassung des Gesetzes sollte im Sinne der Kodifikationsidee das Lauterkeitsrecht transparenter machen und die richterlich entwickelten Fallgruppen der alten Generalklausel offenlegen396. Diesem Ziel dienen gerade die gesetzlichen Beispiele für unlauteres Verhalten, die § 3 UWG im Interesse von Rechtssicherheit und Widerspruchsfreiheit präzisieren sollen397. Aus dieser zentralen gesetzgeberischen Absicht ergeben sich Folgerungen für die Methodik der Anwendung des UWG. Demnach hat die Prüfung mit den Regelbeispielen zu beginnen. Nur wenn deren Auslegung ergibt, dass ein bestimmtes Wettbewerbsverhalten vom Gesetzgeber nicht berücksich-
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A.A. Wiebe, in: MünchKomm, § 4 Nr. 9 UWG Rn. 72 (Gesamtwürdigung im beweglichen System); Sambuc, in: Harte/Henning, § 4 Nr. 9 UWG Rn. 229 (der ergänzende, elastische Leistungsschutz könne in § 4 Nr. 9 UWG gemäß der bisherigen Rechtsprechung aufgefangen werden). 395 Siehe Sack, WRP 2005, 531 ff.; widersprüchlich Fezer, in: Fezer, § 3 UWG Rn. 57 (Begrenzungsfunktion der Regelbeispiele für die Generalklausel), Rn. 59 (Rückgriff auf die Generalklausel sei „rechtssystematisch … geboten“), Rn. 62 (Subsidiarität und umfassender Geltungsanspruch der Verbotsnorm); siehe ferner Eck, in: Gloy/Loschelder, Hdb WettbewerbsR, § 43 Rn. 11 ff. (es komme für den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz stets auf die Umstände des Einzelfalls an); Sambuc, in: Harte/Henning, § 4 Nr. 9 UWG Rn. 1; Götting, Wettbewerbsrecht, 122 f. (mit einer nicht näher erläuterten Ausnahme für den Rechtsbruchtatbestand, den der Gesetzgeber „augenscheinlich“ auf ein bestimmtes Niveau konserviert habe). 396 Henning-Bodewig, GRUR Int. 2004, 713, 715 (Kodifizierung der Fallgruppen, „sofern diese einer Überprüfung standhielten“); Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Einl UWG Rn. 2.14; ders., NJW 2004, 2121, 2122; Ahrens, in: Harte/Henning, Einl F Rn. 140 (Bewertungsvorgaben des Gesetzgebers); ders., JZ 2004, 763, 767 (mit Blick auf die Folgen für die verfassungsrechtliche Beurteilung des UWG); Fezer, in: Fezer, § 3 UWG Rn. 47 (Garantie der parlamentarischen Prärogative); Sosnitza, AnwBl 2004, 545, 547. 397 RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 13, 16; RegE UWG 2008, 43; Köhler/Bornkamm/ Henning-Bodewig, WRP 2002, 1317, 1325; Ohly, GRUR 2004, 889, 896; Omsels, WRP 2004, 136; Fezer, in: Fezer, § 3 UWG Rn. 47 f.; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 3 UWG Rn. 11; Berlit, WRP 2003, 563; Mees, Mitt. 2004, 534, 536; zur Vertypung der Bagatellschwelle Schünemann, in: Harte/Henning, § 3 UWG Rn. 279. Für mehr Transparenz durch ein eindeutiges Festhalten am Grundsatz der Nachahmungsfreiheit zum UWG 1909 auch Meineke, Nachahmungsschutz, 209.
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tigt wurde, darf subsidiär auf die Generalklausel zurückgegriffen werden398. § 3 UWG soll daher nur noch mit „großer Zurückhaltung“ zum Einsatz kommen; einer unbesehenen Übernahme alter Grundsätze und Präjudizien steht die Literatur zu Recht zunehmend skeptisch gegenüber399. Konsequent wird gefolgert, dass zum Zeitpunkt der Neuregelung bereits bekannte, aber in den Regelbeispielen nicht erfasste Verhaltensweisen „im Prinzip zulässig“ seien400. Geht man hingegen davon aus, dass das im Wesentlichen auf Richterrecht beruhende Lauterkeitsrecht unverändert fortgilt, wären die Regelbeispiele obsolet. Gäbe statt der genannten Methodik weiterhin das „Rechtsgefühl“ des Richters den Ausschlag401, blieben Transparenz, Rechtssicherheit und letztlich die Achtung vor dem Gesetz auf der Strecke402. Eigenartigen Erzeugnissen selbst dann wettbewerbsrechtlichen Schutz gegen Nachahmung und Übernahme zu gewähren, wenn keiner der im Gesetz genannten zusätzlichen Umstände gegeben ist, widerspricht ferner dem Zweck der UWG-Reformen 2004/2008, ein europataugliches deutsches Lauterkeitsrecht zu kodifizieren403. Hierbei handelt es sich um einen allgemeinen Ansatz gegenwärti398 Siehe dazu Schünemann, WRP 2004, 925, 927 ff.; ders., in: Harte/Henning, § 3 UWG Rn. 34 ff.; allgemein zur Methodik der Regelbeispiele im Privatrecht ders., JZ 2005, 271 ff.; Groner, Generalklausel, 81; Starck, MarkenR 2005, 81; Henning-Bodewig, GRUR Int. 2004, 183, 185; dies., GRUR Int. 2004, 713, 716; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 3 UWG Rn. 7 f., § 4 Rn. 6; Lettl, UWG, Rn. 136; Ohly, GRUR 2004, 889, 897; Ring, ZGS 2004, 373, 375; Mees, Mitt. 2004, 534, 542; a.A. Fezer, in: Fezer, § 3 UWG Rn. 63 (mit der unbegründeten Behauptung, diese Lösung sei „verfehlt“, und eine „unannehmbare Verkürzung des Schutzes vor unlauterem Wettbewerb“). 399 Henning-Bodewig, GRUR Int. 2004, 183, 185; dies., GRUR Int. 2004, 713, 716 (die Schwelle werde „beträchtlich höher“ liegen); Wiebe, in: MünchKomm, § 4 Nr. 9 UWG Rn. 23; Sosnitza, in: MünchKomm, § 3 UWG Rn. 130; Keller, in: Harte/Henning, Einl A Rn. 18; Mees, Mitt. 2004, 534, 542 f.; Schünemann, WRP 2004, 925, 926 (es erscheine ausgeschlossen, den bisherigen Fallgruppen in § 3 UWG eine neue Heimstatt zu geben); ders., in: Harte/Henning, § 3 UWG Rn. 39; Boesche, Wettbewerbsrecht, Rn. 15 f.; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 3 UWG Rn. 5 (in allerdings deutlichem Kontrast zu seiner Auffassung zum wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz, der unverändert fortgelten soll); Starck, MarkenR 2005, 81 (materielles Zurücktreten der Generalklausel). 400 Quiring, WRP 2003, 1181, 1184 (mit Bezug auf die Fallgruppe der Abwerbung von Mitbewerbern); Wiebe, in: MünchKomm, § 4 Nr. 9 UWG Rn. 23, 28 (Begrenzungswirkung der Regelbeispiele); im Ansatz auch BGH GRUR 2007, 795, 799 – Handtaschen (eine von § 4 Nr. 9 UWG nicht erfasste Nachahmung sei nur in Ausnahmefällen wettbewerbswidrig). 401 So Sack, WRP 2005, 531, 533; ferner Sambuc, in: Harte/Henning, § 4 Nr. 9 UWG Rn. 161 (die Fallgruppe der Behinderung diene als Sammelbecken für Missbilligungen verschiedenster Art); Eck, in: Gloy/Loschelder, Hdb WettbewerbsR, § 43 Rn. 23 (wie man die herkömmliche Wechselwirkungslehre dogmatisch in § 4 Nr. 9 UWG verorte, dürfte für die Rechtspraxis von keiner allzu großen Bedeutung sein). 402 Schünemann, WRP 2004, 925, 927 (die gegenteilige Argumentation ende „ersichtlich im Absurden“); ders., JZ 2005, 271, 274; Quiring, WRP 2003, 1181, 1184. Ohne Rücksicht auf die Regelbeispielstruktur und § 3 UWG für einen Tatbestand der wettbewerbswidrigen Behinderung hingegen BGH GRUR 2007, 795, 799 – Handtaschen. 403 RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15, 1487, 12 (schlankere, „europaverträgliche Fassung des UWG“; die Arbeitsgruppe habe Konzepte für eine „europakonforme Modernisierung“ des UWG entwerfen sollen); deutlicher noch Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig, WRP 2002, 1317, 1324 („Der Vorschlag will zum einen der Forderung nach einem einheitlichen Lauterkeitsrecht in Eu-
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gen deutschen Wirtschaftsrechts, denn auch die siebte GWB-Novelle 2005 sollte das nationale Wettbewerbsrecht an das europäische Recht angleichen404. Während das Kartellrecht europarechtliche Entwicklungen nachvollzog, sollte das UWG 2004 ein „modernes“ Vorbild für künftige Sekundärrechtsakte in diesem Bereich abgeben405. Diese Funktion kann das deutsche Recht nur entfalten, wenn es nicht offensichtlich über einen erkennbaren lauterkeitsrechtlichen Konsens in der EG hinausgeht. An einer solchen europaweiten Übereinstimmung mangelt es jedoch gerade für das hier relevante Thema des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes. In ihrem gesetzesvorbereitenden Gutachten stellen Schricker und HenningBodewig fest, ein über die Verwechslungsgefahr hinausgehender Schutz von Arbeitsergebnissen gegen unerlaubte Übernahme oder Nachahmung sei in Europa nicht konsensfähig, weil insbesondere Großbritannien und Irland darin „eine unzulässige Vorverlegung der durch die Immaterialgüterrechte ohnehin bewirkten ,Monopolstellung‘“ sähen406. Zudem ist ausgesprochen fraglich, ob ein unmittelbarer Leistungsschutz auf der Basis des UWG überhaupt eine zulässige Einschränkung der Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit darstellt. Wenn Mitbewerber über die Zulässigkeit von Nachahmungen in mehreren Ländern streiten, und ein Imitat in manchen Ländern angeboten werden darf, in anderen aber nicht, offenbart das nur das Potential des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes, den innergemeinschaftlichen Handel zu beeinträchtigen407. So hat denn der 404 ropa, zum anderen der Forderung nach einer Reform des deutschen Lauterkeitsrechts Rechnung tragen. Das deutsche Lauterkeitsrecht soll keine anderen Inhalte haben, als sie auch für Europa Geltung beanspruchen könnten. Daher wird – mit Ausnahe der Sanktionen – ein vollständiger Gleichlauf der europäischen und der nationalen Regelung angestrebt. Um die ,Europatauglichkeit‘ der Regelungen sicherzustellen, orientiert sich der Entwurf in Terminologie, Aufbau und materiellen Regelungen so weit wie möglich am bestehenden und geplanten Gemeinschaftsrecht …“). Siehe ferner Henning-Bodewig, GRUR Int. 2004, 183 f. (mit Hinweis auf den Zusammenhang zwischen notwendiger Transparenz des Gesetzes und Europatauglichkeit im Sinne einer besseren Vermittelbarkeit der Position des deutschen UWG in der EG-weiten Diskussion); dies., GRUR Int. 2004, 713, 714; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Einl UWG Rn. 2.13; Ohly, GRUR 2004, 889; Klippel, in: HK-Wettbewerbsrecht, E 1 Rn. 27; Berlit, WRP 2003, 563, 565. Zur UWGReform 2008 RegE UWG 2008, 13 ff. 404 RegE GWB, BT-Drucks. 15/3640, 21. 405 Der Vorschlag von Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig, WRP 2002, 1317 ff., bezog sich denn auch parallel auf eine EG-Richtlinie und eine nationale UWG-Reform. RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 12 (wegen der Unwägbarkeiten des europäischen Gesetzgebungsprozesses könne der Ausgang der Brüsseler Vorhaben nicht abgewartet werden). Zum Scheitern dieses Konzepts in Anbetracht der später erlassenen RL 2005/29 RegE UWG 2008, 15 f. 406 Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367, 1382 (die selbst allerdings einen wesentlich weitergehenden Vorschlag machen); Ulmer, in: Ulmer, Recht des unlauteren Wettbewerbs I, 111 ff. (nur für die Verwechslungsgefahr als besonderen Umstand bestehe eine Übereinstimmung zwischen den damals sechs EWG-Staaten); Kur, GRUR Int. 1998, 771, 774 (mit Hinweis auf die im englischen Rechtskreis verbreitete Skepsis gegen einen wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz); a.A. (internationaler Konsens) Fezer, WRP 2001, 989, 1004 (mit Verweis auf das schweizerische, italienische und schwedische Recht). 407 Siehe EuGH GRUR Int. 1982, 439 ff. – Beele (wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz in den Niederlanden gegen deutsches Nachahmungsprodukt); BGH GRUR 2002, 820 ff. (Prozess zwischen einem in Großbritannien ansässigen Marktführer und einem dänischen Unternehmen,
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EuGH bisher lediglich den Schutz gegen sklavische, Verwechslungen hervorrufende Nachahmungen als gerechtfertigtes Hindernis für den freien Warenverkehr angesehen, weil dieser in den „meisten Mitgliedstaaten grundsätzlich anerkannte“ Tatbestand Verbraucherinteressen berücksichtige und die Lauterkeit des Handelsverkehrs fördere408. Vor diesem Hintergrund erscheint die Beschränkung der Nachahmungsverbote auf die sich aus den Regelbeispielen ergebenden, besonderen Umstände nicht nur konsequent, sondern sogar europarechtlich zwingend. Des Weiteren verkennt die herrschende Meinung den Zweck der Novellierung, die durch das Europa- und Verfassungsrecht ausgelöste Liberalisierung des Lauterkeitsrechts um- und fortzusetzen. Dies galt nicht nur für das früher besonders restriktive Werberecht409, sondern allgemein mit Blick auf eine potentielle europäische Richtlinie unter Einbezug des ergänzenden Leistungsschutzes410. Liberalisierung bedeutet in diesem Zusammenhang den Abbau von lauterkeitsrechtlichen Verboten. Und tatsächlich zeigt sich die Rechtsprechung inzwischen weniger geneigt, ihrer früheren „Liebe zum Verbot“ nachzuhängen und vorschnell von Unlauterkeit auszugehen, wenn ein Mitbewerber eine unzulässige Schädigung geltend macht411. Ein unmittelbarer, gar grundsätzlicher Leistungsschutz stünde hierzu im Widerspruch, weil den Mitbewerbern und Verbrauchern die Möglichkeit genommen wird, substituierende Produkte anzubieten bzw. nachzufragen412. Dabei kommt auch die Regelbeispieltechnik wieder zum Tragen, denn sie verhindert, verschiedene Aspekte zu einem „unbekömmlichen Brei“ zu verrühren und verlangt einen zusätzlichen Begründungsaufwand, will man über die Präzisierungen der Generalklausel hinaus413. das408 in Deutschland eine Zweigniederlassung hatte); Fezer, WRP 1993, 63, 67 (zunehmend Sachverhalte mit Auslandsbezug); Kur, GRUR Int. 1995, 469 ff. (französische und norwegische Gerichte haben LEGO-Bausteinen einen Nachahmungsschutz verwehrt, während die deutschen Gerichte einen Schutz gewährten); dies., FS Ullmann, 717 ff. 408 EuGH GRUR Int. 1982, 439, 441 – Beele; Kur, FS Ullmann, 717, 723 (keine „carte blanche“ für die uneingeschränkte Bejahung der Europa-Kompatibilität des wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutzes). 409 RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 12; Lettl, UWG, Rn. 4; Ring, ZGS 2004, 373, 374; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Einl UWG Rn. 2.11 (Modernisierung, Europäisierung, Kodifizierung, Intensivierung); nachdrücklich die entsprechende Forderung von Schricker, GRUR Int. 1996, 473, 479 (das Steuer solle herumgeworfen und der Kurs auf freieres Fahrwasser genommen werden). 410 Henning-Bodewig, GRUR Int. 2004, 713, 714; Fezer, in: Fezer, Einl E Rn. 10; Keller, in: Harte/Henning, Einl A Rn. 10 f.; Sosnitza, in: MünchKomm, vor § 1 UWG Rn. 25; ders., AnwBl 2004, 545; Ring, ZGS 2004, 373, 374; Boesche, Wettbewerbsrecht, Rn. 15; Schünemann, in: Harte/ Henning, § 3 UWG Rn. (das Lauterkeitsrecht sei bewusst in den Dienst eines freien Wettbewerbs zu stellen); Starck, MarkenR 2005, 81 (Deregulierung). 411 Siehe zum Beispiel die zu § 4 Nr. 1 UWG ergangene Entscheidung BGH GRUR 2006, 75, 76 (an der Rechtsprechung zur gefühlsbetonten Werbung werde nicht mehr festgehalten); anders zum wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz aber BGH GRUR 2007, 795, 799 – Handtaschen. 412 Siehe Traub, FS Söllner, 1213, 1229 (Diskrepanz zwischen liberalisiertem Verbraucherleitbild und erweitertem Leistungsschutz). 413 Ohly, GRUR 2004, 889, 897; ohne Begründung a.A. BGH GRUR 2007, 795, 799 – Handtaschen.
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Speziell für den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz ist zu ergänzen, dass in den vom Bundesjustizministerium in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten für eine Neufassung des UWG jeweils ein grundsätzlicher, unmittelbarer Leistungsschutz empfohlen worden war414. Diese Vorschläge sind jedoch nicht Gesetz geworden415. Die nachweisbare, bewusste Entscheidung für den Grundsatz der Nachahmungsfreiheit416 darf nicht einfach mit Argumenten ohne Rückhalt im Gesetz wegdiskutiert werden417. Dazu passt, dass in den Erläuterungen zur Anwendung der Generalklausel jenseits der Regelbeispiele nur die „allgemeine Marktbehinderung“ genannt wird, die gerade nicht dem Schutz individueller Interessen an Nachahmungsverboten dient418. E contrario sind letztgenannte Belange abschließend in den güterzuordnungsrelevanten Regelbeispielen berücksichtigt419. Im Vergleich dazu erscheint das Hauptargument der Gegenauffassung, wonach die Begründung zu § 4 Nr. 9 UWG den nicht abschließenden Charakter dieses Regelbeispiels ausdrücklich hervorgehoben habe, als ausgesprochen schwach420. Ein zweiter Blick in den Regierungsentwurf erhellt nämlich, dass dort lediglich formuliert ist, die Aufzählung könne „entsprechend der allgemeinen Regelungsstruktur der Beispielsfälle“ nicht abschließend sein421. Folglich 414 Siehe Köhler, WRP 1999, 1075 ff.; Fezer, WRP 2001, 989, 1004 ff.; Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367, 1384 (jeweils Schutz schutzwürdiger Leistungen mit Ausnahmen für einen „fair use“). 415 Heyers, GRUR 2006, 23; Lubberger, FS Ullmann, 737, 747 mit Fn. 35; Müller, Sklavische Nachahmung, 35; Lehmann-Schmidtke, Wettbewerbliche Eigenart, 180 f. m.w.N.; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 UWG Rn. 9.1 (der dennoch die Rechtsprechung zum wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz fortschreibt); Emmerich, Unlauterer Wettbewerb7, 181 („soweit absehbar“, dürfe die Rechtsprechung „im wesentlichen“ ihre Bedeutung behalten); Fezer, in: Fezer, Einl E Rn. 25 (der Entwurf von Köhler/Bornkamm/Henning-Bodewig sei auf der Grundlage des Konsenses in der Arbeitsgruppe erstellt worden, zu dem die Anerkennung eines wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes aber nicht gezählt habe); bedauernd Krüger/v. Gamm, WRP 2004, 978, 985; unklar Dorndorf, Herkunftstäuschung, 14 mit Fn. 61 (der Regierungsentwurf habe die geforderte Kodifikation des Leistungsschutzes enthalten, allerdings hätten die Vorschläge von Fezer und Köhler keine „direkte“ Berücksichtigung gefunden). Gegen einen Spezialtatbestand zum Leistungsschutz auch schon RegE PrPG, BT-Drucks. 11/4792, 19 (das widerspreche dem System des gewerblichen Rechtsschutzes, das vom Grundsatz der Nachahmungsfreiheit als marktwirtschaftlichem Prinzip ausgehe). 416 RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 18. 417 So aber Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 217 f. (der der Begründung des Gesetzes eigene Argumente entgegensetzt, deren Legitimität er aber nicht nachweist). 418 RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 19; ferner Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 3 UWG Rn. 8 (Wettbewerb der öffentlichen Hand sowie neuartige Wettbewerbshandlungen); anders Omsels, WRP 2004, 136, 140 mit Fn. 32 (weil die Marktstörung unter § 3 UWG falle, würden auch die sonstigen Fallgruppen des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes fortgelten). 419 Ullmann, in: Ullmann, § 4 Nr. 9 UWG Rn. 17 (erschöpfende Regelung des unternehmerischen Leistungsschutzes); a.A. BGH GRUR 2007, 795, 799 – Handtaschen. 420 Allgemein Schünemann, WRP 2004, 925, 929 („Ein nicht hinreichend zum Ausdruck gebrachter möglicherweise bestehender Wille des historischen Gesetzgebers nach normativer Kontinuität ist freilich unbeachtlich …“); zweifelnd Sosnitza, in: MünchKomm, § 3 UWG Rn. 144. 421 RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 18.
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wird mit der Passage nur bestätigt, was die Regelbeispieltechnik ohnehin besagt – dass nämlich die Konkretisierungen der Unlauterkeit einen Rückgriff auf die Generalklausel nicht grundsätzlich versperren. Dagegen werden die besonders güterzuordnungsrelevanten Fallgruppen jenseits des § 4 Nr. 9 UWG gar nicht erwähnt. Richtigerweise wird man die Bemerkung auf neu auftretende und anders geartete Problemkonstellationen im Hinblick auf die Imitation von Erzeugnissen beziehen müssen, die in der Tat weiterhin über die Generalklausel abgewickelt werden dürfen422. Darin eine pauschale Ermächtigung zur Fortsetzung bereits unter Geltung des UWG 1909 nachlassender, güterzuordnender Tendenzen zu sehen, erscheint dagegen nicht angängig. Im Ergebnis verbleibt es daher bei den in § 4 Nr. 9 lit. a-c UWG vorgesehenen besonderen Voraussetzungen für ein Verbot unerlaubter Nachahmungen von Waren oder Dienstleistungen sowie bei der Unlauterkeit systematischer Übernahmen ganzer Produktlinien zur gezielten Behinderung von Mitbewerbern (§ 4 Nr. 10 UWG). Einem weitergehenden, unmittelbar auf die Schutzwürdigkeit des Erzeugnisses abstellenden Leistungsschutz gem. § 3 UWG stehen die einschlägigen Regelbeispiele entgegen, die „in objektiver Weise vom Willen des Gesetzgebers nach Abgrenzung und Differenzierung“ zeugen423. Diese restriktive Lesart findet in der Rechtsprechung vermehrt Widerhall. Es wird nämlich betont, die Wettbewerbs- und Nachahmungsfreiheit dürfe nicht durch die Monopolisierung von gemeinfreien Gestaltungsideen behindert werden424. Für diese Wertung rekurrieren die Gerichte insbesondere auf die einschränkenden Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Nr. 9 UWG425. Demnach ist es nicht mehr zulässig, das Unlau422
So wohl auch Ullmann, in: Ullmann, § 4 Nr. 9 UWG Rn. 17 (erschöpfende Regelung des unternehmerischen Leistungsschutzes in § 4 Nr. 9 UWG); Wiebe, FS Schricker, 772, 783; ders., in: MünchKomm, § 4 Nr. 9 UWG Rn. 6 (zukünftige Ausbeutungstatbestände). Zum Investitionsschutz als Fall allgemeiner Marktstörung unten § 13 A II 2 b. 423 So die Formel von Schünemann, JZ 2005, 271, 276; Lettl, UWG, Rn. 137 (am ehesten komme ein Rückgriff auf § 3 UWG in Betracht, wenn sich aus den Beispielstatbeständen keine Bewertungsmaßstäbe ableiten ließen). Im Ergebnis wie hier Sosnitza, in: MünchKomm, § 3 UWG Rn. 145 f. (kein unmittelbarer Leistungsschutz im UWG 2004); Wiebe, FS Schricker, 772, 780; ders., in: MünchKomm, § 4 Nr. 9 UWG Rn. 23, 70; Groner, Generalklausel, 242 ff.; widersprüchlich Körner, FS Ullmann, 701, 707 (kein Fortgelten der Fallgruppen sklavischer Nachbau, unmittelbare Übernahme, Einschieben in fremde Serie und Schutz von Modeneuheiten), 714 f. (für einen güterbezogenen Schutz auf der Basis des UWG). 424 Nachdrücklich BGH GRUR 2005, 166, 168 ff. (die Herkunftstäuschung könne schon aus Rechtsgründen nicht mit einer Ähnlichkeit in Merkmalen, die bei einer Ausstattung geradezu selbstverständlich oder jedenfalls naheliegend seien, begründet werden; eine verbleibende Herkunftstäuschung sei ggf. hinzunehmen); BGHZ 161, 204, 213 (2004) – Klemmbausteine III; OLG Hamm MMR 2005, 106, 107; OLG Frankfurt ZUM-RD 2005, 500, 503 (wettbewerblicher Leistungsschutz greife nur ein, wenn und soweit die Nachahmung dem Prinzip des freien Leistungswettbewerbs zuwiderlaufe); LG Frankfurt ZUM-RD 2006, 530, 531 (die Nachahmung nicht besonders geschützter Güter sei „grundsätzlich erlaubt“); zum UWG 1909 bereits Erdmann, FS Vieregge, 197, 210 (der Schutz des Leistungsergebnisses als solchem sei ein echter Leistungsschutz, dessen Begründung aus dem UWG problematisch wäre). 425 OLG Hamburg GRUR-RR 2006, 94, 95; OLG Hamburg v. 28.4.2005, 5 U 138/04, juris KORE410822005, Rn. 32 (Rückbesinnung auf den Grundsatz der Nachahmungsfreiheit); a.A.
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terkeitsurteil auf den Umstand zu stützen, dass ein „eigenartiges“ Leistungserzeugnis unerlaubt imitiert oder sonst übernommen wurde. Für die generelle Güterzuordnungskraft des Lauterkeitsrechts ist festzuhalten, dass auch die konkret einschlägigen Regelbeispiele keine entsprechende Tendenz des Gesetzes zum Ausdruck bringen. Sie sollen Irreführungen der Abnehmer und gezielten Zwang auf den Mitbewerber verhindern und erzeugen daher einen Schutz von Arbeitserzeugnissen allenfalls reflexartig. Rechtsgrundlagen für die Anerkennung positiv-exklusiver Befugnisse an bestimmten Gütern sind sie nicht. Unter welchen Voraussetzungen eine Nachahmung unmittelbar auf der Basis der Generalklausel des § 3 UWG untersagt werden kann, obwohl die Voraussetzungen des § 4 Nr. 9, 10 UWG nicht gegeben sind, ist im dritten Teil zu ergänzen, wenn feststeht, ob die Verfassung oder ein allgemeines Rechtsprinzip der Güterzuordnung die Gerichte zu einer großzügigeren Handhabung des UWG berechtigen. Nach den Ergebnissen dieses Paragraphen ist hierfür jedenfalls erforderlich, dass eine von den Regelbeispielen nicht angesprochene Problematik einen individuellen Marktteilnehmer und „zugleich“ die Interessen der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb beeinträchtigt. Zur Umsetzung dieser Vorgaben scheint die Fallgruppe der allgemeinen Marktstörung besonders prädestiniert, weil sie nicht wie § 4 Nr. 9, 10 UWG auf den konkreten Nachahmungsfall bezogen ist, sondern die Auswirkungen der Wettbewerbshandlung auf das gesamte Marktgeschehen an den Anfang ihrer Überlegungen stellt. Mit dieser gewissermaßen umgekehrten Perspektive steht die allgemeine Marktstörung außerhalb der von den Regelbeispielen erfassten Konstellationen; erst recht wird kein Schutz individueller Interessen am exklusiven Haben „durch die Hintertür“ etabliert. Fragt man demgemäß nach den Auswirkungen auf die Institution Wettbewerb, so dürften vor allen Dingen solche Nachahmungen/Übernahmen problematisch sein, die dem Originalhersteller jeden Anreiz nehmen, überhaupt im betreffenden Markt zu investieren, so dass der Wettbewerb in seinem Bestand bedroht wird426.
F. Zusammenfassung Die vorstehende Analyse diente der Prüfung, ob das UWG 2004 unter Berücksichtigung des Entwurfs zur Umsetzung der Richtlinie 2005/29 über unlautere Geschäftspraktiken Rechtsgrundlage für die Anerkennung positiv-exklusiver 426 Henning-Bodewig, GRUR Int. 2004, 713, 717 (die „parasitäre Ausbeutung fremder Leistungen“ werde von der Generalklausel aufgefangen); explizit contra legem § 4 Nr. 9 UWG für einen unmittelbaren, grundsätzlichen Leistungs- und Investitionsschutz auf der Basis des UWG 2004 Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 269. 426 Siehe unten § 13 A II 2. Dieses Ergebnis berücksichtigt sowohl das methodische „Ausschöpfungsgebot“ in Bezug auf die Generalklausel als auch das „Zurückhaltungsgebot“ hinsichtlich der Überschreitung der Grenzen der Regelbeispiele; dazu Schünemann, JZ 2005, 271, 277 f.
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Befugnisse an „neuen“ Gütern sein kann. Eine solche Annahme wird durch eine weit zurückreichende, aber nicht immer geradlinig verlaufende Rechtsprechung genährt, die „eigenartige“ Waren und Dienstleistungen durchaus um ihrer selbst willen vor unerlaubten Nachahmungen und Übernahmen schützte. Dieser unmittelbare Güterschutz wurde sogar vereinzelt für verkehrsfähig gehalten. Die wettbewerbsrechtliche Generalklausel erscheint so geradezu als „Schrittmacher“ der Güterzuordnung (dazu B). Allerdings haben die anschließenden Abschnitte erwiesen, dass jedenfalls dem UWG 2004/2008 ein solch güterzuordnender Gehalt fremd ist. Zunächst stellt das Lauterkeitsrecht ein Sonderdeliktsrecht für Wettbewerbshandlungen dar, das grundlegende Strukturen und Zwecke mit dem Deliktsrecht des BGB teilt. Es dient der Abgrenzung von Rechtskreisen im herrschaftsfreien Wettbewerb427. Dabei fehlt ihm wie § 826 BGB bereits im Ansatz jeder Bezug auf Ausschließlichkeitsrechte. Wenn aber das Deliktsrecht des BGB nicht der Güterzuordnung dient428, kann für das teleologisch und strukturell weitgehend parallele Lauterkeitsrecht kaum etwas anderes gelten (dazu C)429. Aber auch der vom BGB-Deliktsrecht abweichende Zweck des Rechts gegen unlauteren Wettbewerb, der überhaupt erst eine gesonderte Darstellung dieses Gebietes rechtfertigt, bezieht sich nicht auf die Sicherung individueller Interessen am exklusiven Haben. Denn aus dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und den geistesgeschichtlichen Wurzeln der Schutzzweck- und Generalklausel ergibt sich, dass die subjektiven Interessen der Marktteilnehmer nur Anknüpfungspunkt für das überwölbende und letztlich ausschlaggebende Schutzobjekt in Gestalt der Allgemeininteressen am unverfälschten Wettbewerb sind. Individuelle Belange – auch hinsichtlich des Verbots unerlaubter Nutzungen von Gütern – vermitteln lediglich den Schutz des objektiven Wettbewerbs und sind nicht für sich gesehen Auslöser wettbewerbsrechtlicher Ansprüche (dazu D I). Mit dem Ziel, Beeinträchtigungen des objektiven Wettbewerbs zu verhindern, ist das gesamte Lauterkeitsrecht auf die kontinuierliche Wahrung der Wettbewerbsfreiheit ausgerichtet, denn jene ist die Grundvoraussetzung dafür, dass der Wettbewerb als Ordnungsprinzip der Wirtschaft die an ihn gestellten Erwartungen im Allgemeininteresse erfüllt. Im Zusammenhang mit dieser Orientierung auf subjektive und objektive Wettbewerbsfreiheit konnte gezeigt werden, dass trotz der Generalklausel in § 3 UWG auch das UWG vom Prinzip der enumerativen, begrenzten Haftung ausgeht, denn gerade jener Ausgangspunkt deliktsrechtlichen Denkens verhindert die übermäßige Einschränkung notwendiger Entfaltungsspielräume. Außerdem etabliert das UWG einen rechtlichen Rahmen für die Ordnung gleichrangiger Wettbewerbsfreiheiten zum Erwerb (Art. 2 427
So auch die Einschätzung von Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 146 f. Oben § 6 E. 429 Inkonsequent hingegen Roth, Geschützte Stellungen, 120 (§ 1 UWG 1909 und das aPR seien Rechtsgrundlage für einen Güterschutz, nicht aber die §§ 17 f. UWG 1909, 823 Abs. 2 BGB, 826 BGB und das Recht am Gewerbebetrieb). 428
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Abs. 1, 12 Abs. 1 GG), so dass teleologisch kein Anhaltspunkt dafür besteht, individuelle Vorzugsbereiche zur Sicherung des Erworbenen (Art. 14 GG) zu etablieren. Diese Zwecke prägen sich in der Struktur der Tatbestände des UWG aus, die auf die Unlauterkeit von Handlungen und nicht auf Güter oder Rechte des Verletzten abstellen sowie durchweg eine positive Feststellung der Unlauterkeit verlangen430. Dagegen lassen sich Güterorientierung und Erfolgsunrecht als formale Kennzeichen einer Zuordnung durch Ausschließlichkeitsrechte im UWG nicht ausmachen (dazu D II). Die beiden damit herausgearbeiteten Elemente des Schutzzwecks des Lauterkeitsrechts, nämlich die Allgemeininteressen am unverfälschten Wettbewerb und die subjektive und objektive Wettbewerbsfreiheit, wurden schließlich in einem „integrierten Modell“ des Lauterkeitsrechts zusammengeführt. Dieses beruht auf von Franz Böhm formulierten Erkenntnissen über das Phänomen Wettbewerb und seine Voraussetzungen als dem Ordnungsprinzip der deutschen und europäischen Wirtschaftsverfassung. Demnach wahrt das UWG die dauerhafte Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, der seinerseits eine effiziente Ressourcenallokation und eine leistungsgerechte Verteilung der Erfolgsprämien herbeiführen soll. Zu diesem Zweck verbietet das Lauterkeitsrecht auf Zwang oder Täuschung beruhende Verfälschungen des herrschaftsfreien Wirtschaftssystems. Auch diese wettbewerbsfunktionale Sichtweise steht einem grundsätzlichen Leistungsschutz entgegen. Erstens beeinträchtigt ein weitgehendes Verbot substituierender Imitate einen dynamischen Wettbewerb mitsamt seinen gemeinwohlförderlichen Wirkungen. Zweitens verlieren mit einem folgenorientierten Verständnis des Lauterkeitsrechts die ethisch-moralischen Kerngedanken der Güterzuordnung – Wert, Arbeit und persönliche Prägung – ihre Durchschlagskraft. Jedes Verbot der Nachahmung oder sonstigen Nutzung von Gütern muss anhand seiner positiven Auswirkungen auf das Funktionieren des Wettbewerbs gerechtfertigt werden (dazu D III). Für diese zugegebenermaßen komplexe Frage gibt das UWG 2004/2008 dem Richter mit den Regelbeispielen des § 4 Nr. 9, 10 UWG und dem Geheimnisschutz gem. der §§ 17–19 UWG verhältnismäßig konkrete Maßstäbe an die Hand. Die Analyse jener güterzuordnungsrelevanten Vorschriften hat ergeben, dass gerade kein originärer, unmittelbarer Leistungsschutz normiert wurde, sondern zusätzliche Voraussetzungen auch diese Spezialregelungen mit den allgemeinen Zwecken und Strukturen des Lauterkeitsrechts in Einklang bringen, indem die Abnehmer vor irreführenden Angeboten von Imitaten und die Mitbewerber vor gezieltem Zwang und Täuschung bewahrt werden. Die für einen Grundsatz des UWG-Leistungsschutzes immer wieder vorgebrachten Fälle zum Schutz inzwischen immaterialgüterrechtlich zugeordneter Güter431 erfüllen diese Voraussetzungen gerade nicht. Außerdem sind diese Regelungen formal als 430 Siehe Fikentscher, Wettbewerb, 154 mit Fn. 85; Spindler, in: Bamberger/Roth, § 826 BGB Rn. 85. 431 Nachweise oben § 4 B III.
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handlungsorientierte Schutzgesetze und nicht als Rechte an Gütern ausgestaltet; die Rechtsfolgen von Zuwiderhandlungen bleiben auf deliktsrechtlichem Terrain, während Ansprüche aus Eingriffskondiktion und Geschäftsanmaßung im abschließenden 2. Kapitel des UWG ebenso fehlen wie jede Regelung zum Rechtsverkehr (dazu E I). Der von der herrschenden Meinung und wohl auch vom Bundesgerichtshof vertretenen Auffassung, die bisherigen Grundsätze des sog. wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes könnten weiterhin zur Anwendung kommen, wurde schließlich entgegengehalten, dass damit der Zweck der Regelbeispiele konterkariert wird. Denn wenn das wettbewerbsrechtliche Unlauterkeitsverdikt nicht primär den speziell zugeschnittenen Konkretisierungen und nur subsidiär der Generalklausel entnommen wird, bleibt ein transparentes und vorhersehbares Lauterkeitsrecht Zukunftsmusik; ein zentrales Anliegen der Novellierung des UWG wäre verfehlt. Ein weitergehender, gar grundsätzlicher Schutz eigenartiger Erzeugnisse als solcher steht überdies im Widerspruch zur Absicht des Gesetzgebers, ein in der EG konsensfähiges, liberales UWG zu kodifizieren. Durchschlagend ist jedoch die Erkenntnis, dass ein originärer Leistungsschutz im Zuge der Reform explizit eingefordert worden war, sich der Gesetzgeber jedoch für den Grundsatz der Nachahmungsfreiheit und tatbestandlich klar konturierte, auf besondere Umstände abstellende Verbote von Imitaten entschieden hat. Setzt man sich hierüber hinweg, agiert man unzulässig contra legem (dazu E II). Dieses Auslegungsergebnis entlarvt zugleich die allenfalls rhetorische Stärke der für einen originären Leistungsschutz vorgebrachten, spezifisch wettbewerbsrechtlichen Argumente432: Ganz abgesehen davon, dass der Bundesgerichtshof in diesem Bereich zuletzt deutliche Zurückhaltung hat walten lassen, ersetzt der Hinweis auf bestimmte Gerichtsentscheidungen nicht die Prüfung, ob die entsprechende Gesetzesanwendung zu überzeugen vermag – gerade in Anbetracht einer Neuregelung433. Die weitere Behauptung, ein Bekenntnis zum originären Leistungsschutz mache das geltende Recht endlich transparent, führt spätestens seit dem Inkrafttreten des UWG 2004 zum gegenteiligen Effekt, weil die einschlägigen Regelbeispiele wie gezeigt eine ganz andere Sprache sprechen434. Überdies sind die tragenden Gründe, die Voraussetzungen und Grenzen eines
432 Dazu Oben B. Zu allgemeinen sachlichen Gründen für den Schutz von Gütern auf der Basis des UWG oben § 4 B III 3 und unten § 12 B. 433 Anders Fezer, WRP 2001, 989, 1007 (dessen Vorschlag noch über die Rechtsprechung zum UWG 1909 hinausgeht). 434 So auch Meineke, Nachahmungsschutz, 207; a.A. Kur, GRUR 1990, 1, 3 (wenn man sich offen Rechenschaft darüber lege, dass die Schutzwürdigkeit der Leistung den Schwerpunkt der rechtlichen Beurteilung bilde, trete die Frage nach dem „Warum“, dem Inhalt und den Grenzen des Schutzes deutlicher hervor. Kur sieht sich allerdings zu einem Appell an das Rechtsgefühl gezwungen, um die Darlegungs- und Beweislast des Originalherstellers für einen Nachahmungsschutz als „lästig“ bezeichnen zu können; a.a.O., 3); ferner z.B. dies., GRUR Int. 1998, 771, 775 (Billigkeitsgefühle sollen offen gelegt werden, aber Nachahmungen seien als „Unbilligkeiten“ nicht in Kauf zu nehmen).
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solchen Güterschutzes bis heute weitgehend unklar geblieben435; allgemeine Prinzipien des ohne Rücksicht auf das Gesetz propagierten Leistungsschutzes hat die Gegenauffassung bis heute nicht formulieren können436. Diese Defizite lassen sich auch nicht mit dem isolierten Hinweis auf die Ermächtigungsfunktion der Generalklausel kaschieren, denn eine so grundlegende Frage setzt eine umfassende Auseinandersetzung mit den Aussagen und dem Zweck des Lauterkeitsrechts voraus437. Letztlich verharrt die Diskussion einerseits auf der von vornherein ungenügenden Frage nach dem Umkehrschluss aus den begrenzten Schutzbereichen der normierten Ausschließlichkeitsrechte438, andererseits auf rechts- und wettbewerbspolitischen Stellungnahmen des jeweiligen Autors439. Dem wurde hier ganz bewusst eine am Gesetz orientierte Analyse entgegengesetzt. Wer das für praxisfern hält, sollte sich zunächst über die möglichen Konsequenzen seiner gesetzesfernen Einstellung Rechenschaft ablegen. Wenn das UWG dennoch in Rechtsprechung und Literatur als Grundlage für einen unmittelbaren Schutz „eigenartiger“ Erzeugnisse und sogar für eine Anerkennung primärer Ausschließlichkeitsrechte ins Feld geführt wird, dann zeigt das nur, wie stark die intuitive Tendenz zur Gewährung entsprechender Rechtspositionen ist440. Zugleich steht aufgrund der vorstehend zusammengefassten Ergebnisse fest, dass derartige Folgerungen nur als Fortbildung des Lauter435
Zu den sachlichen Argumenten oben § 4 B III 3; zur Kritik unten § 12 C I. Siehe Kur, GRUR 1990, 1, 3 ff. (Nennung mehrerer Beweggründe für die Herausbildung von Schutzpositionen, aber Verweis auf die Notwendigkeit der Abwägung zwischen Belohnung und Schutz des Imitationswettbewerbs); Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367, 1384 (das Verhältnis von Innovation und Imitation sei bisher weitgehend ungeklärt); Walch, Leistungsschutz, 100 ff. (Abwägung zwischen dem Gleichheitsgebot, schutzrechtsäquivalente Leistungen zu schützen und der Rechtssicherheit. Walch sieht im Gleichheitsgebot sogar eine „Rechtsfortbildungsgrenze“ (a.a.O., 124), obwohl er damit den ergänzenden Leistungsschutz begründet.); Ohly, FS Ullmann, 795, 806 (die schwierige Frage nach den positiven Kriterien eines ergänzenden Schutzes lasse die Rechtsprechung offen). 437 Siehe Walch, Leistungsschutz, 70, 101; a.A. Ott, FS Raiser, 403, 432 f. (der Funktionsbereich von § 1 UWG 1909 ließe sich gar nicht abschließend bestimmen). 438 Widersprüchlich Walch, Leistungsschutz, 76, 111, 116 (einerseits folge aus dem begrenzten Anwendungsbereich der Ausschließlichkeitsrechte kein Umkehrschluss auf einen numerus clausus dieser Rechte, andererseits sei im Sinne „praktischer Konkordanz“ (?) doch auf Wertungen der Immaterialgüterrechtsgesetze abzustellen und damit eine horizontale Grenze des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes zu formulieren); Roth, Geschützte Stellungen, 101 f., 152 (qualitative Merkmale für einen subjektiv-rechtlichen Schutz nicht positivrechtlich geschützter Güter); wenig konsequent auch Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 395 (einerseits sei auf die Fallgruppe der allgemeinen Marktstörung abzustellen, andererseits auf die Schutzrechtsäquivalenz der nachgeahmten Leistung). Für die gegenteilige Auffassung ebenso inkonsequent Knies, Leistungsschutz, 163 ff. (ein Güterschutz auf der Basis des UWG sei eine unzulässige Rechtsfortbildung, die Grenzen der Rechtsfortbildungsbefugnis seien aber aus den Wertungen der Sonderschutzrechte zu entnehmen). 439 Die fehlende rechtliche Absicherung der Diskussion anerkennen sogar Smoschewer, GRUR 1929, 479, 481 (Diskussionsbericht); Müller-Laube, ZHR 156 (1992), 480, 500 mit Fn. 67; Köhler, WRP 1999, 1075, 1078; wie hier wohl Riesenhuber, WRP 2005, 1118, 1123 („Rechtspolitisch empfundene Lücken zu schließen ist nicht Sache der Gerichte.“). 440 Zum UWG 1909 Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 395, 441 und öfter („tiefes Bedürfnis nach geistigem Eigentum“). 436
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keitsrechts in Überwindung seines eigentlichen Regelungsplans zu rechtfertigen sind441. Ob die in § 4 B III 3 aufgelisteten, nicht UWG-bezogenen Argumente hierfür genügen, ist am Ende des Hauptteils mit Blick auf ein sonstiges Rechtsprinzip der Güterzuordnung zu erörtern442. Erst im Anschluss hieran werden die Grenzen lauterkeitsrechtlicher Dynamik in Gestalt der Generalklausel des § 3 UWG endgültig zu bestimmen sein443. Hier kann festgehalten werden, dass es sich jedenfalls nicht um eine Generalklausel zur Anerkennung positiv-exklusiver Befugnisse an Gütern handelt.
441 Im Ansatz zutreffend Weihrauch, Leistungsschutz, 73; Walch, Leistungsschutz, 108 ff.; Fournier, Bereicherungsausgleich, 89; methodisch verfehlt Knies, Leistungsschutz, 125, 143 (der die Auslegung des § 1 UWG 1909 im Hinblick auf die Zulässigkeit des Leistungsschutzes von der Zulässigkeit der Rechtsfortbildung abhängig macht). 442 Dazu unten § 12. 443 Dazu unten § 13 A II 2.
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A. Einführung Die bisher untersuchten Gesetze zur Regelung von Ausschließlichkeitsrechten (dazu § 5), das Deliktsrecht des BGB (dazu § 6) und das Sonderdeliktsrecht des UWG (dazu § 7) haben sich nicht als tragfähige Rechtsgrundlagen für eine richterliche Zuteilung „neuer“ Güter erwiesen. Nunmehr ist zu erörtern, ob der 26. Titel des BGB zur ungerechtfertigten Bereicherung über eine güterzuordnende Tendenz verfügt. Die Fragestellung entspricht der Herangehensweise zum Deliktsrecht, denn es handelt sich jeweils um gesetzliche Schuldverhältnisse, auf deren Basis schuldrechtliche Ansprüche zwischen bestimmten Personen festgestellt werden1. Daher liegt es eher fern, das Bereicherungsrecht als Grundlage für die Anerkennung eines primären Ausschließlichkeitsrechts als solchem heranzuziehen, weil es nur bestimmte Ansprüche auf Herausgabe des Erlangten (§§ 818 ff. BGB) und damit nur einen Ausschnitt aus den Gesamtwirkungen eines solchen subjektiven Rechts regelt. Immerhin aber könnten die §§ 812 ff. BGB so angewendet werden, dass die bereicherungsrechtlichen Ansprüche gewährt werden, um positiv-exklusive Nutzungsbefugnisse an Gütern zu verwirklichen2. Würde dieses Ergebnis auf bereicherungsrechtsinternen Wertungen beruhen, würde der 26. Titel des BGB zumindest insoweit einen Baustein für eine umfassende Güterzuordnung liefern, als die Gerichte zur Abschöpfung von Vermögenswerten ermächtigt wären, die aus Eingriffen in nicht spezialgesetzlich normierte Rechtspositionen herrühren. Dadurch würden sie zugleich die alleinige, positive Nutzungsbefugnis des Gläubigers anerkennen. Eine solche Dynamik müsste man dem Bereicherungsrecht insbesondere dann zubilligen, wenn es unerlaubte Eingriffe in die rechtsfortbildend anerkannten „sonstigen Rechte“ wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht (aPR) und das Recht am Gewerbebetrieb sanktionierte. Die Frage nach dem Bereicherungsrecht als Baustein richterlicher Güterzuordnung betrifft wiederum unerlaubte Nutzungen nicht spezialgesetzlich zugewiesener Güter. Der Kläger macht geltend, hierzu allein befugt zu sein, so dass 1 BGHZ 75, 203, 205 (1979) (der bereicherungsrechtliche Anspruch auf Herausgabe sei schuldrechtlicher Natur); BGH GRUR 2000, 685, 687. 2 Siehe Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich II, 217 (die Einräumung bereicherungsrechtlicher Ansprüche bewirke die mittelbare Anerkennung exklusiv geschützter Positionen); Büsching, Eingriffskondiktion im Wettbewerbsrecht, 64 (zur Frage, ob der Bereicherungsanspruch im Nachhinein ein Ausschließlichkeitsrecht schaffen (Hervorh. v. Verf.) könne).
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die vom Dritten erlangten Vermögensvorteile herauszugeben seien. Zum Beispiel hatten die Kläger im Sachverhalt der Forschungskosten-Entscheidung aufwendige Untersuchungen angestellt, um eine behördliche Genehmigung zum Vertrieb bestimmter Produkte zu erhalten. Die Beklagte wollte gleichartige Erzeugnisse auf den Markt bringen. Für die hierzu erforderliche Genehmigung griff die zuständige Behörde auf die toxikologischen Studien der Klägerin zurück. Diese war der Auffassung, die Beklagte müsse einen Teil der Forschungskosten von 6,6 Millionen DM übernehmen, weil die eingereichten Zulassungsunterlagen wirtschaftlich wertvoll und als Rechtsgut gegen unerlaubte Eingriffe Dritter geschützt seien3. Ferner ergab die Zusammenschau güterzuordnungsrelevanter Rechtsprechungsbeispiele, dass bereicherungsrechtliche Ansprüche bei nicht gestatteter Nutzung „fremder“ Energie, bei Verstößen gegen wettbewerbsrechtliche Nachahmungsverbote und den Schutz von Betriebsgeheimnissen sowie bei der kommerziellen Verwendung von Persönlichkeitsmerkmalen gewährt worden sind4. Hiermit wird eine ungeschriebene Zuordnung dieser „neuen“ Güter zum Ausdruck gebracht und zugleich verwirklicht. Die hierfür einschlägige bereicherungsrechtliche Regelung ist die Nichtleistungskondiktion gem. § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB in der Fallgruppe des „Eingriffs in ein geschütztes Interesse“ (Art. 38 Abs. 2 EGBGB) – die sog. Eingriffskondiktion5. Ellger hat in seiner Habilitationsschrift nachgewiesen, dass diese Kondiktion die Spannungslage des Güterzuordnungsrechts betrifft, weil in den typischen Fallkonstellationen ein individuelles Interesse am exklusiven Haben mit der allgemeinen Handlungsfreiheit des Schuldners kollidiert, der das Erworbene auch dann herausgeben soll, wenn der „Eingriff“ nicht schuldhaft begangen wurde6. Der auf seinen güterzuordnenden Gehalt zu überprüfende, gesetzliche Tatbestand lautet mithin: „Wer in sonstiger Weise auf dessen (eines anderen) Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet.“ Dagegen bleiben im Folgenden solche Kondiktionen außer Betracht, die mit der soeben skizzierten Konfliktlage nicht in Zusammenhang stehen7. Hierzu 3
BGHZ 107, 117 f. (1989) – Forschungskosten. Siehe oben § 4 B III. 5 Zur Entwicklung dieser Terminologie Rümker, Das Tatbestandsmerkmal „ohne rechtlichen Grund“, 7 m.w.N.; ferner BGHZ 40, 272, 278 (1963); BGHZ 68, 276, 277 (1977); BGHZ 99, 385, 387 (1987); LG Bonn NJW 1977, 1823. Bereicherungs- und Kondiktionsanspruch werden im Folgenden synonym verwendet; siehe nur Heck, Schuldrecht, 417. 6 Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 13 f. und passim; Westermann, AcP 178 (1978), 150, 185; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 83; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 80 (es stehe bei der Eingriffskondiktion Besitzstandsschutz gegen individuelle Handlungsfreiheit); a.A. Fournier, Bereicherungsausgleich, 203 (bei der Festlegung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion gehe es „allein“ um die Frage, ob im Verhältnis zwischen den Kondiktionsparteien ein Ausgleich erfolgen müsse). 7 Für eine Systematisierung des Bereicherungsrechts anhand der jeweils betroffenen Lebenssachverhalte Windscheid/Kipp, Pandekten II, 871; Planck4, § 812 BGB Anm. 3b (danach differenzierend, ob die Bereicherung mit oder ohne den Willen des Benachteiligten eingetreten ist); Hüffer, 4
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zählen zunächst die Leistungskondiktionen gem. §§ 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt., 812 Abs. 1 S. 2 1. Alt.8 und 2. Alt.9, 813, 817 BGB10. Denn unter einer „Leistung“ versteht die herrschende Meinung eine bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens11, die rückgängig zu machen ist, wenn sie rechtsgrundlos erfolgte. Mit der Anknüpfung an ein eigenes Verhalten des Bereicherungsgläubigers betrifft die Leistungskondiktion gerade nicht die unerlaubte, eigenmächtige Nutzung eines Gutes durch Dritte. Es kommt daher für diese Kondiktionsart auch gar nicht darauf an, ob das betroffene Gut dem Bereicherungsgläubiger exklusiv zugewiesen ist, weil die Beteiligten den Bereicherungsvorgang als rechtlich relevante Leistung festgelegt haben12. Folglich kann auf der Basis der Leistungskondiktion jeder Vertragsgegenstand einschließlich bloßer Erwerbschancen und günstiger Lagen restituiert werden13. Die Rückabwicklung rechtsgrundloser Leistungen entspricht daher funktional den Rücktrittsregeln der §§ 346 ff. BGB und übernimmt Aufgaben, die systematisch auch im Vertragsrecht hätten geregelt werden können14. Insgesamt gehört die Leistungskondiktion zum Recht der Erwerbsordnung oder „Güterbewegung“15, die nicht Gegenstand des Hauptteils ist, sondern erst im Rahmen einer allgemeinen Theorie der Güterzuordnung mit in das Gesamtbild einbezogen werden soll16. Ausgeklammert werden ferner die sogenannten Aufwendungs- oder Verwendungskondiktionen17. Bei ihnen beruht die Bereicherung zwar nicht auf einer JuS8 1981, 263 f.; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 196; a.A. Jung, Bereicherungsansprüche, 30; Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung, 92 f., 106 ff.; ders., NJW 1971, 862, 864; Kupisch, FS v. Lübtow, 501, 504; Schlechtriem, ZHR 149 (1985), 327, 342; ders., Restitution und Bereicherungsausgleich II, 85 (es sei zufällig, wie die Vermögensmehrung erfolge). 8 Zur Eingriffskondiktion ob causam finitam nur Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 180. 9 Primär auf diese Kondiktion war Windscheids Lehre von der „Voraussetzung“ bezogen, bei deren Fehlen kondiziert werden sollte; siehe Windscheid, AcP 78 (1892), 161 ff. 10 Siehe dazu nur etwa Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 145 ff., 168 ff.; rechtsvergleichend Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich I, 73 ff. 11 BGHZ 40, 272, 277 (1963); BGHZ 68, 276, 277 (1977); BGH NJW 1999, 1393, 1394; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 10 ff.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 75 ff.; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 132; Fezer, Schuldrecht BT, 208; Stadler, in: Jauernig, vor § 812 BGB Rn. 4; Sprau, in: Palandt, § 812 BGB Rn. 3; Westermann/Buck-Heeb, in: Erman, § 812 BGB Rn. 11 m.w.N. In diesem Sinne bereits v. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 3, 665. 12 Bydlinski, System des Privatrechts, 245. 13 BGHZ 168, 220, 228 f. (2006) (Steuerberaterpraxis als Summe von Möglichkeiten); Wilburg, Ungerechtfertigte Bereicherung, 49 f.; v. Caemmerer, FS Rabel, 333, 378; Bydlinski, System des Privatrechts, 245. 14 Wilburg, Ungerechtfertigte Bereicherung, 49; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 130; Peifer, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 210 (Annexmaterie zum Vertragsrecht); Stadler, in: Jauernig, vor § 812 BGB Rn. 3. 15 V. Caemmerer, FS Rabel, 333, 342; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 75 ff.; Weitnauer, ZHR 142 (1978), 398, 399; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 130. 16 Zur privatautonomen Begründung primärer relativer Rechte unten § 14 B I. 17 Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 68 f., 101 f. (Aufwendungskondiktion als Oberbegriff für Rückgriffs- und Verwendungskondiktion); rechtsvergleichend zu Fällen der Verwendung auf fremdes Gut Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich II, 1 ff.
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Leistung, weil es an einer bewussten oder zweckgerichteten Mehrung fremden Vermögens fehlt18. Dennoch betreffen sie nicht den Güterzuordnungskonflikt, weil sich der Bereicherungsvorgang auch hier noch durch eine Handlung des Bereicherungsgläubigers vollzieht, der die Ursache für die Kondiktion selbst geschaffen hat, selbst wenn dies unbewusst oder erzwungen geschah19. Typische Fälle sind die irrtümliche Bereicherung Dritter durch Zahlung fremder Schulden20, die Aufwendung von Arbeitszeit für den Bau auf fremdem Grundstück21 und der Verbrauch eigener Güter des Gläubigers zugunsten eines Dritten22. Zu nennen sind ferner die erschlichene23, über eine Gestattung hinaus in Anspruch 18 Siehe dazu nur etwa Mot. II, 853 (Arbeitsleistung eines Geschäftsunfähigen); Peifer, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 253 ff.; Hüffer, JuS 1981, 263, 264; Stadler, in: Jauernig, § 812 BGB Rn. 72 ff.; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 761 ff.; Medicus, Schuldrecht BT, Rn. 715 ff.; v. Sachsen Gessaphe, in: AnwKommm, § 812 BGB Rn. 92 ff.; Wendehorst, in: Bamberger/Roth, § 812 BGB Rn. 87 ff.; König, Gutachten, 1515, 1521 (Aufwendungskondiktionen). Von „Abschöpfungskondiktion“ sprechen Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 371 ff.; Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 757. 19 Siehe Savigny, System V, 523 (Bereicherungen, die „durch den Willen des vorigen Eigentümers herbeygeführt“ seien und Bereicherungen, die „anders als durch meinen Willen“, sei es durch Handlung eines anderen oder zufällige Umstände, eingetreten seien); König, Gutachten, 1515, 1564 („Bereicherung durch den Verlierenden selbst“); Looschelders, Schuldrecht BT, Rn. 1061; Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung, 106 f. (der die hier vertretene Differenzierung jedoch ablehnt). Anders Kleinheyer, JZ 1970, 471, 475; Bydlinski, System des Privatrechts, 242 (unwesentliche Unterschiede). Jung, Bereicherungsansprüche, 129, fasst alle Kondiktionen unter dem Gesichtspunkt zusammen, dass Vermögensverschiebungen ohne Leistungswillen oder unter Verfehlung des Leistungszwecks erfolgen. Damit sind nach hier vertretener Einteilung nur die Leistungs- und die Nichtleistungskondiktionen, nicht aber die Eingriffskondiktion erfasst, bei der der Leistungswille des Gläubigers mangels Handlung gar nicht ins Blickfeld gelangt. 20 Siehe zur „Rückgriffskondiktion“ gegen den von der Forderung befreiten wahren Schuldner nur Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 102 ff.; Hüffer, JuS 1981, 263, 265 f. m.w.N. Zu irrtümlichen Überweisungen OLG Nürnberg NJW-RR 2001, 1478 f.; BGHZ 152, 307 ff. (2002). 21 Wilburg, Ungerechtfertigte Bereicherung, 43. Allerdings referiert Wilburg diese Fallgruppe im Rahmen der Eingriffskondiktion bei Immaterialgüterrechten, so dass der Eindruck entstehen konnte, allein der Umstand der „vermögensrechtlichen Tragweite“ der Arbeitskraft genüge, um auch bei Eingriffen in jene die Eingriffskondiktion zu gewähren. 22 Klassischer Fall: Verfeuern des eigenen Holzes; dazu nur König, Gutachten, 1515, 1550 (das sei eine unbewusste, weil auf Irrtum beruhende Geschäftsführung ohne Auftrag und keine Eingriffskondiktion); Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 68 m.w.N. 23 Z.B. Ausnutzung einer Fernsehsendung für Schleichwerbung, indem der Werbende die vom Bereicherungsgläubiger erbrachte Dienstleistung (die Aufnahme und Übertragung der Sendesignale) für seine Zwecke ausnutzt; anders Pilger/Preusche, NJW 1974, 2308 ff. (Kondiktion wegen Eingriffs in das dem Sendeunternehmen zustehende Recht zur kommerziellen Ausnutzung der Übertragungs- und Sendeleistung). Richtigerweise sind derartige Fälle im Vertragsverhältnis zwischen dem lokalen Veranstalter und dem Sendeunternehmen zu klären. Stellt der Veranstalter auf eigene Rechnung weitere Werbetafeln auf, verletzt er seine vertraglichen Pflichten. Ferner BGH GRUR 2001, 1156, 1157 f. (unberechtigte Nutzung eines „Entsorgungssystems“ (Grüner Punkt) als unerlaubter Eingriff in dieses „Entsorgungssystem“). Bei der Lösung dieses Falles ist zu beachten, dass das Entsorgungssystem des Grünen Punkts auf einem System von Lizenzverträgen über die Marke „Grüner Punkt“ beruht, so dass die unberechtigte Ausnutzung des Systems als Eingriff in das Markenrecht betrachtet werden kann. Die besonderen Vermögensvorteile in Gestalt des Zugangs zum Entsorgungssystems können dann über die Bemessung der“ange-
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genommene24 oder erzwungene25 Dienstleistung des Bereicherungsgläubigers. Auch wenn das Schuldnervermögen in diesen Fällen nicht bewusst und zweckgerichtet begünstigt wird, ist das Rechtsgrundproblem doch dasselbe wie bei der Leistungskondiktion. Denn maßgeblich ist das Fehlen der causa für die vom Gläubiger erbrachte Vermögensmehrung. Wertungsmäßig macht es keinen Unterschied, ob die Zahlung oder Dienstleistung rechtsgrundlos erfolgt, weil der geschlossene Vertrag z.B. sittenwidrig oder angefochten ist, oder ob der Bereicherungsgläubiger mangels zweier übereinstimmender Willenserklärungen von vornherein nicht zu diesem Verhalten verpflichtet war. Im Gegenteil, wenn rechtsgrundlos zugewendete Vermögensvorteile zurückverlangt werden dürfen, muss dasselbe erst recht für ein durch Zwang oder Täuschung erlangtes „Etwas“ gelten26. Diese teleologischen Parallelen erklären, warum es für die Verwendungskondiktion ebenfalls nicht darauf ankommt, ob der betreffende Vermögenswert dem Gläubiger im Verhältnis zu jedermann zugeordnet ist27; denn ebenso wenig wie bei der Leistungskondiktion ist das Spannungsverhältnis zwischen individueller Güterzuweisung und allgemeiner Handlungsfreiheit tangiert28. Wenn die Verwendungskondiktion an ein Verhalten des Bereicherungs-
24 messenen Lizenzgebühr“ als erspartes „Etwas“ berücksichtigt werden. Knüpft man hingegen an das Erschleichen der Vorteile des Entsorgungssystems als solchem an, handelt es sich um eine sonstige Nichtleistungskondiktion wie beim Schwarzfahren, die gerade keinen Eingriff in den Zuweisungsgehalt einer Rechtsposition erfordert, sondern nur die Entgeltlichkeit der jeweiligen Dienstleistung. 24 Siehe OLG Dresden SeuffA 73 Nr. 51 (1917) (Die Beklagte hatte Bauentwürfe des Klägers einem Dritten überlassen, der mit den Entwürfen ein kostengünstigeres Angebot machen konnte und den Auftrag erhielt. Die Verwendung der Bauentwürfe durch die Beklagte geschah gegen den Willen des Klägers, so dass insofern keine willentliche Vermögensmehrung vorliegt und eine Leistungskondiktion ausscheidet. Vielmehr handelt es sich um eine sonstige Nichtleistungskondiktion, weil die vom Kläger eingereichten Bauunterlagen nicht für diesen Zweck verwendet werden durften.). 25 Anders Rümker, Das Tatbestandsmerkmal „ohne rechtlichen Grund“, 63 (Eingriffskondiktion). 26 Siehe Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 101 (dieselbe Rechtsgrundproblematik bei Verwendungs- und Leistungskondiktion); König, Gutachten, 1515, 1564; Knieper, BB 1991, 1578, 1584 (in Bezug auf die Fälle der Leistungserschleichung, die teilweise über die Figur des „faktischen Vertrages“ gelöst wurden). 27 Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 71. 28 Rechtsvergleichend Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich II, 81 (die Fälle des Eingriffs seien phänomenologisch klar von den durch Freiwilligkeit der Vorteilsverschaffung gekennzeichneten Fällen abzuheben); König, Gutachten, 1515, 1564 („Aufwendungskondiktionen“ in Parallele zur Geschäftsführung ohne Auftrag; dieser Ansatz erfasst indes die Fälle der Dienstleistungserschleichung nicht). Diese Unterscheidung erklärt auch, warum § 684 BGB weder im Bereicherungsrecht noch im Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag für die hier interessierenden Fragen relevant ist. Die Norm beschreibt eine Fallgestaltung, in der der Gläubiger selbst eine Handlung vorgenommen hat, die dem Schuldner zugute kommt. Die für das Güterzuordnungsrecht typische Interessenkollision zwischen individueller Exklusivität und allgemeiner Handlungsfreiheit liegt daher nicht vor; siehe Prot. I, 1639 f. (die Leistung eines negotiorum gestor in Erwartung der Genehmigung des Geschäftsherrn sei der Haupt- und Normalfall der condictio ob rem); Wieling, Bereicherungsrecht, 53 (Verwendungen des Fremdbesitzers als Fall der Verwendungskondiktion).
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gläubigers anknüpft, dient sie vielmehr der Wahrung seiner Selbstbestimmung, wem er in welchem Umfang Vermögenswerte zukommen lässt. In den eingangs aufgezählten Fällen, in denen das Bereicherungsrecht Güterzuordnungen markiert, handelt hingegen typischerweise der Bereicherungsschuldner ohne Kenntnis des passiven Gläubigers, der anschließend den betroffenen Vermögenswert herausverlangt und mit dieser Sanktion der allgemeinen Handlungsfreiheit aller Dritten eine Grenze setzt29. Der thematische Fokus dieser Studie erlaubt es schließlich, Probleme des Bereicherungsausgleichs im Mehrpersonenverhältnis30 und Einzelheiten der vom Tatbestand schon systematisch getrennten Rechtsfolgen gem. der §§ 818 ff. BGB31 auszublenden. Und selbst die Auseinandersetzung mit dem Tatbestand der Eingriffskondiktion fokussiert ganz auf einen konstitutiv-güterzuordnenden Gehalt von § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB. Zu unterscheiden ist diese genuin bereicherungsrechtliche Frage von den Grenzen unstreitig kondiktionsbewehrter Rechtspositionen, die sich etwa aus den Regelungen des Sachen- und Immaterialgüterrechts ergeben und hier nicht zu problematisieren sind32. Die so präzisierte Aufgabenstellung ist wie folgt anzugehen: In einer ersten Annäherung gilt es, das Verhältnis des Bereicherungsrechts zum Deliktsrecht des BGB zu klären. Würden nämlich beide gesetzlichen Schuldverhältnisse parallele Ziele verfolgen, ergäbe sich schon hieraus eine erste – nämlich negative – Folgerung im Hinblick auf den güterzuordnenden Gehalt der §§ 812 ff. BGB. Die Ergebnisse des Vergleichs erlauben zudem eine erste kritische Würdigung der sog. Rechtswidrigkeitstheorie als einer deliktsrechtlichen Lesart der Eingriffskondiktion (dazu B). An diese noch verhältnismäßig abstrakte Betrachtung schließt sich eine Untersuchung des Zwecks des Bereicherungsrechts und der Eingriffskondiktion sowie der Offenheit und Grenzen des einschlägigen gesetzlichen Tatbestands an (dazu C). Der hiermit erwiesene, grundsätzliche Bezug auf die statische Zuordnung von Gütern ist dann daraufhin zu analysieren, ob sich die Zuordnungsentscheidung aus dem Tatbestand des § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB selbst („intern“) oder aus normexternen Wertungen speist und welcher Art der erfor29 Nur dieses Handeln des Bereicherungsschuldners ist der Anknüpfungspunkt für die vielfach vertretene Nähe der Eingriffskondiktion zum Deliktsrecht (unten B II). Wenn aber das Handeln des Bereicherungsschuldners für die Anwendung von § 812 BGB von Bedeutung sein soll (so etwa Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 245 f.), dann kann und muss sich auch die Dogmatik an diesem Lebenssachverhalt orientieren. Anders Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 382 (der Modus der Vorteilserlangung determiniere jenseits von Leistung und Eingriff keinerlei Interessenbewertung). Zur Struktur und typischen Fallgruppen der Eingriffskondiktion unten C. 30 Dazu nur etwa BGHZ 40, 272 ff. (1963) (Bereicherungsausgleich bei Einbau fremder Geräte in ein Haus); BGH ZGS 2008, 304 ff. (Anweisung); Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 387 ff.; König, Ungerechtfertigte Bereicherung, 177 ff.; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 197 ff.; Kupisch, Gesetzespositivismus im Bereicherungsrecht, 11 ff.; ders., FS v. Lübtow, 501, 512 ff.; Wilhelm, JuS 1973, 1 ff.; Thielmann, AcP 187 (1987), 23 ff. 31 Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 129. 32 Zutreffend die entsprechende Differenzierung bei Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 455 f.
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derliche Schutz eines Interesses (siehe Art. 38 Abs. 2 EGBGB) sein muss, um einen Anspruch aus Eingriffskondiktion zu tragen (dazu D). Methodisch folgen diese Bemühungen dem Credo, dass dem geschriebenen Recht auch in seinen formalen Aussagen materiale, für die richterliche Entscheidung maßgebliche Wertungen innewohnen. Der äußerst knappe Wortlaut des Gesetzes und die erst nach Inkrafttreten des BGB erfolgte „Entdeckung“ der Eingriffskondiktion als eigenständige Fallgruppe33 machen es jedoch in besonderem Maße erforderlich, größere systematische Zusammenhänge und die einschlägige Rechtsprechung prominent zu berücksichtigen34.
B. Deliktsrecht und Bereicherungsrecht Erste Auskünfte über den güterzuordnenden Gehalt des Bereicherungsrechts verspricht ein Vergleich mit dem Deliktsrecht. Jenes hat sich sowohl im Rahmen des BGB als auch des UWG zwar als entwicklungsoffen, dabei aber nicht auf Güterzuordnung ausgerichtet erwiesen35. Auf das Bereicherungsrecht können diese Schlussfolgerungen jedoch nicht übertragen werden, denn systematisch und hinsichtlich von Tatbestand und Rechtsfolgen unterscheiden sich beide gesetzlichen Schuldverhältnisse grundlegend (dazu I). Schon deshalb bestehen Zweifel, ob die „erste bereicherungsrechtliche Wende“36 in Gestalt der deliktsrechtlichen Deutung der Eingriffskondiktion durch die Rechtswidrigkeitstheorie zu überzeugen vermag (dazu II).
I. Formale Unterschiede zwischen Delikts- und Bereicherungsrecht Das BGB regelt das Recht der unerlaubten Handlungen und das Bereicherungsrecht in getrennten, wenn auch benachbarten Titeln. Diese Unterscheidung wiederholt sich auf der Ebene des Internationalen Privatrechts in den Artikeln 40 bzw. 38 Abs. 2 EGBGB. Insbesondere aber zeigen sich grundlegende Differenzen in den Strukturen delikts- und bereicherungsrechtlicher Tatbestände37 und Rechtsfolgen38: 33 Siehe Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 38; aber auch schon Windscheid/Kipp, Pandekten II, 877 („Eingriff in fremde Vermögenssphäre“). 34 BGHZ 99, 385, 387 (1987) (der als Eingriffskondiktion bezeichnete Tatbestand sei im Gesetz „nicht näher beschrieben“); Jung, Bereicherungsansprüche, 18; Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, 79 f. 35 Oben §§ 6 E, 7 F. 36 Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 754. 37 Zur tatbestandsorientierten Systematisierung der gesetzlichen Rechtsverhältnisse durch das BGB allgemein Gödicke, Bereicherungsrecht und Dogmatik, 122 ff. 38 Siehe Schulz, AcP 105 (1909), 1, 67; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 476 ff.; Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, 34; Peifer, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 208; Kittner, Schuldrecht, Rn. 1357; zur entsprechenden h.M. zum österreichischen Recht Koziol, FS Bydlinski, 175 f.
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Während das Deliktsrecht rechts- und sittenwidrige sowie unlautere Handlungen sanktioniert, ist die Bereicherungshaftung grundsätzlich unabhängig von einer Zurechnung zum Verhalten des Schuldners39. Das zeigen die eingangs erwähnten Kondiktionen, in denen der Bereicherungsgläubiger selbst die Vermögensänderung herbeiführt, wie auch die Haftung für ohne menschliches Zutun ablaufende Naturvorgänge. Maßgeblich ist ferner nicht die Widerrechtlichkeit des Verhaltens, sondern die Rechtsgrundlosigkeit des Ergebnisses einer veränderten Vermögenssituation40. Das alles kommt in der Formulierung des § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB zum Ausdruck, wonach das „in sonstiger Weise“ ohne rechtlichen Grund Erlangte herauszugeben ist. Diese Pflicht trifft den Bereicherten, der ggf. vom Handelnden personenverschieden ist; eine gesamtschuldnerische Haftung gem. der §§ 830, 840 BGB wird abgelehnt41. Nimmt man hinzu, dass das Bereicherungsrecht vom individuellen Verschulden unabhängig ist42, ergeben sich bereits mehrere Anhaltspunkte dafür, dem Bereicherungsrecht in der Fallgruppe der Eingriffskondiktion jedenfalls eine direktere Relevanz für die Verteilung von Vermögenswerten zuzuerkennen als dem Deliktsrecht. Die Unterschiede beziehen sich jedoch nicht nur auf den Tatbestand. Auch die Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts haben mit dem Anspruch auf Herausgabe des Erlangten bzw. auf Wertersatz (§ 818 Abs. 1, 2 BGB) bereits auf den ersten Blick einen anderen Inhalt als das auf Schadensersatz, Unterlassung und Beseitigung lautende Deliktsrecht. Und selbst wenn man eine Parallele darin sehen wollte, dass beide Schuldverhältnisse auf Zahlung von Geld lauten können, bleibt zu beachten, dass grundlegende schadensrechtliche Prinzipien im Bereicherungsrecht nicht gelten: Erstens enthält § 818 Abs. 3 BGB den „allgemein anerkannten obersten Grundsatz des Bereicherungsrechts“, wonach die Herausgabepflicht des Bereicherten keinesfalls zu einer Verminderung seines Vermögens führen darf43, wäh39
Wilburg, Ungerechtfertigte Bereicherung, 41; Flume, Ungerechtfertigte Bereicherung, 102; Bälz, JZ 1977, 519, 520; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 128. 40 Siehe die Formulierung „etwas ohne rechtlichen Grund erlangt“; ferner BGHZ 71, 86, 100 (1978); Kupisch, FS v. Lübtow, 501, 506 (die bereicherungsrechtliche Haftung bedeute keinen Makel schuldhaft begangenen Unrechts). 41 BGH NJW 1979, 101 f.; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 178; Lieb, in: MünchKomm, § 812 BGB Rn. 269. 42 Siehe nur BGHZ 5, 116, 123 f. (1952); BGHZ 81, 75, 81 (1981) – Carrera; Sprau, in: Palandt, § 812 BGB Rn. 94. Zum deliktsrechtlichen Verschuldensgrundsatz oben § 6 B I mit Fn. 17. 43 BGHZ 55, 128, 131, 134 (1971) m.w.N.; BGHZ 168, 220, 232 (2006); Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 111; allgemein zum diesbezüglichen Unterschied zwischen Delikts- und Bereicherungsrecht Lange, VersR 1999, 274, 280. Dieser Grundsatz gilt auch für die Eingriffskondiktion; siehe Törl, Die bereicherungsrechtliche Behandlung, 182 ff.; Ullmann, GRUR 1978, 615, 620 f. m.w.N.; Loewenheim, WRP 1997, 913, 917 (Haftung nur in Höhe des tatsächlichen Gewinns bei unwirtschaftlicher Nutzung des Immaterialguts); Canaris, JZ 1992, 1114, 1120 (§ 818 Abs. 3 BGB könne nicht pauschal ausgeschlossen werden, indem man darauf verweise, der Schuldner müsse sich an der selbst geschaffenen Sachlage fest halten lassen); Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 615; mit Einschränkungen auch Fournier, Bereicherungsausgleich, 201 f.; Ebert, ZIP 2002, 2296, 2298 f.; verneinend jedoch Osten-
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
rend der deliktische Schädiger selbstverständlich mit seinem gesamten Vermögen einzustehen hat. Zweitens wird der schadensrechtliche Ausgleichsgedanke zwar auf das Bereicherungsrecht übertragen, weil jenes ebenfalls nicht gerechtfertigte Vermögensverschiebungen rückgängig mache, so dass beide gesetzlichen Schuldverhältnisse Erscheinungsformen der ausgleichenden Gerechtigkeit darstellten44. Das für dieses Verständnis zentrale, die Einheitlichkeit aller Kondiktionsarten begründende Tatbestandsmerkmal der Vermögensverschiebung45 im Sinne einer Identität der messbaren Einbuße beim Entreicherten und der Vermögensmehrung beim Bereicherten46 ist von der Rechtsprechung und ganz herrschenden Meinung indes seit langem als Voraussetzung der Bereicherungshaftung aufgege-
44 dorf, Be- und Entreicherung, 93 ff. (Wegfall der Bereicherung sei in Gebrauchs- und Nutzungsfällen begrifflich ausgeschlossen); Schlechtriem, Symposium König, 57, 84 (die Frage nach der perSaldo-Bereicherung sei nicht richtig). 44 Siehe § 27 des Vorentwurfs, abgedruckt bei Schubert, Schuldverhältnisse 3, 659 („Derjenige, aus dessen Vermögen ohne seinen Willen Etwas in das Vermögen eines Anderen gekommen ist, kann, wenn ein rechtlicher Grund hierzu von Anfang an nicht vorhanden war oder derselbe später weggefallen ist, die Rückerstattung von Letzterem fordern.“); ferner die Erläuterungen von v. Kübel, in: Schubert, a.a.O., 738 ff.; § 748 E I, abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 760 f. („Derjenige, aus dessen Vermögen nicht kraft seines Willens oder nicht kraft seines rechtsgültigen Willens ein Anderer bereichert worden ist, kann, wenn hierzu ein rechtlicher Grund gefehlt hat, von dem Anderen die Herausgabe der Bereicherung fordern. Als rechtlicher Grund ist es im Zweifel anzusehen, wenn ein Rechtsverlust auf einer diesen bestimmenden Vorschrift beruht.“). Ferner RGZ 97, 61, 65 (1919) m.w.N.; RGZ 119, 332, 334 f. (1927); RGZ 120, 297, 299 f. (1928) („Ausgleich einer unrichtig gewordenen Verteilung von Vermögenswerten“); RGZ 130, 310, 312 (1930); BGHZ 107, 117, 121 (1989) – Forschungskosten; BVerwG NJW 1985, 2436 (wiederherstellende Gerechtigkeit); OLG Dresden SeuffA 75 Nr. 51 (1917) (die Aufwendungsersparnis der Beklagten decke sich mit dem entgangenen Gewinn des Klägers); Franke, Herausgabe des Gewinns, 27 ff.; Jung, Bereicherungsansprüche, 48, 126; Windscheid/Kipp, Pandekten II, 869 ff. (Bereicherung aus fremdem Vermögen), 887 f. (ein die Vermögensmehrung übersteigender Verlust sei kein Grund zur Steigerung der Verpflichtung des Bereicherungsschuldners); Planck4, § 812 BGB Anm. 2a; Peifer, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 207; Jakobs, Eingriffserwerb, 43 ff. m.w.N., 122 (die Parallele zwischen Bereicherungs- und Deliktsrecht könne für die Erkenntnis des Bereicherungsrechts nur von Vorteil sein); Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 136; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 870 (gerechte Zuordnung der Güterwelt zum Vermögen eines bestimmten Berechtigten); Bydlinski, System des Privatrechts, 235; Lieb, in: MünchKomm, § 812 BGB Rn. 1; Kropholler, Studienkommentar BGB, § 812 BGB Rn. 1 (Abschöpfung nach der Rechtsordnung nicht bestehenbleibender Güterzuordnungen); v. Sachsen Gessaphe, in: AnwKommm, § 812 BGB Rn. 1; Westermann/Buck-Heeb, in: Erman, vor § 812 BGB Rn. 1; Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 749; wohl auch Joerges, Bereicherungsrecht, 16; Jung, Bereicherungsansprüche, 1 ff. Kritisch Kleinheyer, JZ 1970, 471 m.w.N. 45 Savigny, System V, 525, 567; Jung, Bereicherungsansprüche, 48, 126; Jakobs, Eingriffserwerb, 50; Batsch, Vermögensverschiebung, 2, 91 ff.; Wolf, Der Stand der Bereicherungslehre, 145, 183; Knieper, BB 1991, 1578, 1581. 46 Siehe Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 16 ff. m.w.N.; Kupisch, FS v. Lübtow, 501, 509. Zur Lockerung des Erfordernisses der Vermögensverschiebung auch bei der Leistungskondiktion siehe OLG Dresden SeuffA 17 Nr. 51 (1917); RGZ 119, 332, 334 f. (1927); eindeutig für das Erfordernis einer Vermögensverschiebung bei der Leistungskondiktion hingegen OLG Brandenburg WM 2000, 2559, 2561.
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ben worden47. Wie sich bereits in der Rede von der Be- und nicht der Entreicherung offenbart48, geht es dem 26. Titel des BGB nämlich um die Abschöpfung eines noch vorhandenen, ungerechtfertigten Vorteils beim Schuldner49 und nicht um den Ausgleich einer Vermögensminderung beim Gläubiger, der keinen Schaden nachweisen muss50. Der Bundesgerichtshof konnte daher zu Recht resümieren: „Das Schadensersatzrecht sanktioniert und gleicht aus; die Bereicherungshaftung beruht allein auf dem Prinzip der verteilenden Gerechtigkeit.“51. Auslöser für diesen grundsätzlichen Wandel der bereicherungsrechtlichen Dogmatik waren gerade die Fälle des „Eingriffs in geschützte Interessen“ (Art. 38 Abs. 2 EGBGB), denn die klassischen Sachverhalte der unerlaubten Nutzung von Grundstücken und anderen Gütern ließen keine gegenständliche Vermögensver47
Kritisch zur Lehre von der Vermögensverschiebung bereits Schulz, AcP 105 (1909), 1, 476 f.; siehe dazu auch Roth, FS Küchenhoff, 371, 373 ff. (mit der Unterscheidung zwischen dem herkömmlichen „quasi-deliktischen“ und dem „quasi-vertraglichen“ Verständnis des Bereicherungsanspruchs). Siehe ferner Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 84 ff.; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 96 f.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 237 ff. m.w.N.; König, Ungerechtfertigte Bereicherung, 165 ff.; Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung, 84 ff. (das Erfordernis der Vermögensverschiebung sei überflüssig und störend); Haines, Bereicherungsansprüche, 45 ff.; Reeb, Bereicherungsrecht, 38; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 68 ff.; Ullmann, GRUR 1978, 615, 619 (in Bezug auf die Unmöglichkeit, bei Eingriffen in Immaterialgüterrechte von Vermögensverschiebungen zu sprechen); Hüffer, JuS 1981, 263, 264; Schlechtriem, Symposium König, 57, 66; Wesel, NJW 1994, 2594. Erste „Auflösungserscheinungen“ der Vermögensverschiebung ergaben sich bereits früh unter Verweis auf die Formulierung „auf Kosten“, aus der die Rechtsprechung des Reichsgerichts folgerte, das Vermögen des Gläubigers müsse nur berührt worden sein, wofür ein Anspruch auf den vom Schuldner erlangten Vorteil genüge; RGZ 119, 332, 334 f. (1927); siehe Mestmäcker, JZ 1958, 521, 523 m.w.N.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 21 (Andeutung der Idee der Güterzuweisung durch den Formulierungswechsel); Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 148. Zur Entwicklung der Rechtsprechung ausführlich und kritisch Batsch, Vermögensverschiebung, 31 ff. m.w.N.; kritisch ferner Knieper, BB 1991, 1578, 1579 ff.; Wolf, Der Stand der Bereicherungslehre, 141 ff., 179 ff. Gegenkritik wiederum bei Kurz, Besitz als möglicher Gegenstand der Eingriffskondiktion, 12. 48 Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, 79 f.; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 128; Canaris, FS Deutsch, 85, 89; Peifer, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 208; Lorenz, in: Staudinger, § 812 BGB Rn. 24; v. Sachsen Gessaphe, in: AnwKommm, § 812 BGB Rn. 6; Westermann/Buck-Heeb, in: Erman, § 812 BGB Rn. 3; Lieb, in: MünchKomm, § 812 BGB Rn. 16; Götting, FS Ullmann, 65, 68; siehe bereits v. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 3, 662 (Rückgängigmachung einer Vermögensänderung). 49 Siehe aus der Rechtsprechung BGHZ 20, 345, 355 (1956) – Dahlke; BGHZ 35, 232, 233 (1961); BGHZ 81, 75, 81 f. (1981) – Carrera; OLG Hamburg Schulze OLGZ 113, 4 f. (1971); OLG Hamburg AfP 1992, 159; LG Hamburg AfP 1995, 526, 527; Wieling, Bereicherungsrecht, 1; Peifer, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 208; Enzinger, GRUR Int. 1997, 96, 99. 50 Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2; Wilburg, AcP 163 (1963), 346, 348; Kleinheyer, JZ 1970, 471; Kellmann, NJW 1971, 862, 863 f.; Hüffer, JuS 1981, 263, 264; Wesel, NJW 1994, 2594; Schulze, in: Hk-BGB, vor §§ 812–822 BGB Rn. 1; rechtsvergleichend Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich II, 85 f. 51 BGHZ 68, 90, 94 (1976). Unklar Ausgleichung und Verteilung vermengend Höhn, Beeinträchtigung von Rechten, 80 („Ausgleich unrichtiger Vermögensverteilungen“). Gerade umgekehrt Bälz, JZ 1977, 519, 521 (das Bereicherungsrecht gleiche aus, das Deliktsrecht hingegen ersetze nur einen Schaden).
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schiebung erkennen, sollten aber trotzdem eine Bereicherungshaftung auslösen52. Der Verzicht auf diese Voraussetzung löste dann die Suche nach anderen Kriterien zur Bestimmung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion aus, die im Folgenden zu erörtern sind53. Dieser bereits während der Entstehungszeit des BGB anerkannten Eigenständigkeit des Bereicherungsrechts im Verhältnis zum Deliktsrecht54 steht der Herausgabeanspruch gem. § 852 BGB nicht entgegen. Obwohl die Vorschrift im Titel zu unerlaubten Handlungen geregelt ist, normiert sie eine Pflicht zur Herausgabe des durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten Erlangten nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, wenn der Schadensersatzanspruch verjährt ist. Damit scheint das Bereicherungsrecht zumindest hier an den Tatbestand der unerlaubten Handlung anzuknüpfen. Würde man § 852 BGB als bereicherungsrechtliche Anspruchsgrundlage qualifizieren, könnte letztlich doch jeder durch unerlaubte Handlung erlangte Vermögenswert kondiziert werden55. Eine solch weitreichende Folgerung entnimmt die ganz herrschende Meinung der Vorschrift jedoch zu Recht nicht. Vielmehr ordnet sie § 852 BGB entsprechend seiner systematischen Stellung als Anspruch aus unerlaubter Handlung ein, der in Höhe der Bereicherung nicht verjährt sei. Auf das Bereicherungsrecht werde nur hinsichtlich der Rechtsfolgen verwiesen, während sich der Tatbestand weiterhin aus dem Deliktsrecht ergebe56. Als Zwischenergebnis können weitreichende Differenzen zwischen Bereicherungs- und Deliktsrecht im Hinblick auf Struktur, Tatbestand und Rechtsfolgen festgehalten werden. Dass hinter diesen scheinbaren Äußerlichkeiten verschiedene Zwecke stehen, verdeutlicht auch der Umstand, dass Ansprüche aus den §§ 812 ff. und 823 ff. BGB grundsätzlich nebeneinander anwendbar sind, und
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Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 68. Dieser Zusammenhang ist erkannt bereits bei Jung, Bereicherungsansprüche, 151 mit Fn. 236 (erforderlich sei ein „Bewegungsvorgang“, während das ungerechtfertigte Haben des fremden Werts zur Begründung des Anspruchs nicht ausreiche). 53 Mestmäcker, JZ 1958, 521, 523; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 86; Knieper, BB 1991, 1578, 1580 (eine „hypertrophe Verselbständigung“ des Positionenschutzes sei durch die Lehre vom Zuweisungsgehalt zu vermeiden); mit derselben Intention Jakobs, Eingriffserwerb, 52 (der den notwendigen Kontakt zwischen dem Vermögen der Beteiligten indes über die rechtswidrige Handlung herstellt, a.a.O., 54 f.). 54 Siehe zum Vorentwurf v. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 3, 670 („… daß ein Delikt in der Mitte liegt, ist keinesweges erforderlich“); zustimmend Windscheid/Kipp, Pandekten II, 873 (es sei nicht notwendig, dass im bereicherungsrechtlich relevanten Vorgang ein Delikt liege). 55 Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 758. 56 BGHZ 68, 90, 95 ff. (1976); BGHZ 71, 86, 98 f. (1978) m.w.N. (Fortsetzung des Schadensersatzanspruchs in anderem rechtlichen Kleid); BGHZ 98, 77, 83 f. (1986); BGH GRUR 1999, 751, 754; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 758; Stadler, in: Jauernig, vor § 812 BGB Rn. 10; König, Gutachten, 1515, 1557; anders wohl v. Caemmerer, FS Rabel, 333, 395 ff. (sämtliche Merkmale des Bereicherungsanspruchs müssten vorliegen). In diesem Sinne zur prätorischen Deliktsobligation RGZ 35, 63, 72 (1895) (die Pflicht zur Herausgabe des vom Urheber des Delikts gezogenen Gewinns nach Ablauf eines annus utilis sei ein Residuum des Schadensersatzes).
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keine Regelung Vorrang beansprucht57. Haftet der Schuldner sowohl auf Herausgabe der Bereicherung als auch auf Ersatz des Schadens, handelt es sich um eine „zufällige“ Anspruchskonkurrenz, weil und soweit alle erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen gegeben sind58. Folglich überzeugt es nicht, beide gesetzlichen Schuldverhältnisse als Ausgleichsordnung zur Wahrung des von der Rechtsordnung gewollten, vermögensrechtlichen Zustands aufzufassen59, denn eine solche Konformitätsthese lässt sich nur unter massiven Modifikationen der gesetzlichen Regelung durchhalten60. Im Hinblick auf den güterzuordnenden Gehalt des Bereicherungsrechts lässt sich hieraus zunächst nur folgern, dass nicht an die Ergebnisse zum Deliktsrecht des BGB und des UWG angeknüpft werden kann. Vielmehr kommt dem Bereicherungsrecht auch im Kontext des Güterzuordnungsrechts eigenständige Bedeutung zu. Insoweit deuten die Fixierung auf das erlangte „Etwas“ bei gleichzeitiger Irrelevanz der Art und Weise der Handlung sowie die abstrakte Abschöpfung der Bereicherung unter Verzicht auf eine Vermögensverschiebung darauf hin, dass dem Bereicherungsrecht – wiederum anders als dem Deliktsrecht – durchaus unmittelbare Aussagen dazu zu entnehmen sind, wem bestimmte Vermögenswerte zustehen61.
II. Konsequenzen für die Einordnung der Eingriffskondiktion: Die Rechtswidrigkeitstheorie Diese ersten Erkenntnisse sind nunmehr für die Analyse der Eingriffskondiktion fruchtbar zu machen, bei der es sich wie eingangs gezeigt um die konkret güterzuordnungsrelevante Kondiktion handelt. Insoweit lehrt die sog. Rechtswidrigkeitstheorie, die die „erste bereicherungsrechtliche Wende“ durch die „Entdeckung“ der Eingriffskondiktion einläutete, der Anwendungsbereich dieser berei57 BGHZ 71, 86, 97 f. (1978); Sprau, in: Palandt, v. § 812 BGB Rn. 13; Wendehorst, in: Bamberger/Roth, § 812 BGB Rn. 143; für Ergänzungsfunktion der Eingriffskondiktion im Verhältnis zum Deliktsrecht auch König, Gutachten, 1515, 1550. 58 Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, 34. 59 Anders namentlich Hagen, FS Larenz 1973, 867 ff. (Konformitätsvermutung zwischen Delikts- und Bereicherungsrecht wegen der parallelen Ausgleichsfunktion); hiergegen Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 80 (aber a.a.O., 173: den Rechtfertigungsgründen des Deliktsrechts entspreche die Rechtfertigung des Habens im Bereicherungsrecht); für weitgehenden Gleichklang des Anwendungsbereichs von Delikts- und Bereicherungsrecht auch Picker, FS Canaris I, 1001, 1020 ff. 60 Siehe Hagen, FS Larenz, 1973, 867 ff. (Öffnung der Differenzhypothese und „Normativierung“ des Schadensbegriffs und der Bereicherung, a.a.O., 875; teleologische Reduktion des § 818 Abs. 3 BGB, a.a.O., 877; neue Begriffsbildungen im Schadensrecht, a.a.O., 883); Sack, FS Hubmann, 373, 383 ff. (analoge Anwendung des § 818 Abs. 3 BGB auf die schadensersatzrechtliche Lizenzanalogie). 61 Dazu unten C. Dort auch zur Komplementaritätsthese speziell zwischen Eingriffskondiktion und § 823 Abs. 1 BGB.
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cherungsrechtlichen Variante bestimme sich nach der Widerrechtlichkeit der Handlung, also nach deliktsrechtlichen Kategorien62. Dieser Ansatz erscheint hinsichtlich des güterzuordnenden Gehalts der §§ 812 ff. BGB besonders interessant, weil damit eine Bereicherungshaftung auch bei Verstößen gegen das Lauterkeitsrecht und die rechtsfortbildend anerkannten „sonstigen Rechte“ aPR und Recht am Gewerbebetrieb ohne Weiteres bejaht werden könnte, solange der Eingreifer nur etwas widerrechtlich erlangt hat63. Entwickelt wurde diese Lehre von Fritz Schulz in seiner Schrift „System der Rechte auf den Eingriffserwerb“ aus dem Jahr 1909, in der er einen Bogen spannt, der weit über die Eingriffskondiktion hinausgreift – bis hin zu Sicherungs-, sowie vertraglichen und deliktischen Schadensersatzansprüchen64. Schulz kritisiert den engen Fokus der bereicherungsrechtlichen Doktrin auf die Leistungskondiktion und das damit verbundene Merkmal der Vermögensverschiebung. Stattdessen sei auf den vom Bereicherten erlangten Vermögenswert abzustellen65. Der allein maßgebliche widerrechtliche Eingriff könne ein „absolutes Recht“ oder auch nur ein „Verbietungsrecht“ betreffen, „denn warum“ solle dieser letztgenannte Eingriff „nicht auch … zur Herausgabe des Eingriffserwerbs verpflichten?“66. Der für alle Lebenssachverhalte und Anspruchsgrundlagen gültige Satz laute: „Jeder rechtswidrige Eingriff in fremde Vermögensrechte verpflichtet zur Herausgabe des vollen Gewinns.“67. Wieder aufgegriffen wurde diese Lehre insbesondere von Horst Heinrich Jakobs in den 1960er Jahren. Er geht davon aus, die „Verletzung eines dem Berechtigten zustehenden Rechts durch den Nichtberechtigten“ könne das notwendige Bindeglied zwischen dem Bereicherungsgläubiger und -schuldner liefern, nachdem sich das Merkmal einer Vermögensver-
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Ausführlich zur Theorieentwicklung Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 89 ff. Siehe Schulz, AcP 105 (1909), 1, 189 ff., 224 (Eingriffe in das Warenzeichen- und Bildnisrecht, das Recht am Gewerbebetrieb und Verstöße gegen das UWG); Krautwig, Verletzung des Persönlichkeitsrechts, 100 ff. Für eine dogmatische Zusammenschau des Bereicherungsrechts, der Vindikationsregeln, der Geschäftsführung ohne Auftrag sowie bestimmter Regeln des Vertragsrechts auch Costede, Überlegungen zum Verständnis des Bereicherungsrechts, 44 f. 64 Schulz, AcP 105 (1909), 1, 482. Ebenso der Ansatz von Kaehler, Bereicherungsrecht und Vindikation, 15; König, FS v. Caemmerer, 179 ff. (es seien besondere Tatbestände der Gewinnhaftung herauszuarbeiten, a.a.O., 207); aus der Sicht der ökonomischen Analyse Köndgen, RabelsZ 64 (2000), 661, 679 ff.; Chung-Chuan, Gewinnhaftung, 1 ff.; Ebert, ZIP 2002, 2296 ff.; Roth, FS Niederländer, 363 ff. (jeweils differenzierend); siehe auch RGZ 45, 170 (1899) (entsprechende Anwendung der condictio ob iniustam causam auf die „widerrechtliche thatsächliche Entziehung anderer Machtbefugnisse und Aneignung der entsprechenden Vorteile“; hier die Fotografie einer Leiche, die im Rahmen eines Hausfriedensbruchs erlangt wurde). 65 Schulz, AcP 105 (1909), 1, 473 mit Fn. 1176, 477 (zur Aufgabe der Voraussetzung der Vermögensverschiebung). 66 Schulz, AcP 105 (1909), 1, 206. Eine weitere Suggestivfrage findet sich zur Begründung des Gewinnherausgabeanspruchs für das UWG: „Unser Gesetz gibt den Schadensersatzanspruch in allen Wettbewerbsfällen, warum dann nicht ebenso den Gewinnanspruch?“; a.a.O., 224. 67 Schulz, AcP 105 (1909), 1, 464 und öfter. 63
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schiebung zumindest in den Fällen unerlaubter Nutzung von Gütern als unpraktikabel erwiesen habe68. Offensichtlich liefert die Rechtswidrigkeitstheorie das Fundament, um das Bereicherungsrecht und insbesondere die Eingriffskondiktion zumindest bis zu den Grenzen des Deliktsrechts auszudehnen und sie an der Dynamik dieses Rechtsgebiets teilhaben zu lassen. Die Eingriffskondiktion würde das auf der Basis von Generalklauseln konkretisierte oder fortgebildete Deliktsrecht um den Gedanken der abstrakten Abschöpfung und zugleich Zuweisung von Vermögenswerten zum Geschädigten ergänzen. Es ermöglichte so den Schritt von der bloßen Abgrenzung gleichrangiger Freiheiten zur Anerkennung individueller Vorzugsbereiche, deren Vorteile exklusiv bestimmten Personen zukommen. Allerdings genügt bereits der Hinweis auf die oben aufgezeigten Strukturunterschiede zwischen Delikts- und Bereicherungsrecht, um mit der inzwischen ganz herrschenden Meinung die Rechtswidrigkeitstheorie abzulehnen. Denn deren zentrales Kriterium der Widerrechtlichkeit der Handlung entstammt eben dem deliktsrechtlichen und nicht dem bereicherungsrechtlichen Denken69. Im Einzelnen wird kritisiert, diese Lesart übergehe das gesetzliche Tatbestandsmerkmal „auf Kosten“70 und stehe im Widerspruch zur Orientierung am rechtsgrundlosen Erwerb71. Auch die Aktiv- und Passivlegitimation lasse sich mit diesem Merkmal nicht entsprechend der bereicherungsrechtlichen Vorschriften bestimmen, weil sich etwa § 951 Abs. 1 BGB nicht gegen den Handelnden, sondern gegen den bereicherten Eigentümer richte72. Es gebe rechtmäßige Handlungen, deren vermögensrechtliche Folgen gleichwohl kondiziert werden können73, denn es komme allein auf das Behaltendürfen nach Maßgabe des objektiven Rechts
68 Jakobs, Eingriffserwerb, 54 f. Im Einzelnen stützt Jakobs seine Auffassung mit Fallbeispielen. So sei nur über die Anknüpfung an die widerrechtliche Handlung die „evident“ „unerlässliche“ Haftung desjenigen, der mit fremdem Geld ein Los kauft und einen Gewinn macht, auf Herausgabe des Gewinns an den am Geld Berechtigten zu begründen (a.a.O., 58). Zur Gegenauffassung des BGB-Gesetzgebers in gerade jenem Fall unten § 9 D III 1 mit Fn. 215. Jakobs folgend etwa Krautwig, Verletzung des Persönlichkeitsrechts, 100 ff. (vorteilhaft sei, dass die Untersuchung des Zuweisungsgehalts entfalle, nicht mehr zwischen verschiedenen Rechtspositionen unterschieden werden müsse und die Ergebnisse begrüßenswert seien, z.B. das aPR eingriffsbewehrt sei). Eine Spielart der Rechtswidrigkeitstheorie ist mit ganz eigener Terminologie wohl auch die Arbeit von Schurer, Schutzbereich der Eingriffskondiktion, 58, 103 (es genüge für die Eingriffskondiktion eine Kausalbeziehung zwischen der Verletzung einer beliebigen „Zivilrechtsposition“ und dem Vermögensvorteil, so dass die Eingriffskondiktion grundsätzlich den Anwendungsbereich mit dem Deliktsrecht teile). 69 Oben und Westermann/Buck-Heeb, in: Erman, § 812 BGB Rn. 3; Fezer, Schuldrecht BT, 275. Ausführlich etwa Rümker, Das Tatbestandsmerkmal „ohne rechtlichen Grund“, 31 ff.; Fournier, Bereicherungsausgleich, 55 ff.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 245 ff.; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 124 ff. 70 Schlechtriem, FS Hefermehl, 445, 448. 71 Rümker, Das Tatbestandsmerkmal „ohne rechtlichen Grund“, 8 f. 72 V. Caemmerer, FS Rabel, 333, 352; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 748. 73 Medicus, BürgR, Rn. 711; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 81 f. (§ 816 Abs. 2 BGB); Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 126 (Zwangsvollstreckungshandlungen).
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an74. Umgekehrt könne der Erwerb aus vielen rechtswidrigen Verstößen gegen objektives Recht nicht herausverlangt werden, weil die entsprechenden Bestimmungen (etwa das Straßenverkehrsrecht) nichts darüber aussagen, wem Vermögensvorteile aus Zuwiderhandlungen zustehen75. Wolle man eine nahezu uferlose, verschuldensunabhängige Haftung vermeiden76, müsse man begrenzende Merkmale einführen, die sich aus den Grundlagen der Rechtswidrigkeitstheorie gerade nicht ableiten lassen77. Diese theoretischen Defizite dürften darauf zurückzuführen sein, dass Fritz Schulz eine umfassende Theorie der Gewinnhaftung vorlegte, die nicht auf das Bereicherungsrecht beschränkt war und deren Breite mit einem hohen Grad an Abstraktion einherging78. Auch wenn Jakobs diese offene Flanke durch eine rein bereicherungsrechtliche Argumentation vermeidet, gelingt es ihm nicht, den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion nach Maßgabe der von ihm propagierten Gesichtspunkte zu konkretisieren79. Einerseits soll „nicht jede Vermögensvermehrung durch widerrechtliches Handeln“ genügen, sondern nur eine solche, „die unter Verletzung des Rechts eines anderen“ erfolge80 bzw. bei der ein Rechtsübergang stattgefunden habe81; andererseits komme es hierfür nicht auf eine positive Benutzungsbefugnis des Gläubigers an, so dass selbst Verstöße gegen das UWG und gegen Schutzgesetze gem. § 823 Abs. 2 BGB sowie vorsätzliche sittenwidrige Handlungen Kondiktionsansprüche auslösen sollen82, obwohl sich hier jedenfalls kein Übergang von „Rechten“ vollzieht. Es ist daher an dieser Stelle gar nicht erforderlich, auf die Prinzipienebene vorzustoßen und den hinter der Rechtswidrigkeitslehre stehenden Grundsatz, wonach jede widerrechtliche Handlung zur Herausgabe des erzielten Werts bzw. Gewinns verpflichtet, auf seine Tragfähigkeit zu überprüfen83. Die hier zusam74 Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 886 mit Fn. 1; Wilburg, Ungerechtfertigte Bereicherung, 27; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 169 (die der Rechtswidrigkeitstheorie im Übrigen aber sehr nahestehen); v. Sachsen Gessaphe, in: AnwKommm, § 812 BGB Rn. 79. 75 Lieb, in: MünchKomm, § 812 BGB Rn. 241; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 81. 76 Kritisch zur Haftungserweiterung auf der Grundlage der Rechtswidrigkeitstheorie Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung, 109 f.; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 125; v. Sachsen Gessaphe, in: AnwKommm, § 812 BGB Rn. 79; Emmerich, Schuldrecht BT, 207 f. 77 Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 145, 173. 78 Siehe z.B. Kaehler, Bereicherungsrecht und Vindikation, 314 (der Restitutionsanspruch sei nichts anderes als das subjektive Recht in den Fällen, in denen dessen Zuweisung objektiv verletzt sei). 79 Siehe Jakobs, Eingriffserwerb, 116 f. (zur Gewinnherausgabe aufgrund der Eingriffskondiktion bei wettbewerbswidrigen Handlungen, bei denen mehrere Mitbewerber verletzt werden: „nicht alle Probleme in der Jurisprudenz“ seien „lösbar“). Kritik in diesem Sinne u.a. bei Batsch, Vermögensverschiebung, 85 f. 80 Jakobs, Eingriffserwerb, 64. 81 Jakobs, Eingriffserwerb, 168 f. 82 Jakobs, Eingriffserwerb, 106, 115 f., 118, 122, 168. 83 Zur Kritik an einem allgemeinen Prinzip der Gewinnhaftung, das von den unterschiedlichen gesetzlichen Anknüpfungspunkten nicht getragen werde Franke, Herausgabe des Gewinns, 32 ff.; Klien, Das Recht auf den Eingriffserwerb, 13 ff., 107; Mueser, § 687 Abs. 2 BGB, 39; Fuchs, Ausgleichspflicht bei gutgläubiger Patentverletzung, 77 ff. m.w.N.; Jakobs, Eingriffserwerb, 153 f.;
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mengetragenen Gesichtspunkte genügen, um diesen Ansatz als unvereinbar mit den Grundstrukturen des Bereicherungsrechts zu verwerfen. Dieses gesetzliche Schuldverhältnis lässt sich weder insgesamt noch im Hinblick auf bereicherungsrechtliche Ansprüche bei der unerlaubten Nutzung „neuer“ Güter mit deliktsrechtlichen Kategorien erklären.
C. Eingriffskondiktion und Güterzuordnung Die Eigenständigkeit des Bereicherungsrechts im Verhältnis zum Deliktsrecht verstärkt aber nur das Bedürfnis nach einer Erklärung der Eingriffskondiktion, die auf jenes gesetzliche Schuldverhältnis zugeschnitten ist und Rücksicht nimmt auf seine Funktion im Kontext des Güterzuordnungsrechts. Hierfür ist zunächst zu erörtern, ob das Bereicherungsrecht insgesamt einem übergreifenden Zweck dient (dazu I). Soweit das nach den Erkenntnissen der „zweiten bereicherungsrechtlichen Wende“84 nicht der Fall ist, gilt es, den spezifischen Bezug der Eingriffskondiktion auf die Verwirklichung von Güterzuordnungen herauszuarbeiten (dazu II). Bevor im letzten Kapitel die Quellen und Voraussetzungen des erforderlichen „geschützten Interesses“ (Art. 38 Abs. 2 EGBGB) bestimmt werden, ist noch auf die Entwicklungsoffenheit des § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB und die Grenzen dieses Tatbestands einzugehen (dazu III).
I. Einheitlicher Zweck des Bereicherungsrechts? Ob das Bereicherungsrecht einen einheitlichen Zweck verfolgt, ist streitig85. Im Anschluss an Savigny86 wird teilweise das „rechtsgrundlose Erlangen auf Kosten eines anderen“ als Grundgedanke dieser Materie hervorgehoben87. Das Reichsge84 König, FS v. Caemmerer, 179, 205, 207 (besondere Tatbestände der Gewinnhaftung herausbilden); Oppermann, AcP 193 (1993), 497 (für die Ausgleichsordnung habe der Gesetzgeber des BGB kein einheitliches Rechtsprinzip vorgesehen); Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 98 f.; a.A. Fournier, Bereicherungsausgleich, 55 ff. 84 Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 755. 85 Zweifelnd Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1420; Stadler, in: Jauernig, vor § 812 BGB Rn. 1. 86 Savigny, System V, 525, 564 f., 566 f. („Erweiterung eines Vermögens durch Verminderung eines anderen Vermögens“). 87 Heck, Schuldrecht, 417 ff.; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 870 ff.; Costede, Überlegungen zum Verständnis des Bereicherungsrechts, 86; Windscheid/Kipp, Pandekten II, 865; Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 193 („abstrakt vermögensorientierte[r] Anspruch des Gläubigers auf Wiederherstellung seines Vermögens gegenüber der widerrechtlichen gegenwärtigen Mehrung des Schuldnervermögens“); Kupisch, FS v. Lübtow, 501, 502 ff. (was alles rechtfertigender Grund sein könne, lasse sich generell „am wenigsten“ sagen); Flume, Ungerechtfertigte Bereicherung, 101; Looschelders, Schuldrecht BT, Rn. 1010; Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung, 97 ff.; Lieb, in: MünchKomm, § 812 BGB Rn. 7; Koziol, FS Canaris I, 631, 651. Zu Savignys Lehre ausführlich Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 19 ff.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 11 ff. („besitzindividualistische Konzeption“).
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
richt sah die Funktion des Bereicherungsrechts darin, „Vermögenswerte, die im Laufe wirtschaftlicher Vorgänge Personen zugeflossen sind, welchen sie nach den maßgebenden Wirtschaftsbeziehungen im Verhältnis zu anderen Personen nicht zukommen, denjenigen zuzuführen, denen sie gebühren.“88. Zudem wird häufig auf das Gebot der Billigkeit bzw. den Grundsatz von Treu und Glauben hingewiesen, um zu begründen, weshalb sich bereicherungsrechtliche Ansprüche gegen formal wirksamen Rechtserwerb durchsetzen89. Zumindest90 seit den Arbeiten von Wilburg und v. Caemmerer ist jedoch weitgehend anerkannt, dass das Bereicherungsrecht nicht als Einheit aufgefasst werden kann, sondern zwischen Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen mit je eigenen Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsgrundkonzepten zu unterscheiden ist91. Demnach steht bei den Leistungskondiktionen die Wirksamkeit der schuldrechtlichen causa für den Vermögenserwerb im Vordergrund92. Die zunächst nur negativ („in sonstiger Weise“) hiervon abgegrenzten Nichtleistungskondiktionen93 umfassen wie eingangs erläutert die Auf- und Verwendungskondiktionen, bei denen das Vermögen des Bereicherten zwar nicht bewusst und zweckgerichtet, aber doch aufgrund einer eigenen Handlung des Bereicherungs88
RGZ 120, 297, 299 f. (1928). BGHZ 55, 128, 134 (1971) (Bereicherungsrecht unterliege dem Gebot der Billigkeit in besonderem Maße); OLG Dresden SeuffA 75 Nr. 51 (1917); Peifer, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 207 (Billigkeits- und Korrekturfunktion); Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 752; Looschelders, Schuldrecht BT, Rn. 1011; Sprau, in: Palandt, v. § 812 BGB Rn. 2; Lieb, in: MünchKomm, § 812 BGB Rn. 1 (das verschuldensabhängige Schadensersatzrecht reiche in vielen Fällen nicht aus, um unberechtigt erlangte Vermögensvorteile wieder dem Rechtskreis des Gläubigers zuzuführen); allgemein in Bezug auf die gesetzlichen Schuldverhältnisse als „Ausgleichungsrecht“, das aus einer „Billigkeitsordnung“ entstehe Kohler, Bürgerliches Recht II 1, 454. Zur Herkunft dieses Arguments aus der Durchbrechung des gutgläubigen Erwerbs zur Korrektur des „formellen“ Sachenrechts Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. 90 Differenzierend bereits Windscheid/Kipp, Pandekten II, 871 (man müsse auf eine umfassende Formel verzichten und die einzelnen Fälle als solche ins Auge fassen); Planck4, § 812 BGB Anm. 3; Leonhard, Besonderes Schuldrecht, 452 ff. 91 Wilburg, Ungerechtfertigte Bereicherung, 22 ff.; Rabel, RabelsZ 10 (1936), 424, 425; v. Caemmerer, FS Rabel, 333, 337 ff., 378 ff.; Joerges, Bereicherungsrecht als Wirtschaftsrecht, 62; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 5; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 14 f.; Schlechtriem, ZHR 149 (1985), 327, 330; ders., Symposium König, 57, 58; Weitnauer, DB 1984, 2496, 2497; Bydlinski, System des Privatrechts, 239; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 129, 142 ff.; Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, 34 ff.; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1420 ff.; Fezer, Schuldrecht BT, 208 ff.; Eckert, Schuldrecht BT, Rn. 1427; Lorenz, in: Staudinger, § 812 BGB Rn. 1 ff.; Heimann-Trosien, in: RGRK, § 812 BGB Rn. 40; Stadler, in: Jauernig, vor § 812 BGB Rn. 1 ff.; Schulze, in: Hk-BGB, vor §§ 812–822 BGB Rn. 3; Westermann/Buck-Heeb, in: Erman, vor § 812 BGB Rn. 1, § 812 BGB Rn. 1. 92 Mot. II, 829; Leonhard, Besonderes Schuldrecht, 474 f.; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 130 f., 136 ff.; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 886 ff. (Rechtsgrundlosigkeit lasse sich nicht auf eine einheitliche Formel bringen). 93 BGHZ 107, 117, 118 (1989) – Forschungskosten; v. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 3, 738 ff.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 67; Hüffer, JuS 1981, 263; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1468; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 745; Wieling, Bereicherungsrecht, 43; Lorenz, in: Staudinger, § 812 BGB Rn. 23; Sprau, in: Palandt, § 812 BGB Rn. 10; Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, 73 ff. 89
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gläubigers ohne Rechtsgrund gemehrt wird, und die deshalb tatbestandsmäßig und teleologisch in der Nähe der Leistungskondiktionen stehen. Hinzu kommt die Eingriffskondiktion in Bezug auf Fälle, in denen eine statische Vermögenslage im Widerspruch zum objektiven Recht steht, ohne dass dieser Umstand auf eine eigene Handlung des Bereicherungsgläubigers zurückzuführen ist. Für diese Differenzierung spricht bereits der Wortlaut des § 812 Abs. 1 S. 1 BGB, der als Eingangsnorm des 26. Titels keinen einheitlichen Schutzzweck des Bereicherungsrechts normiert, sondern aus gesetzestechnischen Gründen die wichtigsten Fallgruppen dieser Materie an den Anfang stellt94. Die Einheitstheorien sind gezwungen, die disparaten Kondiktionstypen auf so abstrakter Ebene zusammenzufassen, dass sich hieraus kaum Entscheidungshilfen ableiten lassen95. Dasselbe gilt für die Rede vom Bereicherungsrecht als Instrument der Billigkeit, denn auch damit bleibt der entscheidende Punkt offen, warum eine konkrete Vermögensänderung grundlos und deshalb rückgängig zu machen ist96. Als ein 94 Siehe Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 833 („Vereinfachung und bessere[n] Übersichtlichkeit des Gesetzes“; „Vermeidung zahlreicher, das Verständniß erschwerender Verweisungen“); Prot. II 2, 684 (mit Verweis auf Art. 70 OR); Jung, Bereicherungsansprüche, 16; Koppensteiner/ Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 3 (gesetzestechnisch). 95 Siehe etwa Costede, Überlegungen zum Verständnis des Bereicherungsrechts, 47 (grundlegend sei ein „Rechtsschutz- oder Restitutionsprinzip“, das er als „Abwägung gegenläufiger Interessen“ definiert), 72 (die dafür erforderlichen Wertungen seien dem geschriebenen Recht zu entnehmen); vage auch die Definition der „Abschöpfungskondiktion“ bei Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 383 (wo eine „zuweisungswidrige Vermögenslage besteht, kann der Entreicherte, dem der Vorteil gebührt, ihn vom Bereicherten abschöpfen“). Kritisch dazu bereits Windscheid/Kipp, Pandekten II, 866 mit Fn. 1; Heimann-Trosien, in: RGRK, vor § 812 BGB Rn. 3; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 142 f.; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 718 mit Fn. 5; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 14; Hüffer, JuS 1981, 263, 268; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1420. Aus diesem Grunde eine allgemeine Bereicherungsklage auf einheitlicher Grundlage ablehnend der Vorentwurf zum BGB; siehe v. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 3, 663 („völlig vage[r] und keiner sicheren Anwendung fähige[r] Grundsatz“); vermittelnd Lieb, in: MünchKomm, § 812 BGB Rn. 1 ff. 96 Siehe RGZ 97, 310, 312 (1919) (Billigkeitserwägungen könnten für die Anwendbarkeit des § 812 BGB nicht allein ausschlaggebend sein); BGHZ 99, 385, 390 (1987) (zur Billigkeit des Ergebnisses in einem Sonderfall unter Verweis darauf, dass die Bereicherung „im Ergebnis“ aus dem Eigentum bzw. dessen Surrogat erfolgt sei); BGHZ 107, 117, 120 (1989) – Forschungskosten („Der Gedanke der Billigkeit wie die Erkenntnis allein, es bestehe ein Regelungsbedarf zur Wahrung unterschiedlicher wirtschaftlicher Interessen, vermögen einen Bereicherungsausgleich über die Grundsätze der Eingriffskondiktion nicht zu tragen.“); v. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 3, 663 m.w.N. aus dem römischen Recht und der dem BGB vorangehenden Literatur. Ablehnend auch Savigny, System III, 451; Windscheid, AcP 78 (1892), 161, 179 (Begriff der Billigkeit sehr unbestimmt; der Grund, weswegen das Rückforderungsrecht gegeben werde, bleibe im Dunkeln); Wilburg, AcP 163 (1963), 346 (Begriffe wie Treu und Glauben oder die Billigkeit könnten niemals als Begründung eines Anspruchs genügen); Jung, Bereicherungsansprüche, 139; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 98; Schlechtriem, Symposium König, 57, 65; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 129; Medicus, BürgR, Rn. 662; Lieb, in: MünchKomm, § 812 BGB Rn. 22 (der Gedanke der Billigkeit sei ungeeignet, für sich allein irgendwelche Benachteiligungen des Gläubigers bzw. Bevorzugungen des Schuldners zu begründen); Heimann-Trosien, in: RGRK, vor § 812 BGB Rn. 2, 4; v. Sachsen Gessaphe, in: AnwKommm, § 812 BGB Rn. 2; Westermann/Buck-Heeb, in: Erman, vor § 812 BGB Rn. 2; Wendehorst, in: Bamberger/Roth, vor § 812 BGB Rn. 3 („trivial oder unzutreffend“); mit scharfer rechtspolitischer Kritik Knieper, KritJ 1980, 117, 121 ff.
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Mittel zur unmittelbaren Verwirklichung der materialen Gerechtigkeit sind die §§ 812 ff. BGB allenfalls dann einzuordnen, wenn das Bereicherungsrecht formale Mechanismen des deutschen Privatrechts wie die Vertragsfreiheit und das Abstraktionsprinzip korrigiert, weil jene zu Ergebnissen führen, die mit den Wertungen der Gesamtrechtsordnung unvereinbar sind97. Für die unerlaubte Nutzung von Gütern trägt selbst diese eingeschränkte Berücksichtigung der Billigkeit nicht, denn hier fehlt es ja gerade an einem formal wirksamen Rechtserwerb, der anschließend modifiziert werden soll98. Zutreffend werden die Einheitstheorien daher als gescheitert betrachtet99. Auch diese Erkenntnis lässt sich für die Frage nach der Güterzuordnungstendenz des Bereicherungsrechts fruchtbar machen. Denn die ebenfalls unter dem Motto der Billigkeit und materialen Gerechtigkeit vorgebrachten Kerngedanken der Güterzuordnung – Wert, Arbeit und persönliche Prägung – vermögen aus sich heraus kaum eine Bereicherungshaftung zu begründen, wenn dieses gesetzliche Schuldverhältnis kein Instrument zur Verwirklichung der Billigkeit ist. Diese Auffassung wird vom Bundesgerichtshof geteilt. Seiner Ansicht nach rechtfertigen weder „die Erkenntnis allein, es bestehe ein Regelungsbedarf zur Wahrung unterschiedlicher wirtschaftlicher Interessen“ noch der „erhebliche geistige und kostenintensive Aufwand“ einen Bereicherungsausgleich über die Grundsätze der Eingriffskondiktion bzw. „einen selbständigen Leistungsschutz“100.
II. Zweck der Eingriffskondiktion 1. Herleitung Wenn demnach kein übergreifender Zweck des Bereicherungsrechts mit konkretisierbarem Inhalt formuliert werden kann, reduziert sich die Fragestellung auf die Funktion der güterzuordnungsrelevanten Eingriffskondiktion. Insoweit ergibt bereits die Gegenüberstellung zu den klassischen Fallgruppen der Leistungskondiktion, dass keine bewussten und zweckgerichteten, insbesondere vertraglichen Mehrungen fremden Vermögens zwischen bestimmten Parteien rückgängig gemacht werden sollen, sondern eine bestimmte, gegenüber jedermann gültige Vermögensverteilung verwirklicht wird, wie sie vor dem Eingriff bestand. Konsequent bezieht die inzwischen ganz herrschende Meinung die Eingriffskondik97 BGHZ 36, 232, 234 f. (1961) (zum Bereicherungsausgleich zwischen einer „Vorrats- und Einfuhrstelle“ und deren Abnehmern nach dem 2. Weltkrieg). 98 Siehe auch Leonhard, Besonderes Schuldrecht, 475 (wäre die Billigkeit maßgeblich, dann müssten die vom Bereicherungsrecht im Ergebnis korrigierten rechtlichen Anordnungen ihrerseits wegen Unbilligkeit aufgegeben werden). 99 V. Caemmerer, FS Rabel, 333, 335, 337 m.w.N.; ferner Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 142 f.; Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, 37; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 14; Gödicke, Bereicherungsrecht und Dogmatik, 178 ff. 100 BGHZ 107, 117, 120, 122 (1989) – Forschungskosten; OLG Karlsruhe NJW-RR 2000, 1005, 1006; Hauck, DB 1985, 1927 ff. m.w.N.; a.A. Weitnauer, DB 1984, 2496, 2499.
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tion auf die statische Wahrung des Güterschutzes bzw. in den Worten des Art. 38 Abs. 2 EGBGB auf die „geschützten Interessen“101. Dieser Funktion entsprechen nicht nur die unstreitigen Anwendungsgebiete der Eingriffskondiktion, seien es vom Bereicherten selbst getätigte Eingriffe in den Schutzbereich normierter Ausschließlichkeitsrechte102, entsprechende Dreieckskonstellationen, bei denen ein Dritter den Bereicherten durch unerlaubte Nutzungen begünstigt103, oder Naturvorgänge, etwa das Anschwemmen fremder Sachen104. Vielmehr beruhen auch die als Spezialregelungen der Eingriffskondiktion qualifizierten Vorschriften auf dem Gedanken, dass entgegen einer allgemeinen Güterzuordnungsregel erworben wurde. Hierzu zählt zuvorderst § 816 Abs. 1 S. 1 BGB, wonach der Nichtberechtigte zur Herausgabe dessen verpflichtet ist, was er aus einer dem Berechtigten gegenüber wirksamen Verfügung über einen Gegenstand erlangt hat105. Eingegriffen wird hier in die rechtliche Verfü101 V. Caemmerer, FS Rabel, 333, 353; Weitnauer, ZHR 142 (1978), 398, 399; ders., DB 1984, 2496, 2497; Hüffer, JuS 1981, 263 (maßgeblich sei das „Recht der Güterzuordnung“); Westermann, AcP 178 (1978), 150, 184; König, Gutachten, 1515, 1550; Mühl/Hadding, in: Soergel, § 812 BGB Rn. 143; Loewenheim, WRP 1997, 913, 914; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1467; Leupertz, in: Prütting/Wegen/Weinreich, § 812 BGB Rn. 56; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 130; Emmerich, Schuldrecht BT, 207 (Rechtsgüterschutz); Schwarz/Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 183; Eckert, Schuldrecht BT, Rn. 1427; v. Sachsen Gessaphe, in: AnwKommm, § 812 BGB Rn. 74; Lieb, in: MünchKomm, § 812 BGB Rn. 1; Lorenz, in: Staudinger, § 812 BGB Rn. 1; Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 749. Von der Verwirklichung des „Eigentumsgedankens“ spricht in diesem Sinne auch Wilburg, Ungerechtfertigte Bereicherung, 35; Jung, Bereicherungsansprüche, 7 und öfter. Anders und wenig klar Kurz, Besitz als Gegenstand der Eingriffskondiktion, 45 („selbständige schuldrechtliche Nachprüfung der Plangemäßheit der Güterbewegung“ trotz eines förmlichen Bekenntnisses zur Lehre vom Zuweisungsgehalt). 102 Dazu Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 485 ff. (Eigentum), 591 ff. (Immaterialgüterrechte). Ferner LG Karlsruhe NJW-RR 2000, 1005, 1006 (bei Immaterialgüterrechtsverletzungen sei die Anwendung der Eingriffskondiktion „unproblematisch); Planck4, § 812 BGB Anm. 3b; Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, 73 ff.; Heimann-Trosien, in: RGRK, § 812 BGB Rn. 43; Medicus, BürgR, Rn. 703; Brüggemeier, in: AK, § 812 BGB Rn. 49. Anders OLG Nürnberg NJW-RR 2001, 1478 f. (irrtümliche Überweisung durch den Bereicherungsgläubiger als Fall der Eingriffskondiktion). 103 Wieling, Bereicherungsrecht, 46. Klassisch: Der Hausmeister verbrennt das Holz des A zur Beheizung der Wohnung des B. 104 Eigenständig behandeln diese Fallgruppe ohne Erläuterung der tatbestandlichen oder rechtsfolgenorientierten Besonderheiten Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 67, 69. 105 BGH NJW 1970, 2059; Freund, Eingriff in fremde Rechte, 2, 19; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 68; Hüffer, JuS 1981, 263, 266; Thielmann, AcP 187 (1987), 23, 30; Windscheid/Kipp, Pandekten II, 878; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 75; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 282 ff.; König, Ungerechtfertigte Bereicherung, 163; Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, 80 f.; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 180; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1472; Medicus, Schuldrecht BT, Rn. 697 f.; ders., BürgR, Rn. 720; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 196 f.; Peifer, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 246; Lorenz, in: Staudinger, § 812 BGB Rn. 25; Stadler, in: Jauernig, § 812 BGB Rn. 1; Sprau, in: Palandt, § 816 BGB Rn. 1; v. Sachsen Gessaphe, in: AnwKommm, § 812 BGB Rn. 74; a.A. Klien, Das Recht auf den Eingriffserwerb, 81 (mit Blick auf die Rechtsfolgen sei § 816 BGB kein Bereicherungsanspruch, sondern ein „Recht auf den Eingriffserwerb“); Höhn, Beeinträchtigung von Rechten, 79 ff. (das Verständnis des § 816 Abs. 1 BGB als Eingriffskondiktion sei zu eng).
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gungsmacht des Eigentümers106, denn dem Nichtberechtigten fehlt die Verfügungsbefugnis107 zur rechtsgeschäftlichen Übertragung, Belastung, Änderung oder Aufhebung eines Ausschließlichkeitsrechts108. In diesem Kontext ist auch der Begriff des „Gegenstands“ zu lesen, der in dieser Vorschrift „Sache oder Vermögensrecht“ bedeutet109. Zutreffend wird der Anspruch daher als Rechtsfortwirkungsanspruch aus dem Eigentum aufgefasst: Der gutgläubige Erwerb des Eigentums bleibt zwar unberührt. Dafür wird zumindest sein Wert an den früheren Eigentümer ausgekehrt, und zwar gerade in den Fällen, in denen mangels Verschuldens Ansprüche aus Deliktsrecht und Geschäftsanmaßung gegen den Handelnden versagen110. Bei unentgeltlichen Verfügungen setzt § 816 Abs. 1 S. 2 BGB die ursprüngliche Zuordnungsregelung sogar gegen den gutgläubigen Erwerber durch, weil der nichtberechtigt Verfügende in dieser Konstellation keinen restituierbaren Wertersatz erlangt111. Dabei kommt es nach dem Wortlaut auf einen rechtlichen Vorteil, nicht auf eine nur faktische Verbesserung der Vermögenslage beim Schuldner an112. Der Rechtsfortwirkungsgedanke trägt ferner für die Anwendungsfälle des § 816 BGB jenseits des Eigentumsparadigmas, nämlich für die nichtberechtigte Verfügung über Erbschaftsgegenstände, Forderungen und Wertpapiere, die gem. der §§ 2366, 1507 BGB, Art. 16 WechselG, 21 ScheckG gutgläubig erworben
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Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 755. BGH NJW 2004, 365 (fehlendes „Verfügungsrecht“); Sprau, in: Palandt, § 816 BGB Rn. 7a; Stadler, in: Jauernig, § 816 BGB Rn. 3; Peifer, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 247. Zum Begriff der Verfügung noch unten § 10 B I. 108 Siehe RGZ 105, 408, 409 (1922); RGZ 106, 109, 111 f. (1922) m.w.N.; RGZ 119, 332, 338 (1927); BGHZ 1, 294, 304 (1951); BGHZ 14, 7, 8 f. (1954); BGHZ 91, 288, 289 ff. (1984) (Änderung des Inhalts einer Forderung als Verfügung); BGHZ 131, 297, 305 (1995); Hüffer, JuS 1981, 263, 266; Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, 81 ff.; Medicus, Schuldrecht BT, Rn. 699; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 181; Stadler, in: Jauernig, § 816 BGB Rn. 2; Sprau, in: Palandt, § 816 BGB Rn. 7; Emmerich, Schuldrecht BT, 215. 109 BGHZ 1, 294, 305 (1951); Sprau, in: Palandt, § 816 BGB Rn. 1. Allgemein unten § 10 B II. 110 Siehe BGHZ 47, 128, 130 f. (1967) (wegen der Rechtsfortwirkung zu § 985 BGB könne der Erwerber auch keine Aufwendungen zum Erwerb des Gegenstandes bereicherungsmindernd abziehen); BGH NJW 1970, 2059; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 180 f.; Medicus, Schuldrecht BT, Rn. 698; Sprau, in: Palandt, § 816 BGB Rn. 1; Kittner, Schuldrecht, Rn. 1356; v. Sachsen Gessaphe, in: AnwKommm, § 812 BGB Rn. 9. Die Entwicklung des Anspruchs aus dem Eigentum bestätigt auch der Umstand, dass im Vorentwurf für das Sachenrecht eine den §§ 816 Abs. 1 S. 1, 951 BGB entsprechende Regelung für den Verlust des Eigentums an Grundstücken und beweglichen Sachen enthalten war (§§ 195, 196 Abs. 1 Nr. 2); siehe Schubert, Sachenrecht 1, 46 f., 1084 ff. 111 Siehe Hüffer, JuS 1981, 263, 267; Thielmann, AcP 187 (1987), 23, 30; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 197 ff.; a.A. Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 233 (§ 816 Abs. 1 S. 2 BGB als Fall der „Abschöpfungskondiktion“). 112 Siehe BGHZ 91, 288, 289 ff. (1984) (Änderung der Bezugsberechtigung einer Lebensversicherung als Verfügung über den Inhalt einer Forderung, so dass der Auszahlungsbetrag gem. § 816 Abs. 1 S. 2 BGB kondiziert werden könne). 107
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werden können113. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang zwei weitere Spezialregelungen der Nichtleistungskondiktion, die allerdings auch durch eigene Handlungen des Bereicherungsgläubigers ausgelöst werden können und daher nach hier vertretener Einteilung114 keine „reinen“ Eingriffskondiktionen darstellen115. Gleichwohl betreffen sie Eingriffe in Rechtspositionen des Bereicherungsgläubigers, die diesem gegenüber jedermann zustehen. § 816 Abs. 2 BGB verpflichtet zur Herausgabe des Erlangten, wenn eine Forderung rechtsgrundlos erlischt, so dass die gegen jedermann gesicherte Forderungszuständigkeit des Berechtigten beeinträchtigt wird116; die §§ 946 ff., 951 BGB regeln den Eigentumsverlust kraft Gesetzes, bei dem der Kondiktionsanspruch ebenfalls an die Stelle des Eigentums tritt117. Insgesamt erweist sich der unerlaubte Eingriff in den Schutzbereich des Sacheigentums als klassischer Fall der Eingriffskondiktion118. Dass die Benutzung oder der Gebrauch fremden Eigentums bereicherungsrechtliche Ansprüche auslösen kann, war schon zum gemeinen Recht119 und während der Entstehungszeit des BGB akzeptiert, auch wenn das allgemeine Problem der eingriffsbewehrten Rechtspositionen noch nicht erkannt war120. Wenn stets die sachenrechtlichen
113 Zu den §§ 2366, 1507 BGB siehe Wiegand, JuS 1975, 283 ff.; Schreiner, NJW 1978, 921 ff.; Stürner, in: Jauernig, § 2366 Rn. 2; Edenhofer, in: Palandt, § 2366 Rn. 1. Zur wertpapierrechtlichen Bereicherungshaftung eines Beschenkten gem. § 816 Abs. 1 S. 2 BGB und zur Anwendung der §§ 929 ff. BGB auf die Übertragung des „Eigentums“ an Inhaberpapieren BGH NJW 1999, 1393; weitere Nachweise über Gründe der Wirksamkeit der Verfügung bei Sprau, in: Palandt, § 816 BGB Rn. 8. 114 Oben A. 115 Zu den §§ 946 ff., 951 BGB siehe OLG Hamburg NZM 2002, 872 f. (Einbau von Fenstern in der irrtümlichen Annahme, als Sondereigentümer dazu verpflichtet zu sein); Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 380 f. 116 BGHZ 68, 276, 279 (1977); BGHZ 99, 385, 386 (1987); Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 68; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 200; Hüffer, JuS 1981, 263, 267; Windscheid/Kipp, Pandekten II, 878 f.; Medicus, Schuldrecht BT, Rn. 707; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 756; Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 768. Die Entscheidung OLG Nürnberg NJW-RR 2001, 1478 f., betrifft zwar das Erlöschen einer Forderung; weil indes der Bereicherungsgläubiger selbst handelte, liegt ein Fall der sonstigen Nichtleistungskondiktion vor, für den kein Eingriff in den Zuweisungsgehalt einer Rechtsposition erforderlich ist (oben A). Anders zum Verbrauch fremden Geldes als Fallgruppe der Eingriffskondiktion Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich II, 146 (erforderlich sei der Verlust des Eigentums an Geldscheinen oder die Anerkennung der Eingriffskondiktion wegen Eingriffs in die Forderung gegen die Bank bei Buchgeld). 117 Dazu BGHZ 55, 176, 178 f. (1971); Hüffer, JuS 1981, 263, 264 f.; Sprau, in: Palandt, § 812 BGB Rn. 96 ff. m.w.N. 118 Emmerich, Schuldrecht BT, 207; Fournier, Bereicherungsausgleich, 68 f.; siehe die Beispiele bei Windscheid/Kipp, Pandekten II, 872 f. Diese Ausrichtung am Eigentum und seiner Verletzung zeigt auch die Verweisungskette von § 818 Abs. 4 BGB auf § 292 BGB und das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis. 119 RGZ 43, 56, 60 (1898). Nach Inkrafttreten des BGB RGZ 97, 310, 311 f. (1919) (Nutzung eines Grundstücks unter Ersparung der sonst zu zahlenden Entschädigung). 120 Siehe zum Vorentwurf v. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 3, 670, 748 f.; zur Diskussion des E I Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 826 f. (Verzehr fremden Gutes); Mot. II, 851 (es
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Wertungen für den Bereicherungsanspruch maßgeblich sind121, muss die Eingriffskondiktion ihrerseits auf die statische Güterzuordnung ausgerichtet sein und ihrer Verwirklichung dienen. Zudem lässt die für alle genannten Kondiktionen geltende Regelung des Umfangs des Bereicherungsanspruchs (§ 818 BGB) erkennen, dass abgesehen von eigentumsfähigen Sachen primär an solche Güter gedacht ist, die durch subjektive Rechte einer Person zugewiesen sind. Denn § 818 Abs. 1 1. Alt. BGB erstreckt die Herausgabe- bzw. Wertersatzpflicht (§ 818 Abs. 2 BGB) auf die gezogenen Nutzungen122. Nutzungen sind gem. § 100 BGB die Früchte einer Sache oder eines Rechts sowie die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewährt. Die vom Gesetz ausdrücklich vorgesehene Nutzungsherausgabe setzt folglich voraus, dass es sich beim Erlangten entweder um eine Sache – die dem jeweiligen Eigentümer gem. § 903 BGB zugewiesen ist – oder um Früchte bzw. Vorteile des Gebrauchs eines Rechts handelt123. In beiden Fällen kann sich der Bereicherungsgläubiger auf eine Rechtsposition berufen, aus der sich ergibt, dass das herauszugebende Gut und dessen Nutzungen ihm gebühren124. Diese Ausrichtung bestätigt schließlich der Wortlaut des § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB, auch wenn grammatische Argumente hier schon wegen der erst nach Inkrafttreten des Gesetzes herausgearbeiteten Kondiktion wegen Eingriffs in „geschützte Interessen“ (Art. 38 Abs. 2 EGBGB) nur von untergeordneter Bedeutung sind. So beschreibt das Gesetz die Person des Bereicherungsgläubigers mit den Worten, dass etwas auf dessen bzw. eines anderen Kosten erlangt wurde. Unabhängig von der im Einzelnen umstrittenen Frage, anhand welcher Kriterien die Parteien des Bereicherungsschuldverhältnisses zu bestimmen sind, impliziert diese Formulierung eine individualbezogene Sichtweise, bei der ein Vermögenswert betroffen ist, der untechnisch einem anderen „gehört“, „sein“ ist. Entsprechende Schlussfolgerungen lassen sich dem Tatbestandsmerkmal „ohne rechtlichen Grund“ entnehmen, das in der 2. Alternative von § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zur Voraussetzung des Erlangens „auf dessen Kosten“ hinzutritt, so dass die Rechtswidrigkeit der Handlung auch deshalb nicht der allein relevante
121 gebe zwei Fallgruppen der condictio sine causa ohne Willen des Einen, nämlich die „zweifellos“ als rechtsgrundlos zu beurteilenden Fälle des Verzehrs oder Verbrauchs fremder Güter und den Erwerb auf Grund der Rechtsordnung wie bei Ersitzung, Verjährung usw., der aber nicht kondiktionsfest sei). 121 Zum Vorrang des gutgläubigen Erwerbs und der Ersitzung Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 139. 122 Siehe nur Kaiser, Nutzungsherausgabe im Bereicherungsrecht, 92 f. 123 Ebenso § 818 Abs. 1 2. Alt. BGB, wonach auch „dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts erwirbt“, herauszugeben ist. Anders aber die Rechtsprechung, die auch die mit einem rechtsgrundlos erlangten Unternehmen erzielten Gewinne als Nutzungen ansieht; BGHZ 168, 220, 241 (2006) m.w.N. 124 Siehe Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 53 (bei § 687 Abs. 2 BGB seien die „Früchte der Arbeit“ und nicht nur die Sach- und Rechtsfrüchte wie bei § 818 Abs. 1 BGB herauszugeben).
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Maßstab sein kann, wie dies von der Rechtswidrigkeitstheorie vertreten wurde125. Vielmehr ergibt sich aus der Formulierung, dass die Person des Bereicherungsgläubigers und der Anknüpfungspunkt für die Entscheidung, den betreffenden Vermögenswert gerade zu seinen Gunsten zu restituieren („auf dessen Kosten“), eigenständig festzulegen sind, bevor geprüft wird, ob der rechtliche Grund für die Bereicherung des Schuldners fehlt126. Die herrschende Lehre vom Zuweisungsgehalt (dazu sogleich) greift diese Struktur zutreffend auf, indem sie letztgenanntes Merkmal nicht auf das Verhalten des Schuldners bezieht, sondern nach einem ausnahmsweisen Behaltensgrund für den Verbleib des Vorteils beim Bereicherten in Form einer vertraglichen oder gesetzlichen Gestattung fragt127. Mit dieser im Wortlaut angelegten Unterscheidung zwischen Tatbestand und Rechtswidrigkeit reflektiert § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB das Modell des Erfolgsunrechts, wie es insbesondere bei Ausschließlichkeitsrechten zur Geltung kommt. Zwar muss der Bereicherungsgläubiger das Fehlen eines Rechtsgrundes darlegen und beweisen128, was aber nicht ausschließt, vom Tatbestand auf den Mangel eines rechtlichen Grundes zu schließen (Indikation der Rechtswidrigkeit), so dass der Schuldner doch wieder gezwungen ist, einen besonderen Grund dazutun, warum er den Vermögenswert behalten darf. Alle hier zusammengetragenen Gesichtspunkte deuten darauf hin, dass das Bereicherungsrecht Ansprüche auf Abschöpfung von Vermögensvorteilen aus einer unerlaubten Nutzung von Gütern gewährt, wenn diese Werte nach der rechtlichen Vermögensverteilung ex ante nicht dem Bereicherten, sondern dem Bereicherungsgläubiger zustehen, und zwar unabhängig davon, ob sich dessen Bilanz
125 Oben B II; ferner Callmann, GRUR 1928, 251, 256 (in Bezug auf das UWG sogar Indikation der Rechtswidrigkeit und daher grundsätzliche Pflicht zur Herausgabe des Erlangten); gerade umgekehrt auf der Basis der Einheitstheorie Kupisch, FS v. Lübtow, 501, 507. 126 Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 70; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 135 (die Rechtsgrundproblematik sei nicht mit der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „auf dessen Kosten“ identisch); Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 223; Kaehler, Bereicherungsrecht und Vindikation, 154 mit Fn. 3. 127 Siehe Windscheid/Kipp, Pandekten II, 872, 877; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 98; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 746; Looschelders, Schuldrecht BT, Rn. 1071; Wieling, Bereicherungsrecht, 48; Kaehler, Bereicherungsrecht und Vindikation, 43 f., 154 f.; Rümker, Das Tatbestandsmerkmal „ohne rechtlichen Grund“, 33 (mit Verweis auf das Erfolgsunrecht); Planck4, § 812 BGB Anm. 3b; Lieb, in: MünchKomm, § 812 BGB Rn. 15; Wendehorst, in: Bamberger/Roth, § 812 BGB Rn. 137 ff.; v. Sachsen Gessaphe, in: AnwKommm, § 812 BGB Rn. 88 m.w.N. (ausnahmsweiser Behaltensgrund); Hüffer, JuS 1981, 263, 264; Loewenheim, WRP 1997, 913, 915; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 138 ff. (es komme auf die Fehlerlosigkeit der Güterbewegung „als solcher“ an); Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, 73 ff.; Schulze, in: Hk-BGB, § 812 BGB Rn. 17; Sprau, in: Palandt, § 812 BGB Rn. 93; Kropholler, Studienkommentar BGB, § 812 BGB Rn. 40; Jung, Bereicherungsansprüche, 46 (ausnahmsweiser Behaltensgrund); Westermann/Buck-Heeb, in: Erman, § 812 BGB Rn. 1, 64; Wilburg, Ungerechtfertigte Bereicherung, 47 f.; auf der Basis der Lehre von der Vermögensverschiebung Wolf, Der Stand der Bereicherungslehre, 183; unklar Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 542 ff.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 192 („irgendeine[r] rechtliche[n] Legitimation“). 128 Rabel, RabelsZ 10 (1936), 424, 428.
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durch den Vorgang geändert hat129. Die einschlägige Eingriffskondiktion dient also der Wahrung der statischen Vermögensordnung, wobei sich das Eigentum an Sachen als Paradigma erwiesen hat. Auf der Seite potentieller Bereicherungsschuldner ist hingegen die allgemeine Handlungsfreiheit berührt. Denn um sich keinen verschuldensunabhängigen (!) Ansprüchen auf Restitution der erlangten Vermögenswerte auszusetzen, muss jedermann „Eingriffe in geschützte Interessen“ (Art. 38 Abs. 2 EGBGB) unterlassen. Mithin betrifft die Eingriffskondiktion unmittelbar das Spannungsverhältnis des Güterzuordnungsrechts. Umso zentraler ist die Frage, warum bestimmte Bereicherungen an den Gläubiger ausgekehrt werden, obwohl es ggf. gar keinen messbaren Vermögensschaden zu verzeichnen gibt130. 2. Theoretische Verarbeitung: Lehre vom Zuweisungsgehalt Die Antwort hierauf liefert die seit langem herrschende Lehre vom Zuweisungsgehalt, die an dieser Stelle nur in ihren Grundstrukturen zu referieren ist, während die Quellen und konkreten Voraussetzungen des erforderlichen Zuweisungsgehalts einer Rechtsposition im folgenden Abschnitt gesondert analysiert werden. Diese Auffassung ist dadurch gekennzeichnet, dass der Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion in zutreffender Abgrenzung zum Deliktsrecht und in Verarbeitung der erörterten bereicherungsrechtlichen Argumente nicht über die Widerrechtlichkeit der Eingriffshandlung definiert wird, sondern sich nach einer bestimmten Qualifikation der „geschützten Interessen“ (Art. 38 Abs. 2 EGBGB) richtet, die eben mit dem Begriff des „Zuweisungsgehalts“ umschrieben wird131. Die Ursprünge dieser Lehre reichen bis in die Zeit vor Inkrafttreten des BGB zurück, denn schon damals stellte das Reichsgericht bei unerlaubter Nutzung immaterialgüterrechtlich geschützter Güter darauf ab, dass sich der Eingreifer Früchte zu seinem Vorteil angeeignet habe, die ihm nicht zustünden132. Verallgemeinert wurde dieser Gedanke wohl zuerst von Philipp Heck, der das Tatbe129 Heck, Schuldrecht, 417 (status quo ex ante wahren); Batsch, Vermögensverschiebung, 62 (Zusammenfassung der Konsequenzen mit dem Satz: „Wer einen Gegenstand unbefugt aber schuldlos gebraucht bzw. nutzt, ist verpflichtet, dem Berechtigten für die Dauer des Gebrauchens bzw. Nutzens ein angemessenes und übliches Gebrauchs- bzw. Nutzungsentgelt zu zahlen.“); Rümker, Das Tatbestandsmerkmal „ohne rechtlichen Grund“, 44 ff., 49 (die Werthaftung deute darauf hin, dass die Eingriffskondiktion die Funktion der schuldrechtlichen Verwirklichung des Eigentumsschutzes habe); Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 237 (dritte Säule des Anspruchsgebäudes bei der Usurpation fremder Rechtsgüter neben den §§ 823 Abs. 1; 687 Abs. 2, 681 S. 1, 667 BGB); deutlich Knieper, BB 1991, 1578, 1579 ff. (durch den Verzicht auf das Merkmal der Vermögensverschiebung würden dem Berechtigten Monopolrenten zugebilligt und der Handelnde pönalisiert); Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 13 f. und öfter. 130 Lieb, in: MünchKomm, § 812 BGB Rn. 248. 131 Zur Theorieentwicklung ausführlich Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 148 ff.; allgemein etwa Lieb, in: MünchKomm, § 812 BGB Rn. 240 ff.; Mühl/Hadding, in: Soergel, § 812 BGB Rn. 141; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 4 ff.; Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 754 ff.; Wolf, Der Stand der Bereicherungslehre, 47 ff. 132 RGZ 35, 63, 70 (1895).
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standsmerkmal „auf Kosten“ so erklärte, dass die Erwerbsmöglichkeiten dem Gläubiger „allgemein … zugewiesen“ sein müssten133. Aber erst Wilburg bezog den güterzuordnenden Zweck des betroffenen Rechts speziell auf die Eingriffsim Gegensatz zur Leistungskondiktion, wobei er die Funktion der §§ 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt, 816 Abs. 1 S. 1, 951 Abs. 1 BGB zur Fortsetzung des Eigentums und als Vindikationsersatz hervorhob134. Seither verlangen ständige Rechtsprechung und ganz herrschende Meinung für einen Anspruch wegen Eingriffskondiktion die unerlaubte Nutzung von Gebrauchs- bzw. Verwertungsmöglichkeiten eines Guts, die einem Berechtigten im Sinne einer Anwartschaft oder rechtlich gesicherten Erwerbsaussicht durch die Rechtsordnung zu dessen ausschließlicher Verfügung zugewiesen sind135. Bei der Leistungskondiktion ist die rechtsgrund133
Heck, Schuldrecht, 421. Wilburg, Ungerechtfertigte Bereicherung, 27 ff. („Aus dem Eigentum entsteht die Bereicherungsklage.“); in diesem Sinne bereits Freund, Eingriff in fremde Rechte, 47 f. (§ 816 BGB als „dingliche[n] Verfolgung des Gutes“). Zum Eigentum als Paradigma v. Caemmerer, FS Rabel, 333, 353; Wilburg, AcP 163 (1963), 346, 348 f. (Eigentum als Fundament des Bereicherungsanspruchs); Hüffer, JuS 1981, 263; Lorenz, in: Staudinger, § 812 BGB Rn. 1; Hubmann, FS Ulmer, 108, 114; Stadler, in: Jauernig, § 812 BGB Rn. 51; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 169 f., 172; Medicus, BürgR, Rn. 709; Heimann-Trosien, in: RGRK, § 812 BGB Rn. 42; v. Sachsen Gessaphe, in: AnwKommm, § 812 BGB Rn. 9, 80; Westermann/Buck-Heeb, in: Erman, § 812 BGB Rn. 65; rechtsvergleichend Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich II, 278. 135 RG JR Beilage 1925, 734 f. (Nr. 1047) (Realgewerbegenehmigung als absolutes Aneignungsrecht); BGHZ 14, 7, 9 (1954); BGHZ 55, 176, 179 (1971) (zu § 951 BGB); BGHZ 68, 90, 99 (1976) (mit Hinweis auf v. Caemmerer, Esser, Larenz und Mestmäcker, also auf Vertreter der Lehre vom Zuweisungsgehalt); BGHZ 68, 276, 278 f. (1977); BGHZ 71, 86, 98 (1978); BGHZ 82, 299, 306 (1981); BGH NJW 1987, 771 („812 I 1 Alt. 2 BGB soll einen Ausgleich für den Eingriff in ein fremdes Recht gewähren, das die in Anspruch genommenen Vermögensvorteile einem anderen zuweist.“); BGHZ 99, 385, 387, 389 (1987); BGHZ 107, 117, 120 f. (1989) – Forschungskosten; BGH GRUR 1990, 914, 917; BGH NJW 1993, 1919; BGH NJW 1999, 1393 f.; BGH GRUR 2000, 685, 686; BGH GRUR 2001, 1156, 1157 m.w.N.; BGHZ 149, 191, 205 (2001); BGH NJW 2007, 689, 690; KG NJW-RR 1992, 1362, 1363 („maßgebliche rechtliche Güterzuordnung“); OLG München ZUM-RD 1997, 449, 451; OLG Karlsruhe NJW-RR 2000, 1005, 1006. Aus der Literatur Medicus, BürgR, Rn. 665; ders., Schuldrecht BT, Rn. 713; Leupertz, in: Prütting/Wegen/Weinreich, § 812 BGB Rn. 56 f., 61; Loewenheim, WRP 1997, 913, 916; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 890; v. Caemmerer, FS Rabel, 333, 378 f.; Bydlinski, System des Privatrechts, 240; Looschelders, Schuldrecht BT, Rn. 1066; Fezer, Schuldrecht BT, 210; Hubmann, FS Ulmer, 108, 111 ff.; Emmerich, Schuldrecht BT, 208 f.; Eckert, Schuldrecht BT, Rn. 1463; Heimann-Trosien, in: RGRK, § 812 BGB Rn. 42 („Grundrechte“, die eine Güterzuweisung vornehmen und damit die Eingriffskondiktion tragen); Stadler, in: Jauernig, § 812 BGB Rn. 51; Schulze, in: Hk-BGB, § 812 BGB Rn. 13; Sprau, in: Palandt, § 812 BGB Rn. 93; Kropholler, Studienkommentar BGB, § 812 BGB Rn. 34 ff.; v. Sachsen Gessaphe, in: AnwKommm, § 812 BGB Rn. 80; Wendehorst, in: Bamberger/Roth, § 812 BGB Rn. 120 ff.; Peifer, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 243 (gesetzliche Zuweisungsregelung). Auch Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 93, lehnt die Handlungsorientierung der Rechtswidrigkeitstheorie ab und fragt danach, ob dem Berechtigten ein Gut zugewiesen sei. Der Unterschied zwischen Wilhelm und der h.M. besteht jedoch in der von ihm verfochtenen Einheitlichkeit des Bereicherungsrechts, so dass der Gedanke der Zuweisung auch für die Leistungskondiktion fruchtbar gemacht wird; zu Wilhelms Ansatz ausführlich Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 128 ff. Für eine durch Einbeziehung des Zustandekommens des Bereicherungsvorgangs „korrigierte“ Zuweisungstheorie in Anknüpfung an das Deliktsrecht Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 245 f. 134
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
lose Zuwendung Auslöser und konkretisierender Bezugspunkt des Bereicherungsverhältnisses. Geht eine Vermögensänderung nicht vom Bereicherungsgläubiger aus, wird diese Funktion vom Zuweisungsgehalt seiner Rechtspositionen übernommen. Konsequent wird daher der enge Zusammenhang zwischen Eingriffskondiktion und vorausliegender, hierdurch verwirklichter Güterzuordnung hervorgehoben. Der Bundesgerichtshof spricht von einem „Grundsatz der Güterzuweisung“, wonach „der Verletzer das herausgeben“ soll, „was er durch rechtswidrigen Einbruch in eine fremde geschützte Rechtssphäre erzielt hat“136. Diese zutreffende dogmatische Umsetzung der gesetzlichen Regelung ermöglicht eine weitere Klärung des Verhältnisses zwischen Eingriffskondiktion und deliktsrechtlicher Haftung. Übereinstimmungen ergeben sich im Hinblick auf § 823 Abs. 1 BGB, der mit Eigentum und „sonstigen Rechten“ ebenfalls Güterzuordnungen durch primäre Ausschließlichkeitsrechte sanktioniert. Und in der Tat ziehen Verletzungen des Sacheigentums und der Immaterialgüterrechte unstreitig delikts- und bereicherungsrechtliche Ansprüche nach sich137. Hieran anknüpfend wird in der Literatur davon ausgegangen, die Eingriffskondiktion habe die Funktion, das Deliktsrecht zu ergänzen138. Diese Komplementaritätsannahme greift jedoch wiederum zu kurz. Denn „das“ Deliktsrecht geht wie gezeigt weit über die Gewährung sekundärer Rechte zur Verwirklichung primärer Ausschließlichkeitsrechte hinaus und dient dabei der dynamischen Abgrenzung individueller Freiräume, die in vielen Fällen nichts mit positiv-exklusiven Befugnissen an Gütern gemein haben. Namentlich den Generalklauseln der §§ 826 BGB, 3 UWG fehlt jeder Bezug auf Rechtspositionen und deren Zuweisungsgehalt; auch die Anerkennung ungeschriebener „sonstiger Rechte“ erfolgte nicht 136 BGHZ 82, 299, 306 (1981); BGH GRUR 2000, 685, 686; Bydlinski, System des Privatrechts, 235 (Ausgleich der Störung der rechtlich bezweckten Güterzuteilung). 137 Nachweise unten D II 2 b. 138 Siehe Wilburg, Ungerechtfertigte Bereicherung, 45 f. (das Zusammenwirken von subjektiven Rechten und Gesetzen als Grundlage des Bereicherungsrechts entspreche der Aufteilung des Deliktsrechts in die Grundtatbestände der §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2, 826 BGB); Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 61 f. (Funktionsverwandtschaft mit dem deliktischen Schadensersatzrecht); Looschelders, Schuldrecht BT, Rn. 1013; Wesel, NJW 1994, 2594 f. (Güterschutz gegen jedermann durch die Eingriffskondiktion sei ein Fall des Deliktsrechts); Medicus, Schuldrecht BT, Rn. 713 (wie bei der Frage nach dem „sonstigen Recht“ gem. § 823 Abs. 1 BGB müsse festgestellt werden, ob eine Rechtsposition positiv bestimmte Befugnisse zuweise); Kittner, Schuldrecht, Rn. 1356 (das Deliktsrecht regele den status quo der Güterzuordnung wie die Nichtleistungskondiktion); v. Sachsen Gessaphe, in: AnwKommm, § 812 BGB Rn. 9, 80 f. (die Eingriffskondiktion bezwecke ebenso wie das Deliktsrecht fortwirkenden Güterschutz und sei in Parallele zu § 823 Abs. 1 BGB zu begrenzen); Westermann/Buck-Heeb, in: Erman, § 812 BGB Rn. 66; Weitnauer, DB 1984, 2496, 2497 (die Eingriffskondiktion sei der Aufgabe nach dem Deliktsrecht oder der rei vindication an die Seite zu stellen); Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 745; Stadler, in: Jauernig, § 812 BGB Rn. 50; Wendehorst, in: Bamberger/Roth, § 812 BGB Rn. 24 (die Eingriffskondiktion stehe mit einer rechtsschützenden und rechtsfortsetzenden Funktion in einem „tendenziell deliktisch geprägten Kontext“), Rn. 64 (die allgemeine Eingriffskondiktion stelle das bereicherungsrechtliche Korrelat zu § 823 Abs. 1 BGB dar); Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 749 („,kleines‘ (verschuldensunabhängiges) Deliktsrecht zur Korrektur zuweisungswidriger Vermögenslagen“).
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zur Wahrung statischer Interessen am Erworbenen139. Wie sehr der Verweis auf den delikts- und bereicherungsrechtlichen Schutz der Ausschließlichkeitsrechte das Gesamtbild verzerrt, erweist bereits der Umstand, dass die Eingriffskondiktion nicht einmal bei Verletzungen der in § 823 Abs. 1 BGB genannten Lebensgüter zum Tragen kommt140.
III. Offenheit und Grenzen des Tatbestands der Eingriffskondiktion Wenn die Eingriffskondiktion nach den bisherigen Ergebnissen Rechtspositionen mit Zuweisungsgehalt durch Abschöpfung rechtsgrundlos erlangter Vermögensvorteile sogar gegen unverschuldete Eingriffe verwirklicht, wohnt diesem gesetzlichen Schuldverhältnis ein besonderes Potential zur Anerkennung ungeschriebener Güterzuordnungen inne. Die ausfüllungsbedürftigen Tatbestandsmerkmale des § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB, die bereits zur Klärung des Verhältnisses zum Deliktsrecht und des Zwecks der Eingriffskondiktion betrachtet wurden, sind zum Abschluss dieses Kapitels noch daraufhin zu analysieren, ob sie wegen ihrer Entwicklungsoffenheit (dazu 1) im Sinne eines Grundsatzes der Restitution aller rechtsgrundlos erlangten Vermögensvorteile anzuwenden sind oder ob auch das bereicherungsrechtliche Denken vom Prinzip der enumerativen Haftung bestimmt ist, so dass die Restitutionspflicht der begründungsbedürftige Ausnahmefall bleibt (dazu 2). 1. Offene Tatbestandsmerkmale Dass die Entwicklung der bereicherungsrechtlichen Dogmatik kaum von einer positivistischen Anwendung des § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB und der übrigen Normen des 26. Titels geprägt ist, dürfte zu einem guten Stück auf die offenen Formulierungen des gesetzlichen Tatbestands zurückzuführen sein. Selbst bei Berücksichtigung historischer Argumente141 eröffnen sie der Rechtsprechung einen erheblichen Spielraum, der auch für die Herausbildung ungeschriebener Zuordnungen genutzt werden könnte. Diese Einschätzung gilt bereits für das denkbar unbestimmte Merkmal, wonach der Bereicherungsschuldner „etwas“ erlangt haben muss. Entsprechend der Absicht des Gesetzgebers erstreckt die Rechtspraxis dieses Anspruchsziel der Kondiktionen des § 812 BGB auf jeden Vermögenswert142. Dagegen erscheint es 139
Siehe Oben §§ 6 E, 7 F. Siehe unten D II 2. 141 Zur Entstehungsgeschichte unter Einbeziehung des gemeinen Rechts Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 43 ff.; König, Ungerechtfertigte Bereicherung, 157 ff.; zur historischen Entwicklung der Eingriffskondiktion Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 21 ff. 142 V. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 3, 672 (alles was vermögenswert ist); Mot. II, 830; in diesem Sinne BGHZ 14, 7, 9 (1954); BGHZ 168, 220, 228 f. (2006) (Steuerberaterpraxis als in Natur erlangter Bereicherungsgegenstand); Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 874 ff.; Schulze, in: Hk-BGB, § 812 BGB Rn. 3 f. m.w.N.; Sprau, in: Palandt, § 812 BGB Rn. 16 ff. m.w.N. 140
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nicht überzeugend, den Gedanken des Zuweisungsgehalts bereits auf der Ebene der möglichen Restitutionsobjekte auszuspielen und nur solche Sachverhalte zu subsumieren, bei denen die objektive Rechtslage insbesondere durch Änderung der Inhaberschaft eines subjektiven Rechts modifiziert wurde143. Denn auch das „Etwas“ ist ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal144, das lediglich eine Beschränkung des Bereicherungsrechts auf vermögensrechtlich relevante Vorgänge zum Ausdruck bringt145. Es ist als solches durchaus offen genug, um Güter und Vorteile zu erfassen, die einer Person nicht durch ein subjektives Recht zugeordnet sind. Freilich darf dabei der Unterschied zwischen dem Anspruchsziel (Herausgabe jedes Vermögensvorteils) und den Voraussetzungen hierfür nicht aus den Augen verloren werden. So erstreckt sich die Eingriffskondiktion unstreitig auf den Besitz als tatsächliche Sachherrschaft. Eine ganz andere Frage ist, ob ein Eingriff in den Besitz (und nicht das Eigentum an der Sache) entsprechende Ansprüche auslöst146. Eine ebensolche Offenheit lässt das Merkmal „in sonstiger Weise“ erkennen, das die Fälle der Nichtleistungskondiktion nur negativ von der Leistungskondiktion unterscheidet. Aus dieser Voraussetzung wird man wie gezeigt allenfalls entnehmen können, dass das Bereicherungsrecht eine Haftung anders als das Deliktsrecht nicht an eine bestimmte Verhaltensweise des Schuldners knüpft, sondern „sonstige“, objektive Kriterien für maßgeblich erachtet.
143 Zum Ersatz ersparter Aufwendungen, wenn bei ordnungsgemäßem Vorgehen üblicherweise für die Nutzung des Gutes ein Entgelt hätte bezahlt werden müssen BGHZ 14, 7, 9 (1954); BGHZ 20, 270, 275 (1956); BGHZ 55, 128, 131 (1971) m.w.N. („zumindest dem Grundsatz nach“); OLG Dresden SeuffA 17 Nr. 51 (1917) (mit Hinweis auf die erforderliche Vermögensverschiebung). Ohne Rücksicht auf ersparte Aufwendungen und die Nutzung des Gutes, deren Wert gem. § 818 Abs. 2 BGB zu ersetzen ist OLG München NJW-RR 1996, 539, 540; OLG Saarbrücken NJWEWettbR 2000, 77, 80; Ostendorf, Be- und Entreicherung, 70 ff.; Rümker, Das Tatbestandsmerkmal „ohne rechtlichen Grund“, 95 ff.; Törl, Die bereicherungsrechtliche Behandlung, 37 ff., 139 (nichtgegenständlicher Vermögensvorteil); Büsching, Eingriffskondiktion im Wettbewerbsrecht, 139; Medicus, BürgR, Rn. 719; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 886; Ullmann, GRUR 1978, 615, 619; König, Gutachten, 1515, 1558; Schlechtriem, Symposium König, 57, 65; Köhler, NJW 1992, 1477, 1480; Loewenheim, WRP 1997, 913, 917; Canaris, FS Deutsch, 85, 90. Differenzierend Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 537 f. 143 So aber Leonhard, Besonderes Schuldrecht, 453 f. In diese Richtung auch RGZ 73, 173, 176 (1910) (die Beklagte könne auf Kosten der Klägerin bereichert sein, wenn ein Anspruch der Klägerin rechtlich wirksam vernichtet worden wäre, was aber nicht der Fall sei); Wendehorst, in: Bamberger/Roth, § 812 BGB Rn. 131 („etwas“ sei nur der Vorteil, der von der Rechtsordnung einer bestimmten Person zugewiesen sein kann). 144 Rümker, Das Tatbestandsmerkmal „ohne rechtlichen Grund“, 53; Büsching, Eingriffskondiktion im Wettbewerbsrecht, 130; gegen die Unterscheidung Törl, Die bereicherungsrechtliche Behandlung, 36 f. 145 Siehe BGH NJW 1952, 417 (das Papier, auf dem eine Erklärung geschrieben sei, habe keinen Vermögenswert und könne deshalb nicht herausverlangt werden); eine Vermögensvermehrung durch Kennzeichenbenutzung in einem Sonderfall ebenfalls ablehnend OLG Karlsruhe GRUR 1979, 473 f. 146 Zur Kritik an Leonhards Theorie vom erforderlichen Rechtsübergang Batsch, Vermögensverschiebung, 64 f., 104 f.
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Von besonderer Bedeutung ist schließlich, dass nicht nur das Anspruchsziel und der anspruchsauslösende Umstand äußerst allgemein umschrieben, sondern auch die eingriffsbewehrten Rechtspositionen jedenfalls nicht als „Rechte“ bezeichnet werden. § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB spricht von einer Bereicherung „auf Kosten“ eines anderen; Art. 38 Abs. 2 EGBGB vom Eingriff in „geschützte Interessen“. Zwar nimmt das BGB hiermit unstreitig nicht auf die umgangssprachliche Rede vom Gewinn Bezug, den man „auf Kosten“ eines Konkurrenten erzielt hat147. Die stattdessen erforderliche, rechtlich fundierte Wertung hinter diesem im BGB sonst nicht verwendeten Begriff ist jedoch selbst unter Einbeziehung der Entstehungsgeschichte alles andere als selbsterklärend148. Die Wahl gerade jener Formulierung wurde während der 2. Kommission mit der erbrechtlichen Sonderkonstellation begründet, dass bei der Anfechtung einer Erbausschlagung der zu restituierende Erwerb des nächstberufenen Erben nicht aus dem „Vermögen“ des ausschlagenden Bereicherungsgläubigers erfolgt sei, weil dieser durch die ursprüngliche Ausschlagung so behandelt werde, als sei er nie Erbe gewesen (§ 1953 BGB). Mit der Formulierung „auf Kosten“ sollten auch diejenigen Fälle erfasst werden, „in denen das Objekt der Bereicherung, ohne bereits in das Vermögen des Kondiktionsberechtigten übergegangen zu sein, doch den Vermögensstand desselben berühre“149. Abgesehen von dieser erbrechtlichen Fallgestaltung wird nicht weiter erläutert, wann von einer solchen „Berührung des Vermögensstands“ auszugehen ist. Dabei ist daran zu erinnern, dass das allgemeine Problem der eingriffsbewehrten Rechtsposition noch gar nicht als solches erkannt war. Die Materialien beschränken sich in den einschlägigen Passagen auf Beispiele von Eigentumsverletzungen und diskutieren auch insoweit nur die Kondizierbarkeit des Besitzes150 sowie das Verhältnis zwischen Bereicherungsrecht und gesetzlichen Anordnungen der Ersitzung bzw. des gutgläubigen Erwerbs151. Es verwundert daher nicht, dass die Bedeutung des Tatbestandsmerkmals „auf Kosten“ bis heute stark umstritten ist und hierin je nach dogmatischer Grundposi147
Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 134. Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 55 f. (die Änderung sei ohne Bedeutung); tendenziell anders Callmann, GRUR 1928, 251, 255. 149 Prot. II 2, 685. In diesem Sinne RGZ 73, 173, 176 (1910); RGZ 119, 332, 334 f. (1927); Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 877. Nicht tragfähig ist der Verweis von v. Sachsen Gessaphe, in: AnwKommm, § 812 BGB Rn. 71 auf Mot. II, 830, denn im E I lautete der Tatbestand noch nicht „auf Kosten“. 150 Siehe v. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 3, 672 ff.; E I § 737 Abs. 3, abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 758 („Die Rückforderung findet auch dann statt, wenn die Leistung nur in der Einräumung des Besitzes oder der Inhabung bestanden hat.“); Mot. II, 830. Ferner Kleinheyer, JZ 1970, 471, 473; Fournier, Bereicherungsausgleich, 10; Schlechtriem, Symposium König, 57, 69 (die Aufspaltung des Bereicherungsrechts in verschiedene Vorschriften habe den Blick auf die Eingriffskondiktion als Grundtypus verstellt); Jung, Bereicherungsansprüche, 41 ff. 151 Siehe Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 826 f.; Mot. II, 851 ff. Zur Kondiktionsbeständigkeit des gutgläubigen Erwerbs und weiterer gesetzlicher Konstellationen BGHZ 40, 272, 275 (1963); Jung, Bereicherungsansprüche, 35 ff.; Windscheid/Kipp, Pandekten II, 877; Wieling, Bereicherungsrecht, 49 ff. 148
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tion des Schriftstellers das Erfordernis einer Vermögensverschiebung (so die Vertreter der Einheitstheorie)152, des Zuweisungsgehalts (so die herrschende Meinung in Anschluss an Wilburg)153 oder das Kriterium zur Bestimmung der Parteien des Bereicherungsverhältnisses154 gesehen wird. Jedenfalls öffnet diese Formulierung der Eingriffskondiktion ein weites Anwendungsfeld, das nach häufig vertretener Auffassung auch die unerlaubte Nutzung „neuer“ Güter einschließt155. 2. Enumeration der Haftung Vor dem Hintergrund dieser Ansammlung ausfüllungsbedürftiger Tatbestandselemente sehen insbesondere die Vertreter der Einheitstheorie im Bereicherungsrecht das materiale Gerechtigkeitsprinzip verwirklicht, wonach sich „niemand mit dem Schaden eines anderen unrechtmäßig bereichern“ darf156. Abgesehen vom Verweis auf die Billigkeit dieses Satzes werden häufig Beispiele angeführt, bei denen die Restitutionspflicht unmittelbar einleuchtet, etwa die doppelte Zahlung von Schulden, das Verheizen fremden Holzes oder der Verzehr fremder Lebensmittel157. Denkt man diesen Ansatz konsequent zu Ende, könnten mit der Eingriffskondiktion sämtliche Vermögenswerte abgeschöpft werden, die aufgrund einer rechtswidrigen Schädigung erlangt wurden. Darüber hinaus – und darum geht es hier – könnte das Bereicherungsrecht sogar als Instrument zur grundsätzlichen Rückgängigmachung aller schädigenden Erwerbe verstanden werden, soweit nicht ausnahmsweise ein Behaltensgrund gegeben ist. Auf dieser Grundlage wäre es ohne Weiteres möglich, Erlöse aus der unerlaubten Nutzung „neuer“ Güter herauszuverlangen und auf diesem Wege deren exklusive Zuweisung anzuerkennen. 152 So etwa Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 877 ff. m.w.N.; Knieper, BB 1991, 1578, 1579; allgemein Lieb, in: MünchKomm, § 812 BGB Rn. 10 ff., 234 ff. m.w.N. 153 RG JR Beilage 1925, 734, 735 (Nr. 1047); BGHZ 99, 385, 390 (1987); Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 223; Lorenz, in: Staudinger, § 812 BGB Rn. 31; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 70; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 134 f.; Wieling, Bereicherungsrecht, 2; Stadler, in: Jauernig, § 812 BGB Rn. 58; abweichend Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 240 f. (die Zuweisungstheorie solle beim Merkmal der Rechtsgrundlosigkeit verankert werden). 154 Loewenheim, Bereicherungsrecht, 97; Westermann/Buck-Heeb, in: Erman, § 812 BGB Rn. 64; Emmerich, Schuldrecht BT, 212; Kropholler, Studienkommentar BGB, § 812 BGB Rn. 34; Wendehorst, in: Bamberger/Roth, § 812 BGB Rn. 133 f. 155 Dazu näher unten D II 2. 156 OLG Dresden SeuffA 75 Nr. 51 (1917); Kupisch, FS v. Lübtow, 501, 508; v. Caemmerer, FS Rabel, 333, 334 f.; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 142; Kobbelt, Der Schutz von Immaterialgütern, 19; Reeb, Bereicherungsrecht, 37; Kleinheyer, JZ 1970, 471, 473; Roth, FS Küchenhoff, 371; Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 752 (jeweils mit Verweis auf D.50.17.206.: „Iure naturae aequum est neminem cum alterius detrimento et iniuria fieri locupletiorem.“). 157 Mot. II, 851 (hier fehle „zweifellos“ der rechtliche Grund); ebenso Windscheid/Kipp, Pandekten II, 878; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 871; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 127 f.; Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, 27 f.; Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 748.
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Ein solch pauschaler Grundsatz der Restitution widerspricht jedoch der differenzierten Regelung des Bereicherungsrechts. Jenes folgt keinem einheitlichen Zweck; insbesondere ist es kein Billigkeitsinstrument zur Rückgängigmachung beliebiger Erwerbsvorgänge158. Außerdem verlangt selbst das zitierte Prinzip eine unrechtmäßige Bereicherung und verweist damit auf die teleologisch in der Tat zentrale Frage nach dem fehlenden Rechtsgrund. Auch insoweit muss wie gezeigt zwischen verschiedenen Kondiktionen unterschieden werden, namentlich zwischen den Leistungs- und den Nichtleistungskondiktionen159. § 812 BGB ist zwar der Dreh- und Angelpunkt des 26. Titels, eine allgemeine condictio sine causa ist dem deutschen Recht aber ebenso fremd wie eine große deliktsrechtliche Generalklausel. Die Vorschrift statuiert einen Herausgabeanspruch in vier alternativen Varianten; ein im zweiten Entwurf noch verwendetes „insbesondere“ wurde extra gestrichen, um den abschließenden Charakter der Norm zum Ausdruck zu bringen160. Demnach kommt eine Erlösabschöpfung „nur und nur dann“161 in Betracht, wenn der jeweils maßgebliche rechtliche Behaltensgrund fehlt162. Entsprechend war die Auffassung, wonach Vermögensverluste grundsätzlich selbst zu tragen sind (casum sentit dominus), während der Entstehung des Bereicherungsrechts durchweg anerkannter Grundsatz: Bereits der Vorentwurf hielt fest, die Kondiktion wegen grundlosen Habens finde nicht schon dann statt, wenn jemand auf Kosten eines anderen einen Erwerb mache, der unbillig erscheine, sondern es müsse stets „noch ein besonderer vom positiven Recht anerkannter Rückerstattungsgrund hinzutreten“163. Hiervon wich man später nicht mehr ab164. Diese in Differenzierungen erkennbare Zurückhaltung des Gesetzgebers bestätigt sich, wenn man den Blick etwas über das Bereicherungsrecht hinaus erweitert. So belassen die §§ 955, 993 BGB dem gutgläubigen Besitzer im Interesse des redlichen Verkehrs bestimmte Nutzungen im Verhältnis zum Eigentümer, 158
Oben C I; so bereits Savigny, System III, 451 f. Oben A. 160 Siehe E II § 737 Abs. 1 S. 2 und Prot. II 6, 199; Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 856 (Verweis der Anregung, „insbesondere“ zu streichen, in die Redaktionskommission ohne Angabe von Gründen). 161 V. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 3, 675. 162 Gegen die abweichende Lösung des ALR im Interesse eindeutiger Einzeltatbestände v. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 3, 667 ff., 738; Johow, in: Schubert, Sachenrecht 1, 1088 (bei Mangel eines anderweitigen allgemeinen Verpflichtungsgrundes verpflichte die Bereicherung allein nur in besonderen Fällen und aus besonderen Gründen zu einer Leistung); ferner Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 871 (die Bereicherung müsse aus einem „besonderen Grunde“ als ungerechtfertigt erscheinen, der Gerechtigkeit und Billigkeit widerspreche); Emmerich, Schuldrecht BT, 207. 163 V. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 3, 738. 164 Siehe die Darstellung der historischen Entwicklung bei Lorenz, in: Staudinger, § 812 BGB Rn. 1 ff.; ferner Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, 34 (mittlerer Weg); Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 719; wenig klar Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 871 f. (dem BGB sei eine allgemeine Bereicherungsklage fremd; § 812 BGB sei aber ein allgemeiner Tatbestand des Bereicherungsanspruchs, so dass von einer „allgemeinen condictio“ auszugehen sei). 159
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obwohl die Besitzposition formal unrechtmäßig ist. Zumindest hier folgt das Gesetz offensichtlich nicht dem Prinzip, dass „niemand aus Unrecht erlangten Gewinn behalten darf“165. Auch das diffuse Billigkeitsinstrument der Versionsklage wurde ganz bewusst nicht in das BGB übernommen, weil man eine Beeinträchtigung des Verkehrslebens und der Rechtssicherheit befürchtete166. Dementsprechend resümieren die Motive: „Der Entwurf gewährt hiernach keinen von den Voraussetzungen des Kondiktionenrechts unabhängigen Anspruch.“167. Schließlich knüpft der Satz vom Verbot unrechtmäßiger Bereicherung aus fremdem Schaden erkennbar an das Recht der unerlaubten Handlung an, das dem Ausgleich widerrechtlich verursachter Schäden dient. Selbst wenn dieser Verweis zutreffend wäre168, ist Ausgangspunkt deliktsrechtlichen Denkens doch ebenfalls nicht der Grundsatz des neminem laedere, sondern das Prinzip enumerativer, begründungsbedürftiger Haftung169. Wenn aber das dynamische Deliktsrecht im Interesse der Wahrung von Handlungsfreiheiten nicht jeden Vermögensschaden ersetzt, dann muss für das eher statische Bereicherungsrecht Entsprechendes gelten170. Auch wenn § 818 Abs. 3 BGB eine Haftung mit dem Stammvermögen ausschließt, droht die gegenteilige Auffassung das deliktsrechtliche Enumerationsprinzip zu unterlaufen, weil dann doch grundsätzlich jeder schädigende Erwerb herauszugeben wäre171. Statuiert das Bereicherungsrecht einschließlich der Eingriffskondiktion demnach kein allgemeines Verbot der Bereicherung aus fremdem Schaden, kann auch nicht grundsätzlich jeder Vermögensvorteil aus der unerlaubten Nutzung „neuer“ Güter restituiert werden. Damit relativiert sich die oben betonte Entwicklungsoffenheit des Tatbestands von § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB. So wurde bereits angedeutet, dass das umfassende Anspruchsziel („etwas“) noch nichts 165
Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 124. Siehe Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 163 ff.; Mot. II, 871 ff.; OLG Karlsruhe NJWRR 2000, 1005, 1006; Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 753; Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 148. 167 Mot. II, 873. 168 Dazu, dass das nicht der Fall ist, oben B, C II 2. 169 Oben §§ 6 E, 7 C. 170 V. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 3, 675, 738, 740 (zur condictio sine causa des Vorentwurfs); Mot. II, 829; ferner LG Bonn NJW 1977, 1823, 1824; Rabel, RabelsZ 10 (1936), 424, 428; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 73; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 254 f. (Wahrung der Wettbewerbsfreiheit); Knieper, KritJ 1980, 117, 121; Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 149 (unter Hinweis auf die Vorstellung des historischen Gesetzgebers, nicht ausdrücklich verbotene Handlungen seien grundsätzlich folgenlos erlaubt); Joerges, Bereicherungsrecht als Wirtschaftsrecht, 27, 38; unklar insoweit Kaehler, Bereicherungsrecht und Vindikation, 43 f. (allgemeine Handlungsfreiheit als Ausgangspunkt, aber Bereicherung „auf Kosten“ „grundsätzlich verboten“); tendenziell a.A. Heck, Schuldrecht, 421 (an das für die Eingriffskondiktion erforderliche Schutzbedürfnis seien geringere Anforderungen zu stellen als an den Deliktsschutz). 171 LG Bonn NJW 1977, 1823, 1824; OLG Karlsruhe NJW-RR 2000, 1005, 1006 (die grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers im Deliktsrecht, reine Vermögensverletzungen in der Regel sanktionslos zu belassen, dürfe auf dem Umweg über das Bereicherungsrecht nicht wieder ausgehöhlt werden). 166
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darüber aussagt, unter welchen Voraussetzungen denn eine bereicherungsrechtliche Haftung eintritt172. Genauso wenig darf die gemeinsame Regelung des Bereicherungsumfangs in § 818 BGB über die unterschiedlichen Tatbestände der §§ 812–817 BGB hinwegtäuschen173. Demnach ist es unzulässig, den erforderlichen Zuweisungsgehalt in zirkulärer Weise aus der potentiellen Pflicht zur Erstattung jedes Vermögensvorteils herzuleiten. Im Gegenteil, die oben als Kennzeichen der Zuordnungsrelevanz von § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB identifizierten Merkmale, dass etwas „ohne Rechtsgrund auf Kosten eines anderen“ erlangt wurde, werden zu Recht im Sinne begrenzender Voraussetzungen aufgefasst. Die in dieser Formulierung angelegte Beziehung auf das Vermögen des Bereicherungsgläubigers (des „anderen“) ist zunächst Anhaltspunkt für die Forderung, dass sich der Bereicherungsvorgang unmittelbar zwischen Gläubiger und Schuldner vollzogen haben muss, und dass grundsätzlich nur der Bereicherte und nicht jeder am Geschehen beteiligte Dritte haftet174. Unabhängig von den Einzelheiten des Streits um das Unmittelbarkeitskriterium schränkt die Rechtsprechung unter diesem Topos den Anwendungsbereich des Bereicherungsrechts ein175, um eine „,uferlose‘ Bereicherungshaftung zu bannen und die volkswirtschaftlich nützliche Partizipation an den Leistungen Dritter nicht übermäßig zu erschweren“176. Konsequent wird aus der negativen Formulierung „ohne Rechtsgrund“ nicht geschlossen, dass grundsätzlich jede Bereicherung herauszugeben ist, es sei denn,
172 Wilburg, Ungerechtfertigte Bereicherung, 39; v. Caemmerer, FS Rabel, 333, 379; eindringlich Lieb, in: MünchKomm, § 812 BGB Rn. 233. 173 Siehe Westermann/Buck-Heeb, in: Erman, § 812 BGB Rn. 63. 174 BGHZ 46, 260, 262 f. (1966) (der Bereicherungsvorgang müsse sich unmittelbar zwischen den Parteien und nicht über den Umweg über das Vermögen eines Dritten vollzogen haben); BGHZ 68, 276, 277 f. (1977); BGHZ 71, 86, 100 (1978); BGHZ 94, 160, 165 (1985) m.w.N.; BGHZ 99, 385, 390 (1987); LG Bonn NJW 1977, 1823; Heck, Schuldrecht, 431; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 879 ff.; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 135; Stadler, in: Jauernig, § 812 BGB Rn. 59; Sprau, in: Palandt, v. § 812 BGB Rn. 9; aus der Entstehungszeit v. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 3, 671; Mot. II, 830; anders etwa Reeb, Bereicherungsrecht, 38 f. (nur Festlegung der Parteien des Kondiktionsschuldverhältnisses); wieder anders RGZ 73, 173, 177 (1910); Planck4, § 812 BGB Anm. 2c („Unmittelbarkeit“ der Vermögensverschiebung). Siehe zu Mehrpersonenverhältnissen ferner BGHZ 68, 276, 277 ff. (1977); Leonhard, Besonderes Schuldrecht, 468 ff.; Lieb, in: MünchKomm, § 812 BGB Rn. 17 ff.; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1478 f.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 86 ff.; v. Sachsen Gessaphe, in: AnwKommm, § 812 BGB Rn. 73. 175 Siehe BGH NJW 1952, 417 (keine Kondizierbarkeit einer Ehrenerklärung wegen fehlender Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung, weil das Papier, auf dem die Erklärung stehe, keinen Vermögenswert darstelle); BGHZ 36, 232, 233 (1961) (die Bereicherung müsse unmittelbare Folge der Vermögenseinbuße sein; ein Bereicherungsanspruch bestehe nur insoweit, als eine Vermögenseinbuße dafür ursächlich war). 176 Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 136; Wieling, Bereicherungsrecht, 44 (unter Hinweis auf die Ablehnung der Versionsklage); Lieb, in: MünchKomm, § 812 BGB Rn. 20 (begrenzende, negative Funktion); ohne Rückgriff auf das Kriterium der Unmittelbarkeit mit denselben Ergebnissen unter Verweis auf die Ausnahmefunktion der §§ 822, 816 Abs. 1 S. 2 BGB Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 86 ff.
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es liegt ausnahmsweise ein rechtlich fundierter Behaltensgrund vor. Eine solche Reduzierung des Tatbestands auf die Rechtsgrundproblematik würde das Merkmal „auf dessen Kosten“ übergehen. Prüft man hingegen beide Voraussetzungen getrennt voneinander, ergeben sich wichtige Folgerungen für die Struktur des Zuweisungsgehalts der Rechtsposition, in die „auf Kosten“ des Gläubigers eingegriffen wurde. Insbesondere ist es nicht möglich, eine gesonderte Aussage über die Rechtsgrundlosigkeit der Bereicherung zu treffen, ohne den Zuweisungsgehalt vorab für sich gesehen gedanklich zu fixieren. Folglich muss in einem ersten Schritt die objektive Anwartschaft oder rechtlich gesicherte Aussicht des Gläubigers auf den Vermögensvorteil festgestellt sein, bevor in einem zweiten Schritt das Fehlen eines Behaltensgrundes zu erörtern ist. Wenn nun der Schuldner für den Vermögensvorteil einen rechtlichen Grund benötigt, mit anderen Worten also die Nichthaftung der rechtfertigungsbedürftige Ausnahmefall ist, dann muss die Enumeration der Haftung auf der ersten Stufe, nämlich dem Zuweisungsgehalt gewahrt werden. Mithin muss die betroffene Rechtsposition so strukturiert sein, dass sie die grundsätzliche Erstattungspflicht selbst bei unverschuldeten Eingriffen trägt, ohne dass deshalb jede Vermögensänderung zu restituieren wäre177. Das ist bei solchen punktuellen Rechtspositionen der Fall, die einen ex ante bestimmbaren, objektiven Schutzbereich aufweisen (1. Schritt), dessen Verletzung die Rechtswidrigkeit des Eingriffs indiziert (2. Schritt). Für die Beschränkung der Eingriffskondiktion auf solche, dem Modell des Erfolgsunrechts folgenden Rechtspositionen178 spricht auch, dass selbst Bereicherungsvorgänge ohne jedes menschliche Zutun rückgängig gemacht werden können, wenn der Erwerb ohne rechtlichen Grund erfolgte. Lassen sich diese Konstellationen mit Verhaltensunrecht von vornherein nicht erfassen179, dann kann der Zuweisungsgehalt nicht anders als anhand des objektiven Schutzbereichs der betroffenen Rechtsposition definiert werden. Dass das hierfür maßgebliche Tatbestandsmerkmal „auf Kosten“ nur bestimmbare und damit notwendig begrenzte Vermögenssphären bzw. punktuelle Handlungsbefugnisse beschreibt, bestätigt zum einen das in den Materialien angeführte erbrechtliche Beispiel. Denn es bezieht sich auf eine Erbschaft als Sondervermögen, die vom Bereicherungsgläubiger erst ausgeschlagen (so dass er rückwirkend nicht als Erbe gilt, § 1953 BGB) und dann vom nachgerückten Er-
177 Das ist die eingrenzende Voraussetzung der Eingriffskondiktion, die Rabel, RabelsZ 10 (1936), 424, 428, an Wilburgs Konzept noch vermisste. 178 Rümker, Das Tatbestandsmerkmal „ohne rechtlichen Grund“, 33; Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 173 (das Haben von Vermögensvorteilen, die einem anderen gebühren, indiziere die Rechtswidrigkeit des Habens; die Rechtfertigung könne sich aus rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen Rechtfertigungen des Habens ergeben); Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 245; Wieling, Bereicherungsrecht, 48; a.A. Kaehler, Bereicherungsrecht und Vindikation, 56 ff. (auch solche Bereiche seien ausreichend zugewiesen, bei denen erst eine umfassende Interessenabwägung den Zuweisungsgehalt strukturiert (z.B. das Recht am Gewerbebetrieb)). 179 Fournier, Bereicherungsausgleich, 80 f.
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ben wegen ebenfalls rückwirkender Anfechtung der Ausschlagung (§ 142 Abs. 1 BGB) herausverlangt wird. Hier kann mit der Erbschaft durchaus eine objektiv definierte Vermögensmasse bestimmt werden, die entgegen der erbrechtlichen Zuweisungsnormen vom Bereicherten erlangt wurde. Zum anderen spricht Art. 38 Abs. 2 EGBGB davon, dass die Interessen, in die eingegriffen wurde, „geschützt“ sein müssen. Auch hier geht das Gesetz von einem objektiven, unabhängig vom Eingriff ex ante festgelegten Schutzbereich aus. Im Ergebnis folgt das Bereicherungsrecht wie das Deliktsrecht dem Prinzip der enumerativen Haftung nach Maßgabe der im Gesetz niedergelegten Voraussetzungen. Zwar weist die Eingriffskondiktion eine starke Güterzuordnungsrelevanz auf, weil sie den Zuweisungsgehalt von Rechtspositionen auch gegen unverschuldete Eingriffe verwirklicht. Einen Grundsatz der Güterzuordnung, von dem begründungsbedürftige Ausnahmen zugelassen werden, statuiert § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB jedoch nicht. Entsprechend dem Sacheigentum als dem Paradigma einer eingriffsbewehrten Rechtsposition muss die rechtlich gesicherte Aussicht auf den betreffenden Vermögensvorteil so strukturiert sein, dass der Eingriff in einen ex ante definierten, objektiven Schutzbereich die Rechtsgrundlosigkeit nach sich zieht (Modell des Erfolgsunrechts)180. Diese Schlussfolgerungen basieren im Wesentlichen auf einer Analyse der gesetzlichen Regelung und ihrer Entstehung. Eine sich hierauf beschränkende Studie ließe freilich außer Acht, dass die Herleitung und die konkreten Anforderungen an den Zuweisungsgehalt einer eingriffsbewehrten Rechtsposition in Rechtsprechung und Literatur stark umstritten sind. Die nunmehr folgende Auseinandersetzung mit diesen Ansätzen dient dazu, in steter Reflexion der erzielten Ergebnisse die Quellen und den genauen Inhalt des erforderlichen „Zuweisungsgehalts“ aufzudecken und damit den güterzuordnenden Gehalt des Bereicherungsrechts abschließend zu klären.
D. Quellen und Voraussetzungen des Zuweisungsgehalts Befragt man Rechtsprechung und herrschende Meinung darauf, woraus sie entnehmen, dass eine Rechtsposition dem Bereicherungsgläubiger einen Vermögenswert zuspricht, so erhält man noch eine weitgehend unstreitige Antwort. Demnach kann die erforderliche rechtliche Anwartschaft nicht aus dem Tatbestand des § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB selbst („intern“) gewonnen werden, sondern ergibt sich aus normexternen Wertungen (dazu I). Ungeklärt ist hingegen der hiervon zu unterscheidende Aspekt, welche Voraussetzungen im Einzelnen erfüllt sein müssen, damit von einem solchen Zuweisungsgehalt gesprochen werden kann (dazu II). 180
1006.
Im Ergebnis ebenso LG Bonn NJW 1977, 1823, 1824; OLG Karlsruhe NJW-RR 2000, 1005,
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I. Interne oder externe Generierung des Zuweisungsgehalts Das Bereicherungsrecht qualifizierte sich vor allen Dingen dann als Rechtsgrundlage für die Zuordnung „neuer“ Güter, wenn die maßgeblichen Kriterien hierfür aus den §§ 812 ff. BGB selbst zu entnehmen wären. Daher ist zu prüfen, ob das Tatbestandsmerkmal „auf Kosten“, in dem die herrschende Meinung das Erfordernis des Zuweisungsgehalts verankert, mit norminternen Wertungen begründet wird oder lediglich bereicherungsrechtsexterne Aussagen nachvollzogen werden. Im letztgenannten Fall würde die Eingriffskondiktion nur anderweitig abzuleitende Güterzuordnungen sanktionieren, ohne die Rechtsprechung aus sich heraus zu entsprechenden Entscheidungen zu ermächtigen. Nach einer insbesondere von Kleinheyer vertretenen Auffassung ist tatsächlich allein aus § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB zu folgern, welche Vermögensverteilung die Rechtsordnung wünscht181. Die Vorschrift verlange lediglich, dass etwas „auf Kosten“ eines anderen erlangt worden sei. In den Motiven werde auf erschlichene, entgeltpflichtige Dienstleistungen als kondiktionsauslösende Umstände Bezug genommen, so dass offenbar auch der Eingriff in nicht durch „absolute Rechte“ zugewiesene Güter eine Restitutionspflicht auslöse. Die Gegenauffassung sei gezwungen, auf andere Gesetze zurückzugreifen, die über eine Zuweisung von Vermögenswerten „in den seltensten Fällen“ Auskunft gäben. Auf dieser Grundlage bejaht Kleinheyer die Eingriffskondiktion bei Verletzungen des Rechts am Gewerbebetrieb und bei Verstößen gegen das UWG182. Andere Stellungnahmen gehen zwar nicht so weit, § 812 BGB als Quelle des erforderlichen Zuweisungsgehalts zu begreifen, halten aber dennoch eine Klärung dieser Frage jenseits expliziter Wertungen der übrigen Rechtsordnung für zulässig, indem sie auf die Möglichkeit der Rechtsfortbildung183 oder eine allgemeine Interessenund Güterabwägung unter Berücksichtigung der ökonomischen Analyse184 ver181 Kleinheyer, JZ 1970, 471, 473 f.; zustimmend Reeb, Bereicherungsrecht, 36 ff. (mit einer auf Billigkeitsaspekten beruhenden „Theorie des allgemeinen Güterschutzes“); ferner Fournier, Bereicherungsausgleich, 81 (die Eingriffskondiktion setze die Zuweisung nicht voraus, sondern schaffe sie); Joerges, Bereicherungsrecht als Wirtschaftsrecht, 42 (die Eingriffskondiktion könne nicht mehr an eine vorgegebene Rechtsqualität bestimmter Güter anknüpfen, sondern man müsse deren Anerkennung „erst einmal material rechtfertigen“ und dazu „auf Zwecküberlegungen abstellen“). Für eine „ausfüllungsbedürftige Formel“ zur Abdeckung künftiger Zweifelsfälle („vermögenswertes Rechtsgut“) unabhängig von der externen Güterzuweisung de lege ferenda auch König, Gutachten, 1515, 1554, 1562. 182 Kleinheyer, JZ 1970, 471, 476. 183 Dafür explizit Ehmann, in: Erman, Ahn § 12 BGB Rn. 352 (die Rechtsprechung könne die Zuordnungsfrage auf Grund allgemeiner Rechtsprinzipien entscheiden); Westermann/Buck-Heeb, in: Erman, § 812 BGB Rn. 66 (die Anhaltspunkte für eine Substanz- und Ertragszuweisung seien „ggf. durch Rechtsfortbildung“ aus dem Gesetz zu entnehmen); Lieb, in: MünchKomm, § 812 BGB Rn. 263 (über die Schutzwürdigkeit eines Rechtsguts entscheide die „ggf. weiter zu entwickelnde Rechtsordnung“). 184 Kobbelt, Der Schutz von Immaterialgütern, 101 ff., 161 f. (das Denkmodell der property rights könne als Methode zur Bestimmung neuer Rechtspositionen dienen), 171 f. (Aufzählung einzelner Abwägungskriterien), 201 (Bereicherungsansprüche im Bereich des UWG seien gegeben, wenn es sich um einen Eingriff in ein property right handele). Zur Theorie der property rights oben § 3 B I.
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weisen, womit das Bereicherungsrecht zum „Instrument der Durchsetzung und des Schutzes wirtschaftspolitisch sinnvoller Entscheidungen“ aufsteigt185. Unabhängig von Differenzen im Hinblick auf die konkreten Anforderungen an den Zuweisungsgehalt entscheiden Rechtsprechung und ganz herrschende Meinung die Frage, ob etwas auf Kosten eines anderen ohne rechtlichen Grund erlangt und daher zu restituieren ist, aufgrund von Wertungen der übrigen Rechtsordnung, die durch § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB lediglich sanktioniert werden186. Nach Heck erschaffe die Eingriffskondiktion „keine neuen Güter, die Rechtsschutz heischen, aber bringt neue Schutzmöglichkeiten für die schon anerkannten Interessen“187. Von Weitnauer stammt die Metapher, eine geschützte Position müsse erst einmal anerkannt sein, damit die Eingriffskondiktion und die Schadensersatzpflicht „wie reife Früchte vom Baum“ fallen188. Dieser bereicherungrechtsexterne Ansatz gilt nicht nur für die Lehre vom Zuweisungsgehalt. Die Vertreter der Rechtswidrigkeitstheorie folgern die maßgebliche Widerrechtlichkeit der Handlung ebenfalls nicht aus § 812 BGB, sondern knüpfen an das Deliktsrecht an189. Schließlich gelingt es auch Einheitslehren nicht, den bereicherungsrechtlichen Tatbestand ohne Rücksicht auf konkrete Wertungen anderer Vorschriften allein aus abstrakten Grundsätzen abzuleiten190. 185
Kobbelt, Der Schutz von Immaterialgütern, 172. Nachweise aus der Rechtsprechung C II 2 und für die Verletzung von Persönlichkeitsrechten OLG Hamburg NJW-RR 1994, 990, 991. Aus der Literatur Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 129 (es gehe dem Bereicherungsrecht „nicht um die Zuteilung bisher noch freier Güter und Chancen oder gar um deren Umverteilung“); v. Caemmerer, FS Rabel, 333, 335; Wilburg, Ungerechtfertigte Bereicherung, 35 (die Bereicherungsklage könne aus Rechten und Rechtssätzen der Güterwelt hervorgehen, „deren Kreis dem Stande der jeweiligen Rechtsordnung zu entnehmen und für das Bereicherungsrecht bestimmend“ sei); Loewenheim, Bereicherungsrecht, 98; Kurz, Besitz als Gegenstand der Eingriffskondiktion, 43; Kaehler, Bereicherungsrecht und Vindikation, 45 ff., 314 (der Anwendungsbereich der Restitutionsansprüche sei durch den Bereich der gesetzlichen Zuweisungen determiniert); Rümker, Das Tatbestandsmerkmal „ohne rechtlichen Grund“, 54 ff.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 76; Büsching, Eingriffskondiktion im Wettbewerbsrecht, 58, 68 und öfter; Medicus, BürgR, Rn. 662 (wer wozu berechtigt sei, werde vom Bereicherungsrecht nicht geregelt, sondern vorausgesetzt); Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 409 f. (die wesentlichen Weichenstellungen seien an anderer systematischer Stelle vorzunehmen); Hüffer, JuS 1981, 263; Weitnauer, DB 1984, 2496; Bydlinski, System des Privatrechts, 234, 242 (entscheidend sei die dem Bereicherungsvorgang vorausliegende rechtliche Güterzuordnung); Fezer, Schuldrecht BT, 210; Eckert, Schuldrecht BT, Rn. 1461; Westermann/Buck-Heeb, in: Erman, vor § 812 BGB Rn. 3 (die Herausgabepflicht ergebe sich nicht aus dem Bereicherungsrecht selbst, sondern aus vertrags- und sachenrechtlichen Positionen), § 812 BGB Rn. 66; Lieb, in: MünchKomm, § 812 BGB Rn. 250 (der Zuweisungsgehalt sei ohne spezielle bereicherungsrechtliche Erwägungen zu erfassen); Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich II, 243 (die bereicherungsrechtliche Diskussion sei ein Reflex auf Grundentscheidungen, die als solche außerhalb des Bereicherungsrechts zu treffen seien); Kobbelt, Der Schutz von Immaterialgütern, 101 (das Bereicherungsrecht ordne nach der Lehre vom Zuweisungsgehalt selbst nichts zu); Helle, JZ 2007, 444, 448. 187 Heck, Schuldrecht, 417. 188 Weitnauer, ZHR 142 (1978), 398, 402. 189 Oben B II. 190 Siehe Haines, Bereicherungsansprüche, 107 (der erforderliche individualbegünstigende Zweck einer Norm folge aus „Wertentscheidungen, die die Rechtsordnung an anderer Stelle ge186
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Die besseren Gründe sprechen dafür, das Bereicherungsrecht als bloßes Instrument zur Sanktionierung anderweitiger, externer Vorschriften und Wertungen aufzufassen. Zunächst wurde in Abschnitt C ausführlich erläutert, warum das Bereicherungsrecht keinem einheitlichen Zweck folgt, und dass es in verschiedenen Tatbeständen eine enumerative Haftung vorsieht. Würde man die Maßstäbe, nach denen Vermögensvorteile bei unerlaubten Eingriffen in „geschützte Interessen“ (Art. 38 Abs. 2 EGBGB) herauszugeben sind, § 812 BGB entnehmen, würde sich die Vorschrift doch wieder als Generalklausel darstellen, die insgesamt vorgibt, unter welchen Voraussetzungen zu restituieren ist. Eine solche condictio sine causa hatte der Gesetzgeber aber gerade nicht im Sinn. Vielmehr zeigen die differenzierten Tatbestände, dass das Bereicherungsrecht zwar das Instrument zur Rückgängigmachung rechtsgrundloser Vermögensänderungen in ganz unterschiedlichen Sachverhaltskonstellationen darstellt, hierfür im BGB aber nur der allgemeine zivilrechtliche Rahmen bereitgestellt wird, der mit rechtlichen Wertungen aus anderen Quellen auszufüllen ist, um namentlich die Frage des fehlenden Rechtsgrundes adäquat beantworten zu können191. So gibt der Tatbestand des § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB keine greifbare Auskunft, in welchen konkreten Fällen das Erlangte herauszugeben ist. Ebenso wenig liefert die Norm Anhaltspunkte dafür, dass das Bereicherungsrecht aufgrund eigener Wertungen eine Erstattung versagen kann, obwohl die übrige Rechtsordnung eine solche durch Zuweisung der betreffenden Vermögensvorteile zum Gläubiger nahelegt192. Klar ist aufgrund des Wortlauts immerhin, dass nur rechtliche Gründe den Erwerb stabilisieren. Welche das sind, lässt sich nur der übrigen Rechtsordnung entnehmen, weil sich sonst die zirkuläre Aussage ergäbe, dass der rechtliche Grund fehlt, wenn § 812 BGB sagt, dass er fehlt193. Trotz der besonders ausfüllungsbedürftigen und wortkargen Regelung des Bereicherungsrechts kann man dem Gesetzgeber keine so offenbar sinnlose Aussage unterstellen. Wenn also die 191 troffen hat“). Aus dem Kreis der Vertreter einheitlicher Bereicherungstheorien siehe Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 93 („aus der in Gestalt des subjektiven Rechts bestehenden oder durch die Verbotsnorm vorbehaltenen Vermögensrechtsposition des Gläubigers und dem ihr widersprechenden Haben des Schuldners“); Costede, Überlegungen zum Verständnis des Bereicherungsrechts, 72 (welchen Interessen der Vorrang einzuräumen sei, sage „die Rechtsordnung für bestimmte Fälle ausdrücklich im geschriebenen Recht“); letztlich auch Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 52 f., 250 (die Frage der Verdichtung objektiver Normen zu einem subjektiven Recht als „Grundlagenstreit im Recht der Güterzuordnung“ sei dem Bereicherungsrecht „eigentlich vorgelagert“), 262 (die Eingriffskondiktion stelle immer nur einen „Vollzug von Wertungen der Rechtsordnung“ dar, „die anderweitig vorgegeben oder aufzuspüren … sind“; das Bereicherungsrecht habe diese Wertungen „als nicht autonomes, sondern nur reaktives Ausgleichsinstitut“ aufzugreifen). 191 Siehe Westermann/Buck-Heeb, in: Erman, vor § 812 BGB Rn. 2; Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, 30 f.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 39; Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 756. 192 Siehe Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 267 (zum Persönlichkeitsrecht, dessen Kommerzialisierung nicht ignoriert werden dürfe). 193 So auch die Kritik von Jung, Bereicherungsansprüche, 1.
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Rechtsgrundproblematik normextern zu lösen ist, kann für die vorangehende Frage nach dem Zuweisungsgehalt der Rechtsposition, in die eingegriffen wurde, nichts anderes gelten. Ganz auf dieser Linie liegen die Spezialregelungen der Nichtleistungskondiktion in den §§ 816, 951 BGB. Sie beziehen sich wie gezeigt auf vorbestehende subjektive Rechte, deren Wirkungen auf bereicherungsrechtlicher Ebene abgebildet werden. Demselben Prinzip folgen die Leistungs- und Verwendungskondiktion im Hinblick auf den fehlenden Rechtsgrund: Ob die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens von Anfang an oder nachträglich ohne rechtlichen Grund erfolgte, richtet sich insbesondere nach der vertragsrechtlichen Wirksamkeit einer entsprechenden Verpflichtung bzw. nach ihrem Vorhandensein in Fällen von Täuschung und Zwang. Die Kondiktion wegen Zweckfortfalls orientiert sich am „nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckten Erfolg“ und legt damit ebenfalls Maßstäbe an, die nicht aus § 812 Abs. 1 S. 2 2. Alt. BGB entnommen werden. § 817 S. 1 BGB schließlich verweist auf gesetzliche Verbote und die guten Sitten. Entgegen Kleinheyer folgt aus der ohnehin wenig aussagekräftigen Entstehungsgeschichte194 nichts Gegenteiliges. Gerade die Erläuterung des Merkmals „auf Kosten“ rekurriert wie erläutert auf erbrechtliche Gesichtspunkte. Dagegen gibt Kleinheyers Verweis auf die in den Motiven angenommene Kondizierbarkeit einer von einem Geschäftsunfähigen geleisteten Arbeit nichts für die hiesige Problematik her. Zum einen bezieht sich die Passage auf den Leistungsbegriff, der bei Zuwendungen eines Geschäftsunfähigen nicht erfüllt sei195. Über den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion, die sich dadurch auszeichnet, dass der Bereicherungsgläubiger nicht einmal im natürlichen Sinne handelt, wird also nichts ausgesagt. Zum anderen ist es verfehlt, von der Rechtsfolge, den Wert von Arbeitsleistungen ersetzen zu müssen, auf den Tatbestand eines Zuweisungsgehalts der Arbeitskraft rückzuschließen. Schließlich kommt selbst Kleinheyers Beispiel nicht ohne bereicherungsrechtsexterne Normen aus, denn die Regeln über Geschäftsfähigkeit folgen nicht aus den §§ 812 ff. BGB. Im Übrigen erscheint es widersprüchlich, das Merkmal „auf Kosten“ wegen des Abschieds von der Vermögensverschiebung erst für überflüssig zu erklären und ihm kurz darauf eine „wesentliche Rolle“ für die Bestimmung der Reichweite der Eingriffskondiktion zuzubilligen196. Richtig ist zwar, dass eine allgemeine Dogmatik des Güterzuordnungsrechts, auf die zur Anwendung des Bereicherungsrechts zurückgegriffen werden kann, bisher allenfalls in Ansätzen existiert197. Die sich hieraus ergeben194
Insoweit zutreffend Kleinheyer, JZ 1970, 471, 473. Mot. II, 853. 196 Kleinheyer, JZ 1970, 471, 473 (im Widerspruch zur Aussage, das Tatbestandsmerkmal „auf Kosten“ sei überflüssig und könne wegfallen, a.a.O., 471). 197 Siehe dazu unten § 14; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 430 (es bestünden Zweifel hinsichtlich der Erstreckung der Eingriffskondiktion auf „Rechtspositionen, die nicht in jeder Hinsicht die Elemente absoluter subjektiver Rechte … enthalten, diesen aber ähnlich sind, mit Zuweisungsgehalt ausgestattet sind und damit in den Schutzbereich der Eingriffskondiktion fallen“). 195
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den Schwierigkeiten sind indes kein Grund, das Kind mit dem Bade auszuschütten und sich in eine gesetzesferne Diktion zu flüchten198. Selbst die bereicherungsinterne Herleitung des Zuweisungsgehalts beruht bei näherem Hinsehen nicht auf Gesichtspunkten, die § 812 BGB entnommen sind, obwohl die Norm doch sämtliche relevanten Wertungen enthalten soll. Vorherrschend sind ergebnisorientierte Appelle199, naturalistische Kurzschlüsse vom Lebensgut auf kondiktionsbewehrte „Rechtsgüter“200, sozialwissenschaftliche Erkenntnisse201 oder eine ökonomisch motivierte Abwägung202. Ob derartige Erwägungen eine Zuordnungsentscheidung im Allgemeinen rechtfertigen können, ist an späterer Stelle zu hinterfragen203. Hier jedenfalls kann festgehalten werden, dass bereicherungsrechtliche Argumente für diese norminterne Zuordnungskraft nicht ersichtlich sind und auch gar nicht behauptet werden. Es verwundert nach alldem nicht, dass es Kleinheyer nicht gelingt, den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion allein aus § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB zu entwickeln. Denn nur solche Güter seien anspruchsbewehrte „Rechtsgüter“, die „einer Person durch die Rechtsordnung vorbehalten“ seien204. Das Bereicherungsrecht allein liefert also keine Antwort auf die Frage, ob von einem „geschützten Interesse“ (Art. 38 Abs. 2 EGBGB) auszugehen ist. Rechtsprechung und herrschende Meinung leiten den hierfür erforderlichen Zuweisungsgehalt der betroffenen Rechtsposition vielmehr aus der sonstigen Rechts198 Rümker, Das Tatbestandsmerkmal „ohne rechtlichen Grund“, 61 f.; a.A. Kleinheyer, JZ 1970, 471, 474. 199 Kleinheyer, JZ 1970, 471, 473 (wenn der Anspruch mangels Zuordnungsgehalt abgelehnt werde, sei das ein Ergebnis, das „gerade für denjenigen unerträglich [sei], der Erträge auf rechtliche Zuweisungen gründen möchte“). 200 Kleinheyer, JZ 1970, 471, 473 f. („fremde[n] Rechtsgüter[n]“; „vorbehaltenes“ oder „zugewiesenes Rechtsgut“). Auch sonst ist die Ineinandersetzung von Gut und normativer Zuweisung in der bereicherungsrechtlichen Literatur weit verbreitet; siehe Wilburg, Ungerechtfertigte Bereicherung, 48 („Bereicherung aus fremdem Rechtsgut“); ders., AcP 163 (1963), 346, 349 (Arbeitskraft als Recht, dessen Schutzzweck eine Vergütung rechtfertige); Bydlinski, System des Privatrechts, 240 f.; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 782 (ohne Anerkennung der Eingriffskondiktion wäre „das vermögenswerte Persönlichkeitsrecht … zu einem öffentlichen Gut geworden“); Reuter/ Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 258 (das allgemeine Persönlichkeitsrecht als nur teilweise verwertbares Herrschaftsobjekt); unklar Kurz, Besitz als Gegenstand der Eingriffskondiktion, 14 („Als Rechtszuständigkeit verstanden kann nur ein subjektives Recht das Objekt der Zuordnung an ein Subjekt sein.“). Kritisch dazu, die Eingriffskondiktion auf das Rechtsobjekt und nicht auf das daran bestehende Recht zu beziehen Fournier, Bereicherungsausgleich, 68. 201 Joerges, Bereicherungsrecht als Wirtschaftsrecht, 61. 202 Siehe Kobbelt, Der Schutz von Immaterialgütern, 165 f. (der Verweis auf die positiv normierten Rechte sei „zu unflexibel im Hinblick auf eine Berücksichtigung ökonomischer Erwägungen“ sowie „zu kurz gefaßt, da wirtschaftlich verwertbare Positionen auch außerhalb dieses eng gefaßten Kreises bestehen und die Entwicklung solcher Positionen einem dynamischen Prozeß unterworfen ist“), 169 („Endpunkt der Betrachtung ist nicht das positive Recht, sondern die Frage nach den (wirtschaftlichen) Gründen für deren Erlaß.“), 172 (würden im Rahmen der Eingriffskondiktion neue Schutzpositionen begründet, sei dies eine Folge wirtschaftlicher Forderungen, nicht des Bereicherungsrechts selbst). 203 Siehe unten § 12 C. 204 Kleinheyer, JZ 1970, 471, 475.
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ordnung ab. Damit ergibt sich ein Zusammenspiel zwischen normexternen Wertungen und § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB. Das Bereicherungsrecht regelt nur – aber immerhin – ob die anderweitig aufzufindende Güterzuweisung genügt, um die streitigen Vermögensvorteile dem Bereicherungsgläubiger zuzuteilen; es gibt mithin die abstrakten Maßstäbe vor, die das externe Güterzuordnungsrecht erfüllen muss, damit eine Restitutionspflicht eintritt205. Die generelle Güterzuordnungskraft des Bereicherungsrechts wird damit wesentlich eingeschränkt. Es kann nämlich die Anerkennung positiver Befugnisse an „neuen“ Gütern nicht aus sich heraus legitimieren, sondern setzt andere Quellen der Güterzuordnung voraus. Es entspricht damit dem bloßen Sanktionscharakter des „sonstigen Rechts“ gem. § 823 Abs. 1 BGB206.
II. Voraussetzungen externer Güterzuweisung Trotz dieses negativen Befundes kann die Prüfung der Eingriffskondiktion als potentieller Grundlage richterlicher Zuordnungsentscheidungen noch nicht abgebrochen werden. Offen ist noch, welche Anforderungen § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB an die bereicherungsexterne Rechtsposition stellt. Sollten diese Voraussetzungen sehr gering sein, könnte der Kreis der „geschützten Interessen“ (Art. 38 Abs. 2 EGBGB) wiederum weit ausgedehnt und auf diesem Wege alleinige Nutzungsbefugnisse insbesondere an solchen Gütern herausgebildet werden, die von den normierten Ausschließlichkeitsrechten nicht erfasst sind. Damit qualifizierte sich die Eingriffskondiktion letztlich doch als Instrument zur schrittweisen Erweiterung der Güterzuordnung. 1. Unklarheit über Voraussetzungen und Grenzen des Zuweisungsgehalts Und tatsächlich findet sich ein ausgesprochen weites Spektrum von Vorschlägen zu den Voraussetzungen, die gegeben sein müssen, damit eine Rechtsposition über den erforderlichen Zuweisungsgehalt verfügt. Gerade die Unklarheit des Begriffs „Zuweisungsgehalt“ ist einer der Hauptpunkte der an dieser Lehre geübten Kritik207. Ihr ist zuzugeben, dass Verweise auf „gesetzliche Wertungen“208, die „Gesamtheit der die Güterbewegung beherrschenden Normen“209, das „sub205
In diesem Sinn Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 250. Siehe oben § 6 B III. 207 Kritisch etwa Jakobs, Eingriffserwerb, 104 (Schlagwort); Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 170 (wegen ihrer Unklarheit habe die Lehre vom Zuweisungsgehalt berechtigte Kritik auf sich gezogen); Lieb, in: MünchKomm, § 812 BGB Rn. 245; Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung, 130 f.; Haines, Bereicherungsansprüche, 85 (Schlagwort, Leerformel, Scheinbegründung); Brüggemeier, in: AK, § 812 BGB Rn. 50 („Eine Dogmatik, die bei derartigen Formeln Zuflucht nimmt, vermag die Rspr. weder anzuleiten noch zu kritisieren.“); Schurer, Schutzbereich der Eingriffskondktion, 7, 27 ff. („obskur“); Wendehorst, in: Bamberger/Roth, § 812 BGB Rn. 122; Esser/Weyers, Schuldrecht II/2, 74. 208 So aber Kropholler, Studienkommentar BGB, § 812 BGB Rn. 38. 209 Westermann/Buck-Heeb, in: Erman, § 812 BGB Rn. 64. 206
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jektive Recht“210, „Ähnlichkeiten“ von Rechtspositionen mit dem Sacheigentum und den Immaterialgüterrechten211 oder andere vage Formulierungen212 inhaltsleer bleiben und die Entscheidung über diese zentrale Voraussetzung der Eingriffskondiktion letztlich an den Rechtsanwender delegieren. Solche Unschärfen weisen auch die grundlegenden Arbeiten von Wilburg und v. Caemmerer auf. So ist bei Wilburg zu lesen, der Zuweisungsgehalt könne sich aus subjektiven Rechten und Rechtssätzen mit entsprechendem Zweck ergeben – zum Beispiel aus § 1 UWG 1909. „Dies strebt der Schaffung neuer ausschließlicher Rechte zu, darf aber nicht dazu führen, daß über die gesetzlich festgelegten Voraussetzungen des Immaterialgüterrechts jeder Einfall, jede gelungene Maßnahme zum Privileg werde.“213 v. Caemmerer verweist auf das Sacheigentum und die Immaterialgüterrechte, ergänzt jedoch, im Hinblick auf andere Schutzpositionen könne man 210 Heck, Schuldrecht, 421 (in der Anerkennung eines subjektiven Rechts liege immer die Zuweisung des Erwerbs); Fournier, Bereicherungsausgleich, 76 („Eingriffsfähig sind demnach nicht nur alle klassischen ,absoluten‘ Rechte, sondern bereits alle Rechte, die einen gegenüber dem Eingreifer geschützten Freiraum beschreiben, etwa weil sie bis zu einem gewissen Grade Bestandsschutz genießen – wie Forderungsrechte nach Maßgabe des § 816 II BGB – oder weil sie mit einem nur ,relativ‘ in Erscheinung tretenden Ausschließlichkeitsschutz ausgestattet sind – wie beispielsweise besitzschutzrechtlich verstärkte, schuldrechtliche Nutzungspositionen und die sog. Rahmenrechte …“), 78 („allgemeinste Bedeutung“); Hüffer, JuS 1981, 263 (§ 903 BGB sei ein klares Beispiel); Lieb, in: MünchKomm, § 812 BGB Rn. 245; v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht I, 523; Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 765; kritisch dazu Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 417 (aber a.a.O. 429: der „Inhalt der absoluten subjektiven Rechte“ sei für den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion maßgeblich). Zum Begriff des subjektiven Rechts oben § 1 B II 2 und unten § 14 A I. 211 Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 430, 477 („Rechtspositionen, die nicht in jeder Hinsicht die Elemente absoluter subjektiver Rechte … enthalten, diesen aber ähnlich sind, mit Zuweisungsgehalt ausgestattet sind und damit in den Schutzbereich der Eingriffskondiktion fallen …“), 471 (der Begriff des Zuweisungsgehalts sei ein „Gattungsbegriff …, dessen Inhalt für jedes einzelne durch die Eingriffskondiktion geschützte Recht zu ermitteln“ sei). 212 Siehe ferner Westermann, AcP 178 (1978), 150, 185; Westermann/Buck-Heeb, in: Erman, § 812 BGB Rn. 66 (die Zuweisungslehre sei „als Appell zur offenen Wertung der rechtlichen Zuweisungsfunktion von Gütern“ aufzufassen, „die durch die Rechtsordnung anerkannt oder gesellschaftlich entstanden sind und als wertvoll empfunden werden“); Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 262 (wo das Bereicherungsrecht externe Wertungen vorfinde, „ob in einer ausdrücklichen höchstrichterlichen Anerkennung einer Position z.B. als sonstiges Recht i.S. des § 823 Abs. 1 BGB wie bei Teilen des Persönlichkeitsrechts oder auch nur in der duldenden Anerkennung bestimmter Praktiken im Wirtschafts- und Sozialleben durch die Rechtsordnung wie bei der entgeltlichen Nutzungsüberlassung von Kennzeichen i.S. des § 16 Abs. 2 UWG, ist dabei ohne Bedeutung“); Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 766 f. (die Frage sei, ob eine allgemein geschützte Rechtsposition so „verdichtet“ sei, dass sie in eine kondiktionsfähige Exklusivstellung übergegangen sei); König, Gutachten, 1515, 1553 („analoge[n] Rechtspositionen“ im Vergleich zu den anerkannten Fällen der Eingriffskondiktion); Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1469 ff. (ausreichend sei „jedes geschützte Rechtsgut); Schlechtriem, Symposium König, 57, 62 (mit der Anerkennung der Ansprüche schaffe man geschützte Interessen), 79 (mit der Anerkennung des Anspruchs werde auch das Interesse der Gesellschaft an der Erhaltung bestimmter Spielregeln durchgesetzt). Von vornherein ungeeignet erscheint die kumulative Aufzählung aller in der Literatur vertretener Kriterien, da diese sich maßgeblich unterscheiden; so aber Schwarz/ Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 184 f. 213 Wilburg, Ungerechtfertigte Bereicherung, 45.
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ebenfalls von Güterzuweisung sprechen. Bei dieser „positiv-rechtliche[n] Entscheidung“ müsse man sich im Klaren sein, dass in der Anerkennung des Bereicherungsanspruchs eine ausschließliche Zuweisung des betreffenden Guts an eine bestimmte Person unter Ausschluss aller anderen liege214. Die Rechtsprechung hat diesen ihr regelrecht zugespielten Ball aufgenommen und mit der Rede vom Zuweisungsgehalt sehr disparate Ergebnisse erzielt215. Einerseits scheint sie eine restriktive Linie zu verfolgen und verneint Ansprüche aus Eingriffskondiktion bei Verletzungen vertraglicher Befugnisse und „Eingriffen“ in das Recht am Gewerbebetrieb, weil anders als bei den normierten Ausschließlichkeitsrechten kein „bestimmter Tätigkeitsbereich mit festen Chancen und Erwerbserwartungen wie ein absolutes Recht zugewiesen“ ist, sondern „jeder Gewerbetreibende dasselbe Recht der gewinnbringenden Tätigkeit“ habe216. Andererseits bejahen die Gerichte wie in § 4 B nachgewiesen eine bereicherungsrechtliche Haftung bei unerlaubter Nutzung „neuer“, nicht spezialgesetzlich zugewiesener Güter und sprechen dabei dunkel von „entsprechender“ Güterzuordnung217. Statt den Zuweisungsgehalt der betroffenen Rechtspositionen im Einzelnen zu bestimmen, wird in diesen Entscheidungen maßgeblich auf die Ersparnis einer sonst üblichen Vergütung abgestellt. Dogmatisch besteht der Unterschied darin, dass letztgenannter Umstand statt wie sonst im Rahmen der Prüfung, ob „etwas erlangt“ wurde, nunmehr auf der Ebene des Zuweisungsgehalts – also in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal „auf Kosten“ – erörtert wird218.
214 V. Caemmerer, FS Rabel, 333, 398; kritisch Joerges, Bereicherungsrecht als Wirtschaftsrecht, 31 („dezisionistisch“). 215 Lorenz, in: Staudinger, § 812 BGB Rn. 23 (die Rechtsprechung verfahre pragmatisch und lege sich nicht begrifflich fest, um sich damit künftige fallrechtliche Entwicklungen offen zu halten). 216 Nachweise unten 2. 217 BGHZ 143, 214, 225 (1999) – Marlene. 218 Siehe in diesem Sinne BGHZ 20, 345, 355 (1956) – Dahlke (Der Hinweis des I. Senats auf die Entscheidung RGZ 166, 65, 71 (1940) trägt diese Aussage nicht. In jener Entscheidung hatte das Berufungsgericht in einer gesellschaftsrechtlichen Konstellation einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 2 BGB, also eine Leistungskondiktion bejaht. Das Reichsgericht stellt sich diesem Ergebnis an der zitierten Stelle unter dem Gesichtspunkt des Vorrangs vertraglicher Ansprüche entgegen. Zur Eingriffskondiktion oder zur Aufwandsersparnis besagt diese Entscheidung nichts.). Wie die Dahlke-Entscheidung im Ansatz BGHZ 26, 349, 353 f. (1958) – Herrenreiter (hiergegen OLG München NJW-RR 1996, 539, 540 f.: durch die Eingriffskondiktion solle nicht im Sinne einer nachträglichen Fiktion ein quasi vertragliches Verhältnis hergestellt werden, sondern nur die ungerechtfertigte Bereicherung möglichst weitgehend rückabgewickelt werden); BGHZ 81, 75, 81 f. (1981) – Carrera (allerdings ohne Hinweis auf einen Ausschließlichkeitsrechtscharakter des aPR und in Bezug auf eine juristische Person); BGH JZ 1987, 158, 159 – Nena (Kondiktionsbewehrung einer Ermächtigung zur Verwertung von Persönlichkeitsmerkmalen, so dass der vertragliche Vergütungsanspruch der Ermächtigten zustehe und der unerlaubt Nutzende daher nicht auf Kosten des Rechtsinhabers, sondern des Ermächtigten bereichert sei); BGH NJW 1992, 2084, 2085 m.w.N. – Fuchsberger; OLG Hamburg Schulze OLGZ 113, 4 f. (1971) (Recht am eigenen Bild als Ausschließlichkeitsrecht); OLG Hamburg AfP 1983, 282, 283 (auch ein vertragliches Verbot der Nutzung des Bildnisses durch den Betroffenen stehe einem Bereicherungsanspruch nicht entgegen; aus § 137 BGB ergebe sich der Rechtsgedanke, dass der Kondiktionsschuldner sich nicht darauf könne,
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Auch wenn die Gerichte zur Herleitung des Zuweisungsgehalts stets auf Argumente außerhalb des Bereicherungsrechts abgestellt haben219, ist die herrschende Lehre offenbar so unpräzise, dass die Eingriffskondiktion eben doch als flexibles Instrument eingesetzt werden kann, um – wie v. Caemmerer richtig erkannte – ausschließliche Befugnisse anzuerkennen. Die Rechtspraxis bestätigt mithin das Bedürfnis, die in der Tat aus § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB zu entwickelnden, abstrakten Voraussetzungen an einen „Zuweisungsgehalt“ genauer zu bestimmen220. Zu diesem Zweck sind die Spielarten der herrschenden Meinung zunächst darzustellen (dazu 2) und anschließend unter Berücksichtigung der oben gewonnenen Erkenntnisse kritisch zu würdigen (dazu 3). 2. Vertretene Auffassungen Innerhalb der Lehre vom Zuweisungsgehalt lassen sich zwei Hauptströmungen unterscheiden. Eine Auffassung lässt grundsätzlich genügen, dass die betroffene Handlung jedermann untersagt ist; sie hält den Ausschluss aller Dritten als den negativen Aspekt von Ausschließlichkeitsrechten für ausreichend (dazu a). Die andere Meinung verlangt eine positive Zuweisung gerade derjenigen Vermögensvorteile zum Bereicherungsgläubiger, die der Schuldner herauszugeben hat. Allerdings sind nicht weniger als vier verschiedene Ansätze zur Erklärung des Inhalts und der Quelle dieser Anwartschaft auszumachen (dazu b). a) Negativer Zuweisungsgehalt Die hier als Lehre vom negativen Zuweisungsgehalt bezeichnete Auffassung lehnt die Rechtswidrigkeitstheorie aus den oben B II genannten Gründen zwar ab, knüpft die Eingriffskondiktion letztlich aber doch an die Wertungen des Deliktsrechts: Gewähre jenes Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche, komme auch die Eingriffskondiktion in Betracht221. Denn insbesondere durch den allge219 dass sich der Gläubiger einem Dritten gegenüber verpflichtet hat, über den Gegenstand der Kondiktion keine Verfügung zu treffen); OLG Hamburg AfP 1992, 159; OLG Karlsruhe AfP 1996, 282, 283; LG Hamburg AfP 1995, 526, 527. Mit derselben Argumentation (Möglichkeit einer obligatorischen Lizenz) für das Warenzeichenrecht BGHZ 99, 244, 247 (1986) (das Warenzeichenrecht weise den „Zuweisungsgehalts im Sinne des Bereicherungsrechts“ auf) gegen RGZ 47, 100, 101 f. (1900); RGZ 58, 321, 325 (1904). Schwer einzuordnen BGHZ 107, 117, 121 f. (1989) – Forschungskosten mit Verweisen auf v. Caemmerer und Kleinheyer; ebenso zwiespältig die Formulierungen bei OLG Karlsruhe NJW-RR 2000, 1005, 1006. 219 Siehe OLG Hamburg NJW-RR 1994, 990, 991 (Prüfung, ob ein Fall vorliege, in dem das Recht am Bild einem „ausschließlichen Immaterialgüterrecht“ ähnlich sei oder als „reines Persönlichkeitsrecht“ geltend gemacht werde). 220 Siehe auch OLG Karlsruhe NJW-RR 2000, 1005, 1006 (in Zweifelsfällen außerhalb der normierten Ausschließlichkeitsrechte müsse klargestellt werden, wann eine Rechtsposition Zuweisungsgehalt habe); Medicus, Schuldrecht BT, Rn. 713; Lieb, in: MünchKomm, § 812 BGB Rn. 246. Ausführlicher Überblick zu den vertretenen Auffassungen bei Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 353 ff. 221 Beuter, Kommerzialisierung, 153; Kaehler, Bereicherungsrecht und Vindikation, 49 (alle Sphären, in die der Eingriff einen deliktischen Schadensersatzanspruch entstehen lassen kann, seien
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meinen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch gem. § 1004 BGB analog zeige die Rechtsordnung an, dass der aktivlegitimierte Verletzte die rechtliche Kompetenz zur Nutzung des jeweiligen Guts innehabe und an einen Dritten überlassen dürfe222. Könne sich der Bereicherungsgläubiger im Hinblick auf das „Erlangte“ hingegen weder auf ein Ausschließlichkeitsrecht noch auf einen sonstigen Deliktsschutz stützen, schieden bereicherungsrechtliche Ansprüche ebenfalls aus223. Dennoch soll nicht jede deliktsrechtliche Rechtsposition genügen, sondern es werden zusätzliche Voraussetzungen unterschiedlichen Inhalts formuliert. So verlangen manche einen individualschützenden Zweck der Deliktsrechtsnormen224, andere eine tatbestandliche Verfestigung offener Deliktstatbestände im Sinne eines Schutzbereichs, dessen Verletzung die Rechtswidrigkeit des Eingriffs indiziert225. Schließlich werden Parallelen zum Anwendungsbereich der dreifachen Schadensberechnung gezogen: Könne der Verletzte seinen Schaden auf diese Art und Weise beziffern, sei auch die Eingriffskondiktion anwendbar226. 222 absolut zugewiesene Sphären); wohl auch Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 170 f.; Jung, Vererblichkeit, 144 f.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 245 f. (die Zuweisungstheorie sei dahingehend zu korrigieren, dass auch das Zustandekommen der Vermögensverschiebung berücksichtigt wird, um dem „Güterschutzgedanken“ des neminem laedere gerecht zu werden). 222 Köhler, FS Lorenz, 167, 174; wohl auch Canaris, JZ 1992, 1114, 1119; unklar Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 145 (wo gem. § 1004 BGB analog Unterlassung verlangt werden könne, komme auch die Eingriffskondiktion in Betracht), 171 (es sei unzutreffend, wie Kleinheyer die Anerkennung einer Eingriffskondiktion vom Bestehen eines negatorischen Unterlassungsanspruchs abhängig zu machen, denn auch dieser Anspruch sei nur akzessorisch zum Deliktsschutz). Ohne Anknüpfung an den Deliktsschutz Reeb, Bereicherungsrecht, 40, der seine Auffassung als „Theorie des allgemeinen Güterschutzes“ (a.a.O., 36) bezeichnet. 223 Siehe BGHZ 107, 117, 120 ff. (1989) – Forschungskosten; Lorenz, in: Staudinger, § 812 BGB Rn. 23. 224 Siehe Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 169 ff.; Haines, Bereicherungsansprüche, 107 (bejahend für das Persönlichkeitsrecht, Verstöße gegen das UWG und das Recht am Gewerbebetrieb); ebenso für das UWG in den Fallgruppen wettbewerbsrechtlicher Leistungs- und Geheimnisschutz, nicht aber bei bloßer Behinderung Heimann-Trosien, in: RGRK, vor § 812 BGB Rn. 33; Baumbach/Hefermehl, UWG Einl Rn. 420; Enzinger, GRUR Int. 1997, 96, 99 („relativ wirkender Zuweisungsgehalt“ genüge); widersprüchlich Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 75 (die Auffassung von Haines gehe zu weit), 81 (Bejahung der Eingriffskondiktion bei Verstößen gegen das UWG); a.A. Loewenheim, WRP 1997, 913, 916; Köhler, FS Lorenz, 167, 171; ders., in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 9 UWG Rn. 3.2. (es reiche nicht aus, dass die verletzte Norm (auch) eine Individualbegünstigung bezwecke). 225 Canaris, FS Deutsch, 85, 88 f.; ders., in: Grimm/Schwerdtner, Schutz der Persönlichkeit, 60 f.; Fournier, Bereicherungsausgleich, 125 f.; wohl auch BGHZ 81, 75, 80 (1981) – Carrera; Hoppe, Persönlichkeitsschutz, 75 f. (es bestehe nur für solche Güter ein Markt, für die stets eine Zustimmung zur Nutzung erforderlich sei; das sei für Berichte aus der Privatsphäre der Fall. Daher seien hier auch nur kommerzielle Interessen tangiert, a.a.O., 68 ff.); zweifelnd Stoll, Richterliche Fortbildung, 82. 226 BGHZ 77, 16, 25 (1980) (die Lizenzanalogie habe „starke Ähnlichkeit“ mit dem Bereicherungsausgleich bei rechtswidriger Patentbenutzung); BGHZ 99, 244, 247 (1986) (der bereicherungsrechtliche Zuweisungsgehalt könne nicht anders beurteilt werden als die Lizenzanalogie im Rahmen der dreifachen Schadensberechnung); Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 281 (in Bezug auf den sklavischen Nachbau); Köhler, NJW 1992, 1477, 1480; ders., in: Hefermehl/ Köhler/Bornkamm, § 9 UWG Rn. 3.2; Loewenheim, WRP 1997, 913, 916; wohl auch Fezer, Schuldrecht BT, 275 (Anhaltspunkte gebe das neue Schadensrecht).
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b) Positiver Zuweisungsgehalt aa) Grundlagen Die letztgenannten Zusätze offenbaren bereits das Unbehagen ihrer Vertreter ob der erkannten Nähe zur eigentlich doch abgelehnten Rechtswidrigkeitstheorie. Um sich von dieser zu distanzieren, soll nur ein Deliktsschutz nach dem Modell des Erfolgsunrechts oder eine Rechtsposition mit Blick auf ein bestimmtes Gut und nicht auf die Art und Weise der Verletzungshandlung genügen227. Rechtsprechung und herrschende Lehre vollziehen den im Gesetz angelegten Bruch mit deliktsrechtlichen Kategorien, indem sie nicht nur einen negativen, ggf. deliktsrechtlich hergeleiteten Ausschluss aller Dritten verlangen, sondern zusätzlich eine positive Nutzungs- und Verwertungsbefugnis des Bereicherungsgläubigers, wie sie in § 903 BGB paradigmatisch mit den Worten umschrieben wird, dass der Eigentümer mit der Sache „nach Belieben verfahren kann“228. Abgesehen von den bereits referierten Argumenten gegen die Rechtswidrigkeitstheorie wird hierfür vorgebracht, nicht jede Bereicherung aus fremdem Vermögen solle restituiert werden, während das Deliktsrecht unter bestimmten Voraussetzungen durchaus jedes Vermögensinteresse abbilden könne. Eine Abschöpfung von Vermögensvorteilen ohne Rücksicht auf die Art der Handlung, das Verschulden und einen Schaden komme nur in Betracht, wenn das „Etwas“ dem Bereicherungsgläubiger zustehe. Dafür genüge es nicht zu erklären, warum der Schuldner die Bereicherung nicht behalten dürfe (negativer Aspekt). Vielmehr sei auch zu begründen, warum gerade der Bereicherungsgläubiger und kein anderer diesen Vorteil erhalten soll, wo doch nicht einmal ein messbarer negativer Effekt auf sein Vermögen eingetreten sein muss. Folglich sei zu verlangen, dass der Gläubiger über ein positives Aneignungsrecht auf den betreffenden Vermögensvorteil verfügt229. 227
Zum letztgenannten Aspekt Büsching, Eingriffskondiktion im Wettbewerbsrecht, 126 (das Geheimnis sei im UWG nicht als solches geschützt, sondern nur gegen bestimmte Verhaltensweisen). 228 BGHZ 107, 117, 120 f. (1989) – Forschungskosten; OLG Karlsruhe NJW-RR 2000, 1005, 1006 (negativer Ausschluss und positive Verwertungsbefugnis); Bälz, JZ 1977, 519, 521 (positiver Kern); Loewenheim, Bereicherungsrecht, 84 f., 88; Lieb, in: MünchKomm, § 812 BGB Rn. 249 (positive Befugnis, über das Rechtsgut verfügen zu können); Medicus, Schuldrecht BT, Rn. 713; v. Sachsen Gessaphe, in: AnwKommm, § 812 BGB Rn. 81 (positive Zuweisung zur alleinigen Nutzung und Verwertung eines Gutes); Beuter, Kommerzialisierung, 153; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 256 (positive Bestimmung des kondiktionsrechtlich relevanten Schutzbereichs einer Rechtsposition); Fournier, Bereicherungsausgleich, 76; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 429 (erforderlich sei eine positive Ermächtigungsnorm und ein Generalverbot); differenzierend Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte, 18; a.A. Kleinheyer, JZ 1970, 471, 477; Reeb, Bereicherungsrecht, 40; Jansen, Struktur des Haftungsrechts, 521 (Zuweisung als im Ausgangspunkt einheitliche normative Grundlage für Ansprüche wie die Eingriffskondiktion und den deliktischen Schadensersatz). 229 Insbesondere RG JR Beilage 1925, 734 f. (Nr. 1047) mit Verweis auf Prot. II 2, 685 (Realgewerbegenehmigung als absolutes Aneignungsrecht); BGHZ 71, 86, 98 (1978) (feste Zuweisung von Chancen wie ein absolutes Recht); BGH NJW 1999, 1393 f. („endgültige Güterzuordnung“).
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Eine solche Befugnis stellen zunächst die dinglichen Rechte einschließlich des Anwartschaftsrechts als wesensgleiches Minus zum Volleigentum dar, wenn – als zusätzliches Merkmal zur Begründung ersparter Aufwendungen („etwas erlangt“) – für die Nutzung der Sache nach öffentlicher Widmung, Übung oder Verkehrsauffassung eine Vergütung geschuldet wird230. Die Grenzen der Eingriffskondiktion ergeben sich aus den vertikalen und horizontalen Schranken des Schutzbereichs des Eigentums231 und dem „Verbrauch“ der eigentumsrechtlichen Dispositionsbefugnis232. Eine exklusive, positive Nutzungsbefugnis an bestimmten Gütern gewähren ferner die Immaterialgüterrechte, deren Eingriffsbewehrung denn auch nur im Hinblick auf eine abschließende Regelung der sekundären Ansprüche in den Immaterialgüterrechtsgesetzen umstritten war233. 230
Siehe die Entscheidungen des Grundstückssenats RGZ 97, 310, 312 (1919); BGHZ 20, 270, 275 (1956); BGHZ 22, 395, 400 (1956); BGH NJW 1973, 1281, 1282 f. (Sondernutzung des Luftraums über der im Eigentum der Gemeinde stehenden Straße); BGHZ 94, 160, 164 ff. (1985); BGH NJW 2002, 60 f.; ebenso IV. Senat BGHZ 14, 7, 9 (1954); VII. Senat, BGHZ 68, 276, 278 f. (1977) (der Bereicherungsausgleich zwischen den aus der Teilungsmasse zu befriedigenden Gläubigern beruhe auf der dinglichen (Hervorh. im Original) Rechtsstellung der betroffenen Gläubiger); III. Senat, BGH WM 1981, 129, 131 (Grundeigentum als umfassende Sachherrschaft); BGH NJW 2002, 60 f. (gesetzliche Nutzungsbefugnis, die überschritten wurde); KG NJW-RR 1992, 1362, 1363 (unbefugte Nutzung einer fremden Sache); LG Bonn NJW 1977, 1823, 1824 (erforderlich sei ein Eingriff in ein dingliches Recht). Aus der Literatur nur etwa Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 485 ff.; Wilburg, Ungerechtfertigte Bereicherung, 28 ff.; König, Gutachten, 1515, 1552; Schlechtriem, Symposium König, 57, 63 ff.; Emmerich, Schuldrecht BT, 209; Stadler, in: Jauernig, § 812 BGB Rn. 52; Westermann/Buck-Heeb, in: Erman, § 812 BGB Rn. 67. 231 Siehe z.B. LG Hamburg AfP 1994, 161, 162 (keine Eingriffskondiktion bei Fotografie von Sachen, da diese Nutzung nicht vom Eigentum erfasst sei). Zum Recht am Bild der eigenen Sache oben §§ 4 B I, 5 B I 1. 232 Zur unberechtigten Untervermietung BGH NJW 1964, 1853; BGHZ 131, 297, 304 ff. (1995) m.w.N. (bei unberechtigter Untervermietung scheide ein Anspruch des Eigentümers gegen den Hauptmieter auf Herausgabe der Mieteinnahmen aus, weil sich der Eigentümer seines Eigentums insoweit begeben habe und selbst die Vermietung nicht mehr gestatten könne); ohne Rücksicht hierauf im immaterialgüterrechtlichen Kontext Ullmann, GRUR 1978, 615, 620. 233 Gegen eine condictio sine causa bei Urheberrechtsverletzung noch ROHG 22, 338, 340 (1877) (der vom Verletzer erzielte Erwerb habe niemals zum Vermögen der Rechtsinhaberin gehört; das ROHG gewährt einen Anspruch auf Gewinnherausgabe dann aber auf der Grundlage der negotiorum gestio). Bejahend zum Bereicherungsrecht dann RGZ 90, 137, 138 f. (1917) (zum KUG ohne bereicherungsrechtliche Subsumtion); BGHZ 20, 345, 354 (1956) – Dahlke m.w.N.; BGHZ 129, 66, 75 (1995) (unter Hinweis auf § 97 Abs. 3 UrhG). Ablehnend zum Warenzeichenrecht wegen bloßen Schutzes des redlichen Geschäftsbetriebs im Interesse der Allgemeinheit RGZ 47, 100, 101 f. (1900); RGZ 58, 321, 325 (1904); anders die Begründung von RGZ 108, 1, 6 f. (1923) (wegen abschließender Regelung der Schadensersatzpflicht auf wissentliche und grob fahrlässige Zeichenverletzungen); bejahend dann BGHZ 99, 244, 246 ff. (1986); BGH GRUR 2001, 1156, 1157. Zum Patent- und Gebrauchsmusterrecht auf geänderter patentrechtlicher Grundlage im Unterschied zum Reichsgericht bejahend BGHZ 68, 90, 91 ff., 99 (1976), unter ausdrücklicher Berufung auf v. Caemmerer und Mestmäcker; BGH NJW 1979, 101 f.; BGHZ 107, 46, 66 (1989); zum Zuweisungsgehalt des Rechts auf das Patent gem. § 6 PatG BGH NJW-RR 2006, 1123, 1126. Siehe zur Diskussion um die Anwendbarkeit und den Inhalt der Eingriffskondiktion im Immaterialgüterrecht Kohler, Patentrecht, 568 ff.; Heck, Schuldrecht, 421; Fuchs, Ausgleichspflicht bei gutgläubiger Patentverletzung, 105 f.; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 877 f.; Wilburg, Ungerechtfertigte Bereicherung, 40 ff.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 270 ff.;
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Dagegen wird in relativen, insbesondere vertraglich begründeten Rechten und deliktsrechtlichen Rechtspositionen wie dem Recht am Gewerbebetrieb kein eingriffsbewehrtes, „geschütztes Interesse“ (Art. 38 Abs. 2 EGBGB) gesehen. Abgesehen vom Schutz der Forderungszuständigkeit als solcher (dazu § 816 Abs. 2 BGB234) ordneten relative Rechte keine Güter oder Nutzungen zu, sondern bezögen sich nur auf das Verhalten des verpflichteten Schuldners235. Auch bei Verletzungen des Rechts am Gewerbebetrieb werde nicht in einen zugewiesenen Rechtsbereich eingegriffen. Zwar sei das Recht „zur gewerblichen Betätigung“ gesetzlich geschützt. Dem Unternehmer sei „damit aber nicht ein bestimmter Tätigkeitsbereich mit festen Chancen und Erwerbserwartungen wie ein absolutes Recht zugewiesen; vielmehr hat jeder Gewerbetreibende dasselbe Recht der gewinnbringenden Tätigkeit.“236. Mit denselben Argumenten werden 234 Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 591 ff.; Ullmann, GRUR 1978, 615 ff. (Herrschaftsrecht mit positivem Zuweisungsgehalt erforderlich); Hüffer, JuS 1981, 263, 264 f.; König, Gutachten, 1515, 1552 f.; Stadler, in: Jauernig, § 812 BGB Rn. 55; Sprau, in: Palandt, v. § 812 BGB Rn. 16a; Larenz/ Canaris, SchuldR II/2, 173; Habermeier, AcP 193 (1993), 364, 366 f.; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 750; Bälz, JZ 1977, 519, 521. Allgemein ablehnend wegen des abschließenden Charakters der sondergesetzlich geregelten Sanktionen wegen Widerspruchs gegen die „Natur dieser Güter, die doch der Allgemeinheit zustreben“ Kohler, Bürgerliches Recht II 1, 460; ablehnend für das Warenzeichenrecht mangels positiver Zuweisung Mestmäcker, unten bb. 234 Dazu oben C II 1. 235 BGHZ 68, 276, 279 (1977); BGH NJW 1987, 771 f.; BGH NJW 1993, 1919; LG Bonn NJW 1977, 1823 f. (kein Anspruch aus Eingriffskondiktion bei Beeinträchtigung einer vertraglichen Ausschließlichkeit zur Nutzung des Gemeindegrundes für Werbezwecke wegen fehlender Unmittelbarkeit des Bereicherungsvorgangs); Wilburg, Ungerechtfertigte Bereicherung, 46 f.; v. Caemmerer, FS Rabel, 333, 355; Kropholler, Studienkommentar BGB, § 812 BGB Rn. 38; v. Sachsen Gessaphe, in: AnwKommm, § 812 BGB Rn. 83; Fournier, Bereicherungsausgleich, 71 ff.; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 864; a.A. Heimann-Trosien, in: RGRK, § 812 BGB Rn. 42 (Forderung als absolutes Recht); Wieling, Bereicherungsrecht, 48 (vertragliche Nutzungsbefugnis als möglicher Eingriffsgegenstand im Verhältnis zum Vertragspartner); weitergehend auch Kurz, Besitz als Gegenstand der Eingriffskondiktion, 64 (Güterzuordnung auch durch das Recht der Schuldverhältnisse). Anders jedenfalls im Ergebnis auch BGH JZ 1987, 158 f. – Nena (Eingriffskondiktion auf der Basis einer vertraglichen Ermächtigung zur Geltendmachung fremder Rechte); kritisch dazu Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 175; Moosmann, Exklusivstories, 205 m.w.N.; Schulze Wessel, Vermarktung Verstorbener, 121; Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte, 116 mit Fn. 148; kritisch auch Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 61 ff.; Ullmann, AfP 1999, 209, 212; ders., in: Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz, 17, 24; zustimmend hingegen Ernst-Moll, GRUR 1996, 558, 563. Zum Bezug relativer Rechte auf das Schuldnerverhalten oben § 1 B II 4. Zur Eingriffsbewehrung des berechtigten Besitzes unten 3 b cc. 236 BGHZ 71, 86, 98 (1978) (Recht am Gewerbebetrieb); BGHZ 82, 299, 306 f. (1981); BGHZ 107, 117, 121 (1989) – Forschungskosten; siehe auch KG NJW-RR 1992, 1362, 1363 („maßgebliche rechtliche Güterzuordnung“). Anders fielen Entscheidungen des Reichsgerichts im Hinblick auf Eingriffe in die Tätigkeit von Betrieben aus, wenn diese Unternehmen durch die Kriegsgesetzgebung eine „tatsächlich sichere Erwerbsaussicht“ hatten; siehe die Nachweise bei Planck4, § 812 BGB Anm. 2a m.w.N.; ferner Mühl/Hadding, in: Soergel, § 812 BGB Rn. 155; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 268 ff.; v. Caemmerer, FS DJT II, 49, 54; v. Sachsen Gessaphe, in: AnwKommm, § 812 BGB Rn. 84; Westermann/Buck-Heeb, in: Erman, § 812 BGB Rn. 70; Wendehorst, in: Bamberger/Roth, § 812 BGB Rn. 128; Lieb, in: MünchKomm, § 812 BGB Rn. 260 f.; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 802; a.A. Heimann-Trosien, in: RGRK, vor § 812 BGB Rn. 34 (die Rechtsprechung sehe dieses Recht als absolutes Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB an).
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bereicherungsrechtliche Ansprüche wegen der Verletzung allgemeiner Verkehrspflichten sowie wegen Verstößen gegen Schutzgesetze und vorsätzliche sittenwidrige Schädigungen verneint237. Ebenso wenig ordne das Sonderdeliktsrecht des UWG Vermögensvorteile zu238. Man ergänzt, eine Anwendung der Eingriffskondiktion in diesen Fällen würde ungeschützte Bereiche in „patentähnliche Rechte“ verwandeln239 und die notwendige, gleichrangige Wettbewerbsfreiheit lähmen240. Wie wenig konsequent diese Grundannahmen freilich durchgeführt werden, erweisen die in § 4 B referierten Beispiele richterlicher Zuordnungsentscheidungen, die auch auf dem Boden der Eingriffskondiktion ergingen. Erinnert sei nur an den wettbewerbsrechtlichen Leistungs- und Geheimnisschutz, das aPR und elektrische Energie, bei denen es sich durchweg um Rechtspositionen mit dem erforderlichen positiven Zuweisungsgehalt handeln soll. Es verwundert daher nicht, dass selbst unter dem Dach dieser Lehre ganz unterschiedliche Auffassungen über die Herleitung und den genauen Gehalt der Anwartschaft auf den Vermögensvorteil versammelt sind. Anhand welcher Kriterien wird also z.B. zwischen den eingriffsbewehrten „kommerziellen Bestandteilen“ des Persönlichkeitsrechts und solchen Verletzungen des aPR differenziert, die keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche auslösen241? bb) Übertragbare Rechte Die strengsten Anforderungen an den Zuweisungsgehalt stellen diejenigen, die ein im Rechtsverkehr verwertbares, klar definiertes und gesetzlich anerkanntes Recht am betreffenden Vermögensvorteil verlangen242. Diese restriktiven Voraussetzungen reflektierten die bereicherungsrechtliche Haftung ohne Rücksicht auf Verschulden und einen Schaden des Gläubigers243. Sie seien außerdem zur Wah237 Rümker, Das Tatbestandsmerkmal „ohne rechtlichen Grund“, 64 ff. m.w.N.; Fikentscher/ Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1398; v. Caemmerer, FS Rabel, 333, 395 ff.; Stadler, in: Jauernig, § 812 BGB Rn. 56; Wendehorst, in: Bamberger/Roth, § 812 BGB Rn. 129; a.A. Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 175, 177. 238 Rümker, Das Tatbestandsmerkmal „ohne rechtlichen Grund“, 64 ff.; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 88; ders., WRP 1997, 913, 916; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 850. 239 V. Caemmerer, FS Rabel, 333, 398; grundsätzlich auch Lieb, in: MünchKomm, § 812 BGB Rn. 257 ff.; Köhler, FS Lorenz, 167, 182. 240 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 254 f. 241 Siehe zu dieser Unterscheidung nur OLG Hamburg NJW-RR 1994, 990, 991. 242 In diese Richtung bereits v. Caemmerer, FS Rabel, 333, 353–355, 378 f. (Eigentum und Immaterialgüterrechte, Forderungen gem. § 816 Abs. 2 BGB); später insbesondere Mestmäcker, JZ 1958, 521, 525 f.; Raiser, JZ 1961, 465, 468; Esser, Schuldrecht II, 364 ff.; Hubmann, FS Ulmer, 108, 111 ff.; Kittner, Schuldrecht, Rn. 1381 (Eingriff in ein absolutes Recht); Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1467; Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 313; wohl auch Wilburg, AcP 163 (1963), 346, 349 („alle Rechte …, deren Schutzzweck eine Vergütung rechtfertigt“; dazu zählt Wilburg indes auch die Arbeitskraft). Restriktiver noch Knieper, BB 1991, 1578, 1581 (erforderlich sei eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung der Eingriffskondiktion in allen Fällen, in denen keine Entreicherung (Vermögensverschiebung) festzustellen sei). 243 Mestmäcker, JZ 1958, 521, 522.
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rung der allgemeinen Handlungsfreiheit potentieller Schuldner erforderlich, nachdem das Erfordernis einer unmittelbaren Vermögensverschiebung aufgegeben worden sei244. Vorbild des „geschützten Interesses“ (Art. 38 Abs. 2 EGBGB) sei ausweislich der gesetzlichen Regelung das Sacheigentum als übertragbares Recht mit klarem Schutzbereich, dessen Verletzung die Rechtswidrigkeit indiziere. Da Warenzeichen- und Persönlichkeitsrechte diese Merkmale nicht aufwiesen und überdies nicht der Zuordnung entsprechender Vermögenswerte dienten, löse ihre Verletzung keine Eingriffskondiktion aus245. cc) Gesetzliche Güterzuordnung Geringere Anforderungen stellt eine vornehmlich in der Rechtsprechung vertretene, bisher jedoch kaum dogmatisch verarbeitete Auffassung. Demnach wird zwar kein übertragbares subjektives Recht verlangt, aber eine gesetzliche Wertung, aus der sich ergibt, dass der betreffende Vermögensvorteil gerade dem Bereicherungsgläubiger zukommen soll246. Am Beginn dieser Rechtsprechungslinie steht die bereits zitierte Entscheidung des X. Senats zum Recht am Gewerbebetrieb, dessen Verletzung keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche nach sich ziehe, weil es zwar einen Schutz gleichrangiger Betätigungsfreiheiten vermittle, aber kein „bestimmter Tätigkeitsbereich mit festen Chancen und Erwerbserwartungen wie ein absolutes Recht zugewiesen“ sei247. Auch in späteren Entscheidungen wird kein normiertes Ausschließlichkeitsrecht verlangt, sondern eine Zuordnung wie ein „absolutes Recht“ nach dem „maßgeblichen Zuweisungsgehalt“ der einschlägigen gesetzlichen Regelungen248. 244
Mestmäcker, JZ 1958, 521, 524; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1481. Siehe Mestmäcker, JZ 1958, 521, 525 (das Warenzeichen-, Namens- und Firmenrecht habe nur die Funktion, Chancen im Wettbewerb zu schützen, aber nicht, dem Berechtigten Tätigkeitsbereiche zur ausschließlichen Nutzung zuzuweisen); in diesem Sinne BGHZ 41, 84, 94 (1964); entsprechend zum Namens- und Firmenrecht (inzwischen § 5 MarkenG) BGHZ 60, 206, 208 (1973). 246 Siehe BGHZ 99, 244, 247 (1986) (zum Warenzeichenrecht); BGH NJW-RR 2006, 1123, 1126 (gesetzliche Zuweisung der Erfindung durch die Vorschriften des § 6 PatG und des ArbNErfG zum Erfinder). Siehe aus der Literatur König, Gutachten, 1515, 1523; Bydlinski, System des Privatrechts, 243 f. („beschränkte Güterzuordnung“ jenseits des Bereichs subjektiver Ausschlussrechte); Wilburg, Ungerechtfertigte Bereicherung, 35 („Rechte und Rechtsätze der Güterwelt“, aus denen die Bereicherungsklage hervorgehe); wie die Rechtsprechung Hüffer, JuS 1981, 263, 265 (zu fragen sei, ob die einschlägige Rechtsnorm nur ein Verhalten Dritter abwehren solle oder eine marktfähige Verwertungsmöglichkeit bieten solle); Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 93 (subjektive Rechte und durch Verbotsnorm vorbehaltene Vermögensrechtsposition). Offengelassen für allgemein vermögensschützende Rechtssätze von Mestmäcker, JZ 1958, 521, 526 (diese Frage liege außerhalb des Beitrags). Der Ansatz, dass sich der Behaltensgrund „natürlich“ aus dem Gesetz ergebe, findet sich bemerkenswerterweise bereits bei Schulz, AcP 105 (1909), 1, 484, der gemeinhin als der Begründer der Rechtswidrigkeitstheorie angesehen wird. 247 BGHZ 71, 86, 98 (1978). 248 Siehe BGHZ 82, 299, 306 (1981) (maßgeblich sei der „Wille[n] der Rechtsordnung“); BGHZ 88, 147, 155 (1983) (Anspruch des Konkursverwalters aus Eingriffskondiktion gegen einen Gläubiger, der ausländisches Vermögen des Gemeinschuldners durch eine dortige Einzelvollstreckung erlangt hat, weil die deutsche KO gem. der §§ 1, 3, 14 KO dem Konkursverwalter „allein die Masse samt dem Auslandsvermögen des Gemeinschuldners zuweist“); BGHZ 99, 385, 387 (1987); BGH 245
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Zwei Urteile auf dieser dogmatischen Grundlage seien gesondert hervorgehoben. So leitete der Bundesgerichtshof aus den Wertungen des Vormerkungsrechts (§§ 883 ff. BGB) und dem im Sachverhalt vereitelten Anspruch aus § 281 BGB a.F. ab, der Inhaber eines durch Vormerkung gesicherten Auflassungsanspruchs könne von einem Grundschuldgläubiger die Herausgabe einer Entschädigung für ein dem Vormerkungsinhaber geschuldetes, jedoch abgebranntes Gebäude verlangen. Der Betrag stehe dem Vormerkungsberechtigten zu, weil dieser einen gegen jedermann gesicherten Anspruch auf das Gebäudeeigentum als der eigentlichen Grundlage des Surrogats habe249. Ferner entnahm das Gericht dem Arbeitnehmererfindungsrecht und dem in § 6 PatG normierten Recht auf das Patent, dass die Vermögensvorteile eines zu Unrecht für einen anderen eingetragenen Patents dem wahren Erfinder zustehen, auch wenn dieser sich nicht auf das Patent als ausschließliches Recht an der Erfindung berufen könne250. In diesem Kontext steht schließlich die Rechtsprechung zur ausnahmsweisen Anwendung der Eingriffskondiktion auf den berechtigten Besitz. Denn hier existiert nicht nur ein relatives Recht auf ein bestimmtes Schuldnerverhalten, sondern die gesetzliche Regelung des Besitzschutzes und des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses gibt zu erkennen, dass die Nutzungen der Sache allein dem Besitzer zukommen sollen251. Insgesamt setzt sich der Kreis der „geschützten Interessen“ (Art. 38 Abs. 2 EGBGB) demnach aus den normierten Ausschließlichkeitsrechten und weiteren, gesetzlich fundierten Güterzuweisungen zusammen, die anzeigen, dass ein Vermögensvorteil einer bestimmten Person positiv vorbehalten ist. dd) Rechtlich anerkannte Verwertungsmöglichkeit Insbesondere im Zusammenhang mit der Anwendung der Eingriffskondiktion auf „neue“ Güter wie Persönlichkeitsmerkmale argumentieren Gerichte und Li249 BGH GRUR 1990, 914, 917 (mit der Prüfung, ob § 1 UWG 1909 eine Zuweisungsnorm darstelle); BGH NJW-RR 2006, 1123, 1126 (§ 6 PatG und das ArbNErfG als Grundlage „gesetzlicher Zuweisung“). 249 BGHZ 99, 385 ff. (1987). 250 BGH NJW-RR 2006, 1123, 1126. Dazu, dass es sich beim Recht auf das Patent um ein Ausschließlichkeitsrecht im hier vertretenen Sinne handelt, oben § 1 C I 2. 251 Ohne Problematisierung dieser Frage BGHZ 21, 319, 327 ff. (1956) (für ein Sondernutzungsrecht an Parkplätzen unter Hinweis auf den Besitzschutz (a.a.O., 332) und das daraus folgende „Verfügungsrecht“ (a.a.O., 335 f.) des Sondernutzungsberechtigten); ferner BGH NJW 1987, 771, 772 („Der rechtmäßige Besitz ist nämlich als eine Rechtsposition mit Zuweisungsgehalt anerkannt, die Grundlage für eine Eingriffskondiktion sein kann.“); bejahend Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 174 f.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 250; Rümker, Das Tatbestandsmerkmal „ohne rechtlichen Grund“, 82 ff. m.w.N.; Wieling, Bereicherungsrecht, 47 (unter Hinweis auf den Anspruch auf Herausgabe der Sache und der Nutzungen gem. §§ 1007, 990 Abs. 1 S. 1, 987 BGB); ablehnend für den possessorischen Besitzschutz Wilburg, Ungerechtfertigte Bereicherung, 37 (aber bejahend für das in § 1007 BGB geregelte Recht auf Besitz a.a.O., 39, weil nur diese Vorschrift eine endgültige Zuweisung des Besitzes bedeute); anders Klinkhammer, Besitz als Gegenstand des Bereicherungsanspruchs, 1997, 79 (es handele sich um eine atypische Besitzkondiktion, die dem Schutz des Eigentums diene und die der Eigen- und Fremdbesitzer nur für den Eigentümer geltend mache).
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teratur jedoch überwiegend anders. Sie fragen nicht nach normierten Ausschließlichkeitsrechten und sonstiger gesetzlicher Zuordnung von Vermögenswerten, sondern stellen maßgeblich darauf ab, ob eine rechtlich anerkannte, marktfähige Verwertungsmöglichkeit des Bereicherungsgläubigers unerlaubt in Anspruch genommen wird252. Grundgedanke hierfür ist, dass der jeweilige Erwerb aufgrund gesetzlicher (auch deliktsrechtlicher) Regelungen eigentlich der Zustimmung des Gläubigers bedurft hätte, und diese Gestattung rechtswirksam von einem Entgelt abhängig gemacht werden kann. Wer ohne solche Erlaubnis nutzt, hat die ersparten Aufwendungen zu erstatten. Mit diesem Ansatz meint man, dem bloß negativen Aspekt des Deliktsrechts eine positive Komponente hinzugefügt zu haben, die eine interessengerechte und relativ klare Bestimmung des Zuweisungsgehalts erlaube; zugleich werde die Eingriffskondiktion zu einem dynamischen „Integrationsinstrument“, mit dem die bestehende Güterordnung abgerundet werden könne253. Freilich ist umstritten, unter welchen Voraussetzungen davon ausgegangen werden kann, dass die Rechtsordnung eine Vermarktung akzeptiert. Die inzwischen aufgegebene Herrenreiter-Rechtsprechung ließ die Eingriffskondiktion bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen schon dann scheitern, wenn der Betroffene die Nutzung niemals gestattet hätte, selbst wenn eine solche Erlaubnis rechtswirksam gewesen wäre254. In der Literatur zeigt man sich großzügiger und sieht 252 BGHZ 99, 244, 247 (1986) (Warenzeichenrecht); OLG Hamburg AfP 1983, 282, 283 (es genüge die Möglichkeit, dass der Kondiktionsgläubiger die vom objektiven Recht verliehene Möglichkeit habe, dem Schuldner die Nutzung des Gutes entgeltlich zu gestatten); OLG Hamburg ZUM 2005, 164, 167 (das Rechtsgut, in das eingegriffen werde, sei – neben dem Recht am eigenen Bild – die allein dem Abgebildeten zustehende Entscheidung, ob und in welcher Weise er sich Geschäftsinteressen Dritter dienstbar machen wolle); OLG Karlsruhe NJW-RR 2000, 1005, 1006 (von der Rechtsordnung anerkannte marktfähige Position); Loewenheim, Bereicherungsrecht, 84 f., 88 f.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 256 (von der Rechtsordnung anerkannte Marktfähigkeit der betreffenden Rechtsposition); Schlechtriem, FS Hefermehl, 445, 453, 464 (kein Zuweisungsgehalt bei verbotener Ge- oder Verbrauchsart); Funkel, Schutz der Persönlichkeit, 174 f.; Beuter, Kommerzialisierung, 156 (Möglichkeit zur entgeltlichen Gestattung; aber Eingriffskondiktion selbst in Fällen, in denen ein Lizenzvertrag nichtig wäre, a.a.O., 169); Emmerich, Schuldrecht BT, 209 (von der Rechtsordnung gebilligte „marktmäßige“ Verwertung der fraglichen Position); Westermann/Buck-Heeb, in: Erman, § 812 BGB Rn. 66; Lieb, in: MünchKomm, § 812 BGB Rn. 250; Rixecker, in: MünchKomm, Anh § 12 BGB Rn. 226; widersprüchlich Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 752, 851 ff. (zum Bildnisrecht: kein Zuweisungsgehalt relativer Rechtspositionen), 767 (zum Namensrecht: es genüge für den Zuweisungsgehalt die relative Verwertbarkeit), 402 (die marktfähige Verwertungsmöglichkeit sei ein notwendiges, aber kein hinreichendes Kriterium). 253 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 258 ff.; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 85. 254 Nachweise oben § 4 B VII 2 b. Kritisch hierzu aus bereicherungsrechtlicher Sicht, wonach es nicht auf Vermögensminderung ankomme, Ullmann, AfP 1999, 209, 212; ders., in: Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz, 17, 25; Götting, GRUR 2004, 801, 803; ders., FS Ullmann, 65, 68; Kläver, Bereicherungsrechtliche Ansprüche, 153; v. Holleben, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 106 f.; Schierholz, Stimmenschutz, 178 (Gegenstand des Bereicherungsanspruchs sei nicht die ersparte Lizenzgebühr, sondern die Nutzung des fremden Ausschließlichkeitsrechts, so dass es nicht auf die Nutzungsmöglichkeit im Einzelfall ankomme); Neben, Personenberichterstattung,
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die Grenze zulässiger Kommerzialisierung und damit Eingriffsbewehrung erst erreicht, wenn eine entgeltliche Gestattung gem. § 138 BGB sittenwidrig wäre, weil die Befugnis nicht vermarktet werden darf255. Manche gehen sogar noch weiter und lassen die abstrakte, wenn auch gem. §§ 134, 138 BGB ggf. missbilligte Möglichkeit entgeltlicher Gestattung genügen. Denn wie § 817 S. 1 BGB zeige, gehe es nicht an, dem Handelnden den Profit aus einem rechts- oder sittenwidrigen Verhalten zu belassen. Der Bereicherungsausgleich müsse nur unterbleiben, wenn der Verletzte selbst gesetz- oder sittenwidrig gehandelt habe (arg. § 817 S. 2 BGB)256. ee) Marktrelevanztheorie Selbst diese, ohnehin bereits sehr verdünnte Rückkopplung der Eingriffskondiktion auf die gesetzliche Güterordnung wird von Urteilen und Schriftstellern aufgegeben, die den Zuweisungsgehalt einer Rechtsposition allein nach dem Marktgesetz von Angebot und Nachfrage bestimmen. Ihrer Auffassung nach verfügt keine Rechtsposition aus sich heraus über einen immanenten Vermögenswert. Nur was faktisch vermarktet werde, sei ein „geschütztes Interesse“ (Art. 38 Abs. 2 EGBGB). Die Rechtsordnung sei an diese Wertzuweisung nach dem Prinzip der Privatautonomie grundsätzlich gebunden und dürfe nur begrenzend steuern, wenn höherrangige rechtliche Prinzipien entgegenstünden257. 395255f.; Witzleb, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 172 f.; Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 82 f.; Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 41 ff.; Heitmann, Persönlichkeitssphäre, 79; Pietzko, AfP 1988, 209, 220; Bungart, Dingliche Lizenzen, 63; Staudinger/ Schmidt, Jura 2001, 241, 247 f. Zustimmend hingegen Helle, JZ 2007, 444, 445 ff. 255 Haines, Bereicherungsansprüche, 105 f.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 82 f. (in Bezug auf Persönlichkeitsrechte); wohl auch Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 95 f. (zum Warenzeichenrecht); Westermann/Buck-Heeb, in: Erman, § 812 BGB Rn. 69; Kläver, Bereicherungsrechtliche Ansprüche, 155 f.; Witzleb, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 173 ff.; Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 72 ff.; Wendehorst, in: Bamberger/Roth, § 812 BGB Rn. 124; Hort, Finanzieller Ausgleich, 75 (mit Hinweis auf die sexuelle Selbstbestimmung). 256 Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 172 (es genüge die „abstrakte Rechtsmacht, die Nutzung des betreffenden Gutes Dritten gegen Entgelt zu erlauben“); Leupertz, in: Prütting/Wegen/Weinreich, § 812 BGB Rn. 62; Klüber, Persönlichkeitsschutz, 86 f.; Magold, Personenmerchandising, 482 (es sei für die Aufrechterhaltung der Rechtsordnung eher dienlich, den rechtswidrig Handelnden Bereicherungsansprüchen auszusetzen als diese Art der Nutzung entschädigungslos zu stellen); Beuter, Kommerzialisierung, 169 (es genüge, dass sich der Verletzer zur Ausschließlichkeitsposition des Rechtsinhabers in Widerspruch gesetzt und das Vermögensrecht verletzt habe); Lieb, in: MünchKomm, § 812 BGB Rn. 250; Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 44; Bungart, Dingliche Lizenzen, 89; v. Sachsen Gessaphe, in: AnwKommm, § 812 BGB Rn. 82. Mit diesem Ansatz dürften sich immerhin die Fälle der kommerziellen Nutzung von Körperteilen (Organhandel) ausgrenzen lassen; verneinend auch Ehrlich, Gewinnabschöpfung bei kommerzieller Nutzung von Körpersubstanzen?, 182 ff.; für die Ehre und Identität verneinend Witzleb, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 183 ff. 257 Siehe BGHZ 99, 244, 247 (1986) (das Warenzeichenrecht werde „im Rechtsverkehr in nicht unerheblichem Maße“ tatsächlich verwertet). Im Ansatz bereits Kleinheyer, JZ 1970, 471, 474 f. (Verwertbarkeit eines durch Unterlassungsansprüche gesicherten Rechtsguts, ohne dass es auf den
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Die größte Wirkung hat dieser Gedanke im Kontext des Persönlichkeitsrechts entfaltet. Ansprüche aus Eingriffskondiktion werden für solche persönlichkeitsrechtlichen Befugnisse gewährt, bei denen an sich rechtswidrige Verhaltensweisen nach den Gepflogenheiten des täglichen Lebens üblicherweise gegen Entgelt gestattet werden, und eine erhebliche Verletzung ideeller Interessen nicht in Frage steht258. Mit der Orientierung an faktischen Kommerzialisierungstendenzen ist diese Auffassung besonders geeignet, das Bereicherungsrecht zum dynamischen Instrument einer rechtlichen Anerkennung derartiger Entwicklungen zu machen. 3. Stellungnahme Die folgende Stellungnahme setzt sich zunächst mit der Grundfrage auseinander, ob ein bloß negativer Ausschluss aller Dritten für eine Eingriffskondiktion genügt oder ob der jeweilige Vermögensvorteil dem Bereicherungsgläubiger positiv zugewiesen sein muss (dazu a). Im Anschluss ist das maßgebliche Kriterium zur Bestimmung der für erforderlich gehaltenen, positiv-exklusiven Befugnis festzustellen, wobei in umgekehrter Reihenfolge die „dynamischen“ Auffassungen vor den restriktiveren analysiert werden (dazu b).
