Grundlagen der maschinellen Beatmung: Einführung in die Beatmung für Ärzte und Pflegekräfte 3131487925, 9783131487926

Beatmung - differenziert und erfolgreich durchführen Das Buch behandelt umfassend die physiologischen und pathophysiolo

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German Pages 456 [443] Year 2010

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Grundlagen der maschinellen Beatmung: Einführung in die Beatmung für Ärzte und Pflegekräfte
 3131487925, 9783131487926

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Grundlagen der maschinellen Beatmung Einführung in die Beatmung für Ärzte und Pflegekräfte Herausgegeben von

Jörg Rathgeber Unter Mitarbeit von Jan Baum † Peter Neumann Jan-Holger Schiffmann Klaus Züchner 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage 229 47

Abbildungen Tabellen

Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

1. Auflage 1999 bei Aktiv und Druck Verlag (MCN)

© 2. Aufl., 2010, Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14 70469 Stuttgart Deutschland Telefon: +49/(0)711/8931-0 Unsere Homepage: www.thieme.de Printed in Germany Umschlaggestaltung: Thieme Verlagsgruppe Umschlaggrafik: Martina Berge, Erbach Satz: medionet Ltd, Berlin gesetzt aus Indesign CS3 Druck: Grafisches Centrum Cuno, Calbe ISBN 978-3-13-148792-6

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Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Werk eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem Buch abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen.

Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro-verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

V

Vorwort zur 2. Auflage

1 1

Als vor fast 10 Jahren das Buch „Grundlagen der maschinellen Beatmung“ als Neufassung der „Praxis der maschinellen Beatmung“ erschien, war die Resonanz bei Intensivmedizinern aller Fachbereiche sowie beim intensivmedizinischen Fachpflegepersonal überaus positiv. Offenbar hatte das Buch eine Marktlücke geschlossen, denn bereits nach kurzer Zeit hatte sich das Buch einen festen Platz bei jungen intensivmedizinisch interessierten Ärzten und Pflegekräften erobert – obwohl es der im Vorwort zur 1. Auflage angekündigte 2. Band des Werkes nie in die Buchläden schaffte. Die Gründe hierfür waren vielfältig: der Wichtigste war das zunehmende Nebeneinander unterschiedlichster Softwareversionen in äußerlich gleichen Geräten, die eine eindeutige Charakterisierung der Besonderheiten bestimmter Gerätefamilien zunehmend erschwerte und die geplante gerätebezogene Hilfestellung bei der klinischen Umsetzung therapeutischer Strategien ad absurdum führte. Neuere Erkenntnisse bei der Pathophysiologie des Lungenversagens haben die therapeutischen Strategien bei der Beatmung von Patienten mit respiratorischer InsufÏzienz in den letzten Jahren grundlegend verändert, so dass eine komplette Überarbeitung der 1. Auflage dringend nötig erschien. Dem Trend auch anderer Bücher entspre-

chend habe ich namhafte Kollegen gebeten, mich bei der Überarbeitung spezieller Teilbereiche zu unterstützen. So zeichnet nunmehr Herrn Prof. Dr. Jan-Holger Schiffmann für die Überarbeitung des Kapitels „Pädiatrie/Neonatologie“ verantwortlich, Herr Prof. Dr. Jan Baum (inzwischen verstorben) für den Beitrag „Narkosesysteme“. Mein langjähriger Göttinger Kollege Prof. Dr. Peter Neumann hatte sich zu meiner großen Freude bereit erklärt, nicht nur den Abschnitt „Narkosebeatmung“ grundlegend zu überarbeiten und zu erweitern, sondern stand mir zudem bei der Überarbeitung der Kapitel 5 und 7 hilfreich zur Seite. Herrn Dr. Klaus Züchner verdanke ich wiederum die Aktualisierung und teilweise Neuerstellung der Abbildungen. Ganz herzlich danke ich auch Frau Ueckert und Frau Biehl-Vatter vom Thieme-Verlag für ihre freundliche und konstruktive Unterstützung. Wir alle hoffen, dass uns die Überarbeitung gelungen ist und wünschen uns, dass wir mit der 2. Auflage des Buches an den Erfolg der ersten Auflage anknüpfen können.

Hamburg, im Januar 2010 Jörg Rathgeber

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

VII

Vorwort zur 1. Auflage

1 1

Maschinelle Beatmung gehört heute zur täglichen Routine bei der intensivmedizinischen Behandlung schwerstkranker Patienten. Vom Arzt wird daher die Bedienung hochentwickelter Respiratoren ebenso wie die Kenntnis und sichere Anwendung moderner Beatmungsstrategien erwartet. Nicht nur der Berufsanfänger steht hier vor fast unüberwindlichen Problemen: er soll sich zwar in kurzer Zeit mit einer Vielzahl unterschiedlicher Beatmungsformen und -muster vertraut machen, muss aber feststellen, dass die gängigen Lehrbücher der Intensivmedizin diesen Bereich oftmals nur unzureichend abdecken. Mittlerweile sind zwar auch Lehrbücher speziell zu diesem Thema erhältlich; die Fülle der hier angebotenen Informationen trägt jedoch oftmals nicht zum Verständnis der Gesamtproblematik bei und überfordert und entmutigt den nicht speziell an Beatmungsfragen interessierten Leser. Andererseits ist das Thema der maschinellen Beatmung zu komplex geworden, um es gleichsam nebenbei am Krankenbett zu erlernen. Beatmung ist zwar nur ein Bestandteil im intensivmedizinischen Gesamtkonzept: Unstrittig ist jedoch, dass Behandlungsdauer, Komplikationen und damit letztlich auch das Outcome der Patienten zu einem großen Teil auch von der Beatmungsstrategie abhängen. Grundlegende Kenntnisse über Prinzipien, Indikationen und Grenzen der Beatmung sind daher unabdingbare Voraussetzungen für eine erfolgreiche Intensivmedizin. Fortschritte in der Gerätetechnologie, neue Beatmungsformen ebenso wie differenzierte Strategien bei der Behandlung respiratorischer Störungen erforderten die komplette Neufassung des vor fast 10 Jahren erschienenen Buches Praxis der maschinellen Beatmung. Der zunehmenden Bedeutung der maschinellen Beatmung in Intensivmedizin und Anästhesiologie entsprechend wurde den theoretischen Grundlagen sowie praktischen Anwendungshinweisen erheblich mehr Raum gewidmet. Die Fülle des Stoffes machte die Aufteilung

des Buches in 2 Bände notwendig. Im nunmehr vorliegenden 1. Band werden die theoretischen Grundlagen erläutert, die für die erfolgreiche Behandlung von Patienten mit respiratorischer Insuffizienz unumgänglich sind. Der 2. Band soll einen Überblick über die charakteristischen Merkmale und Einsatzbereiche gängiger Respiratoren liefern, ihre Funktionsweise erläutern und als Hilfestellung bei der praktischen Handhabung dienen. Dabei kann und will das Buch kein umfassendes „Beatmungs-Lehrbuch“ im klassischen Sinne sein. Durch die inhaltliche Beschränkung auf die wesentlichen theoretischen und technischen Grundlagen, die zum Verständnis und zur adäquaten Durchführung der Beatmung unerlässlich sind, soll dem Anfänger vielmehr der Einstieg in die komplexe Materie der Beatmung erleichtert werden. Auf die ausführliche Darstellung von Randgebieten der Beatmung wurde auch in dieser Auflage bewusst verzichtet; sie werden in den bekannten intensivmedizinischen Lehrbüchern ausreichend behandelt. Zur Verdeutlichung der inhaltlichen Zusammenhänge wurden zahlreiche Abbildungen erstellt, wichtige Zusammenhänge wurden in Merksätzen einprägsam zusammengefasst. Mit ▶ gekennzeichnete Textstellen weisen den Leser auf die vertiefende Behandlung der Thematik an anderer Stelle hin, so dass Wiederholungen weitgehend vermieden werden konnten. Jedem Kapitel wurde ein ausführliches Literaturverzeichnis mit Hinweisen auf weiterführende Literatur nachgeordnet. Das Buch wendet sich damit nicht nur an den Arzt in der Weiterbildung, der Intensivmedizin zeitweise und oftmals eher „nebenbei“ betreibt, sondern gleichermaßen auch die Schwestern und Pfleger in der Intensivmedizin und Anästhesie. Durch ihre kontinuierliche Anwesenheit am Bett des Patienten obliegt ihnen die Verantwortung für die engmaschige Überwachung von Atmung und Beatmung. Dabei müssen respiratorische Veränderungen des Patienten und bedrohliche Kompli-

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VIII

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

Vorwort zur 1. Auflage

kationen nicht nur rechtzeitig erkannt, sondern ebenso die erforderlichen Therapiemaßnahmen unverzüglich eingeleitet werden. Im allgemeinen Teil werden daher in knapper und verständlicher Form einige wesentliche Grundlagen zur Physiologie und Pathophysiologie der Atmung vermittelt, die als Basiswissen unerlässlich sind. Danach werden die derzeit gängigen Beatmungsformen und -muster ausführlich beschrieben und kritisch bewertet. In gesonderten Kapiteln werden die technischen Prinzipien bei der Messung atemmechanischer Parameter sowie bei der Bestimmung von Gaskonzentrationen in den Atemgasen erläutert. Besonders eingegangen wird auf Überwachungsverfahren wie Pulsoximetrie und Kapnometrie sowie die graphische Darstellung und Interpretation von Druck-, Flow- und Volumenkurven. Nicht vernachlässigt werden klinisch relevante Probleme wie Atemgasklimatisierung und Hygiene. Einen breiten Raum nimmt die Beschreibung aktueller Beatmungs- und Therapiekonzepte ein, wie sie derzeit an der Göttinger Universitätsklinik bei Patienten mit unterschiedlichsten Formen der respiratorischen InsufÏzienz durchgeführt werden. Dazu gehören auch Besonderheiten der Analgosedierung, der Ernährung sowie der Pflege des beatmeten Patienten. Den Besonderheiten der Beatmung in der Pädiatrie sowie in der Notfallmedizin sind eigene Kapitel gewidmet. Das Kapitel Narkosebeatmung dürfte auch für den nicht speziell an-

ästhesiologisch ausgerichteten Leser von Interesse sein. An dieser Stelle möchte ich Herrn Ralf Köster und Frau Marianne Gehrkens aus der Betriebseinheit „Medien in der Medizin“ der Universität für die konstruktive Kritik sowie die unermüdliche Hilfe beim Umbruch sowie bei der graphischen Ausgestaltung des Buches danken. Auch die Unterstützung durch den Verlag Aktiv-Druck soll nicht unerwähnt bleiben, die den finanziellen Rahmen für die aufwendigen mehrfarbigen Graphiken geschaffen hat. Vor allem aber möchte ich Herrn Dr. rer. nat. Klaus Züchner aus dem Zentrum Anaesthesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin der Universität Göttingen danken, der als Herausgeber nicht nur technischen Beistand geleistet, sondern zusätzlich unermüdlich an der Gestaltung der Abbildungen und Inhalte mitgearbeitet hat. Ohne seine engagierte Hilfe und Unterstützung wäre dieses Buch nicht möglich gewesen. Gemeinsam mit ihm hoffe ich, dass die Lektüre des Buches dem Leser nicht nur das nötige Rüstzeug für die sichere Durchführung der Beatmung von Patienten in Intensivmedizin und Anästhesie vermittelt, sondern zugleich den Anstoß gibt für die intensivere Beschäftigung mit der Thematik.

Göttingen, im März 1999 Jörg Rathgeber

Anschriften

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Herausgeber: Prof. Dr. med. Jörg Rathgeber

Albertinenkrankenhaus Abt. Anästhesie und operative Intensivmedizin Süntelstraße 11a 22457 Hamburg

Autoren:

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Prof. Dr. med. Jan Baum (†) Zuletzt Abt. Anästhesiologie und Intensivmedizin Krankenhaus St. Elisabeth gGmbH Lindenstraße 3-7 49401 Damme

Prof. Dr. med. Jan-Holger Schiffmann Zentrum für Neugeborene, Kinder und Jugendliche Klinikum Nürnberg Breslauerstraße 201 90471 Nürnberg

Prof. Dr. med. Peter Neumann Klinische Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin Ev. Krankenhaus Göttingen-Weende e.V. An der Lutter 24 37075 Göttingen

Dr. rer. nat. Klaus Züchner Medizintechnischer Service Georg-August-Universität Bereich Humanmedizin Robert-Koch-Straße 40 37075 Göttingen

1 1 1 1 1 1 1 1

IX

Abkürzungsverzeichnis

1 1

A/C

AaDO2 AF ALI ALV

AMV AMV

AO2 APRV

APV

ARDS ARF ARI ASB

ASV

Assist-Control Ventilation, kontrollierte Beatmung, bei der die einzelnen Beatmungshübe patientengetriggert (assistiert) abgegeben werden alveolo-arterielle Sauerstoffgehaltsdifferenz Atemfrequenz Acute Lung Injury, akute respiratorische InsufÏzienz Adaptive Lung Ventilation, Weiterentwicklung des MMV-Modus zu einem komplexen rückkoppelnden Beatmungsverfahren, basiert auf dem druckkontrollierten volumengeregelten APV-Modus Atemminutenvolumen mandatorische Mindest-Ventilation (Augmented Minute Volume), Kombination von Spontanatmung und maschineller Beatmung mit garantiertem maschinellem Minutenvolumen O2-Angebot (Synonym: O2-Transportkapazität), entspricht DO2 Airway Pressure Release Ventilation, Kombination von freier Spontanatmung und druckkontrollierter Beatmung Adaptive Pressure Ventilation, optionale druckkontrollierte zeitgesteuerte/patientengetriggerte volumengeregelte Beatmung Acute Respiratory Distress Syndrome, akutes Lungenversagen Acute Respiratory Failure, akute respiratorische InsufÏzienz akute respiratorische InsufÏzienz Assisted Spontaneous Breathing, Synonym für druckunterstützte Spontanatmung Adaptive Support Ventilation, Weiterentwicklung des MMV-Modus zu ei-

nem komplexen rückkoppelnden Beatmungsverfahren, basiert auf dem druckkontrollierten volumengeregelten APV-Modus ATC Automatic Tube Compensation, automatische Tubuskompensation AutoFlow druckorientierte volumenkonstante Beatmung AvDO2 arterio-venöse Sauerstoffgehaltsdifferenz AZV Atemzugvolumen (Tidalvolumen) BE Base Excess, Basenüberschuss im Blut BGA arterielle oder venöse Blutgasanalyse BiPAP Bi-Level Positive Airway Pressure, druckunterstützte, nichtinvasive Beatmung für den Heimbeatmungsbereich BIPAP Biphasic Positive Airway Pressure, Kombination von freier Spontanatmung und druckkontrollierter Beatmung BiLevel BiLevel Pressure Controlled Ventilation, entspricht BIPAP BiLevel-VG BiLevel Pressure Controlled Ventilation-Volume Guarantee, druckregulierte volumenkonstante Beatmung auf BIPAP-Basis BPD Bronchopulmonale Dysplasie bpm breaths per minute, Atemzüge pro Minute C Compliance (Dehnbarkeit), Maß für die elastischen Eigenschaften des Atemapparates caO2 arterieller Sauerstoffgehalt (Oxigen Content) CC Closing Capacity, Verschlusskapazität der Lunge, Summe aus Verschlussvolumen und Residualvolumen Cdyn dynamische Compliance, definiert durch die Steilheit der Geraden, die bei normaler Ruheatmung den endexspiratorischen mit dem endinspirato-

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

X

1

Abkürzungsverzeichnis

Cges CL

1 1

CMV COHb COPD

CPAP

1 1

CPPV

Cstat CTh CV

1 1

D DL

1

DO2 E ECCO2-R ECMO

1 ELA

1

ELV EMMV

1 1

ERV EVLW FiO2

rischen Punkt auf der Ruhedehnungskurve verbindet Gesamtcompliance aus thorakaler und pulmonaler Compliance isolierte Compliance des Lungengewebes Continuous Mandatory Ventilation, Synonym für kontrollierte Beatmung Carboxyhämoglobin Chronic Obstructive Pulmonary Disease, chronisch obstruktive Lungenerkrankung, Synonym: COLD (Chronic Obstructive Lung Disease) Continuous Positive Airway Pressure, Spontanatmung mit PEEP Continuous Positive Pressure Ventilation, Synonym für kontrollierte Beatmung mit PEEP statische Compliance Compliance des knöchernen Thorax sowie der muskulären Strukturen Closing Volume, Verschlussvolumen der Lunge. Das Unterschreiten dieses Volumens während der Exspiration führt zum Verschluss kleiner Luftwege Diffusion, Grundlage für den Gasaustausch in Alveolen und Gewebe Diffusionskapazität, Maß für die Diffusionsfähigkeit des Lungengewebes O2-Angebot, entspricht AO2 Elastance, Lungensteifigkeit (1/C) Extracorporeal CO2-Removal, extrakorporale CO2-Elimination Extracorporeal Membran Oxigenation, extrakorporale Membranoxigenierung Extracorporeal Lung Assist, extrakorporales Lungenersatzverfahren Ein-Lungen-Ventilation Extended Mandatory Minute Volume, Synonym für mandatorische MindestVentilation, Kombination von Spontanatmung und maschineller Beatmung mit garantiertem Minutenvolumen exspiratorisches Reservevolumen extravaskuläres Lungenwasser Fraction of inspired Oxigen, O2-Anteil (Fraktion) im inspiratorischen Gasgemisch

funktionelle Residualkapazität High Frequency Jet Ventilation High Frequency Oscillation High Frequency Positive Pressure Ventilation HFV High Frequency Ventilation HZV Herzzeitvolumen IA Inspiratory Assist, Synonym für druckunterstützte Spontanatmung IBW Ideal Body Weight, ideales Körpergewicht ICP Intracranial Pressure, intrakranieller Druck ICR Interkostalraum (Zwischenrippenraum) IFA Inspiratory Flow Assistance, Synonym für druckunterstützte Spontanatmung IHS Inspiratory Help System, Synonym für druckunterstützte Spontanatmung IK inspiratorische Kapazität ILA Interventional Lung Assist, extrakorporales Lungenersatzverfahren mit passiv perfundiertem arterio-venösem Membranoxigenator ILV Independent Lung Ventilation, seitengetrennte Beatmung IMPRV Intermittend Mandatory Pressure Release Ventilation, BIPAP-Modus, bei der jeder spontane Atemzug mit inspiratorischer Druckunterstützung augmentiert wird IMV Intermittent Mandatory Ventilation, intermittierende mandatorische Beatmung, Kombination von Spontanatmung und maschineller Beatmung IMV-BIPAP BIPAP-Variante, bei der Spontanatmung praktisch nur auf dem (verlängerten) unteren Druckniveau möglich ist IPPV Intermittent Positive Pressure Ventilation, Synonym für kontrollierte Beatmung IPS Inspiratory Pressure Support, Synonym für druckunterstützte Spontanatmung IR Infrarot IRV-BIPAP Inverse Ratio-Biphasic Positive Airway Pressure, BIPAP, bei der das obere Druckplateau länger ist als das untere IRV Inverse Ratio Ventilation, Beatmung mit umgekehrtem Atemzeitverhältnis FRC HFJV HFO HFPPV

Abkürzungsverzeichnis

IRV KG MAC MAK MetHb MMV

NAVA

NIV

NO O2Hb O2phys P p

ΔP p(a-et)CO2 pAaDO2 paCO2 pACO2 pAO2 paO2 Patm PAV

PAW

PCA PC-CMV

PC-IRV PC-S-IMV

inspiratorisches Reservevolumen Körpergewicht minimale alveoläre Konzentration minimale Arbeitsplatzkonzentration Methämoglobin Mandatory Minute Ventilation, Minimal Minute Volume, mandatorische Mindest-Ventilation, Kombination von Spontanatmung und maschineller Beatmung mit garantiertem Minutenvolumen Neurally Adaptive Ventilatory Assist, Steuerung des Beatmungsgerätes proportional zur elektrischen Aktivierung des Zwerchfells Non-Invasive Ventilation, nichtinvasive Beatmung via Gesichtsmaske oder Helm Stickstoffmonoxid oxigeniertes Hämoglobin physikalisch gelöster Sauerstoff im Blut Druck Partialdruck, Partialdruckgradienten sind die treibende Kraft für den Gasaustausch zwischen arteriellem und venösem Blut in Lunge und Gewebe Druckdifferenz arteriell-endtidaler CO2-Gradient alveolo-arterielle O2-Partialdruckdifferenz arterieller CO2-Partialdruck alveolärer CO2-Partialdruck alveolärer O2-Partialdruck arterieller O2-Partialdruck Atmosphärendruck Proportional Assist Ventilation, Maschinelle Unterstützung der Spontanatmung proportional zur Atemanstrengung Atemwegsdruck, wird fälschlicherweise häufig mit dem Beatmungsdruck gleichgesetzt Patient Controlled Analgesia, patientenkontrollierte Analgesie Pressure Controlled Continuous Mandatory Ventilation, druckkontrollierte Beatmung druckkontrollierte IRV-Beatmung S-IMV mit druckkontrollierten maschinellen Beatmungshüben

Pressure Controlled Ventilation, druckkontrollierte Beatmung, Synonym für PC-CMV pECO2 endexspiratischer CO2-Partialdruck im Atemgas PEEP Positive End-Expiratory Pressure, positiv endexspiratorischer Druck Pendex Druck in den Atemwegen zum Ende der Exspiration petCO2 in der Atemluft gemessener endtidaler CO2-Partialdruck pH2O Wasserdampf-Partialdruck PIP Positive Inspiratory Pressure, Beatmungsdruck PLV Pressure Limited Ventilation, drucklimitierte Beatmung Pmax inspiratorischer Spitzendruck PNPV Positive Negative Pressure Ventilation, Wechseldruckbeatmung Poes Ösophagusdruck, wird bei atemmechanischen Manövern gelegentlich als Äquivalent des Pleuradrucks gemessen PPlat inspiratorischer Plateaudruck bei Beatmung Ppleu negativer Druck im Pleuraspalt, abhängig von Thoraxexkursionen, elastischen Rückstellkräften des Lungengewebes sowie Strömungswiderständen PPS Proportional Pressure Support, entspricht PAV Ppulm intrapulmonaler Druck, Druckdifferenz zwischen Alveolen und Umgebungsatmosphäre, entspricht etwa dem Druck in den Atemwegen PRVC Pressure Regulated Volume Controlled, druckregulierte volumenkontrollierte Beatmung PS Pressure Support, Synonym für druckunterstützte Spontanatmung PSV Pressure Support Ventilation, Synonym für druckunterstützte Spontanatmung PSV-BIPAP BIPAP mit Augmentierung der Spontanatmung auf dem unteren Druckniveau durch inspiratorische Druckunterstützung ptcCO2 transkutan gemessener CO2-Partialdruck ptcO2 transkutan gemessener O2-Partialdruck

XI

PCV

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

XII

Abkürzungsverzeichnis

Ptp

1 ˙ Q ˙ Q

1

s

˙ /Q ˙ Q s t R

1 RDS Re

1 RQ

1 1 1

RV SaO2 SBT S-CMV

S-IMV S-IPPV

1 SIRS

1

SMI

SpO2

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transpulmonaler Druck, Druckdifferenz zwischen intrapulmonalem Druck und intrapleuralem Druck Perfusion (Durchblutung) Shuntanteil des Herzminutenvolumens intrapulmonaler Rechts-Links-Shunt Resistance, Atemwegswiderstand, resultiert aus dem Verhältnis zwischen intrapulmonalem Druck und Atemstromstärke Respiratory Distress Syndrome, Atemnotsyndrom des Neugeborenen Reynolds-Zahl, oberhalb eines kritischen Wertes geht eine laminare in eine turbulente Strömung über respiratorischer Quotient, Verhältnis von CO2-Elimination zur O2-Aufnahme Residualvolumen Sauerstoffsättigung im arteriellen Blut Spontaneous Breathing Trial, Spontanatmungsversuch Synchronized CMV, kontrollierte Beatmung, bei der die einzelnen Beatmungshübe patientengetriggert (assistiert) abgegeben werden Synchronized IMV, patientengetriggerte IMV-Beatmung Synchronized IPPV, Synonym für kontrollierte Beatmung, bei der die einzelnen Beatmungshübe patientengetriggert (assistiert) abgegeben werden Systemic Inflammatory Response Syndrome Sustained Maximal Inspiration, maximale vertiefte Inspiration durch Atemtrainer Pulsoximetrisch gemessene Sauerstoffsättigung

SV SvO2 SνO2 TK V ΔV ˙ V ˙ V A ˙ /Q ˙ V A

VALI VC-CMV

VC-IRV VC-S-IMV VCV

˙ V D VD VD/V T ˙ V E VILI VK ˙O V 2 VPS VS

VT WOB

Spontaneous Ventilation, Spontanatmung Sauerstoffsättigung im venösem Blut Sauerstoffsättigung im gemischt-venösen Blut der A. pulmonalis totale Lungenkapazität Atemvolumen Volumendifferenz Atemvolumen pro Zeiteinheit (Flow) alveoläre Ventilation Ventilations-Perfusions-Verhältnis Ventilator Associated Lung Injury Volume Controlled Continuous Mandatory Ventilation, volumenkontrollierte maschinelle Beatmung volumenkontrollierte IRV-Beatmung S-IMV mit volumenkontrollierten maschinellen Beatmungshüben Volume Controlled Ventilation, Synonym für volumenkontrollierte Beatmung Totraumventilation Totraumvolumen (Volume of Dead Space) Totraumquotient, Verhältnis von Totraum zu Atemzugvolumen Gesamtventilation der Lungen Ventilator Induced Lung Injury Vitalkapazität Sauerstoffaufnahme pro Zeiteinheit Variable Pressure Support, entspricht VS druckkontrollierte, volumenorientierte patientengetriggerte MMV-Variante auf der Basis von PSV, erweitert durch die Voreinstellung weiterer Zielparameter Tidalvolumen (Atemzugvolumen) Work of Breathing, Atemarbeit

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1

Physiologie und Pathophysiologie der Atmung

1

Jörg Rathgeber Der Atem sollte in uns dringen wie edle Perlen, dann gibt es keine Stelle, die er nicht erreichen könnte. Wang Chung-Yü, 1568 – 1644 n. Chr. Unter Atmung versteht man den Austausch von Sauerstoff und Kohlendioxid zwischen dem Organismus und der Atmosphäre. Der O2-Verbrauch und die CO2-Bildung in den Zellen der Organe wird als Gewebeatmung oder innere Atmung, der Gasaustausch zwischen den Lungen und der Atmosphäre als Lungenatmung oder äußere Atmung bezeichnet. Innere Atmung und äußere Atmung sind durch den Blutkreislauf als Transportmedium für Sauerstoff und Kohlendioxid miteinander verbunden. Gasaustausch. Voraussetzung für den efÏzienten Gasaustausch von O2 und CO2 ist ein ausgewogenes Verhältnis von Perfusion und Ventilation (V˙a/ Q˙ ) in jeder der zahlreichen Gasaustauscheinheiten der Lunge. Idealerweise sollte (V˙a/ Q˙ ) 1,0 betragen. Das heißt, die Belüftung der Alveole soll ihrer Perfusion (jeweils gemessen in ml/min) entsprechen. Die Ventilation V˙ beschreibt den zeitlichen Verlauf der periodischen Veränderungen der in- und exspiratorischen Lungenvolumina durch die Atembewegungen und damit den konvektiven Transport der Atemgase zwischen den Alveolen und der Atmosphäre. Der Übertritt von O2 aus den Alveolen in das Blut bzw. von CO2 aus dem Blut in die Alveolen wird als alveolo-kapillärer Gasaustausch bezeichnet; er erfolgt durch Diffusion. Die Diffusionsrate hängt von der Diffusionsstrecke sowie den Gaspartialdrücken in den Alveolen und im Kapillarblut ab. Sie wird somit nicht nur von der Ventilation beeinflusst, sondern auch von der Durchblutung der Lunge, der Perfusion Q˙ . Die pulmonale Perfusion wird durch das zentrale Blutvolumen, den pulmonalen Gefäßwiderstand und das Herzzeitvolumen bestimmt, wobei den wechselnden Erfordernissen des Organismus entsprechend eine erhebliche Variationsbreite besteht. O2-Bedarf. Der O2-Bedarf in Ruhe beträgt ca. 250 – 300 ml/min, in der gleichen Größenordnung

liegt die CO2-Produktion. Bei maximaler körperlicher Belastung kann der O2-Bedarf um mehr als das 10-fache ansteigen, gleichzeitig nimmt das ▶ Atemminutenvolumen auf Werte bis 170 l/min zu. Zu einem Anstieg des O2-Verbrauchs kommt es auch durch Fieber, Muskelzittern, Unruhe, Krämpfe usw. Dagegen führen Unterkühlung, Sedierung, Muskelrelaxierung und Narkose zur Abnahme des O2-Verbrauchs. Merke Pulmonaler Gasaustausch durch Ventilation, Konvektion, Diffusion, Perfusion.

1.1

Anatomie des Respirationstraktes

Anatomisch sowie unter funktionellen Aspekten kann unterschieden werden zwischen dem Luftleitungssystem und dem gasaustauschenden System. Das Luftleitungssystem besteht aus den oberen und unteren Luftwegen, dem System der Atempumpe mit dem Atemzentrum, den zugehörigen Nerven, der Atemmuskulatur und dem knöchernen Thorax. Im gasaustauschenden System der Alveolen finden die exakt aufeinander abgestimmte Ventilation und Perfusion sowie die Diffusion statt. Die oberen und unteren Atemwege stellen die Verbindung zwischen der Umgebungsluft und den Alveolen her. Die Luftwege werden auch als Respirationstrakt (Abb. 1.1) bezeichnet. Zu den oberen Luftwegen zählen die Nase und der Rachenraum (Pharynx). Dieser Bereich hat ganz wesentliche Funktionen bei der ▶ Konditionierung der Atemgase, also der Anfeuchtung, Anwärmung und Reinigung der Atemluft. Zu den unteren Luftwegen gehören der Kehlkopf (Larynx) (Abb. 1.2), die Luftröhre (Trachea) und der Bron-

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

2

1 Physiologie und Pathophysiologie der Atmung

1 Pharynx Larynx

1

Trachea Bronchialbaum

1 1

chialbaum. Die Stimmbänder (Abb. 1.3) stellen eine anatomische Enge in den Luftwegen dar, an der jede weitere Verengung, z. B. durch ein Ödem, zu einer beträchtlichen Einschränkung der Atmung führen kann.

Abb. 1.1 Respirationstrakt des Menschen. Luft­ röhre und Bronchialbaum. Erläuterungen im Text.

1.1.1

Luftröhre und Bronchialsystem

Die Luftröhre beginnt distal vom Kehlkopf. Beim Erwachsenen ist sie ca. 10 – 15 cm lang und hat einen Durchmesser von 15 – 20 mm. In der Hauptcarina, ungefähr in Höhe des 5. Brustwirbelkörpers (2. BWK beim Neugeborenen, 7. BWK beim alten Menschen), teilt sich die Luftröhre in die beiden Hauptbronchien auf, die sich dann über etwa 23 Generationen bis in die Alveolen weiter verzweigen.

1 Atlas Axis

1

Os hyoideum Cartilago thyroidea

1 1

a

1 1

Cartilago cricoidea

Lig. cricothyroideum medianum

Cartilago thyroidea

Lig. vocale

Conus elasticus

Arcus cartilaginis cricoideae

Proc. vocalis Colliculus

1

Cartilago corniculata b

1

Proc. muscularis

Lamina cartilaginis cricoideae

Lig. cricoarytaenoideum

Abb. 1.2 Lage des Kehlkopfes im Hals. a Der knorpelige Kehldeckel (Epi­ glottis), Schildknorpel (Cartilago thyroidea) und Ringknorpel (Carti­ lago cricoidea) sind untereinander sowie mit Trachea und Zungen­ bein (Os hyoideum) durch elasti­ sche Bänder verbunden. b Stellknorpel (Cartilago aryta­ enoidea) und Spitzenknorpel (Cartilago corniculata) von kranial (Quelle: Schünke et al. 2005).

1.1 Anatomie des Respirationstraktes

Lig. glossoepiglotticum Vallecula epiglottica

Epiglottis Tuberculum epiglotticum

Ventriculus laryngis

1

Plica aryepiglottica

Plica vestibularis

Sinus piriformis

Tuberculum cuneiforme

1

Arcus cartilaginis cricoideae

Proc. vocalis Tuberculum Incisura intercorniculatum arytaenoidea

1

Radix lingue

Plica vocalis

a

3

Trachea

b

Abb. 1.3 Larynx. Anatomische Strukturen des Larynx (a) (Quelle: Schünke et al. 2005) und laryngoskopische Sicht auf Epiglottis und Stimmbänder (b). Die Stimmbänder erscheinen als glatt begrenzte Bänder, die sich durch ihre hellere Farbe deutlich von der übrigen Schleimhaut abheben.

1 1

Hinweis Der rechte Hauptbronchus ist beim Erwachse­ nen steiler als der linke, weshalb aspiriertes Se­ kret oder Fremdkörper meistens in die rechte Lunge gelangen. Der Innendurchmesser des linken Hauptbronchus beträgt etwa 8,5 mm, der des rechten etwa 10 mm. Die Hauptbronchien verzweigen sich in immer kleinere Bronchien (Stammbronchien, Lappenbronchien, Segmentbronchien). Die Bronchiolen mit einem Innendurchmesser von weniger als 1 mm beginnen etwa ab der 10. Verzweigungsgeneration. Ihre Wände sind knorpelfrei, jedoch reich an Muskelfasern. Hinweis Beim Asthma bronchiale kommt es zu Kontrak­ tionen der glatten Muskulatur in der Wand der Bronchiolen (Abb. 1.4). Da diese knorpelfrei sind, verengt sich – insbesondere bei der Exspi­ ration – das Kaliber der Bronchiolen. Dies führt zur Erhöhung der Atemwegswiderstände und damit zur Behinderung des Luftstroms (sog. obstruktive Ventilationsstörung) mit Atemnot. Die Luftröhre wird durch 16 – 20 hufeisenförmige Knorpelspangen offen gehalten. Nach dorsal sind die Knorpelspangen durch die bindegewebig-muskulöse

Pars membranacea verbunden. Diese membranöse Hinterwand liegt über den gesamten Verlauf der Trachea dem Ösophagus an. Das Knorpelgerüst setzt sich bis in die Bronchien fort und verleiht ihnen Stabilität. Trachea, Bronchien und Bronchiolen mit einem Durchmesser > 1 mm sind mit Flimmerepithel mit Mukus produzierenden Zellen ausgekleidet, das eine wichtige Rolle im pulmonalen Abwehrsystem sowie bei der ▶ Atemgasklimatisierung spielt.

1.1.2

Alveolen

Nach der 16. Verzweigungsgeneration geht die Funktion des Gastransportes allmählich in die Funktion des Gasaustausches über. Die Luftwege enden in den Bronchioli respiratorii mit den endständigen Alveolen (Abb. 1.4), die in funktionellen Einheiten, den Azinus, zusammengefasst sind. In den etwa 300 Millionen Alveolen findet der Gasaustausch zwischen den roten Blutkörperchen und der Atemluft statt. Die von den Alveolarwänden gebildete gasaustauschende Oberfläche beträgt etwa 50 – 100 m2, abhängig von Geschlecht, Körpergröße, Alter und Trainingszustand. Die einzelnen Alveolen haben einen Durchmesser von ca. 0,25 mm. Ihre Wände aus Alveolarepithel, epithelialer Membran und Kapillarendothel weisen eine Dicke von 0,5 – 1 µm auf. Die Luft in der Alveole ist also nur durch diese dünne alveolo-kapilläre Membran vom Blut in der Kapillare getrennt. Die

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4

1

1 Physiologie und Pathophysiologie der Atmung

Segmentbronchus

Knorpelplatte

1

Bronchioli respiratorii kleiner Subsegmentbronchus Septum interlobulare

1 1 1 1 1 1 1 1

Alveolus pulmonalis

großer Subsegmentbronchus

1 1

elastische Fasern

glatte Muskulatur in Scherengitteranordnung

Sacculus alveolaris Bronchiolus (knorpelfreie Wand)

Bronchiolus terminalis Bronchiolus respiratorius Sacculi alveolares a

Ductus alveolaris

Alveoli pulmonis

s. b b

Abb. 1.4 Bronchialbaum und Alveolen. Bis zu den Segmentbronchien ist der Bau des Bronchialbaums ziem­ lich einheitlich: Knorpelspangen bzw. einzelne Knorpelplatten stabilisieren die Wand des Brochus, der innen mit mehrreihigem Flimmerepithel ausgekleidet ist. Im Bereich der Bronchioli geht der Wandknorpel verloren (a). Die Bronchioli terminales sind die letzten Abschnitte des luftleitenden Teils des Bronchialbaums. Aus ihnen gehen die Bronchioli respiratorii mit bis zu 3 Teilungen hervor (b). Die Ductus alveolares aus den Bronchioli res­ piratorii münden in den Sacculi alveolares, in denen der Gasaustausch stattfindet (Quelle: Schünke et al. 2005).

Kontaktzeit zwischen Kapillarblut und Alveole beträgt in Ruhe 0,7 s. Die Lunge verfügt jedoch über eine sehr hohe Diffusionsreserve, damit ein ausreichender Gasaustausch auch bei körperlicher Belastung mit gesteigertem Herzzeitvolumen gewährleistet ist. Bei krankhaften Veränderungen der Diffusionsstrecke (alveolo-kapillärer Block) kann dagegen die Diffusionsreserve unter Umständen nicht mehr ausreichen, um einen adäquaten Gasaustausch sicherzustellen.

Merke Die oberen Atemwege reichen von Mund und Nasenöffnungen bis zum Larynx, die unteren bis zu den Bronchioli terminales. Surfactant. Die Alveolen und Bronchiolen sind mit Surfactant (Surface Active Agent) ausgekleidet, einer oberflächenaktiven Substanz, die überwiegend aus Phospholipiden besteht und in den Alveolarzellen Typ II gebildet wird. Surfactant senkt die Oberflächenspannung und erleichtert dadurch nicht nur die Entfaltung der Lungen während der Inspiration, sondern verhindert auch den Kollaps der Alveolen während der Exspiration. Weitere Aufgaben des

1.1 Anatomie des Respirationstraktes

Surfactants sind die Stabilisierung des Flüssigkeitsgleichgewichts in der Lunge, die Clearance der Alveolen, die Opsonierung von Bakterien und die Aktivierung von Alveolarmakrophagen. Zusätzlich bilden die Pneumozyten Antiproteasen sowie Zytokine und interagieren mit vasoaktiven Substanzen. Unter anderem sind sie an der Aktivierung von Angiotensin I sowie der Inaktivierung von Bradykinin, Serotonin, Prostaglandinen und Endothelin beteiligt. Surfactant-Mangel. Bei unreifen Frühgeborenen kann die Lungenentfaltung aufgrund von Surfactant-Mangel erheblich beeinträchtigt sein: ▶ Atemnotsyndrom des Neugeborenen (Respiratory Distress Syndrome, RDS). Die Surfactant-Funktion kann zudem durch entzündliche Veränderungen des Lungengewebes, z. B. bei der Pneumonie, durch Freisetzung von Mediatoren im Rahmen der Sepsis oder auch durch direkte Schädigungen der Alveolarzellen nach Inhalation toxischer Gase gestört sein. Als Folge der qualitativen und quantitativen Abnahme der Surfactant-Funktion kommt es zum Flüssigkeitseinstrom in die Alveolen sowie zum Alveolarkollaps mit Entwicklung von ▶ Atelektasen. Daraus resultiert ein intrapulmonaler ▶ RechtsLinks-Shunt: Das desoxigenierte Blut aus den Lungenarterien durchströmt zwar die Lungenkapillaren der kollabierten oder/oder flüssigkeitsgefüllten Alveolen, kommt jedoch mit der Atemluft nicht mehr in Kontakt. Folglich kann weder Sauerstoff aufgenommen noch Kohlendioxid abgegeben werden. Neben der Beeinträchtigung des Gasaustausches nimmt die ▶ Atemarbeit zu, was wiederum zu einer Erhöhung des O2-Verbrauchs mit konsekutiver Zunahme der CO2-Bildung führt. Zusätzlich zu den Gasaustauschstörungen resultiert eine Störung der lokalen Infektabwehr, wodurch die Entwicklung nosokomialer Pneumonien begünstigt wird.

raxwand bzw. Zwerchfell sind durch einen flüssigkeitsgefüllten kapillären Spalt zwischen Pleura visceralis (Pleurafell, die Umhüllung der Lungen) und Pleura parietalis (Rippenfell, die Auskleidung des Thoraxraumes) miteinander verbunden. Der Flüssigkeitsspalt zwischen den beiden Pleuren ermöglicht die freie Verschieblichkeit der Lungen innerhalb der Thoraxhöhle und damit ihre ungehinderte Beweglichkeit während der Atemexkursionen. Adhäsionskräfte im Spaltraum – ähnlich wie bei zwei aufeinander liegenden wasserbenetzten Deckgläsern eines Präparats für die Mikroskopie – verhin-

Die linke Lunge besteht aus 2 Lappen (Ober- und Unterlappen), die rechte Lunge aus 3 Lappen (Ober- , Mittel- und Unterlappen) (Abb. 1.5). Die einzelnen Lappen sind in Segmente unterteilt (Abb. 1.6), diese wiederum in Läppchen (Lobuli). Lunge und Tho-

1 1

links I

I

1

II

II

III

III

1

IV

IV

V

V

VII, VIII

VIII

1

a links

rechts I

I

II

1

II

III

1

IV VI

VI

VIII VII, VIII

IX

IX X

Lunge

1

1 rechts

Merke Surfactant stabilisiert die Alveolen.

1.1.3

5

1

X

b

Abb. 1.5 Die Lunge. a von ventral, b von dorsal. Die linke Lunge besteht aus 2 Lappen (Ober­ und Unterlappen), die rechte aus 3 Lappen (Ober­, Mittel­ und Unterlappen) (Quelle: Schünke et al. 2005).

1 1

6

1 Physiologie und Pathophysiologie der Atmung

1

I

I

II

II

III

1

III VI

VI

IV V

1

VII X

V

X

VIII IX

a

IX I

1

II

III

II III

1

IV

IV

V

VI

I

VII, VIII

VIII

1

VII

IX

III

I

VI

V II

VII, VIII

b

I

e

X

II IX

X

III

VI VI IV

1

IV V

VIII V

IX X

1 1 1 1 1

VII, VIII

IX

X

d

c

Abb. 1.6 Segmentaufbau der Lunge. a Rechte Lunge von medial. b Linke Lunge von medial. c Rechte Lunge von lateral. d Linke Lunge von lateral. Die Segmentarchitektur der Lungen ergibt sich direkt aus der Aufzweigung des Bronchialbaums (e) (Quelle: Schünke et al. 2005).

dern gleichzeitig die Ablösung der Lunge von Thoraxwand und Zwerchfell. Merke Die Adhäsionskräfte zwischen Pleura visceralis und parietalis verbinden Lunge und Thorax.

1.1.4

Konditionierung der Atemgase

Die Atemluft wird in den Luftwegen gereinigt, befeuchtet und erwärmt, so dass sie die gasaustauschenden Einheiten der Lunge nahezu keimund partikelfrei, körperwarm und wasserdampfgesättigt erreicht. Bei dieser ▶ Konditionierung der Atemgase hat die Nase eine überaus wichtige Funktion. Durch Turbulenzen an den Engstellen,

1.2 Atemantrieb und ­regulation

große Oberflächen – besonders im Bereich der Conchae nasalis – und lange Kontaktzeiten wird nicht nur die Adhäsion kleinerer Partikel am Oberflächenschleim gefördert, gleichzeitig kommen große Anteile der Atemluft mit der gut durchbluteten, feuchten Nasenschleimhaut in Kontakt. Dabei werden Wasser und Wärme durch Verdunstung und Konvektion aus der Mukosa an die vorbei streichende Atemluft abgegeben. Die atmungsbedingten Wasser- und Wärmeverluste aus dem Sekret im Grenzbereich zwischen Epithel und Atemluft werden durch die ausgezeichnete Perfusion des Gewebes weitgehend kompensiert, so dass das Austrocknen der Nasenschleimhäute verhindert wird. Die optimale Klimatisierungsleistung von Nase und Nasopharynx gewährleistet die einwandfreie Funktion des respiratorischen Epithels, das die Luftwege von der Nase über die Trachea und die Hauptbronchien bis zu den Bronchioli terminalis ausgekleidet. Merke Adäquate Befeuchtung und Erwärmung der Atemgase erhalten die physiologische Schleim­ viskosität in den Luftwegen aufrecht.

1.1.5

Mukoziliäre Clearance

Die Epithelzellen verfügen über unterschiedliche ultrastrukturelle Merkmale und unterschiedliche zellkinetische Eigenschaften. Neben zahlreichen Mukus produzierenden Becherzellen sowie epithelialen Drüsen enthält das respiratorische Epithel dichte Komplexe seromuköser Drüsen, Blutgefäße und Nerven. Schleim- bzw. Becherzellen werden nach distal seltener und fehlen in den Bronchioli terminales völlig. Kinozilien tragende Zellen sind dagegen bis in die kleinsten Luftwege und Bronchioli respiratorii vorhanden. Die 5 – 7 µm langen Zilien mit einem Durchmesser von etwa 0,3 µm stehen in Büscheln von etwa 100 – 250 Zilien zusammen (Abb. 1.7a). Sie bewegen sich mit einer gerichteten Schlagfrequenz bis zu 1500/min im unteren, serösen Teil (Sol-Schicht) einer zweilagigen, die gesamte Mukosa bedeckende Mukusschicht und treiben damit die darüber liegende Schicht aus visköserem Schleim (Gel-Schicht) pharynxwärts. Dieser „Rolltreppeneffekt“ beginnt am distalsten Punkt des Atemwegepithels. Oberflä-

chenschleim und Verunreinigungen, die sich durch Adhäsion abgelagert haben, werden hierdurch aus peripheren Bereichen der Lunge oralwärts transportiert, wo das Sekret geschluckt oder abgehustet wird (Abb. 1.8). Merke Die Erhaltung der mukoziliären Clearance ist eine Voraussetzung für die pulmonale Infektabwehr. Die mukoziliäre Clearancefunktion wird durch zahlreiche, im Mukus enthaltene Immunglobuline (vorwiegend IgA) sowie lytische Enzyme wie Lysozyme, Kollagenasen, Glukuronidasen usw. unterstützt. Ziel ist die Elimination von Keimen und Fremdkörpern zum Schutz der empfindlichen Alveolen. Gelangen dennoch Partikel oder Krankheitserreger mit einer Größe unter 5 µm in die Alveolen, stehen dort Alveolarmakrophagen zur Phagozytose und Infektabwehr bereit. Eine unzureichende ▶ Klimatisierung der Atemgase führt bei maschinell beatmeten Patienten, bei denen die oberen Luftwege durch einen Tubus überbrückt sind, zur Dehydratation der zilienbedeckenden Schleimschicht und Einschränkung der Zilienfunktion (Abb. 1.7b). Beachte Übermäßige pulmonale Wasserzufuhr (z. B. durch bronchiale Instillation von Wasser oder auch zu hoch eingestellte aktive ▶ Befeuchter) oder auch die unkritische Therapie mit Mukoly­ tika kann durch Abnahme der Schleimviskosität zur visko­mechanischen Entkopplung führen. Der Zilienschlag in der tiefen Mukusschicht ist frustran, der Rolltreppeneffekt ist ineffektiv.

7

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

1.2

Atemantrieb und -regulation

Atemantrieb und -regulation haben die Aufgabe, die Atemmechanik – das koordinierte Zusammenwirken verschiedener Muskelgruppen – an die wechselnden Stoffwechselsituationen und damit den wechselnden Sauerstoffbedarf des Organismus anzupassen. Komplexe zentrale und periphere Steuerungsmechanismen sorgen hierbei für be-

1 1

8

1 Physiologie und Pathophysiologie der Atmung

1 1 1 1 1 a

1 1

b

Abb. 1.7 Rasterelektronenmikroskopische Darstellungen des Ziliarepithels. a Intaktes Ziliarepithel aus dem Hauptbronchusbereich eines Schweins nach 10­stündiger Beatmung mit adäquater Atemgasklimatisierung. Das Zilienepithel ist vollständig und regelrecht erhalten, vereinzelt finden sich Mukuströpfchen. b Schwere Schädigungen des Ziliarepithels nach 10­stündiger Beatmung mit trockenen Atemgasen. Das Zilien­ epithel ist von einer völlig ausgetrockneten Mukusschicht bedeckt. Die Zilien sind büschelweise verklebt und auf die Epitheloberfläche umgeknickt. Ziliendefekte sind erkennbar. Die Mukuströpfchen sind ausgetrocknet (mit freundlicher Genehmigung von P. P. Kleemann).

1

darfsgerechte Atemvolumina. Diese können durch Veränderungen der Atemtiefe und der Atmungsfrequenz variiert werden.

1 1.2.1

1 1 1

Abb. 1.8 Respiratorisches Epithel. Auf der Basal­ membran finden sich vorwiegend Flimmer­ und Becherzellen, daneben auch einige seröse Zellen, Bürstenzellen sowie undifferenzierte Zellen. Die Zilien transportieren den Mukus oralwärts = mukoziliäre Clearance.

Atmungszentren

Steuerung und Kontrolle der Atmung erfolgen durch ein Netzwerk von respiratorischen Neuronen, die in der Pons und in der Medulla oblongata des Gehirns lokalisiert sind. Sie steuern den Grundrhythmus der Atmung durch abwechselnde salvenartige Entladungen inspiratorischer und exspiratorischer Neurone. Zusätzliche Impulse aus dem pneumotaktischen Zentrum modifizieren die Inspirationsaktivitäten, wodurch indirekt Atemzugvolumina und Atemfrequenzen beeinflusst werden. Die Atmung und der Atemrhythmus können willentlich unterbrochen und modifiziert wer-

1.2 Atemantrieb und ­regulation

den, z. B. zum Sprechen, Singen, Husten usw., oder auch reflexartig, z. B. durch Schlucken.

im Liquor und in den Hirngefäßen zur sofortigen Steigerung des Atemzeitvolumens. Dabei werden in der Regel sowohl die Atemzugvolumina als auch die Atemfrequenz gesteigert (Abb. 1.9).

Mechanisch-reflektorische Kontrolle der Atmung

1.2.2

Merke Der Atemantrieb wird primär über den arteriel­ len pCO2 gesteuert.

Der zentral gesteuerte Atmungsrhythmus wird durch periphere Einflüsse modifiziert. So wird bei passiver Überblähung der Lungen reflektorisch die Exspiration eingeleitet. Umgekehrt kommt es nach forcierter Exspiration zur verstärkten Inspiration. Verantwortlich hierfür sind Dehnungsrezeptoren im Lungenparenchym, die über den N. vagus Informationen vom Blähungszustand der Lunge an die Atmungszentren liefern. Die physiologische Bedeutung dieses Reflexes (Hering-Breuer-Reflex) besteht unter anderem in der inspiratorischen Begrenzung der Atemzugvolumina und der Ökonomisierung der Atemarbeit. Umgekehrt führt die Ausatmung unter die normale Atemruhelage reflektorisch zur Auslösung einer verstärkten Inspiration.

1.2.3

Hält der erhöhte paCO2-Level über längere Zeit (einige Tage) an, kehrt der pH-Wert im Liquor zu Normalwerten zurück: Es kommt zur metabolischen Kompensation der respiratorischen Azidose und zur Adaptation des Atemantriebs auf höheren paCO2Niveaus. Dies ist der Fall bei Patienten, die aufgrund einer chronischen InsufÏzienz ihrer Atempumpe dauerhaft keine ▶ Normokapnie aufrechterhalten können, z. B. Patienten mit ▶ chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) im Endstadium. Hinweis Die Adaptation des Atemantriebs auf höhere paCO2­Niveaus bei Patienten mit chronischer ventilatorischer InsufÏzienz ist offenbar ein patho­ physiologisch sinnvoller Schutzmechanismus zur Schonung der muskulären Ressourcen. Der Ver­ such der Absenkung des erhöhten paCO2­Niveaus auf Normalwerte durch Steigerung der Ventilati­ on würde zu einer schnellen Progredienz der mus­ kuläre Erschöpfung führen. Dennoch bleibt auch bei diesen Patienten die Atemsteuerung über CO2­Partialdrücke und pH­Wert grundsätzlich er­ halten, allerdings auf einem höheren paCO2­Level.

Chemische Kontrolle der Atmung

■ Atemantrieb durch paCO2 und pH-Wert CO2-Partialdruck und pH-Wert des arteriellen Blutes sowie in geringerem Maße auch der O2-Partialdruck beeinflussen den Atemantrieb. Beide Parameter werden gleichzeitig im Sinne eines Regelkreises auch von der Lungenventilation beeinflusst. So führt der Anstieg des arteriellen CO2-Partialdrucks über zentrale Chemorezeptoren

9

1 1 1 1 1 1 1 1 1

Atemminutenvolumen (l/min)

80

pCO2-Antwort

pH-Antwort

Abb. 1.9 Chemische Regulation der Atmung. Ventilationsant­ wort auf Änderungen des paCO2, des pH­Wertes und des paO2. Die roten Kurven stellen die physio­ logische Ventilationsantwort dar, die blauen die Antwort bei kon­ stantem alveolärem CO2­Druck.

pO2-Antwort

60

paCO2 = 40 mmHg

paCO2 = 40 mmHg

40

1 1

20

physiologisch 0

40

50

60

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paCO2 (mmHg)

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7,30 7,25

pH-Wert

7,20

physiologisch 7,15 90

70

50

30

paO2 (mmHg)

10

1

10

1 1 1 1 1

1 Physiologie und Pathophysiologie der Atmung

Merke Bei Patienten mit chronischer ventilatorischer In­ sufÏzienz werden die muskulären Ressourcen durch Anpassung des Atemantriebs an höhere paCO2­Level geschont. Periphere Chemorezeptoren. Sie sitzen in den Paraganglien des Karotissinus und des Aortenbogens und stimulieren die Atmung, sobald der arterielle pO2 unter den individuellen Normalwert abfällt. Folge ist die hypoxische Hyperventilation. Sie tritt auf beim Aufenthalt in großen Höhen, wo infolge des niedrigen Luftdrucks auch der inspiratorische Sauerstoffpartialdruck herabgesetzt ist, sowie bei schweren Lungenfunktionsstörungen, z. B. durch eine Pneumonie. Merke Eine arterielle Hypoxämie führt zur kompensato­ rischen Ventilationszunahme: hypoxische Hyper­ ventilation.

Merke Asphyxie: Atemstillstand durch Lähmung des zentralen Atemantriebs. Apnoe: Atemstillstand durch verminderten CO2­ Atmungsanreiz.

Atmung und Säure-Basen-Haushalt

1.3

Die Konstanthaltung des physiologischen, schwach alkalischen Milieus in den Gewebeflüssigkeiten (Homöostase) ist lebensnotwendig. Nur so können die biochemischen Prozesse des Stoffwechsels und die elektrophysiologischen Vorgänge an den erregbaren Membranen ungestört ablaufen. Die zentrale Rolle spielt hierbei die WasserstofÏonenkonzentration in den Körperflüssigkeiten, die innerhalb eines sehr engen Bereichs konstant gehalten wird. Die WasserstofÏonenkonzentration wird durch den pH-Wert definiert.

1 ■ Atemantrieb durch paO2

1 1 1 1 1 1

Im Vergleich zur Atemregulation durch paCO2 und pH-Wert ist der Atemantrieb durch paO2 normalerweise von untergeordneter Bedeutung. So steigt die Ventilation bei einem Abfall des paO2 von 40 mmHg auf 30 mmHg um das 1,5- bis 1,7-fache, dagegen um das 10-fache bei einem Anstieg des paCO2 von 40 mmHg auf 60 mmHg (Abb. 1.9). Die Stimulation der Atmung durch Hypoxämie gewinnt allerdings an Bedeutung, wenn die atemregulatorischen Effekte von paCO2 und pH-Wert durch Adaptationsmechanismen eingeschränkt sind, wie z. B. bei Patienten mit chronischer Hyperkapnie durch Schwäche der Atemmuskulatur (z. B. schwere COPD im Endstadium).

■ Asphyxie und Apnoe Der Atemstillstand durch Lähmung des zentralen Atemantriebs wird als Asphyxie bezeichnet. Unter Apnoe versteht man dagegen den Atemstillstand durch verminderten CO2-Atmungsanreiz, z. B. nach Hyperventilation mit niedrigen arteriellen CO2-Partialdrücken.

1.3.1

Regulation des pH-Wertes

Der pH-Wert ist ein Maß für die Stärke der sauren bzw. basischen Eigenschaften einer wässrigen Lösung. Als logarithmische Größe ist er durch den mit −1 multiplizierten dekadischen Logarithmus der Oxoniumionenkonzentration H3O+ (protoniertes Wasser) definiert. In einer pH-neutralen Flüssigkeit, z. B. Wasser, beträgt der pH-Wert 7, die WasserstofÏonenkonzentration als der negativ dekadische Logarithmus somit 10–7 mol/l. Die Regulation des pH-Wertes im Blut erfolgt unter Beteiligung von Puffersystemen aus gelöstem Gas, Salzen und Proteinen, wobei der CO2/Bikarbonat-Puffer des Blutes die größte Bedeutung hat: CO2 + 2 H2O ↔ 2 H2CO3 ↔ H2O+ + HCO3– Hinweis Bikarbonat (HCO3–) kann also als korrespondie­ rende Base zur Kohlensäure H2CO3 aufgefasst werden. Hieraus lässt sich die Henderson­Hassel­ balch­Gleichung ableiten, womit die Errechnung des Blut­pH aus dem Verhältnis von gebunde­ nem zu gelöstem CO2 möglich ist: pH = pK + log10 [HCO3–]/[PCO2]

1.3 Atmung und Säure­Basen­Haushalt

Der pK-Wert beschreibt den negativen dekadischen Logarithmus der Dissoziationskonstante Ka einer Säure oder Kb einer Base. Die Pufferkapazität eines Systems beschreibt die Menge an Säure oder Base, die hinzugegeben werden muss, um den pH-Wert zu ändern. Je größer die Pufferkapazität, desto stabiler ist das System gegenüber Änderungen des pHWerts. Der Puffer arbeitet optimal, wenn gilt: pKPuffer = pH, da hierbei das Puffersystem zu 50 % dissoziiert ist und sowohl im sauren als auch im basischen Bereich gleichwertig abpuffern kann. Im Allgemeinen hat ein System seine größte Pufferkapazität im Bereich seines pK-Wertes. Für das Blut bedeutet das, dass der pK-Wert eines Puffersystems möglichst nah beim gewünschten pH = 7,4 liegen sollte.

Störungen der Homöostase. Kommt es unter pathologischen Bedingungen zu einem starken Anfall von Säuren oder Basen im Blut, sind die Regelsysteme – Pufferung im Blut, Atmung und Nierenfunktion – nicht mehr in der Lage, den pH-Wert des Blutes konstant zu halten. Je nach Richtung der pH-Verlagerung unterscheidet man 2 Störungen des Säure-Basen-Gleichgewichts: ● die Azidose (pH < 7,37) und ● die Alkalose (pH > 7,43).

Merke Der CO2­/Bikarbonat­Puffer ist der wichtigste ex­ trazelluläre Puffer. Er macht rund 80 % der extra­ zellulären Pufferkapazität aus.

Merke Respiratorisch bedingte Störungen des Säure­Ba­ sen­Gleichgewichts sind primär durch Verände­ rungen des paCO2 gekennzeichnet. Metabolisch bedingte Störungen des Säure­Ba­ sen­Gleichgewichts sind primär durch Verände­ rungen der HCO3–­Konzentration gekennzeichnet.

Atmung und pH-Wert. Eine wesentliche Rolle bei der Aufrechterhaltung des pH-Werts spielt die Atmung. Kommt es z. B. plötzlich zur Anhäufung von sauren Valenzen im Blut, reagiert die Atmung sofort durch Verstärkung der Ventilation (Hyperventilation). CO2-Moleküle, die aus der Reaktion HCO3-+ H2O+ → H2CO3 → H2O + CO2 stammen, werden in erhöhtem Maße abgeatmet, so dass der pH-Wert im Blut schnell zunimmt. Bei einer Zunahme der Basen wird dagegen die Atmung eingeschränkt (Hypoventilation), der CO2-Partialdruck und damit auch die WasserstofÏonenkonzentration steigen an. Dadurch können pH-Veränderungen zumindest teilweise kompensiert werden. Hinweis Die Atmung kann den pH­Wert jedoch nur in en­ gen Grenzen stabilisieren. Auf Dauer kann das Säure­Basen­Gleichgewicht nur durch die Mit­ wirkung der Nieren aufrechterhalten werden. Da die Säurebildung des Organismus die Basen­ aufnahme erheblich übersteigt, müssen die Nie­ ren die überzähligen WasserstofÏonen ausschei­ den. Sie greifen damit unmittelbar in die pH­Re­ gulation ein.

Zusätzlich wird entsprechend der Genese der Störung zwischen respiratorischen und nicht-respiratorischen oder metabolischen Azidosen bzw. Alkalosen unterschieden.

pH-Wert und Elektrolyte. Änderungen des pHWerts können zu erheblichen Elektrolytverschiebungen im extra- und intrazellulären Raum führen. Sinkt der pH-Wert um 0,1 Einheiten, so steigt das Serumkalium um ca. 0,6 mmol/l an. Ursächlich ist eine Störung der Na+/K+-Pumpe, die den Transport von Natrium nach extrazellulär und Kalium nach intrazellulär reguliert. Umgekehrt sinkt das Serumkalium um 0,1 – 0,3 mmol/l ab, wenn der pH-Wert um 0,1 Einheiten ansteigt. Diese Beeinflussung der Na+/ K+-Pumpe und damit der extra- und intrazellulären Kaliumkonzentrationen gilt nur für metabolisch bedingte Störungen des Säure-Basen-Haushaltes.

11

1 1 1 1 1 1 1 1 1

Hinweis Azidosen führen zu extrazellulärer Hyperkaliä­ mie und zellulärer Kaliumverarmung, Alkalosen zu extrazellulärer Hypokaliämie und intrazellulä­ rer Kaliumanreicherung. Respiratorische Störun­ gen beeinflussen die extra­ und intrazellulären K+­Konzentrationen nur wenig.

1

Aktuelles Bikarbonat. Über die Henderson-Hasselbalch-Gleichung stehen der pH-Wert, der CO2-Partialdruck und die aktuelle Bikarbonatkonzentrati-

1

1

12

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

1 Physiologie und Pathophysiologie der Atmung

on im Blut im Zusammenhang. Werden pH-Wert und pCO2 gemessen, kann das aktuelle Bikarbonat errechnet werden (Normbereich 22 – 28 mmol/l). Da der Bikarbonatwert sowohl bei respiratorischen als auch bei nicht-respiratorischen Störungen vom ▶ Standard-Bikarbonat abweicht, kommt ihm nur geringe diagnostische Bedeutung zu. Standard-Bikarbonat. Hierunter versteht man die Bikarbonatkonzentration des Blutplasmas, nachdem im Blut durch Äquilibrieren bei 37 °C ein CO2-Partialdruck von 40 mmHg eingestellt und das Hämoglobin vollständig mit Sauerstoff gesättigt worden ist (Normbereich bei 24 mmol/l). Da der Standard-Bikarbonatwert unabhängig vom pCO2 ist, beruhen Abweichungen auf einer metabolischen Störung. Der Standard-Bikarbonatwert (St. Bic.) ist daher zur Differenzierung zwischen respiratorischer und metabolischer Störung besser geeignet. Base Excess. Der Basenüberschuss oder base excess (BE) gibt an, wie viel Säure oder Base dem Blut zugesetzt werden müsste, um bei einem CO2-Partialdruck von 40 mmHg und 37 °C einen pH-Wert von 7,4 einzustellen. Der BE wird weder vom pCO2 noch von der Hämoglobinkonzentration beeinflusst und ist daher ein zuverlässiger Parameter für metabolische Störungen (Normbereich – 2,5 bis + 2,5 mmol/l). Ein Überschuss an Basen wird als positive Basenabweichung bezeichnet und mit einem „+“ gekennzeichnet; er ist charakteristisch für die metabolische Alkalose. Ein negativer BE kennzeichnet dagegen das Basendefizit bei einer metabolischen Azidose. Merke Die Differenzierung zwischen respiratorischer und metabolischer Störung des Säure­Basen­ Gleichgewichts ist über die Bestimmung von CO2­Partialdruck und Bikarbonat (HCO3–) im ar­ teriellen Blut möglich.

1.3.2

Respiratorische Azidose

Eine unzureichende alveoläre Ventilation führt zum Anstieg des paCO2 (▶ Hyperkapnie) mit Zunahme der WasserstofÏonenkonzentration im Blut und Abfall des pH-Wertes: Es resultuiert eine pri-

märe respiratorische Azidose. Gegenregulatorisch wirkt der ▶ CO2/Bikarbonat-Puffer des Blutes mit einer Erhöhung der Bikarbonatkonzentration. Bei akuten respiratorischen Azidosen kann der HCO3Wert bis maximal 30 – 32 mmol/l ansteigen. Nach Stunden setzen die renalen Kompensationsmechanismen mit einer vermehrten Rückresorption von HCO3 ein, die jedoch erst nach Tagen voll wirksam sind.

■ Ursachen Zu den häufigsten Ursachen der primär respiratorischen Azidose gehört die Erschöpfung der Atemmuskulatur bei akuten und chronischen Erkrankungen der Atemwege (Pneumonie, Asthma bronchiale, COPD). In der Anästhesie und Intensivmedizin spielen darüber hinaus atemdepressive Medikamente wie ▶ Opioide oder ▶ Sedativa sowie Fehleinstellungen des Respirators eine wichtige Rolle. Seltener sind primär zentrale Atemantriebsstörungen (Schlafapnoe-Syndrom, Undine-Fluch-Syndrom), neuro-muskuläre Erkrankungen (Myasthenia gravis, multiple Sklerose, Poliomyelitis, ALS, Guillain-Barré-Syndrom) oder Beeinträchtigungen der Atemmuskulatur durch generalisierte Muskelerkrankungen (progressive Muskeldystrophie, Polymyositis, Muskelatrophie, Lupus erythematodes).

■ Symptome Zeichen des erhöhten CO2 sind Somnolenz, Ängstlichkeit, Verwirrtheit, Tremor, Kopfschmerzen sowie warme, gerötete Haut (systemische Vasodilatation), Tachykardie, Hypertonie und Rhythmusstörungen. Besonders bei Kindern kommt es zu pulmonaler Vasokonstriktion. Merke Bei akuter ventilatorischer InsufÏzienz ist der paCO2 erhöht und der pH­Wert erniedrigt: nicht kompensierte respiratorische Azidose. Bei chronischer ventilatorischer InsufÏzienz ist der paCO2 erhöht und der pH­Wert normal. HCO3–­Ionenkonzentration und BE sind erhöht: kompensierte respiratorische Azidose.

1.3 Atmung und Säure­Basen­Haushalt

■ Therapie Die Therapie richtet sich nach der Ursache der respiratorischen Störung. Kann die Ursache der schweren respiratorischen Azidose nicht unmittelbar behandelt werden, ist die Unterstützung der insufÏzienten Atmung indiziert. Diese kann „invasiv“ durch Intubation und maschinelle Beatmung erfolgen oder auch „nichtinvasiv“ – ohne Beatmungstubus – via ▶ Maske oder ▶ Beatmungshelm. Beachte Bei chronischen respiratorischen Störungen be­ steht die Notwendigkeit zur akuten Therapie der Hyperkapnie nur bei drohender ventilatori­ scher Dekompensation. Dagegen erfordert die vital bedrohende ▶ Hypoxämie immer die so­ fortige Sauerstoffapplikation.

Hinweis Bei beatmeten erwachsenen Intensivpatien­ ten mit schwerer respiratorischer InsufÏzienz (▶ ARDS) gilt ein pCO2­Anstieg bis 60 mmHg als unbedenklich (▶ permissive Hyperkapnie).

1.3.3

Respiratorische Alkalose

Übermäßige Abatmung von CO2 mit Abfall des paCO2 unter 30 mmHg (▶ Hypokapnie) mit Abnahme der WasserstofÏonenkonzentration und Anstieg des pH-Wertes über 7,5 kennzeichnet die respiratorische Alkalose. Durch Aktivierung der Puffersysteme im Blut nehmen HCO3–-Ionenkonzentration und BE innerhalb weniger Minuten ab. Bei chronischer respiratorischer Alkalose entwickeln sich innerhalb von 24 Stunden renale Kompensationsmechanismen, die nach einigen Tagen ihren Höhepunkt erreichen.

■ Symptome Zeichen des erniedrigten CO2 sind zentrale Störungen wie Konfusion, Schwindel, zerebrale Krämpfe, Parästhesien, Karpopedalspasmen sowie Tachykardien und Rhythmusstörungen. Koronare und zerebrale Vasokonstriktion können bei entspre-

chenden Begleiterkrankungen zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen. Merke Bei nicht kompensierter, akuter respiratorischer Alkalose ist der paCO2 erniedrigt und der pH­ Wert erhöht. Bei kompensierter, chronischer respiratorischer Alkalose ist der paCO2 erniedrigt, der pH­Wert normal. HCO3–­Ionenkonzentration und BE sind erniedrigt.

■ Ursachen und Therapie Respiratorische Alkalosen treten typischerweise bei Atmung hypoxischer Gasgemische auf, wie z. B. bei Atmung in großen Höhen: hypoxische Hyperventilation. In der Intensivmedizin gehen pulmonale Gasaustauschstörungen für Sauerstoff sowie schwere Anämien oftmals mit einer kompensatorischen Hyperventilation einher. Auch bei Sepsis, Leberzirrhose, Thyreotoxikose sowie zentralen Störungen des Atemantriebs werden respiratorische Alkalosen beobachtet. Psychische Ursachen liegen dagegen dem Hyperventilationssyndrom zugrunde. Hinweis Die häufigste Ursache der respiratorischen Alka­ lose in der Intensivmedizin ist die falsche Respi­ ratoreinstellung.

1.3.4

Metabolische Azidose

Bei der metabolischen Azidose ist die Wasserstoffionenkonzentration im Blut erhöht. Erniedrigt sind die aktuelle HCO3–-Konzentration (< 22 mmol/l), das Standard-Bikarbonat (< 20 mmol/l), BE ( 28 mmol/l), Standard-Bikarbonat (> 26 mmol/l), BE (> +5 mmol/l) und pH-Wert (> 7,44). Merke Metabolische Alkalose: HCO3–­Konzentration, Standard­Bikarbonat, BE und pH­Wert sind er­ höht.

■ Ursachen Ursächlich sind zumeist Dehydratation mit Verlust von WasserstofÏonen, z. B. durch sauren Magensaft (Erbrechen, Drainage, s. o.), Diuretikatherapie

usw., aber auch schwere Hypokaliämien und Kortikoidtherapie sowie unkontrollierte Pufferung. Hinweis Die physiologischen Kompensationsmecha­ nismen des Organismus gegen akute Alkalo­ sen sind schlechter entwickelt als die gegen Azidosen und meist unzureichend. Zum Aus­ gleich wäre eine Hypoventilation nötig, um den Kohlenstoffdioxid­Partialdruck in der Alveolar­ luft und im Blut zu erhöhen und so das Gleich­ gewicht des Bikarbonatpuffers (CO2 + H2O → H2CO3 → H+ + HCO3–) nach rechts zu verschie­ ben. Dies würde zwar zu einer „Ansäuerung“ des Blut­pH­Wertes führen und die Alkalose ausglei­ chen, aufgrund des Sauerstoffbedarfs des Orga­ nismus ist eine Hypoventilation aber nur in sehr begrenztem Umfang möglich, so dass eine me­ tabolische Alkalose physiologisch durch Aus­ scheidung von Bikarbonat (Base) renal kompen­ siert wird.

15

1 1 1 1 1 1

■ Therapie Unter intensivmedizinischen Bedingungen ist die Therapie metabolischer Alkalosen schwierig und nur selten notwendig. Neben der Behandlung der Grunderkrankung stehen bei Dehydratation und Hypokaliämie die Flüssigkeitszufuhr mit isotoner NaCl-Lösung sowie die Kalium-Substitution im Vordergrund. Nur sehr selten und nur bei ausgeprägter Alkalose müssen saure Valenzen ersetzt werden, z. B. durch intravenöse Gabe von Argininhydrochlorid. Über einen zentralen Katheter können auch kleine Mengen Salzsäure gegeben werden.

1.4

Atemmechanik

Die in- und exspiratorischen Atemmuskeln erzeugen die Druckdifferenzen zwischen Alveolarraum und Umgebungsluft, die für die ventilatorischen Luftbewegungen innerhalb des Atemzyklus (Inspiration und Exspiration) erforderlich sind. Dieser Atemapparat wird auch als Atempumpe bezeichnet. Die wichtigsten inspiratorischen Muskeln sind das Zwerchfell (Diaphragma) und die Interkostalmuskeln (Mm. intercostales externi). Die Atem-

1 1 1 1 1 1

16

1

1 Physiologie und Pathophysiologie der Atmung

pumpe und die gasaustauschende Lunge bilden zusammen das respiratorische System.

1.4.1

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

Atempumpe

Durch Kontraktion des Zwerchfells während der Inspiration wird die Zwerchfellkuppe abgeflacht, gleichzeitig werden die unteren Rippen angehoben. Zusätzlich werden die Rippen durch die Mm. intercostales externi gehoben. Dadurch wird der Thoraxinnenraum sowohl nach unten als auch nach vorne und zu den Seiten hin erweitert (Abb. 1.10). Der resultierende subatmosphärische Druck (= Sog) – ausgehend von der Lungenperipherie zu den großen Luftwegen – führt zum Einstrom von Luft in die Alveolen. Unter körperlicher Belastung wird zusätzlich die inspiratorische Atemhilfsmuskulatur (Mm. scaleni, sternocleidomastoidei und pectorales sowie die gesamte Muskulatur des Schulter-Arm-Gürtels) betätigt. Merke Atempumpe und gasaustauschende Lunge bilden das respiratorische System. Intrapleuraler Druck. Der Druck im Pleuraspalt ist aufgrund der elastischen Rückstellkräfte des Lungengewebes sowie der in entgegengesetzter Richtung wirkenden elastischen Elemente der Thoraxwand und des Zwerchfells am Ende der Exspiration in Atemruhelage etwa 3 – 5 mbar niedriger als der Umgebungsdruck (Abb. 1.10). Schwerkraftbedingt herrscht auch im Pleuraspalt ein Druckgradient, wobei der Pleuradruck im Stehen apikal niedriger (negativer) ist als basal, in Rückenlage ventral

–6 bis –8 mbar

niedriger als dorsal. Dieser Druckgradient bewirkt, dass das Lungengewebe am Ende der Exspiration apikal stärker gedehnt bleibt als basal und sich die Alveolen in diesem Bereich zu Beginn der Inspiration eher mit Luft füllen als in den basalen Abschnitten. Durch die Inspirationsbewegungen der Atemmuskulatur nimmt die Druckdifferenz zwischen Pleuraspalt und Atmosphäre zu, so dass der intrapleurale Druck endinspiratorisch 6 – 8 mbar unter dem Atmosphärendruck liegt (Abb. 1.10). Am Ende der Inspiration erschlafft die Inspirationsmuskulatur, der intrapleurale Druck kehrt auf den Ausgangswert zurück. Bei normaler Ruheatmung erfolgt die Exspiration – im Gegensatz zur Inspiration – weitgehend passiv aufgrund der Retraktion von Lunge und Thorax. Sie kann jedoch durch den Einsatz der Mm. intercostales interni sowie der Bauchdeckenmuskulatur als Antagonist des Diaphragmas forciert werden. Die Muskulatur der Bauchwand spielt auch beim Husten eine wichtige Rolle. Merke Die Exspiration erfolgt bei Ruheatmung passiv durch die Retraktionskräfte von Lunge und Thorax. Transpulmonaler Druck. Die durch die Atemexkursionen erzeugten transpulmonalen Drücke (Druckdifferenz zwischen dem Pleuradruck und den Alveolen) sind die treibende Kraft für den Luftstrom. Sie liegen bei Ruheatmung im Bereich weniger Millibar. Unter forcierter Atmung können jedoch auch inspiratorisch subatmosphärische Drücke bis –110 mbar erzeugt werden.

–3 bis –5 mbar

Abb. 1.10 Die Atempumpe. Die Atemexkursionen führen zu inspiratorischen (links) und exspiratorischen (rechts) Schwankungen der intrapleu­ ralen und intrapulmonalen Drücke. Angegeben sind die subatmosphärischen Drücke im Pleuraspalt bei Ruheat­ mung.

1.4 Atemmechanik

Hinweis Exspiratorisch erreichen Lungengesunde kurz­ fristig maximale intrapulmonale/alveoläre Drü­ cke von +150 mbar, die durch Husten, Pressen usw. noch erheblich übertroffen werden können.

Dynamische Atemwegsobstruktion. Forcierte Atmung kann zu ausgeprägten Veränderungen der tracheobronchialen Geometrie mit entsprechenden Veränderungen der Strömungsverhältnisse bis hin zu Kollapseffekten im Bronchialsystem führen. Ursächlich ist die Erhöhung des Pleuradrucks über den Atmosphärendruck als Folge der maximalen Kontraktion der exspiratorisch wirkenden Muskulatur. Zwar steigt hierdurch auch der Alveolardruck an, aber der Druckabfall von den Alveolen bis zum Mund hat zur Folge, dass an irgendeinem Punkt im Bronchialsystem der intraluminäre Druck in den Atemwegen auf das Druckniveau des umliegenden Gewebes abfällt. Liegt dieser „Equal Pressure Point“ im Bereich des Druckes in den kleinen knorpellosen Atemwegen, ist eine erhebliche Lumeneinengung mit Zunahme der exspiratorischen Resistance bis hin zum Bronchialkollaps möglich: dynamische Atemwegsobstruktion (Abb. 1.11). Dieser Effekt verstärkt sich bei ▶ obstruktiven Erkrankungen der Luftwege. Merke Forcierte Atemexkursionen können zur dynami­ schen Atemwegsobstruktion führen.

Hinweis Asthmatiker erzeugen durch die „Lippenbrem­ se“ eine exspiratorische Stenose, die das schnel­ le Abfließen der Luft aus den großen Luftwegen verhindert. Der resultierende Gegendruck in den Luftwegen verschiebt den Equal Pressure Point in Richtung der großen stabileren Atemwege und wirkt so dem Kollaps der Atemwege entge­ gen (Abb. 1.11).

b

1 1 1

Pneumothorax. Kommt es zu einer Verbindung zwischen Pleuraspalt und Außenluft (entweder über den Alveolarraum oder die Thoraxwand), strömt aufgrund des subatmosphärischen Drucks Luft in den Pleuraspalt. Dadurch werden die Adhäsionskräfte aufgehoben, die Lunge löst sich von der Thoraxwand und kann Änderungen der Thoraxgeometrie nur noch teilweise folgen. Im Extremfall kollabiert die Lunge aufgrund ihrer elastischen Retraktionskräfte vollständig, es entsteht ein Pneumothorax. Die Thoraxwand wandert nach außen, das Diaphragma sinkt etwas nach unten. Dadurch nimmt das intrathorakale Luftvolumen in Atemruhelage zu (siehe auch Abb. 5.4, S. 189).

1.4.2

Resistance

Definition. Die Resistance R (oder Atemwegswiderstand R AW) ist der wichtigste atemmechanische Parameter überhaupt. Er gibt an, wie viel Druck die Atemmuskulatur aufbringen muss, um eine bestimmte Atemstromstärke zu erzeugen. Die ▶ Atemarbeit wird damit ganz wesentlich

Lippenbremse

a

17

Abb. 1.11 Dynamische Atemwegsobstruktion. a Forcierte Exspirationsbemü­ hungen führen zum Kollaps der Atemwege. Dadurch wird – trotz des hohen Druckgradienten zwischen Atemwegen und Atmosphä­ re – das Abfließen der Atem­ gase erschwert. b Die Lippenbremse erzeugt eine exspiratorische Stenose, wodurch der Kollaps der Atemwege verhindert wird. Die Atemwege bleiben offen.

1 1 1 1 1 1 1 1 1

18

1 1 1 1

1 Physiologie und Pathophysiologie der Atmung

vom Atemwegswiderstand bestimmt. Dieser ist vom Füllungszustand der Lunge abhängig und bei maximaler Inspiration infolge der Weitstellung aller Atemwege am kleinsten. Der Mittelwert des Atemwegswiderstandes setzt sich aus einem inspiratorischen und einem exspiratorischen Anteil zusammen. Hinweis Die Strömungswiderstände weisen erhebliche al­ tersspezifische Unterschiede auf. So beträgt die Resistance des Neugeborenen 20 – 30 mbar s/l, die des 6­jährigen Kindes 5 – 6 mbar s/l und die des 10­jährigen Kindes 3 – 5 mbar s/l. Der Nor­ malwert des gesunden Erwachsenen liegt dem­ gegenüber normalerweise bei 1 – 2 mbar s/l, wo­ bei der physiologische Grenzwert mit etwa 3,5 mbar s/l angenommen wird.

1 1 1 1

Merke Die Höhe der Resistance ist altersspezifisch unterschiedlich. Geringe Radiusveränderungen in den Atemwegen führen immer zu erheblichen Änderungen des Strömungswiderstands R, da dieser entsprechend dem ▶ Hagen-Poiseuille-Gesetz bei laminarer Strömung umgekehrt proportional der 4. Potenz des Radius r ist: R=

η ×1× 8 r4 × π

1

Die Länge l der durchströmten Atemwege sowie die Viskosität η des Gases sind demgegenüber von untergeordneter Bedeutung.

1

Merke Geringe Querschnittsveränderungen in den Luft­ wegen führen zu erheblichen Änderungen des Strömungswiderstands.

1 1

Turbulente und laminare Strömungen. Das HagenPoiseuille-Gesetz gilt nur für laminare Strömungen; der Widerstand ist hier von der Strömungsgeschwindigkeit unabhängig. In der gesunden Lunge kommt laminare Strömung nur in den ganz kleinen Luftwegen vor. Im übrigen Tracheobronchialbaum

a

b

Abb. 1.12 Turbulente und laminare Strömungen. Turbulente Strömungen finden sich vor allem in den großen Atemwegen sowie an Gabelungen und Eng­ stellen (a). In der Lungenperipherie herrschen lamina­ re Strömungen vor (b).

findet sich eine gemischte Strömung. In der Trachea liegen überwiegend turbulente Strömungen vor, wobei der Widerstand mit der Strömungsgeschwindigkeit zunimmt (Abb. 1.12). Hinweis Ob es sich um eine laminare oder turbulente Strö­ mung handelt, wird durch die Reynolds­Zahl Re beschrieben, eine dimensionslose Größe, die vom Flow V � , Gasdichte p, Viskosität η und Radius r ab­ hängt: · d× V × 2 × r Re = η In einem glatten, geraden, starren Rohr treten Turbulenzen dann auf, wenn die Reynolds­Zahl einen Wert von ca. 2000 überschreitet: Der Zu­ sammenhang zwischen Strömungsgeschwindig­ keit und Differenzdruck wird quadratisch. Turbu­ lenzen sind bei hohen Flüssen, großer Gasdichte, geringer Viskosität und kleinem Radius am wahr­ scheinlichsten.

Strömungswiderstände in den Luftwegen. Bei Nasenatmung entfallen ca. 50 % der gesamten Strömungswiderstände auf den Naso-Pharynxbereich, ca. 20 % auf die Larynxregion und nur etwa 30 % auf den Tracheobronchialbaum, wobei die ersten

1.4 Atemmechanik

Bronchusgenerationen den größten Anteil ausmachen. Dem Kirchhoffschen Gesetz entsprechend, nach dem bei einer Vielzahl parallel geschalteter Einzelwiderstände der Gesamtwiderstand kleiner ist als jeder Einzelwiderstand, liegen die Hauptströmungswiderstände somit nicht in den terminalen Bronchiolen der peripheren Lungenabschnitte, sondern in den großen Luftwegen. Hieraus erklärt sich, dass sich obstruktive Veränderungen in den kleinen Luftwegen der Lungenperipherie messtechnisch erst dann bemerkbar machen, wenn die Erkrankung schon relativ weit fortgeschritten ist. Merke Etwa 70 % der gesamten Strömungswiderstände entfallen auf die oberen Luftwege.

■ Atemwegswiderstand bei Obstruktionen Inspiratorischer Stridor

Akute Einengungen der oberen Luftwege, z. B. nach Fremdkörperaspiration, durch entzündliche Schwellungen im Hypopharynxraum (▶ Epiglottitis beim Kind, Quincke-Ödem) oder durch ein- oder beidseitige Stimmbandlähmungen (Recurrensparese nach Strumektomie) können zu lebensbedrohlichen Situationen führen (Tab. 1.1). Stenosen in den oberen Luftwegen sind häufig durch einen überwiegend inspiratorischen Stridor gekennzeichnet.

Expiratorischer Stirador

Ursächlich für Stenosen in den darunter liegenden Luftwegen sind Einengungen des TrachealquerTabelle 1.1 ● ● ● ● ● ● ●

Erhöhung der Atemwegswiderstände.

Sekret, Mukostase (Pneumonie, Bronchitis, alveoläres Ödem) Schleimhautschwellung (Inhalation toxischer Gase, Asthma bronchiale, Lungenödem) dynamische Atemwegskompression (chronisches Emphysem, forcierte Atemanstrengungen) akute Bronchospastik (Aspiration, Asthma bronchiale) Fremdkörper (Bolusaspiration) Stenosen im Tracheobronchialsystem (Tumoren) Tubus, Schlauchsysteme (beim intubierten Patienten)

schnitts durch große Strumen oder Tumoren, Instabilität der Trachea bei Tracheomalazie oder partielle Verlegung eines Bronchiallumens durch Fremdkörper oder Karzinome. Chronische Stenosen in diesen Bereichen werden oft lange Zeit gut kompensiert, ohne dass der pulmonale Gasaustausch wesentlich beeinträchtigt ist. Im Gegensatz zu Stenosen in den oberen Luftwegen zeigen Obstruktionen in den unteren Luftwegen typischerweise einen exspiratorischen Stridor. Kennzeichnend ist die Zunahme der Resistance, der funktionellen Residualkapazität und des Residualvolumens. Die Vitalkapazität nimmt mit zunehmender Schädigung des bronchopulmonalen Systems weiter ab. Der Quotient aus Residualvolumen und Totalkapazität ist erhöht. Die absolute und die relative Sekundenkapazität sind vermindert. Merke Inspiratorischer Stridor: Stenose in den oberen Luftwegen. Exspiratorischer Stridor: Stenose in den kleinen Luftwegen.

Hinweis Das Ausmaß der Blutgasveränderungen korre­ liert nur schwach mit der gemessenen Resis­ tance. So ist zwar die Resistance bei Verengung der großen Luftwege deutlich erhöht, die Blut­ gase können aber infolge der kompensatorisch gesteigerten Atemarbeit weitgehend normal sein. Umgekehrt kommt es bei der Obstrukti­ on terminaler Bronchiolen zur Minderbelüftung ausgedehnter Lungenareale und Zunahme des Rechts­Links­Shunts, ohne dass die Resistance messtechnisch wesentlich zunehmen muss.

■ Messung der Resistance Die Resistance R beschreibt das Verhältnis von transbronchialer Druckdifferenz ΔP zwischen Alveolen (intrapulmonaler Druck) und Atmosphäre (Munddruck) bei einem definierten Flow V˙:

19

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

∆P R = � [mbar s/l ] V Die Bestimmung der Resistance erfordert die fortlaufende Messung der intrapulmonalen Drücke.

1

1 1 1 1 1 1 1

1 Physiologie und Pathophysiologie der Atmung

Hierbei wendet man als indirektes Verfahren die ▶ Ganzkörper- oder auch Bodyplethysmographie (siehe auch Abb. 1.19) an. Zunächst wird das intrathorakale Gasvolumen (ITGV) bestimmt. Dazu wird das Mundstück am Ende der Exspiration durch ein Ventil (Shutter) kurzzeitig verschlossen. Bei der folgenden inspiratorischen Anstrengung des Probanden werden dann gleichzeitig die Änderungen des Munddrucks und des Kammerdrucks gemessen. Unter Anwendung des Boyle-MariotteGesetzes lässt sich daraus das intrathorakale Luftvolumen berechnen. Für die Resistancebestimmung lässt man den Probanden wieder frei atmen. Da die intrapulmonalen Volumenänderungen den Thoraxbewegungen aufgrund der Atemwegswiderstände nur verzögert folgen, kommt es zu Druckänderungen in der Lunge. Proportional dazu ändert sich in umgekehrter Richtung auch der Druck in der Kammer, wobei die Druckänderungen umso größer sind, je höher die Atemwegswiderstände sind. Durch die kontinuierliche Messung des Kammerdrucks können somit die intrapulmonalen Drücke fortlaufend registriert werden. Mithilfe eines ▶ Pneumotachographen werden gleichzeitig die Atemstromstärken bestimmt, so dass die Resistance errechnet werden kann.

1 1 1 1

∆V ∆p

FRC

unterer Umschlagspunkt

Abb. 1.13 Ruhedehnungskurve der Lunge. Die Steigung der Kurve repräsentiert die Compliance des Systems. Sie ist am größten bei Atmung im Bereich der funktionellen Residualkapazität: Zur Förderung der Luftvolumina müssen nur geringe Druckdiffe­ renzen aufgebracht werden, die Atemarbeit ist ver­ gleichsweise gering.

zunahmen erzeugen große Druckanstiege). Für die Lunge wird dieser Zusammenhang durch die Ruhedehnungskurve beschrieben (Abb. 1.13). Die Compliance C der strukturellen Einheit aus Lunge und Thorax gibt an, wie viel Druck ΔP aufgewendet werden muss, um eine definierte Volumenmenge ΔV in die Lungen abzugeben. Demnach erfordert die Ventilation von Alveolarbezirken mit niedriger Compliance höhere Drücke als die Ventilation von Lungen mit normaler Compliance. C=

1.4.3

1

oberer Umschlagspunkt

Volumen

20

Compliance

Definition. Die Compliance beschreibt die elastische Volumendehnbarkeit von Geweben bzw. strukturellen Einheiten. Sie gibt an, wie viel Gas oder Flüssigkeit man in eine umwandete Struktur füllen kann, bis der resultierende Druck um eine Druckeinheit ansteigt. Der Begriff der Compliance wird nicht nur im Zusammenhang mit den atemmechanischen Eigenschaften des Systems aus Lunge und Thorax verwendet, sondern auch zur Beschreibung der elastischen Eigenschaften anderer Organe oder Organsysteme wie Blutgefäße, Herzwand, Schädel/Hirn und Harnblase. Für die meisten Zusammenhänge zeigt sich eine nichtlineare Beziehung der Werte. Das heißt, dass die Compliance sich je nach Füllungszustand des Systems ändert. Typischerweise ist sie für einen gewissen Bereich konstant (gleiche Volumenzunahme erzeugt gleiche Druckzunahme), fällt dann aber bei Annäherung an die Elastizitätsgrenze des Gewebes steil gegen 0 ab (selbst kleine Volumen-

ΔV [ml/mbar ] ΔPpulm

ΔPpulm beschreibt hierbei den intrapulmonalen Druck als Druckdifferenz zwischen alveolärem und atmosphärischem Druck. Der intrapulmonale Druck entspricht annähernd dem Druck in den Atemwegen (PAW), der auch bei maschineller Beatmung relativ einfach gemessen werden kann. Merke Die Compliance beschreibt die nichtlineare Be­ ziehung zwischen Druck und Volumenänderung in Lunge und Thorax.

Hinweis Eine pathologische Abnahme der Compliance führt zur Zunahme der Atemarbeit, da mehr (ne­ gativer) Druck aufgewendet werden muss, um die steife Lunge mit demselben Volumen zu fül­ len. Sie findet sich häufig bei ▶ restriktiven Lun­ generkrankungen, tritt aber auch bei akuten

Veränderungen wie Ödem oder Lungenentzün­ dung auf. Beim Lungenemphysem kann es da­ gegen sogar zu einer Zunahme der Compliance kommen. Kennzeichnend für das ▶ ARDS ist die dramatische Abnahme der Lungencompliance, die zur Applikation der notwendigen Atemvo­ lumina hohe Beatmungsdrücke erfordert (Abb. 1.14). Die Compliance ist also ein wichtiger Parameter zur Beurteilung der Integrität des Lungengewebes und zur Steuerung der Beatmungstherapie. Während die Lungencompliance nur durch die Gewebezusammensetzung bestimmt ist, ist die Thoraxcompliance zusätzlich durch den Tonus der Muskulatur veränderlich. Für Fragestellungen der klinischen Medizin außerhalb der Lungenfunktionsprüfung ist die Bestimmung der ▶ Gesamtcompliance meist ausreichend genau.

1.4 Atemmechanik

21

Elastance. Der reziproke Wert der Compliance (1/C) wird als Elastance E oder Steifigkeit bezeichnet. Die Gesamtelastance des Atemapparats ergibt sich aus der Steifigkeit von Lunge und Thorax.

1

E=

1 [mbar/ml ] C

Gesamtcompliance. Da die Ruhedehnungskurve die elastischen Eigenschaften des gesamten ventilatorischen Systems charakterisiert, kann hieraus lediglich die Compliance des gesamten Atemapparats Cges ermittelt werden. Sie setzt sich zusammen aus der Compliance der Lunge CL und der Compliance der Thoraxwand sowie der umliegenden Gewebe CTh: 1 1 1 = + C ges C L CTH Normale Werte von CL und CTh liegen bei jeweils 200 ml/mbar. Die Gesamtcompliance des Atemapparats beim Erwachsenen beträgt demnach ca. 100 ml/mbar. Merke Die Gesamtcompliance beschreibt die elasti­ schen Eigenschaften des gesamten Atemappa­ rats.

a normale Compliance

Lungencompliance. Zur separaten Bestimmung der Lungencompliance CL ist die Kenntnis des transpulmonalen Drucks Ptp erforderlich. Er resultiert aus der Differenz zwischen dem Alveolar- oder intrapulmonalem Druck Ppulm und dem intrapleuralen Druck Ppleu: CL =

b niedrige Compliance

Abb. 1.14 Beatmungsdruck und Compliance. Die Applikation gleicher Volumina erfordert in Bereichen mit niedriger Compliance (b) höhere Drücke als in Bereichen mit normaler Compliance (a).

1 1 1 1 1 1 1 1

ΔV Δ ( Ppulm - Ppleu )

Hinweis Schwierigkeiten bereitet hierbei die not wendige Elimination der Einflüsse der Atemmuskulatur, die durch den transpulmonalen Druck mit er­ fasst werden. In der Praxis begnügt man sich da­ her oft mit einer vereinfachten CL­Bestimmung: Nach Einatmung eines bestimmten Volumens wird die Thoraxstellung durch Anspannung der Atemmuskulatur bei geöffneter Glottis fixiert. Der Druck in den Alveolen entspricht nun dem

1 1 1

22

1 Physiologie und Pathophysiologie der Atmung

1

atmosphärischen Druck, so dass Ppulm = 0 gesetzt werden kann: CL =

ΔV Δ Ppleu

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

Spezifische Lungencompliance. Es genügt also, die den Volumenänderungen entsprechenden Änderungen der intrapleuralen Drücke zu messen und die Quotienten aus beiden Differenzen zu bilden. Die so ermittelte Compliance der Lunge hängt nicht nur von deren elastischen Eigenschaften, sondern auch vom jeweiligen Lungenvolumen ab. Je kleiner das Ausgangsvolumen, umso höher ist die notwendige Druckänderung bei sonst gleichen Bedingungen. Daher haben Säuglinge und Kinder eine 2 – 3-mal kleinere Compliance als Erwachsene. Bezogen auf die funktionelle Residualkapazität ist die so ermittelte spezifische Compliance der Lunge bei Kindern und Erwachsenen jedoch vergleichbar hoch. C Lspez =

-1 ΔV × FRC Δ Ppleu

Hinweis Mit zunehmendem Alter nimmt die Dehnbarkeit der Lunge durch Veränderungen der elastischen und kollagenen Fasern des Lungengewebes zu. Sie ist auch erhöht beim Lungenemphysem, bei dem es zur Alveolarwanddestruktion und Erwei­ terung der terminalen Lufträume kommt. Während der intrapulmonale Druck leicht ermittelt werden kann (s. o.), ist der intrapleurale Druck der direkten Messung nur schwer zugänglich. Er kann jedoch auf wenig invasive Weise und mit annähernder Übereinstimmung mit einem Ballonkatheter im distalen Ösophagus als Ösophagusdruck Poes gemessen werden, so dass Ppleu ≈ Ppoes gesetzt werden kann. Der Ösophagusdruck wird nach Einführung eines Ballonkatheters zwischen das mittlere und untere Ösophagusdrittel beim stehenden oder aufrecht sitzenden, spontan atmenden Patienten ermittelt. Um sicherzustellen, dass PPl = Poes ist, kann beim Spontanatmenden der sog. „Okklusionstest“ durchgeführt werden: Beim Atemmanöver mit geschlossenem Mund und offener Glot-

tis müssen Munddruck (PAW) und Ösophagusdruck gleich sein. Hinweis Leider ist die Aussagefähigkeit des Ösophagus­ drucks beim kritisch Kranken begrenzt. Wäh­ rend der Fehlereinfluss des Herz­ und Mediasti­ nalgewichts durch 45 °­Lagerung des Patienten noch einigermaßen kompensierbar ist, können Druckartefakte durch Herzaktionen erheblich stören. Thoraxcompliance. Die Compliance des Thorax CTh wird mithilfe der transthorakalen Druckdifferenz zwischen intrapleuralem Druck und Atmosphärendruck (Ppleu – Patm) errechnet: CTH =

ΔV Δ( Ppleu - Patm )

■ Statische Compliance Bei sehr langsamer Atmung ist der Einfluss der viskösen Widerstände gering, so dass in diesem Fall die Beziehung zwischen Lungenvolumen und dem jeweils wirksamen Druck fast ausschließlich durch die elastischen Widerstände von Lunge und Thorax bestimmt wird. Zur Bestimmung der Compliance wird daher in der Praxis folgendermaßen vorgegangen: Der Proband inspiriert bei verschlossener Nase ein bestimmtes Luftvolumen aus einem ▶ Spirometer. Danach wird die Verbindung zum Spirometer geschlossen. Der Proband wird aufgefordert, seine Atemmuskulatur möglichst vollständig zu entspannen. Der für die Dehnung von Lunge und Thorax maßgebende Überdruck in den Atemwegen und Alveolen kann nun bei geöffneter Glottis am Mund des Probanden gemessen werden. Auf diese Weise lassen sich für verschiedene einund ausgeatmete Volumina die zugehörigen intrapulmonalen Drücke bestimmen. Aus den Messdaten resultiert die Druck-Volumen- oder ▶ Ruhedehnungskurve der untersuchten Lunge. Sie weist typischerweise einen nichtlinearen, S-förmigen Verlauf auf (Abb. 1.13). Aus der Steilheit der Kurve lässt sich die statische Compliance des gesamten Atemapparats aus Lunge und Thorax ermitteln.

1.4 Atemmechanik

Hinweis Zur Ermittlung statischer Druck­Volumen­Bezie­ hungen ist es absolut notwendig, die Atemmus­ kulatur vollständig auszuschalten, damit sich al­ lein die elastischen Kräfte auswirken können. Hier­ zu ist es erforderlich, dass der Patient seine Atem­ muskulatur kurzfristig maximal entspannt. Ist dies nicht möglich, z. B. beim unkooperativen Patien­ ten oder beim dyspnoischen Patienten, sind die erhobenen Daten nicht verwertbar. Unter maschi­ neller Beatmung muss die vollständige Erschlaf­ fung der Atemmuskulatur in der Regel durch tie­ fe Analgosedierung oder durch Anwendung von Muskelrelaxanzien herbeigeführt werden.

■ Oberer und unterer Inflection Point Im mittleren, nahezu linearen Abschnitt der Ruhedehnungskurve ist die Compliance der Lunge am größten. In diesem Bereich findet die normale Ruheatmung statt. Sie erfolgt demnach unter optimalen Bedingungen, d. h., die durch die Atemexkursionen verursachten Druckänderungen führen zu vergleichsweise großen intrapulmonalen Volumenverschiebungen. Dadurch wird die Atemarbeit ökonomisiert. Grenzbereiche mit Erreichen oder Überschreiten des oberen und/oder unteren Umschlagspunkts (Inflection Point) werden lediglich kurzfristig erreicht, z. B. durch forcierte Atmung bei körperlicher Anstrengung (Abb. 1.13).

Durch Wahl eines angemessenen positiven end­ exspiratorischen Druckes (PEEP) kann ein Abfall unter den unteren Inflection Point vermieden werden. Die Höhe des Tidalvolumens entschei­ det, ob von dieser Basis aus der obere Inflec­ tion Point und damit die Elastizitätsgrenze über­ schritten wird.

1 1 1

■ Verschlussvolumen und Verschlusskapazität Der untere Umschlagspunkt der ▶ Ruhedehnungskurve liegt im Bereich des Verschlussvolumens (Closing Volume, CV) (Abb. 1.15). Wird dieses Volumen während der Exspiration unterschritten, kann es zum Verschluss kleiner Luftwege mit einem atemzyklusabhängigen Anstieg des ▶ RechtsLinks-Shunts – „shunt in time“ – kommen. Betroffen sind vor allem abhängige Lungenareale, in denen schwerkraftbedingt der Gewebedruck größer ist als der intrabronchioläre Druck (vgl. schwerkraftabhängiger Druckgradient im Pleuraspalt). Prädisponierende Faktoren sind z. B. längere Rückenlage, Adipositas, Z. n. Oberbauchoperationen, aber auch LinksherzinsufÏzienz und hohes Alter. Hierbei ist die Verschlusskapazität (Closing Capacity, CC) – die Summe aus Verschlussvolumen und Residualvolumen – größer als die ▶ funktionelle Residualkapazität (CC > FRC).

1 1 1 1 1

Merke Die Ruheatmung erfolgt im Bereich der optima­ len Compliance. Hinweis Um unnötige Scherkräfte und intrapulmonale Druckspitzen zu vermeiden, strebt man bei der ▶ lungenprotektiven Beatmung ein Beatmungs­ regime an, dessen Tidalvolumina sich im stei­ len, aufsteigenden Bereich der Compliance­Kur­ ve (also im Bereich der maximalen Compliance) zwischen den beiden Inflection Points bewegen. Wenn das Lungenvolumen weder bei vollständi­ ger Ausatmung noch bei maximaler Einatmung in die flachen Anteile der Kurve hineinreicht, kann das notwendige Atemvolumen mit dem geringstmöglichen Druck verabreicht werden.

23

1 TK

Beginn des Airway Closure Closing Volume

FRC RV

1

Closing Capacity

Abb. 1.15 Closing Volume (CV) und Closing Capacity (CC) beim Lungengesunden. Die Clos­ ing Capacity liegt unterhalb der funktionellen Residualkapazität (FRC), so dass es nicht zum Ver­ schluss kleiner Luft wege kommt. TK = totale Lungen­ kapazität, RV = Residualvolumen.

1 1

24

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

1 Physiologie und Pathophysiologie der Atmung

Hinweis Überschreitet die Verschlusskapazität die FRC dauerhaft, wird die eingeschlossene Luft hinter den kollabierten Bronchiolen allmählich resor­ biert, so dass Resorptionsatelektasen entstehen. In Abhängigkeit von der inspiratorischen O2­Kon­ zentration tritt dieser Prozess bereits nach weni­ gen Minuten ein, kann jedoch auch einige Stun­ den dauern. Hohe inspiratorische O2­Konzentra­ tionen fördern die Entstehung von Resorptions­ atelektasen.

■ Dynamische Compliance Die Steilheit der Geraden, die bei normaler Ruheatmung den endexspiratorischen mit dem endinspiratorischen Punkt auf der Ruhedehnungskurve verbindet, ist ein Maß für die dynamische Compliance der Lunge. Beim Lungengesunden entspricht die dynamische Compliance annähernd der statischen Compliance. Sie bleibt auch bei hohen Atemfrequenzen praktisch unverändert. Das bedeutet, dass sich die parallel geschalteten Lungenabschnitte selbst bei hohen Strömungsgeschwindigkeiten und raschen Änderungen der Lungenvolumina gleichmäßig und nahezu synchron füllen und entleeren. Hinweis Beim Lungenkranken ist die Belüftung der Lun­ gen inhomogen. Alveolarbezirke mit niedriger Compliance und niedriger Resistance ändern ih­ ren Luftgehalt während eines Atemzyklus schnell (Zeitkonstante τ = Compliance × Resistance), während sich Alveolarbezirke mit hoher Compli­ ance und niedriger Resistance nur langsam mit Luft in der Inspiration füllen bzw. in der Exspira­ tion entleeren. Oftmals liegen Alveolarbezirke mit schnellen Zeitkonstanten neben Arealen mit langsamen ▶Zeitkonstanten, so dass sich am Ende der Inspiration Luft aus den schnellen in die langsamen Alveolen entleert (sog. Pendelluft). Aufgrund systematischer Verfälschung der sta­ tischen Kurve durch Rekrutierung/De­Rekruitie­ rung darf die dynamische Compliance in diesen Fällen nicht der statischen Compliance gleichge­ setzt werden.

Merke Bei Lungenerkrankungen dürfen dynamische und statische Compliance nicht gleich gesetzt werden. In der Intensivmedizin versteht man unter dem Begriff der dynamischen Compliance auch die Abhängigkeit der Compliance von zeitlichen Prozessen, insbesondere hinsichtlich der Dynamik der pulmonalen Erkrankung (Vorgeschichte von Druck, Fluss und Volumen). Die Compliancemessungen erfolgen ganz bewusst unter den dynamischen Bedingungen der ununterbrochenen Beatmung, die Berechnung erfolgt nach geräteinternen mathematischen Algorithmen. Neuere Verfahren verwenden die multiple lineare Regressionsanalyse zur Lösung der Bewegungsgleichung p=

V × R + p0 C + V˙

Durch Lösung dieser Gleichung ist bei allen Formen der kontrollierten Beatmung sowohl die Compliance als auch die Resistance des respiratorischen Systems eindeutig und reproduzierbar bestimmbar. Die so ermittelte Compliance erlaubt in ihrem Verlauf – bei gleichen Beatmungsparametern – trotz aller Einschränkungen eine Aussage zur Progredienz der Lungenerkrankung.

1.4.4

Atemarbeit

Die zur Aufrechterhaltung der Ventilation bei gegebener Resistance und Compliance erforderliche Pumparbeit muss von der Atemmuskulatur (Zwerchfell, Interkostalmuskulatur, Atemhilfsmuskulatur) erbracht werden. Sie besteht somit aus mehreren Komponenten: der Arbeit gegen die elastischen Lungenwiderstände, die durch die Retraktionskräfte von Lunge und Thorax vorgegeben wird, und der Arbeit gegen die Reibungswiderstände, die sich aus den Strömungswiderständen und den nichtelastischen Gewebewiderständen zusammensetzen („mechanische Atemarbeit“). Bei Ruheatmung müssen ca. 3 Viertel der inspiratorischen Atemarbeit zur Überwindung der elastischen und nichtelastischen Gewebekräfte aufgebracht werden, nur ca. ein Viertel ist zur Überwindung der Strömungswiderstände notwendig. Die

1.4 Atemmechanik

gegen die Strömungswiderstände zu leistende Exspirationsarbeit ist bei Ruheatmung kleiner als die zuvor elastisch gespeicherte Energie.

■ Definition und Normalwerte Im physikalischen Sinne ist die Atemarbeit W (Work of Breathing, WOB) für einen Atemzug unter Spontanatmung als das Produkt aus transpulmonaler Druckdifferenz Ptp und Atemzugvolumen V T definiert: W = Ptp × V T Dabei ergibt sich der transpulmonale Druck aus der Differenz zwischen intrapulmonalem Druck (≈ Atemwegsdruck PAW) und intrapleuralem Druck (≈ Ösophagusdruck Poes). Die Atemarbeit W wird in Joule gemessen, sie bezieht sich immer auf einen Atemzug. Da die Atemzüge unterschiedlich groß sind, teilt man die Atemarbeit durch das Atemzugvolumen und erhält so die spezifische Atemarbeit in Joule pro Liter ventilierten Gases [J/l]. Aus energetischer Sicht ist die Arbeit pro Zeit˙ , der wichtigste Parameter. einheit, die Leistung W Man erhält sie, indem man entweder die Atemarbeit mit der Atemfrequenz oder die spezifische Atemarbeit mit dem Atemminutenvolumen multipliziert. In beiden Fällen hat die Atemleistung die Dimension Joule pro Minute [J/min]. Normalwerte für die spezifische Atemarbeit und die Atemleistung bei Erwachsenen sind: ● Atemarbeit: W tot = 0,7 – 1,0 J/l ˙ tot = 4,2 – 6,0 J/min ● Atemleistung: W

■ Druck-Volumen-Loops In Druck-Volumen-Schleifen (Druck-VolumenLoops oder PV-Loops) kann die Atemarbeit zur Überwindung der elastischen und nichtelastischen Widerstände (WOB, Work of Breathing) als Integral pdV aufgezeigt werden. Hierbei werden vereinfachend intrapleurale Drücke und Atemwegsdrücke gleichgesetzt: WOB = ſ PAW × dV T

PAW = Atemwegsdrücke, V T = Tidalvolumen Merke Druck­Volumen­Loops stellen die Atemarbeit ge­ gen die eleastischen und nichtelastischen Wider­ stände dar. Abb. 1.16 a zeigt die Atemarbeit unter Spontanatmung, wobei die PV-Loops im Uhrzeigersinn verlaufen. Die Arbeit gegen die elastischen Widerstände wird durch die blau schrafÏerten Flächen repräsentiert. Dazu kommt während der Inspiration und Exspiration der Atemanteil zur Überwindung der Strömungswiderstände (Fläche innerhalb des PVLoops). Die gegen die Strömungswiderstände zu leistende Exspirationsarbeit ist bei Ruheatmung kleiner als die zuvor elastisch gespeicherte Energie, daher kann die Ausatmung passiv erfolgen. Bei forcierter Atmung dagegen muss durch die Atemmuskulatur eine zusätzliche inspiratorische Arbeit erbracht werden (Abb. 1.16 b). Die Exspiration erfolgt nicht mehr passiv, sondern erfordert ebenfalls zusätzliche Arbeit. Bei Krankheitsbildern mit obstruktiver ▶ Ventilationsstörung wird bereits in Ruhe mehr Atemarbeit zur Überwindung der erhöhten Strömungswiderstände benötigt (Abb. 1.16 c). Auch die Exspirationsarbeit nimmt zu. Bei Krankheitsbildern mit restriktiver ▶ Ventilationsstörung ist dagegen mehr elastische Atemarbeit erforderlich (Abb. 1.16 d). Die zur Überwindung der Strömungswiderstände erforderliche Arbeit bleibt nahezu unverändert. Merke Obstruktive Ventilationsstörung: Zunahme der resistiven Atemarbeit. Restriktive Ventilationsstörung: Zunahme der elastischen Atemarbeit.

25

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

■ Energieverbrauch der Atemmuskulatur

1

Der Anteil der Atemmuskulatur am Energieverbrauch beträgt in Ruhe 1 – 2 %. Bei forcierter Atmung dagegen kann der Energieverbrauch durch Atemarbeit um ein Vielfaches ansteigen und bis zu 20 % des Gesamtumsatzes betragen. Hierfür ist in

1

a

b Exspiration

1

Volumen

1

1 Physiologie und Pathophysiologie der Atmung

Volumen

26

Inspiration

Inspiration 0

–2

–4

–6

–8

0

–2

–6

–8

Druck (mbar)

Exspiration

Volumen

c

–4

d

Volumen

Druck (mbar)

1

Exspiration

Exspiration

1 Inspiration

Inspiration 0

1 1 1 1 1 1 1 1

–2

–4

–6

–8

Druck (mbar)

0

–2

–4

–6

–8

Druck (mbar)

Abb. 1.16 Atmungszyklus im Druck-Volumen-Diagramm. Die bei der Atmung zu leistende Atemarbeit lässt sich anhand von Druck­Volumen­Schleifen abschätzen. Die grau schrafÏerten Flächen entsprechen der zur Überwindung der elastischen Kräfte benötigten inspiratorischen Arbeit. Die Flächen innerhalb der PV­Loops repräsentieren die zur Überwindung der Atemwegswiderstände erforderliche Arbeit. Die rot schrafÏerte Fläche kennzeichnet den Anteil der Exspirationsarbeit, der durch die Exspirationsmuskeln aufgebracht werden muss. a PV­Loop bei Ruheatmung und normaler Lungenmechanik. b PV­Loop bei Belastung und normaler Lungenmechanik. c PV­Loop bei obstruktiver Lungenerkrankung mit erhöhten Strömungswiderständen. d PV­Loop bei restriktiver Lungenerkrankung mit hohen elastischen Widerständen. Weitere Erläuterungen im Text.

erster Linie die Zunahme der in- und exspiratorischen Strömungswiderstände verantwortlich. Zur Überwindung der gestiegenen exspiratorischen Strömungswiderstände muss nun – im Gegensatz zur Ruheatmung – auch exspiratorische Atemarbeit erbracht werden. Hinweis Grundsätzlich hängt der Energieverbrauch der Muskulatur davon ab, wie die Muskelspannung aufgebaut und gehalten wird, vom Ausmaß der Muskelverkürzung und von der Leistung, die auf­ gebracht wird. Unter isometrischer Kontraktion bestimmen dagegen Anspannungskraft und An­ spannungsdauer den O2­Verbrauch des Muskels, messbar als Druck­Zeit­Produkt (Pressure Time Product, PTP). Vermutlich lässt sich mit dem PTP der Energieverbrauch der Atemmuskulatur auch unter dynamischen Bedingungen zuverlässig

abschätzen. PTP kann aus den kontinuierlichen Atemdruckkurven bestimmt werden; allerdings muss gleichzeitig der Ösophagusdruck mit er­ fasst werden.

Merke Der Anteil der Atemmuskulatur am Energiever­ brauch beträgt 1 – 2 %, steigt jedoch bei Belas­ tung bis auf 20 % an.

■ Respiratory Muscle Fatigue Übersteigt der Sauerstoffbedarf der Atemmuskulatur (Oxigen Cost of Breathing) das Sauerstoffangebot, tritt eine metabolische Mangelsituation ein, die Ermüdungsreaktionen auslöst („respiratory muscle fatigue”).

1.5 Alveoläre Ventilation, Totraumventilation

Diese Situation wird erreicht, wenn für die Muskelkontraktionen dauerhaft mehr als 40 % der maximalen Muskelkraft benötigt wird. Während Lungengesunde unter Normalbedingungen ihre maximale Atemmuskelkraft nur zu etwa 10 % ausschöpfen und dieser Wert auch bei körperlicher Anstrengung oder willentlicher Mehrventilation nur langsam ansteigt, belasten Patienten mit obstruktiven Ventilationsstörungen ihre Atemmuskulatur je nach Krankheitsschweregrad bereits unter Ruhebedingungen mit 20 % und mehr der normalen Muskelkraft. Da die Atemmuskulatur wegen des pathologisch großen Lungenvolumens bereits in Ruhe unter ineffektiven Überdehnungsbedingungen arbeitet, führen körperliche Belastung oder pulmonale Verschlechterung z. B. durch einen pneumonischen Infekt oder eine Spastik der Atemwege bei diesen Patienten schnell zur ventilatorischen Dekompensation: Die Atemmuskulatur ist nicht mehr in der Lage, die Pumpleistung für die notwendige alveoläre Ventilation und CO2-Elimination aufzubringen. Die Folge ist eine respiratorische GlobalinsufÏzienz mit Hypoxämie und CO2-Retention im Blut. Merke Eine Erschöpfung der Atemmuskulatur führt zur respiratorischen GlobalinsufÏzienz durch alveolä­ re Minderventilation.

Hinweis Bei Krankheitsbildern mit ▶ restriktiver Ventila­ tionsstörung durch eine fibrosierende Lungen­ gerüsterkrankung ist mehr Atemarbeit gegen die elastischen Kräfte erforderlich. Die zur Über­ windung der Strömungswiderstände erforder­ liche Arbeit ist hierbei zwar theoretisch unver­ ändert; restriktive Lungenveränderungen füh­ ren jedoch zumeist gleichzeitig auch zu Verän­ derungen der Atemwegsgeometrie, so dass bei diesen Patienten im Endstadium auch die Resis­ tance der Atemwege erhöht ist. Bei pulmonalen Erkrankungen mit restriktiven Ventilationstörun­ gen steht die Erhöhung der Atemarbeit jedoch nur selten im Vordergrund.

1.5

Alveoläre Ventilation, Totraumventilation

Die Gesamtventilation der Lunge V˙ e setzt sich zusammen aus der alveolären Ventilation V˙ a und der Totraumventilation V˙ d:

27

1 1

V˙ e = V˙ a + V˙ d Wichtig für den Gasaustausch ist nur die alveoläre Ventilation, d. h. der Anteil des Atemzeitvolumens, der in die perfundierten Alveolen gelangt und dort am Gasaustausch teilnehmen kann. In den Transportwegen zwischen Alveolen und Atmosphäre (Nasen-Rachen-Raum, Trachea, Bronchien, Bronchiolen) findet dagegen kein Gasaustausch statt; man spricht daher von Totraumventilation. Der anatomische Totraum (dead space, VD) des Erwachsenen beträgt ca. 150 – 200 ml; er hat wichtige Aufgaben bei der ▶ Klimatisierung und Reinigung der Atemluft. Hinweis Das Volumen des Totraums hängt von der Kör­ pergröße und ­position ab. Für den sitzenden Probanden gilt die Faustregel, dass die Größe des Totraums (in ml) dem doppelten Körperge­ wicht (in kg) entspricht. Totraumquotient. Das Verhältnis zwischen Totraum VD und Atemzugvolumen oder Tidalvolumen V T wird auch als Totraumquotient (VD/V T) bezeichnet. Er ist bei Ruheatmung etwa 0,3, d. h., der Anteil der Totraumventilation an der Gesamtventilation beträgt etwa 30 %. Bei Ruheatmung des Erwachsenen setzt sich das Atemzugvolumen von 500 ml aus einem alveolären Anteil von 350 ml und einem Totraumanteil von 150 ml zusammen. Bei einer Atemfrequenz von 14/min beträgt demnach die Gesamtventilation 7 l/min, von der auf die alveoläre Ventilation 5 l/min und auf die Totraumventilation 2 l/ min entfallen. Merke Bei Ruheatmung beträgt der Totraumanteil etwa 30 % des Atemzugvolumens.

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

28

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

1 Physiologie und Pathophysiologie der Atmung

Alveoläre Totraumventilation. Gelangt ein Teil der Inspirationsluft in Alveolen, die aktuell nicht perfundiert sind und damit nicht am Gasaustausch teilnehmen, resultiert eine alveoläre Totraumventilation. Die Summe aus anatomischem Totraum und alveolärem Totraum wird auch als funktioneller Totraum bezeichnet. Beim Lungengesunden ist der Anteil der alveolären Totraumventilation vernachlässigbar, so dass anatomischer und funktioneller Totraum faktisch gleichzusetzen sind. Anders sind die Verhältnisse dagegen bei Lungenfunktionsstörungen, bei denen Ventilation und Perfusion unregelmäßig über die Lunge verteilt sind. In diesen Fällen kann der funktionelle Totraum erheblich größer sein als der anatomische Totraum. Merke Beim Lungengesunden ist die alveoläre Totraum­ ventilation vernachlässigbar. Bei einem tiefen Atemzug vergrößert sich geringfügig auch der anatomische Totraum, da sich die Bronchien und Bronchiolen mit der Erweiterung des Thoraxraumes ebenfalls erweitern. Diese Totraumzunahme ist allerdings zu vernachlässigen, so dass die Vertiefung der Spontanatmung zur Steigerung der alveolären Ventilation führt. Sinken dagegen die Atemzugvolumina durch schnelle und oberflächliche Atmung, steigt der relative Totraumanteil an, d. h., die effektive alveoläre Ventilation nimmt ab. Hinweis Das Atemminutenvolumen sagt sehr wenig über die Effektivität der Ventilation aus. Wird z. B. das Atemminutenvolumen von 7 Litern durch fla­ che und schnelle Atmung erreicht (AF 35/min, Tidalvolumina 200 ml), wird fast ausschließlich der anatomische Totraum belüftet, während der nachgeschaltete Alveolarraum von der Frischluft kaum erreicht wird. Trotz „normaler“ Atemminu­ tenvolumina kommt es zur alveolären ▶ Hypo­ ventilation und ▶ Hypoxie.

Merke Die alveoläre Ventilation erhöht sich durch Ver­ tiefung der Spontanatmung.

Bei der Ventilation der Lungen müssen die elastischen Gewebewiderstände von Thorax und Lungen sowie dynamische, von der Geschwindigkeit der Luftströmung abhängige Strömungswiderstände überwunden werden. Veränderungen dieser atemmechanischen Größen beeinflussen nicht nur die notwendige ventilatorische Atemarbeit, sondern auch die Gasverteilung innerhalb der Lungen.

1.6

Lungenfunktion

1.6.1

Lungenvolumina

Das bei normaler Atmung ein- und ausgeatmete Volumen wird als Atemzugvolumen (AZV) oder Tidalvolumen (V T) bezeichnet. Es beträgt beim gesunden Erwachsenen in Ruhe 500 – 700 ml. Unter der inspiratorischen Kapazität (IK) versteht man das Volumen, das aus der exspiratorischen Atemruhelage maximal eingeatmet werden kann (ca. 3 Liter). Es setzt sich zusammen aus dem Atemzugvolumen und dem inspiratorischen Reservevolumen (IRV). Die totale Lungenkapazität (TK) umfasst das gesamte Luftvolumen in der Lunge nach maximaler Inspiration (ca. 6 Liter), die Vitalkapazität (VK oder VC) das Luftvolumen, das nach maximaler Inspiration maximal ausgeatmet werden kann. Die Vitalkapazität ist lediglich ein Maß für die Ausdehnungsfähigkeit von Lunge und Thorax, denn selbst bei extremen Anforderungen an die Atmung wird die mögliche Atemtiefe niemals voll ausgenutzt. Die Angabe eines „Normalwerts“ für die Vitalkapazität ist daher kaum möglich, da diese von verschiedenen Parametern wie Alter, Geschlecht, Körpergröße, Körperposition und Trainingszustand abhängig ist. Die Vitalkapazität beträgt für einen jüngeren, 180 cm großen Mann etwa 5 Liter und nimmt mit zunehmendem Alter ab. Das exspiratorische Reservevolumen (ERV) kennzeichnet das Volumen, das nach normaler Ausatmung noch zusätzlich ausgeatmet werden kann (ca. 1,7 Liter), während man unter dem Residualvolumen (RV) das Volumen versteht, was auch nach maximaler Exspiration in der Lunge verbleibt. Der Anteil der Vitalkapazität an der Totalkapazität der Lunge beträgt beim gesunden Menschen somit etwa 75 %, der Anteil des Residualvolumens (RV) etwa 25 % (Abb. 1.17).

1.6 Lungenfunktion

VK

IK

29

1

maximale Einatemlage

IRV

TK

IVK

FEV1

FEV

1

AZV ERV RV

FRC

maximale Ausatemlage

normale Ausatemlage

Abb. 1.17 Lungenvolumina. AZV = Atemzugvolumen (= Tidalvolumen V T), IRV = inspiratorisches Reservevolumen, ERV = exspiratorisches Reservevolumen, RV = Residualvolumen,

Hinweis Die absoluten Werte der Lungenvolumina schwan­ ken stark in Abhängigkeit von Körperbau, Trai­ ningszustand und Lebensalter, wobei die Werte von Frauen generell 10 – 20 % kleiner sind als die von Männern. Darüber hinaus hat die Körperstel­ lung einen erheblichen Einfluss auf die Reservevo­ lumina. So ist z. B. das exspiratorische Reservevo­ lumen im Liegen um ca. 20 % niedriger als im Ste­ hen. Dagegen ist das inspiratorische Reservevolu­ men im Liegen meist etwas größer als im Stehen.

1.6.2

Lungenfunktionsmessungen

Im medizinischen Alltag hat sich der Begriff Lungenfunktion („Lufu“) auch als Sammel- und Oberbegriff für die verschiedenen Untersuchungsverfahren der Lungenvolumina und anderer Kennzahlen der Lungenfunktion eingebürgert, beispielsweise der Spirometrie und der Bodyplethysmographie. Die gebräuchlichen Lungenfunktionsmessungen befassen sich weniger mit dem Gasaustausch der Lunge als vielmehr mit Strömungskennzahlen des Luftleitungssystems, vor allem des Bronchialsystems. Hier haben häufige Störungen wie das Asthma bronchiale und die chronisch obstruktive Lungenerkrankung ihre Ursache.

1s

1

TK oder TC = totale Lungenkapazität, IK = inspiratorische Kapazität, VK oder VC = Vitalkapazität, FRC = funktionelle Residualkapazität. Erläuterungen im Text.

1

■ Spirometrie Die am häufigsten durchgeführte Lungenfunktionsmessung ist die Spirometrie (sog. „kleine Lungenfunktion“). Hierbei werden mit einem elektronischen Flusssensor in einem Mundstück die Strömungsgeschwindigkeiten der Atemluft in Ruhe sowie bei maximaler In- und Exspiration gemessen. Neben Messungen bei Ruheatmung erlaubt die Spirometrie auch Messungen unter Belastung (Ergo-Spirometrie). Erfasst und registriert werden u. a. die folgenden statischen und dynamischen Atemvolumina: ● Atemzugvolumen (AZV oder V ), T ● Atemfrequenz (AF), ● Atemminutenvolumen (AMV), ● inspiratorisches und exspiratorisches Reservevolumen (IRV bzw. ERV), ● Vitalkapazität (VC) und forcierte Vitalkapazität (FVC) bzw. ● forciert ausgeatmete maximale Exspirationsvolumina (FEVt mit t = 0,5 s, 1,0 s und 3,0 s). Das Volumen der ersten Sekunde forcierter Exspiration wird als Atemstoßwert (ASW) oder ▶ Sekundenkapazität (FEV1.0) bezeichnet. Mithilfe der Heliumeinwaschmethode können mit einem geschlossenen Spirometer indirekt auch die restlichen Lungenvolumina, die funktionelle Residualkapazität (FRC) und daraus das Residualvolumen (RV) sowie die Totalkapazität der Lunge (TK) bestimmt werden.

1 1 1 1 1 1 1 1

30

1 1 1 1 1 1

1 Physiologie und Pathophysiologie der Atmung

Die Messwerte werden üblicherweise auch grafisch dargestellt, meist als Fluss-Volumen-Kurven (Abb. 1.18). Der Fluss des Atemstroms (y-Achse) wird hier nicht gegen die Zeit, sondern gegen das ausgeatmete Volumen (x-Achse) aufgetragen. Mit dieser Darstellung lassen sich besonders leicht krankhafte Veränderungen sehen. Auch ist die Grafik unerlässlich, um die Mitarbeit des Probanden bei der Messung zu bewerten. Hinweis Die Messungen sind stark von der Kooperation des Patienten abhängig. Fehlerhafte Messwer­ te resultieren bei unkooperativen Patienten oder auch bei Kindern. Der Erfahrene kann aus der Gra­ fik jedoch meist ablesen, ob die Messwerte nur aufgrund mangelnder Mitarbeit schlecht sind. Peak Flow. Aus der Fluss-Volumen-Kurve lassen sich der maximale exspiratorische Fluss (Peak Exspiratory Flow, PEF) und der maximale inspiratorische Fluss (Peak Inspiratory Flow, PIF) ermitteln. Der mitarbeitsunabhängige Endteil der exspiratorischen Fluss-Volumen-Kurve wird durch

1

die maximalen Atemstromstärken bei 25, 50 und 75 % der im Thorax befindlichen Vitalkapazität charakterisiert, d. h., wenn noch 75, 50, 25 % der Vitalkapazität auszuatmen sind (MEF 25/50/75) (Abb. 1.18). Die mit dieser Kurve ermittelten Parameter erlauben eine Differenzierung in Restriktion und Obstruktion. Letztere lässt sich unterteilen in eine intrathorakale und eine extrathorakale Obstruktion. Eine Restriktion liegt vor, wenn die Vitalkapazität 80 % des Sollwertes unterschreitet. Eine Obstruktion liegt vor, wenn der sog. ▶ Tiffeneau-lndex (FEV1.0 % VC) 75 % des Normwertes unterschreitet. Eine Verminderung des PIF deutet auf eine extrathorakale Obstruktion hin. Peak-Flow-Meter. Die Bestimmung der exspiratorischen Atemstromstärke am Mund ist mithilfe einfacher Peak-Flow-Meter möglich. Diese Geräte bestehen aus einem großvolumigen Rohr, in welches der Patient nach einer maximalen Einatmung kurz und stoßartig ausatmet, als wenn er eine Kerze ausblasen würde. Dabei wird eine mechanische Markierung so abgelenkt, dass sie am Punkt des exspiratorischen Spitzenflusses (PEF) stehen bleibt. Dieser PEF wird auf einer Skala in Litern pro Minute abgelesen.

Exspiration normal

Obstruktion

Restriktion

1 1 1 1

Flow

1 PEF MEF 75 MEF 50 MEF 25

PEF MEF 75 MEF 50 MEF 25

PEF MEF 75 MEF 50 MEF 25

Volumen

Inspiration

Abb. 1.18 Fluss-Volumen-Kurven bei normaler Lungenfunktion sowie bei obstruktiven und restriktiven Lungenerkrankungen. a Normale Lungenfunktion. b Obstruktive Ventilationsstörung: Es zeigt sich der typische „Hängebauch“ in der Fluss­Volumen­Kurve. PEF und MEF sind deutlich vermindert. c Restriktive Ventilationsstörung: Die Kurvenform ist ähnlich der bei normaler Lungenfunktion, die Volumina sind restriktionsbedingt kleiner. PEF = exspiratorischer Spitzenfluss, MEF 75/50/25 = maximaler Exspirationsfluss nach Ausatmung von 75/50/25 % der Vitalkapazität.

1.6 Lungenfunktion

Hinweis Peak­Flow­Meter werden vor allem zur Therapie­ kontrolle eingesetzt. Der Patient soll lernen, welcher der für ihn „persönliche Bestwert“ ist. Unter ärztlicher Kontrolle kann er sein Peak­Flow­ Meter in Verbindung mit dem sog. Ampelsystem benutzen. Die Feststellung der Peak­Flow­Wer­ te ermöglicht dem Patienten eine Eigenkontrolle seiner Lungenfunktion mit der Möglichkeit, ein­ setzende Verschlechterungen rechtzeitig zu er­ kennen und im Rahmen eines ärztlich geleiteten Selbstmanagements darauf zu reagieren bzw. seinen Arzt frühzeitiger aufzusuchen.

Glockenspirometrie. Das Messprinzip zur Bestimmung der Lungenvolumina mithilfe des Feuchtoder Glockenspirometers ist bereits seit der Mitte des letzten Jahrhunderts bekannt. Bei dem Gerät handelt es sich um einen doppelwandigen, mit Wasser gefüllten Zylinder, in den eine nach unten offene Spirometerglocke eintaucht, die wiederum über ein Rollensystem mit einer Registriereinheit verbunden ist (Abb. 1.19). Durch Ein- und Ausatmen von Luft aus der Glocke hebt und senkt sich diese im Zylinder, so dass die Volumenveränderungen grafisch erfasst und zur Bestimmung der ▶ Lungenvolumina ausgewertet werden können.

Hinweis Feuchtspirometer werden heute nur noch selten bzw. nur für spezifische wissenschaftliche Frage­ stellungen verwendet. In der Regel sind Spiro­ meter heute mit einem Flusssensor ausgestat­ tet und die abgeleiteten Volumina werden elekt­ ronisch ermittelt. Für den Einsatz bei beatmeten Patienten sind Feuchtspirometer nicht geeignet.

■ Ganzkörperoder Bodyplethysmographie Neben der klassischen Spirometrie ist die Bodyplethysmographie eine wichtige, jedoch relativ aufwändige Methode der Lungenfunktionsdiagnostik. Sie ermöglicht neben der Bestimmung aller wichtigen Atemvolumina zusätzlich die Bestimmung des ▶ Atemwegswiderstandes (▶ Resistance, R) und des intrathorakalen Gasvolumens (ITGV). Zur Untersuchung sitzt der Proband in einer knapp 1 m3 großen Kammer (Abb. 1.20), die luftdicht verschließbar ist. Über ein Mundstück atmet er aus einem Atembeutel angewärmte und angefeuchte-

31

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

Wasser Patient

Luftkammer

1

rotierende Trommel

Abb. 1.19 Messung der Lungenvolumina durch das Feuchtspirometer. Feuchtspirometer erlauben die direkte und genaue Messung von in­ und exspira­ torischen Volumina. Die gemessenen Volumina wer­ den auf einer rotierenden Trommel aufgezeichnet.

Abb. 1.20 Bodyplethysmograph. Erläuterungen im Text.

1

32

1 1 1 1

1 Physiologie und Pathophysiologie der Atmung

te Luft, die zur Ermittlung der Atemstromstärken durch einen Flowsensor (zumeist einen Pneumotachographen) geleitet wird. Die Ganzkörperplethysmographie ist auch eine Methode zur exakten Messung der ▶ funktionellen Residualkapazität (FRC). Da hiermit die Luftvolumina in der Lunge bestimmt werden können, sind weitere Messgrößen erfassbar, z. B. das maximal mögliche Luftvolumen in der Lunge (Totalkapazität, TK) und das nicht ausatembare ▶ Residualvolumen der Lunge (RV). Zur Bestimmung des Atemwegswiderstandes wird die Druckdifferenz zwischen intrathorakal (Mundhöhle) und extrathorakal gegen die Stärke des erreichten Atemluftstroms aufgetragen.

1.6.3

1 1 1 1 1 1 1 1

Lungenfunktionsparameter

■ Funktionelle Residualkapazität (FRC) Unter der funktionellen Residualkapazität (FRC) versteht man das Luftvolumen, das nach einer normalen Ausatmung bei geöffneter Glottis in der Lunge verbleibt (Abb. 1.17). Es setzt sich zusammen aus dem exspiratorischen ▶ Reservevolumen (ERV), das nach einer normalen Exspiration noch zusätzlich ausgeatmet werden kann (ca. 1 Liter), und dem ▶ Residualvolumen (RV), das auch nach maximaler Exspiration in der Lunge verbleibt (1,5 – 2 Liter). Merke In Atemruhelage entspricht das Lungenvolumen der funktionellen Residualkapazität. VentilationskoefÏzient. Die FRC ist groß gegenüber dem Volumen eines normalen Atemzugs in Ruhe. Pro Atemzug werden daher nur etwa 10 – 12 % der Alveolarluft erneuert, d. h., der VentilationskoefÏzient ist niedrig. Die Zusammensetzung der Atemgase in den peripheren Lungenabschnitten (Bronchiolen, Alveolargänge, Alveolen) ändert sich während der In- und Exspiration somit nur wenig. Dementsprechend schwanken auch die alveolären Gaspartialdrücke im Verlauf des Atemzyklus nur um wenige mmHg, wodurch ein ausreichender Gasaustausch auch während der Exspirationsphase gewährleistet ist. Die FRC wirkt zudem der alveolären Kollapsneigung während der Exspirationsphase entgegen.

Merke Wegen der großen FRC schwanken die alveo­ lären Gaspartialdrücke im Verlauf des Atem­ zyklus nur wenig.

Hinweis Aufgrund der physiologischen Schwankungsbrei­ te, methodischer Schwierigkeiten bei der exak­ ten Bestimmung intrathorakaler Gasvolumina sowie Unsicherheiten bei der Definition der Soll­ werte sind zahlenmäßige Abweichungen der Re­ servevolumengrößen sowie der Vitalkapazität von der Norm in der intensivmedizinischen Praxis nur von geringer Aussagekraft. Erst höhergradi­ ge und reproduzierbare Änderungen, wie z. B. die Abnahme der Vitalkapazität um > 25 % vom alterstypischen Sollwert, lassen auf eine vorhan­ dene oder sich entwickelnde pulmonale Funkti­ onsstörung schließen.

■ Einsekundenkapazität FEV1.0 Die Atemstromstärke wird als exspiratorische Sekundenkapazität im Tiffeneau-Test bestimmt. Hierunter versteht man das nach maximaler Inspiration innerhalb einer Sekunde bei größter Anstrengung ausgeatmete Volumen FEV1.0 (forciertes Exspirationsvolumen der 1. Sekunde). Aussagefähiger als die absolute Sekundenkapazität (gemessen in Litern) ist die relative Sekundenkapazität, die auf die Vitalkapazität bezogen ist. Beim Lungengesunden beträgt sie, unabhängig von Geschlecht, Größe und Gewicht, 70 – 80 % der Vitalkapazität. Sie ist erniedrigt bei Lungenerkrankungen mit erhöhten Atemwegswiderständen, wie z. B. chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen (chronische Bronchitis), Status asthmaticus usw. Im hohen Alter ist sie um 10 – 15 % niedriger als beim jungen Menschen. Die individuellen Messwerte werden in Abhängigkeit von Alter, Geschlecht, Größe und Gewicht in Beziehung zu Sollwert-Standardtabellen gesetzt. Auch bei restriktiven Lungenerkrankungen wie beispielsweise der Lungenfibrose ist die FEV1.0 vermindert. Hier ist jedoch gleichzeitig die Vitalkapazität wegen der eingeschränkten Dehnbarkeit der Lunge verringert, so dass der Tiffeneau-Wert normal ist.

1.7 Erkrankungen mit pathologischen Veränderungen der Lungenvolumina

Bei starker Obstruktion verbleibt nach rascher, maximaler Ausatmung mehr Luft in den Lungen (erhöhtes Residualvolumen, RV), so dass die forcierte Vitalkapazität entsprechend vermindert ist: Es liegt eine Verschiebung der Atemmittellage durch Überblähung vor. Die Einsekundenkapazität kann dadurch trotz Obstruktion „normal“ erscheinen. Merke Die Einsekundenkapazität ist ein Maß für die ex­ spiratorische Atemstromstärke (Tiffeneau­Test).

Hinweis Ist keine weitergehende Lungenfunktionsdiag­ nostik möglich, wie z. B. in Notfallsituationen, können einfache Atemmanöver vor Ort zur ori­ entierenden Beurteilung der Lungenfunktion mitunter hilfreich sein: ● verlängertes Exspirium: Gemessen wird die möglichst vollständige Ausatemzeit nach ma­ ximaler Inspiration. Ausatemzeit > 5 s: pulmo­ nale Obstruktion. ● verminderte Atemstromstärken: Ausblasen ei­ nes brennendes Streichholzes aus 5 cm Ent­ fernung mit offenem Mund bzw. 15 cm mit gespitzten Lippen. Bei Schwierigkeiten bis Unmöglichkeit: pulmonale Obstruktion/ Restriktion.



verminderte pulmonale oder kardiale Reserve: Schwierigkeiten, den Atem nach tiefer Inspira­ tion über mehrere Sekunden anzuhalten (nor­ mal wenigstens 15 – 20 s).

Bronchospasmolysetest. Hiermit wird untersucht, ob beim Patienten durch Anwendung von bronchospasmolytisch wirkenden Atemsprays eine Verringerung des Atemwegswiderstandes (Rtot) und damit eine Reversibilität der bronchialen Obstruktion erzielt werden kann. Diese geht mit einer Zunahme der ▶ Einsekundenkapazität (FEV1.0) einher. Hinweis Typischerweise ist die Obstruktion im Rahmen eines Asthma bronchiale reversibel, die Obstruk­ tion bei einer chronisch obstruktiven Bronchitis ist niemals vollkommen reversibel (Abb. 1.21).

1.7

Erkrankungen mit pathologischen Veränderungen der Lungenvolumina

33

1 1 1 1 1 1

Patienten mit Lungenerkrankungen, die mit einer Abnahme des Lungengewebes einhergehen, weisen eine Verminderung der ▶ Vitalkapazität sowie der

1 1

b

Flow Inspiration

Exspiration

a

komplette Reversibilität

c

partielle Reversibilität

1

keine Reversibilität

Volumen

Abb. 1.21 Fluss-Volumen-Kurven nach Bronchospasmolysetest. Vollständige (a) bzw. partielle Reversibilität (b) der Obstruktion bei positivem Bronchospasmolysetest: Der „Hängebauch“ ist weniger ausgeprägt bzw. verschwunden. Bei fehlendem Effekt ist von einer ausgeprägten Entzündung oder einer chronischen Obstruk­ tion auszugehen (c).

1 1 1

34

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

1 Physiologie und Pathophysiologie der Atmung

funktionellen ▶ Residualkapazität auf. Dazu zählen Patienten nach Lungenresektionen oder operativer Verkleinerung des Thoraxraumes durch eine Thorakoplastik sowie Patienten mit Deformitäten von Thorax und Brustwirbelsäule. Die Vitalkapazität kann auch durch extrapulmonale Einflüsse reduziert sein. Hierzu gehören u. a. die Einschränkung der Ventilation durch zentrale oder periphere Atemmuskelparesen (Poliomyelitis). Häufige Ursachen in der Intensivmedizin sind verminderte Zwerchfellexkursionen durch raumfordernde oder schmerzhafte Prozesse im Abdomen (Aszites, Peritonitis, Ileus) oder im Thorax (Lungenembolie, Pleuritis). Auch mechanische Ursachen, z. B. Verletzungen des knöchernen Thorax (Rippenserienfrakturen, Sternumfraktur) oder Behinderungen der Expansionsfähigkeit der Lunge (Pleuraerguss, Pneumothorax, Verwachsungen nach Pleuritis, Skoliosen usw.), können die ventilatorische Kapazität behindern. Bei Stenosen des Bronchialsystems kommt es zusätzlich zur Einschränkung der Vitalkapazität zu einer Zunahme des prozentualen Anteils des exspiratorischen ▶ Reservevolumens an der Vitalkapazität. Merke Zahlreiche Lungenerkrankungen führen zur Ver­ minderung von Vitalkapazität und funktioneller Residualkapazität. Akute obstruktive Lungenerkrankungen (Status asthmaticus) und vor allem ▶ chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD, Chronic Obstructive Pulmonary Disease) führen dagegen zur pathologischen Überblähung der Lungen. Geht diese Überblähung mit einer Rarifizierung von Lungenparenchym einher, spricht man vom Lungenemphysem. Dabei nehmen der anatomische Totraum durch die Reduktion des pulmonalen Kapillarbettes und die funktionelle Residualkapazität über die Normwerte hinaus zu. Hierdurch kommt es zur Weitstellung des Thorax und Behinderung der Atemmechanik mit Einschränkung der Ventilationsreserven in Ruhe und erst recht bei Belastung. Hinweis Ein Lungenemphysem ist durch eine Parenchym­ destruktion distal der terminalen Bronchiolen gekennzeichnet.

Merke Die chronische Überblähung der Lungen führt zur Einschränkung der Ventilationsreserven.

1.7.1

Restriktive Lungenerkrankungen

Restriktive Lungenerkrankungen sind durch eine fokale oder diffuse Bindegewebevermehrung des Lungengerüsts mit Alveolarraumverlust gekennzeichnet. Es handelt sich hierbei um ein unspezifisches entzündliches Reaktionsmuster der Lunge auf verschiedene akute oder chronische Noxen, wobei auch idiopathische und familiäre Formen vorkommen.

■ Ursachen Steht eine infektiöse, allergische oder toxische Entzündung am Anfang der pathogenetischen Kette, spricht man von Alveolitiden, wobei zwischen akuten und chronischen Verlaufsformen unterschieden wird. So kann die Inhalation organischer Stäube durch typische Immunreaktionen zu Lungenerkrankungen führen, die unter dem Begriff der exogen allergischen Alveolitiden zusammengefasst werden. Insbesondere bei chronischer Exposition kommt es hierbei zur diffusen Lungenfibrose. Wegweisend für die Diagnose ist daher oftmals die Anamnese, z. B. bei beruflicher Exposition mit entsprechenden Allergenen/Antigenen wie Bakterien oder Pilzsporen (Farmerlunge), tierischen Proteinen, z. B. aus Exkrementen (Vogelzüchterlunge) oder pflanzlichen Partikeln (Waldarbeiterlunge). Durch Einsprießen von Fibroblasten in den mit eiweißreichem Exsudat gefüllten Alveolarraum kann es bei länger dauernden Verläufen zu irreversiblen fibrotischen Veränderungen kommen, z. B. beim chronischen Lungenödem oder beim ▶ akuten Lungenversagen (ARDS). Veränderungen des interstitiellen Lungengewebes finden sich auch bei immunologischen Prozessen (Angitiden, Kollagenosen usw.) sowie nach Strahlentherapie („Bestrahlungslunge“). Die chronische Inhalation anorganischer Stäube wie Quarz (Silikose) oder Asbest (Asbestose) führt durch die Einlagerung von Staubpartikeln zu einer kollagenen Gewebereaktion mit Fibroblastenwucherung und Veränderungen der alveolären Struktur bis hin zur Lungenfibrose bzw. -granulomatose. Die ätiologisch unter-

1.7 Erkrankungen mit pathologischen Veränderungen der Lungenvolumina

schiedlichen Erkrankungen werden unter dem Begriff der Pneumokoniosen zusammengefasst.

■ Folgen Der entzündlich-fibröse Umbau des alveolo-kapillären Interstitiums führt langfristig zur Abnahme der ▶ Vitalkapazität, der funktionellen ▶ Residualkapazität und des ▶ Residualvolumens. Dementsprechend ist die ▶ Compliance des Lungengewebes erniedrigt. Die Atemwegswiderstände sind in frühen Stadien der Erkrankung meist noch normal, können jedoch infolge der Umbauvorgänge im Lungenparenchym in den Spätphasen der Erkrankung ebenfalls ansteigen. Die Störungen des Gasaustausches manifestieren sich als sog. Diffusions-Perfusions-Verteilungsstörung. Hinweis Typisch für alle fibrosierenden Lungenerkrankun­ gen, die nicht mit einer bronchialen oder bron­ chiolären Obstruktion einhergehen, ist der blut­ gasanalytische Befund. Er zeigt bei körperlicher Belastung eine zunehmende Hypoxie mit Hypo­ kapnie. Die in der Frühphase der Erkrankung noch ungestörte CO2­Elimination kann jedoch im weiteren Krankheitsverlauf durch Störungen der Gasverteilung zunehmend beeinträchtigt werden. In der Spätphase kann es auch zur venti­ latorischen InsufÏzienz durch die erhöhte Atem­ arbeit kommen, die zur Überwindung der rest­ riktiven Kräfte notwendig ist. Dies ist insbeson­ dere der Fall bei körperlicher Belastung.

Merke Restriktive Lungenerkrankungen führen zur Abnahme der Gasaustauschfläche durch binde­ gewebige Veränderungen des Lungengerüsts.

1.7.2

Obstruktive Lungenerkrankungen

Zur Gruppe der Lungenerkrankungen mit chronischer Atemwegsobstruktion gehören ätiologisch so unterschiedliche Krankheitsbilder wie die chronische Bronchitis, das obstruktive Lungenemphysem, die Bronchiolitis, die Mukoviszidose sowie die Endstadien des Asthma bronchiale. Unter der

Diagnose chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD: Chronic Obstructive Pulmonary Disease) werden progredient verlaufende Erkrankungen mit einer nicht voll reversiblen Einschränkung der Atemstromstärke zusammengefasst. COPD gilt als Oberbegriff für eine Gruppe von Erkrankungen, die klinisch als chronische Bronchitis imponieren (Husten und Auswurf in 3 oder mehr Monaten in mindestens 2 aufeinander folgenden Jahren) und/ oder pathologisch-anatomisch durch ein Lungenemphysem (Parenchymreduktion distal der terminalen Bronchiolen) gekennzeichnet sind. Differenzierung und Schweregradeinteilung erfolgen anhand der Lungenfunktionsparameter. Die von der Deutschen Atemwegsliga und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin 2007 publizierte „Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD)“ gibt einen hervorragenden Überblick über das Erkrankungsbild (www.Atemwegsliga.de).

■ Ursachen Zu den wichtigsten exogenen Ursachen der chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen gehören das Rauchen, allgemeine Umweltfaktoren (Luftverschmutzung) sowie wiederholte bakterielle oder virale Infektionen der Atemwege. Zu den endogenen Faktoren zählen u. a. die bronchiale Hyperreagibilität sowie Störungen der mukoziliaren Clearancefunktion. Hinweis Das Asthma bronchiale gehört nicht zur Gruppe der chronisch obstruktiven Lungenerkrank­ ungen, da es sich hierbei um eine passage­ re – und zumindest in der Frühphase der Erkran­ kung grundsätzlich vollständig reversible – Zu­ nahme der Atemwegswiderstände handelt. Al­ lerdings kann die Erkrankung im Verlauf in eine chronische Atemwegsobstruktion übergehen.

35

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

■ Folgen Die Erkrankung führt im Bereich der Bronchien zur Vergrößerung der Schleimdrüsen, Atrophie der Bronchialknorpel und Hyperplasie der Bron-

1

36

1 1 1 1

1 Physiologie und Pathophysiologie der Atmung

chialschleimhaut. Beim Lungenemphysem kommt es vermutlich auch aufgrund endogener Faktoren zum irreversiblen emphysematischen Umbau der Lunge mit Destruktion der Bronchiolar- und Alveolarstruktur, Abbau des Lungengewebes und Verminderung der Blutkapillaren. Oftmals wird anhand des klinischen Bildes versucht, zwischen dem Bronchitiker („Non-fighter“, „Blue Bloater“) und dem Emphysematiker („Fighter, „Pink Puffer“) zu differenzieren (Tab. 1.2). Beim Blue Bloater soll sich aufgrund der chronischen Bronchitis ein zentroazinär betontes Lungenemphysem entwickeln, was zur Lumeneinengung im Bereich der kleinen Atemwege führt. Die verminderte Ventila-

Tabelle 1.2 Merkmale von Patienten mit vorwiegend bronchitisch („Blue Bloater“) und emphysematisch („Pink Puffer“) bedingter COPD Bronchitiker („Blue Bloater“)

Emphysematiker („Pink Puffer“)

Konstitution

adipös, pyknisch

asthenisch, leptosom

Psyche

träge

aktiv, kämpferisch

Geschlecht

Männer und Frauen

vorwiegend Männer

Hautkolorit

zyanotisch

rosig, fahl

Hämatokrit

> 50 %

< 50 %

Dyspnoe

wenig bis mittelgradig

mittelgradig bis stark

Husten, Auswurf

viel

Spärlich

Atemgeräusche

Distanzgiemen

Leise

Nebengeräusche

feuchte Rasselgeräusche

trockene Rasselgeräusche

Thorax­Röntgenbild

bronchitisch

Überblähung

Herzsilhouette

verbreitertes Herz

schlankes Herz

Atemwegsobstruktion

ausgeprägt, wenig reversibel

wenig ausgeprägt, kaum irre­ versibel

totale Lungenkapa­ zität

normal bis leicht erhöht

stark erhöht

Residualvolumina

normal bis leicht erhöht

stark erhöht

exspiratorische Sekundenkapazität

stark erniedrigt

stark erniedrigt

Blutgase

respiratorische GlobalinsufÏzienz, paCO2 erhöht, paO2 erniedrigt

respiratorische PartialinsufÏzi­ enz, paCO2 normal bis erniedrigt, paO2 erniedrigt

Therapie

Bronchodilatatoren, Antibiotika, Kortikoide, Atemtherapie, O2­(Langzeit­)Therapie bei bedrohlicher Hypoxämie: nichtinvasive Beatmung

O2­(Langzeit­)Therapie, Antibio­ tika, Sekretolytika, nichtinvasive Beatmung

1 1 1 1 1 1 1 1

tion in den nachgeordneten Alveolen resultiert in einer Abnahme des ▶ V˙ a/ Q˙ -Quotienten. Die Folge ist eine Hypoxämie, die klinisch als Zyanose imponiert. Pink Puffer dagegen entwickeln als Folge z. B. eines Alpha-1-Antitrypsinmangels ein panlobuläres Lungenemphysem mit Zerstörung der alveolären Kapillaren. Dies führt zu einer Zunahme des funktionellen Totraums, so dass die Patienten ihr Atemminutenvolumen steigern müssen, um die alveoläre Ventilation konstant zu halten. Im Unterschied zum Blue Bloater ist dabei die Hypoxämie nur gering ausgeprägt. Allerdings gelingt es nicht immer, jeden Patienten in eine dieser Kategorien einzuordnen.

1.8 Der alveolo­kapilläre Gasaustausch

■ Diagnose Gemeinsame Merkmale dieser Erkrankungen sind die Störung des pulmonalen Gasaustausches durch Ventilations-Perfusions-Mismatch als Folge der zunehmenden Atemwegsobstruktion und Parenchymdestruktion, durch die Überblähung der Lungen sowie die Einschränkung der Atemstromstärken. Die Obstruktion zeigt sich im TiffeneauTest bei forcierter Exspiration, wobei die exspiratorische ▶ Sekundenkapazität (FEV1.0) erniedrigt ist, die forcierte ▶ Vitalkapazität (FVC) aber gleich bleibt. Ebenso können ein erhöhtes ▶ Residualvolumen sowie eine verminderte ▶ Inspirationskapazität bei länger andauernder Obstruktion diagnostiziert werden. Die Atemmuskulatur ist dauerhaft überlastet, die maximale in- und exspiratorische Kraft ist vermindert. Hinweis Obstruktive Lungenfunktionsstörungen können auch durch Sekret (akute Bronchitis, Lungen­ ödem), Fremdkörper in den Atemwegen (Aspira­ tion) oder durch einengenden Druck von außen (z. B. Tumor) verursacht werden.

Merke Bei chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen sind die Residualvolumina erhöht, die Inspirati­ onskapazität ist dagegen vermindert.

■ Therapie Für den Intensivmediziner ist vor allem der Patient mit ventilatorischer Dekompensation bei akuter Exazerbation einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung von Bedeutung. Häufigste Auslöser sind virale oder bakterielle Infektionen des Respirationstraktes, die zur akuten und vitalen Bedrohung des Patienten führen. Bei einem Teil dieser Patienten besteht neben der konservativen medikamentösen Therapie mit Antibiotika und Bronchodilatatoren und der Zufuhr von Sauerstoff bei erschöpfter Atempumpe die Indikation zur passageren maschinellen Beatmung Diese sollte primär unter Vermeidung einer endotrachealen Intubation ▶ nichtinvasiv erfolgen.

1.8 1.8.1

Der alveolo-kapilläre Gasaustausch

37

1

Perfusion und Ventilation

■ Physiologie des Lungenkreislaufs Der rechte Ventrikel pumpt das venöse Blut durch die Lungen, wo der pulmonale Gasaustausch durch Diffusion an den Grenzflächen zwischen Kapillaren und Alveolen erfolgt. Die gesamte gasaustauschende Fläche beträgt etwa 120 m2. Das sauerstoffgesättigte Blut fließt über die Lungenvenen und den linken Vorhof in den linken Ventrikel und wird in den Körperkreislauf gepumpt. Für die Durchblutung der Lungen ist, im Gegensatz zum Körperkreislauf, nur ein geringer Perfusionsdruck erforderlich. Bei einem mittleren Pulmonalarteriendruck von ca. 15 mmHg und einem linksventrikulären enddiastolischen Druck von ca. 8 mmHg beträgt er z. B. nur 7 mmHg. Demgegenüber beträgt der Perfusionsdruck für den Körperkreislauf ca. 90 mmHg. Die Lungendurchblutung und damit auch das Herzzeitvolumen (HZV) beträgt in Ruhe ca. 6 l/min. Das HZV kann bei Belastung auf über 25 l/min ansteigen.

■ Arterialisierung des Blutes Das Lungengewebe selbst wird über 2 Kreislaufsysteme versorgt, nämlich über die Pulmonal- und die Bronchialarterien (Abb. 1.22). Das sauerstoffarme Blut aus dem Körperkreislauf gelangt über das rechte Herz in die A. pulmonalis, wird in den Kapillargeflechten der Alveolen arterialisiert und fließt über die V. pulmonalis zum linken Herzen. Die Rr. bronchiales sichern als sog. Vasa privata die Ernährung der Bronchien, der Wände der großen Gefäße, der pulmonalen Lymphknoten und zum Teil der Pleura pulmonalis. Sie entspringen links (meist 2) der Brustaorta, rechts (meist eine, die sich gabelt) der 3. oder 4. Interkostalarterie. Das venöse Blut drainiert über die Vv. bronchiales in die Lungenvenen sowie in die Vv. azygos und hemiazygos. Diese anatomischen Kurzschlüsse verhindern die vollständige Sauerstoffsättigung des arteriellen Blutes. Zwischen den Bronchial- und Pulmonalarterien bestehen zudem Anastomosen, die jedoch physiologisch verschlossen sind. Sie öffnen sich erst bei Auftreten einer Strömungsunter-

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

38

1 Physiologie und Pathophysiologie der Atmung

R. bronchialis

1

Ast der A. pulmonalis (sauerstoffarmes Blut)

glatte Muskulatur

1 Bronchiolus respiratorius

1

Kapillargebiet an einem Alveolus

1

Alveolus pulmonalis

1 1

Ast der V. pulmonalis (sauerstoffreiches Blut)

Bindegewebsseptum zwischen Lobuli pulmonis

1 Sacculus alveolaris subpleurales Bindegewebe

1 1

Abb. 1.22 Bronchiolus respiratorius mit Gefäßbaum. Der pulmonale Gasaustausch erfolgt im alveolären Kapillarnetz. Bronchialarterien sichern die Ernährung von Bronchien, großen Gefäßen, Pleura usw. Beachte: Die A. pulmonalis transportiert venöses, die V. pulmonalis arterielles Blut! (Quelle: Schünke et al. 2005).

1

brechung in einem der beiden Kreisläufe und stellen damit wichtige Umgehungswege bei Ventilations- und Perfusionsstörungen dar.

1

■ Regulation der Lungendurchblutung

1

Physiologisch bedeutsam ist die Kopplung von Durchblutung und Belüftung der einzelnen Lungenabschnitte. Anders als in der Peripherie verursacht eine sinkende Sauerstoffsättigung in einem Lungensegment nicht etwa eine Weitstellung

der dort befindlichen Arterien, sondern vielmehr eine zunehmende Vasokonstriktion. Hierdurch wird einströmendes Blut aus schlecht belüfteten Arealen umgeleitet und gelangt bevorzugt in besser belüftete Lungenabschnitte: hypoxisch pulmonale Vasokonstriktion (HPV, Euler-Liljestrand-Reflex). Durch diesen physiologischen Gegenregulationsmechanismus wird die venöse Beimischung aus diesen Bereichen verringert, die Auswirkungen von Ventilations-Perfusions-Störungen werden dadurch teilweise kompensiert.

1.8 Der alveolo­kapilläre Gasaustausch

Hinweis Die hypoxisch pulmonale Vasokonstriktion ist von großer Bedeutung, da hierdurch die Auswir­ kungen pathologischer Lungenveränderungen, z. B. durch eine Pneumonie, vermindert werden können. Dieser physiologisch sinnvolle Reflex kann allerdings durch eine Reihe von Einflüssen (Vasodilatatoren, Katecholamine in niedriger Dosierung, Aminophylline, Hypokapnie, Alkalo­ se, volatile Anästhetika u. a.) ausgeschaltet oder beeinträchtigt werden, was wieder zur Erhöhung der venösen Beimischung und damit Verschlech­ terung der Oxigenierung führen kann. Intravenö­ se Anästhetika wie Barbiturate, Benzodiazepine, Opioide und Ketamin dagegen beeinflussen den HPV­Reflex offenbar nicht. In ähnlicher Weise kann physiologischerweise die Verteilung der Ventilation angepasst werden. Bei Hyperventilation eines Alveolarbereichs mit konsekutiver Hypokapnie wird die regionale Ventilation in diesem Bereich durch Bronchokonstriktion gedrosselt und das Ventilations-Perfusions-Verhältnis normalisiert. Merke Aus schlecht belüfteten Arealen wird der Blut­ strom durch hypoxisch pulmonale Vasokonstrik­ tion umgeleitet. Der Strömungswiderstand der Lungengefäße ist gering. Selbst bei einem Anstieg der Lungendurchblutung auf das Vierfache steigt der Pulmonalarteriendruck nur auf das Doppelte. Der Grund liegt in der Dehnbarkeit der Lungengefäße und in der zunehmenden Rekrutierung von Reservekapillaren, die im Ruhezustand nicht perfundiert werden. Nimmt die Lungendurchblutung zu, so reagieren die Lungengefäße druckpassiv und werden weit gestellt, da sie nicht autoreguliert sind. Außerdem fehlt ihnen die feste Verankerung durch ein dichtes Interstitium. Die wenigen lockeren Fasergeflechte sind kein festes Widerlager für die Gefäße und bauen deshalb auch keinen Gegendruck auf. Gleichzeitig wird bei einem Anstieg der Lungendurchblutung die durchblutete Kapillarfläche erhöht. So beträgt die Fläche der durchbluteten Kapillaren im Ruhezustand 70 m², kann aber bei schwerer körperlicher Arbeit auf über 100 m² ansteigen.

Hinweis Der Lungenkreislauf stellt ein leicht mobilisier­ bares Blutreservoir dar. Da das Blut ungefähr 40 – 50 % des Lungengewichtes ausmacht, ste­ hen ungefähr 500 ml Blut im Lungenkreislauf zur Verfügung. Hiervon können 50 % bei einer kurz­ fristig notwendigen Steigerung der Auswurf­ leistung des linken Ventrikels oder zum Aus­ gleich unterschiedlicher Förderleistungen von rechtem und linkem Ventrikel während der Inspi­ ration und Exspiration herangezogen werden.

■ Physiologische Heterogenität von Ventilation und Perfusion Bei aufrechtem Thorax nimmt die Belüftung der Lungen von apikal (Lungenspitzen) nach basal (zwerchfellnahe Bereiche) zu. Ursache sind die höheren transpulmonalen Druckgradienten in den basalen Lungenabschnitten während der Atemexkursionen. Sie resultieren aus der Abwärtsbewegung des Hauptatemmuskels, des Diaphragmas, sowie der Vergrößerung der unteren Thoraxapertur während der Inspiration. Da schwerkraftbedingt gleichzeitig die Durchblutung der Lunge von apikal nach basal ansteigt, sind bei Spontanatmung die basalen, zwerchfellnahen Lungenabschnitte für den Gasaustausch insgesamt wichtiger als die apikalen Areale. Ein ausgeglichenes Ventilations-Perfusions-Verhältnis über die gesamte Lunge wird allerdings nicht erreicht, da die Durchblutung der Lunge von apikal nach basal stärker zunimmt als die Belüftung: An der Lungenspitze beträgt das Verhältnis von Ventilation zu Perfusion 1,7 – 3,3, an der Basis 0,3 – 0,6. Unter Belastung nehmen die Inhomogenitäten zwischen alveolärer Ventilation und Perfusion ab. Auch in Rückenoder Seitenlage sind die basalen Lungenareale besser durchblutet als die oben liegenden. Die Unterschiede sind jedoch geringer ausgeprägt. Merke Der Quotient aus alveolärer Ventilation und Per­ fusion ist trotz regionaler Unterschiede ausge­ glichen: V˙ a / Q˙ = 0,8

39

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

40

1 Physiologie und Pathophysiologie der Atmung

1 apikal

1 1 pPa

pA

Zone I pA>pPa>pPv

pA

Zone II pPa>pA>pPc

pA

pPc

Ventilation

Perfusion

Zone III pPa>pPv>pA basal

1 1 1 1 1 1 1 1 1

Fluss

Abb. 1.23 Ventilation und Perfusion in der Lunge: 3-Zonen-Modell. Ventilation und Perfusion nehmen von apikal nach basal zu, wobei die Ventilations­Perfusions­Verhältnisse ausgeglichen sind. In den Lungenspitzen (Zone I) ist der Anteil der Totraumventilation höher als in den Zonen II und II, da der Alveolardruck (PA) größer ist als die Differenz zwischen pulmonal­arteriellem Druck (PPa) und pulmonal­venösem Druck (Ppv). Dadurch wird die Perfusion vor allem während der Systole eingeschränkt. Unter Beatmung nehmen die Bereiche der Zone I auf­ grund der erhöhten Alveolardrücke zu. Das ausgeglichene Verhältnis von Ventilation zu Perfusion wird gestört.

■ Das 3-Zonen-Modell nach West Anhand dieses Modells (Abb. 1.23) lassen sich die Wechselwirkungen von Ventilation und Perfusion in der Lunge besonders gut verdeutlichen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Lungendurchblutung nicht nur von der Differenz zwischen kapillärem Blutdruck und alveolärem Luftdruck abhängt, sondern auch von den Einflüssen der Schwerkraft. In den oben liegenden Lungenarealen der Zone I ist der kapilläre Blutdruck, also die Differenz zwischen pulmonal-arteriellem und pulmonal-venösem Druck, kleiner als der alveoläre Luftdruck. Dadurch werden die Kapillaren von außen zusammengepresst, es kommt zum Kollaps der Gefäße mit Sistieren der Durchblutung: Totraumventilation. Zone-I-Bedingungen kommen unter Spontanatmung normalerweise nicht vor. Davon abgegrenzt wird gelegentlich eine Zone Ia, in der der kapilläre Druck zwar diastolisch kleiner, systolisch jedoch größer ist als der alveoläre Luftdruck. Die Durchblutung dieser Bereiche erfolgt somit nur während der Systole. Diese Bedingungen finden sich physiologischerweise beim stehenden Menschen in den obersten Lungenarealen. In der Zone II ist der Alveolardruck niedriger als der pulmonal-arterielle Druck, aber höher als der pulmonal-venöse Druck. Ventilation und Perfusion sind ausgeglichen.

In Zone III ist die Perfusion am höchsten. Sie wird nahezu ausschließlich durch die Blutdruckdifferenz zwischen A. pulmonalis und V. pulmonalis bestimmt. Zusätzlich wird noch eine Zone IV in den basalen Lungenabschnitten diskutiert, in der die Durchblutung bei Ruheatmung wieder abnimmt, da die Gefäße durch das Gewicht der Lunge komprimiert werden. Hinweis Der alveoläre Druck ist bei maschineller Über­ druckbeatmung immer erhöht und wirkt somit dem Blutdruck in den Lungenkapillaren entge­ gen. Dadurch wird der Gefäßwiderstand gestei­ gert, die Zone II wird durch Abnahme der Lun­ gendurchblutung vergrößert. Neuere Ansätze auf der Basis hoch auflösender Lungenperfusionsmessungen deuten darauf hin, dass die Perfusion der Lunge weit komplexeren Mechanismen gehorcht. Grundlage dieser Überlegungen ist die Annahme, dass der Gefäßbaum der Lunge einer fraktalen Geometrie entsprechend aufgebaut ist, seine Struktur sich also mit einem hohen Grad an Selbstähnlichkeit in immer kleineren Dimensionen wiederholt. Basierend auf den mathematischen Grundlagen der Chaos-Theorie für Sys-

teme, deren Dynamik unter bestimmten Bedingungen entscheidend von den Anfangsbedingungen abhängt, so dass ihr Verhalten nicht langfristig vorhersagbar ist, unterliegt die Perfusion in den einzelnen Fraktalen anderen, nichtlinearen Gesetzmäßigkeiten. Dieser Theorie zufolge wird der Einfluss der Schwerkraft auf die regional unterschiedliche Verteilung der Lungenperfusion möglicherweise überbewertet. Die klinische Bedeutung dieser Erkenntnisse ist derzeit jedoch noch unklar.

■ Verteilungsstörungen unter Beatmung Zur Entfaltung von Alveolarbezirken mit erhöhter Resistance und/oder erniedrigter Compliance sind oftmals hohe Beatmungsdrücke erforderlich. Dadurch nehmen die intrapulmonalen/ intrathorakalen Drücke zu, Alveolen mit normaler Resistance und Compliance können überdehnt und geschädigt werden (▶ Baro-/Volutrauma). Gleichzeitig kommt es zu zirkulatorischen ▶ Verteilungsstörungen durch Einschränkung der Perfusion in Bereichen mit hohen Alveolardrücken. Dabei muss berücksichtigt werden, dass der zur Durchblutung der Lungen erforderliche Perfusionsdruck normalerweise nur gering ist. Bei mittleren Pulmonalarteriendrücken von ca. 15 mmHg und einem linksventrikulären enddiastolischen Druck von ca. 8 mmHg beträgt er nur etwa 7 mmHg. Intrapulmonale Drücke bis ca. 10 mbar können über eine Steigerung der rechtsventrikulären Leistung mit paralleler Zunahme der Pulmonalarteriendrücke ausreichend kompensiert werden, so dass die alveoläre Perfusion nur wenig eingeschränkt wird. Erst bei höheren Alveolardrücken steigt auch bei sufÏzientem rechtem Ventrikel der Pulmonalarteriendruck nicht mehr parallel an, so dass sich die relativen Größen der Zonen I bis III verändern. Dabei kommt es zur Ausdehnung jener Lungenbereiche, in denen funktionell Zone-I-Bedingungen vorherrschen.

1.8.2

Diffusion

Die Partialdruckdifferenzen an der alveolo-kapillären Membran stellen die treibenden Kräfte für die O2- und CO2-Diffusion dar. Sie ermöglichen den Übertritt von Sauerstoff aus den Alveolen in das venöse Blut, das die Lungenkapillaren mit ei-

1.8 Der alveolo­kapilläre Gasaustausch

41

nem Partialdruck von ca. 40 mmHg erreicht (Abb. 1.24). Für CO2 besteht eine Partialdruckdifferenz in entgegengesetzter Richtung (46 mmHg am Anfang der Lungenkapillaren, 40 mmHg in den Alveolen).

1

■ Partialdrücke

1

Nach dem Gesetz von Dalton erzeugen Gase in Gasgemischen ihrer Konzentration entsprechende spezifische Drücke. Diese Drücke werden als Partialdrücke bezeichnet. Je höher also die Konzentration eines Gases in dem Gemisch ist, desto höher ist auch sein Partialdruck. Die Summe aller Partialdrücke der in einem Medium (Luft, Blut) enthaltenen Gase entspricht dem Atmosphärendruck. Dieser beträgt in Seehöhe etwa 760 mmHg. Atemluft besteht aus einem Gemisch aus mehreren Gasen, in dem Stickstoff mit ca. 78 % und Sauerstoff mit ca. 21 % den größten Anteil haben. Der Rest von ca. 1 % besteht u. a. aus Argon, Wasserdampf, Kohlendioxid sowie Edelgasspuren. In den Alveolen setzt sich die Atemluft bei Ruheatmung in etwa wie folgt zusammen: ● Stickstoff (74,9 %) → pN2 = 569 mmHg ● Sauerstoff (13,6 %) → pO2 = 104 mmHg ● Kohlendioxid (5,3 %) → pCO2 = 40 mmHg ● Wasserdampf (6,2 %) → pH2O = 47 mmHg Die vom Menschen ausgeatmete Luft besteht aus einem Gemisch aus Totraumluft und Alveolarluft. Dadurch ist in der Ausatemluft der Partialdruck von Sauerstoff mit ca. 114 mmHg höher als in den Alveolen, der Partialdruck von CO2 mit ca. 29 mmHg dagegen niedriger. Die Partialdrücke von Stickstoff, Wasserdampf und Argon bleiben dagegen nahezu unverändert. Die Partialdrücke in den Alveolen hängen von der Ventilation und Perfusion der Alveolen ebenso ab wie von der Diffusion der Gase aus den Alveolen ins Blut und umgekehrt. Je höher also das Atemminutenvolumen ist, desto höher sind die Konzentration und der Partialdruck von Sauerstoff in den Alveolen. Dennoch kann der alveoläre pO2 bei Raumluftatmung auch bei maximaler Ventilation 120 mmHg dauerhaft nicht übersteigen (Abb. 1.25). Merke Perfusion, Diffusion und Ventilation bestimmen die Partialdrücke in den Alveolen.

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

42

1 Physiologie und Pathophysiologie der Atmung

Inspirationsluft: pO2 = 150 mmHg pCO2= 0 mmHg

1 1

Alveole: pO2 = 100 mmHg pCO2= 40 mmHg

1

Pulmonalarterie: (venöses Mischblut) pO2 = 40 mmHg pCO2= 46 mmHg

Exspirationsluft: (Mittelwerte) pO2 = 114 mmHg pCO2= 29 mmHg Pulmonalvene: (arterielles Blut) pO2 = 100 mmHg pCO2= 40 mmHg

1 Gewebe: pO2 = 40 mmHg pCO2= 46 mmHg

1 1

Abb. 1.24 Mittlere Partialdrücke von CO2 und O2 in der Atemluft, in den Alveolen sowie im arteriellen und venösen Blut. Da sich die Exspirationsluft aus Totraumluft und Alveolarluft zusammensetzt, ist der Partial­ druck von Sauerstoff in der Ausatemluft höher als in den Alveolen, der Partialdruck von CO2 im Mittel niedriger. Dagegen entsprechen die CO2­Partialdrücke in der endexspiratorischen Atemgasfraktion annähernd den Parti­ aldrücken in den Alveolen (siehe auch Abb. 2.31, S. 91).

200

1

■ Diffusionsstrecke

paCO2

180

1 1

Druck (mmHg)

160 140 120

paO2

100 80 60 40 20 0

1 1 1

0

1

2

3

4

Alveoläre Ventilation (l/min)

Abb. 1.25 Abhängigkeit der alveolären O2- und CO2-Partialdrücke von der alveolären Ventilation. Veränderungen der alveolären Ventilation führen zu entsprechenden Veränderungen sowohl der O2­ als auch der CO2­Partialdrücke.

Bei der Diffusion zwischen Alveole und Kapillare müssen die Atemgase nacheinander unterschiedliche Medien durchdringen: In Transportrichtung des Sauerstoffs sind es das Alveolarepithel, das Interstitium zwischen den Basalmembranen, das Kapillarendothel, das Blutplasma, die Erythrozytenmembran und der Erythrozyteninnenraum. Insgesamt ist die Diffusionsstrecke zwischen Alveolarraum und Kapillargeflecht < 1 µm lang. Aufgrund der großen gasaustauschenden Oberfläche der Alveolen (50 – 80 m2) sowie der kurzen Diffusionsstrecke bestehen somit optimale Voraussetzungen für den Gasaustausch zwischen Alveole und Blut.

■ DiffusionskoefÏzienten Unterschiede bestehen bei der Diffusionsgeschwindigkeit der einzelnen Gase durch die alveolo-kapilläre Membran. Sie werden durch die DiffusionskoefÏzienten beschrieben. CO2 besitzt einen erheblich höheren DiffusionskoefÏzienten als Sauerstoff, es diffundiert etwa 20-mal schneller durch die Mem-

1.8 Der alveolo­kapilläre Gasaustausch

bran als Sauerstoff. Dies ist auch notwendig, da die CO2-Partialdruckunterschiede zwischen venösem Kapillarblut und alveolärer Luft im Gegensatz zu den O2-Partialdruckunterschieden nur gering sind. Merke Der DiffusionskoefÏzient von CO2 ist etwa 20­mal höher als der von O2. Während der Passage durch die Lungenkapillare steht der einzelne Erythrozyt nur kurze Zeit (in Ruhe ca. 0,75 s) mit dem Alveolarraum in Diffusionskontakt. Diese Kontaktzeit ist erheblich länger als es für den normalen Gasaustausch notwendig wäre (ungefähr 3-mal so lang), um beim Gesunden die Gaspartialdrücke im Blut denen des Alveolarraumes vollständig anzugleichen. Merke In der Lunge des Gesunden gleichen sich die Partialdrücke im Blut den alveolären Werten fast vollständig an.

■ Diffusionskapazität Die Diffusionskapazität DL ist ein Maß für die Diffusionsfähigkeit des Lungengewebes. Dementsprechend wird die sauerstoffaustauschende Funktion der Lunge durch das Verhältnis von Sauerstoffaufnahme in der Zeiteinheit (V˙O2) zur Sauerstoffpartialdruckdifferenz ΔpO2 zwischen Alveolarraum und Lungenkapillaren beschrieben. Sie nimmt ab, wenn die gasaustauschende Fläche reduziert und/ oder die Diffusionsstrecke verlängert ist. So ist die Gasaustauschfläche z. B. beim Lungenemphysem vermindert, was sich in einer geringeren Diffusionskapazität widerspiegelt. Hinweis Zur Messung der Diffusionskapazität atmet der Patient eine Testluft ein, der eine definierte (ge­ sundheitlich unbedenkliche) Menge Kohlenmon­ oxid (CO) beigemischt wurde. Nach dem Einat­ men enthält diese Testluft weniger Kohlenmon­ oxid als vorher. Da Kohlenmonoxid – genau wie Sauerstoff auch – aus der Lunge ins Blut über­ tritt, kann man so von der Kohlenmonoxid­

Aufnahme auf die Sauerstoff­Aufnahme schlie­ ßen. Die Untersuchung dauert nur wenige Minu­ ten, die Ergebnisse stehen unmittelbar nach der Messung zur Verfügung. Beim gesunden, ruhen­ den Erwachsenen beträgt die Diffusionskapazität für Sauerstoff 15 – 20 ml O2/min/mmHg, für CO2 150 – 250 ml CO2/min/mmHg. Bei Belastung er­ höht sich die Sauerstoffkapazität auf bis zu 65 ml O2/min/mmHg. Für sich allein stellt die Diffusionskapazität noch kein Maß für die gasaustauschende Kompetenz der Gesamtlunge dar. Ähnlich wie die alveoläre Ventilation muss sie auf die Lungendurchblutung Q˙ bezogen werden. Die Abnahme des DL/Q˙ -Verhältnisses wird als Diffusionsstörung bezeichnet. Maßgebliche Faktoren für die Arterialisierung des Blutes sind somit die alveoläre Ventilation, die Lungenperfusion und die Diffusionskapazität der Lungen. Zusätzlich ist noch ein weiterer Faktor zu beachten: Schon beim Gesunden, in besonderem Maße aber beim Lungenkranken, sind Ventilation, Perfusion und Diffusion ungleichmäßig über die verschiedenen Lungenabschnitte verteilt. Diese ungleichmäßige Verteilung oder Distribution mindert den Arterialisierungseffekt, d. h. die Oxigenisierung des Blutes, und in geringem Umfang auch die CO2-Elimination. Merke Der alveolo­kapilläre Gasaustausch erfolgt durch Diffusion. Er wird von Ventilation, Perfusion und Distribution beeinflusst.

43

1 1 1 1 1 1 1 1 1

■ Diffusionsstörungen Störungen der Diffusion können bei Lungenerkrankungen auftreten, die durch ausgeprägte pathologische Veränderungen im Bereich der gasaustauschenden Membranen (alveolo-kapillärer Block) gekennzeichnet sind. Dazu gehören vor allem chronische Erkrankungsbilder, die mit einem fibrotischen Umbau des Lungengewebes einhergehen, wie Lungenfibrosen, berufsassozierte Lungengerüsterkrankungen (Asbestose, Silikose), aber auch Viruspneumonien. Auch beim schweren akuten Lungenversagen (▶ ARDS) finden sich regelhaft massive exsudative Entzündungsreaktionen im

1 1 1

44

1 1 1 1 1 1 1

1 Physiologie und Pathophysiologie der Atmung

interstitiellen Lungengewebe und damit auch im Bereich der alveolo-kapillären Membran, so dass auch hier Diffusionsstörungen als Folge einer Verlängerung der Gasaustauschstrecke denkbar sind. Da jedoch die Kontaktzeit für einen ungestörten Gasaustausch normalerweise sehr klein ist und physiologischerweise eine erhebliche Zeitreserve für den Gasaustausch besteht (s. o.), ist der Stellenwert der direkten Diffusionsstörung im Rahmen akuter Erkrankungen wissenschaftlich nicht geklärt. Dazu kommt, dass akute Veränderungen im Bereich des Lungengerüstes immer auch mit Einschränkungen der Durchblutung einhergehen, woraus zwangsläufig Ventilations-Perfusions-Störungen resultieren. Ohnehin beziehen sich Diffusionsstörungen praktisch ausschließlich auf die Störung des Sauerstofftransfers, da die CO2-Elimination aufgrund des hohen DiffusionskoefÏzienten und der großen Diffusionskapazität kaum jemals beeinträchtigt wird.

1.8.3

Störungen des alveolo-kapillären Gasaustausches

Obwohl die meisten Gasaustauschstörungen mit Störungen der ▶ Diffusionskapazität einhergehen, werden die Veränderungen der Oxigenierung und Decarboxilierung in erster Linie durch ventilatorische Verteilungsstörungen und/oder intrapulmonale Shunts verursacht.

1 1 1 1 1

Merke Erkrankungen des Lungenparenchyms führen zur Abnahme der Diffusionskapazität durch Re­ duktion der gasaustauschenden Oberfläche. Isolierte Lungenbezirke können ebenso betroffen sein wie die Gesamtheit der Lunge. Partielle Verschlüsse von kleinen und kleinsten Luftwegen, z. B. durch Sekret, Blut oder Kompression, führen zur Minderbelüftung der dahinter liegenden Areale, die bei entsprechender Größe als unscharf begrenzte atelektatische Bereiche radiologisch nachgewiesen werden können. Komplette Verschlüsse größerer Lungensegmente sind aufgrund der sekundären Resorption der alveolären Gasbestandteile radiologisch als scharf begrenzte, verdichtete Strukturen – Atelektasen – sichtbar, die anatomisch oftmals eindeutig zugeordnet werden können (Un-

terlappenatelektase, Mittellappenatelektase usw.) (Abb. 1.26). Demgegenüber sind diffus über die gesamte Lunge verteilte Mikroatelektasen oftmals auf dem Röntgenbild nicht zu erkennen. Merke Atelektasen sind die Folge alveolärer Minderbe­ lüftung von Lungenarealen durch Atemwegsver­ schlüsse.

■ Zeitkonstante τ Bei der Verteilung der Atemgase in der Lunge spielen regionale Unterschiede von Compliance und Resistance eine wesentliche Rolle. Jede Alveolareinheit wird entsprechend ihrer atemmechanischen Zeitkonstante τ ventiliert. Die Zeitkonstante τ bestimmt die Geschwindigkeit der alveolären Füllung und Entleerung; sie hängt von der Compliance und Resistance ab: τ=C×R Bereiche mit niedriger Compliance haben demnach kleine Zeitkonstanten. Die Alveolen sind bereits nach kurzer Zeit gefüllt („fast compartements“), fassen jedoch nur kleine Volumina. Alveolarbezirke mit großer Zeitkonstante, z. B. mit hoher Resistance, benötigen dagegen längere Füllungszeiten („slow compartements“). Sie werden nur verzögert und daher oft ungenügend ventiliert (ventilatorische Verteilungsstörung). Die Zeitkonstante ist somit ein Ausdruck für Complianceund Resistance-abhängige Belüftungsphänomene, mit der regionale Verteilungsstörungen („Mismatching“) in den unterschiedlichen Kompartimenten der Lunge beschrieben werden können. Die gasaustauschende Kompetenz der Alveolen wird hierbei nicht berücksichtigt.

■ Ventilatorische Verteilungsstörungen Die Belüftung der Lunge ist besonders ungleichmäßig, wenn Areale mit Alveolen niedriger Compliance und hoher Resistance neben Arealen mit normaler Compliance und normaler Resistance vorkommen. Dies ist bei zahlreichen Erkrankungen des Lungenparenchyms der Fall. So finden sich

1.8 Der alveolo­kapilläre Gasaustausch

45

1 1 1 a

1 1 1 b

Abb. 1.26 Minderbelüftung von Lungenarealen im Thorax-Röntgenbild. a Oberlappenatelektase rechts durch Sekretverhalt bei einem intubierten Patienten vor und nach Bronchoskopie. Beachte die Verlagerung der Trachea. b Subtotale Atelektase links, postoperative Aufnahme nach einseitiger Intubation. Die rechte Aufnahme zeigt den Zustand 2 Stunden nach Bronchoskopie.

bei der Pneumonie neben entzündlich veränderten, dystelektatischen Bezirken mit niedriger Compliance und hoher Resistance auch ausreichend ventilierte Alveolarbezirke mit normaler Compliance und Resistance. Merke Die Geschwindigkeit der alveolären Füllung und Entleerung hängt von der Compliance und Resis­ tance ab.

■ Zirkulatorische Verteilungsstörungen Ein Missverhältnis zwischen Ventilation und Perfusion liegt auch dann vor, wenn Alveolen oder

ganze Lungenareale zwar belüftet, aber nicht oder nicht ausreichend durchblutet sind (Abb. 1.27). Aufgrund der zirkulatorischen Verteilungsstörung nimmt in diesem Fall die alveoläre Totraumventilation zu. Ein Extremfall alveolärer Totraumventilation liegt bei partieller oder totaler Verlegung der Lungenstrombahn durch embolische Ereignisse (Lungenembolie) vor. Sie führt zum Abbruch der Perfusion in den dahinter liegenden Lungenarealen, wobei der Blutfluss in den nicht verschlossenen Teilen der Lungenstrombahn zwangsläufig zunimmt, sofern das Herzzeitvolumen und das Atemminutenvolumen konstant bleiben. Dadurch sinkt der V˙ a/ Q˙ -Quotient in diesen Arealen. In Abhängigkeit von der Größe der nicht mehr perfundierten Lungenbezirke kommt es zur Gasaustauschstörung, die primär durch eine ▶ Hypoxämie ge-

1 1 1 1 1 1

46

1 Physiologie und Pathophysiologie der Atmung

1 1 a

1

b

c

d

Abb. 1.27 Störungen der Ventilations-Perfusions-Verhältnisse in der Lunge. a Normales Ventilations­Perfusions­Verhältnis. b Normale Ventilation, eingeschränkte Perfusion. c Eingeschränkte Ventilation, normale Perfusion, d Shunt durch pathologische Verbindungen zwischen Pulmonalarterie und ­vene.

1 1 1 1 1 1 1 1 1

kennzeichnet ist. Oft zeigt sich initial eine ▶ Hypokapnie durch die kompensatorische Zunahme der Ventilation. Gleichzeitig kommt es zur akuten Rechtherzbelastung, die bei großen Embolien bis zur myokardialen Dekompensation führen kann. Durch Abfall des Herzzeitvolumens, z. B. bei der akuten myokardialen Dekompensation oder bei der mechanischen Reanimation, kann es ebenfalls zur Minderperfusion der Lunge kommen. Hier liegt das Problem jedoch nicht primär auf pulmonaler Ebene, sondern ist Folge der eingeschränkten kardialen Auswurfleistung. Hinweis Auch bei Erkrankungen des Lungenparenchyms ist die Lungenperfusion oft mehr oder weniger stark beeinträchtigt. So findet sich eine patho­ logische Erhöhung der alveolären Totraumventi­ lation häufig bei Patienten mit ▶ ARDS im proli­ ferativen Stadium. Typischerweise führt hier die Steigerung des Atemzeitvolumens zu keinem Abfall des paCO2.

Merke Eine alveoläre Minderperfusion führt im Extrem­ fall zur alveolären Totraumventilation: V˙ a/ Q˙ ⇒ ∞

Hinweis Differenzialdiagnostisch muss als Ursache einer Hypoxämie immer zwischen Gasaustauschstö­ rungen durch pathologische Rechts­Links­Shunts (ventilatorische Verteilungsstörung) oder erhöh­ te Totraumventilation (zirkulatorische Vertei­ lungsstörung) unterschieden werden. Hypoxä­ mien nach diffusen oder rezidivierenden Lunge­ nembolien werden immer wieder als Belüftungs­ störungen fehlgedeutet, was zu schweren und häufig irreversiblen therapeutischen Fehlent­ scheidungen bzw. Versäumnissen führt. Daher sollte zum frühest möglichen Zeitpunkt die diffe­ renzialdiagnostische Abklärung der zugrunde lie­ genden pulmonalen Erkrankung angestrebt wer­ den. Häufig finden sich jedoch auch Kombinatio­ nen aus beiden Ursachen.

■ Berechnung der alveolo-arteriellen O2-Partialdruckdifferenz Die alveolo-arterielle Sauerstoffpartialdruckdifferenz pAaDO2 bestimmt die Differenz zwischen dem Sauerstoffpartialdruck in den Alveolen und dem arteriellen Blut. Normalerweise unterscheiden sich beide Partialdrücke nur wenig. Kommt es durch parenchymatöse Veränderungen in der Lunge zu Störungen im Ventilations-Perfusions-Verhältnis und/oder Diffusionsstörungen, nimmt der paO2 gegenüber dem pAO2 deutlich ab. Die alveolo-arterielle Sauerstoffdruckdifferenz wird wie folgt berechnet:

1.8 Der alveolo­kapilläre Gasaustausch

pAaDO2 = pAO2 – paO2 pAO2 paO2

= alveolärer O2-Partialdruck, = arterieller O2-Partialdruck

Der pAO2 kann nach der vereinfachten Alveolarluft-Formel berechnet werden: pAO2 = FiO2 (pB – pH2O) – paCO2 FiO2 pB pH2O paCO2

= inspiratorische Sauerstofffraktion, = Atmosphärendruck (760 mmHg), = Wasserdampfdruck bei 37 °C (47 mmHg), = arterieller CO2-Partialdruck.

Dazu wird vom Gesamtdruck pB (atmosphärischer Druck) der Wasserdampfpartialdruck (pH2O) abgezogen, der bei 37 °C 47 mmHg beträgt. Beim lungengesunden, luftatmenden Patienten liegt die pAaDO2 bei 10 – 20 mmHg. Die Größe wird allerdings von der inspiratorischen Sauerstoffkonzentration FiO2 beeinflusst: Je höher die FiO2 ist, desto größer wird auch die pAaDO2 (bei FiO2 = 1,0: pAaDO2 = 25 – 65 mmHg). Zur besseren Vergleichbarkeit der Werte wird die pAaDO2 daher generell bei einer FiO2 von 1 bestimmt.

■ Rechts-Links-Shunt In atelektatischen Arealen kommt es zum RechtsLinks-Shunt, da diese Alveolen zwar durchblutet, aber nicht belüftet sind: V˙ a/ Q˙ ⇒ 0 (Abb. 1.27). Der Anteil der venösen Beimischung im arteriellen Blut nimmt gegenüber dem Lungengesunden zu, bei dem dieser Anteil etwa 2 – 5 % des Herzzeitvolumens beträgt. Dieser physiologische Shunt resultiert aus anatomischen Kurzschlüssen und dem funktionellen Shunt durch durchblutete, aber nicht belüftete Alveolen, der auch unter physiologischen Bedingungen eine 100 %ige Sauerstoffsättigung des Blutes verhindert. Pathologische Gefäßverbindungen. Davon abzugrenzen ist der Rechts-Links-Shunt durch pathologische Verbindungen zwischen Lungenarterie und Lungenvene (Abb. 1.27). Dieses Kurzschlussblut bleibt immer – auch unter Sauerstoffzufuhr – ungesättigt, da es die Alveolen nicht passiert; sein Anteil an der Gesamtperfusion ist konstant. Typische

Beispiele sind angeborene zyanotische Herzfehler sowie AV-Fisteln. Respiratorische PartialinsufÏzienz. Kennzeichnend für ausgedehnte Schädigungen des Lungenparenchyms sind Gasaustauschstörungen für Sauerstoff mit arterieller Hypoxämie durch pathologische Rechts-Links-Shunts. Blutgasanalytisch können Abfälle der arteriellen Sauerstoffsättigung SaO2 und des arteriellen pO2 nachgewiesen werden. Dieser Zustand wird auch als respiratorische PartialinsufÏzienz bezeichnet. Merke Beim Rechts­Links­Shunt ist die Alveole durch­ blutet, aber nicht belüftet:

47

1 1 1 1

V˙ a/ Q˙ ⇒ 0.

1 Berechnung des Rechts-Links-Shunts Durch Berechnung des intrapulmonalen RechtsLinks-Shunts (Q˙ s /Q˙ t) kann das Verhältnis von „geshuntetem“ Herzzeitvolumen (Q˙ s) zu totalem Herzzeitvolumen (Q˙ t) abgeschätzt werden. Da zu seiner Bestimmung nicht nur arterielle, sondern auch gemischtvenöse (= pulmonal-arterielle) Blutgasanalysen durchgeführt werden müssen, ist das Einschwemmen eines Pulmonalarterienkatheters erforderlich. Üblicherweise wird der Rechts-LinksShunt bei einer FiO2 von 1 berechnet.

.

.

Qs / QT = =

pAaDO2 × 0 ,0031 avDO2 + pAa DO2 × 0 ,0031 ( pAO2 - paO2 ) × 0 ,0031 avDO2 + ( pAO2 + paO2 ) × 0 ,0031

Die arterio-venöse Sauerstoffgehaltsdifferenz (avDO2) lässt sich aus dem O2-Gehalt von arteriellem und gemischtvenösem Blut (caO2 bzw. cvO2) wie folgt berechnen: avDO2 = caO2 – cvO2

1 1 1 1 1 1

Vereinfacht ergibt sich der O2-Gehalt des Blutes aus folgenden Formeln: caO2 = SaO2 × 1,34 × cHb cvO2 = SvO2 × 1,34 × cHb

1

1

1 Physiologie und Pathophysiologie der Atmung

Bei bekanntem Herzzeitvolumen (HZV) lässt sich daraus das O2-Angebot (DO2) berechnen, z. B.: DO2 = HZV × caO2

1

DO2 avDO2

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

caO2 cvO2 pAO2 paO2 pAaDO2 SaO2 SvO2 cHb 1,34

= O2-Angebot(Synomym O2-Transportkapazität) = arterio-venöse Sauerstoffgehaltsdifferenz, = O2-Gehalt des arteriellen Blutes, = O2-Gehalt des gemischtvenösen Blutes, = alveolärer Sauerstoffpartialdruck, = arterieller Sauerstoffpartialdruck, = alveolo-arterielle O2-Partialdruckdifferenz, = O2-Sättigung im arteriellen Blut, = O2-Sättigung im gemischtvenösen Blut, = Hämoglobingehalt, = Hüfnersche Zahl.

Beispiel Der arterielle paO2 im Blut wird mit 140 mmHg gemessen. Der Hb wird mit 15 g/dl, die arte­ rielle Sauerstoffsättigung mit 97 % und die ge­ mischt­venöse Sauerstoffsättigung mit 75 % ge­ messen. Daraus errechnet sich ein O2­Gehalt im arteriellen Blut von annähernd 19,5 ml/dl, im ge­ mischt­venösen Blut von 15,1 ml/dl. Unter der Annahme, dass der alveoläre Sauerstoffpartial­ druck pAO2 bei Atmosphärendruck unter Beat­ mung mit 100 % Sauerstoff 660 mmHg beträgt, lässt sich die Shuntfraktion aus obiger Formel er­ rechnen: Q� s /Q� T =

(660 - 140) × 0,0031 1,612 = = 0 , 26 21,14 + (660 - 140) × 0,0031 6 ,112

Daraus folgt in diesem Beispiel ein Shuntanteil von 26 %. Der Anteil des „geshunteten“ Herzzeitvolumens liegt normalerweise unter 5 % (physiologischer Shunt). Führt die Erhöhung der inspiratorischen O2-Konzentration (FiO2) zu keinem deutlichen Anstieg des paO2, ist der Shuntanteil in der Regel höher als 30 %. Den Zusammenhang zwischen dem Einfluss der FiO2 auf den paO2 bei unterschiedlichen Shuntvolumina verdeutlicht Abb. 1.28.

700

paO2 (mmHg)

48

Isoshuntlinien

Shunt

600

5%

500

10 %

400 300

20 %

200 100 0 0,2

30 % 50 %

0,3

0,4

0,5

0,6

0,7

0,8

0,9

1

FiO2

Abb. 1.28 Isoshuntlinien stellen die Beziehung zwischen inspiratorischer Sauerstoffkonzentration (FiO2) und arterieller Sättigung (paO2) dar. Wäh­ rend bei einem pulmonalen Rechts­Links­Shunt < 5 % der paO2 linear mit der FiO2 ansteigt, führt eine Er­ höhung der FiO2 ab einem Shuntanteil von ca. 50 % zu keiner nennenswerten Erhöhung des paO2.

Merke Ein nicht adäquater paO2­Anstieg bei Erhöhung der FiO2 weist auf einen ausgeprägten Rechts­ Links­Shunt hin.

Hinweis Trotz der Reduktion der gasaustauschenden Oberfläche durch die Abnahme der FRC ist der Gasaustausch von CO2 aufgrund des höheren DiffusionskoefÏzienten von CO2 zunächst nicht gestört. Daher führen Pneumonien oder Lungen­ ödem in der Initialphase gewöhnlich nicht zur CO2­Retention (Hyperkapnie). Da die Atmung oftmals kompensatorisch gesteigert ist, um das Ausmaß der Hypoxämie zu vermindern, kann es sogar zur (hypoxisch bedingten) Mehrventilati­ on mit Abfall des paCO2 (Abb. 1.25) kommen. Erst in fortgeschrittenen Krankheitsstadien, z. B. beim Vollbild des akuten Lungenversagens (▶ ARDS), kommt es als Folge der zunehmenden Perfusionsstörungen mit konsekutivem Anstieg der Totraumventilation zur progredienten CO2­ Retention und Hyperkapnie.

1.9 Sauerstoffbindung und Sauerstoffsättigung

Sauerstoffbindung und Sauerstoffsättigung

1.9

Sauerstoff wird im Blut zu 97 % chemisch an das Hämoglobin der Erythrozyten gebunden und transportiert. Da nur ca. 3 % des diffundierten Sauerstoffs physikalisch im Plasma gelöst sind, spielt dieser Anteil bei der Sauerstoffversorgung der Gewebe nur eine untergeordnete Rolle. Merke Der Transport von Sauerstoff erfolgt zu 97 % durch chemische Bindung an Hämoglobin.

Sauerstoffbindungskurve

1.9.1

Die Bindung des Sauerstoffs an das Hämoglobin hängt vom arteriellen Sauerstoffpartialdruck paO2 ab: Je höher der Partialdruck, desto mehr Sauerstoff kann aufgenommen werden. Während der paO2 allein Veränderungen der Lungenfunktion beurteilt, erfasst die Sauerstoffsättigung SaO2 zusätzlich das O2-Bindungsvermögen des Hämoglobins. Definitionsgemäß beschreibt die blutgasanalytisch ermittelte fraktionelle O2-Sättigung den Anteil des oxigenierten Hämoglobins (O2Hb) am Gesamt-Hb des arteriellen Blutes.

Hinweis ▶ Pulsoximetrische Methoden messen die funk­ tionelle (partielle) Sauerstoffsättigung SpO2. Die Geräte können aus technischen Gründen ledig­ lich zwischen oxigeniertem und nichtoxigenier­ tem Hämoglobin (Oxy­ bzw. Desoxyhämoglobin) unterscheiden. Die Höhe der Sauerstoffsättigung wird bestimmt durch das O2-Bindungsvermögen des Hämoglobins sowie durch die Beziehung zwischen O2-Partialdruck und Sauerstoffsättigung; sie ist durch die Sauerstoffbindungskurve definiert. Die Sauerstoffbindungskurve zeigt einen S-förmigen Verlauf mit einer im oberen Bereich stark abnehmenden Steigung, wobei die paO2-Drücke eng mit der O2-Sättigung korrelieren. Aus dem Kurvenverlauf geht hervor, dass eine Abnahme des arteriellen paO2 von z. B. 100 mmHg auf 60 mmHg lediglich eine Verminderung der O2-Sättigung auf 90 % zur Folge hat – ein Wert, bei dem bei normalem Hb-Gehalt des Blutes noch keine hypoxischen Störungen zu befürchten sind (Abb. 1.29). Aus der Sauerstoffbindungskurve wird darüber hinaus deutlich, dass bei Sauerstoffatmung die vollständige O2-Sättigung des Hämoglobins keine Rückschlüsse auf den Sauerstoffpartialdruck und damit die aktuelle gasaustauschende Funktion der Lunge zulässt.

Sauerstoffsättigung (%)

98 maximale Sättigung

Linksverschiebung Rechtsverschiebung 50

paO2 (mmHg)

SaO2 (mmHg)

20 30 40 50 60 70 80 90 >100

35 57 75 83 89 93 94 96 97

50

100 paO2 (mmHg)

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

0 0

Abb. 1.29 Sauerstoffbindungskurve. Aufgrund des S­förmigen Verlaufs der O2­Bindungskurve führt die Abnahme des O2­Partialdrucks zu einer vergleichsweise geringen Abnahme der O2­Sättigung des Hämoglobins. Physiologische intra­ pulmonale Shunts verhindern eine 100 %ige Sauerstoffsättigung.

49

150

1

50

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

1 Physiologie und Pathophysiologie der Atmung

Die fraktionelle Sauerstoffsättigung beträgt unter normalen Bedingungen etwa 96 – 97 %. Bei verändertem O2-Bindungsverhalten, z. B. bei Vorliegen von inaktiven Hämoglobinformen, ist sie entsprechend niedriger. Klinisch bedeutsam ist vor allem die Vergiftung mit ▶ Kohlenmonoxid (CO) mit Bildung von Carboxyhämoglobin (COHb). Rechtsverschiebung der Sauerstoffbindungskurve. Veränderungen der WasserstofÏonenkonzentration und des pCO2 führen zur Verschiebung der O2-Bindungskurve: Bohr-Effekt. Bei erhöhter Körpertemperatur, Hyperkapnie oder Azidose kommt es zur Rechtsverschiebung der Sauerstoffbindungskurve: Die Sauerstoffbindung an das Hämoglobin nimmt ab, gleichzeitig wird der Sauerstoff allerdings in der Peripherie besser an das Gewebe abgegeben. Linksverschiebung der Sauerstoffbindungskurve. Bei einer Linksverschiebung wird der Sauerstoff zwar von den Erythrozyten leichter aufgenommen, dementsprechend ist die Sauerstoffsättigung bei gleichem paO2 höher als normal. Allerdings ist die Sauerstoffbindung an das Hämoglobin auch stärker, so dass die Sauerstoffabgabe an das Gewebe erschwert ist. Zur Linksverschiebung kommt es z. B. bei ▶ Alkalosen, ▶ Hypokapnie, erniedrigter Körpertemperatur oder bei 2,3-Diphosphoglycerat-(2,3-DPG-)Mangel.

1.9.2

Zyanose

Klinisch zeigt sich eine unvollständige Sauerstoffsättigung des Hämoglobins als Zyanose, wobei zwischen peripherer und zentraler Zyanose unterschieden wird. Bei der peripheren oder auch Ausschöpfungs-Zyanose liegt ein Missverhältnis zwischen Sauerstoffangebot und -verbrauch vor, z. B. durch eine hohe Sauerstoffausschöpfung des Blutes bei der Sepsis oder aufgrund eines pathologisch erniedrigten Herzzeitvolumens beim kardiogenen Schock. Durch die Verlangsamung des Blutstromes kommt es zur typischen Blaufärbung durch vermehrte O2-Ausschöpfung, die sich insbesondere in den Extremitäten zeigt. Aufgrund der verminderten Durchblutung sind die Extremitäten zudem meist kühl. Bei der zentralen oder Mischungs-Zyanose dagegen ist das arterielle Blut aufgrund eines intrapulmonalen (Lungenödem) oder intrakardialen

(Herzvitium) Rechts-Links-Shunts unzureichend mit Sauerstoff gesättigt. Die Zyanose erstreckt sich daher nicht nur auf die Körperperipherie, sondern auch auf die sonst roten Schleimhäute (Mundschleimhaut, Zunge, Konjunktiven). Die Kontrolle der Zungenfarbe ermöglicht daher in einfacher Weise die Unterscheidung zwischen peripherer und zentraler Zyanose. Merke Zentrale Zyanose durch Rechts­Links­Shunt. Periphere Zyanose durch erhöhte O2­Ausschöp­ fung.

Beachte Zur Abschätzung der Sauerstoffsättigung des arteriellen Blutes ist die Hautfarbe ungeeignet, da eine Zyanose bei einem normalen Hb­Ge­ halt oft erst bei Werten unterhalb 65 % sichtbar wird. Voraussetzung zur Erkennung einer Zya­ nose sind zudem immer mindestens 5 g/100ml nicht oxigeniertes Hämoglobin: Beim Vorliegen einer Anämie mit Hb­Werten um 6 – 7 g/100ml tritt daher keine Zyanose mehr auf.

1.9.3

Kohlenmonoxidintoxikation

Kohlenmonoxid ist ein farb- und geruchloses Gas, das z. B. in Autoabgasen und Rauchgasen enthalten ist. Es entsteht vor allem bei unvollständiger Verbrennung, wie z. B. bei Schwelbränden, defekten Gas- oder Kohlethermen usw. Hohe Konzentrationen finden sich auch in Silogruben. Die Normalwerte für COHb im Blut liegen beim Nichtraucher bei 0,3 – 2 %, beim Raucher können sie bis zu 10 % betragen. Die Toxizität von Kohlenmonoxid beruht auf seiner im Vergleich zu Sauerstoff etwa 220-mal größeren AfÏnität zum Hämoglobin. Zudem ist die COHb-Bindung außerordentlich stabil; sie zerfällt ca. 10.000-mal langsamer als O2Hb. Beides führt zur dauerhaften Blockade von O2-Aufnahme und -Transport. Gleichzeitig kommt es zur Linksverschiebung der Sauerstoffbindungskurve mit Verschlechterung der Sauerstoffabgabe an das Gewebe. Die COHb-Konzentration ist einerseits abhängig von der CO-Konzentration der Luft, andererseits von der Expositionszeit. Schon geringe Konzent-

1.9 Sauerstoffbindung und Sauerstoffsättigung

rationen in der Atemluft verursachen hohe COHbKonzentrationen und sind daher hochgradig toxisch: COHb-Konzentrationen > 60 % sind meist tödlich (Tab. 1.3). Merke Kohlenmonoxid verdrängt Sauerstoff aus der Hämoglobinbindung.

■ Symptome Klinisch weisen Atemnot, Schwindel, Kopfschmerz, Bewusstseinstrübung bis hin zum Bewusstseinsverlust sowie Herzrhythmusstörungen mit Ischämiezeichen auf die zunehmende Hypoxämie hin. Später kommt es zum Lungenödem durch Linksherzversagen, Untergang der Muskulatur mit Rhabdomyolyse und Nierenversagen durch Myoglobinbelastung. Merke Diagnose der CO­Vergiftung: Daran denken. Bei entsprechender Anamnese COHb bestimmen!

Beachte Die Hypoxämie geht nicht mit einer Zyano­ se einher, so dass die Diagnose gelegentlich schwierig sein kann. Im Gegenteil, manchmal ist die Hautfarbe der Patienten eher rosig. Auch die ▶ Pulsoximetrie ist zur Diagnosestellung un­ geeignet, da durch die Messmethodik COHb als oxigeniertes Hb fehlinterpretiert wird. Weg­ weisend für die Diagnosestellung in der Notfall­ medizin ist daher die Anamnese: So muss z. B. bei jeder Rauchgasinhalation von einer Koh­ lenmonoxidintoxikation ausgegangen werden. Die Sicherung der Diagnose erfolgt in der Kli­ nik durch Bestimmung der COHb­Konzentration mit einem CO­Oximeter.

■ Therapie der CO-Intoxikation Die Therapie besteht in der Wiederherstellung des O2-Transportes durch Gabe von Sauerstoff in der höchstmöglichen Konzentration, ggf. durch Intubation und Beatmung mit 100 % Sauerstoff. Hyperventilation sollte vermieden werden, da hierdurch

Tabelle 1.3 Kohlenmonoxidgehalt in der Atemluft und daraus resultierende COHb­Konzentration. CO-Gehalt in der Atemluft [%]

COHb [%]

0,01

15

0,02

30

0,04

45

0,08

60

0,16

80

die O2-Abgabe an das Gewebe weiter verschlechtert wird. Bei COHb > 25 % und komatösem Patient besteht die Indikation zur sofortigen Einleitung einer hyperbaren Sauerstofftherapie in einer Überdruckkammer. Merke Bei jedem Verdacht auf CO­Intoxikation: O2 in der höchstmöglichen Konzentration. Hyperbare Oxigenierung bei COHb > 25 %.

1.9.4

Methämoglobinämie

Der Genuss großer Mengen nitrathaltiger Lebensmittel, die im Verdauungstrakt zu toxischen Nitriten umgewandelt werden, kann zur Bildung von Methämoglobin (MetHb) führen. Dies ist insbesondere der Fall bei einem angeborenen Mangel des Enzyms Methämoglobinreduktase, das das ständig im Organismus gebildete MetHb zu Hb reduziert. Methämoglobin kann keinen Sauerstoff binden und steht damit nicht für den O2-Transport zur Verfügung.

51

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

■ Symptome Bei einem Methämoglobinanteil > 10 % (mehr als 70 – 80 % sind tödlich), kommt es zu Sauerstoffmangel im Blut und es entwickelt sich eine ▶ Zyanose. Bei der Blutuntersuchung fällt die schiefergraue Farbe des Blutes auf. Symptome des Sauerstoffmangels im Blut sind häufig Schwindel, Übelkeit, Kopfschmerzen, Beschleunigung der Herzfrequenz, Atemnot und Benommenheit (Somnolenz). Insbe-

1 1

52

1 Physiologie und Pathophysiologie der Atmung

1

sondere für Babys und Kleinkinder ist eine Methämoglobinämie gefährlich. Ihre Auswirkungen werden in diesen Altersstufen bisweilen mit den Symptomen eines Herzfehlers verwechselt.

1

■ Therapie

1

Die Therapie besteht in der Gabe von Sauerstoff und ggf. in der Infusion von Toluidinblau (alternativ: Methylenblau) als Antidot.

1 1 1 1 1 1 1 1 1

1.10

O2-Gehalt des Blutes

Eine vollständige Sauerstoffsättigung des Hämoglobins ist keinesfalls gleichzusetzen mit ausreichendem Sauerstoffgehalt im arteriellen Blut. Bei vermindertem Hb-Gehalt, z. B. bei ausgeprägten Blutverlusten, kann die Sauerstoffsättigung im arteriellen Blut normal sein; trotzdem kann eine lebensbedrohliche Situation aufgrund der Anämie vorliegen.

1.10.1 Sauerstofftransportkapazität Von klinischem Interesse ist die Sauerstofftransportkapazität des Blutes. Sie hängt vom Sauerstoffgehalt des arteriellen Blutes, caO2, ab. Da jedes Gramm Hämoglobin theoretisch maximal 1,39 ml Sauerstoff (Hüfnersche Zahl) bindet, kann der Sauerstoffgehalt mithilfe der arteriellen Sauerstoffsättigung SaO2 bei bekanntem Hämoglobingehalt cHb einfach errechnet werden. Da normalerweise ein kleiner Teil des Hämoglobins bindungsinaktiv ist, geht die Hüfnersche Zahl in der Praxis mit 1,34 in die Rechnung ein: caO2 = SaO2 × cHb × 1,34 + O2phys Der Anteil des physikalisch gelösten Sauerstoffs O2phys im Blut ist vernachlässigbar, so dass die Normalwerte für den Sauerstoffgehalt des arteriellen Blutes caO2 im Wesentlichen durch die HbKonzentration und die Sauerstoffsättigung der Erythrozyten beeinflusst werden. Sie sind unabhängig von Alter, Körpergröße und -gewicht. Eine chronisch erniedrigte Sauerstoffsättigung, z. B. aufgrund von Lungenerkrankungen oder bei Ni-

kotinabusus, führt kompensatorisch zum Hb-Anstieg. Dadurch wird der effektive Sauerstoffgehalt des Blutes aufrechterhalten. Er beträgt im Mittel 18 – 20 ml/dl, wobei Männer um durchschnittlich 2 ml/dl höhere Werte aufweisen als Frauen. Therapiebedürftige Grenzwerte orientieren sich in erster Linie am Sauerstoffbedarf des Myokards. Danach ist insbesondere bei eingeschränkter myokardialer Reserve ein O2-Gehalt von weniger als 50 % der Norm zu vermeiden. Merke Die O2­Sättigung der Erythrozyten ist nicht gleichbedeutend mit einem ausreichenden O2­ Gehalt des arteriellen Blutes.

1.10.2 Hypoxie, Hypoxämie und Sauerstoffangebot Das aktuelle Sauerstoffangebot DO2 für die Organe hängt neben dem O2-Gehalt des Blutes zusätzlich von ihrer Durchblutung Q˙ und damit der HerzKreislauf-Funktion und dem Herzzeitvolumen ab: O2-Angebot: Q˙ × caO2 Ein Hb-Abfall, eine Abnahme der Sauerstoffsättigung und/oder Verminderung des Herzzeitvoulmens führen dementsprechend zur Reduktion des arteriellen Sauerstoffangebots. Nach der auslösenden Ursache wird unterschieden zwischen: ● Stagnationshypoxämie, ● anämischer Hypoxämie, ● hypoxischer Hypoxämie, ● toxischer Hypoxämie und ● respiratorischer Hypoxämie. Hypoxie bedeutet die Abnahme des arteriellen pO2. Sie führt zur unzureichenden Oxigenierung des Hämoglobins mit Abfall der arteriellen O2-Sättigung: Hypoxigenation. Hypoxie und Hypoxigenation resultieren in einer Hypoxämie, d. h. einer Abnahme des O2-Gehalts des arteriellen Blutes. Die Stagnationshypoxämie tritt als Folge der verminderten Gewebeperfusion auf, z. B. im Rahmen des kardiogenen Schocks mit Abnahme des HZV. Zur anämischen Hypoxämie kann es dagegen beim Blutungsschock kommen, z. B. beim polytraumatisierten Patienten mit massiven Blutver-

1.11 CO2­Elimination: Normoventilation – Hypoventilation – Hyperventilation

lusten. Atmung von Gasgemischen mit niedrigem Sauerstoffanteil, z. B. bei Grubenunglücken oder Silounfällen, führt zur hypoxischen Hypoxämie. Kohlenmonoxidvergiftungen resultieren in einer toxischen Hypoxämie, schwere Gasaustauschstörungen in der Lunge, z. B. bei der Pneumonie, in einer respiratorischen Hypoxämie. Hinweis Anämische Hypoxämien werden bei gleichem O2­Gehalt des Blutes wesentlich besser toleriert als hypoxische Hypoxämien und diese wiederum besser als toxische Hypoxämien. Der Grund liegt darin, dass es bei hypoxischer und toxischer Hy­ poxie zur Linksverschiebung der Sauerstoffbin­ dungskurve und damit zur erschwerten Abgabe von Sauerstoff ins Gewebe kommt. Demgegen­ über weist die Sauerstoffbindungskurve bei aku­ ter und chronischer Anämie einen nahezu nor­ malen Verlauf auf. Wenig aussagekräftig sind Messungen von Sauerstoffpartialdrücken und Sättigungen im peripher-venösen Blut, da sie keine Rückschlüsse auf den pulmonalen Gasaustausch sowie das arterielle Sauerstoffangebot bzw. die O2-Transportkapazität ermöglichen. Eine Ausnahme stellt die Bestimmung der gemischtvenösen Sauerstoffsättigung SvO2 im pulmonalarteriellen Blut dar, die bei Sauerstoffverbrauchsbestimmungen sowie der Beurteilung von Kreislaufparametern eine wichtige Rolle spielt. Kann kein Pulmonalarterienkatheter positioniert werden, erlaubt auch die zentralvenöse Sättigung näherungsweise Rückschlüsse auf das Verhältnis von Sauerstoffangebot und -verbrauch. Merke Die SvO2 ist ein Parameter zur Beurteilung von Kreislauffunktion, O2­Angebot und ­Verbrauch. Ersatzweise kann auch die zentralvenöse O2­Sät­ tigung als Verlaufsparameter benutzt werden

1.11

CO2-Elimination: Normoventilation – Hypoventilation – Hyperventilation

Normoventilation. Da die Abatmung von Kohlendioxid effektive Ventilation zwingend voraussetzt, kommt der Bestimmung des pCO2 als Leitparameter der alveolären Ventilation wesentliche Bedeutung zu. Unter Normoventilation versteht man einen Zustand, der durch ausreichende Elimination von CO2 gekennzeichnet ist. Unter physiologischen Bedingungen und bei intakter Atemmechanik wird ein erhöhter CO2-Anfall, z. B. durch Stoffwechselsteigerung, durch entsprechende Mehrventilation kompensiert. Dadurch bleibt der arterielle CO2Partialdruck weitgehend konstant im Bereich zwischen 35 und 45 mmHg: Normokapnie. Hypoventilation. Eine Erschöpfung der Atemmuskulatur beim Asthmatiker oder Minderung des Atemantriebs durch zentral wirksame Substanzen führt zu Hypoventilation durch unzureichende Abatmung von CO2. Folge ist die Hyperkapnie mit Anstieg des paCO2 im Blut und respiratorischer Azidose. Hyperventilation. Eine den metabolischen Bedürfnissen nicht angepasste und übersteigerte Atmung, die u. a. durch Angst, Schmerz oder psychische Belastung ausgelöst werden kann, führt dagegen zur Hyperventilation. Definitionsgemäß geht Hyperventilation mit einem Abfall des paCO2 (Hypokapnie) und respiratorischer Alkalose einher (z. B. beim Hyperventilationssyndrom). Merke Normoventilation: ausreichende CO2­Elimination, Normokapnie Hypoventilation: unzureichende CO2­Elimination, Hyperkapnie Hyperventilation: übersteigerte CO2­Elimination, Hypokapnie Bei maschineller Beatmung wird das Atemminutenvolumen üblicherweise anhand von Blutgasanalysen so eingestellt, dass Normoventilation erreicht wird. Zur Verlaufsüberwachung der Ventilation ist neben der engmaschigen Kontrolle des

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1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

1 Physiologie und Pathophysiologie der Atmung

1

arteriellen auch die Bestimmung des zentralvenösen pCO2 geeignet, der jedoch geringfügig (ca. 5 mmHg) höher liegt.

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

Volumen

54

a

b

Merke CO2 ist der Leitparameter der Ventilation. Tachypnoe – Bradypnoe. Keinesfalls dürfen die Begriffe Hyperventilation und Tachypnoe gleichgesetzt werden. Der Ausdruck Hyperventilation darf definitionsgemäß nur dann verwendet werden, wenn blutgasanalytisch eine Hypokapnie vorliegt. Der Terminus Tachypnoe ist dagegen ein klinischer Parameter, der eine erhöhte Atemfrequenz beschreibt, ohne dass daraus Rückschlüsse auf den ventilatorischen Status des Patienten gezogen werden können. So kann ein tachypnoischer Patient normoventiliert, hyperventiliert oder – bei schweren Gasaustauschstörungen – sogar hypoventiliert sein. Ebensowenig ist Bradypnoe zwangsläufig mit Hypoventilation verknüpft. Tief komatöse Patienten mit erniedrigtem metabolischem Grundumsatz und dementsprechend geringer CO2-Produktion haben nur einen geringen Ventilationsbedarf, d. h., Normoventilation kann unter Umständen bereits durch wenige tiefe Atemzüge sichergestellt werden. Schnappatmung. Bradypnoe darf nicht mit Schnappatmung verwechselt werden: Die zumeist präfinal beobachteten krampfartigen Atemexkursionen sind immer insufÏzient und gehen dem Atemstillstand unmittelbar voraus. Störungen der Atmungsregulation führen häufig zu charakteristischen, periodischen Atmungsformen (Abb. 1.30). So findet sich die Biot-Atmung u. a. bei Hirnverletzten. Kennzeichnend sind Phasen mit gleichmäßig tiefen Atemzügen, die von Apnoephasen gefolgt werden. Ähnlich ist die Cheyne-Stokes-Atmung, bei der die Atemzüge zwischen den Apnoephasen eine Crescendo-DecrescendoCharakteristik aufweisen. Sie kann ebenfalls Ausdruck einer zerebralen Schädigung sein, kommt aber auch bei Gesunden beim Schlaf in großer Höhe durch Veränderung der CO2-Antwortkurve vor. Die Kussmaul-Atmung zeigt sehr tiefe Atem-

c

d

Zeit

Abb. 1.30 Atmungsformen. a Normale Atmung, b Cheyne­Stokes­Atmung, c Biot­Atmung, d Kussmaul­Atmung. züge, die zur verstärkten CO2-Abatmung (Hyperventilation) führen. Sie wird u. a. bei Stoffwechselentgleisungen zur Kompensation metabolischer Azidosen beobachtet (z. B. diabetisches Koma). Respiratorische InsufÏzienz. Die unzureichende Ventilation der Lungen führt unbehandelt nicht nur zur Hyperkapnie, sondern auch zum verringerten Sauerstoffangebot in den Alveolen: Als Folge der alveolären Hypoxie fällt der arterielle Sauerstoffpartialdruck paO2 ab, das Hämoglobin wird nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff gesättigt. Bei Atmung von Raumluft führt alveoläre Hypoventilation immer auch zur Hypoxämie und damit zur respiratorischen GlobalinsufÏzienz. Beachte Hypoventilation führt bei Raumluftatmung im­ mer zur Hypoxämie.

Werden in diesem Zustand nicht unverzüglich Maßnahmen zur Wiederherstellung der pulmonalen Ventilation getroffen, kommt es durch CO2Retention zu zunehmender Bewusstseinsstörung und weiterer Verminderung der Ventilation. Dieser Circulus vitiosus führt letztlich zum Tod des Organismus durch Hypoxämie. Beachte Ist die Ursache der ventilatorischen InsufÏzienz nicht unmittelbar therapierbar, ist die Unter­ stützung der Ventilation durch Beatmung indi­ ziert.

1.12 Weiterführende Literatur

1.12

Weiterführende Literatur

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55

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

57

2

Grundlagen der maschinellen Beatmung

1

Jörg Rathgeber

2

Bei der Beatmung wird die Luft mit Überdruck gegen die elastischen und unelastischen Kräfte von Lunge, Thoraxwand und Zwerchfell in die Alveolen transportiert. Das Entweichen der Luft in der Exspirationsphase erfolgt dagegen, wie bei der Spontanatmung, passiv durch die elastischen Rückstellkräfte von Lunge und Thorax. Der wesentlichste Unterschied zwischen maschineller Überdruckbeatmung und Spontanatmung besteht somit in der Umkehrung der intrathorakalen und intraalveolären Druckverhältnisse in der Inspirationsphase (Abb. 2.1). Merke Bei Beatmung sind die intrathorakalen Drücke – anders als bei Spontanatmung – auch in der Inspirationsphase positiv.

2.1.1

Beatmungsmuster

Die zeitlichen Veränderungen von Druck, Flow und Volumen in den Atemwegen und damit die pulmonale Gasverteilung innerhalb des Beatmungszyklus Tcycle werden durch das maschinelle Beatmungsmuster vorgegeben. Es wird durch die Einstellgrößen Tidalvolumen, Beatmungsfrequenz und Inspirationsflow, das Atemzeitverhältnis (Zeitdauer von In- und Exspirationsphase), die Dauer des inspiratorischen Plateaus sowie durch die Höhe des endexspiratorischen Drucks beschrieben. Merke Das Beatmungsmuster beschreibt den zeitlichen Ablauf der Volumenlieferung innerhalb des Be­ atmungszyklus.

b

2

Druck

a

2 Flow

Beatmungszyklus und Beatmungsmuster

2 Volumen

2.1

Zeit

Abb. 2.1 Druck-Flow-Volumenbeziehungen bei Spontanatmung und Beatmung. Beatmung führt gegenüber Spontanatmung während der Inspirati­ onsphase zur Umkehrung der intrathorakalen und intraalveolären Druckverhältnisse. Die Strömungs­ richtungen sind während der In­ und Exspirationspha­ se gegenläufig. Die exspiratorischen Flows werden deshalb als „negative“ Flows aufgezeichnet. a Spontanatmung, b Beatmung (volumenkontrollierte Beatmung mit konstantem Inspirationsflow, inspiratorischem Plateau und PEEP).

2.1.2

2 2 2 2

Beatmungszyklus

Jeder einzelne maschinelle Beatmungszyklus setzt sich aus Inspirationsphase und Exspirationsphase zusammen. Die Inspirationsphase wird unterteilt in Flowphase und Pausenphase (Abb. 2.2). In der Flowphase oder auch aktiven Inspirationsphase strömt das Frischgas entsprechend der Druckdifferenz zwischen dem vom Respirator erzeugten Beatmungsdruck und dem intrapulmonalen Druck (Alveolardruck) in die Lungen. Bei ▶ volumenkontrollierten ▶ zeitgesteuerten Beatmungsformen kann sich bis zum Beginn der Exspirationsphase

2 2 2

58

2 Grundlagen der maschinellen Beatmung

inspiratorischer Spitzendruck

1

PEEPNiveau

Druck

2

inspiratorisches Plateau

Flowphase

2

Merke Der maschinelle Beatmungszyklus besteht aus Inspirationsphase und Exspirationsphase.

Pausenphase

Flow

2

Hinweis Die Exspirationsphase wird durch die Einstel­ lung des Beatmungsmusters kaum beeinflusst, da der exspiratorische Flow in erster Linie durch die Compliance von Lunge und Thorax sowie die Resistance in den Atemwegen – inklusive Tubus und Exspirationsventil – vorgegeben wird.

2.2

2 2

Inspiration

Volumen

Inspiration Exspiration

Zeit

2 I

2 2 2 2 2

E

I

E

Abb. 2.2 Druck-Flow-Volumen-Diagramme eines maschinellen Beatmungszugs mit PEEP. Die Inspi­ rationsphase besteht aus Flowphase (aktive Phase) und Plateauphase (Pausen­ oder No­Flow­Phase). Die Exspiration verläuft passiv. eine sog. No-Flow-Phase oder auch Pausenphase mit einem inspiratorischen Plateau ausbilden, in der sich das Gas gleichmäßig in den Lungen verteilt. Die Dauer des maschinellen Beatmungszyklus Tcycle (in Sekunden) lässt sich bei Kenntnis der Beatmungsfrequenz f sowie der Inspirationszeit tI und der Exspirationszeit tE errechnen: Tcycle =

60 = tI + tE f

Einstellparameter am Respirator

Moderne Intensiv- und Narkoserespiratoren sollten über ausreichend große (Farb-)Displays verfügen, auf denen sämtliche Status- und Alarmmeldungen im Klartext ausgegeben bzw. bei Bedarf auch zu späteren Zeitpunkten abgerufen werden können. Unverzichtbar ist aus heutiger Sicht die gleichzeitige Darstellung der Druck-, Flow- und Volumenkurven in ihrem zeitlichen Verlauf, möglichst auch in Verbindung mit der grafischen Darstellung der CO2-Konzentrationen in der Atemluft. Diese „Visualisierung der Beatmung“ ist nicht nur außerordentlich hilfreich bei der Einstellung und Korrektur von Beatmungsparametern, sondern ist zugleich ein unverzichtbares didaktisches Hilfsmittel bei der Aus- und Weiterbildung von interessierten Ärzten und Pflegekräften. Wünschenswert, aber technisch immer noch schwierig zu realisieren, ist die zuverlässige Trennung und numerische/grafische Darstellung der ventilatorischen Anteile von Patient und Maschine im Sinne eines Beatmungsprotokolls bei der Entwöhnung vom Respirator (▶ Weaning). Im Folgenden werden die wichtigsten einstellbaren Parameter kurz charakterisiert. Erläuterungen für weitere, in diesem Abschnitt nicht aufgeführte Messgrößen, finden sich in Kapitel 3 „Beatmungsformen“.

2.2 Einstellparameter am Respirator

2.2.1

Sauerstoffkonzentration FiO2

Die inspiratorische Sauerstoffkonzentration FiO2 beeinflusst die O2-Partialdruckdifferenz zwischen Alveole und Blut: Die Steigerung der FiO2 erhöht die Diffusionsgeschwindigkeit aus der Alveole in das Blut und führt damit zur Zunahme des arteriellen pO2 und umgekehrt. Die Erhöhung der FiO2 kann nötig sein, um eine Hypoxie der Organsysteme zu vermeiden; die Lungenerkrankung per se wird durch die Sauerstoffgabe jedoch nicht positiv beeinflusst. Die vom Respirator abgegebene inspiratorische Sauerstoffkonzentration FiO2 ist bei modernen Intensivrespiratoren stufenlos oder in kleinen Inkrementen in den Grenzen zwischen 21 und 100 % einstellbar. Die initiale Einstellung liegt zwischen 30 und 50 %, bei schweren Gasaustauschstörungen auch höher. Sauerstoff ist in höheren Konzentrationen potenziell toxisch, wobei O2-Konzentrationen < 60 % im Rahmen der intensivmedizinischen Behandlung allgemein als im Wesentlichen unkritisch angesehen werden. Dennoch sollte der Einstellung der geringstmöglichen Sauerstoffkonzentration die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt werden. Angestrebt werden Sauerstoffpartialdrücke im arteriellen Blut im Bereich von 60 mmHg und Sauerstoffsättigungen > 90 %. Höhere Sauerstoffpartialdrücke sind nur selten indiziert. Im Einzelfall können auch Sauerstoffpartialdrücke < 60 mmHg toleriert werden, z. B. bei Patienten mit COPD oder anderen chronischen Lungenerkrankungen. Dabei muss allerdings beachtet werden, dass die Sauerstofftransportkapazität des Blutes bei einer Anämie vermindert ist, so dass im Einzelfall auch höhere Sauerstoffpartialdrücke/-sättigungen gerechtfertigt sein können. Bei Atmung hoher Sauerstoffkonzentrationen besteht die Gefahr, dass sich sog. Resorptionsatelektasen ausbilden. Dabei wird der Sauerstoff aus den Alveolen ins Blut abgegeben, kann jedoch besonders in Alveolen mit hohen Zeitkonstanten („langsame Alveolen“) nicht schnell genug ersetzt werden. Während bei niedriger alveolärer O2-Konzentration der nur langsam absorbierte Stickstoff die Alveolen offen hält, steht Stickstoff als „alveoläres Füllgas“ bei Sauerstoffatmung nicht zur Verfügung: Die Alveolen kollabieren, die Shuntdurchblutung steigt an.

Beachte In der klinischen Praxis ist eine Beatmung mit 100 % Sauerstoff bei allen akut lebensbedrohli­ chen respiratorischen oder kardiovaskulären Zu­ ständen in der Initialphase indiziert. Nach Stabi­ lisierung wird die inspiratorische Sauerstoffkon­ zentration anhand der Blutgaswerte angepasst.

Präoxigenierung. Im Rahmen der ▶ Präoxigenierung vor einer Intubation wird aus Sicherheitsgründen 100 % Sauerstoff über eine Maske gegeben. Hierbei muss beachtet werden, dass die vom Respirator/Narkosegerät abgegebene inspiratorische Sauerstoffkonzentration nicht identisch ist mit der Sauerstoffkonzentration, die der Patient tatsächlich einatmet. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Maske luftdicht abschließt und der Patient keine Nebenluft atmet. Ähnliche Einschränkungen gelten auch für die ▶ O2-InsufÒation via Gesichtsmaske oder Nasensonde. Eine Beatmung mit 21 % Sauerstoff ist bei Patienten mit pulmonalen Gasaustauschstörungen naturgemäß nicht indiziert. Dagegen ist die Beatmung mit Raumluft bei Patienten mit reiner ▶ ventilatorischer InsufÏzienz keine Seltenheit. Hinweis Bei Patienten mit schwerer respiratorischer Insuf­ fizienz kann die Applikation von 100 % Sauerstoff vor dem endotrachealen Absaugvorgang not­ wendig sein, um eine ▶ Hypoxämie zu vermei­ den. Moderne Respiratoren verfügen über auto­ matisierte Funktionssequenzen für die Absaug­ routine, die nach Aktivieren einer Taste nicht nur eine kurze (z. B. 2­minütige) Oxigenierungs­ phase mit 100 % Sauerstoff starten, sondern nach erfolgter Absaugung und Konnektion des Schlauchsystems eine ebenso lange Post­Oxige­ nierungsphase anschließen.

2.2.2

Atemfrequenz/ Beatmungsfrequenz

Die Beatmungsfrequenz beschreibt die Anzahl der mandatorisch applizierten Beatmungszyklen pro Minute. Veränderungen der Beatmungsfrequenz ändern gleichzeitig auch die Inspirations- und die

59

1 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2

60

1 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2

2 Grundlagen der maschinellen Beatmung

Exspirationszeiten innerhalb des ▶ Beatmungszyklus Tcycle. Bei einer Beatmungsfrequenz von 12 bpm (breathes per minute) beträgt die Dauer von Tcycle exakt 5 Sekunden (Tcycle = 60/f). Der Einstellbereich der Beatmungsfrequenz liegt in Abhängigkeit vom Gerät sowie vom Alter des Patienten zwischen 4 und 100 bpm. Speziell für die ▶ Neonatologie entwickelte Beatmungsgeräte erreichen weitaus höhere Beatmungsfrequenzen. Typische Einstellbereiche für Erwachsene liegen zwischen 8 und 20 bpm. Die Einstellung der Beatmungsfrequenzen erfolgt im Kontext mit der Einstellung der Tidalvolumina und üblicherweise dem Ziel, eine Normoventilation des Patienten zu gewährleisten. Bei stark sedierten oder narkotisierten Patienten mit niedrigem Stoffwechsel sind hierzu oft geringe Beatmungsfrequenzen ausreichend. Das Gleiche gilt für unterkühlte Patienten, solange keine Gegenregulationsmechanismen wie Kältezittern aktiviert sind. Bei Patienten mit hohem Ventilationsbedarf (Fieber, Sepsis etc.) sind dagegen höhere Beatmungsfrequenzen zur ausreichenden CO2-Elimination erforderlich. Hinweis Beatmungsfrequenzen über 25 bpm sind beim Erwachsenen in der Regel nicht sinnvoll, da keine wesentlichen klinischen Effekte mehr zu erwarten sind. Zudem kann es zu ▶ Air­trapping­ Phänomenen aufgrund der kurzen Exspirations­ zeiten kommen. Dieses Risiko besteht insbeson­ dere bei Patienten mit obstruktiven Ventilati­ onsstörungen (COPD, Asthma). Typische Verän­ derungen der exspiratorischen Flowkurve (siehe Abb. 3.8, S. 111) können auf die Ausbildung ei­ nes unerwünschten intrinsic­PEEP hinweisen.

2.2.3

Tidalvolumen (Atemzugvolumen), Atemminutenvolumen

Der wichtigste Parameter bei der volumenabhängigen Beatmung ist die Einstellung des Tidalvolumens VT oder Atemzugvolumens (AZV). Darunter versteht man das Volumen, das pro maschinellem Atemhub appliziert wird. Moderne Beatmungskonzepte zur Behandlung der akuten respiratorischen InsufÏzienz orientieren sich bei

der Einstellung der Höhe an den unter physiologischer Spontanatmung in Ruhe geatmeten Volumina: Sie liegen beim Erwachsenen in der Größenordnung von ca. 500 ml. Idealerweise sollen die Tidalvolumina so gewählt werden, dass die Elastizitätsgrenze der Lunge nicht überschritten wird. Dementsprechend wird für die maschinelle Beatmung eine initiale V T-Einstellung von etwa 7 ml/kg KG bei Beatmungsfrequenzen zwischen 12 und 16 bpm zugrunde gelegt, wobei immer vom idealen Körpergewicht des Patienten (Ideal Body Weight, IBW) ausgegangen wird. Mit höheren Tidalvolumina steigt das Risiko der Volumentraumatisierung der Lunge an, vor allem dann, wenn Beatmungsdrücke von 30 mbar dauerhaft überschritten werden. Ob diese Empfehlungen zur ▶ lungenprotektiven Beatmung auch für lungengesunde Patienten im Rahmen der kurzzeitigen unkomplizierten ▶ postoperativen Nachbeatmung oder der ▶ Narkosebeatmung gelten, wird derzeit kontrovers diskutiert. Möglicherweise können bei lungengesunden Patienten auch geringfügig höhere Tidalvolumina bis 10 ml/kg KG (ideales Körpergewicht!) toleriert werden. Bei Patienten mit pulmonalen Vorschädigungen gelten die Empfehlungen der lungenprotektiven Beatmung dagegen uneingeschränkt, also auch im Rahmen der Narkosebeatmung. Das Atemminutenvolumen (AMV) gibt das Volumen an, das pro Minute appliziert wird. Es hängt damit von der Höhe der applizierten Tidalvolumina und der Atemfrequenz/Beatmungsfrequenz f ab. Bei ▶ volumenkontrollierten Beatmungsformen resultiert das Atemminutenvolumen damit in eindeutiger Weise aus den Einstellungen von Tidalvolumen und Beatmungsfrequenz: AMV = V T × f Dieser Zusammenhang gilt nicht für ▶ druckkontrollierte und damit volumeninkonstante Beatmungsformen. Ziel der Einstellung von Tidalvolumen und Frequenz ist in der Regel die ▶ Normoventilation des Patienten, d. h. ein arterieller paCO2 von ca. 40 mmHg. Je nach Stoffwechsellage des Patienten kann das notwendige Atemminutenvolumen erheblich variieren. Fieber, Sepsis, Hyperthyreose etc. führen zu einem gesteigerten O2-Verbrauch mit entsprechender CO2-Produktion, wodurch der Ventilationsbedarf beim Erwachsenen auf über 30 Liter ansteigen kann. Narkose, tiefe Sedierung,

2.2 Einstellparameter am Respirator

Hypothermie etc. senken dagegen den Stoffwechsel, so dass Normoventilation schon mit Atemminutenvolumina von weniger als 5 Litern erreicht wird. Höhere Atemminutenvolumina als nötig führen zur ▶ Hyperventilation mit Abfall des arteriellen paCO2 (Hypokapnie), niedrigere zur ▶ Hypoventilation mit Anstieg des arteriellen paCO2 (Hyperkapnie). Wenn bei Patienten mit schwerer respiratorischer InsufÏzienz eine Normoventilation nur durch lungenschädigende Beatmungsdrücke und -volumina erreicht werden kann, wird häufig eine Hypoventilation toleriert (▶ permissive Hyperkapnie). Hinweis Die therapeutische Hyperventilation wurde früher gelegentlich bei Patienten mit erhöhtem intrakraniellen Druck angewendet, spielt aber heute praktisch keine Rolle mehr.

2.2.4

Positiv endexspiratorischer Druck, PEEP

Nach Öffnen des Exspirationsventils entweicht die Luft passiv aus den Lungen, bis der Druckausgleich zwischen Alveolardruck und Atmosphärendruck erreicht ist oder eine neue Inspiration eingeleitet wird. Wird das vollständige Entweichen der Atemgase durch ein Ventil im Exspirationsschenkel verhindert, bildet sich nach Abschluss der Ausatmung ein positiver endexspiratorischer Druck aus (PEEP, Positive End-Expiratory Pressure). Dieser Druck erhöht den inspiratorischen ▶ Spitzendruck, den ▶ Plateaudruck und den ▶ Atemwegsmitteldruck (Abb. 2.2). Hinweis Der Begriff PEEP wird meistens nur im Rahmen der maschinellen Beatmung benutzt. Bei Spontanatmungsformen wird der Begriff ▶ CPAP (Continuous Positive Airway Pressure) bevorzugt. Die technische Realisierung eines kontinuierlichen positiven Drucks in den Atemwegen erfolgte früher durch ein Wasserschloss. Dabei wird die Ausatemluft durch ein Rohr in ein Wasserreservoir ge-

leitet, wobei die Eintauchtiefe des Rohrs die Höhe des PEEP-Niveaus bestimmt. Moderne PEEP-Ventile bestehen im Prinzip aus einer Membran, die mit einer definierten Kraft den Ausatemkanal des Respirators hinter dem Exspirationsventil verschließt. Überschreitet der Druck der Exspirationsgase den Gegendruck der Membran, öffnet das Ventil. Unterschreitet der Druck der Exspirationsgase den Anpressdruck der Membran, verschließt das Ventil und verhindert so den weiteren Druckabfall in den Atemwegen. Einfache PEEP-Ventile, z. B. in ▶ Handbeatmungsbeuteln, arbeiten als sog. federbelastete PEEP-Ventile nach diesem Prinzip. Moderne Beatmungsgeräte erzeugen den PEEP-Druck durch pneumatisch oder elektronisch geregelte Steuermechanismen und bieten detaillierte Einstell- und Messmöglichkeiten. Hinweis Alle modernen Beatmungskonzepte basieren auf Beatmungsmustern mit ▶ PEEP. Die Einstellung der PEEP­Werte variiert in Abhängigkeit von der zugrunde liegenden Gasaustauschstörung zwi­ schen 5 und 20 mbar.

2.2.5

Atemzeitverhältnis, I/E-Ratio, In- und Exspirationszeit, inspiratorische Pause

Das Atemzeitverhältnis oder die I/E-Ratio bestimmt das Verhältnis von Inspirations- zu Exspirationszeit innerhalb des ▶ Beatmungszyklus, wobei die Veränderung des einen Parameters stets zu Lasten des anderen geht (Abb. 2.2). Parallel zur Einstellung des Atemzeitverhältnisses ändern sich ▶ mittlere Atemwegsdrücke sowie ▶ alveoläre Mitteldrücke. Bei gesunden Lungen wird zumeist ein I/E-Verhältnis zwischen 1:2 und 1:1 gewählt. Die Einstellung erfolgt entweder direkt am Gerät oder resultiert – in Abhängigkeit von Beatmungsform und Respiratortyp – aus der Einstellung des inspiratorischen Beatmungsmusters. So wird das Atemzeitverhältnis bei ▶ volumenkontrollierten Beatmungsformen durch Veränderungen des inspiratorischen Beatmungsmusters maßgeblich beeinflusst: Veränderungen von inspiratorischer Pause und/oder Inspirationsflow führen zwangsläufig zu gegenläufigen Veränderungen der Exspirationsdauer, sofern die Beatmungsfrequenz nicht

61

1 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2

2 2 2

2 2 2 2 2 2

a

b

c

d

I/E = tI /E Atemfrequenz und Atemzeitverhältnis werden in der Regel automatisch errechnet und im Display angezeigt. Alternativ erlauben einige Respiratoren auch die Einstellung der Inspirationsdauer in Prozent des Beatmungszyklus, woraus das I/E-Verhältnis errechnet werden kann: I/E = tI /(100-tI)

2 2

Druck

verändert wurde. Bei ▶ druckkontrollierten Beatmungsformen beeinflusst die Dauer der inspiratorischen Plateauphase zudem die Höhe der applizierten Atemvolumina. Einige Beatmungsformen, wie z. B. einige ▶ BIPAP-Versionen, erfordern die Einstellung der In- und Exspirationszeiten in Sekunden, woraus das Atemzeitverhältnis resultiert:

Flow

1

2 Grundlagen der maschinellen Beatmung

Hinweis Bei geschädigten Lungen mit pathologischen Veränderungen von Compliance und Resistance kann im Einzelfall eine Beatmung mit umgekehr­ tem Atemzeitverhältnis (▶ Inverse Ratio Ventila­ tion, IRV) sinnvoll sein. Dabei wird die Inspirati­ onsphase gegenüber der Exspirationsphase ver­ längert: I/E > 1 (siehe auch Abb. 3.7, S. 110). Der positive Effekt auf die Oxigenierung wird be­ wirkt durch eine gleichmäßigere Verteilung des Gases in der Lunge, eine bessere Belüftung von Lungenarealen mit erhöhtem Atemwegswider­ stand (mehr Zeit zum Öffnen minderbelüfteter/ atelektatischer Lungenbezirke) und eine längere Kontaktzeit des Gases in der Lunge.

2.2.6

Inspirationsflow

Der Inspirationsflow V˙ beschreibt die Volumenlieferung pro Zeiteinheit, gemessen in l/s oder l/ min. Bei ▶ volumenkontrollierter ▶ zeitgesteuerter Beatmung steigt der Flow mit Beginn der Inspiration rasch auf den am Respirator vorgegebenen Wert an und bleibt in der Regel konstant, bis das gewünschte Tidalvolumen verabreicht ist: Konstantflow (Abb. 2.3). Danach fällt der Flow auf Null ab. Es beginnt die No-Flow-Phase oder inspiratorische Pause mit Ausbildung des inspirato-

Volumen

62

Zeit

Abb. 2.3 Inspiratorische Flowmuster mit den resultierenden Druck- und Volumendiagrammen. Volumenkontrollierte Beatmung mit Konstantflow (a), druckkontrollierte Beatmung mit dezelerieren­ dem Flow (b). Akzelerierende (c) und sinusförmige Flowmuster (d) sind heute nicht mehr gebräuchlich.

rischen Plateaus (siehe auch Abb. 2.2): Das applizierte Volumen verteilt sich gleichmäßig zwischen den ▶ „langsamen“ und ▶ „schnellen Kompartimenten“ der Lunge, wobei es zum Phänomen der ▶ Pendelluft kommt, da Atemluftanteile zwischen benachbarten Alveolen hin und her pendeln. Mit Beginn der Exspirationsphase ändert sich die Richtung des Flows („negativer“ Flow). Der Kurvenverlauf des Exspirationsflows wird von den Widerständen in den großen und kleinen Atemwegen sowie im Beatmungssystem bestimmt. Der Flowverlauf während der In- und Exspirationsphase wird bei modernen Respiratoren als ▶ Flow-ZeitDiagramm auf dem Display dargestellt. Je höher der Inspirationsflow eingestellt wird, desto steiler ist der Druckanstieg in den Atemwegen. Bei ▶ volumenkontrollierter Beatmung mit Konstantflow wird gelegentlich die Einstellung niedriger inspiratorischer Flows (15 – 30 l/min) empfohlen, um Druckspitzen in den Atemwegen zu vermeiden und eine bessere Gasverteilung in den Atemwegen und der Lunge zu ermöglichen (Abb. 2.4). Hierdurch verlängert sich jedoch die aktive Inspirationsphase.

2.2 Einstellparameter am Respirator

b

c

Hinweis In manchen älteren Respiratoren kann die volu­ menkontrollierte Beatmung alternativ auch mit akzelerierendem Flowmuster durchgeführt wer­ den. Dabei steigt der Flow langsam an und er­ reicht seinen Spitzenwert zum Ende der Inspira­ tion (Abb. 2.3). Auch sinusförmige Flows, wie sie typischerweise von Kolbenpumpen erzeugt wer­ den, wurden in früheren Jahren gelegentlich zur Verbesserung der Oxigenierung verwendet. Spe­ zifische Einsatzbereiche konnten jedoch weder für Sinusflow noch für akzelerierende Flowmus­ ter definiert werden, so dass diese Flowprofile in modernen Beatmungsgeräten nicht mehr zur Verfügung stehen.

Volumen

Flow

Druck

a

2.2.7

Triggerempfindlichkeit

Zeit I

E

I

E

I

E

Abb. 2.4 Einfluss des Inspirationsflows (Konstantflow) auf den Beatmungsdruck bei Applikation gleicher Tidalvolumina. a Hohe Spitzendrücke durch hohe Inspirationsflows. b Flowreduktion führt zur Reduktion der Spitzen­ drücke und Verkürzung der Plateauphase. c Bei weiterer Reduktion des Inspirationsflows sind Spitzendruck und Plateaudruck gleich. Zur Appli­ kation des Tidalvolumens ist die Verlängerung der Inspirationsdauer notwendig. Hinweis Der klinische Nutzen einer Beatmung mit niedri­ gen Flüssen unter Verzicht auf ein Plateau konn­ te bisher nicht bewiesen werden. Im Gegensatz zu volumenkontrollierten Beatmungsformen arbeiten ▶ druckkontrollierte Beatmungsformen einschließlich der ▶ druckunterstützten Spontanatmungsformen mit dezelerierenden Flowmustern: Der Flow nimmt nach Erreichen des initial hohen Anfangswertes ab und geht bis zum Ende der Inspirationsphase auf Null zurück (Abb. 2.3).

Funktionsprinzip. Der Patient erzeugt durch seine Inspirationsbemühung einen Unterdruck in den Atemwegen, der sich über die Luftsäule im Schlauchsystem auf das Inspirationsventil überträgt. Das Inspirationsventil öffnet, sobald seine „Triggerschwelle“ unterschritten wird. Bei der pneumatischen Steuerung wird durch diesen Sog eine federbelastete Membran ausgelenkt, wodurch der Inspirationsflow freigegeben wird. Sehr viel empfindlicher sind moderne elektronische Trigger. Sie arbeiten meist mit Druck- oder Flowsensoren. Hierbei werden Druck- bzw. Flowänderungen in elektrische Signale umgewandelt, die wiederum die Ventile des Respirators steuern (Abb. 2.5). Triggerschwelle. Die Triggerempfindlichkeit des Systems kann am Respirator entweder manuell als Differenzdruck („Drucktrigger“, gemessen in mbar) oder als Flowäquivalent („Flowtrigger“, gemessen in ml/s) eingestellt werden, oder sie ist fest vorgegeben. Hohe Triggerschwellen führen beim spontan atmenden Patienten zur Erhöhung der Atemarbeit durch ineffektive Atemexkursionen. Da dem Patienten die „Belohnung“ in Form von Volumen vorenthalten wird, resultiert eine isovolumetrische und unökonomische Atemarbeit (siehe auch S. 95 f).

63

1 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2

64

2 Grundlagen der maschinellen Beatmung

Druck

1 Triggerschwelle

2 2 2

Ventilator

Zeit

Flow

Triggerlatenz

Triggerlatenz Zwerchfellbewegung triggertden Respirator

Zeit

2

Abb. 2.5 Triggerung: pneumatische Kopplung zwischen Atemmuskulatur und Respirator. Triggerschwelle und Triggerlatenz resultieren aus der inspiratorischen Kraft (= Triggerimpuls) des Patienten, den pneumati­ schen Übertragungseigenschaften des Schlauchsystems sowie der Qualität von Steuersensor und Inspirations­ ventil.

2 2 2 2 2 2 2

Beachte Die Beeinflussung hoher Atemfrequenzen oder unerwünschter Eigenatmung des Patienten durch das Erhöhen der Triggerschwelle am Re­ spirator ist nicht sinnvoll. Dies führt nicht nur zu Dyspnoe, Stress, Angst, motorischer Unru­ he usw., sondern trägt zur ventilatorischen Er­ schöpfung des Patienten und u. U. zu fortbeste­ hender Beatmungspflichtigkeit bei. Selbsttriggerung. Niedrige Triggerschwellen bergen das Risiko der Selbsttriggerung. Geringe Schwankungen von Druck, Flow oder Volumen, z. B. durch Bewegungen des Patienten oder Kondenswasser in den Atemschläuchen, können bereits eine unerwünschte maschinelle Inspiration auslösen. Die Höhe der Triggerschwelle muss daher individuell bestimmt werden, sollte prinzipiell jedoch so empfindlich wie möglich eingestellt werden. Sie liegt bei der Drucktriggerung in der Regel im Bereich zwischen 0,5 und 5 mbar, bei der Flowtriggerung zwischen 1 und 15 l/min. Selbsttriggerung oder Triggerung durch kardial bedingte

Druckschwankungen in den Atemwegen ist bei Triggereinstellungen > 2 mbar bzw. > 2 l/min praktisch ausgeschlossen. Triggerlatenz. Die Sensitivität des Regelkreises aus Atemmechanik, Steuersensor und Ventil drückt sich vor allem in der Triggerlatenz (Abb. 2.5) aus. Darunter versteht man im weiteren Sinne den Zeitraum vom Beginn der Inspirationsbemühung des Patienten bis zum Erkennen des Steuersignals durch Unterschreiten der Triggerschwelle und Öffnung des Inspirationsventils. Sie kann von Patient und Therapeut nicht unmittelbar beeinflusst werden. Die Triggerlatenz sollte kurz sein, um eine möglichst verzögerungsfreie maschinelle Flowlieferung zu gewährleisten. Sie hängt ab von den pneumatischen Übertragungseigenschaften des Schlauchsystems, der Qualität des Inspirationsventils sowie der Sensitivität des Steuersensors. Im engeren Sinne beschreibt die Triggerlatenzzeit die Empfindlichkeit des Inspirationsventils, d. h. die Zeitdauer bis zur vollständigen Öffnung nach Ansteuerung. Sie ist gerätespezifisch unterschiedlich.

2.4 Überwachung der Beatmung

Hinweis Ältere Respiratoren weisen aufgrund technischer Unzulänglichkeiten oftmals hohe Ventil­Trigger­ latenzzeiten im Bereich von mehreren hundert Millisekunden auf, die insbesondere bei Spon­ tanatmung zu unbefriedigender Volumenbe­ reitstellung, Phasenverschiebung zwischen Pati­ ent und Respirator sowie Erhöhung der isometri­ schen Atemarbeit führen. Heutige Intensivrespi­ ratoren verfügen über Sensoren und Ventile mit niedrigen Triggerlatenzzeiten im Bereich weni­ ger Millisekunden.

2.3

Hilfsfunktionen

2.3.1

Inspiratorischer Hold

Moderne Respiratoren sind mit einer sog. „Inspiratory Hold“-Taste ausgestattet, womit eine zeitlich begrenzte (maximal 15 s) manuelle Verlängerung des inspiratorischen Druckniveaus durchgeführt werden kann. Dabei kann der Plateaudruck am Respirator abgelesen und für die Berechnung der statischen ▶ Compliance herangezogen werden. In der klinischen Praxis wird das Manöver dagegen zumeist zur Aufnahme von Röntgenbildern des Thorax in Inspirationsstellung verwendet oder auch zur Blähung der Lungen nach Absaugvorgängen.

2.3.2

Exspiratorischer Hold

Als ▶ intrinsischer PEEP (PEEPi) wird der Atemwegsdruck bezeichnet, der sich nach Beendigung des normalen Beatmungszyklus nach Ausgleich zwischen Lungendruck und Schlauchsystem bei geschlossenem System ausbildet. Moderne Respiratoren bieten die Möglichkeit zur schnellen Bestimmung dieses Parameters durch Aktivierung der „Expiratory Hold“-Taste. Sie führt zum Aussetzen des Gasflusses am Ende der nächsten mandatorischen Exspirationsphase und dauert maximal 5 Sekunden an oder solange, bis der PEEPi erfolgreich gemessen wurde. PEEPi wird als absoluter Druck angezeigt (siehe auch Abb. 2.14, S. 74).

2.3.3

Manual Breath

Neuere Respiratoren bieten die Möglichkeit, jederzeit manuelle Beatmungszüge unabhängig vom gewählten Beatmungsmode auszulösen. Dieser Atemzug basiert meist auf den mandatorischen Einstellungen des aktuellen Beatmungsmodus. Im CPAP/ASB-Modus werden meist die Einstellungen des ▶ Apnoe-Sicherheits-Modus zugrunde gelegt.

2.3.4

65

Seufzer-Funktion

Ältere Respiratoren verfügen in Anlehnung an das physiologische Seufzen, also unwillkürliche periodische tiefe Atemzüge (ca. 8 – 10/h), über sog. Seufzer-(„Sigh“-)Funktionen. Nach definierten Zeitabständen werden entweder eine oder mehrere Beatmungszüge mit höheren – meist doppelten – Atemzugvolumina verabreicht oder die Inspirationsphase wird verlängert. Alternativ können die Seufzer, z. B. bei druckkontrollierten Modes, mit deutlich höheren Plateaudrücken (z. B. 50 mbar) appliziert werden. Bei anderen Konzepten wird das PEEP-Niveau intermittierend angehoben (Abb. 2.6). Hinweis Derzeit verfügen nur wenige moderne Respira­ toren über entsprechende Einstellmöglichkeiten, da das Konzept der ▶ Seufzer­Beatmung in den letzten Jahren durchweg abgelehnt wurde.

2.4

Überwachung der Beatmung

2.4.1

Grafische Darstellungen ventilatorischer Parameter

Zunehmend an Bedeutung gewinnen die Aufbereitung und grafische Darstellung ventilatorischer Größen. So sind die Veränderungen von Druck, Flow und Volumen in ihrem zeitlichen Verlauf innerhalb des Beatmungszyklus wertvolle Hilfen bei der Anpassung der maschinellen Beatmungsparameter an die atemmechanischen Eigenschaften der beatmeten Lunge. Demgegenüber hat sich die grafische Darstellung von Druck-Volumen- oder Flow-VolumenKurven, abgesehen von wissenschaftlichen Frage-

1 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2

66

2 Grundlagen der maschinellen Beatmung

1

b

c

Druck

a

2

Volumen

2

Flow

2

Zeit

2

Abb. 2.6 Beatmung mit Seufzer. Seufzer­Effekt (rote Markierungen) durch intermittierende Erhöhung der Tidalvolumina (a), Anhebung des PEEP­Niveaus (b), Verlängerung der Inspirationsphase durch Plateau (c).

2 2 2 2 2 2 2

stellungen, bisher in der intensivmedizinischen Praxis nicht recht etablieren können. Gründe hierfür sind weniger fehlende technische Voraussetzungen bei den Respiratoren als viel mehr Schwierigkeiten bei der Interpretation dieser Kurven. Dabei bieten ▶ Druck-Volumen-Schleifen oder ▶ Flow-VolumenSchleifen zusätzliche Informationen über die Lungenfunktion sowie Veränderungen des atemmechanischen Status. Für die Zukunft ist zu erwarten, dass die rechnergestützte Verknüpfung atemmechanischer Parameter und deren Interpretation im klinischen Alltag an Bedeutung gewinnen werden.

dienen die gemessenen sowie die aus dem DruckZeit-Diagramm abgeleiteten Größen als Grundlage für die geräteseitigen Berechnungen von Resistance und Compliace.

■ Druck-Zeit-Kurve

Volumenkontrollierte Beatmung

Die Beatmungsdrücke zeigen im Display des Respirators einen charakteristischen zeitabhängigen Verlauf, der abhängig ist von Beatmungsform und -muster, der Höhe der applizierten Tidalvolumina, dem Alveolardruck sowie der Summe aller Atemwegswiderstände. Wesentlichen Einfluss haben dabei geräte- und lungenspezifische Resistanceund Compliancewerte. Da diese Werte geräteseitig konstant sind, gestattet das Druck-Zeit-Diagramm jedoch Rückschlüsse auf den Lungenstatus und seine Veränderungen im Verlauf. Zudem

Hinweis Die im Display dargestellten Druckkurven spie­ geln lediglich den Verlauf der im Beatmungsge­ rät gemessenen Drücke wider. Die in der Lun­ ge wirklich auftretenden Drücke können nur un­ ter Berücksichtigung aller Einflussfaktoren abge­ schätzt und beurteilt werden.

Bei ▶ volumenkontrollierter Beatmung mit konstantem Flow steigt der Druck zu Beginn der Inspiration aufgrund der Atemwegswiderstände steil an und geht dann in einen flacheren und nahezu linear verlaufenden Druckanstieg über (Abb. 2.7). Der initiale Druckanstieg ist flowabhängig und wird in erster Linie durch die ▶ Resistance in Tubus und Atemwegen verursacht („Resistancedruck“): Je höher der Flow V˙ und/oder die Resistance R sind, desto höher ist der Druckanstieg Δp: Δp = R × V˙

Druck

2.4 Überwachung der Beatmung

Spitzendruck

c d

e

~ = Resistancedruck (R×˙ V)

Plateaudruck

b Resistancedruck (R×˙ V)

a

~ = Compliancedruck (VT/C ) V ˙ /C

1 2

f PEEP

Inspiration Flow

67

Zeit

Exspiration

Pause

Abb. 2.7 Druck-Zeit-Diagramm bei volumenkontrollierter Beatmung mit Konstantflow. a–b = Beginn der Inspiration. b–c = linearer Druckanstieg während der Inspiration. c = Das eingestellte Tidalvolumen ist appliziert, es wird kein weiterer Flow geliefert. c–d = Es kommt zum Druckausgleich zwischen den Atemwegen und den Alveolarräumen, der Druck fällt auf das Plateauniveau d–e ab. e = Beginn der Exspiration. Der Druck erreicht nach vollständiger Ausatmung das endexspiratorische Niveau f (PEEP).

Hinweis Der Strömungswiderstand ist nach dem ▶ Ha­ gen­Poiseuille­Gesetz umgekehrt proportional der 4. Potenz des Radius, so dass er bei Halbie­ rung des Tubusradius um das 16­fache zunimmt. Vor allem bei Verwendung kleiner Tubusdurch­ messer darf der am Respirator angezeigte Beat­ mungsdruck nicht mit dem Druck in den Atem­ wegen oder gar den Alveolen gleichgesetzt werden. Da der Strömungswiderstand auch der Länge des durchströmten Abschnitts proportio­ nal ist, werden die Atemwegswiderstände auch durch die Länge des Endotrachealtubus beein­ flusst. Bei Verwendung handelsüblicher Tuben ist dieser Aspekt bei erwachsenen Patienten nor­ malerweise von untergeordneter Bedeutung. Bei beatmeten Neugeborenen und Säuglingen da­ gegen sollte die Tubuslänge so kurz wie möglich gehalten werden. Spitzendruck – Plateaudruck. Der weitere Anstieg des Beatmungsdrucks wird zunehmend auch durch die ▶ Compliance C des Systems als Summe aus pulmonaler CL und thorakaler Compliance C Th bestimmt („Compliancedruck“). Die Steigung der Druckkurve (Δp/Δt) bis zum Erreichen des inspiratorischen Spitzendrucks Pmax ist

somit abhängig vom Inspirationsflow V˙ und der Gesamtcompliance C: Δp V� = Δt C Werden die In- und Exspirationsventile nach Lieferung definierter Tidalvolumina für kurze Zeit geschlossen (No-Flow-Phase), kommt es zum Druckausgleich zwischen Atemwegen und Alveolarräumen. Der Beatmungsdruck fällt auf das endinspiratorische Plateau PPlat ab, die Atemgase verteilen sich in die Lungenperipherie. Die Steigung der Druckkurve bzw. der Quotient aus Tidalvolumen V T und Druckdifferenz zwischen Plateaudruck PPlat und endexspiratorischem Druck Pendex resultiert somit aus der Compliance des respiratorischen Gesamtsystems. Dementsprechend ist die Druckdifferenz zwischen Plateaudruck und endexspiratorischem Druck (PEEP) bei vorgegebenem Tidalvolumen ein Maß für die elastischen Retraktionskräfte der Lunge. Die Compliance ergibt sich aus dem Verhältnis des exspiratorisch gemessenen Tidalvolumens und dieser Druckdifferenz: C=

VT PPlat - PEEP

2 2 2 2 2 2 2 2 2 2

2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2

Einfluss der Compliance. Ändert sich die Compliance, so ändern sich Plateau- und Spitzendrücke in gleichem Maße (Abb. 2.8b). Das heißt, bei Zunahme der Compliance sinken der Plateau- und Spitzendruck, bei Abnahme der Compliance steigen Plateau- und Spitzendruck. Merke Größer werdende Compliance → Plateau­ und Spitzendruck nehmen ab. Kleiner werdende Compliance → Plateau­ und Spitzendruck steigen. Einfluss der Resistance. Veränderungen des inspiratorischen Atemwegswiderstands führen zu gleichgerichteten Veränderungen des Spitzendrucks bei gleich bleibendem Plateaudruck (Abb. 2.8a). Rückschlüsse auf den exspiratorischen Lungenwiderstand sind anhand des Druck-Zeit-Diagramms allerdings nicht möglich, weil hierzu die Kenntnis des Alveolardruckes notwendig wäre. Hinweise hierauf erlaubt jedoch das exspiratorische FlowZeit-Diagramm (s. u.). Merke Größer werdender Widerstand → Spitzendruck steigt. Kleiner werdender Widerstand → Spitzendruck sinkt.

Spitzendruck

Druck

1

2 Grundlagen der maschinellen Beatmung

a

Plateaudruck

Inspiration

Exspiration

Zeit

Spitzendruck Plateaudruck Druck

68

b

Inspiration

Exspiration

Zeit

Abb. 2.8 Einfluss von Compliance und Resistance auf das Druckdiagramm. a Die Zunahme der inspiratorischen Resistance führt zum Anstieg des Spitzendrucks (markierte Fläche). Der Plateaudruck bleibt unverändert. Die Zunahme der Atemwegswiderstände kann gleichzeitig eine Abnahme des exspiratorischen Flows verursachen. b Die Abnahme der Compliance bewirkt eine Zunahme von Spitzen­ und Plateaudruck (markierte Fläche).

Hinweis Bei Asthma und COPD steht die erhöhte Atem­ wegsresistance im Vordergrund. Die Compliance ist dabei normal, kann jedoch aufgrund von Ver­ änderungen des Lungengerüstes (z. B. beim Lun­ genemphysem) ebenfalls erhöht sein.

Widerständen mit dynamischer Atemwegskompression kann er allerdings auch deutlich höher sein als der Atemwegsmitteldruck.

Atemwegsmitteldruck – Alveolardruck. Der Atemwegsmitteldruck korreliert sehr eng mit dem mittleren Alveolardruck, der jedoch nicht direkt messbar ist (Abb. 2.9). Als zentraler Ventilationsparameter beeinflusst er nicht nur die Oxigenierungsfunktion der Lunge, sondern auch den Einfluss der Beatmung auf die Hämodynamik und das Risiko des ▶ Volu-/Barotraumas. Unter Beatmungsbedingungen ist er niedriger als der Atemwegsmitteldruck. Unter Spontanatmung, bei forcierter Exspiration oder auch bei erhöhten exspiratorischen

Beatmungsdrücke – Atemwegsdrücke. Atemwegsdrücke, z. B. in der Trachea, werden in der klinischen Routine nur selten direkt gemessen. Fälschlicherweise werden stattdessen meist die im Gerät oder am Tubusansatz gemessenen Beatmungsdrücke als Atemwegsdrücke (PAW) bezeichnet. Die inspiratorischen Beatmungsdrücke sind jedoch immer höher als die tatsächlichen Drücke in den Atemwegen, da die Resistance des Tubus zum Druckabfall führt. Ähnliches gilt auch für die vom Respirator angezeigten mittleren Beatmungsdrücke (Abb. 2.9).

2.4 Überwachung der Beatmung

Trachealdruck

Druck

Respiratordruck

Alveolardruck

a

Druck

Zeit

b

Zeit

Beachte Beatmungsdruck ist nicht gleich Atemwegs­ druck. Der Beatmungsdruck ist ein wichtiger Parameter bei der Einstellung des Beatmungsmusters sowie bei der Erkennung von Veränderungen der pulmonalen Eigenschaften oder der Atemwegswiderstände im zeitlichen Verlauf. So kann eine plötzliche Zunahme der Beatmungsdrücke auf eine Tubusfehllage hinweisen. Auch Tubusokklusionen durch Sekret, Schleimhaut oder Fremdkörper machen sich durch allmähliche oder akute Anstiege der Beatmungsdrücke bemerkbar (Tab. 2.1). Merke Die Höhe der Beatmungsdrücke resultieren aus Tubusdurchmesser und ­länge sowie den atem­ mechanischen Eigenschaften von Lunge und Thorax. Zur Bestimmung der Mitteldrücke werden die Beatmungsdrücke im Respirator meist über den gesamten Atemzyklus gemessen und gemittelt. Die Mittlung der Drucksignale erfolgt durch mechanische (Compliancegefäß) oder elektronische (Tiefpassfilter) Dämpfungsglieder, durch computerunterstützte Planimetrie oder mithilfe mathematischer Algorithmen. Die letztgenannte Methode ist in modernen Respiratoren am meisten verbreitet. Im Zusammenhang mit maschineller Beatmung und Lungenmechanik werden Drücke üblicher-

Abb. 2.9 Beatmungsdruck – Atemwegsdruck – Alveolardruck. Die im Respirator gemessenen Beatmungs­ drücke weichen von den Alveo­ lardrücken erheblich ab (Pfeile). Dargestellt sind die vom Respirator generierten Beatmungsdruckkurven (schwarze Linien), die in der Trachea gemessenen Drücke (gestrichelte Linie) sowie die korrespondierenden Atemwegsdrücke in den Alveolen (rote Linien) bei volumen­ (a) und druckkontrollierter (b) Beatmung. Die Alveolardruckunterschiede unterscheiden sich bei druck­ und volumenkontrollierter Beatmung nur wenig.

weise in Millibar (mbar) angegeben, obwohl nach dem heute gültigen SI-System (System International d`Unités) die Einheit Pascal (Pa) verwendet werden sollte. Allerdings hat sich dieses System in der Medizin bisher nicht durchsetzen können. Daneben werden für die Bezeichnung von Druck noch weitere, früher gebräuchliche Einheiten benutzt, wie cm H2O, mmHg, Torr oder dyn (Tab. 2.2).

Druckkontrollierte Beatmung

Bei ▶ druckkontrollierten bzw. -orientierten Beatmungsformen (▶ VC-PCV, ▶ BIPAP, ▶ ASB etc.) werden die inspiratorischen Beatmungsdrücke als Zielparameter vorgegeben. Daraus resultiert ein deutlich anderer Druckverlauf. Der Druck steigt vom unteren Druckniveau (Umgebungsdruck bzw. PEEP) rasch auf den Wert des oberen Druckniveaus PInsp an und bleibt über die am Beatmungsgerät eingestellte Inspirationszeit TInsp konstant (Abb. 2.10). Der Druckabfall in der Exspirationsphase entspricht dem Verlauf bei der volumenorientierten Beatmung, da die Exspiration passiv verläuft. Da der Druck bei druckorientierten Beatmungsmodi voreingestellt und geregelt wird, zeigen Druck-ZeitDiagramme keine oder nur schlecht erkennbare Veränderungen infolge von Änderungen der Resistance und/oder Compliance des Gesamtsystems. Die Höhe der applizierten Tidalvolumina resultieren aus der Druckdifferenz zur Basislinie (Exspirationsdruck) sowie den atemmechanischen Eigenschaften der Lunge: Veränderungen von ▶ Compliance und/oder ▶ Resistance führen zu entsprechenden Veränderungen der Tidalvolumina.

69

1 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2

70

1 2 2 2 2

2 Grundlagen der maschinellen Beatmung

Tabelle 2.1 Änderungen der Beatmungsdrücke bei volumenkontrollierter Beatmung.

Tabelle 2.2 ●

Anstieg des Beatmungsdrucks: Extrapulmonale Ursachen ● Abknicken von Tubus oder Beatmungsschlauch, Cuffhernie ● Verlegung von Tubus oder HME durch Sekret oder Fremdkörper (akut oder langsam)

● ●

Gebräuchliche Einheiten für den Druck.

1 mbar = 100 Pa = 1 hPa = 1,020 cm H2O = 1000 dyn/cm2 = 0,75006 mmHg 1 cm H2O = 0,981 mbar = 98,1 Pa 1 mmHg = 1 Torr = 1,333 mbar = 133,3 Pa

Tabelle 2.3 Abfall der Atemvolumina bei druckkon­ trollierter Beatmung.

Anstieg des Beatmungsdrucks: Intrapulmonale Ursachen ● Abnahme der Compliance (Lungenödem, Pneumonie) ● Zunahme der Resistance (Bronchospastik, Sekretretention, Atelektase) ● Zunahme der intrathorakalen Drücke (Pneumothorax, Hämatothorax) ● unzureichende Sedierung, „Gegenatmen“

● ● ● ● ●

Abfall des Beatmungsdrucks ● Diskonnektion ● Leckage im System ● unzureichende Cuff­Blockung ● Gerätedefekt

● ●

Abnahme der Compliance (Lungenödem) Zunahme der pulmonalen Resistance (Bronchospastik, Sekretretention, Atelektase) Abknicken von Tubus oder Beatmungsschlauch, Cuffhernie Verlegung von Tubus oder HME durch Sekret oder Fremdkörper (akut oder langsam) Zunahme der intrathorakalen Drücke (Pneumo­ thorax, Hämatothorax) Leckage unzureichende Sedierung, „Pressen“ des Patienten

2 Plateaudruck Druck

2

Bei sich plötzlich ändernder Compliance oder Resistance ändern sich auch die Tidal-/Minutenvolumina (Tab. 2.3), was unter Umständen zur Hypoventilation des Patienten führen kann. Merke Veränderungen von Compliance und/oder Resis­ tance beeinflussen die Tidalvolumina, nicht je­ doch die Form der Druck­Zeit­Kurve.

2

Flow

2

2 2 2

Volumen

■ Flow-Zeit-Kurve

Zeit

Abb. 2.10 Druckkontrollierte Beatmung. Nach Erreichen des Plateaudrucks dezeleriert der Inspirati­ onsflow. Die Inspirationsdauer ist zeitgesteuert. Die applizierten Tidalvolumina sind grundsätzlich inkons­ tant und hängen von der Compliance und Resistance der Lunge ab.

Im Flow-Zeit-Diagramm wird der zeitliche Verlauf des inspiratorischen und exspiratorischen Flows dargestellt. Der Flow wird üblicherweise in l/min angegeben. Das verschobene Volumen ergibt sich aus der Integration des Flows über die Zeit und entspricht daher dem Flächeninhalt unter der Flowkurve. Die gleichzeitige grafische Darstellung der in- und exspiratorischen Flowverläufe (Abb. 2.3 und Abb. 2.4) ergänzt die ▶ Druck-Zeit-Kurve in idealer Weise. Bei ▶ volumenkontrollierter Beatmung mit Konstantflow (Abb. 2.4) steigt der Flow mit

2.4 Überwachung der Beatmung

Beginn der Inspiration sehr schnell auf den am Beatmungsgerät eingestellten Wert an und bleibt dann konstant, bis das eingestellte Tidalvolumen verabreicht wurde. Je höher der Inspirationsflow eingestellt wird, desto steiler ist der Druckanstieg in den Atemwegen. Mit Beginn der Pausenzeit (Plateauphase) geht der Flow bis auf Null zurück. Mit Beginn der Exspirationsphase ändert sich die Richtung des Flows („negativer“ Flow). Der Kurvenverlauf des Exspirationsflows wird nur von den Widerständen in den großen und kleinen Atemwegen sowie im Tubus bestimmt. Bei ▶ druckkontrollierter Beatmung ist die Druckdifferenz zwischen dem vom Beatmungsgerät vorgegebenen Druck und dem Alveolardruck die treibende Kraft für den Flow. Mit steigendem Füllvolumen steigt auch der Druck in der Lunge, so dass Druckdifferenz und Flow während der Inspiration kontinuierlich abnehmen, bis am Ende der Druck in der Lunge und im Atemsystem gleich groß ist und der Fluss idealerweise sistiert. Wird die Inspirationsphase zeitgesteuert vorher abgebrochen, z. B. bei Leckagen im System, dezeleriert der Inspirationsflow nicht auf Null (Abb. 2.11a). Dezelerierende Flowmuster (Abb. 2.3b) sind charakteristisch für alle druckkontrollierten Beatmungsmuster. Ist am Ende der Inspiration und am Ende der Exspiration der Fluss gleich Null, so kann auch im druckorientierten Beatmungsverfahren unter Kenntnis des vom Beatmungsgerät gemessenen Tidalvolumens VT die Compliance C errechnet werden: C=

VT ΔP

mit ΔP = Pinsp – PEEP Der Flowverlauf in der Exspirationsphase liefert zusätzliche Informationen über ▶ Resistance und ▶ Compliance der Lunge und gibt damit eine wertvolle Hilfestellung bei der Einstellung der Beatmungsparameter. So weisen flach verlaufende exspiratorische Flowkurven auf eine exspiratorische Flowlimitierung hin, z. B. aufgrund von erhöhten Atemwegswiderständen bei Patienten mit obstruktiven Lungenerkrankungen (Abb. 2.11c). Geht der Flow während der Exspirationsphase nicht vollständig auf Null zurück, kommt es unter Umständen zu ▶ „Air-Trapping“-Phänomenen, die gerade bei obstruktiven Patienten unerwünscht sind (Abb. 2.11b). Hier kommt es darauf an, die Exspirationszeit unter Beachtung der Flowkurve

so lange zu verlängern, bis der exspiratorische Restflow verschwunden oder zumindest deutlich vermindert ist. Auch bei ▶ Inverse Ratio Ventilation mit kurzen Exspirationsphasen zeigen Restflows das Vorhandensein eines ▶ intrinsic PEEP an. Allerdings kann aus der Höhe des endexspiratorischen Restflows nicht auf die absolute Höhe des intrinsic PEEP geschlossen werden. Diese kann nur durch ein „Expiratory hold-Manöver“ (Abb. 2.12) (s. o.) bestimmt werden. Hinweis Differenzialdiagnostisch muss bei plötzlichen oder langsam zunehmenden Zeichen der exspi­ ratorischen Flowlimitierung bei zuvor unauffälli­ gen Patienten immer zuerst an einen Sekretver­ halt in den Atemwegen, eine Tubusobstruktion, Cuffhernie oder mit Sekret oder Blut zugesetz­ te ▶ HME/Beatmungsfilter usw. gedacht wer­ den. Erst nach Ausschluss mechanischer Ursa­ chen durch endotracheale Absaugung und ggf. Bronchoskopie ist die Einleitung einer spasmoly­ tischen Therapie gerechtfertigt. Die Flowkurve bietet somit eine Fülle zusätzlicher Informationen für die Einstellung und Überwachung der Beatmungsparameter, die aus der Druckkurve allein nicht ersichtlich sind. Auch Spontanatmungsaktivitäten des Patienten bei maschinell unterstützenden Spontanatmungsformen wie z. B. ▶ BIPAP lassen sich an der Flowkurve zumeist erheblich besser erkennen als im Druck-Zeit-Diagramm. Merke Die exspiratorische Flowkurve ist hilfreich zur Einstellung, Überwachung und Korrektur der Beatmungsparameter.

71

1 2 2 2 2 2 2 2 2 2

■ Volumen-Zeit-Kurve Im Volumen-Zeit-Diagramm wird der zeitliche Verlauf der in- und exspiratorisch verschobenen Volumina dargestellt. Sie ergeben sich aus der Integration der Flows über die Zeit und entsprechen daher den Flächeninhalten unter den Kurven. Danach nimmt das Volumen während der inspiratorischen Flowphase kontinuierlich zu. In der No-Flow-Pha-

2 2

72

2 Grundlagen der maschinellen Beatmung

a

b

c

Flow

1 2 Zeit

2 2

I

E

I

E

I

E

I

E

I

E

I

E

Abb. 2.11 Besonderheiten im Flow-Zeit-Diagramm. a Aufgrund einer Leckage dezeleriert der Inspirationsflow nicht auf Null (Pfeil). b Zu kurze Exspirationsdauer bei Inverse Ratio Ventilation: Der exspiratorische Flow geht nicht auf Null zurück (Pfeil). c Exspiratorische Flowlimitierung durch erhöhte Atemwegswiderstände, z. B. durch Atemwegsobstruktion. Die Exspirationskurve verläuft sehr flach (Pfeil), die Atemvolumina können nicht vollständig entweichen, es ent­ wickelt sich ein intrinsic PEEP.

2 Okklusionsmanöver

Druck

2 2 Ventilator

externer PEEP

intrinsic PEEP

2 2 2 2 2

Abb. 2.12 Messung des intrinsic PEEP durch ein Okklusionsmanöver. Der Verschluss von In­ und Exspi­ rationsventil am Ende der Exspirationsphase führt zum Druckausgleich zwischen Atemwegen und Beatmungs­ system. Am Ende des Manövers kann der Restdruck in den Atemwegen am Druckmanometer als Summe aus PEEP und intrinsic PEEP abgelesen werden.

se (Plateauzeit) bleibt der Wert konstant, da kein weiteres Volumen in die Lunge verschoben wird. Dieser Volumenwert ist lediglich ein Maß für das verschobene Tidalvolumen. Das Gesamtvolumen in der Lunge sowie die funktionelle Residualkapazität (FRC) bleiben unberücksichtigt. In der Exspirationszeit nimmt durch die passive Ausatmung das verschobene Volumen ab. Die Zusammenhänge zwischen Druck, Flow und Volumen lassen sich besonders gut bei gleichzeitiger Darstellung aller Parameter erkennen.

Bei kontrollierten Beatmungsformen bietet das Volumen-Zeit-Diagramm gegenüber den Druckund Flowkurven kaum zusätzliche Informationen. Bei druckkontrollierter Beatmung und erst recht unter Spontanatmungsbedingungen liefert das Volumen-Zeit-Diagramm dagegen zusätzliche Informationen, z. B. hinsichtlich der Differenzierung zwischen maschinell verabreichten und spontan geatmeten Volumenanteilen (Abb. 2.13).

2.4 Überwachung der Beatmung

b

1

Druck

Druck

a

73

2

Flow

Flow

2

Volumen

Volumen

2

Zeit

2 Zeit

Abb. 2.13 Volumen-Zeit-Diagramme bei druckkontrollierter Beatmung und volumenkontrollierter Beatmung mit Spontanatmung. Die Volumen­Zeit­Kurven erlauben einen schnellen Überblick über die applizierten Volumina. a Druckkontrollierte Beatmung ohne Spontanatmungsaktivitäten: Veränderungen der Atemmechanik zeigen sich am deutlichsten in der Volumen­Zeit­Kurve (Pfeile), die Druck­Kurve bleibt unverändert. b Spontanatmung unter volumenkontrollierter S­IMV mit PSV: Nur anhand der Volumenkurve wird ersichtlich, dass druckunterstützte Spontanatmungszüge (Pfeil) höhere Volumina generieren als die eingestellten ma­ schinellen Tidalvolumina.

2 2 2

■ Statische Druck-Volumen-Loops Druck-Volumen-Schleifen (Pressure-Volume-Loops, PV-Loops) stellen das Verhältnis von Volumen zu Druck unter der Beatmung grafisch dar und sind daher ein Maß für die ▶ Compliance der Lunge: C=

ΔV ΔP

Aufgrund dieser Beziehung beschreibt die DruckVolumen-Schleife bei Applikation unterschiedlicher Volumina die ▶ statische Compliance der Lunge.

PV-Loops mit dem Supersyringe-Verfahren

Klassischerweiser wird die Druck-Volumen-Beziehung in der Lunge mit der „Supersyringe“-Methode ermittelt und als statischer PV-Loop dar-

gestellt (Abb. 2.14). Dabei wird das Volumen der Lunge mithilfe einer großvolumigen Spritze – der „Supersyringe“ – schrittweise erhöht. Der resultierende Druck wird nach jedem Volumenschritt gemessen. Wichtigste Voraussetzung ist, dass die einzelnen Messpunkte unter der Bedingung „Atemfluss = 0“ aufgenommen werden. Durch Verbinden der einzelnen Messpunkte entsteht der PVLoop. Im unteren Bereich der Kurve ist die Steigung am geringsten, d. h., die zur Applikation definierter Volumeneinheiten notwendigen Drücke sind hoch. Nach Überschreiten des Verschlussvolumens wird die Kurve steiler, der zur Volumenapplikation notwendige Druck nimmt also ab. Erreicht die Lunge die Grenze ihrer Dehnbarkeit, nimmt der erforderliche Druck pro Volumeneinheit wieder zu. Exspiratorisch geht die Kurve nicht auf Null zurück; hierfür sind u. a. Messartefakte sowie der O2-

2 2 2 2

74

1 2

2 Grundlagen der maschinellen Beatmung

Verbrauch während der Messung verantwortlich. Im Bereich zwischen dem oberen und dem unteren Umschlagspunkt (▶ „Inflection Point“) ist die Compliance der Lunge am größten. Das Supersyringe-Verfahren ist für die klinische Routine jedoch zu aufwändig und wird daher nur für wissenschaftliche Fragestellungen benutzt.

PV-Loops nach dem Einzelschrittverfahren

2 2

Eine Alternative für wissenschaftliche Fragestellungen ist das von Sydow (1991) beschriebene Einzelschrittverfahren (SCASS, Static Compliance by Automated Single Steps). Hierbei werden die einzelnen Volumenstufen nicht nacheinander in einem einzigen Beatmungszyklus appliziert, sondern innerhalb aufeinander folgender normaler Beatmungszyklen. Für jede einzelne Volumen-

2

Volumen

2 ComplianceKurve Umschlagspunkt

2

Druck P

2

P

2 2 2

PV-Loops durch Low-Flow-Manöver

Für die klinische Routine sind Spritzen- und Einzelschrittverfahren ungeeignet. Sie sind zeitaufwändig, erfordern ein spezielles Equipment und sind z. T. nur nach Diskonnektion des Patienten vom Beatmungsgerät durchführbar, was die Gefahr von De-Rekruitment (PEEP-Abfall) mit sich bringt. Daher werden in manchen modernen Intensivrespiratoren optional automatisierte „quasi-statische“ Messverfahren nach vergleichbaren Messprinzipien angeboten. Beim sog. „Low-Flow-Manöver“ wird die Lunge – ausgehend vom Atmosphärendruck oder vom eingestellten PEEP – langsam mit einem Gasfluss von 2 – 3 l/min aufgeblasen, wobei appliziertes Volumen und resultierender Druck ermittelt werden. Resistive Einflüsse auf die DruckVolumen-Beziehung der Lunge werden dadurch ähnlich wie beim Spritzenverfahren minimiert.

■ PV-Loops unter Beatmungsbedingungen

t

2

stufe wird hierbei die Beatmung inspiratorisch oder exspiratorisch kurzzeitig (5 s) durch ein computergesteuertes Ventil unterbrochen. Zwischen den einzelnen Okklusionen wird der Patient mit mindestens 5 normalen Beatmungszügen beatmet. Durch die kurzen Messzeiten lassen sich die artefiziellen Einflüsse des pulmonalen Gasaustauschs auf die Bestimmung der statischen Compliance nahezu vollständig eliminieren. Da jeder Messpunkt von der gleichen Ausgangslage des Lungen-ThoraxSystems ausgeht (identische „lung history“), resultieren zusätzliche methodische Vorteile. Durch Okklusionen im untersten Volumenbereich kann zusätzlich der intrinsic PEEP bestimmt werden.

t

Abb. 2.14 Ermittlung der statischen Compliance. Statische Compliancekurve, ermittelt durch stufen­ weise Inflation und Deflation von Gas nach dem Sprit­ zenverfahren („Supersyringe“­Methode). Dargestellt sind zusätzlich die Bezugspunkte zur Druck­Zeit­Kurve bei volumen­ bzw. druckkontrollierter Beatmung mit PEEP.

Moderne Respiratoren erlauben die Darstellung von PV-Loops ohne Unterbrechung der normalen Beatmung Atemzug für Atemzug. Sie erfüllen jedoch nicht die zur Berechnung der statischen Compliance notwendige Bedingung, dass zum Zeitpunkt der einzelnen Messwerte der Atemgasfluss = 0 ist (s. o.). Ihre Aussagekraft ist daher begrenzt. Zudem erzeugt der vergleichsweise hohe Atemgasfluss an den Widerständen in den Atemwegen sowie im Beatmungssystem (Tubus, HME etc.) zusätzliche Druckgradienten, so dass der PV-Loop den Complianceverlauf nicht mehr unverfälscht widerspiegelt (Abb. 2.15). Je größer dabei der inspiratorische Atemgasfluss ist, desto größer sind

2.4 Überwachung der Beatmung

statischer PV-Loop

im Ventilator gemessener Druck

75

1

V

2 Ventilator

Atemwegsdruck distal des Tubus

2 2

Druck

Abb. 2.15 PV-Loops unter Beatmungsbedingungen. Der dynamische PV­Loop gibt den Complianceverlauf nicht mehr unverfälscht wieder, da die Bedingung, dass zum Zeitpunkt der einzelnen Messungen der Atem­ gasfluss = 0 ist, nicht erfüllt ist. Zusätzliche Widerstände (Tubus, HME usw. ) erzeugen zusätzliche Druckgradi­ enten. Die gemessenen Atemwegsdrücke sind abhängig von der Resistance der Atemwege und der Höhe des inspiratorischen Flows: Je größer die inspiratorischen Atemgasflüsse (Pfeile)sind, desto größer sind die zusätzli­ chen Druckgradienten und damit die Verfälschung der am Gerät gemessenen Drücke.

2 2

der zusätzliche Druckgradient und damit die Verfälschung. Weiterhin öffnen die Beatmungsgeräte mit Beginn der Exspiration das Ausatemventil auf Umgebungsdruck oder eingestellten PEEP, so dass auch der Druck in der Exspirationsphase fast unmittelbar auf diesen Wert abfällt. Beim statischen PV-Loop (s. o.) wird hingegen auch in der Exspirationsphase schrittweise entlastet. Im Gegensatz zur Spontanatmung verlaufen PV-Loops unter kontrollierter Beatmung entgegen dem Uhrzeigersinn. Generell gilt also, dass die Anstiegsflanke den Complianceverlauf umso besser widerspiegelt, je langsamer die Lunge gefüllt wird. Dies gilt jedoch nur für die unter volumenkontrollierter Beatmung mit Konstantflow aufgenommenen PV-Loops. Ist der Druckausgleich zwischen Alveolen und Beatmungssystem am Ende eines verabreichten Atemzuges ausreichend lang und der Patient zeigt keine eigenen Atembemühungen, lässt sich der Compliancewert durch Division des zu diesem Zeitpunkt applizierten Volumens durch den herrschenden Druck abschätzen. Bei Beatmungsformen mit dezelerierendem Flow können aus dem PV-Loop keine Aussagen über den Complianceverlauf der Lunge abgeleitet werden.

Merke Je langsamer der Flow, desto valider repräsen­ tiert die Anstiegsflanke des PV­Loops den Com­ plianceverlauf.

Interpretation von PV-Loops unter Beatmung

Volumenkontrollierte Beatmung. Abb. 2.16 zeigt die Beziehung zwischen dem Druck-Zeit-Diagramm und dem dazugehörigen PV-Loop unter volumenkontrollierter Beatmung mit Konstantflow. Sowohl am Ende der Exspiration als auch am Ende der Inspiration setzt der Luftstrom für einen Augenblick aus: Es sind nur noch die elastischen Widerstände wirksam. Die Änderung des intrapleuralen Druckes zwischen diesen beiden Zeitpunkten gibt also an, um welchen Betrag die elastische Retraktion der Lunge bei Vergrößerung des Lungenvolumens zunimmt. Veränderungen von Compliance und Resistance verursachen charakteristische Änderungen der Kurvengeometrie. Die Druckabfälle an den inspiratorischen Widerständen können als konstant gelten, so dass valide Aussagen zum Complianceverlauf unter diesen Bedingungen erlaubt sind. Bei Resistance-

2 2 2 2 2 2

76

2 Grundlagen der maschinellen Beatmung

Exspiration

2

30 Volumen

Druck (mbar)

1

20 Inspiration

Exspiration

10

Inspiration a

0

Volumen

2

2

Druck

Exspiration

2

2

Zeit

b

Inspiration

0

10

20

30 Druck (mbar)

Abb. 2.16 PV-Loop und Druck-Zeit-Diagramm. Kor­ respondierende Punkte im Druck­Zeit­Diagramm (a) und dem dazugehörigen PV­Loop unter volumenkont­ rollierter Beatmung mit Konstantflow (b). Die Steilheit der Geraden zwischen den Umkehrpunkten im PV­Loop entspricht der dynamischen Compliance der Lunge.

2 2 2 2 2

Abb. 2.17 Druck-Volumen-Loop bei Änderungen der Resistance. Volumenkontrollierte Beatmung mit Konstantflow: Veränderungen der Resistance führen zwar zur Verschiebung der absoluten Lage der Kurve, die Steilheit des Inspirationsschenkels als Ausdruck der Compliance bleibt jedoch unverändert.

Exspiration

Volumen

2

Inspiration

änderungen verschiebt sich zwar die Flanke des PV-Loops, behält aber weitgehend ihre tatsächliche Form, aus der die eigentlichen Rückschlüsse über die Compliance gezogen werden (Abb. 2.17). Mit abnehmender Compliance verlaufen die PVLoops bei gleichen Geräteeinstellungen zunehmend flacher (Abb. 2.18). Die Veränderungen der Steilheit des Inspirationsschenkels sind annähernd proportional zur Änderung der Lungencompliance. Die Bestimmung der statischen Compliance ergibt nur bei fehlender Muskeleigenaktivität (tiefe Sedierung bzw. Muskelrelaxation) korrekte Werte. Wird unter Beatmung mit Konstantflow eine Abflachung des Inspirationsschenkels im oberen Bereich beobachtet, könnte dies auf eine Überdehnung der Lunge mit Überschreiten des oberen Inflection Points hindeuten. Dieser Zustand muss

Druck

Abb. 2.18 Druck-Volumen-Loop bei Änderungen der Compliance. Volumenkontrollierte Beatmung mit Konstantflow: Veränderungen der Compliance führen zur proportionalen Änderung der Steilheit des Inspirationsschenkels.

unter ▶ lungenprotektiven Aspekten auf jeden Fall vermieden werden (Abb. 2.19). Druckkontrollierte Beatmung. Bei druckkontrollierten Beatmungsformen dezeleriert der Inspirationsflow. Entsprechend nehmen die Volumenportionen im Verlauf der Inspiration ab, wodurch der PV-Loop (Abb. 2.20) charakteristisch verändert

2.4 Überwachung der Beatmung

Exspiration

Volumen

Inflection point

Inspiration

Druck

Abb. 2.19 Druck-Volumen-Loop bei hohen Tidalvolumina. Die Abflachung des Inspirationsschenkels im oberen Bereich deutet auf eine Überdehnung der Lunge durch Überschreiten des Inflection Points hin.

Volumen

Exspiration

statischen Compliance annähernd gleich, d. h., die Belüftung parallel geschalteter Lungenabschnitte erfolgt auch bei hohen Strömungswerten und rascher Änderung der Volumina gleichmäßig und synchron. Beachte Diese Überlegung gilt nicht für die erkrankte Lunge, bei der die Atemwiderstände oft erhöht sind. In den Umkehrpunkten liegen oftmals noch keine statischen Bedingungen vor. Bei Lungenkranken darf daher die Compliance als Absolutwert nur statisch, d. h. bei ausreichend lange entspannter Atemmuskulatur bestimmt werden. Zudem erzeugen die Atemgasflüsse an Tubus, Y­Stück und in den Atemwegen zusätz­ liche Turbulenzen, die den Druckgradienten er­ höhen. Die Verfälschung ist umso höher, je grö­ ßer der inspiratorische Atemgasflow ist, je hö­ her die pulmonalen Atemwegswiderstände sind und je inhomogener die Belüftung der Lungen ist. Für den unter kontrollierter Beatmung auf­ genommenen PV­Loop gilt daher, dass die An­ stiegsflanke den Complianceverlauf umso bes­ ser widerspiegelt, je niedriger der Inspirations­ flow eingestellt ist.

77

1 2 2 2 2 2 2

Inspiration

Druck

Abb. 2.20 Druck-Volumen-Loop bei druckkontrollierter Beatmung. Die Steigung zwischen den bei­ den Nulldurchgängen ist ein Maß für die dynamische Compliance.

wird. Rückschlüsse aus dem Loop auf den Complianceverlauf der Lunge sind daher nicht mehr möglich. Unter der Voraussetzung, dass die Atemgasflows am Ende der In- und Exspirationsphase gleich Null gesetzt werden können (Überprüfung in der Flow-Zeit-Kurve, s. o.), ist die Steigung zwischen den beiden Nulldurchgängen ein Maß für die ▶ dynamische Compliance des Systems. Sie ist der

■ PV-Loops unter Spontanatmung Beim spontan atmenden Patienten sind aus der Kurvenform der Druck-Volumen-Schleifen Rückschlüsse auf die Atemarbeit des Patienten gegen die In- und Exspirationswiderstände des Gerätes möglich. Je kleiner die eingeschlossene Fläche ist, desto geringer ist die Atemarbeit, die der Patient gegen die Inspirationswiderstände des Respirators aufbringen muss. Verzögerte Volumenlieferungen durch träge Ventile und hohe ▶ Triggerschwellen sind dementsprechend durch eine bauchige Kurvenform und Druckschwankungen in den Umkehrpunkten zwischen In- und Exspirationsphase gekennzeichnet (Abb. 2.21). Eine adäquate und verzögerungsfreie Atemgaslieferung durch den Respirator zeigt sich dagegen in einer schlanken Kurvenform. Dabei darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass die tatsächliche Atemarbeit des Patienten ganz wesentlich durch den Tubus (▶ Hagen-Poiseuille-Gesetz) beeinflusst wird (Abb. 2.22).

2 2 2 2 2

78

2 Grundlagen der maschinellen Beatmung

Tubus Innendurchmesser 3 mm 5 mm 6 mm 7 mm

1

9 mm

Exspiration

2 2

Druckabfall (mbar)

Volumen

8

Inspiration a

6 Atemtrakt

4

2

2 0

Exspiration

2

40

60

80 Flow (l/min)

Abb. 2.22 Beeinflussung der Strömungswiderstände durch den Tubusdurchmesser. Der Druckabfall über den Tubus ist umso höher, je höher der Flow und je kleiner der Tubusdurchmesser ist. Schon geringe Querschnittsänderungen führen daher beim intu­ bierten, spontan atmenden Patienten zu erheblichen Veränderungen der Atemarbeit. Zum Vergleich ange­ geben sind die entsprechenden Werte beim spontan atmenden, nicht intubierten Patienten. (Quelle: Nunn 1987).

Volumen

2

20

Inspiration b

2 Exspiration

Inspiration Exspiration

2

Volumen

2

Volumen

Inspiration

c

2 2 2

Druck

Abb. 2.21 PV-Loop: Atemmechanik unter Spontanatmung. Träge Ventile und hohe Triggerschwellen führen unter Spontanatmung zur Zunahme der in­ und exspiratorischen Atemarbeit. a Minimale Atemarbeit durch verzögerungsfreie Vo­ lumenlieferung durch ein Continuous­Flow­System. b Geringe zusätzliche Atemarbeit durch ein sensibles Demand­Flow­System mit nahezu verzögerungsfrei­ er Volumenlieferung. c Hohe zusätzliche isometrische Atemarbeit durch verzögerte Volumenlieferungen durch träge In­ und Exspirationsventile bzw. hohe Triggerschwellen.

Druck

Abb. 2.23 PV-Loop: Spontanatmung mit inspiratorischer Druckunterstützung. Einatmungsbemü­ hungen des Patienten stellen sich typischerweise als kleine Schleifen knapp über dem Nullpunkt dar. Die eingeschlossene Fläche entspricht der geleisteten Triggerarbeit. Die große Schleife repräsentiert die vom Respirator geleistete Arbeit, sofern der Patient nur triggert, aber nicht aktiv mitatmet.

2.4 Überwachung der Beatmung

Hinweis Die gesamte vom PV­Loop eingeschlossene Flä­ che ist somit ein Maß für die technische Quali­ tät des Respirators. Dabei ist jedoch zu beach­ ten, dass für einen direkten Vergleich von Be­ atmungsgeräten immer das gleiche Messinst­ rumentarium an vergleichbaren Messpunkten eingesetzt werden muss, um methodenspezi­ fische Unterschiede auszuschließen. Weiterhin muss berücksichtigt werden, dass einige Respira­ toren die Spontanatmung automatisch mit einer inspiratorischen Druckunterstützung von z. B. 3 mbar beaufschlagen – auch dann, wenn kein Unterstützungsdruck eingestellt ist.

Reduktion der Atemarbeit durch maschinelle Unterstützung. PV-Loops unter Spontanatmung mit ▶ inspiratorischer Druckunterstützung zeigen ein typisches Bild. Bei hoher Druckunterstützung erzeugt der Patient lediglich einen kurzfristigen Unterdruck, der sich als kleine Fläche im Bereich des Nullpunktes darstellt. Die im negativen Druckbereich liegende Fläche gilt als Maß für die vom Patienten geleistete Triggerarbeit. Nach Überschreiten der Triggerschwelle erzeugt der Respirator einen positiven Druck im Atemsystem, die resultierende Fläche entspricht dem Anteil der vom Respirator geleisteten Arbeit (Abb. 2.23). Wenn sich der Patient nach Triggerung passiv beatmen lässt, wird ausschließlich das Volumen appliziert, das dem eingestellten Unterstützungsdruck bei der aktuellen Lungencompliance entspricht. Bringt der Patient während der Inspirationsphase eigene Atemanstrengungen auf, so kann er größere Volumina einatmen, obwohl der Unterstützungsdruck gleich bleibt. Veränderungen in der Höhe des PV-Loops charakterisieren somit das Ausmaß der Inspirationsbemühungen des Patienten.