258 Zweck des Schutzgesetzes ankomme); pointiert dann Schlechtriem, DRiZ 1975, 65, 69; ders., FS Hefermehl, 445, 453; zurückhaltender aber ders., ZHR 149 (1985), 327, 332 (notwendig sei eine umfassende Abwägung); Kobbelt, Der Schutz von Immaterialgütern, 212 (Orientierungspunkt sei der Markt als Faktum). 258 Nachweise aus der Rechtsprechung oben § 4 B VII 2 b; BGH NJW 2007, 689, 690 (die unberechtigte kommerzielle Nutzung eines Bildnisses schaffe die „vermögensrechtliche Zuordnung“). Dafür auch noch Peukert, ZUM 2000, 710, 719 (diese Auffassung wird hiermit aufgegeben); ferner Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 747, 782 („Grenzen und Umfang der ökonomischen Verwertung von Elementen der Persönlichkeit werden selbstverständlich von der Rechtsordnung und insbesondere den verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen festgelegt. Der BGH stand nicht vor der Frage, die wirtschaftliche Nutzung von Persönlichkeitselementen zuzulassen oder auszuschließen. Über diese Frage hat der Markt bereits entschieden: Die Nutzung solcher Rechtspositionen in der Werbung und im Wege des Personen-Merchandising hat sich längst durchgesetzt und ist alltäglich geworden. Zu treffen war lediglich die Entscheidung, wem der wirtschaftliche Nutzen aus der Verwertung des Persönlichkeitsrechts zustehen soll: dem Träger des Persönlichkeitsrechts (bzw. seinem Erben) oder demjenigen, der Elemente eines fremden Persönlichkeitsrechts für seine wirtschaftlichen Zwecke einsetzt.“); Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 54; Magold, Personenmerchandising, 461 (es sei zudem ein Selbstwiderspruch, wenn die Rechtsordnung zwar deliktischen, nicht aber bereicherungsrechtlichen Schutz gewähre); Wolf, Kommerzialisierung, 59; v. Holleben, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 109 f.; Kläver, Bereicherungsrechtliche Ansprüche, 70, 145 ff.; Schierholz, Stimmenschutz, 172 (lediglich notwendige rechtliche Anerkennung einer bereits durch den Markt vorgenommenen tatsächlichen Kommerzialisierung dieser Rechtsgüter); letztlich auch Funkel, Schutz der Persönlichkeit, 174 („Die Verwertung einzelner Aspekte der menschlichen Persönlichkeit ist ein auch nach rechtlichen Maßstäben grds. anerkanntes Faktum.“); wohl auch Loewenheim, Bereicherungsrecht, 88 (wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit müsse gegeben sein), 90 f. (wo eine Nachfrage und damit ein Marktwert für Persönlichkeitsinformationen bestehe, solle bereicherungsrechtlicher Schutz gewährt werden); ders., WRP 1997, 913, 915; Müller, VersR 2000, 797, 805.
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a) Negativer oder positiver Zuweisungsgehalt? Für die Entscheidung zwischen negativem und positivem Zuweisungsgehalt sind die bisher gesammelten Auslegungsergebnisse zur Eingriffskondiktion zu reflektieren. Zu den insoweit herausgearbeiteten Grundlagen zählt, dass das Bereicherungsrecht wie das Deliktsrecht dem Prinzip enumerativer Haftung folgt. Zwar anerkennen die Verfechter eines nur negativen Zuweisungsgehalts dieses Prinzip und die daraus folgende Notwendigkeit, der Eingriffskondiktion Grenzen zu setzen259. Weil sie zu diesem Zweck jedoch auf deliktsrechtliche Wertungen abstellen, ist dieser Ansatz wie die Rechtswidrigkeitstheorie als systemwidrige Kopplung beider Materien zu verwerfen260. Die Orientierung am Deliktsrecht erhellt insbesondere der Verweis auf den allgemeinen Abwehranspruch, der wie in § 6 D gezeigt jede unerlaubte Handlung vorbeugend vermeiden soll, auch wenn keine Zuweisung von Vermögenswerten in Rede steht261. Zwar hält das Deliktsrecht durchaus Sanktionen für Eingriffe in den Schutzbereich von Ausschließlichkeitsrechten bereit. In den umstrittenen Grenzfällen der Eingriffskondiktion ergibt sich die konkurrierende deliktsrechtliche Haftung jedoch nur aus Generalklauseln wie § 3 UWG (wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz) oder rechtsfortbildend anerkannten „Rahmenrechten“ wie dem aPR. In diesen Bereichen dient das Deliktsrecht generell nicht der Zuweisung von Gütern, sondern der Abgrenzung gleichrangiger, negativ-abwehrend definierter Rechtskreise. Folglich kann weder das Deliktsrecht des BGB noch das Sonderdeliktsrecht des UWG das Fundament einer bereicherungsrechtlichen Dogmatik bilden, die die Eingriffskondiktion im Ansatz zutreffend als gesetzliches Schuldverhältnis zur Verwirklichung statischen Güterschutzes auffasst und deshalb nicht auf die Rechtswidrigkeit der Handlung, sondern den Zuweisungsgehalt des „geschützten Interesses“ abstellt262. 259 Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 174; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 73 f. 260 Lieb, in: MünchKomm, § 812 BGB Rn. 248; Törl, Die bereicherungsrechtliche Behandlung, 85 f.; offen an die Rechtswidrigkeitstheorie anknüpfend denn auch Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 245 f. (das Zustandekommen der – vorher im Übrigen abgelehnten – Vermögensverschiebung müsse berücksichtigt werden), 256 (diese Ansicht stehe der Rechtswidrigkeitstheorie näher als der Zuweisungstheorie). 261 Konsequent daher für einen Anspruch aus Eingriffskondiktion bei vorsätzlich-sittenwidrigen Schädigungen Kaehler, Bereicherungsrecht und Vindikation, 57 f.; Kropholler, Studienkommentar BGB, § 812 BGB Rn. 38 (Orientierung am deliktischen Güterschutz). Insoweit zutreffend Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 171; anders noch Canaris, JZ 1992, 1114, 1119; an den Unterlassungsanspruch anknüpfend Reeb, Bereicherungsrecht, 40 (sonst drohe eine Aushöhlung der Rechtsmacht des „Rechtsgutträgers“). 262 Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 257 f. (abzulehnender „Schutz der allgemeinen Dispositionsfreiheit“); Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 80 (für eine klare Trennung von Deliktsanspruch und Bereicherungsanspruch, dessen allgemeine Grundlage die widerrechtliche Vermögensherrschaft des Schuldners sei); Lieb, in: MünchKomm, § 812 BGB Rn. 252 (nur diejenigen deliktsrechtlich geschützten Güter seien bereicherungsrechtlich relevant, bezüglich derer ein Zuweisungsgehalt gegeben sei, wobei die Möglichkeit entgeltlicher Gestattung genügen soll); Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich II, 86 (Zuweisungs-
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Ohnehin handelt sich die Lehre vom negativen, dem Deliktsrecht entnommenen „Zuweisungsgehalt“ alle Kritikpunkte ein, die bereits gegen die Rechtswidrigkeitstheorie vorgebracht wurden. Der Umstand, dass der Bereicherungsschuldner wie alle anderen vom betreffenden Erwerb ausgeschlossen war, besagt eben noch nicht, dass und warum die entsprechenden Vorteile gerade dem Bereicherungsgläubiger zukommen sollen, wenn dieser ggf. keinen messbaren Schaden erlitten hat263. Es werden solche Rechtspositionen als eingriffsbewehrt erachtet, die wie § 826 BGB264 nicht dem Modell des Erfolgsunrechts und damit nicht der tatbestandlichen Unterscheidung zwischen den Merkmalen „auf dessen Kosten“ und „ohne rechtlichen Grund“ gem. § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB folgen. Ferner finden sich zirkuläre Schlüsse von der Folge, dass der Schuldner etwas erlangt hat, auf die Zuweisung der entsprechenden Vermögenswerte265 sowie unzulässige Folgerungen vom Anwendungsbereich der mit der Leistungskondiktion verwandten Verwendungskondiktion auf die Restitution wegen Eingriffs in „geschützte Interessen“266. Die wohl auch aufgrund dieser Bedenken diskutierten Zusatzerfordernisse ändern am negativen Befund nichts, weil sie den deliktsrechtlichen Ausgangspunkt nicht verlassen. Selbst unter Berücksichtigung jener Ergänzungen bleiben Fälle unerklärt, die rechtmäßiges Handeln betreffen, das dennoch bereicherungsrechtliche Ansprüche auslöst267. Das Erfordernis eines individualschützenden Zwecks der verletzten Norm ist viel zu allgemein, um den spezifischen Telos der Eingriffskondiktion als Instrument statischer Güterverteilung zu beschreiben. Da in einer freiheitlichen Rechtsordnung, die das Individuum in das Zentrum ihrer 263 theorie als qualifizierte Rechtswidrigkeitstheorie); für den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz Fritzsche, in: MünchKomm, § 9 UWG Rn. 126 (es fehle ein Anhaltspunkt für einen Zuweisungsgehalt); a.A. Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 170 („Denn das Recht der unerlaubten Handlungen enthält ein ausdifferenziertes gesetzliches Regelungsprogramm zur Entscheidung genau des vorliegenden Problems: der Frage, ob und inwieweit ein Gut einer bestimmten Person zugewiesen ist.“); Kaehler, Bereicherungsrecht und Vindikation, 49 (alle Sphären, bei denen ein Eingriff einen deliktischen Schadensersatzanspruch nach sich ziehe, seien absolut zugewiesene Sphären); Habermeier, AcP 193 (1993), 364, 366 (die Zuweisung deliktischer und bereicherungsrechtlicher Ansprüche an den Inhaber dinglicher Rechte beruhe auf demselben Rechtsgedanken und werfe in Grundfragen die gleichen Probleme auf). 263 Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 74 f.; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 175; a.A. Jakobs, Eingriffserwerb, 106 f. 264 A.A. Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 177 (soweit die Voraussetzungen des § 826 BGB vorlägen, bestehe eine Rechtsposition mit Zuweisungsgehalt). 265 Siehe etwa Köhler, FS Lorenz, 167, 181 (es liege in kritischen Fällen ggf. „keine Nutzung eines fremden Guts“ vor). 266 Ferner unter Hinweis auf bereicherungsrechtliche Ansprüche bei erschlichenen Dienstleistungen OLG Dresden SeuffA 75 Nr. 51 (1917); Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung, 92 ff. Nicht deutlich genug differenzierend Wilburg, Ungerechtfertigte Bereicherung, 43 (unter den Gütern der Persönlichkeit habe auch die Arbeitskraft vermögensrechtliche Tragweite); Bydlinski, System des Privatrechts, 240 f. mit Fn. 257 (zur Arbeitskraft); Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 263 ff.; Fournier, Bereicherungsausgleich, 63 (mangels anderer Kriterien müsse der Zuweisungsgehalt auch für die Fälle der „Abschöpfungskondiktion“ entscheidend sein). 267 Wendehorst, in: Bamberger/Roth, § 812 BGB Rn. 121.
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Wertordnung stellt, letztlich alle privatrechtlichen Normen auf Belange des Einzelnen zurückführen oder wie im UWG dort ihren Ausgangspunkt nehmen, bliebe der Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion mit dieser scheinbaren Konkretisierung weitgehend unbestimmt268. Zwar geht der Ansatz in die richtige Richtung, nur solche Deliktsregeln für einen Zuweisungsgehalt genügen zu lassen, bei denen die Verletzung eines objektiven Tatbestands grundsätzlich die Rechtswidrigkeit nach sich zieht. Bloße Typisierungen häufig auftretender Sachverhalte wie die unerlaubte kommerzielle Verwendung von Persönlichkeitsmerkmalen machen aus dem aPR jedoch noch keinen fest umgrenzten Tatbestand nach dem Modell des Erfolgsunrechts. Denn selbst in der genannten Konstellation, bei der in ständiger Rechtsprechung Ansprüche aus Bereicherungsrecht in Betracht kommen, bedarf es einer positiven Feststellung der Rechtswidrigkeit unter Abwägung aller relevanten Interessen269. Die Parallele zur dreifachen Schadensberechnung schließlich übersieht, dass es sich hierbei um einen normativen Schadensbegriff handelt270, hinter dem Billigkeitserwägungen stehen, die mit der Funktion der Eingriffskondiktion als Abschöpfung von Bereicherungen nichts zu tun haben. All dies lässt erkennen, dass die Gründe für die Lehre vom negativen Zuweisungsgehalt eben nicht aus dem Bereicherungsrecht gewonnen werden. Vielmehr eröffnet dieser Ansatz unter dem Deckmantel des „Zuweisungsgehalts“ flexible Interessenabwägungen und Wertungen des jeweiligen Rechtsanwenders271, denen jedoch häufig die Rückkopplung auf das Gesetz fehlt272. Das Bereicherungsrecht 268 In Bezug auf das Wettbewerbsrecht Büsching, Eingriffskondiktion im Wettbewerbsrecht, 82 f.; aus diesen Gründen ablehnend Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 75. 269 Siehe oben § 4 B VII 1 a und insbesondere BGH NJW 2007, 689, 690 – Rücktritt eines Finanzministers (Persönlichkeitsrecht als Rahmenrecht auch im kommerziellen Kontext). 270 Oben § 7 E I 2. 271 Ausdrücklich gegen eine rechtsdogmatische Begründung und für eine Interessenwertung denn auch Haines, Bereicherungsansprüche, 102 ff. (wertende Interessenabwägung); Kaehler, Bereicherungsrecht und Vindikation, 57 (Interessenabwägung); auch Wilburg, Ungerechtfertigte Bereicherung, 42 (der Gefahr einer Belästigung des Verkehrs durch Urheber und Erfinder stehe die größere Gefahr einer Störung durch unbefugte Eingriffe gegenüber); Westermann, AcP 178 (1978), 150, 185 (Wertung mit Blick auf die Handlungsfreiheiten Dritter und die Funktionsfähigkeit des Marktes); Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 13 f., 249 ff., 348 (Ableitung der Funktion der Eingriffskondiktion aus einer ökonomischen Analyse); Costede, Überlegungen zum Verständnis des Bereicherungsrechts, 47, 51 f., 72; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 751; ders., Restitution und Bereicherungsausgleich II, 226, 243; ders., Symposium König, 57, 61, 74 f.; ders., ZHR 149 (1985), 327, 332 (Abwägung, ob Interessen zu Monopolen verdichtet werden sollen); Brüggemeier, in: AK, § 812 BGB Rn. 67 (zum Warenzeichenrecht), Rn. 71 (zum Urheberrecht); Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 134 f.; Köhler, NJW 1992, 1477, 1480 (ob und inwieweit ein Recht Zuweisungsgehalt besitze, sei durch Interessenbewertung zu entscheiden); Enzinger, GRUR Int. 1997, 96, 100 (keine Zuweisung von Erwerbschancen, da dies zu einer nicht begrenzbaren Ausuferung der Ersatzpflichten führen würde). 272 Zur Interessenjurisprudenz bereits oben § 1 A III 2; kritisch zur „freien Wertung“ bei der Lösung bereicherungsrechtlicher Fragen auch Bydlinski, System des Privatrechts, 237. Die Kritik gilt natürlich auch denjenigen Ansichten, die einer extensiven Anwendung der Eingriffskondiktion kritisch gegenüber stehen; siehe Raiser, JZ 1961, 465, 468 (Gefahren der Monopolisierung von Gü-
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droht auf dieser Basis wieder zum allgemeinen Billigkeitsinstrument zu werden273. Dabei war es doch gerade dieser Missstand, den die „zweite bereicherungsrechtliche Wende“ mit der Ausgliederung der Eingriffskondiktion als eigenständiger Fallgruppe überwinden wollte. b) Positiver Zuweisungsgehalt Möchte man folglich nicht auf den Stand der bereicherungsrechtlichen Dogmatik vor Wilburg und v. Caemmerer zurückfallen, müssen sich die eingriffsbewehrten „geschützten Interessen“ (Art. 38 Abs. 2 EGBGB) qualitativ von den deliktsrechtlichen Rechtspositionen unterscheiden. Das zusätzliche Merkmal bildet die stets erforderliche positive Zuweisung des betroffenen Vermögensvorteils gerade zum Bereicherungsgläubiger: Nur er darf diesen Wert realisieren; deshalb kann er selbst dann Ersatz verlangen, wenn keine Vermögenseinbuße zu verzeichnen ist. Zu klären bleibt noch, ob von derartigen Befugnissen bereits ausgegangen werden kann, wenn ein faktischer Marktwert vorliegt (dazu aa) bzw. die Vermarktung rechtlich anerkannt ist (dazu bb) oder ob eine entsprechende gesetzliche Wertung nachzuweisen ist (dazu cc). aa) Marktrelevanztheorie Die sog. Marktrelevanztheorie verzichtet wie oben gezeigt auf genuin rechtliche Erwägungen zur Herleitung eines positiven Zuweisungsgehalts, indem alle Güter und Interessen als ausreichend „geschützt“ (Art. 38 Abs. 2 EGBGB) angesehen werden, für die ein Markt besteht. Auf den Zweck und die formaljuristische Ausgestaltung der betroffenen Rechtsposition zwischen Ausschließlichkeitsrecht und bloß deliktsrechtlichem Schutz kommt es nicht an. Mit diesem Ansatz lässt sich die Anwendung der Eingriffskondiktion auf sämtliche „neuen“ Güter begründen, denn für Persönlichkeitsmerkmale, elektrische Energie, eigenartige Produkte und Betriebsgeheimnisse besteht zweifellos ein Markt. Zu überzeugen vermag diese Auffassung aus bereicherungsrechtlicher Sicht freilich nicht. Sie verkennt zunächst, dass § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB mehr Voraussetzungen aufstellt als nur den Vermögenswert des Erlangten. Hiermit wird zwar das Anspruchsziel („etwas“) definiert, aber nicht der Tatbestand, der erfüllt sein muss, um diese Bereicherung abzuschöpfen. Es wird aber nicht nur zirkulär von der Rechtsfolge auf die Voraussetzung geschlossen, sondern das Merkmal „etwas erlangt“, mit dem die enumerative Bereicherungshaftung insgesamt auf vermögensrechtliche Sachverhalte beschränkt werden soll274, wird zum allein 273 tern); Knieper, BB 1991, 1578, 1580 f. (die Vermeidung von Monopolrenten im Interesse der freien Dynamik des Unternehmenden spreche gegen eine Ausdehnung der Eingriffskondiktion); Emmerich, Schuldrecht BT, 208 f.; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1481; Büsching, Eingriffskondiktion im Wettbewerbsrecht, 100 (im Wettbewerbsrecht könne wegen des Grundsatzes der Nachahmungsfreiheit im Zweifel keine Eingriffskondiktion angenommen werden). 273 Siehe oben C I; BGHZ 68, 90, 99 f. (1976) („rechtspolitische[n]“ Argumente stünden der Anwendung der Bereicherungshaftung nicht entgegen). 274 Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 172.
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gültigen, dynamisierenden Kriterium umfunktioniert. Wenn man schon das Erfordernis einer Vermögensverschiebung aufgibt, kann die Entgeltlichkeit der Nutzung als Anzeichen für einen konkreten Verlust bzw. Erwerb nicht mehr tatbestandsbegründend, sondern nur noch für den Umfang des Bereicherungsanspruchs gem. § 818 BGB relevant sein275. Nur so erklärt sich, weshalb Güter ohne Marktwert – insbesondere wertlose Sachen – unstreitig kondizierbar sind276. Ferner handelt es sich um einen unzulässigen naturalistischen Fehlschluss von den Marktverhältnissen auf den Anwendungsbereich eines gesetzlichen Schuldverhältnisses, dessen Rechtsfolgen wegen der Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit des Schuldners einer Grundlage in der verfassungsmäßigen Ordnung bedürfen277. Die notwendige Rückkopplung auf genuin normative Wertungen bestätigt das Bereicherungsrecht selbst durch den Verweis auf einen rechtlichen Behaltensgrund und die Bezugnahme auf vorbestehende subjektive Rechte, insbesondere das Sacheigentum als das Paradigma der eingriffsbewehrten Rechtsposition278. Führt man den Verzicht auf rechtliche Erwägungen konsequent durch, lassen sich Ansprüche aus Eingriffskondiktion auch in solchen Bereichen kaum noch verneinen, in denen sie nach derzeit allgemeiner Auffassung ausscheiden, weil der faktisch bestehende oder zumindest denkbare Markt von der Rechtsordnung missbilligt wird279. Haltbar wäre das Kriterium der faktischen Kommerzialisierung nur, wenn § 812 BGB es selbst („intern“) zum entscheidenden Maßstab erklärte. Das ist jedoch wie erläutert gerade nicht der Fall280. Schließlich darf nicht übersehen werden, dass auch die Marktrelevanztheorie nur scheinbar auf dem Boden der herrschenden Lehre vom positiven Zuweisungsgehalt steht. Denn versilbern lässt sich ein Gut schon dann, wenn die Nutzung der Zustimmung einer Person bedarf. Ein solches Zustimmungserfordernis kann sich insbesondere aus sonst drohenden deliktsrechtlichen Ansprüchen er275
Schlechtriem, Symposium König, 57, 66 f.; Helle, JZ 2007, 444, 448. Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 172; Westermann/Buck-Heeb, in: Erman, § 812 BGB Rn. 6; Wendehorst, in: Bamberger/Roth, § 812 BGB Rn. 131. 277 Allgemein oben Einleitung B III, §§ 1 A II, 2 B II 2; Helle, JZ 2007, 444, 448; siehe hingegen Loewenheim, WRP 1997, 913, 915 (die faktische Verwertung lasse sich „leichter“ durch ggf. empirische Erhebungen feststellen, ohne dass es einer Wertung bedürfe). Ungenügend ist deshalb auch der Verweis auf andere Rechtsordnungen, weil eine Haftung auf die deutsche verfassungsmäßige Ordnung zurückgeführt werden muss; anders Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich II, 217 f. (aufgrund unterschiedlicher nationaler Ausgestaltungen des Schutzes von Geheimnissen dann doch zweifelnd, a.a.O., 221). 278 Siehe oben C II 1, III 2; ferner Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 77; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 135, 172; Lieb, in: MünchKomm, § 812 BGB Rn. 263; Witzleb, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 169 f.; Büsching, Eingriffskondiktion im Wettbewerbsrecht, 84 (der Markt könne lediglich das „Wie“ der Bereicherung, nicht das „Ob“ bestimmen); Kurz, Besitz als Gegenstand der Eingriffskondiktion, 64; allgemein in Bezug auf Argumente, die allein auf faktische Umstände abstellen, Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 400 f. 279 Siehe zu bereicherungsrechtlichen Ansprüchen wegen der unerlaubten Nutzung von Körpersubstanzen ablehnend Ehrlich, Gewinnabschöpfung bei kommerzieller Nutzung von Körpersubstanzen?, 182 ff. 280 Oben D I; zutreffend Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 77. 276
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geben, etwa wegen Verletzung des Rechts am Gewerbebetrieb, des aPR oder wegen Verstößen gegen § 3 UWG281. Die entgeltlichen Verträge stellen dann keine Verfügung über ein subjektives Recht dar, sondern verpflichten den sonst unmittelbar Verletzten zur Duldung282. Die faktische Kommerzialisierung beruht in dieser Konstellation auf dem nur negativen Ausschluss aller Dritten und nicht auf einer positiven Zuweisung der betroffenen Vermögensvorteile zum Bereicherungsgläubiger. Derartige Rechtspositionen genügen indes – wie zur Lehre vom nur „negativen“ Zuweisungsgehalt und zur Rechtswidrigkeitstheorie ausgeführt – nicht, um Ansprüche aus Eingriffskondiktion zu begründen. bb) Rechtlich anerkannte Verwertung Den naturalistischen Fehlschluss vom faktischen Markt auf die bereicherungsrechtliche Haftung vermeidet, wer die Kommerzialisierung nur dann als Auslöser der Eingriffskondiktion akzeptiert, wenn diese Verwertung rechtlich anerkannt ist. Die gleichwohl verbleibenden Defizite zwingen jedoch dazu, auch diesen Ansatz zu verwerfen. So genügt wie bei der Marktrelevanztheorie ein negativer Zuweisungsgehalt auf der Basis des Deliktsrechts, um einen rechtlich anerkannten Markt zu etablieren; man denke etwa an die rechtswirksame Verwertung (Lizenzierung) intimer Persönlichkeitsdetails und von Produktnachahmungen, die eine Herkunftstäuschung gem. der §§ 3, 4 Nr. 9a UWG auslösen283. Damit begründet dieser Vorschlag die bereicherungsrechtliche Haftung ebenfalls mit einem negativ-ausschließenden Zuweisungsgehalt und letztlich der Rechtswidrigkeit einer nicht gestatteten Nutzung. Dass solche Rechtspositionen die Eingriffskondiktion nicht tragen, wurde bereits ausgeführt. Das Kriterium der rechtlich anerkannten Verwertung ist ferner mit dem Tatbestand des § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB inkompatibel, wenn man diesen denn unter dem Motto eines positiven Zuweisungsgehalts liest284. III., V. und X. Senat des Bundesgerichtshofs verankern die Voraussetzung des Zuweisungsgehalts der beeinträchtigten Rechtsposition zutreffend im Merkmal „auf Kosten“. Die Üblichkeit und Wirksamkeit der Vergütungsforderung wird zusätzlich geprüft, denn selbst bei einem Eingriff in ein ausreichend „geschütztes Interesse“ (Art. 38 Abs. 2 EGBGB) kann es sein, dass im Einzelfall kein vermögenswerter Vorteil
281 Siehe Kleinheyer, JZ 1970, 471, 475 f.; kritisch Knieper, BB 1991, 1578, 1583 (Auflösung des sachenrechtlichen Eigentumsbegriffs). 282 Näher unten § 14 B I. 283 Siehe Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 76; Köhler, FS Lorenz, 167, 180; konsequent anders Siemes, AcP 201 (2001), 202, 224 (Bereicherungshaftung auch bei Fällen der Ansehensminderung und Nutzung intimer Persönlichkeitsinformationen). 284 Inkonsequent denn auch Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 256–258 (einerseits sei das Kriterium der anerkannten Marktfähigkeit maßgeblich, andererseits sollen bloße Verbotsrechtssätze nicht genügen); unklar auch v. Sachsen Gessaphe, in: AnwKommm, § 812 BGB Rn. 79; ferner Loewenheim, Bereicherungsrecht, 91 (die Überlegungen, die zum Schutz des aPR geführt hätten, müssten im Bereicherungsrecht gleichfalls berücksichtigt werden).
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„erlangt“ wurde285. Insbesondere in den Entscheidungen zur Anwendung des Bereicherungsrechts auf Verletzungen des aPR erhob der I. Zivilsenat dagegen die Entgeltlichkeit der Nutzung zum entscheidenden Gesichtspunkt, um den Zuweisungsgehalt des aPR dem Grunde nach bejahen zu können286. Eine solche Vermengung bzw. Ausschaltung einzelner Tatbestandsmerkmale des § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. ist indes abzulehnen287. Schließlich dringt der Gesichtspunkt der rechtlichen Anerkennung einer Vermarktung nicht zur Frage vor, warum und auf welcher gesetzlichen Grundlage entsprechende Zustimmungserfordernisse288 gewährt werden, und wie sich jene zur Eingriffskondiktion verhalten289. Zwar können Parteien grundsätzlich jeden Vermögenswert in Ausübung ihrer Privatautonomie zum Gegenstand wirksamer, entgeltlicher Verträge machen290. Indes ist anerkannt, dass eine gegen jedermann wirkende Rechtsposition wegen der damit verbundenen Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit aller potentiellen Schuldner weder durch privatautonome Erklärung eines Privatrechtssubjekts noch durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen in Wahrnehmung der Vertragsfreiheit begründet werden kann (Stichwort: Vertrag zu Lasten Dritter). Gerade auf einen solchen statisch-exklusiven Güterschutz ist die Eingriffskondiktion aber gerichtet291. Konsequent sollen sich die Grenzen der „rechtlich anerkannten Verwertungsmöglichkeit“ nicht aus bereicherungsrechtlichen Argumenten im Zusammenspiel mit externen Güterzuordnungsregeln ergeben, sondern aus den Schranken der Vertragsfreiheit wie den §§ 134, 138 BGB. Nichts anderes gilt im Kern für diejenigen Schriftsteller, die eine „abstrakte Verwertungsmöglichkeit“ genügen lassen. Denn soweit sie in der Überschreitung selbst vertragsrechtlicher Schranken nicht bei der bereits abgelehnten Marktrelevanztheorie landen292, rekurrieren sie auf § 817 BGB, der auf die Leistungskondiktion und damit wiederum auf die dynamische Erwerbsordnung und nicht den statischen Güterschutz bezogen ist293. Zusätzliche Hinweise auf eine „eigenständige[n] Güterschutzfunktion“ des Bereicherungsrechts294 oder „eine technisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich
285 Entsprechend zur Funktion der Üblichkeit der Vergütung im Rahmen der dreifachen Schadensberechnung BGHZ 60, 206, 211 (1973). 286 Im Ansatz differenzierend zwischen der Schutzfunktion des aPR und der Frage der Ersparnisbereicherung BGHZ 81, 75, 80, 82 (1981) – Carrera; siehe auch Büsching, Eingriffskondiktion im Wettbewerbsrecht, 130. 287 Oben C III 2. 288 Die ökonomische Analyse würde von „property rights“ sprechen; dazu oben § 3 B I. 289 Büsching, Eingriffskondiktion im Wettbewerbsrecht, 83. 290 Näher unten § 14 B I. 291 Zutreffend differenzierend v. Caemmerer, FS Rabel, 333, 378 f. 292 Wie hier Büsching, Eingriffskondiktion im Wettbewerbsrecht, 83. Inkonsequent denn auch Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 171 f. (die sexuelle Selbstbestimmung als zwar entgeltfähiges (Prostitution) aber nicht zugewiesenes Rechtsgut, obwohl nicht einmal die §§ 134, 138 BGB als Grenzen des Zuweisungsgehalts akzeptiert werden). 293 Siehe oben A. 294 Siehe Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 256.
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immer komplexer werdende Entwicklung …, die in zunehmenden Maße den Eingriff in fremde Rechtssphären und deren wirtschaftliche Ausbeutung ermöglicht“295, werden weder mit bereicherungsrechtlichen Argumenten erläutert noch reflektieren sie die Erkenntnis, dass das Bereicherungsrecht den erforderlichen Zuweisungsgehalt einer Rechtsposition nicht aus sich selbst heraus („intern“) bilden kann, sondern nur abstrakte Voraussetzungen formuliert, die an externe Wertungen der Rechtsordnung herangetragen werden. cc) Gesetzliche Zuweisung von Vermögensvorteilen Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass der erforderliche positive Zuweisungsgehalt der bereicherungsextern aufzusuchenden Rechtsposition nicht schon aus den faktischen Marktverhältnissen unter Einbeziehung der Frage, ob die Kommerzialisierung rechtlich anerkannt ist, abgeleitet werden kann. Damit verbleiben zur Erklärung des positiven Zuweisungsgehalts die von der Rechtsprechung vertretene Auffassung, wonach eine gesetzliche Wertung erforderlich ist, aus der folgt, dass der streitgegenständliche Vermögensvorteil allein dem Bereicherungsgläubiger vorbehalten ist, und die noch restriktivere, in der Literatur vertretene Mindermeinung, die den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion sogar auf Güterzuordnungen in Gestalt übertragbarer, subjektiv-ausschließlicher Rechte reduziert. Beide Ansätze greifen die herausgearbeiteten Strukturmerkmale der Eingriffskondiktion auf und vermeiden zugleich die Defizite der Marktrelevanztheorie und der Lehre von der rechtlich anerkannten Kommerzialisierung. Erstens erfassen sie den qualitativen Unterschied zwischen Eingriffskondiktion und Deliktsrecht und setzen die Funktion der Bereicherung wegen Eingriffs als einer Regelung um, die die statische Güterverteilung verwirklicht. So werden positive Gründe angegeben, warum gerade der Bereicherungsgläubiger und kein anderer den streitigen Vermögenswert erhalten soll, obwohl er keinen Schaden erlitten haben muss. Dazu fallen diese Meinungen entsprechend dem Tatbestand des § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB nicht auf die Rechtswidrigkeit der Handlung und das Verschulden des Bereicherungsschuldners zurück, sondern stellen auf die Übereinstimmung des Ergebnisses eines abgeschlossenen Erwerbsvorgangs mit der objektiven Güterordnung ab. Anders als die vorgenannten Alternativansätze wird den gesetzlichen Merkmalen „auf Kosten“ und „etwas erlangt“ jeweils eigenständige Bedeutung zugebilligt, indem im ersten Kriterium der positive Zuweisungsgehalt, im zweiten das Erfordernis einer vermögensrechtlich relevanten Bereicherung (ggf. in Form ersparter Aufwendungen) angesiedelt wird. Zweitens orientieren sie sich zutreffend an rechtlichen Erwägungen und nicht der faktischen Marktentwicklung. Den positiven Zuweisungsgehalt gewinnen 295
Loewenheim, Bereicherungsrecht, 84; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 450 (der wissenschaftlich-technische Fortschritt schaffe neue Ressourcen, die die Institutionalisierung von Ausschließlichkeitsrechten notwendig machten); wie hier ablehnend zu pauschalen Verweisen auf eine komplexer werdende Welt Knieper, DB 1991, 1578.
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beide Auffassungen aus der güterzuordnungsrelevanten Rechtsordnung jenseits der §§ 812 ff. BGB. Dieses Vorgehen setzt natürlich eine genaue Analyse des Zwecks der jeweiligen Vorschrift(en) voraus, die dahingehend auszulegen sind, ob sie den betreffenden Vermögenswert gerade dem Bereicherungsgläubiger positiv zuerkennen. Auch wenn eine allgemeine Güterzuordnungsdogmatik noch weitgehend fehlt, ist eine solche Analyse kein Unterfangen, das so schwierig oder gar unmöglich wäre, um es von vornherein aufzugeben296. Es ist diese schlichte, allerdings über die §§ 812 ff. BGB hinausgreifende Gesetzesanwendung, die sich hinter dem schillernden Begriff des „Zuweisungsgehalts“ verbirgt, der eben nicht wie eine gesetzliche Voraussetzung mit eigenständiger Bedeutung angewendet werden darf297. Drittens verhindern beide Ansätze mit der Beschränkung auf die statische Zuordnung im Gesetz bzw. in normierten Ausschließlichkeitsrechten eine weitere, das Enumerationsprinzip bedrohende Ausdehnung der bereicherungsrechtlichen Haftung, ohne sich gezwungen zu sehen, das für die Eingriffskondiktion mit guten Gründen aufgegebene Erfordernis einer Vermögensverschiebung als begrenzendes Merkmal wieder zu etablieren298. Gehen mithin sowohl die Rechtsprechung mit dem Rekurs auf gesetzliche Güter- und Wertzuweisungen als auch die Mindermeinung, die Zuordnungen in Gestalt von normierten Ausschließlichkeitsrechten verlangt, von zutreffenden Grundannahmen aus, so kann die restriktive Literaturauffassung für sich in Anspruch nehmen, sich am Sacheigentum als dem Paradigma der Eingriffskondiktion zu orientieren. Für die großzügigere Rechtsprechung spricht jedoch299, dass § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB („auf Kosten“) und der speziell auf die Eingriffskondiktion bezogene Art. 38 Abs. 2 EGBGB („geschützte Interessen“) wesentlich offenere Formulierungen als § 823 Abs. 1 BGB mit dem Verweis auf „sonstige Rechte“ aufweisen und so zu erkennen geben, dass es nicht auf eine bestimmte formale Ausgestaltung der Zuweisung ankommt. Im Gegenteil, der 296 Siehe Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 76; Rümker, Das Tatbestandsmerkmal „ohne rechtlichen Grund“, 55; Schurer, Schutzbereich der Eingriffskondiktion, 116; viel zu allgemein Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 95 (wenn die Rechtsordnung eine Rechtsposition zuweise, könne es nur noch um die Begrenzung des Gehalts der Zuweisung gehen; die Frage nach dem Zuweisungsgehalt eines Rechts gebe keinen Sinn). Unverständlich die Behauptung von Wolf, Der Stand der Bereicherungslehre, 146 (es geben keinen Zuweisungsgehalt absoluter Rechte). Richtig ist zwar, dass § 903 BGB nicht darüber entscheidet, wem eine Sache gehört (a.a.O., 36), wohl aber, welche Güter und Nutzungen jedem Eigentümer vorbehalten sind (oben § 5 B I). 297 A.A. Wolf, Der Stand der Bereicherungslehre, 145; Schurer, Schutzbereich der Eingriffskondiktion, 27 ff. (der Zuweisungsgehalt werde nicht begründet). Abzulehnen etwa das Vorgehen von Batsch, Vermögensverschiebung, 80 f., der sich ganz in Deduktionen aus selbst gesetzten dogmatischen Begriffen (Zuweisungsgehalt vs. Vermögensverschiebung) verliert. Zum Unterschied zwischen Dogmatik und Rechtsanwendung oben § 1 A I. 298 So indes die Lösung von Knieper, BB 1991, 1578, 1581. Dieser Effekt wird vernachlässigt von Bydlinski, System des Privatrechts, 244 (die Anerkennung der Bereicherungshaftung im UWG führe nicht zu zusätzlichen Wettbewerbsbeschränkungen, weil es ohnehin um unerlaubte Handlungen gehe, die Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche auslösten).
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historische Gesetzgeber wählte die Worte „auf Kosten“ ganz bewusst, um eine Bereicherungshaftung in solchen Fällen zu eröffnen, in denen das Vermögen des Bereicherungsgläubigers nur „berührt“ ist, und es an einer formalen Rechtsstellung zum Zeitpunkt des Eingriffs fehlt. Auch § 816 Abs. 2 BGB erhellt, dass nicht unbedingt normierte Ausschließlichkeitsrechte betroffen sein müssen, um eine Eingriffskondiktion zu bejahen. Schließlich führt das Abstellen auf formale, dogmatische Kategorien zur Lösung konkreter Rechtsfragen nur zu begriffsjuristischen Verrenkungen ohne Rückhalt in der Rechtsordnung300. Es ist daher ausreichend, dass sich die positiv-exklusive Zuweisung des Vermögenswerts aus den gesetzlichen Regelungen ergibt, die für den Erwerbsvorgang maßgeblich sind301. Unter dieser, den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion von vornherein auf punktuelle Vorzugsbereiche reduzierenden Voraussetzung erscheint die im Tatbestand des § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB angelegte, grundsätzliche Restitutionspflicht gerechtfertigt, die gegeben ist, wenn nicht ausnahmsweise ein rechtlicher Grund besteht, den Vorteil beim Bereicherten zu belassen.
299 Ablehnend zur Auffassung Mestmäckers auch Lorenz, in: Staudinger, § 812 BGB Rn. 23; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 216 (diese Auffassung sei „überholt“); Loewenheim, Bereicherungsrecht, 84 (in ihrer kategorischen Form werde die Lehre vom Zuweisungsgehalt heute so gut wie nicht mehr vertreten); Köhler, FS Lorenz, 167, 168 (die Extremposition, wonach Wettbewerbsverstöße nie oder immer Bereicherungsansprüche zur Folge hätten, könnten als überwunden gelten, so dass auf sie nicht näher einzugehen sei). Nicht dargestellt wird die Lehre etwa von Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 127 ff., 167 ff. Ausführlich hingegen Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 358 ff. 300 Siehe etwa die begrifflichen Argumentationen bei OLG Hamburg NJW-RR 1994, 990, 991; Heimann-Trosien, in: RGRK, vor § 812 BGB Rn. 34 (zum Recht am Gewerbebetrieb), Rn. 42 (zu absoluten, kondiktionsbewehrten „Rechten“ bei Verstößen gegen das UWG); Loewenheim, WRP 1997, 913, 916 f. (Bereicherungsansprüche bei Verstößen gegen Positionen des UWG, die dem Immaterialgüterrecht ähnlich seien, nicht hingegen bei Behinderungstatbeständen); Köhler, FS Lorenz, 167, 171 (entscheidend sei, wann eine Wettbewerbsnorm eine einem subjektiven Recht angenäherte Schutzposition gewähre); Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 457 (zur Klärung des Anwendungsbereichs der Eingriffskondiktion sei zunächst der Begriff des subjektiven Rechts zu entfalten, sodann seien anhand des ökonomischen Konzepts der property rights die Kriterien offenzulegen, die der Abgrenzung der Reichweite der Eingriffskondiktion zugrundegelegt würden). Für einen Rückgriff auf die gerechtigkeitsbestimmenden Wertungen auch Wendehorst, in: Bamberger/Roth, § 812 BGB Rn. 7; kritisch zu begriffsjuristischen Argumentationen im Bereicherungsrecht allgemein Knieper, DB 1991, 1578, 1582; Canaris, FS Larenz 1973, 799, 812 („Hochblüte schlechtester Begriffsjurisprudenz“). Zur entsprechenden Kritik an der Rechtsprechung zur Störerhaftung bei „absoluten Rechten“ im Gegensatz zu bloßem Verhaltensunrecht oben § 1 A IV. 301 Siehe oben C III 1 und BGHZ 99, 385, 387 ff. (1987) (Einziehung einer Feuerversicherungssumme nicht durch den Vormerkungsberechtigten); BGH NJW-RR 2006, 1123, 1126 (für das Recht des Erfinders auf das Patent, das unter Verletzung der Bestimmungen des § 6 PatG und des ArbNErfG vom Arbeitgeber zum Patent angemeldet und für diesen eingetragen und genutzt wurde); Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 310 (die Rechtsprechung könne die Eingriffskondiktion wegen der Offenheit des Tatbestands auch in einem weiteren Sinne zum Billigkeitsausgleich von Vermögensverschiebungen durch rechtswidriges Verhalten einsetzen); unproblematisch zu bejahen ist die Eingriffskondiktion bei nur beschränkt übertragbaren Ausschließlichkeitsrechten wie dem Urheberrecht oder dem Warenzeichenrecht; siehe BGHZ 99, 244, 247 (1986); a.A. Funkel, Schutz der Persönlichkeit, 173.
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Selbstverständlich verbleiben auch auf der Grundlage des vorstehend entwickelten Ansatzes Zweifelsfälle. Gleichwohl dürfte die Diskussion um den Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion nachvollziehbarer und weniger theorielastig werden, wodurch wiederum die Vorhersehbarkeit richterlicher Entscheidungen verbessert wird. Während die eingangs genannten Fälle bereicherungsrechtlicher Haftung bei nicht gestatteter Nutzung „neuer“ Güter erst nach endgültiger Klärung der Existenz eines Zuordnungsgebots aus der Verfassung oder aufgrund eines allgemeinen Rechtsprinzips gelöst werden können302, sei dieser dogmatische „Fortschritt“ an zwei anderen streitigen Beispielen gezeigt. So erscheint die grundsätzliche Ablehnung der Eingriffskondiktion wegen Verletzung vertraglicher Befugnisse zutreffend, weil solch relative Rechte keine bestimmten Vermögensvorteile zuweisen, sondern den Schuldner nur zu einem Verhalten verpflichten. Anders ist zu entscheiden, wenn der Bestand der Forderung als Vermögenswert an sich in Rede steht (siehe § 816 Abs. 2 BGB) oder gesetzliche Bestimmungen wie das Vormerkungsrecht und der Schutz des berechtigten Besitzers anzeigen, dass die Erfüllung der Forderung gegen Eingriffe Dritter in besonderem Maße zugunsten gerade dieses Gläubigers geschützt wird. Ebenfalls keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche zieht ferner eine Verletzung des Schutzes geographischer Herkunftsangaben gem. §§ 126 ff. MarkenG nach sich. Dies folgt weniger aus der formalen Ausgestaltung als wettbewerbsrechtliches Verhaltensunrecht303 als vielmehr aus der – in den gesetzlichen Wirkungen reflektierten – fehlenden Zuweisung der mit geographischen Herkunftsangaben verbundenen Vermögenswerte zu einer bestimmten Person. Denn das entsprechende Zeichen darf von allen Gewerbetreibenden benutzt werden, deren Waren oder Dienstleistungen aus dem betreffenden Ort, der Gegend, dem Gebiet oder dem Land stammen (§ 127 Abs. 1 MarkenG)304.
E. Zusammenfassung Eine Gesamtschau der Analyse des Bereicherungsrechts ergibt, dass die §§ 812 ff. BGB keinen Baustein für eine schrittweise richterliche Ausbildung positiv-exklusiver Befugnisse an Gütern abgeben, geschweige denn zur Anerkennung von Ausschließlichkeitsrechten legitimieren. Dabei galt es zunächst, diejenige Kondiktion herauszuarbeiten, die das Spannungsverhältnis zwischen individueller Berechtigung an Gütern und allgemeiner Handlungsfreiheit anspricht. Dazu wurden die verschiedenen Kondiktionen anhand der jeweils betroffenen Lebenssachverhalte systematisiert. Die Leistungskondiktion bezieht sich auf bewusste und zweckgerichtete Mehrungen fremden 302 303 304
Dazu unten § 13 B. Oben § 1 C und unten § 14 A II. Siehe Ingerl/Rohnke, § 128 MarkenG Rn. 13 f.
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Vermögens und damit gerade nicht auf unerlaubte Nutzungen „fremder“ Güter. Aber auch einige Fallgruppen der Nichtleistungskondiktion (die sog. Verwendungs- oder Aufwendungskondiktionen) weisen keine Güterzuordnungsrelevanz auf, weil sie Erwerbsvorgänge regulieren, die auf eine eigene Handlung des Bereicherungsgläubigers zurückgehen, so dass primär die Selbstbestimmung des Gläubigers und nicht der statische Güterschutz im Verhältnis zur Handlungsfreiheit potentieller Schuldner im Vordergrund steht. Die Untersuchung konnte sich daher auf die Eingriffskondiktion konzentrieren, also gem. Art. 38 Abs. 2 EGBGB auf „Ansprüche wegen Bereicherung durch Eingriff in ein geschütztes Interesse“ (dazu A). Ein anschließender Vergleich der formalen Strukturen des Deliktsrechts mit dem Bereicherungsrecht zeigte, dass das Bereicherungsrecht nicht an ein schuldhaftes Verhaltensunrecht anknüpft, sondern sich am Ergebnis einer Vermögensveränderung und der Übereinstimmung des neuen Zustandes mit der Rechtsordnung orientiert (dazu B I). Mithin sollte das Bereicherungsrecht generell und insbesondere hinsichtlich der hier relevanten Eingriffskondiktion nicht wie nach Auffassung der Rechtswidrigkeitstheorie deliktsrechtlich gedeutet werden. Hieraus ergeben sich mehrere Folgerungen für die Güterzuordnungsproblematik. Einerseits kann dem Bereicherungsrecht nicht schon wegen angeblicher Parallelen zum Deliktsrecht ein güterzuordnender Gehalt abgesprochen werden305, andererseits verbietet es sich, die bereicherungsrechtliche Haftung ohne Weiteres auf die Fortbildungen des Deliktsrechts (insbesondere die ungeschriebenen „sonstigen Rechte“) zu erstrecken (dazu B II). Anschließend wurde erläutert, dass das Bereicherungsrecht keinen einheitlichen, übergreifenden Zweck verfolgt. Insbesondere kann eine Herausgabepflicht nicht mit allgemeinen Billigkeitssätzen wie dem Verbot, sich aus fremdem Schaden zu bereichern, gerechtfertigt werden (dazu C I). Erforderlich ist vielmehr eine Differenzierung zwischen verschiedenen Kondiktionen, und zwar nicht nur hinsichtlich der betroffenen Lebenssachverhalte, sondern auch hinsichtlich der Funktionen des jeweiligen Typs306. Eine Analyse der §§ 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt., 818 Abs. 1 BGB sowie der Spezialregelungen der §§ 816, 951 Abs. 1 BGB ergab, dass die Eingriffskondiktion tatsächlich der Wahrung der statischen Güterverteilung dient, wie insbesondere das Paradigma des Eingriffs in die rechtlichen und tatsächlichen Befugnisse des Eigentümers bestätigt. Theoretisch umgesetzt wird diese Erkenntnis von der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur, die eine Eingriffskondiktion nur dann gewährt, wenn in den „Zuweisungsgehalt“ einer Rechtsposition des Bereicherungsgläubigers eingegriffen wurde. Anders als das Deliktsrecht, das Rechtskreise unter-
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Siehe insoweit oben § 6 E, 7 F. In diesem Sinne wohl auch Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung, 80; anders Hagen, FS Larenz 1973, 867, 884 (den „zentrifugalen Tendenzen des Schadens- und Bereicherungsrechts“ sei entgegenzuwirken). 306
§ 8 Bereicherungsrecht
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schiedlicher Struktur abgrenzt, weist diese Kondiktionsart also einen unmittelbaren Bezug zur Güterzuordnung auf (dazu C II). Allein dieser thematische Zusammenhang besagt jedoch noch nichts zur Frage, ob über die Existenz von Zuweisungsgehalten auf der Basis des Bereicherungsrechts als legitimierende Rechtsgrundlage entschieden werden darf. Zwar finden sich in § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB mehrere ausfüllungsbedürftige Tatbestandselemente; insbesondere verweist die Vorschrift anders als § 823 Abs. 1 BGB nicht auf „Rechte“, sondern lässt einen rechtsgrundlosen Vermögenserwerb „auf Kosten“ einer Person genügen. Auch der speziell auf die Eingriffskondiktion bezogene Art. 38 Abs. 2 EGBGB spricht nur von „geschützten Interessen“ (dazu C III 1). Allerdings erwies eine Gesamtschau des tatbestandlich und funktional ausdifferenzierten Bereicherungsrechts und angrenzender Haftungsinstitute unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte, dass dieses gesetzliche Schuldverhältnis ebenfalls dem Prinzip der enumerativen Haftung folgt. Es normiert keinen auf materialer Gerechtigkeit oder Billigkeit beruhenden Grundsatz der Restitution von Vermögensvorteilen. Vielmehr müssen für jeden Anspruch auf Herausgabe oder Wertersatz sämtliche gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, damit der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Schuldners eine Grundlage in der verfassungsmäßigen Ordnung findet. Hieraus ergab sich insbesondere die Überlegung, dass nur punktuelle Zuweisungen nach dem Modell des Erfolgsunrechts eine bereicherungsrechtliche Haftung tragen können. Denn der Bereicherungsschuldner hat die erlangten Vermögensvorteile grundsätzlich zu erstatten, wenn kein rechtlicher Behaltensgrund gegeben ist. Wenn aber die Restitution insgesamt die Ausnahme und nicht der Grundsatz sein soll, muss der Tatbestand von vornherein auf punktuelle Rechtspositionen mit Zuweisungsgehalt beschränkt sein (dazu C III 2). Im letzten Abschnitt wurden schließlich die konkreten Quellen und Voraussetzungen des erforderlichen Zuweisungsgehalts herausgearbeitet. Für die güterzuordnende Kraft des Bereicherungsrechts von zentraler Bedeutung ist, ob die Entscheidung hierüber mit bereicherungsrechtlichen Argumenten („intern“) zu treffen ist oder ob auf externe Wertungen zurückgegriffen werden muss. Denn nur im erstgenannten Fall gibt das Bereicherungsrecht eine vollständige Rechtsgrundlage für eine Zuordnungsentscheidung ab. Insoweit konnte jedoch nachgewiesen werden, dass die ganz herrschende Meinung die Rechtsgrundproblematik für sämtliche Kondiktionen einschließlich der Eingriffskondiktion zu Recht aufgrund von Erwägungen jenseits der §§ 812 ff. BGB angeht. Für die Leistungsund Verwendungskondiktionen kommt es auf die Wirksamkeit bzw. das Bestehen einer Verpflichtung zur Bereicherung an, für die Eingriffskondiktion auf die objektive Zuweisung des fraglichen Vermögensvorteils gerade zum Bereicherungsgläubiger. Hierüber geben die §§ 812 ff. BGB keine Auskunft. Sie formulieren nur die allgemeinen, abstrakten Anforderungen, die eine Rechtsposition erfüllen muss, damit ein Eingriff bereicherungsrechtliche Ansprüche auslöst. Ob die Voraussetzungen im Einzelfall gegeben sind, muss anhand des Zuweisungs-
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gehalts der bereicherungsextern aufzusuchenden Rechtsposition geprüft werden. Wenn aber § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB nur einen Verweis auf anderweitige Zuweisungen von Vermögenswerten enthält, kann die Norm nicht selbst die Grundlage hierfür liefern (dazu D I)307. In einem letzten Schritt galt es, die vom Bereicherungsrecht formulierten und an die sonstige Rechtsordnung adressierten Kriterien für einen „Zuweisungsgehalt“ darzulegen. Wären die Anforderungen sehr gering oder entwicklungsoffen, wäre der Rechtsprechung selbst auf der Basis eines bereicherungsexternen Zuweisungsgehalts ein Weg geebnet, „neue“ und ggf. nur deliktsrechtlich geschützte Güter durch Zubilligung bereicherungsrechtlicher Ansprüche vor unerlaubten Nutzungen zu sichern und dadurch ihre Zuordnung anzuerkennen. Die insoweit vorliegende Rechtsprechung und Literatur bietet ein vielstimmiges Spektrum unterschiedlicher Lösungsansätze. Um deren Tragfähigkeit beurteilen zu können, waren die verschiedenen Meinungen zunächst darzustellen und anschließend anhand der zuvor gewonnenen Auslegungsergebnisse zu beurteilen. Diejenigen Auffassungen, die den negativen Ausschluss aller Dritten für einen eingriffsbewehrten Zuweisungsgehalt genügen lassen, sehen sich dem Einwand ausgesetzt, jeden deliktsrechtlichen Schutzbereich als ausreichend „geschütztes Interesse“ (Art. 38 Abs. 2 EGBGB) anzusehen und damit die Eingriffskondiktion unzutreffend als Ergänzung des strukturell und teleologisch abweichend ausgerichteten Deliktsrechts zu behandeln. Überdies bleibt bei der Lehre vom „negativen Zuweisungsgehalt“ offen, warum gerade der Bereicherungsgläubiger den Vorteil erhalten soll, obwohl er ggf. keinen messbaren Schaden erlitten hat. Notwendig ist daher ein positiver Zuweisungsgehalt, der diese exklusive Anwartschaft erklärt. Dieser kann freilich nicht in einem naturalistischen Kurzschluss aus einem faktisch bestehenden Markt abgeleitet werden, weil ein rechtlicher Grund zum Behalten gegeben sein muss. Zwar vermeidet die Ergänzung, die tatsächliche Kommerzialisierung müsse von der Rechtsordnung akzeptiert sein, das vorgenannte Defizit; sie erstreckt die Eingriffskondiktion aber wiederum auf praktisch sämtliche deliktsrechtliche Schutzpositionen, die sich auf der Basis entgeltlicher Verpflichtungsgeschäfte durchaus versilbern lassen. Wie in den §§ 6 und 7 gezeigt, dienen jene indes gerade im Bereich der hier relevanten Rechtsfortbildung nicht der positiven Zuweisung von Gütern, sondern der Abgrenzung gleichrangiger Freiheiten, ohne exklusive Anwartschaften zu etablieren. Derartige positive Handlungsbefugnisse in Bezug auf Güter verlangen nur zwei Auffassungen. Die jüngere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt auf eine gesetzliche Wertung ab, aus der folgen müsse, dass der erlangte Vermögensvorteil dem Bereicherungsgläubiger gebührt. Die formale Struktur dieser Rechtsposition – etwa als subjektiv-ausschließliches Recht – steht dabei nicht im Vordergrund. Eine noch restriktivere Literaturmeinung verlangt hingegen ein 307 Allgemein bereits Savigny, System V, 526 f. („Eben so ist es aber auch nöthig, daß Dasjenige, welches dem Andern der Bereicherung diente, vorher schon wirklich einmal zum Vermögen Dessen gehört habe, welcher darauf eine Condiction gründen will.“).
§ 8 Bereicherungsrecht
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übertragbares, normiertes Ausschließlichkeitsrecht. Selbst wenn man sich wie hier vertreten der etwas großzügigeren Rechtsprechung anschließt und einen gesetzlich fundierten Schutz ohne Rücksicht auf die formale Ausgestaltung als Ausschließlichkeitsrecht genügen lässt, setzt die Eingriffskondiktion eine in bereicherungsexternen Vorschriften fundierte, positive Zuordnung voraus. Eine deliktsrechtliche Abgrenzung gleichrangiger Freiheiten etwa durch das UWG, das Recht am Gewerbebetrieb und das aPR oder gar nur eine faktische Kommerzialisierung genügen hingegen nicht. Auch in dieser Hinsicht qualifiziert sich das Bereicherungsrecht nicht als Rechtsgrundlage für richterliche Zuordnungsentscheidungen (dazu D II). Wenn § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB also weder ein Baustein zur allmählichen Herausbildung ungeschriebener Güterzuordnungen ist noch gar zur Anerkennung von Ausschließlichkeitsrechten auf einen Schlag berechtigt, bestätigt die gleichwohl vertretene Gegenauffassung nur erneut308, wie stark, ja naturwüchsig der Reflex ist, Güter zuzuweisen und nicht gestattete Nutzungen zu sanktionieren309. Soweit hierfür im bereicherungsrechtlichen Schrifttum überhaupt nachvollziehbare Argumente vorgebracht werden310, geht man vor allen Dingen davon aus, es sei weniger anstößig, den nun einmal realisierten Vermögenswert dem deliktisch Verletzten zuzugestehen, als ihn dem Eingreifer zu belassen311. Man ar308
Zum UWG oben § 7 F. Knieper, BB 1991, 1578, 1584 („Rudimente vorindustrieller Überzeugungen, die bereits von Hegel, sicher aber vom BGB und den seit dem 19. Jahrhundert entstehenden Gesetzen zum Immaterialgüterschutz überwunden waren“). Dass diese Kritik bereits von Windscheid, AcP 78 (1892), 161, 179, gegen die Behauptung erhoben wurde, „die Sachlage, die Logik der Thatsachen“ erzwinge die Gewährung des Bereicherungsanspruchs, lässt die Hoffnung gering erscheinen, dass die hier formulierten Bedenken überhaupt wahrgenommen werden. 310 Ohne jede Begründung für die Annahme eines „exklusive[n], quasi-dingliche[n], vom Recht des Versorgungsunternehmens abgeleitete[n] Verfügungsrecht[s] an der Elektrizität“ und damit für die Bejahung der Eingriffskondiktion in diesem Fall Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 584 ff., 588. 311 Siehe etwa Schlechtriem, Symposium König, 57, 71 (die Anwendung der Eingriffskondiktion auf Bildnis und Namen dürfe als „gesichert“ gelten), 73 (der Gedanke, Bereicherungsausgleich auch jenseits der Immaterialgüterrechte zu gewähren, sei dem deutschen Recht nicht fremd); Kittner, Schuldrecht, Rn. 1382; Roth, FS Küchenhoff, 371, 378 („Zuweisung aller aus der Inanspruchnahme eines Rechtsguts erzielten Vorteile an den Rechtsgutberechtigten“); Reeb, Bereicherungsrecht, 41 (die Ausgrenzung bestimmter Rechtsgüter vom Anwendungsbereich der Eingriffskondiktion sei völlig willkürlich); Kleinheyer, JZ 1970, 471, 473; Schurer, Schutzbereich der Eingriffskondiktion, 96 (Prinzip der Durchsetzung von Individualinteressen), 109 (es dürfe nicht sein, dass selbst mit der unverschuldeten Verletzung fremder Befugnisse Vorteile erzielt werden, die der Eingreifer sonst niemals zu erzielen in der Lage gewesen wäre; daher müsse auf eine positive Rechtfertigung für die Begünstigung des Gläubigers verzichtet werden); Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung, 16 (es bestehe kein Grund, dem Verletzer die Vorteile des unerlaubten Handelns zu belassen); Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 176 (es bestünden keine Bedenken, beim „Ausbeutungswettbewerb“ im Gegensatz zum „Behinderungswettbewerb“ die Eingriffskondiktion zuzulassen); Haines, Bereicherungsansprüche, 1 ff. („Seit langem ist anerkannt, daß das Schadensersatzrecht im eigentlichen Sinn nicht ausreicht, um die Folgen der Verletzung immaterieller Güter auszugleichen.“); Koziol, FS Bydlinski, 177, 190 (es sei sachgerechter, wenn der Verletzte und nicht der Verletzer den Vorteil davonträgt); Weitnauer, DB 1984, 2496, 2499; Loewenheim, 309
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gumentiert also entgegen der auf Wilburg und v. Caemmerer zurückgehenden Erkenntnisse der „zweiten bereicherungsrechtlichen Wende“ doch mit dem naturrechtlich inspirierten Satz, wonach sich „niemand mit dem Schaden eines anderen unrechtmäßig bereichern“ darf 312. Da dieser Billigkeitsgedanke nach den Ergebnissen dieses Paragraphen nicht genügt, um eine bereicherungsrechtliche Haftung zu legitimieren, stellt sich eine dennoch erfolgende Anwendung des § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB als Fortbildung des Bereicherungsrechts dar, die wiederum der Begründung bedarf, weil sie ebenfalls einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Schuldners nach sich zieht. Ob sich die Rechtsprechung zur Überwindung des Regelungsplans der §§ 812 ff. BGB auf ein verfassungsrechtliches Zuordnungsgebot oder ein sonstiges Rechtsprinzip der Güterzuordnung zu stützen vermag, ist zum Abschluss des Hauptteils in den §§ 11 und 12 zu erörtern. Wegen dieses Vorbehalts kann erst im dritten Teil zu den kritischen Beispielsfällen in Bezug auf die unerlaubte Nutzung von Persönlichkeitsmerkmalen, elektrischer Energie, Betriebsgeheimnissen und eigenartigen Produkten endgültig Stellung genommen werden313.
312 WRP 1997, 913, 915 (der Schutz durch das Deliktsrecht habe sich wegen des Verschuldenserfordernisses in vielen Fällen als nicht ausreichend erwiesen, so dass eine Ergänzung durch das Bereicherungsrecht geboten sei); Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 245 f. (mit Verweis auf eine „unerlässliche Verschärfung der Haftungsmaßstäbe“, um dem „Güterschutzgedanken zur Begrenzung der Handlungsfreiheit“ gerecht zu werden), 256 („bereicherungsrechtliche Güterschutzfunktion“); Westermann/Buck-Heeb, in: Erman, § 812 BGB Rn. 69; Bungart, Dingliche Lizenzen, 89; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 782 f. (ohne Anerkennung der Eingriffskondiktion im Bereich des Persönlichkeitsrechts wäre das Recht zu einem öffentlichen Gut geworden, wofür es keinen Grund gebe); Emmerich, Schuldrecht BT, 210. 312 Oben C III 2. 313 Dazu unten § 13 B.
§ 9 Geschäftsführung ohne Auftrag
A. Einführung Aus dem Kreis der gesetzlichen Schuldverhältnisse, die der Rechtsprechung als Grundlage für die Anerkennung positiv-exklusiver Befugnisse an „neuen“, nicht spezialgesetzlich zugeordneten Gütern dienen können, bedarf noch die Geschäftsführung ohne Auftrag der näheren Betrachtung. Trotz ihres systematischen Standorts zwischen den Vertragstypen „Auftrag“ und „Verwahrung“ im 13. Titel des BGB handelt es sich bei der Geschäftsführung ohne Auftrag schon nach Auffassung der Gesetzesverfasser1 um ein gesetzliches Schuldverhältnis, denn die gegenseitigen Ansprüche zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherr entstehen gem. § 677 1. Hs. BGB gerade ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung2. Dasselbe gilt für die beiden Fälle unechter Geschäftsführung gem. § 687 BGB3, nämlich die irrtümliche Eigengeschäftsführung (Abs. 1) und die angemaßte Eigengeschäftsführung (synonym Geschäftsanmaßung, Abs. 2)4. Die Fragestellung dieses Paragraphen entspricht derjenigen zum Delikts- und Bereicherungsrecht. Da die Rechtsprechung auf der Basis von gesetzlichen Schuldverhältnissen nur relative Ansprüche zwischen den Parteien nach Maßgabe der jeweiligen Vorschriften feststellen kann5, kommen diese Materien eigentlich von vornherein nicht als mögliche Rechtsgrundlagen zur Anerkennung primärer subjektiver Ausschließlichkeitsrechte in Betracht. Allerdings haben die 1 Ausdrücklich gegen die Vorstellung der Geschäftsführung ohne Auftrag als quasi ex contractu v. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 2, 933 f.; Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 139 f. (kein Rechtsgeschäft im eigentlichen Sinne); Prot. II 2, 739 (der Entwurf kenne keine Quasikontrakte); anders v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht I, 507 ff. 2 BGHZ 63, 167, 173 (1974) (keine „vertragsähnlichen“ Beziehungen bei Annahme einer echten Geschäftsführung ohne Auftrag); BGHZ 67, 368, 371 (1976) (Geschäftsführung ohne Auftrag als tatsächliche Handlung); Wendehorst, Anspruch und Ausgleich, 423; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 690; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1259; Joerges, in: AK, vor §§ 677 ff. BGB Rn. 1; Seiler, in: MünchKomm, vor § 677 BGB Rn. 4; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, § 677 BGB Rn. 1; Sprau, in: Palandt, v. § 677 BGB Rn. 2; Schulze, in: Hk-BGB, vor §§ 677–687 BGB Rn. 3; rechtsvergleichend v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht I, 507. 3 V. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 2, 933 („noch weniger …“). 4 So auch BGHZ 145, 366, 372 (2000); Ebert, Geschäftsanmaßung, 25; Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 789; Beuthien, in: Soergel, vor § 677 BGB Rn. 4; Ehmann, in: Erman, vor § 677 BGB Rn. 9; Seiler, in: MünchKomm, § 687 BGB Rn. 3; Wenckstern, AcP 200 (2000), 240, 241. 5 Siehe RGZ 97, 61, 65 (1919) (rein persönlicher Anspruch).
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in § 4 B referierten Beispiele und die Untersuchung des Delikts- und Bereicherungsrechts in den §§ 6 bis 8 gezeigt, dass die Gerichte die offen formulierten Tatbestände der gesetzlichen Schuldverhältnisse des BGB und des UWG durchaus so anwenden, dass mit der Gewährung von Ansprüchen gegen die unerlaubte Nutzung „neuer“ Güter negativ-abwehrende und positiv-privilegierende Befugnisse an diesen Gütern zugunsten einer bestimmten Person herausgebildet und zugleich sanktioniert werden. Auf diese Weise können die Wirkungen eines Ausschließlichkeitsrechts nach und nach richterrechtlich ausgesprochen werden, obwohl es an einer gesetzlichen Regelung eines solchen primären Rechts fehlt. Die Rechtsfolgen der Geschäftsführung ohne Auftrag wären demnach ein Baustein in einem Mosaik einzelner Entscheidungen, die sich jeweils als Anwendung eines gesetzlichen Schuldverhältnisses darstellen, insgesamt jedoch auf die Anerkennung eines ausschließlichen Rechts an einem Gut hinauslaufen6. Die Geschäftsführung ohne Auftrag kann diese Funktion übernehmen und damit Rechtsgrundlage der Güterzuordnung sein, wenn die maßgeblichen Wertungen aus der Regelung selbst abzuleiten sind und diese „internen“ Kriterien angeben, dass und unter welchen Voraussetzungen einer bestimmten Person ein Gut vorzubehalten ist. Würden die einschlägigen Vorschriften hingegen – wie das Bereicherungsrecht – nur auf anderweitig („extern“) geregelte Zuordnungen von Vermögenswerten verweisen oder – wie das Deliktsrecht – eine interne Dynamik lediglich im Hinblick auf andere Zwecke als den Schutz individuell-exklusiven Habens entfalten, böten die §§ 677 ff. BGB keinen Anhaltspunkt für richterliche Zuordnungsaktivitäten. Ein allgemeines Rechtsprinzip der Güterzuordnung fände mithin in diesem Regelungskomplex ebenfalls keinen Niederschlag. Der Geschäftsführung ohne Auftrag wird im Zusammenhang mit diesen Fragen erstaunlich wenig Aufmerksamkeit geschenkt7. Dabei vermag sie Rechtsfolgen beizusteuern, die sich weder aus dem Delikts- noch aus dem Bereicherungsrecht ergeben. Denn während jene nur Ansprüche auf Schadensersatz, Unterlassung und Beseitigung sowie Herausgabe bzw. Ersatz des erlangten Wertes generieren, folgt aus den §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667 BGB ein Anspruch auf Herausgabe „alles“ dessen, was der Geschäftsführer aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat. Hiervon umfasst ist insbesondere der erzielte Gewinn8, der auf Basis der bisher geprüften Vorschriften nicht verlangt werden kann. Dieses einmalige
6 Das ist das Ergebnis der ausführlichsten Studie zu § 687 Abs. 2 BGB; siehe Ebert, Geschäftsanmaßung, 406 (da bei Verstößen gegen das UWG Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche gegeben seien, liege keine ungeschützte Position vor, so dass wie bei einem Immaterialgüterrecht auch eine Gewinnabschöpfung gem. § 687 Abs. 2 BGB zu bejahen sei). 7 Zur relativ geringen praktischen Relevanz des § 687 Abs. 2 BGB aufgrund der Gewinnherausgabe auf schadensersatzrechtlicher Grundlage (also bereits bei Fahrlässigkeit) im Immaterialgüterrecht Ebert, Geschäftsanmaßung, 39. 8 Siehe v. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 2, 961; ferner BAG NJW 1961, 2036, 2037; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 716; Bergmann, in: Staudinger, § 687 BGB Rn. 12; Beuthien, in: Soergel, vor § 687 BGB Rn. 4; Ehmann, in: Erman, § 687 BGB Rn. 3; Ebert, Geschäftsanmaßung, 184 ff.
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Potential kommt im Rahmen der Zuordnung „neuer“ Güter durchaus zum Tragen. So werden Ansprüche auf Gewinnherausgabe gem. der §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 BGB bei Verletzungen der kommerziellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts9 und bei lauterkeitswidrigen Nachahmungen und Verletzungen des UWG-Geheimnisschutzes bejaht10. Die in diesen Fällen für die Abschöpfung der Gewinne des Geschäftsführers angeführten Gründe lassen sich in zwei Gruppen einteilen. Im Vordergrund stehen Argumente, die sich auf die „Natur“ der unerlaubt genutzten Rechtsposition beziehen. So vergleicht man die kommerziellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts mit den Immaterialgüterrechten11 oder betont die faktische Verwertung und Verobjektivierung von Namen, Bildnissen usw.12. Hinzu kommen Gesichtspunkte, die die Funktion der Geschäftsführung ohne Auftrag im Allgemeinen und § 687 Abs. 2 BGB im Besonderen betreffen. Häufig findet sich dazu die Aussage, niemand solle aus widerrechtlichen Eingriffen in einen fremden Rechtskreis unverdient eigene Vorteile ziehen13. Der eigennützig und unredlich Handelnde sei gegenüber dem Verletzten nicht schutzwürdig; es sei kein Grund erkennbar, ihm den erzielten Gewinn zu belassen14. Rechtsvergleichend beruft man sich seit 9 Oben § 4 B VII 2 b. Einhellig bejahend die Literatur zur angemaßten Eigengeschäftsführung: Helms, Gewinnherausgabe, 173 ff.; Mueser, § 687 Abs. 2 BGB, 16 (Namensrecht); Ebert, Geschäftsanmaßung, 386; Mansel, in: Jauernig, § 687 BGB Rn. 14; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 715; Seiler, in: MünchKomm, § 687 BGB Rn. 20; ferner Rixecker, in: MünchKomm, Anh § 12 BGB Rn. 227; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 228 f.; Wagner, GRUR 2000, 717, 718; Hort, Finanzieller Ausgleich, 89; Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 51 f.; Klein, Sensationspresse, 191; v. Holleben, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 125 („selbstverständlich“); einschränkend Canaris, FS Deutsch, 85, 86 (in der Publikation eines erfundenen Interviews liege nicht die Führung eines Geschäfts des angeblich Interviewten). 10 Oben § 7 B II 2 b; offengelassen für den Geheimnisschutz von BGH GRUR 1960, 554, 556 f.; aus der Literatur zur angemaßten Eigengeschäftsführung bejahend v. Bargen, Unechte Geschäftsführung, 28 f.; Bertrams, § 687 II BGB, 83; Ebert, Geschäftsanmaßung, 401 ff., 499 (qualifizierte Wettbewerbsverstöße, auch Behinderungswettbewerb); Mansel, in: Jauernig, § 687 BGB Rn. 13; Steffen, in: RGRK, § 687 BGB Rn. 44; Ehmann, in: Erman, § 687 BGB Rn. 25; Seiler, in: MünchKomm, § 687 BGB Rn. 19. 11 Beuthien/Wasmann, GRUR 1997, 255, 258; allgemein Ebert, Geschäftsanmaßung, 110 (die Anwendung des § 687 Abs. 2 BGB auf absolute Rechte i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB sei „durch Billigkeitsgesichtspunkte nicht mehr und nicht weniger geboten als bei Verletzung sonstiger Rechtspositionen“), 406 (im Hinblick auf die identischen Sanktionen); für Persönlichkeitsrechte Mertens, JuS 1962, 261, 268; Erlanger, Gewinnabschöpfung, 129 ff. (mit Vergleich zum Warenzeichen- und Markenrecht). 12 V. Caemmerer, FS v. Hippel, 27, 39 f.; v. Holleben, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 125; Beuthien, NJW 2003, 1220, 1221; Mertens, JuS 1962, 261, 268 mit Fn. 41; Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 85; Lettl, WRP 2005, 1045, 1085. 13 Auf den Präventionsgedanken abstellend Klein, Sensationspresse, 198 f.; Witzleb, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 196; Krumm, Widerrechtliche Inanspruchnahme, 152, 211; Ebert, Geschäftsanmaßung, 69 f., 386, 424 (wirksamer Rechtsgüterschutz müsse rechtspolitisch auch Positionen jenseits der Immaterialgüterrechte gewährt werden). 14 Schulz, AcP 105 (1909), 1, 463 ff.; Ebert, Geschäftsanmaßung, 69 („Fundamentalsatz“ der Rechtsordnung); Nipperdey, FS Böhm, 163, 165; Isele, FS Cohn, 75, 81, 84; Wittmann, Geschäftsführung ohne Auftrag, 4; Beuthien, in: Soergel, vor § 687 BGB Rn. 4; ders., NJW 2003, 1220, 1221 (der Verweis auf das deliktische Schadensersatzrecht sei „ungerecht“ und „unbefriedigend“);
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Fritz Schulz auf die Aussage englischer Gerichte, wonach gilt: „This Court never allows a man to make profits by a wrong.“15. Unter Verweis auf den Begriff des „objektiv fremden Geschäfts“ im Kontext der echten Geschäftsführung ohne Auftrag wird die Gewinnhaftung sodann auf sämtliche, deliktsrechtlich geschützte Rechts- und Interessenssphären erstreckt16. Gerade letztgenannte Ankopplung an das Deliktsrecht macht die Geschäftsführung ohne Auftrag zu einem dynamischen Instrument mit sehr weitem Anwendungsbereich, das namentlich für die Zuordnung „neuer“ Güter herangezogen werden kann. Die vorstehend skizzierten Argumente lassen das Programm einer kritischen Überprüfung der These vom güterzuordnenden Gehalt der §§ 677 ff. BGB anhand der anerkannten Auslegungsmethoden17 erkennen. Schon der Verweis auf den Begriff des „objektiv fremden Geschäfts“ im Rahmen der echten Geschäftsführung ohne Auftrag zeigt, dass sich die Analyse nicht auf § 687 Abs. 2 BGB beschränken kann. Überdies haben echte und unechte Geschäftsführung ohne Auftrag gemeinsam, dass ein Geschäftsführer eben ohne vertragliche oder sonstige Berechtigung ein Geschäft des Geschäftsherrn besorgt. Anders als im Rahmen der Prüfung des Bereicherungsrechts18 können daher an dieser Stelle noch keine
15 Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 51 (es gehe nicht an, dass man gerade im höchstpersönlichen Bereich fremder Habgier schutzlos ausgeliefert sei); Erlanger, Gewinnabschöpfung, 91 (Gewinnherausgabe als gerechter Ausgleich der widerstreitenden Interessen); Mansel, in: Jauernig, § 687 BGB Rn. 5; Fleck, ZIP 1991, 1269, 1272 ff.; Witzleb, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 196; Erlanger, Gewinnabschöpfung, 121; für alle schuldhaften Handlungen auch Franke, Herausgabe des Gewinns, 42, 80 f.; bei „erhöhter Schutzbedürftigkeit eines absolut geschützten Rechtsguts“ ebenso Wittmann, Geschäftsführung ohne Auftrag, 159 f. (Verweis auf die dreifache Schadensberechnung im Immaterialgüterrecht); Roth, FS Niederländer, 363, 380 f. (§ 687 Abs. 2 BGB sei auf „grundsätzlich jede vorsätzliche rechtswidrige Vornahme eines durch Vertrag oder gesetzliches Schuldverhältnis dem anderen vorbehaltenen Geschäfts“ anzuwenden); Chrestin, Unechte Geschäftsführung, 33 mit Fn. 1 (§ 687 Abs. 2 BGB müsse bei Ausschließlichkeitsabreden eingreifen); Gass, NJW 1960, 2339 f.; Picker, AcP 183 (1983), 369, 513 (das Judiz fordere die Haftung); wohl auch Krumm, Widerrechtliche Inanspruchnahme, 146 (Gewinnhaftung für jede Verletzung einer Rechtsposition, soweit nicht besondere Gründe vorliegen); de lege ferenda erwägend Helm, Gutachten, 335, 406. 15 Siehe Schulz, AcP 105 (1909), 1; Köndgen, RabelsZ 64 (2000), 661, 694 (die Maxime „tort must not pay“ erweise sich für alle Vorsatztaten als richtig); v. Gerlach, JZ 2007, 1162, 1163 f.; König, FS v. Caemmerer, 179 (mit dem Nachweis, dass ein Grundsatz der Gewinnhaftung dem englischen Recht gerade fremd ist, a.a.O., 206 m.w.N.). 16 Allgemein Krautwig, Verletzung des Persönlichkeitsrechts, 125. In Bezug auf Persönlichkeitsrechte Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 85; Klein, Sensationspresse, 192 f.; v. Holleben, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 120; Lettl, WRP 2005, 1045, 1085; Witzleb, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 193; Erlanger, Gewinnabschöpfung, 103, 106 ff. In Bezug auf das UWG Bertrams, § 687 II BGB, 83. 17 Dazu oben § 2 D. Für eine „offenere“ Methodik dagegen gerade die Verfechter eines weiten Anwendungsbereichs der Norm; siehe Nipperdey, FS Böhm, 163, 165, 169 (mit unvollständiger Wiedergabe der Ausführungen der 2. Kommission in Prot. II 2, 742 f.); Erlanger, Gewinnabschöpfung, 122 (eine schematische Subsumtion könne den Anwendungsbereich des § 687 Abs. 2 BGB nicht klären); Krautwig, Verletzung des Persönlichkeitsrechts, 123 (aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte könnten keine Schlüsse gezogen werden). 18 Siehe oben § 8 A zur Ausgrenzung der Leistungs- und Verwendungskondiktionen.
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Bereiche der §§ 677 ff. BGB mit der Begründung ausgeklammert werden, sie beträfen das Spannungsverhältnis zwischen individuell-exklusivem Güterschutz und allgemeiner Handlungsfreiheit von vornherein nicht. Die Geschäftsführung ohne Auftrag regelt durchweg gerade solche Handlungen, die nicht vom Geschäftsherrn ausgehen, und die er auch sonst nicht gestattet hat. Außerdem lässt sich der Gewinnherausgabeanspruch sowohl auf der Basis der echten Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 681 S. 2, 667 BGB) als auch – über den Verweis des § 687 Abs. 2 S. 1 BGB – auf der Basis der Geschäftsanmaßung herleiten. Folglich bedarf es einer näheren Prüfung, welche Fallgruppe der §§ 677 ff. BGB den Güterzuordnungskonflikt anspricht. Dazu ist im folgenden Abschnitt die Grundstruktur der im 13. Titel des BGB versammelten Tatbestände zu erörtern. Ausgehend hiervon sind die Zwecke der echten Geschäftsführung ohne Auftrag und des letztlich allein güterzuordnungsrelevanten § 687 Abs. 2 BGB zu bestimmen (dazu B). Die restliche Untersuchung kann sich auf die Frage beschränken, ob „jemand“ auch dann „ein fremdes Geschäft als sein eigenes“ behandelt und deshalb bei wissentlichem Handeln ggf. zur Herausgabe des erlangten Gewinns an den Geschäftsherrn verpflichtet ist, wenn der Geschäftsführer ein nicht von den normierten Ausschließlichkeitsrechten erfasstes, „neues“ Gut unerlaubt genutzt hat19. Insoweit gilt es zunächst, das Verhältnis der unechten Geschäftsführung zum Delikts- und Bereicherungsrecht zu klären. Wäre § 687 BGB wie vielfach vertreten mit dem Deliktsrecht verwandt, könnte der Anspruch auf Gewinnherausgabe alle deliktsrechtlich definierten Rechtssphären abbilden und verfestigen, einschließlich der rechtsfortbildend anerkannten „sonstigen Rechte“ und des Verbots unlauterer Wettbewerbshandlungen. Stünde die Vorschrift hingegen im Zusammenhang mit dem Bereicherungsrecht, insbesondere mit der Eingriffskondiktion, würde dies zwar ihre Güterzuordnungsrelevanz bestätigen, ihre güterzuordnende Kraft jedoch in Zweifel ziehen, weil § 687 Abs. 2 BGB dann wie § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB eine bloße Sanktionsnorm vorausgesetzter, externer Güterzuweisungen darstellte (dazu C). Vor diesem Hintergrund ist anschließend der konkrete, güterzuordnende Gehalt des § 687 Abs. 2 BGB zu ergründen. Insoweit ist fraglich, ob der Geschäftsführung ohne Auftrag wirklich ein Grundsatz der Gewinnhaftung zu entnehmen ist oder ob auch dieses gesetzliche Schuldverhältnis wie das Delikts- und Bereicherungsrecht dem Prinzip der enumerativen Haftung nach Maßgabe der gesetzlichen Tatbestände folgt. Ferner gilt es wie zur Eingriffskondiktion aufzudecken, ob sich aus internen oder externen Wertungen ergibt, dass der vom Geschäftsführer erzielte Gewinn gerade dem Geschäftsherrn vorbehalten ist, und welche Anforderungen an eine solche Gewinnzuweisung zu stellen sind (dazu D). Im letzten Abschnitt werden die Ergebnisse zur Geschäftsführung ohne Auftrag zusammengefasst und ein Bogen zu den delikts- und bereicherungsrechtli19 Siehe Ehmann, in: Erman, § 687 BGB Rn. 19 (die richtige Grenzlinie sei in Wissenschaft und Rechtsprechung noch nicht klar gezogen).
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chen Erkenntnissen geschlagen, indem gemeinsame Grundsätze der gesetzlichen Schuldverhältnisse im Hinblick auf die Zuordnung „neuer“ Güter formuliert werden. Schließlich ist auf das Rechtsverkehrsrecht überzuleiten (dazu E).
B. Echte und unechte Geschäftsführung ohne Auftrag Der folgende Abschnitt dient der Klärung, welche Fallgruppe der Geschäftsführung ohne Auftrag die Güterzuordnungsproblematik betrifft. Auf den ersten Blick kommen hierfür sowohl echte als auch unechte Geschäftsführung in Betracht, weil beide ein Handeln des Geschäftsführers regeln, zu dem der anspruchsberechtigte Geschäftsführer weder einen Auftrag erteilt hat noch eine sonstige Berechtigung vorliegt.
I. Die Unterscheidung zwischen echter und unechter Geschäftsführung ohne Auftrag 1. Vertretene Auffassungen Die §§ 677–687 BGB umfassen vier Tatbestände, die jeweils unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich ziehen und verschiedene Lebenssachverhalte regulieren. Hierzu zählen – die echte, berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, bei der der Geschäftsführer ein Geschäft für den Geschäftsherrn führt, ohne von diesem beauftragt oder ihm gegenüber sonst berechtigt zu sein, wobei die Übernahme der Geschäftsführung aber dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht (§§ 677 1. Hs., 683 S. 1 BGB); – die echte, unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, bei der sich die Geschäftsführung nicht mit dem Interesse und dem Willen des Geschäftsherrn deckt (§§ 677 1. Hs., 684 BGB); – die irrtümliche Eigengeschäftsführung, bei der jemand ein fremdes Geschäft in der Meinung besorgt, dass es sein eigenes sei (§ 687 Abs. 1 BGB); – und die Geschäftsanmaßung, bei der jemand ein fremdes Geschäft als sein eigenes behandelt, obwohl er weiß, dass er nicht dazu berechtigt ist (§ 687 Abs. 2 BGB). Wie diese Fallgruppen zu systematisieren sind, ist umstritten. In der Literatur findet man zunehmend bloße Aufzählungen unter Betonung der jeweils möglichen Rechtsfolgen20. Auf eine weitergehende dogmatische Ordnung wird ver20 Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 691; Oppermann, AcP 193 (1993), 497, 503 f.; Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 788 ff. (mit Hinweis auf die „klassische“ Unterscheidung zwischen der echten und der unechten Geschäftsführung ohne Auftrag).
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zichtet, weil die Geschäftsführung ohne Auftrag ganz unterschiedlichen Ausgleichsbedürfnissen diene21. Überwiegend wird eine abstrahierende Betrachtung zwar für möglich gehalten, jedoch werden die vier Kategorien jeweils anders zusammengefasst. Eine vor allen Dingen in der älteren Literatur vertretene Auffassung trennt die irrtümliche Eigengeschäftsführung (§ 687 Abs. 1 BGB) von den übrigen Fällen22. Zur Begründung wird angeführt, nur bei echter Geschäftsführung und Geschäftsanmaßung sei sich die handelnde Person bewusst, dass sie das Geschäft eines anderen führe. Hinsichtlich der Rechtsfolgen liegt das Augenmerk auf den Schadensersatz- und Gewinnherausgabeansprüchen des Geschäftsherrn, die außer bei irrtümlicher Eigengeschäftsführung gegeben seien23. Geschäftsanmaßung und echte Geschäftsführung ohne Auftrag könnten gemeinsam betrachtet werden, weil der böswillige Eigengeschäftsführer der sog. actio directa erst recht ausgesetzt sei. Die wohl herrschende Meinung zieht die Grenzlinie anders und differenziert zwischen echter berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag einerseits und den sonstigen Konstellationen andererseits24. Ausschlaggebend ist der Gedanke, die Verpflichtung zur sorgfältigen Geschäftsführung gem. § 677 2. Hs. BGB könne nur bei der berechtigten echten Geschäftsführung ohne Auftrag entstehen. In den übrigen Fällen seien die Geschäftsführer nicht zur sorgfältigen Besorgung des Geschäfts, sondern zur Unterlassung verpflichtet. Fasse man berechtigte und unberechtigte Geschäftsführung zusammen, lasse sich das Erfordernis einer Genehmigung für den Aufwendungsersatzanspruch des unberechtigten Geschäftsführers (§ 684 S. 2 BGB) nicht erklären. Während der berechtigte Geschäftsführer Ersatz seiner Aufwendungen verlangen könne (§ 683 BGB), bliebe es ansonsten bei Ansprüchen auf Herausgabe bzw. Ersatz der vom Geschäftsherrn erlangten Bereicherung25. Diese Auffassung konzentriert sich mithin auf die Ansprüche des Geschäftsführers (die sog. actio contraria) und nicht wie die vorgenannte Meinung auf die sog. actio directa.
21 Helm, Gutachten, 335, 341 (Bestandteil der sozialen Ausgleichsordnung); Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 688; Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 786 (Auffanginstitut für Rechtsprobleme, für die das BGB sonst keine befriedigenden Lösungen bereitstelle). 22 Leonhard, Besonderes Schuldrecht, 429; Windscheid/Kipp, Pandekten II, 929 f. m.w.N.; Schulz, AcP 105 (1909), 1, 463 f.; Ebert, Geschäftsanmaßung, 27; ders., ZIP 2002, 2296, 2300; Reichard, AcP 193 (1993), 567, 598; Seiler, in: MünchKomm, vor § 677 BGB Rn. 7 ff.; Medicus, Schuldrecht BT, Rn. 611 ff.; rechtsvergleichend v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht I, 507 f. 23 Siehe die §§ 677 2. Hs., 681 S. 2, 667 und 687 Abs. 2 S. 1 BGB. 24 Larenz, SchuldR II/1, 437; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1260; Esser/Weyers, SchuldR II/2, 5 f.; Peifer, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 294; Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 796; Steffen, in: RGRK, vor § 677 Rn. 3; Wittmann, Geschäftsführung ohne Auftrag, 123; Schulze, in: Hk-BGB, vor §§ 677–687 Rn. 6; Ehmann, in: Erman, vor § 677 BGB Rn. 8; Mansel, in: Jauernig, v. § 677 BGB Rn. 5. 25 Siehe die §§ 684, 687 Abs. 2 S. 2 bzw. die Verwendungskondiktion gem. § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB bei irrtümlicher Eigengeschäftsführung.
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Schließlich findet sich der Ansatz, zwischen den beiden Fällen echter Geschäftsführung ohne Auftrag auf der einen und der unechten (irrtümlichen und angemaßten) Geschäftsführung auf der anderen Seite zu differenzieren26. 2. Stellungnahme Die vorstehende Übersicht erweist, dass trotz der auf das römische Recht zurückreichenden Geschichte der negotiorum gestio erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich der Funktion der vier grundlegenden Fallgruppen bestehen. Insoweit muss jedoch Klarheit herrschen, will man die Bedeutung aller oder bestimmter Regelungen im Kontext der Güterordnung herausarbeiten. Zunächst ist zu konzedieren, dass das BGB sämtliche, ersichtlich disparaten Materien in einem Titel normiert und diese Zusammenfassung durch Querverweise und Verwendung gemeinsamer Begriffe wie „Geschäft, Geschäftsherr, Geschäftsführer, berechtigt“ bestätigt. Über die §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2 BGB besteht sogar ein Zusammenhang zum Auftragsrecht, der den gesamten 13. Titel in seiner systematischen Stellung als Einheit erscheinen lässt. Gegen eine solch undifferenzierte Betrachtung der Geschäftsführung ohne Auftrag und für den letztgenannten Ansatz einer Trennung von echter und unechter Geschäftsführung sprechen hingegen folgende Gesichtspunkte, die anschließend noch um die unterschiedliche Funktion beider Materien zu ergänzen ist (unten II, III). So stellt bereits die amtliche Überschrift des § 687 BGB klar, dass in dieser Norm eine „unechte“ Geschäftsführung zu finden ist, die sich offenbar qualitativ von den übrigen, „echten“ Fällen der Geschäftsführung ohne Auftrag unterscheidet27. Konsequent erklärt Absatz 1 die §§ 677 bis 686 BGB explizit für nicht anwendbar28. Und tatsächlich fehlt demjenigen, der nur für sich selbst handelt, bereits das Bewusstsein, das Geschäft eines anderen zu führen29. Für diese Konstellation stellt § 687 Abs. 1 BGB klar, dass die gegenseitigen Rechte und Pflichten einer echten Geschäftsführung ohne Auftrag nicht entstehen30.
26 In diesem Sinne Heck, Schuldrecht, 356 ff.; Bergmann, in: Staudinger, vor §§ 677 ff. BGB Rn. 1; Sprau, in: Palandt, v. § 677 BGB Rn. 4; Beuthien, in: Soergel, vor § 677 BGB Rn. 3 f.; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, § 677 BGB Rn. 2 ff.; Schwarz/Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 16 f. Zum gemeinen Recht Zimmermann, negotiorum gestio, 27 (fehle der animus aliena negotia gerendi, handele es sich um eine unechte Geschäftsführung, bei der die Regeln der echten Geschäftsführung ohne Auftrag nur aus Gründen der Billigkeit angewendet würden). 27 Zum Streit über die „Richtigkeit“ dieser gesetzlichen Terminologie siehe nur etwa Janßen, Die unechte Geschäftsführung, 10 ff. m.w.N. 28 Siehe dazu nur Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1282; Steffen, in: RGRK, vor § 677 Rn. 5; Sprau, in: Palandt, v. § 677 BGB Rn. 4, § 687 BGB Rn. 1 f.; Beuthien, in: Soergel, vor § 677 BGB Rn. 4; Ehmann, in: Erman, vor § 677 BGB Rn. 9. 29 Siehe Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 157; RGZ 137, 206, 212 (1932). 30 Prot. II 2, 742 (die Vorschrift solle im Interesse der Deutlichkeit und zur Unterscheidung von der angemaßten Eigengeschäftsführung beibehalten bleiben); Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 795; Mansel, in: Jauernig, § 687 BGB Rn. 1; Schulze, in: Hk-BGB, § 687 BGB Rn. 1.
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Obwohl der böswillige Eigengeschäftsführer weiß, dass er ein fremdes Geschäft als eigenes behandelt, ist diese eindeutige Grenzziehung auch für § 687 Abs. 2 BGB gültig31. Denn die Geschäftsanmaßung zählt systematisch zur unechten Geschäftsführung und betrifft einen eigenständigen Tatbestand, dessen Formulierung von der Grundnorm der echten Geschäftsführung maßgeblich abweicht. Während § 677 1. Hs. BGB nämlich von der Besorgung eines Geschäfts „für einen anderen“ spricht, setzt § 687 Abs. 2 BGB das Gegenteil voraus: Jemand behandelt „ein fremdes Geschäft als sein eigenes“32. Im Übrigen verweist die Vorschrift nur auf bestimmte Rechtsfolgen der echten Geschäftsführung ohne Auftrag. Der Handelnde haftet wie ein echter Geschäftsführer, damit man insbesondere zu einem Anspruch auf Gewinnherausgabe gelangt, der eben nur im 13. Titel vorgesehen ist33. Dagegen kommt dem „echten“ Geschäftsherrn bei der Geschäftsanmaßung keine Genehmigungsbefugnis gem. § 684 S. 2 BGB zu, weil es als unangemessen betrachtet wurde, dass jemand ein nicht auf ihn gerichtetes Eigengeschäft eines Dritten an sich zu ziehen vermag34. Darüber hinaus signalisiert der fehlende Verweis auf § 684 S. 2 BGB, dass selbst eine Genehmigung keine echte Geschäftsführung ohne Auftrag begründet, sondern lediglich die Rechtswidrigkeit des eigenmächtigen Handelns entfällt35. Schließlich entspricht die Trennung von echter und unechter Geschäftsführung der Entstehungsgeschichte. Der Vorentwurf hatte nämlich wie das gemeine Recht noch zwischen echter Geschäftsführung ohne Auftrag und Geschäftsanmaßung einerseits und der irrtümlichen Eigengeschäftsführung andererseits unterschieden36. Die erste Kommission begann ihre Diskussionen hingegen mit 31
Verfehlt daher die Herleitung eines Gewinnherausgabeanspruchs für ausübende Künstler vor Normierung der entsprechenden Leistungsschutzrechte durch Wippermann, Der Schutz der Leistung, 104, der auf der Basis der echten Geschäftsführung argumentiert, um plötzlich und begründungslos § 687 Abs. 2 BGB ins Spiel zu bringen. 32 Bergmann, in: Staudinger, § 687 BGB Rn. 1. Zu den teleologischen Aspekten dieser Formulierung unten II, III. 33 Prot. II 2, 742 f.; Bergmann, in: Staudinger, § 687 BGB Rn. 10; Isele, Geschäftsbesorgung, 169; v. Bargen, Unechte Geschäftsführung, 9 f.; Mueser, § 687 Abs. 2 BGB, 2; Bertrams, § 687 II BGB, 33; Wittmann, Geschäftsführung ohne Auftrag, 63, 150; Peifer, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 274; Ehmann, in: Erman, § 687 BGB Rn. 3; Fleck, ZIP 1991, 1269, 1272. 34 Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 158; Mot. II, 870. 35 Siehe Isele, Geschäftsbesorgung, 165 (die Genehmigung könne der Handlung zwar die Rechtswidrigkeit nehmen, diese aber nicht zur Geschäftsbesorgung machen); Janßen, Unechte Geschäftsführung, 18 f.; Ehmann, in: Erman, § 687 BGB Rn. 2 m.w.N. (durch eine Genehmigung könne der Geschäftsherr den Tatbestand der echten Geschäftsführung ohne Auftrag nicht begründen); Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1272 a.E. Auch die Geltendmachung des Anspruchs auf Herausgabe des Erlangten bedeutet keine Genehmigung der Geschäftsanmaßung; siehe Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 795 mit Fn. 163; a.A. zur Vermeidung einer Doppelhaftung des unberechtigt Verfügenden Wittmann, Geschäftsführung ohne Auftrag, 156 f. 36 Siehe die §§ 233 Abs. 2, 235 Abs. 2, 236 (irrtümliche Eigengeschäftsführung), 237 des Vorentwurfs, abgedruckt in Schubert, Schuldverhältnisse 2, 929 ff.; ferner die Erläuterungen, wonach in allen vier Fällen ein „Eingriff in das Vermögensgebiet eines Anderen“ vorliege, der Ansprüche auslöse, a.a.O., 933; auch die 1. Kommission ging bei der Beratung davon aus, dass die Eigengeschäfts-
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dem klassischen Fall der altruistischen Fremdhilfe und stellte jenen mit den Worten „für einen anderen“ an den Anfang der einschlägigen Vorschriften37. Fehle dem Geschäftsführer wie bei irrtümlicher oder böswilliger Eigengeschäftsführung der „ernste Wille, ein fremdes Geschäft als fremdes zu besorgen“, und verfolge er nur sein eigenes Interesse, handele es sich nicht um eine negotiorum gestio38. Die zweite Kommission hielt an dieser Systematisierung fest und beließ es bei der im Gesetz wie gezeigt eindeutig zum Ausdruck kommenden Differenzierung zwischen echter und unechter Geschäftsführung39. Die bloße Auflistung der vier Grundfälle unterschätzt wiederum die Zusammenhänge zwischen formalen Tatbestandsvoraussetzungen, Rechtsfolgen und sachlichen Funktionen. Wer nur auf die Rechtsfolgen einer Norm abstellt, ignoriert den teleologischen Aussagegehalt der Tatbestandsvoraussetzungen und ist gezwungen, insoweit mit gesetzesfernen Kriterien zu agieren, deren Herleitung dunkel bleibt40. Den 13. Titel als Auffangbecken für eine allgemeine Billigkeitsund Ausgleichshaftung zu verstehen, steht schließlich im Widerspruch zur Erkenntnis, dass die übrigen gesetzlichen Schuldverhältnisse und letztlich das BGB insgesamt ein so vages Haftungsprinzip durch differenzierte Tatbestände vermeiden sollen41. Aber auch die Isolierung der irrtümlichen Eigengeschäftsführung bzw. der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag liefert kein vollständiges Bild der §§ 677–687 BGB. Während sich die erste Meinung auf die Ansprüche des Geschäftsherrn (actio directa) kapriziert42, stellt die zweite die Gegenansprüche des Geschäftsführers (actio contraria) in den Vordergrund. Echte und unechte Geschäftsführung ohne Auftrag sind jedoch in sich geschlossene, gesetzliche Schuldverhältnisse mit gegenseitigen, voneinander abhängigen (siehe nur § 687 Abs. 2 S. 2 BGB) Ansprüchen des Geschäftsherrn und des Geschäftsführers43. Zudem bleiben erneut die unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen auf der Strecke. So erscheint es nicht überzeugend, den böswilligen Eigengeschäfts37 führung vom Vorentwurf „mitbetroffen“ werde; siehe Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 155; Helms, Gewinnherausgabe, 120 ff. Zum gemeinen Recht siehe v. Monroy, Vollmachtslose Ausübung, 3 ff., 184 f.; Reichard, AcP 193 (1993), 567, 585 ff. In diesem Sinne unter Berufung auf die Motive zum E I auch noch RG HRR 1933 Nr. 1640 (§ 687 Abs. 2 BGB enthalte eine Vorschrift über die Geschäftsführung ohne Auftrag); Esser/Weyers, SchuldR II/2, 6. 37 Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 114. 38 Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 156 f., 159 f.; Mot. II, 856, 869 ff. 39 Siehe Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 2, 131; Prot. II 2, 742. 40 Siehe Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 692 ff. 41 Kritisch auch Schubert, AcP 178 (1978), 425, 455 (rechtsstaatlich nicht unbedenklich); Oppermann, AcP 193 (1993), 497; Köndgen, in: Zimmermann, Rechtsgeschichte, 371, 376 f. (verfehlte Legitimationsformel für richterliche Rechtspolitik). Ferner unten E II. 42 Das gilt insbesondere für den Vorentwurf von v. Kübel, der ganz auf die „erst recht“ gebotene actio contraria gegen den wissentlich Eingreifenden abstellt; siehe v. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 2, 958 f. 43 Gegen eine isolierte Betrachtung der Ansprüche des Geschäftsherrn bzw. des Geschäftsführers bereits Zimmermann, negotiorum gestio, 8 ff.; ferner Leonhard, Besonderes Schuldrecht, 419; gerade umgekehrt Seiler, in: MünchKomm, vor § 677 BGB Rn. 7.
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führer so zu behandeln, als sei er „erst recht“ ein Fremdgeschäftsführer, weil eine wesentliche Wertungsdifferenz zwischen dem Fall besteht, dass Person A den Apfelbaum des B fällt, um ein Umstürzen des Baumes auf das Haus zu verhindern, oder ob er den Baum fällt, um Holz und Äpfel für sich zu benutzen44. Ebenso wenig überzeugt die Zusammenfassung von unechter Geschäftsführung und unberechtigter echter Geschäftsführung ohne Auftrag45. Denn soweit der Geschäftsführer den Willen hat, ein Geschäft „für einen anderen zu führen“, ist die von den §§ 677–686 BGB angesprochene Konfliktlage zwischen Altruismusförderung und Selbstbestimmung auch dann berührt, wenn dieses Tätigwerden letztlich dem Interesse und Willen des Geschäftsherrn zuwiderläuft46. Dementsprechend stellt das Gesetz auf die Berechtigung nicht schon im grundlegenden Tatbestand des § 677 1. Hs. BGB ab, sondern erst im Rahmen des Aufwendungsersatzanspruchs47. Im Gegenteil, die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Parteien bei einer unberechtigten Geschäftsführung gem. der §§ 678–680, 684 S. 1 BGB lassen sich nur vor dem Hintergrund erklären, dass jeder, der ein Geschäft „für einen anderen besorgt“, ohne von jenem beauftragt oder sonst berechtigt zu sein, das Geschäft so zu führen hat, wie das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen es erfordert (§ 677 BGB)48. Anerkannt ist ferner, dass den unberechtigten Geschäftsführer die Nebenpflichten gem. § 681 BGB treffen, weil er nicht besser stehen soll als der berechtigt Handelnde49. Schließlich nimmt die auf dogmatischer Ebene angesiedelte Zusammenfassung aller Konstellationen echter Geschäftsführung dem Geschäftsherrn nicht die Möglichkeit, eine unberechtigte Einmischung in seine Angelegenheiten zu genehmigen. § 684 S. 2 BGB bleibt selbstverständlich zu beachten und hat nach hier vertretener Lesart die Funktion auszusprechen, dass der Geschäftsherr die Vorteile aus einem unberechtigten, aber altruistischen Übergriff in seinen Bereich durch einseitige Erklärung an sich ziehen kann, während diese Möglichkeit bei der Geschäftsanmaßung wie gezeigt gerade nicht besteht (arg. § 687 Abs. 2 S. 2 BGB)50. Insgesamt ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung des 13. Titels, dass die wesentliche Grenzlinie zwischen echter und unechter Geschäftsführung ohne Auf44 A.A. v. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 2, 957; ganz auf die objektive Fremdheit des geführten Geschäfts abstellend auch v. Monroy, Vollmachtslose Ausübung, 67. 45 Kritisch auch Helm, Gutachten, 335, 404 f.; Seiler, in: MünchKomm, vor § 677 BGB Rn. 12; Beuthien, FS Söllner, 125, 126 ff. Für die Fassung der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag unter die §§ 677 ff. BGB auch Sprau, in: Palandt, v. § 677 Rn. 5. 46 Siehe Esser/Weyers, SchuldR II/2, 23 und unten II. 47 Beuthien, FS Söllner, 125, 126. 48 Helm, Gutachten, 335, 406; Coester-Waltjen, Jura 1990, 608, 610. Siehe ohne Erklärung etwa Esser/Weyers, SchuldR II/2, 6; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1280; Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 796 (die Haftung auf allgemeiner Grundlage werde durch die §§ 680, 682 BGB teilweise modifiziert). 49 Beuthien, FS Söllner, 125, 127; Medicus, SchuldR BT, Rn. 629. 50 Beuthien, FS Söllner, 125, 130.
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trag verläuft. Das bestätigen die unterschiedlichen Zwecke beider Regelungsmaterien, die nunmehr zur Lokalisierung der güterzuordnungsrelevanten Normen näher zu betrachten sind.
II. Zweck der echten Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677–686 BGB) Welche Funktion der echten Geschäftsführung ohne Auftrag zukommt, wird unterschiedlich beurteilt. Einige sehen darin ein allgemeines Instrument zur Zuordnung von Kosten, die nicht schon aufgrund anderweitiger Regelungen verteilt werden. Die §§ 677–686 BGB weisen demnach anhand normativ-objektiver Kriterien Gefährdungsrisiken und Regressmöglichkeiten der „richtigen Wirtschaftseinheit“ zu51. Nahrung erhielt dieser Ansatz durch Urteile, in denen Hoheitsträgern Aufwendungsersatzansprüche für die Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Pflichten gem. der §§ 683 S. 1, 670 BGB zugebilligt52 und die Passivlegitimation auf den Versicherer des vom Einsatz begünstigten Bürgers erweitert wurde53. Maßgeblich für die konkrete Kostenzuordnung waren dabei Wertungen sonstiger gesetzlicher Regelungen, die anzeigten, wer das Risiko derartiger Aufwendungen zu tragen hatte54. Diese in die Blütezeit des Wohlfahrtsstaates fallende 51
Rother, Geschäftsführung ohne Auftrag, 83 ff.; Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, 55 ff. (in Bezug auf das Merkmal des fremden Geschäfts, das im Wortlaut der §§ 677–686 BGB verankert sei), 319 f. (Korrektur unrechtmäßiger Vermögenslagen); Esser/Weyers, SchuldR II/2, 2; Medicus, Schuldrecht BT, Rn. 614; ders., BürgR, Rn. 408 (Zuständigkeit für Geschäfte entscheidend); Joerges, in: AK, vor §§ 677 ff. BGB Rn. 15 ff., 61; Seiler, in: MünchKomm, vor § 677 BGB Rn. 1 (Sammeltatbestand), Rn. 3 (Ausgleichsordnung der Geschäftsbesorgung); Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 688; Sprau, in: Palandt, v. § 677 BGB Rn. 2 (es handele sich „häufig“ um altruistisches Tätigwerden). 52 BGHZ 40, 28, 30 (1963); BGHZ 63, 167, 169 f. (1974) m.w.N. (jeweils zum Aufwendungsersatz für den Einsatz der Feuerwehr); BGHZ 65, 354, 357 ff. (1975) (Straßenreinigung). Zum umgekehrten Fall der Erledigung hoheitlicher Aufgaben durch Dritte im Interesse des Regelungsgefüges des öffentlichen Rechts stark einschränkend hingegen BGH NJW 1978, 1258 f. (Errichtung eines Straßenschutzwalls durch unzuständige Gemeinde liege nur bei Ermessensreduzierung auf Null im öffentlichen Interesse); BSG NJW-RR 2001, 1282, 1283 ff. (Forderung des Ersatzes einer Ausbildungsvergütung gegen den Träger der Sozialhilfe); siehe ferner Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 689 (mit Hinweis auf den Erlass öffentlich-rechtlicher Spezialregelungen im Nachgang zu dieser Rechtsprechung). 53 Siehe BGHZ 33, 251, 256 f. (1960) (Anspruch des Nothelfers (Geschäftsführer) gegen den Versicherer (Geschäftsherr) der verletzten Person und damit Verlagerung der Geschäftsführung ohne Auftrag aus dem Verhältnis zwischen natürlichen Personen auf die Ebene der Versicherer). 54 Siehe BGHZ 38, 270, 273 (1962) (Risikoverteilung gem. § 7 StVG bei Unfällen im Straßenverkehr); BGH NJW 1969, 1205, 1206 (Übertragung der Verjährungsregelung des Binnenschifffahrtsgesetzes auf den Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag); BGH NJW 1978, 1258 (Lastentragung nach FStrG); BGHZ 98, 235, 240 ff. (1986) (Aufwendungsersatzanspruch des Nichtstörers nach Polizeirecht und nach dem Maß der Verantwortlichkeit); BGHZ 110, 313, 316 ff. (1990) (Verteilung der Verantwortlichkeit für Brandschäden zwischen mehreren Zustandsstörern, für die das Polizeirecht keine Regelung treffe); BGH NJW-RR 2004, 81, 83 (kein Aufwendungsersatzanspruch bei spezieller Regelung der Problematik im Vertrag oder im sonstigen (öffentlichen) Recht).
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Entwicklung der Rechtsprechung55 wurde in der Literatur zum Anlass genommen, fremdnützige Aktivitäten unter Privatrechtssubjekten als dem wie gezeigt klassischen Fall der echten Geschäftsführung ohne Auftrag für praktisch irrelevant zu erklären und den §§ 677 ff. BGB neue, vom historischen Gesetzgeber nicht bedachte Anwendungsfelder zu erschließen56. Die Kritik an dieser ausufernden Rechtsprechung57 hat zunächst die sog. Quasikontraktslehre wiederbelebt, die die echte Geschäftsführung ohne Auftrag als „hypothetische Willensübereinstimmung“ zwischen dem Geschäftsherrn und dem Geschäftsführer versteht, auch wenn zum Zeitpunkt der Vornahme des Geschäfts keine vertragliche Absprache vorliegt58. Die herrschende Meinung hat die §§ 677–686 BGB hingegen stets als Regelung der uneigennützigen Hilfeleistung mit auftragsähnlichen Rechtsfolgen aufgefasst, die den Zweck verfolge, einen Ausgleich zwischen zwei Polen herzustellen59: Auf der einen Seite soll der Ein-
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Esser/Weyers, SchuldR II/2, 3; Joerges, in: AK, vor §§ 677 ff. BGB Rn. 15 ff. Siehe Rother, Geschäftsführung ohne Auftrag, 81 f.; Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, 33 (uneigennütziges und freiwilliges Handeln bilde mit maximal 10% einen untergeordneten Anwendungsfall); Köndgen, in: Zimmermann, Rechtsgeschichte, 371, 378; Seiler, in: MünchKomm, vor § 677 BGB Rn. 1; Esser/Weyers, SchuldR II/2, 1 f.; Larenz, SchuldR II/1, 436 (die Geschäftsführung ohne Auftrag habe sich zu einer Art Auffangtatbestand entwickelt, dessen Konturen weithin undeutlich geworden seien). 57 Kritisch zur Ausdehnung der Geschäftsführung ohne Auftrag zum allgemeinen Ersatz- und Billigkeitsinstrument BGH NJW 2000, 72 f.; OLG Koblenz NJW 1992, 2367, 2368 m.w.N.; aus der Literatur mit Hinweisen auf alternative Ansätze Helm, Gutachten, 335, 361 ff.; Schubert, AcP 178 (1978), 425, 431 ff.; Larenz, SchuldR II/1, 442 f.; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1262 ff.; Esser/Weyers, SchuldR II/2, 11 ff.; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 694; Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 800 ff.; Ehmann, in: Erman, vor § 677 BGB Rn. 10; Seiler, in: MünchKomm, § 677 BGB Rn. 13 ff.; Schwark, JuS 1984, 321, 324 ff. 58 Siehe Gursky, AcP 185 (1985), 13, 26 f. m.w.N.; Stamm, Regreßfiguren, 108; ähnlich auf der Basis der ökonomischen Analyse Köndgen, in: Zimmermann, Rechtsgeschichte, 371, 382 f. (die Rechtsordnung fingiere einen Vertrag, der wegen zu hoher Transaktionskosten nicht zustandegekommen wäre); auf den Fremdgeschäftsführungswillen zugunsten einer „reinen“ Kosten-NutzenAnalyse verzichten will auch Kötz, FS Großfeld, 583, 596. 59 Siehe Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 144 und Mot. II, 862 (einerseits blieben ohne Normen, die den Geschäftsführer schützen, viele erwünschte Geschäftsführungen zum Nachteil des allgemeinen Besten aus, andererseits habe der Gesetzgeber „nichts weniger als den Anlaß, zu Einmischungen in fremde Geschäfte zu ermuntern“). In diesem Sinne Kohler, IherJb 25 (1887), 1, 42 ff.; BGHZ 38, 270, 276 (1962) (Akt der Menschenhilfe); BGHZ 43, 188, 193 (1965); Heck, Schuldrecht, 356; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 696 f.; Wilburg, Ungerechtfertigte Bereicherung, 24; Melullis, Geschäftsführung ohne Auftrag, 4 ff.; Wittmann, Geschäftsführung ohne Auftrag, 1 f. (Schadloshaltungs- und Abwehrfunktion); Helm, Gutachten, 335, 361 ff. (mit gleichzeitigem Hinweis auf eine „Ausgleichsfunktion“); Larenz, SchuldR II/1, 436; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1259; Esser/Weyers, SchuldR II/2, 1; Oppermann, AcP 193 (1993), 497, 500 ff.; Peifer, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 272 f.; Ehmann, in: Erman, vor § 677 BGB Rn. 1 (den Vorschriften sei kein den Begriff und die Ausgestaltung der Geschäftsführung ohne Auftrag bestimmendes Leitbild entnehmbar), Rn. 10 (die Regelungen wollten „den helfenden Menschenfreund schützen, aber den ,Gschaftelhuber‘ abwehren“); Gehrlein, in: Bamberger/Roth, § 677 BGB Rn. 1; Schulze, in: Hk-BGB, vor §§ 677–687 BGB Rn. 2; Mansel, in: Jauernig, vor § 677 BGB Rn. 2; Sprau, in: Palandt, v. § 677 BGB Rn. 3; im Ergebnis auch Medicus, SchuldR BT, Rn. 623; aus der Sicht der ökonomischen Analyse Köndgen, in: Zimmermann, Rechtsgeschichte, 371, 380 ff. 56
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zelne (der Geschäftsherr) vor unbefugter und unerwünschter Einmischung in seine Angelegenheiten geschützt werden. Deshalb hat, wer innerhalb der Rechtssphäre anderer agiert, das Geschäft gem. § 677 2. Hs. BGB entsprechend dem Interesse und dem Willen des betroffenen Geschäftsherrn zu führen und alles herauszugeben, was er daraus erlangt. Auf der anderen Seite soll fremdnütziges, altruistisches Handeln im Interesse des Geschäftsherrn60 und der Allgemeinheit durch Ersatzansprüche und Haftungsprivilegierungen gefördert werden. Überdies werden Bereiche vom Haftungssystem des BGB abgeschirmt, in denen – wie in der Familie – gegenseitige Fürsorge und nicht zwangsweise durchsetzbare Ansprüche maßgeblich sein sollen61. Mit dieser Funktionsbestimmung knüpft die herrschende Meinung an die römisch-rechtliche negotiorum gestio, die zumindest auch Fälle wohlwollender Hilfsbereitschaft betraf62, sowie das entsprechend verstandene gemeine Recht an63. Sie entspricht ferner der Auffassung des historischen Gesetzgebers64 und bietet eine befriedigende Erklärung der komplexen, fein austarierten Regelung der §§ 677–686 BGB65. Demnach dienen die Ansprüche des Geschäftsherrn auf Schadensersatz und Herausgabe des Erlangten dem Schutz seiner Entscheidungsfreiheit66, während seine eingeschränkte Haftung auf Herausgabe einer etwa verbleibenden Bereicherung aus unberechtigter Fremdgeschäftsführung potentiellen Geschäftsführern den Anreiz nehmen soll, sich unter garantiertem Ersatz ihrer Aufwendungen in die Angelegenheiten anderer einzumischen67. Die
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V. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 2, 966. Zu § 685 BGB Mot. II, 864 (mit Rücksicht auf das besondere, durch die nahe Verwandtschaft begründete Verhältnis „in Erfüllung einer Liebespflicht“). 62 Siehe Windscheid/Kipp, Pandekten II, 924 ff. (das Tätigwerden aus freiem Antrieb in der Absicht, dem Geschäftsherrn einen Dienst zu erweisen, sei der „gewöhnliche Fall“); Seiler, negotiorum gestio, 38 („Zu behaupten, die Klassiker hätten auf den animus oder die contemplatio eine umfassende Theorie der neg. gestio gegründet, wäre jedenfalls ebenso quellenfremd, wie zu leugnen, daß für sie die Kenntnis und der Wille des Gestors von Bedeutung gewesen sind.“), 314 f. (die freiwillige Hilfe habe den ursprünglichen Sachverhalt gebildet, sei aber auch in einer Art Hilfsfunktion bei Unzuständigkeit anderer Geschäftsführungsklagen eingesetzt worden); Bergmann, in: Staudinger, vor §§ 677 ff. BGB Rn. 64; Ebert, Geschäftsanmaßung, 29 ff.; zu den Funktionserweiterungen im römischen Recht Wittmann, Geschäftsführung ohne Auftrag, 5 ff.; einschränkend Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 784 (unscharf konturiertes Billigkeitsinstrument). 63 Siehe Kohler, IherJb 25 (1887), 1, 42 ff.; Schubert, AcP 178 (1978), 425, 429 f.; Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 785. Ganz auf die objektive Fremdheit des Geschäfts abstellend hingegen v. Monroy, Vollmachtslose Ausübung, 16 ff. 64 So auch Schubert, AcP 178 (1978), 425, 429 ff. m.w.N.; Joerges, in: AK, vor §§ 677 ff. BGB Rn. 11. 65 Siehe Helm, Gutachten, 335, 362. 66 Siehe v. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 2, 934, 948 (bei unbefugtem Eingriff in die Willensfreiheit des Geschäftsherrn müsse der Gestor die Gefahr seines unbefugten Handelns tragen); Mot. II, 857; ganz hierauf seine Beurteilung der Entstehungsgeschichte reduzierend Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 785. 67 § 684 BGB stellt einen Ausgleich her zwischen den Interessen des Geschäftsherrn, bei Übergriffen in seine Angelegenheiten nicht auch noch die Auslagen des Anderen ersetzen zu müssen, 61
§ 9 Geschäftsführung ohne Auftrag
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den Geschäftsführer begünstigenden Regelungen haben den Zweck, die wohlwollende Sorge um den anderen im Allgemeininteresse zu fördern68. So bildet die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag einen Rechtfertigungsgrund für an sich widerrechtliche Verletzungen von Rechtskreisen, so dass deliktische und strafrechtliche Verantwortlichkeiten ausscheiden69. Hinzu kommt der Aufwendungsersatzanspruch gem. § 683 BGB70, dem nicht entgegensteht, dass sich der Geschäftsführer über die Person des Geschäftsherrn geirrt hat (§ 686 BGB), und dass dieser die Geschäftsführung ggf. nicht will, wenn die Erledigung im öffentlichen Interesse liegt oder eine gesetzliche Unterhaltspflicht betrifft71. Da es nicht darauf ankommt, ob der mit der berechtigten Geschäftsführung bezweckte Erfolg eintritt, trägt der Geschäftsherr das Risiko eines Fehlschlags72. Hinzuweisen ist schließlich auf die Haftungsprivilegierungen bei Geschäftsführungen zur Gefahrenabwehr73 sowie zugunsten von Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen74. und68 der Unbilligkeit, dem Geschäftsherrn die Vorteile aus der ihm günstigen Fremdgeschäftsführung zu belassen; siehe v. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 2, 985; Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 150. 68 V. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 2, 935, 979 (zum in diesem Entwurf vorgesehenen Vergütungsanspruch des Gestors). 69 Zitelmann, AcP 99 (1906), 1, 104 ff.; Esser/Weyers, SchuldR II/2, 20; Wittmann, Geschäftsführung ohne Auftrag, 139 ff.; Beuthien, in: Soergel, vor § 677 BGB Rn. 9; abweichend Seiler, in: MünchKomm, vor § 677 BGB Rn. 17 (Anwendung der Notstandsregelungen). 70 V. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 2, 964 (diese Begünstigung des Geschäftsführers habe ihren Grund in der Förderung der freiwilligen Hilfe, die auch im Interesse des Geschäftsherrn liege); BGHZ 33, 251, 257 (1958) (bei Hilfeleistungen in Gefahr gehörten zu den ersatzfähigen Aufwendungen auch die Schäden des Geschäftsführers, z.B. wegen Gesundheitsverletzungen); BGHZ 38, 270, 277 (1962). 71 Siehe § 679 BGB und v. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 2, 949 (in diesen Fällen trete der Schutz der Willensfreiheit des Geschäftsherrn „im Interesse der Gesammtheit und der Humanität“, welche verlangen, „daß offenbare Verpflichtungen aus öffentlichen Gründen oder aus Pietät“ erfüllt werden, zurück); Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 134; Mot. II, 864 f. (das allgemeine Wohl und Humanitätsrücksichten machten die Ausnahme nötig); BGHZ 43, 188, 193. (1965); Gursky, AcP 185 (1985), 13, 24. 72 Siehe Prot. II 2, 730; Windscheid/Kipp, Pandekten II, 923 f.; BGHZ 38, 270, 278 f. (1962); BGHZ 43, 188, 192 (1965); BGH NJW 2000, 72, 73. 73 Siehe § 680 BGB und v. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 2, 947 (in diesen Fällen sei es unbillig, den Helfenden auch für geringe Fahrlässigkeit haften zu lassen); zur 1. Kommission Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 118; Mot. II, 858 (die Haftungsbegrenzung sei „billig und geeignet, Dritte zu vermögen, im Interesse der Gefährdeten helfend einzugreifen“); BGHZ 43, 188, 193 (1965); BGHZ 63, 167, 174 (1974) (ein helfendes Eingreifen Dritter in Augenblicken dringender Gefahr sei im allgemeinen Interesse erwünscht, bei der gebotenen Eile könne sich der Helfer in der Wahl der Mittel aber nur zu leicht vergreifen); Wittmann, Geschäftsführung ohne Auftrag, 134; Mansel, in: Jauernig, § 680 BGB Rn. 1; Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 797; rechtsvergleichend v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht I, 510. 74 Zu § 682 BGB siehe Mot. II, 860; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1269; Medicus, SchuldR BT, Rn. 627 (Minderjährigenschutz). Anders noch der Vorentwurf, wonach es keinen Unterschied machen sollte, ob der Geschäftsführer geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig ist; siehe v. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 2, 961 f. (das ganze Rechtsinstitut der negotiorum gestio habe in der Rücksicht auf die Interessen des Geschäftsherrn seinen Grund).
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Während die objektive Kostenzuordnungstheorie allgemeine Abgrenzungskriterien schuldig blieb und damit eine dem BGB fremde, uferlose Ausgleichsund Billigkeitshaftung heraufbeschwor75, greift die vorstehend skizzierte Auffassung den im Gesetz zum Ausdruck kommenden Telos der Regelung zutreffend auf, ohne fremdnützige Aktivitäten zur Rechtspflicht zu erheben oder in weltfremder Weise nur rein altruistische Verhaltensweisen zu privilegieren76. Die Behauptung, der Gemeinsinn der Zivilgesellschaft habe nachgelassen und es gehe deshalb nur mehr darum, die Kosten staatlicher Hilfeleistungen zu verteilen, ist empirisch nicht erwiesen77 und genügt für sich gesehen nicht, um die normativen Aussagen des Gesetzes ergebnisorientiert zu modifizieren78.
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So auch Schubert, AcP 178 (1978), 425, 433; Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 803. Siehe etwa Seiler, in: MünchKomm, vor § 677 BGB Rn. 1 (einen aussagekräftigen Grundgedanken zu formulieren, der Existenz und Ausgestaltung der §§ 677 ff. BGB bestimme, sei nicht möglich); Esser/Weyers, SchuldR II/2, 3 (die Abgrenzung des Anwendungsfeldes der GoA mache größere Schwierigkeiten), 11 (Begriff des fremden Geschäfts als Generalklausel, die der „topischen“ Argumentation offen sei; es sei kein Verstoß gegen die juristischen Kunstregeln, die Entscheidung über die „Fremdheit“ mit Erwägungen zu begründen, die schon unmittelbar auf das Ergebnis hinweisen). Bezeichnend ist, dass Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, 55, die Ausfüllung des normativen Begriffs der Fremdheit des Geschäfts durch Exemplifikationen an einzelnen Sachverhalten, also kasuistisch, vornimmt. 76 Siehe Wittmann, Geschäftsführung ohne Auftrag, 32, 81 (die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag sei auch bei einem Handeln aus egoistischen Motiven gegeben); a.A. Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, 37; Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 787 (die Alternative zur objektiven Kostenzuordnungstheorie sei die Belohnung rein altruistischen Handelns). Dass die Förderung privater Hilfe keine dem Nützlichkeitsdenken verschlossene, romantische Vorstellung ist, beweisen die ökonomischen Analysen dieser Funktion, die danach fragen, bis zu welchem Punkt die Nothilfe effizient und daher förderungswürdig ist; siehe Köndgen, in: Zimmermann, Rechtsgeschichte, 371, 380 ff.; Kötz, FS Großfeld, 583, 585 ff. Wie hier Schubert, AcP 178 (1978), 425, 429, 454 f. (das Leitbild der Menschenhilfe gelte auch ohne ideologische Fixierung). Selbst Kohler, IherJb 25 (1887), 1, 42 f., geht davon aus, dass die Rechtsordnung die Menschenhilfe lediglich „unterstützt“, weil sie „unterstützungs- und förderungswerth[e]“ sei. Die unerlaubte Einmischung in die Angelegenheiten eines Anderen sei tunlichst zu vermeiden; a.a.O., 52 ff. 77 So auch Helm, Gutachten, 335, 361; Larenz, SchuldR II/1, 436 mit Fn. 1; Köndgen, in: Zimmermann, Rechtsgeschichte, 371, 379 (die Bedeutung privater Nothilfe könnte tendenziell zunehmen); Rother, Geschäftsführung ohne Auftrag, 82 (es müsse eine „Dunkelziffer“ von altruistischer Fremdhilfe geben). Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, 33, weist seine Behauptung, wonach 10% der Anwendungsfälle der echten Geschäftsführung ohne Auftrag uneigennütziges und freiwilliges Handeln betreffen, nicht empirisch nach. 78 Wittmann, Geschäftsführung ohne Auftrag, 13 f.; a.A. Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, 39 f. (der Anwendungsbereich einer Norm sei an den Richtigkeitsmaßstäben empirischer Sozialforschung auszurichten; die Uminterpretation von Vorschriften sei zulässig und nicht selten erforderlich, um „historisch überkommene Normen funktionstüchtig zu erhalten“); Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 688 (die Geschäftsführung ohne Auftrag im Kern als Menschenhilfe zu charakterisieren, sei schon im 19. Jahrhundert vergeblich gewesen); Joerges, in: AK, vor §§ 677 ff. BGB Rn. 12 ff. (gesetzliche Regelung „unvollkommen“). Dass manchen Schriftstellern der 1960er und 1970er Jahren die Fürsorge unter Bürgern im allzuständigen Wohlfahrtsstaat als unerklärliche Anomalie erschien, ändert nichts an der Klärungsbedürftigkeit dieses tatsächlich auftretenden Lebenssachverhalts, dem sich das Gesetz widmet.
§ 9 Geschäftsführung ohne Auftrag
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Aus dem Verständnis der echten Geschäftsführung ohne Auftrag als Augleich zwischen dem Schutz der Selbstbestimmung und der Förderung fremdnützigen Verhaltens ergibt sich der subjektive Fremdgeschäftsführungswille als kennzeichnende Voraussetzung und maßgebliches Abgrenzungskriterium zur unechten Geschäftsführung79. Erforderlich ist demnach, dass der Geschäftsführer das Bewusstsein und den Willen hat, zumindest auch im Interesse eines anderen zu handeln80, dass er mit anderen Worten weiß und will, dass ein anderer einen Vor- und keinen Nachteil haben soll81. Eine solch begünstigende Zielrichtung des Han79 RGZ 97, 61, 65 f. (1919); RGZ 130, 310, 311 (1930) (Willensrichtung im Hinblick auf die Besorgung eines fremden Geschäfts erforderlich); BGHZ 16, 12, 16 (1954); BGHZ 38, 270, 276 (1962); BGHZ 40, 28, 30 f. (1963) (Hilfswille als erforderlicher Geschäftsführungswille); BGHZ 65, 354, 357 (1975) (der Wille, für einen anderen zu handeln, gehöre zum Wesen der Geschäftsführung ohne Auftrag); BGH NJW 1978, 1258; BGHZ 82, 323, 329 ff. (1981); BGHZ 98, 235, 240 (1986); BGH NJW-RR 1989, 1255, 1257; BGH NJW 1990, 52, 53 (insoweit in BGHZ 107, 117 (1989) nicht abgedruckt) – Forschungskosten; BGH v. 26.4.1990, III ZR 294/88, juris KORE506639100, Rn. 4; BGH NJW 2000, 72 m.w.N.; OLG Koblenz NJW 1992, 2367; OLG Hamburg NZM 2002, 872 f. Aus der Literatur etwa Wittmann, Geschäftsführung ohne Auftrag, 18 ff. (Geschäftsführungsabsicht nach Maßgabe des sozialen Sinns der Tätigkeit); Larenz, SchuldR II/1, 438; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1262 ff.; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 695; Bergmann, in: Staudinger, vor §§ 677 ff. BGB Rn. 117; Medicus, Schuldrecht BT, Rn. 619 ff.; Peifer, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 274; Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 788; Steffen, in: RGRK, vor § 677 Rn. 38 ff.; Ehmann, in: Erman, vor § 677 BGB Rn. 5; Seiler, in: MünchKomm, § 677 BGB Rn. 14; Beuthien, in: Soergel, § 677 BGB Rn. 1; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, § 677 BGB Rn. 11 ff.; Sprau, in: Palandt, § 677 BGB Rn. 3 ff.; Schulze, in: Hk-BGB, vor §§ 677–687 BGB Rn. 1; Mansel, in: Jauernig, § 677 BGB Rn. 4; Schwark, JuS 1984, 321; Gursky, AcP 185 (1985), 13, 14; Oppermann, AcP 193 (1993), 497, 509; letztlich auch Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, 74 (abzustellen sei auf den „Geschäftsführungswillen“, auch wenn dessen Bedeutung „überschätzt“ werde, a.a.O., 72). Unvereinbar mit dieser Rechtsprechung AG Bonn VuR 2000, 440, 441 (Anspruch auf Auszahlung eingehender, nicht aufrechenbarer Zahlungen (§ 394 BGB) des ehemaligen Kunden gegen die Bank nach wirksamer Kündigung des Girovertrages aus §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 BGB, obwohl ein Fremdgeschäftsführungswille Bank ausdrücklich bejaht wurde). Richtigerweise ist der Anspruch des ehemaligen Kunden auf die §§ 677 1. Hs., 681 S. 2, 667 BGB wegen (unberechtigter) echter Geschäftsführung ohne Auftrag durch die Bank zu stützen. 80 Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 160; Mot. II, 870; BGHZ 16, 12, 16 (1954); BGH v. 26.4.1990, III ZR 294/88, juris KORE506639100, Rn. 4; BGH NJW 2000, 72; BSG NJW-RR 2001, 1282, 1284; anders noch BGH LM § 677 BGB Nr. 2 (1951) („den Willen oder wenigstens das Bewußtsein …, zugleich für einen anderen zu handeln“); aus der Literatur Larenz, SchuldR II/1, 438; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1271 f.; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 695; Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 788; Peifer, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 281; Ehmann, in: Erman, § 677 BGB Rn. 6 ff.; Schwark, JuS 1984, 321, 322; zum gemeinen Recht in diesem Sinne Zimmermann, negotiorum gestio, 7; anders Gursky, AcP 185 (1985), 13, 29 (erforderlich sei, dass der Geschäftsführer der Überzeugung ist, dass seine Initiative im Interesse des Geschäftsherrn liegt und er zudem bereit ist, sich an dessen Interesse zu orientieren); ebenso bereits Lent, Auftragslose Geschäftsführung, 124; wieder anders (bloßes Bewusstsein des Gestors genüge) Isay, Geschäftsführung, 103 f. 81 Siehe RGZ 97, 61, 65 f. (1919) (von der Besorgung des Geschäfts für einen anderen könne nur die Rede sein, wenn die Tätigkeit an und für sich der Sorge des Anderen obliege und dessen Interesse gefördert werde); BGHZ 16, 12, 16 (1954) (Beseitigung einer Giebelmauer als im objektiven Interesse des Beklagten gelegen); BGHZ 38, 270, 275 (1962); BGHZ 44, 393, 399 (1969) (Hilfe bei der Störungsbeseitigung); BGHZ 67, 368, 371 f. (1976) (Hilfe in Seenot); Leonhard, Besonderes
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delns wurde während der Entstehungsgeschichte als Normalfall betrachtet82 und entspricht der Formulierung des § 677 1. Hs. BGB, wonach jemand ein Geschäft „für einen anderen“ besorgt83. Außerdem lässt sich die Frage nach der Berechtigung gem. § 683 BGB sinnvoll nur stellen, wenn die Geschäftsbesorgung zumindest potentiell positive Wirkungen zu zeitigen vermag. Für die folgende Funktionsanalyse der unechten Geschäftsführung ist schließlich von Bedeutung, dass Rechtsprechung und herrschende Meinung zur Bestimmung des Fremdgeschäftsführungswillens „subjektiv fremde“ Geschäfte von „objektiv fremden“ Geschäften unterscheiden und damit an den Wortlaut von § 687 BGB anknüpfen84: Ist das Geschäft – z.B. die Anschaffung von Gütern85 – äußerlich neutral, weil die rechtsgeschäftliche Handlung keinen Schluss zulässt, ob der Ausführende nur für sich oder auch für einen anderen tätig wird, liegt ein subjektiv fremdes Geschäft vor. In einer solchen Konstellation muss der Fremdgeschäftsführungswille zum Zeitpunkt der relevanten Handlung im Einzelnen dargelegt und bewiesen werden, damit der Geschäftsherr die Folgen des Geschäfts gegen sich gelten lassen muss86. Unter einem objektiv fremden Geschäft versteht die herrschende Meinung eine Angelegenheit, bei der sich bereits aus dem äußeren Erscheinungsbild ergibt, dass sie zumindest auch87 in den Sorge82 Schuldrecht, 421; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 697; Wittmann, Geschäftsführung ohne Auftrag, 1, 26 (Tätigkeit im fremdem Interesse nach Maßgabe des sozialen Sinns der Tätigkeit); Gursky, AcP 185 (1985), 13, 19 (die Geschäftsführung erfolge „evidentermaßen zugunsten des Geschäftsherrn“); Sprau, in: Palandt, § 677 BGB Rn. 3; Schulze, in: Hk-BGB, § 677 BGB Rn. 4; Mansel, in: Jauernig, § 677 BGB Rn. 4; a.A. Isele, Geschäftsbesorgung, 163 (unter Einbeziehung der vertraglichen Geschäftsbesorgung). 82 Siehe v. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 2, 957 (unter Einbeziehung der angemaßten Eigengeschäftsführung, weil das Bewusstsein der Fremdheit des Geschäfts ausreiche), 987 (sine qua non für die actio contraria des Geschäftsführers). Siehe auch die Herangehensweise der 1. Kommission, die vom Normalfall ausging, dass ein Geschäft für einen anderen „in der Absicht, dessen Interesse zu wahren“, geführt wurde; Mot. II, 855 f., 869 f.; Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 114, 157 ff. 83 Die 1. Kommission änderte den Vorentwurf in die Formulierung „für einen anderen“, um die Geschäftsführung im Interesse des Geschäftsherrn zum Ausdruck zu bringen; siehe Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 116 f. und E I § 749 („Wer für einen anderen … ein Geschäft besorgt …“); Bergmann, in: Staudinger, vor §§ 677 ff. BGB Rn. 28 ff. (Geschäftsführung ohne Auftrag als realgeschäftliche Interessenwahrnehmung); Zitelmann, AcP 99 (1906), 1, 107; Gursky, AcP 185 (1985), 13, 14; Beuthien, in: Soergel, § 677 BGB Rn. 4; Sprau, in: Palandt, § 677 BGB Rn. 3. 84 Siehe v. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 2, 938 f. m.w.N. (diese Unterscheidung sei bereits in der Glosse gemacht worden). 85 Siehe v. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 2, 982; Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 123. 86 Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 123 f.; Mot. II, 855 f.; BGHZ 40, 28, 31 (1963); BGHZ 82, 323, 330 f. (1981); BGH NJW 2000, 72, 73 m.w.N.; BGH NJW-RR 2004, 81, 82 f.; OLG Nürnberg NJW-RR 1987, 405, 406; Beuthien, in: Soergel, § 677 BGB Rn. 8; Sprau, in: Palandt, § 677 BGB Rn. 5; Mansel, in: Jauernig, § 677 BGB Rn. 3; Schulze, in: Hk-BGB, § 677 BGB Rn. 3. 87 Sog. „auch-fremdes-Geschäft“; siehe Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 160 f. und Mot. II, 868. Eine dies klarstellende Vorschrift im E I (§ 759) wurde von der 2. Kommission als „entbehrlich“ gestrichen; siehe Prot. II 2, 741. Siehe dazu BGHZ 16, 12, 16 (1954); BGHZ 40, 28, 30 (1963); BGH NJW 1969, 1205, 1206; BGHZ 63, 167, 169 (1974); BGHZ 65, 354, 357 (1975);
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oder Interessenbereich eines anderen fällt und nicht ausschließlich die Rechtssphäre des Geschäftsführers betrifft88. Typische Fälle sind die Nothilfe bei gesundheitlichen Gefahren, die Bezahlung fremder Schulden und die Bewahrung oder profitable Nutzung fremder Sachen89. Da hier schon der objektive Inhalt des Geschäfts eine fremdnützige Aktivität zugunsten einer bestimmten Person signalisiert, wird der Fremdgeschäftsführungswille vermutet90. Erwiesen ist damit, dass die §§ 677–686 BGB nicht das Spannungsverhältnis zwischen individuell-exklusivem Güterschutz und allgemeiner Handlungsfreiheit betreffen, sondern einen Ausgleich zwischen Selbstbestimmung und Altruismusförderung herstellen. Der Schutz der Autonomie des Geschäftsherrn erstreckt sich auf den gesamten Rechtskreis, in den sich Dritte unerwünscht einmischen. Die echte Geschäftsführung ohne Auftrag fokussiert also nicht auf das Interesse am ausschließlichen Haben erworbener Güter. Entsprechend ihrer systematischen Stellung erscheint es zutreffend, von einem „gesetzliche[n] Schuldverhältnis im Zwei-Personen-Verhältnis“91 zu sprechen, das primär über die subjektive Willensrichtung des Geschäftsführers konstituiert wird und daher keine objektiv definierten Zuständigkeiten zur Nutzung von Gütern etabliert92.
88 BGHZ 82, 323, 329 f. (1981); BGHZ 110, 313, 314 f. (1990); Larenz, SchuldR II/1, 438 f.; Esser/ Weyers, SchuldR II/2, 9; Steffen, in: RGRK, vor § 677 Rn. 10; Beuthien, in: Soergel, § 677 BGB Rn. 5; Sprau, in: Palandt, § 677 BGB Rn. 6 f.; Mansel, in: Jauernig, § 677 BGB Rn. 3; Schulze, in: Hk-BGB, § 677 BGB Rn. 3. 88 BGH MDR 1963, 922 (Interessenkreis); BGHZ 43, 188, 191 f. (1965); BGHZ 67, 368, 372 (1976) (Pflicht zur Seenotrettung als Sorgebereich des Schiffseigners); Sprau, in: Palandt, § 677 BGB Rn. 3; Mansel, in: Jauernig, § 677 BGB Rn. 3; Schulze, in: Hk-BGB, § 677 BGB Rn. 3. Zur Ausfüllungsbedürftigkeit dieses Begriffs v. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 2, 941 (der Kreis der „an sich“ fremden Geschäfte sollte von der Rechtsprechung „an der Hand der Wissenschaft“ entschieden werden); Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 124 und Mot. II, 856 (eine solche Bestimmung werde, solle sie einigermaßen befriedigen, auf große und kaum zu bewältigende Schwierigkeiten stoßen); Windscheid/Kipp, Pandekten II, 914; Esser/Weyers, SchuldR II/2, 8; kritisch daher Gursky, AcP 185 (1985), 13, 16 (entschieden werde ohne erkennbare Abgrenzungskriterien und damit letztlich willkürlich). 89 Siehe etwa v. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 2, 980, 982 (Verwendungen auf das vom Einsturz bedrohte Haus, Einfahren der Ernte, Verkauf oder Vermietung eines fremden Hauses); BGHZ 65, 354, 357 (1975); BGHZ 82, 323, 329 f. (1981); BGH NJW 2000, 72; Windscheid/Kipp, Pandekten II, 914 (das seiner Natur nach von selbst in das fremde Vermögen eingreifende Geschäft); Steffen, in: RGRK, vor § 677 Rn. 10; Beuthien, in: Soergel, § 677 BGB Rn. 7; Sprau, in: Palandt, § 677 BGB Rn. 4 m.w.N.; Mansel, in: Jauernig, § 677 BGB Rn. 3; Schulze, in: Hk-BGB, § 677 BGB Rn. 3. Der Vorentwurf sprach plastisch vom „an sich fremden Geschäft“, siehe § 235 Abs. 2 des Entwurfs, abgedruckt in Schubert, Schuldverhältnisse 2, 929. 90 Siehe BGHZ 38, 270, 276 (1962); BGHZ 40, 28, 30 f. (1963); BGHZ 65, 354, 357 (1975); BGH NJW 1978, 1258; BGHZ 98, 235, 240 (1986); BGH v. 26.4.1990, III ZR 294/88, juris KORE506639100, Rn. 4; BGH NJW 2000, 72; BGHZ 143, 9, 14 f. (1999); BGH NJW-RR 2004, 81, 82; zurückhaltender OLG Nürnberg NJW-RR 1987, 405 (die Vermutung gelte nur bei in erster Linie fremden Angelegenheiten); Sprau, in: Palandt, § 677 BGB Rn. 4 m.w.N.; Mansel, in: Jauernig, § 677 BGB Rn. 4 m.w.N.; Seiler, in: MünchKomm, § 677 BGB Rn. 24. 91 Stamm, Regreßfiguren, 108, 165. 92 Siehe Seiler, in: MünchKomm, vor § 677 BGB Rn. 6; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, § 677 BGB Rn. 1; Esser/Weyers, SchuldR II/2, 20. Daher wirkt etwa die Haftungsprivilegierung des
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III. Funktion der unechten Geschäftsführung ohne Auftrag Die Analyse des 13. Titels des BGB hat bisher ergeben, dass zwischen echter und unechter Geschäftsführung zu unterscheiden ist, und dass die §§ 677–686 BGB für die hiesige Thematik keine relevanten Aussagen treffen. Fraglich ist, ob das auch für § 687 BGB und insbesondere den mit eigenen Rechtsfolgen ausgestatteten Absatz 2 dieser Norm gilt. Bereits ein Vergleich der Formulierungen des § 677 1. Hs. BGB und des § 687 BGB erhellt, dass die unechte Geschäftsführung nicht altruistisch-fremdnütziges Verhalten reguliert, sondern egoistisches93. Denn in letztgenannter Konstellation behandelt der Geschäftsführer ein „fremdes“ Geschäft „als eigenes“ und nicht ein Geschäft „für einen anderen“94. Welche eigensinnigen Handlungen Ansprüche des betroffenen Geschäftsherrn auslösen, bestimmt sich primär nach objektiven Kriterien, nämlich der Fremdheit des Geschäfts95. Demgegenüber ist das erforderliche Wissen von der fehlenden Berechtigung für die unechte Geschäftsführung nicht kennzeichnend, weil ein solch subjektives Merkmal in § 687 Abs. 1 BGB fehlt und selbst absichtliche Rechtsverletzungen eigentlich nur Ansprüche auf Ersatz des Schadens und nicht auf Gewinnherausgabe auslösen96. Folglich reguliert die Vorschrift den Konflikt egoistischer Interessen des Geschäftsherrn, der „seine“ Geschäfte selbst führen möchte, und ebenfalls ichbezogener Zielsetzungen des Geschäftsführers, der diese Aktivitäten zu seinem eigenen Vorteil entfalten will. Von welchen Verhaltensweisen sich der Geschäftsführer fernhalten muss, um nicht Gefahr zu laufen, etwaige Vermögensvorteile wieder abgeben zu müssen, wird vom Gesetz in abstrakt-objektiver Weise festgelegt. Berührt ist mithin die
93 § 680 BGB nur im Innenverhältnis zwischen Geschäftsherr und Geschäftsführer und nicht im Verhältnis zu Dritten; dazu BGH NJW 1972, 475, 476; BGHZ 63, 167, 176 (1974); Sprau, in: Palandt, § 680 BGB Rn. 1 m.w.N. 93 Lichtinger, Die unechte Geschäftsführung, 22; Rosenkranz, Gewinnherausgabeanspruch, 39; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 714 (Handeln zum eigenen Vorteil); Helms, Gewinnherausgabe, 129. 94 Peifer, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 281; Klien, Das Recht auf den Eingriffserwerb, 25; Mueser, § 687 Abs. 2 BGB, 2; Ebert, Geschäftsanmaßung, 152 f. 95 Zum gemeinen Recht Zimmermann, negotiorum gestio, 29; v. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 2, 941 (die Annahme einer negotiorum gestio ohne den Fremdgeschäftsführungswillen setze stets voraus, dass es sich um ein objektiv fremdes Geschäft handele). Zum BGB siehe Jakobs/ Schubert, Schuldverhältnisse 3, 158; Janßen, Unechte Geschäftsführung, 21; Chrestin, Unechte Geschäftsführung, 31; Bertrams, § 687 II BGB, 32; Isele, Geschäftsbesorgung, 168; Mueser, § 687 Abs. 2 BGB, 14; Lichtinger, Die unechte Geschäftsführung, 16; Rosenkranz, Gewinnherausgabeanspruch, 66; Franke, Herausgabe des Gewinns, 46; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1262 ff.; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 715; Beuthien, in: Soergel, vor § 687 BGB Rn. 5; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, § 687 BGB Rn. 3; Ehmann, in: Erman, § 677 BGB Rn. 1; Sprau, in: Palandt, § 687 BGB Rn. 1; ebenso zum schweizerischen Recht Amrein, Gewinnherausgabe, 6. 96 Siehe RGZ 138, 45, 49 (1932); Schulz, AcP 105 (1909), 1, 203 f. (abstrahieren müsse man überall, um den Begriff des fremden Geschäfts gem. § 687 Abs. 2 BGB zu gewinnen). Näher unten C I.
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allgemeine Handlungsfreiheit aller potentiellen Schuldner und nicht nur wie bei der echten Fremdgeschäftsführung das Handeln derjenigen, die ihre Aktivitäten bewusst wohlmeinend auf einen anderen ausrichten97. Dieser geradezu gegensätzliche Zweck im Vergleich zu den §§ 677–686 BGB spiegelt sich in den Rechtsfolgen der unechten Geschäftsführung. Das ausdifferenzierte System gegenseitiger Ansprüche bei der echten Geschäftsführung findet gerade keine Anwendung (§ 687 Abs. 1 BGB)98. Weder ergibt sich aus der Besorgung eines „fremden Geschäfts“ ein haftungsausschließender Rechtfertigungsgrund noch kann der Geschäftsführer Ersatz seiner Aufwendungen verlangen99. Im Vordergrund stehen vielmehr Ansprüche des Geschäftsherrn, dem weitergehende Rechtsbehelfe zustehen, als sie sich aus dem Delikts- und Bereicherungsrecht ergeben100. Dieser Schutz dient nicht nur generell der Selbstbestimmung in eigenen Angelegenheiten, sondern speziell dem Interesse an einer exklusiven Nutzung von Gütern. § 687 Abs. 2 BGB verwendet die Terminologie des Mein und Dein, indem die Gewinnherausgabe für die wissentlich unberechtigte Behandlung eines fremden Geschäfts als eigenes vorgesehen wird. Während der Rede von der „Besorgung“ des Geschäfts für einen anderen ein dynamisches Element innewohnt, kommt in der „Behandlung“ eines fremden Geschäfts ein statisches, die Fremdheit hervorhebendes Moment zum Ausdruck101. Und auch mit der besonderen Rechtsfolge der Geschäftsanmaßung wird die Frage des „richtigen“ Ausgleichs zwischen Ausschließlichkeit und Handlungsfreiheit aufgeworfen, weil zu bestimmen ist, bei welchen wissentlichen Eingriffen in fremde Rechtskreise alles Erlangte herausgegeben werden muss, statt dass nur der Schaden des Verletzten zu ersetzen ist. Dementsprechend zählt die Literatur § 687 Abs. 2 BGB durchaus „zum System der güterschützenden Normen“, die „den Schutz der einer Person zustehenden Güter gegen vorsätzliche Eingriffe in der Form der Geschäftsanmaßung“ verbessere102. Die güterzuordnende Relevanz der Norm bestätigt ihr Anwendungsbereich in der Rechtspraxis, der an dieser Stelle nur kurz auszuweisen und 97 A.A. Mueser, § 687 Abs. 2 BGB, 7; Nipperdey, FS Böhm, 163, 170 (jeweils ohne Begründung). 98 Wittmann, Geschäftsführung ohne Auftrag, 63 („Fälle einer Nichtgeschäftsführung“). 99 Zum Anspruch auf Herausgabe der Bereicherung gem. §§ 687 Abs. 2 S. 2, 684 S. 1 BGB unten C I. 100 Oben A; ferner Nipperdey, FS Böhm, 163, 165 (die Norm diene „primär einseitig den Interessen des Verletzten“); Wittmann, Geschäftsführung ohne Auftrag, 151; Beuthien, in: Soergel, § 687 BGB Rn. 4; Mansel, in: Jauernig, § 687 BGB Rn. 5; Wenckstern, AcP 200 (2000), 240, 242 f. 101 Zu diesem Unterschied auch Janßen, Unechte Geschäftsführung, 41 ff. 102 Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 714 (§ 687 Abs. 2 BGB zähle „zum System der güterschützenden Normen“ und verbessere „den Schutz der einer Person zustehenden Güter gegen vorsätzliche Eingriffe in der Form der Geschäftsanmaßung“); Bergmann, in: Staudinger, § 687 BGB Rn. 15 (Gedanke des Vermögensschutzes); Ebert, ZIP 2002, 2296 (präventiver Rechtsgüterschutz); Erlanger, Gewinnabschöpfung, 116; Amrein, Gewinnherausgabe, 69 f.; wohl auch Klien, Das Recht auf den Eingriffserwerb, 34 (Grund sei, dass der Erwerb durch die Verletzung fremder Rechte erlangt werde); Wenckstern, AcP 200 (2000), 240, 257 (mit gleichwohl deliktsrechtlicher Einordnung).
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nicht kritisch zu würdigen ist. Unstreitig begründen wissentliche Eingriffe in den Schutzbereich normierter Ausschließlichkeitsrechte eine Haftung aus § 687 Abs. 2 BGB103. Überwiegend verneint wird die Anwendbarkeit der Vorschrift hingegen bei Eingriffen in vertragliche Rechtsstellungen104 und sonstige Rechtspositionen, insbesondere das Recht am Gewerbebetrieb105 und das allgemeine 103 Aus der Literatur Ebbecke, Recht 1921, 100, 101 f.; Isele, Geschäftsbesorgung, 168; ders., FS Cohn, 75, 77; Mueser, § 687 Abs. 2 BGB, 7 ff.; Wilburg, AcP 163 (1963), 346, 361 (Fortwirkung des Eigentums); König, FS v. Caemmerer, 179, 181 ff. (rechtsvergleichend); ders., Gutachten, 1515, 1556 (Ausschließlichkeitsrechte oder diesen gleichstehende Rechtspositionen); Franke, Herausgabe des Gewinns, 49 (vornehmlich ausschließliche Rechte); Medicus, BürgR, Rn. 408 (vor allem die absoluten Rechte); Oppermann, AcP 193 (1993), 497, 508; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 715; Steffen, in: RGRK, § 687 BGB Rn. 38 f.; Ehmann, in: Erman, § 687 BGB Rn. 4; Beuthien, in: Soergel, vor § 687 BGB Rn. 4; Mansel, in: Jauernig, § 687 BGB Rn. 6; Sprau, in: Palandt, § 687 BGB Rn. 5; weitergehend Rosenkranz, Gewinnherausgabeanspruch, 118 (Eingriffe in absolute oder diesen nach Deliktsrecht gleichgestellte Rechte). Zu Eingriffen in das Sacheigentum RGZ 105, 408, 409 f. (1922) (Vermieten fremder Möbel); zur Veräußerung einer fremden Sache RG JW 1909, 658 f.; RGZ 96, 282, 283 (1919); RGZ 138, 45, 48 f. (1932) (es sei denn, der Veräußerer habe ein Recht zur Veräußerung); BGHZ 39, 186, 188 (1963) (Enttrümmerung eines Grundstücks); BGHZ 75, 203, 205 (1979). Zur Eingriffen in Immaterialgüterrechte RGZ 46, 14, 18 (1900) (Patentrecht); RGZ 70, 249, 251 (1909); RGZ 108, 1, 6 (1923); BGH GRUR 1962, 509, 511; OLG Celle OLGE 18, 29, 30 (1908) (Verwertung eines „fremden Rechtsguts“ bei Verletzung des Patent-, Gebrauchsmuster- und Urheberrechts); für das Warenzeichenrecht BGHZ 34, 320, 322 f. (1961) („Ausbeutung eines fremden Rechts“); BGHZ 44, 372, 381 (1966) (Warenzeichenrecht als „ausschließliches Recht zur Kennzeichnung von Waren“); ebenso zuvor bereits die ganz h.M., siehe nur Mueser, § 687 Abs. 2 BGB, 11 m.w.N.; ablehnend noch Leonhard, Besonderes Schuldrecht, 422 (Gefahr, dass der Berechtigte in Ruhe abwarte und die Gewinne des Gegners dann an sich reiße). Die Geschäftsanmaßung ist von der dreifachen Schadensberechnung im Immaterialgüterrecht praktisch ersetzt worden; dazu oben § 7 E I 2; ferner zur Abgrenzung zu § 687 Abs. 2 BGB RGZ 70, 249, 252 ff. (1909). Für ein „alleinige[s] Recht der Einfuhr, der Inverkehrbringung und der Verwertung von Fleisch und Fleischwaren“ nach Maßgabe der einschlägigen Kriegsgesetzgebung RGZ 100, 142, 145 (1920); zum Bergwerkseigentum RGZ 135, 94, 103 (1932). 104 Ablehnend BGHZ 75, 203, 205 (1979) (Vereitelung schuldrechtlicher Ansprüche kein Eingriff in die Eigentümerstellung) Rosenkranz, Gewinnherausgabeanspruch, 76 ff.; Klien, Das Recht auf den Eingriffserwerb, 28 ff.; Wittmann, Geschäftsführung ohne Auftrag, 152 f.; Ebert, Geschäftsanmaßung, 454 ff.; ders., ZIP 2002, 2296, 2300; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, § 687 BGB Rn. 5; Sprau, in: Palandt, § 687 BGB Rn. 5; Mansel, in: Jauernig, § 687 BGB Rn. 6; Beuthien, in: Soergel, vor § 687 BGB Rn. 12; Ehmann, in: Erman, § 687 BGB Rn. 19; Seiler, in: MünchKomm, § 687 BGB Rn. 23 f.; widersprüchlich Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 708 (nein bei Verletzung eines vertraglichen Alleinvertriebsrechts, ja bei der Annahme von Schmiergeldern); Steffen, in: RGRK, § 687 BGB Rn. 5 f.; a.A. v. Bargen, Unechte Geschäftsführung, 29 f.; Mueser, § 687 Abs. 2 BGB, 18 ff.; Nipperdey, in: Staudinger11, § 687 BGB Rn. 6; ders., FS Böhm, 163, 167, 169; Gass, NJW 1960, 2339 f.; Isele, FS Cohn, 75, 77; Krumm, Widerrechtliche Inanspruchnahme, 203; Picker, AcP 183 (1983), 369, 512 f.; ders., JZ 1987, 1041, 1056; Fleck, ZIP 1991, 1269, 1272 ff.; Roth, FS Niederländer, 363, 380 (aber ablehnend zur Schmiergeldrechtsprechung des BAG); Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 715 (Abwerben von Kunden oder Arbeitnehmern). Näher unten E. 105 Anwendbarkeit verneinend BGHZ 7, 208, 218 (1952) (die Führung der Geschäfte und die Gewinne aus dem Unternehmen seien eigene Geschäfte des Geschäftsführers); Beuthien, in: Soergel, vor § 687 BGB Rn. 12; Sprau, in: Palandt, § 687 BGB Rn. 5; bejahend Nipperdey, in: Staudinger11, § 687 BGB Rn. 6; Seiler, in: MünchKomm, § 687 BGB Rn. 20; Ehmann, in: Erman, § 687 BGB Rn. 23 (ein Eingriff in das Recht am Gewerbebetrieb stehe einem Eingriff in das Eigentum gleich); Flügge, Der Anspruch des Arbeitgebers, 108.
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Persönlichkeitsrecht106. Letztlich erweist sich die Bedeutung der Geschäftsanmaßung gerade an der teilweise befürworteten Anwendung auf Verstöße gegen wettbewerbsrechtliche Nachahmungsverbote und den Geheimnisschutz sowie die wissentliche Verletzung der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts107. In diesen Konstellationen ist die Haftung aus § 687 Abs. 2 BGB Ausdruck der Anerkennung und zugleich Verwirklichung richterlicher Güterzuordnungen. Festzuhalten bleibt, dass sich die folgende Analyse auf § 687 BGB als einzig güterzuordnungsrelevanter Norm des 13. Titels beschränken kann. Die Zwecke der echten Geschäftsführung ohne Auftrag weichen hiervon so grundlegend ab, dass der unbesehenen Übertragung von Wertungen der §§ 677–686 BGB auf die unechte Geschäftsführung – und umgekehrt – mit großer Zurückhaltung begegnet werden sollte. Problematisch erscheint deshalb die terminologische Annäherung beider Materien durch die Verwendung des Merkmals „objektiv fremdes Geschäft“ bei der echten Geschäftsführung108. Erst recht sollten aus dieser dogmatischen, im Gesetzestext nicht fundierten Figur keine Rückschlüsse auf den Anwendungsbereich der Geschäftsanmaßung gezogen werden. Dieser Erkenntnis scheint die Rechtsprechung zu folgen, die die §§ 677–686 BGB zumindest vorübergehend sehr flexibel und weitreichend einsetzte, während die Gewinnhaftung gem. § 687 Abs. 2 BGB stets eher restriktiv gehandhabt wurde109. Die Gründe für diese Diskrepanz sind nunmehr mit Blick auf den güterzuordnenden Gehalt des § 687 BGB zu erörtern. Anzugehen ist namentlich die zentrale Frage110, wie der Kreis der „fremden“ Geschäfte zu bestimmen ist.
106 Die Ablehnung des § 687 Abs. 2 BGB auf das aPR ergibt sich inzident aus der Berücksichtigung der Gewinne des Verletzers im Rahmen der Entschädigung gem. § 823 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG; oben § 4 B VII 2 b und OLG Hamburg NJW-RR 1994, 990, 991; Müller, VersR 2000, 797, 803. 107 Siehe oben A. 108 Siehe Mot. II, 856; RGZ 143, 91, 95 (1934) (fremder Geschäftskreis); BGHZ 38, 270, 275 (1962); BGHZ 82, 323, 329 ff. (1981); ferner etwa Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, 53 (dem Wortlaut der §§ 677 ff. BGB sei wenig mehr zu entnehmen als dass es entscheidend auf den Begriff der Fremdheit des Geschäfts ankomme); Larenz, SchuldR II/1, 439; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1262 ff.; Esser/Weyers, SchuldR II/2, 8; Steffen, in: RGRK, vor § 677 Rn. 10; Sprau, in: Palandt, § 677 BGB Rn. 4 ff.; Mansel, in: Jauernig, § 677 BGB Rn. 3 f.; Ehmann, in: Erman, § 677 BGB Rn. 3 („für einen anderen, dh in fremdem Rechtskreis“). In historischer Perspektive dürfte diese Vermengung darauf zurückzuführen sein, dass der Vorentwurf alle vier Unterfälle der Geschäftsführung ohne Auftrag erfasste und für alle von einem „fremden“ Geschäft sprach (siehe v. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 2, 938 f.), während die jetzt gültige Unterscheidung zwischen echter und unechter Geschäftsführung ohne Auftrag erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens entwickelt wurde (dazu oben B I). Zu diesem terminologischen Problem Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 693 mit Fn. 10 (§ 677 BGB erwähne das „fremde“ Geschäft nicht). Kritisch diejenigen, die die echte Geschäftsführung allein über den subjektiven Fremdgeschäftsführungswillen konstruieren; siehe Gursky, AcP 185 (1985), 13, 14 f.; Beuthien, in: Soergel, § 677 BGB Rn. 3. 109 Siehe Esser/Weyers, SchuldR II/2, 25. 110 So zutreffend Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 715.
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C. Geschäftsanmaßung im Vergleich zum Deliktsund Bereicherungsrecht § 687 Abs. 2 BGB könnte als Rechtsgrundlage für die Zuordnung „neuer“ Güter aufgefasst werden, wenn die Norm die Gerichte zur Gewährung von Gewinnherausgabeansprüchen auch dann legitimiert, wenn die Handlung des Geschäftsführers keine gesetzliche Güterzuweisung betrifft. Ob das der Fall ist, soll zunächst anhand des Verhältnisses der angemaßten Eigengeschäftsführung zur delikts- und bereicherungsrechtlichen Haftung untersucht werden. Würde die Vorschrift trotz ihrer singulären Rechtsfolgen strukturelle Parallelen zu einem der beiden Rechtsbereiche aufweisen, würden sich hieraus wichtige Anhaltspunkte für – bzw. besser gesagt – gegen ihren güterzuordnenden Gehalt ergeben. Denn wie in den §§ 6 bis 8 gezeigt, kann die Anerkennung von positiv-exklusiven Befugnissen an Gütern weder auf das Delikts- noch das Bereicherungsrecht gestützt werden. Freilich ist die dogmatische Einordnung des § 687 Abs. 2 BGB im System der gesetzlichen Schuldverhältnisse zweifelhaft und umstritten111. Häufig werden deliktsrechtliche und bereicherungsrechtliche Kategorien für die Analyse der angemaßten Eigengeschäftsführung verwendet. Die Geschäftsanmaßung erscheint dann als „zwischen“ beiden gesetzlichen Schuldverhältnissen angesiedelt112.
I. Geschäftsanmaßung und Deliktsrecht Viele Schriftsteller fassen § 687 Abs. 2 BGB als Verschärfung des Deliktsrechts, als „quasideliktsrechtlichen“ Schutz von Rechtskreisen auf113. Ein „fremdes Ge111 Ebenso Bergmann, in: Staudinger, § 687 BGB Rn. 11 (die Einordnung des § 687 Abs. 2 BGB in das System des Schutzes der Vermögensrechte sei nicht abschließend gelungen); Rother, Geschäftsführung ohne Auftrag, 78 (eine dogmatisch einwandfreie Begründung für die Norm sei nicht erreicht); Köndgen, RabelsZ 64 (2000), 661, 667 (der rechtssystematische Ort des § 687 Abs. 2 BGB sei „wenig geklärt“). 112 Siehe Bergmann, in: Staudinger, § 687 BGB Rn. 11 (eigenständige Ergänzung des Deliktsund Bereicherungsrechts); Mertens, JuS 1962, 261, 268; Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 51; v. Holleben, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 123; Melullis, Geschäftsführung ohne Auftrag, 140 (§ 687 Abs. 2 BGB gehöre in die Lücke zwischen Bereicherungsausgleich und Deliktsrecht); v. Caemmerer, FS Rabel, 333, 395 f. (besondere Sanktion für deliktsrechtliche Eingriffe in solche Rechte, die auch durch Ansprüche aus Eingriffskondiktion bewehrt seien); Heck, Schuldrecht, 421; Seiler, in: MünchKomm, § 687 BGB Rn. 19. Abzulehnen ist der vereinzelt gebliebene Ansatz von Krumm, Widerrechtliche Inanspruchnahme, 139 ff. (§ 687 Abs. 2 BGB gehöre zu denjenigen Normen, mit denen die Rechtsordnung ein rechtswidriges Verhalten als rechtmäßig fingiere; damit stehe die Norm in Parallele zu § 1004 BGB, bei dem ebenfalls eine fremde Rechtsposition unbefugt ausgeübt werde, die Rechtsordnung diesen faktischen Vorgang aber negiere); ablehnend zu Recht Ebert, Geschäftsanmaßung, 176. Krumm verkennt insbesondere, dass § 1004 BGB in die Zukunft gerichtet ist und nicht wie § 687 Abs. 2 BGB auf die Vergangenheit. 113 Rother, Geschäftsführung ohne Auftrag, 77 (besondere Form der unerlaubten Handlung); Wittmann, Geschäftsführung ohne Auftrag, 151 (in Wirklichkeit Norm des Deliktsrechts); Rosen-
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schäft“ liege vor, wenn eine unerlaubte Handlung gegeben sei114. Konsequent wird ein Anspruch auf Gewinnherausgabe stets für möglich erachtet, wenn der Gläubiger die Unterlassung der betreffenden Handlung verlangen kann115. Auf dieser Basis lässt sich eine Gewinnhaftung bei unlauteren Wettbewerbshandlungen und Verletzungen des Persönlichkeitsrechts ohne Weiteres bejahen. Für ein solch deliktsrechtliches Verständnis, das den Anwendungsbereich der unechten Geschäftsführung erkennbar weit zieht und an der dynamischen Entwicklungsoffenheit des Deliktsrechts teilhaben lässt, sprechen gewisse strukturelle Gemeinsamkeiten der Tatbestände, die ja stets Abbild bestimmter Funktionen sind. So knüpfen beide Rechtsbereiche an eine rechtswidrige bzw. unberechtigte, schuldhafte Handlung des Schuldners an116. Auch das Deliktsrecht grenzt individuelle Rechtskreise in objektiver Weise ab, damit die Privatrechtssubjekte selbstbestimmte und in diesem Sinne egoistische Entscheidungen treffen können. Welche rechtlich-formale Gestalt diese Rechts- und Interessenssphären annehmen, ist dabei von sekundärer Bedeutung. Ein näherer Blick auf die angemaßte Eigengeschäftsführung offenbart jedoch, dass hinter diesen Ähnlichkeiten kein gemeinsames Konzept steht, das es rechtfertigen würde, § 687 Abs. 2 BGB als deliktsrechtliche Anspruchsgrundlage einzuordnen. Der Schadensersatzanspruch des Geschäftsherrn aus §§ 687 Abs. 2 S. 1, 677 2. Hs., 678 BGB folgt nicht aus einer unerlaubten Handlung, sondern aus der Verletzung der kraft ausdrücklichen Verweises auch den böswilligen Eigengeschäftsführer treffenden Pflicht, das Geschäft so zu führen, wie es das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen erfordert117. Da sich der Geschäftsführer hierüber wissentlich hin-
114 kranz, Gewinnherausgabeanspruch, 39 und öfter (der Unterschied bestehe nur in der Schadensfeststellung); v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht I, 514 f.; Roth, FS Niederländer, 363, 379; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1283 f. (Eingriff in fremden Rechtskreis); Wenckstern, AcP 200 (2000), 240, 263 (deliktische Natur); widersprüchlich Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 28 f. (für die Eingriffskondiktion genüge ein deliktischer Schutz nicht), 51 (Gleichsetzung der deliktsrechtlich verstandenen Geschäftsanmaßung mit der Eingriffskondiktion). Gegen die Zuordnung des § 687 Abs. 2 BGB zum Deliktsrecht Heck, Schuldrecht, 360. 114 Wenckstern, AcP 200 (2000), 240, 263; Erlanger, Gewinnabschöpfung, 103 (der Kreis der Rechtsgüter, der gem. § 687 Abs. 2 BGB zu schützen sei, entspreche den Rechtsgütern des § 823 Abs. 1 BGB); wohl auch v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht I, 514 f. (mit rechtsvergleichenden Hinweisen). 115 Siehe Franke, Herausgabe des Gewinns, 49 (fremd seien Geschäfte, deren Unterlassung verlangt werden könne). 116 Siehe Rosenkranz, Gewinnherausgabeanspruch, 83; Wenckstern, AcP 200 (2000), 240, 261; widersprüchlich Ebert, Geschäftsanmaßung, 108 ff. (strenge Unterscheidung der Geschäftsanmaßung vom Deliktsrecht), 134 f. (der Paragraph sei „wenigstens hinsichtlich seiner Tatbestandsvoraussetzungen“ „materielle[r] Bestandteil“ des Deliktsrechts). 117 Ebbecke, Recht 1921, 100, 101. Für verfehlt hält den Verweis auf § 677 BGB hingegen Wittmann, Geschäftsführung ohne Auftrag, 150. Auf eine ausdrückliche Regelung der Schadensersatzpflicht wurde in Anlehnung an das schweizerische Obligationenrecht (jetzt Art. 419 OR) verzichtet, weil die Schadensersatzpflicht selbstverständlich aus der Festlegung der Verpflichtung des Geschäftsführers zu folgern sei; siehe Prot. II 2, 726.
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wegsetzt, muss er ohne Rücksicht auf ein späteres Ausführungsverschulden sogar zufällige Schäden ersetzen118. Der Gewinnherausgabeanspruch und die Verpflichtung des Geschäftsherrn zur Herausgabe einer erlangten Bereicherung bei Geltendmachung dieses Anspruchs119 lassen sich mit schadensersatzrechtlichen Kategorien schon gar nicht erklären: Auf einen Schaden des Geschäftsherrn gem. §§ 249 ff. BGB kommt es nicht an; insbesondere ist gleichgültig, ob er den Gewinn seinerseits hätte erzielen können. Maßgeblich ist vielmehr, dass das betreffende Geschäft „gegenständlich“ „recht eigentlich“ das des Geschäftsherrn ist120. Allein das Wissen um den unberechtigten Eingriff rechtfertigt die Gewinnhaftung nicht und begründet daher auch keine Parallele zum schadensersatzrechtlichen Verschuldensprinzip. Denn selbst absichtliches Handeln löst gem. der §§ 823 ff. BGB nur die Pflicht zum Schadensersatz aus. Vorsatz führt im Recht der unerlaubten Handlung zwar zu einer Erweiterung der geschützten Rechtskreise gem. § 826 BGB, aber nicht zu einer anderen Rechtsfolge als dem Ausgleich des konkreten Schadens einschließlich des wahrscheinlich entgangenen Gewinns des Geschädigten, der jedoch vom Gewinn des Verletzers zu unterscheiden ist121. Nichts anderes gilt für das Lauterkeitsrecht, das geschädigten Mitbewerbern bei schuldhaften – auch vorsätzlichen und absichtlichen – Zuwiderhandlungen gegen das Verbot unlauteren Wettbewerbs lediglich einen Schadensersatzanspruch zuspricht (§ 9 UWG), während die Gewinnabschöpfung bei vorsätzlichen Verstößen nur von Verbänden und Kammern geltend gemacht werden kann und dem Bundeshaushalt zugute kommt122. Diese Sonderstellung der angemaßten Eigengeschäftsführung im Vergleich zum Deliktsrecht beruht auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers. Die erste Kommission war noch davon ausgegangen, dass sich „stets einer unerlaubten Handlung schuldig“ mache, wer wider besseres Wissen ein fremdes Geschäft für sich als eigenes behandele. Eine Verschärfung der Haftung durch die Zulassung der actio directa wurde nicht für gerechtfertigt erachtet, weil damit die Wertungen des Deliktsrechts konterkariert würden, das selbst den Dieb nur auf 118 Siehe Mansel, in: Jauernig, § 678 BGB Rn. 1; Beuthien, in: Soergel, vor § 687 BGB Rn. 6. Zur Schadensersatzpflicht bei schuldhaft unterlassener Anzeigepflicht gem. §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 BGB BGHZ 65, 354, 357 (1975); LAG Düsseldorf MDR 1989, 1026, 1027; Ebbecke, Recht 1921, 100, 101. 119 Siehe §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667 BGB und §§ 687 Abs. 2 S. 2, 684 S. 1 BGB. 120 RGZ 70, 249, 251 (1909) (Patent); RGZ 100, 142, 145 f. (1920) (Einfuhrmonopol); RGZ 135, 94, 103 f. (1932) (Bergwerkseigentum); OLG Saarbrücken NJW 1960, 2339, 2341 (Verstoß gegen Wettbewerbsverbot); Klien, Das Recht auf den Eingriffserwerb, 34; Isele, FS Cohn, 75, 81; Krautwig, Verletzung des Persönlichkeitsrechts, 120; Ebert, Geschäftsanmaßung, 139 ff.; Seiler, in: MünchKomm, § 687 BGB Rn. 25; Ehmann, in: Erman, § 687 BGB Rn. 7; Mansel, in: Jauernig, § 687 BGB Rn. 8; Sprau, in: Palandt, § 687 BGB Rn. 2. 121 Siehe Prot. II 2, 742 f.; BGH GRUR 1960, 554, 557; Wenckstern, AcP 200 (2000), 240, 261 f. (deshalb deliktsrechtliche Einordnung der Geschäftsanmaßung nur de lege ferenda). 122 Siehe § 10 UWG. Zur Anwendbarkeit der §§ 249 ff. BGB und zur abschließenden Regelung der Rechtsfolgen von Verstößen gegen § 3 UWG oben § 7 E I 2.
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Schadensersatz haften lasse123. Konsequent bestimmte § 761 des ersten Entwurfs, dass die Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag keine Anwendung finden, „wenn Jemand ein fremdes Geschäft in rechtswidriger Absicht als eigenes behandelt hat.“ In diesem Fall sollte „der Geschäftsführer nach den für die Haftung aus unerlaubten Handlungen geltenden Vorschriften“ einzustehen haben124. Die erst in der zweiten Kommission eingefügte Gewinnhaftung durch Verweis auf die echte Geschäftsführung war demnach ein regelrechter Paradigmenwechsel125. Die in den Protokollen wiedergegebene Begründung stellt § 687 Abs. 2 BGB denn auch als Alternative zum Deliktsrecht dar, die den Geschäftsherrn im Hinblick auf die Verjährung und die Darlegungs- und Beweislast begünstige, an der bloßen Schadensersatzhaftung wegen vorsätzlich begangener, unerlaubter Handlungen aber nichts ändere126. Dieser Regelungszweck wird besser verständlich, wenn man sich vor Augen führt, dass bis zur Reform des Verjährungsrechts im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung Ansprüche aus unerlaubten Handlungen kenntnisabhängig in drei Jahren verjährten, Ansprüche aus Geschäftsanmaßung hingegen in 30 Jahren127. Vor dem Hintergrund dieser bewussten Abkopplung vom Deliktsrecht muss die angemaßte Eigengeschäftsführung eine eigenständige und vom Verschuldensprinzip losgelöste Erklärung erfahren. Einen Anknüpfungspunkt hierfür bietet die bereits herausgearbeitete Güterzuordnungsrelevanz des § 687 Abs. 2 BGB, der mit Fokus auf das „gegenständlich“ dem Geschäftsherrn zustehende Geschäft den Gewinn des Geschäftsführers abschöpft. Das Deliktsrecht gewährt zwar auch sekundäre Schadensersatz- und Abwehransprüche bei der Verletzung subjektiv-ausschließlicher Rechte. Soweit es dem Richter mit Generalklauseln 123
Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 158 ff.; Mot. II, 871. Siehe Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 166. 125 Siehe Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 166; Prot. II 2, 741 f.; Helms, Gewinnherausgabe, 138. 126 Siehe Prot. II 2, 742 f. (Der Verweis auf die unerlaubte Handlung „werde dem Interesse des Geschäftsherrn nicht gerecht.“ Denn der Geschäftsherr sei gezwungen, die allgemeinen Voraussetzungen der Deliktsklage, insbesondere die böswillige Absicht des Geschäftsführers nachzuweisen; außerdem werde der Geschäftsherr hinsichtlich der Verjährung der Ansprüche schlechter gestellt. Deshalb wolle man „dem Geschäftsherrn gestatten, den böswillig handelnden Geschäftsführer in allen Fällen, wo objektiv eine Führung fremder Geschäfte vorliege, als Geschäftsführer zu behandeln; der Geschäftsführer selbst solle seinerseits nur einen Anspruch auf die Bereicherung haben.“ Der Geschäftsherr habe also die Wahl, entweder Schadensersatzklage oder die Klage aus der Geschäftsführung anzustrengen. „Diese Regelung biete den Vorteil, daß sie dem Geschäftsherrn die Erörterung der Frage nach der rechtswidrigen Absicht des Schuldners erspare und dem aus einer Geschäftsführung Verklagten die Einrede abschneide, daß er gar nicht als redlicher Geschäftsführer, sondern böswillig gehandelt habe.“ Praktisch ergebe sich das Resultat, dass der „Schuldner, wenn er etwa den unterschlagenen Gegenstand zu einem besonders hohen Preise verkauft habe, den so erzielten Gewinn herausgeben müsse, während der Gläubiger nach dem Entwurf nur Ersatz des Werthes fordern könne.). Verkürzt Wittmann, Geschäftsführung ohne Auftrag, 151. 127 Siehe §§ 852 Abs. 1, 195 BGB a.F.; Ebbecke, Recht 1921, 100, 101; Heck, Schuldrecht, 360 (der Anspruch aus § 687 BGB konkurriere zwar sehr oft mit Deliktsansprüchen, sei den allgemeinen Bestimmungen der §§ 823 ff. BGB aber nicht unterstellt); Seiler, in: MünchKomm, § 687 BGB Rn. 26 (keine analoge Anwendung des § 852 BGB a.F. auf Ansprüche aus § 687 Abs. 2 BGB). 124
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wie den §§ 826 BGB, 3, 8 f. UWG relativ weiten Spielraum einräumt oder zulässigerweise fortgebildet wurde, dient es jedoch nicht der Güterzuordnung, sondern der flexiblen Abgrenzung und Wahrung gleichrangiger Freiheiten. Teleologisch geht die Parallele zwischen Deliktsrecht und Geschäftsanmaßung also nicht weiter als bis zur Erkenntnis, dass § 823 Abs. 1 BGB und § 687 Abs. 2 BGB primäre Ausschließlichkeitsrechte mit unterschiedlichen Voraussetzungen (Fahrlässigkeit/Wissen) und Rechtsfolgen verwirklichen. Abgesehen von dieser, das Recht der unerlaubten Handlung nur in einem Ausschnitt betreffenden Übereinstimmung, überzeugt die deliktsrechtliche Deutung der Geschäftsanmaßung folglich nicht.
II. Geschäftsanmaßung und Bereicherungsrecht Die strukturellen und funktionalen Unterschiede zwischen angemaßter Eigengeschäftsführung und Deliktsrecht haben die wohl überwiegende Auffassung veranlasst, § 687 Abs. 2 BGB stattdessen in die Nähe des Bereicherungsrechts und namentlich der Eingriffskondiktion zu rücken. In der Literatur wird das „fremde Geschäft“ folglich mit dem „Zuweisungsgehalt“ der verletzten Rechtsposition erklärt128. Da es für den Anspruch auf Herausgabe alles Erlangten nicht auf einen Schaden im Vermögen des Geschäftsherrn ankomme, sei der Anspruch „im tiefsten Grunde ein Bereicherungsanspruch“129. Auch die Rechtsprechung steckt den Anwendungsbereich der Geschäftsanmaßung parallel zur Eingriffskondiktion ab, indem Eingriffe in den Schutzbereich von Ausschließlichkeitsrechten genügen, Verletzungen von vertraglichen Ansprüchen sowie der in Fortbildung des Deliktsrechts anerkannten Rahmenrechte am Gewerbebetrieb und der eigenen Person hingegen grundsätzlich nicht130. Ferner bejahen die Gerichte Ansprüche aus § 687 Abs. 2 BGB wie bei der Eingriffskondiktion aufgrund gesetzlicher Wertungen, selbst wenn der Begünstigte (noch) keine positiv-exklusiven Befugnisse zur Nutzung des Gutes innehat. So kann der wahre Erfinder wegen Eingriffs in sein Recht auf das Patent vom nichtberechtigt eingetragenen Inhaber des Patents nicht nur gem. §§ 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt., 818 Abs. 2 BGB Wertersatz ver128
Klien, Das Recht auf den Eingriffserwerb, 55; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 891; Planck4, § 812 BGB Anm. 3b; König, Gutachten, 1515, 1550 (der aufgrund dieser Parallelität die angemaßte Eigengeschäftsführung in seinen Regelungsvorschlag der Eingriffskondiktion aufnimmt, a.a.O., 1557, aber beide Schuldverhältnisse als „Ergänzung des Deliktsrechts“ versteht, a.a.O., 1558); Reichard, AcP 193 (1993), 567, 600 mit Fn. 129; Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung, 157 (Strukturgleichheit der beiden gesetzlichen Schuldverhältnisse); Siemes, AcP 201 (2001), 202, 228 ff.; Bydlinski, System des Privatrechts, 291 (Zusammenhang der normativen Grundlagen); Ebert, ZIP 2002, 2296, 2300 mit Fn. 58 (in Bezug auf die Anwendung der Eingriffskondiktion und des § 687 Abs. 2 BGB auf Vertragsverletzungen); wohl auch Wendehorst, Anspruch und Ausgleich, 425; anders Bergmann, in: Staudinger, vor §§ 677 ff. BGB Rn. 60 (kondiktionsfern); Helms, Gewinnherausgabe, 146 ff. Zur Lehre vom Zuweisungsgehalt oben § 8 C II 2. 129 Ehmann, in: Erman, § 687 BGB Rn. 7 (Strafschadensersatzanspruch oder verschärfte Eingriffskondiktion); siehe in diesem Sinne bereits Klien, Das Recht auf den Eingriffserwerb, 108. 130 Oben B III und für die Eingriffskondiktion oben § 8 D II 2 b aa.
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langen131, sondern bei wissentlich unberechtigter Anmeldung die Herausgabe der Gewinne132. Dieser Gleichlauf lässt sich schließlich sogar in Entscheidungen über „neue“ Güter beobachten. Der Bundesgerichtshof wies nämlich einen Anspruch auf Umschreibung einer rechtsverletzenden Domain-Registrierung auf der Basis der Eingriffskondiktion und der Geschäftsanmaßung ab, weil die Domain dem Verletzten nicht „wie ein absolutes Recht“ zugewiesen sei133. Die Deutung der angemaßten Eigengeschäftsführung als Ergänzung der Eingriffskondiktion erscheint zutreffend. Zwar setzt § 687 Abs. 2 BGB eine wissentlich unberechtigte Handlung voraus, während die Eingriffskondiktion von der Art und Weise des Erwerbs abstrahiert und allein die anschließende Verteilung von Vermögensvorteilen betrachtet134. Außerdem folgt eben nur aus dem Verweis auf die actio directa der echten Geschäftsführung ein Anspruch auf Gewinnherausgabe135, der überdies nicht unter dem Vorbehalt des Wegfalls der Bereicherung steht, sondern auch das Stammvermögen erfassen kann, wenn der Geschäftsführer den erzielten Gewinn zwischenzeitlich verloren haben sollte. Und doch sind beide gesetzlichen Schuldverhältnisse durch abstrakt-objektive Merkmale gekennzeichnet, die angeben, in welchen Fällen die Herausgabe von Vermögensvorteilen ohne jede Rücksicht auf die Vermögensverhältnisse des Gläubigers begehrt werden kann. Wurde etwas unabhängig vom Verschulden, aber ohne Rechtsgrund „auf Kosten“ eines anderen erlangt, ist die noch vorhandene Bereicherung zu restituieren; wer einen Gewinn aus der wissentlich unberechtigten Führung „fremder Geschäfte“ erzielt, muss diese abführen. Diese Rechtsfolgen gibt das Schadensersatzrecht nicht her, so dass selbst das Verschuldenserfordernis in § 687 Abs. 2 BGB wie erläutert keine deliktsrechtliche Deutung nahelegt. Ferner erklärt die fehlende Berechtigung bzw. rechtswidrige Handlung des Geschäftsführers nicht, warum gerade der Geschäftsherr den Gewinn bekommen soll, wenn dessen Vermögensstand ggf. gar nicht negativ beeinflusst wurde. Vielmehr muss der Gewinn dem Geschäftsherrn positiv zustehen, so wie der Bereicherungsgegenstand dem Bereicherungsgläubiger exklusiv zugewiesen sein muss. Genau in diesem Sinne fragt die Rechtsprechung nach einer rechtlichen Anwartschaft des Geschäftsherrn auf den streitigen Vermögensvorteil136. 131 Der gem. § 818 Abs. 2 BGB zu leistende Wertersatz richtet sich nach ständiger Rechtsprechung nach dem objektiven Verkehrswert des Erlangten; BGHZ 168, 220, 239 (2006) m.w.N. 132 RGZ 84, 49, 53 (1914); siehe jetzt §§ 13 Abs. 3 GebrMG, 8 PatG und zur Eingriffskondiktion auf der Basis des Rechts des Erfinders auf das Patent gem. § 6 PatG BGH NJW-RR 2006, 1123, 1126. 133 BGHZ 149, 191, 205 (2001). 134 Ebert, Geschäftsanmaßung, 115. 135 Ehmann, in: Erman, § 687 BGB Rn. 7. 136 Zum Warenzeichenrecht RGZ 58, 321, 325 (1904) mit Verweis auf Prot. II 2, 742; RGZ 108, 1, 7 (1923); RG MuW 1935, 59, 62; zuvor bereits RGZ 47, 100, 101 f. (1900); zur angemeldeten, aber nicht eingetragenen Erfindung RGZ 83, 37, 42 (1913) (das Erfinderrecht gewähre „keinen Anspruch auf ausschließliche Ausnützung der Erfindung und kein Untersagungsrecht gegen jeden Dritten“); anders zum Verhältnis zwischen dem berechtigten Erfinder und dem nichtberechtigten
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Während ein deliktsrechtliches Verständnis offenlässt, warum wissentliches Handeln hier zu Ansprüchen auf Gewinnherausgabe, dort aber nur zum Schadensersatz führt, korrespondiert das zusätzliche subjektive Merkmal neben dem Eingriff in den positiven Zuweisungsgehalt einer Rechtsposition mit der wie gezeigt verschärften Haftung des böswilligen Eigengeschäftsführers im Vergleich zum Bereicherungsschuldner. Auf der Basis dieser Lesart wird § 687 Abs. 2 BGB auch nicht etwa überflüssig, weil sich ein Anspruch auf Herausgabe des Gewinns nach herrschender Meinung bereits aus § 816 Abs. 1 BGB ergibt, wenn ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand eine Verfügung trifft137. Zunächst behält die Geschäftsanmaßung ihre eigenständige Bedeutung für alle sonstigen, unerlaubten Eingriffe in den positiven Zuweisungsgehalt einer Rechtsposition, insbesondere für die gewinnbringende Nutzung zugeordneter Güter138. Und selbst im Fall der unberechtigten Verfügung über einen Gegenstand hat § 687 Abs. 2 BGB noch etwas Singuläres zu bieten. Denn nur bei vorsätzlichen Eingriffen in die rechtliche Verfügungsgewalt eines anderen ist der Gewinn selbst dann noch herauszugeben, wenn die entsprechende Bereicherung weggefallen ist und ein entsprechender Anspruch aus § 816 Abs. 1 BGB daher ins Leere geht. Indirekte Bestätigung erfährt die bereicherungsrechtliche Lesart schließlich durch § 687 Abs. 1 BGB und das Internationale Privatrecht. Wenn der Irrtum über die Fremdheit des Geschäfts nicht verschuldet war, verweist § 687 Abs. 1 BGB den Geschäftsherrn auf bereicherungsrechtliche Ansprüche und speziell die vom Verschulden unabhängige Eingriffskondiktion139. Da die Geschäftsanmaßung mit der irrtümlichen Eigengeschäftsführung eine systematische und teleologische Einheit unter dem Dach der „unechten Geschäftsführung“ bildet, kann das in beiden Absätzen erwähnte objektive Merkmal des „fremden Ge-
137 Anmelder auf der Basis des Rechts auf die Erfindung RGZ 84, 49, 53 (1914); zur registrierten Internet-Domain BGHZ 149, 191, 205 (2001) (bei der Registrierung einer rechtsverletzenden Internet-Domain handele es sich „nicht unbedingt“ um das Geschäft des klagenden Verletzten, weil die Domain auch Rechte sonstiger Dritter verletzen könne); zustimmend etwa Pahlow, WRP 2002, 1228, 1234 f.; kritisch Kieser, K&R 2002, 537, 539; ferner LG Bad Kreuznach WM 1979, 1325, 1326 (kein Anspruch bei Verletzung bloß mittelbarer, wirtschaftlicher Interessen). 137 Siehe zur Parallelität der §§ 816, 687 Abs. 2 BGB Rosenkranz, Gewinnherausgabeanspruch, 94; Wittmann, Geschäftsführung ohne Auftrag, 154 f.; Klien, Das Recht auf den Eingriffserwerb, 81; Reichard, AcP 193 (1993), 567, 597 ff. (§ 687 Abs. 2 BGB sei überflüssig, weil sich ein Gewinnherausgabeanspruch bereits aus § 819 BGB ergebe). Die Frage nach der praktischen Irrelevanz von § 687 Abs. 2 BGB ist die Ausgangsfrage von Ebert, Geschäftsanmaßung, 40. Diese Frage kann jedoch nur insoweit ausschlaggebend sein, als die Auslegung einer Vorschrift nicht dazu führen darf, dass ihr kein Anwendungsbereich verbleibt, da nicht zu vermuten ist, dass der Gesetzgeber eine überflüssige Regelung erlassen hat. Keinesfalls kann man sich der Auslegung in Sorge um eine möglichst große praktische Bedeutung der in Betracht gezogenen Regelung zuwenden; so in der Tendenz aber Ebert, a.a.O., 169 ff. (extensive Anwendung des § 687 Abs. 2 BGB); v. Bargen, Unechte Geschäftsführung, 13 (im Hinblick auf die praktische Bedeutung der Norm sei eine weite Auslegung des § 687 Abs. 2 BGB richtig). 138 Nachweise aus der Rechtsprechung oben Fn. 89. 139 Näher unten D I.
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schäfts“ nicht nach unterschiedlichen Maßstäben bestimmt werden140. Kollisionsrechtlich unterliegen Ansprüche wegen Bereicherung durch Eingriff in ein geschütztes Interesse und gesetzliche Ansprüche aus der Besorgung eines fremden Geschäfts dementsprechend jeweils dem Recht des Staates, in dem der Eingriff geschehen bzw. das Geschäft vorgenommen worden ist (Art. 38 Abs. 2, 39 Abs. 1 EGBGB)141. Wenn für die Eingriffskondiktion und die Geschäftsführung ohne Auftrag derselbe Anknüpfungspunkt statuiert ist, dann hält der Gesetzgeber die Interessen der beteiligten Parteien offenbar für vergleichbar, wenn nicht für identisch. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass die angemaßte Eigengeschäftsführung strukturelle Übereinstimmungen mit der Eingriffskondiktion aufweist. Damit bestätigt sich die güterzuordnende Relevanz des § 687 Abs. 2 BGB, der von der Rechtspraxis wie die Eingriffskondiktion eingesetzt wird, um gesetzliche Güterzuweisungen zu verwirklichen. Es wäre allerdings voreilig, die Prüfung der Geschäftsführung ohne Auftrag bereits an dieser Stelle abzubrechen und schlicht auf die (negativen) Ergebnisse zum güterzuordnenden Gehalt des Bereicherungsrechts zu verweisen. Denn immerhin kommt den aus § 687 Abs. 2 BGB folgenden Ansprüchen eigenständige Bedeutung zu, mit der sie konkurrierend neben die bereicherungs- und deliktsrechtliche Haftung treten142, so dass die angemaßte Eigengeschäftsführung keinen regelrechten Unterfall eines der beiden bereits analysierten Schuldverhältnisse darstellt143. Der Geschäftsherr hat eben die Wahl, ob er es bei den allgemeinen Rechtsgrundlagen belässt, oder die weitergehende Gewinnhaftung geltend macht, sich dann aber gem. § 687 Abs. 2 S. 2 BGB seine eigene Bereicherung aus der Geschäftsführung anrechnen lassen
140 Anders Rosenkranz, Gewinnherausgabeanspruch, 83 (Absatz 1 bereicherungsrechtliche, Absatz 2 deliktsrechtliche Norm). 141 Siehe auch die Parallelität der Kollisionsnormen der Art. 10 (Bereicherungsrecht) und 11 (negotiorum gestio) Rom-II-Verordnung. 142 Siehe BGHZ 63, 167, 175 (1974) (im Verhältnis der echten Geschäftsführung ohne Auftrag zur Amtshaftung); Freese, Unechte Geschäftsführung, 28 f.; Isele, Geschäftsbesorgung, 170; Melullis, Geschäftsführung ohne Auftrag, 140 f.; Beuthien, in: Soergel, vor § 677 BGB Rn. 9; Schulze, in: Hk-BGB, vor §§ 677–687 BGB Rn. 12, § 687 BGB Rn. 1; v. Bargen, Unechte Geschäftsführung, 7; Ebbecke, Recht 1921, 100 (die unerlaubte Einmischung sei keine unerlaubte Handlung im Sinne der §§ 823 ff. BGB); Nipperdey, FS Böhm, 163, 165; Beuthien/Wasmann, GRUR 1997, 255, 256; Ebert, Geschäftsanmaßung, 127. 143 Siehe Prot. II 2, 743 (Gewinnherausgabe statt bloßer Wertersatz auf deliktsrechtlicher Grundlage); RG JW 1909, 658, 659; RG MuW 1935, 59, 62; BGHZ 38, 270, 279 (1962) (§ 687 Abs. 2 BGB sei kein Schadensersatzanspruch); OLG Hamburg OLGE 22, 328 f. (1910); Ebbecke, Recht 1921, 100, 101; Isele, FS Cohn, 75, 78; Esser/Weyers, SchuldR II/2, 25; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 716 (Gewinnabschöpfung unabhängig vom eigenen Verlust); Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 795; Steffen, in: RGRK, § 687 BGB Rn. 27; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, § 687 BGB Rn. 4; Sprau, in: Palandt, § 687 BGB Rn. 2; Schulze, in: Hk-BGB, § 687 BGB Rn. 1; Mansel, in: Jauernig, § 687 BGB Rn. 5; Beuthien/Wasmann, GRUR 1997, 255, 256; Wenckstern, AcP 200 (2000), 240, 242. Zum gemeinen Recht ebenso Zimmermann, negotiorum gestio, 31.
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muss144. Die besondere Rolle der Geschäftsanmaßung wird bei einer Gegenüberstellung der Rechtsfolgen der drei gesetzlichen Schuldverhältnisse noch deutlicher145: – Das Schadensersatzrecht gleicht ein Defizit im Vermögen des Gläubigers aus (§§ 249 ff. BGB). – Das Bereicherungsrecht schöpft ohne Rücksicht auf das Vermögen des Gläubigers den objektiven Verkehrswert unter dem Vorbehalt des Wegfalls der Bereicherung ab (§ 818 BGB). – Die angemaßte Eigengeschäftsführung erstreckt sich ebenfalls unabhängig von einem Schaden des Geschäftsherrn auf den vom Geschäftsführer erzielten Gewinn, der selbst dann herauszugeben ist, wenn der Gewinn zwischenzeitlich weggefallen ist. Aufgrund dieser besonders weitreichenden Wirkungen ist abschließend der Blick auf den Tatbestand des § 687 Abs. 2 BGB zu richten und zu fragen, ob sich hierauf nicht doch – anders als auf § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB – eine richterliche Zuordnungsentscheidung stützen lässt. Zu diesem Zweck soll erörtert werden, ob die unechte Geschäftsführung wie das Delikts- und Bereicherungsrecht vom Prinzip der enumerativen Haftung ausgeht (dazu I), ob sich das Vorliegen eines „fremden Geschäfts“ aus norminternen oder externen Wertungen ergibt (dazu II), und welche konkreten Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit von einem „fremden Geschäft“ ausgegangen werden kann (dazu III).
D. Der Tatbestand der Geschäftsanmaßung gem. § 687 Abs. 2 BGB I. Enumeration der Haftung Wie zum Delikts- und Bereicherungsrecht wird auch in Bezug auf § 687 Abs. 2 BGB vertreten, in dieser Norm komme ein allgemeines Haftungsprinzip zur Geltung, wonach niemand aus widerrechtlichen Eingriffen in einen fremden Rechtskreis unverdient eigene Vorteile ziehen soll146. Würde das Nachdenken über die Geschäftsanmaßung demnach seinen Ausgangspunkt bei einer Pflicht zur Herausgabe grundsätzlich aller rechtswidrig erzielten Gewinne nehmen, die nur ausnahmsweise beim Geschäftsführer verbleiben, wäre die entsprechende Haftung bei unerlaubter Nutzung „neuer“ Güter zumindest dann gerechtfertigt, wenn zugleich der Tatbestand einer rechtswidrigen bzw. unlauteren Handlung 144 Siehe Prot. II 2, 742 (der Geschäftsherr habe die Wahl, ob er die Schadensersatzklage oder die Klage aus der Geschäftsführung anstelle); Schwarz/Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 97 f.; Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 795. 145 Siehe Klien, Das Recht auf den Eingriffserwerb, 107 f.; Isele, FS Cohn, 75; Beuthien/Wasmann, GRUR 1997, 255, 257; Beuthien, FS Söllner, 125, 131. 146 Oben A.
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vorliegt. Die kritischen Fälle von Verstößen gegen das UWG und Verletzungen des aPR ließen sich erneut ohne Weiteres subsumieren. Insoweit ist zwar zuzugeben, dass der Begriff des „Geschäfts“ wie im Auftragsrecht in einem weiten Sinne zu verstehen ist147 und jede einmalige oder dauerhafte Tätigkeit (nicht aber Unterlassen) rechtsgeschäftlicher oder tatsächlicher Art umfasst148, so dass potentiell der gesamte Rechtskreis geschützt wird149. Gleichwohl gibt das Gesetz eindeutig zu erkennen, dass nicht jeder, auch nicht jeder unter Verstoß gegen irgendeine gesetzliche Bestimmung „rechtswidrig“ erlangte Gewinn herauszugeben ist. Ein so verstandener Satz des „tort must not pay“ ist dem BGB fremd: Das folgt schon aus § 687 Abs. 1 BGB. Indem die Norm klarstellt, dass mangels Bewusstseins der Fremdheit des Geschäfts und damit zwangsläufig ohne Fremdgeschäftsführungswillen keine echte Geschäftsführung ohne Auftrag zustande kommt, bewahrt sie den gutgläubigen Eigengeschäftsführer vor der Verpflichtung, alles Erlangte an den Geschäftsherrn abzuliefern und etwaige Schäden des betroffenen Geschäftsherrn auszugleichen. Stattdessen kommen bei unverschuldet irrtümlicher Führung fremder Geschäfte nur bereicherungsrechtliche Ansprüche wegen Eingriffskondiktion in Betracht150; hätte der Geschäftsführer erkennen können, dass er sich im Bereich fremder Geschäfte tummelt (fahrlässiger Irrtum), hat er nach Maßgabe der §§ 823 ff. BGB den ggf. entstandenen Schaden zu ersetzen151. Eine verschuldensunabhängige Gewinn- und Schadensersatzhaftung mit dem Stammvermögen, wie sie sich aus einer Anwendung der Vor147
RGZ 84, 49, 53 (1914) (nicht zu eng); RGZ 100, 142, 145 (1920); RGZ 135, 94, 103 (1932). Mot. II, 855 (nicht nur Rechtshandlungen oder Rechtsgeschäfte); BGH LM § 677 BGB Nr. 2 (1951); BGH NJW 1978, 1258 (Errichtung eines Schutzwalls); ferner etwa Isele, Geschäftsbesorgung, 158; Beuthien, in: Soergel, § 677 BGB Rn. 2; Steffen, in: RGRK, vor § 677 Rn. 7 ff.; Seiler, in: MünchKomm, § 677 BGB Rn. 2; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, § 677 BGB Rn. 10; Mansel, in: Jauernig, § 677 BGB Rn. 2; Sprau, in: Palandt, § 677 BGB Rn. 2; Ehmann, in: Erman, § 677 BGB Rn. 2; Freese, Unechte Geschäftsführung, 2 ff.; Ebbecke, Recht 1921, 100, 101; Steffen, in: RGRK, § 687 BGB Rn. 2 m.w.N.; Ebert, Geschäftsanmaßung, 79. 149 Siehe RGZ 97, 61, 65 f. (1919) (die Tätigkeit müsse Gegenstand der Sorge eines anderen sein; Reparatur eines Schiffes durch einen Handwerker kein Geschäft des Gläubigers des Schiffseigners); RGZ 143, 91, 95 (1934) (notwendig sei ein Eingreifen in einen fremden Geschäftskreis). 150 Zum gemeinen Recht v. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 2, 961; Windscheid/Kipp, Pandekten II, 930 m.w.N. (Fall der condictio sine causa). Ferner Vorentwurf, abgedruckt bei v. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 2, 929 („Hat Jemand in dem guten Glauben, sein eigenes Geschäft zu besorgen, ein fremdes besorgt, so haftet er dem Geschäftsherrn nur insoweit, als er aus der Geschäftsführung bereichert ist.“), 942, 945, 960 f. (die Anwendung der actio directa auf den Fall der irrtümlichen Eigengeschäftsführung sei eine „exorbitante Härte“ und „Strafe“, so dass in diesem Fall nur ein Anspruch wegen Bereicherung gegeben werde); Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 157; Mot. II, 870; OLG Hamburg NZM 2002, 872 f.; Esser/Weyers, SchuldR II/2, 24; Steffen, in: RGRK, § 687 BGB Rn. 16; Wittmann, Geschäftsführung ohne Auftrag, 63 (Verweis auf § 816 BGB und die Einreden des gutgläubigen Eigengeschäftsführers); Gehrlein, in: Bamberger/ Roth, § 687 BGB Rn. 2; Seiler, in: MünchKomm, § 687 BGB Rn. 7. 151 Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 157 f.; Mot. II, 870 (fahrlässiger, schädigender Eingriff in den Rechtskreis eines Dritten); Esser/Weyers, SchuldR II/2, 24; Steffen, in: RGRK, § 687 BGB Rn. 16; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, § 687 BGB Rn. 2; Seiler, in: MünchKomm, § 687 BGB Rn. 7. 148
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schriften zur echten Geschäftsführung ergeben würde, sehen hingegen weder das Delikts- noch das Bereicherungsrecht vor. Folglich bezweckt § 687 Abs. 1 BGB gerade, das Haftungsgefüge des BGB aufrechtzuerhalten und die Entfaltungsspielräume potentieller Schuldner nicht durch unverhältnismäßige Haftungsrisiken zu belasten152. Genau jenes Ziel verfolgt das Enumerationsprinzip, von dem Delikts- und Bereicherungsrecht in Anerkennung des Verteilungsprinzips der freiheitlichen Rechtsordnung ausgehen153. Wenn § 687 Abs. 1 BGB demnach den Zweck hat, die Grenzen jener gesetzlichen Schuldverhältnisse im Interesse einer nur ausnahmsweisen, begründungsbedürftigen Einstandspflicht zu wahren, dann kann Absatz 2 dieser Norm nicht das gegenteilige Prinzip entnommen werden154. Folglich müssen die gesetzlichen Voraussetzungen des singulären Gewinnherausgabeanspruchs beachtet werden, um Wertungswidersprüche mit dem übrigen System außervertraglicher Haftung zu vermeiden155. Und tatsächlich reflektieren die subjektiven und objektiven Anforderungen der Vorschrift wie gezeigt die abgestuften delikts- und bereicherungsrechtlichen Verpflichtungen. Die notwendige positive Kenntnis156 von der Fremdheit und der fehlenden Berechtigung, das Geschäft für sich behandeln zu dürfen, rechtfertigt die im Vergleich zu § 818 BGB wesentlich verschärfte Einstandspflicht. Neben der Böswilligkeit muss geprüft werden, ob ein objektiv „fremdes Geschäft“ als eigenes behandelt wurde, da nicht einmal die vorsätzlich sittenwidrige Schädigung eine Gewinnhaftung auslöst157. Überdies lässt der Verweis auf die §§ 682, 684 S. 1 BGB erkennen, dass der Anspruch auf Herausgabe alles Erlangten nur nach Maßgabe des gesetzlichen Tatbestands und nicht aufgrund der genannten, allgemeinen Erwägungen bejaht werden darf. So haften Geschäftsunfähige und beschränkt Geschäftsfähige überhaupt nur nach Delikts- und Bereicherungsrecht158. Ferner ist der Geschäftsherr 152
Franke, Herausgabe des Gewinns, 40 (Gewinnhaftung des Gutgläubigen sei unbillig). Oben §§ 2 B II 2, 6 E, 7 F, 8 C III 2. Entsprechend zur echten Geschäftsführung ohne Auftrag Schubert, AcP 178 (1978), 425, 431 ff. (mit Hinweis auf die Entscheidung des BGB-Gesetzgebers, die Versionsklage abzulehnen). 154 Schubert, AcP 178 (1978), 425, 437 (Bereicherungsrecht); Oppermann, AcP 193 (1993), 497, 511; Ebert, ZIP 2002, 2296, 2300. 155 An der bewusst völligen Abkopplung der Rechtsfolgen von den gesetzlichen Tatbeständen krankt die Annahme eines allgemeinen Rechtsprinzips der Gewinnhaftung nach Wendehorst, Anspruch und Ausgleich, 533, 549. 156 Siehe RGZ 100, 142, 145 (1920) (Kenntnis, also vorsätzliches Handeln); Chrestin, Unechte Geschäftsführung, 52 f.; Mueser, § 687 Abs. 2 BGB, 24 ff.; Mansel, in: Jauernig, § 687 BGB Rn. 7; Schulze, in: Hk-BGB, § 687 BGB Rn. 3; Beuthien/Wasmann, GRUR 1997, 255, 259; bedingten Vorsatz lassen genügen BAG AP § 687 BGB Nr. 4 (1970); Steffen, in: RGRK, § 687 BGB Rn. 18; Ehmann, in: Erman, § 687 BGB Rn. 5. 157 A.A. Nipperdey, FS Böhm, 163, 165 f. (der entscheidende Bewertungsmaßstab liege nicht im objektiven Tatbestand); Ebert, Geschäftsanmaßung, 110 (auch § 826 BGB verzichte wegen des strengen subjektiven Tatbestandsmerkmals auf eine offenkundige objektive Begrenzung); zur Richtigkeit des Gegenteils oben § 6 C II 2. 158 §§ 687 Abs. 2 S. 1, 682 BGB; dazu Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 139 f.; Mot. II, 860 (noch viel weniger ein Delikt als ein Rechtsgeschäft). 153
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verpflichtet, dem böswilligen Eigengeschäftsführer eine etwaige Bereicherung zu erstatten, wenn er die ihm gem. § 687 Abs. 2 S. 1 zustehenden Ansprüche geltend macht159. Die Bedeutung des Verweises auf § 684 S. 1 BGB ist zweifelhaft, weil hieraus nicht folgen kann, dass der Geschäftsherr den ihm gerade zugesprochenen Gewinn als ungerechtfertigte Bereicherung wieder zurückzuerstatten hat. Die Regelung dient auch nicht wie im Kontext der echten Geschäftsführung einem gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Parteien160, sondern wie die gesamte Regelung der Geschäftsanmaßung primär den Interessen des Geschäftsherrn, der sich keine Vorteile aus den böswilligen Aktivitäten des Geschäftsherrn aufdrängen lassen muss161. Vor diesem Hintergrund überzeugt es kaum, den Geschäftsherr als verpflichtet anzusehen, die Aufwendungen des Eigengeschäftsführers bis zur Bereicherung zu ersetzen162. Denn dem böswilligen Eigengeschäftsführer wird ein solcher Ersatzanspruch gerade nicht zugesprochen163, und bei der Berechnung des herauszugebenden Gewinns wären die hierfür aufgewendeten Kosten ohnehin anzusetzen. Richtiger erscheint es daher, vom Überschuss des Geschäftsführers diejenigen Vermögensvorteile abzuziehen, die der betroffene Geschäftsherr durch die unberechtigte Besorgung seiner Angelegenheiten „automatisch“ erlangt hat, und über die er noch verfügt164. Zwar sollen sämtliche Gewinne abgeschöpft werden; eine Doppelkompensation des Berechtigten ist dennoch zu vermeiden. Das zu verhindern, ist der Zweck des Verweises auf § 684 S. 1 BGB. Schließlich bleiben die Verfechter eines Grundsatzes der Gewinnhaftung nachvollziehbare Kriterien schuldig, aus denen sich ergibt, welche Erwerbe unberührt bleiben sollen, denn die Abschöpfung jedes Gewinns wird soweit ersichtlich von 159
§§ 687 Abs. 2. S. 2, 684 S. 1 BGB. Siehe v. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 2, 985 (es sei unbillig, dem Geschäftsherrn die Vorteile zu belassen, während der unberechtigte Geschäftsführer die Nachteile des Handelns zu tragen habe), 987 (für die Geschäftsanmaßung). 161 BGHZ 39, 186, 189 (1963); BGH v. 26.4.1990, III ZR 294/88, juris KORE506639100, Rn. 8; Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 794 f. 162 So aber Schulz, AcP 105 (1909), 1, 470; Chrestin, Unechte Geschäftsführung, 67 f.; Franke, Herausgabe des Gewinns, 53; Mueser, § 687 Abs. 2 BGB, 31; Lichtinger, Die unechte Geschäftsführung, 32; Steffen, in: RGRK, § 687 BGB Rn. 31; Seiler, in: MünchKomm, § 687 BGB Rn. 15; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1284 f.; Esser/Weyers, SchuldR II/2, 26; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 717; Medicus, Schuldrecht BT, Rn. 631; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, § 687 BGB Rn. 4; im Ergebnis auch Ebert, Geschäftsanmaßung, 270. 163 Siehe Wittmann, Geschäftsführung ohne Auftrag, 150; Martinek, in: Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 747, 793. 164 Zu denken wäre etwa an ersparte Aufwendungen des Geschäftsherrn, die bei der Berechnung des Gewinns des Geschäftsführers noch nicht berücksichtigt wurden; in diesem Sinne Larenz, SchuldR II/1, 453; Mansel, in: Jauernig, § 687 BGB Rn. 9; wohl auch Wittmann, Geschäftsführung ohne Auftrag, 150; Beuthien, in: Soergel, vor § 687 BGB Rn. 8; Ehmann, in: Erman, § 687 BGB Rn. 9 (Minderung des Anspruchs um wertsteigernde Aufwendungen). Ebenso bereits Teil I, Titel 13, §§ 249 f. ALR. Zum gemeinen Recht Windscheid/Kipp, Pandekten II, 930; v. Monroy, Vollmachtslose Ausübung, 181. Dagegen werden die Ansprüche des Geschäftsführers nicht auf die Bereicherung des Geschäftsherrn beschränkt; so aber Leonhard, Besonderes Schuldrecht, 430. 160
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niemandem vertreten165. Zudem gerät die präventionsorientierte Forderung nach einem sehr weiten Anwendungsbereich des § 687 Abs. 2 BGB166 tendenziell in Konflikt mit der noch immer gültigen Entscheidung der deutschen Rechtsordnung, vom konkreten Schaden abstrahierende, strafende Elemente vom Zivilrecht auszuschließen167. Wenn nach alldem § 687 Abs. 2 BGB kein Prinzip der Gewinnhaftung formuliert, von dem ggf. Ausnahmen anzuerkennen sind, sondern umgekehrt Ansprüche enumerativ nach Maßgabe des gesetzlichen Tatbestands generiert, bringt die Norm jedenfalls kein umfassendes Rechtsprinzip der Zuweisung von Gewinnen zum Ausdruck. Die Abschöpfung von Gewinnen setzt die Erfüllung aller Tatbestandsmerkmale des § 687 Abs. 2 BGB voraus; hiervon abgekoppelte Billigkeitsargumente genügen nicht. Dennoch wäre die Rechtsprechung zu einer Entscheidung über die Existenz der erforderlichen Anwartschaft auf den Gewinn berufen, wenn der Kreis der „fremden Geschäfte“ aus der Norm selbst („intern“) abzuleiten wäre. Daher ist im Folgenden noch auf die Quellen derartiger Zuweisungsgehalte und auf die Anforderungen einzugehen, die im Einzelnen an das objektive, die Güterzuordnung reflektierende Kriterium der „Fremdheit“ zu stellen sind.
165 Wie hier König, FS v. Caemmerer, 179, 205; Helms, Gewinnherausgabe, 489, 491 f. Siehe dagegen Ebert, Geschäftsanmaßung, 69 m.w.N. (über die Reichweite des Prinzips bestünden unterschiedliche Auffassungen). Es nimmt sich dabei nichts, ob man diesen Anwendungsbereich als den Bereich, der „geschützten geschäftlichen Chancen“ (so Isele, FS Cohn, 75, 78), des „rechtswidrig qualifizierbare[n] vorwerfbare[n] Verhalten[s]“ (so Picker, AcP 183 (1983), 369, 510), der „rechtswidrigen Aneignung eines fremden Geschäfts“ (so Fleck, ZIP 1991, 1269, 1273) (Hervorh. jeweils v. Verf.) oder der „im Vergleich zu Dritten hervorgehobenen Beziehung zum Eingriffserwerb“ (Ebert, Geschäftsanmaßung, 77) bezeichnet. Kaum handhabbar auch die Kriterien bei Wendehorst, Anspruch und Ausgleich, 593 (erforderlich sei die Berücksichtigung des Primäranspruchs (z.B. Schadensersatzanspruch), eines Restschadens beim Verletzten und aller im Einzelfall maßgeblichen Wertungen). Zu pauschal auch Köndgen, RabelsZ 64 (2000), 661, 679 ff. (Unterscheidung zwischen vorsätzlichen und fahrlässigen Handlungen). Es ist aus der Sicht der ökonomischen Analyse alles andere als klar, ob die Abschöpfung eines unter Verstoß gegen die Spielregeln erzielten Gewinns zwangsläufig die effiziente Ressourcennutzung fördert (so aber Köndgen, a.a.O., 694). §§ 10 UWG, 34 GWB verfolgen für die Gewinnherausgabe gerade keinen individualbezogenen Ansatz. 166 Insbesondere Ebert, Geschäftsanmaßung, 122 f. (Gewinnherausgabe bei Gesundheitsgefährdung durch den eiligen Geschäftsmann); Wendehorst, Anspruch und Ausgleich, 588 (Gewinnherausgabe bei Verletzung von Ausschließlichkeitsabreden auf der Grundlage des Statik- und Präventionsprinzips). 167 Das beweist auch die notwendige Abgrenzung und Rechtfertigung gegenüber strafrechtlichen Sanktionen; siehe Ebert, Geschäftsanmaßung, 72 ff. Verfehlt ist die Aussage (a.a.O., 396), das Strafrecht sehe nur Mindestsanktionen vor, über die das Privatrecht hinausgehe. Siehe zur Straffunktion des zivilen Schadensersatzrechts Mot. II, 17 f.; BGHZ 118, 312, 344 (1992); BVerfGE 108, 238, 248 f. (2003).
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II. Interne oder externe Ausfüllung des Merkmals „fremdes Geschäft“ Würde § 687 Abs. 2 BGB seinen Anwendungsbereich selbst bestimmen, würde die Norm auch auf dem Boden des Enumerationsprinzips eine vollständige Rechtsgrundlage für die Anerkennung von Gewinnzuweisungen enthalten. Vollzöge die Vorschrift hingegen wie die Eingriffskondiktion nur externe Wertungen nach, käme ihr selbst diese punktuelle Delegationsfunktion nicht zu. Soweit ersichtlich vertritt nur Ebert168 die Auffassung, die Ertragszuweisung ergebe sich unmittelbar aus § 687 Abs. 2 BGB. Er beruft sich hierfür auf Kleinheyer, der einen entsprechenden „internen“ Lösungsansatz für die Eingriffskondiktion propagiert hatte169. Mit den herkömmlichen Auslegungsmethoden kritisierbare Argumente sucht man in Eberts Studie freilich vergeblich. Stattdessen trifft man auf Behauptungen wie die, man werde der „Eigenart dieses Anspruchs nicht gerecht, wenn man ihn aus dem Kontext der geschäftsführungsrechtlichen Haftung herauslöst“170. Die Suche nach einem „positiven Grund für die Umverteilung“ führe zu einer ungerechtfertigten Einengung des Tatbestands; die Abschöpfung der Gewinne sei vielmehr auch dann geboten, wenn der Verletzer sich Handlungsformen bediene, die dem „Verletzten selbst von Rechts wegen nicht zur Verfügung“ stünden171. Abgesehen davon, dass derartige Appelle an den Leser nur rhetorisch, nicht aber sachlich zu überzeugen versuchen, finden sie keinen Rückhalt in der gesetzlichen Regelung172. Zwar ergeben sich die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der echten Geschäftsführung ohne Auftrag nach herrschender Meinung tatsächlich aus den §§ 677–686 BGB, die den privatrechtlichen Ausgleich zwischen Selbstbestimmung des Geschäftsherrn und Förderung fremdnütziger Aktivitäten erschöpfend „intern“ regeln173. Aber bereits das abweichende Verständnis der echten Geschäftsführung als Instrument zur objektiven Zuordnung von Kosten und Risiken war gezwungen, auf externe Wertungen insbesondere des öffentlichen Rechts zu rekurrieren174. Ohnehin verbieten sich wegen der formalen und teleologischen Unterschiede beider Materien zwingende Schlüsse von den §§ 677–686 BGB auf die unechte Geschäftsführung175. 168 169 170 171 172
Ebert, Geschäftsanmaßung, 119 ff. Dazu oben § 8 D I. Ebert, Geschäftsanmaßung, 120. Ebert, Geschäftsanmaßung, 121. Aus methodischer Sicht allgemein oben § 2 C II; kritisch auch Helms, Gewinnherausgabe,
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Siehe Schulze, in: Hk-BGB, § 677 BGB Rn. 12. Siehe Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, 55 (maßgeblich seien die allgemeinen Wertungen der Rechtsordnung); Schubert, AcP 178 (1978), 425, 429 (Vorrang öffentlich-rechtlicher Regelungen); Oppermann, AcP 193 (1993), 497, 499; Esser/Weyers, SchuldR II/2, 11 (die Kostenzuordnung sei bereits vom Familienrecht, der Eigentumsordnung usw. vorweggenommen); Seiler, in: MünchKomm, § 677 BGB Rn. 24; Ehmann, in: Erman, § 677 BGB Rn. 3 (die Bestimmung des fremden Rechtskreises richte sich nach der objektiven Rechtsordnung); zum gemeinen Recht v. Monroy, Vollmachtslose Ausübung, 67, 90 ff. 175 Oben B I. 174
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Im Übrigen wurde bereits erläutert, dass und warum sich § 687 Abs. 1 BGB auf einen klarstellenden Verweis auf anderweitige Haftungsgrundlagen beschränkt. Die Regelung der Geschäftsanmaßung in Absatz 2 enthält zwar eine eigenständige und singuläre Rechtsfolgenanordnung, wahrt aber wie gezeigt das Enumerationsprinzip des Delikts- und Bereicherungsrechts. Schon deshalb kann sie nicht auf der Basis von Billigkeitsappellen eine Gewinnherausgabepflicht in Bereichen etablieren, die nicht aufgrund sonstiger Regelungen dem Geschäftsherrn vorbehalten sind. Wenn die unmittelbar güterzuordnungsrelevanten Regelungen des Delikts- und Bereicherungsrechts (das „sonstige Recht“ gem. § 823 Abs. 1 BGB und die Eingriffskondiktion) nur Blankettnormen zur Verwirklichung vorausgesetzter Rechte bzw. gesetzlicher Wertzuweisungen darstellen176, kann für § 687 Abs. 2 BGB ohne Systembruch nichts anderes gelten. Der objektive Tatbestand der Geschäftsanmaßung liefert keine greifbaren, Zirkelschlüsse vermeidenden Anhaltspunkte dafür, unter welchen Voraussetzungen ein bestimmtes Geschäft „fremd“ und „unberechtigt“ ist. Aus diesen Merkmalen lässt sich zunächst folgern, dass rechtliche Maßstäbe anzulegen sind, während rein faktische Erwägungen177 und rechtspolitische Postulate einer „angemessenen“ Lösung178 die weitreichende Haftung des Geschäftsführers nicht zu rechtfertigen vermögen. Damit verweigert sich § 687 Abs. 2 BGB einer Auslegung, die sich primär an derartigen, in die Vorschrift hineingelegten Erwägungen rechtspolitischer Natur orientiert. Im Übrigen verweist sie den Rechtsanwender auf sonstige Wertungen der Rechtsordnung; diese Lücke muss letztlich sogar Ebert konzedieren, der trotz seiner abweichenden Ausgangsposition gezwungen ist, die Frage der Berechtigung zur Geschäftsbesorgung anhand normexterner Aussagen der Rechtsordnung zu beantworten179. Für die Subsumtion unter das Merkmal des „fremden Geschäfts“ kann nichts anderes gelten, schon weil die Fremdheit als objektiver Umstand gedanklich feststehen muss, bevor der Geschäftsführer 176
Oben §§ 6 B III, V, 8 D I. In Bezug auf die echte bzw. unechte GoA die Relevanz bloßer Fakten und Interessen ebenfalls ablehnend v. Monroy, Vollmachtslose Ausübung, 59; Lichtinger, Die unechte Geschäftsführung, 17 f.; Janßen, Unechte Geschäftsführung, 24 ff. (allein das objektive Recht biete eine genügende Grundlage für die Begriffsbestimmung des fremden Geschäfts); anders Nipperdey, in: Staudinger11, § 687 BGB Rn. 6 (rechtliche und wirtschaftliche Argumente); ders., FS Böhm, 163, 174; Isele, FS Cohn, 75, 79 („soziologische“ Aspekte); v. Bargen, Unechte Geschäftsführung, 25 („praktisch-wirtschaftliche“ Bedeutung des Warenzeichens); Freese, Unechte Geschäftsführung, 13 (fremd sei ein Geschäft, wenn das beherrschende Interesse ein fremdes sei). 178 So aber etwa Gounalakis, AfP 1998, 10, 19 (Persönlichkeitsrecht); Ehmann, in: Erman, § 687 BGB Rn. 19; die Zweckmäßigkeit möchte allgemein berücksichtigen Ebert, Geschäftsanmaßung, 72. 179 Siehe Ebert, Geschäftsanmaßung, 364 ff. Das gilt zumindest für die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Handlung, die Ebert in das Tatbestandsmerkmal des „fremden“ Geschäfts integriert (siehe a.a.O., 392, für das Recht am Gewerbebetrieb, 402, für den Schutzzweck des Wettbewerbsrechts). Widersprüchlich dann in Bezug auf Verstöße gegen das UWG; insoweit verleihe „nicht die Vorteilsabschöpfung einer ungeschützten Position immaterialgüterrechtsähnlichen Schutz, sondern sie setzt eine mit immaterialgüterrechtsähnlichem Schutz ausgestattete Position voraus.“ (a.a.O., 406). 177
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das Geschäft als eigenes behandelt180. Ob die konkret betroffene Erwerbsmöglichkeit dem Geschäftsherrn in diesem objektiv-abstrakten Sinne rechtlich zugewiesen ist, lässt sich allein durch Anwendung des § 687 Abs. 2 BGB nicht klären181. Schließlich war man auch bei der Beratung des Gesetzes der Auffassung, die Regelung der angemaßten Eigengeschäftsführung vermöge aus sich heraus keine Geschäfte zu „fremden“ zu stempeln, sondern knüpfe an Verstöße gegen die exklusive Zuordnung von Gewinnen an. Klassischer Fall war erneut die unerlaubte Nutzung von Sachen, die im Eigentum des Geschäftsherrn stehen. Welche Geschäfte dem Eigentümer vorbehalten sind, ergibt sich aus den §§ 903 ff. BGB, nicht jedoch aus der Geschäftsführung ohne Auftrag182. Festzuhalten ist, dass die Entscheidung darüber, ob ein Geschäft „fremd“ und folglich bei wissentlichen Eingriffen in diesen Bereich der erzielte Gewinn herauszugeben ist, nicht auf der Basis des § 687 Abs. 2 BGB getroffen werden kann. Damit kommt der Norm ebenso wenig wie § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB ein eigenständiger, güterzuordnender Gehalt zu. Stets ist aufgrund normexterner Aussagen der Rechtsordnung zu klären, ob der streitige Gewinn dem Gläubiger positiv-exklusiv zusteht183.
III. Bedeutung des Tatbestandsmerkmals „fremdes Geschäft“ Fraglich ist daher nur noch, welche abstrakten Voraussetzungen an eine solch externe Gewinnzuweisung zu stellen sind. Würde bereits ein deliktsrechtlicher Schutz bestimmter Vermögensinteressen genügen, um dem Verletzten einen Gewinnherausgabeanspruch zu gewähren, könnte die Rechtsprechung den güterzuordnenden Effekt des § 687 Abs. 2 BGB doch wieder auf alle eingangs genannten Beispiele erstrecken und die Regelung der Geschäftsanmaßung an der Dynamik 180 BGH NJW 1988, 3018 f.; Janßen, Unechte Geschäftsführung, 28; Chrestin, Unechte Geschäftsführung, 34 f. (Eingriff in eine schon bestehende Rechtsposition des Geschäftsherrn); Lichtinger, Die unechte Geschäftsführung, 17 f.; Ebert, Geschäftsanmaßung, 53. 181 Bei Immaterialgütern und daran bestehenden Rechten zeigt sich das ganz deutlich: Um ein Immaterialgut zu nutzen, muss in aller Regel auf Sachen zurückgegriffen werden, die im Eigentum des Handelnden stehen (Papier, Computer, Drucker usw.). Bei der dem Rechtsinhaber vorbehaltenen Vervielfältigung könnte man daher sagen, dass der Handelnde ein eigenes Geschäft führt, denn er benutzt ja eigene Sachen. Dass diese Erwerbsmöglichkeit dennoch einem anderen vorbehalten ist, ergibt sich nur aus der rechtlichen Zuordnung dieser Nutzungshandlungen durch die Immaterialgüterrechtsgesetze. 182 Siehe Prot. II 2, 743 („Man könne allerdings nicht ein Geschäft, welches niemals dasjenige des Geschäftsherrn gewesen sei, durch das Gesetz zu einem solchen stempeln. Wenn also z.B. Jemand eine fremde Sache in eigenem Namen an einen Dritten verkaufe, so könne der Eigenthümer der Sache aus dem Kaufvertrage keine Rechte gegen den Käufer erwerben, falls ihm solche nicht abgetreten werden. Wohl aber sei es möglich, die Folgen des Geschäfts von dem Geschäftsführer auf den Geschäftsherrn zu übertragen und diesem, wenn er den Kaufvertrag genehmige, einen Anspruch auf den Kaufpreis gegen den Geschäftsführer zu geben.“). 183 Für die Grenzen der Immaterialgüterrechte Bertrams, § 687 II BGB, 73 (nur soweit die Rechte reichen, sei von der Führung fremder Geschäfte zu reden); allgemein Amrein, Gewinnherausgabe, 7 (zu Art. 423 OR).
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
des Deliktsrechts teilhaben lassen. In diesem Fall wäre § 687 Abs. 2 BGB trotz normexterner Ausfüllung des Merkmals der Fremdheit ein möglicher Baustein richterlicher Zuordnungsentscheidungen, denn wie in den §§ 6 und 7 gezeigt, können deliktsrechtliche Rechtskreise durchaus im Wege der Anwendung von Generalklauseln und durch Rechtsfortbildung flexibel ausgebildet und erweitert werden. 1. Gesetzliche Zuweisung von Gewinnen Während § 687 Abs. 2 BGB nicht klärt, ob im konkreten Einzelfall ein „fremdes“ Geschäft wissentlich unberechtigt als eigenes behandelt wurde, ergeben sich aus der Norm immerhin die allgemeinen Anforderungen für eine Subsumtion unter das Tatbestandsmerkmal184. Die ganz herrschende Meinung agiert insoweit mit dem Begriff des objektiv fremden Geschäfts, wie er für die echte Geschäftsführung ohne Auftrag entwickelt wurde185. Allerdings ist weitgehend unklar, was ein solches Geschäft auszeichnet186. Während vereinzelt auf die Verkehrsanschauung abgestellt wird187, erklären andere Schriftsteller in neuerlicher Anlehnung an das Deliktsrecht188 für maßgeblich, ob die betreffende Tätigkeit zum rechtlich anerkannten Wirtschafts- oder Interessenkreis eines Dritten zählt189, so dass der Berechtigte jedenfalls Unterlassung verlangen kann190.
184 Wittmann, in: Staudinger1995, vor §§ 677 ff. BGB Rn. 14 (den Tatbestand der „böswilligen“ Eigengeschäftsführung bestimme § 687 Abs. 2 BGB selbst); Köndgen, RabelsZ 64 (2000), 661, 666 (§ 687 Abs. 2 BGB sei keine reine Rechtsfolgenverweisung). Ebenso zur Eingriffskondiktion oben § 8 D II. 185 Siehe OLG Saarbrücken NJW 1960, 2339; Freese, Unechte Geschäftsführung, 7; Isele, Geschäftsbesorgung, 161; ders., FS Cohn, 75, 76 (Wirtschafts- und Interessenbereich eines anderen); Rosenkranz, Gewinnherausgabeanspruch, 67; Janßen, Unechte Geschäftsführung, 15 ff.; Fehrenbacher, in: Prütting/Wegen/Weinreich, § 687 BGB Rn. 4; Nipperdey, in: Staudinger11, § 687 BGB Rn. 6; Wittmann, Geschäftsführung ohne Auftrag, 151; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1283; Steffen, in: RGRK, § 687 BGB Rn. 3 (auch auch-fremde Geschäfte); Seiler, in: MünchKomm, § 687 BGB Rn. 8; Mansel, in: Jauernig, § 687 BGB Rn. 6; Schulze, in: Hk-BGB, § 687 BGB Rn. 3; Schwarz/Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 96; Ehmann, in: Erman, § 687 BGB Rn. 4 (fremder Rechtskreis); Beuthien/Wasmann, GRUR 1997, 255, 258; mit Ausnahme der auch-fremden Geschäfte Sprau, in: Palandt, § 687 BGB Rn. 2. Rückschlüsse von § 687 Abs. 2 BGB auf die echte GoA ziehen Windscheid/Kipp, Pandekten II, 914 (da § 687 BGB ohne den Begriff des objektiv fremden Geschäfts nicht zur Anwendung gebracht werden könne, müsse er auch für die echte Geschäftsführung ohne Auftrag weiterhin relevant sein); Niewarra, Der Begriff des fremden Geschäfts, 1 f., 109. Trotz Betonung des unterschiedlichen Wortlauts und Zwecks von echter und unechter GoA auch Flügge, Der Anspruch des Arbeitgebers, 67 ff. 186 Für „unmöglich“ hält eine Definition des „fremden“ Geschäfts gar Chrestin, Unechte Geschäftsführung, 50, was ihn nicht daran hindert, ebenda eine Definition aufzustellen, die objektiv fremde und „verfremdete“ Geschäfte umfasst. 187 Freese, Unechte Geschäftsführung, 13; kritisch zur Orientierung an der Verkehrsanschauung Janßen, Unechte Geschäftsführung, 24 ff. 188 Oben C I. 189 Nachweise oben Fn. 113. 190 V. Bargen, Unechte Geschäftsführung, 11.
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Die Rechtsprechung hingegen prüft in auffälliger Parallele zur Eingriffskondiktion, ob ein zum ausschließlichen Rechtskreis eines anderen gehörendes, gegenständlich fremdes Geschäft als eigenes behandelt wird191. § 687 Abs. 2 BGB betreffe einen „Fall der rechtswidrigen und vorsätzlichen Verletzung fremder Rechte“192. Ein aus der Dogmatik der echten Geschäftsführung bekanntes, „auch-fremdes“ Geschäft, das den Geschäftsherrn nur mittelbar in seinen Vermögensinteressen berührt, genüge dafür grundsätzlich nicht193. Freilich beschränken die Gerichte den Gewinnherausgabeanspruch nicht auf die wissentliche Verletzung normierter Ausschließlichkeitsrechte, sondern gewähren diesen auch bei Verstößen gegen sonstige gesetzliche Regelungen, aus denen sich die exklusive Berechtigung des Geschäftsherrn zur Vornahme der profitablen Tätigkeit ergibt194. Vor dem Hintergrund der bisherigen Ergebnisse vermag nur die letztgenannte, restriktive Auffassung zu überzeugen. Wenn die ganz überwiegende Literatur stattdessen an die Voraussetzungen des „objektiv fremden Geschäfts“ im Sinne der echten Geschäftsführung ohne Auftrag anknüpft und damit § 687 Abs. 2 BGB für alle Tätigkeiten in Betracht zieht, die aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes den Rechtskreis eines anderen betreffen, verkennt sie die Unterschiede zwischen echter und unechter Geschäftsführung und die spezielle Bedeutung des „objektiv fremden Geschäfts“ im Kontext des § 677 1. Hs. BGB. Al191 Siehe RGZ 100, 142, 145 (1920); BGH NJW 1964, 151; BGH NJW 1964, 1853; OLG Celle OLGE 18, 29, 30 (1908) (Rechtssphäre eines anderen); OLG Hamburg OLGE 22, 328 f. (1910); OLG Karlsruhe v. 5.5.2000, 17 U 143/99, juris KORE425122001, Rn. 45 (Eingriff in eine gegenüber jedermann geschützte, einem Immaterialgüterrecht vergleichbare Position); Ebert, Geschäftsanmaßung, 86 f. (ohne konsequente Durchführung des Gedankens); Bergmann, in: Staudinger, § 687 BGB Rn. 17 ff. (Zuweisungsgehalt, der bei jeder deliktisch geschützten Rechtsposition gegeben sei, die rechtlich anerkannt verwertet werden kann). Die Notwendigkeit einer ausschließlichen Zuordnung an einen Berechtigten zeigt die Rechtsprechung des BGH zu Internet-Domains plastisch. Insoweit geht der BGH davon aus, dass Internet-Domains nicht von vornherein einem Kennzeichenberechtigten zustehen, sondern grundsätzlich nach dem Prioritätsprinzip verteilt werden. Dieses Verteilungsprinzip wird von § 687 Abs. 2 BGB vorgefunden und nur nachvollzogen; siehe BGHZ 149, 191, 205 (2001); Pahlow, WRP 2002, 1228, 1236 (der alleinigen Verwertungsbefugnis komme entscheidende Bedeutung zu); a.A. Nipperdey, FS Böhm, 163, 166 (die Norm diene nicht dem Schutz bestimmter Rechtsgüter, sondern allgemein dem Interesse des Geschäftsherrn an der Vermeidung vorsätzlich-unberechtigter Einmischungen). 192 BGHZ 119, 257, 259 (1992); OLG Celle OLGE 18, 29, 30 (1908) (vornehmlich absolute Rechte); Janßen, Unechte Geschäftsführung, 25 ff.; Klien, Das Recht auf den Eingriffserwerb, 23; Melullis, Geschäftsführung ohne Auftrag, 140; Mertens, JuS 1962, 261, 268; Seiler, in: MünchKomm, § 687 BGB Rn. 8; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, § 687 BGB Rn. 3; Ehmann, in: Erman, § 687 BGB Rn. 3; Giesen, Jura 1996, 344, 347. 193 BGH NJW 2000, 72, 73 (kein Aufwendungsersatzanspruch des Erbensuchers); bestätigt von BGH NJW-RR 2006, 656; in diesem Sinne bereits BGH NJW 1990, 52, 53 (insoweit nicht in BGHZ 107, 117 (1989) abgedruckt) – Forschungskosten; Seiler, in: MünchKomm, § 687 BGB Rn. 18; a.A. Nipperdey, in: Staudinger11, § 687 BGB Rn. 6; Beuthien/Wasmann, GRUR 1997, 255, 258. 194 Siehe OLG Saarbrücken NJW 1960, 2339, 2340 (ausdrückliche gesetzliche Anordnung); ferner oben B III.
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lein der Umstand, dass bei § 687 Abs. 2 BGB ein objektives Tatbestandsmerkmal zu beurteilen ist, darf nämlich nicht zum sprachlich naheliegenden Kurzschluss führen, damit sei dann wohl die allseits bekannte Figur des „objektiv fremden Geschäfts“ gemeint195. Denn jene ist ein Topos im Rahmen der Prüfung des subjektiven Fremdgeschäftsführungswillens, der bei der unechten Geschäftsführung doch gerade fehlt196. Zudem wird der Begriff der Fremdheit nur in § 687 BGB verwendet197. Damit bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass die Regelung zur Geschäftsanmaßung nicht alle denkbaren Geschäfte, sondern eben nur fremde betrifft198. Hat sich die Auslegung des Merkmals der Fremdheit demnach an Kategorien der unechten Geschäftsführung zu orientieren, gilt es insoweit das Prinzip enumerativer, also begrenzter Haftung auf Gewinnherausgabe zur Geltung zu bringen199. Das subjektive Erfordernis wissentlich unberechtigter Handlung stellt die Einhaltung dieses Grundsatzes gerade im Vergleich zum Deliktsrecht nicht sicher, denn selbst absichtlich begangene unerlaubte Handlungen lösen keine Pflicht zur Erstattung alles Erlangten aus200. Wenn aber das Schadensersatzrecht eine solch weitgehende Haftung versagt, darf diese bewusste Beschränkung nicht dadurch unterlaufen werden, dass jede rechtswidrige Handlung zugleich die Be-
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Prot. II 2, 742 formuliert: „… wo objektiv eine Führung fremder Geschäfte vorliege“ und eben nicht „… wo eine Führung objektiv fremder Geschäfte vorliege“; übersehen wird das z.B. von Rosenkranz, Gewinnherausgabeanspruch, 67. 196 Oben B und Gursky, AcP 185 (1985), 13, 17–19; Ebert, Geschäftsanmaßung, 50 ff.; ohne Konsequenzen auch Erlanger, Gewinnabschöpfung, 115. Den Begriff des fremden Geschäfts gar auf die vertraglichen Geschäftsführungen erweiternd Lent, Auftragslose Geschäftsführung, 107. 197 Oben B I und Bergmann, in: Staudinger, § 687 BGB Rn. 16 (autonome Auslegung); Wittmann, Geschäftsführung ohne Auftrag, 63 (man dürfe die Fremdheit des Geschäfts nicht aus § 687 BGB in den § 677 BGB hineintragen). Unverständlich die Aussage von Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag, 53, aus dem Wortlaut der §§ 677 ff. BGB sei „wenig mehr zu entnehmen, als daß es entscheidend auf den Begriff der Fremdheit des Geschäfts“ ankomme. In den §§ 677–686 wird das Wort „fremd“ gar nicht verwendet. Wenig aufschlussreich ist die Entstehungsgeschichte zum Begriff des fremden Geschäfts bei der echten Geschäftsführung ohne Auftrag. Die 1. Kommission lehnte die Formulierungen „wissentlich fremde Vermögensrechte ausübt“, „fremdes Vermögen“ und „fremdes Recht“ ab und entschied sich für das „Besorgen eines fremden Geschäfts“, obwohl diese Ausdrucksweise „nicht ganz korrekt sein möge“; siehe Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 155 ff. 198 Janßen, Unechte Geschäftsführung, 21 ff.; Reichard, AcP 193 (1993), 567, 600 f.; Klien, Recht auf den Eingriffserwerb, 18 (der dennoch die Diskussion um das „objektiv fremde Geschäft“ bei der echten Geschäftsführung ohne Auftrag aufgreift); Mueser, § 687 Abs. 2 BGB, 6; anders Wittmann, in: Staudinger1995, § 687 BGB Rn. 1 (nur bei § 687 BGB stelle sich die Frage nach einem Eingriff in ein fremdes Recht). Nicht nachvollziehbar die Argumentation von Erlanger, Gewinnabschöpfung, 113 (mit dem Begriff „fremd“ werde ein begrifflicher Bezug zum Eigentum hergestellt; da es sich beim Persönlichkeitsrecht aber nicht um ein eigentumsähnliches Recht handele, sei dieser Umstand für die Anwendung des § 687 BGB auf das Persönlichkeitsrecht jedoch ohne Bedeutung). 199 Dazu oben D I. 200 Oben C I.
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sorgung eines „fremden Geschäfts“ markiert201. Die tragenden Gesichtspunkte der Gewinnhaftung ergeben sich vielmehr aus der Bedeutung der betroffenen Rechtsposition und der Wissentlichkeit des Eingriffs202. Mithin führt das deliktsrechtliche Verständnis der Fremdheit des Geschäfts zu Wertungswidersprüchen im System der gesetzlichen Schuldverhältnisse unter Aushöhlung des Enumerationsprinzips. Es ist daher ebenfalls zu verwerfen. Dass § 687 Abs. 2 BGB stattdessen exklusive Befugnisse zur Vornahme bestimmter Tätigkeiten verwirklicht, folgt bereits aus dem Wortlaut, der auf fremde bzw. eigene Geschäfte und damit Kategorien des Mein und Dein verweist. Diese Formulierung signalisiert nicht nur die allgemeine Güterzuordnungsrelevanz der Vorschrift203, sondern bestätigt zudem die von der Rechtsprechung erhobene Forderung, der streitige Vermögensvorteil müsse gerade dem Geschäftsherrn zukommen. Denn soweit das BGB das Wort „fremd“ auf Güter und nicht auf Privatrechtssubjekte bezieht, ist damit entweder ein subjektives Recht oder zumindest eine durch rechtliche Regeln (Besitzschutz, Erbrecht) konstituierte Vorzugsstellung gemeint204. Folglich muss das Geschäft i.S.d. § 687 Abs. 2 BGB ebenfalls dem Gläubiger „gehören“. Der nicht auf fremde „Rechte“ beschränkte Wortlaut erlaubt dabei die Subsumtion anderweitig normierter Ausschließlichkeitsrechte sowie sonstiger, gesetzlich fundierter Rechtspositionen, soweit sich aus ihnen die Reservierung bestimmter Erwerbsmöglichkeiten für den Geschäftsherrn ableiten lässt205. Für diese Auffassung spricht schließlich der Zweck der Norm, wie er sich aus den Erwägungen der 2. Kommission ergibt, die sich anders als die 1. Kommission für den Gewinnherausgabeanspruch bei angemaßter Eigengeschäftsführung ent201
Für die Wahrung des Haftungsgefüges Wittmann, in: Staudinger1995, § 687 BGB Rn. 7 (keine Haftung für Vertragsverletzungen nach Deliktsrecht); Seiler, in: MünchKomm, § 687 BGB Rn. 24 (mit Hinweis auf die sonst überflüssige Voraussetzung der Sittenwidrigkeit gem. § 826 BGB); letztlich auch Wenckstern, AcP 200 (2000), 240, 264 mit Fn. 98 (Haftung aus Geschäftsanmaßung bei Eingriff in Forderungen nur bei vorsätzlich sittenwidrigem Verhalten); vernachlässigt von Roth, FS Niederländer, 363, 379 (§ 687 Abs. 2 BGB als Gegenstück zu § 826 BGB). 202 Wilburg, AcP 163 (1963), 346, 357; anders Nipperdey, FS Böhm, 163, 165 f.; Beuthien, in: Soergel, vor § 687 BGB Rn. 4; Ebert, Geschäftsanmaßung, 71 (im Bereich des bewusst-rechtswidrigen Handelns seien Bedenken gegen die Gewinnhaftung nicht ersichtlich). 203 Oben B III. 204 Der Begriff „fremd“ wird im BGB in folgenden Zusammenhängen benutzt: – in Bezug auf andere Personen (§§ 164 Abs. 2, 701 Abs. 1); – in Bezug auf den Besitz eines anderen (§ 810: fremder Besitz); – in Bezug auf die „im Eigentum eines anderen stehende Sache“: §§ 95 Abs. 1, 889, 901 (Recht an einem fremden Grundstück), 954 (Recht an einer fremden Sache), 228 (fremde Sache), 837, 962 S. 1 (fremdes Grundstück), 962 S. 2, 964 S. 1 (fremde Bienenwohnung); – in Bezug auf das einem anderen zustehende dingliche Recht: §§ 1179a (Löschungsanspruch bei fremden Rechten, nämlich anderen Hypotheken), 1197 (Fremdgrundschuld); – in Bezug auf die einem anderen zustehende Forderung: §§ 1239 Abs. 2 S. 2 (fremde Schuld), 1822 Nr. 10 (fremde Verbindlichkeit); – in Bezug auf die Erbschaft einer anderen Person: §§ 2169, 1922 (Vermächtnis fremder Erbschaftsgegenstände). 205 Ebenso zur Eingriffskondiktion oben § 8 D II 3 b cc; im Ansatz auch Helms, Gewinnherausgabe, 157 f. (Eingriff in eine Gewinnerzielungsbefugnis).
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schied206. In der Literatur wird der Telos des § 687 Abs. 2 BGB hingegen häufig unter Anknüpfung an die ursprüngliche dogmatische Auffassung etwa des Vorentwurfs beschrieben, wonach echte Geschäftsführung und Geschäftsanmaßung einerseits von der irrtümlichen Eigengeschäftsführung andererseits unterschieden wurden207. § 687 Abs. 2 BGB soll in dieser Lesart verhindern, dass der vorsätzlich handelnde Eigengeschäftsführer besser steht als der Fremdgeschäftsführer208. Vor Augen hat man dabei wohl den Fall, dass sich der Handelnde ganz gezielt auf seine Unredlichkeit beruft, um dem sonst drohenden Anspruch auf Herausgabe alles Erlangten gem. §§ 681 S. 2, 667 BGB zu entgehen209. Freilich muss dafür zunächst einmal der Tatbestand der echten Geschäftsführung ohne Auftrag gem. § 677 1. Hs. BGB gegeben sein, denn sonst bleibt es bei einer etwaigen delikts- oder bereicherungsrechtlichen Haftung210. Der Handelnde müsste also ursprünglich im Bewusstsein und mit dem Willen agiert haben, im Interesse des Geschäftsherrn tätig zu sein. Konstruieren lässt sich der Sachverhalt, dass jemand erkennbar für einen anderen eine Antiquität zu einem sehr günstigen Preis kauft. Nachdem er erfahren hat, dass der betreffende Gegenstand einen viel höheren Wert hat als bezahlt, möchte er die Antiquität nun doch für sich behalten. Eigentlich wäre der Geschäftsführer wegen des nachweisbar subjektiv fremden Geschäfts gem. §§ 681 S. 2, 667 BGB verpflichtet, die Antiquität an den Geschäftsherrn abzuliefern. Da er seinerseits nur die Erstattung des gezahlten Kaufpreises verlangen könnte (§ 683 S. 1 BGB), würde der überschießende Wert an den Geschäftsherrn fallen. Wäre der böswillige Eigengeschäftsführer nicht zur Herausgabe alles Erlangten verpflichtet, könnte sich der Handelnde der Ablieferungspflicht entziehen, indem er sich darauf beruft, er habe das Geschäft von Anfang an allein für sich abschließen und lediglich den guten Ruf des Geschäftsherrn ausnutzen wollen. Unter Berufung hierauf könnte er die Antiquität und damit den Gewinn des Geschäfts behalten211 – denn das Geschäft eines anderen vermag niemand durch einseitige Erklärung an sich zu ziehen212. 206
Prot. II 2, 742 f.; abgedruckt auch bei Wenckstern, AcP 200 (2000), 240, 247 f. Oben B I. 208 Steffen, in: RGRK, § 687 BGB Rn. 21; Seiler, in: MünchKomm, § 687 BGB Rn. 3; Beuthien, in: Soergel, vor § 687 BGB Rn. 4; Reichard, AcP 193 (1993), 567, 598; Krumm, Widerrechtliche Inanspruchnahme, 145 (mit einer von der hier und der herrschenden Meinung abweichenden dogmatischen Einordnung des § 687 Abs. 2 BGB). Aus der Sicht des österreichischen Rechts, das keinen dem § 687 Abs. 2 BGB vergleichbaren Tatbestand kennt, Meissel, Geschäftsführung ohne Auftrag, 57 m.w.N. 209 Siehe Wilburg, Ungerechtfertigte Bereicherung, 25; Ebert, Geschäftsanmaßung, 175 m.w.N. 210 Nicht gemeint sein kann daher der Fall, dass der Dieb die fremde Sache eigentlich im Namen des Eigentümers (Geschäftsherrn) verkauft, um dann anschließend zu behaupten, doch im eigenen Namen gehandelt zu haben. Diese Konstellation ist nicht nur völlig lebensfremd, sondern löst auch den während der Beratungen befürchteten Konflikt nicht aus. Denn naturgemäß fehlt dem Dieb der Fremdgeschäftsführungswille, auch wenn er die Sache im Namen des Eigentümers verkauft. Daher kam nach dem E I in diesem Fall von vornherein nur die Deliktshaftung in Frage. 211 So auch die Konstruktion bei Franke, Herausgabe des Gewinns, 55 f. 212 Das wäre eine Vertragsübernahme, die allseitige Zustimmung voraussetzt; Ebert, Geschäftsanmaßung, 95 f. 207
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Zwar mag man das rechtspolitische Bedürfnis anerkennen, solch treuwidriges Verhalten des Fremdgeschäftsführers zu verhindern. Indes scheint diese Konstellation doch sehr weit hergeholt. Sie hat die Gerichte soweit ersichtlich noch nicht beschäftigt und könnte bei umfassender Beweiswürdigung unter Berücksichtigung des § 242 BGB (venire contra factum proprium) auch ohne § 687 Abs. 2 BGB befriedigend gelöst werden. Es erscheint daher kaum überzeugend, die Gewinnhaftung auf den eher hypothetischen Fall des treulosen Fremdgeschäftsführers zu reduzieren. Ein solcher Ansatz reflektiert überdies nicht die Rechtspraxis, die in Übereinstimmung mit dem Wortlaut der Norm seit jeher „originäre“ Eigengeschäftsführungen wider besseres Wissen unter die Norm subsumiert hat. Dass und vor allen Dingen warum das Gesetz auch den von Anfang an böswilligen Eigengeschäftsführer ins Visier nimmt, lässt sich den einschlägigen Ausführungen der Protokolle der 2. Kommission durchaus entnehmen213. Als Anwendungsfall wird dort nämlich der Verkauf fremder Sachen und damit das Paradigma des Eingriffs in die Befugnisse des Eigentümers als des Herrn über die mit einer Sache erzielbaren Gewinne genannt214. Dagegen könne ein Lottogewinn, der mit einem aus fremdem Geld erworbenen Los erzielt wurde, nicht herausverlangt werden215. Erläutert wird diese Unterscheidung mit dem Gedanken, ein Geschäft, das niemals dasjenige des Geschäftsherrn gewesen sei, könne nicht nachträglich zu einem solchen „gestempelt“ werden. Nur die Folgen des Geschäfts seien vom Geschäftsführer auf den Geschäftsherrn zu übertragen. Diese Erwägungen beruhen ersichtlich auf der Annahme, dass die jeweilige Erwerbstätigkeit und mit ihr verbundene Profitchancen dem Gläubiger abstrakt213 Siehe Prot. II 2, 743; Rosenkranz, Gewinnherausgabeanspruch, 36 f. Die folgenden Erwägungen bleiben hingegen ganz unberücksichtigt bei Niewarra, Der Begriff des fremden Geschäfts, 53 f.; Ebert, Geschäftsanmaßung, 34, 51 f., 78 mit Fn. 158 (den nicht sehr klaren Äußerungen der 2. Kommission sei zu entnehmen, dass die Norm ungeachtet dogmatischer Bedenken weit auszulegen sei; Hervorh. im Original); Wenckstern, AcP 200 (2000), 240, 248 ff.; Erlanger, Gewinnabschöpfung, 120 (trotz Bezugnahme auf Prot. II 2, 742 f.). 214 Zur irrtümlichen Eigengeschäftsführung Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 157 (jemand habe „fremdes Gut, welches er für das seinige gehalten, in Besitz und Verwahrung genommen oder darüber verfügt“); zur Geschäftsanmaßung Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 3, 159 (mit einem weiteren Hinweis auf eine sich bei Diebstählen ggf. aus Sachenrecht ergebende Rechnungslegungspflicht); Mot. II, 871; ferner bereits v. Kübel, in: Schubert, Schuldverhältnisse 2, 953 (der Geschäftsführer dringe „widerrechtlich in ein Vermögensgebiet“ des Geschäftsherrn ein). Teil I, Titel 13, § 229 ALR billigte Ansprüche wegen unbefugter Einmischung „in die Geschäfte eines Anderen“ (§ 228) ausdrücklich dem Eigentümer zu; dazu kritisch v. Monroy, Vollmachtslose Ausübung, 180 f. Zum gemeinen Recht Zimmermann, negotiorum gestio, 30 ff. 215 Wenn Geld zu verzinsen ist (§§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 668 BGB), folgt daraus zugleich, dass die mit entzogenem Geld getätigten sonstigen Gewinne (z.B. Spekulations- oder Losgewinne) nicht herauszugeben sind. Geld wird vielmehr nur als herauszugebender Gewinn aus dem Eingriff in eine andere Zuweisung, als Anspruchsziel und nicht als Anspruchsgrund behandelt (z.B. Geld aus der Einziehung einer fremden Forderung); zutreffend Klien, Das Recht auf den Eingriffserwerb, 31 (das Geschäft hätte ebenso gut mit anderen Geldmitteln getätigt werden können, so dass kein Grund gegeben sei, den mit dem entzogenen Geld getätigten Gewinn gerade dem Gläubiger zuzuweisen); Ebert, Geschäftsanmaßung, 145 ff.
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objektiv vorbehalten sind216. Ferner muss der streitige Vermögenswert unmittelbar aus der Behandlung des fremden Geschäfts erwachsen sein. Zum Beispiel kann der Eigentümer einer Sache keine Folgegeschäfte mit dem ursprünglichen Verkaufsgewinn an sich ziehen217. Wenn aber schon nicht alle mit fremden Sachen erzielten mittelbaren Vorteile abgeschöpft werden, dann erst recht nicht solche Zugewinne, die der Eigengeschäftsführer in Entfaltung seiner allgemeinen Handlungs- und Wettbewerbsfreiheit ohne Übergriff in einen Tätigkeitsbereich erzielt hat, der einem anderen positiv-exklusiv vorbehalten ist. Diese sich aus der Rechtsordnung ergebende Anwartschaft218 auf den Gewinn muss zumindest die von der Rechtsprechung verlangte Struktur haben. Denn wie bei der Eingriffskondiktion tritt neben die Feststellung des Eingriffs in einen solch objektiven Zuweisungsgehalt einer Rechtsposition die gesonderte Prüfung, ob der Handelnde dazu berechtigt war219. Wenn aber der Geschäftsführer eine Berechtigung benötigt, um den Gewinn aus der Besorgung eines fremden Geschäfts behalten zu dürfen, geht das Gesetz vom Modell des Erfolgsunrechts aus: Der Eingriff in den Zuweisungsgehalt indiziert die fehlende Berechtigung; der Geschäftsführer muss sich auf einen vertraglichen220 oder gesetzlichen221 Grund für seinen Erwerb berufen können222. Für das Erfordernis einer in diesem Sinne klar definierten Rechtsposition spricht ferner, dass ein positives Wissen von der fehlenden Berechtigung wohl nur angenommen werden kann, wenn der „verbotene Bereich“ vorab eindeutig abgesteckt ist223. Wird hingegen die Rechtswidrigkeit des Verhaltens erst durch eine umfassende Güter- und Interessenabwägung im Einzelfall ex post festgestellt – wie dies bei den deliktsrechtlichen Generalklauseln und den Rahmenrechten am Gewerbebetrieb und an der Persönlichkeit der Fall ist – kann eine Böswilligkeit im Zeitpunkt der
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Zum Begriff des Berechtigten bei einer Strohmann-GmbH BGHZ 119, 257, 259 ff. (1992). Rosenkranz, Gewinnherausgabeanspruch, 38; Wendehorst, Anspruch und Ausgleich, 429 f.; a.A. Ebert, Geschäftsanmaßung, 100 (hierbei werde außer Acht gelassen, dass sich die Geschäftsführung häufig aus mehreren Einzelakten zusammensetze). 218 Oben D II. 219 Bergmann, in: Staudinger, § 687 BGB Rn. 36 (Eingriff in eine zugewiesene Rechtsposition indiziere die Rechtswidrigkeit); Wittmann, in: Staudinger1995, § 687 BGB Rn. 11; a.A. Ebert, Geschäftsanmaßung, 67 (Prüfung der Berechtigung im Rahmen der „Fremdheit“). 220 Siehe zur Disposition des Eigentümers über die Erwerbsmöglichkeit durch Abschluss eines Hauptmietvertrages und zur hieraus folgenden Berechtigung des Hauptmieters, den Gewinn aus einer unerlaubten Untervermietung zu behalten BGH NJW 1964, 1853; BGHZ 131, 297, 306 (1995) (der Mieter übe nur den ihm überlassenen Gebrauch in einer ihm nicht zustehenden Weise aus); ferner BGH v. 21.5.1992, III ZR 65/90, juris KORE595849200, Rn. 10 ff. 221 Siehe RGZ 157, 40, 46 (1938) (Weiterveräußerung einer fremden Sache im Konkurs). 222 Ehmann, in: Erman, § 687 BGB Rn. 4 (grundsätzlich widerrechtlich); Mueser, § 687 Abs. 2 BGB, 23 f.; Isele, Geschäftsbesorgung, 173; Steffen, in: RGRK, § 687 BGB Rn. 5; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 714; Fleck, ZIP 1991, 1269, 1272 (fehlende vertragliche oder gesetzliche Berechtigung). Ebenso bereits ALR Teil 1, Titel 13, § 228 (ohne Auftrag oder besonderes Recht). 223 Allenfalls beweisrechtliche Probleme erkennt in diesem Zusammenhang Ebert, Geschäftsanmaßung, 165. 217
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Handlung nicht unterstellt werden. Derartige Rechtspositionen markieren daher kein „fremdes Geschäft“224. 2. Anwendungsbeispiele Im Ergebnis setzt § 687 Abs. 2 BGB eine anderweitige gesetzliche Regelung voraus, aus der sich ergibt, dass allein der Geschäftsherr den betreffenden Gewinn machen darf225. Die Beeinträchtigung von Erwerbsaussichten, die jedermann offenstehen, genügt nicht. Deshalb liegt z.B. keine Geschäftsanmaßung vor, wenn jemand einem anderen eine begehrte Internet-Domain wegschnappt, weil die Verteilung der Domains grundsätzlich dem Prioritätsprinzip folgt. Jeder hat daher nur die gleiche Chance, der Erste zu sein226. Ebenso wenig kann vom wettbewerbsrechtlichen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch auf eine Gewinnzuweisung geschlossen werden, denn diese deliktsrechtlichen Abwehrbefugnisse markieren allgemeine Rechtspflichten zur Abgrenzung gleichrangiger Freiheiten im Wettbewerb, ohne Gewinne zu verteilen227. Schließlich löst nicht einmal die Verletzung der in § 823 Abs. 1 BGB genannten Lebensgüter den Tatbestand des § 687 Abs. 2 BGB aus. Der Schutz des Lebens, des Körpers, der Gesundheit und der Bewegungsfreiheit dient nämlich ebenfalls nicht der Zuweisung potentieller Gewinne aus der Vermarktung dieser Lebensgüter, sondern in negativ-abwehrender Weise der Sicherung freier Entfaltung der Person228. Die Tragfähigkeit des hier vertretenen Ansatzes sei an einigen weiteren Grenzfällen der Geschäftsanmaßung nachgewiesen. So lässt sich die Änderung der Rechtsprechung zur Frage, ob wissentliche Verstöße gegen das Warenzeichenrecht eine angemaßte Eigengeschäftsführung darstellen, mit einem gewandelten Funktionsverständnis des Warenzeichenrechts erklären: Während das Reichsgericht diesem Rechtsbereich keine Zuweisung von Gewinnen entnahm, aner224 OLG Hamburg NJW-RR 1994, 990, 991; Gounalakis, AfP 1998, 10, 19; Engels, in: Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz, 31, 35; a.A. Klein, Sensationspresse, 192. 225 Ebenso Mueser, § 687 Abs. 2 BGB, 6 (ein Geschäft sei ein fremdes, wenn ein anderer rechtlich zu seiner Vornahme befugt sei); Janßen, Unechte Geschäftsführung, 30 und öfter (Kreis des individuellen Dürfens). 226 BGHZ 149, 191, 205 (2001). 227 Ohne nachvollziehbare Begründung a.A. Ebert, Geschäftsanmaßung, 74 f. (schutzwürdige Belange des Eingreifers könnten keinesfalls entgegenstehen); 122 f. (auch der durch den eiligen Geschäftsmann im Straßenverkehr Geschädigte könne die Gewinne herausverlangen, weil bewusst seine Rechte verletzt worden seien). 228 Siehe Bertrams, § 687 II BGB, 18 ff. (nur „wahre Geschäftsführungsfälle“ seien dem § 687 Abs. 2 BGB unterworfen, nicht alle Rechtsverletzungen); Erlanger, Gewinnabschöpfung, 155 f. (bei den Lebensgütern des § 823 Abs. 1 BGB ergebe sich wegen des strafrechtlichen Schutzes kein Schutzdefizit); Köndgen, RabelsZ 64 (2000), 661, 665 (die Vorstellung, die Verletzung von Leib und Leben bedeute einen zur Gewinnherausgabe verpflichtenden Eingriff in den Zuweisungsgehalt dieser Güter, habe „etwas Gewaltsames“); a.A. Wenckstern, AcP 200 (2000), 240, 263; widersprüchlich Ebert, Geschäftsanmaßung, 112 (die Geschäftsanmaßung regele nur einen Spezialfall der Verletzung fremder Rechte; da Abwehrbefugnisse aber in aller Regel mit einer Lizenzbefugnis verbunden seien, erfüllten deliktische Handlungen „jedenfalls faktisch fast durchweg zugleich den objektiven Tatbestand des § 687 Abs. 2 BGB“).