Hinweis Messungen der Atemarbeit in der Intensivmedi­ zin sind in der klinischen Routine meist zu auf­ wändig und invasiv, da hierfür unter anderem die Messung des ▶ Ösophagusdrucks erforder­ lich ist. Obgleich zur Messung der Atemarbeit heute spezielle Monitore zur Verfügung stehen, wird die Atemarbeit meist nur bei speziellen wis­ senschaftlichen Fragestellungen überwacht. Dazu kommt, dass die Aussagefähigkeit der Messergebnisse nur begrenzt ist. Nur selten können aus den Messungen klinische Konsequenzen abgeleitet werden. Während die Atemarbeit bei kontrollierter Beatmung ausschließlich vom Respirator geleistet wird, ist die Differenzierung der Arbeitsanteile von Patient und Respirator bei assistierenden Mischformen (IMV, PSV, BIPAP usw.) schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Ohnehin kann unter partieller oder totaler Spontanatmung nur der pulmonale Anteil der Atemarbeit bestimmt werden; hierfür ist die transpulmonale Druckdifferenz (PAW – Poes) maßgeblich. Der Atemarbeitsanteil der Thoraxwand ist dagegen nicht zu messen, da diese in Spontanatmung nicht passiv bleibt, sondern selbst Arbeit leistet.

79

1 2 2 2 2 2 2

■ Klinische Bedeutung von PV-Loops Aus dem Verlauf der Compliancewerte lassen sich nicht nur Rückschlüsse auf die atemmechanischen Eigenschaften der Lunge ziehen, sondern grundsätzlich auch die maschinellen Beatmungsparameter optimieren. So sollten die applizierten Tidalvolumina den Bereich der optimalen Compliance, d. h. den Bereich zwischen dem unteren und oberen Umschlagspunkt, möglichst nicht überschreiten: Die Überdehnung der Lunge (▶ Volutrauma!) durch zu hohe Tidalvolumina zeigt sich in einer Abflachung des oberen Kurvenanteils, während das zyklische Durchlaufen eines flacheren unteren Kurvenanteils auf die Eröffnung von Alveolen zu Beginn jeder Inspiration hinweist. Die durch die ständigen Wechsel zwischen inspiratorischer Eröffnung und exspiratorischem Verschluss der Alveolen verursachten Scherkräfte werden u. a. für die beatmungsbedingten Lungenschädigungen verantwortlich gemacht. Diesem mechanischen Stress soll durch die Applikation eines ausreichend hohen PEEP-Wer-

2 2 2 2 2

1

tes entgegengewirkt werden, der idealerweise etwas oberhalb des unteren Umschlagspunkts eingestellt wird: „optimal PEEP“. In der Regel liegt dieser PEEP-Wert zwischen 8 und 20 mbar.

2 2 2 2 2 2 2 2 2 2

Hinweis Entgegen früheren Annahmen ist die Einstellung des PEEP­Wertes oberhalb des unteren Um­ schlagspunkts nicht gleichbedeutend mit op­ timalem alveolärem Rekruitment. Alveoläres Rekruitment erfordert zum Teil erheblich höhere Eröffnungsdrücke. So konnte experimentell ge­ zeigt werden, dass teilweise transpulmonale Drücke von weit über 30 mbar notwendig sind, um atelektatische Bezirke wieder zu eröffnen. Der Zeitfaktor spielt dabei ebenfalls eine wichti­ ge Rolle. Offenbar sind die Veränderungen der Compliancekennlinie im Bereich des unteren Um­ schlagspunkts nicht in erster Linie auf alveoläres Rekruitment zurückzuführen, sondern werden vor allem durch die inspiratorische Eröffnung klei­ ner Luftwege verursacht. Hierfür reichen in der Tat Drücke zwischen 5 und 15 mbar aus. In der klinischen Praxis ist die regelmäßige Auswertung von Compliancekennlinien bisher zu aufwändig. Abgesehen von der notwendigen Messapparatur bzw. einem entsprechend ausgestatteten Respirator ist in jedem Fall die tiefe Sedierung des Patienten zur Unterdrückung der Spontanatmung erforderlich. Dies erschwert die Realisierung moderner Beatmungskonzepte, die gerade der ungehinderten Spontanatmung – auch beim akuten Lungenversagen – einen hohen Stellenwert beimessen. Hinzu kommt, dass die exakte Bestimmung von oberem und unterem Umschlagspunkt gerade bei Patienten mit länger dauerndem Krankheitsverlauf und generalisierter Einschränkung der Compliance schwierig ist. Die Beurteilung der Lungenmechanik anhand von Druck-Volumen-Loops, wie sie bei modernen Respiratoren im Display dargestellt werden können, ist zudem schwierig und erfordert viel klinische Erfahrung.

■ Trenddarstellungen Trenddarstellungen erlauben die retrograde Beurteilung der dargestellten Parameter über einen vorgegebenen Zeitraum. Findet sich z. B. in der Trenddarstellung unter volumenkontrollierter Beatmung ein kontinuierlich zunehmender Spitzendruck bei gleich bleibendem Plateaudruck, so ist dies ein Anhalt für eine Erhöhung des Atemwegswiderstandes. Erhöhen sich sowohl der Spitzen- als auch der Plateaudruck, ist dies kennzeichnend für eine Abnahme der Compliance.

Inspiration

Volumen

a

Flow-Volumen-Schleifen vermitteln gelegentlich zusätzliche Informationen über den Atemwegswiderstand. So können erhöhte Ausatemwiderstände

Exspiration

Inspiration

Volumen

b

■ Flow-Volumen-Loops

2

durch Sekretansammlungen manchmal an einem sägezahnartigen Verlauf des Loops erkannt werden. Nach dem Absaugen zeigt sich wieder ein glatt verlaufender Loop (Abb. 2.24). Auch der Erfolg einer bronchodilatatorischen Therapie kann an Veränderungen des Flow-Volumen-Loops abgelesen werden.

Flow

2 Grundlagen der maschinellen Beatmung

Flow

80

Exspiration

Abb. 2.24 Flow-Volumen-Loops. In der Flow­Volu­ men­Kurve weist ein sägezahnartiger Verlauf (a) auf erhöhte Ausatemwiderstände durch Sekretansamm­ lungen hin. Nach endotrachealem Absaugen glatt verlaufender Loop (b).

2.4 Überwachung der Beatmung

Errechnete lungenmechanische Größen

Die ▶ Resistance R gehört zu den pathophysiologisch wichtigsten Parametern der Atemmechanik, da es kaum Erkrankungen des Respirationstraktes gibt, die nicht mit einer Erhöhung der Atemwegswiderstände einhergehen. Bei maschineller Beatmung entspricht die Resistance vereinfacht dem Quotienten aus der Druckdifferenz zwischen dem Tubusansatz P Tubus und der Alveole PAlveole und dem aktuellem Flow V˙. R=

PTubus - PAlveole Δ P = � V� V

Beim intubierten Patienten wird der Strömungswiderstand ganz entscheidend durch den Tubusdurchmesser beeinflusst: Schon geringe Querschnittsänderungen führen bei gleichem Flow zu erheblichen Resistanceänderungen (Abb. 2.22). Hinweis Bei Verwendung kleiner Tubendurchmesser und hoher Flows darf somit der am Respirator ange­ zeigte Beatmungsdruck nicht mit dem Druck in den Atemwegen oder gar den Alveolen gleich­ gesetzt werden. Er ermöglicht jedoch, bei Be­ rücksichtigung dieser Einschränkungen, die Be­ urteilung pulmonaler Eigenschaften und ist ein wichtiger Parameter bei der Einstellung des Be­ atmungsmusters sowie der Beurteilung des Krankheitsverlaufs. Bei spontan atmenden Patien­ ten muss berücksichtigt werden, dass vor allem die inspiratorische Atemarbeit ganz wesentlich durch den Tubusdurchmesser beeinflusst wird.

Messprinzip

Die Berechnung der Atemwegsresistance R Aw erfolgt meist nach der Verschlussmethode (Abb. 2.25). Voraussetzung ist lediglich ein maschinelles Beatmungsmuster mit Konstantflow sowie die völlige Ausschaltung der Muskeleigenaktivitäten (d. h. tiefe Sedierung, ggf. sogar Relaxierung). Zur Messung wird der Atemweg (Tubus) kurzfristig okkludiert, meist am Ende der Inspiration. Der Atemwegsdruck fällt dadurch auf den Plateaudruck ab. Der Quotient aus der Differenz zwischen Spitzendruck Pmax

Flow (l/s)

■ Resistance

1

1

0

2 1 Okklusion

Druck (mbar)

2.4.2

81

20

PPlat 1

Pmax

2

PPlat 2

10

0

10

20

2

Zeit (s)

Abb. 2.25 Bestimmung der Gesamtresistance nach der Verschlussmethode. Nach Okklusion fällt der Atemwegsdruck von Pmax zunächst auf PPlat1, dann auf PPlat2 ab. Mit dem Flow unmittelbar vor dem Verschluss ergeben sich 2 unterschiedliche Resis­ tancewerte. und Plateaudruck PPlat und dem Inspirationsflow V˙ unmittelbar vor dem Verschluss ist ein Maß für die dynamischen, nichtelastischen Strömungswiderstände vorwiegend der zentralen Atemwege: RAWinsp =

Pmax - P plat · V

2 2 2

( V˙ = const.)

Wird die Okklusion mehrere Sekunden gehalten, fällt der Plateaudruck geringfügig weiter ab. Dieses Phänomen beruht vermutlich auf den besonderen viskoelastischen Eigenschaften des respiratorischen Systems sowie auf der ventilatorischen Umverteilung der Atemluft in den unterschiedlichen Kompartimenten der Lunge. Bei Patienten mit chronisch obstruktiven Atemwegserkrankungen sind die Unterschiede zwischen den beiden errechneten Resistancewerten größer als bei Lungengesunden, was als Ausdruck der krankheitsbedingten ventilatorischen Verteilungsstörung anzusehen ist.

2 2 2 2

Klinische Bedeutung von Resistancemessungen

Bei beatmeten Patienten in der Intensivmedizin ist die Messung der Resistance normalerweise von untergeordneter Bedeutung. Zum einen ist die In-

2

82

1 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2

2 Grundlagen der maschinellen Beatmung

terpretation der Daten aufgrund der Tubuseinflüsse schwierig. Zum anderen erfassen die Messungen nur die Strömungswiderstände in den zentralen Atemwegen. Bei der überwiegenden Anzahl der Patienten sind jedoch die kleineren, peripheren Atemwege verändert: „small airway disease“. Da der Gesamtquerschnitt der Atemwege zur Peripherie hin ganz erheblich zunimmt, lassen sich erst hochgradige Anstiege der Strömungswiderstände in der Peripherie durch Resistancemessungen erfassen. Die Berechnung der Resistance zu unterschiedlichen Messzeitpunkten durch den o. g. Algorithmus oder ähnliche Verfahren ist technisch aufwändiger als die Bestimmung einzelner Resistancewerte. Sie ist jedoch bei Krankheitsbildern mit vorwiegend obstruktiver Komponente wie Asthma bronchiale als Verlaufsparameter aussagefähiger. Hinweis Neuere automatisierte Verfahren in den Respira­ toren verwenden die multiple lineare Regressi­ onsanalyse zur Lösung der Bewegungsgleichung: ˙ × R + P0. Durch Lösung dieser Glei­ p = V/C + V chung ist bei allen Formen der kontrollierten Beatmung sowohl die Resistance als auch die dynamische Compliance des respiratorischen Systems näherungsweise bestimmbar. Die kon­ tinuierliche Erhebung dieser Parameter liefert nicht nur einen Anhalt für tendenzielle Verän­ derungen der Lungenmechanik, sondern ist bei einigen Beatmungsformen auch notwendig zur Steuerung des maschinellen Supports.

■ Rapid Shallow Breathing Index, RSBI Der Rapid Shallow Breathing Index (RSBI, Frequenz-Volumen-Atemindex) ist ein Messwert, der das Verhältnis der Tiefe von Atemzügen zur Frequenz beschreibt, indem er den Quotienten von Atemfrequenz zu Tidalvolumen bildet. Der Wert wird umso größer, je schneller und flacher die Atmung ist. Er dient bei beatmeten Patienten der Beurteilung der respiratorischen Funktion, wenn es um die Frage geht, ob ein Patient extubiert werden kann. Der RSBI wird besonders häufig genutzt, um zu bewerten, wie gut die Spontanatmung eines Patienten ist, der nach einer Zeit der maschinellen

Beatmung vom Beatmungsgerät entwöhnt werden soll (Weaning). Einzelmessungen erlauben hierbei jedoch keine genauen Vorhersagen, ob eine Extubation erfolgreich verlaufen wird.

2.4.3

Pulsoximetrie

Ein Abfall der arteriellen Sauerstoffsättigung im Blut (Desaturation) ist immer eine vital bedrohliche Situation, die innerhalb kürzester Zeit erkannt und behandelt werden muss. Abgesehen davon, dass ein kritischer Abfall der Sauerstoffsättigung im Blut nicht zwangsläufig zur ▶ Zyanose führt, ist diese selbst unter optimalen Lichtbedingungen auch vom geschulten Beobachter nur schwer und nur bei Desaturationen unter 80 % zu erkennen. Die nichtinvasive Messung der funktionellen (partiellen) Sauerstoffsättigung SpO2 mittels Pulsoximetrie ist daher heute unverzichtbar, um frühzeitig eine Sauerstoffmangelversorgung des Patienten zu erkennen und zu therapieren. Als Ergänzung zur arteriellen Blutgasanalyse erlaubt sie zudem die einfache und kontinuierliche Beurteilung des arteriellen Sauerstoffstatus nicht nur bei Intensivpatienten, sondern ebenso bei diagnostischen und therapeutischen Eingriffen in anderen Bereichen.

■ Funktionsprinzip Die Pulsoximetrie basiert auf 2 Messprinzipien, der Spektrophotometrie und der Photoplethysmographie. Die Spektrophotometrie beruht auf den unterschiedlichen Lichtabsorptionsverhalten von oxigeniertem Hämoglobin (Oxyhämoglobin) und reduziertem Hämoglobin (Desoxyhämoglobin), wobei mit 2 unterschiedlichen Wellenlängen, sichtbarem Rotlicht (660 nm) und unsichtbarem Infrarot (940 nm) gemessen wird. Die beiden Wellenlängen werden von lichtemittierenden Dioden (LED) ausgesandt und auf ihrem Weg durch das Gewebe in unterschiedlichem Ausmaß absorbiert. Gegenüber den LED wird über Photodetektoren die Intensität des ankommenden Lichts gemessen. Aus dem Verhältnis der Rot/Infrarot-Absorptionsrate kann die Sauerstoffsättigung errechnet werden, die mit den Daten aus Nomogrammen gesunder Probanden verglichen wird (Abb. 2.26).

2.4 Überwachung der Beatmung

Gesamtabsorption

Absorption durch:

1

arterielles Blut venöses Blut

2

andere Gewebe (inkl. Haut) Zeit

Abb. 2.26 Pulsoximetrie. Bei Durchstrahlung von Gewebe und Blut mit Licht hängt die Gesamtabsorption von deren Dichte ab. Oxigeniertes Hämoglobin weist ebenso wie nicht oxigeniertes Hämoglobin ein charakteristisches Lichtabsorptionsverhalten auf, so dass der Anteil des oxigenierten Hb im Blut bei Messung mit unterschiedlichen Wellenlängen ermittelt werden kann. Die Differenzierung zwischen Systole und Diastole erfolgt plethysmogra­ phisch.

Messtechnisch bedeutsam ist lediglich der Absorptionsanstieg für rotes Licht während der Systole (Spitzenabsorption) gegenüber dem Referenzwert in der Diastole (Hintergrundabsorption), da nur dieser auf dem pulsatilen arteriellen Einstrom beruht. Die nicht pulsierende Komponente besteht unter anderem aus venösem Blut, Kapillarenblut, Knochen, Weichteilen und Haut. Die Differenzierung der Pulswelle zwischen Systole und Diastole erfolgt plethysmographisch. Sind keine Pulswellen vorhanden, wie z. B. bei peripherer Vasokonstriktion oder im Kreislaufschock, ist keine Messung möglich. Allerdings sind schon geringe Pulssignale für die plethysmographische Pulserkennung ausreichend. Beachte Die Detektion eines Pulssignals ist nicht gleich­ bedeutend mit einer ausreichenden Perfusion des Gewebes.

geniertem Hämoglobin unterschieden werden kann. Sind im Blut Derivate wie COHb, MetHb oder SulfHb vorhanden, werden die Messergebnisse durch Überschneidungen der Extinktionskurven u. U. massiv beeinflusst. Um den Messwert dieser nichtinvasiven, indirekten Bestimmung der funktionellen Sauerstoffsättigung eindeutig von der an einer entnommenem Blutprobe mittels arterieller Blutgasanalyse ermittelten fraktionellen Sauerstoffsättigung zu unterscheiden, deutet das p in der Bezeichnung SpO2 auf das pulsoximetrische Messverfahren hin (Abb. 2.27).

Pulsoximeter messen – im Gegensatz zu Oximetern im Blutgaslabor – nur mit 2 Wellenlängen, so dass nur zwischen oxigeniertem und nicht oxi-

2 2 2 2

2 Methämoglobin Oxyhämoglobin reduziertes Hämoglobin

2

Carboxyhämoglobin 660

■ Methodische Einschränkungen

2

2 Extinktionskoeffizient

Hinweis Bei SpO2­Werten < 70 % korreliert die SpO2 nicht mehr gut mit der SaO2, da es für diese Extremwerte keine Nomogramme gesunder Probanden gibt.

83

940 Wellenlänge (nm)

Abb. 2.27 Fehlbestimmung der O2-Sättigung durch Dyshämoglobine. Verfälschung der Messergebnisse durch Überschneidung der Extinktionskurven von Oxyhämoglobin, reduziertem (ungesättigtem) Hämo­ globin, Carboxyhämoglobin und Methämoglobin bei der Messung mit Wellenlängen von 660 und 940 nm.

2 2

84

1 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2

2 Grundlagen der maschinellen Beatmung

Beachte Kohlenmonoxid (CO) führt zur Anzeige falsch hoher SpO2­Werte, da pulsoximetrisch nicht zwischen O2Hb und COHb unterschieden wer­ den kann. Bei erhöhtem COHb­Gehalt im Blut (▶ Kohlenmonoxidvergiftung) kann dadurch eine schwere und vital bedrohliche Hypoxämie unerkannt bleiben. Methämoglobin führt zur Anzeige von falsch niedrigen SpO2-Werten bei arterieller Sauerstoffsättigung über 85 %, bei Werten unter 85 % dagegen werden falsch hohe SpO2-Werte angezeigt. Bei sehr hohen Methämoglobinkonzentrationen im Blut steigen die pulsoximetrisch angezeigten Werte meist nicht über 85 % an. Da MetHb normalerweise nur in geringer Konzentration im Blut vorliegt, sind die Messfehler meist nur gering. Beachte Bei der i. v. Anwendung von Farbstoffen wie Me­ thylenblau muss für einige Minuten mit Messun­ genauigkeiten gerechnet werden, da die Absorp­ tionsspektren der Farben dem von Oxyhämoglo­ bin bzw. dem von reduziertem Hb ähnlich sind. Messfehler können auch durch farbintensiven dunklen Nagellack (falsch niedrige Werte) sowie durch starken Lichteinfall (direkte Sonneneinstrahlung, OP-Lampen etc.) entstehen. Pathologische Venenpulsationen, durch TrikuspidalinsufÏzienz oder hohen PEEP, können ebenfalls Messfehler verursachen, wenn sie fälschlicherweise als arterielle Impulse detektiert werden. Das Abrutschen des Sensors aus der korrekten Messposition führt zur Anzeige falsch niedriger Werte. Unzureichende Pulsqualität (geringer Signal-Rausch-Abstand) durch Hypovolämie, Hypothermie, Hypotension, Zentralisation, Herzrhythmusstörungen oder Bewegungsartefakte führt zu Einschränkungen der Messgenauigkeit. Eine dunkle Hautpigmentierung, rote Fingernägel oder eine Hyperbilirubinämie haben keinen oder einen nur vernachlässigbaren Einfluss auf die Messgenauigkeit. Pulsoximetrisch lassen sich ausschließlich hypoxische Hypoxämien diagnostizieren. Darunter versteht man die Abnahme des ▶ Sauerstoffgehalts im arteriellen Blut (caO2) infolge Abnahme

des paO2, z. B. bei Störungen der Lungenfunktion, der äußeren Atmung oder der Beatmung. ▶ Anämische Hypoxämien durch Hb-Verlust oder ▶ toxämische Hypoxämien können nicht erkannt werden. Generell kann von der Sauerstoffsättigung bei O2-Atmung, z. B. via Maske, nicht auf den arteriellen paO2 rückgeschlossen werden. Die Erklärung liefert die ▶ Sauerstoffbindungskurve: Danach führt die Zunahme der O2-Partialdrücke über etwa 90 mmHg zu keiner weiteren Steigerung der arteriellen O2-Sättigung. Dieser Zusammenhang gilt sowohl für die fraktionelle als auch für die funktionelle Sauerstoffsättigung. Hyperoxische Zustände (paO2-Werte > 90 mmHg) können somit auch pulsoximetrisch nicht erkannt und quantifiziert werden. Aussagen zur gasaustauschenden Funktion der Lunge sind daher nur bei Kenntnis des paO2 möglich und erfordern die Durchführung einer arteriellen Blutgasanalyse. Hinweis Die pulsoximetrische O2­Überwachung ist zur Vermeidung toxischer Wirkungen des Sauer­ stoffs bei Frühgeborenen und unreifen Neuge­ borenen nicht bzw. nur bedingt geeignet. Ste­ hen keine zusätzlichen Überwachungsmöglich­ keiten wie die ▶ transkutane pO2­Messung zur Verfügung, sollten die pulsoximetrisch gemesse­ nen Werte im Bereich zwischen 90 % und maxi­ mal 95 % liegen. Im Zweifelsfall sollten die Werte blutgasanalytisch überprüft werden.

Messwertgenauigkeit Pulsoximeter sind empirisch an gesunden Erwachsenen mit normalem CO- und Methämoglobinwerten im Blut (jeweils unter 2 %) kalibriert. Normalwerte werden daher bei einem Hb von 14,5 g/dl gemessen. Die Messgenauigkeit in diesen Bereichen wird im Allgemeinen für den oberen Sättigungsbereich (80 – 100 %) mit etwa ± 2 % angegeben, für den unteren Bereich mit etwa ± 1,5 %. Bei Anämie wird die O2-Sättigung systematisch unterschätzt, wobei Messfehler von einigen Prozent auftreten können. Bei niedriger O2-Sättigung kann der Messfehler zusätzlich zunehmen.

2.4 Überwachung der Beatmung

Hinweis Generell gilt, dass eine O2­Sättigung von 90 % bei primär normaler Lungenfunktion aus Sicher­ heitsgründen nicht unterschritten werden sollte. Werden plötzlich niedrigere O2­Sättigungen ge­ messen, sollte zum Ausschluss einer Gerätefehl­ funktion bzw. Bestätigung einer Hypoxämie in jedem Fall eine arterielle Blutgaskontrolle durch­ geführt werden.

Messort und Ansprechzeit

Die Ansprechzeit moderner Pulsoximeter beträgt zwischen 5 und 8 Sekunden. Die Antwortzeit des Pulsoximeters auf Änderungen der zentralen Sauerstoffsättigung ist einerseits von der Messstelle, andererseits von der Kreislaufzeit des Patienten abhängig. Generell ist sie bei der Verwendung von Ohrsensoren erheblich kürzer (9 – 20 s) als bei der Messung am Finger (24 – 35 s). Grundsätzlich ist daher das Ohrläppchen als Messort gegenüber dem Finger zu bevorzugen. Dies gilt besonders bei peripherer Vasokonstriktion, Hypothermie und Hypovolämie, da hierbei die Pulserkennung gestört sein kann und die Artefaktanfälligkeit zunimmt.

2.4.4

Transkutane pO2-Messung

1

■ Funktionsprinzip Als Alternative oder auch Ergänzung zur kontinuierlichen Überwachung des arteriellen Sauerstoffstatus mittels ▶ Pulsoximetrie steht die nichtinvasive kontinuierliche transkutane Messung des O2-Partialdrucks zur Verfügung. Hierzu wird eine O2-Elektrode auf der Haut platziert, die den durch die Haut diffundierenden Sauerstoff misst. Die Sauerstoffdiffusion durch die Haut wird durch Erwärmen der Elektrode auf 42 – 45 °C erhöht, wodurch sich die darunter liegenden Hautgefäße erweitern: „Arterialisierung“ des Kapillarnetzes. Der gemessene transkutane O2-Partialdruck (ptcO2) ist somit direkt proportional zum arteriellen paO2 (Abb. 2.28).

2 2 2 2 2

Elektrolyt Wärme Haut

■ Klinische Bedeutung In zahlreichen Studien konnte gezeigt werden, dass durch den Einsatz der Pulsoximetrie Hypoxien wesentlich schneller erkannt und behandelt werden konnten. Die Pulsoximetrie ist daher bei der Überwachung des arteriellen Sauerstoffstatus in der präklinischen und klinischen Routine unverzichtbar. Sie erhöht nicht nur die Patientensicherheit; gleichzeitig können die Intervalle zwischen arteriellen Blutgasanalysen erheblich verlängert werden. Dies ist insbesondere bei der Respiratorentwöhnung von großer Bedeutung. Die Pulsoximetrie gehört damit heute zum Standardmonitoring in der Anästhesie, Rettungs- und Intensivmedizin.

85

2 2

O2

O2

2 Abb. 2.28 Transkutane pO2-Messung. Der durch die Haut diffundierende Sauerstoff wird mithilfe einer auf der Hautoberfläche platzierten Elektrode gemessen. Das Messprinzip beruht auf der chemischen Redukti­ on von Sauerstoff in Elektrolytlösung aufgrund einer von außen angelegten Spannung: Sauerstoffmolekü­ le diffundieren durch die Membran und das Elektro­ lytgel zur Kathode. Der resultierende Strom zwischen Kathode und Anode ist dem Sauerstoffpartialdruck in der umgebenden Elektrolytlösung proportional. Die Sauerstoffdiffusion wird durch Erwärmen der Elektrode erhöht.

2 2 2

86

2 Grundlagen der maschinellen Beatmung

■ Methodische Einschränkungen

1 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2

Allerdings wird die exakte Wiedergabe des arteriellen paO2 durch den ptcO2 durch eine Reihe von physiologischen Faktoren und methodischen Fehlern beeinflusst. Sie sind jedoch bei intakten Kreislaufverhältnissen und guter peripherer Durchblutung sowie normalen Hauteigenschaften vernachlässigbar. So wird während der Diffusionszeit des Sauerstoffs durch das Gewebe an die Hautoberfläche Sauerstoff verbraucht, weshalb der transkutan gemessene ptcO2 immer niedriger ist als der arterielle. Bei Neugeborenen mit gut durchbluteter Haut wird dieser Abfall teilweise durch den paO2-Anstieg im hyperämischen Gewebe unter der Elektrode kompensiert, so dass der ptcO2 den paO2 gewöhnlich mit ausreichender Genauigkeit widerspiegelt. Beim Erwachsenen liegt der gemessene ptcO2-Wert dagegen meist 5 – 15 % unter dem tatsächlichen paO2. Die Messgenauigkeit ist systematisch begrenzt bei: ● ausgeprägter Vasokonstriktion der Hautgefäße, ● schwerer Kreislaufzentralisation, ● arteriellen Gefäßverschlüssen im Bereich der Messstelle, ● ausgeprägten Ödemen der Haut, ● Hautveränderungen (z. B. Hyperkeratose), ● Hypothermie. Hinweis Die Messgenauigkeit hängt in erheblichem Maße auch vom Messort ab. So werden selbst bei Frühgeborenen an den Fußsohlen und Hand­ flächen tendenziell niedrigere Werte gemessen als am Körperstamm, was auf die Hautdicke so­ wie die schlechtere Durchblutung der Epidermis an diesen Körperstellen zurückzuführen ist. Die Ergebnisse müssen daher stets im klinischen Kontext gesehen und interpretiert werden. Empfehlenswert ist immer die Überprüfung der individuellen Korrelation durch eine arterielle Blutgasanalyse. Die transkutane pO2-Messung ist somit kein Ersatz für die Blutgasanalyse, sondern eine wertvolle Ergänzung.

Merke Die individuelle Korrelation von ptcO2 und paO2 sollte durch eine arterielle Blutgasanalyse über­ prüft werden.

■ Klinische Bedeutung Im Gegensatz zur ▶ Pulsoximetrie lassen sich mit der transkutanen pO2-Messung auch hyperoxische Zustände mit erhöhten O2-Partialdrücken erkennen. Damit ist die Methode besonders zur Überwachung der Sauerstofftherapie von Früh- und Neugeborenen geeignet, wo einerseits ausreichende Sauerstoffsättigungen gewährleistet, andererseits aufgrund der Gefahr der Retinopathie unnötig hohe paO2-Werte vermieden werden müssen.

2.4.5

Pulsoximetrie oder transkutane O2-Messung?

Die Einsatzbereiche für ▶ Pulsoximetrie und ▶ transkutane O2-Messung in der klinischen Routine ergeben sich unter anderem auch aus den spezifischen Vor- und Nachteilen beider Methoden. So ist die Pulsoximetrie besonders anfällig gegenüber Bewegungen des Patienten oder seiner Umgebung. Die hohe Empfindlichkeit gegenüber Bewegungsartefakten beruht auf der Messung optischer Absorptionsänderungen im Gewebe, die durch arterielle Pulssignale hervorgerufen werden. Ist das Pulssignal durch Bewegungsartefakte überlagert, sehr schwach oder nicht vorhanden (z. B. bei schlechter peripherer Durchblutung, Hypotonie oder Hypovolämie), werden Messwerte nur noch sporadisch oder gar nicht mehr angezeigt. Verstärkt wird die Anfälligkeit durch die Notwendigkeit der Messung in der Peripherie, z. B. an Finger oder Ohrläppchen. Beim unruhigen oder peripher zentralisierten Patienten ist daher die kontinuierliche pulsoximetrische Sauerstoffmessung oftmals nicht möglich. Demgegenüber ist die transkutane Messung grundsätzlich am ganzen Körper möglich und erfordert keine Pulssignale. Störende Bewegungsartefakte oder mangelhafte Korrelation der Messwerte lassen sich meist durch die Wahl einer anderen – zentraleren – Messstelle eliminieren. Farbstoffe, die dem Patienten aus diagnostischen Gründen injiziert wurden, verändern das Lichtab-

2.4 Überwachung der Beatmung

sorptionsverhalten des Blutes und können daher die pulsoximetrische Messung verfälschen. Aus den gleichen Gründen kann Umgebungslicht, z. B. das Licht von OP-Lampen oder Fluoreszenzlampen, die Messgenauigkeit beeinflussen. ptcO2-Elektroden sind dagegen lichtunempfindlich, die transkutane pO2-Messung wird hierdurch nicht gestört. Bei der transkutanen Messung verursacht die Erwärmung des Sensors eine Hautrötung, die nach einigen Tagen abklingt. In seltenen Fällen können Verbrennungen 2. Grades auftreten. Daher muss die Elektrodenposition alle 2 – 4 Stunden gewechselt werden. Auch die Sensoren von Pulsoximetern sollten regelmäßig kontrolliert werden, um das Risiko von Drucknekrosen zu reduzieren. Im Gegensatz zur Pulsoximetrie benötigen ptcO2-Elektroden eine Aufwärmzeit von 5 – 15 Minuten. Während dieser Zeit sind die gemessenen Werte nicht verwertbar. Danach bestehen hinsichtlich der Antwortzeit auf Veränderungen des Sauerstoffstatus zwischen den Methoden keine wesentlichen Unterschiede. Welche der beiden Methoden – Pulsoximetrie oder transkutane O2-Messung – die „bessere“ ist, lässt sich nicht ohne Weiteres entscheiden. In der klinischen Routine hat sich die Pulsoximetrie weitgehend durchgesetzt, nicht zuletzt aufgrund der vergleichsweise unkomplizierten Handhabung. Allerdings ist die transkutane Messung in manchen Situationen gleichwertig oder der Pulsoximetrie sogar überlegen, da sie zusätzliche Informationen im Bereich hoher Oxigenierungsstufen liefert, die durch die Pulsoximetrie aufgrund der ▶ Sauerstoffbindungskurve nicht erfasst werden können. Beide Methoden ergänzen sich daher und können die Sicherheit bei Risikopatienten beträchtlich erhöhen. Besonders in der pädiatrischen Intensivmedizin hat der Stellenwert der transkutanen Messmethoden in den letzten Jahren wieder deutlich zugenommen, zumal Kombielektroden zur gleichzeitigen pCO2-Messung verfügbar sind.

2.4.6

Transkutane pCO2-Messung

■ Funktionsprinzip Die nichtinvasive transkutane Messung von CO2Partialdrücken wird derzeit vor allem in der Pädiatrie zur kontinuierlichen Überwachung der Ven-

tilation eingesetzt. Verwendet werden beheizte pH-empfindliche Glaselektroden (SeveringhausElektroden), wie sie auch in Blutgasanalysatoren eingesetzt werden. Die luftdicht auf die Haut geklebte pH-Elektrode ist von der Hautoberfläche durch eine Teflonmembran getrennt, die auf der Innenseite mit einem Elektrolytfilm beschichtet ist. Von der Haut diffundiert das CO2 in die Elektrolyt-Pufferlösung und bewirkt dort einen pH-Abfall, der über die pH-Elektrode im Vergleich zu einer Referenzelektrode gemessen wird und letztlich eine Aussage über die Menge des diffundierten CO2 ermöglicht. Neuerdings werden auch Metalloxidelektroden mit CO2-durchlässiger Membran verwendet.

87

1 2 2 2

■ Methodische Einschränkungen Der transkutane pCO2 ist hochgradig abhängig von der Hautperfusion. Eine verwertbare Messung gelingt daher nur bei maximal weit gestellten Hautkapillaren durch Anwärmung der Haut an der Messstelle auf Temperaturen zwischen 40 und 44 °C. Stoffwechselveränderungen durch die Erwärmung der Haut unter dem Sensor sowie eine Reihe weiterer Effekte während der Diffusion durch die Epidermis führen zur Erhöhung des pCO2 um 15 – 30 mmHg. Die gemessenen ptcCO2Werte sind daher stets höher als die korrespondierenden arteriellen pCO2-Werte. Bei niedrigem Blutdruck und/oder verminderter Hautperfusion wird diese Differenz noch größer. Durch Einfügen entsprechende Korrekturfaktoren in den Messalgorithmus lässt sich jedoch eine gute Übereinstimmung zwischen den transkutan gemessenen ptcCO2-Werten und den blutgasanalytisch ermittelten paCO2-Werten erzielen. Hinweis Die Messelektrode ist teuer und empfindlich. Sie benötigt sorgfältige Wartungen und Kalibrier­ vorgänge. Um Hitzeschäden der Haut zu vermei­ den, muss die Elektrode nach einigen Stunden an eine andere Hautstelle geklebt werden. Bei schockierten Patienten mit stark herabgesetz­ tem Herzzeitvolumen korreliert der transkutane ptcCO2 weniger mit dem arteriellen paCO2 als mit dem Herzzeitvolumen.

2 2 2 2 2 2 2 2

88

2 Grundlagen der maschinellen Beatmung

■ Klinische Bedeutung

1 2 2

Die transkutane pCO2-Messung ist vor allem zur Überwachung der Ventilation spontan atmender, nicht intubierter Patienten geeignet, bei denen die Kapnometrie nicht anwendbar ist. Auch der Einsatz in Kombination mit Hochfrequenzbeatmungsverfahren erscheint sinnvoll. Das Verfahren ist damit eine wertvolle Ergänzung zu Pulsoximetrie und Kapnometrie in Anästhesie und Intensivmedizin.

2.4.7

2 2 2 2 2

Unter Kapnometrie versteht man die kontinuierliche Messung der CO2-Konzentration in den Atemgasen über den gesamten Atemzyklus, während die grafische Darstellung der Messwerte in ihrem zeitlichen Verlauf als Kapnographie bezeichnet wird. Bei langzeitbeatmeten Patienten sowie während der Anästhesie hat sich die Überwachung der Ventilation durch Kapnometrie, d. h. die nichtinvasive Bestimmung des abgeatmeten CO2 mithilfe von CO2-Analysatoren (Kapnometer), bewährt.

■ Physiologische Grundlagen Grundlage der Kapnometrie ist die Tatsache, dass der CO2-Partialdruck in der Atemgasfraktion am Ende der Exspiration unter idealen Ventilationsund Perfusionsbedingungen näherungsweise dem arteriellen paCO2 des Patienten entspricht (Abb.

2

Vol% CO2

2 2

Kapnometrie

6

petCO2 ≅ paCO2

Merke Der endexspiratorische CO2­Partialdruck in der Atemluft entspricht beim Lungengesunden nä­ herungsweise dem arteriellen paCO2. Arterieller paCO2 und endtidaler petCO2 in der Ausatemluft unterscheiden sich um ca. 5 mmHg. Diese Differenz wird als arteriell-endtidaler CO2-Gradient (p(a-et)CO2) bezeichnet. Er ist u. a. Folge des physiologischen Rechts-Links-Shunts in der Lunge: paCO2 – petCO2 = p(a-et)CO2 Allerdings ist der Gradient auch bei Lungengesunden unter Beatmung individuell sehr verschieden. Technische Unzulänglichkeiten des Kapnometers bzw. seiner Komponenten sowie Messfehler tragen zusätzlich zur mangelhaften Übereinstimmung von paCO2 und petCO2 bei. Der Gradient kann sich zudem durch Veränderungen der Ventilations-Perfusions-Verhältnisse in der Lunge im Verlauf ändern. Unzuverlässig ist daher die Methode, z. B. zu Beginn einer Anästhesie einmal den paCO2 zu bestimmen und danach – unter der Annahme eines konstanten p(a-et)CO2-Wertes – die Abb. 2.29 Überwachung der Ventilation durch Kapnometrie. Unter idealen Ventilations­ und Perfusions­ ˙/Q ˙ = 0,8) entspricht bedingungen (V der endtidale CO2­Partialdruck (petCO2) am Ende der Plateauphase näherungsweise dem arteriellen paCO2. Der in der Atemluft gemes­ sene CO2­Gehalt wird in Vol % oder als Partialdruck angegeben (1 Vol. % ≅ 7,5 mmHg).

petCO2

4

= 40 mmHg

2 0

Zeit

pvCO2 = 46 mmHg

2

2.29). Der endexspiratorische CO2-Partialdruck wird auch als endtidaler CO2-Partialdruck (petCO2) bezeichnet:

V/Q = 0,8

V/Q = 0,8 paCO2 = 40 mmHg

maschinelle Ventilation allein anhand von Veränderungen des petCO2 zu steuern. Merke paCO2 und petCO2 stimmen nur bei idealen Ven­ tilations­Perfusions­Verhältnissen überein. Noch stärker ausgeprägt sind die Differenzen zwischen dem gemessenen petCO2 in der Exspirationsluft und den tatsächlichen arteriellen Werten bei ▶ Ventilations-Perfusions-Störungen der Lunge. ▶ Shunt und ▶ alveoläre Totraumventilation durch Belüftung minderperfundierter Lungenareale führen zu einer Unterschätzung des arteriellen paCO2, dessen tatsächliche Höhe nur durch eine arterielle Blutgasanalyse ermittelt werden kann. Bei schwersten Gasaustauschstörungen kann die arteriell-endtidale CO2-Differenz (a-etDCO2) als Ausdruck der Totraumventilation (VD/V T) mehr als 30 mmHg betragen (Abb. 2.30). Meist werden jedoch Differenzen bis 10 mmHg gemessen, wobei keine eindeutige Korrelation zur Schwere der Lungenerkrankung nachgewiesen werden kann. Damit ist die Kapnometrie zur Ermittlung des (absoluten) arteriellen paCO2 zwar nicht geeignet, leistet jedoch als Verlaufsparameter auch bei diesen Patienten wertvolle Dienste (Abb. 2.31). Von besonderem Interesse sind auch hier akute Veränderungen des exspiratorischen CO2, deren klinische Bedeutung ggf. durch eine arterielle Blutgasanalyse verifiziert werden muss.

■ Analyse des Kapnogramms Abgesehen von den methodischen Einschränkungen setzt die Validität der Messergebnisse zwingend voraus, dass die Kurvenform des Kapnogramms die eindeutige Interpretation der Messdaten zulässt (Abb. 2.31). Essenzielle Voraussetzungen dafür sind: ● der steile Anstieg der Kurve in der frühen Exspirationsphase, ● der fast horizontale Kurvenverlauf (Plateau) während der späten Exspirationsphase, ● der steile Abfall der CO -Werte und Rückgang 2 zur Basislinie zu Beginn der Inspiration.

2.4 Überwachung der Beatmung

89

Ist der initiale Anstieg der Kurve zu Beginn der Exspirationsphase abgeflacht, ist die Entleerung der Lungen behindert. Ursächlich kann eine mechanische Behinderung (Abknickung des Tubus) oder eine Obstruktion der unteren Luftwege sein, wie sie bei Patienten mit obstruktiver Ventilationsstörung (COPD, Asthma bronchiale) vorkommt. Der maximale CO2-Wert wird am Ende der Plateauphase erreicht, unmittelbar vor Beginn der nächsten Inspiration. Nur dieser endexspiratorische oder endtidale petCO2 nach einer Plateauphase entspricht dem alveolären pACO2 zum Ende der Exspirationsphase, der wiederum mit dem paCO2 gleichgesetzt werden kann.

1

Kurvenform

Beachte Ist in der CO2­Kurve kein Plateau erkennbar, sind keine Rückschlüsse auf pACO2 bzw. paCO2 zulässig. Kurz nach Beginn der Inspiration beginnt der steile Abfall auf den 0-Wert. Ein verzögerter Abfall kann durch ein undichtes Inspirationsventil, durch eine Obstruktion in den Atemwegen mit erniedrigtem Inspirationsflow oder durch zu geringen Absaugflow bei Seitenstromanalysatoren verursacht sein. Die Abb. 2.31 zeigt typische Veränderungen von Kapnogrammen in Einzel- und Trenddarstellung.

■ Klinische Bedeutung Die Kapnometrie als Verlaufsparameter liefert somit zusätzliche Informationen ● bei der Einstellung, Überwachung und Kontrolle der maschinellen Beatmung, ● über Veränderungen der Stoffwechselsituation (maligne Hyperthermie während der Narkose!), ● bei der Beurteilung der Effektivität der kardiopulmonalen Reanimation, ● bei der Erkennung von Diskonnektion, Stenose und Tubusdislokation. Merke Die kontinuierliche CO2­Messung in der Atemluft ermöglicht Aussagen über Ventilation, Perfusi­ on und Diffusion sowie die Stoffwechselsituation des Patienten.

2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2

90

1

2 Grundlagen der maschinellen Beatmung

a

ideales VentilationsPerfusions-Verhältnis pvCO2 = 46 mmHg

2

petCO2 = 40 mmHg

V/Q = 0,8 paCO2 = 40 mmHg

V/Q = 0,8

2 b

2

pvCO2 = 46 mmHg

petCO2 < 40 mmHg

V/Q < 0,8 paCO2 > 40 mmHg

V/Q =

2 2

Totraumventilation

c

Rechts-Links-Shunt pvCO2 = 46 mmHg

petCO2 < 40 mmHg

V/Q = 0,8

2

paCO2 > 40 mmHg

V/Q > 0,8

2 d

2

pathologischer Shunt pvCO2 = 46 mmHg

Abb. 2.30 Überwachung der Ventilation durch Kapnometrie bei Ventilations-PerfusionsStörungen. Ventilations­Perfusions­ Störungen führen zur Zunahme der Differenz zwischen arteriellem und endtidalem CO2, so dass diese nicht mehr gleich gesetzt werden dürfen. a Ideales Verhältnis. Mangelhafte Korrelation zwischen petCO2 und paCO2 durch b erhöhte Totraumventilation, z. B. ˙ = ∝), ˙/Q durch Lungenembolie (V c erhöhte Shunt­Durchblutung, z. B. ˙ = 0), ˙/Q durch Atelektasen (V d intrakardiale oder intrapulmonale Shunts, z. B. durch pathologische Verbindungen zwischen Pulmonal­ arterie und ­vene.

petCO2 = 40 mmHg

V/Q = 0,8

V/Q = 0,8

paCO2 > 40 mmHg

2 2 2

Kontrolle der Tubuslage. Ganz wesentliche Bedeutung hat die Kapnographie/Kapnometrie beim Ausschluss der ösophagealen Intubation. Die Intubation des Ösophagus ist eine lebensbedrohliche Komplikation, die sofort erkannt und beseitigt werden muss. Klinische Zeichen wie ● Aufblähen des Abdomens bei Beatmung, ● gurgelndes Geräusch durch Undichtigkeit des Tubus-Cuffs,

auskultatorische Atemgeräusche über dem Magen und ● zunehmende Zyanose weisen zwar auf die Fehlintubation hin, werden aber häufig nicht oder zu spät erkannt. Durch Kapnographie kann dagegen sofort nach der Intubation zuverlässig entschieden werden, ob der Tubus im Ösophagus oder in der Trachea liegt. Befindet sich der Tubus im Ösophagus, werden allenfalls ●

Vol% CO2

2.4 Überwachung der Beatmung

91

1

5,0 2,0

Vol% CO2

a

2 5,0 2,0

b Vol% CO2

2 5,0 2,0

2 Vol% CO2

c

5,0 2,0

2

Vol% CO2

d

5,0

2

2,0

Vol% CO2

e

5,0

2

2,0

Vol% CO2

f

2

5,0 2,0

g Zeit

Abb. 2.31 Kapnographie. Zur Interpretation der kapnographisch ermittelten CO2­Werte ist neben der Beurtei­ lung der Kurvenform auch die Trendanalyse notwendig. a Langsamer CO2­Anstieg. Ursachen: alveoläre Hypoventilation durch zu niedriges Atemminutenvolumen, erhöhten Metabolismus (maligne Hyperthermie, Abnahme der Narkosetiefe, vermehrte CO2­Resorption (Laparoskopie). b Kein Plateau in der Einzeldarstellung, in der Trendanalyse ausgeprägte Hyperventilation. Ursache: Undichtig­ keit in der Proben­Absaugung. Nach Behebung des Fehlers zeigt sich Normoventilation. c Plötzliche Schwankungen in der CO2­Trendkurve, mangelhaftes Plateau. Ursache: Leckage im Schlauch­ system. Nach Fehlerbeseitigung unauffällige CO2­Kurven. d Abbruch der CO2­Kurve. Ursache: z. B. Diskonnektion des Beatmungssystems. Nach Konnektion kurzzeitig erhöhte CO2­Abatmung durch kumuliertes CO2. e Störung der Perfusion. Ursache: z. B. myokardiale Depression, Herzstillstand. Der Erfolg der Reanimations­ maßnahmen zeigt sich in der Detektion von CO2 in der Exspirationsluft. f Instabile Plateauphase durch kardial bedingte Zwerchfellauslenkungen g Langsame Verschiebung der Nulllinie. Ursache: Rückatmung von CO2, z. B. bei fehlendem CO2­Absorber oder verbrauchtem Atemkalk oder Verwendung ventilloser High­Flow­Narkosesysteme. Nach Behebung der Ursa­ che, z. B. Wechsel des Atemkalks, wieder inspiratorischer Abfall der CO2­Konzentration auf Null.

2 2 2 2

92

1 2

2 Grundlagen der maschinellen Beatmung

niedrige exspiratorische CO2-Werte gemessen. Nur wenn im Magen größere CO2-Mengen vorhanden sind, z. B. nach dem Trinken von kohlensäurehaltigem Wasser, können für wenige Atemzüge höhere CO2-Konzentrationen gemessen werden.

a

Probeentnahme mit Wasserfalle

Merke Eine versehentliche ösophageale Intubation wird nur durch die Kapnographie sicher erkannt.

Ventilator

2 ■ CO2-Messung im Atemgas

2 2 2 2 2 2 2 2 2

Die Analysen der Atemgasproben erfolgen im Nebenstrom- oder im Hauptstromverfahren, meist durch ▶ Infrarotspektroskopie oder ▶ massenspektrometrisch. Geräte, die im Nebenstrom messen, saugen über einen tubusnahen Konnektor kontinuierlich Atemgas in die Messkammer im Gerät (Abb. 2.32). Von Vorteil sind die unproblematische Konnektion sowie die mögliche ventilatorische Überwachung auch eines nicht intubierten Patienten. Die Rückführung der entnommenen Atemgasproben ins Beatmungssystem sollte insbesondere bei der Narkosebeatmung mit reduzierten Frischgasflüssen gewährleistet sein, da dem System nicht unerhebliche Gasvolumina entzogen werden können (ca. 50 – 200 ml/min). Zusätzlich kann sich die Gaskonzentration an der Entnahmestelle – besonders in No-Flow-Phasen – verändern, da sich das abgesaugte Gas mit Totraumluft und Inspirationsgasen mischt. Dies kann zu deutlichen Formänderungen der CO2-Kurve führen und erschwert die Interpretation der Messwerte. Besonders ausgeprägt ist dieser Effekt bei hohen Atemfrequenzen und kleinen Tidalvolumina wie bei der Beatmung von Säuglingen und Kindern. Die zeitliche Verzögerung der Messdaten ist von untergeordneter Bedeutung. Hinweis Kondensat kann die Messung mechanisch behin­ dern, wenn hierdurch der Messschlauch verlegt oder die optische Durchlässigkeit der Messküvet­ te verringert wird. Werden ▶ „künstliche Nasen“ (HME) zur Atemgasklimatisierung eingesetzt, empfiehlt es sich daher, die Atemgasproben auf der trockenen Seite des HME zu entnehmen.

b

Messsensor

Ventilator

Abb. 2.32 CO2-Messung im Atemgas. a Nebenstromverfahren: Entnahme der Atemgaspro­ ben am Tubus oder HME. Analyse der Probe patien­ tenfern. b Hauptstromverfahren: Direkte Messwerterfassung im Atemgasstrom durch patientennahe Installation des Messsensors. Die Probenentnahme entfällt.

Gegenüber dem Nebenstromverfahren bietet das Hauptstromverfahren den Vorteil der genaueren Messwerterfassung ohne zeitliche Verzögerung durch die Installation der Messküvette direkt am Tubus. Da die Messsensoren die Lichtquelle und die Lichtmessvorrichtung enthalten, sind sie jedoch relativ groß und schwer und müssen daher sorgfältig platziert und fixiert werden, damit keine unerwünschten Zugkräfte am Tubus auftreten. Zur Erzeugung von IR-Licht arbeiten die Messsensoren teilweise mit hoher Betriebstemperatur, die zu Verbrennungen führen kann. Die Kontamination des Küvettenfensters durch Sekret oder Blut verändert die Infrarotabsorption und kann zu Messwertverfälschungen führen.

2.5 Steuerung des Respirators

93

■ Technische Voraussetzungen Unabhängig vom Verfahren sollten Kapnometer für den Einsatz in Anästhesie und Intensivmedizin folgende Voraussetzungen erfüllen: ● hohe Messgenauigkeit (mindestens ± 2 mmHg), ● Nullpunktstabilität, ● automatische Berücksichtigung des Barometerdrucks, ● wahlweise Anzeige des CO -Werts als Atemgas2 konzentration in Vol.% oder als Partialdruck, ● Partialdruckkorrektur für H O, Berücksichti2 gung der Querempfindlichkeiten gegen N2O und O2, ● variabler Absaugflow. Drift. Um Drifteffekte zu eliminieren, wird bei manchen Geräten die Inspirationsluft als Referenzgas zur internen Nullpunktfestlegung verwendet. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Inspirationsluft CO2-frei ist. Diese Voraussetzung ist bei Intensivrespiratoren (Nicht-Rückatmungssysteme) erfüllt, nicht jedoch bei Narkosegeräten mit ▶ Rückatmungssystemen: Ein Anstieg der inspiratorischen CO2-Konzentration durch Erschöpfung des ▶ Atemkalks bleibt hier aufgrund des systembedingten Kalibrationsfehlers unbemerkt. Beachte Bei der Narkosebeatmung darf die Nullpunkt­ festlegung nicht im Inspirationsgas erfolgen. Querempfindlichkeiten. Die bei ▶ Infrarot-Absorptionsverfahren verfahrensbedingt auftretenden Querempfindlichkeiten führen in der Anästhesie bei Beatmung mit hohen Lachgasfraktionen zur Überschätzung des pCO2 und bei reiner O2-Beatmung zur Unterschätzung des pCO2. Derartige Querempfindlichkeiten können nur dann eliminiert werden, wenn das Gerät außer CO2 mindestens auch N2O, besser noch zusätzlich O2 und volatile Anästhetika misst und den CO2-Wert entsprechend korrigiert. Darüber hinaus beeinflussen Änderungen des Atmosphären- oder Barometerdrucks sowie die Höhe des PEEP-Niveaus die Kapnometrie. Durch entsprechende Messeinrichtungen können moderne mikroprozessorgesteuerte Geräte auch diese Einflüsse weitestgehend kompensieren.

1 2 a

b

Abb. 2.33 Qualitatives CO2-Messsystem. Easy Cap II CO2 Detektor zum Aufsetzen auf den Tubus: Der be­ atmungssynchrone Farbumschlag von gelb (a) nach violett (b) zeigt das Vorhandensein von CO2 in der Exspirationsluft an (mit freundlicher Genehmigung der Fa. Covidien­Nellcor, Boulder, USA).

■ Qualitative CO2-Messsysteme Qualitative CO2-Messsysteme verwenden Indikatorpapier, das in Gegenwart von Kohlendioxid zum Farbumschlag führt. Sie werden auf den Tubus aufgesetzt und von der In- und Exspirationsluft durchströmt (z. B. Nellcor easy cab™). Während jedes Atemzuges kann aus dem Farbumschlag im Sinne einer Ja-Nein-Entscheidung auf die Anwesenheit von CO2 in der Exspirationsluft geschlossen werden (Abb. 2.33). Aussagen zur tatsächlichen absoluten Höhe des exspiratorischen CO2-Gehaltes bzw. arteriellen CO2-Partialdrucks sind jedoch nicht möglich. Qualitative Systeme eignen sich – ebenso wie Kapnometer – gut zum Ausschluss von ösophagealen Tubusfehllagen.

2 2 2 2 2 2 2

2.5

Steuerung des Respirators

Der Wechsel von der Inspirationsphase in die Exspirationsphase erfordert differenzierte Ventilsteuerungen, die in technisch einfacher Form bereits in Respiratoren früherer Jahre verwirklicht wurden. Entsprechend ihrem Steuerungsprinzip wurde zwischen druck-, flow-, volumen- und zeitgesteuerten Respiratoren unterschieden. Heutige Intensivrespiratoren ermöglichen dagegen die Beatmung mit zahlreichen Beatmungsformen und -mustern, die zum Teil unterschiedliche und voneinander unabhängig arbeitende Steuerungsmechanismen erfordern. Durch Ver-

2 2 2

94

1 2 2

2 Grundlagen der maschinellen Beatmung

knüpfung der unterschiedlichen Steuerungsprinzipien im gewählten Beatmungsmodus können sowohl die individuellen pulmonalen Verhältnisse des Patienten als auch akute Veränderungen seiner ventilatorischen Situation weitgehend berücksichtigt werden. Zum besseren Verständnis der Funktionsweise moderner Respiratoren sowie der unterschiedlichen Beatmungsformen sollen die grundlegenden Steuerungsprinzipien dennoch kurz dargestellt werden.

2.5.1

von der Compliance und der Resistance der Lungen sowie den Spontanatmungsaktivitäten des Patienten. Beim Anstieg der Atemwegsdrücke, z. B. durch partielle Tubusverlegung oder Gegenatmen des Patienten, erfolgt die Umschaltung früher. Dadurch nehmen die Inspirationszeit und damit auch das Atemzugvolumen ab. Dagegen verlängert sich die Inspirationsdauer bei einer Leckage, der Umschaltdruck wird dann unter Umständen gar nicht mehr erreicht. Primär druckgesteuerte Geräte werden heute meist nur noch in der Atemtherapie eingesetzt.

Drucksteuerung 2.5.2

2 2

Die Umschaltung in die Exspiration erfolgt nach Erreichen eines am Gerät eingestellten oberen inspiratorischen Druckwerts (pressure cycled ventilation) (Abb. 2.34). Der maximale Beatmungsdruck kann daher nur so hoch sein wie der am Gerät eingestellte Umschaltdruck, ein inspiratorisches Plateau kann sich somit nicht ausbilden. Die verabreichten Atemvolumina ändern sich in Abhängigkeit

Flowsteuerung

Der wesentliche Unterschied zur Drucksteuerung besteht im inspiratorischen Flowverlauf. Der initial hohe Flow fällt nach Erreichen seines Spitzenwertes exponentiell ab (dezelerierender Flow). Da die Umschaltung in die Exspiration erst nach Unterschreiten eines definierten minimalen Gasflusses erfolgt (Abb. 2.35), entsteht eine endinspiratori-

2 Druck

2

Druck

Umschaltkriterium Druck Umschaltpunkt

Umschaltkriterium Flow Umschaltpunkt Flow

Flow

2

Volumen

2

Volumen

2

Zeit

Zeit

2 2

I

E

I

E

I

E

Abb. 2.34 Druckgesteuerte Beatmung. Umschalt­ kriterium ist der Druck, nach Überschreiten des am Gerät eingestellten Umschaltdrucks wird die Exspirationsphase eingeleitet (rote Markierungen). Konstanter Flow, inkonstante Atemvolumina, variable Atemzeitverhältnisse.

I

E

I

E

I

E

Abb. 2.35 Flowgesteuerte Beatmung. Nach Unter­ schreiten eines definierten Inspirationsflows wird die Exspirationsphase eingeleitet (rote Markierungen). Inkonstanter Beatmungsdruck, inkonstante Atemvo­ lumina, variable Atemzeitverhältnisse.

2.5 Steuerung des Respirators

2.5.3

Volumensteuerung

Druck

1

Flow

2 2 Umschaltkriterium Volumen Umschaltpunkt

Volumen

sche Niedrigflowphase. Sie ist einem Plateau ähnlich und ermöglicht den Druckausgleich zwischen Respirator- und Alveolardruck. Der größte Nachteil dieser Systeme besteht in der Anfälligkeit gegenüber Undichtigkeiten. Bereits relativ geringfügige Gasverluste verhindern die Umschaltung in die Exspiration, da das Steuerungskriterium nicht erfüllt wird. Ausschließlich flowgesteuerte Respiratoren sind daher aus der klinischen Routine nahezu vollständig verschwunden. Im Rahmen der maschinell unterstützten Spontanatmung hat das Prinzip jedoch als sog. druckunterstützte Beatmung eine Renaissance erfahren, hier allerdings in Verbindung mit Druck- und Zeitsteuerung und einer höheren Schwelle für den Minimalflow.

2 Zeit

Nach Abgabe des eingestellten Tidalvolumens schaltet der Respirator – ohne endinspiratorische Pause – in die Exspiration. Die Umschaltung erfolgt unabhängig davon, ob das Gas die Lungen des Patienten erreicht hat oder beispielsweise durch eine Leckage entwichen ist (Abb. 2.36). Volumengesteuerte Respiratoren arbeiten volumenkonstant: Pulmonale Compliance und Atemwegswiderstände beeinflussen den inspiratorischen Beatmungsdruck, nicht jedoch das Atemzugvolumen. Die heute teilweise noch eingesetzten primär volumengesteuerten Intensivrespiratoren arbeiten zusätzlich druck- und zeitgesteuert: sie schalten auch dann in die Exspiration, wenn ein bestimmter inspiratorischer Druck (Drucksteuerung) oder ein definiertes Zeitintervall (Zeitsteuerung) überschritten wurde. Die Umschaltung wird jeweils durch das zuerst wirksam werdende Prinzip ausgelöst.

I

Zeitsteuerung

Die Umschaltung zwischen In- und Exspiration erfolgt nach definierten Zeitabständen, deren Dauer durch das Atemzeitverhältnis und die Atemfrequenz, d. h. die Anzahl der maschinellen Beatmungszyklen pro Minute, vorgegeben ist (Abb. 2.37). Tidalvolumina und Beatmungsdrücke werden durch Veränderungen von Compliance und Resistance beeinflusst. Die Zeitsteuerung erlaubt die Realisierung unterschiedlichster Beatmungsmuster und ist heute

E

I

E

I

E

Abb. 2.36 Volumengesteuerte Beatmung. Volu­ mengesteuerte Respiratoren arbeiten volumenkonst­ ant, die Beatmungsdrücke hängen von der Compli­ ance und Resistance der Lunge ab. Bei Konstantflow resultieren konstante Atemzeitverhältnisse.

mit zahlreichen Variationen das gebräuchlichste Steuerungsprinzip bei Intensivrespiratoren. Auch die technisch weniger aufwendigen Notfallrespiratoren arbeiten primär zeitgesteuert. Definitionsgemäß sind volumenkonstante Beatmungsformen mit inspiratorischer Pause nicht volumen-, sondern zeitgesteuert.

2 2 2 2 2

2.5.5 2.5.4

95

Triggerung der Inspiration

Wird die maschinelle Volumenlieferung durch eine Inspirationsbemühung des Patienten ausgelöst, spricht man von patientengetriggerter maschineller Inspiration (siehe auch S. 63 ff). Voraussetzung für diese Kommunikation zwischen Patient und Respirator ist das Vorhandensein des entsprechenden Steuermechanismus im Respirator. Dieser muss die Spontanatmungsbemühungen des Patienten erkennen und durch Auslösen (Triggerung) eines maschinellen Beatmungszuges („assistierte“ Beatmung) beantworten oder, bei Spontanatmungsformen, einen ausreichenden Inspirationsflow zur

2 2 2

96

2 Grundlagen der maschinellen Beatmung

1

b

c

Abb. 2.37 Zeitgesteuerte Beatmung. Umschaltkriterium ist der Ablauf der Inspirationszeit (rote Markierung). Realisiert werden können unterschied­ lichste Beatmungsformen und ­muster, wie z. B. a Beatmung mit akzelerierendem Flow, b Beatmung mit dezelerierendem Flow, c druckkontrollierte Beatmung, d volumenkontrollierte Beatmung usw.

d

Druck

a

2

Volumen

2

Flow

2

Zeit

2

I

I E E Umschaltkriterium Zeit

I

E

I

E

Inspirationsflow Flow

2 2

Exspirationsflow Flow

2 2 2 2 2

Basisflow

Basisflow

Ventilator

Abb. 2.38 Optimierung der Triggereigenschaften durch kontinuiertlichen Biasflow. Einatmungsbemü­ hungen des Patienten (rote Markierung) bewirken einen Abfall des Flows im Exspirationsschenkel (rote Markie­ rung), die gemessene Differenz zum Inspirationsflow (= Basisflow) löst eine zusätzliche Flowlieferung bis zur erneuten Flowäquivalenz aus. Mit Beginn der Exspiration steigt der Flow im Exspirationsschenkel an, worauf das inspiratorische Volumenangebot reduziert wird. Um den Ausatemwiderstand zu vermindern, wird gleichzeitig der Basisflow verringert. Zum Ende der Exspiration wird der Basisflow wieder angehoben. Verfügung stellen (Demand-Flow). Die ▶ Triggerempfindlichkeit ist am Respirator einstellbar. Moderne Respiratoren arbeiten in den Spontanatmungsmodes mit kontinuierlichem ▶ Biasflow (Basisflow) wodurch die Triggereigenschaften durch schnellere Anpassung des Flows an die Bedürfnisse des Patienten optimiert werden. Das Steuerprinzip beruht auf der kontinuierlichen und vergleichenden Messung der Atemgasflüsse im In-

und Exspirationsschenkel (Abb. 2.38), wobei spontanatmungsbedingte Flowdifferenzen durch nahezu verzögerungsfreie Nachführung des Basisflows bis zur erneuten Flowäquivalenz ausgeglichen werden. Meist wird der Biasflow in der Exspirationsphase zusätzlich abgesenkt, um die Exspiration zu erleichtern. Auch die ▶ Continuous-Flow-Respiratoren in der Neonatologie arbeiten mit einstellbaren Biasflows.

Anhang: Versorgung mit medizinischen Gasen

Die in Anästhesie und Intensivmedizin eingesetzten medizinischen Gase sind Medikamente und unterliegen daher dem Arzneimittelgesetz. Besondere Anforderungen werden an die Reinheit der Gase gestellt: Sauerstoff und Lachgas müssen den Qualitätsangaben des Deutschen bzw. Europäischen Arzneimittelbuches (DAB/EuAB) entsprechend frei von Partikeln (Öl), Wasserdampf und Beimengungen von Fremdgasen (Kohlendioxid, Schwefeldioxid, Stickoxide) sein und eine Konzentration von mehr als 99 % aufweisen. Sie sind dennoch nicht steril, sondern lediglich keimarm.

2.6.1

Zentrale Gasversorgungsanlage

Die Versorgung der Intensiv- und Normalstationen sowie der Anästhesiearbeitsplätze mit medizinischen Gasen erfolgt überwiegend über zentrale Gasversorgungsanlagen. Luft für Beatmungszwecke wird über ein Druckluftkompressorsystem aus der Umgebungsatmosphäre angesaugt, über Aktivkohle- und Partikelfilter gefiltert, in einem Wasserabscheider getrocknet und dann unter Druck in einem Vorratstank gespeichert. Über ein Rohrleitungssystem wird es zu den Entnahmestellen in den verschiedenen Arbeitsbereichen geleitet und dort mit einem Druck von 5 bar (500 kPa) zur Verfügung gestellt. Sauerstoff wird in großen Mengen bevorzugt in flüssiger Form bei einer Temperatur von etwa –160 °C in isolierten Tanks bevorratet, die sich außerhalb der Krankenhausgebäude befinden. In den Tanks steht über dem flüssigen Sauerstoff gasförmiger Sauerstoff unter Druck zur Verfügung, der nach Passage eines Druckminderers an den Entnahmestellen einen Druck von 5 bar (500 kPa) aufweist. Lachgas wird in Flaschenbatterien bevorratet, in denen jeweils mehrere Gasflaschen in Serie geschaltet sind. Zwei solche Flaschenbatterien bilden den Lachgasvorrat. Die Flaschen einer Batterie werden gleichzeitig geöffnet, Rückschlagventile gewährleisten eine gleichmäßige Entleerung aller Flaschen der Batterie. Sinkt der Druck dieser Batterie unter den erforderlichen Versorgungsdruck ab, so wird automatisch auf eine zweite Flaschenbatterie umgeschaltet und ein elektrisches Warn-

97

signal ausgelöst, das auf den erforderlichen Wechsel der entleerten Flaschen hinweist. Lachgas steht mit einem Druck von 5 bar (500 kPa) an den Entnahmestellen zur Verfügung.

1

Merke Die technischen Details der Gasversorgung sind in der europäischen Norm EN 737 festgelegt.

Die Verbindung zwischen zentraler Gasversorgungsanlage und Respirator wird über Niederdruck-Schlauchleitungen hergestellt. Die Entnahmestellen müssen durch ein Rückschlagventil gesichert, durch gasartspezifische, geometrische Kodierung der Steckeraufnahme verwechslungssicher ausgelegt und durch Beschriftung mit dem gasspezifischen Symbol gekennzeichnet sein. Zusätzlich kann der Namen des Gases angegeben werden. Wird zur Kennzeichnung zusätzlich eine Farbkodierung gewählt (Abb. 2.39), so muss diese bei Geräten mit CE-Kennzeichnung nach dem Medizinproduktegesetz der EN 739 entsprechen. Die gasartspezifischen Eingangs- und Ausgangsverbindungsstücke müssen fest mit den Gasschläuchen verbunden und wiederum entweder farbneutral (weiße Beschriftung auf schwarzem Grund) mit dem spezifischen Symbol des Gases, optional zusätzlich mit seinem Namen, oder mit gasartspezifischer Farbcodierung

DIN

2 2

■ Gasentnahme

neutral

EN / ISO

O2

O2

O2

N2O

N2O

N2O

AIR

AIR

AIR

VAC

VAC

VAC

AIR

2.6

2.6 Anhang: Versorgung mit medizinischen Gasen

Abb. 2.39 Gasartspezifische Farbkodierung medizinischer Gase und Vakuum.

2 2 2 2 2 2 2 2 2

98

1 2 2 2 2 2 2 2 2

2 Grundlagen der maschinellen Beatmung

entsprechend EN 739 gekennzeichnet sein. Als Eingangsverbindungsstück ist entweder ein nicht verwechselbarer Steckverbinder (Stecker) oder ein NIST-Verbindungsstück (Non-Interchangable Screw Threaded) vorgeschrieben. Ebenso muss das Ausgangsverbindungsstück der Schlauchleitung zum Gerät wiederum gasartspezifisch und damit verwechslungssicher ausgelegt sein. Entsprechend den bislang gültigen nationalen Normen war dies landesspezifisch durch unterschiedliche Gewindeprofile und -durchmesser der Schraubverbindungen gewährleistet. Zukünftig sollen die Ein- und Ausgangsverbindungsstücke gemäß den Spezifizierungen der europäischen Normen umgerüstet werden. Alle Geräte und Schlauchverbindungen mit alten DIN-Farben können bis Ende der zeitlichen Befristung (31.12.2009) weiter betrieben werden. Daneben kann eine Umrüstung auf eine farbneutrale Kennzeichnung erfolgen. Hinweis Die CE­Kennzeichnung (Conformité Européenne) ist eine Kennzeichnung nach EU­Recht für be­ stimmte Produkte in Zusammenhang mit der Produktsicherheit. Durch die Anbringung der CE­ Kennzeichnung bestätigt der Hersteller, dass das Produkt den geltenden europäischen Richtlini­ en entspricht. Eine CE­Kennzeichnung lässt keine Rückschlüsse zu, ob das Produkt durch unabhän­ gige Stellen auf die Einhaltung der Richtlinien überprüft wurde. Die CE­Kennzeichnung ist kein Gütesiegel (Qualitätszeichen).

Beachte Nachträgliche Manipulationen oder Umbau­ ten an Schläuchen und Steckverbindungen so­ wie der Einsatz unspezifischer Adapter sind ver­ boten.

2 2.6.2

Dezentrale Gasversorgung

2

■ Vorrats- und Reserveflaschen

2

In kleineren operativen Einheiten oder auch im niedergelassenen Bereich wird die Gasversorgung von Narkosearbeitsplätzen oftmals durch Vorratsflaschen (z. B. 50 l) gewährleistet. Viele Narkosegeräte sind zudem mit kleinen Reserveflaschen (2 –

3 l) ausgestattet, die bei Ausfall der zentralen Gasversorgungsanlage die Versorgung mit medizinischen Gasen übernehmen können. Der Gasdruck in Gasflaschen beträgt maximal ca. 60 bar für Lachgas und ca. 200 bar für Sauerstoff. Reduzierventile vermindern den Gasdruck auf etwa 5 bar, so dass die Gasmischung über mechanische Gasflussmesser oder elektronische Mischer möglich wird. Die Drücke an den Entnahmestellen der zentralen Gasversorgungsanlage liegen ebenfalls bei etwa 5 bar. Nach EN 740 ist für alle Anästhesie-Arbeitsplätze eine Vorrichtung zum Anschluss einer Sauerstoff-Reserveversorgung vorgeschrieben. An den Flaschen befindet sich ein Absperrventil, das über ein in seiner Geometrie gasartspezifisch ausgelegtes Gewinde verwechslungssicher mit einem Druckminderer und angeschlossener Schlauchleitung verbunden ist. Dieser senkt den hohen Flaschenbinnendruck auf einen Druck von 500 kPa (5 bar) ab, der für medizinische Geräte oder zur direkten Abgabe von medizinischen Gasen an einen Patienten geeignet ist. Das Ausgangsverbindungsstück ist bislang durch gasartspezifische Geometrie der Gewinde verwechslungssicher ausgelegt; entsprechend der europäischen Norm wird in Zukunft die Verbindung zum Gerät über einen NISTKonnektor hergestellt. Der Rückstrom von Gas aus der zentralen Gasversorgungsanlage in die Flasche bei geöffnetem Flaschenventil wird durch ein Rückschlagventil verhindert. Seit Ablauf der Übergangsfrist am 01.07.2006 erfolgt die gasartspezifische Kennzeichnung des Flascheninhaltes nach EN 1089-3. Danach sind Flaschen für Gase zur Inhalation (Atemgase) und für medizinische Anwendungen – zur deutlichen Unterscheidung von Gasflaschen für industriellen Einsatz – im zylindrischen Teil durch einen weißen Flaschenkörper gekennzeichnet. Der Großbuchstabe „N“ auf der Flaschenschulter weist auf die Farbkennzeichnung nach der neuen Norm hin. Für den Flascheninhalt selbst ist nur die farbliche Kennzeichnung der Flaschenschulter von Bedeutung.

■ Berechnung des Gasvorrats Bestimmung des Sauerstoffvorrats. Da Sauerstoff in Flaschen als hochkomprimiertes Gas vorliegt, ist der Gasvorrat dem angezeigten Manometerdruck proportional. Entsprechend dem Boyle-Mariotte-

2.6 Anhang: Versorgung mit medizinischen Gasen

Gesetz (p x V = const.) errechnet sich der Gasvorrat in Litern durch Multiplikation des Rauminhaltes der Flasche mit dem am Manometer angezeigten Druck. Beispiel: Rauminhalt der Flasche: 10 Liter Druck: 38 bar → verfügbare Sauerstoffmenge: 380 Liter Merke Der O2­Vorrat ist dem angezeigten Manometer­ druck proportional.

Bestimmung des Lachgasvorrats. Lachgas liegt dagegen in flüssigem Aggregatzustand vor, d. h., der Flascheninhalt besteht aus Flüssigkeit im unteren und Gas im oberen Teil. Eine Mengenbestimmung nach dem Boyle-Mariotte-Gesetz mithilfe des angezeigten Druckes ist damit nicht möglich: Solange flüssiges Gas vorliegt, bleibt der Gasdruck am Manometer konstant bei ca. 50 – 60 bar, entsprechend dem Dampfdruck von Lachgas bei Raumtemperatur. Der Gasvorrat kann nur durch Wiegen der Flasche abgeschätzt werden: Als Anhalt dient das Gesamtgewicht der Flasche minus Leergewicht x 500 = entspanntes Lachgas in Litern. Beispiel: aktuelles Flaschengewicht: 9,8 kg Leergewicht: 6,6 kg → verfügbare Lachgasmenge: 1600 Liter Erst wenn das flüssige Lachgas vollständig verbraucht ist, sinkt der Druck in der Lachgasflasche ab. In diesem Fall kann auch hier das Boyle-MariotteGesetz angewendet und der noch vorhandene Lachgasvorrat anhand des Manometerdrucks errechnet werden. Sinkt der Manometerdruck deutlich unter 50 bar ab, ist der Lachgasvorrat nur noch gering. Merke Der Lachgasvorrat kann nicht anhand des Mano­ meterdrucks abgeschätzt werden.

■ Sicherheitsregeln beim Umgang mit Druckgasflaschen Druckgasflaschen müssen sorgsam behandelt und transportiert werden. Insbesondere Beschädigun-

gen der Ventile können zu abruptem Druckausgleich und Freisetzen kinetischer Energie (Raketeneffekt) bis zur explosionsartigen Zerreißung des Ventils führen. Daher dürfen Gasflaschen niemals geworfen werden und müssen zuverlässig gegen Umfallen gesichert sein. Sauerstoff fördert die Verbrennung: Hantieren mit offenem Feuer sowie Rauchen ist in der Nähe von Sauerstoffquellen verboten, ebenso wegen der leichten Entflammbarkeit das Fetten und Ölen der Ventile. Hitzeeinwirkung kann zu einem gefährlichen Druckanstieg im Zylinder führen und muss daher vermieden werden. Druckgasflaschen sollten niemals vollständig entleert und mit offenen Ventilen gelagert werden, denn durch Eindringen von feuchter Luft besteht Korrosionsgefahr. Um Beschädigungen der Ventile zu vermeiden, sind diese nach Gebrauch mit Schutzkappen zu sichern. Merke Sorgsamer Umgang mit Druckgasflaschen schützt vor Unfällen.

2.6.3

Dezentrale Sauerstoffversorgung durch O2-Konzentratoren

Alternativ ist die Sauerstoffversorgung für den unmittelbaren Bedarf direkt am Patienten durch den Einsatz dezentraler kleiner O2-Konzentratoren möglich, die durch Verwendung von Molekularsieben (Zeolithe) die physikalische Abscheidung von Stickstoff aus der Raumluft ermöglichen (Abb. 2.40). Das erzeugte Gasgemisch enthält ca. 95 % Sauerstoff, ca. 4 % Argon sowie einen geringen Anteil Reststickstoff. Damit entspricht das Gasgemisch nicht den o. g. Vorschriften des Arzneimittelgesetzes. Unabhängig davon gilt jedoch, dass Zusammensetzung, Höhe der Sauerstoffkonzentration der Atemgase und deren Applikation im Rahmen der Therapiefreiheit der Verantwortung des behandelnden Arztes unterliegen. Diese Auffassung wird auch vom Bundesgesundheitsamt geteilt. Unter diesem Aspekt bestehen keine grundsätzlichen Einschränkungen für die Benutzung von dezentralen O2-Konzentratoren direkt am Patienten.

99

1 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2

100

2 Grundlagen der maschinellen Beatmung

1

O2-Tank Entnahme Rückschlagventile

2

Spülflow Molekularsieb

2

Abluft Umschaltventile

2 Drucklufttank

2

Entnahme

Wasserabscheider

Hinweis Obwohl die Leistungsfähigkeit kleiner O2­Kon­ zentratoren begrenzt ist – bei höheren Flows nimmt der Sauerstoffgehalt ab –, stellen O2­ Konzentratoren in der Zukunft in der Anästhe­ sie eine gangbare Alternative zur Bereitstellung von Sauerstoff aus Druckgasflaschen dar. Als Ein­ satzschwerpunkte werden kleinere OP­Bereiche ohne zentrale Gasversorgungseinrichtung sowie die Verwendung in der anästhesiologischen Pra­ xis angesehen. Diskutiert werden derzeit auch für Deutschland und Europa Vorschriften für die Gewinnung von Sauerstoff durch Konzentrato­ ren, die den problemlosen Einsatz am Patienten ermöglichen. Derzeit wird auf nationaler (BfArM) und europäischer Ebene eine entsprechende Monographie vorbereitet. Der darin definierte Sauerstoff 93 besteht aus mindestens 90 % und höchstens 96 % Sauerstoff sowie einem Restgas­ anteil aus Argon und/oder Stickstoff.

Kompressor

2

Partikelfilter

2.7 Ansaugluft

2 2 2 2 2 2

Abb. 2.40 Sauerstoffkonzentrator. Die über den Partikelfilter gereinigte Raumluft wird im Kompressor verdichtet und im Drucklufttank gespeichert. Das dabei entstehende Wasser muss regelmäßig abgelas­ sen werden. Die Druckluft steht über eine Entnahme­ stelle als Antriebs­/Beatmungsgas zur Verfügung. Aus dem Drucklufttank wird abwechselnd der eine oder der andere mit Molekularsieb gefüllte Behälter mit hohem Druck beaufschlagt. Dabei dringt der Stick­ stoff – wie bei einem Schwamm – in die Poren des Molekularsiebs ein: „virtuelle Kondensation“. Sauer­ stoff und Argon verbleiben aufgrund ihrer Größe als gasförmiger Überstand zwischen dem Molekularsieb­ material. Nach Druckentlastung auf ein definiertes Niveau, bei dem der Stickstoff gerade noch in den Poren des Molekularsiebs kondensiert bleibt, werden Sauerstoff und Argon in den Sauerstofftank abgege­ ben. Bei vollständiger Druckentlastung entlässt das Molekularsieb auch den Stickstoff, der dann in die Abluft gespült wird. Dieser Vorgang wiederholt sich periodisch, so dass eine kontinuierliche Sauerstoff­ und Druckluftproduktion gewährleistet ist.

Weiterführende Literatur

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101

1 2 2 2 2

■ Pulsoximetrie, Kapnographie Gravenstein JS. Gas monitoring and pulse oximetry. Boston: Butterworth-Heinemann; 1990 Hoeft A, Metzler H, Pasch T. Monitoring in Anästhesie und Intensivmedizin. 2. Aufl. Berlin, Heidelberg, New York: Springer; 2008 Kalenda Z. Mastering infrared capnography. Zeist: Kerckebosch; 1989 Mertzlufft F, Zander R. Monitoring des Sauerstofftransportes mittels Puls-Oxymetrie. Anaesthesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 1993; 28: 40–44 Moller JT, Johannessen NW, Espersen K et al. Randomized evaluation of pulse oximetry in 20,802 patients. I and II. Anesthesiology 1993; 78: 436–453 Saidmann LJ, Smith NT. Monitoring in anaesthesia. 3rd ed. Boston, London, Oxford: Butterworth Heinemann; 1993 Schaffartzik W. Methoden zur Erfassung des pulmonalen Gasaustauschs. Anaesthesist 1993; 42: 3-10 Schuster HP. Monitoring. Intensivmed 1997; 34: 312–315 Zander R. Diagnostik der O2-Versorgung über den O2-Status des Blutes. Anaesthesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 1993; 28: 34–39 Zander R, Mertzlufft FO. Der Sauerstoff-Status des arteriellen Blutes. Basel, München, Paris: Karger; 1988

2 2 2 2 2

■ Medizinische Gase Comité Européen de Normalisation. EN 740: Anaesthetic Workstations and their modules – Particular requirements. CEN, Brüssel 1996 Feigenwinter P, Wallroth CF, Gilly H et al. Normen für Anästhesie, Intensivmedizin und medizinische Versorgungssysteme-Teil 1 und 2. Anästh Intensivmed 1996; 37: 587–595 u. 644–653

2 2

103

3

Beatmungsformen

1

Jörg Rathgeber

Während die Einstellparameter sowie die zeitlichen Verläufe von Druck, Volumen und Flow innerhalb eines Beatmungszyklus durch das Beatmungsmuster gekennzeichnet werden, beschreibt die Beatmungsform die Wechselbeziehung zwischen Patient und Beatmungsgerät. Sie bestimmt, nach welchen Kriterien die einzelnen Beatmungszyklen ausgelöst werden, ihre zeitliche Abfolge sowie die Anteile von Respirator und Patient an der Gesamtventilation. Die ersten Intensivrespiratoren in den 50er Jahren waren aufgrund technischer Unzulänglichkeiten ausschließlich für kontrollierte Formen der maschinellen Überdruckbeatmung geeignet. Spontanatmungsaktivitäten des Patienten konnten vom Respirator nicht erkannt und umgesetzt werden und mussten durch tiefe Sedierung bis hin zur Relaxierung unterdrückt werden. Moderne Respiratoren ermöglichen dagegen die bedarfsgerechte Anpassung der maschinellen Unterstützung an die aktuellen ventilatorischen Erfordernisse des Patienten. Durch Kombinationen verschiedener Beatmungsformen ist neben der totalen Übernahme der Ventilation auch die partielle Unterstützung der Eigenatmung des Patienten durch intermittierende maschinelle Beatmungszüge und/oder maschinelle Unterstützung der einzelnen Spontanatemzüge möglich („augmentierte“ Spontanatmung). Der maschinelle Support und damit auch die ventilatorische Eigenleistung des Patienten sind hierbei variabel. Ein intaktes Atemzentrum ist allerdings bei allen Formen der unterstützenden Spontanatmung absolute Voraussetzung. Um Missverständnissen vorzubeugen, sollte der Begriff „Spontanatmung“ generell nur dann verwendet werden, wenn die Gesamtventilation vom Patienten (z. B. bei CPAP-Atmung) erbracht wird. Ansonsten sollte besser von „maschinell unterstützter Spontanatmung“ gesprochen werden.

Die maschinell unterstützte Spontanatmung ist in Deutschland heute die bei Weitem vorherrschende Beatmung in der Intensivmedizin. Merke Die Beatmungsform bestimmt die Kommunika­ tion zwischen Patient und Respirator.

3 3 3

3.1

Terminologie

Neue medizinische Erkenntnisse, technische Weiterentwicklungen und veränderte Beatmungsstrategien haben in den letzten Jahre zur klinischen Einführung zahlreicher neuer Beatmungsmodes geführt, die mehr oder weniger von den „klassischen“ Beatmungsformen abweichen und sich auch von Hersteller zu Hersteller unterscheiden. Deren Klassifizierung ist außerordentlich schwierig, zumal sich die Unterschiede aus patentrechtlichen Gründen häufig lediglich auf technische Details beziehen, deren klinische Relevanz oftmals fraglich ist. Neben der Einteilung anhand technischer Spezifikationen und Steuerungsgrößen kann im Wesentlichen zwischen 3 Grundformen der Beatmung unterschieden werden, die sich am Anteil der Maschine bzw. des Patienten an der Atemarbeit orientieren: 1. Kontrollierte oder mandatorische Beatmung (Continuous Mandatory Ventilation, CMV): Die Maschine übernimmt die gesamte Ventilation der Lungen, vom Patienten wird, solange er nicht „gegen die Maschine atmet“, keine Atemarbeit erbracht: „Der Patient macht nichts, die Maschine macht alles“ (total ventilatory support). Der Begriff „mandatorisch“ bedeutet, dass die Vorgabe der notwendi-

3 3 3 3 3 3

3

104

1

3 3 3 3 3 3 3 3 3 3

3 Beatmungsformen

gen Parameter im Mandat des Bedieners liegt. Maschinelle Beatmungshübe werden der Zielgröße entsprechend entweder volumenkontrolliert (Volume Controlled Ventilation, VCV) oder druckkontrolliert (Pressure Controlled Ventilation, PCV) verabreicht. Zur exakten Beschreibung des eingestellten Beatmungsmodus hat es sich bewährt, die Art der maschinellen Volumenlieferung durch einen entsprechenden Zusatz eindeutig zu kennzeichnen, z. B. als VC-CMV (volumenkontrollierte maschinelle Beatmung), PC-CMV (druckkontrollierte Beatmung), PC-S-IMV (S-IMV mit druckkontrollierten maschinellen Beatmungshüben), PC-IRV (druckkontrollierte Inverse Ratio Ventilation) usw. Obwohl PCV im eigentlichen Sinne die Applikation des einzelnen Beatmungshubs charakterisiert, wird der Begriff im klinischen Sprachgebrauch meist als Synonym für PC-CMV verwendet. 2. Maschinell unterstützte Spontanatmung: Die Ventilation und damit die Atemarbeit wird nur teilweise von der Maschine übernommen, ein (variabler) Teil wird vom Patienten geleistet (partial ventilatory support). Die maschinelle Unterstützung der Atmung kann entweder durch Unterstützung jedes einzelnen Atemzuges oder durch intermittierende mandatorische Beatmungshübe oder beides erfolgen, wobei unterschiedliche Steuerungsprinzipien (Druck-, Flow-, Zeit-, Volumensteuerung) zur Anwendung kommen. Klassischer Vertreter dieser Gruppe ist die druckunterstützte Spontanatmung (Pressure Support Ventilation, PSV). Technische Weiterentwicklungen erlauben dem Patienten nicht nur eine ungehinderte Spontanatmung, sondern gleichzeitig eine automatische Anpassung des maschinellen Supports an seine aktuelle ventilatorische Eigenleistung. Derartige rückkoppelnde Systeme zeigen neue Wege nicht nur im Rahmen der ▶ lungenprotektiven Beatmung auf, sondern vor allem auch bei der ▶ Entwöhnung vom Respirator. 3. Spontanatmung (Spontaneous Ventilation, SV): Die in- und exspiratorische Atemarbeit wird allein vom Patienten erbracht: „Der Patient macht alles, die Maschine macht nichts“. Im Folgenden werden die Grundlagen der wichtigsten Beatmungsverfahren erläutert, wobei bewusst auf die Beschreibung technischer Spezi-

fikationen und herstellerspezifischer Unterschiede verzichtet wird.

3.2

Kontrollierte Beatmungsverfahren

3.2.1

Volumenkontrollierte Beatmung, VC-CMV

VC-CMV, Volume Controlled Continuous Mandatory Ventilation CMV, Continuous Mandatory Ventilation IPPV, Intermittent Positive Pressure Ventilation CPPV, Continuous Positive Pressure Ventilation (IPPV mit PEEP) Definition. Bei der volumenkontrollierten Beatmung werden sämtliche Beatmungsparameter vorgegeben. Ziel- und Steuerungsparameter ist das Tidalvolumen (Atemzugvolumen). Die resultierenden Atemwegsdrücke sind abhängig von den eingestellten Volumina sowie den pulmonalen Gegebenheiten des Patienten (Abb. 3.1). Die Beeinflussung des inspiratorischen Beatmungsmusters durch den Patienten ist nicht möglich. Atemminutenvolumen. Die primäre Einstellung des Atemminutenvolumens orientiert sich am Körpergewicht des Patienten, wobei ein Ventilationsbedarf von ca. 100 ml Atemluft pro (idealem!) kg KG und Minute zugrunde gelegt wird. Die initialen Beatmungsfrequenzen werden auf ca. 15 pro Minute eingestellt. Das Atemminutenvolumen (AMV) resultiert aus der Höhe des eingestellten Tidalvolumens und der Beatmungsfrequenz. Hinweis Da immer die gleichen Tidalvolumina appli­ ziert werden, wird die volumenkontrollierte Beatmung auch als volumenkonstante Beat­ mung bezeichnet. Inspirationsflow. Die Höhe des Inspirationsflows ist zumeist direkt wählbar oder resultiert aus der Einstellung der aktiven Inspirationsdauer. Der beatmete Patient ist nicht in der Lage, diesen mandatorischen Flow zu beeinflussen. Je nach den vorliegenden pulmonalen Gegebenheiten und der

3.2 Kontrollierte Beatmungsverfahren

inspiratorischer Spitzendruck inspiratorisches Plateau Druck

PEEPNiveau

Flowphase

Flow

Pausenphase

Inspiration

Volumen

Inspiration Exspiration

Zeit I

E

I

E

Abb. 3.1 Volumenkontrollierte Beatmung mit PEEP. Zielparameter ist die Volumenkonstanz, Ein­ stellparameter sind Flow, Beatmungsfrequenz und PEEP. Änderungen von Compliance und/oder Resis­ tance verursachen entsprechende Veränderungen der Beatmungsdrücke. Vigilanz des Patienten werden bei volumenkontrollierten Beatmungsformen üblicherweise Flows zwischen 15 und 40 l/min eingestellt. Nach Öffnung des Inspirationsventils wird bis zum Ende der Flowphase ein konstanter Flow definierter Höhe abgegeben. Andere Flowmuster, wie dezelerierender, akzelerierender oder sinusförmiger Flow (siehe auch Abb. 2.5, S. 64), werden bei volumenkontrollierter Beatmung praktisch nicht mehr verwendet, da sie keine erkennbaren Vorteile bieten. Beatmungsdruck. Je niedriger die ▶ Compliance der beatmeten Lunge ist, z. B. bei schweren Erkran-

kungen des Lungenparenchyms im Rahmen des ▶ ARDS, desto größer sind die erforderlichen maschinellen Beatmungsdrücke, um die gewünschten Volumina zu applizieren. Anstiege der ▶ Resistance der Atemwege wie beim Status asthmaticus führen ebenfalls zur Zunahme der Beatmungsdrücke. Inspiratorische Druckbegrenzung. Bei der Einstellung der Tidalvolumina unter volumenkonstanter Beatmung muss unbedingt auf die resultierenden Beatmungsdrücke geachtet werden. Hohe Tidalvolumina verursachen hohe Atemwegsdrücke, die insbesondere bei pulmonal vorgeschädigten Patienten zur weiteren Schädigung von intaktem Lungenparenchym (▶ Volutrauma) beitragen können. Generell sollten beim Erwachsenen inspiratorische Beatmungsdrücke über 30 mbar dauerhaft nicht überschritten werden. Zur Vermeidung unerwünschter Druckspitzen in den Atemwegen wird die Einstellung einer inspiratorischen Druckbegrenzung dringend empfohlen. Nach Überschreiten dieses Grenzwertes wird die Inspiration automatisch abgebrochen. Hinweis Als Anhaltswert sollte der Begrenzungsdruck ca. 10 mbar oberhalb des Spitzendrucks eines nor­ malen Beatmungshubs eingestellt werden (Abb. 3.2).

■ Drucklimitierte Beatmung, PLV

105

1

3 3 3 3 3 3

PLV, Pressure Limited Ventilation Definition. Die drucklimitierte Beatmung (Pressure Limited Ventilation, PLV) ist eine Sonderform der volumenkontrollierten Beatmung. Das Überschreiten des eingestellten Begrenzungsdrucks führt jedoch nicht zum Abbruch der Inspirationsphase, sondern zur Abnahme des Flows (Flowdezeleration). Zielgröße bleibt das Volumen. Unabhängig vom geräteseitig eingestellten Inspirationsflow kann die gesamte Inspirationsphase für die aktive Volumenlieferung ausgenutzt werden (Abb. 3.3). Der Inspirationsflow wird erst dann abgebrochen, wenn das eingestellte Tidalvolumen vollständig appliziert (Volumensteuerung) oder die Inspirationszeit abgelaufen ist (Zeitsteuerung).

3 3 3 3

3 Beatmungsformen

b inspiratorische Druckbegrenzung

a

Druck

1

b

a

10 mbar

Druck

106

Flowabbruch

Null-Flow Begrenzungsdruck

Plateaudruck

Flow

Flow

3

Tidalvolumen nicht erreicht Volumen

3

Volumen

3

Zeit

3 3 3

Abb. 3.2 Inspiratorische Druckbegrenzung. Die inspiratorische Druckbegrenzung sollte etwa 10 mbar oberhalb des Spitzendrucks eines normalen Beatmungshubs eingestellt werden. a Die inspiratorische Druckbegrenzung wird nicht er­ reicht, das eingestellte Tidalvolumen wird appliziert. b Die inspiratorische Druckbegrenzung wird über­ schritten (rote Markierung). Die Inspirationsphase wird durch Flowabbruch vorzeitig beendet. Die Exspiration wird eingeleitet, ohne dass das einge­ stellte Tidalvolumen verabreicht wurde.

3 3 3 3

Beachte Das Atemvolumen bleibt konstant, solange in der Druckkurve ein Druckplateau oder in der Flowkurve eine No­Flow­Phase zwischen Inspira­ tion und Exspiration erkennbar ist. Erst wenn die Inspirationsphase zur Applikation des Volumens nicht ausreicht, kommt es zu Volumeninkonstanz und entsprechender Alarmierung. Dies kann z. B. der Fall sein bei akuter Erhöhung der Atemwegswiderstände durch Sekretobstruktion, Pressen des Patienten usw. Vorübergehende Veränderungen von pulmonaler Compliance oder Resistance können somit durch PLV besser

Zeit

Abb. 3.3 Drucklimitierte Beatmung. Das Erreichen des Begrenzungsdrucks führt nicht zum Abbruch der Inspiration, sondern zur Flowreduktion und Verlänge­ rung der aktiven Inspirationszeit. a Die Inspirationsphase reicht zur Applikation des Volu­ mens aus, ein Druckplateau bzw. eine No­Flow­Phase ist erkennbar: drucklimitiert – volumenkonstant. b Die Inspirationsphase reicht zur Applikation des Volumens nicht aus (rote Markierung). Es ist kein Druckplateau bzw. keine inspiratorische No­Flow­ Phase mehr erkennbar: drucklimitiert – volumen­ inkonstant.

kompensiert werden als durch die herkömmliche starre Druckbegrenzung. Hinweis Die drucklimitierte Beatmung steht meistens nicht als eigenständige Beatmungsform zur Ver­ fügung, sondern wird als Zusatzfunktion an­ geboten, z. B. in Verbindung mit ▶ VC­CMV oder ▶ S­IMV. Sofern der Respirator über eine entsprechende Funktion verfügt, sollten volu­ menkontrollierte Beatmungszüge, unabhängig vom eingestellten Beatmungsmodus, generell drucklimitiert appliziert werden.

3.2 Kontrollierte Beatmungsverfahren

3.2.2

Assistierte Beatmung, A/C

A/C, Assist-Control Ventilation IPPV/Assist CPPV/Assist S-CMV, Synchronized Continuous Mandatory Ventilation S-IPPV, Synchronized Intermittent Positive Pressure Ventilation Definition. Zur kontrollierten Beatmung im weiteren Sinne gehört auch die früher weit verbreitete assistierte Beatmung. Im Unterschied zur vollständig kontrollierten Beatmung kann der Patient den Beginn der Inspirationsphase durch seine Atemanstrengungen selbst auslösen. Steuerung. Inspirationsbemühungen des Patienten folgen „getriggerte“ ▶ volumenkontrollierte maschinelle – „mandatorische“ – Atemzugvolumina, die der Patient jedoch nicht selbst beenden kann. Werden vom Gerät keine Inspirationsbemühungen erkannt, wird der maschinelle Beatmungszug zeit-

Druck Flow

Volumenkontrollierte/-konstante Beatmungsformen haben in den letzten Jahren ihre frühere Vorrangstellung in der Intensivmedizin verloren. Ursächlich war unter anderem die Befürchtung, die gelegentlich am Respirator gemessenen hohen ▶ Spitzendrücke könnten sich bis in die Alveolarregionen fortsetzen und dort zu Schädigungen führen. Dabei wurde jedoch außer Acht gelassen, dass diese vor allem durch die Atemwegsresistance hervorgerufen werden und sich kaum bis in die Alveolen fortsetzen. Von untergeordneter Bedeutung ist dabei, ob das Volumen mit akzelerierendem, dezelerierendem oder konstantem Flow appliziert wird. In jüngster Zeit erfährt die volumenkontrollierte Beatmung mit niedrigen Tidalvolumina als ein Verfahren im Rahmen der maschinell unterstützten Spontanatmung (▶ BiLevel-VG, ▶ druckregulierte volumenkonstante Beatmung, ▶ Volume Support, ▶ AutoFlow) unter dem Aspekt der ▶ Lungenprotektion eine unerwartete Renaissance.

1

3 Volumen

■ Klinische Bedeutung volumenkontrollierter Beatmungsverfahren

107

Zeit

3

Abb. 3.4 Assistierte Beatmung, Assist-Control (A/C). Mandatorische Beatmungszüge können ge­ triggert werden (Pfeile), eine weitere Beeinflussung des Beatmungsmusters durch den Patienten ist nicht möglich.

3

gesteuert abgegeben (Assist-Control Ventilation, A/C, Abb. 3.4).

3

Atemarbeit. Sie ist durch die Höhe der Triggerschwelle vorgegeben und damit bei korrekter Einstellung gering. Da jede erfolgreiche Triggerung des Patienten einen vollständigen maschinellen Atemhub auslöst, kann – insbesondere bei Patienten mit gesteigertem Atemantrieb – eine unbeabsichtigte Hyperventilation mit Hypokapnie resultieren. Wird die Exspirationszeit zu kurz, kann es besonders bei Patienten mit obstruktiven Ventilationsstörungen (COPD, Asthma bronchiale) zur unbemerkten Lungenüberblähung durch ▶ AirTrapping-Phänomene kommen. Hinweis Der Begriff „assistierte Beatmung“ wird gelegentlich auch im Zusammenhang mit Beatmungsstrategien verwendet, die dem Pati­ enten ein hohes – und variables – Maß an venti­ latorischer Eigenleistung ermöglichen, wie z. B. ▶ PSV oder ▶ BIPAP. Im Gegensatz zu diesen sog. augmentierten (unterstützenden) Spontan­ atmungsmodes ist die assistierte Beatmung je­ doch lediglich eine vom Patienten gesteuerte – getriggerte – kontrollierte Beatmung, wobei der Patient nur die maschinelle Beatmungsfrequenz

3 3 3 3 3 3

3 3 3 3 3 3 3 3 3

Merke Keine Indikation für S­CMV in der Intensiv­ medizin.

3.2.3

Druckkontrollierte Beatmung, PC-CMV

■ Klinische Bedeutung einfacher kontrollierter/assistierter Beatmungsverfahren

PC-CMV, Pressure Controlled Continuous Mandatory Ventilation PCV, Pressure Controlled Ventilation

Die assistierte volumenkontrollierte Beatmung (S-CMV, A/C) gehörte früher zu den Standardverfahren in Anästhesie und Intensivmedizin, da sie durch die Möglichkeit der Patiententriggerung eine bessere Synchronisation zwischen Patient und Respirator ermöglichte. Eine Muskelrelaxation war dadurch nicht mehr zwangsläufig erforderlich und der Sedierungsbedarf war geringer. Technische Weiterentwicklungen und neue Beatmungsstrategien haben in den letzten Jahren die früher üblichen, einfachen „Assist/Controler“ praktisch vollständig vom Markt verdrängt. Aufgrund der zahlreichen Nachteile starrer Beatmungsmuster sollten kontrollierte bzw. assistierte Beatmungsverfahren ohne die Möglichkeit zur intermittierenden und ungehinderten Spontanatmung – wenn überhaupt – nur noch in Ausnahmefällen angewendet werden. Dazu gehören: ● Patienten mit erhöhtem intrakraniellem Druck, ● schwere Störung der Atemregulation, ● Muskelrelaxierung, Paralyse (Narkose!), ● Versagen der Atemmuskulatur (z. B. bei der dekompensierten ▶ COPD).

Definition. Bei der druckkontrollierten Beatmung (Pressure Controlled Ventilation, PC-CMV) dezeleriert der initial hohe Flow nach Erreichen des eingestellten inspiratorischen Druckniveaus, so dass während der Inspirationszeit ein konstanter Druck in den Atemwegen aufrechterhalten wird (Abb. 3.5). Zielparameter und Kontrollvariable ist

Allerdings ist auch bei diesen Erkrankungen der Einsatz moderner druck- oder volumenkontrollierter Beatmungsverfahren empfehlenswert, die dem Patienten zumindest die Möglichkeit zur (zusätzlichen) ungehinderten Eigenatmung erlauben. Da alle modernen Intensivrespiratoren zumindest über die Möglichkeit zur S-IMV-Beatmung verfügen, ist S-CMV als eigenständige Beatmungsform entbehrlich. Da sie keine Vorteile bietet, aber nahezu immer die medikamentöse Anpassung des Patienten an den Respirator erfordert, sollte sie generell nicht mehr angewendet werden.

Plateau-Druck Druck

3

und damit das Atemminutenvolumen mit be­ einflussen kann. Da der ventilatorische Eigen­ anteil des Patienten vernachlässigbar ist, wird die Spontanatmung durch die klassische „assis­ tierte“ Beatmung weder unterstützt noch ge­ fördert.

Trigger

Flow

1

3 Beatmungsformen

Volumen

108

inkonstante Volumina

Zeit

Abb. 3.5 Druckkontrollierte Beatmung. Zielpara­ meter ist der Druck: Nach Erreichen des eingestellten Plateaudrucks dezeleriert der Inspirationsflow. Die ap­ plizierten Tidalvolumina hängen von Compliance und Resistance der beatmeten Lunge ab. Die mandatori­ schen Beatmungszüge können patientengetriggert verabreicht werden, sofern die Triggerung innerhalb des Erwartungszeitfensters erfolgt.

Atemvolumina. Das effektiv verabreichte Tidalvolumen hängt von der Höhe des inspiratorischen Druckniveaus, der aktiven Inspirationszeit sowie den atemmechanischen Eigenschaften der beatmeten Lunge ab. Druckkontrollierte Beatmungsformen sind daher grundsätzlich volumeninkonstant und erfordern immer das engmaschige ▶ Monitoring der Atemvolumina. Bei Undichtigkeiten im System, z. B. durch Leckagen im Beatmungsteil oder bronchopleurale Fisteln, kann die Ventilation der Lungen durch Erhöhung des Flows innerhalb gewisser Grenzen aufrechterhalten werden. Steuerung. Die Umschaltung in die Exspiration erfolgt im Gegensatz zur druckgesteuerten Beatmung zeitgesteuert. Die Zeitsteuerung bezieht sich jedoch lediglich auf die Inspirationsphase: Inspirationsbemühungen des Patienten während der Exspirationsphase können einen neuerlichen druckkontrollierten Beatmungszug auslösen. In der Inspirationsphase führen Spontanatmungsbemühungen des Patienten zwar aus der Flowdezeleration heraus zu erneutem Flowanstieg, die freie Exspiration ist jedoch nicht vor Ablauf der zeitgesteuerten Inspirationsphase möglich, da das Exspirationsventil während des mandatorischen Inspirationshubes geschlossen ist. Damit ist eine ungehinderte Spontanatmung ausgeschlossen. Bei forcierter Gegenatmung oder Hustenstößen öffnet das Exspirationsventil oberhalb des eingestellten Druckniveaus und bricht die Inspiration ab: ▶ inspiratorische Druckbegrenzung (Abb. 3.6). Merke Freie Spontanatmung ist bei VC­PCV ausge­ schlossen.

109

1

Flow

Hinweis Ob sich durch den dezelerierenden Flowverlauf tatsächlich eine bessere intrapulmonale Gasver­ teilung in den Lungen erzielen lässt als durch vo­ lumenkontrollierte Beatmung mit konstantem Flow, wird seit Jahren kontrovers diskutiert.

Atemanstrengungen

3 3

Volumen

also der Druck. Floweinstellungen am Gerät sind nicht möglich.

Druck

3.2 Kontrollierte Beatmungsverfahren

Zeit

Abb. 3.6 Druckkontrollierte Beatmung: „Gegenatmung“. Inspirationsbemühungen auf dem unteren Druckniveau können vorzeitige maschinelle Beat­ mungszüge auslösen, Inspirationsbemühungen auf dem oberen Druckniveau führen zu vermehrter Flow­ und Volumenlieferung (rote Markierungen). Freie Exspiration auf dem oberen Druckniveau ist nicht möglich, da das Exspirationsventil bis zum Ablauf der zeitgesteuerten Inspirationsphase verschlossen bleibt, reduziert jedoch die Flow­ und Volumenliefe­ rung. Gepunktete Linie: Theoretischer Druck­Flow­ Volumen­Verlauf ohne Gegenatmung.

3 3 3 3

Hinweis Druckbedingte Schädigungen einer oder bei­ der Lungen, z. B. durch versehentliche Fehllage des Tubus, werden verhindert, da unerwünschte oder unbemerkte dauerhafte Anstiege der Beatmungsdrücke über das vorgewählte Niveau sicher vermieden werden können.

■ Klinische Bedeutung druckkontrollierter Beatmungsverfahren Druckkontrollierte Beatmungsformen werden heute von vielen Intensivmedizinern gerade bei schweren Lungenerkrankungen bevorzugt. Der bislang herausragende Stellenwert der druckkontrollierten Beatmung im Rahmen der ▶ lungenprotektiven Beatmung wird derzeit allerdings in Frage

3 3 3 3

3 3 3 3 3 3 3 3 3 3

3.2.4

Beatmung mit umgekehrtem Atemzeitverhältnis, IRV

a

b

c

Druck

gestellt, da die Begrenzung der Beatmungsdrücke allein keineswegs eine Garantie für eine Beatmung mit „unkritischen“ Tidalvolumina darstellt. So wurde bei Untersuchungen zur Frage der Umsetzung lungenprotektiver Beatmungsverfahren festgestellt, dass Patienten mit schweren Lungenerkrankungen unbemerkt zu einem hohem Prozentsatz und über längere Zeiträume mit inadäquat hohen Tidalvolumina beatmet wurden – trotz Begrenzung der Beatmungsdrücke. Die druckkontrollierte Beatmung ist also nur dann lungenprotektiv, wenn sie engmaschig an Veränderungen der Compliance und Resistance angepasst wird.

Flow

1

3 Beatmungsformen

Volumen

110

IRV, Inverse Ratio Ventilation Definition. Bei der Beatmung mit umgekehrtem Atemzeitverhältnis (Inverse Ratio Ventilation, IRV) handelt es sich um keine eigenständige Beatmungsform, sondern lediglich um eine Variante der kontrollierten Beatmung, bei der die Inspirationsdauer länger gewählt wird als die Exspirationsdauer: I/E > 1. IRV kann sowohl im volumenkontrollierten Modus (VC - IRV) als auch druckkontrolliert (PC - IRV) durchgeführt werden. Bei VC - IRV kann die Inspirationsphase entweder durch Ausdehnung der inspiratorischen Plateauphase oder durch Reduktion der Flowgeschwindigkeit verlängert werden (Abb. 3.7). Bei gleichen Tidalvolumina sind die endinspiratorischen Drücke bei beiden Verfahren gleich. Niedrigere Flussgeschwindigkeiten sind jedoch turbulenzärmer und bewirken damit möglicherweise eine gleichmäßigere Verteilung der Atemgase in den Luftwegen. Die im Display des Respirators angezeigten Kurvenverläufe für Druck, Flow und Volumen erlauben wichtige Rückschlüsse auf die pulmonale Situation, wie z. B. die Erkennung von intrinsic PEEPPhänomenen (Abb. 3.8).

Zeit I

E

I

E

I

E

Abb. 3.7 Inverse Ratio Ventilation, IRV. IRV bei volumenkontrollierter Beatmung: VC ­ IRV (rote Markierungen) a durch Verlängerung des Plateaus oder b Reduktion des Inspirationsflows mit Verlängerung der aktiven Inspirationsphase. IRV bei druckkontrollierter Beatmung: PC ­ IRV c durch Verlängerung der inspiratorischen Plateau­ phase.

Beachte Bei extremer VC­IRV mit Atemzeitverhältnissen von 3:1 oder mehr besteht immer die Gefahr des ▶ Air­Trapping, d. h. einer allmählichen (und häufig unbemerkten) Überblähung der Lunge durch sich addierende exspiratorische Restvo­ lumina. Bei druckkontrollierter PC­IRV ist das Ri­ siko der dynamischen Überblähung der Lunge geringer, da eine progrediente Zunahme der pulmonalen Gasvolumina durch den eingestell­ ten inspiratorischen Beatmungsdruck begrenzt ist. Allerdings nehmen die Tidalvolumina ab, je ausgeprägter das Air­Trapping und je höher der ▶ intrinsic PEEP werden (Abb. 3.8). Daher ist in diesem Fall eine engmaschige Überwachung der Tidalvolumina erforderlich.

Druck

3.2 Kontrollierte Beatmungsverfahren

VC-IRV

PC-IRV

Volumen

Flow

exspiratorischer Restflow

endexspiratorische Restvolumina

konstante Tidalvolumina

Abb. 3.8 Air-Trapping durch intrinsic PEEP. Exspiratorische Restflows im Flow­Zeit­Diagramm weisen auf intrinsic PEEP–Phänomene hin. VC ­ IRV: Hohes Überblähungsrisiko der Lunge durch Applikation volu­ menkonstanter Tidalvolumina. PC­IRV: Geringeres Überblähungs­ risiko der Lunge, aber konsekutive Abnahme der applizierten Tidal­ volumina.

111

1

3

Zeit Abnahme der Tidalvolumina

3 In der Flowkurve sind die Auswirkungen des intrinsic PEEP als endexspiratorischer Restflow gut zu erkennen (Abb. 3.8). Seine Höhe ist jedoch am Druckmanometer des Respirators nicht direkt ablesbar. Bei älteren Respiratoren, die über keine Online-Darstellung von Druck- und Flowkurven verfügen, werden intrinsic PEEP-Phänomene daher oft übersehen. Quantitativ lässt sich der intrinsic PEEP nur durch ein endexspiratorisches ▶ Okklusionsmanöver messen. Dazu werden am Ende der Exspirationsphase sowohl das In- als auch das Exspirationsventil verschlossen. Im Verlauf der wenige Sekunden dauernden Verschlusszeit findet ein Druckausgleich zwischen den Atemwegen und dem Beatmungssystem statt, an dessen Ende der Restdruck in den Atemwegen am Druckmanometer als Summe aus dem am Respirator einstellbaren PEEP und dem intrinsic PEEP abgelesen werden kann (siehe Abb. 2.14, S. 74). Der Gesamt-PEEP setzt sich somit zusammen aus externem PEEP und intrinsic PEEP. Hinweis Auch hohe exspiratorische Atemwegswiderstän­ de (Atemwegsobstruktion, Tubusobstruktion), hohe Atemfrequenzen (Tachypnoe) und große Hubvolumina können zur Ausbildung von intrin­ sic PEEP beitragen.

■ Klinische Bedeutung der Inverse Ratio Ventilation (IRV) Verlängerte Inspirationszeiten, PEEP sowie intrinsic PEEP-Phänomene erhöhen den mittleren Atemwegsdruck, der eine entscheidende Determinante bei der Verbesserung der Oxigenierung ist. Hauptindikation für IRV ist somit die schwere, therapierefraktäre ▶ respiratorische InsufÏzienz im Rahmen des ▶ akuten Lungenversagens (ARDS). In Studien konnte allerdings ein klinischer Nutzen nicht nachgewiesen werden, zudem besteht das Risiko der dynamischen Überblähung der Lunge (▶ Volutrauma). Die Gefahr ist bei druckkontrollierter IRV zwar geringer als bei volumenkontrollierter IRV, dennoch sollte die Indikation zur Durchführung von IRV streng gestellt werden. Merke Hohes Risiko der Lungenüberblähung und frag­ licher klinischer Nutzen verbieten den unkriti­ schen Einsatz von IRV.

3 3 3 3 3 3

3.2.5

„Fighting the respirator“

Definition. Bei allen volumenkontrollierten/assistierten Beatmungsformen sowie auch der klassischen druckkontrollierten Beatmung verursachen Atemanstrengungen des Patienten innerhalb der Inspirationsphase frustrane Atemexkursionen, da sie nicht durch entsprechende Anpassungen der maschinellen Flow-/Volumenlieferung beantwortet

3 3

112

1

3 3 3

3 Beatmungsformen

werden, sondern lediglich zu Druckschwankungen im Schlauchsystem führen (Abb. 3.6 und Abb. 3.9). Bei wachen Patienten mit intaktem Atemantrieb, z. B. in der postoperativen Phase, sind die Nachteile der starren Beatmung besonders deutlich. Sie zeigen sich u. a. in Dyspnoe, Stressreaktionen und unerwünschten kardiovaskulären Wirkungen. Forcierte Atemanstrengungen (Gegenatmen, „fighting the respirator“) mit Ausbildung hoher und höchster Atemwegsdrücke können beim Versuch, die Lungen gegen geschlossene Exspirationsventile zu entleeren, zum ▶ Barotrauma führen. Dagegen kann der Unterdruck in den Atemwegen durch forcierte Inspirationsbemühungen gegen geschlossene Ventile – ähnlich wie bei geschlossener Glottis durch einen Laryngospasmus – ein Lungenödem verursachen. Die Möglichkeit zur Triggerung der maschinellen Beatmungszüge schafft bei wachen und/ oder agitierten Patienten keine Abhilfe: Durch die schnell aufeinander folgenden maschinellen Beatmungszüge kann es zur intermittierenden pulmonalen Hyperinflation durch sich addierende exspi-

Atemanstrengungen Begrenzungsdruck

Merke „Gegenatmen“ gegen den Respirator gefährdet den Patienten.

3.2.6

Wechseldruckbeatmung, PNPV

PNPV, Positive Negative Pressure Ventilation Definition. Die Wechseldruckbeatmung oder Positiv-Negativ-Beatmung ist ebenfalls definitionsgemäß eine Überdruckbeatmung; die Exspiration erfolgt jedoch nicht passiv, sondern wird aktiv durch einen vom Respirator ausgeübten Sog von –6 bis –10 mbar unterstützt (Abb. 3.10). Dadurch wird

Druck

3

Druck

3

ratorische Restvolumina (▶ Air-Trapping) und damit zur Aggravierung der Situation kommen. Zur Vermeidung zusätzlicher alveolärer Gasaustauschstörungen sowie kardiovaskulärer (Hypertonie, Tachykardie) und pulmonaler Komplikationen ist die Verabreichung von Sedativa und Analgetika zur Unterdrückung des Atemantriebs und Anpassung des Patienten an den Respirator in der Regel unumgänglich.

Flow

3

3

Volumen

Flow

3

3 3

Abb. 3.9 Volumenkontrollierte Beatmung VCCMV: „Gegenatmung“. Atemanstrengungen des Patienten führen zu erhöhten Atemwegsdrücken, Volumeninkonstanz durch Überschreiten des in­ spiratorischen Begrenzungsdrucks und vorzeitiger Triggerung maschineller Beatmungszüge (rote Mar­ kierungen). Gepunktete Linie: Theoretischer Druck­ Flow­Volumen­Verlauf ohne Gegenatmung.

Volumen

Zeit

Zeit

Abb. 3.10 Wechseldruckbeatmung. Erläuterungen im Text.

3.2 Kontrollierte Beatmungsverfahren

ein niedrigerer intrapulmonaler (alveolärer) Mitteldruck als bei IPPV (Intermittent Positive Pressure Ventilation) erreicht. Der venöse Rückstrom zum Herzen wird verbessert, die ungünstigen Auswirkungen der Überdruckbeatmung auf die HerzKreislauf-Funktion sind entsprechend geringer.

■ Klinische Bedeutung der Wechseldruckbeatmung Die PNPV begünstigt die Atelektasenbildung und verschlechtert damit den pulmonalen Gasaustausch, so dass diese Beatmungsform – trotz gewisser Vorzüge hinsichtlich der Hämodynamik – heute in der klinischen Routine nicht mehr angewendet wird.

a

b

■ Externe Wechseldruckbeatmung mit dem Tankrespirator (Eiserne Lunge) Wechseldruckbeatmung war auch die vorherrschende Form bei der Behandlung atemgelähmter Patienten mithilfe des sog. Tankrespirators (Abb. 3.11). Dabei liegt der Körper des Patienten bis zum Hals komplett im Inneren eines Hohlzylinders, der Kopf bleibt außen. Das Gerät schließt am Hals luftdicht ab und erzeugt einen Unterdruck von –15 mbar oder mehr, wodurch Außenluft durch Mund oder Nase des Patienten in die Lungen eingesaugt wird. Die Ausatmung wird durch Einleiten eines Überdrucks von ca. 5 mbar in die Patientenkammer erleichtert. Die Beatmungsfrequenzen liegen zwischen 10 und 20 Druckwechseln pro Minute. Die „Eiserne Lunge“ wurde um 1920 vom USamerikanischen Ingenieur Philip Drinker zur Beatmung lungenkranker Patienten entwickelt. Durch die Imitation der intrathorakalen Druckverhältnisse, wie sie unter normaler Spontanatmung vorliegen, erhoffte man sich eine möglichst „physiologische“ Beatmung. Diese Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Während der Polio-Epidemien Anfang der 50er Jahre zeigte sich die Überlegenheit der maschinellen Überdruckbeatmung via Endotrachealtubus. Hinweis Bis heute gibt es in der ganzen Welt zahlreiche Patienten, die auf die teilweise oder vollständige Unterstützung ihrer Atmung durch einen Tankre­ spirator angewiesen sind. Erst kürzlich starb eine Amerikanerin im Alter von 72 Jahren, die über 60 Jahre lang in einer eisernen Lunge verbracht hatte. Als Elfjährige erkrankte sie an Poliomye­ litis und war seitdem auf den 400 Kilogramm schweren Apparat angewiesen.

113

1

3 3 3 3 3 3 3 3

Abb. 3.11 Tankrespirator. a Tankrespirator E 52 von Dräger aus den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts. Durch Verschließen des durchsichtigen sog. Doms am Kopfende war bei geöffnetem Tank die Durchführung einer nichtinva­ siven Positivdruckbeatmung – ähnlich wie bei der modernen Helmbeatmung! – möglich. b Das Schema veranschaulicht das Prinzip des Tank­ respirators.

3 3

114

3 Beatmungsformen

3.3

Maschinell unterstützte Spontanatmung

3.3.1

Druckunterstützte Spontanatmung, PSV

1

3 3 3 3 3 3 3 3 3 3

PSV, Pressure Support Ventilation ASB, Assisted Spontaneous Breathing IPS, Inspiratory Pressure Support IFA, Inspiratory Flow Assistance IA, Inspiratory Assist PS, Pressure Support inspiratorische Druckunterstützung inspiratorischer Hilfsdruck Definition. Die druckunterstützte Beatmung ist eine Mischform aus Spontanatmung und maschineller Beatmung, die bereits 1981 in die Klinik eingeführt wurde und heute in jedem modernen Respirator verfügbar ist. Ursprünglich als Mode zur Entwöhnung vom Respirator eingeführt, wird PSV heute neben anderen Spontanatmungsverfahren bei allen Erkrankungsbildern eingesetzt, die eine partielle Übernahme der Atemarbeit durch den Respirator erfordern.

■ Funktionsprinzip PSV ist ein druckkontrollierter, patientengetriggerter und -gesteuerter Beatmungsmodus. Jede Inspirationsbemühung des Patienten verursacht nach Überwindung der ▶ Triggerschwelle einen sprunghaften Anstieg des Beatmungsdrucks auf das eingestellte inspiratorische Druckniveau. Diese Druckdifferenz löst einen dezelerierenden Flow aus, der vom initialen Maximum exponentiell abnimmt. Erfolgt keine Patiententriggerung, wird auch kein Volumen verabreicht. Die ▶ Flowdezeleration wird wesentlich durch die ▶ Zeitkonstanten der Lungen bestimmt. Das resultierende Tidalvolumen ist somit nicht nur abhängig von der Höhe des eingestellten Differenzdrucks sowie der Intensität und Dauer der Inspirationsbemühung, sondern auch von der Compliance und Resistance der Patientenlungen (Abb. 3.12).

Merke Der maschinelle Support ist abhängig vom Un­ terstützungsdruck sowie der Compliance und Resistance der Lunge. Die Exspiration wird eingeleitet, ● sobald der Flow auf einen vorgegebenen oder einzustellenden Prozentsatz des inspiratorischen Spitzenflows (z. B. 25 % bei Erwachsenen, 6 % in der Pädiatrie) abgesunken ist (▶ Flowsteuerung, Abb. 3.12), oder alternativ ● wenn ein definierter, nicht veränderbarer absoluter Flow (meist zwischen 2 und 6 l/min) unterschritten wird, oder ● Exspirationsbemühungen des Patienten als Druckanstieg (z. B. 1 – 3 mbar oberhalb des eingestellten inspiratorischen Unterstützungsdrucks) erkannt werden (▶ Drucksteuerung, Abb 3.12). Bei älteren Beatmungsgeräten sind die Umschaltkriterien meist fest vorgegeben. Einige neuere Respiratoren erlauben dagegen die Modifikation einzelner Variablen, z. B. des Spitzenflowprozentsatzes: Je höher dieser Wert eingestellt wird (z. B. auf 30 %), desto stärker wird die Inspirationszeit verkürzt. Aus Sicherheitsgründen wird bei manchen Geräten zusätzlich nach Ablauf einer bestimmten Zeit (z. B. 5 s) in die Exspiration geschaltet. Merke Im Idealfall bestimmt der Patient Beginn, Ver­ lauf und Volumen des maschinell unterstützten Atemzuges.

Beachte Die Umschaltung in die Exspiration korreliert nicht notwendigerweise auch mit dem Ende der Inspirationsbemühungen des Patienten. Ins­ besondere bei hoher inspiratorischer Druckun­ terstützung wird über die vollständige Relaxa­ tion der Atemmuskulatur hinaus weiter Volu­ men appliziert (Abb. 3.13). Diese maschinel­ le Volumenlieferung erfolgt unabhängig von den Inspirationsbemühungen des Patienten! Der Anteil der von der Maschine übernomme­ nen Atemarbeit hängt somit ganz erheblich von der Höhe der eingestellten Druckunterstützung sowie auch den Umschaltkriterien ab.

3.3 Maschinell unterstützte Spontanatmung

Abb. 3.12 Druckunterstützte Spontanatmung. Der Patient löst jeden Atemhub durch Triggerung aus, die Höhe der Flow­/Volumenlieferung wird durch die Höhe der Druckunterstützung (mit inspiratorischer Rampe) vorgegeben. Die Exspiration wird eingeleitet durch Unterschreiten eines definierten Prozentsatzes vom inspiratorischen Spitzenflow (a und c) oder durch akti­ ve Exspiration des Patienten (b) (rote Markierungen). Weitere Erläuterungen im Text.

b c eingestellte Druckunterstützung

Flow

Druck

a

115

1

3

Volumen

3 unterschiedliche Volumina

3 Zeit

PMuskel

3 Abb. 3.13 PSV: Atemmechanik und maschinelle Volumenlieferung. Die Flow­ und Volumenliefe­ rung nimmt trotz gleichbleibender Druckunterstützung mit zuneh­ menden Inspirationsbemühungen (pMuskel ≅ Pleuradruck) des Patienten zu. Die Volumenlieferung erfolgt über die vollständige Relaxation der Atemmuskulatur hinaus (rote Mar­ kierungen), da die Exspirationsphase erst nach Abfall des Spitzenflows unter 25 % (Umschaltkriterium) eingeleitet wird. Dieser Anteil der Druckunterstützung entspricht maschineller Beatmung.

Beginn Relaxation der Atemmuskulatur Ende

Druck

inspiratorischer Sog

Flow

Umschaltkriterium

3 3 3 3

Volumen

3 3 Zeit

116

3 Beatmungsformen

■ Geräteeinstellung

1

3 3 3 3 3 3 3 3 3 3

Die Einstellung der inspiratorischen Druckunterstützung variiert meist zwischen 3 und 15 mbar. Niedrige Druckunterstützungen können bei intubierten und spontan atmenden Patienten sinnvoll sein, um die zusätzliche inspiratorische Resistance durch Tubus, Beatmungsfilter und Demand-FlowSystem zumindest teilweise zu kompensieren. Die bessere Alternative ist jedoch die Aktivierung der automatischen ▶ Tubuskompensation (ATC), die als zusätzliche Option in neueren Beatmungsgeräten verfügbar ist. Leitparameter bei der Einstellung der Druckunterstützung in der klinischen Praxis ist das Tidalvolumen: Es sollte im Mittel ∼4 ml/kg KG (ideales KG) nicht unterschreiten. Andernfalls können die Atemfrequenzen ebenso wie der Anteil der Totraumventilation an der Gesamtventilation überproportional zunehmen. Umgekehrt nimmt der Anteil der Atemarbeit des Patienten ab, je höher die Druckunterstützung gewählt wird. Bei Druckunterstützungen von 10 mbar über PEEP und mehr ist von einer völligen Entlastung der Atemarbeit des Patienten auszugehen. Im Einzelfall muss die Höhe der inspiratorischen Druckunterstützung den individuellen pulmonalen und atemmechanischen Gegebenheiten des Patienten angepasst werden. Hinweis Bei korrekter Einstellung der Druckunterstüt­ zung sollten inspiratorische Kontraktionen des M. sternocleidomastoideus unter Ruheatmung gerade nicht mehr erkennbar sein (Abb. 3.14), die Spontanatmungsfrequenzen sollten unter 30 pro Minute liegen. Der wache Patient sollte kei­ ne Atemnot verspüren.

Beachte Bei einigen Respiratoren wird die Druckunter­ stützung in mbar über PEEP­Niveau angegeben, bei anderen wird das tatsächliche inspiratori­ sche Druckniveau unabhängig vom PEEP ein­ gestellt. Der absolute PSV­Druck errechnet sich hierbei aus dem eingestellten PSV­Druckniveau minus dem PEEP­Druck.

Merke Individuelle Einstellung der Druckunterstützung unter Berücksichtigung von Atemfrequenzen und Tidalvolumina.

■ PSV und Atemarbeit Insgesamt wird die druckunterstützte Spontanatmung von den meisten Patienten als sehr komfortabel empfunden, da sie neben der Atemfrequenz nicht nur den Beginn, sondern auch den Verlauf und das verabreichte Volumen des maschinell unterstützten Atemzuges mitbestimmen können. Im Vergleich zur reinen Spontanatmung mit oder ohne PEEP vermindert PSV signifikant die Atemarbeit und den O2-Verbrauch der Atemmuskulatur, wobei der Patient weitgehend die Kontrolle über das Atemmuster behält. Dadurch wird der ventilatorischen Erschöpfung entgegengewirkt. Gleichzeitig kann schnelle und flache Atmung oftmals vermieden werden, wodurch sich die alveoläre Ventilation verbessert. Die Höhe des Unterstützungsdrucks muss allerdings individuell ermittelt werden; sie orientiert sich an Tidalvolumina und Atemfrequenzen. Hohe inspiratorische Druckunterstützungen entsprechen druckkontrollierter Beatmung, der ventilatorische Eigenanteil des Patienten ist nur marginal. Beachte Vor allem Patienten mit insufÏzienter Funkti­ on der Atempumpe verhalten sich bei hoher Druckunterstützung so, als wären sie ▶ „as­ sistiert“ beatmet. Das heißt, ihre Muskelkraft reicht gerade aus, um die Inspiration zu trig­ gern, danach lassen sie sich passiv beatmen (Abb. 3.14). Die Übergänge zwischen Spontan­ atmung und maschineller Beatmung sind so­ mit fließend. Da der intubierte Patient zusätzliche tubusbedingte Atemarbeit leisten muss, kann bei CPAP-Spontanatmung die Einstellung einer Druckunterstützung von 3 – 5 mbar oberhalb des PEEP-Niveaus sinnvoll sein, sofern der Respirator nicht mit einer ▶ automatischen Tubuskompensation (ATC) ausgestattet ist.

3.3 Maschinell unterstützte Spontanatmung

a

117

b

p

di

E

di

E

sm

1

10

3

0

p

AW

10

0

3 VT

0 -1

Zeit

Abb. 3.14 Reduktion der inspiratorischen Atemarbeit durch inspiratorische Druckunterstützung. a Spontanatmung ohne inspiratorische Druckunterstützung. Deutliche elektrische Aktivitäten in Diaphragma (Edi) und Atemhilfsmuskulatur (hier: M. sternocleidomastoideus, Esm). Überlagerung durch EKG. b Spontanatmung mit inspiratorischer Druckunterstützung von 10 mbar. Reduzierte elektrische Aktivitäten in der Atemmuskulatur (weiterhin Überlagerung durch EKG), deutliche Abnahme der Atemfrequenzen. Beachte die Veränderungen der intrathorakalen Druckverhältnisse (Atemwegsdrücke pAW und transdiaphragmale Drü­ cke pdi). Die Tidalvolumina (V T) bleiben nahezu unverändert (nach einer Originalregistrierung von Brochard et al. 1989).

3 3 3

Merke Hohe Druckunterstützung entspricht de facto maschineller Beatmung. Hohe Spontanatmungsfrequenzen, wie sie z. B. bei agitierten Patienten auftreten, können zu Synchronisationsproblemen zwischen Patient und Respirator führen, Patient und Maschine geraten „außer Phase“ (Abb. 3.15). Die Folge ist, dass nicht mehr alle Inspirationsbemühungen des Patienten vom Respirator erkannt werden und der Patient gegen den Respirator atmet. Ursächlich sind neben den unvermeidlichen ▶ Triggerlatenzzeiten gelegentlich auch ▶ Intrinsic-PEEP-Effekte, die vor allem bei Patienten mit exspiratorischer Flowlimitierung (COPD, Asthma) gesehen werden. Abhilfe kann eine schrittweise Erhöhung der Druckunterstützung bringen. Intrinsic-PEEP-Phänomene lassen sich teilweise durch eine Anhebung des externen PEEP kompensieren. Häufig ist jedoch die medikamentöse Dämpfung des Atemantriebs notwendig.

Hinweis Desynchronisationsphänomene treten auch bei Verwendung von Beatmungshelmen im Rah­ men der ▶ nichtinvasiven Beatmung auf. Ursäch­ lich ist meist das große kompressible Volumen des Helms, was zur erheblichen Zunahme der Triggerlatenz führt. In diesen Fällen sollte der Wechsel des Equipments zur Vollgesichtsmaske, Mund­Nasen­Maske oder Nasenmaske erfolgen.

■ Inspiratorische Rampe Hohe geräteseitige Inspirationsflows bewirken schnelle Druckanstiege in den Atemwegen, wodurch dem ventilatorischen Bedarf des Patienten am ehesten entsprochen wird. Bei Patienten mit restriktiven Lungenveränderungen oder mit hoher Resistance in den Atemwegen kommt es jedoch zum vorzeitigen Abbruch der Inspirationsphase, da das Umschaltkriterium (Unterschreiten von z. B. 25 % des inspiratorischen Spitzenflows bzw. Erreichen der Druckgrenze) zu früh erreicht wird. Da-

3 3 3 3 3

118

3 Beatmungsformen

frustran

1 Druck

PAW PAlveol

Ende Inspiration

Flow

3 3

Ppleuv

Beginn Inspiration

Restflow

3

Volumen

3

Abb. 3.15 Isometrische Atemarbeit durch Phasenverschiebung. Dynamische Hyperinflation führt zu verzögerter Entleerung der Alveolen (PAlveol) und endexspiratorischem Restflow, der den initialen Inspirati­ onsbemühungen (PPleu) des Patien­ ten zuwiderläuft (rote Markierun­ gen). Der Triggerimpuls (Δt) erreicht den Respirator daher zeitversetzt, die maschinelle Druckunterstützung (PAW) wird zeitverzögert appliziert (rote Markierungen). Bei Patienten mit eingeschränkter ventilatorischer Reserve können Gerät und Patient dadurch intermittierend außer Pha­ se geraten, d. h., es wird nicht mehr jede Atemanstrengung maschinell unterstützt: frustrane Atemexkursi­ onen. Durch den Abbau des intrinsic PEEP folgt der nächste Atemzug nach kürzerer Triggerlatenz mit höherem Tidalvolumen. PPleu = Pleuradruck, PAW = Atemweg­ sdruck, PAlveol = Alveolardruck.

Zeit

3 3 3 3 3 3

Δt

Δt

Δt

durch werden nur vergleichsweise niedrige Volumina verabreicht. Bei manchen Beatmungsgeräten kann daher die Steilheit des inspiratorischen Druckanstiegs, d. h. die Zeit bis zum Erreichen des Druckplateaus, variiert werden. Dies wird durch die Reduktion der initialen Flowgeschwindigkeit erreicht. Durch den geringeren Spitzenflow („inspiratorische Rampe“) wird das Umschaltkriterium später erreicht, die Flowphase wird länger (Abb. 3.16). Trotz des niedrigeren Initialflows nehmen die Atemvolumina zu. Gleichzeitig kann häufig eine bessere Anpassung der Druckunterstützung an die Spontanatmung des Patienten erreicht werden. Wird die Druckanstiegsgeschwindigkeit allerdings zu niedrig eingestellt (z. B. 2 s), resultieren unter Umständen Luftnot und vorzeitige Exspirationsbemühungen des Patienten. Hierdurch sinkt die Akzeptanz der Atemhilfe, gleichzeitig steigt die Atemarbeit des Patienten an. Letztlich kann die Rampe nur anhand klinischer Parameter, d. h. der Beobachtung der Interaktion zwischen Patient und Maschine, eingestellt werden.

Faustregel Die Rampe sollte umso steiler eingestellt wer­ den, je höher der Atemantrieb (hohes Atemmi­ nutenvolumen, Tachypnoe) des Patienten ist. Bei wachen und kooperativen Patienten kann die optimale Einstellung durch den direkten Di­ alog zwischen Patient und Therapeut erleichtert werden.

Merke Die inspiratorische Rampe dient der besseren Anpassung der PSV an die pulmonalen Verhält­ nisse und die Bedürfnisse des Patienten.

■ Apnoefunktion Da PSV einen intakten Atemantrieb des Patienten zwingend voraussetzt, können Störungen des Atemantriebs, z. B. durch Sedativa oder opioid-

3.3 Maschinell unterstützte Spontanatmung

a Druck

Abb. 3.16 PSV: Inspiratorische Rampe. a Hoher Inspirationsflow, keine Rampe: Das 25 %­Kriterium (rote Markierung) wird früh erreicht. b Niedriger Inspirationsflow, inspi­ ratorische Rampe: Das 25 %­Kri­ terium wird später erreicht, die Flowphase ist länger.

b

Flowphase Rampe

25% des Spitzenflows Umschaltpunkt

Flow

Umschaltpunkt

119

1

3

Volumen

3

Zeit I

E

I

E

I

E

I

3

E

3 haltige Analgetika, zur Hypoventilation bis hin zur Apnoe führen. Diese Gefahr kann bei einigen Respiratoren durch Einstellen einer Sicherheitsfunktion, der sog. „Apnoeventilation“, vermieden werden. Dieser Back-up-Mechanismus wechselt automatisch in eine kontrollierte Beatmungsform über, sobald ein vorher definiertes Minutenvolumen oder eine Mindest-Atemfrequenz unterschritten wurden. Verfügt das Gerät über keine derartige Funktion, ist die engmaschige Überwachung der Atemvolumina, z. B. durch ▶ Kapnometrie, unerlässlich. Merke Die Aktivierung der Apnoeventilation erhöht die Sicherheit des Patienten.

■ Klinische Bedeutung der druckunterstützten Spontanatmung (PSV) Die PSV besitzt heute einen festen Stellenwert bei der maschinellen Beatmung respiratorisch insufÏzienter Patienten, entweder als eigenständige Beatmungsform oder in Verbindung mit ▶ S-IMV, ▶ MMV oder ▶ BIPAP. Selbst Patienten mit schwe-

ren Oxigenierungsstörungen können mit PSV, kombiniert mit hohem PEEP, erfolgreich behandelt werden, sofern der Atemantrieb intakt ist. Bei der schwierigen Entwöhnung langzeitbeatmeter Patienten ist PSV in vielen Zentren der Beatmungsmodus der Wahl.

3.3.2

Intermittierende mandatorische Beatmung, IMV

S-IMV, Synchronized Intermittent Mandatory Ventilation VC-S-IMV, Volume Controlled S-IMV (volumenkontrollierte S-IMV) PC-S-IMV, Pressure Controlled S-IMV (druckkontrollierte S-IMV) Definition. Die intermittierende mandatorische Beatmung ist seit 1973 in der klinischen Routine etabliert. IMV kombiniert Spontanatmung und volumen- oder druckkontrollierte, zeitgesteuerte maschinelle Beatmung bei Patienten, deren Eigenventilation zur Sicherstellung adäquater Atemminutenvolumina nicht ausreicht.

3 3 3 3 3 3

120

3 Beatmungsformen

■ Funktionsprinzip und Geräteeinstellung

1

3 3

Frequenz, Hubvolumen und Beatmungsmuster sind geräteseitig einstellbar, wobei die mandatorischen Beatmungshübe volumen- oder druckkontrolliert appliziert werden können. Zwischen den intermittierenden Beatmungszügen kann der Patient ungehindert spontan atmen (Abb. 3.17). Merke Die IMV erlaubt ungehinderte Spontanatmung zwischen den maschinellen Beatmungshüben. Bei volumenkontrollierter IMV-Beatmung resultiert das maschinelle Mindest-Atemminutenvolumen aus dem Produkt aus eingestelltem mandatorischem Tidalvolumen V T und IMV-Frequenz fIMV:

3 3 3

AMV = V T × fIMV Bei druckkontrollierter IMV ist die Höhe der applizierten Tidalvolumina abhängig von der ▶ Compliance und ▶ Resistance und damit inkonstant. Die Möglichkeiten des Patienten zur Beeinflussung der Ventilation sind durch die Einstellung der IMV-Parameter limitiert. Eine inadäquate Geräteeinstellung kann die Spontanatmung sogar behindern, z. B. wenn das spontane Atemzugvolumen größer

3

3

Erwartungszeitfenster. Werden die vorgegebenen maschinellen Beatmungszüge – wie heute üblich – patientengetriggert zur Verfügung gestellt, spricht man von S-IMV (Synchronized Intermittent Mandatory Ventilation). Die maschinellen Beatmungszüge können jedoch nur innerhalb eines bestimmten Zeitintervalls, des Erwartungszeitfensters, durch Flow- oder Drucktrigger ausgelöst werden, damit die freie Spontanatmung zwischen den Beatmungen nicht behindert wird. Wird vom Respirator innerhalb dieser definierten Zeiteinheit keine Spontanatmungsbemühung des Patienten registriert, wird der mandatorische Beatmungshub unsynchronisiert verabreicht (Abb. 3.17). Hinweis S­IMV ist nicht gleichbedeutend mit ▶ assistier­ ter Beatmung. Der entscheidende Unterschied zur klassischen assistierten Beatmung (▶ S­CMV, ▶ A/C) liegt darin, dass effektive Spontanatmung zwischen den maschinellen Beatmungshüben möglich ist, da nicht jede Inspirationsbemühung mit einem maschinellen Beatmungszug beant­ wortet wird. Die eingestellte IMV­Frequenz und die Höhe der maschinellen Tidalvolumina ent­

Abb. 3.17 S-IMV: Korrekte Einstellung ermöglicht Spontanatmung. Spontanatmungsbemühungen innerhalb des Erwartungszeitfens­ ters lösen (volumen­)kontrollierte Beatmungshübe aus (rote Markie­ rungen). Wird keine Inspirations­ bemühung detektiert, wird der maschinelle Beatmungshub unsyn­ chronisiert abgegeben.

Druck

Erwartungszeitfenster

Flow

3

als das eingestellte IMV-Volumen ist oder der Patient während des maschinellen Beatmungszuges atmet (siehe auch Abb. 5.10, S. 204).

3

Volumen

3

Zeit

3.3 Maschinell unterstützte Spontanatmung

scheiden somit über den effektiven ventilatori­ schen Support des Respirators. Sie bestimmen damit auch den Anteil des Respirators an der Atemarbeit des Patienten. Merke Bei S­IMV können maschinelle Beatmungszüge nur innerhalb des Erwartungszeitfensters ausge­ löst werden. Da Spontanatmung ausschließlich zwischen den intermittierenden maschinellen Beatmungshüben und innerhalb der Erwartungszeitfenster möglich ist, schließen hohe IMV-Frequenzen oder auch volumenkontrollierte Beatmungshübe mit niedrigem Inspirationsflow eine effektive Spontanatmung nahezu aus. Die Spontanatmungsaktivitäten des Patienten reduzieren sich dann auf die Triggerung der IMV-Beatmungszüge (Abb. 3.18).

dass sie zur alveolären Ventilation nur wenig beitragen. Dies führt nicht nur zu ineffektiver und unökonomischer Atemarbeit, insbesondere bei niedrigen PEEP-Niveaus kann es auch zum vorwiegend exspiratorischen Verschluss der kleinen Atemwege durch intermittierenden FRC-Abfall („shunt in time“) kommen, wodurch die Atemarbeit weiter erhöht wird. Bei eingeschränkter muskulärer Reserve, eingeschränkter FRC und/oder erhöhtem Ventilationsbedarf des Patienten erscheint daher die Unterstützung jedes einzelnen Atemzuges durch eine angemessene ▶ inspiratorische Druckunterstützung sinnvoll, zumal die in- und exspiratorische Atemarbeit durch zusätzliche Atemwegswiderstände wie Tubus, Demand-Ventile usw. ohnehin erhöht ist.

Merke Hohe IMV­Frequenzen und niedrige Inspirations­ flows verhindern eine effektive Spontanatmung. Andererseits können die spontan geatmeten Tidalvolumina zwischen den maschinellen Hüben bei insufÏzienter Atemmechanik so niedrig sein,

Beachte Notwendig ist die engmaschige Nachfüh­ rung der maschinellen Parameter an die aktu­ ellen ventilatorischen Bedürfnisse des Patien­ ten. Nachteilig ist auch, dass die maschinellen Beatmungszüge nach einem fest vorgegebenen Zeitraster appliziert werden – unabhängig da­ von, wie hoch die ventilatorische Eigenleistung des Patienten zu diesem Zeitpunkt ist. Das be­

Abb. 3.18 S-IMV: Fehlerhafte Einstellung verhindert Spontanatmung (SV). Die effektive Spontanatmungszeit zwischen den maschinellen Beatmungszügen wird bei Einstellung niedriger Flows reduziert. Nahezu jede Inspira­ tionsbemühung (SV) fällt in das Erwartungszeitfenster und wird mit einem maschinellen Beatmungs­ zug beantwortet. Häufig ist die frustrane Zwischenatmung (SV) in die maschinellen Beatmungshübe (Pfeile) ohne effektive Volumenver­ schiebung.

Druck

SV

SV triggert

Flow

SV triggert

1

3 3 3 3 3

Erwartungszeitfenster SV SV

121

3 3 3

Volumen

3 3 Zeit

3 3 3 3 3 3 3

Merke S­IMV erfordert das ständige Nachführen der maschinellen Parameter an die aktuellen ventila­ torischen Bedürfnisse des Patienten.

■ Klinische Bedeutung der synchronisierten intermittierende mandatorische Beatmung (S-IMV) S-IMV galt lange Zeit als Standardverfahren bei nahezu allen respiratorischen Störungen in der Intensivmedizin. Am meisten verbreitet war die volumenkontrollierte S-IMV, was allerdings im Wesentlichen durch die technischen Möglichkeiten der gängigen Respiratoren bedingt war. S-IMV wurde insbesondere zur Entwöhnung von der Beatmung eingesetzt, indem die Frequenzen der maschinellen Beatmungshübe schrittweise reduziert wurden. In klinischen Studien konnte jedoch gezeigt werden, dass das ▶ Weaning schneller und erfolgreicher mit anderen Beatmungsformen wie ▶ PSV oder ▶ BIPAP durchgeführt werden kann, so dass die Bedeutung von S-IMV in den letzten Jahren stark abgenommen hat.

3.3.3

3 3 3

Airway Pressure Release Ventilation, APRV

Definition. Airway Pressure Release Ventilation (APRV) bedeutet Spontanatmung auf einem hohen PEEP-Niveau von 20 – 30 mbar, wobei das PEEPNiveau zur CO2-Abatmung in regelmäßigen Abständen kurzzeitig auf 0 – 5 mbar entlastet wird („pressure release“) (Abb. 3.19). Während der kurzen Zeit der Systementlastung können schnelle Alveolen exspirieren, während langsame durch Aufrechterhaltung des intrinsic PEEP wie bei der ▶ Inverse Ratio Ventilation gebläht bleiben.

Druck

deutet, dass bei „zu viel“ maschineller Unter­ stützung die Spontanatmungskapazität des Patienten und damit die Fähigkeit zur teilwei­ sen Übernahme der Atemarbeit behindert wird. Bei „zu wenig“ maschineller Hilfe bzw. zu gro­ ßem Spontanatmungsanteil kann sich der Pati­ ent demgegenüber erschöpfen und in eine aku­ te ventilatorische InsufÏzienz geraten.

Flow

1

3 Beatmungsformen

Volumen

122

Zeit

Abb. 3.19 APRV mit Spontanatmung. Kurzzeitige Entlastung der Atemwegsdrücke (Pressure Release) mit entsprechenden Flow­ und Volumenverschiebun­ gen bei einem spontan atmenden Patienten.

■ Funktionsprinzip Entlastung und Aufbau des PEEP-Niveaus bewirken Volumenverschiebungen, die im weitesten Sinne als druckkontrollierte zeitgesteuerte maschinelle Beatmungshübe angesehen werden können. Demnach ergibt sich die ventilatorische Unterstützung aus der „Release“-Frequenz und der Druckdifferenz zwischen eingestelltem PEEP und Entlastungsniveau. Ziel der APRV-Atmung ist die Vergrößerung der gasaustauschenden Oberfläche durch alveoläres Rekruitment bei gleichzeitiger Erhaltung der Spontanatmungsmöglichkeit. Hinweis APRV ohne Spontanatmung ist identisch mit zeitgesteuerter, druckkontrollierter ▶ IRV­Be­ atmung mit extremem Atemzeitverhältnis (PC ­ IRV).

Merke APRV ermöglicht Spontanatmung auf hohem PEEP­Niveau mit kurzdauernder PEEP­Entlastung.

3.3 Maschinell unterstützte Spontanatmung

■ Geräteeinstellung

■ Klinische Bedeutung der Airway Pressure Release Ventilation (APRV)

1 Plow

Flow

Druck

Phigh Tlow

3 3

Volumen

Die Einstellung der Druckniveaus ist abhängig von der Ausprägung der Erkrankung. Je nach Schwere wird die Höhe des oberen Druckniveaus anfangs zwischen 25 und 30 mbar liegen mit einer Dauer von 2,5 – 4 s. Die Drucknachlasszeiten (Pressure Release) betragen zumeist 0,5 – 1 s. Nach einiger Zeit kann das obere Druckniveau schrittweise gesenkt werden, sofern sich die Oxigenierung darunter nicht verschlechtert.

Thigh

Beim akuten ▶ Lungenversagen konnten unter APRV – gegenüber konventionellen Beatmungsmodi wie ▶ PC-CMV – eine Verbesserung der Lungenfunktion sowie ein geringere Beeinträchtigung der Hämodynamik nachgewiesen werden. APRV verbessert jedoch nur dann den Gasaustausch und die Perfusion, wenn ein ausreichender Spontanatmungsanteil vorhanden ist. APRV hat als eigenständige Beatmungsform keine klinische Bedeutung, zumal das Konzept der Beatmung mit inversem Atemzeitverhältnis weitgehend verlassen wurde (siehe Abschnitt ▶ IRV-Beatmung).

Spontanatmung auf beiden (CPAP-)Druckniveaus und damit zu jedem Zeitpunkt innerhalb des Beatmungszyklus (Abb. 3.20).

3.3.4

■ Funktionsprinzip

Biphasische positive Druckbeatmung, BIPAP

BIPAP, Biphasic Positive Airway Pressure BiLevel Pressure Controlled Ventilation BiPhase Ventilation BiVent Definition. Als Variante von APRV hat sich mittlerweile BIPAP (Biphasic Positive Airway Pressure) in der klinischen Routine etabliert. Hierbei handelt es sich ebenfalls um eine druckorientierte Beatmungsform, bei der Höhe und Dauer beider Druckniveaus variabel und unabhängig voneinander eingestellt werden können. Die Wechsel der Druckniveaus erfolgen zeitgesteuert; sie können aber durch die Vorgabe eines entsprechenden ▶ Erwartungszeitfensters auch patientengetriggert ausgelöst werden. Im Unterschied zur herkömmlichen ▶ druckkontrollierten Beatmung erlaubt BIPAP darüber hinaus dem Patienten ungehinderte

123

Zeit

Abb. 3.20 BIPAP. Wechsel zwischen zwei Druckni­ veaus (Phigh und Plow), deren Dauer (Thigh und Tlow) zeitgesteuert ist. Freie Spontanatmung ist während des gesamten Atemzyklus möglich.

Anders als bei der konventionellen druckkontrollierten Beatmung, bei der das Exspirationsventil während des mandatorischen Atemhubes geschlossen bleibt, sind die In- und Exspirationsventile bei BIPAP während des gesamten Atemzyklus virtuell offen. Bei Spontanatmungsbemühungen des Patienten regelt der Respirator die Gasflüsse kontinuierlich nach, so dass die eingestellten oberen und unteren Atemwegsdrücke konstant bleiben. Die Wechsel der Druckniveaus erfolgen prinzipiell zeitgesteuert: anders als bei der herkömmlichen druckkontrollierten Beatmung (siehe Abb. 3.5, S. 108) lösen Inspirationsbemühungen des Patienten auf dem unteren Druckniveau keine vorzeitigen Beatmungszüge aus. Der maschinelle Beatmungszug kann zwar auch patientengetriggert (▶ Erwartungszeitfenster) ausgelöst werden, jedoch erst nach Ablauf der Phasendauer.

3 3 3 3 3 3 3 3

124

1

3 3 3 3 3 3 3 3 3 3

3 Beatmungsformen

Merke BIPAP erlaubt freie Spontanatmung auf zwei alternierenden CPAP­Niveaus.

Hinweis BIPAP darf nicht mit BiPAP verwechselt werden. Bei beiden Bezeichnungen handelt es sich um eingetragene Warenzeichen der Fa. Respironics Inc. Die Fa. Dräger darf allerdings die in der In­ tensivmedizin mittlerweile etablierte Bezeich­ nung BIPAP für ihre Intensivrespiratoren nutzen, solange sie in einer Fußnote auf diesen Umstand hinweist. Die Fa. Respironics Inc. verwendet die Bezeichnung BiPAP für die ▶ nichtinvasive Beat­ mung im Heimbeatmungsbereich (▶ BiPAP S/T­ D Ventilatory Support System). Im Gegensatz zum BIPAP der Fa. Dräger und zu entsprechenden Modes anderer Hersteller erfolgt die Umschaltung zwischen den beiden inspiratorischen Druck­ niveaus bei BiPAP jedoch flowgesteuert. De fac­ to handelt es sich bei BiPAP also um eine Form der druckunterstützten Beatmung (▶ PSV) mit dem Ziel, die Eigenatmung des Patienten zu aug­ mentieren.

■ Geräteeinstellung Da die Wechsel zwischen den Druckniveaus wie bei der druckkontrollierten Beatmung durch aktive maschinelle Volumenlieferung bzw. Entlastung des Systems erfolgen, wird der Anteil der maschinellen Unterstützung an der Gesamtventilation durch die Einstellung von Höhe und Zeitdauer der Druckniveaus definiert: Je größer die Differenz zwischen oberem und unterem Druckniveau ist und je kürzer die Phasenzeiten sind, desto größer ist der maschinelle Ventilationsanteil (Abb. 3.21). Bei der Einstellung der BIPAP-Parameter gelten prinzipiell die gleichen Kriterien wie bei der ▶ druckkontrollierten Beatmung (PC-CMV). Unabhängig voneinander können Inspirationsdruck und -dauer (Phigh und Thigh) sowie Exspirationsdruck und -dauer (Plow und Tlow) eingestellt werden. Damit ergibt sich eine breite Palette von druckkontrollierten Beatmungsverfahren, die sich von der Beatmung mit normalem Atemzeitverhältnis über die Beatmung mit umgekehrtem Atemzeitverhältnis (IRV-BIPAP oder APRV) bis hin zur Spontanatmung (CPAP) mit

und ohne inspiratorische Druckunterstützung erstreckt (siehe Abb. 3.22, S. 127). Inspiratorische „Rampe“. Wie bei der ▶ druckkontrollierten Beatmung (PC-CMV) ist der Initialflow bis zum Erreichen des vorgewählten oberen Druckniveaus hoch, danach nimmt er rasch ab (▶ dezelerierender Flow). Die Steilheit des Druckanstiegs zwischen dem unteren und dem oberen Druckniveau kann bei einigen Geräten – ähnlich wie bei der druckunterstützten Spontanatmung – variiert werden: inspiratorische „Rampe“ (Abb. 3.22). Hiermit wird bei manchen Patienten eine bessere Toleranz gegenüber den hohen Initialflüssen erreicht. Vorteile. Zusätzlicher Ventilationsbedarf des Patienten, z. B. durch Wachheit, Stress, Schmerz usw., kann durch die freie Spontanatmungsmöglichkeit jederzeit und bedarfsgerecht auf beiden Druckniveaus gedeckt werden: Aus „Gegenatmen“ wird „Mitatmen“. Die Übergänge zwischen Teilsubstitution und vollständiger Substitution der Ventilation – und damit der Anteil an der Gesamtatemarbeit – sind fließend. Merke „Mitatmen statt Gegenatmen“ unter BIPAP. Die zusätzliche Spontanatmung fördert einerseits den venösen Rückfluss, wodurch die Perfusion und damit auch der Sauerstofftransport verbessert werden. Andererseits wirkt sie sich günstig auf die ventilatorische Gasverteilung in den Lungen aus. Offenbar kann hierdurch der pulmonale Gasaustausch wesentlich verbessert werden. Ein weiterer und sehr wichtiger Vorteil ist, dass der ▶ Sedierungsbedarf unter BIPAP aufgrund der ungehinderten Spontanatmung geringer ist als unter S-IMV oder erst recht unter herkömmlicher PCVBeatmung. Typische Nebenwirkungen der Sedierung, wie z. B. Kreislaufdepression, Störung der Darmmotilität etc. können dadurch vermindert werden. Nachteile. Die applizierten Tidalvolumina hängen nicht nur von der Druckdifferenz zwischen den beiden eingestellten Druckniveaus, sondern ganz wesentlich auch von der Compliance und der Resistance der beatmeten Lunge ab und sind damit per se volumeninkonstant. Verändern sich diese lun-

3.3 Maschinell unterstützte Spontanatmung

a1

125

Druck

1

Druck

Zeit I

E

Zeit E

I

a2

3

E Druck

I

E

I

Zeit I

E

I

3

E

3

Druck

b1

3

Druck

Zeit I

E

Zeit E

I

E

E

3

b2 Druck

I

I

3 Zeit I

E

I

E

Abb. 3.21 Einstellung der BIPAP-Parameter. a Erhöhung der Atemwegsmitteldrücke durch Anhebung beider Druckniveaus (a1) oder Verlängerung der oberen Plateauphase (IRV­BIPAP) (a2) bei Oxigenierungsstörungen. b Erhöhung der Druckdifferenz zwischen den Plateaus (b1) oder Erhöhung der Druckwechselfrequenz durch Verkürzung einer oder beider Plateauzeiten (b2) bei Ventilationsstörungen.

genmechanischen Parameter, z. B. durch Rekrutierung zuvor verschlossener Lungenareale oder auch durch passagere oder dauerhafte Vigilanzänderungen des Patienten, verändern sich in entsprechender Weise auch die applizierten Volumina. Hieraus können unbemerkte, teilweise dramatische und langdauernde Veränderungen der applizierten

Tidalvolumina resultieren (▶ lungenprotektive Beatmung). Während kurzfristige Schwankungen der Tidalvolumina unproblematisch sein dürften, kann eine längerfristige unbemerkte Hyperinflation zur Überdehnung primär intakter Lungenareale und damit zu zusätzlichen Lungenschädigungen führen. Ebenso unerwünscht sind inadäquat nied-

3 3 3 3

126

1

3 Beatmungsformen

rige Tidalvolumina, da sie dem Ziel des alveolären Rekruitments entgegenwirken. Merke Die Beatmung mit BIPAP ist nicht gleichbedeu­ tend mit lungenprotektiver Beatmung!

3 3 3 3 3 3 3 3 3 3

■ BIPAP – ein Name für unterschiedliche Beatmungsformen Hinter der Bezeichnung „BIPAP“ verbergen sich mittlerweile eine Vielzahl unterschiedlicher Beatmungsformen und -muster, die von der vollständigen maschinellen Beatmung bis hin zur Spontanatmung nahezu alle Formen der maschinellen Unterstützung umfassen. Die von den Geräteherstellern zur besseren Charakterisierung des Beatmungsmodus eingeführten zusätzlichen Bezeichnungen, wie z. B. IMV-BIPAP, sind leider missverständlich und daher wenig hilfreich. Der Vollständigkeit halber werden sie dennoch im Folgenden beschrieben. Aus klinischer Sicht ist in jedem Fall eine nähere Differenzierung des eingestellten Beatmungsmodus unumgänglich, wobei die aktuellen Atmungsaktivitäten des Patienten mit berücksichtigt werden müssen. Hinweis Die geräteseitige Aktivierung des BIPAP­Modus bedeutet zunächst nichts weiter als die Wahl ei­ ner druckkontrollierten Beatmungsform, die dem Patienten zusätzliche spontane Atmung erlaubt. Ob und wie viel der Patient tatsächlich spontan atmet, hängt von der Tiefe der Analgosedierung sowie der Einstellung der Geräteparameter ab.

PCV-BIPAP

Atmet der Patient nicht spontan, ist BIPAP identisch mit der herkömmlichen zeitgesteuerten, druckkontrollierten Beatmung (PC-CMV) (Abb. 3.22a, siehe auch Abb. 3.5, S. 108). Dementsprechend sind hinsichtlich Gasaustausch oder Hämodynamik keine Vorteile gegenüber PC-CMV zu erwarten. Indikationen sind z. B. der tief sedierte oder sogar relaxierte Patient, bei dem Spontanatmung nicht möglich oder sinnvoll ist (z. B. tiefe Sedierung beim ▶ Schädel-Hirn-Trauma). Sind dagegen zusätzliche Spontanatmungsaktivitäten

erwünscht, z. B. zur Verbesserung des pulmonalen Gasaustauschs oder zur Einleitung der WeaningPhase, muss entweder die Analgosedierung reduziert und/oder die maschinelle Unterstützung vermindert werden (Reduktion der Tidalvolumina und/oder der Beatmungsfrequenzen). Damit geht die Beatmungsform definitionsgemäß in einen anderen Modus über, z. B. in das eigentliche, „originäre“ BIPAP. Merke BIPAP ohne Spontanatmung = druckkontrollierte Beatmung.

Originäres BIPAP

Thigh und Tlow sind etwa gleich lang, so dass der Patient auf beiden Druckniveaus ungehindert spontan atmen kann (Abb. 3.22b). Typische Einstellungen sind z. B. Thigh 3 – 6 s, Tlow 3 – 6 s, woraus sich BIPAP-Frequenzen zwischen 5 und 10/min ergeben. Die einzelnen Spontanatmungszüge selbst werden nicht unterstützt. Die maschinelle Unterstützung wird ausschließlich durch die Druckdifferenz zwischen den einzelnen Niveaus sowie deren Zeitdauer bestimmt (= maschinelle Beatmungsfrequenz). Die Wahl der Druckniveaus (Phigh und Plow) hängt ganz wesentlich von der Eigenventilation des Patienten ab. Übliche Einstellungen sind 5 – 10 mbar für das untere und 10 – 20 mbar für das obere Niveau, abhängig vom resultierenden mandatorischen Tidalvolumen. Durch Absenken von Phigh und/oder Verkürzen der Plateauzeiten wird der Spontanatmungsanteil erhöht, durch Anheben von Phigh und/oder Verlängern der Plateauzeiten erniedrigt.

BIPAP + PSV

Die Spontanatmung kann im BIPAP-Mode auf dem unteren Druckniveau zusätzlich durch eine ▶ inspiratorische Druckunterstützung unterstützt werden (Abb. 3.2c). Hierdurch lässt sich die Atemarbeit des Patienten reduzieren. Allerdings besteht die Gefahr, dass die Spontanatmungsaktivitäten durch eine zu hohe Einstellung der Druckunterstützung eingeschränkt werden, wodurch der positive Effekt von BIPAP auf die Atemmechanik und den pulmonalen Gasaustausch vermindert wird. Besonders unübersichtlich wird die Situation, wenn BIPAP mit ▶ PSV und ▶ ATC kombiniert wird, da eine Abschätzung der effekti-

3.3 Maschinell unterstützte Spontanatmung

Das obere CPAP-Niveau (Phigh) ist länger als das untere (Plow) (Abb. 3.22e). Wird Plow sehr kurz gewählt, z. B. 0,5 – 1,5 s, spricht man statt IRV-BIPAP auch von APRV (s. o.). In diesem Fall ist Spontanatmung nur auf dem oberen Druckniveau zu registrieren, da die Dauer von Plow zu kurz ist. Aber auch hier wird der Wechsel von Plow zu Phigh meist von einer spontanen Inspiration verstärkt. Eine typische Einstellung für BIPAP/APRV ist z. B. Thigh 2 – 6 s, Tlow 0,5 – 1,5 s (= APRV-Frequenz zwischen 8 und 24/min); Phigh 15 – 25 mbar, Plow 5 mbar. In der Regel kommt es hierbei zum Auftreten eines (erwünschten) ▶ intrisic PEEP.

CPAP

Bei dieser „extremen“ Einstellung von BIPAP sind Plow und Phigh identisch. Daher spielen die entsprechenden Zeiten (Tlow und Thigh) keine Rolle mehr (Abb. 3.22g). Die Spontanatmung kann mit inspiratorischer Druckunterstützung augmentiert werden.

Druck Druck b

Druck

3 3

Druck

c

3

d

Druck

IRV-BIPAP und APRV

a

3

e

3

Druck

Hinweis Bei der IMPRV (Intermittent Mandatory Pressure Release Ventilation) handelt es sich um eine her­ stellerspezifische Abwandlung des BIPAP, bei der jeder spontane Atemzug auf beiden Druck­ niveaus mit zusätzlicher, leichter Druckunter­ stützung augmentiert wird. Diese Form von BIPAP ist derzeit nur im Cesar­Ventilator verfüg­ bar.

1

f

3 Druck

ven maschinellen Atemunterstützung bzw. des Spontanatmungsanteils des Patienten kaum noch möglich ist. Besser ist es, sich für ein Konzept zu entscheiden: entweder Unterstützung jedes Atemzugs durch maschinellen Support wie bei der ▶ inspiratorischen Druckunterstützung oder Sicherstellung der alveolären Ventilation durch Unterstützung des Atemminutenvolumens mit ungehinderter Spontanatmung wie bei BIPAP, ggf. mit ATC.

127

g

Zeit

Abb. 3.22 BIPAP – ein vielseitiges Beatmungsverfahren. a PCV­BIPAP: druckkontrollierte Beatmung (PC­CMV) ohne Spontanatmung (s. auch Abb. 3.32), b originäres BIPAP: druckkontrollierte Beatmung mit ungehinderter Spontanatmung, c IMV­BIPAP mit Variation der inspiratorischen Druck­ anstiegsgeschwindigkeit (Rampe), d PSV­BIPAP: inspiratorische Druckunterstützung (PSV) der Spontanatmung, e IRV­BIPAP: Verlängerung des Atemzeitverhältnisses, f BIPAP/APRV: Extreme Inverse Ratio Ventilation, g CPAP: Angleichung beider Druckniveaus (mit und ohne inspiratorische Druckunterstützung).

3 3 3 3

128

1

3 3 3

3 Beatmungsformen

Hinweis Bei Oxigenierungsstörungen: Erhöhung der ▶ FRC und alveoläres ▶ Rekruitment durch Erhö­ hung des pulmonalen Mitteldrucks, z. B. durch ● gleichgerichtete Veränderung der unteren und oberen Druckniveaus, und/oder ● Verlängerung der oberen Druckniveaus: IRV­ BIPAP (Abb. 3.22e,f). Bei Ventilationsstörungen und Hyperkapnie: Erhöhung der Druckdifferenz zwischen den beiden Druckniveaus durch Erhöhung des oberen und/oder Senkung des unteren Drucks, oder ● Verkürzung der Niveauzeiten durch Zunah­ me der Beatmungsfrequenzen und Augmen­ tierung der Spontanatmung durch inspiratori­ sche Druckunterstützung, z. B. als IMV­BIPAP bzw. PSV­BIPAP (Abb. 3.22c,d). ●

3

Merke Hohe Druckunterstützung schränkt die effektive Spontanatmung ein.

3

■ Klinische Bedeutung der biphasischen positiven Druckbeatmung (BIPAP)

3 3 3 3 3

BIPAP in seinen unterschiedlichen Varianten ermöglicht dem Patienten additive Spontanatmung innerhalb des gesamten Beatmungszyklus. Durch Verknüpfung mit druckkontrollierter zeitgesteuerter Beatmung kann damit praktisch das gesamte Spektrum der maschinellen Beatmung bis hin zur vollständigen Spontanatmung realisiert werden, ohne dass der Beatmungsmodus gewechselt werden muss. Daraus resultieren im Vergleich zu anderen Beatmungsstrategien eine leichtere Bedienbarkeit sowie eine einfachere Anpassung an die aktuellen ventilatorischen Bedürfnisse des Patienten. Die Möglichkeit zur ungehinderten Spontanatmung verbessert den Komfort für den Patienten, gleichzeitig wird der pulmonale Gasaustausch optimiert. BIPAP ist damit nicht nur zur ▶ Entwöhnung vom Respirator geeignet, sondern auch zur ▶ postoperativen Nachbeatmung sowie zur Behandlung von Patienten mit ▶ ARDS. In vielen Kliniken wird BIPAP daher mittlerweile als Standardbeatmungsmodus bei nahezu allen Formen der respiratorischen InsufÏzienz eingesetzt.

3.3.5

Proportional Assist Ventilation, PAV

PPS, Proportional Pressure Support Definition. Proportional Assist Ventilation ist eine Modifikation der seit Jahren in der klinischen Praxis eingesetzten inspiratorischen Druckunterstützung. Wie diese augmentiert PAV jeden einzelnen Spontanatemzug des Patienten. Voraussetzung ist also auch hier ein intakter Atemantrieb des Patienten.

■ Funktionsprinzip Anders als bei der klassischen inspiratorischen Druckunterstützung, bei der das Druckniveau fest vorgegeben ist und durch unterschiedlich starke Atemanstrengungen des Patienten nicht beeinflusst werden kann, orientiert sich der Unterstützungsdruck an der Muskelkraft des Patienten. Die aktuelle ventilatorische Unterstützung ändert sich von Atemzug zu Atemzug proportional zur aufgebrachten inspiratorischen Arbeit des Patienten (= Inspirationssog). Sie unterliegt damit direkt der Kontrolle des Atemantriebs. Im Gegensatz zu PSV endet die maschinelle Flow-/Volumenlieferung jedoch mit dem Ende der aktiven Inspiration (Abb. 3.23), da das von ▶ PSV bekannte 25 %-Umschaltkriterium entfällt (siehe Abb. 3.13). Durch diesen Feed-back-Mechanismus soll sich der maschinelle Support den wechselnden ventilatorischen Bedürfnissen des Patienten besser und „physiologischer“ anpassen als die herkömmliche inspiratorische Druckunterstützung. Dabei soll gleichzeitig die Atemmuskulatur effektiver entlastet werden. Dies ist von besonderer Bedeutung bei lungenkranken Patienten, die aufgrund von erhöhter Resistance und/oder erniedrigter Compliance erhöhte Atemarbeit leisten müssen. Merke Die maschinelle Unterstützung ändert sich proportional zur inspiratorischen Atemarbeit.

PMuskel

3.3 Maschinell unterstützte Spontanatmung

Abb. 3.23 Proportional Assist Ventilation. Im Gegensatz zu PSV (siehe Abb. 3.13) nimmt die maschinelle Druckunterstützung mit zuneh­ menden Inspirationsbemühungen (pMuskel ≅ Pleuradruck) ebenfalls zu. Mit Beginn der Relaxation der Atemmuskulatur reduziert sich auch die maschinelle Flowlieferung (rote Markierungen) und endet gleichzei­ tig mit dem vollständigen Ende der Inspirationsbemühung.

Beginn Relaxation der Atemmuskulatur Ende

Druck

inspiratorischer Sog

129

1

3

Flow

3

Volumen

3 3 Zeit

■ Steuergrößen und Einstellung der Parameter Die Steuergröße der Druckunterstützung, der Pleuradruck als Äquivalent der Muskelkraft PMuskel, ist unter klinischen Bedingungen nicht oder nur ungenau messbar. Stattdessen werden als Kontrollvariablen der maschinellen Unterstützung die ▶ Compliance C und die ▶ Resistance R der Lunge eingesetzt, da die vom Patienten zu leistende Atemarbeit ganz wesentlich von diesen Größen abhängt. R × V� + 1 PMuskel = C × Volumen Zur teilweisen oder vollständigen Kompensation der Muskelarbeit ist somit bei der primären Einstellung von PAV zumindest näherungsweise die Kenntnis von Resistance und Compliance der Lunge erforderlich. Der Grad der maschinellen Unterstützung ist einstellbar, getrennt nach resistivem und elastischem Anteil. Bei fehlerhafter Einstellung sind Instabilitäten des Feed-back-Mechanis-

mus möglich, die zu Unter- oder Überkompensation führen. Die exakte Bestimmung von Compliance und Resistance ist nur bei volumenkontrollierter Beatmung ohne Spontanatmungsaktivitäten möglich. Spontan atmende Patienten müssen hierfür entweder kurzfristig tief sediert oder bis zum Sistieren der Spontanatmung hyperventiliert werden. Für die tägliche klinische Routine ist dieses Vorgehen jedoch zu aufwändig und invasiv, zumal sich die atemmechanischen Parameter des wachen, spontan atmenden Patienten durch Stress, Schmerz oder Sedierung schnell ändern können. Stattdessen werden Compliance und Resistance zumeist anhand klinischer Parameter abgeschätzt. Hierdurch besteht jedoch das Risiko der Über- oder Unterkompensation durch fehlerhafte Anpassung der Geräteparameter.

3 3 3 3 3 3

130

1

3 3 3 3 3 3

3 Beatmungsformen

Hinweis Zur Vermeidung einer Überkompensation sollte primär nur eine etwa 80 %ige Kompensa­ tion der Atemarbeit angestrebt werden. Den­ noch sind sog. „Runaway“­Phänomene nicht auszuschließen, z. B. durch Verbesserung der Lungencompliance im Verlauf und/oder unzu­ reichende Nachführung der Geräteparameter. Zeichen der Überkompensation können inad­ äquat hohe Tidalvolumina sein, Aktivierung der Exspirationsmuskulatur („Pressen“) oder auch Unruhe des Patienten („zuviel Luft“).

■ Klinische Bedeutung der Proportional Assist Ventilation (PAV) Obwohl PAV bereits vor vielen Jahren in die intensivmedizinische Praxis eingeführt wurde, liegen aussagefähige kontrollierte Untersuchungen bei definierten Krankheitsbildern bisher nicht vor. Nur in wenigen Zentren wird PAV bisher in der klinischen Routine eingesetzt. Die bisherigen Ergebnisse weisen darauf hin, dass PAV nicht nur bei restriktiven Lungenerkrankungen, sondern auch bei Patienten mit InsufÏzienz der Atempumpe, z. B. bei chronischer ventilatorischer InsufÏzienz (COPD, neuromuskulären Erkrankungen), Vorteile gegenüber PSV aufweisen könnte. In der klinischen Praxis problematisch ist die korrekte Einstellung und Anpassung der Steuergrößen anhand von Resistance und Compliance, die eine breite Anwendung der Methode bisher verhindert hat.

3 3.4

3 3 3

Spontanatmung

SV, Spontaneous Ventilation Definition. Bei reiner Spontanatmung muss die in- und exspiratorische Atemarbeit allein und ausschließlich vom Patienten erbracht werden. Atemarbeit. Da die Atemarbeit beim intubierten Patienten durch die Widerstände von oralen oder nasalen Endotrachealtuben, Ventilen, Atemgasfiltern usw. zusätzlich erhöht ist, sollte Spontanatmung ohne zusätzliche maschinelle Atemhilfe über längere Zeiträume vermieden werden.

Merke Keine Spontanatmung durch den Tubus ohne adäquaten maschinellen Support! In der Klinik wird zur Reduktion der tubusbedingten Atemarbeit häufig die Einstellung einer geringen inspiratorischen ▶ Druckunterstützung, z. B. 5 mbar, empfohlen. Nachteilig ist hierbei jedoch, dass – unabhängig von den Inspirationsbemühungen des Patienten – immer nur ein fest eingestellter Unterstützungsdruck zur Verfügung steht. Eine ideale Kompensation der tubusbedingten Widerstände kann dadurch nur in einem engen Flowbereich erreicht werden (Abb. 3.24). Erzeugt der Patient durch seine Inspirationsbemühung höhere Flüsse, z. B. zu Beginn der Inspiration, ist die zu überwindende Druckdifferenz über den Tubus erheblich höher als der eingestellte PSV-Druck und die tubusbedingten Widerstände werden unvollständig kompensiert. Bei niedrigen Gasflüssen, wie sie zum Inspirationsende auftreten, werden dagegen die inspiratorischen Tubuswiderstände überkompensiert. Der zur Tubuskompensation erforderliche PSVDruck kann also nur abgeschätzt und als Mittelwert eingestellt werden. Merke PSV ist zur Kompensation der tubusbedingten zusätzlichen Atemarbeit nur bedingt geeignet.

3.4.1

Automatische Tubuskompensation, ATC

ATC, Automatic Tube Compensation ARC, Airway Resistance Compensation Definition. Die Zusatzfunktion ATC kompensiert den zusätzlichen tubusbedingten Atemwegswiderstand, so dass der Tubuswiderstand für den spontan atmenden Patient im Idealfall nicht mehr spürbar ist. Während der kontrollierten Beatmung ist die Verengung der Atemwege durch den Endotrachealtubus vernachlässigbar, da das Beatmungsgerät die zusätzlichen, tubusbedingten Atemwegswiderstände problemlos überwindet. Unter Spontanatmungsbedingungen dagegen, z. B. im Rahmen der Entwöhnung vom Respirator, erschwert dieser

3.4 Spontanatmung

Druckabfall Tubuskonnektor – Tubusspitze (Tubus-ID 7,5mm) bei SV mit PSV

Druck (mbar)

25 20 15 10 5

Unterkompensation

PSV-Druck

Abb. 3.24 Kompensation der Tubuswiderstände mit PSV. Bei Spontanatmung mit inspiratorischer Druckunterstützung von 5 mbar durch einen Tubus (7,5 mm ID) wird eine optimale Tubuskompensation lediglich bei Flüssen im Bereich von ca. 45 l/min erreicht. Höhere Atem­ gasflüsse führen zur Unterkompensa­ tion der tubusbedingten Atemarbeit, niedrigere zur Überkompensation.

131

1

3

Überkompensation 10

20

30

40

50

60

70

zusätzliche Widerstand die Atmung und erhöht die Atemarbeit im Vergleich zum nicht intubierten Patienten. Die Beziehung zwischen Tubusresistance und Atemgasflow ist dabei wegen der auftretenden Turbulenzen nichtlinear: Je höher der Flow, desto höher ist der tubusbedingte Atemwegswiderstand und desto höher ist die zusätzliche Atemarbeit für den Patienten.

■ Funktionsprinzip Erreicht wird die sog. „elektronische Extubation“ durch eine auf mathematischen Algorithmen basierende automatische Anpassung der inspiratorischen Druckunterstützung an die Tubusgeometrie und damit dessen Widerstand bei wechselnden Inspirationsflows. Die Höhe der zur Kompensation der inspiratorischen Tubuswiderstände erforderlichen Druckunterstützung resultiert aus dem durch die Atemanstrengungen des Patienten erzeugten Unterdruck in der Lunge. Dieser ist in erster Linie abhängig vom Tubusdurchmesser und führt zur Druckdifferenz (ΔPTubus) zwischen Anfang und Ende des Tubus, die umso höher ist, je mehr Flow vom Patienten angefordert wird. Die daraus resultierende zusätzliche Atemarbeit kann kompensiert werden, indem der Druck vor dem Tubus genau um den Betrag dieser Druckdifferenz erhöht wird. Da sich die Druckdifferenz über dem Tubus nach dem ▶ Hagen-PoiseuilleGesetz annähernd quadratisch zum Gasfluss ändert, lässt sich die aktuelle Druckdifferenz und damit auch der zur Kompensation notwendige Unterstüt-

80 90 Flow (l/min)

zungsdruck bei bekanntem Flow und bekanntem Tubusdurchmesser kontinuierlich errechnen. Die direkte Messung des Druckes an der Tubusspitze ist dazu nicht erforderlich. Aus den kontinuierlich ermittelten Daten stellt der Respirator die für den jeweiligen Flow benötigte Druckunterstützung bereit (Abb. 3.25), so dass ein spontan atmender Patient von der Atemanstrengung her idealerweise das Gefühl hat, er sei nicht intubiert.

3 3 3 3

■ Geräteeinstellung Die einzige Variable, die vom Anwender festgelegt und am Beatmungsgerät eingestellt wird, ist die Art und Größe des verwendeten Tubus.

3

Hinweis Die technische Umsetzung von ATC ist nicht unproblematisch. Idealerweise erfordert die korrekte Tubuskompensation nämlich nicht nur die kontinuierliche Abtastung des Flowsignals, sondern gleichzeitig auch die Ermittlung und verzögerungsfreie Lieferung der ermittelten Druckunterstützung. Dieser Prozess funktio­ niert optimal bisher nur in Beatmungsgerätepro­ totypen für Forschungszwecke. Dagegen ist die Tubuskompensation in kommerziell erhältlichen Respiratoren bislang nicht immer zufriedenstel­ lend. Probleme in der täglichen Praxis ergeben sich hauptsächlich durch partielle Einengungen des Tubus durch Sekret oder Abknickung oder

3 3 3 3

132

1

3 Beatmungsformen

a

b

∆PTubus

3 3 3

∆PTubus

Abb. 3.25 Tubuskompensation. a ohne ATC: zusätzliche muskuläre Atemarbeit zur Überwindung der tubusbedingten Druckdifferenz ΔPTubus. b mit ATC: Reduktion der zusätzlichen muskulären Atemarbeit durch maschinelle Kompensation der tubus­ bedingten Druckdifferenz ΔPTubus mit einer bedarfsorientierten Druckunterstützung.

auch den Kontakt der Tubusspitze mit Trache­ alschleimhaut, die zu einer mangelhaften Kom­ pensation der tatsächlichen Widerstände führt.

3 3 3 3 3 3

Ventilator

Ventilator

3

Merke ATC ist zur Kompensation der zusätzlichen Tu­ buswiderstände bei Spontanatmung besser ge­ eignet als PSV.

■ Klinische Bedeutung der automatischen Tubuskompensation (ATC) Zahlreiche Untersuchungen sowie die klinische Erfahrung deuten darauf hin, dass die Verwendung von ATC trotz nach wie vor bestehender technischer Unzulänglichkeiten Vorteile gegenüber der Einstellung einer fixen inspiratorischen Druckunterstützung und erst recht im Vergleich zur Spontanatmung ohne jede Tubuskompensation bietet. Da die Mehrzahl der Patienten zudem einen deutlich besseren Spontanatmungskomfort nach Aktivierung von ATC angibt, sollte zumindest in der Entwöhnungsphase ATC gegenüber der alternativen Tubuskompensation durch eine niedrige inspiratorische Druckunterstützung bevorzugt werden.

3.4.2

Continuous Positive Airway Pressure, CPAP

Spontanatmung mit PEEP Definition. In Verbindung mit der Applikation eines kontinuierlichen positiven Atemwegsdrucks spricht man von Spontanatmung mit ▶ PEEP (Positive End-Expiratory Pressure) oder CPAP-Atmung. Ziel ist die Verbesserung des pulmonalen Gasaustauschs bei Oxigenierungsstörungen. Hinweis Diese Form der CPAP­Atmung wird in der Regel nur in der Intensivmedizin oder vergleichbaren Einrichtungen durchgeführt. Davon abzugrenzen ist die CPAP­Therapie im Rahmen der Behand­ lung des ▶ Schlafapnoe­Syndroms. Ziel der Be­ handlung ist die Stabilisierung der oberen Luft­ wege durch leichten Überdruck („pneumatische Schienung“). Hierzu werden spezielle, leicht be­ dienbare und technisch recht einfache CPAP­Ge­ räte eingesetzt. Die Einspeisung von Sauerstoff in den Atemgasstrom ist bei diesen Geräten – wenn überhaupt – meist nur optional möglich.

■ Demand-Flow-CPAP Die in moderne Respiratoren integrierten Demand-Flow-CPAP-Systeme arbeiten mit Bedarfsflow. Nach ▶ Triggerung des Inspirationsventils erfolgt die Flowlieferung, wobei der vom Respirator bereitgestellte Flow von der Höhe der Inspirationsbemühung (Inspirationssog) des Patienten abhängt. Maximaler inspiratorischer Sog öffnet das Inspirationsventil vollständig, so dass – gerätespezifisch unterschiedlich – Gasflows bis 180 l/min zur Verfügung gestellt werden können. Allerdings kann die Bereitstellung der Atemgase nur mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung (Latenzzeit) erfolgen (Abb. 3.26). Die Steuerung des Ventils entscheidet über die Konstanz des Druckniveaus und die Latenzzeit zwischen Triggerimpuls und Öffnung des Ventils. Die vom Patienten zur Triggerung der DemandVentile zusätzlich zu leistende Atemarbeit ist bei modernen Respiratoren nur gering, da diese meist mit ▶ Biasflows (siehe Abb. 3.31) arbeiten. Sinnvollerweise sollte CPAP mit ▶ ATC oder einer geringen ▶ inspiratorischen Druckunterstützung zur Tubuskompensation kombiniert werden. Der Übergang zur ▶ nichtinvasiven Beatmung ist damit fließend.

3.4 Spontanatmung

133

Von Vorteil sind der im Vergleich zu ContinuousFlow-Geräten (s. u.) geringere Gasverbrauch sowie die problemlose Überwachung der Atmungsparameter.

1

Merke Die zusätzliche Atemarbeit durch die Demand­ Flow­Systeme moderner Respiratoren ist ver­ nachlässigbar.

3 ■ Continuous-Flow-CPAP Der kontinuierlich fließende Atemgasstrom erzeugt in Verbindung mit einem PEEP-Ventil den positiven Atemwegsdruck, ohne dass der Patient zusätzliche Atemarbeit zur Triggerung von Demand-Ventilen aufbringen muss (Abb. 3.26). Zur Reduzierung des Gasverbrauchs und Glättung von in- und exspiratorischen Druckschwankungen im System verfügen die meisten kommerziell erhältlichen Geräte über ein Reservoir mit hoher Compliance im Inspirationsschenkel. Einfache Continuous-Flow-CPAP verfügen zumeist über keinerlei atemmechanisches Monitoring. Sie werden – über

3 3 3 3

Demand-Flow-CPAP

Abb. 3.26 Flowlieferung bei Spontanatmung mit CPAP. Die Höhe der Flowlieferung hängt von den Inspira­ tionsbemühungen des Patienten ab. Demand­Flow: Die Flowlieferung erfordert die Triggerung des In­ spirationsventils und erfolgt daher zeitverzögert (Lupe). Continuous Flow: unmittelbare Bereitstellung des Inspirationsflows ohne Ventil­bedingte Zeitverzöge­ rung (Lupe).

Continuous-Flow-CPAP

PEEP

Beginn der Atemgaslieferung

Flow

Druck

Beginn Inspirationsbemühung

3 3 3

Volumen

3 3 Zeit

134

3 Beatmungsformen

1

Maske oder Tubus – vor allem bei Patienten mit Gasaustauschstörungen verwendet, bei denen keine zusätzliche Ventilationsassistenz nötig ist.

3.5

3 3 3 3 3 3 3 3 3 3

Rückkoppelnde Systeme: Hybridverfahren

Servokontrolierte Systeme Weiterentwicklungen von Hard- und Software ermöglichen mittlerweile vielfältige Kombinationen von druck- und volumenkontrollierter Beatmung, wodurch die spezifischen Nachteile beider Verfahren teilweise eliminiert werden können. Diese sog. servokontrollierten Systeme sind keine eigenständigen Beatmungsformen. Es handelt sich vielmehr um rückkoppelnde oder auch Feed-Back-Systeme, die bei definierten Beatmungs-/Atmungssituationen innerhalb bestimmter Grenzen definierte Prozeduren ausführen, um ein vorher festgelegtes Ziel mit einer vorgegebenen Strategie zu erreichen. Vorteile. Vorteilhaft ist, dass die mikroprozessorgesteuerte Anpassung einer oder mehrerer Variablen selbsttätig und teilweise ohne Alarmierung erfolgt, wodurch sowohl Patient als auch Pflegepersonal entlastet werden. Ein Beispiel ist der „Volumengarantie-Modus“ druckkontrollierter Beatmungsverfahren. Im Gegensatz zur klassischen PC-CMV ist das Tidalvolumen Ziel- und Messgröße. Einige Modes berücksichtigen zusätzlich die ventilatorische Kapazität des Patienten. Durch die Vermeidung der Volumeninkonstanz bei druckkontrollierter Beatmung wird auch ▶ lungenprotektiven Aspekte der Beatmung Rechnung getragen. Nachteile. Die maschinelle Unterstützung (Flow, Inspirationsdruck) wird bei den unterschiedlichen Verfahren zwar grundsätzlich den atemmechanischen Eigenschaften der beatmeten Lunge bzw. den Bedürfnissen des Patienten angepasst, jedoch immer auf der Basis vorangegangener Atemzüge. Hinweis Aus streng technischer Sicht gehören auch PSV und ATC zu den rückkoppelnden Systemen.

3.5.1

Mandatorische Mindest-Ventilation, MMV

MMV, Mandatory Minute Ventilation MMV, Minimal Minute Volume AMV, Augmented Minute Volume EMMV, Extended Mandatory Minute Volume Definition. Dieses bereits seit vielen Jahren in die klinische Routine eingeführte Feed-back-System beschreibt eine IMV-Variante, bei der das spontan geatmete Minutenvolumen kontinuierlich mit dem vorgegebenen Zielparameter „Atemminutenvolumen“ verglichen und ggf. durch Applikation volumenkontrollierter maschineller Beatmungen angepasst wird.

■ Funktionsprinzip Maschinelle Beatmungszüge werden vom Respirator nur dann abgegeben, wenn in einem definierten Zeitfenster das vorgewählte Mindest-Spontanatemminutenvolumen nicht erreicht wurde (Abb. 3.27). Bei ausreichender Spontanatmung dagegen, die auch durch ▶ inspiratorische Druckunterstützung (PSV) unterstützt werden kann, unterbleiben die maschinellen Beatmungshübe.

■ Vor- und Nachteile Vorteile. MMV erlaubt dem Patienten mehr ventilatorischen Spielraum als die konventionelle, vergleichsweise starre zeitgesteuerte, volumenkontrollierte ▶ S-IMV-Beatmung. Bei ausreichender Spontanatmung wird der maschinelle Support automatisch und schrittweise vollständig zurück genommen, bei unzureichender ventilatorischer Eigenleistung entsprechend hoch gefahren. Nachteile. Die bedarfsgesteuerte maschinelle Volumensubstitution orientiert sich nicht am Spontanatmungsmuster des Patienten, sondern allein am verschobenen ventilatorischen Minutenvolumen. Eine beginnende ventilatorische InsufÏzienz mit einem hohen Anteil an Totraumventilation durch niedrige Atemzugvolumina und hohe Atemfrequenzen kann auf diese Weise verschleiert werden. Nachteilig ist die MMV-Steuerung auch bei steigendem Ventilationsbedarf des Patienten, z. B.

3.5 Rückkoppelnde Systeme: Hybridverfahren

Druck

PSV-Druck

Minutenvolumen Tidalvolumen

Minutenvolumen Tidalvolumen

Beatmungshübe

Mindestminutenvolumen

Zeit

1

Erhöhung der Druckunterstützung

3 3

Mindestminutenvolumen

Zeit

Abb. 3.27 MMV durch intermittierende mandatorische Beatmungshübe. Aufrechterhaltung des Minutenvolumens durch intermittierende maschi­ nelle Beatmung: InsufÏziente Spontanatmung führt zur Abgabe von druck­ oder volumenkontrollierten maschinellen Beatmungszügen, bis das vorgewählte Minutenvolumen wieder erreicht ist.

Abb. 3.28 Volume Support durch variable inspiratorische Druckunterstützung. Aufrechterhaltung des Minutenvolumens durch Variation der inspira­ torischen Druckunterstützung: PSV­Erhöhung bei Unterschreiten, PSV­Reduktion bei Überschreiten des vorgewählten Minutenvolumens.

durch Stress oder Schmerz: Der sich zunehmend anstrengende Patient wird mit einer Reduktion des maschinellen Supports bestraft.

maximale Druckunterstützung wird durch eine manuell eingestellte obere Druckgrenze begrenzt. Durch die Voreinstellung der gewünschten Atemfrequenz zusammen mit dem Ziel-Tidalvolumen gleicht der Regelalgorithmus selbständig ein Absinken der Atemfrequenz unter den Zielwert mit einer entsprechenden Erhöhung des Tidalvolumens über den Zielwert aus, so dass eine konstante Minutenventilation resultiert. Werden vom Respirator keine Atemanstrengungen registriert, wird Alarm ausgelöst und die Tidalvolumina werden unsynchronisiert entsprechend der voreingestellten Frequenz abgegeben.

3.5.2

Volume Support, VS

VPS, Variable Pressure Support Definition. Druckkontrollierte, volumenorientierte, obligat patientengetriggerte MMV-Variante auf der Basis von ▶ PSV, erweitert durch die Voreinstellung weiterer Zielparameter (Atemzugvolumen, Atemfrequenz).

■ Funktionsprinzip Wird das voreingestellte Mindest-Atemminutenvolumen vom Patienten nicht spontan erbracht, erhöht das Gerät unter Berücksichtigung der aktuellen Compliance stufenweise die ▶ inspiratorische Druckunterstützung jedes Atemzuges, bis das Atemminutenvolumen erreicht ist (Abb. 3.28). Die

135

3 3 3 3 3 3

■ Vor- und Nachteile Vorteile. Konstanz von Tidal- und Minutenvolumina über einen weiten Bereich, unabhängig z. B. von Veränderungen der Compliance oder Resistance oder wechselndem Atemantrieb des Patienten. Die Orientierung der Mindest-Ventilation am Atemzugvolumen verhindert Tachypnoe und vermindert das Risiko der progredienten ventilatorischen

3 3

136

1

3 3 3 3 3 3 3 3 3 3

3 Beatmungsformen

Erschöpfung, so dass dieses Konzept eine gute Alternative zum oben beschriebenen IMV-MMVModus darstellt. Bei ausreichender Eigenatmung entspricht die Atmung praktisch einer Spontan-/ CPAP-Atmung mit inspiratorischer Druckunterstützung. Bei spontan atmenden Patienten bietet der Modus eine gute Alternative zur ▶ Apnoeventilation. Nachteile. Die Kompensation einer zu niedrigen Atemfrequenz durch konsekutive Anstiege der Tidalvolumina ist nicht unproblematisch (siehe auch ▶ lungenprotektive Beatmung). Ein weiterer Nachteil resultiert aus dem Feed-back-Prinzip: Verstärkt der Patient seine Atemanstrengungen und damit sein Atemzugvolumen, hat dies immer eine Reduktion des maschinellen Supports zur Folge. Sie ist im Sinne einer automatischen Entwöhnung vom Respirator auch erwünscht, sofern die intensivierte Eigenatmung Folge einer zunehmend kräftigeren Atemmuskulatur ist. Erfolgt sie jedoch aufgrund eines erhöhten Ventilationsbedarfs, wäre die Reduktion der Druckunterstützung dagegen kontraproduktiv (siehe auch ▶ MMV).

■ Klinische Bedeutung von MMV und VS Obwohl MMV nahezu das gesamte Spektrum der maschinellen Beatmung von der kontrollierten Beatmung bis zur Spontanatmung umfasst, konnten sich dieser Modus und seine Varianten in der klinischen Routine bisher nicht durchsetzen. Unter Beachtung der o. g. Einschränkungen kann jedoch vor allem die PSV-Variante mit gutem Erfolg bei zahlreichen Formen der respiratorischen InsufÏzienz sowie zur Entwöhnung eingesetzt werden.

3.5.3

Druckregulierte, volumenkontrollierte Beatmung, PRVC

PRVC, Pressure Regulated Volume Controlled Ventilation (Siemens) VC+ (Puritan Bennett)

■ Funktionsprinzip Grundlage ist ein volumengeregeltes Verfahren auf der Basis von VC-CMV, bei dem der Inspirationsflow automatisch so geregelt wird, dass ein möglichst geringer Atemwegsdruck resultiert. Mithilfe eines komplexen Regelalgorithmus wird die aktuelle Compliance des respiratorischen Systems Atemzug für Atemzug ermittelt, woraus sich für den nachfolgenden Atemzug der minimale inspiratorische Druck zum Erreichen des vorgewählten Tidalvolumens ergibt. Dementsprechend resultiert die Höhe des Inspirationsdrucks – neben dem eingestellten Atemhubvolumen – aus den atemmechanischen Eigenschaften der Lunge. Ändert sich z. B. die Compliance, verändert sich auch der Plateaudruck. Die Anpassung des inspiratorischen Drucks erfolgt dabei in 3-mbar-Schritten bis zu einem einstellbaren Drucklimit, so dass das gewählte Zielvolumen annähernd konstant bleibt (Abb. 3.29).

■ Geräteeinstellung Statt der starren Einstellung eines oberen und unteren Druckniveaus wie bei ▶ VC-CMV gibt der Anwender für die maschinellen Atemhübe ein mandatorisches Ziel-Atemhubvolumen vor, das auf die individuellen Erfordernisse der Patientenlunge zugeschnitten ist. Hinweis Um ein unkontrolliertes Ansteigen der Atem­ wegsdrücke bei einem Abfall der Compliance zu vermeiden, muss bei diesem sowie auch den im Folgenden beschriebenen Systemen immer eine obere Druckbegrenzung eingestellt werden.

■ Vor- und Nachteile

3.5.4

Vorteile. Unbemerkte bzw. unerwünschte Schwankungen der Tidalvolumina aufgrund von Änderungen der Compliance/Resistance der Lunge werden sicher verhindert. Nachteile. Der Modus erlaubt zwar eine patientengetriggerte Beatmung, jedoch keine freie Spontanatmung, der klinische Nutzen dürfte daher insgesamt eher gering sein. Sinnvoll nur in Kombination mit ▶ AutoMode, in dem der Respirator bei ausreichender Spontanatmung in den ▶ VS-Mode wechselt.

3.5 Rückkoppelnde Systeme: Hybridverfahren

137

Kontrolliert adaptive Beatmung, APV

1

APV, Adaptive Pressure Ventilation (Hamilton)

■ Funktionsprinzip APV wird als optionale druckkontrollierte zeitgesteuerte/patientengetriggerte volumengeregelte Beatmung mit PC-CMV und PC-S-IMV angeboten. Die Beatmungshübe werden entweder zeitgesteuert unsynchronisiert abgegeben oder patientengetriggert im druckkontrollierten S-IMV-Modus (PC-S-IMV oder P-SIMV). Im P-SIMV-Modus können die Spontanatmungszüge mit PSV assistiert werden (Abb. 3.30). Die Anpassung des inspiratorischen Drucks für die mandatorischen Beatmungshübe beginnt oberhalb von 5 mbar über PEEP und erfolgt in 3-mbar-Schritten bis zu

3 3 3

Druck

Druckanpassung

Druck

3

3 mbar 3 mbar

3

Flow

Flow

3

Volumenkonstanz

Volumen

Volumen

3

Zeit

Abb. 3.29 Druckregulierte, volumenkontrollierte Beatmung, PRVC. Wird das gewünschte Ziel­ Atemhubvolumen nicht erreicht, passt der Respirator den Plateaudruck für den nächsten Atemhub ent­ sprechend an, z. B. durch schrittweise Erhöhung des Plateaudrucks.

Volumenkonstanz

3 Zeit

Abb. 3.30 Adaptive Pressure Ventilation, APV, mit S-IMV. Bei dem dargestellten Modus handelt es sich funktionell um eine S­IMV­Variante. Sie basiert auf druckkontrollierter S­IMV, wobei der Respirator den inspiratorischen Druck der mandatorischen Beatmungshübe in definierten Schritten so anpasst, dass das voreingestellte Atemhubvolumen nahezu konstant bleibt.

3 3

1

3 Beatmungsformen

einem einstellbaren Drucklimit, das 10 mbar unterhalb der oberen einstellbaren Druckbegrenzung liegt.

Druck

138

3

3.5.5

3 3 3 3 3 3 3 3

AutoFlow

Definition. Variante der druckregulierten volumenkonstanten Beatmung, die von Dräger als Zusatzoption für alle druck- und volumenkontrollierten Beatmungsformen inklusive BIPAP angeboten wird.

■ Funktionsprinzip Beim Zuschalten der Option wechselt das Gerät von manueller auf automatische Steuerung von Inspirationsflow und -druck. So führt das Zuschalten von AutoFlow in volumenkontrollierten Beatmungsformen zur automatischen Flowanpassung mit dem Ziel, das eingestellte Tidalvolumen bei niedrigst möglichem Atemwegsdruck zu applizieren (Abb. 3.31). Der für volumenorientierte Beatmungsverfahren typische Konstantflow wird dabei in eine dezelerierende Flowform umgewandelt. Das Tidalvolumen bleibt auch bei sich ändernder Compliance der Patientenlunge konstant. In allen Beatmungsmodi besteht die Möglichkeit zur ungehinderten Spontanatmung wie bei ▶ BIPAP.

■ Vor- und Nachteile Vorteile. Atmet der Patient während der mandatorischen Inspiration ein oder aus, passt sich der Inspirations- und Exspirationsflow dem Bedarf des Patienten an. Der Plateaudruck bleibt dagegen

Volumen

3

Die Umschaltung in die Exspirationsphase kann zwischen 10 und 40 % des inspiratorischen Spitzenflusses (statt der sonst üblichen 25 %) eingestellt werden. Der Modus ist Grundlage des automatisierten Beatmungs- und Weaning-Verfahrens ▶ ASV. Die patientennahe Messung von Flow und Atemwegsdruck erlaubt eine sensitive und schnelle Triggerung der Spontanatmungsaktivitäten.

Flow

■ Geräteeinstellung

Volumenkonstanz

Zeit

Abb. 3.31 AutoFlow in Verbindung mit S-IMV. AutoFlow passt den Inspirationsflow automatisch so an, dass die eingestellten Tidalvolumina trotz Ver­ änderungen der Atemmechanik appliziert werden. Gleichzeitig werden durch Strömungswiderstände bedingte Druckspitzen vermieden. Ähnlich wie im BIPAP­Modus kann der Patient auch während des kontrollierten Beatmungshubes frei atmen.

unverändert. Dadurch kann das individuell applizierte Atemvolumen vom geräteseitig eingestellten Atemhubvolumen abweichen; im zeitlichen Verlauf werden jedoch konstante Atemvolumina verabreicht. Die Spontanatmung kann durch PSV unterstützt werden. AutoFlow vereint somit lungenprotektive Aspekte der Beatmung und ungehinderte Spontanatmung. Durch die Bewertung des Spontanatmungsanteils wird die wechselnde ventilatorische Kapazität des Patienten berücksichtigt, wodurch AutoFlow auch als Weaning-Mode einsetzbar ist. Nachteile. Wie bereits bei ▶ MMV und ▶ VS beschrieben, ist das Feed-back-Prinzip nicht unproblematisch: Verstärkt der Patient seine Atemanstrengungen, hat dies eine Reduktion des maschinellen Supports zur Folge. Sie ist im Sinne einer automatischen Entwöhnung vom Respirator

3.5 Rückkoppelnde Systeme: Hybridverfahren

3.5.6

Druckregulierte volumenkonstante Beatmung: BiLevel-VG

Druck

1

3

Flow

jedoch nur dann erwünscht, wenn die Zunahme der Eigenatmung mit einer Erholung und Kräftigung des Patienten einhergeht. Resultiert sie dagegen aufgrund eines erhöhten Ventilationsbedarfs, z. B. durch Schmerz, Stress oder Luftnot, wäre die Reduktion des maschinellen Supports kontraproduktiv (siehe auch ▶ MMV und ▶ VS).

BiLevel-VG, Pressure Controlled Ventilation-Volume Guarantee Dynamic BiLevel

3 Volumen

Definition. Vergleichbar dem AutoFlow (s. o.), jedoch auf den BIPAP-Modus beschränkt.

139

Zielvolumen

3

■ Funktionsprinzip Die Messung der Tidalvolumina erfolgt Atemzug für Atemzug in 3-mbar-Schritten, wobei sowohl die mandatorischen Atemzüge als auch die Spontanatemzüge des Patienten gleichermaßen erfasst und bewertet werden. Nehmen die spontan geatmeten Tidalvolumina zu, wird das mandatorische Druckniveau schrittweise abgesenkt, bis das CPAP-Niveau erreicht ist. Umgekehrt wird das mandatorische Druckniveau bei unzureichender Spontanatmung bis auf den eingestellten maximalen Beatmungsdruck angehoben (Abb. 3.32).

■ Geräteeinstellung Wie bei volumenkontrollierter Beatmung wird als Zielparameter lediglich das gewünschte Tidalvolumen eingestellt, zusätzlich die üblichen Parameter wie FiO2, Atemzeitverhältnis und Beatmungsfrequenz. Die beim herkömmlichen BIPAP notwendige Titrierung der Druckniveaus bis zum Erreichen des gewünschten Tidalvolumens entfällt.

■ Vor- und Nachteile Vorteile. Neben den Vorteilen der druckkontrollierten volumenkonstanten Beatmung ermöglicht

Zeit

Abb. 3.32 BiLevel-VG. Bei der Bewertung der ein­ gestellten Ziel­Tidalvolumina werden die spontan geatmeten Atemzüge mit bewertet. Erreichen sie beispielsweise das Ziel­Tidalvolumen, wird das man­ datorische Druckniveau schrittweise abgesenkt, bis das CPAP­Niveau erreicht ist (Abbildung nach einer Originalregistrierung am Patienten, aufgezeichnet mit einem Pneumotachographen).

3 3 3

BiLevel-VG nicht nur eine volumenorientierte ▶ lungenprotektive Beatmung bei gleichzeitiger Möglichkeit zur ungehinderten Spontanatmung. Durch die kontinuierliche Bewertung des Spontanatmungsanteils berücksichtigt BiLevel-VG gleichzeitig die wechselnde ventilatorische Kapazität des Patienten und ist damit auch als WeaningMode einsetzbar. Nachteile. Es gelten grundsätzlich die gleichen Nachteile wie bei anderen Feed-back-Modes (▶ AutoMode, ▶ MMV, ▶ VS), da der Respirator zwar eine verstärkte Eigenatmung erkennen kann, jedoch nicht zwischen einer tatsächlichen Erholung der Atemmuskulatur und einer passageren Verstärkung der Atemanstrengungen aufgrund eines erhöhten Ventilationsbedarfs unterscheiden kann. Zusätzliche Features, wie z. B. die grafische/numerische

3 3 3 3

3 Beatmungsformen

1

Darstellung der Beatmungshistorie im Display, sind hilfreich bei der Bewertung des ventilatorischen Kapazität und der Entscheidung zur Extubation.

3.5.7

Druck

140

3 mbar

Adaptive Support Ventilation, ASV

3 3 3 3 3 3 3 3 3

Definition. Weiterentwicklung des MMV-Modus zu einem komplexen rückkoppelnden Beatmungsverfahren, das auf dem druckkontrollierten volumengeregelten ▶ APV-Modus basiert. Durch kontinuierliche Erfassung relevanter lungenmechanischer Parameter wird das Konzept eines weitgehend automatisierten Beatmungs- und Weaning-Verfahrens unter Berücksichtigung minimaler Atemarbeit realisiert, wobei Anwender-Interaktionen und Alarmmeldungen auf ein absolut notwendiges Minimum reduziert sind.

■ Funktionsprinzip Aus dem Körpergewicht errechnet der Respirator den anatomischen Totraum, der für die Berechnung der optimalen Atemfrequenz und des optimalen maschinellen Tidalvolumens nach der Otis-Formel ebenso benötigt wird wie die exspiratorische Zeitkonstante, die sich aus der Compliance und Resistance des jeweils vorangegangenen Atemzug ergibt. Spontane und kontrollierte Atemzüge werden synchronisiert und variabel druckunterstützt abgegeben, wobei sich der notwendige Inspirationsdruck analog zum ▶ APV-Verfahren aus der aktuellen Compliance und dem Ziel-Minutenvolumen ergibt und in 3-mbar-Schritten nachgeregelt wird. Sobald der Patient einen größeren Anteil an der Atemarbeit erbringt, reduziert ASV automatisch die maschinelle Unterstützung. Wird das gewünschte Atemminutenvolumen passager unterschritten, werden Druckunterstützung und/ oder Frequenz der maschinellen Atemhübe so angehoben, dass Tidalvolumen, Atemfrequenz und Atemminutenvolumen wieder den nach der OtisFormel gewünschten Zielwert erreichen. Rückschritte im ▶ Weaning, die durch eine erhöhte Atemfrequenz sowie niedrigere Tidalvolumina charakterisiert sind, werden dadurch kompensiert (Abb. 3.33).

Volumen

3

Flow

ALV, Adaptive Lung Ventilation

Zeit

Abb. 3.33 Adaptive Support Ventilation, ASV. Die kontrollierten und spontanen Atemzüge werden auf der Basis eines druckkontrollierten S­IMV­Modus variabel druckunterstützt, so dass das voreingestellte Ziel­Minutenvolumen erreicht wird. Weitere Erläute­ rungen im Text.

■ Geräteeinstellung Einstellbare Parameter sind neben der FiO2 und dem PEEP lediglich das (ideale) Körpergewicht des Patienten, das gewünschte Atemminutenvolumen sowie die obere Druckbegrenzung.

■ Vor- und Nachteile Vorteile. ASV ermöglicht ein an die atemmechanischen Eigenschaften der beatmeten Lunge optimal angepasstes Beatmungsregime vom Beginn der Beatmung bis zur Extubation. Lungenprotektive Aspekte werden berücksichtigt. Bei der Entwöhnung vom Respirator kann ASV hilfreich sein, da der Zielparameter „minimale Atemarbeit“ nach der Otis-Formel in den zugrunde liegenden Regelalgorithmen verankert ist.

3.5 Rückkoppelnde Systeme: Hybridverfahren

Nachteile. Wie bei den anderen Feed-back-Verfahren (▶ AutoMode, ▶ MMV, ▶ VS, ▶ BiLevel-VG) kann der Respirator nicht zwischen zunehmendem Ventilationsbedarf und Verbesserung der ventilatorischen Kapazität des Patienten durch muskuläre Erholung differenzieren. In jedem Fall kommt es zur Reduktion des maschinellen Supports, was jedoch im ersten Fall keineswegs wünschenswert wäre. Nachteilig ist auch, dass die maschinelle Unterstützung der Spontanatmung – wie bei den anderen Verfahren auch – immer nur aus der Basis des vorangegangenen Atemzuges erfolgen kann, was insbesondere bei vigilanten Patienten mit starker Varianz ihres Atemmusters zu Desynchronisationsphänomenen und Atemnot führen kann.

Nachteile. Die postoperative Nachbeatmungsdauer kann durch den automatisierten Übergang auf ein Spontanatmungsverfahren zwar u. U. geringfügig verkürzt werden, für die Entwöhnung vom Respirator nach Langzeitbeatmung dürfte das System dagegen nicht geeignet sein.

3.5.9

141

1

SmartCare/PS

Definition. SmartCare/PS ist kein neuer Beatmungsmode, sondern ermöglicht eine wissensbasierte, automatisierte Steuerung des Beatmungsmodus PSV zur Entwöhnung von Patienten vom Respirator anhand eines klinisch erprobten Protokolls.

3 3

■ Funktionsprinzip

3.5.8

AutoMode

■ Funktionsprinzip AutoMode (Maquet servo-i, Siemens Servo 300) ermöglicht den automatisierten Wechsel zwischen einem kontrollierten Beatmungsmode wie z. B. ▶ PRVC und druckunterstützter Spontanatmung wie ▶ VS bei definierten Beatmungs-/Atmungssituationen. Möglich sind auch die Kombinationen zwischen herkömmlicher volumenkontrollierter Beatmung (▶ VC-CMV) und ▶ VS sowie herkömmlicher druckkontrollierter Beatmung ▶ PC-CMV und ▶ PSV. Der Steueralgorithmus hinter diesen Prozeduren ist einfach: Erkennt der Respirator 2 aufeinander folgende patientengetriggerte Atemzüge, wird automatisch von kontrollierter zu druckunterstützter Beatmung gewechselt. Umgekehrt erfolgt ein Wechsel zurück in den kontrollierten Modus, falls der Respirator im druckunterstützten Modus eine Apnoephase von mehr als 12 s Dauer (bei Kindern von mehr als 8 s) detektiert. Beim Wechsel in die eine oder andere Richtung werden die jeweiligen inspiratorischen Drücke übernommen.

■ Vor- und Nachteile Vorteile. Durch die Delegation einfacher Prozeduren an den Respirator werden die Reaktionsgeschwindigkeiten auf akute Veränderungen der ventilatorischen Gegebenheiten des Patienten, z. B. in der postoperativen Phase, erhöht, wodurch das Personal entlastet wird.

SmartCare/PS ist eine zusätzliche Option von Dräger-Respiratoren, die zur Entwöhnung von Patienten auf der Basis von druckunterstützter Spontanatmung entwickelt wurde. Die automatisierte Überprüfung der Parameter Atemfrequenz, Tidalvolumen und endtidales CO2 in 10-Sekunden-Intervallen erlaubt die Einschätzung der ventilatorischen Kapazität des Patienten und damit seines aktuellen Entwöhnungsstadiums. Eine Analyse der erhobenen Daten wird alle 2 Minuten bzw. 5 Minuten nach Verstellung der Druckunterstützung vorgenommen. Bei Detektion einer unzureichenden Spontanatmung wird die Druckunterstützung verändert, um den Patienten mit seiner Spontanatmung in einen stabilen Zustand (sog. respiratorische Komfortzone) zu führen. Wird z. B. die Spontanatmung als nicht ausreichend erkannt (z. B. Tidalvolumen akzeptabel, aber etCO2 zu hoch und Atemfrequenz zu niedrig), so wird der maschinelle Anteil der Atemarbeit erhöht, indem die inspiratorische Druckunterstützung vergrößert wird. Sobald sich der Patient hinreichend lange stabil in der respiratorischen Komfortzone befindet, wird mit der Entwöhnung begonnen. Dabei wird die Druckunterstützung alle 15, 30 oder 60 Minuten um einen festgelegten Wert bis zu einem definierten Endpunkt reduziert. Verlässt der Patient nach einem Trainingsschritt die Komfortzone, so wird er erst wieder in die Komfortzone zurückgeholt, bevor die Entwöhnung fortgesetzt wird. Nach erfolgreicher Verringerung der Druckunterstützung wird automatisch ein Spontanatemversuch (▶ SBT, Spontaneous Breathing Trial)

3 3 3 3 3 3 3 3

142

1

3 3

3 Beatmungsformen

durchgeführt. Wird dieser Spontanatemversuch erfolgreich absolviert, meldet SmartCare/PS den erfolgreichen Abschluss der Entwöhnung. Anhand der angezeigten Parameter kann das klinische Personal nun entscheiden, ob der Patient extubiert werden sollte. Wird die Extubation nicht durchgeführt, so stabilisiert SmartCare/PS weiterhin auf einem niedrigen Unterstützungsniveau und toleriert Unregelmäßigkeiten wie kurzfristige unzureichende Spontanatmung. Wird jedoch auf nachhaltig unzureichende Spontanatmung erkannt, wird die maschinelle Unterstützung bis zum Erreichen der respiratorischen Komfortzone erhöht. Danach beginnt die Entwöhnungsprozedur von Neuem.

■ Vor- und Nachteile

3 3 3 3 3 3 3 3

Vorteile. Bei der Bewertung der ventilatorischen Eigenleistung wird auch das endtidale CO2 neben den Parametern Atemfrequenz und Tidalvolumen mit berücksichtigt. Dadurch kann der Respirator besser zwischen zunehmendem Ventilationsbedarf und Verbesserung der ventilatorischen Kapazität des Patienten durch muskuläre Erholung differenzieren. Eine progrediente muskuläre Erschöpfung durch inadäquate Reduktion des maschinellen Supports wird hierdurch verhindert. Nachteile. Die automatisierte Interpretation kapnometrischer Daten ist nicht unproblematisch und birgt eine Reihe von Gefahren. So führt z. B. die häufige falsch niedrige Messung des endtidalen CO2 zur Fehlinterpretation der ventilatorischen Eigenleistung und damit zu einer inadäquaten Absenkung des maschinellen Supports.

■ Klinische Bedeutung druckregulierter volumenkonstanter Hybridverfahren Die klinische Bedeutung druckregulierter volumenkonstanter Beatmungsverfahren, insbesondere mit ungehinderter Spontanatmungsmöglichkeit für den Patienten, dürfte in Zukunft eher zunehmen, zumal der Aspekt der lungenprotektiven Beatmung immer mehr an Bedeutung gewinnt. Herkömmliche druckkontrollierte Verfahren – auch BIPAP – können die unbemerkte und pathogenetisch unerwünschte Volumenüberdehnung der Lungen

nicht sicher verhindern. Weiter entwickelte Regelalgorithmen, die die Spontanatmung und Aspekte der Atemarbeit angemessen berücksichtigen, eröffnen zusätzliche Optionen bei der schwierigen Entwöhnung vom Respirator. Die klinische Bedeutung spezieller WeaningModes ist derzeit gering, zumal die Konzepte nicht in allen Respiratoren verfügbar sind. Am meisten ausgereift ist zweifellos das SmartCare/PS-Konzept als eines der wenigen bisher kommerziell verfügbaren medizinischen Expertensysteme. Mittlerweile wurde es erfolgreich in größeren, multizentrischen, klinischen Studien evaluiert.

3.6

Neurally Adjusted Ventilatory Assist, NAVA

Definition. Hierbei handelt es sich um eine neuartige Form der ▶ druckunterstützten Beatmung, PSV, durch Steuerung des Beatmungsgerätes proportional zur elektrischen Aktivierung des Zwerchfells. Ziel ist die bessere Synchronisation zwischen Patient und Beatmungsgerät sowie ein bedarfsadaptierter maschineller Support.

■ Funktionsprinzip Die Ableitung des Zwerchfellelektromyogramms erfolgt durch eine mit einer Ringelektrode versehene Magensonde, die auch zur enteralen Ernährung verwendet werden kann. Die abgeleiteten elektrischen Signale detektieren den Beginn und auch das Ende der Inspirationsbemühungen des Patienten und ermöglichen damit nach elektronischer Aufbereitung eine annähernd verzögerungsfreie Synchronisation zwischen Spontanatmungsbemühungen des Patienten und Gasfluss des Respirators. Die Höhe der inspiratorischen Druckunterstützung resultiert aus der kontinuierlich registrierten elektrischen Aktivität des Zwerchfells (Electrical Activation of Diaphragm, EAdi), die über einen einstellbaren Verstärkungsfaktor (NAVA-Pegel) im Sinne eines zentral regulierten Regelkreises modifiziert werden kann: Eine Erhöhung des Faktors über den aktuellen Bedarf hinaus führt zur Reduktion, eine Verminderung zum Anstieg der elektrischen Aktivität des Zwerchfells (Gegenregulation des Patienten). Die Exspiration wird eingeleitet,

3.6 Neurally Adjusted Ventilatory Assist, NAVA

wenn die elektrische Aktivität unter 70 % des Spitzenwertes (peak EAdi) abfällt. Bei Verlust des EAdiSignals (Dislokation der Ringelektrode, Störungen in der Signalerkennung und -verarbeitung) erfolgt die Applikation der Druckunterstüzung konventionell flow- oder druckgetriggert. Beim Sistieren der Spontanatmung wechselt des Respirator in einen druckkontrollierten Back-up-Modus (Abb. 3.34).

143

■ Vor- und Nachteile Vorteile. Die Steuerung der Beatmung erfolgt direkt über ein zentral reguliertes Organ und ist damit unabhängig von der neuromuskulären Kopplung, die bei beatmeten Patienten beeinträchtigt sein kann. Die Probleme konventioneller Trigger- und Abschaltkriterien – mit mangelnder

1

3 PSV

Eadi (μV)

30 20

10

10

Atemwegsdruck (cmH2O)

0

60

40

Eadi (μV)

8

20

0

10 0

60 Zeit (s)

3

PSV

NAVA

3

120

3

NAVA

20 600

10

Atemzugvolumen (ml)

3

500 400

0

60

40

120

300

3

200

30

100

20

0

10 0

3

6

30

30

Atemwegsdruck (cmH2O)

120

mittlerer Atemwegsdruck (cmH2O)

0

60 Zeit (s)

PSV

NAVA

3

120

Abb. 3.34 Neurally Adjusted Ventilatory Assist, NAVA. Elektrische Aktivität, Atemwegsdrücke sowie resul­ tierende Atemzugvolumina und mittlere Atemwegsdrücke während druckunterstützter Beatmung (PSV) und NAVA bei einem Patienten mit akutem respiratorischem Versagen. Während PSV (obere Abbildung) wird kon­ tinuierlich eine gleich bleibende Druckunterstützung appliziert, unabhängig von der inspiratorischen Aktivität und damit den Bedürfnissen des Patienten. Im Vergleich dazu kommt es unter NAVA (untere Abbildung) zu einer Druckunterstützung, die proportional zur „electrical activation of diaphragm“ (EAdi) des Patienten ist. Hinsichtlich der Atemzugvolumina und der mittleren Atemwegsdrücke resultiert eine höhere Variabilität der Atmung (rechte Abbildungen) (Quelle: Moerer et al. 2008).

3 3

144

1

3 3 3 3 3 3 3 3 3 3

3 Beatmungsformen

Synchronisation zu den Atembemühungen des Patienten – werden dadurch reduziert. Darüber hinaus folgt die assistierende Druckunterstützung zu jeder Zeit proportional zur elektrischen Aktivität des Zwerchfells und damit zum aktuellen Bedarf des Patienten. Anders als bei den vorher beschriebenen rückkoppelnden Systemen wie MMV oder VS wird ein hoher ventilatorischer Bedarf mit einer hohen Unterstützung beantwortet und umgekehrt. Die Variabilität der Atmung bleibt erhalten, der Patient bestimmt sowohl Atemfrequenz als auch die Höhe des applizierten Drucks und damit des Tidalvolumens. Durch entsprechende Regelung des NAVA-Pegels kann die inspiratorische Druckunterstützung soweit erhöht werden, dass die Atemmuskulatur zusätzlich entlastet werden kann. Zusätzliche lungenprotektive Aspekte sind durch die enge Kopplung an die physiologische Atemmechanik denkbar. Nachteile. Derzeit wird NAVA nur von einem Hersteller (Servo-i, Fa. Maquet, Rastatt) angeboten und ist als zusätzlicher Triggermechanismus nur in Zusammenhang mit PSV verfügbar. Die Platzierung der Sonde bereitet in der Regel keine besonderen Probleme, klinische Untersuchungen haben allerdings gezeigt, dass die Signalerkennung relativ störanfällig ist und eine Triggerung nur in ca. 80 % über das EAdi-Signal erfolgt.

■ Klinische Bedeutung von Neurally Adjusted Ventilatory Assist (NAVA) Mögliche Einsatzbereiche für NAVA sind derzeit noch nicht klar definiert. Vorteile werden vor allem bei Patienten mit chronischer ventilatorischer InsufÏzienz, wie z. B. Patienten mit COPD, sowie bei schwierig zu entwöhnenden Patienten nach Langzeitbeatmung gesehen. Aber auch beim akuten Lungenversagen könnte NAVA unter dem Aspekt der Lungenprotektion zukünftig eine Rolle spielen. Vorteile sind vor allem auch bei der nichtinvasiven Beatmung mittels Beatmungshelm denkbar, da gerade hier aufgrund des großen kompressiblen Gasvolumens im Helms erhebliche Synchronisationsproblematiken zwischen Patient und Maschine bestehen, die den Einsatz konventioneller druckunterstützter Beatmungsformen erheblich limitieren.

3.7

Biologically Variable Ventilation, BVV

Fractal Ventilation Naturally Noisy Mechanical Ventilation Definition. Als variable (oder fraktale) Beatmung (Biologically Variable Ventilation, BVV) wird ein neuartiger kontrollierter Beatmungsmode bezeichnet, der sich hinsichtlich der verabreichten Atemvolumina und -frequenzen an der physiologischen Variabilität der Spontanatmung orientiert. Zielparameter ist das voreingestellte Minutenvolumen, die Variation der Beatmungsfrequenzen und Tidalvolumina erfolgt anhand dieser Vorgabe computergesteuert, wobei Daten gesunder Probanden als Vorlage dienen. Die dem Konzept zugrunde liegende Rationale basiert – ähnlich wie die ▶ Seufzer-Beatmung – auf der Vorstellung, der Neigung zur Atelektasenbildung im Rahmen der lungenprotektiven Beatmung mit kleinen Tidalvolumina durch die physiologische (unregelmäßige) Applikation von Tidalvolumina mit wechselnden – auch höheren – Tidalvolumina entgegenwirken zu können.

■ Pathophysiologischer Hintergrund Gleichförmige, insbesondere volumenkontrollierte Beatmung mit niedrigen Tidalvolumina (▶ lungenprotektive Beatmung) kann bei Patienten mit schwerem ALI/ARDS zur Entwicklung bzw. Persistenz von Atelektasen führen, die auch durch die Einstellung hoher PEEP-Werte allein nicht kompensiert werden kann und häufig zur Durchführung von intermittierenden alveolären ▶ Rekruitmentmanövern zwingt. Deren klinischer Stellenwert wird jedoch, vor allem auch hinsichtlich möglicher Schädigungen, kontrovers diskutiert. Als theoretische Alternative wird das kontinuierliche alveoläre Rekruitment durch computergesteuerte Variation des maschinellen Beatmungsmusters anhand physiologischer Daten angesehen. Dabei wird postuliert, dass die Aufrechterhaltung der physiologischen Variabilität von Atemfrequenz und -volumen innerhalb definierter Bereiche nicht nur zur Verbesserung des pulmonalen Gasaustauschs beiträgt, sondern auch die Compliance der Lunge verbessert, ohne den Atemwegsmitteldruck zu erhöhen. Theoretische Vorteile werden nicht

3.8 Nichtinvasive Beatmung, NIV

nur bei vorgeschädigten Lungen gesehen, sondern auch bei der Beatmung lungengesunder Patienten sowie während der Narkosebeatmung.

■ Klinische Bedeutung der Biologically Variable Ventilation (BVV) In Tierversuchen konnte gezeigt werden, dass BVV im Vergleich zu herkömmlicher kontrollierter Beatmung zu einer signifikanten Verbesserung der Oxigenierung führte, die mit vergleichsweise niedrigen Konzentrationen proinflammatorischer Zytokine im Trachealaspirat und einem verringerten Shuntanteil einherging. Dieser Effekt konnte sowohl während der Narkosebeatmung gesunder Tiere als auch im ARDS-Modell nachgewiesen werden und war unabhängig von den verwendeten PEEP-Niveaus. Im Vergleich zur Beatmung mit interponierten Seufzern mit ähnlich hohen Tidalvolumina und Frequenzen erwies sich BVV in einigen Untersuchungen als überlegen hinsichtlich der Oxigenierung und der atemmechanischen Parameter. Allerdings konnten diese Effekte in anderen Tiermodellen nicht bestätigt werden. Klinische Untersuchungen am Menschen liegen derzeit nicht vor, so dass die künftige Bedeutung von BVV – trotz des theoretisch interessanten Ansatzes – völlig unklar ist.

3.8

Nichtinvasive Beatmung, NIV

NIV, Non-Invasive Ventilation Über viele Jahrzehnte war der Begriff „maschinelle Beatmung“ zur Therapie der akuten oder chronischen AteminsufÏzienz ausschließlich mit der invasiven Beatmung über einen Endotrachealtubus oder über eine Trachealkanüle verbunden. Erst in der jüngsten Vergangenheit hat auf diesem Gebiet ein Paradigmenwechsel stattgefunden, so dass die nichtinvasive Beatmung NIV heute bei zahlreichen Indikationen eine mögliche Alternative zur klassischen Beatmung darstellt. Sie erweitert somit nicht nur das Spektrum der Beatmungsmedizin, sondern wird zunehmend auch als eine eigenständige Therapieform angesehen.

145

■ Pathophysiologischer Hintergrund Obwohl die maschinelle Beatmung über einen Endotrachealtubus für eine Vielzahl von Patienten lebensrettend ist, kann sie doch zu schwerwiegenden, im Einzelfall sogar lebensbedrohlichen Nebenwirkungen und Komplikationen führen. Ein Teil dieser Nebenwirkungen ist jedoch nicht eine Folge der Beatmung an sich, sondern wird durch den Endotrachealtubus hervorgerufen, wie z. B. Schleimhautschäden in Mund, Rachen und Trachea sowie Kehlkopf- und Trachealverletzungen. Aber auch die Entstehung von Pneumonien kann unter bestimmten Voraussetzungen begünstigt werden, da der Endotrachealtubus eine ideale Leitschiene für Keime aus dem Oropharynxbereich in die unteren Luftwege darstellt (siehe auch Abb. 8.1, S. 264). Da der Tubus zudem die oberen Luftwege überbrückt, wird deren wichtige Funktion bei der Infektabwehr und ▶ Klimatisierung der Atemluft ausgeschaltet. Der Verzicht auf die Intubation trotz der ▶ Indikation zur maschinellen Beatmung und die Durchführung einer nichtinvasiven Beatmung kann zur Abnahme der hohen Inzidenz nosokomialer Pneumonien beitragen. Dieser Aspekt ist besonders relevant bei immunsupprimierten Patienten (Patienten mit Chemotherapie, Immunsuppression nach Organtransplantation, AIDS oder Neutropenie anderer Genese), so dass bei akuter hypoxämischer InsufÏzienz immer ein initialer Therapieversuch mit NIV gerechtfertigt ist. Bei Patienten mit chronischen Erkrankungen des respiratorischen Systems wird NIV vor allem zur passageren Entlastung der Atemmuskulatur eingesetzt. Hierdurch soll die Erschöpfung der Atempumpe mit Hypoventilation und daraus resultierender Hypoxämie vermieden werden. Gleichzeitig soll der ermüdeten Atemmuskulatur die Möglichkeit zur Erholung gegeben werden. Häufig können die muskulären Energiespeicher durch nächtliche Beatmung soweit aufgefüllt werden, dass tagsüber eine ausreichende Spontanatmung ermöglicht wird. Durch Verwendung spezieller Beatmungsmasken und neuerdings auch Beatmungshelme ist bei manchen Erkrankungen, die früher die Intubation und Beatmung erforderten, heute eine assistierende oder sogar kontrollierte Beatmung ohne Beatmungstubus möglich. Unabhängig von der Art des verwendeten Interfaces spricht man in diesen Fällen von nichtinvasiver Beatmung (NIV). Ihre Vorteile sind in Tab. 3.1 zusammengefasst.

1

3 3 3 3 3 3 3 3 3

3

146

3 Beatmungsformen

Tabelle 3.1

1

● ● ● ●

3 3

● ● ● ● ●

Vorteile der nichtinvasiven Beatmung.

keine tubusbedingte Erhöhung der Atemarbeit keine Verletzungsgefahr für Trachea, Kehlkopf, Stimmbänder weniger Analgosedierung nötig bessere Sekretelimination durch ungehindertes Abhusten weniger beatmungsassoziierte Pneumonien erhaltene Kommunikationsfähigkeit ungehinderte orale Nahrungsaufnahme verbesserter Patientenkomfort deutliche Verbesserung der subjektiven Lebensqualität

3.8.1

Indikationen

■ Ventilatorische InsufÏzienz

3 3 3 3 3 3 3 3

NIV eignet sich besonders für die Behandlung von Erkrankungsbildern, die nur eine intermittierende ventilatorische Unterstützung benötigen. In erster Linie sind dies Patienten mit chronisch ventilatorischer InsufÏzienz, wobei chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD) und neuromuskuläre Erkrankungen (z. B. Myastenia gravis, critical illness polyneuropathy, Guillain-Barré-Syndrom) im Vordergrund stehen. Oftmals reicht eine stundenweise intermittierende Beatmung am Tag und während der Nacht zur Erholung der Atempumpe aus, die mit einfachen Respiratoren auch als „Heimbeatmung“ durchgeführt werden kann. Das Ziel ist somit zumeist nicht die Verbesserung des pulmonalen Gasaustausches, sondern die Entlastung der Atemmuskulatur durch partielle Übertragung der Atemarbeit auf den Respirator. Merke Schwerpunkt der NIV ist die Entlastung der Atemmuskulatur bei ventilatorischer InsufÏzienz.

■ Oxigenierungsstörungen Daneben wird NIV zunehmend auch bei Erkrankungen des Lungenparenchyms eingesetzt, die in erster Linie durch ▶ Oxigenierungsstörungen gekennzeichnet sind (Lungenödem, Pneumonie, Inhalationstraumata, Aspirationspneumonie, ARI etc.). Allerdings liegt die Erfolgsrate bei Patien-

ten mit ▶ ARI/ARDS deutlich unter 50 %. Eine Ausnahme bilden Patienten mit einem akuten kardial bedingten Lungenödem, die sehr erfolgreich mit NIV behandelt werden können. Erstens reduziert die Erhöhung des intrathorakalen Drucks sowohl die kardiale Vorlast als auch die linksventrikuläre Nachlast und begünstigt dadurch eine schnelle Rekompensation. Zweitens kann durch die begleitende medikamentöse Reduktion der Vorlast (Nitrate in Kombination mit Diuretika) das Lungenödem in der Regel so schnell zur Rückbildung gebracht werden, dass NIV nur für wenige Stunden erforderlich ist. Hinweis Obwohl die Intubationsrate beim kardialen Lun­ genödem durch NIV gesenkt und die kardia­ le Rekompensation beschleunigt wird, wird die Prognose dieser Patienten durch NIV offenbar nicht verbessert. Da es bei der akuten hypoxämi­ schen InsufÏzienz pathophysiologisch in erster Linie auf die Applikation eines PEEP und weniger auf den ventilatorischen Support ankommt, ist ▶ CPAP­Atmung über Maske oder Helm vermut­ lich genauso wirksam.

Merke Mäßige Erfolgsrate für NIV bei akuter hypoxämi­ scher InsufÏzienz mit Ausnahme des kardialen Lungenödems.

■ Weaning-Versagen Über den Nutzen des Einsatzes von NIV nach Extubation und neuerlicher respiratorischer InsufÏzienz liegen widersprüchliche Ergebnisse vor. Ist der Therapieversuch mit NIV letztlich nicht erfolgreich, kann die verzögerte Re-Intubation sogar zu einer Zunahme der Mortalität führen. Andererseits konnte in zahlreichen Untersuchungen gezeigt werden, dass sich der pulmonale Gasaustausch beim ▶ Postextubationsversagen in vielen Fällen durch NIV, ja sogar allein durch ▶ MaskenCPAP, nachhaltig verbessern lässt. Vor allem bei Patienten mit einem hohen Risiko für das Auftreten eines Postextubationsversagens (multimorbide und alte Patienten sowie Patienten mit schweren kardialen und pulmonalen Vorerkrankungen)

3.8 Nichtinvasive Beatmung, NIV

scheint die frühzeitige, prophylaktische nichtinvasive Beatmung vorteilhaft zu sein. Hinweis Bei der schwierigen Entwöhnung von der Beat­ mung kann NIV zusätzliche Vorteile bieten. Da der Endotrachealtubus zu einer erheblichen Zu­ nahme des Atemwegswiderstands führt, profi­ tieren insbesondere Patienten mit eingeschränk­ ter ventilatorischer Reserve von einer frühzeiti­ gen Extubation mit anschließender Fortführung des ventilatorischen Supports über NIV.

Tabelle 3.2 Auszug aus der S3­Leitlinie „nicht­ invasive Beatmung als Therapie der akuten respi­ ratorischen InsufÏzienz“ der Leitlinienkommission der intensivmedizinischen Fachgesellschaften (AWMF­online). ●





Merke Prophylaktische Anwendung von NIV bei Patien­ ten mit hohem Risiko für ein Postextubations­ versagen.





Die intensivmedizinischen Fachgesellschaften in Deutschland haben jüngst eine S3-Leitlinie „nichtinvasive Beatmung als Therapie der akuten respiratorischen InsufÏzienz“ (Tab. 3.2) vorgelegt, in dem das mögliche Spektrum für die nichtinvasive Beatmung dezidiert aufgeführt ist (AWMF-online).

3.8.2

Kontraindikationen

Generell sollten bei der Anwendung von NIV die Kontraindikationen, Erfolgs- und Abbruchkriterien, wie sie von einer Arbeitsgruppe der DIVI erarbeitet wurden, beachtet werden, damit Patienten durch NIV nicht zu Schaden kommen und eine wertvolle Methode nicht in Misskredit gerät. Als gesicherte Kontraindikationen für die nichtinvasive Beatmung gelten danach: ● akute lebensbedrohliche Hypoxie, ● bronchoskopisch nicht korrigierbare Sekretretention, ● Koma oder nicht beherrschbarer Verwirrtheitszustand, der nicht durch eine Hyperkapnie bedingt ist, ● mangelnde Kooperationsbereitschaft, ● insufÏziente Spontanatmung, ● akuter Atem- oder Kreislaufstillstand, ● hämodynamische Instabilität, ● undrainierte große Pleuraergüsse, ● mangelnde Schutzreflexe, erhöhtes Aspirationsrisiko (gastrointestinale Blutungen, Ileus etc.),



wenn möglich, Einsatz der NIV bei der akuten respiratorischen InsufÏzienz zur Vermeidung von Komplikationen der invasiven Beatmung (Emp­ fehlungsgrad A*) frühzeitiger Einsatz von NIV bei milder bis mittel­ gradiger akuter exazerbierter COPD mit pH 7,30 – 7,35 (Empfehlungsgrad A*) primärer Einsatz von CPAP bei Patienten mit hyp­ oxämischer akuter respiratorischer InsufÏzienz bei kardiogenem Lungenödem nach unzureichen­ der initialer nasaler Sauerstoffgabe (Empfehlungs­ grad A*) Einsatz von CPAP bzw. NIV zur Vermeidung der Intubation und Verbesserung der Oxigenierung bei (hämato­)onkologischen, immunsupprimier­ ten Patienten und bei Patienten mit AIDS und Pneumocystis­Pneumonie (Empfehlungsgrad A*) möglichst frühzeitige Extubation von invasiv be­ atmeten Patienten mit COPD und Umstellung auf NIV (Empfehlungsgrad A*) prophylaktische Weiterbehandlung mit NIV in der Postextubationsphase nach länger dauernder in­ vasiver Beatmung (> 48 h) von Patienten mit hy­ perkapnischer akuter respiratorischer InsufÏzienz und Risikofaktoren für ein Extubationsversagen (Empfehlungsgrad A*)

* Evidenzlevel I „randomisierte Studien“







drohende Verlegung der oberen Atemwege (Glottisödem/-obstruktion), Status epilepticus, intrazerebrale Blutungen, offenes Schädel-Hirn-Trauma, fehlendes oder unzureichend geschultes Personal. Hinweis Die Einstufung des Aspirationsrisikos ist im Ein­ zelfall schwierig und kann nur individuell erfol­ gen.

3.8.3

Durchführung

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■ Technische Voraussetzungen Die Durchführung der nichtinvasiven Beatmung ist nicht mit jedem Beatmungsgerät problemlos möglich, sondern erfordert vielmehr das Vorhanden-

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3 Beatmungsformen

sein bestimmter gerätetechnischer Vorgaben. Da Gesichts- und Nasenmasken immer eine mehr oder weniger große Leckage aufweisen, sollte der Intensivrespirator über einen NIV-Modus verfügen, der eine großzügige Einstellung bzw. Deaktivierung der gängigen Alarme und Sicherheitsfeatures (Leckage, Beatmungsdruck, Atemzugvolumen, Atemminutenvolumen, Apnoeventilation) erlaubt. So kann verhindert werden, dass Patient und Personal – gerade in kritischen Phasen der Anpassung an den maschinellen Support – durch akustische Alarme, automatische und unerwünschte Wechsel in einen Back-up-Beatmungsmode und dergleichen unnötig strapaziert werden. Folgerichtig sollte der NIV-Mode über eine Leckagekompensation verfügen und ausreichend hohe inspiratorische Flows (mindestens 100 l/min) liefern. Die aktuelle Leckagerate sollte gemessen und angezeigt werden, beim Überschreiten von Grenzwerten sollte optisch und/oder akustisch alarmiert werden. Vermehrt werden auch auf Intensivstationen für die NIV-Beatmung einfache Respiratoren eingesetzt, die speziell für den Homecare-Bereich konzipiert wurden. Die Atemgaslieferung erfolgt meist ohne Ventile durch schnell reagierende Turbinen, wodurch der eingestellte Beatmungsdruck auch bei größeren Leckagen gehalten werden kann. Viele dieser Beatmungsgeräte sind so konzipiert, dass nur ein Inspirationsschlauch verwendet wird. Die Exspiration erfolgt über ein Ausatemventil, das patientennah im bzw. am Interface angebracht ist.

3 ■ Personelle Voraussetzungen

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Eine wichtige Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz von NIV ist der Einsatz geschulter Pflegekräfte, die gerade in der Initialphase der Therapie ausreichend Zeit für die individuelle Patientenversorgung und -beobachtung haben müssen. Die ersten Stunden der NIV-Adaptation stellen eine besonders kritische Phase dar, die oft für den Erfolg oder Misserfolg der Therapie entscheidend ist. Oft ist deshalb zu Beginn der Behandlung ein 1:1-Betreuungsverhältnis erforderlich.

■ Beatmungsformen Im Vordergrund steht die ▶ druckunterstützte Spontanatmung mit PEEP, da sie dem üblicherweise wachen und kooperativen Patienten ein hohes Maß an ventilatorischem Komfort bietet. Aber auch ▶ BIPAP wird von vielen Patienten gut toleriert. Vorteile werden auch für ▶ NAVA gesehen, vor allem bei nichtinvasiver Beatmung mittels Beatmungshelm. Weil das große kompressible Gasvolumen des Helms erhebliche Probleme beim Triggern des Demand-Flows verursacht, kann die über die Zwerchfellaktivität des Patienten gesteuerte Variante der inspiratorischen Druckunterstützung die Synchronisation zwischen Patient und Maschine erheblich verbessern und eine annähernd verzögerungsfreie Gaslieferung bereitstellen. Da die Stärke des Zwerchfell-EMGs proportional zu der Einatmungsbemühung des Patienten ist, kann dieses Signal außerdem dazu benutzt werden, die inspiratorische Druckunterstützung den aktiven Einatmungsbemühungen des Patienten anzupassen.

■ Einstellung der Beatmung Bei der Maskenbeatmung hat sich die initiale Einstellung einer inspiratorischen Druckunterstützung von ca. 10 – 15 mbar bewährt, die bei unzureichenden Atemzugvolumina langsam bis auf 25 – 30 mbar gesteigert werden kann. Hohe Beatmungsdrücke (> 20 mbar) führen jedoch häufig zu Aerophagie, wodurch sich u. a. auch die Aspirationsgefahr erhöht. Ob eine Magensonde unter diesem Aspekt indiziert ist, wird kontrovers diskutiert: Sie führt zur zusätzlichen Belastung für den Patienten und ist häufig der Grund für die mangelnde Dichtigkeit des Interfaces. Das Legen einer Magensonde nur aufgrund der Anwendung einer NIV ist jedenfalls nicht erforderlich. Während der Adaptationsphase sollte der PEEP zunächst eher niedrig (ca. 3 mbar) gewählt werden, danach kann er – je nach zugrunde liegender Problematik – langsam auf 6 – 8 mbar angehoben werden.

3.8 Nichtinvasive Beatmung, NIV

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■ Welche Maske? Nasen- und Gesichtsmasken werden für die nichtinvasive Beatmung am häufigsten eingesetzt. Aus der Vielfalt der heute von der Industrie angebotenen Modelle ist es in der Regel möglich, eine geeignete Maske mit guter Passform auszuwählen, die den individuellen Gegebenheiten des Patienten ausreichend gerecht wird. Aufgrund der zahlreichen anatomischen Besonderheiten erscheint es durchaus sinnvoll, in der Intensivmedizin unterschiedliche Modelle verschiedener Hersteller vorzuhalten. Nur so kann ein guter Kompromiss zwischen hohem Tragekomfort, geringem Totraum und minimaler Leckage gefunden werden – eine wichtige Voraussetzung für die Akzeptanz der nichtinvasiven Beatmung. Silikonstrips und -stege in unterschiedlichen Stärken können zusätzlich verwendet werden, um die Dichtigkeit an der Nasenwurzel verbessern. Für die nichtinvasive Langzeitbeatmung, z. B. im Rahmen der Heimbeatmung, sind nach wie vor individuell angefertigte Masken unübertroffen, da sie einen optimalen Komfort durch exzellente Passform mit minimaler Leckage und minimalem Totraum gewährleisten. Das Fixierungssystem sollte vom Patient „im Notfall“ schnell zu öffnen sein, um das Interface rasch zu entfernen. Hierdurch können klaustrophobische Ängste von Patienten – vor allem in der Initialphase – gemindert werden. Fixiersysteme, die mit Druckknöpfen oder Magnetverschlüssen arbeiten, erscheinen hier vorteilhaft, lösen sich aber relativ leicht bei mobileren Patienten. Auch kann hierdurch die Therapie bei mangelnder Compliance häufig unterbrochen werden.

Mund-Nase-Masken

Sie sind vor allem bei Patienten mit ausgeprägter Dyspnoe indiziert, da diese vorwiegend durch den Mund atmen (Abb. 3.35). Die kommerziell erhältlichen Modelle unterscheiden sich vor allem hinsichtlich ihres Totraums und ihrer Materialbeschaffenheit. Silikonmasken erzielen ihre Dichtigkeit zum Teil durch Beatmungsdruck, wodurch die Fixierungsintensität geringer ist als bei Masken mit luftgefülltem Auflagepolster. Gelmasken zeichnen sich dagegen durch ihre Flexibilität und damit ihre gute Passform aus.

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Abb. 3.35 Mund-Nasen-Maske. Erläuterungen im Text.

Beachte Patienten mit erheblicher Luftnot empfinden das Anpassen der Maske oftmals als zusätzliche Bedrohung, gegen die sie sich wehren. Behutsa­ mes Vorgehen ist daher unbedingt notwendig, um Stressreaktionen und eine unüberbrückbare Abwehrhaltung des Patienten zu vermeiden. So kann es hilfreich sein, die Maske zunächst mit der Hand zu halten oder vom Patienten halten zu lassen, bevor diese fixiert wird. Bei extremer Intoleranz gegenüber der Maske kann eine mil­ de Sedierung verabreicht werden.

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Nasenmasken

Kooperative Patienten mit vorwiegender Nasenatmung profitieren von der Nasenmaske (Abb. 3.36). Sie wird von den meisten Patienten als komfortabler empfunden, da sie die Kommunikation erleichtert und das Abhusten problemloser ist. Ein wesentliches Problem bei Nasenmasken bleibt das Entweichen der Luft über den Mund bis hin zur völligen Ineffektivität der Beatmung. Kinnbinden können hier gelegentlich Abhilfe schaffen. Passgenaue Anfertigungen sind bei Patienten indiziert, die über den stationären Verlauf hinaus einer Heimbeatmung bedürfen.

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3 Beatmungsformen

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Abb. 3.36 Nasenmaske. Erläuterungen im Text.

Beachte Schlecht sitzende Masken können leicht verrut­ schen und die Augen direkt schädigen! Auch das ständig an den Augen vorbei strömende Atemgas kann zu indirekten Läsionen führen: 16 – 17 % der Patienten weisen innerhalb von 2 – 3 Stunden die Zeichen einer schweren Kon­ junktivitis auf. 3 – 20 % der Patienten leiden unter einer Austrocknung der nasalen/oralen Schleimhäute.

Abb. 3.37 Vollgesichtsmaske. Erläuterungen im Text.

Vollgesichtsmasken

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Die sog. Tellermasken (full-face-mask, total-facemask) kommen besonders bei schwierigen anatomischen Verhältnissen zum Einsatz oder wenn bereits Hautläsionen vorliegen, die eine weitere Verwendung von Mund-Nasen-Masken verbieten. Der transparente Maskenkörper liegt mit einer breiten Silikonlippe auf der Haut des Patienten auf und erreicht eine hohe Dichtigkeit (Abb. 3.37). Dadurch bildet sich allerdings im Inneren der Maske Kondenswasser, wodurch die Sicht des Patienten beeinträchtigt wird.

Abb. 3.38 Nasal Prongs. Erläuterungen im Text. gelmäßige Nasenschleimhautpflege mit entsprechenden Salben ist bei der Verwendung von Nasal Prongs empfehlenswert.

Beatmungshelm Nasal Prongs

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Nasal Prongs schließen die Nasenlöcher luftdicht ab, so dass die Atemluft direkt in die Nasenlöcher insufÒiert wird (Abb. 3.38). Die Atemunterstützung ist bis zu mittelhohen Drücken möglich, sofern dem Patienten ein ausreichender Mundschluss gelingt. Vorteilhaft ist die geringe Auflagefläche auf der Haut. Gerade Patienten mit Klaustrophobie können von diesem Interface profitieren. Eine re-

Beatmungshelme (Abb. 3.39) werden relativ gut toleriert, so dass die NIV über viele Stunden, manchmal auch über Nacht, ohne Unterbrechung durchgeführt werden kann. Druckulzerationen im Gesicht und Konjunktivitiden treten nicht auf. Die Aspirationsgefahr ist deutlich geringer, was u. a. auf die verminderte Aerophagie zurück geführt werden kann. Außerdem bleibt die Kommunikationsfähigkeit erhalten.

3.8 Nichtinvasive Beatmung, NIV

Abb. 3.39 Beatmungshelm. Erläuterungen im Text.

Allerdings stellt der Beatmungshelm besondere Anforderungen an das Beatmungsgerät und den Anwender. Bedingt durch das hohe Innenvolumen des Helms (8 – 15 l) und seine große Compliance nimmt die ▶ Triggerlatenz von Demand-Flow-Respiratoren erheblich zu, wodurch eine Desynchronisation zwischen Patient und Beatmungsgerät – vor allem bei hohen Atemfrequenzen – begünstigt wird. Modelluntersuchungen haben zudem gezeigt, dass die Triggerempfindlichkeit unterhalb eines PEEP von 6 mbar stark abnimmt. Da eine Differenzierung zwischen der Beatmung der Lungen des Patienten und der Beatmung des kompressiblen Volumen zwischen Kopf und Helm nicht möglich ist, kann die alveoläre Ventilation nur anhand indirekter Parameter, wie z. B. der Thoraxexkursionen, abgeschätzt werden. Ähnlich wie die Messung von ▶ Atemvolumina ist auch die geräteseitige exspiratorische ▶ CO2-Messung zur Überwachung der alveolären Ventilation ungeeignet. Beachte Bei unzureichendem Inspirationsflow kann es im Helm zu erheblicher CO2­Akkumulation kommen. Die daraus resultierende CO2­Rückat­ mung kann den Ventilationsbedarf des Patien­ ten erheblich vergrößern, wobei Patienten mit hochgradig eingeschränkter ventilatorischer Re­ serve besonders gefährdet sind. Diese Patien­ tengruppe (z. B. Patienten mit COPD) ist häufig für eine nichtinvasive Beatmung via Gesichts­ oder Nasenmaske besser geeignet, da sie hin­

sichtlich Totraum, CO2­Retention und Trigger­ problematik Vorteile aufweist. Zudem erlaubt sie ein zuverlässiges Monitoring der ventilato­ rischen Parameter inklusive der ▶ exspiratori­ schen CO2­Messung. Dagegen stellt der Helm für Patienten mit einem akuten hypoxämischen Lungenversagen (schwere Pneumonie, Lungen­ ödem, Aspiration) eine interessante Alternative dar, da diese Patienten hauptsächlich vom PEEP und weniger von der inspiratorischen Druck­ unterstützung profitieren und den Beatmungs­ helm meist länger tolerieren. Gelegentlich ist die Kombination mit einem High­flow CPAP­Ge­ rät mit hohen Flüssen vorteilhaft, womit gleich­ zeitig eine kontinuierliche Auswaschung von CO2 aus dem Helm erreicht wird.

Merke Beatmungshelm vor allem bei Patienten mit Oxi­ genierungsstörungen, Masken bei Patienten mit ventilatorischer Insuf­ fizienz. Die Größe des Helmes lässt sich durch das Abmessen des Halsumfangs ermitteln, wobei in Anbetracht des hohen kompressiblen Volumens immer der kleinstmögliche Helm ausgewählt werden sollte. Das kompressible Volumen der kommerziell erhältlichen Helme ist unterschiedlich hoch und kann bei einigen Modellen durch das Aufblasen von Luftkissen reduziert werden. Von Nachteil ist jedoch, dass sich der Helm in Gefahrensituationen schwieriger entfernen lässt. Umgekehrt verursacht die Anlage des Helms bei manchen Patienten Erstickungsängste, insbesondere dann, wenn nicht unverzüglich mit der LuftinsufÒation begonnen wird. Viele Patienten klagen über die hohe Geräuschbelästigung durch den Luftstrom im Helminneren. Abhilfe schaffen ▶ HME, die als „Schalldämpfer“ vor den Konnektor der In- und Exspirationsanschlüsse platziert werden, sowie Ohrstöpsel. Die kontinuierliche Druckbelastung während der Helmbeatmung verursacht darüber hinaus ein Druckgefühl in den Ohren, das von den Patienten oft als unangenehm und zum Teil schmerzhaft empfunden wird, insbesondere bei Beatmungsdrücken oberhalb von 20 mbar.

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■ Atemgasklimatisierung

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Bei der NIV ist eine ▶ Klimatisierung der Atemgase aus pathophysiologischer Sicht nicht notwendig, da diese durch den Nasen-Rachen-Raum des Patienten erfolgt und eine Gefährdung des empfindlichen respiratorischen Epithels somit nicht zu befürchten ist. Die dauerhafte Atmung kalter und trockener Luft aus der zentralen ▶ Gasversorgungsanlage führt jedoch zur Austrocknung der Schleimhäute in den oberen Atemwegen, was von den Patienten als unangenehm empfunden wird. Bei dicht sitzenden Masken können zur Anfeuchtung der Atemluft ▶ HME eingesetzt werden, die direkt auf der Maske platziert werden. Beachtet werden muss jedoch, dass HME die Atemwegswiderstände sowie das Totraumvolumen erhöhen, wodurch die in- und exspiratorische Atemarbeit zunimmt. Es sollten daher nur HME mit geringen Durchflusswiderständen und kleinem Innenvolumen verwendet werden, was allerdings in der Regel zu Lasten der Anfeuchtungsleistung geht. Die geringere Befeuchtungsleistung ist aus pathophysiologischer Sicht jedoch akzeptabel, da die Funktion der oberen Luftwege des Patienten – anders als beim intubierten Patienten – nicht ausgeschaltet ist. Alternativ ist auch die aktive Anfeuchtung und Erwärmung der Atemluft möglich, wobei die Temperatur- und Feuchteeinstellung mit dem Patienten abgestimmt werden sollte. Bei der Helmbeatmung ist die aktive Klimatisierung da Atemluft dagegen nicht möglich. Die warme und feuchte Luft wird von den meisten Patienten als unangenehm empfunden, zudem kommt es zum Kondenswasserniederschlag im Helm. Hinweis Das Anbringen von HME bei der Helmbeatmung dient nicht der Atemgasklimatisierung, sondern der Geräuschdämpfung der laut einfließenden Atemgase (s. o.).

3 ■ Ernährung

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Bei ausreichender Vigilanz des Patienten und erhaltenen Schutzreflexen kann und sollte die orale Nahrungsaufnahme beibehalten werden. Dies gilt insbesondere für die Aufnahme von Flüssigkeiten,

wobei hochkalorischen Trinklösungen eine besondere Bedeutung zukommt. Auch die Zufuhr leichtverdaulicher fester Speisen kann im Einzelfall, z. B. bei moderater Unterstützung der Atmung, gestattet werden. Allerdings sollte darauf geachtet werden, dass die Nahrungszufuhr in kleinen Portionen erfolgt. Flüssigkeiten sollten keine Kohlensäure enthalten und ebenfalls nur in kleinen Mengen verabreicht werden. Bei länger dauernder NIV-Beatmung kann eine Ernährungssonde hilfreich sein, wobei die kontinuierliche Verabreichung der Sondennahrung der Bolusgabe vorzuziehen ist.

■ Patientenlagerung Bewährt hat sich die halb sitzende Position. Sie erleichtert die Zwerchfellatmung, insbesondere bei adipösen Patienten, und hat damit einen positiven Einfluss auf die funktionelle ▶ Residualkapazität. Zudem trägt sie zur verbesserten Sekretelimination durch erleichtertes Abhusten bei. Bei sichtbarem Einsatz der Atemhilfsmuskulatur kann eine Entlastung des Schultergürtels durch Lagerungsmittel sinnvoll sein.

■ Monitoring Die Überwachung des Patienten richtet sich nach dem Schweregrad seiner Erkrankung. Engmaschig überwacht werden müssen ● Atemexkursionen, Atemmuster und Atemfrequenz, ● Einsatz der Atemhilfsmuskulatur, ● Synchronisation der Atemexkursionen mit dem Gerät, ● Bewusstseinslage, psychischer Zustand, ● Umfang und EfÏzienz der Sekretelimination. Neben dem Monitoring der Herz-Kreislauf-Situation (EKG, RR-Messung) ist die kontinuierliche Überwachung des arteriellen Sauerstoffstatus mittels ▶ Pulsoximetrie unabdingbar. Aufgrund der oben beschriebenen Probleme bei der Überwachung der Atemvolumina empfiehlt sich das Monitoring des pCO2 durch ▶ transkutane Messung, da die Messung des endexspiratorischen petCO2 bei der Maskenbeatmung und erst recht der Helmbeatmung nicht verwertbar ist (s. o.). Liegen beim Patienten schwere respiratorische, metabolische und/oder

3.8 Nichtinvasive Beatmung, NIV

hämodynamische Beeinträchtigungen vor, muss das Monitoring ggf. erweitert werden, z. B. durch regelmäßige arterielle Blutgasanalysen. Wichtig ist, dass der Patient die Möglichkeit hat, sich jederzeit bemerkbar zu machen, z. B. durch eine Klingel, ohne das Interface entfernen zu müssen. Eine Kommunikationshilfe (Wort-/Buchstabentafel) kann während der NIV sehr hilfreich sein. Beachte Eine initiale Verbesserung der pulmonalen Si­ tuation darf nicht zum Anlass genommen wer­ den, die Überwachung des Patienten zu ver­ nachlässigen, da sich die pulmonale Situation des Patienten auch noch nach Stunden erneut verschlechtern kann.

■ Erfolgskriterien Unter NIV muss eine zügige Besserung der klinischen Symptomatik mit Abnahme der Dyspnoe eintreten. Patienten mit NIV müssen vor allem in der Anfangsphase engmaschig überwacht werden. Eine Fortsetzung von NIV ist gerechtfertigt bei ● subjektiver Zustandsverbesserung, ● Zunahme der alveolären Ventilation (Abnahme des paCO2), ● Entlastung der Atempumpe, erkennbar an der Abnahme der Herz- und Atemfrequenz sowie Sistieren des Einsatzes der Atemhilfsmuskulatur, ● Verbesserung der Oxigenierung (SaO > 90 %). 2 Hinweis Bei massiver Sekretproduktion und zunehmen­ der Sekretretention ist zur Verbesserung der Bronchialtoilette die passagere Intubation zu er­ wägen.

■ Abbruchkriterien In Abhängigkeit vom klinischen Zustand des Patienten und der Erfahrung des behandelnden Teams wird die Rate des Therapieversagens auf 25 – 40 % geschätzt. Durch eine engmaschige Überwachung des Patienten und konsequente Beachtung der Abbruchkriterien können solche Patienten frühzeitig

erkannt und umgehend intubiert werden, bevor es zu einer vitalen Gefährdung des Patienten kommt. Zu den Abbruchkriterien gehören: ● unzureichende Ventilation durch persistierende Leckage (häufigste Ursache für die vorzeitige Beendigung der NIV), ● keine Verbesserung der O -Sättigung unter ho2 her O2-Zufuhr in den ersten 15 Minuten, ● persistierende Hypoxämie nach 2 Stunden (SaO2 < 85 % trotz FiO2 > 0,5), ● hypoxiebedingte hämodynamische Instabilität/ Arrhythmien, ● Anstieg des paCO über den Ausgangswert mit 2 Abfall des pH-Wertes, ● keine Besserung des klinischen Status (Zunahme der Atemfrequenz und Dyspnoe, Abnahme des Tidalvolumens, sichtbare Steigerung der Atemanstrengung, Verschlechterung der Vigilanz), ● mangelnde Kooperation und zunehmende Intoleranz mit aktiver Gegenwehr, Agitiertheit, ● progrediente Bewusstseinsverschlechterung, ● nicht beherrschbare Aerophagie, ● Sekretretention, ● nicht beherrschbare Maskenprobleme (Druckulzerationen), ● schwere Aspiration. Hinweis Bei mutmaßlich Hyperkapnie­bedingter Be­ wusstseinsstörung muss der Patient unter NIV zügig aufklaren. Ist dies nicht der Fall, sollte die NIV sofort beendet und der Patient intubiert werden.

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■ Klinische Bedeutung Der Stellenwert der nichtinvasiven Beatmung hat in den vergangenen Jahren bei allen Formen der respiratorischen InsufÏzienz zugenommen. Klinische Schwerpunkte liegen vor allem bei der intermittierenden Behandlung der ventilatorischen InsufÏzienz durch Versagen der Atempumpe sowie beim kardial bedingten Lungenversagen. Deutlich schlechter sind die Erfolgsaussichten bei der Behandlung der akuten hypoxämischen AteminsufÏzienz, wenngleich ein Therapieversuch insbesondere bei Risikopatienten immer gerechtfertigt erscheint. Eine weitere Einsatzmöglich-

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3 Beatmungsformen

keit ist die Stabilisierung der Lungenfunktion nach dem ▶ Weaning vom Respirator. Unbedingte Voraussetzung für einen erfolgreichen Einsatz der NIV ist speziell geschultes ärztliches und pflegerisches Personal, damit sich die unbestreitbaren Vorteile der NIV nicht zu einem unkalkulierbaren Sicherheitsrisiko für den Patienten entwickeln. Vor dem routinemäßigen Einsatz der NIV ist daher die Erarbeitung eines therapeutischen Konzepts inklusive der Indikationen und Kontraindikationen erforderlich, das alle am Patienten tätigen Berufsgruppen einschließt. Ein äußerst wichtiger Faktor für den erfolgreichen Einsatz der nichtinvasiven Beatmung ist neben den technischen Voraussetzungen vor allem die Erfahrung und Motivation der Mitarbeiter.

3.9

CPAP-Therapie bei Schlafapnoe-Syndrom

Nichtinvasive Beatmung (NIV) ist nicht gleichbedeutend mit der „CPAP-Therapie“, wie sie im Rahmen der Heimtherapie zur Behandlung vorübergehender Atemstillstände während des Schlafens, der sog. Schlafapnoe, angewendet wird. Dabei wird dem Schlafenden – in der Regel via Nasenmaske (nCPAP-Maske, n = nasal) – durch ein technisch einfaches, spezielles CPAP-Gerät kontinuierlich Atemluft (meist Umgebungsluft) mit leichtem Überdruck zugeführt. Je nach Anamnese und vorliegenden Beeinträchtigungen der Lungenfunktion kann die zugeführte Luft auch erwärmt und angefeuchtet werden. Das im Schlaf entspannte Gewebe im Nasen- und Rachenraum des Schlafenden wird durch den leichten Überdruck stabilisiert und offen gehalten („pneumatische Schienung“). Dadurch können Apnoen und Hypopnoen bei den meisten Patienten verhindert werden. Als Begleiteffekt wird auch das Schnarchen weitgehend unterdrückt. Die Diagnose wird meist in einem Schlaflabor gestellt, wo Anzahl und Dauer der Atemstillstände sowie die O2-Sättigung kontinuierlich gemessen werden. Nach Diagnosestellung erfolgt die schrittweise Annäherung an den individuellen therapeutischen Druck. Zu hoher Druck bewirkt ein störendes Ausströmen der Druckluft durch den Mund, führt zu Aerophagie (Luftschlucken) und kann im schlimmsten Fall die Spontanatmung stören.

3.9.1

Heimbeatmung mit BiLevel und BiPAP

Hierbei handelt es sich um weitere, vor allem aus der Heimtherapie bekannte Modifikationen der CPAP-Atmung, die nicht mit den aus der Intensivbeatmung bekannten druckkontrollierten zeitgesteuerten Beatmungsmodes (▶ BiLevel, ▶ BIPAP) verwechselt werden dürfen. Sie werden mit speziellen Geräten für die nichtinvasive Heimbeatmung durchgeführt und offerieren dem CPAP-atmenden Patienten einen zusätzlichen ventilatorischen Support via Maske im Sinne einer ▶ druckunterstützten Beatmung. Der Inspirationsdruck ist hierbei innerhalb definierter Grenzen variabel und passt sich bei jedem Atemzug den Bedürfnissen des Patienten an. Darüber hinaus verfügen einige Geräte über eine Komfortfunktion, die bei hohen Exspirationsdrücken eine endexspiratorische Druckabsenkung durchführt und damit ein Druck- oder gar Atemnotgefühl beim Ausatmen vermindert. Der weitverbreitete BiPAP-Ventilator der Fa. Respironics Inc. ist ein Beatmungsunterstützungssystem speziell für die nichtinvasive Heimbeatmung. Die Unterstützung der Eigenatmung des Patienten erfolgt auf der Basis der ▶ druckunterstützten Beatmung, wobei 3 Optionen zur Auswahl stehen: ● S-mode: Einstellung von inspiratorischer Druckunterstützung und PEEP/CPAP, ● T-mode: kontrollierter Beatmungsmodus durch Einstellung von inspiratorischer Druckunterstützung Atemfrequenz und I/E-Verhältnis, ● ST-mode: Kombination aus S-mode und T-mode. Bei Unterschreiten einer definierten Sicherheits-Atemfrequenz setzt Apnoe-Ventilation (Tmode) mit einstellbaren Parametern ein.

3.10

Alternative Beatmungsverfahren: Hochfrequenzbeatmung, HFV

HFV, High Frequency Ventilation Definition. Unter dem Begriff Hochfrequenzbeatmung (HF-Beatmung) wird eine Vielzahl oftmals sehr unterschiedlicher Beatmungsverfahren zusammengefasst, die durch hohe Atemfrequenzen, minimierte Tidalvolumina sowie unkonventionelle

3.10 Alternative Beatmungsverfahren: Hochfrequenzbeatmung, HFV

Gastransportmechanismen charakterisiert sind. Letztere grenzen hochfrequente Techniken gegenüber konventionellen Beatmungstechniken ab: Bei intermittierender Überdruckbeatmung füllen und verlassen die Atemgasportionen die Alveolarkompartimente in periodischen Abständen, was eine zwingende Voraussetzung für den Gasaustausch in den Alveolen ist. Bei Beatmung mit hohen Frequenzen kommt es demgegenüber nicht zur periodischen Expansion und Reduktion der Alveolarräume. Stattdessen verläuft der Gasaustausch aufgrund von Diffusions- und Auswaschphänomenen ohne Verschiebung nennenswerter Tidalvolumina, die oftmals wesentlich kleiner sind als der anatomische Totraum. Sie liegen bei 1 – 3 ml/kg KG.

■ Funktionsprinzip Üblicherweise werden die Atemgasportionen durch Jet-Technik verabreicht. Unter dem Begriff „Jet“ versteht man die gerichtete Verabreichung eines komprimierten Gasvolumens mit hoher Geschwindigkeit durch eine Düse. Ist das System offen, treten dabei am Ende der Düse sog. Venturi-Effekte auf, die nach dem Prinzip der Wasserstrahlpumpe zur Erhöhung des Volumens durch Sogwirkungen führen. Das hierbei aus der Umgebung angesaugte zusätzliche Gasvolumen wird als Entrainment bezeichnet. Bei der Hochfrequenzbeatmung wird die Beatmungsfrequenz in Hertz [Hz] angegeben: 1 Hz = 1 Schwingung/Sekunde.

■ Lungenmechanik HF-Beatmung führt zum Anstieg der Lungenvolumina, da die Zeitkonstanten der Lungen meist deutlich länger sind als die Zeit zwischen den JetImpulsen, die für die Exspiration zur Verfügung steht. Dabei bildet sich ein intrinsic PEEP aus, dessen Höhe zwar durch die Jet-Frequenz vorgegeben wird, jedoch kaum abgeschätzt werden kann. In gleichem Maße steigen dabei die Atemwegs- und Alveolardrücke an, wodurch – gerätespezifisch unterschiedlich – u. U. ausgeprägte Ventilations-Perfusions-Störungen entstehen bzw. unterhalten werden können. Vorteile bietet hier das biphasische Injektor/Ejektor-Prinzip wie bei HFJO, das ebenso wie mechanische Mem-

branoszillatoren zur exspiratorischen Entlastung der Lungenvolumina beiträgt. Allerdings besteht hierbei die Gefahr, dass die resultierenden Unterdrücke zum exspiratorischen Kollaps der Atemwege führen.

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■ Monitoring Im Gegensatz zur konventionellen Beatmung sind Monitoring und Alarmstrategien bei allen Formen der HF-Ventilation wesentlich weniger ausgereift. Die sonst üblichen Messsysteme zur Messung von Drücken, Volumina und Atemgaskonzentration sind unter HF-Beatmung nicht ohne weiteres einsetzbar. So sind Druckmessungen am proximalen Tubus nicht aussagekräftig, da sie die Atemwegsdrücke bei Abstrahlung der Jet-Impulse am distalen Tubus nicht ausreichend repräsentieren. Zur Kontrolle der Atemwegsdrücke muss daher ein zweiter Katheter in der Trachea platziert werden, dessen Öffnung allerdings nicht in unmittelbarer Nähe der Düsenöffnungen liegen darf. Spezielle Tuben für die Jet-Beatmung verfügen über einen eigenen Kanal für die Atemwegsdruckmessung, der mindestens 5 cm unterhalb der HF-Injektionsstelle endet. Aufgrund des Entrainments ist die genaue Bestimmung der applizierten Tidal- und Minutenvolumina schwierig. Wird die Jet-Ventilation im offenen System durchgeführt, wie beispielsweise bei der Bronchoskopie oder unter Verwendung des Jet-Laryngoskops, ist die Bestimmung der Tidalvolumina überhaupt nicht möglich. Die klinische Beobachtung der Thoraxexkursionen sowie die regelmäßige Palpation der Thoraxvibrationen und die Auskultation der Lungen sind daher obligat. Die Oxigenierung des Patienten kann durch die ▶ Pulsoximetrie überwacht werden. Ein weitaus größeres Problem ist die Überwachung der Ventilation. Die ▶ Kapnometrie zur Messung des endexspiratorischen CO2 ist nur bedingt geeignet, da sich bei hochfrequenter Jet-Ventilation keine endexspiratorischen Plateaus ausbilden und zudem die Ansprechgeschwindigkeit der Methode zu niedrig ist. Bei länger dauerndem Einsatz ist daher die engmaschige Kontrolle des CO2 im Blut notwendig.

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3 Beatmungsformen

■ Atemgasklimatisierung

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Nach wie vor ungelöst ist das Problem der Atemgasbefeuchtung bei der Jet-Ventilation. Für den kurzzeitigen Einsatz in der Anästhesie ist dieses Problem von untergeordneter Bedeutung, nicht jedoch bei länger dauernder Beatmung. Hier kann es durch die trockenen Atemgase zu schwersten Veränderungen der Tracheal- und Bronchialschleimhäute bis hin zu tiefen Schleimhautnekrosen kommen. Steht kein adäquates und für den Einsatz bei Jet-Ventilation konzipiertes Befeuchtersystem zur Verfügung, darf die Jet-Ventilation zur Langzeitbeatmung nicht eingesetzt werden. Dagegen ist bei der HF-Oszillation (HFO) eine ausreichende ▶ Atemgasklimatisierung durch HME (Heat and Moisture Exchanger) auch bei Langzeitbeatmung zu erzielen. Die meisten der im Folgenden vorgestellten HFTechniken werden vorwiegend in der Anästhesie bei kurzzeitigen diagnostischen und operativen Eingriffen im Larynxbereich eingesetzt. Statt eines Tubus werden hier häufig spezielle Jet-Bronchoskope und -Laryngoskope verwendet.

Inspiration

Exspiration

Abb. 3.40 HFPPV (High Frequency Positive Pressure Ventilation). Erläuterungen im Text.

3.10.1 HF-Überdruckbeatmung, HFPPV (High Frequency Positive Pressure Ventilation) Das Jet-Gas wird über ein Y-Stück am proximalen Tubusende eingespeist, gleichzeitig wird das tubusnahe pneumatische Ventil verschlossen. Ein Entrainment findet daher nicht statt. Die applizierten Volumina betragen 2 – 4 ml/kg KG, die Beatmungsfrequenzen 1 – 2 Hz. Während der Exspiration öffnet das pneumatische Ventil, so dass das Exspirationsgas passiv abströmen kann (Abb. 3.40).

Jet-Katheter

Entrainment

3.10.2 HF-Jetbeatmung, HFJV (High Frequency Jet Ventilation) In das Lumen des offenen Trachealtubus wird eine Injektorkanüle eingebracht, über die das Jet-Gas mit Beatmungsfrequenzen von 1–5 Hz und Volumina von 2–4 ml/kg KG eingespeist wird. Während der Jet-Phasen wird zusätzlich Gas angesaugt (Entrainment). Die Exspiration erfolgt passiv in der Pause zwischen den Druckgasimpulsen (Abb. 3.41).

Abb. 3.41 HFJV (High Frequency Jet Ventilation). Erläuterungen im Text.

3.10 Alternative Beatmungsverfahren: Hochfrequenzbeatmung, HFV

3.10.3 Hochfrequenzpulsation, HFP (High Frequency Pulsation) In ähnlicher Weise wie bei HFJV werden die Jet-Impulse über einen Injektor am proximalen Tubusende direkt in den Trachealtubus appliziert. Durch das Patientensystem wird ein Biasflow geleitet, aus dem das Volumen für das Entrainment gezogen wird. Die Sauerstoffkonzentrationen von Biasflow und Jet-Gas sind gleich. Die Volumina betragen 1 – 2 ml/kg KG, die Beatmungsfrequenzen 4 – 10 Hz. Die Exspiration erfolgt passiv (Abb. 3.42).

3.10.4 Hochfrequenz-Jet-Oszillation, HFJO (High Frequency Jet Oscillation) Das System arbeitet mit 2 Jet-Düsen. Über die Injektordüse werden Volumina von 1 – 2 ml/kg KG mit Frequenzen von 5 – 12 Hz verabreicht. Das Entrainment wird aus dem Biasflow bezogen, der die gleiche Sauerstoffkonzentration aufweist wie der Jet-Flow. Distal der Injektordüse befindet sich die Ejektordüse, über die Jet-Gas während der Exspirationsphase appliziert wird. Da die Spitze der Ejektordüse aus den Atemwegen heraus in Richtung

Tubuseingang weist, wird das Entrainment aus den Atemwegen bezogen. Dadurch wird die Exspiration forciert. Zur Unterstützung der Venturi-Effekte ist das Venturi-Rohr mit einer zusätzlichen sog. Venturi-Taille ausgestattet. Durch die Kombination von Injektor- und Ejektordüse können höhere Frequenzen bei niedrigeren Volumenportionen appliziert werden (Abb. 3.43).

3.10.5 Forcierte Diffusionsventilation, FDV (Forced Diffusion Ventilation) Die Druckgasimpulse werden über 2 Leitungen appliziert, die in die Wand eines speziellen Jet-Tubus integriert sind. Die Ausgänge der Jet-Leitungen enden an der distalen Tubusspitze. Das System ist offen, so dass es während der Inspiration zu einem Entrainment kommt. Idealerweise sitzen die Düsen kurz oberhalb der Karina, so dass die beiden Gasstrahlen direkt in die Hauptbronchien geleitet werden. Die FDV erlaubt die Applikation sehr kleiner Volumenportionen (0,2 und 0,4 ml/kg KG) mit hohen Frequenzen (2,5 – 33 Hz) (Abb. 3.44).

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Exspiration

Inspiration

3

Jet-Düse Entrainment Bias-Flow

aktive Jet-Düse

aktive Jet-Düse

Entrainment

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Entrainment

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Abb. 3.42 HFP (High Frequency Pulsation). Erläute­ rungen im Text.

Abb. 3.43 HFJO (High Frequency Jet Oszillation). Erläuterungen im Text.

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1

3 Beatmungsformen

Membran-Oszillator

Exspiration

Jet-Katheter

Jet-Katheter

Bias-Flow

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Abb. 3.44 FDV (Forced Diffusion Ventilation). Erläuterungen im Text.

3

Abb. 3.45 HFOV (High Frequency Oscillation Ventilation). Erläuterungen im Text.

3

3.10.6 HF-Oszillation, HFOV (High Frequency Oscillation Ventilation)

3.10.7 Kombinierte HF-Systeme, CHFV (Combined High Frequency Ventilation)

3

Eine mechanische Kolbenpumpe erzeugt sinusoidale Schwingungen mit Frequenzen von 2 – 100 Hz, die über eine Membran auf den Atemgasflow übertragen werden. Die verschobenen Volumina sind durch die mechanischen Membranauslenkungen definiert und daher volumenkonstant. Die Rückwärtsbewegungen der Membran bewirken eine aktive Exspiration. Hierdurch wird eine bessere CO2-Elimination erreicht als durch die anderen Verfahren (Abb. 3.45).

Diese Technik verknüpft die Vorteile der konventionellen Beatmung mit den Vorteilen der Hochfrequenzoszillation. Durch Einführen eines Jet-Schlauches in den Trachealtubus können die unterschiedlichsten volumen- und druckkontrollierten Beatmungsformen mit hohen Jet-Frequenzen überlagert werden. Auch die Überlagerung von partieller und vollständiger Spontanatmung, z. B. im S-IMV oder CPAP-Modus, ist möglich. Die JetAnteile können mit Frequenzen von 1 – 50 Hz appliziert werden (Abb. 3.46).

3 3 3 3

Hinweis Dieses Beatmungsprinzip wird seit Jahren mit Erfolg in der ▶ Neonatologie eingesetzt.

3.10.8 Superponierte Jet-Ventilation, SHFJV (Superimposed High Frequency Jet Ventilation) Der CHFV vergleichbar ist diese Technik, bei der 2 Jet-Ventilationsformen mit unterschiedlichen Frequenzen miteinander kombiniert werden. Bei-

3.10 Alternative Beatmungsverfahren: Hochfrequenzbeatmung, HFV

3.10.9 Technische Bewertung der HF-Beatmung konventioneller Respirator Jet-Katheter

Abb. 3.46 CHFV (Combined High Frequency Ventilation). Erläuterungen im Text. Jet-Katheter

Bias-Flow Entrainment

Abb. 3.47 SHFJV (Superimposed High Frequency Jet Ventilation). Erläuterungen im Text.

de Jet-Schläuche liegen in unterschiedlicher Höhe im Lumen des Trachealtubus. Der niederfrequente Jet-Anteil wird – ähnlich wie bei konventioneller Beatmung – mit Frequenzen bis 40/min, der überlagerte hochfrequente Anteil mit Frequenzen zwischen 1 und 15 Hz verabreicht (Abb. 3.47).

Trotz technischer Unterschiede handelt es sich bei der HF-Beatmung grundsätzlich um eine Beatmung im offenen System. Damit erfüllt die Technologie bereits von der Konzeption her eine wesentliche Anforderung an ein modernes Beatmungsverfahren, nämlich die Möglichkeit der jederzeitigen und freien Spontanatmung für den Patienten, unabhängig von der maschinellen Unterstützung. Von Nachteil ist jedoch, dass das Druck-FlowVerhalten und damit auch die Höhe der applizierten Volumina ganz wesentlich von der Charakteristik des Injektors abhängen. Dies ist besonders ausgeprägt bei Systemen, deren Injektoren innerhalb des Tubus liegen. Hier hängt das zugeführte Gasvolumen pro Jet-Impuls (Impulsvolumen) vom Durchmesser des Jet-Katheters und des Trachealtubus sowie von der Position der Gaseintrittsstelle innerhalb des Tubus ab und ist deshalb schwer abschätzbar und noch schwieriger zu messen. Das Gleiche gilt für die Höhe des Entrainments. Etwas günstiger sind Anordnungen wie bei HFP und HFJO, bei denen die Injektoren in das Tubusansatzstück integriert sind. Generell gilt jedoch, dass druckgasbetriebene HF-Formen wie HFPPV, HFJV, HFP oder FDV druck- und volumeninkonstant sind. Bei gleichbleibender Lungenmechanik führt eine Erhöhung der Frequenz stets zu einer Abnahme der einzelnen Volumenportionen, während das Atemminutenvolumen dabei annähernd konstant bleibt. Veränderungen der Lungenmechanik führen dagegen zu Veränderungen der Ventilationsparameter, deren Größe und Richtung sowie Konsequenz für den pulmonalen Gasaustausch im Einzelfall kaum abzuschätzen sind. Merke Druckgasbetriebene HF­Beatmung ist druck­ und volumeninkonstant.

Mechanisch betriebene Oszillatoren sind in ihrem Druck-Flow-Verhalten besser definiert. Die applizierten Volumenportionen bei HFO entsprechen den Membranauslenkungen der Pumpe; sie sind daher konstant und weitgehend unabhängig von der Lungenmechanik. Dementsprechend führt die Erhöhung der Oszillationsfrequenz zur Zunahme des Atemminutenvolumens.

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3 Beatmungsformen

Merke Mechanisch betriebene Oszillatoren arbeiten vo­ lumenkonstant.

3.10.10 Indikationen für HF-Beatmung ■ Indikationen in der Intensivmedizin

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Entgegen den Erwartungen nach ihrer Einführung in den 80er Jahren konnte sich die HF-Beatmung in der Intensivmedizin bisher nicht durchsetzen. Die durch die Minimierung der zur Beatmung notwendigen Einzelgasportionen theoretisch zu erwartenden Vorteile – Verringerung der Lungenbewegungen, Minimierung der Druckbelastung der Lunge, verbesserte Sekretmobilisation, verringerte Auswirkungen der Beatmung auf andere Organsysteme – konnten in der klinischen Praxis nicht eindeutig bestätigt werden. Bei der Behandlung des schweren akuten Lungenversagens wird dennoch in einigen Zentren die HFO mit dem Ziel angewendet, die Oxigenierung zu verbessern und gleichzeitig beatmungsassoziierte Lungenschäden (VALI = Ventilator Associated Lung Injury) zu reduzieren. In der Tat kann durch den im Vergleich zur konventionellen Beatmung höheren mittleren Beatmungsdruck während der HFO bei der Mehrzahl der Patienten eine klinisch relevante Verbesserung der Oxigenierung erreicht werden. Dabei ist in aller Regel auch die CO2-Elimination gut oder zumindest soweit ausreichend, dass eine schwere respiratorische Azidose vermieden werde kann. Zahlreiche Fragen bleiben dennoch ungelöst, wie z. B. die Ermittlung des optimalen kontinuierlichen alveolären Distensionsdrucks (CADP = Continuous Alveoar Distension Pressure) oder der optimale Zeitpunkt des Übergangs von konventioneller Beatmung auf HFO und umgekehrt. Problematisch ist weiterhin, dass ein direktes Monitoring der alveolären Ventilation nicht möglich ist. So kann z. B. eine komplette Tubusokklusion zunächst unbemerkt bleiben und erst durch Hyperkapnie und ggf. Abfall der O2-Sättigung evident werden. Zusammenfassend handelt es sich bei der HFO nach wie vor um ein experimentelles Verfahren, das nur in wenigen spezialisierten Zentren am Patienten angewendet werden kann. Neben ungelösten technischen Problemen verhindern fehlende Leitparameter bei der Systemeinstellung sowie

kaum vorhersehbare funktionelle Auswirkungen bei der Variation der Einstellgrößen (Impulsfrequenz, Antriebsdruck, Impuls-Pause-Verhältnis) einen breiteren Einsatz dieser Methoden. Obgleich die Ergebnisse bei der Behandlung des schweren ARDS mancherorts ermutigend sind, konnte der wissenschaftliche Beweis, dass diese Beatmungsform auch zu einer Verbesserung der Prognose beim schweren Lungenversagen führt, bisher nicht erbracht werden. Anwendungsbereiche der HF-Beatmung werden dagegen im Rahmen der ▶ seitengetrennten Beatmung (ILV) gesehen, z. B. zur Behandlung bronchopleuraler Fisteln. Hierbei wird die betroffene Lunge mit HFV beatmet, die gesunde dagegen konventionell. Auch bei der Behandlung des schweren ▶ Atemnotsyndroms des Neugeborenen (RDS, Respiratory Distress Syndrome) hat sich die Hochfrequenzoszillation (HFO) vielerorts als Alternative zu konventionellen Beatmungsformen etabliert.

■ Indikationen in der Anästhesie Im Gegensatz zur Intensivmedizin bestehen gesicherte Indikationen für die HF-Beatmung in der Anästhesie, z. B. bei diagnostischen und therapeutischen laryngoskopischen Eingriffen. Da der Chirurg einen möglichst ungehinderten Zugang zum Larynx benötigt, stellt die Jet-Beatmung eine Alternative zur üblichen endotrachealen Intubation dar. Bei der niederfrequenten Jet-Beatmung wird das Atemgas mit Frequenzen zwischen 8 und 20/ min infra- oder subglottisch über einen Spezialtubus appliziert. Die Exspiration erfolgt passiv durch die offenen Stimmbänder. Alternativ können die Atemgase über einen speziellen dünnlumigen Jet-Katheter zugeführt werden, der translaryngeal eingebracht wird. Eine weitere Alternative ist die Applikation der Atemgase über einen oder mehrere Injektoren im Arbeitskanal des Endoskopierohrs. Diese Techniken sind besonders geeignet für laserchirurgische Eingriffe, da keine Tuben oder Beatmungskatheter notwendig sind und dadurch die Gefahr eines Tubusbrandes oder einer Explosion geringer wird. Für die Jet-Beatmung über einen Katheter gilt generell, dass die applizierten Tidalvolumina mindestens 1,2-mal so groß sein müssen wie der anatomische Totraum. Die Compliance der Lunge beeinflusst sowohl den intrapulmonalen Druckauf-

3.11 Ein­Lungen­Ventilation und seitengetrennte Beatmung

bau als auch den Gasreflux während der In- und Exspiration. Durch das Entrainment von Raumluft reduziert sich die FiO2 der verabreichten Atemgasportionen. Bei Behinderung der Exspiration kommt es zum Ansteigen der Atemwegsdrücke. Bei Kindern und Patienten mit laryngealer Obstruktion sollte daher die Inspirationszeit 50 % des Atemzyklus nicht überschreiten. Bei der transtrachealen Technik erfolgt die Applikation der Jet-Gase durch eine Spezialnadel, die in Lokal- oder Allgemeinanästhesie perkutan durch das Ligamentum cricoideum eingeführt wird. Über diese Kanüle kann eine HFPPV durchgeführt werden. Indikationen für diese Beatmungsform sind ausgedehnte Tumoren im Larynxbereich, Operationen im Bereich der Stimmbänder u. ä. Beachtet werden muss, dass das Entrainment bei dieser Methode nur gering ist. In jedem Fall muss der freie Abfluss der Exspirationsgase durch den Larynx gesichert sein, da sonst das Risiko eines ▶ Barotraumas droht. Hinweis Bei der Unmöglichkeit der endotrachealen Intu­ bation kann diese Technik in Notfällen die pul­ monale Ventilation sicherstellen. Nach der Plat­ zierung der Jet­Nadel kann ein ausreichender Gasaustausch bis zur Durchführung einer Tra­ cheotomie oder fiberoptischen Intubation auf­ rechterhalten werden.

Tabelle 3.3 Indikationen für Ein­Lungen­Ventilation und seitengetrennte Beatmung. Thoraxchirurgische Eingriffe: ● videoassistierte Thorakoskopie (VATS) ● minimal invasive intrathorakale kardiochirurgi­ sche Operationen ● Lungentransplantation ● thorakale Aortenchirurgie ● onkologische Lungen­/Thoraxchirurgie ● Versorgung tracheobronchialer Verletzungen ● Versorgung bronchopleuraler Fisteln ● Versorgung von Lungenabszessen, Bronchiekta­ sen, Pleuraempyem ● Versorgung traumatischer Lungenparenchym­ verletzungen Maschinelle Beatmung bei: ● persistierender bronchopleuraler Fistel ● persistierender BronchusstumpfinsufÏzienz ● massiven Hämoptysen ● raumfordernden Zysten ● großen Emphysembullae

ektasen von einer Lunge in die andere zu vermindern oder sogar ganz zu verhindern (Tab. 3.3). Zur Vermeidung einer alveolo-pulmonalvenösen und dadurch systemarteriellen Luftembolie kann bei Thoraxtraumen mit schweren Zerreißungen des Lungenparenchams gelegentlich die sofortige EinLungen-Ventilation indiziert sein.

3.11.1 Ein-Lungen-Ventilation

3.11

Ein-Lungen-Ventilation und seitengetrennte Beatmung

Differenzierte Operationsverfahren in der Thoraxchirurgie erfordern häufig die Durchführung der Ein-Lungen-Ventilation (One-lung ventilation). Notwendig sind die absolute Seitentrennung der Beatmung und die sichere Ruhigstellung der zu operierenden Lunge z. B. bei der offenen Versorgung von Thoraxtraumen mit schweren Lungenparenchymverletzungen, bei Lungensegmentresektionen im Rahmen der Tumorchirurgie oder auch bei der videoassistierten Thorakoskopie (VAT) bzw. Thoraxchirurgie (VATS). Auch die operative Sanierung von schweren einseitigen Lungenerkrankungen kann gelegentlich die Ein-Lungen-Ventilation erfordern, um z. B. den Übertritt von Blut oder entzündlichem Sekret aus Abszessen oder Bronchi-

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ELV, Ein-Lungen-Ventilation (One lung Ventilation)

■ Material und Durchführung

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Tuben

Alle derzeit gebräuchlichen Doppellumentuben besitzen eine proximale und eine distale Blockmanschette. Während sich die proximale Manschette immer in der Trachea befindet, wird die distale im linken oder rechten Hauptbronchus positioniert. Aufgrund der anatomischen Besonderheiten des Tracheobronchialsystems wird zwischen linksund rechtsschwingenden Doppellumentuben unterschieden: Beim klassischen, linksschwingenden Carlens-Tubus aus wiederverwendbarem Gummimaterial wird der Tubus im linken Hauptbronchus platziert, wobei ein Karinasporn die Einlage erleichtern soll. Der rechtsschwingende White-

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3

3 Beatmungsformen

Nach Intubation und Positionierung des Doppellumentubus sollte als erstes die tracheale Manschette geblockt und auskultatorisch die seitengleiche Belüftung beider Lungen überprüft werden. Nach Blockung der bronchialen Manschette

sollte die Prozedur wiederholt werden, um eine Herniation (Verlegung der Tubusöffnung durch die Manschette) sofort zu erkennen. Üblicherweise benötigt die bronchiale Manschette nicht mehr als 2 ml Luft für eine sufÏziente Abdichtung. Anschließend kann die richtige Platzierung des Tubus im rechten oder linken Hauptbronchus durch Abklemmen des trachealen Lumens überprüft werden. Bei korrekter Position ist nur noch die betreffende Lungenseite ventiliert. Sind auskultatorisch weiterhin beide Lungen belüftet, liegt das bronchiale Lumen des Tubus noch oberhalb der Karina. Weist die Beatmung der rechten und linken Lunge deutliche Druckunterschiede auf, verschließt der bronchiale Schenkel vermutlich einen Oberlappen, so dass der Tubus entblockt und in 5-mm-Schritten so weit zurück gezogen werden muss, bis die Beatmungsdrücke in beiden Lungen vergleichbar hoch sind. Trotz aller Sorgfalt besteht intraoperativ und erst recht auf der Intensivstation ein hohes Risiko der Fehlpositionierung mit partieller Verlegung der Atemwege (Abb. 3.49), was unter Umständen zu einem erheblichen intrapulmonalen ▶ Rechts-LinksShunt führt. Häufige fiberoptische Lagekontrollen sind daher – zumindest nach jeder Lageveränderung des Patienten – unerlässlich, zumal die Auskultation bei einseitigen Lungenschädigungen keine zuverlässigen Hinweise über die korrekte Tubuslage bietet.

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Tubus zur Intubation des rechten Hauptbronchus besitzt eine zusätzliche Besonderheit: Da der rechte Oberlappenbronchus nur etwa 2,5 cm distal von der Karina abgeht, verfügt der Tubus über ein sog. Murphy-Auge zur Belüftung des rechten Oberlappenbronchus (Abb. 3.48). Heutige Doppellumentuben wie der RobertshawTubus werden ausschließlich ohne Karinasporn angeboten, um das tracheobronchiale Verletzungsrisiko zu reduzieren. Sie bestehen aus flexiblem Kunststoff und sind in der Regel aus Einmalmaterial. Es gibt sie in Größen von Ch 26 – Ch 41. Hinweis In der Intensivmedizin wird die längerfristige sei­ tengetrennte Beatmung der Lungen in der Regel über doppellumige Trachealkanülen durchge­ führt. Sie erlauben eine sicherere Positionierung der Tubuslumina im Tracheobronchialsystem als die routinemäßig bei lungenchirurgischen Ein­ griffen verwendeten, oral eingeführten Doppel­ lumentuben.

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Überprüfung der korrekten Tubuslage

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b

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Abb. 3.48 Prinzip des Doppellumentubus. a Carlens­Tubus zur Intubation des linken Hauptbron­ chus. Der Tubus ist der Anatomie der Luftwege angepasst. b White­Tubus zur rechtsseitigen Intubation mit schlitzförmiger Öffnung im Bereich der Manschette zur Beatmung des rechten Oberlappens.

Abb. 3.49 Störungen der Ventilation durch Dislokation des Doppellumentubus. a Obstruktion des rechten Hauptbronchus durch zu weit vorgeschobenen linksseitigen Doppelumen­ tubus. b Obstruktion des linken Hauptbronchus durch zu weit vorgeschobenen rechtsseitigen Doppelumen­ tubus.

3.11 Ein­Lungen­Ventilation und seitengetrennte Beatmung

Beachte Gelegentlich sind zur Abdichtung des trachealen oder bronchialen Cuffs hohe Drücke erforderlich, insbesondere bei niedriger Compliance und/ oder hoher Resistance der geschädigten Lunge. Dementsprechend hoch ist das Risiko der Druck­ nekrose oder Perforation im Cuffbereich. Intraoperativ auftretende Tubusdislokationen oder Verlegungen durch Sekret sind häufig. Kli­ nisch können sich Tubusdislokationen und Se­ kretverlegungen frühzeitig durch das Auftreten eines erhöhten Atemwegdrucks und/oder die Ausbildung eines intrinsischen PEEP manifes­ tieren. Da die Bronchialtoilette tubusbedingt deutlich eingeschränkt ist, werden u. U. sekun­ däre pulmonale Komplikationen begünstigt.

Merke Sofortige Überprüfung der Tubuslage bei jeder Verschlechterung der Oxigenierung!

■ Pathophysiologische Auswirkungen der Ein-Lungen-Ventilation Durch den Kollaps einer Lunge werden 30 – 70 % des gesamten Lungengewebes von der Ventilation ausgeschaltet. Innerhalb von Sekunden wird Blut aus regional schlecht belüfteten Lungenbezirken in besser ventilierte Areale umgeleitet, wodurch sich die Durchblutung der nicht ventilierten Lunge auf etwa ein Drittel reduziert. Diese hypoxische pulmonale Vasokonstriktion (HPV) verbessert das Ventilations-Perfusions-Verhältnis, wodurch die Folgen des ▶ Rechts-Links-Shunts gemindert werden (▶ Euler-Liljestrand-Reflex). Ein kritischer Abfall des paO2 kann dadurch häufig verhindert werden. Seitenlage des Patienten führt zu einer zusätzlichen, gravitationsbedingten Umverteilung des Blutflusses in die unten liegende beatmete Lunge. Dadurch ist die Oxigenierung bei der ELV in Seitenlagerung wesentlich weniger beeinträchtigt als in Rückenlage, obwohl die FRC der ventilierten, unten liegenden Lunge in Seitenlage durch die zusätzliche mechanische Kompression durch das Mediastinum weiter reduziert ist.

Hinweis Theoretisch dürfte der Rechts­Links­Shunt bei der Ein­Lungen­Ventilation unter Berücksichti­ gung aller Gegenregulationsmechanismen und unter der Annahme einer maximal ausgeprägten HPV kaum mehr als 20 % betragen. In klinischen Studien wurden jedoch teilweise erheblich höhe­ re Shuntfraktionen bestimmt. Ursächlich hierfür ist u. a. die Beeinflussung der HVP durch kreis­ laufwirksame Substanzen sowie Narkosemittel: Während intravenöse Anästhetika und Opioide offenbar keinen direkten Einfluss auf die HPV zu haben scheinen, ließen sich vor allem für die äl­ teren Inhalationsanästhetika wie Halothan und Enfluran dosisabhängige inhibitorische Effekte nachweisen. Unklar ist allerdings die klinischer Relevanz dieser Befunde, so dass hieraus keine Empfehlung zum Verzicht auf Inhalationsanäs­ thetika während der Ein­Lungen­Ventilation ab­ geleitet werden kann.

Merke Die hypoxische pulmonale Vasokonstriktion (HPV) verbessert das Ventilations­Perfusions­Ver­ hältnis und vermindert den Rechts­Links­Shunt.

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■ Beatmungsstrategie bei Ein-Lungen-Ventilation Generell sollte die ▶ druckkontrollierte Beatmung bevorzugt werden, da sie unerwünschte Druckerhöhungen in der Lunge sicher vermeidet. Eine gute oder sogar die bessere Alternative sind druckkontrollierte volumenkonstante Beatmungsverfahren wie ▶ AutoFlow oder ▶ BiLevel-VG. Merke Lungenprotektive Strategien auch bei der Ein­ Lungen­Ventilation. Die Einstellung der Beatmungsparameter sollte sich auch bei der Ein-Lungen-Ventilation an den Grundsätzen der lungenprotektiven Beatmung orientieren. Da gerade bei vorgeschädigten Lungen ein hohes Risiko für die Entwicklung eines Baround/oder Volutraumas besteht, sollte der inspiratorische Spitzendruck angesichts der halbierten

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3 Beatmungsformen

FRC auf maximal 30 mbar begrenzt werden. Ebenso wichtig ist die Reduktion der Atemzugvolumina (< 5 ml/kg KG), da ja nur eine Lunge beatmet wird. Selbstverständlich wird die Einstellung des Tidalvolumens auf das ideale Körpergewicht bezogen. Auf eine ausreichende Exspirationszeit ist zu achten, da bei der Ein-Lungen-Ventilation häufig intrinsic-PEEP-Phänomene beobachtet werden. Wenn möglich, sollte der intrinsische PEEP daher engmaschig gemessen werden. Die Beatmungsfrequenz sollte so gewählt werden, dass das resultierende Atemminutenvolumen eine ausreichende CO2-Elimination gewährleistet. Da eine Hypokapnie eine Vasodilatation in der nicht ventilierten Lunge verursacht, sollte sie nach Möglichkeit ebenso vermieden werden wie eine Hyperkapnie, die zur Vasokonstriktion in der ventilierten Lunge führt: Beides bewirkt eine Zunahme des RechtsLinks-Shunts. Dennoch sollte, wenn die Normoventilation nur durch eine Steigerung der Ventilation unter Vernachlässigung lungenprotektiver Grundsätze zu erreichen ist, eher die Hyperkapnie in Kauf genommen werden. Trotz der pathophysiologischen Nachteile wird sie meist gut toleriert und normalisiert sich postoperativ schnell wieder. Beachte Wegen des gestörten Ventilations­Perfusions­ Verhältnisses bei der Ein­Lungen­Ventilation kann der arterielle paCO2 anhand der endex­ spiratorisch gemessenen CO2­Konzentration in der Atemluft (petCO2) nur unzureichend abge­ schätzt werden.

Merke Engmaschige Überwachung des intrinsischen PEEP.

Beatmung mit PEEP?