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kannte der Bundesgerichtshof eine solche Wirkung229. Ferner liegt bei der unerlaubten Nutzung geschützter geographischer Herkunftsangaben kein Eingriff in fremde Geschäfte vor, weil gem. § 126 MarkenG alle lokalen Hersteller berechtigt sind, das betreffende Kennzeichen zu verwenden. Damit fehlt es an einer gesetzlichen Regelung, die besagt, wem der Gewinn des rechtswidrig Handelnden vorbehalten ist230. Nach denselben Kriterien bestimmt sich, ob die Verletzung vertraglicher Pflichten als Behandlung eines fremden Geschäfts anzusehen ist231. Die Rechtsprechung hierzu ist uneinheitlich232. Einerseits verneinen die Gerichte eine Gewinnherausgabe bei Verstößen gegen vertragliche Wettbewerbsverbote, weil § 687 Abs. 2 BGB dem Kläger keine weitergehenden Rechte verschaffe als ihm nach dem jeweiligen Rechtsgeschäft zustünden. Wettbewerbsverbote grenzten nur Interessenbereiche im Hinblick auf Erwerbschancen ab; ein „Eingriff in ein vom Berechtigten bereits erlangtes, ihm im Verhältnis zum Verpflichteten ausschließlich zugeordnetes Gut“ liege bei einer Zuwiderhandlung hingegen nicht vor233. Andererseits bejaht der Bundesgerichtshof – ohne Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des § 687 Abs. 2 BGB234 – eine Gewinnherausgabepflicht, wenn GmbH-Geschäftsführer einen eigentlich die Gesellschaft berechtigenden und verpflichtenden Vertrag im Zusammenwirken mit dem Vertragspartner auf
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Nachweise oben Fn. 103. Beuthien/Wasmann, GRUR 1997, 255, 258; Ehmann, in: Erman, § 687 BGB Rn. 10; allgemein Ebert, Geschäftsanmaßung, 108 („fremd“ könne nur ein solches Geschäft sein, das einem einzelnen Berechtigten oder einem bestimmbaren Kreis von Berechtigten zugeordnet sei). Zum parallelen Ergebnis in Bezug auf die Anwendbarkeit der Eingriffskondiktion oben § 8 D II 3 b cc. 231 Da hier ein primäres subjektives Recht gegeben ist, steht diese Frage nicht im Zentrum der hiesigen Erörterung; siehe oben Einleitung C I. 232 Offengelassen wurde die Anwendung des § 687 Abs. 2 BGB auf Vertragsverletzungen von RGZ 89, 99, 103 (1916) (Verletzung von Gesellschafterpflichten in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts); RGZ 92, 201, 203 (1918) (Verletzung eines Alleinvertriebsvertrages); BGH NJW-RR 1989, 1255, 1256 (Verletzung der Pflichten eines GmbH-Geschäftsführers); OLG Dresden LZ 1916, 960 (Verletzung eines Nutzungsvertrages über nicht sondergesetzlich geschütztes Stickereimuster unter Übertragung der Rechtsprechung zur dreifachen Schadensberechnung). 233 BGH NJW 1988, 3018 in Abgrenzung zu BGH WM 1977, 194 f.; ferner RG HRR 1933 Nr. 1640; BGH NJW 1964, 151 (für die Verletzung einer Alleinverkaufsabrede); BGH NJW 1964, 1853 (unerlaubte Untervermietung); BGH NJW 1966, 1117, 1119 (bei Verletzung eines Alleinverkaufsrechts sei der Gewinn des Schädigers nur ein Faktor bei der Ermittlung des Schadens des Verletzers); BGH NJW 1984, 2411; OLG Celle OLGE 18, 29, 30 (1908); OLG Hamburg OLGE 22, 328 f. (1910); OLG Karlsruhe v. 5.5.2000, 17 U 143/99, juris KORE425122001, Rn. 45 (Verstoß gegen vertragliches Unterlassungsgebot); a.A. für einen Verstoß gegen ein vertragliches Wettbewerbsverbot OLG Saarbrücken NJW 1960, 2339, 2340 (Eingriff in auch privatautonom begründbaren Vorbehalt des Geschäfts); für das im Innenverhältnis der Parteien abredewidrige Abheben von einem Konto, für das dem Beklagten eine Vollmacht erteilt war, OLG Düsseldorf FamRZ 1992, 439, 440; obiter auch OLG Frankfurt NJW-RR 2001, 909, 910 (gewährt wird der Anspruch auf die abgehobenen Beträge gem. § 826 BGB). 234 Siehe BGH NJW-RR 1989, 1255, 1256. 230
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eigene Rechnung abwickeln235. Zu demselben Ergebnis gelangt das Bundesarbeitsgericht, wenn ein Arbeitnehmer Schmiergelder annimmt und für sich verwendet. Der Arbeitnehmer schließe Sondervereinbarungen im eigenen Namen ab und greife dadurch in den Interessenbereich des Arbeitgebers ein, an den er die Schmiergelder abzuliefern habe236. Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen erscheint es zunächst zutreffend, in der Verletzung vertraglicher Pflichten grundsätzlich keine Behandlung eines „fremden“ Geschäfts zu erkennen. Nach Wortlaut, Systematik, Funktion und Entstehungsgeschichte normiert § 687 Abs. 2 BGB keine Rechtsfolgen von Vertragsverletzungen, sondern lässt das vertragsrechtliche Haftungsgefüge unberührt237. Andernfalls würden etwa die zwingenden Regelungen zur Herabsetzung unverhältnismäßig hoher Vertragsstrafen unterwandert, die ja gerade den Fall betreffen, dass unabhängig vom Schaden für Nichterfüllungen gehaftet wird (siehe §§ 343–345 BGB). Selbstverständlich bleibt es den Parteien unbenommen zu vereinbaren, dass derjenige, der einer bestimmten Verpflichtung zuwiderhandelt, die hieraus folgenden Profite an den Vertragspartner abzuführen hat238. Fehlt es hieran, legt nicht einmal ein Vertrag über die ausschließliche Vornahme bestimmter Geschäfte ein Fundament für einen Gewinnherausgabeanspruch gem. § 687 Abs. 2 BGB. Denn der Begünstigte verbessert seine Marktchance nur im Verhältnis zum Schuldner; alle anderen dürfen von ihrer Wettbewerbsfreiheit weiterhin uneingeschränkt Gebrauch machen. Folglich besagt die Vereinbarung
235 BGH WM 1977, 194 f.; ferner BGH NJW 1988, 3018; BGH NJW-RR 1989, 1255, 1256 f. (das Geschäft trete hier „wie bei einem durch Gesetz oder Verordnung begründeten Recht … als fremdes äußerlich in Erscheinung“). 236 BAG NJW 1961, 2036, 2037; BAG DB 1967, 558; BAG AP § 687 BGB Nr. 4 (1970); BAG AP § 687 BGB Nr. 5 (1971); zustimmend Rosenkranz, Gewinnherausgabeanspruch, 108 (der im Übrigen die Anwendung des § 687 Abs. 2 BGB auf Vertragsverletzungen ablehnt); Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 715. 237 So letztlich auch BGH NJW-RR 1989, 1255, 1257; OLG Saarbrücken NJW 1960, 2339, 2340. Die dort genannte Abgrenzung zwischen Vertragsverletzungen, bei denen die Fremdheit des Geschäfts „schon äußerlich ohne weiteres“ erkennbar sei und bei denen das nicht der Fall sei, ist jedoch nicht tragfähig. Denn der Inhalt einer schuldrechtlichen Vereinbarung ist Dritten typischerweise gerade nicht bekannt, im Gegensatz zu gesetzlich fundierten Gewinnzuweisungen; siehe Steffen, in: RGRK, § 687 BGB Rn. 5; Seiler, in: MünchKomm, § 687 BGB Rn. 24 (bei Anwendung des § 687 Abs. 2 BGB auf Eingriffe in Vertragsrechte werde auf Gewinnherausgabe gehaftet, obwohl der weniger weit reichende Anspruch auf Schadensersatz gem. § 826 BGB nicht nur Vorsatz, sondern auch Sittenwidrigkeit voraussetze); Ebert, ZIP 2002, 2296, 2300; ablehnend zur Anwendung des § 687 Abs. 2 BGB auf die Verletzung von Vertragspositionen auch Bergmann, in: Staudinger, § 687 BGB Rn. 30. Unklar die Eingrenzungsversuche von Fleck, ZIP 1991, 1269, 1273 f. (von einem fremden Geschäft könne man bei Vertragsverletzungen sprechen, wenn sie auf einem „konkreten Rechtsverhältnis“ beruhten). A.A. für die vertragswidrige Abwerbung von Kunden und Arbeitnehmern Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 715 mit Fn. 49; Helms, Gewinnherausgabe, 179 ff. 238 Siehe zu einer entsprechenden Vertragsauslegung (im Ergebnis einen Anspruch auf Herausgabe des Erlangten verneinend) OLG Karlsruhe v. 5.5.2000, 17 U 143/99, juris KORE425122001, Rn. 35–37. Entscheidend ist also der Inhalt der Vereinbarung, nicht das „Judiz“ eines bestimmten Rechtsanwenders; a.A. Picker, AcP 183 (1983), 369, 513.
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für sich gesehen nicht, dass der unter Zuwiderhandlung gegen Unterlassungsverpflichtungen erzielte Gewinn gerade dem Vertragspartner zusteht. Eine solche Exklusivität im Verhältnis zu jedermann kann durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen nicht begründet werden239. Aus denselben Gründen abzulehnen ist die Anwendung des § 687 Abs. 2 BGB auf die Annahme von Schmiergeldern und die Abwicklung von Geschäften einer GmbH auf eigene Rechnung des Geschäftsführers. Korruptionsgewinne lassen sich nach zutreffender Auffassung über die §§ 675 Abs. 1, 667 BGB abschöpfen, die den Zweck haben, Interessenkollusionen bei entgeltlichen Geschäftsbesorgungen zu verhindern, während es befremdlich erscheint, die Vereinnahmung von Schmiergeldern als exklusives Geschäft des Arbeitgebers zu betrachten, dem dieses Verhalten doch ebenfalls verboten ist240. Eignet sich der Vertretungsberechtigte einer juristischen Person die Vermögensvorteile aus Verträgen an, deren Partei eigentlich die Gesellschaft ist (z.B. durch Angabe des eigenen Kontos), erlischt dadurch nicht notwendig die Forderung der Gesellschaft gegen den Vertragspartner (dazu sogleich)241. Da im Innenverhältnis wiederum ein entgeltlicher Auftrag zur Geschäftsbesorgung besteht, ist die Pflicht zur Herausgabe der Gewinne vielmehr nach denselben Rechtsgedanken wie in den Korruptionsfällen zu begründen242. Diese Lösung legen auch die gesetzlichen Ansprüche von Aktien-, Handels- und Partnerschaftsgesellschaften nahe, die bei Verstößen ihrer vertraglich verbundenen Vertreter bzw. Organe gegen gesetzliche Wettbewerbsverbote in die entsprechenden Geschäfte eintreten bzw. die daraus erwachsenden Vermö239 BGH NJW 1988, 3018; Beuthien, in: Soergel, vor § 687 BGB Rn. 12 (Vertrag als bloße Verstärkung der Marktchance); Rosenkranz, Gewinnherausgabeanspruch, 70; a.A. Mueser, § 687 Abs. 2 BGB, 19 (der Grund der Fremdheit, ob Gesetz oder Vertrag, könne keine Rolle spielen); Flügge, Der Anspruch des Arbeitgebers, 92 ff. (relative Rechte erfüllten den Zweck der Güterzuordnung); Gass, NJW 1960, 2339; Nipperdey, FS Böhm, 163, 167 (mit der rethorischen Frage, warum § 687 Abs. 2 BGB nur auf gesetzliche und nicht auch vertragliche Monopole anwendbar sein solle); Krumm, Widerrechtliche Inanspruchnahme, 207 (mit einem vertraglichen Wettbewerbsverbot „steht die Freiheit der Disposition über die Vornahme der dem Schuldner verbotenen Wettbewerbshandlung dem Gläubiger zu“). Die hier vertretene Auffassung bestätigt die Sonderkonstellation der unlauteren Verleitung zum Vertragsbruch, die Ansprüche auf Gewinnherausgabe nur nach Maßgabe des § 10 UWG auslöst; a.A. Mueser, § 687 Abs. 2 BGB, 7 (ohne Begründung). 240 Siehe RGZ 99, 31, 32 ff. (1920) (mit Hinweisen auf die Entstehungsgeschichte des § 667 BGB); RGZ 164, 98, 102 f. (1940); BGHZ 39, 1, 2 f. (1963); für den Steuerberater BGH NJW 1991, 1224; für den Vorstand einer AG BGH NJW 2001, 2476, 2477 (die Vorinstanz OLG Köln hatte den Anspruch auf Herausgabe der Zahlungen dagegen hilfsweise noch auf die §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 BGB gestützt; siehe OLG Köln NZG 1999, 1008, 1009); König, FS v. Caemmerer, 179, 200 ff.; Steffen, in: RGRK, § 687 BGB Rn. 9; Seiler, in: MünchKomm, § 687 BGB Rn. 20; Beuthien, in: Soergel, vor § 687 BGB Rn. 13; a.A. LG Hamburg VuR 2000, 449 (bei unberechtigter Verwendung von Kapitaleinlagen durch den Gesellschafter Herausgabeanspruch über § 687 Abs. 2 BGB). Gezahlte Schmiergelder sind hingegen nicht gem. § 670 BGB erstattungsfähig; BGH NJW 1965, 293, 294. 241 Von einem Eingriff in eine bestehende Vertragsbeziehung geht hingegen BGH NJW 1988, 3018 aus. 242 Siehe BGH NJW-RR 1989, 1255, 1256 f., wonach die Entscheidung BGH WM 1977, 194 f. dennoch unberührt bleiben soll.
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gensvorteile herausverlangen können243. Diese Ausnahmevorschriften244 wären überflüssig, ließe sich die Pflicht zur Herausgabe alles vertragswidrig Erlangten bereits auf der Basis der Geschäftsanmaßung begründen. § 687 Abs. 2 BGB kommt im Zusammenhang mit vertraglich begründeten, relativen Rechten somit nur zur Anwendung, wenn durch die wissentlich unbefugte Einziehung einer Forderung der Schuldner befreit wird (siehe §§ 407 f. BGB) oder eine Forderung erlischt, weil der Handelnde im Außenverhältnis Bevollmächtigter ist (aber im Innenverhältnis Pflichten verletzt)245. In diesen Konstellationen wird in die dem Gläubiger in der Tat exklusiv zustehende Forderungszuständigkeit eingegriffen246; andernfalls hat der Forderungsinhaber weiterhin das Insolvenzrisiko seines unverändert verpflichteten Vertragspartners zu tragen. Da das Gesetz dem wahren Gläubiger in den genannten Sonderfällen einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Herausgabe des Forderungswertes gewährt (§ 816 Abs. 2 BGB), erscheint es auch wertungsmäßig richtig, ihm bei wissentlich unberechtigtem Handeln alles vom böswilligen Eigengeschäftsführer Erlangte zuzusprechen und jenem die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung abzuschneiden247.
E. Zusammenfassende Stellungnahme und Überleitung I. Güterzuordnender Gehalt der Geschäftsführung ohne Auftrag Abschließend seien die Argumente im Hinblick auf die Frage zusammengefasst, ob die Geschäftsführung ohne Auftrag Rechtsgrundlage zumindest für den Anspruch auf Gewinnherausgabe als Baustein richterlicher Güterzuordnungen ist. Dass der 13. Titel des BGB in diesem Zusammenhang Bedeutung erlangen kann, zeigen die Beispiele des wettbewerbsrechtlichen Leistungs- und Geheimnisschutzes sowie der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts, bei 243 Siehe die §§ 61 Abs. 1, 113 Abs. 1 HGB, 88 Abs. 2 S. 2, 284 Abs. 2 S. 2 AktG, 6 Abs. 3 S. 2 PartGG; Canaris, FS Deutsch, 85, 105 m.w.N. (Prävention bei vertraglicher Sonderverbindung); Ebert, ZIP 2002, 2296, 2302 (Spezialregelungen des vertraglichen Leistungsstörungsrechts); a.A. OLG Saarbrücken NJW 1960, 2339, 2340; Ebbecke, Recht 1921, 100, 101; Nipperdey, in: Staudinger11, § 687 BGB Rn. 6 (die Normen bestätigten die Anwendung des § 687 Abs. 2 BGB auf die Verletzung von Wettbewerbsverboten). 244 König, FS v. Caemmerer, 179, 199 f. 245 Damit ist die Konstellation angesprochen, dass mit Kontovollmacht unter Verletzung von Pflichten im Innenverhältnis Kontobeträge abgehoben werden, so dass die Auszahlungsforderung gegen die Bank erlischt. Zu diesen Anwendungsfällen des § 687 Abs. 2 BGB oben Fn. 233. 246 In diesem Sinne bereits zum gemeinen Recht Zimmermann, negotiorum gestio, 30. 247 Im Ergebnis ebenso Freese, Unechte Geschäftsführung, 16 f.; Ebbecke, Recht 1921, 100, 101; Klien, Das Recht auf den Eingriffserwerb, 27 f.; Wittmann, in: Staudinger1995, § 687 BGB Rn. 7. Ohne Rücksicht auf ein Erlöschen der Forderung hingegen Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 707 (Eintreiben einer fremden Schuld); Larenz, SchuldR II/1, 452 (Annahme einer fremden Sendung, um sie zu behalten).
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deren wissentlicher Verletzung jeweils Ansprüche auf Herausgabe des erzielten Gewinns gem. §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 BGB gewährt werden, und so die Zuordnung dieser Vermögensvorteile zum betroffenen „Geschäftsherrn“ zum Ausdruck gebracht und zugleich verwirklicht wird (dazu A). Da sämtliche Fallgruppen der §§ 677 ff. BGB das eigenmächtige Handeln von Personen betreffen, die eben ohne Auftrag und sonstige Berechtigung im Rechtsund Interessenkreis anderer tätig werden, waren in einem ersten Schritt die güterzuordnungsrelevanten Regelungen ausfindig zu machen. Zu diesem Zweck wurde der gesamte 13. Titel in Blick genommen und gezeigt, dass das Gesetz zwischen berechtigter und unberechtigter echter Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677–686 BGB) einerseits und irrtümlicher und angemaßter unechter Geschäftsführung (§ 687 BGB) andererseits differenziert. Die unechte Geschäftsführung stellt trotz der terminologischen und systematischen Nähe zur echten Geschäftsführung eben keine negotiorum gestio dar. Die äußerlichen Unterschiede beider Materien bestätigte eine funktionale Betrachtung. Während die §§ 677–686 BGB einen Ausgleich zwischen dem Schutz der Selbstbestimmung und der Förderung altruistisch-fremdnütziger Aktivitäten bezwecken, lässt die Regelung der unechten Geschäftsführung einen deutlichen Bezug zur Güterzuordnungsproblematik erkennen, indem sie in der Terminologie des Mein und Dein die Kollision egoistischer Interessen hinsichtlich der Führung eines bestimmten Geschäfts regelt. Zwei relevante Folgerungen konnten gezogen werden: Erstens verbietet sich eine vorbehaltlose Übertragung von Kategorien und Rechtsfiguren der echten auf die unechte Geschäftsführung ohne Auftrag. Zweitens konnte sich die folgende Prüfung auf den allein güterzuordnungsrelevanten § 687 BGB und hier insbesondere auf Abs. 2 beschränken, der anders als das Delikts- und Bereicherungsrecht einen Anspruch auf Gewinnherausgabe durch Verweis auf die §§ 681 S. 2, 667 BGB generiert (dazu B). Um zu klären, ob diese Regelung nicht nur allgemein Interessen am exklusiven Haben betrifft, sondern darüber hinaus die Rechtsprechung ermächtigt, Rechtskreise mit dem Inhalt positiver Befugnisse an Gütern auszubilden, wurde die Geschäftsanmaßung im folgenden Abschnitt mit der delikts- und bereicherungsrechtlichen Haftung verglichen. Aus Tatbestand, Rechtsfolgen und Funktion des § 687 Abs. 2 BGB wurde zunächst gefolgert, dass sich die angemaßte Eigengeschäftsführung grundlegend vom Deliktsrecht unterscheidet. Insbesondere ist der Anspruch auf Gewinnherausgabe unabhängig von einem etwaigen Schaden des Geschäftsherrn. Eine deliktsrechtliche Deutung der Norm mit entsprechenden Konsequenzen für ihren güterzuordnenden Gehalt scheidet damit aus (dazu C I). Trotz der unterschiedlichen Rechtsfolgen des Bereicherungsrechts und der Geschäftsführung ohne Auftrag hat § 687 Abs. 2 BGB mit der Eingriffskondiktion gemein, dass der objektive Vermögenswert bzw. Gewinn abgeschöpft wird, ohne dass es auf die Vermögenslage des Gläubigers ankommt. Deshalb bedarf es für beide Anspruchsgrundlagen eines positiven Grundes, warum der Vermögensvorteil gerade dem Bereicherungsgläubiger bzw. Geschäftsherr zugute kommen soll. Dazu werden abstrakt-objektive Tatbestandsmerkmale („auf dessen Kos-
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ten“/„fremdes Geschäft“) aufgestellt, die von der deliktsrechtlich zentralen Widerrechtlichkeit und Schuldhaftigkeit der Handlung des Schuldners abstrahieren. Diese Parallelen zwischen unechter Geschäftsführung und Eingriffskondiktion ließen den vorläufigen Schluss zu, dass § 687 Abs. 2 BGB zwar einen unmittelbaren Bezug auf positiv-exklusive Befugnisse an Gütern hat, aber möglicherweise wie § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB nur normexterne Rechtspositionen mit entsprechendem Zuweisungsgehalt sanktioniert (dazu C II). Ob die Vermutung aus diesem Strukturvergleich zutrifft, wurde anschließend anhand des Tatbestands von § 687 Abs. 2 BGB überprüft. Dabei ergab sich zunächst, dass der häufig in den Raum gestellte Grundsatz, niemand dürfe aus widerrechtlichen Eingriffen in einen fremden Rechtskreis unverdient eigene Vorteile ziehen, einen unzutreffenden Zusammenhang mit dem Deliktsrecht herstellt. Überdies verkennt ein solches Prinzip der Gewinnhaftung das in der Regelung der unechten Geschäftsführung zum Ausdruck kommende Enumerationsprinzip. So dienen der Ausschluss von Ansprüchen aus echter Geschäftsführung gem. § 687 Abs. 1 BGB und die eigenständigen Tatbestandsvoraussetzungen des Absatzes 2 dazu, die ausnahmsweise Haftung auf gesetzlicher Grundlage zu beschränken und auf diesem Wege die allgemeine Handlungsfreiheit potentieller Schuldner zu wahren. Wenn aber ein Grundsatz der Gewinnhaftung dem deutschen Recht fremd ist, darf dieser Anspruch bei der unerlaubten Nutzung „neuer“ Güter nicht schon aufgrund allgemeiner Billigkeitserwägungen wie „tort must not pay“ gewährt werden. Stets ist die Erfüllung sämtlicher gesetzlicher Tatbestandsmerkmale nachzuweisen (dazu D I)248. Hinsichtlich jener Voraussetzungen war schließlich zu erörtern, woraus sich ergibt, dass dem Geschäftsherr der streitige Gewinn positiv zusteht, und welche konkreten Anforderungen an eine entsprechende Rechtsposition zu stellen sind. Die insofern einschlägigen, objektiven Kriterien des „fremden Geschäfts“, das „unberechtigt“ als eigenes behandelt wird, geben nur die allgemeinen Voraussetzungen für eine Gewinnhaftung an. Ob sie im konkreten Einzelfall vorliegen, lässt sich nach zutreffender, ganz herrschender Meinung nicht aus § 687 Abs. 2 BGB selbst („intern“) klären, sondern setzt eine aus der sonstigen Rechtsordnung abzuleitende, „externe“ Rechtsposition voraus. Damit delegiert die Vorschrift die Entscheidung über eine Gewinnzuweisung nicht an den Normanwender. Ihr kommt als bloße Blankettnorm keine eigenständige Zuordnungskraft zu (dazu D II). 248
König, FS v. Caemmerer, 179, 188, 206; Seiler, in: MünchKomm, § 687 BGB Rn. 25; Bergmann, in: Staudinger, § 687 BGB Rn. 18; a.A. Wendehorst, Anspruch und Ausgleich, 523; Roth, FS Niederländer, 363, 381 (ohne Begründung); Ebert, Geschäftsanmaßung, 110 (die Anwendung des § 687 Abs. 2 BGB auf absolute Rechte i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB sei „durch Billigkeitsgesichtspunkte nicht mehr und nicht weniger geboten als bei Verletzung sonstiger Rechtspositionen“), 125 (wegen des engen subjektiven Tatbestands sei jede Besorgnis einer allzu weitreichenden Haftung unbegründet), 395 (die Anwendung des § 687 Abs. 2 BGB auf Verletzungen des Rechts am Gewerbebetrieb könne für den Schuldner zu „gewissen Härten“ führen, die jedoch hinzunehmen seien).
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Immerhin gibt § 687 Abs. 2 BGB vor, welchen Inhalt eine normexterne Rechtsposition aufzuweisen hat, damit sie ein Geschäft markiert, dessen wissentlich unberechtigte Führung zur Gewinnherausgabe verpflichtet. Diese Anforderungen können weder aus der echten Geschäftsführung ohne Auftrag noch aus dem Deliktsrecht gewonnen werden. Vielmehr muss eine gesetzliche Wertung – insbesondere, aber nicht notwendig in Gestalt eines normierten Ausschließlichkeitsrechts – vorliegen, wonach allein der Geschäftsherr den streitigen Gewinn machen darf, weil ihm der Tätigkeitsbereich positiv-exklusiv reserviert ist. Vertraglich vereinbarte relative Rechte oder genuin deliktsrechtlich konturierte Rechtskreise weisen diesen Gehalt nicht auf; § 687 Abs. 2 BGB verlangt für die Anerkennung einer Zuweisung mehr als eine privatautonome Entscheidung oder einen ggf. richterrechtlich entwickelten, deliktsrechtlichen Schutzbereich. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist die Norm kein Instrument, um gesetzlich nicht anerkannte Güterzuordnungen herauszubilden (dazu D III). In Anbetracht dieser Zusammenhänge entpuppen sich die Gesichtspunkte, die für einen Grundsatz der Gewinnhaftung und einen weiten, dem Deliktsrecht entsprechenden Anwendungsbereich des § 687 Abs. 2 BGB vorgebracht werden, als Appelle mit häufig nur rhetorischem Gehalt. Weder gegenteilige Behauptungen noch die Umkehr der Argumentationslast, wonach kein Grund ersichtlich sei, die Abschöpfung der Gewinne zu verneinen, finden Rückhalt in der gesetzlichen Regelung. Nichts anderes gilt für folgenorientierte Erwägungen, denn die Geltung des Enumerationsprinzips gibt zu erkennen, dass das BGB keine Verfestigung bloßer Erwerbschancen befördern möchte und deshalb die Gewinnhaftung auf punktuelle gesetzliche Vorzugsbereiche beschränkt249. Für die güterzuordnungsrelevanten Beispielsfälle ist als Zwischenergebnis festzuhalten, dass eine Pflicht zur Herausgabe von Gewinnen wegen Zuwiderhandlung gegen wettbewerbsrechtliche Nachahmungsverbote, den UWG-Geheimnisschutz sowie das aPR jedenfalls aus der Sicht der Geschäftsführung ohne Auftrag abzulehnen ist. Denn nach den Ergebnissen der §§ 6 und 7 handelt es sich hierbei um deliktsrechtliche Rechtspositionen, deren Verletzung auch nur deliktsrechtliche Ansprüche nach sich zieht. Die einschlägigen Rechtsgrundlagen weisen dem Berechtigten keine Gewinne positiv-exklusiv zu, sondern koordinieren im Interesse der individuellen Entfaltungsfreiheit bzw. im Allgemeininteresse an unverfälschtem Wettbewerb gleichrangige Freiräume. Wenn die herrschende Gegenauffassung in der unerlaubten Nutzung eigenartiger Produkte, Betriebsgeheimnisse und Persönlichkeitsmerkmale gleichwohl die Behandlung eines „fremden Geschäfts“ sieht, so kann sie sich hierbei – und hierauf war die Fragestellung in diesem Paragraphen gerichtet – jedenfalls nicht auf § 687 Abs. 2 BGB stützen. Die Fortentwicklung ausnahmsweiser wettbewerbsrechtlicher Nachahmungsverbote in einen originären Leistungsschutz bzw. des negativ-abwehrenden 249 Ganz übersehen oder negiert wird diese Konsequenz von Nipperdey, FS Böhm, 163, 166 f., der § 687 Abs. 2 BGB als Sanktion für Zuwiderhandlungen gegen vertragliche Wettbewerbsverbote etablieren möchte.
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Schutzes der Privatsphäre in ein vererbliches, vermögenswertes Ausschließlichkeitsrecht bedarf daher einer anderen Legitimationsquelle. Nachdem weder die normierten Ausschließlichkeitsrechte noch die güterzuordnungsrelevanten gesetzlichen Schuldverhältnisse insoweit etwas hergeben, kommt dafür nurmehr eine verfassungsrechtliche Schutzpflicht oder ein allgemeines Rechtsprinzip der Güterzuordnung in Betracht250. Erst im Anschluss an die Überprüfung etwaiger Zuordnungsgebote mit dieser Provenienz können der güterzuordnende Gehalt des § 687 Abs. 2 BGB sowie das vorläufig negative Ergebnis zur Gewinnhaftung in den kritischen Beispielsfällen definitiv beurteilt werden251.
II. Gesetzliche Schuldverhältnisse und Güterzuordnung Mit diesem Paragraphen gelangt die Prüfung der güterzuordnungsrelevanten gesetzlichen Schuldverhältnisse zum Abschluss. Die Generalfrage lautete, ob die Rechtsprechung auf ihrer Grundlage Güter zugunsten bestimmter Personen schützen kann, so dass sich zumindest nach und nach die Wirkungen einer gegen jedermann gültigen, positiv-exklusiven Befugnis am betreffenden Gut ergeben. Nimmt man die Resultate zum Deliktsrecht des BGB und des UWG, zum Bereicherungsrecht und zur Geschäftsführung ohne Auftrag zusammen, werden einheitliche Strukturen erkennbar, die an späterer Stelle für eine allgemeine Theorie der Güterzuordnung im deutschen Privatrecht fruchtbar gemacht werden können252: Erstens bestätigen alle geprüften Rechtsbereiche ihre in der Praxis zum Vorschein gekommene Bedeutung im Kontext der Güterzuordnungsproblematik; sie beschäftigen sich also mit dem Spannungsverhältnis zwischen exklusiver Zuordnung von Gütern und der allgemeinen Handlungsfreiheit der Ausgeschlossenen. Für das Deliktsrecht gilt dies allerdings nur im Hinblick auf § 823 Abs. 1 BGB und auch insoweit nur für Ansprüche wegen der Verletzung des Eigentums und „sonstiger“ Ausschließlichkeitsrechte. Die übrigen deliktsrechtlichen Vorschriften sowie die rechtsfortbildend anerkannten Rahmenrechte am Gewerbebetrieb und der Persönlichkeit dienen hingegen dem negativ-abwehrenden Schutz freier Entfaltung. Aus verfassungsrechtlicher Sicht befassen sie sich nicht mit dem Eigentum gem. Art. 14 GG, sondern mit der allgemeinen Handlungsfreiheit und ihren besonderen Ausprägungen bzw. Verdichtungen im verfassungsrechtlichen aPR, der Wettbewerbs- oder Pressefreiheit. Aus dem Bereicherungsrecht und der Geschäftsführung ohne Auftrag konnten die Eingriffskondiktion und die angemaßte Eigengeschäftsführung als güterzuordnungsrelevante Regelungen identifiziert werden. Diese thematisch einschlägigen Bestimmungen entfalten jedoch zweitens ihre güterschützenden Wirkungen nicht aus sich heraus („intern“), sondern verwei250 251 252
Dazu unten §§ 11, 12. Siehe unten § 13 A I, B. Dazu unten § 14 B.
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sen mit den objektiven Tatbestandsmerkmalen des „sonstigen Rechts“, dem „auf dessen Kosten“ und dem „fremden Geschäft“ auf anderweitige, normexterne Zuweisungen von Gütern, die sie voraussetzen, damit die jeweiligen Rechtsfolgen in Betracht kommen. Als Blankettnormen stellen sie Sanktionen für die Verletzung von Rechtspositionen zur Verfügung, generieren diese indes nicht selbst. Schon deshalb können sie nicht ihrerseits Grundlage für die richterliche Anerkennung originärer Ausschließlichkeitsrechte oder auch nur einzelner Bausteine hierfür sein. Dennoch sind sie nicht überflüssig, weil mit ihnen ein allgemeines Sanktionensystem zur Verfügung steht, das auf jede neue Güterzuordnung Anwendung findet, ohne dass die Ansprüche auf Schadensersatz, Unterlassung und Beseitigung sowie auf Herausgabe unberechtigt erlangter Werte bzw. Gewinne in jedem Fall neu kodifiziert werden müssen. Drittens formulieren die Normen die allgemeinen Anforderungen, die eine externe Güterzuordnung erfüllen muss, damit die jeweiligen Ansprüche gegeben sind. Dabei setzen sie durchweg eine rechtliche, also aus der Rechtsordnung ableitbare Wertung voraus, so dass außerrechtliche Erwägungen generell nicht genügen253. Zu den „sonstigen Rechten“ gem. § 823 Abs. 1 BGB zählen nur originäre und derivative Ausschließlichkeitsrechte nach dem Vorbild des Sacheigentums und der beschränkten dinglichen Rechte; nur deshalb werden das Rahmenrecht am Gewerbebetrieb und das aPR als Rechtsfortbildungen wahrgenommen. Für Ansprüche aus Eingriffskondiktion und Geschäftsanmaßung genügen neben Ausschließlichkeitsrechten auch sonstige, gesetzlich fundierte Rechtspositionen wie die Forderungszuständigkeit und die Vormerkung, die anzeigen, dass der streitige Vermögenswert bzw. Gewinn gerade dem Bereicherungsgläubiger bzw. Geschäftsherrn positiv-exklusiv zugewiesen ist. Erstreckt man die Ansprüche auf Rechtspositionen ohne diese nachweisbare Grundlage im geschriebenen Recht, überschreitet man den Regelungsplan der gesetzlichen Schuldverhältnisse. Eine solche, zwangsweise durchsetzbare Haftung muss eine anderweitige Rechtfertigung in der verfassungsmäßigen Ordnung finden. Damit bestätigt sich viertens die in § 1 C nur als Hypothese formulierte, dogmatische Unterscheidung zwischen primären subjektiven Ausschließlichkeitsrechten, die mit sekundären relativen Rechten verwirklicht und sanktioniert werden, und dem Schutz von Interessen und Gütern auf der Basis gesetzlicher Schuldverhältnisse, dem kein primäres subjektives Recht vorausliegt254. So gewähren insbesondere § 826 BGB und das Lauterkeitsrecht Schadensersatz- und Abwehransprüche ohne Rücksicht auf die Verletzung bestimmter Rechte oder Lebensgüter; Eingriffskondiktion und Geschäftsanmaßung verwirklichen gesetzliche Wert- und Gewinnzuweisungen jenseits von übertragbaren Ausschließlichkeitsrechten. Fünftens folgen sämtliche Anspruchsgrundlagen dem Prinzip enumerativer Haftung. Die Bedeutung und Hintergründe dieses übergreifenden Grundsatzes 253 254
Zu Güterzuordnung auf der Basis eines Rechtsprinzips unten § 12 C. Näher unten § 14 A II.
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seien hier – im Vorgriff auf ein etwaiges allgemeines Rechtsprinzip der Güterzuordnung – anhand der mit ebenso generellem Anspruch auftretenden Gegenmeinung von Eduard Picker zusammenfassend dargestellt255. Pickers Überlegungen nehmen ihren Ausgangspunkt bei den erst im Zuge der Schuldrechtsreform 2001 kodifizierten, richterrechtlich entwickelten Instituten der positiven Forderungsverletzung und der culpa in contrahendo256. Picker vermisst ein theoretisch-dogmatisches Fundament für den hiermit ermöglichten „Rundumschutz“ reiner Vermögensinteressen im Rahmen von Sonderverbindungen257. Die Reaktion der herrschenden Meinung, diesen „amorphen Rechtskomplex“ „statt von Prinzipien von einem Konglomerat von ,Figuren‘“ beherrscht zu sehen, führt er auf die eher intuitiv empfundene Vorstellung zurück, wonach die „Einstandspflicht gleichsam ,positiv‘ gerechtfertigt werden“ müsse. Ein umfassendes dogmatisches Prinzip zur Erklärung der Haftung für positive Forderungsverletzungen und culpa in contrahendo sei man jedoch schuldig geblieben258. Zur Bewältigung dieses Problems müsse man nochmals „in aller Unbefangenheit“ die Frage stellen, welche Rechtsgedanken der Schadenshaftung im geltenden Recht zugrundeliegen259. Insoweit entspreche, so Picker weiter, „die Verpflichtung zur Wiedergutmachung eines Verlusts oder Nachteils, der durch ein Verhalten herbeigeführt worden ist, das als rechtswidrig und zurechenbar qualifiziert werden kann, einem Elementarsatz unserer Rechtsanschauung: Als Leitidee und allgemeinstes Prinzip, das in dem Gebot des ,neminem laedere‘ seine lapidare historische Formel fand, ist dieser Satz ein ideales Grundpostulat jeder rechtlich verfaßten Gemeinschaft und stellt seine Verwirklichung sozusagen schiere Gerechtigkeit dar. Zugleich legitimiert er sich in dieser Funktion aber auch als ein unmittelbares Postulat der Vernunft, weil erst ein solches Prinzip dank seiner Präventivwirkung ein geordnetes und befriedetes Zusammenleben ermöglicht. Immer nur erst als allgemeinster und idealer Grundsatz verstanden, steht er deshalb typischerweise an der Spitze rechtlicher Pflichtenlehren, wie man sie als den Kern der Schadenshaftungsdogmatik seit dem Naturrecht aufgestellt hat, wie sie also anerkannt wurden seit der Epoche, in der die unverbundene Kasuistik des überkommenen Rechts durch die Ausbildung eines geschlossenen autonomen Systems überwunden wurde.“260.
Wenn auf dieser Basis erst einmal erkannt sei, dass grundsätzlich jede rechtswidrig-schuldhafte Schadenszufügung eine Wiedergutmachungspflicht auslöse, gehe es nicht mehr um die positive Begründung der Haftung, sondern darum, den
255 Picker, AcP 183 (1983), 369 ff. Von der Aufgabe des Zivilrechts, „als Rechtszuweisungsordnung den rechtlichen Schutz der zugewiesenen Rechte zu gewährleisten“, spricht Picker in FS Bydlinski, 269, 276, 313 ff.; ferner ders., FS Canaris I, 1001, 1014 f. (Deliktsschutz der Forderung). 256 Picker, AcP 183 (1983), 369, 371 ff. 257 Picker, AcP 183 (1983), 369, 460. 258 Picker, AcP 183 (1983), 369, 461, 473 f. 259 Picker, AcP 183 (1983), 369, 461. 260 Picker, AcP 183 (1983), 369, 462 (Hervorh. im Original), ferner a.a.O., 466 f. (die Rechtsordnung sehe in der vermögensmäßigen Sicherung ihr erstes Ordnungsziel), 469 (das Idealprinzip des „neminem laedere“ beruhe auf der „ersten Reaktion der Vernunft“, dem „unbefangenen Rechtsempfinden“ des nicht verbildeten Laien).
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„Nichteintritt der an sich gebotenen Haftung plausibel zu machen“261. Die Irrelevanz „reiner“ Vermögensschäden sei daher „kein verbindliches Prinzip für das geltende Recht insgesamt“262. Dementsprechend sei die entscheidende Aufgabe der Rechtsordnung, die Einstandspflichten sinnvoll zu beschränken und so einen Kompromiss zwischen Haftung und „vernünftiger“ Handlungsfreiheit herzustellen. Diesem Ziel diene die Dreiteilung des deutschen Deliktsrechts263. Pickers radikaler Ansatz hat sich nicht durchgesetzt, und das zu Recht264. Dabei ist es Pickers Verdienst, die tatsächlich oft nur beiläufig erwähnte Grundfrage reformuliert zu haben, ob das Freisein von außervertraglicher Haftung oder die Pflicht zum Ersatz jedes rechtswidrig verursachten Schadens Ausgangspunkt des Nachdenkens über das Schadensersatzrecht und die gesetzlichen Schuldverhältnisse insgesamt ist265. Sein Ansatz, Vermögensänderungen grundsätzlich nicht demjenigen zuzurechnen, dessen Vermögen betroffen ist (casum sentit dominus), sondern das Gebot des neminem laedere zum Elementarsatz zu erklären, ist jedoch ausweislich der bisherigen Ergebnisse dieser Untersuchung mit der geltenden deutschen Rechtsordnung unvereinbar. Zunächst haben die Ausführungen zum verfassungsrechtlichen Rahmen der Güterzuordnung gezeigt, dass das Grundgesetz dem Verteilungsprinzip freiheitlicher Verfassungen folgt, indem es das menschliche Verhalten umfassend gegen staatlichen Zwang abschirmt. Nicht die Ausübung vorstaatlich gedachter Freiheit ist rechtfertigungsbedürftig, sondern die staatliche Einschränkung derselben. Das gilt auch für eine privatrechtliche Haftung, die nicht auf einer vorherigen Verpflichtungserklärung des Schuldners beruht, trotzdem mit staatlichem Zwang durchgesetzt wird und deshalb einer wirksamen Grundlage in der verfassungsmäßigen Ordnung bedarf (Art. 2 Abs. 1 GG)266. Diese fundamentale Entscheidung für die individuelle Freiheit und gegen die Vorstellung, der Staat gewähre oder gestatte bestimmtes Verhalten nach Maßgabe der Gesetze, stellt Picker mit seinem Ansatz und der Rede von der „vernünftigen“ Handlungsfreiheit auf den Kopf267. Dabei setzt er sich ferner in Widerspruch zur freiheitlichen Grundauffassung des BGB-Gesetzgebers, der von „natürlicher Freiheit“ sprach, die, „weil sie nicht
261 Picker, AcP 183 (1983), 369, 465 (Hervorh. im Original). Die herrschende Gegenauffassung stelle mit ihrer Regel-Ausnahme-Vorstellung „die wirkliche Relation auf den Kopf“ (a.a.O., 474). 262 Picker, AcP 183 (1983), 369, 475 (Hervorh. im Original). 263 Picker, AcP 183 (1983), 369, 472. 264 Siehe auch Börgers, „Restrukturierung“ des Deliktsrechts?, 103. 265 Zur Alternativität beider Prinzipien Börgers, „Restrukturierung“ des Deliktsrechts?, 51. 266 Oben Einleitung B III, § 2 B II 2. Im Ansatz auch Picker, AcP 183 (1983), 369, 471 („Der Schutz des einen wird erkauft auf Kosten der Betätigungsfreiheit der anderen.“). 267 Siehe Picker, AcP 183 (1983), 369, 471 (Die „vernünftige“ und „sozialadäquate“ Handlungsfreiheit gelte „nur insoweit, als es um … Handlungen geht, die das Recht trotz der Berührung von Drittinteressen bereits wegen ihres höherrangigen eigenen Wertes gestattet“ (Hervorh. v. Verf.)), 463 (die „rechtliche Qualifizierung eines … Verhaltens [sei] … abhängig … von den Rechts- und Güterzuweisungen des jeweils geltenden Rechts“), 472 (es erfolge eine „Freiheitsgewährung“).
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verboten ist, erlaubt ist“268. Hieraus folgt, dass Freisein von Haftung überall dort gilt, wo kein gesetzliches Verbot besteht. Derartige Einschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit kennt das deutsche Privatrecht in großer Zahl. Nur ändert dieser Befund nichts an der Rechtfertigungsbedürftigkeit der mit dem Gewaltmonopol des Staates erzwingbaren Pflichten zur Zahlung, zur Unterlassung usw. Wenn aber in einer freiheitlichen Rechtsordnung die unfreiwillige Haftung die Ausnahme und nicht der Grundsatz sein muss, dann dürfen die gesetzlichen Schuldverhältnisse nur abschließend aufgezählte, vom jeweiligen Tatbestand abhängige Verpflichtungen vorschreiben. Und genau dieses Enumerationsprinzip hat die Analyse der gesetzlichen Schuldverhältnisse ergeben. Tatbestand und Rechtsfolgen des Delikts- und Bereicherungsrechts sowie der Geschäftsführung ohne Auftrag sind differenziert, aufeinander abgestimmt und nicht im Sinne pauschaler Generalklauseln geregelt269. Damit lässt das Gesetz ein Bekenntnis zum Verteilungsprinzip der freiheitlichen Rechtsordnung sowie die Absicht des historischen Gesetzgebers erkennen, eine unverhältnismäßige Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit potentieller Schuldner zu verhindern. Das Deliktsrecht des BGB und des UWG statuiert demnach keinen Grundsatz des neminem laedere; das Bereicherungsrecht und die Geschäftsführung ohne Auftrag kein generelles Verbot der Bereicherung bzw. Gewinnerzielung aus fremdem Schaden270. Diese fundamentale Entscheidung steht trotz der über 100-jährigen Geltung der einschlägigen Vorschriften nicht zur Disposition des Rechtsanwenders. Picker selbst vollzieht den eingeforderten Paradigmenwechsel nur halbherzig. Denn auch auf der Basis seines Konzepts haftet man lediglich für im weiteren Sinne rechtswidrige Verhaltensweisen. Überdies soll es z.B. im Wettbewerb Schädigungen geben, die „apriorisch“ freigestellt seien, weil sie vom „allgemeinen Freiheitsinteresse“ getragen seien271. Wer jedoch das Gebot des neminem laedere zum idealen Grundpostulat jeder rechtlich verfassten Gemeinschaft macht, muss nicht mehr nach der Rechtswidrigkeit, sondern der Rechtmäßigkeit der schädigenden Handlung fragen. Den konzeptionellen Widerspruch zweier „apriorischer“ Grundsätze löst Picker nicht auf272. Eine rechtsphilosophische Auseinan-
268 Mot. II, 726 f. Picker, AcP 183 (1983), 369, 463, zitiert diese Sätze, liest sie aber gerade umgekehrt. 269 Bezeichnenderweise beruft sich Picker auf gerade nicht Gesetz gewordene deliktische Generalklauseln aus dem Gesetzgebungsverfahren, ausländischen Rechtsordnungen sowie aus Vorschlägen der Akademie für Deutsches Recht im dritten Reich; siehe Picker, AcP 183 (1983), 369, 467 f. 270 Zu letztgenanntem Grundsatz bereits Savigny, System III, 451 f. (Würde die Regel gelten, „daß sich niemand durch den Schaden eines Andern bereichern soll“, wäre es „um die Sicherheit eines lebendigen Verkehrs, die auf der Möglichkeit des Gewinns und Verlustes durch freyen Austausch beruht, … alsdann geschehen.“). 271 Picker, AcP 183 (1983), 369, 463; kritisch auch Börgers, „Restrukturierung“ des Deliktsrechts?, 104. 272 Siehe Picker, AcP 183 (1983), 369, 465.
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dersetzung mit dem idealistischen, vernunft- und naturrechtlich geprägten Grundverständnis Pickers kann daher an dieser Stelle unterbleiben273. Festzuhalten ist, dass das deutsche Privatrecht in Umsetzung verfassungsrechtlicher Wertungen der Wahrung, ja dem aktiven Schutz der individuellen Freiheit durchgehend Rechnung trägt. Ein solches Rechtsprinzip des Schutzes gleicher Freiheit könnte einem Rechtsprinzip der Güterzuordnung entgegenstehen, denn Letzteres etabliert zwar individuelle Freiräume, führt aber notwendig zur Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit aller Dritten. Will man das Verteilungsprinzip der freiheitlichen Rechtsordnung nicht für den Bereich von Güterzuordnungen außer Kraft setzen, müsste auch insoweit die staatliche Privilegierung des Einzelnen die rechtfertigungsbedürftige Ausnahme und der ungehinderte Zugang aller Übrigen die Regel sein274.
III. Überleitung zum Rechtsverkehrsrecht Mit der Analyse der Geschäftsführung ohne Auftrag endet zugleich die Prüfung derjenigen Rechtsgrundlagen des Privatrechts, die für eine richterliche Anerkennung des Schutzes „neuer“ Güter im Verhältnis zu jedermann in Betracht kommen. Die Untersuchung erbrachte ein negatives Resultat. Weder die Regelungen der normierten Ausschließlichkeitsrechte noch die güterzuordnungsrelevanten Bestimmungen der gesetzlichen Schuldverhältnisse des Deliktsrechts des BGB und des UWG, des Bereicherungsrechts und der Geschäftsführung ohne Auftrag legitimieren die Gerichte zur Anerkennung positiv-exklusiver Befugnisse an nicht spezialgesetzlich zugeordneten Gütern. Die normierten Ausschließlichkeitsrechte haben klar definierte, begrenzte Schutzbereiche; die gesetzlichen Schuldverhältnisse setzen anderweitige Güterzuordnungen voraus. Soweit das Deliktsrecht die Rechtsprechung zur flexiblen Abgrenzung von Rechtskreisen ermächtigt, ist nicht die Etablierung statischen Güterschutzes bezweckt, sondern die Wahrung gleichrangiger Entfaltungsfreiheiten. Wenn Rechtsprechung und Literatur in den in § 4 B referierten Beispielen dennoch Ansprüche gegen unerlaubte Nutzungen gewähren und so individuelle Vorzugsbereiche kreieren, können sie sich folglich nur noch auf eine verfassungsrechtliche Schutzpflicht aus Art. 14 GG oder ein allgemeines Rechtsprinzip der Güterzuordnung stützen275. Bevor jedoch hierauf einzugehen ist, gilt es, ein weiteres formales Kennzeichen primärer Ausschließlichkeitsrechte als dem Paradigma der Güterzuordnung in Blick zu nehmen. Denn der Schutz des Gutes im Verhältnis zu jedermann ist nicht das Einzige und nicht einmal das wirklich signifikante Merkmal subjektiver Rechte. Güter und Interessen können nämlich auch ohne primäres subjektives
273
Kritisch dazu Börgers, „Restrukturierung“ des Deliktsrechts?, 103 m.w.N. Zur Legitimität von Rechtsprinzipien unten § 12 C II. 274 Zum Freiheitsschutz als Rechtsprinzip unten §§ 11 D III; 12 C V; 14 B II, III; 15 B. 275 Dazu unten §§ 11, 12.
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Recht gesetzlichen Schutz erfahren276. Was jedoch ein subjektives Recht an einem Gut auszeichnet, ist die Übertragbarkeit einer in unverletztem Zustand gedachten Befugnis. Ob diese Verkehrsfähigkeit einer rechtlichen Grundlage bedarf, welche Vorschriften insoweit relevant und ggf. für eine Anerkennung der rechtsgeschäftlichen und zwangsweisen Verwertung ungeschriebener Rechtspositionen tragfähig sind, ist nunmehr zu erörtern.
276
Siehe oben §§ 1 C II, 9 E II sowie unten § 14 A II.
§ 10 Generalklauseln des Rechtsverkehrs
A. Einführung I. Relevanz der Verkehrsfähigkeit Die in dieser Studie gestellte Rechtsfrage lautet, ob es im deutschen Recht eine Rechtsgrundlage für die richterliche Anerkennung von Güterzuordnungen in Gestalt originärer Ausschließlichkeitsrechte gibt. In den §§ 5 bis 9 wurden Vorschriften analysiert, die entweder solche ausschließlichen subjektiven Rechte an Gütern vorsehen oder Ansprüche gewähren, mit denen die unerlaubte Nutzung von Gütern abgewehrt bzw. sanktioniert werden kann, so dass die Wirkungen von Ausschließlichkeitsrechten wie in einem Baukastensystem nach und nach herausgebildet werden. Im Vordergrund stand dabei die Etablierung eines Rechtskreises in Form positiv-exklusiver Befugnisse, mithin der Schutz von Gütern im Verhältnis zu jedermann. Freilich handelt es sich hierbei nur um einen Teilaspekt der formalen Wirkungen von Ausschließlichkeitsrechten. Hinzu kommt, dass diese Rechte unabhängig von einem konkreten Verstoß gedacht werden. Deshalb können Ausschließlichkeitsrechte1 – rechtsgeschäftlich unter Lebenden übertragen werden, wenngleich ggf. nur beschränkt oder unter bestimmten zusätzlichen Voraussetzungen; – ihrerseits Gegenstand von absolutrechtlich („dinglich“) wirkenden Sicherungsrechten sein, namentlich rechtsgeschäftlich verpfändet werden und Gegenstand eines Nießbrauchs sein; – in der Einzel- und Gesamtvollstreckung zur Befriedigung der Gläubiger zwangsweise verwertet werden, indem sie insbesondere gegen Entgelt an Dritte übertragen werden2; – im Wege der Rechtsnachfolge von Todes wegen auf die Erben übergehen. Diese Elemente der Verkehrsfähigkeit signalisieren die ideelle Existenz eines primären Rechts, auch wenn kein akuter Verstoß gegen bestimmte gesetzliche Vorschriften gegeben ist. Gerade darin unterscheiden sich die subjektiven Rechte 1
Siehe zu diesen formalen Wirkungen von Ausschließlichkeitsrechten oben § 1 C I 2. Dazu, dass die Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzfestigkeit von Rechten nicht der maßgebliche Prüfungspunkt ist, unten D I. 2
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nach hier vertretener Auffassung vom Schutz von Interessen und Gütern auf der Basis gesetzlicher Schuldverhältnisse. Eine Analyse der privaten Güterordnung und ihrer Rechtsgrundlagen hat die Verkehrsfähigkeit überdies einzubeziehen, weil sie die rechtliche Seite der positiven Befugnisse eines Rechtsinhabers darstellt, die neben seine tatsächliche Verfügungsmacht im Hinblick auf das Gut tritt3. Obwohl die Anerkennung der rechtsgeschäftlichen oder zwangsweisen Übertragbarkeit anzeigt, dass der Rechtsanwender den Schritt von der bloßen Anwendung gesetzlicher Schuldverhältnisse hin zu einem originären Ausschließlichkeitsrecht vollzogen hat4, spielt das Rechtsverkehrsrecht in den einschlägigen Stellungnahmen eine nur marginale Rolle. Insbesondere der Streit um den numerus clausus der normierten Ausschließlichkeitsrechte wird praktisch ausschließlich in Bezug auf den Schutz „neuer“ Güter im Verhältnis zu jedermann bzw. das Verbot unerlaubter Nutzung geführt5. Dabei erscheint es doch zumindest erklärungsbedürftig, ob und ggf. warum ein deliktsrechtlicher Schutz als solcher ohne weiteres umlauffähig ist. Denn es fällt bereits schwer, überhaupt eine Rechtsposition zu formulieren, die unabhängig von einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) oder unlauteren Wettbewerbshandlung (§ 3 UWG) besteht. Ferner haben die Beispiele richterlicher Zuordnungsentscheidungen über „neue“ Güter durchaus die praktische Bedeutung des Aspekts der Verkehrsfähigkeit erwiesen6: Der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz wurde vom Bundesgerichtshof offenbar als zumindest beschränkt übertragbar erachtet, weil dieser als „Rechtsstellung“ bezeichnet wurde, die einem Lizenznehmer dergestalt „eingeräumt“ werden könne, dass „jeder Dritte“ hiervon ausgeschlossen sei. Entsprechendes galt für den richterrechtlich entwickelten Schutz der Darbietung ausübender Künstler vor Inkrafttreten der §§ 73 ff. UrhG7. Übertragungsrechte an Sportveranstaltungen werden unter anderem propagiert, um den Vereinen bzw. Sportverbänden eine vom Eigentum am Veranstaltungsort losgelöste, übertragbare Rechtsposition zukommen zu lassen, mit der die komplexen Verbandsvereinbarungen und Lizenzketten eine stabile Grundlage gewinnen. Beim Streit 3
Auch dazu oben § 1 C I. Siehe Forkel, FS Schnorr v. Carolsfeld, 105, 115 (die Anerkennung der Verkehrsfähigkeit führe zu einer Umwandlung des Charakters eines Rechts vom Persönlichkeits- in ein Vermögensrecht); Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 49 (nicht alle absoluten Berechtigungen seien verkehrsfähig). 5 So auch Forkel, FS Schnorr v. Carolsfeld, 105, 106 f. (die der Schutzfrage nicht nachstehende Übertragungsfrage sei für geheimes Wissen vernachlässigt worden); insoweit zutreffender Fokus bei Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 252 ff. Die Verkehrsfähigkeit bewusst ausblendend Walch, Leistungsschutz, 26. Zur entsprechenden Beschränkung der Wirtschaftswissenschaften auf den Besitzschutz unter Außerachtlassung der Übertragbarkeit und insbesondere Verpfändbarkeit des Eigentums Heinsohn/Steiger, Eigentumsökonomik, 88 und passim. 6 Siehe jeweils oben § 4 B. 7 BGHZ 57, 116, 121 (1971) – Wandsteckdose II; zum Leistungsschutz ausübender Künstler oben § 4 B III 2. 4
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um die Existenz ausschließlicher Rechte an der Internet-Domain als solcher steht die Zulässigkeit der Einzelzwangsvollstreckung sogar ganz im Vordergrund. Welche Rechtsnatur die Befugnisse an Betriebsgeheimnissen haben, problematisierte die Dücko-Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Hinblick auf das frühere Konkursrecht. Zu entscheiden war, ob nicht patentiertes Geheimwissen in die Konkursmasse fällt und vom Konkursverwalter auf den Erwerber des Schuldnerunternehmens mit der Wirkung übertragen werden konnte, dass der frühere Betriebs- und Geheimnisinhaber die Befugnis zur Nutzung seines Wissens verlor. Der Bundesgerichtshof bejahte, weil zwar kein „absolutes Recht“, aber ein im Konkurs übertragbares „Ausschlussrecht“ am Know-how bestehe. Die größte Aufmerksamkeit hat die Verkehrsfähigkeit ungeschriebener Rechtspositionen an „neuen“ Gütern im Zusammenhang mit den vermögenswerten Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts erfahren. Nachdem die Nena-Entscheidung bereits eine Diskussion ausgelöst hatte, ob Persönlichkeitsrechte übertragbar seien, anerkannte das Marlene-Urteil die Vererblichkeit jener „vermögenswerten Ausschließlichkeitsrechte“, die seither vom aPR in seiner klassischen Gestalt und Funktion unterschieden werden. Die ganz herrschende Meinung in der Literatur bejaht dementsprechend zumindest die beschränkte Übertragbarkeit der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts sowie – mit Einschränkungen analog der §§ 113 ff. UrhG – die Zwangsvollstreckung in diese Befugnisse und ihre Verwertbarkeit in der Insolvenz. Diese Zusammenschau erhellt, dass die Verkehrsfähigkeit nicht spezialgesetzlich zugeordneter Güter ein allgemeines Phänomen darstellt. Immer wenn die soziale und technologische Entwicklung neue Güter hervorbringt, ist zu entscheiden, ob der entsprechende Vermögenswert rechtsgeschäftlich und zwangsweise in Umlauf gebracht werden kann. Die praktische Bedeutung dieser generellen Rechtsfrage zeigen etwa die Schwierigkeiten, den millionenschweren Markt mit virtuellen Gegenständen aus Online-Computerspielen als dem wohl jüngsten „neuen“ Gut in den Griff zu bekommen. Insoweit ist z.B. zweifelhaft, was „Gegenstand“ schuldrechtlicher Verträge ist, und ob es eine „dingliche“ Ebene gibt, die vom Verpflichtungsgeschäft zu trennen ist8. Bei der Beschäftigung mit diesen Fragen gilt es schließlich zu erkennen, dass der bloße Schutz vor unerlaubten Nutzungen dem Berechtigten zunächst einmal nur ermöglicht, seine tatsächliche Verfügungsmacht selbst wahrzunehmen. Häufig aber besteht ein erhebliches Interesse, anderen die Rechtsposition zu überlassen und auf diese Weise gegenseitige Transaktionsgewinne zu realisieren9. Diese Funktion erfüllt die rechtliche Verfügungsmacht, um deren allgemeine Grundlagen und Strukturen es im Folgenden geht. 8 Siehe dazu Lober/Weber, MMR 2005, 653 ff., bei deren Darstellung letztlich unklar bleibt, was genau Vertragsgegenstand ist (Abtretung der Nutzungsrechte des Veräußerers, aber analoge Anwendung des § 929 S. 1 BGB auf den „Rechtskauf“); dennoch zustimmend Geis/Geis, CR 2007, 721. 9 Dazu oben § 3 B I.
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II. Herangehensweise Ist demnach die Frage, ob die Gerichte die Verkehrsfähigkeit ungeschriebener Rechtspositionen an „neuen“ Gütern bejahen dürfen, rechtlich und praktisch relevant, so erscheint zweifelhaft, ob diese Thematik mit derselben Herangehensweise analysiert werden kann wie der Schutz von Gütern im Verhältnis zu jedermann. Insofern war bereits in der Einleitung erläutert worden, dass die Sanktionierung unerlaubter Nutzungen einer Rechtsgrundlage bedarf, weil die Gerichte als Hoheitsträger in die allgemeine Handlungsfreiheit des jeweiligen Schuldners eingreifen10. Auch der Zugriff der Gläubiger in der Einzel- und der Gesamtvollstreckung erfolgt mithilfe des staatlichen Gewaltmonopols und unterliegt daher dem Vorbehalt des Gesetzes. Daher erstreckt sich die Frage nach der Rechtsgrundlage ohne Weiteres auf die Zwangsvollstreckung und den Insolvenzbeschlag. Die rechtsgeschäftliche Übertragbarkeit unter Lebenden und von Todes wegen erscheint indes nicht begründungsbedürftig, weil dem Rechtsinhaber zusätzliche Möglichkeiten eröffnet werden, den Wert des Gutes auszunutzen. Der tatsächlichen Verfügungsmacht wird die rechtliche hinzugefügt. Aber auch allen Dritten bringt die Verkehrsfähigkeit nur eine Erweiterung ihrer Handlungsoptionen, weil sie an die Stelle des originär Berechtigten treten und sich den Vermögenswert zum gegenseitigen Vorteil einverleiben können11. Eine solche Betrachtungsweise übersieht jedoch die Zusammenhänge zwischen rechtsgeschäftlicher und zwangsweiser Verwertung von Rechtspositionen. Wie im Laufe dieses Paragraphen zu zeigen sein wird, koppelt das deutsche Recht die Pfändbarkeit in der Zwangsvollstreckung als zweifellos die allgemeine Handlungsfreiheit des Schuldners beschränkende Maßnahme an die Übertragbarkeit und Verpfändbarkeit von Rechten. Der dahinterstehende Gedanke besagt, dass den Gläubigern als Haftungsmasse zur Verfügung stehen soll, was der Schuldner selbst versilbern kann. Hierzu zählen zumindest die übertragbaren subjektiven Rechte12. Wenn man also die Verkehrsfähigkeit einer Rechtsposition anerkennt, muss man sich der Zwangsverwertung als der anderen Seite der Medaille bewusst sein; der im Nachgang der Marlene-Entscheidung befürwortete Gläubigerzugriff auf Rechte an der Persönlichkeit zeugt davon. Will man diesen Zusammenhang nicht systemwidrig durchbrechen, muss mithin bereits die erste Entscheidung über die rechtsgeschäftliche Übertragbarkeit begründet und im Gesetz verankert werden. Das gilt nicht nur für die Übertragbarkeit unter Lebenden, sondern auch für die Vererblichkeit. Die Vererbung nimmt zwar wegen des Prinzips der Gesamtrechtsnachfolge eine Sonderrolle im Rechtsverkehrsrecht ein. Jedoch verknüpft das Gesetz auch insoweit den rechtsgeschäftlichen Verkehr mit der
10
Oben Einleitung B II, III. Insoweit zutreffend Forkel, FS Schnorr v. Carolsfeld, 105, 120. 12 Dass der Insolvenzbeschlag sogar weitere vermögenswerte Rechtspositionen erfasst (dazu unten E), hebt diesen Zusammenhang nicht auf, sondern verlangt nur eine eigenständige insolvenzrechtliche Begründung für diese Erweiterung. 11
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Zwangsverwertung. Denn was in die Erbmasse fällt und damit zum Nachlass zählt, wird von der Nachlassinsolvenz erfasst13. Wiederum eröffnet die Vererblichkeit den Gläubigern den Zugriff auf den entsprechenden Vermögenswert. Im Ergebnis kann die Generalfrage dieser Untersuchung nach einer Rechtsgrundlage für richterliche Zuordnungsentscheidungen auch für die Verkehrsfähigkeit ungeschriebener Rechtspositionen an „neuen“ Gütern fruchtbar gemacht werden. Selbst wenn man die hier vertretene Rückkopplung von der Zwangsvollstreckung/Insolvenz auf die Übertragbarkeit/Vererblichkeit ablehnt, hat sich diese Herangehensweise als Methode bewährt. Ausgerichtet auf Grenzfälle und die maximale Aussagekraft güterzuordnungsrelevanter Normen lässt sie nämlich allgemeine Strukturen des Rechtsverkehrsrechts hervortreten, die weitere Elemente für eine allgemeine Theorie der Güterzuordnung im deutschen Recht liefern14.
III. Aufbau Der Aufbau dieses Paragraphen reflektiert die vorstehend erläuterte Herangehensweise. Gesucht werden offene „Generalklauseln“ des Zivil-, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrechts, die die genannten Wirkungen ohne Bezug auf ein bestimmtes, normiertes Ausschließlichkeitsrecht aussprechen. Bemerkenswerterweise finden sich derartige Vorschriften für jeden Bereich des Rechtsverkehrsrechts. Sie gilt es dahingehend zu analysieren, ob sie die Rechtsprechung zur Anerkennung des jeweiligen Aspekts der Verkehrsfähigkeit ermächtigen oder ob sie wiederum nur Blankettnormen darstellen, die anderweitig abzuleitende Rechtspositionen voraussetzen, für die lediglich ein Verfahren zur rechtsgeschäftlichen bzw. zwangsweisen Verwertung bereitgestellt wird. Die Prüfungsreihenfolge orientiert sich im Übrigen an der zusammenhängenden Struktur des Rechtsverkehrsrechts15. Am Beginn der Überlegungen steht die Übertragbarkeit, für die mit § 413 BGB eine allgemeine Norm zur Übertragung „anderer Rechte“ bereitsteht. Daneben ist zu erörtern, ob die in Anlehnung an § 185 BGB richterrechtlich entwickelte „Ermächtigung“ zur Verfügung über fremde Rechte und deren gerichtliche und außergerichtliche Geltendmachung im eigenen Namen eine Alternative ist, um zumindest eine gewisse Umlauffähigkeit unübertragbarer Rechtspositionen herzustellen (dazu B). Ergänzend wendet sich der Blick auf die beschränkte Übertragung als Minus zur unbeschränkten, translativen Übertragung. Insoweit sieht das BGB allgemeine Regelungen in Gestalt der Verpfändung von „Rechten“16 und der Bestellung eines Nießbrauchs an „Rechten“17 vor (dazu C). 13
Siehe unten F II 2 b. Dazu unten § 14 B. 15 Siehe in diesem Sinne zum Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers RGZ 140, 223, 225 (1933) (übertragbare, pfändbare und beschlagsfähige (§ 1 KO) Rechtsstellung). 16 §§ 1273 f. BGB. 17 §§ 1068 f. BGB. 14
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Diese Vorschriften bilden zugleich das Scharnier zur zwangsweisen Verwertung in der Einzelzwangsvollstreckung. Denn jene erfolgt im Wege der Pfändung und gewährt dem Gläubiger im Verhältnis zu anderen Gläubigern dieselben Rechte wie ein durch Vertrag erworbenes Faustpfandrecht18. Anknüpfungspunkt ist § 857 Abs. 1 ZPO, der die Zwangsvollstreckung in „andere Vermögensrechte“ statuiert (dazu D). Der weitere Konnex zur Gesamtvollstreckung in der Insolvenz des Schuldners offenbart sich in § 36 Abs. 1 S. 1 InsO, wonach Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, auch nicht zur Insolvenzmasse zählen. Diese umfasst im Übrigen gem. § 35 Abs. 1 InsO das „gesamte Vermögen“, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (dazu E). Erst im Anschluss hieran ist auf die durch die Marlene-Entscheidung in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückte Vererblichkeit ungeschriebener Rechtspositionen einzugehen. Dieser Aufbau wurde gewählt, weil die Universalsukzession von Todes wegen nicht an die Einzelrechtsnachfolge unter Lebenden anknüpft, sondern wie die Gesamtvollstreckung das Vermögen „als Ganzes“ erfasst (§ 1922 BGB). Dieser strukturelle Gleichlauf mit dem Insolvenzrecht erweist sich gerade in der Nachlassinsolvenz, die Auslöser der Forderung nach einer Rechtsgrundlage für die Vererblichkeit ist (dazu F). Eine zusammenfassende Stellungnahme arbeitet die Strukturen des Rechtsverkehrsrechts heraus und leitet zur verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie als potentieller Grundlage der Güterzuordnung über (dazu G).
B. Die Begründung der Übertragbarkeit I. Begriff der Übertragbarkeit Ausgangspunkt der Überlegungen zum Rechtsverkehrsrecht ist die Frage, ob die ungeschriebene Rechtsposition vollständig oder teilweise (synonym: unbeschränkt/translativ oder beschränkt/konstitutiv) vom Berechtigten auf einen anderen übertragen werden kann, der im vereinbarten Umfang an die Stelle des früheren Inhabers tritt, ohne dass die übertragene Rechtsposition inhaltlich geändert wird19. Die Übertragung eines Rechts ist ein Fall der Verfügung als eines Rechtsgeschäfts, durch das der Verfügende unmittelbar auf ein Recht einwirkt, indem dieses übertragen, aufgehoben, belastet oder sonst inhaltlich geändert
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Siehe die §§ 803 f., 829 ff., 857 ff. ZPO. Steinbeck, Übertragbarkeit von Gestaltungsrechten, 38. Zur translativen, also zu einem endgültigen Rechtsverlust führenden Übertragung im Gegensatz zu einer konstitutiven Übertragung, bei der ein Recht geringeren Inhalts auf ein anderes Subjekt übergeht, v. Tuhr, AT II/2, 59 ff.; Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 36 ff. 19
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wird20. In diesem Sinne spricht das BGB21 von Verfügungen über einen Gegenstand22, ein veräußerliches Recht23, ein Grundstück oder dingliche Rechte am Grundstück und an Sachen24, über Schuldverschreibungen auf den Inhaber25, über Miete oder Pacht26 bzw. „Forderungen“ allgemein27 sowie über den Anteil am Nachlass28. Als Verfügung werden der Verzicht, die Aufhebung und Änderung der Rangstelle einer Hypothek29 sowie die Einziehung einer Forderung30 bezeichnet. Derartigen rechtsgeschäftlichen Verfügungen werden schließlich Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung, der Arrestvollziehung oder durch den Insolvenzverwalter gleichgestellt31, was bereits auf die strukturellen Zusammenhänge zwischen rechtsgeschäftlichen und zwangsweisen Übertragungen verweist. Zwei Grundprinzipien des Rechtsverkehrsrechts werden an diesem Verständnis der Verfügung erkennbar: Jede Verfügung bzw. Übertragung bezieht sich auf ein subjektives Recht32, und zwar auf ein bestimmtes subjektives Recht (Spezialitätsprinzip)33. 20 Mot. I, 127 („Das dingliche Rechtsgeschäft kann zum Inhalte haben die Begründung, Uebertragung oder Aufhebung eines Rechtes an einer Sache oder an einem Rechte …“); RGZ 111, 247, 250 (1925); BGHZ 1, 294, 304 (1951) (Kündigung und Anfechtung als Verfügung); BGHZ 75, 221, 226 (1979) (Verfügung über das Anwartschaftsrecht); v. Tuhr, AT II/2, 238; Steffen, in: RGRK, § 185 BGB Rn. 4; Flume, AT 2, 140; Hübner, AT, Rn. 390; Thiele, Zustimmungen, 32. 21 Siehe Mot. I, 127 f. („dingliches Rechtsgeschäft“); BGHZ 1, 294, 304 (1951); v. Tuhr, AT II/ 2, 238; differenzierend zwischen Verfügungen über das Sacheigentum und andere Rechte Heck, Sachenrecht, 108 f.; zur „Verfügungsbeschränkung“ §§ 878, 892 Abs. 1 S. 2 BGB. Folgende Verwendungen des Begriffs „Verfügung“ im BGB sind abzugrenzen: Mehrfach wird der Begriff im umgangssprachlichen Sinne, dass etwas „zur Verfügung steht“ oder „zur Verfügung gestellt/überlassen wird“, verwendet; siehe in diesem Sinne etwa die §§ 110, 312c Abs. 1 S. 1, 488 Abs. 1 S. 1 BGB. Ebenfalls abzugrenzen ist die „letztwillige Verfügung“ bzw. die „Verfügung von Todes wegen“, also die erbrechtlichen Instrumente des Erblassers zur Regelung der Vermögensnachfolge; siehe in diesem Sinne etwa die §§ 83 S. 1, 332, 1509 S. 1, 2064 ff. BGB; hierzu RGZ 111, 247, 250 f. (1925) (letztwillige Verfügung kein Fall des § 185 BGB); Flume, AT 2, 145 ff. Schließlich wird im BGB auf die zivilprozessuale „gerichtliche“ bzw. „einstweilige“ Verfügungen verwiesen; siehe z.B. die §§ 186, 885 Abs. 1 S. 1 BGB. 22 Siehe z.B. die §§ 135 Abs. 1 S. 1, 161 Abs. 1 S. 1, 185, 747 (auch Anteile an Gegenständen), 816, 1369 Abs. 1 (Gegenstände des ehelichen Haushalts), 2040 Abs. 1, 2205 S. 2 (Nachlassgegenstand), 2112, 2113 Abs. 2 S. 1 BGB (Erbschaftsgegenstand). Zum Begriff des Gegenstands in diesem Kontext unten § 10 B II, IV 1. 23 Siehe die §§ 137 S. 1, 1428 BGB (zum Gesamtgut gehörendes Recht). 24 §§ 883 Abs. 2 S. 1, 892 Abs. 1 S. 2, 1189 Abs. 1 (Verfügung über Hypothek), 1424 (Grundstück/Schiff), 1819 S. 1 (Kostbarkeiten, dingliche Rechte), 1821 Abs. 1 Nr. 1, 3, 2113 f. BGB. 25 Siehe die §§ 793 Abs. 1, 797 BGB; ferner § 1819 BGB (Verfügung über Wertpapiere). 26 Siehe §§ 566b, 578a Abs. 2, 1124 BGB. 27 §§ 1074 S. 3, 1126 S. 2 (Anspruch auf Leistung), 1712 Abs. 1 Nr. 2 (Unterhaltsansprüche), 1812 Abs. 1 S. 1, 1821 Abs. 1 Nr. 2 BGB. 28 § 2033 BGB. 29 § 1165 BGB. 30 Arg. § 1282 Abs. 2 BGB. 31 Siehe z.B. die §§ 135 Abs. 1 S. 2, 161 Abs. 1 S. 2, 184 Abs. 2, 458 S. 2, 883 Abs. 2 S. 2 BGB. 32 Mot. I, 128 („Unter Verfügen versteht der Entwurf … rechtliches Verfügen.“); v. Tuhr, AT I, 319, AT II/2, 242; Flume, AT 2, 140; Thiele, Zustimmungen, 25; Doris, Ermächtigung, 75; Forkel, FS Schnorr v. Carolsfeld, 105, 109 (die Übertragung geheimen Wissens beziehe sich auf die Berech-
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Bevor die Suche nach einer Rechtsgrundlage für eine solche Verfügung aufgenommen werden kann, ist an die Unterscheidung zwischen Verpflichtung und Verfügung zu erinnern34: Zwar werden beide Vertragstypen35 unter den Oberbegriff des Rechtsgeschäfts gefasst, weil jeweils ein von der Rechtsordnung anerkannter, rechtlicher Erfolg auf dem Willen des bzw. der Erklärenden beruht36. Jedoch werden durch Verpflichtungsgeschäfte keine bestimmten Rechte übertragen, sondern neue relative, auf das Verhalten des Schuldners gerichtete Rechte begründet. Bei der Übertragung ist das subjektive Recht Gegenstand des Rechtsgeschäfts, bei der Verpflichtung Ergebnis. Dies gilt für schuldrechtliche Nutzungsgestattungen (z.B. Miete, Pacht, Lizenzvertrag)37 ebenso wie für die Verpflichtung zu einer Verfügung, durch die nicht unmittelbar eine Veränderung bestehender Rechte herbeigeführt wird, sondern Rechtsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien erzeugt werden38. Da derartige relative Rechte keine Güter exklusiv zuweisen, bleiben sie im Hauptteil dieser Untersuchung außer Betracht39. Vor dem Hintergrund dieser Strukturen wird die „Kernfrage“ der richterrechtlichen Ausformung von Rechtspositionen zutreffend dahingehend formuliert, ob nur eine schuldrechtliche Verwertung durch Begründung relativer Rechte kraft Verpflichtungsgeschäfts oder eine Verfügung über ein bestimmtes, wenn auch 33 tigung am Wissen, nicht auf das Wissen selbst); rechtsvergleichend Gretton, RabelsZ 71 (2007), 802, 844; zumindest unklar Steffen, in: RGRK, § 185 BGB Rn. 9 („Gegenstand der Verfügung ist jeder Vermögenswert.“); a.A. Berkemeier, Verwertung, 113 (die Verschaffung faktischer Exklusivität durch Mitteilung eines Geheimnisses sei eine Verfügung). Zum Begriff des subjektiven Rechts als konkretisiertes Dürfen im Gegensatz zur umfassenderen Rechtsposition oben § 1 C. 33 Dazu noch unten B II. 34 Siehe nur Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 99 ff. Schon deshalb verfehlt ist ein Verweis auf das „allgemeine Vertragsrecht“, so dass neben Verpflichtungen auch Verfügungen zulässig seien; so aber Ahrens, Verwertung, 433 f., 439 f. 35 Siehe Mot. I, 127 (Vertrag als zweiseitiges Rechtsgeschäft); Thiele, Zustimmungen, 7. 36 Siehe z.B. die §§ 578a Abs. 2, 893, 1822 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Zum Begriff des Rechtsgeschäfts Mot. I, 126 (Rechtsgeschäft als Willenserklärung, gerichtet auf die Hervorbringung eines rechtlichen Erfolges, der nach der Rechtsordnung eintritt, weil er gewollt ist); BGHZ 1, 294, 305 (1951); Heinrichs, in: Palandt, vor § 104 BGB Rn. 2; v. Tuhr, AT II/2, 143 ff. (diejenigen rechtlich bedeutsamen Handlungen, die einen rechtlichen Erfolg deswegen hervorbringen, weil der Wille des Erklärenden auf diesen Erfolg gerichtet ist); Flume, AT 2, 23 (Aktstypen, die nach ihrem in der Rechtsordnung festgelegten Inhalt auf die Begründung, Änderung oder Aufhebung eines Rechtsverhältnisses in Selbstbestimmung des Einzelnen durch das Setzen einer Regelung gerichtet sind). 37 V. Tuhr, AT II/2, 70. 38 Siehe die §§ 137 S. 2, 458 S. 1 (Verfügung über den gekauften Gegenstand), 893, 1365 Abs. 1 S. 1, 1423, 1812 Abs. 1 S. 2, 1819 S. 2, 1821 Abs. 1 Nr. 4, 5 BGB. Siehe aber auch § 2205 S. 3 BGB („unentgeltliche Verfügung“). Dazu Mot. I, 127 (Bedeutung der Scheidung zwischen obligatorischem und dinglichem Rechtsgeschäft); RGZ 117, 69, 71 (1927) (abstrakte Übertragung eines Wechsels); BGHZ 62, 133, 140 (1974); v. Tuhr, AT II/2, 250 ff.; Dulckeit, Verdinglichung, 31; Flume, AT 2, 141; Thiele, Zustimmungen, 26. 39 Siehe oben Einleitung C I, § 1 B II 4. Zur Verortung relativer Rechte und Verpflichtungsgeschäfte in einer Gesamtdogmatik des Güterzuordnungsrechts unten § 14 B I. Zu weiteren, „unterhalb“ der Verfügung angesiedelten, rechtsgeschäftlichen „Gestattungen“ Ohly, volenti non fit iniuria, 141 ff. (Stufenleiter der Gestattungen, bestehend aus Einwilligung, schuldrechtlicher Gestattung und Rechtsübertragung); Buchner, Informationelle Selbstbestimmung, 231 ff.
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ungeschriebenes subjektives Recht möglich ist40. Denn während nicht zugeordnete Güter ohne weiteres durch den Abschluss entgeltlicher Verpflichtungsgeschäfte im zweiseitigen Verhältnis versilbert werden können41, markiert die Übertragung die ideelle Existenz eines primären, von einer konkreten Verletzung unabhängigen, subjektiven Ausschließlichkeitsrechts. In Anbetracht dieses weithin konsentierten Begriffs der Übertragung/Verfügung im Unterschied zur Verpflichtung erscheint die Frage nach einer Rechtsgrundlage der Übertragbarkeit falsch gestellt oder obsolet: Damit ein subjektives Recht übertragen werden kann, muss es denknotwendig bereits bestehen oder als künftiges Recht bestimmbar sein42. Seit dem römischen Recht ist anerkannt, dass „nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet“43. Folglich bleibt die Frage nach der Rechtsgrundlage für das zu übertragende Recht virulent. In den §§ 5 bis 9 wurde jedoch nachgewiesen, dass sich im geschriebenen Privatrecht kein Anhaltspunkt für die richterrechtliche Anerkennung von Ausschließlichkeitsrechten an „neuen“ Gütern findet. Erst recht ist es Privatrechtssubjekten versagt, durch ein- oder mehrseitige Erklärung Verpflichtungen Dritter zu generieren, die sich hierzu nicht einverstanden erklärt haben. Genau dazu würde es aber kommen, wenn positiv-exklusive Befugnisse an Gütern durch Parteivereinbarung geschaffen werden könnten und fortan jedermann bestimmte Handlungen unterlassen müsste44. Das Trennungsprinzip und das Verbot des Vertrages zu Lasten Dritter, die die Gleichheit der Privatautonomie45 aller Privatrechtssubjekte anerkennen, schließen es daher aus, von einer üblichen, ggf. auf „Übertragung“ lautenden Vertragspraxis auf die Übertragbarkeit einer Rechtsposition zu schließen46. Wenn 40
Helle, RabelsZ 60 (1996), 448, 466. Zum Kauf und zur Lizenzierung „sonstiger Gegenstände“ unten § 14 B I. 42 Hübner, AT, Rn. 390; Krasser, Schutz vertraglicher Rechte, 94; insoweit zutreffend auch Roth, Geschützte Stellungen, 183. 43 D. 50.17.54 (Ulpian). Siehe nur etwa BGHZ 44, 288, 294 f. (1965) – Apfel-Madonna; BGH NJW-RR 1993, 669, 670 („Der Abtretende kann dem Abtretungsempfänger keine bessere Rechtsstellung verschaffen, als er sie selbst im Zeitpunkt der Abtretung hat.“); für die Ermächtigung zur Geltendmachung eines Kündigungsrechts LG Berlin Urt. v. 24.1.2005, 67 S 301/04, juris KORE704222005, Rn. 33; Krückmann, AcP 103 (1908), 139, 160 f. 44 BGH NJW 2005, 3353 f. („Der Domain kommt keine etwa mit einem Patent-, Marken- oder Urheberrecht vergleichbare ausschließliche Stellung zu. Diese Rechte zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihrem Inhaber einen Absolutheitsanspruch gewähren, der vom Gesetzgeber begründet worden ist und nicht durch Parteivereinbarung geschaffen werden kann.“); Schön, Nießbrauch an Sachen, 261 f. (dass der absolute Rechtsschutz nicht der Privatautonomie unterliege, sei eine Selbstverständlichkeit). 45 BVerfGE 89, 214, 232 (1993) (alle Beteiligten des Privatrechtsverkehrs können sich gleichermaßen auf die grundrechtliche Gewährleistung der Privatautonomie berufen). 46 So aber für elektrische Energie Sohm, IherJb 53 (1908), 373, 385; für die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts Freitag, Kommerzialisierung, 167 f.; Roth, Geschützte Stellungen, 194 ff. (Parteiinteressen gebieten Übertragbarkeit); Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 29 („Ist der Gegenstand marktgängig, kann der Inhaber anderen grundsätzlich durch Vertrag (§ 305 BGB) die Verwertung gegen Entgelt gestatten. Indes bleibt die Frage, ob ein solcher Verwertungsvertrag rechtlich zulässig ist. Ist das der Fall, so besteht ein umfassendes Persönlichkeitsgüterrecht.“). 41
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aber die Rechtsordnung kein Ausschließlichkeitsrecht vorsieht, und kein Privatrechtssubjekt durch rechtsgeschäftliche Erklärung ein solches, gegen jedermann gerichtetes subjektives Recht aus der Taufe zu heben vermag, dann erübrigt sich die Frage nach der Übertragbarkeit: Über ein Recht, das weder existiert noch durch Aktivitäten der Parteien künftig zur Entstehung gebracht werden kann, kann nicht verfügt werden47. Und doch wäre es vorschnell, die Prüfung schon hiermit abzubrechen. Bereits die soeben zitierten, gegenteiligen Literaturmeinungen und die eingangs genannten Beispiele aus der Rechtspraxis verdeutlichen, dass man sich auf solch allgemeine Zusammenhänge, so zwingend sie erscheinen mögen, nicht (mehr) zurückziehen kann. Überdies harrt die scharfe Trennung zwischen subjektiven Rechten und bloßem Schutz von Gütern und Interessen auf der Basis gesetzlicher Schuldverhältnisse noch der Begründung aus den Strukturen des Rechtsverkehrsrechts. Denn immerhin gibt es auch nach den Ergebnissen der bisherigen Studie Rechtspositionen im Verhältnis zu jedermann, die mit sämtlichen Ansprüchen bewehrt sind, die bei der Verletzung eines primären Ausschließlichkeitsrechts in Betracht kommen, ohne dass ein solches dem Gesetz zu entnehmen ist48. Ob nicht zumindest diese Rechtspositionen rechtsgeschäftlich und zwangsweise übertragbar sind, kann nur dem insoweit einschlägigen Recht entnommen werden. Hierfür sieht das Gesetz wie gezeigt allgemeine Auffangklauseln vor, die den Grundsatz nahelegen, dass alle Rechtspositionen umlauffähig sind, wenn keine besonderen Gründe dagegensprechen. Schließlich steht noch die Prüfung des Grundgesetzes und eines sonstigen Rechtsprinzips der Güterzuordnung aus. Sollten sich die Gerichte bei der Anerkennung ungeschriebener Ausschließlichkeitsrechte auf diese Legitimationsquellen stützen können, wäre das Problem des Verfügungsgegenstands gelöst. Umgekehrt können dem Rechtsverkehrsrecht möglicherweise Aussagen im Hinblick auf ein außerhalb des Privatrechts angesiedeltes Zuordnungsgebot entnommen werden.
II. Die Vorschriften zur Übertragung von Rechten im Überblick Vorschriften zur Übertragung finden sich in sämtlichen Kodifikationen von Ausschließlichkeitsrechten. Das Eigentum an beweglichen und unbeweglichen Sachen wird gem. der §§ 873, 925 ff. BGB übertragen49. In diesen Normen ist ausdrücklich das Eigentum als Verfügungsgegenstand bezeichnet, während viele andere sachenrechtliche Bestimmungen, insbesondere die Regelungen zu den beschränkten dinglichen Rechten im 4. bis 8. Abschnitt des Sachenrechts, das Rechtsobjekt „Sache“ in Bezug nehmen, über die indes nicht verfügt wird: Be47 Zirkulär denn auch die Argumentation von Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 49 (ob eine Berechtigung übertragbar sei, richte sich danach, ob sie die Befugnis zur gebundenen, beschränkten oder translativen Rechtsübertragung „in sich trägt“). 48 Siehe oben § 9 E II. 49 Dasselbe gilt für Inhaberpapiere; siehe Kindl, in: Bamberger/Roth, § 929 BGB Rn. 7 m.w.N.
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schränkt oder unbeschränkt übertragen wird stets das Eigentum an der Sache, nicht die Sache selbst50. Diese Ausrichtung auf das subjektive Recht gilt auch für das Sicherungseigentum und das dingliche Anwartschaftsrecht als Durchbrechungen des numerus clausus der beschränkten dinglichen Rechte51. Sie werden ebenfalls gem. der §§ 929 ff. BGB übertragen52. Die Anerkennung dieser Rechtsfiguren ist hier nicht zu problematisieren, weil keine Begründung originärer Ausschließlichkeitsrechte in Rede steht, sondern ungeschriebene derivative Rechte entwickelt wurden, indem die Grenzen der Befugnis zur Verfügung über das Eigentum als unstreitig vorbestehendes Recht verschoben wurden53. Dass diese dinglichen Rechte den §§ 929 ff. BGB und nicht der allgemeinen Regelung des § 413 BGB unterfallen, bestätigt nur ihre Rechtsnatur als privatautonome Modifikationen des vorausgesetzten, originären Sacheigentums54. Anerkanntermaßen unzulässig
50 Johow, in: Schubert, Sachenrecht 1, 153; BGHZ 1, 294, 305 (1951); Sohm, ArchBürgR 28 (1906), 173, 188 f.; Flume, AT 2, 142 („Es geht, auch wenn man von dem Gut als dem Gegenstand der Verfügung spricht, bei der Verfügung immer um das Recht an dem Gut.“); zu Nießbrauchsbestellung und Verpfändung noch unten C III 1; zur Unterscheidung zwischen Rechtsobjekt und subjektivem Recht oben § 1 A II. Zumindest schief Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 150 (dem Erwerber von Sacheigentum gehe es um die Sache, also den Besitz). 51 Die Sicherungsübereignung erfolgt nach §§ 929 S. 1, 930 BGB. Das Anwartschaftsrecht ist die „durch das Gesetz verliehene“ (BGHZ 20, 88, 98 (1956)) Rechtsstellung, bei der von einem mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechts schon so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass von einer gesicherten Rechtsposition des Erwerbers gesprochen werden kann, die der andere, an der Entstehung des Vollrechts Beteiligte, nicht mehr durch eine einseitige Erklärung – oder durch das Unterlassen der Erklärung – zu zerstören vermag, so dass die werdende Rechtsposition als eigenständiges, abgeleitetes subjektives Recht eingeordnet werden kann; für den Vorbehaltskäufer RGZ 140, 223, 225 (1933) (bedingtes Recht auf den Erwerb des Eigentums); BGHZ 20, 88, 93 f. (1956) m.w.N.; BGHZ 37, 319, 321 (1962) (Anwartschaftsrecht des Schlusserben nach dem Tode des erstversterbenden Ehegatten); BGHZ 49, 197, 200 f. (1967) (Anwartschaftsrecht des Auflassungsempfängers bei selbst gestelltem Antrag auf Eintragung als Eigentümer mit Hinweis auf die Priorität des Antrags gem. § 17 GBO); BGHZ 75, 221, 225 f. (1979) (bedingtes Eigentumsrecht als dingliches subjektives Recht); BGHZ 114, 161, 164 (1991); BGHZ 125, 334, 338 (1994). 52 Das Eigentum des Sicherungsnehmers wird gem. der §§ 929 S. 1, 931 BGB übertragen. Zur Übertragung des dinglichen Anwartschaftsrechts gem. §§ 929 ff. BGB RGZ 140, 223, 229 (1933); RG SeuffA 91, 261 (1937); BGHZ 28, 16, 21 (1958) m.w.N.; BGHZ 37, 319, 323 (1962); modifizierend für das Anwartschaftsrecht des Auflassungsempfängers aufgrund der Vorgaben des Grundbuchrechts BGHZ 49, 197, 202 f. (1967) (Übertragung ohne Grundbucheintragung, da es an der Voreintragung des Anwartschaftsberechtigten fehle); BGH NJW 1970, 699 (für den rechtsgeschäftlichen Ausschluss der Übertragbarkeit des Anwartschaftsrechts gelte nicht § 399 1. Alt. BGB, sondern § 137 BGB); BGHZ 75, 221, 225 (1979); BGH NJW 1984, 1184, 1185; BGHZ 114, 161, 164 (1991); aus der Literatur Hoche, NJW 1955, 652 m.w.N.; Busche, in: Staudinger, § 413 BGB Rn. 6; Eckert, in: Hk-BGB, § 929 Rn. 57 f.; Bassenge, in: Palandt, § 929 Rn. 45; Jauernig, in: Jauernig, § 929 BGB Rn. 47; Kindl, in: Bamberger/Roth, § 929 BGB Rn. 80; Westermann, in: Erman, § 413 BGB Rn. 3 a.E.; Zeiss, in: Soergel, § 413 BGB Rn. 3. 53 Zum Unterschied zwischen dem numerus clausus der originären Ausschließlichkeitsrechte und der beschränkten dinglichen Rechte oben Einleitung C I. 54 Zum dinglichen Anwartschaftsrecht als „wesensgleiches Minus“ und nicht aliud zum Sacheigentum nur etwa BGHZ 28, 16, 21 (1958); BGHZ 34, 122, 124 f. (1960); BGHZ 75, 221, 225 (1979); BGH NJW 1984, 1184, 1185; BGHZ 114, 161, 164 (1991).
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ist demgegenüber die Abtretung der dinglichen Eigentumsverwirklichungsansprüche aus §§ 894, 985, 1004 BGB als solcher ohne Übertragung des Stammrechts55. Auf eine derartige dingliche Spaltung des Eigentums würden jedoch umlauffähige Rechte an der Übertragung von Sportveranstaltungen hinauslaufen, denn die insoweit tragfähige Rechtsposition beruht auf dem Hausrecht und damit letztlich dem Grundstückseigentum am Veranstaltungsort56. Schließlich regeln sämtliche Immaterialgüterrechtsgesetze die Übertragbarkeit des jeweils normierten Ausschließlichkeitsrechts und weitere Einzelheiten des Rechtsverkehrs, insbesondere die beschränkte Übertragung durch Verpfändung sowie die Lizenzierbarkeit der Rechte57. Vergleichbare Bestimmungen sucht man bei den güterzuordnungsrelevanten gesetzlichen Schuldverhältnissen vergeblich. Insbesondere das UWG statuiert nur die Aktivlegitimation für Ansprüche wegen Zuwiderhandlungen gegen § 3 UWG, nicht jedoch den Rechtsverkehr mit lauterkeitsrechtlichen Rechtspositionen. Dasselbe gilt für den im Markengesetz angesiedelten Schutz geographischer Herkunftsangaben (§§ 126–129 MarkenG). Die Übersicht zeigt, dass die Regeln zur Übertragung normierter Ausschließlichkeitsrechte keine Rechtsgrundlage für die Verkehrsfähigkeit von Rechtspositionen an „neuen“ Gütern abgeben, weil sie auf bestimmte Rechte an bestimmten Gütern zugeschnitten sind. Die analoge Anwendung dieser Sondervorschriften auf andere Rechtspositionen scheidet aus, weil es ebenso wie im Hinblick auf die Begründung des originären Ausschließlichkeitsrechts jedenfalls an der rechtlichen Vergleichbarkeit des Lebenssachverhalts fehlt58. Zugleich bestätigt das positive Recht, dass einzelne subjektive Rechte und nicht deren Objekte (Güter) vorausgesetzter Gegenstand der Verfügung sind. All das legt den aus der Schutzdiskussion bekannten Umkehrschluss nahe, dass eine Übertragbarkeit von Rechten nur dort gegeben ist, wo sich spezielle Regelungen hierzu finden59. Freilich greift diese Argumentation e contrario – wie bereits in der Einleitung gezeigt – zu kurz, weil die Spezialregelungen zur Übertragbarkeit ebenso wenig wie die Kodifikationen des originären Ausschließlichkeitsrechts etwas über Rechtspositionen an Gütern aussagen, die vom betreffenden Gesetz überhaupt nicht erfasst sind. Überdies existiert für die Übertragbarkeit subjektiver Rechte – in auffälligem Kontrast zur Zuordnung „neuer“ Güter – mit § 413 BGB eine Ge-
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Oben § 1 B II 4 und Henckel, AcP 174 (1974), 97, 130. Dazu oben §§ 4 B II, 5 B I und unten § 13 B II. 57 Siehe im deutschen Recht die §§ 15 PatG, 22 GebrMG, 11 Abs. 2 HalblSchG, 27–31 MarkenG, 29–32 GeschmMG, 11 SortSchG, 28–44 UrhG. Zum internationalen und europäischen Immaterialgüterrecht siehe die Art. 71–74 EPÜ, 16–24 GMVO, 27–34 GeschmMVO, 22–29 SortSchVO, 21 TRIPS. Dieser Aspekt wird erkannt, aber nicht weiter verfolgt von Roth, Geschützte Stellungen, 1. 58 Siehe oben § 5 C. Abzulehnen ist daher die Erwägung, die §§ 31 ff. UrhG auf ein „Persönlichkeitsvertragsrecht“ analog anzuwenden; hierfür aber obiter Ohly, volenti non fit iniuria, 165. 59 Zum Umkehrschlussargument im Hinblick auf die Existenz von Ausschließlichkeitsrechten oben Einleitung B II, § 5 C. 56
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neralklausel im BGB. Demnach finden die Vorschriften über die Übertragung von Forderungen auf die „Übertragung anderer Rechte“ entsprechende Anwendung, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. Diese Norm greift gerade mit dem ausdrücklichen Verweis auf vorrangige Spezialregeln im letzten Halbsatz60 über die Bestimmungen des Sachen- und Immaterialgüterrechts hinaus und stellt zumindest eine Auffangregelung für die unbeschränkte Übertragung nicht näher spezifizierter „Rechte“ dar. Ob in ihr darüber hinaus ein Grundsatz der Verkehrsfähigkeit zum Ausdruck gelangt, wonach die Rechtsprechung befugt ist, die Übertragbarkeit nicht speziell geregelter, insbesondere auf der Basis gesetzlicher Schuldverhältnisse anerkannter Rechtspositionen anzuerkennen, ist nunmehr zu prüfen.
III. § 413 BGB als Rechtsgrundlage der Übertragbarkeit? Tatsächlich wird in der Literatur vereinzelt auf § 413 BGB Bezug genommen, um die (beschränkte) Übertragbarkeit von Persönlichkeitsrechten61 oder von nicht patentiertem Geheimwissen62 im Gesetz zu verankern und damit zu begründen. Dahinter steht die Vorstellung, ausweislich des § 413 BGB sei grundsätzlich jede Rechtsposition übertragbar, wenn sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt63. Die bloß entsprechende Anwendung des Abtretungsrechts erlaube eine flexible Ausgestaltung der Übertragbarkeit je nach Interessenlage64. Außerhalb des Sachenrechts gebe es keinen numerus clausus der beschränkten Rechtsübertragungen, so dass es keiner ausdrücklichen Regelung der Verkehrsfähigkeit bedürfe65. Dieser Auffassung ist zuzugestehen, dass sich § 413 BGB pauschal auf „andere Rechte“ als Forderungen bezieht und damit über einen offenen Anwendungsbereich verfügt66. Nach den Materialien der Entstehungsgeschichte sollte die Norm klarstellen, dass alle veräußerungsfähigen Rechte grundsätzlich im Wege der Zession, also vor allen Dingen formlos, übertragen werden können67. Die ganz herrschende Meinung entnimmt § 413 BGB demgemäß einen Grundsatz der formlo60
Siehe nur etwa Schulze, in: Hk-BGB, § 413 Rn. 1; Roth, in: MünchKomm, § 413 BGB Rn. 1; Westermann, in: Erman, § 413 BGB Rn. 6. 61 Busche, in: Staudinger, § 413 BGB Rn. 3 (trotz seiner Aussage, § 413 BGB sei für die Verkehrsfähigkeit nicht konstitutiv); Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen2, 177 (die Beurteilung der Übertragbarkeit sei Entwicklungen unterworfen). 62 Forkel, FS Schnorr v. Carolsfeld, 105, 123. 63 Ahrens, Verwertung, 407 (nur Vollübertragungen von Persönlichkeitsrechten seien ausgeschlossen). 64 Ahrens, Verwertung, 407. 65 Forkel, NJW 1993, 3181, 3183. 66 Siehe auch RGZ 57, 353, 354 f. (1904). 67 Siehe Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 1, 836; Denkschrift, 54; Mot. II, 141 (es sei sehr zweifelhaft, ob „es sich von selbst verstehe“, dass Rechte in einem vom Grundgeschäft zu unterscheidenden, formlosen Vertrag übertragen werden könnten).
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sen Übertragbarkeit von Rechten68. Begreift man dann noch jeden deliktsrechtlich konturierten Rechtskreis als subjektives Recht69, wären grundsätzlich alle in § 4 B dargestellten Rechtspositionen an „neuen“ Gütern umlauffähig. Selbst wenn man sich letztgenannter Sichtweise anschließt, überzeugt es doch nicht, § 413 BGB eine eigene („interne“), konstitutive Aussage zur Übertragbarkeit von Rechten zuzuschreiben. Von den insoweit vorgetragenen Gesichtspunkten geht der Verweis auf den numerus clausus der beschränkten dinglichen Rechte von vornherein fehl, weil jener nur die Verfügungsbefugnis hinsichtlich unstreitig existierender subjektiver Rechte betrifft, nicht jedoch die hier relevante Vorfrage, ob überhaupt ein (ggf. nur eingeschränkt) übertragbares originäres Recht besteht70. Im Übrigen hat § 413 BGB zwar eine generelle Auffangfunktion, geht darüber jedoch nicht hinaus. Die Vorschrift verweist auf „andere Rechte“, ohne über deren Begründung etwas auszusagen71. Das bestätigt die Entstehungsgeschichte, denn mit § 413 BGB wurde eine ursprünglich für das Sachenrecht vorgesehene Regelung für „selbständige, d.h. nicht mit dem Eigenthum am Grundstück verbundene, vererbliche und veräußerliche Berechtigungen“72 auf alle „veräußerungsfähigen Rechte“ ausgedehnt73. Die Änderung dieser expliziten Formulie68 BGH NJW 1979, 1707, 1708 (Grundsatz der Übertragbarkeit gem. §§ 413, 398 ff. BGB); BGH NJW 1998, 896, 897 (aus § 413 BGB ergebe sich, dass auch Gestaltungsrechte jedenfalls im Grundsatz abgetreten werden können); OLG Köln JR 1955, 225 (grundsätzliche Veräußerlichkeit des Wiederverkaufsrechts aufgrund des das bürgerliche Recht beherrschenden Grundsatzes der Vertragsfreiheit); Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 331 f.; Esser/Schmidt, Schuldrecht I/2, 317; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 801; Weber, in: RGRK, § 413 BGB Rn. 1; Zeiss, in: Soergel, § 413 BGB Rn. 1; Busche, in: Staudinger, § 413 BGB Rn. 1; Grüneberg, in: Palandt, § 413 BGB Rn. 1; Eckardt, in: AnwKomm, § 413 BGB Rn. 1; Schulze, in: Hk-BGB, § 413 BGB Rn. 1 („zwei weitreichende Grundsätze“); Roth, in: MünchKomm, § 413 BGB Rn. 1; Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen2, 176; Steinbeck, Übertragbarkeit von Gestaltungsrechten, 41 (auf die in Art. 2 GG verankerte Privatautonomie abstellend). 69 Dazu oben § 1 B II 5 und unten § 14 A II. 70 Oben Einleitung C I. 71 Auch aus dem Verweis auf § 399 1. Alt. BGB folgt, dass ein Recht mit bestimmtem Inhalt vorausgesetzt wird. 72 Abgedruckt bei Schubert, Sachenrecht 1, 15; ferner Johow, in: Schubert, Sachenrecht 1, 147 f., 152 f. (hierzu zählten „auf staatlicher Beleihung“ beruhende Berechtigungen wie das Bergwerkseigentum sowie Regalien und bestimmte beschränkte dingliche Rechte (Erbpachtrecht, Erbzinsrecht), auf welche das Grundstücksrecht gerade keine Anwendung finden sollte). 73 Siehe Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 1, 836 f. („Übertragung eines veräußerungsfähigen Rechts“ bzw. „Uebertragung anderer veräußerlicher Rechte“); Mot. II, 141 (Urheber- und Patentrechte). Zum Begriff der „Veräußerung“, der im 19. Jahrhundert für den später etablierten Begriff „Verfügung“ stand, siehe Wilhelm, in: Coing/Wilhelm, Wissenschaft und Kodifikation, 213 ff., 219 (es gebe keine Begründung für die einheitliche Einführung des Begriffs der Verfügung in die Entwürfe des BGB); Flume, AT 2, 140. Zur Verwendung des Begriffs siehe etwa Mot. I, 128 (Veräußern im Sinne des „Aufgebens der Substanz eines Rechtes (Uebertragung und Aufhebung des Rechtes)“); Sohm, ArchBürgR 28 (1906), 173, 193 (das Urbild aller Verfügungsgeschäfte sei das „Veräußerungsgeschäft“); v. Tuhr, AT II/2, 238 („Veräußerung“ als translative Übertragung subjektiver Rechte). Auch der Sachenrechtsentwurf von Johow agierte noch mit dem Begriff der „Veräußerung einer Sache“; siehe Jakobs/Schubert, Allgemeiner Teil 1, 972.
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rung zur geltenden Fassung sollte keine inhaltliche Modifikation bedeuten74. § 413 BGB gibt demnach nur die allgemeinen Voraussetzungen an, die solch normextern herzuleitende Rechte erfüllen müssen, um übertragbar zu sein: Erstens muss es sich um eine im objektiven Recht anerkannte Rechtsposition handeln, nicht nur um faktische Interessen oder tatsächliche Exklusivität; das bestätigt der im zweiten Halbsatz formulierte Vorbehalt zugunsten anderer gesetzlicher Regelungen75. Zweitens sind „andere“ Rechte als Forderungen angesprochen. Mithin sind unverletzt gedachte, selbständige subjektive Rechte gemeint76, die jedoch anders als relative Rechte nicht nur einen bestimmten Schuldner zu einem Tun oder Unterlassen verpflichten77. Als für sich bestehende Rechte ohne eindeutig bestimmbaren Schuldner78 sind die normierten Ausschließlichkeitsrechte ausgestaltet, nicht hingegen der Schutz von Interessen und Gütern auf der Basis gesetzlicher Schuldverhältnisse79. Hinzu kommt, dass § 413 BGB schon seinem Wortlaut nach nicht das „Ob“ der Übertragbarkeit betrifft, sondern nur das „Wie“ der Übertragung. Geregelt wird ein Grundsatz der Formlosigkeit der Verfügung über vorausgesetzte „andere Rechte“, nicht die hiervon zu trennende Frage, ob diese Rechte überhaupt umlauffähig sind. Dem entspricht die systematische Stellung der Norm im allgemeinen Schuldrecht, das sich mit relativen Rechten und Pflichten befasst, nicht jedoch mit der Struktur subjektiver Rechte, die gerade keinen bestimmten Schuldner haben. Auch der konkrete Abschnitt zur „Übertragung einer Forderung“ widmet sich nur der Zession als solcher, nicht der Entstehung oder dem Inhalt der Forderungen, die abgetreten werden. Folglich betrifft § 413 BGB nur das Rechtsverhältnis zwischen altem und neuem Rechtsinhaber. Ganz in diesem Sinne folgt aus § 413 BGB und der entsprechenden Anwendbarkeit des Zessionsrechts zuvorderst die grundsätzliche Formfreiheit der rechtsgeschäftlichen Übertragung (§ 398), ferner allgemeine Gründe für den Ausschluss der Übertragung (§§ 399 f. BGB) sowie Bestimmungen zur Rechtsstellung der unmittelbar Beteiligten, also des Zedenten, des Zessionars und etwaiger Schuldner (§§ 401 ff. BGB). Diesem Verständnis des § 413 BGB als einer Blankettnorm für das Verfahren der Übertragung anderweitig fundierter, selbständiger subjektiver Rechte ent74
Siehe zur 2. Kommission Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 1, 838 („sachlich mit dem Entwurf übereinstimmende[r] Antrag“). 75 Nicht genügend ist daher der Verweis auf die Möglichkeit der faktischen Genussverschaffung zur Begründung der Übertragbarkeit; so Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 150 ff.; ebenso wenig „die Interessen des Rechtsverkehrs und andere objektive Zweckrichtungen wie Ordnungsaufgaben“; so aber Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 255. 76 So auch Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen2, 176 (private subjektive Rechte als Gegenstand des Übertragungsvorgangs). 77 Rohe, in: Bamberger/Roth, § 413 BGB Rn. 1; Busche, in: Staudinger, § 413 BGB Rn. 3; Roth, in: MünchKomm, § 413 BGB Rn. 2; Westermann, in: Erman, § 413 BGB Rn. 1. 78 Mot. II, 141 (Rechte, „bei welche[n] ein Schuldner fehlt“); Grüneberg, in: Palandt, § 413 BGB Rn. 1 (Urheberrecht). 79 Ebenso für das allerdings fehlende „Vermögensrecht“ an der Internet-Domain „als solcher“ LG Hanau MMR 2006, 761 f.
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spricht der Anwendungsbereich der Norm in der Rechtspraxis80, der sich auf öffentlich-rechtliche Rechte und Forderungen81, Immaterialgüterrechte82, Mitgliedschaftsrechte83, selbständig übertragbare Gestaltungsrechte84 und Anwartschaftsrechte an anderen übertragbaren Rechten als dem Sacheigentum85 erstreckt. Für unübertragbar gehalten werden hingegen das Erbrecht als solches, weil vor dem Eintritt des Erbfalls nur eine Chance, kein subjektives Recht am Nachlass besteht86, sowie Gesamtheiten wie das Vermögen87, die Erbschaft88 und das Unternehmen89 als bloße Inbegriffe von Rechten und Gütern, die je für sich 80 Siehe die Nachweise bei Busche, in: Staudinger, § 413 BGB Rn. 5 ff.; Eckardt, in: AnwKomm, § 413 BGB Rn. 3 ff.; Weber, in: RGRK, § 413 BGB Rn. 8 ff.; Zeiss, in: Soergel, § 413 BGB Rn. 2 ff.; Grüneberg, in: Palandt, § 413 BGB Rn. 2 ff.; Rohe, in: Bamberger/Roth, § 413 BGB Rn. 3 ff. 81 VGH Mannheim NJW 1981, 1003 (Rechte und Pflichten des Bauherrn). 82 Roth, in: MünchKomm, § 413 BGB Rn. 3. 83 Siehe nur etwa BGHZ 98, 48, 50 (1986) m.w.N.; Habersack, Mitgliedschaft, 104 ff. (zur daraus folgenden Verpfändbarkeit und Pfändbarkeit a.a.O., 109). 84 Siehe dazu RGZ 111, 46, 47 (1925); BGH NJW 1973, 1793 f. m.w.N. (Abtretbarkeit der Befugnis, einen Antrag anzunehmen); BGH NJW 1979, 1707 f. (Abtretbarkeit eines vertraglichen Zustimmungsrechts); Steinbeck, Übertragbarkeit von Gestaltungsrechten, 42 ff. m.w.N.; Schürnbrand, AcP 204 (2004), 177 ff. 85 Siehe RGZ 67, 425, 430 (1908) (bedingte Forderung als rechtlich gesicherte und geschützte, abtretbare und pfändbare Anwartschaft auf das Recht); RGZ 101, 185, 187 (1920) (Anwartschaft des Nacherben gem. §§ 2108 Abs. 2, 2130, 2139 BGB); ferner BGHZ 20, 88, 99 (1956). 86 BGHZ 37, 319, 324 (1962); BGH DNotZ 1968, 358 ff.; Sohm, IherJb 53 (1908), 373, 374. Anders für den Anteil des Miterben gem. § 2033 BGB RGZ 61, 76, 78 (1905); RGZ 64, 173, 177 (1906); RGZ 67, 425, 428 f. (1908); RGZ 83, 27, 30 (1913); Busche, in: Staudinger, § 413 BGB Rn. 9; Zeiss, in: Soergel, § 413 BGB Rn. 3; Grüneberg, in: Palandt, § 413 BGB Rn. 2; Schulze, in: Hk-BGB, § 413 Rn. 1. 87 Siehe zum Sachenrecht Johow, in: Schubert, Sachenrecht 1, 153; ferner RGZ 101, 185, 189 (1920); Sohm, ArchBürgR 28 (1906), 173, 195 ff. (nur selbständige Vermögensrechte seien mögliche Gegenstände rechtsgeschäftlicher Verfügungen, der Zwangsvollstreckung und des Konkurses); Rohe, in: Bamberger/Roth, § 413 BGB Rn. 2; Roth, in: MünchKomm, § 413 BGB Rn. 2 (es müsse sich um eigenständige Rechte handeln). Das gilt entgegen des insoweit missverständlichen Wortlauts unstreitig auch für die §§ 1368, 1423 BGB (Verpflichtung zur Verfügung über das eheliche Gesamtgut „im Ganzen“). 88 RGZ 88, 116, 117 f. (1916) (nach dem Erwerb aller Anteile durch einen Miterben könne dieser nicht mehr über die Erbschaft als Ganzes verfügen); RGZ 101, 185, 189 (1920); BGH MDR 1967, 913; Grüneberg, in: Palandt, § 413 BGB Rn. 2; Eckardt, in: AnwKomm, § 413 BGB Rn. 3. 89 Siehe § 1085 BGB; ferner RGZ 37, 176, 178 f. (1896) (der Vermögenswert des Unternehmens werde rein obligatorisch dadurch „übertragen“, dass der bisherige Inhaber dem Erwerber die Fortführung des Unternehmens ermögliche und sich verpflichtet, verhindernde Handlungen zu unterlassen); RGZ 68, 49, 51 f. (1908) (Geschäft sei nicht Sache oder Recht, sondern ein Inbegriff von Sachen, Rechten und tatsächlichen Gegebenheiten, an dem kein einheitliches Recht bestehe); RGZ 70, 226, 228, 231 (1909) (der Inbegriff von Sachen, Rechten, Rechtsverhältnissen und tatsächlichen Verhältnissen könne nur Gegenstand von obligatorischen Rechtsgeschäften sein, mangels einer „besonderen ausdrücklichen Gesetzesbestimmung“ wie im österreichischen Recht aber nicht Gegenstand eines „einheitlichen, an ihm bestehenden Rechtes“); BGH LM § 413 BGB Nr. 2 (1967) (Übereignung nicht durch bloße Einigung über die „Veräußerung“ des Unternehmens, sondern tatsächliche Umsetzung der schuldrechtlichen Pflichten); BGHZ 168, 220, 228 f. (2006) (Steuerberaterpraxis als vom Erwerber in „Natur“ erlangter Bereicherungsgegenstand); Eckardt, in: AnwKomm, § 413 BGB Rn. 2; Busche, in: Staudinger, § 413 BGB Rn. 4; Grüneberg, in: Palandt, § 413 BGB Rn. 2; Westermann, in: Erman, § 413 BGB Rn. 1; Scheyhing/Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen2, 177; a.A. OLG Dresden LZ 1910, 332 ff.
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
übertragen werden müssen (Spezialitätsprinzip). Rechtsprechung und herrschende Meinung entnehmen § 413 BGB also keinen Grundsatz der Übertragbarkeit; die Vorschrift zeitige keine konstitutiven Wirkungen90. Vielmehr wird zunächst einmal geprüft, ob nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften ein selbständiges „subjektives Vermögensrecht“ gegeben ist, das aufgrund dieser Natur („daher“) dem Grundsatz der formfreien Übertragbarkeit gem. § 413 BGB unterliegt91. Erst in einem zweiten Schritt wird erörtert, ob dieses grundsätzlich übertragbare „andere Recht“ kraft Gesetzes oder wegen sonst drohender Inhaltsänderung ausnahmsweise vom Rechtsverkehr ausgeschlossen ist92. Diese grundlegenden Strukturen des Gesetzes lassen sich mit einem Hinweis auf ein angebliches praktisches Bedürfnis nach umlauffähigen Rechten ebenso wenig aushebeln93 wie mit zirkulären Schlüssen von der Rechtsfolge („entsprechende“ Anwendbarkeit des Zessionsrechts) auf den Tatbestand (selbständig übertragbares subjektives Recht)94. Verfehlt ist schließlich eine analoge Anwendung der §§ 413, 398 BGB auf Rechtspositionen, die die genannten Anforderungen nicht erfüllen, wie z.B. die Rechtsposition desjenigen, der aufgrund einer
90 Roth, in: MünchKomm, § 413 BGB Rn. 1 („Aus heutiger Sicht wirkt § 413 für die Verkehrsfähigkeit dieser anderen Rechte allerdings nicht konstitutiv, sondern beschreibt nur, was sich aus allgemeinen Grundsätzen des Privatrechts, insbesondere der Vertragsfreiheit, dem Eigentum und der Gewerbefreiheit ohnehin ergibt.“); Eckardt, in: AnwKomm, § 413 BGB Rn. 2; Scheyhing/ Nörr, in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen2, 176 (eine geschlossene Übertragungsdoktrin werde in § 413 BGB nicht entwickelt; die Entscheidung für die generelle Übertragbarkeit falle im Bereich des Vermögensrechts); Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 254; wenig klar Busche, in: Staudinger, § 413 BGB Rn. 2 (die Hauptbedeutung der Norm liege in der „Herstellung der Verkehrsfähigkeit für gewerbliche Schutzrechte, urheberrechtliche Nutzungsrechte und andere Gestaltungsrechte“). 91 So für die Anwartschaft des Nacherben RGZ 101, 185, 187 ff. (1920) (mit Hinweis auf die Vererblichkeit des Nacherbrechts gem. § 2108 Abs. 2 BGB, die entsprechende Übertragbarkeit des Miterbenanteils gem. § 2033 BGB und das vom Willen des Vorerben unabhängige Eintreten des Nacherbfalls (§ 2139 BGB)); für das geheime Wissen Forkel, FS Schnorr v. Carolsfeld, 105, 111 ff. (nachdem subjektive Rechte am geheimen Wissen anzuerkennen seien, fehle es für echte Verfügungen nicht von vornherein an einem Gegenstand); für Mitgliedschaftsrechte Habersack, Mitgliedschaft, 63 (man könne nicht umgekehrt von der Form der Rechtsübertragung auf die Natur des Rechts schließen); im Hinblick auf Gesamtheiten Roth, in: MünchKomm, § 413 BGB Rn. 1; Westermann, in: Erman, § 413 BGB Rn. 2. Ohne Begründung und Prüfung der Rechtslage hingegen die Übertragbarkeit des Titelschutzes gem. § 16 UWG a.F. als „Immaterialgüterrecht“ mit den Rechten am Werk bejahend BGH GRUR 1990, 218, 220. Eine nachträgliche Bestätigung erhält diese Einordnung durch die Auffassung, das Immaterialgüterrecht an der geschäftlichen Bezeichnung (§§ 5, 15 MarkenG) unterscheide sich „sachlich“ nicht vom der Werktitelschutz gem. § 16 UWG; BGH GRUR 2002, 972, 975 m.w.N. 92 §§ 413, 399 1. Alt. BGB; Steinbeck, Übertragbarkeit von Gestaltungsrechten, 41 f.; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 332; Weber, in: RGRK, § 413 BGB Rn. 1; Zeiss, in: Soergel, § 413 BGB Rn. 1; für ein vertragliches Zustimmungsrecht BGH NJW 1979, 1707 f. 93 Siehe RGZ 101, 185, 189 (1920) (der Nacherbe könne über die einzelnen Nachlassgegenstände nicht verfügen). 94 So aber Ahrens, Verwertung, 407 (die entsprechende Anwendung des Zessionsrechts mache auch die „dingliche Lizenz“ subsumierbar, so dass § 413 BGB „durchaus tragfähige Grundlage für die Zulassung von Lizenzierungen von Persönlichkeitsrechten“ sei).
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Einwilligung an sich rechtsverletzende Handlungen vornehmen darf95. Abgesehen davon, dass sich § 413 BGB als generelle Auffangnorm mit Verweis auf eine „entsprechende“ Anwendung des Zessionsrechts kaum für eine weitere Analogie eignet, fehlt jede Begründung für eine Erweiterung seines Regelungsplans über selbständige subjektive Rechte hinaus96. Zudem würden § 413 BGB durch eine solche Analogie letztlich doch konstitutive Wirkungen im Hinblick auf die Vorfrage nach dem übertragbaren Recht zuwachsen. Über diese Funktion verfügt die Norm aber aufgrund einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers gerade nicht. Die gegenteilige Meinung ist nichts als „Rechtsfolgenerschleichung aus Begriffen“97. Im Ergebnis belässt es die generelle Auffangnorm des BGB zur Übertragung „anderer Rechte“ bei der vorausgesetzten, punktuellen Zuordnung von Gütern durch normierte Ausschließlichkeitsrechte. Nur für derartige subjektive Rechte, nicht für einen sonstigen gesetzlichen Güterschutz, stellt sie ein allgemeines Übertragungsverfahren zur Verfügung. Eine Rechtsgrundlage für die Anerkennung der Übertragbarkeit insbesondere deliktsrechtlicher Rechtspositionen an „neuen“ Gütern ist § 413 BGB also nicht.
IV. Die Ermächtigung als Ersatzinstrument zur Begründung der Verkehrsfähigkeit? 1. Einführung Soweit man den Schutz von Interessen und Gütern auf der Basis gesetzlicher Schuldverhältnisse als solchen – im Gegensatz zu den Ansprüchen wegen akuter Zuwiderhandlungen oder unberechtigter Erwerbe – nicht auf begrifflich-dogmatischer Ebene und entgegen den vorstehend dargelegten Strukturen des Rechtsverkehrsrechts zum selbständigen subjektiven Recht erklärt, fehlt eine Rechtsgrundlage, um die Übertragbarkeit derartiger Rechtspositionen anzuerkennen. Entsprechende Vorstöße im Hinblick auf wettbewerbsrechtliche Nachahmungsverbote und das aPR vermögen sich daher nicht auf die Regelungen der Übertragung bestimmter oder eben „anderer“ Rechte gem. § 413 BGB zu berufen. Möglicherweise kann aber die Wirkung der Übertragung, dass ein anderer an die Stelle des früheren Rechtsinhabers tritt und die entsprechenden Befugnisse anschließend im eigenen Namen geltend macht, auch auf anderem Wege erzielt werden. Wenn nämlich der unmittelbar Verletzte, der Bereicherungsgläubiger 95 A.A. Dasch, Einwilligung, 95 (auf die aus einer Einwilligung resultierenden Befugnisse seien – auch wenn diese kein subjektives Recht seien – die §§ 413, 398 BGB „wohl analog“ anwendbar); für die Anwendung des § 413 BGB auf die Befugnisse des Einwilligungsempfängers auch Helle, AfP 1985, 93, 99; zweifelnd insoweit Ahrens, Verwertung, 324 ff. Dazu, dass die Einwilligung kein positives Benutzungsrecht begründet, Ohly, volenti non fit iniuria, 176 f.; Ahrens, Verwertung, 324. 96 Zu den allgemeinen Voraussetzungen der Analogie oben § 5 C. 97 Dazu allgemein Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 332.
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bzw. Geschäftsherr, in dessen Person die Ansprüche auf gesetzlicher Grundlage entstehen, eine andere Person ermächtigen könnte, etwaige Ansprüche im eigenen Namen innerhalb und außerhalb eines Prozessrechtsverhältnisses geltend zu machen und Eingriffe in den geschützten Rechtskreis ggf. gegen Entgelt ebenfalls im eigenen Namen zu gestatten, wäre das praktische Ergebnis von einer Übertragung der Rechtsposition kaum zu unterscheiden: Der Ermächtigte wäre befugt, die Rechtsposition im eigenen Namen durchzusetzen und – wenn auch nur durch Abschluss von Verpflichtungsgeschäften – zu versilbern. Dass die Ermächtigung ein Weg ist, die Unübertragbarkeit von Rechtspositionen zu „heilen“, zeigt bereits das römische Recht, das die Abtretung von Forderungen noch nicht kannte und daraufhin die Einziehungsermächtigung entwickelte98. Geht man der Frage nach, ob die deutsche Rechtsordnung diese Ersatzkonstruktion für eigentlich nicht verkehrsfähige Rechtspositionen ebenfalls zur Verfügung stellt, sind zunächst verschiedene Varianten der Ermächtigung zu unterscheiden99: Gesetzlicher Anknüpfungspunkt für diese Rechtsfigur ist nach herrschender Meinung § 185 Abs. 1 BGB, wonach eine Verfügung, die ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand trifft, wirksam ist, wenn sie mit Einwilligung des Berechtigten erfolgt100. Diese sog. Verfügungsermächtigung gibt für die hier problematisierte Funktion der Ermächtigung gerade nichts her, denn wie noch zu zeigen sein wird, setzt auch sie subjektive Rechte und die Verfügungsbefugnis des jeweiligen Inhabers voraus101. Von Bedeutung für die Herstellung einer gewissen Umlauffähigkeit unübertragbarer Rechtspositionen ist dann aber die sog. Einziehungsermächtigung. Hierunter versteht man eine Vereinbarung zwischen einem Forderungsinhaber und einem Ermächtigten, wonach die Forderung zwar nicht abgetreten wird, der Vertragspartner aber ermächtigt wird, die Forderung im eigenen Namen geltend zu machen und je nach dem Inhalt der Ermächtigung die Leistung an sich oder den Inhaber zu verlangen102. Klassischer Fall ist die Einziehung einer an den Vorbehaltsverkäufer abgetretenen Geldforderung durch den Vorbehaltskäufer beim verlängerten Eigentumsvorbehalt103. Die Einziehungsermächtigung wurde rechts98
Siehe Steinbeck, Übertragbarkeit von Gestaltungsrechten, 38 f. m.w.N. Zu gescheiterten Versuchen, die Ermächtigung zum allgemeinen Rechtsinstitut zu entwickeln, siehe Enneccerus/Nipperdey, AT I/2, 1232 f. mit Fn. 5; Leptien, in: Soergel, § 185 BGB Rn. 32; Gursky, in: Staudinger, § 185 BGB Rn. 111 f.; Schramm, in: MünchKomm, § 185 BGB Rn. 39. 100 Siehe Mot. I, 138 (wenn jemand in die Verfügung einwillige, liege darin zugleich die Ermächtigung zu solcher Verfügung); RGZ 53, 274, 275 (1903); RGZ 91, 390, 395 (1918); BGHZ 106, 1, 4 (1988); OLG München DNotZ 1974, 229. Zur Verwendung des Begriffs „Ermächtigung“ im BGB Doris, Ermächtigung, 3 ff. 101 Unten 2 a. 102 In diesem Sinne bereits RGZ 10, 47, 48 (1883); RGZ 146, 398, 400 f. (1935) m.w.N.; BGHZ (GS) 4, 153, 164 (1951); Löbl, AcP 129 (1928), 257; Busche, in: Staudinger, Einl. zu §§ 398 ff. BGB Rn. 118. 103 Weitere Beispiele bei Busche, in: Staudinger, Einl. zu §§ 398 ff. BGB Rn. 121; Leptien, in: Soergel, § 185 BGB Rn. 33. Zur Ermächtigung zur Geltendmachung eines Wechsels RGZ 117, 69, 72 f. (1927). 99
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fortbildend anerkannt104. Man sieht sie in der zwangsweisen Überweisung einer Forderung zur Einziehung durch den Gläubiger gem. §§ 835 Abs. 1, 836 ZPO105 sowie in § 362 Abs. 2 BGB bestätigt106. Bemerkenswerterweise wird die Einziehungsermächtigung auch im Hinblick auf unübertragbare Ansprüche für zulässig erachtet. Zu nennen sind etwa der dingliche Herausgabeanspruch aus dem Eigentum107, der Unterlassungsanspruch wegen Verletzung eines Patents108, nicht selbständig übertragbare Gestaltungsrechte109 sowie Ansprüche aus dem als solchem unstreitig nicht verkehrsfähigen aPR110. Mit Blick auf die Ermächtigung als Krücke zur Begründung einer gewissen Verkehrsfähigkeit übernimmt die Einziehungsermächtigung die Funktion, Dritten eine Aktivlegitimation zur Geltendmachung einer fremden Rechtsposition im eigenen Namen zu verschaffen. In den güterzuordnungsrelevanten Beispielen würde der Ermächtigte den allgemeinen Abwehranspruch sowie die Ansprüche auf Schadensersatz und Herausgabe des aus der unerlaubten Nutzung erlangten Vermögenswerts bzw. Gewinns erheben. Diese materiellrechtliche Ermächtigung wird in Gestalt der gewillkürten Prozessstandschaft um ein prozessrechtliches Pendant ergänzt. Demnach ist der Ermächtigte befugt, die Rechtsposition des anderen im eigenen Namen gerichtlich durchzusetzen111. Voraussetzung hierfür ist eine von der materiellrechtlichen Ermächtigung zu unterscheidende112, aber strukturell parallele Ermächtigung zur klageweisen Geltendmachung fremder Rechte im eigenen Namen sowie ein eige-
104 Busche, in: Staudinger, Einl. zu §§ 398 ff. BGB Rn. 120; Rüßmann, JuS 1972, 169, 172 ff. Zur früher umstrittenen Zulässigkeit der Einziehungsermächtigung etwa Löbl, AcP 129 (1928), 257, 271 ff. m.w.N. 105 Siehe dazu RGZ 63, 214, 217 f. (1906) (die Überweisung zur Einziehung habe nicht die Wirkung der Übertragung des Rechts); BAG DB 1980, 835, 837 (dem Schuldner verbleibe jedoch kein eigenes Einziehungsrecht); Baur/Stürner, Sachenrecht, 790 (auf Richterakt beruhende Einziehungsermächtigung). 106 Stathopoulos, Einziehungsermächtigung, 100 (es handele sich dogmatisch um eine Überlassung zur Ausübung). Siehe ferner die §§ 370 (Ermächtigung des Überbringers einer Quittung zum Leistungsempfang), 651k Abs. 4 S. 2 (Ermächtigung des Reisevermittlers zur Annahme von Zahlungen), 783 BGB (Ermächtigung bei Anweisung). 107 So bereits Johow/Achilles, in: Schubert, Sachenrecht 3, 892 f. Ferner RGZ 136, 422, 424 (1932); BGH LM § 985 BGB Nr. 24 (1964); BGH WM 1964, 426, 426; BGH NJW 1983, 112, 113; BGH WM 1985, 1324 f. (daher auch zulässige gewillkürte Prozessstandschaft für einen Anspruch aus § 985 BGB); OLG Köln NJW-RR 1997, 57, 59; Wolff/Raiser, Sachenrecht, 328; Enneccerus/ Lehmann, Schuldverhältnisse, 332; Gursky, in: Staudinger, § 985 BGB Rn. 3; Zeiss, in: Soergel, § 413 BGB Rn. 1. Zur Unübertragbarkeit der dinglichen Ansprüche oben § 1 B II 4. 108 RGZ 148, 146, 147 (1935); zur Unübertragbarkeit dieses Anspruchs ebenfalls oben § 1 B II 4. 109 BGHZ 68, 118, 125 (1977) (Wandlungsbefugnis des Käufers); BGH NJW 1998, 896, 897 (Kündigungsrecht des Vermieters). 110 Zur Zulässigkeit der gewillkürten Prozessführungsbefugnis BGH GRUR 1983, 380, 381; Schulze Wessel, Vermarktung Verstorbener, 123. 111 BGHZ 107, 384, 389 (1989). 112 BGH NJW 1999, 2110, 2111; kritisch Henckel, FS Larenz 1973, 643, 650 (die prozessrechtlichen Wertungen seien am materiellen Recht orientiert und dürften diesen nicht widersprechen).
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nes, rechtlich schutzwürdiges Interesse des Prozessstandschafters113. Wiederum kommen an sich unabtretbare Ansprüche wie der auf Grundbuchberichtigung gem. § 894 BGB114 oder der von der Hauptforderung nicht isoliert abtretbare Bürgschaftsanspruch115 für eine Prozessstandschaft in Betracht. Auch fremde, an sich nur mit dem Geschäftsbetrieb übertragbare Warenzeichenrechte116 sowie eigentlich einem anderen zustehende Ansprüche wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens117 und Verletzung des Rahmenrechts am Gewerbebetrieb118 wurden von Dritten im eigenen Namen gerichtlich verfolgt. Ob ein Prozessstandschafter befugt ist, persönlichkeitsrechtliche Befugnisse eines anderen geltend zu machen, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich und mit Nuancen im Detail beurteilt. Während der Anspruch auf Geldentschädigung und andere „höchstpersönliche“ Befugnisse aus dem aPR nur von der betroffenen Person durchgefochten werden können119, sollen diese Einschränkungen mit dem Tode der Person wegfallen, so dass die Wahrnehmungsberechtigten durchaus Dritte wirksam zu ermächtigen vermochten120. Generell bejaht wird die gewillkürte Prozessstandschaft im Hinblick auf das Namensrecht gem. § 12 BGB121 und die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts122. Festzuhalten ist, dass dem
113 Siehe etwa RGZ 73, 306, 308 f. (1910); RGZ 91, 390, 393 ff. (1918); RGZ 170, 191 f. (1942); BGHZ (GS) 4, 153, 165 (1951); BGH NJW 1952, 793, 794; BGH GRUR 1956, 279, 280; BGH NJW 1964, 2296, 2297 (gewillkürte Prozessstandschaft als Einwilligung zur Verfügung über fremdes Recht i.S.d. § 185 BGB); BGHZ 48, 12, 15 (1967); BGH GRUR 1978, 364, 366 (ständige Rechtsprechung); BGH GRUR 1978, 583, 585 (Relevanz der materiellen Rechtslage für die Zulässigkeit der gewillkürten Prozessstandschaft); BGH NJW 1980, 2461, 2462; BGH NJW-RR 1989, 315, 317; BGHZ 125, 196, 199 (1994) (zur Einordnung der Ermächtigung zur Prozessführung im Internationalen Privat- und Zivilprozessrecht); OLG Naumburg DNotZ 1999, 1013, 1014 f. (auf die verfahrensrechtliche Erklärung der Eintragungsbewilligung finde § 185 BGB entsprechende Anwendung). Aus der Literatur etwa Schramm, in: MünchKomm, § 185 BGB Rn. 44 f.; Busche, in: Staudinger, Einl. zu §§ 398 ff. BGB Rn. 130; Leptien, in: Soergel, § 185 BGB Rn. 34; Ullmann, FS v. Gamm, 315 ff. Zum Erfordernis des schutzwürdigen Interesses Rüßmann, AcP 172 (1972), 520, 521 ff.; Henckel, FS Larenz 1973, 643 ff.; Michaelis, FS Larenz 1983, 443 ff. 114 RGZ 78, 87, 90 f. (1911) (aber nur Anspruch auf Eintragung des Ermächtigenden). 115 BGH NJW-RR 1989, 315, 317. 116 BGH GRUR 1990, 361, 362. 117 BGH GRUR 1960, 240; BGH GRUR 1991, 223, 225 (unter Hinweis auf eine zum WZG ergangene Entscheidung); BGH GRUR 2005, 166, 171 (wirksame Ermächtigung zur Geltendmachung von Ansprüchen aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz); Ulrich, WRP 1995, 441 ff. 118 BGH GRUR 1983, 379, 381 (die rechtlich geschützte Position Gewerbebetrieb sei übertragbar und daher die Prozessstandschaft zulässig). 119 BGH NJW 1969, 1110, 1111 (unter Hinweis auf die inzwischen aufgehobenen §§ 847 Abs. 1 S. 2, 1300 Abs. 2 BGB a.F., wonach Schmerzensgeldansprüche unabtretbar waren); offengelassen wird die Anwendbarkeit von § 847 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. auf die Geldentschädigung von BGH NJW 1975, 1371 – Fiete Schulze; ferner BGHZ 107, 384, 389 (1989) (enge Verknüpfung höchstpersönlicher Befugnisse mit der Person des Betroffenen). 120 BGHZ 107, 384, 389 (1989); LG München ZUM 2000, 526, 528. 121 RGZ 87, 147, 149 f. (1915); BGH NJW 1952, 793, 794; BGHZ 119, 237, 242 (1992). 122 Dafür anstelle der Teilrechtsübertragung zur Lösung der Konstellation im Nena-Fall Schricker, EWiR § 22 KUG 1/87, 80; offen Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 175.
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Berechtigten mit der Einziehungsermächtigung und der gewillkürten Prozessstandschaft Instrumente zur Verfügung stehen, mit denen er die Durchsetzung seiner an sich unübertragbaren Rechtsposition an Dritte delegieren kann. Diese verwirklichen den gesetzlichen Schutz bestimmter Interessen und Güter im eigenen Namen. Auf den Schutz vor unerlaubter Nutzung darf man sich jedoch auch in diesem Kontext nicht beschränken. Denn der unmittelbar Verletzte, der Bereicherungsgläubiger bzw. Geschäftsherr mag zudem daran interessiert sein, die rechtsgeschäftliche Verwertung seiner Rechtsposition anderen zu überlassen. Der Ermächtigte würde dann neben der Verfolgung etwaiger Verletzungen/Eingriffe auch die Vermarktung im eigenen Namen erledigen. Hierfür steht möglicherweise die sog. Einwilligungsermächtigung zur Verfügung, die auf folgender Konstruktion beruht: Ausgangspunkt ist, dass die gesetzlichen Schuldverhältnisse wie z.B. das Deliktsrecht des BGB und des UWG Ansprüche vorsehen, mit denen bestimmte Verhaltensweisen von vornherein abgewehrt oder nachträglich sanktioniert werden. Der unmittelbar Verletzte ist befugt, den eigentlich verbotenen Handlungen durch einseitige Einwilligung die Tatbestands- bzw. Rechtswidrigkeit zu nehmen, ohne dass es zu einem bindenden Vertrag mit dem Einwilligungsempfänger kommt123. Fraglich ist nun, ob der Berechtigte einen anderen ermächtigen kann, im eigenen Namen gegenüber noch unbekannten Dritten derartige Nutzungserlaubnisse auszusprechen und dafür ggf. ein Entgelt zu verlangen. Eine so verstandene Einwilligungsermächtigung wird nur selten problematisiert, dann aber befürwortet, und zwar insbesondere für persönlichkeitsrechtliche Konstellationen124. Zur Begründung wird angeführt, eine solche Zuständigkeitsverlagerung sei selbst bei unübertragbaren Rechtspositionen zulässig, weil die Ermächtigung gar keine (teilweise) Übertragung von Befugnissen darstelle, sondern eine privatautonome Zuständigkeitsverlagerung entsprechend der Vertretung. Wenn man andere zu Verfügungen über Gegenstände und zur Geltendmachung fremder Ansprüche und Rechte ermächtigen könne, müsse dasselbe für Einwilligungen gelten, die die Rechtsposition des Berechtigten am Wenigsten be-
123
Zur Rechtsnatur der Einwilligung als den Tatbestand, jedenfalls die Rechtswidrigkeit einer Verletzungshandlung ausschließende Willenserklärung im Unterschied zum Gestattungsvertrag v. Tuhr, AT II/2, 213; Dasch, Einwilligung, 28 ff.; Ohly, volenti non fit iniuria, 176 ff.; v. Welser, Wahrnehmung urheberpersönlichkeitsrechtlicher Befugnisse, 60 ff.; Helle, AfP 1985, 93, 94. 124 Siehe OLG Hamm NJW-RR 1987, 232 f.; für die gebündelte Vermarktung der Übertragung von Sportveranstaltungen obiter auch OLG Hamburg GRUR-RR 2007, 181, 184; ferner Dasch, Einwilligung, 92–94 (Einwilligungsermächtigung in Grenzen zulässig); Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 755; Schulze Wessel, Vermarktung Verstorbener, 123; Helle, AfP 1985, 93, 99; ders., Besondere Persönlichkeitsrechte, 109 f.; Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 162 ff.; zweifelnd Ohly, volenti non fit iniuria, 461–463 (die konstitutive Übertragbarkeit von Persönlichkeitsrechten sei der Einwilligungsermächtigung konstruktiv vorzuziehen); Herr, Übertragungsrechte, 48 f.; a.A. Ahrens, Verwertung, 324 ff. Zur Einwilligungsermächtigung im Medizinrecht Kern, NJW 1994, 753, 757.
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rühren125. Schließt man sich dem an, wäre man der Umlauffähigkeit eigentlich unübertragbarer Rechtspositionen einen weiteren Schritt nähergekommen. Der Ermächtigte vermag zwar z.B. das wettbewerbsrechtliche Nachahmungsverbot im Hinblick auf die Erzeugnisse eines anderen oder das aPR des Betroffenen nicht als solche weiter zu übertragen, denn er ist seinerseits nicht an die Stelle des originär Berechtigten getreten. Er ist aber immerhin befugt, anderen Personen Eingriffe in den Rechtskreis des Ermächtigenden zu gestatten und dafür ggf. ein Entgelt zu verlangen, ohne dass der unmittelbar Verletzte/Bereicherungsgläubiger/Geschäftsherr hieran beteiligt ist. Ist der Ermächtigte zudem zur Geltendmachung von Verletzungsansprüchen berechtigt, kommt seine Rechtsstellung der eines eigentlichen Rechtsnachfolgers sehr nahe, denn er trifft die wesentlichen Entscheidungen über die betroffene Rechtsposition im eigenen Namen. Im Folgenden ist zu prüfen, ob die Ermächtigung in den Varianten der Einziehungsermächtigung, der gewillkürten Prozessstandschaft und der Einwilligungsermächtigung eine tragfähige Konstruktion darstellt, um eine gewisse Verkehrsfähigkeit an sich unübertragbarer Rechtspositionen herzustellen. Dabei ist daran zu erinnern, dass das deutsche Recht wie gezeigt gerade keine allgemeine, konstitutive Rechtsgrundlage für die Anerkennung der Übertragbarkeit von Rechten kennt. Um feststellen zu können, ob die Ermächtigung hierzu im Widerspruch steht, ist in einem ersten Schritt die Struktur und Funktion dieses Rechtsinstituts zu klären. Wenn die Ermächtigung wie angeklungen gar keine teilweise Übertragung von Befugnissen impliziert, sondern im Kontext des Vertretungsrechts steht, würde ihre Anwendung auf nicht verkehrsfähige Rechtspositionen zwar keinen Systembruch bedeuten, sie ließe sich aber auch nicht als Hilfsmittel zur Behebung angeblicher Lücken des Rechtsverkehrsrechts auffassen (dazu 2). Schließlich gilt es, die Grenzen der Ermächtigung zur Durchsetzung und Verwertung unübertragbarer Befugnisse abzustecken (dazu 3). 2. Rechtsnatur der Ermächtigung Ob das Rechtsinstitut der Ermächtigung überhaupt im Zusammenhang mit der Übertragung von Rechten steht und damit eine Ersatzlösung bei fehlender Verkehrsfähigkeit darstellt, ist umstritten. a) Ermächtigung als Teilrechtsübertragung? Eigentlich liegt die Vorstellung nahe, dem Ermächtigten werde von der Rechtsposition des Inhabers ein Teilaspekt übertragen, damit er dessen Befugnisse im eigenen Namen geltend machen oder vermarkten darf. Und tatsächlich sprach vor allen Dingen die ältere Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Einziehungsermächtigung und der gewillkürten Prozessstandschaft häufig von einer teilweisen Übertragung bzw. Abtretung und von der Rechtsstellung des Ermäch125 Dasch, Einwilligung, 92 f.; Ohly, volenti non fit iniuria, 463 (Einwilligungsermächtigung bei übertragbaren Rechten a maiore ad minus „nicht ausgeschlossen“).
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tigten als einem „abgespaltene[n] Gläubigerrecht“126. Diese Sichtweise führte zur kollisionsrechtlichen Qualifikation der Einziehungsermächtigung als Abtretung, wenn auch „unbeschadet ihrer dogmatischen Einordnung im internen deutschen Recht“127. Ferner erklärt sich, wieso der Bundesgerichtshof es als „rechtlich sehr zweifelhaft“ bezeichnet, ob die Einziehungsermächtigung bei nicht übertragbaren Ansprüchen in Betracht kommt128. Zugleich ermöglicht dieser Ansatz die weitergehende Annahme, die Rechtsposition des Ermächtigten sei ihrerseits ein selbständig übertragbares Recht, das gem. der §§ 413, 398 ff. BGB an Dritte abgetreten werden könne, soweit dies nicht vertraglich ausgeschlossen sei129. Wer die Ermächtigung in diesem Sinne als Teilrechtsübertragung deutet, übersieht jedoch, dass das BGB keine allgemeine, konstitutive Regelung der Übertragbarkeit vorsieht130. Bereits im Ansatz verfehlt ist die Vorstellung einer abgespaltenen Verfügungsbefugnis, weil § 137 S. 1 BGB eine solch „dingliche“ Aufteilung gerade ausschließt131. Im Übrigen kommt § 185 Abs. 1 BGB, den die Rechtsprechung als primären Anknüpfungspunkt für die hier problematisierten Fälle der Ermächtigung ansieht, so wenig wie § 413 BGB zur Übertragung „anderer Rechte“ eine konstitutive Wirkung zu. Die Vorschrift setzt einen Berechtigten voraus, der zur Verfügung über einen Gegenstand befugt ist132. Wie oben 126 Siehe RGZ 78, 87, 90 (1911) (Ermächtigung zur Prozessführung als Übertragung des Anspruchs mit der Wirkung, dass der andere befähigt werde, das fremde Recht im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen); RGZ 94, 137 (1918) (Abtretung der Klagebefugnis, aber Forderung verbleibe im Vermögen des Gläubigers); RGZ 133, 234, 241 (1931) (Übertragung der Legitimation zur Ausübung); RGZ 146, 398, 400 (1935) (Übertragung des Verfügungsrechts); RGZ 170, 191 (1942) (Abtretung zum Einzug); BGH NJW 1982, 571 (Einziehungsermächtigung als abgespaltenes Gläubigerrecht); BGH GRUR 1983, 379, 381 (gewillkürte Prozessstandschaft als Übertragung der Befugnis zur gerichtlichen Geltendmachung); dito BGH NJW 1996, 3273, 3275; aus der Literatur Löbl, AcP 129 (1928), 257, 260, 298 (Übertragung der Gläubigerstellung im Verhältnis zum Schuldner); Michaelis, FS Larenz 1983, 443, 468 (Prozessstandschaft als Übertragung von Teilen des Forderungsrechts); Rohe, in: Bamberger/Roth, § 398 BGB Rn. 65; auch Scheyhing, in: Nörr/ Scheyhing, Sukzessionen1, 187, 189 (eine Art von Teilabtretung; diese Passage ist in der 2. Auflage nicht mehr enthalten). 127 BGHZ 125, 196, 204 f. (1994) (Einziehungsermächtigung als abgespaltenes Gläubigerrecht). 128 BGHZ 42, 210, 213 (1964) (Ansprüche in Bezug auf den Namensmissbrauch einer Gewerkschaft). 129 Helle, AfP 1985, 93, 99 (es bestehe „kein[en] Hinderungsgrund, der der entsprechenden Anwendung der Zessionsnormen auf den Gestattungsvertrag, auf die im Gestattungsvertrag begründete Befugnis … entgegenstehen könnte“); ders., Besondere Persönlichkeitsrechte, 109 f.; Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 162 mit Fn. 104 (Übertragung der erlangten Befugnis analog § 413 BGB wegen der Ähnlichkeit der resultierenden Rechtsmacht). 130 Zur Verkehrsfähigkeit von Rechtspositionen, die auf einer bloßen Einwilligung beruhen, ablehnend auch Ohly, volenti non fit iniuria, 176 f. (die widerrufliche Einwilligung vermittle keine Rechtsposition, die in ihrem Bestand vom Willen des Einwilligenden unabhängig sei); Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 94 ff. (dem deutschen Recht unbekannte Verlegenheitslösung zur Begründung der Übertragbarkeit von Rechtspositionen); Peifer, Individualität, 319. 131 Flume, AT 2, 143; Doris, Ermächtigung, 77; Schramm, in: MünchKomm, § 185 BGB Rn. 33; a.A. RGZ 146, 398, 400 (1935). 132 Zum Begriff der Verfügungsbefugnis RGZ 111, 247, 250 f. (1925) (Macht, durch Rechtsgeschäft über ein Recht zu verfügen); BGHZ 1, 294, 304 (1951); BGHZ 34, 122, 125 (1960) (Ermäch-
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gezeigt, bedeutet der Begriff des „Gegenstands“ im Zusammenhang mit Verfügungen ein selbständiges subjektives Recht133. Dem Nichtberechtigten wird durch die Ermächtigung die gegenstandsbezogene Macht verliehen, im eigenen Namen über fremdes Recht zu verfügen134. Nur diese Gestaltungsmöglichkeit ist der Norm zu entnehmen, nicht die Grundlage für die Berechtigung und die daran geknüpfte Verfügungsbefugnis135. Dass erneut nur die Spielräume der Privatautonomie hinsichtlich vorausgesetzter subjektiver Rechte geregelt werden, bestätigt die systematische Stellung des § 185 BGB im Abschnitt über Rechtsgeschäfte. Schließlich sollte die Vorschrift auch nach Auffassung des historischen Gesetzgebers keine Aussagen zum jeweiligen Gegenstand und seiner Verkehrsfähigkeit treffen, sondern es sollten vereinzelte Bestimmungen zur Verfügung eines Nichtberechtigten über Forderungen und das Eigentum zusammengefasst werden136.
133 tigung zu Verfügungsgeschäften); BGHZ 75, 221, 226 (1979) (Regelung der Rechtszuständigkeit für Verfügungen); OLG München DNotZ 1974, 229; Flume, AT 2, 142. Zu den praktischen Anwendungsfällen der Verfügungsermächtigung Doris, Ermächtigung, 36 ff., 68 ff. 133 Ebenso RGZ 111, 247, 250 (1925); BGHZ 1, 294, 305 (1951) (in diesem Zusammenhang bedeute Gegenstand eine Sache oder ein Vermögensrecht). Siehe auch RGZ 90, 137, 139 (1917) (Mehrheit von Vermögensgegenständen bedeute eine Mehrheit von Sachen, Rechten oder Forderungen); RGZ 127, 126, 130 (1930) (§ 185 BGB setze voraus, dass ein Verfügungsrecht geltend gemacht wird); BGH LM § 185 BGB Nr. 6 (1957) (§ 185 BGB beziehe sich nur auf Verfügungen, nicht auf die Übernahme von Verpflichtungen); BGHZ 106, 1, 4 (1988) (Verfügung über subjektives Recht); Doris, Ermächtigung, 77 (Verfügungsbefugnis über ein subjektives Recht); Habersack, Mitgliedschaft, 65. Zum hiervon abweichenden Begriff des „sonstigen Gegenstands“ gem. § 453 Abs. 1 2. Alt. BGB unten § 14 B I; anders das Begriffsverständnis von Sohm, ArchBürgR 28 (1906), 173, 184 f.; ders., IherJb 53 (1908), 373, 378 (Gegenstand i.S.d. BGB sei auch in den Vorschriften, in denen von Verfügung nicht gesprochen werde, der Gegenstand von Verfügungen). Zur Auseinandersetzung um den Begriff des Gegenstands ferner Binder, Vermögensrecht und Gegenstand, ArchBürgR 34 (1920), 209 ff.; Wieling, Sachenrecht, 21 (Gegenstand als Oberbegriff, der alles umfasse, was Rechtsobjekt sein kann, also auch Rechte); Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 760; Hübner, AT, Rn. 286; Heinrichs, in: Palandt, vor § 90 BGB Rn. 2; Cebulla, Pacht nichtsächlicher Gegenstände, 25; Haedicke, Rechtskauf, 55 ff. 134 OLG München DNotZ 1974, 229 (die Vertretungsmacht beziehe sich auf die Person des Vertretenen, die Ermächtigung betreffe das Verfügungsobjekt); Flume, AT 2, 143, 904 f.; Thiele, Zustimmungen, 149 f., 156; Doris, Ermächtigung, 112; Enneccerus/Nipperdey, AT I/2, 1233 f.; Steffen, in: RGRK, vor § 164 BGB Rn. 14; Leptien, in: Soergel, § 185 BGB Rn. 1; Schramm, in: MünchKomm, § 185 BGB Rn. 2, 31; anders Ohly, volenti non fit iniuria, 461 (die Ermächtigung gehe über die Vollmacht hinaus, denn sie ermögliche die Verfügung im eigenen Namen). 135 Siehe RGZ 117, 69, 72 (1927) (es gehe um die Legitimation zur Ausübung „fremder Rechte“); RGZ 133, 234, 241 (1931) („… die Erteilung dieser Ermächtigung setzt das Recht des Machtgebers voraus“); LG Berlin Urt. v. 241.2005, 67 S 301/04, juris KORE704222005, Rn. 33 (für die Ermächtigung zur Geltendmachung eines Kündigungsrechts, das dem Ermächtigenden zustehen müsse, damit die Klage des Ermächtigten begründet sei); ferner Leptien, in: Soergel, § 185 BGB Rn. 7; Doris, Ermächtigung, 57 f.; Rüßmann, JuS 1972, 169, 170; für das UWG Ullmann, FS v. Gamm, 315, 323; zumindest irreführend die Aussage von Dasch, Einwilligung, 93 (durch die Einziehungsermächtigung erweitere der Ermächtigte „seine eigene Rechtszuständigkeit“). 136 Siehe Jakobs/Schubert, Allgemeiner Teil 1, 975 (Antrag in der 2. Kommission auf Zusammenfassung der drei „Convaleszenzparagraphen“ E I §§ 310, 830, 876); Mot. II, 138 f. Problematisch und möglicherweise Ursache für die Verwendung des Begriffs „Gegenstand“ statt des
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Damit bestätigt § 185 Abs. 1 BGB das Konzept des BGB, nur – aber immerhin – allgemeine Regelungen zur Verfügung zu stellen, die angeben, welche Dispositionen ein Berechtigter über ihm zustehende, selbständige subjektive Rechte treffen kann und welche formellen Anforderungen dabei ggf. zu beachten sind. Folglich ist es jedenfalls unzulässig, vom – ohnehin verfehlten (dazu sogleich) – Verständnis der Ermächtigung als Teilrechtsübertragung auf einen Grundsatz der Übertragbarkeit oder eine verkehrsfähige Rechtsposition des Ermächtigten zu schließen. Hierfür bieten die §§ 413, 185 Abs. 1 BGB als Blankettnormen des Rechtsverkehrsrechts keinen Anhaltspunkt. Angesichts dieses Zwischenergebnisses wird die Frage aber nur noch drängender, warum wirksame Ermächtigungen zur Geltendmachung unübertragbarer Rechtspositionen erteilt werden können. Die Lehre von der Teilrechtsübertragung steht insoweit vor einem offensichtlichen Dilemma. b) Die Ermächtigung als Überlassung zur Ausübung Diese Erklärungsschwierigkeiten haben die Literatur dazu veranlasst, die Einziehungsermächtigung weder als Übertragung einzelner Gläubigerbefugnisse noch als Einwilligung gem. § 185 BGB anzusehen. Denn der Ermächtigte verfüge nicht über ein Recht; außerdem könne man mit den genannten Ansätzen nicht erklären, warum der Schuldner zur Leistung an den Ermächtigten verpflichtet sei137. Vielmehr sei die Einziehungsermächtigung konstruktiv ein schuldrechtliches Überlassungsgeschäft, durch das dem Ermächtigten die Ausübung des Forderungsrechts im eigenen Namen gestattet wird, ohne dass sich die Rechtszuständigkeit des Gläubigers ändert138. Dass eine solche Konstruktion dem BGB nicht fremd sei, zeigten die §§ 1059 S. 2, 1092 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach die unübertragbaren dinglichen Rechte Nießbrauch und beschränkte persönliche Dienstbarkeit einem anderen überlassen werden können139. Zwar hebt dieser Ansatz den Widerspruch zwischen unübertragbarer Rechtsposition und Ermächtigung als Teilrechtsübertragung auf, leidet aber seinerseits unter erheblichen Unklarheiten. Das erhellt bereits die sprachliche Vermengung der Verfügungs- („Überlassung“) und der Verpflichtungsebene („zur Ausübung“), die doch anerkanntermaßen voneinander zu trennen sind140. Diese konzeptionellen Unschärfen führen zu widersprüchlichen Ergebnissen, wenn z.B. einerseits eine Pflicht des Ermächtigenden angenommen wird, die Einzie137 „Rechts“ ist, dass in der 1. Kommission von der „rechtlichen“ Verfügung über das „Gut“ des Einwilligenden die Rede war, also zumindest terminologisch Recht und Gut ineinandergesetzt wurden (siehe dazu Jakobs/Schubert, Allgemeiner Teil 1, 961; Mot. II, 138). 137 V. Tuhr, AT II/2, 71; Löbl, AcP 129 (1928), 257, 279; Stathopoulos, Einziehungsermächtigung, 91 f. 138 Larenz, Schuldrecht I, 598 f.; Busche, in: Staudinger, Einl. zu §§ 398 ff. BGB Rn. 119; sympathisierend auch Schramm, in: MünchKomm, § 185 BGB Rn. 42. 139 Larenz, Schuldrecht I, 598 f.; Busche, in: Staudinger, Einl. zu §§ 398 ff. BGB Rn. 124. 140 Siehe Busche, in: Staudinger, Einl. zu §§ 398 ff. BGB Rn. 119 (untechnisch handele es sich um die „Übertragung“ eines Forderungsausschnitts).
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hung zu ermöglichen, andererseits die Einziehungsermächtigung als einseitiges Rechtsgeschäft frei widerruflich sein soll141. Ohnehin erschöpft sich der Erklärungsgehalt der schuldrechtlichen Konstruktion im Verhältnis zwischen den Parteien des „Überlassungsvertrags“, so dass weiterhin offen bleibt, wieso der hieran nicht gebundene Schuldner an den Ermächtigten leisten muss142. Dabei ist es doch gerade diese Außenwirkung, die eine Theorie der Ermächtigung zu begründen hat. Schließlich passt der Verweis auf die Regelungen zur Ausübung des Nießbrauchs und der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit nicht. Denn in diesen Fällen gestattet der Inhaber eines unübertragbaren dinglichen Rechts durch Abschluss schuldrechtlicher Nutzungsverträge die Ausübung seiner vom Eigentum abgeleiteten Befugnis, während der Ermächtigte eine von vornherein unübertragbare Rechtsposition eines anderen gegenüber Dritten geltend macht143. c) Die Ermächtigung als der Vertretung verwandtes Rechtsinstitut Die Defizite der Lehren von der Ermächtigung als Teilrechtsübertragung und einer „Überlassung zur Ausübung“ vermeidet die Auffassung, die die Verwandtschaft der Ermächtigung mit der Vollmacht und dem Vertretungsrecht im Allgemeinen betont. Demnach regeln beide Rechtsinstitute Situationen, in denen eine Person Rechtsgeschäfte vornimmt, die unmittelbar für und gegen den Rechtskreis eines anderen wirken. Während die Vollmacht sich auf die Begründung personenbezogener Verpflichtungen beziehe, sei die Ermächtigung ausweislich des § 185 Abs. 1 BGB objektbezogen144. Akzeptiert man die Verankerung der richterrechtlich entwickelten Einziehungsermächtigung in jener Norm, weil man die zum Erlöschen einer Forderung führende Einziehung mit den Motiven und entsprechend dem Regelungsgedan-
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Siehe Busche, in: Staudinger, Einl. zu §§ 398 ff. BGB einerseits Rn. 124 (schuldrechtliche Verpflichtung des Ermächtigenden), andererseits Rn. 129 (einseitiges Rechtsgeschäft). 142 Zum strukturellen Unterschied zwischen Verfügungsermächtigung und Überlassung der Rechtsausübung auch Doris, Ermächtigung, 55. 143 In diesem Zusammenhang stehen die Bedenken von Larenz, die Einziehungsermächtigung verändere die Verpflichtung des Schuldners; siehe Larenz, Schuldrecht I, 599. 144 Siehe RGZ 80, 395, 399 (1912); RGZ 133, 234, 241 (1931) (Einziehungsermächtigung i.S.d. § 185 BGB); BGHZ (GS) 4, 153, 164 (1951); BGHZ 106, 1, 4 (1988); BGH NJW 1998, 896, 897; OLG München DNotZ 1974, 229; OLG Karlsruhe NJW-RR 1996, 752 (Erteilung der Legitimation nach außen hin); LG Berlin Urt. v. 241.2005, 67 S 301/04, juris KORE704222005, Rn. 32. Ebenso aus der Literatur Krückmann, AcP 103 (1908), 139, 280 ff.; Flume, AT 2, 896; Thiele, Zustimmungen, 147 (kein grundlegender systematischer Unterschied); Enneccerus/Nipperdey, AT I/ 2, 1232 f. mit Fn. 5 (gemeinsame Züge von Vollmacht und Ermächtigung), 1234; Schramm, in: MünchKomm, § 185 BGB Rn. 2, 5, 32; Werner, JuS 1987, 855, 856, 859. Zum römischen Recht in diesem Sinne v. Ihering, IherJb 2 (1858), 67, 131; zum gemeinen Recht in diesem Sinne RGZ 10, 47, 48 (1883). Zur Abgrenzung von Vollmacht und Ermächtigung RGZ 53, 274, 275 (1903); BGHZ 106, 1, 3 f. (1988); OLG München DNotZ 1974, 229, 230; OLG Naumburg DNotZ 1999, 1013, 1014 f.; v. Ihering, IherJb 2 (1858), 67, 127 ff.
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ken des § 816 Abs. 2 BGB für eine Verfügung hält145, oder weil man sie a fortiori unter § 185 Abs. 1 BGB subsumiert146, erscheint es nur konsequent, die Ermächtigung dogmatisch in die Nähe der Vertretung und nicht der Übertragung von Rechten zu stellen. Vertretung und Verfügungsermächtigung sind in benachbarten Titeln im Abschnitt über Rechtsgeschäfte geregelt. Weder die Bevollmächtigung noch die Einwilligung gem. § 185 Abs. 1 BGB oder ihre richterrechtlichen Erweiterungen stellen eine Verfügung über Rechte dar, weil sie keine unmittelbare Rechtsänderung herbeiführen; der Vollmachtgeber bzw. Ermächtigende bleibt weiterhin Inhaber aller ihm zustehenden subjektiven Rechte147. Schließlich war auch während der Beratungen hervorgehoben worden, dass die Einwilligung in die Verfügung über fremde Forderung „ähnlich wie im Fall der Vollmachtsertheilung“ wirksam sein müsse. Eine ausdrückliche Regelung wurde aber für erforderlich gehalten, da „mit einiger Sicherheit … nicht darauf gerechnet werden [könne], daß Wissenschaft und Praxis für die analoge Anwendbarkeit der für die Vollmachtsertheilung geltenden Rechtsnormen sich entscheiden würden“148. Diese im Gesetz zum Ausdruck gelangende, strukturelle Nähe von Vertretung und Ermächtigung liefert zum einen eine schlüssige Erklärung für eine ganze Reihe auffälliger Parallelen zwischen beiden Rechtsbereichen. Vollmacht und Ermächtigung sind grundsätzlich frei widerruflich und können je nach Vereinbarung inhaltlich beschränkt werden149. So wie die Erklärungen des Vertreters unmittelbar für und gegen den Vertretenen wirken, muss sich der Ermächtigende
145 So Mot. I, 128 (Einziehen einer Forderung bzw. Annahme einer geschuldeten Leistung als Verfügung); BGH NJW 1957, 1635, 1636; LG Berlin Urt. v. 241.2005, 67 S 301/04, juris KORE704222005, Rn. 30 (Einziehungsermächtigung als Fall der Verfügung über ein Recht). Zu § 816 Abs. 2 BGB als Eingriff in die Forderungszuständigkeit § 8 C II 1. 146 In diesem Sinne Flume, AT 2, 903; offenbar auch Enneccerus/Nipperdey, AT I/2, 1234 f.; Schramm, in: MünchKomm, § 185 BGB Rn. 40 (Verschaffung der Rechtsmacht, die Leistung mit schuldtilgender Wirkung anzunehmen); Busche, in: Staudinger, Einl. zu §§ 398 ff. BGB Rn. 123. Die Zahlungsverpflichtung des Schuldners bei der Einziehungsermächtigung folgt aus der ursprünglichen Verpflichtung, die kraft der Ermächtigung gegenüber dem Ermächtigten zu erfüllen ist; a.A. Rüßmann, JuS 1972, 169, 170 (bei der Verfügungsermächtigung bleibe dem Geschäftspartner die Wahl, das Geschäft abzuschließen). 147 Siehe etwa RGZ 133, 234, 241 (1931) (der Ermächtigende behalte das volle Gläubigerrecht); BGH NJW-RR 1989, 315, 317 (die Akzessorietät der Bürgschafts- von der Hauptforderung werde durch eine Einziehungsermächtigung nicht berührt); LG Berlin NJW-RR 2003, 378, 379 (durch die Ermächtigung werde der Ermächtigte nicht Inhaber der Forderung); Doris, Ermächtigung, 60; Flume, AT 2, 898. 148 Jakobs/Schubert, Allgemeiner Teil 1, 961, 970; zustimmend Flume, AT 2, 896. 149 Siehe §§ 168 S. 2, 183 BGB; ferner BGHZ (GS) 4, 153, 167 (1951); BGH NJW 1982, 571, 572; BGH WM 1985, 1324, 1325; BGH NJW 1998, 896, 898 (der Ermächtigte führe wie der Bevollmächtigte seine Befugnis auf die Erlaubnis des eigentlich Berechtigten zurück); Löbl, AcP 129 (1928), 257, 319; Krückmann, AcP 137 (1933), 167, 173, 280 (eine schlechthin unwiderrufliche Ermächtigung gebe es nach BGB nicht); Doris, Ermächtigung, 78 (daran zeige sich, dass die Ermächtigung keine Rechtsübertragung, sondern die Begründung einer abhängigen, konkurrierenden Zuständigkeit sei); für die gewillkürte Prozessstandschaft Henckel, FS Larenz 1973, 643, 652. Zur analogen Anwendung der §§ 170–173 BGB auf Einwilligungen, die gegenüber Dritten erklärt werden, Flume, AT 2, 897.
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die rechtlich erheblichen Handlungen des Ermächtigten zurechnen lassen150: Die zulässige Klage des gewillkürten Prozessstandschafters unterbricht die Verjährung151 und hindert den Berechtigten daran, die Streitsache anderweitig anhängig zu machen; ein vom Prozessstandschafter erstrittenes Urteil wird gegenüber dem Berechtigten rechtskräftig152. Dagegen kann eine fehlende Prozessführungsermächtigung nicht durch Genehmigung rückwirkend „geheilt“ werden, weil diese Ermächtigung eben keine Verfügung, sondern Prozessvoraussetzung ist153. Ferner bestimmen sich die Wirkungen der Rechtsposition nach dem Inhalt, den sie in der Person des Berechtigten selbst hat: Zuständig ist das Gericht am allgemeinen Gerichtsstand des Ermächtigenden154. Materiellrechtlich macht der Prozessstandschafter z.B. die Schäden des Ermächtigenden155 bzw. die in dessen Person als Vermieter gegebenen Kündigungsgründe geltend156. Dagegen wird dem Einziehungsermächtigten grundsätzlich die Befugnis abgesprochen, die Forderung abzutreten157, während der Ermächtigende die Forderung weiterhin selbst einziehen158 und der Schuldner mit Forderungen gegen den Ermächtigenden aufrechnen und an ihn befreiend leisten kann159. All diese Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Ermächtigung sprechen dagegen, hierin statt einer gegenstandsbezogenen „Vertretung“ eine Übertragung von Befugnissen zu sehen, die dem Ermächtigten eine losgelöste, gar verkehrsfähige eigene Rechtsstellung vermittelt. Zum anderen erscheint die Anwendung der Ermächtigung auf unübertragbare Rechtspositionen nicht mehr als „Erschleichung“ der Verkehrsfähigkeit unter systemwidriger Durchbrechung der Entscheidung des BGB-Gesetzgebers, in den §§ 413, 185 Abs. 1 BGB bloße Verfahrensregeln für Rechtsgeschäfte vorzusehen. So wie sich der Inhaber unübertragbarer Rechtspositionen bei deren 150 BGHZ 131, 274, 284 (1995); OLG Karlsruhe NJW-RR 1996, 752 (Zurechnung der Kenntnis des Ermächtigten); LG Berlin NJW-RR 2003, 378, 379. 151 BGH NJW 1980, 2461, 2462; BGH NJW 1999, 2110, 2111. 152 So bereits RGZ 36, 53, 55 f. (1895) (rechtsmissbräuchliches Handeln, den Gegner zu einem zweiten Prozess zu zwingen, weil es sich „thatsächlich“ um eine Vertretung handele); RGZ 73, 306, 309 (1910) (der Grund der Bindung liege darin, dass ein Recht des Ermächtigenden geltend gemacht werde); RGZ 170, 191, 192 (1942); BGH NJW 1957, 1635, 1636; BGHZ 48, 12, 16 (1967); BGH NJW 1980, 2461, 2463; BGH WM 1985, 1324, 1325; Stathopoulos, Einziehungsermächtigung, 117 ff.; Löbl, AcP 129 (1928), 257, 310; Rüßmann, AcP 172 (1972), 520, 537 f.; Michaelis, FS Larenz 1983, 443, 462 f.; Leptien, in: Soergel, § 185 BGB Rn. 34; Busche, in: Staudinger, Einl. zu §§ 398 ff. BGB Rn. 132; Ullmann, FS v. Gamm, 315. 153 BGH NJW-RR 1993, 669, 670 f. 154 Siehe BGH GRUR 1956, 279, 280. 155 RGZ 87, 147, 150 (1915). 156 LG Berlin Urt. v. 24.1.2005, 67 S 301/04, juris KORE704222005, Rn. 33, 35. 157 BGHZ (GS) 4, 153, 165 (1951); BGH NJW 1982, 571; Stathopoulos, Einziehungsermächtigung, 147 f.; Löbl, AcP 129 (1928), 257, 264 f.; Enneccerus/Nipperdey, AT I/2, 1235; Steffen, in: RGRK, vor § 164 BGB Rn. 15; Larenz, Schuldrecht I, 600; Leptien, in: Soergel, § 185 BGB Rn. 33; Busche, in: Staudinger, Einl. zu §§ 398 ff. BGB Rn. 118. 158 BAG DB 1980, 835, 837. 159 Leptien, in: Soergel, § 185 BGB Rn. 33; Schramm, in: MünchKomm, § 185 BGB Rn. 43; Busche, in: Staudinger, Einl. zu §§ 398 ff. BGB Rn. 132; Rüßmann, JuS 1972, 169, 174.
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Geltendmachung und schuldrechtlicher Verwertung wirksam vertreten lassen kann160, vermag er entsprechend § 185 Abs. 1 BGB einen anderen zu gegenstandsbezogenen Rechtshandlungen zu ermächtigen161. Nur weil über nichts verfügt wird, kann eine unwirksame Übertragung in eine wirksame Ermächtigung umgedeutet werden162. Ja, es kommt in den Worten des Bundesgerichtshofs gar „nicht darauf an“, ob die betroffene Rechtsposition verkehrsfähig ist163; die Grenzen zulässiger Ermächtigung folgen nicht aus diesem formalen Gesichtspunkt (dazu sogleich). Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass die Ermächtigung in keiner ihrer Ausprägungen die Übertragung bestimmter Gläubigerbefugnisse impliziert164. Vielmehr wird Dritten mit der Ermächtigung wie mit der Bevollmächtigung ein rechtliches Können in Bezug auf einen anderen Rechtskreis verliehen, nur dass die Rechtsmacht im ersten Fall gegenstandsbezogen ist, während sie im zweiten personenbezogene Verpflichtungen betrifft. Da der Ermächtigende vollständig Inhaber der betroffenen Rechtsposition bleibt, begründen weder § 185 Abs. 1 BGB noch seine richterrechtlichen Erweiterungen zur Einziehungsermächtigung und gewillkürten Prozessstandschaft die Verkehrsfähigkeit von Befugnissen. Die Ermächtigung ist folglich kein Ersatzkonstrukt, um die als Mangel empfundene Unübertragbarkeit namentlich deliktsrechtlich ausgestalteter Rechtspositionen zu überwinden, sondern ein Rechtsinstrument mit anderen Wirkungen und Funktionen. Vor diesem dogmatischen Hintergrund stellt es keine „Rechtsfolgenerschleichung“ dar, wenn die Rechtsprechung unzulässige Übertragungen in Einziehungsermächtigungen umdeutet und der Übertragbarkeit der jeweiligen Rechtsposition insoweit generell keine Bedeutung beimisst165. 3. Grenzen zulässiger Ermächtigung Diese Abkopplung der Ermächtigung von der Übertragbarkeit, die ein selbständiges subjektives Recht voraussetzt und für die das deutsche Recht gerade keine konstitutive Generalklausel vorsieht, bedeutet freilich nicht, dass die Ermächti160
Siehe nur Dasch, Einwilligung, 90. BGH NJW 1998, 896, 897 f. 162 Siehe BGH WM 1964, 426, 427; BGHZ 68, 118, 125 (1977) (Wandlungsbefugnis des Käufers); BGH WM 1972, 384, 386 (Grundbuchberichtigungsanspruch); BGH NJW 1987, 3121, 3122 (Umdeutung einer nichtigen Abtretung in eine Ermächtigung); BGH NJW 1998, 896, 897; Flume, AT 2, 904 mit Fn. 7; Pinzger, GRUR 1934, 497, 499 f. (Unterlassungsansprüche aus dem UWG); Leptien, in: Soergel, § 185 BGB Rn. 34; Schramm, in: MünchKomm, § 185 BGB Rn. 40; Busche, in: Staudinger, Einl. zu §§ 398 ff. BGB Rn. 127, § 413 BGB Rn. 15 (Ermächtigung zur Ausübung unübertragbarer Gestaltungsrechte); Eckardt, in: AnwKomm, § 413 BGB Rn. 7; Gursky, in: Staudinger, § 985 BGB Rn. 3 (Anspruch aus § 985 BGB); v. Gamm, Wettbewerbsrecht, Kap. 56 Rn. 60; ders., Urheberrecht, Einf. Rn. 63. 163 BGH WM 1985, 1324 f. (für den Herausgabeanspruch aus § 985 BGB). 164 A.A. Ohly, volenti non fit iniuria, 461. 165 Die Ermächtigung zur Geltendmachung der Schadensersatz- und Bereicherungsansprüche ist demgemäß die zutreffende Erklärung der Nena-Entscheidung des BGH; dazu unten § 13 B VII 2. 161
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gung schrankenlos instrumentalisiert werden darf. Vielmehr sind der Befugnis, andere mit einer gegenstandsbezogenen Rechtsmacht auszustatten, gerade im Hinblick auf unübertragbare Rechtspositionen Grenzen gesetzt, die nunmehr kurz zu referieren sind. Dabei ist zwischen der Ermächtigung zur Durchsetzung fremder Rechtspositionen (dazu a) und der sog. Einwilligungsermächtigung (dazu b) zu unterscheiden. a) Grenzen der Einziehungsermächtigung und der gewillkürten Prozessstandschaft Einziehungsermächtigung und gewillkürte Prozessstandschaft hängen zwar nicht von der Übertragbarkeit der betroffenen Rechtsposition und damit von ihrer formalen Qualifikation als selbständiges subjektives Recht ab, sie scheiden aber aus, wenn der Sinn und Zweck der Unübertragbarkeit ergibt, dass sogar eine jederzeit widerrufliche Ermächtigung eines anderen ausscheiden muss, weil allein der unmittelbar Berechtigte in seiner Person Ansprüche geltend machen soll. Dafür reicht der bloße Verweis auf die mangelnde Verkehrsfähigkeit etwa des Rahmenrechts am Gewerbebetrieb als solchem nicht aus166. Vielmehr bedarf es einer weitergehenden rechtlichen Begründung, die sich insbesondere aus dem Zweck des Abtretungsverbots bei Forderungen167 oder dem höchstpersönlichen, nur vom Berechtigten zu definierenden Gehalt der Rechtsposition168 ergeben 166 Daher die Zulässigkeit der gewillkürten Prozessstandschaft bejahend etwa BGH GRUR 1956, 279, 280 (Ansprüche aus unerlaubter Handlung stünden nur dem unmittelbar Verletzten zu, könnten aber in gewillkürter Prozessstandschaft von einem anderen geltend gemacht werden); BGH GRUR 1960, 240 (Ansprüche aus UWG, §§ 823, 1004 BGB); BGHZ 48, 12, 15 (1967) (Prozessführungsbefugnis eines Verbandes kraft Ermächtigung); BGH GRUR 1983, 379, 381 (Rechte und rechtlich geschützte Positionen wie Ansprüche aus dem Recht am Gewerbebetrieb); BGHZ 119, 237, 242 (1992) (unübertragbares Namensrecht); Ullmann, FS v. Gamm, 315, 317 (Ansprüche aus UWG). Gerade umgekehrt Helle, AfP 1985, 93, 99 (gewillkürte Prozessstandschaft als unzulässige Verdinglichung abzulehnen). 167 Siehe in diesem Sinn zur Einziehungsermächtigung bei unübertragbaren Forderungen RGZ 146, 398, 401 f. (1935); BGHZ (GS) 4, 153, 165 ff. (1951); BGH LM § 847 BGB Nr. 3 (1953) (Schmerzensgeldanspruch auch nicht in Prozessstandschaft geltend zu machen); BGH NJW 1964, 2296, 2297 f. (beschränkte persönliche Dienstbarkeit, die auch nicht zur Ausübung überlassen werden dürfe); BGH NJW 1969, 1110, 1111 (Prozessstandschaft scheitere in erster Linie an der Unübertragbarkeit der Ansprüche aus § 847 BGB a.F., der nach seinem Sinn und Zweck auch die Möglichkeit einer gewillkürten Prozessstandschaft verbiete); BGHZ 56, 228, 236 (1971) (Ermächtigung zur Prozessführung würde dem Zweck des vertraglichen Abtretungsverbots zuwiderlaufen); BGH NJW-RR 1989, 315, 317 (eine Abtretungsbeschränkung stehe der Einziehungsermächtigung nur entgegen, wenn diese dem mit der Abtretungsbeschränkung verfolgten Zweck zuwiderlaufe); BGH NJW 1996, 3273, 3275 (Abtretbarkeit des Anspruchs nur „grundsätzliche“ Voraussetzung der Einziehungsermächtigung); OLG Köln ZIP 1987, 867, 868 (es sei auf den jeweiligen Zweck des Abtretungsverbots abzustellen). 168 BGH GRUR 1978, 583, 585 (Erfinderpersönlichkeitsrecht müsse seinem Wesen nach auch im Prozess vom Erfinder selbst geltend gemacht werden); BGH GRUR 1983, 379, 381 (keine gewillkürte Prozessstandschaft, wenn die betroffene Rechtsposition so eng mit dem Berechtigten verknüpft sei, dass eine Geltendmachung durch einen anderen dazu in Widerspruch stehe; aber zulässige Prozessstandschaft für Ansprüche aus dem Recht am Gewerbebetrieb, denn diese Ansprüche könnten mit dem Gewerbebetrieb auf einen Erwerber des Betriebs übergehen).
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kann. Abgesehen von dieser generellen Grenze muss sich die Ermächtigung auf bestimmte oder zumindest bestimmbare Ansprüche beziehen; eine vielleicht sogar bindend ausgestaltete Generalprozessermächtigung für alle eigenen Belange wird zutreffend abgelehnt169. b) Einwilligungsermächtigung als unzulässige Verpflichtungsermächtigung Etwas näher zu betrachten ist die Zulässigkeit der sog. Einwilligungsermächtigung, bei der der Ermächtigte im eigenen Namen Gestattungen zum Eingriff in fremden Rechtskreis ausspricht. Auf den ersten Blick scheint auch hier eine gegenstandsbezogene Rechtsmacht verliehen zu werden. Dieser Eindruck kann jedoch nur bei der wie gezeigt unzutreffenden Annahme entstehen, bei der Ermächtigung handele es sich um eine Teilrechtsübertragung. In Wirklichkeit kommt es bei der Einwilligungsermächtigung zu einer Verpflichtung des Berechtigten, die Verhaltensweisen Dritter zu dulden170. Das lässt sich bei deliktsrechtlichen Rechtspositionen wie dem Recht am Gewerbebetrieb oder wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsverboten besonders deutlich zeigen, gilt indes ebenso für Ausschließlichkeitsrechte als Bezugspunkt der Einwilligungsermächtigung: Deliktsrechtliche Ansprüche stehen grundsätzlich nur dem unmittelbar Verletzten zu. Wer das ist und ob auch Dritte aktivlegitimiert sind, ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung171. Das gilt insbesondere für den allgemeinen und den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch172, der unter anderem deshalb konsequenterweise nicht als solcher, z.B. im Hinblick auf ein bestimmtes Unternehmen, übertragen werden kann173. Diese Abwehransprüche bilden die Grund169
Werner, JuS 1987, 855, 859; Berger, JZ 1993, 1169, 1170. Nicht berücksichtigt von Dasch, Einwilligung, 92 (allein die Tatsache, dass die Ermächtigung keine Verfügung bedeute, ermögliche die Einwilligungsermächtigung auch bei solchen Rechten, über die nicht verfügt werden könne). Konstruktiv richtig, aber ohne Folgerung obiter OLG Hamburg GRUR-RR 2007, 181, 184 (die Sportrechteagentur habe die Befugnis, Dritten mit Wirkung gegen den Fußballverband schuldrechtlich die Nutzung von Veranstaltungen zu erlauben). 171 BGH GRUR 1956, 279; für das UWG Pinzger, GRUR 1934, 497, 499 f.; Ulrich, WRP 1995, 441; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, Kap. 15 Rn. 1. 172 Deshalb können Ansprüche aus UWG, dem Recht am Gewerbebetrieb und § 824 BGB nur vom jeweiligen Inhaber des Unternehmens geltend gemacht werden; siehe RGZ 86, 252, 254 (1915) (Aktivlegitimation der das Geschäft fortführenden Erben für einen entstandenen Unterlassungsanspruch aus UWG, der wegen der Fortführung des Geschäfts durch die Erben auch vererblich war); BGH GRUR 1983, 379, 381 (Ansprüche aus dem Recht am Gewerbebetrieb gehen mit der „Übertragung“ des Gewerbebetriebs auf den Erwerber über); BGH WRP 1999, 1141, 1142 (der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch sei auf die neue Inhaberin des Geschäftsbetriebs übergegangen, wenn in der Person der jetzigen Inhaberin noch die Voraussetzungen für die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs vorliegen); OLG Hamburg WRP 1963, 372 (kein Unterlassungsanspruch des „Zessionars“ bei allgemeiner Abtretung von wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen); Pinzger, GRUR 1934, 497, 499 f.; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, Kap. 15 Rn. 7. 173 RGZ 86, 252, 254 (1915) (Übergang des Unterlassungsanspruchs aus § 1 UWG 1909 nur mit dem Geschäftsbetrieb); OLG Hamburg WRP 1963, 372; Ullmann, FS v. Gamm, 315, 322 f.; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, Kap. 15 Rn. 2 f. m.w.N. (für das UWG). Für das Namensrecht gem. § 12 BGB ebenso BGHZ 119, 237, 241 (1992) (eine Abtretung sei wegen Veränderung des Leistungsinhalts gem. § 399 BGB ausgeschlossen); Berger, JZ 1993, 1169, 1170. 170
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lage einer Einwilligungsermächtigung, denn ohne Einwilligung könnten die begehrten Verhaltensweisen verhindert werden. Wenn nun ein anderer als der unmittelbar Verletzte es Dritten gestattet, in den Rechtskreis des Aktivlegitimierten einzugreifen, dann muss nur dieser, nicht der Ermächtigte Einschränkungen seiner Rechtssphäre hinnehmen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um ein subjektives Recht oder eine sonstige Rechtsposition handelt, denn auch bei übertragbaren Rechten erlangt der Ermächtigte ja keine abgespaltene Befugnis, die er gegen den Dritten ins Feld führen könnte. Die Einwilligung nimmt eben nur den Ansprüchen des Betroffenen bzw. Rechtsinhabers die Tatbestandsmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit. Anders gewendet richtet sich die Pflicht zur Duldung der Verletzungshandlungen an den Ermächtigenden als dem unmittelbar Verletzten. Daran ändert die Möglichkeit nichts, die Ermächtigung jederzeit mit Wirkung ex nunc zu widerrufen, denn bereits ausgesprochene Gestattungen bleiben davon unberührt174. Dass der Ermächtigte den Ermächtigenden zur Duldung bestimmter Verhaltensweisen Dritter verpflichtet, wird bei der entgeltlichen Gestattung besonders deutlich: Der Vertragspartner des Ermächtigten zahlt in dieser Konstallation dafür, dass die eigentlich aktivlegitimierte Person sein Verhalten hinnimmt; der Ermächtigte selbst könnte dagegen ja gar nicht vorgehen175. Eine solche Dreieckskonstellation ist nun offenbar nichts anderes als eine generell für unzulässig erachtete Verpflichtungsermächtigung176: Der Ermächtigte begründet im eigenen Namen Verpflichtungen des eigentlich Berechtigten gegenüber Dritten177. Eine derartige Konstruktion wird zu Recht abgelehnt, weil es sich um einen Vertrag zu Lasten eines nicht an der Verpflichtung beteiligten Dritten handelt178; außerdem soll der Gläubiger wissen, wer sein Schuldner ist179.
174 A.A. Ohly, volenti non fit iniuria, 462 (die Einwilligungsermächtigung löse keine Verpflichtungen aus). 175 A.A. Ohly, volenti non fit iniuria, 462 (dies erleichtere die Tätigkeit etwa einer Bildagentur ungemein). 176 A.A. Doris, Ermächtigung, 140. Zur begrifflichen Möglichkeit, aber rechtlichen Unzulässigkeit der Verpflichtungsermächtigung siehe Mot. II, 139 f.; RG JW 1924, 809; RGZ 124, 28, 29 (1929); RGZ 127, 126, 130 (1930); BGHZ 10, 69, 72 (1953); BGH LM § 185 BGB Nr. 6 (1957); BGHZ 34, 122, 125 (1960) (Verpflichtungsermächtigung dem deutschen Recht „im wesentlichen fremd“); BGHZ 114, 96, 100 (1991); OLG Karlsruhe NJW 1981, 1278 f. (Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse, kein einseitiger Schuldbeitritt); Flume, AT 2, 905 ff.; Enneccerus/Nipperdey, AT I/2, 1236 f.; Thiele, Zustimmungen, 209 ff. (Darlegung lediglich der konstruktiv-begrifflichen Möglichkeit von Verpflichtungsermächtigungen); Schramm, in: MünchKomm, § 185 BGB Rn. 46 ff. m.w.N.; Gursky, in: Staudinger, § 185 BGB Rn. 108 ff. (systemwidrig); Steffen, in: RGRK, vor § 164 BGB Rn. 16; für eine analoge Anwendung des § 185 BGB auf die Ermächtigung zum Abschluss von Mietverträgen Doris, Ermächtigung, 141. Generell a.A. Bettermann, JZ 1951, 321, 323 (für die offene Ermächtigung und bei kumulativer Haftung des Ermächtigten neben dem Ermächtigenden auch für die verdeckte Verpflichtungsermächtigung); hiergegen ausführlich Peters, AcP 171 (1971), 234 ff. 177 Siehe BGHZ 34, 122, 125 (1960) m.w.N. 178 Zur Unzulässigkeit eines Vertrages zu Lasten Dritter nur etwa BGHZ 68, 225, 231 f. (1977). 179 Zum Offenheitsprinzip siehe § 164 Abs. 1, 2 BGB.
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Folglich kommt in diesen personenbezogenen Situationen nur eine Vertretung gem. der §§ 164 ff. BGB in Betracht. Dabei ist erneut zu betonen, dass es für diesen negativen Befund keine Rolle spielt, ob die den Dritten zum Eingriff freigegebene Rechtssphäre ein subjektives Ausschließlichkeitsrecht ist oder ein bloßer Schutz von Interessen auf der Basis gesetzlicher Schuldverhältnisse, denn in beiden Fällen verzichtet der Ermächtigte nicht auf eigene Ansprüche, sondern verpflichtet den Rechtsinhaber bzw. unmittelbar Verletzten/Bereicherungsgläubiger/Geschäftsherrn zur Duldung180. Aus diesen Gründen abzulehnen ist auch die ganz überwiegend akzeptierte „Einräumung“ eines Besitzrechts durch einen Nichteigentümer an einen Dritten, dessen obligatorisches (sic!) Besitzrecht gem. § 986 Abs. 1 S. 1 BGB gegen den Eigentümer wirke, der freilich nicht Vertragspartei des Gebrauchsüberlassungsvertrags werde181. Denn erneut kommt es zu keiner gegenstandsbezogenen Einwirkung auf das Eigentum, wie sie in § 185 Abs. 1 BGB geregelt ist. Vielmehr nimmt die herrschende Meinung in Kauf, dass der Besitzer den Eigentümer ohne Offenlegung der Eigentumsverhältnisse und ohne dessen Einverständnis dazu verpflichtet, dem Dritten den Gebrauch der Sache dauerhaft zu gewähren182. Der durchaus berechtigte Schutz des gutgläubigen, neuen Besitzers gegenüber einem ihm unbekannten Eigentümer, der der Vermietung durch den anderen zugestimmt hatte, ohne dass dies nach außen offenkundig wurde, ist im Einzelfall über den Rechtsmissbrauchstatbestand (§ 242 BGB) zu erreichen183. Die Einwilligungsermächtigung für unzulässig zu erachten, steht schließlich nicht im Widerspruch zur unstreitig anerkannten Befugnis z.B. des Sacheigentü180
V. Welser, Wahrnehmung urheberpersönlichkeitsrechtlicher Befugnisse, 107 (für das Urheberrecht); a.A. Doris, Ermächtigung, 140; Ohly, volenti non fit iniuria, 463 (seien Rechte der Übertragbarkeit zugänglich, sei a maiore ad minus auch die Ermächtigung nicht ausgeschlossen); zweifelnd Gursky, in: Staudinger, § 185 BGB Rn. 107. 181 So RGZ 80, 395, 397 ff. (1912); RGZ 124, 28, 32 (1929); OLG Karlsruhe NJW 1981, 1278 f.; Thiele, Zustimmungen, 214 (mit Verweis auf die Grundsätze der Arbeitsteilung); Steffen, in: RGRK, § 185 BGB Rn. 5; Gursky, in: Staudinger, § 185 BGB Rn. 102 ff. m.w.N.; Leptien, in: Soergel, § 185 BGB Rn. 9 (der Eigentümer werde zwar nicht Vertragspartei, müsse den Vertrag aber gegen sich gelten lassen). Um eine Relativierung der Entscheidung RGZ 80 bemüht auch RG JW 1924, 809 (besondere Lage des Falles); BGH LM § 185 BGB Nr. 6 (1957) (die Zulässigkeit der Verpflichtungsermächtigung lasse sich der Entscheidung RGZ 80, 395 ff. nicht entnehmen). 182 Das erkennt auch RGZ 80, 395, 397 (1912) (Abschluss eines obligatorischen Rechtsgeschäfts „nicht eine Verfügung im Sinne des § 185 BGB“ über ein fremdes Grundstück; dennoch sollen die §§ 182–184 BGB unmittelbar anwendbar sein, a.a.O., 399); widersprüchlich Doris, Ermächtigung, 114 (der Ermächtigende habe die „Rechtsänderung hinzunehmen“), 132 (keine Leistungspflicht, sondern eine Gebundenheit des Ermächtigenden), 141 (ohne irgendeine rechtliche Bindung des Ermächtigenden am Schuldverhältnis lasse sich das relative Herrschaftsrecht nicht erklären); a.A. Flume, AT 2, 908 (gegenstandsbezogene Einräumung eines Besitz- oder Gebrauchsrechts als Verfügung). 183 Siehe BGHZ 114, 96, 100 ff. (1991) (für das Verhältnis zwischen Eigentümer und Untermieter). Auch RGZ 80, 395, 397 (1912), begründet die Wirkung des Mietvertrages gegenüber dem Eigentümer mit dem „Rechtsgefühl“ und verweist auf die exceptio doli (a.a.O., 399). OLG Karlsruhe NJW 1981, 1278, 1279, belässt es bei einer Abweisung der Räumungsklage und verneint eine Verpflichtung des ermächtigenden Eigentümers.
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mers oder des Trägers von Betriebsgeheimnissen, dem jeweiligen Mieter oder Lizenznehmer zu gestatten, einen Untermiet- bzw. Unterlizenzvertrag abzuschließen. Zwar verschafft auch hier der Hauptmieter bzw. -lizenznehmer dem Untermieter bzw. Unterlizenznehmer den Genuss der Sache oder des Betriebsgeheimnisses durch den Abschluss eines Verpflichtungsgeschäfts im eigenen Namen184. Im Unterschied zur Einwilligungsermächtigung leitet sich die Rechtsstellung des Untermieters bzw. Unterlizenznehmers jedoch vom Hauptmieter bzw. -lizenznehmer ab; sie steht und fällt mit dessen Berechtigung im Verhältnis zum Eigentümer bzw. zum Inhaber des Geheimnisses. Dagegen erlangt der Vertragspartner des ursprünglich Berechtigten keine Rechtsmacht, um diesen gegenüber Dritten zu verpflichten. Die Gestattung zur Untervermietung/Unterlizenz erzeugt also lediglich eine Kette abhängiger Nutzungsbefugnisse, während die Einwilligungsermächtigung zu einem ganzen Netz von Verpflichtungen führen würde, die vom Ermächtigten zwischen dem Inhaber der Rechtsposition und Dritten zur Entstehung gebracht würden. Im Ergebnis ist die Einwilligungsermächtigung als dem deutschen Recht fremde Verpflichtungsermächtigung generell abzulehnen. Es kommt daher anders als bei der Einziehungsermächtigung und gewillkürten Prozessstandschaft nicht erst darauf an, ob eine höchstpersönliche Rechtsposition betroffen ist, die ihrem Sinn und Zweck nach allein vom unmittelbar Betroffenen geltend gemacht werden kann185. Für die rechtsgeschäftliche Verwertung einer Rechtsposition stehen dem Berechtigten daher folgende Gestaltungsvarianten zur Verfügung: – – – –
die vollständige oder teilweise Übertragung selbständiger subjektiver Rechte, die schuldrechtliche Nutzungsgestattung, die widerrufliche Einwilligung und die Bevollmächtigung zur Vertretung im fremden Namen.
V. Zusammenfassung In diesem Abschnitt wurde erörtert, ob das deutsche Privatrecht eine Rechtsgrundlage für die Anerkennung der Übertragbarkeit ungeschriebener Rechtspositionen an „neuen“ Gütern kennt. Eine solche Grundlage wird – hier noch vorläufig als Hypothese – für erforderlich erachtet, weil automatisch der zwangsweisen Verwertung unterliegt, was umlauffähig ist. Bei einer Übertragung wechselt die Inhaberschaft einer Rechtsposition von Rechtssubjekt A auf Rechtssubjekt B, ohne dass sich der Inhalt der Befugnisse 184 Näher zur dogmatischen Struktur von Gestattungsverträgen und ihrem Unterschied zur Einwilligung Helle, AfP 1985, 93, 99 (Einwilligung als Gegenstand eines schuldrechtlichen Vertrages); Dasch, Einwilligung, 28 ff.; Ohly, volenti non fit iniuria, 165 ff. (zur „unwiderruflichen Einwilligung“ als Gestattungsvertrag a.a.O., 174 ff.). 185 Das aber als zentrales Argument (Vermögensrecht vs. Persönlichkeitsrecht) verwendend Schack, Urheberrecht, Rn. 567; Ohly, volenti non fit iniuria, 462 f.; v. Welser, Wahrnehmung urheberpersönlichkeitsrechtlicher Befugnisse, 105 ff.
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ändert. Die Übertragung ist eine Verfügung, die von Verpflichtungsgeschäften zu unterscheiden ist (dazu I). Vorschriften hierzu finden sich zu sämtlichen normierten Ausschließlichkeitsrechten, nicht aber im Rahmen der gesetzlichen Schuldverhältnisse, etwa im UWG. Dies und die Verwendung des Begriffs „Verfügung“ im BGB zeigt, dass nur selbständige subjektive Rechte, die unabhängig von einer akuten Verletzung gedacht werden, übertragen werden können (dazu II). Für Rechte dieser Art steht mit § 413 BGB eine generelle Auffangnorm zur Verfügung, die allerdings für die Übertragbarkeit eines „anderen Rechts“ nicht konstitutiv ist. Sie setzt selbständige subjektive Rechte voraus, die nicht wie Forderungen personen-, sondern gegenstandsbezogen sind. Nur soweit die übrige Rechtsordnung derartige „andere Rechte“ bereitstellt, reicht der rechtsgeschäftliche Grundsatz der formlosen Übertragbarkeit. Mithin bietet das Rechtsverkehrsrecht keinen Anhaltspunkt für die richterliche Anerkennung von selbständigen Rechten an Gütern, die unverletzt gedacht werden und damit umlauffähig sind (dazu III). Mit diesem Ergebnis steht nicht in Widerspruch, dass die Rechtsprechung es für zulässig erachtet, dass der Berechtigte andere zur außergerichtlichen und prozessualen Geltendmachung eigentlich unübertragbarer Rechtspositionen wie dem Rahmenrecht am Gewerbebetrieb im eigenen Namen ermächtigt. Denn derartige Einziehungsermächtigungen und gewillkürte Prozessstandschaften sind ihrer Struktur nach keine Abspaltung wiederum verkehrsfähiger Gläubigerbefugnisse, sondern der Bevollmächtigung zur Vertretung im fremden Namen verwandte Rechtsfiguren, bei der die jeweilige, ggf. als solche unübertragbare Rechtsposition vollumfänglich beim Berechtigten verbleibt. Dem Ermächtigten wird eine gegenstandsbezogene Rechtsmacht verliehen, aufgrund der er unmittelbar auf den Rechtskreis des Ermächtigenden einwirken kann, ohne hiervon losgelöste, eigene Befugnisse zu erlangen. Wegen dieser Wirkungen kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die betroffene Rechtsposition formal ein selbständig übertragbares Recht darstellt. Maßgeblich ist vielmehr, ob sich aus Sinn und Zweck der Unübertragbarkeit ergibt, dass allein der Rechtsinhaber bzw. der unmittelbar Verletzte/Bereicherungsgläubiger/Geschäftsherr Ansprüche geltend machen soll. Die vereinzelt befürwortete Einwilligungsermächtigung, mit der eine Person ermächtigt wird, Dritten im eigenen Namen Eingriffe in das subjektive Recht bzw. den sonstigen Rechtskreis eines anderen zu gestatten, ist als Verpflichtungsermächtigung hingegen generell unzulässig. Soweit kein unbeschränkt oder beschränkt übertragbares Recht gegeben ist, muss sich der Berechtigte also der Bevollmächtigung eines Vertreters bedienen oder schuldrechtliche Gestattungsverträge einschließlich der Erlaubnis zur Unterlizenz abschließen. Die Ermächtigung ist daher insgesamt kein Mittel, um nicht übertragbare Rechtspositionen verkehrsfähig zu machen (dazu IV). Für die Übertragbarkeit von Rechten als dem Ausgangspunkt der Analyse des Rechtsverkehrsrechts besteht somit keine allgemeine Rechtsgrundlage, aufgrund derer die Gerichte rechtsfortbildend anerkannte Schutzbereiche für umlauffähig
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erklären dürfen. Die Spezialregelungen zu dieser Thematik sowie die §§ 413, 185 Abs. 1 BGB verweisen lediglich auf anderweitig abzuleitende, selbständige subjektive Rechte. Damit wird im Rechtsverkehrsrecht das vom Verteilungsprinzip der Freiheit abweichende Verteilungsprinzip der Güterzuordnung erkennbar: Während die individuelle Freiheit von staatlichem Zwang prinzipiell unbegrenzt gedacht wird, und staatliche Einschränkungen auch in Form privatrechtlicher Haftung der Rechtfertigung bedürfen186, entfalten sich die Grundsätze der Güterzuordnung – hier der Grundsatz der formlosen Übertragbarkeit von subjektiven Rechten – nur so weit die punktuelle Zuordnung durch das objektive Recht reicht.
C. Nießbrauch und Pfandrecht an Rechten I. Einführung Der vorstehende Abschnitt war der unbeschränkten Übertragung gewidmet. Bei einer solchen Verfügung tritt der Erwerber an die Stelle des früheren Rechtsinhabers, ohne dass sich der Inhalt der Rechtsposition ändert187. Der Rechtsinhaber ist aber nicht gezwungen, seine Position vollständig aufzugeben. Die Rechtsordnung ermöglicht es ihm ferner, sein Recht nur teilweise zu übertragen. So kann der Sacheigentümer beschränkte dingliche Rechte nach Maßgabe der Abschnitte 4 bis 8 des Sachenrechts einräumen188. Auch Immaterialgüterrechte können teilweise übertragen werden, ohne dass insoweit ein numerus clausus der Verfügungsgeschäfte Beachtung verlangt189; nach herrschender Meinung verschafft namentlich die ausschließliche Lizenz dem Lizenznehmer eine „dingliche“ oder „quasidingliche“ Rechtsstellung190. Außerdem finden sich im Marken- und Geschmacksmusterrecht ausdrückliche Regelungen, wonach Immaterialgüterrechte „verpfändet werden oder Gegenstand eines sonstigen dinglichen Rechts sein können“, womit insbesondere auf den Nießbrauch Bezug genommen wird191. Schließlich kann an Forderungen ein Pfandrecht oder ein Nießbrauch bestellt werden (§§ 1074, 1279 BGB). 186
Oben § 2 B II 2. Siehe in diesem Sinne für die ausnahmsweise Übertragung eines Nießbrauchs § 1059c BGB. 188 Zur Sicherungsübereignung und zum dinglichen Anwartschaftsrecht oben B II. 189 Oben Einleitung C I. 190 Ständige Rechtsprechung seit RGZ 57, 38, 39 ff. (1904); BGH GRUR 1992, 310, 311; BGH GRUR 1995, 338, 340; OLG München GRUR 1996, 63, 64 f.; OLG Köln GRUR 2000, 66, 67; Keukenschrijver, in: Busse, § 15 PatG Rn. 60; Fezer, § 30 MarkenG Rn. 1; Forkel, Gebundene Rechtsübertragungen, 49 ff.; a.A. Hilty, Lizenzvertragsrecht, 107 ff. (ein Lizenzvertrag habe stets nur schuldrechtliche Wirkung); Ingerl/Rohnke, § 30 MarkenG Rn. 7 (es komme auf die Vertragsgestaltung im Einzelfall an). 191 Siehe §§ 29 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG, 30 Abs. 1 Nr. 1 GeschmMG, Art. 19 Abs. 1 GMVO, 29 Abs. 1 GeschmMVO. Zur Rechtslage im Hinblick auf das unübertragbare Urheberrecht Schack, Urheberrecht, Rn. 530. 187
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Gemeinsames Kennzeichen dieser vom Verpflichtungsgeschäft zu unterscheidenden Verfügungen192 ist, dass der originär Berechtigte hinsichtlich des Stammrechts (so bei der Vorstellung von einer Belastung) bzw. für bestimmte Befugnisse (so bei der Vorstellung einer Abspaltung) Inhaber des Rechts bleibt, während der Erwerber eine dem Verfügungsgegenstand strukturell entsprechende Rechtsposition nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarung erlangt193. Werden Ausschließlichkeitsrechte teilweise übertragen, erhält der Erwerber also nicht nur eine schuldrechtliche Nutzungsbefugnis im Verhältnis zu seinem Vertragspartner, sondern ein im Schutzbereich beschränktes Ausschließlichkeitsrecht, das folglich gegen Dritte geltend gemacht werden kann, insolvenzfest ist und dem Erwerber nicht entzogen wird, wenn der Rechtsinhaber über das bei ihm verbliebene Recht verfügt (Sukzessionsschutz)194. Bei der Bestellung eines Nießbrauchs an einer Forderung und der Forderungsverpfändung erlangen der Nießbraucher und Pfandgläubiger hingegen keine Rechtsposition mit Wirkung gegen jedermann, denn der Verfügungsgegenstand ist ebenfalls nur ein relatives Recht195. Im Verhältnis zum Forderungsinhaber jedoch weist ihre Rechtsstellung in Gestalt des Sukzessionsschutzes und der Insolvenzfestigkeit dieselben Merkmale auf wie der Nießbrauch und das Pfandrecht an Ausschließlichkeitsrechten, weil es sich um ein unmittelbares Recht an der Forderung und nicht nur um eine persönliche Leistungspflicht handelt; insoweit ist die Rede vom „dinglichen“ Recht zutreffend196.
192 Für den Nießbrauch Johow, in: Schubert, Sachenrecht 2, 268 f. (dinglicher Akt, Veräußerungsakt, der auch gegen die Gläubiger des Veräußerers wirke); Jakobs/Schubert, Sachenrecht 2, 238 (1. Kommission); für das Pfandrecht Habersack, in: Soergel, § 1204 BGB Rn. 4, § 1274 BGB Rn. 3 (daher fänden der Spezialitätsgrundsatz, das Trennungs- und Abstraktionsprinzip Anwendung). 193 Johow, in: Schubert, Sachenrecht 2, 267 f. (partielle, konstitutive Übertragung, die zu einer konkurrierenden Berechtigung nach Maßgabe der Vereinbarung führe); Wolff/Raiser, Sachenrecht, 482 (der Nießbrauch sei von derselben Beschaffenheit wie das durch ihn verkürzte Recht); für das Pfandrecht Wiegand, in: Staudinger, vor § 1273 BGB Rn. 5, 8; Habersack, in: Soergel, § 1273 BGB Rn. 2; Damrau, in: MünchKomm, § 1273 BGB Rn. 1; Baur/Stürner, Sachenrecht, 780 (Nießbrauch als Abspaltung, Pfandrecht als Ausgliederung von Befugnissen). 194 Für den Nießbrauch Mot. III, 539 (absolute und nicht nur obligatorische Rechtsstellung des Nießbrauchers); Prot. II 3, 413 (dingliche Wirkungen des Nießbrauchs); Dulckeit, Verdinglichung, 54; ferner Johow, in: Schubert, Sachenrecht 2, 268 f. 195 Für den Nießbrauch BGHZ 58, 316, 321 (1972) (das Nutzungsrecht des Nießbrauchers könne keine stärkere Stellung vermitteln als sie der Besteller habe); Stürner, in: Soergel, § 1068 BGB Rn. 1; Pohlmann, in: MünchKomm, § 1068 BGB Rn. 14. Für das Pfandrecht Wolff/Raiser, Sachenrecht, 718. 196 Siehe für den Nießbrauch Stürner, in: Soergel, § 1068 BGB Rn. 1; Jauernig, in: Jauernig, § 1068 BGB Rn. 1; Pohlmann, in: MünchKomm, § 1068 BGB Rn. 2, 13; Frank, in: Staudinger, § 1068 BGB Rn. 20 (dies ergebe sich aus dem Verweis auf den Sachnießbrauch/das Sachpfandrecht); für Mitgliedschaftsrechte als Belastungsgegenstand Schön, ZHR 158 (1994), 229, 269. Für das Pfandrecht Wolff/Raiser, Sachenrecht, 718; Wiegand, in: Staudinger, vor § 1273 BGB Rn. 6; Michalski, in: Erman, vor § 1273 BGB Rn. 2. Abzulehnen hingegen die Begründung von Dulckeit, Verdinglichung, 56, der ein „relatives Eigen“ am Forderungsobjekt (Geld, Sache) als Gegenstand der Forderung und des Pfandrechts ausmacht.
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Aufgrund der Annahme, dass rechtsgeschäftliche und zwangsweise Verfügung in untrennbarem Zusammenhang stehen, wird hier eine Rechtsgrundlage für die Anerkennung der Übertragbarkeit von Rechten für erforderlich gehalten197. Das gilt nicht nur für die unbeschränkte, sondern auch für die teilweise Übertragung, die in Gestalt der Verpfändung gerade das Scharnier zwischen vollständiger Übertragung und Zwangsvollstreckung bildet, die ihrerseits eben durch Pfändung erfolgt (§§ 803, 857 ZPO). In Anbetracht dieser Schlüsselstellung zwischen rechtsgeschäftlicher und zwangsweiser Verwertung erscheint es als Manko, dass die Verpfändung und andere Arten der teilweisen Übertragung im Kontext der Verkehrsfähigkeit von Rechtspositionen an „neuen“ Gütern bisher, soweit ersichtlich, überhaupt nicht berücksichtigt wurden198. Dabei stellt das BGB mit § 413 BGB nicht nur eine Auffangklausel für die vollständige Übertragung von „anderen Rechten“ zur Verfügung, sondern statuiert ebenso allgemein, dass Nießbrauch und Pfandrecht an „Rechten“ bestellt werden können (§§ 1068 Abs. 1, 1273 Abs. 1 BGB). Wie bei § 413 BGB lautet die Frage, ob in diesen Vorschriften die Verpfändbarkeit und Zulässigkeit der Nießbrauchsbestellung konstitutiv geregelt oder ob wiederum nur eine rechtsgeschäftliche Dispositionsmöglichkeit verallgemeinert wird, die das „Recht“ als jeweiligen Verfügungsgegenstand voraussetzt. Im letztgenannten Fall bliebe auch die beschränkte Übertragbarkeit ungeschriebener, ggf. deliktsrechtlich ausgebildeter Rechtspositionen ohne Anhaltspunkt im Gesetz. Diese Erkenntnis wäre vor allen Dingen für die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts von Bedeutung, die nach ganz herrschender Meinung zumindest diese reduzierte Umlauffähigkeit angenommen haben sollen. Obwohl Nießbrauch als „dingliches“ Nutzungsrecht199 und Pfandrecht als „dingliches“ Sicherungsrecht200 unterschiedliche Inhalte und Funktionen haben, werden sie hier gemeinsam behandelt, weil nicht diese konkreten Zwecke der 197
Oben A II. Auch nicht von Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 330, der die vollständige Übertragbarkeit, die Zwangsvollstreckung und die Konkursbefangenheit etwaiger Rechte an Wirtschaftsgeheimnissen prüft. 199 Siehe die §§ 1068 Abs. 2, 1030 Abs. 1 BGB. In § 328 des Vorentwurfs von Johow wird der Nießbrauch an Rechten dahin beschrieben, dass dem Nießbraucher „die zeitweise Ausübung“ des Rechts „zu eigenem und festen Rechte übertragen“ werde; abgedruckt bei Schubert, Sachenrecht 1, 68. Ferner Mot. III, 533 (das Wesentliche des Nießbrauchs sei der Zweck, dem Berechtigten ein unmittelbares Recht auf die Ziehung der Nutzungen eines Vermögensgegenstands zu geben); BGHZ 62, 133, 137 (1974) (Inhalt des Nießbrauchs sei dessen Ausübung in Gestalt der Nutzungsziehung); Wolff/Raiser, Sachenrecht, 483. Die rechtsgeschäftliche Verwertung des Nießbrauchsgegenstands gehört grundsätzlich nicht zu den „Nutzungen“, die dem Nießbraucher zustehen; siehe BGHZ 58, 316, 319 (1972) (Bezugsrecht bei Personengesellschaft); OLG Bremen DB 1970, 1436 (Bezugsrechte einer Aktie); Heck, Sachenrecht, 309 (der Stammwert solle dem Eigentümer erhalten bleiben, der Ertrag dem Nießbraucher zukommen). 200 Siehe die §§ 1273 Abs. 2, 1204 Abs. 1 BGB; ferner RGZ 136, 422, 424 (1932) (Pfandrecht als der Sicherung einer Forderung dienende Belastung der Sache oder des Rechts mit dem Recht auf Befriedigung der Forderung aus der Sache oder dem Recht); Krückmann, AcP 103 (1908), 139, 251 (Verpfändung als Rechtsübertragung im Wege der qualitativen Teilung). 198
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Verfügung in Rede stehen, sondern die jeweils gültige Vorfrage nach dem Gegenstand der beschränkten Übertragung. Insoweit weisen beide Regelungen mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede auf201: Sie beziehen sich als beschränkte Übertragungen auf „ein Recht“ und verweisen auf die Bestimmungen zum Nießbrauch bzw. Pfandrecht an (beweglichen) Sachen202. Um die Darstellung schlank zu halten, steht im Folgenden die Verpfändung bzw. Verpfändbarkeit im Vordergrund. Soweit nicht ausdrücklich auf den Nießbrauch eingegangen wird, gelten die Aussagen zum Pfandrecht für jene beschränkte Übertragung mutatis mutandis. In der Sache gilt es zunächst Anhaltspunkte für eine konstitutive Wirkung der §§ 1068 ff., 1273 ff. BGB zusammenzutragen (dazu II), die anschließend einer kritischen Würdigung zu unterziehen sind (dazu III).
II. Die §§ 1068 ff., 1273 ff. BGB als Rechtsgrundlage der Nießbrauchsbestellung und Verpfändung? Da sich die §§ 1068 Abs. 1, 1273 Abs. 1 BGB nicht auf bestimmte Ausschließlichkeitsrechte beziehen, könnten sie als Signal verstanden werden, wonach die Gerichte legitimiert sind, im Hinblick auf richterrechtlich anerkannte Rechtspositionen eine Verpfändung und Nießbrauchsbestellung sowie generell die beschränkte Übertragbarkeit zuzulassen. Tatsächlich wird der Begriff des „Rechts“ im Sinne dieser Bestimmungen denkbar weit verstanden. Die Literatur begnügt sich in der Regel mit dem Hinweis, als Belastungsgegenstand kämen Rechte „aller Art“, insbesondere auch obligatorische Rechte, in Betracht203. Unzulässig seien Nießbrauchsbestellung und Verpfändung nur bei unübertragbaren Rechten (§§ 1069 Abs. 2, 1274 Abs. 2 BGB) und solchen Rechtspositionen, die ihrem Inhalt nach für den Zweck des jeweiligen Verfügungsgeschäfts nicht geeignet seien, weil ihre Nutzung durch einen Dritten bzw. ihre Verwertung als Sicherungsgut
201 Siehe Mot. III, 540, 862 (übertragbare Rechte als Gegenstand von Pfändung und Nießbrauch); Jakobs/Schubert, Sachenrecht 2, 1034 f., 1043 (die Vorschriften des Pfandrechts an Rechten seien den Vorschriften zum Nießbrauch an Rechten nachgebildet). 202 Zum jeweiligen Verweis auf den Nießbrauch/das Pfandrecht an Sachen Jakobs/Schubert, Sachenrecht 2, 1034; ferner Frank, in: Staudinger, § 1068 BGB Rn. 23 (weitgehende Übereinstimmung); Wiegand, in: Staudinger, § 1273 BGB Rn. 1; Habersack, in: Soergel, § 1203 BGB Rn. 1 (§ 1273 BGB entspreche § 1068 BGB). 203 So für den Nießbrauch etwa Rothe, in: RGRK, § 1068 BGB Rn. 1; Michalski, in: Erman, § 1068 BGB Rn. 1; Frank, in: Staudinger, § 1068 BGB Rn. 2; Stürner, in: Soergel, vor § 1068 BGB Rn. 2; Pohlmann, in: MünchKomm, vor § 1030 BGB Rn. 6, § 1068 BGB Rn. 5 (keine Einschränkungen hinsichtlich der belastbaren Rechte); Jauernig, in: Jauernig, § 1068 BGB Rn. 2; Bassenge, in: Palandt, § 1068 BGB Rn. 1; Brehm/Berger, Sachenrecht, Rn. 23.29 ff. Für das Pfandrecht Bassenge, in: Palandt, § 1273 BGB Rn. 1; Wolff/Raiser, Sachenrecht, 717 f. (jedes subjektive Recht); Wiegand, in: Staudinger, § 1273 BGB Rn. 2 (Rechte schlechthin, sämtliche subjektiven Rechte); Michalski, in: Erman, vor § 1273 BGB Rn. 5; Habersack, in: Soergel, § 1273 BGB Rn. 4 (alle übertragbaren Rechte); Sosnitza, in: Bamberger/Roth, § 1273 BGB Rn. 2; Damrau, in: MünchKomm, § 1273 BGB Rn. 2; Brehm/Berger, Sachenrecht, Rn. 34.39 ff.
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ausscheide204. Im Übrigen bestätige sich, dass Rechte nicht nur grundsätzlich übertragbar seien (§ 413 BGB), sondern auch verpfändbar205. Diese Aussage wird durchaus im Sinne konstitutiver Wirkungen der §§ 1068 Abs. 1, 1273 Abs. 1 BGB aufgefasst. Insbesondere im Zusammenhang mit dem umstrittenen Nießbrauch am Unternehmen als einem Inbegriff einzelner Rechte und Güter wird der grundsätzlichen Anerkennung des Nießbrauchs an Rechten aller Art Bedeutung zugemessen: Im Zweifel müsse man davon ausgehen, dass ein solches „dingliches“ Nutzungsrecht bestellt werden könne206. Nimmt man die systematische Stellung beider Vorschriften hinzu, die im Sachenrecht und nicht wie § 413 BGB im Allgemeinen Schuldrecht zu finden sind, so erscheint es nicht mehr ausgeschlossen, die Anerkennung der Verpfändbarkeit, Nießbrauchsbestellung und weitergehend die Zulässigkeit der beschränkten Übertragung auf diese allgemeinen Bestimmungen zu stützen.
III. Kritik Solch weitreichende Schlussfolgerungen sind jedoch verfehlt. Sie verkennen die Regelungsfunktion der §§ 1068 ff., 1273 ff. BGB und die in ihnen erneut zum Ausdruck gelangende Struktur des allgemeinen Rechtsverkehrsrechts, das nur das Verfahren für die rechtsgeschäftliche Verwertbarkeit vorausgesetzter subjektiver Rechte bereitstellt (dazu 1). Die scheinbare Möglichkeit, einen Nießbrauch an einem Unternehmen als solchem zu bestellen, steht dazu nicht in Widerspruch (dazu 2). 1. Keine konstitutive Wirkung der §§ 1068 Abs. 1, 1273 Abs. 1 BGB Gegen eine konstitutive Wirkung der §§ 1068 Abs. 1, 1273 Abs. 1 spricht nicht nur ihre von der Regelung des Eigentums als dem originären Ausschließlichkeitsrecht getrennte systematische Stellung207, sondern auch der Wortlaut und der Inhalt der Regelungen. Die Normen nennen als Belastungsgegenstände ein „Recht“ und nicht etwa das Vermögen oder vermögenswerte Güter208. Sie bringen zum Ausdruck, dass ein als Tatbestandsmerkmal vorausgesetztes Recht mit Nut-
204 Siehe Rothe, in: RGRK, § 1068 BGB Rn. 2; Frank, in: Staudinger, § 1068 BGB Rn. 2; Wiegand, in: Staudinger, § 1273 BGB Rn. 4; Stürner, in: Soergel, vor § 1068 BGB Rn. 2; Wegmann, in: Bamberger/Roth, § 1085 BGB Rn. 3. 205 Für die Verpfändung Johow/Achilles, in: Schubert, Sachenrecht 3, 890 (bei abtretbaren Vermögensrechten sei der Ausschluss der Verpfändung die Ausnahme). 206 Frank, in: Staudinger, Anh. § 1068 BGB Rn. 4. 207 Noch deutlicher der Vorentwurf von Johow, in dem sich der Nießbrauch an Rechten mit dem Nießbrauch an zu verbrauchenden Sachen und an einem Vermögensganzen in einem Unterabschnitt zum „Uneigentlichen Nießbrauch“ fand; abgedruckt bei Schubert, Sachenrecht 1, 68 ff. Ebenso die einschlägigen Regelungen in den Immaterialgüterrechtsgesetzen; dazu B II. 208 Habersack, in: Soergel, § 1273 BGB Rn. 5 („Rechtsgüter“ kein tauglicher Pfändungsgegenstand). Zum gemeinen Recht m.w.N. Windscheid/Kipp, Pandekten I, 1145.
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zungs- bzw. Sicherungsrechten belastet werden kann209. Deshalb hängen sowohl die Entstehung210 als auch der Untergang211 der derivativen Befugnisse von der entsprechenden Entwicklung des Belastungsgegenstands ab. Geregelt wird, wie diese Verfügung zu erfolgen hat, nämlich nach den für die Übertragung des belasteten Rechts geltenden Vorschriften212. Zweck dieses Verweises ist es, die ggf. zu beachtenden Formalien hinsichtlich der vollständigen Übertragung für die teilweise Übertragung zur Geltung zu bringen213. Hierin wird erkennbar, dass das Gesetz davon ausgeht, dass sich hinsichtlich der Übertragung spezielle Regelungen finden. Angeknüpft wird an die unbeschränkte Verfügung über ein Recht, die wiederum eine aus dem Recht folgende Verfügungsbefugnis impliziert214. Konsequent werden Nießbrauch und Pfandrecht für unübertragbare Rechte ausgeschlossen215. Dazu zählen etwa unübertragbare Forderungen (§§ 399 f. BGB)216, das Urheberrecht (§ 29 Abs. 1 UrhG), das Firmenrecht unabhängig vom Handelsgeschäft (§ 23 HGB)217, familienrechtliche Ansprüche höchstpersönlicher 209 RGZ 136, 422, 424 (1932) (zur Entstehung des Vertragspfandrechts gehöre der Pfandgegenstand, die gesicherte Forderung und die Pfandbestellung); Wegmann, in: Bamberger/Roth, § 1068 BGB Rn. 1 f. (§ 1068 BGB enthalte keine Definition der Rechte, die belastet werden können). 210 Bei der Verpfändung künftiger Rechte entsteht das Pfandrecht erst, wenn das Recht beim Verpfänder entstanden ist; siehe RGZ 68, 49, 55 (1908); BGH DtZ 1997, 52, 53 m.w.N. (die Verpfändung eines künftigen Rechts sei unwirksam, wenn es als nicht übertragbares Recht entstehe); BGH NJW 1998, 2592, 2597; OLG Köln NJW-RR 1988, 239; Habersack, in: Soergel, § 1204 BGB Rn. 10 (Verpfändung künftiger Sachen), § 1273 Rn. 7 (Verpfändung künftiger Rechte); Sosnitza, in: Bamberger/Roth, § 1273 BGB Rn. 4; Damrau, in: MünchKomm, § 1273 BGB Rn. 5 f. 211 OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 619, 620 (Erlöschen des Nießbrauchs an einem übertragbaren Mitgliedschaftsrecht, wenn sich alle Anteile in einer Hand vereinigen und damit die Gesellschaftsanteile als Rechte und Pfandgegenstand erlöschen). 212 §§ 1069 Abs. 1, 1274 Abs. 1 BGB. 213 Für den Nießbrauch Johow, in: Schubert, Sachenrecht 2, 269 f.; Mot. III, 540; BFH BStBl. 1980 II, 266, 268 (Formnichtigkeit eines Vermächtnisnießbrauchs am Miterbenanteil); Wolff/Raiser, Sachenrecht, 483; Stürner, in: Soergel, vor § 1068 BGB Rn. 3; Baur/Stürner, Sachenrecht, 776; Frank, in: Staudinger, § 1069 BGB Rn. 1; Pohlmann, in: MünchKomm, § 1069 BGB Rn. 1. Für die Verpfändung Jakobs/Schubert, Sachenrecht 2, 1043; Wolff/Raiser, Sachenrecht, 719; Wiegand, in: Staudinger, § 1274 BGB Rn. 1. 214 Wiegand, in: Staudinger, § 1274 BGB Rn. 11. 215 §§ 1069 Abs. 2, 1274 Abs. 2 BGB. Für den Nießbrauch Jakobs/Schubert, Sachenrecht 2, 237; Mot. III, 540; Prot. II 3, 413 f. (die Norm sei nur eine Auslegungsregel zur Klarstellung einer an sich automatischen Konsequenz); Wolff/Raiser, Sachenrecht, 482; Rothe, in: RGRK, § 1069 BGB Rn. 2. Für die Verpfändung Johow/Achilles, in: Schubert, Sachenrecht 3, 888 (weil die Immaterialgüterrechte kraft gesetzlicher Anordnung übertragbar seien, seien sie auch der Verpfändung zugänglich); Jakobs/Schubert, Sachenrecht 2, 1045 f.; Wiegand, in: Staudinger, § 1274 BGB Rn. 25; Habersack, in: Soergel, § 1274 BGB Rn. 1; Baur/Stürner, Sachenrecht, 781. Das „soweit“ in § 1274 Abs. 2 BGB soll zumindest Ansprüche aus schuldrechtlichen Ausübungsüberlassungsverträgen der Verpfändung zugänglich machen; Prot. II 3, 517. Auch der Nießbrauch kann gem. der §§ 1274 Abs. 2, 1059 S. 2 BGB gepfändet werden mit der Folge, dass der Pfändungsgläubiger den Nießbrauch zwar wegen dessen Unübertragbarkeit nicht verwerten, aber zu diesem Zweck selbst ausüben darf; siehe BGHZ 62, 133, 135 ff. (1974). 216 Zum Eigentumsherausgabeanspruch Johow/Achilles, in: Schubert, Sachenrecht 3, 891 ff. (mit Verweis auf die mögliche Ermächtigung des Gläubigers zur Geltendmachung im eigenen Namen). 217 RGZ 68, 48, 55 (1908); Wiegand, in: Staudinger, § 1274 BGB Rn. 65.
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Natur und der Nießbrauch selbst (§ 1059 S. 1 BGB)218. Gerade der Ausschluss unübertragbarer Rechte erhellt, dass mit dem „Recht“ als möglichem Belastungsgegenstand nur ein unverletzt gedachtes, selbständiges Recht gemeint sein kann, das – in einem zweiten gedanklichen Schritt – auf seine Unübertragbarkeit hin zu überprüfen ist. Der bloße Schutz von Interessen und Gütern auf der Basis gesetzlicher Schuldverhältnisse entspricht dieser gestuften Qualifikation nicht, weil er als solcher von vornherein nicht verkehrsfähig ist. Außerdem können die Vorschriften kaum aus sich heraus („intern“) den Kreis möglicher Belastungsgegenstände festlegen, wenn sich die Unübertragbarkeit aus externen Normen und Wertungen ergeben soll219. Dass mit dem „Recht“ ein anderweitig zu begründendes, selbständiges subjektives Recht als Gegenstand der teilweisen Übertragung gemeint ist, bestätigen die Regelung des Nießbrauchs und des Pfandrechts an Forderungen220, beschränkten dinglichen Rechten221 und insbesondere der generelle Verweis auf die Vorschriften über den Nießbrauch bzw. das Pfandrecht an (beweglichen) Sachen222. Zwar wird hier wie in anderen Bestimmungen das Gut genannt, das Gegenstand des Eigentums ist223, während das Eigentum als subjektives Recht ja gerade nicht unter die §§ 1068 ff., 1273 ff. BGB fällt224. Diese Terminologie darf aber nicht zu dem Fehlschluss verleiten, der körperliche Gegenstand selbst werde mit dinglichen Nutzungs- bzw. Sicherungsrechten belastet. Vielmehr handelt es sich hier
218 Weitere Beispiele nicht übertragbarer „Vermögensrechte“ (so noch die Terminologie im Vorentwurf) Johow/Achilles, in: Schubert, Sachenrecht 3, 886; ferner Michalski, in: Erman, § 1273 BGB Rn. 2 ff.; Frank, in: Staudinger, § 1069 BGB Rn. 26 ff. (unübertragbare Forderungen, bestimmte Dienstbarkeiten, Urheberrecht, unübertragbare Mitgliedschaftsrechte an Personengesellschaften); Wiegand, in: Staudinger, § 1274 BGB Rn. 26 ff.; Habersack, in: Soergel, § 1274 BGB Rn. 13 ff. 219 Wiegand, in: Staudinger, § 1274 BGB Rn. 25 (mit Verweis auf die §§ 399, 400 BGB). 220 §§ 1070, 1074 ff., 1275, 1279 BGB. Zum Forderungsnießbrauch etwa Wolff/Raiser, Sachenrecht, 485 ff.; Baur/Stürner, Sachenrecht, 778. Zur Forderungspfändung Wolff/Raiser, Sachenrecht, 724 ff.; Baur/Stürner, Sachenrecht, 784 ff.; zur Abtretbarkeit und Pfändbarkeit des bedingten Vermächtnisanspruchs entsprechend jeder bedingten Forderung RGZ 67, 425, 429 (1908); zur Leibrente und „ähnlichen Rechten“ § 1073 BGB. Zu Wertpapieren siehe die §§ 1081, 1292 f. BGB und Wolff/Raiser, Sachenrecht, 488 f. 221 Siehe die §§ 1080, 1291 BGB (Grund- oder Rentenschuld). 222 §§ 1068 Abs. 2, 1273 Abs. 2 BGB; hierzu Wiegand, in: Staudinger, § 1273 BGB Rn. 1; Baur/ Stürner, Sachenrecht, 781 (es gelten die allgemeinen Grundsätze des Nießbrauchs und des Pfandrechts). 223 Siehe Johow, in: Schubert, Sachenrecht 2, 266 (das römische Recht habe als Bestandteile des Vermögens, an denen ein Nießbrauch bestellt werden könne, die Sachen und nicht etwa das Eigentum an denselben betrachtet). 224 In diesem Sinne Jakobs/Schubert, Sachenrecht 2, 1034 (die Normierung des Pfandrechts an Rechten sei unbedenklich, auch wenn das Pfandrecht an Sachen in der Theorie möglicherweise als Pfandrecht am Eigentum aufgefasst werde), 1045 („… wenn der Pfandgegenstand nicht eine Sache, sondern ein Recht sei …“); Rothe, in: RGRK, § 1068 BGB Rn. 2; Frank, in: Staudinger, § 1068 BGB Rn. 5 (das Eigentum sei kein „Recht“ i.S.d. § 1068 BGB, weil dieser Nießbrauch unmittelbar die Sache erfasse); Wiegand, in: Staudinger, § 1273 BGB Rn. 6; Damrau, in: MünchKomm, § 1273 BGB Rn. 2.
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um eine Reminiszenz an Rechtsvorstellungen, die noch nicht genügend zwischen dem Rechtsobjekt „Sache“ und dem subjektiven Recht „Eigentum“ unterschieden225. Verfügt wird stets über das Eigentum, das ausweislich der Systematik der Abschnitte 4 und 8 lediglich kein Recht im Sinne der §§ 1068 Abs. 1, 1273 Abs. 1 BGB ist226. Nur so erklären sich z.B. die Vorschriften zur Bestellung und zum Schutz des Nießbrauchs und des Pfandrechts nach dem Vorbild der Übereignung und der sekundären Ansprüche zum Schutz des Eigentums227 sowie die Möglichkeit der Pfandverwertung durch Übertragung jenes Ausschließlichkeitsrechts vom Pfandgläubiger auf einen Erwerber228. Schließlich beschränkt sich der Zweck der Vorschriften nach der Entstehungsgeschichte auf die Anerkennung der rechtsgeschäftlichen Möglichkeit, Rechte an Rechten im Wege der beschränkten Übertragung begründen zu können229. Eine entsprechende Regelung hielt man für erforderlich, weil sich eine solche Gestaltungsoption nicht von selbst aus der Übertragbarkeit des jeweiligen Rechts und der Privatautonomie ergebe230. Die Bestellung von Rechten an Rechten war zuvor vielmehr für ausgeschlossen gehalten worden, weil es zu einer Verdopplung einer absoluten Verfügungsbefugnis und damit einer „gesetzgeberischen“ Neuschaffung von subjektiven Rechten komme231. Abgesehen von dieser klarstellenden Funktion sollten dispositive Regelungen für Nießbrauch und Pfandrecht zur Verfügung gestellt werden232. Im Übrigen ging man wie selbstverständlich davon aus, dass ein bestehendes, übertragbares Recht vorliegen muss, weil die Parteien die Verpfändbarkeit und Zulässigkeit der Nießbrauchsbestellung nicht privatautonom begründen könnten233.
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Dazu allgemein oben § 1 A II. Zum gemeinen Recht Windscheid/Kipp, Pandekten I, 1145 ff. m.w.N. Zum BGB Mot. III, 540 (Sache werde für Eigentum an der Sache gesetzt); v. Tuhr, AT II/2, 242 (wenn man von Verfügung über eine Sache spreche, so sei darunter die Verfügung über das Eigentum zu verstehen); Stürner, in: Soergel, § 1068 BGB Rn. 2; Jauernig, in: Jauernig, § 1068 BGB Rn. 2. 227 Siehe zur Bestellung die §§ 1032 f., 1205–1208 BGB; für den Miteigentumsanteil als Belastungsgegenstand die §§ 1066, 1258 BGB; zum Schutz des Nießbrauchs- und Pfandrechts die §§ 1065, 1227 BGB; anders Wolff/Raiser, Sachenrecht, 482 (man könne den Nießbrauch auf das Recht oder die Sache beziehen, weil der Sachnießbraucher ein Herrschaftsrecht an der Sache selbst erlange). 228 §§ 1228, 1233 ff. BGB; Johow/Achilles, in: Schubert, Sachenrecht 3, 886. Zum rechtstheoretischen Unterschied zwischen Eigentum und Nießbrauch Schön, Nießbrauch an Sachen, 7 ff. 229 Johow, in: Schubert, Sachenrecht 2, 267 f. m.w.N.; Enneccerus/Nipperdey, AT 1, 451 f.; Rothe, in: RGRK, § 1068 BGB Rn. 1; Pohlmann, in: MünchKomm, § 1068 BGB Rn. 1; Wiegand, in: Staudinger, vor § 1273 BGB Rn. 1, 4 f.; Habersack, in: Soergel, § 1273 BGB Rn. 2. Für diese Lösung zum gemeinen Recht Krückmann, AcP 103 (1908), 139, 144 ff.; auch Dulckeit, Verdinglichung, 53 f. (mit einer Gleichsetzung von Sache und Eigentum). 230 Siehe Jakobs/Schubert, Sachenrecht 2, 234; Mot. III, 538 f. 231 In diesem Sinne ausführlich m.w.N. Krückmann, AcP 103 (1908), 139, 141 ff., 259 ff. Offengelassen wird diese „theoretische“ Frage von Mot. III, 538 f.; Wolff/Raiser, Sachenrecht, 482. 232 Johow, in: Schubert, Sachenrecht 2, 268. 233 Jakobs/Schubert, Sachenrecht 2, 1035; Mot. III, 852 („Der Entwurf setzt ein bestehendes Recht als Gegenstand des Pfandrechts voraus.“). 226
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Dieses Konzept spiegelt sich im Anwendungsbereich der Regelungen des Nießbrauchs und des Pfandrechts an Rechten nach herrschender Meinung234: Mögliche Belastungsgegenstände sind selbständig übertragbare subjektive Rechte wie beschränkte dingliche Rechte235, Immaterialgüterrechte236, Mitgliedschaftsrechte237 und der Anteil des Miterben am Nachlass (§ 2033 Abs. 1 BGB)238. Nicht als Rechte im Sinne der §§ 1068 Abs. 1, 1273 Abs. 1 BGB angesehen werden hingegen z.B. der straf- und deliktsrechtliche Schutz von Geheimnissen239 und das allgemeine Persönlichkeitsrecht240. 2. Nießbrauch und Pfandrecht an Gesamtheiten, insbesondere dem Unternehmen Zweifel an dieser Einschätzung weckt allerdings die umstrittene Auffassung, am Unternehmen als solchem einschließlich des Goodwill und des sog. Tätigkeitsbereichs könne ein Nießbrauch als „dingliches“ Recht bestellt werden241. Immerhin 234
Allgemein Frank, in: Staudinger, Anh. § 1068 BGB Rn. 5; Wegmann, in: Bamberger/Roth, § 1068 BGB Rn. 3 (alle obligatorischen und dinglichen Rechte); Wiegand, in: Staudinger, § 1274 BGB Rn. 33 (die Pfändbarkeit und Verpfändbarkeit bestimme sich danach, ob es sich um ein übertragbares Recht handele oder nicht). Übersicht etwa bei Pohlmann, in: MünchKomm, § 1068 BGB Rn. 6 ff. Zur Pfändbarkeit als Konsequenz der Übertragbarkeit RGZ 67, 425, 429 (1908) (bedingter Vermächtnisanspruch). Künftige Rechte sind pfändbar, soweit sie übertragbar, also bestimmbar sind; Wiegand, in: Staudinger, § 1273 BGB Rn. 14. 235 RGZ 86, 218, 219 f. (1915) (Hypothek als Nießbrauchsgegenstand). 236 So bereits Johow/Achilles, in: Schubert, Sachenrecht 3, 887 f.; BPatG v. 7.2.2000, 10 W (pat) 113/99, juris Nr. MPRE 088250964, Rn. 38 (die Pfändung eines Patents führe nur bei einer Überweisung an Zahlungs statt zu einem eintragungsfähigen Übergang des Patents auf den Pfändungsgläubiger); Frank, in: Staudinger, Anh. § 1068 BGB Rn. 9 ff. (einschließlich des übertragbaren Verwertungsrechts am eigenen Bild). 237 Siehe RGZ 57, 414, 415 f. (1904) (Mitgliedschaft an BGB-Gesellschaft als Pfändungsgegenstand); RGZ 100, 274, 275 f. (1920); BGHZ 58, 316, 318 ff. (1972); OLG Bremen DB 1970, 1436 (Aktie als Nießbrauchsgegenstand); OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 619, 620. Zur insoweit häufig problematischen Frage, ob und mit welchem Inhalt ein wegen des Abspaltungsverbots von Einzelbefugnissen unübertragbares Recht als Belastungsgegenstand existiert Flume, AT I 1, 358 ff.; Stürner, in: Soergel, § 1068 BGB Rn. 7 ff.; Rothe, in: RGRK, § 1068 BGB Rn. 6 ff.; Frank, in: Staudinger, Anh. § 1068 BGB Rn. 47 ff.; Schön, ZHR 158 (1994), 229, 237 ff. (die Zulässigkeit des Nießbrauchs und der Verpfändung folge aus der Übertragbarkeit dieser Rechte, die sich aus dem Gesellschaftsrecht ergebe und vom Sachenrecht vorgefunden werde); Habersack, in: Soergel, § 1274 BGB Rn. 30 ff. 238 RGZ 83, 27, 30 (1913); BFH BStBl. 1980 II, 266, 268; Wolff/Raiser, Sachenrecht, 482; Rothe, in: RGRK, vor § 1085 BGB Rn. 2; Stürner, in: Soergel, § 1085 BGB Rn. 1. 239 Frank, in: Staudinger, Anh. § 1068 BGB Rn. 19. 240 Für das Recht am eigenen Bild als Teil des aPR Frank, in: Staudinger, Anh. § 1068 BGB Rn. 11. 241 Jauernig, in: Jauernig, § 1085 BGB Rn. 7; Bassenge, in: Palandt, § 1085 BGB Rn. 3; Stürner, in: Soergel, § 1085 BGB Rn. 6; ders., JuS 1972, 653, 656; Frank, DNotZ 2002, 221, 222; Rothe, in: RGRK, vor § 1085 BGB Rn. 4; Eckert, in: Hk-BGB, § 1085 BGB Rn. 4; Michalski, in: Erman, § 1085 BGB Rn. 8; Janßen/Nickel, Unternehmensnießbrauch, 30 f.; wohl auch Schmidt, Handelsrecht, 162 (der Unternehmensnießbrauch werde als umfassendes Recht ausgeübt). Die Rechtsprechung hat sich bisher nicht zu dieser Auffassung bekannt (siehe Frank, DNotZ 2002, 221, 222),
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lässt das BGB den Nießbrauch an einer Gesamtheit von Rechten und Gütern in den §§ 1085 ff. BGB begrifflich zu242. Dafür, das Unternehmen als Recht gem. § 1068 Abs. 1 BGB anzusehen und damit zumindest insoweit den Nießbrauch an das vermögenswerte Gut und nicht das selbständige Einzelrecht zu knüpfen, werden ferner die §§ 22 Abs. 2 HGB, 151 Abs. 2 S. 1 VVG vorgebracht, die voraussetzen, dass ein Handelsgeschäft bzw. Unternehmen aufgrund eines Nießbrauchs „übernommen“ werden kann243. Außerdem verkenne die Einzelrechtsbetrachtung den eigentlichen Wert und das Wesen des Unternehmens als Belastungsgegenstand, das mehr sei als die Summe seiner Teile244. In der Tat würde man den Nutzwert eines Unternehmens nur unvollständig wiedergeben, würde man die Existenz eines Goodwill negieren245. Dennoch meint die gesetzliche Rede vom Nießbrauch am Unternehmen nach zutreffender Auffassung kein beschränktes „dingliches“ Nutzungsrecht am Inbegriff von Rechten und Gütern bzw. dem gesonderten Wert der unternehmerischen Einheit, sondern sie bezieht sich ebenfalls auf die einzelnen subjektiven Rechte, die im Unternehmen verbunden sind246. Nur so erklärt sich, warum bei einem Nießbrauch an einem Inbegriff von Sachen und Rechten zu Beweiszwecken ein Verzeichnis der einzelnen Sachen erstellt werden muss247, und die Gläubiger vor einer Entziehung aller Aktiva durch einen Nießbrauch an den Rechten ohne Einbeziehung der Verbindlichkeiten geschützt werden müssen248. Für den Nieß-
242 auch wenn die Wortwahl teilweise hierauf verweist; siehe BGH WM 1975, 1219, 1220 (der Nießbraucher erhalte eine „echte Unternehmerstellung“ eingeräumt). 242 Siehe Johow, in: Schubert, Sachenrecht 2, 266; Mot. III, 538 (zum Nießbrauch an Rechten sei die römische Jurisprudenz über das Vermächtnis eines Nießbrauchs am ganzen Vermögen gelangt). 243 V. Godin, Nutzungsrecht an Unternehmen, 1; Stürner, in: Soergel, § 1085 BGB Rn. 6; ders., JuS 1972, 653, 656; Rothe, in: RGRK, vor § 1085 BGB Rn. 4; Frank, in: Staudinger, Anh. § 1068 BGB Rn. 20; ders., DNotZ 2002, 221; mit Blick auf die Pfändbarkeit auch OLG Dresden LZ 1910, 332, 334. 244 V. Godin, Nutzungsrecht an Unternehmen, 1 ff.; Rothe, in: RGRK, vor § 1085 BGB Rn. 4; Frank, in: Staudinger, Anh. § 1068 BGB Rn. 22. 245 So auch RGZ 68, 49, 51 f. (1908); Grunsky, BB 1972, 585, 586. 246 RGZ 70, 226, 232 (1909) („Ein Nießbrauch an dem Handelsgeschäfte als Einheit besteht rechtlich nicht.“); RGZ 95, 235, 237 (1919); Schön, Nießbrauch an Sachen, 99; Bökelmann, Unternehmensnießbrauch, 20 ff.; Wolff/Raiser, Sachenrecht, 491 mit Fn. 6; Brehm/Berger, Sachenrecht, Rn. 23.37; Wegmann, in: Bamberger/Roth, § 1085 BGB Rn. 19 (der Unternehmenskern sei weder Sache noch Recht und könne daher nicht mit einem Nießbrauch belastet werden); Grunsky, BB 1972, 585, 586; a.A. v. Godin, Nutzungsrecht an Unternehmen, 6 (es gehe „nicht an“, diese Umstände nicht rechtlich abzubilden). 247 Siehe die §§ 1068 Abs. 2, 1035 BGB; ferner Jakobs/Schubert, Sachenrecht 2, 108; Prot. II 3, 395 f.; Rothe, in: RGRK, § 1035 BGB Rn. 1; Stürner, in: Soergel, § 1035 BGB Rn. 1 f.; Frank, in: Staudinger, § 1035 BGB Rn. 3; zum Begriff des „Inbegriffs“ RGZ 90, 137, 139 (1917) (Mehrheit von Vermögensgegenständen, also Sachen, Rechte oder Forderungen). 248 Zu den §§ 1086–1088 BGB Johow, in: Schubert, Sachenrecht 2, 291 ff.; RGZ 70, 345, 348 (1909) (§§ 1086 f. BGB als Legalobligationen, nicht als dingliche Rechte der Gläubiger); RGZ 153, 29, 31 (1936) (Zweck der Normen sei der Schutz der Gläubiger des Nießbrauchsbestellers, weil die Belastung der einzelnen Vermögensgegenstände den Nießbraucher von den Schulden des Bestellers unberührt gelassen hätte); Rothe, in: RGRK, vor § 1085 BGB Rn. 1.
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brauch am Vermögen und der Erbschaft249 einer Person bestimmen die §§ 1085 S. 1, 1089 BGB sogar ausdrücklich, dass der Nießbraucher den Nießbrauch an den einzelnen zu dem Vermögen bzw. der Erbschaft gehörenden Gegenständen erlangt250, wobei mit „Gegenständen“ wiederum „Rechte“ gemeint sind, über die verfügt wird251. Dieses Spezialitätsprinzip entspricht der Regelungsabsicht des historischen Gesetzgebers, dem durchaus bewusst war, dass der Unternehmenswert die Summe seiner Teile übersteigt. Nur meinte man, es sei nicht möglich, diesen „wirkliche[n] Werthe“ zum Gegenstand von Rechten zu machen: „Der Entwurf hat deshalb auch auf die Aufnahme einer besonderen Bestimmung verzichtet.“252. Aus dem Fehlen einer Regelung, wie der Nießbrauch am Unternehmen als solchem zu bestellen ist, folgt nach der Logik der Väter des BGB, dass es insoweit beim Spezialitätsprinzip und der beschränkten Übertragung selbständiger subjektiver Rechte bleibt253: „Daß aber der Privatautonomie eine derartige Verfügung über das ganze Vermögen nicht freigegeben sei, ergebe sich von selbst, wenn das Gesetz schweige.“254. Konsequent ging bereits das Reichsgericht davon aus, der Nießbrauch am Vermögen sei zwar schuldrechtlich in einem Vertrag begründbar, aber „in Wahrheit nicht als ein Nießbrauch ,an dem Vermögen‘, sondern als eine Summe von Nießbrauchsrechten an einzelnen Gegenständen zu betrachten“255.
249 Zur parallelen, wegen ihrer praktischen Bedeutung gesonderten Regelung des Nießbrauchs an der Erbschaft als Inbegriff von Vermögensgegenständen gem. § 1089 BGB Jakobs/ Schubert, Sachenrecht 2, 302; Mot. III, 565; Rothe, in: RGRK, vor § 1085 BGB Rn. 2. Siehe z.B. BFH BStBl. 1980 II, 266, 268 (Unternehmensnießbrauch als Erfüllung eines Nießbrauchsvermächtnisses). 250 So bereits § 342 des Vorentwurfs, abgedruckt bei Schubert, Sachenrecht 1, 71 („Der Nießbrauch an einem Vermögensganzen ist als Nießbrauch an allen einzelnen, nach Abzug der Schulden übrig bleibenden Vermögensbestandtheilen zu beurtheilen.“); dazu Johow, in: Schubert, Sachenrecht 2, 289 f.; Mot. III, 559; RGZ 70, 226, 232 (1909). Entsprechend die vollstreckungsrechtliche Umsetzung der Gläubigerschutzvorschriften (dazu sogleich) in §§ 737 Abs. 1, 738 Abs. 1 ZPO („in Ansehung der dem Nießbrauch unterliegenden Gegenstände“). 251 Siehe Denkschrift, 142 (der Nießbrauch könne nur an Sachen und Rechten bestellt werden). Zum Begriff der „Sache“ als Eigentum an der Sache oben 1. 252 Johow, in: Schubert, Sachenrecht 2, 297; Mot. III, 559 f. 253 BFH BStBl. 1981 II, 396, 397; Schön, Nießbrauch an Sachen, 99; Stürner, in: Soergel, § 1085 BGB Rn. 7; Rothe, in: RGRK, vor § 1085 BGB Rn. 4; Frank, in: Staudinger, Anh. § 1068 BGB Rn. 21; ders., DNotZ 2002, 221, 222; Bassenge, in: Palandt, § 1085 BGB Rn. 3; Wegmann, in: Bamberger/Roth, § 1085 BGB Rn. 19; Janßen/Nickel, Unternehmensnießbrauch, 30; Schmidt, Handelsrecht, 162. 254 Jakobs/Schubert, Sachenrecht 2, 292; Mot. III, 558 f.; Prot. II 3, 429 f. 255 RGZ 70, 226, 232 (1909); RGZ 153, 29, 31 (1936); entsprechend etwa Windscheid/Kipp, Pandekten I, 1150 f.; Heck, Sachenrecht, 311 f.; Wolff/Raiser, Sachenrecht, 489 f.; Rothe, in: RGRK, vor § 1085 BGB Rn. 1, § 1085 BGB Rn. 1; Frank, in: Staudinger, § 1085 BGB Rn. 1; Stürner, in: Soergel, vor § 1085 BGB Rn. 1; Wegmann, in: Bamberger/Roth, § 1085 BGB Rn. 1; Pohlmann, in: MünchKomm, § 1085 BGB Rn. 1, 5; Eckert, in: Hk-BGB, § 1085 BGB Rn. 1; Baur/Stürner, Sachenrecht, 776.
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Außerdem ist zu beachten, dass „das“ Unternehmen nach allgemeiner Ansicht weder übertragbar noch verpfändbar ist256. Dann aber kann für den Nießbrauch am „Unternehmen“ nichts anderes gelten257. Denn auch insoweit besteht kein selbständiges subjektives Recht, sondern nur ein deliktsrechtlicher Schutz der unternehmerischen Handlungsfreiheit durch das Rahmenrecht am Gewerbebetrieb258. Die firmen- und versicherungsrechtlichen Regelungen, die von der Übernahme eines Handelsgeschäfts bzw. eines Unternehmens aufgrund eines Nießbrauchs sprechen, betreffen nach ihrem Zweck und ihrer systematischen Stellung die hier erörterte Fragestellung nicht259. § 22 Abs. 2 HGB erlaubt dem Nießbraucher die Fortführung der bisherigen Firma, weil und soweit er die Rolle des Geschäftsinhabers übernommen hat260. § 151 Abs. 2 VVG regelt lediglich die Reichweite einer Betriebshaftpflichtversicherung, die sich eben auch auf den Unternehmensnießbraucher erstrecken soll. Schon weil beide Vorschriften neben dem Nießbrauch den bloß schuldrechtlichen Pachtvertrag und „ähnliche Verhältnisse“ erfassen, nehmen sie offenbar nicht zur dogmatischen Struktur der genannten Rechtsgeschäfte Stellung, sondern heben auf deren gemeinsame wirtschaftliche Folgen ab, die mit dem untechnischen Terminus der „Übernahme“ des Unternehmens beschrieben werden261. 256 RGZ 68, 49, 51, 54 (1908) (ein Unternehmen sei ein Inbegriff von Vermögensgegenständen der verschiedensten Art, aber kein pfändbares Recht gem. § 1273 BGB; verpfändbar seien nur die einzelnen Sachen und Rechte aus dem Unternehmen); RGZ 70, 226, 232 (1909); BGH LM § 413 BGB Nr. 2 (1967); Bassenge, in: Palandt, § 1273 BGB Rn. 1; Wiegand, in: Staudinger, § 1273 BGB Rn. 7; Michalski, in: Erman, § 1274 BGB Rn. 4a; Habersack, in: Soergel, § 1204 BGB Rn. 13; Sosnitza, in: Bamberger/Roth, § 1273 BGB Rn. 3; Damrau, in: MünchKomm, § 1273 BGB Rn. 2; Baur/Stürner, Sachenrecht, 781 (keine Generalpfandrechte). 257 Siehe Schön, Nießbrauch an Sachen, 99; Bökelmann, Unternehmensnießbrauch, 20 ff.; Grunsky, BB 1972, 585, 586 (auch bei anderen Sachgesamtheiten werde der Wert häufig nur durch die Gesamtheit gebildet, ohne dass der Spezialitätsgrundsatz aufgegeben werde); Janßen/Nickel, Unternehmensnießbrauch, 31. Ohne nachvollziehbare Begründung a.A. BFH BStBl. 1981 II, 396, 397 (sei die Nießbrauchsbestellung an den einzelnen Gegenständen wirksam vollzogen, begründe dies für den Berechtigten ein „umfassendes dingliches Recht am Handelsgeschäft“); Schmidt, Handelsrecht, 162 („Der Unternehmensnießbrauch wird durch eine Summe von Verfügungen hergestellt, doch als ein umfassendes Recht ausgeübt.“); Rothe, in: RGRK, vor § 1085 BGB Rn. 4; Frank, in: Staudinger, Anh. § 1068 BGB Rn. 25 a.E.; ders., DNotZ 2002, 221, 222 („gleichwohl“ bzw. „dennoch“ erkenne die h.M. den Nießbrauch als dingliches Recht am Unternehmen als solchem an). 258 Oben § 6 B IV 2. A.A. v. Godin, Nutzungsrecht an Unternehmen, 10; Stürner, in: Soergel, § 1085 BGB Rn. 6; Frank, in: Staudinger, Anh. § 1068 BGB Rn. 25. 259 Bökelmann, Unternehmensnießbrauch, 32 (bei den Normen gehe es um spezifisch firmenund versicherungsrechtliche, nicht um sachenrechtliche Fragen). Dasselbe galt für § 8 WZG (Warenzeichenrecht nur mit Geschäftsbetrieb übertragbar); a.A. v. Godin, Nutzungsrecht an Unternehmen, 9 f. 260 BayObLG BayObLGZ 1973, 168, 171 f. (nur die „Übernahme“ des Geschäfts sei Anwendungsfall des § 22 Abs. 2 HGB, nicht der ebenfalls zulässige „Ertragsnießbrauch“ ohne Ausübung der Wirtschaftsführung); zutreffend insoweit v. Godin, Nutzungsrecht an Unternehmen, 1 (§ 22 HGB habe nur firmenrechtlichen Gehalt). 261 OLG Hamm ZIP 1998, 746, 747 (Voraussetzung der Norm sei nur die faktische Übertragung der die Betriebsfortführung ermöglichenden Bestandteile unabhängig vom zugrundeliegen-
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Schließlich behauptet die Gegenmeinung, nur eine universelle Nießbrauchsbestellung „am Unternehmen“ erlaube eine die Interessen der Beteiligten richtig abbildende Anwendung der §§ 1030 ff. BGB262. In der Tat ist zu erklären, wie die einzelnen Nießbrauchsrechte mit der von Besteller und Nießbraucher gewollten Nutzung des Unternehmens als einer Wirtschaftseinheit in Einklang gebracht werden können263. Zur Umsetzung dieser Erkenntnis muss man allerdings nicht das Spezialitätsprinzip aufgeben, weil die weitgehend dispositiven264 §§ 1068 ff., 1030 ff. BGB interessengerechte Lösungen gerade für den sog. Unternehmensnießbrauch ermöglichen265. Eine Zusammenfassung der Einzelnießbräuche im Hinblick auf die Unternehmenseinheit lässt sich nach Schön so erzielen, dass der einheitliche Unternehmenszweck gem. § 1036 Abs. 2 BGB die „wirtschaftliche Bestimmung“ der Einzelrechte ausmacht und damit die Funktionseinheit der selbständigen subjektiven Rechte sogar den „dinglichen“ Bestellungsakt betrifft266. Im Einzelnen ist der Unternehmer verpflichtet, den Nießbraucher faktisch in den Tätigkeitsbereich einzusetzen und damit die Ausnutzung des Goodwills zu ermöglichen267. Der Unternehmensnießbraucher darf die Eigentümerbefugnisse und andere subjektive Rechte des Anlagevermögens nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft nutzen und hierüber verfügen268. Inhaber der
den262Vertrag); Bökelmann, Unternehmensnießbrauch, 32. Gegen die Konstruktion eines „unsachgemäße[n] Gegensatz[es]“ zwischen Schuldrecht (Pacht) und Sachenrecht (Nießbrauch) Schmidt, Handelsrecht, 161. 262 Frank, in: Staudinger, Anh. § 1068 BGB Rn. 22 f. (eine zweckentsprechende Nutzung des Unternehmens sei ohne Erfassung des Tätigkeitsbereichs nicht möglich), 26; ders., DNotZ 2002, 221, 222. 263 Schön, Nießbrauch an Sachen, 99. 264 Mot. III, 534. Die Abdingbarkeit des Nießbrauchsrechts ist der Hauptgrund für die fehlende Normierung des Unternehmensnießbrauchs; Mot. III, 559. Siehe z.B. RGZ 153, 29, 31 ff. (1936) (Lastentragungspflicht des Nießbrauchers gem. § 1047 BGB als dispositiver Norm); BGHZ 95, 99, 100 (1985) (das gesetzliche Schuldverhältnis zwischen Eigentümer und Nießbraucher könne bis zu den begriffswesentlichen Grenzen zwischen Eigentum und Nießbrauch verändert werden); BGH NJW-RR 2003, 1290, 1291 (Abänderung des gesetzlichen Schuldverhältnisses zwischen Eigentümer und Nießbraucher); Michalski, in: Erman, § 1085 BGB Rn. 9. Zu den Grenzen der Dispositionsbefugnis der Parteien im Hinblick auf den numerus clausus der beschränkten dinglichen Rechte ausführlich Schön, Nießbrauch an Sachen, 260 ff. 265 Siehe BayObLG BayObLGZ 1973, 168, 171 m.w.N.; BGH NJW 2002, 434, 435 (Unternehmensnießbrauch mit Unternehmerstellung); BGH Urt. v. 10.3.2006, V ZR 45/05, juris KORE315602006, Rn. 10; BFH BStBl. 1980 II, 266, 268; Schmidt, Handelsrecht, 162; Bökelmann, Unternehmensnießbrauch, 58; Frank, in: Staudinger, Anh. § 1068 BGB Rn. 20; ders., DNotZ 2002, 221; kritisch zum bloßen Ertragsnießbrauch Stürner, JuS 1972, 653, 657 (bedenkliche Erweiterung des Kreises sachenrechtlicher Rechtstypen); Schön, ZHR 158 (1994), 229, 266 (Verstoß gegen das gesellschaftsrechtliche Abspaltungsverbot beim Nießbrauch an Gesellschaftsanteilen). 266 Schön, Nießbrauch an Sachen, 101. 267 Schmidt, Handelsrecht, 162. 268 BayObLG BayObLGZ 1973, 168, 171 (unter Zitierung der §§ 1030, 1036, 1039, 1041, 1048, 1067, 1085 BGB); BGH WM 1975, 1219, 1220 (entsprechend § 1048 Abs. 1 S. 1 BGB); BGH NJW 2002, 434, 435; Johow, in: Schubert, Sachenrecht 2, 296; v. Godin, Nutzungsrecht an Unternehmen, 20; Stürner, JuS 1972, 653, 656.
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Rechte am Umlaufvermögen wird er analog § 1067 BGB269; für die dauernd entstehenden Schulden des Geschäfts haftet er insoweit, als sie ein ordentlicher Unternehmer aus den Vermögenseinkünften zu bestreiten pflegt270. Einerseits steht dem Nießbraucher der Gewinn als Nutzung des Unternehmens zu271, andererseits ist er dem Inhaber zur Erhaltung des Unternehmens (§ 1041 BGB) und ggf. zur Sicherheitsleistung verpflichtet, wenn wegen einer länger andauernden Absonderung von Anlagevermögen die Besorgnis einer erheblichen Verletzung der Pflicht zur Unternehmenserhaltung besteht (§ 1051 BGB)272. Letztlich verhindert die hier vertretene Auffassung auch, dass dem Nießbraucher der Goodwill des Unternehmens entzogen werden kann273. Der frühere Unternehmer und Nießbrauchsbesteller kann über diesen Vermögenswert als solchen nicht verfügen, weil daran kein übertragbares Recht besteht. Eine ggf. eingegangene Verpflichtung zur Überlassung des Werts an einen Dritten ist er nicht in der Lage zu erfüllen, weil der hiervon nicht betroffene Nießbraucher ein dingliches Nutzungsrecht an allen Sachen innehat, die das Unternehmen
269 Johow, in: Schubert, Sachenrecht 2, 297; BGH WM 1975, 1219, 1220; BGH NJW 2002, 434, 435; v. Godin, Nutzungsrecht an Unternehmen, 19; Frank, DNotZ 2002, 221, 222; Wegmann, in: Bamberger/Roth, § 1085 BGB Rn. 21; Michalski, in: Erman, § 1085 BGB Rn. 9; a.A. Schön, Nießbrauch an Sachen, 205 (Verfügungsbefugnis entsprechend § 1048 BGB). Die Motive (Mot. III, 534) erklären die rechtsgeschäftliche Regelung, wonach die Regelung über verbrauchbare Sachen auch auf nicht verbrauchbare Sachen Anwendung finden soll, ausdrücklich für zulässig; ebenso Heck, Sachenrecht, 312. Unzutreffend daher die Aussage, der „Fortbestand des Nießbrauchs beim Austausch der einzelnen Vermögensgegenstände“ könne nur „im Schuldrecht verankert werden, bzw. bei dieser Sichtweise sei der Nießbrauch vom „ständigen Auseinanderfallen bedroht“; so aber Frank, in: Staudinger, Anh. § 1068 BGB Rn. 23, 26. Statt einer Begründung des Eigentums am Umlaufvermögen analog zu § 1067 BGB käme konstruktiv eine antizipierte Einigung mit Besitzkonstitut in Betracht, so dass der Nießbraucher gem. der §§ 1068 Abs. 2, 1032, 930 BGB Eigentümer wird, sobald er in den (auch mittelbaren) Besitz der Sache gelangt; siehe BGH DNotZ 1954, 399, 402; Bassenge, in: Palandt, § 1068 BGB Rn. 1 (Bestellung des Nießbrauchs an künftigem Recht bei Bestimmbarkeit). Zur notwendigen Bestimmtheit dieser Übereignung BGH WM 1975, 1219, 1220 f. Eine dingliche Surrogation findet beim Nießbrauch freilich nicht statt; siehe OLG Bremen DB 1970, 1436; Wolff/Raiser, Sachenrecht, 490; Frank, in: Staudinger, § 1085 BGB Rn. 7; Stürner, in: Soergel, vor § 1085 BGB Rn. 1. 270 § 1047 BGB; Johow, in: Schubert, Sachenrecht 2, 297; RGZ 153, 29, 32 f. (1936) (eine solche Lastenverteilung entspreche dem Wesen des Nießbrauchs und damit dem mutmaßlichen Willen der Parteien); BGH NJW 2002, 434, 435 f. (Zinsdienst, aber keine Tilgung der Schulden); BGH NJW-RR 2003, 1290, 1291. Der Nießbraucher haftet in diesem Rahmen auch für solche Lasten, die den Wert der ihm zufallenden Nutzungen übersteigen; siehe RGZ 72, 101, 102 (1909); RGZ 153, 29, 35 (1936) (der Nießbraucher könne in diesem Fall auf sein Recht verzichten). 271 Siehe dazu BayObLG BayObLGZ 1973, 168, 171 (Recht auf Eigenerwerb des Ertrags); Schön, Nießbrauch an Sachen, 206 ff.; v. Godin, Nutzungsrecht an Unternehmen, 16; Stürner, JuS 1972, 653, 656; Wolff/Raiser, Sachenrecht, 491 mit Fn. 6 (analog § 1655 BGB a.F.). Zum Unternehmensgewinn als Nutzung gem. § 100 BGB BGH BB 1956, 18. 272 BGH NJW 2002, 434, 435; BGH Urt. v. 10.3.2006, V ZR 45/05, juris KORE315602006, Rn. 7. 273 Gesehen, aber offengelassen wird diese Gefahr bereits von Johow, in: Schubert, Sachenrecht 2, 297.
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ausmachen und ohne die der Goodwill nicht zu realisieren ist274. Gegen die Beeinträchtigung des guten Rufs des Unternehmens durch externe Mitbewerber kann der Nießbraucher über § 1065 BGB vorgehen, soweit einzelne Rechte wie z.B. das Markenrecht betroffen sind. Im Übrigen ist der Nießbraucher als Inhaber des Unternehmens aktivlegitimierter Verletzter bei einem unmittelbar betriebsbezogenen Eingriff in das Recht am Gewerbebetrieb und bei unlauteren Wettbewerbshandlungen275. Insgesamt nimmt die Gegenmeinung für eine scheinbar einfache Erklärung des Unternehmensnießbrauchs einen Systembruch mit dem Rechtsverkehrsrecht in Kauf, das die unbeschränkte und beschränkte Übertragung nur für selbständige subjektive Rechte und nicht für Gesamtheiten zulässt276. Das Unternehmen aber ist wie das Vermögen und die Erbschaft nur ein „sonstiger Gegenstand“, in Bezug auf den Verpflichtungsgeschäfte abgeschlossen werden können, während die hiervon zu trennende Verfügungsebene mangels übertragbaren Rechts verschlossen bleibt277. Die §§ 1068 Abs. 1, 1273 Abs. 1 BGB ändern daran ebenso wenig wie die Rede vom Unternehmensnießbrauch.
IV. Zwischenergebnis und Verbindungslinien zur Übertragbarkeit und zur Pfändbarkeit Im Ergebnis sind die Regelungen zur Bestellung eines Nießbrauchs an einem „Recht“ bzw. zur Verpfändung eines „Rechts“ wiederum nicht konstitutiv für einen solchen Verfügungsgegenstand. Wie die §§ 413, 185 Abs. 1 BGB verweisen sie lediglich auf anderweitig abzuleitende, selbständige subjektive Rechte, die sie als Tatbestandsmerkmale für die von ihnen normierten rechtsgeschäftlichen Gestaltungsmöglichkeiten voraussetzen; sie stellen keine Rechtsgrundlagen zur Anerkennung der Nießbrauchsbestellung und Verpfändung dar. Eine allgemeine Regelung der teilweisen Übertragbarkeit sucht man im BGB, das sich primär mit dem Sacheigentum und bestimmten, beschränkten „dinglichen“ Rechten beschäftigt, ohnehin vergeblich. Damit reflektieren die §§ 1068 Abs. 1, 1273 Abs. 1 BGB den Grundsatz, dass niemand mehr Rechte verschaffen kann, als er selbst innehat278. 274
Zur tatsächlichen Einweisung und Besitzverschaffung beim Unternehmensnießbrauch Frank, in: Staudinger, Anh. § 1068 BGB Rn. 22. 275 Verkannt von v. Godin, Nutzungsrecht an Unternehmen, 15. Ohne Begründung für nicht ausreichend erachtet von Frank, in: Staudinger, Anh. § 1068 BGB Rn. 26. 276 Siehe v. Godin, Nutzungsrecht an Unternehmen, 14 (auf der Grundlage der h.M. erscheine die Möglichkeit und der Inhalt eines Unternehmensnießbrauchs „selbstverständlich“); Frank, in: Staudinger, Anh. § 1068 BGB Rn. 24 (der Unternehmensnießbrauch lasse sich „um so leichter“ erklären, wenn man den unkörperlichen Unternehmenskern selbst als Rechtsobjekt ansehe). 277 Siehe die §§ 581, 453 Abs. 1 2. Alt. BGB; RGZ 70, 226, 231 f. (1909) (die Pfändbarkeit des Unternehmens könne durch die schuldrechtliche Möglichkeit der Verpachtung nicht begründet werden); Bökelmann, Unternehmensnießbrauch, 26; näher unten § 14 B I; a.A. v. Godin, Nutzungsrecht an Unternehmen, 8. 278 Siehe BGHZ 58, 316, 321 (1972) (der Nießbrauch vermittle keine stärkere Rechtsstellung als sie der Besteller habe).