Die Beatmung mit PEEP kann die Oxigenierung sowohl positiv als auch negativ beeinflussen. Der Effekt hängt im Wesentlichen davon ab, ob die FRC der ventilierten Lunge optimierbar ist. In jedem Fall muss eine Überblähung der Lunge durch einen inadäquat hohen PEEP vermieden werden, da sie zur Kompression kleinerer Lungengefäße mit Blutumverteilung in die nichtventilierte Lunge führt. Liegt dagegen eine Reduktion der FRC durch Atelektasen/Dystelektasen vor, kann die Applikation

eines PEEP zwischen 5 und 10 mbar zur Optimierung der funktionellen Residualkapazität und damit zur Verbesserung der Oxigenierung beitragen. Allgemein wird empfohlen, die ventilierte Lunge generell mit einem niedrigen PEEP von 5 mbar bis maximal 10 mbar zu beatmen. Merke Die Entscheidung zum Einsatz und zur Höhe des PEEP muss individuell erfolgen. Die Beaufschlagung der nicht ventilierten Lunge mit einem niedrigen PEEP über ein separates, einfaches CPAP-System kann ebenfalls zu einer deutlichen Verbesserung der Oxigenierung (siehe auch Kapitel „Seitengetrennte Beatmung“, S. 165) beitragen. Der PEEP verhindert den Totalkollaps der nichtventilierten Lunge und ermöglicht eine zusätzliche Sauerstoffaufnahme über die nichtventilierte Lunge (apnoische Oxigenierung). Hinweis Von einigen Autoren wird empfohlen, bei unzu­ reichender Oxigenierung zunächst die nicht ven­ tilierte Lunge und erst in einem zweiten Schritt auch die ventilierte Lunge mit einem PEEP von 5 mbar zu beaufschlagen. Ist der Effekt immer noch unzureichend, soll dann eine Anhebung des PEEP­Niveaus auf 10 mbar in beiden Lungen erfolgen. Dabei muss allerdings beachtet wer­ den, dass die Beaufschlagung der nichtventilier­ ten Lunge mit einem höheren PEEP die Operati­ onsbedingungen erheblich verschlechtern kann. Die einfachste und effektivste Methode zur Aufrechterhaltung einer sufÏzienten Oxigenierung ist die Ventilation der beatmeten Lunge mit 100 % Sauerstoff. Sie gewährleistet in der Regel nicht nur eine ausreichende arterielle Oxigenierung, sondern bewirkt über die Vasodilatation der Pulmonalgefäße auch eine Zunahme der Perfusion der ventilierten Lunge. Allerdings wird gleichzeitig die Entstehung von ▶ Resorptionsatelektasen begünstigt, wodurch möglicherweise die Shuntfraktion wieder erhöht wird.

3.11 Ein­Lungen­Ventilation und seitengetrennte Beatmung

Merke Sicherstellung der Oxigenierung durch Beat­ mung mit einer FiO2 von 1,0.

Ventilator I MASTER

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1

Ventilator II SLAVE

3.11.2 Seitengetrennte Beatmung ILV, Independent Lung Ventilation Die seitengetrennte Beatmung der Lungen mit 2 separaten Respiratoren (Independent Lung Ventilation, ILV) ist das intensivmedizinische Äqivalent zur ▶ Ein-Lungen-Ventilation während der Narkose. Durch die sparate Beatmung beider Lungen soll den spezifischen atemmechanischen Eigenschaften der erkrankten Lungen besser Rechnung getragen werden als durch die gemeinsame Beatmung beider Lungen mit einem Respirator (Abb. 3.50). Indikationen für die seitengetrennte Beatmung werden daher bei unilateralen oder ausgeprägt seitenbetonten bilateralen Lungenschädigungen gesehen, bei denen eine unterschiedliche Compliance beider Lungen vorliegt. Durch ILV und angepasste Beatmung beider Lungen soll die Umverteilung der Beatmungsvolumina von der „steiferen“ Lunge mit geringerer Compliance zugunsten der gesunderen Lunge mit besserer Compliance verhindert werden. Dadurch soll die volumenbedingte, alveoläre Überdehnung und damit die iatrogene Schädigung noch intakter Lungenbezirke (▶ Volutrauma) vermieden werden. Indikationen bestehen daher bei (vorwiegend) einseitigem Auftreten von ● schwerer Lungenkontusion, ● schwerer Aspiration, ● ausgedehnten Atelektasen. Hinweis In Anbetracht der Schwierigkeiten bei der tech­ nischen Umsetzung sowie der Tubusproblema­ tik werden außer bei den o. g. Krankheitsbildern heute kaum noch als Indikationen für die ILV ge­ sehen. Auch die Ausdehnung einer einseitigen Pneumonie auf die gesamte Lunge bei langzeit­ beatmeten Patienten kann durch ILV dauerhaft nicht verhindert werden. Dagegen kann die zeit­ lich begrenzte ILV bei schweren einseitigen – z. B. traumatischen – Lungenblutungen durch­ aus vorteilhaft sein.

3 Abb. 3.50 Seitengetrennte Beatmung. Synchro­ nisation zweier Respiratoren nach dem „Slave and master“­Prinzip.

Zu den wichtigsten Indikationen für die ILV zählen heute die Behandlung großer bronchopulmonaler Fisteln sowie die persistierende postoperative BronchusstumpfinsufÏzienz nach Trauma oder Operation (Tab. 3.3). Meist wird die Lunge mit der Leckage mit deutlich geringeren Drücken/Volumina oder auch nur mit CPAP beaufschlagt, um einen totalen Kollaps der Lunge zu verhindern. Idealerweise wird in diesen Fällen der CPAP knapp unterhalb des Öffnungsdrucks der Fistel eingestellt. Hierdurch wird die Heilung der Fistel unterstützt, ohne die Ventilation der anderen Lunge wesentlich zu beeinträchtigen.

■ Beatmungsstrategien Die Applikation der Tidalvolumina sowie die Einstellung von I/E-Verhältnis und selektivem PEEP mit 2 Respiratoren kann synchron oder asynchron durchgeführt werden. Bei der synchronen Ventilation werden die Respiratoren nach dem „Master and slave“-Prinzip elektronisch gekoppelt. Dabei steuert der Inspirationsimpuls des einen Respirators den anderen. Voraussetzung sind zwei typengleiche Respiratoren. Bei der asynchronen Ventilation können zusätzlich die Beatmungsfrequenzen beider Respiratoren, die nicht typengleich sein müssen, unabhängig voneinander variiert werden. Von den meisten Klinikern wird die synchronisierte Form bevorzugt, obgleich diese offenbar keine wesentlichen Vorteile aufweist. Wichtiger als die Art der technischen Realisierung der ILV scheint die Verteilung der Tidalvolumina

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3 Beatmungsformen

auf die Lungen sowie die Einstellung des selektiven PEEP zu sein. Beide Parameter müssen individuell an die unterschiedlichen pulmonalen Gegebenheiten der Lungen angepasst werden, wobei generell die druckkontrollierte Beatmung bevorzugt werden sollte. Eine weitere Variante ist die alternierende Ventilation. Hierunter versteht man eine synchronisierte Beatmung nach dem „Slave and master“Prinzip, bei der die beiden Ventilatoren zeitversetzt arbeiten. Durch die elektronische Verbindung der Respiratoren lässt sich jede beliebige Phasenverschiebung erreichen. Im Einzelfall kann durch die niedrigeren intrathorakalen Drücke eine geringere Beeinträchtigung der Hämodynamik resultieren.

■ Klinische Bedeutung

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Trotz einiger theoretischen Vorteile lässt sich die Prognose einseitiger Lungenerkrankungen durch ILV in der Regel nicht positiv beeinflussen. Dies gilt insbesondere für den Einsatz von ILV bei der schweren respiratorischen InsufÏzienz. Zusätzlich muss berücksichtigt werden, dass die Intubation mit einem Doppellumentubus sowie die Betreuung und Überwachung des Patienten erhebliche Erfahrung beim ärztlichen und pflegerischen Personal voraussetzen. Ein wesentlicher Nachteil ist die erschwerte Bronchialtoilette aufgrund der kleinen Tubuslumina. Da die akzidentelle Dislokation des Tubus in kürzester Zeit zur vitalen Bedrohung für den Patienten werden kann, müssen die Patienten immer tief sediert, ggf. sogar relaxiert werden. Diese methodenspezifischen Nachteile müssen im Einzelfall den zu erwartenden Vorteilen kritisch gegenübergestellt werden. Die schwere einseitige Pneumonie und das ARDS sind daher keine Indikation für die seitengetrennte Beatmung.

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Weiterführende Literatur

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■ Allgemein

3

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3

3

3

3

3

3

3

3

3

3

168

1

3

3

3

3

3

3

3

3

3

3

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169

4

Atemgaskonditionierung in der Intensivmedizin

1

Jörg Rathgeber

Physiologische Grundlagen. Die Luftwege haben eine wichtige Funktion bei der Konditionierung der Atemgase. Hierunter versteht man die Befeuchtung, Erwärmung und Reinigung der Atemluft. Auf dem Weg in die Lungenperipherie gibt die Schleimhaut der Atemwege so viel Wasser und Wärme an die Inspirationsluft ab, dass diese in den Alveolen körperwarm und wasserdampfgesättigt ist (isothermischer Sättigungszustand). Diese Klimatisierung der Atemluft erfolgt vorwiegend in den oberen Luftwegen, also in Nase und Nasopharynx. Die Befeuchtungs- und Erwärmungsleistung der unteren Luftwege ist demgegenüber nur gering (Abb. 4.1). Während der Exspiration verläuft der Wasser- und Wärmeaustausch in entgegengesetzter Richtung. Da sich die Schleimhäute aufgrund der Verdunstungsvorgänge während der Inspiration abgekühlt haben, kommt es nun zur Kondensation von Feuchtigkeit auf der Schleimhaut, wobei ein Teil der inspiratorisch an die Atemluft abgegebenen Feuchtigkeit und Wärme zurückgewonnen wird. Die atmungsbedingten Wasser- und Wärmeverluste werden dadurch reduziert. Aufgrund des vergleichsweise hohen Temperaturgradienten ist auch dieser Vorgang im Bereich der Nasenhöhle am effektivsten. Im Durchschnitt verliert ein erwachsener Mensch in Ruhe bei Atmung von Raumluft ca. 250 ml Wasser pro Tag. Bei maximaler körperlicher Betätigung und hohen Atemvolumina können sich die Wasserverluste beträchtlich erhöhen. Hinweis Das Verhältnis von tatsächlicher, absoluter Luft­ feuchte zur maximal möglichen Feuchte in einem Gas oder Gasgemisch wird als relative Luftfeuchte bezeichnet. Sie ist definiert als Pro­ zentzahl aus tatsächlichem Partialdruck des Was­ serdampfs im Gasvolumen und dem maximal

Exspiration

Inspiration

34 mg/l

10 mg/l

4

35 mg/l

4

17 mg/l 42 mg/l 7 mg/l 44 mg/l

44 mg/l

4 Abb. 4.1 Klimatisierung der Atemluft bei Nasenatmung in Ruhe. Angegeben ist der Wassergehalt der Atemluft während der In­ und Exspiration bei Atmung von Raumluft (Temperatur 22 °C, Wasser­ gehalt 10 mg/l). In der Lungenperipherie enthält die Atemluft bei Körpertemperatur 44 mg Wasser pro Liter Atemluft: isothermischer Sättigungszustand. Mit dem Wassergehalt der Atemluft verändert sich auch die Atemgastemperatur (Farbverlauf von Gelb nach Rot). Die Netto­Wasserbilanz zeigt, dass mit 17 mg H2O/l Atemluft der überwiegende Teil der Wasserverluste durch Verdunstung aus Nase und Nasopharynx stammt und nur ca. 7 mg H2O/l aus den unteren Luftwegen distal der Bifurkation. Bei Mundatmung erhöhen sich die Wasserverluste aus den unteren Luftwegen um wenige mg H2O/l.

möglichen Sättigungsdampfdruck. Ohne gleich­ zeitige Angabe der Temperatur erlaubt die allei­ nige Angabe der relativen Feuchte somit keine Aussage über den Wassergehalt der Luft. Durch die Überbrückung der oberen Luftwege mit dem Trachealtubus wird die physiologische Funktion der oberen Luftwege bei der Klimatisierung und Reinigung der Atemgase ausgeschaltet.

4 4 4 4 4 4

170

1

4 4 4 4

4 Atemgaskonditionierung in der Intensivmedizin

Die Erwärmung und Anfeuchtung der Atemgase verschiebt sich dadurch in Richtung Lungenperipherie und damit in Bereiche, die für den Wärmeund Feuchtigkeitstausch nur eingeschränkt geeignet sind. Als Folge erhöht sich der Wasserverlust durch Verdunstung aus den unteren Luftwegen gegenüber den Bedingungen der Nasenatmung (Abb. 4.2). Verstärkend kommt hinzu, dass medizinische Gase aus Druckgasflaschen oder zentralen Gasversorgungsanlagen zwar keimfrei und von hoher Reinheit sind, im Gegensatz zur Atmosphärenluft jedoch praktisch keine Feuchtigkeit enthalten. Merke Die atemgasklimatisierende Funktion der obe­ ren Luftwege wird durch die Intubation ausge­ schaltet.

Folgen unzureichender Klimatisierung der Atemgase. Schon nach kurzer Zeit kommt es durch Austrocknung der Schleimhäute zu Störungen der mukoziliären Clearancefunktion. Eine länger dauernde Exposition mit trockenen und kalten Atemgasen führt zu nachweisbaren morphologi-

Exspiration

Inspiration

4

33 mg/l

1 mg/l

4

40 mg/l

8 mg/l

schen Schädigungen der Ziliar-, Schleim- und Epithelzellen bis hin zu tiefgreifenden Veränderungen der Basalmembranen (siehe Abb. 1.7, S. 8). Unter diesen Bedingungen wird die bakterielle Keimbesiedelung erleichtert. Besonders gefährdet sind Patienten mit vorbestehenden pulmonalen Erkrankungen. Geschädigtes Epithel kann nur noch in begrenztem Maße zur Anfeuchtung und Erwärmung beitragen, so dass die isothermische Sättigungsgrenze immer weiter in Richtung der kleinen Atemwege verschoben wird. Damit gehen messbare Veränderungen pulmonaler Parameter wie die Abnahme von funktioneller Residualkapazität und Compliance, die Zunahme der Resistance sowie Einschränkungen des pulmonalen Gasaustauschs einher. Der Schweregrad dieser Veränderungen ist zeitabhängig und umso größer, je niedriger der Wassergehalt der Inspirationsluft ist. Neben der Ausbildung von Dystelektasen und Atelektasen durch Sekretretention in den Atemwegen sind Tubusokklusionen durch zähes Sekret besonders gefürchtet, da sie den Patienten vital bedrohen. Unmittelbar nach der Intubation müssen daher Maßnahmen zur Klimatisierung der Atemgase getroffen werden, um Störungen der mukoziliären Clearancefunktion zu vermeiden. Merke Atemgasklimatisierende Maßnahmen müssen sofort nach der Intubation begonnen werden.

4.1 32 mg/l 44 mg/l

44 mg/l

4 4 4

Abb. 4.2 Wassergehalt und Temperatur der In- und Exspirationsluft nach Intubation und Beatmung mit trockenen Atemgasen ohne Klimatisierung der Atemgase. Angegeben ist der Wasserge­ halt der Atemluft während der In­ und Exspiration bei Beatmung mit trockenen Atemgasen aus der zentra­ len Gasversorgung (Temperatur 18 °C, Wassergehalt 1 mg/l). Der effektive Wasserverlust aus den unteren Atemwegen ist mit 32 mg/l erheblich höher als unter Nasenatmung (Abb. 4.1).

Aktive Befeuchter

Definition. Von äußeren Energiequellen abhängige Befeuchter werden aktive Systeme (HH, Heated Humidifier) genannt. Die Leistungsdaten sowie die sicherheitstechnischen Anforderungen für aktive Befeuchtersysteme sind in der ISO 8185 aus dem Jahr 2007 festgelegt. Danach darf der Wassergehalt der Inspirationsluft 33 mg/l nicht unterschreiten. Die maximale Inspirationstemperatur darf nicht mehr als 42 °C betragen (Abb. 4.3).

4.1 Aktive Befeuchter

Gegebenheiten des Verneblers sowie von Temperatur, Viskosität, Dichte usw. der zu vernebelnden Flüssigkeit. Kleine Tröpfchen zwischen 0,5 und 3 µm Durchmesser gelangen bis in die Alveolen. Sie werden zum großen Teil wieder ausgeatmet.

Wassergehalt (mg/l)

60 50 40

4.1.2

33 mg/l 30 Mindestfeuchte 20 42°C Maximaltemperatur

37°C

0

10 20 30 Temperatur (°C)

40

Abb. 4.3 Wassergehaltskurve als Funktion der Temperatur. Bei 37 °C enthält die Atemluft bei Sättigung 44 mg Wasser/l. Nach ISO 8185 darf der Mindestwassergehalt 33 mg/l nicht unterschreiten. Die maximale Temperatur der Inspirationsluft darf 42 °C nicht überschreiten. Der markierte Bereich kennzeichnet damit das Anforderungsprofil für aktive Befeuchtersysteme.

4.1.1

1

44 mg/l

10

– 10

171

Vernebler

Vernebler erzeugen Aerosole, d. h. Suspensionen von Wassertröpfchen unterschiedlicher Größe. Bei längerem Einsatz besteht das Risiko der Überwässerung des Patienten, so dass Vernebler heute nur noch zur Applikation von Medikamentenaerosolen verwendet werden. Düsenvernebler arbeiten nach dem VenturiPrinzip im Haupt- oder Nebenstrom. Über die Düse wird Luft an einer Kapillaröffnung vorbei geblasen. Dabei entsteht ein Unterdruck, durch den Flüssigkeit aus dem Wasserreservoir angesaugt und zerstäubt wird (z. B. Medikamenten-Vernebler) (Abb. 4.4a,b). Im Ultraschallvernebler überträgt ein elektrisch in Schwingung versetzter Quarzkristall seine Schwingungsenergie auf die zu vernebelnde Flüssigkeit. Diese wird in Aerosoltröpfchen aufgebrochen und von dem über die Flüssigkeit streichenden Luftstrom mitgenommen (Abb. 4.4c). Die Tröpfchengröße der so erzeugten Aerosole liegt in Größenordnungen zwischen 0,5 und 10 µm Durchmesser. Sie hängt ab von konstruktiven

Verdunster

Verdunster setzen dem Atemgas Feuchtigkeit in Form von Wasserdampf zu. Bei Kaskadenverdunstern wird die Inspirationsluft durch ein erwärmtes Wasserbad geleitet. Die Wassertemperatur beeinflusst den Wassergehalt der Atemluft (Abb. 4.4d). Bei Verdunstern dieser Bauart sind die Atemwegswiderstände stark flowabhängig; dieser Aspekt muss bei der schwierigen Entwöhnung vom Respirator mit berücksichtigt werden. Bei Dochtverdunstern wird die wirksame Verdunstungsoberfläche durch ein saugfähiges Vlies aus Papier vergrößert (Abb. 4.4e). Der Inspirationsflow wird nicht unter die Wasseroberfläche geleitet, so dass die Atemwegswiderstände – insbesondere bei Spontanatmung – gegenüber Kaskadenverdunstern geringer sind. Neben den o. g. langjährig etablierten Verfahren wurde jüngst das Gegenstromverfahren in die klinische Praxis eingeführt (Abb. 4.4f). Durch die große Oberfläche und gleichzeitige Anwendung des Gegenstromverfahrens wird sichergestellt, dass das Gas am Befeuchterausgang nahezu die eingestellte Temperatur (z. B. 37 °C) des umgewälzten Wassers aufweist und wasserdampfgesättigt ist – weitgehend unabhängig vom Gasflow. Der Durchflusswiderstand für das Atemgas ist ebenso gering wie bei Dochtverdunstern (s. o.). Hinweis Wie die Klimatisierungsvorgänge in den Luft­ wegen beruht auch die Funktion von Verduns­ tern ebenso wie die von passiven Systemen auf thermodynamischen Gesetzmäßigkeiten. Da­ nach herrscht im Gleichgewichtszustand bei gegebener Temperatur über einem Wasserre­ servoir immer der gleiche Dampfdruck (Sätti­ gungsdampfdruck). Die Anzahl der aufgrund der Molekularbewegung aus dem Wasser freigesetz­ ten Wassermoleküle (Verdunstung oder Evapora­ tion) ist genauso groß wie die Anzahl der vom

4 4 4 4 4 4 4 4 4

172

4 Atemgaskonditionierung in der Intensivmedizin a

e

Inspirationsgase

1

Reservoir

Luft/O2 Schwimmer 37°C

Inspirationsgase

b

4 f

4 Gegenstromverdunster

4 Inspirationsgase

c

4

Heizplatte

Pumpe

UltraschallQuarz

4

HF-Spannungsquelle

g

4 d

Inspirationsgase Tauchrohr

4 Heizung

4 4

O2

Abb. 4.4 Befeuchtung und Erwärmung mit aktiven Klimatisierungssystemen. a, b Funktionsprinzip Düsenverneb­ ler. Die Aerosolbildung erfolgt nach dem Venturi­Prinzip im Hauptstrom (a) oder Neben­ strom (b). Zur Medikamen­ tenverneblung werden meist Nebenstromvernebler mit Druckluft­ oder O2­Antrieb eingesetzt, bei denen die Tröpf­ chengröße durch den Aufprall auf eine Kugel weiter reduziert wird. c Funktionsprinzip Ultraschallver­ nebler. Aerosolbildung durch einen elektrisch in Schwingung versetzten Quarzkristall, der seine Schwingungsenergie auf die zu vernebelnde Flüssigkeit überträgt. d Funktionsprinzip Kaskadenver­ dunster. Die Inspirationsluft wird durch ein Tauchrohr unter die Wasseroberfläche des er­ wärmten Wasserbades geleitet. e Funktionsprinzip Dochtverduns­ ter. Der Inspirationsflow wird nicht unter die Wasseroberflä­ che geleitet. Die Verdunstungs­ oberfläche wird durch saugfähi­ ges Vlies (Docht) vergrößert. f Funktionsprinzip eines Verduns­ ters im Gegenstromverfahren. Das Gegenstromverfahren stellt die optimale Befeuchung der Atemgase sicher. g Funktionsprinzip Sprudler. Der Gasfluss wird durch Wasser ge­ leitet. Das Wasserbad ist nicht erwärmt, die Anfeuchtungsleis­ tung gering.

4.2 Passive Befeuchter: Heat and Moisture Exchanger, HME

Wasser aufgenommenen Moleküle (Kondensa­ tion). Der maximal mögliche Wassergehalt der Gasphase wird somit in eindeutiger Weise durch die Temperatur vorgegeben. Wird die Tempe­ ratur erhöht, nimmt der Sättigungsdampfdruck und damit der Wassergehalt in der Gasphase zu. Wird die Temperatur dagegen erniedrigt, kommt es zur Kondensation, da der Taupunkt unterschritten wird. Kondensiertes Wasser ist in der Luft als Aerosol oder Nebel sichtbar, wäh­ rend Wasserdampf unsichtbar ist. Monitoring der Atemgastemperatur. Da sich das Inspirationsgas nach Durchströmen des Anfeuchters ebenso wie das Exspirationsgas nach Verlassen der Lunge im Schlauchsystem abkühlt, kondensiert Wasser im Schlauchsystem. Flüssigkeitsfallen im In- und Exspirationsschenkel sollen verhindern, dass Kondensat in die Lunge des Patienten gelangt. Durch Verwendung von Schlauchheizungen kann die Kondensation im Beatmungssystem reduziert werden. Zur Vermeidung von Schäden durch Überhitzung infolge eines technischen Defekts ist das patientennahe Monitoring der Atemgastemperatur vorgeschrieben. Empfohlen wird, die Atemgastemperatur am Tubus etwa auf 37 °C einzustellen. Beachte Oftmals zu spät detektiert wird das „Trocken­ fahren“ des Systems, vor allem in Verbindung mit Schlauchheizungen sowie bei kleinen Tidal­ volumina. In diesem Fall kann der Patient über längere Zeit mit trockenen und warmen Atem­ gasen beatmet werden, wodurch die Verduns­ tung aus den unteren Luftwegen und damit die Schädigung des Epithels erheblich zunimmt („Sahara­Effekt“). Übersättigte Atemgase. Ebenso wie zu trockene Atemgase beeinträchtigen auch zu feuchte Atemgase die ▶ mukoziliäre Clearancefunktion. Dies kann insbesondere der Fall sein bei Verwendung von Ultraschallverneblern, die Wasser in Form von Aerosoltröpfchen bis in die tiefen Atemwege transportieren. Auch hierdurch kommt es zur Degeneration und Adhäsion der Zilien in Bronchien zweiter und weiterer Ordnung sowie Veränderungen der Oberfläche der Schleimtröpfchen. Das erhöhte Sekretvolumen bei gleichzeitig verminder-

ter Viskosität erleichtert zudem das unerwünschte Abschwemmen kontaminierten Sekretes aus dem oberen Trachealbereich in die peripheren Lungenabschnitte. Dadurch wird die Entstehung von Atelektasen/Dystelektasen mit Erhöhung des Shuntvolumens und Beeinträchtigung von funktioneller Residualkapazität und Compliance gefördert.

4.1.3

173

1

Sprudler

Bei Sprudlern wird der Gasfluss durch Wasser geleitet (Abb. 4.4g), so dass Sprudler an sich zu den passiven Systemen gezählt werden müssen. Die Anfeuchtungskapazität ist nur gering; sie kann durch Beheizung des Wasserbades erheblich verbessert werden. Sprudler können bei der Sauerstofftherapie mit hohem Gasflow über Maske oder Nasensonde eingesetzt werden, um die Austrocknung und Verborkung der Schleimhäute in Nase und Mund durch trockenen Sauerstoff zu vermindern. Merke Die Befeuchtungsleistung von unbeheizten Sprudlern ist gering.

4 4 4 4

4.2

4.2.1

Passive Befeuchter: Heat and Moisture Exchanger, HME

4

Funktionsprinzip

Heat and Moisture Exchanger (HME), sog. „künstliche Nasen“, arbeiten als Wärme- und Feuchtigkeitstauscher. Da sie unabhängig von äußeren Energiequellen sind, werden sie auch als passive Befeuchter bezeichnet. HME entziehen der Ausatemluft des Patienten Wärme und Feuchtigkeit, speichern sie reversibel im Innenmaterial und führen sie bei der folgenden Inspiration den trockenen Atemgasen zu (Abb. 4.5). Die Klimatisierungsleistung von HME ist demnach umso höher, je größer ihre reversible Wasserbindungskapazität ist. Diese kann durch Verwendung hygroskopischer Substanzen (z. B. Kalziumchlorid) beträchtlich erhöht werden. Bei leistungsstarken HME verlässt die Exspirationsluft den HME daher nahezu wasserfrei, wodurch

4 4 4 4

174

4 Atemgaskonditionierung in der Intensivmedizin

ten damit eine „physiologische“ Klimatisierung der Atemgase. Schon nach wenigen Atemzügen sind ca. 80 % der maximalen Leistungsfähigkeit erreicht, spätestens nach 5 – 10 Minuten arbeiten HME im Gleichgewicht.

feucht/warm

Atemgase

1

Exspiration Inspiration

trocken/kalt

4

Abb. 4.5 Funktionsprinzip HME. HME sind Wärme­ und Feuchtigkeitstauscher: Wärme und Feuchtigkeit aus der Exspirationsluft des Patienten werden re­ versibel gespeichert und der Inspirationsluft wieder zugeführt. Dementsprechend sind die Atemgase patientennah feucht und warm, geräteseitig dagegen trocken und kalt.

4 Exspiration

Inspiration

4

6 mg/l

1 mg/l

4

43 mg/l

38 mg/l

5 mg/l 44 mg/l

44 mg/l

4 4 4 4 4

Abb. 4.6 Wassergehalt und Temperatur der Inund Exspirationsluft beim intubierten Patienten bei Verwendung eines effektiven HME. Die wäh­ rend der Exspiration im HME gespeicherte Wärme und Feuchtigkeit wird der folgenden Inspirationsluft wieder zugesetzt. Die Funktion der oberen Luftwege wird dadurch übernommen. Der effektive Wasserver­ lust durch Verdunstung aus den unteren Atemwegen beträgt nur etwa 5 mg/l und entspricht dem Wasser­ verlust bei Nasenatmung: „physiologische“ Atemgas­ klimatisierung.

die Wasser- und Wärmeverluste über die Atmung minimiert werden (Abb. 4.6). Dementsprechend niedrig sind die effektiven Wasserverluste aus den unteren Atemwegen; sie entsprechen denen bei Nasenatmung. Leistungsfähige HME gewährleis-

Hinweis Die Leistungsfähigkeit des HME kann in tech­ nisch einfacher und genauer Weise während der Beatmung durch Bestimmung des Wasserge­ halts in der Exspirationsluft nach Durchströmen des HME quantifiziert werden*. Beträgt der Rest­ Wassergehalt in der Exspirationsluft (gemessen am Respiratorauslass) weniger als 7 mg/l, kann von einer physiologischen Atemgasklimatisie­ rung ausgegangen werden. Diese Anforderun­ gen sollten für den Einsatz bei Erwachsenen für Tidalvolumina bis ca. 800 ml erfüllt sein. Bei der Beatmung von Kindern sind die Volumenberei­ che entsprechend niedriger. Akkumuliert Wasser im HME oder entweicht ein Teil der Exspirationsluft vor dem HME, z. B. durch eine Lungenfistel, reduziert sich der nachfolgende Wasser- und Wärmeeintrag in die Inspirationsluft. In diesem Fall ist ein niedriger Wassergehalt in der Exspirationsluft am Respiratorauslass nicht äquivalent mit hoher inspiratorischer Anfeuchtungsleistung. Atemwegswiderstände. HME bewirken immer eine Erhöhung der in- und exspiratorischen Atemwegswiderstände, was besonders bei Spontanatmung berücksichtigt werden muss. Da die Bedeutung zusätzlicher Atemwegswiderstände für die Gesamtatemarbeit im Einzelfall nicht abgeschätzt werden kann, sollten – adäquate Klimatisierungsleistung vorausgesetzt – HME mit niedriger Resistance bevorzugt werden. So zeigen einige HME-Modelle für den Einsatz bei Erwachsenen bei guter Klimatisierungsleistung akzeptable Atemwegswiderstände mit Druckabfällen von weniger als 2 mbar bei Gasflüssen von 60 l/min.

* Dies gilt nur in Nicht­Rückatmungssystemen, wie sie bei Inten­ sivrespiratoren vorliegen. Die Vermischung der Exspirationsgase mit Frischgas muss ausgeschlossen sein, da sie zu falsch niedrigen Messwerten führt.

4.2 Passive Befeuchter: Heat and Moisture Exchanger, HME

Die Atemwegswiderstände liegen damit in Größenordnungen, wie sie auch bei Verwendung von Verdunstern gemessen werden. Totraum. Da HME zwischen Tubus und Y-Stück des Schlauchsystems installiert werden, erhöhen sie den funktionellen Totraum. Dadurch kommt es bei gleichbleibender Ventilation zur CO2-Retention, die umso höher ist, je größer das Innenvolumen des HME ist. Bei beatmeten Patienten kann der zusätzliche Totraum durch entsprechende Erhöhung der Tidalvolumina bzw. Steigerung der Beatmungsfrequenz einfach kompensiert werden. Spontanatmende Patienten mit ausreichender ventilatorischer Reserve reagieren ebenfalls mit einer Steigerung ihrer Atmung („Giebel-Rohr-Effekt). Hierfür ist immer zusätzliche Atemarbeit erforderlich, die jedoch vor allem bei respiratorisch insufÏzienten Patienten unerwünscht ist. Unter Berücksichtigung der Klimatisierungsleistung sowie der Atemwegswiderstände sollte daher das Innenvolumen bei Erwachsenen-HME 50 ml nicht wesentlich überschreiten. Kosten. Leistungsfähige HME mit hoher reversibler Wasserretentionskapazität, niedrigen Durchflusswiderständen und geringem Innenvolumen stellen eine gleichwertige Alternative zu aktiven Befeuchtungssystemen auch bei langzeitbeatmeten Patienten dar. Da zusätzliche Investitions- und Wartungskosten entfallen, ist der Gebrauch von HME vergleichsweise kostengünstig. Energiebilanz. Im Gegensatz zu HME können aktive Befeuchtungssysteme dem Körper zusätzliche Wärme und Feuchtigkeit zuführen. Eine klinisch relevante Verbesserung der Energiebilanz kann hierdurch jedoch nicht erreicht werden. Erst durch Erhöhung der Atemgastemperatur auf über 40 °C wird die Energiebilanz positiv, wobei der Energiezuwachs jedoch im Vergleich zur Gesamtenergiebilanz des Körpers vernachlässigbar klein ist. Die Aufrechterhaltung der Körpertemperatur während der Anästhesie allein durch erwärmte und wasserdampfgesättigte Atemluft ist demnach ebensowenig möglich wie die aktive Erwärmung unterkühlter Patienten. Die Erhöhung der Wärmezufuhr durch Beatmung mit Atemgastemperaturen über 40 °C kann zudem zu schweren Hitzeschäden in der Trachea führen („hot pot tracheitis“) und kann daher nicht empfohlen werden.

Merke Atemgasbefeuchter sind zur Erwärmung hypo­ thermer Patienten ungeeignet.

4.2.2

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1

Hinweise für den Einsatz von HME

Aufgrund erheblicher qualitativer Unterschiede sollten grundsätzlich nur HME eingesetzt werden, die eine effektive Klimatisierung der Atemgase gewährleisten. Bei vergleichbarer Klimatisierungsleistung sollte der HME mit den niedrigsten Durchflusswiderständen bei geringstem Innenvolumen gewählt werden. Bei der Wahl des HME muss zusätzlich die Höhe der Atemvolumina berücksichtigt werden. HME für den Einsatz bei Erwachsenen sollten für Tidalvolumina bis 700 ml ausgelegt sein. Für Kinder und Säuglinge sind spezielle HME für kleine Tidalvolumina erhältlich, die entsprechend geringere Durchflusswiderstände und Innenvolumina aufweisen. Merke Nur HME mit ausreichender Befeuchtungsleis­ tung, niedrigen Durchflusswiderständen und geringem Innenvolumen verwenden. HME müssen immer so im Atemstrom des Patienten angebracht werden, dass sie bidirektional, also in- und exspiratorisch, durchströmt werden (Abb. 4.7d). Damit genügend Wasser und Wärme reversibel deponiert werden kann, muss der HME von der gesamten Exspirationsluft durchströmt werden. Bei Atemgasverlusten durch Leckagen im System, wie bei Patienten mit großen bronchopleuralen Fisteln oder bei Leckagen entlang des Tubus, sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so dass in diesen Fällen aktive Befeuchtersysteme bevorzugt werden sollten. Vorsicht ist geboten bei Patienten mit erhöhter Sekretproduktion, Lungentrauma mit Blutung, Lungenödem oder dergleichen: Hier kann es zu einer partiellen Verlegung des HME mit zunehmender Erhöhung der Atemwegswiderstände kommen. Daher ist in diesen Fällen die engmaschige Überwachung der Beatmungsparameter notwendig. Die Verwendung von HME mit transparentem Gehäuse erleichtert das Erkennen von Blut, Sekret

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4 Atemgaskonditionierung in der Intensivmedizin

1 Gefährlich!

Ventilator a

ungünstige HME-Position!

4 Ventilator

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Ventilator

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Korrekt!

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Abb. 4.7 Positionierung des HME. a Die Kombination von HME mit aktiven Befeuchtern kann zur vital bedrohlichen Erhöhung der Atem­ wegswiderstände führen. b Wenn eine „Gänsegurgel“ verwendet wird, dann sollte der HME patientennah installiert werden. c Tubusnahe aktive Befeuchter als Zusatz zum HME sind überflüssig und medizinisch bedenklich. d Korrekte Position des leistungsstarken HME auf dem Tubus.

usw. Ggf. muss der HME häufiger gewechselt werden. Alternativ ist die zeitweise Verwendung eines aktiven Befeuchtersystems zu erwägen. Die Kombination von HME und sog. „Gänsegurgel“ führt zur weiteren Zunahme des Totraums und muss aus diesem Grund – insbesondere bei Spontanatmung – kritisch gesehen werden: Manche der auf dem Markt erhältlichen Fabrikate weisen Innenvolumina von mehr als 100 ml auf! Ist eine „Gänsegurgel“ dennoch als Zugentlastung erforderlich, gehört der HME direkt auf den Tubus, die „Gänsegurgel“ dahinter (Abb. 4.7b). Andernfalls wird die Befeuchtungsleistung des HME durch Kondensation von Feuchtigkeit in der „Gänsegurgel“ verringert. HME dürfen nicht mit aktiven Befeuchtungssystemen kombiniert werden, da auch dies zu einer Erhöhung der Strömungswiderstände führen kann (Abb. 4.7a). Während der Verneblung von Medikamenten oder bei der Aerosoltherapie sollte der HME entfernt werden. Tubusnah installierbare Befeuchtersysteme als Zusatz zum HME (Abb. 4.7c) sollen die Klimatisierungsleistung des HME weiter verbessern. Aus medizinischer Sicht sind diese Systeme jedoch überflüssig, da leistungsstarke HME schon allein optimale physiologische Atemgasklimatisierung gewährleisten. Sie sind im Gegenteil als bedenklich einzustufen, da sie den Totraum erhöhen und dem Atemgas unkontrolliert Wasser und Wärme zuführen. Zudem ist die Erhöhung der Atemwegswiderstände durch Wechselwirkungen mit dem HME nicht ausgeschlossen. Nachteilig sind weiterhin zusätzliche Konnektionsstellen am Tubus, Gewicht sowie die erforderlichen Schlauchund Kabelverbindungen.

4.3

Weiterführende Literatur

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Akute respiratorische InsufÏzienz und akutes Lungenversagen

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Jörg Rathgeber und Peter Neumann

Die Anfänge der maschinellen Beatmung lassen sich in die Mitte des letzten Jahrhunderts datieren. Im Rahmen der Poliomyelitis-Epidemien in Skandinavien Anfang der 50er Jahre zeigte sich die Überlegenheit der maschinellen Überdruckbeatmung gegenüber der bis dahin eingesetzten ventilatorischen Unterstützung mithilfe von ▶ Tankrespiratoren („Eiserne Lunge“). Gleichzeitig konnte bewiesen werden, dass der pulmonale Gasaustausch durch Sicherstellung der Ventilation über lange Zeit aufrechterhalten werden kann. Rückblick Die Einführung und klinische Etablierung dieser neuen Methoden war in erster Linie der Verdienst von Anästhesisten, die damit gleich­ zeitig eine aktivere Rolle bei der stationä­ ren Behandlung nicht­chirurgischer Patienten übernahmen. So konnte Eric Wilson, ein Anäs­ thesist aus Lund, nachweisen, dass sich die Le­ talität von Barbiturat­Intoxikationen durch die Anwendung anästhesiologischer Praktiken, wie z. B. der Intubation, auf ein Zehntel reduzieren ließ. Die Einführung der Intubation und manu­ ellen Überdruckbeatmung zur Behandlung der Atemlähmung bei Poliomyelitis­Erkrankten geht ebenfalls auf einen Anästhesisten zurück. Björn Ibsen, ein Kopenhagener Anästhesist, konnte be­ weisen, dass sich hierdurch die extrem hohe Le­ talität von nahezu 90 % auf unter 25 % senken ließ. Der interessierte Leser sei auf die überaus lesenswerte Übersichtsarbeit von Wackers ver­ wiesen, in der die Anfänge der maschinellen Be­ atmung sowie auch des ventilatorischen Monito­ rings eindrucksvoll dargestellt sind: Wackers GL. Modern anaesthesiological princi­ pals for bulbar polio: manual IPPR in the 1952 polio­epidemic in Copenhagen. Acta Anaesthesi­ ol Scand 1994; 38: 420–431

Stand in früheren Jahren die Überbrückung des passageren Ausfalls der Atemmechanik und damit das Ventilationsversagen im Vordergrund des therapeutischen Bemühens, so sind es heute die Gasaustauschstörungen durch Erkrankungen des Lungenparenchyms. Durch technische Weiterentwicklungen ermöglichen moderne Respiratoren nicht nur die vollständige Übernahme der Ventilation durch kontrollierte Beatmung, sondern auch die differenzierte Unterstützung der Spontanatmung. Dementsprechend ist jeder moderne Respirator zur Beatmung von Patienten verschiedener Altersklassen und mit unterschiedlichsten Krankheitsbildern mit einem weiten Spektrum von Beatmungsformen und -mustern ausgestattet. Lediglich für die Beatmung von Früh- und Neugeborenen werden spezielle Säuglingsrespiratoren bevorzugt. Neben der Wahl des Respirators steht die korrekte Einstellung des gewählten Beatmungsmodus im Vordergrund, wobei sich die Durchführung der Beatmung ebenso wie die begleitende Therapie – z. B. die Analgosedierung – am zugrunde liegenden Erkrankungsbild orientieren muss. Primäres Ziel ist hierbei die Aufrechterhaltung und Verbesserung des pulmonalen Gasaustauschs, ohne dass die Lungen oder andere Organe durch die Beatmung zusätzlich geschädigt werden. Ursachen respiratorischer InsufÏzienz. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen 3 Ursachen der respiratorischen InsufÏzienz, die als eigenständige Formen oder in Kombination vorkommen können: ● Gasaustauschstörungen durch Erkrankungen des Lungenparenchyms, ● Störungen der Ventilation durch Schwäche oder Versagen der Atempumpe, ● arterielle Hypoxämie als Folge von kardial bedingten Perfusionsstörungen der Lunge.

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5 Akute respiratorische InsufÏzienz und akutes Lungenversagen

Merke Ursachen einer respiratorischen InsufÏzienz sind Erkrankung des Lungenparenchyms, Versagen der Atempumpe und/oder kardial bedingte Perfusionsstörungen der Lunge. Bei allen Formen der maschinellen Überdruckbeatmung muss berücksichtigt werden, dass maschinelle Beatmung nicht per se und nicht sofort zur Verbesserung der intrapulmonalen Gasverteilung in der erkrankten Lunge führt. Die Beatmung kann sogar selbst Gasverteilungsstörungen und damit eine Zunahme der ▶ Totraumventilation sowie des ▶ Rechts-Links-Shunts verursachen. Sie beruhen auf den gegenüber physiologischen Verhältnissen veränderten intrapulmonalen Druck- und Strömungsverhältnissen. Anders als bei Spontanatmung, bei der die Luft durch Abwärtsbewegungen des Zwerchfells und Ausdehnung des knöchernen Thorax in die Lungen gesaugt wird, drückt der Respirator die Atemgase gegen die Widerstände von Lungengewebe, Zwerchfell und Thorax in die Luftwege.

5.1

Merke Erkrankungen des Lungengewebes führen pri­ mär zu Störungen der Oxigenierungsfunktion. Leitsymptom Hypoxämie. Die Hypoxämie ist das führende Symptom der akuten respiratorischen InsufÏzienz. Ursächlich ist die Störung des Ventilations-Perfusionsverhältnisses mit erhöhter venöser Beimischung (▶ Rechts-Links-Shunt) durch Perfusion unzureichend ventilierter oder gar atelekatischer Lungenbezirke. Physiologische Gegenregulationsmechanismen wie die hypoxische pulmonale Vasokonstriktion (▶ Euler-LiljestrandReflex) reichen zur Begrenzung des pulmonalen Shunts nicht mehr aus bzw. werden durch endogene Faktoren wie z. B. vasodilatierende Medika-

Akute respiratorische InsufÏzienz

Erkrankungen des Lungengewebes führen primär zu Störungen der Oxigenierungsfunktion, die auch als akute respiratorische InsufÏzienz (ARI) oder Acute Lung Injury (ALI) bezeichnet werden. Die AteminsufÏzienz kann als Primärerkrankung auftreten, z. B. im Rahmen einer schweren Pneumonie (Abb. 5.1) oder nach einem ▶ Thoraxtrauma oder als akute Dekompensation einer vorbestehenden Lungenerkrankung (chronische Bronchitis u. a.). Häufig tritt sie auch als Komplikation bei anderen Erkrankungen auf, nach großen Operationen, bei systemischen Erkrankungen (Sepsis, Multiorganversagen) oder als Folge intensivmedizinischer Maßnahmen (▶ nosokomiale Pneumonie). Ursache und Schweregrad der akuten respiratorischen InsufÏzienz bestimmen das therapeutische Vorgehen. Dieses reicht von atmungsunterstützenden Maßnahmen durch Physiotherapie bei leichten bis mittelgradigen Einschränkungen der Lungenfunktion bis hin zur Intubation und maschinellen Beatmung.

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Abb. 5.1 Pneumonie als Ursache der akuten respiratorischen InsufÏzienz. a Lobärpneumonie, b interstitielle Pneumonie.

5.1 Akute respiratorische InsufÏzienz

mente oder Sepsismediatoren (NO) außer Kraft gesetzt. Hinweis Da Shuntblut mit der Atemluft nicht in Kontakt kommt, ist eine wesentliche Verbesserung der Oxigenierung durch alleinige Sauerstoffgabe bei schweren und schwersten Formen dieses Krank­ heitsbildes (▶ ARDS) nicht möglich (siehe Abb. 1.27, S. 46). Bei dieser „sauerstoffrefraktären Hypoxämie“ ist eine Beatmungstherapie für die große Mehrzahl der Patienten unumgänglich.

5.1.1

Therapiestrategien

Leichtere Formen der akuten respiratorischen InsufÏzienz können durch O2-Gabe, Atemtraining und Physiotherapie erfolgreich behandelt werden.

■ O2-InsufÒation Bei der O2-InsufÒation via Gesichtsmaske oder Nasensonde sollte beachtet werden, dass Sauerstoff aus Gasversorgungsanlagen oder Druckgasflaschen extrem trocken ist. Beim spontan atmenden Patienten führt dies zur subjektiv unangenehmen Austrocknung und auf Dauer auch zur Schädigung der Schleimhäute in Mund und Nase. Für die kurzzeitige postoperative O2-Zufuhr mag dieser Aspekt noch zu vernachlässigen sein, nicht jedoch bei der längerfristigen und höher dosierten O2-Applikation. In diesen Fällen sollte der Sauerstoff angefeuchtet werden. Einfache unbeheizte ▶ Sprudler sind zwar hinsichtlich ihrer Befeuchtungsleistung nicht sehr effektiv, für derartige Zwecke jedoch ausreichend. Hinweis Inspiratorische Sauerstoffkonzentrationen von mehr als 50 % sind durch Nasensonden oder Ge­ sichtsmasken kaum zu erreichen. Günde dafür sind einerseits unzureichend abdichtende Ge­ sichtsmasken und andererseits der begrenzte O2­Flow, der bei üblichen Gasdurchflussröhren maximal 15 l/min beträgt. Da der maximale In­ spirationsflow des erwachsenen Menschen weit höhere Werte erreicht, kommt es immer zur

Beimischung von Raumluft. Diese ist umso hö­ her, je größer inspiratorischer Sog (= maxima­ ler Inspirationsflow), Atemfrequenz und Atem­ zugvolumen des Patienten sind. Durch dicht abschließende Masken und Verwendung von gesichtsnahen Sauerstoffreservoirs kann die Bei­ mischung von Raumluft zwar reduziert, aber nicht vollständig verhindert werden (siehe auch Abb. 8.1, S. 264). Wegweisend für die Einstellung des O2-Flows ist die arterielle O2-Sättigung, die in der Regel ▶ pulsoximetrisch gemessen wird. Bei normalem Hb-Gehalt des Blutes sind O2-Sättigungen knapp oberhalb 90 % ausreichend. Dies entspricht einem arteriellen paO2 von etwa 60 mmHg. Insbesondere bei eingeschränkter myokardialer Reserve sollte der Sauerstoffgehalt im arteriellen Blut 10 mg/dl nicht wesentlich unterschreiten. Hinweis Für klinische Belange reicht es, den ▶ Sauerstoff­ gehalt des arteriellen Blutes (caO2) aus der O2­ Sättigung (SaO2) und dem Hämoglobingehalt des Blutes (cHb) nach der Formel caO2 = SaO2 × cHb × 1,34 zu berechnen. Er beträgt im Mittel 18 – 20 ml/dl. Der physikalisch gelöste Sauerstoff kann hierbei vernachlässigt werden.

Merke O2­Sättigungen knapp oberhalb 90 % sind aus­ reichend.

Sauerstofftoxizität. Untersuchungen bei Tieren haben gezeigt, dass die Atmung von Sauerstoff in höheren Konzentrationen und über längere Zeit zu pathologischen Veränderungen in den großen und kleinen Atemwegen sowie den Alveolen führt. Ursächlich soll u. a. die Bildung von toxischen O2-Radikalen sein. Sie führen zur akuten Tracheobronchitis und Beeinträchtigung der mukoziliären Clearance, zur direkten Schädigung der Alveolarmembran mit Beeinträchtigung der Surfactant-Synthese und Störung der zellulären Immunabwehr bis hin zum akuten Lungenversagen mit Entwicklung einer

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5 Akute respiratorische InsufÏzienz und akutes Lungenversagen

interstitiellen Fibrose. Inwieweit sich diese Befunde auf die menschliche Lunge übertragen lassen, ist bisher nicht völlig geklärt. Unklar ist auch, ab welcher Konzentration und Expositionsdauer O2 toxisch wirkt. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass hohe O2-Konzentrationen – insbesondere bei vorgeschädigten Lungen – die pulmonale Schädigung verstärken und damit zur Entwicklung eines akuten Lungenversagens beitragen können. Daher gilt generell, dass Sauerstoff so niedrig wie möglich dosiert und so kurz wie möglich appliziert werden sollte. Andererseits ist eine Hypoxämie für den Gesamtorganismus (und auch für die Lunge!) sicher schädlicher als hohe inspiratorische O2Konzentrationen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit zur bedarfsgerechten O2-Applikation nach dem Motto: Merke So wenig Sauerstoff wie möglich, so viel Sauer­ stoff wie nötig. Bei Atmung hoher O2-Konzentrationen besteht die Gefahr, dass sich sog. Resorptionsatelektasen ausbilden. Dabei wird der Sauerstoff aus den Alveolen ins Blut abgegeben, kann jedoch besonders in Alveolen mit hohen Zeitkonstanten („langsame Alveolen“) nicht schnell genug ersetzt werden. Während bei niedriger alveolärer O2-Konzentration der nur langsam absorbierte Stickstoff die Alveolen offen hält, steht Stickstoff als „alveoläres Füllgas“ bei Sauerstoffatmung nicht zur Verfügung: Die Alveolen kollabieren, die Shuntdurchblutung steigt an. Lassen sich ausreichende O2-Sättigungen längerfristig nur durch hohe O2-Flows erzielen, muss die Ursache der zugrunde liegenden Gasaustauschstörung abgeklärt und kausal behandelt werden. Häufige Ursachen sind z. B. Dystelektasen/Atelektasen in der postoperativen Phase, pneumonische Infiltrate oder pulmonale Überwässerung bei HerzinsufÏzienz. In diesen Fällen sind neben der medikamentösen Therapie zusätzliche Maßnahmen wie ▶ CPAP-Maskenatmung und ▶ inzentive Spirometrie zur Vergrößerung der gasaustauschenden Oberfläche indiziert. Können dennoch dauerhaft keine ausreichenden arteriellen O2-Sättigungen erzielt werden, ist in der Regel die Intubation und Beatmung unumgänglich.

Merke Eine längerfristige O2­Therapie sollte nur in Ver­ bindung mit zusätzlichen atemtherapeutischen Maßnahmen erfolgen.

■ Inzentive Spirometrie: SMI-Trainer Leichte Störungen der Oxigenierungsfunktion im Sinne einer respiratorischen PartialinsufÏzienz finden sich häufig nach großen operativen Eingriffen. Betroffen sind auch bettlägerige Patienten mit schweren Allgemeinerkrankungen ohne primäre Lungenbeteiligung. Therapeutisch stehen zunächst physikalische Maßnahmen zur Erhöhung der funktionellen Residualkapazität im Vordergrund. Das Spektrum physiotherapeutischer Maßnahmen reicht von der Frühmobilisation über krankengymnastische Atemübungen, Lagerungs-, Perkussions- und Vibrationsbehandlungen bis hin zu atemtherapeutischer Verfahren mit inzentiver Spirometrie, ▶ IPPB-Therapie, ▶ CPAP-Atmung und gezielter Bronchoskopie. Mithilfe der inzentiven oder „anreizenden“ Spirometrie (Triflo, Mediflo, RespiFlo III u. a.) soll der spontan atmende Patient in Anlehnung an die physiologische Seufzeratmung die aktive, langsame und tiefe Atmung (Sustained Maximal Inspiration, SMI) trainieren. Ziel ist die Verbesserung der ▶ funktionellen Residualkapazität und die Verhinderung von Atelektasen durch wiederholte und regelmäßige Durchführung dieser Form der Atemtherapie.

Durchführung

Die effektive Anwendung setzt voraus, dass der Patient – wenn möglich schon präoperativ – in den Gebrauch des Gerätes eingewiesen und über den Nutzen der Therapie aufgeklärt wurde. Insbesondere sollte der Patient dahingehend angeleitet werden, gleichmäßig tiefe und maximale Inspirationen mit niedrigem Flow und endinspiratorischer Pause („inflation hold“) durchzuführen, statt vieler hektischer, kurzer Atemzüge mit hohem Initialflow. Merke Langsame, tiefe Inspirationen mit endinspirato­ rischer Pause.

5.1 Akute respiratorische InsufÏzienz

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Abb. 5.2 Atemübung mit SMI-Trainer. Verbesserung der alveolären Belüftung bei teilweise obstruierten Atemwegen (a) durch langsame Inspiration (b) und während „inflati­ on hold“ (c) . Weitere Erläuterungen im Text.

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4 Hinweis Der Patient sollte immer wieder darauf hinge­ wiesen werden, dass die maximale Füllung der Lungen angestrebt wird. Dabei soll die Inspirati­ onsbemühung bei offener Glottis möglichst lan­ ge dauern. Hierdurch wird eine bessere Vertei­ lung der Atemgase in Lungenkompartimenten mit größerer Zeitkonstante bewirkt. Endinspira­ torisches Luftanhalten ist für die Gasverteilung ungünstiger und sollte daher vermieden werden. Es kommt also nicht darauf an, den Ball oder die Bälle kurzfristig in Bewegung zu setzen, sondern sie am Ende der Inspiration über einen möglichst langen Zeitraum „tanzen“ zu lassen bzw. das Absinken des Stempels möglichst lange hinauszuzögern. Die Exspiration soll passiv und langsam erfolgen, um Air-Trapping durch exspiratorischen Kollaps der Atemwege zu vermeiden (Abb. 5.2). Zur Verbesserung der Zwerchfellexkursionen sollte der Patient mit erhöhtem Oberkörper gelagert werden bzw. an der Bettkante sitzen. Der Patient muss darauf hingewiesen werden, dass positive Effekte nur dann zu erwarten sind, wenn die Übungen regelmäßig und häufig durchgeführt werden, d. h. mindestens 8–10-mal pro Stunde. Zur Vermeidung von Hyperventilation sollte die Anzahl der Manöver 10 pro Übung nicht überschreiten. Nicht indiziert ist die Anwendung bei dyspnoischen Patienten (Atemfrequenzen > 25/min) mit progredienter ventilatorischer Erschöpfung.

Merke 8–10 Übungen / h, maximal 10 Manöver pro Übung. Keine Indikation bei drohender ventilatorischer Erschöpfung.

Klinische Bedeutung

Vor allem in der postoperativen Phase gewinnt die inzentive Spirometrie zunehmend an Bedeutung, da die Anwendung der Geräte einfach ist und vom Patienten nach kurzer Einführung selbständig durchgeführt werden kann. Voraussetzung zur Durchführung der Übungen ist allerdings immer ein motivierter und kooperativer Patient.

■ Intermittierende Überdruckbeatmung (Intermittent Positive Pressure Breathing, IPPB) Ähnlich wie bei der inzentiven Spirometrie soll die intermittierende Überdruckbeatmung über ein Mundstück (Intermittent Positive Pressure Breathing, IPPB) beim spontan atmenden, nicht intubierten Patienten zur Verbesserung der ▶ funktionellen Residualkapazität beitragen. Verwendet werden zumeist druck- oder flowgesteuerte Geräte, deren prinzipielle Einstellung im Folgenden beschrieben wird.

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Durchführung Wichtig ist, dass der Patient entspannt ist und sich vom Respirator beatmen lässt. Das Ziel ist die langsame und möglichst maximale Volumendehnung

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– Blähung – der Lunge, um dystelektatische und atelektatische Bezirke zu eröffnen. Merke IPPB­Therapie: langsame Volumendehnung der Lunge durch Überdruck.

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Ein positiver Nebeneffekt der Lungendehnung ist die Auslösung von Hustenreiz, wodurch bei manchen Patienten die Sekretolyse und Bronchialtoilette erheblich verbessert werden kann. Durch gleichzeitige Verneblung von Sekretolytika und Bronchospasmolytika kann die IPPB-Therapie bei obstruktiven Erkrankungen vorteilhaft sein. Die Einstellung des Gerätes muss individuell erfolgen. Der Inspirationsflow sollte möglichst niedrig gewählt werden, muss jedoch den Bedürfnissen des Patienten entsprechen, um Zwischenatmen während der Inspiration zu vermeiden. Der Beatmungsdruck (= Umschaltdruck) muss ebenfalls „titriert“ werden, um unabhängig von der Compliance eine maximale Dehnung der Lunge zu gewährleisten. Endinspiratorisch sollte der Umschaltung in die Exspiration möglichst eine ▶ low-flowPhase vorausgehen, in der sich die Atemgase in der Lunge verteilen können. Die Exspiration sollte dementsprechend nicht durch aktive Exspirationsbemühungen des Patienten ausgelöst werden. Die ▶ Triggerempfindlichkeit des Gerätes sollte im Bereich von –2 bis –5 mbar eingestellt werden und muss gegebenenfalls nachgeregelt werden. Starke Inspirationsbemühungen des Patienten müssen vermieden werden, da sie der Forderung nach passiver Beatmung der Lungen zuwiderlaufen. Andererseits verhindert ständiges unbeabsichtigtes Auslösen der maschinellen Inspiration durch eine zu niedrige Triggerschwelle die Synchronisierung der Atmung zwischen Patient und Maschine.

■ Atmung mit vergrößertem Totraum: Giebel-Rohr Atmung durch ein Rohr erhöht den ▶ funktionellen Totraum und führt damit zur Rückatmung von CO2. Zur Vermeidung von CO2-Retention und Hyperkapnie kommt es hierdurch bei Patienten mit intaktem Atemantrieb zur kompensatorischen Steigerung der Atmung mit Erhöhung der Tidalvolumina und/oder Zunahme der Atemfrequenzen. Die vertiefte Atmung soll zur besseren ▶ alveolären Ventilation und Vermeidung von Dystelektasen und Atelektasen beitragen.

Durchführung

Zur Totraumvergrößerung werden sog. „GiebelRohre“ eingesetzt, die aus zusammensteckbaren Rohrsegmenten von 20 cm Länge und 100 ml Rauminhalt bestehen. Meist werden pro Atemübung 20 – 30 Atemzüge mit 4 – 5 Segmenten durchgeführt. Bei älteren Patienten sollte die Anzahl der Segmente reduziert sowie die Übungsdauer verkürzt werden. Es ist darauf zu achten, dass die Atemtiefe zunimmt, ohne dass die Atemfrequenz ansteigt. Merke Ziel ist die Steigerung der Atemtiefe ohne Zu­ nahme der Atemfrequenz.

Kontraindiziert ist der Einsatz von Totraumvergrößerern bei akuter Dyspnoe sowie bei Patienten mit ventilatorischer InsufÏzienz durch ● Lungenemphysem, ● chronisch obstruktive Ventilationsstörung (COPD), ● Asthma bronchiale, ● schwere Gasaustauschstörung mit zusätzlichem O2-Bedarf, ● ausgeprägter HerzinsufÏzienz.

Klinische Bedeutung

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4

Schwierig ist die individuell notwendige Einstellung der Geräteparameter. Die zur passiven Blähung der Lungen notwendige muskuläre Entspannung kann von vielen Patienten nicht oder nur mit Mühe erbracht werden. Dementsprechend sind Akzeptanz und Erfolg der Therapie zumeist nur gering.

Klinische Bedeutung

In der Vergangenheit wurden Giebel-Rohre vor allem in der postoperativen Phase sowie bei bettlägerigen Patienten eingesetzt. Es hat sich jedoch gezeigt, dass die EfÏzienz der Maßnahme – auch im Vergleich zu anderen Techniken wie ▶ inzentiver Spirometrie – insgesamt nur gering ist. Dazu kommt, dass gerade respiratorisch insufÏziente Patienten die zusätzliche Atemarbeit durch den

5.1 Akute respiratorische InsufÏzienz

künstlich erhöhten Totraum oftmals nicht aufbringen können, so dass das Risiko der ventilatorischen Erschöpfung mit Hyperkapnie und Hypoxie besteht. Aus diesen Gründen wird das Giebel-Rohr heutzutage kaum noch verwendet.

■ CPAP-Atmung Pathophysiologische Grundlagen

Manifeste Lungenveränderungen, die, wie z. B. bei der Pneumonie, im Röntgen-Thoraxbild als diffuse oder lobäre Infiltrationen (Abb. 5.1) und atelektatische/dystelektatische Veränderungen erkennbar sind, können durch physiotherapeutische Maßnahmen, Sauerstoffapplikation und die oben beschriebenen einfachen Atemübungen oft nicht ausreichend behandelt werden. Dies hat pathophysiologische Gründe: Die Hypoxämie entsteht in erster Linie durch Atelektasen, die sich besonders in den dorsobasalen Lungenarelaen ausbilden. Da die ▶ Surfactant-Funktion in den erkrankten Lungenabschnitten gestört ist, besteht in diesen Arealen die generelle Tendenz zur Atelektase, wodurch die gasaustauschende Fläche reduziert ist. Teilweise lassen sich diese Bezirke zwar z. B. durch tiefe Einatmung und Erhöhung der transpulmonalen Drücke kurzfristig wieder eröffnen, kollabieren jedoch bereits nach kurzer Zeit wieder. Diesem Alveolarkollaps kann durch Atmung mit ▶ PEEP wirkungsvoll vorgebeugt werden. Der kontinuierliche positiv endexspiratorische Druck (▶ CPAP-Druck) trägt ganz wesentlich zur Eröffnung und Stabilisierung (Rekrutierung) der Alveolen und somit zur Normalisierung der FRC und dauerhaften Verbesserung der Oxigenierung bei. Hinweis Alveoläres Rekruitment erfordert Zeit. Wird der positive Atemwegsdruck nur für eine kurze Zeit unter einen kritischen Wert abgesenkt, kommt es zum erneuten Alveolarkollaps. Die Anordnung „1 x pro Schicht 30 Minuten CPAP“ ist somit kaum erfolgversprechend!

Durchführung

Die CPAP-Prozedur muss über dicht sitzende Masken, alternativ auch über einen ▶ Beatmungshelm möglichst kontinuierlich über einen längeren Zeitraum (Stunden!) durchgeführt werden. Zur Appli-

kation sind ▶ Continuous-Flow- wie auch ▶ Demand-Flow-Systeme geeignet. Letztere sind in der Regel in moderne Respiratoren integriert und sollten bei kritisch kranken Patienten bevorzugt werden, da sie ein Monitoring der ventilatorischen Parameter (Atemvolumina, endtidales CO2) erlauben. Liegt gleichzeitig eine ventilatorische InsufÏzienz vor, besteht hier zudem die Möglichkeit zur Unterstützung der Eigenatmung mit einer ▶ inspiratorischen Druckunterstützung. Definitionsgemäß spricht man dann von ▶ nichtinvasiver Beatmung, NIV. Einstellung. Die Höhe des erforderlichen CPAPNiveaus liegt in der Regel zwischen 5 und 10 mbar. Höhere Werte führen zu Dyspnoe und Aerophagie (Luftschlucken) mit Meteorismus und werden daher vom Patienten meist nur schlecht toleriert.

Klinische Bedeutung

Durch intermittierende CPAP-Maskenatmung kann die eingeschränkte ▶ FRC häufig wirkungsvoll und dauerhaft verbessert werden, so dass die Intubation und Beatmung umgangen werden kann.

5.1.2

Indikation zur Intubation und Beatmung

Die Indikation zur maschinellen Beatmung ist gegeben, wenn es unter der Behandlung der zugrunde liegenden Ursache der respiratorischen InsufÏzienz zum Fortschreiten der Erkrankung mit Abnahme von paO2 und O2-Sättigung trotz maximaler Sauerstoffgabe kommt. Bei gleichzeitiger ventilatorischer InsufÏzienz durch Erschöpfung der Atemmuskulatur besteht eine respiratorische GlobalinsufÏzienz. Die Beatmung erfordert nicht zwangsläufig die Intubation! Viele Krankheitsbilder lassen sich auch durch ▶ nichtinvasive Beatmungsverfahren (NIV) behandeln, die mittlerweile bei zahlreichen Indikationen eine mögliche Alternative zur klassischen Beatmung darstellen. Da sich die NIV in den letzten Jahren schon fast als eigenständige Therapieform entwickelt hat, werden die Indikationen im Rahmen der akuten respiratorischen InsufÏzienz sowie die Durchführung der Therapie gesondert behandelt. Im Folgenden wird daher lediglich das Vorgehen nach endotrachealer Intubation dargestellt.

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186

5 Akute respiratorische InsufÏzienz und akutes Lungenversagen

1

Tabelle 5.1 Indikationen zur Beatmung bei akuter respiratorischer InsufÏzienz (ARI). Parameter

Normalwerte

Beatmungsindikation

Atemfrequenz [1/min]

12 – 20

> 35

Vitalkapazität [ml/kgKG]

65 – 75

< 10

Inspiratorischer Sog [mbar]

75 – 100

< 25

paO2 [mmHg]

70 – 100 (bei Luftatmung)

< 70 (mit O2­Maske)

pAaDO2 [mmHg]

25 – 65

> 450*

paCO2 [mmHg]

35 – 45

> 55**

VD/V T

0,25 – 0,4

> 0,6***

Atemmechanik

5

Ventilation

4 *

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Alveolo­arterielle Sauerstoffpartialdruckdifferenz, gemessen nach 10 Minuten Atmung von 100 % Sauerstoff. ** Gilt nicht für Patienten mit chronischer Hyperkapnie, z. B. bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD). *** Totraumquotient (Verhältnis von Totraum zu Atemzugvolumen).

Merke Die Indikation zur nichtinvasiven oder invasiven Beatmung besteht bei steigendem O2­Bedarf und ventilatorischer Erschöpfung.

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Merke Bei der Entscheidung zur Beatmung muss der kli­ nische Gesamtzustand des Patienten berücksich­ tigt werden.

5.1.3

Oxigenierung

4

chen Behandlung des ursächlich zugrunde liegenden Krankheitsbildes durchgeführt wird.

Bei der Entscheidung zur Beatmung können mitunter auch Grenzwerte hilfreich sein, mit denen die ventilatorische, atemmechanische und gasaustauschende Kapazität des Patienten bzw. seiner Lunge abgeschätzt werden kann (Tab. 5.1). Zudem müssen der gesamte klinische Zustand des Patienten, seine Vorerkrankungen und seine Prognose individuell mit berücksichtigt werden. Dabei darf nicht vergessen werden, dass maschinelle Beatmung an sich in aller Regel keine Therapie im eigentlichen Sinne darstellt. Es handelt sich hierbei lediglich um eine überbrückende Maßnahme, die zur Sicherstellung und Optimierung der Ventilation und des pulmonalen Gasaustausches bis zur erfolgrei-

Lungenprotektive Beatmung

Ziel der Beatmungstherapie ist die Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der alveolären Ventilation und des pulmonalen Gasaustauschs, ohne die Lunge zusätzlich zu schädigen. In Unkenntnis der pathophysiologischen Zusammenhänge der zugrunde liegenden, oftmals multifaktoriellen Lungenschädigungen wurde in der Vergangenheit der Fokus der Therapie meist einseitig auf die schnelle Normalisierung des wichtigsten Zielparameters, die Oxigenierung, gerichtet. Diese Strategie führte zur bevorzugten Beatmung mit hohen Tidalvolumina (10 – 15 ml/kg), die in Kombination mit niedrigen positiven endexspiratorischen Drücken (PEEP) in den meisten Fällen zwar initial zu einer deutlichen Verbesserung des pulmonalen Gasaustauschs führte, jedoch nicht zu einer Reduktion der hohen Mortalität des akuten Lungenversagens. Diese war letztlich bedingt durch sekundäre, beatmungsbedingte Lungenschäden (Ventilator Associated Lung Injury, VALI, Ventilator Induced Lung Injury, VILI), z. B. durch freigesetzte proinflammatorische Mediatoren in der Lunge. Hinweis Neuere Erkenntnisse weisen darauf hin, dass kontrollierte Beatmung zudem eine direkte Schädigung der Zwerchfellmuskulatur verursa­ chen kann (Ventilator Induced Diaphragm Dys­ function, VIDD), die u. a. durch Muskelatrophie, strukturelle Schäden und Umbauprozesse auf molekularer Ebene gekennzeichnet ist.

■ Beatmungsinduzierte Lungenschäden Bereits in den 90er Jahren deuteten die Ergebnisse aus tierexperimentellen Untersuchungen darauf hin, dass die Beatmung mit hohen Tidalvolumina

5.1 Akute respiratorische InsufÏzienz

a

b normale Ventilation normale Perfusion

Hyperinflation

Gefahr des Barotraumas

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Kompartimente 1 hohe Resistance

dynamische Scherkräfte/Biotrauma Kompartimente 2

Druck

Druck Volumen

niedrige Compliance

Volumen

eingeschränkte Ventilation

Zeit

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5 Zeit

4 Abb. 5.3 Baro-, Volu- und Atelektrauma. a Ungleichgewicht von Ventilation und Perfusion zwischen Alveolarbezirken mit normaler Compliance und Re­ sistance (Kompartiment 1) und Alveolarbezirken mit erniedrigter Compliance und/oder erhöhter Resistance (Kompartiment 2) bei volumenkontrollierter Beatmung. b Eine inadäquate Zunahme der Tidalvolumina führt neben der Zunahme der Beatmungsdrücke gleichzeitig auch zu erheblichen atemmechanischen Belastungen des Lungenparenchyms. Dynamische Scherkräfte zwi­ schen Alveolarbezirken unterschiedlicher Compliance und Resistance (Atelektrauma) sowie Hyperinflation gesunder Alveolarbezirke verursachen Mikroläsionen im Bereich der alveolo­kapillären Membran. Neben dem direkten mechanischen Stress kann das Lungengewebe auch indirekt durch Aktivierung der Entzündungskas­ kade (Biotrauma) geschädigt werden.

gesunde und erst recht vorerkrankte Lungen schädigt. Für die Übertragbarkeit dieser Ergebnisse auf den Menschen sprachen auch einige Studien, die allerdings nur kleine Patientenzahlen aufwiesen. Immerhin zeigten sie, dass durch Beatmung mit kleinen Tidalvolumina – auch unter Inkaufnahme eines Anstiegs der arteriellen CO2-Partialdrücke (▶ permissive Hyperkapnie) – die Letalität des ARDS gesenkt werden konnte. Diese Daten wurden 2000 im Rahmen einer multizentrischen Studie (ARDSNet) an mehr als 800 Patienten mit ARDS eindrucksvoll bestätigt: Die Konzentrationen inflammatorischer Zytokine im Blut waren deutlich niedriger bei Beatmung mit kleinen „lungenprotektiven“ Tidalvolumina (ca. 6 ml/kg KG, bezogen auf das Idealgewicht) als bei Beatmung mit hohen

„traditionellen“ Tidalvolumina (ca. 12 ml/kg KG), die Letalität war um fast 25 % niedriger. Die Ergebnisse wurden u. a. gestützt durch eine Studie an beatmeten Patienten, bei denen der Wechsel von einem „lungenprotektiven“ Beatmungsmuster zu einem „konventionellen“ Beatmungsmuster ebenfalls zu einem Anstieg der Zytokine im Blut sowie in der broncho-alveolären Lavage führte. Merke Moderne Beatmung ist immer lungenprotektiv!

Volutrauma, Atelektrauma, Biotrauma

In zahlreichen Untersuchungen am isolierten Lungenmodell sowie im Tierversuch konnte zweifels-

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5 Akute respiratorische InsufÏzienz und akutes Lungenversagen

frei nachgewiesen werden, dass inflammatorische Prozesse in den Lungen durch „konventionelle“ Beatmung mit hohen Tidalvolumina und niedrigen PEEP-Einstellungen zwischen 5 bis maximal 10 mbar ausgelöst und unterhalten werden können. Offenbar führen solche Beatmungsmuster zur erhöhten Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen wie z. B. TNF-α und IL-6, während diese bei Beatmung mit vergleichsweise niedrigen Tidalvolumia und hohem PEEP deutlich geringer ist. Möglicherweise wird die Zytokinfreisetzung über die Freisetzung von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) in mechanisch belasteten Alveolarzellen getriggert. Die Folgen regionaler und/oder globaler Hyperinflationstraumata (= Volutraumata) der Lunge wurden und werden bei Obduktionen häufig beschrieben und kennzeichnen das Bild der sog. „Beatmungslunge“. Die Traumatisierung der Alveolen durch Hyperinflation führt nicht zwangsläufig zum Zerreißen von Alveolarsepten und Austritt von Luft in den extraalveolären Raum (Abb. 5.3). Die gebräuchliche Gleichsetzung von Volutrauma und ▶ Barotrauma (s. u.) ist daher nicht korrekt. Ein wichtiges morphologisches Element soll auch der Untergang epithelialer Zellen durch Apoptose sein. Als Auslöser dafür kommt eine vermehrte Freisetzung von speziellen Proteinen, die zur TNF-Familie gehören und durch ein entzündliches Milieu oder reaktive Sauerstoffspezies getriggert werden, in Frage. In vitro wurde eine gesteigerte Apoptose auch bei zyklisch überdehnten alveolären Typ II-Zellen beobachtet, im Tierversuch fanden sich Apoptose und Nekrose verstärkt bei höheren Tidalvolumina. Interessanterweise wiesen auch die Epithelien in anderen Organen bei hohen Tidalvolumina eine verstärkte Apoptoserate auf, was auf die organübergreifenden Auswirkungen einer Lungenschädigung hinweist. Anhand dieser Ergebnisse wird deutlich, dass eine inadäquate Beatmung nicht nur zu einer Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen in der Lunge selbst führt, sondern darüber hinaus zu einer Ausschwemmung dieser Substanzen auch in andere Organsysteme. Nicht ausgeschlossen ist, dass hierdurch das Auftreten von Multi-Organ-Dysfunktionssyndromen (MODS) bis hin zum Multi-Organversagen (MOF) ebenso begünstigt wird wie das Auftreten von ▶ Ventilator-assoziierten Pneumonien (VAP) durch den Zustrom von Leukozyten in das Gewebe (Biotrauma).

Hinweis Die Nekrose beschreibt die den traumatischen Untergang einer Zelle, wobei deren Plasma­ membran zerstört wird. Als Folge kommt es zu lokalen Entzündungen, da Zytoplasma und Zell­ organellen in den Extrazellularraum freigesetzt werden und durch Makrophagen beseitigt wer­ den müssen. Die Apoptose dagegen ist eine Form des programmierten Zelltods, der von der betreffenden Zelle selbst aktiv durchgeführt wird, also gewissermaßen ein „Selbstmordpro­ gramm“ einzelner biologischer Zellen. Dieser Prozess kann von außen angeregt werden (etwa durch Immunzellen) oder aufgrund von zellin­ ternen Prozessen ausgelöst werden (etwa nach starker Schädigung der Erbinformation). Anders als bei der Nekrose setzt bei der Apoptose ein Schrumpfen der Zelle ohne wesentliche Inflam­ mation ein, der mit einem Abbau der DNA durch Endonukleasen in definierte Stücke einhergeht. Der apoptotische Zelltod gewährleistet somit, dass die betreffende Zelle ohne Schädigung des Nachbargewebes zugrunde geht.

Merke Mechanischer Stress durch Beatmung mit ho­ hen Tidalvolumina führt zur Freisetzung proinflammatorischer Zytokine, zur Zunahme der Apoptoserate und zum Auftreten alveolärer Hämorrhagien. Bei der Pathogenese der beatmungsinduzierten Lungenschäden spielen auch die Auswirkungen der Überdruckbeatmung auf die alveolären Kapillaren eine wichtige Rolle. Dies ist vor allem der Fall in Lungenbereichen, in denen es zum zyklischen Kollaps und zur Wiedereröffnung von Alveolen (Atelektrauma) kommt, vorwiegend also in den abhängigen Partien der Lunge bzw. in den Grenzbereichen zwischen schwer und minder schwer geschädigten bzw. gesunden Alveolarbezirken. Die resultierenden Scherkräfte verursachen hohe transvaskuläre Drücke, die als Zeichen der mechanischen Belastung zu alveolären Hämorrhagien führen. In zahlreichen Tierversuchen konnte ein erhöhter PEEP – möglicherweise über eine Umverteilung der pulmonalen Perfusion – diese Effekte reduzieren. Pulmonaler Blutfluss und transvaskuläre Drücke sind somit ebenfalls wichtige Faktoren

5.1 Akute respiratorische InsufÏzienz

bei der Entstehung/Progredienz von Ventilator-assoziierten Lungenschäden. Tierexperimentellen Untersuchungen zufolge erfordert ein ▶ lungenprotektiver Ansatz hohe PEEPWerte bis 20 mbar, um dem zyklischen Kollaps der Alveolen in der Exspirationsphase mit nachfolgender Wiedereröffnung – Atelektrauma – entgegenzuwirken. Höhere PEEP-Werte führten, trotz insgesamt höherer Beatmungsdrücke, zu einer geringeren Freisetzung von Entzündungsmediatoren in der Lunge. Auch Patientenstudien legen den Schluss nahe, dass PEEP-Werte >12 mbar bei vorgeschädigten Lungen zur Verminderung des mechanischen Stresses notwendig sind. Allerdings konnte bisher nicht nachgewiesen werden, dass sich hierdurch die Sterblichkeit des ALI/ARDS verringern lässt.

diologisch sichtbare ▶ Pneumothorax. Über Faszienlücken kann sich die Luft weiter subkutan über die Halsregion bis in den Kopf sowie den gesamten Körper ausdehnen und wird klinisch als Hautemphysem sicht- und tastbar. Über das Retroperitoneum kann die Luft auch in die Bauchhöhle gelangen.

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Barotrauma

Bei radiologischem Nachweis extraalveolärer Luft spricht man von einem Barotrauma (siehe auch Abb. 5.4). Ursächlich waren nach klassischer Vorstellung allein hohe Beatmungsdrücke, die zum Zerreißen von Alveolarsepten und extraalveolären Luftansammlungen führen sollten. Heute weiß man, dass hierfür vor allem Überdehnungen der Alveolen durch hohe Tidalvolumina (▶ Hyperinflations- oder Volutrauma) verantwortlich sind. Aufgrund des Druckgradienten zwischen Alveole und umgebendem Gewebe gelangt die extraalveoläre Luft über den perivaskulären Raum in das Mediastinum (Pneumomediastinum). Über die mediastinale Faszie und die darüber liegende Pleura dringt die Luft in den Pleuraspalt ein: Es entsteht der ra-

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Merke Hohe Tidalvolumina schädigen die Alveolen durch Überdehnung, was im Extremfall zur Zer­ störung der Alveolarsepten mit Luftaustritt und Entstehung eines Barotraumas führt.

Merke Protektive Beatmung mit niedrigen Tidalvolumi­ na und hohem PEEP kann die Ausprägung sekun­ därer Lungenschädigungen vermindern. Es dauerte somit viele Jahre, bis die wesentlichen Zusammenhänge zwischen Beatmungsstrategie und beatmungsassoziierter Lungenschädigung aufgeklärt waren. Leider werden die Ergebnisse immer noch nicht durchgehend in der klinischen Praxis umgesetzt. Die Gründe hierfür liegen nicht nur in der auch unter Intensivmedizinern verbreiteten Unkenntnis der pathophysiologischen Ursachen der „Beatmungslunge“, sondern auch in beatmungstechnischen Unzulänglichkeiten der gängigen Intensivrespiratoren.

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Abb. 5.4 Spannungspneumothorax. a Röntgenbild eines Spannungspneumothorax mit Kollaps der rechten Lunge, Verdrängung des Media­ stinums zur gesunden Seite und Ausbildung eines Hautemphysems bei einem beatmeten Patienten mit schwerer Pneumonie. b Re­Expansion der Lunge nach Einlage einer Draina­ ge in der vorderen mittleren Axillarlinie.

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5 Akute respiratorische InsufÏzienz und akutes Lungenversagen

Zu den klinischen Manifestationen des pulmonalen Barotraumas gehören: ● interstitielles Emphysem, ● Hautemphysem, ● Pneumothorax, ● bronchopleurale Fistel, ● Pneumomediastinum, ● Pneumoperikard, ● Pneumoperitoneum und Pneumoretroperitoneum. Hinweis Bei der Entwicklung des Barotraumas ist die ab­ solute Höhe der Beatmungsspitzendrücke eben­ so wie die Höhe der mittleren Beatmungsdrü­ cke eher von untergeordneter Bedeutung. Dies ist auch einleuchtend, wenn man bedenkt, dass beim Husten oder Niesen Drücke in den Atemwegen bis zu 200 mbar erzeugt werden, ohne dass dies zur Ruptur von Alveolen führt. Ähnliche Spitzenwer­ te werden auch unter maximaler körperlicher An­ strengung und auch über längere Zeiträume er­ reicht, z. B. beim Gewichtheben oder Trompete spielen. Auch hierbei kommt es nicht zur Entwick­ lung eines Barotraumas, da für die Dehnung des Lungenparenchyms der transpulmonale Druck entscheidend ist. In den oben beschriebenen Situ­ ationen wird durch Luftanhalten oder kontrollierte Exspiration die Thoraxwand versteift, so dass eine übermäßige Dehnung des Lungenparenchyms nicht auftritt und somit die Gefahr eines Barotrau­ mas gering ist. Tierexperimentell lässt sich trotz hoher Beatmungsdrücke eine beatmungsassoziier­ te Lungenschädigung vermeiden, wenn der Tho­ rax durch straff gewickelte Bandagen in seiner Aus­ dehnung begrenzt wird.

Sind hohe Beatmungsdrücke also unbedenklich?

Nicht zulässig ist die Schlussfolgerung, dass hohe Beatmungsdrücke per se ungefährlich sind. Hierbei wird nicht berücksichtigt, dass eine enge Korrelation zwischen Beatmungsdruck und Beatmungsvolumina besteht: Je höher die Beatmungsdrücke, d. h. die Druckdifferenz in den Atemwegen zwischen In- und Exspiration, desto höher sind die resultierenden Tidalvolumina. Diese Beziehung gilt auch bei Patienten mit vorgeschädigten Lungen und pathologischer Compliance und Resistance. Durch die in diesen Lungen typischerweise ver-

minderte FRC („baby lung“) kann bereits die Beatmung mit moderaten Drücken zur Hyperinflation von Alveolarbezirken mit normaler Compliance und normaler Resistance führen, während Bezirke mit erniedrigter Compliance und/oder erhöhter Resistance unter Umständen nicht oder nicht ausreichend ventiliert werden (Abb. 5.3). Dauerhaft hohe Beatmungsdrücke müssen also auch bei geschädigten Lungen vermieden werden. Daher sollten die inspiratorischen Beatmungsdrücke 30 mbar möglichst nicht übersteigen. Merke Limitierung der inspiratorischen Beatmungs­ drücke auf ≤ 30 mbar.

■ Primäre Einstellung der Beatmungsparameter Die neueren Erkenntnisse der pathophysiologischen Zusammenhänge bei der Entstehung und Progredienz des beatmungsinduzierten Lungenversagens haben den Schwerpunkt der aktuellen Beatmungsstrategien von der alleinigen Fokussierung auf die Oxigenierung eindeutig auf die Vermeidung von sekundären Lungenschädigungen durch alveoläre Überdehnung (Volutrauma) verschoben. Ganz im Vordergrund steht die ▶ lungenprotektive Beatmung mit Tidalvolumina, die an der aktuellen FRC der Lunge ausgerichtet sind. Das heißt, je kleiner die (mutmaßliche) FRC, desto kleiner die Tidalvolumina.

Druckkontrollierte oder volumenkontrollierte Beatmung?

Weltweit ist die volumenkontrollierte Beatmung der Standard zur Therapie akuter respiratorischer Störungen. In Europa und insbesondere Deutschland hat sich jedoch in den letzten Jahren die druckkontrollierte Beatmung durchgesetzt. Dahinter steht die Vorstellung, dass die ▶ druckkontrollierte zeitgesteuerte Beatmung (Pressure Controlled Ventilation, PC-CMV) bei der Beatmung kranker Lungen einige Vorteile gegenüber der ▶ volumenkontrollierten Beatmung (VC-CMV) aufweist: ● Die Drucklimitierung soll das „Durchschlagen“ hoher Beatmungsdrücke in Bezirke mit normaler Resistance und Compliance verhindern und damit das Risiko von ▶ Baro- und Volutrauma

5.1 Akute respiratorische InsufÏzienz

auch bei sehr inhomogener Ventilationsverteilung vermindern. ● Der dezelerierende Flowverlauf soll zur gleichmäßigeren Volumenverteilung in Lungenkompartimenten mit unterschiedlichen ▶ Zeitkonstanten führen. Die Dehnung des Lungenparenchyms und damit die Gefahr eines Volutraumas hängen jedoch von der Höhe des inspiratorischen Druckniveaus und von der Compliance der Lunge ab. Daher kann eine druckkontrollierte Beatmung ebenso wie eine volumenkontrollierte Beatmung schädigend für das Lungenparenchym sein. In der Tat konnten in kontrollierten Untersuchungen bislang keine Vorteile für druck- im Vergleich zu volumenkontrollierten Beatmungsverfahren nachgewiesen werden. Als nachteilig wird dagegen vielfach die Volumeninkonstanz druckkontrollierter Beatmungsverfahren angesehen, was letztlich auch zur Entwicklung sog. ▶ Hybridverfahren (z. B. ▶ BiLevel-VG, ▶ AutoFlow) geführt hat.

Tidalvolumina und Beatmungsdruck

Für die unkomplizierte Routinebeatmung, z. B. in der ▶ postoperativen Phase sowie auch bei der ▶ Narkosebeatmung, werden auch heute noch vielfach Tidalvolumina von 10 – 15 ml/kg KG eingestellt. Dadurch soll die FRC erhöht und Atelektasenbildung vermieden werden. Wegen der Gefahr des Volutraumas ist diese Vorgehensweise jedoch in jedem Fall abzulehnen. Stattdessen werden bei allen beatmeten Patienten – insbesondere solchen mit ALI oder ARDS – Tidalvolumina von etwa 6 ml/ kg KG und die Begrenzung der Beatmungsdrücke auf 30 mbar angestrebt. Dabei wird immer das ideale Körpergewicht (IBW) zugrunde gelegt.

Hinweis Zur Abschätzung des Idealgewichtes ist nähe­ rungsweise folgende Faustregel geeignet: Idealgewicht = (Körpergröße [cm] – 100) – 10 %

Merke Die Beatmung mit 6 ml/kg KG (Idealgewicht) ist Standard bei der Beatmung von Patienten mit ALI/ARDS. Im Einzelfall müssen die Tidalvolumina noch weiter reduziert werden. Die Beatmungs­ drücke sollten 30 mbar nicht überschreiten.

Die Umsetzung lungenprotektiver Beatmungsstrategien im klinischen Alltag ist nach wie vor unzureichend, wie die im Rahmen der prospektiven Beobachtungsstudie des Kompetenznetzwerkes Sepsis (SepNet) zur Prävalenz der schweren Sepsis und des septischen Schocks für Deutschland erhobenen Daten belegen. Die Ermittlung der Daten erfolgte auf der Basis einer Stichprobe von 310 Krankenhäusern (454 Intensivstationen) in Deutschland, repräsentativ für 1.380 Krankenhäuser (490.000 Betten) bzw. 2.075 Intensivstationen (19.000 Betten). Insgesamt 3.877 Intensivpatienten wurden vom 15.01.2003 bis 14.01.2004 durch Vor-Ort-Besuche von erfahrenen Intensivmedizinern aus den 18 regionalen Studienzentren des SepNet untersucht. Dabei gaben über 80 % der im Rahmen der SepNet-Prävalenzstudie befragten Ärzte zwar an, eine niedrigvolumige Beatmungstherapie (Tidalvolumen 6 ml/kg KG) bei Patienten mit schwerer Sepsis und akutem Lungenversagen regelmäßig durchzuführen. Das Audit am Krankenbett ergab jedoch, dass nur 4 % der Patienten diese Therapie tatsächlich erhielten. Die Gründe hierfür sind vielfältig und liegen sicher nicht nur an der Unkenntnis der behandelnden Intensivmediziner. Ein wesentlicher Grund sind vermutlich gerätetechnische Unzulänglichkeiten moderner Respiratoren. So sind die in Deutschland in der Regel eingesetzten druckkontrollierten Beatmungsmodes bekanntermaßen volumeninkonstant, das heißt, die verabreichten Tidalvolumina hängen neben der Einstellung der Druckniveaus ganz wesentlich von den aktuellen atemmechanischen Eigenschaften der beatmeten Lunge sowie auch dem Wachheitsgrad des Patienten und seiner Spontanventilation ab. Die daraus resultierenden Schwankungen der Tidalvolumina können 100 % weit überschreiten. Neue Beatmungsverfahren wie ▶ BiLevel-VG und andere ▶ Hybridverfahren bieten in dieser Hinsicht deutliche Vorteile, da sie die primäre Einstellung der gewünschten Tidalvolumina und damit weitgehende Volumenkonstanz auch bei druckkontrollierter Beatmung erlauben. Merke Die Begrenzung der Beatmungsdrücke ist nur ein Schritt auf dem Weg zur lungenprotektiven Beatmung. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Begrenzung der Tidalvolumina.

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5 Akute respiratorische InsufÏzienz und akutes Lungenversagen

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Die Beatmung mit kleinen Tidalvolumina erfordert die Anpassung der maschinellen Beatmungsfrequenzen auf deutlich höhere Werte, als sie unter konventionellen Beatmungsregimes notwendig waren. Ausreichende Ventilation kann oft nur durch Frequenzen zwischen 15 und 20 Atemzügen/ min erreicht werden. Wird der gleichzeitigen Anpassung (meist Erhöhung) des ▶ PEEP nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt, ist eine – unter Umständen dramatische – Verschlechterung der Oxigenierung die Folge, die zunächst eine passagere Erhöhung der FiO2 erfordern kann. Keinesfalls sollten lungenprotektive Maßnahmen zugunsten einer besseren Oxigenierung aufgegeben werden. Kommt es unter der Beatmung mit niedrigen Tidalvolumina zur progredienten und therapierefraktären CO2-Retention (permissive Hyperkapnie) mit ausgeprägter ▶ respiratorischer Azidose, sollten alternative Therapiestrategien wie die ▶ extrakorporale CO2-Elimination oder die ▶ Hochfrequenzbeatmung erwogen werden.

I/E-Verhältnis

Das Atemzeitverhältnis sollte zwischen 1:2 und 1:1 eingestellt werden. Insbesondere bei höheren Atemfrequenzen besteht die Gefahr, dass die Exspirationszeit für die vollständige Exspiration der Atemluft nicht ausreicht und sich unbemerkt ein ▶ intrinscher PEEP aufbaut. Die Abnahme der Tidalvolumina bei druckkontrollierter Beatmung bzw. Anstieg der Beatmungsdrücke bei volumenkontrollierter Beatmung durch ▶ Air-Trapping (siehe Abb. 3.8, S. 111) sind möglicherweise die Folgen. Die exspiratorische Flowlimitierung in der Flowkurve gibt Hinweise auf das Vorliegen eines intrinsic-PEEP, ggf. muss dessen Höhe durch ein ▶ Okklusionsmanöver verifiziert werden. Bei der ▶ Inverse Ratio Ventilation (IRV) wird der intrinsische PEEP bewusst genutzt, um die endexspiratorischen Lungenvolumina zu erhöhen und damit einer De-Rekrutierung entgegenzuwirken. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass die Anwendung eines kontrollierten externen PEEP ähnliche Ergebnisse zeigt, so dass auf IRV in der Regel verzichtet werden sollte.

PEEP

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Die positiven Auswirkungen erhöhter Atemwegsdrücke auf den pulmonalen Gasaustausch sind seit Jahrzehnten bekannt. Schon Anfang des Jahrhun-

derts wurden Verfahren zur Aufrechterhaltung erhöhter Atemwegsdrücke während der Exspirationsphase erstmalig für die Reanimation von asphyktischen Neugeborenen beschrieben. Viele Jahre später wurden sie erfolgreich auch bei Erwachsenen mit kardialem Lungenödem eingesetzt. Seit der Erstbeschreibung des ▶ akuten Lungenversagens (ARDS) durch Ashbaugh 1967 hat sich die Beatmung mit PEEP zur Behandlung von pulmonalen Gasaustauschstörungen weltweit durchgesetzt. Die Wirkung von PEEP/CPAP besteht in der Verbesserung der alveolären Ventilation durch Vergrößerung der funktionellen ▶ Residualkapazität (FRC) (Abb. 5.5) und erfolgt im Wesentlichen durch 2 Mechanismen: ● ●

Zunahme der Alveolarvolumina, Eröffnung bzw. Wiedereröffnung verschlossener Alveolarbezirke: alveoläres ▶ Rekruitment.

Alveoläres Rekruitment reduziert die intrapulmonale ▶ Shuntdurchblutung in Lungen mit reduzierter FRC. Wird die Lungenperfusion durch die Zunahme der alveolären Drücke jedoch eingeschränkt, nimmt die ▶ Totraumventilation zu. Hierdurch kann unter Umständen – insbesondere bei hohen PEEP-Werten – der positive Effekt reduziert oder gar zunichte gemacht werden. Merke PEEP vergrößert die gasaustauschende Fläche. Die Anwendung von PEEP ist heute so weit verbreitet, dass eindeutige Indikationsstellungen bzw. Kontraindikationen kaum abzugrenzen sind. Abgesehen von der Behandlung des kardialen Lungenödems wird PEEP heute in erster Linie zur Verbesserung des pulmonalen Gasaustauschs bei der ▶ akuten respiratorischen InsufÏzienz (ALI) bis hin zum ▶ akuten Lungenversagen (ARDS) eingesetzt. Da PEEP auch prophylaktisch wirksam sein soll, ist die Beatmung mit PEEP somit bei allen zum ARDS prädisponierenden Krankheiten wie Pneumonie, Sepsis und Polytrauma indiziert. Darüber hinaus wird heute generell bei jedem intubierten und beatmeten oder spontan atmenden – auch lungengesunden – Patienten die Anwendung eines niedrigen PEEP empfohlen. Dies gilt auch für die ▶ Narkosebeatmung sowie für die ▶ postoperative Nachbeat-

5.1 Akute respiratorische InsufÏzienz

a normale Ventilation

b

c

normale Perfusion

kritische Dehnung

eingeschränkte Perfusion

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Kompartimente 1

hohe Resistance

Kompartimente 2

Zeit

Druck

Druck

niedrige Compliance

Druck

eingeschränkte Ventilation

Zeit

Zeit

Abb. 5.5 Alveoläres Rekruitment durch (volumenkontrollierte) Beatmung mit PEEP. a Ohne PEEP ist die Belüftung von Alveolarbezirken mit erniedrigter Compliance und/oder erhöhter Resistance (Kompartiment 2) vermindert. Das Ventilations­Perfusions­Verhältnis ist gestört, die Folge ist ein Rechts­ Links­Shunt. Perfusion und alveoläre Drücke sind in beiden Kompartimenten nahezu gleich. b PEEP verbessert die Belüftung im Kompartiment 2 und vergrößert damit die Gasaustauschfläche. Das regio­ nal gestörte Ventilations­Perfusions­Verhältnis wird normalisiert. Die Shuntfraktion nimmt ab, ohne dass die Totraumventilation wesentlich zunimmt. c Hohe PEEP­Werte können zur Überblähung von Alveolarbezirken mit normaler Compliance und Resistance führen (Kompartiment 1). Die Perfusion wird reduziert, die Totraumventilation nimmt signifikant zu.

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4 mung, obwohl ein Nutzen von PEEP für diese Patienten bisher nicht nachgewiesen werden konnte. Relative Kontraindikationen für hohe PEEP-Einstellungen sind obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Ausbildung eines ▶ intrinsic-PEEP neigen, wie beispielsweise das Asthma. Da durch die Atemwegsobstruktion die Exspirationszeit für einen vollständigen Druckausgleich nicht ausreicht, bleibt in den Alveolen jenseits der Atemwegsstenose ein positiver Druck bestehen. Dennoch sollte auch bei diesen Krankheitsbildern auf einen moderaten PEEP in der Regel nicht verzichtet werden. Merke PEEP ist ein fester Bestandteil jeder Beatmung. Unklar ist, welches PEEP-Niveau im Einzelfall „adäquat“ ist und anhand welcher Kriterien es eingestellt wird. Aus lungenphysiologischer Sicht sollte der PEEP in einem Bereich oberhalb des ▶ „lower inflection points“ eingestellt werden, da in diesem

Bereich eine optimale Compliance und eine günstige Druck-Volumen-Relation bestehen. Vermutlich werden hierdurch außerdem kollabierte Alveolarbezirke wieder eröffnet und dauerhaft offen gehalten. Die Messung der ▶ statischen Compliance und die Erstellung einer Druck-Volumen-Kurve sind in der klinischen Praxis jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen realisierbar. Praktikabel ist dagegen die Durchführung eines sog. PEEP-Trials. Dabei wird das PEEP-Niveau in 3-mbar-Schritten erhöht. Von einer sinnvollen ▶ Rekrutierung und Stabilisierung von Alveolen kann solange ausgegangen werden, wie neben einer Verbesserung des paO2 auch eine Abnahme des paCO2 resultiert. Ein Anstieg des paCO2 als Ausdruck einer Zunahme der Totraumventilation deutet dagegen auf eine Überblähung bereits eröffneter Alveolen hin und sollte zur PEEP-Reduktion führen. Merke Durchführung eines PEEP­Trials zur Einstellung des „Best­PEEP“.

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5 Akute respiratorische InsufÏzienz und akutes Lungenversagen

Hinweis Weniger empfehlenswert, aber klinisch weit ver­ breitet ist die Abschätzung des notwendigen „minimal­PEEP“ anhand des Verhältnisses von ar­ teriellem pO2 oder arterieller O2­Sättigung und inspiratorischer O2­Konzentration. Diesem Kon­ zept zufolge sollte der PEEP nur so hoch gewählt werden, dass bei einer FiO2 < 0,6 ein paO2 > 60 mmHg oder eine O2­Sättigung > 90 % erreicht wird. Nachteilig ist hierbei die Orientierung des PEEP­Wertes lediglich an der erzielten Oxigenie­ rung. Pathophysiologische Aspekte, wie sie im Rahmen ▶ lungenprotektiver Beatmungsstrate­ gien postuliert werden, bleiben hierbei weitge­ hend unberücksichtigt. Dementsprechend ist bei der Beatmung von Patienten mit ALI/ARDS die Einstellung des PEEP nach dieser Methode nicht zu empfehlen. Generell ist davon auszugehen, dass zumindest in der Frühphase der schweren respiratorischen InsufÏzienz PEEP-Werte zwischen 8 und 15 mbar eingestellt werden sollten. Bei schwersten Oxigenierungsstörungen (▶ ARDS) kann der PEEP bis auf maximal 20 mbar erhöht werden. Weitere Erhöhungen bringen in der Regel keinen messbaren Vorteil, erhöhen jedoch die unerwünschten Nebenwirkungen. Dazu gehören neben der Hyperinflation und Schädigung weiterer Lungenareale insbesondere auch hämodynamische Aspekte wie der PEEP-abhängige Abfall des Herzzeitvolumens sowie die Verminderung der Lungenperfusion (s. u.). Beatmungskonzepte unter Verwendung sog. „Super-PEEP“-Werte bis 50 mbar können zwar im Einzelfall die Oxigenierung kurzfristig noch geringfügig steigern, verbessern jedoch nicht die Letalität und gelten daher heute als obsolet. Beachte Führt die Erhöhung des PEEP zu einem Abfall des paCO2, weist dies auf eine funktionelle al­ veoläre Rekrutierung hin. Eine Zunahme des paCO2 deutet dagegen auf eine Zunahme der Totraumventilation und damit eine Minderper­ fusion bereits belüfteter Areale hin. Patienten, bei denen eher das ▶ ventilatorische Versagen im Vordergrund steht, werden mit moderaten PEEP-Einstellungen zwischen 5 und 10 mbar

beatmet. Hier soll vor allem dem exspiratorischen Kollaps der Alveolen („Shunt in time“) durch unzureichende Spontanatmung, fehlende ▶ Seufzeratmung etc. entgegengewirkt werden. Klassisches Beispiel ist die ▶ Narkosebeatmung, obwohl der wissenschaftliche Nachweis für den Benefit einer Beatmung mit niedrigem PEEP von ansonsten lungengesunden Patienten bisher nicht erbracht werden konnte. Bei Operationen am Hals (Strumaresektion, Thyreoidektomie, Karotis-Desobliteration usw.) soll PEEP das Risiko des Eindringens von Luft in versehentlich eröffnete große Venen und somit die gefährliche Luftembolie vermindern. Merke Höherer bis hoher PEEP (8 – 15 mbar) beim Oxigenierungsversagen. Moderater PEEP (5 – 10 mbar) beim ventilatorischen Versagen.

PEEP und Hämodynamik. Die Beatmung mit PEEP führt über die Zunahme der intrathorakalen Drücke zur Abnahme der mittleren Füllungsdrücke des rechten Ventrikels. Dadurch kommt es unter PEEP regelmäßig zur Abnahme des Herzzeitvolumens. Dieser Effekt ist bereits nach kurzer Zeit nachweisbar und kann bei intravasalem Volumenmangel eine akute Kreislaufdepression verursachen. Gleichzeitig wird der pulmonal-vaskuläre Widerstand erhöht, wodurch die rechtsventrikuläre Nachlast ansteigt. Bei Herzgesunden ist dieser Effekt jedoch ohne Bedeutung. PEEP und Nierenfunktion. Die extrapulmonalen Wirkungen von PEEP betreffen vor allem die Nierenfunktion. Führt schon die Überdruckbeatmung an sich zur Abnahme der Diurese und der Natriumausscheidung, so wird dieser Effekt durch PEEP linear verstärkt. Hierfür sind vor allem kardiopulmonale Volumenrezeptoren verantwortlich, die die ADH-, Katecholamin- und Reninsekretion direkt oder indirekt beeinflussen. Durch Volumenzufuhr und/oder die Gabe von Diuretika kann diese Nebenwirkung der Überdruckbeatmung kompensiert werden. In früheren Jahren wurde aus diesen Gründen bei Patienten, die mit PEEP beatmet wurden, regelhaft Dopamin niedrig dosiert (2 – 3 µg/ kg/min, sog. Nierendosis) eingesetzt. Diese Empfehlung kann aufgrund mangelnder Evidenz aus heutiger Sicht nicht mehr aufrechterhalten werden.

PEEP und Leberfunktion. Beatmung mit hohen PEEP-Werten kann über die Behinderung des venösen Rückflusses zu einer erheblichen Minderdurchblutung der Leber führen, da die Leber über die Pfortader teilweise venös perfundiert wird. Kompensatorisch nimmt allerdings der arterielle Blutfluss zu, wodurch das Perfusionsdefizit normalerweise ausreichend kompensiert werden kann. Dennoch ist im Einzelfall eine klinisch relevante Einschränkung der Leberfunktion nicht auszuschließen, zumal es oftmals zu einem Anstieg von Bilirubin und Leberenzymen kommt. Gleichzeitig wird immer wieder beobachtet, dass die Lebergröße unter PEEP-Beatmung zunimmt. PEEP und Hirndurchblutung. Erhöhte intrathorakale Drücke durch Beatmung mit PEEP können eine Zunahme des intrakraniellen Blutvolumens und Druckes (Intra Cranial Pressure, ICP) als Folge der venösen Abflussbehinderung verursachen. Bei hirngesunden Patienten ist dieser Effekt ohne klinische Bedeutung, da die Zunahme des intrakraniellen Volumens durch die zerebralen Reserveräume (basale Zisternen, Ventrikel, kortikale Sulci) kompensiert wird. Bei Patienten mit pathologisch erhöhten intrakraniellen Druckwerten (Patienten mit Hirnödem, SHT) sind die Reserveräume dagegen weitgehend aufgebraucht, so dass insbesondere hohe PEEPWerte mit einer signifikanten Steigerung des intrakraniellen Drucks einhergehen können. Da die zerebrale Autoregulation bei diesen Patienten in der Regel eingeschränkt oder sogar aufgehoben ist – die Hirnperfusion folgt passiv dem Systemdruck –, nimmt der zerebrale Perfusionsdruck entsprechend ab. Hochlagerung des Oberkörpers um ca. 30 Grad kann zwar den PEEP-bedingten Anstieg des intrakraniellen Drucks kompensieren, führt jedoch zu einer weiteren, schwerkraftbedingten Reduktion des zerebralen Perfusionsdrucks. Kommt es gleichzeitig durch den PEEP zu einem signifikanten Abfall des HZV, ist das Risiko der zerebralen Minderperfusion besonders groß. Andererseits haben zahlreiche Studien ergeben, dass PEEP-Werte unter 10 mbar zu keiner signifikanten Steigerung des intrakraniellen Drucks und damit zu keiner kritischen Einschränkung der zerebralen Perfusion führen, sofern stabile Kreislaufverhältnisse mit ausreichenden arteriellen Mitteldrücken gewährleistet sind. PEEP-Werte um 5 mbar werden in der Literatur zumeist als unbedenklich an-

5.1 Akute respiratorische InsufÏzienz

195

gesehen, höhere Werte sollten nur bei kritischer pulmonaler Situation eingesetzt werden.

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Merke Hohe PEEP­Werte bei Patienten mit erhöhtem ICP nur bei engmaschigem hämodynamischem Monitoring und intrakraniellem Druckmonito­ ring.

PEEP-Weaning. Die Reduzierung des PEEP sollte dann erwogen werden, wenn der pulmonale Gasaustausch bei inspiratorischen O2-Konzentrationen < 40 % ausreichend ist. Ebenso wie die Erhöhung des PEEP sollte das PEEP-Weaning schrittweise erfolgen, um eine neuerliche Hypoxämie durch Alveolarkollaps zu vermeiden. Bei Patienten mit myokardialer InsufÏzienz kann die abrupte Rücknahme hoher PEEP-Niveaus darüber hinaus zu kardialer Dekompensation führen. Ursächlich ist die Zunahme der Vorlast durch die Abnahme der intrathorakalen Drücke bei gleichzeitiger Abnahme der juxtakardialen Wandspannung. Gelegentlich kommt es auch zu Pleuraergüssen, die durch Adaptationsvorgänge des Lymphsystems bei Veränderung der intrathorakalen Druckverhältnisse erklärt werden. Es hat sich gezeigt, dass spontan atmende, intubierte Patienten zur Erhaltung ihres normalen Lungenvolumens und zum Offenhalten der Alveolen ein PEEP/CPAP-Niveau von mindestens 5 mbar benötigen, solange sie intubiert sind. Der PEEP übernimmt damit die Funktion des Kehlkopfes bzw. der Stimmbänder, die unter physiologischen Bedin-

Tabelle 5.2 Einstellung des initialen Beatmungs­ musters bei erwachsenen Patienten (70 kg KG, 1,70 m) mit akuter respiratorischer InsufÏzienz . Beatmungsfrequenz

15/min

Tidalvolumen

6 ml/kgKG (ideal) bzw. 400–600 ml

Druckbegrenzung

30 mbar

Flow

40 l/min

Atemzeitverhältnis

1:1,5 bis 1:2

PEEP

8–15 mbar

FiO2

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5 Akute respiratorische InsufÏzienz und akutes Lungenversagen

gungen den Abfall der Atemwegsdrücke auf Atmosphäredruck verhindern (physiologischer PEEP). Die Extubation nach Langzeitbeatmung und/oder protrahierter Weaning-Phase sollte daher immer aus CPAP-Atmung heraus erfolgen. Merke Aufrechterhaltung eines PEEP von 5 mbar bis zur Extubation.

■ Korrektur der Beatmungsparameter

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Zur Vermeidung beatmungsbedingter Lungenschäden sollten die Beatmungsparameter den wechselnden Bedingungen folgend ständig angepasst werden. Allerdings sollte die Korrektur der maschinellen Beatmungsparameter in kleinen Schritten erfolgen, wobei möglichst nicht mehrere Variablen gleichzeitig verändert werden sollten. Die Wirksamkeit der Maßnahmen muss anhand von Blutgasanalysen überprüft werden. Die inspiratorische Sauerstoffkonzentration (FiO2) kann in der Regel mit ausreichender Genauigkeit auch anhand der ▶ pulsoximetrisch gemessenen Sauerstoffsättigung verifiziert werden. Sofern die Verstellung der Beatmungsparameter nicht zu einer unmittelbaren und pulsoximetrisch erkennbaren dramatischen Verschlechterung der Oxigenierungsfunktion führt, sollten die blutgasanalytischen Kontrollen frühestens 30 Minuten nach Modifikation des Beatmungsregimes erfolgen. Merke Korrektur der ventilatorischen Parameter an­ hand von Blutgasanalysen und pulsoximetrisch.

Korrektur der inspiratorischen Sauerstoffkonzentration (FiO2)

Zielgröße der Oxigenierung ist die arterielle ▶ Sauerstoffsättigung, die bei zuvor lungengesunden Patienten und normalem Hb-Gehalt mehr als 90 % betragen sollte. Das Sauerstoffangebot sollte also ausreichend, muss jedoch nicht unbedingt optimal sein. Diese Bedingung ist gegeben, wenn der arterielle paO2 60 mmHg oder mehr beträgt, keine Anämie vorliegt und das Herzzeitvolumen ausreichend ist. Höhere O2-Partialdrücke bringen keine wesentlichen Vorteile und sind daher unnötig, vor allem

dann, wenn zu ihrer Realisierung höhere inspiratorische Sauerstoffkonzentrationen benötigt werden. Hinweis Die Anhebung des paO2 von 60 auf 100 mmHg erhöht im Normalfall die SaO2 von 90 auf 98 % und vergrößert damit das Sauerstoffangebot um lediglich 8 %. Den gleichen Effekt erzielt man durch eine Anhebung des des Herzzeitvolumens von 5,0 auf 5,4 l/min oder durch Anhebung des Hb­Wertes von 8,0 auf 8,7 g/dl. Bei hypodynamischen Kreislaufsituationen, wie z. B. im septischen Schock, und schwerer respiratorischer InsufÏzienz (ALI/ARDS) kann das Sauerstoffangebot effektiv und schnell durch eine Anhebung des Hb-Wertes verbessert werden. In solchen vital bedrohlichen Situationen kann es sinnvoll sein, Erythrozytenkonzentrate auch bei Hb-Werten oberhalb der ansonsten akzeptierten Grenzwerte zu transfundieren. Merke Bei einer SaO2 ≥ 90 % bewirkt eine Erhöhung der FiO2 keine wesentliche Erhöhung der Sauerstoff­ versorgung der Organe. Arterielle paO2­Werte von 60 mmHg bzw. SaO2­Werte von ≈ 90 % sind daher ausreichend.

Hohe inspiratorische O2-Konzentrationen verursachen alveolo-toxische Nebenwirkungen, wobei zumeist eine FiO2 von 0,6 als kritische Grenze der Sauerstofftoxizität angesehen wird. Man muss jedoch davon ausgehen, dass unnötig hohe Sauerstoffkonzentrationen längerfristig in jedem Fall schädlich sind. Die Beatmungsparameter sollten daher so verifiziert werden, dass ein optimaler pulmonaler Gasaustausch mit möglichst niedrigen inspiratorischen O2-Konzentrationen erzielt wird. Lässt sich eine ausreichende Oxigenierung nur durch erhöhte inspiratorische O2-Konzentrationen (> 40 %) erreichen, steht die Optimierung der gasaustauschenden Funktion der Lunge durch alveoläres ▶ Rekruitment im Vordergrund. Merke Therapieziel: Optimierter pulmonaler Gasaus­ tausch mit möglichst niedriger FiO2.

5.1 Akute respiratorische InsufÏzienz

Kommt es unter der Beatmung zur Verbesserung der pulmonalen Oxigenierungsfunktion, steht zunächst die schrittweise Reduktion der FiO2 in Bereiche unter 0,6 im Vordergrund. Erst wenn die Gasaustauschverhältnisse hierunter dauerhaft stabil sind, sollte das Beatmungsregime durch Reduktion der mittleren Atemwegsdrücke „entschärft“ werden. Dies wird durch schrittweises Absenken der oberen Beatmungsdrücke (Plateaudrücke) und später auch der PEEP-Drücke erreicht.

vorbestehender ventilatorischer InsufÏzienz sind häufig nicht in der Lage, diesen zusätzlichen Tot­ raum dauerhaft zu kompensieren und geraten in eine zunehmende ventilatorische InsufÏzienz.

Merke Bei verbessertem Gasaustausch hat zunächst die Reduktion der FiO2 Priorität. Erst später folgt die schrittweise Reduktion ho­ her PEEP­Niveaus.

Alveoläre Hyperventilation mit Abfall des arteriellen paCO2 unter 40 mmHg wird durch eine Reduktion des maschinellen Supports behandelt, z. B. die Reduktion der Beatmungsfrequenzen und/oder die Reduktion der Tidalvolumina (Tab. 5.3).

Korrektur von Hypo-/Hyperventilation

Bei unzureichender CO2-Elimination, die sich blutgasanalytisch als respiratorische ▶ Azidose mit Hyperkapnie zeigt (Tab. 5.3), muss die alveoläre Ventilation gesteigert werden. Dies wird in der Regel erreicht durch die Erhöhung der Atemminutenvolumina durch: ● Erhöhung der Tidalvolumina (unter Berücksichtigung lungenprotektiver Aspekte!), ● Erhöhung der Beatmungsfrequenz. Kann Normoventilation (paCO2 < 45 mmHg) unter Beibehaltung ▶ lungenprotektiver Aspekte nicht aufrechterhalten werden, sollte überprüft werden, ob ▶ permissive Hyperkapnie akzeptiert werden kann oder ob Möglichkeiten zur Anwendung alternativer Beatmungs- bzw. Behandlungsstrategien (▶ Hochfrequenzoszillationsventilation, ▶ extrakorporale CO2-Elimnination, ▶ extrakorporale Membranoxigenierung) bestehen. Hinweis Der Totraum des Beatmungszubehörs sollte so weit wie möglich reduziert werden. Dazu gehört z. B. der Verzicht auf die Zugentlastung am Tu­ bus, die sog. „Gänsegurgel“. Manche Fabrika­ te weisen Innenvolumina von 100 ml und mehr auf, die sich zum anatomischen ▶ Totraum des Patienten addieren und die CO2­Elimination be­ hindern. Besonders unter CPAP­Spontanatmung kann dieses Problem klinisch relevant werden: Geschwächte Patienten oder Patienten mit

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Merke Leitsymptom der alveolären Minderventilation ist der Anstieg des paCO2.

Merke Leitsymptom der alveolären Hyperventilation ist der Abfall des paCO2.

Beachte Respiratorische Störungen des Säure­Basen­ Gleichgewichts werden immer durch entspre­ chende Veränderungen der ventilatorischen Pa­ rameter behandelt. Dementsprechend wird eine respiratorische Azidose niemals durch Na­ Bikarbonat gepuffert, sondern durch Steige­ rung der alveolären Ventilation. Umgekehrt werden metabolische Störungen des Säure­Ba­ sen­Haushalts nicht durch Veränderungen der maschinellen Beatmungsparameter kompen­ siert, sondern durch Behandlung der zugrun­ de liegenden metabolischen Entgleisung (Tab. 5.3). Ggf. ist hier die Pufferung indiziert.

■ Permissive Hyperkapnie Bei schwersten Formen des akuten Lungenversagens, z. B. im Spätstadium des ▶ ARDS, wäre Normoventilation oftmals nur durch Beatmung mit hohen Atemminutenvolumina und hohen Beatmungsdrücken von > 30 mbar zu gewährleisten. Zur Vermeidung beatmungsbedingter Schädigungen ist jedoch die Begrenzung der Beatmungsdrücke durch Reduktion der Tidalvolumina (< 6 ml/kg KG Idealgewicht) notwendig. Dabei werden stei-

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5 Akute respiratorische InsufÏzienz und akutes Lungenversagen

Tabelle 5.3

1

Leitsymptome, Ursachen und Therapie respiratorischer und metabolischer Störungen.

Leitsymptom

Therapie

Hyperkapnie: paCO2  nicht kompensierte respiratorische Azidose (pH , paCO2 , St.Bic. , BE ) kompensierte respiratorische Azidose (pH , paCO2 , St.Bic. , BE )

alveoläre Ventilation  Atemminutenvolumen : ● Tidalvolumen  und/oder ● Beatmungsfrequenz  und/oder Totraum  (Gänsegurgel entfernen, Tracheotomie?)

Hypokapnie: paCO2  Nicht kompensierte respiratorische Alkalose (pH , paCO2 , St.Bic. , BE ) kompensierte respiratorische Alkalose (pH , paCO2 , St.Bic. , BE )

Atemminutenvolumen : Tidalvolumen  Beatmungsfrequenz 

● ●

Basendefizit nicht kompensierte metabolische Azidose (pH , paCO2 , St.Bic. , BE ) kompensierte metabolische Azidose (pH , paCO2 , St.Bic. , BE )

1. Behandlung der metabolischen Ursache: ● Schock, Sepsis ● Basenverluste (Diarrhöe etc.) ● Urämie 2. Pufferung mit Na­Bikarbonat, Tris

Basenüberschuss nicht kompensierte metabolische Alkalose (pH , paCO2 , St.Bic. , BE ) kompensierte metabolische Alkalose (pH , paCO2 , St.Bic. , BE )

1. Behandlung der metabolischen Ursache: ● Säureverlust (Erbrechen, Drainage, Diuretikatherapie: hypochlorämische Alkalose) ● zelluläre K+­Verluste (hypokaliämische Alkalose) ● Dehydratation mit H+­Ionenverlusten ● Überdosierung von Na­Bikarbonat, Tris 2. Flüssigkeitszufuhr mit isotoner NaCl­Lösung 3. K+­Substitution 4. Zufuhr saurer Valenzen (HCl­Infusion)

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Hyperoxämie paO2 , O2­Sättigung , paCO2 , pH , St.Bic. , BE 

FiO2  Beatmungsmuster entschärfen, Beatmungsdrücke  ● Inspirationsdauer , IRV entschärfen ● Inspirationsdruck P insp  ● PEEP 

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Hypoxämie paO2 , O2­Sättigung , paCO2 , pH , St.Bic. , BE 

FiO2  Beatmungsmuster optimieren: ● Inspirationsdauer  ● Inspirationsdruck P insp  ● PEEP  ● Spontanatmung zulassen ● Bauchlagerung indiziert?

Respiratorische GlobalinsufÏzienz paCO2 , paO2 , SaO2 , pH , St.Bic. , BE 

FiO2  Beatmungsmuster optimieren: ● Beatmungsfrequenz  ● Inspirationsdauer  ● Inspirationsdruck P insp  ● PEEP  ● Spontanatmung zulassen ● Bauchlagerung indiziert? ● permissive Hyperkapnie ● „alternative“ Behandlungsstrategien (HFOV, ECCO2­R, ECMO)

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5.1 Akute respiratorische InsufÏzienz

gende paCO2-Werte im Blut in Kauf genommen: permissive Hyperkapnie.

Pathophysiologische Grundlagen

Hickling et al. stellten 1990 retrospektiv die Daten von 50 Patienten mit ARDS vor, bei denen durch Beatmung mit niedrigen Tidalvolumina höhere Beatmungsdrücke als 40 mbar konsequent vermieden wurden. Die daraus resultierende Hyperkapnie lag im Mittel bei 62 mmHg, der höchste Einzelwert betrug 129 mmHg. Die Letalitätsrate lag mit 16 % unter der mit dem APACHE II-Score prognostizierten – von ca. 40 %. In einer prospektiven Untersuchung an weiteren 53 ARDS-Patienten konnten die Autoren diese günstigen Ergebnisse bestätigen. Amato et al. (1998) zeigten in einer randomisierten kontrollierten Studie an 20 ARDS-Patienten, dass in der Gruppe der 11 mit permissiver Hyperkapnie behandelten Patienten die Oxigenierung verbessert war, niedrigere Beatmungsdrücke angewendet werden konnten und weniger Patienten an respiratorischer InsufÏzienz verstarben. Merke Keine Normoventilation um jeden Preis: Volu­ men­ und Druckbegrenzung vor CO2­Elimination. Entwickelt sich die Hyperkapnie allmählich über einen längeren Zeitraum (Stunden bis Tage), kommt es meist nicht zum kritischen Abfall des pH-Werts unter 7,20. Trotz teilweise erheblicher CO2-Retention (beschrieben sind Partialdrücke weit über 100 mmHg) kann die respiratorische ▶ Azidose bei intakter Nierenfunktion offenbar metabolisch ausreichend kompensiert werden. Allerdings erfordert die Anpassung Zeit: Oft findet sich noch nach Tagen eine inkomplette Kompensation der Störung des Säure-Basen-Haushalts. Sehr viel schneller, innerhalb von wenigen Stunden, normalisiert sich dagegen der intrazelluläre pH-Wert, worauf die gute Toleranz der permissiven Hyperkapnie zum Teil zurückgeführt wird. Hinweis Aus den Erfahrungen mit Patienten mit chro­ nischen Lungenerkrankungen ist seit langem bekannt, dass auch ausgeprägte Hyperkap­ nien meist gut toleriert werden, sofern sie sich langsam entwickeln. Bei diesen Patienten kann

Hyperkapnie sogar als notwendiger adaptiver Mechanismus angesehen werden, um die über­ steigerte Atemarbeit zu reduzieren und der drohenden ventilatorischen Dekompensation vorzubeugen.

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Merke Bei intakter Nierenfunktion wird die respiratori­ sche Azidose teilweise metabolisch kompensiert.

Nebenwirkungen Dennoch treten im Rahmen der permissiven Hyperkapnie eine Reihe unerwünschter Nebenwirkungen auf, die den unkritischen Einsatz limitieren: ● Zunahme von Hirndurchblutung und intrakraniellem Druck, ● Zunahme des pulmonalen Gefäßwiderstands, ● systemische Vasodilatation, ● Beeinträchtigung der Myokardkontraktilität, ● Arrhythmie, ● Hyperkaliämie, ● Dyspnoe, Tachypnoe, ● Rechtsverschiebung der O -Bindungskurve, 2 ● veränderte Medikamentenwirkungen. Die pulmonal-arterielle Widerstandserhöhung ist charakteristisch für das ARDS. Hyperkapnie kann zu einem weiteren Anstieg der pulmonal-arteriellen Drücke führen, wodurch die Rechtsherzbelastung und damit das Risiko der Rechtsherzdekompensation zunehmen. Hyperkapnie-bedingte Krampfanfälle treten im Allgemeinen nur bei extrem hohen paCO2-Werten von 150 – 200 mmHg auf. Bei Patienten mit erniedrigter Krampfschwelle können Krampfanfälle allerdings auch schon bei niedrigeren paCO2-Werten ausgelöst werden. Die durch Hyperkapnie induzierte systemische Vasodilatation sowie die azidosebedingte direkte Verminderung der Myokardkontraktilität können zu einer relevanten Kreislaufdepression führen, die sich jedoch zumeist durch den Einsatz positiv inotroper Substanzen ausreichend kompensieren lässt. Herzrhythmusstörungen werden zwar beschrieben, sind jedoch in der Regel nicht limitierend. Hyperkaliämie, verminderte Sauerstoffbindung des Hämoglobins sowie die veränderte Pharmako-

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5 Akute respiratorische InsufÏzienz und akutes Lungenversagen

kinetik einzelner Medikamente unter permissiver Hyperkapnie müssen beachtet werden, schränken die Anwendung jedoch nicht ein. Die durch Hyperkapnie verursachte Steigerung des ▶ Atemantriebs erfordert in den meisten Fällen die tiefe Analgosedierung des Patienten.

Kontraindikationen

Wichtige Kontraindikationen sind: Schädel-Hirn-Trauma mit erhöhtem intrakraniellem Druck, ● koronare Herzkrankheit, schwere HerzinsufÏzienz, ● zerebrales Krampfleiden. ●

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Hinweis Obwohl teilweise gute klinische Erfolge beschrie­ ben sind, bleibt die permissive Hyperkapnie auf­ grund der zahlreichen Nebenwirkungen und Kontraindikationen eine Therapieform, die nur Einzelfällen vorbehalten sein sollte. Bei schweren Gasaustauschstörungen sollte sie immer dann erwogen werden, wenn Normoventilation un­ ter ▶ lungenprotektiven Aspekten nur durch Er­ höhung der Atemwegsdrücke über 30 mbar er­ reicht werden kann und alternative Behand­ lungsstrategien (▶ HFOV, ▶ extrakorporale CO2­ Elimination) nicht zur Verfügung stehen.

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ventral

■ Spontanatmung und alveoläres Rekruitment Pathophysiologische Grundlagen

Die positiven Auswirkungen der Spontanatmung auf pulmonale Gasverteilung und alveoläres Rekruitment werden vielfach unterschätzt. Dabei ist die intakte Atemmechanik unter physiologischen Bedingungen nicht nur der Motor für den pulmonalen Gasaustausch, sondern garantiert gleichzeitig das optimale Verhältnis von Ventilation und Perfusion. Zur Erinnerung: Durch Kontraktion des Zwerchfells während der Inspiration wird die Zwerchfellkuppe abgeflacht, gleichzeitig werden die Rippen gehoben, wodurch der Thoraxinnenraum sowohl nach unten als auch nach vorne und zu den Seiten hin erweitert wird. Durch den hierbei in der Lungenperipherie entstehenden Unterdruck gelangt die Atemluft bevorzugt in die zwerchfellnahen, gravitationsbedingt besonders gut perfundierten Areale. Die zwerchfellfernen Lungenspitzen dagegen werden vergleichsweise weniger ventiliert. Da sie jedoch auch weniger perfundiert werden, resultiert in der gesunden Lunge ein insgesamt ausgewogenes VentilationsPerfusions-Verhältnis (Abb. 5.6a). Ähnlich sieht es beim liegenden Patienten aus. Auch hier führen aktive Zwerchfellexkursionen vor allem in den abhängigen Partien zu hohen trans-

wach Spontanatmung

Ventilation

a sediert

Perfusion

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dorsal (l/min) ventral

Beatmung

4 Ventilation

Perfusion

4 c

dorsal (l/min)

Abb. 5.6 Sedierung und Relaxierung verschlechtern das Ventilations-Perfusions-Verhältnis. a Normales Ventilations­Perfusions­ Verhältnis beim wachen, spontan atmenden Patienten in Rücken­ lage. b Verschiebung der Ventilations­ Perfusions­Verhältnisse (Schraffur) beim sedierten, spontan atmen­ den Patienten durch Höhertreten des Zwerchfells und Einschrän­ kung der FRC. c Paralyse der Atemmuskulatur führt beim beatmeten Patienten zum deutlichen Ungleichgewicht zwischen Ventilation und Perfusi­ on mit entsprechenden Störungen des pulmonalen Gasaustauschs.

5.1 Akute respiratorische InsufÏzienz

pulmonalen Druckgradienten und damit zu optimalen ▶ Ventilations-Perfusions-Verhältnissen. Bereits beim sedierten Patienten kommt es hingegen zur Reduktion der ▶ funktionellen Residualkapazität und damit zur Verminderung der gasaustauschenden Fläche. Ursächlich sind die flachere Atmung sowie das Hochsteigen des Zwerchfells nach kranial mit Ausbildung von Atelektasen (Abb. 5.6b). Eine weitere Verschlechterung tritt unter tiefer ▶ Sedierung oder sogar ▶ Relaxierung des Patienten ein: Die Atemmuskulatur ist erschlafft, maschinelle Überdruckbeatmung führt zur Umkehrung der Druckverhältnisse in den Atemwegen mit passiven Zwerchfellauslenkungen. Belüftet werden nun vorwiegend die oberen Bezirke, während die unten liegenden, gut perfundierten Areale vergleichsweise schlecht belüftet sind und zur Atelektasenbildung neigen (Abb. 5.6c und Abb. 5.7). In den letzten Jahren konnte gezeigt werden, dass dieser Aspekt als eigenständiger Faktor für die Entwicklung der Ventilator-assoziierten Lungenschädigung zu werten ist. Offenbar sind selbst geringfügige Zwerchfellaktivitäten ausreichend, um einen positiven Effekt auf den pulmonalen Gasaustausch zu erzielen. Dazu sind nicht einmal unbedingt Spontanatmungsaktivitäten notwendig. Schon die elektrische Stimulation des Zwerchfells beim anästhesierten Patienten kann der Ausbildung von Dystelektasen in den abhängigen Lungenarealen entgegenwirken und damit den pulmonalen Gasaustausch verbessern, wie Hedenstierna und Mitarbeiter (1994) nachweisen konnten. Die Aufrechterhaltung und Förderung der Spontanatmung ist daher vorrangiges Ziel bei allen Formen der respiratorischen InsufÏzienz bis hin zum schweren ARDS (Abb. 5.8). Merke Rekrutierung nicht belüfteter zwerchfellnaher Lungenareale durch Spontanatmung. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass das lungenschädigende zyklische Kollabieren und Wiedereröffnen von Alveolen – insbesondere in den abhängigen zwerchfellnahen Lungenregionen – unter kontrollierter Beatmung signifikant ausgeprägter ist als unter Spontanatmung. Die Förderung der Spontanatmung ist daher auch unter lungenprotektiven Aspekten empfehlenswert. In-

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4 b

Abb. 5.7 Atemmechanik und pulmonale Ventilation unter dynamischer Bildgebung im MRT (Magnetresonanztomographie). a Das obere Bild zeigt die pulmonale Ventilation eines lungengesunden 40 jährigen Probanden in Rücken­ lage während Spontanatmung in Ruhe. Erst die Videosequenz zeigt die Bedeutung der Atemmecha­ nik für die Lungenventilation im Verlauf von In­ und Exspiration. Deutlich erkennbar ist die herausragen­ de Bedeutung der Zerchfelldynamik für die Lun­ genventilation. Beachte die stärkere inspiratorische Auslenkung des Zwerchfells im Bereich der dorsalen Abschnitte. Forcierte Atmung führt zur weiteren Auslenkung des Zwerchfells und zum Einsatz der Atemhilfsmuskulatur (die Veränderungen sind nur in den dynamischen Videosequenzen erkennbar). b Das untere Bild zeigt einen primär lungengesunden Patienten, der aufgrund einer extrapulmonalen Erkrankung anästhesiert und relaxiert wurde. Im Rahmen der maschinellen Überdruckbeatmung erfolgt die Auslenkung des Zwerchfells nun passiv, wobei vorwiegend die ventralen Lungenareale belüftet werden. Die dorsalen Lungenareale wer­ den minderventiliert, schon nach wenigen Stunden Beatmungsdauer haben sich dorsale Atelektasen ausgebildet. Die Videosequenzen können im Internet unter http://webshop.thieme.de/webshop/product/ thieme/9783131487926/detail.jsf angesehen wer­ den (unveröffentlichte Daten des Herausgebers).

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202

5 Akute respiratorische InsufÏzienz und akutes Lungenversagen

Gerätetechnische Voraussetzungen

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Abb. 5.8 Spontanatmung und alveoläres Rekruitment. a CT­Aufnahme der Lunge eines Patienten mit Sepsis und schwerer respiratorischer InsufÏzienz nach mehrtägiger kontrollierter Beatmung unter tiefer Analgosedierung. b Derselbe Patienten nach Absetzen der Analgosedie­ rung und Wiedereinsetzen der Spontanatmung. Es zeigen sich deutliche Verbesserungen der basalen Ventilationsverhältnisse.

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adäquat starke inspiratorische Atemanstrengungen sollten dagegen vermieden werden: Die starke Negativierung des Pleuradrucks führt zu einer Erhöhung des transpulmonalen Drucks nicht nur in den abhängigen zwerchfellnahen Arealen, wodurch Lungenschädigungen nicht ausgeschlossen werden können. Der Grad der maschinellen Unterstützung sollte daher den Spontanatmungsaktivitäten angepasst werden.

Klassische ▶ volumenkontrollierte oder auch ▶ druckkontrollierte Beatmungsformen erlauben keine effektive Spontanatmung des Patienten. Im Gegenteil: Spontanatmungsbemühungen des Patienten werden weder in der In- noch in der Exspirationsphase durch entsprechende Flow- bzw. Volumenangebote des Respirators beantwortet (Abb. 5.9). Die Folgen sind Dyspnoe, Gegenatmen gegen den Ventilator, Zunahme der Gasaustauschstörungen, kardiovaskuläre Komplikationen, Stress. Es ist offensichtlich, dass die Spontanatmung in diesen Fällen durch entsprechende ▶ Analgosedierung unterdrückt werden muss, d. h., der Patient muss an den Respirator angepasst werden. Wesentlich mehr Freiheitsgrade für den Patienten erlaubt demgegenüber die Beatmung mit ▶ S-IMV. Allerdings ist die freie Spontanatmung auf die Phasen zwischen den maschinellen Beatmungshüben begrenzt (siehe auch Abb. 3.17 und 3.18, S. 120 und 121) und hängt damit von der Atem- und Beatmungsfrequenz sowie der Einstellung des Beatmungsmusters ab (Abb. 5.10). Hinweis In einer prospektiven Untersuchung bei 596 Pa­ tienten nach herzchirurgischen Eingriffen konn­ ten Rathgeber et al. nachweisen, dass Patien­ ten, die mit BIPAP nachbeatmet wurden, signifi­ kant schneller extubiert werden konnten als Pa­ tienten, die im S­IMV­Mode mit inspiratorischer Druckunterstützung bzw. im S­CMV­Mode nach­ beatmet wurden. Nach der Extubation zeigten die Patienten der S­CMV­Gruppe im Vergleich zu den Patienten der BIPAP­ und S­IMV/PSV­Grup­ pen häufiger Zeichen der ventilatorischen Insuf­ fizienz mit Anstieg des paCO2. Zurückgeführt wurde dies auf den höheren Analgosedierungs­ bedarf der Patienten unter Beatmungsformen, die keine oder nur eingeschränkte Spontanat­ mung erlauben: Fast 40 % der Patienten aus der S­CMV­Gruppe benötigten während der Nachbe­ atmungsphase zusätzliche Sedierung mit Mida­ zolam, dagegen nur etwa 14 % der Patienten aus der S­IMV/PSV­Gruppe und nur etwa 10 % aus der BIPAP­Gruppe. Opioide erhielten zwar nahe­ zu alle Patienten, allerdings war der mittlere An­ algetikaverbrauch in der BIPAP­Gruppe signifi­ kant niedriger als in der S­CMV­ sowie der S­IMV/ PSV­Gruppe.

5.1 Akute respiratorische InsufÏzienz

Druck

Druck

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Abb. 5.9 Druck-, Flow- und Volumendiagramme bei Spontanatmung unter volumen- sowie druckkontrollierter Beatmung. a Volumenkontrollierte Beatmung (VC ­CMV): Atemanstrengungen des Patienten tragen nicht zum pulmona­ len Gasaustausch bei, da sie nicht durch entsprechende Anpassung der maschinellen Flow­/Volumenliefe­ rung beantwortet werden, sondern lediglich Druckschwankungen im Schlauchsystem und damit frustrane Atemexkursionen (Pfeile) verursachen. b Druckkontrollierte Beatmung (PC ­CMV): Atemanstrengungen des Patienten während des inspiratorischen Druckplateaus führen zwar aus der Flowdezeleration heraus zu erneutem Flowanstieg, die freie Exspiration ist jedoch nicht vor Ablauf der zeitgesteuerten Inspirationsphase möglich. Daraus resultiert eine Zunahme des intrathorakalen Gasvolumens mit Anstieg des intrathorakalen Drucks. Bei forcierter Gegenatmung können so Atemwegsdrücke weit oberhalb des eingestellten Druckniveaus (Pfeile) resultieren (nach Originalregistrierun­ gen mittels tubusnah installiertem Pneumotachographen).

5

druckkontrollierter Beatmung zur signifikanten Verbesserung der Ventilations-Perfusions-Verhältnisse führt: Die Shuntdurchblutung nimmt ab, die Perfusion der Areale mit normalem V˙a/ Q˙ zu. Gleichzeitig kommt es zur Verbesserung des Herzzeitvolumens mit entsprechender Zunahme des O2-Angebots auch in extrathorakalen Organen. Trotz der Spontanatmungsaktivitäten waren die Veränderungen des O2-Verbrauchs nur gering. In Untersuchungen an Patienten mit ALI/ARDS konnten die Autoren zudem zeigen, dass die Spontanatmung im BIPAP-Modus hinsichtlich des pulmonalen Gasaustauschs Vorteile gegenüber Spontanatmung mit ▶ inspiratorischer Druckunterstützung aufwies. Hinsichtlich des alveolären Rekruitments bietet ▶ BIPAP möglicherweise bessere Voraussetzungen als ▶ PSV. Ursächlich hierfür könnten die grundlegend unterschiedlichen Steuerungskriterien beider Modi sein. Bei BIPAP erfolgt der Wechsel zwischen den beiden Druckplateaus zeitgesteuert,

4

Merke Ziel der Beatmungstherapie ist die Erhaltung der Spontanatmungsaktivitäten. Beatmungsformen wie ▶ BIPAP oder ▶ APRV ermöglichen dem Patienten jederzeit additive und ungehinderte Spontanatmung innerhalb des gesamten Beatmungszyklus (Abb. 5.11). Durch Verknüpfung mit druckkontrollierter zeitgesteuerter Beatmung und PEEP ist gleichzeitig die Aufrechterhaltung eines ausreichenden Mitteldrucks in den Atemwegen sichergestellt. Die Spontanatmungsmöglichkeit verringert den Anteil der maschinellen Ventilation an der Gesamtventilation, so dass Beatmungsdrücke und -volumina reduziert werden können. In viel beachteten tierexperimentellen Untersuchungen sowie Patientenstudien konnten Putensen und Mitarbeiter in den vergangenen Jahren zeigen, dass die additive Spontanatmung während

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5 Akute respiratorische InsufÏzienz und akutes Lungenversagen

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Abb. 5.10 Druck-, Flow- und Volumendiagramme bei Spontanatmung im S-IMV-Modus. a Adäquate Anpassung der maschinellen Ventilation an den ventilatorischen Bedarf des Patienten. Triggerung des Demand­Ventils (Pfeile) führt zur maschinellen Flow­ und Volumenlieferung. Effektive Spontanatmung mit inspiratorischer Druckunterstützung zwischen den S­IMV­Hüben. b Inadäquate Einstellung der ventilatorischen Parameter. Aufgrund des zu niedrig eingestellten Inpirations­ flows der mandatorischen Beatmungen atmet der Patient in die maschinellen Beatmungszüge, was zu aus­ geprägten Druckabfällen in den Atemwegen führt (Pfeile). Die Eigenatmung wird behindert, die Atemarbeit nimmt zu (nach Originalregistrierungen mittels tubusnah installiertem Pneumotachographen). wodurch – unabhängig von den Spontanatmungsaktivitäten des Patienten – ein konstanter Mitteldruck in den Atemwegen aufrechterhalten wird. Dabei bestimmen Zeitdauer und Höhe der Plateaus den (gleichbleibenden) maschinellen Anteil an der Gesamtventilation. Bei PSV wird dagegen die Exspirationsphase entweder druckgesteuert durch die Exspirationsbemühungen des Patienten eingeleitet oder flowgesteuert nach Unterschreiten des 25 %-Kriteriums. Insbesondere bei tachypnoischen Atemaktivitäten wird dadurch die Ausbildung eines stabilen Plateaudrucks verhindert (Abb. 5.12). Die resultierenden Atemwegsmitteldrücke hängen somit von der Höhe des PEEP-Niveaus sowie den Atmungsaktivitäten des Patienten ab und sind daher inkonstant. Sowohl bei BIPAP als auch bei PSVAtmung sollten daher ausreichend hohe PEEP-Niveaus eingestellt werden.

5.2

Akutes Lungenversagen, ARDS

Die schwerste Form der akuten respiratorischen InsufÏzienz ist das akute Lungenversagen (Acute Respiratory Distress Syndrome, ARDS). Hierbei handelt es sich um eine akute Funktionsstörung der Gasaustauschstrecke der Lunge, die durch unterschiedlichste Auslöser bei zuvor Lungengesunden ebenso wie bei Patienten mit vorbestehender Lungenerkrankung auftreten kann. Grundsätzlich wird in der Pathogenese des ARDS zwischen direkten (pulmonalen) und indirekten (extrapulmonalen) Schädigungen der Lunge unterschieden. Die pulmonale Schädigung manifestiert sich primär an der epithelialen Seite der alveolokapillären Membran und führt häufig zu regionalen Parenchymveränderungen (z. B. pneumonische Infiltrate). Die

5.2 Akutes Lungenversagen, ARDS

PSV

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Volumen

Flow

Flow

Druck

Druck

BIPAP

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Volumen

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Zeit

Abb. 5.11 Druck-, Flow-, Volumendiagramme bei Spontanatmung im BIPAP-Modus. Der Patient atmet auf zwei unterschiedlich hohen Druckniveaus, seine In­ und Exspirationsbemühungen werden von entsprechenden Flow­ bzw. Volumenver­ schiebungen beantwortet (nach einer Originalregist­ rierung mittels tubusnah installiertem Pneumotacho­ graphen).

Abb. 5.12 BIPAP vs. PSV. BIPAP: Die Atemwegsmitteldrücke (rote Linie) resul­ tieren aus Zeitdauer und Höhe der beiden Druckpla­ teaus, die gleichzeitig den maschinellen Anteil an der Gesamtventilation bestimmen. Überlagerung der druckkontrollierten Beatmung durch Spontanat­ mungsaktivitäten. PSV: Vergleichbare Einstellung der Drücke im PSV­ Modus. Die Atemwegsmitteldrücke hängen ab vom Atemantrieb des Patienten und sind daher – wie auch der maschinelle Anteil an der Gesamtventilation – inkonstant.

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4 extrapulmonale Schädigung manifestiert sich dagegen primär an der endothelialen Seite. Sie führt typischerweise zu einer eher generalisierten, diffusen Lungenschädigung (Tab. 5.4). Die Angaben zur Inzidenz des ARDS sind sehr unterschiedlich, was nicht nur an der unscharfen Definition des Krankheitsbildes selbst liegt, sondern ebenso an der unklaren Abgrenzung zur ALI (siehe unten). Hinweis Trotz unbestreitbarer therapeutischer Fortschrit­ te ist das Vollbild des ARDS auch heute noch mit einer hohen Letalität behaftet. Einer neueren Studie zufolge beträgt sie ca. 60 %. Dabei hängt das Überleben der Erkrankung seltener vom füh­ renden Merkmal des ARDS – der Hypoxämie –

ab, sondern eher von sekundären Organversa­ gen im Rahmen des Erkrankungsverlaufs. Die multifaktoriellen Ursachen des ARDS erschweren zudem die Therapie, da sie einen standardisier­ ten Einsatz möglicher Interventionen verbieten. Die korrekte Identifikation der letztendlich aus­ lösenden Ursache ist somit entscheidend für die Wahl und den Erfolg des Therapieverfahrens. Anhand der Vielzahl der auslösenden Faktoren wird deutlich, dass das ARDS kein eigenständiges Krankheitsbild ist, sondern häufig den Endzustand unterschiedlichster Lungenerkrankungen kennzeichnet. Merke Das ARDS ist kein eigenständiges Krankheitsbild.

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5 Akute respiratorische InsufÏzienz und akutes Lungenversagen

Tabelle 5.4

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Ursachen des pulmonalen und extrapulmonalen ARDS.

Direkte (pulmonale) Lungenparenchymschädigung: ● ● ● ● ● ●

diffuse pulmonale Infektion (Viren, Bakterien, Pilze) Aspiration (Mageninhalt, Süß­, Salzwasser) Lungenkontusion Inhalation toxischer Gase (NO2, Ozon, Rauchgase) chemische Substanzen (Paraquat, Bleomycin) Re­Expansionsödem nach akuter Atemwegs­ obstruktion

5.2.1

Auslöser des ARDS

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Die häufigsten ARDS-Auslöser sind die schwere Pneumonie und die Sepsis. Hierbei kommt es offenbar zur hämatogenen Einschwemmung von Triggersubstanzen in das Lungenparenchym. Dazu zählen bakterielle Toxine (Endotoxine, Exotoxine u. a.) ebenso wie Substanzen, die über die Aktivierung verschiedener Kaskadensysteme (Komplement-, Gerinnungs-, Kallikrein-Kinin-Kaskade u. a.) auf In-situ-Effektoren der Frühphase wirken. Hier unterscheidet man zwischen humoralen und zellulären Effektoren. Zu ersteren gehören Zytokine, Proteasen, Sauerstoffradikale, zu letzteren aktivierte inflammatorisch-kompetente Zellen wie PMN, Makrophagen, Monozyten, Lymphozyten. Aber auch direkte „pulmotrope“ Auslöser, wie chemische Agenzien oder mikrobielle Abbauprodukte, die bei der Besiedlung der Lunge mit Bakterien, Viren, Pilzen, Parasiten in situ freigesetzt werden, haben ihre Auswirkungen auf die In-situ-Effektoren. In jedem Fall lösen die hämatogen eingeschwemmten oder auch über die Luftwege eingebrachten Effektoren eine inflammatorische Reaktion im Lungenparenchym aus. Dieser Entzündungsreaktion liegt nach heutigen Kenntnissen keine monokausale Ursache zugrunde. Vielmehr sind zahlreiche humorale Mediatorsysteme sowie inflammatorisch kompetente Zellen in unterschiedlicher Weise beteiligt. Ihre Bedeutung ist im Einzelnen derzeit noch weitgehend unklar. Die inflammatorischen Prozesse verursachen ihrerseits komplexe Störungen der Immunabwehr und Schädigungen des Surfactant-Systems, die zur Perpetuierung des Krankheitsgeschehens beitragen. Auch die Beatmung selbst – insbesondere mit hohen Tidalvolumina – kann sekundäre Schädigungen des Lungenparenchyms verursachen

Indirekte (extrapulmonale) Lungenparenchymschädigung: ● ● ● ● ● ● ●

Sepsis, SIRS (Systemic Inflammatory Response Syndrome) Polytrauma Blutungsschock mit Massivtransfusion disseminierte intravasale Gerinnung Pankreatitis Verbrennungskrankheit Fruchtwasser­, Fettembolie

(▶ lungenprotektive Beatmung). Besonders empfindlich auf atemmechanische Belastungen scheinen vorgeschädigte Lungen zu reagieren. Neben den direkten Auswirkungen des ARDS auf den pulmonalen Gasaustausch und damit die Sauerstoffversorgung der Organe kann es aus dem erkrankten Lungenparenchym zur Freisetzung inflammatorischer Mediatoren sowie mikrobieller Produkte kommen, die nach Einschwemmung in den systemischen Blutkreislauf das Krankheitsbild unterhalten und zur sekundären Keimbesiedlung anderer Organsysteme führen können: Die Lunge als „Motor“ der Sepsis/SIRS. Merke Infizierte Lungen sind Keimreservoire: Die Lunge als „Motor der Sepsis“.

5.2.2

ALI oder ARDS?

Klinisches Leitsymptom des akuten Lungenversagens ist die plötzliche, lebensbedrohliche Hypoxämie aufgrund einer pulmonalen Gasaustauschstörung. Die schwierige Abgrenzung zwischen ▶ ALI und ARDS ist unabhängig von der Grunderkrankung und erfolgt lediglich anhand blutgasanalytischer Parameter (Tab. 5.5). Definitionsgemäß kann daher jedes ALI im Verlauf in ein ARDS und umgekehrt übergehen. Oftmals reicht hierfür allein schon die Veränderung der Beatmungseinstellungen, zumal die Höhe des PEEP nicht berücksichtigt wird. Die Übergänge zwischen der akuten respiratorischen InsufÏzienz, ALI, und dem akuten Lungenversagen, ARDS, sind somit fließend.

5.2 Akutes Lungenversagen, ARDS

207

Tabelle 5.5 Abgrenzungskriterien zwischen ARI und ARDS (Quelle: Bernard et al. 1994). Die Unterschiede beziehen sich lediglich auf die Oxigenierungsstörung. Zum Ausschluss einer kardialen Lungenfunktionsstörung wird ein PCWP­Wert (Wedgedruck) < 18 mmHg gefordert.

1

Verlauf

Oxigenierung

Röntgen-Thorax

PCWP

ARI

akuter Beginn

paO2/FiO2 ≤ 300 mmHg (unabhängig vom PEEP)

bilaterale Infiltrate

≤ 18 mmHg

ARDS

akuter Beginn

paO2/FiO2 ≤ 200 mmHg (unabhängig vom PEEP)

bilaterale Infiltrate

≤ 18 mmHg

Tabelle 5.6

Stadien des ARDS mit typischen klinischen und histopathologischen Veränderungen.