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Generell bestätigt dieser Abschnitt das bereits zur Übertragbarkeit formulierte „Verteilungsprinzip der Güterzuordnung“: Während die allgemeine Handlungsfreiheit umfassend garantiert und namentlich deliktsrechtlich gesichert wird, werden statische Befugnisse an Gütern (Ausschließlichkeitsrechte) oder im Hinblick auf persönliches Verhalten (relative Rechte) nur in Form einzelner subjektiver Rechte gewährt und für deren rechtsgeschäftliche Verwertung verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt. Freilich beruhen diese Schlussfolgerungen auf der Annahme, die (beschränkte) Übertragung von Rechten bedürfe einer gesetzlichen Grundlage, weil sie nur eine Seite der Medaille der Verkehrsfähigkeit sei, die von der zwangsweisen Verwertung in Einzel- und Gesamtvollstreckung nicht getrennt werden könne. Diesen Zusammenhang zwischen unbeschränkter und beschränkter Übertragung sowie der zweifellos unter dem Vorbehalt des Gesetzes stehenden Zwangsvollstreckung gilt es nunmehr aufzuzeigen279. Bereits erläutert wurde die Rückkopplung des Nießbrauchs und der Verpfändung auf die vollständige Übertragung: Jeweils handelt es sich um Verfügungen über vorausgesetzte, subjektive Rechte. Der Unterschied besteht lediglich in der vereinbarten Reichweite der Rechtsnachfolge. Statt einer unbeschränkten Übertragung soll nur eine teilweise eintreten280. Die Verbindungslinie zur Zwangsvollstreckung deutet sich bereits in § 1277 BGB an, der bestimmt, dass der Pfandgläubiger seine Befriedigung aus dem vereinbarten Pfandrecht grundsätzlich nur aufgrund eines vollstreckbaren Titels nach den für die Zwangsvollstreckung geltenden Vorschriften suchen kann. Wenn aber die Verfahren zur Verwertung des Pfandgegenstandes bei vereinbarten Pfandrechten und bei zwangsweiser Durchsetzung von Ansprüchen dieselben sind, dürfte auch der Anwendungsbereich dieser Abwicklungsmechanismen identisch sein. In gewissermaßen umgekehrter Perspektive bestimmen die §§ 803 f., 857 ZPO, dass die Zwangsvollstreckung in andere Vermögensrechte durch „Pfändung“ erfolgt, durch die der Gläubiger ein Pfändungspfandrecht erwirbt, das im Verhältnis zu anderen Gläubigern wie ein durch Vertrag erworbe-
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Siehe dazu RGZ 70, 226, 232 (1909); RGZ 82, 227, 229 (1913) (wenn rechtsgeschäftlich über eine Forderung verfügt werden könne, so sei die gleiche Annahme für Verfügungen in der Zwangsvollstreckung „in der Folgerichtigkeit“ begründet); RGZ 95, 235, 237 (1919); BGHZ 92, 339, 343 f. (1984) („Gleichlauf der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Abtretung, Verpfändung und Pfändung (§§ 400, 1274 Abs. 2 BGB, 851 Abs. 1 ZPO)“); ferner KG OLGZ 1994, 113, 114 (Auswirkung der materiellen Rechtslage auf die Zwangsvollstreckung durch Unpfändbarkeit des KfZBriefes, dessen Eigentum gem. § 952 BGB dem Eigentum am KfZ folge); allgemein zur Sachnähe des Zwangsvollstreckungsrechts zum Privatrecht Gaul, RPfleger 1971, 1, 7 ff.; Rosenberg/Gaul/ Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 7 ff. 280 Siehe insbesondere die §§ 1069 Abs. 2, 1274 Abs. 2 BGB; Johow, in: Schubert, Sachenrecht 2, 267 f. („Ist hier einmal der Uebertragungsakt gegeben, so liegt kein weiteres öffentliches Interesse vor, weshalb nicht auch das Recht partiell, unter beliebiger Ordnung der Konkurrenz des Übertragenden und Empfangenden übertragen werden sollte.“); Johow/Achilles, in: Schubert, Sachenrecht 3, 888 ff.
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nes Faustpfandrecht wirkt281. Folglich bedient sich das Zwangsvollstreckungsrecht seinerseits der rechtsgeschäftlichen Instrumente des BGB; nur setzt es an die Stelle zweier übereinstimmender Willenserklärungen die gesetzliche Anordnung der erzwingbaren Gläubigerbefriedigung282. Wegen dieser Parallelen stellt das BGB die rechtsgeschäftliche Verfügung in verschiedenen Kontexten einer Verfügung im Wege der Zwangsvollstreckung gleich283. Dass (beschränkte) Übertragung und Zwangsvollstreckung sich auf dieselbe Kategorie von Rechtspositionen erstrecken, erhellen überdies die §§ 1069 Abs. 2, 1274 Abs. 2 BGB, 851, 857 Abs. 3 ZPO, wonach unübertragbare Rechte nicht mit einem Nießbrauch belastet, nicht verpfändet und auch nicht gepfändet werden können284. § 857 Abs. 3 ZPO war von der 1. Kommission sogar im heutigen § 413 BGB verortet worden und wurde erst später aus systematischen Gründen, aber ohne sachliche Änderung in die ZPO integriert, so dass entstehungsgeschichtlich ebenfalls kein prinzipieller Unterschied zwischen „anderen Rechten“ und „anderen Vermögensrechten“ feststellbar ist285. Schließlich nimmt das BGB auf vollstreckungsrechtliche Aussagen Rücksicht, indem Pfändungsverbote zur Unübertragbarkeit von Forderungen und „anderen Rechten“ (§§ 413, 400 BGB) und damit wiederum zum Ausschluss der rechtsgeschäftlichen Verpfändung führen286. Die281 Krückmann, AcP 103 (1908), 139, 279 (das Pfändungspfandrecht sei dem rechtsgeschäftlichen Pfandrecht entsprechend konstruiert); Blomeyer, Vollstreckungsverfahren, 4; Baur/Stürner, Sachenrecht, 789 (die Geltung der bürgerlich-rechtlichen Pfandrechtsbestimmungen werde vorausgesetzt). Zur bewusst offengehaltenen Überschrift der §§ 1273 ff. BGB mit „Pfandrecht an Rechten“ statt „Verpfändbarkeit der Vermögensrechte“ zur Einbeziehung des Pfändungspfandrechts Jakobs/Schubert, Sachenrecht 2, 1034; BGH NJW 1989, 2536, 2537. 282 RGZ 82, 227, 229 (1913); BGHZ 119, 75, 90 f. (1992); Gaul, RPfleger 1971, 1, 7 ff.; Brox/ Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 236 (statt wirksamer Einigung sei eine rechtmäßige und wirksame Pfändung erforderlich); Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 10, 93. Zur Identität des bürgerlichrechtlichen und zwangsvollstreckungsrechtlichen Verfügungsbegriffs RGZ 64, 415, 418 (1906). 283 Siehe die §§ 161 Abs. 1 S. 2, 184 Abs. 2, 883 Abs. 2 S. 2 BGB und Gaul, RPfleger 1971, 1, 7. 284 Siehe z.B. RGZ 134, 91, 96 (1931) (Unpfändbarkeit eines vertraglichen Nutzungsrechts wegen dessen Unübertragbarkeit); BGHZ 56, 228, 232 f. (1971) (Grundsatz, dass die Pfändbarkeit von der Übertragbarkeit der Forderung abhänge); BGHZ 125, 334, 337 (1994) (Rechte, die übertragbar seien, seien auch pfändbar); BGHZ 154, 64, 69 (2003) (Recht auf Rückauflassung übertragbar und pfändbar); OLG Köln JR 1955, 225; Smid, in: MünchKomm, § 857 ZPO Rn. 13; Gaul, RPfleger 1971, 1, 8; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, § 851 ZPO Rn. 1. 285 Während der Beratungen der 1. Kommission war die Pfändbarkeit von anderen Rechten noch im Vorläufer zum jetzigen § 413 BGB geregelt; siehe Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 1, 837 f. („Die Vorschriften über die Übertragung der Forderungen und über die Zulässigkeit der Pfändung von Forderungen finden auf die Übertragung und Pfändung anderer Rechte … entsprechende Anwendung. Ein nichtübertragbares Recht ist insoweit, als die Ausübung einem Anderen überlassen werden kann, der Pfändung unterworfen …“). Durch die Vorkommission des Reichsjustizamtes wurde der heutige § 857 Abs. 3 ZPO in die ZPO überführt; siehe Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 1, 838; Prot. II 1, 404. 286 BGHZ (GS) 4, 153, 154 (1951) (Bewahrung der Existenzmöglichkeit des Schuldners auch vor der rechtsgeschäftlichen Weggabe von Vermögenswerten); Wiegand, in: Staudinger, § 1274 BGB Rn. 33 (soweit ein Recht nicht pfändbar sei, sei es auch nicht verpfändbar); Habersack, in: Soergel, § 1274 BGB Rn. 10.
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ser Gleichklang aller drei Elemente des Rechtsverkehrsrechts wurde während der Entstehungszeit des BGB als „selbstverständliche Regel“ aufgefasst und entsprechend umgesetzt287. Zu erwähnen bleibt die systematische Zusammenfassung der Vorschriften über die Zulässigkeit der Verpfändung und der Pfändbarkeit von Immaterialgüterrechten, die ersichtlich von demselben Denken beeinflusst ist288. Insgesamt bestätigt sich die Hypothese, dass den Gläubigern als Befriedigungsmittel in der Einzelzwangsvollstreckung zur Verfügung steht, was der Schuldner seinerseits im Wege der (beschränkten) Übertragung zu versilbern vermag289. Auf eine Rechtsgrundlage für die rechtsgeschäftliche Übertragbarkeit kann wegen dieses durchgängigen Zusammenhangs tatsächlich nicht verzichtet werden. Allerdings wurde vorstehend gezeigt, dass es an einer entsprechenden Generalklausel fehlt. Ob eine solche wenigstens für die Einzel- und Gesamtvollstreckung in Rechtspositionen an „neuen“ Gütern vorhanden ist, gilt es in den folgenden zwei Abschnitten zu erörtern.
D. Zwangsvollstreckung I. Einführung Selbst wenn man sich der hier vertretenen Auffassung nicht anschließt, wonach bereits die rechtsgeschäftliche Übertragbarkeit einer Rechtsgrundlage bedarf, weil sie nach der gesetzlichen Gesamtkonzeption mit der Zwangsverwertung verknüpft ist, so sind doch sowohl mit der Vollstreckung aus einzelnen Titeln gem. §§ 704, 803 ff. ZPO als auch mit der Gesamtvollstreckung in der Insolvenz Eingriffe der öffentlichen Gewalt in das Eigentum oder die allgemeine Handlungsfreiheit des Schuldners verbunden, mit denen der Staat kraft seines Gewaltmonopols die Ansprüche der Gläubiger durchsetzt290. Folglich bedarf es zur ver287 Vollstreckungsrechtliche Wertungen spiegelt das BGB ferner in § 562 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach sich das Vermieterpfandrecht nicht auf Sachen erstreckt, die der Pfändung nicht unterliegen (siehe OLG Frankfurt BB 1979, 136 f.), und in § 394 S. 1 BGB, der die Privatvollstreckung durch Aufrechnung gegen eine unpfändbare Forderung ausschließt (siehe BGH NJW 1955, 339 f.). 287 Siehe Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse 1, 777 (zur Entstehungsgeschichte des § 400 BGB: „Daß ein übertragbares Vermögensrecht sowohl der Verpfändung als auch der Pfändung zugänglich ist, wird im Sachenrecht … und in der Civilprozessordnung als eine selbstverständliche Regel vorausgesetzt.“). 288 Siehe die §§ 29 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, 30 Abs. 1 Nr. 2 GeschmMG; für die Gemeinschaftsrechte siehe die Art. 20 GMVO, Art. 30 GeschmMVO, 24 SortSchVO. 289 So Johow/Achilles, in: Schubert, Sachenrecht 3, 890 ff. (pfändbar sei, was verwertbar sei; das Maß der Abtretbarkeit bestimme das Maß der Verpfändbarkeit); Freudenberg, Zwangsvollstreckung in Persönlichkeitsrechte, 13; ferner am Beispiel des Rechts auf das Patent BGHZ 125, 334, 340 (1994). 290 Siehe BVerfGE 49, 220, 226, 231 (1978) (abw. Meinung Böhmer); BVerfGE 61, 126, 136 (1982); BGHZ 95, 10, 14 (1985) (Eingriff in den Handlungs- und Vermögensbereich); BGHZ 119, 75, 84 (1992); BGHZ 146, 17, 20 (2000); Gaul, RPfleger 1971, 1 ff.; Baur/Stürner/Bruns, Zwangs-
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fassungsrechtlichen Rechtfertigung dieses Eingriffs eines seinerseits verfassungsmäßigen Gesetzes (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG) bzw. zumindest einer wirksamen Grundlage in der verfassungsmäßigen Ordnung (Art. 2 Abs. 1 GG)291. Abgesehen von den bereits oben A I genannten güterzuordnungsrelevanten Beispielen, nämlich der Zwangsvollstreckung in ein „absolutes Recht“ an der Internet-Domain als solcher und in die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts wurde die Einzelzwangsvollstreckung im Zusammenhang mit nicht patentierten technischen Geheimnissen292 und vereinzelt im Hinblick auf den sog. wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz gem. § 1 UWG 1909293 diskutiert. Die insoweit zu beantwortende Rechtsfrage lautet jeweils, ob die Gläubiger des Berechtigten auf den Vermögenswert der „neuen“ Güter Internet-Domain, Persönlichkeitsmerkmal, Geheimnis bzw. eigenartiges Produkt zugreifen können, um sich aus ihren auf Geld lautenden Titeln zu befriedigen294. Die einschlägige „Generalklausel“ des Zwangsvollstreckungsrechts ist § 857 ZPO, der die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in „andere Vermögensrechte“ vorsieht. Zu prüfen ist, ob diese Vorschrift die Vollstreckbarkeit anders als die offenen Normen zur rechtsgeschäftlichen Verwertung konstitutiv regelt und die Rechtsprechung legitimiert, die Zwangsvollstreckung in nur deliktsrechtlich konturierte Rechtpositionen zu eröffnen, die als solche nicht übertragbar sind. Dagegen kommt es für die hiesige Thematik nicht auf die Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzfestigkeit der genannten Rechtspositionen an „neuen“ Gütern an. Denn die insoweit einschlägigen §§ 771 ZPO („die Veräußerung hinderndes Recht“), 47 InsO (Aussonderung wegen eines „dinglichen oder persön291 vollstreckungsrecht, Rn. 1.1; Stöber, in: Zöller, vor § 704 ZPO Rn. 1; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 6; Schmidt-von Rhein, in: AK, vor § 704 ZPO Rn. 1; kritisch Fischer, Vollstreckungszugriff, 197 ff. 291 BVerfGE 49, 220, 231 (1978) (abw. Meinung Böhmer) (die Zwangsvollstreckung bedürfe als Grundrechtseingriff einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage), 236 (die Prüfung der ausreichenden Ermächtigungsgrundlage habe von Amts wegen zu erfolgen, weil es dem Staat obliege, die Rechtmäßigkeit seines Handelns darzutun); Gaul, RPfleger 1971, 1, 2, 4 (die hoheitliche Vollstreckungsmaßnahme bedürfe der gesetzlichen Grundlage, die Ermächtigung durch den Gläubiger genüge nicht); siehe zum Zwangsvollstreckungsrecht als Ermächtigungsgrundlage Blomeyer, Vollstreckungsverfahren, 1. 292 Bejahend BGHZ 16, 172, 175 (1955) – Dücko; offengelassen trotz Entscheidungserheblichkeit von BGH NJW 1990, 2931, 2932; bejahend ferner Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 157 ff. (wegen der Qualifikation des Geheimnisses als Vermögensrecht); wohl auch Brehm, in: Stein/Jonas, § 857 ZPO Rn. 21; Breidenbach, CR 1989, 1074, 1077 mit Fn. 37; ablehnend Hubmann, FS Lehmann II, 812, 828; Blomeyer, Vollstreckungsverfahren, 294. Die Pfändbarkeit des „Erfinderrechts“ auf das Patent bejahend, wenn die Erfindung in äußere Erscheinung (Zeichnungen, Modelle) getreten sei, welche die Absicht der Verwertung erkennen lasse, KG JW 1930, 2803; Blomeyer, Vollstreckungsverfahren, 279. 293 Breidenbach, CR 1989, 1074, 1076 f.; wohl auch Asche, Zwangsvollstreckung in Software, 180 (im Zusammenhang mit dem Leistungsschutz gem. § 1 UWG 1909 für nicht urheberrechtlich geschützte Computerprogramme). 294 So auch die Fragestellung zum Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers bei RGZ 140, 223, 225 (1933) (übertragbares, pfändbares und beschlagsfähiges Recht im Konkurs (§ 1 KO)).
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lichen Rechts“ an einem Gegenstand) betreffen die Situation, dass bei einem Schuldner vollstreckt wird, der nicht (vollständig) Inhaber der betroffenen Rechtspositionen ist, und sich der Berechtigte mit der Drittwiderspruchsklage bzw. Aussonderung gegen die Verwertung seines Rechts wehrt. In der hiesigen Untersuchung geht es jedoch nicht um die insoweit typischerweise betroffene Inhaberschaft an einem Recht bzw. um die Existenz derivativer Berechtigungen, die zwangsvollstreckungs- und insolvenzfest sind295, sondern um die Vorfrage, ob ein originäres Ausschließlichkeitsrecht besteht, in das beim allenfalls in Betracht kommenden Inhaber vollstreckt werden kann. Der Aufbau zur Erörterung des güterzuordnenden Gehalts von § 857 ZPO folgt dem bisher zum Rechtsverkehrsrecht angewandten Schema: Zunächst sind Anhaltspunkte dafür zusammenzutragen, dass § 857 ZPO die Reichweite der Einzelzwangsvollstreckung konstitutiv („intern“) regelt (dazu II). Nachdem diese Ansätze einer kritischen Würdigung unterzogen wurden (dazu III), sind die Ergebnisse der Analyse zu formulieren, in einen größeren Wertungskontext einzubetten und auf die güterzuordnungsrelevanten Beispiele „neuer“ Güter anzuwenden (dazu IV).
II. § 857 ZPO als Rechtsgrundlage der Zwangsvollstreckung? Ausgangspunkt dafür, die Pfändbarkeit von Rechtspositionen dem Zwangsvollstreckungsrecht zu entnehmen, ist die Funktion dieses Rechtsgebiets, gerichtlich festgestellte oder förmlich dokumentierte, privatrechtliche Leistungsansprüche des Gläubigers gegen den Schuldner im Wege des staatlichen Zwangs durchzusetzen oder zu sichern296. Dafür steht den Gläubigern das bewegliche und unbewegliche „Vermögen“ des Schuldners zur Verfügung (siehe § 803 Abs. 1 S. 1 ZPO)297. Um das Ziel der Befriedigung von Ansprüchen möglichst umfassend zu verwirklichen, könnte man schließen, dass das Zwangsvollstreckungsrecht aufgrund dieser ihm eigenen Wertung sämtliche Vermögenswerte erfasst. Da deliktsrechtlich gegen unerlaubte Nutzung geschützte Güter und Interessen wie Geheimnisse und Persönlichkeitsmerkmale zweifellos erheblichen Vermögenswert aufweisen können, müssten sie konsequent zum haftenden Vermögen gezählt werden298. 295
Zur hier nicht erörterten Verdinglichung relativer Rechte oben § 1 B II 4. Gaul, RPfleger 1971, 1; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 1; Baur/ Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 1.1 f.; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 2. 297 Blomeyer, Vollstreckungsverfahren, 82; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 857 ZPO Rn. 2; Münzberg, in: Stein/Jonas, vor § 803 ZPO Rn. 11. Zu verschiedenen Definitionen des Vermögensbegriffs Zimmermann, Immaterialgüterrechte in der Zwangsvollstreckung, 152 m.w.N. Siehe auch § 2 AnfG: Zur Anfechtung ist jeder Gläubiger berechtigt, …, wenn die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers geführt hat oder wenn anzunehmen ist, dass sie nicht dazu führen würde. 298 In diesem Sinne für die Persönlichkeitsrechte Sosnitza, JZ 2004, 992, 993, 997. 296
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In diese Logik scheint sich § 857 ZPO unmittelbar einzufügen, denn anders als die Vorschriften zur Zwangsvollstreckung in bewegliche und unbewegliche Sachen sowie Forderungen bezieht sich die Norm nicht auf eine bestimmte Kategorie subjektiver Rechte, sondern erfasst alle „anderen Vermögensrechte“, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen sind299. Konsequent wird sie von der Rechtsprechung und herrschenden Meinung als „Auffangtatbestand“ und „Generalvorschrift für Vermögensrechte in der Mobiliarvollstreckung“ bezeichnet300. Pfändbar seien demnach „Rechte aller Art“, die einen Vermögenswert derart verkörpern, dass die Pfandverwertung zur Befriedigung eines Geldanspruchs führen kann301. Was diese Rechte auszeichnet und von anderen Rechtspositionen unterscheidet, wird nicht abstrakt definiert. Stattdessen beschränkt man sich auf kasuistische Aufzählungen302. Trotz dieser Funktion und Entwicklungsoffenheit des Zwangsvollstreckungsrechts stehen im Hinblick auf die güterzuordnungsrelevanten Beispiele „neuer“ Güter Argumente im Vordergrund, die letztlich nicht auf vollstreckungsrechtlichen Erwägungen beruhen, sondern § 857 ZPO nur als Vollzugsnorm dieser externen Wertungen verstehen: Sei ein „anderes Vermögensrecht“ erst einmal anerkannt, müsse den Gläubigern konsequent der Zugriff eröffnet werden303. Dabei geht man davon aus, dass sich unpfändbare Persönlichkeitsrechte in pfändbare
299 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 857 ZPO Rn. 2 (es sei eine „weite Auslegung zugunsten des Gläubigers“ erforderlich und „alles irgendwie Geldwerte[n]“ zu verwerten); Freudenberg, Zwangsvollstreckung in Persönlichkeitsrechte, 13 (Grundsatz der Pfändbarkeit aller übertragbaren Vermögenswerte). 300 BGHZ 49, 197, 203 (1967) (zur Subsumtion des Anwartschaftsrechts des Auflassungsempfängers); Walker, in: Schuschke/Walker, § 857 ZPO Rn. 1; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 857 ZPO Rn. 2; Lüke, in: Wieczorek/Schütze, § 857 ZPO Rn. 1; Blomeyer, Vollstreckungsverfahren, 278. 301 BGH NJW 2005, 3353; BGH NJW-RR 2007, 1219, 1220; LG Memmingen Rpfleger 1998, 120; Stöber, in: Zöller, § 857 ZPO Rn. 2; Lüke, in: Wieczorek/Schütze, § 857 ZPO Rn. 1; Brehm, in: Stein/Jonas, § 857 ZPO Rn. 7 (Rechte, die der Verteilung der geldwerten wirtschaftlichen Güter dienen); Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 525 (alle geldwerten Sachen und Rechte). 302 Siehe etwa die Aufzählungen von Vermögensrechten bei Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 421 ff.; Walker, in: Schuschke/Walker, § 857 ZPO Rn. 10 ff.; Brehm, in: Stein/Jonas, § 857 ZPO Rn. 17 ff.; Lüke, in: Wieczorek/Schütze, § 857 ZPO Rn. 1; Smid, in: MünchKomm, § 857 ZPO Rn. 15 ff.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 857 ZPO Rn. 1; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, § 857 ZPO Rn. 1 ff. (geldwerte Rechte); Stöber, in: Zöller, § 857 ZPO Rn. 5 ff.; Blomeyer, Vollstreckungsverfahren, 278 ff. 303 So für die Zwangsvollstreckung in ein „absolutes Recht“ an der Domain als solcher Koos, MMR 2004, 359, 362 (sei die Domain ein selbständiges Vermögensrecht, mache die Begründung der Pfändbarkeit keine besondere Mühe). Für die Zwangsvollstreckung in Geheimnisse (Knowhow) entsprechend Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 157; ausdrücklich offengelassen von BGH NJW 1990, 2931, 2932 m.w.N., obwohl in dieser Entscheidung ein absolutes Recht an der Arzneimittelzulassung der einzig verbliebene Anhaltspunkt für eine Begründung der Pfändbarkeit dieser Zulassung gewesen wäre. Für die Zwangsvollstreckung in Persönlichkeitsrechte Sosnitza, JZ 2004, 992, 993 (mit Verweis auf die Anerkennung vermögenswerter Bestandteile des Persönlichkeitsrechts).
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Vermögensrechte verwandeln können304, wobei auf die Zwangsvollstreckung in das Urheberrecht verwiesen wird, das neben kommerziellen auch ideelle Interessen schütze und dennoch gem. §§ 112 ff. UrhG pfändbar sei305. Ersichtlich schreiben die Vertreter dieser Auffassung dem hier in Rede stehenden Zwangsvollstreckungsrecht keine konstitutiven Wirkungen hinsichtlich der Pfändbarkeit zu. Ihr Ansatz ist daher nicht an dieser Stelle, sondern im Zusammenhang mit der Frage nach einem allgemeinen Rechtsprinzip der Güterzuordnung zu hinterfragen306. Allerdings fließen durchaus genuin zwangsvollstreckungsrechtliche Erwägungen mit in die Argumentation ein. Zum einen wird das Ziel der Gläubigerbefriedigung zum Anlass genommen, einen Grundsatz der Pfändbarkeit sämtlicher vermögenswerter Güter zu propagieren307. Konsequent wird nicht nach einer Rechtfertigung der zwangsweisen Verwertung gefragt, sondern umgekehrt nach persönlichkeitsrechtlichen Gründen für deren Ablehnung. Seien jene nicht gegeben, bestehe auch kein Anlass, die Pfändbarkeit zu verneinen308. Zum anderen wird der in der Tat ausfüllungsbedürftige Begriff des „anderen Vermögensrechts“ gem. § 857 ZPO so ausgeweitet und von externen Vorgaben entkoppelt, dass die Gerichte den Grundsatz umfassender Vermögenshaftung auf der Basis dieser Vorschrift verwirklichen können. Hierzu zählt zunächst die Auffassung, der Zwangsvollstreckung seien nicht bestimmte „Rechte“ unterworfen, sondern die vermögenswerten Güter als solche309. Dem Gläubiger komme es auf die Nutzung jenes Gutes und nicht auf das daran bestehende Recht an310. In der Tat spricht das 304 Siehe zur Dichotomie von Vermögens- und Persönlichkeitsrechten in diesem Kontext etwa BGHZ 16, 172, 175 (1955) – Dücko; Walker, in: Schuschke/Walker, § 857 ZPO Rn. 2; Blomeyer, Vollstreckungsverfahren, 83; Hubmann, FS Lehmann II, 812, 813 ff.; Adler, GRUR 1919, 18 ff.; Tetzner, JR 1951, 166 ff. m.w.N. 305 Sosnitza, JZ 2004, 992, 996. Für eine analoge Anwendung der urheberrechtlichen Vorschriften zur Zwangsvollstreckung auf das Recht auf das Patent Adler, GRUR 1919, 18, 20. 306 Dazu unten § 12 C. 307 BGHZ 16, 172, 175 (1955) – Dücko (Geheimverfahren); OLG Dresden LZ 1910, 332, 333 f. (Unternehmen); Breidenbach, CR 1989, 1074, 1076 f. (Leistungsschutz von Computerprogrammen); ganz auf die Bedürfnisse der Praxis ausgerichtet auch die Bejahung der selbständigen Übertragbarkeit und Pfändbarkeit des Warenzeichenrechts contra § 8 WZG durch Müller, Warenzeichen als Gegenstand der Vollstreckung, 51 ff.; für die geheime, nicht patentierte Erfindung Troller, Internationale Zwangsverwertung, 55. 308 Für den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz von Computerprogrammen Breidenbach, CR 1989, 1074, 1076; für die nicht angemeldete Erfindung Adler, GRUR 1919, 18, 19; Troller, Internationale Zwangsverwertung, 53. 309 Für die Zwangsvollstreckung in das Unternehmen offenbar OLG Dresden LZ 1910, 332, 334 (unkörperlicher Vermögensgegenstand); in „Sachen“ Raacke, NJW 1975, 248 f.; in Immaterialgüter Troller, Internationale Zwangsverwertung, 43 ff.; in Persönlichkeitsrechte Sosnitza, JZ 2004, 992, 993, 997 (§ 857 ZPO betreffe „Vollstreckungsobjekte“). Kritisch zur „Gefahr einer Ausdehnung pfändbarer Gegenstände aufgrund des Bestrebens der Gläubiger, Zugriffsobjekte ihrer Zwangsvollstreckung ausfindig zu machen“ Smid, in: MünchKomm, § 857 ZPO Rn. 9. 310 Für Sachen Raacke, NJW 1975, 248 f.; für Immaterialgüter Troller, Internationale Zwangsverwertung, 51; allgemein Freudenberg, Zwangsvollstreckung in Persönlichkeitsrechte, 13 (Grundsatz der Pfändbarkeit aller übertragbaren Vermögenswerte).
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8. Buch der ZPO von der Zwangsvollstreckung in das bewegliche und unbewegliche „Vermögen“; gepfändet werden zu diesem Zwecke die „Sache“, „Grundstücke“, das „eheliche Gesamtgut“ und der „Nachlass“311. Auch die Rechtsprechung rekurrierte verschiedentlich auf faktische, gutsbezogene Umstände. So war für die vereinzelt gebliebene Annahme der Pfändbarkeit des Unternehmens durch das OLG Dresden ausschlaggebend, dass es sich hierbei um ein vom Menschen losgelöstes, objektiviertes, immaterielles Rechtsgut handele312. Der Bundesgerichtshof hob sogar auf den Willen des Schuldners ab, der über die Rechtsnatur der betreffenden Position und damit über die Zugehörigkeit zum pfändbaren Vermögen selbst entscheide313. Andere halten die „Natur“ der „geschützten Güter“ und eine umfassende Abwägung der Gläubigerinteressen mit der Selbstbestimmung des Schuldners für maßgeblich314. Schließlich wird § 857 Abs. 3 ZPO, wonach ein unveräußerliches Recht in Ermangelung besonderer Vorschriften der Pfändung insoweit unterworfen ist, als die Ausübung einem anderen überlassen werden kann, so aufgefasst, als genüge bereits die Möglichkeit der schuldrechtlichen Überlassung zur Ausübung, um eine Rechtsposition dem haftenden Schuldnervermögen zuzuschlagen. Es seien daher nicht nur übertragbare subjektive Rechte, sondern auch deliktsrechtliche Rechtskreise pfändbar, soweit diese im Wege entgeltlicher Einwilligungen oder schuldrechtlicher Gestattungsverträge versilbert werden könnten315. Ob diese Erwägungen mit den Grundsätzen des Zwangsvollstreckungsrechts und insbesondere § 857 ZPO im Einklang stehen, ist nunmehr zu prüfen.
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Siehe die §§ 740 ff., 747, 778 f., 784 Abs. 1, 805 Abs. 1, 864 Abs. 1 ZPO. OLG Dresden LZ 1910, 332, 333. 313 BGHZ 32, 103, 109 (1960) (Voraussetzung für die Umwandlung eines Persönlichkeitsrechts in ein pfändbares Vermögensrecht sei, dass der Rechtsinhaber zu erkennen gebe, dass er das Recht selbst nicht mehr als persönlichkeitsrechtlich gebunden ansehen wolle); ablehnend Adler, GRUR 1919, 18, 19. 314 Hubmann, FS Lehmann II, 812, 814 ff. („Die Vermögensrechte im Sinne des § 857 ZPO müssen sich also auf Güter beziehen, die erlaubterweise in Geld umsetzbar sind, die ferner zwangsweise erfaßt werden können und deren Verwertung nicht dem Prinzip der Interessenabwägung widerspricht.“); Sosnitza, JZ 2004, 992, 996 ff. mit Hinweis auf die §§ 811, 850 ff., 721, 794a, 765a ZPO. 315 In diesem Sinne Hubmann, FS Lehmann II, 812, 815 (die „Vermögensrechte“ müssten übertragbar „oder wenigstens einem anderen zur Ausübung überlassen“ werden können); Sosnitza, JZ 2004, 992, 993, 996 (pfändbar seien alle Rechte, die „übertragbar sind oder deren Ausübung zumindest einem anderen überlassen werden kann“; Hervorh. v. Verf.); Freudenberg, Zwangsvollstreckung in Persönlichkeitsrechte, 154; wohl auch BGHZ 16, 172, 175 (1955) – Dücko („ein wenigstens der Ausübung nach übertragbares Vermögensrecht“). Zu den Gestaltungsoptionen der Vermarktung oben B IV 3 b. 312
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III. Kritik 1. Zwangsvollstreckungsrecht als Verfahrensrecht Anders als die Regelungen der rechtsgeschäftlichen Übertragbarkeit verfügt das Zwangsvollstreckungsrecht durchaus über konstitutive Wirkungen. Denn es bildet ja gerade das gesetzliche Fundament für die mit hoheitlicher Gewalt erzwingbare Verwertung von Vermögensbestandteilen zur Befriedigung einzelner Forderungen. Es erfüllt den Vorbehalt des Gesetzes nicht nur im Hinblick auf die Art und Weise der Zwangsvollstreckung, sondern auch hinsichtlich der potentiellen Reichweite des Gläubigerzugriffs. Dieser erstreckt sich ausweislich des § 857 ZPO eben auch auf „andere Vermögensrechte“. Ob das Zwangsvollstreckungsrecht darüber hinaus die Pfändbarkeit eines solchen Vermögensrechts im Einzelfall – und darum geht es hier – zu begründen vermag, erscheint jedoch zweifelhaft. Denn das 8. Buch der ZPO regelt primär das Verfahren zur Verwirklichung eines materiellen Anspruchs, nicht die materiellrechtlichen Eigenschaften und Voraussetzungen der Rechtspositionen, auf denen die Haftung beruht und auf die sie sich erstreckt316. Entsprechend dieser prozessualen Funktion bestimmen die §§ 704 ff. ZPO die verfahrensrechtlichen Aspekte der zwangsweisen Durchsetzung von Ansprüchen, insbesondere die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung, ihre Durchführung, Rechtsmittel sowie ihre Einstellung bzw. Aufhebung. Zwar zeitigt die Einzelvollstreckung materiellrechtliche Wirkungen etwa in Gestalt des Pfändungspfandrechts gem. §§ 803 f. ZPO, aber die ZPO bedient sich hierfür ebenfalls der im materiellen Recht geregelten Instrumente des Rechtsverkehrs, um den jeweiligen Verfahrenszweck zu erreichen317. Überdies gebietet der prozessuale Charakter des Zwangsvollstreckungsrechts ein formalisiertes Verfahren zur sicheren, effizienten Abwicklung der Gläubigeransprüche. Zum Beispiel muss ein Pfändungsbeschluss das zu pfändende Recht so bestimmt bezeichnen, dass bei verständiger Auslegung des Beschlusses unzweifelhaft feststeht, welcher Vermögensgegenstand erfasst ist, so dass neben den unmittelbar Beteiligten weitere Gläubiger erkennen können, welche Vermögenswerte nicht mehr zur Verfügung stehen318. Wenn aber bereits der einzelne Zugriff eindeutig konkretisiert werden muss, kann nichts anderes für die generelle Frage gelten, welche Vermögenswerte überhaupt der Vollstreckung unterworfen sind. Mit diesem Formalismus im Interesse einer für alle Parteien klar erkennbaren 316
Siehe BGHZ 166, 1, 4 (2006) (die Unveräußerlichkeit eines Rechts bleibe auch in der Zwangsvollstreckung bestehen); Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 1, 8 ff. (formelle Haftungsverwirklichung, nicht materielles Haftungsrecht); Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 2.2; Stöber, in: Zöller, vor § 704 ZPO Rn. 1. 317 Siehe Gaul, RPfleger 1971, 1, 6 (zum Pfändungspfandrecht als Bindeglied zwischen Vollstreckungsrecht und materiellem Recht). Näher oben C III. 318 BGH NJW 1990, 2931, 2933 m.w.N.; BGH MDR 2001, 1133; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 2.2. In Bezug auf die Pfändung von Geheimnissen Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 177.
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Verteilung der Vermögenswerte ist es namentlich unvereinbar, die im materiellen Güterzuordnungsrecht bereits vorgenommene Interessenabwägung319 aufgrund einer einzelfallbezogenen, vollstreckungsrechtlichen Wertung neu vorzunehmen und ggf. zu modifizieren320. Nur etwaige Einschränkungen der Zwangsvollstreckung dürfen im Wege offener Abwägungen beurteilt werden321. Die hier problematisierte und denknotwendig vorausliegende Begründung der Pfändbarkeit ist hingegen anhand allgemeingültiger Kriterien zu entscheiden322. Andernfalls gibt man den Gläubigern Steine statt Brot und verfehlt den Zweck des Vollstreckungsrechts, materielle Ansprüche in einem schnellen, einfachen und einheitlichen Verfahren zu verwirklichen323. Festzuhalten ist, dass das Vollstreckungsrecht selbst („intern“) regelt, dass „andere Vermögensrechte“ dem formalisierten Zwangszugriff unterliegen und welche Voraussetzungen dafür gegeben sein müssen (dazu sogleich). Ob sich eine materiellrechtliche Rechtsposition hierfür qualifiziert, besagt es seinem primär verfahrensrechtlichen Sinn und Zweck nach indes nicht. 2. Begrenztheit der Zwangsvollstreckung Es erscheint überdies verfehlt, mit einem einseitigen Blick auf die Gläubigerinteressen davon auszugehen, dass grundsätzlich jeder Vermögenswert pfändbar sein soll und daher nicht der staatliche Zugriff auf Vermögenswerte, sondern die Ausnahmen hiervon begründungsbedürftig sind. Auch eine solche Aussage lässt sich dem 8. Buch der ZPO nicht entnehmen. Das folgt schon daraus, dass die staatliche Durchsetzung privater Ansprüche in die Freiheitsgrundrechte des Schuldners eingreift und daher der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf. Die umgekehrte Sichtweise, wonach der 319
BGHZ 119, 75, 85 (1992) (gesetzliche Interessenabwägung im Zwangsvollstreckungsrecht). Zimmermann, Immaterialgüterrechte in der Zwangsvollstreckung, 154; Rosenberg/Gaul/ Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 10. Zur generellen Kritik an der „Methode“ Interessenabwägung bereits oben § 1 A III 2; anders Hubmann, FS Lehmann II, 812, 814 (mit Hinweis auf die Geschichte des Zwangsvollstreckungsrechts). 321 Siehe z.B. die §§ 850 f., 765 ZPO; ferner Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 2.2 (Unterscheidung zwischen dem eigentlichen Vollstreckungsverfahren, in dem exakte rechtsstaatliche Regeln gelten, und dem Verfahren der vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe). Zu den Beschränkungen der Vollstreckung nur etwa Blomeyer, Vollstreckungsverfahren, 86 ff. 322 Dem entspricht die verfassungsrechtliche Einordnung und Prüfung des Zwangsvollstreckungsrechts: Ein Eingriff in das Eigentum gem. Art. 14 GG setzt einen Eingriff in ein subjektives Privatrecht voraus (näher unten § 11 B). Erst im Anschluss an die Bejahung dieses Eingriffs (formale Ebene) erfolgt die Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs unter Berücksichtigung der individuellen Schuldnerinteressen; siehe BVerfGE 49, 220, 232 f. (1978) (abw. Meinung Böhmer); Münzberg, in: Stein/Jonas, vor § 704 ZPO Rn. 43 (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als verfassungsrechtliche Grenze der Zwangsvollstreckung). Schon daher abzulehnen BGHZ 32, 103, 109 (1960), wonach die vermögensrechtliche „Widmung“ einer Rechtsposition durch den Schuldner (!) über die Qualifikation als pfändbares Vermögensrecht entscheiden soll. 323 So führen die vielfältigen Einschränkungen der Befugnisse des in Persönlichkeitsrechte vollstreckenden Gläubigers (siehe Sosnitza, JZ 2004, 992, 1000 f.) zu umfassenden Auseinandersetzungen im Vollstreckungsverfahren. 320
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Schuldner die Haftungsfreiheit begründen muss, steht im Widerspruch zum Verteilungsprinzip der freiheitlichen Rechtsordnung324. Die prinzipielle Begrenzung staatlicher Zugriffe auf das Vermögen des Schuldners wird im Vollstreckungsrecht in zweierlei Weise umgesetzt. Erstens sind die formellen Verfahren der Zwangsvollstreckung abschließend geregelt325, zweitens ist auch die materielle Reichweite der Pfändbarkeit in vielfacher Hinsicht beschränkt: Zunächst darf die Zwangsvollstreckung nicht weiter ausgedehnt werden als zur Befriedigung des Gläubigers und zur Kostendeckung erforderlich326. Der Vollstreckung ist nur das Vermögen des Schuldners unterworfen327, auch wenn Rechte Dritter am Gegenstand der Zwangsvollstreckung ggf. erst nach der formal wirksamen und rechtmäßigen Pfändung im Wege der Drittwiderspruchsklage zur Geltung gebracht werden können328. Und selbst von der Realexekution in das Vermögen des Schuldners sind unpfändbare Sachen und bestimmte dauerhafte Bezüge ausgenommen329. Da es sich hierbei um Einschränkungen der grundsätzlich zulässigen Zwangsvollstreckung in das Eigentum und Forderungen handelt, ist es bereits im Ansatz verfehlt, hieraus Folgerungen für die Ausweitung des haftenden Vermögens, etwa im Hinblick auf Persönlichkeitsrechte, zu ziehen330. Dass nicht das gesamte Vermögen des Schuldners gepfändet wird, bestätigt mittelbar der strafrechtliche Schutz der Vollstreckungsinteressen der Gläubiger gem. § 288 Abs. 1 StGB, wonach bestraft wird, wer bei einer ihm drohenden Zwangsvollstreckung in der Absicht, die Befriedigung des Gläubigers zu vereiteln, Bestandteile seines Vermögens veräußert oder beiseite schafft. Diese 324
Dazu oben A II und § 2 B II 2. Zur zwingenden Natur der gesetzlichen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung RGZ 153, 200, 209 (1937); Gaul, RPfleger 1971, 1 9; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 93; Blomeyer, Vollstreckungsverfahren, 1; Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 191 f. 326 § 803 Abs. 1 S. 2 ZPO; BGHZ 166, 1, 6 (2006); Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 27.5. 327 Für Forderungen als Pfändungsgegenstand RGZ 82, 227, 229 (1913); BGHZ 45, 162, 165 ff. (1966) (Bezugsberechtigung bei Lebensversicherung als pfändbares Recht des Begünstigten und nicht des Versicherungsnehmers); LG Memmingen Rpfleger 1998, 120; allgemein BGHZ 95, 10, 15 (1985); BGH NJW 1989, 2536, 2537; BGHZ 119, 75, 84 ff. (1992) (das Einhalten der formellen Vollstreckungsvoraussetzungen verleihe noch kein materielles Recht zum Zugriff auf schuldnerfremdes Vermögen); Hessisches FG WM 1998, 2430, 2432 (unzulässiger Zugriff auf fremdes Vermögen durch Pfändung von Kontovollmachten); Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 524 f.; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 22.1; Blomeyer, Vollstreckungsverfahren, 4; Stöber, in: Zöller, vor § 704 ZPO Rn. 18. 328 Siehe BGHZ 95, 10, 16 (1985); Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 22.2; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 524 f.; Blomeyer, Vollstreckungsverfahren, 4; Schmidt-von Rhein, in: AK, vor § 803 ZPO Rn. 8. Das anerkennen auch die Vertreter der öffentlich-rechtlichen Theorie des Pfändungspfandrechts; siehe etwa Münzberg, in: Stein/Jonas, § 804 ZPO Rn. 10 ff. m.w.N. 329 Siehe die §§ 811 ff., 850 ff. ZPO; dazu AG Rathenow NJ 1948, 110. 330 Verfehlt daher Sosnitza, JZ 2004, 992, 996 f. Zur Berücksichtigung des persönlichkeitsrechtlichen Einschlags von pfändbaren Rechten Zimmermann, Immaterialgüterrechte in der Zwangsvollstreckung, 162; zur Unübertragbarkeit und Unpfändbarkeit familienrechtlicher Ansprüche LG Hechingen FamRZ 1990, 1127 f. 325
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Bestandteile machen eben das pfändbare Vermögen des Schuldners aus, auf das sich die §§ 803 ff. ZPO erstrecken, über das sie jedoch nicht hinausgreifen331. Vor diesem Hintergrund wird die Aussage verständlich, der ZPO sei eine Zwangsvollstreckung in Vermögenswerte fremd, die weder Sachen noch Rechte sind332. Abgelehnt wird darüber hinaus eine Verpflichtung des Schuldners, den Gläubigern durch fortgesetzten Vermögenserwerb Befriedigung zu verschaffen, weil diese moderne Art der Schuldknechtschaft mit der allgemeinen Handlungsfreiheit des Verpflichteten unvereinbar sei333. Von zentraler Bedeutung für einen Ausgleich zwischen den Interessen des Gläubigers und des Schuldners ist jedoch die grundsätzliche Voraussetzung, dass nur aus der sonstigen Rechtsordnung ableitbare, selbständige subjektive Rechte in der Hand des Schuldners dem zwangsweisen Zugriff der Gläubiger unterliegen334: 3. Zwangsvollstreckung in subjektive Rechte Während letztgenannte Ansicht das 8. Buch der ZPO auf seine verfahrensrechtliche Funktion zur Verwirklichung der vorausgesetzten, materiellen Güterordnung reduziert, stützen sich die Befürworter einer konstitutiven Wirkung des § 857 ZPO häufig darauf, dass nicht vorbestehende subjektive Rechte Gegenstand der Zwangsvollstreckung seien, sondern faktische Vermögenswerte bzw. Güter. Dieser, das Zwangsvollstreckungsrecht für „neue“ Güter öffnende Ansatz steht jedoch in offensichtlichem Widerspruch zum gesamten Konzept des Zwangsvollstreckungsrechts. So erfolgt die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen durch Pfändung. Der Gläubiger erlangt am gepfändeten Gegenstand also ein „dingliches“ Pfandrecht, das ihm im Verhältnis zu anderen Gläubigern dieselben Rechte wie ein durch Vertrag erworbenes Faustpfandrecht gewährt (§§ 803 f. ZPO)335. Dieses Pfändungspfandrecht entsteht strukturell – unabhängig von der mit der Pfändung erfolgenden Verstrickung und der umstrittenen Frage seiner öffentlichrechtlichen oder privatrechtlichen Rechtsnatur336 – durch eine teilweise Übertra331
Blomeyer, Vollstreckungsverfahren, 86. Münzberg, in: Stein/Jonas, vor § 803 ZPO Rn. 10. 333 Insoweit zutreffend auch Hubmann, FS Lehmann II, 812, 814; Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 192, 332 (Gläubiger hätten keinen Anspruch darauf, dass der Schuldner ihnen Vermögenswerte schaffe). Zu den verbliebenen Bereichen der Personalvollstreckung nur Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 22.1. 334 Siehe BGHZ 32, 103, 105 f. (1960); BGH MDR 1963, 308 (das Geschäft als solches, das nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sei, umfasse neben pfändbaren Teilen auch unpfändbare); Lüke, in: Wieczorek/Schütze, § 857 ZPO Rn. 9 (nicht jeder Vermögenswert stelle ein Vermögensrecht dar); Blomeyer, Vollstreckungsverfahren, 82; Zimmermann, Immaterialgüterrechte in der Zwangsvollstreckung, 146; Birner, Internet-Domain als Vermögensrecht, 18. 335 Dazu Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 231 ff.; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 27.15. Zur abgesonderten Befriedigung gem. § 50 Abs. 1 InsO aufgrund eines Pfändungspfandrechts Münzberg, in: Stein/Jonas, § 804 ZPO Rn. 37. 336 Dazu nur etwa BGHZ 119, 75, 82 ff. (1992); BGHZ 125, 334, 340 ff. (1994); Rosenberg/ Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 777 ff.; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungs332
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gung des gepfändeten Gegenstands337, bei dem es sich daher nach den bisher gesammelten Erkenntnissen notwendig um ein selbständig übertragbares Recht handeln muss338. Wenn aber bereits den Pfandrechtsregelungen des BGB keine konstitutive Wirkung zukommt, kann für ihre prozessuale Indienstnahme im Rahmen des Zwangsvollstreckungsrechts nichts anderes gelten339. Außerdem kann das Pfändungspfandrecht dem Gläubiger nicht mehr oder andere Rechte verschaffen als dem Schuldner zustehen und als das Pfandrecht seinem Inhalt und Zweck nach generell gewährt340. Wenn sich das Zwangsvollstreckungsrecht seinem Wortlaut nach wie das Rechtsverkehrsrecht des BGB auf bewegliche und unbewegliche Sachen bezieht, ist daher wiederum das Eigentum als übertragbares Ausschließlichkeitsrecht an diesen Gütern gemeint, das mit einem Pfändungspfandrecht bzw. einer Sicherungshypothek belastet wird341. Die jüngeren Immaterialgüterrechtsgesetze haben diese Erkenntnis umgesetzt und unterwerfen die jeweils normierten Ausschließlichkeitsrechte dem zwangsweisen Zugriff der Gläubiger342. Nähert man sich weiter dem für „neue“ Güter allenfalls in Frage kommenden § 857 ZPO an und nimmt zu diesem Zweck den Untertitel zur Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte in Blick, so werden mit Forderungen wiederum übertragbare, subjektive Rechte gepfändet. Deren Verwer337 recht, Rn. 27.1 ff.; Stöber, in: Zöller, § 804 ZPO Rn. 2; Münzberg, in: Stein/Jonas, § 803 ZPO Rn. 1 ff.; Jauernig/Berger, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, 55 ff.; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 234 ff., jeweils m.w.N. 337 Hüßtege, in: Thomas/Putzo, § 804 ZPO Rn. 6; Baur/Stürner, Sachenrecht, 789; Stöber, in: Zöller, § 851 ZPO Rn. 1; Berger, JZ 1994, 1015, 1016. 338 Siehe RGZ 70, 226, 232 (1909) (für das Unternehmen als solches abgelehnt); BGH NJW 1990, 2931, 2932 f. (Unpfändbarkeit der öffentlich-rechtlichen Arzneimittelzulassung als bloßes Hilfsrecht zur Ausübung privatrechtlicher Herstellungs- und Vertriebsrechte unabhängig von ihrem erheblichen Vermögenswert); BGH NJW-RR 2007, 1219, 1220 (Pfändbarkeit öffentlichrechtlich übertragbarer Rechte zur abgabenfreien Ablieferung von Milch); im Ansatz ebenso LG Memmingen Rpfleger 1998, 120 (Unpfändbarkeit vermögenswerter Milchkontingente); Brehm, in: Stein/Jonas, § 857 ZPO Rn. 12 ff. Deshalb ist es unzulässig, sich in Missachtung dieses Tatbestandsmerkmals in eine „umfassende Interessenabwägung“ zu flüchten; so aber Sosnitza, JZ 2004, 992, 996. 339 Siehe auch Gaul, RPfleger 1971, 1, 6 (das Pfändungspfandrecht sei Ausdrucksmittel der Sachnähe der Zwangsvollstreckung zum Privatrecht). 340 Siehe BGHZ 125, 334, 342 (1994). 341 So auch Stöber, in: Zöller, § 857 ZPO Rn. 2. Siehe auch die §§ 866 (Zwangsvollstreckung in ein Grundstück durch Eintragung einer Sicherungshypothek im Grundbuch), 787 (bei herrenlosem Grundstück oder Schiff wird für die Abwicklung der Zwangsvollstreckung ein Vertreter bestellt, dem bis zur Eintragung eines neuen Eigentümers die Wahrnehmung der sich aus dem Eigentum ergebenden Rechte und Verpflichtungen im Zwangsvollstreckungsverfahren obliegt), 800 f. ZPO (Regelung der Voraussetzungen, in einer vollstreckbaren Urkunde die Zwangsvollstreckung gegen den jeweiligen Eigentümer eines Grundstücks oder eines Schiffs niederzulegen und daraus zu vollstrecken). Auch die Verwendung des Begriffs „Gegenstand“ in den §§ 771–773 ZPO betrifft das subjektive Recht, denn hier geht es um „Veräußerung“, die wie gezeigt der ältere Begriff für die Verfügung ist; siehe oben Fn. 73. 342 Siehe die §§ 112 UrhG, 29 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, 30 Abs. 1 Nr. 2 GeschmMG; für die Gemeinschaftsrechte siehe die Art. 20 Abs. 1 GVO, 30 Abs. 1 GeschmMVO, 24 SortSchVO.
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tung erfolgt insbesondere durch Überweisung einer Geldforderung, die die förmlichen Erklärungen des Schuldners ersetzt, von denen nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts der Übergang bzw. die Berechtigung zur Einziehung der Forderung abhängig ist (§§ 835 f. ZPO). Auch insoweit betrifft das Zwangsvollstreckungsrecht mithin materiellrechtlich übertragbare Rechte, in die der Gläubiger zum Zwecke seiner Befriedigung kraft Gesetzes (teilweise) einrückt343. Die Verwertung „anderer Vermögensrechte“ wird auf dieselbe Weise abgewickelt: Haben diese einen Nennwert, können sie an Zahlungs statt überwiesen (= übertragen) werden; kann der Gläubiger das Recht anstelle des Schuldners ausüben, kommt eine Überweisung zur Einziehung in Betracht. Ansonsten erfolgt gem. der §§ 857 Abs. 1, 844 ZPO eine Verwertung durch entgeltliche Übertragung des gepfändeten Rechts344. 4. Der Begriff des „anderen Vermögensrechts“ Statt auf Güter, deren Vermögenswert oder gar eine allgemeine Interessenabwägung bezieht sich das Zwangsvollstreckungsrecht somit durchgängig auf grundsätzlich übertragbare subjektive Rechte, die als Vollstreckungsgegenstand vorausgesetzt und nicht – auch nicht im Hinblick auf ihre Pfändbarkeit – konstituiert werden. Das gilt wie bereits angedeutet auch für den während der Entstehungsgeschichte offenbar nicht umstrittenen345 Auffangtatbestand des § 857 ZPO, der die Zwangsvollstreckung in „andere Vermögensrechte“ regelt. Während in dieser Untersuchung auf den dogmatischen Begriff des „Vermögensrechts“ bewusst verzichtet wurde, um gerade im Kontext des Zwangsvollstreckungsrechts zu beobachtende naturalistische Kurzschlüsse von der „Natur“ des geschützten Gutes, von vermögenswerten Interessen oder einfach nur vom Vorhandensein eines Vermögenswerts auf die Existenz einer solchen Rechtsposition zu vermeiden346, ist der einfachgesetzliche Terminus „Vermögensrecht“ gem. § 857 Abs. 1 ZPO anhand der anerkannten Auslegungsmethoden auf seinen Aussagegehalt zu überprüfen. Wie eingangs erläutert, bestimmt diese Regelung die potentielle Reichweite des Gläubigerzugriffs. Demnach können neben dem Eigentum und Forderungen auch „andere Vermögensrechte“ gepfändet werden. In diesem allgemeinen Sinne 343
Siehe RGZ 70, 226, 232 (1909) (Unternehmen); RGZ 82, 227, 229 (1913) (künftige Forderungen nach Maßgabe ihrer Übertragbarkeit); Baur/Stürner, Sachenrecht, 789. 344 Siehe Brehm, in: Stein/Jonas, § 857 ZPO Rn. 109 ff.; Smid, in: MünchKomm, § 857 ZPO Rn. 47 ff.; Becker, in: Musielak, § 857 ZPO Rn. 6; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 857 ZPO Rn. 16 ff.; Stöber, in: Zöller, § 857 ZPO Rn. 13. 345 Siehe Hahn, Materialien Reichs-Justizgesetze 2, 90, 856, 939, 1027, 1245, 1420. 346 Siehe oben § 1 A III 1. Bedenklich z.B. BGHZ 32, 103, 109 (1960) (ein aus beiden Elementen „gemischte[s] Recht“), 117 (das Warenzeichenrecht sei Vermögensrecht, weil es nicht Personen-, sondern Sachbezeichnung sei, da es die Herkunft einer Ware aus einem Betrieb kennzeichne). Insoweit zutreffend Sosnitza, JZ 2004, 992, 996 (die Dichotomie führe nicht weiter, weil das aPR ideelle und materielle Interessen aufweisen könne). Verfehlt dann aber die Folgerung, es komme auf die Betrachtung der Rechtsposition gar nicht mehr an, so dass eine „allgemeine Interessenabwägung“ über die Pfändbarkeit entscheide; so aber Sosnitza, a.a.O., 996. Allgemein unten § 13 C VII 3 zum Persönlichkeitsrecht.
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ist die Vorschrift also durchaus konstitutiv für das Verfahren der zwangsweisen Verwertung. Da hiermit dem Vorbehalt des Gesetzes Genüge getan und der Eingriff in die Grundrechte des Schuldners auf eine gesetzliche Grundlage gestellt wird, darf dieses Tatbestandsmerkmal zunächst einmal nicht contra legem ignoriert werden347. Im Übrigen jedoch besagt die Aussage, dass „andere Vermögensrechte“ der Vollstreckung unterliegen, nichts darüber, ob eine bestimmte Rechtsposition in diesem Sinne pfändbar ist und woraus sich diese Eigenschaft ergibt. In dieses Konzept des Zwangsvollstreckungsrechts, nur das Verfahren der zwangsweisen Verwertung vorausgesetzter, subjektiver Rechte zu normieren, fügt sich § 857 ZPO ein. Das erhellt gerade das hier analysierte Tatbestandsmerkmal, das eben ein anderes Vermögensrecht als Forderungen und das Eigentum an beweglichen Sachen betrifft und nicht etwa Güter oder das Vermögen im Allgemeinen348. Folgerichtig unterliegen etwa rein tatsächliche Geschäftsbeziehungen349, das Unternehmen als Inbegriff von Rechten und Gütern mit einem eigenständigen Wert als Einheit (Goodwill)350 und insbesondere die bloß faktisch exklusive Internet-Domain als solche nicht der Zwangsvollstreckung: „Eine Internet-Domain als solche ist kein „anderes Vermögensrecht“ i.S. von § 857 I ZPO. Der Domain kommt keine etwa mit einem Patent-, Marken- oder Urheberrecht vergleichbare ausschließliche Stellung zu. Diese Rechte zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihrem Inhaber einen Absolutheitsanspruch gewähren, der vom Gesetzgeber begründet worden ist und nicht durch Parteivereinbarung geschaffen werden kann. Eine Internet-Domain ist lediglich eine technische Adresse im Internet. Die ausschließliche Stellung, die darauf beruht, dass von der DENIC eine Internet-Domain nur einmal vergeben wird, ist allein technisch bedingt. Eine derartige, rein faktische Ausschließlichkeit begründet kein absolutes Recht i.S. von § 857 I ZPO …“351. 347 Gegen Breidenbach, CR 1989, 1074, 1077 (auf den Bestand eines Vermögensrechts komme es im Rahmen des § 857 ZPO nicht an). Wie hier Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 173 (das Bestehen eines Rechts werde vorausgesetzt). 348 Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 422; Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 173; Zimmermann, Immaterialgüterrechte in der Zwangsvollstreckung, 150 f.; Birner, Internet-Domain als Vermögensrecht, 18, 35. 349 BGHZ 32, 103, 105 f. (1960). 350 RGZ 70, 226, 227 f. (1909); RGZ 95, 235, 237 f. (1919) (das deutsche Recht erkenne zwar ein Recht am Unternehmen und eine Veräußerung an, aber keine Pfändung und erst recht keine Zwangsvollstreckung in das Unternehmen, weil das deutsche Zwangsvollstreckungsrecht keinen Weg eröffne, eine derartige Vollstreckung vorzunehmen; eine Rechtsfortbildung wird abgelehnt, weil weder eine überwiegende Anschauung dies so sehe noch eine Zwangsvollstreckung in das Unternehmen ratsam sei); bestätigt von RGZ 134, 91, 98 (1931); BGHZ 32, 103, 105 (1960); BGH MDR 1963, 308; Lüke, in: Wieczorek/Schütze, § 857 ZPO Rn. 9; Blomeyer, Vollstreckungsverfahren, 82; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 528; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 857 ZPO Rn. 14. 351 BGH NJW 2005, 3353 f.; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 32.3; Brox/ Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 422; Brehm, in: Stein/Jonas, § 857 ZPO Rn. 2; Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, § 857 ZPO Rn. 3 (tatsächlicher oder wirtschaftlicher Zustand kein Vermögensrecht); Lüke, in: Wieczorek/Schütze, § 857 ZPO Rn. 9; Becker, in: Musielak, § 857 ZPO Rn. 2; Smid, in: MünchKomm, § 857 ZPO Rn. 9; Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 173.
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Grundvoraussetzung der Pfändbarkeit ist mithin die Existenz eines – nach hiesiger Terminologie – Ausschließlichkeitsrechts, das sich aus der sonstigen Rechtsordnung ergeben muss, nicht nur aus einer privatautonomen Verkehrsübung352. Dem Vermögenswert als solchem kommt hingegen nur sekundäre Bedeutung zu353. Es soll im formalisierten Vollstreckungsverfahren nicht in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die Rechtsposition tatsächlich einen Marktwert aufweist. Auf dieses unsichere Kriterium abzustellen, würde nicht nur die Haftungsgrundlage erweitern, sondern – und das wird häufig nicht beachtet – dem Schuldner auch die Möglichkeit eröffnen, eigentlich pfändbare Rechte dem Zugriff der Gläubiger mit der Behauptung zu entziehen, sie seien im konkreten Fall wertlos. Den Gläubigerinteressen an einer effizienten und schnellen Vollstreckung wäre damit eher geschadet als genützt. Im Rahmen der Analyse des Insolvenzrechts wird zudem zu zeigen sein, dass die Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf subjektive Rechte und eben nicht das Vermögen als Ganzes ein Aspekt eines abgestuften Gesamtsystems der Schuldenhaftung im deutschen Recht ist: Solange der Schuldner nicht zahlungsunfähig bzw. überschuldet ist, können nur einzelne Vermögensrechte zwangsweise verwertet werden. Zu einer Universalbeschlagnahme des Vermögens unter Entziehung der Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis kommt es erst in der Insolvenz354. Der Zusatz des „Vermögens“ hat demnach nur die Funktion, solche subjektiven Rechte von der Zwangsvollstreckung auszunehmen, die nicht einmal einen potentiellen Vermögenswert aufweisen, weil es sich z.B. nur um Hilfsansprüche eines nicht gepfändeten Hauptanspruchs handelt355. Für derartige Rechte soll das staatliche Verfahren nicht eröffnet werden, weil sie von vornherein nicht geeignet 352 Siehe für die praktische Übung, Arzneimittelzulassungen zu „übertragen“ BGH NJW 1990, 2931, 2932; ferner BGH NJW-RR 2007, 1219, 1220 (Übertragbarkeit des zu pfändenden Rechts bestimme sich nach Maßgabe der einschlägigen Gesetze); Hessisches FG WM 1998, 2430, 2432 (rechtliche, nicht wirtschaftliche Kontoinhaberschaft relevant). 353 Siehe RGZ 52, 227, 230 f. (1902) (das Patent habe seinem Wesen und seiner Bestimmung nach, „wenn auch nicht immer tatsächlich, einen Vermögenswert“); BGHZ 154, 64, 69 (2003) (Vermögenswert als zusätzliches Kriterium der Pfändbarkeit von Gestaltungsrechten, nicht als originäre Voraussetzung); OLG Stuttgart NZM 2002, 884 (die Frage nach dem Vermögenswert des Rechts sei nicht entscheidend); Brehm, in: Stein/Jonas, § 857 ZPO Rn. 7; Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 191 f.; zu pauschal Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 22.3 (nicht pfändbar seien Gegenstände, die keinen Geldwert haben); a.A. Hubmann, FS Lehmann II, 812, 813 ff. (zur Zwangsvollstreckung in Persönlichkeitsrechte). 354 Unten E. 355 Siehe RGZ 74, 78, 79 ff. (1910) (Anspruch auf Herausgabe des Hypothekenbriefs unabhängig vom Anspruch auf die gesicherte Forderung kein eigenständig realisierbarer Vermögenswert); BGHZ 45, 162, 168 (1966) (das Recht zur Kündigung einer Versicherung habe keinen Vermögenswert); OLG Stuttgart NZM 2002, 884 (Möglichkeit der Verwertung genüge); LG Dresden JW 1938, 3062; LG Hannover NJW 1959, 1279 (keine Verwertbarkeit eines Anspruchs auf Herabsetzung von Verbindlichkeiten des Schuldners); AG Sinzig NJW-RR 1986, 967 (Anspruch auf Kündigung und Umwandlung einer Versicherung); Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 528; Brehm, in: Stein/Jonas, § 857 ZPO Rn. 3; Lüke, in: Wieczorek/Schütze, § 857 ZPO Rn. 18; Becker, in: Musielak, § 857 ZPO Rn. 2; Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 173.
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sind, zur Befriedigung des Gläubigers beizutragen. Da dieser Gesichtspunkt bei der materiellrechtlichen Übertragbarkeit keine Rolle spielt, spricht § 413 BGB trotz seiner vielfältigen Bezüge zu § 857 Abs. 1 ZPO356 nur von „anderen Rechten“ und nicht von „anderen Vermögensrechten“. Immerhin lassen sich § 857 Abs. 1 ZPO die allgemeinen Anforderungen an die Struktur und den Inhalt eines „anderen Vermögensrechts“ entnehmen; hiermit steckt die Norm die Reichweite des Vollstreckungsverfahrens in konstitutiver Weise ab. Wenn das Gesetz insoweit von der Vollstreckung in derartige Rechte spricht, steht dahinter die Vorstellung eines materiellrechtlich definierten, „räumlich“ begrenzten Schutzbereichs, der von der Vollstreckung und ihren Voraussetzungen zu unterscheiden ist357. Auch deshalb überzeugt es nicht, das Vorliegen eines Vermögensrechts i.S.d. § 857 Abs. 1 ZPO von einer Interessenabwägung abhängig zu machen und damit letztlich Vollstreckungsgegenstand und -voraussetzungen zu identifizieren358. Außerdem stellen nur ex ante klar konturierte Rechte wie Forderungen und Ausschließlichkeitsrechte eine positive, statische Vermögenszuordnung in bestimmtem Umfang dar, auf die der Gläubiger zugreifen und in die ein anderer einrücken kann359. Rechtspositionen, die in negativ-abwehrender Weise künftige Handlungsfreiheiten und Entfaltungsspielräume schützen, sind dagegen keine „anderen Vermögensrechte“, weil deren Einbeziehung zu Mitwirkungspflichten des Schuldners360 und zu einer erheblichen Einschränkung der Erwerbsmöglichkeiten führen würde, die dem Schuldner doch erst nach dem endgültigen Scheitern in der Insolvenz – und auch dann nicht vollständig – genommen werden361. 356
Siehe dazu Jakobs/Schubert, Sachenrecht 2, 1035. Walker, in: Schuschke/Walker, § 857 ZPO Rn. 2. 358 Gegen Sosnitza, JZ 2004, 992, 997. 359 Siehe RGZ 52, 227, 229 (1902) (Recht auf Erteilung des angemeldeten Patents, das gem. § 6 PatG a.F. übertragbar war); RGZ 63, 214, 216 (1906) (Anspruch auf Befriedigung aus dem Versteigerungserlös als pfändbares Forderungsrecht); RGZ 70, 226, 228 (1909) (§ 857 ZPO beziehe sich „nur auf einzelne Vermögensrechte“); RGZ 74, 78, 82 f. (1910); RGZ 82, 227, 229 (1913) (Pfändbarkeit künftiger Forderungen entsprechend der Übertragbarkeit bei vorhandener rechtlicher Grundlage); RGZ 95, 235, 236 ff. (1919) (Zeitschriftentitel und Unternehmen keine selbständig veräußerlichen Rechte); BGHZ 45, 162, 165 ff. (1966) (Bezugsberechtigung als Forderungsrecht des Begünstigten); BGH NJW 1989, 2536, 2538 (Anspruch auf Rückgewähr einer Grundschuld); BGHZ 125, 334, 337 (1994) (Pfändung des Patents und der Patentanmeldung); OLG Stuttgart NZM 2002, 884 (keine Pfändung ohne eigenständiges „dingliches Recht“); AG Sinzig NJW-RR 1986, 967 (künftige Forderung); Lüke, in: Wieczorek/Schütze, § 857 ZPO Rn. 30 (Rechte, nicht aber bloß tatsächliche Erwerbsaussichten und Erwartungen); Blomeyer, Vollstreckungsverfahren, 83; Repenn, NJW 1994, 175 (Pfändbarkeit des selbständig übertragbaren Markenrechts im Gegensatz zum Warenzeichenrecht). Differenzierend zur Pfändbarkeit von Gestaltungsrechten BGHZ 154, 64, 67 ff. (2003). 360 Das Zwangsvollstreckungsrecht zwingt den Schuldner nur zur Duldung, grundsätzlich nicht zur Mitwirkung; Blomeyer, Vollstreckungsverfahren, 82; Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 341. 361 Smid, in: MünchKomm, § 857 ZPO Rn. 9; für die persönliche Arbeitskraft Rosenberg/ Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 526 m.w.N.; für den Geheimnisschutz Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 177, 192 (Unpfändbarkeit als Schutz vor informationeller Fremdbestimmung). 357
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Aus diesem Grunde können bloße Handlungsmöglichkeiten wie eine Arzneimittelzulassung362 und widerrufliche Vollmachten oder Einziehungsermächtigungen nicht gepfändet werden363: Sie sichern dem Schuldner nicht statisch Vermögenswerte, sondern verbessern nur die Chancen auf künftigen Erwerb. Deliktsrechtliche Rechtspositionen wie der Schutz von Geheimnissen, wettbewerbsrechtliche Nachahmungsverbote und das aPR in seiner klassischen Ausprägung erfüllen weder die genannten formalen noch die sachlich-inhaltlichen Anforderungen an ein „anderes Vermögensrecht“. Sie beruhen auf einer positiven, einzelfallabhängigen Feststellung der Rechtswidrigkeit und damit ihres Schutzbereichs, sind als solche unübertragbar und bezwecken nicht den statischen Güter- und Vermögensschutz, sondern die Wahrung der freien Entfaltung der Person364. Dass ein unveräußerliches Recht gem. § 857 Abs. 3 ZPO in Ermangelung besonderer Vorschriften der Pfändung insoweit unterworfen ist, als die Ausübung einem anderen überlassen werden kann, steht der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen, sondern bestätigt sie. Die Vorschrift hat schon ihrer systematischen Stellung nach nicht den Zweck, die Zwangsvollstreckung über die in Absatz 1 genannten, anderen subjektiven Rechte hinaus auf Rechtspositionen zu erweitern, die nicht selbständig übertragbar sind und nur im Wege schuldrechtlicher Gestattungsverträge versilbert werden können365. Sie dient vielmehr dazu, eigentlich unpfändbare, weil unübertragbare subjektive Rechte (siehe § 851 Abs. 1 ZPO) zumindest insoweit der Haftungsmasse zuzuführen, als eine schuldrechtliche Überlassung möglich ist366. Damit bekräftigt § 857 Abs. 3 ZPO 362
BGH NJW 1990, 2931, 2932 f. Allgemein BGH NJW-RR 2007, 1219, 1220; ferner BayObLG BayObLGZ 1978, 194, 195 (eine Vollmacht sei nur pfändbar, wenn die Erteilung der Vollmacht dem Erwerb von Vermögenswerten durch den Vollmachtgeber diene); Hessisches FG WM 1998, 2430, 2432 (Vollmacht unpfändbar, weil sie nur für den Vollmachtgeber rechtliche Wirkungen zeitigen könne); BAG DB 1980, 835, 837 (widerrufliche Einziehungsermächtigung); LG Leipzig Rpfleger 2000, 401 (privatrechtliche Einziehungsermächtigung habe ohne die betroffene Forderung für sich gesehen keinen Vermögenswert, weil die bloße Einziehungsermächtigung dem Gläubiger keinen Zugriff auf den Forderungsbetrag ermögliche). 364 So auch Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 174, 340. 365 Für das Unternehmen als „Gegenstand“ eines Verpflichtungsgeschäfts, aber als mangels einheitlichen Rechts am Unternehmen nicht pfändbare Gesamtheit RGZ 70, 226, 231 (1909). Verkannt von OLG Dresden LZ 1910, 332, 334 (ohne ein absolutes Recht am Unternehmen hänge ein darüber geschlossenes „obligatorisches Rechtsgeschäft gegenstandslos in der Luft“). Die Gegenauffassung vermengt häufig Verpflichtung und Verfügung, indem der mehrdeutige Begriff der „Veräußerung“ verwendet wird; siehe Hubmann, FS Lehmann II, 812, 819 f. (Veräußerung eines Geschäfts; Übertragung bzw. Verkauf von Persönlichkeitsrechten). 366 BGHZ 62, 133, 136 f. (1974) (zum Nießbrauch als gem. § 857 Abs. 3 ZPO der Pfändung unterliegendes, unübertragbares, aber der Ausübung nach zu überlassendes Recht; hierin erschöpfe sich der Zweck der Norm). Zu § 857 Abs. 4 ZPO BGHZ 62, 133, 135 f. (1974); BGHZ 166, 1, 5 (2006). Denselben Zweck verfolgt § 851 Abs. 2 ZPO, indem verhindert werden soll, dass der Schuldner durch einfache Abrede mit dem Drittschuldner jeglichen Gläubigerzugriff auf den Vermögenswert der Forderung vereitelt; siehe BGHZ 56, 228, 232 f. (1971); BGHZ 95, 99, 101 f. (1985); Hüßtege, in: Thomas/Putzo, § 851 ZPO Rn. 1; Stöber, in: Zöller, § 857 ZPO Rn. 2. 363
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die Abhängigkeit des Zwangsvollstreckungsrechts von der Existenz unverletzt gedachter, selbständiger Rechte, die eben ausnahmsweise unübertragbar sein können367. Auf genau diese Sonderfälle wird die Vorschrift denn auch angewandt368. Trotz der funktionalen Unterschiede zwischen Einzelvollstreckung und rechtsgeschäftlicher Übertragung modifiziert das Zwangsvollstreckungsrecht auch insoweit die in Frage kommenden Verwertungsarten nicht: Ein unübertragbarer Nießbrauch verwandelt sich in der Zwangsvollstreckung nicht plötzlich in einen übertragbaren; jedoch soll dem Gläubiger die Überlassung zur Ausübung zugute kommen, weil der Nießbraucher-Schuldner diese Verwertungsoption ebenfalls hatte369.
IV. Ergebnisse 1. Pfändung nur selbständiger subjektiver Rechte Die Ausführungen haben ergeben, dass das 8. Buch der ZPO zwar die Einzelzwangsvollstreckung auf eine gesetzliche Grundlage stellt und insoweit durchaus konstitutiv für die potentielle Reichweite des Vollstreckungsverfahrens ist. Das gilt auch für § 857 Abs. 1 ZPO, der „andere Vermögensrechte“ dem Zugriff des Gläubigers unterwirft. Hierin erschöpft sich jedoch die Tragfähigkeit des Zwangsvollstreckungsrechts.
367 BGHZ 154, 64, 68 f. (2003) (keine Pfändung unselbständiger Gestaltungsrechte); BGH NJW-RR 2007, 1219, 1220; KG OLGZ 1994, 113, 114 (keine gesonderte Pfändung des gem. § 952 BGB mit dem Eigentum am PKW verbundenen Fahrzeugbriefs); OLG Nürnberg MDR 2001, 1133 f. (keine Pfändung unselbständiger Nebenrechte einer Forderung); OLG Stuttgart NZM 2002, 884 (verselbständigter, übertragbarer Vermögensgegenstand erforderlich); LG Leipzig Rpfleger 2000, 401; Jauernig/Berger, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, 76; Brehm, in: Stein/ Jonas, § 857 ZPO Rn. 3; Becker, in: Musielak, § 857 ZPO Rn. 2; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 32.1; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 424; Walker, in: Schuschke/ Walker, § 857 ZPO Rn. 3; Lüke, in: Wieczorek/Schütze, § 857 ZPO Rn. 1, 30; Blomeyer, Vollstreckungsverfahren, 84, 279; Birner, Internet-Domain als Vermögensrecht, 20 (erforderlich sei ein selbständiges Vermögensrecht). Die Übertragbarkeit darf auch nicht dergestalt eingeschränkt sein, dass die Übertragung nur an bestimmte Personen möglich ist; siehe BGH NJW-RR 2001, 1552, 1553 (Teilnahmeberechtigung am Ligabetrieb, die nur an Vereine übertragen werden könne); LG Memmingen Rpfleger 1998, 120 (unpfändbares Milchkontingent, das nur an Personen übertragen werden könne, die ihrerseits Milch oder Milcherzeugnisse liefern); großzügiger BGH NJW-RR 2007, 1219, 1220 (eine eingeschränkte Übertragbarkeit sei im Rahmen der zulässigen Vollstreckungsmaßnahmen zu berücksichtigen). 368 Übersicht etwa bei Walker, in: Schuschke/Walker, § 857 ZPO Rn. 2; Stöber, in: Zöller, § 857 ZPO Rn. 12 ff.; zur Pfändung des Nießbrauchs RGZ 74, 78, 83 (1910); BGHZ 62, 133, 134 ff. (1974); BGHZ 166, 1, 3 ff. (2006); zur besonderen persönlichen Dienstbarkeit BGH NJW 1999, 643, 644 (grundsätzlich unübertragbares Wohnrecht); zur Firma BGHZ 32, 103, 105 (1960) (allerdings aufgrund der „vermögensrechtlichen“ bzw. „persönlichkeitsrechtlichen“ Natur der Firma); Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 423; Lüke, in: Wieczorek/Schütze, § 857 ZPO Rn. 12; Schmidt-von Rhein, in: AK, § 857 ZPO Rn. 15. 369 Zur Unterscheidung zwischen Verpfändung und Pfändung Mot. III, 852 f.; ferner BGHZ 62, 133, 138 (1974); Blomeyer, Vollstreckungsverfahren, 279.
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Insbesondere lässt sich die Pfändbarkeit konkreter „Vermögensrechte“ im Einzelfall nicht auf § 857 Abs. 1 ZPO stützen. Vielmehr verweist das Zwangsvollstreckungsrecht als formelles Verfahrensrecht auf die materielle Güterordnung, deren Verwirklichung mithilfe staatlicher Gewalt es bezweckt. Dem rechtfertigungsbedürftigen und daher begrenzten Zugriff der Gläubiger sind nur extern begründete subjektive Rechte unterworfen, die selbständig übertragbar und verpfändbar sein und in bestimmtem Umfang positiv-exklusive Befugnisse mit potentiellem Vermögenswert zuweisen müssen370. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, bestimmt sich nach Maßgabe der einschlägigen gesetzlichen Regelung bzw. – soweit die Privatrechtssubjekte selbst subjektive Rechte in Gestalt von Forderungen begründen können – nach der vertraglichen Vereinbarung371. Mit diesen gerade in § 857 ZPO zum Ausdruck kommenden Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts ist es unvereinbar, faktische Güter, Vermögenswerte oder nur deliktsrechtlich konturierte Rechtspositionen für pfändbar zu erachten. Ebenso wenig wie das materielle Rechtsverkehrsrecht stellt das 8. Buch der ZPO damit eine Rechtsgrundlage zur Verfügung, auf die sich Gerichte stützen können, um die Pfändbarkeit „neuer“ Güter zu begründen. Eine solche gesetzliche Fundierung ist aber wegen des Eingriffs in Grundrechte des Schuldners erforderlich. Letztgenannter Gesichtspunkt signalisiert, dass die hier vertretene Auffassung nur bei oberflächlicher Betrachtung als leerer, sich scheinbar verzweifelt an die positive Regelung klammernder Formalismus verworfen werden kann. Die Gegenmeinung, die nicht selten mit dem Brustton der Überzeugung auftritt, die „wahren“ Verkehrsinteressen erkannt zu haben, und die deshalb das Zwangsvollstreckungsrecht für ausbaufähig und wandelbar hält, hat häufig nur rhetorische Taschenspielertricks wie die begründungslose Identifizierung von faktischem
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BGH NJW 1990, 2931, 2932 (pfändbar gem. § 857 Abs. 1 ZPO seien nur „selbständige Vermögensrechte“); zur Internet-Domain BGH NJW 2005, 3353 f.; LG München MMR 2001, 319 ff.; offengelassen noch von LG München MMR 2000, 565 f.; ferner zur Pfändbarkeit von Gestaltungsrechten BGHZ 154, 64, 68 ff. (2003); Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 197 (erst müsse gefragt werden, ob ein pfändbares Recht vorliege, bevor man auf etwaige Einschränkungen der Pfändbarkeit aus persönlichkeitsrechtlichen Erwägungen einzugehen habe). 371 In diesem Sinne RGZ 52, 227, 230 f. (1902) (der Begriff des Vermögensrechts bestimme sich nach dem durch das Gesetz gegebenen Inhalt eines Rechts, hier des Rechts aus der Anmeldung einer Erfindung); RGZ 70, 226, 228 (1909) (für die Anerkennung eines einheitlichen Rechts am Unternehmen sei eine gesetzliche Bestimmung erforderlich); BGHZ 32, 103, 105 f. (1960) (die gesetzliche Unübertragbarkeit der Firma losgelöst vom Geschäftsbetrieb gem. § 23 HGB schließe die Pfändbarkeit dieses Vermögensrechts aus); BGH NJW 2005, 3353 f. (kein absolutes Recht an der Domain); OLG Stuttgart NZM 2002, 884 (für das behauptete Sondernutzungsrecht am Gemeinschaftseigentum fehle es an der ausreichenden gesetzlichen Grundlage); Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 173 (ob ein pfändbares Recht vorliege, ergebe sich aus der Rechtsordnung). Zutreffend auf die Norm zur Übertragbarkeit von Patent und Patentanmeldung abstellend BGHZ 125, 334, 337 (1994) (Rechte, die übertragbar seien, seien auch pfändbar); für die Pfändbarkeit von Gestaltungsrechten in diesem Sinne BGHZ 154, 64, 68 f. (2003); a.A. OLG Dresden LZ 1910, 332, 334.
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Gut und subjektivem Recht zu bieten372. Sie scheut – wie etwa im Hinblick auf die Internet-Domain – den Aufwand, pfändbare Vollstreckungsgegenstände zu identifizieren373, und bleibt eine Erklärung schuldig, aufgrund welcher Kriterien über die Zuordnung von Vermögenswerten zum Schuldner und dann ggf. zum Gläubiger zu entscheiden ist, wenn nicht nach Maßgabe der materiellen Güterordnung. Insbesondere würde der Vorwurf eines verständnislosen Positivismus neuerlich verkennen, dass hinter abstrakten Strukturen einer fortgeschrittenen Rechtsordnung materiale Wertungen stehen, die zur Geltung gebracht werden, wenn man diese Strukturen erkennt und umsetzt. Das gilt gerade für das Zwangsvollstreckungsrecht, das ganz gezielt an formale, intersubjektiv überprüfbare Voraussetzungen wie das pfändbare subjektive Recht gekoppelt wurde, um im Interesse aller Beteiligten ein verlässliches, vorhersehbares und einfaches Verfahren zur Durchsetzung von Forderungen zu etablieren374. Müsste in jedem Einzelfall geprüft werden, ob ein Gut vermögenswert ist oder ideelle Interessen des Schuldners überwiegen, wären diese Ziele unerreichbar. Bedeutsame sachliche Erwägungen stehen ferner hinter den vielfältigen Begrenzungen der Einzelvollstreckung, die durch eine uferlose Ausweitung der Haftungsmasse überwunden würden. So wahrt zum Beispiel die Unpfändbarkeit bloßer Handlungsmöglichkeiten und Erwerbschancen die Interessen des Schuldners, weiterhin von seinen Entfaltungsspielräumen Gebrauch machen zu können und nicht in eine Art Schuldknechtschaft zur Befriedigung der Gläubiger zu geraten375. Auch wenn eine effiziente und möglichst vollständige Durchsetzung von Forderungen für eine funktionierende Privatrechtsordnung unverzichtbar ist, darf der Blick nicht einseitig auf die Befriedigung der Gläubigerinteressen gerichtet sein, sondern muss die Belange des Schuldners mit einbeziehen376. Das gilt für den Gesetzgeber nicht anders als für den Rechtsanwender, der den kodifizierten Interessenausgleich nicht nachträglich zugunsten singulärer Belange verschieben darf. Nur wenn man diese Bindung abstreift, kann man etwa zum gerade wer372 So BGHZ 16, 172, 175 (1955) – Dücko (der Gemeinschuldner habe „auf Grund seines im Betriebe benutzten Geheimverfahrens ein Ausschlußrecht, das ihm im Verletzungsfall Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche aus § 823 BGB und § 17 UWG gewährte … Dieses Recht stellt einen Vermögenswert dar, der durch den Konkursverwalter … übertragen werden konnte.“); OLG Dresden LZ 1910, 332, 334 (das Unternehmen sei ein „immaterielles Gut“, das „Gegenstand eines einheitlichen, an ihm bestehenden absoluten subjektiven Rechts ist“; Hervorh. v. Verf.); immerhin zweifelnd Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 157 mit Fn. 1. 373 Siehe BGH NJW 1990, 2931, 2933 (die Schwierigkeiten bei der Pfändung bestehender Privatrechte seien eine „normale Obliegenheit“ des Gläubigers, die eine Anerkennung neuer pfändbarer Rechte nicht tragen könne). 374 Siehe für die Pfändbarkeit des Unternehmens, die jedenfalls daran scheitere, dass die Zwangsvollstreckung in Grundstücke, bewegliche Sachen und Forderungen sich nach je anderen Weisen vollziehe RGZ 95, 235, 237 f. (1919). 375 Zutreffend Smid, in: MünchKomm, § 857 ZPO Rn. 9 (gerade weil die Rechtsordnung dem Bürger Handlungsmöglichkeiten garantieren wolle, seien diese nicht als pfändbare Rechte ausgestaltet worden). 376 Aus verfassungsrechtlicher Sicht unten § 11 C II 2 b.
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tungsmäßig äußerst zweifelhaften Resultat gelangen, die Gläubiger von Prominenten dürften zur Befriedigung ihrer Geldforderungen vorhandene Bilder und den Namen des Schuldners ohne dessen Zustimmung in der Werbung für eigene oder fremde Produkte benutzen377. Bei einer primär ergebnisorientierten, von der gesetzlichen Regelung losgelösten Analyse drohen nicht nur Aspekte wie die Selbstbestimmung des Schuldners auf der Strecke zu bleiben. Auch Wertungen des Gesamtsystems der Einzel- und Gesamtvollstreckung werden konterkariert. Im folgenden Abschnitt zum Insolvenzrecht ist nämlich zu zeigen, dass die Gläubiger als Gemeinschaft – und nicht wie in der Zwangsvollstreckung als Einzelne – durchaus auf weitere Vermögenswerte als nur selbständige subjektive Rechte zugreifen können. Dazu zählen insbesondere das Unternehmen als Inbegriff von Rechten und Gütern einschließlich des Goodwill, Betriebsgeheimnisse und gegen Nachahmung geschützte, eigenartige Produkte378. Diese verkörperten Marktchancen sollen dem Schuldner aber erst genommen werden, wenn er zahlungsunfähig bzw. überschuldet ist. Bis dahin beschränkt sich die Haftungsmasse auf das statisch Erworbene in Gestalt subjektiver Vermögensrechte. Hinter dieser abgestuften Vermögenshaftung steht die Wertung, dass der Schuldner Verbindlichkeiten so lange wie möglich durch eigenverantwortliches Handeln bedienen soll. Dafür bedarf er aber gewisser Freiräume und materieller Grundlagen, zu denen das Gesetz eben das Unternehmen als Einheit, Betriebsgeheimnisse und insbesondere die eigene Arbeitskraft zählt. 2. Anwendung auf „neue“ Güter in der Zwangsvollstreckung Vor diesem Hintergrund überzeugt es aus der Sicht des Zwangsvollstreckungsrechts nicht, die Internet-Domain, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, Persönlichkeitsmerkmale und andere „neue“ Güter bzw. die hieran bestehenden Rechtspositionen der Zwangsvollstreckung zu unterwerfen. Denn nach den bisherigen Ergebnissen bestehen an ihnen keine selbständigen subjektiven Rechte, die zwangsweise auf den Gläubiger oder Dritte übertragen werden könnten. Dieser Umstand wird insbesondere von § 857 ZPO nicht behoben: a) Internet-Domain Im Hinblick auf die Internet-Domain als bloß faktische Exklusivität ist dieses Resultat vom Bundesgerichtshof bereits ausgesprochen worden379. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Vermögenswert der Internet-Domain dem Zugriff der Gläubiger entzogen wäre. Denn nach Auffassung der Rechtsprechung und herr377 Siehe Sosnitza, JZ 2004, 992, 1000 ff. Gegen die mit dieser Auffassung verbundenen Ergebnisse auch Zimmermann, Immaterialgüterrechte in der Zwangsvollstreckung, 155. 378 Siehe zur Unpfändbarkeit von an den Betrieb gebundenen Ansprüchen Walker, in: Schuschke/Walker, § 857 ZPO Rn. 4; Brehm, in: Stein/Jonas, § 857 ZPO Rn. 3; Lüke, in: Wieczorek/Schütze, § 857 ZPO Rn. 12; Smid, in: MünchKomm, § 857 ZPO Rn. 10. 379 Oben § 4 B IV 2.
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schenden Meinung können die schuldrechtlichen Ansprüche des Inhabers einer Internet-Domain gegenüber der Registrierungsstelle DENIC380 oder wegen des ohne weitere Voraussetzungen von der DENIC akzeptierten Inhaberwechsels sogar die Vertragsstellung als solche gepfändet werden381, soweit nicht ausnahmsweise namensrechtliche Bedenken bestehen, die Internet-Domain einer anderen Person als dem Schuldner zuzuweisen382. Im Pfändungsverfahren ist die DENIC als Drittschuldnerin gem. §§ 857 Abs. 1, 829 ZPO zu beteiligen, da ihre Konnektierungsleistung zur Ausübung des gepfändeten Rechts erforderlich ist383. Die Verwertung erfolgt dann entweder durch Überweisung des Konnektierungsanspruchs an Zahlungs Statt zu einem Schätzwert384 oder gem. §§ 857 Abs. 1, 844 ZPO durch Versteigerung bzw. freihändigen Verkauf385. Die zwangsweise Realisierung des Vermögenswerts der Domain lässt sich also ohne Unterstellung eines 380 BGH NJW 2005, 3353 f.; LG Essen MMR 2000, 453 f.; LG Düsseldorf CR 2001, 468; LG Mönchengladbach NJW-RR 2005, 439; AG Langenfeld/Rhld. CR 2001, 477; AG Bad Berleburg CR 2003, 224 f.; Brock, Zwangsvollstreckung in Internet-Domains, 111 ff.; Welzel, MMR 2001, 131 ff. m.w.N.; Kleespies, GRUR 2002, 764, 767 ff.; Herrmann, Zwangsvollstreckung in die Domain, 76 ff.; Schmittmann, DGVZ 2001, 177 ff.; Hanloser, CR 2001, 344, 345; ders., CR 2001, 456, 458; Berger, Rpfleger 2002, 181, 182 f.; Becker, in: Musielak, § 857 ZPO Rn. 13a; ferner Hombrecher, MMR 2005, 647, 651 f. Anders bzw. unscharf die Begründung bei Plaß, WRP 2000, 1077, 1081 (Domain als ein „sonstiges vermögenswertes Recht“); LG Düsseldorf CR 2001, 468 (die Internet-Domain sei veräußerlich und damit als Vermögensrecht nach § 857 ZPO pfändbar). Prinzipiell gegen die Pfändbarkeit LG München MMR 2001, 319 ff.; offengelassen von LG München MMR 2000, 565 f. 381 Herrmann, Zwangsvollstreckung in die Domain, 93 ff.; Berger, Rpfleger 2002, 181, 182; Hartig, Domain als Verfügungsgegenstand, 110; ders., GRUR 2006, 299, 300 f.; im Ergebnis ebenso, allerdings auf die „schuldrechtlichen Ansprüche“ des Inhabers an der Domain abstellend, LG Mönchengladbach NJW-RR 2005, 439; differenzierend Brock, Zwangsvollstreckung in Internet-Domains, 113 (alle Teilansprüche des Domain-Inhabers). 382 Zu persönlichkeitsrechtlichen Grenzen der Pfändbarkeit im Einzelfall LG Mönchengladbach NJW-RR 2005, 439 m.w.N.; Brock, Zwangsvollstreckung in Internet-Domains, 129; Herrmann, Zwangsvollstreckung in die Domain, 114 ff. m.w.N.; Berger, Rpfleger 2002, 181, 183 ff.; Plaß, WRP 2000, 1077, 1083; Lwowski/Dahm, WM 2001, 1135, 1141 f.; Koos, MMR 2003, 359, 362; für generellen Ausschluss der Pfändbarkeit aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen aber LG München MMR 2000, 565 f. 383 LG Düsseldorf CR 2001, 468; Becker, in: Musielak, § 857 ZPO Rn. 13a; Hanloser, CR 2001, 344, 345; Plaß, WRP 2000, 1077, 1084; Herrmann, Zwangsvollstreckung in die Domain, 107 ff.; Schmittmann, DGVZ 2001, 177, 180; Berger, Rpfleger 2002, 181, 185; Hartig, GRUR 2006, 299, 301; Birner, Internet-Domain als Vermögensrecht, 166; a.A. Viefhues, MMR 2000, 286, 289; Lwowski/Dahm, WM 2001, 1135, 1142; wohl auch Welzel, MMR 2001, 131, 136 f. (es bestehe kein Anlass dazu, die DENIC als Drittschuldnerin anzusehen). 384 BGH NJW 2005, 3353, 3354; zweifelnd Hanloser, CR 2001, 456, 458 (hierfür fehle es regelmäßig am Leistungsinteresse des Gläubigers); Herrmann, Zwangsvollstreckung in die Domain, 144 ff.; anders Plaß, WRP 2000, 1077, 1084 (der Gläubiger könne bei einer Überweisung zur Einziehung den Vertrag des Schuldners kündigen und seine eigene Registrierung beantragen); für Überweisung an Erfüllungs Statt Berger, Rpfleger 2002, 181, 185. 385 AG Bad Berleburg CR 2003, 223 f.; LG Mönchengladbach NJW-RR 2005, 439; Plaß, WRP 2000, 1077, 1084 f.; Welzel, MMR 2001, 131, 138; Herrmann, Zwangsvollstreckung in die Domain, 148 ff.; Schmittmann, DGVZ 2001, 177, 180; Berger, Rpfleger 2002, 181, 185; Hartig, Domain als Verfügungsgegenstand, 140; ders., GRUR 2006, 299, 301; a.A. Hanloser, CR 2001, 344, 345; wohl auch ders., CR 2001, 456, 458 (zeitweise Übertragung auf zahlungsbereiten Dritten).
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„absoluten“ Rechts an der Domain systemkonform und unproblematisch erreichen386. Die anfänglichen Unsicherheiten im Umgang mit diesem „neuen“ Gut und die fast schon reflexartige Zuflucht bei einem ungeschriebenen Domainrecht sind wie die Probleme bei der Bewältigung der rechtsgeschäftlichen Verwertung von virtuellen Gütern aus Online-Spielen387 darauf zurückzuführen, dass es an einer allgemeinen Güterzuordnungsdogmatik fehlt. Eine solche verspricht Klärung gerade im Hinblick auf die zulässigen Gestaltungsmöglichkeiten im Rechtsverkehr388. b) Geheimnisse Diese Zusammenhänge lassen sich auch am Beispiel der Pfändbarkeit nicht patentierten Geheimwissens zeigen. Da nach den bisherigen Ergebnissen Betriebsgeheimnisse nur deliktsrechtlich vor Verrat und Verwertung geschützt sind389, scheidet eine Zwangsvollstreckung mangels „Vermögensrechts“ aus390. Es fehlt an einem subjektiven Recht, das gepfändet, überwiesen und verwertet werden kann. Deshalb geht auch der Verweis der Dücko-Entscheidung auf die Pfändung noch nicht angemeldeter Erfindungen fehl391. Denn soweit eine Erfindung die materiellen Schutzvoraussetzungen des Patent- oder Gebrauchsmusterrechts erfüllt, steht dem Erfinder kraft Gesetzes gem. §§ 6 f. PatG, 13 Abs. 3 GebrMG das Recht auf das Patent bzw. Gebrauchsmuster zu. Dieses hat den Inhalt, dass kein Dritter die Erfindung ohne Zustimmung des Erfinders für sich zum Patent/Gebrauchsmuster anmelden und eintragen darf392. Da es mit diesem Inhalt übertragbar ist (§§ 15 Abs. 1 PatG, 22 Abs. 1 GebrMG), stellt es ein grundsätzlich pfändbares Vermögensrecht gem. § 857 Abs. 1 ZPO und nach hiesiger Terminologie ein Ausschließlichkeitsrecht dar393. Hiervon unberührt bleibt das einschränkende 386 Brock, Zwangsvollstreckung in Internet-Domains, 130 f. (die Zwangsvollstreckung in Internet-Domains könne auf der Grundlage der ZPO befriedigend durchgeführt werden); Herrmann, Zwangsvollstreckung in die Domain, 177 ff. (keine Notwendigkeit für eine gesetzliche Regelung der Pfändung von Domains). 387 Oben A I. 388 Siehe unten § 14 B. 389 Nachweise oben §§ 4 B V 2; 7 A, F. 390 Ebenso Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 175, 340 (allerdings aufgrund eines numerus clausus der übertragbaren Rechte und nicht wie hier aufgrund zwangsvollstreckungsrechtlicher Argumente). 391 Siehe BGHZ 16, 172, 175 (1955) – Dücko (mit Verweis auf KG JW 1930, 2803). Dies gilt schon deshalb, weil der BGH eine Pfändbarkeit unabhängig davon bejaht, ob das Geheimwissen patentfähig ist oder nicht. 392 Siehe die §§ 8 PatG, 13 Abs. 3 GebrMG. Zu Ansprüchen des Erfinders aus Eingriffskondiktion und Geschäftsanmaßung gegen denjenigen, der die Erfindung unberechtigt für sich eintragen lässt, oben §§ 8 D II 2 b cc, 3 b cc; 9 D III. 393 Oben § 1 C I 2. Mit zutreffendem Verweis auf § 15 Abs. 1 S. 2 PatG für die Pfändbarkeit des Patents und der Patentanmeldung wie hier BGHZ 125, 334, 337 (1994); ebenso mit Verweis auf die Regelungen des PatG differenzierend die h.M., siehe Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 486; Walker, in: Schuschke/Walker, § 857 ZPO Rn. 39; Brehm, in: Stein/Jonas, § 857 ZPO Rn. 20;
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Erfordernis, dass die Erfindung äußerlich niedergelegt und der Erfinder erkennbar den Willen geäußert haben muss, die technische Neuerung im Wege der Patentierung zu verwerten394. Ohnehin führt die Pfändung dieses inhaltlich beschränkten Vermögensrechts keinesfalls dazu, dass der Gläubiger wie nach der Dücko-Entscheidung anschließend ein vollumfängliches Ausschließlichkeitsrecht an der Erfindung innehat, weil die Zwangsvollstreckung keine Änderung der gepfändeten Rechte herbeiführt395. Wollte man das Geheimnis als solches der Einzelvollstreckung unterwerfen, würden sich zudem unüberwindliche praktische Schwierigkeiten ergeben. Der Gläubiger ist darauf angewiesen, in den Besitz der Unterlagen oder Maschinen zu gelangen, in denen das Geheimnis verkörpert ist. Welche das sind, wissen weder er noch der Gerichtsvollzieher396. Wenn der Gerichtsvollzieher aus dem Beschluss erfährt, welchen Inhalt des Geheimnis hat und welche Sachen er dazu an sich nehmen soll, ist der Geheimnischarakter und damit der begehrte Vermögenswert entfallen397. Außerdem sollen Geschäftsunterlagen gerade dann, wenn sie wertvolles Know-how enthalten, gem. § 811 Nr. 11 ZPO unpfändbar sein, weil die Pfändung solcher Papiere zu einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung der Betätigungsfreiheit des Schuldners führt398. Das Unternehmen und die darin verkörperten immateriellen Werte, an denen keine statischen Vermögensrechte bestehen, sind die Grundlage für künftigen Erwerb. Sie stehen den Gläubigern erst im Insolvenzverfahren zur Verfügung, das die Bemühungen des Schuldners um eigenverantwortliche Schuldentilgung abbricht. Bis zur Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung können einzelne Gläubiger nur auf die Forderungen und sonstigen Vermögensrechte zugreifen, die der Schuldner durch Einsatz etwa seines Geheimwissens erworben hat. Auf diesem Umweg wird der Vermögenswert des
394 Lüke, in: Wieczorek/Schütze, § 857 ZPO Rn. 62; Becker, in: Musielak, § 857 ZPO Rn. 12; Smid, in: MünchKomm, § 857 ZPO Rn. 16; Pinzger, ZZP 60 (1936/37), 415 ff.; unpräzise die allgemeine Rede vom „Erfinderrecht“ bei Zimmermann, Immaterialgüterrechte in der Zwangsvollstreckung, 214 ff. 394 Siehe KG JW 1930, 2803 (Zeichnungen, Modelle, die die Verwertungsabsicht erkennen lassen); Walker, in: Schuschke/Walker, § 857 ZPO Rn. 39; Lüke, in: Wieczorek/Schütze, § 857 ZPO Rn. 63; Becker, in: Musielak, § 857 ZPO Rn. 12; Pinzger, ZZP 60 (1936/37), 415, 417 f. (kein Zwang zur Veröffentlichung durch Pfändung des Rechts auf das Patent); Blomeyer, Vollstreckungsverfahren, 294; Tetzner, JR 1951, 166; Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 335 ff. Die Anmeldung der Erfindung genügt hierfür in jedem Fall; siehe RGZ 52, 227, 232 (1902). Zur Unzulässigkeit der Pfändung des Erfindernennungsrechts (§§ 37, 63 PatG) BGH GRUR 1978, 583, 585 m.w.N.; Zimmermann, Immaterialgüterrechte in der Zwangsvollstreckung, 223. 395 Ebenso für die Pfändung der Patentanmeldung, die sich ihrem Inhalt nach jedoch auch auf das später erteilte Patent erstrecken kann, BGHZ 125, 334, 338 f. (1994). Zur Gesamtvollstreckung in diesem Sinne unten E III. 396 Erkannt von Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 161 (im Einzelfall möge die Zwangsvollstreckung ins Leere fallen). 397 Verkannt von Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 162. 398 OLG Frankfurt BB 1979, 136, 137.
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Geheimnisses letztlich doch der Zwangsvollstreckung unterworfen399. Anders als in der Gesamtvollstreckung entscheidet aber noch der Schuldner selbst, auf welchem Wege er das Geheimnis zu Geld machen möchte. Die Pfändung von Betriebsgeheimnissen zu bejahen, verkennt daher das gestufte Verhältnis zwischen Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht. c) Persönlichkeitsrechte Schließlich lehnt die vollstreckungsrechtliche Literatur zu Recht die Zwangsvollstreckung in Persönlichkeitsrechte ab400. Nach hier vertretener Auffassung ergibt sich dies aus dem Umstand, dass das aPR kein selbständiges Recht, sondern ein offener, deliktsrechtlich konturierter Tatbestand ist. Für die Fortentwicklung dieses negativ-abwehrenden Schutzes in ein übertragbares Ausschließlichkeitsrecht an Persönlichkeitsmerkmalen fehlt zumindest in der Privatrechtsordnung die Grundlage. Vorbehaltlich einer entsprechenden Legitimation aus der Verfassung bzw. einem allgemeinen Rechtsprinzip der Güterzuordnung ist das aPR rechtsgeschäftlich nicht übertragbar und zählt daher auch nicht zum haftenden Vermögen in der Einzelvollstreckung. Vor diesem Hintergrund ist die von Sosnitza vorgeschlagene Zwangsvollstreckung in die „vermögenswerten Bestandteile“ des Persönlichkeitsrechts analog der §§ 113 ff. UrhG ebenfalls abzulehnen. Demnach seien bekannte Persönlichkeiten verpflichtet zu dulden, dass ein Verwalter Dritten gestattet, bereits vorhandene Abbildungen und den Namen des Schuldners in nicht herabsetzender Werbung zu benutzen. Mit den erzielten Einnahmen seien anschließend die Ansprüche des Gläubigers zu bedienen401. Für einen solchen Analogieschluss fehlt bereits die rechtliche Vergleichbarkeit zwischen dem Urheberrecht am Werk und dem Schutz der Person durch das aPR. Das Urheberrechtsgesetz ist auf bestimmte Immaterialgüter zugeschnitten und eignet sich daher prinzipiell nicht für eine analoge Anwendung auf andere Güter wie das Bildnis und den Namen402. Ferner unterschlägt Sosnitza, dass sich die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung in das Urheberrecht gem. § 112 UrhG grundsätzlich nach den „allgemeinen Vorschriften“, insbesondere nach § 857 ZPO, richtet403. Bereits dieses Eingangstor in die §§ 113 ff. UrhG passiert das aPR jedoch nicht, weil es kein „anderes Vermögensrecht“ darstellt.
399 Ebenso zur Unpfändbarkeit der Arzneimittelzulassung, deren Vermögenswert dem Gläubiger über die Pfändung privater subjektiver Rechte im Hinblick auf Herstellung und Vertrieb des Arzneimittels (Patente, Lizenzen) zukomme, BGH NJW 1990, 2931, 2932 f.; entsprechend die Argumentation für unpfändbare Milchkontingente von LG Memmingen Rpfleger 1998, 120. 400 Siehe nur etwa Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 525 f.; Baur/Stürner/ Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 32.1; Walker, in: Schuschke/Walker, § 857 ZPO Rn. 2; Lüke, in: Wieczorek/Schütze, § 857 ZPO Rn. 10; Becker, in: Musielak, § 857 ZPO Rn. 2. 401 Sosnitza, JZ 2004, 992, 998 ff. („strukturelle[n] Parallelität von Urheberrecht und allgemeinem Persönlichkeitsrecht“); Bungart, Dingliche Lizenzen, 149 (analog § 113 UrhG). 402 Oben § 5 C. 403 Walker, in: Schuschke/Walker, § 857 ZPO Rn. 5.
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Wiederum stehen hinter dieser scheinbar formalistischen Argumentation materiale Wertungen. Insbesondere wird verhindert, dass die Person in verfassungswidriger Weise mit Hilfe staatlicher Gewalt als Mittel zum Zweck der Schuldentilgung in Dienst genommen und insoweit die von Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG garantierte individuelle Selbstbestimmung aufgehoben wird404. Soll zur Vermeidung unverhältnismäßiger Eingriffe in den verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsschutz umfassend geprüft und abgewogen werden, welche zwangsweisen Nutzungen zulässig sind405, untergräbt man wiederum die Effizienz des Vollstreckungsverfahrens und gibt den Gläubigern Steine statt Brot.
E. Insolvenz I. Einführung Die Suche nach einer tragfähigen Rechtsgrundlage für die Zwangsvollstreckung in „neue“ Güter ist demnach erfolglos geblieben. Eine solche ist auch für das Insolvenzverfahren erforderlich, das dazu dient, die Gläubiger des Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder eine andere Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird (§ 1 S. 1 InsO)406. Fraglich ist insbesondere, was unter das haftende „Vermögen“ des Schuldners fällt, denn hierauf erstrecken sich die Zwangsbefugnisse des Insolvenzverwalters407. Insoweit fällt auf, dass Rechtsprechung und Literatur die Reichweiten der Einzelvollstreckung und des Insolvenzverfahrens häufig gleich bemessen408, so dass 404 Gregoritza, Persönlichkeitsrechte Verstorbener, 192 f. (schwerwiegende Verletzung des von Art. 1, 2 Abs. 2 GG garantierten Selbstbestimmungsrechts); Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 213; Ahrens, Verwertung, 483 (da das Persönlichkeitsrecht nicht translativ übertragbar sei). 405 Siehe Sosnitza, JZ 2004, 992, 1001 (bei Überschreitung der Grenzen der zulässigen Verwertung könne sich der Schuldner gem. § 766 ZPO an das Vollstreckungsgericht wenden). 406 Häsemeyer, Insolvenzrecht, 204 (der Zwangszugriff müsse im Vergleich zur Einzelvollstreckung noch intensiviert werden); Stürner, in: MünchKomm, Einleitung InsO, Rn. 88 ff. 407 Dazu oben A II. 408 Siehe RGZ 52, 227, 231 (1902) (Pfändbarkeit und Konkursbeschlag des Rechts auf Erteilung des Patents); BGHZ 56, 228, 233 (1971) (unübertragbare Forderungen fallen nicht in die Konkursmasse); BGHZ 95, 99, 101 (1985); OLG Dresden LZ 1910, 332, 334 (was der Konkursverwalter veräußern könne, müsse auch der Zwangsvollstreckung unterliegen); BayObLG BayObLGZ 1978, 194, 195 (vom Konkursbeschlag würden nur die der Zwangsvollstreckung unterliegenden Gegenstände erfasst); LSG Nordrhein-Westfalen MDR 1997, 756 f. (Kassenarztzulassung in Konkurs und Zwangsvollstreckung); Walker, in: Schuschke/Walker, § 857 ZPO Rn. 1 (in Einzel- und Gesamtvollstreckung stehe das „gesamte Vermögen“ zur Verfügung); Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 173; Birner, Internet-Domain als Vermögensrecht, 18 (Gleichlauf der Vermögenshaftung); Freudenberg, Zwangsvollstreckung in Persönlichkeitsrechte, 154. Auf die „nicht unverbrüchliche“ Gleichsetzung von pfändungsfreien und konkursfreien Gegenständen verweist RGZ 134, 91, 98 (1931). Zum Zusammenhang zwischen Einzel- und Gesamtvollstreckung allgemein Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 5 f.; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 1.9.
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das negative Ergebnis für die Gesamtvollstreckung vorgezeichnet wäre. Im vorstehenden Abschnitt wurde jedoch bereits darauf hingewiesen, dass zwischen der Durchsetzung einzelner Forderungen und einem Insolvenzverfahren grundsätzliche Wertungsdifferenzen bestehen, die sich möglicherweise auch auf die Frage auswirken, welche Rechtspositionen und Güter verwertet werden können. Daher gilt es näher zu prüfen, ob „neue“, vermögenswerte Güter ohne Rücksicht auf die daran bestehenden Rechtspositionen zur Insolvenzmasse gehören409. Prominentestes Beispiel einer gerichtlichen Entscheidung, die diesen Schritt vollzog und damit ungeschriebene, jedenfalls in der Gesamtvollstreckung umlauffähige Rechte anerkannte, ist die Dücko-Entscheidung zum nicht patentierten Betriebsgeheimnis410. Auch wenn das Urteil noch zur Konkursordnung erging, sind seine Aussagen weiterhin von Bedeutung, weil die Insolvenzmasse nach denselben Kriterien definiert wird wie früher die Konkursmasse411. Die maßgebliche Passage der Entscheidung sei hier wörtlich wiedergegeben: „Wenngleich ein Konkursverwalter nicht zu Lasten des Gemeinschuldners neue Verpflichtungen eingehen kann, so ist er doch berechtigt, mit bindender Wirkung gegenüber dem Gemeinschuldner Ansprüche und Rechte zu übertragen, die einen Bestandteil des Geschäftsvermögens bilden und daher zur Masse gehören. Ein absolutes Recht auf ausschließliche Benutzung des Geheimverfahrens besaß der Schuldner D. allerdings nicht. Denn einer Erfindung kommt nur dann eine dingliche Ausschlußwirkung gegenüber Dritten zu, wenn sie angemeldet und bekanntgemacht ist. Bis zu diesem Zeitpunkt … kann ein durch das Patentgesetz geschützter Anspruch nicht erhoben werden. Gleichwohl besaß der Schuldner auf Grund seines im Betriebe benutzten Geheimverfahrens ein Ausschlußrecht, das ihm im Verletzungsfall Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche aus § 823 BGB und § 17 UWG gewährte … Dieses Recht stellt einen Vermögenswert dar, der durch den Konkursverwalter in vollem Umfange und mit allen aus ihnen sich ergebenden Ansprüchen übertragen werden konnte. In der … Entscheidung des Beschwerdegerichts … ist zutreffend ausgeführt, daß ein Geheimverfahren schon dann aufhöre, ein der Zwangsvollstreckung nicht unterliegendes Persönlichkeitsrecht zu sein, wenn der Erfinder seine Absicht, die Erfindung wirtschaftlich zu verwerten, kundgetan und damit zu erkennen gegeben habe, daß er selbst seine Erfindung als Vermögenswert ansehe und ausbeute … In einem solchen Falle gehört das Geheimverfahren in der Tat, gleichgültig ob ihm eine patentfähige Erfindung zugrunde liegt oder nicht, zum Geschäftsvermögen und fällt damit in die Konkursmasse, da es nunmehr ein wenigstens der Ausübung nach übertragbares Vermögensrecht (§ 857 ZPO) darstellt … Das hat aber zur Folge, daß der Erwerber dieses Vermögensrechts die gleiche Rechtsstellung erlangt, die ehedem der Schuldner besessen hat. Dem Erwerber steht hiernach auch das Recht zu, Dritten, die seine Geheimsphäre verletzen, die Benutzung des Verfahrens zu verbieten. Dieses Recht besteht auch dem Gemeinschuldner gegenüber. Insoweit ist die Rechtslage keine andere, als wenn der Gemeinschuldner selbst das Verfahren durch Vertrag an einen Dritten veräußert und sich damit
409 410
Zur Abgrenzung von der Frage der Insolvenzfestigkeit von Rechtspositionen oben D I. Oben § 4 B V. Zu den zwangsvollstreckungsrechtlichen Aussagen der Entscheidung oben
D IV. 411
Näher unten II 2.
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des eigenen Rechts auf Benutzung begeben hätte. Auch der Gemeinschuldner macht sich daher eines Eingriffs in das die Geheimhaltung schützende Recht des Erwerbers auf ungestörte Ausübung des Gewerbebetriebs schuldig … Ein Betriebsgeheimnis ist oft wertvoller als ein gewerbliches Schutzrecht … und bildet in der Form eines Geheimverfahrens häufig den wesentlichen Wert des Betriebes. Würde dem Gemeinschuldner, der aus eigenem Entschluß seine Erfindung zu einem Bestandteil seines Geschäftsvermögens gemacht hat, gestattet sein, nach der Veräußerung durch den Konkursverwalter weiterhin nach dem Verfahren zu arbeiten, so würde er es für die Gläubiger völlig entwerten können, zumal er berechtigt bliebe, das Verfahren auch anderen mitzuteilen, die es ihrerseits zu Wettbewerbszwecken verwerten dürften. Es würde also allein von dem Belieben des Schuldners abhängen, ob der Konkursverwalter in der Lage ist, den vielleicht wesentlichsten Vermögensbestandteil der Masse, von dem der Kredit des Betriebs maßgeblich bestimmt gewesen sein kann, zu veräußern. Das kann nicht zugelassen werden. Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, daß frühere Angestellte die erworbenen Kenntnisse von einem Betriebsgeheimnis zu ihrem Fortkommen nach ihrem Ausscheiden aus dem Betriebe weiter verwenden und es in diesem Rahmen auch anderen mitteilen dürfen … Denn diese einem Angestellten gewährte Befugnis … kann bei der anders gearteten Sachlage nicht auch einem Betriebsinhaber zugestanden werden, der das Geheimnis zu einem wertvollen Bestandteil seines Betriebsvermögens gemacht hat. Ist dies einmal geschehen, so muß es auch in vollem Umfange und uneingeschränkt dem Zugriff der Gläubiger unterliegen. Ihnen muß daher auch das Recht gewährleistet sein, jeden Dritten und damit auch den Schuldner selbst von der Benutzung des Verfahrens auszuschließen.“412.
Der Bundesgerichtshof formuliert hier ein regelrechtes Gewebe aufeinander bezogener Gesichtspunkte, die sich nur schwer entziffern lassen. Ausgangspunkt ist jedenfalls ein „Ausschlussrecht“ am Geheimverfahren, aus dem bei Verletzungen Ansprüche gem. §§ 823, 17 UWG a.F. erwachsen. Hierbei handelt es sich nicht um eine genuin konkursrechtliche Erwägung. Vielmehr behauptet das Gericht ein vorbestehendes, primäres Recht am Geheimnis. Hierfür bietet das Privatrecht nach den bisherigen Ergebnissen insbesondere zum Deliktsrecht des BGB und des UWG jedoch keinen Anhaltspunkt. Ob das Grundgesetz oder ein allgemeines Rechtsprinzip der Güterzuordnung zu dieser Aussage legitimieren, wird noch zu prüfen sein. Schon eher konkursrechtlichen Gehalt haben die folgenden Aussagen, die sich mit zwei voneinander zu unterscheidenden Aspekten beschäftigen. Der erste betrifft die Frage, warum das Geheimnis in die Konkursmasse fällt und daher dem Gläubigerzugriff unterliegt. Offenbar hält der Bundesgerichtshof insoweit den faktischen Vermögenswert des Geheimnisses und seine Qualifikation als Vermögensrecht aufgrund der Verwertung durch den Schuldner für konstitutiv. Es schließt sich die Erwägung an, dass der Erwerber des Unternehmens wegen der „Veräußerung“ des Geheimnisses durch den Verwalter die „gleiche Rechtsstellung“ erlangt habe wie zuvor der Schuldner, der daher seinerseits das Geheimverfahren nicht mehr ohne Zustimmung des Erwerbers benutzen dürfe. Außerdem 412
BGHZ 16, 172, 174–176 (1955) – Dücko.
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gebiete es das Interesse der Gläubiger, dem Schuldner diesen erheblichen Vermögenswert zu entziehen. Während die unbegründete Ausgangsannahme eines primären „Ausschlussrechts“ nicht im hiesigen Rahmen des Rechtsverkehrsrechts, sondern endgültig unter Berücksichtigung eines allgemeinen Rechtsprinzips der Güterzuordnung zu klären ist, lassen sich die konkursrechtlichen Argumentationsteile in zwei Komplexe zerlegen: Erstens wird zu prüfen sein, ob das Insolvenzrecht und namentlich die §§ 35 f. InsO den Insolvenzbeschlag im Einzelfall aufgrund „interner“ Wertungen konstituieren, und ob hierfür der aufgrund eigener Vermarktungsaktivitäten des Schuldners erkennbare Vermögenswert eines Gutes ausschlaggebend ist (dazu II). Zweitens ist fraglich, ob die Eröffnung des Insolvenzverfahrens materiellrechtliche Wirkungen zeitigt, so dass der Insolvenzverwalter in die Lage versetzt wird, über eine an sich unübertragbare Rechtsposition zu verfügen (dazu III).
II. Die Reichweite des Insolvenzbeschlags In der Dücko-Entscheidung geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass auch vermögenswerte Güter, an denen nur eine unpfändbare, deliktsrechtliche Rechtsposition besteht, der Gesamtvollstreckung unterfallen. Unter Geltung der Insolvenzordnung ist hierfür § 35 Abs. 1 InsO maßgeblich, wonach das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen erfasst, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse). Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehören nicht zur Insolvenzmasse (§ 36 Abs. 1 S. 1 InsO). 1. Das subjektive Recht als Gegenstand der Insolvenzmasse Auf den ersten Blick spricht viel dafür, dass sich das Insolvenzrecht wie das Zwangsvollstreckungsrecht auf selbständige subjektive Rechte und nicht auf Vermögenswerte oder Güter bezieht413. So zählt zur Insolvenzmasse nur, was dem Schuldner „gehört“ (§ 35 Abs. 1 InsO)414. Dafür maßgeblich sind zum einen „dingliche oder persönliche Rechte“, aufgrund derer Gegenstände aus der Istmasse ausgesondert werden können (§ 47 InsO)415. Auch die derivativen Absonderungsrechte bestehen, wie sich aus den bisherigen Erkenntnissen des Rechts413
Abweichend hiervon § 254 Abs. 1 S. 2 InsO (Begründung, Änderung usw. von „Rechten an Gegenständen“; also Gegenstand i.S.v. Rechtsobjekt). 414 Siehe Häsemeyer, Insolvenzrecht, 205 f. (die in die Insolvenzmasse fallenden Rechte müssten dem Schuldner zustehen). 415 Häsemeyer, Insolvenzrecht, 211. Siehe zur Aussonderungen von nicht dem Schuldner zustehenden Forderungen BGH NJW-RR 1989, 252; ferner BGHZ 127, 156, 161 (1994) (die Aussonderung setze voraus, dass ein Gegenstand faktisch zur Istmasse zähle, aber rechtlich nicht zur Sollmasse gehöre); RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, 124 (nur Gegenstände, die rechtlich nicht zur Insolvenzmasse gehören, unterliegen einem Aussonderungsanspruch).
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verkehrsrechts ergibt, an einzelnen Rechten des Schuldners, nämlich solchen, die der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegen (§ 49 InsO), mit Pfandrechten belastet (§ 50 InsO) oder sicherungsübereignet sind (§ 51 Nr. 1 InsO)416. Wenn das Gesetz hier und an anderer Stelle417 von der „Sache“ und nicht vom „Eigentum“ spricht, handelt es sich also erneut um eine terminologische Ungenauigkeit, die in den Immaterialgüterrechtsgesetzen bereits vermieden wurde418. Der Fokus auf subjektive Rechte wird ferner in den vielfältigen Regelungen zur Verfügungsbefugnis des Schuldners erkennbar, die ihrerseits ein übertragbares Recht impliziert419. Folglich ist anerkannt, dass sich die Insolvenzmasse jedenfalls auf alle Forderungen und Ausschließlichkeitsrechte erstreckt, die auch der Einzelvollstreckung unterliegen420. Dass die Insolvenzmasse möglicherweise sogar auf solch selbständige, übertragbare Rechte beschränkt ist, scheint § 36 Abs. 1 S. 1 InsO zum Ausdruck zu bringen. Wenn nämlich „Gegenstände“, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, auch nicht in die Insolvenzmasse fallen, liegt der Schluss nahe, dass sich das Insolvenzrecht wie die Einzelvollstreckung eben nicht auf solche Güter und Vermögenswerte erstreckt, die wie Geheimnisse nur deliktsrechtlich gegen unerlaubte Nutzung geschützt werden421. Für eine derartige Kongruenz beider 416 Siehe zur Verwertungsbefugnis im Hinblick auf Gegenstände mit Absonderungsrechten die §§ 165 ff. InsO (unbewegliche Gegenstände, bewegliche Sachen und Forderungen); ferner § 28 Abs. 2 InsO (die Gläubiger werden im Eröffnungsbeschluss aufgefordert, ihre „Sicherungsrechte an beweglichen Sachen oder an Rechten des Schuldners“ sowie den „Gegenstand, an dem das Sicherungsrecht beansprucht wird“, anzugeben). 417 Z.B. § 36 Abs. 2, 3 InsO. 418 Siehe die §§ 29 Abs. 3 S. 1 MarkenG (das durch die Eintragung einer Marke begründete Recht), 30 Abs. 3 GeschmMG (Recht an einem Geschmacksmuster). Dass die EG-Verordnungen zu den Gemeinschaftsrechten dasselbe meinen, zeigen allein ihre Verweise auf die Registrierung der jeweiligen Ausschließlichkeitsrechte; siehe Art. 21 GMVO, 31 GeschmMVO, 25 SortSchVO. 419 Siehe die §§ 22 Abs. 1 S. 1, 80 f. InsO und Bork, Insolvenzrecht, Rn. 106; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 818 ff. Siehe auch die §§ 32 f. (Eintragung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in die die Eigentumslage dokumentierenden Register), 91 InsO (Auffangtatbestand zum Ausschluss des gestreckten Erwerbs von „Rechten an den Gegenständen der Insolvenzmasse“ nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Verweis auf § 892 BGB); dazu BGH NJW 2006, 915 f. (eine aufschiebend bedingte Übertragung von Nutzungsrechten aus der Zeit vor der Verfahrenseröffnung falle nicht unter die Norm). Zur KO Hahn, Materialien Reichs-Justizgesetze 4, 45. 420 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, 109 („Vermögensrechte[n], die Gegenstand des Insolvenzverfahrens sind …“); ferner z.B. RGZ 52, 227, 230 (1902) (Recht auf das Patent und Recht auf Erteilung des Patents); BGHZ 72, 39, 41 (1978) (Miterbenanteil, nicht aber der Anteil an den einzelnen Nachlassgegenständen); BGHZ 92, 339, 341 (1984); BGH WM 1998, 1037, 1038 f. (Anwartschaftsrecht auf das Geschmacksmuster); BGH NJW 2006, 1127, 1128 (pfändbare Steuererstattungsansprüche); Keller, Insolvenzrecht, Rn. 213 ff.; Lwowski, in: MünchKomm, § 35 InsO Rn. 16; Lüdtke, in: Hamburger Kommentar, § 35 InsO Rn. 13 ff. (sämtliche subjektiven Rechte). 421 Siehe etwa BGHZ 56, 228, 233 (1971) („im Grundsatz“ wie im Zwangsvollstreckungsrecht); BGHZ 95, 99, 101 f. (1985); BGHZ 141, 173, 175 (1999); BGH ZIP 2001, 1248 (unpfändbare Forderungen seien „grundsätzlich“ konkursfrei); BayObLG BayObLGZ 1978, 194, 195. Auch die Immaterialgüterrechtsgesetze regeln die Immaterialgüterrechte in der Insolvenz systematisch in engem Zusammenhang mit der Pfändbarkeit; siehe die §§ 29 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 MarkenG; 30 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 GeschmMG; Art. 20 f. GMVO; 30 f. GeschmMVO; 24 f. SortSchVO.
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Rechtsbereiche spricht ferner, dass die Einzelzwangsvollstreckung in das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen während der Dauer des Insolvenzverfahrens sowie im Rahmen seiner gesetzlichen Vorwirkungen ausgeschlossen ist422. Erst nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens können die Insolvenzgläubiger ihre restlichen Forderungen wieder uneingeschränkt im Wege der Zwangsvollstreckung geltend machen423. Folglich scheinen jeweils dieselben Vermögensmassen betroffen zu sein. 2. Sonstige Vermögenswerte als Gegenstand der Insolvenzmasse Dieser Schein trügt. Der Vorrang der Gesamtvollstreckung macht nämlich gerade dann Sinn, wenn die Insolvenzmasse mehr umfasst als pfändbare Forderungen und Ausschließlichkeitsrechte. Und tatsächlich steht hinter dem Ausschluss der Einzelvollstreckung der Gedanke, dass ein weiterer Wettlauf einzelner Gläubiger um eine erfolgreiche, nach dem Prioritätsprinzip erfolgende Zwangsvollstreckung eine Verschleuderung des Schuldnervermögens heraufbeschwört und zu spät kommende Gläubiger leer ausgehen würden, wenn der Schuldner zur vollen Befriedigung aller Gläubiger nicht mehr in der Lage ist424. Zu diesem Zweck wird dem Schuldner nicht nur durch Verstrickung die Befugnis zur Verfügung über einzelne subjektive Rechte genommen, sondern die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis hinsichtlich der Insolvenzmasse geht umfassend auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO)425. Anschließend werden die Gläubiger ohne Rücksicht auf die Priorität in einem geordneten Verfahren gleichmäßig befriedigt (par conditio creditorum)426. Dieser im Vergleich zur Einzelvollstreckung weitergehende Zweck des Insolvenzrechts wird im Wege der Universalexekution des „gesamten Vermögens“ einschließlich des sog. Neuerwerbs verwirklicht (§ 35 Abs. 1 InsO)427. Das Insolvenzverfahren dient nicht der effizienten Durchsetzung bestimmter Forde-
422 Siehe die §§ 21 Abs. 2 Nr. 3, 88 f. InsO; BGHZ 155, 75, 80 ff. (2003); Bork, Insolvenzrecht, Rn. 128; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 996 ff. 423 Siehe die §§ 201, 257 InsO. 424 Siehe RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, 73 („Insolvenz ist diejenige schwerwiegende Gefährdung der Gläubigerinteressen, die es rechtfertigt, die Verfügungsrechte über das Schuldnervermögen grundsätzlich den Gläubigern zuzuweisen.“); zur ökonomischen Rechtfertigung des Verbots der Einzelvollstreckung in der Insolvenz RegE InsO, a.a.O., 77. Ferner Häsemeyer, Insolvenzrecht, 21 f.; Bork, Insolvenzrecht, Rn. 1; Schmerbach, in: Frankfurter Kommentar, § 1 InsO Rn. 1 f. 425 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, 74. 426 Siehe zur KO Hahn, Materialien Reichs-Justizgesetze 4, 44 f., 47; BGHZ 88, 147, 151 (1983). Zur InsO RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, 77; Prütting, in: Kübler/Prütting, Einleitung Rn. 74; Stürner, in: MünchKomm, Einleitung InsO, Rn. 62; Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, Rn. 96 ff.; Schmerbach, in: Frankfurter Kommentar, § 1 InsO Rn. 2; Bork, Insolvenzrecht, Rn. 2. 427 Lwowski, in: MünchKomm, § 35 InsO Rn. 1; Holzer, in: Kübler/Prütting, § 35 InsO Rn. 1. Zur Einbeziehung des Neuerwerb einerseits RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, 122, andererseits Hahn, Materialien Reichs-Justizgesetze 4, 48 ff., 519 ff., 643 ff.
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rungen, sondern vorrangig der Befriedigung aller persönlichen Gläubiger, die zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens einen begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (§§ 1, 38 InsO)428. An diesem, von den §§ 704 ff. ZPO abweichenden Ziel ist auch die Bestimmung der Insolvenzmasse auszurichten429. Jene wird in § 35 Abs. 1 InsO als das gesamte Schuldnervermögen definiert. Hiervon systematisch geschieden nimmt die folgende Norm unpfändbare Gegenstände von der Insolvenzmasse aus430. Schon dieser Aufbau des Gesetzes zeigt, dass § 36 Abs. 1 S. 1 InsO die Insolvenzmasse nicht konstitutiv festlegt, sondern die weiter reichende Insolvenzmasse in gewisser Hinsicht einschränkt, indem eigentlich dem Insolvenzbeschlag unterliegende Gegenstände doch als nicht zur Masse gehörig gekennzeichnet werden431. Die gegenteilige Lesart könnte nicht erklären, wieso bereits § 36 Abs. 2 InsO wieder über die Grenzen der Einzelvollstreckung hinausgreift und unpfändbare Gegenstände zur Insolvenzmasse rechnet432. § 36 InsO soll den Schuldner vor einem Verlust sämtlicher Vermögensgegenstände schützen und ihm einen unantastbaren Bereich persönlicher und lebensnotwendiger Güter bewahren433. Wegen dieser Ausrichtung auf Belange natürlicher Personen soll es in der Insolvenz juristischer Personen auf die Pfändbarkeit generell nicht ankommen434. Dem Verweis auf das Zwangsvollstreckungsrecht wurde bereits unter Geltung der Konkursordnung einschränkender Charakter zugeschrieben, obwohl § 1 KO die unmittelbare Kopplung beider Materien eigentlich noch deutlicher zum Ausdruck brachte als die Insol-
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Lehmann, ZZP 38 (1909), 68, 83 (Gesamtexekution); Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, Rn. 99; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 95 f. (Spezial vs. Generalexekution); Schmerbach, in: Frankfurter Kommentar, § 1 InsO Rn. 4. 429 Henckel, in: Jaeger, § 35 InsO Rn. 2; Lüdtke, in: Hamburger Kommentar, § 35 InsO Rn. 2. 430 Für zufällig hält diesen Aufbau Henckel, in: Jaeger, § 36 InsO Rn. 1 (der Rechtsausschuss habe gewollt, dass ein Paragraph nicht mehr als drei Absätze haben solle). 431 Henckel, in: Jaeger, § 35 InsO Rn. 2; Bäuerle, in: Braun, § 36 InsO Rn. 1; Peters, in: MünchKomm, § 36 InsO Rn. 1; Klopp/Kluth, in: Gottwald, Insolvenzrecht, § 24 Rn. 1; Holzer, in: Kübler/Prütting, § 36 InsO Rn. 1; Schumacher, in: Frankfurter Kommentar, § 35 InsO Rn. 5; Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, Rn. 491; Eickmann, in: Heidelberger Kommentar, § 35 InsO Rn. 1; Lüdtke, in: Hamburger Kommentar, § 36 InsO Rn. 1; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rn. 1322; Jauernig/Berger, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, 179 f. 432 Zur Konkursbefangenheit unpfändbarer Schuldbefreiungsansprüche BGH ZIP 2001, 1248 f. (diese seien nur dann massefrei, wenn die Unpfändbarkeit gerade dem Schutz des Gemeinschuldners diene). Zu entsprechenden Erweiterungen gemäß der KO Kalter, KTS 1975, 1, 2. 433 BGH NJW 2006, 2698, 2699. 434 Lüdtke, in: Hamburger Kommentar, § 36 InsO Rn. 5 f., 38 (§ 36 Abs. 1 InsO betreffe nur Pfändungsschranken, die dem sozialen Mindestschutz des Schuldners dienten); Klopp/Kluth, in: Gottwald, Insolvenzrecht, § 24 Rn. 2, § 25 Rn. 1 (in der Insolvenz juristischer Personen sei die Anknüpfung an die Frage der Pfändbarkeit rechtssystematisch nicht stimmig); Peters, in: MünchKomm, § 36 InsO Rn. 6 (Pfändungsschutzbestimmungen); zur KO in diesem Sinne bereits Schmidt/Schulz, ZIP 1982, 1015, 1018 (auch alle nicht der Einzelvollstreckung unterliegenden Vermögensbestandteile gehörten bei juristischen Personen und Handelsgesellschaften zur Masse); Heilmann, BB 1988, 1546, 1547.
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venzordnung435. Dennoch sah die Rechtsprechung bereits damals das als solches unpfändbare Unternehmen und dazu gehörende Beziehungen und Verhältnisse als konkursbefangen an436. Da die Insolvenzmasse nach dem Willen des Gesetzgebers nicht anders festgelegt werden soll als die Konkursmasse437, spricht auch diese historische Entwicklung für eine umfassende Vermögensbeschlagnahme unabhängig von den Grenzen des Zwangsvollstreckungsrechts438. Folgerichtig geht zur Beschlagnahme des Schuldnervermögens und seiner haftungsrechtlichen Zuweisung zu den Gläubigern gem. § 80 Abs. 1 InsO die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter über439. Unabhängig vom Streit um die theoretische Erfassung der Funktion des Insolvenzverwalters440 ist dem Gesetz zu entnehmen, dass es im Insolvenzverfahren nicht nur zu Verfügungen über subjektive Rechte, sondern zu weiteren Maßnahmen in Bezug auf die Insolvenzmasse kommt. Und tatsächlich ist der Insolvenzverwalter zunächst einmal befugt und sogar verpflichtet, das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen441 in Besitz und Verwaltung zu nehmen (§ 148 Abs. 1 InsO). Darüber hinaus behält der Schuldner zwar grundsätzlich seine Rechts- und Geschäftsfähigkeit, vermag sich in Bezug auf die Masse aber nicht einmal mehr zu verpflichten442. Wie sich aus § 55 Abs. 2 InsO ergibt, kann an seiner Stelle bereits der vorläufige Insolvenzverwalter443 im Rahmen der Verwaltungsbefugnis – also 435
§ 1 KO lautete: „Das Konkursverfahren umfaßt das gesamte, einer Zwangsvollstreckung unterliegende Vermögen des Gemeinschuldners, welches ihm zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört (Konkursmasse).“ Siehe Hahn, Materialien Reichs-Justizgesetze 4, 48 (unstreitig sei, dass das gesamte Vermögen des Schuldners dem Konkursverfahren unterworfen sein müsse und dass diejenigen Vermögensstücke auszunehmen seien, welche nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein könnten); ferner Hahn/Mugdan, Materialien Reichs-Justizgesetze 7, 232. 436 BGHZ 85, 221, 222 f. (1982) (unter Relativierung des Wortlautarguments). Vielmehr wurde der Verweis auf die Einzelvollstreckung eher so aufgefasst, dass jedenfalls in die Konkursmasse falle, was pfändbar sei; BGHZ 92, 339, 344 (1984); zur Insolvenzbefangenheit eingeschränkt übertragbarer und pfändbarer Forderungen BGHZ 141, 173, 176 ff. (1999). 437 Siehe RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, 122 (§§ 35 f. InsO entsprächen „inhaltlich“ dem bis dahin geltenden Konkursrecht); Henckel, in: Jaeger, § 35 InsO Rn. 1; Peters, in: MünchKomm, § 36 InsO Rn. 1. 438 Ebenso für die KO BGHZ 85, 221, 222 f. (1982). 439 Henckel, in: Jaeger, § 35 InsO Rn. 5; Lwowski, in: MünchKomm, § 35 InsO Rn. 22; Bork, Insolvenzrecht, Rn. 115; Lüdtke, in: Hamburger Kommentar, § 35 InsO Rn. 5; Holzer, in: Kübler/ Prütting, § 35 InsO Rn. 4 f. 440 Die Rechtsprechung vertritt seit jeher die Amtstheorie, wonach der Verwalter nicht gesetzlicher Vertreter des Schuldners ist, sondern Partei kraft Amtes; siehe BGH NJW 1955, 339 m.w.N.; BGHZ 44, 1, 4 (1965); Bork, Insolvenzrecht, Rn. 63 ff. Zur Kritik am Theoriestreit mit Verweis auf die ausschlaggebende Gesetzeslage Klopp/Kluth, in: Gottwald, Insolvenzrecht, § 22 Rn. 20 ff.; Kluth, NZI 2000, 351 ff.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 327 ff. 441 Siehe BayObLG BayObLGZ 1978, 194, 196 (wenn eine Vollmacht nicht in die Konkursmasse falle, könne der Konkursverwalter auch nicht die entsprechenden Rechtshandlungen vornehmen). 442 Häsemeyer, Insolvenzrecht, 635; Bork, Insolvenzrecht, Rn. 125. 443 Hierzu Haarmeyer, in: MünchKomm, § 22 InsO Rn. 64 ff.; Kirchhof, in: Heidelberger Kommentar, § 22 InsO Rn. 38; Schmerbach, in: Frankfurter Kommentar, § 22 InsO Rn. 61k ff.; Bork, Insolvenzrecht, Rn. 105; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rn. 633.
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in Bezug auf die beschlagnahmte Insolvenzmasse – Verpflichtungen eingehen, die den Gemeinschuldner sogar nach Abschluss des Verfahrens binden444. Dem Insolvenzverwalter wird per Gesetz eine Verpflichtungsermächtigung verliehen, die dem deutschen Recht als rechtsgeschäftliche Gestaltungsvariante wie gezeigt fremd ist445. Dieser Eingriff nicht nur in den statischen Bestand vorhandener Forderungen und Ausschließlichkeitsrechte, sondern auch in die allgemeine Handlungsfreiheit zum künftigen Erwerb ist Teil der normativen Haftungsordnung des Insolvenzrechts, das für den wirtschaftlich zusammengebrochenen Schuldner im Interesse der Gläubigerbefriedigung weitergehende Einschränkungen mit sich bringt als das Zwangsvollstreckungsrecht in der Zeit vor bzw. nach der Insolvenz446. Für die hiesige Thematik ist diese Wirkung des Insolvenzverfahrens von erheblicher Bedeutung. Die vom Insolvenzverwalter vereinbarte Verpflichtung kann sich nämlich sowohl auf subjektive Rechte (z.B. Verkauf des Eigentums oder einer Forderung) als auch auf „neue“ Güter beziehen, die sich überhaupt nur im Wege schuldrechtlicher Gestattungsverträge versilbern lassen447. Wenn der Verwalter aber schon mit den notwendigen Befugnissen ausgestattet wird, um den Wert jener Güter zu realisieren, dann wäre es inkonsequent, sie von der Insolvenzmasse auszunehmen. Das Prinzip der universellen Beschlagnahme des gesamten Vermögens entfaltet sich ferner auf der Ebene des internationalen Insolvenzrechts. Denn die vom Verwalter zu realisierende Sollmasse umfasst neben dem inländischen auch das im Ausland belegene Vermögen des Schuldners448. Während das Recht des Belegenheitsortes die zulässigen Zwangsmaßnahmen in der Insolvenz bestimmt449, regelt 444 BGH NJW 1955, 339 m.w.N.; Baur, FS Weber, 41, 50 (die Verwaltungs- und Rechtsmacht des Verwalters berechtige zur Verpflichtung des Schuldners auch für die Zeit nach Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses); Häsemeyer, Insolvenzrecht, 646 ff.; Ott, in: MünchKomm, § 80 InsO Rn. 8 f.; Eickmann, in: Gottwald, Insolvenzrecht, § 30 Rn. 40 (der Umfang der Rechtsmacht des Insolvenzverwalters sei durch den Insolvenzzweck bestimmt); App, in: Frankfurter Kommentar, § 80 InsO Rn. 6; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 209; Kuleisa, in: Hamburger Kommentar, § 80 InsO Rn. 24; Kluth, NZI 2000, 351, 354 (analoge Anwendung des § 164 BGB). Entsprechend für den Testamentsvollstrecker im Verhältnis zum Erben BGHZ 108, 187, 195 (1989). 445 Siehe BGH NJW-RR 2007, 624, 625 (der vorläufige Insolvenzverwalter könne ermächtigt werden, Betretungsverbote auszusprechen); Bettermann, JZ 1951, 321, 324 (mit zu weitgehenden Rückschlüssen auf die „dogmatische Nützlichkeit“ der allgemeinen Lehre von der Verpflichtungsermächtigung); hiergegen zu Recht Peters, AcP 171 (1971), 234, 239. Zur rechtsgeschäftlichen Verpflichtungsermächtigung oben B IV 3 b. 446 Häsemeyer, Insolvenzrecht, 18. 447 Allgemein unten § 14 B I. 448 Zur KO RGZ 54, 193 (1903); RGZ 153, 200, 206 (1937); BGHZ 68, 16, 17 (1976); BGHZ 88, 147, 150 (1983) (unter Hinweis auf das in § 1 KO niedergelegte Universalitätsprinzip); BGHZ 134, 79, 90 (1996) (extraterritoriale Erstreckung des inländischen Insolvenzverfahrens). Zur InsO Gottwald, in: Gottwald, Insolvenzrecht, § 135 Rn. 35; Becker, Insolvenzrecht, Rn. 386; Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, Rn. 491; Lwowski, in: MünchKomm, § 35 InsO Rn. 36 ff.; Schumacher, in: Frankfurter Kommentar, § 35 InsO Rn. 4. Ferner Art. 17 Abs. 1 Verordnung 1346/2000; dazu Balz, ZIP 1996, 948 ff. 449 RGZ 54, 193 (1903); BGHZ 68, 16, 17 (1976); Häsemeyer, Insolvenzrecht, 890 ff. (begrenztes Universalitätsprinzip); Gottwald, in: Gottwald, Insolvenzrecht, § 135 Rn. 41 ff. Entsprechend Art. 18 Abs. 3 Verordnung 1346/2000 und Balz, ZIP 1996, 948, 952.
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das Recht der Verfahrenseröffnung namentlich, welche Vermögenswerte zur Masse gehören450. Geht man davon aus, dass sich zumindest die gegen jedermann wirkenden Ausschließlichkeitsrechte aus der jeweiligen Rechtsordnung ergeben und folglich in ihrer Wirkung auf das Territorium des Staates beschränkt sind, in dem diese Rechtsordnung gilt451, dann offenbart diese extraterritoriale Wirkung der Verfahrenseröffnung ebenfalls eine Orientierung am potentiellen Vermögenswert und nicht an der formaljuristischen Zuordnung durch subjektive Rechte. Am Beispiel des Unternehmens in der Insolvenz bestätigen sich diese allgemeinen Anhaltspunkte. Als bloßer Inbegriff subjektiver Rechte und weiterer Güter kann das Unternehmen als solches nicht übertragen, verpfändet, mit einem Nießbrauch belastet und in der Zwangsvollstreckung gepfändet werden. Dagegen ist seit langem anerkannt, dass diese Vermögensgesamtheit einschließlich des Goodwill in die Insolvenzmasse fällt452, und der Insolvenzverwalter das Schuldnerunternehmen verkaufen kann453. Die Insolvenzordnung widmet sich dem Unternehmen im Insolvenzverfahren denn auch mehrfach ausdrücklich: Der vorläufige Insolvenzverwalter hat es grundsätzlich fortzuführen. Die „Veräußerung“454 des Unternehmens oder Betriebs durch den Insolvenzverwalter ist nur mit Zustimmung des Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung zulässig, die an dieser für das gesamte Verfahren wichtigen Entscheidung beteiligt werden sollen455. Ferner sind im Verzeichnis der Massegegenstände sowohl der Unternehmenswert bei Fortführung als auch bei Stilllegung anzugeben, um den die Einzelveräußerungswerte übersteigenden Goodwill transparent zu machen456. 450 Siehe Art. 4 Abs. 2 lit. b Verordnung 1346/2000; Gottwald, in: Gottwald, Insolvenzrecht, § 135 Rn. 38 f. 451 Zur Rechtsordnung als Quelle von Güterzuordnungen oben Einleitung B III, C II; ferner unten §§ 11 C II 2; 12 A, C II. Im Einklang mit diesem Gedanken bestimmt sich das Eigentum an Sachen nach der lex rei sitae, der Inhalt von Immaterialgüterrechten nach dem Recht des Landes, für das Schutz beansprucht wird; dazu unten § 12 C II 2 a Fn. 96. 452 BGHZ 85, 221, 222 (1982); OLG Düsseldorf ZIP 1982, 720; Kuhn, WM 1960, 958; Hubmann, FS Lehmann II, 812, 818; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 207; Schmidt, BB 1988, 5, 6 f.; Becker, Insolvenzrecht, Rn. 379; Bäuerle, in: Braun, § 35 InsO Rn. 45; Henckel, in: Jaeger, § 35 InsO Rn. 9; Lwowski, in: MünchKomm, § 35 InsO Rn. 464 (unter ausdrücklichem Hinweis auf die Unpfändbarkeit); Holzer, in: Kübler/Prütting, § 35 InsO Rn. 70; Eickmann, in: Heidelberger Kommentar, § 35 InsO Rn. 25; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 232 ff.; Lüdtke, in: Hamburger Kommentar, § 35 InsO Rn. 109 ff.; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rn. 37. 453 Siehe z.B. BGHZ 16, 172, 174 (1955) – Dücko; BGHZ 32, 103, 113 (1960); BGHZ 85, 221, 222 (1982); OLG Saarbrücken DZWiR 2001, 39, 40; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 299 f.; Ott, in: MünchKomm, § 80 InsO Rn. 54; Wegener, in: Frankfurter Kommentar, § 159 InsO Rn. 15; Flessner, in: Heidelberger Kommentar, § 159 InsO Rn. 10; Bork, Insolvenzrecht, Rn. 291, 375. 454 Wenig klar zum dogmatischen Gehalt dieses Begriffs RGZ 134, 91, 98 (1931). 455 §§ 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 160 Abs. 2 Nr. 1, 162 f. InsO; dazu RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, 94 f., 174 f.; Görg, in: MünchKomm, § 160 InsO Rn. 13; Ott, in: MünchKomm, § 80 InsO Rn. 54; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rn. 1073; Bork, Insolvenzrecht, Rn. 376 f.; Flessner, in: Heidelberger Kommentar, § 159 InsO Rn. 10. 456 Siehe § 151 Abs. 2 S. 1 InsO; RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, 171; anders Keller, Insolvenzrecht, Rn. 235 (der Goodwill sei kein Vermögenswert, sondern werde durch Firma, Produkte usw. gebildet; diese einzelnen Vermögensrechte stellten die Insolvenzmasse dar).
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Da das Unternehmen als Einheit verwertet werden kann, unterliegen auch die Geschäftsbücher des Schuldners dem Insolvenzbeschlag, während sie ebenso wenig pfändbar sind wie das Unternehmen457. Wo die Grenzen der nicht auf subjektive Rechte beschränkten Verwaltungsbefugnis und damit der Insolvenzmasse verlaufen, lässt sich am Beispiel der freiberuflichen Praxis zeigen. Auch an jener Gesamtheit besteht kein selbständiges Recht, das rechtsgeschäftlich oder zwangsweise übertragbar wäre. Inzwischen weitgehend als nicht sittenwidrig anerkannt ist aber der Verkauf von Rechtsanwalts-, Steuerberater- und Arztpraxen458. Vertragsgegenstand ist in diesen Fällen nicht etwa das Eigentum oder ein anderes Recht (§§ 433, 453 Abs. 1 1. Alt. BGB), sondern die vermögenswerte Marktchance, dass Klienten und Patienten in der Regel dem eingeführten Nachfolger die Treue halten, und der Geschäftsbestand für den weiteren Ausbau der Praxis verwendet werden kann459. Durch ein solches Verpflichtungsgeschäft realisiert der Inhaber den Vermögenswert der Praxis als solcher. Die Befugnis zu dieser Verwaltungsmaßnahme geht im Interesse der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung auf den Insolvenzverwalter über, weil und soweit der Verkauf rechtlich zulässig ist460. Mit anderen Worten zählt grundsätzlich jeder rechtmäßig realisierbare Vermögensbestandteil zur Insolvenzmasse gem. § 35 Abs. 1 InsO. Ob es sich dabei um ein subjektives Recht oder ein Gut mit bloß faktischem Wert handelt, ist irrelevant. Andere Beispiele bestätigen diesen von der Pfändbarkeit abstrahierenden Ansatz461. Während das Firmenrecht mangels selbständiger Übertragbarkeit nicht der Einzelvollstreckung unterliegt, gehört es unstreitig zur Insolvenzmasse, 457
Siehe § 36 Abs. 2 Nr. 1 InsO; dazu RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, 122. Siehe etwa BGH BB 1958, 496 f. (Steuerberaterpraxis); BGH NJW 1965, 580; BGH NJW 1973, 98, 100 (Anwaltspraxis); LSG Nordrhein-Westfalen MDR 1997, 756; zu Honorarforderungen BGH ZInsO 2003, 1099 f. Allerdings ist ein Vertrag über die Veräußerung einer Arzt- oder Steuerberaterpraxis wegen Verletzung des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Patienten/Mandanten und der Schweigepflicht nichtig, wenn die Verpflichtung der Aktenübergabe nicht auf zustimmende Patienten/Mandanten beschränkt ist; BGH NJW 1995, 2026, 2027; BGH NJW 1996, 2087 f. 459 RGZ (Vereinigte Zivilsenate) 144, 1, 3 (1934); BGH NJW 1965, 580; BGH NJW 1973, 98, 100; BGHZ 168, 220, 228 f. (2006); Lwowski, in: MünchKomm, § 35 InsO Rn. 509. Zu „sonstigen Gegenständen“ gem. § 453 Abs. 1 2. Alt. BGB unten § 14 B I. 460 LSG Nordrhein-Westfalen MDR 1997, 756; offengelassen von BFH ZIP 1994, 1283, 1284; Uhlenbruck, FS Henckel, 877, 884 ff.; Kluth, NJW 2002, 186 f. (allerdings habe der Goodwill in der Insolvenz wegen des Zustimmungserfordernisses der Patienten/Mandanten keine nennenswerte Bedeutung); Henckel, in: Jaeger, § 35 InsO Rn. 14 ff.; Lüdtke, in: Hamburger Kommentar, § 35 InsO Rn. 117 ff.; Lwowski, in: MünchKomm, § 35 InsO Rn. 507 ff.; Schumacher, in: Frankfurter Kommentar, § 35 InsO Rn. 5; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 236. Die Gegenauffassung hält einen Verkauf der Praxis ohne Zustimmung des Schuldners wegen des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Schuldner und Patient/Mandant für unzulässig; siehe Bäuerle, in: Braun, § 35 InsO Rn. 46 ff.; Eickmann, in: Heidelberger Kommentar, § 35 InsO Rn. 28; Ott, in: MünchKomm, § 80 InsO Rn. 56 m.w.N.; unklar Holzer, in: Kübler/Prütting, § 35 InsO Rn. 74 (Unterscheidung zwischen dem Goodwill und der „Praxis als solcher“). 461 Siehe auch BGH NJW-RR 2001, 1552 f. (die Teilnahmebefugnis eines Vereins an einem Spielbetrieb sei eine „faktische Position“ mit Vermögenswert, die in die Konkursmasse falle). 458
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weil es eben mit dem Unternehmen „veräußert“ und damit in Geld umgesetzt werden kann (§ 23 HGB)462. Ob der ehemalige Firmeninhaber einem Verkauf des Unternehmens und damit verbunden einer Übertragung des Firmenrechts zustimmen muss, hängt von persönlichkeitsrechtlichen Erwägungen im Einzelfall ab, die nichts am grundsätzlichen Insolvenzbeschlag ändern463. Schließlich sollen nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers Kundenlisten und andere Geschäftsunterlagen ggf. unabhängig von einem stillgelegten Unternehmen vom Insolvenzverwalter versilbert werden können464. Dabei geht es nicht um den Wert des Eigentums am Papier oder anderen Datenträgern, auf denen die Listen verkörpert sind, sondern um die Informationen über potentielle Kundschaft als solche, die dem Unternehmer nicht durch subjektive Rechte zugewiesen sind465. 3. Folgerungen Das Insolvenzrecht ist die gesetzliche Grundlage für Zwangsmaßnahmen zur Verwertung des Schuldnervermögens. Es geht hierbei offenbar weiter als die Einzelzwangsvollstreckung, weil es gem. § 35 Abs. 1 InsO das „gesamte Vermögen“ des Schuldners und nicht nur vorbestehende, pfändbare Rechte erfasst466. Im 462 BGHZ 32, 103, 105 f. (1960); Kuhn, WM 1960, 958; Bork, Insolvenzrecht, Rn. 118; Frege/ Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rn. 37; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 234; Henckel, in: Jaeger, § 35 InsO Rn. 20 ff.; Lwowski, in: MünchKomm, § 35 InsO Rn. 484 ff.; Eickmann, in: Heidelberger Kommentar, § 35 InsO Rn. 27. Dasselbe galt für das isoliert nicht übertragbare Warenzeichen; siehe BGHZ 32, 103, 113 (1960); BGHZ 85, 221, 223 (1982); BGHZ 109, 364, 366 (1989); Teplitzky, FS Quack, 111 ff.; Repenn, NJW 1994, 175 f. 463 Dazu BGHZ 32, 103, 106 ff. (1960); BGHZ 85, 221, 223 ff. (1982); BGHZ 109, 364, 366 ff. (1989); OLG Düsseldorf ZIP 1982, 720, 721; OLG Koblenz NJW 1992, 2101 f.; OLG Hamm ZIP 1998, 746, 747; kritisch Henckel, in: Jaeger, § 35 InsO Rn. 20 ff. (dem Schuldner dürfe nicht verboten werden, die Werbekraft seines Namens nach Abschluss des Verfahrens wieder zu nutzen); a.A. Uhlenbruck, ZIP 2000, 401 ff. (auch die frei wählbare Firma des Einzelkaufmanns sei ohne Zustimmung mit dem Unternehmen übertragbar). 464 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, 122; OLG Saarbrücken DZWiR 2001, 39, 40; Decker, in: Hamburger Kommentar, § 159 InsO Rn. 4; Becker, DZWiR 2001, 41; Klopp/Kluth, in: Gottwald, Insolvenzrecht, § 26 Rn. 6; Henckel, in: Jaeger, § 36 InsO Rn. 11; Bäuerle, in: Braun, § 36 InsO Rn. 14. 465 In Frage kommt allenfalls ein sui-generis-Recht an einer Datenbank gem. § 87a UrhG, das jedoch nicht die Investitionen in die Erzeugung der Daten schützt; dazu EuGH GRUR 2005, 244 ff. und oben § 5 B II 1. 466 Lehmann, ZZP 38 (1909), 68, 82 f.; Henckel, in: Jaeger, § 35 InsO Rn. 9 (die Grenzen der Einzelzwangsvollstreckung und des Vermögensbeschlags in der Insolvenz deckten sich nicht); Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 95 f. (die Spezialexekution erfasse nur den einzelnen geschuldeten Gegenstand oder nur so viel vom Vermögen, als zur Befriedigung des Schuldners erforderlich ist, die Generalexekution hingegen das gesamte Vermögen); mit Blick auf das Unternehmen als Rechtseinheit Schmidt, BB 1988, 5, 6 f.; mit Verweis auf die Zuordnung von Treugut zur Konkursmasse des Treugebers, der formal nicht Rechtsinhaber ist, Heilmann, BB 1988, 1546, 1547; offenbar auch Bork, Insolvenzrecht, Rn. 117 (sonstige Vermögenswerte als Aktiva); a.A. Berkemeier, Verwertung, 14, 17 (die Befugnis des Verwalters, das Unternehmen als Ganzes zu verwerten, sei nur eine besondere Art der Verwertung, keine Erweiterung des Kreises der konkursunterworfenen Güter).
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Hinblick auf diese potentielle Reichweite des Insolvenzverfahrens kommt § 35 Abs. 1 InsO durchaus konstitutive Wirkung zu. Allein die größere Reichweite der Gesamtvollstreckung erlaubt es indes nicht, den Insolvenzbeschlag wie die Dücko-Entscheidung mit allgemeinen Erwägungen zur persönlichkeits- oder vermögensrechtlichen „Natur“ der betroffenen Rechtsposition zu begründen467 oder die Existenz eines faktischen Vermögenswerts für ausreichend zu erachten. Zum einen würden solch unsichere, einzelfallabhängige Gesichtspunkte wie in der Zwangsvollstreckung eine schnelle und einfache Abwicklung des Insolvenzverfahrens im Interesse der Gläubiger verhindern468. Zum anderen richtet sich der Insolvenzbeschlag allein nach der Subsumtion unter den Rechtsbegriff der Insolvenzmasse gem. § 35 Abs. 1 InsO469, die ausweislich der §§ 80 Abs. 1, 88, 148 Abs. 1, 159 InsO eben nur „das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen“ umfasst470. Diese Differenzierung wird mit den Begriffen der Ist- und der Sollmasse gekennzeichnet471. Sie hat aufgrund normativer, aus der Insolvenzordnung abgeleiteter Kriterien zu erfolgen. Andernfalls wäre auch der Tatbestand der Insolvenzstraftaten zu unbestimmt, der sich ebenfalls auf die „Bestandteile des Vermögens eines anderen“ bezieht, die zur Insolvenzmasse gehören472. Um einerseits zu reflektieren, dass das Insolvenzrecht nicht dem Spezialitäts-, sondern dem Universalitätsprinzip folgt, andererseits die Insolvenzmasse anhand eines normativ-abstrakten Kriteriums zu begrenzen, wird hier in Übereinstimmung mit der Rechtspraxis für maßgeblich erachtet, ob der Wert des jeweiligen Guts im Wege von Verpflichtungsgeschäften rechtlich zulässig vom Schuldner oder eben an seiner Stelle vom Insolvenzverwalter realisiert werden kann473. Diese 467 So aber auch die Argumentation von BGHZ 32, 103, 109 (1960) (Persönlichkeitsrechte könnten sich in Vermögensrechte umwandeln und daher konkursbefangen sein); BGHZ 85, 221, 223 (1982); Lehmann, ZZP 38 (1909), 68, 72; ferner Lwowski, in: MünchKomm, § 35 InsO Rn. 305 (die Möglichkeit des Insolvenzbeschlags von Erfinderrechten müsse auf die „Doppelnatur“ dieses Rechts Rücksicht nehmen). 468 Zur Irrelevanz der tatsächlichen Werthaltigkeit BGHZ 127, 156, 163 (1994); OLG Köln LZ 1907, 71, 73; Kalter, KTS 1975, 1, 5; Henckel, in: Jaeger, § 36 InsO Rn. 2; Lüdtke, in: Hamburger Kommentar, § 35 InsO Rn. 33; a.A. Becker, DZWiR 2001, 41 (in die Masse fielen alle Güter, die vom Markt als werthaltig anerkannt seien). Zu pauschal auch der Verweis auf „alle tatsächlichen Werte“; so aber Eickmann, in: Heidelberger Kommentar, § 35 InsO Rn. 26; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rn. 1330. 469 Lwowski, in: MünchKomm, § 35 InsO Rn. 19; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rn. 6. 470 Siehe z.B. RGZ 30, 71, 73 f. (1893) (ein zur Zeit der Verfahrenseröffnung noch nicht bestehendes Anfechtungsrecht sei nicht Bestandteil des erfassten Vermögens); OLG Oldenburg MDR 1955, 175 (kein Gemeinschaftskonkurs von Eheleuten); Schumacher, in: Frankfurter Kommentar, § 35 InsO Rn. 6. 471 Siehe RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, 124 (der Schuldner könne sein unpfändbares Vermögen aussondern); RGZ 54, 193 (1903); BGHZ 127, 156, 161 (1994); Bork, Insolvenzrecht, Rn. 189; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 211. 472 Siehe die §§ 283 Abs. 1 Nr. 1, 283 lit. d Abs. 1 StGB; dazu OLG Düsseldorf ZIP 1982, 720 f. (zur Erfassung von Name, Firma und Arbeitskraft). 473 LSG Nordrhein-Westfalen MDR 1997, 756 („verwertbare Vermögensposition“); dito Frege/ Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rn. 6; Becker, Insolvenzrecht, Rn. 379 (Gegenstände ohne Rechts-
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Voraussetzung erfüllen faktische Vermögenswerte wie das Unternehmen als solches, der Goodwill, Kundenlisten und eben das nicht patentierte Betriebsgeheimnis, weil sie wirksam verkauft und lizenziert werden können. Nicht in die Insolvenzmasse fallen dagegen zum Beispiel einzelne Nachlassgegenstände einer ungeteilten Erbengemeinschaft474 sowie vermögenswerte Güter, deren Verkauf oder anderweitige Verwertung generell verboten bzw. sittenwidrig und damit nichtig ist (§§ 134, 138 BGB)475. Zu diesen genuin insolvenzrechtlichen Grenzen der Insolvenzmasse treten zusätzliche Vorbehalte mit Rücksicht auf die Wahrung der Selbstbestimmung des Schuldners. Zwar hat sich dieser weitergehende Eingriffe in seine Freiheitsrechte gefallen zu lassen als der Schuldner in der Einzelvollstreckung. Zu einer vollständigen Aufhebung seiner persönlichen Freiheit darf es aber auch in der Insolvenz nicht kommen. Deshalb fällt die Arbeitskraft als solche unstreitig nicht in die Insolvenzmasse, so dass es weiterhin allein dem Gemeinschuldner obliegt, ob und wie er künftig tätig wird476. Zu den persönlichkeitsrechtlichen Einschränkungen der Gesamtvollstreckung zählen auch die Zustimmungsbefugnis des Schuldners, wenn eine Firma mit seinem Familiennamen verwertet werden soll (oben), sowie die Voraussetzung für die Beschlagnahme eines Betriebsgeheimnisses, wonach das Know-how schriftlich oder anderweitig niedergelegt und eine eigene Verwertungsabsicht des Schuldners kundgetan sein muss477. Schließlich gehört das aPR samt seiner Ausstrahlungen nach zutreffender Ansicht der Rechtsprechung und ganz herrschenden Meinung nicht zur Insolvenzmasse478. 474 qualität, die gem. § 453 Abs. 1 2. Alt. BGB verkäuflich seien); Henckel, in: Jaeger, § 35 InsO Rn. 8 (erforderlich sei ein von der Rechtsordnung anerkannter Geldwert); wohl auch Lehmann, ZZP 38 (1909), 68, 73 (es genüge die durch ein Individualrecht geschaffene Macht, die gesicherte Genussmöglichkeit einem anderen zur Ausübung zu überlassen). 474 BGHZ 72, 39, 41 (1978). 475 Zur Rechtsstellung als Vertragsarzt in diesem Sinne LSG Nordrhein-Westfalen MDR 1997, 756; Lwowski, in: MünchKomm, § 35 InsO Rn. 510; allgemein zu öffentlich-rechtlichen Genehmigungen in der Insolvenz Henckel, in: Jaeger, § 35 InsO Rn. 12. Zu diesen Grenzen der Privatautonomie noch unten § 14 B I. 476 Siehe dazu § 35 Abs. 2 S. 1 InsO; ferner OLG Hamburg SeuffA 50 Nr. 69 (1895); OLG Köln LZ 1907, 71, 72; OLG Düsseldorf ZIP 1982, 720 f. (das Handelsgeschäft mit allen dazugehörigen, vermögenswerten Gegenständen, Beziehungen und Verhältnissen falle in die Konkursmasse, aber die Arbeitskraft als Ausstrahlung der Persönlichkeit sei kein Vermögensobjekt); Häsemeyer, Insolvenzrecht, 206; Kalter, KTS 1975, 1, 7; Henckel, in: Jaeger, § 35 InsO Rn. 19; Lwowski, in: MünchKomm, § 35 InsO Rn. 436; Eickmann, in: Heidelberger Kommentar, § 35 InsO Rn. 31. 477 Siehe dazu BGHZ 16, 172, 175 (1955) – Dücko; BGH WM 1998, 1037, 1039; Henckel, in: Jaeger, § 35 InsO Rn. 58. 478 Für den bürgerlichen Namen BGHZ 32, 103, 109 (1960); allgemein für „höchstpersönliche Rechte“ BGH NJW-RR 2001, 1552 f. Aus der Literatur Lehmann, ZZP 38 (1909), 68, 72; Bäuerle, in: Braun, § 35 InsO Rn. 6; Henckel, in: Jaeger, § 35 InsO Rn. 19; Becker, Insolvenzrecht, Rn. 380; ders., DZWiR 2001, 41; Ott, in: MünchKomm, § 80 InsO Rn. 44; Bork, Insolvenzrecht, Rn. 118; Lüdtke, in: Hamburger Kommentar, § 35 InsO Rn. 33 f.; Schumacher, in: Frankfurter Kommentar, § 36 InsO Rn. 27a; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rn. 1333; Eickmann, in: Heidelberger Kommentar, § 35 InsO Rn. 31; Holzer, in: Kübler/Prütting, § 35 InsO Rn. 61. Zur tendenziell abweichenden Ansicht von Sosnitza im Hinblick auf die Pfändung von Persönlichkeitsrechten bereits oben D.
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Zwar ist es rechtlich ohne Zweifel zulässig, persönliche Merkmale wie Bildnis, Name und Stimme auf dem Wege schuldrechtlicher Gestattungsgeschäfte zu kommerzialisieren, so dass eigentlich ein realisierbarer Vermögenswert gegeben ist. Die Selbstbestimmung der Person wird aber in Kernbereichen beseitigt, wenn man die Befugnis zum Abschluss derartiger Verträge auf den Insolvenzverwalter verlagert und den betroffenen Schuldner zur Duldung von Werbeaktivitäten mit seinem Namen und Bildnis zwingt. Der verfassungsrechtliche Persönlichkeitsschutz dient nicht der Selbstvermarktung479 und erst recht nicht Dritten zur Befriedigung ihrer Geldforderungen. Im Übrigen ist der Aufbau und die Kommerzialisierung von Prominenz eine Möglichkeit, die eigene Arbeitskraft einzusetzen; jene aber verbleibt unstreitig dem Schuldner. Ebenso wenig wie ein Handwerker gezwungen werden kann, seine Fähigkeiten in bestimmter Weise zur Befriedigung der Gläubiger einzusetzen, kann ein Prominenter zu Merchandisingaktionen verpflichtet werden. Die Gläubiger sind daher auf die einzelnen Forderungen und Vermögenswerte angewiesen, die der Schuldner aus der ihm weiterhin offenstehenden Eigenvermarktung erzielt. Hervorzuheben ist, dass es sich bei diesen Grenzen des Insolvenzbeschlags um Einschränkungen handelt, die wie die Ausnahme bestimmter unpfändbarer Gegenstände in einem zweiten gedanklichen Schritt an die zuvor gem. § 35 Abs. 1 InsO definierte Insolvenzmasse herangetragen werden480. Sie dürfen nicht wie in der Dücko-Entscheidung zu einer undifferenzierten und von der Insolvenzordnung abgekoppelten Abwägung zwischen vermögens- und persönlichkeitsrechtlichen Interessen verleiten, anhand derer über die Reichweite des Insolvenzverfahrens dem Grunde nach entschieden wird. Im Ergebnis kann der Dücko-Entscheidung jedoch darin zugestimmt werden, dass unpatentiertes Know-how in die Insolvenzmasse fällt481. Dieses konkrete Resultat lässt sich freilich nicht allein aus § 35 Abs. 1 InsO gewinnen, der nur die allgemeinen Grenzen der Insolvenzmasse absteckt, während die entscheidende Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit der Verwertung durch den Insolvenzverwalter im Einzelfall nicht aus der Insolvenzordnung heraus („intern“), sondern normextern zu beantworten ist. In dieser Hinsicht folgt die insolvenzrechtliche Generalklausel strukturell dem übrigen Rechtsverkehrsrecht, das allerdings höhere Anforderungen an die rechtsgeschäftliche bzw. zwangsweise Verkehrsfähigkeit stellt. 479
Oben § 2 B II 3. Siehe Häsemeyer, Insolvenzrecht, 208; Schmidt/Schulz, ZIP 1982, 1015, 1019 (Trennung zwischen Massezugehörigkeit und Veräußerungsbefugnis des Verwalters). Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen das Recht auf das Patent wegen seines persönlichkeitsrechtlichen Charakters in die Insolvenzmasse fällt, Lwowski, in: MünchKomm, § 35 InsO Rn. 285 ff. 481 BGHZ 16, 172, 174 ff. (1955) – Dücko; Hubmann, FS Lehmann II, 812, 826; Pfister, Knowhow als Vermögensrecht, 166; Lwowski, in: MünchKomm, § 35 InsO Rn. 377; Holzer, in: Kübler/ Prütting, § 35 InsO Rn. 98; a.A. OLG Köln LZ 1907, 71, 72 (nur ein Patent oder eine Patentanmeldung fielen in die Konkursmasse, weil der Schuldner nicht zur Offenbarung des Geheimnisses verpflichtet sei und eine Veröffentlichung den Vermögenswert entfallen lasse). 480
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Der tiefere Grund für diese Abkopplung vom Spezialitätsprinzip, das die rechtsgeschäftliche Übertragbarkeit und Pfändbarkeit beherrscht, ist ein gestuftes System zwangsweiser Vermögenshaftung482: Solange der Schuldner die Forderungen der Gläubiger noch bedienen kann, wird in der Einzelvollstreckung nur auf das in subjektiven Rechten verkörperte Vermögen zugegriffen. Mit anderen Gütern und Werten wie dem Unternehmen als solchem oder Betriebsgeheimnissen soll er weiterhin werbend tätig sein, um seine Verbindlichkeiten eigenverantwortlich zu erfüllen. Erst wenn der Schuldner zahlungsunfähig bzw. überschuldet ist, werden diese Bemühungen zwangsweise unterbrochen und das gesamte Vermögen exekutiert. Zu diesem Zweck wird nicht nur in das verfassungsrechtliche Eigentum an vermögenswerten Rechten eingegriffen, sondern darüber hinaus die wirtschaftliche Handlungsfreiheit weitgehend beschränkt483. Zivilrechtlich gespiegelt wird das im Verlust der Verfügungs- und der Verwaltungsbefugnis, die den Insolvenzverwalter sogar dazu berechtigt, den Schuldner persönlich zu verpflichten. Verfehlt ist daher der Verweis der Dücko-Entscheidung auf § 857 Abs. 3 ZPO und die Frage, ob die betroffene Rechtsposition wenigstens zur Ausübung überlassen werden kann484. Denn gerade jene Vorschrift erhellt die Beschränkung der Einzelvollstreckung auf selbständig übertragbare Rechte, die das Insolvenzrecht überwindet. Festzuhalten bleibt, dass das Insolvenzrecht „neue“ Güter erfasst, soweit sie rechtlich zulässig in Geld umgesetzt werden können und dabei die Selbstbestimmung des Gemeinschuldners nicht unverhältnismäßig eingeschränkt wird. Für diese Erweiterung der zwangsweisen Verwertung im Vergleich zur Einzelvollstreckung kann sich die Rechtsprechung tatsächlich auf die Definition der Insolvenzmasse gem. § 35 Abs. 1 InsO berufen.
III. Materiellrechtliche Wirkungen des Insolvenzbeschlags Der Insolvenzbeschlag „neuer“ Güter genügt zur Erklärung des Dücko-Urteils aber noch nicht. Denn der Bundesgerichtshof entnimmt dem Insolvenzrecht offenbar die weitere Folgerung, dass die an „neuen“ Gütern bestehenden, in die Masse fallenden „Rechte“ vom Insolvenzverwalter übertragen werden können. Für das streitige Betriebsgeheimnis war die Folge, dass der Erwerber des insolventen Unternehmens in die „Rechtsstellung“ des Geheimnisträgers einrückte,
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Lehmann, ZZP 38 (1909), 68, 83 (die Abweichungen vom Wortlaut des § 1 KO seien auf die ratio der Unpfändbarkeit und der abweichenden Eigenschaft des Konkursverfahrens als Gesamtexekution zurückzuführen); Lüdtke, in: Hamburger Kommentar, § 35 InsO Rn. 110 (in der Erfassung des Unternehmens zeige sich die Besonderheit des Insolvenzverfahrens als Gesamtvollstreckung); anders Holzer, in: Kübler/Prütting, § 35 InsO Rn. 2; Bork, Insolvenzrecht, Rn. 121 (das Insolvenzverfahren könne den Gläubigern keine größere Haftungsmasse verschaffen als ihnen in der Einzelzwangsvollstreckung zur Verfügung stehe). 483 Zum Schutzbereich des Art. 14 unten § 11 B. 484 So aber BGHZ 16, 172, 175 (1955) – Dücko.
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und dieser das Know-how nicht mehr ohne Zustimmung des Erwerbers benutzen durfte, obwohl er es selbst geschaffen oder jedenfalls rechtmäßig innegehabt hatte und daher eigentlich keine rechtswidrige bzw. unlautere Verwertung des Geheimnisses vorlag485. Geht man entsprechend der bisherigen Ergebnisse davon aus, dass an nicht patentiertem Know-how kein selbständig verkehrsfähiges Recht besteht, kann diese „Verwandlung“ in der Tat nur vom Insolvenzrecht ausgehen. Allerdings modifiziert die Insolvenzordnung als im Kern verfahrensrechtliche Regelung die materielle Güterordnung grundsätzlich nicht (dazu 1). Behält eine unübertragbare Rechtsposition ihre Wirkungen auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei, bleibt zu erläutern, auf welchem Wege „neue“ Güter zwangsweise verwertet werden können (dazu 2). 1. Das Insolvenzrecht als Verfahrensrecht Die Insolvenzordnung regelt gem. § 1 S. 1 InsO das Insolvenzverfahren zur Abwicklung der Vermögens- und Haftungsverhältnisse eines Schuldners zugunsten aller Gläubiger bei mutmaßlich nicht ausreichendem Schuldnervermögen486. Seinen primär verfahrensrechtlichen Charakter erhellt der pauschale Verweis auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung (§ 4 InsO). Im Interesse einer effizienten Erledigung des Verfahrens folgt das Insolvenzrecht wie die §§ 704 ff. ZPO dem Formalisierungsgrundsatz; materiellrechtliche Streitigkeiten um die Berechtigung von Forderungen der Gläubiger werden im ausgegliederten Erkenntnisverfahren entschieden487. Zwar wirkt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durchaus auf die materielle Rechtslage ein. Insbesondere verliert der Schuldner gem. § 80 Abs. 1 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis im Hinblick auf die Insolvenzmasse488. Bestimmte, vom Schuldner zuvor abgeschlossene Rechtsgeschäfte erlöschen kraft Gesetzes oder können vom Insolvenzverwalter beendet werden (§§ 103 ff. InsO). Allerdings stehen diese ausdrücklich angeordneten Effekte im Dienste des gesamten Verfahrenszwecks, die Vermögenshaftung zu verwirklichen489. Sie ändern nichts daran, dass die materielle Güterordnung Grundlage, Ausgangs- und Bezugspunkt des Insolvenzrechts ist. Bestimmungen zur Entstehung, Übertragung und sonstigen Änderung materieller Befugnisse des Schuldners und der
485 Hubmann, FS Lehmann II, 812, 827; Berkemeier, Verwertung, 127; a.A. Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 168 (gesetzliche Unterlassungspflicht aus den §§ 6, 117 KO). 486 BGHZ 134, 79, 88 (1996); Prütting, in: Kübler/Prütting, Einleitung Rn. 1; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rn. 1; Bork, Insolvenzrecht, Rn. 3; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 5. 487 BGHZ 32, 103, 110 (1960); BVerfG NJW 2006, 2613, 2617 (Interesse der Gläubiger am zügigen Fortgang des Verfahrens); Stürner, in: MünchKomm, Einleitung InsO, Rn. 69; Prütting, in: Kübler/Prütting, Einleitung Rn. 77. 488 Häsemeyer, Insolvenzrecht, 9; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rn. 8; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 9. 489 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, 83; BGHZ 134, 79, 89 (1996); Häsemeyer, Insolvenzrecht, 57; Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, Rn. 96; Bork, Insolvenzrecht, Rn. 3.
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Gläubiger fehlen490. Für den Anspruch auf Aussonderung eines Gegenstandes stellt § 47 S. 2 InsO ausdrücklich klar, dass sich jener nach den Gesetzen bestimmt, die „außerhalb des Insolvenzverfahrens gelten“491. Es ist daher ein seit langem anerkannter Grundsatz des Insolvenzrechts, dass der Insolvenzverwalter das Vermögen des Schuldners so übernehmen muss, wie es sich bei Verfahrenseröffnung darstellt. Er kann nach ständiger Rechtsprechung nicht mehr und keine anderen Rechte geltend machen als dem Gemeinschuldner zustehen würden492. Die Konstanz der materiellen Rechtslage darf auch im Bestreben um eine weitgehende Befriedigung der Gläubiger nicht durchbrochen werden, wenn die Insolvenzordnung keine entsprechenden Modifikationen vorsieht493. Damit wird nicht geleugnet, dass das Hauptziel des Insolvenzverfahrens gem. §§ 1, 38 InsO die optimale Verwertung bzw. Umgestaltung des Schuldnervermögens im Interesse der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger ist494. Ein ausdrücklicher
490 Eine Änderung des materiellen Kreditsicherungsrechts im Zuge der Insolvenzrechtsreform wurde ausdrücklich verworfen; siehe RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, 78, 83, 86 f. (die zivilrechtliche Haftungslage werde durchgesetzt); Häsemeyer, Insolvenzrecht, 57; Bork, Insolvenzrecht, Rn. 237 mit Fn. 2 („Die Entstehung materieller Rechte richtet sich im Insolvenzrecht nicht nur bei den Aussonderungsrechten …, sondern immer nach den Gesetzen, die außerhalb des Insolvenzverfahrens gelten.“). Für die KO Hahn, Materialien Reichs-Justizgesetze 4, 45 (das ganze Vermögen, „wie es steht und liegt“). 491 BGHZ 127, 156, 166 (1994); Bork, Insolvenzrecht, Rn. 243; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 383 (Aussonderungsrechte ergäben sich aus dem materiellen Recht); Ganter, in: MünchKomm, § 47 InsO Rn. 5 (kein besonderer Aussonderungsanspruch), Rn. 34 (maßgeblich sei die materielle Rechtslage). Siehe ferner die Verweise auf das Pfandrecht und die sicherungshalbe Übertragung von Rechten in den §§ 50 f. InsO zur Regelung der Absonderungsberechtigungen; dazu nur etwa Bork, Insolvenzrecht, Rn. 246 ff. 492 Siehe RGZ 30, 71, 73 f. (1893) (Rechte, die zur Zeit der Eröffnung nicht bestünden, fielen nicht in die Konkursmasse); RGZ 52, 227, 232 (1902) (könne der Schuldner ein Recht wirksam zum Erlöschen bringen, mindere dies den Wert der Insolvenzmasse); RGZ 157, 40, 44 (1938); BGHZ 24, 15, 18 (1957) (Bindung an Schiedsabrede); BGHZ 32, 103, 105 (1960) (zur Verwertung eines Unternehmens); BGHZ 44, 1, 4 (1965); BGHZ 56, 228, 230 (1971); BGHZ 72, 39, 41 (1978); BGHZ 106, 169, 175 (1988); BGHZ 106, 236, 241 (1988); BGHZ 113, 98, 100 (1990); BGHZ 148, 252, 256 (2001) (die Eröffnung des Konkursverfahrens ändere den Inhalt eines Räumungsanspruchs nicht); BGH NJW 2006, 915, 917 (vertraglich eingeräumte Kündigungs- oder Rücktrittsrechte würden durch die Insolvenzeröffnung nicht beeinflusst); Henckel, in: Jaeger, § 35 InsO Rn. 92; Ott, in: MünchKomm, § 80 InsO Rn. 43; Eickmann, in: Heidelberger Kommentar, § 80 InsO Rn. 8; App, in: Frankfurter Kommentar, § 80 InsO Rn. 11; Lent, JZ 1956, 493. 493 Zur KO BGHZ 44, 1, 4 f. (1965); BGHZ 106, 169, 175 (1988) (zur Anwendbarkeit des § 817 S. 2 BGB auf vom Konkursverwalter geltend gemachte Ansprüche); Lent, JZ 1956, 493. Die Ablehnung der Erfüllung eines gegenseitigen Vertrages durch den Insolvenzverwalter gem. § 103 InsO hat nach der Rechtsprechung ebenfalls nicht die Wirkung eines materiellen Erlöschens von Ansprüchen; vielmehr seien noch ausstehende Ansprüche des Vertragspartners nicht mehr gegen die Insolvenzmasse durchsetzbar; siehe BGH NJW 2006, 915, 916 m.w.N. 494 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, 77, 108; BVerfG NJW 2006, 2613, 2614; BGHZ 148, 252, 258 (2001) (der Verwalter habe vorrangig die Interessen der Gläubiger zu wahren); Häsemeyer, Insolvenzrecht, 16; Henckel, in: Jaeger, § 1 InsO Rn. 2; Ganter, in: MünchKomm, § 1 InsO Rn. 20; Stürner, in: MünchKomm, Einleitung InsO, Rn. 1; Schmerbach, in: Frankfurter Kommentar, § 1 InsO Rn. 12; Kirchhof, in: Heidelberger Kommentar, § 1 InsO Rn. 3; Bork, Insolvenzrecht, Rn. 1; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 3.
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Hinweis auf die Berücksichtigung der Interessen des Schuldners und seiner Familie495 wurde aus dem ursprünglichen Entwurf der Insolvenzrechtsreform gestrichen496; auch der in § 1 S. 1 InsO noch angesprochene Erhalt des Unternehmens ist nur Mittel zum Zweck der Gläubigerbefriedigung, nicht jedoch eigenständiges Ziel des Gesetzes497. Und doch bringen § 1 S. 2 InsO und insbesondere die bereits erwähnten Begrenzungen der Insolvenzmasse zum Ausdruck, dass die Gesamtvollstreckung dem redlichen Schuldner Gelegenheit zur Befreiung von den restlichen Verbindlichkeiten geben soll498. Das Insolvenzrecht darf die Gläubigerinteressen nicht einseitig bevorzugen, weil aus verfassungsrechtlichen Gründen ein Ausgleich zwischen den Eigentumspositionen der Gläubiger und den Grundrechten des Schuldners geboten ist499. Die Dücko-Entscheidung bekennt sich sogar zu diesen Grundsätzen, wenn sie dem Erwerber ein patentähnliches Recht am Geheimnis abspricht, weil der Schuldner über ein solches ebenfalls nicht verfügt habe500. Umso weniger überzeugend erscheint die Annahme, der Insolvenzbeschlag verschaffe dem Verwalter die Rechtsmacht, den als solchen nicht verkehrsfähigen Deliktsschutz von Betriebsgeheimnissen auf den Erwerber des Schuldnerunternehmens zu übertragen. Denn der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis dient nur dem Wie der Vermögensabwicklung und lässt den Inhalt und die Struktur der betroffenen Rechtspositionen unberührt. Erst recht keine Aussage ist dem Insolvenzrecht zur Frage zu entnehmen, inwieweit ein ehemaliger Inhaber nach dem Verkauf des Unternehmens noch zur Nutzung von Betriebsgeheimnissen befugt ist. Mangels vertraglicher Regelungen sind hierfür das Deliktsrecht des BGB und das Lauterkeitsrecht einschlägig. Wenn aber der in die Masse fallende Vermögensbestand vom Insolvenzrecht als Datum vorgefunden und die materiellrechtlichen Rechtsverhältnisse weder 495 Siehe RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, 108 („im Grundsatz [wird] … nur das pfändbare Vermögen des Schuldners vom Insolvenzverfahren erfaßt“). 496 Siehe BGHZ 148, 252, 258 f. (2001); Kirchhof, in: Heidelberger Kommentar, § 1 InsO Rn. 1 (inhaltliche Rückstufung der Schuldnerinteressen); Ganter, in: MünchKomm, § 1 InsO Rn. 3 (Schmälerung der Rechtsposition des Schuldners). 497 Henckel, in: Jaeger, § 1 InsO Rn. 2; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 16; Becker, Insolvenzrecht, Rn. 134; Stürner, in: MünchKomm, Einleitung InsO, Rn. 2; Kirchhof, in: Heidelberger Kommentar, § 1 InsO Rn. 3; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rn. 6; anders Schmidt, in: Hamburger Kommentar, § 1 InsO Rn. 26 (Spannungsverhältnis zwischen bestmöglicher Gläubigerbefriedigung und Unternehmenserhalt). 498 BGHZ 56, 228, 231 f. (1971); Ganter, in: MünchKomm, § 1 InsO Rn. 97 ff.; Stürner, in: MünchKomm, Einleitung InsO, Rn. 5; Schmerbach, in: Frankfurter Kommentar, § 1 InsO Rn. 13 f.; Schmidt, in: Hamburger Kommentar, § 1 InsO Rn. 27; einschränkend Häsemeyer, Insolvenzrecht, 17 (auch in der erst nach längerer Frist eintretenden Rechtsschuldbefreiung sei der Vorrang der Haftungsverwirklichung erkennbar). Siehe ferner die §§ 217 (Insolvenzplan), 286 ff. InsO (Restschuldbefreiung). 499 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, 75 („Insolvenzrecht soll, wie alles Recht im demokratischen und sozialen Rechtsstaat, einen gerechten Ausgleich schaffen, den Schwächeren schützen und Frieden stiften.“); BVerfG NJW 2006, 2613, 2614. 500 Siehe BGHZ 16, 172, 175 (1955) – Dücko; zustimmend Hubmann, FS Lehmann II, 812, 827.
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konstituiert noch grundsätzlich modifiziert werden, lässt sich die Verwandlung des unübertragbaren Geheimnisschutzes in ein umlauffähiges „Ausschlussrecht“ nicht auf diese im Kern verfahrensrechtliche Materie stützen. Dass eine solch systemwidrige Annahme sogar überflüssig ist, um die Gläubiger in den Genuss des vom Insolvenzbeschlag ja erfassten Vermögenswerts zu bringen, ist abschließend zu zeigen. 2. Die Verwertung nicht zugeordneter Vermögenswerte a) Die Orientierung am einzelnen „Gegenstand“ Wenn die Gesamtexekution des Schuldnervermögens die materielle Güterordnung unberührt lässt, dann müsste das Insolvenzrecht trotz seines umfassenden Ansatzes auf den unterschiedlichen Inhalt von Rechtspositionen Rücksicht nehmen. Denn je nachdem, welche Art von Rechtsposition in Rede steht, ist die zwangsweise Verwertung unterschiedlich abzuwickeln. Während selbständige subjektive Rechte vom Insolvenzverwalter übertragen werden können, kommt im Hinblick auf faktische Vermögenswerte, die ggf. deliktsrechtlichen Schutz genießen, lediglich der Abschluss von Verpflichtungsgeschäften in Betracht. Und tatsächlich differenziert die Insolvenzordnung schon in der Grundnorm zu den „allgemeinen Wirkungen“ der Verfahrenseröffnung zwischen dem Recht des Schuldners bzw. des Verwalters, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen (§ 80 Abs. 1 InsO). In verschiedenen Zusammenhängen wird auf die zur Insolvenzmasse gehörenden, einzelnen „Gegenstände“ Bezug genommen (§§ 36, 47 ff. InsO); außerdem finden sich teilweise besondere Bestimmungen zur Art und Weise der Verwaltung und Verwertung (siehe die §§ 165 ff. InsO zu „Gegenständen mit Absonderungsrechten“). Soweit der Begriff des „Gegenstands“ im Kontext der Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters gebraucht wird, ist damit wie stets das einzelne subjektive Recht gemeint501. Die Orientierung am einzelnen Vermögensbestandteil und nicht einem Gesamtsaldo erhellen ferner die Pflichten zur Aufstellung eines Verzeichnisses der Massegegenstände und einer Vermögensübersicht gem. der §§ 151, 153 InsO, die die Gegenstände der Insolvenzmasse mit ihrem jeweiligen Wert gesondert auszuweisen haben. Bereits bei der Beratung der Konkursordnung war ein umfassendes, undifferenziertes Pfandrecht am gesamten Vermögen als „legislativ fehlerhaft und zugleich unzureichend“ verworfen worden502. Von diesen Grundstrukturen ist die Insolvenzrechtsreform nicht abgerückt503. Folglich erfasst das Insolvenzverfahren zwar das „gesamte Vermögen“ des Schuldners; die Verwertung erfolgt gleichwohl für jeden Massegegenstand gesondert. In dieser eingeschränkten Fortschreibung des Spezialitätsprinzips bestätigt 501 502 503
Oben II 1. Hahn, Materialien Reichs-Justizgesetze 4, 45. Henckel, in: Jaeger, § 35 InsO Rn. 4.
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sich die Konstanz der materiellen Güterordnung und des materiellen Rechtsverkehrsrechts in der Gesamtvollstreckung. Die Erweiterung auf bestimmte Güter ändert hieran nichts, denn auch jene sind gesondert zu verwerten. Nur bezeichnet der bereits innerhalb des BGB mit unterschiedlichen Bedeutungen versehene Begriff des „Gegenstands“ in der Insolvenzordnung neben selbständig und unter besonderen Voraussetzungen (Firmenrecht) übertragbaren subjektiven Rechten alle „sonstigen Gegenstände“ (§ 453 Abs. 1 2. Alt. BGB), deren Wert rechtlich zulässig durch Verpflichtungsgeschäfte realisierbar ist504. Wenn das Insolvenzrecht also nicht von einer Verwertung der Insolvenzmasse als solcher oder aller Massegegenstände nach demselben Verfahren ausgeht, so fragt sich nur noch, wie der Wert etwa eines Betriebsgeheimnisses den Gläubigern zugeführt werden kann. Ist es dafür nicht doch erforderlich, wie im Dücko-Urteil ein verkehrsfähiges Recht anzuerkennen, in das der Erwerber einrückt? b) Unternehmen, Kundenlisten und Geheimnis in der Insolvenz Dass und wie die Gläubiger ohne einen solchen Bruch mit dem materiellen Recht in den Genuss des Werts „sonstiger Gegenstände“ wie nicht patentiertem Know-how gelangen können, ist bereits angeklungen. Dazu muss nur an den Grundsätzen der rechtsgeschäftlichen Verwertung faktischer Vermögenswerte und der Konstanz dieser materiellen Prinzipien in der Insolvenz festgehalten werden. Der konstruktive Weg hierfür sei abschließend an den praxisrelevanten Beispielen des Unternehmens, der Kundenliste und des Betriebsgeheimnisses erläutert. Der Inhaber eines Unternehmens oder einer Praxis kann diesen Inbegriff von Rechten und Gütern als „sonstigen Gegenstand“ gem. §§ 433, 453 Abs. 1 2. Alt. BGB verkaufen und so den die einzelnen Bestandteile ggf. übersteigenden Goodwill realisieren. Die Übertragung der einzelnen subjektiven Rechte erfolgt nach den für die Verfügung jeweils maßgeblichen Vorschriften (Spezialitätsprinzip). Die nicht durch subjektive Rechte zugewiesenen Güter wie den Unternehmenswert und die Chance auf Kundenbeziehungen erlangt der Käufer durch Einweisung in den Betrieb und Übernahme der sachlichen Ausstattung505. Genau diese verschiedenen Rechtsgeschäfte sind in der Insolvenz abzuwickeln, nur dass nunmehr der Insolvenzverwalter anstelle des Gemeinschuldners agiert: Der Verwalter ist gem. § 80 Abs. 1 1. Alt. InsO (Verwaltungsbefugnis) berechtigt, das Unternehmen als solches zu verkaufen und über die einzelnen subjektiven Rechte zu verfügen (§ 80 Abs. 1 2. Alt. InsO, Verfügungsbefugnis)506. Der Schuldner muss diese personenbezogenen Verpflichtungs- und die gegenstandsbezogenen Verfügungsgeschäfte gegen sich gelten lassen; die Gläubiger kommen so in den Genuss sämtlicher Vermögenswerte. Es ist daher nicht nur unzulässig, sondern unnötig, 504
Ähnlich Peters, in: MünchKomm, § 36 InsO Rn. 4; Holzer, in: Kübler/Prütting, § 36 InsO Rn. 6 (sämtliche Vermögensbestandteile). 505 Oben II 2. 506 Henckel, in: Jaeger, § 35 InsO Rn. 9; Lwowski, in: MünchKomm, § 35 InsO Rn. 464 m.w.N.
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die Strukturen der Rechtsgeschäftslehre im Interesse der Gläubigerbefriedigung zu modifizieren507. Dasselbe gilt im Prinzip für Kundenlisten, an denen in aller Regel ebenfalls keine subjektiven Rechte bestehen, die aber dennoch ausweislich des § 36 Abs. 2 Nr. 1 InsO zur Insolvenzmasse gehören508. Die hierin verkörperte Marktchance kann der Verwalter insbesondere im Rahmen eines Unternehmensverkaufs versilbern. Der Käufer erlangt für das in die Masse fließende Entgelt die begehrten Informationen. Freilich gilt es zu beachten, dass der Gemeinschuldner das Wissen über Kundenbeziehungen rein faktisch häufig behalten wird. Da der Käufer kein subjektives Ausschließlichkeitsrecht an den Kundendaten erlangt, ist es dem Schuldner zumindest nach Abschluss des Insolvenzverfahrens grundsätzlich erlaubt, diese Kenntnisse wieder zum eigenen Nutzen einzusetzen. Damit geriete allerdings die Vorzugsposition des Erwerbers in Gefahr, der deshalb ggf. von vornherein nicht bereit sein wird, für die Kundeninformationen ein gesondertes Entgelt zu entrichten. Um dieser Gefahr zu begegnen, ist der Insolvenzverwalter befugt, im Kaufvertrag über das Unternehmen samt Kundenlisten ein Wettbewerbsverbot zu vereinbaren, das den Schuldner in den allgemeinen Grenzen derartiger Abreden selbst nach beendetem Insolvenzverfahren daran hindert, in das Geschäft des Käufers einzubrechen509. Die gesetzliche Verpflichtungsbefugnis des Verwalters erstreckt sich auf derartige persönliche Bindungen des Schuldners, weil nur auf diesem Wege der Wert von Kundenlisten als Teil der Insolvenzmasse systemkonform ausgeschöpft werden kann510. Diese Verpflichtung zur dauerhaften Unterlassung der Nutzung von Gegenständen der Insolvenzmasse ist ebenfalls der Schlüssel zur Verwertung nicht patentierter Betriebsgeheimnisse. Grundvoraussetzung hierfür ist zunächst, dass der Insolvenzverwalter überhaupt Kenntnis vom Know-how durch Geltendmachung der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners gem. der §§ 97 ff. InsO erlangt511. Ist diese Hürde genommen, ist er gem. § 80 Abs. 1 1. Alt. InsO befugt, im Hinblick auf das Geheimnis ebensolche Verpflichtungsgeschäfte abzuschließen wie der Gemeinschuldner vor der Insolvenz. Insbesondere darf der Verwalter das Know-how als „sonstigen Gegenstand“ gem. der 507
RGZ 134, 91, 98 f. (1931) (für eine unübertragbare Betriebslizenz); BGHZ 32, 103, 105 (1960) (durch die entsprechende Norm der KO würden die Grenzen der Verfügungsmacht des Verwalters nicht erweitert); a.A. OLG Dresden LZ 1910, 332, 334 (weil die KO das Erwerbsgeschäft in die Konkursmasse einbeziehe, müsse daran wegen der Parallelität mit der Pfändbarkeit ein subjektives Recht bestehen). 508 Oben II 2. 509 OLG Saarbrücken DZWiR 2001, 39, 40 (ohne weitere Begründung für ein Wettbewerbsverbot mit einer Höchstdauer von zwei Jahren); Bäuerle, in: Braun, § 36 InsO Rn. 14 f.; Wegener, in: Frankfurter Kommentar, § 159 InsO Rn. 11. 510 Zum Ermessen des Insolvenzverwalters bei der Verwertung gem. § 159 InsO Häsemeyer, Insolvenzrecht, 296; Klopp/Kluth, in: Gottwald, Insolvenzrecht, § 22 Rn. 56; App, in: Frankfurter Kommentar, § 80 InsO Rn. 10; Flessner, in: Heidelberger Kommentar, § 159 InsO Rn. 8; Frege/ Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rn. 1071; Decker, in: Hamburger Kommentar, § 159 InsO Rn. 6. 511 Eine Pflicht zur Preisgabe des Geheimnisses verneint OLG Köln LZ 1907, 71, 73.
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§§ 433, 453 Abs. 1 2. Alt. BGB verkaufen oder lizenzieren512. Wie der Sachverhalt der Dücko-Entscheidung offenbart, droht bei Geheimnissen als faktisch nicht exklusiven Immaterialgütern die Gefahr, dass der Schuldner nach Abschluss des Verfahrens das Wissen wieder für sich benutzt und so das vom Unternehmenskäufer bezahlte Gut entwertet. Dem lauterkeitsrechtlichen Schutz des Geheimnisses, für den nunmehr der Käufer als unmittelbar Verletzter aktivlegitimiert ist, handelt der Schuldner nicht zuwider, weil er das Geheimnis als früherer Inhaber nicht unredlich erlangt hat. Um den Gemeinschuldner dennoch an einer weiteren Nutzung des Know-hows zu hindern und diesen Massegegenstand möglichst optimal zu verwerten, ist der Verwalter berechtigt, den Schuldner im Vertrag mit dem Käufer zur künftigen Geheimhaltung und Unterlassung eigener Nutzung zu verpflichten513. Diese zugegebenermaßen recht weitgehende Einschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit erscheint gerechtfertigt, weil sie sich in den allgemeinen Grenzen der §§ 134, 138 BGB auf einen bestimmten Gegenstand der Insolvenzmasse bezieht und die übrigen Erwerbsmöglichkeiten des Schuldners unberührt lässt514. Nur auf dieser vertragsrechtlichen Basis lässt sich schlüssig erklären, warum die weitere Nutzung der Kenntnisse lediglich dem Gemeinschuldner und nicht auch sonstigen Arbeitnehmern des Betriebs verboten ist: Jene sind am Know-how-Vertrag zwischen Insolvenzverwalter und Erwerber nicht beteiligt515.
IV. Zusammenfassung Das Insolvenzrecht regelt die zweite Stufe der zwangsweisen Verwertung des Schuldnervermögens. Während das Zwangsvollstreckungsrecht der Durchsetzung einzelner Forderungen dient, reguliert das Insolvenzrecht die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger einer zahlungsunfähigen bzw. überschuldeten Person. Auch vermögenswerte „neue“ Güter haben in diesem Kontext Bedeutung erlangt. Prominentestes Beispiel ist die Dücko-Entscheidung des Bundesgerichtshofs, in der ein „Ausschlussrecht“ am nicht patentierten Betriebsgeheimnis anerkannt und der Verwalter als befugt angesehen wurde, dieses „Recht“ auf den Käufer des Schuldnerunternehmens zu übertragen. Ob diese Schlussfolgerungen aus insolvenzrechtlicher Sicht tragfähig sind, ob mit anderen 512 A.A. ohne Begründung BGHZ 16, 172, 174 (1955) – Dücko (ein Konkursverwalter könne nicht zu Lasten des Gemeinschuldners „neue Verpflichtungen eingehen“); wie hier bereits BGH NJW 1955, 339 (IV. Senat). 513 Für eine vertragliche Lösung der Geheimhaltungs- und Unterlassungspflicht des Gemeinschuldners auch Buchner, Unternehmensschutz, 178 f.; Hubmann, FS Lehmann II, 812, 827 f.; a.A. Berkemeier, Verwertung, 130 (Vertrag zu Lasten Dritter). 514 Im Ergebnis auch Hubmann, FS Lehmann II, 812, 828. 515 Im Ergebnis ebenso BGHZ 16, 172, 176 (1955) – Dücko. Freilich kann der Lösungsweg des BGH diese Differenzierung zwischen Gemeinschuldner und Dritten nicht rechtfertigen. Denn wenn der Erwerber ein übertragbares „Ausschlussrecht“ am Geheimnis erworben hat, dann kann er auch den früheren Arbeitnehmern des Schuldners die Nutzung des Geheimnisses untersagen.
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Worten das Insolvenzrecht eine Rechtsgrundlage für die Anerkennung von jedenfalls in der Insolvenz übertragbaren Ausschließlichkeitsrechten darstellt, wurde in zwei Schritten überprüft. Zunächst wurde die potentielle Reichweite des Insolvenzbeschlags erörtert. Hierfür sowie für die Art und Weise der Zwangsverwertung ist die Insolvenzordnung in der Tat konstituierende Rechtsgrundlage. Wäre die Gesamtvollstreckung wie das Zwangsvollstreckungsrecht auf selbständig übertragbare subjektive Rechte beschränkt, wäre die Dücko-Entscheidung schon aus diesem Grund abzulehnen. Aus den §§ 35 f. InsO ergibt sich jedoch, dass die Insolvenzmasse das „gesamte Vermögen“ des Schuldners umfasst. Hierzu zählen nicht nur pfändbare Rechte, sondern alle vermögenswerten Güter, die wie das Betriebsgeheimnis durch Abschluss wirksamer Verpflichtungsgeschäfte versilbert werden können. Der Insolvenzverwalter ist kraft gesetzlicher Verpflichtungsermächtigung gem. § 80 Abs. 1 1. Alt. InsO befugt, Kauf- bzw. dauerhafte, entgeltliche Gestattungsverträge in Bezug auf die betreffenden Güter abzuschließen, die den Gemeinschuldner selbst nach Abschluss des Verfahrens persönlich binden. Die größere Reichweite des Insolvenzrechts im Vergleich zum Zwangsvollstreckungsrecht verwirklicht eine gestufte Vermögenshaftung, die sich erst bei Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung in eine Universalbeschlagnahme entfaltet. Da jedoch das Selbstbestimmungsrecht und die wirtschaftliche Handlungsfreiheit des Schuldners nicht aufgehoben werden dürfen, fallen die Arbeitskraft generell und speziell die Möglichkeit zur Vermarktung eigener Persönlichkeitsmerkmale nicht in die Insolvenzmasse. Diese Einschränkungen des Insolvenzbeschlags dürfen nicht zum Anlass genommen werden, die Insolvenzmasse ohne Rücksicht auf die Regelungen der §§ 35 f. InsO anhand einer allgemeinen Abwägung zwischen vermögens- und persönlichkeitsrechtlichen Belangen des Schuldners und der Gläubiger zu erweitern. Wie die Einzel- ist auch die Gesamtvollstreckung auf eine abstrakt-formale Abgrenzung angewiesen, die aufwendige Einzelfallprüfungen erübrigt. Schließlich konnte gezeigt werden, dass das Insolvenzrecht zwar die generelle Reichweite der Insolvenzmasse und des hierauf bezogenen Vollstreckungsverfahrens vorgibt, die Subsumtion einer konkreten Rechtsposition bzw. eines vermögenswerten Gutes jedoch stets auf externen Wertungen des materiellen Rechts beruht (insbesondere: Zulässigkeit der Vermarktung durch wirksame Verpflichtungsgeschäfte). Folglich stellen die §§ 35 f. InsO für den Insolvenzbeschlag im Einzelfall keine vollständige Rechtsgrundlage dar, die die Rechtsprechung legitimiert, bestimmte Rechtspositionen oder Güter für verwertbar zu erachten. Maßgeblich ist letztlich immer die vorausliegende, materiellrechtliche Güterordnung (dazu I). Um dem Insolvenzrecht doch konstitutive Wirkungen im Hinblick auf „neue“ Güter zuzuschreiben, bleibt folglich nur die Annahme, die Verfahrenseröffnung modifiziere das materielle Recht und schaffe sich so die Haftungsmasse gleichsam selbst. Die Dücko-Entscheidung geht offenbar davon aus, dass aus bloß deliktsrechtlich konturierten Rechtspositionen wie dem Schutz von Geheimnissen in der Insolvenz „Ausschlussrechte“ werden, über die der Verwalter verfügen
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kann. Diese Folgerung lässt sich dem Insolvenzrecht indes nicht entnehmen. Als im Kern verfahrensrechtliche Materie verwirklicht es den status quo der Rechte und Pflichten von Gemeinschuldner und Gläubigern. Soweit die Insolvenzordnung nicht ausdrücklich materiellrechtliche Wirkungen etabliert, bleibt die Güterordnung konstant. Insbesondere vermag der Insolvenzverwalter keine anderen oder weitergehenden Rechtspositionen zu verwerten als dem Schuldner im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung zustehen. Für „neue“ Güter in der Insolvenz folgt hieraus, dass sich ein etwaiger Deliktsschutz nicht in ein selbständig übertragbares Recht verwandelt. Ihren Wert vermag der Verwalter zu realisieren, indem er diese „sonstigen Gegenstände“ gem. §§ 433, 453 Abs. 1 2. Alt. BGB verkauft oder entgeltliche Gestattungsverträge abschließt. Soweit dies zur optimalen Verwertung im Interesse der Gläubigerbefriedigung erforderlich ist, dürfen diese Verträge um Wettbewerbs- oder Nutzungsverbote ergänzt werden, die den Gemeinschuldner auch nach Abschluss des Verfahrens z.B. zur Geheimhaltung von Know-how verpflichten (dazu II). Das Insolvenzrecht bietet daher entgegen der Dücko-Entscheidung keine Grundlage zur Anerkennung übertragbarer Rechte an „neuen“ Gütern. Die Lösung des Bundesgerichtshofs ist mit dem insolvenzrechtlichen Grundsatz der Konstanz der materiellen Güterordnung unvereinbar und überdies im Resultat unnötig, da sich der Wert der Güter systemkonform über die gesetzliche Verpflichtungsermächtigung des Verwalters realisieren lässt, ohne dass man ein übertragbares „Ausschlussrecht“ am Geheimnis fingiert516. In diesem Zusammenhang wurde erkennbar, dass Verpflichtungsgeschäfte in gewisser Hinsicht als Ersatz für die mangels selbständigen subjektiven Rechts nicht mögliche Übertragung dienen können. Denn der Inhaber des faktisch exklusiven und/oder deliktsrechtlich gegen unerlaubte Nutzung geschützten Guts bzw. an seiner Stelle der Insolvenzverwalter vermag dem Vertragspartner die mit dem Gut verbundenen Vorteile zu verschaffen und dafür ein Entgelt zu erzielen. Freilich werden dadurch keine Ausschließlichkeitsrechte am betreffenden Gut geschaffen, sondern relative, personenbezogene Verpflichtungen517. Die insolvenzrechtliche Bedeutung dieser privatautonomen Gestaltungsmöglichkeit verdeutlicht jedoch, dass rechtsgeschäftlich begründete, relative Rechte in einer allgemeinen Theorie der Güterzuordnung zu berücksichtigen sind, auch wenn ihre Entstehung nicht Gegenstand dieses Hauptteils ist518. So stark die Verankerung der hier vertretenen Auffassung im System des Insolvenzrechts ist, so schwach begründet ist das Dücko-Urteil. Es verleiht seinem Ergebnis bei genauerem Hinsehen nämlich im Wesentlichen mit den bereits 516 Verpflichtung und Verfügung vermengend BGHZ 16, 172, 174 f. (1955) – Dücko (die Übertragung des „Rechts“ am Geheimnis habe „bindende Wirkung gegenüber dem Gemeinschuldner“). 517 Oben § 1 B II 4. Unzutreffend daher die Annahme von OLG Dresden LZ 1910, 332, 334, ohne die Annahme eines subjektiven Rechts am Unternehmen hänge ein Unternehmenskauf „in der Luft“. 518 Dazu unten § 14 B I.
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mehrfach angetroffenen rhetorischen Mitteln scheinbare Legitimität: Güter bzw. deren Vermögenswert und hieran bestehende subjektive Rechte werden begründungslos identifiziert und allgemein über die „Natur“ einer Befugnis als Persönlichkeits- oder Vermögensrecht räsoniert519. Die letztlich wohl durchschlagende Wertung, der Schuldner dürfe den Gläubigern keinen Vermögenswert entziehen, auf dem doch vor der Insolvenz seine Kreditwürdigkeit ggf. maßgeblich beruhte520, ist in ihrer Einseitigkeit insolvenzrechtlich verfehlt und löst überdies schwerwiegende Wertungswidersprüche mit dem Patentrecht aus: Die angesprochene Verwertungssicherheit garantiert die Rechtsordnung den Gläubigern eben nur, wenn ein Ausschließlichkeitsrecht an der Erfindung erteilt wurde, das in der Insolvenz ohne Weiteres zwangsweise übertragen werden kann. Wollen die Kreditgeber diese Vorteile genießen, müssen sie weitere Finanzierungen davon abhängig machen, dass der Schuldner das technische Wissen zum Patent anmeldet, statt es geheim zu halten. Die Dücko-Entscheidung nivelliert den Unterschied zwischen Geheimnissen und Patenten und konterkariert damit die Zwecke des Patentrechts, das seine Vorzüge auch im Hinblick auf den Rechtsverkehr gezielt davon abhängig macht, dass Erfindungen veröffentlicht und so die technologische Entwicklung beschleunigt wird521. Wenn der Bundesgerichtshof ein ausschließliches, übertragbares Recht am Geheimnis bejaht, kann er sich somit nicht auf das Insolvenzrecht, sondern nach den bisherigen Ergebnissen nur mehr auf die Erfüllung einer verfassungsrechtlichen Schutzpflicht aus Art. 14 GG oder ein allgemeines Rechtsprinzip der Güterzuordnung berufen. Bevor jedoch hierauf einzugehen ist, steht mit der Vererblichkeit von Rechtspositionen an „neuen“ Gütern noch die rechtsgeschäftliche Universalsukzession zur Prüfung an.
F. Vererblichkeit I. Einführung und Zusammenhang zur Gesamtvollstreckung Mit der Vererblichkeit nicht spezialgesetzlich zugewiesener „neuer“ Güter bzw. daran bestehender Rechtspositionen ist der Schlusspunkt der Prüfung des Rechtsverkehrsrechts erreicht. Diesem Thema ist wegen der Marlene-Entscheidung und der darin erfolgten Aufspaltung des aPR in seine klassische Ausgestaltung zum Schutz ideeller Interessen einerseits und die vererblichen, vermögens519 BGHZ 16, 172, 175 (1955) – Dücko; siehe auch Berkemeier, Verwertung, 6 (gewerbliche Schutzrechte und Kundschaft als immaterielle Wirtschaftsgüter). 520 BGHZ 16, 172, 176 (1955) – Dücko; ebenso für den Insolvenzbeschlag der Firma Kuhn, WM 1960, 958, 959. 521 Zur Pfändung in der Einzelvollstreckung Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 175. Zur ökonomischen Rechtfertigung des Patentrechts zur Vermeidung von Geheimhaltungsstrategien oben § 3 B II 2 d bb (1).
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werten Ausschließlichkeitsrechte an der Person andererseits besondere Aufmerksamkeit zuteil geworden522. Kaum jedoch wurde die Generalfrage dieser Untersuchung an den Anfang der Überlegungen gestellt. Sie lautet: Stellt § 1922 BGB, wonach mit dem Tode einer Person (Erbfall) deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben)523 übergeht, eine Rechtsgrundlage dar, auf die sich die Gerichte für die Anerkennung der Vererblichkeit stützen können, oder wird hier wie in den anderen „Generalklauseln“ des Rechtsverkehrsrechts nur das Wie der Vererbung unter Verweis auf vorausgesetzte Rechte bzw. Rechtspositionen normiert? Die Gerichte scheinen – freilich ohne Rekurs auf § 1922 BGB und andere Vorschriften des Erbrechts – erstgenannter Lesart zu folgen, wenn sie wie der VI. Senat von einer „Verselbständigung“ des Vermögenswerts im Erbfall und seiner Zuordnung zum Erben524 oder wie das Bundesverfassungsgericht im MarleneBeschluss von einem „Grundgedanken des bürgerlichen Rechts, die Wahrnehmung solcher Vermögensinteressen den Erben zuzugestehen“, sprechen525. Auch die weithin zustimmende Literatur geht von einer „Notwendigkeit der Weitergabe von Vermögenswerten“ im Wege der Vererbung aus526. Trotz der Prominenz der Thematik wird die Vererblichkeit ungeschriebener Ausschließlichkeitsrechte erst an dieser Stelle, nach der Einzel- und Gesamtvollstreckung und damit gesondert von der rechtsgeschäftlichen Verwertung unter Lebenden behandelt. Das hat mehrere Gründe. Zum einen folgt das Erbrecht nicht dem Spezialitätsprinzip wie die Rechtsnachfolge unter Lebenden und die Zwangsvollstreckung. Vielmehr erfolgt die Vererbung im Wege der Universalsukzession, bei der das Vermögen des Erblassers gem. § 1922 BGB „als Ganzes“ auf den Erben übergeht, ganz so, wie das „gesamte Vermögen“ des Gemeinschuldners in der Insolvenz in Beschlag genommen wird. Diese strukturelle Parallele zwischen Insolvenz- und Erbrecht scheint sich auch auf die Reichweite beider Materien auszuwirken. Denn so wie das Unternehmen als Gesamtheit in die Insolvenzmasse fällt, impliziert § 27 Abs. 1 HGB, dass das Handelsgeschäft zum Nachlass des verstorbenen Inhabers gehört, obwohl an diesem Inbegriff einzelner Rechte und sonstiger Gegenstände kein selbständiges subjektives Recht besteht527. Diese grundlegenden Gemeinsamkeiten treten nur hervor, wenn man beide, offenbar vom übrigen Rechtsverkehrsrecht abgekoppelten Materien nebeneinanderstellt. 522
Nachweise oben § 4 B VII 2 b. Wenn im Folgenden vom „Erben“ die Rede ist, ist damit stets die Möglichkeit einer Mehrheit von Erben mitgedacht. 524 BGHZ 165, 203, 209 (2005); ähnlich Götting, GRUR 2004, 801, 806 (die Vererblichkeit folge nicht daraus, dass ein schon zu Lebzeiten vorhandenes Persönlichkeitsgüterrecht auf den Erben übergehe; vielmehr seien die Persönlichkeitsmerkmale, die einen vermögensrechtlichen Gehalt aufwiesen, soweit von der Person des Rechtsträgers verselbständigt und „materialisiert“, dass sie ihn überlebten und auf den Erben übergingen). 525 BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 – Marlene. 526 Lichtenstein, Persönlichkeitsrecht vor und nach dem Tode, 375. 527 Nachweise unten II. 523
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Zum anderen beruht die Annahme, dass für die Vererblichkeit überhaupt eine Rechtsgrundlage erforderlich ist, auf einer sogar unmittelbaren Verknüpfung von Vererblichkeit und Gesamtvollstreckung. Auf den ersten Blick ist nämlich gar nicht ersichtlich, wieso die Rechtsnachfolge von Todes wegen rechtfertigungsbedürftig sein soll. Denn das Gesetz stellt dem Erblasser mit den Rechtsgeschäften auf den Todesfall Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung, kraft derer er das Schicksal seines Vermögens privatautonom zu steuern vermag; auch in die Grundrechte der Erben wird durch den Anfall der Erbschaft per se nicht eingegriffen. Durch die Abkopplung vom Spezialitätsprinzip besteht anders als für die Übertragbarkeit unter Lebenden auch kein automatischer Zusammenhang zur Einzelzwangsvollstreckung, wonach dem Zugriff einzelner Gläubiger unterliegt, was durch Verfügungsgeschäft übertragen werden kann. Dafür verwirklicht das Gesetz den Grundsatz der Parallelität von zwangsweiser und rechtsgeschäftlicher Verwertung auf der Ebene der Nachlassinsolvenz. Demnach gilt: Was vererblich ist, gehört zum haftenden Vermögen im Nachlassinsolvenzverfahren (§ 325 InsO). Für diesen Gleichklang von vererblichem Vermögen und Nachlassinsolvenzmasse sind zunächst die Begriffe „Erbschaft“ (§ 1922 BGB) und „Nachlass“ (§§ 315 ff. InsO) zu klären. Nach den Motiven des BGB wird mit „Erbschaft“ die vererbliche Vermögensmasse in Bezug auf den Erben als neuen Rechtsträger gekennzeichnet528, während der „Nachlass“ für den objektiven Bestand dieses Vermögens vor und – überwiegend – nach dem Erbfall steht529. Folglich wird dieselbe Vermögensmasse nur aus unterschiedlichen Blickwinkeln beschrieben530, so dass aus der begrifflichen Unterscheidung zwischen „Nachlass“ und „Erbschaft“ anerkanntermaßen keine divergierenden Rechtsfolgen abgeleitet werden können531. Im Übrigen ist die Identität des vererbbaren und des haftenden Vermögens Grundlage des Systems der Haftung für Nachlassverbindlichkeiten, das in einem Zusammenspiel von BGB und Insolvenzordnung etabliert wird532. Demnach hat der Erbe gem. § 1967 BGB für die Nachlassverbindlichkeiten grundsätzlich auch 528
Mot. V, 603. Mot. V, 603; Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 10; Schlüter, in: Erman, § 1922 BGB Rn. 6 (Nachlass als Bezeichnung für das Haftungsvermögen); siehe ferner die §§ 211 S. 1, 311b Abs. 4, 1958 ff. BGB. 530 Marotzke, in: Staudinger, § 1922 BGB Rn. 103 (vollkommen identische Begriffe); Ebenroth, Erbrecht, Rn. 21; Leipold, Erbrecht, Rn. 33; ders., in: MünchKomm, § 1922 BGB Rn. 18; MüllerChristmann, in: Bamberger/Roth, § 1922 BGB Rn. 11; Siegmann, in: MünchKomm, Anh. § 315 InsO Rn. 7; Lange/Kuchinke, Erbrecht, 85 (was nicht zur Erbschaft gehöre, zähle auch nicht zum Nachlass). 531 BGHZ 98, 48, 53 (1986); Lange/Kuchinke, Erbrecht, 84. Zu Differenzierungen von Vermögensmassen in Bezug auf Miterben und Vor- und Nacherben ausführlich Schmidt-Kessel, WM 2003, 2086 ff. 532 Siehe dazu auch RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, 229; Marotzke, in: Staudinger, vor §§ 1967 ff. BGB Rn. 5 ff.; Schallenberg/Rafiqpoor, in: Frankfurter Kommentar, vor §§ 315 ff. InsO Rn. 4; Hanisch, FS Henckel, 369 ff. 529
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mit seinem Privatvermögen einzustehen, wenn die Haftung nicht auf den ererbten Nachlass beschränkt wurde533. Diese Haftungsbeschränkung tritt mit der Anordnung einer Nachlassverwaltung oder eben der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens ein534. In diesem auf den „Nachlass“ bezogenen Sonderinsolvenzverfahren können wiederum nur Nachlassverbindlichkeiten geltend gemacht werden (§ 325 InsO)535. Mit diesem Konzept wird einerseits das Ziel verfolgt, den Erben vor dem Zugriff der Nachlassgläubiger auf sein Privatvermögen zu bewahren536; andererseits werden die Nachlassgläubiger vor der Konkurrenz der Gläubiger des Erben geschützt, indem ihnen der Nachlass als Haftungsmasse vorbehalten wird537. Diese Zwecke lassen sich nur vollständig erreichen, wenn das ererbte Vermögen vom Privatvermögen getrennt wird und anschließend unverändert dem Zugriff der Nachlassgläubiger unterliegt538. Wenn sich die Aussichten der Gläubiger auf Befriedigung durch den Erbfall nicht verschlechtern sollen und umgekehrt der Erbe nicht besser stehen soll als der Erblasser, geht das Gesetz ersichtlich davon aus, dass die in die Nachlassinsolvenz fallende Vermögensmasse und die Erbschaft gem. § 1922 BGB identisch sind539. Entscheidet man sich vor diesem Hintergrund dafür, ein vermögenswertes Gut wie den Namen oder das Bildnis einer prominenten Person zur „Erbschaft“ zu zählen, schlägt man diese Güter nach der gesetzlichen Konzeption automatisch dem haftenden Nachlass zu, der zwangsweise verwertet werden kann. Folglich genügt es nicht, sich auf die positiven Folgen der Vererblichkeit für Erblasser und Erben zu berufen und eine Rechtsgrundlage für diese Entscheidung für überflüssig zu halten. Insbesondere greift die häufig anzutreffende Aussage zu kurz, es seien keine Gründe ersichtlich, die gegen die Vererblichkeitslösung sprechen540. Vielmehr sind positive, in der Rechtsordnung verankerte Argumente für dieses Resultat vorzubringen. Denn damit werden automatisch Zwangsverwertungen ermöglicht, die ihrerseits dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegen. Zu erörtern ist daher, ob § 1922 BGB eine Rechtsgrundlage für die Anerkennung der Vererblichkeit darstellt oder zumindest den vom Bundesverfassungsgericht formulierten „Grundgedanken des bürgerlichen Rechts“ bestätigt, wonach 533 Siehe zu dieser Struktur etwa Mot. V, 604; RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, 229; BGH NJW 2006, 2698, 2699; Kipp/Coing, Erbrecht, 517 ff.; Marotzke, in: Staudinger, vor §§ 1967 ff. BGB Rn. 9; Dauner-Lieb, Unternehmen in Sondervermögen, 59 ff. (Nachlass als potentielles Sondervermögen), 93 ff.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 866 ff. 534 §§ 1975 ff. BGB; Bork, Insolvenzrecht, Rn. 421. 535 Siegmann, in: MünchKomm, Anh. § 315 InsO Rn. 7. 536 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, 229; BGHZ 108, 187, 194 (1989); Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rn. 2332; Hüsemann, Nachlassinsolvenzverfahren, 125 ff. 537 Mot. V, 604 f.; BGHZ 98, 48, 54 (1986); Dauner-Lieb, FS Gaul, 93, 94 (dieses Ziel sei logisch vorrangig); dies., Unternehmen in Sondervermögen, 44, 68 (die wichtigste Eigenschaft der Vermögensrechte sei, dass sie als Gesamtheit das Haftungsobjekt für Schulden bildeten); Windel, Modi der Nachfolge, 12. 538 Derleder, in: AK, § 1922 BGB Rn. 4; Schmidt-Kessel, WM 2003, 2086. 539 BGHZ 98, 48, 54 (1986); Schmidt-Kessel, WM 2003, 2086, 2088 f. 540 Oben § 4 B VII 3 b.
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die Wahrnehmung von Vermögensinteressen den Erben zuzugestehen sei. Die Abfolge der Prüfungsschritte entspricht dem Aufbau zum Insolvenzrecht: Zunächst ist die Reichweite der „Erbschaft“ bzw. des „Nachlasses“ zu klären, also der Terminus „Vermögen“ gem. § 1922 BGB auszulegen. Fraglich ist insbesondere, ob sich die Gesamtrechtsnachfolge auf selbständig übertragbare, subjektive Rechte beschränkt oder wie die Insolvenzmasse weitere vermögenswerte Güter umfasst (dazu II). Im Anschluss gilt es zu analysieren, ob § 1922 BGB für die Vererblichkeit bestimmter Rechtspositionen konstitutiv ist oder ob der Norm nur die generellen Voraussetzungen hierfür und das Wie der Rechtsnachfolge von Todes wegen zu entnehmen sind (dazu III).
II. Der Begriff des Vermögens gem. § 1922 BGB Dass vermögenswerte subjektive Rechte einschließlich der Gestaltungsrechte in die Erbschaft fallen, ist anerkannt541. Forderungen werden vom BGB ausdrücklich als zum Nachlass zählend behandelt542; dingliche Rechte, Immaterialgüterund Anteils- bzw. Mitgliedschaftsrechte in den jeweiligen Spezialregelungen für vererblich erklärt543. In Anbetracht der unstreitigen Vererblichkeit des Sacheigentums und der Aktie ist es offenbar nicht einmal erforderlich, dass die Zugehörigkeit zur Erbschaft ausdrücklich normiert ist. Fraglich aber ist, ob sich der Nachlass auf diese Art von Rechtspositionen beschränkt, ob mit anderen Worten die Vererblichkeit ein übertragbares subjektives Recht voraussetzt544. Dagegen spricht bereits die Definition der Erbschaft in § 1922 BGB als das Vermögen545 des Erblassers, das als Ganzes auf den Erben übergeht546. Anders als die Auffangregel der Verkehrsfähigkeit unter Lebenden (§ 413 BGB) wird die 541 BGH NJW 1951, 308; ferner OLG Hamm MDR 1979, 227 (Genehmigungsrecht des Vertretenen gem. § 177 Abs. 1 BGB). Zur „Verfügungsbefugnis“ und zu „Verfügungen“ über den Nachlass bzw. Nachlassgegenstände siehe z.B. die §§ 1959 Abs. 2, 1984 Abs. 1, 2040 Abs. 1, 2206 Abs. 1, 2286 BGB. 542 Siehe z.B. die §§ 211 S. 1, 473 (Vorkaufsrecht), 520 (Rentenversprechen), 1977 Abs. 1, 2040 Abs. 2, 2169 Abs. 3 BGB (zum Nachlass gehörende Forderung, Vermächtnis eines Anspruchs auf Leistung); ferner die §§ 1378 Abs. 3 S. 1, 2317 Abs. 2 BGB (Vererblichkeit des Zugewinnausgleichs- und Pflichtteilsanspruchs). 543 Siehe die §§ 38 (Mitgliedschaft im eingetragenen Verein), 1061 (Nießbrauch), 1090 Abs. 2 BGB (beschränkte persönliche Dienstbarkeit), 15 Abs. 1 S. 1 PatG, 22 Abs. 1 S. 1 GebrMG, 11 Abs. 2 HalblSchG, 27 Abs. 1 MarkenG, 29 Abs. 1 GeschmMG („übergehen“), 28 UrhG, 15 Abs. 1 GmbHG, 77 GenG. 544 In diesem Sinne Ullmann, WRP 2000, 1049, 1052 (ohne eine rechtliche Verselbständigung der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts gebe es keine Vererblichkeit); Beuthien/Hieke, AfP 2001, 353, 355. 545 Zu unterschiedlichen Bedeutungen des Vermögensbegriffs im BGB nur etwa Larenz/Wolf, AT, § 21 (Vermögensbegriff des BGB, im Schadensersatzrecht, Vermögen als Gegenstand von Verpflichtungsgeschäften, Schutz- und Haftungsobjekt); Boehmer, in: Staudinger11, § 1922 BGB Rn. 72 ff. 546 Siehe auch die §§ 1939, 2032 Abs. 1, 2087 Abs. 1 BGB („Vermögen“ bzw. „Vermögensvorteil“).
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Reichweite des Nachlasses nicht unter Verweis auf „Rechte“ bestimmt, sondern mit dem umfassendsten Inbegriff, den das BGB kennt. Diese Wortwahl ist erneut kein Zufall, sondern Ausdruck eines bestimmten Regelungszwecks. Eine Beschränkung der Rechtsnachfolge von Todes wegen auf selbständige subjektive Rechte, die dem Erblasser zum Zeitpunkt des Erbfalls zustehen, würde nämlich dem Zweck der Universalsukzession zuwiderlaufen. Dieser in § 1922 BGB verankerte Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge besagt, dass das Vermögen einschließlich der Schulden des Erblassers (§ 1967) als Ganzes (uno actu) unabhängig von den Voraussetzungen des Rechtserwerbs unter Lebenden im Zeitpunkt des Erbfalls kraft Gesetzes (ipso iure) auf den Erben übergeht547. Dieses Verfahren soll dazu beitragen, dass es im Interesse der Erhaltung der Haftungsmasse (oben I) zu einem vollständigen, lückenlosen Übergang des Vermögens im Erbfall kommt548, ohne dass einzelne Vermögenswerte „herrenlos“ werden549. Eine solche, möglichst umfassende Vermögensnachfolge tritt jedoch nur ein, wenn der Erbe nicht nur in bestehende subjektive Rechte, sondern in alle „unfertigen“, noch werdenden oder künftigen Rechte, Bindungen und Lasten einrückt550. Vor diesem Hintergrund überzeugt es nicht, unter „Vermögen“ gem. § 1922 BGB nur die Summe der geldwerten Rechte zu verstehen551. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass vertragliche Rechte und Pflichten nicht einzeln, sondern in ihrer Verbindung als Vertragsstellung auf den Erben übergehen552, wird der Umfang der Universalsukzession mit allen „wertbezogenen Rechtsverhältnissen“ zutreffender beschrieben553. 547 Siehe RGZ 95, 12, 14 (1919) (Übergang des Vermögens als Ganzes einschließlich der Schulden); BGHZ 32, 367, 369 (1960) (Gesamtnachfolge); BGHZ 104, 369, 371 (1988); BGH DB 1976, 1714 (Gesamtrechtsnachfolge); BGHZ 68, 225, 230 (1977); OLG Hamm MDR 1979, 227; LAG Frankfurt DB 1985, 1138; BayObLG FamRZ 2004, 1606, 1607; Windscheid/Kipp, Pandekten III, 186; Kipp/Coing, Erbrecht, 499 ff.; Windel, Modi der Nachfolge, 8 ff.; Stein, in: Soergel, § 1922 BGB Rn. 1 ff.; Leipold, in: MünchKomm, § 1922 BGB Rn. 93 ff.; Kregel, in: RGRK, § 1922 BGB Rn. 1; Gursky, Erbrecht, 5; Ebenroth, Erbrecht, Rn. 39; Schlüter, in: Erman, § 1922 BGB Rn. 5; Marotzke, in: Staudinger, § 1922 BGB Rn. 44 ff.; Müller-Christmann, in: Bamberger/Roth, § 1922 BGB Rn. 15 ff.; Muscheler, Universalsukzession, 5 ff. (die Universalsukzession zeichne sich aus durch die Gesamtheit des Übergangsobjekts, die Einheit des Erwerbssubjekts, die Einheitlichkeit des Übergangsmodus, die Einheitlichkeit der Übergangscausa und die Einheitlichkeit des Übergangszeitpunkts). 548 Windel, Modi der Nachfolge, 6; Däubler, in: AK, Einl. Erbrecht Rn. 18 (Erhaltung der Haftungsgrundlage). 549 Kregel, in: RGRK, § 1922 BGB Rn. 1; Hoeren, in: Hk-BGB, vor §§ 1922 ff. BGB Rn. 1, 20. 550 BGHZ 32, 367, 369 (1960); BGH DB 1976, 1714; OLG Hamm MDR 1979, 227. Entsprechend für Verbindlichkeiten BGH NJW 1991, 2558, 2559. Allgemein Boehmer, JW 1938, 2634 ff.; Leipold, in: MünchKomm, § 1922 BGB Rn. 34 ff.; Kipp/Coing, Erbrecht, 502 (auch begünstigende und wirtschaftlich wertvolle Rechtslagen und Anwartschaften). 551 So etwa v. Tuhr, AT I, 313, 318; Kregel, in: RGRK, § 1922 BGB Rn. 10; Stein, in: Soergel, § 1922 BGB Rn. 14; Dauner-Lieb, Unternehmen in Sondervermögen, 44. 552 Boehmer, JW 1938, 2634, 2635 f. 553 So BGH NJW 1962, 911; Leipold, Erbrecht, Rn. 32; ders., in: MünchKomm, § 1922 BGB Rn. 19 (geldwerte Rechtsbeziehungen); Schmidt-Kessel, WM 2003, 2086 (Rechte und Rechtsverhältnisse); Edenhofer, in: Palandt, § 1922 BGB Rn. 12 (Gesamtheit der Rechtsverhältnisse); Windel, Modi der Nachfolge, 17 (Kreis der Rechtsverhältnisse).
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Doch nicht nur § 1922 BGB gibt zu erkennen, dass die Erbschaft mehr umfasst als nur selbständig übertragbare Rechte554. So werden das unter Lebenden nicht übertragbare Urheber- sowie das nur mit dem Handelsgeschäft übertragbare Firmenrecht ausdrücklich für vererblich erklärt555. Gem. § 857 BGB geht der Besitz auf den Erben über, der doch nur für die tatsächliche, durch das Gesetz geschützte Sachherrschaft steht556. Die firmenrechtliche Norm des § 27 Abs. 1 HGB setzt voraus, dass das Handelsgeschäft als Vermögensgesamtheit einschließlich nicht durch subjektive Rechte zugeordneter Güter und Kundenbeziehungen in den Nachlass fällt557. Schließlich wurde bereits die Verknüpfung der zivilrechtlichen Erbenhaftung mit dem Nachlassinsolvenzverfahren dargetan. Hieraus folgt nicht nur die Begründungsbedürftigkeit einer Erweiterung der Erbschaft um bestimmte Rechtspositionen wie die „vermögenswerten Bestandteile“ des Persönlichkeitsrechts, sondern eine grundsätzlich parallele Reichweite von Nachlass und Insolvenzmasse. Wenn Letztere neben selbständigen subjektiven Rechten jeden rechtlich zulässigerweise realisierbaren Vermögenswert umfasst, ist der Nachlass ebenfalls aus diesen Vermögensbestandteilen zusammengesetzt. Dafür spricht, dass das Nachlassinsolvenzverfahren nur hinsichtlich der Trennung vom Privatvermögen des Erben ein „besonderes“ Insolvenzverfahren ist, auf das im Übrigen die Vorschriften zum Regelinsolvenzverfahren Anwendung finden558. Das Eröffnungsverfahren nimmt beim Tode des Schuldners ohne Unterbrechung seinen Fortgang mit dem Erben als neuem Schuldner559. Dieser verliert ebenso wie der Gemeinschuldner zu Lebzeiten neben der Befugnis zur Verfügung über subjektive Rechte die Verwaltungsbefugnis, die sich wie zur Insolvenz gezeigt gerade auf
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Allgemein auch Kregel, in: RGRK, § 1922 BGB Rn. 10. Siehe die §§ 28 f. UrhG, 22 f. HGB; ferner BGH NJW 1985, 3068, 3069; Schlüter, in: Erman, § 1922 BGB Rn. 8; Boehmer, in: Staudinger11, § 1922 BGB Rn. 67. 556 Brehm, JZ 1972, 225, 229 (gesetzliche Fiktion des Übergangs des Besitzes als tatsächliche Position). Siehe dazu aus der Entstehungsgeschichte Jakobs/Schubert, Sachenrecht 1, 156 ff.; Prot. II 5, 650 ff. (nicht nur Rechte, sondern auch Rechtspositionen seien vererblich). 557 Dazu RGZ (Vereinigte Zivilsenate) 144, 1, 3 f. (1934); BGH LM § 1922 BGB Nr. 1 (1951); BGHZ 32, 367, 370 (1960) (Eintritt auch in Geschäftsbeziehungen); BGH LM § 1922 BGB Nr. 7 (1963); Boehmer, in: Staudinger11, § 1922 BGB Rn. 167; Ebenroth, Erbrecht, Rn. 35; Kregel, in: RGRK, § 1922 BGB Rn. 13; Stein, in: Soergel, § 1922 BGB Rn. 80; Leipold, in: MünchKomm, § 1922 BGB Rn. 21; Müller-Christmann, in: Bamberger/Roth, § 1922 BGB Rn. 59; Marotzke, in: Staudinger, § 1922 BGB Rn. 219 (auch sonstige tatsächliche Beziehungen); Hubmann, ZHR 117 (1955), 41, 66; Hueck, Unkörperliche Geschäftswerte, 95 (Geschäftswerte seien vererblich, weil sie durch Weitergabe von Informationen tatsächlich übertragbar seien); Kuchinke, ZIP 1987, 681, 683 (Vorschrift ausschließlich firmenrechtlichen Gehalts). 558 Siehe RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, 229; Schallenberg/Rafiqpoor, in: Frankfurter Kommentar, § 315 InsO Rn. 2; Bork, Insolvenzrecht, Rn. 423; Marotzke, in: Staudinger, § 1975 BGB Rn. 29; Döbereiner, in: Gottwald, Insolvenzrecht, § 110 Rn. 1; Böhm, in: Hamburger Kommentar, vor §§ 315 ff. InsO Rn. 1. 559 Siehe § 11 Abs. 2 Nr. 2 InsO; RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, 231; Schallenberg/Rafiqpoor, in: Frankfurter Kommentar, § 315 InsO Rn. 2; Böhm, in: Hamburger Kommentar, vor §§ 315 ff. InsO Rn. 16; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rn. 2376 ff. 555
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weitere Rechtshandlungen und Güter bezieht560. All diese verfahrensrechtlichen Mechanismen implizieren eine identische Grundstruktur der Haftungsmasse in der Gesamtvollstreckung und des vererbbaren Vermögens, auch wenn die punktuellen Einschränkungen der Insolvenzmasse im Interesse der Selbstbestimmung des Gemeinschuldners und der Vererblichkeit im Hinblick auf höchstpersönliche Rechtspositionen des Erblassers anderen Zwecken dienen. Zu Recht wird daher zum Nachlass gezählt, was ohne den Erbfall gem. §§ 35 f. InsO zur Insolvenzmasse gehört hätte561. Im Ergebnis ist die Vererblichkeit ebenso von der rechtsgeschäftlichen Übertragbarkeit unter Lebenden und der Pfändbarkeit entkoppelt wie der Insolvenzbeschlag. Diese umfassendere Reichweite beruht auf dem Konzept, das gesamte Vermögen des Schuldners bzw. Erblassers zwangsweise zu verwerten bzw. von Todes wegen auf den Erben übergehen zu lassen. Obwohl selbständig übertragbare subjektive Rechte jedenfalls in den Nachlass fallen, erscheint es daher zu kurz gegriffen, von der (ggf. beschränkten) Übertragbarkeit auf die Vererblichkeit bestimmter Rechtspositionen zu schließen562. Erforderlich ist vielmehr eine genuin erbrechtliche Bestimmung des Begriffs „Vermögen“ gem. § 1922 BGB. Diese kann nach den bisherigen Ausführungen durchaus zum Ergebnis führen, dass alle vermögenswerten Güter563 vererblich sind, wenn sie – wie Persönlichkeitsmerkmale – rechtlich zulässig im Wege von Verpflichtungsgeschäften vermarktet werden können. Denn diese potentielle Reichweite hat die Universalsukzession im Erbfall. Fraglich aber ist, ob die hierfür wie gezeigt erforderliche Rechtsgrundlage dem Erbrecht und insbesondere seiner Eingangsnorm selbst („intern“) zu entnehmen ist. Dem ist nunmehr nachzugehen.
560 §§ 1984 BGB, 315 i.V.m. 80 Abs. 1 InsO; Marotzke, in: Staudinger, § 1975 BGB Rn. 5 f.; Hüsemann, Nachlassinsolvenzverfahren, 119. Auch die Miterben „verwalten“ den Nachlass gemeinschaftlich (§ 2038 BGB). 561 Siehe Schmidt-Kessel, WM 2003, 2086; Hüsemann, Nachlassinsolvenzverfahren, 92 ff.; Keller, Insolvenzrecht, Rn. 238; Marotzke, in: Staudinger, § 1975 BGB Rn. 41 (Nachlass als Ganzes); Böhm, in: Hamburger Kommentar, vor §§ 315 ff. InsO Rn. 4 f.; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rn. 2393 f.; Döbereiner, in: Gottwald, Insolvenzrecht, § 113 Rn. 1 f.; Bork, Insolvenzrecht, Rn. 427 (Nachlass, soweit er der Pfändung unterliegt); Siegmann, in: MünchKomm, Anh. § 315 InsO Rn. 8 ff. (Regelung des Neuerwerbs bei der Nachlassinsolvenz nicht anwendbar); Schallenberg/Rafiqpoor, in: Frankfurter Kommentar, § 315 InsO Rn. 12 ff. (Erbrecht im Ausgangspunkt, Bestimmung der Masse durch das Insolvenzrecht); Hanisch, FS Henckel, 369, 370, 372, 374 (Konkursrecht und Erbrecht bestimmten gemeinsam, was zum Nachlass als Haftungssubstrat gehöre). 562 Siehe BGHZ 104, 369, 371 (1988); LAG Frankfurt DB 1985, 1138, 1139 (Anspruch auf Urlaubsgeld zwar übertragbar und pfändbar, aber nicht vererblich); Bender, Postmortales Einsichtsrecht, 210; Boehmer, in: Staudinger11, § 1922 BGB Rn. 197; Leipold, in: MünchKomm, § 1922 BGB Rn. 19; Marotzke, in: Staudinger, § 1922 BGB Rn. 115; Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 11; anders aber Schulze Wessel, Vermarktung Verstorbener, 117 ff.; Gregoritza, Persönlichkeitsrechte Verstorbener, 104 f.; Müller, GRUR 2003, 31, 33. 563 So etwa Kipp/Coing, Erbrecht, 502; Ebenroth, Erbrecht, Rn. 22; Hoeren, in: Hk-BGB, § 1922 BGB Rn. 2; Schlüter, in: Erman, § 1922 BGB Rn. 7.
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III. Der Regelungsgehalt des Erbrechts im Hinblick auf die Vererblichkeit Stützt man die Vererblichkeit „neuer“ Güter wie kommerzialisierte Persönlichkeitsmerkmale nicht wie die Rechtsprechung und Literatur auf allgemeine Erwägungen ohne erkennbaren Bezug auf das Erbrecht des BGB564, sondern sucht aufgrund des Konnexes zur Zwangsverwertung in der Nachlassinsolvenz zunächst einmal nach einem gesetzlichen Anhaltspunkt für eine solche Entscheidung, kommt hierfür allenfalls § 1922 BGB in Betracht565. Dieser Norm kann wie erläutert immerhin entnommen werden, dass sich die Erbschaft ggf. auf Güter und nicht nur auf selbständige subjektive Rechte erstreckt. Eine genauere Analyse zeigt jedoch, dass § 1922 BGB für die Vererblichkeit bestimmter Rechtspositionen nicht konstitutiv ist. 1. Regelungszweck des § 1922 BGB Schon seinem Wortlaut nach regelt die Vorschrift primär den Vorgang der Vererbung, nicht die vorausliegende Frage, welche Rechte und Güter vererblich sind. Dem entspricht die systematische Stellung des § 1922 BGB im ersten Abschnitt des Erbrechts. Hier sind Vorschriften allgemeiner Art zur gesetzlichen Erbfolge und zu Verfügungen von Todes wegen versammelt, aus denen sich ergibt, wer im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gesetzlicher oder gewillkürter Erbe bzw. Vermächtnisnehmer wird566. Dementsprechend wurde der Zweck der Norm während der Entstehungsgeschichte primär darin gesehen, das Wie der Rechtsnachfolge von Todes wegen auf die Universalsukzession festzulegen567. Diese Aussage ist durchaus nicht überflüssig, denn es existieren insbesondere in Gestalt der Sondererbfolge alternative Formen der Rechtsnachfolge von Todes wegen, die mit § 1922 BGB grundsätzlich abgelehnt wurden568. Folglich handelt es sich um eine im Kern verfahrensrechtliche Regelung569. In den Worten von
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Siehe oben § 4 B VII 3 b. Für die Maßgeblichkeit dieser Norm und gegen eine „gesetzesunabhängige[n] Interessenabwägung“ auch Bender, Postmortales Einsichtsrecht, 159. 566 Siehe Jakobs/Schubert, Erbrecht 1, 63, 65; Mot. V, 1; Schlüter, in: Erman, Einl. § 1922 BGB Rn. 10. 567 Siehe aus der Entstehungsgeschichte Jakobs/Schubert, Erbrecht 1, 56 („Das Prinzip, daß das Vermögen des Erblassers als Ganzes kraft des Gesetzes auf den berufenen Erben übergehe, sei an die Spitze des Abschnittes zu stellen. … hier, wo Bestimmung darüber getroffen werden solle, was unter dem ipso jure Erwerb der Erbschaft zu verstehen sei …“); ferner Muscheler, Universalsukzession, 2; Windel, Modi der Nachfolge, 6; Otte, in: Staudinger, Einl. §§ 1922 ff. BGB Rn. 7. 568 Zu den unterschiedlichen Varianten, das Schicksal des Vermögens nach dem Tode einer natürlichen Person zu regeln, siehe Windel, Modi der Nachfolge, 1 ff.; zur rechtspolitischen Bewertung der Universalsukzession Muscheler, Universalsukzession, 91 ff.; zu abweichenden Konzepten aus rechtshistorischer Sicht Kipp/Coing, Erbrecht, 478 ff.; zu derzeitigen Fällen der Sondererbfolge nur Edenhofer, in: Palandt, § 1922 BGB Rn. 8 ff. 565
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Windscheid/Kipp: „Die Rechtsregeln, nach welchen dieser Übergang erfolgt, bildet das Erbrecht.“570. Immerhin benennt § 1922 BGB den Gegenstand der Gesamtrechtsnachfolge, nämlich das Vermögen des Erblassers. Hieraus lässt sich wie gezeigt zum einen die über subjektive Rechte hinausgehende, potentielle Reichweite des Nachlasses ableiten; zum anderen wird erkennbar, dass sich das Erbrecht generell nur mit dem Bereich des privaten Vermögensrechts beschäftigt571. Hieraus und aus der Alternative zur Universalsukzession im Erbfall ergibt sich ferner das allgemeine Kriterium, anhand dessen über die Vererblichkeit im Einzelnen zu entscheiden ist. Wenn das BGB beim Tode einer Person allein die Gesamtrechtsnachfolge des Vermögens gem. § 1922 BGB vorsieht, folgt e contrario, dass alle hiervon nicht erfassten Rechtspositionen erlöschen572; eine dritte Möglichkeit ist dem BGB fremd. Unvererbliche Rechtspositionen können den Tod einer Person daher nur aufgrund sonstiger Rechtsgrundlagen überdauern573. § 1922 BGB sind also die Alternativen zu entnehmen, zwischen denen beim Tod einer Person zu entscheiden ist: Entweder ist die entsprechende Rechtsposition an das Fortleben der Person des Erblassers geknüpft oder sie geht als Teil des Vermögens auf den Erben über574. Wie oben gezeigt, zählen zum Vermögen grundsätzlich alle Rechtspositionen, die der Erblasser zu Lebzeiten rechtlich zulässig einsetzen konnte, um den Wert des jeweils geschützten Guts zu realisieren. Ist die Rechtsposition bzw. Ver569 Siehe BayObLG FamRZ 2004, 1606, 1607 (keine unmittelbare Nachlassaufteilung durch Verfügung von Todes wegen); Leipold, AcP 180 (1980), 160, 205 (Aufgabe des Erbrechts sei die Weitergabe wirtschaftlicher Einheiten); Windel, Modi der Nachfolge, 7; Edenhofer, in: Palandt, v. § 1922 BGB Rn. 1; Hoeren, in: Hk-BGB, vor §§ 1922 ff. BGB Rn. 19. 570 Windscheid/Kipp, Pandekten III, 185; Otte, in: Staudinger, Einl. §§ 1922 ff. BGB Rn. 1. 571 Siehe Mot. V, 2; Prot. II 5, 1 (die Norm enthalte die Begriffsbestimmung für die Erbschaft); Stein, in: Soergel, § 1922 BGB Rn. 13; Müller-Christmann, in: Bamberger/Roth, § 1922 BGB Rn. 1; Leipold, Erbrecht, Rn. 1; ders., in: MünchKomm, § 1922 BGB Rn. 2; Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 2; Bender, Postmortales Einsichtsrecht, 163. 572 Diese Alternative war in einem Formulierungsvorschlag in der ersten Kommission ausdrücklich formuliert worden: „Alle zu dem Vermögen des Erblassers gehörenden Rechte und alle Verbindlichkeiten des Erblassers werden, soweit sie nicht mit dem Tode desselben erlöschen, mit dem Anfalle Rechte und Verbindlichkeiten der Erben.“; abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Erbrecht 1, 55; dazu Boehmer, in: Staudinger11, § 1922 BGB Rn. 71. Die Entscheidung für die Gesetz gewordene Fassung lässt nicht erkennen, dass von dieser Alternativität abgewichen werden sollte. Auch eine ausdrückliche Normierung des zwingenden Charakters der Universalsukzession wurde als selbstverständlich durch die 2. Kommission gestrichen; siehe dazu Mot. V, 3; Prot. II 5, 2; ferner BGH LM § 1922 BGB Nr. 7 (1963); BGH NJW 1983, 2627, 2628; BGH GRUR 2006, 879, 880 (Erlöschen einer Verbindlichkeit in Form eines an die Person des Erblassers geknüpften Unterlassungsanspruchs); Windscheid/Kipp, Pandekten III, 185; Dietzel, Untergang statt Fortbestand, 1, 17; v. Tuhr, AT II/2, 87; Marotzke, in: Staudinger, § 1922 BGB Rn. 41, 116; Kregel, in: RGRK, § 1922 BGB Rn. 1; Müller-Christmann, in: Bamberger/Roth, § 1922 BGB Rn. 16; Däubler, in: AK, Einl. Erbrecht Rn. 104; Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 2; Edenhofer, in: Palandt, v. § 1922 BGB Rn. 1; Otte, in: Staudinger, Einl. §§ 1922 ff. BGB Rn. 1. 573 Dietzel, Untergang statt Fortbestand, 8 f. Für das Recht am eigenen Bild § 22 S. 3 KUG; dazu noch unten § 13 B VII 3 b. 574 Boehmer, in: Staudinger11, § 1922 BGB Rn. 197; Marotzke, in: Staudinger, § 1922 BGB Rn. 115 (in Abgrenzung zur Frage der Übertragbarkeit unter Lebenden).
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bindlichkeit hingegen nach ihrem Inhalt und ihrer Zweckbestimmung allein auf die Person des Inhabers bezogen und kann deshalb von Dritten einschließlich des Erben nicht im eigenen Namen geltend gemacht bzw. erfüllt werden, dann endet diese Befugnis bzw. Verbindlichkeit mit dem Tode575. Als solch „höchstpersönliche“576 Rechtspositionen werden etwa577 die Kaufmannseigenschaft als solche578, familienrechtliche Beziehungen579, der presserechtliche Gegendarstellungsanspruch580 und das aPR in seiner klassischen Ausgestaltung angesehen581. Insgesamt hat der „in § 1922 Abs. 1 BGB verwendete Vermögensbegriff … also im wesentlichen die Funktion, die unvererblichen Rechte und Pflichten aus dem universalen Rechtsstatus des Erblassers auszuscheiden und diesen Status auf das zu reduzieren, was ohne Bindung an die persönliche Existenz des Erblassers von den Erben fortgesetzt werden kann“582. Die herrschende Meinung entnimmt § 1922 BGB jedoch nicht nur diese allgemeine Weichenstellung zwischen Rechtsnachfolge von Todes wegen und Erlöschen, sondern folgert aus der Verwendung des Begriffs „Vermögen“ und den Zwecken der Universalsukzession, dass die Vererblichkeit die Regel und mög-
575 RGZ (Vereinigte Zivilsenate) 144, 1, 4 (1934) (Arztpraxis ja; a.A. entsprechend der h.M. zur Regelinsolvenz etwa Siegmann, in: MünchKomm, Anh. § 315 InsO Rn. 28 m.w.N.; Böhm, in: Hamburger Kommentar, vor §§ 315 ff. InsO Rn. 8); BGH LM § 1922 BGB Nr. 7 (1963) (Fremdenpension nein, schriftstellerische Tätigkeit als an die Person des geistig schaffenden Erblassers geknüpft ja); BGH NJW 1983, 2627, 2628 f. (ein Anspruch gehe nicht auf die Erben über, wenn er durch den Gläubigerwechsel in seinem Inhalt zweckwidrig verändert werde); BGH NJW 1985, 3068, 3069 (Verbindlichkeiten); BGHZ 104, 369, 372 (1988); BGH GRUR 2006, 879, 880 (auf die Person des Erblassers bezogene Wiederholungsgefahr bei Unterlassungsansprüchen gegen den Erblasser); LAG Frankfurt DB 1985, 1138; Dietzel, Untergang statt Fortbestand, 12 (Rechtsbeziehnungen seien höchstpersönlicher Art und erlöschten mit dem Tode, die so eng mit dem berechtigten oder verpflichteten Rechtssubjekt verbunden seien, dass sie nicht von diesem gelöst werden können); Brehm, JZ 1972, 225, 230 (Ansprüche aus Zustandsstörung vererblich, Ansprüche aus Handlungsstörung nicht). 576 Mot. V, 2 (die „höchstpersönlichen Rechte scheiden selbstverständlich“ als der erbrechtlichen Sukzession unterliegend aus); BGH NJW 1983, 2627, 2628; OLG Hamm MDR 1979, 227 (überwiegend persönlichkeitsbezogene Rechte und Pflichten, vor allem die höchstpersönlichen Rechte); LAG Frankfurt DB 1985, 1138; Stürner, in: Jauernig, § 1922 BGB Rn. 13; Derleder, in: AK, § 1922 BGB Rn. 5. Andere Terminologie bei Leipold, Erbrecht, Rn. 32 (immaterielle Rechte) und Bender, Postmortales Einsichtsrecht, 164 (immaterielle Güter/ideelle Rechte). Ausführlich zur uneinheitlichen Terminologie Dietzel, Untergang statt Fortbestand, 11 ff. 577 Siehe die Übersichten bei Edenhofer, in: Palandt, § 1922 BGB Rn. 36; Schlüter, in: Erman, § 1922 BGB Rn. 34 ff.; Gursky, Erbrecht, 5 ff. Zu tatsächlichen, an die Person des Verstorbenen geknüpften Umständen BGH NJW-RR 2006, 1378, 1379 (Wiederholungsgefahr). 578 Boehmer, in: Staudinger11, § 1922 BGB Rn. 167 f. 579 BayObLG NJW-RR 1996, 1092 m.w.N.; Leipold, in: MünchKomm, § 1922 BGB Rn. 81 ff.; Hoeren, in: Hk-BGB, § 1922 BGB Rn. 11; Marotzke, in: Staudinger, § 1922 BGB Rn. 135 ff.; Stein, in: Soergel, § 1922 BGB Rn. 31 ff.; Ebenroth, Erbrecht, Rn. 36. Zur Fürsorge für den nicht als Sache vererblichen Leichnam OLG Karlsruhe NJW 2001, 2980; Kipp/Coing, Erbrecht, 514 ff.; Marotzke, in: Staudinger, § 1922 BGB Rn. 117 ff.; Edenhofer, in: Palandt, v. § 1922 BGB Rn. 9 ff. 580 KG ZUM-RD 2007, 232, 233 f. 581 Dazu ausführlich unten § 13 B VII. 582 OLG Hamm MDR 1979, 227.
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lichst umfassend sei, damit kein Vermögensbestandteil herrenlos werde583. So wird man auch den vom Bundesverfassungsgericht vorgebrachten „bürgerlichrechtlichen Grundsatz“ verstehen müssen, wonach der Erbe in alle Vermögenswerte einrückt. Damit wird der Norm letztlich doch mehr als ein rein verfahrensrechtlicher Gehalt zuerkannt. Ob das genügt, um die Anerkennung der Vererblichkeit von Rechtspositionen an „neuen“ Gütern im konkreten Fall – etwa im Hinblick auf vermögenswerte Bestandteile des Persönlichkeitsrechts – zu rechtfertigen, erscheint jedoch zweifelhaft. 2. Maßgeblichkeit erbrechtsexterner Wertungen im Einzelfall Denn dafür müsste § 1922 BGB sämtliche Voraussetzungen der Vererblichkeit selbst („intern“) vorgeben, ohne den Rechtsanwender auf Wertungen der übrigen Rechtsordnung zu verweisen. Die einzige Möglichkeit, der Norm eine solche autonome Geltungskraft zuzubilligen, besteht darin, die Subsumtion unter das „Vermögen“ und damit die Erbschaft von Aussagen der Rechtsordnung insgesamt zu entkoppeln und allein auf den faktischen Vermögenswert der fraglichen Rechtsposition abzustellen. Dieses Denken beherrscht denn auch die MarleneRechtsprechung und die gesamte Literatur zur Vererblichkeit der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts: Weil jene faktisch wertvoll sind, fallen sie in den Nachlass584. Diese Logik vermag aus erbrechtlicher Sicht nicht zu überzeugen585. Wie generell im Rechtsverkehrsrecht ist der konkrete Marktwert einer Rechtsposition oder eines Gutes irrelevant: Zum Nachlass zählen eben auch wertloses Eigentum und ein überschuldetes Unternehmen586. Der Erbe soll in sämtliche Rechtsverhältnisse des Erblassers einrücken, die nicht an die Person des Verstorbenen geknüpft sind. Würde man die Orientierung am Vermögenswert konsequent durchführen, würde die Möglichkeit einer Nachlassinsolvenz ausscheiden, weil wertlose bzw. mit Verbindlichkeiten belastete Rechtspositionen gar nicht auf den Erben übergehen würden. Dass dieses Ergebnis mit dem geltenden Erbrecht und 583 Siehe dazu Prot. II 5, 652 (die Ausnahmen von der Vererblichkeit seien leichter als jene von der Unvererblichkeit aufzustellen); RGZ 86, 252, 254 (1915) (für vermögensrechtliche Ansprüche gelte die Regel des Übergangs auf die Erben); BGH NJW 1985, 3068, 3069 (Verbindlichkeiten); BGHZ 104, 369, 372 (1988); OLG Hamm MDR 1979, 227 (vermögensbezogene Rechte und Pflichten grundsätzlich vererblich); Windscheid/Kipp, Pandekten III, 185; Dietzel, Untergang statt Fortbestand, 19; Muscheler, Universalsukzession, 6; Windel, Modi der Nachfolge, 6; Leipold, in: MünchKomm, § 1922 BGB Rn. 19; Stein, in: Soergel, § 1922 BGB Rn. 14; Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 11; Müller-Christmann, in: Bamberger/Roth, § 1922 BGB Rn. 24; Marotzke, in: Staudinger, § 1922 BGB Rn. 46 (möglichst weiter, umfassender Sinn). 584 Nachweise oben § 4 B VII 2 b, 3 b. 585 Zu sonstigen Argumenten unten § 13 B VII. 586 Für Obligationen Mot. V, 2 (auch auf nichtvermögensrechtliche Interessen des Gläubigers gerichtete Obligationen folgten den allgemeinen erbrechtlichen Sukzessionsgrundsätzen); BGH LM § 1922 BGB Nr. 7 (1963) (wertloses Unternehmen); BFH (GS) ZEV 2008, 199, 201 (potentielle Vermögensqualität für Vererblichkeit nicht genügend); Dietzel, Untergang statt Fortbestand, 17 f.; Boehmer, in: Staudinger11, § 1922 BGB Rn. 197; Edenhofer, in: Palandt, § 1922 BGB Rn. 12; Marotzke, in: Staudinger, § 1922 BGB Rn. 44; Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 11.
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dem Prinzip der Universalsukzession unvereinbar ist, bedarf nach den bisherigen Ausführungen keiner Vertiefung. Die Entscheidung über die Vererblichkeit im Einzelfall muss daher wie in allen anderen Konstellationen des Rechtsverkehrsrechts nach generell-abstrakten Kriterien getroffen werden, die für alle Parteien vorhersehbar und so eindeutig sind, dass die Transaktionskosten gering bleiben. Dafür ist zwar – wie unter II dargelegt – nicht die formale Einordnung einer Rechtsposition als selbständig übertragbares Recht maßgeblich. Aber die in § 1922 BGB angelegte Grundunterscheidung zwischen zulässigerweise realisierbaren Vermögenswerten und an die Person des Erblassers geknüpften Rechtspositionen und Verbindlichkeiten muss doch immerhin anhand von rechtlichen Wertungen erfolgen, die mangels „interner“ Anhaltspunkte außerhalb des Erbrechts angesiedelt sind, und die ergeben, ob die konkret zu beurteilende Rechtsposition in die eine oder die andere Kategorie fällt587. Dieses Vorgehen kann sich auf die Motive des BGB berufen, wonach sich die Vererblichkeit „persönlicher“ Rechte wie der Mitgliedschaft nach den „der Spezialmaterie angehörenden Normen“ richte588. In der Tat kann der Regelung der Gesamtrechtsnachfolge gem. § 1922 BGB nicht entnommen werden, ob etwa die Mitgliedschaft in einem Verein vererblich ist oder nicht. Denn dafür müssen der Inhalt, die Wirkungen und der Zweck dieser Rechtsposition analysiert werden. Hierüber sagt das Erbrecht jedoch nichts aus. Wo diese Entscheidung ersichtlich zweifelhaft ist, hat das Gesetz die Vererblichkeit im Kontext der jeweiligen „Spezialmaterie“ geklärt, so z.B. für die Vereinsmitgliedschaft in § 38 S. 1 BGB589. Im Übrigen müssen die generellen Vorgaben des § 1922 BGB an die in Rede stehende Rechtsposition herangetragen werden. Ob sie erfüllt sind, richtet sich nach den Aussagen der einschlägigen gesetzlichen Regelung bzw. bei vertraglichen Ansprüchen nach dem Inhalt der Vereinbarung. Das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge hat dazu nach ständiger Rechtsprechung nichts zusätzlich 587 BFH (GS) ZEV 2008, 199, 200; OLG Hamm MDR 1979, 227 (§ 1922 BGB bringe die Grundgedanken der Erbfolge zum Ausdruck, ohne aber den Vermögensbegriff voll zu präzisieren; diese Präzisierung sei „nachfolgenden Vorschriften“ überlassen); Dietzel, Untergang statt Fortbestand, 19 (Begriff des Vermögens kein exaktes Kriterium zur Abgrenzung der vererblichen Rechtsbeziehungen); Boehmer, JW 1938, 2634 (die erbrechtliche Grundnorm werde durch andere Regelungen ergänzt, erläutert bzw. eingeschränkt); ders., in: Staudinger11, § 1922 BGB Rn. 67; Marotzke, in: Staudinger, § 1922 BGB Rn. 113; Müller-Christmann, in: Bamberger/Roth, § 1922 BGB Rn. 24; Leipold, in: MünchKomm, § 1922 BGB Rn. 19 (letztlich entschieden die einzelnen positiven Rechtsnormen über die Vererblichkeit). 588 Mot. V, 2. 589 Zur Vererblichkeit von Mitgliedschaftsrechten nach Maßgabe der gesetzlichen bzw. vertraglichen Regelung im Gesellschaftsrecht BGHZ 68, 225, 229 (1977); BGHZ 108, 187, 192 (1989); BGH JZ 1998, 468; Ebenroth, Erbrecht, Rn. 30 ff.; Schlüter, in: Erman, § 1922 BGB Rn. 19 ff. Zum nicht übertragbaren Urheberrecht § 28 Abs. 1 UrhG und Clément, Urheberrecht und Erbrecht, 19 m.w.N. zum früheren Streitstand aus der Zeit vor der Normierung des Urheberrechtsgesetzes 1965. Siehe ferner die §§ 1378 Abs. 3 S. 1 (Zugewinn), 1586 Abs. 1, 1586b (Unterhalt), 1587 lit. k, m (Versorgungsausgleich), 1952 Abs. 1 (Ausschlagungsrecht), 2048 Abs. 2 S. 2 (Vorkaufsrecht der Miterben), 2108 Abs. 2 S. 1 (Nacherbrecht), 2317 Abs. 2 BGB (Pflichtteil).
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beizutragen590. Vor diesem Hintergrund abzulehnen sind Stellungnahmen zum persönlichkeits- oder vermögensrechtlichen „Charakter“ der betreffenden Rechtsposition ohne Rückkopplung auf konkrete Wertungen des betreffenden Rechtsbereichs, denn damit werden ergebnisorientierte Stellungnahmen nur begriffsjuristisch eingekleidet591. In konsequenter Umsetzung dieser Angewiesenheit auf erbrechtsexterne Aussagen schränkt die herrschende Meinung den materiellrechtlichen Gehalt des § 1922 BGB doch wieder erheblich ein. Zwar komme in der Norm das Prinzip der Universalsukzession und der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, es solle möglichst kein Vermögenswert herrenlos werden. Damit sei aber nicht geklärt, 590 Siehe in diesem Sinne aus der Rechtspraxis RGZ (Vereinigte Zivilsenate) 144, 1, 2 (1934) (Arztpraxis aufgrund ihrer „besonderen Eigenart“ unvererblich); BGHZ 24, 214, 220 ff. (1957) (Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters sei vererblich, weil dem Unternehmer Vorteile verblieben seien, die durch den gesetzlichen Anspruch aber gerade nicht dem Unternehmer, sondern dem Handelsvertreter zugewiesen seien); BGHZ 32, 44, 46 ff. (1960) (Vererblichkeit von Versicherungsforderungen nach Maßgabe ihrer Ausgestaltung durch das VVG); BGHZ 70, 227, 230 (1978) (Vererblichkeit des Anspruchs auf Abschluss eines Veräußerungsvertrages nach Wohnungsbaurecht); BGHZ 104, 369, 372 (1988) (zum Auskunftsanspruch des Auftraggebers gem. §§ 662 ff. BGB); BGH NJW 1995, 783 f. (Vererblichkeit des Schmerzensgeldanspruchs nach Änderung des § 847 BGB a.F.); BGH NJW 1995, 2287, 2288 (Vererblichkeit des Anspruchs aus § 528 BGB); BGH NJW 2001, 2084, 2086 (Zweckbestimmung des § 528 BGB); BGH GRUR 2006, 879, 880 (kein Übergang eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs, weil die Wiederholungsgefahr an das persönliche Verhalten des Erblassers geknüpft sei und als tatsächlicher Umstand nicht auf die Erbin übergehe); BVerwG NJW 1994, 2842, 2843 (Vererblichkeit von Sozialhilfeansprüchen aus Gründen der gesetzlichen Gewährung dieser Ansprüche); LAG Frankfurt DB 1985, 1138, 1139 (Unvererblichkeit des Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruchs); BayObLG NJWRR 1996, 1092 (Adoptionsantrag als „nach dem Willen des Gesetzgebers“ höchstpersönliche Erklärung, die vom Erben nicht zurückgenommen werden könne); Dietzel, Untergang statt Fortbestand, 191; Kuchinke, ZIP 1987, 681, 683 (Vererblichkeit der Firma richte sich nach Handelsrecht); Marotzke, in: Staudinger, § 1922 BGB Rn. 115; Schlüter, in: Erman, § 1922 BGB Rn. 16. Zur Vererblichkeit vertraglicher Forderungen BGH WM 1983, 43 (Vererblichkeit von Ruhegeld richte sich nach dem Inhalt der vertraglichen Abmachung); BGH NJW 1983, 2627, 2628 (Vererblichkeit eines vertraglichen Nebenrechts, soweit nicht das Wesen des Anspruchs aus besonderen Gründen einem Gläubigerwechsel entgegenstehe); BGH NJW-RR 1990, 131 (Rechenschaftspflichten nur gegenüber dem Erblasser vereinbart); BGH NJW 1996, 2230 f. (Lebensversicherung); BAG NJW 1997, 2065, 2067 (Abfindungsanspruch gem. Sozialplan); OLG Hamm MDR 1979, 227 (Möglichkeit der Annahme eines Vertragsangebots hänge davon ab, ob der Antragende den Vertragsschluss an die Person des Adressaten gebunden wissen wollte); Dietzel, Untergang statt Fortbestand, 15 ff., 187 f.; Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 20; Leipold, in: MünchKomm, § 1922 BGB Rn. 20 ff.; im Ergebnis auch Bender, Postmortales Einsichtsrecht, 197 (Zweck des Informationsanspruchs des Patienten). 591 Wie hier auf den gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Zweck der Rechtsposition abstellend BGH NJW 2001, 2084, 2085 (Anspruch aus § 528 BGB); Dietzel, Untergang statt Fortbestand, 13; Windel, Modi der Nachfolge, 6, 102 f.; Stein, in: Soergel, § 1922 BGB Rn. 14 (eine abstrakte Abgrenzung sei kaum möglich); a.A. Bender, Postmortales Einsichtsrecht, 166 (der Begriff des Vermögens sei das entscheidende Kriterium zur Trennung der vererblichen von den unvererblichen Rechten), anders dann aber a.a.O., 197, 206 (der Inhalt und Zweck des jeweils zu untersuchenden Gegenstands sei maßgeblich); Schlüter, in: Erman, § 1922 BGB Rn. 8; Ebenroth, Erbrecht, Rn. 22 (es komme darauf an, ob das vermögens- oder persönlichkeitsrechtliche Kriterium überwiege).
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welche konkreten Rechtspositionen vererblich sind oder erlöschen bzw. nach sonstigen Regelungen wie § 22 S. 3 KUG den Tod einer Person überdauern. Folglich gelte: Der Erbe erwirbt aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge „nicht notwendigerweise das ganze Vermögen, aber notwendigerweise das Vermögen als Ganzes“592. Im Ergebnis ist daher die erbrechtsexterne, gesetzliche bzw. vertragliche Ausgestaltung der jeweiligen Rechtsposition für die Entscheidung über Vererblichkeit oder Erlöschen ausschlaggebend. § 1922 BGB gibt nur die allgemeinen Kriterien für diese Entscheidung vor und setzt vorgefundene, konkrete Wertungen der sonstigen Rechtsordnung im Hinblick auf das Verfahren der Rechtsnachfolge von Todes wegen um. Die Norm vermag daher die Vererblichkeit „neuer“ Güter bzw. der hieran bestehenden Rechtspositionen nicht zu konstituieren593. Das hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich klargestellt: „Demgemäß muß es das Erbrecht ohne weiteres hinnehmen, wenn ein Recht oder eine Rechtsstellung des Erblassers nicht oder nur beschränkt vererblich ist.“594. In Anbetracht dieser Zusammenhänge ist es nachvollziehbar, dass die Rechtsprechung die Vererblichkeit vermögenswerter Bestandteile des Persönlichkeitsrechts nicht unter Berufung auf erbrechtliche Argumente und insbesondere eine Subsumtion unter § 1922 BGB anerkannte. Das lässt jedoch die Frage nach der Legitimität dieser Entscheidung nur noch schärfer hervortreten. Das Erbrecht könnte dazu nur noch einen Beitrag leisten, wenn man annimmt, es bewirke eine Änderung der materiellen Rechtslage und verwandle unter bestimmten Voraussetzungen unvererbliche, weil höchstpersönliche Rechtspositionen in vererbliches „Vermögen“. In diesem Sinne könnte man die Aussage des VI. Senats verstehen, wonach der durch das aPR geschützte Vermögenswert im Erbfall eine „Verselbständigung“ erfahre und somit dem Erben zuzuordnen sei. Abschließend ist zu prüfen, ob dem Erbrecht eine solche Aussage entnommen werden kann. 3. Keine Modifikation der materiellen Güterordnung Diese Frage zu stellen, heißt sie zu verneinen. Denn es ist gerade einer der Grundgedanken des Erbrechts, dass der Erbe das Vermögen des Erblassers so erwirbt, wie es jenem im Zeitpunkt des Todes zustand595. Das Erbrecht kann die 592 Windscheid/Kipp, Pandekten III, 187 mit Fn. 5; Muscheler, Universalsukzession, 6; Marotzke, in: Staudinger, § 1922 BGB Rn. 53; Leipold, in: MünchKomm, § 1922 BGB Rn. 17; a.A. Lichtenstein, Persönlichkeitsrecht vor und nach dem Tode, 375 (die „Notwendigkeit der Weitergabe von Vermögenswerten“ gebiete die unbeschränkte Vererblichkeit des aPR). 593 Kuchinke, ZIP 1987, 681, 683; Windel, Modi der Nachfolge, 6. Entsprechend Mot. V, 2 (allgemeine Vorschriften über die Vererblichkeit sämtlicher Arten von Rechtspositionen ließen sich nicht geben). 594 BGHZ 98, 48, 50 (1986). 595 BGHZ 32, 367, 370 (1960); BGH LM § 249 (Hd) BGB Nr. 15 (1972); BGH NJW 1991, 2558; OLG Hamm MDR 1979, 227; Boehmer, JW 1938, 2634, 2635 f.; Kregel, in: RGRK, § 1922 BGB Rn. 12; Stein, in: Soergel, § 1922 BGB Rn. 81; Müller-Christmann, in: Bamberger/Roth, § 1922 BGB Rn. 17; Marotzke, in: Staudinger, § 1922 BGB Rn. 45; Lange/Kuchinke, Erbrecht, 89, 92; Bender, Postmortales Einsichtsrecht, 203.
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Rechtspositionen des Erblassers nur mit dem Inhalt auf den Rechtsnachfolger weiterleiten, wie es sie beim Erbfall vorfindet596. Änderungen der materiellen Rechtslage und namentlich der Güterverteilung treten im Erbfall nur ausnahmsweise kraft Gesetzes oder letztwilliger Verfügung ein597. Der Bestand des vererblichen Vermögens unterliegt jedoch wie gezeigt weder der gesetzlichen und erst recht nicht der privatautonomen Modifikation. Insbesondere ist anerkannt, dass eine vererbliche Rechtsposition dem Erblasser im Zeitpunkt seines Todes bereits zustehen muss, soll sie zum Nachlass gehören; der Erbfall „produziert“ keine Rechtspositionen598. Praxisrelevant ist diese Frage vornehmlich in Bezug auf Schadensersatzansprüche. Hier ist stets zu prüfen, ob der Erbe einen bereits zu Lebzeiten entstandenen Schaden des Verstorbenen geltend macht oder eigene Schäden aufgrund des Todesfalls599. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Erbe Wertverluste hinnehmen muss, die die einzelnen Vermögensstücke des Erblassers durch und nach dem Erbfall erfahren600. Denn diese, eine logische Sekunde nach dem Erbfall eintretenden Ereignisse gleicht das Erbrecht nicht aus. Damit entspricht der Regelungsgehalt des § 1922 BGB weitgehend demjenigen des § 35 Abs. 1 InsO für die Universalbeschlagnahme des Schuldnervermögens in der Insolvenz. Zwar ist jene Vorschrift Rechtsgrundlage für die Zwangsverwertung des „gesamten Vermögens“, aber auch sie setzt das haftende Vermögen als Datum voraus und lässt den materiellrechtlichen status quo sogar im Interesse einer möglichst optimalen Gläubigerbefriedigung grundsätzlich unberührt. Im Übrigen werden die unterschiedlichen Rechtspositionen nach Maßgabe ihres jeweiligen Inhalts der Verfügungs- bzw. Verwaltungsbefugnis des Gemeinschuldners entzogen601. In eben solch differenzierter Weise erfolgt die Gesamtrechtsnachfolge von Todes wegen in verschieden strukturierte Nachlassgegenstände602. Denn auch bei 596 RG HRR 1931 Nr. 1866 (Rechtsstellung als Treugeber); BGHZ 32, 367, 369 f. (1960) (erwerbe die Erbin nur kraft Erbrechts, könne sie auch nur mit denselben Einschränkungen und Bindungen wie der Erblasser erwerben); BGHZ 98, 48, 50 (1986). 597 Siehe Marotzke, in: Staudinger, § 1922 BGB Rn. 45. Zu einer Änderung der materiellen Rechtslage führt in gewisser Hinsicht § 857 BGB. Während der unmittelbare Besitz nämlich eigentlich an die tatsächliche Gewalt über die Sache geknüpft ist (§ 854 Abs. 1 BGB), genügt mit dem Erbfall die bloße Erbenstellung unabhängig von der Sachherrschaft, um insbesondere in den Genuss des gesetzlichen Besitzschutzes zu gelangen. 598 Siehe BGH WM 1983, 43 (Ruhegeld); BAG NJW 1997, 2343, 2344 (Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Urlaubsabgeltungsanspruchs); BGH NJW 2001, 2084, 2085; Kuchinke, ZIP 1987, 681, 683; für die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts Ullmann, WRP 2000, 1051, 1053; entsprechend zum right of publicity im US-amerikanischen Recht Shaw Family Archives Ltd. v. CMG Worldwide, Inc., 83 USPQ2d 1241, 1245 ff. (S.D.N.Y. 2007) (Marilyn Monroe habe kein right of publicity vererben können, das ihr zum Zeitpunkt ihres Todes nach dem anwendbaren Recht nicht zugestanden habe). 599 BGH NJW 1962, 911 f.; BGH LM § 249 (Hd) BGB Nr. 15 (1972); Larenz, JZ 1962, 709; Kipp/Coing, Erbrecht, 503. 600 BGH LM § 249 (Hd) BGB Nr. 15 (1972); BGH NJW 2001, 971, 973. 601 Oben E III 2 a. 602 Siehe auch die §§ 1993, 2001 BGB (Inventar der Nachlassgegenstände samt Wert und Nachlassverbindlichkeiten).
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dieser Universalsukzession gehen alle vererblichen Rechtsverhältnisse und Pflichten lediglich in einem einheitlichen Verfahren über, ohne dass das Gesetz ein einheitliches Recht am gesamten Nachlass fingiert603. So wird der „Nießbrauch an einer Erbschaft“ wie ein Unternehmensnießbrauch gem. §§ 1085, 1089 BGB nur an den einzelnen, selbständig mit einem Nießbrauch belastbaren Nachlassgegenständen bestellt604. Ferner kann die Erbschaft zwar als Gesamtheit verkauft werden (§§ 2030, 2371, 2385 BGB); die Erfüllung dieses Verpflichtungsgeschäfts erfolgt jedoch durch Verfügung über die zur Erbschaft zählenden Rechte und durch faktische Verschaffung „sonstiger Gegenstände“, etwa durch Einweisung in das zum Nachlass zählende Unternehmen605. Dieses differenzierte Konzept liegt der eigentlichen Rechtsnachfolge von Todes wegen ebenfalls zugrunde: In die dem Erblasser zustehenden subjektiven Rechte rückt der Erbe kraft Gesetzes unabhängig von den Voraussetzungen einer Übertragung unter Lebenden ein. Die übrigen vererblichen Güter wie z.B. das Unternehmen als Gesamtheit einschließlich etwaiger Betriebsgeheimnisse und Kundenbeziehungen erlangt der Erbe durch Eintritt in die einzelnen Rechte und faktische Inbesitznahme der Güter. Als unmittelbar Verletzter genießt er ab dem Erbfall deliktsrechtlichen Schutz etwa gegen Nachahmungen eigenartiger Produkte, unerlaubte Geheimnisverwertung oder andere rechtswidrige Beeinträchtigungen der unternehmerischen Betätigung606. In keinem Fall ändert sich der materielle Inhalt der Rechtspositionen im Verhältnis zu Dritten.
IV. Zusammenfassung Der vorstehende Abschnitt war der Rechtsnachfolge von Todes wegen als dem letzten, noch ausstehenden Element des Rechtsverkehrsrechts gewidmet. Die Marlene-Rechtsprechung zur Vererblichkeit vermögenswerter Bestandteile des Persönlichkeitsrechts hat die Bedeutung dieses Themas im Kontext richterlicher Güterzuordnungsentscheidungen erkennbar gemacht. Freilich wurde dabei dem Erbrecht und namentlich seiner Eingangsnorm § 1922 BGB kaum Beachtung geschenkt. Die „Verselbständigung“ des Vermögenswerts persönlicher Merkmale im Erbfall wurde stattdessen mit Erwägungen zur Rechtsnatur des Persönlich603 Eine in diese Richtung weisende Formulierung in früheren Entwürfen („Der Übergang des Vermögens als eines Ganzen …“; siehe Jakobs/Schubert, Erbrecht 1, 49) wurde von der 2. Kommission bewusst in die jetzige Fassung („das Vermögen als Ganzes“) abgeändert; siehe Prot. II 5, 2; RGZ 61, 76, 78 (1905); Muscheler, Universalsukzession, 44 ff.; Leipold, in: MünchKomm, § 1922 BGB Rn. 95; Marotzke, in: Staudinger, § 1922 BGB Rn. 94; Müller-Christmann, in: Bamberger/ Roth, § 1922 BGB Rn. 17. 604 Muscheler, Universalsukzession, 47. 605 RGZ 61, 76, 78 (1905); Stein, in: Soergel, § 1922 BGB Rn. 13; Marotzke, in: Staudinger, § 1922 BGB Rn. 85. 606 Da ab diesem Zeitpunkt eine Wiederholungsgefahr in der Person des Erben gegeben ist, sind auch in der Person des Erblassers entstandene, auf die Betätigung im Unternehmen bezogene Unterlassungsansprüche vererblich, wenn das Unternehmen fortgeführt wird; siehe RGZ 86, 252, 254 (1915).
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keitsrechts und dem Hinweis auf einen „Grundgedanken des bürgerlichen Rechts, die Wahrnehmung solcher Vermögensinteressen den Erben zuzugestehen“, begründet. Hier wurde demgegenüber gefragt, ob § 1922 BGB konstitutive Rechtsgrundlage für die Anerkennung der Vererblichkeit „neuer“ Güter bzw. daran bestehender Rechtspositionen sein kann, oder ob das Erbrecht nur externe Wertungen der materiellen Güterordnung aufgreift, um das Wie der Rechtsnachfolge von Todes wegen zu regeln. Dafür galt es zunächst zu erklären, warum die Vererblichkeit nicht als bloß rechtsgeschäftliche Gestaltungsmöglichkeit angesehen werden darf, für die der Vorbehalt des Gesetzes bedeutungslos ist. Dazu wurden die Zusammenhänge zwischen der Vererblichkeit, der zivilrechtlichen Haftung für Nachlassverbindlichkeiten und der Nachlassinsolvenz gem. der §§ 315 ff. InsO nachgewiesen. Demnach steht den Nachlassgläubigern zur Befriedigung ihrer Forderungen zur Verfügung, was zur Erbschaft bzw. synonym zum Nachlass gehört. Die Bejahung der Vererblichkeit zieht damit automatisch die zwangsweise Verwertbarkeit nach sich. Will man diesen Konnex zwischen dem Erbrecht des BGB und dem Insolvenzrecht nicht contra legem durchbrechen und „neue“ Güter zwar für vererblich, aber nicht der Nachlassinsolvenz unterliegend erklären, bedarf bereits der erste Schritt, nämlich die Subsumtion unter § 1922 BGB, der positiven Begründung und gesetzlichen Verankerung (dazu I). Insoweit war wie zur Gesamtvollstreckung zunächst die potentielle Reichweite der Universalsukzession von Todes wegen abzustecken. Wären nämlich wie bei der Rechtsnachfolge unter Lebenden und der Einzelzwangsvollstreckung nur selbständig übertragbare Rechte vererblich, würde sich die Frage bereits erübrigen, ob auch vermögenswerte Güter als solche bzw. nur deliktsrechtlich konturierte Rechtspositionen wie der Schutz von Betriebsgeheimnissen und das aPR in seiner klassischen Ausprägung in die Erbmasse fallen. Allerdings erhellt insbesondere der Gleichklang mit dem Nachlassinsolvenzverfahren, dass unter den Begriff des „Vermögens“ gem. § 1922 BGB nicht nur relative Rechte und Ausschließlichkeitsrechte zu fassen sind, sondern des Weiteren sämtliche Güter, deren Wert auf der Basis faktischer Exklusivität (z.B. Internet-Domain) oder eines sonstigen gesetzlichen Schutzes in rechtlich zulässiger Weise realisiert werden kann (dazu II). Die generell mögliche Reichweite der Erbschaft besagt indes noch nicht, aufgrund welcher rechtlicher Erwägungen im Einzelfall über die Vererblichkeit zu entscheiden ist. § 1922 BGB in Verbindung mit der Alternative zur Universalsukzession – nämlich dem Erlöschen der betreffenden Rechtsposition – ist immerhin der allgemeine Maßstab für die Entscheidung im konkreten Fall zu entnehmen. Demnach rückt der Erbe in grundsätzlich alle vermögenswerten Rechtsverhältnisse (Rechte und zulässig realisierbare Werte sowie Verbindlichkeiten) ein. Nur an den Erblasser geknüpfte, höchstpersönliche Befugnisse und Verpflichtungen erlöschen mit dessen Tode, soweit keine anderweitige Regelung außerhalb des BGB deren Fortwirken anordnet (§ 22 S. 3 KUG, postmortaler Persönlichkeitsschutz). Weitergehende Aussagen sind der im Kern verfahrens-
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rechtlichen, nämlich auf Ausschluss der Sondererbfolge gerichteten Norm nicht zu entnehmen. Ob eine Rechtsposition im Einzelfall vererblich ist oder erlischt, bestimmt sich nach ihrem Inhalt und Zweck nach Maßgabe der einschlägigen gesetzlichen Regelung bzw. für vertragliche Befugnisse und Pflichten gem. der jeweiligen Vereinbarung. Diese externe Wertung wird vom Erbrecht als Datum vorausgesetzt und im Hinblick auf das Wie der Vererbung aufgegriffen. Was im Einzelnen vererblich ist, lässt sich aus § 1922 BGB nicht ableiten. Erst recht verwandelt das Erbrecht unvererbliche Positionen und Vermögenswerte im Todesfall nicht in solche, die zum Nachlass gehören (dazu III). Diese im Gesetz zum Ausdruck gekommenen Zusammenhänge dürfen nicht durch einen isolierten Fokus auf den faktischen Vermögenswert bestimmter Güter und Rechtspositionen oder eine abstrakte Unterscheidung vermögens- bzw. persönlichkeitsrechtlicher Befugnisse ersetzt werden. Ebenso wenig trägt das Erbrecht eine angebliche „Verselbständigung“607 von Vermögenswerten im Erbfall oder einen „Grundgedanke[n]) des bürgerlichen Rechts, die Wahrnehmung“ von „Vermögensinteressen den Erben zuzugestehen“608. Eine solche Dynamik geht dem 5. Buch des BGB wie dem übrigen Rechtsverkehrsrecht ab, das insgesamt die materielle Güterordnung und -verteilung als status quo voraussetzt. Es verwundert daher nicht, dass § 1922 BGB in der Marlene-Entscheidung und den Folgeurteilen nicht einmal zitiert wurde. Damit ist die Frage nach der Rechtsgrundlage für die Anerkennung der Vererblichkeit nicht etwa gelöst, sondern bleibt weiter virulent. Sie muss wie hier gezeigt aus der materiellen Güterordnung heraus beantwortet werden. Nachdem sich die güterzuordnungsrelevanten Rechtsgrundlagen des Privatrechts hierfür als nicht tragfähig erwiesen haben, kommen nur noch die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie und ein ungeschriebenes Rechtsprinzip der Güterzuordnung als Legitimationsgrundlagen in Betracht. Erst wenn jene potentiellen Quellen einer Verwandlung des höchstpersönlichen aPR in ein vermögenswertes, vererbliches Ausschließlichkeitsrecht an der Person auf ihren güterzuordnenden Gehalt befragt sein werden, kann zur Marlene-Rechtsprechung abschließend Stellung genommen werden609. Hier galt es nur die entsprechende Aussagekraft des Erbrechts zu klären. Das Resultat ist negativ.
G. Strukturen des Rechtsverkehrsrechts Dieser Paragraph hat sich anders als die §§ 5 bis 9 nicht mit der Suche nach einer Rechtsgrundlage für den Schutz „neuer“ Güter vor unerlaubter Nutzung durch Dritte, also der eigentlich statischen Zuordnung im Verhältnis zu jedermann be607 608 609
So BGHZ 165, 203, 209 (2005). So BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 – Marlene. Dazu unten § 13 B VII.
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schäftigt, sondern mit der rechtsgeschäftlichen und zwangsweisen Verwertung richterrechtlich anerkannter Rechtspositionen. Obwohl das Phänomen gerichtlicher Zuordnungsentscheidungen gerade in diesen Kontexten in Erscheinung tritt – erinnert sei an die Dücko-Entscheidung und die dort bejahte Übertragbarkeit eines „Ausschlussrechts“ am nicht patentierten Geheimnis im Konkurs und an das Marlene-Urteil zur Vererblichkeit vermögenswerter Bestandteile des Persönlichkeitsrechts – wird die Diskussion um die Zulässigkeit dieser Entwicklungen kaum unter Berücksichtigung der hier unter dem Begriff des „Rechtsverkehrsrecht“ zusammengefassten Vorschriften geführt. Dabei erweist sich die Herausbildung eines ungeschriebenen Ausschließlichkeitsrechts gerade an seiner Umlauffähigkeit. Denn wenn eine Befugnis den Berechtigten wechseln kann, ohne ihren Inhalt zu verändern, signalisiert das die ideelle Existenz eines unverletzt gedachten subjektiven Rechts, während der Schutz von Gütern und Interessen auf der Basis gesetzlicher Schuldverhältnisse nur vom unmittelbar Verletzten im konkreten Verletzungs-/Eingriffsfall geltend gemacht werden kann. Zwar stellen die einzelnen Ansprüche auf Abwehr, Schadensersatz usw. durchaus selbständig übertragbare Rechte dar, aber der gesetzliche Schutz als solcher ist nicht umlauffähig. Folglich stellt es ein genuines Merkmal eines Ausschließlichkeitsrechts dar, dass es zumindest beschränkt und ggf. unter zusätzlichen Voraussetzungen rechtsgeschäftlich unter Lebenden und von Todes wegen sowie zwangsweise in der Einzel- und Gesamtvollstreckung auf einen anderen übertragen werden kann. Und tatsächlich weisen das Sacheigentum und sämtliche Immaterialgüterrechte diese Charakteristika auf. Ursache für die verhältnismäßig geringe Aufmerksamkeit, die diese Themen im Vergleich zum positiv-exklusiven Schutz „neuer“ Güter genießen, mag die in sich schlüssige Annahme sein, die Frage nach der Übertragbarkeit und Vererblichkeit ungeschriebener Ausschließlichkeitsrechte sei obsolet oder falsch gestellt. Denn umlaufen kann nur eine Rechtsposition, die zuvor anerkannt wurde. Niemand vermag mehr Rechte zu übertragen und Vermögen zu vererben, als ihm zusteht; die Gläubiger können auf keine Rechte und Güter zugreifen, die der Schuldner nicht hat. Dennoch würde man die rechtliche Einordnung nicht spezialgesetzlich zugewiesener Güter nur unvollständig behandeln, ließe man den Rechtsverkehr außer Betracht. Abgesehen davon, dass das Grundgesetz und ein allgemeines Rechtsprinzip der Güterzuordnung als potentielle Quellen übertragbarer Ausschließlichkeitsrechte noch zur Prüfung anstehen, geben die erwähnten Urteile Anlass, das Rechtsverkehrsrecht seinerseits auf relevante Aussagen unter die Lupe zu nehmen. Insbesondere wird erst unter diesem Blickwinkel erkennbar, dass und warum sogar die rechtsgeschäftliche Übertragbarkeit und Vererblichkeit der Begründung und gesetzlichen Verankerung bedarf, obwohl doch sowohl dem ursprünglichen als auch dem neuen Rechtsträger nur zusätzliche Gestaltungs- und Erwerbsmöglichkeiten eingeräumt werden. Dabei wird nämlich übersehen, dass das Rechtsverkehrsrecht diese privatautonom steuerbaren Vorgänge unmittelbar mit der zwangsweisen und damit zweifellos unter dem Vorbehalt des Gesetzes
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stehenden Verwertung in der Einzelzwangsvollstreckung und der Insolvenz verknüpft: Was der Schuldner als selbständiges subjektives Recht (beschränkt) übertragen und damit versilbern kann, steht seinen Gläubigern als Haftungsmasse zur Befriedigung einzelner Forderungen und erst recht in der Gesamtvollstreckung (ggf. unter Einschränkungen) zur Verfügung. Was zur Erbschaft gehört, darauf können die Gläubiger des Erblassers in der Nachlassinsolvenz zugreifen. Rechtsgeschäftliche und zwangsweise Verwertung sind zwei Seiten einer Medaille. Will man diese Zusammenhänge nicht contra legem auflösen, bedarf folglich bereits der erste Schritt, selbständige subjektive Rechte oder vererbbares Vermögen anzuerkennen, der Begründung. Diese Erkenntnis trägt nicht nur die Generalfrage nach einer Rechtsgrundlage, sondern sie schließt zudem ein häufig anzutreffendes Argumentationsmuster zu ihrer Beantwortung aus. Wenn nämlich die Verkehrsfähigkeit rechtfertigungsbedürftig und aus der Rechtsordnung abzuleiten ist, genügt es nicht, auf die mit einer ggf. beschränkten Übertragbarkeit erreichbaren „angemessenen Ergebnisse“ im Interesse der Beteiligten zu verweisen, so dass eine entsprechende Rechtsfortbildung nur verworfen werden dürfe, wenn ihr „zwingende Einwände entgegenstehen“610. Hierbei handelt es sich um dieselbe Umkehrung der Begründungslast, die bereits zum Abschluss der Analyse güterzuordnender bzw. -schützender Normen kritisiert und verworfen wurde, weil sie im Widerspruch zum Verteilungsprinzip der freiheitlichen Rechtsordnung steht611: Nicht das Freisein von Haftung bedarf der Begründung, sondern die Unterlassungs- oder Ersatzpflicht, die mit Hilfe staatlicher Gewalt durchgesetzt wird. Dasselbe gilt für die zwangsweise Verwertung des Schuldnervermögens, die wie gezeigt konzeptionell an die rechtsgeschäftliche Verkehrsfähigkeit gekoppelt ist. Ziel dieses Abschnitts ist es jedoch nicht, die Gründe zu rekapitulieren, warum die im BGB, der ZPO und der Insolvenzordnung vorgesehenen Auffang- und Generalklauseln keine Rechtsgrundlagen zur konstitutiven Begründung der rechtsgeschäftlichen und zwangsweisen Verwertung bestimmter Rechtspositionen darstellen. Vielmehr sollen aus den Auslegungsergebnissen allgemeine Strukturen des Rechtsverkehrsrechts destilliert werden. Eine solche dogmatische Verarbeitung einzelner Rechtsregeln ist von praktischer Relevanz, weil sie dazu beiträgt, gegenwärtig umstrittene Fragen zu „neuen“ Gütern im Rechtsverkehr einer konsistenten Lösung zuzuführen – man denke an die Schwierigkeiten, den 610
Ohly, volenti non fit iniuria, 162 ff. (während die Einwilligungsdogmatik ungeeignet sei, bestehe für die Rechtswissenschaft die Aufgabe, in Analogie zum Urheberrecht ein Persönlichkeitsvertragsrecht zu entwickeln); im Ergebnis ebenso für eine Umkehr der Argumentationslast Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 146; Freitag, Kommerzialisierung, 164 f.; Ahrens, Verwertung, 409 (wenn keine Bedenken bestünden, verlange § 413 BGB die Anerkennung dinglicher Lizenzen an Persönlichkeitsrechten); Forkel, FS Schnorr v. Carolsfeld, 105, 109, 119 (es sei die Frage, ob für die Beschränkung der rechtlichen Möglichkeiten auf schuldrechtliche Verträge ausreichende Gründe bestünden). 611 Oben § 9 E II.
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Markt für virtuelle Güter aus Online-Spielen rechtlich zu bewältigen612. Auf dieser abstrakten Ebene sind folgende Differenzierungen zu konstatieren613: Die rechtsgeschäftliche unbeschränkte und beschränkte Übertragbarkeit unter Lebenden kommt nur für selbständige subjektive Rechte in Betracht. Deshalb sprechen die §§ 413, 1068 Abs. 1, 1273 Abs. 1 BGB von „Rechten“, die formlos übertragen, mit einem Nießbrauch belastet und verpfändet werden können. Diese Normen sind für ihre Wirkungen nicht konstitutiv, sondern geben lediglich an, für welche Art von Rechtspositionen die genannten Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Die Vorschriften zur Pfändung „anderer Vermögensrechte“ in der Einzelzwangsvollstreckung (§ 857 ZPO) und zur Definition der Insolvenzmasse in der Gesamtvollstreckung (§ 35 Abs. 1 InsO) bilden die gesetzliche Grundlage für das Verfahren der zwangsweisen Verwertung von Rechtspositionen und Gütern zur Befriedigung von Gläubigerforderungen. Ihnen kommt zwar im Hinblick auf die potentielle Reichweite des Vollstreckungsverfahrens sowie hinsichtlich der Art und Weise des hoheitlichen Zugriffs konstitutive Wirkung zu, sie geben aber nur die generell-abstrakten Voraussetzungen an, die erfüllt sein müssen, damit ein Recht pfändbar ist bzw. ein Vermögensbestandteil dem Insolvenzbeschlag unterliegt. Ob diese Erfordernisse im Einzelfall erfüllt sind, ist ihnen nicht zu entnehmen. Hierfür muss der Rechtsanwender auf externe Wertungen der Rechtsordnung zurückgreifen und die jeweiligen Rechte, Rechtspositionen bzw. Güter unter die §§ 857 Abs. 1 ZPO, 35 Abs. 1 InsO subsumieren. In einem zentralen Punkt unterscheiden sich Einzel- und Gesamtvollstreckung jedoch. Zur Etablierung eines gestuften Haftungssystems folgt das Zwangsvollstreckungsrecht dem Spezialitätsprinzip der Rechtsnachfolge unter Lebenden: Pfändbar sind nur selbständig übertragbare subjektive Rechte, die auch verpfändet werden können. Zur Befriedigung einzelner Forderungen steht den Gläubigern daher nur der statische Bestand übertragbarer, relativer und ausschließlicher subjektiver Rechte in der Hand des Schuldners zur Verfügung. Der Insolvenzbeschlag geht darüber hinaus. Er umfasst neben subjektiven Rechten sämtliche Güter, deren potentieller Vermögenswert durch rechtlich zulässige Verpflichtungsgeschäfte realisiert werden kann. So fallen das Unternehmen als Gesamtheit samt der Firma sowie das nicht patentierte Betriebsgeheimnis in die Insolvenzmasse, obwohl sie unpfändbar sind. Dahinter steht der Gedanke, dass mit Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung die Bemühungen des Schuldners abgebrochen werden, mit ihm bis dato ggf. verbliebenen Gütern zu wirtschaften. Ihm steht anschließend nur noch die „nackte“ Arbeitskraft einschließlich der Möglichkeit zur Vermarktung von Persönlichkeitsmerkmalen zur Verfügung, um wieder Vermögen zu erwerben. 612
Dazu unten § 13 C VIII. Verfehlt daher die pauschale Zusammenfassung der Übertragbarkeit unter Lebenden, der Vererblichkeit, der Zwangsvollstreckung und der Insolvenz unter Bezug auf den Begriff des „Vermögens“ bei Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 23. 613
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Die Rechtsnachfolge von Todes wegen folgt ebenfalls dem Universalitätsprinzip. Deshalb bezieht sich § 1922 BGB wie § 35 Abs. 1 InsO auf das Vermögen und nicht auf (Vermögens)Rechte. Die Vorschrift bringt damit zum Ausdruck, neben selbständigen subjektiven Rechten jeden rechtlich zulässigerweise umsetzbaren Vermögenswert zu erfassen. Von dieser generellen Reichweite ausgenommen sind höchstpersönliche Rechtspositionen und Verbindlichkeiten, die mit dem Tode erlöschen. Hinsichtlich ihres Regelungsgehalts hat die Eingangsnorm des Erbrechts indes mehr mit den allgemeinen Bestimmungen zur rechtsgeschäftlichen Nachfolge unter Lebenden gemein. Denn § 1922 BGB fehlt jede konstitutive Wirkung im Hinblick auf die Vererblichkeit. Nur – aber immerhin – die allgemeinen Anforderungen an einen vererblichen Vermögensbestandteil und vor allen Dingen die Art und Weise der Rechtsnachfolge von Todes wegen sind der Vorschrift zu entnehmen. Da folglich jede Entscheidung über die Umlauffähigkeit auf Wertungen außerhalb des Rechtsverkehrsrechts zurückgreifen muss, stellen die genannten Normen keine Rechtsgrundlagen dar, auf die sich die Gerichte in den güterzuordnungsrelevanten Beispielen zu stützen vermögen. Das gesamte Konzept des Rechtsverkehrsrechts setzt eine materielle Güterordnung voraus, für die verschiedene Verfahren der privatautonomen und zwangsweisen Verwertung bereitgestellt werden. Scheinbare „Lücken“ der Verkehrsfähigkeit beruhen auf „Lücken“ jener Güterzuordnung und eigenständigen, materialen Wertungen des Rechtsverkehrsrechts, etwa im Hinblick auf die Senkung von Transaktionskosten durch vorab definierte, eindeutige Verfügungsgegenstände sowie die Etablierung eines gestuften Haftungssystems zur zwangsweisen Durchsetzung von Forderungen. Sie dürfen nicht durch rein begriffliche, ergebnisorientierte Abwägungen zwischen einer persönlichkeits- oder vermögensrechtlichen „Natur“ einer Rechtsposition ersetzt werden. Generell irrelevant für die Verkehrsfähigkeit ist ferner der Vermögenswert einer bestimmten Befugnis oder eines Gutes als solcher. Denn die effiziente Abwicklung des Rechtsverkehrs setzt vorhersehbare und deshalb notwendig formal-abstrakte Kriterien voraus, an denen sich alle Beteiligten orientieren können. Der Vermögenswert erfüllt diese Voraussetzung als einzelfallabhängige, faktische Entität nicht. Das gilt insbesondere in der Einzelund Gesamtvollstreckung. Wäre hierfür nämlich nicht der potentielle, sondern der tatsächliche Vermögenswert ausschlaggebend, würde man dem Schuldner nur die Schutzbehauptung ermöglichen, bestimmte Vermögensbestandteile seien wertlos und dürften daher nicht verwertet werden. Scheidet der Vermögenswert als Argument für die Anerkennung der Verkehrsfähigkeit aus, dann ebenso die hierauf bezogenen Verkehrsinteressen614. Wenn Gerichte und Literatur den Rechtsverkehr mit Persönlichkeitsmerkmalen, Geheimnissen, Internet-Domains und weiteren „neuen“ Gütern über diesen 614 Anders für das Persönlichkeitsrecht Helle, AfP 1985, 93, 99; Freitag, Kommerzialisierung, 164 f.; Ohly, volenti non fit iniuria, 159 ff. m.w.N.; Ahrens, Verwertung, 406; für die Verwertung von geheimem Wissen Forkel, FS Schnorr v. Carolsfeld, 105, 108 f.
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Regelungsplan hinaus eröffnen, dann müssen sie mithin andere Legitimationsgründe vorbringen, die auf die Vorfrage der Güterzuordnung im Verhältnis zu jedermann zurückführen. Das Privatrecht bietet insoweit keine Anhaltspunkte. Auch privatautonom lässt sich eine gegen jedermann wirkende, unabhängig von einer konkreten Verletzung gedachte Befugnis nicht etablieren. Damit bleibt nur noch ein verfassungsrechtliches Gebot der Güterzuordnung aus Art. 14 GG oder ein allgemeines Rechtsprinzip mit diesem Gehalt.
§ 11 Die Eigentumsgarantie als Grundlage der Güterzuordnung
A. Einführung In den §§ 5 bis 10 wurde das Privat- und Verfahrensrecht auf Rechtsgrundlagen für die richterliche Anerkennung ungeschriebener Ausschließlichkeitsrechte an „neuen“ Gütern überprüft. Das Resultat dieser Analyse ist negativ. Weder die normierten Ausschließlichkeitsrechte, die Generalklauseln der gesetzlichen Schuldverhältnisse zum Schutz vor unerlaubter Nutzung von Gütern noch die Auffangnormen des Rechtsverkehrsrechts berechtigen die Gerichte, positiv-exklusive Befugnisse an nicht spezialgesetzlich zugeordneten Gütern auf einen Schlag oder wie in einem Baukastensystem herauszubilden und so die allgemeine Handlungsfreiheit potentieller Schuldner zu beschränken. Entweder die einschlägigen Vorschriften sind auf bestimmte Güter beschränkt (normierte Ausschließlichkeitsrechte), sie verweisen auf anderweitig abzuleitende Rechtspositionen als Tatbestandsvoraussetzung für die jeweils angeordnete Rechtsfolge (§ 823 Abs. 1 BGB, Eingriffskondiktion, Geschäftsanmaßung und Rechtsverkehrsrecht) oder ihre Dynamik ist nicht auf Güterzuordnung, sondern auf den flexiblen Ausgleich gleichgeordneter Freiheiten gerichtet (Deliktsrecht des BGB und des UWG). Die Darstellung des verfassungsrechtlichen Rahmens der privaten Güterordnung hat jedoch ergeben, dass die Suche nach einer Rechtsgrundlage für positive richterliche Zuordnungsentscheidungen nicht auf die genannten Materien beschränkt werden kann, sondern die Aussagen des Grundgesetzes einzubeziehen hat. Die Grundrechte wirken anerkanntermaßen auf das Privatrecht ein. Insbesondere kann der Staat verpflichtet sein, grundrechtlich gewährleistete Interessen vor Beeinträchtigungen durch Private aktiv zu schützen. Eine solche Schutzpflicht kann theoretisch auch die Zuordnung von Gütern zugunsten eines Privatrechtssubjekts gebieten, das in seinem Interesse an exklusiver Nutzung durch Dritte gestört wird. Einschlägiges Grundrecht hierfür ist Art. 14 GG, der den status quo des Erworbenen garantiert, während die allgemeine Handlungs- und Berufsfreiheit die wirtschaftliche Betätigung, den Erwerb sichern. Schließlich wurde gezeigt, dass die Gerichte grundsätzlich befugt sind, das einfache Recht unter anderem zur Erfüllung derartiger Schutzpflichten fortzubilden1. 1
Siehe oben § 2 C I.
§ 11 Die Eigentumsgarantie als Grundlage der Güterzuordnung
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In diesem Paragraphen ist daher der Frage nachzugehen, ob sich aus Art. 14 GG eine Schutzpflicht ableiten lässt, die die Gerichte – und nicht den Gesetzgeber, der selbstverständlich legitimiert ist, neues verfassungsrechtliches Eigentum zu schaffen2 – ermächtigt, ggf. unter Fortbildung der bisher geprüften, güterzuordnungsrelevanten Normen vermögenswerte Ausschließlichkeitsrechte zu entwickeln. Und tatsächlich finden sich in der Literatur Stimmen, die Art. 14 GG ein solches Zuordnungsgebot entnehmen und damit judikative Entscheidungen über den Regelungsplan des geltenden Privatrechts hinaus rechtfertigen. Demnach setze die Eigentumsgarantie kein vorbestehendes, formales subjektives Recht voraus. Sie gebiete es außerdem, vermögenswerte Güter demjenigen als Frucht seiner Arbeit zuzuordnen, der sie selbst geschaffen habe. Umgesetzt werden könne dieses verfassungsrechtliche Eigentum über die Generalklauseln des BGB und des UWG3. Das verfassungsrechtliche Schrifttum billigt Art. 14 GG ein solches Potential ebenfalls zu. Zunächst gehen einige Autoren davon aus, der Schutzbereich des Art. 14 GG könne vollständig aus der Norm selbst („intern“) gewonnen werden, ohne dass es auf den Inhalt des einfachen Rechts ankomme. Mit dieser verfassungsautonomen Wirkung könne die Eigentumsgarantie zur Fortbildung des Privatrechts beitragen4. Dabei wird verfassungsrechtliches Eigentum als Seinsge2
Siehe BVerfGE 83, 201, 212 (1991); Schwerdtfeger, Eigentumsgarantie, 14 (dem Gesetzgeber sei es unbenommen, neue Eigentumsinstitute zu schaffen). Zu einem verfassungsrechtlichen Übermaßverbot des Eigentums unten § 15 A. 3 Allgemein Wagner, Perspektiven im Schadensersatzrecht, A 39; Roth, Geschützte Stellungen, 78, 85, 95; für Veranstalterrechte an Sportveranstaltungen offenbar Jessen, Vermarktung Sportereignisse, 147 ff.; für den UWG-Nachahmungsschutz Fournier, Bereicherungsausgleich, 93 f. (es sei kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb schutzwürdige Leistungen keinen Schutz gem. Art. 14 GG erhalten sollen); für jenseits des Schutzbereichs des Urheberrechts liegende immaterielle Güter Fechner, Geistiges Eigentum, 373 ff.; ferner Dreier, in: Schricker/Dreier/Kur, Geistiges Eigentum, 51, 72 (mit der Unterscheidung zwischen bereits zugeordneten und noch zuzuordnenden Gütern); für Geheimnisse Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 42 ff.; im Ergebnis auch Hauck, DB 1987, 1927, 1933; ders., Wirtschaftsgeheimnisse, 265 (verfassungsunmittelbares Verwertungsverbot); für vermögenswerte Bestandteile des Persönlichkeitsrechts Heitmann, Persönlichkeitssphäre, 75 f., 101 ff.; Freitag, Kommerzialisierung, 52 ff., 59 (naturrechtlich gebotene Zuordnung der Früchte der eigenen Leistung); Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 200 f. (der Eigentumsschutz diene der Entfaltung der Persönlichkeit mit Verweis auf BVerfGE 31, 275 ff. zu ausübenden Künstlern, die nicht anders behandelt werden könnten als Sportler oder Artisten); Wolf, Kommerzialisierung, 21; Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 174 ff. (das Persönlichkeitsrecht sei kraft faktischer Kommerzialisierung Eigentum gem. Art. 14 GG); Ahrens, Verwertung, 94 f. (Verweis auf die Institutsgarantie des Eigentums). 4 Siehe Badura, AöR 98 (1973), 153, 154 ff. (mit Verweis auf die Formel von den „gesellschaftlichen Anschauungen“); Engel, AöR 118 (1991), 169, 176 (in Bezug auf den verfassungsrechtlichen Schutz des Gewerbebetriebs), 228 (dem Gesetzgeber dürfe „kein Stück Definitionsmacht über das verfassungsrechtliche Eigentum“ eingeräumt werden); ders., in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 9, 32 (der ausschließlich rechtliche Eigentumsbegriff sei zu eng); Eschenbach, Eigentum, 523 (würden Vermögenswert und persönliche Arbeit im Privatrecht durch ungeschriebene Güterzuordnungen „neben dem Gesetz“ anerkannt, sei auch die verfassungsrechtliche Anerkennung konsequent), 623, 679 (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG schütze anerkannte Vermögenswerte sowie rechtlich ungeordnete Verhaltensalternativen).
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
gebenheit und nicht als Produkt des einfachen Rechts aufgefasst. Gegenstand der Eigentumsgarantie sei das vermögenswerte Gut bzw. die marktmäßig anerkannte, wirtschaftliche Stellung als solche5. Gerechtfertigt sei der herausgehobene verfassungsrechtliche Schutz dieser Güter aufgrund der persönlichen Leistung bzw. Arbeit des Berechtigten6. Hervorgehoben seien zwei eigenständige Ansätze, die Art. 14 GG ebenfalls vom einfachen Recht abkoppeln und damit den Anwendungsbereich dieses Grundrechts offener und dynamischer gestalten. Leisner unterscheidet verschiedene Güter im Hinblick auf ihre „natürlich vorgegebene Eigentumsfähigkeit“: Bewegliche Sachen seien in diesem Sinne „natürlich“ abgegrenzt, somit eigentumsfähig und daher ohne gesetzgeberische Konkretisierung von Art. 14 GG erfasst. Für die Erdoberfläche gelte dies erst nach Festlegung einzelner Grundstücke; Forderungen und Immaterialgüterrechte schließlich seien „gesetzlich erst zu
5 Siehe Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 GG Rn. 57 ff.; Eschenbach, Eigentum, 554 (die Eigentumsfreiheit werde nicht von der Rechtsordnung markiert, sondern von der gesellschaftlichen Akzeptanz eines wirtschaftlichen Wertes), 623 („außenweltliche Gegenstände“ als Objekte der Eigentumsgarantie); Waschull, Unternehmen als verfassungsrechtliches Eigentum, 357 („wirtschaftliche Vermögenszuordnung“), 400 (Unternehmen als Gegenstand der Eigentumsgarantie); Sieckmann, in: Berliner Kommentar, Art. 14 GG Rn. 53 (das Vermögen stehe unter Eigentumsschutz, weil eine wesentliche Freiheitsgarantie des Eigentums darin liege, Sachgüter und Geld tauschen zu können); Lindner, Grundrechtsdogmatik, 324 (verfassungsrechtliches Eigentum als „jedes tatsächliche, im s.l.n.f. [status libertatis naturalis fictivus, dazu a.a.O. 105 ff.] unbeschränkt denk- und konsentierbare, nicht rechtsnormgeprägte Sachherrschaftsverhältnis, durch das ein Phänomen extra personam einer Person in der Weise zugeordnet ist, dass diese die (mindestens teilweise) Letztentscheidungsbefugnis über die Nutzung und Verfügung hat“); Kube, JZ 2001, 944, 946 ff. („In dem Takt, in dem sich die empirische Gegenstandssicht entwickelt und abstraktere Materien und Zusammenhänge anzunehmen vermag, öffnet sich somit auch das Recht einer abstrakteren Gegenständlichkeit der Außenwelt.“ „Die Ausdifferenzierung der normativen Gegenstandserfassung folgt der Ausdifferenzierung der empirischen Gegenstandssicht dabei als ein Gebot.“ (Hervorh. v. Verf.)); Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 14 GG Rn. 9 (Art. 14 GG schütze „jedes bestehende vermögenswerte Gut“); Engel, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 9, 32 (Eigentum als „die sozial anerkannten Ansprüche von Individuen an einem Gegenstand“); ders., AöR 118 (1991), 169, 202 (Gewerbebetrieb). 6 Dürig, FS Apelt, 13, 27 ff. (eigenverantwortliche Leistung als causa der Eigentumsgarantie); ders., JZ 1958, 22 (Konstitution des verfassungsrechtlichen Eigentums durch zwei personale Vorgänge des Erdienens: Leistung oder Opfer); tendenziell auch Badura, FS Maunz, 1, 12 (vor allem der durch eigene Arbeit und Leistung erworbene Bestand an Gütern solle anerkannt und gesichert werden); Hammann, Eigentum in der Zeit, 15; Kirchhof, FS Zeidler II, 1639, 1649 (für das Urheberrecht als geistiges Eigentum); Engel, AöR 118 (1991), 169, 200; Freitag, Kommerzialisierung, 53; Fechner, Geistiges Eigentum, 202, 254, 511; Waschull, Unternehmen als verfassungsrechtliches Eigentum, 415 (Unternehmenswert); Leisner, in: HdbStR, § 149 Rn. 85, 89 a.E. (jeder Richter werde in der Praxis Rechtspositionen besonders schützen, in die viel Lebenskraft vom Eigentümer investiert wurde; hierbei handele es sich um eine „tägliche Erfahrung, vielleicht ein rechtsethisches Postulat, auch das mag die Verfassung letztlich meinen …“); Sieckmann, in: Berliner Kommentar, Art. 14 GG Rn. 91 f.; unklar Hösch, Eigentum und Freiheit, 55 (Schutz der Leistung als Zweck der Eigentumsgarantie), 88 ff. (Ablehnung der Arbeitstheorie). Zum Schutz eigener Leistung und Arbeit als Funktion und tragender Grund des Eigentums Meyer-Abich, Schutzzweck der Eigentumsgarantie, 25 ff. m.w.N.
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bestimmende Güter“7. Sieckmann stellt der Konzeption des Bundesverfassungsgerichts ein „Prinzipienmodell des Eigentumsschutzes“ entgegen8. Zu seinen Elementen zählt wiederum die Vorstellung, das verfassungsrechtliche Eigentum liege dem einfachen Recht wie die natürlichen Schutzgüter Leben und Freiheit voraus9. Hinzu tritt das „Eigentumsprinzip“, das die unbeeinträchtigte Existenz bestimmter Vermögensrechte fordert10. Aus der Kombination beider Gesichtspunkte ergibt sich ein verfassungsrechtliches Gebot der Zuordnung aller durch eigene Leistung erworbenen Güter hinsichtlich jeder möglichen Nutzungshandlung11. Die vorstehende Skizze lässt die typischen Argumente für ein Zuordnungsgebot aus Art. 14 GG erkennen und gibt damit zugleich das Arbeitsprogramm dieses Paragraphen vor. Ausgangspunkt ist durchweg die Verselbständigung der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie vom einfachen Recht. Folglich ist zu prüfen, ob sich der Begriff des verfassungsrechtlichen Eigentums und damit der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG aufgrund norminterner Wertungen auf nicht einfachgesetzlich zugeordnete Güter als solche erstreckt. Während dieses Resultat eine etwaige Schutzpflicht im Hinblick auf „neue“ Güter nahelegen würde, käme Art. 14 GG ein solcher Aussagegehalt kaum zu, wenn das verfassungsrechtliche Eigentum seinerseits vom einfachen Recht abhängig wäre (dazu B). Erst wenn geklärt sein wird, worauf sich der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG im klassischen Abwehrverhältnis zwischen Bürger und Staat bezieht, ist auf die materiellen und formellen (insbesondere kompetenziellen) Voraussetzungen einer Schutzpflicht des Staates zur Gewährung verfassungsrechtlichen Eigentums einzugehen (dazu C). Eine zusammenfassende Stellungnahme schließt die Untersuchung ab und leitet auf die nächsthöhere Ebene eines etwaigen Rechtsprinzips der Güterzuordnung über, das Privat-, Verfahrens- und Verfassungsrecht umschließt (dazu D). Bei alldem orientiert sich die Darstellung an der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Denn abgesehen davon, dass seine Auslegung des Art. 14 GG letztverbindlich ist12, bezweckt die folgende Analyse vor allen Din7 Leisner, in: HdbStR, § 149 Rn. 66 ff.; Söllner, FS Traub, 367, 369 (Grundeigentum und Eigentum an beweglichen Sachen seien nicht erst durch die staatliche Rechtsordnung geschaffen). Im Ergebnis ähnlich für ein Schutzgebot in Bezug auf technische Geheimnisse als ebenfalls faktisch exklusive Güter Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 42 ff. 8 Sieckmann, Modelle, 37 ff. (Methodik), 490 (Schlusssatz: „Insgesamt erscheint die Eigentumsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts daher nicht akzeptabel.“). 9 Sieckmann, Modelle, 27, 83, 145; ders., in: Berliner Kommentar, Art. 14 GG Rn. 17 f. 10 Sieckmann, Modelle, 26, 71 ff., 145; ähnlich Lindner, Grundrechtsdogmatik, 325 (Regel-Ausnahme-Prinzip zugunsten einer unbeschränkten Zuordnung). 11 Sieckmann, Modelle, 70 f. („prinzipiell gebotene Eigentumsrechte“); ders., in: Berliner Kommentar, Art. 14 GG Rn. 37, 72, 91 f. 12 Siehe § 93 Abs. 1 Nr. 1 GG und Depenheuer, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 109, 121 (Art. 14 GG gelte nur so, wie das Gericht das Grundrecht auslege). Zutreffende Einschränkung der Rede von der „authentischen Verfassungsinterpretation“ im Sinne einer den Inhalt der Verfassung definierenden Rechtsprechung bei Jestaedt, Grundrechtsentfaltung, 363 ff. Zur begrenzten Auswirkung abweichender Eigentumskonzepte in der Literatur Leisner, in: HdbStR, § 149 Rn. 3.
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gen eine kritische Überprüfung der privatrechtlichen Konsequenzen, die aus der Eigentumsgarantie und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abgeleitet werden13. Die Eigentumsgarantien des Art. 1 1. ZP EMRK14 und des parallelen15 Art. 17 der Charta der Grundrechte16 werden dabei lediglich vergleichend zu Art. 14 GG berücksichtigt17. Zu betonen ist schließlich, dass durchweg allein der konkrete Aussagegehalt des Grundgesetzes in Rede steht, nicht die rechtsphilosophische Dimension „des“ Eigentums18.
B. Der Schutzbereich der Eigentumsgarantie Ob Art. 14 GG ein Gebot der Zuordnung von Gütern entnommen werden kann, hängt zunächst von seinem Schutzbereich ab. Insbesondere gilt es zu prüfen, ob Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG einfachrechtliche Positionen voraussetzt oder 13
Siehe Forkel, FS Neumayer, 229, 242 mit Fn. 66 (das Bundesverfassungsgericht habe in den Entscheidungen BVerfGE 31, 275; 13, 225, 229; 45, 142, 173 ungeschriebenes Eigentum anerkannt). 14 Art. 1 1. ZP EMRK Schutz des Eigentums: (1) Jede natürliche oder juristische Person hat das Recht auf Achtung ihres Eigentums. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn, dass das öffentliche Interesse es verlangt, und nur unter den durch Gesetz und durch die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts vorgesehenen Bedingungen. (2) Absatz 1 beeinträchtigt jedoch nicht das Recht des Staates, diejenigen Gesetze anzuwenden, die er für die Regelung der Benutzung des Eigentums im Einklang mit dem Allgemeininteresse oder zur Sicherung der Zahlung der Steuern oder sonstigen Abgaben oder von Geldstrafen für erforderlich hält. 15 Siehe Art. 52 Abs. 3 S. 1 Charta: So weit diese Charta Rechte enthält, die den durch die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten garantierten Rechten entsprechen, haben sie die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in der genannten Konvention verliehen wird. 16 Eigentumsrecht: (1) Jede Person hat das Recht, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn aus Gründen des öffentlichen Interesses in den Fällen und unter den Bedingungen, die in einem Gesetz vorgesehen sind, sowie gegen eine rechtzeitige angemessene Entschädigung für den Verlust des Eigentums. Die Nutzung des Eigentums kann gesetzlich geregelt werden, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist. (2) Geistiges Eigentum wird geschützt. Gem. Art. 6 Abs. 2 EUV achtet die Union die Grundrechte, wie sie in der EMRK gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben; siehe dazu auch EuGH Slg. 1979, 3727 Rn. 17 – Hauer; EuGH Slg. 1994, I-4973 Rn. 78 – Deutschland/Rat; v. Danwitz, in: v. Danwitz/ Depenheuer/Engel, Eigentum, 215, 260. Die Charta der Grundrechte entfaltet derzeit keine rechtliche Bindung der Gemeinschaftsorgane, wird aber häufig in Bezug genommen, um die Prinzipien des Grundrechtsschutzes in der EU herauszustellen; siehe insoweit nur etwa Walter, in: Ehlers, Europäische Grundrechte, § 1 Rn. 30 ff. 17 Zu den Gründen oben Einleitung C II, § 2 A. 18 Siehe etwa Kirchhof, Gesetzgebungsauftrag, 20 f.; ders., FS Zeidler II, 1639, 1650 f. (acht Funktionen der Individualnützigkeit des Eigentums); Badura, in: HdbVerfR, § 10 Rn. 2 ff.; Engel, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 9, 59 ff. (acht soziale Leistungen des Eigentums: Evolution, Konfliktbewältigung, Freiheit, Identität, Sozialisierung, Rechtsstaat, Demokratie, Staat).
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sich unmittelbar auf bestimmte Lebensgüter wie Geheimnisse und Persönlichkeitsmerkmale bezieht, denen ggf. unabhängig vom objektiven Recht Eigentumsschutz zugebilligt wird. Dazu werden im Folgenden die Funktion der Eigentumsgarantie (dazu I) und der Begriff des verfassungsrechtlichen Eigentums bestimmt (dazu II).
I. Funktion der Eigentumsgarantie Das Bundesverfassungsgericht bezeichnet Art. 14 GG als „elementares Grundrecht“19. Die Verfassung gewährleiste das Privateigentum sowohl als Rechtsinstitut wie in seiner konkreten Gestalt in der Hand des einzelnen Eigentümers20; dasselbe gelte für das Erbrecht als „Rechtsinstitut“ und „Individualrecht“21. Gemeinsam bildeten Eigentums- und Erbrechtsgarantie die Grundlage der privaten Vermögensordnung22. Allein diese Proklamationen und der in der Verfassung selbst nicht erläuterte Begriff des Eigentums sagen wenig über seine Reichweite aus. Daher ist anerkannt, dass der Schutzbereich der Eigentumsgarantie anhand des Zwecks des Art. 14 Abs. 1 GG unter Berücksichtigung seiner Bedeutung im Gesamtgefüge der Verfassung zu definieren ist23. Insoweit wird häufig die „rechtsbewahrende Funktion“ der Eigentumsgarantie betont. Art. 14 GG diene „sichernd und abwehrend“ der Einhaltung rechtsstaatlicher Schranken im Umgang der öffentlichen Gewalt mit bestehendem Eigentum24. Insbesondere soll der Bürger Rechtssicherheit hinsichtlich der von Art. 14 GG geschützten Vermögensrechte genießen. Unter diesem Blickwinkel erscheint die Eigentumsgarantie als besondere Ausprägung des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes25. 19 BVerfGE 14, 263, 277 (1962); BVerfGE 24, 367, 389 (1968); BVerfGE 42, 64, 76 (1976); BVerfGE 102, 1, 15 (2000); Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 14 GG Rn. 1. 20 Siehe etwa BVerfGE 20, 351, 355 (1966); BVerfGE 31, 229, 240 (1971); BVerfGE 42, 263, 294 (1976); BVerfGE 112, 1, 20 (2004) (institutionelle Verbürgung und Schutz tatsächlicher Freiheitsausübung in der Zeit); Wolff, FS Kahl, 3, 5. 21 BVerfGE 19, 202, 206 (1965); BVerfGE 44, 1, 17 (1976); BVerfGE 67, 329, 340 (1984); BVerfGE 91, 346, 358 (1994); BVerfGE 99, 341, 350 (1999); BVerfGE 112, 332, 348 (2005); Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 14 GG Rn. 1 (Gewährleistung als Rechtsinstitut und als subjektives öffentliches Recht). 22 BVerfGE 93, 165, 173 f. (1995); BVerfGE 112, 332, 348 (2005); zum engen Zusammenhang zwischen Eigentum und Erbrecht Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 14 GG Rn. 298 (Erbrecht als Ausfluss der Eigentumsnutzungs- und -verfügungsfreiheit); Leisner, in: HdbStR, § 150 Rn. 1. 23 BVerfGE 36, 281, 290 (1974); BVerfGE 42, 263, 292 (1976); BVerfGE 83, 201, 208 (1991); BVerfG NJW 1992, 36 f.; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 75. 24 BVerfGE 36, 281, 290 (1974); BVerfGE 42, 263, 264 (Leitsatz 3) (1976); BVerfGE 51, 193, 218 (1979) – Weingesetz I; BVerfGE 72, 175, 195 (1986); BVerfG NJW 1998, 3264; BVerfGE 102, 1, 23 (2000); ebenso BGHZ 78, 41, 45 (1980). 25 Ständige Rechtsprechung, siehe BVerfGE 31, 275, 293 (1971); BVerfGE 36, 281, 293 (1974); BVerfGE 42, 263, 300 f. (1976); BVerfGE 45, 142, 168 (1977); BVerfGE 51, 193, 218 (1979) – Weingesetz I; BVerfGE 58, 81, 120 (1981); BVerfGE 64, 87, 104 (1983); BVerfGE 70, 101, 114
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Freilich erschöpft sich der Telos des Grundrechts nicht in der Wahrung des vermögensrechtlichen status quo. Denn das Vertrauen in den vorhandenen Bestand des Eigentums wird nicht um seiner selbst willen geschützt, sondern weil ohne diese Sicherheit eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung im vermögensrechtlichen Bereich nicht möglich sei26. Diese zweite, übergeordnete Zielsetzung der Eigentumsgarantie ist bereits 1952 vom großen Senat des Bundesgerichtshofs formuliert worden. Demnach bedarf der in den Staat eingegliederte Einzelne, um unter seinesgleichen als Person, das heißt frei und eigenverantwortlich leben zu können und nicht zum bloßen Objekt einer übermächtigen Staatsgewalt zu werden, einer rechtlich streng gesicherten Sphäre des Eigentums27. Auch das Bundesverfassungsgericht sieht in ständiger Rechtsprechung den Zweck des Art. 14 GG darin, dass dem Grundrechtsträger ein Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich gesichert werden soll, damit der Einzelne sich im privaten und wirtschaftlichen Bereich entfalten und eigenverantwortlich leben kann. Nach dieser Vorstellung gewährleistet die Eigentumsgarantie die wirtschaftlichen Voraussetzungen für ein Leben nach individuellen Vorstellungen28. Entsprechendes gilt für die Erbrechtsgarantie, die verhindern soll, dass jede nachfolgende Generation im
26 (1985); BVerfGE 75, 78, 105 (1987); BVerfGE 76, 220, 244 f. (1987); BVerfGE 95, 64, 82 (1996); BVerfGE 101, 239, 257 (1999); Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 14 GG Rn. 642; ebenso BGHZ 78, 41, 45 (1980). 26 BVerfGE 58, 300, 349 f. (1981); BVerfG NJW 1992, 36 f. m.w.N.; Badura, FS Maunz, 1, 14; Wendt, in: Sachs, Art. 14 GG Rn. 12 (die objektive Schutzfunktion der Eigentumsgarantie sei gegenüber der Gewährleistung des personalen Freiheitsrechts akzessorisch); kritisch Vesting, Symposium Hoffmann-Riem, 21, 48 f. (es werde die metaphysische Grundlosigkeit des Entscheidens kaschiert). 27 BGHZ (GS) 6, 270, 276 (1952). 28 BVerfGE 24, 367, 389 (1968); BVerfGE 30, 292, 334 (1971); BVerfGE 31, 229, 239 (1971); BVerfGE 40, 65, 83 f. (1975); BVerfGE 42, 64, 76 (1976); BVerfGE 42, 263, 293 (1976); BVerfGE 46, 325, 334 (1977); BVerfGE 50, 290, 339, 344 (1979); BVerfGE 51, 193, 218 (1979) – Weingesetz I; BVerfGE 53, 257, 290 (1980); BVerfGE 58, 137, 151 (1981); BVerfGE 68, 193, 222 (1984); BVerfGE 68, 361, 375 (1985); BVerfGE 69, 272, 300 (1985); BVerfGE 78, 58, 73 (1988); BVerfGE 79, 292, 303 f. (1989); BVerfGE 81, 208, 220 (1990); BVerfGE 83, 201, 208 (1991); BVerfG NJW 1992, 36 f.; BVerfGE 88, 366, 377 (1993); BVerfGE 89, 1, 6 (1993); BVerfGE 91, 294, 307 (1994); BVerfGE 97, 350, 370 f. (1998) (Gewährleistung der privat verfügbaren ökonomischen Grundlage individueller Freiheit); BVerfGE 100, 1, 32 (1999); BVerfGE 102, 1, 15 (2000); BVerfGE 104, 1, 8 (2001); BVerfG NJW 2006, 1191, 1192; ebenso BGHZ 132, 181, 186 f. (1996). Aus der Literatur Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 190 ff.; Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, 2128 f.; Badura, HdbVerfR, § 10 Rn. 33; Chlosta, Wesensgehalt, 77; Rittstieg, Eigentum, 386; Meyer-Abich, Schutzzweck der Eigentumsgarantie, 58 ff.; Schwerdtfeger, Eigentumsgarantie, 14; Raiser, RabelsZ 26 (1961), 230, 232; Schoch, Jura 1989, 113, 114; Kube, JZ 2001, 944; Berkemann, in: Umbach/Clemens, Art. 14 GG Rn. 28; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 GG Rn. 3; Wendt, in: Sachs, Art. 14 GG Rn. 4; Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 14 GG Rn. 1; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 14 GG Rn. 2; Mager, Einrichtungsgarantien, 188; Kirchhof, in: Depenheuer, Eigentum, 19, 28 (trotz vorhergehenden Hinweises auf acht Ordnungsfunktionen des Eigentums); mit etwas anderer Akzentuierung Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 14 GG Rn. 4 (der einzelne solle eigenverantwortlich und mit privatnütziger Zielsetzung am Aufbau und an der Gestaltung der Rechts- und Gesellschaftsordnung mitwirken können, nicht nur öffentlicher Planvollstrecker sein).
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vermögensrechtlichen Bereich wieder bei „Null“ anfangen und sich die Grundlagen eigenverantwortlichen Lebens vollständig selbst erwerben muss29. Eigentum und Erbrecht werden mithin nicht um ihrer selbst willen gewährleistet, sondern als unverzichtbare Mittel zur Verwirklichung persönlicher Würde und Freiheit30. Jene an der Spitze der Verfassung stehenden Grundrechte stellen die Höchstwerte dar, auf die alle übrigen Garantien und die Ordnung des Grundgesetzes insgesamt ausgerichtet sind: Mittelpunkt dieses Wertsystems ist die sich in der staatlichen Gemeinschaft frei entfaltende menschliche Persönlichkeit in ihrer Würde31. Auch während der Entstehungsgeschichte war diese generell akzessorische Funktion der Eigentumsgarantie konsentiert, während eine regelrechte Begrenzung des verfassungsrechtlichen Eigentums auf das sog. „kleine“, für die Lebenshaltung oder eigene Arbeit erforderliche Eigentum ausdrücklich verworfen wurde32. Diese Differenzierung zwischen dem verfassungsrechtlichen Eigentum als solchem und der damit bezweckten freien Entfaltung im vermögensrechtlichen Bereich ist für die Analyse des güterzuordnenden Gehalts von Art. 14 GG von erheblicher Bedeutung. Wenn nämlich die Eigentumsgarantie nur ein Mittel zur Erreichung eines übergeordneten Ziels ist, dürfen sich die Argumente zur Bestimmung des Schutzbereichs und etwaiger Schutzpflichten nicht im Eigentum 29
BVerfGE 67, 329, 341 (1984); BVerfGE 91, 346, 358 (1994); BVerfGE 93, 165, 173 f. (1995); BVerfGE 99, 341, 350 (1999); BVerfGE 112, 332, 348 (2005); Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 14 GG Rn. 1028. 30 Siehe BVerfGE 14, 288, 293 (1962); BVerfGE 31, 229, 239 (1971); BVerfGE 81, 208, 227 (1990) („Freiheitsrecht“); besonders deutlich BVerfGE 83, 201, 208 (1991); Leisner, Grundrechte, 245 f. (Eigentumsgarantie der Freiheitsidee untergeordnet); Badura, HdbVerfR, § 10 Rn. 34 (Eigentumsgarantie gegenüber der Gewährleistung des personalen Freiheitsrechts akzessorisch); Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 14 GG Rn. 2. Zur personalen Funktion der Eigentumsgarantie BVerfGE 24, 367, 400 (1968) („Die Eigentumsgarantie ist nicht zunächst Sach-, sondern Rechtsträgergarantie.“); BVerfGE 79, 292, 304 (1989) (die Eigentumsfreiheit enthalte Elemente der allgemeinen Handlungsfreiheit sowie des allgemeinen Persönlichkeitsrechts); mit Augenmerk auf den Menschenwürdegehalt Dürig, ZgS 109 (1953), 326, 345 (die Eigentumsordnung sei zu allererst auf dem Recht der Person aufgebaut); ders., FS Apelt, 13, 26; ferner Leisner, in: HdbStR, § 149 Rn. 9; Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rn. 303; Wieling, Sachenrecht, 85 (Eigentumsschutz sei Persönlichkeitsschutz); Wolf, Kommerzialisierung, 65 ff. Gegen die einseitige Ausrichtung des Art. 14 GG als Freiheitsrecht aber Sieckmann, in: Berliner Kommentar, Art. 14 GG Rn. 1. 31 BVerfGE 6, 32, 40 (1957) – Elfes m.w.N.; BVerfGE 7, 198, 205 (1958) – Lüth; Kirchhof, in: HdbGRe, § 21 Rn. 4 (Freiheitlichkeit als Selbstbeschränkung des Staates). 32 Siehe Parlamentarischer Rat 5/I, 197 ff., 202 (C. Schmid: „… das Eigentum … [ist] ein notwendiges Substrat für das sittliche Verhalten des Menschen … Ein Mensch, der nicht über die Dinge verfügen kann, die … zur Entfaltung seiner Persönlichkeit gehören, kann sich letzten Endes wohl nicht sittlich verantworten.“). Ferner die zusammenfassende Darstellung bei v. Brünneck, Eigentumsgarantie, 86 ff. Zur Bedeutung der Entstehungsgeschichte für die Auslegung des GG siehe Jestaedt, Grundrechtsentfaltung, 361 (zur Verhinderung einer verfassungsändernden „Auslegung“ sei ausschließlich auf den Inhalt der konkreten historischen Rechtssetzungsleistung des Verfassungsgebers abzustellen); a.A. die h.M., siehe etwa Schmidt-BleibtreuHopfauf, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Einl. Rn. 86 (historischer Wille nur ein Auslegungskriterium).
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als Selbstzweck erschöpfen, sondern müssen seine dienende Funktion im Hinblick auf die individuelle Würde und Freiheit reflektieren.
II. Der Begriff des verfassungsrechtlichen Eigentums Vor dem Hintergrund dieser Funktion des Art. 14 GG im Kontext des grundgesetzlichen Wertsystems ist nunmehr der Begriff des verfassungsrechtlichen Eigentums herauszuarbeiten. Zunächst gilt es, die generelle Normprägung dieser Grundrechtsbestimmung anhand des Wortlauts und der Entstehungsgeschichte aufzuzeigen (dazu 1). Anschließend werden die einzelnen Merkmale verfassungsrechtlichen Eigentums nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erläutert (dazu 2). Im Vordergrund steht dabei die Frage, ob Art. 14 GG im einfachen Recht verankerte Rechte oder faktische Güter bzw. Vermögenswerte garantiert. 1. Art. 14 GG als normgeprägter Tatbestand Bereits ein flüchtiger Blick auf die Formulierung des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG erhellt die Normprägung und Normabhängigkeit dieses Grundrechts33. Gewährleistet werden das Eigentum und das Erbrecht. Zwar ist der Begriff des Eigentums im Sinne dieser Bestimmung aus dem Grundgesetz abzuleiten und schon deshalb vom privatrechtlichen Eigentum gem. § 903 BGB zu unterscheiden34. Das heißt aber nicht, dass die Terminologie des Grundgesetzes sogar im Hinblick auf die kategoriale Unterscheidung zwischen Rechtsobjekt und subjektivem Recht von der übrigen Rechtssprache abweicht35. Geht man davon aus, dass das Grundgesetz getreu dem methodologischen Dualismus Sein von Sollen trennt, ist mit „Eigentum“ auch im Kontext der Verfassung ein Rechtsbegriff gemeint und kein lebensweltliches Gut36. Ebenso beschreibt das „Erbrecht“ die rechtliche Ordnung eines tatsächlichen Vorgangs, nämlich des Todes des Erblassers (§ 1922 BGB). Schon auf dieser begrifflich-abstrakten Ebene kann man sich der Schlussfolgerung kaum entziehen, dass die Regelungsgegenstände des Art. 14 GG der objektiven Rechtsordnung zu entnehmen sind, die eben die einzige Quelle recht33 Siehe nur etwa Nierhaus, AöR 116 (1991), 72, 83 m.w.N.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 894; Epping, Grundrechte, Rn. 389; Grzeszick, ZUM 2007, 344, 348; im Ansatz auch Sieckmann, in: Berliner Kommentar, Art. 14 GG Rn. 1 (Eigentum als Schöpfung der Rechtsordnung); Gellermann, Grundrechte, 22, 99. 34 BVerfGE 58, 300, 335 (1981). So bereits Johow, in: Schubert, Sachenrecht 1, 641 f.; ferner Wolff, FS Karl, 3 (in Abgrenzung zu Art. 153 Abs. 1 S. 1 WRV); Rittner, FS Schilling, 363; Böhmer, NJW 1988, 2561, 2571; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 GG Rn. 11; Leisner, in: HdbStR, § 149 Rn. 72; Dürig, ZgS 109 (1953), 326, 343 (Eigentum könne auch als Vermögen gelesen werden). 35 Dazu oben § 1 A II. 36 Herzog, FS Zeidler II, 1415, 1417 ff. (mit weiteren Beispielen); Epping, Grundrechte, Rn. 389; Chlosta, Wesensgehalt, 17 (auch die Umgangssprache meine den Begriff rechtlich); Schwerdtfeger, Eigentumsgarantie, 13; a.A. unter Anwendung eines „umgangssprachlichen“ Begriffs des Eigentums Waschull, Unternehmen als verfassungsrechtliches Eigentum, 404.
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licher Begriffe und Regelungen darstellt, ohne die Eigentum und Erbrecht nicht gedacht werden können37. Diesen Eindruck bestätigt Art. 15 GG zur Sozialisierung von Grund und Boden, Naturschätzen und Produktionsmitteln38. Hier wie bei anderen Grundrechten wird der Schutzbereich mit Kategorien beschrieben, die der Seinswelt entnommen sind und die unabhängig von einer genuin rechtlichen Feststellung erfasst werden können (Leben, körperliche Unversehrtheit, Entfaltung der Persönlichkeit, Glauben, Meinung, Versammlung, Wohnung usw.)39. Schließlich entspricht die Normprägung des Art. 14 GG den europäischen Eigentumsgarantien40 sowie einer deutschen Verfassungstradition, in der das Grundgesetz steht41. Hingegen ist dem Grundgesetz eine ausdrückliche Schutzgewährleis37
Für das Eigentum Schwerdtfeger, Eigentumsgarantie, 13; Gellermann, Grundrechte, 104; Herzog, FS Zeidler II, 1415, 1418; Böhmer, NJW 1988, 2561, 2568 (Eigentum sei „ohne rechtliche Infrastruktur eine leere und nichtssagende Worthülse“); Depenheuer, in: v. Danwitz/Depenheuer/ Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 109, 149; Schoch, Jura 1989, 113, 116; Chlosta, Wesensgehalt, 20; Badura, HdbVerfR, § 10 Rn. 10 (sonst „leere Formel“); für das Erbrecht Stöcker, WM 1979, 214, 215. 38 Siehe Raiser, AöR 78 (1952/53), 118 f.; Krüger, FS Schack, 71, 75 f.; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 15 GG Rn. 10, 16 ff.; Hösch, Eigentum und Freiheit, 249 ff.; Kellenberger, Schutz des Gewerbebetriebs, 79. Dazu, dass Art. 15 GG kein Sozialisierungsgebot, sondern lediglich eine Ermächtigung des Gesetzgebers darstellt, BVerfGE 12, 354, 363 f. (1961). Aus der Entstehungsgeschichte Parlamentarischer Rat 5/I, 213 f. (gesonderter Artikel, da damit eine strukturelle Umwandlung der Wirtschaftsverfassung verbunden sei). 39 Herzog, FS Zeidler II, 1415, 1416; Schoch, Jura 1989, 113, 116. 40 Zu Art. 1 1. ZP EMRK EGMR Serie A Nr. 24 Ziff. 62 – Handyside; EGMR Serie A Nr. 31 Ziff. 63 – Marckx; EGMR GRUR 2007, 696, 697 f.; Meyer-Ladewig, Art. 1 ZP EMRK Rn. 9b; Gelinsky, Art. 1 ZP EMRK, 23 (Eigentum als Recht an einem Objekt als Gegenstand der Garantie); Peukert, in: Frowein/Peukert, Art. 1 1. ZP EMRK Rn. 3; v. Danwitz, in: v. Danwitz/Depenheuer/ Engel, Eigentum, 215, 222 f.; Ohler, JZ 2006, 875, 882 f. m.w.N. Zum Wortlaut des Art. 17 Charta der Grundrechte siehe oben Fn. 16. 41 Siehe die Art. 74 und 75 Einl. ALR, auf die zur Begründung der Entschädigung für Eingriffe in das Eigentum noch heute zurückgegriffen wird: Verhältnis des Staats gegen seine Bürger § 74: Einzelne Rechte und Vortheile der Mitglieder des Staats müssen den Rechten und Pflichten zur Beförderung des gemeinschaftlichen Wohls, wenn zwischen beyden ein wirklicher Widerspruch (Collision) eintritt, nachstehn. § 75: Dagegen ist der Staat denjenigen, welcher seine besondern Rechte und Vortheile dem Wohle des gemeinen Wesens aufzuopfern genöthigt wird, zu entschädigen gehalten. Ferner Abschnitt VI Art. IX § 164 der Paulskirchenverfassung: (1) Das Eigenthum ist unverletzlich. (2) Eine Enteignung kann nur aus Rücksichten des gemeinen Besten, nur auf Grund eines Gesetzes und gegen gerechte Entschädigung vorgenommen werden. (3) Das geistige Eigenthum soll durch die Reichsgesetzgebung geschützt werden. Art. 153 Abs. 1 WRV: Das Eigentum wird von der Verfassung gewährleistet. Sein Inhalt und seine Schranken ergeben sich aus den Gesetzen. Artikel 154 Abs. 1 WRV: Das Erbrecht wird nach Maßgabe des bürgerlichen Rechtes gewährleistet. Wie hier Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 63 (ein Verständnis des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs als auf tatsächliche Vermögenspositionen bezogen sei ein radikaler Bruch mit dem traditionellen Verständnis des Eigentumsbegriffs). Zur Zulässigkeit des Rückgriffs auf historische Verfassungsurkunden im Rahmen der Auslegung des GG siehe BVerfGE 7, 198, 208 (1958) – Lüth (Verweis auf die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte v. 1789); BVerfGE 35, 79, 118 ff. (1973) (Verweis auf die WRV und die preußische Verfassung von 1850); v. Münch, in: v. Münch/Kunig, vor Art. 1–19 GG Rn. 5.
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tung für „geistige Arbeit“ fremd, wie sie noch die Weimarer Reichsverfassung vorgesehen hatte42. Man muss jedoch gar nicht so weit ausschweifen, um die nicht selten anzutreffende Annahme, Art. 14 GG schütze unabhängig vom einfachen Recht vermögenswerte Güter, als mit der grundgesetzlichen Regelung unvereinbar zu verwerfen. Denn nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG werden Inhalt und Schranken des Eigentums und des Erbrechts durch die Gesetze bestimmt43. Bemerkenswert ist hieran weniger der nicht seltene Gesetzesvorbehalt hinsichtlich genereller Einschränkungen dieser Rechtsinstitute bzw. Individualrechte, sondern die im Grundgesetz einmalige Aussage, dass bereits der Inhalt des verfassungsrechtlichen Eigentums dem Gesetz zu entnehmen ist44. Gemeint ist hiermit nämlich die generellabstrakte Definition dessen, was die jeweilige Eigentumsposition ausmacht45. Da das verfassungsrechtliche Eigentum durch diese gesetzliche Regelung überhaupt erst etabliert wird, kann die Inhaltsbestimmung nicht ihrerseits einen Eingriff in zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht bestehende individuelle Rechte darstellen46. Dieselben Grundsätze gelten für das Erbrecht. Auch jenes wird als Institut erst durch die gesetzliche, insbesondere bürgerlich-rechtliche Ausgestaltung umrissen und zu einem praktisch durchsetzbaren, individuellen Recht47. 42 Siehe Art. 158 WRV: (1) Die geistige Arbeit, das Recht der Urheber, der Erfinder und der Künstler genießt den Schutz und die Fürsorge des Reichs. (2) Den Schöpfungen deutscher Wissenschaft, Kunst und Technik ist durch zwischenstaatliche Vereinbarung auch im Ausland Geltung und Schutz zu verschaffen. 43 Art. 1 Abs. 2 1. ZP EMRK spricht von der „Regelung der Benutzung des Eigentums im Einklang mit dem Allgemeininteresse“; dazu EuGH Slg. 1979, 3727 Rn. 19 – Hauer. Art. 17 Abs. 1 S. 2 Charta lautet: Die Nutzung des Eigentums kann gesetzlich geregelt werden, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist. 44 Siehe Gellermann, Grundrechte, 102 (implizierte substantielle inhaltliche Gestaltungsmöglichkeiten); Krüger, FS Schack, 71, 72 f.; Nierhaus, AöR 116 (1991), 72, 95 (harter Kern legislatorischer Definitionsbefugnis); Leisner, in: HdbStR, § 149 Rn. 60; Sachs, Grundrechte, 440 f.; Herzog, FS Zeidler II, 1415, 1421 f.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 900 (die weitgehende Definitionsmacht des Gesetzgebers finde hier ihre textliche Stütze). Zur Differenzierung zwischen Inhaltsund Schrankenbestimmung Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 157 (Inhaltsnormen legten die Befugnisse generell fest; Schrankennormen regelten Konflikte durch Beeinträchtigungen des konstituierten Eigentums); Hammann, Eigentum in der Zeit, 25 ff. (nur die Inhaltsbestimmung sei an der Institutsgarantie zu messen); Wendt, in: Sachs, Art. 14 GG Rn. 55; Leisner, in: HdbStR, § 149 Rn. 135 ff.; anders Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 14 GG Rn. 307 (Differenzierung ohne sachliche Bedeutung). 45 Zur Inhalts- und Schrankenbestimmung als generell-abstrakte Regelung BVerfGE 49, 382, 393 (1978); BVerfGE 52, 1, 27 (1979); BVerfGE 56, 249, 260 (1981); BVerfGE 68, 361, 367 (1985); BVerfGE 72, 66, 76 (1986); BVerfG NJW 2005, 589; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 GG Rn. 54 ff.; Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 14 GG Rn. 522. In diesem Sinne zu Art. 153 Abs. 1 S. 2 WRV bereits Wolff, FS Kahl, 3, 9. 46 BVerfGE 21, 92, 93 (1967); BVerfGE 24, 367, 396 (1968); BVerfGE 25, 371, 407 (1969) (die Verlängerung des bestehenden Zustands sei keine Verschlechterung der Position des Eigentümers); BVerfGE 28, 119, 142 (1970); BVerfGE 31, 212, 221 (1971) (die von Anfang an bestehende Anspruchsbeschränkung sei kein Entzug im Sinne der Eigentumsgarantie); BVerfGE 42, 263, 305 (1976); Gellermann, Grundrechte, 306 f.; Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 14 GG Rn. 337. 47 BVerfGE 67, 329, 340 (1984); BVerfGE 93, 165, 174 (1995); BVerfGE 99, 341, 351 (1999); BVerfGE 112, 332, 348 (2005).
§ 11 Die Eigentumsgarantie als Grundlage der Güterzuordnung
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Die explizite Abhängigkeit des verfassungsrechtlichen Eigentums vom einfachen Gesetz ist – und das gilt es bereits an dieser Stelle hervorzuheben – keine bloße Förmelei, sondern Ausdruck zentraler materialer Erwägungen. So bedarf eine praktikable Abgrenzung privater Vermögensbereiche der möglichst eindeutigen Festlegung durch den Gesetzgeber48. Außerdem ist es regelmäßig erforderlich, den Inhalt der privaten Eigentumsordnung an die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse anzupassen. Die historisch erwiesene Wandlungsfähigkeit und -bedürftigkeit des Eigentums wird gerade durch die einfachgesetzliche Ausgestaltung ermöglicht. Auf diese Weise können soziale Spannungen, die ihre Ursache in der Eigentumsordnung haben, in einem dauernden politischen Prozess aufgelöst werden, statt sich in punktuellen Umwälzungen zu entladen49. Diese Konzeption war während der Entstehungszeit des Art. 14 GG nicht unumstritten, setzte sich aber gegen die durchaus präsente Vorstellung des Eigentums als eines „natürlichen Rechts“ durch50. Carlo Schmid führte dazu im Ausschuss für Grundsatzfragen aus: „Der zweite Satz ist von dem Gedanken eingegeben worden, daß es eine aus der ,Natur‘ fließende Definition des Inhalts des Eigentums nicht gibt, daß das Eigentum nämlich das Ausmaß, in dem ein Individuum über Sachen verfügen kann, notwendig vom Gesetzgeber her zu bestimmen ist. Das ist eine alte Vorstellung, die allerdings unter dem Einfluß gewisser Vorstellungen des 18. und des beginnenden 19. Jahrhunderts verlorengegangen ist: Was Eigentum ist, was es bedeutet, eigentümliches Recht an einer Sache zu haben, das zu bestimmen ist Sache des Gesetzgebers.“51.
In Übereinstimmung hiermit gehen das Bundesverfassungsgericht und die ganz herrschende Meinung in der Staatsrechtslehre davon aus, es obliege dem Gesetz48 BVerfGE 14, 263, 277 (1962); BVerfGE 79, 29, 40 (1988); zur entsprechenden Forderung der ökonomischen Analyse oben § 3 B I. Nichts anderes gilt für andere normgeprägte Grundrechte, etwa das Grundrecht der Koalitionsfreiheit, das koordinierende Regelungen voraussetzt; siehe BVerfGE 88, 103, 115 (1993); die Rundfunkfreiheit, die als dienende Freiheit eine positive Ordnung verlangt; siehe BVerfGE 95, 220, 236 (1997); ferner Ehe und Familie, die eine gesetzliche Ausgestaltung voraussetzen; siehe BVerfGE 103, 89, 101 (2001). 49 BVerfGE 20, 351, 355 (1966); BVerfGE 31, 229, 240 (1971); BGHZ (GS) 6, 270, 277 (1952). Aus der Literatur in diesem Sinn Raiser, RabelsZ 26 (1961), 230 f.; Wolff/Raiser, Sachenrecht, 180; Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, 2127 (durchaus konsequente Lösung); v. Brünneck, Eigentumsgarantie, 396; Hammann, Eigentum in der Zeit, 8 ff.; Baur, FS Sontis, 181, 200; Böhmer, NJW 1988, 2561, 2568 (es seien keine allgemein gültigen Kriterien feststellbar); Schoch, Jura 1989, 113, 115; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 899; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 GG Rn. 11; Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 14 GG Rn. 521, 626; Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 14 GG Rn. 309; Kirchhof, FS Zeidler II, 1639; Schwerdtfeger, Eigentumsgarantie, 16; allgemein Brocker, Arbeit und Eigentum, 399 ff.; Grzeszick, ZUM 2007, 344, 353. Der Aspekt der Wandelbarkeit des Eigentums war während der Beratung des Grundgesetzes Konsens; siehe Parlamentarischer Rat 5/ I, 49. Zurückhaltend zur These der Wandelbarkeit Leisner, in: HdbStR, § 149 Rn. 25 ff. (die Tradition des Verfassungseigentums in Deutschland sei das unantastbare, nicht das im Kern relativierte Eigentum; Eigentum sei ein „Gegenwarts-Grundrecht“ mit verlässlicher Grundlage). 50 Siehe Parlamentarischer Rat 5/I, 197 f., 200 f., 724 ff. und 729 f. (zur abgelehnten Eingabe „Das Eigentum ist als ein natürliches Recht gewährleistet.“). 51 Parlamentarischer Rat 5/I, 198; zusammenfassend auch in JöR 1 (1951), 146.
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geber, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, weil es weder einen aus der „Natur der Sache“ noch einen sonst vorgegebenen, absoluten Begriff des Eigentums gebe52. Das Eigentum habe zwar im Sinne des Art. 1 Abs. 2 GG denselben menschenrechtlichen Rang wie andere Freiheitsrechte, aber es bleibe abhängig von einer Rechtsordnung, die das Eigentum ausgestaltet und gewährleistet53. Folglich ist Gegenstand der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie nur, was das einfache Gesetz hergibt54. Der Schutz des Art. 14 GG reicht in sachlicher Hinsicht nicht weiter als die gesetzlich definierten Befugnisse55. Auch zeitlich 52 BVerfGE 15, 126, 143 f. (1962) (erst der Gesetzgeber und nicht schon die Verfassung selbst könne das Bestehen von Rechten, die der Eigentumsgarantie unterliegen, bestimmen); BVerfGE 20, 351, 355 (1966); BVerfGE 31, 229, 240; BVerfGE 31, 248, 251 (1971); BVerfGE 31, 270, 272 (1971) (Urheberrecht); BVerfGE 58, 300, 339 (1981) (die angebliche natürliche Beziehung zwischen Grundwasser und Grundeigentum zwinge den Gesetzgeber nicht zur Zuordnung des Grundwassers zum Eigentümer des jeweiligen Grundstücks), 352 f. (das Argument, der weitere Kiesabbau sei von der „Natur der Sache her gegeben“ und wirtschaftlich vernünftig, entbehre der verfassungsrechtlichen Legitimation); ebenso BVerwGE 62, 224, 226 (1981); BGHZ 84, 230, 235 (1982). Aus der Literatur etwa Raiser, RabelsZ 26 (1961), 230 f.; Krüger, FS Schack, 71 („gegeben und nicht vorgegeben“); Hammann, Eigentum in der Zeit, 19; Gellermann, Grundrechte, 99 (kein „natürliches“ Eigentum); Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, 2127; Hecker, Eigentum, 252 (Eigentum eine historische, keine logische Kategorie); Brocker, Arbeit und Eigentum, 392 (kein „überpositives“ Eigentumsrecht); Hösch, Eigentum und Freiheit, 147 f.; Böhmer, NJW 1988, 2561, 2568; Schoch, Jura 1989, 113, 115 f.; Wahl, FS Redeker, 245, 249, 258; Sachs, Grundrechte, 434; Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rn. 894; Berkemann, in: Umbach/Clemens, Art. 14 GG Rn. 35, 47, 133; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 GG Rn. 59 m.w.N.; Epping, Grundrechte, Rn. 389; Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 14 GG Rn. 571; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 14 GG Rn. 36; Ehlers, VVDStRL 51 (1991), 211, 214; Kimminich, in: BK, Art. 14 GG Rn. 22. 53 BVerfGE 112, 1, 21 (2004); siehe auch Krüger, FS Schack, 71 (als Ermächtigung zur privaten Herrschaft sei Eigentum von vornherein der Bestimmung seines Inhalts bedürftig); Ehlers, VVDStRL 51 (1991), 211, 214. 54 BVerfGE 15, 127, 143 (1962); BVerfGE 20, 351, 356 (1966); BVerfGE 24, 367, 396, 398 (1968); BVerfGE 31, 229, 240 (1971); BVerfGE 37, 132, 141 (1974); BVerfGE 50, 290, 339 f. (1979); BVerfGE 58, 81, 109 (1981); BVerfGE 58, 137, 144 f. (1981); BVerfGE 58, 300, 336 (1981) (Privatrecht und öffentliches Recht als die Eigentümerstellung regelnden Vorschriften); BVerfGE 65, 196, 209 (1983) (die verfassungsrechtliche Gewährleistung bestehe hinsichtlich der durch die Rechtsordnung anerkannten einzelnen Vermögensrechte); BVerfGE 72, 9, 22 (1986); BVerfGE 74, 129, 148 (1987); BVerfGE 75, 78, 97 (1987); BVerfGE 76, 220, 238 (1987); BVerfGE 91, 294, 308 (1994); BVerfGE 95, 143, 161 (1996); BVerfGE 100, 1, 37 (1999); BVerwGE 62, 224, 226 (1981); BVerwG ZUM 2004, 408, 409 ff. (Inhalt und Umfang des Markenrechts folgten aus dem Markengesetz und nicht unmittelbar aus der Verfassung). Aus der Literatur Chlosta, Wesensgehalt, 32; Manssen, Privatrechtsgestaltung, 261; Gellermann, Grundrechte, 99; Krüger, FS Schack, 71, 72 f.; Maunz, GRUR 1973, 107, 110; Herzog, FS Zeidler II, 1415, 1421 f.; Schoch, Jura 1989, 113, 115; Wahl, FS Redeker, 245, 257; Badura, HdbVerfR, § 10 Rn. 54; Berkemann, in: Umbach/Clemens, Art. 14 GG Rn. 132 ff.; Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 14 GG Rn. 307 (nur das durch die Gesetze ausgeformte Eigentum sei verfassungsrechtlich geschützt); Epping, Grundrechte, Rn. 389, 393; Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 14 GG Rn. 36; Kube, Eigentum an Naturgütern, 37. 55 BVerfGE 11, 221, 226 (1960) (jede Vermögensposition könne des Eigentumsschutzes nur so weit teilhaftig werden, wie das ihrem Inhalt entspreche); BVerfGE 18, 85, 90 ff. (1964) (in Bezug auf ein „geistiges Eigentum“ an der Erfindung vor ihrer Eintragung); BVerfG NJW 1992, 36 f. (ein subjektives Recht an einem Produkt in seiner konkreten Beschaffenheit und Zusammensetzung kenne die deutsche Rechtsordnung nicht; in Betracht komme „lediglich“ der Rechtsschutz nach den Immaterialgüterrechtsgesetzen); ferner BVerfGE 95, 64, 82 f. (1996); BVerfG NJW 2001, 1783,
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und räumlich ist die verfassungsrechtliche Gewährleistung an die einfachgesetzliche Grundlage geknüpft56. Auf diese ausdrückliche Rückkopplung der Eigentumsgarantie auf das positive Recht wird im Zusammenhang mit einem etwaigen Schutzgebot aus Art. 14 GG zurückzukommen sein. Hier genügt die Feststellung, dass Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG der Idee eines „natürlichen“, aus der Verfassung selbst zu entwickelnden Eigentums an bestimmten Gütern eindeutig entgegensteht. Während die Sozialbindung des Eigentums gem. Art. 14 Abs. 2 GG auch bei einer verfassungsinternen Entwicklung des Eigentumsbegriffs verwirklicht werden könnte, bestätigt die Enteignungsregelung des dritten Absatzes die Normprägung und -abhängigkeit der gesamten Eigentumsgewährleistung57. Schon begrifflich setzt eine Enteignung vorbestehendes Eigentum voraus. Dementsprechend versteht das Bundesverfassungsgericht unter einer Enteignung den vollständigen oder teilweisen Entzug subjektiver, durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gewährleisteter Rechtspositionen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben58. Typischerweise greife die öffentliche Gewalt administrativ oder legislativ auf den konkreten Bestand des Eigentums des Einzelnen zu, indem bestimmte Rechtspositionen vom Bürger auf den Staat oder einen Dritten übertragen werden, ohne
56 1786; BVerwG ZUM 2004, 408, 409 ff. (Markenschutz); für relative Rechte BVerfG NJW 2005, 589 (Internet-Domain); für öffentlich-rechtliche Rechtspositionen BVerfGE 19, 202, 206 (1965) (Unvererblichkeit von Rentenansprüchen); BVerwG NJW 2006, 711, 712 (Art. 14 GG sei nicht geeignet, Rentenansprüche zu dynamisieren); Jarass, AfP 1993, 455, 459 (UWG); Herzog, FS Zeidler II, 1415, 1419 f.; Wahl, FS Redeker, 245, 249 ff. 56 Zur zeitlichen Grenze BVerfGE 83, 201, 215 (1991) (kein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass gesetzlich begründete Rechte unabhängig vom Wegfall ihrer gesetzlichen Grundlage fortbestehen). Zur räumlichen Grenze (Territorialitätsprinzip) BVerfGE 112, 1, 21 (2004); BVerfGE 112, 368, 396 (2005) (rentenrechtliche Ansprüche nach dem Recht der DDR würden von Art. 14 GG nur in der Form geschützt, die sie aufgrund der Regelungen des Einigungsvertrages erhalten haben). Allerdings sollen die in einer fremden Rechtsordnung geregelten Rechte Eigentumsschutz genießen, sofern diese Rechtsordnung nicht der deutschen öffentlichen Ordnung widerspreche; so BVerfGE 45, 142, 169 (1977); Berkemann, in: Umbach/Clemens, Art. 14 GG Rn. 69. 57 Entsprechende Regelungen enthalten die europäischen Eigentumsgarantien: Art. 1 Abs. 1 S. 2 1. ZP EMRK: Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn, dass das öffentliche Interesse es verlangt, und nur unter den durch Gesetz und durch die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts vorgesehenen Bedingungen. Art. 17 Abs. 1 S. 2 Charta: Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn aus Gründen des öffentlichen Interesses in den Fällen und unter den Bedingungen, die in einem Gesetz vorgesehen sind, sowie gegen eine rechtzeitige angemessene Entschädigung für den Verlust des Eigentums. 58 Ständige Rechtsprechung, siehe bereits BVerfGE 14, 263, 277 (1962); dann BVerfGE 24, 367, 394 (1968); BVerfGE 42, 263, 299 (1976); BVerfGE 45, 297 (Leitsatz 1), 326 (1977) (für die Legalenteignung als unmittelbare Entziehung konkreter, individueller Rechtspositionen); BVerfGE 49, 382, 393 (1978) (Eingriff in konkrete subjektive Rechte); BVerfGE 51, 193, 211 (1979) – Weingesetz I; BVerfGE 52, 1, 27 (1979); BVerfGE 56, 249, 260 (1981); BVerfGE 58, 300, 330 ff. (1981); BVerfGE 70, 191, 199 f. (1985); BVerfGE 74, 264, 280 (1987); BVerfGE 79, 174, 191 (1988); BVerfGE 100, 226, 240 (1999); BVerfGE 101, 239, 259 (1999); BVerfGE 102, 1, 15 (2000); BVerfGE 104, 1, 9 f. (2001); BVerfG NJW 2005, 2363, 2373; Ehlers, VVDStRL 51 (1991), 211, 234 ff.; Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 14 GG Rn. 1081.
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
dass ihr Inhalt verändert werde59. Der Fokus liegt auch hier auf dem Verlust einer zuvor als verfassungsmäßiges Eigentum qualifizierten Rechtsstellung, nicht auf dem Entzug des konkreten Rechtsguts60. Hieraus ergibt sich zunächst die strenge Unterscheidung der Enteignung von der logisch vorgelagerten, generell-abstrakten Inhalts- und Schrankenbestimmung, die das konkrete Eigentum erst konstituiert, das dann ggf. im Einzelfall entzogen wird61. Des Weiteren ist im Umkehrschluss davon auszugehen, dass die Eigentumsgarantie ihrerseits nur auf Rechtspositionen Anwendung finden kann, die einem Grundrechtsträger vor dem Eingriff bereits zustehen62. Allein auf der Basis dieser Annahme lässt sich das anerkannte Prüfungsschema eines definierten Schutzbereichs, in den eingegriffen wird, für Art. 14 GG durchführen63. Die vorstehende Analyse des Textes und der Entstehungsgeschichte des Art. 14 GG hat erwiesen, dass der Schutzbereich der Eigentumsgarantie auf das einfache Gesetzesrecht verweist. Gewährleistet wird nicht ein Lebensgut oder Interesse, sondern Rechtspositionen, die dem Berechtigten aufgrund einer generell-abstrakten Inhalts- und Schrankenbestimmung zustehen. Diese grundlegenden Strukturen schließen es eigentlich bereits aus, die Entscheidung, ob ein bestimmtes Gut im Privatrechtsverhältnis zugeordnet ist oder nicht, Art. 14 GG selbst („intern“) zu entnehmen64.
59 Siehe BVerfGE 20, 351, 359 (1966); BVerfGE 24, 367, 400 ff. (1968); BVerfGE 38, 175, 179 ff. (1974); BVerfGE 45, 297, 330 ff. (1977); BVerfGE 52, 1, 27 (1979); BVerfGE 74, 264, 281 (1987); BVerfGE 100, 226, 240 (1999); BVerfGE 102, 1, 15 f. (2000); BVerfGE 112, 93, 109 (2004). 60 BVerfGE 25, 112, 116, 121 (1969); BVerfGE 29, 348, 363 (1970); BVerfGE 45, 63, 81 (1977); BVerfGE 45, 297, 338 f. (1977); BVerfGE 58, 300, 332 (1981); BVerfGE 83, 201, 211 (1991); Böhmer, NJW 1988, 2561, 2572; Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 14 GG Rn. 1086. 61 BVerfGE 24, 367, 396 (1968); anders noch BGHZ (GS) 6, 270, 278 (1952). 62 BVerfGE 20, 31, 34 (1966); BVerfGE 28, 119, 142 (1970); BVerfGE 31, 212, 220 (1971); BVerfGE 63, 152, 174 (1983) (keine Vorwirkung von Gesetzen, die subjektive öffentliche Rechte gewähren); BVerfGE 66, 116, 146 (1984) (privatrechtliche Ansprüche müssten tatsächlich bestehen); BVerfGE 68, 193, 222 f. (1984) (erst künftig möglicherweise entstehende Forderungen seien nicht geschützt); BVerfGE 74, 129, 148 (1987); BVerfGE 78, 205, 211 (1988); BVerfGE 89, 1, 7 (1993) (der Fortbestand einer bestehenden Position könne Gegenstand der Eigentumsgarantie sein); BVerfGE 97, 271, 283 (1998); BVerfG NJW 2001, 2159 f.; BVerfGE 108, 370, 384 (2003); BVerfGE 110, 1, 23 (2004); VG Köln MMR 2003, 61, 64; BGHZ (GS) 6, 270, 278 (1952); BGHZ 23, 157, 160 (1957); BGH NJW 1967, 1857; BGHZ 84, 223, 226 (1982); BGHZ 84, 230, 232 f. (1982); BGHZ 98, 341, 352 (1986); BGHZ 94, 373, 375 m.w.N.; BGHZ 111, 349, 357 (1990); BGHZ 161, 305, 312 (2004); Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 62 ff.; Badura, HdbVerfR, § 10 Rn. 37; Schoch, Jura 1989, 113, 117; Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 14 GG Rn. 52. 63 BVerfGE 20, 351, 355 (1966). 64 So auch Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 176 (kein Recht auf Eigentum aus Art. 14 GG); widersprüchlich Ahrens, Verwertung, 94 (das ungeschriebene Eigentum gänzlich zur Disposition des Gesetzgebers zu stellen, widerspreche der Institutsgarantie), 162 (Art. 14 GG könne nicht eigenständige Verwertungsrechte konstitutiv ins Leben rufen).
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2. Merkmale des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs Im Folgenden gilt es, die genauen Voraussetzungen des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs herauszuarbeiten, die nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts gegeben sein müssen, damit eine Rechtsposition in den Schutzbereich des Art. 14 GG fällt. Das Augenmerk ruht dabei auf der Frage, ob zumindest für diese Konkretisierung der Eigentumsgarantie bestimmte materiale Wertungen wie Vermögenswert und persönliche Arbeit oder wiederum „nur“ formale Wirkungen des einfachen Rechts maßgeblich sind. a) Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis als formale Merkmale des verfassungsrechtlichen Eigentums Das Bundesverfassungsgericht bezeichnet Eigentum i.S.d. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG „als Zuordnung eines Rechtsgutes zu einem Rechtsträger“65. Ob eine solche Zuordnung im Einzelfall gegeben ist, bestimmt sich primär anhand zweier, aus der Funktion der Eigentumsgarantie abgeleiteter Merkmale66. Demnach ist verfassungsrechtliches Eigentum in seinem „rechtlichen Gehalt“ durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis gekennzeichnet67. Eine Rechtsposition ist privatnützig, wenn der Berechtigte befugt ist, das Objekt des Schutzes selbst zu nutzen und Dritte hiervon auszuschließen, so dass dieses Gut zur Grundlage privater Initiative werden kann68. Die zudem erforderliche Verfügungsbefugnis bedeutet, dass die Rechtsposition übertragen und dauerhaft überlassen kann69. Dabei wird allerdings kein unbeschränkt übertragbares subjektives Recht verlangt70. Vielmehr genügt es, dass der Berechtigte seine Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf, auch wenn die Verfügungsmöglichkeiten gesetzlich eingeschränkt
65 BVerfGE 58, 300, 330 (1981); BVerfGE 72, 175, 193 (1986) (Zuordnung eines vermögenswerten Rechts); BVerfGE 79, 29, 40 (1988); BVerfGE 81, 12, 16 (1989); BVerfGE 81, 208, 220 (1990); BVerfG NJW 2006, 1191, 1192. 66 Siehe BVerfGE 26, 215, 222 (1969); zum Immaterialgüterrecht BVerfGE 77, 263, 270 (1987); BVerfGE 79, 29, 40, 46 (1988); BVerfGE 81, 12, 16 (1989); BVerfGE 91, 294, 308 (1994); BVerfGE 100, 226, 241 (1999); BVerfG NJW 2001, 1783, 1784; BVerfGE 104, 1, 8 (2001); Schoch, Jura 1989, 113, 115 („Strukturmerkmale“). 67 Ständige Rechtsprechung, siehe BVerfGE 24, 367, 390 (1968); BVerfGE 31, 229, 240 (1971); BVerfGE 37, 132, 140 (1974) („zeichnet sich dadurch aus“); BVerfGE 50, 290, 339 (1979); BVerfGE 52, 1, 30 (1979); BVerfGE 53, 257, 290 (1980); BVerfGE 68, 361, 367 (1985); BVerfGE 72, 175, 193 (1986); BVerfGE 79, 292, 303 (1989); BVerfGE 81, 12, 16 (1989); BVerfGE 83, 201, 208 (1991) m.w.N.; BVerfGE 88, 366, 377 (1993); BVerfGE 91, 294, 307 (1994); BVerfGE 100, 226, 241 (1999); BVerfGE 101, 54, 74 f. (1999); BVerfGE 102, 1, 15 (2000); BVerfG NJW 2006, 1191, 1192. 68 Für das Urheberrecht BVerfGE 31, 229, 240 f. (1971); BVerfGE 49, 382, 394 (1978) (ausschließliche Verwertungsrechte gem. § 15 UrhG); für schuldrechtliche Forderungen BVerfGE 42, 263, 294 (1976); allgemein BVerfGE 50, 290, 339 (1979); BVerfGE 52, 1, 30 (1979); BVerfGE 83, 201, 210 (1991); BVerfGE 89, 1, 7 (1993); BVerfGE 101, 54, 75 (1999). 69 Siehe BVerfGE 26, 215, 222 (1969); BVerfGE 31, 229, 241 (1971); BVerfGE 38, 348, 370 (1975); BVerfGE 101, 54, 75 (1999). 70 Zur Übertragbarkeit oben § 10 B.
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sind71. Zusammenfassend verlangt das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung ein subjektiv vermögenswertes Recht, das dem Berechtigten von der objektiven Rechtsordnung ebenso ausschließlich wie Sacheigentum zugeordnet ist72. Erforderlich ist somit eine Norm des objektiven Rechts, die unmittelbar oder durch Vermittlung eines von der Vorschrift mit Rechtswirkungen ausgestatteten Akts eine solche Rechtsposition des Einzelnen begründet73. Dabei unterscheidet das Gericht deutlich zwischen dem faktischen Gut als dem Rechtsobjekt und dem hieran bestehenden Recht; nur letzteres Produkt der Rechtsordnung ist verfassungsrechtliches Eigentum74. Diese kategoriale Unterscheidung zwischen Sein und Sollen75 verschwimmt lediglich in Entscheidungen, die offenbar von einer verfassungsrechtlichen Schutzpflicht für bestimmte vermögenswerte Güter ausgehen76. 71 BVerfGE 53, 257, 291 (1980); BVerfGE 83, 201, 209, 211 (1991) (Vorkaufsrecht nur mit dem betreffenden Grundstück übertragbar); BVerfGE 89, 1, 7 (1993) (Besitzrecht des Mieters); BVerfG NJW 2005, 2363, 2372. 72 BVerfGE 51, 193, 216 („vermögenswerte Rechtsposition“); BVerfGE 78, 58, 71 (1988) (m.w.N. in Bezug auf den Ausstattungsschutz gem. § 25 WZG; heute Benutzungsmarke gem. § 4 Nr. 2 MarkenG); BVerfGE 79, 174, 191 (1988); BVerfGE 81, 208, 219 f. (1990) (für die Rechtspositionen des ausübenden Künstlers an der Darbietung); BVerfGE 83, 201 (Leitsatz 1) (1991); BVerfG NJW 1992, 36 f. (Immaterialgüterrechte); BVerfGE 89, 1, 6 (1993) (Besitzrecht des Mieters); BVerfGE 91, 207, 220 (1994); BVerfGE 95, 64, 82 (1996); BVerfGE 95, 267, 300 (1997); BVerfGE 101, 239, 258 (1999); BVerfG NJW 2001, 2159 f.; BVerfGE 112, 93, 107 (2004); BGHZ 6, 271, 278 (jedes vermögenswerte Recht); für subjektiv-öffentliche Rechte auf der Basis der jeweiligen Gesetzeslage BVerfGE 53, 257, 293 (1980); BVerfGE 58, 81, 109 (1981). Aus der Literatur Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 14 GG Rn. 106 f.; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 62 ff.; Herzog, FS Zeidler II, 1415, 1418 f.; Böhmer, NJW 1988, 2561, 2566; Schoch, Jura 1989, 113, 117; Kube, Eigentum an Naturgütern, 36. Zuerst in diesem Sinne zu Art. 153 WRV, wenn auch eher behauptend denn begründend Wolff, FS Kahl, 3 („jedes private Vermögensrecht“ (Hervorh. im Original)); siehe ferner Anschütz, Art. 153 WRV Anm. 2 m.w.N.; aus der Rechtsprechung etwa RGZ 109, 310, 319 (1924) (alle subjektiven Privatrechte einschließlich der Forderungsrechte); RGZ 129, 246, 247 ff. (1930) (zum Ausschluss der öffentlich-rechtlichen Rechtspositionen); RG JW 1932, 46 f. (weiter Enteignungsbegriff im Interesse eines „kräftigen Schutzes des Privateigentums“). 73 BVerfGE 51, 193, 211 (1979) – Weingesetz I; BVerfGE 95, 267, 300 (1997); BVerfG NJW 2005, 2363, 2366 ff., 2372 ff. (gesetzliche Vorschriften zur Begründung des Eigentumsschutzes von dem Grunde nach bestehenden Ansprüchen auf Auszahlung der Lebensversicherung und der Mitgliedschaft im Versicherungsverein). 74 BVerfGE 20, 351, 359 (1966) (zum Gegenstand der Enteignung); BVerfGE 24, 367, 389 f. (1968) (Eigentum als sachenrechtlicher Begriff); BVerfGE 51, 193, 221 f. (1979) – Weingesetz I (Unternehmen als bloß tatsächliche, nicht aber rechtliche Zusammenfassung von Vermögen); BVerfGE 58, 300, 330 (1981) (Eigentum als Zuordnung eines Rechtsgutes an einen Rechtsträger); BVerfGE 95, 267, 300 (1997) (vermögenswerte Rechtspositionen vs. Vermögen als Inbegriff aller geldwerten Güter); BVerfGE 97, 350, 370 (1998) (Art. 14 gewährleiste das Recht, Sach- und Geldeigentum zu besitzen); BVerfGE 110, 141, 173 (2004) (Schutz des Rechts, Sacheigentum zu besitzen); ebenso Böhmer, NJW 1988, 2561, 2562 (persönliches Recht an einem Vermögensgegenstand, der einen Vermögenswert repräsentiere); Schoch, Jura 1989, 113, 116 (rechtlich strukturiertes Zuordnungsverhältnis); Badura, in: HdbVerfR, § 10 Rn. 1; Kube, Eigentum an Naturgütern, 104 (verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz und verfassungsrechtliches Eigentumsrecht). 75 Oben § 1 A II. 76 So in den Entscheidungen zum Urheberrecht BVerfGE 31, 229, 239 ff. (1971) (die Eigentumsgarantie bewahre vermögenswerte Güter bzw. vermögenswerte Befugnisse; grundsätzliche
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Auch der Schutzbereich der verfassungsrechtlichen Garantie des Erbrechts wird anhand formaler, auf die Wirkung des objektiven Rechts bezogener Kriterien abgesteckt. Maßgeblich sind insoweit die historisch tradierten, tragenden Strukturprinzipien des geltenden Erbrechts, an die der Grundgesetzgeber anknüpfte77. Hierzu zählen insbesondere die Privaterbfolge und Testierfreiheit78. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gewährleistet demnach dem Erblasser das Recht zu vererben79 sowie zumindest ab dem Erbfall dem Erben das Recht, die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzutreten80. Die Qualifikation einer bestimmten Rechtsposition als verfassungsrechtliches Eigentum oder als erbrechtliche Befugnis hängt also durchweg von formalen Aussagen des einfachen Rechts ab. Für die Eigentumsgarantie kommt es darauf an, ob die Rechtsposition „privatnützig“ und der Berechtigte „zur Verfügung befugt“ ist. Bezieht man diese Vorgaben auf die Strukturen der privatrechtlichen Güterzuordnung und des Rechtsverkehrsrechts, wie sie in den §§ 5 bis 10 erarbeitet wurden, so stellen nur unverletzt gedachte, subjektive Rechte verfassungsrechtliches Eigentum dar. Denn nur derartige Rechtspositionen können – ggf. beschränkt wie das Urheberrecht oder unter weiteren Voraussetzungen wie das Firmenrecht – übertragen werden, ohne ihren Inhalt zu verändern. Außerdem sind nur sie mit negativen und positiven Befugnissen versehen, selbst wenn der entsprechende exklusive Schutzbereich wie bei der Zuständigkeit zur Einziehung von Forderungen gering sein mag81. Diese Annahme entspricht der Rechtspraxis des Bundesverfassungsgerichts82. Abgesehen von später noch gesondert zu betrachtenden öffentlich-rechtlichen Rechtspositionen werden als verfassungsrechtliches Eigentum zunächst alle Ausschließlichkeitsrechte eingeordnet, also das Sacheigentum und beschränkte ding-
77 Zuordnung der vermögenswerten Seite des Urheberrechts bzw. Anspruch auf Zuordnung des Nutzens der Arbeit); BVerfGE 49, 382, 392 ff. (1978) (das Werk und die daran verkörperte Leistung als Eigentum gem. Art. 14 GG; Musikwerk als geistiges Eigentum); BVerfG NJW 2001, 1783, 1784 (Werk und darin verkörperte Leistung seien verfassungsrechtliches Eigentum). Ebenso zum Patentrecht BVerfGE 36, 281, 290 (1974) (patentfähige Erfindung als Rechtsposition, die von der Rechtsordnung zuerkannt worden sei; vermögenswerte Güter als Eigentum i.S.d. Art. 14 GG). Zu den Quellen und Grenzen dieser Rechtsprechung unten C II. 77 BVerfGE 112, 332, 349 ff. (2005) (Pflichtteil der Kinder). 78 BVerfGE 67, 329, 340 f. (1984); BVerfGE 91, 346, 358 (1994); BVerfGE 99, 341, 350 (1999); Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 14 GG Rn. 1021 ff. Für die Zuordnung der Testierfreiheit zur Eigentumsgarantie hingegen Stöcker, WM 1979, 214, 220. 79 BVerfGE 67, 329, 341 (1984); BVerfGE 91, 346, 358 (1994). 80 BVerfGE 91, 346, 360 (1994); BVerfGE 112, 332, 346, 349 (2005); Stöcker, WM 1979, 214, 218; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 GG Rn. 45 ff. Vor dem Erbfall besteht zivilrechtlich nur eine bloße Hoffnung oder Aussicht zu erben; siehe RGZ 67, 425, 428 (1908); BGHZ 37, 319, 324 (1962) (Rechte am Nachlass erwerbe der Erbe erst mit dem Erbfall). 81 Zur dogmatischen Struktur subjektiver Rechte unten § 14 A. 82 Übersichten etwa bei Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 14 GG Rn. 55–205; Epping, Grundrechte, Rn. 400 ff.; Leisner, in: HdbStR, § 149 Rn. 100 ff.
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liche Rechte83, Aneignungsrechte84 sowie Immaterialgüterrechte85, auch wenn sie wie das Urheberrecht nur beschränkt oder wie das frühere Warenzeichenrecht nur gemeinsam mit dem Geschäftsbetrieb übertragen werden können86. Hinzu kommen geldwerte relative Rechte, die sich zwar nur auf ein bestimmtes Verhalten des Schuldners und nicht auf Güter beziehen, aber dennoch dem Gläubiger mit diesem beschränkten Inhalt exklusiv zustehen. Das gilt sowohl für vertraglich begründete Forderungen87 als auch für Ansprüche auf der Basis gesetzlicher Schuldverhältnisse wie dem Deliktsrecht. Allerdings müssen letztgenannte subjektive Rechte zunächst einmal durch die Gerichte anerkannt sein, bevor der Anspruchsinhaber sich insoweit auf Art. 14 GG zu berufen vermag88. Letztgenannter Vorbehalt verweist auf eine Unterscheidung, die auch der hiesigen Untersuchung zugrundeliegt. Demnach wird zwischen subjektiven Rechten einerseits und bloßem Schutz von Gütern und Interessen auf der Grundlage gesetzlicher Schuldverhältnisse andererseits differenziert89. Vor allen Dingen zwei Entscheidungen zum verfassungsrechtlichen Schutz geographischer Her83
Zum Sacheigentum nur etwa BVerfGE 58, 137, 144 (1981) (Druckwerk); zum Sacheigentum an Geldscheinen BVerfGE 97, 350, 371 (1998) (Sacheigentum an den Geldstücken und -scheinen sowie Forderungen bei Buchgeld); BVerfGE 105, 17, 30 (2002) (Wertpapiere und darin verbriefte Rechte); Herdegen, FS 50 Jahre BVerfG II, 273, 275; Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 14 GG Rn. 121; zum Erbbaurecht BVerfGE 79, 174, 191 (1988). 84 BVerfGE 70, 191, 199 (1985) (Fischereirecht); BGHZ 98, 341, 346 (1986) (Bergbaurecht);. 85 Übersicht bei BVerfG NJW 1992, 36 f. m.w.N.; zum Urheberrecht BVerfGE 31, 229, 238 f. (1971); BVerfGE 31, 275, 283 (1971); BVerfGE 77, 263, 270 (1987); BVerfGE 79, 29, 40 (1988); zum Recht auf das Patent gem. §§ 6, 8 f. PatG BVerfGE 36, 281, 290 f. (1974); (insoweit unzutreffend auf eine „ungeschützte Erfindung“ rekurrierend Engel, AöR 118 (1991), 169, 186; ders., in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 9, 79); BVerfGE 51, 193, 216 ff. (1979) – Weingesetz I (eingetragenes Warenzeichen); BVerfGE 78, 58, 70 ff. (1988) (Ausstattungsschutz). Die entsprechenden Fragen sieht das BVerfG als geklärt an; siehe BVerfGE 81, 12, 16 (1989) (§ 85 UrhG für den Tonträgerhersteller); BVerfGE 81, 208, 214, 219 ff. (1990) (Rechte des ausübenden Künstlers); BVerfG NJW 2001, 1783, 1784 (erteiltes Patent und Rechtsposition bei beschränkter Übertragung des Patents); BVerfG NJW-RR 2005, 686. 86 Für das Warenzeichenrecht BVerfGE 51, 193, 216 ff. (1979) – Weingesetz I; entsprechend für den Ausstattungsschutz BVerfGE 78, 58, 73 (1988); allgemein für die Erfassung nur beschränkt übertragbarer Rechte Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 14 GG Rn. 107. 87 Offengelassen für die vertraglichen Rechte des Mieters noch von BVerfGE 18, 121, 131 (1964); im Ergebnis bejahend für „klagbare Vergütungsansprüche“ BVerfGE 20, 31, 34 (1966); eindeutig dann BVerfGE 28, 119, 141 f. (1970); BVerfGE 31, 212, 220 (1971); BVerfGE 42, 263, 293 (1976); BVerfGE 45, 142, 179 (1977); BVerfGE 68, 193, 222 (1984); BVerfGE 83, 201, 209 ff. (1991) (obligatorisches Vorkaufsrecht); BVerfGE 89, 1, 6 (1993) (Besitzrecht des Mieters); BVerfGE 92, 262, 270 (1995) (Darlehensforderung); BVerfGE 97, 350, 371 (1998); BVerfG NJW 2000, 2658 f. (Treppenhausbenutzung des Mieters); BVerfG NJW 2001, 2159 f.; BVerfG NJW 2005, 589 (Konnektierungsanspruch für Internet-Domain); BVerfG NJW 2005, 2363, 2366 f. (dem Grunde nach bestehende, sich stufenweise konkretisierende Ansprüche auf Auszahlung der privaten Lebensversicherung als vertrags- und aufsichtsrechtlich abgesicherte und daher eigentumsrechtlich relevante Rechtsposition („gesetzlich programmiertes werdendes Eigentum“)). Zum Mitgliedschaftsrecht (Aktie) BVerfGE 14, 263, 276 f. (1962); BVerfGE 25, 371, 407 (1969); BVerfGE 50, 290, 341 f. (1979); BVerfG NJW 2005, 2363, 2371 f. (Mitgliedschaft im Versicherungsverein). 88 BVerfGE 49, 304, 323 (1978); BVerfGE 66, 116, 146 (1984); BVerfGE 112, 93, 107 (2004). 89 Oben § 1 C, ferner unten § 14 A I, II.
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kunftsangaben im Weingesetz 1930/1982 verdeutlichen, dass dieser Ansatz die Rechtsprechung zum Schutzbereich der Eigentumsgarantie zutreffend wiedergibt, auf die sich die Beschwerdeführer jeweils berufen hatten. Das Bundesverfassungsgericht führt zunächst aus, das erforderliche subjektive Vermögensrecht an der Herkunftsangabe folge nicht allein aus der Tatsache, dass ein Flurstück durch Volksmund oder katasteramtliche Bezeichnung einen Namen trage, den der Winzer ohne weitere Dispositionsbefugnis benutze90. Auch die gesetzlichen Verbote irreführender Weinbezeichnungen seien nicht auf den Schutz der Lagebezeichnung für einen Inhaber gerichtet, sondern auf die Redlichkeit der Verwendung von Herkunftsbezeichnungen. Der sich hieraus ergebende, mittelbare Schutz des Weinerzeugers vor irreführender Nutzung „seines“ Lagenamens sei eine bloße Reflexwirkung des objektiven Rechts und kein subjektives Recht91. Ob es sich um ein subjektives Vermögensrecht oder lediglich um „Normenschutz“ handelt, wird erneut von der Ausgestaltung der Rechtsposition im einfachen Recht abhängig gemacht92. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass das Bundesverfassungsgericht den deliktsrechtlichen Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen93 ebenfalls nicht durch Art. 14 GG, sondern durch die Berufsfreiheit gewährleistet sieht, weil die Offenlegung solch exklusiven, wettbewerbserheblichen Wissens die Ausschließlichkeit der Nutzung für den eigenen Erwerb beeinträchtige und damit die berufliche Tätigkeit behindere94. Diese verfassungsrechtliche Einordnung korreliert wiederum mit dem privatrechtlichen Verständnis vor allen Dingen des Lauterkeitsrechts, das gleichgeordnete Betätigungsfreiheiten im Wettbewerb reguliert und keine Ausschließlichkeitsrechte generiert95. Ein umstrittener und erst im Rahmen der zusammenfassenden Stellungnahme zu lösender Grenzfall ist das Recht am Gewerbebetrieb96. Nach den bisherigen 90
BVerfGE 51, 193, 211 f. (1979) – Weingesetz I. BVerfGE 51, 193, 212 (1979) – Weingesetz I; für das Weingesetz 1982 bestätigt von BVerfGE 78, 58, 70 (1988); für das UWG zuvor bereits BVerfGE 32, 311, 319 (1972); für das Lebensmittelrecht BVerfG NJW 1992, 36 f.; allgemein BVerfG NJW 2006, 2613, 2614; Traub, FS Söllner, 1213, 1219 f. m.w.N.; Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 14 GG Rn. 171; Berkemann, in: Umbach/Clemens, Art. 14 GG Rn. 147. 92 Für den Ausstattungsschutz nach dem Warenzeichengesetz BVerfGE 78, 58, 73 (1988). 93 Oben §§ 4 B V, 7. 94 BVerfG NVwZ 2006, 1041, 1042, 1046 (ein ausdrücklich offengelassener Schutz der Geheimnisse gem. Art. 14 GG gehe jedenfalls nicht weiter als der von Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete). 95 Oben § 7 F. 96 Ausführliche Darstellung des Meinungsstandes in Rechtsprechung und Literatur bei Kellenberger, Schutz des Gewerbebetriebs, 22 ff.; Waschull, Unternehmen als verfassungsrechtliches Eigentum, 147 ff. Auch der EGMR fasst das bestehende Unternehmen unter den Schutz des Eigentums gem. Art. 1 1. ZP EMRK; siehe EGMR, GH 101, 13 Ziff. 41 – van Marle (Klientel und Vermögenswert als geschützte „possessions“); EGMR, Serie A Nr. 159 Ziff. 53 – Tre Traktörer (Schutz des wirtschaftlichen Interesses am Betrieb eines Unternehmens); Gelinsky, Art. 1 ZP EMRK, 27 ff.; Meyer-Ladewig, Art. 1 ZP EMRK Rn. 12; Peukert, in: Frowein/Peukert, Art. 1 1. ZP EMRK Rn. 6; v. Danwitz, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Eigentum, 215, 231 ff. m.w.N. Wesentlich zurückhaltender der EuGH, siehe EuGH, Slg. 1974, 491 Rn. 14 – Nold (kein Schutz kaufmännischer Interessen oder Aussichten durch das Eigentumsgrundrecht); EuGH Slg. 1994, I-4973 Rn. 79 – Deutschland/Rat (kein Eigentumsrecht an einem Marktanteil). 91
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
Erkenntnissen handelt es sich um einen offenen deliktsrechtlichen Tatbestand, mit dem kollidierende Betätigungsfreiheiten jenseits der ursprünglich beabsichtigten Deliktshaftung des BGB und des UWG zum Ausgleich gebracht werden, nicht jedoch um ein statisches Recht „am“ Gewerbebetrieb97. Wendet man hierauf die soeben referierte Differenzierung zwischen Normenschutz und subjektiven Rechten an, wäre eine Subsumtion unter Art. 14 GG zu verneinen. Die verfassungsrechtliche Diskussion kreist jedoch nicht um diese formalen Wirkungen und Zwecke des objektiven Rechts, sondern fokussiert auf den Unternehmenswert (Goodwill), der mehr sei als die Summe seiner Teile98. Wurde dieser Wert durch die öffentliche Hand in unzumutbarer Weise beeinträchtigt, gewährte der Bundesgerichtshof und ihm folgend die wohl herrschende Meinung der verfassungsrechtlichen Literatur Ansprüche wegen „enteignungsgleichen“ oder „enteignenden“ Eingriffs in das Recht am Gewerbebetrieb als Bestandteil der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie99: Jeder durch Zusammenfügung sachlicher und persönlicher Mittel geschaffene, auf Erwerb gerichtete Betrieb stelle ein vermögenswertes Recht im Sinne des Enteignungsrechtes dar100. Allerdings seien hierfür nur bereits vorhandene, konkrete Werte zu berücksichtigen, nicht hingegen bloße Erwartungen und Chancen hinsichtlich der künftiger Tätigkeit101. 97
Oben § 6 B IV 2. Siehe Waschull, Unternehmen als verfassungsrechtliches Eigentum, 145. 99 Siehe BGHZ 8, 273, 274 ff. (erhebliche, wesentliche Beeinträchtigung der Benutzbarkeit und Verwertbarkeit des Gewerbebetriebs); BGHZ 23, 157, 161 ff. (1957); BGHZ 25, 266, 270 (1957); BGHZ 30, 338, 355 f. (1959); BGH LM Art. 14 (Ea) GG Nr. 32 (1963); BGHZ 45, 83, 87 (1966); BGHZ 45, 150, 152 ff. (1966); BGHZ 48, 58, 60 (1967); BGHZ 48, 65, 66 (1967) (die Straße als Kommunikationsmittel müsse erhalten bleiben); BGH NJW 1967, 1857 (Saatgutfall); BGH WM 1968, 333, 334 f.; BGH DB 1971, 571; BGHZ 55, 261, 263 ff. (1970); BGHZ 57, 359, 361 ff. m.w.N. (1971); BGH NJW 1977, 1313 m.w.N.; BGH NJW 1977, 1817; BGH NJW 1979, 1043, 1045; BGHZ 78, 41, 44 (1980); BGHZ 81, 21, 33 (1981) (Zulassungsstatus eines niedergelassenen Arztes als geschützte Rechtsposition); BGHZ 92, 34, 37, 46 (1984); BGHZ 111, 349, 352 ff. (1990); BGHZ 132, 181, 186 (1996); grundsätzlich zustimmend BVerwGE 62, 224, 226 (1981) (Kundenstamm). Zum noch nicht in Gang gesetzten Gewerbebetrieb BGHZ 30, 338, 356 (1959); BGH NJW 1972, 758 f.; BGH NJW 1976, 1312, 1313; BGH NJW 1980, 387 f. (gemieteter Laden); BGHZ 98, 341, 351 (1986). Detaillierte Rechtsprechungsanalyse zum Schutzumfang bei Kellenberger, Schutz des Gewerbebetriebs, 127 ff.; ferner Badura, AöR 98 (1973), 153, 163 ff. (der Schutzbereich des Art. 14 GG sei aus der Norm selbst zu entwickeln); Engel, AöR 118 (1991), 169, 175 ff.; Waschull, Unternehmen als verfassungsrechtliches Eigentum, 357 ff.; Leisner, in: HdbStR, § 149 Rn. 109 (auf Leistung basierender Vermögenswert, auf dessen Erhalt vertraut werden könne); Schoch, Jura 1989, 113, 118; Ehlers, VVDStRL 51 (1991), 211, 215; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 14 GG Rn. 10; Wendt, in: Sachs, Art. 14 GG Rn. 26 f.; ders., Eigentum und Gesetzgebung, 48 ff.; Meyer-Abich, Schutzzweck der Eigentumsgarantie, 84; Papier, AfP 1989, 510, 512; ders., in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 14 GG Rn. 95 ff.; Depenheuer, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 109, 178 ff.; Sieckmann, in: Berliner Kommentar, Art. 14 GG Rn. 45 (Schutzgebot); zur WRV bejahend Wolff, FS Kahl, 3. 100 BGHZ 23, 157, 162 f. (1957); BGHZ 45, 150, 154 (1966); BGH WM 1968, 333, 334 f.; BGHZ 57, 359, 361 ff. m.w.N. (1971); BGH NJW 1977, 1817; BGHZ 111, 349, 356 (1990); BGHZ 98, 341, 352 (1986). 101 BGHZ 23, 157, 160 f. (1957); BGHZ 30, 338, 356 (1959); BGHZ 34, 188, 190 (1961); BGHZ 45, 83, 87 (1966) (Beibehaltung eines Zollsatzes nur ungeschützte Chance, kein Recht); BGHZ 45, 150, 155 ff. (1966) (Befugnis zum freien Fischfang nicht eigentumsrechtlich geschützt); BGHZ 48, 98
§ 11 Die Eigentumsgarantie als Grundlage der Güterzuordnung
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Nachdem das Bundesverfassungsgericht den auf Leistung beruhenden „Bestandswert“ des Gewerbebetriebs bis in die 1970er Jahre ebenfalls dem „reinen Sacheigentum“ gleichgestellt hatte102, blieb die Eigentumsgarantie in einschlägigen Sachverhaltskonstellationen später entweder unerwähnt oder wurde im Ergebnis offengelassen, weil es zweifelhaft sei, inwieweit der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb als tatsächliche Zusammenfassung der zum Vermögen eines Unternehmens gehörenden Sachen und Rechte von der Gewährleistung des Art. 14 GG umfasst sei103. Wird eine zivilgerichtliche Entscheidungen zu diesem Rahmenrecht als verfassungswidrig angegriffen, prüft das Gericht die Position des Gewerbetreibenden anhand der Berufs- oder Pressefreiheit104, die im selben Maße einschränkbar seien wie ein etwaiger Eigentumsschutz105. Der Bundesgerichtshof vermied zunächst eine offene Auseinandersetzung bzw. Konfrontation mit dieser ersichtlich zurückhaltenden Linie, indem er nur noch einen Kernbestand der Substanz des Gewerbebetriebs als entschädigungsbewehrt ansah106 und eine Enteignungsentschädigung im Übrigen an Eingriffe in konkret betroffene
58,102 60 ff. (1967) (kein Recht am Gemeingebrauch der Straße); BGH NJW 1967, 1857; BGH NJW 1976, 1312, 1313; BGH NJW 1977, 1313; BGH NJW 1977, 1817 (entgangener Gewinn als Substanzverlust); BGH NJW 1980, 387 f.; BGHZ 78, 41, 44 (1980); BGHZ 86, 153, 160 (1982); BGHZ 98, 341, 351 (1986); BGHZ 111, 349, 355 ff. (1990) (absolutes Verwertungsverbot für ein Produkt sei auch bei Rechtswidrigkeit kein Eingriff in den gem. Art. 14 GG geschützten Gewerbebetrieb, weil nur das „Wie“ der Produktion, eine Chance betroffen sei, nicht das ungestörte Funktionieren des Betriebs); BGHZ 132, 181, 187 f. (1996) (Erweiterung einer Arztpraxis selbst nach bereits abgeschlossenem Kaufvertrag über Geräte sei nur Chance bzw. Verdienstmöglichkeit und daher nicht eigentumsmäßig geschützt); BGHZ 161, 305, 312 (2004). 102 BVerfGE 1, 264, 277 f. (1952) (für den auf Verwaltungsakt beruhenden Kehrbezirk des Schornsteinfegers jedoch verneint); ferner BVerfGE 13, 225, 229 (1961); BVerfGE 16, 147, 187 (1963); BVerfGE 22, 380, 386 (1967); BVerfGE 45, 142, 173 (1977) (jeweils einen verfassungswidrigen Eingriff verneinend). 103 BVerfGE 18, 85, 90 (1964); insbesondere BVerfGE 30, 292, 335 (1971); BVerfGE 45, 272, 296 (1977); BVerfGE 51, 193, 221 f. (1979) – Weingesetz I; BVerfGE 66, 116, 145 f. (1984); BVerfGE 68, 193, 222 f. (1984); BVerfGE 84, 212, 232 (1991); BVerfG NJW 1992, 36 f.; BVerfG NJW 1993, 1969, 1971; BVerfGE 96, 375, 397 (1997) („etwaiges“ Recht am eingerichteten Gewerbebetrieb); ausdrücklicher Verweis auf die Offenheit dieser Rechtsfrage bei BVerfG NJW 2005, 589; Waschull, Unternehmen als verfassungsrechtliches Eigentum, 200 (das Bundesverfassungsgericht sehe das Unternehmen im engeren Sinne nicht als von Art. 14 GG erfasst an); kritisch Engel, AöR 118 (1993), 169, 172 ff. 104 Berufsfreiheit: BVerfGE 17, 231, 248 (1964); BVerfGE 66, 237, 248 (1983); Pressefreiheit: BVerfGE 25, 256, 263, 268 – Blinkfüer; BVerfGE 60, 234 ff. (1982); BVerfG NJW 1983, 1181 (§ 1 UWG 1909 in Bezug auf den Boykott eines Presseorgans); BVerfGE 66, 116, 133 ff., 138 (1984); ohne Nennung eines verletzten Grundrechts BVerfG NJW 1989, 381, 382 (unzulässiger, von Art. 5 Abs. 1 GG nicht mehr gedeckter Aufruf zum Mietboykott in den Medien). 105 BVerfGE 53, 135, 143 ff. (1980) (Kakaoverordnung als Regelung der Berufsausübung); siehe auch BGHZ 111, 349, 355 (1990). 106 Siehe BGHZ 111, 349, 355 ff. (1990); BGHZ 132, 181, 186 f. (1996); BGHZ 161, 305, 312 (2004); ebenso im Ergebnis BVerwGE 66, 307, 309 (1982) (Schutz gegen schwere und unerträgliche Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs). Aus verfassungsrechtlicher Sicht diese restriktive Lesart bestätigend BVerfG NJW 1992, 36 f. Siehe dazu Kellenberger, Schutz des Gewerbebetriebs, 164 (möglicherweise stillschweigende Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung).
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
subjektive Rechte des Unternehmers knüpfte107. 2006 gestand der Bundesgerichtshof schließlich zu, das Recht am Gewerbebetrieb sei „bisher nicht“ als „eigenständiges Schutzgut der Eigentumsgarantie“ anerkannt108. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass das Bundesverfassungsgericht in Übereinstimmung mit dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und der Funktion der Eigentumsgarantie für eine Subsumtion unter Art. 14 GG auf formale Wirkungen der einschlägigen gesetzlichen Regelungen abstellt. Während relative und ausschließliche subjektive Rechte die erforderliche Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis aufweisen, genügt ein nur mittelbarer, reflexartiger Schutz individueller Interessen durch objektive Rechtsnormen nicht. Diese verfassungsrechtliche Differenzierung entspricht der hier vertretenen, privatrechtsdogmatischen Unterscheidung zwischen subjektiven Rechten und einem Schutz von Gütern und Interessen auf der Basis gesetzlicher Schuldverhältnisse. Wenn aber deliktsrechtlich konturierte Rechtspositionen an „neuen“ Gütern wie Betriebsgeheimnissen schon nicht unter Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG fallen, dann ist auch keine aus diesem Grundrecht fließende Schutzpflicht zu erwarten. Denn hierfür wird eigentlich an den jeweils betroffenen Schutzbereich angeknüpft, den der Staat vor Eingriffen Privater zu bewahren hat109. b) Irrelevanz von Leistung, Vermögenswert und Verkehrsanschauung Die eingangs referierten Gegenauffassungen gelangen zu einem Zuordnungsgebot aus Art. 14 GG denn auch nicht über den Umweg des einfachen Rechts – das sie ja verfassungsrechtlich formen und nicht umgekehrt als Maßstab des Grundrechts ansehen –, sondern sie beziehen die Eigentumsgarantie unmittelbar auf Güter, deren Vermögenswert im Verkehrsleben anerkannt ist und die der Betroffene durch eigene Leistung/Arbeit hervorgebracht hat. Fraglich ist, ob diese Kerngedanken der Güterzuordnung110 den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz nicht zumindest verstärken oder im Einzelfall sogar konstituieren können. Dabei sind die Aspekte der eigenen Leistung, des Vermögenswerts und der Verkehrsanschauung gesondert zu betrachten. aa) Eigene Leistung Richtet man das Augenmerk zunächst auf die verfassungsrechtliche Relevanz des Umstandes, dass das betroffene Gut vom Beschwerdeführer in persönlicher Arbeit erschaffen wurde, so ist weiter zwischen subjektiven Privatrechten und subjektiven öffentlichen Rechten zu unterscheiden:
107 Siehe BGHZ 78, 41, 46 (1980); BGH NJW 1980, 387 f. (Unterpachtrecht); BGHZ 81, 21, 33 (1981) (Zulassung eines Arztes als subjektives öffentliches Recht); BGHZ 92, 34, 43 (1984) (Grundstückseigentum); BGHZ 161, 305, 313 (2004) (Aufsuchungserlaubnis). 108 BGHZ 166, 84, 109 (2006). 109 Oben § 2 B I 2. 110 Dazu oben § 4 C, unten § 12 B.
§ 11 Die Eigentumsgarantie als Grundlage der Güterzuordnung
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(1) Subjektive Privatrechte. In einigen Formulierungen des Bundesverfassungsgerichts deutet sich an, dass die eigene Leistung zur Hervorbringung eines vermögenswerten, privaten Guts der maßgebliche Grund für die Anerkennung verfassungsrechtlichen Eigentums ist. So sah es das Gericht 1952 als „innerlich berechtigt“ an, die Sach- und Rechtsgesamtheit des Gewerbebetriebs dem „reinen Sacheigentum“ gleichzustellen, weil es den allgemein herrschenden gesellschaftlichen Anschauungen entspreche, „das, was der Einzelne sich durch eigene Leistung und eigenen Kapitalaufwand erworben hat, im besonderen Sinne als sein Eigentum anzuerkennen und gegenüber Eingriffen als schutzwürdig anzusehen“111. In späterer Zeit finden sich derartige Erwägungen im Zusammenhang mit der verfassungsrechtlichen Einordnung von Immaterialgüterrechten. Zum Urheberrecht führt das Gericht aus, die Eigentumsgarantie bewahre „den konkreten, vor allem durch Arbeit und Leistung erworbenen Bestand an vermögenswerten Gütern vor ungerechtfertigten Eingriffen durch die öffentliche Gewalt“112. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung finde „ihre Rechtfertigung darin, daß der Künstler durch eine persönliche Leistung schutzwürdige Werte geschaffen hat.“ Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gebiete „in einem solchen Fall als Institutsgarantie die Zuordnung der wirtschaftlichen Verwertungsbefugnisse an den Werkschöpfer“113. Auch die fertige und verlautbarte Erfindung sei zugunsten desjenigen, „der sie hervorgebracht hat“, die „Grundlage“ für das Recht auf das Patent und damit für verfassungsrechtliches Eigentum114. Schließlich wird das rechtmäßig eingetragene und aufrechterhaltene Warenzeichen als Ausdruck des Leistungswillens des Berechtigten angesehen: „Wenn er sich dadurch ein Vermögensrecht schafft, entspricht es dem grundrechtlichen Sinn der Eigentumsgarantie, dieses als geschützt anzusehen.“115. Liest man diese Passagen statt isoliert im Kontext der gesamten Entscheidung, wird indes erkennbar, dass das Gericht stets in einem ersten Schritt den an formale Wirkungen des einfachen Rechts geknüpften „rechtlichen Gehalt“ der betroffenen Rechtsposition analysiert. So wird im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Einordnung der Immaterialgüterrechte zunächst und gesondert geprüft, welche vermögensrechtlichen subjektiven Rechte und Befugnisse der objektiven Rechtsordnung zu entnehmen sind und ob jene die erforderlichen Merkmale der Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis aufweisen116. Erst in ei-
111
BVerfGE 1, 264, 277 f. (1952). BVerfGE 31, 229, 239 (1971). 113 BVerfGE 51, 193, 217 (1979) – Weingesetz I m.w.N.; BVerfGE 49, 382, 403 (1978) (die geistig-schöpferische Leistung begründe den verfassungsrechtlich garantierten Vergütungsanspruch des Urhebers). 114 Siehe BVerfGE 36, 281, 290 (1974). 115 BVerfGE 51, 193, 218 (1979) – Weingesetz I; ferner BVerfGE 78, 58, 72 (1988) (der Ausstattungsschutz gem. § 25 WZG schütze nicht vorrangig den Wettbewerb, sondern den Zeicheninhaber, der sich durch unternehmerische Leistung einen wirtschaftlichen Wert geschaffen habe). 116 Siehe insbesondere BVerfGE 51, 193, 216 f. (1979) – Weingesetz I; für den Ausstattungsschutz ebenso BVerfGE 78, 58, 70 f. (1988); Grzeszick, ZUM 2007, 344, 352. 112
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nem zweiten Schritt fragt das Gericht nach der Funktion dieser subjektiven Rechte und einer etwaigen persönlichen Leistung117. Dabei handelt es sich nicht etwa um alternative Gesichtspunkte, die jeweils geeignet sind, die Subsumtion unter Art. 14 GG dem Grunde nach zu rechtfertigen. Vielmehr wirkt sich der Aspekt der eigenen Arbeit lediglich auf die Intensität des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes aus, der auch in diesen Entscheidungen vom einfachen Recht und dort gewährten subjektiven Rechten abhängig gemacht wird. Je stärker der persönliche Einfluss des Betroffenen auf das in Rede stehende Gut ist, desto höher sind die Anforderungen, um die Zuordnung wieder einzuschränken oder gar aufzuheben. Dazu genügt dann nicht mehr jede Gemeinwohlerwägung, sondern es muss ein gesteigertes öffentliches Interesse vorliegen, die Früchte der Arbeit wieder zu entziehen118. Der Gesetzgeber hat bei der Umgestaltung von Eigentumspositionen zu berücksichtigen, inwieweit diese auf staatlicher Gewährung oder auf eigener Leistung beruhen119. Diese Korrelation zwischen persönlicher Leistung und Intensität des Grundrechtsschutzes steht durchaus im Einklang mit der generellen Funktion des Art. 14 GG, die eigenverantwortliche Lebensgestaltung im vermögensrechtlichen Bereich zu garantieren120. Denn individuelle Freiheit zur Entscheidung für die eine oder andere wirtschaftliche Betätigung drückt sich gerade in persönlichen Leistungsergebnissen aus. Deren Zuordnung anerkennt und fördert diese Entfaltung121. Diese Zusammenhänge ändern jedoch nichts an der nachgeordneten, sekundären Bedeutung des Leistungsaspekts. Denn zur Frage der Intensität des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes im Verhältnis zur Sozialbindung gelangt man erst, wenn überhaupt ein subjektives Vermögensrecht in der Rechtsordnung anerkannt und somit die Grundvoraussetzung für die Eröffnung des Schutzbe117 Für das Urheberrecht BVerfGE 31, 229, 239 (1971); BVerfGE 31, 275, 283 (1971); BVerfGE 81, 208, 219 f. (1990); für das Recht auf das Patent BVerfGE 36, 281, 290 f. (1974) (mit Hinweis auf die §§ 3, 6 PatG 1968); für das Warenzeichenrecht BVerfGE 51, 193, 217 f. (1979) – Weingesetz I; BVerfGE 78, 58, 72 ff. (1988) (über die Ausgestaltung des Ausstattungsschutzes durch die Privatrechtsordnung hinaus sei dieser Schutz Ausdruck der Leistung des Berechtigten im Wettbewerb); anders insoweit Grzeszick, ZUM 2007, 344, 353 (für das Warenzeichenrecht als verfassungsrechtliches Eigentum sei der Aspekt der Leistung konstitutiv). 118 Für das Urheberrecht BVerfGE 31, 229, 243 (1971); BVerfGE 49, 382, 400 (1978); BVerfGE 81, 12, 18 (1989) (verstärkte Beachtung der Belange des Urhebers, weil dieser durch seine schöpferische Leistung den entscheidenden Beitrag zum veräußerten Produkt erbringe); entsprechend für relative Rechte BVerfGE 42, 263, 293 (1976); BVerfGE 112, 93, 107 (2004) (Eigentumsschutz müsse für solche privatrechtliche Forderungen „in besonderem Maße … gelten, die den Charakter eines Äquivalents für Einbußen an Lebenstüchtigkeit besitzen“); Grzeszick, ZUM 2007, 344, 352. 119 BVerfGE 91, 294, 309 (1994). 120 Oben B I. 121 BVerfGE 50, 290, 340 (1979); BVerfGE 72, 175, 193 (1986) (Schutz „vor allem“ des durch Arbeit und Leistung erworbenen Stands an vermögenswerten Gütern); Dürig, FS Apelt, 13, 27 (eigenverantwortliche Leistung als causa für den Verfassungsschutz der Außenweltsgüter); Wendt, in: Sachs, Art. 14 GG Rn. 65.
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reichs von Art. 14 GG erfüllt ist. Dass die persönliche Leistung für sich gesehen nicht ausreichend ist, folgt aus der normgeprägten Struktur des Art. 14 GG (oben 1) und entstehungsgeschichtlich der intensiv diskutierten, letztlich aber verworfenen Beschränkung der Eigentumsgarantie auf das „kleine“, „der persönlichen Lebenshaltung oder der eigenen Arbeit dienende Eigentum“122. Dieser Vorschlag wurde unter anderem deswegen abgelehnt, weil funktionale, auf die Seinswelt bezogene Kriterien für eine gerichtliche Anwendung zu vage seien und dauernden Streit auslösen würden, welche Güter bzw. Rechtspositionen die genannten Zwecke und Eigenschaften aufweisen123. Eine solch ausdrückliche Entscheidung für formaljuristische Kriterien und gegen eine Orientierung an der Art des betroffenen Gutes ist zu respektieren. Diese Formalisierung kommt dem Privateigentum in langfristiger Perspektive sogar zugute. Sie immunisiert es nämlich gegenüber einer Kritik, die einzelne Positionen als unverdient brandmarkt und damit das gesamte Rechtsinstitut in Misskredit bringt. Zum Beispiel sind bewegliche Sachen und Privatgrundstücke häufig nicht die Frucht eigener Arbeit, sondern als Erbschaft oder Geschenk angefallen. In diesen Fällen nach persönlicher Leistung zu fragen, würde die Eigentumsgarantie in ihrem Kernbereich untergraben124. Genau diese Gefahr sollte durch die Ausrichtung des Schutzbereichs auf formale Aspekte vermieden werden. Wer diesen abstrakten Ansatz im Interesse eines kurzfristigen Ausbaus der Eigentumsordnung aufweicht oder gar aufgibt, liefert das Privateigentum weichen Kriterien aus, die auch seine wesentliche Einschränkung begünstigen können. Zu Recht hebt das Bundesverfassungsgericht daher in jüngerer Zeit hervor, auf die Frage, ob und inwieweit ein vermögenswertes Recht sich als Äquivalent eigener Leistungen darstelle, komme es bei privatrechtlichen Eigentumspositionen grundsätzlich nicht an125. (2) Subjektive öffentliche Rechte. Dass das Gericht seine Aussage auf privatrechtliche Eigentumspositionen bezieht, hat seinen guten Grund. Denn im Zusammenhang mit dem Eigentumsschutz öffentlich-rechtlicher Rechtspositionen kommt dem Leistungskriterium tatsächlich eine andere und in gewisser Hinsicht weitergehende Bedeutung zu.
122
Siehe Vorstellung und Diskussion des Vorschlags, Parlamentarischer Rat 5/I, 197 ff. Parlamentarischer Rat 5/I, 200 ff. (Gefahr der kleinbürgerlichen und proletarischen Reden über das nicht mit Arbeit verdiente Kapital vermeiden); zusammenfassend auch in JöR 1 (1951), 145 f. 124 Parlamentarischer Rat 5/I, 205 (Theodor Heuss); Hösch, Eigentum und Freiheit, 150; Söllner, FS Traub, 367, 371; Meyer-Abich, Schutzzweck der Eigentumsgarantie, 35; anders Dürig, FS Apelt, 13, 31 (Fund und Schenkung als „weit hergeholte Argumente“); Leisner, in: HdbStR, § 150 Rn. 12 (irgendjemand habe sich das Eigentum irgendwann durch Leistung erworben). 125 BVerfGE 95, 64, 82 (1996); BVerfG NJW 2005, 2363, 2372; Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 14 GG Rn. 115; Meyer-Abich, Schutzzweck der Eigentumsgarantie, 49; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 64 ff. 123
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
Nach einer kurzen Phase der Skepsis, ob subjektive öffentliche Rechte überhaupt unter Art. 14 GG subsumierbar seien126, wurden diese bereits in den 1950er Jahren als verfassungsrechtliches Eigentum angesehen, wenn sie dem Inhaber eine dem Sacheigentum vergleichbare, nicht unter Ermessensvorbehalt stehende Rechtsposition verschaffen und es sich außerdem nicht um bloß staatliche Fürsorge, sondern um eine Gegenleistung für eine eigene Tätigkeit des Betroffenen handele127. Beeinflusst vom Ausbau der staatlichen Daseinsvorsorge, auf die der Bürger in seiner wirtschaftlichen Existenz zunehmend angewiesen sei, sieht das Bundesverfassungsgericht seit den 1980er Jahren sozialversicherungsrechtliche Positionen als von Art. 14 GG geschützt an, wenn sie dem Rechtsträger nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts privatnützig zugeordnet und nicht in das Ermessen einer staatlichen Institution gestellt sind, auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruhen und der Sicherung seiner Existenz dienen128.
126 BVerfGE 1, 264, 278 (1952); BVerfGE 2, 380, 399 ff. (1953); BVerfGE 3, 58, 153 (1953) (in Abgrenzung zu Art. 33 Abs. 5 GG); für Kompetenzen judikativer Art BVerfGE 18, 392, 396 (1965) (Beurkundungsbefugnis); anders für die Zulassung des Kassenarztes BSG JZ 1958, 20 ff.; generell für die Einbeziehung subjektiver öffentlicher Rechte unter Art. 14 GG Dürig, FS Apelt, 13 ff., 41 ff. 127 BVerfGE 3, 58, 153 f. (1953); BVerfGE 4, 219 (Leitsatz 3), 240 ff. (1955); BVerfGE 11, 221, 226 (1960); BVerfGE 14, 288, 293 f. (1962); BVerfGE 15, 167, 199 f. (1962); BVerfGE 16, 94, 111 ff. (1963) (neben eine dem Eigentum vergleichbare subjektive öffentliche Rechtsposition müsse die den Eigentumsschutz „rechtfertigende“ Leistung des Einzelnen treten); BVerfGE 18, 392, 396 f. (1965); BVerfGE 22, 241, 253 (1967); BVerfGE 24, 220, 225 f. (1968); BVerfGE 32, 111, 128 (1971); BVerfGE 45, 142, 170 (1977); BVerfGE 53, 257, 289 (1980) (gesetzliche Rentenversicherung). 128 Zuerst in diesem Sinne abweichende Meinung v. Brünneck, BVerfGE 32, 111, 142 ff. (1971); noch offenlassend BVerfGE 40, 65 82 ff. (1975) m.w.N.; BVerfGE 53, 257, 289 ff. (1980); dann BVerfGE 69, 272 (Leitsatz 1), 298 ff. m.w.N. (1985) (auch Anwartschaften, die nach Begründung des Rentenversicherungsverhältnisses bei Erfüllung weiterer Voraussetzungen zum Vollrecht erstarken); BVerfGE 70, 278, 285 (1985) (Anspruch auf Erstattung zuviel gezahlter Steuern); BVerfGE 72, 9, 18 ff. (1986) (Anspruch auf Arbeitslosengeld); BVerfGE 72, 175, 193 (1986) (Darlehen als bloße Subvention); BVerfGE 76, 220, 235 ff. (1987) (Anspruch auf Unterhalts- oder Übergangsgeld); BVerfGE 88, 384, 401 (1993); BVerfGE 95, 143, 160 (1996); BVerfGE 97, 67, 83 (1997) (Steuersubventionen kein verfassungsrechtliches Eigentum); BVerfGE 97, 271, 283 f. (1998) (Hinterbliebenenversorgung kein verfassungsrechtliches Eigentum); BVerfGE 100, 1, 32 (1999); BVerfGE 105, 17, 32 (2002) (Steuersubvention kein verfassungsrechtliches Eigentum); BVerfGE 112, 368, 396 (2005); BVerwG NJW 2006, 711, 712. Siehe ferner Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 GG Rn. 25 ff.; Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 14 GG Rn. 221 ff. Ohne dass auf diese Rechsauffassung im hier interessierenden Zusammenhang näher einzugehen ist, sei doch festgehalten, dass diese Auffassung die ursprüngliche Funktion der Eigentumsgarantie geradezu auf den Kopf stellt (siehe auch Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 14 GG Rn. 41): Die Eigentumsgarantie soll ein selbstbestimmtes Leben im wirtschaftlichen Bereich unabhängig vom Staat, einen staatsfernen privaten Besitzstand, gewährleisten. Der Bürger soll nicht von staatlichen Zuwendungen abhängig und damit „gefügig“ sein. Erklärt man die Leistungen des Staates zu Eigentum, kaschiert man genau dieses Abhängigkeitsdasein des Einzelnen, ja man fördert seine Anspruchsmentalität. Diese muss enttäuscht werden, wenn sich der „fürsorgliche“ Staat nicht aller privater Eigentumspositionen bemächtigt, um das subjektive öffentliche „Eigentum“ der Bürger erfüllen zu können. Aus dem von staatlicher Abhängigkeit freien Bürger wird der auf Zuwendungen angewiesene, passive Empfänger. Hinzu kommt, dass die Sozialsysteme – wie sich bereits vor der entscheidenden Wende des BVerfG zeigte – nicht unbegrenzt leistungsfähig sind.
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Da diese Merkmale kumulativ vorliegen müssen, bleibt es auch in diesem Kontext bei der formalen Grundvoraussetzung, wonach im einfachen öffentlichen Recht ein privatnütziges, vom Einzelfallermessen unabhängiges subjektives Recht normiert sein muss, auf das sich der Beschwerdeführer beruft129. Das Leistungskriterium beeinflusst wiederum die Intensität des verfassungsrechtlichen Schutzes: Je höher der Anteil eigener Leistung an einem sozialversicherungsrechtlichen Anspruch, desto stärker der personale Bezug der Rechtsposition und desto enger der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers130. Darüber hinaus dient dieser „besondere Schutzgrund“ der Abgrenzung von staatlichen Fürsorgemaßnahmen, die weiterhin kein verfassungsrechtliches Eigentum generieren131. Für diese Differenzierung genügt allein der Verweis auf formaljuristische Wirkungen des einfachen Rechts nicht mehr, weil hoheitliche Unterstützung ebenfalls in Form subjektiv-öffentlicher Rechte gewährt werden kann. Insoweit dient der Aspekt der Eigenleistung tatsächlich der Ausgrenzung bestimmter subjektiver Rechte und damit umgekehrt der Konstituierung verfassungsrechtlichen Eigentums. Im Privatrecht besteht ein solches Unterscheidungsbedürfnis nicht, weil sämtliche privaten Vermögensrechte unter Art. 14 GG fallen. Das Leistungskriterium beeinflusst hier nur die Intensität des vollständig formalisierten Eigentumsschutzes. bb) Der Vermögenswert Auch der zweite Anknüpfungspunkt für eine Bestimmung des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs unabhängig von den Aussagen des einfachen Rechts findet sich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wieder: Art. 14 GG solle den Bestand an vermögenswerten Gütern vor ungerechtfertigten Eingriffen bewahren132. Indes wurde bereits im Zusammenhang mit der Normprägung des Eigentumsgrundrechts erläutert, dass die bloße Existenz eines Vermögenswerts aus einem Gut der Seinswelt noch kein verfassungsrechtliches Eigentum macht, weil Ein129„unbegrenztes subjektives Anspruchsdenken auf Kosten der Allgemeinheit“ ist „unvereinbar mit dem Sozialstaatsgedanken“ (BVerfGE 33, 303, 334 (1972)). Die sozialversicherungsrechtlichen Positionen unterscheiden sich daher in ihrer verfassungsrechtlichen Garantie deutlich von privatrechtlichen Positionen; BVerfGE 64, 87, 106 (1983). 129 A.A. ohne eigenständige Begründung Sieckmann, in: Berliner Kommentar, Art. 14 GG Rn. 91 (Leistungskriterium konstitutiv). 130 Siehe BVerfGE 14, 288, 293 f. (1962); BVerfGE 53, 257, 292 (1980); BVerfGE 58, 81, 112 (1981); BVerfGE 69, 272, 301 (1985); BVerfGE 89, 365, 377 (1994) (aus dem Sozialstaatsgebot ließen sich keine Ansprüche des Einzelnen auf eine bestimmte Ausgestaltung der Sozialversicherungssysteme ableiten); BVerfGE 112, 93, 109 (2004). 131 Insbesondere BVerfGE 16, 94, 113 (1963); BVerfGE 53, 257, 291 f. (1980) m.w.N.; BVerfGE 100, 1, 32 ff. (1999). Anders Meyer-Abich, Schutzzweck der Eigentumsgarantie, 156 (Widerspiegelung der persönlichen Leistung); anders BGHZ 81, 21, 33 f. (1981) (ein subjektives öffentliches Recht sei eigentumsmäßig verfestigt und keine Fürsorge, wenn es nach seiner gesamten rechtlichen Ausgestaltung und dem rechtsstaatlichen Gehalt des Grundgesetzes nicht ersatzlos entzogen werden dürfe). 132 BVerfGE 31, 229, 239 (1971); BVerfGE 68, 193, 222 (1984).
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Art. 14 GG eben vermögenswerte Rechte und nicht Werte als solche gewährleistet133. Ein Vorschlag, im Grundgesetz neben dem Erbrecht das „Privatvermögen“ zu gewährleisten, wurde vom Ausschuss für Grundsatzfragen einmütig abgelehnt, weil es sehr strittig sei, was unter „Privatvermögen“ zu verstehen sei134. Anerkannt ist demgemäß, dass vorhandene Liquidität, Investitionen und andere wirtschaftliche Aspekte für sich genommen keinen über das geschriebene Recht hinausgehenden eigentumsrechtlichen Schutz begründen135. Erst recht fallen Chancen und Verdienstmöglichkeiten nicht in den Schutzbereich des Art. 14 GG, weil dieses Grundrecht nur das statisch Erworbene und nicht den künftigen Erwerb sichert136. Aus der Eigentumsgarantie folgt insbesondere kein Schutz eines bestimmten Geschäftsumfangs und damit verbundener Erwerbsmöglichkeiten vor Konkurrenz137. Konsequent werden Geldleistungspflichten, die nicht an 133 Siehe BVerfGE 4, 7, 26 (1954) (Aktie); BVerfGE 31, 229, 239 (1971) (die vermögenswerten Befugnisse des Urhebers müssten als Eigentum angesehen werden); BVerfGE 51, 193, 221 f. (1979) – Weingesetz I (Gewerbebetrieb als tatsächliche – nicht aber rechtliche – Zusammenfassung von Vermögen); BVerfGE 65, 196, 209 (1983) (Schutz von einzelnen Vermögensrechten, aber nicht des Vermögens als solchem); BVerfGE 68, 193, 222 (1984) (geschützt würden nur Rechtspositionen, die bereits zustehen); BVerfGE 105, 17, 30 (2002) (kein Schutz des Tauschwerts, sondern dessen Grundlage in Rechtspositionen); BVerfG NJW 2005, 2363, 2372 (der Schutz von Eigentum hänge nicht von der Höhe des betroffenen Werts ab); Dürig, FS Apelt, 13, 14 mit Fn. 3; Herzog, FS Zeidler II, 1415, 1419. 134 Siehe Parlamentarischer Rat 5/I, 725; zusammenfassend auch in JöR 1 (1951), 147. 135 BVerfGE 4, 7, 17 (1954) (Liquidität eines Betriebs als „wirtschaftliche Position“ und nicht „selbständiges Recht“ genüge nicht); BVerfGE 18, 85, 95 (1964) (Patentrecht); BVerfGE 51, 193, 211 f. (1979) – Weingesetz I; BVerfGE 58, 300, 352 f. (1981) (wirtschaftliche Vernunft allein könne die Ausweitung der Bestandsgarantie nicht tragen); BVerfGE 77, 84, 118 (1987); BVerfGE 81, 208, 227 f. (1990) (kein Schutz möglichst optimaler Absatzchancen); BVerfGE 100, 226, 243 (1999) (kein Schutz der einträglichsten Nutzung des Eigentums); BVerfGE 110, 274, 290 (2004) (kein Schutz des rentablen Betriebs); BVerfG NJW 2006, 2613, 2614 (Verletzung nur wirtschaftlicher Interessen genüge nicht); BGHZ 161, 305, 315 (2004) (kein Schutz von Investitionen); Jarass, AfP 1993, 455, 459 (Sportveranstaltung); Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 14 GG Rn. 176. 136 Allgemein zur Abgrenzung des Art. 14 GG von den Art. 2 Abs. 1, 12 GG oben § 2 B II 2, 4. Ferner BVerfGE 17, 131, 148 (1964); BVerfGE 28, 119, 142 (1970); BVerfGE 31, 229, 241 (1971) (nicht jede denkbare Verwertungsmöglichkeit der persönlichen geistigen Schöpfung); BVerfGE 45, 142, 171 (1977) (verrechtlichte und gesteuerte Marktchancen erlangten durch die Verrechtlichung nicht die Qualität von verfassungsrechtlichem Eigentum); BVerfGE 51, 193, 222 (1979) – Weingesetz I; BVerfGE 66, 116, 145 f. (1983); BVerfGE 68, 193, 222 (1984); BVerfGE 74, 129, 148 (1987); BVerfGE 78, 205, 211 (1988) (die Möglichkeit des Eigentumserwerbs durch Schatzfund gem. § 984 BGB sei eine bloße Chance und Verdienstmöglichkeit); BVerfGE 83, 201, 211 (1991); BVerfG NJW 2000, 1939 (es stehe fest, dass Gegebenheiten und Chancen nicht geschützt seien); BGHZ 8, 273, 275 (1952) (Ertragsfähigkeit, Verdienstmöglichkeiten); BGH NJW 1967, 1857 (Versagung der Eigenschaft als Importsaatgut kein Eingriff in vorhandenen Bestand an Rechten); zu subjektiven öffentlichen Rechten BVerfGE 14, 288, 295 f. (1962); BVerfGE 15, 167, 200 (1962); BVerfGE 24, 220, 226 f. (1968) (Möglichkeit der Weiterversicherung); BVerfGE 25, 112, 124 (1969) (Chance, eine Befugnis durch behördlichen Akt zu erlangen); BVerfGE 63, 152, 174 (1983) (vom Ermessen abhängige Leistung kein Eigentum); BGHZ 108, 364, 371 (1989) (Taxikonzession kein vermögenswertes Recht). 137 BVerfGE 24, 236, 251 (zur Frage, ob sich kommerzielle Lumpensammler gegen eine karitative Hilfsaktion der katholischen Kirche wehren können, selbst wenn 90% der Lumpensammler ihren Betrieb hätten einstellen müssen); BVerfG NJW 1993, 1969, 1971 (Art. 14 Abs. 1 GG garan-
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ein bestimmtes subjektives Recht geknüpft sind, nach ständiger Rechtsprechung allenfalls dann an Art. 14 GG gemessen, wenn sie das Vermögen des Betroffenen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen138. Dasselbe gilt für den Bestandsschutz des Unternehmens als ebensolcher Inbegriff einzelner Güter und Rechte139. An der Eigentumsgarantie lassen sich allgemeine Belastungen wie die Einkommen- und Gewerbesteuer nur messen, wenn man sie nicht auf das Vermögen als Ganzes – das eben nicht durch ein subjektives Ausschließlichkeitsrecht zugeordnet ist –, sondern auf die einzelnen vermögenswerten Rechte bezieht, die der Steuerpflichtige erworben hat140. Vor diesem Hintergrund dient die Rede vom Vermögensrecht, das Art. 14 GG schützt, lediglich dazu, die Eigentumsgarantie von Grundrechten abzugrenzen, die andere Interessen betreffen als das Bedürfnis nach einer Wahrung des statischen Bestandes wirtschaftlich relevanter Rechte mit potentiellem Vermögenswert141. cc) Die Verkehrsanschauung Nachdem weder eine persönliche Leistung noch ein vorhandener Vermögenswert verfassungsrechtliches Eigentum im Privatrechtsbereich konstituieren, bleibt noch auf die Verkehrsanschauung als mögliche Quelle des Schutzbereichs von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG einzugehen. Formulierungen, dass das Grundgesetz das Eigentum so schützen wolle, „wie es das bürgerliche Recht und die gesell138 tiere nicht die Beibehaltung der einmal am Markt erreichten Stellung gegenüber Konkurrenten); BVerfG NJW 2000, 1939 (auch Art. 14 GG schütze nicht vor Wettbewerb); BVerwGE 39, 329, 337 (1972); Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 14 GG Rn. 52. 138 Ständige Rechtsprechung, siehe BVerfGE 4, 7, 17 (1954); BVerfGE 28, 119, 142 (1970); BVerfGE 30, 250, 272 (1971); BVerfGE 38, 61, 102 (1974); BVerfGE 65, 196, 209 (1983); BVerfGE 72, 175, 195 (1986); BVerfGE 74, 129, 148 (1987); BVerfGE 77, 84, 118 (1987); BVerfGE 91, 207, 220 (1994); BVerfGE 93, 121, 137 (1995) (betroffen sei dann die allgemeine Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG in ihrer Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen Bereich gem. Art. 14 GG); BVerfGE 95, 267, 300 (1997); BVerfGE 96, 375, 397 (1997); BVerfGE 105, 17, 32 (2002); BVerfGE 108, 186, 233 (2003); BGHZ 83, 190, 194 f. (1982); BVerwGE 87, 324, 330 (1991); entsprechend für die Erdrosselungswirkung der Erbschaftsteuer BVerfGE 93, 165, 172 ff. (1995); BVerfGE 112, 332, 348 (2005). Aus der Literatur Wolff, FS Kahl, 3 (trotz der Ausdehnung des Eigentumsbegriffs der WRV auf jedes private Vermögensrecht); Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 36 ff.; Ehlers, VVDStRL 51 (1991), 211, 216; Jarass, AfP 1993, 455, 458; Papier, in: Maunz/ Dürig/Herzog, Art. 14 GG Rn. 160 ff.; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 GG Rn. 23; Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 14 GG Rn. 374; im Ergebnis auch Leisner, in: HdbStR, § 149 Rn. 127 (subsidiärer und auf die Substanz beschränkter Vermögensschutz durch Art. 14 GG); für einen Schutz des Vermögens gegen die Besteuerungsgewalt des Gesetzgebers durch Art. 14 GG Kirchhof, in: Depenheuer, Eigentum, 19, 36; Ipsen, Grundrechte, Rn. 685a. Gegen ein Schutzgebot, ein subjektives Recht am Vermögen anzuerkennen Dürig, ZgS 109 (1953), 326, 342. 139 BVerfGE 82, 209, 234 f. (1990) (allenfalls eine Veränderung oder Schließung eines Krankenhauses durch eine hoheitliche Maßnahme könne einen Eingriff in Art. 14 GG darstellen); ebenso im Ergebnis BGHZ 111, 349, 356 f. (1990) (Erdrosselung des Betriebs). 140 So der Ansatz von BVerfG NJW 2006 1191, 1193 f. unter Offenlassung der Anwendung von Art. 14 GG auf das Vermögen als Ganzes und mit identischer Schutzintensität wie der frühere Ansatz über Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 GG. 141 Siehe BVerfGE 66, 116, 145 f. (1984); BVerfGE 83, 201, 210 (1991); Grzeszick, ZUM 2007, 344, 347 (Verwertungsmöglichkeit genügt).
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schaftlichen Anschauungen geformt haben“142, scheinen darauf zu deuten, dass Eigentum zumindest im Einzelfall auf einer opinio communis beruhen kann. Abgesehen davon, dass diese auf das Privatrecht beschränkte Floskel spätestens seit der Einbeziehung subjektiver öffentlicher Rechte in den Eigentumsschutz obsolet geworden ist143, steht dieser Abkopplung vom einfachen Gesetzesrecht die Normprägung des Art. 14 GG entgegen. Erst wenn eine bestimmte Auffassung – so einhellig und überwiegend sie auch erscheinen mag – in der Rechtsordnung Niederschlag gefunden hat, ist die Hürde vom Sein zum Sollen überwunden. Nur auf Aussagen der letzteren Ebene bezieht sich Art. 14 GG144. Nicht überraschend rekurriert das Bundesverfassungsgericht heute nicht mehr auf die genannte Formel, sondern auf die Gesamtheit der verfassungsmäßigen Gesetze bürgerlichen und öffentlichen Rechts, die den Inhalt und die Schranken des Eigentums bestimmen145.
III. Zwischenergebnis Insgesamt legt es der Schutzbereich des Art. 14 GG nicht nahe, die Eigentumsgarantie als Gebot und Grundlage privatrechtlicher Güterzuordnung zu verstehen. Sie hat im Kontext der übrigen Freiheitsrechte lediglich eine akzessorische Funktion. Eigentum wird nicht um seiner selbst willen gewährleistet, sondern als Instrument zur Ermöglichung eines eigenverantwortlichen Lebens im vermögensrechtlichen Bereich. Die Argumente für einen Ausbau der privaten Güterordnung müssen sich auf dieses übergeordnete Ziel beziehen. Daran fehlt es aber, wenn die staatliche Zuordnungsverpflichtung allein damit begründet wird, es handele sich um Güter, die der Verkehr als vermögenswert ansieht und die auf persönlicher Leistung beruhen. Diese faktischen Umstände genügen zu lassen, steht überdies im Widerspruch zur Normprägung und Normabhängigkeit des verfassungsrechtlichen Eigentums, die in Art. 14 Abs. 1 und 3 GG eindeutig zum Ausdruck gelangt ist. Zu Recht entwickelt das Bundesverfassungsgericht den Schutzbereich des Art. 14 GG daher anhand formaler, dem einfachen Recht entnommener Merkmale. Demnach muss dem Berechtigten eine Rechtsposition zum privaten Nutzen zugeordnet sein und seiner Verfügungsbefugnis unterliegen. Diese Voraussetzungen erfüllen lediglich subjektive relative und ausschließliche Rechte. Kein Eigentum i.S.d. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG stellt dagegen insbesondere ein bloß reflexartiger Schutz individueller Interessen durch das Deliktsrecht dar. Die materialen Kerngedanken der Güterzuordnung (persönli142 BVerfGE 1, 264, 278 (1952); BVerfGE 2, 380, 402 (1953); BVerfGE 28, 119, 142 (1970); BVerfGE 65, 196, 209 (1983). 143 Hösch, Eigentum und Freiheit, 73. 144 Kritisch zur entsprechenden Terminologie des BVerfG auch Böhmer, NJW 1988, 2561, 2567; Schoch, Jura 1989, 113, 116; Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 14 GG Rn. 35 f. 145 BVerfGE 58, 300, 335 f. (1981); BVerfGE 74, 129, 148 (1987); Berkemann, in: Umbach/Clemens, Art. 14 GG Rn. 133; Rittstieg, Eigentum, 309.
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che Leistung, Vermögenswert und Verkehrsanschauung) konstituieren den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff ebenfalls nicht. Selbst das Leistungskriterium beeinflusst allenfalls die Intensität des Schutzes im objektiven Recht verankerter, subjektiver Privatrechte. Dahinter steht die in der Entstehungszeit klar formulierte Intention, den Anwendungsbereich des Art. 14 GG nicht an unsichere Kriterien wie das „Privatvermögen“ oder die persönliche „Arbeit“ zu knüpfen, weil der ewige Streit um die „richtige“ Eigentumsordnung nicht im Verfassungsrecht, sondern auf politischer Ebene von der Legislative bewältigt werden soll.
C. Zuordnungsgebot aus Art. 14 GG? Gegen ein Zuordnungsgebot aus Art. 14 GG spricht also der „tückische juristische Zirkel“146, dass bereits in der Privatrechtsordnung niedergelegt sein muss, was als verfassungsrechtliches Eigentum qualifiziert werden kann. Wenn der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ein im einfachen Recht verankertes subjektives Recht voraussetzt, dann legitimiert die Eigentumsgarantie nicht ihrerseits die Gerichte dazu, derartige originäre Rechtspositionen hervorzubringen. Außerdem scheint der Gesetzgeber gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG frei zu sein, Inhalt und Schranken des Eigentums nach seinen Vorstellungen auszugestalten. Eine die Gerichte sogar im konkreten Fall bindende Vorgabe, was dem Einzelnen privatnützig zuzuordnen ist, wäre mit dieser Gestaltungsbefugnis unvereinbar. Es erscheint freilich zweifelhaft, ob Art. 14 GG wirklich nichts zum Inhalt der einfachrechtlichen Güterzuordnung beizutragen hat. Denn in letzter Konsequenz hieße das, dem Grundrecht jede Bedeutung für den einfachen Gesetzgeber abzusprechen, und diesen umgekehrt für befugt zu erachten, das private Eigentum als individuelles Recht und als Rechtsinstitut auszugestalten oder gar aufzuheben und damit zugleich die Reichweite des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes zu modifizieren. Ein solches Verständnis der Eigentumsgarantie widerspricht offensichtlich der Bindung der Legislative und der Judikative an die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG)147. Diese etablieren eine verfassungsrechtliche Wertordnung, die für alle Bereiche des Rechts gilt und Impulse für Gesetzge146
Isensee, Symposium Salzwedel, 3, 15; Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, 2127 (Anmutung einer „perfekte[n] Schizophrenie“). 147 BVerfGE 14, 263, 277 f. (1962) („selbstverständliche“ Beschränkung des Gesetzgebers); BVerfGE 21, 73, 82 (1966); BVerfGE 21, 150, 155 (1967); BVerfGE 24, 367, 406 (1968); BVerfGE 31, 229, 240 (1971); BVerfGE 34, 139, 146 (1972); BVerfGE 42, 64, 76 (1976); BVerfGE 45, 297, 330 (1977) (Geltung der Eigentumsgarantie gegenüber dem Gesetzgeber); BVerfGE 52, 1, 27 (1979); BVerfGE 101, 239, 259 (1999); BVerfGE 102, 1, 15 (2000); Nierhaus, AöR 116 (1991), 72, 95 ff.; Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 14 GG Rn. 572; Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 448; anders Hösch, Eigentum und Freiheit, 71 f.
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
bung, Verwaltung und Rechtsprechung setzt. Eine Dimension dieses objektivrechtlichen Gehalts der Grundrechte sind die sog. Schutzpflichten, die den Staat zum aktiven Tun anhalten, wenn grundrechtlich gewährleistete Belange durch das Handeln Privater beeinträchtigt werden148. All diese generellen Grundrechtswirkungen gelten auch für Art. 14 GG. Insbesondere leiten das Bundesverfassungsgericht und die ganz herrschende Meinung aus dem objektiven Gehalt der Eigentumsgarantie eine Pflicht des Staates zum Schutz und zur Verwirklichung der Eigentumsordnung ab149. Fraglich ist, ob hieraus sogar ein Zuordnungsgebot erwachsen kann, das die Gerichte verpflichtet, über das einfache Gesetzesrecht hinaus subjektive Vermögensrechte anzuerkennen, die dann wiederum der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Art. 14 GG unterfallen. Dazu ist es zunächst erforderlich, die verschiedenen Ebenen aufzuzeigen, auf denen sich die Bindungs- und damit Verpflichtungswirkung der Eigentumsgarantie entfaltet. Ein hier interessierendes Gebot zur Herausbildung subjektiver Ausschließlichkeitsrechte an „neuen“ Gütern kann sich demnach allenfalls aus der abstrakten Garantie des Eigentums als Rechtsinstitut ergeben (dazu I). Anschließend sind die materiellen und formellen Voraussetzungen einer hierauf beruhenden Pflicht zur Eigentumsbegründung herauszuarbeiten (dazu II).
I. Gestaltungsbefugnis und Bindung 1. Das Paradox der Eigentumsgarantie In den einleitenden Bemerkungen dieses Abschnitts ist bereits das Paradox der Eigentumsgarantie zur Sprache gekommen150. Einerseits gewährleistet Art. 14 Abs. 1 S. 1 i.V.m. 1 Abs. 3 GG Eigentum und Erbrecht auch gegenüber dem Gesetzgeber151. Andererseits werden Inhalt und Schranken des verfassungsrechtlichen Eigentums erst durch das Gesetz bestimmt. 148
Oben § 2 B I. Siehe BVerfGE 96, 56, 63 (1997) (Art. 14 GG als Grundlage für einen zivilrechtlichen Anspruch immerhin geprüft, aber abgelehnt); BVerfG NJW 1998, 3264, 3265; BVerfG NJW 2005, 2363, 2366 (Art. 14 GG habe objektiv-rechtlichen Gehalt, aus dem Schutzpflichten abgeleitet werden könnten); aus der Literatur Dürig, FS Apelt, 13, 24; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 14 GG Rn. 33 ff.; Berkemann, in: Umbach/Clemens, Art. 14 GG Rn. 222 ff.; Isensee, Symposium Salzwedel, 3, 8; Depenheuer, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 109, 153 f.; Enders, in: Berliner Kommentar, vor Art. 1 GG Rn. 147; für das Recht zu erben Stöcker, WM 1979, 214, 222; zu den Auswirkungen zurückhaltend Leisner, in: HdbStR, § 149 Rn. 4 (die Drittwirkungsproblematik habe für Art. 14 GG nie eine Rolle gespielt). 150 Siehe nur etwa Herzog, FS Zeidler II, 1415, 1420 (die Grundrechtsbindung des Art. 1 Abs. 3 GG habe erst den Zirkel geschaffen); Grzeszick, ZUM 2007, 344, 348; Sieckmann, in: Berliner Kommentar, Art. 14 GG Rn. 5. 151 Siehe nur Nierhaus, AöR 116 (1991), 72, 73. Diese Bindung wird bei der Ablehnung der Institutsgarantie negiert; so aber Hösch, Eigentum und Freiheit, 71 f. 149
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Manche bewältigen dieses Problem mit der stark ergebnisorientierten Frage nach der Möglichkeit „angemessener Verwertung“, die stets zu garantieren sei152. Andere verstehen Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zunächst als Freibrief für den Gesetzgeber, Eigentum zu gewähren und wieder zu nehmen153, sehen die Legislative aber gleichwohl an einen vorgegebenen Begriff des verfassungsrechtlichen Eigentums gebunden, der sich an § 903 BGB orientiert und dessen umfassende Reichweite eben nur ausnahmsweise im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsprinzips eingeschränkt werden dürfe154. Beide Ansätze vermögen nicht zu überzeugen, weil sie die Funktion und die differenzierte Struktur der Eigentumsgarantie ausblenden. Die erstgenannte Meinung verzichtet von vornherein auf eine Auseinandersetzung mit den Aussagen des Art. 14 GG. Dabei ergibt sich gerade aus dem Zweck dieses Grundrechts, wonach Eigentum garantiert wird, um persönliche Freiheit und Würde zu verwirklichen, wie viel Eigentum die Rechtsordnung mindestens vorsehen muss155. Die zweite Auffassung erklärt Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG letztlich für obsolet und behauptet ein „natürliches“ Eigentum, das wie gezeigt ganz bewusst verworfen wurde156. Verfehlt ist überdies ihr Ausgangspunkt, dass aus der Kompetenz zur Etablierung von Eigentum zwingend die bindungsfreie Befugnis zur Aufhebung der Rechtspositionen folgt. Denn eine solche Logik des „der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen“ durchbricht Art. 1 Abs. 3 GG auch im Hinblick auf das Eigentumsgrundrecht157. Vielmehr ist die Legislative gehalten, die grundlegende Wertentscheidung der Verfassung zugunsten des Privateigentums zu achten und sich bei dessen Ausgestaltung im Einklang mit allen übrigen Verfas-
152 Hauck, DB 1987, 1927, 1930 ff.; ders., Wirtschaftsgeheimnisse, 262 ff.; Fechner, Geistiges Eigentum, 373 ff. Ausdrücklich nicht auf den Wortlaut des Art. 14 GG, sondern auf rechtspolitische Wertungen für die Frage nach dem Verfassungsschutz des Gewerbebetriebs abstellend Engel, AöR 118 (1991), 169, 189. Die Schwäche dieser Argumentation erweist sich bereits am Umstand, dass Hauck gegen ein an die Rechtsprechung adressiertes Schutzgebot argumentiert, Engel hingegen für einen auch richterrechtlich entwickelbaren Eigentumsschutz. 153 In diesem Sinne Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 14 GG Rn. 1–5; Depenheuer, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 109, 159 („… der Gesetzgeber, der den Inhalt des Eigentums bestimmt, kann logisch nicht gleichzeitig durch dieses von ihm zu konstituierende Eigentum beschränkt sein“); Lindner, Grundrechtsdogmatik, 309, 313. 154 In diesem Sinne für das Eigentum Dürig, ZgS 109 (1953), 326 ff.; ders., FS Apelt, 13, 24 ff.; Depenheuer, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 109, 160 ff.; ders., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 GG Rn. 42 ff.; Kübler, AcP 159 (1960), 236, 238; Leisner, in: HdbStR, § 149 Rn. 18 ff.; Freitag, Kommerzialisierung, 59 (naturrechtlich legitimiertes, immaterielles Eigentum); widersprüchlich Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 175 f. (kein Rückgriff auf natürliche Gegebenheiten, aber doch natürlicher Schutz geistigen Eigentums); für das Erbrecht Stöcker, WM 1979, 214, 217 (ungeschriebenes Grundrecht mit jahrtausendealter Tradition); Leisner, in: HdbStR, § 150 Rn. 10 ff. 155 Dazu unten II. 156 Oben B II 1. 157 So aber Depenheuer, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 109, 159; ders., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 GG Rn. 46; wie hier Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 406; Gellermann, Grundrechte, 103.
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sungsnormen zu halten158. Dieser Bindung und der aus ihr erwachsenden Verpflichtungen des Staates zum aktiven Schutz und zur Verwirklichung der Eigentumsordnung ist im Folgenden nachzugehen. 2. Die Ebenen der Bindungs- und Verpflichtungswirkung Um das Paradox der Eigentumsgarantie aufzulösen, sind im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verschiedene Ebenen zu unterscheiden, die die differenzierte Struktur des Art. 14 GG reflektieren. Demnach besteht eine Korrelation zwischen der Verfestigung einer Rechtsposition und der Intensität des Eingriffs einerseits und den Vorgaben des Art. 14 GG für die öffentliche Gewalt andererseits. Je massiver in ein bestimmtes oder zumindest bestimmbares subjektives Vermögensrecht eingegriffen wird, desto intensiver ist die grundgesetzliche Bindung. Umgekehrt gilt: Je weniger konkretisiert die individuelle Rechtsposition ist, desto größer sind die Spielräume des Staates159. Die genauesten Vorgaben enthält das Grundgesetz für die Enteignung. Eine solche Entziehung konkreter subjektiver Rechte, die dem Berechtigten zum Zeitpunkt des Zugriffs bereits zustehen, ist nur unter den Vorgaben des Art. 14 Abs. 3 GG zulässig, also zum Wohle der Allgemeinheit und durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes, das Art und Ausmaß der Entschädigung im Einzelnen regelt. Diese konkret-individuelle Ebene ist im Folgenden jedoch nicht näher zu betrachten, weil eine Enteignung stets ein subjektives Vermögensrecht voraussetzt, hier indes die Vorfrage nach der Etablierung dieses originären Rechts gestellt wird. Stattdessen richtet sich der Blick auf die generell-abstrakte Festlegung des Inhalts und der Schranken des Eigentums gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Auch insoweit lassen sich verschiedene Stufen von Bindung und etwaiger Verpflichtung ausmachen, die wiederum damit zusammenhängen, inwieweit bereits eine gesetzliche Regelung des Eigentums gegeben ist und wie intensiv die darauf basierenden individuellen Rechte durch eine Neuregelung betroffen sind. Hierbei
158 BVerfGE 21, 73, 82 (1966); BVerfGE 21, 150, 155 (1967); BVerfGE 25, 112, 117 (1969); BVerfGE 26, 215, 222 (1969); BVerfGE 31, 229, 240, (1971); BVerfGE 31, 248, 252 (1971); BVerfGE 37, 132, 140 (1974); entsprechend für das Erbrecht BVerfGE 67, 329, 340 (1984); BVerfGE 95, 64, 84 (1996); BVerfGE 101, 239, 259 (1999); Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 GG Rn. 11 a.E. (spezifisch verfassungsrechtlicher Kern der Eigentumsgewährleistung); Kirchhof, in: Depenheuer, Eigentum, 19, 21 (Art. 14 GG nenne kein Grundrecht aus der Hand des Gesetzgebers, sondern erteile einen Regelungsauftrag); unklar Chlosta, Wesensgehalt, 28 (die Regelungskompetenz reiche bin in den innersten Kernbereich des gewährleisteten Rechts, und doch sei der Gesetzgeber nicht frei). 159 Siehe in Bezug auf das Erbrecht BVerfGE 91, 346, 360 (1994); BVerfGE 99, 341, 352 (1999); ähnlich Schwerdtfeger, Eigentumsgarantie, 18 f.; v. Brünneck, Eigentumsgarantie, 196 ff.; Nierhaus, AöR 116 (1991), 72, 99–101; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 14 GG Rn. 36; Mager, Einrichtungsgarantien, 183 ff., 458 (der Inhalt der Rechtsinstitutsgarantie des Eigentums sei enger als der Inhalt des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs); im Ergebnis auch Rittstieg, Eigentum, 403.
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müssen die gesetzliche Regelung des Eigentums sowie ihre verfassungsrechtliche Garantie auf einer Zeitachse gedacht werden. Dieser Zyklus beginnt mit der Phase vor der erstmaligen gesetzlichen Regelung bestimmter Rechtspositionen, umfasst das Inkrafttreten der einschlägigen Vorschriften, ihre nachträgliche Änderung und endet ggf. mit ihrer Aufhebung. a) Generelle Bestandsgarantie und Schutzpflichten Die hier als „generelle Bestandsgarantie“ bezeichnete Gewährleistung des Art. 14 GG betrifft die Situation, dass das einfache Recht bereits subjektive Vermögensrechte vorsieht, und diese Vorschriften mit Wirkung für bestehende Rechtspositionen eingeschränkt werden sollen. Wie bei der Enteignung wird also ein subjektives Vermögensrecht vorausgesetzt, nur dass der Eingriff nicht konkret-individuell erfolgt, sondern in generell-abstrakter Weise der Schutzbereich sämtlicher Rechte dieser Art reduziert wird bzw. die betreffenden Rechtsgrundlagen aufgehoben werden. Diese Schrankenbestimmung erfolgt auf einer Zeitachse gedacht also relativ spät. Praktisch relevant wird sie im Streit um die Verfassungsmäßigkeit von Übergangsregelungen, die existierende Vermögensrechte den neuen Schrankenbestimmungen unterwerfen160. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts schließt Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG solche nachträglichen Änderungen bestehender Rechte nicht aus. Aus der Eigentumsgarantie folge keine „Unantastbarkeit von Rechtspositionen für alle Zeiten“. Der Gesetzgeber stehe nicht vor der Alternative, die bestehenden Rechte entweder zu belassen oder zu enteignen161; auch eine vollständige Beseitigung kann verfassungsrechtlich zulässig sein162. Allerdings sind dabei verhältnismäßig enge Vorgaben zu beachten. Zunächst muss die Neuregelung unabhängig vom Eingriff in bestehende Rechtspositionen formell wirksam zustande gekommen sein und materiell dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechen sowie den rechtsstaatlichen Gleichheitsgrundsatz beachten. Maßstab hierfür ist die noch zu erläuternde „konkrete Institutsgarantie“, wonach es einen Grundbestand von Normen geben muss, damit man das betreffende Vermögensrecht noch als „Privateigentum“ bezeichnen kann163. Zusätzlich wird geprüft, ob die nachträgliche Einschränkung vorhandener Eigentumsrechte im Wege einer angemessenen und zumutbaren Überleitungsregelung erfolgt und durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist, die das Vertrauen auf den Fortbestand eines wohlerworbenen Rechts überwiegen. Dafür wird insbesondere das Interesse an einer einheitlichen
160 Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 GG Rn. 64 (besondere Pflicht zur Rücksichtnahme); Epping, Grundrechte, Rn. 415; allein auf diese Ebene abstellend Rassow, Schutzpflichten, 71 ff. 161 BVerfGE 31, 275, 284 f. (1971); BVerfGE 36, 281, 293 (1974); BVerfGE 42, 263, 294 f. (1976); BVerfGE 58, 300, 351 (1981); BVerfGE 70, 191, 201 (1985). 162 Im betreffenden Fall verneinend BVerfGE 16, 94, 118 (1963); BVerfGE 52, 1, 28 (1979); BVerfGE 78, 58; 83, 201; BVerfGE 83, 201, 212 (1991); Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 GG Rn. 57; Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 14 GG Rn. 632. 163 Dazu sogleich b.
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Rechtslage für die Zukunft in Betracht gezogen, das für sich gesehen freilich keinen ersatzlosen Entzug von Rechten rechtfertigt164. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG belässt dem Gesetzgeber in diesem späten Stadium des Eigentumszyklus also verhältnismäßig wenig Spielraum. Den engen Vorgaben zur abwehrenden Sicherung vorhandener Rechte entsprechen Pflichten zum aktiven Schutz dieses Eigentums, insbesondere im Hinblick auf seine verfahrensund materiellrechtliche Durchsetzung im Privatrechtsverkehr165. Auf dieser Basis anerkannt wurden Ansprüche des Berechtigten auf effektiven Rechtsschutz166 sowie auf Rückübertragung enteigneten Eigentums, das für die ursprünglich beabsichtigte öffentliche Aufgabe nicht benötigt wurde167. Ferner entnahm das Bundesverfassungsgericht den Art. 2 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG eine Verpflichtung des Gesetzgebers, das Versicherungsvertragsrecht so auszugestalten, dass Ansprüche aus Lebensversicherungsverträgen eigenständig und individuell durchgesetzt werden können, und erwirtschaftete Vermögenswerte bei der Anspruchsberechnung angemessene Berücksichtigung finden168. Insbesondere die letztgenannte Konstellation scheint bereits eine Verpflichtung zur Schaffung künftigen, bisher noch nicht kodifizierten Eigentums – mit anderen Worten ein originäres Zuordnungsgebot auszusprechen. Das ist jedoch nicht der Fall. Denn jene Schutzpflicht bezieht sich auf den dem Grunde nach bestehenden, sich stufenweise konkretisierenden Anspruch auf Auszahlung der privaten Lebensversicherung. Hierbei handelt es sich nicht nur um eine unverbindliche Chance, sondern um eine vertrags- und aufsichtsrechtlich konstituierte Rechtsposition, um „gesetzlich programmiertes werdendes Eigentum“169. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung dieses subjektiven Vermögensrechts verlangt eine gesetzliche Regelung, die es dem Berechtigten ermöglicht, auf sein Eigentum Einfluss zu nehmen und Eingriffe Dritter abzuwehren. Die Verpflichtung des Gesetzgebers beruht auf bestehendem Eigentum und damit dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. Folglich handelt es sich hier um die grundrechtliche Schutzpflicht in ihrer klassischen Ausprägung170: Greifen andere 164 Siehe BVerfGE 24, 367, 394 (1968); BVerfGE 31, 275, 289 ff. (1971) (den ersatzlosen Entzug von Rechten könne der Gedanke der Rechtseinheit nicht rechtfertigen); BVerfGE 36, 281, 293 ff. (1974); BVerfGE 58, 81, 120 (1981); BVerfGE 58, 300, 351 (1981); BVerfGE 72, 9, 22 f. (1986); BVerfGE 78, 58, 75 (1988); BVerfGE 79, 29, 46 (1988); BVerfGE 83, 201, 212 f. (1991); BVerfG NJW 2001, 1783, 1784; BGHZ 84, 223, 227 (1982); Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 14 GG Rn. 633; Böhmer, NJW 1988, 2561, 2566 mit Fn. 44. 165 BVerfGE 35, 348, 362 (1973). 166 BVerfGE 24, 367, 401 (1968); BVerfGE 35, 348, 361 f. (1973); BVerfGE 37, 132, 141 (1974) (verfassungskräftiger Anspruch auf effektiven Rechtsschutz); BVerfGE 45, 297, 322, 333 (1977) (Anspruch auf umfassende gerichtliche Prüfung); BVerfGE 46, 325, 334 (1977) (Pflicht, bei Eingriffen effektiven Rechtsschutz zu gewähren); dazu auch Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 14 GG Rn. 43 ff. (Eigentumsschutz durch Verfahren); Sieckmann, in: Berliner Kommentar, Art. 14 GG Rn. 81. 167 BVerfGE 38, 175, 181 (1974). 168 BVerfG NJW 2005, 2363, 2365 ff.; BVerfG NJW 2005, 2376, 2377 ff. 169 BVerfG NJW 2005, 2363, 2366 f. 170 Oben § 2 B I 2.
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Grundrechtsträger (hier das Versicherungsunternehmen) in den Schutzbereich eines Grundrechts ein, kann der Staat zu Maßnahmen aufgerufen sein, um derartige Beeinträchtigungen abzuwehren. Diese Verpflichtung ist aber an den Schutzbereich des jeweiligen Grundrechts gekoppelt: Wo die Verfassung dem Einzelnen keine Freiheitsräume und andere Interessen garantiert, gebietet sie dem Staat auch kein Einschreiten. Für Art. 14 GG bedeutet das nach den Erkenntnissen des vorangegangenen Abschnitts, dass zunächst einmal ein subjektives Vermögensrecht in der einfachen Rechtsordnung gegeben sein muss, das dann ggf. vor Eingriffen anderer Privater zu sichern ist. Folglich kann auf dieser Basis kein Gebot zur erstmaligen Anerkennung verfassungsrechtlichen Eigentums im einfachen Recht und damit zugleich zur Eröffnung des Schutzbereichs von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG formuliert werden171. Hier wirkt sich der „tückische juristische Zirkel“ des normgeprägten und normabhängigen Eigentumsgrundrechts aus. Wäre sein objektivrechtlicher Gehalt auf die Sicherung und effektive Durchsetzung bestehender subjektiver Rechte beschränkt, müsste man konsequent davon ausgehen, dass die Gewährleistung des Eigentums keinen Anspruch auf Vermehrung privater Vermögensrechte vermitteln kann172. b) Konkrete Institutsgarantie Diese Schlussfolgerung greift jedoch zu kurz. Denn in den bereits erwähnten Entscheidungen zur Verfassungsmäßigkeit eigentumsregelnder Übergangsbestimmungen prüft das Bundesverfassungsgericht in einem ersten Schritt ganz generell und losgelöst von der Einschränkung konkreter Rechtspositionen, ob die Ausgestaltung des Inhalts künftiger Vermögensrechte verfassungskonform ist173. Was damit gemeint ist, sei am Beispiel einer Änderung des Urheberrechts verdeutlicht. Möchte der Gesetzgeber eine neue oder erweiterte „Schranke“ des Urheberrechts kodifizieren174, so kann er anordnen, dass die Neuregelung nur für persönliche geistige Schöpfungen gelten soll, die nach Inkrafttreten der Novellierung kreiert werden. Das subjektive Urheberrecht an diesen neuen Immaterialgütern entsteht dann von vornherein mit einem geringeren Schutzbereich als die Rechte an alten Werken. Es wird also weder ein vorbestehendes Recht enteignet noch ist die „generelle Bestandsgarantie“ der früheren Urheberrechte tangiert. Dennoch prüft das Bundesverfassungsgericht, ob die Gesetzesänderung mit Art. 14 GG im Einklang steht. Sie muss formell und materiell verfassungsmäßig sein, also namentlich eine verhältnismäßige Regelung darstellen und den rechts-
171
Siehe Schoch, Jura 1989, 113, 118; Gellermann, Grundrechte, 121. So VG Köln MMR 2003, 61, 64 (für Frequenznutzungsrechte). 173 Siehe BVerfGE 24, 367, 392–394 (1968); BVerfGE 31, 270, 274 f. (1971); BVerfGE 31, 275, 281 ff. (1971); BVerfGE 36, 281, 292 (1974) (Immaterialgüterrechte); BVerfGE 58, 81, 110 ff. (1981) (Ausgestaltung und Überführung subjektiv öffentlicher Rechte); BVerfGE 58, 300, 336 ff. (1981) (künftige Nutzung des Sacheigentums); Epping, Grundrechte, Rn. 414. 174 Siehe die §§ 44a ff. UrhG. 172
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staatlichen Gleichheitsgrundsatz wahren175. Aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG entnimmt das Gericht die Vorgabe, die generelle Zuordnungsentscheidung bzw. der Kernbereich des subjektiven Vermögensrechts dürfe nicht ausgehöhlt werden. Es müsse auch in Zukunft ein Grundbestand von Normen beibehalten werden, der die Bezeichnung „Privateigentum“ verdient176. Damit entfaltet einmal anerkanntes Eigentum an einer bestimmten Kategorie von Gütern Vorwirkungen in die Zukunft. Der Gesetzgeber wird an seiner Wertentscheidung und dem damit geschaffenen Vertrauenstatbestand festgehalten177. Unabhängig von einer Beeinträchtigung konkreter Vermögensrechte hat die objektive Eigentumsordnung einen bestimmten Inhalt aufzuweisen, um Art. 14 zu genügen178. Wegen der Abkopplung vom einfachen Recht wird diese Stufe der grundgesetzlichen Bindung als „Institutsgarantie“ bezeichnet. „Konkret“ ist sie aber immerhin insoweit, als für das betreffende Gut bereits eine legislative Zuordnungsentscheidung vorliegt. Schon hieran fehlt es bei „neuen“ Gütern, an denen nach den bisherigen Ergebnissen kein subjektiv-ausschließliches Recht besteht, das sich für den Schutzbereich des Art. 14 GG qualifiziert. Daher vermag auch die „konkrete Institutsgarantie“ kein Zuordnungsgebot für die hier interessierende Phase vor der erstmaligen Anerkennung subjektiver Vermögensrechte zu tragen. c) Abstrakte Institutsgarantie Die Institutsgarantie des Art. 14 GG verpflichtet den Gesetzgeber indes nicht nur zu einer konsistenten Fortschreibung der Eigentumsordnung. Vielmehr ist der Gesetzgeber nach Maßgabe der „abstrakten Institutsgarantie“ ganz allgemein gehalten, das „Privateigentum als Rechtsinstitut“ zu gewährleisten179. Damit ist nicht die Garantie einer bestimmten Zuordnung gemeint, sondern das Eigentum „im weitesten Sinn als Rechtseinrichtung“180. Dahinter steht die verfassungsrechtliche Grundaussage, dass private Güter durch privatnützige und übertragbare subjektive Vermögensrechte zu- und verteilt werden müssen, während etwa 175 Ständige Rechtsprechung, siehe z.B. BVerfGE 14, 263, 278 (1962); BVerfGE 26, 215, 228 (1969); BVerfGE 31, 212, 221 (1971) (Willkürverbot); BVerfGE 34, 139, 146 (1972); BVerfGE 36, 281, 292 (1974); BVerfGE 51, 193, 207 (1979) – Weingesetz I; BVerfGE 58, 81, 120 f. (1981); BVerfGE 58, 137, 147 ff. (1981); BVerfGE 101, 239, 259 (1999). 176 BVerfGE 31, 229, 241 (1971); BVerfGE 68, 361, 368 (1985); BVerfGE 91, 294, 308 (1994). 177 Siehe BVerfGE 36, 281, 290 ff. (1974) (Neuregelung des Akteneinsichtsrechts im Patentrecht). 178 Zur Unterscheidung zwischen genereller Bestandsgarantie und konkreter Institutsgarantie Lübbe-Wolf, Eingriffsabwehrrechte, 133 ff.; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 252; unzutreffend mit Blick auf diese Konstellation daher Ehlers, VVDStRL 51 (1991), 211, 225 (Schrankenbestimmung als Eingriff in bestehende Position). 179 Siehe in diesem Sinne BVerfGE 14, 263, 278 (1962); BVerfGE 18, 121, 132 (1964); BVerfGE 20, 351, 355 (1966); BVerfGE 24, 367, 389 (1968) („das Privateigentum als Rechtsinstitut“); BVerfGE 31, 270, 273 (1971); Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 GG Rn. 32 m.w.N. („institutionelle[r] Gehalt … unterschiedlicher Eigentumsrechte“). 180 BGHZ (GS) 6, 270, 278 (1952) (Schutz des Eigentums).
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ein System zentralisierter staatlicher Güterwirtschaft mit Art. 14 GG unvereinbar wäre181. Diese „abstrakte Institutsgarantie“ erscheint für die hiesige Thematik besonders interessant, weil sie ganz losgelöst vom einfachen Recht ein Minimum an Eigentum verlangt182. Eine solche Wirkung wird normgeprägten Grundrechten seit langem zugebilligt183. Diese Lehre von den grundrechtlichen Institutsgarantien ist dabei zunächst scharf von der sog. „institutionellen Grundrechtstheorie“ abzugrenzen, die davon ausgeht, dass sämtliche Freiheitsbereiche der staatlichen Ausformung bedürfen, während die liberal-rechtsstaatliche Grundrechtstheorie insbesondere die allgemeine Handlungsfreiheit dem Staat vorausliegend denkt184. Bereits die Lehre von den Institutsgarantien zur Zeit der Weimarer Reichsverfassung (WRV) war denn auch nicht auf sachgeprägte Grundrechte, sondern auf Institute des objektiven Rechts wie das Eigentum und das Erbrecht bezogen, die die individuelle Freiheit flankieren und ihrer Verwirklichung dienen185. Mit ihr „heilten“ die Staatsrechtslehre und das Reichsgericht die eigentlich fehlende Bindungswirkung der Grundrechte der WRV186 zumindest insoweit, als sie davon ausgingen, dass 181 Zu qualitativen (Privatnützigkeit) und quantitativen (mehr Privat- als Staatseigentum) Kriterien auch Herzog, FS Zeidler II, 1415, 1425 f. 182 Siehe Gellermann, Grundrechte, 118 (grundrechtliches Gebot); Manssen, Privatrechtsgestaltung, 262 (Verpflichtung, Normen zur Verfügung zu stellen); Hauck, DB 1987, 1927, 1930; Böhmer, NJW 1988, 2561, 2563 (Regelungspflichten für den Gesetzgeber); Ehlers, VVDStRL 51 (1991), 211, 216 (strikt zu beachtendes Untermaßverbot); Fechner, Geistiges Eigentum, 215 (Verpflichtung unabhängig vom Schutzpflichtgedanken). 183 Siehe zu Einrichtungsgarantien Schmitt, Verfassungslehre, 171 (Garantie privatrechtlicher Rechtsinstitute im Unterschied zur „institutionellen Garantie bestimmter öffentlich-rechtlicher Organisationen); ders., Verfassungsrechtliche Aufsätze, 141, 152, 166 (die Garantie der persönlichen Freiheit sei von der Institutsgarantie zu unterscheiden und bedeute eine „Garantie eines überlieferten typischen Maßes gesetzlicher Normierung“); zum Grundgesetz Stern, in: HdbStR, § 109 Rn. 51; Waschull, Unternehmen, 335. Anders die Differenzierung bei Lübbe-Wolf, Eingriffsabwehrrechte, 128 f. (zu unterscheiden seien Rechtsinstitutsgarantien wie Art. 14 GG und verfassungsrechtliche Garantien sozialer Institutionen wie das private Schulwesen). 184 Siehe zu den verschiedenen Grundrechtstheorien Böckenförde, NJW 1974, 1529, 1530 ff. (liberale/bürgerlich rechtsstaatliche, institutionelle, Werttheorie der Grundrechte, demokratisch funktionelle, sozialstaatliche Grundrechtstheorie); Rupp, AöR 101 (1976), 161 ff.; Mager, Einrichtungsgarantien, 70 ff.; Schmitt, Verfassungsrechtliche Aufsätze, 141, 168 f. Zum Verteilungsprinzip freiheitlicher Ordnungen oben § 2 B II 2. 185 Böckenförde, NJW 1974, 1529, 1531; Schmitt, Verfassungslehre, 171 („Die persönliche Freiheit kann natürlich niemals eine Institution sein.“); zustimmend etwa Lübbe-Wolf, Eingriffsabwehrrechte, 128 mit Fn. 170, 130. Verfehlt daher die Vermengung und damit zugleich Kritik an der Lehre von den Institutsgarantien bei Waschull, Unternehmen, 337 ff. Zur Entwicklung der Lehre von den Einrichtungs- bzw. Institutsgarantien ausführlich Mager, Einrichtungsgarantien, 6 ff.; ferner Gellermann, Grundrechte, 114 f. 186 Allgemein nur etwa Schmitt, Verfassungsrechtliche Aufsätze, 141 ff. m.w.N. (paradoxes und im Ergebnis unmögliches Dilemma zwischen bedeutungslosem Programm und leerlaufendem Gesetz); zur Entwicklung der Rechtsprechung des RG zu den Grundrechten der WRV Hensel, FS 50 Jahre Reichsgericht I, 1 ff. Zur Eigentumsgarantie RGZ 111, 320, 326 f. (1925) (das Eigentum könne nicht nur gänzlich beseitigt werden, es gelte überhaupt nur mit den sich aus den Vorschriften des Art. 153 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 WRV ergebenden Beschränkungen); RGZ 116, 268, 270 f. (1927); ferner Wolff, FS Kahl, 3, 7; Böhmer, in: Nipperdey, Grundrechte, 250, 256 (Befugnis zur in-
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altbewährte Privatrechtseinrichtungen wie das Eigentum und das Erbrecht vom Gesetzgeber ohne Verfassungsänderung nicht aufgehoben oder in ihrem Gesamtcharakter grundlegend denaturiert werden durften187. Zwar behebt das Grundgesetz die Schwäche der WRV und erklärt die Grundrechte gegenüber allen staatlichen Gewalten zu unmittelbar geltendem Recht, das subjektive Abwehrrechte generiert188. Doch macht dieser Paradigmenwechsel die Lehre von den Institutsgarantien nicht überflüssig. Denn die generelle Bindungskraft ändert nichts daran, dass normgeprägte Schutzbereiche weiterhin der rechtlichen Konstituierung bedürfen189. Das gilt namentlich für Art. 14 GG, denn verfassungsrechtliches Eigentum setzt wie gezeigt subjektive Rechte im einfachen Recht voraus. Die Lehre von den Institutsgarantien macht den besonderen objektiv-rechtlichen Gehalt solcher Grundrechte transparent, die eine staatliche „Vorleistung“ benötigen und trotzdem auf Abwehr hoheitlicher Gewalt gerichtet sind190. Nur auf ihrer Grundlage können ein dem Gesetzgeber vollständig entzogener Wesensgehalt des Eigentums191 und ein Menschenrechtskern des Art. 14 GG192 formuliert werden. 187 haltlichen Ausgestaltung des Rechtsinstituts Eigentum im Einzelnen), 262 f. (gegen eine nicht begründbare „naturrechtliche“ Ableitung von Eigentum und Erbrecht); Apelt, Geschichte der WRV, 340 (im Sinne der bisherigen Rechtsauffassung sei die Ausgestaltung des Eigentums dem Gesetzgeber überlassen); ferner Eschenbach, Eigentum, 33 ff. 187 RGZ 111, 320, 326 f. (1925) (Beseitigung der Eigentumsgewähr durch Verfassungsänderung); Anschütz, Art. 153 WRV Anm. 5, Art. 154 Anm. 1; Böhmer, in: Nipperdey, Grundrechte, 250, 254 ff. (keine Sozialisierung von Eigentum und Erbrecht); Wolff, FS Kahl, 3, 5 f.; Schmitt, Verfassungsrechtliche Aufsätze, 141, 160 ff.; Apelt, Geschichte der WRV, 339 ff. Zum fehlenden Bestandsschutz gegen gezielte Eingriffe in bestehendes Eigentum Böhmer, NJW 1988, 2561, 2562 ff. 188 Art. 1 Abs. 3, 19 Abs. 2 GG, 79 Abs. 3 GG. 189 Zur Unterscheidung von „sachgeprägten“ Schutzbereichen nur Isensee, in: HdbStR, § 111 Rn. 51; Lübbe-Wolf, Eingriffsabwehrrechte, 127 ff.; Grzeszick, ZUM 2007, 344, 348. 190 Mager, Einrichtungsgarantien, 175; Gellermann, Grundrechte, 121; Lübbe-Wolf, Eingriffsabwehrrechte, 131 f. (das Institut dürfe nicht als solches vernichtet oder denaturiert werden); Stern, in: HdbStR, § 109 Rn. 54; zur Wissenschaftsfreiheit BVerfGE 35, 79, 115 (1973). Für überflüssig gehalten wird die Lehre von der Institutsgarantie von Waschull, Unternehmen, 338 ff. m.w.N. 191 BVerfGE 58, 300, 348 (1981) (würden die Grenzen der Instituts- und Bestandsgarantie des Art. 14 GG eingehalten, könne kein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 2 GG vorliegen); Schwerdtfeger, Eigentumsgarantie, 20; Schulte, Art. 14 GG, 16; Krüger, FS Schack, 71, 74; Rittner, FS Schilling, 363, 366; Badura, FS Maunz, 1, 14; Herzog, FS Zeidler II, 1415, 1423 ff.; Nierhaus, AöR 116 (1991), 72, 107 f.; Fechner, Geistiges Eigentum, 218; Berkemann, in: Umbach/Clemens, Art. 14 GG Rn. 296 (Art. 19 Abs. 2 GG habe keine eigenständige Bedeutung); Leisner, in: HdbStR, § 149 Rn. 21; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 GG Rn. 32; Krebs, in: v. Münch/Kunig, Art. 19 GG Rn. 23; Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 19 GG Rn. 72; Sachs, Grundrechte, 443; Kimminich, in: BK, Art. 14 GG Rn. 124; Hammann, Eigentum in der Zeit, 14; insoweit zutreffend Lindner, Grundrechtsdogmatik, 310; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 GG Rn. 224. Den Wesensgehalt auf den individuellen Bestandsschutz bestehender Rechte beziehend noch BGHZ (GS) 6, 270, 279 (1952); BGHZ 30, 338, 340 (1959); in diesem Sinne wohl auch BVerfGE 15, 126, 144 (1962). 192 Zum Menschenrechtsgehalt als dem garantierten Wesensgehalt der Grundrechte Dürig, ZgS 109 (1953), 326, 329; Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 14 GG Rn. 336; Berkemann, in: Umbach/Clemens, Art. 14 GG Rn. 35 (Möglichkeit der eigenbestimmten Selbstverwirklichung); Di
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Besonders augenfällig wird die Bedeutung der Institutsgarantie, wenn es darum geht, etwaige Verpflichtungen des Staates zum aktiven Tun aus der objektivrechtlichen Dimension von Grundrechten herzuleiten193. Sachgeprägte Grundrechte generieren herkömmliche Schutzpflichten des Staates aus ihrem Schutzbereich. Zum Beispiel hängt die Entstehung menschlichen Lebens und damit der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 GG nicht von staatlicher Aktivität ab. Das Grundgesetz kann sich daher darauf beschränken, den Staat von Eingriffen abzuhalten (klassische Abwehrkonstellation) und ihn im Einzelfall zu verpflichten, das Leben eines Grundrechtsträgers vor Bedrohungen durch andere Bürger zu bewahren194. Diese beiden Effekte genügen für die Eigentumsgarantie nicht. Auch sie schützt den Eigentümer vor Eingriffen des Staates und macht Vorgaben zur Ausgestaltung bestehender subjektiver Vermögensrechte (siehe oben). Wenn aber im einfachen Gesetz noch kein subjektives Privatrecht niedergelegt ist, besteht kein verfassungsrechtliches Eigentum und damit kein Schutzbereich, den der Staat zu achten und ggf. zur Geltung zu bringen hat. Diese Phase, in der die rechtlichen Grundvoraussetzungen für den Schutzbereich (noch) nicht geschaffen sind, kommt nur bei Grundrechten wie Art. 14 GG vor, die von einfachgesetzlicher Ausgestaltung abhängig sind. Hier ruft der Bürger nicht nach Durchsetzung eines der Lebenswelt entnommenen Rechtsguts im Verhältnis zu Dritten, sondern zunächst einmal nach gesetzgeberischer Vorleistung, um überhaupt eine individuelle Rechtsposition gegenüber anderen Privaten zu erlangen, die dann unter Art. 14 GG fällt. Dass das Grundgesetz die Legislative zur aktiven Sicherung bestehender Schutzbereiche sowie zur vorausliegenden Einrichtung normgeprägter Schutzbereiche verpflichtet, wird durch die Unterscheidung von Schutzpflichten und Institutsgarantie zum Ausdruck gebracht195. Festzuhalten ist, dass sich ein Gebot der Zuordnung „neuer“ Güter, an denen zu einem bestimmten Zeitpunkt keine subjektiven Vermögensrechte bestehen, allenfalls aus der „abstrakten“, vom einfachen Recht abgekoppelten Garantie des Rechtsinstituts Eigentum ergeben kann. Im Folgenden gilt es, die materiellen und formellen Voraussetzungen herauszuarbeiten, die gegeben sein müssen, um Art. 14 GG eine solche Vorgabe zu entnehmen. Denn umfassend kann die vom Grundgesetz ausgesprochene Verpflichtung in Anbetracht der ausdrückli-
193 Fabio, JZ 2004, 1, 6 („sich seines rechtmäßig erworbenen Eigentums sicher sein zu können“); a.A. Hösch, Eigentum und Freiheit, 149 (kontingentes Eigentum, das sich nur an menschenrechtlichen Kriterien orientiert). 193 Zum Unterschied zwischen Schutzpflicht und Institutsgarantie auch Isensee, in: HdbStR, § 111 Rn. 136; Gellermann, Grundrechte, 113 f., 117 ff.; in Bezug auf die Gewährleistung der Lebensordnungen von Ehe und Familie BVerfGE 6, 55, 72 (1957). 194 Oben § 2 B I 2. 195 Ohne diese Differenzierung etwa Depenheuer, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 109, 153 f.; ders., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 GG Rn. 96; wie hier wohl Berkemann, in: Umbach/Clemens, Art. 14 GG Rn. 223 (die Schutzpflicht werde „mittelbar“ durch die Institutsgarantie erfüllt).
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chen Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG wiederum auch nicht sein.
II. Pflicht zur Schaffung verfassungsrechtlichen Eigentums 1. Materielle Voraussetzungen a) Grundlagen Die Wahrung des gesetzgeberischen Spielraums bei der Ausgestaltung der Eigentumsordnung dürfte in der Tat ein wesentlicher Grund dafür sein, dass – soweit ersichtlich – bisher keine verfassungsgerichtliche Entscheidung ein „Recht auf Eigentum“ unmittelbar aus Art. 14 GG abgeleitet hat196. Hinzu kommt, dass die materielle Güterordnung kaum massive Lücken aufweist, weil das Privatrecht an vielen Gütern Ausschließlichkeitsrechte vorsieht und es den Privatrechtssubjekten zudem anheimstellt, relative Rechte privatautonom zu begründen197. Mehrere Zuordnungsbegehren unter Berufung auf die Eigentumsgarantie sind abschlägig beschieden worden. Die Bestandsgarantie des vermögensrechtlichen status quo gebe keinen Anspruch darauf, über den vom objektiven Recht geschützten Bereich hinauszugreifen und weitere Güter oder Nutzungen zuzuweisen198. Konkret abgelehnt wurde ein Zuordnungsgebot für Deichgrundstücke199, das Grundwasser200 sowie für Warenzeichen jenseits der gesetzlichen Grundlagen201. Ebenso wenig hat der Inhaber einer eingetragenen Marke einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Zuteilung einer bestimmten Telefonnummer202. Umgekehrt ginge es wiederum zu weit, diesen Entscheidungen eine ausnahmslose Absage an ein Zuordnungsgebot aus Art. 14 GG zu unterstellen. 196 Siehe Dürig, FS Nawiasky, 157, 175 (es wäre ein „schwarzer Tag der Zivilrechtsprechung, wenn der ersten actio negatoria oder rei vindicatio gestützt auf Art. 14 GG stattgegeben würde“ (Hervorh. im Original)); Herzog, FS Zeidler II, 1415, 1422; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 GG Rn. 41 (Art. 14 GG spiele in der Drittwirkungsproblematik nur auf Seiten des durch die Erfüllung einer Schutzpflicht belasteten Privaten eine Rolle); Leisner, in: HdbStR, § 149 Rn. 6 (in Bezug auf Bestrebungen, ein Recht der Allgemeinheit auf Zugang zu den materiellen Lebensgrundlagen anzuerkennen). 197 Für die immateriellen Güter Maunz, GRUR 1973, 107, 108; Rassow, Schutzpflichten, 168; Fechner, Geistiges Eigentum, 215 (gegenwärtig dürfe der Gesetzgeber den Anforderungen Genüge getan haben); Raiser, Grundgesetz und Privatrechtsordnung, 26; Herzog, FS Zeidler II, 1415, 1422; Leisner, in: HdbStR, § 149 Rn. 14 (kaum eigenständige Bedeutung der Institutsgarantie). Zur privatautonomen Begründung relativer Rechte unten § 14 B I. 198 BVerfGE 58, 300, 352 f. (1981); ferner BVerfG NJW 1998, 3264, 3265 (keine Entschädigungspflicht für allgemeine Waldschäden wegen Luftverschmutzung, weil der Kernbereich des Eigentums am Wald noch nicht tangiert sei); zu subjektiven öffentlichen Rechten BVerfGE 100, 1, 39 (1999); BVerfGE 112, 368, 400 (2005). 199 BVerfGE 24, 367, 389 (1968). 200 BVerfGE 58, 300, 339 (1981). Zur Unverfügbarkeit von Naturgütern Kube, Eigentum an Naturgütern, passim und zusammenfassend 202. 201 BVerfGE 51, 193, 217 f. (1979) – Weingesetz I. 202 BVerwG ZUM 2004, 408, 410.
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Denn obwohl Art. 14 GG dem Gesetzgeber keinen expliziten Regelungsauftrag erteilt203, verlangt die abstrakte Institutsgarantie wie gezeigt, dass es Privateigentum als allgemeines Ordnungsinstrument zu geben hat. Wenn der Staat subjektive Vermögensrechte ggf. nicht aufheben darf (negativer Gehalt der Institutsgarantie), kann sich umgekehrt die Situation ergeben, dass diese rechtliche Voraussetzung zur Ausübung individueller Freiheit in Bezug auf „neue“ Güter unzulässigerweise fehlt und deshalb erstmals geschaffen werden muss204. Im Hinblick auf das Urheber- und Patentrecht scheint das Bundesverfassungsgericht von einer solchen Zuordnungspflicht auszugehen. So gebiete Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG „als Institutsgarantie die Zuordnung der wirtschaftlichen Verwertungsbefugnisse an den Werkschöpfer“205. Auch der Erfinder habe einen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf, dass ihm der wirtschaftliche Nutzen seiner Arbeit zugeordnet wird206. Da das einfache Recht im Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung bereits ausschließliche Rechte des Urhebers und Erfinders enthielt207, lässt sich diesen programmatischen Aussagen nicht entnehmen, welche Umstände bei vollständig fehlender privater Güterzuordnung gegeben sein müssen, um den in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG vorgesehenen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers auf Null zu reduzieren. 203 Anders noch § 163 Abs. 3 Paulskirchenverfassung, Art. 158 WRV für das „geistige Eigentum“ bzw. die „geistige Arbeit“ (oben Fn. 42). Ob Art. 17 Abs. 2 Charta eine entsprechende Schutzpflicht für europäische Institutionen zu entnehmen ist, erscheint zweifelhaft. Während die englische Fassung hierfür spricht, („Intellectual property shall be protected.“), entsprechen andere Sprachfassungen dem deutschen Wortlaut, wonach geistiges Eigentum einfach als „geschützt“ bezeichnet wird (siehe z.B. die französische Fassung „La propriété intellectuelle est protégée.“). Zu einem europarechtlichen Rechtsprinzip der Güterzuordnung oben Einleitung C II. 204 Mager, Einrichtungsgarantien, 393, 449; Gellermann, Grundrechte, 119 f.; zum „geistigen Eigentum“ Rassow, Schutzpflichten, 106 f. (Untermaßverbot). Auch Instrumente des Erbrechts müssen ggf. zur Verfügung gestellt und so der Schutzbereich des Art. 14 GG eröffnet werden; siehe BVerfGE 99, 341, 358 (1999) (Pflicht zur Schaffung einer Testiermöglichkeit für schreib- und sprechunfähige, aber geschäftsfähige Menschen); BVerfGE 112, 332, 348 (2005) (unentziehbare und bedarfsunabhängige Mindestbeteiligung der Kinder des Erblassers am Nachlass). 205 BVerfGE 51, 193, 217 (1979) – Weingesetz I; ferner BVerfGE 31, 229, 243 (1971); BVerfGE 31, 248, 252 (1971); BVerfGE 31, 255, 263 (1971) (Garantie des geistigen Eigentums); BVerfGE 31, 270, 274 (1971) („verfassungsrechtliche[s] Gebot, die Verwertungsbefugnis eines Werkes dem Urheber zuzuordnen“); BVerfGE 49, 382, 392 (1978) (der Gesetzgeber sei verpflichtet, das vermögenswerte Ergebnis der schöpferischen Leistung dem Urheber zuzuordnen und ihm die Freiheit einzuräumen, in eigener Verantwortung darüber verfügen zu können); BVerfGE 79, 29, 40 (1988); BVerfG NJW-RR 2005, 686, 687 („grundsätzliche Zuordnung der vermögenswerten Seite des Urheberrechts an den Urheber“); Nierhaus, AöR 116 (1991), 72, 101; Badura, FS Maunz, 1, 3; Wendt, in: Sachs, Art. 14 GG Rn. 63; zweifelnd mit Blick auf die Sonderregel des Art. 158 WRV zugunsten der Urheber, Erfinder und Künstler Wolff, FS Kahl, 3, 6; ausführlich zu den ideengeschichtlichen Hintergründen etwa Kirchhof, FS Zeidler II, 1639 ff. Anders die Begründung für das Zuordnungsgebot bei Herzog, FS Zeidler II, 1415, 1427 (Garantie von Forschung und Kunst gem. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG). 206 BVerfGE 36, 281, 290 f. (1974); BVerfG NJW 2001, 1783, 1785. 207 Oben § 5 II 1, 2.
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Diese Voraussetzungen sind denn auch wenig geklärt208. Nicht tragfähig ist nach dem bereits Ausgeführten jedenfalls die Behauptung einer vorgegebenen, natürlichen Eigentumsordnung209. Abzugrenzen ist ferner die aus Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete Garantie eines „menschenwürdigen Daseins“, die mit eigenständigem Gehalt neben der Gewährleistung des Eigentums steht und insbesondere über staatliche Fürsorge anstelle der Verleihung umlauffähiger, subjektiver Rechte verwirklicht werden kann210. Mangels sonstiger Anhaltspunkte im Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des Art. 14 GG ist das von der „abstrakten Institutsgarantie“ geforderte Minimum an Privateigentum vielmehr anhand der Funktion dieses Grundrechts im Kontext der verfassungsrechtlichen Wertordnung zu entwickeln211. Wie bereits erläutert, hat die Eigentumsgarantie den akzessorischen Zweck, ein eigenverantwortliches Leben im vermögensrechtlichen Bereich zu ermöglichen212. Hierauf muss auch die Institutsgarantie ausgerichtet sein. Kaum zum Ausdruck kommt das mit der gängigen Aussage, Art. 14 GG verbiete, solche Sachbereiche der Privatrechtsordnung zu entziehen, die zum elementaren Bestand grundrechtlich geschützter Betätigung in diesem Bereich gehören, so dass der garantierte Freiheitsbereich aufgehoben oder wesentlich geschmälert wird213. Hier bleibt nicht nur 208 Offengelassen von Dürig, ZgS 109 (1953), 326, 338; Leisner, in: HdbStR, § 149 Rn. 13 (die Institutsgarantie des Eigentums sei bisher nicht definiert); Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 14 GG Rn. 39 (Gehalt der Rechtsinstitutsgarantie „ziemlich offen“); Di Fabio, JZ 2004, 1, 2 mit Fn. 7 (es sei bislang nicht hinreichend klar, welchen Beitrag die Institutsgarantie zur Stärkung des Abwehrrechts leisten könne); Ohler, JZ 2006, 876, 877 (der Inhalt der Institutsgarantie sei bis heute zweifelhaft); viel zu weitgehend Rassow, Schutzpflichten, 106 (das Untermaßverbot sei verletzt, wenn die Interessen des Gestörten die des Störers deutlich überwiegen). 209 Das hat das Bundesverfassungsgericht gerade auch für das Urheberrecht betont, für das es ersichtlich von einem Zuordnungsgebot ausgeht; siehe BVerfGE 31, 270, 272 (1971); BVerfGE 31, 229, 241 (1971) (es gebe „keinen vorgegebenen und absoluten Begriff des Urheberrechts, wie die Rechtsgeschichte zeigt“); Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, 2131. 210 Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 91; Badura, HdbVerfR, § 10 Rn. 26 (kein Anspruch auf Verschaffung von Rechten, auch wenn sie zur Existenzsicherung erforderlich wären); a.A. Dürig, FS Apelt, 13, 24 (Garantie des Bestands von Gütern, die der Mensch braucht, um sich und seiner Familie ein menschenwürdiges Dasein zu sichern); Berkemann, in: Umbach/Clemens, Art. 14 GG Rn. 33. Zu Art. 1 Abs. 1 GG als Garantie eines menschenwürdigen Daseins nur etwa Robbers, in: Umbach/Clemens, Art. 1 GG Rn. 58 f. m.w.N. 211 Ebenso v. Brünneck, Eigentumsgarantie, 315 ff. (das Bundesverfassungsgericht habe nur die Freiheitsgarantie als Grund der Institutsgarantie akzeptiert); Kube, Eigentum an Naturgütern, 96; Badura, FS Maunz, 1, 14; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 GG Rn. 60; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 14 GG Rn. 34 (Pflicht zur Bereitstellung einer geeigneten Privatrechtsordnung); Epping, Grundrechte, Rn. 384 f.; Wendt, in: Sachs, Art. 14 GG Rn. 10, 12. Damit wird keiner grenzenlosen Funktionalisierung der Eigentumsgarantie das Wort geredet; dagegen mit Recht Leisner, in: HdbStR, § 149 Rn. 39 ff.; Badura, in: HdbVerfR, § 10 Rn. 2. 212 Siehe oben B I. 213 BVerfGE 24, 367, 389 (1968); BVerfGE 26, 215, 222 (1969); BVerfGE 31, 229, 241 (1971); BVerfGE 58, 300, 339 (1981). Aus der Literatur in diesem Sinne Maunz, GRUR 1973, 107, 108; Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 14 GG Rn. 336; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 14 GG Rn. 12; Depenheuer, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 109, 147; ähnlich Sachs, Grundrechte, 447 f. (der „Güterbestand“ müsse prinzipiell der pri-
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unklar, von welchem Freiheitsbereich die Rede ist, sondern die Formulierung ist überdies zirkulär, weil für den Mindestbestand an Eigentum wiederum auf „geschützte“ Bereiche verwiesen wird214. Damit verharrt die wohl herrschende Meinung noch in einer selbstreferentiellen Betrachtung des Eigentums, das es offenbar um seiner selbst willen zu geben hat. Richtigerweise ist die dienende Funktion des Eigentums dahingehend umzusetzen, dass die Rechtsordnung so viele subjektive Vermögensrechte zur Verfügung stellen muss, dass der Einzelne mit diesen Instrumenten in die Lage versetzt wird, sein Leben eigenverantwortlich zu gestalten, statt auf Almosen des Staates angewiesen zu sein215. Die persönliche Freiheit eines Lebens in Würde ist der übergeordnete verfassungsrechtliche Maßstab, an der sich eine Entscheidung über das Minimum an Eigentum und damit zugleich über ein Zuordnungsgebot aus Art. 14 GG orientiert216. Der eigenständige Beitrag der Eigentumsgarantie ist die Aussage, dass subjektive Privatrechte eben das vorzugsweise zu wählende Mittel zur Verwirklichung individueller Freiheit im vermögensrechtlichen Bereich sind. Dieser Ansatz entspricht der jüngeren Rechtsprechung des Bundes214 vaten Verfügungsmöglichkeit unterworfen werden); Böhmer, NJW 1988, 2561, 2563; Schoch, Jura 1989, 113, 117; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 GG Rn. 60; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 14 GG Rn. 4; Wendt, in: Sachs, Art. 14 GG Rn. 10; ders., Eigentum und Gesetzgebung, 189 („Kerninstitute und unverzichtbare Elemente eines wirksamen Schutzes materieller Güter“); Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, 2131 (unter Berücksichtigung der Früchte eigener Leistungen). 214 Kritisch auch Herzog, FS Zeidler II, 1415, 1422 („lapidare Feststellung“); Lindner, Grundrechtsdogmatik, 311 (vage). Dieses Defizit betraf bereits die Theorie der Institutsgarantie des Eigentums zur Zeit der WRV, so dass Schmitt, Verfassungsrechtliche Aufsätze, 141, 161 f., aus der Unklarheit ihres Inhalts folgern konnte, die Bedeutung der Institutsgarantie des Privateigentums könnte auch „vom extremsten Kommunismus“ akzeptiert werden. 215 Zutreffend in diesem Sinne bereits Raiser, AöR 78 (1952/53), 118, 119 („Der volle Schutz des Art. 14 besteht da, wo das Eigentum dazu dient, die Unabhängigkeit und freie Entfaltung der Einzelperson in ihrem privaten Lebensraum zu sichern.“ (Hervorh. im Original)); ferner Gellermann, Grundrechte, 118; Ehlers, VVDStRL 51 (1991), 211, 216 (Mindeststandard an Vermögensrechten); Fechner, Geistiges Eigentum, 445 (die wesentlichen Erträge sind zuzuordnen); Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 253, 255 (Regelungsdirektiven für die Frage, welche Güter zugeordnet werden sollen); Mager, Einrichtungsgarantien, 411 (gemeinsame Funktion aller Einrichtungsgarantien sei die Sicherung von Autonomie durch Gewährleistung von Rechtsmacht); Waschull, Unternehmen als verfassungsrechtliches Eigentum, 410 (Sicherung der wirtschaftlichen Existenz); Depenheuer, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 109, 141; Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 14 GG Rn. 81; Grzeszick, ZUM 2007, 344, 353; Schoch, Jura 1989, 113, 118; anschaulich Leisner, Eigentum, 3, 4 f. („Ein Staat, der dem Bürger das Eigentum nimmt oder beschränkt … ist ein großes Lager mit gleichen Schlafplätzen“); zur Entwicklung hin auf diesen alleinigen Aspekt Mager, Einrichtungsgarantien, 188; zu den ideengeschichtlichen Quellen dieser Sichtweise Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 81 f. (breite und tief verwurzelte Tradition). Generell ablehnend zur Idee der Institutsgarantie Hösch, Eigentum und Freiheit, 71 f. Nicht hingegen geht es hier um eine allgemeine Verhältnismäßigkeitsprüfung wie bei der konkreten Institutsgarantie; so aber Söllner, FS Traub, 367, 372. 216 Wie hier auf die Erhaltung eines Freiheitsspielraums abstellend Raiser, FS Baur, 105, 117; Dicke, EuGRZ 1982, 361, 365 ff.; Parlamentarischer Rat 5/I, 29 (Bergsträsser: „Die Grundrechte sind aus der Idee entstanden, die Einzelpersönlichkeit gegen den Staat abzugrenzen, also aus der Idee der Freiheit heraus.“).
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
verfassungsgerichts, das zum verfassungsrechtlichen Schutz des Urheberrechts formuliert: „Eigentum ist privatnützig auszugestalten und soll durch seine Nutzung dem Eigentümer eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung ermöglichen. Deshalb (Hervorh. v. Verf.) sind dem Urheber die vermögenswerten Ergebnisse seiner schöpferischen Leistung grundsätzlich zuzuordnen und mit der Freiheit zu verbinden, in eigener Verantwortung darüber verfügen zu können … Diese sich aus der Eigentumsgarantie ergebende Anforderung verpflichtet nicht nur den Gesetzgeber – dass er dieser Pflicht genügt hat, begegnet mit Blick u.a. auf die Bestimmungen des Urheber- und des Geschmacksmustergesetzes keinen grundlegenden Zweifeln –, an ihr muss auch die Gesetzesauslegung der Fachgerichte gemessen werden.“217.
Freilich scheint diese strikte Ausrichtung auf die akzessorische Funktion der Eigentumsgarantie gerade für „neue“ Güter in das Paradox der Eigentumsgarantie zurückzuführen. Denn wenn ein bestimmtes Lebensgut noch nie durch subjektive Rechte zugeordnet war, konnten diese Güter noch nicht Grundlage individueller Freiheit im vermögensrechtlichen Bereich sein, weil ihre Nutzung allen anderen Privatrechtssubjekten offenstand. Ein solch formalistisches, Art. 14 GG auf den status quo der Eigentumsordnung reduzierendes Verständnis vermag jedoch nicht zu überzeugen. Wie gezeigt, bindet Art. 1 Abs. 3 GG den Gesetzgeber bereits vor der erstmaligen Normierung subjektiver Rechte. Die Erfahrung lehrt, dass die technologische und gesellschaftliche Entwicklung „neue“ Güter hervorbringt, die für die persönliche Entfaltung im wirtschaftlichen Bereich von hervorragender Bedeutung sein können. Da es mit dem umfassenden Garantiegehalt der Grundrechte unvereinbar wäre, diese Bereiche von der verfassungsrechtlichen Gewährleistung eigenverantwortlichen, auf subjektiven Vermögensrechten basierenden Lebens auszunehmen, ist eine prospektive Einschätzung der Bedeutung des betreffenden Guts anzustellen. Ergibt diese, dass die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind, gebietet die abstrakte Institutsgarantie des Eigentums auch erstmalige Zuordnungen218. Ein Aspekt dieser vorausschauenden Beurteilung ist neuerlich das Leistungskriterium, das wie gezeigt bereits die Intensität des verfassungsrechtlichen Schutzes bestehender Privatrechte beeinflusst. Denn so wie auf eigener Arbeit beruhendes Eigentum ex post stärkeren Schutz genießt als sonstige Rechte, spricht ex ante mehr dafür, persönlich geschaffene Güter individuell zuzuordnen, denn hierbei handelt es sich um Ergebnisse eigenbestimmter Entfaltung. Diese Hand217
BVerfG NJW-RR 2005, 686, 687. Ahrens, Verwertung, 94; Gellermann, Grundrechte, 120 (Direktive für die Anerkennung vermögenswerter Güter, die das bisherige Recht nicht kenne), 382 f. (mit Hinweis auf die Möglichkeit, dass für vermögenswerte Güter noch kein unter Art. 14 GG fallendes Rechtsregime geschaffen wurde); Söllner, FS Traub, 367, 371 (neue Leistungen, die den bisher geschützten gleichwertig seien); Wendt, in: Sachs, Art. 14 GG Rn. 60 („funktionsbezogener“ Garantiegehalt im Unterschied zu einem „traditionsbezogenen“ Garantiegehalt). 218
§ 11 Die Eigentumsgarantie als Grundlage der Güterzuordnung
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lungsfreiheit im vermögensrechtlichen Bereich wird anerkannt und geschützt, wenn ihre Resultate unter Eigentumsschutz gestellt werden. Allerdings ist die eigene Leistung wiederum nicht um ihrer selbst willen zu respektieren, sondern sie ist ein Indiz unter mehreren, das einen bedeutsamen Bereich eigenverantwortlicher Lebensgestaltung signalisiert219. Zur Beantwortung der Frage, ob es sich um ein Gut handelt, das zur Ermöglichung eines vom Staat unabhängigen Auskommens zugeordnet werden muss, sind vielmehr sämtliche Umstände des Einzelfalls unter Einbeziehung eines etwa bestehenden „Normenschutzes“ und sonstiger Eigentumspositionen zu berücksichtigen; pauschale Aussagen losgelöst insbesondere vom konkret in Rede stehenden Gut lassen sich nicht treffen220. Dieses Differenzierungsgebot schließt auch eine Zuordnungspflicht aus Art. 14 i.V.m. Art. 3 GG aus, weil die Interessenlage im Hinblick auf jedes Gut unterschiedlich und somit ein sachlicher Grund gegeben ist, jede Eigentumsposition auf ein bestimmtes Objekt zu beziehen221. Die vorstehend entwickelten Tatbestandsvoraussetzungen für ein verfassungsrechtliches Eigentumsgebot dürften zunächst einige Güter betreffen, für die das einfache Recht bereits Ausschließlichkeitsrechte vorsieht. Das Bundesverfassungsgericht zählt hierzu offenbar persönliche geistige Schöpfungen im Bereich von Literatur, Wissenschaft und Kunst sowie technische Erfindungen222. Diese Garantien dürfen jedoch nicht vorschnell auf sämtliche Immaterialgüter verallgemeinert werden, deren Relevanz für die individuelle Entfaltung im vermögensrechtlichen Bereich jeweils gesondert zu beurteilen ist und ggf. gering sein kann223. Weitgehend unstreitig ist ein Zuordnungsgebot ferner für körperliche Gegenstände mit Ausnahme solcher Sachen, deren Vergesellschaftung Art. 15 GG ausdrücklich für zulässig erklärt und die wie Deichgrundstücke und das Grundwasser im Interesse überragender Gemeinwohlbelange nicht uneinge219 Ebenso Gellermann, Grundrechte, 112 (verfassungsrechtliche Direktiven, die sich an den Gesetzgeber richten); wohl auch Depenheuer, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 109, 142 (Rechtfertigung, aber keine rechtliche Bedingung des Eigentums); zu allgemein Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 259 (das wirtschaftliche Ergebnis privater „Leistung überhaupt“ müsse durch das Gesetz demjenigen zugeordnet werden, der dieses Ergebnis erzielt habe). 220 BVerfGE 50, 290, 348 (1979); zutreffend bereits Raiser, AöR 78 (1952/53), 118, 119; ferner Krüger, FS Schack, 71, 74; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 193. 221 Siehe BVerfGE 21, 73, 83 (1966) (aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Art. 3 GG folge keine Verpflichtung des Gesetzgebers, alle geldwerten Vermögensgüter den gleichen rechtlichen Grundsätzen zu unterwerfen); BVerfGE 31, 275, 286 f. (1971) (kein ewiges Urheberrecht analog zum Sacheigentum wegen gewichtiger Unterschiede zwischen den betroffenen Gütern); Fechner, Geistiges Eigentum, 229 (keine Gleichsetzung der verschiedenen Formen geistigen Eigentums). Zur analogen Anwendung normierter Ausschließlichkeitsrechte auf andere Güter ebenso oben § 5 C. 222 Nachweise oben Fn. 205, 206. 223 Zu undifferenziert daher Maunz, GRUR 1973, 107, 108; für ein vom Gesetzgeber zu erfüllendes Zuordnungsgebot hinsichtlich der Darbietung ausübender Künstler Grünberger, IIC 37 (2006), 277, 283 ff. Z.B. geht die EG-Kommission trotz der Schutzgarantie des Art. 17 Abs. 2 Charta (dazu oben Fn. 16) für das Datenbankherstellerrecht (§§ 87a ff. UrhG) ohne Weiteres von der legislativen Option einer Aufhebung dieses Ausschließlichkeitsrechts aus; siehe EG-Kommission, Evaluation of Directive 96/9/EC, 25.
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
schränkt privatnützig ausgestaltet werden dürfen224. In diesem Kontext zu erwähnen ist schließlich das Verbot „erdrosselnder“ sowie solcher steuerlicher Belastungen, die den wirtschaftlichen Erfolg des Einzelnen so grundlegend beeinträchtigen, dass er nicht mehr angemessen zum Ausdruck kommt225. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass aus der abstrakten Institutsgarantie des Eigentums gem. Art. 14 GG durchaus ein Gebot zur Gewährung subjektiv-ausschließlicher Privatrechte folgen kann, wenn sonst ein eigenverantwortliches Leben im vermögensrechtlichen Bereich unmöglich oder grundlegend beeinträchtigt ist. Dabei dürfen jedoch die materiellen Grenzen dieses verfassungsrechtlichen Zuordnungsgebots nicht außer Acht gelassen werden. Denn auch in diesem „frühen“ Stadium der Eigentumsgarantie verbietet sich ein einseitiger Blick auf die Interessen des Schutzsuchenden: b) Grenzen des Zuordnungsgebots Das Grundgesetz bindet den Gesetzgeber nicht nur gem. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG an die Gewährleistung des Eigentums und des Erbrechts. Zur verbindlichen Richtschnur bei der Erfüllung des Regelungsauftrags aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zählt auch die Sozialbindung des Eigentums gem. Abs. 2: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“226. Zum einen bestimmt diese Formel das Gemeinwohl als Grund und Grenze der Beschränkungen des Eigentums; andere Zwecke dürfen generell-abstrakte Schrankenregelungen nicht verfolgen227. Zum anderen erteilt das Grundgesetz 224 BVerfGE 102, 1, 21 (2000) (Privatgrundstück als wesentlicher Teil des Vermögens und Grundlage der privaten Lebensführung); Raiser, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 121, 128 (das „persönliche Eigentum“); Wendt, in: Sachs, Art. 14 GG Rn. 61; ders., Eigentum und Gesetzgebung, 195 (offenbar für das gesamte Sacheigentum gem. § 903 BGB); im Ergebnis, wenn auch mit abzulehnender Begründung anhand der Wesenszüge natürlich abgegrenzter Sachen Leisner, in: HdbStR, § 149 Rn. 67 f.; ebenso zur WRV bereits Wolff, FS Kahl, 3, 5 f. (nur durch verfassungsänderndes Reichsgesetz abzuschaffende Garantie des Sacheigentums und wegen der Sonderregel in Art. 158 WRV – mit Vorbehalten – des geistigen und gewerblichen Eigentums, während die übrigen privaten Vermögensrechte (z.B. Erbbaurecht und Rentenschuld) der Gestaltungshoheit des Gesetzgebers unterlägen); ebenso Schmitt, Verfassungsrechtliche Aufsätze, 141, 163 (die Institutsgarantie bleibe streng auf den Sacheigentumsbegriff beschränkt). 225 So BVerfGE 105, 17, 32 (2002); BVerfG NJW 2006, 1191, 1192 ff.; Kirchhof, in: Depenheuer, Eigentum, 19, 35 f.; Mager, Einrichtungsgarantien, 187; Graßhof, in: BK, Ergänzung zu Art. 14 GG zu Rn. 62. Auch insoweit gegen die Subsumtion des Vermögens unter Art. 14 GG Gellermann, Grundrechte, 108 (Verstoß gegen das Regelungsmodell des Art. 14 GG); Berkemann, in: Umbach/Clemens, Art. 14 GG Rn. 202. 226 Siehe Dürig, FS Nawiasky, 157, 172; Raiser, Grundgesetz und Privatrechtsordnung, 26; Böhmer, NJW 1988, 2561, 2572; Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 14 GG Rn. 306; Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 14 GG Rn. 581; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 299 ff.; Hösch, Eigentum und Freiheit, 202; Isensee, in: HdbStR, § 115 Rn. 170 (Art. 14 Abs. 2 GG als Prototyp einer Verfassungserwartung). Für eine unmittelbare Wirkung von Art. 14 Abs. 2 GG im Privatrechtsverhältnis hingegen Wolff/Raiser, Sachenrecht, 179; Kübler, AcP 159 (1960), 236, 252 ff.; hiergegen zu Recht BVerfGE 89, 1, 5 (1993); Böhmer, NJW 1988, 2561, 2573 (allein dem Gesetzgeber stehe die Befugnis zu, die Rechtsstellung des Eigentümers zu beschränken). 227 BVerfGE 79, 29, 40 f. (1988); BVerfGE 87, 114, 138 f. (1992).
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hiermit einer Eigentumsordnung die Absage, in der das Individualinteresse den unbedingten Vorrang vor den Interessen der Gemeinschaft hat228. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind die grundgesetzliche Gewährleistung des Eigentums und das Sozialgebot in ein ausgewogenes, nicht einseitig bevorzugendes bzw. benachteiligendes Verhältnis zu bringen, so dass ein sozial gebundenes Privateigentum als das von Art. 14 Abs. 1 und 2 vorgegebene Sozialmodell erreicht wird229. Je stärker das in Rede stehende Gut auf die Gemeinschaft bezogen ist, weil die Mitbürger auf die Nutzung des Gutes angewiesen sind, desto intensiver wirkt sich die Sozialbindung des Eigentums aus. Steht hingegen die Funktion des Eigentums als Element der Sicherung der persönlichen Freiheit im Vordergrund, genießt es besonders ausgeprägten Schutz230. Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben haben weitreichende Implikationen. Wenn nämlich Art. 14 GG gebietet, die sozialen Wirkungen des Eigentums stets mitzudenken, ist es verfehlt, die mit Ausschließlichkeitsrechten zwangsläufig verbundenen Einschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit aller anderen231 auszublenden und subjektiv ausschließliche Rechte zwischen dem Berechtigten und dem Gut zu konstruieren. Die Pflicht zur Achtung der Eigentümerbefugnisse trifft nicht jenes Objekt, sondern die ausgeschlossenen Mitbürger232. Nur wenn man die inhärente Drittgerichtetheit des Eigentums missachtet, kommt man des Weiteren dazu, ein „natürliches“ Zuordnungsgebot auf Eigenschaften des Gutes (Vermögenswert) oder bestimmte Interessen des Begünstigten (Leistung/Arbeit) zu stützen. Diese häufig im Zentrum der Diskussion um „neue“ Güter stehenden Gesichtspunkte gehen daher am Kern dessen vorbei, was Eigentum unter dem Grundgesetz ausmacht233. 228 BVerfGE 102, 1, 15 (2000). Aus der Entstehungsgeschichte in diesem Sinne Parlamentarischer Rat 5/I, 209 ff. 229 BGHZ (GS) 6, 270, 282 (1952); BVerfGE 18, 121, 132 (1964); BVerfGE 21, 150, 155 (1967); BVerfGE 25, 112, 117 f. (1969); BVerfGE 36, 281, 292 (1974); BVerfGE 37, 132, 140 (1974); BVerfGE 38, 348, 370 (1975); BVerfGE 49, 382, 394 (1978) (ausgewogener Schutz bei verfassungsrechtlichem Anspruch auf angemessene Nutzung der schöpferischen Leistung); BVerfGE 50, 290, 340 (1979); BVerfGE 52, 1, 29 (1979); BVerfGE 58, 137, 147 ff. (1981); BVerfGE 68, 361, 367 (1985); BVerfGE 70, 191, 200 (1985); BVerfGE 72, 66, 77 ff. (1986); BVerfGE 79, 29, 40 f. (1988); BVerfGE 79, 174, 198 ff. (1988); BVerfGE 100, 226, 240 ff. (1999); BVerfGE 101, 54, 75 (1999); BVerfGE 101, 239, 259 (1999); BVerfGE 104, 1, 11 (2001); BVerfGE 110, 1, 28 (2004); BVerfGE 112, 93, 109 (2004); BVerfG NJW 2006, 1191, 1193 f. Siehe Parlamentarischer Rat 5/I, 209 f. (über ein Abgehen vom „heiligen Eigentum“ brauche man nicht zu streiten). 230 Siehe z.B. BVerfGE 38, 348, 370 (1975); BVerfGE 42, 263, 294 ff. (1976); BVerfGE 50, 290, 340 (1979); BVerfGE 52, 1, 32 (1979); BVerfGE 53, 257, 292 (1980); BVerfGE 68, 361, 368 (1985); BVerfGE 70, 191, 201 (1985); BVerfGE 79, 292, 302 (1989); BVerfGE 95, 64, 84 (1996); BVerfGE 100, 226, 241 (1999); BVerfGE 101, 54, 75 (1999); BVerfGE 102, 1, 15 (2000); BVerfGE 104, 1, 8 f. (2001); Raiser, AöR 78 (1952/53), 118, 119; Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 14 GG Rn. 591 ff. 231 Oben Einleitung B III. 232 Zu den Folgerungen für ein Rechtsprinzip der Güterzuordnung unten § 12 C VI; aus rechtstheoretischer Sicht unten § 14 A I. 233 Dürig, ZgS 109 (1953), 326, 346 ff. (sehe man das Objekt des Ausschließlichkeitsrechts im Verhaltensollen anderer Personen, müssten Beschränkungen des Rechts von vornherein mitgedacht werden); Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, 2128; Gellermann, Grundrechte, 113 (sonst
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
Die Sozialbindung des Eigentums gem. Art. 14 Abs. 2 GG wirkt sich auf allen Ebenen des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes aus – auch auf die abstrakte Institutsgarantie und hieraus ggf. erwachsende Zuordnungsgebote. Insbesondere ist in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass nicht jedes Rechtsgut von Verfassungs wegen einer privatrechtlichen Herrschaft unterworfen sein muss234. Der Sacheigentümer hat keinen Anspruch auf Einräumung gerade derjenigen Nutzungsmöglichkeiten, die ihm den maximalen Vorteil versprechen235. Auch das grundsätzliche Zuordnungsgebot im Hinblick auf das Urheber- und Patentrecht erstreckt sich nicht auf „jede nur denkbare Verwertungsmöglichkeit“. Vielmehr hat der Gesetzgeber den Schutzbereich des Eigentums nach dem Sozialmodell des Grundgesetzes durch sachgemäße Maßstäbe festzulegen, so dass eine angemessene, wirtschaftlich sinnvolle Disposition und Nutzung ermöglicht wird236. Nimmt man die Gewährleistung des Eigentums als Rechtsinstitut, den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers und die soeben erläuterte Sozialbindung zusammen, so kann ein verfassungsrechtliches Gebot der Anerkennung subjektiv-ausschließlicher Rechte an „neuen“ Gütern allenfalls die folgenden Wirkungen entfalten: Da der Gesetzgeber in der Phase vor der erstmaligen Gewährung von Eigentum eine besonders weitreichende Entscheidungsbefugnis hat, besteht eine Zuordnungspflicht nur, wenn ohne ein privatnütziges und der Verfügung des Berechtigten unterliegendes Recht ein eigenverantwortliches Leben im vermögensrechtlichen Bereich unmöglich oder grundlegend beeinträchtigt ist. Dieser abstrakten Institutsgarantie ist jedoch nicht mehr als die grundsätzliche Entscheidung für ein subjektives Privatrecht zu entnehmen. Wie weit jenes im Einzelnen reicht, ist unter Beachtung der Belange der Allgemeinheit und unter
234 Ausblendung der verfassungsrechtlichen Vorgabe eines sozialgebundenen Eigentums); Depenheuer, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 109, 158 (daher könne es im Rechtsstaat kein „natürliches“ Eigentum geben); Chlosta, Wesensgehalt, 22; Hecker, Eigentum, 260 (Eigentum als „relationales Zuordnungsrecht“); Hösch, Eigentum und Freiheit, 120 f.; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 67; Gallwas, Grundrechte, Rn. 529 („Eigentum ist mithin von Haus aus drittgerichtet.“). 234 BVerfGE 58, 300, 339 (1981); BVerfGE 67, 329, 342 (1984) (keine Verpflichtung zum Ausbau des Pflichtteilsrechts); BVerfGE 81, 208, 220 (1990); Leisner, in: HdbStR, § 149 Rn. 82. 235 BVerfGE 58, 300, 345 (1981). 236 Für das Urheberrecht BVerfGE 31, 229, 241 (1971); BVerfGE 31, 270, 273 (1971) (angemessene Zuordnung der vermögenswerten Befugnisse); BVerfGE 31, 275, 286 f. (1971) (keine Pflicht zur Gewährung „ewiger“ ausschließlicher Urheber- und Leistungsschutzrechte); BVerfGE 49, 382, 403 (1978) (nicht für jede öffentliche Wiedergabe müsse ein Ausschließungsrecht eingeräumt werden); BVerfGE 77, 263, 271 f. (1987) (kein verfassungsrechtliches Gebot der Vergütungspflicht für das Auslegen von Zeitschriften in Geschäfts- und Praxisräumen); BVerfGE 79, 29, 44, 46 (1988) (kein Anspruch auf Zuordnung jedweden noch so geringen Ergebnisses der Werknutzung); BVerfGE 81, 12, 17 (1989) (für das verwandte Schutzrecht des Tonträgerherstellers); BVerfGE 81, 208, 220 (1990) (Rechte des ausübenden Künstlers); Maunz, GRUR 1973, 107, 110; Dürig, FS Nawiasky, 157, 181; Badura, FS Maunz, 1, 4 ff.; für das Patentrecht BVerfGE 36, 281, 290 f. (1974) (vor Patenterteilung kein Recht am Erfindungsgedanken); BVerfG NJW 2001, 1783, 1784 (keine Pflicht zum Schutz vor Konkurrenz nach Ablauf der Schutzfrist).
§ 11 Die Eigentumsgarantie als Grundlage der Güterzuordnung
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Vermeidung einer einseitigen Sicht auf den Berechtigten festzulegen. Auf dieser Stufe darf noch nicht im Schema eines vordefinierten Eigentums gedacht werden, das ausnahmsweise und rechtfertigungsbedürftig beschränkt wird, denn der Gesetzgeber ist eben nicht bloßer Vollzieher einer „natürlichen“ Eigentumsordnung. Diese vielfältigen Vorbehalte zeigen, dass ein häufig mit dürren Worten bejahtes Zuordnungsgebot aus Art. 14 GG keinesfalls ein Allheilmittel ist, um jede angebliche Lücke der privaten Güterordnung zu schließen. Insbesondere sind der Eigentumsgarantie keine konkreten Vorgaben zum Inhalt und zu den Schranken eines ungeschriebenen Ausschließlichkeitsrechts zu entnehmen, weil stets das betroffene Gut und seine Bedeutung für den Einzelnen und die Allgemeinheit zu berücksichtigen sind. Damit stößt der Verweis auf Art. 14 GG als Grundlage gerichtlich entwickelter Ausschließlichkeitsrechte auf erkennbare Grenzen, denn die Judikative ist auf nachvollziehbare Aussagen der Verfassung angewiesen, wenn sie unter Berufung hierauf den Regelungsplan der privatrechtlichen Güterordnung überschreiten will. Fehlen solche, steht ersichtlich die Kompetenzfrage im Raum. Bisher ist nur en passant bemerkt worden, dass es der Gesetzgeber ist, der ein etwaiges Zuordnungsgebot zu konkretisieren hat. Sollte sich das bestätigen, erübrigt sich eine nähere und ohnehin vom Gesamtinhalt der privaten Güterordnung abhängige Prüfung, ob die materiellen Voraussetzungen für eine Verpflichtung zur Gewährung subjektiver Ausschließlichkeitsrechte an „neuen“ Gütern wie Persönlichkeitsmerkmalen und Betriebsgeheimnissen gegeben sind237. Denn eine solche Pflicht wäre nicht an die Gerichte adressiert, die gem. Art. 20 Abs. 3 3. Alt., 97 Abs. 1 GG unverändert an die in den §§ 5 bis 10 herausgearbeitete privatrechtliche Güterordnung gebunden wären. 2. Kompetenz und Verfahren zur Umsetzung des Zuordnungsgebots Die formellen Voraussetzungen eines der Eigentumsgarantie entnommenen Zuordnungsgebots sind von den soeben erläuterten materiellen Anforderungen zu unterscheiden. Allein die Annahme, dass private Vermögensrechte zu etablieren sind, besagt noch nicht, welche staatliche Institution die erforderlichen Maßnahmen ergreifen darf238. Dieselbe Problematik stellt sich für die hier nicht unmittelbar einschlägigen grundrechtlichen Schutzpflichten. Ihnen kann ebenfalls nicht entnommen werden, welches hoheitliche Organ dazu berufen ist, den betroffenen Schutzbereich vor Eingriffen Privater zu bewahren239. Zwar wird unter Verweis auf den Grund-
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Siehe dazu unten § 13 B. Böhmer, NJW 1988, 2561, 2568 mit Fn. 51. 239 Wahl/Masing, JZ 1990, 553, 559; Klein, DVBl. 1994, 489, 494 (das jeweils zuständige Staatsorgan); Isensee, in: HdbStR, § 111 Rn. 148 (Aufgabe und Kompetenz müssten unterschieden werden); Gellermann, Grundrechte, 375 m.w.N. 238
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
satz der Gewaltenteilung und das demokratische Prinzip häufig die Legislative für zuständig erachtet, die wesentlichen Regelungen selbst zu treffen240. Eine gesetzliche Grundlage sei schon deshalb erforderlich, weil die Erfüllung der Schutzpflicht einen Eingriff jedenfalls in die allgemeine Handlungsfreiheit des privaten Störers bedeute241. Allerdings offenbart die Anerkennung des aPR in seinem von der Leserbrief-Entscheidung geprägten Gehalt, dass Schutzpflichten auch von der Judikative durch verfassungskonforme Auslegung und Fortbildung des Privatrechts verwirklicht werden242. Ob jene die verfassungsrechtlichen Vorgaben erfüllen dürfen, richtet sich nach der Kompetenzabgrenzung im Verhältnis zum Gesetzgeber gem. Art. 20 Abs. 3 3. Alt., 97 Abs. 1 GG243. Folglich lassen sich keine generalisierenden Aussagen treffen, wonach die Gerichte stets oder niemals zum Einschreiten befugt wären. Für den hier relevanten, objektiv-rechtlichen Gehalt der Eigentumsgarantie regelt das Grundgesetz die Zuständigkeit für die Erfüllung von Schutzpflichten und die Wahrung der abstrakten Institutsgarantie jedoch ausdrücklich. Denn gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG werden Inhalt und Schranken des Eigentums von den Gesetzen bestimmt. Ein etwas näherer Blick erweist, dass damit auf sämtlichen Ebenen des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes generell-abstrakte Regelungen und nicht individuell-konkrete Entscheidungen der Judikative gemeint sind, denen keine vergleichbare, über die Prozessparteien hinausreichende, allgemeine Gültigkeit und Bindung zukommt244. So darf eine Enteignung gem. Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Darin erkennt das Bundesverfassungsgericht eine ausdrückliche Kompetenzzuweisung an den parlamentarisch-demokratischen Gesetzgeber, dem es vorbehalten sei, die eine Enteignung legitimierenden Gemeinwohlaufgaben zu
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BVerfGE 39, 1, 44 (1975); BVerfG EuGRZ 1987, 353, 354; BVerfG NJW 1998, 3264, 3265; abweichende Meinungen BVerfGE 109, 190, 247 (2004) („allein“ Aufgabe des Gesetzgebers); Isensee, in: HdbStR, § 111 Rn. 153 ff. (Schutzpflicht enthalte einen Auftrag an den Gesetzgeber); Enders, in: Berliner Kommentar, vor Art. 1 GG Rn. 132; Gellermann, Grundrechte, 243. Aus dieser Ausrichtung der Schutzpflicht auf den Gesetzgeber folgt, dass die Schutzpflichtlehre von der Lehre der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte abzugrenzen ist, denn letztere zielt gerade darauf ab, die Grundrechte zwischen Privaten zur Entfaltung zu bringen; siehe Isensee, Symposium Salzwedel, 3, 7. 241 Isensee, Grundrecht auf Sicherheit, 42 ff.; Wahl/Masing, JZ 1990, 553, 559 ff. (Schutz in freiheitssichernden Formen); Preu, JZ 1990, 265, 266 ff.; Klein, DVBl. 1994, 489, 491. 242 Siehe BVerfGE 96, 56, 63 ff. (1997) (zur notwendigen Interessenabwägung auch der Gerichte); BVerfGE 103, 89, 100 (2001); BVerfG ZUM 2007, 380, 381; Isensee, in: HdbStR, § 111 Rn. 3; Enders, in: Berliner Kommentar, vor Art. 1 GG Rn. 64. 243 Zu den Grundlagen oben § 2 C. 244 Siehe oben Einleitung B IV; ferner insbesondere BVerfGE 68, 361, 373 (1985); BVerfGE 84, 212, 227 (1991); Fikentscher, Methode IV, 326 f. (Gesetz sei nur das materielle Recht, nicht auch das Richterrecht); a.A. ohne Begründung und mit insoweit unzutreffendem Verweis auf BVerfGE 31, 275, 283 (1971) Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 175 (mit dazu überdies widersprüchlicher Aussage a.a.O., 176).
§ 11 Die Eigentumsgarantie als Grundlage der Güterzuordnung
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definieren. Den Gerichten sei es verboten, sich diese Zuständigkeit etwa durch Anerkennung ungeschriebener Entschädigungsansprüche anzumaßen245. Auch Schrankenbestimmungen, die in bestehende Eigentumspositionen eingreifen, müssen nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts generell-abstrakte Regelungen darstellen, wenngleich Gesetze im materiellen Sinn genügen sollen246. Letztgenannte Erweiterung um z.B. auf Grundlage eines Parlamentsgesetzes beruhende Rechtsverordnungen spielt vor allen Dingen im öffentlichen Recht (Baurecht) eine Rolle, während im privatrechtlichen Kontext stets ein formelles Parlamentsgesetz erforderlich ist. Die Gerichte jedenfalls sind nicht befugt, die bestehende Eigentumsordnung auszugestalten. Sie dürfen nicht einmal ungeschriebene Entschädigungsansprüche anerkennen, um eine unverhältnismäßige, gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmung abzufedern; auch diese scheinbare Detailregelung habe der Gesetzgeber vorzunehmen, wenn er sich denn der Eigentumsordnung annimmt247. Wenn die Legislative aber bereits für nachträglich einschränkende Regelungen ausschließlich zuständig ist, dann erst recht für die hier interessierende, vorausliegende Bestimmung des Inhalts des Eigentums. Und tatsächlich ist in der Nassauskiesungs-Entscheidung zu lesen: „Der Gesetzgeber schafft … auf der Ebene des objektiven Rechts diejenigen Rechtssätze, die die Rechtsstellung des Eigentümers begründen und ausformen.“248. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es seine Sache, Inhalt und Schranken des sozialgebundenen Eigentums zu definieren, indem er die für den Rechtsverkehr und die Rechtsbeziehungen der Bürger untereinander maßgeblichen Vorschriften kodifiziert249. Das gilt insbesondere für Regelungen, die der Erfüllung von Schutz245 BVerfGE 4, 219, 234 (1955); BVerfGE 56, 249, 261 (1981); Böhmer, NJW 1988, 2561, 2565; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 14 GG Rn. 81; a.A. Sass, Entschädigungserfordernis, 215 ff. (wenn die Norm dem Gesetzgeber das Risiko der Rechtsanwendung zuweise, müsse er auch das finanzielle Risiko nicht erfasster Eingriffe in das Eigentum tragen). Zu verfassungsrechtlichen Rechtsfortbildungsverboten allgemein Neuner, Rechtsfindung contra legem, 134 ff. (insbesondere zu Art. 103 Abs. 2 GG). 246 BVerfGE 8, 71, 79 (1958); BVerfGE 9, 338, 343 (1959); Ehlers, VVDStRL 51 (1991), 211, 224; Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 14 GG Rn. 339 ff.; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 14 GG Rn. 37 m.w.N.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 928 (die Ermächtigung der Verwaltung genüge); kritisch gegenüber einer weitgehenden Delegationsbefugnis Böhmer, NJW 1988, 2561, 2573; zurückhaltend auch Chlosta, Wesensgehalt, 38 (Inhalt, Zweck und Ausmaß exekutivischer Entscheidungen müssten sich auf formelle Gesetze rückführen lassen). Wie die h.M. zur WRV Anschütz, Art. 153 WRV Anm. 4 m.w.N. 247 BVerfGE 100, 226, 245 (1999); offengelassen noch in BVerfG NJW 1998, 3264 („Dies dürfte mit Blick auf Art. 14 I 2 GG fraglich sein.“); ferner Depenheuer, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 109, 208 f. (Gesetzmäßigkeitsprinzip); Böhmer, NJW 1988, 2561, 2565 f.; Ehlers, VVDStRL 51 (1991), 211, 232 ff.; Papier, DVBl. 2000, 1398, 1403. 248 BVerfGE 58, 300, 330 (1981) (Hervorh. v. Verf.); Böhmer, NJW 1988, 2561, 2572; Schoch, Jura 1989, 113, 117; Wahl, FS Redeker, 245, 248 f.; Kirchhof, in: Depenheuer, Eigentum, 19, 21. 249 BVerfGE 15, 126, 143 (1962) (der Gesetzgeber bestimme, welche Leistungen zu Eigentumspositionen werden); von einer dem Gesetzgeber gem. Art. 14 Abs. 1 GG „erteilten Ermächtigung“ spricht denn auch BVerfGE 18, 121, 132 (1964); auf den Gesetzgeber verweisen ferner BVerfGE 52, 1, 27 (1979); BVerfGE 53, 257, 292 (1980); BVerfGE 56, 249, 260 (1981); BVerfGE 58, 81, 109 f.