I. Initiale Phase (bis 24 [48] h)

Klinische Symptome der prädisponierenden Faktoren, keine pulmonalen Symptome, Röntgen­Thorax oft unauffällig

II. Exsudative Phase (1 Woche)

Beginnende O2­Gasaustauschstörung, Zunahme der Atemarbeit. Generalisiertes inter­ stitielles Ödem, später alveoläres eiweißreiches Ödem. Generalisierte Schädigung von Zellen, Septen, Basalmembranen. Ausbildung von Dystelektasen

III. Proliferative Phase (ab der 2. Woche)

Schwerste Gasaustauschstörungen für O2 und CO2, Zunahme von Rechts­Links­Shunt und Totraumventilation. Erhöhte Fibroblastenaktivität, Intimaproliferation, sekundäre Gefäßverschlüsse, interstitielle Fibrose. Zunehmende Perfusionsstörungen mit Anstieg der Lungengefäßwiderstände. Hochgradige Reduktion von FRC und Compliance Multiorganversagen, Exitus letalis

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5

4 Merke Die Abgrenzung des ARDS von der ALI anhand der Definition ist schwierig, die Übergänge sind fließend.

Hinweis Die definitionsgemäß geforderte Messung des pulmonal­arteriellen Verschlussdrucks (PCWP) zum Ausschluss eines kardial bedingten Lungen­ ödems ist in der Regel nicht notwendig. Außer­ dem ist die Aussagekraft des PCWP beim Lun­ genversagen jedweder Genese ohnehin nicht hilf­ reich, da der PCWP ganz wesentlich auch von der Höhe der eingestellten Beatmungsdrücke sowie dem aktuellen intravasalen Flüssigkeitsstatus be­ stimmt wird. Zudem kann auch ein Patient mit chronischer LinksherzinsufÏzienz und erhöhten PCWP­Werten ein ARDS entwickeln. Daneben tre­ ten im Verlauf der Erkrankung häufig sekundä­ re Komplikationen wie Pleuraergüsse oder rezidi­ vierende Pneumothoraces auf, die ebenfalls den PCWP beeinflussen.

5.2.3

Klinischer Verlauf

Typischerweise verläuft das schwere ARDS in Phasen mit charakteristischen histopathologischen Veränderungen der alveolokapillären Einheit (Tab. 5.6), die jedoch weitgehend reversibel sein können. Daher ist prinzipiell eine Genesung aus jedem Stadium des ARDS möglich. Nach schwerem ARDS muss allerdings mit dauerhaften pulmonalen Einschränkungen gerechnet werden. Auch kann trotz weitgehender Wiederherstellung der Lungenfunktion die Lebensqualität nach überstandenem ARDS durch kognitive Defektzustände und psychische Veränderungen als Folge der langen intensivmedizinischen Behandlung bei vielen Patienten stark vermindert sein. Merke Die Wiederherstellung einer ausreichenden Lun­ genfunktion ist prinzipiell aus jeder Phase des ARDS möglich.

Radiologisch zeigen sich mit einer Latenz von Stunden nach dem ersten Auftreten klinischer Symptome – Dyspnoe, Tachypnoe, Zyanose – klassischerweise unscharf begrenzte, fleckförmige

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5 Akute respiratorische InsufÏzienz und akutes Lungenversagen

Verschattungen in zentralen und peripheren Abschnitten, positive Bronchogramme und u. U. bereits Zeichen der Rechtsherzbelastung. Das Vollbild des ARDS ist radiologisch gekennzeichnet durch eine generalisierte feinfleckige Verschattung der Lungen als Ausdruck des beidseitigen interstitiellen und intraalveolären – nichtkardialen – Lungenödems: „weiße Lunge“ (Abb. 5.13). Ursächlich ist eine Zunahme von Kapillarpermeabilität und Filtrationsdruck. Obgleich keine wesentlichen Unterschiede hinsichtlich der regionalen Verteilung des eiweiß-

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reichen Ödems bestehen, ist die Ventilationsverteilung jedoch entgegen früheren Annahmen eher inhomogen. Neben Arealen mit weitgehend intakter Ventilation und ungehindertem Gasaustausch zeigen sich im Computertomogramm der Lunge nicht ventilierte, atelektatische Bezirke ebenso wie minderventilierte, dystelektatische Bereiche mit zeitweise oder dauerhaft kollabierten Alveolen. Besonders im Frühstadium des ARDS finden sich die minderventilierten oder atelektatischen Bezirke typischerweise vorwiegend in den unten liegenden Lungenpartien (Abb. 5.13), wofür unter anderem der Einfluss der Schwerkraft verantwortlich gemacht wird. Demgegenüber werden die oben liegenden Lungenareale besser ventiliert und erscheinen dadurch flüssigkeitsärmer. Die Folgen sind regionale Unterschiede von Compliance und Resistance.

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Abb. 5.13 Röntgenbild und Computertomogramm der Lunge bei ARDS. a Röntgenaufnahme eines beatmeten Patienten (Aufnahme im Liegen) mit schwerem ARDS im Frühstadium nach Inhalation toxischer Gase. b Im CT zeigt sich die Reduktion der gasaustauschen­ den Fläche als Folge der inhomogenen Verteilung von Ventilation und Perfusion.

Hinweis Ein Thorax­CT oder auch dynamische CT­ oder MRT­Sequenzen können – zumindest für eine be­ grenzten Zeitraum – Hinweise auf das Ausmaß der alveolären Konsolidierung bzw. den Anteil des ventilierbaren Lungenparenchyms liefern. Anhand der radiologischen Dichte (Houndsfield­ Einheiten, HU) kann der Grad der Belüftungsstö­ rung im CT der Lunge abgeschätzt werden: ● überbläht mit –1000 bis –900 HU, ● normal mit –900 bis –500 HU, ● minder belüftet mit –400 bis –200 HU, ● atelektatisch mit –100 bis +100 HU. Der Verlust von Surfactant führt zur dramatischen Abnahme der Compliance in den betroffenen Arealen. Die messbare Verminderung der GesamtLungencompliance ist jedoch – zumindest in den frühen Phasen des ARI/ARDS – nicht allein durch die Versteifung des erkrankten Lungengewebes bedingt. Sie beruht ganz wesentlich auch auf der schweren und prinzipiell weitgehend reversiblen restriktiven Lungenfunktionsstörung durch die Reduktion der gasaustauschenden Oberfläche, die mit einer messbaren Reduktion der ▶ funktionellen Residualkapazität einhergeht. Gattinoni prägte hierfür die treffende Bezeichnung der „baby lung“. Die zyklische Wiedereröffnung exspiratorisch kollabierter Alveolen, hohe Beatmungsdrücke und Überdehnung noch ventilierter Lungenareale mit

5.3 Zusätzliche Behandlungs­ und Beatmungsstrategien bei schweren Formen von ALI und ARDS

normaler Compliance führen zu zusätzlichen ventilatorassoziierten, sekundären Lungenschädigungen (Ventilator Associated Lung Injury, VALI), die häufig mit einem irreversiblen Verlust von Gasaustauschfläche einhergehen (siehe auch ▶ lungenprotektive Beatmung). Pulmonal hypoxische Vasokonstriktion und Hyperkapnie, aber auch erhöhte intravaskuläre Gerinnungsaktivierung im Lungenparenchym führen beim fortgeschrittenen ARDS regelhaft zur Entwicklung einer pulmonalen Hypertonie mit konsekutiver Rechtsherzbelastung. Merke Zu den wesentlichen Merkmalen des ARDS ge­ hören: ● ausgeprägtes Permeabilitätsödem der Lunge, ● vital bedrohliche Hypoxämie, ● pulmonaler Hypertonus, ● reduzierte Compliance, ● Hyperkapnie, ● Rechtsherzbelastung.

5.2.4

Probleme bei der Beatmung

Die Beatmung von Patienten mit schwerer bis schwerster respiratorischer InsufÏzienz (ALI/ARDS) bereitet besondere Probleme, da die Lungen in erheblichem Maße inhomogen geschädigt sind. Das bedeutet, dass sich Veränderungen der maschinellen Beatmungsparameter in den betroffenen Lungenarealen unterschiedlich auswirken. Dabei besteht einerseits die Gefahr, dass gesunde oder wenig geschädigte Areale mit normaler Compliance überdehnt werden, was zur Freisetzung proinflammatorischer Mediatoren führt (▶ Volu- oder Biotrauma). Andererseits reicht der Beatmungsdruck u. U. nicht aus, um die Alveolen in schwerer geschädigten Arealen mit geringer Compliance zu eröffnen und offen zu halten. Zudem gibt es Bereiche, die zwar bei höherem Beatmungsdruck eröffnet werden, aber exspiratorisch wieder kollabieren. Durch das zyklische Öffnen und Kollabieren der Alveolen entstehen Scherkräfte, die ebenfalls zur sekundären Lungenschädigung beitragen. Die Durchführung der Beatmung orientiert sich in jedem Fall am Konzept der ▶ lungenprotektiven Beatmung. Dabei müssen der gewählte Beatmungsmodus und die Beatmungseinstellungen

einen ausreichenden Gasaustausch garantieren und ● die Überdehnung und das zyklische Kollabieren der Alveolen verhindern. Daneben soll die ● inspiratorische Sauerstoffkonzentration möglichst gering gehalten werden und ● Spontanatmung des Patienten möglich sein.

209



5.3

Zusätzliche Behandlungsund Beatmungsstrategien bei schweren Formen von ALI und ARDS

In den folgenden Abschnitten werden gängige Strategien und Konzepte sowie physikalische Maßnahmen zur Behandlung von Patienten mit schwersten Formen der respiratorischen InsufÏzienz dargestellt. Generell muss dabei beachtet werden, dass der klinische Nachweis der Wirksamkeit einer Methode wegen der Heterogenität pulmonaler Erkrankungen sowie der vielfältigen Beeinflussbarkeit der Prüfparameter nur sehr schwer zu führen ist. Dies gilt insbesondere auch für neue Beatmungsformen. So ist es nur mit großen Fallzahlen möglich, die Überlegenheit einer Beatmungsform bei der Therapie des ALI/ARDS nachzuweisen, da das Vollbild des ARDS selten ist und zudem, wie oben erläutert, keine einheitliche Ätiologie aufweist. Als gesichert gilt dagegen die Durchführung der Beatmungstherapie nach ▶ lungenprotektiven Kriterien.

5.3.1

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Alveoläre Rekruitmentstrategien

Ziel der Behandlung der akuten respiratorischen InsufÏzienz, die durch alleinige Sauerstoffgabe nicht ausreichend therapiert werden kann, ist die Reduktion des erhöhten intrapulmonalen ▶ Rechts-Links-Shunts. Dazu müssen kollabierte und flüssigkeitsgefüllte Alveolen (Atelektasen) wiedereröffnet (rekrutiert) und für den Gasaustausch dauerhaft stabilisiert werden. Alveoläres Rekruitment ist untrennbar mit der Inspiration verknüpft, denn nur während dieser Phase (unabhängig davon, ob diese maschinell oder spontan erfolgt) ent-

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5 Akute respiratorische InsufÏzienz und akutes Lungenversagen

stehen so hohe transpulmonale Drücke, dass der kritische Eröffnungsdruck verschlossener Alveolen überschritten wird. Wiedereröffnete Alveolen sind zunächst extrem instabil und neigen dazu, sich bei einem Abfall des transpulmonalen Druckes erneut zu verschließen. Daher sind für die Stabilisierung rekrutierter Alveolen hohe PEEP-Drücke erforderlich. Erfolgreiches Rekruitment führt zur Reduktion des Rechts-Links-Shunts und zeigt sich in einer Verbesserung der Oxigenierung und der Decarboxylierung. Merke Verbesserung der Oxigenierung und Decarboxy­ lierung durch alveoläres Rekruitment: Eröffnung und Stabilisierung atelektatischer Areale.

■ Das „Open-Lung-Concept” Das sog. „Open-Lung-Concept“ wurde in seinen verschiedenen Variationen in den letzten Jahren als viel beachtete, aber auch heftig und kontrovers diskutierte Strategie in die klinische Routine eingeführt. Hinter diesem Schlagwort verbergen sich relativ aufwendige atemmechanische Manöver, die mit dem Ziel durchgeführt werden, möglichst alle atelektatischen Alveolen für den pulmonalen Gasaustausch möglichst schnell und dauerhaft zu rekrutieren. Dabei werden die Plateau- und PEEPDrücke unter Kontrolle der gasaustauschenden Parameter (paO2 und paCO2) stufenweise verändert, wobei das Eröffnen verschlossener Alveolen durch Steigerung der inspiratorischen Plateaudrücke erfolgen soll, das Offenhalten rekrutierter Alveolen durch den PEEP-Druck. Durch Optimierung der Druckamplitude zwischen beiden Niveaus im Sinne einer lungenprotektiven Beatmung soll die Lunge vor weiteren beatmungsbedingten Schädigungen durch hohe ▶ Scherkräfte bewahrt werden. Bei erfolgreichem alveolären Rekruitment kann die FiO2 dauerhaft reduziert werden. Gleichzeitig nehmen die als Folge der hypoxischen pulmonalen ▶ Vasokonstriktion erhöhten pulmonalen Gefäßwiderstände ab.

Physiologische Grundlagen

4

Physiologischer Hintergrund der Überlegungen ist die Erkenntnis, dass – ausgehend vom LaPlace-

schen Gesetz – der ▶ Eröffnungsdruck einer Alveole höher ist als der ▶ Verschlussdruck: p=

2γ r

Danach hängt der Druck P in der Alveole von der Wandspannung γ und dem Radius r der Alveole ab. Dieser Zusammenhang lässt sich anhand eines einfachen Modells verdeutlichen: Beim Aufblasen eines Luftballons ist initial ein hoher Druck notwendig, um den Ballon zu füllen. Erst nachdem ein kritischer Eröffnungspunkt im Ballon überschritten wurde, nimmt das Ballonvolumen zügig zu, während der hierfür notwendige Druck abnimmt. Der Druck steigt erst wieder an, wenn die maximale Dehnbarkeit der Ballonhülle erreicht ist. Druck und Volumen nehmen dann wieder gleichgerichtet zu, bis der Ballon überdehnt wird und platzt. Mit gewissen Einschränkungen lässt sich dieses Modell auf die Lunge übertragen. Auch hier müssen unter Umständen sehr hohe Beatmungsdrücke aufgebracht werden, um verschlossene Alveolen zu belüften. Das Risiko der Überdehnung dieser Alveolen im Sinne eines Volutraumas soll allerdings gering sein, zumal ihre Ausdehnung durch das umliegende Gewebe begrenzt wird. Anders sieht es dagegen bei Alveolen aus, die eine normale Dehnbarkeit (▶ Compliance) aufweisen. Hier können erhöhte Beatmungsdrücke zu einer vergleichsweise hohen Volumenbelastung führen und damit unter Umständen zur Überdehnung und Ausbildung eines ▶ Baro-/Volutraumas. Merke Risiko von Volutrauma durch hohe Tidal­ volumina.

Vorgehensweise

Die praktische Durchführung des atemmechanischen Rekruitmentmanövers variiert zwar bei verschiedenen Autoren, beinhaltet jedoch grundsätzlich 3 unterschiedliche Schritte: 1. Eröffnen der Lunge mit hohen inspiratorischen Drücken, 2. Offenhalten der Lunge mit PEEP-Niveaus oberhalb des Verschlussdrucks,

5.3 Zusätzliche Behandlungs­ und Beatmungsstrategien bei schweren Formen von ALI und ARDS

3. Einstellung der geringstmöglichen Druckamplitude zwischen beiden Druckniveaus unter Berücksichtigung von Oxigenierung und CO2-Elimination. Die Durchführung der Manöver sollte grundsätzlich nur unter druckkontrollierter Beatmung (PCCMV, BIPAP) und bei stabilen Kreislaufverhältnissen erfolgen. Bei normalem Atemzeitverhältnis wird der externe PEEP vor Beginn des Manövers auf 15 – 25 mbar angehoben. Hierdurch soll der neuerliche Kollaps der Alveolen nach erfolgreichem Rekruitment verhindert werden. Ggf. muss ein ▶ intrinsic PEEP mit berücksichtigt werden. Das Eröffnungsmanöver wird durch stufenweises Anheben der Beatmungsdrücke um 5 mbar eingeleitet, wobei die Blutgase engmaschig kontrolliert werden müssen. Der Erfolg des Manövers zeigt sich zuerst am O2-Partialdruck: Der paO2 ist der einzige Parameter, der direkt mit der Anzahl der am Gasaustausch teilnehmenden Alveolen korreliert. Ein überproportionaler Anstieg der Tidalvolumina bei der Anhebung der Drücke weist ebenfalls auf alveoläres Rekruitment hin. Merke Durchführung der Manöver nur unter druckkon­ trollierter Beatmung und bei stabilen Kreislauf­ verhältnissen. Die zur Eröffnung notwendigen Drücke sind nicht nur von Patient zu Patient unterschiedlich, sie variieren auch innerhalb der Lunge, da die pulmonalen Veränderungen zumeist inhomogen verteilt sind. Einige Alveolen sind bereits eröffnet, während andere erheblich höhere Drücke zur Überwindung ihrer Verschlussdrücke benötigen. Die Beatmungsdrücke werden so lange gesteigert, bis keine weitere Zunahme des paO2 erreicht werden kann. Hierfür sind in der Regel Drücke zwischen 45 und 60 mbar erforderlich. Höhere Drücke bringen keinen zusätzlichen Benefit, erhöhen jedoch das Risiko von Hyperinflation in gesunden Alveolen und sollten daher vermieden werden. So wurde in letzter Zeit wiederholt über die Ausbildung von ▶ Pneumothoraces im Zusammenhang mit „Open-Lung“Manövern berichtet. Nach Beendigung des Manövers wird der Plateaudruck – wiederum schrittweise – reduziert, bis der paO2 abfällt. Damit ist der kritische Druckbereich erreicht, an dem die zuvor eröffneten Kom-

partimente erneut kollabieren. Der inspiratorische Druck wird nun wieder auf den Eröffnungsdruck angehoben, dann erneut reduziert auf Druckwerte knapp oberhalb des detektierten Verschlussdrucks. Bleibt der paO2 während des Rückzugsmanövers stabil, wird der Plateaudruck so lange reduziert, bis die CO2-Elimination beeinträchtigt wird. Durch Absenken des initial erhöhten PEEP wird die Differenz zwischen Plateaudruck und PEEP vergrößert, wodurch die alveoläre Ventilation verbessert wird. Dies zeigt sich am Abfall des paCO2. Das Manöver kann in gleicher Weise zur Bestimmung des niedrigsten möglichen PEEP-Wertes (▶ minimal PEEP) durchgeführt werden. Oftmals wird jedoch der Aufwand gescheut und der PEEP als Summe aus externem und intrinsischem PEEP auf Werte um 15 mbar reduziert. Bei Patienten mit fortgeschrittenem ALI/ARDS sollten die externen PEEP-Niveaus niemals unterhalb von 10 mbar abgesenkt werden. Plateau- und PEEP-Drücke werden so lange belassen, bis die Lungenparameter sich ändern. Ein neuerlicher Abfall des paO2, z. B. durch Diskonnektion oder Absaugvorgänge, zeigt die Notwendigkeit zur Wiederholung des Rekruitment-Manövers an. Außerordentlich wichtig ist, dass gerade in der Weaning-Phase mit steigendem Spontanatmungsanteil ausreichend hohe Atemwegsdrücke aufrechterhalten werden. ▶ BIPAP scheint hier gegenüber anderen Beatmungsformen einige Vorteile zu bieten.

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Open-Lung-Manöver als Routinemaßnahme? Der ersten Euphorie nach der Erstbeschreibung der Methode folgte in den Jahren danach die Ernüchterung, die durch entsprechende Gewichtung der pathophysiologischen Zusammenhänge erklärbar wird. Dem Open-Lung-Concept lagen nämlich tierexperimentelle Untersuchungen mit Lungen zugrunde, bei denen durch repetitives Spülen Surfactant ausgewaschen wurde (Lavagemodell). Die dadurch kollabierten Alveolen sind bei anschließender Wiedereröffnung in der Regel sehr stabil und können mit relativ geringen Atemwegsdrücken offen gehalten werden. Das Lavagemodell ist daher bestens geeignet, um die Wirksamkeit des Open-Lung-Concepts zu belegen. Bei der Verwendung anderer ARDS-Modelle sind die Ergebnisse bereits deutlich schlechter. In der klinischen Praxis kommt ein reiner Surfactant-Man-

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4

5 Akute respiratorische InsufÏzienz und akutes Lungenversagen

gel mit Ausnahme des Atemnotsyndroms des unreifen Frühgeborenen praktisch nicht vor, so dass vor der Anwendung von Open-Lung-Manövern folgende Einschränkungen berücksichtigt werden sollten: ● Konsolidiertes Lungengewebe lässt sich trotz Anwendung hoher Drücke nicht rekrutieren, so dass eine „offene Lunge“ bei der Mehrzahl der Patienten nicht erreicht werden kann. ● Patienten mit einem länger bestehenden ARDS oder einem ARDS aus pulmonaler Ursache haben häufig nur wenig Potenzial für Rekruitment. Das Konzept lässt sich daher nur bei einem Teil der ARDS-Patienten, sog. „Respondern“ anwenden. ● Wegen der Inhomogenität der atemmechanischen Eigenschaften erkrankter Lungen ist jede Anwendung hoher Beatmungsdrucke mit einer Überblähung nicht-atelektatischer, meistens ventral gelegener Alveolen und damit mit einem hohen Risiko für Volu- und Barotraumata vergesellschaftet. ● Der Effekt der Rekrutierungsmanöver auf die Oxigenierung ist unterschiedlich stark ausgeprägt und zumeist nur von kurzer Dauer. ● Die Durchführung des Stufenmanövers ist sehr zeit- und personalaufwändig. Beachtet werden muss auch, dass die myokardiale Funktion ebenso wie die ▶ Lungenperfusion während des Manövers durch Kompression der Lungenkapillaren erheblich eingeschränkt werden kann. Ausreichendes intravaskuläres Volumen muss daher vor Beginn des Manövers sichergestellt werden. Dennoch ist insbesondere bei Verwendung hoher Beatmungsdrücke oftmals gleichzeitig der Einsatz positiv inotroper Substanzen erforderlich. Hierdurch soll eine RechtsherzinsufÏzienz vermieden werden, zumal die pulmonal-vaskulären Drücke beim schweren ARDS ohnehin erhöht sind. Bei zunehmender Kreislaufdepression muss immer auch an ein ▶ Barotrauma mit Pneumothorax gedacht werden! Derzeit gibt es keinen Beweis, dass OpenLung-Manöver zu einer Verbesserung der Prognose führen. Umgekehrt kann jedoch eine Therapiestrategie, die nur auf einer Optimierung des Gasaustauschs ausgerichtet ist, sogar zu einer Verschlechterung der Prognose führen, wie die jahrelang geübte Praxis der Beatmung mit großen Tidalvolumina beweist.

Klinische Bedeutung

Zusammenfassend ist das Open-Lung-Concept ein Verfahren, das mit erheblichen Problemen und Risiken assoziiert ist, ohne dass bisher ein Nutzen nachgewiesen werden konnte. Kritiker des Konzepts bemängeln vor allem, dass gut ventilierte Alveolen durch das Manöver einem hohen mechanischen Stress ausgesetzt sind und dadurch geschädigt werden können. Vor einer unkritischen und routinemäßigen Anwendung muss daher gewarnt werden. Angesicht der heute bekannten pathophysiologischen Zusammenhänge muss vielmehr postuliert werden, dass die Vermeidung beatmungsbedingter Schädigungen durch lungenschonende Beatmungsstrategien wichtiger ist als die schnelle und forcierte Rekrutierung atelektatischen Gewebes mit dem Ziel der Oxigenierungsverbesserung. Wahrscheinlich sinnvoller und langfristig erfolgreicher ist die langsame und schonende Rekrutierung. Eine weithin akzeptierte Indikation für ein Open-Lung-Manöver kann dagegen die kurzzeitige Anhebung der Beatmungsdrücke zur Eröffnung von Kompressionsatelektasen nach längerer kontrollierter Beatmung in Rücken- oder Seitenlage, z. B. nach einem Oberbaucheingriff oder einem thorakalen Eingriff, sein.

■ Beatmung mit umgekehrtem Atemzeitverhältnis, IRV Bei der Beatmung mit umgekehrtem Atemzeitverhältnis (▶ Inverse Ratio Ventilation, IRV) handelt es sich um keine eigenständige Beatmungsform, sondern lediglich um eine Variante der kontrollierten Beatmung, bei der die Inspirationszeit länger gewählt wird als die Exspirationszeit: I/E > 1.

Pathophysiologische Grundlagen

Die verlängerte Inspirationszeit soll zur besseren Belüftung von Alveolarbezirken mit hohen Strömungswiderständen und normaler Compliance führen („langsame Kompartimente“), wodurch der pulmonale Gasaustausch verbessert werden soll. Ursächlich ist die Ausbildung eines ▶ intrinsic PEEP, da die verkürzte Exspirationsphase das vollständige Entweichen der Atemgase aus den Alveolen verhindert. Theoretisch wirkt dieser intrinsische PEEP dem exspiratorischen Kollaps der Alveolen und somit einem „shunt in time“ entge-

5.3 Zusätzliche Behandlungs­ und Beatmungsstrategien bei schweren Formen von ALI und ARDS

gen. Da langsame Alveolen mit langen Zeitkonstanten allerdings nur wenig kollapsgefährdet sind, konnte ein praktischer Nutzen der IRV-Beatmung im Vergleich zur Beatmung mit extrinsischem PEEP in klinischen Untersuchungen nicht nachgewiesen werden, sofern der extrinsische PEEP genauso hoch war wie der gemessene intrinsische PEEP. Darüber hinaus lassen sich offenbar sehr instabile Alveolen mit niedriger Compliance und normaler Resistance auch durch extrem kurze Exspirationszeiten nicht ausreichend stabilisieren, wie computertomographisch nachgewiesen werden konnte. Danach kommt es zum Alveolarkollaps bereits innerhalb von 0,5 s nach Absenkung des Atemwegsdrucks. IRV-Beatmung ohne ausreichend hohen extrinsischen PEEP provoziert somit geradezu den selektiven Kollaps der am schwersten geschädigten Alveolen (niedrigste Compliance) und sollte nicht unkritisch angewendet werden.

Gefahren

Bei extremer VC-IRV mit Atemzeitverhältnissen von 3:1 oder mehr besteht immer die Gefahr des ▶ „Air-Trapping“, d. h. einer allmählichen (und häufig unbemerkten) Überblähung der Lunge durch sich addierende exspiratorische Restvolumina (siehe auch Abb. 3.8, S. 111). Der intrinsic PEEP sollte daher möglichst online sowie durch regelmäßige ▶ Okklusionsmanöver überwacht werden.

Klinische Bedeutung

Ein Therapieversuch mit IRV erscheint nur dann gerechtfertigt, wenn trotz maximalem extrinsischem PEEP und adjuvanter Maßnahmen wie z. B. ▶ Lagerungstherapie, keine ausreichende Oxigenierung möglich ist und alternative Behandlungsstrategien (▶ Hochfrequenzoszillationsbeatmung oder ▶ ECMO) nicht zur Verfügung stehen. Bei obstruktiven Lungenerkrankungen (Asthma bronchiale, COPD) verstärkt IRV die bereits bestehenden ▶ Air-Trapping-Phänomene und ist daher bei diesen Patienten kontraindiziert.

■ Beatmung mit „Seufzer“ Manche Respiratoren verfügen in Anlehnung an das physiologische Seufzen, also unwillkürliche periodische tiefe Atemzüge (ca. 8 – 10/h), über sog.

▶ Seufzer-(„sigh“-)Funktionen. Nach definierten Zeitabständen werden entweder eine oder mehrere Beatmungszüge mit höheren Atemzugvolumina verabreicht oder das PEEP-Niveau wird intermittierend angehoben oder die Inspirationsphase verlängert (siehe Abb. 2.6, S. 66).

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Pathophysiologische Grundlagen

Pathophysiologischer Hintergrund dieser Maßnahme ist die Erkenntnis, dass eine uniforme maschinelle Beatmung mit Unterdrückung der Spontanatmung selbst bei gesunden Lungen auf Dauer zum Abfall der FRC und damit zur Verschlechterung der Lungenfunktion führt. Ursächlich dafür ist unter anderem ein Verschluss kleiner Atemwege in der Exspiration: Die FRC unterschreitet die ▶ Closing Capacity. Unterschreitet der V˙ a/ Q˙ -Quotient dauerhaft einen kritischen Wert, übersteigt die Resorption von Atemgasen aus der Alveole die Frischgaszufuhr in die Alveole. Als Folge kommt es zur Ausbildung von Resorptionsatelektasen. Durch die intermittierende Verabreichung großer Tidalvolumina soll – wie beim spontan atmenden Lungengesunden – die Ventilation in den Lungenarealen mit kritisch eingeschränktem V˙a/ Q˙ -Quotienten verbessert werden, so dass zum einen der FRC-Verminderung durch Atelektasenbildung vorgebeugt wird, zum anderen kollabierte Alveolen durch Erhöhung des transpulmonalen Druckes während der vertieften Inspiration wiedereröffnet werden. Frühere Untersuchungen hatten jedoch gezeigt, dass die Rekrutierung atelektatischer Lungenkompartimente allein durch intermittierende Verabreichung großer Tidalvolumina oder das kurzfristige Anheben des PEEP-Niveaus nicht zu erzielen ist, da der kritische Druck, der für die Eröffnung verschlossener Alveolen erforderlich ist (Eröffnungsdruck), meist nicht erreicht wird. Darüber hinaus können große Volumina zur Schädigung gesunder Areale durch Überdehnung der Alveolen (▶ alveoläre Hyperinflation, ▶ Volutrauma) führen. Die Beatmung mit Seufzer hatte daher lange Zeit ihren früheren Stellenwert verloren, da andere Maßnahmen zur Optimierung der ▶ funktionellen Residualkapazität, wie dauerhafte Beatmung mit angepassten PEEP-Niveaus oder die Erhaltung der Spontanatmung unter maschineller Beatmung bevorzugt wurden. Durch die zunehmende Verwendung relativ kleiner Tidalvolumina im Konzept der ▶ lungenprotektiven Beatmung hat das Interesse an der Seufzerbeatmung in den

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5 Akute respiratorische InsufÏzienz und akutes Lungenversagen

letzten Jahren jedoch wieder zugenommen. Die Beatmung mit kleinen Atemzugvolumina (~ 6 ml/ kg ideales Körpergewicht) führt im Vergleich zur Beatmung mit herkömmlichen Atemzugvolumina (~ 10 – 12 ml/kg ideales Körpergewicht) nämlich oftmals zur initialen Verschlechterung der Oxigenierung, da das Problem des Verschlusses kleiner Atemwege stärker in den Vordergrund tritt. In jüngeren Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass periodische Seufzer die schleichende Verschlechterung der Oxigenierung durch langsame Ausbildung von Resorptionsatelektasen günstig beeinflusst. Ob dadurch allerdings die Prognose kritisch kranker, beatmeter Patienten verbessert werden kann, ist noch ungeklärt. Nicht geklärt ist auch die Frage nach möglichen pulmonalen Schädigungen durch die erhöhten Beatmungsdrücke-/ volumina.

Klinische Bedeutung

Die klinische Bedeutung von intermittierenden „Seufzern“ im Rahmen der maschinellen Beatmung ist derzeit umstritten. Neben der dürftigen Studienlage fehlen einheitliche Empfehlungen für einen standardisierten Einsatz in der klinischen Routine. Abgesehen davon verfügen nur wenige moderne Respiratoren über entsprechende Einstellmöglichkeiten.

5.3.2

4

Inhalation vasoaktiver Substanzen

Pathophysiologische Grundlagen

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4

Das schwere ARDS ist neben der generalisierten pulmonalen Entzündungsreaktion mit konsekutivem alveolo-interstitiellem Lungenödem oftmals auch durch eine ausgeprägte pulmonal-arterielle Hypertonie gekennzeichnet. Diese beruht auf Obstruktion, Obliteration und Vasokonstriktion der Pulmonalgefäße. Die daraus resultierende Rechtsherzbelastung kann bis zum Rechtsherzversagen führen. Die Vasokonstriktion der Gefäße wird als Ergebnis der pathologischen pulmonalen Vasoreaktivität in der ARDS-Lunge angesehen, wodurch möglicherweise das Lungenödem über die Zunahme des Filtrationsdrucks weiter verstärkt wird. Intravenöse und damit systemisch wirkende Vasodilatatoren sind zur Senkung der erhöhten Drücke im Lungenkreislauf nur bedingt geeignet, da sie über die gleichzeitige systemische Vasodi-

latation zur Hypotonie mit möglicher Einschränkung der Organperfusion führen. Die generalisierte Weitstellung der pulmonalen Gefäße ist zudem nicht erwünscht: Sie führt durch Aufhebung der hypoxischen Vasokonstriktion zum weiteren Anstieg der ohnehin erhöhten intrapulmonalen Shuntdurchblutung, wodurch der pulmonale Gasaustausch weiter verschlechtert wird.

■ Stickstoffmonoxid (NO) Seit langem ist bekannt, dass im Endothel der Gefäße die körpereigene Substanz EDRF (Endothelium Derived Relaxing Factor) gebildet wird, die relaxierend auf die glatte Gefäßmuskulatur wirkt, aber auch an vielen anderen biologischen Funktionen beteiligt ist. Erst Ende der 80er Jahre wurde jedoch klar, dass es sich hierbei um Stickstoffmonoxid (NO) handelt – ein Gas mit extrem kurzer Halbwertszeit. Inhalativ verabreicht führt NO zu einer Weitstellung der Pulmonalgefäße nahezu ausschließlich in ventilierten Lungenarealen (selektive pulmonale Vasodilatation), so dass der intrapulmonale Rechts-Links-Shunt nicht erhöht wird. Dies führt zu einer Verbesserung der arteriellen Oxigenierung, wodurch Beatmungsdrücke und FiO2 reduziert werden können. NO tritt zwar auch in geringen Mengen in die Blutbahn über („spill-over“), wird aber sofort an das Hämoglobinmolekül gebunden und verliert damit seine biologische Aktivität. Systemischer Widerstand, Herzzeitvolumen, rechtsatrialer sowie zentralvenöser Druck bleiben daher weitgehend unbeeinflusst. Merke Die NO­Inhalation steigert beim ARDS selektiv die Perfusion ventilierter Lungenareale und ver­ bessert dadurch das Ventilations­Perfusions­Ver­ hältnis in der Lunge.

Dosierung

Schon sehr niedrige NO-Konzentrationen in der Inspirationsluft (ab 1 ppm, parts per million) führen zur signifikanten Verbesserung der Oxigenierung unter gleichzeitiger Abnahme der pulmonal-vaskulären Widerstände. Dabei verläuft die optimale Dosis-Wirkungs-Beziehung hinsichtlich beider Faktoren jedoch unterschiedlich. Zwar lässt sich

5.3 Zusätzliche Behandlungs­ und Beatmungsstrategien bei schweren Formen von ALI und ARDS

der pulmonal-vaskuläre Widerstand durch höhere NO-Konzentrationen weiter senken, dies führt jedoch gleichzeitig zur Verschlechterung der Oxigenierung. Der Grund hierfür liegt im „Spill over“-Effekt: Hohe NO-Konzentrationen werden offenbar zeitverzögert an Hämoglobin gebunden und inaktiviert, so dass systemische Effekte in den Vordergrund treten. Gleichzeitig kann die hypoxisch pulmonale Vasokonstriktion in atelektatischen Lungenarealen abgeschwächt werden, so dass sich das Ventilations-Perfusions-Verhältnis wieder verschlechtert. Zudem finden sich zwischen Patienten erhebliche Wirkungsunterschiede, und auch die Dosis-Wirkungs-Kurve bei einem Patienten variiert im zeitlichen Verlauf. Daher muss vor jeder therapeutischen NO-Anwendung eine individuelle Dosis-Wirkungs-Kurve erstellt werden. Generell sollte bei der Therapie des pulmonalen Hochdrucks bzw. bei der Therapie des ARDS immer die kleinstmögliche Dosis eingesetzt werden, zumal bisher noch wenig über mögliche toxische Effekte der NO-Inhalation, vor allem bei Langzeitexposition, bekannt ist. Üblich sind Dosierungen zwischen 1 und 40 ppm.

nur als Rescue-Therapie im Rahmen eines Heilversuches angewendet werden. Allein aufgrund der Dosierungsprobleme sollte die therapeutische Anwendung von NO zur Behandlung des ARDS ausgewiesenen Zentren vorbehalten bleiben.

215

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■ Prostazykline Jüngere Studien an ARDS-Patienten haben gezeigt, dass selektive pulmonale Vasodilatation auch durch Aerosolapplikation von Prostazyklinen (sog. Prostanoide) erreicht werden kann. Durch die lokale Applikation hoher Substanzkonzentration in gut ventilierten Arealen (pulmonale Selektivität) können auch hierdurch die pulmonal-arteriellen Drücke gesenkt werden, ohne dass gleichzeitig eine wesentliche systemische Vasodilatation auftritt. Daraus resultiert, ebenso wie bei der Therapie mit NO, eine Umverteilung der pulmonalen Perfusion mit Verbesserung der Ventilations-Perfusions-Verhältnisse. Auch für diese Substanzen gilt, dass ihr zukünftiger Stellenwert noch völlig unklar ist.

4 5 4

Nebenwirkungen

Zu den bekannten unerwünschten Nebenwirkungen von NO gehören zytotoxische Effekte durch vermehrte Bildung von toxischem NO2, insbesondere bei hoher Dosierung von NO. Daneben kann es zu einem gefährlichen Anstieg des MetHb-Anteils im Blut kommen. Aus diesem Grund ist die genaue Dosierung und Überwachung der NO-Konzentration in der Atemluft unabdingbar. Notwendig sind in jedem Fall eine spezielle NO-Dosiereinheit sowie ein erweitertes Atemgas- und Blutgasmonitoring. Keinesfalls darf die Applikation von NO abrupt unterbrochen werden, sondern muss langsam ausgeschlichen werden, da ansonsten gefährliche Rebound-Phänomene auftreten.

Klinische Bedeutung

Obgleich die Anwendung von NO beim ARDS pathophysiologisch sinnvoll erscheint und bei ca. 80 % der Patienten eine deutliche Verbesserung der Oxigenierung erzielt wird, konnte in 3 großen, randomisierten Multicenterstudien durch die Gabe von NO beim ARDS kein Überlebensvorteil nachgewiesen werden. Aus diesem Grunde ist NO zur Therapie der Oxigenierungsstörung beim ARDS auch nicht zugelassen und darf daher

Hinweis Iloprost gehört heute – neben Stickstoffmonoxid (NO) und Prostazyklin (PGI2) – zu den am häu­ figsten eingesetzten inhalierten Vasodilatoren. Als ein länger wirkendes Prostazyklinanalogon verfügt die Subsatnz über starke vasodilatieren­ de Eigenschaften. 2003 wurde die europäische Zulassung zur Therapie der primären pulmona­ len Hypertonie erteilt. Wird Iloprost per inhala­ tionem angewandt, kommt es bereits kurze Zeit später zu einem deutlichen Abfall des pulmonal­ vaskulären Widerstands und damit zu einer Sen­ kung des pulmonal­arteriellen Drucks. Die Wirk­ dauer beträgt 60 – 120 min. Durch die selektiv pulmonale Anwendung können systemische Ne­ benwirkungen, wie ein systemischer Blutdruck­ abfall, weitgehend vermieden werden. Die Ver­ neblung von Iloprost kann entweder mit einem Ultraschallvernebler oder mit einem O2­Fluss­be­ triebenen Vernebler durchgeführt werden. Bei­ de Verneblertypen lassen sich problemlos in die üblichen Intensivrespiratoren integrieren.

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216

5 Akute respiratorische InsufÏzienz und akutes Lungenversagen

5.3.3

1

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Surfactant-Substitution

Pathophysiologische Grundlagen

Beim ALI/ARDS kommt es wahrscheinlich schon in der Frühphase zur Schädigung des Surfactant-Systems der Lunge. So sind zahlreiche Mediatoren, die durch den Entzündungsprozess in der Lunge freigesetzt werden, in der Lage, die Surfactant-Synthese und -Funktion zu beeinflussen. Auch Plasmaproteine, die im Rahmen des ARDS in den Alveolarraum übertreten, führen zur Einschränkung der Surfactant-Funktion. Insofern war es nur konsequent, Surfactant auch beim ARDS des Erwachsenen einzusetzen. Leider waren die Studienergebnisse – abgesehen von zahlreichen Fallberichten – bisher enttäuschend. In den beiden einzigen bislang vorgestellten kontrollierten Studien mit ausreichenden Fallzahlen konnte eine Verbesserung der Prognose – trotz deutlicher Verbesserung der Oxigenierung in einer der Untersuchungen – nicht gezeigt werden (Kesecioglu et al.). Daher kann die Anwendung von Surfactant außer in kontrollierten klinischen Untersuchungen zurzeit nicht empfohlen werden. Hinweis Derzeit besteht ein gravierendes Problem hin­ sichtlich der begrenzten Verfügbarkeit sowie der enormen Kosten von Surfactant. Zudem sind wesentliche Fragen hinsichtlich der Anwendung von Surfactant bei der Therapie des ARDS unge­ löst. Sie betreffen die Indikationsstellung, die op­ timale Dosis ebenso wie den Zeitpunkt der Ap­ plikation, wobei es so zu sein scheint, dass akute Verbesserungen der Gasaustauschfunktion nur in der frühen exsudativen Phase des ARDS und nur mit hohen Dosen erreicht werden können. Uneinigkeit besteht auch hinsichtlich der Appli­ kationsform: Soll die Flüssigkeit tracheal oder gezielt bronchoskopisch instilliert werden? Letzt­ lich ungeklärt sind weiterhin immunologische und infektiologische Gesichtspunkte bei der Ver­ wendung von natürlichem Surfactant.

4

4

Dagegen hat sich die transbronchiale SurfactantApplikation beim unreifen Frühgeborenen mit ▶ RDS durch Surfactant-Mangel als gesichertes Therapiekonzept etabliert. Nach der lokalen Applikation kommt es zur sofortigen und teilweise lang dauernden Verbesserung der Oberflächenspan-

nung und Eröffnung atelektatischer Areale. Oxigenierung und Compliance lassen sich akut verbessern, die Letalität sowie die Inzidenz bronchopulmonaler Dysplasien werden reduziert.

5.3.4

Glukokortikoide

Pathophysiologische Grundlagen

Sowohl in der frühen exsudativen Phase mit generalisiertem interstitiellem und intraalveolärem Ödem als auch in der späten proliferativen Phase des ARDS wurden Glukokortikoide in unterschiedlichen Dosierungen eingesetzt. Ziel war, die überschießende Entzündungsreaktion zu dämpfen, das Kapillarleck abzudichten und den fibrosierenden Umbauprozessen entgegen zu wirken. In mehreren kontrollierten Untersuchungen konnte jedoch gezeigt werden, dass zumindest in der Frühphase des ARDS die hochdosierte Kortisongabe keinen Vorteil erbrachte. Positive Auswirkungen zeigten sich auch nicht bei Erkrankungen, die mit einem hohen ARDS-Risiko einhergehen, wie der Sepsis. Im Gegenteil: Durch die Zunahme von entzündlichen Komplikationen ist dieser Therapieansatz offenbar eher mit einer schlechteren Prognose assoziiert, so dass Kortikoide in der Frühphase des ARDS auch in Zusammenhang mit einer Sepsis nicht angewendet werden sollten. Hinweis In mehreren kleinen Fall­Kontrollstudien so­ wie einer prospektiven randomisierten Unter­ suchung wurden ein positiver Effekt durch nied­ rig dosiertes Methylprednisolon (ca. 2 mg/kg/d) in der späten proliferativen Phase des ARDS be­ richtet. Eine kürzlich veröffentlichte, große, pro­ spektive Multizenterstudie (Steinberg et al.) er­ gab ein überraschendes Resultat: Patienten, bei denen die Therapie mit Methylprednisolon ≥ 14 Tage nach Beginn des ARDS begonnen wur­ den, hatten eine deutlich schlechtere Prognose als Patienten der Placebogruppe (60­Tage­Mor­ talität unter Placebo 8 % versus 35 % unter Me­ thylprednisolon). Diese negative Effekt fand sich dagegen nicht bei Patienten, bei denen die The­ rapie zwischen dem 7. und 13. Tag nach Diagno­ se eines ARDS begonnen wurde (60­Tage­Mor­ talität 36 % unter Placebo vs. 27 % unter Methyl­ prednisolon). Zusätzlich führte die Therapie mit

5.3 Zusätzliche Behandlungs­ und Beatmungsstrategien bei schweren Formen von ALI und ARDS

Methylprednisolon zu einer besseren Kreislauf­ stabilisierung und mehr beatmungsfreien Tagen. Daher sollte – wenn überhaupt – der Therapie­ beginn mit niedrig dosiertem Methylprednisolon auf ARDS­Patienten beschränkt werden, die sich in der zweiten Woche der Erkrankung befinden. Initial erhalten die Patienten einen Bolus von 2 mg/kg, gefolgt von einer Dosierung von 2 mg/ kg/d über die nächsten 14 Tage und 1 mg/kg/d während der darauf folgenden Woche. Danach wird die Therapie langsam ausgeschlichen.

5.3.5

Lagerungsbehandlung

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a

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Pathophysiologische Grundlagen

Lagerungsmaßnahmen beeinflussen die Verteilung atelektatischer und dystelektatischer Bezirke in den Lungen, wodurch die regional unterschiedlichen Ventilations-Perfusions-Störungen der erkrankten, flüssigkeitshaltigen Lunge oftmals optimiert werden können. Die Effekte beruhen im Wesentlichen auf der Veränderung der hydrostatischen Druckgradienten durch die Drehung von der Rückenlage in die Bauchlage, wobei gravitationsabhängige Umverteilungen von Ödemflüssigkeiten eine zusätzliche Rolle spielen können. Die positiven Auswirkungen auf den pulmonalen Gasaustausch werden durch die anatomischen Besonderheiten der Lunge begünstigt, wonach der Parenchymanteil paravertebral höher ist als substernal, d. h. in Bauchlage ist weniger Lungengewebe einem hohen hydrostatischen Druck ausgesetzt als in Rückenlage. Zudem entfällt in Bauchlage der Kompressionseffekt durch das Eigengewicht des Mediastinums. Das Zusammenwirken der verschiedenen Effekte kann zu einem erfolgreichen Rekruitment ehemals komprimierter dorsaler Alveolarbezirke beitragen, was sich unter anderem in einer Verbesserung des pulmonalen Gasaustauschs zeigt. Diese Umverteilungsphänomene lassen sich oftmals anschaulich im Thorax-CT darstellen (Abb. 5.14). Eine generelle Empfehlung zur Anwendung der Bauchlagerung bei Patienten mit ALI/ARDS kann dennoch nicht gegeben werden, zumal in prospektiven randomisierten Studien kein positiver Effekt auf die Überlebensrate von ARDS-Patienten gezeigt werden konnte. Lediglich eine Subgruppe von Patienten mit schwerst gestörtem Gasaustausch (paO2/FiO2 < 100 mmHg) schien dauerhaft

5 4 4 b

Abb. 5.14 Alveoläres Rekruitment durch Lagerungsbehandlung. a Thorax­CT nach mehrtägiger Beatmung in Rücken­ lage. b Derselbe Patient nach 6­stündiger Bauchlagerung.

von der Lagerungstherapie zu profitieren. Zu bedenken ist ferner, dass Bauchlagerung in aller Regel eine tiefere Sedierung des Patienten erfordert, wodurch die positiven Effekte der ▶ Spontanatmung auf die pulmonale Gasverteilung vermindert werden. Nicht selten sind auch unmittelbare Komplikationen im Zusammenhang mit der Lagerungstherapie, wie die akzidentelle Entfernung von Kathetern und Drainagen oder auch die versehentliche Extubation durch das Drehen des Patienten. Die Entscheidung für die Lagerungstherapie sollte daher sorgfältig abgewogen werden und sich am Einzelfall orientieren.

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5 Akute respiratorische InsufÏzienz und akutes Lungenversagen

Abb. 5.15 Patientenlagerung im Rotationsbett. Rotationsbett (Rotorest, Fa. KCI) in maximaler Auslenkung.

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Hinweis Während der Bauchlage muss durch entspre­ chende Lagerungshilfen darauf geachtet wer­ den, dass die Expansion des Abdomens während der Inspiration ungehindert erfolgen kann. Nach jedem Lagewechsel sollte zudem eine sorgfäl­ tige Bronchialtoilette – ggf. bronchoskopisch – durchgeführt werden, um mobilisiertes Sekret aus den Atemwegen zu eliminieren.

4 Bauchlage, überdrehte Seitenlage oder Rotationsbett?

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4

In der täglichen Routine hat sich die überdrehte Seitenlagerung (135°), die auch zur Dekubitusprophylaxe eingesetzt wird, gut bewährt. Hierbei wird der Patient mit Thorax und Abdomen der einen Körperhälfte z. B. auf eine zusammengerollte Decke gelagert. Vorteilhaft im Vergleich zur Bauchlagerung sind die einfachere und schnellere Durchführung sowie der bessere Zugang zu Tubus/Trachealkanüle und endovaskulären Kathetern. Angestrebt werden regelmäßige Wechsel zwischen Rücken- überdrehter Rechts- und Linksseitenlage alle 6 – 8 Stunden. Bei bereits bestehenden Atelektasen soll die konsequente Bauchlagerung jedoch zu einer schnelleren Verbesserung der Oxigenierung führen. Alternativ wird auch die wechselnde Seitenlagerung im Rotationsbett (bis zu ~ 60° nach jeder Sei-

te) propagiert, z. B. bei nicht lagerungsstabilen Patienten mit Wirbelsäulentrauma, polytraumatisierten Patienten oder auch bei Patienten mit erhöhtem intrakraniellem Druck (Abb. 5.15). Wird dieses Verfahren frühzeitig eingesetzt, lassen sich dorsale Atelektasen zwar nicht gänzlich verhindern, aber hinsichtlich ihrer Ausprägung vermindern. Hinweis Bei seitendifferenten Ausprägungen der Lungen­ veränderungen lässt sich durch gezielte Lage­ rungsmaßnahmen eine Verbesserung des Gas­ austauschs erzielen. Hier gilt die Devise: „Down with the good lung!“. Der günstige Einfluss der Seitenlagerung kann unter anderem dadurch er­ klärt werden, dass die unten liegende gesunde Lunge der Schwerkraft folgend besser durchblu­ tet wird als die oben liegende kranke Lunge. Es kommt zu einer Verbesserung der Ventilations­ Perfusions­Verhältnisse in beiden Lungen. Bei Atelektasen ganzer Lungenareale ist die gezielte therapeutische Bronchoskopie mit dem flexiblen Bronchoskop das Mittel der Wahl. Sie schafft die Voraussetzungen zur schnellen Wiedereröffnung der atelektatischen Lungenareale und ermöglicht zudem die direkte Gewinnung von Bronchialsekret aus erkrankten Lungenbezirken zur mikrobiologischen Untersuchung.

5.3 Zusätzliche Behandlungs­ und Beatmungsstrategien bei schweren Formen von ALI und ARDS

5.3.6

Flüssigkeitsbilanzierung

Pathophysiologische Grundlagen

Hauptverantwortlich für die Gasaustauschstörung beim schweren ALI/ARDS ist das interstitielle/intraalveoläre Lungenödem als Folge einer entzündlich bedingten Permeabilitätsstörung der pulmonalen Gefäße. Zu den Basismaßnahmen gehörte daher traditionell die negative Flüssigkeitsbilanzierung mit dem Ziel, den intrapulmonalen Wassergehalt zu reduzieren. Die Entwässerung erfolgte primär durch die Therapie mit Schleifendiuretika (z. B. Furosemid). Bei eingeschränkter Nierenfunktion und unzureichender Diurese wurde großzügig die Indikation zur Durchführung eines Nierenersatzverfahrens (z. B. veno-venöse Hämofiltration) gestellt. In der Tat führt eine frühzeitige und konsequente Negativbilanzierung bei der Mehrzahl der Patienten innerhalb weniger Stunden zur messbaren Abnahme des erhöhten extravaskulären Lungenwassers und Zunahme der pulmonalen Compliance. Die Abnahme des Lungenödems zeigt sich radiologisch durch die vermehrte Transparenz des Lungengewebes, blutgasanalytisch imponiert oftmals eine deutliche Verbesserung der pulmonalen Oxigenierungsfunktion. Klinische Untersuchungen haben gezeigt, dass ARDS-Patienten, bei denen ein Volumenentzug sowie ein Absenken des kapillären hydrostatischen Drucks in der Lungenstrombahn möglich war, eine geringere Letalität aufwiesen als Patienten, bei denen dies nicht gelang. Retrospektive Analysen deuten zudem darauf hin, dass der erreichte Flüssigkeitsentzug kausal zur Reduktion von Morbidität und Letalität beitrug. Daraus resultierten frühere Empfehlungen zum konsequenten Volumenentzug noch in der exsudativen Phase des ARDS. Dabei wurde häufig sogar die Entwicklung eines akuten Nierenversagens in Kauf genommen, was jedoch – wie jedes Organversagen – langfristig zur Verschlechterung der Gesamtprognose beitrug. Hinweis In einer kürzlich veröffentlichten prospektiven Multicenterstudie (National Heart Network et al.) konnte durch eine restriktive Flüssigkeitsthera­ pie unter Kontrolle der kardiozirkulatorischen Pa­ rameter, der Diurese und der kardialen Füllungs­ drücke zwar eine Verkürzung der Beatmungsdau­ er erreicht werden, dies führte jedoch nicht zu

einer Senkung der Mortalität. Dennoch deuten die Ergebnisse darauf hin, dass eine restriktive Flüssigkeitstherapie unter engmaschiger Kontrol­ le der kardiozirkulatorischen Parameter nach wie vor zu den Basismaßnahmen bei der Behandlung des frühen ARDS gehört. Differenzierte Ansätze und auch therapeutische Grenzen der Entwässerung sind bei septischen Krankheitsbildern mit begleitendem ARDS notwendig. Bei diesen Patienten stehen neben den pulmonalen Einschränkungen generelle Mikrozirkulationsstörungen im Vordergrund, die zu einer globalen Sauerstoffmangelversorgung der Organe führen können. Hyperdyname Zustände, die durch eine hohe gemischtvenöse Sauerstoffsättigung (ca. 70 – 80 %) und eine Laktaterhöhung bei gleichzeitig erhöhtem Herzzeitvolumen und niedrigem arteriellem Blutdruck gekennzeichnet sind, können einen vorsichtigen und stetigen Volumenentzug erfordern. Eine Verschlechterung der Mikrozirkulation, erkennbar an einem Laktatanstieg oder einem Abfall der zentral- oder gemischtvenösen Sättigung, müssen jedoch in jedem Fall vermieden werden, um eine Zunahme des Missverhältnisses zwischen ▶ Sauerstoffangebot (DO2) und ▶ Sauerstoffverbrauch (V˙ O2) zu verhindern. Steht dagegen bei septischen Patienten mit vorbestehender HerzinsufÏzienz oder septischer Kardiomyopathie das zirkulatorische Versagen (hypodynames Kreislaufversagen mit niedriger zentral- oder gemischtvenöser Sättigung, Laktaterhöhung, niedrigem MAP) im Vordergrund, muss primär der Kreislauf durch Optimierung der kardialen Vorlast sowie Gabe von Inotropika und Vasopressoren stabilisiert werden. Erst nach kardialer Stabilisierung ist ggf. eine entwässernde Therapie indiziert.

Herz-Kreislauf-Monitoring

Invasives Monitoring erleichtert die Steuerung der Flüssigkeits- und Kreislauftherapie und ist bei schwierigen Verläufen unerlässlich. In der Intensivmedizin durchgesetzt hat sich die PICCOTechnologie, mit der zahlreiche kardiozirkulatorische Parameter direkt gemessen bzw. errechnet werden können. Dazu gehört die diskontinuierliche Bestimmung des HZV mittels transpulmonaler Thermodilutionstechnik wie auch die kontinuierliche Erfassung bzw. Errechnung abhängiger Parameter mittels arterieller Pulskonturanalyse. Wert-

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5 Akute respiratorische InsufÏzienz und akutes Lungenversagen

volle Hinweise auf den Volumenstatus des Patienten liefern die volumetrischen Parameter wie das globale enddiastolische Volumen (GEDV) und das intrathorakale Blutvolumen (ITBV) in Verbindung mit dem extravaskulären Lungenwasser (EVLW). Das extravaskuläre Lungenwasser korreliert – im Gegensatz zur Röntgen-Thorax-Aufnahme und zur Oxigenierung – ausgezeichnet mit dem tatsächlichen Wassergehalt der Lunge und mit dem Grad einer akuten Lungenschädigung. Die zusätzliche Platzierung eines Pulmonaliskatheters erlaubt zwar die Messung bzw. Errechnung ergänzender Parameter, ist jedoch aufgrund der Invasivität nur sehr selten indiziert.

5.3.7

5 4

Extrakorporale Lungenersatzverfahren

ELA, Extracorporeal Lung Assist ECMO, Extracorporeal Membran Oxygenation ECCO2-R, Extracorporeal CO2-Removal ILA, Interventional Lung Assist

Pathophysiologische Grundlagen

4 4 4 4 4

Die hohe Mortalität des akuten Lungenversagens beruht zum Teil auf der bei schweren Formen erforderlichen aggressiven Beatmungstherapie, die ihrerseits zur Progression des Lungenschadens beitragen kann. Hierbei kann sich ein verhängnisvoller Circulus vitiosus entwickeln aus der Zunahme der Lungenschädigung mit immer höheren Beatmungsdrücken und inspiratorischen Sauerstoffkonzentrationen, so dass schließlich das Krankheitsbild mit konventionellen Maßnahmen nicht mehr zu beherrschen ist. Neben der ▶ permissiven Hyperkapnie besteht als therapeutische Ultima Ratio die Möglichkeit, den Gasaustausch durch extrakorporale Membranlungen aufrechtzuerhalten. Hierunter versteht man die partielle oder totale Oxigenierung und/oder CO2-Elimination mithilfe einer modifizierten Herz-Lungen-Maschine (ECMO, Extracorporeal Membrane Oxygenation) oder eines arterio-venös passiv perfundierten Membranoxigenators (▶ ILA, Interventional Lung Assist).

Systeme und Komponenten

4

Die erste erfolgreiche klinische Anwendung des extrakorporalen Gasaustauschs wurde von Hill et al. 1971 beschrieben. Bei einem jungen Patien-

ten mit akutem Lungenversagen konnte der Gasaustausch über mehrere Tage bis zur Erholung der Lungenfunktion mithilfe eines Membranoxigenators aufrechterhalten werden. In den nächsten Jahren wurde das Verfahren unter der Bezeichnung ECMO an zahlreichen Zentren weltweit eingesetzt. Die Hoffnung, mit dieser neuen Technik die Letalität des ARDS zu senken, erfüllte sich jedoch nicht. Technische Unzulänglichkeiten, Probleme bei der Rückführung der hohen extrakorporalen Blutflüsse sowie Blutungs-, Gerinnungs- und Infektionsprobleme zwangen oftmals zum Abbruch der Behandlung. Aufgrund der Misserfolge entwickelten Kolobow et al. 1977 eine Perfusionstechnik mit weitaus niedrigeren extrakorporalen Blutflüssen, die in erster Linie der CO2-Elimination dienten. Die Oxigenierung erfolgte im Prinzip weiterhin über die Lungen des Patienten. Dieses Konzept der extrakorporalen CO2-Elimination (Extracorporeal CO2Removal ECCO2-R) wurde in den folgenden Jahren von Gattinoni et al. weiterentwickelt und standardisiert. Die heute verwendeten Systeme (Abb. 5.16) setzen sich aus mehreren Komponenten zusammen: ● Pumpsystem mit Rollerpumpe und heparinbeschichteten Schläuchen, ● Membranlunge (Membranoxigenator), ● Wärmetauscher, ● Frischgaszufuhr für die Membranlunge, ● Monitoring, ● Respirator.

Technische Durchführung

Die Kanülen werden perkutan mittels SeldingerTechnik oder durch chirurgische Freilegung über großlumige Venen eingelegt, z. B. über die V. femoralis und V. jugularis interna. Das Blut wird der unteren Hohlvene entnommen, gelangt durch Schwerkraftdrainage in ein Reservoir und wird mithilfe einer Roller- oder Zentrifugalpumpe nach Passage des Membranoxigenators über die juguläre Rückflusskanüle in den rechten Ventrikel zurückgepumpt. Der Oxigenator mit einer gasdurchlässigen Membran wird von Frischluft durchströmt, deren O2-Konzentration geregelt werden kann. Im Gegenstromverfahren erfolgt zwischen Blut und Spülgas aufgrund der Konzentrationsgradienten die Diffusion von CO2 und O2. Durch Veränderungen der Gas- und Blutflussraten können CO2- und O2-Transfer innerhalb gewisser Grenzen variiert

5.3 Zusätzliche Behandlungs­ und Beatmungsstrategien bei schweren Formen von ALI und ARDS

Abb. 5.16 Prinzip des extrakorporalen Gasaustauschs. Erläuterun­ gen im Text.

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1

Wärmetauscher

Ventilator Oxigenator

4

Luft O2

5 Pumpe

werden. Bei Verwendung großlumiger Kanülen (24 – 28 F) können extrakorporal bis zu 4 l Blut/min arterialisiert werden. Die thermostatgesteuerte Wasserpumpe regelt über einen Wärmetauscher die Bluttemperatur, so dass die Körpertemperatur des Patienten konstant gehalten werden kann. Da die heparinisierte Membranlunge oftmals nach Stunden oder Tagen ausgewechselt werden muss, sollten aus Sicherheitsgründen grundsätzlich 2 parallel geschaltete Oxigenatoren verwendet werden.

Kriterien für den sofortigen ECMO-Beginn („Fast entry“-Kriterien): ● paO /FiO < 50 mmHg (FiO = 1) ≥ 2 h 2 2 2 ● PEEP ≥ 5 mbar

ELA und Beatmung. Während des extrakorporalen Gasaustauschs wird eine niedrig- bis normofrequente Beatmung mit Spitzendrücken zwischen 25 und 30 mbar und PEEP-Werten zwischen 10 und 20 mbar durchgeführt. Die FiO2 sollte auf < 0,6 eingestellt werden. Dieses Beatmungsverfahren wird als Low Frequency Positive Pressure Ventilation (LFPPV) bezeichnet.

Kriterien für den verzögerten ECMO-Beginn („Slow entry“-Kriterien): Voraussetzung: Keine Besserungstendenz nach 24 – 120 Stunden trotz optimierter Beatmungstherapie unter Einschluss permissiver Hyperkapnie. ● paO /FiO < 150 mmHg 2 2 ● PEEP ≥ 10 mbar ˙ s/ Q˙ T > 30 % (FiO2 = 1) ● Q ● Compliance < 30 ml/mbar ● EVLW (extravaskuläres Lungenwasser) > 15 ml/ kg KG (fakultativ) ● paCO ≥ 60 mmHg bei AMV ≥ 200 ml/kgKG (fa2 kultativ) ● Beatmungsspitzendrücke ≥ 40 mbar (fakultativ)

Einschlusskriterien

Klinische Bedeutung

Die Kriterien zur ECMO-Behandlung werden überaus kontrovers diskutiert. In Deutschland wird derzeit folgender klinischer Algorithmus (Rossaint 1994) favorisiert:

Trotz zahlreicher Berichte über die erfolgreiche Behandlung von Patienten mit schweren akutem Lungenversagen durch extrakorporale Gasaustauschverfahren waren die Ergebnisse hinsichtlich der Letalität des ARDS insgesamt enttäuschend. So ließ sich in keiner der bislang durchgeführten prospektiven Studien eine signifikante Reduktion der

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5 Akute respiratorische InsufÏzienz und akutes Lungenversagen

Letalität des schweren akuten Lungenversagens gegenüber konventionellen Beatmungsverfahren nachweisen. Einzig in einer 2009 publizierten Untersuchung aus Großbritannien zur ECMO-Behandlung (CESAR Trial, Peek et al. 2009) mit insgesamt 180 eingeschlossenen Patienten hatten die Patienten in der ECMO-Gruppe einen signifikanten Überlebensvorteil gegenüber den Patienten, die konventionell beatmet wurden (63 % vs. 47 %). Trotz dieser ermutigenden Studie wird durch den extrakorporalen Gasaustausch im günstigsten Fall ein Fortschreiten der Lungenschädigung lediglich aufgehalten und Zeit gewonnen für die ursächliche Therapie der zugrunde liegenden Krankheit. Der hohe personelle und apparative Aufwand einer ECMO-Behandlung ist allerdings nur in spezialisierten Zentren möglich. Fortschritte bei den konventionellen Beatmungstechniken, Uneinigkeit über die Indikation und den richtigen Zeitpunkt des Einsatzes sowie die vielfältigen Komplikationen mit einer hohen Letalität relativieren nach wie vor die Indikationsstellung für den Einsatz dieser Methoden. Dennoch sollte bei schweren Verlaufsformen des ARDS die Möglichkeit der ECMO-Therapie in einem spezialisierten Zentrum erwogen werden. Im Gegensatz zur Behandlung des Erwachsenen-ARDS ist das ECMO-Verfahren zur Behandlung des ▶ Atemnotsyndroms des Neugeborenen (RDS) heute in vielen Zentren etabliert und wird mit gutem Erfolg eingesetzt.

rativ/technische Aufwand des Systems ist so gering, dass die Behandlung prinzipiell auf jeder Intensivstation durchgeführt werden kann.

Indikationen

Indikationen werden derzeit immer dann gesehen, wenn die Grundsätze der ▶ lungenprotektiven Beatmung (Tidalvolumen ≤ 6 ml/kg Idealgewicht, hoher PEEP, Plateaudruck < 30 mbar) verlassen werden müssten, um Hyperkapnie und respiratorische Azidose zu vermeiden. Dazu gehören in erster Linie das hyperkapnische Lungenversagen im Rahmen des ▶ ALI/ARDS. Weitere mögliche Indikationen sind das Versagen der Atempumpe bei der exazerbierten ▶ COPD, Unterstützung beim protrahierten Weaning, CO2-Elimination während und nach lungenchirurgischen Eingriffen etc. Da die Perfusion des Oxigenators passiv erfolgt, sind in jedem Fall stabile hämodynamische Verhältnisse mit ausreichenden arteriellen Mitteldrücken erforderlich. Eine bedrohliche Hypoxämie allein stellt keine Indikation dar, da höchstens 20–30 % des Herzzeit-

4 ■ Interventional Lung Assist, ILA

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4

Durch die Entwicklung neuer Membranoxigenatoren mit sehr niedrigem Strömungswiderstand ist seit einigen Jahren die extrakorporale CO2-Elimination sogar mit passiven arterio-venösen Systemen möglich, wodurch die Komplikationsraten erheblich gesenkt werden konnten (Abb. 5.17). Durch die Verwendung Heparin-beschichteter Kanülen und Oxigenatoren ist eine hoch dosierte systemische Antikoagulation nicht zwingend erforderlich, so dass die extrakorporale CO2-Elimination auch bei stark blutungsgefährdeten Patienten (z. B. Polytrauma mit Schädel-Hirn-Verletzung und Lungenversagen) durchgeführt werden kann. Das Verfahren wird vielfach auch als ILA (Interventional Lung Assist) oder nach dem Namen der Herstellerfirma als „Novalung“ bezeichnet. Der appa-

Ventilator

O2 Oxigenator

Abb. 5.17 Interventional Lung Assist, Novalung. Erläuterungen im Text.

5.4 Weiterführende Literatur

volumens durch den Oxigenator geleitet werden und dementsprechend der Netto-Sauerstofftransfer nur eine untergeordnete Rolle spielt. Ein fortgeschrittenes Oxigenierungsversagen mit einer FiO2/ paO2-Ratio < 70 stellt daher keine Indikation für die alleinige CO2-Elimination dar; bei diesen Patienten sollte stattdessen die Indikation zur ▶ ECMO überprüft werden.

Technisches Vorgehen

Die Kanülierung der Arteria und Vena femoralis erfolgt in Seldingertechnik. Um kritische Ischämien zu vermeiden, sollte beim Erwachsenen der arterielle Kanülendurchmesser 15 F nicht überschreiten oder sonographisch die Größe der A. femoralis vorher bestimmt werden. Die venöse Kanüle sollte 2 F größer sein als die arterielle. In jedem Fall ist eine moderate systemische Heparinisierung mit einem PTT-Zielwert > 50 s notwendig. Während des Betriebes erfolgt die kontinuierliche Messung des Blutflusses im venösen Schenkel mittels Doppler-Monitoring. Als Spülgas wird Sauerstoff (kein angefeuchtetes Gas!) verwendet. Zur CO2-Elimination reicht die Durchströmung des Oxigenators mit einem kontinuierlichen Gasfluss von 6 – 12 l/min aus. Die Oxigenierungsmembran sollte immer unterhalb des Herzniveaus gelagert werden. Hinweis Eine prospektive Untersuchung zur ILA wurde kürzlich begonnen, so dass Ergebnisse mit dieser Technologie frühestens 2009 vorliegen dürften.

5.4

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■ Pulmonale Rekruitmentmanöver Bein T, Calzia E. Open up the lung, but smooth and gentle, please! Intensive Care Med 2005; 31: 1603–1604 Borges JB, Okamoto VN, Matos GFJ et al. Reversibility of lung collapse and hypoxemia in early acute respiratory distress syndrome. Am J Respir Crit Care Med 2006; 174: 268–278 Brower RG, Morris A, MacIntyre N et al. Effects of recruitment maneuvers in patients with acute lung injury and acute respiratory distress syndrome ventilated with high positive end-expiratory pressure. Crit Care Med 2003; 31: 2592–2597 Caironi P, Gattinoni L. How to monitor lung recruitment in patients with acute lung injury. Curr Opin Crit Care 2007; 13: 338–343 Gattinoni L, Caironi P, Cressoni M et al. Lung recruitment in patients with the acute respiratory distress syndrome. N Engl J Med 2006; 354: 1775–1786 Grasso S, Mascia L, Del Turco M et al. Effects of recruiting maneuvers in patients with acute respiratory distress syndrome ventilated with protective ventilatory strategy. Anesthesiology 2002; 96: 795–802 Hubmayr RD. Perspective on lung injury and recruitment. A skeptical look at the opening and collapse story. Am J Respir Crit Care Med 2002; 165: 1647–1653 Lachmann B. Open the lung and keep the lung open. Intensive Care Med 1992; 18: 319–321 Meade MO, Cook DJ, Guyatt GH et al. Ventilation strategy using low tidal volumes, recruitment maneuvers, and high positive endexpiratory pressure for acute lung injury and acute respiratory distress syndrome: a randomized controlled trial. J Am Med Ass 2008; 299: 637–45 Schreiter D, Reske A, Stichert B et al. Alveolar recruitment in combination with sufÏcient positive end-expiratory pressure increases oxygenation and lung aeration in patients with severe chest trauma. Crit Care Med 2004; 32: 968–75 Villagra A, Ochagavia A, Vatua S et al. Recruitment maneuvers during lung protective ventilation in acute respiratory distress syndrome. Am J Respir Crit Care Med 2002; 165: 165–70

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■ Rekruitment durch assistierte Spontanatmung Hedenstierna G, Tokics L, Lundquist H et al. Phrenic nerve stimulation during halothane anesthesia. Effects of atelectasis. Anesthesiology 1994; 80: 751–760

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5 Akute respiratorische InsufÏzienz und akutes Lungenversagen Hering R, Bolten JC, Kreyer S et al. Spontaneous breathing during airway pressure release ventilation in experimental lung injury: effects on hepatic blood flow. Intensive Care Med 2008; 34: 523–7 Hering R, Peters D, Zinserling J et al. Effects of spontaneous breathing during airway pressure release ventilation on renal perfusion and function in patients with acute lung injury. Intensive Care Med 2002; 28: 1426–1433 Hering R, Viehofer A, Zinserling J et al. Effects of spontaneous breathing during airway pressure release ventilation on intestinal blood flow in experimental lung injury. Anesthesiology 2003; 99: 1137–1144 Kaplan LJ, Bailey H, Formosa V. Airway pressure release ventilation increases cardiac performance in patients with acute lung injury/adult respiratory distress syndrome. Crit Care 2001; 5: 221–226 Kazmaier S, Rathgeber J, Buhre W et al. Comparison of ventilatory and haemodynamic effects of BIPAP and S-IMV/ PSV for postoperative short-term ventilation in patients after coronary artery bypass grafting. Eur J Anaesthesiol 2000; 17: 601–610 Kleinman BS, Frey K, VanDrunen M et al. Motion of the diaphragm in patients with chronic obstructive pulmonary disease while spontaneously breathing versus during positive pressure breathing after anesthesia and neuromuscular blockade. Anesthesiology 2002; 97: 298–305 Kesecioglu J, Beale R, Stewart TE et al. Exogenous natural surfactant for treatment of acute lung injury and the acute respiratory distress syndrome. Am J Respir Crit Care Med 2009; 180(10): 989–994 National Heart, Lung, and Blood Institute Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) Clinical Trials Network. Comparison of two fluid-management strategies in acute lung injury. N Engl J Med 2006; 354(24): 2564–2575 Neumann P, Wrigge H, Zinserling J et al. Spontaneous breathing affects the spatial ventilation and perfusion distribution during mechanical ventilatory support. Crit Care Med 2005; 33: 1090–1095 Putensen C, Muders T, Kreyer S. Lungenprotektive Beatmung – Assistierte Spontanatmung. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2008; 6: 456–462 Putensen C, Muders T, Varelmann D et al. The impact of spontaneous breathing during mechanical ventilation. Curr Opin Crit Care 2006; 12: 13–18 Putensen C, Mutz NJ, Putensen-Himmer G et al. Spontaneous breathing during ventilatory support improves ventilationperfusion distributions in patients with acute respiratory distress syndrome. Am J Respir Crit Care Med 1999; 159: 1241–1248 Putensen C, Räsänen J, Lopez FA. Ventilation-perfusion distributions during mechanical ventilation with superimposed spontaneous breathing in canine lung injury. Am J Respir Crit Care Med 1994; 150: 101–108 Putensen C, Räsänen J, Lopez FA et al. Effect of interfacing between spontaneous breathing and mechanical cycles on the ventilation-perfusion distribution in canine lung injury. Anesthesiology 1994; 81: 921–930 Putensen C, Zech S, Wrigge H et al. Long-term effects of spontaneous breathing during ventilatory support in patients with acute lung injury. Am J Respir Crit Care Med 2001; 164: 43–49

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■ Alternative Verfahren: permissive Hyperkapnie, extrakorporaler Gasaustausch, Hochfrequenzbeatmung Beiderlinden M, Eikermann M, Boes T et al. Treatment of severe acute respiratory distress syndrome: role of extracorporeal gas exchange. Intensive Care Med 2006; 32: 1627–1631 Bein T, Weber F, Philipp A et al. A new pumpless extracorporeal interventional lung assist in critical hypoxemia/ hypercapnia. Crit Care Med 2006; 34: 1372–1377 Bein T, Weber-Carstens S Lungenversagen – Einsatz extrakorporaler Lungenunterstützungsverfahren. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2008; 11–12 : 786–791 Dembinski R, Max M, Bensberg R et al. High-frequency oscillatory ventilation in experimental lung injury: effects on gas exchange. Intensive Care Med 2002; 28: 768–74 Fan E, Mehta S. High-frequency oscillatory ventilation and adjunctive therapies: inhaled nitric oxide and prone positioning. Crit Care Med 2005; 33: S182–S187 Feihl F, Eckert P, Brimioulle S et al. Permissive hypercapnia impairs pulmonary gas exchange in the acute respiratory distress syndrome. Am J Respir Crit Care Med 2000; 162: 209–15 Hickling KG, Henderson SJ, Jackson R. Low mortality associated with low volume pressure limited ventilation with permissive hypercapnia in severe adult respiratory distress syndrome. Intensive Care Med 1990; 16: 372–377 Kopp R, Dembinski R, Kuhlen R. Role of extracorporeal lung assist in the treatment of acute respiratory failure. Minerva Anestesiol 2006; 72: 587–595 Mielck F, Quintel M. Extracorporeal membrane oxygenation. Curr Opin Crit Care 2005; 11: 87–93 Peek GJ, Mugford M, Tiruvoipati R et al. for the CESAR trial collaboration. EfÏcacy and economic assessment of conventional ventilatory support versus extracorporeal membrane oxygenation for severe adult respiratory failure (CESAR): a multicentre randomised controlled trial. Lancet DOI: 10.1016/S0140-6736(09)61069-2

5.4 Weiterführende Literatur Rossaint R, Lewandowski K, Pappert D et al. Die Therapie des ARDS. 1. Aktuelle Behandlungsstrategien einschließlich des extrakorporalen Gasaustauschs. Anaesthesist 1994; 43: 298–308 Zimmermann M, Bein T, Philipp A et al. Interhospital transportation of patients with severe lung failure on pumpless extracorporeal lung assist. Br J Anaesth 2006; 96: 63–66

■ NO-Therapie, adjuvante Therapien Adhikari NK, Burns KE, Friedrich JO et al. Effect of nitric oxide on oxygenation and mortality in acute lung injury: systematic review and meta-analysis. Br Med J 2007; 14; 334: 779–786 Bauer M, Wilkens H. Endothelinsystem und inhalatives Iloprost bei pulmonaler Hypertonie. Anaesthesist 2004; 53: 759–761 Busch T, Bercker S, Laudi S et al. Lungenversagen – Inhaliertes Stickstoffmonoxid. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2008; 11–12: 778–783 Frerichs I, Dargaville PA, van Genderingen H et al. Lung volume recruitment after surfactant administration modifies spatial distribution of ventilation. Am J Respir Crit Care Med 2006; 174: 772–779 Gerlach H, Keh D, Semmerow A et al. Dose-response characteristics during long-term inhalation of nitric oxide in patients with severe acute respiratory distress syndrome: a prospective, randomized, controlled study. Am J Respir Crit Care Med 2003; 167: 1008–1015

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Therapie bei ventilatorischer InsufÏzienz

Schwere Störungen der Atemmechanik führen zur ventilatorischen InsufÏzienz. Sie ist objektiv durch CO2-Retention im Blut und subjektiv durch das Gefühl der Dyspnoe gekennzeichnet. Bei Ventilationsstörungen im Zusammenhang mit obstruktiven Erkrankungen der Atemwege steht die akute oder chronische Erschöpfung der Atemmuskulatur durch Erhöhung der Atemarbeit im Vordergrund. Die ▶ chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) gehört zu den häufigsten Ursachen der ventilatorischen InsufÏzienz (Tab. 6.1). Davon abzugrenzen sind pathologische Atemstörungen unterschiedlicher Genese, zu denen auch die sog. Schlafapnoe-Syndrome gehören. Gemeinsam ist diesen Syndromen das Auftreten während der Schlafphase. Während beim zentralen Schlafapnoe-(Hypoventilations-)Syndrom der zentrale Atemantrieb gestört ist (z. B. Undine-Syndrom, Pickwick-Syndrom), kommt es beim obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom trotz intaktem Atemantrieb zur Obstruktion der oberen Atemwege durch Erschlaffung der Schlundmuskulatur. Die nächtlichen Apnoe- bzw. Hypoventilationsanfälle sind nicht ungefährlich. Bei diesen Patienten können bedrohliche Hypoxämien auftreten, wobei Sättigungsabfälle unter 50 % keine Seltenheit sind. Atemdepressiv wirkende Medikamente wie Opioide oder Sedativa können das Risiko erheblich verstärken. Merke Hypoventilationssyndrome können zu bedrohli­ chen Hypoxämien führen.

6.1.1

Ursachen der ventilatorischen InsufÏzienz

Chronische Muskelerkrankungen, wie z. B. Muskeldystrophien, können ebenso wie neurologische Krankheitsbilder mit Störungen der neuromuskulären Übertragung (Guillain-Barré-Syndrom u. a.) zu einer akuten oder progredienten Schwächung der Atemmuskulatur bis hin zur Atemlähmung führen. Bekanntestes Beispiel ist die Poliomyelitis. Der bei schweren Verlaufsformen auftretenden zunehmenden ventilatorischen InsufÏzienz fielen in früheren Jahren zahllose Patienten zum Opfer. Bei der „critical illness polyneuropathy“ handelt es sich um eine reversible Denervierungsatrophie mit konsekutiver Schwäche der Atemmuskulatur. Sie tritt nicht selten im Gefolge einer schweren Allgemeinerkrankung, wie z. B. der Sepsis, auf. Die letztendliche Ursache der Erkrankung ist noch unklar. Bei Rückenmarksläsionen oberhalb von C3 sind Zwerchfell und Interkostalnerven ausgeschaltet. Die Spontanatmung ist insufÏzient, da die ventilatorische Kapazität allein von der Atemhilfsmuskulatur aufgebracht werden muss. Bei Läsionen im oberen Thoraxbereich sind die Interkostalnerven betroffen; die inspiratorische Kapazität ist eingeschränkt, die aktive Exspiration unmöglich. Läsionen im mittleren Bereich der Brustwirbelsäule beeinträchtigen die Funktion der Abdominalmuskulatur und damit die aktive Exspiration sowie den Hustenstoß. Medikamentöse Einflüsse. Im klinischen Alltag häufig sind passagere Störungen des Atemzentrums durch zentral wirksame Medikamente. ▶ Sedativa und ▶ Opioide beeinflussen die Atmung durch Dämpfung des zentralen ▶ Atemantriebs aufgrund des verminderten Ansprechverhaltens der Rezeptoren auf Veränderungen des CO2Gehaltes des Blutes. ▶ Muskelrelaxanzien dagegen unterbrechen die neuromuskuläre Übertragung an

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6 Extrapulmonale Störungen der Ventilation

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Störungen des zentralen Atemantriebs – Intoxikation, Narkose, SHT, Hypoventilations­ syndrom Störungen der Nervenleitung – Rückenmarksläsionen (Querschnitt) Störung der neuromuskulären Überleitung – Myasthenia gravis, critical illness polyneuropa­ thy, Guillain­Barré­Syndrom, Poliomyelitis, Mus­ kelrelaxanzien Störungen der Atemmechanik – Rippenserienfraktur, Zwerchfellruptur, Adiposi­ tas, Skoliose Obstruktive und restriktive Ventilationsstörungen – COPD, obstruktives Schlafapnoe­Syndrom u. a.

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Ursachen für Pumpversagen/­schwäche.

der motorischen Endplatte und verursachen eine (reversible) Lähmung der Atemmuskulatur. Behinderungen der Atemmechanik durch Störungen der Thoraxwandintegrität nach ▶ Thoraxtrauma mit Rippenserienfraktur oder Verletzungen des Zwerchfells sind in der operativen Intensivmedizin nicht selten. Auch Schmerzen nach Oberbaucheingriffen oder Missbildungen (Skoliose) können die Atemmechanik behindert und zur ventilatorischen InsufÏzienz führen.

6.1.2

Chronisch-ventilatorische InsufÏzienz

Patienten mit chronischer Schwäche der Atemmuskulatur (▶ respiratory muscle fatigue) zeigen im Endstadium typischerweise eine unterschiedlich ausgeprägte ▶ respiratorische GlobalinsufÏzienz mit Hyperkapnie und Hypoxämie. Ursache ist die ausgeprägte Störung der alveolären Ventilation. Besonders im Zusammenhang mit pulmonalen Infekten kann es bei diesen Patienten zur akuten ventilatorischen Dekompensation durch muskuläre Erschöpfung kommen mit progredientem Anstieg des ohnehin schon erhöhten paCO2 und begleitendem paO2-Abfall.

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■ Pathophysiologie

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Zu den wichtigsten pathophysiologischen Veränderungen bei COPD gehört die Behinderung der Exspiration. Sie beruht auf folgenden Faktoren: ● Bronchospasmus (erhöhter Tonus der Bronchialmuskulatur),







Hypersekretion der Schleimdrüsen, Störungen der ▶ mukoziliären Clearance, Mukostase (Verstopfung der Atemwege durch Schleim), Hyperplasie und Ödem der Bronchialschleimhaut, Entzündung der kleinen Atemwege (Bronchiolitis), Verlust elastischer Fasern mit exspiratorischem Kollaps der Atemwege.

Die obstruktiven Veränderungen der Atemwege sind ungleichmäßig verteilt und führen regional zur ungleichmäßigen Verteilung der Atemluft (Abb. 6.1). Merke Im Vordergrund steht die Einschränkung des ex­ spiratorischen Flows.

■ Therapie Das therapeutische Ziel während der Akutbehandlungsphase besteht daher zunächst in der Beseitigung der vital bedrohlichen Hypoxämie durch die Zufuhr von Sauerstoff. Da die Patienten in der Regel einen normalen bis hohen Hb-Gehalt aufweisen (Polyglobulie), ist eine arterielle O2-Sättigung von ca. 90 % (paO2 von 50 – 60 mmHg) ausreichend. Meist genügt die Anreicherung der Raumluft mit Sauerstoff über eine Nasensonde oder eine Gesichtsmaske. Die frühzeitige Wiederherstellung eines ausreichenden Sauerstoffangebots kann oftmals die weitere Verschlechterung der Gesamtsituation verhindern, da Sauerstoff ● den aeroben Stoffwechsel wiederherstellt und damit der zunehmenden Erschöpfung der Atmungsmuskulatur entgegenwirkt, ● die Rechtsherzbelastung durch Abnahme des hypoxisch bedingten pulmonalen Hypertonus reduziert, ● das Risiko von Arrhythmie und Myokardinfarkt vermindert, ● den mentalen Zustand verbessert, ● das zerebrale O -Angebot verbessert und damit 2 das Risiko hypoxischer zerebraler Insulte senkt.

6.1 Therapie bei ventilatorischer InsufÏzienz

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■ Indikation zur Beatmung

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Abb. 6.1 Radiologische Verändungen bei COPD. a Kennzeichnend im p. a.­Röntgenbild ist die erhöhte Lungentransparenz. Der typische Fassthorax resul­ tiert aus den abgeflachten Zwerchfellkuppeln, den weiten Interkostalräumen sowie den vergrößerten Zwerchfellradien. Die Gefäße zeigen nur wenige Aufzweigungen mit scharfen Gefäßkonturen sowie den charakteristischen Kalibersprung nach peri­ pher. Ebenfalls typisch ist das kleine, tropfenförmi­ ge Herz. b In der dynamischen Bildgebung im MRT zeigen sich die Veränderungen der Atemmechanik und der pulmonalen Ventilation bei einem Patienten mit COPD. Die Videosequenz zeigt die schwere Einschränkung der Atemmechanik in Rückenlage während Spontanatmung in Ruhe. Beachte vor al­ lem die Auswirkungen der exspiratorischen Bauch­ presse auf die Zwerchfellmotilität (gut erkennbar im Vergleich zur Spontanatmung des Gesunden). Die Videosequenz kann im Internet unter http://webshop.thieme.de/webshop/product/ thieme/9783131487926/detail.jsf angesehen wer­ den (unveröffentlichte Daten des Herausgebers).

Leitsymptom der progredienten ventilatorischen InsufÏzienz ist die CO2-Eliminationsstörung mit ▶ Hyperkapnie und respiratorischer ▶ Azidose. Klinische Zeichen der zunehmenden ventilatorischen InsufÏzienz können sein: ● ausgeprägte Dyspnoe, ● Diskoordination der Atembewegungen mit abdominellen Einziehungen während der Inspiration, ● Variation der thorakalen und abdominalen Bewegungen von Atemzug zu Atemzug (alternierende Atmung), ● Abfall der Atemfrequenz nach initialer Tachypnoe, ● zunehmende Zyanose als Zeichen der Hypoxämie, ● zunehmende Hyperkapnie, respiratorische Azidose, ● zunehmende Bewusstseinsstörungen, ● Hypertonie, Tachykardie (später Bradykardie), Extrasystolie. Typisch für die Progredienz der ventilatorischen Störung ist, dass es nach einer längeren Ermüdungsphase mit nur geringen Symptomen plötzlich zur akuten Verschlechterung der Atmung durch Erschöpfung der Atemmuskulatur kommt. Dieses Stadium der Dekompensation ist immer auch mit arterieller Hypoxämie verbunden. Kommt es trotz Sauerstoffgabe zu zunehmender Bewusstseinsstörung, Rückgang der Atemfrequenz, vermehrten Extrasystolen und Kreislaufinstabilität, besteht die zwingende Indikation zur partiellen oder vollständigen Übernahme der Atemarbeit durch druck- oder volumenkontrollierte Beatmung. Wegen der vielfältigen Nebenwirkungen muss die Indikation zur Intubation jedoch sorgfältig abgewogen werden, zumal die Entlastung der Atemmuskulatur sehr effektiv nichtinvasiv via Gesichtsmaske oder Helm durchgeführt werden kann. Das ventilatorische Versagen ist daher eine Domäne der ▶ nichtinvasiven Beatmung (NIV), von der die Patienten auch prognostisch profitieren. Da die nichtinvasive Beatmung in der Regel gut toleriert wird und intermittierend möglich ist, sollte daher immer ein Therapieversuch mit NIV unternommen werden.

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Hinweis Der richtige Zeitpunkt zur Beatmung kann im Einzelfall schwierig zu bestimmen sein, da er ganz wesentlich von der Anamnese und dem kli­ nischen Zustandsbild des Patienten abhängt. So wird man sich bei einem Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) und chronischer Hyperkapnie erst bei vergleichswei­ se hohen arteriellen pCO2­Werten zur Beatmung entschließen, während die Indikation beim Pati­ enten mit ▶ Schädel­Hirn­Trauma wegen der Ge­ fahr des Hirndruckanstiegs frühzeitig gestellt werden muss. Unabhängig davon, ob die Beat­ mung invasiv oder nichtinvasiv erfolgt, sollte sie auf jeden Fall vor der ventilatorischen Dekom­ pensation erfolgen.

Merke Mit der nichtinvasiven Beatmung sollte rechtzei­ tig, d. h. vor der ventilatorischen Dekompensati­ on, begonnen werden.

6 ■ Beatmungsstrategie

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Kann eine leichte Hyperventilation erreicht werden, lassen sich die Patienten oftmals problemlos ohne zusätzliche Analgosedierung maschinell beatmen. Bei ausgeprägter Dyspnoe kann initial die Dämpfung eines pathologisch erhöhten Atemantriebs durch die Gabe von ▶ Opiaten (z. B. Morphin 5 mg i. v.) hilfreich sein. Nach ausreichender Erholung der Atemmuskulatur und erfolgreicher Behandlung der unmittelbaren Ursache der pulmonalen Dekompensation kann meist bald auf augmentierende Spontanatmungsverfahren übergegangen werden. Dabei wird der Anteil der maschinellen Atemarbeit schrittweise vermindert. Die inspiratorische Druckunterstützung jedes Spontanatemzuges kann den, besonders unter tachypnoischer Spontanatmung auftretenden, unerwünschten ▶ intrinsic PEEP (das Lungenvolumen ist bereits pathologisch erhöht!) wirkungsvoll senken. Vermutlich ist dies in erster Linie auf eine die Atemfrequenz vermindernde Wirkung der Druckunterstützung zurückzuführen. Um eine ausreichende Entlastung der Atempumpe zu erreichen, sollte initial eine hohe inspiratorische Druckunterstützung (15 – 20 mbar) eingestellt werden.

Zur Verminderung der Triggerarbeit ist bei Patienten mit intrinsischem PEEP ein moderater extrinsischer PEEP von ca. 5 – 8 mbar hilfreich. Reines ▶ Masken-CPAP vermindert die Atemarbeit dieser Patienten in der Regel nicht ausreichend. Das wichtigste Erfolgskriterium für eine effektive Behandlung ist die subjektive Besserung der Dyspnoe. Dies drückt sich auch in objektiven Parametern wie der Senkung der Atemfrequenz, der Verbesserung der alveolären Ventilation mit einer Abnahme des paCO2 sowie dem Sistieren des Einsatzes der Atemhilfsmuskulatur (besonders deutlich sichtbar am M. sternocleidomastoideus) aus. Beachte Hohe Druckunterstützungslevel können un­ ter Umständen zum gegenteiligen Effekt füh­ ren. Insbesondere bei höheren Atemfrequen­ zen kann es sogar zur Ausbildung eines intrinsic PEEP mit Anstieg der Lungenvolumina (▶ dyna­ mische Hyperinflation ) kommen. Der Grund hierfür liegt im Umschaltkriterium von PSV, wonach die Exspiration erst dann eingeleitet wird, sobald der Flow einen definierten Pro­ zentsatz des maximalen Inspirationsflows un­ terschreitet, meist 25 %. Die effektive ma­ schinelle Flowlieferung kann somit die aktive Atemanstrengung des Patienten überdauern (siehe auch Abb. 3.13, S. 115). Bei einer neu­ erlichen Atemanstrengung läuft der exspirato­ rische Restflow den Inspirationsbemühungen des Patienten zuwider. Der ▶ Triggerimpuls er­ reicht den Respirator zeitversetzt, die maschi­ nelle Atemhilfe wird erst mit atemmechanisch relevanter Verzögerung appliziert. Bei Patien­ ten mit eingeschränkter Atemmechanik, ins­ besondere bei tachypnoischen Patienten, kön­ nen Gerät und Patient sogar intermittierend außer Phase geraten. In diesem Fall wird nicht mehr jeder Atemzug des Patienten maschinell unterstützt (siehe auch Abb. 3.15, S. 118). In modernen Intensivrespiratoren kann das Um­ schaltkriterium variiert werden, wodurch sich im Einzelfall eine verbesserte Synchronisati­ on von Patient und Beatmungsgerät erreichen lässt. Auch in dieser Situation ist gelegentlich die kurzzeitige Gabe von ▶ Opioden indiziert. Sie senken den pathologisch erhöhten Ateman­ trieb und ermöglichen eine bessere Kommuni­ kation zwischen Patient und Respirator.

6.2 Kurzzeitbeatmung / postoperative Nachbeatmung

Desynchronisationsphänomene können durch ▶ NAVA (Neurally Adjusted Ventilatory Assist) wirkungsvoll vermindert werden. Da Beginn und Ende der Inspirationsbemühungen des Patienten durch kontinuierliche Messung der Zwerchfellaktivitäten registriert werden, ist eine annähernd verzögerungsfreie Atemgaslieferung und damit eine optimale Kopplung an die Spontanatmungsaktivitäten des Patienten möglich. Außerdem ist die Stärke des Zwerchfell-EMGs proportional zur Atemaktivität des Patienten, so dass dieses Signal auch dazu benutzt werden kann, um die Höhe der inspiratorischen Druckunterstützung automatisch an den Bedarf des Patienten anzupassen.

6.2

Kurzzeitbeatmung / postoperative Nachbeatmung

■ Pathophysiologische Grundlagen Die Beatmungspflichtigkeit in der postoperativen Phase ist in der Regel primär extrapulmonal bedingt und unmittelbare Folge von Operation und Narkose. ▶ Volatile Anästhetika sowie ▶ Opioide, ▶ Sedativa und ▶ Muskelrelaxanzien verursachen Störungen der Lungenfunktion, die nicht nur auf einer Verminderung des zentralen Atemantriebs beruhen, sondern ebenso auf direkten Wirkungen der Anästhetika auf die ▶ mukoziliäre Clearancefunktion. Dazu kommen Veränderungen der ▶ Atemmechanik durch Ausschaltung der Spontanatmung. Diese Faktoren führen während der Narkosebeatmung zur Abnahme der ▶ funktionellen Residualkapazität (FRC). In den abhängigen Lungenbezirken bilden sich vorwiegend Areale mit gestörter Ventilation aus. Gleichzeitig nimmt der alveoläre Totraumanteil durch Hyperinflation nicht abhängiger Lungenareale zu, wobei die Perfusion hier gleichzeitig vermindert ist. Die Folgen des Ungleichgewichts von Ventilation und Perfusion sind ein erhöhter intrapulmonaler Shunt und ein Anstieg der ▶ alveolo-arteriellen Sauerstoffgehaltsdifferenz. Merke Während der Narkose nimmt die funktionelle Re­ sidualkapazität (FRC) ab.

In der postoperativen Phase, besonders nach Thorax- und Oberbaucheingriffen, sind es neben dem Narkoseüberhang vor allem Schmerzen, aber auch Kältezittern, Stress und pathologische Aufwachreaktionen, die zur zusätzlichen Begrenzung der ventilatorischen Kapazität führen. Mechanische Behinderungen der Atemmotorik durch Einschränkung der Zwerchfellbeweglichkeit, Zwerchfellhochstand als Folge intraabdomineller Eingriffe, Darmatonie sowie weitere intrapulmonale Veränderungen (Sekretretention, interstitielles/alveoläres Lungenödem) begünstigen die Ausbildung von Dystelektasen und Atelektasen. Die Auswirkungen dieser Veränderungen können weit über die Dauer der Narkose hinaus reichen. Insbesondere nach langen Operationen mit großem Flüssigkeitsumsatz, hohen Eiweiß- und Blutverlusten treffen damit postoperativ mehrere Faktoren zusammen, deren negative Auswirkungen auf den pulmonalen Gasaustausch sich gegenseitig verstärken. Dem erhöhten Ventilationsbedarf durch Stress und Schmerz stehen die eingeschränkte Atemmechanik und die verminderte pulmonale Gasaustauschfläche gegenüber. Die notwendige Steigerung der Atemarbeit kann insbesondere von alten und/oder adipösen Patienten nur schwer erbracht werden. Große und lang dauernde Eingriffe gelten daher vor allem bei kardial und pulmonal vorgeschädigten Patienten als Indikation zur postoperativen Nachbeatmung. Sie wird bis zum Erreichen von Normothermie, stabilen Kreislaufverhältnissen und Normalisierung der Lungenfunktion fortgeführt. Ist dieser Zustand erreicht, sollte die Extubation zügig erfolgen. Eine „prophylaktische“ Nachbeatmung bzw. das Hinauszögern der Extubation aus Angst vor möglichen Komplikationen ist nicht gerechtfertigt. Merke Die ventilatorische Kapazität wird durch Schmerz, Stress, Kältezittern und pathologische Aufwachreaktionen begrenzt. Es ist davon auszugehen, dass der Anteil der Patienten mit kompliziertem postoperativem Verlauf aufgrund der sich veränderten Altersstruktur mit Zunahme des Anteils morbider und multimorbider Patienten in Zukunft weiter steigen wird. Der postoperativen Beatmung kommt daher eine zunehmende Bedeutung zu.

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■ Beatmungsstrategie

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Während viel über Behandlungsstrategien bei langzeitbeatmeten Patienten diskutiert wird, gibt es kaum neuere Empfehlungen und beatmungstechnische Ansätze für die eher unkomplizierte postoperative Beatmung. Auch aufgrund beschränkter apparativer Ressourcen werden leider gerade für die kurzzeitige postoperative Nachbeatmung häufig ältere Respiratoren ausgewählt, die bei langzeitbeatmeten Patienten aufgrund ihrer unzureichenden Leistungsfähigkeit vor allem im Bereich der unterstützenden Spontanatmungsformen nicht mehr eingesetzt werden. Weit verbreitet ist auch die Annahme, dass es für die postoperative Nachbeatmung keiner besonderen gerätetechnischen Ausstattung bedarf, da Schwierigkeiten bei der Entwöhnung des Patienten nicht zu erwarten und damit differenzierte Beatmungsformen und -muster entbehrlich seien. Dies ist nicht korrekt. Der Terminus „unkomplizierte postoperative Nachbeatmung“ darf nicht darüber hinweg täuschen, dass in der dynamischen perioperativen Phase Beatmungsformen notwendig sind, die der schnellen Zunahme der Vigilanz des Patienten und den damit einhergehenden ventilatorischen Veränderungen angemessen Rechnung tragen. Es hat sich gezeigt, dass Verfahren, die Spontanatmung zulassen und unterstützen, starren kontrollierten Beatmungsverfahren überlegen sind.

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Merke Frühzeitiger Übergang zu unterstützenden Spontanatmungsformen. Frühzeitige Extubation: kein „Weaning“ nach Kurzzeitbeatmung. Kontrollierte Beatmung. Sie ist – wenn überhaupt – nur in der unmittelbar postoperativen Phase indiziert, solange der Atemantrieb aufgrund von Narkoseüberhang unzureichend ist. Mit zunehmender Eigenatmung sowie auch beim Auftreten von Schmerzen und Stress in der Aufwachphase nimmt die Toleranz des Patienten gegenüber der starren ▶ kontrollierten Beatmung jedoch ab. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sollte zur maschinell unterstützten Spontanatmung (▶ PSV, ▶ BIPAP, ▶ S-IMV) übergegangen werden.

Unterstützte Spontanatmung. In der postoperativen Nachbeatmung hat es sich daher bewährt, dem Patienten von Anfang an die Möglichkeit zur adjuvanten Spontanatmung, wie z. B. bei ▶ S-IMV oder ▶ BIPAP, zu ermöglichen. Zusätzlich kann die Eigenventilation durch ▶ inspiratorische Druckunterstützung (PSV) augmentiert werden. Die maschinellen Parameter müssen den ventilatorischen Bedürfnisse des Patienten ständig angepasst werden, damit die Spontanatmung nicht durch inadäquate Geräteeinstellung behindert und die Extubation unnötig verzögert wird. PEEP. In jedem Fall sollte die Beatmung mit einem moderaten PEEP durchgeführt werden. Standardmäßig hat sich bei Patienten ohne pulmonale Vorerkrankungen ein PEEP von 5 mbar bewährt. Höhere PEEP-Niveaus können nach längeren Operationen und radiologisch gesicherten Atelektasen/ Dystelektasen erforderlich werden. Die Extubation sollte in jedem Fall – auch nach der Kurzzeitbeatmung – aus dem PEEP-Niveau heraus erfolgen. Nach der Extubation kann die weitere Applikation des PEEP auch intermittierend via Maske erfolgen. Die postoperative Beatmung mit PEEP trägt zur schnelleren Normalisierung der FRC bei und wirkt damit der postoperativen AteminsufÏzienz und auch pulmonalen Komplikationen entgegen. BIPAP. Als hervorragende Alternative hat sich ▶ BIPAP in der postoperativen Phase bewährt. Die standardmäßige Primäreinstellung der BIPAP-Parameter bei unkomplizierten pulmonalen Verhältnissen erfolgt ähnlich wie bei druckkontrollierter Beatmung. Durch Wahl des oberen Plateaudrucks zwischen 15 und 20 mbar, des unteren zwischen 5 und 10 mbar sowie gleich langen Zeitintervallen zwischen 2 und 4 Sekunden werden Atemminutenvolumina in Größenordnungen angestrebt, die sich zunächst am Ventilationsbedarf während der Narkose orientieren und ggf. durch eine Blutgasanalyse verifiziert werden können. Durch schrittweises Reduzieren des oberen Druckniveaus kann der Spontanatmungsanteil des Patienten im weiteren Verlauf langsam gesteigert werden. Die Extubation erfolgt nach Angleichung der Druckniveaus auf ca. 5 – 10 mbar bei ausreichender Vigilanz und Spontanatmung des Patienten. Einige Studien weisen darauf hin, dass die postoperative Beatmung mit BIPAP nicht nur den Bedarf an Sedativa und Analgetika vermindert, sondern zudem den pul-

6.3 Besonderheiten bei Patienten mit erhöhtem intrakraniellem Druck

monalen Gasaustausch verbessert und die Intubationsdauer verkürzt.

6.3

Besonderheiten bei Patienten mit erhöhtem intrakraniellem Druck

■ Pathophysiologische Grundlagen Der substanzielle Defekt, der durch ein SchädelHirn-Trauma oder intrazerebrale Blutungen verursacht wird, ist als primärer Hirnschaden nicht ursächlich therapierbar. Der therapeutische Fokus liegt daher in der Vermeidung sekundärer Hirnschädigungen, die durch typische pathophysiologische Prozesse als Folge des initialen Schadens getriggert werden. Die Ausdehnung des sekundären Schadens wird u. a. beeinflusst durch systemische Faktoren wie Hypoxämie, Hyperkapnie, arterielle Hypotension, Hyperglykämie und Fieber ebenso wie durch intrakranielle Prozesse, z. B. neuronale und interstitielle Azidose, zerebrale Vasospasmen, Vasoparalyse (Hyperämie) und Hirnödem.

■ Beatmungsstrategie Patienten mit schwerem SHT und/oder intrakraniellen Blutungen müssen in der Regel endotracheal intubiert und unter Analgesie und Sedierung kontrolliert beatmet werden. Hypoxämie und Hyperkapnie müssen auf jeden Fall vermieden werden: Die kontinuierlich gemessene pulsoximetrische Sauerstoffsättigung sollte 90 % nicht unterschreiten. Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma und kritischer Hirndurchblutung werden zumindest initial kontrolliert beatmet, um einerseits das arterielle Sauerstoffangebot (paO2 > 60 mmHg, SaO2 > 90 %) aufrechtzuerhalten und andererseits die ausreichende CO2-Elimination zu garantieren. Hintergrund ist die enge Korrelation zwischen paCO2 und zerebralem Blutvolumen. So führt eine ▶ Hyperventilation mit daraus resultierender ▶ Hypokapnie zur Vasokonstriktion der zerebralen Widerstandsgefäße und damit zur Reduktion des intrakraniellen Blutvolumens.

Merke Der paCO2 beeinflusst den zerebralen Gefäßwi­ derstand. Umgekehrt führt Hyperkapnie zur Vasodilatation mit Zunahme von intrazerebralem Blutvolumen und ICP, so dass eine Hypoventilation bei Patienten mit drohendem oder manifestem Hirndruck unbedingt vermieden werden muss. Aus diesen Gründen ist die ▶ permissive Hyperkapnie bei Patienten mit erhöhtem ICP absolut kontraindiziert. Hinweis Die Hyperventilation wurde in früheren Jah­ ren bei Patienten mit Schädel­Hirn­Trauma und Hirnödem therapeutisch ausgenutzt, um kritisch erhöhte intrakranielle Drücke (Intracranial Pres­ sure, ICP) kurzfristig zu senken. Allerdings kann jede höhergradige Hyperventilation durch Vaso­ konstriktion und Verminderung der zerebralen Perfusion selbst eine Ischämie verursachen, so dass das traditionelle Konzept der generellen, präventiven, forcierten Hyperventilation in der Behandlung des erhöhten ICP heute überholt ist. Bei Patienten mit passageren Hirndruckkri­ sen kann dagegen eine vorübergehende Hyper­ ventilation (paCO2: 30 – 32 mmHg) eine lebens­ rettende Maßnahme darstellen, bis spezifischere Interventionen die Hyperventilationstherapie er­ setzen können und Normokapnie (paCO2: 35 – 38 mmHg) wieder möglich ist. Da die Hirndurch­ blutung in den ersten 24 Stunden nach SHT fast immer kritisch reduziert ist, sollte in diesem Zeitraum auf jegliche Hyperventilation verzich­ tet werden. Danach kann ein differenzierter Ein­ satz der Hyperventilation erfolgen, sofern ein adäquates zerebrales Monitoring zur Differenzie­ rung der Ursache der ICP­Steigerung (Hyperämie vs. Ödem) zur Verfügung steht. Wichtig ist, dass respiratorische ▶ Azidosen (paCO2 > 45 mmHg, pH < 7,30) ebenso wie respiratorische ▶ Alkalosen (paCO2 < 35 mmHg, pH > 7,50) vermieden werden. Ihre Korrektur erfolgt ausschließlich durch Anpassung der ventilatorischen Parameter. Bei Hypokapnie wird das Atemminutenvolumen reduziert, bei Hyperkapnie gesteigert. Zur Sicherstellung von Normokapnie wird bei Patienten mit erhöhtem intrakraniellem Druck

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meist die volumenkonstante Beatmung bevorzugt. Bei druckkontrollierter Beatmung müssen die applizierten Atemminutenvolumina durch eine entsprechende enge Einstellung der Alarmgrenzen überwacht werden, um Hypoventilation und damit gefährliche Anstiege des intrakraniellen Drucks zu vermeiden. Eine gute Alternative zur herkömmlichen druckkontrollierten Beatmung ist die volumenkonstante druckregulierte Beatmung z. B. durch ▶ AutoFlow oder ▶ BiLevel-VG. Hierbei passt sich das inspiratorische Druckniveau des Ventilators automatisch den Veränderungen von Compliance und Resistance des Patienten an, so dass eine volumenkonstante Beatmung gewährleistet bleibt.

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Merke Volumenkonstante Beatmung bei Patienten mit erhöhtem intrakraniellem Druck.

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Die Einstellung und Überwachung der Beatmungsparameter erfolgen anhand regelmäßiger Blutgasanalysen und durch kontinuierliche Messung des CO2-Anteils in der Exspirationsluft (▶ Kapnometrie). Generell gilt, dass der mittlere Atemwegsdruck und damit der intrathorakale Druck so niedrig wie möglich eingestellt werden sollte, um den venösen Abfluss aus dem Gehirn nicht zu behindern, wenngleich ein solcher Effekt in kontrollierten Untersuchungen nicht schlüssig nachgewiesen werden konnte. Durch leichte Oberkörperhochlagerung (15 Grad bis max. 30 Grad) bei stabilen Kreislaufverhältnissen wird dieser Effekt unterstützt. Bei unkompliziertem Gasaustausch werden beim Erwachsenen beim Atemzeitverhältnis von 1:2 bis 1:1 Beatmungsfrequenzen zwischen 12 und 15/ min eingestellt, die Tidal- bzw. Atemminutenvolumina orientieren sich am paCO2, wobei ▶ lungenprotektive Aspekte berücksichtigt werden müssen. Merke Oberkörperhochlagerung bis 30 Grad. PEEP. Auf die Beatmung mit moderatem ▶ PEEP sollte auch bei erhöhtem intrakraniellem Druck nicht verzichtet werden. PEEP-Werte von 5 – 10 mbar haben keinen negativen Einfluss auf Hirndurchblutung und intrakraniellen Druck. Selbst

die Beatmung mit PEEP-Werten von 10 – 15 mbar erscheint bei pulmonal kritischen Patienten gerechtfertigt, wenn hierdurch die Oxigenierung nachhaltig verbessert und die inspiratorische O2Konzentration auf unkritische Werte reduziert werden kann. Ggf. muss allerdings der systemische Kreislauf durch Volumenersatz und/oder vasoaktive Substanzen unterstützt werden, um einen ausreichenden zerebralen Perfusionsdruck sicherzustellen. Bei kritischer Oxygenierung können Patienten mit respiratorischer GlobalinsufÏzienz auch in Bauchlage verbracht werde. Bei PEEP-Werten > 10 mbar oder Bauchlagerung wird jedoch eine ICP-Messung dringend empfohlen. Auf eine achsengerechte Lagerung der Halswirbelsäule ist dabei zu achten. Merke PEEP­Werte > 10 mbar nur bei vitaler Indikation und Monitoring der intrakraniellen Drücke. Analgosedierung und Muskelrelaxation. In der Vergangenheit wurden bei Patienten mit erhöhtem ICP häufig kontinuierlich ▶ Muskelrelaxanzien in Kombination mit Sedativa und Analgetika eingesetzt. Damit sollte das Risiko von unerwünschten und gefährlichen ICP-Steigerungen, z. B. durch Gegenatmen oder Hustenreaktionen des Patienten, unterdrückt werden. Inzwischen gilt die kontinuierliche und dauerhafte Gabe von Muskelrelaxanzien aufgrund der zahlreichen unerwünschten Wirkungen als obsolet. Husten und Pressen, z. B. im Rahmen der Bronchialtoilette, kann stattdessen in der Regel ebenso effektiv durch vorherige Applikation kurzwirksame Analgetika und/oder Sedativa unterdrückt werden. Auch das „Gegenatmen“ lässt sich in den allermeisten Fällen durch entsprechende Einstellung der Beatmungsparameter unterbinden. Falls in Einzelfällen dennoch kurzzeitig die Indikation zur Relaxierung besteht, z. B. bei der schwierigen Adaptation des Patienten an den Respirator, dürfen auf keinen Fall depolarisierende Muskelrelaxanzien wie z. B. Succinylcholin, verwendet werden, da diese den ICP erheblich steigern können und über eine massive Kaliumfreisetzung nach längerer Immobilisation sogar eine Asystolie hervorrufen können.

6.4 Besonderheiten bei Patienten mit Thoraxtrauma

Spontanatmung und unterstützte Spontanatmung. Patienten mit kritisch erhöhtem ICP werden initial tief sediert, um den zerebralen Metabolismus zu minimieren. Hierdurch wird in dieser Phase die Eigenatmung meist vollständig unterdrückt. Tiefe ▶ Analgosedierung begünstigt allerdings die Entwicklung beatmungstypischer Komplikationen, wie das Auftreten von Atelektasen, Dystelektasen, bronchopulmonalen Infektionen usw. Daher sollte möglichst frühzeitig auf assistierende Beatmungsverfahren übergegangen werden. Die Verringerung der Sedierungstiefe und Mitbeteiligung der Spontanatmung (▶ BIPAP, ▶ PSV) ist spätestens dann indiziert, wenn der ICP auf normale bis hochnormale Werte abgefallen ist und durch Husten und Pressen keine kritischen ICP-Anstiege ausgelöst werden. Die Beteiligung der Spontanatmung wirkt sich grundsätzlich positiv auf die systemischen Kreislaufverhältnisse sowie die intrathorakalen Drücke aus und könnte damit zumindest theoretisch auch die zerebrale Perfusion verbessern. Merke Unterstützte Spontanatmung nach Normalisie­ rung des ICP.

6.4

Besonderheiten bei Patienten mit Thoraxtrauma

Bei 30 – 50 % der polytraumatisierten Patienten ist der Thorax beteiligt, bei einem Großteil der Unfalltoten ist das thorakale Trauma sogar die unmittelbare Todesursache. Am häufigsten ist das stumpfe Thoraxtrauma, meist im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall. Hierbei spielen auch Verletzungen durch den Sicherheitsgurt eine Rolle. Penetrierende Thoraxverletzungen durch Stich-, Schuss- oder Pfählungsverletzungen sind demgegenüber, zumindest in Deutschland, seltener.

6.4.1

Diagnostik

Früherkennung und -behandlung der Verletzungsfolgen entscheiden oft schon am Unfallort über den weiteren Verlauf. Die letztendliche Ausdehnung

der thorakalen Verletzung kann allerdings meist erst in der Klinik festgestellt werden. Die komplettierende Diagnostik umfasst neben dem Röntgenbild des Thorax (a. p. und seitlich) die CT-Diagnostik, EKG, Echokardiographie und ggf. Angiographie und Bronchoskopie. Veränderungen des Lungenparenchyms als Folge einer Kontusionierung werden dabei initial im Röntgenbild häufig unterschätzt, da sich Einblutungen sowie ein interstitielles und intraalveoläres Ödem oft erst innerhalb von 1 – 2 Tagen nach dem Trauma voll ausbilden. Beachte Liegt beim isolierten Thoraxtrauma eine aus­ geprägte Kreislaufdepression vor, muss immer auch an Begleitverletzungen, z. B. intraabdomi­ nelle Blutungen (Milzruptur!, Leberruptur!) ge­ dacht werden.

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■ Inspektion Schon bei der Inspektion können typische klinische Zeichen auf das Vorliegen eines Thoraxtraumas hinweisen: ● thorakale, atemabhängige Schmerzen, ● Dyspnoe, Tachypnoe, Hustenreiz, ● Zyanose, ● thorakale Prellmarken, blutende Verletzungen, ● paradoxe und/oder einseitig nachschleppende Atemexkursionen, ● gestaute Halsvenen. Einseitige Schonatmung weist auf Rippenfrakturen hin, deren Anzahl oft größer ist, als der zunächst erhobene klinische Befund vermuten ließ. Zur paradoxen Atmung kommt es als Folge der Instabilität der Thoraxwand durch ein- oder beidseitige Rippenstückfrakturen (Abb. 6.2). Die Inspirationsstellung einer Thoraxseite weist auf einen Pneumothorax (Abb. 6.3) hin, zusätzliche Zyanose mit schwerer Dyspnoe auf einen Spannungspneumothorax (Abb. 6.4, siehe auch Abb. 5.4, Seite 189), möglicherweise in Verbindung mit einem Hämatothorax.

■ Palpation, Perkussion, Auskultation Palpatorisch kann eine lokale Druckschmerzhaftigkeit oder eine tastbare Kontinuitätsunterbre-

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Abb. 6.2 Paradoxe Atemexkursionen durch Rippenserienfraktur rechts mit Stückfrakturen. Während der Inspiration (a) wird das instabile Seg­ ment einwärts gezogen, während der Exspiration (b) bewegt es sich nach außen.

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Abb. 6.3 Partieller Pneumothorax (Mantelpneumothorax). Die Lunge ist nicht vollständig kollabiert, kann jedoch den in­ und exspiratorischen Atemexkur­ sionen nur noch teilweise folgen (Spontanatmung). a Inspiration, b Exspiration.

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Abb. 6.4 Spannungspneumothorax. Ein Ventil­ mechanismus erlaubt zwar das Einströmen von Luft in den Pleuraspalt während der Inspiration (Pfeile), verhindert jedoch das Ausströmen in der Exspirati­ onsphase. Die Lunge kollabiert vollständig, Herz und Mediastinum werden zur gesunden Seite verdrängt. a Inspiration, b Exspiration.

chung einer oder mehrerer Rippen auf Frakturen hinweisen. Krepitationen über dem Sternum und eine Schwellung deuten auf eine Sternumfraktur hin. Ein Hautemphysem ist praktisch beweisend für die Verletzung des Lungenparenchyms. Die Perkussion des Thorax ist für die Unterscheidung eines Pneumothorax von einem Hämatothorax von ausschlaggebender Bedeutung: Ein hypersonorer Klopfschall findet sich beim Pneumothorax, ein gedämpfter Klopfschall beim Hämatothorax. Weniger eindeutig ist der auskultatorische Befund, da das Atemgeräusch in beiden Fällen abgeschwächt ist. Liegt dagegen ein Totalkollaps der betroffenen Lunge durch Pneumothorax oder Hämatothorax vor, fehlt das Atemgeräusch. Auskultierbare Darmgeräusche im Thorax weisen auf eine Zwerchfellruptur und Darmschlingen im Thoraxraum hin. Besteht eine Verbindung zwischen Pleurahöhle und dem eröffneten Bronchialsystem, ist ein blasendes, schlürfendes, meist in- und exspiratorisches Geräusch zu hören. Durch eine Verletzung der ▶ Pleura visceralis oder der ▶ Pleura parietalis kommt es zum Lufteintritt in den Pleuraspalt mit nachfolgendem Pneumothorax durch partiellen oder totalen Kollaps der betroffenen Lungenhälfte. Bei penetrierenden Thoraxverletzungen entsteht eine saugende Thoraxwunde mit Pneumothorax. Typisch ist das schlürfende in- und exspiratorische Geräusch: offener Pneumothorax. Dieser Zustand ist an sich meist nicht akut lebensbedrohlich. In der Notfallsituation wird die Wunde mit einem luftdurchlässigen Verband abgedeckt und der Patient auf die verletzte Seite gelagert. Bewährt hat sich das Aufkleben eines Kolostomiebeutels, der ggf. entlastet werden kann. Dadurch vermeidet man Mediastinalflattern, das zur Zunahme der respiratorischen InsufÏzienz sowie Herzrhythmusstörungen führen kann. Bei Zeichen der AteminsufÏzienz muss intubiert und beatmet werden.

6.4.2

Therapie

Besteht die Notwendigkeit zur Intubation und Beatmung, muss bei Patienten mit Thoraxtrauma aufgrund der höheren Atemwegsdrücke immer an die Entwicklung eines (Spannungs-)Pneumothorax gedacht werden.

6.4 Besonderheiten bei Patienten mit Thoraxtrauma

Ein einseitiger Pneumothorax (Abb. 6.3) stellt per se keine vitale Bedrohung für den Organismus dar. Da der pulmonale Gefäßwiderstand in der kollabierten Lunge zunimmt, wird der größte Teil des Herzzeitvolumens in die andere Lungenhälfte umgeleitet, die meist zur Sicherstellung der Oxigenierung ausreicht. Merke Keine vitale Bedrohung durch einen einseitigen Pneumothorax. Eine lebensbedrohliche Komplikation ist demgegenüber die Ausbildung eines Spannungspneumothorax durch einen Ventilmechanismus, der zwar das Einströmen von Luft in den Pleuraspalt während der Inspiration erlaubt, das Ausströmen in der Exspirationsphase jedoch verhindert. Dadurch kommt es zu einem progressiven intrapleuralen Druckanstieg mit Kompression der belüfteten Lungenanteile und Verdrängung des Mediastinums zur gesunden Seite (Abb. 6.4). Häufig entwickelt sich hierbei ein sicht- und vor allem tastbares, ausgedehntes Hautemphysem. Hinweis Hautinzisionen oder die subkutane Spickung mit Kanülen zur Entlastung des Hautemphysems sind zwecklos, unnötig und sogar gefährlich, da sie zu Infektionen führen können. Das Hautem­ physem bildet sich von selbst zurück, sobald die Ursache beseitigt ist.

finitiven Entlastung mindestens eine dicklumige Venenverweilkanüle in den Pleuraraum gelegt werden. Soll die Kanüle in situ belassen werden, ist diese beim spontan atmenden Patienten mit einem sog. Tiegel-Ventil zu versehen, das den Eintritt von Umgebungsluft während der Inspiration verhindert. Hinweis Die passagere Entlastung des Pneumothorax mithilfe einer Venenverweilkanüle ist jedoch nicht unproblematisch. Wird die Metallkanüle entfernt, kommt es meist sehr schnell zum Ab­ knicken und zur Dislokation der Plastikkanüle und damit zur erneuten Ausbildung eines Pneu­ mothorax. Wird die Metallkanüle dagegen belas­ sen, besteht das Risiko der Pleura­ und Lungen­ verletzung, sobald sich das Lungenparenchym wieder ausdehnt. Empfehlenswert ist daher die Verwendung spezieller Drainage­Sets oder die primäre Einlage einer Thorax­Saugdrainage.

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6 ■ Thorax-Saugdrainage Die Einlage der Thorax-Saugdrainage erfolgt klassischerweise im 2./3. ICR medioklavikular, wobei der Drain nach oben vorn gegen die Pleurakuppe gelegt wird. Der seitliche Abstand vom Sternumrand beträgt mindestens 2 ½ Querfinger, da sonst die Gefahr der Verletzung der A. thoracica int. besteht (Abb. 6.5). Beim Hämatothorax oder beim

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Merke Vitale Bedrohung durch Entwicklung eines Span­ nungspneumothorax. Im Zweifelsfall ist die Indi­ kation zur Drainage eher großzügig zu stellen.

1 ■ Passagere Entlastung Die Verdachtsdiagnose kann durch eine einfache Punktion mit einer Kanüle im 2. ICR in der vorderen Mamillarlinie rasch bestätigt werden. Um die versehentliche Punktion einer Interkostalarterie zu vermeiden, sollte der Pleuraraum immer vom oberen Rand der Rippe ausgehend punktiert werden. Liegt ein Pneumothorax vor, sollte bis zur de-

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Abb. 6.5 Thorax-Saugdrainage: typische Einlagepunkte. a 2. ICR medioklavikular, b mittlere Axillarlinie, 5./6. ICR.

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Pneumohämatothorax wird die Drainage im 5. ICR in der mittleren Axillarlinie eingelegt, jedoch niemals kaudal der Mamillen, um Verletzungen des Zwerchfells oder abdomineller Organe (Leber!) zu vermeiden. Dies gilt nicht für die Einlage unter röntgenologischer oder sonographischer Kontrolle, die in jedem Fall bevorzugt werden sollte. Wenn möglich, wird die Drainage nach hinten oben geschoben. Als Variante kann die Drainage über den gleichen Zugang auch nach hinten unten in den Sinus phrenicocostalis geführt werden. In jedem Fall muss die Drainage immer am Oberrand der Rippe eingeführt werden, um eine Verletzung der Interkostalarterie zu vermeiden. Merke Punktion im 2./3. ICR medioklavikular oder im 5. ICR in der mittleren Axillarlinie.

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Bei korrekter Technik ist die Komplikationsrate gering, vor allem, wenn strikt am Oberrand der Rippe und niemals unterhalb des Mamillarlinie und medial der Medioklavikularlinie punktiert wird.

Zuhilfenahme einer Kornzange, in den Pleuraraum eingeführt. Hierzu ist ein entsprechend großer Hautschnitt erforderlich. Diese „Minithorakotomie“ gilt in der Intensivmedizin als Methode der Wahl, da das Verletzungsrisiko der Lunge geringer ist. Außerdem können dicklumigere Katheter eingelegt werden. In jedem Fall muss bei dem Manöver beim Pneumothorax hörbar Luft entweichen, beim Hämatothorax Blut. Nach sicherer Platzierung im Pleuraraum wird die Drainage tangential abgekippt, wobei die Spitze des Trokars zurückgezogen in der Drainage verbleibt. Das weitere Vorschieben der Drainage sollte unter leichter Drehung erfolgen, um ein Abknicken rechtzeitig zu erkennen. Beweisend für die korrekte Lage der Drainage ist das atemsynchrone Beschlagen der Innenwandung der Drainage beim Pneumothorax oder die Drainage von Blut beim Hämatothorax. Beim Spannungspneumothorax muss sich gleichzeitig die Kreislaufsituation normalisieren (Abb. 6.6). Zum Schluss wird die Drainage durch kräftige Hautnähte fixiert und röntgenologisch kontrolliert.

Durchführung

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Die Punktion und Einlage der Drainage werden unter sterilen Kautelen durchgeführt. Nach ausreichend großer Inzision der Haut mit dem Skalpell wird das Gewebe mit der Präparierschere (abgerundete Spitzen) bis auf die Rippe stumpf präpariert. Dabei sollte der Rippenoberrand mit der Schere oder digital sicher identifiziert werden. Anschließend wird die Pleura ebenfalls stumpf mit dem tastenden Zeigefinger eröffnet und die Drainage mit zurückgezogenem Trokar, eventuell unter

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b Rückschlagventil

Vakuum

Hinweis Bei Rippenstückfrakturen sollte die Eintrittsstel­ le in stabile Thoraxabschnitte verlagert werden, auch wenn hieraus eine atypische Drainage re­ sultiert.

Merke Niemals ohne vorherige Bildgebung kaudal der Mamillarlinie punktieren! Wenn möglich, Draina­ geanlage unter sonographischer Kontrolle.

Abb. 6.6 Drainage des Pneumothorax. a Behandlung des Spannungspneu­ mothorax durch das Einlegen einer Drainage. Nach Anlegen eines Unterdrucks kann sich die Lunge wieder ausdehnen. b Unter Überdruckbeatmung kann sich die Lunge auch nach Anlegen einer zur Atmosphäre offenen Thoraxdrainage ausdehnen. Das Wasserschloss verhindert den Kollaps der Lunge während der Exspiration.

6.4 Besonderheiten bei Patienten mit Thoraxtrauma

Abklemmen der Drainage? Keinesfalls darf die Thoraxdrainage bei persistierender Luftleckage abgeklemmt werden, da dies erneut zur Ausbildung eines (Spannungs-)Pneumothorax führen würde. Steht z. B. während des Transports oder während der Diagnostik keine kontinuierliche Absaugung zur Verfügung, sollte die Drainage als Wasserschloss belassen werden. So kann die Luft während der Inspiration aus dem Pleuraraum entweichen, während der Exspiration wird der Kollaps der Lunge verhindert. Beim beatmeten Patienten kann das System notfalls durch Diskonnektion zur Atmosphäre geöffnet werden, wobei der Drainageschlauch mit einer sterilen Kompresse luftdurchlässig abgedeckt wird. Überdruckbeatmung führt zur Ausdehnung der Lunge während der Inspiration, die Entwicklung eines Spannungspneumothorax ist jedoch ausgeschlossen.

■ Analgesie und Atemtherapie Bei Patienten mit Verletzungen der Thoraxwand sind die Atembewegungen mehr oder weniger schmerzhaft eingeschränkt. Frakturen von einer oder zwei Rippen können meist ambulant behandelt werden, da sie in der Regel nicht zur ventilatorischen InsufÏzienz führen. Bei Rippenserienfrakturen (RSF) ist dagegen eine stationäre Überwachung notwendig. Bei leichten bis mittelschweren Formen der Thoraxwandinstabilität steht die ausreichende Analgesie im Vordergrund der Therapiemaßnahmen. Sie soll eine schmerzbedingte Schonatmung verhindern, einen ausreichenden Hustenstoß (bronchiale Clearance!) gewährleisten und dabei den Atemantrieb des Patienten sowie seine Bewusstseinslage möglichst nicht beeinträchtigen. Bewährt haben sich in diesen Fällen die systemische Zufuhr von Opioiden und nichtsteroidalen Analgetika (besonders auch durch ▶ PCA-Verfahren) sowie Regionalanästhesieverfahren. Hier kommen in erster Linie die kontinuierliche thorakale Periduralanästhesie mit Opioiden und/oder Lokalanästhetika, Interkostalblockaden und auch die intrapleurale Analgesie in Betracht. Gegebenenfalls kann die Spontanatmung durch atemtherapeutische Maßnahmen wie ▶ CPAP-Atmung oder ▶ inzentive Spirometrie unterstützt werden.

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■ Indikation zur Beatmung Ein instabiler Thorax mit paradoxen Atemexkursionen (Abb. 6.3) und Beatmungsindikation liegt nach ein- oder beidseitigen Rippenserienfrakturen vor, vor allem, wenn die Rippen mehrfach frakturiert sind und/oder zusätzlich eine Sternumfraktur vorliegt. Die funktionellen Auswirkungen hängen von der Größe des oder der betroffenen Segmente ab. Die schmerzbedingte Einschränkung der Atemexkursionen sowie die Instabilität bestimmen das Ausmaß der Ventilationsstörung.

■ Beatmungsstrategie Der Atemantrieb ist in der Regel intakt, so dass maschinell unterstützende Spontanatmungsverfahren unter ausreichender Analgosedierung zur Wiederherstellung bzw. Aufrechterhaltung der alveolären Ventilation indiziert sind. Sie ermöglichen dem Patienten die Anpassung des maschinellen Supports an seine aktuellen ventilatorischen Bedürfnisse. In erster Linie kommen hier ▶ BIPAP in seinen unterschiedlichen Variationen und ▶ PSV in Verbindung mit PEEP – 5 bis 10 mbar zur Optimierung der FRC bzw. zum alveolären ▶ Rekruitment – in Frage. PEEP stabilisiert die Thoraxwand und vermindert den in- und exspiratorischen Kollaps der Luftwege insbesondere bei instabilem Thorax mit paradoxen Atembewegungen. Dies kann beim wachen und kooperativen Patienten auch nichtinvasiv mittels Maske oder Beatmungshelm erfolgen. Das früher favorisierte Konzept der „inneren Schienung“ durch kontrollierte Beatmung unter tiefer Analgosedierung wird dagegen heute nicht mehr empfohlen. Merke Beim wachen Patienten primär Therapieversuch mit NIV. Keine „innere Schienung“ durch kon­ trollierte Beatmung.

Dauer der Beatmung

Bei knöchernen thorakalen Verletzungen ist die frühestmögliche Extubation anzustreben, um beatmungsbedingte Komplikationen zu vermeiden. Es ist nicht erforderlich, die Heilung der Rippenfrakturen abzuwarten. Die Fortführung der sufÏzienten Schmerztherapie ist mit entscheidend für den dauerhaften Extubationserfolg. Nach der Ex-

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tubation ist unbedingt auf die Durchführung einer ausreichenden physikalischen Therapie mit Mobilisation und Atemübungen, wie inzentive Spirometrie, zu achten. Gleichzeitig hat sich in vielen Fällen die intermittierende nichtinvasive ▶ CPAP-Atmung oder ▶ nichtinvasive Beatmung via ▶ Gesichtsmaske bewährt, die wirkungsvoll zur Verbesserung der funktionellen Residualkapazität beitragen kann.

■ Vorgehen bei pulmonalen Komplikationen Bei einem Großteil der Patienten mit Rippen(serien-)frakturen nach stumpfem Thoraxtrauma muss mit einer Lungenkontusion gerechnet werden. Je nach Schweregrad zeigen sich im Röntgenbild isolierte Verschattungen im Bereich des Traumas, großflächige Infiltrationen bis hin zur Verschattung ganzer Lungenlappen. Morphologisch finden sich einzelne, regional begrenzte eingeblutete Bezirke bis hin zu ausgedehnten, die Lappengrenzen überschreitende hämorrhagische Areale. Die Auswirkungen kleinerer Kontusionsherde auf den pulmonalen Gasaustausch sind meist gering, da die betreffenden Areale funktionell ausgeschaltet werden (▶ hypoxische pulmonale Vasokonstriktion?). Ausgedehnte Kontusionen mit Einblutungen und Einrissen in das Parenchym entwickeln dagegen nicht selten zusätzlich ein ausgeprägtes interstitielles und intraalveoläres Ödem weit über die direkt kontusionierten Bezirke hinaus. Die begleitenden Lungenkontusionen sind daher meist hauptverantwortlich für die schweren pulmonalen Gasaustauschstörungen, die zur generalisierten respiratorischen InsufÏzienz bis hin zur Entwicklung eines ▶ ARDS führen können. Bei diesen Patienten besteht in der Regel die Indikation zur frühzeitigen Intubation und Beatmung. Die Beatmung selbst erfolgt nach den gleichen lungenprotektiven Prinzipien wie beim ARDS.

Hinweis Überdruckbeatmung birgt bei diesen Patien­ ten immer das Risiko der Entwicklung eines Pneumothorax bzw. eines Spannungspneumo­ thorax, auch wenn im initialen Röntgenbild un­ ter Spontanatmung keine Luft im Pleuraspalt erkennbar war. Bei einer plötzlichen Verschlech­ terung der Kreislaufsituation mit Hypotonie und Tachykardie muss daher immer an einen Pneumothorax bzw. einen Hämatopneumo­ thorax gedacht werden.

6.5

Weiterführende Literatur

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7

Respiratorentwöhnung und Extubation Jörg Rathgeber und Peter Neumann

1 2

Bei der Mehrzahl der beatmungspflichtigen Patienten ist die Entwöhnung vom Respirator unkompliziert. So können die meisten Patienten in der operativen Intensivmedizin, z. B. nach großen chirurgischen Eingriffen, innerhalb der ersten postoperativen Tage problemlos extubiert werden. Vergleichbares gilt auch in der nichtoperativen Intensivmedizin für Erkrankungsbilder, die ursächlich schnell und komplikationslos behandelt werden können. Auf der anderen Seite steigt die Zahl der langzeitbeatmeten Patienten mit schwieriger Entwöhnung vom Respirator seit Jahren kontinuierlich an. Die Gründe hierfür liegen u. a. in der veränderten Altersstruktur unserer Patienten und der damit einhergehenden Multimorbidität. Dementsprechend hat sich die Anzahl der Patienten, die im Verlauf der Intensivbehandlung ein verzögertes „Weaning“ aufwiesen, in den letzten 10 Jahren mehr als verdreifacht. Mittlerweile geht man von einer Häufigkeit des Weaning-Versagens von insgesamt etwa 30 % aller Patienten aus, wobei naturgemäß der Anteil der Patienten mit vorbestehender chronisch ventilatorischer InsufÏzienz mit 50 – 80 % deutlich höher ist. Ein Großteil der Beatmungsstunden einer Intensivstation entfällt somit auf die Weaning-Phase. Neuere pathophysiologische Erkenntnisse haben in den letzten Jahren zu veränderten Behandlungsstrategien geführt, die explizit auch die Entwöhnung vom Respirator von vornherein mit einschließen. Moderne Respiratoren mit Beatmungsformen, die keine tiefe Sedierung mehr erfordern und dem Patienten frühzeitig ungehinderte Spontanatmung ermöglichen, unterstützen das Bemühen zur frühzeitigen Extubation.

Hinweis Die Intubation und Beatmung ist mit zahlreichen Risiken und unerwünschten Nebenwirkungen behaftet. Zusätzlich zu den negativen Auswir­ kungen der Überdruckbeatmung auf das Lun­ genparenchym (▶ Baro­/Volutrauma) und das kardiozirkulatorische System konnte in zahlrei­ chen Untersuchungen nachgewiesen werden, dass die Dauer der Intubation und Beatmung ein wesentlicher Faktor bei der Entstehung der no­ sokomialen Pneumonie ist. Das Pneumonierisi­ ko beim intubierten Patienten nimmt mit jedem Tag um ca. 3 % zu, ein Gipfel ist zwischen dem 4. und 8. Beatmungstag erreicht. Da die Mortalität der beatmungsassoziierten Pneumonie mit 30 – 70 % immer noch erschreckend hoch ist, gilt der Grundsatz, die Intubationsdauer und damit auch die Dauer der Beatmung so weit wie möglich zu verkürzen. Weaning-Kategorien. Im Jahr 2005 wurden im Rahmen der Budapester Konsensuskonferenz hilfreiche Begriffsbestimmungen und Definitionen zum Thema „Weaning“ formuliert. Definitionsgemäß wird demzufolge vom „einfachen Weaning“ dann gesprochen, wenn der Patient beim ersten Versuch problemlos entwöhnt und extubiert werden konnte. Mehrfache erfolglose Extubationsversuche werden als „schwieriges“ bzw. „prolongiertes Weaning“ bezeichnet (Tab. 7.1). Ein erfolgreiches Weaning liegt vor, wenn der Extubation eine kontinuierliche Spontanatmungsphase von mindestens 24 Stunden folgt.

2 2 2 2 7 2 2 2 2 2

246

1 2

7 Respiratorentwöhnung und Extubation

Tabelle 7.1 Weaning­Kategorien gemäß der Budapester Konsensus­Konferenz 2005. Gruppe 1

„einfaches Weaning“

Patienten, die beim 1. Versuch problemlos ent­ wöhnt werden

Gruppe 2

„schwieriges Weaning“

Patienten, die nach einem erfolglosen Spontanatemversuch (SBT) bis zu 3 weitere SBT und bis zu 7 Tage Weaning­Dauer benötigen

Gruppe 3

„prolongier­ tes Weaning“

Patienten, die mehr als 3 SBT oder mehr als 7 Tage zum erfolgreichen Weaning benötigen

2 2

7.1

Die einfache Entwöhnung

Die Entscheidung zum Beginn der Entwöhnung bereitet gerade Berufsanfängern besondere Probleme – vor allem bei lanzeitbeatmeten Patienten („prolonged mechanical ventilation“, Beatmung > 7 Tage). Ursächlich ist die oftmals schwierige Interpretation der zahlreichen klinischen Daten und Hinweise, die ein erfolgreiches Weaning wahrscheinlich machen. Unabdingbar für den Einstieg in den aktiven Entwöhnungsprozess mit dem Ziel der Extubation ist immer die Verbesserung der zugrunde liegenden Krankheit, also z. B. ein deutlich verbessertes Röntgenbild mit Rückgang der Infektparameter bei der Pneumonie. Ist dies der Fall, kann die grundsätzliche Fähigkeit des Patienten zur Spontanatmung anhand folgender definierter Kriterien und Parameter objektiviert werden (Abb. 7.1):

2 Die der Beatmungsindikation zugrunde liegende Situation hat sich verbessert

2 7 2 2 2 2 2

Tägliches Überprüfen der respiratorischen Funktion: •Pat. wach; Oxigenierungsindex (paO2/FiO2) >200; •PEEP ≤8 mbar; RSBI 35/min und >5 min •SaO2-Abfall unter 90% •Tachykardie >140/min •psyst >180 mmHg oder 200, PEEP ≤8 mbar; ▶ RSBI < 100, kräftiger Hustenstoß während des Absaugens, moderate Sekretproduktion, keine oder niedrig dosierte Vasopressoren.

Bei positivem Ergebnis wird ein maximal 30-minütiger Spontanatmungsversuch (T-Piece-Trial) ohne maschinellen Support durchgeführt. Empfohlen wird allerdings die Belassung eines CPAPNiveaus von 5 mbar sowie die Kompensation zusätzlicher tubusbedingter Atemarbeit durch eine geringe ▶ inspiratorische Druckunterstützung oder – besser – ▶ ATC. Treten während des Spontanatmungsversuchs keine Zeichen der ventilatorischen Erschöpfung (Tab. 7.2) auf, wird der Patient extubiert. Andernfalls wird die Beatmung unverzüglich fortgesetzt, ggf. optimiert. Eine Neueinschätzung der Situation sollte frühestens nach 6 Stunden erfolgen (Abb. 7.2).

Beachte Der Abfall der SaO2 wird in Tab. 7.2 nicht expli­ zit aufgeführt, da dieser Parameter für die Er­ kennung einer drohenden respiratorischen In­ sufÏzienz ungeeignet ist: Insbesondere unter Verabreichung hoher inspiratorischer Sauer­ stoffkonzentrationen tritt ein Sättigungsabfall erst dann auf, wenn die respiratorische Erschöp­ fung bereits eingetreten ist. Vor allem die fehlerhafte Einschätzung des Gesamtzustandes des Patienten sowie seiner Spontanatmungskapazität bergen die Gefahr, dass der Entwöhnungsprozess und damit der richtige Zeitpunkt für die Extubation unnötig verzögert wird. Hierdurch wird weiteren Komplikationen im Verlauf der Beatmung Vorschub geleistet, wodurch die Entwöhnung schwieriger und zeitaufwändiger wird.

7.2 Tabelle 7.2 Zeichen der drohenden respiratorischen Erschöpfung. ● ● ● ● ●

Dyspnoe, Tachypnoe, Verschlechterung des RSBI­Index CO2­Retention, PCO2> 50 mmHg oder Zunahme um > 8 mmHg Tachykardie, Hypertonie Schwitzen, Unruhe, Agitation Einsatz der Atemhilfsmuskulatur, Dyskoordination der Atembemühungen (Schaukelatmung)

Kriterien für Extubation nicht erfüllt

tags arbeiten, nachts schlafen!

erneuter SB-Trial? SB-Training?

Die schwierige Entwöhnung

Schwierigkeiten bei der Entwöhnung vom Respirator treten vor allem bei langzeitbeatmeten Patienten auf. Ihr Anteil beträgt 10 – 20 % aller Beatmungsfälle. Untersuchungen zufolge verbrauchen sie bis zu 50 % der Ressourcen einer Intensivstation. Häufig sind es ältere Patienten mit fortgeschrittenen Lungen- oder Herzerkrankungen und zusätzlichen Komorbiditäten. Patienten mit chro-

Ruhephase für mindestens 6 h! •zurück zu MV •VT erhöhen, 5–8 ml/kg KG •RR-Frequenz mind. 12–15/min

Nach frühestens 6 h •VT-Reduktion, max. 4 ml/kg KG •RR-Frequenz max. 10/min •Ziel: RSBI ≤ 105

Trendanalyse positiv?

Abb. 7.2 Vorgehen nach erfolglosem Spontanatmungsversuch. Erläuterungen im Text. V T = Tidalvolumen MV = maschinelle Beatmung RR­Frequenz = Beatmungsfrequenz RSBI = Rapid­Shallow­Breathingindex SB = Spontanatmung

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7 Respiratorentwöhnung und Extubation

nisch obstruktiven Lungenerkrankungen stehen hier an erster Stelle. Aber auch bei zuvor lungengesunden Patienten mit schwerer Pneumonie (ALI) oder primär extrapulmalen Krankheitsbildern wie z. B. der schwerwiegenden Sepsis kann sich nach komplikationsreichem Verlauf ein schwieriges Weaning anschließen.

7.2.1

Ursachen für die schwierige Entwöhnung

Erschöpfung der Atemmuskulatur. Der schwierigen Entwöhnung liegt in der Mehrzahl der Fälle eine Erschöpfung der Atemmuskulatur („fatigue“) zugrunde. Ursächlich ist ein Ungleichgewicht zwischen erhöhter Belastung und verminderter Kapazität der Inspirationsmuskulatur. Klinisches Korrelat der drohenden Erschöpfung der Atemmuskulatur ist u. a. die schnelle flache Atmung („rapid shallow breathing“) mit Zunahme der ▶ Totraumventilation, Hypoventilation und CO2Retention. Die häufigste Diagnose, die infolge erschöpfter Atemmuskulatur aufgrund erhöhter inspiratorischer Atemarbeit („work of breathing“, WOB) zur Langzeitbeatmung mit schwieriger Entwöhnung führt, ist die höhergradige COPD in Kombination mit einem Lungenemphysem. Die erforderliche Gesamtatemarbeit lässt sich unterteilen in einen patientenabhängigen sowie einen zusätzlichen, patientenunabhängigen Anteil, der durch das Beatmungssystem sowie den Beatmungsmodus verursacht wird (vgl. Tab. 7.4). Diese zusätzliche Atemarbeit wird ganz wesentlich durch die Größe des Endotrachealtubus bestimmt, so dass die Indikation zur Tracheotomie frühzeitig gestellt werden sollte. Weitere Faktoren, wie die zusätzliche frühinspiratorische Atemarbeit durch Triggerung des maschinellen Flows, sind dagegen bei modernen Respiratoren von untergeordneter Bedeutung. Merke Die zusätzliche, patientenunabhängige Atemar­ beit wird in erster Linie durch den Tubusdurch­ messer bestimmt. Anämie. Langzeitbeatmete Patienten weisen nicht selten eine Anämie auf, die zur Reduktion der Sauerstofftransportkapazität führt. Kompensatorisch

kommt es zur Zunahme des Ventilationsbedarfs und der Atemarbeit. Die Zunahme der Atemarbeit kann insbesondere bei Patienten mit eingeschränkter ventilatorischer Reserve zum entscheidenden Faktor für die schwierige Entwöhnbarkeit vom Respirator werden. Adipositas per magna. Ausgeprägte Adipositas mit konsekutivem Zerchfellhochstand führt besonders in Rückenlage zur Beeinträchtigung der Atemmechanik, wodurch die Atemarbeit massiv erhöht werden kann. Schwäche der Atemmuskulatur. Häufigste Ursache dürfte heute die ▶ „Critical-Illness-Polyneuropathie“ bzw. „-Myopathie“ sein, die multikausal bei längerem Aufenthalt auf der Intensivstation auftritt. Aber auch andere neuromuskuläre Erkrankungen gehen häufig – bei regelrechter Funktion des Lungenparenchyms – mit einer Schwäche der Atemmuskulatur einher. Unterschieden werden angeborene (spinale Muskelatrophien, Muskeldystrophien) von erworbenen Erkrankungen (amyotrophe Lateralsklerose, Postpoliomyelitissyndrom, Meningoenzephalitis etc.). Für die Prognose entscheidend ist die Frage, ob es sich um eine progrediente oder reversible Erkrankung handelt. Eine hoch dosierte Steroidtherapie über längere Zeit, Sepsis und langdauernde kontrollierte Beatmung führen ebenfalls zur Schwäche der Atemmuskulatur und morphologisch nachweisbaren Schädigungen des Zwerchfells. Häufig bessert sich die Muskelschwäche; jedoch nicht – wie bei der Erschöpfung – mithilfe von Entlastung, sondern im Rahmen eines langwierigen Genesungsprozesses (wie z. B. bei der Critical-IllnessPolyneuropathie). Das Abhusten von Bronchialsekret erfordert einen effektiven Hustenstoß, der auf einer kurzen und intensiven Aktivierung der Bauchwand- und internen Interkostalmuskulatur basiert. Durch Schwäche dieser Muskelgruppen kann der Hustenstoß unzureichend sein. Der damit verbundene Sekretstau ist nicht selten die entscheidende Ursache des Weaning-Versagens. Mangelernährung und Kachexie verursachen eine weitere Schwächung der Muskulatur und erschweren die Entwöhnung vom Respirator. Ein Leitparameter hierfür ist ein erniedrigtes Serumalbumin. Darüber hinaus fördern chronische Inflammation,

7.3 Der Weg zur Extubation – welches Verfahren ist das richtige?

Hormondefizite und Immobilität den katabolen Stoffwechsel. Phosphat-, Kalzium- und Magnesiumdepletion sind mit Muskelschwäche assoziiert. Reduzierte Muskelmasse („fat free mass“) und ein Body-Mass-Index (BMI) < 20 kg/m2 sind Indikatoren für eine schlechte Prognose. Aspirationen. Rezidivierende pulmonale Aspirationen, auch die zumeist unbemerkten Mikroaspirationen, können den dauerhaften Entwöhnungserfolg verzögern und immer wieder zur Re-Intubation zwingen. In diesem Zusammenhang sei auf die hohe Bedeutung der Oberkörperhochlagerung bei intensivmedizinischen Patienten hingewiesen. Sie führt nachweislich zur Abnahme der Inzidenz nosokomialer Pneumonien. Kardiale Dysfunktion. Schwere kardiale Dysfunktionen verursachen komplexe Interaktionen zwischen Hämodynamik und Ventilation und können dadurch das Weaning verzögern. Nicht selten ist eine bis dahin nicht erkannte latente LinksherzinsufÏzienz führende Ursache für eine erfolglose Entwöhnung vom Respirator. In einer multizentrischen Untersuchung an über 1400 Patienten, die ein erschwertes Weaning aufwiesen, hatten 54 % der Patienten eine signifikante kardiale Begleiterkrankung. Neurokognitive Störungen. Komplexe Angststörungen sind häufig anzutreffende Phänomene bei beatmeten Patienten. Geminderte Vigilanz und/ oder Agitation sind eigenständige Risikofaktoren für die schwierige Entwöhnung. Exogene Faktoren wie grelles Licht und Lärm (s. u.), aufgehobener Tag-Nacht-Rhythmus und die maschinelle Beatmung fragmentieren den Schlaf von Intensivpatienten, destabilisieren das Vegetativum und können zu neurokognitiven Funktionsstörungen führen. Durch eine zu schnelle Reduktion der Analgosedierung treten in der Weaning-Phase häufig Entzugsphänomene auf, die sich durch Agitiertheit, Unruhe, mangelhafte Kooperation, vegetative Symptome mit Schwitzen, Tachykardie und Hypertonie äußern. Neben der niedrig dosierten, kontinuierlichen Applikation von ▶ Propofol oder die Gabe von ▶ Benzodiazepinen in absteigender Dosierung hat sich die Behandlung mit ▶ Clonidin bewährt, z. B. in der Dosierung von 0,04 mg/h.

7.3

Der Weg zur Extubation – welches Verfahren ist das richtige?