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
pflichten aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG dienen. So bleibe es der Gestaltungsfreiheit des parlamentarischen Gesetzgebers überlassen, wie er für eine effiziente Durchsetzung bestehender Eigentumspositionen sorgt; die Gerichte dürften dieser Aufgabe nur im Rahmen des einfachen Rechts nachkommen250. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die Judikative in der verfassungsrechtlichen Literatur als zuständiges Organ zur Schaffung des Privateigentums gar nicht in Betracht gezogen wird, auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer gewohnheitsrechtlichen Anerkennung ausschließlicher subjektiver Vermögensrechte251. Das gegenteilige Ergebnis würde auf eine unmittelbare Wirkung der Eigentumsgarantie im Privatrechtsverhältnis hinauslaufen, die von der ganz herrschenden Meinung generell abgelehnt wird252. Wenn Enteignungen, Schrankenbestimmungen samt ergänzender Entschädigungsregelungen und die vorangehende Festlegung des originären Inhalts des subjektiven Vermögensrechts der gesetzgeberischen Regelung bedürfen, dann kann für die Erfüllung eines Zuordnungsgebots aus der abstrakten Institutsgarantie – der am wenigsten determinierten Ebene der Eigentumsgarantie – nichts anderes gelten. Hierfür ist gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG ebenfalls die erste und nicht die dritte Gewalt zuständig253. 250 (1981); BVerfGE 58, 137, 146 (1981); BVerfGE 58, 300, 330, 335 (1981); BVerfGE 89, 1, 8 (1993); BVerfGE 95, 48, 58 (1996); BVerfGE 95, 143, 161 (1996); BVerfGE 100, 226, 245 (1999); BVerfGE 101, 54, 75 (1999); BVerfGE 110, 1, 24 (2004); BVerfG NJW 2006, 2613, 2614 („Der Gesetzgeber befindet darüber, unter welchen Voraussetzungen dem Bürger ein Recht zustehen und welchen Inhalt es haben soll.“). Aus der Literatur etwa Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, 2291 f.; Depenheuer, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 109, 208 f. (Gesetzmäßigkeitsprinzip); Kirchhof, Gesetzgebungsauftrag, 23 ff.; Böhmer, NJW 1988, 2561, 2563; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 GG Rn. 4, 50 (in allen Gesellschaften werde ausschließlich von der Rechtsordnung festgelegt, welche Objekte in welchen Grenzen „zu eigen“ sein könnten); Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 14 GG Rn. 7; Epping, Grundrechte, Rn. 393; Burghart, in: Leibholz/ Rinck, Art. 14 GG Rn. 571; Hubmann, FS Ulmer, 108, 115; Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 291; inzident Manssen, Privatrechtsgestaltung, 259 (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG richte sich zunächst an Exekutive und Judikative, denen der Bestandsschutz eben nicht obliege); zur WRV in diesem Sinne Wolff, FS Kahl, 3, 9. 250 Siehe BVerfG NJW 2005, 2363, 2375 f. 251 Siehe Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 928; Rassow, Schutzpflichten, 154 ff.; a.A. in Bezug auf Persönlichkeitsrechte Forkel, FS Neumayer, 229, 242; Jung, Vererblichkeit, 127; Lichtenstein, Persönlichkeitsrecht vor und nach dem Tode, 96 f. (mit insoweit unzutreffendem Verweis auf BVerfGE 31, 275, 283 und der Aussage, „die Rolle des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung des Eigentums“ könne „derzeit nicht befriedigend geklärt werden“). 252 Gellermann, Grundrechte, 105; Manssen, Privatrechtsgestaltung, 261 („Die Verfassung kann nicht bestimmen, an welchen Gegenständen es Eigentum gibt.“); allgemein oben § 2 B I 1. 253 Siehe BVerfGE 31, 229, 241 (1971) (zur notwendigen Ausgestaltung des Anspruchs des Urhebers auf Zuordnung des wirtschaftlichen Nutzens seiner Arbeit „im einzelnen“, die nicht jede denkbare Verwertungsmöglichkeit umfasse, sondern eine der Natur und sozialen Bedeutung des Rechts entsprechende Nutzung und angemessene Verwertung sicherstelle); BVerfGE 31, 270, 273 f. (1971) (zu den Anforderungen an den Gesetzgeber bei der Festlegung der Befugnisse und Pflichten, die den Inhalt des verfassungsrechtlich geschützten Rechts ausmachten); BVerfGE 31, 275, 287 (1971); BVerwG NJW 1991, 3293, 3296 (zur Ausgestaltung des Baurechts durch den Gesetzgeber und nicht durch die Gerichte); BVerfG NJW 2005, 2363, 2376; für eine Schutzpflicht aus
§ 11 Die Eigentumsgarantie als Grundlage der Güterzuordnung
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Diese Kompetenzverteilung wird nicht etwa dadurch in Frage gestellt, dass Privatrechtssubjekte rechtsgeschäftlich Forderungen begründen können, die anschließend den Schutz der Eigentumsgarantie genießen, weil sie dem Inhaber mit dem beschränkten Gehalt relativer Rechte privatnützig und zu seiner Verfügung zugeordnet sind254. Zum einen findet auch eine vorstaatlich gedachte private Autonomie zum Abschluss von Verträgen ihre Grenzen an gesetzlichen Vorschriften wie den §§ 134, 138, 305 ff. BGB. Folglich erzeugt nicht der Umstand zweier übereinstimmender Willenserklärungen die mit staatlicher Gewalt durchsetzbare Bindung des Schuldners, sondern erst die Anerkennung dieser Möglichkeit durch und im Rahmen der Gesetze255. Diese Erzwingbarkeit ist es aber, die eine Forderung von bloßen Chancen und Aussichten unterscheidet, die nicht unter Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG fallen. Zum anderen gestattet das für eine freiheitliche Privatrechtsordnung typische Konzept, wonach es den Bürgern grundsätzlich selbst überlassen ist, inwieweit sie sich relativen Verpflichtungen unterwerfen, nicht den Umkehrschluss, dass die Gerichte und nicht die Legislative für die Schaffung ausschließlicher Rechte zuständig wären. Denn derartige Eigentumspositionen richten sich gegen jedermann; sie können unstreitig nicht kraft Parteivereinbarung geschaffen werden. Schließlich wird die Privatautonomie noch in eine allgemeine Theorie der Güterzuordnung einzubinden sein, die diese Kompetenz der Privatrechtssubjekte in ein Verhältnis zur alleinigen Zuständigkeit der Legislative zur Schaffung von Ausschließlichkeitsrechten sowie zur durchaus bestehenden Befugnis der Gerichte setzt, das Deliktsrecht des BGB fortzubilden und auf diesem 254 Art. 12 GG BVerfGE 33, 303, 337 (1972); ferner Schorn, NJW 1973, 687, 688; Gallwas, Grundrechte, Rn. 530 f.; Berkemann, in: Umbach/Clemens, Art. 14 GG Rn. 223, 284 ff.; Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 253, 267; Ehlers, VVDStRL 51 (1991), 211, 214 mit Fn. 9 (lasse sich das geschriebene Recht nicht verfassungskonform auslegen, könne sich ein Recht auf Gesetzgebung ergeben; die ausfüllungsbedürftige Eigentumsgewährleistung stelle nicht selbst Rechtspositionen bereit); Wahl, FS Redeker, 245, 255 f. (kein Anspruch unmittelbar aus Art. 14 GG); Söllner, FS Traub, 367, 371 f. (Handlungsbedarf für den Gesetzgeber, kein individueller Anspruch aus Art. 14 Abs. 1 GG); im Ergebnis wohl auch Ahrens, Verwertung, 162; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 GG Rn. 42 (für eher sozialrechtlich motivierte Leistungsrechte aus Art. 14 GG); Epping, Grundrechte, Rn. 385 (der Gesetzgeber sei zur Schaffung des grundlegenden Normbestands gezwungen); Leisner, in: HdbStR, § 149 Rn. 14 (die Institutsgarantie betreffe die Gesetzgebung); Badura, FS Maunz, 1, 6, 10 (für das „geistige Eigentum“). Siehe ferner Art. 73 Abs. 1 Nr. 9 GG (ausschließliche Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers für den gewerblichen Rechtsschutz, das Urheber- und Verlagsrecht). 254 So aber Waschull, Unternehmen als verfassungsrechtliches Eigentum, 357 ff.; wie hier Gellermann, Grundrechte, 100 ff. 255 BVerfGE 89, 214, 231 f. (1993) (Privatautonomie „notwendigerweise auf staatliche Durchsetzung angewiesen“); Radbruch, Rechtsphilosophie, 246 (wie für das Eigentum, so behalte auch für den Vertrag die Legaltheorie, also die auf das Gesetz als Entstehungsgrund des Eigentums verweisende Theorie, recht); v. Tuhr, AT I, 140 (Forderungen beruhten auf einer Vorschrift der Rechtsordnung); Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, 81 (vertragliche Ansprüche als staatlich konstituierte Rechtspositionen); Canaris, AcP 184 (1984), 201, 218 f. m.w.N.; Gellermann, Grundrechte, 101 (Ansprüche würden gesetzlich verwirklicht); offengelassen von Mestmäcker, Recht und ökonomisches Gesetz, 399. Ferner unten § 14 B I.
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
Wege individuelle Interessen über den gesetzlichen Regelungsplan hinaus zu schützen256. Hier gilt es festzuhalten, dass Art. 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 2 GG die Ausgestaltung der Eigentumsordnung explizit dem parlamentarischen Gesetzgeber und nicht der Judikative zuweist. Hieraus folgt, dass die Gerichte die in den §§ 5 bis 10 dargelegte private Güterordnung nicht unter Berufung auf die abstrakte Garantie des Instituts Eigentum erweitern dürfen. Hält das Privatrecht im Hinblick auf ein bestimmtes Gut keine subjektiven Vermögensrechte bereit, sind die Gerichte hieran gebunden; entsprechende Begehren müssen sie abweisen. Schutzlos ist derjenige, der geltend macht, ohne Zuordnung sei ein eigenverantwortliches Leben im vermögensrechtlichen Bereich unmöglich oder grundlegend beeinträchtigt, deshalb nicht. Er müsste nach Erschöpfung des Rechtswegs im Wege der Verfassungsbeschwerde geltend machen, die Rechtsordnung gewährleiste nicht das Minimum an Eigentum, das die abstrakte Institutsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG verlangt. Freilich billigt das Bundesverfassungsgericht dem einzelnen Staatsbürger „grundsätzlich keinen gerichtlichen Anspruch auf ein Handeln des Gesetzgebers“ zu, weil sonst „eine vom Grundgesetz schwerlich gewollte Schwächung der gesetzgebenden Gewalt“ eintrete. Das Bundesverfassungsgericht sei keine gesetzgebende Körperschaft, die sich an die Stelle des Gesetzgebers setzen könne. Die Frage, ob ein Gesetz zu erlassen sei, hänge von wirtschaftlichen, politischen und weltanschaulichen Erwägungen ab, die nur in begrenztem Umfang richterlich überprüft werden könnten257. Konsequent beschränkt sich das Bundesverfassungsgericht in Schutzpflichtenkonstellationen auf die Feststellung, dass das einfache Recht in verfassungswidriger Weise lückenhaft ist, ohne den Mangel durch Aufstellung einer generell-abstrakten Norm selbst zu beheben258. Das Feststellungsurteil verpflichtet den für bürgerliches Recht und Wirtschaftsrecht zuständigen Bundesgesetzgeber (siehe Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 11 GG) ggf. unter Fristsetzung, den verfassungswidrigen Schwebezustand
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Siehe unten § 14 B sowie zum Deliktsrecht des BGB oben § 6 B V, E. BVerfGE 1, 97, 100 f. (1951); BVerfG EuGRZ 1987, 353 (Verfassungsbeschwerden gegen gesetzgeberisches Unterlassen seien nur dann zulässig, wenn sie sich auf einen ausdrücklichen Auftrag des Grundgesetzes berufen, der Inhalt und Umfang der Gesetzgebungspflicht im Wesentlichen bestimme); BVerfGE 89, 276, 286 (1993); BVerfG NJW 1998, 3264, 3265 (die Frage der Zulässigkeit von Verfassungsbeschwerden gegen gesetzgeberisches Unterlassen sei noch nicht entschieden, ihre Bejahung fraglich); Jellinek, System, 97; Stern, in: HdbStR, § 109 Rn. 63; Badura, HdbVerfR, § 10 Rn. 26 (kein Anspruch auf Verschaffung von Rechten); Waschull, Unternehmen als verfassungsrechtliches Eigentum, 353. Von einer Zulässigkeit von Verfassungsbeschwerden gegen ein gesetzgeberisches Unterlassen innerhalb der Fristen des § 93 BVerfGG geht aber offenbar aus BVerfGE 77, 170, 214 (1987). 258 Für eine Inhaltsbestimmung BVerfGE 52, 1, 40 (1979); für die Schaffung der Testiermöglichkeit für Schreib- und Sprechunfähige BVerfGE 99, 341, 358 (1999); für das Baurecht BVerwG NJW 1991, 3293, 3296; zustimmend Wahl, FS Redeker, 245, 254 ff. (allenfalls für die Übergangszeit eine vorläufige Regelung durch das BVerfG); allgemein BVerfGE 20, 162, 219 (1966); BVerfGE 81, 242, 263 (1990); BVerfGE 92, 26, 46 (1995); Gellermann, Grundrechte, 384 f.; Isensee, in: HdbStR, § 111 Rn. 156. 257
§ 11 Die Eigentumsgarantie als Grundlage der Güterzuordnung
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zu beseitigen und – im hiesigen Kontext – die erforderlichen Ausschließlichkeitsrechte zu normieren259. Eine vorläufige Zuordnungsregelung mit allgemeiner Gesetzeskraft darf selbst das Bundesverfassungsgericht gem. §§ 31, 35 BVerfGG allenfalls bei sonst drohenden, irreversiblen Schäden für den Grundrechtsträger erlassen260. Den ordentlichen Gerichten ist eine solche Notfallmaßnahme nach den dargestellten Kompetenzregelungen des Grundgesetzes auf jeden Fall verwehrt.
D. Zusammenfassende Stellungnahme I. Kein Zuordnungsgebot aus Art. 14 GG Die richterliche Anerkennung ungeschriebener Ausschließlichkeitsrechte an „neuen“ Gütern wird in der Literatur häufig mit einem Verweis auf Art. 14 GG gerechtfertigt, der die Anerkennung von Privateigentum namentlich an vermögenswerten, durch eigene Leistung geschaffenen Gütern verlange. Dieses Zuordnungsgebot sei ggf. von den ordentlichen Gerichten zu erfüllen, wenn sich die gesetzliche Güterordnung als lückenhaft erweise (dazu A). Die vorstehenden Ausführungen dienten der Überprüfung dieser Annahmen. Die Analyse des Schutzbereichs und der aus der Eigentumsgarantie folgenden Bindung der öffentlichen Gewalt unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat ergeben, dass Art. 14 GG die ordentlichen Gerichte in keinem Fall ermächtigt, über das in den §§ 5 bis 10 dargestellte System der privatrechtlichen Güterordnung hinaus subjektiv-ausschließliche Rechte an „neuen“ Gütern auszubilden261.
259 Heusch, in: Umbach/Clemens/Dollinger, § 31 BVerfGG Rn. 68 f.; Berkemann, in: Umbach/ Clemens, Art. 14 GG Rn. 376 m.w.N. 260 Siehe BVerfG BVerfGE 31, 1, 2 f. (1975) (Übergangsregelung für das Verbot der Abtreibung); BVerfGE 48, 127, 184 (1978) (Übergangsregelung für die Wehrdienstverweigerung); BVerfGE 88, 203, 209 ff., 334 ff. (Übergangsregelung für das Verbot der Abtreibung); BVerfGE 93, 37, 85 (1995); BVerfGE 93, 362, 372 (1995); BVerfGE 95, 37, 85 (1995) (größtmögliche Schonung des gesetzgeberischen Willens). Aus der Literatur Isensee, in: HdbStR, § 111 Rn. 156 m.w.N.; Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, Rn. 1357 f. (zulässige Übergangsregelungen wegen Entscheidungsverantwortung des BVerfG); Heusch, in: Umbach/Clemens/Dollinger, § 31 BverfGG Rn. 55; Roellecke, in: Umbach/Clemens/Dollinger, § 35 BVerfGG Rn. 16, 44 (das BVerfG müsse die verfassungsgerichtlichen Entscheidungen an die allgemeine Rechtsordnung anpassen können); in Ausnahmefällen unter den Voraussetzungen des § 32 BVerfGG auch Schneider, NJW 1994, 2590, 2593; Wahl, FS Redeker, 245, 256; Gellermann, Grundrechte, 384; ablehnend Pestalozza, Verfassungsprozessrecht, 265, 267 (Notnormregelungen seien keine „Vollstreckung“ i.S.d. § 35 BVerfGG). 261 Raiser, Grundgesetz und Privatrechtsordnung, 27 (die Eigentumsgarantie könne dem Privatrecht nicht die Entscheidung abnehmen, welche Vermögensgüter den hervorgehobenen Bestandsschutz verdienten).
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
1. Schutzbereich a) Ergebnisse Hiergegen spricht bereits der Schutzbereich der Eigentumsgarantie. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gewährleistet Rechtsbegriffe und keine Interessen oder Güter, die der Tatsachenwelt entnommen sind. Etwaige Zweifel an dieser Normprägung und Abhängigkeit vom einfachen Recht beseitigt Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, wonach Inhalt und Schranken des Eigentums und des Erbrechts durch die Gesetze bestimmt werden. Diese Regelung schließt nach der Entstehungsgeschichte und der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen dem Gesetzgeber vorgegebenen, absoluten Begriff des Eigentums aus. Verfassungsrechtliches Eigentum ist nur, was im grundgesetzexternen, objektiven Recht als solches vorgesehen ist. Setzt der Schutzbereich des Art. 14 GG aber im einfachen Recht niedergelegtes Eigentum voraus, kann dieser Schutzbereich nicht seinerseits die entsprechenden Rechtsquellen hervorbringen (dazu B II 1). Immerhin aber lassen sich Art. 14 GG – in auffälliger Parallele zu den güterzuordnungsrelevanten Auffangklauseln des Privatrechts – die allgemeinen Anforderungen entnehmen, die erfüllt sein müssen, damit eine Rechtsposition als verfassungsrechtliches Eigentum eingeordnet werden kann. Das Bundesverfassungsgericht verlangt in zutreffender Umsetzung der Normprägung von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG eine aus dem einfachen Recht ableitbare Zuordnung, die in ihrem rechtlichen Gehalt durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis gekennzeichnet ist. Diese formalen Voraussetzungen erfüllen nur subjektive relative und ausschließliche Rechte, weil nur sie in bestimmtem, ggf. eingeschränktem Umfang positive, übertragbare Befugnisse darstellen. Rechtspositionen auf der Basis des Deliktsrechts des BGB und des UWG werden vom Bundesverfassungsgericht hingegen als bloß reflexartiger „Normenschutz“ angesehen, der nicht Art. 14 GG, sondern den Grundrechten auf wirtschaftliche Betätigungsfreiheit unterstellt wird (Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 2 GG). Diese Differenzierung entspricht der hier vertretenen privatrechtsdogmatischen Orientierung an den formalen Wirkungen des objektiven Rechts sowie der Grundunterscheidung zwischen subjektiven Rechten und einem als solchem unübertragbaren Schutz auf der Grundlage gesetzlicher Schuldverhältnisse262 (dazu B II 2 a). Hingegen sind die der Lebenswirklichkeit und nicht der Rechtsordnung entnommenen Kerngedanken der Güterzuordnung, nämlich persönliche Leistung und im Verkehr anerkannter Vermögenswert eines Gutes nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte des Art. 14 GG sowie ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durchweg nicht konstitutiv für verfassungsrechtliches Privateigentum. Das Leistungskriterium spielt erst für die Einschränkbarkeit des zuvor formal begründeten Eigentums eine Rolle. Die Rede vom Vermögensrecht dient der Abgrenzung von Grundrechten, die andere als wirtschaftli262
Oben § 1 A III, IV, C.
§ 11 Die Eigentumsgarantie als Grundlage der Güterzuordnung
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che Interessen an der Sicherung des Erworbenen betreffen; der Vermögenswert als solcher ist für die Eröffnung des Schutzbereichs von Art. 14 GG irrelevant. Diese strikte Anknüpfung an die Wirkungen des objektiven Rechts bedeutet keine Schwächung der Eigentumsgarantie, sondern ihre Stärkung gegenüber der sonst naheliegenden Kritik, ererbtes oder durch Kapitaleinsatz erworbenes Eigentum sei gar nicht verfassungsrechtlich gewährleistet, weil es nicht durch persönliche Leistung „verdient“ wurde. Eine solche Immunisierung des Privateigentums gegenüber verfassungsrechtlichen Legitimationsdebatten lässt sich nur durch formale Schutzbereichsmerkmale erreichen, die dann aber auch in jedem Einzelfall vorliegen müssen, damit ihre Gewährleistung durch Art. 14 GG gerechtfertigt ist (dazu B II 2 b)263. b) Anwendung auf das Recht am Gewerbebetrieb Die Zusammenschau der für den Begriff des verfassungsrechtlichen Eigentums maßgeblichen Kriterien erlaubt nunmehr eine Antwort auf die oben noch offengelassene Frage, ob das Recht am Gewerbebetrieb unter Art. 14 GG fällt. Entsprechend der zurückhaltenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist das zu verneinen264: Zunächst weist dieser offene Deliktstatbestand nicht die formalen Merkmale der Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis auf, die für verfassungsrechtliches Eigentum gegeben sein müssen. Das Rahmenrecht am Gewerbebetrieb gewährt wie in § 6 B IV 2 gezeigt keine abstrakt definierten, positiv-ausschließlichen Befugnisse, die unabhängig von einer akuten Verletzung übertragen werden können. Vielmehr wird seine Reichweite in jedem Einzelfall durch eine positive Feststellung der Rechtswidrigkeit neu bestimmt. Diese formale Struktur ist durch den Zweck der Rechtsfortbildung veranlasst. Sie zielt nämlich nicht wie Art. 14 GG auf die Sicherung des statisch Erworbenen, sondern auf die Abgrenzung gleichgeordneter, wirtschaftlicher Betätigungsfreiheiten zum Erwerb ab – verfassungsrechtlich also vornehmlich auf die Ge-
263 Genau diese Kombination aus umfassender Garantie und Definitionshoheit des Gesetzgebers war der Kompromiss, auf den man sich im Parlamentarischen Rat einigte, nachdem das auf Arbeit beruhende „kleine Eigentum“ abgelehnt worden war; siehe Parlamentarischer Rat 5/I, 207, 210 (Abstimmung, bei der die Gewährleistung nur des kleinen Eigentums bei Stimmengleichheit abgelehnt, eine Entsprechung zur jetzigen Formulierung mit 6:5 Stimmen angenommen wurde); zutreffend Wahl, FS Redeker, 245, 257 („notwendigerweise kompliziertes Denken in verfassungsrechtlichen Anforderungen an das einfache Gesetz (anstatt der Vorstellung der unmittelbaren Ableitung aus der Eigentumsgarantie) …“); Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 65; wohl auch Depenheuer, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 109, 146. 264 Ebenso eine im Vordringen befindliche Literaturauffassung: Zeuner, in: Soergel12, § 823 BGB Rn. 111; Epping, Grundrechte, Rn. 402; Berkemann, in: Umbach/Clemens, Art. 14 GG Rn. 146 f. (die inhaltsbestimmende Gesetzesnorm fehle); Kellenberger, Schutz des Gewerbebetriebs, 303 f.; Gellermann, Grundrechte, 113; Jarass, AfP 1993, 455, 459. Weitere Nachweise oben B II 2 a.
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währleistung der Art. 2 Abs. 1, 5 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG265. Auf Schutzpflichten in Bezug auf jene Freiheitsgrundrechte berufen sich die Gerichte denn auch, um die Überwindung des privatrechtlichen Prinzips enumerativer Haftung zu rechtfertigen266. Dieser Ausgleich verlangt ein flexibles „Rahmenrecht“, nicht eine verfassungsrechtliche Garantie jeder vorteilhaften Marktposition, die mit der im Grundgesetz angelegten Wirtschaftsverfassung ohnehin unvereinbar wäre267. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht mehr, dass man ein privatnütziges und der Verfügung des Inhabers unterliegendes Recht am Gewerbebetrieb in der einfachen Rechtsordnung vergeblich sucht. Fehlt aber eine Inhalts- und Schrankenbestimmung im Gesetz, steht einer Subsumtion unter die Eigentumsgarantie auch die Gestaltungskompetenz des Gesetzgebers gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG entgegen268. Will man daraufhin nicht die Angewiesenheit des Art. 14 GG auf die Aussagen des einfachen Rechts systemwidrig unterbrechen und zwischen dem Recht am Gewerbebetrieb als privatrechtlicher Rechtsfigur und als verfassungsrechtliches Eigentum differenzieren269, muss anerkannt werden, dass es sich hierbei um einen reflexartigen Schutz des Interesses an ungestörter gewerblicher Betätigung handelt, nicht um Eigentum i.S.d. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. Dieses Ergebnis entzieht dem Inhaber eines Betriebs keineswegs den verfassungsrechtlichen Schutz, denn wie gezeigt verwirklichen die ordentlichen Ge265
Ebenso Badura, AöR 98 (1973), 153, 158; Kellenberger, Schutz des Gewerbebetriebs, 74; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 GG Rn. 18 ff.; Berkemann, in: Umbach/Clemens, Art. 14 GG Rn. 146 (Vermengung der Schutzbereiche von Art. 14 und 12 GG); aus der Rechtsprechung OLG Celle MMR 2007, 605. 266 Zu den Grundlagen und Grenzen der richterlichen Anerkennung des Rechts am Gewerbebetrieb unten § 13 A II 1 d bb. 267 Nicht überzeugend daher Ehlers, VVDStRL 51 (1991), 211, 215 mit Fn. 12 (da Art. 14 GG alle vermögenswerten Rechte des Privatrechts schütze und das Recht am Gewerbebetrieb ein „sonstiges Recht“ sei, müsse begründet werden, warum dieses Recht kein verfassungsrechtliches Eigentum darstelle), Fn. 15 (die generelle Ausklammerung der Chancen gehe zu weit); Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 59 (das Recht am Gewerbebetrieb sei nicht nur ein Schutz gegen bestimmte Verhaltensweisen, sondern ein Vermögensrecht, das gegen jede Beeinträchtigung schütze); Waschull, Unternehmen als verfassungsrechtliches Eigentum, 426 (es würden nur vorhandene Vermögenswerte geschützt, aber der Wert des Unternehmens hänge von den künftigen Gewinnchancen ab); Leisner, in: HdbStR, § 149 Rn. 110 (ausreichend seien verfestigte Chancen abzüglich eines „Risikoabschlags“); Engel, AöR 118 (1991), 169, 217 (Art. 14 schütze zwar nicht „die Chance selbst“, wohl aber die „staatliche Vereitelung ihrer Realisierung“). Aber: Die Chance ist nichts anderes als eine mögliche Realisierung eines gegebenen Umstands. 268 Unklar insoweit denn auch Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 54 f. (Rechtsfortbildung, die zur ständigen Rechtsprechung werde, sei dem Gesetz nicht gleichgestellt, aber ausreichend ähnlich). 269 So tendenziell Jarass, AfP 1993, 455, 458 f. Die Widersprüche zwischen der Rechtsprechung zum Recht am Gewerbebetrieb im Kontext des Deliktsrechts einerseits und der Enteignungsentschädigung andererseits zeigen etwa die Entscheidungen BGHZ 45, 150, 155 (1966) (das Recht am Gewerbebetrieb könne keinesfalls als „Recht auf freie Betätigung als Unternehmer überhaupt“ aufgefasst werden); dagegen aber BGHZ 81, 21, 33 (1981) (das Recht, Patienten behandeln zu können, sei über die Zulassung des Arztes eigentumsrechtlich geschützter Gewerbebetrieb); hiergegen wieder BGHZ 132, 181, 186 ff. (1996) (auch das schon angeschaffte Gerät einer Arztpraxis begründe keinen geschützten Vermögensbestand).
§ 11 Die Eigentumsgarantie als Grundlage der Güterzuordnung
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richte mit dem Recht am Gewerbebetrieb die wirtschaftliche Betätigungs- sowie ggf. die Presse- und Rundfunkfreiheit im Privatrechtsverhältnis. Diese Grundrechte schützen selbstverständlich auch gegen entsprechende wirtschaftslenkende Maßnahmen der öffentlichen Gewalt, und das sogar mit der gleichen Intensität, die Art. 14 GG bieten könnte270. Problematisch erscheint dann nur noch, dass sich aus den Art. 2 Abs. 1, 5 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG keine Entschädigungsansprüche bei hoheitlichem Handeln ableiten lassen271, die der Bundesgerichtshof auf der Basis des Art. 14 GG bei Eingriffen in das Recht am Gewerbebetrieb lange Zeit gewährte. In der Tat dünkt es auf den ersten Blick merkwürdig, dass der Inhaber eines Gewerbebetriebs gem. § 823 Abs. 1 GG Schadensersatz verlangen kann, wenn ein Privatrechtssubjekt den Zugang zu seinem Geschäft beeinträchtigt272, aber weder Schadensersatz noch Entschädigung vom Staat erhalten soll, wenn diese Person aufgrund einer behördlichen Genehmigung und damit rechtmäßig agiert273. Insoweit gilt es zunächst zu beachten, dass die frühere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf der sog. Sonderopfertheorie beruhte, wonach eine Entschädigung zu zahlen war, wenn die hoheitliche Maßnahme (etwa Bauarbeiten)
270 Siehe BVerfG NVwZ 2006, 1041, 1046 (ein ausdrücklich offengelassener Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gem. Art. 14 Abs. 1 GG gehe jedenfalls nicht weiter als ein Schutz durch Art. 12 Abs. 1 GG); BVerfG ZUM-RD 2008, 114, 115 (Art. 12 GG schütze das berufsbezogene Verhalten der Unternehmen am Markt); Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 12 GG Rn. 99 m.w.N.; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 GG Rn. 18; Kellenberger, Schutz des Gewerbebetriebs, 126; allgemein mit Hinweis auf Art. 2 Abs. 1 GG als Auffanggrundrecht und den damit umfassenden Grundrechtsschutz Lindner, Grundrechtsdogmatik, 322. Verfehlt daher die Ausblendung des verfassungsrechtlichen Schutzes der Betätigungsfreiheit durch Engel, AöR 118 (1991), 169, 191 ff., 213 ff. (die Vernichtung des Werts der Organisation sei verfassungsrechtlich ohne Anwendung des Art. 14 GG irrelevant; der Staat könne ohne Anwendung des Art. 14 GG „ungehindert“ in den Kundenstamm eingreifen); Waschull, Unternehmen als verfassungsrechtliches Eigentum, 440 (der Unternehmenswert könne über Art. 12 GG nicht geschützt werden); Ahrens, Verwertung, 95 (ein enger Eigentumsbegriff würde jede nicht von Art. 14 GG erfasste Verwertungshandlung auch vom Anwendungsbereich des Art. 2 Abs. 1 GG ausschließen). Aus diesem Grund ist auch nicht zu befürchten, dass der Grundrechtsschutz hinter der EMRK zurückbleibt, die vom EGMR auf den Kundenstamm und den Vermögenswert des Unternehmens erstreckt wird (oben Fn. 96). Die extensive Anwendung des Art. 1 1. ZP EMRK auf diese Güter und Interessen dürfte nämlich darauf zurückzuführen sein, dass die wirtschaftliche Betätigungs- bzw. Berufsfreiheit nicht konventionsrechtlich geschützt ist, so dass der EGMR entsprechende Tatbestände unter die Eigentumsgarantie zu subsumieren sucht; siehe v. Danwitz, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Eigentum, 215, 233 und öfter; Ohler, JZ 2006, 875, 882; kritisch zu dieser Rechtsprechung auch Gelinsky, Art. 1 ZP EMRK, 34, 39 f. (eine rein wirtschaftliche Betrachtung der Eigentumsgarantie gehe zu weit und ignoriere, dass bestehende Unternehmen bevorzugt würden). 271 BGHZ 111, 349, 355 (1990); BGHZ 132, 181, 188 (1996). 272 Siehe BGH VersR 1961, 831, 832; BGH NJW 1979, 1043, 1045 (Schutz des „Kontakts nach außen“). 273 In diesem Sinne auch Sass, Entschädigungserfordernis, 400; Engel, AöR 118 (1991), 169, 188 („unbewältigte Fallgruppen“ wie Eingriffe in den Kontakt nach außen); Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 GG Rn. 19 (der Gedanke der wirtschaftlichen Einheit des Unternehmens sei auch verfassungsrechtlich nicht unbeachtlich).
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den Gewerbeinhaber im Vergleich zu anderen ungleich traf und zu einem besonderen Opfer für die Allgemeinheit zwang274. Diese Lehre ging auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts zur Eigentumsgewährleistung der Weimarer Reichsverfassung zurück, deren Grundrechtskatalog für den Gesetzgeber nicht bindend war und keine subjektiven Abwehrrechte des Einzelnen generierte275. Auf den fehlenden Primärrechtsschutz reagierte das Reichsgericht mit einer Ausdehnung staatlicher Entschädigungspflichten276. Diese Ersatzlösung hat sich unter der Herrschaft des Grundgesetzes erübrigt, weil nunmehr verfassungswidrige Eingriffe aller öffentlichen Gewalten in den Schutzbereich jedes Grundrechts auf dem Rechtswege verhindert werden können. Das gilt auch für die Eigentumsgarantie, die dem Eigentümer anders als Art. 153 WRV primär einen Anspruch auf Abwehr verfassungswidriger Eingriffe vermittelt und sich nur unter den Voraussetzungen des Abs. 3 in eine Eigentumswertgarantie umwandelt277. Diesen Paradigmenwechsel hat das Bundesverfassungsgericht zum einen durch eine strenge, neuerlich an formalen Merkmalen orientierte Abgrenzung von generell-abstrakten Schrankenbestimmungen und konkret-individuellen Enteignungen nachvollzogen. Zum anderen bedarf eine Entschädigung stets der gesetzlichen Grundlage; fehlt sie, ist die hoheitliche Maßnahme verfassungswidrig und darf nicht durchgeführt werden278. Mit diesem Konzept ist die frühere Rechtsprechung des 274
In diesem Sinne BGHZ (GS) 6, 270, 275 ff. (1952); BGHZ 8, 273, 275 (1952); BGHZ 23, 157, 161 ff. (1957); BGHZ 30, 241, 243 ff. (1959) (zum Grundstückseigentum); BGHZ 30, 338, 340 ff. (1959); BGH LM Art. 14 (Ea) GG Nr. 32 (1963); BGHZ 45, 150, 152 f. (1966); BGH WM 1968, 333, 334 f.; BGHZ 55, 261, 266 (1970); BGHZ 57, 359, 362 f. (1971); BGHZ 58, 124, 127 ff. (1972); BGH NJW 1977, 1817; so auch noch Engel, AöR 118 (1991), 169, 175; Leisner, in: HdbStR, § 149 Rn. 148 ff. Übersicht über die Rechtsentwicklung bei Sass, Entschädigungserfordernis, 8 ff. 275 Siehe BGHZ 25, 266, 270 (1957) (Enteignungsentschädigung unter Verweis auf Art. 153 WRV und Art. 14 GG). 276 Siehe RGZ 111, 320, 328 (1925); RGZ 116, 268, 272 (1927); Anschütz, Art. 153 WRV Anm. 8 f. (Enteignungen im Falle besonderer Opfer); v. Brünneck, Eigentumsgarantie, 21 ff.; Böhmer, NJW 1988, 2561, 2562 ff. Zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Recht am Gewerbebetrieb oben B II 2 a; zum Unterschied zwischen WRV und GG oben C I 2 c. 277 BVerfGE 24, 367, 397, 400 (1968); BVerfGE 100, 226, 241 ff. (1999); Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 14 GG Rn. 9 f. (in erster Linie Bestandsgarantie); Böhmer, NJW 1988, 2561, 2562 ff.; Schoch, Jura 1989, 113; Ehlers, VVDStRL 51 (1991), 211, 213. Zu den wirtschaftlich und politisch negativen Folgen der umfassenden Entschädigungspflicht nach der Rechtsprechung zur WRV Apelt, Geschichte der WRV, 341 ff. (die umfassende Entschädigungspflicht habe dazu geführt, dass der Reichspräsident die Eigentumsgarantie gem. Art. 48 WRV außer Kraft setzen musste und die Feinde der Verfassung Gründe für Kritik an einem verfehlten liberalistischen Staatsdenken hatten, so dass der vermeintliche Schutz des Eigentums zu seiner völligen Unterhöhlung beitrug). 278 Dazu oben B II 1 und BVerfGE 52, 1, 27 f. (1979); BVerfGE 58, 137, 145 (1981); BVerfGE 58, 300, 330 ff. (1981); BVerfGE 79, 174, 192 (1988); BVerfGE 100, 226, 240 (1999); BVerfGE 102, 1, 16 (2000); BVerfGE 110, 1, 25 (2004); Hendler, FS Maurer, 127 ff.; Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 14 GG Rn. 1072. Scharfe Kritik am Beharrungsvermögen des BGH gegen die Rechtsprechung des BVerfG bei Böhmer, NJW 1988, 2561 ff.; ferner Schwerdtfeger, Eigentumsgarantie, 9 (Veränderung der inneren Struktur der Eigentumsgarantie); Schoch, Jura 1989, 113 (den Haftungsinstituten des BGH sei die Legitimationsgrundlage entzogen); Ehlers, VVDStRL 51 (1991), 211, 213; Papier, DVBl. 2000, 1398 ff. Tendenzen in diese Richtung bei BGHZ 84, 230, 236 f. (1982).
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Bundesgerichtshofs unvereinbar. Statt abzuwarten und ex post zu liquidieren, muss der Gewerbetreibende nach Sinn und Zweck der Eigentumsgarantie den Rechtsweg beschreiten und hoheitliche Maßnahmen wie eine Baugenehmigung, die sein Unternehmen unverhältnismäßig zu beeinträchtigen drohen, ex ante abwehren. Überdies ist eine Enteignungsentschädigung auf der Basis der hier vertretenen Auffassung nicht von vornherein ausgeschlossen. Denn selbst wenn man das Rahmenrecht am Gewerbebetrieb als solches nicht unter Art. 14 GG subsumiert und vom Vorrang des Primärrechtsschutzes ausgeht, kann es zu Eingriffen in bestimmte einzelne Rechte wie das Sacheigentum oder den berechtigten Besitz am Betriebsgrundstück kommen, die ggf. eine Entschädigungspflicht auslösen279. Spürbare Schutzdefizite sind nicht zu erwarten, weil die Rechtsprechung den Gewerbebetrieb als Einheit ohnehin nur so weit schützt wie die wirtschaftlichen Grundlagen des Unternehmens reichen280. Allerdings muss bei der Bemessung einer etwaigen Entschädigung darauf Rücksicht genommen werden, dass die einzelnen Rechte in einen Betrieb eingebunden sind und ihr Wert deshalb von einem isolierten Sachwert abweichen kann281. 2. Die Pflicht zur Gewährleistung des Eigentums Das Beispiel des Rechts am Gewerbebetrieb bestätigt, dass der Schutzbereich der Eigentumsgarantie von der einfachgesetzlichen Anerkennung eines subjektiven Rechts abhängig ist. Deliktsrechtlich konturierte Rechtspositionen, die gerade im Hinblick auf „neue“ Güter eine wesentliche Rolle spielen und durch die Gerichte ausgebildet werden dürfen, genügen hierfür nicht. Diese Angewiesenheit auf das objektive Recht lässt es ausgeschlossen erscheinen, Art. 14 GG ein Zuordnungsgebot zu entnehmen, das auf eben jenes einfache Recht einwirkt und die Gerichte zu seiner Fortbildung legitimiert. Angesprochen ist damit das in Art. 14 Abs. 1 GG angelegte Paradox, wonach Eigentum und Erbrecht garan279 So auch Kellenberger, Schutz des Gewerbebetriebs, 293, 303 (es ergäben sich keine Schutzlücken; die Anwendung des Art. 14 GG sei vom Ergebnis her „überflüssig“); v. Caemmerer, FS DJT II, 49, 100 (Enteignungsentschädigung im Hinblick auf konkrete Werte wie Sacheigentum oder Forderungen); Zeuner, in: Soergel12, § 823 BGB Rn. 49 (Ausstrahlung des Eigentums und der Besitzrechte bei Beeinträchtigungen des Anliegergebrauchs); Jansen, Struktur des Haftungsrechts, 486 mit Fn. 202 (typischerweise sei in den kritischen Fällen das Eigentum oder der Besitz im Hinblick auf die Möglichkeit einer angemessenen Nutzung verletzt). Zur Behinderung des Zugangs auf Grundstücke als Eigentumsverletzung BGHZ 48, 58, 62 f. (1967); BGHZ 48, 65 ff. (1967); BGHZ 48, 340, 343 (1967); BGH NJW 1979, 1043, 1044 f. Zur parallelen Reichweite des Besitzschutzes BGHZ 137, 89, 97 f. (1997); unzutreffend Engel, AöR 118 (1991), 169, 180 (wer sein Gewerbe auf fremdem Grundstück betreibe, sei schwächer geschützt als der Unternehmer mit eigenem Betriebsgrundstück). 280 BGH NJW 1979, 1043, 1045; BVerfGE 58, 300, 352 (1981); BGHZ 83, 190, 194 f. (1982); BGHZ 84, 223, 227 (1982); BGHZ 86, 152, 156 f. (1982); BGHZ 98, 341, 353 (1986). 281 So aber BGHZ 48, 58, 63 (1967) (Wertminderung des Grundstücks bei Anfahrtverschlechterung zu einem Gewerbebetrieb); BGHZ 48, 65, 69 (1967) (Wertminderung bei Anfahrtverschlechterung bei Ackerland).
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tiert werden, ihr Inhalt und ihre Schranken sich aber aus dem einfachen Gesetz ergeben (dazu C I 1). Insoweit konnte nachgewiesen werden, dass Art. 14 GG die Gestaltungsbefugnis der Legislative weder mit einem absoluten Eigentumsbegriff determiniert noch dem Gesetzgeber völlig freie Hand bei der Ausgestaltung der Eigentumsordnung belässt, sondern alle hoheitlichen Gewalten einer ausdifferenzierten Bindung und damit zugleich einem Untermaßverbot unterwirft, das durchaus in eine Pflicht zur Schaffung von Eigentum münden kann. Dabei hängt das Ausmaß der verfassungsrechtlichen Bindung von der Konkretisierung der Eigentumsposition im einfachen Recht und der Massivität des Eingriffs ab. Demgemäß wurden mehrere Ebenen der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie unterschieden und zugleich gefragt, auf welcher Stufe ein verfassungsrechtliches Gebot zur erstmaligen Zuordnung „neuer“ Güter in Betracht kommt. Die Vorgaben für Enteignungen gem. Art. 14 Abs. 3 GG und für generell-abstrakte Einschränkungen bestehender Vermögensrechte („generelle Bestandsgarantie“) können ein solches Zuordnungsgebot nicht auslösen, weil sie an subjektive Rechte anknüpfen, die dem Berechtigten im Zeitpunkt des Eingriffs bereits zustehen. Deshalb greift auch die mehrfach anerkannte Pflicht zur effektiven Durchsetzung verfassungsrechtlichen Eigentums zu kurz. Selbst das aus Art. 14 GG entnommene Gebot zur konsistenten Fortschreibung einer einmal etablierten Güterzuordnung („konkrete Institutsgarantie“) genügt nicht, denn an „neuen“ Gütern fehlt bisher überhaupt ein privates Vermögensrecht, dessen künftige Ausgestaltung an verfassungsrechtliche Vorgaben gebunden ist. Folglich betrifft allein die vom einfachen Recht unabhängige („abstrakte“) Garantie des Rechtsinstituts Eigentum die hier im Zentrum des Interesses stehende Situation. Auch in dieser, dem Eigentumsschutz vorangehenden Phase unterliegt die öffentliche Gewalt der lückenlosen Bindung, die Art. 1 Abs. 3 GG ausspricht (dazu C I 2). Der Aussagegehalt jener abstrakten Institutsgarantie ist anhand des Zwecks der Eigentumsgarantie zu bestimmen. Funktion des Art. 14 GG ist es, dem Einzelnen ein eigenverantwortliches Leben im vermögensrechtlichen Bereich zu ermöglichen. Eigentum ist also kein Selbstzweck, sondern dient den übergeordneten Höchstwerten individueller Würde und Freiheit (dazu B I). Aus diesem Telos speist sich auch die abstrakte Institutsgarantie, die verlangt, dass der Gesetzgeber mindestens so viele Ausschließlichkeitsrechte zur Verfügung stellt, dass ein selbstbestimmtes, nicht von staatlichen Almosen abhängiges Auskommen erzielt werden kann. Nicht abgeschafft werden darf deshalb das Eigentum an persönlichen Sachen und nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ein Kernbestand des Urheber- und Patentrechts. Zwar ist bisher noch nicht festgestellt worden, dass die Rechtsordnung dieses Minimum an Eigentumspositionen unterschreitet und deshalb ein verfassungswidriger Zustand gegeben ist. Gleichwohl vermag diese allgemeinste Ebene grundgesetzlicher Bindung durchaus ein Gebot zu generieren, „neue“ Güter erstmals einer bestimmten Person zuzuordnen, wenn anders ein eigenverantwortliches Leben im vermögensrechtlichen Bereich unmöglich oder grundlegend beeinträchtigt ist (dazu C II 1 a).
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Hinzu kommt, dass sich in der Phase vor der erstmaligen Zuordnung individuelle Interessen an exklusiver Sicherung erworbener Güter und die Zugangsbedürfnisse Dritter gleichberechtigt gegenüberstehen, weil zu diesem Zeitpunkt noch alle beteiligten Privatrechtssubjekte mit gleichen Freiheitsgarantien ausgestattet sind. Welches Ausmaß an Zuordnung einen angemessenen Ausgleich herstellt, um die gem. Art. 14 Abs. 2 GG erforderliche Sozialbindung des Eigentums zu verwirklichen, ist dem Grundgesetz nicht zu entnehmen. Verboten ist jedenfalls eine einseitige Sicht auf die Bedürfnisse desjenigen, der den verfassungsrechtlichen Status eines Eigentümers erlangen möchte. Konsequent muss nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht jeder denkbare Vermögensvorteil zugeordnet werden (dazu C II 1 b). In der Gesamtschau sind die Vorgaben des Grundgesetzes so allgemein, dass sie sich kaum zur richterlichen Anwendung im Einzelfall eignen. Bereits dieser Umstand spricht gegen eine Kompetenz der Gerichte zur Festlegung des Inhalts und der Schranken bestimmter Eigentumspositionen. Die Judikative bringt nach der Konzeption der deutschen Rechtsordnung generell-abstrakte Regelungen nämlich nicht hervor, sondern wendet sie an. Dementsprechend erklärt Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG denn auch den parlamentarischen Gesetzgeber für zuständig, die Grundlagen verfassungsrechtlichen Eigentums im einfachen Recht zu schaffen. Den Gerichten ist es nach dieser eindeutigen Kompetenzzuweisung generell untersagt, die in den §§ 5 bis 10 dargelegte materielle Güterordnung unter Berufung auf die abstrakte Institutsgarantie zu ergänzen. Hält das Privatrecht im Hinblick auf ein bestimmtes Gut keine subjektiv-ausschließlichen Rechte bereit, ist die Judikative daran gebunden; entsprechende Begehren muss sie abweisen. Sollte das objektive Recht nicht das nach der abstrakten Institutsgarantie erforderliche Minimum an Eigentum gewährleisten, kann der Einzelne den verfassungswidrigen Zustand im Wege der Verfassungsbeschwerde geltend machen und das Bundesverfassungsgericht dieses Defizit ggf. feststellen. Daraufhin ist der Gesetzgeber verpflichtet, unter Beachtung der Sozialbindung des Eigentums Ausschließlichkeitsrechte zu schaffen. Nur in extremen Ausnahmefällen darf das Bundesverfassungsgericht – und nur dieses – gem. der §§ 31, 35 BVerfGG vorübergehende Zuordnungsregelungen mit allgemeiner Gesetzeskraft erlassen (dazu C II 2). Hervorzuheben ist, dass die in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG ausdrücklich vorgesehene Zuständigkeit des Gesetzgebers unter Ausschluss der übrigen Gewalten keine ignorierbare Förmelei darstellt, sondern der Verwirklichung zentraler materialer Wertungen dient, die das Grundgesetz mit der Eigentumsgarantie verfolgt282. So ermöglicht erst der Transformationsvorbehalt eine politische Diskus282 Zutreffend Wahl, FS Redeker, 245, 248 (zutreffender und unerlässlicher Zwischenschritt nach Maßgabe des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG); Kimminich, in: BK, Art. 14 GG Rn. 22 (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG gehöre „wesensgemäß zum Eigentumsbegriff“); a.A. Engel, AöR 118 (1991), 169, 234 („Welche Gegenstände als Eigentum anzusehen sind, entscheidet nicht der Gesetzgeber im Rahmen der Bestimmung von Inhalt und Schranken.“); Sieckmann, Modelle, 27 (die Gesetzesabhängigkeit des Eigentums erscheine als „Hindernis auf dem Weg zu einer adäquaten Konstruktion des Eigentumsgrundrechts“); Fournier, Bereicherungsausgleich, 93 (nur eine Frage der gewählten Mittel).
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sion und eine demokratisch legitimierte Entscheidung über die „richtige“ Eigentumsordnung283, die anschließend für alle Rechtsunterworfenen erkennbar in allgemeinen Gesetzen niedergelegt ist, so dass den rechtsstaatlichen Postulaten der Normenbestimmtheit und Normenklarheit Genüge getan ist284. Die Verfechter einer richterlichen Kompetenz zur Ausgestaltung der Eigentumsordnung verkennen schließlich, dass sie nicht nur das Tor zu einem dynamischen Ausbau des Kreises der subjektiven Vermögensrechte aufstoßen, sondern zugleich die Gefahr heraufbeschwören, dass die dritte Gewalt bestehende Eigentumspositionen unter Berufung auf materiale Gesichtspunkte wie Leistung, Vermögenswert und Verkehrsanschauung einschränkt oder gar aus dem Kreis der gem. Art. 14 GG gewährleisteten Rechte ausgrenzt. Es war dieses Risiko, das mit der exklusiven Zuständigkeit des Gesetzgebers vermieden werden sollte285.
II. Eigentum und Freiheit Der Parlamentsvorbehalt des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG schließt es somit generell aus, dass sich Gerichte zur Überschreitung der Grenzen der privatrechtlichen Güterordnung auf die Eigentumsgarantie berufen. Es musste daher gar nicht geprüft werden, ob im Hinblick auf die in § 4 B referierten „neuen“ Güter wie Persönlichkeitsmerkmale, eigenartige Produkte oder Betriebsgeheimnisse die materiellen Voraussetzungen für ein Zuordnungsgebot auf der Basis der abstrakten Institutsgarantie gegeben sind. Ohnehin dürften sich die Gerichte hierfür nicht auf die Kriterien der eigenen Leistung, des Vermögenswerts oder der Verkehrsanschauung berufen, die die Diskussion um ungeschriebene Rechte an „neuen“ Gütern dominieren, sondern sie müssten getreu dem Zweck der Eigentumsgarantie auf die Ermöglichung eines selbstbestimmten Lebens im vermögensrechtlichen Bereich, letztlich also auf das Recht des Betroffenen auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) abstellen. Die dienende Funktion des Eigentums rückt die Unterscheidung zwischen Eigentum und allgemeiner Handlungsfreiheit ins Bild, die es abschließend hervorzuheben gilt. Diese Differenzierung liegt der Ausgangsfrage
283 V. Brünneck, Eigentumsgarantie, 396; Hammann, Eigentum in der Zeit, 32; Badura, FS Maunz, 1, 9; Wahl, FS Redeker, 245, 251; Kube, Eigentum an Naturgütern, 293; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 251 („Vermittlungsentscheidung“ des eigentumsinhaltsverleihenden und -ausgestaltenden Gesetzgebers); Gellermann, Grundrechte, 104 f.; verfehlt Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 203 (nur die richterrechtliche Einbeziehung der Persönlichkeitsrechte unter Art. 14 GG schaffe einen Ordnungsrahmen, durch den steuernd eingegriffen werden könne). 284 Siehe BVerfG NJW 2005, 2363, 2371; BVerfG NJW 2005, 2376, 2378; Preu, JZ 1990, 265, 267 (mit Hinweis auf die freiheitsgewährleistende Funktion von Gesetzen, die vorab sagen, was verboten ist); verkannt von Waschull, Unternehmen als verfassungsrechtliches Eigentum, 364 (durch die Beschränkung auf gesetzlich geregelte Rechte würde nur der Gesetzgeber begünstigt, der wisse, wo er die Eigentumsgarantie respektieren müsse). 285 Siehe Parlamentarischer Rat 5/I, 37 f. (zur weiten Auslegung des Gesetzesbegriffs des Art. 114 WRV, durch den die Garantie der persönlichen Freiheit ausgehöhlt worden sei).
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nach einer Rechtsgrundlage für Güterzuordnungen zugrunde286 und wird für die noch ausstehende Prüfung eines Rechtsprinzips der Güterzuordnung von entscheidender Bedeutung sein287. Das Grundgesetz garantiert das Eigentum und damit das statisch Erworbene288 nicht um seiner selbst willen, sondern als rechtliche Voraussetzungen für persönliche Freiheit. In der Person des Eigentümers und der aus ihr – und nicht dem Eigentum – erwachsenden Entfaltung der Persönlichkeit findet das verfassungsrechtliche Eigentum seine letzte, akzessorische Rechtfertigung. Eigentum und Handlungsfreiheit unterscheiden sich zudem in vielfältiger Weise289. Während die allgemeine Handlungsfreiheit als dem Staat vorausliegend gedacht und umfassend geschützt wird290, setzt die Eigentumsgarantie im einfachen Gesetzesrecht niedergelegte, subjektive Rechte voraus. Der prinzipiell unbegrenzten Handlungsfreiheit steht also eine von staatlicher Vorleistung abhängige, punktuelle Eigentümerfreiheit gegenüber291. Die Freiheiten auf Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) und auf ungestörten Umgang mit dem zugeordneten Gut und dem entsprechenden Privatrecht (Art. 14 GG) stehen sich sogar konfligierend gegenüber, wenn sich die Ausgeschlossenen auf eine unverhältnismäßige Einschränkung ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit berufen, der Eigentümer hingegen auf seine garantierte Rechtsposition. Nach welchen Regeln der Ausgleich der kollidierenden Grundrechtspositionen zu erfolgen hat, ist davon abhängig, ob das einfache Recht bereits verfassungsrechtliches Eigentum anerkennt oder nicht. Bevor das – wie bei den hier erörterten „neuen“ Gütern – der Fall ist, stehen sich Schutz- und Zugangsinteressen gleichrangig gegenüber, weil zu diesem Zeitpunkt alle Beteiligten mit gleichen Rechten ausgestattet sind. Rechtfertigungsbedürftig ist die Zurückdrängung der allgemeinen Handlungsfreiheit durch Gewährung positiv-ausschließlicher Befugnisse an einem Gut, weil das Gefüge grundsätzlich gleicher Freiheiten
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Oben Einleitung B II. Unten § 12 C VI. 288 Hierzu zählt nicht die Freiheit zum Erwerb von Eigentum! Jedenfalls nicht klar differenzierend Leisner, Eigentum, 3 (zur Freiheit, Eigentum erwerben zu können, im Kontext der Eigentumsgarantie). 289 Anders aber Dürig, ZgS 109 (1953), 326, 334 f. (Eigentum als wichtigste Erscheinungsform der Freiheit); ders., FS Apelt, 13, 31 („Eigentum ist Freiheit.“); Depenheuer, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 109, 140 ff.; ders., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 GG Rn. 11; Isensee, in: Schriften Leisner, V (Freiheit und Eigentum ließen sich nicht voneinander trennen); Schmitt, Verfassungslehre, 170 f. (das Verteilungsprinzip der freiheitlichen Verfassung gelte auch für die Eigentumsgarantie); weitere Nachweise bei Meyer-Abich, Schutzzweck der Eigentumsgarantie, 58 f. Wie hier tendenziell Wahl, FS Redeker, 245, 258 („Die Gesamtgarantie des Eigentums will in der Tat nicht nur wie die Freiheits-Grundrechte einen Raum der freien Betätigung garantieren, sondern als anders strukturiertes Zuordnungs-Grundrecht dem einzelnen Grundrechtsträger vermögenswerte Rechte zuweisen.“). 290 Zum Verteilungsprinzip der freiheitlichen Gesellschaft oben § 2 B II 2. 291 Gallwas, Grundrechte, Rn. 529 f.; tendenziell auch Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 68 f. 287
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
zugunsten bestimmter Personen verändert wird292. Die auch im verfassungsrechtlichen Kontext anzutreffende Argumentation, es seien keine Gründe ersichtlich, die Zuordnung „neuer“ Güter zu versagen, greift daher von vornherein zu kurz293. Diese Verteilung der Begründungslast kehrt sich erst um, nachdem das verfassungsrechtliche Eigentum einfachgesetzlich anerkannt ist. Innerhalb des punktuellen Schutzbereichs garantiert Art. 14 GG dann die ungestörte Ausübung der Eigentümerfreiheit, so dass dann in der Tat jede Einschränkung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf294. In diesem erneut auf einer Zeitachse gedachten System kommt dem Transformationsvorbehalt des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG eine weitere, auch in der Staatsrechtslehre bisher kaum beachtete Funktion zu295. Indem nämlich hoheitliche Veränderungen der prinzipiell gleichen Freiheit aller an die Durchführung eines parlamentarischen Verfahrens geknüpft werden, verhindert das Grundgesetz ein wucherndes Anwachsen der Zahl subjektiver Vermögensrechte unter Berufung auf eine „natürliche“ Eigentumsordnung. Die Zuständigkeit des Gesetzgebers und nicht der Gerichte entpuppt sich als verfahrensrechtliches Instrument zur Wahrung privater Handlungsspielräume. Mit diesen Grundsätzen spiegelt die Verfassung die Struktur der privatrechtlichen Güterordnung, wie sie in den §§ 5 bis 10 herausgearbeitet wurde. Demnach haben die normierten Ausschließlichkeitsrechte einen begrenzten Schutzbereich und beziehen sich auf bestimmte Rechtsobjekte. Die General- und Auffangklauseln der gesetzlichen Schuldverhältnisse und des Rechtsverkehrsrechts verweisen auf jene Rechte oder sonstige gesetzliche Regelungen, aus denen sich ergibt, dass ein Gut einer Person positiv-exklusiv zugeordnet ist; sie ermächtigen die Gerichte nicht, über die vorausgesetzten Güterzuordnungen hinauszugehen. Soweit das Deliktsrecht in Gestalt von Generalklauseln wie den §§ 826 BGB, 3 UWG 292 Brocker, Arbeit und Eigentum, 398 f.; a.A. offenbar Engel, AöR 118 (1991), 169, 205 f. (bei einer an Leistung und Marktwert orientierten Anwendung des Art. 14 GG drohe keine eigentumsrechtliche Verfestigung von Erwerbsaussichten, weil der Gesetzgeber einen begründungsbedürftigen (sic!) Gestaltungsspielraum habe). 293 A.A. Engel, AöR 118 (1991), 169, 199 (die Argumente gegen die Anwendung von Art. 14 GG auf den Gewerbebetrieb rechtfertigten dessen Ausklammerung nicht); Fournier, Bereicherungsausgleich, 93 f. (es sei kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb schutzwürdige Leistungen keinen Schutz gem. Art. 14 GG erhalten sollen, so dass der Schutz geboten sei, wenn er sonst ungerechtfertigt verkürzt werde); Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 176 (es sei nicht ersichtlich, wieso die grundsätzliche Zuordnung bei Persönlichkeitsrechten ausgeschlossen sein sollte). 294 In diese Richtung Wolff/Raiser, Sachenrecht, 181 („Doch gilt die Schrankenlosigkeit nur für den ,positiven‘ Kern des Eigentums, für das freie Eigentümerbelieben des Grundeigentümers. Sein Recht, andere von der Einwirkung auszuschließen (,negativer Kern‘), ist dagegen durch sein Interesse an der Ausschließung begrenzt …“). Siehe ferner BVerfGE 26, 215, 222 (1969); BVerfGE 31, 275, 294 (1971); BVerfGE 42, 263, 295 (1976); Leisner, in: HdbStR, § 149 Rn. 9. 295 Siehe Herdegen, FS 50 Jahre BVerfG II, 273 (die Staatsrechtslehre müsse sich einem „Auswachsen immaterieller Eigentumspositionen zu einem Herrschaftsinstrument auf den Märkten“ stellen); v. Brünneck, Eigentumsgarantie, 317 (die Literatur neige dazu, die Rechte der Eigentümer auszuweiten).
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oder rechtsfortbildend anerkannter Rahmenrechte wie dem aPR und dem Recht am Gewerbebetrieb weitergehende Ansprüche gewährt, geschieht dies nicht zur Sicherung des statisch Erworbenen, sondern zum Ausgleich und zur Gewährleistung gleichgeordneter Handlungsfreiheiten. Im Übrigen sichert das Privatrecht individuelle Entfaltungsmöglichkeiten vor allen Dingen durch das Prinzip enumerativer Haftung296. Festzuhalten ist, dass das Grundgesetz die ordentlichen Gerichte unter keinen Umständen zur Anerkennung von Ausschließlichkeitsrechten an „neuen“ Gütern ermächtigt297. Folglich kann hierfür nur noch ein das Privatrecht und die Verfassung übersteigendes Rechtsprinzip der Güterzuordnung vorgebracht werden. Dem ist nunmehr zum Abschluss der Suche nach einer Rechtsgrundlage für richterliche Zuordnungsentscheidungen nachzugehen. Dabei wird insbesondere zu prüfen sein, ob der soeben dargestellte Schutz gleicher Handlungsfreiheiten einem solchen Rechtsprinzip entgegensteht. Erst wenn diese letzte Legitimationsgrundlage erörtert und die Tragfähigkeit aller güterzuordnungsrelevanten Vorschriften zusammenfassend festgestellt sein wird, ist auf die hier noch offengelassene Frage zurückzukommen, ob die abstrakte Institutsgarantie zumindest den Gesetzgeber anhält, ausschließliche Rechte an einem der hier behandelten „neuen“ Güter zu kodifizieren298.
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Zusammenfassend oben §§ 9 E, 10 G, ferner unten § 15 B II 1. A.A. Engel, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 9, 79 (faktisch private Güter „sollten“ als Eigentum i.S.d. Art. 14 GG anerkannt werden, das Verfassungsrecht „sollte“ dem Gesetzgeber keine freie Hand lassen). 298 Dazu unten § 13 B. 297
§ 12 Güterzuordnung auf der Basis eines Rechtsprinzips?
A. Rechtsprinzipien als Mittel zur Überwindung der Hürde zwischen Sein und Sollen Die Suche nach einer Rechtsgrundlage für die richterliche Anerkennung von Ausschließlichkeitsrechten an „neuen“ Gütern ist bisher erfolglos geblieben. Eine solche ist aber erforderlich, um die Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit potentieller Schuldner bzw. des Inhabers in der Zwangsvollstreckung zu rechtfertigen. Dennoch haben Gerichte und Literatur über den Regelungsplan der güterzuordnungsrelevanten Vorschriften des Privat-, Verfahrensund Verfassungsrechts hinaus positiv-exklusive Befugnisse an Gütern entwickelt und den Rechtsverkehr hiermit zugelassen, so dass sich insgesamt oder punktuell Wirkungen eines Ausschließlichkeitsrechts ergaben. Erinnert sei – an das Recht des Eigentümers einer nicht öffentlich zugänglichen Sache, die gewerbliche Verwendung von Fotos derselben zu untersagen, obwohl § 903 BGB diese nicht rivalisierende Nutzung generell nicht erfasst1; – an offenbar übertragbare Befugnisse der ausübenden Künstler, Tonträgerhersteller, Sendeunternehmen und Veranstalter vor Kodifizierung der entsprechenden Ausschließlichkeitsrechte sowie einen originären Leistungsschutz etwa an Modeneuheiten jenseits der §§ 3 f., 8 f. UWG2; – an die Anwendung der Eingriffskondiktion bzw. der Geschäftsanmaßung auf Güter wie elektrische Energie und Persönlichkeitsmerkmale, für die sich dem einfachen Recht keine positive Zuweisung von Werten und Gewinnen entnehmen lässt3; – an die Pfändbarkeit und zwangsweise Übertragbarkeit eines „Ausschlussrechts“ an nicht patentierten Betriebsgeheimnissen in der Insolvenz4; – an die Anerkennung vererblicher, vermögenswerter Bestandteile des Persönlichkeitsrechts, die nach Auffassung der herrschenden Meinung auch unter Lebenden beschränkt umlauffähig sein sollen5;
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Oben §§ 4 B I, 5 B I 1. Oben §§ 4 B III, 7, 10 B. Oben §§ 4 B VI, VII, 8, 9. Oben §§ 4 B V, 10 D, E. Oben §§ 4 B VII, 10 B, F.
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– an Literaturstimmen, die anders als die Rechtsprechung verkehrsfähige Ausschließlichkeitsrechte an Sportveranstaltungen, der Internet-Domain als solcher und elektrischer Energie bejahen6. Diese gerichtlichen Entscheidungen und literarischen Stellungnahmen haben gemeinsam, dass sie sich nach den Ergebnissen der §§ 5 bis 11 nicht auf eine geschriebene Rechtsgrundlage berufen können. Dabei spielt es keine Rolle, ob Ausschließlichkeitsrechte wie häufig in der Literatur, aber auch in der Dücko- und Marlene-Entscheidung ad hoc anerkannt werden, oder ob die jeweils begehrte Rechtsfolge unter scheinbarer Anwendung der in Frage kommenden Vorschriften zugebilligt und so schrittweise, wie in einem Baukastensystem, ein subjektivausschließliches Recht herausgebildet wird. Gleichwohl wäre es verfrüht, diese Resultate als contra legem zu verwerfen. Denn bereits in der Einleitung wurde erläutert, dass nach hier vertretener – damit übrigens keineswegs streng gesetzespositivistischer – Auffassung ein etwaiges allgemeines Rechtsprinzip der Güterzuordnung ebenfalls zur verfassungsmäßigen Ordnung (Art. 2 Abs. 1 GG) gezählt werden kann7. Hierbei würde es sich um einen Grundgedanken, ein materiales „Problemprinzip“ (Esser) handeln, aus dem eine im positiven Gesetzesrecht nicht unmittelbar begründbare Zuordnungsentscheidung abgeleitet wird8. Vorbehaltlich der Frage, woraus sich ein solches Prinzip speisen kann, ist doch grundsätzlich anerkannt, dass die Entwicklung „allgemeiner Rechtsgrundsätze“, auf deren Basis konkrete Fälle entschieden werden, zu den legitimen richterlichen Aufgaben gehört9. Namentlich für die hier relevante Fortbildung des einfachen Rechts stellen Rechtsprinzipien Wertmaßstäbe zur Verfügung, an denen sich der Rechtsanwender in Grenzfällen orientieren darf und sogar muss10. Mit diesen Wirkungen zählen sie zum geltenden „Recht“, an das die Gerichte gebunden sind und das sie zugleich verwirklichen (Art. 20 Abs. 3 GG)11. Da ein solches Rechtsprinzip zwar mehr ist als eine bloße 6
Oben §§ 4 B II, IV, VI. Zu Rechtsprinzipien als Instrumenten zur Überwindung des Dilemmas zwischen Naturrecht und Positivismus Kaufmann, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, Rechtsphilosophie, 106 ff. m.w.N., 131 (abstrakt-allgemeine, überpositive und übergeschichtliche Rechtsprinzipien); Bydlinski, Methodenlehre, 559 (zum „Recht“ zähle das positive Recht und die Rechtsidee samt ihren Konkretisierungen in Rechtsprinzipien). 8 Esser, Grundsatz und Norm, 47 f. (im Unterschied zu axiomatischen Prinzipien wie der Relativität der Schuldverhältnisse und dogmatischen Prinzipien wie der Abstraktion von Verpflichtung und Verfügung); Larenz/Canaris, Methodenlehre, 240 ff.; Kramer, Methodenlehre, 225 ff. (allgemeine Rechtsgrundsätze); Dworkin, Taking Rights Seriously, 85, 105 ff. 9 BVerfGE 18, 224, 237 f. (1964); BVerfGE 84, 212, 226 f. (1991); BVerfGE 95, 48, 62 (1996). 10 Esser, Grundsatz und Norm, 88; Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, 453; ders., Rechtstheorie, Rn. 491a ff.; Neuner, Rechtsfindung contra legem, 106 f.; Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 342 f.; Larenz, FS Nikisch, 275, 300 (konstitutiver Rechtsgedanke); Canaris, Systemdenken, 70; Koch/ Rüßmann, Begründungslehre, 103 (Prinzipien könnten als Prämissen eines deduktiven Hauptschemas fungieren); Bydlinski, Methodenlehre, 473, 482; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 20 GG (Rechtsstaat) Rn. 92. 11 Larenz, FS Nikisch, 275, 300; Esser, Grundsatz und Norm, 149; Schloßmann, IherJb 45 (1903), 289, 312 („Bildungsprinzipien“ im Hinblick auf das Privateigentum). 7
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Wertung, aber doch nicht so verfestigt ist wie ein normiertes Tatbestandsmerkmal12, muss es mit Rücksicht auf den zu entscheidenden Fall konkretisiert und recht eigentlich entfaltet werden13. Und tatsächlich rechtfertigen Gerichte positive Zuordnungsentscheidungen mit dieser Rechtsquelle. In den sog. Leistungsschutzurteilen berief sich der Bundesgerichtshof auf „allgemein bürgerlichrechtliche Grundsätze“ und einen „Rechtgedanken des Leistungsschutzes“, um im Vorgriff auf die anstehende Novellierung des Urheberrechts Ausschließlichkeitsrechte an Darbietungen ausübender Künstler und an Funksendungen anzuerkennen14. Das Bundesverfassungsgericht sah in der Ausbildung vererblicher, vermögenswerter Ausschließlichkeitsrechte an der Person unter anderem deshalb keine verfassungswidrige Rechtsfortbildung, weil ein „Grundgedanke des bürgerlichen Rechts“ existiere, wonach die Wahrnehmung derartiger Vermögensinteressen den Erben zuzugestehen sei15. Esser und Fikentscher nennen unter anderem das Immaterialgüterrecht als Beispiel für eine Rechtsmaterie, die auf allgemeinen Rechtsprinzipien basiere und daher von der Judikative im Einzelnen ausgestaltet werden könne16. Im Folgenden ist zu prüfen, ob diese Annahmen zutreffend sind. Dazu gilt es in einem ersten Schritt, die Wertungen zu formulieren, die hinter einem etwaigen Rechtsprinzip der Güterzuordnung stehen (dazu B). Anschließend wird erörtert, ob diese ohne Zweifel wirkmächtigen Kerngedanken der Zuordnung tatsächlich ein Rechtsprinzip abgeben, das die Judikative zur Überschreitung des Regelungsplans der güterzuordnungsrelevanten Regelungen des Privat-, Verfahrens- und Verfassungsrechts legitimiert (dazu C).
B. Die Kerngedanken der Zuordnung Blickt man zurück auf die Beispiele „neuer“ Güter und die Erörterung der für ihre Zuordnung in Frage kommenden Rechtsgrundlagen, werden wenige, wiederkehrende Argumente erkennbar, die für die Anerkennung positiv-exklusiver Befugnisse vorgebracht werden17. Sie bilden das Wertungsfundament eines etwaigen Rechtsprinzips der Güterzuordnung. Auslöser ist in aller Regel der einem 12 Esser, Grundsatz und Norm, 50; Canaris, Systemdenken, 52; Larenz, Methodenlehre, 129 (Rechtsprinzipien als vermittelnde Kriterien zwischen Rechtsidee und Regelungen des positiven Rechts). 13 Esser, Grundsatz und Norm, 270 f. 14 BGHZ 33, 20, 28 (1960) – Figaros Hochzeit; BGHZ 37, 1, 8 (1962) – AKI; so auch Mestmäcker, in: Vieweg, Vermarktungsrechte, 53, 62. 15 BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 – Marlene. 16 Siehe Esser, Grundsatz und Norm, 249 (Urheberrecht); Fikentscher, Methoden IV, 333, 335 (gewerblicher Rechtsschutz); ferner Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 31 f. (die Anerkennung von Ausschließlichkeitsrechten entspreche der Ordnungsfunktion des Privatrechts). 17 Siehe dazu bereits oben § 4 B I-VII, jeweils 3 („Argumente“).
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Gut zugeschriebene Vermögenswert, über dessen Schutz und Verteilung Klarheit herrschen müsse (dazu I). Bedürfnis und Forderung nach „Eigentum“ sind dann besonders stark, wenn das betreffende Gut Frucht persönlicher Arbeit ist (dazu II). Die Durchschlagskraft dieser Aspekte verwundert nicht, verschmelzen hier doch zwei zentrale Postulate der deutschen Rechtsordnung, nämlich die Sicherung und Förderung des Individuums sowie die Ermöglichung einer dezentralen Mehrplanwirtschaft (dazu III).
I. Vermögenswert Der Ruf nach subjektiv-ausschließlichen Rechten wird der Erfahrung nach immer erst dann laut, wenn ein faktischer Vermögenswert existiert, um dessen Zuordnung gestritten wird18. Dessen Entstehung verläuft immer nach demselben Schema: Am Anfang stehen menschliche Bedürfnisse. Sie beziehen sich entweder auf bisher unbekannte Güter, die die technische Entwicklung hervorbringt (z.B. elektrische Energie, virtuelle Güter aus Online-Welten), oder sie werden durch wirtschaftliche und sozialer Veränderungen geweckt (z.B. kommerzielle Nutzung von Persönlichkeitsmerkmalen). Neu sind also entweder die Güter oder die wirtschaftlichen Begehrlichkeiten. Sie werden befriedigt, indem der Nutzungswillige ohne Zustimmung auf das nicht exklusive Gut zugreift (z.B. Werbung mit dem Bildnis Prominenter) oder der Inhaber des Gutes seine faktische Exklusivität einsetzt, um zumindest entgeltliche Verpflichtungsgeschäfte abzuschließen (z.B. Verkauf und Lizenzierung von Geheimnissen). Die entsprechenden Nutzungshandlungen lassen sich monetarisieren. Fraglich und umstritten ist dann, wem dieser Vermögenswert gebührt, wer mit anderen Worten von der technisch oder sozial begründeten Bedürfniserweiterung profitiert. Diese Zwangsläufigkeit der Fragestellung hat oft und mit besonderer Vehemenz im Zusammenhang mit den vermögenswerten Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts zur normativen Schlussfolgerung Anlass gegeben, die lautet: „Wenn Wert, dann Recht“19. Hinter diesem Automatismus stehen zwei Erwar18
Siehe bereits oben Einleitung A. Sohm, IherJb 53 (1908), 373, 385 mit Fn. 20, ferner 384 mit Fn. 17 („Welche Rechte veräußerlich sind, kann nicht nach Maßgabe eines Prinzips, sondern nur nach Maßgabe des Verkehrs entschieden werden.“), 392 (der Verkehr habe die neuen Vermögensrechte wie z.B. das Urheberrecht geschaffen); Hubmann, ZHR 117 (1955), 41, 57; Ehmann, FS 50 Jahre BGH, 613, 665; Dreier, FS Dietz, 235, 249 f. (für das Recht am Bild der eigenen Sache mit Hinweis auf die Dematerialisierung des Wirtschaftslebens); Weimann, Software in der Zwangsvollstreckung, 68 („Findet sich ein Markt, ist der Schutzbereich des Art. 14 I 1 GG für ein einzelnes Vermögensrecht erreicht.“); aus historischer Sicht Müller-Erzbach, ZHR 88 (1926), 173 ff.; ebenso zum englischen common law Millar v. Taylor, 4 Burr. 2303, 2340 (1769) („… in short any thing merchandizable and valuable“), anders aber Justice Yates a.a.O., 2357 („mere value does not constitute property“). Dazu kritisch aus Sicht der ökonomischen Analyse § 3 B III und E; ablehnend auch schon Binder, ArchBürgR 34 (1920), 209, 246 ff. (aber ohne grundsätzliche Bedenken gegen die normative Kraft des Faktischen, a.a.O., 260). 19
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tungen in Bezug auf die Marktwirtschaft, die sich als effizientester Mechanismus zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse erwiesen hat. Zum einen sind eindeutig definierte, verkehrsfähige Rechte die Grundvoraussetzung für das Funktionieren einer solchen dezentralen Mehrplanwirtschaft20. Ohne eine Rechtsordnung, die Güter zum Haben zuordnet, gibt es keinen freien und lauteren Wettbewerb21; ohne subjektive Rechte keine Privatautonomie, die gegenseitige Transaktionsgewinne ermöglicht22. Zum anderen werden subjektiv-ausschließliche Rechte als Instrumente zur Erzielung einer effizienten Ressourcenallokation angesehen, indem sie dazu anregen, die vorhandenen Güter intensiv und zugleich schonend zu nutzen und neue Güter hervorzubringen23. Derartige wirtschaftliche Erwägungen werden nicht selten zur Legitimierung einer Rechtsfortbildung ins Feld geführt. So sollen „unabweisbare Verkehrsinteressen“ eine Überschreitung des einschlägigen Regelungsplans generell rechtfertigen können, wenn die Untätigkeit des Gesetzgebers nicht mehr erträglich sei (sog. Rechtsnotstand)24. Angewendet auf die hiesige Thematik bedeutet das, die Gerichte dürften zumindest übergangsweise ungeschriebene Ausschließlichkeitsrechte anerkennen, wenn eine technisch-wirtschaftliche Entwicklung noch nicht im positiven Recht abgebildet ist, der „Verkehr“ eine solche Zuordnung aber begehrt25.
II. Das Gut als Emanation persönlicher Arbeit Freilich besagt allein das Gebot der Zuordnung vermögenswerter Güter nicht, wer originär Berechtigter sein soll26. Auch formalen Gerechtigkeitspostulaten wie dem „suum cuique“ ist nicht zu entnehmen, nach welchen konkreten Kriterien bestimmte Güter zu verteilen sind27. Gerade um diese Frage dreht sich aber der Streit um „neue“ Güter. 20
Siehe aus Sicht der ökonomischen Analyse oben § 3 B I. Fikentscher, FS Lukes, 375, 391. 22 Seiler, in: Staudinger, § 903 Rn. 9; Schapp, AcP 192 (1992), 355, 373 (Eigentum als Voraussetzung des Schuldvertrags und damit der Privatautonomie); Ohly, FS Schricker, 105, 117. 23 Oben § 3 B I, II 2. Allgemein zur Anreizwirkung von subjektiven Rechten Becker, AcP 196 (1996), 439, 448. 24 BVerfGE 25, 167, 182 ff. (1969) (20-jährige Untätigkeit des Gesetzgebers erscheine unerträglich); Larenz/Wolf, AT, § 4 Rn. 83; Larenz/Canaris, Methodenlehre, 245; Fikentscher, Methoden IV, 322, 336; Picker, JZ 1984, 153, 158; Wank, Rechtsfortbildung, 119 ff.; zur Überwindung des numerus clausus der beschränkt dinglichen Rechte Wolf, NJW 1987, 2647, 2650; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, 3; zur Einziehungsermächtigung letztlich verneinend Rüßmann, JuS 1972, 169, 171 f. 25 Gegen die Unterscheidung „gewerblich“ und „nicht gewerblich“ Pfister, JZ 1976, 156, 157; dafür Bittner, Fotografieren fremder Sachen, 90 f.; wohl auch Pawlowski, AcP 165 (1965), 395, 411 ff.; dazu auch Raiser, AöR 78 (1952/53), 118 f. 26 A.A. Eschenbach, Eigentum, 596 ff. 27 Radbruch, Rechtsphilosophie, 126 f., 146; Zippelius, Rechtsphilosophie, 84 m.w.N.; Ellscheid, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, Rechtsphilosophie, 168 f. 21
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Der häufig ausschlaggebende Gesichtspunkt in dieser Hinsicht ist die Forderung, demjenigen ein vermögenswertes Gut zuzuteilen, der es aufgrund eigener Arbeit bzw. synonym eigener Leistung28 maßgeblich hervorgebracht hat29. Wie tief dieser Gedanke im abendländischen Wertekanon verankert und wie stark seine Anziehungskraft bis heute ist, erhellen Verweise auf das biblische Gebot nicht zu stehlen und nicht „mit fremdem Kalbe“ „fremde Felder“ zu pflügen30. In die säkulare Eigentumsphilosophie sind derartige Postulate vor allen Dingen durch die Arbeitstheorie von John Locke eingegangen31, die von Luhmann zu Recht als „quasi-mythologische Erzählung“ mit „Bezug auf die Theologie, und zwar über den Archetypus der ,workmanship‘ Gottes“ bezeichnet wird32, und auf die noch gesondert einzugehen sein wird. Auf diese Weise wurden der originäre wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz für den Hersteller eigenartiger Produkte33 sowie ausschließliche Rechte zugunsten des Veranstalters von Sportereignissen34, des Sendeunternehmens35, des Entdeckers von Geheimnissen36, des Produzenten elektrischer Energie37, des Unternehmers am Goodwill38 und nicht zuletzt der Person im Hinblick auf ihre Prominenz39 gerechtfertigt. Auch in Le-
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Beides gemeinsam betrachtend auch Brocker, Arbeit und Eigentum, 1. Allgemein Kruse, Eigentumsrecht, 107 ff. („Gerechtigkeitsideal für alles Eigentum“); Schapp, Neue Wissenschaft vom Recht, 84 („Das Eigentum am Werke entsteht durch das Schaffen.“); Schapp, AcP 192 (1992), 355, 369 m.w.N. („Durch Schaffen – nicht durch Aneignung – entsteht Eigentum.“). Zur ökonomischen Analyse Lemley, U. Chi. L. Rev. 71 (2004), 129, 131 mit Fn. 7 (es handele sich nicht um ein genuin ökonomisches Argument). 30 Siehe Götting, in: Fezer, § 4–9 UWG Rn. 2 m.w.N.; ferner Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 49 (unter Verweis auf Locke und eine päpstliche Enzyklika sei „die Arbeit die vornehmste Erwerbsquelle für das Eigentum“); Brecher, Unternehmen als Rechtsgegenstand, 31 (mit Hinweis auf Scholastik und Naturrecht); Fezer, FS GRUR II, 939, 941 (mit Verweis auf das „geflügelte Goethe-Wort, kühn sei das Mühen, herrlich der Lohn“, das eine „vermutlich in den verschiedensten Völkern aller Rechtszeiten tief verwurzelte Vorstellung vom Wirtschaften des Menschen“ ausspreche). 31 Zur Rezeption von Lockes Thesen für die Rechtfertigung des Urheberrechts in Deutschland Oberndörfer, Philosophische Grundlage, 63 ff.; ferner Häberle, in: Neumann, Eigentums- und Verfügungsrechte, 63, 78 (die naturrechtliche Begründung des Eigentums aus Arbeit gehe auf Locke zurück). 32 Luhmann, in: Krawietz/Martino/Winston, Technischer Imperativ, 43, 49. Zum theologischen Fundament von Lockes Eigentumstheorie Brandt, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 19, 25; Schild, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 33, 39. 33 Siehe BGH GRUR 1988, 308, 310; LG Hamburg CR 1994, 476, 478; LG Mannheim CR 1996, 411, 413 (wer einen Wettbewerber systematisch um die ihm billigerweise zustehenden Früchte seiner Arbeit bringe, handele sittenwidrig); ferner oben § 4 B III 3. 34 LG Hamburg ZUM 2002, 655, 660; Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 114 f. 35 Hubmann, GRUR 1953, 316, 320 f. 36 Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 49. 37 Kloeß, AcP 103 (1908), 34, 90 ff. (in erkennbarer Anlehnung an die Eigentumstheorien von Locke und Hegel). 38 Hubmann, ZHR 117 (1955), 41, 55 ff. 39 BGHZ 143, 214, 224 (1999) – Marlene; BGHZ 165, 203, 209 (2005); weitere Nachweise oben § 4 B VII 3 b. 29
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gitimationsdebatten um das Sacheigentum40 und die Immaterialgüterrechte41 als den normierten Ausschließlichkeitsrechten spielt diese Erwägung eine zentrale Rolle. Vertieft und verstärkt wird das Gebot der Zuordnung des selbst Geleisteten noch durch die vom hegelschen Idealismus beeinflusste Vorstellung eines Dreiklangs von „Ich – Werk – Eigentum“. Demnach „gehöre“ sich der Mensch selbst und sei um seiner selbst willen zu schützen. Durch arbeitende Betätigung wirke der menschliche Geist in außerpersönliche Gegenstände ein und eigne sich diese Äußerlichkeiten an. Deshalb seien diese Güter der Person ebenso vorzubehalten wie die Entscheidung über sich selbst42. Die Bedeutung dieser „Emanationstheorie“ kann jedenfalls für den deutschen Sprachraum kaum überschätzt werden, weil sie ein theoretisches Fundament für einen ununterbrochenen Zirkel von der Person zum Arbeitsergebnis und wieder zurück zur persönlichen Berechtigung bietet, während die klassische Frucht-der-Arbeit-Theorie nur postuliert. Außerdem lenkt sie das Augenmerk vom materiellen Ergebnis des Schaffens auf seinen Ausgangspunkt, nämlich die Person, und damit auf den Angelpunkt neuzeitlichen Rechtsdenkens. Über diese rechtsphilosophische Strömung konnte „das“ Persönlichkeitsrecht zum Quell des Schutzes der Person als solcher und übertragbarer Ausschließlichkeitsrechte an immateriellen Gütern werden43. Ferner 40
Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 234 (offener Prozess der Gestaltwerdung absoluter Rechte aufgrund wissenschaftlicher Einsicht gebiere Grundgedanken der Zuordnung, z.B. den Gedanken, „dass das – abgrenzbar – ganz dem einzelnen …, seiner Individualität, seiner Leistung zuzurechnende Gut, auch diesem einzelnen, insbesondere zu seiner Nutzung, zugeordnet werden muss“); Boecken, Deliktsrechtlicher Eigentumsschutz, 195 ff.; Peter, Wandlungen, 120; Sontis, FS Larenz, 1973, 981, 998. 41 Siehe etwa BGHZ 33, 20, 26 ff. (1960) – Figaros Hochzeit; BGHZ 41, 84, 94 (1964); BGHZ 60, 206, 208 (1973); BGHZ 99, 244, 247 (1986); LG Berlin GRUR 1900, 131; Nachweise zur Rechtsprechung des BVerfG oben 11 B II 2 b aa (1); ferner Kohler, Autorrecht, 98 f. („Die philosophische Begründung des Eigenthums und des Immaterialgüterrechts liegt in der Arbeit …; dieser Satz ist völlig vernunftgemäß und philosophisch nicht zu widerlegen.“); Fikentscher, Wettbewerb, 142; Oberndörfer, Philosophische Grundlage, 63 ff. m.w.N. 42 Siehe die Kombination der Gedanken z.B. bei Schapp, Neue Wissenschaft vom Recht, 80 ff. (Mein-Werk-Eigentum); Ryffel, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 61, 66 (der Einzelne schaffe sich einen Anteil an der Welt, derer er zur Konstitution seiner Persönlichkeit bedürfe); Gareis, FS Schirmer, 59, 83 m.w.N.; Fezer, FS GRUR II, 939, 941; Schick, Schutz nicht geschützter Arbeitsergebnisse, 123; Brecher, Unternehmen als Rechtsgegenstand, 19 („Der Handwerker …, der Künstler …, sie alle können und sollen ihre Aufgabe nicht erfüllen, ohne daß etwas von ihrer Persönlichkeit in ihr Werk eingeht.“). Zum Einfluss Hegels siehe Oberndörfer, Philosophische Grundlage, 102. Zu Hegels Eigentumstheorie unten C V. 43 Siehe v. Gierke, IherJb 35 (1896), 137, 158 ff.; ders., Dt. Privatrecht I, 702 ff.; Gareis, FS Schirmer, 59, 82 ff.; Kohler, Unlauterer Wettbewerb, 20 ff. (a.a.O., 23: „Das Persönlichkeitsrecht kann sich dadurch steigern, daß es aus sich besondere Institute bildet, die der Person eine stärkere Trag- und Wurfkraft geben. Dahin gehört Name, Firma, Etablissementbezeichnung, Marke. Auch dies sind Persönlichkeitsrechte; sie sind gleichsam Sperrforts, welche der Person gegen die Angriffe einen besonders wirksamen Schutz gewähren sollen. Alle solche Sperrforts genügen allerdings nicht; die Angriffe der Feinde können über sie hinweg reichen; die Person in ihrem unmittelbaren Wirken muß außerdem ihren Schutz genießen. Darum kann der Schutz der einzelnen Positionen nie genügen; hinter den Sperrforts ist die ganze Feste zu schützen. Aber auch das richtige Verständ-
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erscheint es auf dieser Grundlage nur konsequent, kommerzialisierte Merkmale der Person als Entäußerung anzusehen, die zuzuweisen ist. In Kombination mit einem kräftigen Schuss Historismus und/oder hegelscher Geschichtsphilosophie entfaltet sich eine Dynamik, der das geschriebene Recht kaum etwas entgegenzusetzen hat44. Viele Argumentationen zur Zuordnung „neuer“ Güter lassen sich auf diese rechtsphilosophischen Wurzeln zurückführen, auch wenn man ein offenes Bekenntnis hierzu ebenso vergeblich sucht wie eine Auseinandersetzung mit den theoretischen Ausgangsannahmen. Besonders augenfällig wird dies wiederum im Hinblick auf die Anerkennung vermögenswerter Ausschließlichkeitsrechte an der Person45.
III. Verschmelzung Die getrennte Darstellung des Vermögenswerts und der Emanation persönlicher Arbeit als der Kerngedanken der Güterzuordnung darf nicht zur Annahme verleiten, sie stünden unverbunden nebeneinander. In aller Regel stützen sich die zitierten Gerichte und Autoren nämlich auf beide Aspekte. Und gerade in dieser Verschmelzung weithin konsentierter ökonomischer Grundsätze mit ethischen Postulaten dürfte das Erfolgsgeheimnis dieser zuerst von John Locke zu voller Blüte gebrachten „Eigentumslogik“ liegen46. Sie fußt auf zwei zentralen Werten und Konzepten westlicher Kultur: dem Schutz des Individuums und der dezentralen Marktwirtschaftsordnung. Kein Wunder also, dass ihr bis heute solche Anziehungskraft zugekommen ist47. Wer die Forderung nach neuen subjektiven
nis44dieser Sperrforts ist nicht möglich ohne den Zusammenhang mit dem Gesamtschutz; erst hierdurch erlangen die Einzelheiten ihren Sinn.“); Coing, in: Coing/Lawson/Grönfors, Das subjektive Recht, 7, 16 f. (die Grundlage der Lehre vom Persönlichkeitsrecht sei im 16. Jahrhundert von Donellus gelegt worden); Merkl, Immaterialgüterrecht, 169; Schick, Schutz nicht geschützter Arbeitsergebnisse, 87, 97 (schutzwürdig seien alle individuellen geistigen Leistungen); Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 68 ff., 114 f. 44 Insbesondere v. Gierke, Dt. Privatrecht I, 704 f. (aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht könnten „besondere Rechte“ herauswachsen; ob das passiere oder im Persönlichkeitsrecht der „Stoff zu solchen Rechten unausgeschieden stecken bleibt, darüber entscheidet die rechtsgeschichtliche Entwicklung“); Kohler, Unlauterer Wettbewerb, 20 (auf die Auffassung des BGB-Gesetzgebers zum Persönlichkeitsrecht komme es nicht an). 45 Insoweit lässt sich – bei allen Bedenken gegen eine solch grobe Einschätzung – eine geistesgeschichtliche Linie vom deutschen Idealismus (insbesondere Hegel) über v. Gierke, Josef Kohler, Hubmann, Forkel (zu Hubmanns Bezugnahme auf v. Gierke siehe Forkel, FS Neumayer, 229, 236), Götting und die Marlene-Rechtsprechung ziehen. 46 Luhmann, in: Krawietz/Martino/Winston, Technischer Imperativ, 43, 49 f.; ähnlich Stein, FS Müller, 503, 504. Zum Begriff der „Eigentumslogik“ Dreier, in: Schricker/Dreier/Kur, Geistiges Eigentum, 51, 70 ff., 76 ff. 47 Siehe Raiser, JZ 1961, 465, 472 („Das [die Frage nach den Befugnissen des Rechtsinhabers und nicht nach seinen Pflichten, Verf.] entspricht einer alten Tradition, die sich leicht durch den Umstand erklären lässt, dass im Prozess, dem wichtigsten Motor des Rechtsdenkens und der Rechtsentwicklung, der Rechtsschutz des Inhabers der Rechtsstellung, also das subjektive Recht in seiner Abwehrfunktion, die volle Aufmerksamkeit der Juristen auf sich zieht.“); Beater, Nachah-
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Rechten kritisiert und im Einzelfall zurückweist, scheint sich von diesen Ausgangspunkten der Rechtsordnung zu distanzieren und entweder eine Kollektivierung oder den Kampf aller gegen alle zu propagieren48. Die eigenständige Bedeutung der Kombination ökonomischer und ethischer Motive lässt sich an einzelnen Fragestellungen zeigen. So erklärt die Emanationstheorie zunächst nur die originäre Zuordnung des vermögenswerten Gutes zu demjenigen, der es in eigener Arbeit hervorgebracht hat. Dass die entsprechenden Befugnisse unter Lebenden und von Todes wegen übertragbar sein müssen, wird dann wieder aus ökonomischen Gesichtspunkten gefolgert – wobei die mit dem Schutz und der Verwirklichung der Persönlichkeitsentfaltung an sich unvereinbare, in der Rechtsordnung aber nun einmal angelegte Konsequenz der zwangsweisen Verwertung in Einzel- und Gesamtvollstreckung häufig ausgeblendet bleibt. Dabei werden die Nützlichkeitserwägungen häufig instrumentalisiert, um material-wertethische Postulate mit dem Deckmantel einer vorgeblich effizienten Lösung zu versehen49; zugleich wird das erkenntnistheoretische Defizit einer empirisch angelegten und damit nur zu wahrscheinlichen Aussagen fähigen Ökonomik behoben50. Von dieser Allianz profitieren Juristen und Ökonomen gleichermaßen, weil sie sich auf Aussagen der jeweils anderen Disziplin stützen. In dieser Untersuchung wird hingegen eine scharfe Trennung sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse über Recht einerseits und der Sätze über den Inhalt des Rechts andererseits verfochten, weil die vorgenannte Positionsverbesserung im Diskurs mit einer Aufgabe der im jeweiligen Fachgebiet geltenden methodischen Grundannahmen erkauft wird51. Dieser Preis ist zu hoch, weil er sowohl zu sozialwissenschaftlichen Pauschalurteilen ohne Rückhalt in der Erfahrung als auch zu juristischen Schlussfolgerungen verleitet, die der geltenden (deutschen) Rechtsordnung widersprechen.
48 men im Wettbewerb, 395 („tiefe[s] Bedürfnis nach geistigem Eigentum“), 429 („Man kann die ethische Vorstellung über ,Produktpiraterie‘ kritisieren, aber man muss sie in weiten Teilen als unumstößlich akzeptieren.“). 48 Siehe aber unten § 15 B I. 49 Pareto, Tugendmythos, 176, 178 („Oft verbirgt sich der Glaube an eine orthodoxe Doktrin unter dem Deckmantel der Nützlichkeit.“). 50 Siehe Klippel, Namensschutz, 205 ff. (der Wirtschafstheorie komme in Bezug auf die Erfassung immaterieller Güter nur eine sekundäre, die Erkenntnisse des Naturrechts und der Rechtsphilosophie in ein marktwirtschaftliches System einpassende, diese legitimierende Rolle zu); zu den Grenzen der positiven ökonomischen Analyse oben § 3 B III. 51 Zum methodologischen Dualismus im Recht oben § 1 A; zu den Grenzen der normativen ökonomischen Analyse oben § 3 C.
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C. Geltung als zur Rechtsfortbildung legitimierendes Rechtsprinzip? Damit steht die Frage im Raum, ob die ohne Zweifel wirkmächtigen Kerngedanken der Güterzuordnung wirklich ein zur Fortbildung des geltenden deutschen Rechts legitimierendes Rechtsprinzip tragen.
I. Scheinbare und fehlende „Begründungen“ Diesen Zweifel kann überhaupt nur formulieren, wer dem methodologischen Dualismus folgt und damit zunächst einmal eine nachvollziehbare Begründung verlangt, wie und warum man von einer bestimmten Aussage über die Wirklichkeit zu einer normativen Schlussfolgerung gelangt ist52. Bereits auf dieser ersten Stufe erweist sich die Stärke der ethisch-sozialwissenschaftlich motivierten Zuordnungspostulate als ihr wunder Punkt. Wer nämlich meint, mit der Gewährung neuer Ausschließlichkeitsrechte alle relevanten Wertungen der Rechtsordnung bereits berücksichtigt zu haben, neigt nicht selten dazu, Sollensschlüsse nur scheinbar oder gar nicht zu begründen. Zu einer solchen, von vornherein ungenügenden „Argumentation“ zählen zunächst Eigenwertungen des Rechtsanwenders, die durch den Anschein methodengerechter Auslegung des geschriebenen Rechts verdeckt werden, die aber eigentlich nicht möglich und daher auch nicht ernst gemeint ist53. Die vorstehenden Analysen haben viele derartige Scheinbegründungen aufgedeckt. Insbesondere konnte gezeigt werden, dass die normierten Ausschließlichkeitsrechte in Generalklauseln, die güterzuordnungsrelevanten Vorschriften der gesetzlichen Schuldverhältnisse und des Rechtsverkehrsrechts in Normen umgedeutet wurden, die die Gerichte aus sich heraus („intern“) zur Anerkennung positiv-exklusiver, verkehrsfähiger Rechte ermächtigen. Auf der Ebene eines Rechtsprinzips geht es aber gar nicht mehr um die Anwendung und Auslegung bestimmter Rechtsvorschriften, sondern wie gezeigt um die Darlegung eines allgemeinen Grundsatzes, der ggf. in keiner Regelung ausdrücklich niedergelegt ist. Derartige Annahmen sind ebenfalls, ja erst recht nachvollziehbar zu begründen, weil die unterlegene Partei eine Erläuterung er52 Zur Begründungspflicht von Zivilurteilen siehe die §§ 313 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 3, 540 Abs. 1 Nr. 2, 555 Abs. 1 ZPO. Allgemein zur Notwendigkeit eindeutiger, rational nachprüfbarer Begründungszusammenhänge in der juristischen Argumentation Fischer, Rechtsfortbildungen, 222 ff., 437; Esser, Grundsatz und Norm, 85; Neumann, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, Rechtsphilosophie, 342 (die Qualität juristischer Begründung sei für die Qualität der Rechtsauffassung konstitutiv); Vesting, Rechtstheorie, Rn. 243 f.; Larenz, NJW 1965, 1, 10 (jede Rechtsfortbildung bedürfe der sorgfältigen Begründung, dass und warum sie „aus rechtlichen Gründen geboten“ sei (Hervorh. im Original)); insoweit auch Sohm, IherJb 53 (1908), 373, 380 (welche Rechte übertragbare Vermögensrechte seien, bestimme sich nicht nach „irgendwelchem Begriff, sondern lediglich nach dem positiven Recht“). 53 Fischer, Rechtsfortbildungen, 437, 510 ff.; Foerste, JZ 2007, 122, 130 ff. (Scheinbegründungen und Rechtsschutz gegen verdeckte Rechtsfortbildung).
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warten kann, warum ihr vergangenes Verhalten zwangsweise durchsetzbare Sanktionen nach sich zieht, obwohl sie im Zeitpunkt der Handlung gegen kein öffentlich bekanntgemachtes Gesetz verstoßen hat. Viele Urteile und literarische Stellungnahmen, die im Interesse einer ungeschriebenen Güterzuordnung das in den §§ 5 bis 11 dargestellte Privat- und Verfassungsrecht überschreiten, erfüllen jedoch nicht einmal diese Grundvoraussetzung. Weder wenden sie (auch nur scheinbar) eine Rechtsnorm an noch begründen sie in kritisierbarer Weise das Ergebnis, sondern stellen jenes apodiktisch in den Raum. Typisch sind folgende, rhetorisch wirksame, aber eben doch gehaltlose Varianten: Oft wird das Fehlen einer Begründung dadurch kaschiert, dass unter Verstoß gegen das Verteilungsprinzip einer freiheitlichen Rechtsordnung die Darlegungslast dem potentiellen Schuldner zugeschoben wird, der hafte, weil keine Gründe ersichtlich seien, warum er zur Verwirklichung einer Zuordnungsentscheidung nicht haften solle54. Wohl noch häufiger anzutreffen sind apodiktische Behauptungen ohne jede Erläuterung55 oder zirkuläre Aussagen, wonach zu schützen ist, was schutzwürdig sei56. Der Vorwurf des Zirkelschlusses wird zu Recht auch gegen den Satz „wenn Wert, dann Recht“ erhoben. Denn der faktische Wert eines Gutes für eine Person richtet sich stets nach den Handlungsmöglichkeiten, die 54 Siehe zusammenfassend oben § 9 E II; ferner z.B. v. Holleben, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 125; Witzleb, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 196 (Persönlichkeitsrechte); zum Grundsatz der Gewinnhaftung gem. § 687 Abs. 2 BGB in diesem Sinne Nipperdey, FS Böhm, 163, 167, 169 (rhetorische Frage, ob die Haftung etwa nicht berechtigt sei); v. Bargen, Unechte Geschäftsführung, 23; Krumm, Widerrechtliche Inanspruchnahme, 146; Ebert, Geschäftsanmaßung, 71; Erlanger, Gewinnabschöpfung, 104; Flügge, Der Anspruch des Arbeitgebers, 92; Roth, FS Niederländer, 363, 380. 55 Siehe z.B. BGH GRUR 1990, 218, 220 („Immaterialgüterrecht“ am Titelschutz gem. UWG 1909 übertragbar); OLG Dresden LZ 1910, 332, 334 (das eingerichtete Unternehmen als „einheitliches und selbständiges immaterielles Gut, das … auch Gegenstand eines einheitlichen an ihm bestehenden absoluten subjektiven Rechts ist“); Kohler, ArchBürgR 7 (1893), 94, 106; Roth, Geschützte Stellungen, 111 („Würde man den absoluten Schutz auf bestimmte eng begrenzte Rechte beschränken, wäre eine umfassende und angemessene Sicherung in der Vielzahl der möglichen Verletzungsfälle nicht gewährleistet.“); Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 225 (nur ein auf das UWG gestützter absoluter Schutz von Verwertungsinteressen sei „effizient“); Isele, FS Cohn, 75, 77 (eine eigennützige Abweichung von der vertraglich festgelegten Interessenaufteilung „muß“ zum Anspruch auf Gewinnherausgabe führen; durch die vertragliche Abgrenzung von Rechtskreisen seien Strukturen geschaffen, die den Anspruch „verdienen“). 56 Siehe zum Beispiel Fezer, FS GRUR II, 939, 959 („Die Schutzwürdigkeit einer unternehmerischen Leistung an sich rückt deutlich in den Mittelpunkt der wettbewerbsrechtlichen Bewertung zur Abwehr von Behinderungen im Leistungswettbewerb. Dieses Phänomen ist die eigentliche Ursache einer unverkennbaren Ausdehnung des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes allgemein.“ (Hervorhebungen im Original)); Waldhauser, Fernsehrechte, 181 (im Interesse eines wirksamen wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes des Sportlers müsse auch ein Wettbewerbsverhältnis zwischen ihm und dem Verwerter angenommen werden). Kritisch wie hier bereits Binder, ArchBürgR 34 (1920), 209, 257 f. (zum Eigenrecht an Elektrizität in der Herleitung von Kloeß: „Das ist eine ganz schlechte, tadelnswerte Methode.“); Ulsamer, Lehre vom Persönlichkeitsrecht, 107; Callmann, GRUR 1928, 251, 252; Hillig, GRUR 1929, 247, 250 (circulus vitiosus); NoltingHauff, MuW 1929, 430, 431 („durch nichts bewiesene petitio principii“); Walch, Leistungsschutz, 90 (es werde so nur das Bedürfnis nach Rechtsfortbildung formuliert, nicht deren Zulässigkeit); Isay, Rechtsgut, 14 f., 44.
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ihr im Hinblick auf jenes zustehen. Diese Befugnisse ergeben sich aber aus der Rechtsordnung, deren Inhalt nun wiederum vom Wert beeinflusst werden soll57. Eigenständige Beachtung verdienen ferner semantische Kurzschlüsse. Sie sind sehr effektiv, weil der Inhalt des Rechts durch Sprache vermittelt und recht eigentlich gebildet wird und daher durch entsprechende Tricks leicht zu manipulieren ist. So sprechen gerade diejenigen, die für sich verkehrsfähige Befugnisse reklamieren, in Nutzungsverträgen von „ausschließlichen Rechten“, die „übertragen“ würden. Sie tun dies, um gegenüber dem Vertragspartner und dem Verkehr im Allgemeinen den Anschein der Existenz dieser Rechte zu erwecken und sich als verfügungsbefugter Rechtsinhaber zu gerieren58. Die mit derartigen Verträgen beschäftigten Gerichte können sich dieser Terminologie jedenfalls zur Darstellung des Tatbestands nicht entziehen und legen sie entgegen § 133 BGB nicht selten auch ihrer rechtlichen Bewertung zugrunde – mit entsprechenden Auswirkungen auf das Ergebnis59. Der kürzeste Weg vom Sein zum Sollen führt jedoch über eine sprachliche Identifizierung von Rechtsobjekt und subjektivem Recht, deren scharfe Trennung doch am Anfang jedes differenzierten Nachdenkens über subjektive Rechte stehen sollte60. Mit dieser semantischen Mogelpackung agieren Rechtsprechung 57 Siehe zur Abhängigkeit des Wertes eines Guts von der Ausgestaltung der daran bestehenden property rights als der „konstitutiven Idee des Property-Rights-Paradigmas“ Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 98; Lemley, U. Chi. L. Rev. 71 (2004), 129, 131; Cohen, Columbia L. Rev. 35 (1935), 809, 815 („The vicious circle inherent in this reasoning is plain. It purports to base legal protection upon economic value, when, as a matter of actual fact, the economic value of a sales device depends upon the extent to which it will be legally protected.“). 58 Nachweise aus der Vertragspraxis bei Gauß, Mensch als Marke, 192 ff.; Herr, Übertragungsrechte, 46 f.; ferner die Klauseln der UEFA zu „Fernsehübertragungsrechten“ an Sportveranstaltungen, wiedergegeben bei KG NJWE-WettbR 1996, 187, 188 („Die UEFA, ihre Mitgliedsverbände, angeschlossenen Organisationen und Klubs sind die Inhaber der exklusiven Fernsehrechte an Fußballspielen, welche in ihren Wirkungskreis fallen.“); ferner Dieckmann, UFITA 127 (1995), 35, 36 f. (zu § 3 Lizenzspielerstatut DFB: „Das Recht, über Fernseh- und Rundfunkübertragungen von Bundesligaspielen und in internationalen Wettbewerbsspielen mit Lizenzspielermannschaften Verträge zu schließen, besitzt der DFB.“). 59 Siehe z.B. KG NJWE-WettbR 1996, 187, 188 (letztlich übertragbare Fernsehrechte); um Abgrenzung bemüht BGH NJW 1998, 756 (mit der Rede von „Vermarktungsrechten“ und – in Anführungszeichen – von „Übertragungsrechten“); deutlich hingegen RGZ 68, 49, 51 (1908) (die Rede vom „Eigentum“ am Geschäft im Rechtsverkehr, treffe „im juristisch-technischen Sinne“ nicht zu); BGH NJW 1990, 2931, 2932 (aus der Kautelarpraxis, Arzneimittelzulassungen zu „übertragen“, könne für die Pfändbarkeit dieser öffentlich-rechtlichen Befugnis nichts abgeleitet werden); OLG Hamburg GRUR-RR 2007, 181, 184 (dass Übertragungsrechte an Sportveranstaltungen wie absolute Rechte gehandelt würden, ändere an der rechtlichen Bewertung nichts); LG Hamburg ZUM 2002, 655, 659 („Obwohl die Leistung des Veranstalters danach zunächst nur in seiner Einwilligung zur Duldung einer Live- und/oder sonstigen Berichterstattung aus dem Stadion besteht, kann man dabei untechnisch von ,Hörfunkrechten‘ sprechen.“). 60 Oben § 1 A II; kritisch zu dieser Identifizierung auch Pawlowski, Rechtsbesitz, 42 f. (der Interessenschutz sei der Erfolg des subjektiven Rechts, aber nicht mit diesem identisch); Helle, AfP 1986, 25, 27; Herrmann, Zwangsvollstreckung in die Domain, 66; Hartig, Domain als Verfügungsgegenstand, 41, 48; Brocker, Arbeit und Eigentum, 388 (zur rechtshistorisch wohl folgenreichsten Ineinandersetzung von „Dingen und Eigentum“ bei Locke); zur entsprechenden Problematik im common law Hohfeld, Yale L.J. 23 (1913/14), 16, 21 ff.
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und Literatur – bewusst oder unbewusst – seit jeher61 gern, weil sich so der Sprung vom Sein zum Sollen fast unmerklich vollziehen lässt62. Dabei mag der naturalistische Fehlschluss manchmal von einer unklaren Vorstellung vom in Rede stehenden Gut verursacht worden sein63. Seine Häufigkeit wird aber in der 61 Siehe Gretton, RabelsZ 71 (2007), 802, 804 ff. (zur Einteilung der res corporales und res incorporales bei Gaius); Herrmann, Der Schutz der Persönlichkeit, 38 (zu Pufendorfs Wendung vom Gut zum Recht mit der Formulierung „quod nostrum ius est“); ferner House of Lords im Fall Donaldson v. Beckett, 1 English Reports 837, 839 (1774) („… land and the right to it, are both called property“). 62 Beispiele aus dem Verfassungsrecht: BVerfGE 31, 229, 239 ff. (1971) (die Eigentumsgarantie bewahre vermögenswerte Güter); BVerfGE 36, 281, 290 (1974) (patentfähige Erfindung als Rechtsposition, die von der Rechtsordnung zuerkannt worden sei; vermögenswerte Güter als Eigentum i.S.d. Art. 14 GG); BVerfGE 49, 382, 392 (1978) (das Werk und die daran verkörperte Leistung als Eigentum gem. Art. 14 GG); BVerfG NJW 2001, 1783, 1784 (Werk und darin verkörperte Leistung seien verfassungsrechtliches Eigentum); ferner Leisner, in: HdbStR, § 149 Rn. 69 („gesetzlich erst zu bestimmende Güter“); Fechner, Geistiges Eigentum, 111 („Immaterialgüter und geistiges Eigentum sind keine gegensätzlichen Begriffe, sondern vielmehr nahezu deckungsgleiche Umschreibungen.“). Beispiele aus dem Zivilrecht: BGHZ 16, 172, 175 (1955) („auf Grund“ eines Geheimverfahrens stehe dem Betriebsinhaber ein Ausschlussrecht zu, das gegen jeden geschützt sei, aber auch in die Konkursmasse falle; dieses Recht stelle einen Vermögenswert dar); BGH NJW 1977, 1062, 1063 („Die … Neuentwicklung eines komplizierten Prozessrechners hat das BerGer. ohne Rechtsverstoß als eine dem Immaterialgüterrechtsschutz vergleichbare Leistungsposition angesehen.“); BGHZ 107, 117, 120 (1989) – Forschungskosten (Zuweisungsgehalt des verletzten Rechtsguts); BGHZ 143, 214, 220 ff. (1999) – Marlene (ständiges Nebeneinander der Rede vom Schutz kommerzieller Interessen der Persönlichkeit und „vermögenswerten Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts“); OLG Dresden LZ 1910, 332, 333 f. (das Unternehmen sei ein der Veräußerung zugängliches Privatrechtsgut und Gegenstand eines absoluten subjektiven Rechts); OLG Hamburg ZUM 2005, 164, 167 (das Rechtsgut, in das eingegriffen werde, sei – neben dem Recht am eigenen Bild – die allein dem Abgebildeten zustehende Entscheidung, ob und in welcher Weise er sich Geschäftsinteressen Dritter dienstbar machen wolle); Wieruszowski, DRiZ 1927, 225, 231 („Solange sich jedoch das Persönlichkeitsrecht zu einem verkehrsfähigen Rechtsgute … noch nicht gewandelt hat, untersteht es personenrechtlichen Normen und ist grundsätzlich kein Gegenstand des verfügungsgeschäftlichen Verkehrs.“); Fikentscher, Wettbewerb, 144 („Daß das Immaterialgut als Schutzgegenstand im gewerblichen Rechtsschutz ein Recht ist, hat Kohler nachgewiesen.“; Hervorh. im Original); Pfister, Know how als Vermögensrecht, 49 („Das technische Geheimnis ist ein privates Vermögensrecht.“); Eichler, Institutionen Sachenrecht I, 60 (Sache sei alles, „wo ein Mensch sagen kann oder sagen könnte: dies ist mein und nur mein, dies ist zu meinem persönlichen Gebrauch vorbehalten“); Forkel, GRUR 1988, 491, 498 (Verdinglichungen der Eigensphäre als Verfügungsgegenstand); Müller-Laube, ZHR 156, 480, 501 (der Leistungsschutz sei ein immaterialgüterähnliches Recht); Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 69 (das Recht am eigenen Bilde sei ein von der Person weitgehend gelöstes, vergegenständlichtes „Vermögensgut“ geworden und habe sich deshalb einem „Immaterialgüterrecht“ angenähert); Kobbelt, Schutz von Immaterialgütern, 20 ff. (der Begriff „Rechtsgut“ sei nach dem Inhalt des Rechts zu bestimmen, wobei zwischen Herrschafts- und Gestaltungsrechten zu unterscheiden sei); Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 21 (die Arbeit beschäftige sich mit der Frage, ob sich die Persönlichkeit eines Verstorbenen als „geistiges Eigentum“ begreifen lasse); Fezer, § 3 MarkenG Rn. 301 („Seiner Rechtsnatur nach ist der Domainname ein Recht sui generis …“); Schließ, ZUM 1999, 307, 312 (Internet-Domain als „faktische Rechtsposition“); Schack, Urheberrecht, Rn. 33 („Das Urheberrecht als Recht an einem Geisteswerk (§ 11 UrhG) ist ein immaterielles Gut …“). 63 So wohl in Bezug auf das geistige Eigentum bei v. Ihering, IherJb 23 (1885), 155, 304 f. (die ursprünglich auf die Sache bestimmten Begriffe könnten auf „Rechte“ übertragen werden; Immaterialgüter beruhten auf einer „spiritualistischen Auffassung“ und seien „übersinnliche[s] Eigentum“).
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Mehrzahl der Fälle darauf beruhen, dass das gewünschte Ergebnis leicht und mit scheinbar zwingender Gültigkeit ausgedrückt werden kann. Unterstützt wird diese Tendenz zum einen von § 823 Abs. 1 BGB, der die Schadensersatzpflicht wegen widerrechtlicher Verletzung bestimmter Lebensgüter und subjektiver Ausschließlichkeitsrechte in einem Atemzug regelt, so dass beide Kategorien unter den unklaren Begriff des „absolut geschützten Rechtsguts“ gefasst werden64. Die prominente Zusammenfassung von Gütern und Rechten in der Eingangsnorm des Rechts der unerlaubten Handlung hat dazu beigetragen, dass die Unsicherheit über ihre Unterscheidung in die richterrechtliche Entwicklung des allgemeinen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs65 und von dort in die allgemeine Dogmatik des subjektiven Rechts mit erneuten Rückwirkungen auf die Rechtspraxis eingegangen ist66. Zum anderen hat die Identifizierung von Gut und Recht befördert, dass das BGB mit dem Terminus „Gegenstand“ teilweise Güter als solche (siehe insbesondere die §§ 90, 453 Abs. 1 2. Alt. BGB), in anderem Zusammenhang – nämlich in Bezug auf Verfügungsgegenstände – subjektive Rechte meint67. Dem verfehlten Eindruck, deshalb müssten sämtliche „Gegenstände“ denselben rechtlichen Regelungen unterliegen, ist zuerst Sohm erlegen; und bis heute hat die Privatrechtsdogmatik Schwierigkeiten, die Gegenstände (sic!) von Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäften und damit die für diese beiden Aktstypen jeweils geltenden, gegenstandsbezogenen Voraussetzungen zu unterscheiden68. Perpetuiert hat sich das Problem auf dogmatischer Ebene schließlich durch die undifferenzierte Verwendung des Begriffs „absolutes Recht“, der hier die scharfe Trennung von unverletzt gedachten, umlauffähigen subjektiven Rechten und dem bloßen Schutz von Gütern und Interessen auf der Basis gesetzlicher Schuldverhältnisse entgegengestellt wird69. Festzuhalten ist, dass die genannten Darstellungsweisen rhetorisch brillant, aber rechtlich gehaltlos sind, weil sie die postulierte Rechtsfolge nicht begründen. Urteile auf der Basis solcher Ausführungen müssen schon wegen dieses formalen Defizits kassiert werden70; entsprechende literarische Stellungnahmen scheiden als Gegenstand rationaler Kritik aus. Aus rechtsphilosophischer Sicht dürften sich hier oft idealistische Vorstellungen etwa von der Einheit von Geist und Materie oder dem „Willen als Recht“ die Bahn brechen. Diese geistesgeschichtlichen
64 Siehe z.B. Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1393 a.E. (zu den deliktsrechtlich absolut geschützten Rechten zählten neben dem Eigentum auch das Leben und der Körper); für deliktsrechtliche Irrelevanz dieser Differenzierung auch Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 374. 65 Auslöser war die Entscheidung RGZ 60, 6, 7 (1905) („Eingriff in ein vom Gesetz geschütztes Recht“ und offenbar synonym „Eingriff in ein durch das Gesetz geschütztes Rechtsgut“; Hervorh. v. Verf.). 66 Dazu unten § 14 A II. 67 Dazu oben § 10 B II, unten § 14 B II. 68 Siehe oben §§ 4 B VIII, 10 G, unten § 14 B I. 69 Oben § 1 B II 5, C, unten § 14 A. 70 Zur Begründungspflicht oben Fn. 52; zu Rechtsmitteln Foerste JZ 2007, 122, 132 ff.
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Wurzeln werden, wie bereits angedeutet, nur selten offengelegt. Wenn das geschieht, dann zeigt sich ihr Charakter als apodiktischer Glaubenssätze in aller Deutlichkeit71. Von solch individuellen Bekenntnissen des Sprechers sollte eine Aussage über den generell-abstrakten Inhalt einer demokratisch-rechtsstaatlich verfassten Rechtsordnung jedoch nicht geleitet sein. Wenn hier stattdessen nachvollziehbare Aussagen über das geschriebene Recht verlangt werden, mag man das in Anbetracht zweifellos relevanter Vorverständnisse und Eigenwertungen jedes Rechtsanwenders für naiv halten. Doch berechtigt diese Beobachtung nicht, alle intersubjektiv nachprüfbaren Versuche zur Verwirklichung der gem. Art. 20 Abs. 3 3. Alt., 97 Abs. 1 GG nun einmal vorgesehenen Gesetzesbindung und zur Verhinderung willkürlicher ad-hoc-Entscheidungen fahren zu lassen. Letztlich speist sich die Kritik der herkömmlichen Auslegungsmethoden ebenfalls aus einem naturalistischen Fehlschluss, der die Emanzipation von generellabstrakten Regelungen fordert, weil sie stattfindet. Die jüngere Rechtstheorie und Methodenlehre hat die Gefahren dieser Denkweise für den demokratischen Rechtsstaat erkannt und betont zunehmend die Bedeutung der Bindung der Gerichte an das positive Recht und die hieraus folgenden methodischen Anforderungen an eine überzeugende rechtliche Argumentation72. Überdies ist der Umstand, dass ein Rechtsprinzip der Güterzuordnung nicht begründet wird – ja, soweit ersichtlich, bisher noch nicht einmal als solches formuliert und transparent zur Anwendung gebracht wurde – wahrlich nicht der einzige Kritikpunkt, dem sich die Verfechter einer richterlichen Kompetenz zur Anerkennung ungeschriebener Ausschließlichkeitsrechte ausgesetzt sehen. Vielmehr signalisieren die argumentativen Defizite nur, dass eine solche Annahme im Widerspruch zur gegenwärtigen Rechtsordnung steht.
71 Siehe Dulckeit, Verdinglichung, 53 (das objektive wie das subjektive Vermögensrecht sei „freier Wille der Person …, der sich in einer äußeren Sachen objektiviert und damit eben zum Eigentumsrecht im weiten Wortsinn wird. Beides, Recht und Sache, ist also nicht zu trennen; der Wille als Recht macht einen außersubjektiven Gegenstand überhaupt erst zur Sache im Rechtssinn.“). Auch seine These, mit der Leistung des Verpflichteten verwandle sich das relative Recht in ein absolutes Recht und bleibe doch dasselbe, wird mit hegelscher Dialektik begründet, ohne deren Tragfähigkeit für gerade diese Aussage zu erläutern (a.a.O., 66). Ebenso Brecher, Unternehmen als Rechtsgegenstand, IX, 10 f. („ontologisches Primat des Geistes im Sinne einer metaphysisch-transzendentalen Gegebenheit“), 94 (Rechtsgegenstand und Recht forderten einander; mit der Bejahung des Einen sei auch die des Anderen gesetzt und mit der Natur des Gegenstands sei die des Rechts bestimmt). 72 Siehe Rüthers, JZ 2006, 53 ff.; Würdinger, AcP 206 (2006), 946, 975 ff.; Foerste, JZ 2007, 122 ff.; Hillgruber, JZ 2008, 745 ff., jeweils m.w.N.; zum common law entsprechend Dworkin, Taking Rights Seriously, 130; früher zum Unterschied zwischen Rhetor und Jurist Flume, 46. DJT II, K5, K33 ff.; a.A. Hirsch, JZ 2007, 853, 856 ff. (Richterrecht als system-immanentes Korrelat gewandelter Gesetzgebungskultur). Zum Zusammenhang zwischen Methodik und Verfassung der betreffenden Rechtsordnung oben § 2 C, D.
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II. Naturrecht als Quelle des Rechtsprinzips? Bevor dies in Rekapitulation der Ergebnisse der §§ 5 bis 11 nachzuweisen ist (dazu III), muss jedoch die Vorfrage geklärt werden, ob Rechtsprinzipien überhaupt in der Rechtsordnung verankert sein müssen oder ob sie sich aus sonstigen, hiervon unabhängigen Quellen ergeben können. Die zuordnungsgeneigte Rechtsprechung und Literatur argumentiert insofern mit Nuancen im Einzelnen auf naturrechtlicher Basis. Fraglich ist, ob der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Schuldners auf diese Weise legitimiert werden kann. 1. Naturrechtliche Ansätze Die erste Schwierigkeit bei der Auseinandersetzung mit naturrechtlich motivierten Stellungnahmen besteht in der Festlegung dessen, was mit „Naturrecht“ eigentlich gemeint ist. Nun ist es im Rahmen der hiesigen, auf das Thema der Güterzuordnung beschränkten Thematik nicht möglich, die rechtsphilosophische Diskussion um Naturrecht und Gesetzespositivismus auch nur annähernd adäquat nachzuweisen und darzustellen73. Genügen muss daher der Hinweis darauf, dass es ganz unterschiedliche Vorstellungen von Naturrecht gibt. Als „klassisch“ kann man wohl die Idee allgemein gültiger, unwandelbarer Gesetze verschiedener Provenienz – Natur, Gottes Ratschluss, Vernunft – bezeichnen, die das objektive Recht determinieren74. Abgeschwächt lebt diese Auffassung in überpositiven, aber immerhin dem Diskurs ausgesetzten Prinzipien fort, die die gerechte und damit richtige Lösung indizieren, wenn auch nicht jeder Einzelfall unter Berufung hierauf gelöst werden kann75. Seit Radbruch wird das Naturrecht vornehmlich im Sinne eines Minimums an unverfügbaren Menschenrechten verstanden, die evident ungerechtes positives Recht zu durchbrechen vermögen76. 73 Siehe etwa die Darstellungen von Radbruch, Rechtsphilosophie, 106 ff.; Ellscheid, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, Rechtsphilosophie, 148 ff.; Zippelius, Rechtsphilosophie, 67 ff.; Coing, Rechtsphilosophie, 198 ff.; Kunz/Mona, Rechtsphilosophie, 48 ff. 74 So der Naturrechtsbegriff z.B. bei Hobbes, Leviathan, Chapter XXVI („Another division of laws is into natural and positive. Natural are those which have been laws from all eternity, and are called not only natural, but also moral laws, consisting in the moral virtues; as justice, equity, and all habits of the mind that conduce to peace and charity …“); Kant, Rechtslehre, 224 (Gesetze, die ohne Gesetzgebung a priori durch die Vernunft erkannt würden als natürliche Gesetze im Gegensatz zu nur kraft äußerer Gesetzgebung wirksamen positiven Gesetzen); v. Hayek, Verfassung der Freiheit, 323; Radbruch, Rechtsphilosophie, 106; Larenz, FS Nikisch, 275, 287; Becker, Recht der unerlaubten Handlungen, 410. 75 So etwa Coing, Rechtsphilosophie, 199 (Grundsätze der Gerechtigkeit); siehe aber Zippelius, Rechtsphilosophie, 71 f. (hier werde der Boden des Naturrechts bereits verlassen); zur uneinheitlichen Terminologie ausführlich Auer, FS Canaris II, 931, 932 ff. 76 Siehe Radbruch, Rechtsphilosophie, 353 (das positive Recht behalte den Vorrang, es sei denn, dass der Widerspruch des Gesetzes zur Gerechtigkeit ein so unerträgliches Maß erreicht habe, dass das Gesetz als „unrichtiges Recht“ der Gerechtigkeit zu weichen habe); in diesem Sinne BGHZ 17, 327, 332, 334 (1955) (Kernbereich des Rechts, der von keinem Gesetz und keiner obrigkeitlichen Maßnahme verletzt werden dürfe); BVerfGE 95, 96, 133 f. (1996) m.w.N.; Neuner, Rechtsfindung contra legem, 182, 194; Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 970 f. (allgemein anerkannte Formel); ders.,
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Zu erwähnen ist schließlich die Rede von der „Natur der Sache“, bei der es sich ebenfalls um eine naturrechtliche Argumentation handelt77, die sich aber weniger auf ewig gültige Wertungen, sondern auf den zu regelnden Sachverhalt, also die Wirklichkeit beruft78. Auch der genaue Aussagegehalt jener Formel ist wenig geklärt79. Häufig ist zu lesen, hiermit sei die „den Lebensverhältnissen innewohnende Ordnung“ beschrieben, die das Recht zu berücksichtigen habe80, wobei weiter zwischen unveränderlichen faktischen Gegebenheiten und notwendigen Folgen menschlich geschaffener Einrichtungen unterschieden wird81. Wie das auf unwandelbaren Sollensschlüssen beruhende Naturrecht wird auch das Argument der „Natur der Sache“ in jüngerer Zeit vermehrt als ein unverfügbares Minimum an Rücksicht auf die Lebenswirklichkeit verstanden; eine vollständige Ordnung könne aus dem Sein nicht gewonnen werden82. Die oben referierten Kerngedanken der Güterzuordnung wurden sowohl als ewig gültiges Naturrecht als auch im Zusammenhang mit der Rede von der Natur der Sache vorgebracht. Ausdrückliche Bekenntnisse zu vorpositiven, subjektiv-ausschließlichen Rechten finden sich im 19. und beginnenden 20. Jahrhun-
77 Unbegrenzte Auslegung, 450; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, 561 f.; Krey, JZ 1978, 465, 466; Kunz/Mona, Rechtsphilosophie, 146 ff.; Engisch, Einführung, 230 f. Zur Konzentration der Naturrechtsdiskussion auf die Unverfügbarkeit von Recht Ellscheid, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, Rechtsphilosophie, 152 f.; Kunz/Mona, Rechtsphilosophie, 141, 155; Bydlinski, Methodenlehre, 369; generell zu diesem Aspekt in der Grundrechtsdemokratie Fikentscher, Methoden IV, 625 f. 77 Kaufmann, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, Rechtsphilosophie, 12 (es könne keinen anderen Geltungsgrund für Naturrecht geben als das Sein); Sprenger, Naturrecht und Natur der Sache, 58, 116. 78 Larenz, FS Nikisch, 275, 287 f.; Becker, Recht der unerlaubten Handlungen, 408; Neuner, Rechtsverhältnisse, 13; Kraft, Interessenabwägung, 72 f.; Ellscheid, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, Rechtsphilosophie, 196 f.; zu verschiedenen Naturbegriffen in der Philosophiegeschichte Sprenger, Naturrecht und Natur der Sache, 58 ff. 79 Siehe zur Geschichte des Begriffs etwa Sprenger, Naturrecht und Natur der Sache, 15 ff., 150 (die Formel entziehe sich Definitionsversuchen); Larenz, FS Nikisch, 275, 281 ff. m.w.N.; Kraft, Interessenabwägung, 69 ff. (schillernder Begriff); Canaris, Systemdenken, 70; ferner Larenz/Canaris, Methodenlehre, 236 ff. (bisher keine klare Begrenzung des Begriffs). 80 In diesem Sinne unter Berufung auf Dernburg (Nachweis unten Fn. 83) etwa Larenz, FS Nikisch, 275, 281; ders., Methodenlehre, 137; Coing, Rechtsphilosophie, 184 f.; Neuner, Rechtsfindung contra legem, 77 f. (seinsmäßig vorgegebene Ordnung); Ellscheid, in: Kaufmann/Hassemer/ Neumann, Rechtsphilosophie, 196 („seiende Ordnungen“); Kraft, Interessenabwägung, 70; Becker, Recht der unerlaubten Handlungen, 402; Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 30. Siehe zur Bedeutung von Gemeinsamkeiten der Lebensverhältnisse bei der Anwendung des Gleichheitssatzes BVerfGE 9, 339, 349 (1959). 81 Siehe Larenz, Methodenlehre, 417 f.; Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 30. Zur ersten Fallgruppe etwa Fikentscher, Wirtschaftliche Gerechtigkeit, 44 (aus dem definitionsgemäßen Weitergehen der Evolution folge, dass man Ideen haben, nachdenken, geistig tätig sein soll); zur zweiten Fallgruppe Kraft, Interessenabwägung, 177, 186 f. (Regeln des Wettbewerbsrechts, die sicherstellen, dass der Wettbewerb in der freiheitlichen, herrschaftsfreien Wirtschaftsordnung stattfinde und die mit ihm verknüpften Vorteile erbringe). 82 Larenz, FS Nikisch, 275, 291; ders., NJW 1965, 1, 6; Kraft, Interessenabwägung, 74 f.
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dert83 sowie während der kurzen Naturrechtsrenaissance in den 1950er Jahren84. Seither wird nur noch ganz vereinzelt eine von der sonstigen Rechtsordnung unabhängige, „natürliche“ Eigentumsordnung proklamiert, die gültig und mit staatlicher Gewalt durchzusetzen sei85. Hinzuweisen ist schließlich auf die Meinung, Eigentum stelle eine anthropologische Notwendigkeit dar. Demnach unterscheiden Menschen und Tiere instinktiv zwischen Mein und Dein, um sich in der Betätigung an der Umwelt, ihrer Inbesitznahme und Verteidigung zu bestätigen, Kompetenz aufzubauen und die Grundlage zur Selbsterhaltung zu schaffen. Auch dieses natürliche Verhalten müsse die Rechtsordnung durch Gewährung von Eigentum anerkennen86. 2. Kritik Im Kontext der hiesigen Problematik werden das Naturrecht bzw. die Natur der Sache also angeführt, um bestimmte Eigentumspositionen herzuleiten. Es wird kein Minimum an unverfügbaren Rechten gegen eine evident ungerechte bzw. an der Wirklichkeit vollkommen vorbeigehende gesetzliche Regelung vorgebracht, sondern eine fehlende Norm wird überhaupt erst formuliert. Ein so verstandenes
83 Siehe RGZ 45, 170, 173 (1899) („natürliches Rechtsgefühl“); LG Berlin GRUR 1900, 131, 132; Kruse, Eigentumsrecht, 179 („natürlicher Rechtsinstinkt“); Schapp, Neue Wissenschaft vom Recht, 1 („Am wertvollen Werk wird Eigentum im Sinne des Vorrechts erworben. Dies Eigentum geht in die positiven Rechte auf die verschiedensten Arten ein.“); Dernburg, Pandekten I, 85 („Die Rechtsordnung gewährleistet und modelt die Rechte im subjektiven Sinn, aber sie ist nicht ihr Schöpfer.“). 84 Siehe BGHZ 17, 266, 278 (1955) – Magnettonbänder (das Urheberrecht sei „nicht erst durch den Gesetzgeber verliehen“, sondern ergebe sich aus der „Natur der Sache, nämlich aus seinem geistigen Eigentum, das durch die positive Gesetzgebung nur seine Anerkennung und Ausgestaltung findet“); ferner Hubmann, Persönlichkeitsrecht, 108 („Durch die Naturrechtslehre, die ohne die Hemmungen des strengen Gesetzeswortlauts Rechtssätze unmittelbar aus dem sittlichen Bewußtsein schöpft und dieses zum Rechtsbewußtsein fortbildet, wurde das Persönlichkeitsrecht als natürliches Recht herausgehoben und dem Gesetzgeber klar und deutlich vor Augen gestellt.“); ders., GRUR 1953, 316, 320 (absolutes Recht an individueller Leistung); ders., ZHR 117 (1955), 41, 80 (die Natur der Sache als „in der Weltordnung begründete[n] seltsame[n] Verbindung von Persönlichkeit, objektivierte[m] Geistesgut und tragenden Substraten“ fordere ein absolutes Recht am Goodwill); zur christlichen Eigentumstheorie, wonach privates Eigentum von Gott und nicht vom Staat verliehen wird, Dürig, ZgS 109 (1953), 326; Kübler, AcP 159 (1960), 236, 241 ff. (unter Betonung des Pflichtgedankens). Zu dieser naturrechtlichen Phase allgemein Less, Richterrecht, 47 ff.; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, 85 ff.; Wieacker, JZ 1961, 337, 343 ff.; Fikentscher, Methoden III, 332 ff.; ders., in: Tietz, Wert- und Präferenzprobleme in den Sozialwissenschaften, 43, 60 f.; Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht, 115 ff.; Ridder, AfP 1973, 453, 454 („naturrechtlicher Okkultismus im bundesdeutschen Biedermeier“). 85 Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 49 mit Fn. 109; Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 30 f. (wenn es der Natur der Sache entspreche, das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen als menschliche Grundgegebenheit (Personsein) gegen Zwangskommerzialisierungen zu schützen, müsse auch der Gewinnabschöpfungsanspruch gewährt werden). 86 V. Hayek, Verfassung der Freiheit, 180; Pipes, Property and Freedom, 65 ff., 116 (zum Besitzinstinkt bei Tieren, Kindern und „primitive peoples“); Fikentscher, FS Mestmäcker, 199, 219 f.
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„positives“ Naturrecht ist in einem demokratischen Rechtsstaat weder aus rechtsphilosophischer noch aus verfassungsrechtlicher Sicht zu halten87: a) Normabhängigkeit und Wandelbarkeit des Eigentums Bereits im Zuge der Analyse des Art. 14 GG ist nachgewiesen worden, dass und warum private Ausschließlichkeitsrechte von einer Anerkennung im einfachen positiven Recht abhängig sind, jenem also nicht vorangehen. Auch losgelöst von dieser spezifischen verfassungsrechtlichen Regelung kommt man ohne Zirkelschlüsse nicht aus, möchte man Privateigentum aus der Lebenswirklichkeit bzw. der „Natur der Sache“ gewinnen88. Denn kein Gut, kein faktisches Merkmal wie sein Wert oder die Art seiner Hervorbringung sagen etwas darüber aus, wer in welcher Hinsicht allein befugt ist, über die Nutzung des betreffenden Gutes zu entscheiden. Dabei darf man insbesondere eine faktische Exklusivität wie z.B. die tatsächliche Sachherrschaft bei körperlichen Gegenständen oder das Wissen um ein Geheimnis nicht mit einem ausschließlichen Recht verwechseln. Erstere kann durch private Maßnahmen (Zaun, Geheimhaltung) gesichert werden, Letztere ist auf den Staat angewiesen, der sein Gewaltmonopol einsetzen soll, um das Interesse der Person am alleinigen Haben im Verhältnis zu anderen zur Geltung zu bringen. Wer von der Beobachtung tierischer Besitzinstinkte auf einen „property instinct“ des Menschen und dann auch noch auf einen bestimmten Inhalt der Eigentumsordnung schließt, spricht dem Menschen nicht nur die empirisch belegte Fähigkeit zum Verzicht auf Besitz und Geheimnisse ab (Determinismus)89, sondern begeht zudem einen naturalistischen Fehlschluss, weil die tatsächliche Herrschaft über ein Gut etwas ganz anderes ist als rechtsgeschäftlich und zwangsweise übertragbares Eigentum90. Dass rechtliche und faktische Exklusivität nicht konform gehen müssen, erweist sich an Gütern wie dem Geheimnis oder der Internet-Domain, die gerade nicht durch subjektive ausschließliche Rechte zugeordnet sind91.
87 Mit Blick auf die Güterzuordnung etwa v. Hayek, Verfassung der Freiheit, 202 (keine bestimmte Definition von „Eigentum“ sei „natürlich“), 315 (die Anerkennung des Rechts auf Privateigentum bestimme nicht, was genau der Inhalt des Rechts sein solle); Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 30 (aus der Natur der Sache sei keine bestimmte rechtliche Lösung abzuleiten); Ryffel, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 61, 75; Hartig, Domain als Verfügungsgegenstand, 44 („Immaterialgüterrechte entstehen grundsätzlich nicht deshalb, weil ein natürlicher Anspruch auf sie besteht oder aus der Natur der Sache, sondern allein aufgrund Gesetzes.“). 88 Auch Pipes, Property and Freedom, 117, trennt zwischen „possession“ und erst vom Staat etabliertem „ownership“. 89 Zu Recht skeptisch zur Bestimmung von Verhaltensdispositionen mit anthropologisch-deterministischen Argumenten Zippelius, Rechtsphilosophie, 43. Zur historisch „breit belegten“ eigentumslosen Existenz in gewolltem Verzicht Willoweit, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 7, 17. 90 Nachdrücklich Heinsohn/Steiger, Eigentumsökonomik, 22 f. (Besitzinstinkte seien etwas vollkommen anderes als ein umlauffähiges Recht an Sachen). 91 Oben § 4 B IV, V, unten § 13 B IV, V. Zu res extra commercium die Übersicht bei Heinrichs, in: Palandt, v. § 90 BGB Rn. 7 ff.
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Akzeptiert man aber die denknotwendige Abhängigkeit einer vom Staat zwangsweise durchsetzbaren Zuordnung von staatlichen Regelungen, so ist die weitere Erkenntnis unbestritten, dass Privateigentum – wie eben alles objektive Recht92 – wandelbar und international höchst disparat geregelt ist, so dass „irgendwelche Schlussfolgerungen über die gleichsam zeitlose Gültigkeit bestimmter Eigentumsformen von vornherein ausscheiden müssen“93. So haben Ethnologie und Anthropologie nachgewiesen, dass die Kerngedanken der Güterzuordnung, nämlich der Schutz der individuellen Person und die Ermöglichung einer dezentralen Wirtschaftsordnung, manchen Kulturen von vornherein fremd sind, also keine weltumspannende Gültigkeit besitzen94. Die abweichenden Vorstellungen von der Funktion und der Ausgestaltung privater subjektiver Rechte sind ein Grund dafür, warum das Völkergewohnheitsrecht als Ausdruck global konsentierter Ge- und Verbote akzeptiert, dass der einzelne Staat die verschiedenen Eigentumsrechte in seiner Rechtsordnung schafft, sie ausgestaltet und ggf. auch wieder zum Erlöschen bringt95. Konsequent gehen das Internationale Sachenund Immaterialgüterrecht von einer territorialen Begrenzung der normierten Ausschließlichkeitsrechte aus, so dass sich der Inhalt des Eigentums nach dem Recht des Belegenheitsortes der Sache, der Inhalt der Immaterialgüterrechte nach dem Recht des Landes, für das Schutz beansprucht wird, richtet96. Vor diesem Hintergrund wird dem Eigentum im Sinne eines subjektiv-ausschließlichen
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Fikentscher, Methoden IV, 144; Coing, Rechtsphilosophie, 178 f. Willoweit, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 7, 14; Ryffel, in: Schwartländer/ Willoweit, Recht auf Eigentum, 61, 79 (wegen der Wandlungen des Eigentums trete ein Menschenrecht auf Eigentum zurück); Raiser, RabelsZ 26 (1961), 230 ff.; ders., HdWB Sozialwissenschaften, 39 (welche Rechtsstellungen Eigentum seien, lasse sich nicht allgemein, sondern immer nur mit Blick auf eine bestimmte Rechtsordnung feststellen). Zur Wandelbarkeit des Eigentums in der Zeit sogleich. Zur empirischen Pluralität von Moralvorstellungen als einem der klassischen Einwände gegen das Naturrecht Kunz/Mona, Rechtsphilosophie, 75 f. 94 Siehe Heinsohn/Steiger, Eigentum, Geld und Zins, 95 ff. m.w.N.; dies., Eigentumsökonomik, 14 ff. (in Stammes- und Befehlsgesellschaften sei übertragbares und verpfändbares Eigentum unbekannt); Fikentscher, FS Schricker, 3, 10 (im Kontext des geistigen Eigentums stehe aus Sicht der afrikanischen Philosophie daher der Schutz geistigen Gemeineigentums in Frage); ders., Jura 1989, 182, 187 (das Konzept von persönlichem Eigentum sei der indianischen und der Pueblo-Kultur fremd); ders., FS Mestmäcker, 199, 225 f.; ders., IIC 38 (2007), 137, 141 ff.; Ramsauer, Geistiges Eigentum und kulturelle Identität, 76, 173 mit Fn. 634 (naturrechtliche Begründung geistigen Eigentums daher „nicht haltbar“). Zur Kulturspezifik von Wirtschaftsart und Eigentum Rössler, Wirtschaftsethnologie, 130 f., 148 (Wert), 176 (Arbeit), 178 ff. (Eigentum); Humphrey/Verdery, in: Verdery/Humphrey, Property in Question, 1, 2. Zu empirischen Studien zum Zusammenhang zwischen Kultur, Religion und dem Eigentumsdenken siehe Liggio/Chafuen, in: Colombatto, Property Rights, 3 ff.; Norton, in: Colombatto, Property Rights, 85 ff. Die Gegenauffassung von Pipes, Property and Freedom, 116 („Anthropology has no knowledge of societies ignorant of property rights …“) ist daher allenfalls mit dem extrem weiten Begriff der „property rights“ im Sinne der ökonomischen Analyse zu halten (dazu oben § 3 B I). 95 Ohler, JZ 2006, 875, 877 ff. m.w.N. Auch Art. 295 EG kann in diesem Zusammenhang gelesen werden; dazu oben Einleitung C II. 96 Art. 43 EGBGB (lex rei sitae); BGHZ 136, 380, 387 (1997) (lex loci protectionis). 93
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Rechts an Gütern ein universell-menschenrechtlicher Gehalt abgesprochen97. Genau denselben Befund ergibt ein Blick zurück in die Geschichte des abendländischen Privateigentums, die vor allen Dingen lehrt, dass Eigentumsordnungen kontingent sind98. Holzschnittartig erinnert sei nur – an die Zuordnung einer Sache zu einer Person durch dominium bzw. proprietas im römischen Recht99; – an mittelalterliche Eigentumsvorstellungen, die mit der stärkeren Betonung der Bindungen des Eigentümers und insbesondere der Idee des geteilten Eigentums im unmittelbaren Zusammenhang mit der Wirtschafts- und Sozialstruktur einer feudalistisch geprägten, hierarchischen Gesellschaft standen100; – an die neuzeitliche Ablösung der feudal-bäuerlichen Eigentumsidee durch das ungeteilte Eigentum der bürgerlichen Unternehmergesellschaft, das zur beliebigen Verfügung berechtigte und so die Unabhängigkeit des (Grund-)Eigentümers sowie die Entstehung der dezentral-herrschaftsfreien Wirtschaftsordnung ermöglichte101 – ein Zusammenhang, in dem namentlich John Lockes Eigentumstheorie steht, die gegen eine absolutistische, zu einem Obereigentum des Königs führende Auffassung gerichtet war102; 97 Raiser, FS Baur, 105, 106 ff. (von der fraglosen Anerkennung des Eigentums als Menschenrecht könne bei einem Blick auf die Geschichte der Menschenrechtsdoktrin keine Rede sein); Hofmann, Subjektives Recht und Wirtschaftsordnung, 315 (subjektives Recht als Ordnungsmittel, das in seinem Inhalt dem jeweiligen System angepasst werden könne); Ohler, JZ 2006, 875, 883 (dem Wirtschaftsvölkerrecht sei ein menschenrechtlicher Gehalt des Eigentums fremd). Auch Fikentscher, IIC 38 (2007), 137, 152 ff., fasst Eigentum und Wettbewerb nur im Sinne eines tertium comparationis, mithin zum Zwecke des Vergleichs unterschiedlicher Eigentums- und Wettbewerbskulturen als Universalien auf („Every legal culture has to decide which party needs which rights, by evaluating the appropriate balance between property/possession and the freedom to engage in commerce, and this decision will have to be re-examined from time to time.“, a.a.O., 158). 98 Eucken, Wirtschaftspolitik, 24 (die Funktion des Eigentums hänge von der Ordnungsform der Wirtschaft ab); Hedemann, DNotZ 1952, 6 ff.; Olzen, JuS 1984, 328, 335; Kroeschell, FS Thieme, 60 ff.; Willoweit, Hist. Jb. 94 (1974), 131, 152 ff.; Luhmann, in: Krawietz/Martino/Winston, Technischer Imperativ, 43 ff.; Stein, FS Müller, 503 f., 519 f.; Sendler, DÖV 1974, 73, 79 ff.; Raiser, FS Sontis, 167, 169; Walz, KritV 1986, 131, 152 f.; Müller-Erzbach, ZHR 88 (1926), 173 ff.; Pipes, Property and Freedom, 3 ff.; auch Hegel, Rechtsphilosophie, § 62. 99 Dazu Mayer-Maly, FS Hübner, 145, 150; Olzen, JuS 1984, 328, 330; Willoweit, Hist. Jb. 94 (1974), 131, 132; Wieling, Sachenrecht, 87; Coing, in: Coing/Lawson/Grönfors, Das subjektive Recht, 7, 11. Zur Diskussion der Eigentumsbindungen im römischen Recht Mayer-Maly, FS Hübner, 145, 151 ff.; Meier-Hayoz, FS Oftinger, 171, 177; Heck, Sachenrecht, 8, 72; Kroeschell, FS Thieme 1977, 34 ff. 100 Siehe Meier-Hayoz, FS Oftinger, 171, 176 f.; Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rn. 295; Willoweit, Hist. Jb. 94 (1974), 131, 146; Liver, GS Gschnitzer, 247; Olzen, JuS 1984, 328, 332 f. Zur Definition des dominium durch Bartolus im ausgehenden Mittelalter (14. Jhrh., „Quid ergo est dominium? Responde est ius de re corporali perfecte disponendi, nisi lex prohibeat.“) siehe Coing, in: Coing/Lawson/Grönfors, Das subjektive Recht, 7, 14; Mayer-Maly, FS Hübner, 145, 152; Willoweit, Hist. Jb. 94 (1974), 131, 144 ff. 101 Willoweit, Hist. Jb. 94 (1974), 131, 148, 154 f.; ders., in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 7, 11; Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rn. 296; Stein, FS Müller, 503, 504. 102 Siehe Raiser, FS Baur, 105, 108 (Verdrängung der feudal-ständischen Ordnung durch das Bürgertum); Vesting, Symposium Hoffmann-Riem, 21, 25 ff.
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– an die nicht den einzelnen Eigentümer, sondern die Gemeinschaft in den Vordergrund stellende, das Privateigentum zum Teil vollständig ablehnende sozialistisch-marxistische103 und nationalsozialistische104 Eigentumstheorie105; – an die Überwindung dieser Gegensätze durch das in Art. 14 GG niedergelegte Sozialmodell des Eigentums106; – und seine Erstreckung auf die ehemalige DDR, die den bisher letzten, grundlegenden Wandel von Eigentümerbefugnissen in Deutschland mit sich gebracht hat107. Auch wenn das Denken in subjektiven Befugnissen die abendländische Rechtstradition als roter Faden durchzieht108, hat das Eigentum im Sinne ausschließlicher Rechte an Gütern so viele Metamorphosen durchgemacht, dass die Annahme einer „natürlichen“ Eigentumsordnung in verschiedenen Spielarten nicht zu überzeugen vermag. Weder zeigt sich eine konstant gültige Regel wie von der alten Naturrechtslehre postuliert109 noch ist ein wenigstens im Kern unveränderliches Eigentumsprinzip erkennbar, das jenseits etwa persönlicher Sachen die exklusive Zuordnung von Gütern jeder Art zu einer bestimmten Person
103 Hierzu nur etwa Lazar, Eigentum in der bürgerlichen Rechtstheorie, 15 ff.; Kruse, Eigentumsrecht, 12 ff.; Renner, Rechtsinstitute des Privatrechts, passim; Volkmann, in: HdbGRe, § 12 Rn. 23 ff.; zur korrespondierenden, planwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung Raiser, RabelsZ 26 (1961), 230, 235 ff. (Leitprinzip sei nicht die Freiheit des Einzelnen, sondern die Eingliederung in den gesellschaftlichen, planmäßig gelenkten Produktionsprozess). 104 Zur Kritik des subjektiven Rechts im Nationalsozialismus Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, 339 ff.; Kübler, AcP 159 (1960/1061), 236, 266 ff. m.w.N.; Kroeschell, FS Thieme, 62 ff. m.w.N.; Stein, FS Müller, 503, 516; aus der zeitgenössischen Literatur Loth, JW 1935, 1752, 1753; Blomeyer, FS Lehmann, 1937, 101 ff.; zum Persönlichkeitsschutz Willmund, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, 21 ff., 59 f.; Hermann, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, 25 ff., 33 ff. 105 Zum Gegensatz von positiver und negativer Bewertung des Eigentums im Wandel der Zeiten Stein, FS Müller, 503; Luhmann, in: Krawietz/Martino/Winston, Technischer Imperativ, 43 ff.; Schloßmann, IherJb 45 (1903), 289, 357 (hin- und herwogender Kampf der Interessen). 106 Oben § 11. Zur Eigentumskritik der 1960er und 1970er Jahre Raiser, JZ 1961, 465, 472 f.; Meier-Hayoz, FS Oftinger, 171, 179 ff.; Kroeschell, FS Thieme, 34, 63 ff.; Stein, FS Müller, 503 ff. (1970); Sendler, DÖV 1974, 73 ff. m.w.N. 107 Siehe dazu Hösch, Eigentum und Freiheit, 167 ff.; Badura, HdbVerfR, § 10 Rn. 44 ff.; zur Rechtsprechung des BVerfG oben § 11 C II 2. 108 Siehe RGZ 153, 1, 22 f. (1936) (auch in der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft müsse sich der Urheber der „alten Wahrheit gewiß“ sein, „daß der Arbeiter seines Lohnes wert ist“); Schloßmann, IherJb 45 (1903), 289, 330 („selbst in den despotisch regierten Staaten“); Heck, Rechtserneuerung, 38 (die Systemrolle des subjektiven Rechts werde erst aufhören, „wenn nicht mehr die Gläubiger, sondern die Schuldner die Gerichte anrufen oder nicht mehr die Menschen nach den Gütern fragen, sondern die Güter sich ihre Herren suchen“); Radbruch, Rechtsphilosophie, 130 (Begriff des subjektiven Rechts zähle zu den notwendigen Begriffen „jeglichen denkbaren Rechts“); Coing, in: Coing/Lawson/Grönfors, Das subjektive Recht, 7, 22 f. (die geschichtliche Gedankenentwicklung decke einen echten, vorgegebenen Sachzusammenhang auf); de Boor, Gerichtsschutz, 40 f.; Raiser, RabelsZ 26 (1961), 230, 232; Pleyer, JuS 1963, 8, 12; Bucher, Das subjektive Recht, 4; Renner, Rechtsinstitute des Privatrechts, 203. 109 Dazu Coing, Rechtsphilosophie, 199.
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verlangt110. In Anbetracht der Wandelbarkeit der Güterordnung scheitert schließlich auch der mehr empirisch angelegte Ansatz, abstrakt gültige Grundsätze aus der Rechtserfahrung und -geschichte zu destillieren111. Freilich kann der Verfechter eines naturrechtlichen Prinzips der Güterzuordnung replizieren, das „natürliche“ Eigentum sei im Sturm der Zeiten noch nicht in seiner vollen Klarheit erkannt, deshalb aber um nichts weniger gültig. Seine normative Aussage sei eben von der Rechtswirklichkeit unabhängig und die Kritik ihrerseits ein naturalistischer Fehlschluss112. Erforderlich ist daher eine auf die Sollensebene bezogene Überprüfung des naturrechtlichen Geltungsanspruchs. b) Legitimität des Naturrechts Insoweit ist seit langem als zentraler Schwachpunkt jeder naturrechtlich motivierten Aussage erkannt, dass sie ihren Geltungsanspruch nicht nachvollziehbar begründet, sondern apodiktisch behauptet und damit nur ein Bekenntnis des Einzelnen, eine vom eigenen Vorverständnis geprägte petitio principii darstellt. Das aber genügt nicht, um in einer neuzeitlichen Rechts- und Gesellschaftsordnung, die grundsätzlich jeder Person die gleiche Fähigkeit zur Erkenntnis von Gut und Böse zubilligt, einen Satz aufzustellen, der für jedermann gültig sein soll113. Insbesondere diese Erwägungen haben dazu geführt, dass z.B. die Kirchen das christliche Naturrecht nicht mehr als im politischen Diskurs durchzusetzende Wahrheit postulieren, sondern es als eine mögliche Sicht auf die Welt einbrin110 Siehe zu diesem Naturrechtsverständnis Coing, Rechtsphilosophie, 199 f.; Ellscheid, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, Rechtsphilosophie, 209; für das „geistige Eigentum“ Wippermann, Leistungsschutz ausübender Künstler, 40 f.; bezeichnend widersprüchlich Fechner, Geistiges Eigentum, 66 (der Gedanke der Zuordnung geistig-schöpferischer Leistungen sei von Anfang an für den Menschen charakteristisch, seine Ausprägung sei jedoch in verschiedenen Epochen und Bereichen nicht immer gleich gewesen). 111 In diesem Sinne Coing, Rechtsphilosophie, 201 f.; Ellscheid, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, Rechtsphilosophie, 210. 112 Siehe Radbruch, Rechtsphilosophie, 107. 113 Diese Schwäche wurde während der Diskussion des Grundrechtsteils ausdrücklich zur Sprache gebracht und auf die entsprechenden Gefahren verwiesen; siehe Parlamentarischer Rat 5/ I, 64 f. (C. Schmid); ferner Vesting, Rechtstheorie, Rn. 156 ff.; Zippelius, Rechtsphilosophie, 73; Kunz/Mona, Rechtsphilosophie, 157 (Behauptung der je eigenen Richtigkeitsvorstellungen); Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie, 175; Fikentscher, Methoden IV, 608; Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 108 ff. (axiomatische Funktion metaphysischer Sätze); ders., Unbegrenzte Auslegung, 449; Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, 89 m.w.N.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, 611; ders., JZ 1961, 337, 343; Larenz, FS Nikisch, 275, 305 (Gewissheit des Sinngehalts der Rechtsidee sei nur im Gewissen des einzelnen begründet); Coing, Rechtsphilosophie, 205 (Appell an das Gewissen); Kübler, AcP 159 (1960), 236, 265; Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht, 129 (das auf Naturrecht beruhende ungeschriebene Verfassungsrecht werde nicht begründet; es gehe um eine Frage des Glaubens an das Naturrecht); Ellscheid, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, Rechtsphilosophie, 154 f.; Ryffel, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 61, 80. Beispielhaft Schapp, Neue Wissenschaft vom Recht, 1 („Das Verständnis der Arbeit [an einem vorpositiven Eigentumsbegriff, d. Verf.] erfordert keinerlei Vorkenntnisse, sondern lediglich einen Blick für wesentliche Strukturzusammenhänge.“).
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gen114. Eine entsprechende Relativierung müssen sich dann aber auch andere, ebenfalls auf Glaubenssätzen basierende Denkweisen wie namentlich geschichtsphilosophische Annahmen gefallen lassen, unabhängig davon, ob sie im Kleide des „objektiven Geistes“, des „Willens“, „Rechtsgefühls“ oder „Volksempfindens“ daherkommen115. Dieses generelle Defizit naturrechtlicher Argumentation lässt sich an einschlägigen Stellungnahmen zur Eigentumsordnung exemplifizieren. Zum einen wird wie gezeigt häufig mit rhetorischen Tricks und Scheinbegründungen operiert. Zum anderen bestätigt sich die Beliebigkeit der Naturrechtsrede daran, dass sowohl das Privateigentum als auch das Gemeineigentum als vorpositive Güterordnung proklamiert wurden116. Das analytische Instrument, um solche Kurzschlüsse zu vermeiden und den Einzelnen sowie den demokratischen Rechtsstaat von einer angeblich ewig gültigen Ordnung zu emanzipieren, ist der methodologische Dualismus117. Nur wenn man das Sein strikt vom Sollen scheidet, reflektiert man die von keinem Protagonisten der natürlichen Güterordnung in Frage gestellte Grundwertung, jedem Menschen die gleiche Würde und Fähigkeit zur freien Willensbildung zuzusprechen. Die Alternative hierzu ist ein umfassender Determinismus, bei dem die „Natur der Sache“ das Sollen bestimmt118, oder eine Ordnung, in der eine bestimmte Person kraft höherer Erkenntnis und entsprechender Machtfülle den Inhalt des objektiven Rechts festlegt. Beide Annahmen sind mit der gegenwärtigen deutschen Rechtsordnung offenbar unvereinbar. Folglich bedarf es stets einer Transformation von Erkenntnissen über Wirklichkeit oder Sitte in das Recht als staatlicher Zwangsordnung. Zwar können ggf. in keiner Vorschrift explizit formulierte Rechtsprinzipien die Kluft zwischen
114 Siehe Benedikt XVI., Deus caritas est, 38 f. (die Soziallehre der Kirche argumentiere vom Naturrecht her, sie wolle diese Lehre aber nicht politisch durchsetzen); ferner Raiser, FS Baur, 105, 107 (das christliche Naturrecht habe sich nicht bruchlos in das geltende Recht verwandelt und seine beherrschende Stellung an die autonome menschliche Vernunft verloren); Wieacker, JZ 1961, 337, 338 (das Verhältnis von Naturrecht zum positiven Recht sei in der katholischen Dogmatik umstritten); ders., Privatrechtsgeschichte, 600 ff. Speziell zur Ausgestaltung der Eigentumsordnung unten V. 115 Siehe Radbruch, Rechtsphilosophie, 111 ff.; Coing, Rechtsphilosophie, 200 f.; Kunz/Mona, Rechtsphilosophie, 78 f.; Zippelius, Rechtsphilosophie, 144; zum Rechtsgefühl Radbruch, Rechtsphilosophie, 99 (Glücksfall der Intuition, keine Methode der Erkenntnis); dito Larenz, Methodenlehre, 123 (Rechtsgefühl keine Rechtserkenntnisquelle); zum Fehlen von Demokratie und perspektivischem Abstand zur Geschichte in solchem Denken Fikentscher, Methoden III, 263 f., 496. 116 Siehe Zippelius, Rechtsphilosophie, 72 ff.; Ellscheid, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, Rechtsphilosophie, 171 mit Fn. 70. 117 Siehe zu diesem Zusammenhang Radbruch, Rechtsphilosophie, 97; Esser, in: Esser/Engisch, Methoden I, 1, 24 (auch die typologische Erfassung des Seins besage nichts über das Sollen); Zippelius, Rechtsphilosophie, 72 f.; Fikentscher, Methoden III, 10 (respektable Individual- und Sonderethik); Kunz/Mona, Rechtsphilosophie, 76 ff. (Sein-Sollen-Fehlschluss). 118 Daher ablehnend zur „Natur der Sache“ als Rechtsquelle Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 922 ff.; Larenz, NJW 1965, 1, 6; Coing, Rechtsphilosophie, 189 ff.; Bydlinski, Methodenlehre, 56; Fikentscher, Methoden III, 336; Achterberg, Rechtstheorie 1978, 385, 409; Brecher, Unternehmen als Rechtsgegenstand, 9 (Natur der Sache keine Rechtsquelle).
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Sein und Sollen überbrücken, aber sie müssen Ausdruck einer feststellbaren, sittlichen Entscheidung der Menschen sein, dass dieses Prinzip gelten soll. Ob das der Fall ist, lässt sich nach dem Gesagten nur aus der Gesamtrechtsordnung ermitteln, die insbesondere angibt, wer in welchem Verfahren Aussagen treffen kann, die allgemeine Gültigkeit haben. Nur wenn das postulierte Prinzip im Kanon dieser Sätze enthalten ist, handelt es sich um mehr als eine individuelle Wertung aufgrund ethischer Motive oder Erkenntnisse über Wirklichkeit, nämlich um ein generell-abstraktes Rechtsprinzip, an dem jedermann sein Verhalten ggf. auch gegen seinen Willen auszurichten hat119. Nur so kann beurteilt werden, ob eine richterliche Entscheidung jenseits des positiven Gesetzes noch eine zulässige Rechtsfortbildung intra ius darstellt120. Wenn aber ein ungeschriebenes Rechtsprinzip, das nicht auf die Durchbrechung evident ungerechter, positiver Gesetze gerichtet ist, sondern eine generellabstrakte Verhaltensregel legitimieren soll, aus der jeweils geltenden Rechtsordnung – und nur aus ihr121 – herzuleiten ist, dann ist auch der methodische Weg vorgezeichnet, wie man ein solches Prinzip zu ermitteln hat. Zunächst ist der angebliche Grundsatz als Hypothese aufzustellen. Anschließend müssen die für die konkrete Rechtsfrage einschlägigen Bestimmungen des objektiven Rechts zusammengetragen und darauf überprüft werden, ob sie das postulierte Prinzip in dem Sinne wiedergeben, dass bei Tatbestand X stets die Rechtsfolge Y eintritt122. 119 Hervorhebung auch bei Bydlinski, Methodenlehre, 490 (Rechtsgrundsatz und nicht bloß soziale Norm); Wieacker, Richterkunst, 16 (außergesetzliche Regeln müssten innerhalb der Rechtsquellen eingebaut sein); ders., JZ 1961, 337, 339; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 463 (von einem Rechtsprinzip könne man erst dann sprechen, wenn es eine rechtliche Norm gebe, nach der das betreffende Prinzip für die Rechtsordnung relevant sei); Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, 453 ff.; Neuner, Rechtsfindung contra legem, 108; Müller, „Richterrecht“, 99; Heinrich, Formale Freiheit, 134; Mestmäcker, Legal Theory, 32 („compatibility with the structural characteristics of the overall order“); Brecher, Unternehmen als Rechtsgegenstand, 53; Classen, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 97 Abs. 1 GG Rn. 17 (Rechtsfortbildung habe auf rechtlichen und nicht primär tatsächlichen Einschätzungen zu beruhen); Lieth, Ökonomische Analyse, Fn. 605; für die Güterzuordnung auch Wagner, Perspektiven im Schadensersatzrecht, A 40; anders noch in hegelscher Manier Larenz, FS Nikisch, 275, 300 (Prinzipien ergäben sich nicht aus dem „positiven Recht“, sondern seien Ausdrucksformen des „objektiven Geistes“); anders dann aber Larenz, NJW 1965, 1, 10 (für jede Rechtsfortbildung müsse gezeigt werden, dass und warum sie „aus rechtlichen Gründen geboten“ sei, Hervorh. im Original). Ebenso zum common law Dworkin, Taking Rights Seriously, 105 („… principles that ,underlie‘ or are ,embedded in‘ the positive rules of law“). 120 Flume, 46. DJT II, K5, K20. Zum „inneren und äußeren System“ Larenz, FS Nikisch, 275, 300; Canaris, Systemdenken, 19 f., 61; Kramer, Methodenlehre, 80. 121 Anders ist es bei unverfügbaren Menschenrechten, die sich gerade gegen eine evident ungerechte Vorschrift des positiven Gesetzesrechts wenden. Während diese, in einer freiheitlichen Rechtsordnung allein akzeptable Variante des Naturrechts (oben Fn. 76 und unten c zum Grundgesetz) dem Gewaltmonopol des Staates Grenzen setzt, steht hier ein Rechtsprinzip in Rede, das hoheitliche (richterliche) Befugnisse zur Setzung von zwangsweise durchsetzbaren Regeln erweitert. 122 Canaris, Systemdenken, 46, 57, 68; Bydlinski, Methodenlehre, 488, 490; einschränkend aber ders., in: Kessal-Wulf u.a., Freiheitsethik, 99, 137 (würde man die unmittelbare Verkörperung von Rechtsprinzipien in Einzelregeln verlangen, würden Rechtsprinzipien ihre Hauptaufgabe, bei der Rechtsfortbildung Orientierung zu gewähren, nicht mehr erfüllen können); Kaufmann, in: Kauf-
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Ein solch induktiver Schluss von besonderen Sätzen auf ein allgemeines Rechtsprinzip ist anders als in den empirischen Wissenschaften durchaus zulässig. Die Aussagen einer Rechtsordnung sind endlich (z.B. enthält die deutsche Rechtsordnung keinen Satz, wonach die Todesstrafe die Rechtsfolge einer Straftat ist). Während wir um die Endlichkeit dieser Regeln wissen, weil sie vom Menschen selbst aufgestellt wurden, geht der kritische Rationalismus davon aus, dass wir über die Wirklichkeit als vorgefundene Entität nicht alles wissen können. Die methodische Schlussfolgerung für die empirischen Wissenschaften ist, dass Hypothesen anhand besonderer Beobachtungen überprüft und ggf. falsifiziert, nicht aber umgekehrt allgemeine Theorien durch Einzelbeobachtungen verifiziert werden können123. Auch auf dieser erkenntnistheoretischen Ebene wirkt sich die Trennung von Sein und Sollen aus. Hieraus ergibt sich, dass man dem Richter keine rechtspolitischen Eigenwertungen gestatten darf, mit denen er die angeblich ausgeschöpfte, positive Rechtsordnung um einen Satz erweitert124. Zutreffend verbietet das Bundesverfassungsgericht den an Gesetz und Recht gebundenen Richtern, die Rolle des Rechtsanwenders zu verlassen und als normsetzende Instanz einen subjektiven, politischweltanschaulichen Willen zur Geltung zu bringen125. Stattdessen ist ein Anspruch, der keine Grundlage im objektiven Recht einschließlich etwaiger Rechtsprinzipien hat, abzuweisen – auch das ist eine Entscheidung, die der Rechtsordnung entnommen ist und die nicht von vornherein evidentes Unrecht bedeutet126. An der Verkennung dieser Zusammenhänge kranken viele Entscheidungen und literarische Stellungnahmen, die offen oder verstohlen rechtspolitische Forderungen zu Rechtsprinzipien und damit zu geltendem Recht stilisieren127. 123 mann/Hassemer/Neumann, Rechtsphilosophie, 6 (unverfügbares Recht sei nicht in einem abstrakten Werte-Himmel, sondern in der Rechtswirklichkeit zu suchen); Esser, Grundsatz und Norm, 241 f., 267, 308; Wendehorst, Anspruch und Ausgleich, 499 f.; Larenz/Wolf, AT, § 4 Rn. 18; Neuner, Rechtsfindung contra legem, 108. Anwendungsbeispiel dieses methodischen Ansatzes bei Peukert, AcP 205 (2005), 430, 453 ff. (Prinzipien der Minderung als allgemeiner Rechtsbehelf im Schuldrecht). 123 Dazu oben § 3 B III. 124 So aber Esser, Grundsatz und Norm, 52 f., 279 f.; wie hier Flume, 46. DJT II, K5, K33 ff. 125 Oben § 2 C II; ferner BGHZ 107, 117, 120 (1989) – Forschungskosten (die Erkenntnis eines Regelungsbedarfs de lege ferenda sei rechtlich irrelevant). 126 In diesem Sinne grundlegend für das gegenüber Richterrecht noch aufgeschlossenere common law Dworkin, Taking Rights Seriously, 115 ff. (maßgeblich seien allein die Aussagen der Rechtsordnung), 279 ff. (es gebe in der Rechtsordnung nur eine zutreffende Antwort auf eine bestimmte Rechtsfrage); a.A. Fikentscher, Methoden IV, 382 (wo der Wortlaut des Gesetzes ende, sei der Richter frei, Fallrecht neu zu bilden); Lieth, Ökonomische Analyse, 154 (in hard cases müsse sich das bessere Argument durchsetzen). Auch hier erweist sich der Unterschied zwischen einem begrenzenden und einem staatliche Macht legitimierenden Naturrecht. 127 Besonders deutlich wird die rechtspolitische Dimension der Entscheidung etwa bei BGHZ 16, 172 ff. (1955) – Dücko; BGHZ 143, 214, 222 ff. (1999) – Marlene. Aus der Literatur etwa Waldhauser, Fernsehrechte, 137 ff. und 348 f.; Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 203 ff.; Magold, Personenmerchandising, 467, 471, 506; Roth, Geschützte Stellungen, 103 ff., 106 (Abwägung der Interessen sei entscheidend); weitere Beispiele aus der Rechtsprechung und Kritik bei Foerste, JZ 2007, 122, 131 ff.
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Festzuhalten ist, dass das Naturrecht im neuzeitlichen Rechtsdenken seinen Geltungsanspruch weitgehend eingebüßt hat. An seine Stelle sind unverletzliche und unveräußerliche Menschenrechte des Einzelnen getreten, die staatliche Gewalt begrenzen. Zu jener „Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt“ bekennt sich das Grundgesetz in Art. 1 Abs. 2 GG128. Wie in § 11 gezeigt, verfügt auch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG über einen menschenrechtlichen Kern, den die Art. 19 Abs. 2, 79 Abs. 3 GG sogar mit einer Ewigkeitsgarantie ausstatten – also mit genau der zeitlosen Wirkung, die das klassische Naturrecht auszeichnete129. Dieser Umstand schließt jedoch erst recht ein Rechtsprinzip aus, das weder dem Grundgesetz noch dem hiermit übereinstimmenden einfachen Recht entnommen werden kann: c) Das Grundgesetz als Einbruchstelle und Begrenzung des Naturrechts Die erwähnten Aussagen der deutschen Verfassung wurden nach den Erfahrungen des 3. Reiches bewusst gewählt, um das Grundgesetz in „vorstaatlichen“ und „vorverfassungsrechtlichen“ Sätzen zu verankern und so selbst gegen verfassungsändernde Gesetze zu immunisieren130. Das Grundgesetz hat also in der Tat naturrechtliche Wurzeln und ist von diesem Denken beeinflusst131. Wenn es seine Vorgaben aber in dieser Weise absichert, schließt das doch ein abweichendes Naturrecht gerade aus. Zunächst reicht das Bekenntnis zu letzten, nicht hinterfragbaren Sollensschlüssen lediglich so weit, wie es das Grundgesetz als demokratisch legitimierte Verfassung, die sich das deutsche Volk als Ursprung der Staatsgewalt gegeben hat132, zum Ausdruck bringt. Nur diejenigen Sätze wer128 Siehe hierzu Robbers, in: Umbach/Clemens, Art. 1 GG Rn. 72; Starck, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 1 Abs. 2 GG Rn. 126. Zur Suche nach einem „dritten Weg“ zwischen Naturrecht und Positivismus in der Rechtsphilosophie Kaufmann, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, Rechtsphilosophie, 89 ff.; Coing, Rechtsphilosophie, 205 (das Naturrecht lebe im positiven Recht); Kunz/Mona, Rechtsphilosophie, 139 ff. Zur Begrenzenden Wirkung der Grundrechte auch Flume, 46. DJT II, K5, K32. 129 Siehe Dürig, ZgS 109 (1953), 326, 328 ff.; Höfling, in: Sachs, Art. 1 GG Rn. 71; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, 561 (Absage an Gesetzespositivismus); Neuner, Rechtsfindung contra legem, 27; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 1 Abs. 2 GG Rn. 131; Meyer, in: v. Münch/Kunig, Art. 97 GG Rn. 24. Zur abstrakten Institutsgarantie des Eigentums oben § 11 C I 2 c. 130 Siehe Parlamentarischer Rat 5/I, 29 (Verweis Bergsträssers auf das auf Aristoteles zurückgehende Naturrecht des Mittelalters und das moderne Naturrecht der Aufklärung als Quellen der Grundrechte als „vorstaatlicher Rechte“), 40 (widerspruchslose Entscheidung des Grundsatzausschusses, „vorverfassungsrechtliche Sätze“ in das Grundgesetz aufnehmen zu wollen). 131 Siehe Sachs, Grundrechte, 23; Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht, 129 f. (Naturrecht besitze auch derzeit praktische Relevanz); Neuner, Rechtsfindung contra legem, 45 f.; Fikentscher, Methoden IV, 664; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, 605 f.; Höfling, in: Sachs, Art. 1 GG Rn. 68; Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, 80; Stern, in: HdbStR, § 108 Rn. 9 ff. Zur Bedeutung des „Bekenntnisses“ für den erkenntnistheoretisch nicht „erkennbaren“ Bestand an vorstaatlichen, überpositiven Rechten Radbruch, Rechtsphilosophie, 100 (letzte Sollenssätze seien nicht der Erkenntnis, sondern nur des Bekenntnisses fähig). 132 Zur rechtlichen Vollwertigkeit des Akts der Verfassungsgebung mit Blick auf das Grundgesetz nur Rühmann, in: Umbach/Clemens, Präambel Rn. 26 m.w.N. Siehe zur verfassungsgebenden
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den als vorstaatlich anerkannt, die vom Grundgesetz selbst in die deutsche Gesamtrechtsordnung überführt und damit verrechtlicht wurden133. Verweise auf nicht spezifizierte „ewige[n], einem Jeden von Natur aus eigene[n] Rechte[n]“ und ein „natürliches Sittengesetz“ als Grenze der allgemeinen Handlungsfreiheit wurden verworfen, nachdem im Ausschuss für Grundsatzfragen vehemente Kritik im Sinne der oben dargelegten, allgemeinen Defizite des Naturrechts geäußert worden war134. Sogar Grundrechte sind demnach „nicht ,von Natur aus‘, d.h. vor-rechtlich und vor-staatlich, sondern nur dort gesichert, wo sie zur positiven staatlichen Rechtsordnung gehören“135. Allein aufgrund dieser Transformation konnten sie unmittelbar geltendes Recht werden (Art. 1 Abs. 3 GG)136. Sie vorstaatlich zu denken, dient wie erläutert lediglich – aber immerhin – dazu, das Verteilungsprinzip einer freiheitlichen Rechtsordnung theoretisch zu fundieren, also zu erklären, warum jede staatliche Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit rechtfertigungsbedürftig ist137. 133 Gewalt und Legitimation des Grundgesetzes aus der Entstehungszeit ferner Parlamentarischer Rat 1, 3 f. (Schlusskommuniqué der Londoner Sechs-Mächte-Konferenz über Deutschland v. 7.6.1948: „… the German people … should … be free to establish for themselves the political organization and institutions …“), 31 (Dokumente zur künftigen politischen Entwicklung Deutschlands („Frankfurter Dokumente“) v. 1.7.1948 („Die verfassungsgebende Versammlung wird eine demokratische Verfassung ausarbeiten …“). Allgemein zur Bedeutung der verfassungsgebenden Gewalt BVerfGE 1, 14, 61 (1951) (die verfassungsgebende Versammlung schaffe die neue, für den werdenden Staat verbindliche, mit besonderer Kraft ausgestattete Verfassungsordnung); Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Präambel Rn. 14 ff. 133 Jestaedt, Grundrechtsentfaltung, 293; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 1 GG Rn. 27 ff. m.w.N.; Enders, in: Berliner Kommentar, vor Art. 1 GG Rn. 33 ff. 134 Siehe Parlamentarischer Rat 5/I, 62 f. mit Fn. 3 (in Abs. 1 werde ausgedrückt, dass die Grundrechte auf vorstaatlichen Rechten beruhten, die von Natur aus gegeben seien); zur Kritik a.a.O., 68, 72–75 (Heuss: „Aber ich glaube nicht an die von Natur aus eigenen Rechte.“ sowie Reaktion v. Mangoldt: „Nun wissen wir, daß mit dem Naturrecht allein … bei der praktischen Verwirklichung der Rechte des einzelnen sehr wenig anzufangen ist.“). Ferner wurde bei der Regelung der allgemeinen Handlungsfreiheit der Verweis auf das „natürliche“ Sittengesetz als Grenze gestrichen; siehe Parlamentarischer Rat 5/I, 607. 135 Parlamentarischer Rat 5/I, 66 (vorverfassungsrechtliche Grundrechte als solche „kein unmittelbar anwendbares Recht“); Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 282; Höfling, in: Sachs, Art. 1 GG Rn. 70; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 1 Abs. 2 GG Rn. 128; Stern, in: HdbStR, § 108 Rn. 53; Enders, in: Berliner Kommentar, vor Art. 1 GG Rn. 33 ff.; Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 267 (Grundrechte als positives Naturrecht). 136 Parlamentarischer Rat 5/I, 34 („verfassungsgesetzliche Umschulung“ der Grundrechte erforderlich), 40 (Entscheidung zur Normierung von „vorverfassungsrechtlichen Grundrechten“, die den Gesetzgeber binden und nur mit Zweidrittelmehrheit geändert werden können), 43 (v. Mangoldt: Erfordernis der Konkretisierung vorverfassungsrechtlicher Normen, um diese justiziabel zu machen); 44 (Heuss: Naturrecht als „moralisch-pädagogische These“, die man nicht einklagen könne, so dass die „naturrechtlichen Grundpositionen“ in eine Form gebracht werden müssten, die „nicht die Enge, wohl aber die Klarheit des Juristischen“ habe), 64 (die Rückkopplung der Grundrechte auf vorstaatliches Naturrecht führe „zu einer gewissen Beweglichkeit der Grundrechtssätze, soweit die in den einzelnen Artikeln gewählte Formulierung dies ermöglicht“), 68 (v. Mangoldt zum ersten Entwurf nach der Kritik am Naturrecht durch C. Schmid und T. Heuss); zusammenfassende Darstellung in JöR 1 (1951), 42. 137 Dazu oben § 2 B II 2.
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
Man würde daher den Sinn und Zweck des Grundgesetzes, seiner Bekenntnisse und Sicherungen auf den Kopf stellen, würde man es und die übrige deutsche Rechtsordnung für sonstige Ge- oder Verbote ohne Rückhalt zumindest in der Verfassung öffnen. Der Gesetzgeber ist gem. Art. 20 Abs. 3 GG eben an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden138. Ihr „Sinnganzes“ bildet das „Recht“, auf das sich die Gerichte einschließlich des Bundesverfassungsgerichts als dem Hüter der verfassungsstaatlichen Regeln139 gem. Art. 20 Abs. 3 GG bei einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung stützen müssen140. Deshalb sind die naturrechtlich aufgeladenen Grundrechte als „objektive Wertordnung“ nicht nur Legitimitätsgrundlage richterlicher Entscheidungen jenseits des einfachen Rechts, sondern sie markieren zugleich die Grenzen judikativer Kompetenz141. Auch die Nichtigkeit einer Verfassungsnorm kann sich nur aus der Missachtung von Gerechtigkeitspostulaten ergeben, „die zu den Grundentscheidungen dieser Verfassung selbst gehören“ (Hervorh. v. Verf.)142. Andernfalls würde sich die Verfassung einer nicht formulierten höheren, ggf. abweichenden oder gar entgegengesetzten Ordnung ausliefern und so ihren eigentlichen Zweck, bestimmte Grundlagen der Rechtsordnung dauerhaft festzuschreiben, ad absurdum führen143. Entstehungsgeschichtlich hat das Grundgesetz unverfügbare Menschenrechte zu konkretisierten Rechtsnormen mit Ewigkeitsgarantie ausgestaltet, um insbesondere totalitäres „Naturrecht“ auszuschließen144. Die auch von der Judikative zu verantwortende Perversion des Rechts im 3. Reich beruhte nämlich keineswegs auf einem positivistischen Festhalten an den 1933 bestehenden Gesetzen, sondern auf der Bereitschaft zur „unbeschränkten Auslegung“ namentlich auf der Basis angeblicher Rechtsprinzipien145. Diese Erkenntnisse sind weiterhin gül138 Krüger, FS Schack, 71, 73. Ebenso Art. 2 Abs. 1 GG für Einschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit. 139 Heusch, in: Umbach/Clemens/Dollinger, § 31 BVerfGG Rn. 14 f.; Lechner/Zuck, § 31 BVerfGG Rn. 36. 140 BVerfGE 34, 269, 286, 292 (1973) – Soraya; BVerfGE 65, 182, 191 (1983); BVerfGE 96, 375, 394 (1997); Flume, 46. DJT II, K5, K19; Wieacker, JZ 1961, 337, 342 (der Grundgesetzgeber habe in Art. 20 Abs. 3 GG kein Naturrecht contra legem decken wollen); Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 266. 141 Siehe allgemein oben § 2 C, zur Fortbildung des Deliktsrechts oben § 6 B IV, E, unten § 13 A II 1; zum Naturrecht als Grenze staatlicher Gewalt oben Fn. 121. 142 BVerfGE 3, 225 (1953) (Leitsatz 2, Hervorh. v. Verf.). 143 Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 34 a.E. („Um der Funktion der geschriebenen Verfassung willen ist es nicht möglich, sich unter Berufung auf ungeschriebenes Recht über geschriebenes Verfassungsrecht hinwegzusetzen.“); Neuner, Rechtsfindung contra legem, 27; Kunz/Mona, Rechtsphilosophie, 149 (Rekurs auf Naturrecht schütze nicht vor ungerechtem Recht); Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, 41; wohl auch Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht, 129 ff., 454. 144 Siehe Parlamentarischer Rat 5/I, 64 f. (C. Schmid unter Hinweis auf das „Naturrecht“ der nationalsozialistischen Rechtstheorie). Zur Notwendigkeit, die rechtspositivistische Trennungsthese von Recht und Moral im Hinblick auf die konkrete Rechtsordnung zu stellen, Ellscheid, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, Rechtsphilosophie, 228. 145 Zur antipositivistischen Haltung der nationalsozialistischen Rechtstheorie Flume, 46. DJT II, K5, K13 f.; Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, 479; Foerste, JZ 2007, 122, 127 (gegen die „Positivismuslegende zum Dritten Reich“).
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tig und durch Zurückweisung jeder die Gesamtrechtsordnung verlassenden, sich auf höheres Recht berufenden Rechtsanwendung selbst in scheinbar unproblematischen Fällen wie der Zuordnung „neuer“ Güter zu wahren. Da das Grundgesetz eine konkrete inhaltliche Wertordnung vorgibt und diese mit massiven verfahrensrechtlichen Sicherungen versieht, kann dem hier verfochtenen „Verfassungspositivismus“ also keine geschichtsvergessene Blindheit gegenüber den Gefahren des Freiheitsparadoxes vorgeworfen werden146. Im Ergebnis hat das Grundgesetz also nur bestimmte Naturrechtssätze in geltendes Recht überführt und so seinerseits den methodologischen Dualismus bestätigt. Ebenso wenig wie das einfache Recht kann die Grundordnung eines demokratisch-rechtsstaatlichen Gemeinwesens Sätze enthalten, die nicht von seiner eigenen Legitimität getragen sind147. Mithin ist es zutreffend, wenn das Bundesverfassungsgericht in Übereinstimmung mit der Entstehungsgeschichte und ganz herrschenden Meinung das Grundgesetz als das „höchste in der Bundesrepublik geltende Recht“ ansieht, das alle nicht in ihm selbst zum Ausdruck gelangenden, angeblichen Natur- oder Gewohnheitsrechtssätze ausschließt148.
146 Kritisch aber Fikentscher, Methoden IV, 624 (Gefahr einer Methoden-Unbewusstheit); ders., in: Tietz, Wert- und Präferenzprobleme in den Sozialwissenschaften, 43, 62 f. Wie hier gegen eine prinzipielle Lockerung der richterlichen Gesetzesbindung zur Vermeidung gesetzlichen Unrechts nachdrücklich Flume, 46. DJT II, K5 ff.; Wieacker, JZ 1961, 337, 338. Nachweise zu aktueller Kritik in diesem Sinne oben Fn. 72. 147 Ebenso die Systemtheorie; siehe Luhmann, Rechtstheorie 1986, 171, 172 („Für ein voll ausdifferenziertes Rechtssystem gibt es demnach nur positives Recht, das heißt Recht, über das ausschließlich im Rechtssystem befunden wird. Das heißt zugleich, daß die Entscheidung zwischen Recht und Unrecht nur im Rechtssystem selbst getroffen werden kann. Oder anders gesagt: was immer eine solche Entscheidung herbeiführt, ist dadurch eine Operation des Rechtssystems selbst. Die Zuordnung zu den Werten Recht und Unrecht ist weder als isoliertes Ereignis (ohne Zusammenhang mit anderen Operationen des Rechtssystems) noch als Ereignis der Umwelt des Rechtssystems möglich.“); Vesting, Rechtstheorie, Rn. 126 ff.; Jestaedt, Grundrechtsentfaltung, 292 („autopoietischer“ Charakter des Rechts); zur Systemtheorie allgemein Kunz/Mona, Rechtsphilosophie, 209 ff. Ferner Schmitt, Verfassungslehre, 173 („Der moderne Staat ist eine geschlossene politische Einheit und seinem Wesen nach der Status, d.h. ein totaler … Er kann innerhalb seiner selbst keinen vor oder über ihm gegebenen und deshalb gleichberechtigten öffentlichrechtlichen Status anerkennen …, die über ihm oder selbständig neben ihm in seine Sphäre hineinragen.“). 148 BVerfGE 39, 1, 36 (1975); BVerfGE 66, 116, 142 (1984); Parlamentarischer Rat 5/I, 68 (v. Mangoldt: „Damit wäre festgelegt, daß das den Grundrechten zugrundeliegende Naturrecht zur Auslegung der so formulierten Grundrechte herangezogen, darüber hinaus aber nicht der Anspruch erhoben werden könnte, daß in der Verfassung noch andere Grundrechte hineinzuinterpretieren sind.“). Aus der Literatur Stein, NJW 1964, 1745, 1752 (Rechtsfortbildung müsse letztlich an der Verfassung ausgerichtet sein); Müller, „Richterrecht“, 38 (unter dem Grundgesetz keine naturrechtliche Begründung des Richterrechts); Jestaedt, Grundrechtsentfaltung, 9 ff., 288 ff., 372 m.w.N. (das Grundgesetz als allbezügliche Höchstnorm schließe „unkontrolliert vagabundierende, herren- und delegationslose Rechtsetzungsmacht“ kategorisch aus); Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 97 Abs. 1 GG Rn. 14; Schmidt-Bleibtreu-Hopfauf, in: Schmidt-Bleibtreu/ Klein, Einl. Rn. 75 (Verfassung als Fundamentalnorm bestimme Erzeugung und Fortentwicklung des Rechts); Mager, Einrichtungsgarantien, 404; Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, 451 (Naturrecht als vorrangige Rechtsquelle mit der Verfassungsordnung des Grundgesetzes unvereinbar);
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Erst jüngst hat das Gericht betont, die Befugnisse des Bürgers richteten sich zunächst nach den Regelungen des einfachen Gesetzesrechts, im Übrigen nach den Grundrechten und „sonstige[n] verfassungsgemäße[n] Rechte[n]“149 – auch insoweit bleibt es also bei der Gesamtrechtsordnung als allein möglicher Quelle individueller Rechte. Das gilt auch unter Berücksichtigung informeller, in gesellschaftlicher Selbstorganisation außerhalb der Rechtsordnung entstandener Verhaltensregeln150. Denn jene stehen ebenfalls unter dem Vorbehalt abweichender gesetzlicher Regelung und sind nur insoweit im staatlichen Verfahren durchsetzbar, als sie – nicht anders als angebliche Naturrechtssätze – in der Gesamtrechtsordnung enthalten sind151. Ohnehin hält die rechtssoziologische Forschung eine solche „order without law“ nur für wirksam, wenn sie sich auf konkrete Konflikte in überschaubaren Gruppen mit homogenen Wertvorstellungen bezieht152; bereits an dieser faktischen Voraussetzung mangelt es im Hinblick auf Ausschließlichkeitsrechte, die gegen jedermann wirken sollen153. Auf der Basis dieser Grundlagen ist zu entscheiden, ob die Gerichte ungeschriebene Ausschließlichkeitsrechte an „neuen“ Gütern anerkennen dürfen. Nur wenn eine Gesamtschau des güterzuordnungsrelevanten Privat-, Verfahrens- und Verfassungsrechts erkennen ließe, dass vermögenswerte Güter stets oder jedenfalls unter benennbaren Voraussetzungen demjenigen durch umlauffähige Rechte exklusiv vorzubehalten sind, der sie maßgeblich hervorgebracht hat, zählen diese Gesichtspunkte als Rechtsprinzipien zu Gesetz und Recht gem. Art. 20 Abs. 3 GG. Der folgende, die Ergebnisse der §§ 5 bis 11 zusammenfassende Abschnitt zeigt, dass das nicht der Fall ist. Folglich bleiben die Kerngedanken der Güterzuordnung rechtspolitische Wertungen des jeweiligen Sprechers, die nicht zur Überschreitung des einschlägigen Gesetzesrechts legitimieren.
149 Esser, in: Esser/Engisch, Methoden I, 1, 8; Unberath, Vertragsverletzung, 165 (Geltung komme nur dem positiven Recht zu). Zum nachkonstitutionellen Gewohnheitsrecht contra legem et constitutionem Müller, „Richterrecht“, 113 ff.; Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, 464 ff., 472. Kritisch aus rechtstheoretischer Sicht Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie, 166 f. (an die Stelle der Einheit des Staates müsse die Pluralisierung von Teilorganisationen treten); in Bezug auf das Eigentum Vesting, FS Schmidt, 427, 438. 149 BVerfG NJW 2006, 2613, 2614. 150 Dazu insbesondere Ellickson, Order Without Law, passim. 151 Das betont ausdrücklich Ellickson, Order Without Law, 169 f., 249 f. Einbruchstelle im Vertragsrecht ist vor allen Dingen § 157 BGB, wonach die Vertragsauslegung auf die Verkehrssitte Rücksicht zu nehmen hat. 152 Siehe Ellickson, Order Without Law, 167, 177 ff. 153 Ebenso Schön, Nießbrauch an Sachen, 246.
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III. Die fehlende Durchführung der Zuordnungsgedanken in der Rechtsordnung 1. Die Kerngedanken der Güterzuordnung und das Grundgesetz Beginnt man den Rückblick auf das güterzuordnungsrelevante positive Recht bei der Verfassung, so wird man der Gewährleistung des Eigentums und des Erbrechts gem. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG eine naturrechtliche Wurzel zusprechen müssen, weil ihr ein selbst gegen den verfassungsändernden Gesetzgeber geschützter, menschenrechtlicher Wesensgehalt zukommt, der sich im Hinblick auf noch nicht zugeordnete Güter in Gestalt der „abstrakten Institutsgarantie“ entfaltet154. Indes ist das Bekenntnis zu einem unveräußerlichen Minimum an Privateigentum nur in der differenzierten Struktur des Art. 14 GG in die Rechtsordnung eingegangen155; allein aus diesen rechtlich verbindlichen Vorgaben (Art. 1 Abs. 3 GG) kann sich ein Rechtsprinzip der Güterzuordnung speisen. Die Analyse der Eigentumsgarantie in § 11 hat insoweit ein negatives Resultat ergeben. Demnach dürfen sich die Gerichte in keinem Fall auf die Kerngedanken der Güterzuordnung berufen, um ungeschriebene subjektiv-ausschließliche Rechte anzuerkennen und damit verfassungsrechtliches Eigentum zu begründen. Das sei kurz rekapituliert: Zunächst wird Eigentum nicht um seiner selbst willen garantiert, sondern als rechtliche Institution zur Ermöglichung eines eigenverantwortlichen Lebens im vermögensrechtlichen Bereich. Allein an dieser akzessorischen Funktion im Verhältnis zur persönlichen Freiheit ist ein Zuordnungsgebot im Hinblick auf „neue“ Güter auszurichten. Demnach hat das einfache Recht mindestens so viele Eigentumsrechte zur Verfügung zu stellen, dass ein von staatlichen Almosen unabhängiges Auskommen möglich ist. Vermögenswert, persönliche Leistung und Markteröffnung sind hingegen Aspekte, die das Eigentum als solches in Blick nehmen und deshalb regelmäßig mit der petitio principii enden, Eigentum sei zu gewähren, weil es die richtige Lösung darstellt. Außerdem bedroht eine Eigentumslogik, die den Zweck der Freiheitsermöglichung ebenso ausblendet wie die
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Ebenso Sec. 1 der Virginia Bill of Rights v. 12.6.1776; französische Erklärung der Menschenrechte v. 26.8.1789, auf die die Verfassung von 1958 Bezug nimmt (siehe Constitution de 1958, Préambule: Le peuple français proclame solennellement son attachement aux Droits de l’homme et aux principes de la souveraineté nationale tels qu’ils ont été définis par la Déclaration de 1789 …): Le but de toute association politique est la conservation des droits naturels et imprescriptibles de l’Homme. Ces droits sont la liberté, la propriété, la sûreté, et la résistance à l’oppression. Art. 17: La propriété étant un droit inviolable et sacré, nul ne peut en être privé, si ce n’est lorsque la nécessité publique, légalement constatée, l’exige évidemment, et sous la condition d’une juste et préalable indemnité. Übersicht zu den verschiedenen Aspekten der Diskussion um das Eigentum als Menschenrecht bei Dicke, EuGRZ 1982, 361 ff. Zur abstrakten Institutsgarantie oben § 11 C I 2 c. 155 Siehe Raiser, FS Baur, 105, 111 (nicht nur schlichte Anerkennung, sondern selbständige Umprägung naturrechtlicher Ursprünge in die deutsche Staatsverfassung); Kübler, AcP 159 (1960), 236, 250 (offenkundige Ambivalenz des Art. 14 GG); Chlosta, Wesensgehalt, 140 f. (Verschmelzung heterogener Elemente).
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Drittgerichtetheit aller subjektiven Rechte, das übergeordnete Rechtsprinzip gleicher Freiheit156. Wie diese verfassungsrechtlich determinierte Eigentumsfunktion zu erfüllen ist, regelt Art. 14 GG wiederum in diffiziler, aber in sich schlüssiger Weise. Das Grundgesetz kennt keinen absoluten, vorgegebenen Eigentumsbegriff, den die staatlichen Instanzen nur noch in die Tat umzusetzen hätten. Vielmehr werden Inhalt und Schranken des Eigentums originär von den Gesetzen bestimmt (Art. 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 2 GG). Damit bestätigt das Grundgesetz ausdrücklich die rechtsvergleichend und rechtshistorisch zu beobachtende Normprägung und Normabhängigkeit des Eigentums und zugleich den methodologischen Dualismus157. Als verfassungsrechtliches Eigentum qualifizieren sich nur subjektive relative und ausschließliche Rechte, die einer Person nach Maßgabe des einfachen Rechts zustehen. Wert, Arbeit und Verkehrsanschauung sind allenfalls für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung eines Eingriffs in den zuvor etablierten Schutzbereich von Bedeutung. Hierfür kommt es allein auf formale Wirkungen des objektiven Rechts an (Privatnützigkeit, Verfügungsbefugnis). Damit bestehen insgesamt zwei Filter, die verhindern, dass eine „natürliche“ Eigentumsordnung an die Stelle der Rechtsordnung gesetzt wird: Zum einen lässt die kodifizierte Verfassung nur bestimmte Wertungen in das Recht ein; zum anderen schließt Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG es aus, dem Grundgesetz konkrete Aussagen über den Inhalt der Güterordnung unterzuschieben. Wie die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes zeigt, hat der Verfassungsgeber diese spezielle Ausgestaltung im Interesse fundamentaler, materialer Zwecke gewählt. Hierzu zählen die funktionale Ausrichtung auf die Höchstwerte persönlicher Würde und Freiheit, die Entscheidung für eine wandlungsfähige, demokratisch legitimierte und rechtsstaatlich durch allgemeine Gesetze ausgebildete Eigentumsordnung und nicht zuletzt die Erkenntnis, dass die Privilegierung des Eigentümers nicht ohne Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit aller Dritten zu bekommen ist. Deren Interessen werden nicht nur über die Sozialbindung des Eigentums gem. Art. 14 Abs. 2 GG in das Gesamtmodell des Eigentums integriert, sondern des Weiteren über die exklusive Zuständigkeit des parlamentarischen Gesetzgebers vor einer wuchernden, Entfaltungsspielräume verdrängenden Güterzuordnung auf der Basis einzelner Gerichtsentscheidungen bewahrt. Wer sich über die Aussagen des Art. 14 GG erhebt und abweichende, namentlich „natürliche“ Eigentumskonzepte verfolgt, muss sich fragen lassen, wie er es mit den zugrundeliegenden Konzepten einer freiheitlichen, demokratisch-rechtsstaatlichen Ordnung hält158.
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Dazu unten VI und §§ 14 B II, 15 B. Deutlich Herzog, FS Zeidler II, 1415, 1419; Böhmer, NJW 1988, 2561, 2568; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 64 f.; Brocker, Arbeit und Eigentum, 379, 386 (naturalistischer Fehlschluss); Lindner, Grundrechtsdogmatik, 321; Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 256 f. 158 Erkennbare Vorbehalte gegen das parlamentarische System etwa bei Sieckmann, Modelle, 343 (die Gerichte hätten den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers „in gewissem Maß“ zu re157
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Da Art. 14 GG diese Grundstrukturen der deutschen Rechtsordnung im vermögensrechtlichen Bereich verwirklicht, ist es nicht verwunderlich, dass soweit ersichtlich niemand vertritt, die hier in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts skizzierte Eigentumsgarantie stelle „extremes staatliches Unrecht“ dar, das als Verstoß gegen unveräußerliche Menschenrechte außer Acht gelassen werden müsse. Das aber wäre die einzig schlüssige und mit der Verfassung selbst wenigstens im Ansatz vereinbare Argumentation, um über die Vorgaben des Art. 14 GG hinwegzukommen159. Statt diesen Versuch überhaupt zu unternehmen, stößt man bei den Verfechtern einer von Art. 14 GG losgelösten Eigentumsordnung auf die bereits oben kritisierten rhetorischen Tricks und Scheinbegründungen160. 2. Die Kerngedanken der Zuordnung und das Privatrecht Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes stützt also kein Prinzip, wonach vermögenswerte Güter von den Gerichten demjenigen zugeordnet werden müssen, der sie aufgrund persönlicher Arbeit hervorgebracht hat. Im Gegenteil, sie schließt die Judikative von dieser Entscheidung explizit aus und belässt dem allein zuständigen parlamentarischen Gesetzgeber einen weiten Spielraum zur Umsetzung des in Art. 14 GG niedergelegten Eigentumsmodells. 159 spektieren), 489 (Abwägungshoheit des Gesetzgebers als Risiko); Götting, Wettbewerbsrecht, 103 f. („Angesichts der sich stetig verschlechternden Qualität gesetzlicher Regelungen, die zum Teil grobe handwerkliche Fehler aufweisen, führen richterliche Entscheidungen auf der Grundlage von Generalklauseln zu (sach-)gerechteren Ergebnissen als gesetzliche Spezialtatbestände.“); Götte, Schutzdauer, 110 f. („unausgewogene Gesetze“). 159 Siehe nur Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 1 Abs. 2 GG Rn. 132 (Lücken des Grundrechtsschutzes im Verhältnis zu den anerkannten Menschenrechten seien kaum vorstellbar); Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht, 460 ff. Auch Isensee, in: Schriften Leisner, V ff., der ein Zurückbleiben des Grundgesetzes hinter der menschenrechtlichen Idee des Eigentums konstatiert, folgert daraus nicht die Irrelevanz oder Ungültigkeit der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, sondern belässt es bei einer Klage über einen „Formelkompromiß voll innerer Widersprüche“. Widersprüchlich Fechner, Geistiges Eigentum, 124 (der naturrechtliche Begriff sei juristisch nicht nachprüfbar und durch widersprechende Ansichten zu seinem Inhalt widerlegt), 125 (von den dem Begriff zugrundeliegenden Gerechtigkeitserwägungen ausgehend, bedürfe der Schutz geistiger Leistung keiner Begründung), 202 (verfassungsrechtlich lasse sich die Vorgegebenheit des geistigen Eigentums durch den verfassungsunmittelbaren Begriff der Leistung begründen). 160 Siehe z.B. Fechner, Geistiges Eigentum, 106 (Charakteristikum des geistigen Eigentums sei der kreative Schaffensprozess; hierunter seien Rechte zu verstehen; die Funktion des Begriffes sei die rechtliche Zuordnung des geistigen Produkts zum Schöpfer), 111 („Immaterialgüter und geistiges Eigentum sind keine gegensätzlichen Begriffe, sondern vielmehr nahezu deckungsgleiche Umschreibungen.“), 125 (nicht der Schutz, sondern seine Einschränkung bedürften der rechtfertigenden Begründung), 518 (ein weltweiter Schutz sei „wünschenswert“, aber geistiges Eigentum sei nicht an ein bestimmtes Territorium gebunden); Sieckmann, Modelle, 58 (die Ablehnung des Prinzipienmodells laufe auf einen „Verzicht auf rationale Begründung oder einen Verzicht auf effektiven Grundrechtsschutz“ hinaus), 186 (es erscheine „sinnvoll“, den Schutz aus Eigentumsprinzipien dem Art. 14 GG zuzuschreiben). Kritik wie hier bei Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 367 (wer generell und abstrakt eine Zuordnung aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG behaupte, verwende Art. 14 GG als „deus ex machina“ zur Produktion jedes beliebigen Ergebnisses); v. Brünneck, Eigentumsgarantie, 322 (kein begründeter, sondern beschworener Eigentumsbegriff); Kübler, FS Baur, 51, 53.
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Diese Aufgabenverteilung spiegelt sich im güterzuordnungsrelevanten Privatund Verfahrensrecht wider161. Denn das für eine positive richterliche Zuordnungsentscheidung in Frage kommende einfache Recht hält konsequent keine Rechtsgrundlage bereit, um positiv-exklusive, verkehrsfähige Rechte an „neuen“ Gütern anzuerkennen. Wie in den §§ 5 bis 10 gezeigt, fehlt zunächst eine Generalklausel, die unter den Voraussetzungen des im Markt anerkannten Vermögenswerts und der persönlichen Arbeit jedwedes Gut dem „Schöpfer“ zuweist. Die normierten Ausschließlichkeitsrechte beziehen sich auf ein bestimmtes Gut und haben einen vertikal und horizontal begrenzten Schutzbereich. Die entwicklungsoffenen Vorschriften der gesetzlichen Schuldverhältnisse unterliegen dem Prinzip der enumerativen Haftung. Ihre Tatbestände verlangen entweder eine in der sonstigen Rechtsordnung („extern“) niedergelegte Zuordnung von Gütern oder – soweit sie wie das Deliktsrecht aufgrund norminterner Wertungen Ansprüche generieren – sie dienen nicht dem Interesse am exklusiven Schutz des Erworbenen. Ebenso wenig konstitutiv sind die Auffangklauseln des Rechtsverkehrsrechts. Im Hinblick auf die rechtsgeschäftliche Übertragbarkeit unter Lebenden und von Todes wegen haben die einschlägigen Vorschriften reinen Blankettcharakter; die §§ 857 Abs. 1 ZPO, 35 Abs. 1 InsO sind zwar Rechtsgrundlagen der Einzel- und Gesamtvollstreckung, lassen das vorausgesetzte materielle Güterordnungsrecht indes ebenfalls unberührt. Das Rechtsverkehrsrecht bestätigt damit, dass ausschließliche Rechte (selbstverständlich) nicht kraft privatautonomer Erklärung einer oder mehrerer Parteien geschaffen werden können. Die Privatrechtssubjekte vermögen im Rahmen der Gesetze nur relative Rechte zu begründen162. Ein die Judikative legitimierendes Rechtsprinzip der Güterzuordnung steht mit dieser bewusst punktuellen, gesetzesabhängigen Anerkennung positiv-exklusiver Bereiche in Widerspruch. Die dadurch immer wieder entstehenden „Lücken“ der Güterzuordnung akzeptiert die Rechtsordnung keineswegs ohne Grund. Zum einen werden damit Handlungsspielräume potentieller Schuldner gewahrt163. Zum anderen sollen bestimmte Güter aus verschiedenen Gründen frei zugänglich sein oder zumindest nicht im Markt umlaufen. Hinzuweisen ist auf gemeinfreie Immaterialgüter wie grundlegende Ideen, Entdeckungen und Werke, Erfindungen etc., deren immaterialgüterrechtliche Schutzdauer abgelaufen ist164, sowie auf den Gemeingebrauch an öffentlichen Gewässern und Wegen165. Geschützt, aber aus guten Gründen nicht verkehrsfähig sind etwa res ex-
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Zu diesem Zusammenhang allgemein Raiser, Grundgesetz und Privatrechtsordnung, 8. Näher unten § 14 B I. 163 Zum kollidierenden Rechtsprinzip des Freiheitsschutzes unten VI. 164 Zu den Grenzen der Immaterialgüterrechte oben § 5 B II. 165 Siehe zum Gemeingebrauch als nicht exklusiv zugewiesener Befugnis BGHZ 55, 153, 160 (1970); BGH NJW 1977, 2264, 2265; ebenso bereits RG Seuff. Arch. 76 Nr. 14 (1920) (Wegenutzung); RG Gruchot 68 (1927), 75, 77; KG JW 1938, 948 f. (Wassernutzung); zustimmend Zeuner, FS Flume, 776, 782 ff.; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 388. 162
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tra commercium166 und Persönlichkeitsmerkmale nach der klassischen Konzeption des aPR167. Schließlich sind Ausschließlichkeitsrechte nicht immer das passende Instrument zur Verteilung vermögenswerter Güter. So steht im Bereich der Daseinsvorsorge häufig der diskriminierungsfreie Zugang zum betreffenden Gut (z.B. elektrische und sonstige Energie) im Vordergrund, so dass das Versorgungsunternehmen ggf. einem Kontrahierungszwang unterworfen wird. Wenn in Fällen wie der an Leitungsnetze gebundenen Energie eine weitgehende faktische Exklusivität besteht, wäre es überflüssig und sogar widersprüchlich, dem ohnehin zur Lieferung verpflichteten Energieunternehmen ein zusätzliches Ausschließlichkeitsrecht zu gewähren168. Ferner stellt die Entscheidung gegen ein ausschließliches Recht an der Internet-Domain als solcher sicher, dass die Verteilung dieser ebenfalls faktisch-exklusiven Güter weiterhin nach dem Gerechtigkeitsprinzip der Priorität und nicht nach anderen Kriterien durchzuführen ist169. In Anbetracht dieser vielfältig motivierten Alternativen zu Ausschließlichkeitsrechten kann also keine Rede davon sein, dass das Privat- und Verfahrensrecht dem Satz folgt „wenn Wert, dann Recht“. Ohnehin löst der Vermögenswert zwar Zuordnungspostulate aus, besagt aber nicht, wer begünstigt werden soll. Auch der hierfür ausschlaggebende Gedanke persönlicher Arbeit, mit der sich der Akteur das betreffende Gut aneignet, wird im geltenden Recht keineswegs lückenlos und konsistent durchgeführt. Teilweise ist originär Berechtigter tatsächlich der Handelnde, etwa beim Eigentumserwerb herrenloser und gefundener Sachen (§§ 958, 973 BGB) und im Urheberrecht (§ 7 UrhG). In vielen Fällen wird das Ausschließlichkeitsrecht jedoch demjenigen zuerkannt, der das finanzielle Gesamtrisiko trägt. Prominentestes Beispiel ist der Eigentumserwerb durch Verarbeitung oder Umarbeitung gem. § 950 BGB. Als Hersteller der neuen beweglichen Sache und damit Eigentümer wird gerade nicht angesehen, wer die Verarbeitungstätigkeit ausführt, sondern der „Geschäftsherr“, in dessen Namen und Interesse gehandelt wird170. Wieder anders ist es im 166 Siehe dazu v. Ihering, Geist des römischen Rechts, 334 ff.; Johow, in: Schubert, Sachenrecht 1, 155 ff.; Dilcher, in: Staudinger, vor § 90 BGB Rn. 27 ff.; Marly, in: Soergel, vor § 90 BGB Rn. 32 ff. Siehe zum Inhalt einer Urne als nur beschränkt verkehrsfähiges Eigentum LG Kiel FamRZ 1986, 56, 57. 167 Dazu noch unten § 13 B VII. 168 Siehe oben § 4 B VI und zum Schutz des Energieunternehmens über das Vertrags- und Deliktsrecht unten § 13 C VI. 169 Siehe BGHZ 149, 191 ff. (2001) – shell.de (namentlich zur Ablehnung der Ansprüche aus Eingriffskondiktion und angemaßter Eigengeschäftsführung, die der Verwirklichung der Eigentumsordnung dienen, a.a.O., 205 f.). 170 Siehe nur Bassenge, in: Palandt, § 950 Rn. 6 ff. Zutreffend Radbruch, Rechtsphilosophie, 235 (die Arbeitstheorie führe in der arbeitsteiligen, kapitalistischen Wirtschaft zu sozialistischen Folgerungen, weil der an der Arbeit nicht beteiligte Eigentümer der Produktionsmittel nicht Eigentümer sein könne). Schapp, Neue Wissenschaft vom Recht, 101, der von einem vorpositiven Eigentum aufgrund der Beziehung „Ich-Werk-Eigentum“ ausgeht, ist denn auch gezwungen, in Anbetracht von § 950 BGB zu konstatieren, hier sei das vorpositive Eigentum zu einer „dürftigen Anerkennung“ gelangt.
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gewerblichen Rechtsschutz, wo Inhaber des Immaterialgüterrechts wird, wer die Erfindung, Marke usw. für sich anmeldet und registriert, auch wenn diese Person nicht der Erfinder, Entwickler der Marke usw. ist171. In einigen Bereichen schließlich sorgen gesetzliche Regelungen dafür, dass die originäre Rechtsinhaberschaft zwar dem „Schöpfer“ zukommt, anschließend aber der Arbeitgeber die Befugnisse ausüben oder gar vollständig an sich ziehen kann172; auch manche in dieser Arbeit problematisierte richterliche Zuordnungsentscheidung war um dieses Ergebnis bemüht173. Erneut offenbart sich eine schillernde Vielfalt von Lösungen, die mitnichten die schlichte Korrelation von persönlicher Frucht der Arbeit und originärer Inhaberschaft eines Ausschließlichkeitsrechts bestätigt. Nach zutreffender Auffassung genügt daher ein erheblicher geistiger oder kostenintensiver Aufwand nicht, um eine richterliche Güterzuordnung zu rechtfertigen174. Wenn aber das einfache Recht weder eine – erforderliche – Rechtsgrundlage für die Anerkennung von Ausschließlichkeitsrechten bereitstellt noch die Kerngedanken der Eigentumslogik in konsistenter Weise verwirklicht, dann ist eine sich gerade hierauf berufende Rechtsfortbildung als systemwidrig abzulehnen. Ein entsprechendes Prinzip findet keinen Rückhalt in der Rechtsordnung und hat daher nur politischen Gehalt.
IV. Grenzen der Kompetenz der Judikative im demokratischen Rechtsstaat Bei diesem negativen Ergebnis ist ferner die kompetenzielle Dimension eines Rechtsprinzips der Güterzuordnung zu berücksichtigen175. Würde man ein solches bejahen, dürfte die Judikative über die Anerkennung ungeschriebener Ausschließlichkeitsrechte entscheiden. Verneint man es wie hier, verbleibt es bei der für sich gesehen selbstverständlichen, aber eben ausschließlichen Zuständigkeit des parlamentarischen Gesetzgebers. Damit wird die in § 2 C allgemein erläuterte Bindung der Gerichte an Gesetz und Recht gem. Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG in differenzierter Weise verwirklicht: Den Gerichten wird hier nämlich keineswegs die Befugnis abgesprochen, den Regelungsplan des einfachen Gesetzes zu überschreiten, wenn sie sich hierbei – namentlich unter Berufung auf ein Rechtsprinzip – innerhalb des „Sinnganzen“ der Rechtsordnung halten. Insbesondere ist die richterliche Fortbildung des De171
Zum Recht auf das Patent, das anschließend zur Vindikation führen kann, oben § 1 C I 2. Siehe §§ 69b UrhG, 6 f. ArbNErfG. 173 Zur Begünstigung des Arbeitgebers aufgrund des richterrechtlich anerkannten Leistungsschutzes des ausübenden Künstlers oben § 4 B III 2. 174 BGHZ 107, 117, 122 (1989) – Forschungskosten; OLG Karlsruhe NJW-RR 2000, 1005, 1006; Müller-Erzbach, ZHR 88 (1926), 173, 183 (der schlichte Satz, es sei gerecht, dass derjenige Werte nutzen dürfe, der sie durch Arbeit erzeugt habe, sei zu weit gefasst und nicht ganz schlüssig); Forkel, FS Neumayer, 229, 241; Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 301. 175 Dazu oben Einleitung B IV; unergiebig Eschenbach, Eigentum, 562 ff. 172
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liktsrechts durch Anerkennung von Rahmenrechten wie dem aPR und dem Recht am Gewerbebetrieb zulässig, soweit dadurch Schutzpflichten für Freiheitsgrundrechte verwirklicht werden, deren Erfüllung eben nicht ausdrücklich dem Gesetzgeber vorbehalten ist176. Die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit im Umgang mit erworbenen, aber ggf. nicht zugeordneten Gütern wird durch das Recht am Gewerbebetrieb sowie das UWG geschützt. Letzteres kann abgesehen von einschlägigen Regelbeispielen zur unlauteren Nachahmung von Erzeugnissen und zur Nutzung von Betriebsgeheimnissen mit der Generalklausel gegen weitere Fälle unerlaubter Zugriffe auf „neue“ Güter in Stellung gebracht werden177. Diese Rechtsgrundlagen erzeugen zwar kein verfassungsrechtliches Eigentum, bilden aber gleichwohl ein wirksames und flexibles Instrument zum reflexartigen Schutz von Gütern, deren Wert über Verpflichtungsgeschäfte realisiert werden kann178. Vor diesem Hintergrund kann keine Rede davon sein, dass die hier verfochtene, ausschließliche Zuständigkeit des Gesetzgebers zur Schaffung verkehrsfähiger ausschließlicher Rechte zu einer Rechtsverweigerung oder zu ständigen Rechtsnotständen führt179. Ohnehin lehrt die Rechtsgeschichte, dass der Gesetzgeber nicht lange auf sich warten lässt, wenn im Verkehrsleben und der gerichtlichen Praxis ein Bedürfnis nach Ausschließlichkeitsrechten artikuliert worden ist180. Die dargestellten Rechtsfortbildungsbefugnisse der Gerichte lassen sich auch nicht mit dem Argument erweitern, dass eine „alternde“ Kodifikation im Wege der „objektiven“ Auslegung an die veränderten sozialen Verhältnisse und gesellschaftlich-politischen Anschauungen angepasst werden müsse181. Denn wie gezeigt fehlt es für die Zuordnung „neuer“ Güter überhaupt an einer tragfähigen Rechtsgrundlage, die über ihren Regelungsplan hinaus „ausgelegt“ werden kann. Außerdem scheidet eine Rechtsfortbildung jedenfalls dann aus, wenn die Verfassung die Entscheidungskompetenz eindeutig dem Gesetzgeber übertragen hat182. Einen solchen ausdrücklichen Parlamentsvorbehalt sieht das Grundgesetz eben nicht nur für das Strafrecht gem. Art. 103 Abs. 2 GG vor183, sondern auch 176 Oben § 6 B IV, V; zu den Grundlagen und Grenzen der Rechtsfortbildung näher unten § 13 A II 1. 177 Oben § 7 B II 2, E; zum Investitionsschutz wegen allgemeiner Marktstörung gem. § 3 UWG unten § 13 A II 2 b. 178 Dazu im Kontext einer allgemeinen Theorie der Güterzuordnung unten § 14 B I, II. 179 Siehe die Lösung der güterzuordnungsrelevanten Beispielsfälle unten § 13 B. 180 Siehe insbesondere zu den inzwischen immaterialgüterrechtlich geschützten Gütern oben § 4 B III. 181 Dazu RGZ 113, 413, 418 (1926); BVerfGE 34, 269, 288 ff. (1973) – Soraya; BVerfGE 82, 6, 12 (1990); BVerfGE 96, 375, 394 (1997); BVerfG GRUR 2006, 1049; Oertmann, Gesetzeszwang, 13; Wieacker, Richterkunst, 4; Kübler, JZ 1969, 645 (der sich freilich von der darin enthaltenen Kritik an der parlamentarischen Demokratie ausdrücklich distanziert, a.a.O., 651); Zippelius, Methodenlehre, 26 f. 182 BVerfGE 4, 219, 234 (1955); BVerfGE 96, 375, 394 (1997); abweichende Meinungen BVerfGE 109, 190, 247, 252 (2004). Für ungeschriebene Entschädigungspflichten jenseits von Art. 14 Abs. 3 GG Böhmer, NJW 1988, 2561, 2565; allgemein Stein, NJW 1964, 1745, 1746. 183 BVerfGE 95, 96, 130 f. (1996).
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für die Entscheidung über Inhalt und Schranken des Eigentums gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG184. Da die hier als Ausschließlichkeitsrechte bezeichneten Rechtspositionen unstreitig unter den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff fallen, enthält das Grundgesetz insoweit ein Rechtsfortbildungsverbot. Diese differenzierte Gesetzesbindung im Hinblick auf die Schaffung bzw. Anerkennung individueller Rechtspositionen185 realisiert die Teilung staatlicher Gewalt zwischen Legislative und Judikative als einem tragenden Organisationsprinzip einer demokratisch-rechtsstaatlichen Verfassung186. Sagt sich ein Gericht von den verfassungs- und einfachrechtlichen Bindungen los, um z.B. Lücken der Eigentumsordnung zu schließen, verabschiedet es sich von diesem komplexen Legitimationssystem. Zugleich gerät seine erst aus der Gesetzesbindung folgende Unabhängigkeit in Zweifel, die doch vielen Verfechtern weitreichender richterlicher Kompetenz als besonderer Vorteil judikativer statt parlamentarischer Entscheidung erscheint187. Die Gerichte von der Gesetzesbindung freizustellen, damit sie bestimmte politische Forderungen hinsichtlich des Eigentums erfüllen mögen, bedroht demnach zum einen rechtsstaatliche Grundsätze, namentlich die Rechtssicherheit188. Denn weder potentielle Rechtsinhaber, ihre Vertragspartner noch etwaige Schuldner würden verlässlich sagen können, ob und in welchem Umfang ihnen verkehrsfähige Befugnisse zukommen bzw. ob sie Ansprüchen wegen einer Rechtsverletzung ausgesetzt sind. Letztlich gibt man den Beteiligten also Steine statt Brot und löst erhebliche Transaktionskosten aus; die andauernde Unsicherheit im Hinblick auf den Inhalt, die Dauer und die Verkehrsfähigkeit der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts beweist das in aller Deutlichkeit189. Die Lossagung von allgemeinen, gleichmäßig gültigen Gesetzen (Isono184 Siehe oben § 11 C II 2; dort auch zur privatautonomen Kompetenz zur Begründung relativer Rechte. 185 Zu diesem Oberbegriff oben § 1 C III. 186 Larenz, AfP 1973, 450, 452; Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 20 GG Rn. 461 ff.; Schmitt, Verfassungsrechtliche Aufsätze, 71, 87 (ein Staat ohne Gewaltenteilung habe keine bürgerlichrechtsstaatliche Verfassung). 187 Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 755 (die Betonung des volitiven Charakters der richterlichen Entscheidung verberge die Option für Kadijustiz); Oertmann, Gesetzeszwang, 18 („Richterkönigtum“ als Kadijustiz, die zum „System des Absolutismus“ zurückführe); Picker, JZ 1984, 153, 161; Burghart, in: Leibholz/Rinck, Art. 20 GG Rn. 606 m.w.N. 188 Siehe BVerfGE 2, 380, 403 (1953); BVerfGE 95, 96, 130 f. (1996) m.w.N.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, 608; Radbruch, Rechtsphilosophie, 168 f.; Zippelius, Rechtsphilosophie, 125 f.; v. Arnauld, Rechtssicherheit, 659, 691 (Rechtssicherheit als Grundelement der Rechtsidee); Larenz, AfP 1973, 450, 452 (der Rechtsstaat, der durch seine Gesetze materielle Gerechtigkeitsprinzipien verwirklichen wolle, könne nicht auf die Gesetzestreue seiner Richter verzichten, ohne sich selbst preiszugeben); zur richterlichen Güterzuordnung Walch, Leistungsschutz, 89, 100; Knies, Leistungsschutz, 166; Müller-Laube, ZHR 156 (1992), 480, 494 f.; a.A. Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 42, 114 f. Zum Zusammenhang zwischen der Idee der Freiheit, der Wettbewerbsordnung und dem Rechtsstaat Eucken, Wirtschaftspolitik, 250; Schmidt, Wettbewerbspolitik, 33 f. 189 Zur Lösung dieses Beispiels unten § 13 C VII. Zur Forderung der ökonomischen Analyse nach eindeutig definierten property rights oben § 3 B I.
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mia) in einem so zentralen Bereich wie der Eigentumsordnung beeinträchtigt die Möglichkeit, das Leben unter den Direktiven des Rechts selbstbestimmt planen zu können190. Dazu trägt neben den Zweifeln über die Tragweite einer Einzelfallentscheidung bei, dass eine richterliche Güterzuordnung, die zum Zeitpunkt des streitigen Sachverhalts in der Rechtsordnung nicht etabliert war, rückwirkende Verhaltensregeln aufstellt – auch das eine mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbare Konsequenz191. Zum anderen ist an die schwache demokratische Legitimation der Richter zu erinnern, die auch deshalb zur Beachtung von Gesetz und Recht verpflichtet sind, weil sie Fehlentscheidungen nicht persönlich verantworten, und weil alle Sätze des objektiven Rechts auf eine Willensentschließung der vom Volk – der einzigen Quelle der Staatsgewalt (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG) – bestellten Gesetzgebungsorgane rückführbar sein müssen192. Deshalb ist die Zustimmung der juristischen Literatur zu einer Rechtsfortbildung allenfalls ein Indiz für die Einhaltung der Grenzen judikativer Kompetenz, nicht aber ein eigenständiger Legitimationsfaktor193; schon gar nicht rechtfertigt eine angebliche Verkehrsanschauung richterlichen Aktionismus extra ius194. Würde Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG den Gesetzgeber nicht ausdrücklich für zuständig erklären, müsste man die Schaffung von Ausschließlichkeitsrechten überdies wohl als so wesentlich für die Ausübung der Grundrechte des Begünstigten und
190 Zum Zusammenhang zwischen der Herrschaft des Rechts und individueller Freiheit Hooker, in: Fikentscher/Fochem, 273, 276; Locke, Two Treatises, Book 2, § 57 („for liberty is, to be free from restraint and violence from others; which cannot be, where there is no law“); v. Arnauld, Rechtssicherheit, 691; v. Hayek, Verfassung der Freiheit, 200, 289 (die Wichtigkeit der Gewissheit des Rechts für das Funktionieren einer freien Gesellschaft könne kaum übertrieben werden); Coing, Rechtsphilosophie, 288; Ladeur, Negative Freiheitsrechte, 260; ders., Postmoderne Rechtstheorie, 170; Mestmäcker, Legal Theory, 37 ff. 191 Siehe Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 961; Meier-Hayoz, JZ 1981, 417, 422; Dworkin, Taking Rights Seriously, 84. Einschränkend zur Geltung des Rückwirkungsverbots für die Rechtsfortbildung BVerfGE 18, 224, 240 f. (1964); Brecher, Unternehmen als Rechtsgegenstand, 55. 192 Siehe nur BVerfGE 64, 208, 214 f. (1983) m.w.N.; Neuner, Rechtsfindung contra legem, 187 ff.; Kramer, Methodenlehre, 259 f. m.w.N.; Meyer, in: v. Münch/Kunig, Art. 97 GG Rn. 12 ff. (Bedrohung der rechtsstaatlichen Demokratie durch oligarchisches Richterrecht); Foerste, JZ 2007, 122, 123; Fikentscher, Methoden IV, 144 (eine funktionierende Demokratie werde zwar zum Richterrecht hinneigen, aber dem Gesetzgeber die wertsteuernden Grundfunktionen zuweisen); Dworkin, Taking Rights Seriously, 84; Knies, Leistungsschutz, 166; trotz seiner tiefen Skepsis gegen die hier zur Verwirklichung der Richterbindung verwendeten Methodik auch Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, 64. 193 Siehe aber BVerfGE 34, 269, 290 f. (1973) – Soraya (positive Aufnahme akzeptabler Rechtsfortbildung); BVerfGE 49, 304, 321 (1978); BVerfGE 65, 182, 195 (1983) (negative Aufnahme verfassungswidriger Rechtsfortbildung); Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 198; wie hier Wank, Rechtsfortbildung, 256 (Konsens der Juristen kein Ersatz für die geringere demokratische Legitimation der Rechtsprechung). Auch in der auf Art. 1 Abs. 2 ZGB bezogenen Methodendiskussion wird „nicht gezählt, sondern gewogen“; siehe Kramer, Methodenlehre, 225. 194 So aber Waschull, Unternehmen als verfassungsrechtliches Eigentum, 362 (der staatlichen Gewalt werde eine gesellschaftliche Macht gegenübergestellt). Zu den Grenzen informeller Verhaltensregeln oben II 2 c.
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der ausgeschlossenen Dritten einordnen, dass der parlamentarische Gesetzgeber ohnehin zur Entscheidung berufen wäre195. Dem steht nicht entgegen, dass das Bundesverfassungsgericht in der weitgehend richterlichen Prägung des Arbeitskampfrechts keinen Verstoß gegen den Wesentlichkeitsgrundsatz gesehen hat. Denn in jenem Bereich geht es – wie bei genuin deliktsrechtlichen Tatbeständen – um die Herstellung praktischer Konkordanz bei der Kollision gleichgeordneter, privater Interessen. Hierfür haben die Gerichte bei unzureichenden gesetzlichen Vorgaben „mit den anerkannten Methoden der Rechtsfindung aus den allgemeinen Rechtsgrundlagen“ eine Lösung zu entwickeln, weil eine detaillierte gesetzliche Regelung aller Konfliktfälle unrealistisch ist, die Privatrechtssubjekte jedoch einen Anspruch darauf haben, dass überhaupt eine Regel auf den betreffenden Streitfall angewendet wird196. Bei der Schaffung von Ausschließlichkeitsrechten hingegen wird ein bestimmter Handlungsbereich durch staatliche Intervention197 einer Person exklusiv vorbehalten und dadurch die allgemeine Handlungsfreiheit aller Dritten eingeschränkt. Diese wesentliche Änderung des Prinzips gleicher Freiheit unterliegt dem Vorbehalt des Gesetzes198. Die klagabweisende Regel, die ein Gericht insoweit ggf. auszusprechen hat, lautet, dass der von der allgemeinen Handlungsfreiheit gedeckte Zugriff auf „neue“ Güter grundsätzlich jedermann in gleichem Maße zusteht. Für den Parlamentsvorbehalt spricht schließlich die politische Dimension einer Entscheidung über neue Ausschließlichkeitsrechte. Die Eigentumsordnung ist seit jeher einer der Brennpunkte gewesen, an dem sich politisch-ideologische Gegensätze entzündet haben. Die potentielle Sprengkraft eines Streits um die „richtige“ Güterverteilung kanalisiert das Grundgesetz gezielt auf den Gesetzgeber, damit die unterschiedlichen Gerechtigkeitsvorstellungen in der politischen
195 Zum Wesentlichkeitsgrundsatz allgemein BVerfGE 49, 89, 126 f. (1978) m.w.N.; BVerfGE 84, 212, 226 f. (1991); BVerfGE 88, 103, 116 (1993) m.w.N.; BVerfGE 95, 267, 307 f. (1997) (parlamentarisches Verfahren gewährleiste Transparenz und öffentliche Diskussion). Zur Güterzuordnung Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 827 („Systementscheidung, die die wirtschaftliche Gesamtordnung oder doch wesentliche Teile derselben berühren“); Hilty, FS Ullmann, 643, 667 (je komplexer die wirtschaftspolitischen Zusammenhänge, desto wichtiger werde eine demokratisch fundierte Grundsatzdebatte); Walch, Leistungsschutz, 21–24. 196 BVerfGE 84, 212, 226 f. (1991); BVerfGE 88, 103, 115 f. (1993); BVerfGE 96, 375, 399 (1997) (Ausgleich widerstreitender Interessen falle der Rechtsprechung zu, „soweit das bestehende Haftungsrecht einer solchen Fortentwicklung zugänglich ist“); Brecher, Unternehmen als Rechtsgegenstand, 50 (Ausgleich von Freiheitssphären erfolge im Einzelfall durch Richterspruch); kritisch Gellermann, Grundrechte, 390 ff. m.w.N. (Wesentlichkeitstheorie erzwinge auch hier eine gesetzliche Regelung); zur Fortbildung des Deliktsrechts oben § 6 B IV, V, unten § 13 A II 1. 197 Dabei darf nicht übersehen werden, dass auch die Gerichte Staatsgewalt ausüben; Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG. Verfehlt Jansen/Michaels, RabelsZ 71 (2007), 345, 393 (Gegenüberstellung von Richterrecht und Gesetzesrecht mit Blick auf eine externe Souveränität). 198 Siehe zum Wesentlichkeitsgrundsatz beim Einsatz von Beamten während eines Streiks wegen des damit verbundenen, staatlichen Eingriffs in Grundrechte BVerfGE 88, 103, 115 f. (1993); Gellermann, Grundrechte, 393 f.; in Bezug auf die Ausgestaltung der Eigentumsordnung BVerfGE 89, 1, 8 (1993); Berkemann, in: Umbach/Clemens, Art. 14 GG Rn. 288 m.w.N.; Hartig, Domain als Verfügungsgegenstand, 44.
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Arena diskutiert und Spannungen im Parlament und nicht auf der Straße abgearbeitet werden199. Die Judikative wäre mit dieser Aufgabe schon strukturell überfordert. Gemäß ihrer Rolle im Gefüge der staatlichen Gewalten entscheidet sie in Anwendung allgemeiner Gesetze über konkrete Einzelfälle; sie vermag es nicht, Güterzuordnungen über die Parteien und den Streitgegenstand hinaus zu etablieren200. Dieser begrenzten Kompetenz entspricht die Ausgestaltung des deutschen Zivilprozessrechts, insbesondere die Bindung des Gerichts an die Parteianträge (§ 308 Abs. 1 ZPO) und der Verzicht auf einen Untersuchungsgrundsatz. In diesem Verfahren ist es unmöglich, die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Folgen der Zuordnung „neuer“ Güter zu überblicken und in die Entscheidung einzubeziehen201. Vielmehr droht im Zivilprozess eine einseitige, durch den konkreten Fall veranlasste Sicht auf den Schutzsuchenden oder die vom Beklagten personifizierten Interessen auf Zugang; beides ist mit dem von Art. 14 GG angestrebten, ausgewogenen Sozialmodell des Eigentums unvereinbar202. Würde man den Gerichten trotz dieser Defizite die Schaffung verfassungsrechtlichen Eigentums zubilligen, wären sie in der Lage, den vor der erstmaligen Zuordnung ausgesprochen weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers signifikant zu reduzieren, obwohl ihre Erkenntnismöglichkeiten viel geringer und sie mangels Initiativrechts auch nur sehr eingeschränkt in der Lage sind, ihre Entscheidung wieder zu korrigieren203. In Anbetracht dieser Zusammenhänge erstaunt die Selbstverständlichkeit, mit der Gerichte und Literatur judikative Kompetenzen ohne Rücksicht auf das geschriebene Recht ausüben und sogar propagieren. Denn
199 Siehe v. Brünneck, Eigentumsgarantie, 427 („Die umfassende Politisierung der Eigentumsordnung ist angesichts der demokratischen Struktur des Herrschaftssystems zu einer Bedingung ihrer Erhaltung geworden.“); Wippermann, Leistungsschutz ausübender Künstler, 42 ff.; Hartig, Domain als Verfügungsgegenstand, 44. 200 Oben Einleitung B IV; zur Schaffung subjektiver Rechte Picker, JZ 1984, 153, 160. 201 Zur Güterzuordnung Peifer, Individualität, 316 f.; Hartig, Domain als Verfügungsgegenstand, 44; Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 291 f.; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 827 (aber „ganz ausnahmsweise“ sei doch eine entsprechende Rechtsfortbildung zulässig, a.a.O., 832). Mit Blick auf die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes und die Entschädigungspflicht für Enteignungen BVerfGE 4, 219, 235 (1955). In Bezug auf den numerus clausus der beschränkten dinglichen Rechte aus Sicht der ökonomischen Analyse Merrill/Smith, Yale L.J. 110 (2000), 1, 65 f. Allgemein Dworkin, Taking Rights Seriously, 84 f.; Werner, Generalklauseln und Richterrecht, 21 ff.; Wank, Rechtsfortbildung, 154 ff.; Larenz, Methodenlehre, 150 (der Richter könne die Folgen seiner Entscheidung sowohl tatsächlich als auch vom Prozessrecht her sehr viel weniger übersehen als der Gesetzgeber); Koch/Rüßmann, Begründungslehre, 262; Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 605; Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 97 Abs. 1 GG Rn. 16 m.w.N.; Meier-Hayoz, JZ 1981, 417, 421; Picker, JZ 1984, 153, 154 ff.; ders., JZ 1987, 1041, 1047. 202 Siehe oben § 11 C II 1 b; ferner Raiser, JZ 1961, 465, 469 f. (Recht am Gewerbebetrieb als absolutes Recht); Sieber, NJW 1989, 2569, 2580 (Informationsrecht); Dreier, in: Schricker/Dreier/ Kur, Geistiges Eigentum, 51, 76 ff. 203 Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 97 Abs. 1 GG Rn. 16.
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„jede ,gesetzesübersteigende‘ Aus- oder Einlegung, welche schon nach ihrem Namen und Programm die Grundsätze der Art. 20 III und 97 I GG mißachtet, ist objektiv ein Angriff auf den Rechtsstaat (Gewaltentrennung) und die Demokratie (Primat des Parlaments für die Gesetzgebung)“204.
Historisch mögen die Prinzipien des Vorrangs und des Vorbehalts der Gesetze im Verhältnis zur (monarchischen) Exekutive entwickelt worden sein205. Sie verlangen aber auch für die Judikative Beachtung, denn ein oligarchischer Richterstaat widerspricht den Grundwertungen westlicher Verfassungen nicht weniger als eine ungebundene Exekutive206. In einer pluralistischen Gesellschaft mit bröckelndem Wertefundament erscheint es mehr denn je geboten, zumindest auf die formalen Instrumente zur Wahrung und Verwirklichung individueller Würde und Freiheit – nämlich das allgemeine Gesetz und die demokratische Legitimation jeder Entscheidung – zu pochen207.
V. Rechtsphilosophische Bestätigung des Transformationsvorbehalts Nach den bisherigen Ergebnissen scheitert ein die Gerichte zur Anerkennung ungeschriebener Ausschließlichkeitsrechte berechtigendes Rechtsprinzip der Güterzuordnung – soweit es denn überhaupt begründet wird (dazu I) – daran, dass Rechtsprinzipien nur aus der Rechtsordnung selbst gewonnen werden können (dazu II), das güterzuordnungsrelevante Verfassungs- und Privatrecht die Kerngedanken der Eigentumslogik aber nicht konsistent verwirklicht (dazu III) und der explizite Parlamentsvorbehalt gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG geachtet werden muss, will man die Grundlagen des demokratischen Rechtsstaats nicht in Frage stellen (dazu IV). Diese rechtlichen Erwägungen sollen im Folgenden um eine knappe Übersicht rechtsphilosophischer Aussagen zur Entstehung von Eigentum im Sinne ausschließlicher subjektiver Privatrechte ergänzt werden208. Da204
Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, VIII, 487. Schmitt, Verfassungsrechtliche Aufsätze, 71, 98 f. 206 Siehe Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, 490 (der Staat werde vom demokratischen Rechtsstaat zum oligarchischen Richterstaat); Bydlinski, Methodenlehre, 567 („politische Hybris“ bei der Missachtung des positiven Rechts); Stein, NJW 1964, 1745, 1752; Meyer, in: v. Münch/Kunig, Art. 97 GG Rn. 12 ff. (oligarchische Unterwanderung des demokratischen Rechtsstaats durch Richterrecht); Raiser, Grundgesetz und Privatrechtsordnung, 11 (Rechtsstaat erstarre zum „Justizstaat“); Böckenförde, Staat 1990, 1, 25; Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 37 ff. (Kadijustiz als auch heute noch mögliches Gegenbild zur normativen Gerechtigkeit der Gleichheit der Person); Werner, Generalklauseln und Richterrecht, 25 („In der normschöpfenden Tendenz der Rechtsprechung zu den Generalklauseln liegt nicht die Krönung des Rechtsstaats.“). Nicht genügend problematisiert wird das z.B. von Esser, Vorverständnis, 189 f. A.A. Hirsch, JZ 2007, 853, 856 (der Begriff des Richterstaates verdiene keinen negativen Beigeschmack). 207 Möglicherweise ist es dieser Zusammenhang, der den Vormarsch des Gesetzesrechts in klassischen common-law-Ländern erklärt. Zugleich erscheinen Versuche zur Überwindung der Unterschiede zwischen Fall- und Gesetzesrechtsordnungen im Sinne einer Arbeitsteilung zwischen Richter- und Gesetzesrecht (so Fikentscher, Methoden IV, 224, 309) problematisch. 208 Zur rechtsvergleichenden und rechtshistorischen Kontingenz des Eigentums oben II. 205
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bei ist selbstverständlich keine Ideengeschichte des Eigentums beabsichtigt209. Vielmehr soll nur – aber immerhin – gezeigt werden, dass sich der Gedanke der Abhängigkeit des Eigentums von der einfachgesetzlichen Ausgestaltung und damit die Zuständigkeit des Gesetzgebers zur Schaffung entsprechender Rechte wie ein roter Faden durch neuzeitliche Eigentumskonzeptionen zieht. Das gilt sowohl für Denker, die für die Grundrechtsdemokratie von ideengeschichtlicher Bedeutung sind210, als auch für die hegelsche Rechtsphilosophie, die das deutsche Rechtsdenken bis heute stark beeinflusst hat. Das Grundgesetz legt wie erläutert zwar ein Bekenntnis zu unveräußerlichen, vorstaatlichen Menschenrechten ab, konkretisiert und beschränkt diese naturrechtlichen Wurzeln aber durch die Verrechtlichung der Grundrechte einschließlich der Eigentumsgarantie. Diese Differenzierung zwischen einem natürlichen und einem rechtlichen Zustand lässt sich zunächst in der christlichen Eigentumstheorie ausmachen. Bereits in seiner für die Arbeit von John Locke wegweisenden Abhandlung über die „Laws of Ecclesticall Politie“ aus dem Jahre 1592 führt Richard Hooker aus: „Theft is naturally punishable, but the kind of punishment is positive, and such lawful as man shall think with discretion convenient by law to appoint.“211. In ganz ähnlicher Weise geht die jüngere katholische Soziallehre von einem „primären“ Naturrecht aus, wonach der Mensch auf äußere Güter angewiesen sei, über die er als Gottes Ebenbild auf Erden herrsche und sich deshalb in seinen Dienst stellen dürfe. Der konkrete Inhalt dieser Befugnis richte sich jedoch nach der wandelbaren und vom Menschen nach dem Sündenfall geschaffenen Eigentumsordnung212. Thomas Hobbes stellt dem eine säkulare Deutung entgegen. Er unterscheidet einen Naturzustand, in dem ein Krieg aller gegen alle herrsche, von einem vertraglich begründeten Gemeinwesen213. Erst durch die übereinstimmende Etablierung eines staatlichen Gewaltmonopols erlangten die Bürger – im Gegenzug zur Aufgabe ihrer natürlichen Freiheit – gesichertes Eigentum214. Da Hobbes die na209 Knappe Übersicht etwa bei Dietlein, in: Stern, Staatsrecht IV/1, 2141 ff.; Eckl/Ludwig, Was ist Eigentum?, 2005; Dreier, ARSP 72 (1987), 159 ff. m.w.N. 210 Zu den ideengeschichtlichen Wurzeln der Grundrechte nur etwa Fikentscher/Fochem, Quellen, 11 ff.; v. Hayek, Verfassung der Freiheit, 208 ff. m.w.N.; Hofer, Ideengeschichtliche Quellen, 12 ff., 189 (Locke und Kant als wichtigste ideengeschichtliche Quellen des Grundgesetzes). 211 Hooker, in: Fikentscher/Fochem, 273, 277. 212 Siehe v. Korvin-Krasinski, Die neue Ordnung 17 (1963), 91 ff. (Unterscheidung zwischen naturrechtlicher Institution und konkreter, ihrer Zeit und Situation entsprechender Anwendung und Ausführung); Spieker, in: Depenheuer, Eigentum, 151 ff. 213 Siehe Hobbes, Leviathan, Chapter XVII, XVIII („A Commonwealth is said to be instituted when a multitude of men do agree, and covenant, every one with every one, that to whatsoever man, or assembly of men, shall be given by the major part the right to present the person of them all, that is to say, to be their representative; every one, as well he that voted for it as he that voted against it, shall authorize all the actions and judgements of that man, or assembly of men, in the same manner as if they were his own, to the end to live peaceably amongst themselves, and be protected against other men.“). 214 Hobbes, Leviathan, Chapter XV („And therefore where there is no own, that is, no propriety, there is no injustice; and where there is no coercive power erected, that is, where there is no
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turrechtlichen Wurzeln des Eigentums vollständig kappt, ist es wie andere Freiheitsrechte nur im Horizontalverhältnis der Untertanen geschützt, während der Souverän uneingeschränkt auf das Eigentum der Bürger zugreifen darf215. Auch wenn diese vollständige Kontingenz des Eigentums nicht dem Grundgesetz entspricht, kommt Hobbes das Verdienst zu, den in der Tat zwingenden Zusammenhang zwischen dem Staat, seinem Gewaltmonopol und einem damit durchsetzbaren Eigentum klar herausgestellt zu haben. Als ein hiervon grundsätzlich abweichender Ansatz, ja Paradigmenwechsel wird dann jedoch die in den „Two Treatises of Government“ entwickelte Eigentumslehre von John Locke eingeschätzt. Locke erkläre das Privateigentum nicht mehr mit einer vertraglichen Begründung bzw. Transformation in einen rechtlich geordneten Zustand, sondern rechtfertige es in naturrechtlicher Tradition allein mit der persönlichen Arbeit216. In Anbetracht der herausragenden ideengeschichtlichen Bedeutung Lockes für die Entwicklung der westlichen Staats- und Grundrechtstheorie im Allgemeinen und die Eigentumsdiskussion im Besonderen217, würde dieser Befund die hier so betonte doppelte Transformation „natürlichen“ Eigentums in die geschriebene Eigentumsgarantie und von dort in das einfache Recht (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG) erschüttern. Ein etwas genauerer Blick auf Lockes Konzeption erhellt indes, dass dem nicht so ist. Zunächst verkennt eine auf den Aspekt der Arbeit reduzierte Lesart der lockesschen Theorie den Gesamtkontext beider Abhandlungen. Im ersten Teil bekämpft Locke nämlich die Rechtfertigung königlicher Macht und königlichen Obereigentums an allen Gütern aufgrund einer Erbfolge nach Adam gerade mit 215 Commonwealth, there is no propriety, all men having right to all things: therefore where there is no Commonwealth, there nothing is unjust. So that the nature of justice consisteth in keeping of valid covenants, but the validity of covenants begins not but with the constitution of a civil power sufficient to compel men to keep them: and then it is also that propriety begins.“), Chapter XVIII („Seventhly, is annexed to the sovereignty the whole power of prescribing the rules whereby every man may know what goods he may enjoy, and what actions he may do, without being molested by any of his fellow subjects: and this is it men call propriety … These rules of propriety (or meum and tuum) and of good, evil, lawful, and unlawful in the actions of subjects are the civil laws; that is to say, the laws of each Commonwealth in particular …“), Chapter XXIV („The distribution of the materials of this nourishment is the constitution of mine, and thine, and his; that is to say, in one word, propriety; and belonged in all kinds of Commonwealth to the sovereign power. For where there is no Commonwealth, there is, as hath been already shown, a perpetual war of every man against his neighbour; and therefore everything is his that getteth it and keepeth it by force; which is neither propriety nor community, but uncertainty.“); siehe dazu Rittstieg, Eigentum, 63; Hösch, Eigentum und Freiheit, 124. 215 Hobbes, Leviathan, Chapter XXIV („From whence we may collect that the propriety which a subject hath in his lands consisteth in a right to exclude all other subjects from the use of them; and not to exclude their sovereign, be it an assembly or a monarch.“). 216 Siehe Brocker, Arbeit und Eigentum, 282 f., 291 ff. (vor 1680 sei von der Arbeit als der Grundlage des Eigentumsrechts und seiner Verteilung niemals die Rede gewesen); ebenso die Einschätzung bei Dreier, ARSP 72 (1987), 159, 162 ff. Zu Lockes Eigentumstheorie ferner etwa Schild, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 33 ff. 217 Zur Rezeption und Bedeutung der lockeschen Arbeitstheorie für das Urheberrecht etwa Oberndörfer, Philosophische Grundlage, 63 ff. m.w.N.
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dem Argument, dass „… there being no law of nature, nor positive law of God, that determines which is the right heir in all cases that may arise …“218. Richtig ist, dass Locke im zweiten, der Erläuterung einer alternativen Ordnung gewidmeten Teil tatsächlich von einem „property“ an der eigenen Person und der persönlichen Arbeit auf ein Eigentum am Ergebnis dieser Betätigung schließt219. Aber damit bezieht sich Locke „nur“ auf den Ursprung der Rechte im vorrechtlichen und vorstaatlichen Zustand. An die Stelle einer auf den Monarchen zulaufenden, absolutistisch-feudalistischen Theorie setzt er das jeweilige Individuum, also eine dezentrale Konzeption. Davon unberührt bleibt die weitere Frage, wie das auch zur Zeit Lockes bereits rechtlich ausgestaltete und nicht nach Maßgabe der Arbeitstheorie verteilte Eigentum zu erklären ist. Locke formuliert denn auch den Gedanken des Eigentums kraft persönlicher Arbeit nicht im Sinne eines umfassenden Gebots der Zuordnung aller vermögenswerten Güter, sondern beschränkt ihn auf das Lebensnotwendige sowie auf nicht knappes Land, also ersichtlich einen Naturzustand220. Schon deshalb können sich sämtliche hier problematisierten Zuordnungspostulate nicht auf Locke berufen, weil sie andere Güter betreffen221. Da nun auch im England des ausgehenden 17. Jahrhunderts Land bereits ein knappes Gut war, musste Locke die von ihm vorgefundene Eigentumsordnung, die er nicht umstürzen, sondern lediglich vom Oberanspruch des Königs befreien wollte, anders als durch Arbeit begründen. Hier nun kehrt er auf den Boden der sog. Kontraktstheorie zurück, die den Staat, die Rechtsordnung und das Eigentum auf einen gedachten Vertrag zurückführen222: 218
Locke, Two Treatises, Book 2, § 1. Locke, Two Treatises, Book 2, § 27 („Though the earth, and all inferiour creatures, be common to all men, yet every man has a property in his own person: this nobody has any right to but himself. The labour of his body, and the work of his hands, we may say, are properly his. Whatsoever then he removes out of the state that nature hath provided, and left it in, he hath mixed his labour with, and joined to it something that is his own, and thereby makes it his property. It being by him removed from the common state nature hath placed it in, it hath by this labour something annexed to it, that excludes the common right of other men. For this labour being the unquestionable property of the labourer, no man but he can have a right to what that is once joined to, at least where there is enough, and as good, left in common for others.“). 220 Locke, Two Treatises, Book 2, §§ 31, 36 a.E. Ebenso die Einschränkungen bei Rousseau, Contrat Social, Kapitel 1.9. Zur viel älteren Unterscheidung zwischen einem unveräußerlichen natürlichen Recht auf das Lebensnotwendige und einem positiven Eigentumsrecht an sonstigen Gütern Kaufmann, in: Eckl/Ludwig, Was ist Eigentum?, 73, 81. Zu diesem Vorbehalt in anderen Eigentumskonzeptionen Torek, Social Theory & Practice 20 (1994), 343, 345. 221 In Bezug auf das Urheberrecht zutreffend Oberndörfer, Philosophische Grundlage, 38 ff.; Rehbinder, Urheberrecht, Rn. 21. Zur skeptischen Haltung Lockes zum copyright ausführlich Oberndörfer, a.a.O., 44 ff. m.w.N. 222 Ebenso Hooker, in: Fikentscher/Fochem, 273, 275; Hobbes, Leviathan, Chapter XVIII; Kant, Rechtslehre, 315 f. („ursprünglicher Contract“; hierzu etwa Hruschka, JZ 2004, 1085, 1088); Rousseau, Contrat Social, Kapitel 1.1; Radbruch, Rechtsphilosophie, 152 (die Kontraktstheorie sei überzeugend, weil der Staat „nämlich nur dann als im Interesse jedes seiner Mitglieder gelegen angesehen werden kann“); zum Eigentum a.a.O., 240 („Wie die Einzelnen im Gesellschaftsvertrag sich gegenseitig ihre Freiheit garantieren, so garantieren sie sich in diesem Eigentumsvertrage gegenseitig ihr Eigentum.“); Enders, in: Berliner Kommentar, vor Art. 1 GG Rn. 4. Zur Kritik an diesem Ansatz in Bezug auf das Eigentum nur etwa Brocker, Arbeit und Eigentum, 115, 282 ff. 219
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„Men, at first, for the most part, contented themselves with what unassisted nature offered to their necessities: and though afterwards, in some parts of the world, (where the increase of people and stock, with the use of money, had made land scarce, and so of some value) the several communities settled the bounds of their distinct territories, and by laws within themselves regulated the properties of the private men of their society, and so, by compact and agreement, settled the property which labour and industry began: and the leagues that have been made between several states and kingdoms, either expressly or tacitly disowning all claim and right to the land in the others possession, have, by common consent, given up their pretences to their natural common right, which originally they had to those countries, and so have, by positive agreement, settled a property amongst themselves, in distinct parts and parcels of the earth …“ (Hervorh. v. Verf.)223.
Das ausschlaggebende Moment für den Übergang vom natürlichen, durch Arbeit geschaffenen Eigentum in eine vom positiven Recht abhängige, durch menschliche Übereinkunft begründete (Eigentums-)Ordnung ist nach Locke die Einführung der Geldwirtschaft, die dazu führe, dass die Menschen mehr Güter produzieren und anhäufen, als sie selbst verbrauchen können224. Auch die Locke von Hobbes unterscheidende Ansicht, „lives, liberties, and estates“ des einzelnen Bürgers dürften von der Staatsgewalt nicht verletzt werden, leitet er aus dem Zweck des Vertrages zur Einsetzung der Regierung ab, der nämlich gerade die Sicherung dieser „property“ bezwecke225. Festzuhalten ist also, dass Locke das Eigentum zwar wieder vorstaatlich – nunmehr säkular in der persönlichen Arbeit und nicht mehr im Ratschluss Gottes – fundiert, die Eigentumsordnung im Zustand der Güterknappheit und Geldwirtschaft aber auf menschliche Übereinkunft und folglich positives Gesetz gründet. Da letztgenannter Zustand heute herrscht, ist Locke kein Kronzeuge einer natürlichen Eigentumsordnung. Nicht überraschend geht man daher auch für die anglo-amerikanische common-law-
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Locke, Two Treatises, Book 2, § 45. Siehe Locke, Two Treatises, Book 2, § 50 („But since gold and silver, being little useful to the life of man in proportion to food, raiment, and carriage, has its value only from the consent of men, whereof labour yet makes, in great part, the measure; it is plain, that men have agreed to a disproportionate and unequal possession of the earth, they having, by a tacit and voluntary consent, found out a way how a man may fairly possess more land than he himself can use the product of, by receiving in exchange for the overplus, gold and silver, which may be hoarded up without injury to any one; these metals not spoiling or decaying in the hands of the possessor. This partage of things in an inequality of private possessions, men have made practicable out of the bounds of society, and without compact; only by putting a value on gold and silver, and tacitly agreeing in the use of money: for in governments, the laws regulate the right of property, and the possession of land is determined by positive constitutions.“); zutreffend insoweit etwa Zippelius, Rechtsphilosophie, 179; Hofer, Ideengeschichtliche Quellen, 53. Zum per Rechtsakt eingeführten Eigentum als Grundlage der Geldwirtschaft Heinsohn/Steiger, Eigentumsökonomik, 12 ff. 225 Locke, Two Treatises, Book 2, § 138. Zur folgenreichen Verwendung des Begriffs „property“ für Leben, Freiheit und Besitz unten § 15 B I 2. Zum Unterschied zwischen Hobbes und Bentham einerseits sowie Locke und Kant andererseits im Hinblick auf die Unverfügbarkeit von Grundrechten Mestmäcker, Legal Theory, 18. 224
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Tradition davon aus, dass „legal rights“ und „ownership“ allein kraft legislativer Anordnung entstehen226. Der Gedanke, dass exklusives, verkehrsfähiges Privateigentum letztlich nur durch eine gedachte und vom Gesetz symbolisierte Zustimmung aller gerechtfertigt werden kann, ist auch anderen neuzeitlichen Eigentumstheorien eigen. Hierzu zählen bemerkenswerterweise die Naturrechtslehren des 17. Jahrhunderts, die zwar regelmäßig bei der Okkupation einer Sache ansetzen, letztlich aber doch nicht um eine vertragliche Bestätigung der von der ursprünglichen Ergreifung bereits damals weit entfernten Güterverteilung herumkommen227. In besonders prägnanter Weise findet sich die Verknüpfung der Idee des Gesellschaftsvertrags mit der Entstehung des Eigentums später bei Rousseau. Demnach wird der Verlust der natürlichen Freiheit durch die Erlangung der bürgerlichen Freiheit und des Eigentums nach Maßgabe des allgemeinen Gesetzes kompensiert228. Schließlich lässt sich das Denken in einer Phase vor und einer Phase nach Etablierung der Rechtsordnung und des Eigentums im deutschen Idealismus nachweisen. Dabei verdient Kants Eigentumslehre schon wegen seiner herausragenden Bedeutung für die Grundrechtsdemokratie besondere Beachtung229. Seiner Ansicht nach postuliert die praktische Vernunft, dass jeder äußere Gegenstand „mein“ sein könne, weil eine Maxime, nach welcher ein Gegenstand herrenlos sein müsse, dazu führe, dass das Gut entweder überhaupt nicht zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse oder bis zu seiner Zerstörung (Tragödie der Allmende) genutzt werde. Beides laufe der praktischen Vernunft zuwider230. Damit aber ist lediglich geklärt, warum die Kategorien des „Mein“ und „Dein“ ohne Rücksicht auf konkrete Zwecke die Bedingungen der praktischen Vernunft erfüllen, also überhaupt möglich sind. Wie ein Gegenstand „mein“ wird, ist damit noch nicht
226 Holmes, Common Law, 169, 193; Hohfeld, Yale L.J. 26 (1917), 710, 747 („rights, or claims, are created by the law …“); Pipes, Property and Freedom, 117. Nozick, Anarchie, Staat, Utopia, 144 ff. 163 ff., entwickelt in Anlehnung an Locke eine allerdings fragmentarische Eigentumstheorie ohne Transformationsvorbehalt. Nozick ist selbst der Meinung, es sei noch keine brauchbare oder systematische Mehrwerttheorie des Eigentums vorgelegt worden (a.a.O., 164). Außerdem fügt er die lockessche Bedingung hinzu, wonach die Eigentumsverteilung nur insoweit gerechtfertigt sei, als für die ausgeschlossenen Gesellschaftsmitglieder noch genügend Güter zur Verfügung stünden (a.a.O., 167 ff.). Zur Kritik an Nozicks Eigentumsargument nur etwa Torek, Social Theory & Practice 20 (1994), 343, 353 ff.; Kunz/Mona, Rechtsphilosophie, 198 f. 227 Zu Grotius und Pufendorf siehe Kersting, in: Depenheuer, Eigentum, 43, 49; Dreier, ARSP 72 (1987), 159, 161 m.w.N. 228 Rousseau, Contrat Social, Kapitel 1.8 („… ce que l’homme perd par le contrat social, c’est sa liberté naturelle et un droit illimité à tout ce qui le tente et qu’il peut atteindre; ce qu’il gagne, c’est la liberté civile et la propriété de tout ce qu’il possède.“), Kapitel 1.9 („Tout homme a naturellement droit à tout ce qui lui est nécessaire; mais l’acte positif qui le rend propriétaire de quelque bien l’exclut de tout le reste.“). Dasselbe gilt für Privilegien allgemeiner Art, a.a.O., Kapitel 2.6. 229 Zu Kants Eigentumslehre etwa Schild, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 33, 42 ff.; Kersting, ARSP 67 (1981), 156 ff. Zur Bedeutung Kants für die Theorie der subjektiven Rechte Unberath, Vertragsverletzung, 32 ff. 230 Kant, Rechtslehre, 246, 267; hierzu Hruschka, JZ 2004, 1085, 1089 (dieses Postulat beziehe sich auf Sachen).
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gesagt231. In einem natürlichen, offenbar nicht der Güterknappheit unterliegenden Zustand lässt Kant die Okkupation (nicht die Arbeit!) für ein ursprüngliches, aber ausdrücklich nur provisorisches Eigentum genügen232. Endgültig gesichert und mit konkretem Inhalt versehen wird das Eigentum jedoch erst unter allgemeinen öffentlichen Gesetzen233. Ausschlaggebend hierfür ist der Gedanke, dass das Eigentum kein Rechtsverhältnis zwischen Person und Gegenstand ist, sondern zwischen dem Eigentümer und anderen Menschen234. Dann aber kann „der einseitige Wille in Ansehung eines äußeren, mithin zufälligen Besitzes nicht zum Zwangsgesetz für jedermann dienen, weil das der Freiheit nach allgemeinen Gesetzen Abbruch thun würde. Also ist nur ein jeden anderen verbindender, mithin collectiv allgemeiner (gemeinsamer) und machthabender Wille derjenige, welcher jedermann seine Sicherheit leisten kann. – Der Zustand aber unter einer allgemeinen äußeren (d.i. öffentlichen) mit Macht begleiteten Gesetzgebung ist der bürgerliche. Also kann es nur im bürgerlichen Zustande ein äußeres Mein und Dein geben.“ (Hervorh. v. Verf.)235.
Natürlicher Zustand mit provisorischem Eigentum und bürgerlicher Zustand mit endgültigem, klar definiertem Eigentum stehen indes nicht unverbunden nebeneinander. Kant formuliert nämlich ein Vernunftgebot, wonach alle Menschen in eine bürgerliche Verfassung einzutreten und so die Transformation des Eigentums herbeizuführen haben236. Mit dieser Verpflichtung zur Eingehung eines ursprünglichen Vertrages unter Beachtung der Forderungen der Vernunft gelingt es ihm, unabänderliche Vernunftschlüsse in die im Einzelnen kontingente Rechtsordnung einfließen zu lassen. Genau diese Verankerung der wandelbaren Eigentumsordnung in nicht weiter hinterfragbaren Sollensschlüssen zeichnet das Grundgesetz aus237. 231
Siehe Kersting, in: Depenheuer, Eigentum, 43, 49 ff., 59; ders., ARSP 67 (1981), 156, 174 (aus dem reinen Vernunftbegriff lasse sich keine positiv-rechtliche Gestaltung der Eigentumsordnung ableiten); zu dieser Differenzierung auch Unberath, Vertragsverletzung, 162 ff. 232 Kant, Rechtslehre, 264 f. („… ist die Bearbeitung des Bodens … zur Erwerbung desselben nothwendig? Nein! … Die Bearbeitung ist … nichts weiter als ein äußeres Zeichen der Besitznehmung …“), 268 f. (Arbeitstheorie als fälschliche „Personificierung“ von Sachen). 233 Siehe Kant, Rechtslehre, 250, 258 f. 234 Kant, Rechtslehre, 260 f. (ein Mensch, der auf Erden allein wäre, könne kein äußeres Ding als das Seine haben oder erwerben). Ebenso zu Art. 14 GG oben § 11 C II 1 b; rechtstheoretisch unten 14 A II. 235 Kant, Rechtslehre, 256, 263 f., 267 (für die Sicherung des Nachlasses im Erbfall ebenso a.a.O., 294). Hierzu Brandt, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 19, 30 f.; Schild, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 33, 48 f.; zustimmend Schwartländer, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 83, 96 f.; Kersting, ARSP 67 (1981), 156, 162 ff., 171. In Bezug auf Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 GG Rn. 29. Zum vereinigten Willen aller Personen als dem allgemeinen Gesetz Hruschka, JZ 2004, 1085, 1088. 236 Kant, Rechtslehre, 256 („Folgesatz: Wenn es rechtlich möglich sein muß, einen äußeren Gegenstand als das Seine zu haben: so muß es auch dem Subject erlaubt sein, jeden Anderen, mit dem es zum Streit des Mein und Dein über ein solches Object kommt, zu nöthigen, mit ihm zusammen in eine bürgerliche Verfassung zu treten.“); ebenso a.a.O., 307 f., 312 f.; zustimmend Unberath, Vertragsverletzung, 162 ff. 237 Siehe oben II 2 c; dazu auch Schild, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 33, 49 ff. (Menschenrecht auf Rechtsordnung); Dreier, ARSP 72 (1987), 159, 167; Hruschka, JZ 2004, 1085, 1086; anders die Lesart bei Schapp, AcP 192 (1992), 355, 368 mit Fn. 37.
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Auf ganz ähnlichen Annahmen basiert Fichtes Eigentumskonzeption. Auch für ihn kann Eigentum nur im Verhältnis zu anderen Menschen und nicht isoliert zur Sache gedacht werden238, weshalb es notwendig „auf wechselseitige Anerkennung“ angewiesen sei: „Das Eigenthum eines bestimmten Gegenstandes – nicht etwa, dass überhaupt etwas zu eigen besessen werden könne, – gilt sonach nur für diejenigen, die dieses Eigenthumsrecht unter sich anerkannt haben; und nicht weiter.“239. Folglich versteht auch Fichte das drittgerichtete Eigentum als Produkt, das von menschlicher Entscheidung abhängig und nicht natürlich vorgegeben ist. Die hier skizzierten Aussagen zum Eigentum sind stets integraler Bestandteil einer übergreifenden philosophischen Konzeption. Es kann daher zu Fehldeutungen kommen, wenn man – wie zugegebenermaßen auch hier – bestimmte Aspekte herausgreift. Dieses Risiko gilt in besonderem Maße für die Eigentumslehre Hegels, die im Kontext seiner geschlossenen, geschichtsphilosophisch-dialektischen Rechtsphilosophie steht240. Dass dieser Umstand bei vielen Verfechtern insbesondere der Emanationstheorie nicht offengelegt wird, ist schon für sich gesehen problematisch, weil Hegels staatstheoretische Grundannahmen mit einem demokratischen, grundrechtsgebundenen Rechtsstaat kaum vereinbar sind241. Außerdem werden Hegels wirkmächtige Gedanken aus dem Zusammenhang gerissen, wenn man seine gesamte Konzeption auf die Aspekte reduziert, dass sich die Person eine äußere Sphäre ihrer Freiheit geben muss, um als Idee zu sein242, und dass dem Menschen deshalb ein absolutes Zueignungsrecht auf alle Sachen zukommt, in die er durch Besitzergreifung und Umgang seinen Willen gelegt hat243. Denn diese Ausführungen sind im ersten Teil der Rechtsphilosophie zum „abstrakten Recht“ zu finden, das den „in sich einzelne[n] Willen eines Subjekts“244 behandelt, so dass auch das Eigentum nicht als drittgerichtetes Institut mit akzessorischer, auf persönliche Freiheit gerichteter Funktion erscheint, sondern als 238 Fichte, Grundlage, 130 („Ein Individuum ist nur dadurch möglich, dass es von einem anderen Individuum unterschieden wird; mithin etwas Individuelles nur dadurch, dass es von einem anderen Individuellen unterschieden wird. Ich kann mich nicht als Individuum denken, ohne ein anderes Individuum mir entgegenzusetzen: ebenso kann ich nichts als mein Eigenthum denken, ohne zugleich etwas als das Eigenthum eines anderen zu denken …“). 239 Fichte, Grundlage, 130. 240 Dazu etwa Dreier, ARSP 72 (1987), 159, 169 ff.; Schild, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 33, 52 ff. 241 Zur Ablehnung der Idee des Gesellschaftsvertrags etwa Hegel, Rechtsphilosophie, § 273 a.E. Zu diesem Zusammenhang Radbruch, Rechtsphilosophie, 151 f. 242 Hegel, Rechtsphilosophie, § 41. 243 Hegel, Rechtsphilosophie, § 44 („Die Person hat das Recht, in jede Sache ihren Willen zu legen, welche dadurch die Meinige ist, zu ihrem substantiellen Zwecke, da sie einen solchen nicht in sich selbst hat, ihrer Bestimmung und Seele meinen Willen enthält – absolutes Zueignungsrecht des Menschen auf alle Sachen.“), § 51. Zum Zusammenhang zwischen der Emanationstheorie und Hegels Rechtsphilosophie Stallberg, Urheberrecht und moralische Rechtfertigung, 136 (oberflächliche Rezeption). 244 Hegel, Rechtsphilosophie, § 34.
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„wesentlicher Zweck für sich“245. Dieser isolierte Blick auf das einzelne Subjekt im Verhältnis zur Seinswelt führt zur Schlussfolgerung, „daß nur die Persönlichkeit ein Recht an Sachen gibt und daher das persönliche Recht wesentlich Sachenrecht ist, – Sache im allgemeinen Sinne als das der Freiheit überhaupt Äußerliche, wozu auch mein Körper, mein Leben gehört“246. Aber schon auf dieser ersten Stufe der Rechtsphilosophie merkt Hegel an, dass die das Privateigentum betreffenden Bestimmungen in „höheren Sphären des Rechts, einem Gemeinwesen, dem Staate untergeordnet werden müssen“247. Überdies ist ihm natürlich bewusst, dass das Eigentum nicht zwischen vereinzeltem Individuum und Sache gedacht werden kann, sondern drittgerichtet auf die übrigen Mitglieder der Gruppe. Diese Erkenntnis blendet Hegel noch auf der Stufe des abstrakten Rechts mit der Aussage ein: „Diese Vermittelung, Eigentum nicht mehr nur vermittelst einer Sache und meines subjektiven Willens zu haben, sondern ebenso vermittelst eines anderen Willens, und hiermit in einem gemeinsamen Willen zu haben, macht die Sphäre des Vertrags aus.“248. Konsequent heißt es dann: „Das Eigentum, von dem die Seite des Daseins oder der Äußerlichkeit nicht mehr nur eine Sache ist, sondern das Moment eines (und hiermit anderen) Willens in sich enthält, kommt durch den Vertrag zustande …“249. Noch deutlicher wird die Einbettung des Eigentums in einen Gesamtkontext des Staates und des Rechts auf der dritten und letzten Stufe der Rechtsphilosophie, der Sittlichkeit. Hier wird das Eigentum nicht mehr „an sich“ betrachtet, „sondern in seiner geltenden Wirklichkeit, als Schutz des Eigentums durch die Rechtspflege“250. Es beruhe „auf Vertrag und auf den dasselbe des Beweises fähig und rechtskräftig machenden Förmlichkeiten“251. „Indem Eigentum und Persönlichkeit in der bürgerlichen Gesellschaft gesetzliche Anerkennung und Gültigkeit haben, so ist das Verbrechen nicht mehr nur Verletzung eines subjektiv-Unendlichen, sondern der allgemeinen Sache …“252. Berücksichtigt man diese Aussagen, so wird erkennbar, dass Hegel die Aneignung durch Emanation der Person nur auf der ersten, dem bürgerlichen Zustand vorausgehenden Stufe für maßgeblich erachtet. Er fundiert das vorstaatliche Eigentum anders als das christliche Natur- und das kantische Vernunftrecht in der Person, anerkennt aber wie jene, dass ausschließliche Befug-
245 In Bezug auf das Eigentum Hegel, Rechtsphilosophie, §§ 40, 45 („Besitz, welcher Eigentum ist; – die Freiheit ist hier die des abstrakten Willens überhaupt, oder eben damit einer einzelnen sich nur zu sich verhaltenden Person.“); zutreffend insoweit Stallberg, Urheberrecht und moralische Rechtfertigung, 116 ff. 246 Hegel, Rechtsphilosophie, § 40. 247 Hegel, Rechtsphilosophie, § 46. 248 Hegel, Rechtsphilosophie, § 71. 249 Hegel, Rechtsphilosophie, § 72. Nicht berücksichtigt wird diese Aussage bei Dreier, ARSP 72 (1987), 159, 170 f. 250 Hegel, Rechtsphilosophie, § 208. Nicht analysiert bei Dreier, ARSP 72 (1987), 159, 171 ff. 251 Hegel, Rechtsphilosophie, § 217; ferner a.a.O. § 170 (das familiäre Vermögen ergebe sich „in der Sphäre der bürgerlichen Gesellschaft“). 252 Hegel, Rechtsphilosophie, § 218.
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nisse unter Menschen nur als menschliches Konstrukt gedacht werden können, mithin von der jeweils geltenden Rechtsordnung abhängen. Insgesamt wird Eigentum im Sinne ausschließlicher Privatrechte in der neuzeitlichen Rechtsphilosophie nicht als natürlich geltend angesehen, sondern als Produkt des objektiven Rechts aufgefasst. Dafür sind zwei Gedanken ausschlaggebend. Erstens wird Eigentum von staatlichen Instanzen geschaffen und mit dem staatlichen Gewaltmonopol durchgesetzt, so dass es keine anderen Legitimationsquellen haben kann und im Kontext der jeweils geltenden Rechtsordnung zu erfassen ist253. Zweitens sind ausschließliche Rechte im Verhältnis zu den übrigen Rechtssubjekten zu denken. Dass jene vom Zugriff auf das betroffene Gut ausgeschlossen sind, wird mit ihrer Zustimmung zu einem idealen Gesellschaftsvertrag bzw. zum konkreten Eigentum gerechtfertigt. Diese allgemeine Zustimmung wird von einem generell-abstrakten Gesetz präsentiert254. Der Transformationsvorbehalt ist demnach geradezu notwendiger Bestandteil jeder Eigentumstheorie, die sich nicht auf die Beschreibung eines vorstaatlichen Naturzustands beschränkt, über den nur spekuliert werden kann255. Hinzu kommen in der Rechtsphilosophie weitgehend anerkannte Defizite der Arbeits- und Emanationstheorie, die die Kerngedanken der Güterzuordnung
253 Raiser, RabelsZ 26 (1961), 230, 232 („Der Eigentumsbegriff muß also als Ausdruck einer bestimmten Eigentumsverfassung und einer dahinter stehenden Wirtschaftsverfassung verstanden werden.“); v. Tuhr, AT I, 54; Esser, Einführung, 155 („Kraft- oder Stromquelle“ des subjektiven Rechts sei immer das objektive Recht); Brocker, Arbeit und Eigentum, 391 f.; Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 9, 13; Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 14 GG Rn. 18 ff.; Dreier, ARSP 72 (1987), 159, 161; Barzel, Theory of the State, 138 ff., 165, 183 („… a protector protecting two or more individuals is the founder of legal institutions“); Ryffel, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 61, 65 (was Einzelnen zu eigen sei und was Gemeineigentum bleibe, regelten die geltenden Ordnungen); Rainbolt, Concept of Rights, 79 („Rights are created by rule systems and are relative to those rule systems.“), 241 (die Abhängigkeit des „right“ von einer positiven Regelung sei in der philosophischen Diskussion um den Begriff des „right“ allgemein anerkannt); Pipes, Property and Freedom, 117 („One of the prime functions of the state is to guarantee the security of ownership. Before the state there is only possession …“); Hösch, Eigentum und Freiheit, 136; bedauernd Heinz, Mitt. 1994, 1, 3 (Ausschließlichkeitsrechte könnten „niemals“ als Ergebnis rationaler Gerechtigkeit gefunden werden, sondern seien immer relational und damit als staatliche/gesetzgeberische Anerkennung zu denken); a.A. Dernburg, Pandekten I, 85; Lindner, Grundrechtsdogmatik, 304 (Eigentum setze den Staat nicht denklogisch voraus; aber Eigentum mache tatsächlich existente und faktisch anerkannte Sachherrschaftsverhältnisse zu rechtlich stabilisierten, a.a.O., 306); Unberath, Vertragsverletzung, 161 (der Staat sei nicht Voraussetzung für die Entstehung eines subjektiven Rechts; aber erst die Anerkennung durch den Richter verleihe den subjektiven Rechten Notwendigkeit, a.a.O., 163). Erneut ist daran zu erinnern: Gerichte üben ebenfalls Staatsgewalt aus (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG). 254 Radbruch, Rechtsphilosophie, 240 f.; Vesting, Symposium Hoffmann-Riem, 21, 45; allgemein zu diesem Konzept ders., Rechtstheorie, Rn. 166 m.w.N. 255 Raiser, RabelsZ 26 (1961), 230 (Rechtsbegriffe seien nicht a priori festzustellen, sondern aus der geschichtlichen Erfahrung zu entwickeln); Brocker, Arbeit und Eigentum, 403 (Sinnlosigkeit der Frage nach dem Ursprung und dem Wesen des Eigentums losgelöst von seiner historischen Form).
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transportieren256. Demnach lässt die Berufung auf den Umstand der Bearbeitung offen, weshalb man eine Sache ergreifen, nutzen und sich so zum Eigentümer machen darf; es fehlt mit anderen Worten ein zureichender Grund, warum Person A die zum Eigentum führende Aktivität des B respektieren soll. In einer arbeitsteiligen Gesellschaft ist ohnehin nicht mehr auszumachen, wessen Beitrag welche Berechtigung generiert. Arbeit und Okkupation können daher nur in einer Überflusssituation eigentumsbegründend sein, in der Eigentum gerade nicht benötigt wird, und die überdies der Realität knapper Güter widerspricht. Weiterhin besteht ein grundlegender Unterschied zwischen dem Bewusstsein der Selbstbestimmung über die eigene Person (mein Wille) und der Aneignung außerpersönlicher Güter (meine Sache). Der einzelne Wille kann keine gegen jedermann wirkenden Befugnisse erzeugen. Schließlich vermag keine der auf „natürlichen“ Umständen beruhenden Theorien den konkreten Inhalt ausschließlicher Privatrechte auch nur näherungsweise zu bestimmen257. Generell akzeptierte Grenzen der Eigentümerbefugnisse im Interesse der Allgemeinheit sind auf der Basis der Ausgangsannahmen nicht erklärbar. Überdies droht eine Verwässerung und Relativierung des Eigentumsschutzes, wenn jeweils nach Kriterien wie Wert, Leistung und Arbeit gefragt wird258. Wie stabil die Vorstellung des Eigentums als einer vom Gesetz abhängigen Institution ist, bestätigt die Geschichte des deutschen Rechts im hier berücksichtigten Zeitraum seit Mitte des 19. Jahrhunderts259. Obwohl die Forderung nach un-
256 Siehe im Einzelnen Brocker, Arbeit und Eigentum, 354 ff.; Torek, Social Theory & Practice 20 (1994), 343, 347 ff.; Radbruch, Rechtsphilosophie, 235 ff.; Oberndörfer, Philosophische Grundlage, 18 f. (Okkupation), 120 ff. (Arbeit); Stallberg, Urheberrecht und moralische Rechtfertigung, 69 ff. (Arbeit), 122 ff. (Emanation); Meyer-Abich, Schutzzweck der Eigentumsgarantie, 37 f.; Hösch, Eigentum und Freiheit, 85 ff.; Schild, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 33, 37; Schwartländer, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 83, 97; Kunz/Mona, Rechtsphilosophie, 198. Zur Kritik an der Begründung von Eigentum aus der Persönlichkeit des Handelnden auch v. Ihering, IherJb 23 (1885), 155, 310 f.; Gareis, FS Schirmer, 59, 85; Windscheid/ Kipp, Pandekten I, 175. 257 Siehe Dürig, FS Apelt, 13, 41 (die Definition des Eigentums als durch eigenverantwortliche Leistung erworbene Berechtigung führe zur „unauflösbaren“ Kontroverse, ob die Akzente der Leistung auf das Kapital oder die Arbeit zu legen seien); Meyer-Abich, Schutzzweck der Eigentumsgarantie, 57 (es lasse sich damit mehr oder weniger jedes Ergebnis vertreten); Gellermann, Grundrechte, 112 (zu ungenaue Kriterien). 258 Unklar denn auch Fechner, Geistiges Eigentum, 205 ff. (es gehe um Leistung, nicht um Arbeit), 509 (umfasst seien schöpferische Leistungen in Form von geistigem oder unternehmerischem Aufwand); Freitag, Kommerzialisierung, 53 ff. (auf die Leistung, aber nicht auf ihren Umfang komme es an); Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 179 ff. (das Leistungskriterium sei maßgeblich für den Eigentumsschutz von Persönlichkeitsrechten, es dürfe aber nicht anhand der Leistung differenziert und abgestuft werden). 259 Siehe auch Parlamentarischer Rat 5/I, 198 (C. Schmid: „alte Vorstellung“). Zur zeitlichen Begrenzung der Studie oben Einleitung C II. Ebenso zum britischen Urheberrecht House of Lords im Fall Donaldson v. Beckett, 1 English Reports 837, 839 (1774) („… and such a restraint of the liberty of many, for the sake of one, was never established by natural justice“) gegen Millar v. Taylor, 4 Burr. 2303, 2334 (1769) („It is certainly not agreeable to natural justice, that a stanger should reap the beneficial pecuniary produce of another man’s work.“).
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geschriebenen, eben „natürlich“ gegebenen Ausschließlichkeitsrechten immer wieder an die Gerichte herangetragen wurde, ist die Eigentumsordnung mit Ausnahme der in dieser Arbeit analysierten Beispiele vom Gesetzgeber ausgestaltet worden260. Zum gemeinen Recht finden sich zwar Urteile, die von „ausschließlichen Eigentumsrechten“ sprechen, ohne hierfür eine gesetzliche Grundlage anzuführen. Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass es sich hierbei durchweg um persönlichkeitsrechtliche Abwehrbefugnisse handelt, die nach heutigem Recht Ausstrahlungen des ebenfalls ungeschriebenen aPR darstellen, das gerade nicht unter Art. 14 GG fällt261. Der BGB-Gesetzgeber erteilte dann einem umfassenden Eigentumsbegriff – wie er noch in natur- und vernunftrechtlich geprägten Kodifikationen vorgesehen war262 – und damit einer von den Gerichten ggf. als Generalklausel der Güterzuordnung aufgefassten Regelung eine eindeutige und bewusste Absage; das BGB kennt nur das speziell auf körperliche Gegenstände bezogene Eigentum263. Selbst die rechtspolitisch264 äußerst erfolgreiche Rede vom „geistigen Eigentum“ etwa an Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst
260 Ebenso Helle, RabelsZ 60 (1996), 448, 473 (die Rechtsgeschichte zeige im Hinblick auf die Herausbildung von Ausschließlichkeitsrechten eine deutliche Prävalenz der Gesetzgebung auf). 261 Siehe RGZ 18, 10, 19 (1886) (zum persönlichkeitsrechtlich motivierten, ausschließlichen Bestimmungsrecht des Autors darüber, in welcher inhaltlichen Gestaltung sein Geisteserzeugnis als das seinige dem Publikum überliefert werden soll, also zu einer urheberpersönlichkeitsrechtlichen Befugnis, die im preußischen Urheberrechtsgesetz v. 11. Juni 1870 nicht enthalten war). Zum Namensrecht OLG Celle SeuffA 19, erster Abdruck Nr. 114 (1841); OLG Darmstadt SeuffA 6, erster Abdruck Nr. 6 (1852); OLG München SeuffA 17, erster Abdruck Nr. 3 (1863) (Recht am Familiennamen gegen die Verwendung des Namens durch Nichtfamilienangehörige); RGZ 2, 145, 147 (1880) (Recht auf Führung eines Familiennamens als Privat- und nicht als öffentliches Recht); OLG Marienwerder SeuffA 18 (1893), 3, 5; Klippel, Namensschutz, 178. Auch v. Ihering, IherJb 23 (1885), 155 ff., spricht von „unkörperlichem, geistigem Eigentum“ an unkörperlichen Objekten (a.a.O., 311) und dem Urheberrecht als geistigem Eigentum (a.a.O., 317), aber er bezieht diese Begrifflichkeit auf die (urheber)persönlichkeitsrechtlichen Befugnisse zur Erstveröffentlichung (a.a.O., 314 ff.), zur Verwertung von Fotos (a.a.O., 318 f.) und den Namensschutz (a.a.O., 320 ff.). Dieses „geistige Eigenthum“ sei vom Urheberrecht streng zu unterscheiden: Während Ersteres auch ohne gesetzliche Anordnung in der Doktrin in Gestalt der actio iniuriarium anerkannt gewesen sei, sei das Urheberrecht erst seit der Erfindung der Buchdruckerkunst „mühsam und allmählich“ anerkannt worden (a.a.O., 314 mit Fn. 1, 317). 262 Siehe ALR I 8 § 1 („Eigenthümer heißt derjenige, welcher befugt ist, über die Substanz einer Sache, oder eines Rechts, mit Ausschließung Anderer, aus eigener Macht, durch sich selbst, oder einen Dritten, zu verfügen;“), § 2 („Alles, was einen ausschließlichen Nutzen gewähren kann, ist ein Gegenstand des Eigentums.“). Siehe auch die §§ 353, 354 öABGB („Alles, was jemandem zugehört, alle seine körperlichen und unkörperlichen Sachen, heißen sein Eigenthum.“). 263 Johow, in: Schubert, Sachenrecht 1, 615 ff.; Mot. III, 257; Seiler, in: Staudinger, vor § 903 BGB Rn. 16; Nachweise aus der Literatur zum gemeinen Recht bei Olzen, JuS 1984, 328, 334 mit Fn. 134. 264 Dazu kritisch Söllner, FS Traub, 367, 370 m.w.N.; Troller, Immaterialgüterrecht, 92 ff. (programmatischer Kern des Begriffs); ausführlich mit historischer Analyse Rigamonti, Geistiges Eigentum, 92 ff., 157; Rehbinder, Urheberrecht, Rn. 97; befürwortend hingegen Ohly, JZ 2003, 545 ff.; Götting, GRUR 2006, 353 ff.; Schricker, in: Schricker, Einleitung UrhG Rn. 11 m.w.N.
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konnte sich zu keiner Zeit als gültiges Rechtsprinzip durchsetzen265. Begehren nach ungeschriebenen Immaterialgüterrechten wiesen die Gerichte unter Berufung auf die abschließende Regelung der jeweils vorhandenen Sondergesetze sowie auf das Rechtsprinzip der Handlungs- und Gewerbefreiheit zurück266.
VI. Wahrung gleicher Freiheit als kollidierendes Rechtsprinzip Die rechtsphilosophische Betrachtung „des“ Eigentums bestätigt mithin, dass ein Rechtsprinzip der Güterzuordnung, aufgrund dessen die Gerichte jenseits der güterzuordnungsrelevanten Vorschriften Ausschließlichkeitsrechte anerkennen dürfen, nicht besteht. Die lediglich verneinende Qualität dieser Aussage ist jedoch zugleich ihr Schwachpunkt. Es bleibt nämlich offen, was stattdessen gilt, wenn „neue“, nicht spezialgesetzlich zugeordnete Güter auftreten. Ob die bisher konstatierte Lückenhaftigkeit der Eigentumsordnung planwidrig ist oder einem übergeordneten Gedanken folgend bewusst in Kauf genommen wird, lässt sich letztlich nur beantworten, wenn positiv formuliert wird, welche Rechtsgrundsätze in den einschlägigen Konstellationen gelten. Denn immer noch möglich ist die Argumentation, die Kerngedanken der Güterzuordnung seien jedenfalls in den normierten Ausschließlichkeitsrechten verwirklicht. Ihre große Zahl gebe den gesetzgeberischen Plan zu erkennen, dass jedes vermögenswerte Gut mit solchen Wirkungen zugeordnet werden soll. Soweit dies noch nicht geschehen sei, 265 Wadle, Geistiges Eigentum II, 13 (die Lehre vom geistigen Eigentum habe sich nicht zum weithin akzeptierten ius commune entwickelt, so dass die Rechtsgestaltung der territorialen Gesetzgebung überlassen geblieben sei); Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht, 181 (die Theorie des geistigen Eigentums habe „nicht einmal im grundsätzlichen eine allgemeine Anerkennung gefunden.“); Söllner, FS Traub, 367, 370; Rehbinder, in: Dittrich, Woher kommt das Urheberrecht, 99, 101 ff.; Kirchhof, FS Zeidler II, 1639, 1645 (die Entwicklung des Urheberrechts habe die aus der Theorie folgenden Erwartungen nicht bestätigt); Schack, Urheberrecht, Rn. 100 (die Idee des geistigen Eigentums habe das Urheberrecht bis heute nicht von seiner Abhängigkeit von den nationalen Gesetzen befreit); Gareis, FS Schirmer, 59, 82 (die Theorie des geistigen Eigentums als zwischenzeitlicher Irrweg); letztlich auch Kohler, Autorrecht, 19 (gerade das Autorrecht bedürfe der direkten oder indirekten Anerkennung durch den Staats- oder Volkswillen); Götting, GRUR 2006, 353, 355 (der Begriff habe sich nicht durchsetzen können). Zum Begriff des geistigen Eigentums in TRIPS EuGH GRUR Int. 2001, 327, 330 f. – Dior (Art. 50 TRIPS überlasse es den Vertragsparteien, ob der auf das Recht der unerlaubten Handlungen gestützte Schutz gegen Nachahmungen im Wettbewerb als Recht des geistigen Eigentums i.S. von Art. 50 Abs. 1 TRIPS anzusehen sei). 266 Siehe RGZ 29, 49, 52 (1892) (Begründung des allgemeinen Erfinderrechts auf das Patent aus § 3 Abs. 2 PatG 1877 und dem ALR; Inhalt des „sog.“ geistigen Eigentums offengelassen); RGZ 79, 397, 400 (1912) (Anerkennung urheberpersönlichkeitsrechtlicher Befugnisse aus einer Gesamtschau der bestehenden urheberrechtlichen Vorschriften im KUG); RGZ 82, 333, 337 (1913); RGZ 107, 277, 281 (1923); RGZ 108, 277, 281 (1924); RGZ 113, 414, 415 (1926) (ein „allgemeines, umfassendes Urheberrecht“, ein „Schutz ,geistigen Eigentums‘“ sei abzulehnen, weil das LUG den Urhebern Schutz nur „nach Maßgabe dieses Gesetzes“ gewähre); ebenso Savigny, in: Wadle, Savignys Beitrag, 28, 29. A.A. während der naturrechtlichen Periode der Nachkriegszeit nur BGHZ 17, 266, 278 (1955) – Magnettonbänder (die Vorstellung von der gesetzlichen Verleihung von Rechten sei in „allen Kulturstaaten“ durch die Lehre vom geistigen Eigentum „seit langem überwunden“).
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ließe sich die folglich planwidrige Regelungslücke etwa durch Analogie oder extensive Auslegung relevanter Vorschriften schließen267. Wie bereits mehrfach angeklungen, steht dem jedoch das Rechtsprinzip des Schutzes gleicher Freiheit entgegen268. Danach ist nicht gesucht worden. Es hat sich aber als Gegenpol der Güterzuordnung im gesamten Verlauf der Untersuchung gezeigt und dabei seine Verankerung in der Rechtsordnung bestätigt. Dieses übergeordnete Rechtsprinzip schließt einen Grundsatz aus, wonach jedes vermögenswerte Gut demjenigen exklusiv zuzuordnen ist, der es aufgrund persönlicher Leistung maßgeblich hervorgebracht hat – auch wenn diese Gedanken häufig in die Rechtsordnung eingegangen sind269: Mit der Rede vom Schutz gleicher Freiheit wird Bezug genommen auf den Ausgangs- und Angelpunkt der grundgesetzlichen Ordnung, nämlich auf „Wert und Würde der Person, die in freier Selbstbestimmung als Glied einer freien Gesellschaft wirkt“270. Hier kulminieren Würde, Freiheit im Sinne der Abwesenheit von Zwang sowie Gleichheit vor dem Gesetz (Rechtsgleichheit). Jede Person ist um ihrer selbst willen mit dem gleichen Anspruch auf Würde und Freiheit ausgestattet. Dies sind die angeborenen Rechte, die in den klassischen Grundrechtstexten an erster Stelle oder gar allein genannt werden und die mit naturrechtlichen Argumenten gegen evidentes staatliches Unrecht bewahrt werden – nicht das Eigentum am Erworbenen271. Auch für Kant ist die Freiheit im Sinne der „Unab267 Zur Anzahl und Dichte der normierten Ausschließlichkeitsrechte oben §§ 5, 11 C II 1 a; zum Verweis auf die gesetzgeberische Schaffung von Immaterialgüterrechten zur Rechtfertigung richterrechtlich anerkannter vermögenswerter Bestandteile des Persönlichkeitsrechts oben § 4 B VII 3 b; zur Ablehnung der analogen Anwendung normierter Ausschließlichkeitsrechte auf andere Güter wegen der Unterschiede zwischen den Rechtsobjekten und Interessenlagen oben § 5 C. 268 Zur dogmatischen Unterscheidung zwischen negativer und positiver Freiheit unten § 14 B II, III; zu programmatischen Konsequenzen § 15 B. 269 Allgemein zum Prinzipienwiderstreit Larenz, FS Nikisch, 275, 302 f.; ders., NJW 1965, 1, 7; Canaris, Systemdenken, 110 (die systemrichtige Lösung sei im Zweifel die de lege lata verbindliche); Bydlinski, Methodenlehre, 491 („Bedeutet ein teilweise positiviertes Rechtsprinzip eine sachlich nicht begründbare Abweichung von einem seinem Gegenstandsbereich nach umfassenderen anderen, so muß es … auf seinen positiven Bereich beschränkt bleiben.“). Dieckmann, UFITA 127 (1995), 35, 49 ff., bleibt denn auch eine Herleitung und kritikfähige Konkretisierung der von ihm behaupteten „Grundsätze des Urheberrechtsgesetzes“ zur analogen Anwendung der §§ 73 ff. UrhG auf Sportler schuldig. 270 BVerfGE 65, 1, 41 (1983); BVerfGE 115, 118, 153 f., 159 (2006) (es gehöre zum Wesen des Menschen, in Freiheit sich selbst zu bestimmen und sich frei zu entfalten); Coing, Rechtsphilosophie, 153 (Freiheit und Gleichheit als Grundlagen der gesamten rechtlichen Entwicklung des modernen Staats); Böckenförde, NJW 1974, 1529, 1537 f.; Enders, in: Berliner Kommentar, vor Art. 1 GG Rn. 3 ff.; Burghart, in: Leibholz/Rinck, vor Art. 1–19 GG Rn. 4 m.w.N. 271 Siehe Art. 1 Virginia Bill of Rights v. 12.6.1776: That all men are by nature equally free and independent, and have certain inherent rights, of which, when they enter into a state of society, they cannot, by any compact, deprive or divest their posterity; namely, the enjoyment of life and liberty, with the means of acquiring and possessing property, and pursuing and obtaining happiness and safety. Unabhängigkeitserklärung der USA v. 4.7.1776: We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable rights, that among these are life, liberty and the pursuit of happiness. Art. 1 S. 1 der französischen Menschenrechtserklärung vom 26.8.1789: Les hommes naissent et demeurent libres et
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hängigkeit von eines Anderen nöthigender Willkür“ das „einzige, ursprüngliche, jedem Menschen kraft seiner Menschheit zustehende Recht“272. Diese Vorstellung erschöpft sich in einer freiheitlichen Rechtsordnung wie der deutschen nicht in der bloßen Abwehr staatlicher Einmischung, sondern hat darüber hinausweisenden „konstitutiven, Institutionen bildenden Effekt, der durch die Verknüpfung mit der Erfahrung als Wissensbasis die Herausbildung von unpersönlichen Beziehungsnetzwerken zwischen den Individuen in Gang hält“273. Rechtsgleichheit und negative – weil nicht mit einem bestimmten Zweck oder Gehalt versehene – Freiheit werden von der deutschen Rechtsordnung umfassend gewährleistet, also auch und gerade dort, wo die Eigentumsordnung (noch) keine exklusiven Bereiche abgesteckt hat: Auf verfassungsrechtlicher Ebene ergibt sich dies aus dem Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG, der nach zutreffender, ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die freie Entfaltung der Persönlichkeit in allen Lebensbereichen ohne Rücksicht auf das Gewicht der jeweils in Frage stehenden Form menschlichen Handelns schützt. Hierin drückt sich das Verteilungsprinzip freiheitlicher Rechtsordnungen aus, wonach die Freiheit des Einzelnen prinzipiell unbegrenzt, die Befugnis des Staates zu Eingriffen hingegen prinzipiell begrenzt ist274. Zu diesen Einschränkungen zählen insbesondere auf dem Klagewege durchsetzbare private Ansprüche gegen die nicht gestattete Nutzung von Gütern, seien jene bereits durch primäre Ausschließlichkeitsrechte zugewiesen oder „neu“. Der mit einem entsprechenden Urteil zwangsläufig einhergehende Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit oder speziellere Freiheitsgrundrechte des Schuldners muss zur verfassungsmäßigen Ordnung zählen, also insbesondere auf einer ihrerseits gültigen Rechtsgrundlage beruhen und verhältnismäßig sein275. Demgegenüber ist die Eigentümerfreiheit, nach Belieben mit dem exklusiv zugeordneten Gut zu verfahren, nur nach Maßgabe des einfachen Rechts gem. Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet. Während die allgemeine Handlungsfreiheit potentieller Schuldner lückenlos und ohne staatliche Vorleistung geschützt ist, bedürfen subjektiv-ausschließliche Privatrechte der punktuellen, gesetzlich vermittelten Konstituierung. Die herausgehobene Freiheitszone des 272 égaux en droits. Ebenso die Naturrechtslehre des 17. Jahrhunderts; siehe Dreier, ARSP 72 (1987), 159, 161; Ryffel, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 61, 75 (Menschenrecht auf eigentätige und selbstverantwortliche Daseinsgestaltung). Zu unverfügbaren Menschenrechten oben Fn. 76, 121; Fikentscher, Methoden IV, 610, 617, 621 (Meinungsfreiheit in den existentiellen Dingen, habeas corpus); ders., in: Tietz, Wert- und Präferenzprobleme in den Sozialwissenschaften, 43, 72; aber auch ders., Methoden IV, 637, 655 (Grundrechtskern des Eigentums). 272 Kant, Rechtslehre, 237. Zur Ideengeschichte der individuellen Freiheit nur etwa Stern, in: Stern, Staatsrecht IV/1, 879 ff.; Di Fabio, Freiheit, 71 ff.; zum Zusammenhang mit der Aufklärung Mestmäcker, Legal Theory, 16. 273 Ladeur, Negative Freiheitsrechte, 59 und öfter. Zur Entwicklung informeller, im Zweifel effizienter Regeln innerhalb überschaubarer Gruppen und der Folgerung, Raum für solche Regelbildungen zu lassen Ellickson, Order Without Law, 282 f. 274 Oben § 2 B II 2. 275 Oben Einleitung B III.
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Eigentümers reicht nur so weit, wie sich der gesetzliche Schutzbereich erstreckt. Schließlich garantiert das Grundgesetz die rechtsgleiche Würde und Freiheit der Person um ihrer selbst willen, das Eigentum hingegen als dienendes Instrument zur Ermöglichung genau jener Höchstwerte im vermögensrechtlichen Bereich276. Auch die Analysen des Privat- und Verfahrensrechts in den §§ 5 bis 10 haben ergeben, dass der Schutz individueller Interessen am exklusiven Haben dort seine Grenzen findet, wo die allgemeine Handlungsfreiheit unverhältnismäßig beeinträchtigt wird. Die normierten Ausschließlichkeitsrechte haben einen gesetzlich definierten Schutzbereich, jenseits dessen jedermann die gleiche Freiheit zur Nutzung des betroffenen Gutes hat. Soweit die gesetzlichen Schuldverhältnisse Verstöße gegen primäre Güterzuordnungen sanktionieren, verweisen sie lediglich auf die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen, ohne den Kreis dieser Vorzugsbereiche aus sich heraus zu erweitern277. Das Rechtsverkehrsrecht geht ebenfalls von punktuellen subjektiven Rechten aus, für die es Regelungen zur rechtsgeschäftlichen Verwertung zur Verfügung stellt278. Im Übrigen unterliegen die gesetzlichen Schuldverhältnisse des BGB und des UWG dem Enumerationsprinzip, wonach eine Haftung für eigene Verhaltensweisen nur nach Maßgabe der abschließend normierten Anspruchsgrundlagen in Frage kommt279. Dieser Grundsatz bezweckt insbesondere die Wahrung von Handlungsspielräumen. Denn, so Canaris, „zur freien Entfaltung der Persönlichkeit wie zum Wettbewerb gehört nun einmal auch, daß der Bürger Vermögensinteressen des anderen beeinträchtigen darf – und zwar häufig sogar vorsätzlich … Warum soll sich denn jemand Einschränkungen seiner Handlungsfreiheit auferlegen oder gar Vermögenseinbußen hinnehmen, nur um genau die gleichen Interessen anderer Bürger zu schonen?!“280.
Die rechtsfortbildende Überwindung des Enumerationsprinzips durch Anerkennung ungeschriebener „sonstiger Rechte“ gem. § 823 Abs. 1 BGB steht dazu nicht in Widerspruch, weil hierdurch keine positiv-exklusiven Vorzugsbereiche eingerichtet werden, sondern praktische Konkordanz hergestellt wird, wenn gleichgeordnete Grundrechtspositionen wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die wirtschaftliche Betätigungs-, Presse- und Koalitionsfreiheit kollidieren. Das Rahmenrecht am Gewerbebetrieb dient sogar der Begrenzung normierter Ausschließlichkeitsrechte im Interesse der Wahrung von Handlungsspielräumen281. Denselben Zweck verfolgt das Sonderdeliktsrecht des UWG, das die Ausübung 276
Oben § 11 B I, D II. Oben §§ 6 B III, 8 D II 3, 9 D. 278 Oben § 10 B, C, F. 279 Oben § 9 E II. 280 Canaris, FS Larenz, 27, 37; zur Begrenzung des Verantwortungsbereichs im Interesse der Freiheit v. Hayek, Verfassung der Freiheit, 107 (Freiheit verlange, dass die Verantwortung sich nur auf das erstrecke, was der Einzelne beurteilen könne). 281 Oben § 6 B IV, V, E, unten § 13 A II 1. 277
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individueller Wettbewerbsfreiheit vor unlauteren, die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs untergrabenden Handlungen schützt; Ausschließlichkeitsrechte vermag es ebenso wenig zu generieren wie die §§ 823 ff. BGB282. Schließlich nehmen das Einzel- und Gesamtvollstreckungsrecht als die verfahrensrechtlichen Materien zur zwangsweisen Durchsetzung von Eigentumspositionen auf die allgemeine Handlungsfreiheit Rücksicht, indem sie ein abgestuftes Haftungssystem bilden, das dem Schuldner erst in der Insolvenz seine Befugnis zum Erwerb weitgehend – aber eben auch nicht vollständig – nimmt283. Diese Gesamtschau erhellt, dass die Vorschriften, auf denen die Güterzuordnung basiert, durchweg unter dem Vorbehalt einer unverhältnismäßigen Einschränkung des Prinzips gleicher Freiheit stehen. Die Wahrung individueller Entfaltungsspielräume ist demnach das die Eigentumsordnung umschließende, übergreifende Rechtsprinzip. Es gilt auch und gerade dort, wo (noch) keine speziellen Regelungen bestehen; insoweit kann eine freiheitliche Rechtsordnung durchaus als lückenlos bezeichnet werden284. Dieses Ergebnis korrespondiert mit der grundsätzlichen wirtschaftsverfassungsrechtlichen285 Entscheidung zugunsten der dezentralen Mehrplanwirtschaft. Jene bedarf zwar subjektiver Rechte, die gehandelt werden und um die gerungen wird, aber sie nimmt ihren Ausgangspunkt wie die Rechtsordnung beim Individuum, das selbst über die Befriedigung seiner Bedürfnisse entscheiden soll und dessen negative Freiheit daher stets im Auge zu behalten ist286. Dass das Rechtsprinzip des Schutzes gleicher, allgemeiner Handlungsfreiheit selten formuliert und oft übersehen wird, dürfte an der Struktur des Schutzguts liegen287. Jenes hat aus gutem Grund nämlich keinen positiv benennbaren Inhalt oder Zweck, sondern erschöpft sich in der formalen, negativen Aussage, das Verhalten des Einzelnen solle möglichst nicht durch Zwang gesteuert werden. Bild282
Oben § 7 D II 1. Oben § 10 G. 284 Zur Lückenlosigkeit des Rechts im Gegensatz zur Lückenhaftigkeit der Gesetze Reichel, Gesetz und Richterspruch, 108; im Ergebnis auch Dworkin, Taking Rights Seriously, 116 („The law may not be a seamless web; but the plaintiff is entitled to ask Hercules to treat it as if it were.“); Stern, in: Stern, Staatsrecht IV/1, 894 (lückenloser Freiheitsschutz); weitere Nachweise zu dieser Geschlossenheitsthese bei Auer, FS Canaris II, 931, 936 ff.; zur Kontingenz des Spitzenwertes Freiheit Vesting, Rechtstheorie, Rn. 72. 285 Zum Begriff der „Wirtschaftsverfassung“ Böhm, Die Ordnung der Wirtschaft, 54 f. (rechtsverbindliche Entscheidung zugunsten einer bestimmten Art des Wirtschaftens). 286 Siehe BVerfGE 50, 290, 337 ff. (1979); BVerfGE 65, 196, 210 (1983) (ein angemessener Spielraum zur Entfaltung von Unternehmerinitiative sei unantastbar); Mestmäcker, ZHR 137 (1973), 97, 99 („Es trifft sich, daß die Radikalkritik am Wirtschaftsliberalismus immer auch die Kritik am bürgerlichen Rechtsstaat gewesen ist.“); Schünemann, in: Harte/Henning, § 3 UWG Rn. 164 m.w.N.; Rittner, FS Schilling, 363, 381 f. (überwiegend privatautonom gestaltete Wirtschaftsordnung); Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 14 GG Rn. 34; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/ Klein, Art. 14 GG Rn. 1; Depenheuer, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 109, 119. 287 Dazu noch unten §§ 14 B II, III (staatliche Kompetenz zur Wahrung negativer und positiver Freiheit), 15 B II (Freiheitsschutz als Aufgabe der Privatrechtswissenschaft). 283
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lich gesprochen ist die negative Freiheit ein leerer Raum288. Die Rechtsgleichheit sorgt dafür, dass jeder den gleichen leeren Raum zur Verfügung hat, den er selbstbestimmt gestalten kann. Wie das Individuum die Entfaltungsmöglichkeit ausfüllt, darf nicht von außen positiv bestimmt werden, denn bereits das wäre eine definierende, also verhaltenssteuernde Vorgabe. Deshalb verwirklicht die Rechtsordnung den Schutz abwehrender Freiheit durch die Begrenzung solcher Regelungen, die positiv definieren, was getan werden darf. Zum Beispiel sorgen die vertikalen und horizontalen Grenzen der normierten Ausschließlichkeitsrechte und das Enumerationsprinzip dafür, dass die „leeren Räume“ nicht über Gebühr durch positive Ge- und Verbote reduziert werden. Zu diesen Darfregeln289 zählen die Ausschließlichkeitsrechte, weil sie dem Rechtsinhaber und zugleich allen anderen sagen, zu welchen konkreten Verhaltensweisen nur eine bestimmte Person befugt ist. Wären jene unbegrenzt, würde vom Freiraum, der nach eigenen Vorstellungen ohne Vorgaben des Gesetzes ausgefüllt werden kann, nichts übrig bleiben. In der ökonomischen Analyse von property rights ist dieses Bedrohungspotential seit langem erkannt, denn: „A system in which the rights of individuals were unlimited would be one in which there were no rights to acquire.“ (Ronald Coase)290. Wenn aber die Zuordnung von Gütern durch Ausschließlichkeitsrechte mit abwehrendem und positivem (sic!) Gehalt in latentem Konflikt zum Rechtsprinzip des Schutzes gleicher Freiheit steht, kann eine Rechtsordnung nicht beide Grundsätze auf ihre Fahnen schreiben. Entweder es werden grundsätzlich alle Güter zugewiesen und einzelne Ausnahmen zugelassen oder die grundsätzlich unbegrenzte Handlungsfreiheit wird durch Ausschließlichkeitsrechte punktuell durchbrochen. Die deutsche Rechtsordnung folgt letztgenannter Alternative291. Damit korreliert das hier vertretene Ergebnis, wonach allein der parlamentarische Gesetzgeber Ausschließlichkeitsrechte schaffen darf, mit anderen Worten also ein numerus clausus solcher Güterzuordnungen besteht. Denn das Erforder288 Siehe Ladeur, Negative Freiheitsrechte, 60 (das liberale Rechtsmodell lasse die Stelle der Souveränität, von der aus über die gesellschaftliche Ordnung entschieden werden könne, leer); ders., Postmoderne Rechtstheorie, 206 (Grundrechte statuierten nicht das „Warum“ und „Wozu“). 289 Von „Darfrechte[n]“ im Hinblick auf die sonstigen Rechte gem. § 823 Abs. 1 BGB spricht auch Zitelmann, AcP 99 (1906), 1, 25. 290 Coase, J.L. & Econ. 3 (1960), 1, 44; Fikentscher, Wettbewerb, 208 („Würden die verfügbaren Güter der Erde durch ein vollständiges System der Herrschaftssicherung aufgeteilt, so geriete das Leben und damit auch der Rechtsverkehr in Stagnation.“); Willgerodt, FS Böhm 1975, 687, 704 („Die vollständige Privatisierung von Leistungserfolgen ist sogar unmöglich und absurd.“); Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 15 (wären alle denkbaren werthaltigen Gegenstände ihren Schöpfern als absolute subjektive Rechte zugewiesen, würde „die wirtschaftliche Handlungsfreiheit und damit der Wettbewerb beseitigt“); Ehmann, AcP 188 (1988), 230, 237, 248; Hauck, DB 1987, 1927, 1931 mit Fn. 75 (Abschaffung der Gewerbefreiheit durch umfassende urheberrechtliche Monopolrechte); Druey, Information, 95 („Zuordnung als flächendeckende Regelung der Informationsfrage“ sei „geradezu das Gegenstück“ zur Freiheit der Information); für das Grundstückseigentum BGHZ 88, 344, 346 (1983) (ein uneingeschränktes Eigentum würde eine „sinnvolle Nutzung“ benachbarter Grundstücke „unmöglich machen“); ferner oben § 3 B III, E; unten § 15 A, B I 2. 291 Dazu, dass freiheitliche Rechtsordnungen nicht anders entscheiden können, unten § 15.
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nis einer parlamentarischen Mehrheit für eine weitere Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit verhindert ein unkontrolliertes, wucherndes Anwachsen der Zahl positiver Darfrechte unter Zurückdrängung offener Entfaltungsspielräume.
D. Ergebnis Damit kommt der Hauptteil dieser Untersuchung zum Abschluss. Festzuhalten ist, dass keine Rechtsgrundlage besteht, um „neue“ Güter mit den Wirkungen eines Ausschließlichkeitsrechts zuzuordnen. Das bedeutet zugleich, dass die wohl überwiegende Meinung zutreffend von einem numerus clausus der normierten Ausschließlichkeitsrechte ausgeht. Nachdem die güterzuordnungsrelevanten Vorschriften des Privat-, Verfahrens- und Verfassungsrechts in den §§ 5 bis 11 mit negativem Resultat überprüft wurden, galt es in diesem Paragraphen noch zu klären, ob die Gerichte sich gleichwohl auf ein Rechtsprinzip der Güterzuordnung berufen können (dazu A). Auch das ist nicht der Fall: Treibende Kraft für die Bereitschaft von Rechtsprechung und Literatur, den Regelungsplan des positiven Rechts zu überschreiten, ist der Gedanke, dass Güter, die menschliche Bedürfnisse befriedigen und denen deshalb ein Vermögenswert zugeschrieben wird, demjenigen zugeordnet werden müssen, der sie aufgrund persönlicher Arbeit/Leistung hervorgebracht hat. Hier verschmelzen tief in der abendländischen Kultur verwurzelte ethische Postulate mit Erwartungen an die auf subjektiven, verkehrsfähigen Rechten beruhende Marktwirtschaft zu einem äußerst wirkmächtigen Prinzip (dazu B). Freilich folgt aus der geradezu intuitiven Überzeugungskraft dieser Wertungen noch nicht, dass sie geltendes Recht darstellen und als solche von den Gerichten im Einzelfall angewendet und mit dem staatlichen Gewaltmonopol durchgesetzt werden dürfen. Rhetorische Tricks und häufig zirkuläre Scheinbegründungen genügen jedenfalls nicht, um diesen, prinzipiell möglichen Geltungsanspruch eines Rechtsprinzips herzuleiten (dazu C I). Auch das Naturrecht bietet hierfür keinen Halt. Denn die Behauptung einer „natürlichen“, den staatlichen Instanzen vorgegebenen und nur noch zu vollziehenden Eigentumsordnung widerspricht der historisch belegten Wandelbarkeit des Eigentums und ermangelt generell der Legitimität. Insbesondere überführt das Grundgesetz unveräußerliche, nicht zur Disposition des Gesetzgebers stehende Menschenrechte einschließlich der Eigentumsgarantie nur insoweit in geltendes Recht, wie es das selbst namentlich in Art. 14 GG zum Ausdruck bringt. Folglich muss ein allgemeiner Rechtsgrundsatz im „Sinnganzen“ der Rechtsordnung nachweisbar sein, um Einzelfallentscheidungen legitimieren zu können (dazu C II). Ein Rückblick auf die Ergebnisse der §§ 5 bis 11 zeigt, dass die Kerngedanken der Güterzuordnung im geltenden Recht nicht verwirklicht werden. Der verfas-
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sungsrechtliche Eigentumsschutz setzt eine Anerkennung subjektiv-ausschließlicher Rechte im einfachen Recht voraus und erklärt konsequent den Gesetzgeber für zuständig, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen. Mit dem ausdrücklichen Parlamentsvorbehalt des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG korrespondiert, dass das güterzuordnungsrelevante einfache Recht der Judikative eben keine Grundlage bietet, derartige Entscheidungen selbst zu treffen. Weder ordnet das Privatrecht jeden Vermögenswert zu noch ist stets derjenige originär berechtigt, der das betreffende Gut geschaffen hat (dazu C III). Setzen sich ordentliche Gerichte über diese eindeutige verfassungsrechtliche Aufgabenverteilung zwischen Legislative und Judikative hinweg, entledigen sie sich der Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG). Solch richterlicher Aktionismus verletzt das Rechtsstaatsprinzip, weil vergangenes Verhalten Ge- und Verboten unterworfen wird, die der Gesamtrechtsordnung zum Zeitpunkt der maßgeblichen Handlung nicht entnommen werden konnten. Außerdem ist die Schaffung ausschließlicher Privatrechte eine wesentliche Entscheidung für die Grundrechtsausübung des Begünstigten und der Ausgeschlossenen, die vom parlamentarischen Gesetzgeber selbst getroffen werden muss. Denn eine dem Sozialmodell des Art. 14 GG entsprechende Verteilung „neuer“ Güter erfordert eine umfassende Beurteilung komplexer wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhänge, die im Zivilprozess nicht zu leisten ist (dazu C IV). Die Abhängigkeit der Eigentumsordnung vom allgemeinen Gesetz entspricht ferner der neuzeitlichen Eigentumsphilosophie. Hierfür sind im Wesentlichen zwei Gedanken ausschlaggebend. Zum einen können exklusive Befugnisse nur nach Maßgabe staatlicher Gewaltausübung und Regelsetzung anerkannt werden, wenn sie denn mit eben jener staatlichen Gewalt durchgesetzt werden sollen. Zum anderen wird Eigentum drittgerichtet im Verhältnis zu denjenigen gedacht, die das Ausschließlichkeitsrecht zu achten haben. Deren Bindung wird mit der Zustimmung zu einem idealen Gesellschaftsvertrag bzw. zur Einrichtung des konkreten Ausschließlichkeitsrechts gerechtfertigt. Diese Übereinkunft wird durch das allgemeine Gesetz repräsentiert, mit dem das Eigentum geschaffen wird (dazu C V). Schließlich wurde erläutert, dass die immer wieder auftretenden Lücken der Eigentumsordnung nicht planwidrig sind, sondern das Rechtsprinzip des Schutzes gleicher Freiheit reflektieren, das ein konfligierendes Rechtsprinzip der Güterzuordnung um- und zugleich ausschließt. Während die lückenlos gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit jedermann die gleichen Zugriffsbefugnisse im Hinblick auf „neue“ Güter zuspricht, reicht die positiv-exklusive Eigentümerfreiheit nur so weit, wie sie in punktuellen gesetzlichen Regelungen niedergelegt ist (dazu C VI). Folglich sind Entscheidungen jenseits der güterzuordnungsrelevanten Rechtsgrundlagen als verfassungswidrige Rechtsfortbildung contra legem und extra ius abzulehnen. Sie stellen einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Schuldners unter Verstoß gegen die Bindung an Gesetz und Recht dar, der ggf. im Wege der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden
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Teil 2: Die Rechtsgrundlagen der Güterzuordnung
kann. Ist das zuständige Zivilgericht umgekehrt der Auffassung, die Abweisung der Klage führe dazu, dass dem Kläger ein eigenverantwortliches Leben im vermögensrechtlichen Bereich unmöglich gemacht oder grundlegend erschwert wird, hat es gem. Art. 100 Abs. 1 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, ob das verfassungsrechtlich erforderliche Minimum an Privateigentum unzulässig unterschritten wird. Zu dieser Feststellung und in extremen Ausnahmefällen zu vorläufigen Übergangsregelungen ist nur das Bundesverfassungsgericht befugt292.
292
Oben § 11 C II 2.
Teil 3
Konsequenzen und Ausblick Der Hauptteil dieser Arbeit hat ergeben, dass die deutsche Rechtsordnung keine Grundlage für die richterliche Anerkennung ungeschriebener, übertragbarer subjektiver Rechte mit Wirkung gegen jedermann bereitstellt. Vielmehr besteht ein numerus clausus dieser Ausschließlichkeitsrechte, der nur vom Gesetzgeber erweitert werden kann. Der nun folgende dritte Teil verarbeitet dieses Ergebnis in verschiedener Hinsicht. Zunächst gilt es, das bisher nur vorläufige, weil unter dem Vorbehalt eines verfassungsrechtlichen Zuordnungsgebots und eines Rechtsprinzips der Güterzuordnung stehende Ergebnis der Auslegung güterzuordnungsrelevanter Vorschriften zu finalisieren und diese Resultate auf die in § 4 B referierten Beispiele „neuer“ Güter anzuwenden (dazu § 13). Anschließend sollen die im Laufe der Studie gesammelten Einzelerkenntnisse in zweierlei Hinsicht zu einer Dogmatik der Güterzuordnung systematisiert werden. Zum einen wird die in § 1 lediglich als Hypothese formulierte Unterscheidung zwischen subjektiven Rechten und dem Schutz von Interessen und Gütern auf der Grundlage gesetzlicher Schuldverhältnisse an den Auslegungsergebnissen überprüft. Auf dieser Basis soll zum anderen eine allgemeine Theorie der Güterzuordnung in einem weiteren Sinne formuliert werden, die neben den bisher im Zentrum stehenden Ausschließlichkeitsrechten relative Rechte und eben den reflexartigen Normenschutz individueller Interessen umfasst und die unterschiedlichen Wirkungen dieser drei Kategorien von Rechtspositionen mit der Kompetenz zu ihrer Begründung in Beziehung setzt (dazu § 14). Den Abschluss bilden programmatisch gemeinte Ausführungen zur Frage, ob die Güterzuordnung de lege ferenda durch Kodifizierung einer bisher fehlenden Generalklausel gestärkt oder das de lege lata bereits bestehende Rechtsprinzip des Schutzes gleicher Freiheit deutlicher herausgearbeitet werden sollte (dazu § 15).
§ 13 Grenzen güterzuordnungsrelevanten Rechts und Lösung der Beispielsfälle Vor der Dogmatik und der Programmatik steht jedoch die endgültige Bestimmung des Gehalts güterzuordnungsrelevanter Regelungen (dazu A) sowie die Lösung der Beispielsfälle (dazu B).
A. Die Grenzen güterzuordnungsrelevanten Rechts Im Hinblick auf die definitiven Grenzen einschlägiger Vorschriften ist zwischen tatsächlich güterzuordnenden, aber dafür statischen Bestimmungen (dazu I) und dem durchaus richterlicher Fortentwicklung und Konkretisierung zugänglichen Deliktsrecht des BGB und des UWG zu unterscheiden, das in seiner Dynamik freilich gerade nicht den Schutz der Interessen am exklusiven Haben bezweckt (dazu II).
I. Statik güterzuordnender Vorschriften Zu den Regelungen mit güterzuordnender Funktion zählen die normierten Ausschließlichkeitsrechte (§ 5) sowie aus dem Kreis der gesetzlichen Schuldverhältnisse die Eingriffskondiktion (§ 8) und die Geschäftsanmaßung (§ 9). Das Rechtsverkehrsrecht stellt dieser materiellen Güterordnung Verfahren zur rechtsgeschäftlichen oder zwangsweisen Verwertung an die Seite (§ 10). Nachdem feststeht, dass der Regelungsplan dieser Materien nicht unter Berufung auf das Grundgesetz und ein ungeschriebenes Rechtsprinzip überschritten werden darf, erweist sich das der Zuordnung von Gütern dienende einfache Recht als statisch: Das Sacheigentum und die Immaterialgüterrechte haben einen vertikal und horizontal begrenzten Schutzbereich, mit dem der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht hat, welche Güter und welche hierauf bezogenen Nutzungen dem Rechtsinhaber vorbehalten sein sollen. Diese Bestimmung von Inhalt und Schranken des verfassungsrechtlichen Eigentums (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG) darf mangels rechtlicher Vergleichbarkeit und planwidriger Regelungslücke nicht im Wege der Gesetzes- oder Rechtsanalogie auf weitere Güter und Nutzungen erstreckt werden1. Ansprüche auf Ersatz des Wertes wegen Eingriffskondiktion und auf Her-
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ausgabe des Gewinns wegen angemaßter Eigengeschäftsführung setzen eine gesetzliche Regelung voraus, die besagt, dass diese Vermögensvorteile allein dem Bereicherungsgläubiger bzw. Geschäftsherrn zustehen. Dabei muss es sich zwar nicht um ein Ausschließlichkeitsrecht handeln (Forderungszuständigkeit, Vormerkung); der erforderliche Zuweisungsgehalt des objektiven Rechts kann aber weder unter Berufung auf die §§ 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt., 687 Abs. 2 BGB noch durch sonstige, in der einschlägigen gesetzlichen Regelung nicht verankerte Gesichtspunkte hergeleitet werden. Damit erweisen sich diese Vorschriften zur Verwirklichung externer Güterzuordnungen ebenfalls als unflexibel. Dasselbe gilt für das Rechtsverkehrsrecht, das diese materielle Güterordnung unverändert lässt und lediglich reguliert, wie selbständige subjektive Rechte übertragen und rechtlich zulässigerweise realisierbare Vermögenswerte vererbt und in der Insolvenz verwertet werden. Eine gewisse Dynamik wohnt nur den zuletzt genannten Universalsukzessionen inne. Denn sie erfassen neben vorbestehenden, selbständigen subjektiven Rechten sämtliche Güter, die durch Abschluss wirksamer Verpflichtungsgeschäfte versilbert werden können. Hierzu zählen gerade auch Güter wie Geheimnisse und der Goodwill eines Unternehmens, an denen keine Ausschließlichkeitsrechte bestehen. Freilich verwandeln sich die ggf. richterlich herausgebildeten, deliktsrechtlichen Rechtspositionen, die dem Begünstigten die schuldrechtliche Vermarktung ermöglichen, deshalb nicht in umlauffähige subjektive Rechte, wie dies die Dücko-Entscheidung für Know-how im Konkurs annahm. Außerdem sind Rechtspositionen unvererblich, die ihrem Sinn und Zweck nach untrennbar an die Person des Erblassers geknüpft sind und mit seinem Tode erlöschen (aPR). Vom Insolvenzbeschlag nicht erfasst sind solche rechtsgeschäftlich kommerzialisierbaren Güter, deren zwangsweise Verwertung zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Selbstbestimmung des Schuldners führt (Arbeitskraft einschließlich der Kommerzialisierung von Persönlichkeitsmerkmalen). Die dargestellte Statik des der Güterzuordnung bzw. -verwertung dienenden Privat- und Verfahrensrechts entspricht der Struktur der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie. Denn deren Schutzbereich setzt voraus, dass einem Grundrechtsträger nach Maßgabe des einfachen Rechts ein subjektives Recht zur privaten Nutzung und Verfügung zusteht. Zur Schaffung neuer Ausschließlichkeitsrechte verpflichtet die abstrakte Institutsgarantie den Gesetzgeber – und nicht die Judikative (!) – nur, wenn ein eigenverantwortliches Leben im vermögensrechtlichen Bereich sonst unmöglich oder grundlegend beeinträchtigt ist (§ 11). Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, ob die Rechtsordnung das empfundene Eigentumsdefizit bereits durch Instrumente behebt, die nicht unter Art. 14 GG fallen2. Angesprochen ist damit ein reflexartiger Schutz vor unerlaubter Nutzung von Gütern auf der Basis des Deliktsrechts. Jenes räumt der Rechtsprechung einen 1
Oben §§ 5 C, 12 C VI. Allgemein in diesem Sinne zur Verletzung des Untermaßverbots und zur Feststellung einer Schutzpflicht abweichende Meinungen BVerfGE 109, 190, 247 f. (2004). 2
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Teil 3: Konsequenzen und Ausblick
viel größeren Spielraum zur Wahrung individueller Interessen ein als die speziell güterzuordnenden Materien.
II. Grenzen deliktsrechtlicher Dynamik Unter das Deliktsrecht werden hier die §§ 823 ff. BGB, der allgemeine Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch (§ 6) sowie das Lauterkeitsrecht des UWG (§ 7) gefasst. Die Untersuchung ihres güterzuordnenden Gehalts hat ergeben, dass die Rechtsprechung das Deliktsrecht des BGB durchaus um ungeschriebene „sonstige Rechte“ gem. § 823 Abs. 1 BGB erweitert hat, und ihr sowohl im BGB als auch im UWG Generalklauseln zur Verfügung stehen, mit denen sie flexibel auf nicht spezialgesetzlich geregelte Sachverhalte reagieren soll. Fraglich ist, wie sich diese Dynamik des Deliktsrechts zur Statik güterzuordnender Regelungen verhält, und wo ihre Grenzen verlaufen. Dabei wird zwischen der Fortbildung des BGB-Deliktsrechts (dazu 1) und der Anwendung der lauterkeitsrechtlichen Generalklausel unterschieden (dazu 2). 1. Fortbildung des BGB-Deliktsrechts a) Statik und Dynamik des BGB-Deliktsrechts Die §§ 823 ff. BGB dienen auch der Verwirklichung von Güterzuordnungen. Insbesondere sieht § 823 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Schadensersatz für rechtswidrige und schuldhafte Verletzungen des Eigentums und „sonstiger Rechte“ vor. Hiermit sind, wie in § 6 B erläutert, außerhalb des Rechts der unerlaubten Handlung niedergelegte Ausschließlichkeitsrechte mit Wirkungen wie das Sacheigentum gemeint. Im Hinblick auf diesen Regelungszweck erweist sich § 823 Abs. 1 BGB jedoch als genauso statisch wie die Eingriffskondiktion und die Geschäftsanmaßung. Wie jenen geht der Vorschrift eine interne güterzuordnende Kraft ab; sie erschöpft sich in einem Verweis auf vorausgesetzte primäre Ausschließlichkeitsrechte, für die sie einen sekundären Anspruch auf Schadensersatz bereithält. Die richterrechtliche Anerkennung ungeschriebener „sonstiger Rechte“ und Deliktstatbestände steht hiermit nur auf den ersten Blick in Widerspruch. Diese Dynamik dient nämlich nicht dem Schutz individueller Interessen am exklusiven Haben. Sie führte dementsprechend nicht zur Anerkennung selbständig übertragbarer ausschließlicher Rechte, sondern zu offenen Rahmenrechten wie dem aPR und dem Recht am Gewerbebetrieb, die die Gewährleistung persönlicher Entfaltung bezwecken3. Das generalklauselartige Verbot vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung vermag mit seiner Ausrichtung auf die Art und Weise der sanktionierten Handlung von vornherein keine positiv-exklusiven Befugnisse an Gütern zu tragen; im Ge3
Zu den Grenzen dieser Rechtsfortbildung sogleich b-d.
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genteil, es begrenzt sogar die Ausübung normierter Ausschließlichkeitsrechte im Interesse der allgemeinen Handlungsfreiheit des Geschädigten. § 826 BGB ist daher auch in der Rechtspraxis nie in die Rolle eines Schrittmachers der Güterzuordnung hineingewachsen4. Die generalklauselartige Weite seines Tatbestands erlaubt der Rechtsprechung freilich, im Einzelfall die Nutzung „neuer“ Güter zu untersagen. Nur darf dies nicht zur Etablierung statischer Vorzugsbereiche, sondern allenfalls zum Schutz der Handlungsfreiheit des Betroffenen geschehen. Außerdem wird in der Regel das Sonderdeliktsrecht des UWG für wettbewerbliches Verhalten vorrangig anwendbar sein. Soweit das einmal nicht der Fall ist, sind zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen die Grenzen der lauterkeitsrechtlichen Generalklausel im Hinblick auf nicht gestattete Güternutzungen zu beachten5. Für den im Vergleich hierzu noch eher auf individuelle Interessen ausgerichteten § 826 BGB bedeutet das, dass ein Abwehr- und Schadensersatzanspruch nur in Betracht kommt, wenn die Verwendung des Gutes den Betroffenen in gezielter Weise daran hindert, seinerseits diese Freiheitsausübung an den Tag zu legen, obwohl das Rechtsprinzip gleicher Freiheit ihm dieses Verhalten doch garantiert6. Nachdem feststeht, dass dieser Regelungsplan nicht auf der Basis des Art. 14 GG oder eines Rechtsprinzips der Güterzuordnung modifiziert werden darf, ist noch auf die in § 6 offengelassene Frage nach den Grenzen der rechtsfortbildenden Überwindung des Prinzips enumerativ aufgezählter deliktischer Haftung einzugehen. Zwar liegt dieser nicht verkehrsfähige, gesetzliche Schutz individueller Interessen außerhalb des ursprünglichen Prüfungsprogramms, das auf originäre Ausschließlichkeitsrechte ausgerichtet war7. Zur Formulierung einer allgemeinen Theorie der Güterzuordnung in einem weiteren, jede Art individueller Rechtspositionen einbeziehenden Sinne8 ist es jedoch erforderlich, die Befugnisse der Gerichte zur Fortbildung des BGB-Deliktsrechts zumindest in ihren Grundzügen zu klären. Dazu kann auf die Erkenntnisse zur Bindung der Judikative an Gesetz und Recht zurückgegriffen werden9. b) Kein Verbot der Fortbildung des Deliktsrechts Zu diesen allgemeinen Grundlagen der Kompetenzabgrenzung zwischen Gerichten und Gesetzgeber zählt, dass die Grenzen judikativer Befugnisse nicht pauschal, sondern im Hinblick auf konkrete Rechtsfragen zu bestimmen sind. Deshalb wäre die Annahme verfehlt, der Parlamentsvorbehalt für die Schaffung 4
Dazu oben § 6 C. Zur Berücksichtigung lauterkeitsrechtlicher Wertungen bei der Fortbildung des BGB-Deliktsrechts unten d. 6 Zur allgemeinen Marktstörung gem. § 3 UWG unten 2 b. 7 Dazu oben Einleitung C I. 8 Dazu oben § 1 C (Begriff der Güterzuordnung), unten § 14 B (allgemeine Theorie der Güterzuordnung unter Einbeziehung des reflexartigen Normenschutzes). 9 Siehe dazu oben §§ 2 C, 12 C IV. 5
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von Ausschließlichkeitsrechten müsse gleichermaßen für deliktsrechtliche Tatbestände gelten. Vielmehr sprechen mehrere Gründe gegen ein generelles Verbot der Fortbildung des Deliktsrechts. Zunächst stellen die genannten Rechtspositionen kein verfassungsrechtliches Eigentum dar und unterliegen daher nicht der eindeutigen Zuständigkeitsregel des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG10. Außerdem legt es der Regelungszweck des Deliktsrechts nahe, dass der Judikative insoweit ein gewisser Entwicklungs- und Anpassungsspielraum zukommt11. Es dient nämlich der Abgrenzung individueller Interessenkreise durch Aufstellung und Durchsetzung allgemeiner Rechtspflichten. Diese Rechtskreise werden nicht nur deliktsrechtsextern etwa durch die normierten Ausschließlichkeitsrechte etabliert, sondern auch von den §§ 823 ff. BGB selbst, wie sich insbesondere an § 826 BGB ablesen lässt12. Trotz der bewussten Entscheidung gegen eine große Generalklausel hat der Gesetzgeber den Gerichten also durchaus die Befugnis zugestanden, Interessenkollisionen ohne spezialgesetzliche Vorgabe zu lösen. Dahinter steht die Erkenntnis, dass es unmöglich ist, alle denkbaren Konfliktfälle außerhalb von Sonderbeziehungen speziellen Regelungen zuzuführen. Hierfür müssen vielmehr allgemeine Vorgaben genügen, anhand derer die Gerichte unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der betroffenen Interessen Rechtskreise festlegen13, wobei die kollidierenden Entfaltungswünsche letztlich im Sinne praktischer Konkordanz so zu begrenzen sind, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden14. Bei diesem Ausgleich gleichgeordneter privater Interessen handelt es sich anerkanntermaßen nicht um eine dem parlamentarischen Gesetzgeber nach dem Wesentlichkeitsgrundsatz vorbehaltene Entscheidung; viel-
10
Dazu aus verfassungsrechtlicher Sicht oben § 11 B II 2, D I 1. In diesem Sinne bereits oben §§ 6 B V, 12 C IV. 12 Oben § 6 E. 13 BVerfGE 7, 198, 220 (1958) – Lüth; BVerfGE 47, 327, 369 (1978); BVerfGE 96, 375, 393 (1997) (§ 823 Abs. 1 BGB sei von jeher von den Richtern als ausreichend bestimmte Grundlage zur Entscheidung von Haftungsfragen herangezogen worden); Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1402 f. (die Ablehnung dieser Möglichkeit wäre „unbeholfener Gesetzespositivismus“); v. Caemmerer, FS DJT II, 49, 96; Stoll, Richterliche Fortbildung, 29. 14 Zu diesem Prinzip des schonendsten Ausgleichs im Verfassungsrecht BVerfGE 39, 1, 43 (1975); BVerfGE 83, 130, 143 (1990); BVerfG NJW 1994, 36, 38; BVerfG NJW 2005, 596, 598; BVerfG NJW 2006, 596, 598; BAG NZA 1998, 754, 757; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht, 113; Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 317 f.; Clemens, in: Umbach/Clemens, vor Art. 2 ff. GG Rn. 23 (Konflikte zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz als wichtigstes Anwendungsfeld der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte); Ossenbühl, in: HdbGRe, § 15 Rn. 30. Beispiel aus der Zivilrechtsprechung BGHZ 166, 84, 109 (2006) (Anwendung der Wechselwirkungslehre für das Grundrecht der Meinungsfreiheit). Kritisch zur detaillierten gerichtlichen Abwägung aus der Sicht der Gewaltenteilung abweichende Meinung BVerfGE 109, 190, 245 (2004); Diederichsen, AcP 198 (1998), 171, 228 (der Kanon der Grundwerte sei für die Abwägung völlig unzulänglich). Nach Auffassung von Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 75 mit Fn. 223 ist „die äußerst schwierige Frage, wann das Verhalten eines Privatrechtssubjekts gegenüber einem anderen in einer verfassungsrechtlich relevanten, also dem (einfachen) Gesetz vorgelagerten Weise rechtswidrig ist, bisher nahezu völlig ungeklärt …“ (Hervorh. im Original). 11
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mehr werden die Gerichte insoweit sogar als verpflichtet angesehen, jeden vor sie gebrachten Rechtsstreit sachgerecht zu entscheiden15. Festzuhalten ist also, dass anders als im Hinblick auf Ausschließlichkeitsrechte kein prinzipielles Verbot besteht, deliktsrechtliche Haftungstatbestände zu entwickeln, die im ursprünglichen Regelungsplan der §§ 823 ff. BGB nicht enthalten waren. Allerdings lässt die differenzierte Struktur des geltenden Deliktsrechts erkennen, dass nicht jeder Vermögensschaden zu ersetzen ist, sondern eine Schadensverlagerung bzw. vorbeugende Abwehr nur nach Maßgabe der enumerativen gesetzlichen Tatbestände in Betracht kommt. An diese gesetzgeberische Grundentscheidung zur Vermeidung unverhältnismäßiger Haftungsrisiken im Interesse der allgemeinen Handlungsfreiheit sind die Gerichte gebunden16. Fraglich und im Folgenden zu skizzieren ist daher, unter welchen Voraussetzungen das Enumerationsprinzip ausnahmsweise zum Schutz individueller Interessen überschritten werden darf. Dabei ist das Augenmerk auf die rechtsfortbildende Anerkennung ungeschriebener „sonstiger Rechte“ gem. § 823 Abs. 1 BGB gerichtet, weil diese Fälle der statischen Güterzuordnung zumindest systematisch besonders nahe stehen17. c) Unzureichende Erklärungen der Rechtsfortbildung Die wohl herrschende Meinung verlangt insoweit ein „absolutes Recht“, das wie die in § 823 Abs. 1 BGB ausdrücklich genannten Lebensgüter und das Eigentum durch Ausschlussfunktion gegenüber jedermann und Zuweisungsgehalt zum Haben und Nutzen geprägt sei18. Vor dem Hintergrund der bisherigen Ergebnisse vermag dieser Ansatz indes nicht zu überzeugen19: 15 BVerfGE 84, 212, 227 (1991); BVerfGE 88, 103, 115 f. (1993) (Koalitionsfreiheit); BVerfGE 96, 375, 399 (1997) (soweit das Haftungsrecht einer solchen Fortbildung zugänglich sei); Brecher, Unternehmen als Rechtsgegenstand, 50 f.; Isensee, in: HdbStR, § 111 Rn. 128. 16 Oben §§ 6 E, 9 E II; ferner Dürig, ZgS 109 (1953), 326, 342 (keine Notwendigkeit des Schutzes des Vermögens); Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 355 f. (die Gerichte dürften die Abwägungen des Gesetzgebers nicht im Durchgriff auf Grundrechte unter Berufung auf ihre eigene Abwägung korrigieren). 17 Siehe oben § 6 B IV. Zum Fokus der Rechtsentwicklung auf § 823 Abs. 1 BGB Deutsch, VersR 1991, 837, 840; Fikentscher, FS Kronstein, 261, 264 (systematischer Notbehelf); Gieseke, GRUR 1950, 298. 18 RGZ 57, 353, 356 (1904) (in Abgrenzung zum Deliktsschutz relativer Rechte); für die familienrechtlichen Konstellationen auch RGZ 72, 128, 130 (1909); RG JW 1913, 202 (elterliche Sorge als dem Eigentum gleichstehendes Recht); RGZ 95, 283, 284 (1919); BGHZ 24, 72, 78 (1957); BGH NJW 1969, 1208, 1209 (Eingriff in ein absolutes Recht); BVerfGE 49, 304, 315 f. (1978) (das aPR als „absolutes Recht“); OLG Hamburg NJW 1956, 716; LG Chemnitz ZUM 2005, 572, 573 (Nähe des „sonstigen absoluten Rechts“ am Gewerbebetrieb zum Eigentum); im Ansatz auch v. Gierke, Dt. Privatrecht III, 891; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 938 (Verletzung eines allgemein geschützten Rechts); Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 373 f., 392 (die genannten Güter verfügten über Ausschlussfunktion und Zuweisungsgehalt); Hager, in: Staudinger, § 823 BGB Rn. B124; Spickhoff, in: Soergel13, § 823 BGB Rn. 86; Teichmann, in: Jauernig, § 823 BGB Rn. 12; Schaub, in: Prütting/Wegen/Weinreich, § 823 BGB Rn. 56; Staudinger, in: Hk-BGB, § 823 BGB Rn. 28; Sprau, in: Palandt, § 823 BGB Rn. 11 (Rechte mit Ausschließlichkeitscharakter, insbesondere absolute Rechte); Schiemann, in: Erman, § 823 BGB Rn. 35, 51; Schildt, WM 1996, 2261, 2265; Riesenhuber,
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Das gilt zunächst im Sinne einer die Rechtsentwicklung nur beschreibenden Dogmatik. Denn die richterrechtlich entwickelten Rahmenrechte und weiteren Deliktspositionen weisen durchweg weder formal noch teleologisch eine Ähnlichkeit zum Sacheigentum auf. Sie verfügen über keinen vordefinierten Schutzbereich, dessen Verletzung die Rechtswidrigkeit indiziert, und sie sind nicht als selbständige Rechte übertragbar. Diese Wirkungen reflektieren ihren Zweck, der nicht auf den statischen Schutz des Erworbenen gerichtet ist, sondern die freie Entfaltung der Persönlichkeit in verschiedenen Kontexten (engere Persönlichkeitssphäre, wirtschaftliche Betätigung, Ehe und Familie, Koalitionen) gewährleisten soll20. Aber auch als Tatbestandsvoraussetzung einer erweiternden Anwendung des § 823 Abs. 1 BGB ist die Frage nach einem „absoluten Recht“ mit Ausschluss- und Zuweisungsgehalt verfehlt. Denn damit wird an den ursprünglichen Regelungsplan der Vorschrift angeknüpft, der die Gerichte aber nicht zur eigenständigen Entwicklung „sonstiger“ Rechte ermächtigt, sondern auf normextern abzuleitende Güterzuordnungen verweist. Im Kontext der §§ 823 ff. BGB ist diese „kleine“ Generalklausel ein Instrument zur Verwirklichung des Enumerationsprinzips, das der Haftungserweiterung gerade entgegensteht. Die Kriterien, mit denen das Gesetz die Ersatzpflicht konkretisiert und beschränkt, können nicht zugleich die Maßstäbe liefern, um eben jene Schranken zu überwinden21. Das Reichsgericht agierte mit diesen Gesichtspunkten denn auch ursprünglich nur, um relativen Rechten den Deliktsschutz zu versagen, nicht zur Begründung neuer „absoluter Rechte“22. Schließlich läuft die Argumentation der herrschenden Meinung auf einen Zirkelschluss hinaus, weil ja erst begründet werden soll, warum Interessen bzw. Güter so gegen jedermann geschützt werden, dass man von einem eigentumsähnlichen „sonstigen Recht“ sprechen kann. Dieses Prüfungsziel kann aber nicht seinerseits mit der Einordnung als „absolutes Recht“ hergeleitet werden23. Der Mangel eines hinreichenden Grundes für JZ 19 1999, 711, 714; Götz/Götz, JuS 1995, 106, 108; Helms, Vereinsmitgliedschaft, 77; Lipp, Die eherechtlichen Pflichten, 184 f.; Krasser, Schutz vertraglicher Rechte, 184 und öfter (ausschließliche Gegenstandszuweisung); Preusche, Unternehmensschutz, 104 ff.; Klink, Mitgliedschaft, 68; Habersack, Mitgliedschaft, 131 (der Gesetzgeber habe die subjektiven Rechte nicht aufgezählt); Kloepfer/Katins, K&R 2005, 407, 409 f. (für eine „Herrschaft über den eigenen E-Mail-Account“); Schrauder, Wettbewerbsverstöße, 213 f.; wenig klar Spindler, in: Bamberger/Roth, § 823 BGB Rn. 72 (absolute, ausschließliche Rechtsgüter); für die Möglichkeit der rechtsanalogen Anerkennung „neuer Rechte“ auch Stoll, Richterliche Fortbildung, 29. 19 Kritisch auch Schwitanski, Deliktsrecht, 139 ff. (das Merkmal der Absolutheit sei in keiner Weise geeignet, die „sonstigen Rechte“ zu bestimmen); Medicus, FS Steffen, 333, 342 (wenig aussagekräftig). 20 Oben § 6 B IV, V. Abzulehnen daher auch der Lösungsvorschlag von Schwitanski, Deliktsrecht, 330, der für das Recht am Gewerbebetrieb auf eine extensive Auslegung des Eigentums abstellen möchte, obwohl er selbst erkennt, dass das Recht am Gewerbebetrieb den Erwerb und nicht das Erworbene schützt. 21 Schwitanski, Deliktsrecht, 312 f. 22 RGZ 57, 353, 356 (1904). 23 Siehe Hager, in: Staudinger, § 823 BGB Rn. A15; Preusche, Unternehmensschutz, 104 (ein absolutes Recht sei ein besonders wichtiges Recht); beispielhaft RG JW 1913, 202. Kritisch wie hier
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dieses Tatbestandsmerkmal macht sich in vielen Anwendungen bemerkbar, die auf apodiktische Behauptungen hinauslaufen24 oder einen „bestimmbaren“ Schutzbereich genügen lassen, aber nicht erklären, warum gerade der vom Sprecher postulierte richtig bemessen sein soll25. Nur vordergründig verdeckt wird dieses Defizit von begriffsjuristischen Ausführungen zum „Wesen“ des „absoluten Rechts“ ohne Rückkopplung auf nachvollziehbare Wertungen des Deliktsrechts oder anderer einschlägiger Materien26. In vielen Stellungnahmen wird alternativ oder zusätzlich darauf abgestellt, ob ein vergegenständlichtes27, sozialtypisch erkennbares Interesse betroffen sei, das von den übrigen Rechtsgenossen wegen dieser „Offenkundigkeit“ akzeptiert und respektiert werden müsse28. Auch diese Auffassung gibt weder die Rechtsprechung zu § 823 Abs. 1 BGB zutreffend wieder – denn es werden durchaus 24 Becker, AcP 196 (1996), 439, 463 mit Fn. 84; Canaris, FS Steffen, 85, 91 („Unterfall des hermeneutischen Zirkels zwischen Allgemeinen und Besonderen“); Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 502 (der Träger des aPR müsse ebenso wie bei allen anderen Gütern und Rechten, die unter § 823 Abs. 1 BGB fallen, grundsätzlich allein die Befugnis haben, über die wirtschaftliche Nutzung zu entscheiden); Habersack, Mitgliedschaft, 131; Schaub, in: Prütting/Wegen/Weinreich, § 823 BGB Rn. 56. 24 Siehe ohne nachvollziehbares Argument Fabricius, AcP 160 (1961), 273, 288 f.; Schrauder, Wettbewerbsverstöße, 213 f.; Schiemann, in: Erman, § 823 BGB Rn. 52 („ähnliches Schutzinteresse“ ohne positives Beispiel); Stoll, Richterliche Fortbildung, 29 („Rechtsanalogie“ zur Anerkennung „bestimmter“ Rechtspositionen sei zulässig). 25 Auf die Bestimmbarkeit des Schutzbereichs abstellend Neumann-Duesberg, NJW 1957, 1341, 1344; Schrauder, Wettbewerbsverstöße, 169 (ein deutlich abgegrenzter Gegenstand genüge); Buchner, Unternehmensschutz, 260 f. (Schutz gegen bestimmte Beeinträchtigungshandlungen genüge); Preusche, Unternehmensschutz, 95, 104 (Grenzen des Schutzes müssten einigermaßen klar konturiert und erkennbar sein); Larenz, NJW 1955, 521, 523 ff.; Schmidt, JuS 1993, 985, 987 (Mindestmaß an Konturiertheit genüge); Brecher, Unternehmen als Rechtsgegenstand, 131; Schippel, Das Recht am Gewerbebetrieb, 62. Gegen das die Grenzen jedes subjektiven Rechts verkennende Argument der Bestimmbarkeit des Schutzbereichs auch Gieseke, GRUR 1950, 298, 302 f. 26 Kritisch auch Schwitanski, Deliktsrecht, 137 f. Siehe z.B. Preusche, Unternehmensschutz, 104 ff., 190 f. („Wesen“ eines subjektiven Rechts); Katzenberger, passim; Helms, Vereinsmitgliedschaft, 64 ff.; widersprüchlich Habersack, Mitgliedschaft, 26 f. (der Begriff des subjektiven Rechts sei ein ausfüllungsbedürftiger Rahmenbegriff, der keine konkreten Ableitungen erlaube), 128 (der Kreis der „sonstigen Rechte“ bestimme sich anhand der besonderen Struktur der subjektiven Rechte). 27 So das RG in der das Recht am Gewerbebetrieb begründenden Jutefaser-Entscheidung; RGZ 58, 24, 29 f. (1904); so bereits RGZ 51, 369, 373 f. (1902); ferner BGHZ 24, 200, 206 (1957) (geschützt sei nicht die Tätigkeit, sondern die in einem Geschäftsunternehmen verkörperten Werte); ferner oben § 6 B IV 2 a. 28 Fabricius, AcP 160 (1961), 273, 289 ff. (sozialtypische Offenkundigkeit, die „geistig-soziologisch“ und nicht „real-naturwissenschaftlich“ zu erfassen sei); Hubmann, Persönlichkeitsrecht, 141 ff.; Picker, JZ 1987, 1041, 1054; Preusche, Unternehmensschutz, 104 (das Recht müsse zu den für das soziale Zusammenleben besonders wichtigen Rechten gehören und leicht erfassbar sein); Kloepfer/Katins, K&R 2005, 407, 410; Krasser, Schutz vertraglicher Rechte, 186 (außerpersönlicher Gegenstand erforderlich); Peifer, Individualität, 535; Ehmann, AcP 188 (1988), 230, 304 ff., 337; ders., JuS 1997, 193, 195 ff. (erkennbare gegenständliche Verkörperung erforderlich); für den Deliktsschutz des berechtigten Besitzes auch RGZ 59, 326, 328 (1904); Schiemann, in: Erman, § 823 BGB Rn. 60 („Verdinglichung“ von Tätigkeiten).
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nicht objektivierte persönliche Interessen und alles andere als offenkundige Rechtspflichten wie das Verbot der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung über ungeschriebene „sonstige Rechte“ verwirklicht – noch liefern ihre Verfechter tragfähige Richtlinien für die Fortbildung des Deliktsrechts. Sie stellen nämlich auf bestimmte faktische Umstände ab, deren normative Bedeutung zur Überwindung des Enumerationsprinzips weder aus § 823 Abs. 1 BGB – der ja gerade keine Generalklausel sein sollte – noch aus sonstigen Rechtsnormen gewonnen werden kann. Die sozialtypische Offenkundigkeit deliktisch geschützter Rechtskreise wird für die Schadensersatz- und Abwehransprüche bereits im Rahmen der verkehrserforderlichen Sorgfalt bzw. der für eine Störerhaftung erforderlichen Prüfungspflichten berücksichtigt29. Für die gesondert zu beantwortende Frage nach einem „sonstigen Recht“ geben sie nichts her. Es handelt sich vielmehr um einen naturalistischen Fehlschluss, der mit der begründungslosen Identifizierung von Gut/Interesse und „sonstigem Recht“ kaschiert oder offen mit der eigenen „Sozial- oder Kulturauffassung“ propagiert wird30. Die fehlende Verankerung im objektiven Recht wirkt sich wiederum auf die praktische Anwendung dieser vagen Kriterien aus, die offenbar jedes beliebige Ergebnis begründbar machen31. d) Lösungsvorschlag aa) Voraussetzungen für eine Überwindung des Enumerationsprinzips Statt demnach in zirkulärer Weise nach einem Ausschluss- und Zuweisungsgehalt des ungeschriebenen „sonstigen Rechts“ zu fragen und/oder von faktischen Umständen auf allgemeine Rechtspflichten zu schließen, sollten die Voraussetzungen und Grenzen einer rechtsfortbildenden Überwindung des Enumerationsprinzips offengelegt und wie jede Aussage über das geltende Recht der Ge29
Zum Schadensersatzanspruch Löwisch, Deliktsschutz, 47. Beispielhaft RGZ 158, 248, 255 (1938) (Aktie als „sonstiges Recht“); Fabricius, AcP 160 (1961), 273, 279 (Gegenstand der Rechtsverletzung beim „Eigentumsrecht“ sei die Sache), 294, 299 (Sozial- und Kulturanschauung maßgeblich); Hubmann, Persönlichkeitsrecht, 142 („Kulturanschauung“). Kritisch bereits Enneccerus/Nipperdey, AT I/1, 435 („materialistisch und mit der Wertrangordnung des Grundgesetzes nicht vereinbar“); Krasser, Schutz vertraglicher Rechte, 182 f. (ob ein Rechtsgut von § 823 Abs. 1 BGB geschützt sei, hänge nicht von dessen tatsächlichen Eigenschaften ab, sondern von den darauf bezogenen Rechtsnormen (Hervorh. im Original)); Habersack, Mitgliedschaft, 129; zur Trennung von Rechtsgut und subjektiver Rechtsposition Hueck, Unkörperliche Geschäftswerte, 35; Lipp, Eherechtliche Pflichten, 193. 31 Kritisch zur Beliebigkeit der Ergebnisse Medicus, FS Steffen, 333, 335; Hager, in: Staudinger, § 823 BGB Rn. B124 (soziale Offenkundigkeit sei als ausschließliches Definitionsmerkmal mangels tatbestandlicher Präzision untauglich); Jansen, Struktur des Haftungsrechts, 471 (zu unscharf); Schaub, in: Prütting/Wegen/Weinreich, § 823 BGB Rn. 56; Lipp, Eherechtliche Pflichten, 191 (zu vage); Stadtmüller, Schutzbereich, 123 (genüge allein nicht); Klink, Mitgliedschaft, 70 f.; Habersack, Mitgliedschaft, 129 f. Für einen sehr weitreichenden Deliktsschutz im Gegensatz zur ganz h.M. Fabricius, AcP 160 (1961), 273, 296 (Forderungen), 305 ff. (Recht am Arbeitsplatz), 316 ff. (Recht auf ungestörten Fortbestand der Ehe). 30
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samtheit der Rechtsordnung und nur jener entnommen werden32. Das sei hier zumindest in Grundzügen versucht. Ausgangspunkt des hier vertretenen Lösungsvorschlags ist die Erkenntnis, dass die Anforderungen an eine zulässige, rechtsfortbildende Erweiterung deliktsrechtlicher Haftung nicht aus den §§ 823 ff. BGB gewonnen werden können, denn jene lauten ja gerade auf den gegenteiligen Grundsatz des casum sentit dominus, gewähren im konkreten Fall also keinen Anspruch33. Die Überwindung des Enumerationsprinzips kann mit anderen Worten nicht aus den gezielt beschränkten Tatbeständen des Deliktsrechts abgeleitet werden. Diese Abstraktion von den Haftungsvoraussetzungen der §§ 823 ff. BGB wird in den Literatur zwar vereinzelt vertreten; die vorgeschlagenen Kriterien einer „Notwendigkeit“ der Herausarbeitung richterlicher Verhaltensregeln34, der „Berechtigung“ des Schutzes35 und der praktischen Bedürfnisse des Rechtslebens im Gesamtzusammenhang der Rechtsordnung36 bleiben aber ausgesprochen blass. Nachvollziehbare Grundsätze verspricht hingegen eine scharfe Unterscheidung zweier Prüfungsebenen. In einem ersten Schritt ist zu klären, dass und warum die angegriffene Verhaltensweise von den enumerativen Tatbeständen des Deliktsrechts nicht erfasst ist. Das negative Ergebnis darf nicht auf einer gezielten Regelung etwa in Gestalt einer Ausnahme von einem Schutzgesetz beruhen, die eine Erweiterung der Haftung verbietet37. Der zweite Schritt dient der Begründung, warum an die Stelle der dem Regelungsplan des Deliktsrechts entsprechenden Haftungsfreiheit (Klageabweisung) ausnahmsweise doch Schadensersatzoder Abwehransprüche gesetzt werden dürfen. Nicht anders als bei der Anerkennung ungeschriebener Ausschließlichkeitsrechte muss für diese Einschränkung jedenfalls der allgemeinen Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG eine deliktsrechtsexterne (siehe Schritt 1) Grundlage in der verfassungsmäßigen Ordnung bestehen. Da eine unmittelbar einschlägige Regelung (insbesondere in Gestalt eines Schutzgesetzes) fehlt, kommen hierfür nur verfassungsrechtliche
32 Dazu und zum Vorbehalt unverfügbarer Menschenrechte, die sich gegen evident ungerechtes, positives Gesetzesrecht durchsetzen, oben § 12 C II. 33 Verfehlt daher der Verweis auf den Ausgleichsgedanken als rechtsethisches Prinzip bei Buchner, Unternehmensschutz, 252; kritisch dazu auch Stadtmüller, Schutzbereich, 116 (der eigentliche Schutzbereich des Rechts am Gewerbebetrieb komme immer weniger zum Vorschein); Schwitanski, Deliktsrecht, 318 ff. (ein allgemeiner Gedanke, dass Schadenszufügung zum Ausgleich verpflichte, lasse sich dem Deliktsrecht gerade nicht entnehmen). 34 Siehe Schrauder, Wettbewerbsverstöße, 162; ausführliche Kritik insoweit bei Schwitanski, Deliktsrecht, 314 ff. 35 Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1402 f. (die Ablehnung dieser Möglichkeit wäre „unbeholfener Gesetzespositivismus“). 36 V. Caemmerer, FS DJT II, 49, 96. 37 Ebenso das Vorgehen von BGHZ 166, 84, 108 (2006); Ehmann, FS 50 Jahre BGH, 613, 622 („Mitteldinger“ wie das aPR und das Recht am Gewerbebetrieb blieben so lange erforderlich, wie wegen der nicht erfüllten Voraussetzungen der anderen Deliktsnormen (bei § 823 Abs. 2 BGB das Schutzgesetz, bei § 826 BGB das Vorsatzerfordernis, bei den Verkehrspflichten gem. § 823 Abs. 1 BGB das absolute Recht) Lücken bestehen blieben).
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Schutzpflichten38 oder im einfachen Recht verankerte und auf das Deliktsrecht übertragbare Prinzipien39 in Betracht40. Bei der systematischen Verortung dieser Rechtsfortbildung sollte es vor allen Dingen darum gehen, den Umstand und die Legitimationsgründe der ausnahmsweisen Haftungserweiterung transparent zu machen, also offenzulegen, dass der konkrete Sachverhalt kein sonstiges Recht i.S.d. § 823 Abs. 1, kein Schutzgesetz gem. § 823 Abs. 2 BGB41 und keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung gem. § 826 BGB betrifft42. Die an der gesetzlichen Regelung des Deliktsrechts orientierten Versuche, Rahmenrechte als eigentumsähnlich zu verteidigen oder ungeschriebene Verkehrspflichten zu Schutzgesetzen zu erheben, verdunkeln den Zweck der jeweiligen Grenzüberschreitung und können sogar dazu führen, das ggf. berechtigte Haftungsbedürfnis in Misskredit zu bringen. Die am Telos des Rechts am Gewerbebetrieb vorbeigehende Kritik eines in der Tat abzulehnenden „absoluten Rechts“ an der erreichten Marktposition ist hierfür ein beredtes Beispiel. In die richtige Richtung geht daher die jüngere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die ohne Erwähnung des „sonstigen Rechts“ von „Rahmenrechten“ oder einer „vom Deliktsrecht geschützten Rechtsposition“ gem. § 823 Abs. 1 BGB spricht43. Soweit verfassungsrechtliche Schutzpflichten die Überwindung des Enumerationsprinzips gebieten, erscheint die Nennung der betroffenen Grundrechte i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB besonders geeignet, die Gründe der Rechtsfortbildung auszuweisen44.
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Ähnlich Steffen, in: RGRK, § 823 BGB Rn. 26; Deutsch, VersR 1991, 837, 839 (Beschränkung der Haftungserweiterung auf das verfassungsrechtlich Notwendige). Skeptisch v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht I, Rn. 595 (das Verfassungsrecht müsse sich auf das Abschleifen von Kanten beschränken und nicht selbst Zivilrecht ersetzen wollen). 39 Siehe BGHZ 32, 194, 204 f. (1960) (Wertungen des Besitzschutzes); BGH DB 1965, 889 (Berücksichtigung des Milch- und Fettgesetzes bei einer Auseinandersetzung zwischen Meierei und Milcherzeugern); Deutsch, VersR 1993, 1, 5. Zu Rechtsprinzipien als Instrumenten zur Überwindung der Hürde zwischen Sein und Sollen oben § 12 A. 40 Das ist in anderem Kontext etwa der methodische Lösungsweg von BGHZ 42, 210, 217 ff. (1964) (Aktivlegitimation von Gewerkschaften entgegen § 50 ZPO zum Schutz der Koalitionsfreiheit unter Hinweis auf § 10 ArbGG). 41 Zu Vorschlägen, richterliche Deliktstatbestände in § 823 Abs. 2 BGB zu verankern, oben § 6 A; ferner Canaris, FS Larenz, 27, 69 (Recht am Gewerbebetrieb). Zum Grundrecht der Koalitionsfreiheit als Schutzgesetz oben § 6 B IV 4. 42 Zu § 826 BGB oben § 6 C. Zur Verankerung von Rechtsfortbildungen in § 826 BGB ablehnend v. Caemmerer, FS DJT II, 49, 71; Hönn, in: Soergel, § 826 BGB Rn. 3. 43 Siehe oben §§ 4 B VII 2 a (aPR), 6 B IV 2–4 (Recht am Gewerbebetrieb und weitere Deliktstatbestände). 44 Zur Geldentschädigung wegen Verletzungen des aPR gem. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1, 2 Abs. 1 GG oben § 4 B VII 2 a; für ein Recht auf ungestörte Trauer um Familienangehörige gem. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Schutzauftrag aus Art. 1, 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 und 2 GG OLG Jena NJW-RR 2005, 1566, 1568. Unzureichend etwa BGH NJW 2002, 1192 (unzulässiger Eingriff in die „Rechte“ der Klägerin ohne Kennzeichnung, um welche „Rechte“ es sich handelt).
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bb) Nachweis der Tragfähigkeit anhand von Beispielen Die Tragfähigkeit der soeben dargestellten Grundsätze sei anhand einiger Beispiele richterlich entwickelter Deliktstatbestände nachgewiesen. Dabei schließt die Vielfalt und Komplexität deliktsrechtlicher Dynamik eine erschöpfende Stellungnahme zu allen Einzelfragen aus. Beabsichtigt ist lediglich ein kursorischer Überblick, der zeigt, dass die vorgeschlagene Methodik eine transparente Beurteilung von Haftungserweiterungen ermöglicht und zudem der Rechtspraxis entspricht: Der Rückgriff auf einschlägige Wertungen des einfachen Rechts lässt sich vor allen Dingen für die umstrittene Frage des Deliktsschutzes relativer Rechte fruchtbar machen45. Hierbei handelt es sich immerhin um vorbestehende subjektive Rechte, die jedoch mangels Wirkung gegen jedermann nicht unter § 823 Abs. 1 BGB fallen46. Dennoch billigen Rechtsprechung und Literatur dem Inhaber bestimmter relativer Rechte Ansprüche auf Schadensersatz und ggf. Unterlassung/Beseitigung gegen nicht vertraglich gebundene Dritte jenseits der Voraussetzungen des § 826 BGB zu. Maßgeblich hierfür ist, ob gesetzliche Regelungen außerhalb des Deliktsrechts erkennen lassen, dass die an sich nur zwischen den Vertragsparteien wirkende Befugnis gegen Eingriffe Dritter geschützt werden soll47. Das ist etwa für das obligatorische Recht zum Besitz der Fall, soweit den §§ 858 ff., 987 ff. BGB zu entnehmen ist, dass der Schädiger die Besitzbefugnis zu achten hat und dem Besitzer die betroffenen Nutzungen im Verhältnis zum Schädiger positiv zugewiesen sind48. Um derartige, deliktsrechtsexterne Wer45 Nicht durchgesetzt hat sich hingegen der Vorschlag von Löwisch, Deliktsschutz, 137 und öfter, für die Bejahung des objektiven Tatbestandes des § 823 Abs. 1 BGB die subjektive oder objektive Richtung der Handlung auf das relative Recht ausreichen zu lassen; ähnlich Preusche, Unternehmensschutz, 186 (mit einer Theorie der „typischen Gefahr“ für die Konturierung des Rechts am Unternehmen). Auch bei diesem Ansatz bleibt letztlich unklar, unter welchen Voraussetzungen man davon ausgehen kann, dass sich eine Handlung gegen ein Recht richtet. 46 Oben § 6 B III. 47 Insoweit hat die Frage nach der „Eigentumsähnlichkeit“ relativer Rechte eine gewisse Berechtigung. 48 Siehe RGZ 59, 326, 327 f. (1904) (das Recht des Mieters entwachse mit der Übergabe der Sache dem reinen Obligationenrecht); RGZ 91, 60, 65, 67 (1917) (Schließung von Lücken im Besitzschutz); RGZ 105, 213, 218 (1922); RGZ 170, 1, 6 f. (1942); BGHZ 32, 194, 204 (1960) (kein Schutz des mittelbaren Besitzes); BGHZ 62, 243, 248 ff. (1974) (auch im Verhältnis der Mitbesitzer zueinander); BGHZ 137, 89, 97 ff. (1997); Medicus, AcP 165 (1965), 115, 136 f. (die mit dem Besitz verbundene Befugnis sei entscheidend, nicht der Besitz an sich); ders., BürgR, Rn. 607; Deutsch, VersR 1993, 1, 3; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 396 f.; v. Caemmerer, FS DJT II, 49, 81 f.; Teichmann, in: Jauernig, § 823 BGB Rn. 16; Wagner, in: MünchKomm, § 823 BGB Rn. 151; Schiemann, in: Erman, § 823 BGB Rn. 43; Zeuner, in: Soergel12, § 823 BGB Rn. 58; Hager, in: Staudinger, § 823 BGB Rn. B168; Krasser, Schutz vertraglicher Rechte, 202. Zu Ansprüchen des nichtberechtigten Besitzers wegen verbotener Eigenmacht des Eigentümers/Hauptmieters auf Ersatz vereitelter Nutzungsmöglichkeiten ablehnend BGHZ 73, 355, 362 (1979); BGHZ 80, 232, 235 ff. (1981) (die Besitzschutzregelungen wiesen die Nutzung nicht dem Kläger zu); Wagner, in: MünchKomm, § 823 BGB Rn. 152; Hager, in: Staudinger, § 823 BGB Rn. B168; weitergehend Medicus, AcP 165 (1965), 115, 148; ders., BürgR, Rn. 607; v. Caemmerer, FS DJT II, 49, 83 (Schutz auch des unverklagten redlichen, aber unberechtigten Besitzers hinsichtlich des Haftungsschadens).
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tungen kreist auch der Streit um Schadensersatzansprüche des Forderungsinhabers gem. § 823 Abs. 1 BGB gegen denjenigen, der etwa durch Auftritt als Scheingläubiger eine Forderung rechtswidrig und schuldhaft zum Erlöschen bringt49. Von gesellschaftsrechtlichen Vorgaben geprägt ist wiederum die Diskussion, ob und unter welchen Voraussetzungen die sog. Mitgliedschaft im Sinne der vertraglich begründeten Rechtsstellung in einer juristischen Person50 Deliktsschutz genießt. Ausschlaggebend für die befürwortende Haltung der herrschenden Meinung im Hinblick auf den Bestand und die Ausübung des individuellen Teilhaberechts51 ist die Zuweisung der Befugnisse zum Mitglied und die Fungibilität des Bündels von Rechten und Pflichten nach Maßgabe gesetzlicher Regelungen52. Die Haftung des Schädigers steht zudem unter dem Vorbehalt gesellschafts(vertrags)rechtlicher Wertungen, die einen ergänzenden Rückgriff auf die §§ 823 ff. BGB ausschließen53. 49
Offengelassen hat die Rechtsprechung, ob sich dieser deliktische Schutz aus § 823 Abs. 1 BGB oder §§ 823 Abs. 2 i.V.m. 858 BGB ergibt; siehe RGZ 59, 326, 328 (1904) (dieser Streit habe lediglich theoretische Bedeutung); RG JW 1931, 2904, 2906; BGH WM 1976, 583, 584; BGHZ 73, 355, 362 (1979) (beide Anspruchsgrundlagen nebeneinander); gegen die Einordnung von § 858 BGB als Schutzgesetz Medicus, AcP 165 (1965), 115, 118. 49 Ansprüche bejahend Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 397 f.; Canaris, FS Steffen, 85 ff.; Picker, FS Canaris I, 1001, 1019 f. (unter Verweis auf § 816 Abs. 2 BGB); Hager, in: Staudinger, § 823 BGB Rn. B165; dazu tendierend Zeuner, in: Soergel12, § 823 BGB Rn. 48 (die Forderung sei dem Gläubiger wie das Eigentum zugewiesen); ablehnend Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 943 f.; Medicus, FS Steffen, 333, 342; Hübner, AT, Rn. 371 (deliktische Ansprüche drohten die Wertungen der auf diesen Fall zugeschnittenen §§ 407 Abs. 1, 816 Abs. 2, 2019 BGB zu unterlaufen). 50 Zum Begriff der Mitgliedschaft Lutter, AcP 180 (1980), 84, 158 f.; Hadding, FS Kellermann, 91, 95; Wiedemann, Übertragung und Vererbung, 1990, 39; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 394 ff.; Larenz/Wolf, AT, § 15 Rn. 86, 89 (Bündel von relativen Rechten und Gestaltungsrechten); differenzierend zwischen der Mitgliedschaft als individuellem Teilhaberecht (subjektives Recht) und als Rechtsverhältnis im Verband Schmidt, JZ 1991, 157 f.; Habersack, Mitgliedschaft, 66 ff., 98 ff., 145 ff. (Mitgliedschaft als vertraglich begründetes subjektives Recht sui generis); Klink, Mitgliedschaft als „sonstiges Recht“?, 84 ff.; Helms, Beeinträchtigung der Vereinsmitgliedschaft, 4 ff. 51 Gegen einen Schutz des Anteilswerts RGZ 158, 248, 255 (1938); obiter BGH NJW 2001, 971, 972; dafür OLG München NJW-RR 1991, 928 f. (Anteile an einem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb); siehe aus der Literatur Habersack, Mitgliedschaft, 149 ff.; Hager, in: Staudinger, § 823 BGB Rn. B 142 ff.; Grunewald, Gesellschafterklage, 99; Hadding, FS Kellermann, 91, 99 ff.; Schmidt, JZ 1991, 157, 159. 52 Zum Schutz im Außenverhältnis RGZ 100, 274, 278 (1920) (Geschäftsanteil einer GmbH als pfändbares „sonstiges Recht“); RGZ 158, 248, 255 (1938) (Aktie als „sonstiges Recht“); BGHZ 12, 308, 317 f. (1954) (erleichterte Anwendung des § 826 BGB bei der Beeinträchtigung von gesellschaftsrechtlichen Ansprüchen und Pflichten durch Dritte); BGHZ 110, 323, 327 f. (1990) (Schutz des Mitgliedschaftsrechts in einem Verein); aus der Literatur nur etwa Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 394 ff.; Hager, in: Staudinger, § 823 BGB Rn. B141; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 130; Grunewald, Gesellschafterklage, 99; Wiedemann, Übertragung und Vererbung, 1990, 39; Schmidt, JZ 1991, 157, 158; a.A. Hadding, FS Kellermann, 91, 104 f. (Mitgliedschaft sei die Stellung im Rechtsverhältnis und kein subjektives, erst recht kein „sonstiges Recht“); Klink, Mitgliedschaft als „sonstiges Recht“?, 170, 208 f. (im Innen- und Außenverhältnis sei die Mitgliedschaft nur ein relatives Recht). Zu vertraglichen und deliktischen Ansprüchen im Verhältnis zum Verein/der Gesellschaft BGHZ 90, 92, 95 (1984); BGHZ 110, 323, 327, 334 (1990); ferner BGH NJW-RR 2000, 758, 759; Habersack, Mitgliedschaft, 171 ff.; kritisch Hadding, FS Kellermann, 91, 94 ff.; Götz/Götz, JuS
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Der ausnahmsweise Deliktsschutz relativer Rechte knüpft immerhin an ein bestehendes subjektives Recht an. Anhand gesetzlich fundierter Wertungen ist „lediglich“ zu begründen, warum diese nicht gegen jedermann wirkenden Befugnisse allseitigen Schutz verdienen. Demgegenüber verstärken die in § 6 B IV erörterten Haftungstatbestände, insbesondere die Rahmenrechte aPR und Recht am Gewerbebetrieb, keine vertraglich begründeten Rechte, sondern etablieren Rechtskreise ohne derartige Grundlage. Wohl deshalb stehen hier vornehmlich verfassungsrechtliche Schutzpflichten im Vordergrund, die freilich nicht inflationär, sondern nur ganz ausnahmsweise und unter strengen Voraussetzungen angenommen werden dürfen54. Auf dieser Basis beruht nach allgemeiner Auffassung das zivilrechtliche aPR in seiner klassischen Ausprägung, das den verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsschutz gem. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG und postmortal den fortwirkenden Achtungsanspruch des Verstorbenen gem. Art. 1 Abs. 1 GG im Privatrechtsverhältnis verwirklicht55. Auch die Anwendung des Deliktsrechts auf spezialgesetzlich nicht geregelte Konflikte zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden geht auf den aus Art. 9 Abs. 3 GG fließenden Schutzauftrag für die Koalitionsfreiheit zurück56. Schließlich werden deliktische Ansprüche gegen Verletzungen eines Kernbereichs der gegenständlichen Grundlagen der Ehe unter Berücksichtigung familienrechtlicher Wertungen auf Art. 6 Abs. 1 GG gestützt, der indes keine Aussagen zum Innenverhältnis der Ehegatten trifft und daher insoweit auch keine Fortbildung des Zivilrechts rechtfertigt57.
53 1995, 106, 107; Helms, Beeinträchtigung der Vereinsmitgliedschaft, 18 ff. (Anwendung des Rechts der Leistungsstörungen auf vertragsrechtlicher Grundlage). Die grundsätzliche Übertragbarkeit von Mitgliedschaftsrechten wird durch den ausdrücklichen Ausschluss der Übertragbarkeit in § 38 BGB bestätigt; ferner zur Aktie die §§ 68 ff. AktG, zum GmbH-Anteil § 15 GmbHG, zum Geschäftsguthaben von Genossenschaften § 76 GenG. Auf den verfassungsrechtlichen Schutz der Mitgliedschaft gem. Art. 9, 2, 12, 14 GG abstellend hingegen Deutsch, VersR 1991, 837, 840. 53 Siehe RGZ 158, 248, 254 f. (1938) (keine deliktische Haftung für Fahrlässigkeit unter Mitaktionären); BGH ZIP 1987, 29, 32 f. (kein Anspruch des mittelbar geschädigten Gesellschafters für Wertverluste des Anteils, sondern nur Anspruch der Gesellschaft oder des Gesellschafters auf Ersatzleistung an die Gesellschaft); BGHZ 110, 323, 334 f. (1990) (Einschränkung der Haftung der Vereinsorgane bei Handlungen in Vollzug der sie bindenden Mehrheitsentscheidungen). 54 Allgemein oben § 2 B I 2. 55 Oben § 4 B VII 1 a, 2 a, 3 a. 56 Siehe oben § 6 B IV 3 und BAG NJW 1999, 3281, 3284 (auch zur nicht abschließenden Regelung des Tarifvertragsrechts im Hinblick auf die Beeinträchtigung der Betätigungsfreiheit der Gewerkschaften durch die Arbeitgeberseite); a.A. Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 559 f. (Ansprüche aufgrund quasivertraglicher Schutzpflichten). 57 BGH NJW 1973, 991, 993 (Art. 6 GG bezwecke den Schutz der Ehe als Rechtsgut, aber betreffe nicht das Verhältnis der Ehegatten zueinander); für unmittelbare Geltung des Art. 6 GG im Privatrechtsverhältnis noch BGHZ 6, 360, 366 (1952); Jayme, Familie, 263 (kaum praktisches Bedürfnis seit Behebung der Wohnungsnot); Spindler, in: Bamberger/Roth, § 823 BGB Rn. 89; Steffen, in: RGRK, § 823 BGB Rn. 65; Deutsch, VersR 1993, 1, 5; für Anwendung des § 826 BGB Spickhoff, in: Soergel13, § 823 BGB Rn. 105; für Rechtsfortbildung zum Schutz des verfassungsrechtlichen aPR Lipp, Eherechtliche Pflichten, 208, 213 (Modifikation der allgemeinen individuellen Persönlichkeitsrechte in ehegemäßer Form).
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Seit jeher besonders umstritten ist die richterliche Anerkennung eines Rahmenrechts am Gewerbebetrieb. Im Laufe der bisherigen Untersuchung wurde lediglich geklärt, dass hiermit weder formal noch teleologisch ein Ausschließlichkeitsrecht an einem bestimmten Gut (etwa dem Kundenstamm oder dem Goodwill) und damit verfassungsrechtliches Eigentum geschaffen wurde58. Wie brüchig das dogmatische Fundament dieses Deliktstatbestands ist, beweist der Umstand, dass die Zweifel an seiner Berechtigung noch mehr als 100 Jahre nach seiner erstmaligen Formulierung zu einer Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen führten59. Auch diesen Bedenken kann in Anbetracht der Vielfalt der betroffenen Sachverhalte nicht umfassend nachgegangen werden. Immerhin festzuhalten ist indes, dass das hier propagierte Vorgehen zu einer Strukturierung der Diskussion und zur Fokussierung auf die maßgeblichen Wertungsaspekte des Rechts am Gewerbebetrieb beizutragen vermag: Das betrifft bereits den ersten Prüfungsschritt, nämlich die Anwendung des Deliktsrechts (einschließlich des häufig gescheuten Verdikts vorsätzlich sittenwidriger Schädigung) und sonstiger, für den jeweiligen Sachverhalt einschlägiger Regeln. Erst wenn diese Analyse ergeben hat, dass dem Geschädigten kein Anspruch zusteht, und dies keine Folge einer die Gerichte bindenden, gesetzgeberischen Entscheidung für die Haftungsfreiheit darstellt, kommt das Recht am Gewerbebetrieb überhaupt in Betracht. Die Subsidiarität dieses Rahmenrechts ist zwar allgemein anerkannt, ihr wird aber teilweise nicht die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt und vorschnell von einer angeblichen „Lücke“ des Haftungsrechts auf die Anwendbarkeit des Rechts am Gewerbebetrieb oder anders benannter Deliktstatbestände geschlossen60. Ohnehin erschöpft sich das Prüfungsprogramm hierin nicht. Denn in einem zweiten Schritt bedarf es noch der positiven Rechtfertigung der Haftungserweiterung. Hierfür kann ggf. auf Wertungen des einfachen Rechts abgestellt werden, die zu erkennen geben, dass das angegriffene Verhalten Rechtskreise anderer widerrechtlich verletzt und deshalb sanktioniert werden darf. Zu diesen außerhalb der §§ 823 ff. BGB angesiedelten Vorschriften zählt namentlich das UWG, das 58
Oben § 6 B IV 2, aus verfassungsrechtlicher Sicht § 11 D I 2. Eine teilweise behauptete gewohnheitsrechtliche Anerkennung dieser Rechtsfigur (siehe OLG Köln VersR 1996, 234, 235; Schippel, Das Recht am Gewerbebetrieb, 2; v. Bar, Gutachten, 1681, 1720; Buchner, Unternehmensschutz, 25 ff.) kann daher nicht überzeugen; ablehnend auch Preusche, Unternehmensschutz, 87 f.; Körner, Rechtsschutz, 80. BGHZ (GS) 164, 1, 9 (2005) spricht denn auch nur von „gefestigter Rechtsprechung“. 60 Nachweise oben § 6 B IV 2 b. Zu weitgehend etwa BGH NJW 1992, 41, 42 („Dieser Auffangtatbestand greift hier ein, da keine andere Rechtsgrundlage für eine Haftung der Bekl. gegeben ist.“). Abzulehnen sind ferner ein diffuses „wirtschaftliches Eigentum“ zur Ersetzung der Drittschadensliquidation (Junker, AcP 193 (1993), 349, 352 ff.; dagegen Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 846 mit Fn. 80 (der Begriff „wirtschaftliches Eigentum“ drohe ein unkontrollierbares Eigenleben zu gewinnen)), ein ebenso unkonturiertes „sonstiges Recht“ an der „Herrschaft über den eigenen E-Mail-Account“ (dafür Kloepfer/Katins, K&R 2005, 407, 410 f.) und ein „Recht am Datenbestand“ (Meier/Wehlau, NJW 1998, 1585, 1588 f.; für einen Rückgriff auf das Sacheigentum des Datenträgers auch Hager, in: Staudinger, § 823 BGB Rn. B192). 59
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durch Regelbeispiele konkretisiert, welche geschäftlichen Handlungen unlauter und deshalb verboten sind61. Wenn die Grenzen dieses Sonderdeliktsrechts nicht e contrario eine entsprechende zivilrechtliche Haftung außerhalb seines Anwendungsbereichs ausschließen, können lauterkeitsrechtliche Wertungen für die Fortbildung des BGB fruchtbar gemacht werden. Ein praktisches Beispiel hierfür ist die Fallgruppe unerwünschter Werbung, die parallel zu den Aussagen von § 7 Abs. 2 UWG als Eingriff in das Recht am Gewerbebetrieb des Empfängers eingeordnet wird, auch wenn lauterkeitsrechtliche Ansprüche mangels Wettbewerbshandlung des Versenders (politische Parteien) oder Mitbewerbereigenschaft des Empfängers (§§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 8 Abs. 3 Nr. 1, 9 UWG) ausscheiden62. Besonders fragwürdig erscheint die Gewährung von Ansprüchen unter Berufung auf das Rahmenrecht am Gewerbebetrieb, wenn sich dem einfachen Recht keine entsprechende allgemeine Verhaltenspflicht entnehmen lässt. Halt findet eine dennoch erfolgende Überwindung des Enumerationsprinzips dann allenfalls noch in der verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates (hier der Gerichte) zum Schutz der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG63. Dass auch jene Grundrechte eine Schutzpflicht mit Auswirkungen auf das horizontale Privatrechtsverhältnis auszulösen vermögen, ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durchaus anerkannt64. Dabei ist allerdings 61
Siehe in diesem Sinne RGZ 56, 271, 275 (1902) (Schutz insoweit, als positive Gesetzesvorschriften, namentlich das damalige UWG, Schutz gewährten, auch wenn dieser im Einzelfall nicht gegeben sei, weil kein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs vorliege); RGZ 64, 155, 156 (1906) (Schutz des Gewerbebetriebs als sonstiges Recht zumindest insoweit, als dieser durch positive Gesetzesvorschriften gegen Beeinträchtigungen besonders geschützt sei); v. Caemmerer, FS DJT II, 49, 92 f.; Fikentscher, Wettbewerb, 156 (der Inhalt des Rechts am Gewerbebetrieb werde wenigstens teilweise durch wertausfüllungsbedürftige Merkmale des UWG bestimmt). Zum Verhältnis zwischen UWG und den §§ 823 ff. BGB oben § 7 C. 62 Nachweise oben § 6 B IV 2 a. 63 Siehe aus der zivilrechtlichen Rechtsprechung BGHZ 45, 296, 306 ff. (1966); BGHZ 80, 25, 31 f. (1981) (keine Heranziehung der für das Recht der Persönlichkeit geltenden Maßstäbe für den Schutz der unternehmerischen Betätigung, bei dem es um die Sicherung wirtschaftlicher Funktionszusammenhänge gehe); BGHZ 91, 117, 120 ff. (1984) (unternehmensbezogene Interessen, die durch das Persönlichkeitsrecht und das Recht am Gewerbebetrieb geschützt seien); BGHZ 98, 94, 99 (1986) (das Recht am Gewerbebetrieb könne nicht weiterreichen als der Persönlichkeitsschutz des Unternehmens); BGH ZUM 2005, 645, 648 f. („Parallelität der Schutzrichtungen“ von Unternehmenspersönlichkeitsrecht und Recht am Gewerbebetrieb); BGHZ 166, 84, 109 (2006) (die Güter- und Interessenabwägung zur Konkretisierung des offenen Tatbestands „Recht am Gewerbebetrieb“ habe „vor allem grundrechtlich geschützte Positionen der Beteiligen zu berücksichtigen“); Peifer, Individualität, 534 (Betätigungsschutz durch Auslegung des Delikts- und Wettbewerbsrechts im Lichte der Grundrechte); ähnlich Pawlowski, Rechtsbesitz, 108 f., 121 (Recht auf ungehinderte Gewerbetätigkeit als Persönlichkeitsrecht i.S. eines Rechts auf eigenes Tun); a.A. Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 545 f. (es ließe sich nicht dartun, dass die §§ 823 ff. BGB und das UWG hinter dem verfassungsrechtlich gebotenen Schutzminimum zurückblieben). Zur Verankerung des Rechts am Gewerbebetrieb in den Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG oben §§ 2 B II 2, 6 B IV 2 a, 11 D 1 b. 64 Mit Blick auf die Privatautonomie im Vertragsrecht BVerfGE 89, 214, 232 (1993); BVerfGE 103, 89, 100 f. (2001); BVerfG NJW 2005, 2363, 2365 f.; BVerfG JZ 2007, 576, 577 (für einen Vertragspartner dürfe sich die Selbstbestimmung nicht in eine Fremdbestimmung verkehren). Zur Be-
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Vorsicht geboten. Denn beide Grundrechtsträger sind mit der gleichen Freiheit ausgestattet, und dem Privatrechtsgesetzgeber kommt ein ausgesprochen weiter, von den Grundrechten nicht determinierter Spielraum zu, um einen Ausgleich zwischen den kollidierenden Handlungsfreiheiten herzustellen65. Folglich muss es sich um eine Ausnahmekonstellation handeln, in der ohne Abwehr- bzw. Schadensersatzbefugnisse die Wahrnehmung der Erwerbsfreiheit des Betroffenen in ihrem Kern in Frage gestellt wäre66. Diese Voraussetzung, die zugleich die Grenze der Rechtsfortbildungsbefugnis der Gerichte markiert, ist nach Auffassung des Großen Senats für Zivilsachen namentlich in der klassischen Fallgruppe des Rechts am Gewebebetrieb gegeben – der objektiv unberechtigten Verwarnung aus Immaterialgüterrechten67. Der Große Senat spricht nämlich von der Notwendigkeit, dem zu Unrecht Abgemahnten Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz auch dann zuzubilligen, wenn sich der Abmahner – wie für § 826 BGB und Ansprüche aus dem UWG erforderlich – des Umstands mangelnder Berechtigung nicht bewusst ist. Hintergrund ist das strukturelle Ungleichgewicht zwischen demjenigen, der sich auf ein ggf. sogar formal registriertes Immaterialgüterrecht beruft, und dem Konkurrenten, dem bzw. dessen Abnehmern eine Verletzung dieses Schein-Ausschließlichkeitsrechts vorgeworfen wird. Während die angebliche Rechtsverletzung durch umfassende sekundäre Ansprüche und Verfahrensmaßnahmen bewehrt ist, könnte sich der zu Unrecht (!) Abgemahnte nur gegen vorsätzliche sittenwidrige Schädigungen zur Wehr setzen. Insbesondere unberechtigte Abnehmerverwarnungen mit ihren potentiell existenzbedrohenden Folgen würden so zu einem auch vom Prozessrecht nicht sanktionierten Instrument der Fremdbestimmung. Böte die Rechtsordnung gegen solche Eingriffe Privater in die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit von Konkurrenten keine wirksame Handhabe, würde das Minimum an Schutz nicht erreicht, das die Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1
65 rufsfreiheit als Schutzgebot vor herabsetzenden Äußerungen im Wettbewerb BVerfG ZUM-RD 2008, 114, 115 m.w.N. Zur Pressefreiheit LG Münster NJW 1978, 1329 (Anspruch des Sportreporters auf Widerruf eines Stadionverbots wegen Eingriffs in die Pressefreiheit); Canaris, JuS 1989, 160, 168 (die Fälle Blinkfüer und Wallraff hätten auf Seiten des klägerischen Unternehmens die Schutzgebotsfunktion des Art. 5 Abs. 1 GG wegen eines Untermaßverbotes an Schutz angesprochen, das über § 823 Abs. 1 BGB zu verwirklichen sei). 65 Zur Schutzpflicht oben § 2 B I 2. Zur Zulässigkeit der Fortbildung des Deliktsrechts oben a. Zur Umsetzung der „Rechte Dritter“ in der „verfassungsmäßigen Ordnung“ gem. Art. 2 Abs. 1 GG Hillgruber, in: Umbach/Clemens, Art. 2 GG Rn. 206 ff.; Erichsen, in: HdbStR, § 152 Rn. 39, 78 (Umsetzung des Vorbehalts der Rechte anderer namentlich durch das Privatrecht); Murswiek, in: Sachs, Art. 2 GG Rn. 91; Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 2 GG Rn. 20; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 2 GG Rn. 18; anders Höfling, in: Berliner Kommentar Grundgesetz, Art. 2 GG Rn. 66 (es bedürfe zwar der normativen Positivierung der Rechte Dritter, dennoch seien diese zuerst zu prüfen); Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 2 Abs. 1 GG Rn. 33–35 (Rechte anderer als „Urgestein des Menschenrechtsdenkens“). 66 Allgemein BGHZ 7, 30, 33, 36 (1952) (ohne zwingende Gründe sei die Überwindung des Enumerationsprinzips eine unzulässige Rechtsfortbildung contra legem). 67 Nachweise oben § 6 B IV 2 a.
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GG zur Wahrung selbstbestimmter Entfaltung gebieten68. Folglich ist die Rechtsprechung verpflichtet und berechtigt, rechtsfortbildend deliktsrechtliche Ansprüche gegen objektiv unberechtigte Schutzrechtsverwarnungen anzuerkennen69. Gerade dieses Beispiel zeigt, wie verfehlt es ist, das Rahmenrecht am Gewerbebetrieb als monopolartiges, eigentumsähnliches „sonstiges Recht“ aufzufassen und wegen dieser Qualität abzulehnen70. 2. Anwendung der lauterkeitsrechtlichen Generalklausel a) Dynamik des Lauterkeitsrechts Während das Deliktsrecht des BGB zu Zwecken der Konkretisierung und Begrenzung der Haftung bewusst nicht mit einer „großen“ Generalklausel versehen wurde, und sich seine Dynamik deshalb in Form von rechtsfortbildend anerkannten Deliktstatbeständen entfaltet, verbietet § 3 UWG 2004/2008 unlautere geschäftliche Handlungen ohne nähere Spezifikation. Die Regelbeispiele der §§ 4–7 UWG konkretisieren zwar den Begriff der Unlauterkeit, schließen einen Rückgriff auf § 3 UWG jedoch nur insoweit aus, als sie die betroffene Handlung abschließend regeln71. Folglich ist die Rechtsprechung befugt, insbesondere vom Gesetzgeber noch nicht berücksichtigte Sachverhalte auf der Basis der Generalklausel des § 3 UWG zu beurteilen und flexibel auf Entwicklungen des Marktverhaltens zu reagieren. Die Dynamik des Sonderdeliktsrechts UWG verwirklicht sich daher im Wege seiner Anwendung und nicht als Rechtsfortbildung. In § 7 wurde jedoch gezeigt, dass das Lauterkeitsrecht über keinerlei güterzuordnenden Gehalt verfügt. Vielmehr ordnet es gleiche Betätigungsfreiheiten im Allgemeininteresse an der Erhaltung des unverfälschten Wettbewerbs (§ 1 UWG) und schützt die Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen, ohne statische Vorzugsbereiche zu etablieren. Die güterzuordnungsrelevanten Regelbeispiele zu Nachahmungs- und Behinderungsverboten (§ 4 Nr. 9, 10 UWG) sowie der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (§§ 4 Nr. 9 68 Entsprechend die Tatbestandsvoraussetzungen einer grundrechtlichen Schutzpflicht im Vertragsverhältnis nach BVerfGE 89, 214, 231 f. (1993) (Fremdbestimmung aufgrund struktureller Unterlegenheit eines Vertragspartners). 69 Ausführlich zur „Notwendigkeit“ dieses Deliktstatbestandes RGZ 58, 24, 30 (1904); BGHZ 38, 200, 204 (1962); BGHZ (GS) 164, 1, 2 ff. (2005); Meier-Beck, WRP 2006, 790, 793 (freiheitssichernder Tatbestand); Peukert, Mitt. 2005, 73 ff.; unter dieser Voraussetzung (nachweisbares Rechtsbedürfnis für die Schließung einer Haftungslücke) im Ergebnis a.A. Sack, Recht am Gewerbebetrieb, 164 ff., 182 (stattdessen sei auf das Bewusstsein der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände bei § 826 BGB zu verzichten; dazu ablehnend oben § 6 C II 2); in der Tendenz ähnlich Kötz/Wagner, Deliktsrecht10, Rn. 430 ff. (Recht am Gewerbebetrieb), Rn. 265 ff. (Vorsatzerfordernis bei § 826 BGB); Wilhelm, FS Canaris I, 1293 ff. (die Fälle könnten über ein individualrechtlich verstandenes UWG erfasst werden). Allgemein zum Freiheitsschutz als Aufgabe des Privatrechts unten § 15 B II. 70 So aber Raiser, JZ 1961, 465, 469 f.; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 560 ff.; Medicus, BürgR, Rn. 611; Sack, Recht am Gewerbebetrieb, 159 ff. 71 Oben § 7 E I 2.
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lit. c, 17 ff. UWG) stehen mit dieser generellen Funktion des Lauterkeitsrechts in Einklang. Sie basieren auf dem Grundsatz der Nachahmungsfreiheit, bewahren Anbieter und Nachfrager vor wettbewerbsverfälschenden Angriffen auf deren freie Entfaltung und normieren keinen Schutz von Waren und Dienstleistungen als solchen. Im Gegenteil, ihre Tatbestandsvoraussetzungen lassen erkennen, dass der Gesetzgeber entgegen entsprechender Vorschläge einen generellen, originären Leistungsschutz im Zuge der Neufassung des UWG 2004 verworfen hat. Daher ist es unzulässig, auf der Basis des § 3 UWG einen über die Regelbeispiele des § 4 Nr. 9, 10 UWG hinausgehenden Schutz der Interessen am exklusiven Zugriff auf Güter zu gewähren, geschweige denn Ausschließlichkeitsrechte anzuerkennen. Dieses Ergebnis stand in § 7 noch unter dem Vorbehalt eines verfassungsrechtlichen oder sonstigen Zuordnungsgebots. Es blieb deshalb offen, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen § 3 UWG gegen die Nutzung „neuer“ Güter in Stellung gebracht werden kann. Nachdem feststeht, dass weder Art. 14 GG noch ein Rechtsprinzip der Güterzuordnung die Rechtsprechung ermächtigen, das UWG über seinen Regelungsplan hinaus zum Zwecke der Ausbildung positivexklusiver Befugnisse fortzubilden, gilt es hier noch die Aussagekraft der Generalklausel im Hinblick auf einschlägige Konfliktfälle zu bestimmen. b) Allgemeine Marktstörung und Investitionsschutz Da dem UWG kein güterzuordnender Gehalt zukommt, bleibt die Statik der materiellen Güterordnung von § 3 UWG unberührt. Zwar schließen die Regelbeispiele zur unlauteren Nachahmung von Produkten und zur gezielten Behinderung einen Rückgriff auf die Generalklausel nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers nicht prinzipiell aus72. Unzulässig bleibt aber eine Anwendung jener Vorschrift, die auf den Schutz eigenartiger Leistungen als solcher oder gar auf verfassungsrechtliches Eigentum hinausläuft. Fraglich ist, ob es eine alternative Rechtfertigung dafür gibt, die Nutzung nicht spezialgesetzlich zugewiesener Güter ausnahmsweise doch als unlautere geschäftliche Handlung gem. § 3 UWG zu verbieten. Als von den Regelbeispielen der §§ 4 ff. UWG nicht erfasste, unmittelbar gem. § 3 UWG zu beurteilende Fallgruppe wird die sog. allgemeine Marktstörung genannt73. Eine solche liege vor, wenn die angegriffene Handlung nach den Gesamtumständen die ernstliche Gefahr begründet, dass der Bestand des Wettbewerbs hinsichtlich der fraglichen Warenart in nicht unerheblichem Maße durch 72
Dazu oben § 7 E II. Siehe nur etwa Lettl, UWG, Rn. 390 ff.; Plaß, in: HK-Wettbewerbsrecht, § 4 UWG Rn. 605 ff.; Osterrieth, in: Fezer, § 4–S1 UWG Rn. 1 ff.; Koppensteiner, WRP 2007, 475, 477 f. Zum UWG 1909 Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rn. 832 ff.; P. Ulmer, GRUR 1977, 565, 577 (die Fallgruppe begegne der Gefahr, dass der Leistungswettbewerb hinsichtlich der fraglichen Warenart ausgeschaltet werde); Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 376 ff. Zur Fortgeltung dieser Grundsätze im UWG 2007 RegE UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 15; Köhler/Bornkamm/ Henning-Bodewig, WRP 2002, 1317, 1326; offenbar auch OLG Köln GRUR-RR 2005, 228, 229. 73
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die Beseitigung der Freiheit von Angebot und Nachfrage gefährdet ist74. Das Risiko eines derartigen Marktversagens kann auch im Zusammenhang mit der Nutzung „neuer“ Güter entstehen, und zwar unter folgenden, hier nur zu skizzierenden, kumulativen Voraussetzungen: – Die Herstellung des betroffenen Originalprodukts erfordert unabhängig von seiner ästhetischen oder technischen Qualität, Eigenart oder anderen Merkmalen eine wesentliche Investition75. – Das Produkt kann durch technische Mittel zu minimalen Kosten vervielfältigt werden. – Der Originalhersteller ist weder rechtlich76 noch faktisch77 in der Lage, diese Übernahme zu verhindern, und er vermag seine versunkenen Herstellungskosten auch nicht anderweitig (insbes. durch Zeitvorsprung, Produktgestaltung, Markenrechte) in Konkurrenz zu demjenigen, der nur die Grenzkosten einer Kopie zu tragen hat, zu amortisieren. – Dadurch entsteht die ernsthafte Gefahr, dass weder der ursprüngliche Anbieter noch ein anderer Mitbewerber in diesen Markt investiert, so dass ein potentieller Wettbewerb von vornherein verhindert wird. Unter Berücksichtigung letztgenannter Konsequenz erscheint es vertretbar, in einer solchen Situation von einer allgemeinen Marktstörung auszugehen und das Verhalten des Kopisten als unlautere geschäftliche Handlung gem. § 3 UWG zu verbieten78. Dieses Ergebnis widerspricht weder der Analyse des Lauterkeitsrechts, wonach ein Schutz wettbewerblicher Leistungen jenseits der Nachahmungsverbote des § 4 Nr. 9, 10 UWG abzulehnen ist, noch der generellen Aussage dieser Studie, dass dem deutschen Recht eine Generalklausel der Güterzu74 Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 UWG Rn. 12.3 ff. m.w.N.; Lettl, UWG, Rn. 390 (Gefährdung des Wettbewerbsbestands); Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 1410 ff.; zum UWG 1909 Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG Rn. 832. 75 Ebenso Schneidinger, Leistungsschutz, 131 (de lege ferenda für das schweizerische Recht). 76 Abzulehnen daher BGHZ 37, 1, 13 ff. (1962) – AKI (§ 1 UWG 1909 neben abgeleiteten Rechten bejaht); BGHZ 39, 352 ff. (1963) – Vortragsveranstaltung (der Veranstalter hätte sich urheberrechtliche Nutzungsrechte einräumen lassen können). 77 Wie bei einem Geheimnis, der Internet-Domain oder der Sportveranstaltung. 78 Hilty, in: Behrens, Stand und Perspektiven, 139, 178; rechtsvergleichend ders., FS Ullmann, 643, 661; ders., in: Hilty/Henning-Bodewig, Unfair Competition, 1, 22; Hilty/Henning-Bodewig, Leistungsschutzrechte, 82; Osterrieth, in: Fezer, § 4–S1 UWG Rn. 252 ff. In diesem Sinne zum UWG 1909 BGH GRUR 1966, 617, 620; BGH GRUR 1972, 127 f.; OLG Stuttgart NJW 1989, 2633 („Die Beeinträchtigung des Mitbewerbers ist in diesem Fall nicht eine wesenseigene Folge des Wettbewerbs, sondern eine Ausschaltung des Leistungsvergleichs, der Voraussetzung für den Leistungswettbewerb ist.“); Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 379; ders., Unlauterer Wettbewerb, § 24 Rn. 43; Martin, Imitationsanreiz, 107; Lehmann-Schmidtke, Wettbewerbliche Eigenart, 233, 269 (Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs durch Einschränkung der Nachahmungsfreiheit). Zur Anreiztheorie als Grundlage des Nachahmungsschutzes auch Meineke, Nachahmungsschutz, 178 f. Anders aber BGH GRUR 2007, 795, 799 – Handtaschen (wettbewerbswidrige Behinderung, wenn das Design eines berühmten Produkts fast identisch nachgeahmt werde, ohne dass ein Grund für die Anlehnung zu erkennen sei).
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ordnung und ein entsprechendes Rechtsprinzip fremd sind. Vielmehr handelt es sich wie bei der ausnahmsweisen Überschreitung des Enumerationsprinzips im BGB-Deliktsrecht um eine eng begrenzte Gewährleistung von Grundvoraussetzungen für die Ausübung von Handlungsfreiheit – hier im Wettbewerb. Ein solcher, einzelfallbezogener Investitionsschutz79 korrespondiert mit dem übergeordneten Zweck des UWG, das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten und damit überhaupt an Wettbewerb zu schützen (§ 1 S. 2 UWG). Während § 4 Nr. 9, 10 UWG von bestimmten Beeinträchtigungen einzelner Marktteilnehmer ausgeht und die Auswirkungen des angegriffenen Verhaltens auf den unverfälschten Wettbewerb von hier aus in Blick nimmt80, wird bei der allgemeinen Marktstörung gewissermaßen umgekehrt wegen eines generellen Marktversagens auf Ansprüche der betroffenen Mitbewerber (nicht nur des unmittelbar betroffenen Herstellers!) geschlossen. Das Unlauterkeitsverdikt hat seinen Ursprung also nicht in der Verletzung von Entfaltungsinteressen einzelner Marktteilnehmer, sondern entspringt einer Gefährdung der Institution Wettbewerb und der hierauf gerichteten Allgemeininteressen. Es geht nicht um die Lauterkeit fortbestehenden Wettbewerbs, sondern darum, diesen Ordnungsmechanismus für einen bestimmten Bereich zu ermöglichen bzw. zu erhalten81. Ausschlaggebend ist nämlich die drohende Folge, dass überhaupt kein Markt zustande kommt und so die vom UWG zu sichernden Funktionen des Wettbewerbs von vornherein nicht eintreten können. Individuelle Interessen an Exklusivität unter Berufung auf die Kerngedanken der Güterzuordnung (persönlich geschaffener Vermögenswert) oder gar an einem Schutz vor geschäftlichem Misserfolg82 sind gänzlich irrelevant. Ferner wird an eine bestimmte Art und Weise der inkriminierten Handlung angeknüpft; die Wesentlichkeit der Investition genügt für sich gesehen ebenfalls nicht83. Insgesamt gilt es demnach hervorzuheben, dass hier ein Marktordnungsinstrument vorgeschlagen wird, das schon gar nicht 79
Hilty, in: Behrens, Stand und Perspektiven, 139, 178; rechtsvergleichend ders., FS Ullmann, 643, 661; Beater, Unlauterer Wettbewerb, § 22 („Schutz von Investitionen“). Zur Erklärung des gesamten Lauterkeitsrechts aus der Sicht des Investitionsschutzes Hilty, in: Hilty/Henning-Bodewig, Unfair Competition, 1, 25 ff. 80 Zur Berücksichtigung einer ernstlichen Gefährdung des Wettbewerbsbestandes im Rahmen des § 4 Nr. 10 UWG bei einer auf bestimmte Mitbewerber gerichteten Preisunterbietung BGH GRUR 2006, 596, 597. Zur rein individuellen Betrachtungsweise bei § 826 BGB oben 1 a. 81 Osterrieth, in: Fezer, § 4–S1 UWG Rn. 3. Siehe dazu bereits Lobe, Unlauterer Wettbewerb, 11 („Nicht mehr bloß unlauter, sondern überhaupt ausgeschlossen wird der Wettbewerb, wenn … von vornherein das Mitstreben des Anderen verhindert wird … und so dessen Erreichung für beide Parteien unmöglich gemacht wird. Denn auch der unlautere Wettbewerb ist immer noch Wettbewerb und hat zur notwendigen Voraussetzung eine Mehrheit von Strebenden bei Einheit des Ziels. Ist von vornherein aber der Andere vom Mitstreben ausgeschlossen … so ist kein Wettbewerb möglich.“). 82 Dazu Beater, Unlauterer Wettbewerb, § 22 Rn. 3; David, AJP 1995, 1403, 1409. 83 In diesem Sinne auch BGHZ 28, 387, 396 – Nelkenstecklinge (1958) (kein Schutz des nicht eigenartigen Leistungsergebnisses als solchem, sondern gegen die Art der Ausnutzung). Inkonsequent daher Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 395, der zwar auf die Fallgruppe der Marktstörung abstellt, aber doch die „Schutzrechtsäquivalenz“ durchschlagen lässt.
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an individuellen Schutzbedürfnissen ansetzt und daher den mit großem Aufwand verworfenen wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz keineswegs wieder durch die Hintertür etabliert. Diese Einschätzung bestätigt ein rechtsvergleichender Hinweis auf das schweizerische Lauterkeitsrecht, das für die Funktion und Struktur des UWG 2004 vorbildhaft wirkte84 und wie das deutsche Recht vom Grundsatz der Nachahmungsfreiheit ausgeht85. Gem. Art. 5 lit. c CH-UWG handelt insbesondere unlauter, wer das marktreife Arbeitsergebnis eines andern ohne angemessenen eigenen Aufwand durch technische Reproduktionsverfahren als solches übernimmt und verwertet86. Dieses Regelbeispiel stimmt mit dem soeben skizzierten Fall der allgemeinen Marktstörung jedenfalls hinsichtlich der Art der angegriffenen Handlung überein. Zwar kommt die nach hier vertretener Auffassung letztlich ausschlaggebende Folge, dass niemand mehr in das betroffene Marktsegment investieren und dadurch potentieller Wettbewerb von vornherein verhindert wird, nicht explizit zur Sprache. Dieser Gesichtspunkt wird von der schweizerischen Rechtsprechung aber im Rahmen der Beurteilung der „Angemessenheit“ des Kopistenaufwands berücksichtigt. Um die jeweiligen Investitionen in ein Verhältnis setzen zu können, verlangt das Bundesgericht vom Originalhersteller nämlich eine detaillierte Darlegung seiner Aufwendungen, die durch die technische Übernahme erspart wurden. Vermag der Kläger nicht einmal nachzuweisen, welche versunkenen Herstellungskosten er zu amortisieren hat, wird sein Begehren jedenfalls abgewiesen87. Das Bundesgericht verwirklicht damit gerade keine Eigentumslogik unter dem Banner der „Frucht der Arbeit“ und verhindert durch eine strenge Handhabung der Darlegungs- und Beweislast eine verfehlte Instrumentalisierung des Art. 5 lit. c CH-UWG im Sinne eines Schutzes wettbewerblicher Leistungen als solcher88. Ohne Zweifel ist die Entscheidung schwierig, welche Investitionen zu berücksichtigen sind, und ob ein ggf. zeitlich und sachlich beschränktes Übernahmeverbot zur Amortisation erforderlich und ausreichend ist. Immerhin aber lässt sich 84
Oben § 7 D I 4 a. Botschaft CH-UWG, BBl. 1983 II, 1009, 1047 ff.; BGE 131 III, 384, 394 f., 397 (2005) (allgemein und speziell im Hinblick auf den freien Umgang mit nicht immaterialgüterrechtlich geschützten Daten im Internet); David, AJP 1995, 1403, 1409 f.; Jenny, Nachahmungsfreiheit, 129 ff. m.w.N.; Thouvenin, Funktionale Systematisierung, 208 ff. 86 Ausführlich dazu Hilty, FS Ullmann, 643, 646 ff. 87 BGE 131 III 384, 391 ff. (2005) (keine Ansprüche gegen die systematische Übernahme von Immobilienanzeigen); BG sic! 2008, 462, 464. 88 Siehe BGE 131 III 384, 389 ff. (2005); Botschaft CH-UWG, BBl. 1983 II, 1009, 1070 f.; Hilty, FS Ullmann, 643, 658 (es erübrige sich, in Art. 5 lit. c CH-UWG nach Ansätzen für eine allgemeine Leistungsschutznorm zu suchen); viel zu weitgehend hingegen BGH GRUR 2007, 795, 799 – Handtaschen (wettbewerbswidrige Behinderung, wenn das Design eines berühmten Produkts fast identisch nachgeahmt werde, ohne dass ein Grund für die Anlehnung zu erkennen sei); Thouvenin, Funktionale Systematisierung, 454 ff. (unmittelbare Übernahme von Erzeugnissen in unveränderter Form zur Erfüllung der Verteilungsfunktion des Wettbewerbs stets unlauter). Zur Darlegungsund Beweislast des Originalherstellers wie hier BGH GRUR 1972, 127 f.; a.A. noch BGH GRUR 1969, 618, 620; Erdmann, FS Vieregge, 197, 210 f. (damit sei der Ersthersteller überfordert). 85
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auf diesem Wege ein mit den Zwecken und der Struktur des UWG 2004/2008 kompatibler Mindestschutz zur Vermeidung einer völligen Investitionshemmung im Einzelfall realisieren89. Statt ergebnisorientierte Scheinbegründungen zu tolerieren und sogar als „ehrlicher“ zu propagieren, wird wenigstens der Versuch gemacht, die relevanten Tatsachengrundlagen zu erfassen. Der bloße Hinweis auf angeblich unerträgliche Preisunterbietungen genügt dabei keinesfalls90. Vielmehr muss der Kläger seine Investitionen im Einzelnen offenlegen und das Gericht diese Daten und ihre potentiellen Auswirkungen auf die gesamte Marktsituation in Betracht ziehen91. Werden diese Anforderungen eingehalten, erscheint ein wettbewerbsfeindlicher Missbrauch der Generalklausel im Sinne eines Schutzes aller Investitionen ausgeschlossen.
B. Lösung der Beispielsfälle Damit ist der güterzuordnende Gehalt des deutschen Privat-, Verfahrens- und Verfassungsrechts ausgelotet. Die Ergebnisse sind nunmehr auf die in § 4 B referierten Beispiele „neuer“ Güter anzuwenden. Für alle gilt, dass eine Zuordnung durch ungeschriebene Ausschließlichkeitsrechte nicht in Betracht kommt. Zu zeigen ist jedoch, inwieweit de lege lata ein Schutz vor nicht gestatteter Nutzung besteht und auf dieser Basis eine rechtsgeschäftliche und zwangsweise Verwertung der Güter möglich ist.
I. Bilder von Sachen Ein ausschließliches Recht am Bild der eigenen Sache ist dem deutschen Recht fremd. Die Abbildung von Sachen wird nicht vom Eigentum erfasst, weil auf die Sache nicht körperlich eingewirkt wird. Soweit die Vervielfältigung des Erscheinungsbildes keine Urheberrechtsverletzung darstellt, ist diese Nutzung also nicht positiv-exklusiv zugewiesen, so dass auch sekundäre Ansprüche wegen Eingriffskondiktion und Geschäftsanmaßung ausscheiden. Das Deliktsrecht greift allen89 Hilty, FS Ullmann, 643, 661 (der Schutz dürfe nicht weiter gehen als zur Verhinderung des Marktversagens erforderlich), 667 (die Zahl der problematischen Konstellationen erscheine „recht überschaubar“); Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 382 f.; Weihrauch, Leistungsschutz, 274 (Schutzbedürfnis in der Anlaufphase); a.A. BGH GRUR 1996, 210, 213 – Vakuumpumpen (Anreiz zur Fortentwicklung des Standes der Technik); Schneidinger, Leistungsschutz, 63 (Garantie einer „Rente“). 90 Unzulässig daher die Argumentation von BGH GRUR 1996, 210, 213 – Vakuumpumpen, eine Preisunterbietung von 37% sei Anhaltspunkt für ein wettbewerbswidriges Verhalten, wenn die Mitbewerber längere Zeit miteinander konkurrieren. Richtig hingegen im Kontext des § 4 Nr. 10 UWG BGH GRUR 2006, 596, 597 f. (abstrakte Gefahren einer Preisunterbietung genügten nicht für ein Unlauterkeitsurteil). 91 Dass das nicht unmöglich ist, bestätigt wiederum BGH GRUR 2006, 596, 597 f. (Analyse einer Preisunterbietung auf ihre möglichen Folgen).
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falls unter den dargestellten, engen Voraussetzungen der §§ 826 BGB, 3 UWG, die jedoch in keinem der bisher von den Gerichten beurteilten Konstellationen gegeben waren. Weder ist der betroffene Eigentümer daran gehindert, seinerseits Abbildungen herzustellen und zu vertreiben noch droht ein generelles Investitionshemmnis im Markt für Postkarten, Kalender etc. Eine unlautere Nachahmung von Waren oder Dienstleistungen liegt von vornherein nicht vor. Das Verbot von Aufnahmen privater Räume wegen Verletzung des aPR dient dem Privatsphärenschutz und nicht der Entscheidungshoheit über die Nutzung der Sache. Folglich vermag der Eigentümer die Herstellung und Verwertung von Abbildungen nur vertraglich zu steuern, indem er das Betreten des Grundstücks/Gebäudes als Eingriff in das Hausrecht von einer Zahlung oder einer Unterlassungsverpflichtung abhängig macht, die freilich nur den Vertragspartner bindet92. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Lücke der Güterzuordnung das eigenverantwortliche Leben von Sacheigentümern auch nur spürbar berührt (abstrakte Institutsgarantie des Art. 14 GG).
II. Übertragung von Sportveranstaltungen Die Übertragung von Sportveranstaltungen in Bild und Ton unterfällt ebenfalls keinem normierten Ausschließlichkeitsrecht. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fehlt ferner eine Rechtsgrundlage zur Anerkennung eines ungeschriebenen Ausschließlichkeitsrechts des Sportveranstalters, dem ohnehin die bewusste Beschränkung des Veranstalterrechts gem. § 81 UrhG auf künstlerische Darbietungen entgegensteht93. Mangels gesetzlicher Zuweisungsnorm scheitern Ansprüche auf Wertersatz und Gewinnherausgabe gem. §§ 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt., 687 Abs. 2 ff. BGB. Wiederum ist der Sportveranstalter also auf das Hausrecht am Veranstaltungsort angewiesen, das auf dem Eigentum bzw. dem berechtigten Besitz beruht. Damit kann zunächst das Betreten und die unerlaubte Nutzung von Einrichtungen am Veranstaltungsort zur Durchführung von Übertragungen gem. §§ 1004, 862 BGB untersagt werden. Die Aufzeichnung von Bildern oder Tönen als solche wirkt jedoch nicht auf Sachen ein und ist daher vom Eigentumsund Besitzschutz nicht erfasst. Das Hausrecht eröffnet seinem Inhaber94 jedoch die Möglichkeit95, den Zutritt zur Veranstaltung von einer vertraglichen Abrede 92
Siehe oben §§ 4 B I, 5 B I 1 b. Ausdrücklich BGHZ 165, 62, 69 (2005) – Hörfunkrechte. § 81 UrhG gerade ausblendend Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 233 f. Nachweise oben §§ 4 B II, 5 B I 1 b. 94 Dazu OLG Frankfurt NJW-RR 1993, 788, 789; Agudo y Berbel/Engels, WRP 2005, 191, 194 f. 95 Zutreffend daher die verfassungsrechtliche Einordnung in Art. 12 Abs. 1 GG durch BGHZ 165, 62, 73 (2005) – Hörfunkrechte („Das Hausrecht, mit dessen Hilfe der Berechtigte Dritte von der unentgeltlichen Wahrnehmung des von ihm veranstalteten Spiels ausschließen kann, dient in diesem Zusammenhang der Sicherung der Verwertung der beruflich erbrachten Leistung und nimmt damit an deren verfassungsrechtlicher Gewährleistung teil.“). 93
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abhängig zu machen, wonach die gewerbsmäßige Herstellung und Verwertung von Aufnahmen untersagt bzw. gegen Zahlung eines Entgelts gestattet ist96. Enthält der Vertrag über den Zutritt zur Veranstaltung keine ausdrückliche Vereinbarung dieses Inhalts, ist er unter Berücksichtigung der eigentumsrechtlichen Dispositionsbefugnis im Zweifel entsprechend auszulegen97. Die Unterlassungsverpflichtungen treffen erneut nur den Vertragspartner und nicht jeden Dritten. Der damit realisierte Schutz vor unerlaubten Aufnahmen lässt keine Lücke erkennen, die auf der Basis des Deliktsrechts, insbesondere des Rechts am Gewerbebetrieb geschlossen werden dürfte98. Von einer Unterschreitung des verfassungsrechtlich gebotenen Minimums an privaten Vermögensrechten und einer allgemeinen Marktstörung gem. § 3 UWG kann in Anbetracht der seit Jahrzehnten funktionierenden Exklusivvermarktung selbst solcher Sportveranstaltungen, die außerhalb geschlossener Räume stattfinden, keine Rede sein99. Für den Rechtsverkehr folgt hieraus, dass kein umlauffähiges subjektives Recht im Hinblick auf die Aufzeichnung von Sportveranstaltungen besteht, sondern nur schuldrechtliche Gestattungsverträge mit Exklusivitätsabreden möglich sind100. Die offenbar übliche Zentralvermarktung von Sportveranstaltungen101 lässt sich vertragsrechtlich dennoch ohne Weiteres realisieren: Entweder die Eigentümer/rechtmäßigen Besitzer der Veranstaltungsorte vereinbaren mit dem Verband, dass jener das Hausrecht für die betroffenen Veranstaltungen ausübt und dann im eigenen Namen die Gestattungsverträge abschließt, oder sie bevollmächtigen den Verband, die Verträge mit den Sendeunternehmen in ihrem 96
Siehe BGHZ 165, 62, 69 (2005) – Hörfunkrechte (das Hausrecht diene der Wahrung der äußeren Ordnung in dem Gebäude oder der Örtlichkeit, auf die sich das Hausrecht erstreckt); OLG Frankfurt OLGZ 1977, 348, 350 (Benutzung von Einrichtungen vom Hausrecht erfasst). 97 BGHZ 165, 62, 73 f. (2005) – Hörfunkrechte m.w.N.; Fikentscher, SpuRT 2002, 186, 188. Zu den vertragsrechtlichen Grenzen von Verhaltenspflichten OLG Hamburg ZUM 2003, 782, 784 (unwirksames Verbot des Tragens von Vereinsfarben). 98 Zu Aufnahmen von Orten außerhalb des Veranstaltungsortes Osterwalder, Übertragungsrechte, 124 (Fälle theoretischer Natur); Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 111 (ohne Zugang zum Veranstaltungsort keine sendefähige Aufzeichnung); für Veranstaltungen außerhalb geschlossener Gebäude Waldhauser, Fernsehrechte, 75; a.A. Ohly, FS Schricker, 105, 113 (Verweis auf einen australischen Fall aus dem Jahr 1937); wohl auch Hilty/Henning-Bodewig, Leistungsschutzrechte, 85 (Scheinlösungen, die am Kern der wirtschaftlichen Problematik vorbeigingen); ohne Problembewusstsein Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 263 (Sportveranstaltungen könnten mit einfachen Mitteln audiovisuell verwertet werden). 99 Insoweit zutreffend Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 240 f.; a.A. LG Stuttgart MMR 2008, 551, 552 f. 100 BGHZ 110, 371, 384 ff. (1990); OLG Hamburg GRUR-RR 2007, 181, 184; Ahrens/Jänich, in: Vieweg, Vermarktungsrechte, 9, 13 f.; Hügi, SpuRT 2003, 84, 87; Tumbrägel, Zentralvermarktung, 70 f.; Archner, Fernsehübertragungsrechte an Bundesligaspielen, 92 ff.; Winter, ZUM 2003, 531, 535; wohl auch Melichar, FS Nordemann, 213, 220 f.; Hoeren, JR 1998, 332, 334 f. 101 Die zentrale Vermarktung der Veranstaltungen scheint unabhängig von der Sportart üblich zu sein: zum Fußball siehe BGHZ 165, 62 ff. (2005) – Hörfunkrechte; zum Galopprennsport BGH GRUR 2004, 527 ff.
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Namen abzuschließen102. Eine einheitliche Vermarktung lässt sich ferner dadurch erreichen, dass die örtlichen Veranstalter sich gegenüber dem Verband verpflichten, nur demjenigen Sendeunternehmen den Zutritt zu gestatten, gegenüber dem sich wiederum der Verband zur Ermöglichung von Übertragungen verpflichtet hat. Signifikante Nachteile im Vergleich zur Gewährung eines speziellen Ausschließlichkeitsrechts für Sportveranstalter sind daher auch insoweit nicht zu erkennen103.
III. Inzwischen immaterialgüterrechtlich geschützte Güter und Parfüm Im Hinblick auf viele Güter hat sich die Zuordnungsfrage durch eine Ausweitung bestehender und die Kodifizierung neuer Immaterialgüterrechte erledigt. Erinnert sei an die in § 4 B III referierten Beispiele der Darbietung von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst, an die Veranstaltung solcher Ereignisse, an Tonträger, Funksendungen, Datenbanken, Pflanzenzüchtungen und Computerprogramme104. Die technische und wirtschaftlich-soziale Entwicklung bringt jedoch immer wieder neue Immaterialgüter hervor, die vom geschlossenen Kreis der normierten Immaterialgüterrechte nicht erfasst sind. Das zeigt etwa das zur Erläuterung der vertikalen Grenzen des Urheberrechts zitierte Beispiel inzwischen kostengünstig reproduzierbarer Parfüme105. Ein Schutz vor unerlaubter Vervielfältigung von Düften kommt nach den Ergebnissen dieser Untersuchung allenfalls auf deliktsrechtlicher Basis in Frage. Allein der Umstand der Übernahme der Duftstoffe stellt vor dem Hintergrund des Enumerationsprinzips und der Nachahmungsfreiheit jedoch weder eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung noch eine unlautere Nachahmung oder gezielte Behinderung gem. der §§ 826 BGB, 3, 4 Nr. 9, 10 UWG dar106. Schließlich fehlen auch Anhaltspunkte für eine allgemeine Störung des Parfümmarktes in dem Sinne, dass die Vervielfältigung der Parfüme Investitionen in neue Düfte verhindert107. Dafür ist neben dem allgemeinen Wettbewerbsdruck die markenrechtliche Exklusivität der Originalhersteller verantwortlich, die für eine grundsätzlich unbegrenzte Zeitspanne einen über 102
Diese Konstruktion scheitert, wenn der Verband im eigenen Namen agiert; siehe Archner, Fernsehübertragungsrechte an Bundesligaspielen, 93; zu Regelungen in den Satzungen einzelner Sportverbände Waldhauser, Fernsehrechte, 238 ff. Für eine Einwilligungsermächtigung hingegen wohl OLG Hamburg GRUR-RR 2007, 181, 184 (obiter). 103 Ebenso zur Rechtslage in der Insolvenz Herr, Übertragungsrechte, 242 (Rechtsvergleich Deutschland/Frankreich); a.A. Hilty/Henning-Bodewig, Leistungsschutzrechte, 56 (Verlegenheitslösungen). 104 Dazu oben §§ 4 B III, 5 B II. 105 Dazu oben § 5 B II 1. 106 Nicht geprüft werden diese Tatbestandsmerkmale denn auch von BGHZ 33, 20, 28 (1960) – Figaros Hochzeit; ablehnend wie hier zu § 826 BGB Bobsin, GRUR 1954, 57; Taeger, GRUR 1954, 304; Sterner, GRUR 1963, 303, 308 f. 107 Mit diesem wettbewerbsrechtlichen Argument systemwidrig einen Urheberrechtsschutz bejahend Balañá, GRUR Int. 2005, 979, 990 f.
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den Grenzkosten liegenden Verkaufspreis realisierbar macht. Letzteres gilt ebenso für Modeneuheiten, die keinen geschmacks- oder urheberrechtlichen Schutz genießen. Investitionen in derartige Entwicklungen werden vom Markt diktiert und benötigen keine zusätzliche Absicherung. Ein Verbot der Nachahmung kommt daher nur nach Maßgabe der in den §§ 3, 4 Nr. 9, 10 UWG vorgesehenen besonderen Umstände in Betracht108.
IV. Internet-Domain Ein ausschließliches Recht an der Internet-Domain als solcher wird von Rechtsprechung und herrschender Meinung mangels Rechtsgrundlage zutreffend abgelehnt109. Die Untersuchung der güterzuordnungsrelevanten Vorschriften des Privat- und Verfahrensrechts hat zudem ergeben, dass die Interessen der Beteiligten ein solches ungeschriebenes Ausschließlichkeitsrecht gar nicht nahelegen110: Zunächst würde ein solches Recht die Verteilung von Domains nach dem Prioritätsprinzip in Frage stellen, dem der Bundesgerichtshof Gerechtigkeitsgehalt zuspricht, weil es jedem die gleiche Chance eröffnet, eine Internet-Adresse zu erlangen111. Wenn eine Person nach Maßgabe dieses Verfahrens Inhaber einer Domain geworden ist, tragen die relevanten technischen und rechtlichen Rahmenbedingungen dazu bei, dass eine unerlaubte Nutzung oder Entziehung dieses Gutes von vornherein ausgeschlossen ist. Zugriff auf die technische Konnektierung der Adresse hat nämlich nur die jeweilige Registrierungsstelle, deren etwaiges Fehlverhalten der Domaininhaber vertragsrechtlich verhindern bzw. sanktionieren kann. Ein gegen jedermann wirkendes Recht an der Domain bzw. ein deliktsrechtlicher Schutz verbessert die Position des Inhabers daher nicht und steht überdies im Widerspruch zur faktisch weltweiten Exklusivität des Inhabers einer bestimmten Domain, die von einem notwendig territorial begrenzten Ausschließlichkeitsrecht gerade nicht abgebildet würde112. Schließlich lässt sich auch der Rechtsverkehr im Hinblick auf Internet-Domains ohne ein umlauffähiges Ausschließlichkeitsrecht problemlos abwickeln. Der Vermögenswert dieser „sonstigen Gegenstände“ kann durch Verkauf gem. §§ 433, 453 Abs. 1 2. Alt. BGB realisiert werden113. Er steht den Gläubigern des DomainInhabers zur Befriedigung ihrer Forderungen zur Verfügung, denn pfändbar 108
Dazu oben §§ 4 B III, 7 E. Siehe oben § 4 B IV. 110 Ebenso Hartig, Domain als Verfügungsgegenstand, 45. 111 Dazu auch oben § 12 C III 2. 112 Zur Territorialität von Ausschließlichkeitsrechten § 12 C II 2 a mit Fn. 96. 113 Zur Abwicklung eines Verkaufs im Verhältnis zur DENIC durch Kündigung und Neuabschluss eines Domainvertrags siehe die §§ 6 f. DENIC-Domainbedingungen; Ingerl/Rohnke, § 15 MarkenG Rn. 37; Hombrecher, MMR 2005, 647, 648 m.w.N.; Engler, Übertragungsanspruch, 72 ff. (allerdings noch zu einer etwas abweichenden Fassung der DENIC-Domainbedingungen). 109
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und damit zugleich Bestandteil der Insolvenzmasse ist jedenfalls der vertragliche Anspruch auf Konnektierung der Domain im Verhältnis zur Registrierungsstelle114.
V. Geheimnisse Im Hinblick auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse besteht gem. §§ 3, 4 Nr. 9 lit. c, 17 ff. UWG ein umfassender straf- und deliktsrechtlicher Schutz gegen unredliche Kenntniserlangung und Verwertung. Diese Regelungen bezwecken ausweislich ihrer Struktur und Verortung im Lauterkeitsrecht keine positiv-exklusive Zuweisung von Geheimnissen, sondern sie gewährleisten die von Zwang und Täuschung ungehinderte Erwerbstätigkeit unter Einsatz von Know-how. Ansprüche aus Eingriffskondiktion und Geschäftsanmaßung scheiden daher aus115. Da die Berechnung des ersatzfähigen Schadens gem. §§ 249 ff. BGB in aller Regel fehlschlägt, kann indes fingiert werden, dass sich der Schaden auf die angemessene Lizenz oder den Gewinn des Verletzers beläuft (normative Schadensberechnung). Dieser deliktsrechtliche Geheimnisschutz wird jeweils gegen konkrete Verletzungshandlungen aktiviert und kann nicht als solcher im Wege der Verfügung übertragen werden. Möglich und zulässig sind nur – aber immerhin – der Verkauf von Know-how als eines „sonstigen Gegenstands“ (§§ 433, 453 Abs. 1 2. Alt. BGB) und die dauerhafte Lizenzierung116. Die Erfüllung dieser Verpflichtungsgeschäfte durch den Geheimnisträger erfolgt durch faktische Weitergabe des Wissens117. Mangels eines selbständig übertragbaren „Vermögensrechts“ sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse unpfändbar. Ihr rechtlich zulässigerweise realisierbarer Vermögenswert fällt jedoch in die Insolvenzmasse. Das führt entgegen der Dücko-Entscheidung aber nicht zu einer Verwandlung in ein übertragbares Ausschließlichkeitsrecht; vielmehr ist der Insolvenzverwalter anstelle des Schuldners gesetzlich ermächtigt, das Geheimnis zu verkaufen oder zu lizenzieren und den Gemeinschuldner zur Unterlassung eigener Nutzung und Geheimhaltung selbst nach Abschluss des Verfahrens zu verpflichten118. Auch insoweit zeigt sich, dass dieser nicht unter Art. 14 GG fallende Normenschutz einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des Geheimnisträgers, seiner Konkurrenten und der Gläubiger herstellt.
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Dazu oben § 10 D IV 2 a, E II. Zur abschließenden Regelung der lauterkeitsrechtlichen Ansprüche oben § 7 E I 2. 116 Siehe nur etwa Ullmann, in: Benkard, § 15 PatG Rn. 232 m.w.N. 117 Von „Veräußerung“ spricht dunkel BGH NJW 2006, 3424, 3426 (mit Verweis auf die Dücko-Entscheidung). Wie hier Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 352; Leitlinien Verordnung 772/ 04 Nr. 47. 118 Oben § 10 E III 2 b. 115
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VI. Energieverbrauch, insbesondere elektrische Energie Elektrische und sonstige Energie ist seit langer Zeit als vermögenswertes Gut bekannt. Dennoch wurde sie in dieser Untersuchung als „neu“ bezeichnet, weil sie insbesondere nicht dem Sacheigentum unterfällt119. Mangels Rechtsgrundlage ist auch ein vereinzelt propagiertes „Eigenrecht“ an Energie zu verwerfen. Bereits der lange Zeitraum dieser „Lücke“ der Güterzuordnung lässt vermuten, dass sich keine spürbaren Probleme eingestellt haben. Und in der Tat wird das Schutzbedürfnis der Stromversorger und zahlender Kunden gegen unerlaubte Entziehung von Energie wiederum auf vertrags- und deliktsrechtlicher Grundlage abgedeckt: Ausgangspunkt hierfür ist die Erkenntnis, dass der „Hersteller“ von Energie faktische Exklusivität genießt. Wer nicht an das Leitungsnetz angeschlossen ist, kann Elektrizität, Wärme usw. nicht nutzen. Den Anschluss kann das Versorgungsunternehmen120 von der Zahlung eines Entgelts abhängig machen. Hierbei handelt es sich um seit langem als wirksam anerkannte Verpflichtungsgeschäfte, deren Typisierung als Kauf sonstiger Gegenstände oder als Dauerschuldverhältnis offen bleiben kann121. Freilich ist die faktische Exklusivität der Anbieter nicht so stabil wie etwa bei der Internet-Domain, weil eine lückenlose Kontrolle des weit verzweigten Leitungsnetzes unmöglich ist. Und doch steht dem Versorgungsunternehmen für jede nicht ausdrücklich gestattete Entnahme von Energie ein Zahlungsanspruch zu: Rechtsgrundlage hierfür ist zum einen ein Vertragsverhältnis zwischen Versorger und Abnehmer, wobei zwischen gewerblichen und privaten Kunden zu unterscheiden ist. Wer als gewerblicher Sonderabnehmer aus einem ordnungsgemäßen Anschluss Elektrizität entnimmt, nimmt die Realofferte des Versorgers konkludent an und ist nach Maßgabe der Tarife oder in entsprechender Anwendung der §§ 315 f. BGB122 auch dann zur Zahlung verpflichtet, wenn er dem Tarif widerspricht oder ein vorbestehendes Vertragsverhältnis gekündigt hat (protestatio facto contraria)123. Das Rechtsverhältnis der Versorgungsunterneh119
Oben § 5 B I 1 a. Kunden dürfen Elektrizität grundsätzlich nur für eigene Zwecke verwenden, § 22 Abs. 1 AVBEltV. 121 Siehe RGZ 17, 269, 271–273 (1887); RGZ 56, 403, 408 (1904); RGZ 67, 229, 232 (1907); RG JW 1930, 1924 (Elektrizität sei zwar keine Sache, werde nach allgemeiner Verkehrsanschauung aber wie eine Sache, eine Ware, behandelt und sei deshalb nach den Regeln über den Kauf beweglicher Sachen zu beurteilen). Zu verschiedenen Vertragsarten auf dem liberalisierten Energiemarkt de Wyl/Essig/Holtmeier, in: Schneider/Theobald, Hdb Energiewirtschaft, § 10 Rn. 48 ff. 122 Dazu BGH WM 1971, 1456 f.; BGH NJW 1983, 1777 f.; OLG München NJW-RR 1999, 421 f. 123 Siehe RGZ 111, 310, 312 (1925); bestätigt von BGH NJW 1959, 1676; BGH NJW 1983, 1777; BGH RdE 2004, 221 („Rechtsgrundsatz“); LG Hildesheim RdE 2001, 193 f. (als Entgelt sei der übliche Preis, also der einschlägige Tarif, als vereinbart anzunehmen); für den Wasserbezug OLG Saarbrücken NJW-RR 1994, 436 f. m.w.N. Für den Fall der Kündigung BGH WM 1968, 115, 117 f.; OLG Frankfurt NJW-RR 1989, 249 f.; Hermann, in: Hermann/Recknagel/SchmidtSalzer, § 2 AVBV Rn. 51 ff. (sog. Interimsvertrag). Auf dem Boden der Lehre vom faktischen Ver120
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men zu Letztverbrauchern richtet sich nach der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden (AVBEltV)124, deren Regelungen Bestandteil des Versorgungsvertrages sind125, und die ebenfalls implizieren, dass der Versorgungsvertrag durch Entnahme von Elektrizität aus dem Verteilungsnetz zustande kommt126. Wiederum befreit selbst eine Kündigungserklärung den Kunden nicht vom vertraglichen Zahlungsanspruch, wenn er weiterhin ordnungsgemäß Elektrizität verbraucht127. Zur Beweiserleichterung und Abschreckung sieht § 23 Abs. 1 AVBEltV einen Vertragsstrafeanspruch des Versorgungsunternehmens vor, wenn der Kunde Elektrizität unter Umgehung, Beeinflussung, vor Anbringung der Messeinrichtungen oder nach Einstellung der Versorgung bezieht128. Zum anderen stehen dem Anbieter deliktische Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz gem. §§ 823 Abs. 2 BGB, 248c, 263 StGB zu, wenn es an einer willentlichen Herstellung eines ordnungsgemäßen Hausanschlusses fehlt129. Während § 248c StGB jede einseitig bewirkte Minderung des Energievorrats mittels eines Leiters erfasst, der nicht
trag124noch BGHZ 21, 319, 333 ff. (1956); BGHZ 23, 175, 177 f. (1957); LG Osnabrück RdE 1987, 55, 56; offengelassen von BGH WM 1976, 928 (Vertrag durch konkludentes Handeln vor Entnahme); anders dann BGHZ 95, 393, 399 (1985) m.w.N. (Lösung der Fälle des Massenverkehrs in der neueren Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt der unbeachtlichen Verwahrung bei Annahme eines Realangebots). 124 Rechtsgrundlage ist die Verordnungsermächtigung in § 7 Abs. 2 EnWG. 125 Siehe § 1 Abs. 1 S. 2 AVBEltV. 126 Dazu BGH RdE 2004, 221 (§ 2 Abs. 2 AVBEltV gebe die Rechtslage (Versorgungsvertrag durch Leistungsangebot als Realofferte und konkludente Annahme durch Entnahme von Elektrizität) zutreffend wieder); Recknagel, in: Hermann/Recknagel/Schmidt-Salzer, § 1 AVBEltV Rn. 8 ff. 127 Siehe BGH WM 1968, 115, 117 f.; OLG Frankfurt NJW-RR 1989, 249 f.; KG NJW 1985, 1714 ff. (falsch angeschlossene Messeinrichtungen); LG Osnabrück RdE 1987, 55, 56; LG Hagen WuM 1991, 499 f. (Gaslieferung); Martinek, JuS 1985, 596, 600 f.; Ludwig, § 1 AVBEltV Rn. 3, § 2 AVBEltV Rn. 12; differenzierend für den Fall, dass der Kunde zu einem neuen Versorgungsunternehmen wechseln möchte, de Wyl/Essig/Holtmeier, in: Schneider/Theobald, Hdb Energiewirtschaft, § 10 Rn. 208 f. 128 Siehe BGHZ 23, 175, 177 f. (1957) (nachträgliche Überbrückung des Stromzählers); OLG Hamm WuM 1992, 274, 275 (Anzapfung der Leitung vor oder nach dem Hausanschluss); amtliche Begründung zu § 23 AVBEltV, abgedruckt bei Ludwig, § 23 AVBEltV; Hermann, in: Hermann/ Recknagel/Schmidt-Salzer, § 23 AVBV Rn. 20, 25 f.; Danner, in: Danner, § 23 VersorgBd Anm. 1; a.A. AG Hamburg RdE 1990, 170 (Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung bei Manipulation des Stromzähler); LG Hamburg RdE 1997, 155 f. (ein Stromversorgungsvertrag komme mangels Anbietungswillens des Versorgers nicht zustande). Selbst die Einstellung der Versorgung gem. § 33 AVBEltV bedeutet noch nicht die Beendigung des Stromvertrages (siehe Abs. 1–3 im Gegensatz zu Abs. 4); OLG Hamm WuM 1992, 274, 275. 129 Siehe Amtliche Begründung zu § 2 AVBEltV, abgedruckt bei Ludwig, § 2 AVBEltV; BGHZ 117, 29, 34 (1992) („Auch wenn diese Regelung [§ 2 Abs. 5 AVBEltV, der Verf.] für den (vertragslosen) Stromdieb nicht gilt …“); OLG Hamm, WuM 1992, 274, 275; LG Wuppertal RdE 1979, 24, 25 (Entzug von Elektrizität durch Kunden nach Kündigung des Vertrages durch das Versorgungsunternehmen); Martinek, JuS 1986, 596, 599 f.; Hermann, in: Hermann/Recknagel/Schmidt-Salzer, § 2 AVBV Rn. 35 f.; Danner, in: Danner, § 2 VersorgBdg Anm. 2 d bb; Büdenbender, § 11 EnWG Rn. 80.
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zur ordnungsgemäßen Entnahme bestimmt ist130, kann die bloße Zählermanipulation als Betrug strafbar sein131. Demnach wird das Schutzbedürfnis des Versorgungsunternehmens vor unerlaubtem Energiebezug praktisch lückenlos über das Vertrags- und Deliktsrecht befriedigt. An Beweisschwierigkeiten etwa im Hinblick auf den Umstand der Entnahmehandlung132 würden auch Ansprüche wegen Verletzung eines ungeschriebenen Ausschließlichkeitsrechts an Energie scheitern. Dasselbe gilt für Ansprüche aus Eingriffskondiktion, die in der Rechtsprechung ohne nähere Begründung bejaht werden133. Letztgenannte Auffassung ist ohnehin abzulehnen, weil es an einer gesetzlichen Regelung fehlt, wonach (elektrische) Energie dem Versorgungsunternehmen unabhängig von der Art der Entnahmehandlung positiv-exklusiv zugewiesen ist134. Ein praktisches Bedürfnis scheint hierfür nur in dem Sonderfall zu bestehen, dass ein Kunde die höhere Stromrechnung seines Nachbarn bezahlt, weil die Elektrizitätsanlagen falsch angeschlossen wurden, der Erstattungsanspruch gegen den Versorger aber nach zwei Jahren präkludiert ist135. In der Tat stehen dem Kunden die dargestellten vertrags- und deliktsrechtlichen Ansprüche gegen seinen begünstigten Nachbarn nicht zu, so dass insoweit nur bereicherungsrechtliche Ansprüche auf Erstattung des zuviel Gezahlten in Betracht kommen. Diese ergeben sich richtiger Auffassung nach jedoch nicht aus einem rechtsgrundlosen Eingriff in die dem Kunden zugewiesene Energie (denn wiederum fehlt es an einem entsprechenden Zuweisungsgehalt), sondern sie beruhen auf einer Rückgriffskondiktion, wonach derjenige, der zuviel gezahlt hat, seine Tilgungsbestimmung nachträglich dahingehend ändert, dass er für den Nachbarn bezahlt hat136. Außerdem darf nicht übersehen werden, dass der Geschädigte ggf. von Dritten Ersatz verlangen kann137, nämlich vom Installateur, der den Fehler im Bereich der vom Kunden zu verantworten-
130 Siehe nur etwa Tröndle/Fischer, § 248c StGB Rn. 2 f. m.w.N.; Eser, in: Schönke/Schröder, § 248c StGB Rn. 10 f.; RG GA 56, 67 (1908). Zum Verlegen einer Leitung zur Umgehung des Stromzählers RG GA 55, 314, 315 (1908); Eser, in: Schönke/Schröder, § 248c Rn. 10. 131 RGSt 35, 311, 314 (1902); RGSt 74, 243 ff. (1940); Eser, in: Schönke/Schröder, § 248c Rn. 12. 132 Siehe die Fallgestaltungen bei LG Wuppertal RdE 1979, 24 f.; AG Tiergarten StV 1983, 335, 336. 133 Siehe LG Hildesheim RdE 2001, 193, 194 (für einen Anspruch aus Bereicherungsrecht müsse das Energieunternehmen exakt vortragen und beweisen, wie viel Strom entnommen worden sei). 134 Zu dieser Voraussetzung oben § 8 D. 135 Siehe § 21 Abs. 2 AVBEltV und die Sachverhalte KG NJW 1985, 1714, 1715; LG Aachen NJW 1984, 2421, 2422; LG München NJW-RR 2002, 994 (Zählerverwechslung). 136 So auch LG München NJW-RR 2002, 994 (verneint jedoch für die Zeit vor Ablauf der Zweijahresfrist des § 21 AVBEltV, weil der Zahlende den wahren Schuldner „zumindest wirtschaftlich gesehen nicht von einer eigenen Verbindlichkeit“ gegenüber dem Stromversorger befreit habe, so dass sich die den Stromversorger schützende Zweijahresfrist im Ergebnis auch zwischen den Kunden auswirkt). 137 Ebenso Edelmann, RdE 1986, 79, 80.
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den Anlage herbeigeführt hat138, vom Vermieter, der einen ordnungsgemäßen Stromanschluss zur Verfügung stellen muss139, oder vom Verkäufer eines Hauses/ einer Wohnung wegen eines entsprechenden Sachmangels140. Hat der Betroffene den falschen Anschluss im Bereich seiner Kundenanlage selbst verursacht, steht ihm natürlich kein Ersatzanspruch zu141. Insgesamt reflektiert die hier vertretene Ablehnung einer ausschließlichen Zuordnung (elektrischer) Energie die Besonderheiten dieses Gutes und die Interessen der Beteiligten. Energie wird zumindest vom Letztverbraucher als flüchtiges Gut wahrgenommen, das bereitgestellt und sogleich verbraucht, aber nicht erst aufgrund eines Ausschließlichkeitsrechts „übereignet“ und dann erlaubterweise genutzt wird. Außerdem unterliegen auch nach der Liberalisierung des Energiemarktes zumindest die „allgemeinen Versorger“ einem Kontrahierungszwang, weil das von ihnen angebotene Gut weiterhin in den Bereich der Daseinsvorsorge fällt142. Ein ausschließliches Recht an Energie würde ohnehin unter diesem weitgehenden Vorbehalt stehen, der in einer nur auf Vertrags- und Deliktsrecht beruhenden Exklusivität und Verwertung kohärenter zum Ausdruck kommt.
VII. Persönlichkeitsmerkmale Das prominenteste Beispiel einer richterrechtlichen Entwicklung hin zu ungeschriebenen Ausschließlichkeitsrechten ist der Schutz der Person und ihrer äußeren Merkmale wie Name, Bildnis und Stimme. Weder das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner klassischen Ausprägung (aPR) noch die in der MarleneRechtsprechung anerkannten vermögenswerten Bestandteile des Persönlich138 Siehe § 12 Abs. 2 AVBEltV („Die Anlage darf außer durch das Elektrizitätsversorgungsunternehmen nur durch einen in ein Installateurverzeichnis eines Elektrizitätsversorgungsunternehmens eingetragenen Installateur nach den Vorschriften dieser Verordnung und nach anderen gesetzlichen oder behördlichen Bestimmungen sowie nach den anerkannten Regeln der Technik errichtet, erweitert, geändert und unterhalten werden. Das Elektrizitätsversorgungsunternehmen ist berechtigt, die Ausführung der Arbeiten zu überwachen.“). Die Haftung des Installateurs folgt dann aus §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB. 139 Siehe in diesem Sinne auch den Hinweis bei Bork JA 1983, 174, 177. Anspruchsgrundlage in diesem Fall wäre § 536a Abs. 1 BGB. 140 Anspruchsgrundlage: §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB. 141 Siehe § 12 Abs. 1 S. 1 AVBEltV. 142 Siehe § 10 Abs. 1 EnWG („Energieversorgungsunternehmen haben für Gemeindegebiete, in denen sie die allgemeine Versorgung von Letztverbrauchern durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Tarife für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekanntzugeben und zu diesen Bedingungen und Tarifen jedermann an ihr Versorgungsnetz anzuschließen und zu versorgen. Diese Pflicht besteht nicht, wenn der Anschluss oder die Versorgung für das Energieversorgungsunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist.“). Dazu etwa Schweers, Vertragsbeziehungen und Haftung im novellierten Energiewirtschaftsrecht, 19 ff.; Nill-Theobald/Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts, 62 ff.; Ludwig, § 6 EnergG Rn. 23; de Wyl/Essig/Holtmeier, in: Schneider/Theobald, Hdb Energiewirtschaft, § 10 Rn. 137. Zum Kontrahierungszwang nach früherem Recht etwa BGH WM 1971, 1456, 1457.
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keitsrechts sind spezialgesetzlich verankert143. Nach den Ergebnissen dieser Studie ist eine deliktsrechtliche Umsetzung des Schutzgebots für das verfassungsrechtliche Persönlichkeitsrecht zulässig, während verkehrsfähige Ausschließlichkeitsrechte an individuellen Merkmalen der Rechtsgrundlage entbehren und daher abzulehnen sind. Dieses Resultat hat weitreichende Konsequenzen für das System des Persönlichkeitsschutzes im deutschen Privatrecht, die nunmehr zusammenfassend darzustellen sind. Zu zeigen ist, dass die hier vertretene Auffassung einen negativ-abwehrenden Schutz vor Einmischung in persönliche Angelegenheiten ermöglicht (dazu 1), dem Einzelnen aber auch rechtliche Instrumente zur ggf. erwünschten Selbstvermarktung zur Verfügung stellt (dazu 2)144. Vor diesem Hintergrund gilt es abschließend zu begründen, warum die Marlene-Rechtsprechung entgegen der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts eine verfassungwidrige Rechtsfortbildung darstellt (dazu 3). 1. Schutz vor Kommerzialisierung Das ideelle Interesse an einem Schutz der Privat-, Geheim- und Intimsphäre, der Ehre und der grundsätzlichen Selbstbestimmung über die Verwendung persönlicher Äußerungen, Daten und Merkmale wie Name, Bildnis und Stimme wird seit der zulässigen Umsetzung der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG im zivilrechtlichen aPR in seiner klassischen Ausprägung umfassend gewährleistet145. Das gilt insbesondere für das Bedürfnis, nicht ungefragt zu kommerziellen Zwecken in Dienst genommen zu werden146: a) Zu Lebzeiten Ein solches Verhalten wird von der Rechtsprechung nach positiver Feststellung der Rechtswidrigkeit unter Berücksichtigung insbesondere der Meinungs- und Pressefreiheit des Handelnden als potentielle Verletzung des offenen Deliktstatbestands bzw. „Rahmenrechts“ aPR eingeschätzt147. Hiergegen kann sich der Betroffene zunächst mit dem allgemeinen deliktsrechtlichen Unterlassungs- und
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Oben § 4 B VII. Schon diese Unterscheidung zwischen dem Schutz vor und der Ermöglichung von Kommerzialisierung wird verkannt von Koos, WRP 2003, 202, wonach es sich um einen „vermögenswerten Bestandteil“ des aPR handele, wenn der betroffene Teil des Persönlichkeitsrechts zwangskommerzialisiert werde. Eindeutig differenzierend hingegen Westermann, Symposium Canaris, 125, 134 ff.; Peifer, GRUR 2002, 495, 497. 145 So im Ansatz auch Schack, Urheberrecht, Rn. 51a; Engels, in: Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz, 31, 33; Stadler, Kommerzialisierung, 29 (maßvolle Erhöhung der Entschädigungsbeträge und negatorischer Rechtsschutz ausreichend); Wortmann, Vererblichkeit, 164 f. 146 Irreführend daher die Anspielung von Ullmann, AfP 1999, 209, 211, an die unstreitig überholte Rechtsprechung des Reichsgerichts, das einen Schutz der Ehre vor unerlaubter Kommerzialisierung ablehnte, weil es die Ehre für nicht kommerzialisierbar hielt. Zu solch verfehlter Logik im Kontext der aktuellen Rechtsprechung zur Geldentschädigung unten b. 147 Ebenso zuletzt BGH GRUR 2007, 139, 141 – Rücktritt eines Finanzministers (aPR als Rahmenrecht auch im kommerziellen Kontext). 144
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Beseitigungsanspruch zur Wehr setzen148. Dieses Schutzes geht die Person nicht aufgrund früherer Selbstvermarktung verlustig, weil die rein kommerzielle Nutzung des Konterfeis oder Namens durch bestimmte Unternehmen kein allgemeines Interesse der Öffentlichkeit ist, das eine Einschränkung des aPR wegen nicht konsistenter Ausübung zu rechtfertigen vermag149. Von einer Schutzlosigkeit oder risikolosen Aneignung von Persönlichkeitsmerkmalen durch Dritte kann schon deshalb keine Rede sein. Hinzu treten unstreitig Ansprüche auf Ersatz des Vermögensschadens gem. §§ 823 Abs. 1, 249 ff. BGB, die unabhängig davon in Betracht kommen, welche Interessen der verletzte Deliktstatbestand gewährleistet. Insoweit gelten strenge Sorgfaltspflichten. Jeder, der Persönlichkeitsmerkmale nutzen möchte, ist von sich aus zur Prüfung gehalten, wie weit seine Befugnisse reichen; er darf sich nicht darauf verlassen, dass andere (z.B. Bildagenturen) die Zustimmung des Betroffenen eingeholt haben. Eine dennoch erfolgende, rechtswidrige Verwendung etwa von Bildern Prominenter ist als fahrlässig einzuschätzen und verpflichtet zum Schadensersatz150. Freilich gestaltet sich der Nachweis eines konkreten Schadens insbesondere in Gestalt des entgangenen Gewinns schwierig. Dem ist jedoch anerkanntermaßen mit einem normativen Schadensbegriff beizukommen, wonach sich der Schaden auf das üblicherweise vereinbarte Entgelt beläuft151. 148 BGHZ 165, 203, 206 (2005) m.w.N. Hierfür kommt es entgegen der Rechtsprechung (LG Berlin MMR 2005, 324, 325) nicht auf die begriffliche Einordnung des aPR als „absolutes Recht“ an, sondern auf die Funktion des allgemeinen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs, rechtswidrige Verletzungen des aPR von vornherein zu verhindern; dazu oben §§ 1 A IV, 6 D. 149 Siehe oben §§ 2 B II 3, 6 B IV 1. Verfehlt daher die Begründung von OLG München ZUMRD 2005, 396, 397 f. (die Werbung für ein Unternehmen könne nicht dazu führen, dass die Person „quasi vogelfrei dem Zugriff auch der übrigen werbenden Wirtschaft ausgesetzt wäre mit der Folge, das der in ihrem Werbebildnis verkörperte Vermögenswert nicht mehr ihr … zufließen würde, sondern … auf Dritte umgelenkt würde … Das wäre mit dem Charakter des Rechts am eigenen Bild als eines vermögenswerten Ausschließlichkeitsrechts … nicht vereinbar.“). 150 Auch in der Dahlke-Entscheidung meldete der BGH Bedenken gegen die Ablehnung des Verschuldens an, ließ die Frage dann aber dahinstehen, weil er den Zahlungsanspruch auf das Bereicherungsrecht stützte; siehe BGH GRUR 1956, 427, 429 f. – Dahlke (insoweit in BGHZ nicht abgedruckt); ferner BGHZ 30, 7, 14 f. (1959); BGH LM §§ 23, 22 KUG Nr. 4 (1957); BGH LM §§ 23 Abs. 1 Ziff. 1, 22 KUG Nr. 5 (1958); BGH NJW 1971, 698, 700; BGH NJW 1980, 994, 995; BGH NJW 1985, 1617, 1619; BGH NJW 1992, 2084 – Fuchsberger; OLG Oldenburg NJW 1989, 400, 401; OLG Frankfurt NJW 1992, 441, 442 (dies gelte jedenfalls dann, wenn begründeter Anlass zur Annahme bestehe, die Einwilligung des Abgebildeten könne fehlen); OLG München NJW-RR 1996, 539, 541; OLG München K&R 2007, 320, 324 (ein Rechtsirrtum sei trotz des offenen Schutzbereichs unbeachtlich); LG Hamburg GRUR 2007, 143, 144. Übersicht zur journalistischen Sorgfaltspflicht bei Burkhardt, in: Wenzel, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 6 Rn. 117 ff. (strenger Maßstab); Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 275 ff.; Soehring, Presserecht, Rn. 2.1 ff. Zur Verfassungsmäßigkeit dieser Sorgfaltspflichten BVerfGE 99, 185, 198 (1998) (Sorgfaltspflichten als Ausdruck der Schutzpflicht, die aus dem verfassungsrechtlichen aPR folge). 151 Siehe als Beispiel aus der Rechtsprechung OLG Frankfurt NJW 1966, 254, 256 f.; OLG Hamburg Schulze OLGZ 113, 9 (1971); OLG München NJW-RR 1996, 539 ff. (Anspruch auf materiellen Schadensersatz offengelassen und Anspruch aus Eingriffskondiktion bejaht, obwohl ein
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Sollte es einmal am Verschulden fehlen152 oder kein Schaden vorliegen, weil sich der Betroffene unter keinen Umständen mit der angegriffenen Nutzung einverstanden erklärt hätte153, heißt das nicht, dass der Verletzer keine Zahlungsansprüche zu gewärtigen hätte. Denn bei schwerwiegenden Eingriffen, die sich nicht auf andere Weise befriedigend ausgleichen lassen, gewährt die Rechtsprechung eine Geldentschädigung gem. § 823 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 und 2 Abs. 1 GG. Dabei werden insbesondere die Bedeutung und Tragweite der Beeinträchtigung, der Grad des Verschuldens sowie Anlass und Beweggrund des Handelnden in Betracht gezogen154. Dieser Rechtsbehelf kann und sollte gerade auch gegen Zwangskommerzialisierungen fruchtbar gemacht werden, soweit die unstreitig in Frage kommenden Ansprüche auf Abwehr und Schadensersatz keinen genügenden Schutz bieten155. Dass hierbei die Gewinne des Verletzers berücksichtigt werden, bedeutet keine implizite Anerkennung einer vermögensrechtlichen Zuweisung der Persönlichkeitsmerkmale wie bei einem Anspruch aus Geschäftsanmaßung, sondern verwirklicht das verfassungsrechtliche Gebot der Genugtuung des Betroffenen und der Prävention sonst nicht ausreichend bewehrter, massiver Beeinträchtigungen ideeller Interessen156. Die hier nicht geleugneten Bedenken gegen die Einbeziehung präventiver Aspekte in das zivilrechtliche Anspruchsar152 vorsätzliches Handeln der Beklagten vorlag); OLG München ZUM-RD 2007, 360, 362. Zur dreifachen Schadensberechnung, von der hier nur die Lizenzanalogie und nicht die Gewinnherausgabe propagiert wird, als schadensrechtlicher Figur oben § 7 E I 2. 152 Siehe BGH NJW 1992, 2084 f. – Fuchsberger. 153 BGHZ 26, 349, 352 (1958) – Herrenreiter; a.A. BGH GRUR 2007, 139, 140 – Rücktritt eines Finanzministers; weitere Nachweise oben § 4 B VII 2 b. 154 Nachweise oben § 4 B VII 2 a. Beispiele aus der Rechtsprechung: BGHZ 35, 363, 369 f. (1961); OLG Frankfurt NJW-RR 1986, 1118, 1119; OLG München GRUR-RR 2002, 341, 342. Siehe zu den praktischen Vorteilen der Geldentschädigung im Vergleich zu materiellen Ansprüchen aus Eingriffskondiktion oder Geschäftsanmaßung Schwerdtner, in: Grimm/Schwerdtner, Schutz der Persönlichkeit, 105 f.; Ullmann, in: Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz, 44 (es müsse bei der Geldentschädigung kein Gewinn des Verletzers nachgewiesen werden); zu den Grenzen des Persönlichkeitsschutzes durch materiellen Schadensersatz und Bereicherungsrecht auch Neben, Personenberichterstattung, 322 ff. Für einen Ausbau der Gewinnhaftung de lege ferenda aufgrund „vorsätzlicher Aneignung fremden Guts“ unabhängig von der Frage, ob das „Gut patrimonialer oder ideeller Natur“ sei, damit der „Druck in Richtung auf ,Kommerzialisierung‘ immer neuer Persönlichkeitsgüter“ nachlasse Wagner, Perspektiven im Schadensersatzrecht, A 46; skeptisch Taupitz, in: Taupitz/Müller, Rufausbeutung, 1, 15 ff. („geniales Ergebnis auf Schleichwegen“). Unzutreffend daher der Vorwurf, bei Ablehnung des Bereicherungsrechts blieben gerade die schwersten Rechtsverletzungen folgenlos; so aber Schertz, Merchandising, Rn. 386; v. Holleben, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 108, 134; Magold, Personenmerchandising, 439; Taupitz, in: Taupitz/Müller, Rufausbeutung, 1, 21; Schulze Wessel, Vermarktung Verstorbener, 127. 155 Siehe BGH NJW 1996, 984, 986 (bei erheblicher, anders nicht zu verhindernder Persönlichkeitsrechtsverletzung ggf. geringere sonstige Anforderungen für eine Geldentschädigung); BGHZ 132, 13, 27 (1996) (Geldentschädigung bei non liquet in Bezug auf die Wahrheit einer Tatsachenbehauptung); BVerfG NJW 2006, 595, 596 (ggf. geringe Sorgfaltspflichtanforderungen). 156 Müller, VersR 2000, 797, 803 f.; a.A. Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, 247; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 213 f.; Kläver, ZUM 2002, 205 f. (die Berücksichtigung der Gewinne sei eine implizite Anerkennung der vermögensrechtlichen Interessen des Geschädigten).
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senal treten zurück, wenn man die von der Literatur propagierte vollständige Umwidmung des Persönlichkeitsrechts in ein vermögenswertes Ausschließlichkeitsrecht als Alternative erkennt, der sowohl eine zivilrechtliche Rechtsgrundlage als auch ein verfassungsrechtliches Fundament fehlt157. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass manche Forderung nach umfassenden vermögensrechtlichen Sanktionen darauf beruht, dass zunächst einmal die soeben dargestellten Rechtsbehelfe des klassischen aPR in Abrede gestellt, mit anderen Worten erst Lücken gerissen werden, die anschließend auf anderer, noch brüchigerer dogmatischer Basis geschlossen werden158. Die von den Verfechtern eines vermögenswerten Ausschließlichkeitsrechts an der Person befürworteten Ansprüche aus Eingriffskondiktion und angemaßter Eigengeschäftsführung wegen Verletzungen des aPR sind nach hier vertretener Auffassung nämlich abzulehnen, weil es an einer positiven gesetzlichen Zuweisung des Vermögenswerts bzw. etwaiger Gewinne aus der kommerziellen Nutzung von Persönlichkeitsmerkmalen im deutschen Recht fehlt159. Das aPR in seiner klassischen Ausgestaltung hat zwar unter anderem den Zweck, dem Betroffenen die Entscheidung vorzubehalten, ob und unter welchen Voraussetzungen er sich etwa als Werbeträger zur Verfügung stellt. Dafür werden aber in Fortbildung des Deliktsrechts nur bestimmte Verhaltensweisen Dritter negativ abgewehrt, ohne den entstehenden Freiraum der Person im Sinne eines exklusiv Erworbenen positiv zuzuweisen. Verfassungsrechtlich spiegelt sich dieser Telos in der Umsetzung eines Schutzgebots aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, zivilrechtlich in der Unübertragbarkeit des offenen Deliktstatbestands als solchem. Dieselben Rechtsgrundsätze gelten für das Recht am eigenen Bild und das Namensrecht als 157 Für die Aufgabe des aPR gar Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 21 f. Auch der Vorschlag von Canaris, FS Deutsch, 85, 86 ff., einen Gewinnherausgabeanspruch über die Eingriffskondiktion und die §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 285 BGB zu konstruieren, lässt sich nicht ohne Analogien (a.a.O., 94 f.: analoge Anwendung des § 285 BGB auf die anfängliche objektive Unmöglichkeit) und Verwerfungen (a.a.O., 86 und 90 f.: Ablehnung des § 687 Abs. 2 BGB, aber Bejahung der Eingriffskondiktion, obwohl beide eng miteinander verwandt sein sollen; a.a.O., 92: Berücksichtigung immaterieller Schäden im Rahmen der Eingriffskondiktion) erzielen. 158 Siehe z.B. Fischer, Entwicklung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes, 245 (keine Ansprüche gegen die unerlaubte Verwendung von Verstorbenen in der Werbung, aber umfassende Rechtsstellung der Erben der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts); Götting, GRUR 2004, 801, 802 ff. (statt postmortaler Geldentschädigung Vererbung); Beuthien, ZUM 2003, 261 f. (postmortale Geldentschädigung als unzulässige Kommerzialisierung der Menschenwürde, aber vererbliches Persönlichkeitsgüterrecht am Image); Ullmann, WRP 2000, 1051, 1052 (das Rad der Rechtsprechung zum unverhältnismäßig erscheinenden Ausgleich immaterieller Interessen könne zurückgedreht werden). Die vom Verfasser in ZUM 2000, 710, 719 anklingende Auffassung zur Rückführung der Geldentschädigung auf den Genugtuungsaspekt wird hiermit aufgegeben. 159 Dieses Ergebnis ist rechtsvergleichend die ganz überwiegende Lösung der Rechtsordnungen; siehe Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich II, 250 ff., 282 (Eingriffe in Persönlichkeitsrechte würden nur im deutschen Recht und dort überwiegend in der Literatur als möglicher Bereicherungsfall eingeordnet). Die vom Verfasser in ZUM 2000, 710, 719 geäußerte Gegenauffassung wird hiermit aufgegeben. Für gewohnheitsrechtliche Anerkennung hingegen Helle, RabelsZ 60 (1996), 448, 465 (communis opinio).
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gem. §§ 22 f. KUG, 12 BGB normierter Ausstrahlungen des umfassenden Persönlichkeitsschutzes160. Diese weder von Art. 14 GG noch einem allgemeinen Rechtsprinzip korrigierte „Lücke“ der Güterzuordnung führt bei konsequenter Ausschöpfung der deliktsrechtlichen Rechtsbehelfe sowie der Geldentschädigung zu keinen spürbaren Defiziten eines Schutzes vor unerwünschter Kommerzialisierung – ganz abgesehen von den tiefgreifenden Bedenken gegen ein verkehrsfähiges Ausschließlichkeitsrecht an der Person, auf die sogleich zurückzukommen ist161. b) Postmortal Dieser Befund gilt nicht nur zu Lebzeiten des Betroffenen, denn der von der Verfassung geforderte Persönlichkeitsschutz endet nicht mit dem Tode. Dieser postmortale Schutz beruht allerdings aus den in § 10 F herausgearbeiteten Gründen nicht auf einer Vererbung: Zwar lässt sich der Vermögenswert persönlicher Merkmale durch schuldrechtliche Gestattungsverträge wirksam realisieren, so dass sie zum „Vermögen“ zu gehören scheinen, das gem. § 1922 BGB auf den Erben übergeht. Hiergegen spricht aber der im Erb- und Insolvenzrecht angelegte Zusammenhang zwischen Vererblichkeit und Nachlassinsolvenz. Denn was in den Nachlass fällt, steht den Gläubigern des Erblassers als Haftungsmasse zur Verfügung und kann zwangsweise verwertet werden162. Der konsequente Insolvenzbeschlag vererblicher persönlicher Merkmale wie Bildnis, Name und Stimme des Verstorbenen sowie ihre Versilberung durch den Nachlassverwalter163 stehen jedoch im Widerspruch zum fortwirkenden Achtungsanspruch gem. Art. 1 Abs. 1 GG, der gerade verhindern soll, dass die Person nach ihrem Tode zum Objekt der Nachwelt einschließlich der Gläubiger wird. Die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts deshalb von der Nachlassinsolvenz auszunehmen164 ist nur einer der Systembrüche, die notwendig sind, um die Vererblichkeitslösung der Marlene-Rechtsprechung ohne offensichtliche Verfassungsverstöße durchzuführen165. Dass das Persönlichkeitsrecht nicht zum vererblichen Vermögen zählen kann, lässt sich daran ersehen, dass es in seiner vom Grundgesetz geforderten postmortalen Dimension allein auf die Interessen des Verstorbenen ausgerichtet ist, der Erbe hingegen mit dem ererbten Vermögen grundsätzlich nach eigenem Gutdünken verfahren
160 Oben §§ 4 B VII 1 a, 2 a, 3 a; 6 B IV 1; 10 G. Für § 22 KUG BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 – Marlene (die Norm stehe historisch in Bezug auf den Schutz ideeller Interessen). 161 Näher unten 3; gegen Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 732, 782 (ohne Bereicherungsrecht folgenlose Zueigenmachung fremder Persönlichkeitsdetails). 162 Oben § 10 F I; ferner Esch, NJW 1984, 339, 342. 163 Siehe Wortmann, Vererblichkeit, 394. 164 Dafür Lichtenstein, Persönlichkeitsrecht vor und nach dem Tode, 360. 165 A.A. Beuthien, in: Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz, 83, 86; Klingelhöffer, ZEV 2000, 327 f. (die Vererbung entspreche dem BGB); unklar Wortmann, Vererblichkeit, 296 (§ 1922 BGB trage nur „teilweise“).
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kann166. Wenn die Rechtsprechung den Erben der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts ohne Rücksicht auf erbrechtliche Verfügungen von Todes wegen an die Interessen des Erblassers gebunden sieht167, ist das ein Anzeichen für eine ungeschriebene Sondererbfolge außerhalb der §§ 1922 ff. BGB. Eine solche „Ausweichlösung“ hat der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit der Vererbung von Anteilen an Personengesellschaften indes ausdrücklich verworfen und allenfalls punktuelle Modifikationen des Erbrechts zugelassen168. Der Eindruck der Gesetzeswidrigkeit verstärkt sich in Anbetracht der vielfältigen Abweichungen von grundlegenden Konzepten des Erbrechts, die in der Literatur für die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts propagiert werden169, und denen ebenso der Rückhalt im Gesetz fehlt wie Vorschlägen zur analogen Anwendung urheberrechtlicher Spezialvorschriften170. Aus erbrechtlicher Sicht ist daher die ständige Rechtsprechung und ganz herrschende 166 Konsequent Beuthien, NJW 2003, 1220, 1222 (der Erbe brauche auf den Willen des Verstorbenen keine Rücksicht zu nehmen); Fischer, Entwicklung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes, 243 ff. (der Erblasser müsse sich der erbrechtlichen Instrumente zur Bindung der Erben an seinen Willen bedienen; tue er dies nicht, könnten die Erben mit den vermögenswerten Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts nach Belieben verfahren). 167 Oben § 4 B VII 3 b. Aus der Literatur Peukert, ZUM 2000, 710, 712 (der Erbe erscheine nur im Kleid eines Erben, seine Rechtsposition entpuppe sich aber als Wahrnehmung); Gregoritza, Persönlichkeitsrechte Verstorbener, 113 ff.; Wortmann, Vererblichkeit, 331 f. (teleologische Reduktion des Erbrechts); ähnlich Müller, GRUR 2003, 31, 32 (die Besonderheiten ließen sich aus der Natur des postmortalen Persönlichkeitsrechts erklären). 168 Siehe BGHZ 68, 225, 229 f., 237 ff. (1977) (die Tatsache, dass der Konflikt zwischen dem auf dem Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge aufbauenden Erbrecht und dem auf der persönlichen Verbundenheit der Gesellschafter beruhenden Gesellschaftsrecht im Gesetz ungelöst geblieben sei, sei kein Grund, diesen Lebenssachverhalt ganz aus dem Erbrecht auszuklammern und auf bloße Ausweichlösungen zurückzuführen); BGHZ 98, 48, 50 ff. (1986) m.w.N.; BGHZ 108, 187, 192 f. (1989); BGH JZ 1998, 468; Esch, NJW 1984, 339 ff. Allgemein zu den Nachteilen von Sondernachfolgen außerhalb des Erbrechts Windel, Modi der Nachfolge, 14 f. 169 Für eine Sonderrechtsnachfolge der Angehörigen und nicht der Erben Magold, Personenmerchandising, 568; Schulze Wessel, Vermarktung Verstorbener, 140; ablehnend insoweit Wortmann, Vererblichkeit, 298 ff.; Lichtenstein, Persönlichkeitsrecht vor und nach dem Tode, 295 (der allerdings auch die hier präferierte persönlichkeitsrechtliche Lösung gem. dem Rechtsgedanken von § 22 S. 3 KUG fälschlich als Sondererbfolge einordnet). Für formlose Anordnungen im Hinblick auf die Art und Weise der postmortalen Verwertung ohne Rücksicht auf das Erbrecht Gregoritza, Persönlichkeitsrechte Verstorbener, 148; Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 209; Wortmann, Vererblichkeit, 318. Zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft Gregoritza, Persönlichkeitsrechte Verstorbener, 157; Wortmann, Vererblichkeit, 367 (Erbteilsübertragung erfasse die vermögenswerten Bestandteile des aPR nicht), 370; ferner Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 210 f. (gelockerte Bindung an einen Erbvertrag); zum Pflichtteilsrecht und der Bewertung vermögenswerter Bestandteile des Persönlichkeitsrechts Klingelhöffer, ZEV 2000, 327, 328; Wortmann, Vererblichkeit, 382 (Bewertung der Persönlichkeitsmerkmale nur bei Anordnung der Verwertung durch den Erblasser). 170 Zur Übertragbarkeit der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts in Erfüllung einer Verfügung von Todes wegen oder im Rahmen der Erbauseinandersetzung gem. § 29 Abs. 1 UrhG Gregoritza, Persönlichkeitsrechte Verstorbener, 149; ohne Begründung auch Brändel, FS Erdmann, 49, 53; Wortmann, Vererblichkeit, 367 f., 394 (Einwilligungserfordernis für Pfändung und Nachlassinsolvenz gem. § 113 UrhG, Pfändung von Erbteilen). Zur fehlenden Analogiefähigkeit des Immaterialgüterrechts oben §§ 5 C, 12 D.
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Meinung in der Literatur zutreffend, wonach das aPR als höchstpersönliche Rechtsposition nicht in den Nachlass fällt171. Einen „Grundgedanken des bürgerlichen Rechts, die Wahrnehmung solcher Vermögensinteressen den Erben zuzugestehen“, kennt das deutsche Privatrecht – anders als das Bundesverfassungsgericht meint – also nicht172. Im Gegenteil, § 22 S. 3 KUG sieht für das Recht am eigenen Bild als einer Ausprägung des vom Grundgesetz geforderten, postmortalen Persönlichkeitsschutzes explizit vor, dass die mit den Erben nicht notwendig personenidentischen Angehörigen die Interessen des Verstorbenen wahrnehmen173. Diese Wahrnehmungsbefugnis erstreckt sich auf jede einwilligungsbedürftige Nutzung des Bildnisses nach dem Tode, sei es zu kommerziellen oder sonstigen Zwecken. Die gesetzeswidrige Missachtung dieser Regelung durch die Marlene-Entscheidung ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs inzwischen deutlich zutage getreten. Einerseits werden die vermögenswerten Bestandteile auf zehn Jahre nach dem Tode beschränkt, weil „eine darüber hinausgehende zeitliche Ausdehnung der Schutzdauer der vermögenswerten Bestandteile des postmortalen Persönlichkeitsrechts … mit der Wertung des § 22 KUG nicht vereinbar“ wäre174. Andererseits soll die weitere Anordnung just des dritten Satzes dieser Norm – nämlich die Zuständigkeit der Angehörigen – offenbar vollkommen irrelevant sein175. Diesen Widerspruch vermochte auch das Bundesverfassungsgericht im MarleneBeschluss nicht aufzulösen. Es meint nämlich zunächst, § 22 S. 3 KUG stehe der Vererblichkeitslösung nicht entgegen, weil diese Vorschrift nur ideelle Interessen betreffe. Der Gesetzgeber habe also nicht abschließend geregelt, wer einen Vermögenswert aus der Verwertung des Bildnisses geltend machen könne. Anschließend jedoch führt das Gericht aus, jene Norm sei in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise so erweitert worden, dass sie nunmehr „auch im Dienst von 171 Oben § 4 B VII 2 a. Aus der erbrechtlichen Literatur in diesem Sinne Schlüter, in: Erman, § 1922 BGB Rn. 9; Ebenroth, Erbrecht, Rn. 28; Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 16; Leipold, in: MünchKomm, § 1922 BGB Rn. 84; Marotzke, in: Staudinger, § 1922 BGB Rn. 131; Stein, in: Soergel, § 1922 BGB Rn. 23 ff.; Muscheler, Universalsukzession, 6 ff. 172 Büchler, AcP 206 (2006), 300, 343 (das Vererblichkeitsdogma brauche eine eigenständige Begründung, um die Leerstelle normativer Zuordnung zu schließen, die mit dem Ableben des Trägers entstehe); a.A. BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 – Marlene. 173 Verfehlt insoweit Seifert, NJW 1999, 1889, 1896 (§ 22 S. 4 KUG sei identisch mit der Erbfolgeregelung der §§ 1923 ff. BGB). Ebenso für die persönlichkeitsrechtlichen Befugnisse des ausübenden Künstlers § 76 S. 4 UrhG; dazu Peukert, Leistungsschutzrechte, 124 ff. 174 So der I. Senat in BGH GRUR 2007, 168, 170 – kinski-klaus.de. Eine Divergenz zum „Leitbild“ der Marlene-Rechtsprechung beklagen denn auch Götting, GRUR 2007, 170, 171 (eine Schutzfrist von 70 Jahren nach dem Tode sei angemessen, damit seien aber wohl die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschritten); Reber, GRUR Int. 2007, 492 ff. 175 Für unauflösbar hält den Widerspruch zwischen Vererbung und § 22 S. 3 KUG auch ErnstMoll, GRUR 1996, 558, 564; ferner Lichtenstein, Persönlichkeitsrecht vor und nach dem Tode, 315 (der BGH sei über diese „vorsintflutliche“ Vorschrift hinweggegangen); Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 199 ff. (§ 22 S. 3 KUG als verfassungswidrige Einschränkung des Erbrechts der Erben); Jung, Vererblichkeit, 251 (§ 22 S. 3 KUG solle gestrichen werden); Wortmann, Vererblichkeit, 302 (der Gesetzgeber solle die „Unregelmäßigkeiten“ im Bereich des Bildnisrechts beseitigen).
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Vermögensinteressen“ stehe176. Wenn dem aber so ist, dann erstreckt sich die ausdrückliche Wahrnehmungsbefugnis der Angehörigen gem. S. 3 dieser Vorschrift eben auch auf kommerziell relevante Sachverhalte. Nur mit dieser Bündelung aller persönlichkeitsrechtlichen Streitfragen bei den Angehörigen wird ein in der Marlene-Rechtsprechung angelegtes, aber ungeklärtes und konfliktträchtiges Auseinanderfallen der Befugnisse der Erben der vermögenswerten Bestandteile und der im Hinblick auf die ideellen Interessen aktivlegitimierten Angehörigen vermieden177. Die mithin erb- und persönlichkeitsrechtlich begründete Ablehnung der Marlene-Doktrin führt auch nicht zu einem Schutzdefizit, dessen angebliche Existenz ein wesentlicher Gesichtspunkt für die Aufspaltung des aPR nach dem Tode war178. Unstreitig können die Wahrnehmungsberechtigten wie der Verstorbene gegen rechtswidrige Verletzungen des postmortalen Persönlichkeitsschutzes Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche geltend machen179. Ansprüche auf Ersatz materieller Schäden hat die Rechtsprechung jedoch auf der Basis der herkömmlichen Dogmatik abgelehnt und deshalb Zuflucht in der Vererblichkeitslösung gesucht. Auch diese Annahme vermag nicht zu überzeugen180. Richtig ist zwar, dass sich Schadensersatzansprüche der Wahrnehmungsberechtigten weder mit einer Verletzung ihrer eigenen Interessen an einer Vermarktung181 noch einem Schutzgebot für den fortwirkenden Achtungsanspruch gem. Art. 1 Abs. 1 GG begründen lassen, der gerade nicht der Wahrung kommerzieller Interessen dient. Es ist jedoch daran zu erinnern, dass der Betroffene zu Lebzeiten unstreitig einen Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens gem. §§ 823 Abs. 1, 249 ff. BGB geltend machen und den Vermögenswert seines Bildnisses usw. durch Verpflichtungsgeschäfte realisieren kann (oben a). Nach seinem Tode bedarf eine kommerzielle Nutzung von Persönlichkeitsmerkmalen der Einwilligung der Angehörigen. Fehlt sie, kann Unterlassung verlangt werden. Soweit dies den Interessen des Verstorbenen nicht zuwiderläuft, können die Ange176
BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 – Marlene. Siehe BGHZ 143, 214, 226 f. (1999) – Marlene; Rixecker, in: MünchKomm, Anh § 12 BGB Rn. 39; Jung, Vererblichkeit, 237 ff.; Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 68 ff.; Ehmann, in: Erman, Ahn § 12 BGB Rn. 310; unklar Biene, Starkult, 160 f. (es erfolge eine „automatische“ Aufteilung, bei der die Rechtsprechung im Einzelfall „entsprechend“ korrigierend eingreifen könne). Kritisch zu den praktischen Konsequenzen Taupitz, in: Taupitz/Müller, Rufausbeutung, 1, 33 ff. m.w.N.; Leipold, in: MünchKomm, § 1922 BGB Rn. 87; Büchler, AcP 206 (2006), 300, 345; Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 206 ff.; Brändel, FS Erdmann, 49, 55 ff. (erhebliche Probleme und Interessenkonflikte); Clément, Urheberrecht und Erbrecht, 20 f. (unerträgliche Hemmung des Verkehrslebens); Lichtenstein, Persönlichkeitsrecht vor und nach dem Tode, 301; Schack, Urheberrecht, Rn. 51a; Frommeyer, JuS 2002, 13, 18. 178 Siehe oben § 4 B VII 3 b. 179 BVerfG ZUM 2007, 380, 382 m.w.N. Gegen jedweden Schutz vor unerlaubter Verwendung von Bildnissen in der Werbung aufgrund des klassischen postmortalen Persönlichkeitsschutzes Fischer, Entwicklung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes, 129 (damit sei weder eine Ehrverletzung noch eine Ansehensminderung verbunden). 180 Schack, JZ 2007, 366 f.; a.A. BGHZ 165, 203, 208 (2005). 181 So aber Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 262. 177
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hörigen überdies in eine Vermarktung einwilligen und damit Entgelte erzielen; das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich festgehalten, dass eine derartige Berücksichtigung kommerzieller Interessen im Rahmen der §§ 22 f. KUG verfassungsrechtlich unbedenklich ist182. Wenn nun aber ein Bildnis oder ein anderes persönliches Kennzeichen ohne die erforderliche und zugleich zulässige Zustimmung der Angehörigen verwertet wird, entgeht jenen in Höhe der angemessenen Lizenz (normativer Schadensbegriff) ein möglicher und rechtlich zulässiger Gewinn. Spricht man den Wahrnehmungsberechtigten deliktsrechtliche Abwehransprüche gegen Zwangskommerzialisierungen zu, ist es doch nur konsequent, ihnen bei schuldhaft rechtswidrigen Verletzungen des postmortalen Persönlichkeitsschutzes ebenfalls deliktsrechtlich fundierte Ersatzansprüche zuzubilligen183. Denn auch sonst läuft der Anwendungsbereich des in die Zukunft gerichteten allgemeinen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs mit den ex post ausgleichenden Schadensersatzansprüchen wegen rechtswidriger Verletzung von Rechtskreisen parallel, ohne dass es darauf ankommt, welches konkrete Interesse dieser Deliktstatbestand verwirklichen soll184. Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Ersatz materieller Schäden wegen Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes sind demnach die §§ 823 Abs. 1, 249 ff. BGB in Verbindung mit der wie gezeigt im Gesetz angelegten und für das aPR allgemein anerkannten Wahrnehmungsbefugnis der Angehörigen. Schwerwiegende Verletzungen des gem. Art. 1 Abs. 1 GG garantierten postmortalen Achtungsanspruchs insbesondere in Gestalt einer Vermarktung, die vom Verstorbenen zu Lebzeiten generell abgelehnt wurde und deshalb keine materiellen Schadensersatzansprüche der Angehörigen nach sich zieht, sind als ultima ratio überdies – entgegen der Auffassung des Bundesgerichtshofs – mit einem Anspruch der Angehörigen auf Geldentschädigung gem. § 823 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG zu bewehren185. Ausschlaggebend hierfür ist der Gedanke der Prävention, der vom verfassungsrechtlichen Schutzgebot in das zivilrechtliche aPR getragen wurde und nicht minder für die Zeit nach dem Tode Beachtung verlangt. Diese Auffassung wird vom Bundesverfassungsgericht geteilt. Es hat die 182 BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 – Marlene. Hintergrund ist, dass die Entscheidung, sich in den Medien zu vermarkten, verfassungsrechtlich ebenso schutzwürdig ist wie der gegenteilige Entschluss. Beide Optionen persönlicher Entfaltung werden aber – und darum geht es hier – nur durch negative Abwehr von Störungen offengehalten, nicht als positives Dürfen zugewiesen; dazu noch unten § 15 B. 183 Im Ergebnis ebenso Peukert, ZUM 2000, 711, 719 (allerdings mit der hier aufgegebenen Annahme eines „Persönlichkeitsverwertungsrechts“); a.A. Wortmann, Vererblichkeit, 296 f. (diese Lösung werde „den Umständen nicht gerecht“); Lichtenstein, Persönlichkeitsrecht vor und nach dem Tode, 296 (der diese Lösung fälschlich als in der Tat abzulehnende Sondererbfolge einordnet). 184 Siehe oben § 6 D. 185 A.A. BGHZ 165, 203, 210 (2005); aus verfassungsrechtlicher Sicht offengelassen von BVerfG 2007, 380, 382; wie hier OLG München GRUR-RR 2002, 341 ff.; Helle, JZ 2007, 444, 452 Fn. 149; Schack, JZ 2000, 1060, 1061; Peifer, Individualität, 309; ders., GRUR 2002, 495, 500; Frassek, Geldentschädigung, 72 ff.; Wortmann, Vererblichkeit, 170; Schulze Wessel, Vermarktung Verstorbener, 145.
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Ablehnung der postmortalen Geldentschädigung durch den Bundesgerichtshof zwar für verfassungsmäßig erklärt. Ausschlaggebend hierfür waren indes die konkreten Umstände des Einzelfalls. Der beschwerdeführende Angehörige hätte die rechtswidrige Ausstrahlung von Bildern seiner verstorbenen Mutter nämlich durch zivilrechtliche Abwehransprüche und die Einleitung eines Strafverfahrens ohne Weiteres verhindern können. Hält die Rechtsordnung indes einmal keine andere Möglichkeit zum Schutz der postmortalen Menschenwürde bereit, geht das Verfassungsgericht davon aus, dass eine Prävention durch postmortale Geldentschädigung verfassungsrechtlich geboten sein kann186. Dass die Zivilrechtsprechung hiervor nun plötzlich zurückschreckt, weil die Gefahr bestehe, eine Diffamierung des Toten werde zu einem lukrativen Geschäft der Wahrnehmungsbefugten187, ist nicht nur deshalb verfehlt, weil die Gerichte es bei restriktiver Handhabung dieses Rechtsbehelfs selbst in der Hand haben, Missbräuche zu vermeiden. Überdies wird verkannt, dass der Kommerzialisierung Verstorbener durch die Marlene-Rechtsprechung bereits geflissentlich Vorschub geleistet wurde, mit der Folge, dass Verwertungsinteressen nunmehr mit umfassenderen Ansprüchen versehen sind als der postmortale Würdeschutz, für den allein Abwehransprüche in Frage kommen188. Diese Gegenüberstellung verdeutlicht, wie weit sich die Rechtsprechung von ihrem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag entfernt und dabei den Zweck des aPR geradezu auf den Kopf gestellt hat189. Der Einzelne wird nicht davor bewahrt, zum Objekt fremder Interessen zu werden, sondern derartige Bestrebungen werden gefördert. Im Vergleich zum hier vertretenen Konzept, das die Struktur des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als eines offenen, deliktsrechtlichen Tatbestands zur Erfüllung einer verfassungsrechtlichen Schutzpflicht für die Zeit nach dem Tode fortschreibt, hat die Vererblichkeitslösung der Marlene-Rechtsprechung auch sonst kein Mehr an Schutz zu bieten. Das gilt ohnehin für Fälle, in denen der Verstorbene eine Vermarktung seiner Person prinzipiell abgelehnt hat, die Erben hieran auch nach Auffassung der Rechtsprechung gebunden sind und daher gar keine vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts erlangt haben190. Das186
BVerfG ZUM 2007, 380, 382. BGHZ 165, 203, 210 (2005); Heldrich, FS Lange, 163, 174. 188 Nicht problematisiert wird das von BGHZ 165, 203, 210 (2005). 189 Richtig Frassek, Geldentschädigung, 44, 74; Ehmann, in: Erman, Ahn § 12 BGB Rn. 305. Der Paradigmenwechsel wird erkennbar, wenn man sich vor Augen führt, dass BGH LM § 847 BGB Nr. 25 (1963) die Geldentschädigung unter anderem damit rechtfertigte, die Rechtsordnung baue den Rechtsschutz gewerblicher Betätigung und wirtschaftlicher Güter immer weiter aus, schütze die spezifischen Persönlichkeitswerte des Menschen aber nur unzureichend. Inzwischen ist man wieder bei diesem Wertungswiderspruch angelangt, der bereits dem BGB von 1900 wegen dessen alleiniger Berücksichtigung vermögenswerter Interessen vorgeworfen wurde. Im Unterschied dazu ist heute das Schutzniveau insgesamt höher – unter Benachteiligung der Entfaltungsinteressen Dritter; dazu kritisch unten 3 b, § 15 B II. 190 A.A. Jung, Vererblichkeit, 255 f.; Wortmann, Vererblichkeit, 293; Lichtenstein, Persönlichkeitsrecht vor und nach dem Tode, 340 f. (eine Vererbung erfolge auch dann, wenn der Verstorbene eine Verwertung seiner Person ablehne). 187
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selbe missliche Resultat ergibt sich, wenn man die Existenz eines vererblichen, vermögenswerten Ausschließlichkeitsrechts an eine faktische Kommerzialisierung zu Lebzeiten knüpft, der Verstorbene aber erst nach seinem Tod prominent wird191. Überdies hat der Bundesgerichtshof die Dauer der vermögenswerten Bestandteile auf zehn Jahre nach dem Tod beschränkt, während der hier propagierte postmortale Persönlichkeitsschutz in seiner klassischen Gestalt keine von vornherein festgelegte Schutzdauer aufweist und bereits wesentlich später erfolgreich vorgebracht wurde192. 2. Ermöglichung von Kommerzialisierung Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass trotz Ablehnung eines ungeschriebenen Ausschließlichkeitsrechts an der Person ein Schutz vor unerwünschter Kommerzialisierung besteht, der den verfassungsrechtlichen Vorgaben ohne Zweifel genügt. Der Marlene-Rechtsprechung und der sie befürwortenden Literatur geht es jedoch nicht minder um die Ermöglichung von Selbstvermarktung, also um die Bereitstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen für einen Markt mit persönlichen Merkmalen wie Bildnis, Name usw. Auch diese Art persönlicher Entfaltung lässt sich auf der Basis des einheitlichen aPR in seiner klassischen Form verwirklichen, so dass der Vorwurf ins Leere geht, hier werde ein von idealistischen Träumen motivierter, harter Paternalismus verfochten, der eine selbstbestimmte Kommerzialisierung verhindern wolle193. Diese Einschätzung beruht nicht einmal darauf, dass es jedermann offen steht, das eigene Bildnis oder den Namen als Marke einzutragen und über dieses Ausschließlichkeitsrecht zu versilbern194. Diese oft genannte Alternative zur Anerkennung vermögenswerter Ausschließlichkeitsrechte an der Person195 trägt nämlich gerade das reine Merchandising nicht, weil der Verbraucher das Bild/den Namen nur als solches, als „reines Werbemittel“ wahrnimmt und
191 In diesem Sinne Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 268 (Privatpersonen stünden keine vermögensrechtlichen Ansprüche zu); Ullmann, WRP 2000, 1051, 1053 (die Erben müssten sich in diesen Fällen die Marketingrechte selbst beschaffen, beispielsweise auf der Spielwiese des Markenrechts); anders noch ders., AfP 1999, 209, 214. Kritisch hierzu Frassek, Geldentschädigung, 64. 192 Oben § 4 B VII 2 a. Insoweit zutreffende Kritik bei Götting, GRUR 2007, 170 f. 193 In diese Richtung aber Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 52; ders., NJW 2001, 585, 586 (die Kritik verletze einfache Regeln der Logik, wenn man leicht nachvollziehbare Erkenntnisse über die ökonomische Steuerungsfunktion der Zuordnung außer Acht lasse); Bungart, Dingliche Lizenzen, 106 (überkommene idealistische Vorstellung); Siemes, AcP 201 (2001), 202, 231 (überkommene Idealisierung der Persönlichkeit); Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 71 ff.; Biene, Starkult, 168 und öfter; Freitag, Kommerzialisierung, 49 (Tabuisierung). 194 Siehe § 13 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG. 195 Siehe LG München GRUR-RR 2001, 161, 163 f.; Reber, ZUM 2004, 708, 710; Kleine, GRUR 1968, 654; Peifer, Individualität, 294 ff.; ders., GRUR 2002, 495, 497; Sosnitza, FS Ullmann, 387, 388 ff.
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nicht als unterscheidungskräftiges Zeichen einer gesonderten Ware oder Dienstleistung196. Wie die Erfahrung aus der Zeit bis zum Marlene-Urteil lehrt, lassen sich solche Vermarktungsaktivitäten indes auf der Basis des aPR und entgeltlicher Verpflichtungsgeschäfte unproblematisch abwickeln197. Dieses Rahmenrecht gewährt dem Einzelnen die Befugnis, selbst zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen er sein Bild oder seinen Namen zu Markte trägt. Selbstverständlich darf er sich dazu der Hilfe Dritter bedienen, mit denen er gegen Entgelt kontrahiert. Dafür stehen ihm mehrere Aktstypen des Rechtsverkehrsrechts zur Verfügung, angefangen bei der in § 22 KUG198 angesprochenen, widerruflichen Einwilligung, über Schuldverträge, in denen sich der Betroffene bindend verpflichtet, Verwertungshandlungen des Vertragspartners gegen Zahlung zu dulden, bis hin zu Bevollmächtigungen gem. §§ 164 ff. BGB und Ermächtigungen Dritter, Verletzungen des aPR und seiner Ausstrahlungen im eigenen Namen außergerichtlich (Einziehungsermächtigung) und im Prozess (gewillkürte Prozessstandschaft) geltend zu machen199. Keine dieser rechtsgeschäftlichen Gestaltungsmöglichkeiten wird hier als gesetz- oder sittenwidrige Kommerzialisierung der Persönlichkeit gebrandmarkt200. Als Verpflichtungsermächtigung generell unzulässig ist lediglich die Ermächtigung eines anderen, gegenüber Dritten in Verletzungen des aPR einzuwilligen201. Außerdem mangelt es an einem umlauffähigen, selbständigen subjektiven Recht, das der Betroffene auch nur beschränkt im Wege der Verfügung zu übertragen vermag202. Dass diese Verwertungsoption ausscheidet, bedeutet in Anbetracht der Alternativen jedoch keine Beschränkung der Selbstbestimmung des Einzelnen, sondern ihre dauerhafte Bewahrung vor einer Indienstnahme durch den neuen Rechtsinhaber und insbesondere die Gläubiger, die auf ein vermögenswertes Ausschließlichkeitsrecht an der Person in der Einzel- und Gesamtvollstreckung zwangsweise zugreifen könnten203.
196 BPatG GRUR 2006, 333, 337 (auch das Bedürfnis nach einem wesentlich wirksameren Schutz könne die Zubilligung des Markenrechts für ein nicht unterscheidungskräftiges Bildnis von Marlene Dietrich nicht rechtfertigen); BPatG GRUR 2008, 512, 513 f.; Sosnitza, FS Ullmann, 387, 389; skeptisch auch etwa Tampe, Schutz gegen kommerzielle Ausnutzung, 181. 197 Ebenso Peifer, Individualität, 320; Ahrens, Verwertung, 110 (mit diesem Ergebnis könne jeder Verwerter mehr oder weniger gut leben). 198 Übersicht zur Verwendung des Begriffs „Einwilligung“ im Medizinrecht, das unstreitig keine Kommerzialisierung ermöglicht, bei Ahrens, Verwertung, 28 f. 199 Siehe oben § 10 B I, IV; zur Ermächtigung Schricker, EWiR 1987, 79, 80. Zur Bedeutung dieser schuldrechtlichen Optionen im Rahmen einer allgemeinen Theorie der Güterzuordnung unten § 14 B I. 200 Unzutreffend daher der Vorwurf von Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 27. 201 Dazu oben § 10 B IV 3 b. 202 Die Differenzierung zwischen einer Verwertung auf der Basis von Verpflichtungsgeschäften einerseits und Verfügungsgeschäften andererseits fehlt etwa bei Freitag, Kommerzialisierung, 50. 203 Dazu oben § 10 E, F. Insoweit ebenfalls ablehnend Freudenberg, Zwangsvollstreckung in Persönlichkeitsrechte, 27; Lichtenstein, Persönlichkeitsrecht vor und nach dem Tode, 360.
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3. Die Marlene-Rechtsprechung als verfassungswidrige Rechtsfortbildung Das vorstehend entwickelte Konzept eines einheitlichen Persönlichkeitsschutzes in Umsetzung des Schutzgebots aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG widerspricht der vom Bundesgerichtshof vertretenen Unterscheidung zwischen den höchstpersönlichen und den vererblichen, vermögenswerten Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts. Ein Rückblick auf die güterzuordnungsrelevanten Rechtsgrundlagen des Privat-, Verfahrens- und Verfassungsrechts einschließlich eines sonstigen Prinzips der Güterzuordnung macht jedoch deutlich, dass die Anerkennung verkehrsfähiger Ausschließlichkeitsrechte an der Person eine Rechtsfortbildung contra legem und extra ius darstellt, mit der sich die Zivilgerichte ihrer Bindung an Gesetz und Recht entledigt haben. Gleichwohl hat das Bundesverfassungsgericht die Marlene-Doktrin nicht als Verletzung der Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verworfen204. Die Autorität der Gegenauffassung und die besondere Problematik persönlichkeitsbezogener Güter lassen es geboten erscheinen, die fehlende Legitimität dieser Rechtsprechung aus verfassungsrechtlicher und allgemeiner Warte gesondert hervorzuheben. a) Verfassungsrechtliche Verankerung des Persönlichkeitsschutzes Das aPR in seiner klassischen, von der Leserbrief-Entscheidung geprägten Gestalt beruht auf dem verfassungsrechtlichen Gebot des Schutzes individueller Entfaltung und Würde, das die Gerichte im Rahmen des Deliktsrechts verwirklicht haben205. Auch die Anerkennung vermögenswerter Ausschließlichkeitsrechte an persönlichen Merkmalen erfolgte nicht in Anwendung des einfachen Rechts, sondern – das dürfte inzwischen unstreitig sein – im Wege der Überschreitung seines Regelungsplans. Dafür bedarf es aber der Grundlage in der verfassungsmäßigen Ordnung, und zwar sowohl im Hinblick auf die erweiterte Haftung potentieller Schuldner (etwa um Ansprüche aus Eingriffskondiktion) als auch hinsichtlich des konsequenten Zwangszugriffs der Gläubiger auf vererbliche, (beschränkt) übertragbare Bestandteile des Persönlichkeitsrechts. Aus dem Grundgesetz, insbesondere der Eigentumsgarantie, lassen sich derartige Rechtsfolgen jedoch nicht ableiten206. Im Gegenteil, die Verfassung steht einer Umgestaltung des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes in ein Instrument zum Schutz des Erworbenen, also in verfassungsrechtliches Eigentum, vielmehr eindeutig entgegen: Der radikalste Ansatz in diese Richtung liefe darauf hinaus, den gesamten zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz in ein verkehrsfähiges Vermögensrecht zu verwandeln, das dann unter Art. 14 GG fiele. Ein solcher Paradigmenwechsel wird – soweit ersichtlich – zu Recht nicht vertreten, weil sich das Zivilrecht damit gegen das Menschenbild des Grundgesetzes wenden würde, das von einem 204 205 206
Dazu allgemein oben § 2 C II. Siehe dazu oben §§ 4 B VII 1 a, 2 a, 3 a; 6 B VI 1; 13 A II 1. Oben § 11.
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freien, mit Würde ausgestatteten Individuum und nicht von einem Objekt ausgeht, das zur privaten Nutzung und Verfügung zugewiesen wird. Umso mehr verwundert die Leichtigkeit, mit der in der Literatur eine dualistische Aufspaltung des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes in das aPR als Umsetzung der Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG und des fortwirkenden Achtungsanspruchs aus der Menschenwürdegarantie einerseits und die vermögenswerten Bestandteile als davon losgelöster Ausschließlichkeitsrechte an Persönlichkeitsmerkmalen andererseits vertreten wird207. Denn dieser partielle Austausch der verfassungsrechtlichen Verankerung und folglich der Zwecksetzung des zivilrechtlichen Persönlichkeitsrechtsschutzes steht ebenfalls im Widerspruch zur objektiven Wertordnung des Grundgesetzes, das die freie Entfaltung und Würde der Person umfassend gewährleistet und von der Eigentumsgarantie unterscheidet, indes keinen Anhaltspunkt dafür bietet, das Individuum wie eine Sache in mehrere Bestandteile zu zerlegen, auf die grundlegend divergierende Rechtsgrundsätze anwendbar sind208. Auf der Idee der einen Person basiert das aPR als einheitliches Quellrecht mit verschiedenen Ausstrahlungen209. Letzte Zweifel an der Unhaltbarkeit der Aufspaltung des aPR beseitigt ein Hinweis auf
207 In diesem Sinne Ullmann, AfP 1999, 209, 213 („Allgemeines Persönlichkeitsrecht und Immaterialgüterrecht sind kein Widerspruch mehr.“); Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 27 (Persönlichkeitsgüterrechte seien schon begrifflich kein Teil des aPR, weil nicht die Persönlichkeit, sondern bestimmte persönliche Gegenstände verwertet würden); Beuthien/Hieke, AfP 2001, 353, 355; Beuthien, in: Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz, 75, 87 f.; ders., NJW 2003, 1220, 1222 (eigentumsähnliches Persönlichkeitsgüterrecht); Heitmann, Persönlichkeitssphäre, 76 ff.; Wortmann, Vererblichkeit, 230 (vermögenswerte Bestandteile als verselbständigte Monopolrechte); Klippel, Namensschutz, 539 („endgültige Trennung von Namenspersönlichkeits- und Namensimmaterialgüterrecht“); Freudenberg, Zwangsvollstreckung in Persönlichkeitsrechte, 145 (Zwangsvollstreckung in Persönlichkeitsmerkmale als Eingriff in den Schutzbereich von Art. 14 GG); Biene, Starkult, 167 ff. (Abwehrrecht vs. Verwertungsrecht nach US-amerikanischem Vorbild); Jacobs, WRP 2000, 896; Koos, GRUR 2004, 808, 813 mit Fn. 57; ders., WRP 2003, 202 (das Persönlichkeitsrecht entwickle sich zu einem veritablen Immaterialgüterrecht); Wolf, Kommerzialisierung, 67 (der Vermögenswert des Persönlichkeitsrechts stehe unter dem Schutz des Art. 14 GG), 118 (das allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine besonderen Erscheinungsformen basierten auf den Art. 1, 2 GG); Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 186 f. (Schutz primär gem. Art. 1, 2 Abs. 1 GG, sowie in Teilbereichen gem. Art. 14 GG); Lichtenstein, Persönlichkeitsrecht vor und nach dem Tode, 95. Ebenso die Differenzierung zwischen dem ungeschriebenen aPR (Rechtsfortbildung auf der Basis der Art. 1, 2 GG) und den normierten Rechten am eigenen Bild und Namen (verfassungsrechtliches Eigentum) Hubmann, Persönlichkeitsrecht, 134 f., 363 f. 208 BVerfGE 51, 193, 216 (1979) – Weingesetz I (Persönlichkeitsrechte könnten nicht unter Art. 14 GG fallen). Ebenso in Bezug auf das US-amerikanische right of publicity Dogan/Lemley, Stanford Law Review 58 (2006), 1161, 1181 (der Wechsel vom right of privacy zum right of publicity „required a shift in the nature … of the moral imperative“). Zur verfehlten Aufspaltung der Person noch unten b. 209 Dazu oben § 4 B VII 2. Gegen die Aufspaltung des aPR auch Peifer, Individualität, 273; Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, Fn. 389; widersprüchlich Krautwig, Verletzung des Persönlichkeitsrechts, 69 f. (Aufteilung des aPR in einen ideellen (Art. 1, 2 GG) und einen vermögensrechtlichen (Art. 14 GG) Teil unter Annahme eines „allgemeinen Persönlichkeitsrecht[s] als Ganze[m]“).
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den Parlamentsvorbehalt des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zur Schaffung neuen Privateigentums210. Weniger letztgenannter Gesichtspunkt als vielmehr die Scheu vor einem als systemfremd erkannten Paradigmenwechsel hin zum Eigentum haben die wohl herrschende Meinung dazu veranlasst, zwar zwischen ideellen und kommerziellen Bestandteilen zu differenzieren, beide jedoch in einem einheitlichen aPR verbunden zu sehen. Auf dieser monistischen Theorie beruhen die Vergleiche zum Urheberrecht, die Ablehnung einer translativen Übertragung persönlichkeitsrechtlicher Befugnisse und die Bindung der Erben der vermögenswerten Bestandteile an die Interessen des Verstorbenen211. Auch wenn sich damit offensichtlich unhaltbare Folgerungen wie die uneingeschränkte Zwangsverwertung von Bildnissen vermeiden lassen, löst sich diese Auffassung doch von der Vorstellung eines umfassenden Persönlichkeitsschutzes, der einheitlichen Grundsätzen unterliegt212. An dessen Stelle tritt eine Rechtsposition, die sowohl die Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG als auch die Eigentumsgarantie verwirklichen soll, je nachdem, ob der Einzelne Schutz vor Vereinnahmung sucht oder sich vermarkten möchte213. Abgesehen davon, dass erneut das verfassungsrechtliche Rechtsfortbildungsverbot im Hinblick auf die eigentumsrechtlichen Aspekte übersehen wird, bleibt unerklärlich, wie man sich die Integration jener vermögenswerten Bestandteile in das klassische aPR vorstellen soll. Denn der verfassungsrechtliche Persönlichkeitsschutz hat „nur“ negativ-abwehrenden Charakter, während Art. 14 GG punktuelle, mit positivem Gehalt versehene, subjektive Rechte gewährleistet. Letztgenannte, fest definierte „Darfrechte“ lassen sich nicht als integraler Bestandteil eines offenen Deliktstatbestandes denken, weil sie eine andere, man könnte sagen „massivere“ Struktur aufweisen214. Hingegen können Ausschließ210
Dazu oben § 11 C II 2. Nachweise oben § 4 B VII 2 b. 212 Frassek, Geldentschädigung, 64. 213 In diesem Sinne ohne nähere Erklärung Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 139, 276, 283 f.; Wolf, Kommerzialisierung, 65 ff. (Art. 14 GG), 118 (Art. 1, 2 GG); Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 60 ff.; Klüber, Persönlichkeitsschutz, 81; Wortmann, Vererblichkeit, 236, 245 f.; Krautwig, Verletzung des Persönlichkeitsrechts, 69 f.; v. Holleben, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 92 ff.; Freitag, Kommerzialisierung, 46 ff.; Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 186 f.; Magold, Personenmerchandising, 468, 547; Knudsen, Werbung mit Prominenten, 115 (das aus Art. 1, 2 Abs. 1 GG hergeleitete aPR habe mit der Anerkennung wirtschaftlich verwertbarer Bestandteile auch eine Verankerung in Art. 14 GG gefunden); Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 754 („Dieses Recht [das Bildnisrecht in der Werbung, d. Verf.] hat sich insoweit nämlich in Wirklichkeit zu einem Immaterialgüterrecht entwickelt.“); Seemann, Prominenz als Eigentum, 158, 163 f.; Ehmann, in: Erman, Ahn § 12 BGB Rn. 241 ff., 267. Unklar auch die metaphorische Rede vom „Vater“ Persönlichkeitsrecht mit den „Kindern“ Persönlichkeitsverwertungsrechte, denen eine „Doppelnatur“ zukomme, bei Taupitz, in: Taupitz/Müller, Rufausbeutung, 1, 40 f. Die vom Verfasser in ZUM 2000 vertretene Auffassung, auf die Taupitz sich bezieht, wird hiermit aufgegeben. 214 Aus verfassungsrechtlicher Sicht oben § 11 D II; ferner unten § 14 A II. Ebenso v. Ihering, IherJb 10 (1871), 387, 394 (während einer aktiven Berechtigung stets eine negative Verpflichtung 211
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lichkeitsrechte, die verfassungsrechtliches Eigentum darstellen, um persönlichkeitsrechtliche Befugnisse ergänzt werden, um die freie Entfaltung der Person im Zusammenhang mit einem zugewiesenen Gut zu gewährleisten. So verhält es sich beim Urheberrecht, das als normiertes Ausschließlichkeitsrecht unstreitig unter Art. 14 GG fällt und doch die geistigen und persönlichen Interessen des Urhebers im Hinblick auf das Werk (das Urheberpersönlichkeitsrecht) mit umfasst215. Folglich kann eine einheitliche Rechtsposition216 nur in zweierlei Weise gedacht werden: Entweder es handelt sich um ein normiertes Ausschließlichkeitsrecht, das – ggf. um ideelle Aspekte ergänzt – verfassungsrechtliches Eigentum ist, oder es verbleibt bei einem deliktsrechtlichen Schutz – hier der umfassend von den Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG garantierten Belange. Keine dieser Alternativen entspricht der monistischen Theorie, die dem Persönlichkeitsschutz Eigentum injizieren möchte und sich dabei in tiefe Widersprüche verstrickt, weil es sowohl bei einer beschränkten Übertragung als auch bei einer partiellen Vererbung zu einer Trennung der ideellen von den vermögenswerten Bestandteile kommt. In Anbetracht der Unmöglichkeit dieser Operation bleibt nur noch, die Anerkennung vermögenswerter Bestandteile des Persönlichkeitsrechts ohne Wechsel der verfassungsrechtlichen Grundlage und der jene reflektierenden, zivilrechtlichen Strukturen zu vollziehen. Ob dieser Ansatz überhaupt der Marlene-Doktrin entspricht, erscheint durchaus zweifelhaft, deuten die Ansprüche aus Eingriffskondiktion, die Vergleiche mit dem Firmen-, Marken- und Urheberrecht, die Vererblichkeitslösung und nicht zuletzt die Terminologie der Gerichte, die von einem „vermögenswerten Ausschließlichkeitsrecht“ bzw. „marktgängigen Immaterialgüterrecht“ sprechen217, doch eher auf eine partielle Güterzuordnung im Sinne des Art. 14 GG hin. Freilich geht bereits die Marlene-Entscheidung davon aus, die vermögenswerten Bestandteile seien mit den höchstpersönlichen Befugnissen untrennbar verknüpft218. Spätere Urteile offenbaren noch deutlicher, dass der Bundesgerichtshof wohl weiterhin von einem einheitlichen aPR ausgeht, das seine Rechtfertigung allein aus den Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG zieht219. So 215 entspreche, könne die negative Verpflichtung, ein Recht zu achten, auch ohne aktive Berechtigung gedacht werden); Schack, AcP 195 (1995), 594, 595 („Abwehrrecht“ vs. „positives Verwertungsrecht“); Koos, GRUR 2004, 808, 810; a.A. Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 10; Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 128 f., 207 ff. (nur translativ übertragbare Rechte fielen unter Art. 14 GG). 215 Schricker, in: Schricker, Einleitung UrhG Rn. 12 (Urheberrecht als Eigentum gem. Art. 14 GG, wobei sich die persönlichkeitsrechtliche Komponente „zusätzlich“ auf Art. 1, 2 Abs. 1 GG stützen könne); Schack, Urheberrecht, Rn. 81 f.; im Hinblick auf die Vererblichkeit Clément, Urheberrecht und Erbrecht, 67, 75. 216 Zu diesem Oberbegriff oben § 1 C III. 217 Nachweise oben § 4 B VII. 218 BGHZ 143, 214, 226 f. (1999) – Marlene; berechtigte Kritik insoweit bei Gregoritza, Persönlichkeitsrechte Verstorbener, 119; Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 172 („Tabubruch“); Bender, VersR 2001, 815, 816 mit Fn. 12. 219 Siehe Schack, JZ 2000, 1060, 1062 (der BGH habe auch mit der Marlene-Entscheidung „noch“ kein Persönlichkeits-Immaterialgüterrecht kreiert). Für eine Verankerung der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts in den Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG aus der Litera-
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verankert der VI. Senat den postmortalen Persönlichkeitsschutz von Marlene Dietrich auf einem „nach Art. 2 I i.V. mit Art. 1 I GG verfassungsrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht … in seiner Ausprägung als Recht am eigenen Bild“220. Und auch der I. Senat hat inzwischen klargestellt, dass die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts dem Erben bestimmte Nutzungshandlungen „nicht in gleicher Weise wie die urheberrechtlichen Verwertungsrechte“ exklusiv vorbehalten, sondern wie das aPR zu Lebzeiten einen „offene[n] oder Rahmentatbestand“ darstellen, der anhand einer umfassenden Güterabwägung zu konturieren ist221. Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht die richterrechtliche Anerkennung der Vererblichkeit akzeptiert, ohne die grundrechtliche Garantie des Erbrechts – Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG – auch nur zu erwähnen. Zwar wird damit ein offener Konflikt mit dem für das Erbrecht ebenfalls gültigen Parlamentsvorbehalt des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG vermieden. Das lässt die fehlende verfassungsrechtliche Verankerung der Marlene-Doktrin aber nur noch schärfer hervortreten, denn jene befindet sich nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts „weitgehend außerhalb der Reichweite des grundrechtlichen Persönlichkeitsschutzes“222. Und tatsächlich würde der auf das Zivilrecht ausstrahlende Zweck der Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG in sein Gegenteil verkehrt, würde man unter Berufung hierauf ein verkehrsfähiges Ausschließlichkeitsrecht an persönlichen Merkmalen anerkennen, das der Kommerzialisierung der Person dient223. Damit gestaltet man das Zivilrecht nämlich in einer Art und Weise aus, die nach den Erfahrungen in anderen Lebensbereichen dazu führen wird, dass der Einzelne nicht mehr selbst entscheidet, ob und wie er sich vermarktet, sondern dass an seiner Stelle professionelle Verwerter oder Gläubiger agieren, auf die die entsprechenden Befugnisse rechtsgeschäftlich oder im Zuge der Vollstre-
tur220 Ohly, FS Schricker, 105, 109; Götting, GRUR 2004, 801, 804 f.; ders., FS Ullmann, 65; wohl auch Gauß, Mensch als Marke, 97; unklar Ullmann, WRP 2000, 1051, 1053 (jeder möge sich zur persönlichkeitsrechtlichen Bindung der vermögenswerten Bestandteile selbst Beispiele denken). 220 BGH GRUR 2002, 690, 691 f. Nicht von einer Vererbung, sondern von einer „Verselbständigung“ des Vermögenswerts und einer Zuordnung zu den Wahrnehmungsberechtigten spricht der VI. Senat in BGHZ 165, 203, 209 (2005). 221 BGH GRUR 2007, 168, 169 – kinski-klaus.de; ebenso BGH GRUR 2007, 139, 141 – Rücktritt eines Finanzministers (aPR als Rahmenrecht). 222 BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 f. – Marlene. 223 Siehe oben § 2 B II 3; BVerfGE 97, 228, 270 (1998) („Soweit nicht der persönlichkeitsrechtliche, sondern der finanzielle Aspekt im Vordergrund steht, ist nicht Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, sondern Art. 12 Abs. 1 GG einschlägig.“); BVerfG NJW 2001, 1921, 1923; Frassek, Geldentschädigung, 58; Baston-Vogt, Schutzbereich des aPR, 458 (gewerbliche und berufliche Betätigung nicht vom aPR umfasst); Seitz, NJW 2000, 2167, 2168 (Diskrepanz zwischen verfassungs- und zivilrechtlicher Rechtsprechung); zum postmortalen Persönlichkeitsschutz Müller, VersR 2000, 797, 804 ff.; a.A. Götting, FS Ullmann, 65, 71 f.; Wolf, Kommerzialisierung, 62 (das Konzept der Art. 1, 2 GG umfasse auch den wirtschaftlichen Aspekt); Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 64 f.
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ckung übergegangen sind224. Dabei sind weitere, durchweg auf Zwangseingriffe hinauslaufende Konsequenzen eines vermögenswerten Ausschließlichkeitsrechts an der Person noch längst nicht ausgelotet, wie erste Zweifel im Hinblick auf einen Zugriff des Staates im Sozialfall225, ihre Berücksichtigung bei der Berechnung der Erbschaftsteuer226 oder einen kartellrechtlichen Lizenzierungszwang wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung227 zeigen. Die letztlich gegen den Betroffenen gerichteten Folgen einer Kommodifizierung von Persönlichkeitsmerkmalen haben einzelne Prominente bereits zu spüren bekommen, die es hinnehmen müssen, in vergleichender Werbung von Drittunternehmen abgebildet zu werden, die wiederum nur auf diesem Wege in zulässige Konkurrenz zum Vertragspartner des Betroffenen treten können228. Vor dem Hintergrund eines immer totaleren Zugriffs der Werbung und Unterhaltungsöffentlichkeit auf pro224 Peukert, ZUM 2000, 710, 718; Helle, JZ 2007, 444, 449 ff.; Dogan/Lemley, Stanford Law Review 58 (2006), 1161, 1182; keine Bedenken äußert BVerfG NJW 2006, 3409, 3411 – Marlene. 225 Siehe § 88 BSHG; verneinend trotz Bejahung eines wirtschaftlichen Gehalts der Persönlichkeitsrechte Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 202. 226 Siehe dazu Gregoritza, Persönlichkeitsrechte Verstorbener, 185 ff. m.w.N.; Wortmann, Vererblichkeit, 381 (Unterwerfung des Persönlichkeitsrechts unter das Erbschaftsteuerrecht sei eine rechtspolitische Entscheidung, die dem Gesetzgeber vorbehalten sei); Klingelhöffer, ZEV 2000, 327, 328; begrüßt wird diese Möglichkeit im Interesse der Allgemeinheit von Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 203 f. Kritisch zum Persönlichkeitswert als Bemessungsgrundlage des Steuerrechts Schack, JZ 2000, 1060, 1062; Peifer, GRUR 2002, 495, 498. 227 Dieses Ergebnis wird von OLG Hamm NJW-RR 1987, 232 als „absurd“ bezeichnet. Ohne Rücksicht auf das Kartellrecht zu Exklusivvereinbarungen über persönlichkeitsrechtlich relevante Informationen Moosmann, Exklusivstories, passim. 228 Siehe dazu LG Frankenthal (Pfalz) ZUM 2004, 317 f.; LG München ZUM 2004, 318 f.; OLG Karlsruhe NJW-RR 2004, 1633 f.; stark einschränkend OLG München ZUM-RD 2005, 396, 397 f. (die Werbung für ein Unternehmen könne nicht dazu führen, dass die Person „quasi vogelfrei dem Zugriff auch der übrigen werbenden Wirtschaft ausgesetzt wäre mit der Folge, das der in ihrem Werbebildnis verkörperte Vermögenswert nicht mehr … dem Abgebildeten zufließen würde, sondern ihm entzogen und auf Dritte umgelenkt würde … Das wäre mit dem Charakter des Rechts am eigenen Bild als eines vermögenswerten Ausschließlichkeitsrechts … nicht vereinbar.“); dito OLG München ZUM 2006, 341 f.; generell gegen eine Verwendung von Personenbildnissen in der vergleichenden Werbung Bartnik, AfP 2004, 223, 225. Zynisch die Reaktion von Ehmann, FS 50 Jahre BGH, 613, 667 („Ohne die Anerkennung dieses Rechts [des Rechts am eigenen Bild zum Schutz einer Handelsware, Anm. d. Verf.] hätte der Rennfahrer Michael Schumacher seine Hochzeitsbilder nicht für ca. 500 000 DM exklusiv an eine Zeitschrift verkaufen können. Auch wäre Prinzessin Diana ohne den Wert von Paparazzifotos nicht zu Tode gehetzt worden.“); Schlechtriem, FS Hefermehl, 445, 464 mit Fn. 97 („Im Bereich des Ansehensschutzes muß man dagegen zweifeln, ob die gegen Entgelt unternommene öffentliche Selbstdegradierung nicht schon akzeptabel geworden ist und deshalb auch eine Nutzung des Ansehens durch Abwertung zum geschützten Zuweisungsgehalt dieser Ausprägung des Persönlichkeitsrechts gehört …“); ähnlich Siemes, AcP 201 (2001), 202, 223 f. Viel zu weitgehend auch Ladeur, NJW 2004, 393, 396 (Streitigkeiten der „Unterhaltungsöffentlichkeit“ seien von den Betroffenen in den Medien selbst auszutragen, wobei es auf die Wahrheit nicht ankomme). Ladeurs Schlussfolgerungen erinnern fatal an die etwa von Puchta dargestellte, von diesem aber schon nicht mehr zum gemeinen Recht gezählte römisch-rechtliche Rechtsfigur der infamia, wonach „Schauspieler, Thierkämpfer, Huren, Hurenwirthe“ allein wegen ihres „Gewerbes“ eine Ehrenminderung hinzunehmen hatten; siehe Puchta, Pandekten, 182, 184 (§ 120). Akzeptabel ist insoweit allenfalls eine zurückhaltende Gewährung der Geldentschädigung.
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minente und nicht prominente Personen229 erscheint es geradezu absurd, einen möglichst lückenlosen Persönlichkeitsschutz230 dadurch erzielen zu wollen, dass man eine reibungslose, umfassende Kommerzialisierung ermöglicht231. Was an dieser Austreibung des Teufels durch den Beelzebub „ehrlich“ und deshalb im Vergleich zur hier vertretenen Auffassung vorzugswürdig sein soll232, erschließt sich nicht. Es ist daher entgegen einer früher auch vom Verfasser geteilten Auffassung nicht zulässig, eine positive Zuweisung von Vermögenswerten auf der Basis des aPR in seiner klassischen Funktion und grundrechtlichen Verankerung herzuleiten233. Dass die Marlene-Doktrin vom Grundgesetz nicht diktiert wird, haben Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof denn auch ausgesprochen, ohne hierbei die vorstehend zusammengetragenen Bedenken im Hinblick auf die gesamte Wertordnung der Verfassung zu berücksichtigen234. Die Rechtsfortbildung fällt damit wieder auf das einfache Recht zurück, das ihr jedoch mit seiner statischen Güterzuordnung ebenfalls keinen Rückhalt gewährt. Da hiermit das „Sinnganze“ der Rechtsordnung als möglicher Quelle einer Rechtsfortbildung ausgeschöpft ist235, folgt das Verdikt der Verfassungswidrigkeit eigentlich auf dem Fuße. 229
Siehe Di Fabio, AfP 1999, 126, 127. Zum Ausbau des Persönlichkeitsschutzes gegen Presseberichterstattung siehe nur BGH GRUR 2007, 523, 524 ff. m.w.N. 231 Verfehlt insbesondere Beuthien, ZUM 2003, 261, 262 (eine postmortale Geldentschädigung sei wegen Kommerzialisierung der Menschenwürde abzulehnen, aber ein vererbliches Persönlichkeitsgüterrecht anzuerkennen); Götting, GRUR 2004, 801, 807 (Warnung vor einer Gesellschaft, in der Nacktfotos von Toten als verkäuflich angesehen werden, aber Zubilligung von Ansprüchen auf Zahlung der Lizenzgebühr statt einer Geldentschädigung); ders., GRUR 2007, 170, 171 („Schutz vor Kommerzialisierung durch Kommerzialisierung.“); Koos, GRUR 2004, 808, 812 („Prävention durch Kommerzialisierung“); Siemes, AcP 201 (2001), 202, 203, 224, 228; Lange, VersR 1999, 274, 282 (Gefahr einer „Berechenbarkeit“ der Würde aber Anwendung der Eingriffskondiktion). Wie hier Peifer, GRUR 2002, 495 f. („Deckmantel“ und Beispiel für die Dialektik der Aufklärung nach Adorno); Helle, JZ 2007, 444, 445 ff. Allgemein zu den Gefahren einer „Verdinglichung“ von Persönlichkeitsmerkmalen BGHZ 80, 25, 42 (1981). Zur Unvereinbarkeit der Vorstellung, alle menschlichen Eigenschaften und Attribute seien als verkehrsfähige Güter zu begreifen, mit dem grundgesetzlichen Verständnis von Individualität und Integrität der Person Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 390. 232 So Siemes, AcP 201 (2001), 202, 204. 233 Berechtigte Einwände bei Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 156 ff.; Gregoritza, Persönlichkeitsrechte Verstorbener, 90 ff.; Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 95 f. 234 BVerfG NJW 2006, 3409 ff. – Marlene (Anerkennung der vererblichen vermögenswerten Bestandteile vom Grundgesetz nicht gefordert); BGH GRUR 2007, 139, 142 – Rücktritt eines Finanzministers („Die Werbung berührt lediglich den zivilrechtlich, nicht verfassungsrechtlich begründeten Schutz der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts.“); v. Strobl-Albeg, in: Wenzel, Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 7 Rn. 4 a.E., Kap. 9 Rn. 10; Wortmann, Vererblichkeit, 217. Bloße Immunisierung bei Forkel, Anm. zu LM § 823 (Ah) BGB Nr. 132 (das Verhältnis von ökonomischen Anliegen und Persönlichkeitsschutz sei komplex und keinesfalls mit einer strikten Entgegensetzung von zivilrechtlichem und verfassungsrechtlichem Persönlichkeitsschutz zu erfassen). 235 Oben § 12 C II. 230
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Der gegenteilige Beschluss des Bundesverfassungsgerichts hat sich dieser Problematik nicht wirklich gestellt. Weder erfolgt eine Auseinandersetzung mit der Erbrechtsgarantie und dem Rechtsfortbildungsverbot des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG236 noch begründet das Gericht seine im Ergebnis verfehlte Behauptung eines „Grundgedanken[s] des bürgerlichen Rechts, die Wahrnehmung solcher Vermögensinteressen den Erben zuzugestehen“237. Diese Defizite mag man noch darauf zurückführen, dass Prüfungsanspruch und Prüfungsumfang bei Verfassungsbeschwerden gegen Zivilurteile auseinanderklaffen – was jedoch keineswegs fehlerhafte Aussagen über angebliche Grundsätze des einfachen Rechts rechtfertigt. Aber selbst spezifisches Verfassungsrecht wird im Marlene-Beschluss unzutreffend wiedergegeben, wenn man dort liest, Gesetzgeber und Zivilgerichte seien „grundsätzlich nicht daran gehindert, den Schutz des Persönlichkeitsrechts weiter auszubauen, als verfassungsrechtlich geboten“, solange sie hierbei gegenläufige Grundrechtspositionen Dritter wahren238. Diese Gleichsetzung legislativer und judikativer Kompetenzen widerspricht offensichtlich der in Art. 20 Abs. 2, 3 GG niedergelegten und im Verfahren sogar streitgegenständlichen Trennung der ersten Gewalt, die an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden ist, von der dritten Gewalt, die auf Gesetz und Recht verpflichtet ist. Die Aussage suggeriert ferner eine im Ergebnis ja auch akzeptierte Entpflichtung der Judikative vom Regelungsplan des einschlägigen Gesetzesrechts, die ebenfalls mit der ständigen Rechtsprechung des Gerichts kollidiert239. Wären die Gerichte wirklich „grundsätzlich“ nicht an einem Ausbau zivilrechtlicher Haftung gehindert, ließe sich auf Eigenwertung beruhender richterlicher Aktivismus nicht mehr von zulässigen Anwendungen und Fortbildungen des Gesetzes intra ius unterscheiden. b) Kein Rechtsprinzip der Zuordnung persönlicher Merkmale Es ist jedoch nicht nur der fehlende Rückhalt der Marlene-Rechtsprechung im Privat- und Verfassungsrecht, der die Billigung des Bundesverfassungsgerichts als unzutreffend erscheinen lässt. Hinzu kommen die generellen Bedenken, die einem sich hier offenbar die Bahn brechenden Prinzip der Güterzuordnung entgegenstehen. Sie sind in § 12 C in allgemeiner Weise formuliert worden und gelten gleichermaßen für die partielle Umwidmung des zivilrechtlichen aPR in ein vermögenswertes Ausschließlichkeitsrecht: Zunächst agieren viele Verfechter dieser Rechtsentwicklung mit scheinbaren oder ganz fehlenden „Begründungen“, die von vornherein nicht zur verfas236
Siehe hierzu aus der einschlägigen Literatur bereits Kleine, GRUR 1968, 654; Schack, JZ 2000, 1060, 1062 mit Fn. 25; Peifer, GRUR 2002, 495, 499; Engels, in: Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz, 31, 36 (Gesetzesvorbehalt bei wesentlichen Eingriffen); Büchler, AcP 206 (2006), 300, 339 mit Fn. 170 (die rechtliche Anerkennung einer vollkommenen Habensbeziehung bedürfe anders als die rechtliche Absicherung faktischer Sein-Beziehungen im Kontext des Persönlichkeitsrechts „im Grundsatz“ der gesetzgeberischen Anerkennung). 237 BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 – Marlene. 238 BVerfG NJW 2006, 3409, 3410 – Marlene. 239 Oben §§ 2 C II, 12 C IV.
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sungsrechtlichen Rechtfertigung eines Eingriffs in die Grundrechte potentieller Schuldner genügen240. Der Vergleich mit anderen, dem Persönlichkeitsschutz durch gesetzgeberische Aktivitäten (sic!) entwachsenen Ausschließlichkeitsrechten erläutert nicht, warum diese Entwicklungen für persönliche Merkmale wie Bildnis, Name usw. aussagekräftig sind241. Bei den in der Literatur besonders beliebten Hinweisen auf die faktische Marktentwicklung und die persönliche Leistung242 handelt es sich um naturalistische Fehlschlüsse ohne Grundlage in der Rechtsordnung243. Der Vermögenswert persönlicher Merkmale hängt maßgeblich vom Ausmaß des rechtlichen Schutzes dieser Güter ab, den es ja gerade zu begründen gilt244; eine offensichtliche petitio principii ist schließlich das Argument, der Schutz der kommerziellen Interessen sei nicht genügend ausgeprägt. Den Rahmen für diese Rhetorik bildet seit jeher die Dichotomie zwischen Vermögensrechten an außerpersönlichen Gütern und höchstpersönlichen Befugnissen im ideellen Interesse245. So griffig diese Terminologie ist, so sehr verleitet sie zum begriffsjuristischen Spiel mit Worten, hinter dem sich nicht selten Kurzschlüsse von der Art des Gutes oder den Interessen auf eine Aussage des gelten-
240 Allgemein oben § 12 C I. Zu widersprüchlichen Aussagen des BVerfG zu § 22 S. 3 KUG oben 1 b; ferner nur etwa Wortmann, Vererblichkeit, 124, 285 (die Vererblichkeit werde von einer „ergebnisbezogene[n] Billigkeitserwägung“ gestützt). 241 Zur analogen Anwendung normierter Ausschließlichkeitsrechte oben §§ 5 C, 12 D. 242 Ablehnend auch Lichtenstein, Persönlichkeitsrecht vor und nach dem Tode, 98; Gregoritza, Persönlichkeitsrechte Verstorbener, 98 ff.; Seemann, Prominenz als Eigentum, 245 f.; Schack, JZ 2000, 1060, 1061; Peifer, Individualität, 310; Büchler, AcP 206 (2006), 300, 326; Dogan/Lemley, Stanford Law Review 58 (2006), 1161, 1181; a.A. Wagner, GRUR 2000, 717, 718 f. (auch manchem Erfinder falle die Erfindung in den Schoß). 243 Die Autonomie des Rechts als Sollensordnung im Verhältnis zur Marktentwicklung wurde gerade in Bezug auf den Persönlichkeitsschutz immer wieder betont; siehe BGH JZ 1988, 304, 305; BGHZ 106, 229, 233 (1988); OLG München NJW 1959, 388, 389; besonders pointiert BVerfG NJW 2000, 2191; BVerfG NJW 2001, 1921, 1922. Für die Maßgeblichkeit der Rechtsordnung letztlich auch Wagner, Perspektiven im Schadensersatzrecht, A 40 f. Zur fehlenden Verankerung der Kerngedanken der Güterzuordnung im Recht oben § 12 C III. 244 Zur Zirkularität des Marktwertarguments Seemann, UFITA 131 (1996), 290, 296; Büchler, AcP 206 (2006), 300, 322 ff.; Beuter, Kommerzialisierung, 76 f.; weitere Nachweise oben § 12 C I mit Fn. 57. 245 Insbesondere Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 4; ferner v. Gamm, NJW 1955, 1826; Jung, Vererblichkeit, 108 f.; Heitmann, Persönlichkeitssphäre, 1, 51; Krüger, GRUR 1980, 628; Klippel, Namensschutz, 178 ff., 193 ff., 487 ff.; Magold, Personenmerchandising, 2, 415 und öfter; Schack, AcP 195 (1995), 594, 595; Wolf, Kommerzialisierung, 67; Biene, Starkult, 149 ff.; Ahrens, Verwertung, 87 f. (der die Dichotomie Persönlichkeitsrecht/Vermögensrecht lediglich durch die Begriffe Persönlichkeitsrecht/Immaterialgüterrecht ersetzt); Freitag, Kommerzialisierung, 47 (vermögensrechtlich vs. nichtvermögensrechtlich); Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 33 f.; Ullmann, AfP 1999, 209 f.; ders., in: Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz, 17, 19 ff.; Witzleb, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 183 ff.; Klein, Sensationspresse, 163 ff. („vermögensrechtliche Finalität“ des aPR); Schulze Wessel, Vermarktung Verstorbener, 133; Gregoritza, Persönlichkeitsrechte Verstorbener, 57 f.; Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 115 ff.; Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 68 ff.; ablehnend zur Relevanz der Interessen trotz dieser Terminologie auch Peukert, ZUM 2000, 710, 713 f.
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den Rechts verstecken246. Beispielhaft hierfür ist die von Beuthien vertretene Differenzierung zwischen dem „jeweils unverwechselbar mit Empfindsamkeit, Bewußtsein, Vernunft, freiem Willen sowie geistigen und musischen Anlagen ausgestattete[n] humanbiologische[n] Steuerungssystem der Person, dessen individuelle Einzigartigkeit die Würde des Menschen ausmacht“, und dem Namen, dem Bild, dem eigenen Wort und den Lebensdaten, die außerhalb der Person als ihr „gesellschaftlicher Abdruck“ angesiedelt seien247. Während erstgenanntes „Steuerungssystem“ nach Maßgabe des aPR in seiner klassischen Form geschützt werde, bestünden an den aufgezählten Persönlichkeitsgütern fungible Immaterialgüterrechte248. Diese Auffassung ist bereits deshalb verfehlt, weil die Person zumindest im Kontext des Rechts relational, in ihren sozialen Bezügen zu denken ist und sich nicht in einen Organismus und einen Eindruck in der Umwelt sezieren lässt249. Beuthiens Ansatz widerspricht dem Menschenbild des Grundgesetzes, wonach der Einzelne „eine sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende, auf Kommunikation angewiesene Persönlichkeit“ ist250. Vor allem aber bleibt Beuthien eine auf die Rechtsordnung bezogene Begründung schuldig, warum sein Verständnis der Person gerade das von ihm verfochtene rechtliche Konzept nach sich zieht. Als Abgrenzungskriterium zwischen Steuerungssystem (aPR) und außerpersönlichem Abbild (Immaterialgüterrecht) lässt er letztlich die faktische Kommerzialisierung genügen, die indes für einen Sollensschluss nicht 246 Kritisch auch Büchler, AcP 206 (2006), 300, 322 ff.; Buchner, Informationelle Selbstbestimmung, 211; Wortmann, Vererblichkeit, 112; Helle, RabelsZ 60 (1996), 448, 468 („bloßer Streit um Worte“). Zum Rechtsobjekt und den Interessen als ungeeigneten Kriterien einer Dogmatik oben § 1 A III 1, 2. 247 Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 11 ff.; Beuthien, in: Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz, 77 (in Erwiderung auf eine frühere Kritik des Verfassers, wonach diese Daten nicht von der „inneren“ Persönlichkeit zu trennen seien, die Beuthien damit als „erledigt“ ansieht); ders., NJW 2003, 1220, 1221 f. 248 Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 16. In diesem Sinne auch Freitag, Kommerzialisierung, 44, 188 (ablösbare Persönlichkeitssplitter vs. die Person als körperliche Erscheinung); Magold, Personenmerchandising, 7 f., 385 ff. („Persona“ als der „wirtschaftliche Wert der persönlichen Identität“). 249 Siehe v. Ihering, IherJb 10 (1871), 245 f. („Aber so wenig in der physischen oder moralischen Welt eine absolute Isolierung eines Dinges oder einer Thatsache auf sich selber möglich ist, jedes Ding, jedes Ereignis vielmehr, wie es einerseits von außen bedingt und bestimmt ist, so andererseits nach außen zurückwirkt, ganz so verhält es sich auch in der Rechtswelt. Es gibt kaum irgend eine privatrechtliche Thatsache, sei es des Familienrechts, sei es des Vermögensrechts, an die sich nicht neben den bestimmungsmäßigen Wirkungen für die Destinatäre zugleich Wirkungen für dritte Personen knüpfen können.“); Kaufmann, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann, Rechtsphilosophie, 145 (Person nicht als Substanz, sondern „Relation“); Ehmann, AcP 188 (1988), 230, 335; Reinhardt, FS Schwinge, 127, 132 f.; zum Lebensbildschutz Brandl, AfP 1981, 349; zur Konstruktion des Stars durch das Publikum Seemann, Prominenz als Eigentum, 24 ff. 250 BVerfGE 65, 1, 43 f. (1983); BVerfGE 80, 367, 374 (1989); BVerfG JZ 2007, 576, 577. Kritisch auch Engels, in: Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz, 31, 34; Götting, GRUR 2004, 801, 804 („fast schon schizophrene“ Aufspaltung der durch das Persönlichkeitsrecht geschützten Sphären); Wortmann, Vererblichkeit, 243; Peifer, Individualität, 141 ff.; ders., GRUR 2002, 495, 499; Peukert, ZUM 2000, 710, 713 f. (mit einer allerdings noch vagen Vorstellung vom Immaterialgut als „selbständige Wesenheit“; dazu oben § 1 A III 1).
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ausreicht und einen neuen Gesichtspunkt darstellt, der in der begrifflichen Grundunterscheidung gar nicht angelegt ist251. Wie zufällig Beuthiens rechtliche Folgerung ist, beweist der Umstand, dass er wie Savigny subjektive Rechte an der eigenen Person für begrifflich unmöglich hält, daraus aber nicht wie Savigny schließt, Persönlichkeitsrechte seien generell abzulehnen, sondern sogar verkehrsfähige Persönlichkeitsgüterrechte propagiert. Nicht minder willkürlich und unvorhersehbar ist die häufig vertretene Ausgestaltung des Persönlichkeitsschutzes nach Maßgabe der im Einzelfall nach Meinung des Sprechers allein oder vorrangig auf dem Spiel stehenden Interessen252. Die begriffsjuristische Tendenz der Gegenüberstellung von Vermögensrecht und Persönlichkeitsrecht dürfte unter anderem an ihrer geistesgeschichtlichen Herkunft aus dem gemeinen Recht des 19. Jahrhunderts liegen, als Kohler, v. Gierke und andere diese Termini zu Rechtsbegriffen erhoben253. Bei der Anknüpfung an diese Autoren254 wird zweierlei übersehen. Erstens argumentierten jene Autoren im Rahmen einer anderen Rechtsordnung und damit einer potentiell anderen Methodik255. Zweitens dachten sie auch in der Sache nicht über die Kommodifizierung der Person nach, sondern verfochten die Anerkennung des aPR in seiner klassischen Gestalt und bemühten sich um eine dogmatische Einordnung des damals kraft Gesetzes (!) entstehenden Immaterialgüterrechts; eine Aufspaltung oder partielle Umwidmung des Persönlichkeitsschutzes in umlauffähige Ausschließlichkeitsrechte war nicht ihr Programm256.