Ebenso wie die Respiratorentwöhnung von Patienten mit chronischer ventilatorischer InsufÏzienz ist die Entwöhnung von Patienten nach schwerer akuter respiratorischer InsufÏzienz häufig schwierig. Trotz zahlreicher Studien über den Wert unterschiedlicher Entwöhnungsstrategien gibt es nur wenige wissenschaftlich belegte Vorteile für die eine oder die andere Methode. Wichtiger als die Wahl des Beatmungsmodus erscheint ein systematisches Vorgehen mit einem täglichen Screening der ventilatorischen Kapazität (Abb. 7.1) des Patienten. Obwohl sich die Anwendung von Protokollen in vielen Kliniken bewährt hat, muss sich das Vorgehen im Einzelfall doch an der spezifischen Situation des Patienten orientieren. Generell sollte während der Nacht kein Weaning durchgeführt werden. Stattdessen ist auf ausreichenden Schlaf bzw. Erholung zu achten. Im Einzelfall kann dabei eine medikamentöse Therapie zur Schlafinduktion und Stressabschirmung erforderlich sein. Bewährte Alternativen zu Propofol sind – insbesondere bei älteren Patienten – Antidepressiva mit einer sedierenden Komponente sowie niedrig potente ▶ Neuroleptika, die wegen ihrer antihistaminergen Wirkung besonders bei chronisch obstruktiven Patienten gerne verordnet werden. Hinweis Vor allem bei Patienten mit chronisch ventilato­ rischer InsufÏzienz sollte konsequent darauf ge­ achtet werden, dass die Atemmuskulatur inter­ mittierend die Möglichkeit zur Erholung erhält. Nachts kann bei diesen Patienten die vollständi­ ge Übernahme der Atemarbeit durch den Res­ pirator durchaus sinnvoll sein, nach der Devise: „Nachts schlafen, tags arbeiten.“

Merke Kein Weaning während der Nacht.

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7 Respiratorentwöhnung und Extubation

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Prädiktoren, Spontanatmungsversuch, Protokolle

Das Weaning bei langzeitbeatmeten Patienten ist durch die Schwierigkeit gekennzeichnet, den richtigen Zeitpunkt für die Extubation zu finden. Die Tatsache, dass nach ungeplanter „Selbstextubationen“ nur etwa 50 % dieser Patienten re-intubiert werden mussten, verdeutlicht das Problem: Ein Großteil unserer Patienten ist unnötig lange intubiert. Es zeigt aber auch, dass der adäquate Zeitpunkt für die Extubation häufig nicht erkannt wird. Seit Langem wird daher nach Parametern gesucht, die eine möglichst genaue Vorhersage dieses Zeitpunktes (sog. „Weaning-Prädiktoren“) erlauben. Als klassische Prädiktoren gelten z. B. Atemfrequenz, Atemzugvolumen, Mundverschlussdruck während Spontanatmung (P0.1) oder maximale inspiratorische Muskelkraft (Pimax). Auch errechnete Größen wie der ▶ Rapid-Shallow-Breathing-Index werden als Entscheidungshilfen bei der Frage des richtigen Extubationszeitpunkts herangezogen (Tab. 7.3). Inspiratorische Kraft. Atemmechanikmonitore und auch manche Beatmungsgeräte ermöglichen die Berechnung zusätzlicher atemmechanischer Parameter, die eine Hilfestellung bei der Beurteilung Tabelle 7.3 Klassische Prädiktoren für die erfolg­ reiche Entwöhnung. Atemzugvolumen (V T)

> 4–6 ml/kg

Vitalkapazität (VC)

> 10–15 ml/kg

Atemfrequenz (f)

< 30–38/min

Atemminutenvolumen (VE)

< 10 l/min

max. VE

> 2× VE in Ruhe

RSBI (f/V T)

< 100

max. Inspirationskraft (Pimax)

> –25 bis–30 cm H2O

Atemwegsokklusionsdruck (P0.1)

< 7 cm H20

paO2 (FiO2 < 0,4)

> 60 mmHg

paCO2­Anstieg

< 8 mmHg

pH­Wert

> 7,30

der Entwöhnungs- bzw. Extubationsfähigkeit des Patienten geben sollen. So soll die Messung der maximalen inspiratorischen Kraft Pimax, also der vom Patienten bei Verschluss des Inspirationsventils maximal erreichte Sog, Hinweise auf die Spontanatmungsreserven des Patienten erlauben. Als unzureichend werden Werte von weniger als –25 bis –30 mbar angesehen. Der klinische Nutzen dieses Messmanövers als Entwöhnungskriterium erscheint jedoch zweifelhaft. Okklusionsmanöver. Ebenso wenig hat sich die Messung des Okklusionsdrucks als Entwöhnungsund Extubationskriterium durchsetzen können. Hierbei inspiriert der spontan atmende Patient nach Ablauf der Exspirationsphase während 100 ms nach vollständigem Verschluss aller Ventile gegen das geschlossene Atemsystem. Das Messintervall beginnt, nachdem der Patient durch seine Inspirationsbemühung einen Unterdruck von 0,5 mbar erreicht hat. Die Differenz der Druckwerte zwischen den Messpunkten wird als Okklusionsdruck oder P0.1-Wert bezeichnet. Seine Höhe soll ein Maß für den neuromuskulären Atemantrieb sein. Die Normalwerte liegen zwischen –3 und –4 mbar. Ein hoher Wert ist Ausdruck eines hohen Atemantriebs, der nur begrenzte Zeit aufrechterhalten werden kann. P0.1-Werte über –6 mbar, z. B. bei einem COPD-Patienten, weisen auf die drohende Erschöpfung der Atempumpe („respiratory muscle fatigue“) hin. Die Respiratorentwöhnung/Extubation zu diesem Zeitpunkt wäre demnach wenig erfolgversprechend. Bei der Interpretation des P0.1-Wertes ist allerdings zu berücksichtigen, dass ein hoher Atemantrieb auch durch die Atmung des Patienten durch einen zu dünnen Trachealtubus, durch Schmerzen, durch psychische Agitiertheit usw. verursacht werden kann. Insofern ist weniger der Einzelwert, sondern eher der Trend des P0.1 von klinischer Bedeutung. Forcierte Vitalkapazität. Bei der Bestimmung der forcierten Vitalkapazität (FVC) wird der exspiratorische Flow nach einer maximalen Inspiration gemessen, woraus das Volumen errechnet wird. Bei Werten < 10 – 15 ml/kg KG soll die Entwöhnung des Patienten vom Respirator wenig aussichtsreich sein. Auch die Bedeutung dieses Parameters als Extubationskriterium ist in der klinischen Praxis gering.

7.3 Der Weg zur Extubation – welches Verfahren ist das richtige?

Hinweis Das früher übliche schrittweise Erhöhen der Trig­ gerschwelle des Respirators ist kein geeigne­ tes Instrument zur Entwöhnung vom Respirator, sondern trägt zur ventilatorischen Erschöpfung des Patienten bei: Erhöhung der Atemarbeit durch unökonomische Atemexkursionen. Spontanatmungs-Trial. Am besten erlaubt ein täglicher Spontanatmungsversuch (SBT, Spontaneous Breathing Trial) anhand eines Protokolls (Abb. 7.1) die Beurteilung der aktuellen ventilatorischen Fähigkeit des Patienten, wobei die in Tab. 7.3 genannten Parameter zum Teil mit berücksichtigt werden. Er führt zu mehr Sicherheit bei der Entscheidung für oder gegen die Extubation. Da sich die Aussagefähigkeit des Spontanatmungsversuchs über 120 min und 30 min bezüglich der Entwöhnbarkeit nicht unterscheidet, sollte die kürzere Zeitdauer gewählt werden.

atmungszeit und Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation verkürzen. Unabhängig von diesen Ergebnissen können und dürfen starre Protokolle den erfahrenen Intensivmediziner im komplizierten Entwöhnungsprozess nicht ersetzen. Dieser Sachverhalt wurde durch das Ergebnis einer viel beachteten Studie an der JohnsHopkins-Universität in Baltimore verdeutlicht (Krishnan et al. 2004): Bei sehr guter ärztlicher und pflegerischer Personalausstattung und hohem intensivmedizinischem Wissensstand ließ sich durch ein Weaning-Protokoll keine Verbesserung der Entwöhnungsrate erzielen. Merke Weaning­Protokolle können die Extubationsent­ scheidung erleichtern und damit zur Reduktion der Intubationsdauer beitragen.

Weaning-Protokoll. Durch den Einsatz von verbindlichen Weaning-Protokollen kann der Entwöhnungserfolg unter Umständen verbessert werden. Dies gilt insbesondere für Intensivstationen, die nicht über eine kontinuierliche Präsenz intensivmedizinisch erfahrener Ärzte verfügen. So konnte gezeigt werden, dass die protokollgestützte, von Pflegekräften selbständig durchgeführte Erfassung einfach messbarer Parameter während täglicher Spontanatmungs-Trials hilfreich bei der Entscheidung zur Extubation war. Komplikationen, Re-Intubationsrate, Hospitalisationstage und Behandlungskosten konnten gesenkt werden. Auch durch die morgendliche Unterbrechung der Sedierung mithilfe von Protokollen ließen sich Be-

1 2 2 2 2

7.3.2 Hinweis Ziel der Maßnahme ist es, die Erfolgswahrschein­ lichkeit der angestrebten Extubation auf eine „objektive Grundlage“ zu stellen. Bleiben Atem­ zugvolumina, Atemfrequenz, O2­Sättigung, Kreislaufparameter sowie die psychische Situa­ tion des Patienten während einer 30­minütigen Diskonnektionsphase stabil, kann der Patient mit einer 85 %igen Wahrscheinlichkeit erfolgreich ex­ tubiert werden. In jedem Fall sollte der Spontan­ atmungsversuch mit der aktuellen PEEP­Einstel­ lung durchgeführt werden.

251

Beatmungsformen

■ Weaning mit S-IMV Bei der Entwöhnung mit ▶ S-IMV wird die maschinelle Beatmungsfrequenz schrittweise reduziert, um dem Patienten die Übernahme eines zunehmend höheren Anteils an der Gesamtventilation zu ermöglichen. Entgegen früheren Erwartungen ließ sich die Entwöhnungsphase hierdurch jedoch nicht verkürzen; sie war im Vergleich zur diskontinuierlichen Entwöhnung mittels T-Stück sogar deutlich länger. S-IMV sollte daher zur Entwöhnung nicht mehr angewendet werden. Ob die Kombination von S-IMV und ▶ PSV Vorteile bringt, wurde bisher nicht untersucht, so dass dieses Verfahren zur Entwöhnung ebenfalls nicht empfohlen werden kann. Merke Keine Anwendung von S­IMV zur Entwöhnung von der Beatmung.

2 7 2 2 2 2

■ Weaning mit PSV Die Beatmung mit PSV führt zur messbaren Abnahme von Atemarbeit und O2-Verbrauch, wobei das Ausmaß dieser Verbesserungen mit der Höhe der

2

252

7 Respiratorentwöhnung und Extubation

Tabelle 7.4

1 2 2 2 2 2 7 2 2 2 2 2

Determinanten der Atemarbeit.

Patientenabhängige Faktoren

Zusätzliche Atemarbeit durch patientenunabhängige Faktoren

Compliance

Tubusgröße

Resistance

Triggerarbeit, Höhe des Gasflows

intrinsic PEEP

zusätzlicher Totraum

O2­Bedarf (abhängig vom Sedierungsgrad)

mangelhafte Synchroni­ sation

eingestellten Druckunterstützung korreliert. Die Reduktion der Atemarbeit ist u. a. auch Folge der Kompensation atemmechanischer Veränderungen (Abnahme der Compliance und/oder Zunahme der Resistance) sowie der zusätzlichen, tubusbedingten Atemarbeit (Tab. 7.4). Es ließ sich jedoch auch zeigen, dass nicht nur während des frühinspiratorischen Triggervorgangs, sondern auch während der sich anschließenden maschinell unterstützten Inspiration vom Patienten wesentliche Atemarbeit geleistet werden muss. Atemmechanisch nicht zu vernachlässigen ist die mangelhafte Synchronisation zwischen Patient und Respirator. So kann es bei druckunterstützter Spontanatmung zur Phasenverschiebung zwischen Patient und Maschine kommen, wodurch die Akzeptanz des Supports abnimmt und die ohnehin erhöhte Atemarbeit noch weiter ansteigt (Abb. 7.3). Eine zusätzliche Rolle spielen hierbei intrinsic PEEP-Phänomene. Auch eine inadäquate Respiratoreinstellung, z. B. durch zu geringe Triggerempfindlichkeit oder zu niedrigen inspiratorischen Flow, kann zur deutlichen Steigerung der Atemarbeit führen. Hinweis Gelegentlich kann es anfangs notwendig wer­ den, den übersteigerten Atemantrieb durch klei­ ne Dosen von ▶ Piritramid oder dergleichen zu dämpfen, um Desynchronisationsphänomene zu vermeiden (Abb. 7.3). Die Applikation von ▶ Benzodiazepinen, ▶ Propofol oder anderen Se­ dativa ist jedoch möglichst zu vermeiden (s. o.), da diese eine zusätzliche Schwächung der Mus­ kulatur verursachen können.

Merke PSV reduziert Atemarbeit und O2­Verbrauch. Mangelhafte Synchronisation zwischen Pati­ ent und Respirator führt jedoch zu zusätzlicher Atemarbeit. Leitparameter bei der Einstellung der Höhe der Druckunterstützung ist das Tidalvolumen: Es sollte im Mittel ~ 5 ml/kg KG nicht unterschreiten. Andernfalls nimmt der Anteil der Totraumventilation an der Gesamtventilation überproportional zu, so dass die Patienten bei insufÏzienter Atemmechanik dann die typischen Anzeichen der drohenden respiratorischen Erschöpfung aufweisen: kompensatorische Tachypnoe mit dem Ziel, eine ausreichende alveoläre Ventilation aufrechtzuerhalten, Unruhe, Luftnot. Die Patienten werden kaltschweißig und entwickeln als Folge eines erhöhten Sympathikotonus eine hypertone Kreislaufsituation mit Tachykardie und Zentralisation. Bei der klinischen Untersuchung ist die erhöhte Atemarbeit an der starken inspiratorischen Aktivität der Atemhilfsmuskulatur (z. B. des M. sternocleidomastoideus) erkennbar. Die Verschlechterung der Blutgase ist dagegen ein Spätzeichen. Merke Leitparameter bei der Einstellung der inspirato­ rischen Druckunterstützung sind das Tidalvolu­ men und die Atemfrequenz. Während des Entwöhnungsprozesses muss die Höhe der inspiratorischen Druckunterstützung regelmäßig angepasst werden, um zu viel (der Patient triggert nur das Gerät und wird dann weitgehend maschinell beatmet) aber auch zu wenig (s. o.) Druckunterstützung zu vermeiden. Eine Extubation ist im Regelfall erfolgreich, wenn neben definierten Extubationskriterien (Abb. 7.1) die inspiratorische Druckunterstützung auf Werte zwischen 5 und 8 mbar reduziert werden konnte. Da die Entwöhnung mit PSV schneller verläuft als mit anderen Modes, ist PSV zurzeit der favorisierte Entwöhnungsmodus. Hinweis PSV ist zurzeit der favorisierte Modus zur Ent­ wöhnung von der Beatmung.

7.3 Der Weg zur Extubation – welches Verfahren ist das richtige?

Druck

1 2

Ösophagus-Druck

Druck Ösophagus-Druck

253

2

Flow

Flow

2

Volumen

Volumen

2

a

Zeit

2 b

Zeit

Abb. 7.3 Dämpfung des übersteigerten Atemantriebs durch Opioide. Patient K. S., 53 J., dekompensierte COPD. a Durch die ausgeprägte Dyspnoe mit hohen Spontanatmungsfrequenzen (37/min) bildet sich bei druckunter­ stützter Spontanatmung (PSV = 15 mbar, PEEP = 7 mbar) ein hoher intrinsic PEEP mit dynamischer Hyper­ inflation der Lunge aus. Die inspiratorische Kraft des Patienten ist durch die Erschöpfung der Atemmuskula­ tur nicht ausreichend, um dem intrinsischen Restflow aus der Lunge entgegenzuwirken und den Respirator zu triggern (Pfeile): Patient und Respirator geraten außer Phase, die maschinelle Flowlieferung erfolgt entwe­ der mit deutlicher Zeitverzögerung oder gar nicht. b Gleicher Patient, wenige Minuten nach Applikation von 5 mg Piritramid: geringere Dyspnoe, was zur Abnah­ me von Atemfrequenz und dynamischer Hyperinflation führt, so dass die Phasenverschiebung abnimmt: Jeder Trigger wird mit maschinellem Support beantwortet. Gleichzeitig steigen Tidal­ und Atemminuten­ volumina aufgrund des nunmehr efÏzienteren maschinellen Supports (nach Originalregistrierungen mittels tubusnah installiertem Pneumotachographen. Zusätzlich zu Atemwegsdruck, Flow und Volumen ist der Ösophagusdruck angegeben).

■ Weaning mit BIPAP Die Entwöhnung mit ▶ BIPAP ist vergleichsweise einfach, da dem Patienten ungehinderte Spontanatmung unabhängig von der Geräteeinstellung zu jedem Zeitpunkt ermöglicht wird. Die permanente Möglichkeit zur Spontanatmung erlaubt zugleich den fließenden Übergang von (druck-)kontrollierter Beatmung bis hin zur vollständigen Spontan-

atmung. Der Wechsel auf eine andere Beatmungsform ist unnötig. Erhöhter Ventilationsbedarf des Patienten durch Zunahme von Vigilanz, Stress oder Schmerz kann jederzeit durch additive Spontanatmung auf beiden Druckniveaus gedeckt werden. Durch Reduktion des oberen Druckniveaus werden die Beatmungsdruckamplitude und damit der maschinelle Anteil an der Gesamtventilation vermindert. Nach Angleichung der beiden Druckniveaus

7 2 2 2 2 2

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7 Respiratorentwöhnung und Extubation

auf etwa 5 mbar (z. B. oberes Niveau 13 mbar, unteres Niveau 8 mbar) kann mit der schrittweisen Verlängerung der Zeitphasen begonnen werden. Dabei sollte das initiale Zeitverhältnis von zumeist 1:1 oder mehr (BIPAP-IRV) zugunsten des unteren Niveaus verlängert werden. Eine geringe Druckdifferenz von 5 – 7 mbar zwischen den beiden Niveaus kann bis zur Extubation beibehalten werden, um die tubusbedingte zusätzliche Atemarbeit zu vermindern. Kontrollierte Untersuchungen, in denen BIPAP und PSV zur Entwöhnung verglichen werden, liegen bislang jedoch nicht vor, so dass der Stellenwert von BIPAP bei der Entwöhnung derzeit unklar ist. Hinweis Entwöhnung mit BIPAP: von kontrollierter Beat­ mung zur Spontanatmung ohne Wechsel des Be­ atmungsmodus.

■ Weaning mit BIPAP und PSV Durch Beaufschlagung der Spontanatmung mit einer geringen inspiratorischen Druckuntersützung kann u. a. die tubusbedingte zusätzliche Atemarbeit im BIPAP-Modus reduziert werden. Ob hierdurch allerdings die Entwöhnungsdauer signifikant verkürzt werden kann, ist unklar. Die Einstellung höherer PSV-Werte als 5 mbar scheint eher von Nachteil zu sein, da hierdurch die atemmechanisch wichtigen Spontanatmungsaktivitäten des Patienten behindert werden. Vorteilhaft erscheint dagegen die Kombination von BIPAP und ▶ automatischer Tubuskompensation (ATC) zur Reduktion bzw. Elimination tubusbedingter Atemarbeit.

■ Weaning mit PAV und NAVA Unklar ist bisher der Stellenwert von ▶ Proportional Assist Ventilation (PAV) bei der Entwöhnung. Theoretische Vorteile ergeben sich durch die bessere Anpassung des maschinellen Supports an die Spontanatmungsaktivität des Patienten. Durch die spezifische Berücksichtigung von Compliance und Resistance der Lunge kann möglicherweise die Atemmuskulatur effektiver entlastet werden als durch herkömmliche inspiratorische Druckunterstützung. Wissenschaftlich belegte und klinisch

reproduzierbare Ergebnisse liegen jedoch derzeit noch nicht vor, zudem ist der Modus bisher nur in wenigen Respiratoren verfügbar. Ebenso wie PAV ermöglicht auch ▶ NAVA eine bessere Anpassung des inspiratorischen Supports an den ventilatorischen Bedarf des Patienten. Ob dieser Mode zukünftig einen Stellenwert bei der Entwöhnung pulmonologischer Problempatienten haben wird, hängt ebenfalls ganz entscheidend davon ab, ob sich das Verfahren in der klinischen Routine etablieren wird. Hinweis Der Stellenwert von PAV und NAVA bei der schwierigen Entwöhnung ist noch unklar.

■ Diskontinuierliches Weaning Besondere Probleme ergeben sich häufig bei der Entwöhnung von Patienten mit chronischer Erschöpfung der Atemmuskulatur, wie z. B. Patienten mit COPD und ventilatorischer Dekompensation. Das entscheidende therapeutische Prinzip besteht daher zunächst in der Entlastung der ermüdeten Atemmuskulatur durch kontrollierte Beatmung. Sie führt durch maximale Reduktion der Atemarbeit zur Reduktion des O2 -Verbrauchs der Atemmuskulatur, wodurch sich die muskulären Energiespeicher erholen können. In vielen Zentren werden – insbesondere bei tracheotomierten langzeitbeatmeten Patienten mit schwieriger Entwöhnung – unter kontrollierter Beatmung mehrmals täglich Spontanatmungsphasen unter Trainingsgesichtspunkten durchgeführt. Diese Phasen werden bei diskonnektiertem Respirator von anfangs wenigen Minuten mehrmals täglich über Tage Schritt für Schritt verlängert. Bedarfsweise kann in diesen Phasen über einen intratrachealen Katheter Sauerstoff appliziert werden. Während der intermittierenden maschinellen Beatmungsphasen sowie während der nächtlichen kontrollierten Beatmung wird Normoventilation oder sogar leichte Hyperventilation bis zu paCO2-Werten von 35 mmHg angestrebt, um die maximale Erholung der Atemmuskulatur und das Wiederauffüllen der Energiespeicher zu ermöglichen. Die enge Folge von Entlastung und Belastung verhindert nicht nur eine Inaktivitätsatrophie, sondern führt im Idealfall zur Regeneration der Atem-

7.4 Weaning­Versagen

muskulatur. Eine respiratorische Dekompensation muss dabei unbedingt vermieden werden, da die erschöpfte Atemmuskulatur mindestens eine Erholungszeit von 48 Stunden benötigt. Das Vorgehen wird bettseitig dezidiert in einer Wochenübersicht protokolliert, so dass der zeitliche Verlauf sowie Fort-, aber auch Rückschritte bei der Entwöhnung leicht nachvollziehbar sind. Merke Diskontinuierliches Weaning durch langsame Steigerung der Spontanatmungsphasen unter Vermeidung respiratorischer Erschöpfung.

■ Nichtinvasive Beatmung Bezüglich des Stellenwertes der ▶ nichtinvasive Beatmung (NIV) ist zwischen ventilatorischem und hypoxämischem Atmungsversagen zu unterscheiden. Besonders bei chronisch hyperkapnischen Patienten mit COPD oder neuromuskulären Erkrankungen lässt sich der Weaning-Erfolg durch frühzeitige Extubation und unmittelbar anschließende NIV signifikant verbessern. Demgegenüber kann der frühzeitige Einsatz von NIV im Weaning von Patienten mit hypoxämischem Lungenversagen nicht generell empfohlen werden. Gegen einen unkritischen Einsatz der NIV beim hypoxämischen Lungenversagen in der Postextubationsphase sprechen aktuelle Ergebnisse randomisierter und kontrollierter Studien, in denen sich entweder kein Unterschied zwischen der NIV und der Standardtherapie zeigte oder das NIV-Kollektiv sogar eine erhöhte Re-Intubations- und Letalitätsrate aufwies. Beachte Vor allem bei Patienten mit COPD und Hyper­ sekretion, die nach Extubation eine hyperkapni­ sche AtmungsinsufÏzienz entwickeln, reduziert der frühzeitige Einsatz von NIV die Re­Intuba­ tions­ und Letalitätsrate. Zwingt eine erneute ventilatorische InsufÏzienz jedoch zur Re­Intu­ bation, ist sie mit einer hohen Komplikations­ und Letalitätsrate verbunden. NIV­Non­Respon­ der müssen daher rechtzeitig identifiziert und intubiert werden.

Merke Grundvoraussetzung für den Einsatz von NIV sind ausreichende Erfahrungen des Teams.

7.3.3

Automatisierte Weaning-Modes

Ein neuer Ansatz im Bestreben nach möglichst frühzeitiger und dauerhaft erfolgreicher Extubation ist die Integration von sog. wissensbasierten Systemen in den Respirator. Das weltweit erste CEzertifizierte und kommerziell erhältliche System dieser Art ist ▶ SmartCare/PS der Firma Dräger. Die optionale Software analysiert kontinuierlich Atemfrequenz, Atemzugvolumen und endtidales CO2 und variiert nach vorgegebenen Algorithmen die Druckunterstützung so, dass immer eine „Komfortzone“ mit ausreichend hohen Tidalvolumina von 250 – 300 ml erreicht wird. Der Vorteil dieser Weaning-Modes ist die zeitgerechte Anpassung der Respiratoreinstellung auf Veränderungen der Ventilation, wodurch ein erhöhter Patientenkomfort und eine verkürzte Entwöhnungsdauer erreicht werden sollen. Im Rahmen einer Multicenterstudie konnte gezeigt werden, dass die Computer-basierte Entwöhnung im Vergleich zur konventionellen Entwöhnung Vorteile aufwies. Ob sich dieser Weaning-Mode im klinischen Alltag durchsetzen wird, lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht beurteilen.

7.4

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1 2 2 2 2 2 7 2

Weaning-Versagen

Treten während der Entwöhnung Anzeichen der respiratorischen Erschöpfung auf (Tab. 7.2), muss der maschinelle Anteil an der Gesamtventilation sofort erhöht werden. So wird z. B. die inspiratorische Druckunterstützung unter Beobachtung des Patienten und der ventilatorischen Parameter so lange erhöht, bis ausreichende Tidalvolumina zwischen den maschinellen Beatmungszügen geatmet werden, die Aktivität der Atemhilfsmuskulatur sichtbar nachlässt und die Atemfrequenzen unter 30/min abfallen. Nach Stabilisierung der Gesamtsituation sollte nach den Ursachen für den gescheiterten Entwöhnungsversuch gefahndet werden (z. B. infektiöse Komplikation, Elektrolytverschiebung, Anämie, unzureichende Ernährung).

2 2 2 2

256

7 Respiratorentwöhnung und Extubation

1

Erst nach einer Erholungsphase von 1 – 2 Tagen, während der die Therapie optimiert wird, sollte ein erneuter Entwöhnungsversuch unternommen werden.

2

Merke Übergang zur maschinellen Beatmung vor mus­ kulärer Dekompensation.

2

Die Respiratorentwöhnung von Patienten mit chronischer respiratorischer InsufÏzienz ist ausgesprochen zeit- und personalintensiv. Sie erfordert nicht nur angepasste Entwöhnungsstrategien; von ebenso großer Bedeutung sind die ausreichende Ernährung des Patienten sowie die Frühmobilisation mit intensiver krankengymnastischer Behandlung. Der bei Patienten mit chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen in früheren Jahren weit verbreitete therapeutische Nihilismus mit Verweigerung der Respiratorbehandlung bei ventilatorischer Dekompensation ist jedoch aus heutiger Sicht überholt. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass ein Großteil dieser Patienten mit vertretbarem Aufwand nach überbrückender Beatmung erfolgreich und längerfristig entwöhnt werden kann. Dabei spielt mittlerweile die ▶ nichtinvasive Beatmung eine herausragende Rolle. Ist darüber hinaus dauerhaft ein intermittierender maschineller Support erforderlich, bietet die nichtinvasive Heimbeatmung zusätzliche therapeutische Möglichkeiten.

2 2 2 7 2 2

Beachte Kein therapeutischer Nihilismus bei chroni­ scher ventilatorischer InsufÏzienz, sondern früh­ zeitiger Einsatz von NIV und Betreuung durch ein pulmonologisches Zentrum mit Heimbeat­ mungsprogramm.

2 7.4.1

2 2

Tracheotomie

Bei schwieriger/prolongierter Entwöhnung ist jede zusätzliche Belastung der Atemmuskulatur zu vermeiden. So sollten z. B. möglichst großlumige Endotrachealtuben verwendet werden. Durch frühzeitige Tracheotomie können Tubuswiderstände und anatomischer Totraum reduziert werden. Dadurch sinken der Ventilationsbedarf und die damit verbundene Atemarbeit. Neben Vorteilen für die

Pflege wird zugleich der Komfort für den Patienten verbessert. Zudem wird die selbständige enterale Nahrungsaufnahme erleichtert. Als ausgesprochen positiv wird auch die Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit durch intermittierenden Einsatz von Sprechkanülen empfunden. Bei frühzeitig durchgeführter Tracheotomie (innerhalb der ersten 24 – 48 Stunden der Beatmung) scheint auch das Risiko für beatmungsbedingte Pneumonien zu sinken. Merke Großzügige Indikation zur passageren Tracheotomie. Punktionstracheotomie. In der Intensivmedizin haben sich die unterschiedlichen Verfahren der Punktionstracheotomie bewährt. In der Hand des Erfahrenen sind diese wenig invasiven Techniken eine komplikationsarme Alternative zur konventionellen chirurgischen Tracheotomie. Vorteile gegenüber der operativen Technik bestehen in der geringeren Traumatisierung der Trachea und des umgebenden Gewebes sowie in der deutlich niedrigeren Rate von Stomainfektionen. Bei sorgfältiger Durchführung der Methode – immer unter endoskopischer Kontrolle! – sind Spätfolgen wie Trachealstenosen selten. Nach Entfernung der Trachealkanüle kommt es innerhalb weniger Stunden zum spontanen Verschluss des Stomas, so dass ggf. eine weitere unterstützende Atemtherapie durch intermittierende Maskenbeatmung durchgeführt werden kann.

7.4.2

Ernährung bei prolongierter Entwöhnung

Nicht vernachlässigt werden darf das Ernährungsregime des beatmeten Patienten, das vor allem beim chronisch ateminsufÏzienten Patienten ganz wesentlich zur erfolgreichen Entwöhnung beitragen kann. Dieses ist umso wichtiger, da gerade Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen häufig Zeichen der Mangelernährung mit entsprechenden Defiziten des Immunsystems aufweisen. Hierbei handelt es sich nicht nur um Übergewichtigkeit, sondern generell um unterschiedliche Formen der Fehl- bis hin zur Unterernährung. Fehlernährung verstärkt die InsufÏzienz der Atemmuskulatur,

7.4 Weaning­Versagen

erhöht die Infektanfälligkeit und führt zu erhöhter Morbidität und Mortalität. Aus der Beatmungspflichtigkeit dieser Patienten resultieren somit Probleme, die nicht nur den pulmonalen Gasaustausch und die Herz-Kreislauf-Funktion betreffen. Essenziell für den dauerhaften Erfolg der Entwöhnungsstrategie sind die Planung und Durchführung eines Ernährungskonzeptes, das die Besonderheiten während der einzelnen Phasen der Beatmung und der Respiratorentwöhnung ausreichend berücksichtigt. Merke Die InsufÏzienz der Atemmuskulatur wird durch Fehlernährung verstärkt. Der Energiebedarf des Intensivpatienten kann durch Bestimmung des oxidativen Stoffwechsels mithilfe der indirekten Kalorimetrie größenordnungsmäßig quantifiziert werden. In der klinischen Routine sind diese Verfahren derzeit jedoch nur begrenzt verfügbar, so dass die notwendige Energiezufuhr sowie ihre Zusammensetzung in der Regel anhand von Standardformeln abgeschätzt werden muss. Sie beträgt zwischen 25 und 40 kcal/kg KG, wobei sich der Energiebedarf bei kontrolliert beatmeten Patienten an deren Grunderkrankung orientiert. Einen erhöhten Energiebedarf haben Patienten mit gesteigertem Metabolismus, wie z. B. Verbrennungspatienten oder Patienten mit Sepsis. Bei COPD-Patienten dagegen, die lediglich infolge einer isolierten Erschöpfung der Atemmuskulatur beatmungspflichtig sind, führt die maschinelle Unterstützung zur Abnahme der pathologisch gesteigerten Atemarbeit, so dass der Gesamt-Energieumsatz auf den unteren Normbereich abfällt. In der Weaning-Phase nehmen die Atemarbeit und damit der Energiebedarf zwar wieder zu; höhere Energieangebote können jedoch durch ihr thermodynamisches Äquivalent zur Erhöhung der CO2Produktion und darüber zur erneuten Zunahme der Atemarbeit führen.

Hinweis Insbesondere Kohlenhydrate tragen durch ih­ ren hohen respiratorischen Quotienten (RQ)* von 1 zur erhöhten CO2­Produktion bei: Zur Ver­ stoffwechselung von 1 g Glukose werden ca. 800 ml Sauerstoff verbraucht, wobei ebensoviel CO2 anfällt. Allerdings sollte dieser Aspekt nicht überbewertet werden. Im Vordergrund steht vielmehr auch beim Intensivpatienten eine aus­ gewogene Ernährung.

■ Zusammensetzung der Ernährung Kohlenhydrate und Fette. Während der kontrollierten Beatmung können Kohlenhydrate in normaler Dosierung (bis 5 g/kg KG) verabfolgt werden, solange die CO2-Elimination durch Anpassung der Beatmung problemlos möglich ist. Übermäßige Kohlenhydratzufuhr fördert dagegen möglicherweise über den hohen Vitamin-B-Bedarf das „Muscle fatigue-Syndrom“ und erschwert damit die Entwöhnung. Der Kohlenhydratanteil sollte in dieser Phase 60 % der Gesamtenergiezufuhr bzw. 2,5 g/kg KG nicht überschreiten. Fette sind besonders in der Weaning-Phase optimale Energiedonatoren, da sie einen niedrigen RQ aufweisen. Der Lipidanteil an der Gesamtenergiezufuhr sollte ca. 30 % betragen. Perakut werden bis maximal 0,8 g/ kg KG zugeführt, in der Weaning-Phase kann der Fettanteil auf bis zu 2 g/kg KG oder 50 % der Gesamtenergiezufuhr angehoben werden. Hinweis Aus der Energiezufuhr bzw. Oxidation der Nah­ rungsbestandteile und der Atmung ergeben sich wichtige Zusammenhänge: Bei einer Energiezu­ fuhr von 2400 kcal fallen ca. 450 l CO2 an, wenn die Energiezufuhr ausgeglichen ist. Dies bedeu­ tet ein Atemminutenvolumen von ca. 8 l/min bei einem mittleren CO2­Anteil in der Ausatemluft von 4 %. Bei einer hyperalimentären Ernährung mit 4800 kcal verdoppeln sich diese Werte, d. h., der Patient müsste sein mittleres Atemminuten­ volumen auf ca. 16 l/min steigern, um weiterhin normokapnische pCO2­Drücke im Blut zu halten.

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* Respiratorischer Quotient: Verhältnis von CO2­Elimination zur O2­Aufnahme. Der Ruhenormwert liegt bei 0,8.

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7 Respiratorentwöhnung und Extubation

Proteine. Der Proteinpool mit den Aminosäuren in den Geweben und der Muskulatur stellt neben dem Fettpool die bedeutendste Energiereserve des Körpers dar. Aminosäuren haben als Bausteine der Proteine und Peptide eine wichtige biologische Bedeutung. Bei kritisch kranken Patienten wird daher die hochnormale Zufuhr von Aminosäuren und Proteinen empfohlen, um die besonders im Postaggressionsstoffwechsel ausgeprägte Proteinkatabolie zu reduzieren. Der Proteinanteil sollte ca. 20 % betragen. Hinweis Aminosäuren sind einerseits Bestandteil der Strukturproteine (Myosin, Aktin, Kollagen), Hor­ mone (Insulin, Glukagon, HGH usw.), Mediato­ ren (Interleukin, TNF usw.), Akutphasenproteine, Proteine mit katalysatorischer Wirkung (Enzy­ me, Funktionsproteine) sowie der Transportpro­ teine (Hämoglobin, Albumin, Transferrin). An­ dererseits fungieren bestimmte Aminosäuren (GABA, Tryptophan, Phenylalanin usw.) zudem als Neurotransmitter und entfalten eigene phar­ makodynamische Wirkungen (Insulinstimulation durch Arginin).

Merke Ernährung bei respiratorischer InsufÏzienz: 50 % Kohlenhydrate, 30 % Fette, 20 % Proteine.

Elektrolyte und Mineralien. Die ausgeglichene Zufuhr von Elektrolyten und Mineralien hat einen positiven Einfluss auf die Atemmechanik. Genaue Bedarfszahlen sind allerdings nicht bekannt, so dass die normale Zufuhr von Elektrolyten, Mineralien und Spurenelementen angestrebt wird. Bei Patienten mit respiratorischer InsufÏzienz muss besonders beachtet werden, dass ein Mangel an Phosphat, Kalzium oder Magnesium zu einer klinisch relevanten Abnahme der muskulären Kraft führen kann. Vitamine sollten eher großzügig substituiert werden, da der Bedarf mit zunehmendem Energieumsatz ansteigt. Auch bei erhöhtem Stress besteht ein überproportionaler Bedarf, der durch die übliche Zufuhr möglicherweise nicht ausreichend kompensiert wird.

Merke Ausreichende Zufuhr von Mineralien, Spurenele­ menten und Vitaminen.

■ Enterale oder parenterale Ernährung? Generell sollte, wenn immer möglich, die enterale Ernährung gegenüber der parenteralen Ernährung bevorzugt werden. Die parenterale Ernährung ist nur dann indiziert, wenn der Darm die enterale Nahrungszufuhr nicht toleriert bzw. die Nährstoffe nicht verwerten kann. Diese Situation besteht z. B. beim Ileus, bei der Darmischämie oder nach Darmoperationen. Merke Parenterale Ernährung nur bei zwingender Indikation. Gerade bei Patienten mit respiratorischer InsufÏzienz muss besonderer Wert auf die Darmfunktion gelegt werden. Auf regelmäßigen Stuhlgang ist zu achten, ggf. muss die Darmtätigkeit medikamentös stimuliert werden. Störungen des gastrointestinalen Transports können indirekt zu respiratorischen Störungen (Römheld-Syndrom, basale Atelektasen bei Zwerchfellhochstand usw.) führen bzw. diese unterhalten. Intubierte und beatmete Patienten mit eingeschränkten Schutzreflexen sind bei gastrointestinalen Motilitätsstörungen zusätzlich durch gehäufte „stille“ Aspirationen gefährdet. Darüber hinaus soll die eingeschränkte Darmmotilität die bakterielle Translokation aus dem Darmlumen in die Blutbahn fördern und dadurch nosokomiale Infektionen begünstigen. Dementsprechend häufig werden bei Intensivpatienten Pneumonien und Septikämien mit Darmkeimen beobachtet. Möglicherweise spielt die frühzeitige enterale Ernährung, ggf. via Magensonde oder Duodenalsonde, eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der Schleimhautbarriere und Verhinderung der Translokation. Merke Frühzeitige enterale Ernährung zur Aufrecht­ erhaltung der Integrität der gastrointestinalen Mukosa.

7.5 Besonderheiten der Pflege des intubierten Patienten

Zusammenfassung Die Ergebnisse zahlreicher Studien zeigen, dass ein systematisiertes Vorgehen für die frühzeitige und erfolgreiche Extubation offenbar wichtiger ist als die Frage, welcher Beatmungsmodus zur Entwöhnung verwendet wurde. Allerdings besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Weaning-Phase aus lungenphysiologischen Gründen möglichst frühzeitig durch Übergang von kontrollierter Beatmung zur maschinell unterstützten Spontanatmung eingeleitet werden sollte. Besonders bei chronisch hyperkapnischen Patienten hat sich die frühzeitige Extubation und Fortsetzung der Entwöhnung mittels nichtinvasiver Beatmung bewährt. Entscheidend für den Weaning-Erfolg sind auch allgemeine intensivmedizinische Maßnahmen wie ein dem Bedarf angepasstes Ernährungskonzept, die ausreichende Zufuhr von Vitaminen und Spurenelementen, die Vermeidung der Anämie sowie eine intensivierte Physiotherapie.

7.5

Besonderheiten der Pflege des intubierten Patienten

Die Betreuung von beatmeten Patienten und die Entwöhnung vom Respirator stellen hohe Ansprüche an das Pflegepersonal. Während noch vor einigen Jahren der beatmungspflichtige Patient großzügig sediert und relaxiert wurde, ist er heute unter der Beatmung im Idealfall wach und ansprechbar.

■ Kommunikationsprobleme Niedrigere Sedierungsgrade verbessern jedoch nicht nur den pulmonalen Gasaustausch und vermeiden sekundäre Komplikationen, sondern erlauben auch die Kommunikation mit dem Patienten. Sie ist Voraussetzung für die aktive Mitarbeit des Patienten, z. B. im Rahmen der Mobilisation. Allerdings ist die Kommunikationsfähigkeit des intubierten Patienten erheblich eingeschränkt. Zu der Unmöglichkeit, Wünsche und Beschwerden unmittelbar mitzuteilen sowie sich verbal abzureagieren, kommt häufig die Erkenntnis, dass auch die Körpersprache stark eingeschränkt ist: Der Patient realisiert, dass zahlreiche Schläuche seine Bewegungsfreiheit limitieren, möglicherweise ist

er zusätzlich an Armen und Beinen fixiert. Selbst stärkste Missempfindungen wie Angstgefühle, Panik, Schmerzen oder Durst können unter diesen Umständen nicht mitgeteilt werden bzw. werden nicht verstanden. Dazu kommt häufig die Angst, die Sprache verloren zu haben, weil der Zusammenhang mit der Intubation bzw. Tracheotomie entweder nicht ausreichend erklärt, nicht verstanden oder wieder vergessen worden ist. Aufgrund der veränderten Beatmungs- und Analgosedierungsstrategien sind daher Ärzte, Schwestern und Pfleger – mehr als in früheren Jahren – gefordert, dem Patienten immer wieder die Notwendigkeit und Ziele der intensivmedizinischen Maßnahmen zu erklären. Hinweis Jeder kennt Situationen wie die folgende: Ein Pa­ tient versucht verzweifelt, durch Lippenbewe­ gungen und Gebärden auf einen ihn belasten­ den Sachverhalt hinzuweisen. Die Versuche des Patienten, seine verbalen Kommunikationsdefizi­ te durch Bewegungen der Arme auszugleichen, werden von der Pflegekraft mehr oder weniger sanft unterbunden, da die versehentliche oder auch bewusste Extubation oder das Ziehen von Kathetern befürchtet wird. Der Patient fühlt sich missverstanden und wird zunehmend unruhig, ungehalten und womöglich aggressiv. Herz­ frequenz und Blutdruck steigen, der Patient „kämpft“ gegen den Respirator. Trotz aller Be­ mühungen der Pflegekraft wird das Problem des Patienten nicht erkannt. Schließlich wendet sich die Pflegekraft hilflos und ebenfalls entnervt ab und lässt den Patienten mit seinem Problem alleine. Es bleibt nur die pharmakologische Lö­ sung mit Sedierung des Patienten.

Merke Niedrigere Sedierungsgrade erfordern höhere menschliche Zuwendung.

■ Kommunikationshilfen Es ist leicht nachzuvollziehen, dass Kommunikationsprobleme dieser oder ähnlicher Art zu schweren seelischen Nöten und psychischer Dekompensation des Patienten führen können, zumal das

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7 Respiratorentwöhnung und Extubation

seelische Gleichgewicht schwerstkranker Patienten ohnehin meist erheblich gestört ist. Man denke z. B. nur an die Sorgen eines Patienten um seine am Unfall beteiligten Angehörigen. Das Gefühl der Hilflosigkeit und Ohnmacht wird verstärkt durch die vom Patienten registrierte teilweise oder totale Abhängigkeit vom Respirator, durch Luftnot, Erstickungsangst bei Absaugvorgängen und Flüssigkeitsinstillationen. Dazu kommt die eingeschränkte Mobilität durch die Fixierung über Beatmungsschläuche, Katheter und dergleichen mehr. Insbesondere bei Langliegern tritt erschwerend hinzu, dass die notwendige Ansprache des Patienten im Verlauf immer geringer wird, da die Rückmeldung des sprachlosen und kommunikationsgestörten Patienten fehlt. Die Gewöhnung kann darüber hinaus zur emotionalen Ermüdung und Abstumpfung gegenüber dem individuellen Leiden des Patienten führen. Auch persönliche Abneigungen können hierbei eine Rolle spielen. Hinweis Zur Verbesserung der Kommunikation mit Pati­ enten, die wegen der Beatmung nicht sprechen können, stehen zahlreiche Kommunikationshil­ fen zur Verfügungen. Bei Patienten, die schrei­ ben können, reichen oft Papier, Filzstift und eine Unterlage aus. Schwieriger wird es bei Patienten, die hierzu physisch oder bildungsmäßig nicht in der Lage sind. Hier können Kommunikations­ tafeln nach Börsig, die in verschieden Sprachen erhältlich sind, oder ähnliche Systeme hilfreich sein. Bewährt haben sich auch computergestütz­ te Kommunikationshilfen.

2 ■ Personalmangel

2 2 2

Leider werden Faktoren, die über das rein Pflegerische hinausgehen, häufig nicht ausreichend berücksichtigt. Ursächlich hierfür sind unter anderem personelle Unterbesetzung der Intensivstationen sowie Mangel an qualifiziertem Fachpersonal. Die Tatsache, dass die Betreuung wacher Patienten sehr häufig erheblich pflegeintensiver und zudem psychisch belastender ist als die Pflege tief analgosedierter Patienten, wird zudem derzeit bei der Besetzung der Stellenpläne außer Acht gelassen. Im Gegenteil, die Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen werden in Zukunft zur weiteren Perso-

nalreduktion im Intensivpflegebereich führen mit der Folge, dass immer mehr fachfremde Arbeiten auf das verbliebene ärztliche und pflegerische Personal übertragen werden. Dies führt zwangsläufig dazu, dass auf vielen Intensivstationen die Beschäftigung mit dem Patienten auf das medizinisch absolut notwendige Maß beschränkt bleiben muss. Für Tätigkeiten, die über das Abarbeiten von ärztlichen Verordnungen hinausgehen, bleibt dem Pflegepersonal häufig keine Zeit. Zudem steht oftmals auch das eingehende und mitfühlende Gespräch mit dem Patienten in der Wertungshierarchie an letzter Stelle, zumal sich der zeitliche und emotionale Aufwand hierfür dokumentarisch nicht festhalten lässt.

■ Pflegehilfen Auch die Ausstattung selbst moderner Intensivstationen trägt den veränderten Therapiekonzepten nur unzureichend Rechnung. Nach wie vor ist die räumliche Enge sowie die karge, „funktionelle“ Einrichtung das herausragende Merkmal der meisten Intensivstationen. Die so überaus wichtige regelmäßige und frühzeitige Mobilisation des beatmeten Patienten in den Sessel ist meist nur mit erheblichem persönlichem und körperlichem Einsatz des Pflegepersonals möglich. Nur die wenigsten Einrichtungen verfügen über moderne technische Voraussetzungen zur Erleichterung der Mobilisation in ausreichender Anzahl, wie z. B. hydraulisch verstellbare Patientensessel oder Deckenliftersysteme. Immer wieder unterschätzt wird die große Bedeutung der aufrechten Position für das psychische Gleichgewicht des Patienten. Sie trägt ganz wesentlich zur (Neu-)Orientierung in der ungewohnten Umgebung einer Intensivstation bei. Es hat sich gezeigt, dass allein die Erweiterung des Gesichtsfeldes durch die sitzende Position die Entwicklung eines psychischen Durchgangssyndroms verhindern bzw. dessen Dauer und Ausprägung verkürzen kann. Wenn immer möglich, sollte der Patient – auch der beatmete Patient – die Möglichkeit erhalten, nach draußen ins Grüne zu blicken. Optimal geeignet sind hierfür offene Terrassen mit Anschlüssen an die zentrale Gasversorgung. Ein weiterer positiver Effekt der konsequenten Oberkörperhochlagerung liegt in der Reduktion der Rate beatmungsbedingter Pneumonien!

7.6 Weiterführende Literatur

Merke Die sitzende Position erweitert das Gesichtsfeld des Patienten, erleichtert ihm die Orientierung und trägt zur Reduktion der nosokomialen Pneu­ monie bei.

■ Individuelle Stimulierung des Patienten Leider wird sich an den baulichen Gegebenheiten sowie an der unzureichenden technischen und personellen Ausstattung in der Regel kurzfristig nichts ändern lassen. Häufig sind es jedoch auch kleine Schritte, die zur Verbesserung der Situation beitragen können. Dazu gehören z. B. ansprechende, warme Farben an Wänden und Türen, flexible Besuchszeiten für Angehörige, strikte Einhaltung des Tag-Nacht-Rhythmus, indirekte Beleuchtung usw. Ganz wichtig ist auch die Reduktion des allgemeinen Lärmpegels, z. B. durch entsprechende Einstellung der Alarme von Monitoren und Respiratoren, Telefonklingeln usw. Auf den Herzfrequenz-Piepton kann und sollte völlig verzichtet werden. Ebenso wird dauerhafte und laute Radiomusik von vielen Patienten als Folter empfunden. Sinnvoll kann dagegen die zeitlich begrenzte, individuelle Stimulierung des Patienten mit seiner Lieblingsmusik sein. Patienten, denen Fernsehen möglich ist, sollte dies auch erlaubt werden, allerdings nur über Kopfhörer, um die Störung anderer Patienten zu vermeiden. Merke Reduktion des Lärmpegels! Trotz aller Technik benötigt der schwerstkranke Patient Zeit, Ruhe und menschliche Zuwendung. Auch in der Hektik, die die intensivmedizinische Versorgung zwangsläufig begleitet, ist die menschliche Fürsorge als fester Bestandteil der medizinischen Versorgung unverzichtbar. Sie vermittelt dem Patienten das notwendige Gefühl der Geborgenheit, Zuversicht und Sicherheit. Auf der anderen Seite, und das wird häufig vergessen, dürfen auch die Emotionen und Gefühle des betreuenden Personals beim Umgang mit medizinischen und menschlichen Extremsituationen im intensivmedizinischen Alltag nicht außer Acht gelassen werden. Diese Komponente wird von Außenste-

henden oft unterschätzt und kritisiert und führt dementsprechend zu Überforderungssyndromen und Arbeitsunzufriedenheit. Für die Zukunft besteht hier ein erheblicher Handlungsbedarf – nicht zuletzt zum Wohle des Patienten und seiner Angehörigen.

7.6

Weiterführende Literatur

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7 Respiratorentwöhnung und Extubation Esteban A, Frutos F, Tobin MJ et al. The Spanish Lung Failure Collaborative Group: A comparison of four methods of weaning patients from mechanical ventilation. N Engl J Med 1995; 332: 345–350 Euteneuer S, Windisch W, Suchi S et al. Health-related quality of life in patients with chronic respiratory failure after long-term mechanical ventilation. Respir Med 2006; 100: 477–486 Ferrer M, Esquinas A, Arancibia F et al. Noninvasive ventilation during persistent weaning failure: a randomized controlled trial. Am J Respir Crit Care Med 2003; 168: 70–76 Ferrer M, Valencia M, Nicolas JM et al. Early noninvasive ventilation averts extubation failure in patients at risk: a randomized trial. Am J Respir Crit Care Med 2006; 173: 164–170 Fessler HF, Brower RG, Permett S. CPAP reduces inspiratory work more than dyspnea during hyperinflation with intrinsic PEEP.Chest 1995; 108: 432–440 Girard TD, Kress JP, Fuchs BD et al. EfÏcacy and safety of a paired sedation and ventilator weaning protocol for mechanically ventilated patients in intensive care (Awakening and Breathing Controlled trial): a randomised controlled trial. Lancet 2008; 371: 126–134 Keenan SP, Powers C, McCormack DG, Block G. Noninvasive positive-pressure ventilation for postextubation respiratory distress: a randomized controlled trial. J Am Med Ass 2002; 287: 3238–3244 Kollef MH, Shapiro SD, Silver P et al. A randomized, controlled trial of protocol directed versus physician-directed weaning from mechanical ventilation. Crit Care Med 1997; 25: 567–574 Kress JP, Pohlman AS, O’Connor MF et al. Daily interruption of sedative infusion in critically ill patients undergoing mechanical ventilation. N Engl J Med 2000; 342: 1471– 1477 Krishnan JA, Moore D, Robeson C et al. A prospective, controlled trial of a protocol-based strategy to discontinue mechanical ventilation. Am J Respir Crit Care Med 2004; 169: 673–678 Lellouche F, Mancebo J, Jolliet P et al. A multicenter randomized trial of computer-driven protocolized weaning from mechanical ventilation. Am J Respir Crit Care Med 2006; 174: 894–900 MacIntyre NR. Evidence-based ventilator weaning and discontinuation. Respir Care 2004; 49: 830–836

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8

Ventilator-assoziierte Pneumonie

1

Jörg Rathgeber

Die beatmungsassoziierte Pneumonie (VAP, Ventilator Associated Pneumonia) gilt als häufigste nosokomiale Infektion bei beatmeten Patienten auf der Intensivstation. Sie betrifft bis zu 30 % aller intubierten Patienten und weist eine Letalität zwischen 30 und 50 % auf. Der wichtigste Risikofaktor ist die endotracheale Intubation: Bei intubierten Patienten ist das Risiko bis zu 21-mal höher als bei anderen Patienten. Typischerweise manifestiert sich die VAP > 48 Stunden nach Intubation. Das kumulative Risiko, an einer nosokomialen Pneumonie zu erkranken, steigt proportional zur Intubations- und Beatmungsdauer. Langzeitbeatmete Patienten (länger als 10 Tage) entwickeln sogar zu mehr als 75 % eine Pneumonie.

8.1

Pathophysiologie

Nach heutiger Vorstellung gilt die Mikroaspiration (stille Aspiration) von Bakterien aus dem Oropharynx an der Trachealtubusmanschette (Cuff) vorbei als hauptsächlicher Mechanismus der VAP (Abb. 8.1), wobei der Kolonisation des Oropharynx mit pathogenen Keimen aus dem Magen des Patienten eine zentrale Bedeutung zukommt. Daneben soll auch die hämatogene Streuung aus infizierten Organen oder Körperhöhlen eine wesentliche Rolle bei der Entstehung nosokomialer Pneumonien spielen. Beide Ursachen sind durch allgemeine hygienische Maßnahmen nicht oder nur geringfügig zu beeinflussen. Ähnliches gilt für die Keimverschleppung z. B. von pathogenen Haut- und Darmkeimen durch die Hände des Patienten. Die Kontamination von Mund, Nase und Tubus ist insbesondere bei bewusstseinsgetrübten, beatmeten Patienten kaum wirkungsvoll zu unterbinden (Abb. 8.2).

Hinweis Das Cuffmaterial sowie auch die spezifische Geo­ metrie der Trachea mit den hufeisenförmigen Knorpelspangen und der Abflachung zum Öso­ phagus erschweren einen flüssigkeitsdichten Verschluss. Selbst hohe Cuffdrücke bzw. ­volumi­ na können daher die „Straßenbildung“ entlang des Cuffs nicht verhindern, führen jedoch zu Druckulzerationen in der Trachea. Auch beim Gesunden kommt es im Schlaf regelmäßig zu Mikroaspirationen, ohne dass sich eine Pneumonie entwickelt. Beim intubierten und beatmeten Patienten, der in der Regel auch noch sediert ist, sind jedoch die körpereigenen Schutzmechanismen, wie der Schluck-, Nies- und Hustenreflex sowie die ▶ mukoziliäre Clearance, gestört bzw. ineffektiv. Läsionen der Tracheal- und Bronchialschleimhaut durch den Tubus, durch Absaugvorgänge sowie durch inadäquate ▶ Atemgasklimatisierung begünstigen die Entwicklung einer Tracheobronchitis, die sich im Verlauf zur Bronchiolitis, Bronchopneumonie und schließlich zur Pneumonie ausweiten kann. Eine weitere Infektionsquelle ist die Inhalation infektiösen Materials. Während Luftkeime von untergeordneter Bedeutung sind, stellt der Eintrag von kontaminiertem Wasser aus Verneblern, aktiven ▶ Befeuchtungssystemen und dem Schlauchsystem ein relevantes Risiko dar. Dazu gehört auch das Ablösen keimbesiedelter Beläge (Biofilm) aus dem Tubusinneren durch Absaugvorgänge oder im Rahmen der Bronchoskopie. Ohne Zweifel spielen auch vorbestehende strukturelle Lungenerkrankungen, ▶ Ventilator-assoziierte Lungenschädigungen (▶ Volutrauma, ▶ Atelektrauma) und die Selektion multiresistenter Erreger durch die Antibiotikatherapie eine wichtige Rolle. Als mögliche zusätzliche Faktoren werden auch die Freisetzung proinflammatorischer

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8 Ventilator­assoziierte Pneumonie

Abb. 8.1 Mikroaspiration von Keimen. a Keimbesiedeltes Sekret aus dem Oropharynx überwindet den Cuff. Auch ein stark geblockter Cuff kann die hufeisenförmige Trachea nicht sufÏzient abdichten. b Der Querschnitt durch die Tubus­ spitze mit Cuff zeigt, dass durch Faltenbildung des Cuffmaterials Kanäle entstehen, durch die eine fortlaufende Mikroaspiration erfolgt.

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Trachea

b

Cuff Tubuslumen

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Kanäle

3 pH-Wert und Magenmotilität beeinflussende Medikamente

Biofilm in Tuben, Sonden etc.

vorangegangene Antibiose

Immunsupression, Verbrennungskrankheit etc.

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inadäquate Infektionskontrolle (Händewaschen, Handschuhe etc.)

bakterielle Kolonisation der oberen Luftwege + GI-Trakt

kontaminiertes Wasser Beatmungsequipment Manipulationen

Aspiration kontaminierten Sekrets

Inhalation von Bakterien

ungeeignete Räumlichkeiten, Arbeitsplatzmängel unzureichendes und schlecht ausgebildetes Personal

primäre Bakteriämie gastrointestinale Translokation

VAS

gestörte Keimabwehrmechanismen der Luftwege

Tod

3

Abb. 8.2 Pathomechanismus der Ventilator-assoziierten Pneumonie (mod. nach Kollef 2004).

3

Zytokine im Rahmen der Beatmung sowie die Bildung toxischer Sauerstoffradikale durch hohe inspiratorische Sauerstoffkonzentrationen diskutiert.

3

Merke Intubierte Patienten sind besonders pneumonie­ gefährdet.

Erregerspektrum. Dem führenden Pathomechanismus entsprechend stehen aerobe gramnegative Stäbchen und grampositive Kokken wie Pseudomonas aeruginosa, Enterobacter, E. coli, Proteus, Serratia, Klebsiella pneumoniae im Vordergrund.

8.3 Therapeutische und präventive Maßnahmen

8.2

Diagnostik

Zur Diagnostik der nosokomialen Pneumonie wird nach den aktuellen CDC-Vorgaben (Centers for Disease Control) eine Kombination aus radiologischen und klinischen Befunden gefordert. Danach erfolgt die Diagnose bei einem neuen oder progressiven und persistierenden Infiltrat im Röntgenbild des Thorax plus mindestens einem der folgenden 3 Kriterien: ● Leukozytose (> 12.000/mm3) oder Leukopenie (< 4.000/ mm3), ● Fieber > 38 °C ohne andere Ursache, ● Verdacht auf septische Enzephalopathie. Zusätzlich müssen mindestens 2 der folgenden Kriterien vorliegen: ● neues Auftreten von eitrigem Trachealsekret oder Veränderung des Sekrets (Farbe, Konsistenz, Geruch) oder Zunahme der Sekretion, ● neuer oder zunehmender Husten oder Dyspnoe oder Tachypnoe, ● Rasselgeräusche oder bronchiales Atemgeräusch, ● Verschlechterung des pulmonalen Gasaustauschs. Hinweis Bei Patienten ohne pulmonale oder kardiale Vor­ erkrankung reicht auch ein Röntgen­Thoraxbe­ fund mit einem der aufgeführten Zeichen aus. Die Diagnose wird gesichert durch den mikrobiologischen Erregernachweis im Tracheal- bzw. Bronchialsekret, im Blut und ggf. in der Pleuraflüssigkeit. Für die beatmungsassoziierte Pneumonie wurde bisher die invasive Diagnostik mit bronchoskopischer Materialentnahme (geschützte Bürste, bronchoalveoläre Lavage) als Standard erachtet und gefordert. Diese Formen der Probenentnahme bieten jedoch im Vergleich zum quantitativ untersuchten Trachealsekret keinen Vorteil im Hinblick auf das Therapieergebnis (Letalität, Beatmungsdauer und Verweildauer auf der Intensivstation). Es sollten mindestens 2 Blutkulturen (jeweils aerob und anaerob) von unterschiedlichen Punktionsstellen abgenommen werden. Allerdings verlaufen nur 5 – 10 % der Fälle bakteriämisch und können mit der Blutkultur aufgedeckt werden. Trotz der niedrigen Sensitivität ist die Blutkultur dennoch obligat, da die hohe Spezifität eine gezielte antimikrobielle Therapie ermöglicht.

Merke Der Versuch des Keimnachweises im Blut ist obligat.

Hinweis Die initiale Abnahme der Proben sollte vor Einlei­ tung der antibiotischen Therapie erfolgen. Falls bereits eine Antibiotikatherapie durchgeführt wird, sollte diese vor Durchführung der Diagnos­ tik nicht unterbrochen werden.

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Therapeutische und präventive Maßnahmen

8.3.1

Antibiotische Therapie

Wichtig für den Therapieerfolg ist die frühzeitige, hochdosierte und intravenöse Gabe eines Breitspektrumantibiotikums („hit hard“). Eine Erregersicherung soll immer versucht und die Therapie unverzüglich – vor Erhalt des mikrobiologischen Ergebnisses – kalkuliert begonnen werden. Dabei muss darauf geachtet werden, dass mit dem Antibiotikum bzw. der Antibiotikakombination ausreichend hohe Wirkspiegel im Lungengewebe erreicht werden. Im weiteren Verlauf sollte, wenn möglich, eine Deeskalationsstrategie anhand des Keimnachweises durchgeführt werden, um unnötigen Resistenzentwicklungen entgegenzuwirken. Die hospitalinterne und überregionale Resistenzsituation sollte bei der Antibiotikaauswahl berücksichtigt werden. Bei ausbleibendem Therapieerfolg sind als Ursachen die möglicherweise fehlende Effektivität der antibiotischen Therapie, Komplikationen der Pneumonie oder alternative Diagnosen zu bedenken.

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Hygienemaßnahmen

Die Keimausbreitung im Rahmen ärztlicher, pflegerischer oder anderer diagnostisch/therapeutischer Tätigkeiten kann durch Hygienemaßnahmen positiv beeinflusst werden. Die Übertragung von Keimen erfolgt hierbei in erster Linie durch keimbesiedelte Hände des Personals, kontaminierte Kleidung sowie aerogene Keimübertragung, z. B. von asym-

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8 Ventilator­assoziierte Pneumonie

ptomatischen Staphylococcus-aureus-Trägern mit besiedelten Nasen- und Rachenschleimhäuten. Zur Vermeidung von (Kreuz-)Kontamination sind das Tragen funktioneller Schutzkleidung sowie die regelmäßige Händedesinfektion vor und nach Tätigkeiten am Patienten unerlässlich, speziell vor und nach dem endotrachealen Absaugvorgang. Beatmungsbeutel, Beatmungsschläuche, Instrumente, Bedienknöpfe von Geräten, Stauschläuche, Telefonhörer, Patientenkurve etc., die im Rahmen der Patientenversorgung von unterschiedlichen Personen mehrmals täglich angefasst, berührt oder betätigt werden, sind häufig kontaminiert und gelten als temporäre oder langfristige Beherbergungsstätten für Keime. Sie besitzen eine wesentliche Übermittler- bzw. Verteilerfunktion („Relais“-Funktion) bei der Ausbreitung und Vermehrung der Bakterien. Von vergleichsweise geringer infektionsepidemiologischer Relevanz sind dagegen Matratzen, Waschbeckenabflüsse, kontaminierte Fußböden etc. Merke Effektive Begrenzung des Infektionsrisikos durch allgemeine hygienische Maßnahmen.

3 8.3.3

8

3

Elimination von Keimreservoiren

Aus infektionsepidemiologischer Sicht sehr viel geringer ist das Risiko der pulmonalen Infektion durch aerogene Übertragung von Keimen aus kontaminierten Beatmungsgeräten, Schlauch- und ▶ Befeuchtungssystemen. Im Vordergrund steht bei langzeitbeatmeten Patienten die Gefährdung durch bakteriell verunreinigte Wasserreservoire

und kontaminiertes Kondenswasser im Schlauchsystem (Abb. 8.3). Das Gefährdungspotenzial wurde durch zahlreiche mikrobiologische Untersuchungen bestätigt. Danach waren bereits nach 24 – 48 Stunden der größte Teil der Beatmungssysteme von langzeitbeatmeten Patienten, die mit ▶ aktiven Befeuchtungssystemen beatmet wurden, zweifelsfrei mit Trachealkeimen kontaminiert. Merke Kondensat in Schlauchsystem und Wasserfallen ist möglicherweise bakteriell kontaminiert. Entlang von Oberflächen ist die Ausbreitung von Mikroorganismen auch entgegen der Gasströmungsrichtung möglich. Hustenstöße oder schnelle Gasströmungen an Verengungen oder in Turbulenzzonen können zudem genügend Energie aufbringen, um Keime aus ihrem Verbund zu lösen und in Strömungsrichtung zu katapultieren. Ebenso ist auch Keimwachstum durch Filtermedien möglich. Begünstigt wird die Ausbreitung durch Feuchtigkeit und Wärme. Die Umgebungsbedingungen sind für das Überleben und die Ausbreitung von Keimen von besonderer Bedeutung. Feuchtkeime, z. B. Pseudomonas aeruginosa, können nur in feuchtem Milieu überdauern. Dabei bietet sogar Aqua dest. ausreichende Lebensbedingungen; in trockener Umgebung sterben sie hingegen schnell ab. Andere Keime wie Staphylococcus aureus, Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae oder Viren überdauern sowohl in trockenem als auch feuchtem Milieu. Selbst unter ungünstigen Bedingungen behalten sie ihre Vermehrungsfähigkeit.

Abb. 8.3 Aktive Befeuchter als Keimreservoir. Bakteriell verunrei­ nigte Wasserreservoire und konta­ miniertes Kondenswasser in den Schläuchen stellen eine Gefährdung für den Patienten dar.

3

3

3 aktive Anfeuchtung

Ventilator

8.3 Therapeutische und präventive Maßnahmen

Obgleich hinsichtlich der therapeutischen Konsequenzen zwischen „Kolonisation“ und „Infektion“ unterschieden werden muss, ist in beiden Fällen der infektionsepidemiologische Hintergrund gleich und muss als potenziell gefährlich eingestuft werden. Eine klinisch manifeste Infektion tritt jedoch erst dann ein, wenn die physiologische Auseinandersetzung des Organismus mit den Krankheitserregern im Ungleichgewicht oder gestört ist. Beachte Aerosole, wie sie auch bei aktiven Befeuch­ tern entstehen können, gelten als ideale Trans­ portcarrier für Keime, wobei diese bis weit in die Lungenperipherie transportiert werden. Bei ▶ Kaskaden­ oder Dochtverdampfern ist der Ae­ rosolanteil im Vergleich zu ▶ Düsen­ oder Ultra­ schallverneblern geringer. Dennoch konnten im Labormodell bei Kaskadenverdampfern mit Gasflüssen zwischen 10 und 80 l/min immerhin 500 – 1000 Wassertröpfchen pro Liter Luft de­ tektiert werden. Über 70 % dieser Aerosolparti­ kel wiesen Durchmesser zwischen 1 und 5 µm auf und waren bei Kontamination des Wasser­ reservoirs mit Pseudomonas aeruginosa zu ei­ nem großen Teil mit Keimen beladen. Aufgrund der Aerosoldurchmesser muss davon ausgegan­ gen werden, dass unter klinischen Bedingungen ein Großteil dieser keimbeladenen Partikel die Luftwege und Alveolen des Patienten erreicht. Dochtverdampfer produzieren demgegenüber weniger Aerosol, so dass der theoretisch mög­ liche aerogene Keimeintrag in die Lungen des Patienten geringer, jedoch nicht vernachlässig­ bar ist.

Merke Die Ausbreitung von Mikroorganismen wird durch Feuchtigkeit begünstigt. Um die Entstehung und Ausbreitung nosokomialer pulmonaler Infektionen durch aktive Befeuchter zu verhindern, wird daher der zweitägige Wechsel mit Desinfektion und Sterilisation von Befeuchter und Schlauchsystem empfohlen. Allerdings werden von manchen Autoren auch längere Zeitintervalle als unbedenklich angesehen.

Merke Hygienische Aufbereitung von aktiven Befeuch­ tern und Beatmungssystemen alle 48 Stunden. Bei Verwendung von HME ist die Inspirationsluft im günstigsten Fall zwar nahezu wasserdampfgesättigt, enthält jedoch kein aggregiertes Wasser in Tröpfchenform, womit ein wichtiger Carriermechanismus für Keime entfällt. Die Exspirationsluft ist sogar praktisch wasserfrei. Zudem stellen HME – auch ohne zusätzliche Filter – eine Barriere für Keime aus dem Trachealsystem in das Schlauchsystem und umgekehrt dar. Sie können die Kontamination des Beatmungssystems jedoch nicht sicher verhindern, zumal auch sekundäre Verunreinigungen des Schlauchsystems möglich sind, z. B. durch Diskonnektion des Systems, endotracheale Absaugvorgänge usw. Von großer präventiver Bedeutung ist daher, dass effektive HME mit gutem Wasserretentionsverhalten die in- und exspiratorischen Beatmungsschläuche trocken halten, wodurch das Wachstum und die Ausbreitung endogen oder exogen ins Beatmungssystem eingebrachter Keime wirkungsvoll gehemmt werden (Abb. 8.4). Zahlreiche Untersuchungen der letzten Jahre konnten dementsprechend nachweisen, dass die Inzidenz nosokomialer Infektionen der oberen Luftwege durch die Verwendung von HME reduziert werden kann. Merke Der Einsatz von HME zur Atemgasklimatisierung reduziert die Inzidenz nosokomialer Infektionen. HME mit zusätzlichen Bakterien- und Virenfiltern bringen aus infektionsepidemiologischer Sicht bei langzeitbeatmeten Patienten keine Vorteile. Dem zweifelhaften Nutzen stehen Nachteile durch zusätzliche Atemwegswiderstände und Kosten gegenüber, so dass bei Verwendung leistungsfähiger HME der routinemäßige zusätzliche Einsatz von Filtermedien in der Intensivmedizin nicht gerechtfertigt erscheint. Bei Verwendung von effektiven HME sind wöchentliche Schlauchwechsel ausreichend.

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8 Ventilator­assoziierte Pneumonie

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Abb. 8.4 HME im Beatmungssystem. Trockene Atemgasschläuche hemmen Keimwachstum und ­aus­ breitung.

HME wasserfreies Schlauchsystem

Ventilator

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Merke Atemgasklimatisierung mit HME: wöchent­ liche Schlauchwechsel bei langzeitbeatmeten Patienten. Bei der ▶ Narkosebeatmung besteht die Möglichkeit der Übertragung von Keimen von einem Patienten zum nächsten durch kontaminierte Beatmungssysteme, da diese nacheinander bei mehreren Patienten eingesetzt werden. Hier gelten daher andere hygienische Vorschriften.

cheotomiert werden. Die Trachealkanüle erleichtert nicht nur die Entwöhnung vom Respirator, sondern wird auch besser toleriert, erleichtert den oralen Kostaufbau und verbessert die Kommunikationsfähigkeit. Subglottische Sekretabsaugung. Spezielle Tuben erlauben die kontinuierliche oder intermittierende Sekretabsaugung aus dem subglottischen Bereich. Durch den Einsatz dieser Tuben wird das Keimspektrum in der Trachea jedoch nicht verändert, auch die Letalität konnte nicht gesenkt werden. Zudem sind die Tuben sehr kostenintensiv und erfordern zusätzlichen pflegerischen und apparativen Aufwand.

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8.3.4

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Frühzeitige Extubation. Die Extubation unterbricht die wesentliche Kausalkette für die VAP. Bei jedem intubierten Patienten ist regelmäßig zu erwägen, ob die Beatmung als ▶ nichtinvasive Beatmung fortgeführt werden kann.

Geschlossene Absaugsysteme. Die Inzidenz der VAP konnte durch den Gebrauch von geschlossenen Mehrfachabsaugsystemen nicht verringert werden, so dass deren Verwendung unter diesem Aspekt nicht empfohlen werden kann.

Nichtinvasive Ventilation (NIV). Wenn immer möglich, sollte primär der Verzicht auf den Endotrachealtubus als hauptsächlichen Verursacher der VAP und der Einsatz der ▶ nichtinvasiven Beatmung erwogen werden. Sie erhält die natürlichen Schutz- und Hustenreflexe, vermeidet tubusbedingte Läsionen der Schleimhaut und garantiert physiologische Atemgasklimatisierung.

Oberkörperhochlagerung. Flache Lagerung des Patienten begünstigt den Reflux von MagenDarm-Sekreten und/oder Sondennahrung und damit die (Mikro-)Aspiration. Die konsequente Oberkörperhochlagerung um 30 – 45 Grad ist ein kostengünstiger und effektiver Beitrag zur Aspirationsprophylaxe und nahezu bei jedem Patienten durchführbar.

Orale vor nasaler Intubation. Ob die nasotracheale Intubation die Entstehung der VAP begünstigt, wird kontrovers diskutiert. Sie führt jedoch vergleichsweise häufig zu Sinusitiden, insbesondere bei längerfristiger Intubation. Die orale Intubation wird daher generell heute bevorzugt, bei mutmaßlich längerer Beatmungsdauer sollte frühzeitig tra-

Stressulkusprophylaxe. Stressulkusprophylaxe mit Antazida oder H2-Blockern führt über eine Erhöhung des Magensaft-pH-Werts zur vermehrten Kolonisierung des Magens mit pathogenen Keimen, wodurch bei Reflux und Aspiration das Risiko der Pneumonie zunimmt. Wenn immer möglich, sollte daher auf eine routinemäßige und unkriti-

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Präventive Maßnahmen

8.4 Weiterführende Literatur

sche Stressulkusprophylaxe mit diesen Substanzen verzichtet werden. Vor allem sollte der enterale Kostaufbau mit kleinen Mengen Tee und/oder Sondennahrung frühzeitig begonnen werden. Selektive Darmdekontamination (SDD). Seit langem wird kontrovers diskutiert, ob die prophylaktische Applikation von nicht absorbierbaren Antibiotikakombinationen in den Oropharynx sowie den Gastrointestinaltrakt die Inzidenz der VAP reduziert. Den fraglichen Vorteilen der Keimreduktion stehen Nachteile dieser Prophylaxe gegenüber, wie z. B. das Risiko der Resistenzentwicklung. Die SDD wird daher meist nur nach strenger Indikationsstellung, wie z. B. bei immunsupprimierten Patienten, durchgeführt. Merke Zur Vermeidung nosokomialer Pneumonien bei beatmeten Patienten sollte die Indikation zur In­ tubation streng gestellt und eine schnelle Ex­ tubation angestrebt werden. Die antibiotische Therapie der manifesten Infektion muss frühzei­ tig, hochdosiert und zielorientiert erfolgen. Die Grundregeln der Klinikhygiene müssen eingehal­ ten werden, insbesondere muss bei Manipulati­ onen am Tubus oder am Beatmungssystem eine vorherige Händedesinfektion erfolgen.

8.4

Weiterführende Literatur

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Beatmung in der Neonatologie und pädiatrischen Intensivmedizin

1

Jan-Holger Schiffmann

9.1

Definitionen

Die Beatmung von Kindern und Neugeborenen unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von der Beatmung Erwachsener, wobei zusätzlich zwischen Früh- und Neugeborenen und älteren Kinder zu differenzieren ist. Darüber hinaus bestehen erhebliche Unterschiede in Bezug auf Ätiologie und Management des respiratorischen Versagens zwischen Kindern und Erwachsenen.

9.1.1

Altersgruppen

In der Praxis hat es sich als sinnvoll erwiesen, die Patienten in 4 Altersgruppen einzuteilen: ● Frühgeborene vor der 32. SSW mit einem Geburtsgewicht < 1500 g, ● Neugeborene (Körpergewicht > 1500 g) bis ca. 5 kg KG, ● Säuglinge, Kleinkinder bis zur Einschulung (> 5 kg KG bis 20 kg KG), ● Schulkinder (> 20 kg KG). Frühgeborene. Etwa 1,5 % aller Neugeborenen kommen vor der 32. SSW zur Welt und stellen somit ein besonderes Risikokollektiv dar. Frühgeborene wiegen zumeist weniger als 1500 g und benötigen in vielen Fällen eine Atemhilfe. Die häufigste Ursache einer respiratorischen InsufÏzienz in dieser Altersgruppe ist das durch einen primären Surfactant-Mangel bedingte Atemnotsyndrom des Frühgeborenen (Respiratory Distress Syndrome, RDS). Reife Neugeborene. Bei reifen Neugeborenen findet sich ein breites Spektrum an Diagnosen, die zu einer respiratorischen InsufÏzienz führen können. Im Vordergrund stehen Infektionen, das Mekonium-Aspirations-Syndrom (MAS) sowie die perina-

tale Asphyxie. Kinder mit angeborenen Fehlbildungen benötigen ebenfalls häufiger eine Atemhilfe. Säuglinge und Kleinkinder. Im Säuglings- und Kleinkindalter führen in erster Linie Infektionen (Pneumonie, Sepsis, RSV-Bronchiolitis) zur respiratorischen InsufÏzienz. Ebenso können größere operative Eingriffe eine postoperative Nachbeatmung erforderlich machen. Eine maschinelle Beatmung ist auch häufiger im Rahmen der Intensivtherapie nach Traumata oder auch nach Ertrinkungsunfällen erforderlich. Kinder. Bei Schulkindern findet sich ein ähnlich breites Spektrum an Indikationen (Tab. 9.1), wobei das Vorgehen sich zunehmend der Behandlung der respiratorischen InsufÏzienz Erwachsener nähert.

Tabelle 9.1 Altersgruppen und Beatmungsindikation in der Neonatologie und pädiatrischen Intensivme­ dizin.

4

4

4

4

4

Alter

Häufige Ursachen respiratorischer InsufÏzienz

Frühgeborenes < 1500 g

Atemnotsyndrom, Infektion, Sepsis, zentrale Apnoe

Neugeborenes 2 – 5 kg KG

Pneumonie, Mekonium­ Aspirations­Syndrom, Asphyxie, kongenitale Fehlbildungen, Pneumothorax

4

Säugling 3 – 8 kg KG

RSV­Bronchiolitis, steno­ sierende Laryngotracheitis (Krupp­Syndrom), Pneumonie, Sepsis

4

Säugling, Klein­ kind 8 – 20 kg KG

Pneumonie, Epiglottitis, Sepsis, Trauma, Ertrinken

Kind > 20 kg KG

Sepsis, Trauma, Ertrinken

9

4

272

9 Beatmung in der Neonatologie und pädiatrischen Intensivmedizin

9.1.2

1

4

4

4

4

4

Respiratorische Kenngrößen

Neugeborene, Säuglinge und Kinder haben gegenüber Erwachsenen ein höheres Risiko, eine respiratorische InsufÏzienz zu entwickeln. Ursache ist die besondere Anatomie und Physiologie kleiner Kinder: ● wenig efÏziente Atemhilfsmuskulatur durch Horizontalstellung der Rippen, ● stark eingeschränkte Zwerchfellatmung durch Magenblähung, Ileus oder Schmerzen, ● Thoraxinstabilität durch „weiches“ Thoraxskelett → Schaukelatmung, ● höhere Atemarbeit bei engen Luftwegen, ● stärkere Beeinträchtigung des Atemantriebs durch Hypothermie. Pathophysiologisch bedeutsam ist auch das relativ große „▶ Closing Volume“ (intrathorakales Gasvolumen, dessen Unterschreiten zum Alveolarkollaps führt) kleiner Kinder, das im Bereich der ▶ FRC liegt, bei Früh- und reifen Neugeborenen sogar darüber. Geringe Einschränkungen der Atemmechanik führen daher rasch zu Belüftungsstörungen – insbesondere der abhängigen Lungenpartien – mit Abfall der Sauerstoffsättigung durch ▶ Ventilations-Perfusions-Störungen. Kinder leisten generell größere Atemarbeit als Erwachsene, ihr O2-Verbrauch ist somit höher bei geringerer respiratorischer Reserve. Eine respiratorische Insuffizienz entwickelt sich daher vor allem bei Neugeborenen und jungen Säuglingen sehr rasch. Die

wichtigsten respiratorischen Kenngrößen kleiner Kinder im Vergleich zu Erwachsenen sind in Tab. 9.2 zusammengestellt. Merke Schon geringe Einschränkungen der Atemme­ chanik führen rasch zum Abfall der Sauerstoffsät­ tigung.

Indikationen zur Beatmung

9.2

Bei klinischen Zeichen des drohenden bzw. manifesten Atemversagens (Tab. 9.3) muss die Indikation zur Intubation und maschinellen Beatmung großzügig und frühzeitig gestellt werden. Die Entscheidung sollte immer durch eine Blutgasanalyse gestützt werden.

9.3

Airway-Management

Im Rahmen einer Reanimation oder präklinischen Notfallversorgung wird gemäß internationalen Empfehlungen (ERC-Guidelines 2005, ILCOR 2006) auch bei Kindern die orale Intubation favorisiert. Dies gilt auch für die Intubation von Neugeborenen im Rahmen der Primärversorgung, wenngleich Neonatologen hier die primäre nasale Intubation

Tabelle 9.2 Vergleich ausgewählter respiratorischer Parameter bei Neugeborenen und Erwachsenen (mod. nach Obladen u. Maier 2006).

9

4

4

4

Neugeborenes

Erwachsener

Gesamt

Gesamt

kg KG

kg KG

Atemfrequenz [1/min]

40

15 – 20

Tidalvolumen [ml]

20

Atemminutenvolumen [l/min]

0,2 – 0,3

Anatomischer Totraum [ml]

7

2,2

150

2,2

Compliance [ml/mbar]

4,9

1,3

100

1,4

Resistance [mbar/l/s]

68

O2­Verbrauch [ml/min]

18

O2­Diffusionskapazität [ml O2/min/mmHg/m2]

5

6,0

450

7

5 – 10

5,5 6,0

250 16

3,5

9.3 Airway­Management

Tabelle 9.3 Klinische und blutgasanalytische Zeichen der respiratorischen InsufÏzienz. Klinische Zeichen

Blutgasanalyse

Dyspnoe (Einziehungen, Nasenflügeln, Schaukel­ atmung)

paO2 < 50 mmHg

Tachypnoe

pCO2 > 60 mmHg

Stridor

pH < 7,25

exspiratorisches Stöhnen trockene Rasselgeräusche

weitere Indikationen

Zyanose

kardiale InsufÏzienz

Unruhe, Schwitzen, Lethargie

fehlende Schutz­ reflexe

prolongierte Apnoen

Polytrauma

Schnappatmung, periodische Atmung Tachykardie, terminal Brady­ kardie

bevorzugen. Bei geplanten Intubationen oder bei entsprechender Erfahrung bietet die nasale Intubation einige Vorteile: Die Tubusführung über den Nasopharynx erleichtert die Sicht auf die Glottis, der Tubus ist sicherer zu fixieren, so dass Tubusdislokationen seltener auftreten. Zudem wird der nasale Tubus besser toleriert. Merke Die primäre nasale Intubation bietet zahlreiche Vorteile gegenüber der oralen Intubation. Da meist ungeblockte Tuben verwendet werden, ist der Tubusdurchmesser so zu wählen, dass das hochvulnerable Trachealepithel nicht geschädigt wird (Risiko einer Ringknorpelstenose) und andererseits kein zu großes Tubusleck entsteht. Um den Atemwegswiderstand möglichst gering zu halten, ist immer der größtmögliche Tubus zu wählen, der ohne subglottischen Widerstand zu platzieren ist: ● Frühgeborenes 2,5 mm ID ● Neugeborenes 3,5 mm ID ● Säugling 4,0 – 4,5 mm ID ● Kind Lebensjahre/4 + 4 mm ID

Ab dem Kleinkindalter kann in Bezug auf das Alter mit der genannten Formel der Tubusdurchmesser abgeschätzt werden. Zur Intubation wird bei Früh- und Neugeborenen (Abb. 9.1) ein gerader Spatel (Foregger, Miller) verwendet. Dabei ist die besondere Anatomie kleiner Kinder zu berücksichtigen: ● kurzer Hals, relativ große Zunge, ● hochliegender Kehlkopf, ● U-förmig langer Kehldeckel, ● sehr kurze Trachea, ● Ringknorpel als Engstelle, ● symmetrische Trachealbifurkation (Fehllage rechts = links möglich). Die korrekte Tubuslage ist bei Früh- und Neugeborenen nicht immer einfach zu verifizieren, da die Beatmungsgeräusche stark fortgeleitet werden. Auskultation und Atemexkursionen sind klinische Kriterien, die exspiratorische ▶ CO2-Messung kann hilfreich sein. Im Zweifel und bei längerer Beatmung ist die korrekte Tubuslage radiologisch zu dokumentieren. Ist eine längere Beatmung zu erwarten, z. B. auch als postoperative Nachbeatmung, sollte von oral auf nasal umintubiert werden (s. o.). Die Indikation zur Tracheotomie wird bei Säuglingen und Kleinkindern im Gegensatz zum Erwachsenen wegen des Risikos narbiger Stenosen oder der Tracheomalazie sehr zurückhaltend gestellt und fast ausschließlich nur bei Langzeitbeatmung über mehrere Monate durchgeführt. Die sog. Ileuseinleitung erfolgt als „Rapid Sequence Induction“ (RSI) grundsätzlich durch i. v.Einleitung nach ausreichender Präoxigenierung.

273

1

4

4

4

4

4

9

4

4

4 Abb. 9.1 Intubation eines Neugeborenen mit einem Miller-Spatel.

272

9 Beatmung in der Neonatologie und pädiatrischen Intensivmedizin

9.1.2

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Respiratorische Kenngrößen

Neugeborene, Säuglinge und Kinder haben gegenüber Erwachsenen ein höheres Risiko, eine respiratorische InsufÏzienz zu entwickeln. Ursache ist die besondere Anatomie und Physiologie kleiner Kinder: ● wenig efÏziente Atemhilfsmuskulatur durch Horizontalstellung der Rippen, ● stark eingeschränkte Zwerchfellatmung durch Magenblähung, Ileus oder Schmerzen, ● Thoraxinstabilität durch „weiches“ Thoraxskelett → Schaukelatmung, ● höhere Atemarbeit bei engen Luftwegen, ● stärkere Beeinträchtigung des Atemantriebs durch Hypothermie. Pathophysiologisch bedeutsam ist auch das relativ große „▶ Closing Volume“ (intrathorakales Gasvolumen, dessen Unterschreiten zum Alveolarkollaps führt) kleiner Kinder, das im Bereich der ▶ FRC liegt, bei Früh- und reifen Neugeborenen sogar darüber. Geringe Einschränkungen der Atemmechanik führen daher rasch zu Belüftungsstörungen – insbesondere der abhängigen Lungenpartien – mit Abfall der Sauerstoffsättigung durch ▶ Ventilations-Perfusions-Störungen. Kinder leisten generell größere Atemarbeit als Erwachsene, ihr O2-Verbrauch ist somit höher bei geringerer respiratorischer Reserve. Eine respiratorische Insuffizienz entwickelt sich daher vor allem bei Neugeborenen und jungen Säuglingen sehr rasch. Die

wichtigsten respiratorischen Kenngrößen kleiner Kinder im Vergleich zu Erwachsenen sind in Tab. 9.2 zusammengestellt. Merke Schon geringe Einschränkungen der Atemme­ chanik führen rasch zum Abfall der Sauerstoffsät­ tigung.

Indikationen zur Beatmung

9.2

Bei klinischen Zeichen des drohenden bzw. manifesten Atemversagens (Tab. 9.3) muss die Indikation zur Intubation und maschinellen Beatmung großzügig und frühzeitig gestellt werden. Die Entscheidung sollte immer durch eine Blutgasanalyse gestützt werden.

9.3

Airway-Management

Im Rahmen einer Reanimation oder präklinischen Notfallversorgung wird gemäß internationalen Empfehlungen (ERC-Guidelines 2005, ILCOR 2006) auch bei Kindern die orale Intubation favorisiert. Dies gilt auch für die Intubation von Neugeborenen im Rahmen der Primärversorgung, wenngleich Neonatologen hier die primäre nasale Intubation

Tabelle 9.2 Vergleich ausgewählter respiratorischer Parameter bei Neugeborenen und Erwachsenen (mod. nach Obladen u. Maier 2006).

9

4

4

4

Neugeborenes

Erwachsener

Gesamt

Gesamt

kg KG

kg KG

Atemfrequenz [1/min]

40

15 – 20

Tidalvolumen [ml]

20

Atemminutenvolumen [l/min]

0,2 – 0,3

Anatomischer Totraum [ml]

7

2,2

150

2,2

Compliance [ml/mbar]

4,9

1,3

100

1,4

Resistance [mbar/l/s]

68

O2­Verbrauch [ml/min]

18

O2­Diffusionskapazität [ml O2/min/mmHg/m2]

5

6,0

450

7

5 – 10

5,5 6,0

250 16

3,5

9.3 Airway­Management

Tabelle 9.3 Klinische und blutgasanalytische Zeichen der respiratorischen InsufÏzienz. Klinische Zeichen

Blutgasanalyse

Dyspnoe (Einziehungen, Nasenflügeln, Schaukel­ atmung)

paO2 < 50 mmHg

Tachypnoe

pCO2 > 60 mmHg

Stridor

pH < 7,25

exspiratorisches Stöhnen trockene Rasselgeräusche

weitere Indikationen

Zyanose

kardiale InsufÏzienz

Unruhe, Schwitzen, Lethargie

fehlende Schutz­ reflexe

prolongierte Apnoen

Polytrauma

Schnappatmung, periodische Atmung Tachykardie, terminal Brady­ kardie

bevorzugen. Bei geplanten Intubationen oder bei entsprechender Erfahrung bietet die nasale Intubation einige Vorteile: Die Tubusführung über den Nasopharynx erleichtert die Sicht auf die Glottis, der Tubus ist sicherer zu fixieren, so dass Tubusdislokationen seltener auftreten. Zudem wird der nasale Tubus besser toleriert. Merke Die primäre nasale Intubation bietet zahlreiche Vorteile gegenüber der oralen Intubation. Da meist ungeblockte Tuben verwendet werden, ist der Tubusdurchmesser so zu wählen, dass das hochvulnerable Trachealepithel nicht geschädigt wird (Risiko einer Ringknorpelstenose) und andererseits kein zu großes Tubusleck entsteht. Um den Atemwegswiderstand möglichst gering zu halten, ist immer der größtmögliche Tubus zu wählen, der ohne subglottischen Widerstand zu platzieren ist: ● Frühgeborenes 2,5 mm ID ● Neugeborenes 3,5 mm ID ● Säugling 4,0 – 4,5 mm ID ● Kind Lebensjahre/4 + 4 mm ID

Ab dem Kleinkindalter kann in Bezug auf das Alter mit der genannten Formel der Tubusdurchmesser abgeschätzt werden. Zur Intubation wird bei Früh- und Neugeborenen (Abb. 9.1) ein gerader Spatel (Foregger, Miller) verwendet. Dabei ist die besondere Anatomie kleiner Kinder zu berücksichtigen: ● kurzer Hals, relativ große Zunge, ● hochliegender Kehlkopf, ● U-förmig langer Kehldeckel, ● sehr kurze Trachea, ● Ringknorpel als Engstelle, ● symmetrische Trachealbifurkation (Fehllage rechts = links möglich). Die korrekte Tubuslage ist bei Früh- und Neugeborenen nicht immer einfach zu verifizieren, da die Beatmungsgeräusche stark fortgeleitet werden. Auskultation und Atemexkursionen sind klinische Kriterien, die exspiratorische ▶ CO2-Messung kann hilfreich sein. Im Zweifel und bei längerer Beatmung ist die korrekte Tubuslage radiologisch zu dokumentieren. Ist eine längere Beatmung zu erwarten, z. B. auch als postoperative Nachbeatmung, sollte von oral auf nasal umintubiert werden (s. o.). Die Indikation zur Tracheotomie wird bei Säuglingen und Kleinkindern im Gegensatz zum Erwachsenen wegen des Risikos narbiger Stenosen oder der Tracheomalazie sehr zurückhaltend gestellt und fast ausschließlich nur bei Langzeitbeatmung über mehrere Monate durchgeführt. Die sog. Ileuseinleitung erfolgt als „Rapid Sequence Induction“ (RSI) grundsätzlich durch i. v.Einleitung nach ausreichender Präoxigenierung.

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1

4

4

4

4

4

9

4

4

4 Abb. 9.1 Intubation eines Neugeborenen mit einem Miller-Spatel.

274

1

9 Beatmung in der Neonatologie und pädiatrischen Intensivmedizin

nüchtern? ggf. Maskeneinleitung

nicht nüchtern? Rapid Sequence Induction

Oxigenieren

ggf. Midazolam 0,1 mg/kg ggf. Atropin 0,01 mg/kg ggf. Fentanyl 2–5 µg/kg

Abb. 9.2 Algorithmus zur Intubation beim nüchternen und nicht nüchternen Kind (mod. nach Schmidt et al. AK Kinderanästhesie der DGAI 2007). PIP = Beatmungsdruck (Positive Inspiratory Pressure).

Propofol 2 mg/kg Rocuronium 0,6 mg/kg „sanfte“ Maskenbeatmung PIP 10–12cmH2O

assistierte → kontrollierte Maskenbeatmung

4 Intubation

4

4

4

4

9

4

4

4

Hypnotikum und Muskelrelaxans werden hochdosiert und zügig nacheinander injiziert (Abb. 9.2). Maskeneinleitung (auch sog. „Single-Breath Induction“) ist bei RSI kontraindiziert. Merke Keine Maskeneinleitung bei der „Rapid Sequence Induction“.

Erwachsenen werden meist ▶ druckkontrollierte Beatmungsformen wie ▶ BIPAP eingesetzt. Bei getriggerte Beatmungsformen ist darauf zu achten, dass der ▶ Flowtrigger auf kindgerechte – also niedrige – Werte eingestellt ist. Die ▶ inspiratorische Rampe ist insbesondere bei ▶ druckunterstützter Spontanatmung zu adjustieren. Merke Einsatz von Erwachsenenrespiratoren erst ab einem Körpergewicht von ca. 20 kg.

9.4

Praxis der maschinellen Beatmung

Früh- und Neugeborene werden mittels ▶ Continuous-Flow-Respiratoren beatmet. Daneben hat die Hoch-Frequenz-Oszillations-Ventilation (▶ HFOV) einen wichtigen Platz in der Therapie kritisch kranker Früh- und Neugeborener. In der pädiatrischen Intensivmedizin kommen fast alle aus der Erwachsenenmedizin bekannten ▶ Beatmungsformen zur Anwendung.

9.4.1

Respiratoren in der pädiatrischen Intensivmedizin

Ab einem Körpergewicht von ca. 20 kg können Erwachsenenrespiratoren verwendet werden, sofern diese mit dünnlumigen Schlauchsystemen niedriger Compliance ausgestattet sind. Wie bei

9.4.2

Respiratoren in der Neonatologie

Früh- und Neugeborene werden in der Regel mit Continuous-Flow-Respiratoren beatmet. Grundsätzlich kann zwischen druck- und volumenkontrollierten Geräten unterschieden werden. Aus historischen Gründen wurden bislang überwiegend druckkontrollierte Beatmungsformen eingesetzt. Durch Fortschritte in der Mikroprozessortechnologie und Miniaturisierung von Bauteilen gewinnen ▶ volumenkontrollierte Beatmungsmodi oder sog. Hybridmuster zunehmend an Bedeutung. Die aus der Erwachsenmedizin bekannten Beatmungsmuster (▶ S-IMV, ▶ PSV etc.) finden sich auch im Continuous-Flow-Modus wieder.

9.4 Praxis der maschinellen Beatmung

9.4.3

Druckkontrollierte Beatmungsformen

Druckkontrollierte ▶ zeitgesteuerte ContinuousFlow-Respiratoren mit konstantem ▶ Biasflow sind einfach zu bedienen und kostengünstig. Die resultierende tubusnahe Flowkurve am Y-Stück weist einen hohen initialen Fluss mit rascher ▶ Dezeleration auf (Abb. 9.3). Die druckorientierte Beatmung hat bei Neugeborenen eine besondere Bedeutung zur Vermeidung von ▶ Barotraumata. Da die applizierten Tidalvolumina inkonstant sind, führen Complianceänderungen zur Zu- bzw. Abnahme der alveolären Ventilation.

■ Triggerung

Druckbegrenzung

Volumen

Flow

Druck

Obgleich kontrollierte randomisierte Studien zur Überlegenheit getriggerter Beatmungsformen in der Neonatologie weitgehend fehlen, haben sich diese inzwischen in der Praxis durchgesetzt. Voraussetzung ist ein patientennaher Flowtrigger am Y-Stück, der Inspirationsbemühungen sensitiv erkennt und den Beatmungshub nahezu verzögerungsfrei auslöst. Die in- und exspiratorischen Atemgasflüsse werden über den gesamten Atemzyklus registriert und dienen bei Hybridbeatmungsmustern (s. u.) zur Steuerung der appli-

Zeit

Abb. 9.3 Druck-Volumen-Diagramm bei Continuous-Flow-Beatmung. Bei gleichem inspiratori­ schem Druckniveau werden das Atemzugvolumen und damit das Atemminutenvolumen wesentlich vom Gasflow bestimmt.

zierten Volumina. Die kontinuierliche Messung der Tidalvolumina ist darüber hinaus von größter Bedeutung zur Vermeidung von ▶ Volutraumata. Angestrebt werden – wie beim Erwachsenen – Tidalvolumina um 6 ml/kg KG. Die kontinuierliche Messung und Überwachung von Tidalvolumina und CO2-Werten (invasiv oder ▶ transkutan) soll die unbemerkte Überblähung der Lunge sowie Hyper- oder Hypoventilation vermeiden. Bei manchen Geräten ist der Biasflow in der Exspirationsphase geringer als während der Inspiration, dennoch hat das Kind während des gesamten Atemzyklus die Möglichkeit, triggerfrei spontan zu atmen.

275

1

4 Merke Der mittlere Atemwegsdruck ist ein Maß für die Intensität/Invasivität der Beatmung. Neben der Erhöhung der inspiratorischen O2­Konzentration kann die Oxigenierung durch Veränderung der Atemwegsdrücke verbessert werden (Abb. 9.4).

4

4 ■ Respiratoreinstellung Für die Ersteinstellung des Respirators ist die Grunderkrankung bedeutsam. Ein Frühgeborenes mit zentralen Apnoen benötigt lediglich geringen Support. Dagegen muss in der Initialphase des RDS vor Surfactant-Substitution mit hohen PIP/PEEP beatmet werden. Nach Surfactant-Gabe ist unter Berücksichtigung von Klinik und Blutgasanalys die Beatmungsintensität rasch zu reduzieren. Tab. 9.4 fasst einige Grundeinstellungen des Respirators bei typischen neonatologischen Krankheitsbildern zusammen. Hinweis Beim ▶ RDS, dem ▶ Mekonium­Aspirations­Syn­ drom oder der ▶ RSV­Bronchiolitis finden sich oftmals rasch wechselnde regionale und globa­ le pulmonale ▶ Zeitkonstanten. Sekretverlegun­ gen, pulmonale Obstruktion oder Asynchronität mit dem Respirator können innerhalb von weni­ gen Sekunden zu signifikanter Kreislaufdepres­ sion bis hin zur kreislaufwirksamen Bradykardie führen. Alarmgrenzen sind daher am Respirator und im intensivmedizinischen Monitoring eng zu setzen.

4

4

9

4

4

4

276

1

9 Beatmung in der Neonatologie und pädiatrischen Intensivmedizin

1 30

2 30

3 30

20

20

20

10

10

10

0

4

2

3 Zeit (s)

4 30

5 30

20

20

10

10

0

0

4

0

0 0

0

2

3 Zeit (s)

0

2

3 Zeit (s)

0

2

3 Zeit (s)

0

2

3 Zeit (s)

Abb. 9.4 Beatmung und Oxigenierung. Beeinflussung der Oxigenierung durch Veränderungen folgender Beatmungsparameter: Inspirationsfluss (1), PIP = Inspirationsdruck (2), Ti = Inspirationszeit (3), PEEP (4), Beat­ mungsfrequenz (5) (über verkürzte Exspirationszeit, Te).

4 Tabelle 9.4 Grundeinstellung des Respirators bei verschiedenen Krankheitsbildern (mod. nach Obladen u. Maier 2006). RDS = Respiratory Distress Syndrome, PIE = pulmonal­interstitielles Emphysem, PTX = Pneumotho­ rax, MAS = Mekonium­Aspirations­Syndrom, PPHN = persitierende pulmonale Hypertonie des Neugeborenen.

4

4

9

4

4

4

Krankheitsbild

FiO2

Flow** [l/min]

PIP [mbar]

PEEP [mbar]

MAP [mbar]

Frequenz [1/min]

Ti [s]

zentrale Apnoe (1000 g KG)

0,21*

5

12–14

3

4

20 – 30

0,3–0,4

RDS (1500 g KG)

1,0*

8–10

20–25

4–5

± 12

50

0,4–0,45

PIE, PTX nach Drainage (2000 g)

0,5*

8–10

15

0–1

4

50

0,3–0,4

MAS, PPHN (3000 g)

1,0

10–15

25–30

2

± 12

60–70

0,4

LinksherzinsufÏzienz

0,3*

10

20

5–6

± 12

40–50

0,5

* **

Die FiO2 ist umgehend zu adjustieren, um altersgemäße tcSaO2 Werte zu erreichen. Der Flow variiert abhängig vom verwendeten Gerät und Schlauchsystem, es soll ein inspiratorisches Plateau erreicht werden.

9.4 Praxis der maschinellen Beatmung

Die initiale Respiratoreinstellung wird anhand der Blutgasanalyse systematisch und schrittweise verändert. Der Beatmungsdruck (PIP) wird in Schritten von 2 mbar, der PEEP in Schritten von 1 mbar und die Frequenz schrittweise um 5 – 10/min angepasst. Mögliche Steuergrößen zur Anpassung des Respirators an die Blutgase sind in Tab. 9.5 aufgeführt.

■ Inadvertent (intrinsic) PEEP Hohe Beatmungsfrequenzen (> 60 – 80 /min) in Verbindung mit einem PEEP > 4 mbar und einer ▶ I/E-Ratio von 1:1 können aufgrund der engen und instabilen Atemwege Früh- und Neugeborener zum sog. inadvertent oder intrinsic PEEP führen. Dieser Begriff beschreibt einen unerwartet hohen endexspiratorischen Druck in den kleinen Atemwegen, der durch ▶ „Air-Trapping“ bei unzureichender Exspirationszeit entsteht. Das Volutrauma kann rasch zu einem pulmonal-interstitiellen Emphysem oder ▶ Pneumothorax (PTX) führen und langfristig die Entstehung einer ▶ bronchopulmonalen Dysplasie (BPD) begünstigen. Bei hohen Beatmungsfrequenzen ist daher auf eine ausreichende Exspirationsdauer zu achten und der PEEP ggf. zu reduzieren. Zeichen des „Air-Trappings“ sind:

Tabelle 9.5 Anpassung der Ventilation in Abhängig­ keit von der Blutgasanalyse. Blutgasanalyse

Respiratoreinstellung

Hyperkapnie

Gasfluss ↑ Frequenz ↑ PIP↑ hohen PEEP ggf. reduzieren Totraum ggf. reduzieren

Hypokapnie

Gasfluss ↓ Frequenz↓ PIP↓

Hyperoxie

FiO2↓ PIP↓ PEEP↓

Hypoxämie

FiO2↑ PIP↑ PEEP↑ Ti↑



● ●

Fehlen der endexspiratorischen Pause in der Flowkurve, kein CO2-Abfall bei Frequenzerhöhung, radiologische Zeichen der Überblähung.

9.4.4

277

1

Druckunterstützte Beatmungsformen, PSV, PAV

▶ Druckunterstützende Beatmungsformen erfordern einen sufÏzienten Atemantrieb des Patienten. Auch bei Kindern werden sie insbesondere beim ▶ Weaning eingesetzt. Dies geschieht meist überlappend mit gleichzeitiger Reduktion der mandatorischen Atemzüge im ▶ S-IMV-Modus. Bei Continuous-Flow-Ventilatoren entsprechen die Vor- und Nachteile des PSV-Modus grundsätzlich denen von ▶ Demand-Flow-Geräten. Aufgrund ihrer unreifen Atemregulation mit der Neigung zu zentralen Apnoen sind kleine Frühgeborene gelegentlich über längere Zeit nicht extubierbar. In diesem Fall kann PSV in Kombination mit einer niedrigen ▶ S-IMV-Back-up-Frequenz eingesetzt werden. Ein Problem kann durch größere Tubusleckagen ungeblockter Tuben entstehen. Sie können bei druckunterstützten Beatmungsmustern zu einer verlängerten Inspiration und Überblähung führen. Bei konventioneller S-IMVBeatmung kann gelegentlich ▶ Autotriggerung durch Abfall des PEEP-Niveaus und kompensatorische Atemgasnachführung ausgelöst werden, was unbemerkt zu einer erheblichen Hyperventilation führen kann. Eine Sonderstellung in der druckunterstützenden Ventilation nimmt die ▶ Proportional Assist Ventilation (PAV) ein, die in einigen Respiratormodellen implementiert ist. Die Druckunterstützung erfolgt hierbei proportional zu den Inspirationsbemühungen des Patienten, in dem die Veränderungen bei Compliance und Resistance flussproportional kompensiert werden. Die Umsetzung dieses theoretisch überzeugenden Ansatzes in die Praxis ist allerdings nicht einfach, da Compliance und Resistance bei kleinen Kindern nicht nur schwierig zu bestimmen, sondern auch ständigen Veränderungen unterworfen sind.

4

4

4

4

4

9

4

4

4

278

9 Beatmung in der Neonatologie und pädiatrischen Intensivmedizin

9.4.5

1

4

4

4

4

In Tab. 9.6 sind die wichtigsten Charakteristika beider Beatmungsformen gegenübergestellt, Vorund Nachteile sind in Tab. 9.7 zusammengefasst.

Volumenkontrollierte Beatmungsformen, VC-CMV

Als wesentliche Ursache für Ventilator-assoziierte Lungenschäden ist in jüngerer Zeit das ▶ Volutrauma in den Fokus des Interesses gerückt, wodurch auch in der Neonatologie das Interesse an volumenkontrollierten/-konstanten Beatmungsformen geweckt wurde. Ein wesentlicher Unterschied zur druckkontrollierten Beatmung ist das Rechteck-Flussmuster mit weitgehend konstantem Fluss bis zum Ende der Inspiration. Die Inspirationszeit ist bei konstantem Tidalvolumen invers proportional zur Flussrate. Die resultierende Druckkurve hat ein Haifischflossenprofil mit flacher Rampe (Abb. 9.5). Sie führt zu einer gleichmäßigeren Lungenblähung, was gerade bei kranken Lungen mit unterschiedlichen Zeitkonstanten und „schnellen“ und „langsamen“ Kompartimenten vorteilhaft sein kann. Manche Generatoren bieten zusätzlich die Option eines „inspiratory hold“. Das so generierte Plateau unterstützt diesen Effekt. Merke Volumenkontrollierte Beatmung bietet hinsicht­ lich des Volutrauma­Risikos mögliche Vorteile gegenüber druckkontrollierter Beatmung.

9.4.6

Weiterentwicklungen von Hard- und Software ermöglichen mittlerweile vielfältige Kombinationen von druck- und volumenkontrollierter Beatmung, wodurch die spezifischen Nachteile beider Verfahren teilweise eliminiert werden können. Ein Beispiel ist der „Volumengarantie-Mode“ (VG) des Babylogs (Dräger). Dieser Modus, der auch aus der Erwachsenenbeatmung z. B. als ▶ BiLevel-VG, dyn BiLevel oder ▶ AutoFlow bekannt ist, reguliert den Inspirationsdruck in vorbestimmten Grenzen, um ein vorgewähltes Mindestvolumen zu applizieren. Beachte Zur Steuerung wird das exhalierte Tidalvolu­ men der vergangenen 8 – 10 Atemzyklen he­ rangezogen, so dass z. B. bei größeren Tubus­ lecks das Tidalvolumen deutlich unterschätzt wird. Dies kann zur Überkompensation und Ap­ plikation von exzessiven Tidalvolumina führen.

4

Druck

9.4.7 a

b

c

d

Flow

9

4

4

4

Zeit

Abb. 9.5 Vergleich von Paw und Fluss bei druckund volumenkontrollierter Beatmung. a Druckkontrollierte, zeitgesteuerte Beatmung mit steiler Rampe und dezelerierendem Fluss. b Druckunterstützte Beatmung. Der Pfeil markiert das Ende der Inspiration, meist angegeben als Prozentsatz des maximalen Flows (z. B. 25 %). c und d Volumenkontrollierte Beatmung mit und ohne inspiratorisches Plateau.

Hybridbeatmungsformen

High Frequency Oscillation Ventilation, HFOV

Die ▶ HFOV hat einen festen Platz in der Beatmungstherapie kritisch kranker Neugeborener mit persitierender pulmonaler Hypertonie (PPHN). Ziel ist die Optimierung der alveolären Ventilation durch Rekrutierung und Verbesserung des Ventilations-Perfusions-Verhältnisses bei gleichzeitiger Reduktion der alveolären Scherkräfte und des Barotraumas. Einige Kliniken setzten HFOV auch bei der Beatmung Frühgeborener mit RDS ein. Allerdings konnte keine Überlegenheit von HFOV gegenüber konventioneller Beatmung gezeigt werden. In einigen Studien fanden sich sogar erhöhte Inzidenzen für Pneumothoraces, Hirnblutungen und periventrikulären Leukomalazien. Nach aktuellen Meta-Analysen ist für den Erfolg der Beatmung bei kritisch kranken Früh- und Neugeborenen die Beatmungsstrategie entscheidend (Rekruitment, Reduktion von Baro- und Volutrauma) und nicht die anwendete Beatmungsform.

9.4 Praxis der maschinellen Beatmung

Tabelle 9.6 Vergleich von druck­ und volumenkontrollierter Beatmung. IMV = Intermittend Mandytory Ventilation, SIMV = Synchronized Intermittend Mandatory Ventilation, A/C = Assist/Control Ventilation, SIPPV = Synchronized Intermittend Positive Pressure Ventilation, PSV = Pressure Support Ventilation, PAV = Proportional Assist Ventilation (mod. nach Sinha u. Donn 2003). Druckkontrolliert

Volumenkontroliert

Kontrollparameter

Druck

Volumen

Steuerparameter Inspirationstrigger Inspirationslimit Inspirationszyklus Tidalvolumen PIPmax

Patient oder Respirator Druck Zeit oder Flow variabel konstant

Patient oder Respirator Flow (meist in % des Spitzenflow) Volumen oder Flow konstant* variabel**

inspiratorisches Flussmuster

steile Rampe, deszendierend

Rechteckflow

Beatmungsformen

IMV, SIMV, A/C = SIPPV, PSV, PAV

IMV, SIMV, A/C, PSV

* **

279

1

4

sofern nicht Spitzendruckgrenzen überschritten werden bis zur Pmax­Begrenzung

4 Tabelle 9.7 Vor­ und Nachteile der druck­ und volumenkontrollierten Ventilation (mod. nach Sinha u. Donn 2003).

Vorteile

Nachteile

Druckkontrolliert

Volumenkontrolliert

bessere alveolare Ventilation und Oxygenierung durch langes Plateau bei hohem initialem Flow reduzierte Atemarbeit durch hohen Initialflow reduziertes Barotrauma durch PIPmax­Begrenzung

lineare Abhängigkeit von V T und AMV konstantes V T auch bei größerem Tubusleck durch linearen Flow flache Rampe und daher gleichmäßigere Lungenblähung bei inhomo­ gener Lungenschädigung mit unterschiedli­ chen Zeitkonstanten

variables V T Volutrauma bei exzessiven V T bei Verbesserung der Compliance inadäquate Ventilation bei reduzierter Compliance inkonsistentes V T bei PIP oder PEEP Änderungen

exzessive PIPmax, wenn Druckbegrenzung nicht gesetzt Patient­Ventilator­Asynchronizität, wenn initialer Inspirationsfluss ungenügend

4

4

4

9 Die Physiologie des Gasaustauschs unter HFOV ist bislang noch nicht vollständig geklärt. Diskutiert werden Mechanismen wie: ● verstärkter longitudinaler Gastransport und axiale Dispersion (Taylor-Dispersion), ● asymmetrische Geschwindigkeitsprofile durch Bifurkationen, ● interalveoläre Pendelluft durch verschiedene Zeitkonstanten, ● direkte alveoläre Ventilation.

■ Praxis der HFOV HF-Respiratoren unterscheiden sich grundsätzlich von konventionellen Beatmungsgeräten (siehe auch Abb. 3.46, S. 159). Eine mechanische Kolbenpumpe erzeugt direkt oder über eine Membran sinusoidale Schwingungen, die auf den Biasflow übertragen werden. In der Praxis werden Frequenzen zwischen 6 und 15 Hz eingesetzt. Bei einigen Geräten ist die I/E-Ratio variabel einstellbar. Die applizierten Volumina sind durch den Kolbenhub bzw. die Membranauslenkung definiert, wodurch eine relative Volumenkonstanz erreicht wird.

4

4

4

280

1

4

4

4

4

4

9

4

4

4

9 Beatmung in der Neonatologie und pädiatrischen Intensivmedizin

Ziel der HFOV ist die Optimierung der Lungenvolumina (“volume recruitment”). Beim Übergang zu HFOV wird der HFOV-Mitteldruck meist 2 – 3 mbar höher eingestellt als der mittlere Atemwegsdruck unter konventioneller Ventilation. Nach etwa einer Stunde sollte eine Röntgenaufnahme des Thorax angefertigt werden, wobei das rechte Zwerchfell sich in Höhe des 9. Interkostalraums abbilden sollte. Ggf. ist der Mitteldruck entsprechend zu adjustieren. Die Oszillationsfrequenz wird initial zwischen 9 und 12 Hz gewählt und dem resultierenden pCO2 entsprechend nachgeführt. Hyperkapnie kann durch Erhöhung der Oszillationsamplitude oder durch Frequenzreduktion beseitigt werden. Die Oxigenierung kann durch Erhöhung des Atemwegsmitteldrucks verbessert werden, sofern noch Rekrutierungspotenzial vorhanden ist. Das Rekrutierungspotenzial bzw. das Risiko einer Hyperinflation muss regelmäßig, insbesondere nach Anheben des Mitteldrucks, radiologisch verifiziert werden. Beachte Die Atemgasanfeuchtung bei HFOV ist bislang nicht befriedigend gelöst. In einer Untersu­ chung am Lungenmodell konnte gezeigt wer­ den, dass sich die ▶ Atemgaskonditionierung unter HFOV erheblich von den Verhältnissen unter konventioneller Beatmung unterschei­ den kann. Eine positive Wasserbilanz wie auch ausgeprägte pulmonale Wasserverluste sind möglich. Die Entwöhnung und Extubation kann unter HFOV oder nach Übergang auf konven­ tionelle Beatmung erfolgen. Die Reduktion von Amplitude und Mitteldruck orientiert sich an den Blutgasanalysen.

■ HFOV und Stickstoffmonoxid (NO) Die HFOV wird in der Therapie der persistierenden pulmonalen Hypertonie des Neugeborenen (PPHN) im Rahmen eines Mekonium-Aspirations-Syndroms allein oder in Kombination mit inhalativem ▶ Stickstoffmonoxid eingesetzt. Die Effektivität dieser Strategie wurde durch mehrere Untersuchungen belegt. Danach reagieren 40 – 60 % der Patienten auf eine der Therapieformen oder deren Kombination mit einer deutlichen Verbesserung der Oxigenierung, so dass auf eine extrakor-

porale Membranoxigenierung (▶ ECMO) verzichtet werden kann. Das Ansprechen auf die therapeutischen Maßnahmen innerhalb von 6 Stunden nach Therapiebeginn kann als Prädiktor für den Therapieerfolg der HFOV herangezogen werden, wobei sich der Effekt in der Regel bereits innerhalb weniger Minuten einstellt. Bei Ausbleiben des paO2Anstiegs ist die Fortsetzung der Therapie mit NO nicht sinnvoll. Die initial übliche NO-Konzentration liegt bei 20 ppm. Konzentrationen über 40 ppm sind nicht sinnvoll. Die Entwöhnung von NO muss langsam in Schritten von 2 ppm bis 5 ppm erfolgen. Wegen Inaktivierung der natürlichen NO-Synthetase besteht oftmals eine passagere NO-Abhängigkeit bei 2 – 4 ppm, die nur in kleinen Schritten über mehrere Tage überwunden werden kann. Beachte Unter der Therapie muss der Met­Hb­Anteil re­ gelmäßig kontrolliert werden.

9.5

Komplikationen der Beatmung

9.5.1

Akute Desaturierung

Früh- und Neugeborene haben kaum respiratorische Reserven, so dass eine Unterbrechung der Ventilation oder Oxigenierung sehr rasch zu einer profunden Hypoxämie führen kann (Tab. 9.8). Innerhalb weniger Sekunden reagieren Frühgeborene darauf mit einer Bradykardie und einem funktionellen Kreislaufstillstand. Bei akuter Desaturierung muss sofort reagiert werden. Klinisch ist auf Hautkolorit, Atemexkursionen und Atemgeräusche zu achten. Im Zweifel ist das Kind manuell zu beatmen. Ein Beatmungsbeutel mit O2 muss im oder direkt am Inkubator verfügbar sein. Bei Verdacht auf Tubusdislokation ist sofort zu laryngoskopieren. Im Zweifel: Tubus ziehen, Maskenbeatmung und Re-Intubation. Bei Verdacht auf Pneumothorax kann bei kleinen Frühgeborenen nicht immer die radiologische Kontrolle abgewartet werden, dann kann die Translumination hilfreich sein. Bei hochakuter Verschlechterung muss der Pneumothorax „blind“ entlastet werden.

9.5 Komplikationen der Beatmung

Tabelle 9.8

281

Komplikationen der Beatmung.

Ereignis

Klinik

Maßnahme

Tubusobstruktion ● Sekretverlegung

akuter Verfall, Zyanose, Schaukel­ atmung, kein Atemgeräusch

Absaugen, wenn ohne Effekt, oder Absauger passiert Tubus nicht: Tubus ziehen, Maskenbeatmung, ggf. Re­Intubation

Abknickung Tubusdekonnektion

Tubusdislokation Hypopharynx Ösophagus Hauptbronchus

● ● ●

Pneumothorax ● Spannungs­Pneumothorax

1

Abknickung beheben Dekonnektionsalarm akute Verschlechterung, frustrane Atemexkursionen, leises Atemgeräusch

Konnektieren

fehlendes Atemgeräusch blubberndes AG, Speichelblasen geblähtes Abdomen einseitiges AG

Re­Intubation, ggf. Tubus vorsichtig zurückziehen, ggf. direkte Laryngos­ kopie

einseitiges Atemgeräusch, akuter Verfall, Zyanose, Bradykardie

FG → Translumination NG → sofortiger Röntgen­Thorax Thoraxdrainage, im Notfall entlasten­ de Punktion mit Braunüle Lagern auf kranker Seite O2­Zufuhr, enges Monitoring

● ● ●

Mantelpneumothorax

Einseitig abgeschwächtes AG

pulmonal interstitielles Emphysem

radiologisch fleckig­streifige Auf­ hellungen

PIP, MAP, PEEP reduzieren

Pneumomediastinum, Pneumoperikard

Kreislaufdepression, obere Einfluss­ stauung

PIP, MAP, PEEP reduzieren, ggf. Pneumoperikard entlasten

bronchopulmonale Dysplasie

O2­Abhängigkeit, Hyperkapnie, Dys­ pnoe, pulmonale Obstruktion, pulmo­ nale Hypertonie, Interstitielles Ödem

adäquate O2­Zufuhr, langsames Weaning, antiobstruktive inhalative Therapie, nichtinvasive Beatmung

Ventilator­assoziierte Pneumonie

sekundäre Verschlechterung unter (nicht)­invasiver Beatmung, Apnoen u. a. unspezifische Infektionszeichen

frühzeitige empirische antibiotische Therapie, ggf. Intensivierung der Beatmung

4

4

4

4

4

9 Merke Unklarer ventilatorischer Notfall: sofort manuell beatmen (100 % O2), ggf. laryngoskopieren. Im Zweifel extubieren und Maskenbeatmung.

9.5.2

Pulmonal-interstitielles Emphysem (PIE), Pneumomediastinum, Pneumoperikard

Radiologisches Zeichen für einen drohenden Pneumothorax ist freie Luft pulmonal-interstitiell oder mediastinal. Gerade bei unreifen Frühgeborenen kann ein pulmonal-interstitielles Emphysem (PIE) (Abb. 9.6a) als Ausdruck der Ventilator-induzierten Lungenschädigung die Entwicklung einer bronchopulmonalen Dysplasie (BPD) begünstigen. Die Ventilatoreinstellung muss umgehend überprüft und die Beatmungsintensität reduziert werden.

4

4

4

282

9 Beatmung in der Neonatologie und pädiatrischen Intensivmedizin

einer ausgeprägten Kreislaufdekompensation führen kann. Ein Pneumoperikard muss durch eine Perikardpunktion entlastet werden.

1

9.6

a

4

4

Atemgasklimatisierung

Grundsätzlich können bei Kindern aktive und passive Systeme zur ▶ Klimatisierung der Inspirationsluft eingesetzt werden. ▶ HME (Heat and Moisture Exchanger, sog. „künstliche Nasen”) werden aufgrund ihres Totraums und der Erhöhung des Atemwegswiderstandes nicht bei Kindern mit einem Körpergewicht unter 3 kg verwendet. Die Größe des HME muss abhängig vom erwarteten Tidalvolumen ausgewählt werden. Für alle Altersgruppen jenseits der Neugeborenenperiode stehen adäquate Größen zur Verfügung. Merke Keine HME bei Neugeborenen unter 3 kg KG.

4

4 b

4

9

4

4

4

Abb. 9.6 Extrapulmonale Luftansammlungen unter Beatmung. a Asymmetrisches pulmonal­interstitielles Emphysem (PIE) bei einem Frühgeborenen der 23. Schwanger­ schaftswoche. Links ausgeprägte streifig­feinflecki­ ge Aufhellungen, rechts kleinfleckige Aufhellungen durch freie Luft. b Signifikantes Pneumoperikard und PIE der rechten Lunge bei einem Frühgeborenen der 26. Schwan­ gerschaftswoche. Kreislaufdepression mit arteri­ eller Hypotonie und Tachykardie. Rasche Rekom­ pensation nach einmaliger Punktion mittels einer 24­G­Braunüle.

Adäquate Tidalvolumina zwischen 6 und 8 ml/kg KG werden ggf. durch PIP-Reduktion und niedrigere PEEP-Einstellung unter Tolerierung höherer FiO2 erreicht. Ein Pneumoperikard (Abb. 9.6b) ist eine seltene Komplikation bei Frühgeborenen, die jedoch – anders als bei älteren Patienten – durch eine diastolische Funktionsstörung des Herzens zu

Zur Ontogenese der Atemgasklimatisierung bei Früh- und Neugeborenen ist wenig bekannt. Der Wasserverlust pro Atemzug ist bei Neu- und Frühgeborenen weitgehend konstant, so dass die relativ hohe „Perspiratio insensibilis“ in dieser Altersgruppe in erster Linie auf die hohe Atemfrequenz zurückzuführen ist. Daten zu Temperatur- und Wassergradienten im Verlauf der Atemwege Frühgeborener fehlen. Im Tiermodell ist bei verschiedenen Spezies der mukoziliäre Transport langsamer als bei reifen Tieren. Die ▶ mukoziliäre Clearance wird durch zu kalte oder heiße Atemgase wie auch durch trockene oder übersättigte Gase oder freies Wasser empfindlich gestört. Gelangt Wasser als Aerosol oder Kondenswasser in die peripheren Atemwege, kann die Lungenfunktion erheblich beeinträchtigt werden. Im Tiermodell waren histologische Veränderungen wie Gefäßwandhypertrophie sowie interstitielle und intraalveoläre Ödeme nachweisbar. Störungen des mukoziliären Transports führen zu Sekretretention und begünstigen die Ausbildung von Atelektasen und pulmonalen Infektionen. Bei Früh- und Neugeborenen werden zur Atemgasklimatisierung fast ausschließlich aktive Systeme (HH, ▶ Heated Humidifier) eingesetzt. Die Klimatisierung wird durch unterschiedliche

9.7 Monitoring der Beatmung

Umgebungs- und Inkubatortemperaturen sowie durch den Einsatz von Wärmestrahlern bei offener Pflege kompliziert. Die Einstellung der Verdampfertemperatur und der Schlauchheizung erfolgt weitgehend empirisch und unterscheidet sich von Klinik zu Klinik z. T. erheblich. In einigen Einrichtungen werden die Verdampfertemperaturen bis auf 40 °C eingestellt, um tubusnahe Temperaturen von 37 – 38 °C mit entsprechend hohem Wassergehalt zu erreichen. Hierdurch sollen insbesondere bei sehr kleinen Kindern Temperatur- und damit Energieverluste über die Atemwege verhindert werden. Hohe Wassertemperaturen bergen jedoch das Risiko thermischer Schäden bei gerätebedingten Fehlfunktionen und führen zudem fast zwangsläufig zu Kondensation und freiem Wasser im Schlauchsystem. Auf vielen neonatologischen Intensivstationen wird daher eine Einstellung von 37 °C mit einer Temperaturkompensation von – 2 °C favorisiert. Bei korrekter Platzierung der Temperaturmesssonde knapp außerhalb des Inkubators resultiert eine tubusnahe Atemgastemperatur von 33 – 35 °C mit einem Wassergehalt von 35 – 38 mg/l, wodurch eine weitgehend physiologische Klimatisierung der Atemgase sichergestellt wird. Hinweis Der Einfluss der Atemgastemperatur auf die Kör­ pertemperatur wird weit überschätzt. Aus ener­ getischer Sicht wichtiger ist die Vermeidung von Wasserverlusten aus den Atemwegen durch zu trockene Atemgase. In der Praxis ist darauf zu achten, dass der patientennahe Temperatursensor möglichst wenig durch äußere Wärmequellen (Inkubator, Wärmelampen, Heizstrahler) beeinflusst werden kann. Er ist außerhalb des Inkubators zu platzieren, sofern die Inkubatortemperatur über der Atemgastemperatur liegt. Transportinkubatoren sind in der Regel nicht mit einer aktiven AGK ausgestattet. Es ist daher sinnvoll, beatmete Früh- und Neugeborene zum Transport mit einem HME zu versorgen. Dafür eignen sich in den Tubuskonnektor integrierte HME, wodurch kein zusätzlicher Totraum entsteht. Der erhöhte Atemwegswiderstand spielt unter kontrollierter maschineller Beatmung ohnehin keine wesentliche Rolle.

9.7

283

Monitoring der Beatmung

1 Die Besonderheiten der Beatmungstherapie von Kindern stellen hohe Anforderungen an die Überwachung. Aufgrund der geringen Reserven kleiner Kinder sind die Alarmgrenzen eng zu setzen. Ziele des Monitorings ist die sofortige und exakte Erfassung und Vermeidung von: ● Hyperoxie (Sauerstofftoxizität!), ● Hypoxämie, ● Hypoventilation, ● Hyperventilation. Die Genese der Retinopathia praematurorum des Frühgeborenen ist multifaktoriell (Tab. 9.9). Neben der Unreife spielt Sauerstoff offenbar eine Hauptrolle: Rasch ansteigende und inadäquat hohe arterielle Sauerstoffpartialdrücke in der postpartalen Phase schädigen die Netzhaut, die intrauterin nur einem paO2 von ca. 30 mmHg ausgesetzt war. Auch eine ▶ Hyperventilation muss bei unreifen Frühgeborenen strikt vermieden werden, da sie aufgrund der fehlenden zerebralen Gefäßautoregulation zu einer Minderperfusion des Gehirns führen kann. Niedrige arterielle pCO2-Werte < 30 mmHg sind mit der Entwicklung von Leukomalazie und einer erhöhten Inzidenz von Zerebralparesen assoziiert. Große Tidalvolumina und hohe Inspirationsdrücke führen zu ▶ Volu- und ▶ Barotrauma.

4

4

4

4

4 9.7.1

Monitoring der O2- und CO2-Partialdrücke

Die kontinuierliche ▶ transkutane Messung der O2-Partialdrücke (siehe Abb. 2.30, S. 90) ist zur sicheren Vermeidung der Hyperoxie unerlässlich und gehört damit zum Standardmonitoring. Wichtig ist die regelmäßige Kalibration der transkutanen Sonde anhand arterieller BGA. Tabelle 9.9 Bedeutsame pathogenetische Faktoren für die Entwicklung einer Retinopathie. ● ● ● ● ●

Geburtsgewicht < 1000 g Dauer der O2­Exposition Hyperoxie mit transkutanem pO2 > 80 mmHg Wechsel von Hyperoxie und Hypoxie z. B. bei Apnoe Hyperkapnie

9

4

4

4

284

1

4

4

4

4

4

9

4

4

4

9 Beatmung in der Neonatologie und pädiatrischen Intensivmedizin

Merke Bei noch offenem PDA ist die Sonde präduktal am rechten Arm oder der rechten Thoraxapertur zu positionieren. Die Methode ist mit einigen Nachteilen behaftet: ● Gefahr von Verbrennungen, ● häufiger Wechsel der Sondenposition erforderlich, ● häufige Kalibrierungen notwendig, ● verzögerte Ansprechzeit, ● tendenziell falsch niedrige pO -Werte, 2 ● schlechte Übereinstimmung mit paO bei ge2 störter Mikrozirkulation, bei älteren Früh- und Neugeborenen mit zunehmender Hautdicke und bei Ödemen. Der ▶ CO2-Partialdruck kann ebenfalls kontinuierlich transkutan gemessen werden. Es stehen kombinierte Elektroden für die pO2- und pCO2Messung zur Verfügung. Die genannten Einschränkungen der pO2-Messung gelten auch für das pCO2. Das pCO2 wird meist falsch zu hoch gemessen. Trendwerte sind aber gut verwendbar.

9.7.2

Pulsoximetrie

Aufgrund der o. g. Probleme wird das transkutane pO2-Monitoring meist nur in den ersten Tagen der Behandlung unreifer Frühgeborener eingesetzt. Die Messung sollte immer mit der Messung der pulsoximetrischen O2-Sättigung kombiniert werden. Die ▶ Pulsoximetrie misst spektralphotometrisch den Anteil des O2-gesättigten Hämoglobins (siehe auch Abb. 2.26 und 2.27, S. 83). Sie eignet sich besonders gut zur Detektion hypoxischer Zustände. Vorteile der Methode sind: ● kurze Reaktionszeiten, ● keine Kalibration erforderlich (gut für Kreißsaal, Transport), ● auch für ältere Kinder geeignet, ● zuverlässige Hypoxieerkennung (zyanotische Vitien!). Wenngleich die Messung der O2-Sättigung aufgrund der Bindungskinetik der O2-Dissoziationskurve gerade bei hohen Partialdrücken schlechter zwischen akzeptablen und hyperoxischen O2Werten diskriminiert, ist die O2-Sättigung für die

Praxis die wichtigste Steuergröße. Da in den ersten Lebenswochen bei unreifen Frühgeborenen SpO2Werte unter 92 % angestrebt werden, ist hier die Diskriminierung zur Hyperoxie noch ausreichend gut.

9.8

Erstversorgung des Neugeborenen und häufige Krankheitsbilder in der Neonatologie

9.8.1

Postnatale Adaptationsverzögerung Früh- und Neugeborener

Die Geburt ist ein hochkomplexer Vorgang, der beim Neugeborenen Umstellungsprozesse initiiert, wie sie im späteren Leben niemals wieder vorkommen werden. Zu den Schwerpunkten der postnatalen Adaptation zählen: ● Ventilation und Oxigenierung, ● Zirkulation, ● Thermoregulation. Die Umstellung zur Lungenatmung beinhaltet vielfältige hormonelle und biochemische Prozesse, ohne die eine rasche postnatale Fruchtwasserresorption nicht möglich wäre. Der Beginn der Lungenatmung wird durch die Passage des Geburtskanals unterstützt, in dem der kindliche Thorax einem hohen Druck von bis zu 95 mbar ausgesetzt ist. Ein Teil des intraalveolären Fruchtwasservolumens wird dadurch aus der Lunge gepresst. Nach Durchtritt durch den Geburtskanal kommt es zur passiven Ausdehnung des Thorax, wodurch bei Geburt aus Schädellage Luft in die oberen Atemwege gelangt. Die glossopharyngeale Atmung und erste Zwerchfellkontraktionen führen dann zur aktiven Inspiration von Atemgas, wodurch innerhalb von wenigen Sekunden eine suffiziente Spontanatmung sichergestellt wird. Verbleibendes Fruchtwasser wird in das Interstitium aufgenommen und über das Kapillarsystem der Lunge resorbiert. Parallel zur Ventilation führt die pulmonale Vasodilatation zu einem raschen Anstieg des pulmonalen Blutflusses, so dass die zuvor parallel geschalteten Lungen- und Systemkreisläufe nun in Serie geschaltet sind (Abb. 9.7). Der vor-

9.8 Erstversorgung des Neugeborenen und häufige Krankheitsbilder in der Neonatologie

21

285

1 Ao 65

31

10

66

PA Ao

3

7

34

RV

70 4

LV 66

69

SVC

55

65

RV

LV

70 3

SVC 27

21

60

PV

4

40 LA

RA

7

LA

RA

PV

3

m2

m3 69

a

DA

55 70 mmHg PA 45

59 DA

IVC

70mmHg 45

70

b

Abb. 9.7 Fetale Zirkulation. a Rote Kreise: Angaben in % des Gesamt­HZV = 600 ml/min bei reifen Neugeborenen. b Blaue Kreise: Sauerstoffsättigung, blaue Rahmen: Blutdruck. AO = Aorta SVC = Vena cava superior PA = Pulmonalarterie RA = Rechter Vorhof PV = Pulmonalvene LA = Linker Vorhof DA = Ductus arteriosus RV = Rechter Ventrikel IVC = Vena cava inferior LV = Linker Ventrikel

geburtliche Rechts-Links-Shunt über dem Ductus arteriosus wird zunächst bidirektional und kehrt sich letztlich um. Unter dem Anstieg des Sauerstoff-Partialdruckes verschließt sich der Ductus arteriosus beim reifen Neugeborenen innerhalb weniger Stunden bis Tage. Im Rahmen der postnatalen Adaptation bestehen enge Abhängigkeiten zwischen Ventilation, Oxigenierung und Zirkulation, die darüber hinaus von der Thermoregulation beeinflusst werden. Das Neugeborene wird aus einer thermoneutralen Umgebung geboren und innerhalb von wenigen Sekunden einem raschen Wärmeverlust ausgesetzt. Temperaturverluste entstehen in erster Linie durch Verdunstung (70 – 80 %), daneben sind Strahlungsverluste (15 %), Konduktion (5 %) und Konvektion (5 %) für postnatale Wärmeverluste

4

IVC

verantwortlich. Die relativ große Körperoberfläche, die geringe Isolierung durch Fett sowie die hohe Permeabilität der Haut in Verbindung mit unzureichenden Regulationsmechanismen der Hautperfusion tragen zu den initialen Wärmeverlusten bei. Hypothermie führt sehr rasch zu einem Anstieg des Sauerstoffverbrauches, der bei den geringen Reserven des Neugeborenen über einen „Circulus vitiosus“ zur kardiopulmonalen Dekompensation führen kann (Abb. 9.8). Als Folge der metabolischen Azidose und pulmonalen Vasokonstriktion kann ein Rückfall in fetale Kreislaufverhältnisse im Sinne einer persistierenden fetalen Zirkulation (PFC) resultieren. Ein Rechts-Links-Shunt über den PDA sowie intrapulmonale Shunts führen zu einer ausgeprägten Oxigenierungsstörung.

4

4

4

9

4

4

4

286

9 Beatmung in der Neonatologie und pädiatrischen Intensivmedizin

Abb. 9.8 Circulus vitiosus der Hypothermie in der Neonatalperiode. Erläuterungen im Text.

metabolische Azidose

1

Zunahme des anaeroben Metabolismus

Hypothermie

erhöhter Energieumsatz

4

verminderte O2-Versorgung der Gewebe

pulmonale Vasokonstriktion

periphere Vasokonstriktion

verminderte O2-Aufnahme in der Lunge

4 9.8.2

4

4

4

9

4

4

4

Erstversorgung des Neugeborenen

Die Erstversorgung des Neugeborenen ist in der Regel planbar. Vor jeder Erstversorgung hat daher routinemäßig die Überprüfung von Material und Gerät höchste Priorität. Die Reanimationseinheit (Tisch mit Wärmestrahler, Lichtquelle, Vakuumpumpe und Sauerstoff) soll in einem warmen, zugfreien Raum in unmittelbarer Nähe des Kreißsaals oder des OP stehen. Das Monitoring umfasst EKG und Pulsoximetrie, ein Blutgasanalysator sollte rasch erreichbar sein. Das notwendige technische Instrumentarium muss täglich überprüft werden: ● Baby-Beatmungsbeutel mit PEEP-Ventil und Pmax-Begrenzung, ● Beatmungsmasken Größe 00 und 01, ● 2 Laryngoskope mit geradem Spatel 0 und 1 (Miller), ● Magill-Zange für Säuglinge, ● Guedel-Tuben 00 und 000, ● Endotrachealtuben, nasal, 2,5 / 3,0 / 3,5 mm ID, ● Säuglingsstethoskop, ● Magensonden, ● Nabelgefäßkathetersets, Nabelbändchen, Nahtset, Nahtmaterial, ● Absaugkatheter, ● Material für peripher-venöse Zugänge.

Folgende Medikamente und Injektions-, Infusionslösungen müssen vorgehalten werden: ● Glucose 5 % und 10 %, NaCl 0,9 % Amp. 10 ml, ● Na-Bicarbonat 8,4 % Amp. 20 ml, ● Ca-Gluconat 10 % Amp. 10 ml, ● Naxolon (Narcanti neonatal) Amp. 0,04 mg, ● Adrenalin 1:10.000 verdünnte Lösung, 10 ml, ● Notfallkonserve 0 rh negativ (möglichst im Kreißsaal gelagert). Im Vordergrund stehen die adäquate Oxigenierung und Ventilation des Kindes. Ob zur Neugeborenen-Reanimation eine Sauerstoffkonzentration von 100 % oder Raumluft verwendet wird, ist derzeit Gegenstand intensiver Diskussionen. Einige Studien zeigten eine raschere Stabilisierung mit vergleichbarem Langzeit-Outcome bei Kindern, die mit Raumluft reanimiert wurden. Aktuell wird primär allerdings noch die Verwendung von 100 % Sauerstoff empfohlen, wenn ein Herz-KreislaufStillstand vorliegt. Wegen der potenziellen Sauerstofftoxizität sollte zur Routineversorgung von Früh- und Neugeborenen hingegen eine „adäquate FiO2“ Verwendung finden (ILCOR 2006). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der physiologische Anstieg des O2-Gehalts postnatal nicht abrupt, sondern langsam über 5 – 10 Minuten erfolgt. Unmittelbar nach Abnabeln beträgt die SaO2 60 %, nach

9.8 Erstversorgung des Neugeborenen und häufige Krankheitsbilder in der Neonatologie

Tabelle 9.10

287

Fehlbildungen bei Neugeborenen und deren Erstversorgung

Fehlbildung

Klinik

Maßnahmen

Choanalatresie, Unterkie­ ferhypoplasie (Pierre­Robin­ Sequenz)

bei Schreien rosig, Zyanose und Einziehungen in Ruhe

Guedel­Tubus, Rachen­CPAP, Larynxmaske, ggf. orale Intubation (schwierig bei Unter­ kieferhypoplasie!)

Zwerchfellhernie

Zyanose, einseitiges Atemge­ räusch, verlagerte Herztöne, eingefallenes Abdomen

Magen­, Darmextension vermeiden, keine Maskenbeatmung, sofort Intubieren! Lagerung auf erkrankter Seite, offene Magen­ sonde

Gastroschisis, Omphalozele

frei liegende Darmschlingen, Omphalozele mit Darmschlin­ gen

keine Maskenbeatmung, Darmextension ver­ meiden, offene Magensonde, Rumpf in sterilen Plastikbeutel, Seitenlage, um venöse Stase zu vermeiden

Ösophagusatresie

viel orales Sekret, Routine­ absaugung des Magens nicht möglich

Dauerabsaugung des oberen Blindsacks, Intu­ bation wegen Gefahr der Magenüberblähung vermeiden (in 85 % untere Fistel!)

1

4

4 Stabilisierung sollte sie bei Frühgeborenen unterhalb der 28. Gestationswoche zwischen 82 – 92 % liegen und 95 % nicht überschreiten.

9.8.3

4

Besondere Situationen der Erstversorgung

Grundsätzlich sollen alle Kinder mit bekannten Fehlbildungen in einem Perinatalzentrum Level I geborenen werden. Trotz der Fortschritte in der Pränataldiagnostik kann der erstversorgende Arzt unvermittelt mit Fehlbildungen konfrontiert werden, die ein differenziertes Vorgehen erfordern. Tab. 9.10 gibt einen Überblick über einige Fehlbildungen und deren Besonderheiten in der Erstversorgung. Abb. 9.9 zeigt ein Neugeborenes mit Gastroschisis vor und nach Primärversorgung.

4

a

4

9

4 9.8.4

Respiratorische InsufÏzienz des Frühgeborenen

Etwa 7 % aller Schwangerschaften enden vor der 37. SSW und führen damit definitionsgemäß zu einer Frühgeburt. 1,5 % aller Kinder werden bereits vor der 32. SSW geborenen und haben damit ein hohes Risiko, ein Atemnotsyndrom zu entwickeln.

b

4

Abb. 9.9 Neugeborenes mit Gastroschisis. Vor (a) und nach (b) Erstversorgung.

4

288

9 Beatmung in der Neonatologie und pädiatrischen Intensivmedizin

■ Pathogenese des Atemnotsyndroms

1

Ursachen der Frühgeburtlichkeit sind: Amnioninfektionssyndrom (führt zu vorzeitigen Wehen und Blasensprung), ● Mehrlingsschwangerschaften, ● akute Plazentalösung, ● EPH-Gestose und andere mütterliche Erkrankungen wie z. B. das HELLP-Syndrom. ●

4

4

4

4

4

9

4

4

Das ▶ Surfactant-System ist erst mit der 36. SSW ausgereift. Der Mangel an Surfactant, das als oberflächenaktive Substanz wesentlich zur Entfaltung der Alveolen beiträgt, ist die Ursache des Atemnotsyndroms. Unter Beatmung sind erhöhte intraalveoläre Drücke zur Eröffnung der Alveolen erforderlich, ein zyklischer Alveolarkollaps sowie Scherkräfte in Folge der alveolären Instabilität führen zum Eintritt von Flüssigkeit aus dem Interstitium in die Alveolen. Es entstehen Mikroatelektasen und letztlich das Vollbild des Hyalinen-Membranen-Syndroms. Zu den pathophysiologischen Veränderungen beim RDS zählen: ● Abnahme der FRC, ● Abnahme der Compliance, ● alveoläre Hypoventilation, ● Zunahme intrapulmonaler Shunts durch Ventilations-Perfusions-Missmatch, pulmonale Hypertonie und Hypoperfusion (Rechts-LinksShunt über den PDA oder das Foramen ovale). Zum klinischen Bild der respiratorischen InsufÏzienz beim Atemnotsyndrom gehören: ● Tachypnoe, ● inspiratorische Einziehungen und Nasenflügeln, ● exspiratorisches Stöhnen, ● abgeschwächtes Atemgeräusch, ● Schaukelatmung ● reduzierte Hautperfusion, ● Zyanose. Radiologisch kann das RDS nach Giedion (1977) in 4 Stadien eingeteilt werden (Abb. 9.10).

■ Therapie

4

Surfactant-Substitution. Die Versorgung Frühgeborener mit Atemnotsyndrom ist weitgehend standardisiert. Die kausale Therapie besteht in der endotra-

chealen Applikation von Surfactant. Die aktuell auf dem Markt erhältlichen Präparationen werden aus Schweine- oder Rinderlunge gewonnen. Die Applikation erfolgt als Bolus, ggf. in 2 Portionen, mit nachfolgender kurzer manueller Beatmung. Die SurfactantApplikation führt zu einer sehr raschen Veränderung der Lungenmechanik, die durch eine ▶ Rekrutierung verschlossener Alveolen mit positiven Effekten auf den Gasaustausch bedingt ist. Meist kann innerhalb weniger Minuten die inspiratorische Sauerstoffkonzentration erheblich reduziert werden. Anpassung der Beatmungsparameter. Die Compliance der Lunge verbessert sich, so dass die Beatmungsparameter nach Surfactant-Gabe umgehend angepasst werden müssen, um Hyperoxie, Ventilator-assoziierte Lungenschäden und Hyperventilation zu vermeiden. Bei Verbesserung der Oxigenierung wird unverzüglich die FiO2 reduziert, da schon kurze Phasen der Hyperoxie die Ausbildung einer Frühgeborenen-Retinopathie begünstigen können. Die derzeit gängigen Normbereiche sind Gestationsalter-abhängig und in Tab. 9.11 dargestellt. In vielen Fällen kann schon nach wenigen Stunden oder am folgenden Tag die Extubation erfolgen. Meist wird anschließend eine nichtinvasive Atemhilfe im Sinne eines nasalen ▶ CPAP erforderlich. Hinweis Wenngleich in randomisierten Studien hinsicht­ lich des Outcomes keine Vorteile gegenüber in­ vasiver Beatmung gezeigt werden konnten, hat sich die nichtinvasive Atemhilfe als Erstmaß­ nahme durchgesetzt. Zum Einsatz kommen im Rachen platzierte Beatmungstuben, bi­nasale Prongs oder nasale Masken (Abb. 9.11). Wichtig ist ein ausreichendes PEEP­Niveau, das bei Ver­ wendung von gekürzten Tuben bei 5 – 8 mbar, bei Prongs oder Masken zwischen 3 und 5 mbar liegen sollte. „Air leaks“ über dem Mund oder durch undichte Masken/Prongs sind häufig und müssen durch ausreichenden Flow kompensiert werden. Apparativ kommen „Blubber­CPAP“, Konstant­Flow­Respiratoren und spezielle CPAP­ Applikatoren wie der „Infant Flow Driver“ mit va­ riablem Inspirationsflow zum Einsatz. Die Über­ legenheit eines dieser Geräte ist nicht belegt. Auf eine adäquate ▶ Atemgasklimatisierung ist zu achten.

9.8 Erstversorgung des Neugeborenen und häufige Krankheitsbilder in der Neonatologie

289

1

Grad I

Grad II

4

4

Grad III

Grad IV

Abb. 9.10 Radiologische Stadien des RDS. Grad I: feingranuläre Zeichnung mit guter Abgrenzbarkeit des Herzschattens, Grad II: Zunahme der Zeichnungsdichte, Herzschatten beginnend unscharf, Aerobronchogramm, Grad III: Herzschatten nur noch unscharf abgrenzbar, Aerobronchogramm, Grad IV: „weiße Lunge“.

Tabelle 9.11 Sauerstoff­Sättigungsgrenzen bei Früh­ geborenen in Abhängigkeit vom Gestationsalter. Gestationswoche

SaO2 [%]

< 28. SSW

82 – 92

> 28. SSW und < 32. SSW

83 – 93

> 32. SSW und < 37. SSW

84 – 94

> 37. SSW und < 6 Monate

88 – 96

> 6 Monate

92 – 98

Maschinelle Beatmung. In vielen Fällen wird die nichtinvasive Atemhilfe ausreichen, um Frühgeborene mit Atemnotsyndrom zu stabilisieren. Bei progredienter Symptomatik sind Intubation und maschinelle Beatmung erforderlich. Ein Algorithmus zum Management der respiratorischen Insuf-

fizienz bei Früh- und Neugeborenen mit RDS ist in Abb. 9.12 dargestellt. Je schwerer das RDS, umso mehr ist die Compliance der Lunge reduziert. Bei weitgehend homogener Surfactant-Defizienz findet sich eine globale Verkürzung der Zeitkonstante, so dass Ti und Te verkürzt sind. Infolgedessen werden höhere Beatmungsfrequenzen als beim lungengesunden Frühgeborenen gewählt. Bei inhomogener Lungenschädigung sind unterschiedliche Zeitkonstanten zu erwarten und die Beatmung entsprechend zu modifizieren. Typische Ersteinstellungen des Beatmungsgerätes für Früh- und Neugeborene mit RDS sind in Tab. 9.12 zusammengestellt.