251 Siehe Beuthien, in: Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz, 50 („Sobald eigenpersönliche Daten zu einem wirtschaftlichen Gut heranwachsen, so ist die Annahme eines entsprechenden Verwertungsrechtes folgerichtig.“). Gegen die Relevanz des Marktes noch Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 17 f. 252 Allgemein oben § 1 A III 2; Peukert, ZUM 2000, 710, 714; Büchler, AcP 206 (2006), 300, 325; Beuthien, in: Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz, 79, 85 (die Verletzung der ideellen und vermögenswerten Persönlichkeitsbestandteile werde oft Hand in Hand gehen); a.A. OLG Hamburg NJW-RR 1994, 990, 991; Witzleb, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 186; Freudenberg, Zwangsvollstreckung in Persönlichkeitsrechte, 72 (Zwangsvollstreckung in Persönlichkeitsmerkmale anhand einer Interessenabwägung). 253 Siehe v. Gierke, Dt. Privatrecht I, 706 („Manche Persönlichkeitsrechte sind … zugleich Vermögensrechte.“); Kohler, Bürgerliches Recht II 1, 515 ff.; ders., ArchBürgR 7 (1893), 94, 106 ff. (dass ein Persönlichkeitsrecht bestehe, brauche keines Nachweises mehr); ders., Unlauterer Wettbewerb, 20 (auf die Entscheidung des BGB-Gesetzgebers komme es nicht an); Neuner, Rechtsverhältnisse, 15 ff.; Lobe, Unlauterer Wettbewerb, 161 (das Persönlichkeitsrecht sei keine rechtliche Herrschaft, sondern bezwecke das Freisein von anderer Herrschaft); v. Ihering, IherJb 10 (1871), 387, 393. 254 Siehe Klippel, Namensschutz, 537; Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 7; ders., NJW 2001, 585, 586; Magold, Personenmerchandising, 524 ff. 255 Zu diesem Zusammenhang oben § 2 C, D. Kritisch bereits Windscheid/Kipp, Pandekten I, 175 (die Gefahr der Anschauung, dass alle subjektiven Rechte im Recht der Persönlichkeit eingeschlossen seien, bestehe darin, dass man leicht aus dem Recht der Persönlichkeit Rechtsansprüche entwickele, welche das positive Recht nicht kenne; das aber sei unzulässig). 256 Siehe Coing, JZ 1958, 558, 559 (die Ausrichtung auf vermögenswerte vs. ideelle Interessen sei auf die Konzentration der Pandektistik um die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückzuführen, den zivilrechtlichen Schutz auf vermögenswerte, materielle Interessen zu beschränkten).
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Die argumentativ-methodischen Defizite der Marlene-Doktrin signalisieren, dass an die Stelle der Ableitung des Ergebnisses aus Gesetz und Recht eine Eigenwertung der Rechtsanwender nach Maßgabe ihrer subjektiven, politisch-weltanschaulichen Vorstellung getreten ist. Hiermit werden die Grenzen der judikativen Kompetenz im demokratischen Rechtsstaat überschritten257. Für diese Einschätzung spricht zum einen, dass die Aufspaltung des einheitlichen aPR vor allen Dingen eines ausgelöst hat – nämlich Rechtsunsicherheit. Die beiden Marlene-Urteile haben das Regelungsgefälle zwischen einer Einzelfallentscheidung und einem allgemeinen Gesetz neuerlich bestätigt, mussten doch zahlreiche bedeutsame Aspekte der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts offengelassen werden, weil sie nicht streitgegenständlich waren258. Die Klärung der Schutzdauer, für die in der Literatur fast alle denkbaren Ziffern zwischen 10 und 70 Jahren ins Spiel gebracht worden waren, ging letztlich auf Kosten der Erben von Klaus Kinski, die erfahren mussten, dass die von ihnen geltend gemachte Rechtsposition bereits erloschen war259. Oskar Lafontaine war ebenfalls mit guten Gründen davon ausgegangen, jede unerlaubte kommerzielle Nutzung persönlicher Merkmale sei grundsätzlich rechtswidrig. Seine auf dieser Annahme beruhende Klage gegen die Werbung einer Autovermietung mit seinem Konterfei wurde jedoch abgewiesen, weil der I. Senat nicht das von den Ausschließlichkeitsrechten bekannte Schema des Erfolgsunrechts anwendete, sondern die vermögenswerten Bestandteile wie die vom VI. Senat betreuten höchst257
Allgemein oben §§ 2 C II, 12 C IV. Zweifel insoweit bei Frommeyer, JuS 2002, 13, 18; ferner die Hinweise auf ungeklärte und problematische Aspekte bei Götting, NJW 2001, 585, 586 (Dauer der Nutzungsrechtseinräumung, Zwangsvollstreckung); Wagner, GRUR 2000, 717, 719 f. (Gefahr der Übermaßhaftung bei Übertragung der dreifachen Schadensberechnung auf diese weniger vertypten Rechte); Müller, GRUR 2003, 31 33 (problematische Konsequenzen aus dem Auseinanderfallen von Erben und Angehörigen). 259 Im Grunde zugegeben wird das von BGH GRUR 2007, 168, 169 f. – kinski-klaus.de (die Meinungen zur Schutzdauer der vermögenswerten Bestandteile gingen weit auseinander); Wagner, GRUR 2000, 717, 719 (die Frage sei ohne ein gewisses Maß an Willkür nicht zu lösen); Fischer, Entwicklung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes, 260 f. („jeder Vorschlag“ sei mit „Willkür“ behaftet); a.A. trotz offengelassener Frist BGHZ 143, 214, 227 f. (1999) – Marlene. Vorgeschlagen wurde eine Schutzdauer von 10 Jahren: Schulze Wessel, Vermarktung Verstorbener, 143; Wortmann, Vererblichkeit, 311; hiergegen Vinck, Anm. zu LM § 823 (Ah) BGB Nr. 131 („willkürlich“); 20 Jahren: Bender, VersR 2001, 815, 824 (de lege lata müsse die Bestimmung der Schutzfrist ein Vorschlag bleiben); 30 Jahren: Gregoritza, Persönlichkeitsrechte Verstorbener, 132; Lichtenstein, Persönlichkeitsrecht vor und nach dem Tode, 376 (bis zur gesetzlichen Regelung richterrechtliche Abwägung); 35 Jahren: Jung, Vererblichkeit, 260 ff.; 50 Jahren: Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 199, 215; 70 Jahren: Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 281; ders., NJW 2001, 585, 586; ders., GRUR 2007, 170, 171; Rixecker, in: MünchKomm, Anh § 12 BGB Rn. 39; Schierholz, Stimmenschutz, 145 f.; Knudsen, Werbung mit Prominenten, 130; Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, 221; Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 97 f.; Schertz, Merchandising, Rn. 389; Reber, GRUR Int. 2007, 492, 498; Wagner, GRUR 2000, 717, 719; Fischer, Entwicklung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes, 260 f. 258
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persönlichen Bestandteile nach Maßgabe einer umfassenden Güterabwägung beurteilte, die im Streitfall zugunsten der Beklagten ausging260. Mit dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof (genauer: der für die vermögenswerten Bestandteile zuständige I. Senat) schon nach nicht einmal sieben Jahren das Ruder wieder in Richtung auf die klassischen Konzepte des Persönlichkeitsschutzes herumgerissen. Die von den Umständen des Einzelfalls abhängige, positive Feststellung der Rechtswidrigkeit ist nämlich unvereinbar mit der Vorstellung eines verkehrsfähigen, weil unverletzt gedachten subjektiven Rechts mit einem fest definierten Schutzbereich, dessen Beeinträchtigung die Rechtswidrigkeit indiziert261. Zum anderen werden im Streit um das für und wider der Kommodifizierung persönlicher Merkmale vor allen Dingen rechtspolitische Vorstellungen über den „richtigen“ Persönlichkeitsschutz ausgetauscht, ohne dass die Befürworter oder die Gegner der Marlene-Doktrin besonderen Wert auf eine Versicherung im positiven Recht legen262. Eine solche Auseinandersetzung mit Scheinbegründungen ist nicht nur aus methodischen Gründen abzulehnen263; sie macht zudem unfreiwillig deutlich, dass wir es hier mit einer für die Grundrechtsausübung aller Beteiligten wesentlichen und daher dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber vorbehaltenen Entscheidung zu tun haben. Das gilt für jede Ausgestaltung der 260
BGH GRUR 2007, 139 ff. – Rücktritt eines Finanzministers. Zur Ungeklärtheit dieser für den Schutzbereich zentralen Frage Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte, 188; Hahn, NJW 1997, 1348, 1349 (ungelöstes Problem); Schertz, AfP 2000, 495, 498; Beuthien/Hieke, AfP 2001, 353, 358 („schlingernde“ Rechtsprechung); kritisch Peifer, Individualität, 300 ff. 261 Siehe Schlechtriem, FS Hefermehl, 445, 461 f.; Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 31 ff.; Magold, Personenmerchandising, 472; Wolf, Kommerzialisierung, 71 ff.; Knudsen, Werbung mit Prominenten, 115 ff.; Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 142 ff.; Fischer, Entwicklung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes, 237 (jegliche nicht kommerzielle Nutzung sei zulässig); widersprüchlich Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 76 ff.; v. Holleben, Persönlichkeitsverletzungen durch Medien, 111 f. Ohne Rücksicht auf diese Problematik Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 36 f.; Beuthien, in: Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz, 75, 81 (interessenbewertende Güterabwägung erforderlich); Ullmann, in: Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz, 17 ff. 262 Das gilt etwa für Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 54, 57, 137 (rechtspolitische Argumente); Buchner, Informationelle Selbstbestimmung, 208 ff.; Forkel, NJW 1993, 3181, 3183 (berechtigte Bedürfnisse sinnvoller Arbeitsteilung); Hahn, NJW 1997, 1348, 1350 (das Festhalten am klassischen Persönlichkeitsschutz sei „schädlicher“ als die Anerkennung von Teilen des Persönlichkeitsrechts als Vermögensrecht); Beuthien, in: Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz, 9; Ullmann, AfP 1999, 209, 214; ders., in: Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz, 17, 27 f. (mit Vorschlag einer gesetzlichen Norm, die dem Inhalt der Marlene-Entscheidung entspricht); Biene, Starkult, 175 („streng rechtspolitische“ und „kultur- und sozialpolitische“ Argumente für eine Anerkennung persönlichkeitsbezogener Immaterialgüterrechte). Nicht anders die Kritiker; siehe Peifer, GRUR 2002, 495, 496 (fraglich sei, ob das Persönlichkeitsrecht durch die Betonung der Vermögensseite gestärkt oder geschwächt werde). 263 Zum Begriff der Scheinbegründung oben § 12 C I. Verkannt von Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, 96 (über dogmatische Einordnungsfragen könne man endlos streiten, man solle sich eher den Sachproblemen zuwenden). Mit dieser „Methodik“ begründet Schwerdtner dann unter anderem „Persönlichkeitsnutzungsrechte“, die neben dem aPR stehen und eine Kommerzialisierung ermöglichen; a.a.O., 100.
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Eigentumsordnung durch Schaffung neuer Ausschließlichkeitsrechte und erst recht für ein so sensibles Thema wie die Umwidmung des in Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG angesiedelten Persönlichkeitsschutzes in verfassungsrechtliches Eigentum, denn hierbei werden grundlegende Fragen des Menschenbildes, der Medienkultur und der Zwecke der Rechtsordnung berührt264. Schließlich verlangt auch in diesem Kontext das Rechtsprinzip des Freiheitsschutzes Beachtung, das ein Prinzip der Güterzuordnung übersteigt und zugleich ausschließt265. Im Grundsatz des Schutzes gleicher Freiheit kulminieren die Höchstwerte der deutschen Rechtsordnung, nämlich individuelle Würde, Freiheit im Sinne der Abwesenheit von Zwang sowie Gleichheit vor dem Gesetz (Rechtsgleichheit). Dass eine teilweise Umgestaltung des zivilrechtlichen aPR in verfassungsrechtliches Eigentum die freie Entfaltung der betroffenen Person eher in Frage stellt denn sichert, ist bereits ausgeführt worden. In der Auseinandersetzung um diese Rechtsentwicklung ist aber viel zu kurz gekommen, dass die positiv-exklusive Zuordnung des Bildes, des Namens usw., ergänzt um möglichst massive Sanktionen gegen entsprechende Verletzungshandlungen266, zu einer erheblichen Einschränkung der allgemeinen Handlungs- und spezieller der Kunst-, Meinungs- und Pressefreiheit Dritter führen würde267. Diese Tendenz deutete sich bereits in der Marlene-Entscheidung an, die die Kunstfreiheit eines Musical-Betreibers hinter die Vermarktungsinteressen der 264 Siehe dazu Schack, AcP 195 (1995), 594; deutlich zurückhaltend inzwischen auch Götting, GRUR 2004, 801, 807. Zu kultursoziologischen Folgen Seemann, Prominenz als Eigentum, 258 ff. (demokratische Gesellschaften müssten ihr kulturelles Gedächtnis offen und durchlässig halten); Peifer, Individualität, 293; ders., GRUR 2002, 495, 499 (Individualität sei langlebig, nachfrageorientierte Images dagegen folgten kurzfristigen Trends). Siehe zur Vermarktung von Jimi Hendrix (Weihnachtsbaumkugeln etc.) Süddeutsche Zeitung v. 27./28.1.2007, 17. Zur Anreizwirkung fungibler Ausschließlichkeitsrechte an der Person skeptisch Gregoritza, Persönlichkeitsrechte Verstorbener, 101 ff.; Seemann, Prominenz als Eigentum, 257 (Anreiz komme vom allgemeinen Streben nach Anerkennung und Erfolg); Peifer, Individualität, 286 ff.; Peukert, ZUM 2000, 710, 714; Dogan/Lemley, Stanford Law Review 58 (2006), 1161, 1187 f. („… the right of publicity does not encourage the production of any identifiable value …“). 265 Oben § 12 C VI. 266 Mit Blick auf eine Gewinnabschöpfung zurückhaltend Ricker, NJW 1990, 2097, 2103 (es bestehe ein effektiver Rechtsschutz; gesetzgeberische Initiativen seien nicht angezeigt); Stürner, AfP 1998, 1, 4 ff. (es müsse entschieden werden, ob man eine dichte rechtliche Kontrolle der Medien mit maßvollen Sanktionen – so die deutsche Tradition – oder ein Maximum an Freiheit mit harten Sanktionen bei eindeutigen Grenzüberschreitungen – so die angloamerikanische Tradition – wolle); Gounalakis, AfP 1998, 10, 25 (vorzugswürdig sei eine behutsame Weiterentwicklung des deliktischen Rechtsbehelfssystems); Ernst-Moll, GRUR 1996, 558, 565; Wagner, GRUR 2000, 717, 718 f. (Gewinnhaftung nur bei Vorsatz gem. § 687 Abs. 2 BGB). 267 Kritisch insofern Schack, JZ 2000, 1060; Seemann, Prominenz als Eigentum, 260 (gerade die unautorisierte Werbung mit Prominenten zähle zu den kreativsten und witzigsten Formen des Kommentars und der Kritik am Gehabe der neuen Eliten); ders., UFITA 125 (1994), 289, 292 (ein das Urheber- und Markenrecht im Kern aushöhlendes „Superimmaterialgüterrecht“); Helle, Ehre, 5; Ehmann, AcP 188 (1988), 230, 267, 338 ff.; Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, 98 (ein umfassender Schutz der Persönlichkeit sei mit der freiheitlichen Ordnung unvereinbar); Biene, Starkult, 183 (in Anbetracht der Gefahren für die Meinungs- und Kunstfreiheit sei die klassische Lesart des aPR ein vorteilhafter Ansatz – der doch zuvor als ideologischer Irrweg verworfen wurde).
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Erbin zurücktreten ließ268. In der Tat liegt es nahe, kommerzielle Interessen an der exklusiven Entscheidung über die Verwendung von Bildnis und Namen nicht nur gegen reine Produktwerbung durchzusetzen, sondern gegen jede wirtschaftlich relevante Nutzung, selbst wenn sie mit künstlerischem oder meinungsbildendem Anspruch auftritt. Denn – so die Logik der Marlene-Doktrin – die wirtschaftlichen Früchte eigener Merkmale gehören allein der Person bzw. ihren Erben und Vertragspartnern; sie dürfen auch von Künstlern und Presseunternehmen nicht zum eigenen Vorteil benutzt werden. Nicht selten führte diese Denkweise zu einer Verlagerung der Rechtfertigungslast auf den Handelnden, dessen gewerbsmäßige Verwendung persönlicher Merkmale wie bei einem Eingriff in das Sacheigentum oder die Immaterialgüterrechte grundsätzlich für rechtswidrig erklärt wurde, während eine Verletzung des aPR eine umfassende Güter- und Interessenabwägung voraussetzt, Handlungsfreiräume also nicht als Ausnahmen erscheinen269. Geradezu zwingend erscheinen dann gerichtliche Verbote der Verwendung des Namens eines prominenten Fußballers für eine Spielfigur in einem Computerprogramm270 oder die Werbung mit einer Puppe aus einer Politsatiresendung271. Von hier aus ist es nicht mehr weit, die – natürlich gewerbsmäßige – Berichterstattung zumindest im sog. „Infotainmentbereich“ nur noch zuzulas268 BGHZ 143, 214, 229 f. (1999) – Marlene (die Werbung für ein Kunstwerk falle zwar in den Schutzbereich der Kunstfreiheit, es ginge aber nur um den Absatz von Produkten). 269 Für Indizwirkung bzw. ein weitgehendes Verbot der Nutzung von Persönlichkeitsmerkmalen LG Hamburg GRUR 2007, 143 (bei rein werblicher Bildveröffentlichung); Lichtenstein, Persönlichkeitsrecht vor und nach dem Tode, 170 f.; Heitmann, Persönlichkeitssphäre, 104 f.; Gauß, Mensch als Marke, 53 (auch bei Personen der Zeitgeschichte stelle die unautorisierte Veröffentlichung von Bildnissen die Ausnahme dar, die nur durch publizistische oder künstlerische Belange gedeckt sein könne); Wolf, Kommerzialisierung, 71 ff. (ungefragte Bildnisverwendung nur noch zulässig, wenn sie „auf … sehr ansprechende Weise“ und nicht auf dem Titelblatt erfolge), 74 („Stand die Waage bisher eher von vornherein zu Gunsten des Bildnisverwenders, so ist es nun umgekehrt.“); Knudsen, Werbung mit Prominenten, 125 f. (Bezugnahme auf Person grundsätzlich rechtswidrig); Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 36 f. (der Vertrieb von Einzelbildnissen sei nicht mehr von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG gedeckt); Schertz, AfP 2000, 495, 502 (WillyBrandt-Gedenkmünze eine „Alibi-Information“); Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 40 (ein Eingriff in Persönlichkeitsgüterrechte könne nur „ausnahmsweise“ aufgrund der Kunst- oder Medienfreiheit ohne Einwilligung des Rechtsinhabers gerechtfertigt sein); Beuthien/Hieke, AfP 2001, 353, 358 ff. (persönlichkeitsbezogene Produkte auch bei Informationsgehalt unzulässig); Hahn, NJW 1997, 1348, 1349; Jacobs, WRP 2000, 896, 898; Ehmann, in: Erman, Ahn § 12 BGB Rn. 261; Lausen, ZUM 1997, 86, 88 (die Verwendung eines digitalen „Replikanten“ in einem Film diene bloß der Unterhaltung und sei daher grundsätzlich rechtswidrig). 270 OLG Hamburg ZUM 2004, 309 ff. 271 AG Hamburg NJW-RR 2005, 196 ff. Zur ebenfalls grundsätzlich verbotenen Doppelgängerwerbung BGH ZUM 2000, 589, 590 – Der blaue Engel; OLG Karlsruhe AfP 1996, 282 f.; LG Düsseldorf AfP 2002, 64, 65 f.; LG Berlin AfP 2004, 455, 457; Knudsen, Werbung mit Prominenten, 128; Haun, Doppelgänger, 36 (sei der Doppelgänger nicht als solcher erkennbar, liege ein Eingriff in das „wirtschaftliche Persönlichkeitsrecht“ vor); Pietzko, AfP 1988, 209, 216 ff. (auch bei einem erkennbaren Doppelgänger werde an den Werbewert des Stars angeknüpft und damit in dessen „wirtschaftliches Persönlichkeitsrecht“ eingegriffen); zurückhaltender Schwarz/Schierholz, FS Kreile, 723, 737 f. (erforderlich sei eine Täuschung über die Identität des Sprechers oder Sängers).
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sen, wenn der Betroffene zugestimmt hat272 – ein mit der Presse- und Meinungsfreiheit dann allerdings offensichtlich unvereinbares Ergebnis273. Eine solche Fehlentwicklung stellt sich ein, wenn man sich schrittweise von der Erkenntnis entfernt, die hinter der formalen Struktur des zivilrechtlichen aPR als eines offenen Deliktstatbestandes steht, und die dahin geht, dass in einer freiheitlichen Gesellschaft eine Auseinandersetzung mit Personen der Zeitgeschichte möglich sein muss, denen deshalb von Verfassungs wegen gerade kein umfassendes Verfügungsrecht über die eigene Person zukommt, nur so von anderen dargestellt zu werden, wie sie sich selbst sehen oder gesehen werden möchten274. Ein Wechsel in die eigentumsrechtliche Dogmatik von festem Schutzbereich, indizierter Rechtswidrigkeit und ausnahmsweise zulässigen Nutzungen ist mit dieser gezielt offenen Struktur unvereinbar275. Zu begrüßen ist daher die zwischenzeitlich erfolgte Klarstellung des Bundesgerichtshofs, weder der Betroffene noch die Erben der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts dürften die öffentliche Auseinandersetzung mit ihrem bzw. des Verstorbenen Leben und Werk kontrollieren oder gar steuern; vielmehr erfordere die Feststellung einer rechtswidrigen Verletzung des Rahmenrechts aPR auch im kommerziellen Kontext eine umfassende Güter- und Interessenabwägung, bei der die Belange des Beklagten gleichrangig berücksichtigt werden276. Wenn der Bundesgerichtshof aber schon im Hinblick auf diese zentrale Strukturfrage auf den Boden des aPR in seiner klassischen Gestalt zurückkehrt, dann sollte die Marlene-Doktrin auch im Übrigen als das angesehen werden, was sie ist: Als missglückte Rechtsfortbildung contra legem und extra ius, die trotz ihrer Absegnung durch das Bundesverfassungsgericht eher früher als später aufzugeben ist.
272 Siehe Frotscher, in: Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz, 66, 67 (Bericht über Trompetensolo von Louis Armstrong im Feuilleton). OLG Hamburg ZUM 2006, 639, 640, vermeidet diese Konsequenz mit der wiederum faktisch unzutreffenden Aussage, publizistische Bilder hätten keinen Vermögenswert für die abgebildete Person. 273 Dazu, dass eine den Informationsinteressen dienende Kommerzialisierung hingenommen werden muss BGH NJW 1996, 593, 595 – Willy Brandt; OLG Frankfurt NJW 1989, 402, 403; OLG Hamburg ZUM 2006, 639, 640 (publizistische Verwendung einer Abbildung falle nicht unter das „vermögenswerte Ausschließlichkeitsrecht“ an Persönlichkeitsmerkmalen); Günther, Aufnahmerechte an Sportveranstaltungen, 144 (es müsse ein Ausgleich gesucht werden). 274 Dazu oben § 2 B II 3; zu § 23 KUG in diesem Sinne Reinhardt, FS Schwinge, 127; Frotscher, in: Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz, 66, 67. 275 Gesehen wird das ansatzweise von Hahn, NJW 1997, 1348, 1350. Ohne Rücksicht hierauf hingegen Klüber, Persönlichkeitsschutz, 104; Schlechtriem, FS Hefermehl, 445, 461 ff.; Krüger, GRUR 1980, 628, 637; Schertz, AfP 2000, 495, 502; Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 74 ff. (die Anwendung des § 23 KUG entspreche den Schranken des Urheberrechts); Buchner, Informationelle Selbstbestimmung, 229 (ein Recht an Daten sei ebenso wenig fest umrissen wie das Urheberrecht); keine Änderung konstatiert auch Ullmann, WRP 2000, 1051, 1053 („Einschränkungen der Verwertung“ des Immaterialgüterrechts gem. Art. 5 GG). 276 BGH GRUR 2007, 168, 169 – kinski-klaus.de; ebenso zu lebzeitiger Werbung mit Informationscharakter BGH GRUR 2007, 139, 141 – Rücktritt eines Finanzministers; wie hier kritisch Schack, JZ 2007, 366 f.
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Teil 3: Konsequenzen und Ausblick
VIII. Virtuelle Güter aus Online-Welten Während die Kommodifizierung von Persönlichkeitsmerkmalen seit Jahrzehnten voranschreitet und primär wirtschaftlich-soziale Ursachen hat, beruht das jüngste Phänomen „neuer“ Güter – virtuelle Gegenstände aus Online-Welten – auf einer technologischen Entwicklung. Soweit ersichtlich haben diese durchaus vermögenswerten Güter noch nicht zu gerichtlichen Auseinandersetzungen geführt277. Gleichwohl gelten für sie dieselben allgemeinen Strukturen des Güterzuordnungsrechts, die im Hauptteil erarbeitet und in diesem Paragraphen zur Anwendung gebracht wurden: Das heißt zunächst, dass Spielfiguren und -gegenstände aus Online-Welten wie „Second Life“ nur dann und nur insoweit durch Ausschließlichkeitsrechte zugeordnet sind, als sie die Voraussetzungen eines der normierten Immaterialgüterrechte, insbesondere des Urheberrechts, erfüllen278. Ein ungeschriebenes ausschließliches Recht zugunsten desjenigen, der sich die virtuellen Güter durch eigene Leistung erspielt hat, ermangelt der Rechtsgrundlage. Hieraus folgt jedoch wie in den übrigen Beispielen weder eine Schutzlosigkeit der Spieler noch die Unmöglichkeit, den faktisch zu beobachtenden Handel mit virtuellen Gegenständen rechtlich abzubilden. Im Hinblick auf den Schutz dieser Güter vor „Zerstörung“ durch Löschung der Datensätze ist im Verhältnis zwischen dem Teilnehmer und dem Betreiber des Online-Spiels vornehmlich der jeweils bestehende Vertrag maßgeblich. Aus diesem Verpflichtungsgeschäft können Ansprüche des Spielers auf Unterlassung von Eingriffen in den erlangten Bestand an virtuellen Gegenständen erwachsen. Gegenüber Mitspielern kommen derartige Ansprüche überhaupt nur in Betracht, wenn deren, zu einem Verlust oder einer Entwertung von Spielfiguren führendes Verhalten nicht von den allgemeinen Spielregeln gedeckt ist, die sich wiederum in der programmierten Infrastruktur der Online-Welt spiegeln, so dass entsprechende Konflikte nicht oft zu erwarten sind. Sollte sich ein solcher Fall doch einmal ergeben, erscheint es durchaus erwägenswert, die aus dem „wirklichen“ Leben bekannten deliktsrechtlichen Instrumente, insbesondere die Rahmenrechte aPR und Recht am Gewerbebetrieb, in die virtuelle Online-Welt zu übertragen, soweit ein über das Verbot vorsätzlich sittenwidriger Schädigung und das Lauterkeitsrecht hinausgehender Rechtsschutz zur Verwirklichung der freien persönlichen und unternehmerischen Entfaltung im „zweiten“ Leben notwendig ist279. Erneut zu betonen ist freilich, dass dieser rein negativ-abwehrende Schutz keine positive Zuweisung virtueller Güter und deren Werte bedeutet, so
277
Nachweise oben § 4 B VIII. Im Ergebnis ebenso Lober/Weber, CR 2006, 837, 842; a.A. Rippert/Weimer, ZUM 2007, 272, 275 (immaterialgüterrechtsähnlicher Schutz virtueller Güter); siehe LG Köln K&R 2008, 477 ff. 279 Eine Parallele zum Recht am Gewerbebetrieb deuten ebenfalls an Lober/Weber, CR 2006, 837, 843. Zur Zulässigkeit der entsprechenden Rechtsfortbildung des BGB-Deliktsrechts oben B II 1. 278
§ 13 Grenzen güterzuordnungsrelevanten Rechts und Lösung der Beispielsfälle
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dass Ansprüche aus Eingriffskondiktion und Geschäftsanmaßung keinesfalls in Betracht kommen. Den lebhaften Handel mit virtuellen Gütern erklären Lober/Weber so, dass über diese Gegenstände „im Sinne des BGB“ analog § 929 S. 1 BGB verfügt und damit ein zugrundeliegender Rechtskauf erfüllt werde280. Das ist in mehrfacher Hinsicht verfehlt. Auszugehen ist stattdessen von den soeben dargestellten Grundlagen der materiellen Güterordnung, an die das Rechtsverkehrsrecht anknüpft, ohne darauf modifizierend einzuwirken281. Generell ausgeschlossen ist die analoge Anwendung der Spezialvorschriften zur Übereignung des Sacheigentums auf nicht zugeordnete immaterielle Güter282. Vielmehr kommt es darauf an, ob und wenn ja welche subjektiven Rechte als Verfügungsgegenstand in Frage kommen283. In Sonderfällen mag der Teilnehmer originärer Inhaber eines Urheberrechts an einem von ihm erschaffenen virtuellen Gegenstand geworden sein, über das er nach Maßgabe der §§ 29 ff. UrhG verfügen kann. In der Regel aber haben die Spieler nur relative Rechte gegen den Betreiber inne, die jenen insbesondere zur dauerhaften Gewährung des Zugangs und der Nutzung urheberrechtlich geschützter Figuren284 sowie zur Speicherung der individuellen Spielsituation verpflichten. Soll diese gesamte Vertragsposition auf den Erwerber übergehen, indem der Zugangscode mitgeteilt und anschließend geändert wird, handelt es sich um einen durch Abtretung erfüllten Forderungskauf gem. § 453 Abs. 1 1. Alt. BGB oder um eine unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Betreibers stehende entgeltliche Vertragsübernahme285. Ist das Online-Spiel so programmiert, dass die virtuellen Gegenstände ohne Wechsel der Spielerposition weitergegeben werden können, bezieht sich der Kaufvertrag auf einen „sonstigen Gegenstand“ (§ 453 Abs. 1 2. Alt. BGB); zu einem gesonderten Verfügungsgeschäft kommt es in dieser Konstellation mangels selbständigen subjektiven Rechts nicht. Damit ergeben sich weitgehende Parallelen zwischen der rechtlichen Einordnung virtueller Güter aus Online-Welten und der Internet-Domain als solcher. Das sollte auch nicht überraschen, handelt es sich doch jeweils um Güter, die letztlich auf Computern gespeicherte Daten repräsentieren, deren Verteilung über den Abschluss von Schuldverträgen sowie den faktisch exklusiven Zugriff im weltweiten Netz sichergestellt wird. Diese Gemeinsamkeiten verweisen auf allgemeine Strukturen des Güterzuordnungsrechts, die nunmehr im Rahmen der dogmatischen Konsequenzen des Hauptteils darzustellen sind.
280
Lober/Weber, MMR 2005, 653 ff. Zu den insoweit einschlägigen Grundstrukturen des Rechtsverkehrsrechts zusammenfassend oben § 10 G. 282 Dazu oben §§ 5 C, 12 D. 283 Zum Begriff des „Gegenstands“ im Sinne des BGB je nach Kontext der gesetzlichen Regelung oben § 10 B I. 284 Dazu Trump/Wedemeyer, K&R 2006, 397, 401 ff. 285 In diesem Sinne zur Internet-Domain oben IV. 281
§ 14 Dogmatik des Güterzuordnungsrechts Im vorangegangenen Paragraphen wurde das Ergebnis des Hauptteils auf der Ebene der Auslegung des geltenden Rechts umgesetzt, indem die Grenzen güterzuordnungsrelevanter Vorschriften bestimmt und die Beispielsfälle „neuer“ Güter gelöst wurden. Diesen amorphen Rechtsstoff gilt es nun in ein die weitere Rechtsgewinnung erleichterndes dogmatisches System zu bringen1, das der Thematik „Güterzuordnung“ in einem umfassenden Sinne gewidmet ist und alle Regeln des „Gehörens“ umfasst, die das Spannungsverhältnis zwischen individuellen Befugnissen und der allgemeinen Handlungsfreiheit Dritter betreffen. Dazu zählen nicht nur die bisher fokussierten Ausschließlichkeitsrechte, sondern auch relative subjektive Rechte und der Schutz von Interessen und Gütern auf der Basis gesetzlicher Schuldverhältnisse2. Im Laufe dieser Untersuchung ist erkennbar geworden, dass beide letztgenannten Rechtspositionen3 für die Verteilung von Gütern eine wesentliche Rolle spielen; erinnert sei nur an die Bedeutung zulässiger schuldrechtlicher Wertrealisierung im Kontext des Insolvenzbeschlags und der Vererblichkeit4 sowie die Anwendbarkeit des Delikts-, Bereicherungs- und Geschäftsführungsrechts jenseits des Sacheigentums und der Immaterialgüterrechte. Eine Dogmatik des Güterzuordnungsrechts darf sich daher nicht auf die normierten Ausschließlichkeitsrechte beschränken, sondern muss jene, in ihrer Wirkung schwächeren Instrumente der Rechtsordnung mit einblenden, auch wenn sich die Generalfrage und damit der Hauptteil dieser Arbeit nicht auf sie erstreckte. Das soll in zwei Schritten geschehen. Zunächst wird überprüft, ob die in § 1 C nur als Arbeitshypothese formulierte Unterscheidung zwischen subjektiven Rechten und dem Schutz von Interessen und Gütern auf der Grundlage gesetzlicher Schuldverhältnisse das geltende deutsche Recht zutreffend wiedergibt (dazu A). Anschließend soll eine allgemeine Theorie der Güterzuordnung formuliert werden, die die Kompetenz zur Begründung bzw. Anerkennung individueller Rechtspositionen mit deren unterschiedlicher Wirkung in Zusammenhang bringt (dazu B). Damit wird der Bogen zurück zur Einleitung geschlagen, in der die Zuständigkeitsproblematik als zentraler, aber bisher vernachlässigter Aspekt der privaten Güterzuordnung vorgestellt wurde5. 1
Zum Begriff der Dogmatik oben § 1 A I. Zu dieser Lehre von der Güterzuordnung oben § 1 B I. 3 Zu diesem Oberbegriff für subjektive Rechte und dem Schutz auf der Grundlage von gesetzlichen Schuldverhältnissen oben § 1 C III. 4 Dazu oben § 10 E II 2, F 2. 5 Oben Einleitung B IV. 2
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A. Subjektive Rechte vs. gesetzlicher Interessen- und Güterschutz In § 1 C wurde eine beschreibende Begrifflichkeit gesetzt und anschließend verwendet, deren Tragfähigkeit unter Berücksichtigung der gesammelten Auslegungsergebnisse nunmehr zu begründen ist6. Demnach stellt das subjektive Recht eine von der Rechtsordnung gewährte, positive Rechtsmacht dar, die der Einzelne autonom ausüben darf und die dem Zugriff anderer in bestimmtem Umfang entzogen ist. Bei Eingriffen in den Schutzbereich des primären subjektiven Rechts stehen dem Inhaber sekundäre Ansprüche zu. Während relative subjektive Rechte bestimmte Schuldner verpflichten, zeichnen sich Ausschließlichkeitsrechte durch gegen jedermann wirkende Befugnisse an einem Gut aus. Von diesen unverletzt gedachten und daher rechtsgeschäftlich und zwangsweise übertragbaren subjektiven Rechten wurde der Schutz von Interessen und Gütern auf der Grundlage gesetzlicher Schuldverhältnisse kategorial unterschieden. Zwar genießt der nach Maßgabe der jeweiligen Tatbestände Aktivlegitimierte ebenfalls im Verhältnis zu allen Dritten Schutz. Indes – und das ist der qualitative Strukturund Wirkungsunterschied zu den Ausschließlichkeitsrechten – verwirklichen bzw. sanktionieren diese Ansprüche kein primäres subjektives Recht, sondern gehen direkt auf die jeweilige Grundlage im objektiven Recht zurück. Da es an einem selbständigen Verfügungsgegenstand unabhängig von der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands fehlt, kann der Interessen- und Güterschutz auch nicht als solcher rechtsgeschäftlich oder zwangsweise übertragen werden. Gegen dieses Konzept können dreierlei Einwände erhoben werden. Zunächst könnte man davon ausgehen, positive Befugnisse und damit unverletzt gedachte, primäre subjektive Rechte seien normlogisch undenkbar (dazu I). Im Gegensatz dazu meint eine andere Auffassung, sämtliche individuellen Befugnisse stellten subjektive Rechte dar bzw. beruhten auf ihnen, so dass der Schutz privater Interessen auf gesetzlicher Grundlage überflüssig wird (dazu II). Vereinzelt wird schließlich die Unterscheidung zwischen relativen und ausschließlichen Rechten verworfen und eine „relative Ausschließlichkeit“ propagiert (dazu III). Fraglich ist, ob diese Alternativansätze theoretisch befriedigen und vor allen Dingen, ob sie das geltende Recht zutreffend wiedergeben.
I. Das subjektive Recht als irrelevante Hilfsvorstellung? Der erste Angriff richtet sich gegen die Idee des subjektiven Rechts. Damit ist nicht die Rechtstheorie totalitärer Systeme angesprochen, die an die Stelle des Individuums und seiner Befugnisse die Gemeinschaft, im Kontext des Eigentums die Sozialpflichtigkeit setzt7, sondern vor allen Dingen die „reine“ bzw. „allgemeine Rechtslehre“ oder „Normlogik“, die wiederum auf dem Boden der sog. 6 7
Zum Vorwurf der Zirkularität oben § 1 A I. Dazu Nachweise oben § 12 C V, unten § 15 B I 1.
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Teil 3: Konsequenzen und Ausblick
Imperativentheorie steht8. Demnach setzt sich das objektive Recht allein aus Sollenssätzen zusammen, die sich auf menschliches Verhalten beziehen9. Für Ausschließlichkeitsrechte folgt daraus ebenfalls ein relationales Verständnis: Sie beschreiben kein Rechtsverhältnis zwischen Inhaber und Gut, sondern zwischen Personen10. Bei dieser Korrelation persönlicher Rechte und Pflichten bleiben die entsprechenden Eigentumstheorien jedoch nicht stehen. Vielmehr streichen sie die positive Befugnis etwa des Sacheigentümers, mit seiner Sache nach Belieben verfahren zu dürfen, aus dem Kreis der relevanten Sollenssätzen. Dieser exklusiven Berechtigung wird mangels eines Adressaten einer Pflicht kein eigenständiger Gehalt zuerkannt. Vielmehr handele es sich um einen bloßen Reflex, eine sekundäre Negation der an andere gerichteten Gebote/Verbote, die das Ganze des objektiven Rechts ausmachten11. Die normlogische Betrachtung subjektiver Rechte erschöpft sich daher in deren negativer Dimension, also im Ausschluss aller Dritten, den freilich auch deliktsrechtliches Verhaltensunrecht auf der Basis etwa der §§ 826 BGB, 3 UWG ermöglicht12. Subjektive Rechte schrumpfen dann zu bloßen „Hilfsvorstellungen“ oder „unentwickelten Schutzansprüchen“13. Eine Stellungnahme hierzu muss sich zunächst den Erklärungsanspruch der reinen Rechtslehre vergegenwärtigen. Namentlich Kelsen ging es nicht um dogmatische Aussagen zu einer bestimmten Rechtsordnung, sondern um eine von Zwecken und konkreten Wertungen „bereinigte“, allgemeingültige Rechtstheo8 Siehe auch die Darstellung bei Aicher, Eigentum als subjektives Recht, 17 ff. Bucher, Das subjektive Recht, 50 f. m.w.N.; Nawiasky, Allgemeine Rechtslehre, 8 ff.; einschränkend zur Imperativentheorie Kelsen, Reine Rechtslehre, 59 (zur Einbeziehung unselbständiger Normen, die nicht selbst einen Zwangsakt statuieren und daher nicht gebieten, sondern zur Setzung von Normen ermächtigen oder positiv erlauben). 9 Kelsen, Reine Rechtslehre, 3 ff., 31 ff.; Bucher, Das subjektive Recht, 42; Achterberg, Rechtstheorie 1978, 385, 394 ff. 10 Kelsen, Reine Rechtslehre, 135 f.; Aicher, Eigentum als subjektives Recht, 67 („undenkbar“); Vesting, Symposium Hoffmann-Riem, 21, 48 (Eigentum als Unterbrechung von Konsenserfordernissen). 11 Siehe Kelsen, Reine Rechtslehre, 132 ff. (das Verhalten des Berechtigten sei in der Verpflichtung des oder der anderen schon mitbestimmt, so dass es nur ein Reflex der Pflicht sei); Nawiasky, Allgemeine Rechtslehre, 109 f. (erlaubender Rechtssatz als Negation eines Verbots oder Gebots rechtlich bedeutungslos); Lobe, Unlauterer Wettbewerb, 148; Zitelmann, IPR, 44 ff.; Kellmann, Grundsätze der Gewinnhaftung, 49; Schulz-Schaeffer, Das subjektive Recht, 74 (subjektives Recht als Imperativ der Rechtsordnung, in Beziehung gesetzt zu demjenigen Rechtssubjekt, dessen Interessen im konkreten Fall geschützt sein sollen); Bucher, Das subjektive Recht, 153 (die Sachbeherrschung als Motiv bzw. „faktische Folge“ der gesetzlichen Regelung); Aicher, Eigentum als subjektives Recht, 51 ff.; Schloßmann, IherJb 45 (1903), 289, 338 ff.; in diese Richtung auch Holmes, Common Law, 174 („What the law does is simply to prevent other men … from interfering with my use or abuse.“). 12 Siehe etwa Schurer, Schutzbereich der Eingriffskondiktion, 99 (die Zuweisung und der bloße Handlungsschutz unterschieden sich nur graduell im Ausmaß der Untersagungsbefugnisse gegenüber Dritten). 13 So die Terminologie bei Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht, 87.
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rie14. Diese Einschätzung betrifft auch den Begriff des subjektiven Rechts bzw. seine Eliminierung. Jene Aussagen beruhen nämlich ebenfalls – scheinbar – auf rein formalen Konzepten ohne Rückkopplung auf und damit indes auch ohne Aussagegehalt für eine bestimmte Rechtsordnung wie die hier betrachtete deutsche15. Nur deshalb kann Bucher seine auf den negativen Ausschluss Dritter reduzierte Eigentumstheorie in Anbetracht des § 903 BGB halten – jene Vorschrift bezwecke eben die Besserstellung des Einzelnen und weise daher andere Strukturen auf als eine von der Teleologie des Rechts abstrahierende Normlogik16. Nun könnte man schon dieses Erkenntnisziel zum Anlass nehmen, die genannten Konzepte zurückzuweisen. Es erscheint nämlich sehr zweifelhaft, ob es überhaupt möglich ist, formale Aussagen über Recht zu formulieren, die von allen Zwecken „gereinigt“ sind. Dagegen spricht der in dieser Untersuchung mehrfach festgestellte Zusammenhang zwischen formalen Wirkungen des eben genuin normativen17 objektiven Rechts und hiervon repräsentierten sachlichen Wertungen18. Auch hinter den Konzepten der „reinen“ Rechtslehre verstecken sich materiale Zwecke. So basiert die Annahme, zu den relevanten Sollenssätzen zählten nur zwingende Ge- oder Verbote und nicht auch Erlaubnisse, entweder auf einer Reduzierung auf oder eben einem Bekenntnis zu einer freiheitlichen Rechtsordnung, in der menschliches Verhalten tatsächlich keiner Erlaubnis bedarf, sondern zulässig ist, soweit es nicht gegen gesetzliche Regelungen verstößt19. Außerdem wohnt der „normlogischen“ Eliminierung positiver Befugnisse die Tendenz inne, die Verpflichtung und den Ausschluss Dritter (die „Sozialpflichtigkeit“) und eben nicht das subjektive Recht des Einzelnen hervorzuheben, so dass die negativen Effekte etwa des Sacheigentums in den Vordergrund treten20. Wenn man 14 Grundlegend Kelsen, Reine Rechtslehre, 1, 84 und öfter; ders., JZ 1965, 465, 468; Nawiasky, Allgemeine Rechtslehre, 1 ff. (der die Betrachtung aber auf den abendländischen Kulturkreis und die Gegenwart beschränkt; „relativ“ allgemeine Rechtslehre); Bucher, Das subjektive Recht 28; Aicher, Eigentum als subjektives Recht, 73 („Der Zweck der Gewährung von Befugnissen kann in einem rechtsformalen Begriff keine Aufnahme finden. Diesen klarzulegen ist Aufgabe einer teleologischen Untersuchung, die die rechtsformale zu ergänzen hat.“; Hervorh. im Original); dazu auch Mertens, JuS 1962, 261, 263; Larenz, FS Sontis, 129. 15 Bucher, Das subjektive Recht, 13 f., 26 f. (Suche nach formalem Rechtsbegriff); Aicher, Eigentum als subjektives Recht, 15 f., 21 f., 67 (Rechtsform- oder -inhaltsbegriff). 16 Bucher, Das subjektive Recht, 35 ff., 152 ff. (beim Eigentum habe der teleologische Aspekt der Sachherrschaft im Vordergrund gestanden); ebenso zur Eigentumsdefinition des öABGB Aicher, Eigentum als subjektives Recht, 53 f. 17 Dazu aus erkenntnistheoretischer Sicht § 3 B III. 18 Siehe etwa §§ 6 B IV 2 b, 7 E I 2. 19 Siehe Kelsen, Reine Rechtslehre, 15 f.; Aicher, Eigentum als subjektives Recht, 85 mit Fn. 12 („… das normlogische Prinzip, daß rechtlich erlaubt, was nicht verboten ist …“). Zum Verteilungsprinzip der freiheitlichen Rechtsordnung oben § 2 B II 2. 20 Zum subjektiven Recht als Ideologie Kelsen, Reine Rechtslehre, 136. Zur Ablehnung einer natürlichen Verteilung subjektiver Rechte Zitelmann, IPR, 56 ff. (das subjektive Recht könne erst aufgrund des Daseins einer Rechtsordnung bestehen); Aicher, Eigentum als subjektives Recht, 20. In eine sozialistische Kritik des Eigentums umgesetzt wird diese Anlage von Renner, Rechtsinstitute des Privatrechts, 49 ff.
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diesen sachlichen Einflüssen durch eine strenge Scheidung der normlogischen von der teleologischen Betrachtung entgehen möchte21, drängt sich der Verdacht eines Glasperlenspiels auf, das gar keine Aussagen über „wirkliches“ Recht machen will. Jedenfalls bleibt die hier versuchte Systematisierung konkreter Rechtsregeln von den abweichenden Ansätzen der reinen Rechtslehre unberührt, weil sie – gerade in Bezug auf eine so von bestimmten Höchstwertungen durchdrungene Rechtsordnung wie die deutsche – zwangsläufig und bewusst die Teleologie dieses „Sinnganzen“ in sich aufnimmt, um es zutreffend wiedergeben zu können. Bei dieser Immunisierung sollte man aber schon deshalb nicht stehenbleiben, weil die reine Rechtslehre durchaus zutreffende Aussagen über die formale Struktur „des“ Eigentums formuliert. Insbesondere ist es in Übereinstimmung mit der ganz herrschenden Meinung einschließlich des Bundesverfassungsgerichts zutreffend, ausschließliche Rechte bzw. verfassungsrechtliches Eigentum als relationale Verhaltensgebote gegenüber anderen Subjekten und nicht als Rechtsverhältnis zwischen Eigentümer und Objekt zu denken, das weder Rechte noch Pflichten haben kann22. Diese Sichtweise verhindert eine vom Grundgesetz verbotene einseitige Sicht auf den Begünstigten und bezieht die mit Ausschließlichkeitsrechten notwendig verbundene Freiheitseinschränkung potentieller Schuldner mit in das Gesamtbild ein, so dass ein integriertes Eigentumskonzept möglich wird, wie es in Art. 14 GG verwirklicht ist23. Demnach wirken Ausschließlichkeitsrechte im Verhältnis zu allen anderen Privatrechtssubjektiven in Bezug auf bestimmte Nutzungen eines Gutes. Aus dieser Drittgerichtetheit folgt aber nicht, dass die positiv-exklusive Befugnis des Rechtsinhabers, allein zu bestimmten Güternutzungen befugt zu sein, eine irrelevante Hilfsvorstellung oder ein bloßer Reflex der negativen Seite des Ausschließlichkeitsrechts ist. Bei dieser weiteren Annahme wird zunächst die verhaltenssteuernde Wirkung allgemeiner Regeln verkannt, wonach diese oder jene Verhaltensweise allein dem Rechtsinhaber vorbehalten ist. Eine gewisse Rechtsakzeptanz und -relevanz unterstellt, führt bereits eine solche positive Darfregel dazu, dass die negativ-ausschließende Ebene gar nicht erst aktiviert 21
So Aicher, Eigentum als subjektives Recht, 86 f. Zur Rechtsprechung des BVerfG Nachweise oben § 11 C II 1 b; ferner Kant, Rechtslehre, 260 (ein Mensch, der auf Erden allein wäre, könne kein äußeres Ding als das Seine haben oder erwerben); Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie, 197; Vesting, FS Schmidt, 427, 434; Godt, Eigentum an Information, 572 f.; Larenz/Wolf, AT, § 13 Rn. 1, 10 f.; Eidenmüller, Law and Philosophy 10 (1991), 1, 5; Meyer-Abich, Schutzzweck der Eigentumsgarantie, 61; Meier-Hayoz, FS Oftinger, 171, 176; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 450; Krückmann, AcP 103 (1908), 139, 259; Behrends, in: Bydlinski/Mayer-Maly, Ethische Grundlagen, 1, 27; Heinz, Mitt. 1994, 1, 3; zu Art. 14 GG zuerst Dürig, ZgS 109 (1953), 326, 346 ff.; ders., DÖV 1954, 129, 131. Zum right in rem im common law Hohfeld, Yale L.J. 26 (1917), 710, 720 ff. A.A. Böhmer, NJW 1988, 2561, 2566; wohl auch v. Ihering, IherJb 10 (1871), 387, 392 („Die Rechte des Privatrechts … begründen ein Rechtsverhältniß des Berechtigten zu etwas außer ihm …“). 23 Siehe Raiser, JZ 1961, 465, 472; Dreier, in: Schricker/Dreier/Kur, Geistiges Eigentum, 51, 76 ff.; ferner oben § 11 C II 1 b. 22
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werden muss. Zum Beispiel ist die Privilegierung des Sacheigentümers so im Bewusstsein der Rechtsunterworfenen verankert, dass nicht das Verbot der Entziehung oder Besitzstörung, sondern der gegenseitige Respekt vor der Autonomie im zugewiesenen Bereich Triebfeder dafür ist, keine Rechtsverletzung zu begehen. Anschaulich formuliert Medicus: „Dass ich eine mir gehörende Semmel essen darf, ist eher die Hauptsache als ein Reflex aus den mir zustehenden Ansprüchen nach §§ 985, 1004 (vgl. § 903).“24. Eine funktionierende Rechtsordnung setzt ihre Ideale nicht nur in Gestalt präventiver und repressiver Zwangsregeln durch, sondern stärkt, bildet und unterstützt die Wertvorstellungen der Bürger bereits durch die bloße Festlegung, was Recht und was Unrecht ist25. Hierzu zählt auch die vom Verhalten potentieller Störer losgelöste Aussage, dass der Inhaber von Ausschließlichkeitsrechten mit dem zugeordneten Gut nach Belieben verfahren darf. Folglich greift die Vorstellung zu kurz, zu den relevanten Sollenssätzen zählten nur Ge- und Verbote, weil nur jene zwischenmenschliches Verhalten beträfen26. Eliminiert man die positive Seite der Ausschließlichkeitsrechte aus der theoretischen Betrachtung, lassen sich überdies gerade diejenigen Wirkungen nicht befriedigend erklären, die diese Rechtspositionen auszeichnen. So ist das Modell des Erfolgsunrechts, wonach der Eingriff in einen vorab definierten Schutzbereich die Rechtswidrigkeit der Handlung indiziert, bei dieser Lesart nur mit der Fiktion zu halten, der Rechtsinhaber wolle sämtliche Verbote jederzeit geltend machen27, während die positive Zuordnung bestimmter Güternutzungen dieses Verhältnis von grundsätzlicher Exklusivität und ausnahmsweise zulässiger Störung ohne Weiteres zum Ausdruck bringt. Ferner setzt die Übertragbarkeit subjektiver Rechte voraus, dass man sie als selbständiges, ideales „Etwas“ begreift, das unabhängig von einer akuten Verletzung der Handlungs- oder Unterlassungsgebote besteht28. Um zu einem solchen Verfügungsgegenstand zu gelangen, kommt man um eine positive Aussage über seinen Inhalt nicht herum. Über diese Berechtigung des Inhabers einer Forderung oder eines Ausschließlichkeitsrechts verständigen sich die Parteien eines Verfügungsgeschäfts, das sich nach dem Spezialitätsprinzip des deutschen Rechts stets auf ein bestimmtes subjektives Recht bezieht29. 24 Medicus, BürgR, Rn. 709. Ebenso deutlich Kohler, Autorrecht, 3 (die Gegenauffassung sei eine Doktrin, „welche die Auster fortwirft und uns die nackte Schale läßt“). 25 So auch BVerfGE 88, 203, 253 (1993). 26 Zum Unterschied zwischen präskriptiven und von der Imperativentheorie nicht erklärbaren „konstitutiven“ Rechtsregeln Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 148 ff. 27 So die Kritik bei Aicher, Eigentum als subjektives Recht, 42. 28 Esser, Einführung, 158 („Das zugewiesene Recht ist ein Recht, unabhängig vom Durchsetzungswillen des Berechtigten“). Dunkel dazu Thon, Rechtsnorm, 155 („Ebensowenig macht der Umstand den Schutz zu einem Privatrecht, dass die Rechtsordnung eine Uebertragung desselben durch Rechtsgeschäft zulässt. Auch diese Uebertragungsbefugniss ist nicht Inhalt des Eigenthumsrechts, ihre Ausübung nicht Ausübung des letzteren; ist doch vielmehr das Eigenthumsrecht das Object der Uebertragung.“). 29 Zu den Strukturen des Rechtsverkehrsrechts oben § 10 G.
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Damit ist übergeleitet zu den einschlägigen Aussagen der deutschen Rechtsordnung. Nur ihre allgemeine Beschreibung steht hier in Rede. Insoweit haben die Analysen des Hauptteils ergeben, dass das deutsche Recht nicht nur hinsichtlich der Übertragbarkeit und Pfändbarkeit auf dem Konzept positiver subjektiver Rechte basiert. Die Regelung des Sacheigentums in § 903 BGB, die paradigmatisch für alle übrigen Ausschließlichkeitsrechte ist, nennt die exklusive Befugnis des Eigentümers sogar vor dem negativen Ausschluss aller anderen. Von unverletzt ausübbaren subjektiven Rechten geht ferner das Schikaneverbot des § 226 BGB aus30; dasselbe gilt für § 826 BGB, der nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers gerade auch den Missbrauch „besonderer Rechte“ sanktioniert31. Vor diesem Hintergrund erscheint es zutreffend, dass die ganz herrschende Meinung die positive Seite des subjektiven Rechts im Sinne des exklusiven Dürfens in die rechtstheoretische Betrachtung einbezieht32; auch Vertreter der Imperativentheorie bzw. reinen Rechtslehre können sich dieser Erkenntnis nicht in letzter Konsequenz verschließen33. Festzuhalten ist somit, dass sich das subjektive Recht durch eine positive, unverletzt gedachte und deshalb übertragbare Rechtsmacht mit einem bestimmten Inhalt auszeichnet, die nur der Berechtigte ausüben darf34.
30
Siehe Fabricius, AcP 160 (1961), 273, 281. Dazu oben § 6 C III 2 b. 32 Siehe v. Tuhr, AT I, 134 (die inneren, positiven Benutzungsbefugnisse seien „von der Rechtsordnung nicht bloß als nicht verbotene Handlungen geduldet, sondern von ihr anerkannt und mit eigenartigen Rechtswirkungen ausgestattet“), 146 (für das Urheberrecht, das ein „Wollendürfen“ gewähre); Larenz, FS Sontis, 129, 137; Fikentscher, Methoden IV, 169 (eine Rechtslogik müsse die Prädikationen „rechtlich verboten“ (einschließlich „rechtlich geboten“), „rechtlich gestattet“ und „dem rechtsfreien Raum zugehörig“ bereitstellen); Eltzbacher, Unterlassungsklage, 128; Larenz, FS Sontis, 129, 139; v. Caemmerer, FS DJT II, 49, 55; Schrauder, Wettbewerbsverstöße, 161 f.; Damm, ARSP 79 (1993), 159, 173; Brehm, JZ 1972, 225, 226; Gareis, FS Schirmer, 59, 82; Georgiades, FS Sontis, 149, 164; Boecken, Deliktsrechtlicher Eigentumsschutz, 205 ff.; Schapp, AcP 192 (1992), 355, 359 ff.; Raiser, FS Sontis, 167 f. m.w.N.; Aicher, Eigentum als subjektives Recht, 43, 45 ff.; Krasser, Schutz vertraglicher Rechte, 100 f.; Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 32; Ellger, Bereicherung durch Eingriff, 429 (Normen des Dürfens); ebenso zum common law Hohfeld, Yale L.J. 23 (1913/14), 16, 32 ff.; ders., Yale L.J. 26 (1917), 710, 746 (positive Befugnisse als „privileges“). Zur Kritik an Bucher etwa Aicher, Eigentum als subjektives Recht, 29, 41 ff. m.w.N.; Kasper, Das subjektive Recht, 143 ff.; Schmidt, Aktionsberechtigung und Vermögensberechtigung, 47 ff. 33 Siehe Zitelmann, IPR, 44 (während in gewissen Fällen das Erlaubtsein der Tat nichts anderes bedeute als das Nichtverbotensein, enthalte es in anderen Fällen noch ein Moment positiver Billigung seitens des objektiven Rechts); Kelsen, Reine Rechtslehre, 15 f. (Notwehr), 134, 136 f. (Aktivlegitimation bei Verstößen als Merkmal des subjektiven Rechts). 34 In diesem Sinne etwa Jellinek, System, 51 („Jedes subjektive Privatrecht enthält daher notwendig ein Dürfen …“); Esser, Einführung, 150, 153 (das Wesentliche des subjektiven Rechts sei das „Darüber-verfügen-dürfen“); Brehm, JZ 1972, 225, 226 (der Eigentümer soll die Herrschaft über die Sache haben); Schürnbrand, AcP 204 (2004), 177, 185. 31
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II. Güterschutz als Verwirklichung eines subjektiven Rechts? Wesentlich weiter verbreitet als die Eliminierung selbständiger subjektiver Rechte ist die Kritik an einem gesetzlich fundierten Interessen- und Güterschutz, der zwar bei akuten Verletzungshandlungen relative subjektive Rechte (Ansprüche) generiert, dem jedoch kein primäres subjektives Recht vorausliegt. Der Vorstellung einer derartigen Rechtsposition, z.B. im Hinblick auf die in § 823 Abs. 1 BGB genannten Lebensgüter, wird entgegengehalten, der gesetzliche Schutz sei ein subjektives Recht bzw. er verwirkliche ein vorausliegendes subjektives Recht (z.B. am Leben). Die erstgenannte Identifikation von Rechtsschutz und subjektivem Recht betont die gegen jedermann gerichtete Wirkung etwa des § 823 Abs. 1 BGB sowie der richterrechtlich anerkannten Rahmenrechte aPR und Recht am Gewerbebetrieb, die eben nicht nur das Verhalten bestimmter Personen beträfen und daher keine „relativen“, sondern „absolute“ Rechte darstellten35. Dass sie nicht jede denkbare Beeinträchtigung erfassten, sei unschädlich, da nicht einmal das Sacheigentum für eine lückenlose, unbegrenzte Zuordnung sorge36. Außerdem seien die Übergänge zwischen ausschließlichen Rechten und einem bloßen Verhaltensunrecht fließend; ein und dasselbe Interesse könne rechtstechnisch so oder so geschützt werden37. Hinter dieser Ausdehnung des Begriffs „subjektives Recht“ steht die Vorstellung, die Rechtsordnung habe primär den Zweck, individuellen Rechtsschutz in Form von Befugnissen zu gewähren, die vom Einzelnen nach seinem Gutdünken geltend gemacht werden können38. Prägend für die Gleichsetzung namentlich der deliktsrechtlich konturierten Rechtskreise mit dem subjektiven Recht dürfte in der jüngeren Vergangenheit39 vor allen Dingen v. Ihering gewesen sein. In seinem „Geist des römischen Rechts“ erklärt er zunächst, „nicht jedes Gesetz, welches
35 Siehe zum Begriff des absoluten Rechts oben § 1 B II 5; ferner Klippel, Namensschutz, 372; Wagner, in: MünchKomm, § 823 BGB Rn. 136 (Ausschlussfunktion genüge für die Qualifikation als absolutes Recht). 36 Ahrens, Verwertung, 143; Kraft, Interessenabwägung, 169, 172; Pfister, Know-how als Vermögensrecht, 99 ff.; Schurer, Schutzbereich der Eingriffskondiktion, 92 f. 37 Schurer, Schutzbereich der Eingriffskondiktion, 96; Ebert, Geschäftsanmaßung, 93. 38 Siehe Eltzbacher, Unterlassungsklage, 111 („Die Rechtsordnung kann mir einen Schadensersatzanspruch wegen eines Unrechts nur geben, wenn sie es um meinetwillen als Unrecht betrachtet, wenn sie es um meinetwillen untersagt, wenn ich also ein Recht darauf habe, daß es unterbleibt.“); Duvigneau, Entwicklung des Unterlassungsanspruchs, 12 ff. (im Vordergrund des allgemeinen Unterlassungsanspruchs stehe der Individualrechtsschutz, der fast ausschließlich über den und mit dem subjektiven Recht erzielt werde); Picker, FS Bydlinski, 269, 276 (das Zivilrecht habe als Rechtszuweisungsordnung den rechtlichen Schutz der zugewiesenen Rechte zu gewährleisten); ders., FS Canaris I, 1001, 1014 f.; Loewenheim, ZHR 135 (1971), 97, 132 (auch der Schutz von Institutionen müsse immer an konkrete Individualpositionen anknüpfen, weil sich die Rechtsordnung der Gewährung von Individualansprüchen bediene). 39 Zur Entstehung dieser Auffassung im System des Donellus siehe Coing, in: Coing/Lawson/ Grönfors, Das subjektive Recht, 7, 17.
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mein Interesse schützt, erzeugt für den einzelnen ein Recht“40. Die mithin anerkannte Unterscheidung zwischen gesetzlichem Schutz und subjektivem Recht richtet sich indes nach anderen als den hier verwendeten Kriterien. v. Ihering stellt darauf ab, ob der Verstoß gegen das objektive Recht vom Einzelnen in seinem Interesse klageweise geltend gemacht werden kann. So kämen Schutzzölle und entsprechende Strafgesetze zwar den inländischen Fabrikanten zugute; hierbei handele es sich aber um reflexartige Begünstigungen und nicht um subjektive Privatrechte, weil Zuwiderhandlungen gegen diese Vorschriften nur behördlich und nicht vom einzelnen Unternehmer verfolgt werden könnten41. Überträgt man diese Abgrenzung auf das geltende Recht, entspricht die Grenzlinie zwischen subjektiven Rechten und einem bloß reflexartigen Schutz dem Anwendungsbereich des § 823 Abs. 2 BGB42. Folglich stellen sämtliche Schutzgesetze und die vom Deliktsrecht selbst („intern“) etablierten Rechtskreise (z.B. §§ 826, 824 BGB) subjektive Rechte dar. Hiermit eng verwandt ist die vor allen Dingen im Zusammenhang mit der Anerkennung des allgemeinen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs entwickelte Auffassung, jeder außervertragliche, potentiell gegen jedermann gerichtete Anspruch verwirkliche ein vorausliegendes „absolutes Recht“43. Der Rückschluss von einzelnen Ansprüchen auf ein primäres Recht ermöglicht die Rede von einem „allgemeinen Ausschließungsrecht“, das – jedenfalls unter den Vor-
40 V. Ihering, Geist des römischen Rechts, 327. In anderem Sinne wurde der Begriff „Reflexwirkung“ von v. Ihering verwendet in seinem Aufsatz zur Reflexwirkung von Rechten, nämlich als eine „Folge einer in der Person des Einen eingetretenen Thatsache für eine dritte Person“; siehe v. Ihering, IherJb 10 (1871), 245, 284. 41 V. Ihering, Geist des römischen Rechts, 328; zustimmend Jellinek, System, 70 f.; ebenso Thon, Rechtsnorm, 151 ff.; Wieruszowski, DRiZ 1927, 225, 228; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, 1011 (die quasinegatorische Haftung ebne den Unterschied zwischen Rechtsgütern und Rechten ein, weil beim subjektiven Recht anders als bei der bloß günstigen Lage der Schutz vom Willen des Begünstigten abhänge, der die zu seinen Gunsten erlassenen Rechtsbefehle nach seinem Belieben durch Klage geltend machen könne); aus jüngerer Zeit Heinze, Rechtsnachfolge in Unterlassen, 26 ff.; Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 238 ff.; Buchner, Informationelle Selbstbestimmung, 205 f. 42 Siehe v. Ihering, Geist des römischen Rechts, 334 (dass der Kläger nicht ausschließlich sein persönliches Interesse, sondern auch das allgemeine Interesse verfolge, stehe der Annahme eines subjektiven Rechts nicht entgegen); zum entsprechenden Begriff des Schutzgesetzes gem. § 823 Abs. 2 BGB nur Sprau, in: Palandt, § 823 BGB Rn. 57 m.w.N. 43 Dazu oben § 6 D; siehe Eltzbacher, Unterlassungsklage, 104 ff., 112 (Recht an der Gesundheit, Recht eines jeden, nicht vorsätzlich den guten Sitten zuwider geschädigt zu werden), 145 (allgemeines Ausschließungsrecht unter den Voraussetzungen des § 826 BGB), 157; Lehmann, Unterlassungspflicht, 120 (allgemeines Individualrecht), 127 (§ 826 BGB als Privatrecht in weiterem Umfang); Rosenthal, Unterlassungsklage, 3 (Konstruktion der quasi-negatorischen Unterlassungsklage aufgrund des Persönlichkeitsrechts, auf dem auch das UWG basiere); Schmidt, Negatorischer Beseitigungsanspruch, 82 f.; offenbar auch Neumann-Duesberg, Das gesprochene Wort, 180; Heinze, Rechtsnachfolge in Unterlassen, 48 f.; Timm, Unterlassungsklage, 30; Kummer, Anwendungsbereich und Schutzgut UWG, 97. In diesem Sinn zu § 823 Abs. 1 BGB Coing, in: Coing/ Lawson/Grönfors, Das subjektive Recht, 7, 20 (§ 823 Abs. 1 BGB mache die Verletzung subjektiver Rechte zur Grundlage der deliktsrechtlichen Schadensersatzansprüche).
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aussetzungen des § 826 BGB – reine Vermögensinteressen erfasst44, sowie die Einordnung der Schutzgesetze gem. § 823 Abs. 2 BGB als „Rechtszuweisungsnormen, die vor dem Schutzrecht ein Substanzrecht begründen“45. Zu überzeugen vermag keine Spielart dieser vollständigen Absorption des gesetzlichen Schutzes individueller Interessen in den Begriff des subjektiven Rechts. Mit der wohl herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur ist vielmehr zwischen primären Ausschließlichkeitsrechten und solchen individuellen Rechtskreisen zu unterscheiden, die von gesetzlichen Regelungen festgelegt werden, ohne übertragbare subjektive Rechte abzubilden oder selbst darzustellen46. Hierfür sprechen zunächst mehrere rechtshistorische Hypotheken, mit denen die Gegenauffassung belastet ist. In ihr lebt nämlich nicht nur v. Iherings Identifikation von Rechtsschutz und subjektivem Recht fort, sondern auch Windscheids Anspruchsbegriff. Demnach ist ein Anspruch nicht etwa Folge der Verletzung eines primären Rechts oder eines Verstoßes gegen gesetzliche Regelungen,
44 Siehe Eltzbacher, Unterlassungsklage, 145; Esser, Schuldrecht II, 474 (gegen jedermann gerichtetes subjektives Recht auf Wahrung des eigenen Rechtsgüterstandes). 45 So Picker, FS Bydlinski, 269, 314; ders., FS Lange, 625, 680 f. Ferner RGZ 18, 28, 36 f. (1886) (durch die Gewährung des Löschungs- und Unterlassungsanspruchs charakterisiere das Markenschutzgesetz das geschützte Recht als absolutes Recht); Mailänder/Mailänder, in: Dörr/Mailänder, Hörfunkberichterstattung, 101, 142 ff. (auf der Basis deliktischer Generalklauseln und daraus erwachsender „Abwehrrechte“ könne ein „ein positives Recht für die abstrakte Vergabe“ von Fernsehrechten abgeleitet werden); für das subjektive öffentliche Recht offenbar auch Jellinek, System, 105. 46 Siehe RGZ 47, 100, 101 f. (1900); RGZ 49, 33, 36 (1901) (Unterlassungs- und Entschädigungsanspruch setzten ein absolutes Recht und dessen Verletzung voraus); RGZ 58, 321, 325 (1904); aus der Rechtsprechung zum allgemeinen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch RGZ 101, 335, 339 f. (1921) (geschütztes „Rechtsgut (oder Recht)“); nur noch mit Bezug auf ein gesetzlich geschütztes „Rechtsgut“ dann RGZ 109, 272, 276 (1924); RGZ 116, 151, 152 f. (1927) (Schutz sonstiger Rechtsgüter über den Kreis der absoluten Rechte hinaus); RGZ 132, 311, 315 f. (1931); RGZ 156, 372, 374 f. (1937); RGZ 166, 150, 156 (1941); BGH LM § 812 BGB Nr. 6 (1951); im Ansatz auch BGHZ 16, 172, 175 (1955) – Dücko; im Kontext der Störerhaftung BGHZ 158, 236, 251 (2004); OLG Brandenburg MMR 2006, 107, 108 (Verhaltensunrecht vs. absolutes Recht); Heck, Schuldrecht, 449 (die Rechtsordnung schütze die Interessen einer Person in doppelter Form, nämlich durch subjektive Rechte oder durch bloße Schutzpositionen); Oertmann, DJZ 1904, 616, 619; Isay, Rechtsgut, 43; v. Tuhr, AT I, 55 f. (Unterscheidung zwischen geschützten Interessen und subjektivem Recht); ders., AT II/2, 458 (Unrecht sei nicht immer die Verletzung eines subjektiven Rechts); Henckel, AcP 174 (1974), 97, 112 f. (die Erweiterung des vorbeugenden Rechtsschutzes stelle keine Ausweitung der absolut subjektiven Rechte dar); Mestmäcker, JZ 1958, 521, 525; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1467; Medicus, AT, Rn. 71; Bydlinski, System des Privatrechts, 243; Flad, IherJb70 (1921), 336, 358 ff.; v. Caemmerer, FS DJT II, 49, 55; Körner, Rechtsschutz, 27 ff.; Hohloch, Negatorische Ansprüche, 151 f.; Schapp, Freiheit, Moral und Recht, 237 (subjektive Rechte und subjektiv-rechtlicher Schutz von Rechtsgütern); Schneidinger, Leistungsschutz, 4 f.; Schrauder, Wettbewerbsverstöße, 162 (es gebe keine reinen „Ausschluß- und Abwehrrechte“; in Wahrheit handele es sich um normgeschützte Interessen bzw. Rechtsgüter); Esser, Einführung, 158 (im Recht der unerlaubten Handlung sei es daher richtig, von Rechtsgütern zu sprechen); Kraft, Interessenabwägung, 203; Reinhardt, JZ 1961, 713, 717; Katzenberger, Recht am Unternehmen, 21 f.; Buchner, Unternehmensschutz, 23 f.
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sondern er realisiert das subjektive Recht und gibt ihm die Richtung47. Während diese Vorstellung bei rechtsgeschäftlich begründeten Forderungen tragfähig ist, macht sie aus einem „absoluten Recht“ eine unbegrenzte Vielheit von ständig gegen jedermann gerichteten Einzelansprüchen, den Schutzbereich nicht zu verletzen48. Diese Konstruktion erscheint im Vergleich zu einem einheitlichen Recht mit bestimmtem Schutzbereich, dessen Verletzung sekundäre Ansprüche auslöst, ausgesprochen gekünstelt und letztlich sogar der Idee primärer Ausschließlichkeitsrechte zuwiderlaufend49. Sie ist außerdem in Anbetracht des vom BGB verwendeten Anspruchsbegriffs im Sinne eines Rechts, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (§ 194 Abs. 1 BGB), überholt50. Ebenfalls obsolet ist die kurz nach Inkrafttreten des BGB weit verbreitete Befürchtung einer uferlosen Ausdehnung des damals von der Rechtsprechung anerkannten, allgemeinen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs. Um dieser Rechtsfortbildung Konturen zu verleihen, brachte man die vorbeugenden Unterlassungsansprüche mit der drohenden Verletzung „absoluter Rechte“ in Zusammenhang bzw. sah in ihnen eine prozessuale Maßnahme zur Verwirklichung eben jener Befugnisse51. Auch diese Lesart des allgemeinen Abwehranspruchs, in der
47 Windscheid/Kipp, Pandekten I, 182 (Windscheid: „Es ist ein Bedürfnis vorhanden, die Richtung des Rechtes … als solche … zu bezeichnen.“). 48 Windscheid/Kipp, Pandekten I, 184 (Windscheid); Kress, Allgemeines Schuldrecht, 10 f.; Eltzbacher, Unterlassungsklage, 122 (das absolute Recht sei der Inbegriff der einzelnen Ansprüche); Troller, Internationale Zwangsverwertung, 49 (Immaterialgüterrechte als „in alle Richtungen weisende Abwehrpfeile“), 59 (bei der Zwangsvollstreckung müsste der Staat durch den handelnden Beamten ein Gebot an eine unbestimmte Zahl von unbestimmten Adressaten mit unbestimmtem Aufenthalt erlassen); weitere Nachweise zu dieser Auffassung bei Stephan, Unterlassungsklage, 92; Dubischar, Zweiteilung der Rechte, 108 ff.; ebenso zum common law right in rem wohl Hohfeld, Yale L.J. 26 (1917), 710, 740 (Theorie des right in rem als eines Bündels von Rechten gegen alle Dritten). 49 Siehe Windscheid/Kipp, Pandekten I, 182 ff. mit Fn. 1–3 (Kipp); v. Ihering, IherJb 10 (1871), 387, 392 f. („Diese rein negative und abstracte Verpflichtung der gesammten Welt, welche sich in keiner einzelnen Person lokalisiert, hat keinen Anspruch darauf, systematisch zu einem besonderen Begriff erhoben zu werden – sie ist nichts als der Schatten, den das Recht in die Außenwelt wirft, eine Uebersetzung aus dem Positiven in’s Negative.“); Lehmann, Unterlassungspflicht, 109 f. („Unding“); de Boor, Gerichtsschutz, 22; Siber, Schuldverhältnis, 100 ff.; v. Tuhr, AT I, 243; Wesel, FS v. Lübtow, 787, 794–796 („monströs“); Duvigneau, Entwicklung des Unterlassungsanspruchs, 132 m.w.N.; Esser, Einführung, 163 („leere, spekulative Behauptung“); für das Sacheigentum Schön, Nießbrauch an Sachen, 12 ff. m.w.N. Zu welch absurden Schlussfolgerungen ein Verständnis des Ausschließlichkeitsrechts als gegen jedermann gerichteter Unterlassungsansprüche führen kann, zeigt Trollers Auffassung, bei der Zwangsvollstreckung in Immaterialgüterrechte gingen die Rechte des Schuldners und früheren Inhabers unter, und mit der Verwertung entstünden „formell neue[n], materiell aber gleiche[n] Rechte“ zugunsten des Erwerbers; Troller, Internationale Zwangsverwertung, 60. Ablehnend insoweit zu Recht Zimmermann, Immaterialgüterrechte in der Zwangsvollstreckung, 138 (Herrschaftsrecht als Vollstreckungsgegenstand); Hubmann, FS Lehmann II, 812. 50 Windscheid/Kipp, Pandekten I, 188 f. (Kipp). Als „Dogmengeschichte“ bezeichnet Windscheids Auffassung Picker, FS Bydlinski, 269, 274. 51 Siehe zur Untersuchung der Unterlassungsklage im Hinblick auf eine materiellrechtliche Grundlage Eltzbacher, Unterlassungsklage, 1 ff.; Jakobsohn, Unterlassungsklage, 3; Brose, Unter-
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aktionenrechtliches Denken nachklingt, ist inzwischen längst überwunden52. Anerkannt ist, dass mit der analogen Anwendung des § 1004 BGB nicht nur Ausschließlichkeitsrechte, sondern sämtliche vom Recht der unerlaubten Handlung gem. §§ 823 ff. BGB gezogenen objektiven Rechtskreise gegen Verletzungen geschützt werden. Der materiellrechtliche Unterlassungsanspruch entsteht erst mit der Gefahr53 einer nach Maßgabe der §§ 823 ff. BGB rechtswidrigen Verletzung einer allgemeinen Verhaltenspflicht; er kann als Folgerung einer vorausgesetzten Rechtspflicht nicht zugleich Grundlage eines entsprechenden subjektiven Rechts sein54. Im Übrigen hat die Analyse des güterzuordnungsrelevanten Privat-, Verfahrens- und Verfassungsrechts die hier verwendete Grundunterscheidung gerade im Hinblick auf das Konzept des gesetzlichen Interessen- und Güterschutzes bestätigt. Diese Einschätzung betrifft zunächst die gesetzlichen Schuldverhältnisse, die durchweg Ansprüche jenseits primärer subjektiver Rechte gewähren. So sieht das Deliktsrecht des BGB zum einen sekundäre Ansprüche bei der Verletzung des Eigentums und „sonstiger“ Ausschließlichkeitsrechte vor, zum anderen schützt es Güter vor widerrechtlichen bzw. sittenwidrigen Verletzungen, an denen nach allgemeiner Auffassung kein subjektives Recht besteht. Hierzu zählt namentlich das Vermögen als solches, dessen Beeinträchtigung z.B. durch Betrug und vorsätzliche sittenwidrige Schädigung dennoch abgewehrt und nachträglich ausgeglichen werden kann55. Diese Differenzierung kommt bereits in der Eingangsnorm des Rechts der unerlaubten Handlung zum Ausdruck. § 823 Abs. 1 BGB schützt nicht nur das Eigentum und „sonstige Rechte“, sondern eben auch bestimmte Lebensgüter56. Deren ausdrückliche Nennung neben den „sonstigen Rechten“ wäre ebenso überflüssig wie die in Absatz 2 vorgesehene Schadensersatzpflicht für Gesetzesverstöße, wenn alle Güter und Schutzgesetze eben solche
52 lassungsklage, 19 ff. (mit Ausführungen zur „Rechtsnatur des jeder Unterlassungsklage zu Grunde liegenden Anspruchs“); für eine Einordnung als „eigenes prozessuales Institut“ auch noch Esser/ Weyers, Schuldrecht II/2, 265. Kritisch zum Verweis auf die Unterscheidung zwischen materiellem und prozessualem Recht in diesem Zusammenhang auch Stephan, Unterlassungsklage, 93 f. 52 Siehe Wesel, FS v. Lübtow, 787, 791 ff.; ferner oben § 6 D III-V. 53 Zur Beeinträchtigungsgefahr als materiellrechtliche Tatbestandsvoraussetzung des Abwehranspruchs Zeuner, FS Dölle II, 295, 305 (das allgemeine Verbot werde zur engeren Beziehung eines Anspruchs verdichtet); Wesel, FS v. Lübtow, 787, 797 ff.; a.A. Flad, IherJb 70 (1921), 336, 368; Hohloch, Negatorische Ansprüche, 152 f. (Rechtsschutzbedürfnis). 54 V. Bar, VersR 1983, Beil. 80 ff. (unselbständige und selbständige Pflichten); Brehm, JZ 1972, 225, 227; Stephan, Unterlassungsklage, 92; Baur, JZ 1966, 381, 383; Münzberg, JZ 1967, 689, 693; Esser, Einführung, 162; v. Tuhr, AT I, 243; Schapp, AcP 192 (1992), 355, 378; Zeuner, FS Dölle II, 295, 305; Böhm, Unterlassungsanspruch, 67; in Bezug auf das Sacheigentum Schön, Nießbrauch an Sachen, 10 ff. (Enumerations- vs. Totalitätsprinzip); Jakobsohn, Unterlassungsklage, 109. Zur Rechtsverletzung als Voraussetzung des dinglichen Anspruchs Henckel, AcP 174 (1974), 97, 140 ff. m.w.N. 55 Siehe oben §§ 6 B III, C, 13 A II 1 a; ferner v. Tuhr, AT I, 56; v. Caemmerer, FS DJT II, 49, 55; Körner, Rechtsschutz, 27 ff.; Schrauder, Wettbewerbsverstöße, 160. 56 Oben § 6 B III.
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subjektiven Rechte repräsentierten57. Der Gesetzgeber ist hier v. Iherings Identifizierung von individuellem Rechtsschutz und Privatrecht bewusst nicht gefolgt58. Entsprechende Strukturen stehen hinter dem allgemeinen Unterlassungsund Beseitigungsanspruch, der die ex post ausgleichenden Schadensersatzansprüche gem. §§ 823 ff. BGB um in die Zukunft gerichtete Abwehrbefugnisse des Verletzten ergänzt59. Und selbst die rechtsfortbildend anerkannten Deliktstatbestände wie das aPR und das Recht am Gewerbebetrieb wurden zwar von der Rechtsprechung unter dem Titel des „sonstigen Rechts“ gem. § 823 Abs. 1 BGB anerkannt60; sie unterscheiden sich aber in formeller und materieller Hinsicht grundlegend vom Sacheigentum und den Immaterialgüterrechten, indem sie anders als jene keinen fest definierten Schutzbereich aufweisen, dessen Verletzung die Rechtswidrigkeit indiziert61, als solche unstreitig nicht verkehrsfähig sind und ihrem Sinn und Zweck nach nicht der statischen Sicherung des Erworbenen gem. Art. 14 GG, sondern der Ermöglichung selbstbestimmter Persönlichkeitsentfaltung gem. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 und 12 Abs. 1 GG dienen. Zutreffend wird daher in Rechtsprechung und Literatur immer deutlicher zum Ausdruck gebracht, dass es sich um subsidiäre „Rahmenrechte“ oder synonym um offene Deliktstatbestände und nicht um subjektive Rechte mit einem festen Bestand an zugewiesenen Befugnissen handelt62. Auch der postmortale Persönlichkeitsschutz wird ganz bewusst so bezeichnet, weil ein subjektloses Recht ein Widerspruch in sich wäre63. Ebenfalls von vorausliegenden subjektiven Rechten unabhängig ist das Sonderdeliktsrecht des UWG, das nach seiner Struktur und Funktion als Marktverhaltensrecht gar nicht auf Ausschließlichkeitsrechte bezogen ist und dennoch
57 Oertmann, DJZ 1904, 616, 619; v. Tuhr, AT I, 55 und AT II/2, 458; Stephan, Unterlassungsklage, 146 f.; Lehmann, Unterlassungspflicht, 69; Flad, IherJb70 (1921), 336, 353; Brose, Unterlassungsklage, 54; Timm, Unterlassungsklage, 17; Duvigneau, Entwicklung des Unterlassungsanspruchs, 119 (diese Ansätze dürften als gescheitert gelten). 58 Siehe Mot. II, 728. 59 Oben § 6 D III-V; Duvigneau, Entwicklung des Unterlassungsanspruchs, 133 f. (die quasinegatorische Abwehrklage schütze entweder das vorausliegende Recht oder das gesetzliche Eingriffsverbot); Flad, IherJb70 (1921), 336, 359 f.; Fritzsche, Unterlassungsanspruch, 111 (Verletzung absolut geschützter Rechtspositionen und Missachtung gesetzlich angeordneter Verhaltensgebote). 60 Zur Prägung des deliktsrechtlichen Denkens durch diese subjektivrechtlich orientierte Eingangsnorm Coing, JZ 1954, 700; Scheyhing, AcP 158 (1959/1960), 503, 505 mit Fn. 5; v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht I, Rn. 529. 61 Zum Unterschied zwischen dem vom Erfolgsunrecht ausgehenden Indikationsmodell und den „offenen Verletzungstatbeständen“ aPR und Recht am Gewerbebetrieb BGH NJW 1979, 1351, 1352; BGH NJW 1980, 881, 882; BAG NJW 1999, 164, 166; OLG München NJW 2004, 224, 229; Isay, Rechtsgut, 17; Baur, AcP 160 (1961), 465, 486; Loewenheim, ZHR 135 (1971), 97, 128 (bei subjektiven Rechten ergebe sich die Widerrechtlichkeit bereits aus dem Verletzungserfolg, soweit nicht besondere Rechtfertigungsgründe vorliegen, während beim Verhaltensunrecht die Rechtswidrigkeit positiv begründet werden muss); Katzenberger, Recht am Unternehmen, 19. 62 Oben §§ 4 B VII 1 a, 2 a, 3 a; 6 B IV 1, 2; 13 A II 1; ferner Lipp, Eherechtliche Pflichten, 188. 63 Siehe oben §§ 4 B VII 2 a, 13 B VII 1 b; Schlechtriem, DRiZ 1975, 65, 68.
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unter anderem vorbeugende Unterlassungsansprüche generiert64. Schließlich erstrecken sich die Eingriffskondiktion und die Geschäftsanmaßung auf gesetzlich niedergelegte, positiv-exklusive Zuweisungen von Werten und Gewinnen, die nicht notwendig die Form eines selbständigen Ausschließlichkeitsrechts angenommen haben müssen65. Weiterhin hat die Studie des Rechtsverkehrsrechts ergeben, dass die rechtsgeschäftliche Übertragbarkeit und die Pfändbarkeit in der Einzelzwangsvollstreckung auf dem Spezialitätsprinzip beruhen, also nur selbständige, unverletzt gedachte Rechte umlauffähig sind. Mit dieser formalen Voraussetzung werden bestimmte materiale Regelungszwecke verwirklicht, insbesondere eine gestufte Vermögenshaftung, die erst in der Insolvenz zu einer Universalbeschlagnahme des Vermögens einschließlich unübertragbarer und unpfändbarer Gesamtheiten (Unternehmen) und deliktsrechtlich geschützter Güter (Geheimnisse) führt66. Diese Differenzierungen lassen sich nicht erklären, wenn man alle geschützten Güter als „absolute Rechte“ tituliert, auch wenn sie wie die „Rechte“ auf Leben und körperliche Unversehrtheit und die Rahmenrechte aPR und Recht am Gewerbebetrieb als solche unstreitig unübertragbar sind67. Dabei erweist sich gerade die Umlauffähigkeit als das Abgrenzungsmerkmal zwischen unverletzt gedachten subjektiven Rechten und einem ggf. gesetzlich spezifizierten Interessen- und Güterschutz68. Zum Beispiel genießen geographische Herkunftsangaben zwar „Schutz“ nach Maßgabe der §§ 126 ff. MarkenG, der nach Ansicht der EG-Kommission unter den Begriff des „Rechts des geistigen Eigentums“ im Sinne des Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG fällt69. Gleichwohl spricht das Gesetz zutreffend nicht von einem „ausschließlichen Recht“ wie im Hinblick auf die Marke und die geschäftliche Bezeichnung70, weil die Ansprüche wegen verbotswidriger Benutzung geographischer Herkunftsangaben nur den gem. §§ 128, 135
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Jakobsohn, Unterlassungsklage, 112 f. Oertmann, DJZ 1904, 616, 621, sieht sich zur Ablehnung der hier vertretenen Auffassung gezwungen, das UWG auf die Basis eines subjektiven Rechts am Gewerbebetrieb zu stellen. Siehe dazu oben § 7 D. 65 Oben §§ 8 D II 3 b cc, 9 E II. 66 Siehe oben § 10 G. 67 Siehe de Boor, Gerichtsschutz, 16 (die Befugnis zur Veräußerung müsse in den Begriff des subjektiven Rechts integriert werden); Darmstaedter, AcP 151 (1950/1951), 311, 322 ff.; Deutsch, Rn. 59; differenzierend in funktionaler Betrachtung auch Hilty, in: Hilty/HenningBodewig, Unfair Competition, 1, 44 f. Nicht überzeugende Ausflüchte denn auch bei Kummer, Anwendungsbereich und Schutzgut UWG, 98 („Es wird sonach nie gelingen, das Persönlichkeitsrecht oder das Recht an der Wettbewerbsstellung entweder ausschliesslich dem objektiven Recht oder ausschliesslich den subjektiven Rechten zuzuordnen. Nach Massgabe ihrer im Einzelfall weitgehend dem Berechtigten überlassenen Durchsetzung sind sie subjektivrechtlicher Natur; über sie zu verfügen, vermag der Berechtigte jedoch nicht, und insoweit sind sie objektiven Rechts.“). 68 Zur Bedeutung dieser Frage auch Gareis, FS Schirmer, 59, 82 (die Frage laute, ob man sich ein subjektives Recht nur unverletzt denken könne oder nicht). 69 Siehe EG-Kommission, Erklärung zu Artikel 2 RL 2004/48/EG. 70 §§ 14 Abs. 1, 15 Abs. 1 MarkenG.
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MarkenG unmittelbar Verletzten zustehen, der gesetzliche Schutz als solcher indes nicht übertragbar ist71. Die hier vertretene Unterscheidung spiegelt sich ferner auf der Meta-Ebene des Internationalen Privatrechts, das gesonderte Kollisionsregeln für das Sachenund Immaterialgüterrechtsstatut einerseits und die außervertraglichen Schuldverhältnisse andererseits vorsieht72. Sie stimmt schließlich mit einer wichtigen verfassungsrechtlichen Differenzierung überein. Demnach fallen subjektive Rechte, die dem Einzelnen zur privaten Nutzung und Verfügung zugewiesen sind, unter Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. Gesetzliche Regelungen zum Schutz der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit werden vom Bundesverfassungsgericht hingegen als lediglich reflexartiger Normenschutz individueller Interessen angesehen, selbst wenn der Einzelne Verstöße gegen das betreffende Gesetz über § 823 Abs. 2 BGB geltend machen kann. Die Abgrenzung zwischen subjektivem Recht und Normenschutz richtet sich nach der Ausgestaltung der jeweiligen Rechtsposition im einfachen Recht73. Die Unterscheidung zwischen Ausschließlichkeitsrechten und dem gesetzlichen Interessen- und Güterschutz ist mithin in der Rechtsordnung durchgehend verankert. Es ist diese intersubjektiv nachprüfbare Kohärenz zwischen beschreibender Dogmatik und einzelnen Aussagen des objektiven Rechts, an der sich das hier vorgeschlagene System messen lassen will und bewähren muss. Die Rückkopplung auf die güterzuordnungsrelevanten Regelungen wehrt denn auch den naheliegenden Einwand ab, hier werde – etwa ausgehend vom Terminus des subjektiven Rechts als positiver Rechtsmacht – nur ein weiteres, hinfälliges Begriffsgebäude errichtet74. Die Gegenauffassung zeichnet sich hingegen durch Distanz zum positiven Recht aus, was die Hauptursache für eine ganze Reihe argumentativer Defizite sein dürfte75. So finden sich erneut zahlreiche apodiktische Setzungen sowie der Zirkelschluss, wonach jeder außervertragliche Anspruch auf einem primären subjektiven Recht beruhen müsse, aus dem dann wieder sekundäre Rechtsverwirklichungsansprüche abgeleitet werden76. Anzutreffen ist ferner die bereits 71 BGH GRUR 1999, 252, 253; BGH GRUR 2007, 884, 887 (Lizenzierung geographischer Herkunftsangaben unzulässig); Beuthien/Wasmann, GRUR 1997, 255, 260; Ingerl/Rohnke, vor §§ 126 ff. MarkenG Rn. 1 m.w.N.; Thouvenin, Funktionale Systematisierung, 414 ff.; a.A. Fezer, § 126 MarkenG Rn. 4 (eigentumsähnliche Rechtsposition). 72 Siehe zum Territorialitätsprinzip in Bezug auf Ausschließlichkeitsrechte oben § 12 C V; für die gesetzlichen Schuldverhältnisse die Art. 38–42 EGBGB und die Rom-II-Verordnung. 73 Siehe oben § 11 B II 2 a. 74 Begriffjuristisch in der Tat die Ansätze von Körner, Rechtsschutz, 32 f.; Schrauder, Wettbewerbsverstöße, 161; umgekehrt denn auch die Schlussfolgerung von Buchner, Unternehmensschutz, 265 (das Recht am Unternehmen habe zwar keinen monopolisierenden Zuweisungsgehalt, könne aber dennoch als subjektives Recht eingeordnet werden). 75 Zu scheinbaren und fehlenden „Begründungen“ eines Rechtsprinzips der Güterzuordnung oben § 12 C I. 76 Siehe Eltzbacher, Unterlassungsklage, 104 (jede Begünstigung durch Rechtsvorschrift müsse man „Recht“ nennen), 111 („Diese primäre Vorschrift ist vielleicht nirgends ausgesprochen, den
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häufiger diagnostizierte, begründungslose Identifikation des geschützten Rechtsguts bzw. des Interesses mit dem subjektiven Recht77 – und das, obwohl sich das Ausmaß individuellen Schutzes auch nach den Vertretern der Gegenmeinung aus dem objektiven Recht ergibt, so dass die Betrachtung des betroffenen Interesses nicht einmal auf der Basis ihrer eigenen Grundannahme genügt78. Wenn schließlich auf den angeblich „fließenden“ und zufälligen Übergang zwischen dieser oder jener Zuordnungsstruktur verwiesen wird, dann folgt daraus nur die – überdies verfehlte – Annahme, eine Dogmatik unter Berufung auf das objektive Recht sei unmöglich oder sinnlos, nicht aber die Richtigkeit der eigenen, ihrerseits abstrakt-systematisierenden Aussage79. Im Gegensatz dazu kehrt die kategoriale Trennung subjektiver Rechte von einem gesetzlichen Interessen- und Güterschutz eine in teleologischer Hinsicht äußerst bedeutsame und insoweit noch zu vertiefende Unterscheidung hervor, die bei einer Eliminierung des subjektiven Rechts oder seiner Entgrenzung auf jeden Individualrechtsschutz unerkannt bleibt. Gemeint ist die Differenzierung zwischen dem negativen Ausschluss aller Dritten und der positiven Zuweisung bestimmter Handlungsbefugnisse, wie sie in § 903 BGB für das Sacheigentum paradigmatisch zum Ausdruck gekommen ist80. Ausschließliche und entsprechend ihres geringeren Schutzbereichs in reduziertem Umfang auch subjektive relative Rechte81 schließen demnach alle anderen in negativer Weise von bestimmten Verhaltensweisen aus. Hinzu tritt der positive Aspekt, wonach allein der Rechtsinhaber die Forderung geltend machen bzw. mit dem zugeordneten Gut nach Belieben verfahren darf. Subjektive Rechte verfügen stets über beide Seiten, wehren also Dritte negativ ab und halten Berechtigungen positiv vor. Nur aufgrund letztgenannter Definition der Handlungsbefugnis können sie unverletzt gedacht werden und damit umlauffähig sein (oben). Der gesetzliche Schutz individueller Interessen und Güter wirkt ebenfalls gegen jedermann und verfügt daher über eine vergleichbare negative Ausschluss77 noch muß sie als bestehend gelten, weil sie die notwendige Voraussetzung der ausgesprochenen sekundären Vorschrift ist.“); Lehmann, Unterlassungspflicht, 64; Brose, Unterlassungsklage, 64 („… denn jeder Anspruch muß ein Recht als Grundlage haben“); Picker, FS Bydlinski, 269, 314 (Schutzgesetze gem. § 823 Abs. 2 BGB begründeten als „Rechtszuweisungsnormen … vor dem Schutzrecht ein Substanzrecht“). 77 Siehe aus der Rechtsprechung zum allgemeinen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch RGZ 60, 6, 7 (1905) („Eingriff in ein vom Gesetz geschütztes Recht“ und danach „Eingriff in ein durch das Gesetz geschütztes Rechtsgut“, Hervorh. v. Verf.); RGZ 90, 47, 49 (1917) (die Abwehrklage sei gegen Eingriffe in jedes gesetzlich geschützte Rechtsgut, insbesondere auch gegen Beeinträchtigung von Flussanliegerrechten gegeben); wenig klar auch BGHZ 14, 163, 170 (1954) – Constanze II („Rechtsverletzung“). Kritisch wie hier Stephan, Unterlassungsklage, 99, 143; Oertmann, DJZ 1904, 616, 619; Jakobsohn, Unterlassungsklage, 137. 78 Eltzbacher, Unterlassungsklage, 126 („Von Rechten kann nur insoweit die Rede sein, als sie unmittelbar oder mittelbar in einem Rechtssatz anerkannt sind.“). 79 In Bezug auf die Diskussion um die Lehre vom Erfolgs- oder Handlungsunrecht auch Baur, AcP 160 (1961), 465, 483 f. 80 Oben § 1 C I 2. 81 Zum Schutz der Forderungszuständigkeit oben §§ 8 C II 1, D II 2 b aa; 9 D III; 13 A II d bb.
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wirkung. Zudem wurde festgestellt, dass sich der für Ansprüche aus Eingriffskondiktion und Geschäftsanmaßung erforderliche positive Zuweisungsgehalt unmittelbar aus dem Gesetz ergeben kann, ohne dass es sich um ein normiertes Ausschließlichkeitsrecht handelt, so dass man insoweit von einem gesetzlichen, positiven Güterschutz jenseits der subjektiv-ausschließlichen Rechte sprechen kann82. Die genuin deliktsrechtliche Haftung zeichnet sich hingegen durch einen nur negativ-abwehrenden Charakter aus, dem jede Definition positiv vorbehaltener Handlungsbefugnisse fremd ist. Deshalb sind deliktsrechtlich konturierte Rechtskreise wie der Schutz der in § 823 Abs. 1 BGB aufgezählten Lebensgüter, der Schutz vor sittenwidriger Schädigung und unlauterem Wettbewerb sowie die richterrechtlich anerkannten Deliktstatbestände weder übertragbar noch löst ihre rechtswidrige Verletzung Ansprüche aus Eingriffskondiktion und Geschäftsanmaßung aus. Das Gesetz wehrt äußere Zwänge ab und hält dadurch individuelle Freiräume offen, ohne dem unmittelbar Verletzten bestimmte Darfbereiche zuzuweisen. Gerade die dynamischen Elemente des Deliktsrechts verwirklichen damit einen Schutz negativer Freiheit, die sich von der positiven Eigentümerfreiheit qualitativ unterscheidet. Hierauf wird im Rahmen der in Abschnitt B zu formulierenden allgemeinen Theorie der Güterzuordnung zurückzukommen sein83.
III. Relative Ausschließlichkeit? Die dritte Alternative zur hier vertretenen Dogmatik besteht darin, die Dichotomie relativer und ausschließlicher Rechte aufzugeben und jenen „relativ ausschließliche“ Befugnisse an die Seite zu stellen. Als Beispiel für diese dritte Kategorie wird der sog. wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz angeführt, der „zumindest im Verhältnis zum Verletzer ausschließlich“ wirke, auch wenn sich die Ansprüche des Verletzten nur gegen einzelne Personen richteten84. Dieser vereinzelt gebliebene Ansatz ist im Einklang mit der ganz herrschenden Meinung85 abzulehnen, weil ein subjektives Recht entweder gegen jedermann oder nicht gegen jedermann wirkt – tertium non datur. Die Rede von der „relativen Ausschließlichkeit“ verdunkelt die Anzahl der von einem subjektiven Recht Betroffenen und vermengt zudem die inhaltlich unterschiedliche Wirkung relativer und ausschließlicher Rechte. Während erstere unabhängig von ihrem Ursprung im Rechtsgeschäft oder im Gesetz allein auf das Verhalten von Privatrechtssubjekten gerichtet sind, ordnen letztere Güter im Verhältnis zu jedermann positiv zu. Nur diese Sichtweise erklärt, warum Ausschließlichkeitsrechte übertragen werden können – eine Wirkung, die wettbewerbsrechtlichen Nachah82
Dazu oben §§ 8 D II 3 b cc; 9 D II, III. Unten B III; § 15 B. 84 Fournier, Bereicherungsausgleich, 124, 145 f., 150, 176; Roth, Geschützte Stellungen, 97, 135 („Rahmenrechte“ auf dem Boden des UWG). 85 Siehe die Nachweise oben § 1 B II 4, 5. 83
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mungsverboten bezeichnenderweise abgeht86. Demgegenüber bringen die Verfechter eines „dritten Weges“ zwei Sachverhalte und Rechtslagen durcheinander: Vor der Zuwiderhandlung gegen das Verbot unlauteren Wettbewerbs hat in der Tat jedermann die vom UWG aufgestellten allgemeinen Marktverhaltensregeln zu beachten. Die konkreten Ansprüche auf Unterlassung usw. in Folge des Verstoßes verpflichten dann allein den Passivlegitimierten. Die weitere Aufwertung des allgemeinen Verbots unlauteren Wettbewerbs zu einem „absoluten Recht“ basiert letztlich wieder auf der abzulehnenden Vorstellung einer unbegrenzten Vielheit gebündelter Ansprüche, die dauernd latent gegen jedermann wirken und nur noch aktiviert werden, während sie doch nach dem Konzept des deutschen Rechts erst mit der Verletzung entstehen87. Insgesamt handelt es sich also um eine begriffsjuristische Auflösung aller im objektiven Recht angelegten Differenzierungskriterien, die nichts außer Verwirrung stiftet88.
B. Eine allgemeine Theorie der Güterzuordnung Die bisherigen dogmatischen Schlussfolgerungen galten vornehmlich der Unterscheidung zwischen subjektiven Ausschließlichkeitsrechten und gesetzlichen Vorschriften zum Schutz von Interessen und Gütern, die jeweils Wirkungen gegenüber jedermann zeitigen. Eine weit verstandene Güterzuordnungslehre kann und sollte jedoch auch subjektive relative Rechte einbeziehen, denn diese Rechtspositionen beeinflussen die Verteilung und Nutzung vermögenswerter Güter ebenfalls. Die folgende allgemeine Theorie der Güterzuordnung berücksichtigt diesen Umstand. In ihrem Mittelpunkt steht die Frage, wer zur Schaffung bzw. Anerkennung unterschiedlicher Rechtspositionen zuständig ist. Erst ein solch umfassender Ansatz erhellt, dass der numerus clausus der Ausschließlichkeitsrechte keineswegs zu einer insgesamt unflexiblen materiellen Güterordnung und -verteilung führt, weil diese Befugnisse eben nur ein Instrument unter mehreren sind, mit denen die Rechtsunterworfenen selbst, die Judikative und die Legislative agieren. Demnach sind die Privatrechtssubjekte in der Lage, autonom primäre relative Rechte zu begründen, die dem Forderungsinhaber einen Anspruch gegen den Schuldner einbringen (dazu I). Die Gerichte können in Anwendung und Fortbildung des Deliktsrechts einen flexiblen Schutz negativer Freiheit verwirklichen, der sich ggf. auf den ungestörten Umgang mit Gütern bezieht (dazu II). Positiv-exklusive Befugnisse in Gestalt umlauffähiger Aus-
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Oben § 7 E I 2; letztlich konzediert auch von Roth, Geschützte Stellungen, 196. Dazu oben II. 88 Exemplarisch Roth, Geschützte Stellungen, 164 („Daher können inhaltlich beschränkte Ausschließlichkeitsrechte an derartigen deliktsrechtlich geschützten Leistungen zwar bestehen. Sie führen aber nicht zur Begründung subjektiver absoluter Rechte …“). Wie hier Michaels, Sachzuordnung durch Kaufvertrag, 432 (relatives Eigentum keine nützliche Rechtsfigur). 87
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schließlichkeitsrechte und eines für Ansprüche aus Eingriffskondiktion und Geschäftsanmaßung erforderlichen Zuweisungsgehalts einer Rechtsposition vermag jedoch nur der parlamentarische Gesetzgeber zu schaffen (dazu III)89.
I. Die privatautonome Begründung primärer relativer Rechte In ihrer Wirkung bleiben relative Rechte hinter ausschließlichen Rechten und einem gesetzlichen Interessen- und Güterschutz zurück. Sie verpflichten nur bestimmte Personen und nicht jedermann zu einem bestimmten Verhalten; außerdem ordnen sie keine Güter zu90. Dass der privatautonomen Begründung relativer Rechte im Gesamtkontext der Güterverteilung und -nutzung gleichwohl eine nicht unerhebliche Bedeutung zukommt, hat sich im Hauptteil der Arbeit vor allen Dingen im Zusammenhang mit dem Rechtsverkehrsrecht gezeigt. Demnach unterliegen den Universalsukzessionen im Erbgang und in der Insolvenz neben vorbestehenden subjektiven Rechten grundsätzlich alle Güter, deren Vermögenswert durch Abschluss wirksamer Verpflichtungsgeschäfte realisiert werden kann91. Diese rechtsgeschäftliche Gestaltungsmöglichkeit steht bei sämtlichen in dieser Untersuchung betrachteten „neuen“ Gütern zur Verfügung, die allesamt nicht durch Ausschließlichkeitsrechte zugeordnet sind92. In den Schuldverträgen verpflichtet sich der Begünstigte des gesetzlichen Schutzes (z.B. der Prominente) oder derjenige, der ein Gut faktisch zu kontrollieren vermag (z.B. der Inhaber einer Internet-Domain), dem Vertragspartner93 die Nutzung des betreffenden Gutes gegen Zahlung endgültig oder vorübergehend zu überlassen. Am Beispiel der elektrischen Energie konnte gezeigt werden, dass die gewerbliche Bereitstellung und Verwertung mancher Güter sogar ganz zentral auf einer solch vertragsrechtlichen Basis beruht. Und auch Gesamtheiten wie das Unternehmen können verkauft und verpachtet werden, sind vererblich und unterliegen dem Insolvenzbeschlag, während sie mangels selbständigen subjektiven Rechts nicht übertragbar und pfändbar sind94. Für die Entstehung eines Marktes mit „neuen“ Gütern genügt folglich eine faktische oder durch deliktsrechtliche Abwehransprüche rechtlich gesicherte Ex89
Anders die Differenzierung zwischen Innehabungs- und Erwerbsordnung mit wesentlichen Unterschieden von der hier vertretenen Konzeption auch in Einzelfragen – etwa im Hinblick auf die Einordnung des Rechts am Gewerbebetrieb als „Einzelrecht“ und Bestandteil der Innehabungsordnung – bei Fikentscher, Wettbewerb, 208 ff., 244; ders., FS Lukes, 375, 390. Wieder anders die Einteilung bei Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 105 (den Gemeinschaftsinteressen dienende Institutionen, persönliche Freiheit und Eigentum). 90 Dazu oben § 1 B II 4 (kein ius ad rem im deutschen Recht). 91 Oben § 10 G. 92 Siehe oben §§ 4 B, 13 B. 93 Wenn im Folgenden im Singular von „Gläubiger“ bzw. „Schuldner“ gesprochen wird, ist dabei stets die Möglichkeit der Mehrheit von Gläubigern und Schuldnern mit umfasst; siehe die §§ 420 ff. BGB. 94 Oben § 10 B I-III, C III 2, E III 2 b. Zum Vermögen als Vertragsgegenstand siehe die §§ 311b Abs. 2–4, 1085 BGB.
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klusivität, und schon werden Angebot und Nachfrage einen lebhaften „Handel“ auf rein schuldrechtlicher Ebene auslösen; die gesetzgeberische Schaffung von Ausschließlichkeitsrechten und damit einer Verfügungsebene ist hierfür gar nicht zwingend erforderlich. Das Beispiel virtueller Güter aus Online-Welten bestätigt das anschaulich, denn hier wird gerade mit der Illusion Geld verdient, man agiere ganz wie im „wirklichen“ Leben, obwohl die Spieler nicht Eigentümer, sondern nur Forderungsinhaber werden. In Märkten mit „neuen“ Gütern bestimmt sich also primär anhand von Schuldverträgen, wer welche Nutzungen vornehmen darf. Die relativen Rechte bilden den Vermögenswert der Vertragsgegenstände ab, sind ihrerseits verkehrsfähig und können daher durchaus als Bestandteile der materiellen Güterordnung aufgefasst werden95. Dass primäre relative Rechte96 dennoch eher zur dynamischen Erwerbsordnung gezählt werden, dürfte daran liegen, dass sie von den Privatrechtssubjekten selbst begründet, verändert und aufgehoben werden können. Diese weitreichende Kompetenz beruht auf einem Eckpfeiler einer freiheitlichen Rechtsordnung, nämlich der Privatautonomie, die es dem Einzelnen überlässt, seine Lebensverhältnisse durch Rechtsgeschäfte eigenverantwortlich zu regeln97. In ihr verwirklicht sich das Prinzip der Selbstbestimmung des Menschen; dementsprechend ist sie verfassungsrechtlich durch die allgemeine Handlungs- bzw. Berufsfreiheit und in einem Kernbereich durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht garantiert98. Von ihren verschiedenen Konkretisierungen99 interessiert hier die Vertragsfreiheit, und insoweit wiederum die Autonomie der Parteien, den Inhalt der gegenseitigen Rechte und Pflichten festzulegen100. Die Freiheit, sich durch Verträge zu binden, nimmt am Verteilungsprinzip der freiheitlichen Rechtsordnung teil, wird also nicht staatlich konstituiert, sondern dem Staat und seinen Gesetzen
95 Siehe Fikentscher, Wettbewerb, 247 (Verträge führten dem Rechtskreis der Persönlichkeit bestimmte Rechte, nämlich relative Forderungen zu); Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 75 ff.; Schick, Schutz nicht geschützter Arbeitsergebnisse, 140 f. (Vertragsschutz für ungeschützte Arbeitsergebnisse); Michaels, Sachzuordnung durch Kaufvertrag, 430 (relative Sachzuordnung); Picker, AcP 183 (1983), 369, 510 (vertraglich geschaffene, besondere Güterzuordnung). 96 Sekundäre relative Rechte zur Verwirklichung primärer Ausschließlichkeitsrechte oder eines gesetzlichen Schutzes von Interessen und Gütern setzen hingegen eine entsprechende Grundlage im objektiven Recht voraus, die von Privatrechtssubjekten nicht geschaffen werden kann. 97 Siehe nur BVerfGE 81, 242, 254 (1990); BVerfG NJW 2005, 596, 598; BGHZ 106, 269, 272 (1989); BGHZ 125, 206, 209 (1994); BGHZ 130, 371, 375 f. (1995) (Vertragsfreiheit als maßgebliches privatrechtliches Element des freiheitlichen marktwirtschaftlichen Systems); Heinrich, Formale Freiheit, 43 ff.; v. Tuhr, AT II/2, 1; Flume, AT 2, 1 ff.; Heinrichs, in: Palandt, v. § 104 BGB Rn. 1; Schapp, AcP 192 (1992), 355, 356; Bydlinski, System des Privatrechts, 179 ff. 98 BVerfG NJW 1986, 1859, 1860; BVerfG NJW 1994, 36, 38; BVerfGE 103, 89, 100 (2001); Flume, AT 2, 1; Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, 208 (Ermöglichung selbstbestimmten Handelns); Leistner, Richtiger Vertrag, 289 ff.; Heinrichs, in: Palandt, v. § 104 BGB Rn. 1; Mestmäcker, Recht und ökonomisches Gesetz, 411; Bruns, JZ 2007, 385 ff. 99 Von der Pfordten, JZ 2005, 1069, 1073 f. m.w.N. (Vereinigungsfreiheit, Testierfreiheit, Möglichkeit der Ermächtigung/Bevollmächtigung, Verfügungsbefugnis). 100 Zur Abschluss- und Inhaltsfreiheit Flume, AT 2, 12 f.; Stadler, in: Jauernig, § 311 BGB Rn. 4 ff.; Heinrich, Formale Freiheit, 53 ff.; Bruns, JZ 2007, 385, 388 ff.
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vorausliegend gedacht, so dass sie (natürlich) eingeschränkt werden kann, wofür jedoch stets eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung erforderlich ist101. Zu beachten ist freilich, dass die Ausübung der Vertragsfreiheit zu einer nicht staatlich verursachten Einschränkung individueller Entfaltungsspielräume führt102. Sollen die entsprechenden Vereinbarungen mithilfe des staatlichen Gewaltmonopols zwangsweise durchgesetzt werden, kann der entsprechende Eingriff in die Grundrechte des Schuldners nur nach Maßgabe der Gesetze geschehen, die folglich den allgemeinen Rahmen der Privatautonomie bilden. Es ist daher verkürzt, von privater Rechtssetzung zu sprechen103. Der gesetzliche Rahmen für die privatautonome Ausübung der Freiheit zum Abschluss von Schuldverträgen ist nun aber wesentlich offener als im Hinblick auf die abschließend normierten Ausschließlichkeitsrechte und die ebenfalls enumerative Haftung auf der Basis gesetzlicher Schuldverhältnisse104. Das Gesetz besagt lediglich, dass der Gläubiger kraft des Schuldverhältnisses berechtigt ist, vom Schuldner eine Leistung oder ein Unterlassen zu verlangen (§ 241 Abs. 1 BGB), und dass zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung seines Inhalts ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich ist, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt (§ 311 Abs. 1 BGB). Demnach ist es den Parteien unter dem Vorbehalt zwingenden Vertragsrechts anheimgestellt, ob sie relative Rechte begründen und welchen Inhalt jene haben. Hierauf beruhen auch die Verpflichtungsgeschäfte in Bezug auf „neue“ Güter105. Für den Nachweis der Wirksamkeit derartiger Schuldverhältnisse muss man nicht einmal auf die generelle Zulässigkeit atypischer Verträge rekurrieren106. Vielmehr zeigt bereits das besondere Schuldrecht, dass nicht zugeordnete Güter Gegenstand von Verpflichtungsgeschäften sein können107. Die relevanten Austauschverträge zur endgültigen Überlassung von Vermögenswerten sind der Kauf, der Tausch und die Schenkung. In deutlichem Kontrast zu den Auffang101 Flume, AT 2, 1 (Privatautonomie als nach dem Grundgesetz der Privatrechtsordnung vorgegebenes Prinzip); stark relativierend Kramer, in: MünchKomm, vor §§ 145 ff. BGB Rn. 6 (Vertragsfreiheit als „Veranstaltung mit sozialer Funktion unter staatlicher Kontrolle“). 102 BVerfGE 81, 242, 253 f. (1990); BVerfE 89, 214, 231 f. (1993); BVerfGE 103, 89, 100 (2001); BVerfG NJW 2005, 596, 598; Picker, AcP 183 (1983), 369, 510 f. (Ausübung und zugleich Verfügung über Grundrechte). 103 Flume, AT 2, 2 f. (numerus clausus der von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Aktstypen); ferner oben § 11 C II 2. 104 Zum numerus clausus der beschränkten dinglichen Rechte oben Einleitung C I. 105 Larenz/Wolf, AT, § 15 Rn. 39 (Verträge könnten sich auf alle gesetzlich erlaubten Verhaltensweisen richten und alle Interessen zum Gegenstand haben); insoweit zutreffend Roth, Geschützte Stellungen, 229; zur Zulässigkeit schuldrechtlicher Gestattungsverträge über das Namensrecht BGH MMR 2007, 595, 595. 106 Zu atypischen Verträgen nur etwa Medicus, Schuldrecht AT, Rn. 67; Flume, AT 2, 12; v. Tuhr, AT II/2, 1; Emmerich, in: MünchKomm, § 311 BGB Rn. 3 f., 39 ff.; Stadler, in: Jauernig, § 311 BGB Rn. 23 ff.; Heinrichs, in: Palandt, vor § 311 BGB Rn. 11 ff. 107 Damit bestätigt auch das Vertragsrecht die oben A begründete Unterscheidung zwischen subjektiven Rechten und einem gesetzlichen Schutz von Interessen und Gütern.
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klauseln der Übertragung, Verpfändung, Nießbrauchsbestellung und Pfändung, die als Vorschriften der Verfügungsebene durchweg auf Rechte Bezug nehmen108, erklärt § 453 Abs. 1 2. Alt. BGB die Vorschriften über den Kauf von Sachen auf den Kauf von Rechten und sonstigen Gegenständen für anwendbar. Mit dieser durch die Schuldrechtsreform in das BGB gelangten Formulierung sollte die in der Rechtsprechung schon früher anerkannte analoge Anwendung des Kaufrechts auf Güter wie „Unternehmen oder Unternehmensteile[n], … freiberufliche[n] Praxen, … Elektrizität und Fernwärme, … (nicht geschützte[n]) Erfindungen, technische[s] Know-how, Software, Werbeideen usw.“ kodifiziert werden109. Entsprechendes gilt für den Tausch (§ 480 BGB); und auch die Schenkung wird durch eine unentgeltliche Zuwendung aus dem „Vermögen“ charakterisiert (§ 516 Abs. 1 BGB), ohne dass es darauf ankommt, ob der Beschenkte um ein subjektives Recht (Eigentum, Forderung) oder ein Gut bereichert werden soll. Ebenso offen formuliert sind die vertragstypischen Pflichten für das Dauerschuldverhältnis Pachtvertrag, wonach der Verpächter dem Pächter den Gebrauch des verpachteten Gegenstands während der Pachtzeit zu gewähren hat. Insbesondere die Sonderregelung zur Verpachtung eines Betriebs (§ 583a BGB) erhellt, dass hiermit wie im Kaufrecht neben subjektiven Rechten jedes Gut gemeint ist, das genutzt werden kann und potentiell Früchte i.S.d. BGB abwirft110. Selbstverständlich ist die im besonderen Schuldrecht ausdrücklich bestätigte Möglichkeit, Verhaltenspflichten im Hinblick auf die Nutzung nicht zugeordneter Güter zu vereinbaren, nicht grenzenlos. Schranken der Inhaltsfreiheit ergeben sich insbesondere111 aus gesetzlichen Verboten, die sich gegen die privatrechtliche Wirksamkeit des Schuldverhältnisses und damit gegen seinen wirtschaftlichen Erfolg wenden (§ 134 BGB). Hierzu zählen auch generelle Verbote entgeltlicher Verpflichtungsgeschäfte über bestimmte Güter, etwa Insiderinformationen (§ 14 WpHG) und Organe oder Gewebe, die einer Heilbehandlung zu dienen bestimmt sind112. Ferner kann ein Vertrag wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein, wenn 108
Dazu oben § 10 B-D. Siehe E Schuldrechtsreform, BT-Drucks. 14/6040, 242. Zum Begriff des Gegenstands, der im Kontext der jeweiligen Regelung zu lesen ist und keine einheitliche Bedeutung aufweist, oben § 10 B I, IV 2. 110 Dazu Cebulla, Pacht nichtsächlicher Gegenstände, 85 f. (Pachtgegenstand sei alles, was ertragbringend verwertbar sei). 111 Zu anderen Arten, Gründen und Folgen der Fehlerhaftigkeit von Rechtsgeschäften nur Heinrich, Formale Freiheit, 296 ff.; Heinrichs, in: Palandt, v. § 104 BGB Rn. 26 ff. Zu Einschränkungen der Vertragsfreiheit im Interesse der strukturell schwächeren Partei BVerfGE 81, 242, 254 f. (1990); BVerfG NJW 1994, 36, 38; BVerfGE 103, 89, 100 (2001). 112 Siehe § 17 Abs. 1 S. 1 TPG („Es ist verboten, mit Organen oder Geweben, die einer Heilbehandlung eines anderen zu dienen bestimmt sind, Handel zu treiben.“); dazu Taupitz, in: Taupitz, Kommerzialisierung, 1 ff.; Wagner, Perspektiven im Schadensersatzrecht, A 43 ff. Die Nichtigkeit von Verpflichtungsgeschäften wegen Gesetzesverstoßes ist zu unterscheiden von Veräußerungsverboten, die sich auf das Verfügungsgeschäft beziehen; dazu v. Tuhr, AT II/2, 8 ff.; BGHZ 108, 364, 367 ff. (1989) (zu § 2 Abs. 3 PbefG als Verbot der Übertragung von Taxikonzessionen); BGH NJW 2007, 1196 ff. (Abtretung anwaltlicher Honorarforderungen). 109
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er nach seinem Gesamtcharakter zu missbilligen ist. Zu den anerkannten Fallgruppen des § 138 BGB zählt die sog. sittenwidrige Kommerzialisierung eines Lebensbereichs, für den sich nach Maßgabe der Rechtsordnung kein Markt entwickeln soll, auch wenn – wie etwa im Hinblick auf Radarwarngeräte – durchaus eine Nachfrage besteht113. Hier stellt sich die Rechtsordnung aus normativen Gründen gegen die Faktizität: „Missbräuchliche Praktiken, die sich in bestimmten Kreisen herausgebildet haben, sind im Rahmen des § 138 BGB nicht zu beachten.“114. Ohne das Thema „Schranken der Vertragsfreiheit“ an dieser Stelle vertiefen zu können, ist doch festzuhalten, dass die Befugnis der Privatrechtssubjekte zur Schaffung, Ausgestaltung und Aufhebung primärer relativer Rechte umfassend ist, Einschränkungen dieser Freiheit hingegen die rechtfertigungsbedürftige Ausnahme bilden115. In der Pflicht des Staates, die privatautonom getroffenen Vereinbarungen grundsätzlich zu respektieren116, spiegelt sich die Erkenntnis, dass die Vertragsfreiheit vom Verteilungsprinzip der freiheitlichen Rechtsordnung erfasst ist. Auffällig ist ferner, dass primäre relative Rechte von den Privatrechtssubjekten in Ausübung ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit selbst geschaffen werden können, während der Erwerb von primären ausschließlichen Rechten voraussetzt, dass eine entsprechende Befugnis im Gesetz niedergelegt ist117. Die Diskrepanz zwischen grundsätzlich unbeschränkter privater Kompetenz zur Begründung vertraglicher Verpflichtungen im Vergleich zur punktuellen Güterzuordnung
113 Siehe dazu BGHZ 106, 269, 272 (1989); BGH NJW 1992, 310 (Hehlergeschäft); BGHZ 125, 206, 209 (1994); BGH NJW 1994, 187 f.; BGH NJW 2005, 1490 f. (Kaufvertrag über Radarwarngerät); BGH NJW 2006, 45 f. (Schenkkreise); OLG Koblenz NJW 1999, 2904 f. (Titelhandel); OLG Schleswig ZGS 2005, 78 f. (Prostitution); LG Köln MDR 1964, 842 f. (Verpachtung Taxikonzession). Zu Exklusivvereinbarungen über persönlichkeitsrechtlich relevante Informationen BGH GRUR 1968, 209 f.; OLG München AfP 1981, 347, 348 (keine Sittenwidrigkeit, weil die betroffenen Informationen anderweit verfügbar waren und der Vertrag gerade den Zweck hatte, eine weitestgehende Breitenwirkung durch Veröffentlichung zu erzielen); ausführlich Moosmann, Exklusivstories, 135 ff. (Exklusivvermarktung regelmäßig zulässig); Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsschutz, 72 ff.; Brandl, AfP 1981, 349, 350. 114 BGH NJW 1994, 187, 188 m.w.N. Damit steht die ohnehin zirkuläre Annahme „wenn Wert, dann Recht“ (dazu oben §§ 3 E, 12 C I, III) unter normativem Vorbehalt. 115 Siehe BVerfGE 81, 242, 254 (1990); BVerfGE 103, 89, 100 (2001); BVerfG NJW 2005, 596, 598; v. Tuhr, AT II/2, 1. 116 BVerfG NJW 2005, 596, 598; BVerfG JZ 2007, 576, 577. 117 Siehe Flume, AT 2, 13 (weil die Leistung bei schuldrechtlichen Verträgen meist eine Veränderung der rechtlichen Zuordnung von Gütern sei, beschränke der „numerus clausus der Rechtsfiguren der Zuordnung von Gütern … deshalb zugleich auch die schuldrechtliche Vertragsfreiheit“); diese Differenzierung fehlt hingegen bei Schapp, AcP 192 (1992), 355, 375 ff. Eine entsprechende Divergenz besteht zwischen dem Anwendungsbereich der Leistungs- und der Eingriffskondiktion. Da die Parteien grundsätzlich jedes Recht und jedes Gut zum Gegenstand eines Schuldverhältnisses machen können, erstreckt sich auch die Rückabwicklung auf dem Wege der Leistungskondiktion auf den entsprechenden Vermögensvorteil. Die Eingriffskondiktion hingegen setzt eine positive Zuweisung von Handlungsbefugnissen durch das Gesetz, dafür aber keine bewusste und zielgerichtete Vermögensmehrung durch den Bereicherungsgläubiger voraus; dazu oben § 8 A.
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durch kodifizierte Ausschließlichkeitsrechte ist durch die unterschiedlichen Wirkungen dieser subjektiven Rechte veranlasst. Erstere betreffen nur das Verhalten der Vertragspartner, Letztere gewähren positiv-exklusive Berechtigungen an einem Gut im Verhältnis zu jedermann. Relative Rechte sind von der Zustimmung des Schuldners getragen, ausschließliche Rechte von der Zustimmung aller, repräsentiert durch das allgemeine Gesetz118. Die umfassende Reichweite der Privatautonomie korreliert also mit der begrenzten Wirkung des auf ihrer Grundlage geschaffenen verfassungsrechtlichen Eigentums. Hieraus ergeben sich eine Reihe weiterer Schlussfolgerungen. So können relative Rechte nur denjenigen verpflichten, der sich hierzu bereiterklärt hat; die einseitige Begründung relativer oder gar ausschließlicher Rechte ist abzulehnen119. Außerdem ist relativen Rechten grundsätzlich ein Deliktsschutz zu versagen120, weil einzelne Privatrechtssubjekte sonst in der Lage wären, durch privatautonome Erklärung Verhaltenspflichten aufzustellen, die über das Deliktsrecht doch wieder jedermann zu achten hätte. Problematisch, hier jedoch nicht weiter zu verfolgen, erscheint vor diesem Hintergrund schließlich der private Einsatz von Technik, mit der das Verhalten aller anderen teilweise effizienter als durch ein Gesetz gesteuert wird. Betrachtet man die beschränkte Geltungskraft der Privatautonomie, liegt die Frage nahe, ob der Einzelne für ein 118
Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, 24 (weil das schuldrechtliche Verhältnis nur zwischen den Beteiligten wirke, könne das Gesetz die Ausgestaltung der Beziehungen den Beteiligten überlassen); zu Ausschließlichkeitsrechten oben § 12 C V. Die Wirkungsunterschiede zwischen relativen und ausschließlichen Rechten erklären auch, warum der Parlamentsvorbehalt des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG nur für Letztere gilt; dazu oben § 11 C II 2. 119 Siehe § 311 Abs. 1 BGB; Mot. II, 175. Die Regelung, wonach einseitige, nicht angenommene Versprechen grundsätzlich unverbindlich sind, wurde als überflüssig gestrichen; siehe Jakobs/ Schubert, Schuldverhältnisse 1, 368; ferner KG NJWE-WettbR 1996, 187, 188 (im Ergebnis bestätigt von BGH NJW 1998, 756 ff.); Flume, AT 2, 8 (einseitig wirksam seien nur die Ausübung von Rechten und Handlungen in Bezug auf das eigene Vermögen sowie Handlungen, die andere Rechtskreise nicht (Aneignung herrenloser Sachen) oder nur mit einem rechtlichen Vorteil (Angebot, §§ 145 ff. BGB) betreffen); Emmerich, in: MünchKomm, § 311 BGB Rn. 3; Kübler, ZUM 1989, 326, 328; Depenheuer, in: v. Danwitz/Depenheuer/Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 109, 157; Schick, Schutz nicht geschützter Arbeitsergebnisse, 141. Abzulehnen daher Sohm, IherJb 53 (1908), 373, 380 ff. (der Verkehr sorge für die Übertragbarkeit von Rechten, die dadurch Vermögensrechte würden); Freitag, Kommerzialisierung, 167 (bei entsprechender Formulierung im Vertrag auch „dingliche“ Übertragung); Berkemeier, Verwertung, 73 (wählten die Parteien nicht die bloße Lizenzierung eines Unternehmensgeheimnisses, sondern dessen Veräußerung, müsse dieser Vertrag auch eine vom Veräußerer unabhängige Rechtsposition begründen, die über eine obligatorische Wirkung hinausgehe); Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 29 („Ist der Gegenstand marktgängig, kann der Inhaber anderen grundsätzlich durch Vertrag (§ 305 BGB) die Verwertung gegen Entgelt gestatten. Indes bleibt die Frage, ob ein solcher Verwertungsvertrag rechtlich zulässig ist. Ist das der Fall, so besteht ein umfassendes Persönlichkeitsgüterrecht.“); Vieweg, in: Vieweg, Vermarktungsrechte, 95, 146 f. (ausschließliche Rechte an der Übertragung von Sportveranstaltungen ergäben sich aus der „Vereins- bzw. Verbandsautonomie“; „Denn aus der Vereins- bzw. Verbandsautonomie läßt sich das originäre Recht zur kommerziellen Verwertung der Vereins- bzw. Verbandstätigkeit ableiten. Die Verbandsautonomie umfaßt das Recht zur eigenen Normsetzung und -anwendung.“). 120 Nachweise oben § 13 A II 1 d bb.
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solches Verhalten einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf, die insbesondere die Gestalt eines Ausschließlichkeitsrechts annehmen kann, das ja ein exklusives Dürfen ausspricht121.
II. Die richterliche Kompetenz zum Schutz negativer Freiheit im Verhältnis zu jedermann Die Privatrechtssubjekte sind demnach nur – aber immerhin – zur Begründung primärer relativer Rechte befugt. Ihre Autonomie endet, soweit Verpflichtungen von Personen in Rede stehen, die hierzu keine Zustimmung erklärt haben. Solche Eingriffe in die allgemeine Handlungsfreiheit potentieller Schuldner bedürfen der Grundlage in der verfassungsmäßigen Ordnung (Art. 2 Abs. 1 GG), die sich aus den einfachen Gesetzen, der geschriebenen Verfassung und ihrem Sinnganzen (Rechtsprinzipien) zusammensetzt122. Fragt man wie hier nach der Kompetenz zur Schaffung dieser Rechtsgrundlagen im Hinblick auf die Zuordnung von Gütern, landet man letztlich immer beim (verfassungsändernden) Gesetzgeber. Allerdings ist im Laufe dieser Untersuchung erkennbar geworden, dass die Legislative nicht jede güterzuordnungsrelevante Regelung im Einzelnen ausgestalten muss. Für umlauffähige, positiv-exklusive Berechtigungen (Ausschließlichkeitsrechte) ist das nach dem Ergebnis des Hauptteils zwar der Fall. Auch die für Ansprüche aus Eingriffskondiktion und Geschäftsanmaßung erforderliche, positive Zuweisung von Handlungsbefugnissen muss im Gesetz konkret niedergelegt sein, wenn sie auch nicht notwendig die formale Gestalt eines Ausschließlichkeitsrechts angenommen haben muss (unten III). Diese legislativen Anordnungen sind jedoch – neben privatautonom begründeten, relativen Rechten (oben I) – nicht das einzige Mittel zum Schutz individueller Interessen am Umgang mit Gütern. Mittelbar lässt sich dies nämlich auch auf der Basis des Deliktsrechts des BGB und des UWG erreichen; man denke nur an die grundsätzliche Selbstbestimmung zur Entscheidung über eine kommerzielle Nutzung persönlicher Merkmale (aPR) und das Verbot der unlauteren Nachahmung von Waren und Dienstleistungen gem. §§ 3, 4 Nr. 9 UWG. Die entsprechenden Rechtspositionen sind wegen ihrer praktischen Relevanz im Rahmen einer weit verstandenen Güterzuordnungslehre zu berücksichtigen, ermöglichen sie dem Geschützten doch den Abschluss von Verpflichtungsgeschäften und damit die Realisierung des Werts der betreffenden Güter. Richtet man wie hier das Augenmerk auf die Frage, wer für die konkrete Ausgestaltung der Güterordnung zuständig ist, so fällt auf, dass der Rechtsprechung 121 Beispiel ist die Errichtung eines Zauns, der auf dem eigenen Grundstück unproblematisch (§ 903 BGB), auf fremdem Grundstück jedoch der gesetzlichen Grundlage bedarf (siehe insbesondere die §§ 912 ff. BGB). Zu technischen Schutzmaßnahmen im Urheberrecht siehe die §§ 95a ff. UrhG. 122 Oben § 12 C II 2 c.
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im Zusammenhang mit deliktsrechtlicher Haftung ein vergleichsweise großer Entscheidungsspielraum zukommt, auch wenn sie natürlich an Gesetz und Recht gebunden bleibt, also keine güterzuordnungsrelevanten allgemeine Verhaltenspflichten schafft, sondern das Deliktsrecht anwendet bzw. im Rahmen des Sinnganzen der Rechtsordnung fortbildet123. Gleichwohl finden sich gerade im Deliktsrecht entwicklungsoffene Generalklauseln (§§ 826 BGB, 3 UWG), die die Entscheidung über individuelle Befugnisse zum Umgang mit Gütern an die Judikative delegieren, ihr insoweit also eine eigene Zuständigkeit zusprechen. Des Weiteren besteht kein Verbot der Anerkennung ungeschriebener Deliktstatbestände in Verwirklichung privatrechtlicher Rechtsprinzipien oder verfassungsrechtlicher Schutzgebote124. Fraglich ist nun, warum sich güterzuordnende Vorschriften wie die normierten Ausschließlichkeitsrechte, ein sonstiger gesetzlicher Zuweisungsgehalt für Ansprüche aus Eingriffskondiktion und Geschäftsanmaßung sowie selbst das Deliktsrecht als Grundlage sekundärer Ansprüche bei Verletzung primärer Ausschließlichkeitsrechte (Eigentum und sonstige Rechte gem. § 823 Abs. 1 BGB) durch eine Statik auszeichnen, die von den Gerichten mangels Rechtsprinzips der Güterzuordnung nicht durchbrochen werden darf, während sich das übrige Deliktsrecht doch als ausgesprochen dynamisch erwiesen hat125. Anders gewendet ist zu erklären, weshalb die Judikative einerseits individuelle Rechtskreise – auch im Hinblick auf Güternutzungen – durch Anwendung und Fortbildung des Deliktsrechts ausgestalten und unter Einschränkung der Handlungsfreiheit der Schuldner sogar erweitern kann, sie andererseits auf eine konkrete gesetzliche Vorgabe angewiesen ist, soweit Ausschließlichkeitsrechte und der Zuweisungsgehalt von Rechtspositionen im Kontext des Bereicherungsrechts und der Geschäftsführung ohne Auftrag in Rede stehen. Dieser Kompetenzunterschied lässt sich nicht mit der Differenzierung zwischen primären ausschließlichen Rechten und gesetzlichem Güterschutz erklären, weil sowohl das erweiterbare Deliktsrecht als auch die statischen gesetzlichen Schuldverhältnisse gem. der §§ 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt., 687 Abs. 2 BGB in die zweite Kategorie fallen. Für die Unterscheidung der Rechtskreise, deren Abgrenzung dem Gesetzgeber vorbehalten ist, und der individuellen Sphären, die auf der Basis genereller gesetzlicher Vorgaben durch die Gerichte ausgestaltet werden können, ist vielmehr ein teleologischer Gesichtspunkt ausschlaggebend. Zwar wird dem begünstigten Gläubiger in beiden Fällen ein Raum verschafft, in dem er sich ohne Beeinträchtigung durch andere zu entfalten vermag. Nur ist diese Freiheit von unterschiedlichem Gehalt. Die erste, sogleich näher zu betrachtende Kategorie dient nämlich dem Schutz positiver, die zweite dem Schutz negativer Freiheit.
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Allgemein oben Einleitung B III. Oben § 13 A II; ferner Hruschka, JZ 2004, 1085, 1088; Schapp, JZ 2006, 581, 585. Oben § 13 A II 1 a.
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Mit Letzterer ist der klassisch liberale Freiheitsbegriff angesprochen, der unter Freiheit die Abwesenheit von Zwang versteht126. Es wird nichts darüber ausgesagt, wie der Einzelne sich verhalten soll – deshalb der Zusatz „negative“ Freiheit. Dieser Freiheitsbegriff liegt namentlich der allgemeinen Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG zugrunde, die nur bestimmt, dass der Einzelne ein Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit hat, nicht aber, was er damit anfängt. In ihrem umfassenden Schutzbereich ist das Verteilungsprinzip der freiheitlichen Rechtsordnung verwirklicht, wonach individuelle Freiheit als dem Staat und seinen Gesetzen vorausliegend gedacht wird und daher nicht gestattet, sondern nur noch eingeschränkt werden kann. Das Abwehrrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit etabliert demnach kein Dürfen, sondern einen von staatlicher und privater Einflussnahme abgeschirmten Bereich, in dem der Einzelne nach seinen Vorstellungen agieren kann. Diese allgemeine Handlungsfreiheit kommt jedem in gleichem Ausmaß zu127. Rechtskreise zum Schutz negativer Freiheit zeichnen sich also dadurch aus, dass sie einen „leeren Raum“ markieren, der von Dritten nicht beeinträchtigt werden darf, dessen Ausfüllung durch den Geschützten aber offenbleibt, weil hier Autonomie herrschen soll128. Gerade diesen Zweck verfolgen die dynamischen Bereiche des Deliktsrechts. Die gesetzlichen Generalklauseln und die rechtsfortbildend anerkannten Deliktstatbestände beschreiben kein bestimmtes Verhalten des Geschädigten. Sie orientieren sich vielmehr am Handeln des Verletzers, der z.B. vorsätzliche sittenwidrige Schädigungen und unlauteres Wettbewerbshandeln zu unterlassen hat, weil er damit einen anderen in inakzeptabler Weise in dessen persönlicher Entfaltung beeinträchtigt. All diese Tatbestände
126 So der Freiheitsbegriff bei Hobbes, Leviathan, Chapter XIV („By liberty is understood, according to the proper signification of the word, the absence of external impediments …“), XXI („Liberty, or freedom, signifieth properly the absence of opposition (by opposition, I mean external impediments of motion); and may be applied no less to irrational and inanimate creatures than to rational.“); Hume, Enquiry Concerning Human Understanding, 78 (Sect. VIII Part 1) („By liberty, then, we can only mean a power of acting or not acting, according to the determinations of the will; that is, if we choose to remain at rest, we may; if we choose to move, we also may.“); Locke, Two Treatises, Book 2, § 57 („for liberty is, to be free from restraint and violence from others“); Kant, Rechtslehre, 237; v. Hayek, Verfassung der Freiheit, 13 f.; Berlin, Liberty, 168; Jellinek, System, 87, 103; Ladeur, Negative Freiheitsrechte, 6; Di Fabio, Freiheit, 75; Bydlinski, in: Kessal-Wulf u.a., Freiheitsethik, 99, 118 (formaler Freiheitsbegriff); Hohfeld, Yale L.J. 23 (1913/ 14), 16, 43; Dworkin, Taking Rights Seriously, 262 (liberty as license vs. liberty as independence); auch Schapp, AcP 192 (1992), 355, 358, 364 (allerdings unter Hinweis auf den negativen Aspekt des Eigentums gem. § 903 BGB); zum Unterschied der Freiheitsbegriffe von Hobbes und Kant (natürliche vs. moralische Freiheit) Schapp, Freiheit, Moral und Recht, 178. Siehe zu anderen Freiheitsbegriffen nur etwa v. Hayek, Verfassung der Freiheit, 13 ff. m.w.N.; Berlin, Liberty, 167 (es seien mehr als zweihundert Bedeutungen des Wortes nachgewiesen). Zur Kritik des liberalen Freiheitsbegriffs unter Hinweis auf die realen Vorbedingungen persönlicher Entfaltung (materiale Freiheit) nur etwa Berlin, Liberty, 168 ff. m.w.N.; Bydlinski, in: Kessal-Wulf u.a., Freiheitsethik, 99, 118; Zippelius, Rechtsphilosophie, 141 f. m.w.N. 127 Dazu oben § 2 B II 2. 128 Kritisch Fikentscher, Wettbewerb, 213 f. („leere Form“).
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treffen keine Aussage darüber, was der Geschädigte in der Privatsphäre, in Ehe und Familie oder mit seinem Vermögen im Wettbewerb tun darf oder gar soll. Auch der Schutz der Lebensgüter gem. § 823 Abs. 1 BGB enthält keine positiven Vorgaben, wie man z.B. mit seiner Gesundheit umzugehen hat. Bei all diesen genuin deliktsrechtlichen Tatbeständen geht es nicht um eine vordefinierte und damit begrenzte Privilegierung, sondern um die Ermöglichung, „in der Gemeinschaft als Person zu existieren“129. Dazu bedarf es eben erst einmal eines von äußeren Zwängen freien Raumes, in dem sich selbstbestimmtes Leben entfalten kann. Deliktsrechtlich konturierte Rechtskreise sind also nicht zufällig auf den negativ-abwehrenden Aspekt beschränkt, der bei subjektiven Rechten noch um eine positive Zuweisung ergänzt wird130. Die Offenheit des Schutzobjekts negative Freiheit erklärt ferner, warum weder die Generalklauseln noch die richterrechtlich anerkannten Deliktstatbestände dem Modell des Erfolgsunrechts folgen, die geschützten Rechtskreise also nicht ex ante fest definiert sind, ihre Verletzung vielmehr eine umfassende Abwägung mit der schließlich ebenfalls tangierten, gleichrangigen negativen Freiheit des Handelnden voraussetzt. Ziel dieser Abgrenzung von Handlungsspielräumen ist die Herstellung praktischer Konkordanz, also letztlich die Erfüllung des Rechtsbegriffs nach Kant, wonach der Terminus Recht den „Inbegriff der Bedingungen“ beschreibt, „unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann“131. Die Vielgestaltigkeit des Lebens schließt es aus, diese dauernde Aufgabe durch gesetzliche Vorgaben im Detail zu erfüllen. Deshalb obliegt der Schutz negativer Freiheit vor allen Dingen den Gerichten.
129 Larenz, FS Sontis, 129, 144 f. (Körper, Ehre, Stimme usw. seien nicht wie Eigentum „zuerteilt“, so dass das aPR seiner Struktur nach weniger ein Herrschaftsrecht als ein Recht auf Achtung der Person sei); Jellinek, System, 83 mit Fn. 1 („… Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre … fallen nicht unter die Kategorie des Habens, sondern des Seins“), 84 („Ein Recht hat man, Persönlichkeit ist man. Das Recht hat ein Haben, die Person ein Sein zum Inhalt.“); Schapp, Freiheit, Moral und Recht, 238; zumindest im Ergebnis auch Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 374 (die in § 823 Abs. 1 BGB genannten Lebensgüter seien keine „Herrschaftsrechte“). 130 Dazu bereits oben A II. 131 Kant, Rechtslehre, 230, 237 („Freiheit (Unabhängigkeit von eines Anderen nöthigender Willkür), sofern sie mit jedes Anderen Freiheit nach einem allgemeinen Gesetz zusammen bestehen kann …“); ähnlich Fichte, Grundlage, 1, 8 („Der Begriff des Rechts ist sonach der Begriff vom notwendigen Verhältnisse freier Wesen zueinander.“). Siehe zu diesem Konnex auch Fikentscher/ Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1402 (Rahmenrechte); Ehmann, in: Erman, Ahn § 12 BGB Rn. 1 (aPR); Becker, Recht der unerlaubten Handlungen, 12. Kritisch v. Hippel, Aufbau und Sinnwandel unseres Privatrechts, 47 (wechselseitige Asozialität werde zum naturrechtlichen Ausgangspunkt gemacht).
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III. Die gesetzgeberische Kompetenz zum Schutz positiver Freiheit im Verhältnis zu jedermann Der Schutz positiver Freiheit im Verhältnis zu jedermann ist hingegen dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten, und zwar unabhängig davon, ob diese exklusive Zuweisung von Handlungsbefugnissen die Gestalt eines Ausschließlichkeitsrechts annimmt oder sich sonst aus dem Gesetz ergibt und dem Bereicherungsgläubiger bzw. Geschäftsherrn dann zu Herausgabeansprüchen verhilft. Ob der Berechtigte diese Freiräume ausübt, ist wiederum ihm überlassen. Anders als bei der bloß negativen Freiheit ist dieser Raum aber nicht „leer“, sondern vom Gesetz mit einem bestimmten Inhalt gefüllt. Es besagt nämlich ex ante, was allein der Berechtigte tun darf132. So ergibt sich beispielsweise aus der Gesamtheit der auf das Sacheigentum bezogenen Vorschriften, wie weit die Befugnis des Eigentümers reicht, nach Belieben mit der Sache zu verfahren133. Anders als beim Schutz der negativen Freiheit enthält sich der Gesetzgeber also nicht der Aussage über das zulässige Verhalten des Bürgers, sondern definiert es im Einzelnen. Diese Festlegung führt zur Statik derjenigen Regelungen, die das Erworbene sichern, während die Abwägung gleichgeordneter negativer Freiheiten zum Erwerb der dynamischen Entwicklung durch die Rechtsprechung offensteht134. Der Unterschied zwischen definierter positiver Freiheit und inhaltsoffener negativer Freiheit trennt die Eigentümer- von der allgemeinen Handlungsfreiheit. Positive Freiheit betrifft das Haben, negative Freiheit das Personsein. Wie tief verwurzelt diese Differenzierung im Rechtsdenken ist, beweist die Unüblichkeit der Aussage, die Freiheit zu handeln oder zu erwerben „gehöre“ mir, während eine entsprechende Zuordnungsartikulation im Hinblick auf eine bestimmte Sache oder eine persönliche geistige Schöpfung gängig ist. Die von den Gerichten auf der Basis des Deliktsrechts formulierten allgemeinen Verhaltenspflichten grenzen gleichgeordnete negative Freiheiten ab, die verfassungsrechtlich in den Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 5 Abs. 1, 6 Abs. 1, 9 Abs. 3, 12 Abs. 1 GG verankert sind. Diese Rechtspositionen als staatlich verliehene Rechtsmacht zu denken, steht im Widerspruch zum Verteilungsprinzip der freiheitlichen Rechtsordnung. 132
V. Tuhr, AT I, 151; Zitelmann, AcP 99 (1906), 1, 25 („Darfrechte“); Damm, ARSP 79 (1993), 159, 181 f. (offensive Rechte und schutzorientierte Rechte, die sich in ihrer rechtsdogmatischen Struktur und rechtspolitischen Funktion unterschieden); Schapp, AcP 192 (1992), 355, 375; Möschel, FS Mestmäcker, 355, 364, 365; undifferenziert hingegen Fezer, Teilhabe und Verantwortung, 525; Hohfeld, Yale L.J. 23 (1913/14), 16, 36, 55 (Identifizierung positiver „privileges“ mit „liberties“). 133 Dazu oben § 11 B II 1. 134 Zum Unterschied zwischen dem Schutz des Erworbenen und dem Schutz der Freiheit zum Erwerb Raiser, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 121, 124. Wenig glücklich daher die Formulierung Fikentschers, der zwischen der Freiheit zum Erwerb und der Freiheit von der Beeinträchtigung des schließlich Erworbenen unterscheidet; siehe Fikentscher, IIC 38 (2007), 137, 138 f.; anders denn auch das Verständnis etwa bei Buchner, Informationelle Selbstbestimmung, 313 (Freiheit von Datenüberwachung und Freiheit zur Kommerzialisierung des eigenen Datenbestandes). Zur Freiheit von etwas und der Freiheit zu etwas noch unten Fn. 155.
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Eine solche Vorstellung würde in letzter Konsequenz sogar zur Aufhebung der freien Entfaltung der Persönlichkeit führen. Denn an die Stelle einer flexiblen Abwägung der gleichrangig geschützten Interessen, nicht beeinträchtigt zu werden, träte ein starres System aufeinanderprallender Darfrechte, in dem die Dynamik individueller, ergebnisoffener Freiheit erlischt135. Da der Begriff des subjektiven Rechts genau diese hoheitliche Erlaubnis zum exklusiven Tun impliziert, ist die Rede von einem subjektiven Privatrecht, spazieren zu gehen, im Wettbewerb zu agieren oder nicht (sic!) betrogen zu werden, abzulehnen136. Vielmehr sollte der deliktsrechtliche Schutz negativer Freiheit in der Privatrechtsdogmatik137 begrifflich eindeutig von subjektiven ausschließlichen Rechten unterschieden werden. Auch wenn sich die Rede vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem Recht am Gewerbebetrieb wohl so eingebürgert hat, dass ein Alternativvorschlag aussichtslos erscheint138, sollten jene offenen Deliktstatbestände zumindest eindeutig als „Rahmenrechte“ deklariert und nicht mehr unter den Begriff des „sonstigen Rechts“ subsumiert werden139. Letztlich doch auf ein „Recht“ lautende Beschreibungen des deliktsrechtlich vermittelten 135 Zur hierauf beruhenden Kritik einer Hypertrophie des subjektiven Rechts unten § 15 B I 2; auf der Basis einer formalen Freiheitsethik Reuter, AcP 189 (1989), 199, 214 f. („Insbesondere kommt danach kein Verständnis von Privatautonomie und subjektivem Recht in Betracht, das die Kompetenz umfaßt, den Gebrauch von Privatautonomie und subjektiven Rechten für bestimmte Lebensbereiche unmittelbar oder mittelbar vorweg festzulegen.“); Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, 394 f. (wirtschaftliche Selbstbestimmung gehe den subjektiven Rechten voraus); anders Fikentscher, Wettbewerb, 210, 244 (es wäre unrichtig, ein subjektives Recht an der Wettbewerbsfreiheit zu verneinen). 136 Ebenso zur ohne Erlaubnistitel zulässigen Meeresfischerei BGHZ 45, 150, 159 f. (1966); ferner Raiser, JZ 1961, 465, 472; v. Tuhr, AT I, 150 f., 155; Esser, Einführung, 155 („Es gibt kein ,subjektives Recht‘ zum Atmen oder Spazierengehen …“); Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, 394 f.; Eidenmüller, Law and Philosophy 10 (1991), 1, 9; Larenz, FS Sontis, 129, 143 (Privatautonomie kein Gestaltungsrecht); Lehmann, Unterlassungspflicht, 9; Lobe, Unlauterer Wettbewerb, 148; Stephan, Unterlassungsklage, 145; Brose, Unterlassungsklage, 55; Buchner, Unternehmensschutz, 264; Körner, Rechtsschutz, 64 (ein Recht, das durch alle gleichartigen Rechte der anderen beschränkt werden könne, sei kein Recht); zum aPR Schlechtriem, DRiZ 1975, 65, 68; Westermann, FamRZ 1969, 561, 565; wenig klar Eltzbacher, Unterlassungsklage, 107 (es gebe kein Recht, spazieren zu fahren, weil zum Schutz dieser Interessen keine besondere Rechtsvorschrift ergangen sei); Peifer, Individualität, 135 (unter Privaten bedürfe es eines Rechts auf Gähnen nicht, weil es kaum vorstellbar sei, dass man dadurch andere in ihren Rechtsgütern verletze); anders Fikentscher, Wettbewerb, 210, 244 (es wäre unrichtig, ein subjektives Recht an der Wettbewerbsfreiheit zu verneinen); ders., IIC 38 (2007), 137, 158 („rights to property and rights to freedom“); wohl auch Kohler, Unlauterer Wettbewerb, 23 (keine scharfe Trennung der Immaterialgüterrechte und des Individualrechts in der Metapher von den Sperrforts und der „ganzen Feste“). 137 Dass das Grundgesetz von einem „Recht“ auf freie Entfaltung der Persönlichkeit spricht, steht in Anbetracht der primären Abwehrfunktion der Grundrechte im Verhältnis zum Staat nicht im Widerspruch zur hier vertretenen Auffassung; dazu auch oben § 2 B I 1. Für eine Berücksichtigung der horizontalen Wirkungen des Eigentums und der subjektiven Rechte auch in diesem öffentlich-rechtlichen Kontext Vesting, Symposium Hoffmann-Riem, 21 ff. 138 Aufgrund der eingeschliffenen Sprachübung zurückhaltend zum hier propagierten Konzept des Freiheitsschutzes anstelle der alleinigen Rede von Rechten und Pflichten Eidenmüller, Law and Philosophy 10 (1991), 1, 10. 139 Siehe oben § 13 A II 1 d.
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Schutzes gleicher Freiheit – wie das Ausschluss-140, Ausschließungs-141, Verbots-142 oder Abwehrrecht143, das negative Herrschaftsrecht144 oder gar das „unvollkommen“ absolute Recht145 – sollten hingegen vermieden werden, weil sie den kategorialen Unterschied zwischen einer begrenzten Privilegierung und der umfassenden, aber undefinierten negativen Freiheit verwischen und so zur verfehlten Übertragung ausschließlichkeitsrechtlicher Konzepte auf den Freiheitsschutz verleiten146. Die alleinige Zuständigkeit des Gesetzgebers zur Etablierung positiv-exklusiver Freiheit ergibt sich demnach nicht nur aus dem Fehlen entsprechender Generalklauseln im einfachen Recht, dem Rechtsfortbildungsverbot im Hinblick auf primäre Ausschließlichkeitsrechte (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG) und der Inexistenz eines sonstigen Rechtsprinzips der Güterzuordnung, sondern ganz generell aus dem Umstand, dass eine solche Privilegierung eine wesentliche Änderung des Gefüges grundsätzlich gleicher Freiheiten darstellt147. Während nämlich die ge140 Siehe Raiser, JZ 1961, 465, 468 (im Unterschied zu „Herrschaftsrechten“); Schumacher, ZHR 113 (1950), 166, 170 ff.; Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rn. 49; Medicus, AcP 165 (1965), 115, 136 (Besitz „mehr ein Ausschluß- denn ein Herrschaftsrecht“); Brüggemeier, Deliktsrecht, 84; Deutsch, JZ 1963, 385, 387; Jansen, Struktur des Haftungsrechts, 494 (für den Deliktsschutz des Unternehmens ohne Zuweisungsgehalt); Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, 246 (für das aPR); Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 77 (für Rechte ohne Zuweisungsgehalt im Hinblick auf die Eingriffskondiktion). Gerade umgekehrt Zitelmann, AcP 99 (1906), 1, 25; Franke, Herausgabe des Gewinns, 15; Hefermehl, in: Baumbach/Hefermehl, Allg Rn. 100; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, 140 (Ausschlussrecht als Synonym für absolutes Recht mit positiven und negativen Befugnissen). Uneinheitlich die Terminologie bei Fikentscher, Wettbewerb, 137 (Ausschlussrechte), 140 (Ausschließlichkeitsrechte), jeweils für den gewerblichen Rechtsschutz. 141 So die Terminologie bei BAG NJW 1999, 164, 165 (als Bezeichnung für das absolute Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB); öOGH GRUR Int. 1976, 211, 212 (im Hinblick auf Rechte gegen eine unerlaubte Sendung eines Boxkampfes); Medicus, AT, Rn. 67; Schloßmann, IherJb 45 (1903), 289, 338 ff.; Eichler, Institutionen Sachenrecht I, 148; Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz, 19 f.; Beuthien/Hieke, AfP 2001, 353, 355; Schapp, AcP 192 (1992), 355, 377 (Ausschließungs- im Gegensatz zur Einwirkungsbefugnis). 142 Roeber, FuR 2/1961, 3, 4 (zum aPR im Gegensatz zum Urheberrecht); v. Westerholt, ZIP 1996, 264, 266 (zur Fernsehübertragung von Sportveranstaltungen). 143 BGHZ 106, 229, 233 (1988); BGH NJW 1998, 756, 758 (zur Rechtsposition der Veranstalter von Sportereignissen gegen die unerlaubte Aufnahme und Sendung auf der Basis des § 1 UWG 1909 und den §§ 823 ff. BGB); OLG Hamm NJW-RR 1987, 232 (für das aPR); KG NJWE-WettbR 1996, 187, 189; Schack, AcP 195 (1995), 594, 595; Mailänder/Mailänder, in: Dörr/Mailänder, Hörfunkberichterstattung, 101, 136; Mailänder, FS Geiß, 605, 609; Winter, ZUM 2003, 531, 535; Mestmäcker, FS Sandrock, 689, 693; Biene, Starkult, 162; Lausen, ZUM 1997, 86, 87; Reber, ZUM 2004, 708, 709; Sosnitza, JZ 2004, 992, 993. 144 Wolff-Raiser, Sachenrecht, 161 f. (Vormerkung); Schumacher, ZHR 113 (1950), 166, 170 f. 145 Zitelmann, IPR, 49 f. (Schutz der Handlungsfreiheit als subjektives Recht); Isay, Unternehmen, 30; Hueck, Unkörperliche Geschäftswerte, 39 f. (zur Unterscheidung des Patents und des Rechts am Gewerbebetrieb). 146 Siehe insbesondere BGHZ 16, 172, 175 (1955) – Dücko (im Konkurs übertragbares „Ausschlußrecht“ am nicht patentgeschützten Geheimwissen in Abgrenzung zum Patent als absolutes Recht mit „dinglicher Ausschlußwirkung“); BGHZ 143, 214, 222 (1999) – Marlene (aPR als Abwehrrecht). 147 Dazu auch oben § 12 C IV.
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richtliche Anerkennung neuer Deliktstatbestände die Gleichrangigkeit der negativen Freiheitsräume unberührt lässt und nur den ohnehin erforderlichen Ausgleich anders akzentuiert, wird durch die Gewährung positiver Freiheit ein punktueller Vorzugsbereich eingerichtet, dessen Verletzung die Rechtswidrigkeit indiziert (Ausschließlichkeitsrechte) bzw. auch ohne Verschulden zur Herausgabe des Erlangten und bei Wissentlichkeit zur Herausgabe des Gewinns verpflichtet (gesetzlicher Zuweisungsgehalt). Hierauf bewegt sich die Rechtsprechung bereits in systemfremder Weise zu, wenn sie bei der Anwendung deliktsrechtlicher Generalklauseln den Blick vom Verhalten des Verletzers auf das dem Geschädigten angeblich vorbehaltene Tun richtet, wie dies namentlich im Kontext des sog. wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes geschah, der doch nur ein Verbot unlauterer Nachahmungen gem. §§ 3, 4 Nr. 9 UWG ist148. Mit der folglich exklusiven Kompetenz des parlamentarischen Gesetzgebers korreliert dann wiederum ein ausgesprochen weiter Ermessensspielraum zur Entscheidung darüber, ob und wenn ja in welchem Umfang ein Gut positiv-exklusiv zugewiesen werden soll149. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass das hier verwendete Begriffspaar negativer und positiver Freiheit im Kontext einer Güterzuordnungsdogmatik ungewohnt sein mag, in der allgemeinen rechtsphilosophischen Diskussion indes seit langem üblich ist. Bei Kant bedeutet „negative Freiheit“ die Unabhängigkeit des Willens vernünftiger Wesen von fremden, sie bestimmenden Ursachen150. Aus dieser von Kant gesetzten151 Ablehnung des Determinismus fließe „ein positiver Begriff derselben, der desto reichhaltiger und fruchtbarer ist“152. Erst diese „Eigenschaft des Willens, sich selbst ein Gesetz zu sein“, erlaube nämlich ein vernunftgemäßes Handeln nach Maßgabe des kategorischen Imperativs als dem „Prinzip der Sittlichkeit“. Also sei „ein freier Wille und ein Wille unter sittlichen Gesetzen einerlei“153. In der Metaphysik der Sitten überträgt Kant den „inneren“, von Naturkausalitäten unabhängigen, negativen Begriff der Freiheit auf das Recht und somit das Verhältnis der Menschen untereinander (die „äußere Frei-
148 Siehe oben §§ 4 B III 2, 7 B II; zum aPR Forkel, FS Hubmann, 93, 105 ff. (allmählicher Wechsel der Betrachtungsweise vom Eingriff hin zum Gut). 149 Dazu oben § 11 C I 2 (Untermaßverbot). Zur Zulässigkeit einer Generalklausel der Güterzuordnung de lege ferenda unten § 15 A (Übermaßverbot). 150 Kant, Grundlegung, 446 („Der Wille ist eine Art von Causalität lebender Wesen, so fern sie vernünftig sind, und Freiheit würde diejenige Eigenschaft dieser Causalität sein, da sie unabhängig von fremden sie bestimmenden Ursachen wirkend sein kann: so wie Naturnothwendigkeit die Eigenschaft der Causalität aller vernunftlosen Wesen, durch den Einfluß fremder Ursachen zur Thätigkeit bestimmt zu werden.“); dazu Hruschka, JZ 2004, 1085, 1086. Wohl ebenso der Begriff der negativen Freiheit bei Hegel, Rechtsphilosophie, § 5 („… diese absolute Möglichkeit, von jeder Bestimmung, in der ich mich finde …, abstrahieren zu können …, so ist dies die negative oder die Freiheit des Verstandes.“ (Hervorh. im Original)). 151 Dazu Kant, Kritik der reinen Vernunft, 363 (Freiheit als reine transzendentale Idee); ders., Grundlegung, 448 f. (die menschliche Freiheit als unbeweisbare und daher vorauszusetzende Idee). 152 Kant, Grundlegung, 446. 153 Kant, Grundlegung, 446 f.; Hruschka, JZ 2004, 1085, 1086.
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heit“). Hier wird aus der Autonomie des vernünftigen Willens die „Unabhängigkeit von eines Anderen nöthigender Willkür“154. In diesem Konzept ist der vorstehend ebenfalls zugrundegelegte Unterschied zwischen einer negativen, von Zwängen unabhängigen Freiheit und einer positiven Ausfüllung dieses „leeren Raumes“ ersichtlich angelegt. Diese Grunddifferenzierung findet sich in weiteren rechtsphilosophischen Auseinandersetzungen mit dem Freiheitsbegriff. Die insoweit zu konstatierenden Divergenzen beschlagen weniger die Konzeption der negativen Freiheit im Sinne der Abwesenheit von Fremdbestimmung als vielmehr die sich notwendig stellende Frage, nach welchen Kriterien die Ausfüllung dieses Spielraums zu betrachten ist, was mit anderen Worten unter positiver Freiheit zu verstehen ist155. Getreu dem Generalthema dieser Untersuchung liegt der Fokus hier auf der Befugnis zur exklusiven Nutzung bestimmter Güter.
C. Zusammenfassung Ziel der vorstehenden Ausführungen war die dogmatische Verarbeitung der Auslegungsergebnisse. Die einzelnen Aussagen des güterzuordnungsrelevanten Privat-, Verfahrens- und Verfassungsrechts wurden in zweierlei Weise systematisiert: Erstens galt es, die in § 1 C lediglich gesetzte Unterscheidung zwischen subjektiven Rechten und dem gesetzlichen Schutz individueller Interessen und Güter vor dem Hintergrund der erarbeiteten Strukturen des deutschen Rechts zu begründen. Dazu wurden die drei möglichen Alternativansätze, nämlich die Eliminierung subjektiver Rechte mit positivem Gehalt, die Erstreckung des subjektiven Rechts auf jeden individuellen Rechtsschutz und die Auflösung der Dichotomie von relativen und gegen jedermann wirkenden Befugnissen in eine „relative Ausschließlichkeit“ in Betracht gezogen. Es erwies sich jedoch, dass diese Konzepte erhebliche theoretische Defizite aufweisen und nicht der Struktur des 154 Kant, Rechtslehre, 237; dazu Schapp, AcP 192 (1992), 355, 364; ders., Freiheit, Moral und Recht, 127 ff. Die äußere positive Freiheit wird mit der Freiheit unter den Gesetzen der bürgerlichen Verfassung gleichgesetzt; siehe Hruschka, JZ 2004, 1085, 1086. Überzeugender erscheint es, auch die äußere positive Freiheit mit der Freiheit des Willens zu identifizieren, sich dem kategorischen Imperativ zu unterwerfen; so auch Schapp, AcP 192 (1992), 355, 364. 155 Berlin, Liberty, 177 ff. (Unterscheidung zwischen der „Freiheit von“ und der „Freiheit zu“ als Wunsch des Individuums, die ihm garantierte negative Freiheit autonom ausfüllen zu können, mit Fokus auf die Frage nach der Legitimation zur Einschränkung der negativen Freiheit, also auf das Demokratiethema); Mestmäcker, in: Orden Pour le mérite, 197, 212 (negative Freiheit als Schutz der Selbständigkeit, positive Freiheit als Appell an unser besseres Selbst); Herdzina, Wettbewerbspolitik, 12 (Freiheit von Handlungszwang und Freiheit als Möglichkeit zum Handeln im Wettbewerb). Anders etwa Schapp, AcP 192 (1992), 355, 357, 359, 367, unter Bezugnahme auf, aber auch Abgrenzung von Kant (Freiheit im negativen Sinne als Freiheit von der Einwirkung anderer; Freiheit im positiven Sinne als Freiheit zu Handlungen, die sich an werthaften Institutionen ethisch-kultureller Art orientieren). Zur allgemeineren Differenzierung zwischen der Freiheit „von“ und der Freiheit „zu“ etwas Berlin, Liberty, 172 f.; Schapp, AcP 192 (1992), 355, 359.
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deutschen Güterzuordnungsrechts entsprechen. Den positiven Aspekt subjektiver Rechte auf einen bloßen Reflex oder eine „Hilfsvorstellung“ zu reduzieren, steht im Widerspruch zur paradigmatischen Aussage des § 903 BGB, der Eigentümer könne mit seiner Sache nach Belieben verfahren. Außerdem vermag diese Auffassung die Übertragbarkeit unverletzt gedachter subjektiver Rechte nicht zu erklären. Um jeden individuellen Rechtsschutz als subjektives Recht oder als dessen Verwirklichung aufzufassen, ist man gezwungen, zu Windscheids monströsem Begriff des „absoluten Rechts“ im Sinne eines Bündels ständig gegen jedermann gerichteter Ansprüche oder zu einem aktionenrechtlich beeinflussten Denken zurückzukehren, wonach jede Klagebefugnis ein subjektives Recht abbildet. Beides ist mit dem geltenden Recht unvereinbar, wie sich namentlich an § 823 BGB erweist, der zwischen dem deliktischen Schutz bestimmter Lebensgüter, Schutzgesetze und „sonstiger Rechte“ unterscheidet und damit gerade nicht alle denkbaren Rechtskreise über einen Kamm schert. Die nur vereinzelt geführte Rede von einer „relativen Ausschließlichkeit“ erweist sich bereits auf den ersten Blick als widersprüchlich. Entweder ein subjektives Recht richtet sich an jedermann oder – ggf. nach Verletzung eines primären Ausschließlichkeitsrechts oder einer gesetzlich fundierten, allgemeinen Verhaltenspflicht – eben nur an bestimmte Schuldner; tertium non datur. Insgesamt konnte festgehalten werden, dass das einschlägige Privat- und Verfahrensrecht von der hier vertretenen Differenzierung widerspruchslos abgebildet wird und sich überdies in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wiederfindet, das ebenfalls subjektive Privatrechte als verfassungsrechtliches Eigentum von einem reflexartigen Normenschutz unterscheidet, der anderen Grundrechten, namentlich der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit, dient (dazu A). Die gesammelten Erkenntnisse wurden zweitens zu einer allgemeinen Theorie der Güterzuordnung im deutschen Recht ausgebaut. Diese Theorie stellt einen Zusammenhang her zwischen der Zuständigkeit zur Schaffung bzw. Anerkennung individueller Rechtspositionen und deren jeweiliger Wirkung. Insoweit ist das deutsche Recht von einer Dreiteilung gekennzeichnet (dazu B): – Die Privatrechtssubjekte sind unter dem Vorbehalt zwingenden Vertragsrechts umfassend befugt, durch Abschluss von Verträgen primäre relative Rechte zu begründen, die dem Gläubiger einen Anspruch auf ein bestimmtes Verhalten des Schuldners gewähren. Diese Privatautonomie ist vom Staat grundsätzlich zu respektieren, weil und soweit der Schuldner der zwangsweise durchsetzbaren Verpflichtung zugestimmt hat. Wie sich insbesondere aus § 453 Abs. 1 2. Alt. BGB ergibt, können sich derartige Verpflichtungsgeschäfte auch auf nicht zugeordnete „sonstige Gegenstände“ wie Geheimnisse und Unternehmen beziehen. – Die Gerichte sind in Anwendung deliktsrechtlicher Generalklauseln und durch rechtsfortbildende Anerkennung ungeschriebener Deliktstatbestände wie dem aPR und dem Rahmenrecht am Gewerbebetrieb befugt, individuelle Interessen unter anderem im Hinblick auf die Nutzung bestimmter Güter zu
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schützen. Dabei handelt es sich jedoch lediglich um den Schutz gleichgeordneter negativer Freiheit im Sinne der Abwesenheit von Zwang. Dem Begünstigten werden keine Handlungsbefugnisse positiv-exklusiv zugewiesen. – Solche Privilegierungen, insbesondere in Gestalt von Ausschließlichkeitsrechten, sind mangels einschlägiger Rechtsgrundlage sowie gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten. Allein die Legislative ist befugt, gegen jedermann wirkende, positive Freiheitsräume abzustecken und zu definieren, was der Berechtigte tun darf. Hierbei handelt es sich um eine wesentliche Veränderung des Gefüges gleichgeordneter Handlungsfreiheiten, die jeweils der Zustimmung aller, repräsentiert durch das allgemeine Gesetz, bedarf.
§ 15 Güterzuordnung und Freiheitsschutz im Privatrecht Mit der Systematisierung der Einzelergebnisse ist die Analyse des geltenden Rechts zum Abschluss gekommen. Sie war wie die gesamte Studie vom Spannungsverhältnis zwischen dem Individualinteresse am exklusiven Haben und der allgemeinen Handlungsfreiheit der Ausgeschlossenen bestimmt. Die deutsche Rechtsordnung stellt durch ein differenziertes System unterschiedlich wirkender Rechtspositionen, für deren Schaffung bzw. Anerkennung die Privatrechtssubjekte, die Judikative und die Legislative zuständig sind, einen anpassungsfähigen Ausgleich zwischen beiden Polen her. Nunmehr seien noch einige programmatische, das geltende Recht übersteigende Bemerkungen erlaubt, die sich der Frage widmen, ob die punktuelle Güterzuordnung durch positiv-exklusive Ausschließlichkeitsrechte und sonstige Zuweisungsnormen oder das Rechtsprinzip gleicher negativer Freiheit der Stärkung durch gesetzgeberische Maßnahmen bzw. privatrechtsdogmatische Bemühungen bedürfen. Im ersten Abschnitt wird untersucht, ob sich de lege ferenda eine Dynamisierung des geschlossenen Kreises subjektiv-ausschließlicher Rechte durch Normierung einer entsprechenden Generalklausel empfiehlt (dazu A). Der zweite Abschnitt beschäftigt sich mit dem Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit im Privatrecht. Nach einer rechtspolitischen Kritik der Eigentumslogik wird eine stärkere Akzentuierung des geltenden Rechtsprinzips gleicher Freiheit eingefordert. Schließlich werden mögliche Ansatzpunkte für eine Dogmatik des Freiheitsschutzes skizziert (dazu B).
A. Eine Generalklausel für Ausschließlichkeitsrechte? Der Hauptteil dieser Untersuchung hat ergeben, dass die Gerichte nicht befugt sind, ungeschriebene Ausschließlichkeitsrechte anzuerkennen. Auch der für Ansprüche aus Eingriffskondiktion und Geschäftsanmaßung erforderliche positive Zuweisungsgehalt einer Rechtsposition muss im Gesetz niedergelegt sein und darf von der Judikative nicht unter Berufung auf ein abzulehnendes Rechtsprinzip der Güterzuordnung erweitert werden. Fraglich ist, ob diese punktuelle Einrichtung positiv-exklusiver Freiheitsräume de lege feranda zu einem flächendeckenden Zuordnungssystem ausgebaut werden sollte, indem eine Generalklausel kodifiziert wird, auf deren Grundlage die Gerichte über die Verteilung „neuer“ Güter entscheiden können.
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Eine solche radikale Lösung wurde bereits in den 1930er Jahren von Kruse propagiert. Er plädierte für ein allgemeines Eigentumsrecht im umfassenden Sinne, das „ein jedes Gut“ umfassen müsse, „das den Befugnissen des Eigentumsrechts zu unterwerfen der Rechtsordnung natürlich und angemessen erscheint. Dieser Gegenstand des Rechts, das Eigentum, kann kaum anders charakterisiert werden, als dass es jeder besondere, begrenzte Ausschnitt aus der äußeren und inneren Welt ist, der kraft eines Arbeitseinsatzes oder eines anderen von der Rechtsordnung anerkannten Grundes natürlich einer bestimmten Person derart gehört, dass diese berechtigt ist, darüber … zu verfügen.“1.
In seinem Vorschlag für ein Volksgesetzbuch aus dem Jahr 1943 befürwortet auch Wieacker, „alle Objekte der natürlichen Welt, die vermögenswert sind und individualisiert werden können“ zum „Gegenstand vermögensrechtlicher Beherrschung“ zu machen. Zu diesen „Vermögensbestandteilen“ zählt er „Grundstücke, Sachen, beherrschte Naturkräfte, Rechte und andere Gegenstände wie Geisteswerke, Erwerbsaussichten und Kontingente“2. Aus der Nennung nicht verkehrsfähiger Gegenstände in der folgenden Entwurfsvorschrift folgt im Umkehrschluss, dass über die genannten Güter/Rechte verfügt werden kann, sie nach hiesiger Einteilung also selbständige Ausschließlichkeitsrechte darstellen. Vergleichbare Anregungen finden sich in jüngerer Zeit in zunehmendem Maße, wobei es den Autoren um eine Legitimierung der von ihnen für richtig befundenen Zuordnungsneigung der Rechtsprechung geht3. Rechtsvergleichend ist schließlich auf einen gescheiterten französischen Gesetzentwurf aus dem Jahr 1992 hinzuweisen, wonach „toute création exploitable à des fins lucratives, qui résulte d’un travail intellectuel“ für die Dauer von 10 Jahren dem „concepteur“ oder (!?) dem „producteur“ durch ein übertragbares Ausschließlichkeitsrecht zugewiesen worden wären4. Soweit sich diese Vorschläge überhaupt auf die Formulierung von Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen einlassen5, laufen sie 1
Kruse, Eigentumsrecht, 202 f. Wieacker, AcP 148 (1943), 57, 65 (mit insoweit unzutreffendem Verweis auf die analoge Anwendung des Sachkaufrechts auf sonstige Gegenstände durch das Reichsgericht; dazu oben § 14 B I), 102 (Regelungsvorschlag). 3 Siehe Schumacher, ZHR 113 (1950), 166, 173 (Eigentum im Sinne eines Rechts auf ausschließliche Nutzung aller vermögenswerten Güter); Lochmann, Fernsehübertragungsrechte, 292 (Generalklausel für „investitionsbezogenen Leistungsschutz“ sei wünschenswert); Sosnitza, in: Forkel/ Sosnitza, Recht der Persönlichkeit, 33, 40 ff.; Schick, Schutz nicht geschützter Arbeitsergebnisse, 145 ff. (umfassendes „Ausschlußrecht“ an individuellen Arbeitsergebnissen); Schulze, Kleine Münze, 315 (für ein „weit angelegtes Gesetz …, das nicht nur die kleine Münze des Urheberrechts, sondern auch erfinderische, organisatorische, sportliche, akrobatische und sonstige schutzwürdige Leistungen umfassen sollte“); Weber, Mode- und Designschutz, 147 (formloser gesetzlicher Schutz „schutzwürdiger Produkte der industriellen Herstellung“); Ahrens, GRUR 2006, 617, 621, 624 (für einen generalklauselartigen Auffangtatbestand „für die Gewährung von Investitionsschutz“ u.a. für Persönlichkeitsrechte und Übertragungsrechte an Sportveranstaltungen). 4 Siehe Le Stanc, Recueil Dalloz 1993 II, 4 ff.; ders., EIPR 1992, 438 ff. (englische Version); Henning-Bodewig, ZUM 1994, 454, 456. 5 Ohne eine solche Konkretisierung Sosnitza, in: Forkel/Sosnitza, Recht der Persönlichkeit, 33, 40 f.; Ahrens, GRUR 2006, 617, 621. 2
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auf die Kerngedanken der Zuordnung hinaus, die auch für die Behauptung eines entsprechenden Rechtsprinzips tragend sind. Demnach wären die Gerichte befugt, Ausschließlichkeitsrechte an jedem gesondert benennbaren Gut anzuerkennen, das einen Vermögenswert aufweist und Ergebnis eigener Leistung bzw. Arbeit ist6. Eine Stellungnahme hierzu hat zu bedenken, dass dem an die verfassungsmäßige Ordnung und nicht wie die Gerichte an Gesetz und Recht gebundenen Gesetzgeber (Art. 20 Abs. 3 GG) in der Phase vor der erstmaligen Entscheidung über die Schaffung privater, ausschließlicher Rechte ein ausgesprochen weiter Gestaltungsspielraum zukommt. Steht nur ein bestimmtes Gut in Rede, ist eine politische Entscheidung erforderlich, zu der aus rechtlicher Warte kaum etwas beizusteuern ist7. Auch die weitergehende Erwägung, eine Generalklausel zu legeferieren, mit der die Gerichte umfassend ermächtigt werden, positiv-exklusive Befugnisse an „neuen“ Gütern zuzusprechen, ist zunächst rechtspolitischer Natur. Dies vorausgeschickt, erscheinen entsprechende Vorschläge nicht unterstützungswürdig8. Ihr zentrales Manko ist, dass sie keine im Einzelfall handhabbaren Tatbestandsvoraussetzungen formulieren, aber dennoch eine Entscheidung über die Anerkennung oder eben Ablehnung eines Ausschließlichkeitsrechts für erforderlich erachten, also nicht jeden Vermögenswert betreffen. Damit lösen sie vor allen Dingen Rechtsunsicherheit aus, weil niemand mit der erforderlichen Gewissheit sagen kann, ob eine bestimmte Güternutzung einem anderen (wem?) vorbehalten ist, und ob die Rechte, über die man verfügen möchte, überhaupt existieren. Weder erhalten diejenigen, die Neues hervorbringen oder finanzieren, verlässliche Anreize noch können sich ihre Konkurrenten sicher sein, ob sie in zulässiger Weise von ihrer allgemeinen Handlungs- und Wettbewerbsfreiheit Gebrauch machen oder Ausschließlichkeitsrechte verletzen9. Mangels eindeutig definierten Schutzbereichs werden die in der ökonomischen Analyse anerkannten Vorteile von property rights verfehlt10. Außerdem ist es bisher nicht gelungen, den im Modell des Erfolgsunrechts notwendig als spezifizierte Ausnahme zu denkenden, erlaubten Zugang zum Gut in das Konzept einer Generalklausel der Güterzuordnung zu integrieren. Die Vorschläge kommen nicht über einen Abwägungsvorbehalt unter Hinweis auf die Interessen der Allgemeinheit hinaus, der mit der Idee einer definierten Privilegierung unvereinbar ist11.
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Siehe oben § 12 B. Dazu oben §§ 11 C I 2 c, 12 C IV, 14 B III. 8 Skeptisch auch Hilty, FS Ullmann, 643, 664 ff. 9 Hilty, FS Ullmann, 643, 665 ff.; Sosnitza, in: Forkel/Sosnitza, Recht der Persönlichkeit, 33, 41. Unklar Fezer, Teilhabe und Verantwortung, 551 (die berührten Lebensbereiche müssten „die rechtlichen Strukturen einer personalen Teilhabe aufweisen“ und damit nach einer subjektivrechtlichen Unrechtsermittlung verlangen). 10 Dazu oben § 3 B I. 11 Dazu oben § 14 B II. 7
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Diese inneren Widersprüche ließen sich nur verdecken, wenn man die jeweilige Exklusivität als schrankenlos ansieht. Im Sinne einer vollkommen unbegrenzten Befugnis ist eine solche Vorstellung jedoch unmöglich, weil menschliches Zusammenleben ohne Einschränkungen für den Einzelnen nicht zu haben ist12. Und in Bezug auf bestimmte Güter ist sie ebenfalls abzulehnen, weil die für eine freiheitliche Gesellschafts- und Wettbewerbsordnung erforderlichen Entfaltungsspielräume jedes Akteurs ausgeblendet und verfassungswidrig (dazu sogleich) eine einseitige Sicht auf den Begünstigten eingenommen wird13. Wären alle Vermögenswerte positiv-exklusiv zugeordnet, gäbe es nichts mehr, um das sich ein wirtschaftlicher Wettbewerb zu führen lohnt, der doch anerkanntermaßen das bisher erfolgreichste Instrument zur Erzielung einer effizienten Ressourcenallokation ist14. Ganz generell würde ein solches System umfassender Darfrechte die Dynamik der allgemeinen Handlungsfreiheit und ihrer speziellen Ausprägungen in der Meinungs-, Presse- oder Berufsfreiheit erdrosseln. Dieser Gefahr begegnet das gegenwärtige Rechtssystem wie gezeigt mit einem ausgefeilten Instrumentarium unterschiedlicher Rechtspositionen. Diese differenzierte Struktur mit punktuellen, speziell zugeschnittenen relativen und ausschließlichen Rechten signalisiert ein fortgeschrittenes Rechtssystem, das die weitere Erkenntnis der ökonomischen Analyse des Rechts reflektiert, wonach Güterzuordnung nicht stets und jedenfalls nicht vorbehaltlos zu effizienten Ergebnissen führt15. Hinter dieses erreichte Niveau fällt eine Generalklausel der Güterzuordnung weit zurück. Diese Gesichtspunkte haben bereits im Rahmen der Prüfung eines angeblichen Rechtsprinzips der Güterzuordnung eine Rolle gespielt16. Sie legen eine genuin rechtliche Schlussfolgerung nahe. Eine Generalklausel, die den Gerichten aufträgt, an jedem vermögenswerten Gut ein Ausschließlichkeitsrecht anzuer12 Oben § 2 B II 2; ferner Sontis, FS Larenz, 981, 989 f.; Augustin, in: RGRK, vor § 903 BGB Rn. 2, 4; Schloßmann, IherJb 45 (1903), 289, 305 und öfter; v. Ihering, IherJb 10 (1871), 245, 316 (die Idee der Freiheit des Eigentümers sei eine Fiktion, als ob jeder auf seiner Scholle von der ganzen Welt isoliert sei und tun und lassen könne, was er wolle); zu v. Ihering als Begründer des Gedankens der Sozialbindung des Eigentums Fikentscher, Methoden III, 177 m.w.N. 13 Zu diesem Verbot oben § 11 C II 1 b. 14 Hilty, FS Ullmann, 643, 665 (die Rechtsprechung könnte die positiven Effekte des Wettbewerbs zunichte machen); Sosnitza, in: Forkel/Sosnitza, Recht der Persönlichkeit, 33, 41 (eine Generalklausel würde die Tendenz zur Ausweitung der vorhandenen Schutzrechte noch weiter verstärken); Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 392 (allgemeiner Leistungsschutz würde ein zu hohes Schutzniveau etablieren); David, AJP 1995, 1403, 1409 f. (ein generelles Nachahmungsverbot sei mit einer liberalen, dynamischen Wirtschaftsverfassung unvereinbar); Lindner, Grundrechtsdogmatik, 314 mit Fn. 103 (bezogen auf das Verhältnis Bürger/Staat); im Ansatz zutreffend, aber mit zu weitgehenden Konsequenzen Hösch, Eigentum und Freiheit, 144. Gerade umgekehrt Ahrens, GRUR 2006, 617, 624 (durch eine Generalklausel zum Schutz von Investitionen werde der „beständige rechtspolitische Druck auf Ausweitung bestehender Monopolrechte vermindert“). 15 Ebenso Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 392, 441 (gegen „überweite[r], viel zu grob gehauene[r] Gesetze“); für eine Differenzierung zwischen Schutzgegenständen bei systematischer Zusammenfassung auch Jänich, Geistiges Eigentum, 373. 16 Oben § 12 C I, IV-VI.
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kennen und es demjenigen zuzusprechen, der es aufgrund eigener Leistung/Arbeit maßgeblich hervorgebracht hat, dürfte nämlich aus zweierlei Gründen verfassungswidrig sein. Erstens erscheint eine solch umfassende Delegation der Entscheidung über den Inhalt und die Schranken der Eigentumsordnung an die Rechtsprechung unvereinbar mit dem Parlamentsvorbehalt des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Die Privilegierung einzelner im Verhältnis zu jedermann bedarf jeweils der Zustimmung aller, repräsentiert durch ein hierauf bezogenes, allgemeines Gesetz. Nur so ist dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip Genüge getan. Zweitens würde das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit unverhältnismäßig eingeschränkt, wenn jeder Umgang mit vermögenswerten Gütern der Zustimmung einer anderen Person bedarf. So wie es ein Untermaßverbot des Eigentums gibt, wonach mindestens so viele private Eigentumsrechte vorzuhalten sind, dass ein eigenverantwortliches Leben im vermögensrechtlichen Bereich möglich ist, ist ein Übermaßverbot des Eigentums anzuerkennen, das es dem zuständigen Gesetzgeber verbietet, die Freiheit zum Erwerb von Eigentum dadurch unverhältnismäßig einzuschränken, dass alle relevanten Handlungsbefugnisse bereits ex ante gesetzlich verteilt sind. Ein solcher Austausch der umfassenden allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) durch ein System vorab definierter, starrer Darfrechte (Art. 14 GG) ist mit dem Grundgesetz unvereinbar17.
B. Freiheitsschutz als Aufgabe der Privatrechtswissenschaft Festzuhalten ist also, dass der gerade in jüngerer Zeit vermehrt formulierte Vorschlag, das ausdifferenzierte System der Begründung bzw. Anerkennung unterschiedlicher Rechtspositionen durch eine pauschale Entscheidung für die intensivste Variante – die Ausschließlichkeitsrechte – zu ersetzen, dem Verkehr Steine statt Brot gibt und darüber hinaus verfassungsrechtlich ausgesprochen bedenklich ist. Während sich für die Stärkung des Individualinteresses am exklusiven Haben viele Autoren einsetzen, finden sich nur vereinzelte Stimmen, die nachdrücklich eine Stärkung des Rechtsprinzips gleicher Freiheit verfechten, das die Eigentumsordnung umschließt und zugleich beschränkt18. Hierauf sollte nach Auffassung des Verfassers jedoch nicht nur das Augenmerk der Rechtspolitik (dazu I), sondern auch der Rechtswissenschaft gerichtet sein, deren Aufgabe es ist, eine Dogmatik des bereits im geltenden Recht verankerten Schutzes gleicher negativer Freiheit jenseits des subjektiven Rechts zu entwickeln (dazu II).
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Siehe auch Herdegen, FS 50 Jahre BVerfG II, 273 (die Staatsrechtslehre müsse sich einem „Auswachsen immaterieller Eigentumspositionen zu einem Herrschaftsinstrument auf den Märkten“ stellen). 18 Dazu oben §§ 11 D II; 12 C VI; 14 A II, B II, III.
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I. Liberale Kritik der Eigentumslogik Eine Eigentumslogik nach dem Motto „viele Ausschließlichkeitsrechte sind gut, mehr sind besser“19 wurde und wird mit kollektivistischer Motivation kritisiert, die sich letztlich generell gegen die Idee des Eigentums richtet. Das ist jedoch nicht die Stoßrichtung der folgenden Ausführungen. Statt das Privateigentum unter Berufung auf „die“ soziale Gerechtigkeit, „die“ Allgemeinheit oder „die“ Volksgemeinschaft zu bekämpfen und damit den einzelnen Eigentümer und sein Gegenüber in einer Gruppe verschwinden zu lassen, deren Ziele und Wünsche zentral vorgegeben werden, wird hier das einer freiheitlichen Rechtsordnung inhärente Prinzip gleicher negativer Freiheit betont, das Augenmerk also auf die allgemeine Handlungsfreiheit der Nichteigentümer gerichtet. Dieses Elixier einer offenen Gesellschaft und ihrer komplementären Wirtschaftsverfassung darf in der Sorge um bestimmte Einzelinteressen nicht ins Hintertreffen geraten. 1. Das subjektive Recht als notwendiges Element einer freiheitlichen Rechtsordnung Eine demgemäß als liberal-rechtsstaatlich zu titulierende Kritik des Eigentums erscheint freilich als Widerspruch in sich, weil das Eigentum und genereller das subjektive Recht als Fixsterne eines Privatrechts gelten, das individuelle Freiheit im Rahmen der allgemeinen Gesetze letztlich um ihrer selbst willen zu verwirklichen sucht, also auf einer formalen Freiheitsethik beruht20. Auch in dieser Studie wurde herausgearbeitet, dass subjektive Rechte ihrem Inhaber einen Freiheitsraum gewähren, in dem er ungehindert von staatlichem und privatem Zwang nach seinen Vorstellungen agieren kann21.
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Begriff und Kritik bei Dreier, in: Schricker/Dreier/Kur, Geistiges Eigentum, 51, 76 ff. Siehe v. Tuhr, AT I, 53; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, 620 f.; Medicus, AT, Rn. 72; Raiser, RabelsZ 26 (1961), 230, 231; Larenz/Wolf, AT, § 14 Rn. 4 ff. (die allerdings im Übrigen das Rechtsverhältnis als den zentralen Begriff des Privatrechts ansehen); Unberath, Vertragsverletzung, 161, 384; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, 158 f.; Biedenkopf, FS Böhm, 113, 115 („Nicht die Erhaltung einer objektiven Ordnung – wenn auch mit der Unterstützung der Rechtssubjekte, die in der Erhaltung dieser Ordnung zugleich ihren Vorteil sehen, – sondern die Zuweisung von Befugnissen an die Rechtssubjekte ist der herrschende Systemgedanke des deutschen Privatrechts.“); Vesting, Symposium Hoffmann-Riem, 21; Kroeschell, FS Thieme, 34, 43 f.; Schwartländer, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 83 (Eigentum als Menschenrecht als Recht auf Freiheit); Mestmäcker, Recht und ökonomisches Gesetz, 369, 371; Reuter, AcP 189 (1989), 199, 206; Rittner, JZ 2005, 668, 670; v. Hayek, Verfassung der Freiheit, 28, 180 (Eigentum als notwendiges Element einer freiheitlichen Verfassung); Coing, in: Coing/Lawson/Grönfors, Das subjektive Recht, 7, 18; Schmidt-Jortzig, in: HdbGRe, § 10 Rn. 52; Badura, HdbVerfR, § 10 Rn. 6; Pipes, Property and Freedom, 288. Zum Begriff der formalen Freiheitsethik und ihrer Bedeutung für die Privatrechtsordnung Reuter, in: Bydlinski/Mayer-Maly, Ethische Grundlagen, 105 ff.; ders., AcP 189 (1989), 199, 214 ff.; ferner Westermann, AcP 178 (1978), 150, 152 m.w.N. 21 Oben §§ 11 D II, 14 B III; ferner BVerfGE 21, 73, 86 f. (1966); BVerfGE 52, 1, 31 (1979) („Handlungsfreiheit im Bereich der Eigentumsordnung“). 20
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Der Zusammenhang von Eigentum und Freiheit ist denn auch allgemein anerkannt. Nach Ludwig Raiser haben die Prinzipien der Selbstverantwortung und Handlungsfreiheit der als Subjekt anerkannten Person die zentralen Rechtsinstitute des Privatrechts geprägt, insbesondere die Güterzuteilung durch privates Eigentum22. Manche gehen sogar umgekehrt davon aus, die Entstehung des Freiheitsgedankens sei auf das Eigentum zurückzuführen23. Betont wird ferner der Konnex zwischen der Anerkennung des Einzelnen als Person und seines Eigentums. In den Worten von v. Ihering: „Der Zweck und damit zugleich der Daseinsgrund eines jeden Privatrechts liegt in der Person des Berechtigten.“24. Kant fasst Angriffe auf das Eigentum als Beeinträchtigungen der Würde des Verletzten auf, weil sich der Verletzer der Rechte und damit der Person des anderen als bloßer Mittel zum Zweck bediene25. Nach Coing hält der Begriff des subjektiven Rechts die Auffassung lebendig, dass die individuelle Freiheit eine der grundlegenden Ideen ist, um deretwillen das Privatrecht existiert: „Denn im Gedanken des subjektiven Rechts kommt zum Ausdruck, daß das Privatrecht das Recht der voneinander unabhängigen, nach ihren eigenen Entschlüssen handelnden Rechtsgenossen ist.“26. Diesen Zielen ist auch die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes verpflichtet, die ein eigenverantwortliches Leben im vermögensrechtlichen Bereich ermöglichen soll und sich gegen Gesellschaftstheorien wendet, die nicht den Einzelnen, sondern das Kollektiv in den Vordergrund rücken27. Schließlich sind eindeutig definierte subjektive Rechte eine der Grundvorausset-
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Raiser, Grundgesetz und Privatrechtsordnung, 16. Pipes, Property and Freedom, 119 f. (aber a.a.O., 281: „The right to property in and of itself does not guarantee civil rights and liberties.“); Heinsohn/Steiger, Eigentumsökonomik, 24 (die Institution des Eigentums führe zu Rechtsstaatlichkeit und Freiheit des Individuums). 24 V. Ihering, IherJb 10 (1871), 387, 392; ders., Geist des römischen Rechts, 331; Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 66; Fikentscher, Wettbewerb, 210 („Eine Rechtsordnung, in der es kein Haben gibt, wäre genauso unmenschlich wie eine Rechtsordnung, in der es kein Erwerben und Verlieren gibt.“); Pipes, Property and Freedom, 63, 286 und öfter („Property is an indispensable ingredient of both prosperity and freedom.“); Rainbolt, Concept of Rights, 243 („… rights rest essentially on the feature of persons. In this sense, one who believes that there are rights believes that individuals are a source of obligations.“); ferner z.B. Schwäbisch Hall-Stiftung, Kultur des Eigentums, 121 (Stürmer: „Wo das Eigentum fällt, da muss der Bürger nach. Mit dem Eigentum geht es um die Zukunft der Freiheit.“), 134 (Würth: „Ohne Eigentum ist alles nichts.“), 149 (Biedenkopf: „Wo Eigentum geschützt wird, herrscht Freiheit. Wo Eigentum missachtet wird, herrscht Unfreiheit … Man braucht Eigentum zum Schutz der Freiheit.“). Zu Hegels Eigentumstheorie oben § 12 C V. 25 Kant, Grundlegung, 430. 26 Coing, in: Coing/Lawson/Grönfors, Das subjektive Recht, 7, 23; Raiser, JZ 1961, 465, 466. 27 Siehe oben § 11 B I; ferner Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie, 200; Meyer-Abich, Schutzzweck der Eigentumsgarantie, 58 (die enge Verbindung von Freiheit und Eigentum als realer Basis personaler Existenz sei innerer Grund der Eigentumsgarantie); Di Fabio, Freiheit, 273 f. (aus der grundlegenden Entscheidung für die individuelle Freiheit folge u.a. das Eigentum als Grundrecht und als Institution); Raiser, AöR 78 (1952/53), 118 (geistiger Zusammenhang mit den humanitär und liberal konzipierten Grund- und Freiheitsrechten); Rittner, FS Schilling, 363, 378; Leisner, in: HdbStR, § 149 Rn. 24 („Sieg des liberalen Eigentums“). 23
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zungen für die dezentrale Mehrplanwirtschaft, die ebenfalls methodologisch und normativ einem individualistischen Ansatz folgt28. Es ist nachdrücklich zu betonen, dass diese Erkenntnisse hier nicht in Abrede gestellt werden. Insbesondere ist es zutreffend, dass subjektive Rechte ein wichtiges Instrument zur Ermöglichung eines selbstbestimmten Lebens in Würde und Freiheit sind und daher ohne Zweifel zu den unverzichtbaren Grundbausteinen einer freiheitlichen Privatrechtsordnung zählen. Auch vor diesem Hintergrund erscheint es verfehlt, das subjektive Recht aus der Rechtstheorie zu verbannen und es zu einer „Hilfsvorstellung“ zu degradieren29. Wenn man sich zu alldem bekennt, erscheint eine liberale Kritik subjektiver Rechte zunächst theoretisch unmöglich. Das wäre jedoch nur bei einer undifferenzierten Betrachtung der Fall, die nicht zwischen verschiedenen Arten von Rechtspositionen und beanspruchten Exklusivitätsräumen unterscheidet. So ist das privatautonom begründete relative Recht nicht Gegenstand der folgenden Kritik der Eigentumslogik, soweit es auf einer Zustimmung des Verpflichteten beruht, aus der es seine Legitimation bezieht30. Auch der gesetzliche Schutz individueller Interessen und Güter, dessen Verletzung vom Einzelnen nach seinem Gutdünken geltend gemacht werden kann, wird hier nicht in Zweifel gezogen – im Gegenteil31. Schließlich richten sich die Bedenken nicht generell gegen die intensivste Form der Güterzuordnung durch Ausschließlichkeitsrechte, sondern lediglich gegen die Übersteigerung dieses Regelungsinstruments zum unreflektierten Allheilmittel – eben gegen die Eigentumslogik, wonach letztlich jeder Vermögenswert irgendjemandem exklusiv „gehören“ muss, während die damit verbundenen Einschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit unberücksichtigt bleiben. Selbst eine in diesem Sinne differenzierte Betrachtung erscheint inopportun, weil man damit der kollektivistischen Kritik des Eigentums und der individuellen Freiheit Steilvorlagen gibt32. Diese Gefahr ist dem Verfasser bewusst33. Sie ist aber
28 Oben § 3 B I; ferner Eucken, Wirtschaftspolitik, 275 (Privateigentum unabdingbare Voraussetzung für private Freiheitssphäre); Vesting, Symposium Hoffmann-Riem, 21, 22 (Dezentralisation der Rechtsproduktion). 29 Siehe oben § 14 A I. 30 Zu dieser Voraussetzung oben § 14 B I. 31 Zum Deliktsrecht als Instrument des Schutzes negativer Freiheit oben § 14 B II und unten II 2. 32 Siehe Isensee, in: Schriften Leisner, V ff.; Hruschka, JZ 2004, 1085, 1091 (Lehren, die nicht vom subjektiven Recht ausgingen, stellten nicht den einzelnen Menschen, sondern die Gesellschaft in den Mittelpunkt ihrer Theorie); Pipes, Property and Freedom, 279 ff. Ferner Knieper, KritJ 1980, 117, 126 („… die Ordo-Liberalen, denen an sich schon die Gewährung von solchen Schutzrechten suspekt sein sollte, könnten sich hier ausnahmsweise einmal mit den Keynesianern zusammentun“). 33 Welche zerstörerischen Abwege die Aufgabe der Idee des subjektiven Rechts eröffnet, zeigt die nationalsozialistische Rechtstheorie, die in ihrer radikalsten Form das subjektive Recht durch eine „Rechtsstellung des Volksgenossen … im Recht, das heißt in der Lebensordnung der Gemeinschaft“ ersetzen wollte und sich zum Satz steigerte: „Nicht ,jeder Mensch‘ ist als Person rechtsfä-
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kein Grund, freiheitsfeindliche Tendenzen im Namen des Eigentums unausgesprochen zu lassen und sehenden Auges Fehlentwicklungen hinzunehmen, die auf die Dauer das gesamte Konzept privaten Eigentums in Misskredit bringen34. Wer die aus dem Prinzip gleicher Freiheit folgenden Grenzen der Ausschließlichkeitsrechte herausstreicht, kann nicht dem Lager solcher Ideologien zugerechnet werden, die überindividualistische oder transpersonale Werte verfolgen35. 2. Die Hypertrophie der Ausschließlichkeitsrechte als Gefahr für die Freiheit Im Kern wird hier eine konsequente Umsetzung der Erkenntnis eingefordert, dass sich positive Eigentümerfreiheit und negative allgemeine Handlungsfreiheit qualitativ unterscheiden. In ideengeschichtlicher Perspektive richtet sich die Kritik mithin gegen die vorbehaltlose Gleichung Eigentum = Freiheit, die Willoweit auf die Doppelbedeutung des Wortes „dominium“ zurückführt. Demnach sei Thomas v. Acquin von der Willensfreiheit ausgegangen, weil der Mensch „dominus suorum actuum“ sei. „Dominium“ sei zu dieser Zeit aber bereits ein juristischer Fachterminus gewesen, der das Eigentum als das rechtmäßige Haben von Sachen beschrieben habe36. In besonders wirkmächtiger Art und Weise findet sich die Vermengung beider Aspekte im zweiten Teil von John Lockes „Two Treatises“. Zwar unterscheidet Locke bei der Formulierung des Endzwecks des Staates teilweise zwischen dem Schutz von „lives, liberties, and possessions“ der Bürger37. Auch an anderen Stellen werden persönliche Handlungsfreiheiten („liberties“) und die Güter des Einzelnen („properties“) auseinandergehalten38. Überwiegend hingegen verwendet Locke den Terminus „property“ sowohl für das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) als auch für das Eigentum (Art. 14 GG): „By property I must be understood here, as in other places, to hig,34sondern nur der Volksgenosse als ,Rechtsgenosse‘.“; siehe Larenz, in: Dahm/Huber, Grundfragen, 225, 258 f. (Hervorh. im Original); ferner Blomeyer, FS Lehmann, 1937, 101, 106 ff. (nicht mehr das subjektive Recht sei der Grundbegriff, sondern das Rechtsverhältnis, um das Recht nicht mehr vom Einzelnen, sondern vom Ganzen denken zu können). 34 Ebenso in Bezug auf eine notwendige Funktionalisierung der Privatautonomie Mestmäcker, Recht und ökonomisches Gesetz, 402 f. (man taste die Selbstbestimmung nicht an, wenn man nach den Rechtswirkungen der Vertragsfreiheit frage, um den Rechtsgehalt der Institution zu ermitteln). 35 Siehe allgemein Radbruch, Rechtsphilosophie, 146 ff.; ferner Eucken, Wirtschaftspolitik, 273; aus US-amerikanischer Sicht ebenso Boyle, Law and Contemporary Problems 66 (2003), 33, 50 (die Kritik an der Expansion der Immaterialgüterrechte könne vom gesamten Spektrum „from civil libertarians to free marketeers“ vorgetragen werden). 36 Willoweit, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 7, 10 f.; ferner Pipes, Property and Freedom, 3 ff., 63. 37 Locke, Two Treatises, Book 2, §§ 85 a.E., 124, 171 („So that the end and measure of this power, when in every man’s hands in the state of nature, being the preservation of all of his society, that is, all mankind in general, it can have no other end or measure, when in the hands of the magistrate, but to preserve the members of that society in their lives, liberties, and possessions.“). 38 So Locke, Two Treatises, Book 2, § 149 („… the liberties and properties of the subject.“), 227 („… when they, who were set up for the protection, and preservation of the people, their liberties and properties, shall by force invade and endeavour to take them away …“).
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mean that property which men have in their persons as well as goods.“39. Auch in anderen historischen Texten der Grundrechtsdemokratie wird das Eigentum den angeborenen Menschenrechten auf Leben und gleiche Freiheit an die Seite gestellt, obwohl es in der neuzeitlichen Philosophie stets als Produkt der staatlichen Rechtsordnung angesehen wurde40. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass man in der Folgezeit von einer geradezu unverbrüchlichen Komplementarität des Eigentums und der persönlichen Freiheit ausging41. Demgegenüber haben insbesondere Autoren, die dem ordoliberalen Denken zugeordnet werden können oder ihm nahestehen, seit langem darauf hingewiesen, dass Ausschließlichkeitsrechte Instrumente privater Machtausübung sind, die deshalb nicht vorbehaltlos gutgeheißen und gegenüber kritischer Hinterfragung immunisiert werden dürfen. So forderte Eucken, die Notwendigkeit der Institution Eigentum und ihre Problematik „in aller Schärfe zu sehen“, ohne in die überkommene Dichotomie zwischen laissez faire und pauschaler Kritik am Privateigentum zu verfallen42. Stattdessen sei die Rechtsordnung – einschließlich des Privatrechts (!) – als allgemeiner Rahmen so auszugestalten, dass der Wettbewerb als Mittel zur dezentralen Verhinderung von Missbräuchen des Privateigentums funktioniere43. Da Wettbewerb um Eigentum individuelle Entfaltungsspielräume voraussetze, müsse diese Freiheit zum Erwerb gewahrt werden, während nicht
39 Locke, Two Treatises, Book 2, §§ 173, 85 a.E., 123 a.E. („… and it is not without reason, that he seeks out, and is willing to join in society with others, who are already united, or have a mind to unite, for the mutual preservation of their lives, liberties and estates, which I call by the general name, property.“), 222; ebenso Pipes, Property and Freedom, XV; Heinsohn/Steiger, Eigentum, Zins und Geld, 462 („Zum Eigentum gehört auch das Eigentum an der eigenen Person.“). Siehe zur von Locke verwendeten Begrifflichkeit auch Schild, in: Schwartländer/Willoweit, Recht auf Eigentum, 33 f.; Hofer, Ideengeschichtliche Quellen, 53; v. Hayek, Verfassung der Freiheit, 226 mit Fn. 61 (Locke habe unter „property“ immer „life, liberty and possessions“ verstanden). 40 Siehe französische Erklärung der Menschenrechte v. 26.8.1789: Le but de toute association politique est la conservation des droits naturels et imprescriptibles de l’Homme. Ces droits sont la liberté, la propriété, la sûreté, et la résistance à l’oppression. Dazu auch Meier-Hayoz, FS Oftinger, 171, 177; ferner oben § 12 C VI. 41 Oben 1 und Pipes, Property and Freedom, 287 (uneingeschränkt symbiotisches Verhältnis von Freiheit zu Eigentum). 42 Eucken, Wirtschaftspolitik, 273; Biedenkopf, FS Böhm, 113, 135 (Relativierung des subjektiven Rechts durch Berücksichtigung wirtschaftlicher Macht); Krüger, FS Schack, 71, 76 ff. Tendenziell anders die Motivation für die Aufforderung, verstärkt darüber nachzudenken, „welche Rechtsstellungen … Anerkennung verdienen, und ob es notwendig und ausreichend ist, sie als subjektive Rechte mit den daran im Rechtsschutzapparat des Zivilrechts geknüpften Konsequenzen zu bezeichnen“, bei Raiser, JZ 1961, 465, 471 ff. (Sozialstaatsgedanken, Warnung vor einer individualistischen Isolierung der Rechtsgenossen, protestantische Sozialethik, die das Eigentum nur als Lehen verstehe). 43 Eucken, Wirtschaftspolitik, 275 (nur die Wettbewerbsordnung mache das Privateigentum auf Dauer erträglich); Knieps, Wettbewerbsökonomie, 4 f.; zur damit verbundenen Ordnungsaufgabe des Rechts Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, 187 ff. („öffentlich-rechtliche Betrachtungsweise privatrechtlicher Institutionen“); Raiser, JZ 1961, 465, 472; Westermann, AcP 178 (1978), 150, 157 m.w.N.; Reuter, AcP 189 (1989), 199, 214; Mestmäcker, ZHR 137 (1973), 97, 104 ff.
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jeder Vermögenswert statisch zugeordnet werden dürfe44. Die Akzeptanz einer freiheitlichen Marktwirtschaft hänge nämlich maßgeblich davon ab, dass Effizienzgewinne nicht nur einzelnen zukommen, sondern unter allen Marktteilnehmern einschließlich der Verbraucher gestreut werden45. In jüngerer Zeit hat Ladeur in mehreren Schriften die Bedeutung des rechtsstaatlich-liberalen Schutzes negativer Freiheit in der postmodernen, nicht mehr auf homogenen Wertüberzeugungen beruhenden Gesellschaft herausgearbeitet und die Forderung erhoben, „daß private Rechte, insbesondere Eigentumsrechte, nicht zu umfassend und nicht zu rigide definiert werden, weil dadurch Handlungsmöglichkeiten systemwidrig, trotz der Notwendigkeit der Entscheidung auf der Grundlage partiellen Wissens, begrenzt werden könnten“46. In der Tradition dieser Denkweise sieht sich die folgende, liberale Kritik der Eigentumslogik. Sie beruht auf der Erkenntnis, dass jede mit dem hoheitlichen Gewaltmonopol durchsetzbare Befugnis eine Einschränkung der umfassend gewährleisteten, allgemeinen Handlungsfreiheit des Schuldners darstellt. Der Inhaber eines Ausschließlichkeitsrechts hingegen genießt einen positiven Freiheitsraum, in dem nur er agieren darf. Diese Privilegierung ist eine Ausnahme vom Prinzip, dass jeder Mensch über das gleiche Ausmaß negativer Freiheit, bildlich gesprochen über den gleichen „leeren“ Raum verfügt, in dem er seine Persönlichkeit unabhängig von äußeren Zwängen entfalten kann. Denn dem Eigentümer und dem Inhaber von Immaterialgüterrechten werden exklusiv bestimmte Befugnisse im Umgang mit Gütern vorbehalten, von denen alle anderen Abstand nehmen müssen. Vorstaatlich zu denken („angeboren“) ist nur die allgemeine Handlungs-, nicht die Eigentümerfreiheit. Diese Grundsätze werden in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 14 GG kohärent umgesetzt. Demnach ist Eigentum im Sinne ausschließlicher subjektiver Rechte stets relational im Verhältnis zu den Ausgeschlossenen und nicht zum Objekt zu denken; ein absoluter, dem Gesetzgeber vorgegebener Begriff des Eigentums wird ebenso wie eine einseitige Sicht auf den Begünstigten bei der Ausgestaltung der Eigentumsordnung abgelehnt; und insbesondere garantiert das Grundgesetz Eigentum nicht um seiner selbst willen, sondern als akzessorisches Mittel zur Ermöglichung eines eigenverantwortlichen – also freien – Lebens im vermögensrechtlichen Bereich47. Auch die ökonomische 44 Nachweise oben § 12 C VI; ferner Böhm, Die Ordnung der Wirtschaft, 11 (die Bewegungsspielräume sollten so breit bemessen werden, wie es die Idee der geschlossenen und straffen Gesamtordnung nur irgend zulasse); Mestmäcker, JZ 1958, 521, 526 („Eine Rechtsordnung, die ihren Subjekten die Freiheit gewerblicher Betätigung gewährt, kann ihnen nicht gleichzeitig einen Tätigkeitsbereich mit festen Chancen und Erwerbserwartungen durch ein absolutes Recht zuweisen.“). 45 Siehe Willgerodt, FS Böhm 1975, 687, 693 ff. (die „partielle Vergesellschaftung“ von Leistungserfolgen unter Hinweis auf den Massenwohlstand sei ein wichtiges Argument zur Verteidigung der freiheitlichen Marktwirtschaft gegen marxistische Kritik). 46 Ladeur, Negative Freiheitsrechte, 58, 278; ders., Postmoderne Rechtstheorie, 170; Vesting, FS Schmidt, 427, 437; ders., Symposium Hoffmann-Riem, 21, 38 f.; Peifer, UFITA 2007, 327, 354 f. 47 Zu alldem oben § 11; ferner Vesting, FS Schmidt, 427, 434 (in der liberalen Eigentumstheorie gehe es um Beziehungen zwischen autonomen Einzelnen).
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Analyse stützt den undifferenzierten Ruf nach möglichst vielen, möglichst umfangreichen property rules schon lange nicht mehr48. Dass diese Grundlagen in der Privatrechtswissenschaft immer noch und immer wieder ignoriert oder in Abrede gestellt werden, beweist, dass Eigentum nicht als inhärenter Baustein einer herrschaftsfreien Ordnung aufgefasst wird, die primär dem Rechtsprinzip gleicher Freiheit verpflichtet ist49. Dabei haben die hier analysierten Beispiele „neuer“ Güter gezeigt, dass eine vorschnelle richterliche Zuordnungsentscheidung zu erheblichen Einschränkungen der wettbewerblichen und sonstigen Entfaltungsfreiheit führt. Erinnert sei an die Begünstigung marktmächtiger Unternehmen durch den sog. „wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz“, wonach Imitationen umso eher verboten wurden, je höher der Marktanteil und die daraus abgeleitete „Eigenart“ des nachgeahmten Produkts war, so dass gerade für solche Märkte eine Zutrittshürde errichtet wurde, die ohnehin schon von einem Anbieter dominiert wurden50. Auch die Umwidmung des zivilrechtlichen aPR von einem offenen Deliktstatbestand in ein umlauffähiges Ausschließlichkeitsrecht mit festem Schutzbereich würde die Meinungs- und Pressefreiheit erheblich beeinträchtigen51. Doch nicht nur diese Auswirkungen einer Zuordnungsentscheidung auf Dritte bleiben einer Eigentumslogik verschlossen. Vollkommen vernachlässigt wird der weitere Umstand, dass die Anerkennung von Ausschließlichkeitsrechten sogar dem Rechtsinhaber Freiheitseinbußen einbringen kann. So wird sich ein Unternehmen, das in einem Markt Schutz für sein eigenartiges Produkt gegen Nachahmungen genießt, mit eben dieser Marktzutrittsschranke konfrontiert sehen, wenn es seine Angebotspalette ausweiten und einem etablierten Mitbewerber Konkurrenz machen möchte. Und die Prominenten, denen eine viel größere Freiheit zur Selbstvermarktung versprochen wird, finden sich plötzlich in vergleichender Werbung von Unternehmen wieder, denen sie hierzu keine Zustimmung erteilt haben, und müssen ferner mit ansehen, wie der Erwerber der „vermögenswerten Bestandteile“ des Persönlichkeitsrechts aus ihrem Bildnis und Namen Kapital schlägt, während sie selbst zu einer konkurrenzierenden Nutzung nicht mehr befugt sind – ganz abgesehen davon, dass auf diese Weise ein bestimmtes Image der Person erzeugt wird, von dem sich der Betroffene nur noch schwer zu lösen vermag. Diese Effekte eines einseitigen Ausbaus der Eigentumsordnung zeigen, dass die Gleichung Eigentum = Freiheit zumindest verkürzt ist. Im Gegenteil, eine wuchernde Inflation immer neuer, auch von Gerichten anerkannter Ausschließ48
Oben § 3 B III. Wie hier Eucken, Wirtschaftspolitik, 291; Mestmäcker, Recht und ökonomisches Gesetz, 369, 376 (funktionale Betrachtung der Individualrechte in einer herrschaftsfreien Ordnung). Abzulehnen insbesondere Sieckmann, in: Berliner Kommentar, Art. 14 GG Rn. 21 (ein Modell der „Selbständigkeit von Eigentumsrechten“ vom objektiven Recht entspreche der liberal-rechtsstaatlichen Konzeption des Eigentumsschutzes). 50 Oben § 7 D III 2. 51 Oben § 13 B VII 3 b. 49
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lichkeitsrechte drängt die „leeren Räume“ zurück, in denen sich der Einzelne verhalten kann, ohne den Staat und andere Private um Erlaubnis fragen zu müssen. Diese Entwicklung kann im Kontext des allgemeinen Konflikts zwischen Freiheit und Sicherheit gelesen werden. Dem Sicherheitsbedürfnis der Bürger kommt der Staat zunächst durch öffentlich-rechtliche Regelungen nach. Mit Ausschließlichkeitsrechten gewährt er den Begünstigten ebenfalls Sicherheit, und zwar vor unerwünschter Konkurrenz durch andere, denen die betreffenden Nutzungshandlungen von nun an verschlossen sind. Je umfassender das Verhältnis der Rechtsunterworfenen durch positiv-exklusive Befugnisse geregelt ist, desto statischer wird die gesamte Rechtsordnung und das von ihr geregelte Zusammenleben der Menschen, weil die unregulierten Bereiche kleiner werden, in die der Einzelne vorstoßen und damit der gesamten Entwicklung Dynamik verleihen kann52. Das Mittelalter mit Leibeigenschaft, geteiltem Eigentum an Grund und Boden sowie einer hierarchisch gegliederten Gesellschaftsstruktur ist hierfür das wohl eindrücklichste historische Beispiel. Die heutige Behauptung eines Rechtsprinzips der Güterzuordnung indiziert eine zunehmend erstarrende Wohlstandsgesellschaft, in der es primär um die Wahrung des erlangten Besitzstandes geht, während die Chancen und Risiken des Zwillingspaares Freiheit und Verantwortung gefürchtet werden53. Eine solche Haltung verschärft aber nur die Gefahr, dass ein sich nicht mehr erneuerndes, auf die Handlungs- und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger elementar angewiesenes, freiheitlich-demokratisches Gemeinwesen54 abrupt und ggf. von außen aufgebrochen wird. Aus dieser Sorge heraus wird hier für eine Scheidung der bei Locke im damaligen historischen Kontext aus guten Gründen formulierten Gleichsetzung von Eigentum und Freiheit plädiert. Nun scheint diese Position den einseitigen Blick auf den Eigentümer nur durch eine ebenso einseitige Betonung der Interessen der Ausgeschlossenen zu ersetzen. Abgesehen davon, dass Privateigentum und subjektive Rechte wie erläutert gar nicht als solche in Frage gestellt werden, ist eine derartige Schieflage indes kaum zu erwarten, wie zunächst der tatsächliche Siegeszug der Eigentumslogik weit über das Sacheigentum hinaus beweist. Wie stark die Strahlkraft der Kerngedanken der Güterzuordnung mit ihrer vorgeblich unproblematischen Förderung des Individuums ist, zeigt sich etwa daran, dass die MarleneDoktrin und die durch sie verursachte Aufspaltung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in „vermögenswerte“ und „höchstpersönliche“ Bestandteile vom unter anderem für Urheberrecht zuständigen – und von diesem Denken ersicht-
52 Radbruch, Rechtsphilosophie, 243 (das Rechtsleben, solange es vorwiegend auf Sachenrecht gegründet sei, habe statischen Charakter). 53 Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 302 („Nur innovationsschwache, unkreative, auf Rückschritt eingerichtete Gesellschaftsordnungen bedürfen erhöhten Geheimnisschutzes für gewachsenes Betriebs- und Geschäftswissen.“). 54 BVerfGE 65, 1, 43 (1983); BVerfGE 115, 166, 188 (2006).
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lich beeinflussten – I. Zivilsenat und nicht vom eigentlich berufenen VI. Senat ausging, in dessen Geschäftsbereich vor allen Dingen Ansprüche aus unerlaubter Handlung einschließlich der Verletzung des aPR in seiner klassischen Gestalt fielen55. Ganz generell weist das Individualinteresse an der statischen Sicherung des Erworbenen Charakteristika auf, die es seinen Verfechtern leicht machen, das Prinzip gleicher Freiheit zu durchbrechen. Während stets Einzelfälle namhaft gemacht werden können, in denen eine bestimmte Person in anstößiger Weise um die Früchte ihrer Arbeit gebracht wurde, lässt sich der Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit weder an einer bestimmten Personengruppe noch an einem konkreten Zweck festmachen. Die Forderung nach „leeren Räumen“ für alle lässt sich im Wettstreit der Interessen nur schwer an den Mann bringen. Die Vorteile, sich hierfür statt für eine möglichst weitreichende Zuordnung zu entscheiden, sind so breit gestreut und wenig fassbar, dass sie häufig übersehen werden56. Das Bewusstsein für diese Problematik ist wohl auch deshalb relativ gering ausgeprägt, weil das Sacheigentum bis in das 19. Jahrhundert hinein das einzige Ausschließlichkeitsrecht war und „nur“ Handlungsbefugnisse im Umgang mit Sachen betrifft, deren rivalisierende Nutzung ohnehin zu regeln ist. Die potentiell freiheitsfeindliche Tendenz einer überbordenden Eigentumsordnung ist demnach ein relativ junges Phänomen, das sich erst in der rasanten Erstreckung des Paradigmas Sacheigentum auf immaterielle Güter realisierte, deren Zuordnung bedeutet, dass die Ausgeschlossenen nicht einmal mehr ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum benutzen dürfen, um z.B. Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst zu vervielfältigen oder Erfindungen gewerblich zu verwenden57. Vor diesem Hintergrund ist daher nicht zu befürchten, dass eine Kritik der Eigentumslogik die Bedeutung und den berechtigten Regelungsanspruch relativer und ausschließlicher subjektiver Rechte untergräbt. Schließlich ist der Gedanke, dass gerade die Privatrechtsordnung das Prinzip der gleichen negativen Freiheit zu verwirklichen, in den Worten Kants die „Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit“58 in Einklang zu bringen hat, in der Rechts- und Staatsphilosophie zwar
55 Siehe dazu den damaligen Vorsitzenden des I. Senats Ullmann, WRP 2000, 1051, 1052 mit Fn. 22 (man habe die Sache dem VI. Senat zur Annahme übermittelt, dieser habe aber abgelehnt); gegen Ullmanns Ansatz zuvor noch die Richterin des VI. Senats Müller, VersR 2000, 797, 799 mit Fn. 24, 804. Hierzu Schack, JZ 2000, 1060, 1061; Taupitz, in: Taupitz/Müller, Rufausbeutung nach dem Tode, 1, 2. 56 Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 439 („Wettbewerbsfreiheit ist ein wichtiges, aber farbloses, wenig greifbares Allgemeininteresse, während die ethische Mißbilligung von Nachahmern tief im Menschen verwurzelt ist und bewußt oder unbewußt stets auf Verständnis trifft.“). 57 Zum Begriff des Immaterialguts oben § 1 A III 1; zur Nichtrivalität immaterieller Güter § 3 B II 2 d. Zu dieser Entwicklung auch Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie, 199 (Eigentum müsse heute eher vom früheren Sonderfall des Patent- oder Urheberrechts her gedacht werden); Vesting, FS Schmidt, 427, 440 ff. 58 Kant, Rechtslehre, 230.
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tief verankert und weit verbreitet59. Es kann aber keine Rede davon sein, dass dieses Ideal zur allein dominierenden Sichtweise aufsteigt und alle anderen Regelungszwecke verdrängt oder missachtet. Denn eine formale Freiheitsethik schließt Einschränkungen individueller Entfaltungsspielräume zur Förderung des Allgemeinwohls und ihrer eigenen kulturellen Voraussetzungen keineswegs aus, sondern verlangt dafür zunächst nur – aber immerhin! – eine Rechtfertigung60. Im Gegenteil, das liberal-rechtsstaatliche Postulat gleicher Freiheit unter allgemeinen Gesetzen befindet sich im Wettstreit mit der materialen Wertethik unterschiedlicher Couleur regelmäßig in der Defensive61. Es wird hier wegen einer potentiell freiheitsfeindlichen Sogwirkung der ebenfalls materialen Kerngedanken der Güterzuordnung rekonstruiert. 59
Neben Kant siehe Locke, Two Treatises, Book 2, § 57 („So that, however it may be mistaken, the end of law is not to abolish or restrain, but to preserve and enlarge freedom: for in all the states of created beings capable of laws, where there is no law, there is no freedom …“); Rousseau, Contrat Social, Kap. 1.11 („Si l’on recherche en quoi consiste précisément le plus grand bien de tous, qui doit être la fin de tout système de législation, on trouvera qu’il se réduit à deux objets principaux, la liberté et l’égalité: la liberté, parce que toute dépendance particulière est autant de force ôtée au corps de l’État; l’égalité, parce que la liberté ne peut subsister sans elle.“); zur Sicherung größtmöglicher Freiheit des Individuums als Staatszweck bei Locke und Kant auch Hofer, Ideengeschichtliche Quellen, 152. Zu John Stuart Mill siehe Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 352 f.; Dworkin, Taking Rights Seriously, 259 ff. (Mill habe nicht das Konzept negativer Freiheit, sondern das komplexere Konzept der Selbstbestimmung bei Beachtung gemeinschaftlicher Werte verfolgt). In diesem Sinne Parlamentarischer Rat JöR 1 (1951), 42 (C. Schmid: der Staat ziehe seine Legitimität letztlich allein aus dem Auftrag, die äußere Ordnung zu schaffen, deren die Menschen für ein auf der Freiheit des Einzelnen beruhendes Zusammenleben bedürfen); Wieacker, Privatrechtsgeschichte, 352 („Ermöglichung der größten Freiheit, die mit der Freiheit der Rechtsgenossen zusammenbestehen kann“); ders., JZ 1961, 337, 345; Reuter, in: Bydlinski/Mayer-Maly, Ethische Grundlagen, 105; Mestmäcker, Recht und ökonomisches Gesetz, 15, 143 f.; ders., Legal Theory, 23 („Private law rules … make individual liberty compatible with the liberty of others under a general rule.“); ders., in: Orden Pour le mérite, 197 („… Recht fordert gleiche Freiheit …“); Diederichsen, AcP 198 (1998), 171, 211; Westermann, AcP 178 (1978), 150, 167; v. Münch, in: v. Münch/Kunig, vor Art. 1–19 GG Rn. 4; Leisner, Grundrechte, 215 (das moderne Privatrecht sei unter dem Einfluss der Grundrechte auf die Verwirklichung menschlicher Freiheit gerichtet); v. Hayek, Verfassung der Freiheit, 189 ff. m.w.N. (Rechtswissenschaft als Wissenschaft von der Freiheit); Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie, 212 (Aufgabe des Rechts sei es, die Fortsetzung der Selbstorganisation der pluralen differenzierten sozialen Systeme zu ermöglichen). Kritisch Raiser, Grundgesetz und Privatrechtsordnung, 30 (eine nur auf Isonomia angelegte, vom Rechtsstaat als „neutraler Ordnungsmacht in Form gehaltene Privatrechtsgesellschaft“ entspreche nicht mehr „unserer geschichtlichen Wirklichkeit“); Di Fabio, Freiheit, 117 („banales“ Freiheitsverständnis, das nur die Egalitaristen stärke); Schapp, AcP 192 (1992), 355, 367 (für eine Orientierung des Handelns an „werthaften Institutionen ethisch-kultureller Art“ in Ablehnung des formalen kategorischen Imperativs). 60 Siehe dazu Bydlinski, in: Kessal-Wulf u.a., Freiheitsethik, 99, 106 (keine „Alleinherrschaft“ der Freiheitsidee), 113 f. (individualistische und kollektivistische Positionen als Extreme treffen sich in der Mitte). Zum Verteilungsprinzip der freiheitlichen Rechtsordnung oben § 2 B II 2. 61 Aus jüngerer Zeit siehe nur Eucken, Wirtschaftspolitik, 175 (1950: „… die Idee der Freiheit … ist … mehr in Gefahr als je zuvor …“); v. Hayek, Verfassung der Freiheit, 8 (1960er Jahre: das Ideal der Freiheit sei „jetzt in der Defensive“); im Verhältnis zur Habermasschen Diskursethik Ladeur, Negative Freiheitsrechte, 7 ff., 313 f.
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II. Instrumente des Freiheitsschutzes im Privatrecht Einer der Gründe für die Fragilität des Rechtsprinzips gleicher Freiheit ist seine mangelnde rechtsdogmatische Durchdringung62. Dieser Aufgabe sollte sich die Privatrechtswissenschaft in Zukunft vermehrt stellen. Dem seien abschließend noch einige Bemerkungen gewidmet. 1. Grenzen der Zuordnung und Haftung als Schutz der Freiheit Der zivilrechtliche Schutz des Grundrechts, sich in verschiedenen Lebensbereichen frei entfalten zu können, kann auf zweierlei Weise verwirklicht werden. Der zuerst zu betrachtende Weg entspricht dem undefinierten, negativen Charakter dieses Schutzgegenstands. Er besteht darin, positive Darfrechte und die Haftung für die Verletzung gesetzlich festgelegter, allgemeiner Verhaltenspflichten zu begrenzen, so dass automatisch „leere Räume“ entstehen, in denen sich jedermann nach eigenen Vorstellungen verhalten kann, ohne auf durchsetzbare Belange Dritter Rücksicht nehmen zu müssen. Diese Studie hat gezeigt, dass das geltende deutsche Recht diesem „negativen“ Konzept in verschiedenen Zusammenhängen folgt. So ist der Schutzbereich aller normierten Ausschließlichkeitsrechte in vertikaler und horizontaler Hinsicht beschränkt63. Sämtliche gesetzlichen Schuldverhältnisse unterliegen dem Enumerationsprinzip, sie generieren also eine außervertragliche Haftung nur nach Maßgabe der kodifizierten Tatbestandsvoraussetzungen. Sie folgen damit nicht dem Prinzip des neminem laedere, das konsequent zu Ende gedacht jedes potentiell und erst recht jedes gezielt schädigende Verhalten (etwa im wirtschaftlichen Wettbewerb) einer Sanktion unterwirft und so das Streben um knappe Ressourcen von einer staatlichen Erlaubnis abhängig macht. Vielmehr hat grundsätzlich jeder die ihn treffenden Schäden selbst zu tragen (casum sentit dominus), wenn das Gesetz nicht ausnahmsweise eine Schadensverlagerung oder -abwehr vorsieht. Auf diese Weise wahrt das deutsche Recht nicht nur Handlungsfreiheiten (häufig negativ formuliert: verhindert untragbare Haftungsrisiken), sondern verwirklicht das mit Freiheit untrennbar verbundene Prinzip, wonach selbstbestimmtes Verhalten auch zu verantworten ist, die Folgen eigenen Verhaltens also grundsätzlich nicht auf andere abgewälzt werden dürfen64. Schließlich ist sogar das auf den ersten Blick neutrale, ja individuelle Entfaltung unterstützende Rechtsverkehrsrecht im Interesse des Schutzes allgemeiner Handlungsfreiheit begrenzt. Übertragbar und in der Einzelvollstreckung pfändbar sind nach dem Spezialitätsprinzip nämlich nur selbständige subjektive Rechte. Mit dieser Be62 Exemplarisch Esser, Einführung, 155, der sich zutreffend gegen ein subjektives Recht an der allgemeinen Handlungsfreiheit ausspricht, das „Atmen und Spazierengehen“ dann aber nur als „Selbstverständlichkeit, ,ich darf mich rechtmäßig verhalten‘“ bezeichnet, die Schutzbedürftigkeit dieses Freiraums also nicht problematisiert. 63 Dazu oben § 5. 64 Zusammenfassend oben § 9 E II.
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schränkung wird erreicht, dass der Einzelne erst in der Insolvenz vom Geschäftsverkehr ausgeschlossen wird und die Befugnis verliert, mit nicht statisch zugewiesenen Gütern wie dem Unternehmen oder Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit nachzugehen. Und selbst das Insolvenzrecht unterliegt vielfältigen Schranken, um die Selbstbestimmung des Gemeinschuldners zu wahren; insbesondere obliegt weiterhin ihm die Entscheidung über den Einsatz seiner Arbeitskraft65. Zu diesen begrenzenden Instrumenten im Interesse des Schutzes gleicher Freiheit kann sogar das Ergebnis des Hauptteils der Untersuchung gezählt werden, wonach allein der parlamentarische Gesetzgeber und nicht die Judikative zur Schaffung von Ausschließlichkeitsrechten zuständig ist. Diese von der Verfassung ausdrücklich vorgesehene Kompetenzverteilung ist nämlich eine verfahrensrechtliche „Bremse“, mit der einer in der beschränkten Tatsachengrundlage des Zivilprozesses und der Strahlkraft der Eigentumslogik angelegten, einseitigen Zuordnungsneigung der Gerichte Einhalt geboten wird66. Wer einen neuen, positiv-exklusiven Freiheitsraum erhalten möchte, muss nicht nur einen Richter, sondern eine parlamentarische Mehrheit überzeugen, die wiederum die Zustimmung der künftig Ausgeschlossenen repräsentiert. Da die Judikative nur konkret-individuelle Entscheidungen treffen kann, liefe die Zubilligung einer gerichtlichen Kompetenz zur Schaffung ausschließlicher Rechte außerdem auf Einzelfallprivilegien hinaus, die gerade kein Merkmal von Rechtsordnungen sind, in denen staatliche Herrschaft über allgemeine Gesetze ausgeübt wird, unter denen jedermann die gleichen Entfaltungschancen genießt. Dieser für einen privatrechtlichen Freiheitsschutz essentiellen Rechtsgleichheit (Isonomia) dient denn auch die mehrfach betonte Gesetzesbindung der Gerichte mit all ihren methodischen Konsequenzen67. 2. Freiheitsschutz durch das allgemeine Gesetz Der zweite Weg zur Verwirklichung des Rechtsprinzips gleicher negativer Freiheit im Privatrecht führt gewissermaßen direkter zum Ziel, ist dafür aber mit größeren Risiken verbunden, das Falsche oder zu viel zu tun. Diese Variante beschränkt sich nämlich nicht auf die Setzung von Grenzen, sondern nimmt die allgemeine Handlungsfreiheit und ihre Ausprägungen als eigentliche Schutzgüter in Blick. Die mit dieser Sichtweise verbundene Gefahr besteht darin, dass die Bereiche, in denen sich der Einzelne nach seinen Vorstellungen entfalten kann, nicht mehr durch bloße Haftungsbeschränkung offengehalten werden, sondern gesetzlich festgelegt wird, was der Einzelne tun darf, bevor er auf die „Rechte“ anderer 65
Dazu zusammenfassend oben § 10 G. Für Immaterialgüterrechte Lemley, Tex. L. Rev. 83 (2005), 1031, 1072 ff. Für den numerus clausus der beschränkten dinglichen Rechte Merrill/Smith, Yale L.J. 110 (2000), 1, 40 („… the numerus clausus imposes a brake on efforts by parties to proliferate new forms of property rights“). 67 Dazu oben §§ 2 C II, D; 12 C I, IV. 66
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stößt. Diese Umwandlung der undefinierten negativen Freiheit in staatlich zugewiesene positive Freiheit ist jedoch – wie erläutert – aus mehreren Gründen mit dem Rechtsprinzip gleicher Freiheit unvereinbar. Zum einen stellt sie das Verteilungsprinzip der freiheitlichen Rechtsordnung auf den Kopf, weil Freiheit nicht mehr vorstaatlich gedacht, sondern hoheitlich gestattet wird. Zum anderen droht ein System starrer Darfrechte, in dem die Dynamik individueller Persönlichkeitsentwicklung zum Erliegen kommt. Um dieser Gefahr auf begrifflich-dogmatischer Ebene entgegenzuwirken, sollte Freiheit im Sinne der Abwesenheit von Zwang im gleichgeordneten Verhältnis der Bürger untereinander68 nicht als subjektives Recht gedacht werden, weil dieser Terminus zu sehr im Banne des abgesteckten Gehörens steht69. Damit wird nicht etwa einem laissez faire das Wort geredet und private Machtausübung ignoriert. Es ist gerade die Aufgabe des Privatrechts, kollidierende Entfaltungsinteressen zu ordnen. Negative Freiheit bedarf des Schutzes vor Privatrechtssubjekten, die auf andere Zwang ausüben und so das Prinzip gleicher Entfaltungsspielräume in Frage stellen. Abgelehnt wird hier lediglich die Vorstellung, zur Verwirklichung dieses Ziels seien staatlich definierte Verhaltensbefugnisse vorzusehen70. Stattdessen ist von einem Schutz der Freiheit unter allgemeinen Gesetzen auszugehen, wonach für ausnahmslos jedermann die gleichen Verhaltenspflichten gelten, die der Freiheitsausübung des Einen im Interesse der Wahrung anderer „leerer Räume“ vorhersehbare Schranken setzen, ohne
68 Zu den Grundrechten als subjektiven Abwehrrechten im Verhältnis zum Staat oben §§ 2 B I, 14 B III. 69 Jakobsohn, Unterlassungsklage, 152 f. (das Individuum könne in keiner Weise um seinen Tätigkeitsbereich eine chinesische Mauer ziehen, innerhalb deren Kundschaft und Lieferanten an seinen Willen geschmiedet seien); Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, 172 (der aus dem aPR folgende „Teilhabeanspruch“ sei kein subjektives Recht, sondern ein Instrument zur Korrektur in den Bereichen, wo eine freie Entfaltung des Menschen nicht mehr möglich sei); Peifer, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 74 (die allgemeine Handlungsfreiheit sei kein Recht, sondern ein dem Recht vorbestehender Zustand); a.A. Fikentscher, Wettbewerb, 210, 244 (es sei unrichtig, ein subjektives Recht an der Wettbewerbsfreiheit zu verneinen); Kummer, Anwendungsbereich und Schutzgut UWG, 122 (die Möglichkeit, wirtschaftlich frei tätig zu sein, müsse als subjektives Recht Teil der Wirtschaftsordnung sein); Scherzberg, DVBl. 1989, 1128, 1135 (dem Individuum sei ein Recht zu eigener Freiheitsausübung zugewiesen). Zur Vorstellung von Christian Wolff vom subjektiven Recht als der Freiheit zu handeln Coing, in: Coing/Lawson/Grönfors, Das subjektive Recht, 7, 18 f. m.w.N. 70 Vorsicht ist auch geboten, wenn negative Freiheit statt durch subjektive Rechte durch ein „institutionelles Rechtsdenken“ bzw. einen „Institutionsschutz“ gewährt werden soll; so aber Raiser, JZ 1961, 465, 472; Medicus, AT, Rn. 72; Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse, 105; Hofmann, Subjektives Recht und Wirtschaftsordnung, 316 f. („Sozialisierung des subjektiven Rechts“). Denn auch hier liegt die dem Rechtsprinzip gleicher Freiheit gerade zuwiderlaufende Vorstellung nahe, der gewährte Rechtsschutz etabliere einen Freiraum, der vom Staat erst geschaffen werde, und von diesem nach zentral definierten Vorstellungen ausgestaltet werden könne; zur sog. institutionellen Grundrechtstheorie in diesem Sinne Böckenförde, NJW 1974, 1529, 1532 f. m.w.N.; Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, 84 ff. m.w.N.; Schapp, Freiheit, Moral und Recht, 8 f.; v. Münch, in: v. Münch/Kunig, vor Art. 1–19 GG Rn. 24 m.w.N. Differenzierend auch Mestmäcker, Recht und ökonomisches Gesetz, 376.
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positiv zu bestimmen, was unterhalb der Beeinträchtigungsschwelle getan werden darf oder gar soll71. Die erforderliche Abgrenzung dient dem Ziel, allen ein Höchstmaß an Selbstbestimmung zu ermöglichen. Dieser Aufgabe wird man in Anbetracht der Offenheit der kollidierenden Interessen am ehesten gerecht, wenn man alle Umstände des Einzelfalls in eine umfassende Abwägung einbringt. Dieses Vorgehen hat das Bundesverfassungsgericht bereits in der LüthEntscheidung formuliert. Demnach kann sich „niemand … auf die angeblich absolut geschützte Position des Art. 2 GG zurückziehen und jeden Angriff auf sie ,von wem er auch kommen mag‘, als Unrecht oder Verstoß gegen die guten Sitten ansehen“. Vielmehr müsse es bei der zwangsläufigen Kollision grundrechtlich geschützter Freiheiten zu einem abwägenden Ausgleich kommen. Was als Ergebnis dieser Abwägung an freien Entfaltungsmöglichkeiten verbleibe, müsse hingenommen werden72. Im Laufe dieser Untersuchung ist festgestellt worden, dass das deutsche Privatrecht dem Konzept geordneter Freiheit unter allgemeinen Gesetzen jenseits des mit einem festen Schutzbereich versehenen, subjektiven Rechts in mehreren Bereichen folgt. Erinnert sei an die Verbote vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung und unlauteren Wettbewerbs, die nach Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls persönliche Entfaltung beschränken, um den gleichrangigen Freiheitsanspruch des Betroffenen zu wahren. Diese Abgrenzungs- und Ausgleichsfunktion erfüllt das Deliktsrecht insbesondere dort, wo es – z.B. in Gestalt des zivilrechtlichen aPR – über den ursprünglich vorgesehenen Rahmen hinaus fortgebildet wird, mit anderen Worten neue allgemeine Rechtspflichten etabliert werden, deren Bedeutung zur Wahrung gleicher Freiheit der historische Gesetzgeber übersehen oder unterschätzt hat. Welche praktische Bedeutung dem richtigen konzeptionellen Verständnis des privatrechtlichen Freiheitsschutzes zukommt, hat sich insbesondere während der langjährigen Entwicklung des aPR und des Rahmenrechts am Gewerbebetrieb gezeigt. So wurde das von Fikentscher vorgeschlagene „wirtschaftliche Persönlichkeitsrecht“73 von Vielen fälschlicherweise als Bestätigung ihrer Forderung nach einer partiellen Umwidmung des klassischen aPR in ein vermögenswertes Ausschließlichkeitsrecht aufgefasst74. Dabei hat dieser Vorschlag mit kommerziellen Interessen an der Vermarktung der eigenen Person gar nichts zu tun, sondern zielt auf die „Freiheit des Kunden, unbeeinträchtigt durch Wettbewerbsbe71 Siehe Eucken, Wirtschaftspolitik, 175 ff.; Mestmäcker, Recht und ökonomisches Gesetz, 141 ff., 409 (Gestaltung eines Ordnungsrahmens, ohne die individuellen Entscheidungen der Rechtssubjekte inhaltlich zu kontrollieren). Zur Vertragsfreiheit in diesem Sinne ders., a.a.O., 397 ff., 401; unter Einbeziehung der Sicherstellung autonomer Entscheidungen der Verbraucher auch Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, 179, 208 f. 72 BVerfGE 7, 198, 220 (1958) – Lüth. 73 Siehe Fikentscher, Wirtschaftsrecht II, 112, 131 ff.; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1572; dazu auch Lehmann, FS Hubmann, 255 ff.; ablehnend Forkel, FS Neumayer, 229 ff. 74 Etwa von Schack, Urheberrecht, Rn. 51 mit Fn. 40; Peifer, GRUR 2002, 495, 497 mit Fn. 35; Bungart, Dingliche Lizenzen, 104; Kläver, ZUM 2002, 205, 208; Gauß, Mensch als Marke, 92.
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schränkungen und durch unlauteren Wettbewerb bedient zu werden“. Geschützt werden soll die wirtschaftliche Selbstbestimmung75 der Verbraucher im Marktgeschehen, deren Entfaltungsfreiheit anders als die der Unternehmen (Recht am Gewerbebetrieb) nicht mit einem speziellen Rahmenrecht gewährleistet werde. Dieses Beispiel zeigt, dass Freiheitsschutz nicht in den Kategorien des subjektiven Rechts beschrieben werden sollte, weil sonst der Eindruck entsteht, es werde der statische Schutz des Erworbenen propagiert. Ähnliche Schwierigkeiten lassen sich im Hinblick auf das Rahmenrecht am Gewerbebetrieb konstatieren. Versteht man diesen offenen Deliktstatbestand nämlich irrtümlich als subjektives Recht am Besitzstand, neigt man entweder wie die frühe Rechtsprechung zu einer Überdehnung und Verfestigung des Schutzes des Erworbenen oder man lehnt wie große Teile der Literatur und zuletzt auch der I. Zivilsenat ein solches „absolutes Recht“ an der wirtschaftlichen Betätigung als systemfremd ab76 – übersieht dabei aber, dass es durchaus Fallgestaltungen gibt, in denen das übrige Deliktsrecht des BGB und des UWG strukturelle Ungleichgewichte zwischen Privaten bestehen lässt, die wiederum dazu führen, dass der Geschädigte der Fremdbestimmung durch Dritte schutzlos ausgeliefert ist. Diesen über mehr als 100 Jahre gepflegten Fehlvorstellungen ist der Große Zivilsenat schließlich zu Recht entgegengetreten und hat in besonders prägnanter Weise klargestellt, dass unter dem Titel des „Rechts am Gewerbebetrieb“ allgemeine Verhaltenspflichten zur Wahrung wirtschaftlicher Betätigungsfreiheit formuliert werden, mit denen einer überschießenden Tendenz der Eigentumsordnung in Sonderfällen wie der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung entgegengewirkt werden kann77. Letztlich ist diese Studie selbst ein Beweis dafür, dass die Rechtswissenschaft dem Schutz des Erworbenen durch die Eigentumsordnung wesentlich mehr Aufmerksamkeit schenkt als der Ermöglichung des vorangehenden Erwerbs. Sie war der Suche nach einer Rechtsgrundlage für die richterliche Anerkennung ungeschriebener Ausschließlichkeitsrechte gewidmet. Gefunden wurde indes kein Rechtsprinzip der Güterzuordnung, sondern ein Rechtsprinzip des Schutzes gleicher Freiheit.
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Dazu Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, passim. Zuletzt Sack, Recht am Gewerbebetrieb, 159 (das Recht am Gewerbebetrieb sei wegen der fehlenden Rechtswidrigkeitsindikation ein abzulehnender Fremdkörper in § 823 Abs. 1 BGB). 77 BGHZ (GS) 164, 1 ff. (2005); ferner oben §§ 6 B IV 2, 13 A II 1 d. 76
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Europäische und Internationale Rechtsquellen Charta, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. 2000 Nr. C 364/01 GeschmMVO, Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster v. 12.12.2001, ABl. Nr. L 3/1 GMVO, Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke v. 20.12.1993, ABl. Nr. L 11/1 PVÜ, Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums v. 20.3.1883, BGBl. 1970 II, 391 rBÜ, Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Pariser Fassung) v. 9.6.1886, BGBl. 1985 II, 81 RL 2004/48/EG, Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums v. 29.4.2004, ABl. Nr. L 157, berichtigt ABl. Nr. L 195/16 RL 2005/29/EG, Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) v. 11.5.2005, ABl. Nr. L 149/22 Rom-II-Verordnung, Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), ABl. Nr. L 199/40 SortSchVO, Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates über den gemeinschaftlichen Sortenschutz v. 27.7.1994, ABl. Nr. L 227/1 TRIPS, Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS-Übereinkommen) v. 15.4.1994, BGBl. II, 1730 und ABl. Nr. L 336/2213 Verordnung 1346/2000, Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates über Insolvenzverfahren v. 29.5. 2001, ABl. Nr. L 160 v. 30.6.2000 Verordnung 772/04, Verordnung (EG) Nr. 772/2004 der Kommission über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 EG auf Gruppen von Technologietransfer-Vereinbarungen v. 27.4.2004, ABl. Nr. L 123/11 WCT, WIPO-Urheberrechtsvertrag v. 20.12.1996, BGBl. II, 754 WUA, Welturheberrechtsabkommen (Pariser Fassung) v. 6.9.1952, BGBl. 1973 II, 1111
Personen- und Sachverzeichnis Abwehranspruch siehe Allgemeiner Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch Abwehrrecht 66 ff., 700, 722, 882 actio – contraria 479, 482 – directa 479, 482, 498, 501 – negatoria 308 Allgemeiner Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch 28, 289 ff., 446 f. Allgemeininteressen 328 ff., 349 ff., 364, 368, 371 f. Amortisation 111, 113, 329, 815 f. Analogie 86, 233 ff. Aneignungsrechte 60 f., 448, 678 Angehöriger 182 f., 193, 203, 832 ff. Anspruch 50, 856 ff. Anthropologie 94, 747, 749 Anwartschaftsrecht 449, 544, 549 Arbeitskraft 441, 606, 624 f., 634, 657 Arbeitstheorie 735, 775 Arzneimittelzulassung 602 Ausschließlichkeitsrecht 21 ff., 56 ff., 211 ff., 884 ff. Ausschließungsrecht 864, 886 Ausschluss, negativer 58, 448, 859, 871 Ausschlussrecht 536, 613 f., 630, 633 ff. Aussonderung 588 f., 614, 628 Ausübende Künstler 152 f., 158 f., 229 Begriffsjurisprudenz 26, 33, 43 f. Behinderung, gezielte 377, 381, 383 Bereicherungsrecht 402 ff., 500 ff., 531, 824, 881 Berufsfreiheit 72 ff., 660, 679, 894 Beseitigungsanspruch 289 ff., 340, 384, 827, 833 f., 866 Bestandsgarantie 695 ff., 724 Bestandteil 216 Besteuerung 104, 108, 689, 708, 843 Bevollmächtigung 186, 523, 561, 563, 568, 818, 837 Bewegungsfreiheit 72, 253, 519
Bilder von Sachen 137 ff., 816 f. Bildnisrecht 81, 173, 179, 190, 829, 832, 842 Billigkeit 418 ff., 432 ff., 459 f. Blankettnorm 510, 528, 538, 548, 559, 764 Böhm, Franz 355 ff., 372, 398 Canaris, Claus-Wilhelm 68 ff., 241, 787 casum sentit dominus 241, 248, 433, 530, 803, 906 Coase, Ronald 116, 121, 789 Code Civil 243, 338 Commons 103 f., 106 Computerprogramm 211 ff., 819, 852, 877 contra legem 89, 791, 838, 853 Darbietung 145, 152 f., 157 f., 226 ff. Darfrecht 790, 840, 885, 894 f., 906 Daten 213 ff. Datenbanken 154 f. DDR 751 Deliktsrecht 237 ff., 338 ff., 408 ff., 496 ff., 796 ff., 879 ff. Demokratie 20, 126, 772 f., 777, 895, 900 DENIC 163 f., 599, 607 Dispositionsbefugnis, eigentumsrechtliche 223 ff., 449, 818 Dogmatik 32 ff. Donellus 38 Drittwirkung, mittelbare 66 ff. Dualismus 196, 345 f., 351 Dualismus, methodologischer 34 ff. Dücko-Entscheidung 168 ff., 608 f., 633 ff., 821 e-contrario-Argumentation 10, 325 f. Effizienz 95 f., 103 ff., 116 f., 125 ff. EGBGB 18, 239, 403, 442 f., 503 EGV 25 f., 361, 364, 368 Ehe 269 ff., 592 Ehre 174 f., 253 f., 826 Eigenart 324 ff., 374 ff., 389 ff.
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Personen- und Sachverzeichnis
Eigengeschäftsführung, angemaßte 473 ff., 496 ff., 504 ff. Eigenrecht 171 f., 822 Eigentum – geistiges 169, 385, 783 869 – kleines 667, 685 – sachenrechtliches siehe Sacheigentum – verfassungsrechtliches 73 ff., 660 ff., 838 ff. Eigentumslogik 896 ff., 907 Eingriffskondiktion 28, 402 ff., 417 ff., 500 ff. Einwilligungsermächtigung 565 ff. Einwirkung 218 ff. Einzelvollstreckung 587 ff., 655 ff. Einziehungsermächtigung 551 ff., 564 f. Elektrizität 170 ff., 213 ff., 822 ff. Elterliche Sorge 270 f. EMRK 24, 664 Energie, elektrische siehe Elektrizität Enteignung 694 ff. Enumerationsprinzip 245 ff., 281 ff., 432 ff., 802 ff. Erbe 637 ff., 830 ff. Erbrechtsgarantie 665 f., 845 Erbschaft 637 ff., 656 Erfindung 110 ff., 229 f., 703 Erfolgsunrecht 180, 264, 286, 369, 458 f., 849 Ermächtigung 551 ff. Erstbegehungsgefahr 299 Erwerbsordnung 14 Ethnologie 94, 749 Europäisches Recht 24 f., 230, 315, 360, 392 f. EUV 25 Exklusivität 41, 309 ff., 818 ff., 860 ff., 893 ff. Externalität 105 extra ius 89, 769, 791, 838, 853 Familienrecht 269 ff., 575, 646, 807 Fikentscher, Wolfgang 14, 42, 121, 732, 909 Firma 108, 232, 581, 621 f., 841 Forderung 50 Forderungszuständigkeit 423, 450, 523, 528 Fotografie siehe Bild der Sache Freiheit – negative 74 ff., 786 ff., 880 ff., 907 f. – positive 884 ff., 901, 907 f.
– gleiche 74, 727 ff., 784 ff., 906 ff. Freiheitsethik, formale 896, 905 Freiheitsparadox 759 Freiheitsschutz 262 f., 880 ff., 895 ff. Fremdgeschäftsführung 486, 493 Fremdgeschäftsführungswille 489 ff. Frucht der Arbeit 161, 732 ff., 766, 815, 904 funktionale Betrachtung 42 ff., 240 ff., 371 ff. Gegenstand, sonstiger 218, 558, 889 Geheimnis 166 ff., 386 ff., 608 ff., 631 ff., 821 Geldentschädigung 183 ff., 828, 834 f. Gemeinfreiheit 263, 329, 334, 395, 764 Gemeingebrauch 248, 764 Gemeinschaftsgeschmacksmuster 154, 230 Generalklausel 211 ff., 278 ff., 316 ff., 534 ff., 891 ff. Geographische Herkunftsangabe 295, 313, 467, 520, 545, 678, 869 Gerechtigkeit – ausgleichende 240 ff., 417 ff. – austeilende 420 ff. Gesamtrechtsnachfolge siehe Universalsukzession Gesamtvollstreckung 636 ff. Geschäft – fremdes 478 ff., 496 ff., 511 ff. – objektiv fremdes 476, 490 f., 495 – subjektiv fremdes 490, 516 Geschäftsanmaßung siehe Eigengeschäftsführung, angemaßte Geschäftsführung ohne Auftrag 473 ff. – berechtigte 478 f., 482, 487 – echte 478 ff. – unberechtigte 478 f., 483, 501 – unechte 478 ff., 492 ff. Geschäftsherr 478 ff., 552, 765, 795, 884 Geschmacksmusterrecht 230 Gesetzgeber 17, 711 ff., 766 ff., 884 ff. Gestaltungsrecht 50 Gesundheit 249, 345 Gewaltenteilung 37, 88, 712 Gewerbebetrieb siehe Recht am Gewerbebetrieb Gewerbefreiheit 24, 262, 353, 784 Gewerkschaften siehe Koalitionsfreiheit Gewinnabschöpfung 186, 826 ff.
Personen- und Sachverzeichnis
Gewinnherausgabe 194, 384 f., 414, 496 ff. Gewohnheitsrecht 89, 714, 749, 759 Goodwill 115, 578 ff., 620, 631 Grundrechte 66 ff., 660 ff., 756 ff., 838 ff., 891 ff. Grundrechtecharta 24, 65, 664 Grundstück 105 Gut – immaterielles 39 f., 108 ff. – neues 2, 137 ff. – öffentliches 108 f. – privates 108, 110 Gute Sitten siehe Sittenwidrigkeit Güterzuordnung 47 f. Halbleiterschutz 230 Handlungsfreiheit, allgemeine 74 ff., 726, 791 ff. Handlungsrecht 101 Hausrecht 146 ff., 221 ff., 817 Heck, Philipp 426, 439 Hegel, Georg Friedrich Wilhelm 736, 773, 779 ff. Herkunftstäuschung 322 ff., 378, 390 Herrschaftsrecht 40, 53, 57, 886 HGB 575, 622, 637 Hobbes, Thomas 773 ff. Hörfunk 144, 152, 721 Hume, David 35 Ihering, Rudolf v. 41, 49, 863 ff. Immaterialgut siehe Gut, immaterielles Immaterialgüterrecht 6, 108, 151, 225 ff., 819 Imperativentheorie 49, 858, 862 Inalienability 103 Individualismus, normativer 124 ff., 365 Indizwirkung 53, 180 ff., 251, 286, 436, 850 ff. Inhaltsbestimmung 670 ff., 713, 720 Innehabungsordnung 14, 262 Insolvenz 611 ff. Insolvenzfestigkeit 571, 588 Insolvenzmasse 164, 196, 539, 612 ff., 821 Insolvenzverwalter 540, 611 ff., 821 Institutsgarantie – abstrakte 698 ff., 726, 761, 795, 817 – konkrete 697 f. Interessen 41 f., 342 ff. – ideelle 189 ff., 636, 826 ff. – kommerzielle 189 ff., 636, 846 ff.
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Interessenkreis siehe Rechtskreis Internalisierung 106 Internet 2, 163 ff., 224 f., 854 ff. Internet-Domain 3, 107, 163 ff., 519, 606 ff., 820 f. Intimsphäre 81, 174, 186, 826 intra ius 89 ff., 754, 845 Istmasse 614 ius ad rem 51 Kant, Immanuel 35 ff., 241, 777 ff., 887 Kartellrecht 295, 367 Kauf 620 ff., 820 ff., 876 Kennzeichenrecht 115, 231 ff., 467 Kleine Münze 226 Knappheit 99, 105 ff., 676 Koalitionsfreiheit 272 ff. Kommerzialisierung 192 ff., 826 ff. Kompetenz 17 ff., 84 ff., 711 ff., 766 ff., 880 ff. Konsequentialismus 16, 126, 161, 329, 370 Kontraktstheorie 775 Körper 249 ff., 271, 519 Körperlichkeit 214 ff. Kosten 103 ff., 151 ff., 412 ff., 484, 813 KUG 11, 176 ff., 650, 830 ff. Kundenliste 622, 631 ff. Kunst 226 ff., 819, 851 Lauterkeitsrecht 313 ff. Leben 70, 249 ff. Lebensgüter 53, 248 ff., 429, 519, 863 ff. LEGO 323 Leistungskondiktion 171, 404, 414, 418, 427, 458 Leistungsschutz, wettbewerbsrechtlicher 320 ff., 375 ff., 535 Leistungsschutzrechte 192 Leistungsschutzurteile 158, 284, 732 liability rule 103 ff., 114 Liberalisierung 360, 367, 393, 825 Lizenz 328, 535, 545, 568, 821 Lizenzanalogie 384 ff., 821, 834 Locke, John 735 ff., 750, 774 ff., 899 Marke 115 f., 231 f., 382, 836 Markt 95 ff., 455 ff. Marktstörung 381, 396, 812 ff. Marlene-Entscheidung 173, 189 ff., 636, 825 ff. Menschenwürde 71, 74, 174, 186, 835, 839
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Personen- und Sachverzeichnis
Merchandising 175, 192, 203, 625, 836 Methodenmonismus 36 Mode 154, 335, 382, 730, 820 Monismus 196, 840 f. Monopolrecht 57, 141 Nachahmung 154, 320 ff., 377 ff., 812, 902 – sklavische 159, 331, 393 Nachahmungsfreiheit 8 ff., 320 ff., 394 ff., 812 ff. Nachlass 538, 637 ff., 830 ff. Nachlassgläubiger 639, 653 Nachlassinsolvenzmasse 638 Nachlassverbindlichkeit 638, 653 Namensrecht 554, 607, 829 Nationalsozialismus 198 Natur der Sache 672, 746 ff. Naturgut 105 ff. Naturrecht 35, 120, 745 ff. negatorischer Anspruch 183, 293, 307, 311 neminem laedere 78, 241 ff., 529 ff., 906 Neoklassik 96 f., 102, 116, 123 Neue Institutionenökonomik 96, 132 Nichtleistungskondiktion 403, 418, 428, 441, 468 Nießbrauch 570 ff., 603, 652 Normenschutz 679 f., 718, 870, 889 numerus clausus 7 ff., 544 ff., 789 ff., 873 Offenkundigkeit 801 f. Okkupationstheorie 777 ff. Ökonomik 96 ff., 370, 738 Ökonomische Analyse 98 ff. – positive 98, 100 ff. – normative 99, 123 ff. Online-Spiel 206, 536, 608, 657, 854 f. open access 104, 114 Pachtvertrag 541, 581, 877 Parfüm 227 ff., 819 Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ) 318, 371 Parlamentsvorbehalt 711 ff., 767 ff., 797, 840, 895 Patentverletzung, mittelbare 60 Paternalismus 836 Person – juristische 82, 183, 522, 617, 806 – natürliche 82, 617 Persönlichkeitsmerkmale 173 ff., 825 ff.
Persönlichkeitsrecht – allgemeines 81 ff., 173 ff., 255 f., 610, 825 ff. – postmortales 83, 182, 192 ff., 830 ff. – wirtschaftliches 852, 909 – verfassungsrechtliches 81 ff., 174 ff., 625, 840 – vermögenswerte Bestandteile 173 ff., 536, 610, 647, 825 ff. Pfändbarkeit 59, 572 ff., 730, 869 Pfandrecht 570 ff. Pflanzenzüchtung 111, 154, 231, 314 Picker, Eduard 529 ff. Positivismus 37, 85 ff., 745, 759 Postkarte 137, 817 Prävention 183, 305, 508, 828, 834 Privatautonomie 455, 463, 542, 715, 874 ff., 889 Privatnützigkeit 205, 675 ff., 691 ff., 762 Privatrecht, subjektives 683 ff., 705, 864, 889 property right 100 ff., 789, 893 property rule 103 ff., 131, 902 Prozessstandschaft, gewillkürte 191, 553 ff., 837 Psychologie 94 Quasikontrakt 485 quasi-negatorischer Anspruch siehe Allgemeiner Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch Rahmenrecht 254 ff., 719 ff., 796 ff., 863 ff., 909 ff. Recht – anderes 546 ff. – absolutes 52 ff. – ausschließliches siehe Ausschließlichkeitsrecht – abgeleitetes 21, 528, 544 – beschränkt dingliches 21 ff., 293, 543 ff., 570 ff. – derivatives siehe abgeleitetes – dingliches 52, 293, 449, 543 ff., 570 ff. – objektives 44 ff., 676 ff., 857 – originäres 21 ff., 534 ff. – primäres 54 ff., 874 ff. – relatives 50 ff., 523 ff., 541, 805, 874 ff. – sekundäres 54 ff., 289, 388 – sonstiges 240 ff. – subjektives 48 ff., 54 ff., 250, 596, 614, 683, 857 ff., 896 ff.
Personen- und Sachverzeichnis
– subjektives öffentliches 685 ff. – übertragbares 451 ff., 539 ff. – verkehrsfähiges 534 ff., 551 ff. Recht am Arbeitsplatz 271 Recht am Bild der Sache 137 ff., 816 f. Recht am Gewerbebetrieb 256 ff., 719 ff., 807 ff., 909 f. Rechtsfortbildung 84 ff., 739 ff., 799 ff., 838 ff. Rechtsfortwirkung 84, 192, 422, 807 Rechtsgleichheit 79, 784 ff., 851, 907 Rechtsgrund 433 ff. Rechtsgrundlage 7 ff., 546 ff., 573 f., 589 ff. Rechtsgut 37 ff., 248, 442, 674, 743 Rechtsinhaber 116 f., 537, 789, 871, 902 Rechtskreis 241, 254, 513 Rechtsnotstand 734, 767 Rechtsobjekt 37 ff., 668, 676, 741 Rechtsordnung, freiheitliche 245, 656, 788, 875, 896 ff. Rechtsposition 61 ff., 537 ff., 644 ff., 675 ff., 873 ff. Rechtsprechung 20, 87 ff., 766 ff., 838 ff. Rechtsprinzip 66 ff., 303 ff., 730 ff., 845 ff. Rechtssicherheit 390 f., 665, 768 Rechtsstaat 88, 128, 665, 753, 766 ff. Rechtsvergleichung 23 f., 475 f., 815, 892 Rechtsverhältnis 48, 653 Rechtsverkehr 534 ff., 186 Rechtsverkehrsrecht 532 f., 539 f., 574, 654 ff. Rechtswidrigkeitstheorie 413 ff., 448 Reflex 362, 679, 718, 889 Regelbeispiel 388 ff., 811 ff. Reine Rechtslehre 55, 857 ff. relational 121, 858, 901 Rhetorik 846 Richtlinie 2005/29 24, 314 ff., 352, 378 Rivalität 105 ff., 213 ff., 730 Rom-II-Verordnung 339, 503 Römisches Recht 486, 542, 552 Rufausbeutung 324 f., 333, 379 Sache 137 ff., 213 ff., 746, 816 f. Sacheigentum 6 ff., 212 ff., 452, 570 Sachenrecht 23, 216, 423, 543 Satellit 107 Savigny, Carl Friedrich von 40, 49, 417, 848
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Schaden, normativer 385, 459, 821, 827, 834 Schadensberechnung, dreifache 168, 327, 384 f. Schadensersatz 237 ff., 384 ff., 411 f., 497 ff., 796 ff., 833 f. Scheinbegründung 739 ff., 816 Schenkung 876 Schloss-Tegel-Entscheidung 139 ff., 218 ff. Schmerzensgeld 185, 197 ff. Schmiergeld 521 f. Schrankenbestimmung 674, 695, 713 f. Schuldverhältnisse – gesetzliche 61 ff., 527 ff., 402 ff., 473 ff. – vertragliche 4 f., 520 ff., 822 ff. Schutzbereich 212 ff., 664 ff., 718 ff. Schutzgesetz 230 f., 298, 383, 863 ff. Schutzpflicht 70 ff., 271, 660 ff., 695 ff., 712 Schutzrechtsverwarnung, unberechtigte 259 ff., 811, 910 Schutzzweck 256 ff., 331 f., 353 ff., 398 Schutzzwecktrias 347 ff., 357 f. Schweizerisches Recht 351, 815 Second Life 206, 854 Selbstbestimmung, informationelle 54, 83, 621 f. Sendefrequenz 107, 109 Sendung 145, 153, 155, 238 Sinnganzes 758 Sittenwidrigkeit 280 ff., 322, 339, 877 f. Sollmasse 619, 623 Sonderdeliktsrecht 338 ff., 397 Sonderopfer 721 Sonderschutzrechte 7, 10 ff. Sortenschutz 154, 230 f. Sozialbindung 708 ff., 725 Sozialrechtliches Verständnis 345 ff. Soziologie 94, 760 Spezialitätsprinzip 540, 580, 631, 657, 869 Sportveranstaltung 143 ff., 181 f., 535, 817 ff. Stimme 174 f., 825 f. Stockwerkseigentum 23 Störer 70 ff., 269, 301 Störerhaftung 45 f., 184, 301 f. Strafrecht 216 f., 235, 380, 595 suum cuique 734 Tausch 97, 876 f. Technik 144, 153 ff., 229 f.
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Personen- und Sachverzeichnis
Technische Schutzmaßnahmen 155 Tonträger 152 f., 229, 238 Totenfürsorge 270 f. Tragödie der Allmende 105, 777 Transaktionskosten 103, 115 ff., 768 Treibhausgasemissionszertifikate 106 Überlassung zur Ausübung 559 f., 592, 603 Übertragbarkeit 103 f., 209, 328, 539 ff., 584 ff. Übertragung 539 ff. – beschränkte 546 ff., 572 ff., 657 – konstitutive 547, 556 f. – translative 195 f. – unbeschränkte 569 Umstände, besondere 377 ff. Unerlaubte Handlung 238 f., 308 ff., 339 Universalsukzession 539, 641 ff., 795, 874 Unlauterkeit 311 ff., 811 ff. Unterlassungsanspruch 289 ff., 342, 866 ff. Unternehmen 342 ff., 578 ff., 620 ff., 631 ff. Urheberpersönlichkeitsrecht 841 Urheberrecht 226 ff. Utilitarismus 123, 126 f. Veranstaltung 143 ff., 817 ff. Verbotsrecht 221 ff., 886 Verbraucher 315, 346 ff. Verdinglichung 51 Vererblichkeit 193, 636 ff., 838 ff. verfassungsmäßige Ordnung 15 ff., 758 Verfassungsrecht 84 ff., 353 ff., 660 ff., 838 ff. Verfügung 539 ff., 552, 675 ff. Verfügungsbefugnis 422, 547, 575 Verfügungsermächtigung 552, 561 Verfügungsrecht 57, 101 f., 131 f., 853 Verhaltensunrecht 45 f., 268 Verkehrsanschauung 512, 689 f. Verkehrspflicht 251, 451, 804 Vermögen 243 ff., 464 ff., 640 ff.
Vermögensrecht 10, 57, 165, 598 ff. Vermögenswert 616 ff., 687 ff., 733 ff. Verpfändung siehe Pfandrecht Verpflichtung 541 f., 618 f., 696 f. Verpflichtungsermächtigung 565 ff. Verteilungsprinzip 77, 245 f., 570 Vertragsverletzung 521 Vertretung 560 ff. Verwaltungsbefugnis 616 ff., 631 Verwendungskondiktion 406, 468 f. virtuelle Güter 206 f., 854 f. Vorbehalt des Gesetzes 88 f., 593, 772 Vorrang des Gesetzes 88 f., 772 Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung 277 ff., 300 f. VVG 579, 581 Warenzeichenrecht 519 Wechselwirkungslehre 324, 379 Werk 226 ff., 610 Wertersatz 193, 409 Wesensgehalt 700, 761 Wesentlichkeitsgrundsatz 770 Wettbewerb – Begriff 371 ff. – unverfälschter 349 ff., 362 ff. Wettbewerbsfreiheit 322, 363 ff. Wettbewerbsrecht 313 ff., 319, 358 Wettbewerbsverbot 520 ff. Widerrechtlichkeit 244 f., 296 ff., 414 ff., 439 Wiederholungsgefahr 297 Windscheid, Bernhard 645, 865 f., 889 Wirkung, formale 44 ff., 264 ff., 682 f. Wirtschaftsordnung – marktwirtschaftlich 24, 121, 357, 737 – planwirtschaftlich 95, 355 f. Wirtschaftswissenschaften 95 ff. ZPO 587 ff. Zuweisungsgehalt 426 ff. – negativer 446 ff. – positiver 448 ff. Zwangsvollstreckung 587 ff., 620 ff.