4

4

4

9

4

4

■ Weaning Bei vielen Frühgeborenen kann das Weaning unmittelbar nach der Surfactant-Gabe beginnen. Der Inspirationsdruck PIP wird in Schritten von

4

290

1

9 Beatmung in der Neonatologie und pädiatrischen Intensivmedizin

1–2 mbar reduziert, bis unter einer FiO2 von 0,25– 0,4 ein Abfall des paO2 bzw. der transkutanen SaO2 auftritt oder der paCO2 über 60 mmHg ansteigt. Die Reduktion der PIP-Werte unter 14 – 15 mbar ist wegen der hohe Resistenz der kleinen Tuben nicht sinnvoll. Die Beatmungsfrequenz wird dem paCO2 angepasst, eine Hyperventilation mit paCO2 Werten < 30 mmHg ist zu vermeiden. Das Weaning wird über die Reduktion der Respiratorfrequenz bis auf 15 – 20/min abgeschlossen. Aus

4

diesen Frequenzen wird extubiert und in der Regel sofort eine nichtinvasive Atemhilfe mit RachenCPAP, Prongs oder Maske begonnen. IntubationsCPAP ist aufgrund der hohen Tubuswiderstände kontraindiziert. Bei unreifen Frühgeborenen wird vor der Extubation zur Prophylaxe von zentralen Apnoen Koffein verabreicht. Sehr unreife Frühgeborene benötigen gelegentlich über Tage oder gar Wochen eine maschinelle Unterstützung der Atmung. Daraus kann sich eine BPD (s. u.) entwickeln, die zu einem protrahierten weaning über viele Wochen führen kann. In diesen Fällen kann die Spontanatmung des intubierten Patienten z. B. mit ▶PSV (Pressure Support Ventilation) unterstützt werden.

9.8.5

4

Bronchopulmonale Dysplasie, BPD

■ Pathogenese Meist entwickelt sich eine bronchopulmonale Dysplasie auf dem Boden eines Atemnotsyndroms. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die nicht abgeschlossene Lungenreife von Frühgeborenen,

4 Abb. 9.11 Frühgeborenes mit bi-nasalen Prongs.

4 Klinische Zeichen des RDS Zusatzdiagnostik (BGA, Rö etc.)

4

9

Frühgeborene

reife Neugeborene

FiO2 > 0,21 nasaler CPAP 5–8 mbar

FiO2 0,21–0,3 engmaschige Kontrollen

verschlechtert: FiO2↑ bis 0,5 nasaler CPAP

4

4

4

gebessert: FiO2 langsam reduzieren

paO2 50–70 mmHg paCO2 40–50 mmHg pH 7,20–7,45

paO2 < 50 mmHg paCO2 50–60 mmHg pH 7,20–7,45

paO2 < 50 mmHg paCO2 > 60 mmHg pH < 7,20

engmaschig überwachen BGA in 60 min

↑FiO2 oder CPAP↑ BGA in 30 min

Intubation, SIMV, Surfactant

Abb. 9.12 Algorithmus zum Management der respiratorischen InsufÏzienz bei Früh- und Neugeborenen mit RDS. Neben der BGA und der FiO2 ist in erster Linie die Klinik des Kindes ein entscheidendes Kriterium für Intubation, Surfactant­ Substitution und maschinelle Be­ atmung (mod. nach Spitzer et al. 2003).

9.8 Erstversorgung des Neugeborenen und häufige Krankheitsbilder in der Neonatologie

Tabelle 9.12 Ersteinstellung des Respirators bei Früh­ und Neugeborenen mit RDS. PIP = Inspirationsdruck, Ti = Inspirationszeit, Te = Exspirationszeit, AF = Beatmungsfrequenz, PEEP = positiver endexspiratorischer Druck. Körpergewicht [g]

PIP [cmH2O]

PEEP [cmH2O]

Ti [s]

Te [s]

AF [l/min]

FiO2*

< 1500

20

3–5

0,35 – 0,40

0,5

67

0,3

> 1500

20

4–5

0,5

0,7

50

0,3

291

1

* Die FiO2 ist umgehend auf altersgemäße SO2­Werte zu adjustieren. Der Beatmungsdruck ist gemäß der Tidalvolumina anzupassen, das Atemminutenvolumen über die Beatmungsfrequenz an die transkutan gemessenen CO2­Partialdrucke zu adjustieren.

weshalb die einmalige pränatale Kortikosteroidgabe eine wichtige Prophylaxe darstellt. Auch intrauterine Infektionen (Chorioamnionitis) können die Entwicklung einer BPD triggern. Ventilator-indizierte Lungenschädigung (VILI = Ventilator Induced Lung Injury), signifikanter Links-Rechts-Shunt bei persistierendem Ductus arteriosus (PDA) und/ oder Infektion führen letztlich zu sekundären Lungenschäden. Erschwerend kommt hinzu, dass Reparaturmechanismen gestört sind. So bilden sich Sekundärsepten, die wesentlich zur Ausreifung des alveolären Systems beitragen, nur ungenügend aus, so dass letztendlich ein „Reifungsstopp“ resultiert (Abb. 9.13). Die Definition der BPD wurde 2001 neu gefasst (Tab. 9.13). Danach entwickelt zwischen 5 und 20 % aller beatmeten Frühgeborenen mit Atemnotsyndrom eine bronchopulmonale Dysplasie. Das klinische Bild ist durch die Beatmungs- und Sauerstoffabhängigkeit charakterisiert. Daneben finden sich ● eine chronische Hyperkapnie, ● Dyspnoe mit Einziehungen, ● pulmonale Obstruktion und Spastik, ● rezidivierende pulmonale Infektionen. Als Folge des Lungengerüstumbaus kann es zu einer pulmonalen Hypertonie mit reduzierter Lungenperfusion und Rechtsherzbelastung kommen.

■ Therapie Kortikoide. Die Therapie der bronchopulmonalen Dysplasie ist schwierig. Frühgeborene mit schwerer BPD lassen sich durch eine mehrtägige Behandlung mit Kortikoiden meist von der Beatmung entwöhnen. Die routinemäßige Behandlung nicht extubierbarer Frühgeborener mit Kortikoiden ist

Tabelle 9.13 Definition der BPD (nach Jobe u. Bancalari 2001).

4 Frühgeborenes < 32 SSW

Frühgeborenes > 32 SSW

alle Schweregrade: Sauerstoffbedarf am 28. Lebens­ tag oder darüber hinaus leichte BPD

Spontanatmung, FiO2 0,21 in der 36. SSW oder bei Entlassung

Spontanatmung, FiO2 0,21 Tag 56 oder bei Entlassung

moderate BPD

FiO2 < 0,3 36. SSW oder bei Entlassung

FiO2 < 0,3 Tag 56 oder bei Entlassung

schwere BPD

FiO2 > 0,3 oder NIV/PPV 36. SSW oder bei Entlassung

FiO2 > 0,3 oder NIV/PPV Tag 56 oder bei Entlassung

4

4

4

4 allerdings inzwischen obsolet, da als Folge der Behandlung bedeutsame neurokognitive Entwicklungsstörungen zu beobachten waren. Heute werden nur noch in verzweifelten Einzelfällen nach entsprechender Aufklärung der Eltern Kortikoide kurzzeitig eingesetzt. Beatmung. Die Beatmung von Kindern mit BPD gleicht der Beatmung obstruktiver Lungenerkrankungen. Das Schädigungsmuster ist meist inhomogen, so dass sich Kompartimente mit sehr unterschiedlichen Zeitkonstanten finden. Volumenkontrollierte Beatmungsmodi mit konstantem Inspirationsfluss und flacher Rampe können vorteilhaft sein. Auf eine ausreichende Exspirationszeit ist zu achten. Die Entwöhnung mit langsamer Reduktion der Beatmungsintensität ist oft langwierig.

9

4

4

4

292

9 Beatmung in der Neonatologie und pädiatrischen Intensivmedizin

1

4

1st HIT Chorioamnionitis

2nd HIT Beatmung, PDA, Sepsis

Mediatoren↑

Reparatur ↓

4

BPD „Lungenreifung“

4

4

4

9

4

4

4

„Reifungsstopp“

Abb. 9.13 Pathophysiologie, radiologisches Bild und Histologie der BPD. Erläuterungen im Text.

Prävention. Angesichts der schwierigen Therapie kommt der Prävention besondere Bedeutung zu. Hierzu zählen: ● pränatale Lungenreifung durch Betamethason, ● konsequente Vermeidung Ventilator-assoziierter Lungenschäden, ● Einsatz nichtinvasiver Atemhilfen, ● frühzeitige Surfactant-Substitution, ● adäquate Atemgasklimatisierung, ● Prävention und Therapie pulmonaler Infektionen, ● Behandlung eines hämodynamisch relevanten PDA.

9.8.6

Mekonium-Aspirations-Syndrom, MAS

■ Pathogenese Intrauteriner Stress, ausgelöst z. B. durch eine PlazentainsufÏzienz mit intrauteriner Hypoxie und Azidose, führt zur Sphinktererschlaffung mit Abgang von Mekonium. Das mekoniumhaltige Fruchtwasser kann bereits intrauterin durch die „Atembewegungen“ des Feten in die Lunge gelangen. Bei

Geburt äußert sich der Verdacht auf ein MAS bei grünem Fruchtwasser, das bei ca. 10 – 15 % aller Geburten auftritt. Lediglich 5 % dieser Kinder entwickeln jedoch ein manifestes und beatmungspflichtiges MAS. Die Mortalität des manifesten MAS beträgt ca. 5 %. Routinemäßiges endotracheales Absaugen wird bei vitalen Kindern nach Geburt aus mekoniumhaltigem Fruchtwasser nicht mehr praktiziert, da es das Outcome nicht verbessert. Ist das Kind nach der Geburt deprimiert, muss mit einem dicken Sauger oder durch einen modifizierten Tubus das zähe Mekonium endotracheal abgesaugt werden. Bronchiallavage mit Kochsalzlösung oder Surfactant-Lösungen werden nicht empfohlen. Als Folge der Mekonium-Aspiration kommt es zur Pneumonitis mit Atelektasen und Obstruktion kleinerer und größerer Atemwege. Surfactant wird durch Mekonium inaktiviert, so dass ein sekundärer Surfactant-Mangel entsteht. Vermehrte Atemanstrengungen oder Beatmung führen leicht zu extraalveolärer Luft und zum Pneumothorax. Pathophysiologisch finden sich als Folge der persistierenden pulmonalen Hypertonie ein Ventilations-Perfusions-Missmatch sowie ein Rechts-Links-Shunt über den PDA mit einer daraus resultierenden schweren Oxigenierungsstörung.

9.9 Spezielle Krankheitsbilder der pädiatrischen Intensivmedizin

Klinisch weisen die Kinder Zeichen der respiratorischen InsufÏzienz wie beim RDS auf. Radiologisch findet sich meist nach wenigen Stunden ein Mischbild aus überblähten Arealen, Atelektasen und grobfleckigen Verschattungen als Ausdruck entzündlicher Veränderungen (Abb. 9.14).

■ Therapie Im Vordergrund steht die Behandlung der pulmonalen Hypertonie. Das Vollbild der Erkrankung erfordert ein offensives Vorgehen mit adäquater Kanülierung (zentraler Venenkatheter, Arterie). Die pulmonale Widerstandserhöhung und der RechtsLinks-Shunt über den persistierenden Ductus arteriosus können nichtinvasiv diagnostiziert werden. Es finden sich: ● eine Sättigungsdifferenz zwischen der oberen und unteren Extremität, ● echokardiographische Zeichen der pulmonalen Hypertonie: – reduzierter Pulmonalarterieneinstrom, – TrikuspidalinsufÏzienz, – überdehnter schlecht kontraktiler rechter Ventrikel, – kleiner, gut kontraktiler linker Ventrikel.

Die pulmonale Hypertonie erfordert intensive therapeutische Maßnahmen, die sich wesentlich vom üblichen Vorgehen bei Früh- und Neugeborenen unterscheiden. Zu diesen zählen: ● strikte Vermeidung von Hypothermie, ● Azidoseausgleich mit Natriumbikarbonat, ● niedrig-normaler paCO (30-35 mmHg), 2 ● hoch-normaler paO (90-100 mmHg), 2 ● konsequente Analgosedierung, ● Relaxierung, ● ausreichende rechtsventrikuläre Vorlast, ● Anheben des peripheren Gefäßwiderstands zur Shuntreduktion (Dopamin, Arterenol), ● Therapie der rechtsventrikulären myokardialen InsufÏzienz (Dobutamin). Bei konventioneller Ventilation wird versucht, mit möglichst niedrigen Atemwegsmitteldrücken (PEEP 0 – 1 mbar) und hohen Beatmungsfrequenzen (bis 100/min) eine adäquate Oxigenierung und milde Hyperventilation zu erreichen. Gelingt es nicht, den Rechts-Links-Shunt über den PDA zu durchbrechen, sollte frühzeitig auf ▶ Hochfrequenz-Oszillations-Ventilation (HFOV) und inhalatives Stickoxid (NO 20 – 30 ppm) gewechselt werden. Durch den Einsatz von ▶ NO und HFOV in Verbindung mit konsequenter Analgosedierung und Relaxierung sowie der Behandlung der metabolischen Azidose gelingt es in vielen Fällen, die persistierende pulmonale Hypertonie (PPHN) zu durchbrechen. Der Einsatz der extrakorporalen ▶ Membranoxigenierung (ECMO) als Ultima Ratio zur Überwindung der PPHN kann so in den meisten Fällen vermieden werden.

293

1

4

4

4

4

4

9 9.9

9.9.1

Abb. 9.14 Mekonium-Aspirations-Syndrom. Radio­ logisch zeigen sich grobfleckig­streifige Veränderun­ gen.

Spezielle Krankheitsbilder der pädiatrischen Intensivmedizin

4

Bronchiolitis

Pathogenese. Die Bronchiolitis ist eine virale Erkrankung der kleinen Atemwege, die zum Bild der obstruktiven Lungenerkrankung führt. Der Erkrankungsgipfel liegt im jungen Säuglingsalter. Auslöser ist meist das Respiratory Syncytial Virus (RSV), es werden aber auch Adeno- oder Parainfluenzaviren gefunden. Die Schleimhautschwellung

4

4

294

9 Beatmung in der Neonatologie und pädiatrischen Intensivmedizin

Klinik. Klinisch imponieren Tachypnoe, fein-blasige RG oder Knistern. Gelegentlich sind kaum Atemgeräusche auskultierbar („silent lung“). Der RSV-Nachweis kann noch in der Ambulanz durch einen Enzym-Immunoassay erfolgen. Dies ist wichtig, um eine Ansteckung durch innerklinische Kohortierung zu vermeiden. Gefährdet sind insbesondere ehemalige Frühgeborene mit BPD oder Säuglinge mit kongenitalen Vitien, die sehr schwer erkranken können.

1

Therapie. Die Therapie ist symptomatisch und besteht in O2-Vorlage, nichtinvasivem CPAP und versuchsweise Inhalation mit Beta-Sympathomimetika und Ipatropiumbromid. Bei respiratorischer Dekompensation ist die invasive Beatmung indiziert.

4

9.9.2

4

Krupp-Syndrom

Pathogenese. Unter dem Begriff „Krupp-Syndrom“ werden verschiedene, meist virale Infektionen subsummiert, deren klinische Symptomatik dem früher häufigen, diphtherischen Krupp ähnlich ist. Die stenosierende Laryngotracheitis ist die häufigste Ursache von Atemnot bei Säuglingen und Kleinkindern. Die virale Infektion (Parainfluenza, ECHO-11-Viren) führt zur Schleimhautschwellung, die subglottisch im Bereich der physiologischen Ringknorpelenge zu einer signifikanten Stenose führt.

4

4

4 Klinik. Symptome sind: inspiratorischer Stridor, ● bellender Husten, ● Tachypnoe, ● Dyspnoe, ● mäßiges Fieber. ●

9

4

4

4

Abb. 9.15 RSV-Bronchiolitis. Radiologische Befunde innerhalb von 24 Stunden. Wechselndes Bild mit Überblähung, milchglasartiger Eintrübung, fleckig­ konfluierenden Infiltraten und Atelektasen. der kleinen Atemwege führt zu „Air-Trapping“ mit einem Mischbild aus regionaler oder globaler Überblähung und Atelektasen (Abb. 9.15). Als Folge der Hypoventilation und des PerfusionsVentilations-Missmatch kommt es zu Hypoxie und CO2-Retention.

Das Krupp-Syndrom kann klinisch in 4 Stadien unterteilt werden: ● Stadium I: bellender Husten, ● Stadium II: zusätzlich Stridor, juguläre Einziehungen, ● Stadium III: zusätzlich thorakale Einziehungen, Tachydyspnoe, Unruhe, Angst, ● Stadium IV: zusätzlich Tachykardie, Zyanose, Bewusstseinsstörung.

9.10 Weiterführende Literatur

Kruppsyndrom Sauerstoff per Brille/Sonde Rectodelt 100 mg Supp. Infectokrupp Inhal Eltern und Kinder beruhigen ggf. Diazepam-Supp.

Epiglottitis Sauerstoff per Brille/Sonde Irritationen vermeiden → kein Absaugen keine Racheninspektion kein i.v.-Zugang

Abb. 9.16 Algorithmus der präklinischen Versorgung des KruppSyndroms und der Epiglottitis.

295

1

Transport in Notarztbegleitung

sitzender Transport auf Schoß der Eltern

ggf. Maskenbeatmung keine präklinische Intubation → ggf. Koniotomie!

Anmeldung Pädiatrieambulanz Stadium III → PICU

Anmeldung „Difficult Airway“: Anästhesie, Pädiatrie, HNO

4

4 Therapie. In fast allen Fällen sind Adrenalininhalation, Kortikoidsuppositorien und O2-Gabe ausreichend (Abb. 9.16). Vor der Intubation, die nur im Stadium IV gelegentlich erforderlich ist, müssen nichtinvasive Atemhilfen versucht werden. Bei Intubation muss wegen des besonderen Risikos einer narbigen Ringknorpelstenose ein kleiner Tubusdurchmesser (2,5 oder 3 mm ID) gewählt werden. Hierdurch wird allerdings die Beatmung und vor allem auch das Weaning schwierig.

9.9.3

Durch die Impfungen im Säuglingsalter besteht ein sicherer Schutz gegen diese Infektion, so dass sie inzwischen eine Rarität darstellt. Da die Durchimpfungsrate nicht 100 % beträgt, muss die Epiglottitis bei der notärztlichen Versorgung von Kindern mit Atemnot diffenzialdiagnostisch allerdings weiter berücksichtigt werden.

4

4

Therapie. In Abb. 9.16 ist der Algorithmus der Versorgung bei Krupp-Syndrom und Epiglottitis dargestellt.

4

9.10

9

Epiglottitis

Pathogenese. Die Epiglottitis, eine durch Haemophilus influenza hervorgerufene bakterielle Infektion des Kehldeckels, war früher häufig Ursache der akuten respiratorischen InsufÏzienz bei Säuglingen und Kleinkindern. Sie stellt eine besondere Herausforderung an das Airway-Management dar. Klinik. Symptome sind: ● inspiratorischer Stridor, ● kloßige Sprache, ● Speichelfluss, ● Tachypnoe, ● Dyspnoe, ● hohes Fieber.

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4

4

4

296

1

4

4

4

4

4

9

4

4

4

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297

10 Beatmung in der Rettungsmedizin

1

Jörg Rathgeber

10.1

Verbesserung des pulmonalen Gasaustauschs bei Notfallpatienten

a Raumluft

4 In nahezu jeder Notfallsituation gehört die Applikation von Sauerstoff zu den ersten therapeutischen Maßnahmen. Dies gilt insbesondere für Patienten mit akuter oder drohender kardiopulmonaler InsufÏzienz sowie polytraumatisierten Patienten. Die Reduktion der inspiratorischen O2-Konzentration kann im weiteren Verlauf anhand der O2-Sättigung durchgeführt werden. Beachtet werden muss jedoch, dass die pulsoximetrisch ermittelte O2-Sättigung bei Kohlenmonoxidexposition falsch zu hoch angezeigt wird. Daher muss bei jedem Verdacht auf eine ▶ CO-Intoxikation, wie z. B. nach Rauchgasinhalation, grundsätzlich 100 %iger Sauerstoff mit dem höchstmöglichen Flow appliziert werden. Merke Bei Verdacht auf CO­Intoxikation: O2 mit dem höchstmöglichen Flow.

10.1.1 O2-InsufÒation Gasflussröhren oder andere mechanische Gasflussmesser begrenzen die Abgabe von Sauerstoff aus Druckgasflaschen in der Regel auf 10 – 15 l/min. An Gesichtsmaske, Nasopharyngealkatheter oder O2Brille vorbei kommt es immer zur Zumischung von Raumluft, die auch bei maximalem Flow nicht verhindert werden kann. Selbst bei optimal anliegender Gesichtsmaske bzw. korrekter Positionierung der O2-Brille beträgt daher die maximale inspiratorische O2-Konzentration kaum mehr als 50 % (Abb. 10.1). Zusätzlich kann die O2-Durchflussmenge durch zu geringe Innendurchmesser des verwendeten O2Schlauchs sowie der Konnektoren limitiert sein.

O2

5 b Raumluft

4

O2

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4 Abb. 10.1 O2-Anreicherung der Atemluft durch InsufÒationssysteme. Zumischung von Raumluft (Pfeile) kann auch bei ma­ ximaler Ventilöffnung nicht verhindert werden (a). Die O2­InsufÒation über eine Gesichtsmaske (b) ist vor allem in Stresssituationen günstiger. Dennoch beträgt die maximal erreichbare inspiratorische O2­ Konzentration kaum mehr als 50 %.

Hinweis In Stresssituationen, vor allem auch in Verbin­ dung mit Angst, Schmerz und Dyspnoe, at­ men die meisten Patienten verstärkt durch den Mund. Daher ist in Notfallsituation die Applikati­ on von Sauerstoff über Mund und Nase über eine Gesichtsmaske günstiger als die Zufuhr von Sau­ erstoff über Nasopharyngealkatheter oder

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10 Beatmung in der Rettungsmedizin

O2­Brille. Allerdings werden nasale Katheter von ängstlichen oder unkooperativen Patienten oft­ mals besser toleriert.

Merke Die tatsächliche inspiratorische O2­Konzentrati­ on wird begrenzt durch: ● die O ­Abgabeleistung des Inhalations­ 2 systems, ● den Durchflusswiderstand des Schlauch­ systems, ● die Zumischung von Raumluft.

a

zum Patienten b

Raumluftbeimischung O2 vom Patienten

10.1.2 Indikation zur Intubation

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Kann trotz maximalem O2-Flow per Nasensonde oder über die Gesichtsmaske keine ausreichende arterielle Sauerstoffsättigung erreicht werden, besteht die Indikation zur Intubation und Beatmung. Handbeatmungsbeutel mit 3-Wege-Ventil erlauben nicht nur die manuelle Beatmung, sondern ermöglichen auch die Applikation von O2-angereicherter Raumluft beim spontan atmenden, intubierten Patienten. Sauerstoff wird hierbei über einen entsprechenden Konnektor am Einlassventil vorbei in den Beatmungsbeutel eingeleitet. Die Applikation von 100 % Sauerstoff ist hiermit jedoch in keinem Fall möglich, da stets Raumluft über das Einlassventil zugemischt wird.

■ Reservoirbeutel

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Ist die Atmung/Beatmung mit reinem Sauerstoff indiziert, muss die Zumischung von Raumluft während der Dekompressionsphase des Beutels verhindert werden. Hierzu wird das Einlassventil des Beutels mit einem speziellen Reservoirbeutel verschlossen, so dass bei kontinuierlicher O2-Einspeisung eine inspiratorische Sauerstoffkonzentration von 100 % garantiert ist (Abb. 10.2). Merke Die Applikation von 100 % Sauerstoff ist nur über einen Handbeatmungsbeutel mit Sauerstoffre­ servoir möglich!

Exspiration

max. 60% O2

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Insufflation

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Exspiration

100% O2

vom Patienten

O2

Reservoirbeutel

Abb. 10.2 Funktionsweise des Handbeatmungsbeutels (mit Reservoir). a Durch Kompression des Beutels öffnet sich das 3­Wege­Ventil zum Patienten, gleichzeitig ver­ schließt der Überdruck im Beutel das Einlassventil. b Durch Entlastung des Beutels öffnet das Patienten­ ventil zur Atmosphäre und erlaubt die Exspiration. Der durch die Deflation des Beutels erzeugte Unter­ druck öffnet gleichzeitig das Einlassventil, so dass sich der Beutel mit Raumluft und ggf. Sauerstoff füllen kann. Die maximale O2­Konzentration be­ trägt unter diesen Umständen ca. 60 %. c Durch Aufsetzen eines Reservoirbeutels, in den O2 geleitet wird, kann die Beimischung von Raumluft verhindert werden. Bei Spontanatmung atmet der Patient während der Inspiration Raumluft oder mit O2 angereicherte Luft aus dem Beutel, das Patientenventil ist hierbei zur Atmosphäre geschlossen. Während der Exspira­ tion öffnet das Patientenventil zur Atmosphäre, so dass die Rückatmung in den Beutel verhindert wird. Spontanatmung von 100 % Sauerstoff ist ebenfalls nur mit Reservoirbeutel möglich.

10.2 Besonderheiten bei Patienten mit chronisch ventilatorischer InsufÏzienz

■ Demandventile Alternativ hat sich die Einspeisung von Sauerstoff mithilfe eines Hochdruck-Demandventils (Oxydem, Fa. Dräger) bewährt. Das Demandventil wird über eine Druckleitung anstelle des Reservoirs direkt an den Handbeatmungsbeutel angeschlossen. Die Funktion des Handbeatmungsbeutels wird hierdurch nicht beeinträchtigt, das Demandventil erlaubt sowohl Spontanatmung als auch manuelle Beatmung. Die in der Handhabung einfachen Demandventile werden zunehmend auch in der Intensivmedizin eingesetzt, da sie jederzeit und ohne die umständliche Installation eines Reservoirbeutels die Applikation von 100 %igem Sauerstoff garantieren. Darüber hinaus ist der gassparende Effekt erheblich. Dieser Aspekt ist gerade in der Notfallmedizin, wo die verfügbare Sauerstoffmenge aus Druckgasflaschen limitiert ist, unter Umständen entscheidend. Beachte Der O2­Gasvorrat in der Druckgasflasche ist dem angezeigten Manometerdruck proportio­ nal. Der Gasvorrat in Litern errechnet sich durch Multiplikation des Rauminhalts der Flasche mit dem am Manometer angezeigten Druck. Beispiel Rauminhalt der Flasche: 10 Liter Manometerdruck: 38 bar → verfügbare O2­Menge: 380 Liter

10.2

Besonderheiten bei Patienten mit chronisch ventilatorischer InsufÏzienz

■ O2 bei COPD-Patienten? Häufig wird Patienten mit bekannter ▶ chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) in Notfallsituationen, z. B. bei akuter Exazerbation, trotz schwerster Hypoxämie Sauerstoff vorenthalten, da befürchtet wird, hierdurch den Atemantrieb zu reduzieren und möglicherweise sogar einen Atemstillstand auszulösen. Die Bedeutung des paO2 bei der Regulation der Atmung in dieser Situation wird jedoch weit überschätzt. Die meisten Patienten

mit akuter Exerzabation einer COPD haben einen gesteigerten zentralen Atemantrieb und reagieren auf die Zufuhr von O2 nicht oder nur in geringem Ausmaß mit einer Zunahme der Hyperkapnie, obwohl die Ansprechbarkeit der Atemzentren auf Änderungen des paCO2 und des pH im Vergleich zum Gesunden verringert ist. Die Gabe von Sauerstoff ist bei pulsoximetrisch bestätigter Hypoxämie mit einer SpO2 < 90 % somit indiziert, da Sauerstoff ● der Erschöpfung der Atmungsmuskulatur entgegenwirkt, ● die hypoxisch bedingte pulmonale Hypertonie vermindert, ● die Rechtsherzbelastung senkt, ● das Risiko für ischämisch/hypoxische zerebrale Insulte senkt, ● die Risiken von Arrhythmien und Myokardinfarkt vermindert. Merke Unzureichende O2­Zufuhr schadet dem Patien­ ten und ist ein Kunstfehler. Dennoch kann es unter der vorsichtigen Zufuhr von Sauerstoff initial zu einer leichten Abnahme der Ventilation kommen, die jedoch zumeist innerhalb der ersten 15 Minuten wieder auf ca. 90 % des Ausgangswerts zurückkehrt. In dieser Zeit steigen die paCO2-Werte leicht an. Unter der Sauerstoffzufuhr reagieren die meisten Patienten mit einer deutlichen Besserung ihrer Hypoxie und ihres klinischen Gesamtzustandes. Die Sauerstoffdosierung wird pulsoximetrisch überwacht: Eine Sauerstoffsättigung von 90 % ist bei diesen Patienten völlig ausreichend. Merke Patienten mit COPD: So viel O2 wie nötig, so wenig O2 wie möglich. Eine Sauerstoffsättigung von 90 % ist völlig ausreichend.

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4 ■ O2 beim Status asthmaticus? Bei jungen Patienten im Status asthmaticus ist die Furcht vor der O2-induzierten Atemdepression gänzlich unbegründet. Das Erkrankungsbild ist gekennzeichnet durch den anfallsartigen Charakter,

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10 Beatmung in der Rettungsmedizin

wobei Lungenfunktion und pulmonaler Gasaustausch im anfallsfreien Intervall völlig unauffällig sind. Dementsprechend besteht keine chronische Hyperkapnie, der zentrale Atemantrieb ist normal. Im akuten Anfall sind die Patienten initial sogar hyperventiliert (hypoxische Hyperventilation), erst im weiteren Verlauf kommt es durch zunehmende Verteilungsstörungen und muskuläre Erschöpfung zur CO2-Retention mit Hyperkapnie und progredienter Hypoxämie. Bei Asthmapatienten darf und muss daher immer Sauerstoff in der höchstmöglichen Konzentration und mit dem höchstmöglichen Flow verabreicht werden. Merke Patienten mit Status asthmaticus: O2 in der höchstmöglichen Konzentration. Verbessert sich das klinische Zustandsbild des Patienten unter maximaler medikamentöser Therapie nicht, persistiert die Hypoxie selbst unter hochdosierter Sauerstoffzufuhr und verschlechtert sich die Bewusstseinslage (Hypoxie und/oder Hyperkapnie!), besteht die Indikation zur Intubation und Beatmung.

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O2-Speicher

Unter Luftatmung

Unter Sauerstoffatmung

Lungen

~ 600 ml

~ 3000 ml

Blut

~ 850 ml

~ 950 ml

Gewebsflüs­ sigkeit

~ 50 ml

~ 100 ml

Myoglobin

~ 200 ml

~ 200 ml

Summe

~ 1700 ml

~ 4250 ml

Die Sicherheitsreserve ist jedoch deutlich größer als nach Atmung von Raumluft, wo bereits nach einer Minute eine vital bedrohliche Hypoxie eintritt. Demgegenüber ist der Anstieg des arteriellen pCO2 im Blut vernachlässigbar, da er keine unmittelbare Gefährdung verursacht: Unter Apnoe steigt der paCO2 beim Erwachsenen pro Minute lediglich um 3,5–4,5 mmHg an.

10.4 10.3

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Tabelle 10.1 O2­Speicher unter Luft­ und Sauerstoff­ atmung beim Erwachsenen (nach Nunn 1993)

Präoxigenierung

Vor jeder Intubation sollte auch außerklinisch – wenn möglich – immer 100 % Sauerstoff verabreicht werden, um die Sauerstoffreserven des Organismus vor der Apnoephase maximal aufzufüllen. Wesentliche Bedeutung hat hierbei die O2-Speicherkapazität der Lungen. Gegenüber der Atmung von Raumluft steigt der intrapulmonale Sauerstoffvorrat bei Atmung von 100 % Sauerstoff etwa um das Fünffache an (Tab. 10.1). Sauerstoffreserven des Organismus. Zur Auffüllung aller O2-Speicher ist die Atmung von reinem Sauerstoff über eine dicht sitzende Gesichtsmaske für 2 – 3 Minuten erforderlich. Bei einem Ruhe-O2Verbrauch des Erwachsenen von ca. 250 ml/min sind diese Reserven rechnerisch nach ca. 5 Minuten so weit verbraucht, dass es zu einem Abfall der arteriellen Sauerstoffsättigung kommt. Tatsächlich ist der Sauerstoffverbrauch bei Notfallpatienten durch Angst, Stress, Schmerz u. U. erheblich höher.

PEEP-Beatmung in der Notfallmedizin

Die Beatmung mit PEEP verbessert den pulmonalen Gasaustausch durch Optimierung der ▶ Ventilations-Perfusions-Verhältnisse mit Abnahme der intrapulmonalen Shuntdurchblutung. Dabei kommt der Vergrößerung der ▶ funktionellen Residualkapazität durch alveoläres ▶ Rekruitment und der Vermeidung des Alveolenkollaps während der Exspiration die größte Bedeutung zu. Die Anwendung von PEEP bzw. CPAP zählt daher – ebenso wie in Anästhesie und Intensivmedizin – mittlerweile zu den Routineverfahren bei der Behandlung der respiratorischen InsufÏzienz in der klinischen und präklinischen Notfallmedizin. Indikationen. Die wichtigsten Indikationen im Rahmen der Notfallmedizin betreffen das kardiale Lungenödem sowie die schwere pulmonale Gasaustauschstörung (Pneumonie, Beinahe-Ertrinken, toxisches Lungenödem). Generell wird ein PEEP-Wert von etwa 5 mbar empfohlen, zumal hierfür praktisch keine Kontraindikationen

10.5 Die Beatmung in der Rettungsmedizin – immer invasiv?

bekannt sind. Höhere Werte sollten vermieden werden, da ihr Nutzen fraglich ist, die Risiken jedoch zunehmen. Merke PEEP­Einstellung von 5 mbar bei jeder Beat­ mung. Eine absolute Kontraindikation für hohe PEEPWerte (> 5 mbar) besteht bei Patienten mit erhöhtem intrakraniellem Druck, z. B. bei Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma. Vorsicht ist auch geboten bei Patienten mit ▶ Thoraxtrauma, da bei Beatmung mit PEEP das Risiko von ▶ Pneumothorax/ Spannungspneumothorax über die Erhöhung der intrapulmonalen Drücke zunimmt. Fraglich ist der Nutzen von PEEP bei Patienten mit eingeschränkter Hämodynamik, z. B. beim polytraumatisierten Patienten im schweren hypovolämischen Kreislaufschock, da der PEEP zur weiteren Abnahme des Herzzeitvolumens führen kann. Hinweis Einfache PEEP­Ventile mit federbelasteten Membranen mit Einstellbereichen zwischen 0 und 15 mbar sind als Zubehör erhältlich und mit den Nicht­Rückatmungsventilen der meis­ ten Handbeatmungsbeutel kombinierbar (Abb. 10.3).

Handbeatmungsbeutel

vom Patienten

Abb. 10.3 Nicht-Rückatmungsventil mit federbelastetem PEEP-Ventil. Atemgasfluss während der Exspiration. Die Höhe des PEEP­Drucks ist am Feder­ ventil variabel einstellbar

10.5

Die Beatmung in der Rettungsmedizin – immer invasiv?

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Auch in der Notfallmedizin zeichnet sich in den letzten Jahren ein Trend zu nichtinvasiven Beatmungsverfahren (▶ NIV, ▶ CPAP-Maske) ab. Vorteile sind insbesondere dann zu erwarten, wenn der Behandler in der Intubation eher ungeübt ist, dagegen über größere Erfahrungen mit der nichtinvasiven Beatmung verfügt.

■ Indikationen und Kontraindikationen für die nichtinvasive Beatmung Der Versuch der nichtinvasiven Beatmung ist vor allem indiziert bei Patienten mit dekompensierter ventilatorischer InsufÏzienz, chronisch ventilatorischer InsufÏzienz, wobei chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD) und neuromuskuläre Erkrankungen (z. B. Myastenia gravis, Critical Illness Polyneuropathy, Guillain-Barré-Syndrom) im Vordergrund stehen. Daneben wird NIV zunehmend auch bei Erkrankungen des Lungenparenchyms eingesetzt, z. B. durch ein Lungenödem, eine Pneumonie oder ein Inhalationstrauma. Gerade beim Lungenödem kann die Symptomatik durch begleitende medikamentöse Reduktion der Vorlast oftmals schnell beherrscht werden, so dass auf eine Intubation auch dauerhaft verzichtet werden kann. Bei der akuten hypoxämischen InsufÏzienz kommt es pathophysiologisch in erster Linie auf die Applikation eines PEEP und weniger auf den ventilatorischen Support an, so dass CPAPAtmung über eine Maske oftmals ausreichend ist. Kontraindikationen. Im Prinzip gelten die gleichen Kontraindikationen wie für die NIV-Beatmung in der Intensivmedizin: ● komatöse Patienten, ● Delir, ● unkooperative Patienten, ● schwere hämodynamische Instabilität, ● schwere gastrointestinale Blutungen (Aspirationsgefahr), ● häufiges Absaugen notwendig, ● Gesichtsschädeltrauma.

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10 Beatmung in der Rettungsmedizin

Merke Ein Therapieversuch mit NIV sollte nur dann er­ folgen, wenn das Team über ausreichende Erfah­ rung mit diesem Verfahren verfügt.

■ Vor- und Nachteile

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Vorteile ergeben sich aus den typischen Gefahren im Rahmen der endotrachealen Intubation, also den Verletzungen der Stimmbänder und anderer Strukturen des Kehlkopfes, dem Aspirationsrisiko, der (unbemerkten) Fehlintubation sowie der gefürchtete „can’t intubate, can’t ventilate“Situation. Weitere Vorteile liegen im niedrigeren Infektionsrisiko, im geringeren Sedierungsbedarf der Patienten sowie im vollständigen Verzicht auf die Relaxierung. Eine Unterbrechung der nichtinvasiven Beatmung ist jederzeit und einfach möglich. Günstig können – gerade in der notfallmedizinischen Versorgung – die Erhaltung der Kommunikationsfähigkeit und die neurologische Beurteilbarkeit des Patienten im Verlauf sein. Insbesondere in einem hektischen Umfeld darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass der wache Patient eine wesentlich intensivere, menschliche Betreuung benötigt als der intubierte und beatmete Patient. Nachteile. Im Verlauf ist das Aspirationsrisiko erhöht, insbesondere, wenn es unter der Anwendung zur deutlichen Aerophagie kommt. Sie kann darüber hinaus zum Zwerchfellhochstand und damit zu einer Verringerung der Gasaustauschoberfläche führen. Das Monitoring der ventilatorischen Parameter (▶ petCO2, Atemvolumina) ist besonders bei hoher Leckagerate limitiert. Das endobronchiale Absaugen ist nicht ohne Weiteres möglich. Komplikationen. Zu den häufigsten Komplikationen gehören Toleranzprobleme des Patienten: NIV kann nicht erzwungen werden. Die Mortalität steigt rapide an, wenn das Scheitern der Adaptation des Patienten an NIV nicht rechtzeitig erkannt und die Intubation zu lange hinaus gezögert wird. Während die Oxigenierung anhand der Pulsoximetrie überwacht werden kann, wird die bedrohliche Hyperkapnie u. U. erst sehr spät erkannt.

■ Beatmungsmodes In der Notfallmedizin ist die Auswahl der Beatmungsverfahren für NIV begrenzt. Nur wenige Notfallrespiratoren erlauben die ▶ druckunterstützte Beatmung (PSV), die als Therapie der Wahl gelten kann. CPAP-Atmung kann dagegen mit den meisten Notfallrespiratoren, die über einen Spontanatmungsmodus verfügen, realisiert werden. CPAP. Der Patient atmet spontan. Durch den Respirator wird keinerlei Atemarbeit erbracht, dennoch kann die Atemarbeit deutlich reduziert werden, z. B. wenn bei COPD-Patienten ein ▶ intrinsischer PEEP vorliegt. PSV. Die Höhe der Druckunterstützung wird vorgegeben, Atemfrequenz und Atemvolumina bestimmt der Patient selbst. PSV sollte immer mit einem PEEP kombiniert werden. A/C – Assist/Control. Der Patient triggert durch seine Inspirationsbemühungen den Atemhub des Gerätes. Im Gegensatz zu den oben genannten Formen endet die Unterstützung des Respirators aber ▶ zeitgesteuert. Hinweis Bei hoher Leckagerate kann die zeitgesteuerte A/C­Beatmung vorteilhaft sein.

■ Monitoring und Erfolgskontrolle Die Beurteilung der EfÏzienz der Atemunterstützung kann schwierig sein, zumal der petCO2 bei hoher Leckagerate kaum zu interpretieren ist. Die Verbesserung der Oxigenierung kann dagegen durch die ▶ pulsoximetrisch gemessene SpO2Sauerstoffsättigung erfasst werden. Daneben sollte sich das klinische Bild deutlich bessern. Der Patient sollte im Verlauf immer weniger auf den Einsatz seiner Atemhilfsmuskulatur angewiesen sein und deutlich ruhiger werden. Zeigen sich nach ca. 15 Minuten keine positiven Veränderungen, sollte der NIV-Versuch beendet und der Patient intubiert werden.

10.7 Notfallrespiratoren

■ Klinische Bedeutung der NIV

10.7

Die nichtinvasive Beatmung hat sich in der präklinischen Notfallmedizin bisher noch nicht etablieren können. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die technischen Möglichkeiten dafür nicht vorhanden waren. Seit einiger Zeit sind aber Notfallrespiratoren verfügbar, mit denen NIV auch präklinisch möglich ist. Dabei ist die NIV – aufgrund der Pathophysiologie der respiratorischen InsufÏzienz – der alleinigen Gabe von Sauerstoff und Medikamenten überlegen. Die Vorteile gegenüber einer invasiven Beatmung können zu einer verminderten Morbidität und Mortalität führen, sofern der Anwender über ausreichende Erfahrungen mit der Methode verfügt und Einschränkungen und Kontraindikationen beachtet werden.

Transportable Notfallrespiratoren werden als mobile Beatmungsgeräte vor allem im Rettungsdienst, aber auch für den inner- und außerklinischen Patiententransport eingesetzt. Ihren Einsatzschwerpunkten entsprechend müssen die Geräte leicht, kompakt und robust sein, netzunabhängig und gassparend arbeiten sowie für die Beatmung von Erwachsenen und Kindern geeignet sein. Ältere Geräte sind aufgrund ihrer einfachen Konstruktion nur für die ▶ kontrollierte (CMV) oder ▶ assistiert/kontrollierte Beatmung (A/C, S-CMV) geeignet. Für den stationären Betrieb sind diese Geräte meist nicht zugelassen.

10.6

Atemgasklimatisierung bei Notfallpatienten

Häufig wird bei Patienten, die notfallmäßig intubiert und beatmet werden müssen, auf atemgasklimatisierende Maßnahmen verzichtet. Dabei wird nicht bedacht, dass die Überbrückung der oberen Luftwege durch den Tubus und die Beatmung mit trockenen Atemgasen aus Druckgasflaschen schon nach kurzer Zeit zu Schädigungen des respiratorischen Epithels durch Austrocknung führt. Die ▶ Atemgasklimatisierung durch den Einsatz von ▶ HME (Heat and Moisture Exchanger) ist daher gerade auch bei diesen Patienten notwendig, um zusätzliche Beeinträchtigungen der Lungenfunktion zu vermeiden. Empfehlenswert ist die Verwendung von leistungsstarken HME mit zusätzlichem Filtermaterial (HMEF), um die Kontamination des Schlauchsystems sowie des Notfallrespirators mit Patientenkeimen zu vermeiden. Merke Verwendung des HMEF gleich nach der Intubation.

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Notfallrespiratoren

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■ Technische Anforderungen Notfallbeatmungsgeräte sind so konzipiert, dass auch der in der apparativen Beatmung weniger Erfahrene in kürzester Zeit die Einstellung einer ausreichenden und sicheren maschinellen Ventilation vornehmen kann. Zusätzlich zu den technischen Grundvoraussetzungen ergeben sich daher für Notfallrespiratoren folgende Mindestforderungen: ● Übersichtlichkeit, ● leichte Bedienbarkeit, ● Eindeutigkeit der Funktionen, ● Alarmeinrichtungen für O , Diskonnektion, Ste2 nose, ● Spontanatmungsmöglichkeit bei Geräteausfall, ● variable inspiratorische O -Konzentration. 2 Die Überwachung der tatsächlich applizierten Tidal-(Minuten-)volumina durch Messung der exspiratorischen Atemvolumina ist nur mit Geräten der neuesten Generation (s. u.) möglich.

■ Funktionsweise von pneumatisch betriebenen Notfallrespiratoren Ältere Notfallrespiratoren werden in der Regel pneumatisch betrieben; sie sind damit im Prinzip netzunabhängig. Der Inspirationsflow (▶ Konstantflow) wird zeitgesteuert appliziert und kann nicht variiert werden, seine Höhe orientiert sich am gewählten Tidal- bzw. Minutenvolumen: Je höher das gewünschte Volumen, desto höher der Flow pro Zeiteinheit. Aus Flowhöhe und den atem-

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10 Beatmung in der Rettungsmedizin

mechanischen Eigenschaften der beatmeten Lunge resultiert der am Manometer angezeigte Beatmungsdruck. Aus Sicherheitsgründen muss der Respirator mit einem mechanischen Überdruckventil ausgestattet sein, um das Risiko des Barotraumas der Lunge zu vermindern. Bei neueren Geräten kann der Beatmungsspitzendruck zusätzlich variabel eingestellt werden. Während der Exspiration wird der Beatmungsschlauch über ein Entlüftungsventil drucklos geschaltet: Der Flow wird unterbrochen (Flow-Zerhacker-Prinzip), so dass kein Gas ungenutzt abgegeben wird. Bei gesunden Lungen mit normaler Resistance und Compliance arbeiten die Geräte praktisch volumenkonstant, solange die Druckgrenze nicht überschritten wird. Bei geschädigten Lungen (Lungentrauma, „steife“ Lunge bei ARDS, Atemwegsverlegung, Spastik bei Asthma bronchiale) dagegen kann das tatsächlich abgegebene Atemminutenvolumen den eingestellten Wert ganz erheblich unterschreiten. Merke Bei „steifen“ Lungen und hohen Atemwegswi­ derständen werden die eingestellten Atemvolu­ mina meist unterschritten.

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Dieser Fehler wird zusätzlich durch Venturi-Effekte beeinflusst: Bei Einstellung einer Luft/Sauerstoff-Mischung („Air mix“) bläst die Venturi-Düse das Versorgungsgas (Sauerstoff) in einen sich verengenden Trichter des Venturi-Gehäuses. Dadurch wird ein Sog erzeugt, der zusätzlich Raumluft mitreißt (Prinzip der Wasserstrahlpumpe). Der initiale Gasfluss wird beschleunigt, die Gasmenge pro Zeiteinheit erhöht. Da die Beimischung von Umgebungsluft in das Venturi-System auch vom Gegendruck (= inspiratorischer Beatmungsdruck) abhängt, wird bei niedrigen Beatmungsdrücken durchweg mehr, bei hohen Beatmungsdrücken weniger Volumen abgegeben. Dementsprechend geben einige Hersteller Toleranzbereiche bis ± 20 % an. Gleichzeitig variiert die Sauerstoffkonzentration – je nach Strömungsgeschwindigkeit – zwischen 40 % und 60 %.

Merke Höhere Volumenabgabe bei niedrigem AMV und niedrigen Beatmungsdrücken, geringere Volu­ menabgabe bei hohem AMV und hohen Beat­ mungsdrücken.

■ Mikroprozessorgesteuerte Notfallrespiratoren Moderne Notfallrespiratoren wie der Oxylog 3000 (Dräger) arbeiten ähnlich wie die heute üblichen Intensivrespiratoren mikroprozessorgesteuert und verfügen über eine Vielzahl gängiger volumen- und druckkontrollierter Beatmungsmuster und -formen wie ▶ S-CMV, ▶ S-IMV, ▶ PSV, ▶ CPAP, ▶ BIPAP und ▶ NIV. Sie sind damit auch für den innerklinischen sowie den Interhospitaltransport bestens geeignet. Die Bedienung dieser Geräte ist für erfahrene Intensivmediziner einfach. Bei manchen Geräten ist sogar eine stufenlose Einstellung der inspiratorischen Sauerstoffkonzentration von 40 – 100 % möglich. Einfachere Geräte erlauben die Wahl zwischen 40 % und 60 % (Air mix) und 100 % (No Air mix). Im innerklinischen Einsatz bieten Optionen wie ▶ Inspiration Hold zusätzliche Vorteile. Ähnlich wie bei Intensivrespiratoren werden auf dem Display klinisch relevante Beatmungsparameter, die Akkuladung sowie auch Flow- bzw. Druckkurven angezeigt. Manche Geräte berechnen zusätzlich den aktuellen Sauerstoffverbrauch, was im Flaschenbetrieb durchaus nützlich sein kann.

10.8

Weiterführende Literatur

Aubier M, Murciano D, Fournier M. Central respiratory drive in acute respiratory failure of patients with chronic obstructive pulmonary disease. Am Rev Respir Dis 1980; 122: 191–197 Aubier M, Murciano D, Milic-Emili J. Effects of administration of O2 on the ventilation and blood gases in patients with chronic obstructive disease during acute respiratory failure. Am Rev Respir Dis 1980; 122: 747–754 DIN Deutsches Institut für Normung e. V. Deutsche Norm Notfall- und Transportbeatmungsgeräte Teil 3: Besondere Anforderungen an Notfall- und Transportbeatmungsgeräte. Deutsche Fassung DIN/EN 794–3. Berlin: Beuth-Verlag; 1998

10.8 Weiterführende Literatur Erbland ML, Ebert RV, Snow SL. Interaction of hypoxia and hypercapnia on respiratory drive in patients with COPD. Chest 1990; 97: 1289–1296 Heller G. Die nicht invasive Beatmung in der Notfallmedizin – Contra. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2008; 43: 267–268 Kosowsky JM, Stephanides SL, Branson RD. Prehospital use of continuous positive airway pressure (CPAP) for presumed pulmonary edema, a preliminary case series. Prehosp Emerg Care 2001; 5: 190–196 L’Her E, Moriconi M, Texier F et al. Noninvasive continuous positive airway pressure in acute hypoxaemic respiratory failure-experience of an emergency department. Eur J Emerg Med 1998; 5: 313–318 Lotz P, Schlipf M, Ahnefeld FW et al. Vergleichende Untersuchungen von Handbeatmungsgeräten. Notfallmedizin 1986; 12: 396–422

Nunn JF, Nunn̓s applied respiratory physiology. 4th ed. Butterworth-Heinemann, Oxford London Boston; 1993 Rathgeber J, Züchner K, Burchardi H. Air conditioning in mechanically ventilated patients. Assessment and relevance. In: Vincent JL, ed. Yearbook of intensive care and emergency medicine 1996: 501–519 Roessler M. Die nicht invasive Beatmung in der Notfallmedizin – Pro. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2008; 43: 264–266 Sassoon CSH, Hassell KT, Mahutte CK. Hyperoxic-induced hypercapnia in stable chronic obstructive pulmonary disease. Am Rev Respir Dis 1987; 135: 907–912 Schmidt GA, Hall JB. Acute on chronic respiratory failure: Assessment and management of patients with COPD in the emergent setting. J Am Med Ass 1989; 261: 3444–3452

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Narkoseapparate und -systeme, Narkosebeatmung

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Jörg Rathgeber, Jan Baum (†), Peter Neumann Der Chirurg, der die Einsicht und die Weisheit hat, einen zuverlässigen und gut gerüsteten Verbündeten an sich zu knüpfen und ihm alle Sorgen der Anästhesie zu überlassen, verdient ungestörte Nächte und ein langes Leben. Sir Robert Macintosh, englischer Anästhesist, Oxford 1938

Die Narkose ist eine der Grundvoraussetzungen für die Durchführung der meisten chirurgischen Eingriffe. Sie ist gekennzeichnet durch eine reversible medikamentöse Funktionshemmung bis -ausschaltung der willkürlichen und je nach Tiefe und Art der Narkose auch der reflektorischen Aktivitäten des zentralen Nervensystems. Der Zustand der Narkose – Bewusstlosigkeit (Hypnose), Schmerzlosigkeit (Analgesie), Verminderung bzw. Ausschaltung der Reflexaktivitäten – kann mit intravenös verabreichten Anästhetika (intravenöse Anästhesie) oder mit inhalativen Substanzen (Inhalationsanästhesie) oder einer Kombination aus beiden erreicht werden. Bei manchen Eingriffen ist zusätzlich die Dämpfung bzw. Aufhebung des Muskeltonus durch Relaxation notwendig. In diesem Fall ist die maschinelle Beatmung zwingend erforderlich. Inhalationsanästhetika werden auch als volatile Anästhetika bezeichnet. Sie verursachen ebenso wie Opioide, Sedativa und Muskelrelaxanzien Störungen der Lungenfunktion, die nicht nur auf einer Verminderung des zentralen Atemantriebs beruhen, sondern ebenso auf Veränderungen der Atemmechanik. Beide Faktoren führen während der Narkose durch Abnahme der funktionellen ▶ Residualkapazität (FRC) zu Störungen von Ventilation und Perfusion mit Zunahme von intrapulmonalem ▶ Shunt und alveolo-arterieller ▶ O2Gehaltsdifferenz. Diese Veränderungen sind zwar prinzipiell reversibel, können aber insbesondere bei pulmonal vorgeschädigten Patienten zu postoperativ fortbestehenden Lungenfunktionsstörungen führen. Ihrer Vermeidung durch adäquate maschinelle Beatmung während der Narkose kommt daher eine große Bedeutung zu.

Die Narkosebeatmung erfolgt in der Regel mit Narkoserespiratoren. Sie unterscheiden sich von Intensivrespiratoren durch die Möglichkeit zur Applikation volatiler Anästhetika mittels ▶ spezieller Narkoseapparate sowie eines ▶ Narkosesystems, das aus ökonomischen Gründen in der Regel auch die teilweise oder vollständige Aufbereitung und Rückführung der ausgeatmeten Atemgase in das Narkosesystem erlaubt. Grundlegende Kenntnisse der gebräuchlichen Narkosesysteme und -apparaturen sind daher zur sicheren Narkoseführung unerlässlich. Zu den im Folgenden beschriebenen Komponenten des Narkoseapparats gehören: ● ein System zur Dosierung der Frischgaszufuhr, ● Apparate zur Dosierung und Applikation volatiler Anästhetika, ● ein Narkosesystem zur bedarfsgerechten Zufuhr und ggf. Wiederaufbereitung der Atemgase, ● ein Beatmungsmodul zur manuellen und/oder maschinellen Beatmung, ● ein Anästhesiegasfortleitungssystem (Gasabsauganlage).

11.1

Dosierung der Frischgaszufuhr Jörg Rathgeber

Nach Reduzierung der Gasdrücke vom Leitungsdruck der ▶ Gasversorgungsanlage mit ca. 5 bar (500 kPa) auf das Niederdrucksystem des Narkosegeräts (ca. 1,5 bar bzw. 1500 kPa) erfolgt die bedarfsgerechte Mischung von Sauerstoff, Druckluft und Lachgas mithilfe von Feinregulierventilen in

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11 Narkoseapparate und ­systeme, Narkosebeatmung

Abb. 11.1 Frischgaszufuhr. Die Gasversorgung erfolgt durch Druck­ gasflaschen bzw. die zentrale Gas­ versorgungsanlage. Dosierung der Atemgase über Nadelventile, Kont­ rolle der Gasflüsse über Flowmeter. Der Narkosemittelverdunster ist im Frischgasflow installiert, jedoch außerhalb des O2­Bypass. Diskon­ nektion der Steckkupplung bzw. Abfall des O2­Flaschendrucks löst das ▶ Sauerstoffmangelsignal aus und aktiviert die ▶ Lachgassperre.

1 1 Verdunster

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O2-Flush

Flowmeter

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O2

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separaten Gasflussröhren (Abb. 11.1) oder integrierten Gasmischern. Hierdurch kommt es zu einer weiteren Druckreduzierung auf Werte unterhalb von 200 mbar (20 kPa). Danach wird das Gas in das ▶ Narkosesystem eingespeist.

■ Gasflussröhren (Flowmeter) Sie bestehen zumeist aus senkrecht angeordneten, sich nach oben konisch erweiternden Glasröhren und einem Schwebekörper (Abb. 11.3), der in Abhängigkeit vom Gasfluss steigt oder sinkt und damit die Messung und Kontrolle des Gasflusses erlaubt. Die Flowanzeige erfolgt in Liter/ min. Unterschiede in der Viskosität und Dichte erfordern für jedes Gas eine spezifische Graduierung der Messröhren.

Hinweis Der Begriff des „Rotameters“ wurde 1908 durch die Markteinführung von definiert rotierenden Schwebekörpern durch die Firma Rota in Baden geprägt. Seitdem werden Gasflussröhren mit Schwebekörpern in vielfältigen Ausführungsfor­ men und für die unterschiedlichsten Applikatio­ nen eingesetzt. Heute noch spricht die Fachwelt von Rotametern oder auch Rotamessern, wenn Schwebekörper­Durchflussmesser gemeint sind.

Merke Nur Flowmeter mit gasspezifischer Graduierung verwenden.

11.1 Dosierung der Frischgaszufuhr

Die Regulierung der Gasflussmenge erfolgt mit Nadelventilen, die gegen den Uhrzeigersinn aufgedreht werden. Die Drehknöpfe sind wie die Schläuche und Steckkupplungen farblich kodiert und müssen gegen unbeabsichtigtes Verstellen gesichert sein. Zusätzlich ist für Sauerstoff eine gasspezifische haptische Profilierung des Drehknopfes zur Unterscheidung von anderen Gasen vorgeschrieben. Beachtet werden muss, dass Nadelventile keine Absperr-, sondern Dosierventile sind: Gewaltsames Zudrehen schädigt die Dosierfunktion. Die Reihenanordnung zweier Messröhren mit unterschiedlichen Koni verbessert die Einstell- und Ablesegenauigkeit und ist bei Narkosen mit stark reduziertem Frischgasflow unumgänglich (Abb. 11.2). Dennoch können in- und exspiratorische Druckschwankungen im System zu Schwierigkeiten bei der Einstellung führen und erschweren insbesondere bei niedrigen Flüssen die exakte Gasdosierung. Größere Abweichungen der Gasflussraten vom Sollwert treten vorwiegend bei niedrigen Flowraten unter 1 l/min auf, bei höheren Flowraten betragen sie weniger als ± 5 %. Der Messfehler kann jedoch durch Alterung, Undichtigkeiten, Feuchtigkeit, Verschmutzung, statische Aufladung etc. erheblich zunehmen, darf jedoch der technischen Norm zufolge ± 10 % des Anzeigewertes nicht überschreiten.

Hinweis Flowmeter sind in der Regel sehr genau und we­ nig anfällig, solange der Schwebekörper frei im Gasstrom schwebt oder rotiert. Bei größeren Ab­ weichungen besteht immer das Risiko der Hyp­ oxie, insbesondere bei ▶ Niedrigflussnarkosen. Signifikante Leckagen können entweder durch falsche Montage nach einem Service oder durch einen Riss oder Sprung im Gasröhrchen entste­ hen.

Merke Bei niedrigen Gasflüssen Flowmeter mit feiner Graduierung verwenden.

Beachte Die Applikation hypoxischer Gasgemische zählt mit zu den häufigsten Ursachen von Zwischen­ fällen im Zusammenhang mit der Narkosebeat­ mung. Dieses Risiko besteht insbesondere bei Verwendung von älteren Narkosegeräten ohne effektives ▶ O2­Ratio­System. Hier ist trotz farb­ licher und haptischer Unterscheidung der

309

1 1 1 1 1 1 1

b

a

c

1 Messröhre für Low Flow

Messröhre für High Flow

1 d

e

1 Flow-Regler

Sauerstoff

Abb. 11.2 Regulierung des Gasmenge. Frischgas­ dosierung bei hintereinander geschalteten Gasfluss­ röhren für niedrige Flüsse (Low Flow) und hohe Flüsse (High Flow).

Abb. 11.3 Regulierung der Gasmenge: Ablesestellen der Schwebekörper. a nicht rotierender Schwebekörper, b rotierender Schwebekörper, c H­Schwebekörper, d rotierender Schwebekörper, e Ball.

11 1

310

1 1 1 1 1 1 1

11 Narkoseapparate und ­systeme, Narkosebeatmung

Dosierventile die Gefahr der Verwechslung von Sauerstoff­ und Lachgasventil groß – besonders in hektischen Situationen oder beim Bedienen des Geräts aus ungünstiger Position. Elektronische Gasmischer für Sauerstoff und Lachgas, bei denen der O2-Anteil 25 – 30 % im Frischgas nicht unterschritten werden kann, stellen daher prinzipiell eine gute oder sogar bessere Alternative zu herkömmlichen Messröhren dar, sind aber selbst bei neueren Narkosegeräten nur wenig verbreitet. In jedem Fall ist die auch gesetzlich vorgeschriebene ▶ Überwachung der inspiratorischen O2-Konzentration bei jedem Einsatz eines Gasversorgungssystems unumgänglich. Dies gilt auch bei Verwendung des Narkosegerätes zur bloßen Verabreichung von Sauerstoff bei sedierten/analgesierten Patienten. Merke Bei der Zufuhr von Sauerstoff über ein Narkose­ gerät ist die Überwachung der inspiratorischen O2­Konzentration vorgeschrieben.

11.2

Dosierung und Applikation volatiler Anästhetika Jörg Rathgeber

1 1 1 11 1

Narkoseapparate ermöglichen die bedarfsgerechte Zufuhr inhalativer Narkosemittel. Sie sind notwendig, da die volatilen Anästhetika unter Normalbedingungen als Flüssigkeiten vorliegen und erst unmittelbar vor der Inhalation mithilfe von Verdampfer, Verdunstern oder Vergasern in den gasförmigen Zustand versetzt und dem Frischgas zugefügt werden. Hinweis Häufig werden Geräte, in denen flüssige Inhala­ tionsanästhetika in den gasförmigen Zustand überführt und dem Frischgas beigemischt wer­ den, generell als „Verdampfer“ bezeichnet. Das ist technisch nicht korrekt: Nur wenn das Inhala­ tionsanästhetikum durch Zufuhr von Energie in den dampfförmigen Aggregatzustand überführt wird, darf von Verdampfern gesprochen wer­ den (z. B. ▶ Desfluran­Verdampfer). Ansonsten spricht man von Verdunster.

Ausschlaggebend für die Verdunstung/Verdampfung von Inhalationsanästhetika sind neben der Temperatur die spezifischen physikalischen Eigenschaften der Substanz, wie Sättigungskonzentration, Dampfdruck und Siedepunkt (vgl. Tab. 11.1, S. 317). Aufgrund der unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften der verschiedenen Inhalationsanästhetika dürfen gemäß EN 740 – bei gleichem technischem Aufbau – nur konzentrationskalibrierte Module eingesetzt werden. Die Verdunster/ Verdampfer müssen zudem substanzspezifisch beschriftet und farblich kodiert sein. Damit soll sichergestellt werden, dass nur definierte Mengen des jeweiligen Narkosemittels in den Atemgasstrom abgegeben werden. Die Kennfarben der Inhalationsanästhetika sind wie folgt festgelegt: ● Halothan – rot, ● Isofluran – violett, ● Sevofluran – gelb, ● Desfluran – blau. Merke Spezifische Verdampfer/Verdunster für jedes Narkosemittel.

11.2.1

Narkosemittelverdunster/ -verdampfer

Idealerweise sollen Narkosemittelverdunster/ -verdampfer exakt dosierbare und reproduzierbar genaue Konzentrationen des volatilen Anästhestikums abgeben. Dabei sollen sie unabhängig sein von ● Umgebungstemperatur, ● Temperaturschwankungen durch Abkühlung der Substanz, z. B. durch den Verdunstungsvorgang, ● Höhe und Zusammensetzung des Frischgasflows, ● Druckschwankungen im Beatmungssystem. Herkömmliche Verdunster-Typen können grundsätzlich nur bei Temperaturen unterhalb des Siedepunktes des Narkosemittels betrieben werden. Bei der neueren Substanz Desfluran liegt der Siedepunkt dagegen bei Raumtemperatur, so dass für die Applikation spezielle Verdampfer erforderlich sind. Dem Siedepunkt entsprechend unterscheiden sich auch die von der Temperatur abhängigen

11.2 Dosierung und Applikation volatiler Anästhetika

Dampfdrücke der Substanzen: Je höher die Temperatur ist, desto höher ist auch der Dampfdruck und umso höher liegt auch die Sättigungskonzentration (vgl. Tab. 11.1, S. 317). Hinweis Unter der Sättigungskonzentration versteht man den Gleichgewichtszustand zwischen Flüssigkeit und Gas: Die Anzahl der aus der Flüssigkeit ver­ dunstenden Moleküle ist genauso groß wie die Anzahl der von der Flüssigkeit aufgenommenen Moleküle. Der Verdunstungsvorgang verbraucht Energie, die der Flüssigkeit als Verdunstungs­ energie in Form von Wärme entzogen wird: Die Flüssigkeit kühlt sich hierbei ab.

311

1

Äther

1 1 1

■ Tropfnarkose Das flüssige Anästhetikum wird auf mehrere Lagen Mullgaze getropft, die in einem dem Gesicht des Patienten angepassten, aufklappbaren Drahtgestell eingelegt sind. Nach dem Auftropfen verdampft das Anästhetikum und wird mit der Raumluft zusammen eingeatmet. Das System ist zum Patienten und zur Atmosphäre hin offen, eine geringe Rückatmung von Exspirationsluft ist aufgrund des Totraumvolumens der Maske unvermeidlich. Die Einleitung von Sauerstoff unter die Maske ist möglich. Die inspiratorische Konzentration des Anästhetikums ist inkonstant und schlecht steuerbar, so dass es in Abhängigkeit vom Atemzugvolumen zu stark schwankender Atemgaszusammensetzung und Narkosemittelkonzentration kommt. Die Steuerung der Narkose kann daher ausschließlich nach klinischen Gesichtspunkten erfolgen. Hilfreich ist hierbei das Guedel-Schema. Bekanntestes Beispiel dieses ▶ offenen Narkosesystems ist die Äther-Tropfnarkose, z. B. mit der vor allem in Deutschland früher weit verbreiteten Schimmelbusch-Maske (Abb. 11.4). Guedel-Schema. Die für Äther gültige Stadieneinteilung der Narkose beruht auf den Beobachtungen von Guedel. Das Guedel-Schema (Abb. 11.5) erlaubt die Bestimmung der Narkosetiefe durch Beurteilung bestimmter Reflexe, des Muskeltonus sowie der Atmung. Danach zeichnet sich das Stadium I durch eine Analgesie und retrograde Amnesie aus. Durch Erhöhung der inspiratorischen

1 Abb. 11.4 Schimmelbusch-Maske. Ätherkonzentration kommt es zum Verlust des Bewusstseins. Gleichzeitig führt die Enthemmung der motorischen Aktivitäten der Hirnrinde zu Exzitationsphänomenen (Stadium II). Kennzeichnend sind unregelmäßige Atmung, unkoordinierte Extremitäten- und Augenbewegungen, Herzrhythmusstörungen und Blutdruckanstieg. Durch vermehrte Salivation besteht in dieser Phase ein erhöhtes Risiko von Broncho- und Laryngospasmus sowie von Aspiration. In diesem Stadium können keine chirurgischen Eingriffe vorgenommen werden. Die Exzitationsphase muss durch gezielte Steigerung der Ätherkonzentration möglichst schnell durchlaufen werden. Danach beginnt das chirurgische Toleranzstadium (Stadium III). In den Stufen 1 und 2 können praktisch sämtliche Operationen in Spontanatmung durchgeführt werden. Allerdings besteht bereits in Stufe 2 das Risiko der alveolären Hypoventilation durch Abnahme des Skelettmuskeltonus. In der Stufe 3 kommt es durch die zunehmende Lähmung des Atemzentrums zu unkoordinierten Atemexkursionen mit paradoxer Atmung. Es besteht Beatmungspflichtigkeit. In Stadium IV sind die Pupillen maximal weit und reaktionslos. Die Atmung ist praktisch erloschen, der Kreislauf wird instabil. Dieses Stadium sollte

1 1 1 1 1 11 1

11 Narkoseapparate und ­systeme, Narkosebeatmung

III Toleranz

1 1 1 11 1

glatte

Skelett

abdominal

Sekretionsreflex

Erbrechen

Schlucken

Husten

Licht

Hornhaut

Lid

keine

1

1

Bindehaut

II Exzitation 1. Stufe

Verbandwechsel, Inzision, Reposition von Luxationen, Zahnbehandlung

Haut, Knochen, Extremitäten (ohne Erschlaffung)

2. Stufe

I Analgesie

1

1

Eingriffe

Eingriffe, die Erschlaffung der Skelettmuskulatur verlangen

3. Stufe

1

Reflexe Pupillengröße

1

Muskeltonus

Augen Augenbewegungen

Bewusstsein

Stadien

Zwerchfell

Atmung

1

Thorax

312

Abdomen

IV Gefahr Asphyxie

keine

Abb. 11.5 Steuerung der Narkosetiefe anhand des Guedel-Schemas. Erläuterungen im Text. niemals erreicht werden, da es auf eine toxische Ätherdosierung hinweist. Das Stadium IV zeichnet sich durch eine vollständige Lähmung des Atemund Vasomotorenzentrums aus. Unter Spontanatmung zeigt sich eine ausgeprägte Zyanose und Azidose. Wird der Patient nicht sofort mit Sauerstoff beatmet, tritt in kürzester Zeit der Tod durch Herzversagen infolge von Kammerflimmern ein. Hinweis ▶ Offene Narkosesysteme wie die Schimmel­ busch­Maske oder ähnliche Systeme haben in Westeuropa nur noch historische Bedeutung. In Ländern mit mangelhafter medizinischer Infrastruktur, aber auch in Katastrophen­ und Notstandsgebieten werden offene Tropfnarko­ sen mit Äther oder Halothan dagegen heute noch angewendet.

■ Draw-over-Apparaturen Weltweit verbreitet sind die tragbaren Penlon E. M.O.-Inhalatoren für Äther- bzw. Halothannarkosen (Abb. 11.6). Das gesamte Atemzugvolumen wird durch den Verdunster geleitet: diskontinuierlicher Flow. Das System ist zur Atmosphäre offen, es besteht jedoch die Möglichkeit zur Einleitung von Sauerstoff (Abb. 11.7). Der Inhalator ist sowohl geeignet für Spontanatmungsnarkosen als auch manuelle Beatmung in Verbindung mit einem selbstfüllenden Handbeatmungsbeutel mit Rückschlagventil. Relativ konstante Narkosemittelkonzentrationen werden für den Durchflussbereich von 4 – 12 l/min angegeben. Eine Wasserkammer dient als Wärmepuffer, Temperaturschwankungen werden zusätzlich durch einen Ausdehnungskörper (Kompen-

11.2 Dosierung und Applikation volatiler Anästhetika

313

geführt. Von Vorteil sind der minimale apparative Aufwand, die Kostengünstigkeit und die universelle Einsetzbarkeit.

1

Merke Einfache Draw­over­Systeme bieten in Ländern mit schlechter medizinischer Infrastruktur Vor­ teile, da sie nicht auf eine Gasversorgungsanlage angewiesen sind.

1 1

■ Oberflächenverdunster nach dem Bypass-System Abb. 11.6 E. M.O.-Narkoseapparat. Der E. M.O.­ Appararat besteht aus dem Narkosemittelverdunster, dem Inspirationsschlauch mit Nicht­Rückatmungs­ ventil sowie einer manuellen Beatmungsvorrichtung („Oxford­bellows“).

Transportsicherung

Einstellung

Mischkammer Dosierdurchlass

Wasser Äther

Temperaturkompensation

Bei den heute am meisten gebräuchlichen Systemen zur Applikation volatiler Anästhetika handelt es sich um sog. Plenum-Verdunster, bei denen ein kontinuierlicher Gasstrom aus der ▶ Gasdosiervorrichtung durch die mit flüssigem Anästhetikum gefüllte Verdunsterkammer geleitet wird (Abb. 11.8). Dabei wird dem Gasstrom Narkosemittel zugesetzt, wobei die effektive Narkosemittelkonzentration im Gasstrom von der Narkosemittel- und Atemgastemperatur, der Höhe des Gasflows, der Verdunstungsoberfläche sowie dem Gasvolumen über der verdunstenden Flüssigkeit abhängt. Um im Verdunster eine vollständige Anreicherung des Gasstroms mit Narkosemittel auf Sättigungskonzentration über einen möglichst großen Flowbereich zu gewährleisten, wird die Verdunstungsoberfläche bei modernen Verdampfern durch einen Docht vergrößert (Abb. 11.9). Sättigungskonzentration vorausgesetzt, lässt sich so dem Frischgasflow eine

1 1 1 1 1 1

Abb. 11.7 E. M.O. Draw-over-System für diskontinuierlichen Flow. Das gesamte Atemzugvolumen wird durch den Verdampfer geleitet, wobei sich ein Teil des Atemgases mit dem Narkosemittel sättigt. Temperaturschwankungen werden durch das Wasser­ bad minimiert. Sauerstoff kann direkt in die Einlass­ öffnung eingeleitet werden.

sationsbereich: 13 – 32 °C) kompensiert. Da eine externe Gasversorgungsanlage nicht notwendig ist, werden Inhalationsanästhesien mit einfachen Draw-over-Systemen, zumeist für die Verwendung von Äther oder Halothan, vorwiegend in Regionen mit schlechter medizinischer Infrastruktur durch-

Frischgasflow

1

Bypass-Verdunsterkammer

Abb. 11.8 Narkosemittelverdunster im BypassSystem. Nur ein Teil des Frischgasflows wird durch die Verdunsterkammer geleitet. Entsprechend der Aufteilung des Frischgasflows resultieren die abgege­ benen Narkosemittelkonzentrationen.

11 1

11 Narkoseapparate und ­systeme, Narkosebeatmung

Einstellrad

1 1

Bypass-Konus

DruckKompensation

Steuer-Konus

1 1 1 1 1 1 1 1 11 1

Docht

Abb. 11.9 Plenum-Verdunster (Dräger Vapor 19.n). Der Frischgasflow wird durch den Bypass­ Konus aufgeteilt. Ein Teil verlässt den Verdunster ohne Kontakt mit dem Narkosemittel. Der andere Teil wird nach Druckausgleich durch die Verdunster­ kammer geleitet, wo er sich mit Narkosemitteldampf anreichert und, dosiert durch den Steuerkonus, mit dem ungesättigten Frischgasanteil zusammengeführt wird. Die Verdunstungsoberfläche wird durch den Docht vergrößert.

definierbare Menge des dampfförmigen Inhalationsanästhetikums zusetzen. Der gesättigte Dampf der volatilen Anästhetika ist für die klinische Anwendung zu hoch konzentriert, so dass nur ein Teil des Frischgasflows im Bypass durch die Verdunsterkammer geleitet wird. Der andere Teil wird unter Umgehung des Verdunsters eingespeist (Abb. 11.8). Durch Regelung des Verhältnisses der beiden Ströme zueinander kann die Konzentration des Anästhetikums im Frischgas geregelt werden. Im ausgeschalteten Zustand passiert das Frischgas den Verdunster ohne Kontakt mit dem Inhalationsanästhetikum.

tels beeinflusst. Diese Abkühlung wird zumeist durch eine hohe Wärmekapazität des Verdunsters (Wasserbad, Metallhülle, Heizung) kompensiert. Zusätzlich sind moderne Verdunster mit thermoempfindlichen Elementen ausgerüstet, welche die Flowaufteilung in Abhängigkeit von der Temperatur verändern. Ein Druckausgleich durch lange Strömungskanäle reduziert die Rückströmung bereits angereicherten Frischgases in den Verdunster und verhindert damit insbesondere bei Beatmung mit kleinen Tidalvolumina unerwünschte Anstiege der inspiratorischen Narkosemittelkonzentration („pumping effect“). Hinweis Moderne Verdunster sind heute weitgehend flow­, druck­ und temperaturkompensiert und gewährleisten damit eine ausreichend hohe Ab­ gabegenauigkeit in klinisch relevanten Berei­ chen. Bei Frischgasflüssen zwischen 0,5 und 15 l/ min und Außentemperaturen zwischen 15 und 35 °C soll sie maximal ± 15 % betragen. In Ein­ zelfällen wurden jedoch auch erheblich höhere Abweichungen beobachtet. Da Verdunster bei Atmosphärendruck unter Luft­ oder Sauerstoff­ durchströmung kalibriert sind, ändert sich die Konzentrationsabgabe mit der Gaszusammen­ setzung (Abb. 11.10).

Anästhetikum (Vol.%)

314

1,5 100 % Air

15%

1,0

0,5 20

Merke Bypass­System: Nur ein Teil des Frischgasflows wird durch die Verdunsterkammer geleitet und mit dem volatilen Anästhetikum gesättigt. Da der Dampfdruck des Anästhetikums temperaturabhängig ist, hängt die Verdunstergenauigkeit von der Temperatur des Verdunsters bzw. der Umgebungstemperatur ab. Zusätzlich wird sie durch die Verdunstungskälte des Narkosemit-

100 % O2

30 % O2 70 % N2O

40

Zeit (min)

Abb. 11.10 Abgabegenauigkeit von Narkosemittelverdunstern in Abhängigkeit von der Zusammensetzung des Atemgases. Aufgezeigt ist die maximale Konzentrationsabweichung im Flowbereich von 0,5 – 15 l/min (Dräger Vapor 19.n, ¼ gefüllt).

11.2 Dosierung und Applikation volatiler Anästhetika

■ Vergasersysteme nach dem Venturi-Prinzip

wird die Narkosemittelmenge zudem von Druckschwankungen im System nicht beeinflusst.

Bei diesen auch als „Vergaser“ bezeichneten Systemen findet keine Verdunstung im herkömmlichen Sinne statt, sondern der Frischgasstrom reißt über eine Venturi-Düse flüssiges Narkosemittel aus der Vorratskammer mit. Das Narkosemittel zerstäubt zu einem feinen Aerosol, das schnell verdunstet (Abb. 11.11).

■ Flüssigkeitsdosierung durch Verdampfer Bei der Flüssigkeitsdosierung wird eine definierte Menge des flüssigen Anästhetikums in eine beheizte Kammer gepumpt, in der es verdampft (Abb. 11.12). Das gasförmige Anästhetikum wird anschließend dem Inspirationsgas zugefügt. Heizkammervergaser sind zwar technisch aufwendig, bieten jedoch gegenüber Verdunstern zahlreiche Vorteile. So erlauben sie die exakte Dosierung der Narkosemittel über weite Flow- und Konzentrationsbereiche und sind damit besonders geeignet für Narkosen mit stark reduziertem Frischgasflow. Da Flüssigkeit praktisch nicht kompressibel ist,

Merke Die Narkosemittelzufuhr erfolgt durch Abgabe definierter Mengen des flüssigen Anästhetikums.

315

1 1

Desfluran-Verdampfer

Verdampfer sind für die Zufuhr des volatilen Anästhetikums Desfluran erforderlich, da dessen physikalischen Eigenschaften erheblich von denen der anderen volatilen Anästhetika abweichen: Der Dampfdruck von Desfluran beträgt 886 mbar bei 20 °C und liegt damit erheblich höher als der von Halothan (242 mbar), Sevofluran (202 mbar) oder Isofluran (316 mbar). Der Siedepunkt liegt bei 23,5 °C, so dass Desfluran bereits bei Raumtemperatur in gasförmigem Zustand vorliegen kann (Tab. 11.1). Herkömmliche Bypass-Verdunster oder -Vergaser würden daher unkontrollierbare Mengen Desfluran in den Frischgasflow abgeben. Desfluran-Verdampfer verwenden daher geheizte und temperaturkontrollierte Systeme, wobei Frischgasflow und Narkosemittel nach Druckausgleich elektromechanisch gekoppelt sind (Abb. 11.13).

1 1 1 1 1

Drossel

Frischgas Magnetventil

zum Respirator EIN/AUSSchalter

Druckreduzierung

Heizung Dosiersystem

1 1

O2

1

Bei Einstellung „AUS“ strömt Gas direkt in den Respirator

Füllstandsanzeiger Mischer

Abb. 11.11 Venturi-System (Siemens Vaporizer). Das Drosselventil im Frischgasflow variiert die Kon­ zentrationseinstellung durch Veränderung der Druck­ verhältnisse zwischen Gasstrom und Vorratskammer. Temperaturkompensation ist nicht notwendig. Das System arbeitet diskontinuierlich. Der Vaporizer erfor­ dert einen Eingangsdruck zwischen 3,5 und 5 bar.

Abb. 11.12 Prinzip des Heizkammervergasers. Das flüssige Narkosemittel wird durch ein elektronisch gesteuertes Dosiersystem unter Druck (0,6 bar) in die Heizkammer gepumpt und dort verdampft. Der gesättigte Narkosemitteldampf wird portioniert dem Frischgas zugesetzt, die Taktfrequenz des Magnet­ ventils bestimmt die in den Frischgasflow abgegebe­ ne Narkosegasmenge.

11 1

316

11 Narkoseapparate und ­systeme, Narkosebeatmung

Kontroll- und Dosierventil

1

Gasauslass Drossel Frischgas

Druckventil Sicherheitsventil

1

1 1 1 1 1 1 11 1

● ● ●

der Lungenperfusion, der Aufnahmerate des Anästhetikums ins Blut, der Abgabe des Anästhetikums ins Gewebe, anderen Gasanteilen im Inspirationsgasgemisch (second gas effect).

Druckausgleich

1

1



39°

Heizung

Abb. 11.13 Desfluran-Verdampfer (Ohmeda TEC 6). Die durch das Drosselventil eingestellte Narko­ semitteldosierung erfolgt durch einen elektronisch gesteuerten Druckausgleich zwischen Frischgas und Narkosemitteldampf. Der Druckausgleich ist Frischgasflow­abhängig. Dadurch ist die Unabhängig­ keit der Narkosemittelkonzentration von der Höhe des Frischgasflows gewährleistet. Da das Gerät die Umgebungsatmosphäre als Referenzdruck benötigt, verändert sich die Narkosemittelabgabe mit dem Atmosphärendruck.

11.2.2

Pharmakokinetik und -dynamik der volatilen Anästhetika

Inhalationsnarkotika unterscheiden sich in ihren physikalischen und physikochemischen Eigenschaften, wie dem Dampfdruck, dem Öl-Gas-VerteilungskoefÏzienten und dem Blut-Gas-VerteilungskoefÏzienten (Tab. 11.1). Dampfdruck und Blut-Gas-VerteilungskoefÏzient bestimmen die Aufnahme durch die Lunge, während der Öl-GasVerteilungskoefÏzient eine Aussage zur ▶ anästhetischen Potenz erlaubt.

■ An- und Abflutung der Narkose, anästhetische Potenz Die Anflutungsgeschwindigkeit des Anästhetikums bestimmt die Geschwindigkeit der Narkoseeinleitung und -vertiefung. Der entscheidende Faktor hierbei ist der alveoläre Partialdruck des Inhalationsanästhetikums. Er hängt – neben der Einstellung der inspiratorischen Narkosemittelkonzentration im Frischgas – im Wesentlichen ab von ● der alveolären Ventilation,

Alveoläre Ventilation. Ausreichende Ventilation der Lungen ist eine entscheidende Voraussetzung für die schnelle Anflutung des Anästhetikums. Hypoventilation, z. B. durch unzureichende Spontanatmung oder insufÏziente Maskenbeatmung, führt zum verzögerten Anstieg des alveolären Partialdrucks des Anästhetikums. Dagegen beschleunigt eine alveoläre Hyperventilation die Aufnahme des Anästhetikums in die Lungen. In der Ausleitungsphase gilt Entsprechendes: Bei Hyperventilation fällt der Partialdruck schneller als bei Hypoventilation. Die Anflutungszeit wird auch durch die funktionelle Residualkapazität beeinflusst: Patienten mit einer hohen FRC (z. B. Patienten mit Lungenemphysem) haben einen längere Einleitungszeit als Patienten mit einer kleinen FRC (z. B. Schwangere). Hinweis Diesen Effekt kann man sich bei der inhalativen Einleitung einer Narkose mit Sevofluran zunutze machen: Die Einleitung verläuft deutlich schnel­ ler, wenn der Patient aufgefordert wird, bei dicht sitzender Maske zunächst maximal auszuat­ men und danach maximal zu inspirieren (single­ breath induction). Second gas effect. Klinisch weniger bedeutsam ist der sog. „second gas effect“ (Zweitgaseffekt). Beim Anfluten eines anderen Gases (first gas) wie z. B. Lachgas (N2O) wird das nur in geringen Konzentrationen vorliegende volatile Anästhetikum (second gas) mitgerissen und flutet dadurch schneller an. So bewirkt die Beatmung mit 70 % N2O in den ersten 5 Minuten des Anflutens eine bis zu 10 % höhere Halothankonzentration. Herzzeitvolumen und Lungenperfusion. Das Herzzeitvolumen (HZV) und damit die Lungendurchblutung beeinflussen den Partialdruckausgleich zwischen Alveolargas und inspiratorischem Gasgemisch: So verzögert eine Zunahme des HZV den Partialdruckausgleich zwischen Alveolargas und inspiratorischem Gasgemisch, da mehr Anäs-

11.2 Dosierung und Applikation volatiler Anästhetika

Tabelle 11.1 Physikalische Daten gebräuchlicher Inhalationsanästhetika. Die MAC50­Werte gelten für Sauerstoffatmung.

1

Dampfdruck [mbar] bei 20 °C

Siedepunkt [°C] bei 760 Torr

Sättigungs konzentration [Vol.%] bei 20 °C

Minimale alveoläre Konzentration MAC50 [%]

Blut/GasVerteilungskoeffizient

Öl/GasVerteilungskoeffizient

Äther

586

34,6

58

3–4

12,16

65

nein

Halothan

242

50,2

32

0,8

2,35

224

nein

Enfluran

233

56,5

23

1,6

1,91

96

ja

Isofluran

316

48,5

31

1,2

1,45

91

ja

Sevofluran

202

58,6

21

1,7

0,65

53

nein

Desfluran

886

22,8

88

6,6

0,42

19

ja

51 000

–88,7

­

105

0,47

1,4

nein

Lachgas

317

Atemwegsirritation

1 1 1 1

thetikum aus der Lunge abtransportiert werden kann. Dadurch ist die Einleitungsdauer bei Patienten mit hohem HZV (z. B. aufgeregte Patienten) verlängert, bei Patienten mit niedrigem HZV (z. B. Patienten mit HerzinsufÏzienz, Hypovolämie) dagegen verkürzt. Allerdings wird das Gewebe rascher mit der Blutkonzentration äquilibriert und die Konzentration im venösen Blut steigt schneller an. Merke Atemminutenvolumen und Herzzeitvolumen sind entscheidende Größen bei der An­ und Ab­ flutung des Anästhetikums. Blut/Gas-VerteilungskoefÏzient. Die Anflutungsgeschwindigkeit hängt auch vom Übertritt des Anästhetikums ins Blut ab: Die Geschwindigkeit, mit der dieser Vorgang stattfindet, wird zum einen bestimmt von der alveolären Konzentration ab (je höher die Konzentration in der Alveolarluft, desto höher das Konzentrationsgefälle zwischen Luft und Blut und daher desto schneller der Übertritt ins Blut), zum anderen von der Löslichkeit des Anästhetikums im Blut (je besser löslich, desto schneller die Anreicherung im Blut). Desfluran besitzt den niedrigsten Blut/Gas-KoefÏzienten von allen derzeit verwendeten volatilen Anästhetika und flutet deshalb am schnellsten an und ab (Tab. 11.1).

Merke Die physikochemischen Eigenschaften des An­ ästhetikums bestimmen dessen Anflutungsge­ schwindigkeit.

Öl/Gas-VerteilungskoefÏzienz. Aus dem Blut diffundiert das volatile Anästhetikum in die unterschiedlichen Gewebe, weil auch hier ein Konzentrationsgefälle vorliegt. Da der primäre Wirkort des Anästhetikums, das zentrale Nervensystem/ Gehirn, zum großen Teil aus fetthaltigen Strukturen besteht, besteht zwischen der Fettlöslichkeit und der Potenz von Inhalationsanästhetika eine nahezu lineare Beziehung: Je höher der Öl/GasVerteilungskoefÏzient, desto potenter ist das volatile Anästhetikum (Tab. 11.1). Hinweis Bei der Wirkdauer spielt auch die Dauer der Nar­ kose eine Rolle, da mit zunehmender Expositi­ onsdauer eine Anreicherung im Körper, haupt­ sächlich im Fettgewebe, stattfindet.

Merke Der Öl/Gas­KoefÏzient kennzeichnet die Potenz des Anästhetikums.

1 1 1 1 1 11 1

318

11 Narkoseapparate und ­systeme, Narkosebeatmung

■ Narkosemitteldosierung

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 11 1

Die biologische Wirksamkeit des Anästhetikums wird anhand der minimalen alveolären Konzentration (MAC) definiert (Tab. 11.1). Das MAC-Konzept basiert auf der Vorstellung, dass der zerebrale Perfusionsdruck des Inhalationsanästhetikums dem alveolären Partialdruck entspricht. Damit lässt sich die Narkosetiefe in einfacher Weise durch Bestimmung der alveolären Narkosemittelkonzentration beurteilen, die der endtidalen (= endexspiratorischen) Narkosemittelkonzentration entspricht. Beim beatmeten Patienten lässt sich die endexspiratorische Narkosemittelkonzentration u. a. durch ▶ IR-Spektroskopie einfach bestimmen. Merke Die Narkosetiefe lässt sich anhand der minima­ len alveolären Konzentration (MAC) beurteilen. Der MAC50-Wert bezeichnet diejenige alveoläre Konzentration des volatilen Anästhetikums in Sauerstoff, bei der 50 % der Probanden eine Toleranz gegenüber einem definierten chirurgischen Stimulus (z. B. Hautinzision) aufweisen. Der MAC95Wert entspricht der alveolären Konzentration, die bei 95 % der Probanden reflektorische Bewegungen unterdrückt. Der MAC95 beträgt etwa das 1,1-fache des MAC50. Die in Tab. 11.1 angegebenen MAC50-Werte gelten für gesunde Patienten mittleren Alters. Der tatsächliche MAC-Wert ist dagegen von vielen weiteren Faktoren abhängig. So besteht eine deutliche Altersabhängigkeit: Die höchsten Werte findet man im 1. Lebensjahr, die niedrigsten bei Frühgeborenen und im weit fortgeschrittenen Alter. Die gleichzeitige Gabe von Analgetika, Sedativa und/ oder die Supplementierung mit Lachgas erniedrigen die MAC ebenso wie Schwangerschaft, Hypothermie und ein schlechter Allgemeinzustand des Patienten. Hinweis Die Dosierung des Anästhetikums muss alters­ adaptiert erfolgen und den Allgemeinzustand des Patienten berücksichtigen. Narkosedauer, Größe und Gewicht des Patienten haben dage­ gen keinen Einfluss auf den MAC­Wert.

11.2.3

Sicherheitsvorschriften für Narkosemitteldosiervorrichtungen

Narkosemittelverdunster, -vergaser und -verdampfer müssen im Frischgasflow angebracht werden. Die Installation im Inspirationsschenkel würde unter ▶ Rückatmungsbedingungen zu undefinierten Narkosemittelkonzentrationen führen, da dem Rückatemgas mit unbekanntem Narkosemittelgehalt mit jeder Passage durch den Verdampfer weiter Narkosemittel zugesetzt würde. Atemgas, das über O2-Flush oder Notluftventil zugeführt wird, darf nicht durch den Verdunster geleitet werden. Das gleichzeitige Betreiben mehrerer Verdunster/ Verdampfer/Vergaser muss ausgeschlossen sein, rastbare Einschaltsperren sollen vor unbeabsichtigtem Parallelbetrieb schützen. Aufgrund der unterschiedlichen Dampf- und Sättigungsdrücke benötigt jedes Anästhetikum grundsätzlich spezifisch graduierte Verdunster/ Verdampfer, die eindeutig beschriftet und farblich gekennzeichnet sein müssen. Um Verwechslungen zu verhindern und zum Schutz des Anwenders beim Befüllen der Verdunster/Verdampfer, müssen diese mit einer Sicherheitsfüllvorrichtung versehen sein. Für Halothan und Isofluran wird dies durch ein substanzspezifisches Design der Narkosemittelflaschen realisiert: geometrisch kodierte Flaschengewinde, geometrisch und farblich kodierte Indexkragen sowie farb- und profilkodierte Befüllschlüssel mit korrespondierenden geometrisch kodierten Befülleinrichtungen an den Verdunstern. Sevofluran und Desfluran sind ebenfalls durch substanzspezifisch profilkodierte Befülleinrichtungen gesichert, die an den Narkosemittelflaschen direkt befestigt sind, aber aus patentrechtlichen Gründen nicht genormt werden. Das Befüllen darf nur im abgeschalteten, drucklosen Zustand erfolgen. Überfüllsicherungen verhindern das Übertreten von flüssigem Anästhetikum ins Patientensystem. Aus Sicherheitsgründen ist die maximal mögliche Abgabeleistung der Geräte limitiert. Bei konventionellen Verdunstern ist sie in der Regel auf das Drei- bis Fünffache des jeweiligen MAC-Wertes begrenzt.

11.3 Narkosesysteme

Merke Die spezifisch graduierten und farblich gekenn­ zeichneten Apparaturen müssen Sicherheitsfüll­ vorrichtungen besitzen.

Hinweis Außer Narkosemittel und Frischgas dürfen kei­ ne anderen Substanzen in die Narkosemittel­ dosiervorrichtung gelangen. Halothan kann z. B. mit Wasser Verbindungen bilden, die den Verdunster korrodieren und Zersetzungsproduk­ te bilden. Gelangen diese in die Dosiereinheit, können erhebliche Abweichungen in der Narko­ semittelabgabe auftreten. Halothan ist zudem lichtempfindlich und enthält als Stabilisierungs­ zusatz Thymol. Wird der Verdunster lange Zeit nicht betrieben, so entweicht Halothan durch die Zwangsentlüftung, Thymol bleibt jedoch wegen des höheren Siedepunktes zurück und kann zu Verharzungen an Docht und Dosierein­ heit führen.

Merke Narkosemittelverdunster/­verdampfer leeren, wenn sie länger als einen Monat nicht benutzt werden sollen. Narkosemitteldosiervorrichtungen sollen grundsätzlich senkrecht betrieben und transportiert werden. Durch Kippen im ein- wie auch im ausgeschalteten Zustand kann flüssiges Narkosemittel in die Dosiereinheit gelangen und zu erheblichen Abweichungen der abgegebenen Konzentration führen. So empfiehlt die Firma Dräger für ältere Vaporen eine Mindest-Ausspülzeit von 5 Minuten nach kurzzeitigem Kippen über 45 Grad. Nach unzulässiger waagerechter Lage eines gefüllten Vapors ist dagegen eine Ausspülzeit von mindestens 20 Minuten erforderlich! Ähnliches gilt für die meisten anderen Verdunster älterer Bauart. Neuere Verdunster verfügen über eine interne Kippsicherung, die einen Übertritt von flüssigem Narkosemittel in die Dosiereinheit verhindert. Gewalteinwirkungen, z. B. durch Sturz, können die Funktion der Narkosemitteldosiervorrichtung beeinträchtigen und zu fehlerhafter Anästhetikaabgabe führen. Auch wenn äußerlich keine Anzeichen einer Beschädigung erkennbar sind, muss das

Gerät unverzüglich ausgetauscht und auf Funktionsfähigkeit und Genauigkeit überprüft werden. Merke Überprüfung der Narkosemitteldosiervor­ richtung nach Gewalteinwirkung!

Hinweis Seit 01.01.1988 ist in Deutschland für Narkose­ mitteldosiervorrichtungen eine Warneinrichtung für den Fall der gerätebedingten Fehldosierung vorgeschrieben. Diese Messung der Narkose­ mittelkonzentration muss nicht direkt am Gerät erfolgen, die Messvorrichtung kann auch patien­ tennah, z. B. am Tubus, angebracht werden. Bei der Verwendung von Rückatmungssystemen ist dies sicherlich sinnvoller als die Messung direkt hinter der Narkosemitteldosiervorrichtung, da weniger die im Frischgasflow, sondern vielmehr die in der Inspirationsluft nach Durchmischung mit dem Rückatmungsanteil erreichte Narkose­ mittelmenge wissenswert ist. Eine klinisch rele­ vante Aussage zur alveolären Konzentration und damit zur Narkosetiefe ist jedoch nur durch Be­ stimmung der endtidalen exspiratorischen Kon­ zentration möglich.

Merke Tubusnahe Messung der Narkosemittelkonzen­ tration.

319

1 1 1 1 1 1 1 1

Beim Nachfüllen des Verdampfers ist das Verschütten volatiler Anästhetika unbedingt zu vermeiden, um die Umgebungsbelastung zu reduzieren.

1

11.3

1

Narkosesysteme Jan Baum (†), Jörg Rathgeber

Narkosesysteme sind die interaktiven apparativen Schnittstellen zwischen den Geräten zur Bereitung des Frischgases, den Narkosegeräten und den Patienten. In Abhängigkeit von ihrer konstruktiv-technischen Grundkonzeption erfüllen sie in unterschiedlicher Weise folgende Aufgaben:

11 1

320

11 Narkoseapparate und ­systeme, Narkosebeatmung



1 1

● ● ●

1 1



Bereitung der Narkosegase durch Mischung von Frischgas (Sauerstoff, ggf. eine zweite Komponente wie etwa medizinische Luft oder Lachgas und Inhalationsanästhetika) und ggf. noch unverbrauchten Anteilen von Narkosegasen aus der Ausatemluft, Zuleitung der Narkosegase zum Patienten, Entfernung des ausgeatmeten Kohlendioxids, Trennung der Narkosegase von der umgebenden Atmosphäre, Anfeuchtung und Anwärmung der Narkosegase.

a

Merke Ein Narkosesystem ist nicht nur ein passives apparatives Element zur Applikation von Nar­ kosegas, sondern funktionell die interaktive Schnittstelle zwischen dem Narkosegerät und dem Patienten.

1 1 1

Bislang gibt es keine einheitliche, international verbindlich anerkannte terminologische Klassifizierung der Narkosesysteme. In Anlehnung an E. A. Ernst sollte grundsätzlich der Klassifizierung der Narkosesysteme entsprechend der zugrunde liegenden technisch-konstruktiven Konzeption der Vorzug gegeben werden.

11.3.1

1 1 1

Differenzierung der Narkosesysteme nach technisch-konstruktiven Kriterien

Narkosesysteme stellen die Verbindung zwischen der Gasmischeinheit und dem Patienten her. Sie sind daher grundlegender Bestandteil jeder Inhalationsanästhesie, sowohl in Verbindung mit manueller oder maschineller Beatmung als auch bei Spontanatmung.

■ Systeme ohne Reservoir

11 1

Die Systeme ohne Reservoir sind durch einen sehr einfachen technischen Aufbau gekennzeichnet. Zu ihnen gehören die InsufÒationssysteme, wie z. B. der Davis-Meyer-InsufÒationsspatel (Abb. 11.14), und die Narkosemasken zur Tropfnarkose mit Chloroform und Äther, wie etwa die SchimmelbuschMaske (Abb. 11.4, Abb. 11.14). Alle Systeme ohne

b

Abb. 11.14 Narkosesysteme ohne Reservoir. Schimmelbusch­Maske (a) und Davis­Meyer­InsufÒati­ onsspatel (b) (Quelle: Kochs et al. 2009).

Reservoir haben einen sehr geringen Atemwiderstand. Bei tiefer Einatmung kann es aber durch unkontrollierten Zustrom von Luft zur Dilution des Narkosemittels kommen. Systeme ohne Reservoir gewährleisten keine sichere Trennung der Narkosegase von der Umgebungsatmosphäre. Außenluft kann in nicht zu kontrollierender Menge zusammen mit dem Narkosegas vom Patienten eingeatmet werden. Eine exakte Kontrolle der applizierten Narkosegaskonzentrationen ist nicht möglich.

11.3 Narkosesysteme

■ Nicht-Rückatemsysteme Den Nicht-Rückatemsystemen (Abb. 11.15) fehlt eine apparative Vorrichtung zur Absorption des in der Ausatemluft enthaltenen Kohlendioxids. Sie sind nicht mit einem ▶ Kohlendioxidabsorber ausgestattet, dem mit Atemkalk gefüllten Behälter zur chemischen Absorption von Kohlendioxid. Vom technischen Konzept her sind diese Systeme somit nicht auf die Wiederverwendung der in der Ausatemluft enthaltenen unverbrauchten Narkosegase ausgelegt. Hinweis Die Klassifizierung von Narkosesystemen ist un­ einheitlich und verwirrend. Die früher gebräuch­ lichen Bezeichnungen „offen“, „halboffen“ und

„halbgeschlossen“ tragen nicht zum Verständnis bei und sollten daher nach Möglichkeit vermie­ den werden. Besser erscheint die Unterteilung in Systeme ohne und Systeme mit Rückatmung, wobei der Rückatmungsanteil zusätzlich defi­ niert werden muss (Abb. 11.16a,b). Inspiratorisches und exspiratorisches Tidalvolumen unterscheiden sich um das Volumen, das vom Patienten aufgenommen wird und durch Leckage verloren geht. Während die Leckage durch sorgfältige Gerätepflege in ihrem Ausmaß weitgehend reduziert werden kann, ist die Aufnahme von Sauerstoff, Lachgas und Narkosemittel individuell unterschiedlich und im Verlauf der Narkose variabel und damit schwer abzuschätzen. Daher werden die Atemgasgemische dem Patienten aus

321

1 1 1 1 1



VF

a Mapleson-A-System

d Mapleson-D-System •

VF

1 1

b Mapleson-B-System



e Mapleson-E-System



VF

VF

1 1

c Mapleson-C-System



VF

f Mapleson-F-System



VF

1 11

Abb. 11.15 Klassifizierung der flowgesteuerten Nicht-Rückatemsysteme nach Mapleson (Typ a–f). Erläuterungen im Text. V˙ F = Frischgasstrom (Quelle: Kochs et al. 2009).

1

322

1

11 Narkoseapparate und ­systeme, Narkosebeatmung

Frischgas

Narkosegasfortleitung Frischgas

Narkosegasfortleitung Frischgas

1 1 1 1 1 1 1 1 1

a

b

c

Abb. 11.16 Nicht-Rückatmungssystem, Rückatmungssystem, geschlossenes System. a Nicht­Rückatmungssystem: In­ und Exspirationsgase sind vollständig voneinander getrennt. Die Exspirations­ luft wird nicht aufbereitet, sondern vollständig über die Narkosegasfortleitung abgeführt. b Rückatmungssystem: Nach CO2­Elimination werden die Exspirationsgase der Inspirationsluft teilweise wieder zugeführt: partielle Rückatmung. Die Höhe des Frischgasflows bestimmt den Rückatmungsanteil. Die über­ schüssigen Exspirationsgase verlassen das System über die Narkosegasfortleitung (Überschusssystem). c Geschlossenes System: Die Exspirationsgase werden nach CO2­Elimination vollständig rückgeatmet. Die Men­ ge der eingespeisten Frischgase entspricht exakt der Menge der verbrauchten Gase (metabolisches Gleichge­ wichtssystem).

Sicherheitsgründen in der Regel im Überschusssystem zugeführt, d. h., das Angebot übersteigt die vermutete Aufnahme. Wenn das Angebot an Sauerstoff, Lachgas und Narkosemitteln zu jedem Augenblick dem Bedarf des Patienten entspricht und kein Gas außer CO2 das Narkosesystem verlässt, liegt ein metabolisches Gleichgewichtssystem oder total geschlossenes System vor (Abb. 11.16c) vor. Aus systematischen sowie didaktischen Gründen werden die Narkosesysteme im Folgenden anhand ihrer technisch-konstruktiven sowie ihrer funktionellen Merkmale differenziert und klassifiziert.





Flowgesteuerte Nicht-Rückatemsysteme

11 1

Die flowgesteuerten Nicht-Rückatemsysteme haben übereinstimmend einen überaus einfachen technischen Aufbau und nur geringen Atemwiderstand. Ihre terminologische Einteilung erfolgt nach der von Mapleson 1954 vorgegebenen Klassifizierung (Abb. 11.15): ● Mapleson A: Während der Ausatmung ist der Frischgasstrom dem Strom der Atemluft entgegengerichtet. Die Ausatemluft strömt über ein



patientennahes Ausatemventil, das APL-Ventil (Adjustable Pressure Limiting Valve), aus dem System ab. Zu den Mapleson-A-Systemen gehören das Magill-System und dessen koaxiale Variante, das Lack-System. Mapleson B und C: Sowohl die Frischgaszuleitung als auch das Ausatemventil sind patientennah positioniert, das Reservoir enthält eine Mischung von Ausatemluft und Frischgas. Mapleson D: Hier erfolgt die Frischgaseinleitung patientennah, wohingegen die Ausatemluft und das Überschussgas über ein patientenfernes Ausatemventil abströmen, das in unmittelbarer Nähe zum Reservoirbeutel angebracht ist. Während der Ausatmung sind der Frischgasstrom und der Strom der Ausatemluft gleichgerichtet. Das Bain-System (UK) und das Penlon Coaxial System (USA) sind die koaxialen Varianten des Mapleson D-Systems. Mapleson E: Funktionell ist dieses System dem Mapleson D-System ähnlich, es fehlt aber ein Reservoirbeutel. Der als Reservoir dienende, die Ausatemluft und das Überschussgas ableitende Schlauch muss deshalb zumindest so

11.3 Narkosesysteme



lang sein, dass sein Füllungsvolumen zusammen mit dem während der Inspiration zuströmenden Frischgasvolumen dem Inspirationsvolumen entspricht. Sonst wird Außenluft in den Reservoirschlauch angesaugt und mit dem Narkosegas vermischt. Das Mapleson-E-System entspricht dem Ayreschen T-Stück. Mapleson F: Das Jackson-Rees-System wurde erst 1975 als System F der Klassifizierung nach Mapleson zugeordnet. Entsprechend der erweiterten Klassifizierung nach Mapleson ist auch das Kuhn-System ein System des Typs Mapleson F.

Die Elimination der kohlendioxidhaltigen Ausatemluft erfolgt bei den flowgesteuerten NichtRückatemsystemen durch einen ausreichend hohen Frischgasstrom. Dieser kann dem Strom der Ausatemluft gleichgerichtet – Spülgassysteme – oder entgegengerichtet sein – Systeme mit Ausatemventil (Abb. 11.17b,c). Die Effektivität flowgesteuerter Nicht-Rückatemsysteme wird mit dem niedrigsten Frischgasfluss beschrieben, mit dem eine Rückatmung CO2haltiger Ausatemluft sicher verhindert wird. Dabei hängt die EfÏzienz der Auswaschung der Atemgase nicht nur vom Frischgasfluss, sondern von weiteren Faktoren ab: ● von der Systemgeometrie (d. h. der Anordnung von Frischgaseinlass, Reservoirbeutel und Ausatemventil sowie der Dimensionierung des Systems), ● vom Atemmuster (d. h. vom Tidalvolumen, Atemzeitverhältnis, von der Atemfrequenz, der Dauer der exspiratorischen Pause und vom Totraum), ● von der Art der Atmung (Spontanatmung oder Beatmung). Hinweis Berechnet wird die Effektivität dieser Systeme durch die Division des Atemminutenvolumens durch den minimalen Frischgasfluss, bei dem ge­ rade noch keine Rückatmung auftritt: AMV Effektivität = min imaler FrischgasflussNicht-Rückatmung Sie nimmt bei Spontanatmung in der Reihenfol­ ge der Mapleson­Klassifizierung A, D, F, E, C und

B ab, bei kontrollierter Beatmung in der Reihen­ folge: D, F, E, B, C und A. So gibt es für die ver­ schiedenen Systeme verbindliche Angaben über den Frischgasflow, mit dem eine nennenswerte Rückatmung sicher verhindert wird.

323

1 1

Ventilgesteuerte Nicht-Rückatemsyteme

Bei den ventilgesteuerten Nicht-Rückatemsystemen wird die Inspirations- von der Ausatemluft durch ein patientennah angebrachtes Nicht-Rückatemventil getrennt (Abb. 11.17a). Der Patient wird mit reinem Frischgas beatmet, der Frischgasfluss muss deshalb dem Atemminutenvolumen entsprechen. Ein in den Inspirationsschenkel des Systems eingefügtes Reservoir sichert die Verfügbarkeit eines ausreichenden Gasvolumens auch bei tiefer Einatmung. Bei den ventilgesteuerten Nicht-Rückatemsystemen ist von der technischen Konzeption her eine Rückatmung völlig unmöglich, da die gesamte Ausatemluft über das Nicht-Rückatemventil zwangsweise in die Umgebung abgeleitet wird. Nicht-Rückatemsysteme sind technisch einfach aufgebaut, die Elimination des in der Ausatemluft enthaltenen Kohlendioxids erfolgt durch Ventilsteuerung oder durch Ausspülen der Ausatemluft aus dem Narkosesystem durch einen adäquat hohen Frischgasfluss. Entsprechend hoch sind der Gasverbrauch und die Belastung der Umgebungsatmosphäre mit Narkosegasen.

1 1 1 1 1 1

■ Rückatemsysteme Unter dem Begriff Rückatmung ist in der Anästhesie die Wiederverwendung der in der Ausatemluft eines Patienten noch enthaltenen unverbrauchten Gase und Narkosemittel während der folgenden Einatmung zu verstehen. Dazu muss die Entfernung des in der Ausatemluft enthaltenen Kohlendioxids gewährleistet sein. Das technische Kennzeichen der Rückatemsysteme ist deshalb der Kohlendioxidabsorber, ein Behälter, der mit Atemkalk zur chemischen Absorption des Kohlendioxids gefüllt ist.

1 1 11 1

324

1

11 Narkoseapparate und ­systeme, Narkosebeatmung

a Frischgas

R A

E

1

IN

Exspirationsluft

P

1 EX

1

F

b

Ausatemventil Einatemventil Frischgaszuleitung Konnektion zum Patienten Reservoir

IN EX EP

Inspiration Exspiration Exspiratorische Pause

A

c

R IN

A E F P R

R P

IN

1 P EX

EX

EP

EP

1 1 IN

1 1 1 11 1

IN

Abb. 11.17 Unterschiedliche Konzeptionen von Nicht-Rückatemsystemen (Quelle: Kochs et al. 2009). a Schematische Darstellung eines Nicht­Rückatemventils (ventilgesteuertes Nicht­Rückatemsystem). b Flowgesteuerte Elimination der Ausatemluft über das Reservoir (flowgesteuertes Nicht­Rückatemsystem, Typ Mapleson E). c Flowgesteuerte Elimination der Ausatemluft über ein patientennnahes Ausatemventil (flowgesteuertes Nicht­ Rückatemsystem, Typ Mapleson A).

11.3 Narkosesysteme

Hinweis In vielen angloamerikanischen Publikationen werden auch die flowgesteuerten Nicht­Rück­ atemsysteme den Rückatemsystemen zugeord­ net, da vom technischen Design her prinzipiell eine Rückatmung der Ausatemluft ja auch mög­ lich ist. Bezeichnenderweise wird die Effektivität dieser Systeme aber immer an dem minimalen Frischgasfluss bemessen, mit dem eine Rückat­ mung – zumindest eine Rückatmung CO2­halti­ ger Ausatemluft – sicher auszuschließen ist.

■ Pendelsysteme Bei den Pendelsystemen handelt es sich um technisch sehr wenig aufwändige Systeme (Abb. 11.18). Der Kohlendioxidabsorber, über den der Patient sowohl ein- als auch ausatmet, ist in unmittelbarer Nachbarschaft zum Kopf des Patienten angebracht, was die Handhabung dieser Systeme in der klinischen Praxis erschwert. Nach längerem Gebrauch und zunehmender Erschöpfung des Atemkalks vergrößert sich darüber hinaus der apparative Totraum.

■ Kreissysteme Bei den Kreissystemen zirkuliert das Narkosegas – gesteuert durch die Funktion der in den Gasstrom eingefügten unidirektionalen Ein- und Ausatemventile – in einem Zwangskreislauf vom Ex- zum Inspirationsschenkel des Systems (Abb. 11.16b). Ein- und Ausatemweg gehen am Y-Stück des Patientenschlauchsystems wiederum ineinander über, so dass der Kreislauf der Atemgase geschlossen ist. Aus dem unidirektionalen Strom der Gase resultiert die zwangsweise Trennung der Aus- von der Einatemluft. Der Anteil der Ausatemluft, der nicht als Überschussgas aus dem System abgeleitet wird, wird durch die von der Ventilfunktion vorgegebenen Richtung der Gasströmung zwangsläufig über den Kohlendioxidabsorber geleitet. In der überwiegenden Mehrzahl aller Kreissysteme wird die unidirektionale Zirkulation des Gasstroms mittels Ventilsteuerung realisiert. Bei Kreissystemen ohne Ventilsteuerung wird mit dem Ziel der Verminderung des Strömungswiderstandes auf solche unidirektionalen Ventile

325

F C

B

D

P

1

I

C A P

1

1

E

1

F B

1 Abb. 11.18 Rückatemsysteme: Pendel- und Kreissystem (Quelle: Kochs et al. 2009). A = Überschussgasabström­ und Druckbegrenzungs­ ventil B = Handbeatmungsbeutel C = Absorberkanister D = Druckentlastung E = unidirektionales Exspirationsventil F = Frischgasanschluss I = unidirektionales Inspirationsventil P = Patient

1 1 1

verzichtet. Das Narkosegas zirkuliert, etwa von einem Ventilator angetrieben, kontinuierlich unidirektional im Kreissystem, wodurch ebenfalls eine sichere Kohlendioxidabsorption und die kontinuierliche Durchmischung der Ausatemluft mit dem Frischgas gewährleistet sind. Bei den Rückatemsystemen handelt es sich um technisch aufwändige Systeme mit Kohlendioxidabsorber, zwei unidirektionalen und einem Überschussgasabströmventil. Durch die Rückatmung kann der Narkosegasverbrauch deutlich vermindert werden, die Umgebungsbelastung mit Narkosegasen wird reduziert. Durch die Nutzung der Rückatmung von Ausatemluft, die vorab bereits die Lungen passiert hat, kommt es zu einer Verbesserung der Klimatisierung der Narkosegase.

1 1 11 1

326

11 Narkoseapparate und ­systeme, Narkosebeatmung

11.3.2

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 11

Differenzierung der Narkosesysteme nach funktionellen Kriterien

Auch wenn immer wieder gefordert wird, wegen der begrifÒichen Unschärfe die Bezeichnungen „offenes“, „halboffenes“, „halbgeschlossenes“ oder „geschlossenes” System nicht mehr zu verwenden (s.o.), so kann auf diese Termini dennoch nicht verzichtet werden, wenn die Funktion von Narkosesystemen exakt zu beschreiben ist.

■ Offene Systeme Das gemeinsame Kennzeichen der unter funktionellem Aspekt „offenen” Systemen ist die Unmöglichkeit, die Zusammensetzung des vom Patienten eingeatmeten Narkosegases exakt zu kontrollieren. Bei offenen Systemen fehlt ein adäquates Frischgasreservoir, so dass es in Abhängigkeit vom Atemzugvolumen zu unkontrolliertem Zustrom von Raumluft mit konsekutiven unkontrollierbaren Veränderungen der Narkosegaskonzentrationen kommen kann.

■ Halboffene Systeme Als „halboffen” wird ein Narkosesystem bezeichnet, bei dem die gesamte Ausatemluft vollständig aus dem System entfernt und dem Patienten während der folgenden Inspiration reines Frischgas zugeleitet wird (Abb. 11.16a). Der Frischgasflow muss also mindestens ebenso groß oder, falls es der technische Aufbau des Systems erfordert, um ein Vielfaches größer sein als das Atemminutenvolumen. Das Überschussgasvolumen, d. h. die unverbraucht mit der Ausatemluft aus dem System abströmende Menge an Sauerstoff, Lachgas und Inhalationsanästhetika, verhält sich proportional zum Frischgasfluss. Die Narkosegaszusammensetzung entspricht der Zusammensetzung des Frischgases.

■ Halbgeschlossene Syteme

1

Bei „halbgeschlossenen” Systemen wird nur ein Teil der Ausatemluft dem Patienten erneut zugeleitet (partielle Rückatmung), der Rest als Überschuss-

gas aus dem System abgeleitet (Abb. 11.16b). Das in das Narkosesystem eingespeiste Frischgasvolumen ist also größer als die vom Patienten wirklich aufgenommene Gasmenge (Gesamtgas-Uptake), jedoch kleiner als das Atemminutenvolumen. Das Rückatmungsvolumen verhält sich umgekehrt proportional, das Überschussgasvolumen hingegen direkt proportional zum Frischgasflow. Mit zunehmendem Rückatemanteil nimmt der Unterschied zwischen der Zusammensetzung des Narkosegases und der des Frischgases zu. Wenn der Rückatmungsanteil größer ist als das CO2-freie Totraumvolumen aus den oberen Atemwegen, so ist eine sufÏziente Entfernung des in der Ausatemluft enthaltenen Kohlendioxids erforderlich.

■ Geschlossene Systeme Wenn dem Patienten die gesamte Ausatemluft nach CO2-Elimination in der folgenden Inspiration erneut zugeleitet wird, wird das Narkosesystem als „geschlossen“ bezeichnet (Abb. 11.16c). Das in das System eingespeiste Frischgasvolumen muss exakt dem Gesamtgas-Uptake entsprechen, dem Gasvolumen also, das vom Patienten zum jeweiligen Zeitpunkt aufgenommen wird. Nur wenn das Überschussgasabströmventil geschlossen und das System vollkommen dicht ist, kann eine ausreichende Gasfüllung des Narkosesystems gewährleistet werden. Von quantitativer Narkose mit geschlossenem System sollte nur dann gesprochen werden, wenn die Zusammensetzung und das Volumen des Frischgases zu jedem Zeitpunkt der Narkose exakt den Mengen an Sauerstoff, ggf. Lachgas und Inhalationsanästhetikum entsprechen, die der Patient gerade aufnimmt. Wenn aber nur das Volumen, nicht jedoch die Zusammensetzung des Frischgases dem Uptake entspricht, so liegt eine nicht-quantitative Narkose mit geschlossenem System vor. Merke Die Begriffe „offenes“, „halboffenes“, „halbge­ schlossenes“ und „geschlossenes“ Narkosesys­ tem sollten nicht länger zur technisch­konst­ ruktiven Differenzierung von Narkosesystemen gebraucht werden, da sie weder eindeutig sind, noch technisch­konstruktive Details definieren.

11.3 Narkosesysteme

11.3.3

Narkosesysteme unter technischen und funktionellen Aspekten

■ Rückatemsysteme Rückatemsysteme sind in ihrem technischen Konzept auf die Rückatmung ausgelegt. Sie werden als geschlossene Systeme genutzt, wenn das Frischgasvolumen dem Uptake entspricht und die Ausatemluft nach Kohlendioxidabsorption vollständig zum Patienten zurückgeleitet wird (Tab. 11.2). Funktionell sind sie halbgeschlossene Systeme, wenn der Frischgasflow größer als der Uptake, aber kleiner als das Atemminutenvolumen ist, die Rückatmung also partiell ist. Je höher der Frischgasfluss ist, desto geringer ist das Rückatmungsvolumen und desto größer das aus dem System abströmende Überschussgasvolumen. Bei günstiger Geometrie des Rückatemsystems und optimaler Frischgasausnutzung wird bei einem Frischgasflow, der annähernd dem Atemmi-

nutenvolumen entspricht, der Rückatemanteil auf ein vernachlässigbares Minimum reduziert. Die Zusammensetzung der Inspirationsluft ist dann nahezu identisch mit der des Frischgases, das Rückatemsystem wird also als halboffenes System genutzt. Funktionell können Rückatemsysteme keine offenen Systeme sein, da der in sich geschlossene Aufbau dieser Systeme den freien Zutritt von Luft unmöglich macht.

327

1 1 1

■ Nicht-Rückatemsysteme Flowgesteuerte Nicht-Rückatemsysteme

In ihrer technischen Konzeption sind flowgesteuerte Nicht-Rückatemsysteme nicht auf die Rückatmung, sondern auf die Elimination der Ausatemluft und die inspiratorische Zufuhr von Frischgas ausgelegt. Die Effektivität der Elimination des Exspirationsvolumens hängt im Wesentlichen vom Frischgasflow, aber auch von der Geometrie des

1 1 1

Tabelle 11.2

Charakteristika unterschiedlicher Narkosesysteme (Quelle: Kochs et al. 2009).

Eigenschaften

Nicht-Rückatemsysteme

Rückatemsysteme

technischer Aufbau

einfach

komplex

Steuerbarkeit der Narkosegas­ zusammensetzung

Veränderung der Frischgaszusammen­ setzung führt sofort zu entsprechen­ der Veränderung der Gaszusammen­ setzung im System

Veränderung der Frischgaszu­ sammensetzung führt erst mit zeitlicher Verzögerung zu ent­ sprechender Veränderung der Gaszusammensetzung im System

Kenntnis der Narkosegas­ zusammensetzung

Narkosegaszusammensetzung ent­ spricht der Frischgaszusammenset­ zung

Differenz zwischen der Gaszusam­ mensetzung im System und der Frischgaszusammensetzung ist umso größer, je größer der Rück­ atemanteil

Klimatisierung der Narkosegase

keine bzw. gering bei koaxialen Systemen

in Abhängigkeit vom Frischgasfluss: ausreichend bis optimal

Narkosegasverbrauch

hoch bis sehr hoch

niedrig, wenn die Möglichkeiten der Rückatmung genutzt werden

Narkosegasemission

umso höher, je höher der Frisch­ gasfluss

umso geringer, je niedriger der Frischgasfluss

Kosten für Narkosegase

umso höher, je höher der Frisch­ gasfluss

umso geringer, je niedriger der Frischgasfluss

Nutzungsmöglichkeiten

halboffen, in sehr geringem Maß halbgeschlossen

in Abhängigkeit vom Frischgasfluss: halboffen, halbgeschlossen, ge­ schlossen

1 1 1 1 11 1

328

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 11 1

11 Narkoseapparate und ­systeme, Narkosebeatmung

Systems, dem Atemmuster und den Druckverhältnissen im System bei eventueller Beatmung ab. So gibt es für die verschiedenen flowgesteuerten Nicht-Rückatemsysteme, differenziert für Spontanatmung und Beatmung, exakte Angaben darüber, welcher Frischgasflow zur Vermeidung der Rückatmung gewählt werden muss. Diese Empfehlungen sind meistens am Atemminutenvolumen orientiert. Bei optimaler Effektivität dieser Systeme muss, wenn die gesamte Ausatemluft aus dem System abgeleitet werden soll, das in das System eingespeiste Frischgasvolumen nahezu dem Atemminutenvolumen entsprechen. Flowgesteuerte Nicht-Rückatemsysteme sind also als halboffene Systeme konzipiert. Wird für einzelne Systeme ein niedrigerer Frischgasflow – bis minimal 70 % des Atemminutenvolumens – angegeben, so kommt es zur partiellen Rückatmung ohne Kohlendioxidabsorption. Diese kann nur dann als vertretbar erachtet werden, wenn daraus keine nennenswerte Anreicherung von Kohlendioxid resultiert. Der Rückatemanteil sollte in diesem Falle aus dem Totraum-, nicht aber aus dem CO2-haltigen alveolären Ventilationsvolumen bestehen. Es ergibt sich hier ein fließender, aber recht begrenzter Übergang zur halbgeschlossenen Nutzung flowgesteuerter Nicht-Rückatemsysteme. Wenn das Reservoirvolumen eines flowgesteuerten Nicht-Rückatemsystems im Vergleich zum Atemzugvolumen eher groß ist, so führt eine darüber hinaus gehende Reduzierung des Frischgasvolumens zu einer relevanten Kohlendioxidanreicherung. Ist das Reservoirvolumen hingegen vergleichsweise klein, so kann unter dem inspiratorischen Sog Außenluft in das Reservoir einströmen, was funktionell dem Übergang zu einem offenen Narkosesystem entspricht.

Ventilgesteuerte Nicht-Rückatemsysteme

Bei ventilgesteuerten Nicht-Rückatemsystemen ist eine Rückatmung der Ausatemluft, die ja zwangsweise vollständig über das Nicht-Rückatemventil aus dem System abgeleitet wird, unmöglich. Eine Nutzung dieser Systeme als geschlossene oder halbgeschlossene Systeme ist somit technisch nicht möglich. Dem Patienten wird inspiratorisch reines Frischgas zugeleitet, der Frischgasflow muss dem Atemminutenvolumen entsprechen. Eine weitere Steigerung des Frischgasflows wäre unsinnig, da der daraus resultierende Überdruck im

Inspirationsschenkel des Systems gegebenenfalls die Funktion des Nichtrückatemventils stören und überschüssiges Frischgas direkt über das Ausatemventil aus dem System abgeblasen werden könnte. Ventilgesteuerte Nicht-Rückatemsysteme sind also entsprechend ihrem technischen Konzept halboffene Systeme. Ein Übergang zum offenen System ist dann möglich, wenn der Inspirationsschenkel zur Atmosphäre hin geöffnet und gleichzeitig das Reservoirvolumen im Vergleich zum Atemzugvolumen klein oder der Frischgasflow zu niedrig ist. In diesem Fall kann unter dem inspiratorischen Sog unkontrolliert Raumluft in das System einströmen.

■ Systeme ohne Reservoir Es soll hier nur exemplarisch auf die Funktion der Davis-Meyer-InsufÒationsspatels (Abb. 11.14b) eingegangen werden: Ist der Frischgasfluss niedrig, so wird mit jeder Inspiration außer dem Frischgas auch Außenluft inhaliert. Dies entspricht qua definitionem einer Narkoseführung mit offenem System. Ist hingegen der Frischgasfluss hoch und das Atemzugvolumen klein, so wirkt der in der exspiratorischen Pause mit Frischgas gefüllte Mundund Rachenraum als Frischgasreservoir, so dass der Patient reines Frischgas inhaliert. Hier liegt ein gleitender Übergang vom offenen zum halboffenen System vor. Prinzipiell können alle Narkosesysteme dann die Charakteristik eines offenen Systems annehmen, wenn Raumluft unkontrolliert in das System einströmen kann und Reservoir- und Frischgasvolumen zusammen kleiner als das Inspirationsvolumen sind. Merke In ganz entscheidendem Maße wird die Funkti­ on eines jeden Narkosesystems durch die Wahl des Frischgasflows bestimmt. In Anhängigkeit vom Frischgasflow wird in einem dynamischen Prozess aus variablen Anteilen von Frischgas, Ausatem­ und ggf. Raumluft das Gasgemisch be­ reitet, das der Patient während der Inspiration einatmet.

11.3 Narkosesysteme

11.3.4

Kohlendioxidabsorption

Zur chemischen Absorption des in der Ausatemluft enthaltenen Kohlendioxids wird ein Granulat aus einer Mischung von Alkali- und Erdalkalimetallhydroxid – undifferenziert auch Atemkalk genannt – verwendet. Das Granulat wird in einem Kanister, dem Kohlendioxidabsorber, in den Strom der Atemgase eingebracht. Aktuell sind zwei differente Kohlendioxidabsorbenzien in klinischem Gebrauch: Kaliumhydroxidfreier Natriumkalk (identisch mit dem angloamerikanischen Begriff soda lime) besteht aus 2 – 4 % NaOH (Natriumhydroxid), etwa 80 % Ca(OH)2 (Kalziumhydroxid) sowie 14 – 19 % H2O. Wegen seines Alkalimetallhydroxidanteils wird dieses Absorbens Natriumkalk genannt. 100 Gramm Atemkalk können stöchiometrisch 26 Liter Kohlendioxid entsprechend folgender chemischer Reaktionen absorbieren: 1. Schritt: CO2 + H2O → H2CO3 2. Schritt: H2CO3 + 2 NaOH → Na2CO3 + 2 H2O 3. Schritt: Na2CO3 + Ca(OH)2 → CaCO3 + 2 NaOH Zusammenfassend: CO2 + Ca(OH)2 → CaCO3 + H2O Bei dieser exothermen Reaktion entstehen pro Mol absorbierten Kohlendioxids ein Mol Wasser und 13,7 kcal. Kalziumhydroxidkalk. Bei diesem Kohlendioxidabsorbens wird auf die Beimischung von Alkalimetallhydroxiden als Reaktionsbeschleuniger ganz verzichtet. Es besteht im Wesentlichen aus Kalziumhydroxid mit geringen Beimischungen von Kalziumchlorid, Kalziumphosphat und Zeoliten sowie Wasser. Der Hauptbestandteil von Atemkalk ist somit Kalziumhydroxid. Wasser ist als Reaktionsvermittler bei der Kohlendioxidabsorption unverzichtbar, Natriumhydroxid wirkt als Reaktionsbeschleuniger. Geringe Anteile von Silikaten und Kieselgur dienen der Stabilisierung des Atemkalkes in Granulatform und der Verhinderung von Staubbildung. Pelletierter Atemkalk hat eine höhere CO2-Absorptionskapazität als granulierter Atemkalk.

Den meisten Atemkalksorten ist ein Farbindikator beigemischt, der die Erschöpfung des Atemkalks durch Farbumschlag anzeigt. Wird z. B. Ethyl-Violett zugesetzt, so schlägt die Farbe des Atemkalkes von Weiß auf Blau um. Allerdings ist Vorsicht geboten: Merke Farbindikatoren zeigen die Erschöpfung des Atemkalks nicht verlässlich an! Das Volumen älterer, konventioneller Absorberkanister beträgt 1 Liter, aus Sicherheitsgründen werden oft zwei solcher Kanister übereinander gesetzt und als Doppelabsorber genutzt. Neuere Narkosegeräte werden in der Regel mit größeren JumboAbsorbern ausgerüstet, deren Füllungsvolumen zwischen 1,5 und 2 Liter beträgt. Für den klinischen Einsatz wird die Absorptionskapazität von 1 Liter Atemkalk mit 120 Liter Kohlendioxid angegeben. Unter der Voraussetzung, dass die ganze Ausatemluft über den Absorber geleitet wird, ergibt sich rechnerisch bei einem Atemminutenvolumen von 10 l/min und einer exspiratorischen CO2-Konzentration von 4 Vol% für einen mit 1 Liter Atemkalk befüllten Absorberkanister eine Gebrauchsdauer von 5 Stunden. Dieser Wert entspricht auch der Absorptionskapazität des Atemkalks, wie er unter Laboratoriumsbedingungen gemessen wird.

■ Nutzungsdauer des Atemkalks Die im klinischen Alltag erreichte Nutzungsdauer des Atemkalks ist abhängig von: ● der Oberfläche und der Konfektionierung des Atemkalks (pelletierter Atemkalk oder Granulat), ● dem Füllungsvolumen des Absorberkanisters, ● dem Frischgasfluss und ● der individuellen Kohlendioxidproduktion. Ganz wesentlich wird die Belastung des Atemkalks mit Kohlendioxid – und damit dessen Nutzungsdauer – vom Maß der Rückatmung bestimmt, die sich umgekehrt proportional zum Frischgasfluss verhält. Die Gebrauchsdauer eines mit frischem Atemkalk befüllten Absorberkanisters kann deshalb bei hohem Frischgasfluss erheblich länger sein als dessen stöchiometrisch kalkulierte Ab-

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11 Narkoseapparate und ­systeme, Narkosebeatmung

sorptionskapazität. So wird bei kontinuierlicher Einstellung eines Frischgasflows von 4,4 l/min im klinischen Routinebetrieb eine Gebrauchsdauer von 40 – 60 Stunden für einen 1-Liter-Absorber gemessen. Wird hingegen in 80 % der Gesamtnutzungsdauer mit einem Frischgasfluss von nur 0,5 l/ min gearbeitet, so nimmt die Nutzungsdauer eines 1-Liter-Absorbers auf 10 – 15 Stunden ab. Aus ökonomischen Gründen sollte der Kohlendioxidabsorber in den Inspirationsschenkel des Atemsystems eingefügt sein, damit nur der rezirkulierende, nicht aber der als Überschussgas aus dem System abströmende Anteil der Ausatemluft über den Absorber geleitet wird. Da der chemische Prozess der Kohlendioxidabsorption mit der Freisetzung von Wärme und Wasser einhergeht, trägt der inspiratorisch platzierte Absorber darüber hinaus zur Klimatisierung der Inspirationsluft bei. Steht ein Messgerät zur kontinuierlichen Überwachung der in- und exspiratorischen CO2-Konzentration am Anästhesiearbeitsplatz zur Verfügung, so kann der Atemkalk bis zu seiner Erschöpfung gebraucht werden. Jedoch ist ein routinemäßiger Wechsel des Atemkalkes zumindest nach Wochenfrist dringend anzuraten.

Bei Einsatz von frischem Atemkalk mit normalem Wassergehalt ist in der Regel die chemische Umsetzung der Inhalationsanästhetika mit dem Kalk und dementsprechend die Konzentration der Reaktionsprodukte im Atemsystem klinisch nicht relevant. Die Austrocknung des Atemkalkes hingegen begünstigt sowohl die Absorption als auch die chemische Reaktion aller Inhalationsanästhetika am Atemkalk. Halothan und Sevofluran werden an trockenem Atemkalk unter starker Wärmeentwicklung vollständig absorbiert und chemisch abgebaut. Auch die Reaktion von Desfluran, Enfluran und Isofluran mit dem Atemkalk unter Bildung von Kohlenmonoxid ist entscheidend vom Wassergehalt des Atemkalkes abhängig. Während diese Inhalationsanästhetika überaus heftig mit ganz trockenem Atemkalk reagieren, nimmt die Kohlenmonoxidbildung schon bei geringer partieller Befeuchtung des Absorbens drastisch ab. Wenn Natriumkalk nur 4,8 % Wasser enthält, so wird diese chemische Reaktion völlig unterbunden. Kalziumhydroxidkalk reagiert weder in normal feuchtem noch in ausgetrocknetem Zustand mit den Inhalationsanästhetika, so dass die Bildung von Compund A und Kohlenmonoxid verhindert wird.

Merke Steht die Messung der inspiratorischen CO2­ Konzentration nicht zur Verfügung, so sollte der Atemkalk routinemäßig nach Abschluss eines je­ den Arbeitstages gewechselt werden.

Hinweis Die wenigen Fälle akzidenteller Intoxikationen oder Atemwegsreizungen durch Reaktionsprodukte des Atemkalks mit Inhalationsanästhetika sind immer nur dann aufgetreten, wenn Narkosegeräte mit ak­ zidentell ausgetrocknetem Atemkalk zum Einsatz kamen. So sind diese Komplikationen im Wesent­ lichen auf den unsachgemäßen Umgang mit Nar­ kosegeräten oder die unzureichende Pflege des Atemkalks zurückzuführen.

■ Reaktionen der Kohlendioxidabsorbenzien mit Inhalationsanästhetika Inhalationsanästhetika können in komplexer Weise mit den Absorbenzien reagieren: mittels Adsorption oder chemischer Reaktion. Halothan und Sevofluran reagieren mit dem Atemkalk unter Bildung von Haloalkenen wie BCDFE (Bromo-Chloro-Difluoro-Ethylen) oder Compound A bis E, Desfluran, Enfluran, Isofluran, aber in sehr geringem Maße wohl auch Halothan und Sevofluran unter Bildung von Kohlenmonoxid. Die Beimischung von Alkalimetallhydroxiden, vor allem aber von Kaliumhydroxid, begünstigte diese Reaktion. Deshalb ist kaliumhydroxidhaltiger Natriumkalk – zumindest in Deutschland – nicht mehr verfügbar.

■ Der korrekte Umgang mit Atemkalk in der klinischen Praxis Der Pflege des Atemkalkes durch kontrollierten, routinemäßigen Wechsel der Absorberfüllung und Vermeidung aller Maßnahmen, die zur akzidentellen Austrocknung des Atemkalkes führen können, muss im Interesse der Patientensicherheit besondere Sorgfalt gewidmet werden. Auch bei kontinuierlicher Benutzung der Geräte und Überwachung der inspiratorischen CO2-Konzentration ist der Atemkalk routinemäßig zumin-

11.3 Narkosesysteme

dest in wöchentlichem Intervall zu wechseln. Außerdem ist Folgendes zu beachten: ● Das Datum der Neubefüllung ist auf einem Pflasterstreifen auf dem Absorbergehäuse zu vermerken. ● Das Trocknen der Atemsysteme und Narkosebeatmungsgeräte durch Einstellung eines kontinuierlichen Gasstromes an der Gasdosiereinrichtung, durch Einschalten des Ventilators oder durch den Anschluss der zentralen Gasabsaugung an das Atemsystem während der Zeiten der Nichtbenutzung der Geräte ist unbedingt zu unterlassen – zumindest aber, wenn ein mit Atemkalk befüllter Absorber im System eingesetzt ist. ● Wann immer über einen längeren Zeitraum ein kontinuierlicher Gasstrom mit hohem Flow den Absorber durchströmt, sollte der Atemkalkbehälter aus dem System herausgenommen und in verschlossenem Zustand auf dem Narkosegerät separat bereitgestellt werden. ● Sorgfältig sollten nach jeder Narkose die Feinnadelventile an der Gasdosiereinrichtung verschlossen und am Ende eines jeden Arbeitstages die Stecker zur zentralen Gasversorgung und zur zentralen Gasabsaugung in die Parkposition gebracht werden. So ist ein versehentliches Belassen eines kontinuierlichen, den Atemkalk austrocknenden Gasflusses während der Zeiten der Nichtbenutzung sicher auszuschließen. ● Besondere Vorsicht ist beim Einsatz von fertig befüllten Einmalabsorbern geboten: Wenn die Behälter nicht einzeln luftdicht verpackt oder versiegelt und mit dem Befülldatum versehen sind, kann die Atemkalkfüllung dieser Absorber, ohne dass der Anwender dies bemerken oder gar überprüfen kann, ggf. allein durch längere Lagerung schon ausgetrocknet sein. ● Bei Narkosegeräten, die über einen längeren Zeitraum nicht gebraucht werden, sollte der Absorber nach Abschluss der Gerätewartung unbefüllt bleiben und der Atemkalk neben dem Gerät im verschlossenen Originalgebinde zur Befüllung bei Bedarf bereitstehen. Muss das Gerät im Notfall so dringlich eingesetzt werden, dass eine Befüllung des Absorbers nicht mehr möglich ist, so genügt die Einstellung eines Frischgasflusses in der Größenordnung des Einoder Mehrfachen des Atemminutenvolumens, um die Rückatmung auf ein vernachlässigbares Maß zu vermindern.







Schon bei dem Verdacht, der Atemkalk könne ausgetrocknet sein, muss der Absorberkanister neu befüllt werden. Bei plötzlicher, unerwartet starker Erwärmung des Absorberkanisters, plötzlichem Farbumschlag des Indikators oder außergewöhnlich verzögertem Konzentrationsanstieg des Inhalationsanästhetikums während der Einwaschphase sollte der Atemkalkbehälter sofort ausgetauscht und gegebenenfalls auf ein Narkoseverfahren mit intravenös zu applizierenden Narkosemitteln gewechselt werden. Beim Einsatz von Rückatemsystemen sollte routinemäßig – wann immer möglich – mit niedrigem Frischgasflow gearbeitet werden. Die konsequente Nutzung der Rückatmung ist eine der einfachsten Maßnahmen zum Erhalt der Feuchte im Atemkalk.

331

1 1 1 1 1

11.3.5

Trägergaszusammensetzung

Als Trägergas wird das an der Gasdosiereinrichtung eines Narkosegerätes einzustellende Gas bezeichnet, das beim Durchströmen des Verdampfers mit einem Inhalationsanästhetikum angereichert und als Transportmedium für die Narkosemittel in das Narkosesystem dient. Über lange Zeit wurde routinemäßig und unreflektiert eine Mischung von Lachgas und Sauerstoff als Trägergas genutzt. Der aktuelle Trend, auf den Einsatz von Lachgas als Bestandteil des Trägergases zu verzichten, erscheint umso mehr gerechtfertigt, als die aktuellen Übersichtsarbeiten zum Thema Lachgas übereinstimmend den routinemäßigen Gebrauch dieses Inhalationsanästhetikums ablehnen und dessen Einsatz nur bei gegebener Indikation für gerechtfertigt halten. Zwingende Indikationen für Lachgas lassen sich aber bei der alternativen Verfügbarkeit neuerer Anästhetika und Analgetika mit ähnlich günstiger Pharmakokinetik heute kaum mehr definieren. Der nur geringe Beitrag von Lachgas im Rahmen einer Kombinationsanästhesie, zahlreiche unerwünschte und nicht unerhebliche Nebenwirkungen, vor allem aber die in der letzten Zeit aufgetretenen tödlichen Zwischenfälle durch akzidentelle Beatmung von Patienten mit reinem Lachgas – trotz Ausrüstung der Narkosegeräte mit inspiratorischer O2-Konzentrationsmessung und Überwachung der Patienten mittels Pulsoximetrie – sind geradezu zwingende Argumente, die für ei-

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332

11 Narkoseapparate und ­systeme, Narkosebeatmung

1

nen generellen Verzicht auf den Einsatz von Lachgas, dem einzigen völlig anoxischen Gas, das in Narkosegeräte eingeleitet wird, sprechen.

1 1 1 1 1 1

Merke Es gibt keinen zwingenden Grund für den Ein­ satz von Lachgas während der Anästhesie.

■ Trägergaszusammensetzung bei Verzicht auf Lachgas Als alternatives Trägergas können Gasmischungen genutzt werden, die – neben dem unverzichtbaren Sauerstoff – Stickstoff, Xenon oder Cyclopropan (letzteres hochexplosiv und nur historische Reminiszenz) enthalten, wobei die beiden zuletzt genannten Gase ihrerseits selbst Narkosegase sind. Die Zusammensetzung des Trägergases wird im Wesentlichen von der erforderlichen O2-Konzentration bestimmt, die so zu wählen ist, dass für den jeweiligen Patienten eine ausreichende Oxigenierung gewährleistet wird. Die Konzentration weiterer Trägergaskomponenten ergibt sich somit komplementär zur erforderlichen O2-Konzentration.

■ Sauerstoff und medizinische Luft als Trägergas

1 1 1 11 1

Die Zumischung von medizinischer Luft zum Sauerstoff ist einfach und kostengünstig, Kontraindikationen bestehen nicht. Das Trägergas besteht dann aus einem Gemisch von Sauerstoff und Stickstoff. Die Trägergaszusammensetzung kann problemlos an die gewünschte inspiratorische O2-Konzentration angepasst werden. Stickstoff nimmt wegen seiner sehr geringen Löslichkeit im Blut und wegen der schon vorbestehenden Sättigung der Gewebe mit diesem Gas kaum am alveolären Gasaustausch teil, ein Uptake dieses Gases durch den Patienten ist zu vernachlässigen. Bei der Durchführung von Narkosen mit hohem Frischgasfluss über ein Rückatemsystem stellt sich bei einem Trägergasfluss von 4 l/min (1 l/min O2, 3 l/min medizinische Luft) in der Regel und sehr verlässlich eine inspiratorische O2-Konzentration von etwa 40 % ein. Unter den heute gegebenen technischen Voraussetzungen und entsprechend

der Forderung nach wirtschaftlichem Einsatz der Ressourcen sollten die Möglichkeiten der Rückatmung mittels Durchführung von ▶ NiedrigflussInhalationsnarkosen konsequent genutzt werden. Nach einer etwa 10 Minuten dauernden Hochflussphase, die der Etablierung der gewünschten Narkosemittelkonzentration dient, kann der Flow reduziert werden. Wegen der Zunahme der Rückatmungsfraktion ist die O2-Konzentration des Frischgases im Moment der Flowreduktion deutlich zu erhöhen (bei einem Fluss von 0,5 l/min – Minimal-Flow-Anästhesie – auf 67 % O2: 0,3 l/min + 0,2 l/min Luft), wobei bei hohem individuellen Sauerstoffverbrauch im Einzelfall die Entwicklung hypoxischer Gasgemische im Narkosesystem nicht sicher auszuschließen ist. Bei Verzicht auf den Einsatz von Lachgas lassen sich sogar mit konventionellen Narkosegeräten Narkosen mit geschlossenem Rückatemsystem realisieren. Nach der Hochflussphase wird der Trägergasfluss gar auf das Sauerstoffvolumen reduziert, das der Patient pro Minute aufnimmt, bei erwachsenen Patienten, entsprechend der vereinfachten Brody-Formel, zwischen 0,2 und 0,3 Liter Sauerstoff pro Minute. Dass bei einigen älteren Geräten die Gasdosiereinrichtungen für medizinische Luft nicht im Niedrigflussbereich kalibriert sind oder gar eine Gasdosiereinrichtung für medizinische Luft völlig fehlt, setzt einer generellen Verwendung eines SauerstoffLuft-Gemisches als alternativem Trägergas zum gewohnten Sauerstoff-Lachgas-Gemisch Grenzen. Merke Für den Gebrauch einer Trägergasmischung aus Sauerstoff und Luft spricht, dass sich im Atem­ system eine zur erforderlichen oder angestreb­ ten O2­Konzentration komplementäre Stickstoff­ konzentration im Atemsystem etabliert.

■ Reiner Sauerstoff als Trägergas Alternativ kann auch Sauerstoff allein als Trägergas eingesetzt werden, da jedes Narkosegerät mit einer Gasdosiereinrichtung für Sauerstoff ausgerüstet ist. Nach der etwa 10 Minuten dauernden Initialphase mit einem Trägergasfluss von 4,0 l/min O2 wird der Gasfluss bei ▶ Minimal Flow Narkosen auf 0,5 l/min oder bei Narkosen mit geschlossenem System gar auf 0,2 – 0,3 l/min reduziert. Bei

11.4 Niedrigfluss­Inhalationsnarkosen

letztgenanntem Verfahren nimmt die inspiratorische O2-Konzentration nach Flowreduktion in den folgenden 60 Minuten auf etwa 88 – 85 % ab. Dies ist auf den Eintrag von Stickstoff in das Atemsystem zurückzuführen, der wegen seiner niedrigen Blutlöslichkeit nur langsam aus den Körpergeweben ausgewaschen wird und dann im Atemsystem akkumuliert. Das Maß der Stickstoffakkumulation ist von der Dauer der initialen Hochflussphase und der Körperkonstitution abhängig. Festzuhalten bleibt, dass, auch wenn mit reinem Sauerstoff als Trägergas gearbeitet wird, beim Einsatz von Rückatemsystemen und Durchführung von Niedrigflussnarkosen den Patienten immer ein SauerstoffStickstoff-Gasgemisch angeboten wird, wobei die inspiratorische O2-Konzentration in der Regel zwischen 80 und 90 % liegt. Sauerstoff als alleiniges Trägergas erscheint auch deswegen vorteilhaft, weil die Entwicklung hypoxischer Gasgemische im Atemsystem selbst bei Einstellung niedrigster Gasflüsse, optimaler Nutzung der Rückatmung und hohem individuellem Sauerstoffverbrauch bei korrekter Funktion des Narkosegerätes unmöglich ist. Hohe O2-Konzentrationen werden in der Einleitungs- und der Ausleitungsphase zum Schutz der Patienten regelhaft angewandt. Während des Ablaufes einer Narkose garantieren sie durch Vergrößerung des intrapulmonalen Sauerstoffspeichers eine hohe Patientensicherheit in allen gewollten oder akzidentellen Apnoephasen. Die Narkoseführung wird durch den alleinigen Gebrauch von Sauerstoff nicht nur sicherer, sondern auch einfacher, weil die gerade bei Niedrigflussnarkosen zu beobachteten großen Unterschiede zwischen der Trägergaszusammensetzung und der Gaszusammensetzung im Atemsystem entfallen. Merke Erhöhung der Narkosesicherheit durch alleinige Verwendung von Sauerstoff als Trägergas. Die unter hohen O2-Konzentrationen zu beobachtende Zunahme von Atelektasen scheint bezüglich der postoperativen Atmungsfunktion und des Gasaustausches im Vergleich zur Beatmung mit niedrigen O2-Konzentrationen keine wesentliche klinische Bedeutung zu haben. Mit Rekruitmentmanövern und der Einstellung eines ▶ positiv endexspiratorischen Druckes während der Narko-

se kann der Atelektasenbildung entgegengewirkt werden. Eine zeitlich auf 6 – 8 Stunden begrenzte Beatmung mit hohen O2-Konzentrationen wird von zahlreichen Autoren für den gesunden Patienten als unproblematisch und nicht nachteilig angesehen. Hinweis Zu beachten sind die Kontraindikationen für die Beatmung mit hohen O2­Konzentrationen: Bei Patienten mit starker bronchialer Sekretion kann es durch Verschluss der Bronchiolen mit Sekret und konsekutivem Ausschluss abhängiger Alve­ olarregionen von der Ventilation zu gravieren­ der Ausbildung von Resorptionsatelktasen kom­ men. Eine verminderte Hyperoxietoleranz ist nach stattgehabter Säureaspiration, schweren entzündlichen Alterationen des Lungenparen­ chyms, bei prämaturen Neonaten und bei Pati­ enten unter Chemotherapie mit Bleomycin und Mitomycin anzunehmen. Auch laserchirurgische Eingriffe in Regionen, die unmittelbar dem Beat­ mungsgas ausgesetzt sind, verbieten wegen der Entzündungs­ und Brandunfallgefahr den Einsatz hoher O2­Konzentrationen. Diese im klinischen Alltag der Regelversorgung eher selten vorkom­ menden Kontraindikationen erfordern den Ein­ satz von Narkosegeräten, die eine Zumischung von medizinischer Luft zum Sauerstoff erlauben.

333

1 1 1 1 1 1 1 1

11.4

Niedrigfluss-Inhalationsnarkosen Jörg Rathgeber

Moderne Narkosegeräte sind aufgrund ihrer technisch-apparativen Konzeption meist als Rückatmungssysteme ausgelegt. Die bei älteren Geräten (z. B. Dräger Spiromat 656) mögliche Wahl zwischen Nicht-Rückatmung („halboffen“) und Rückatmung („halbgeschlossen“) ist nicht mehr gegeben (siehe auch Kap. 11.3 „Narkosesysteme“). Die funktionelle Bezeichnung „Rückatmungssystem“ weist lediglich darauf hin, dass Rückatmung grundsätzlich möglich ist, lässt jedoch keine Aussage über den Anteil der Rückatmung an der Gesamtventilation zu. Dieser wird durch die Höhe des Frischgasflows vorgegeben (Tab. 11.3), der im

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Tabelle 11.3 Klassifizierung des Rückatmungsanteils nach der Höhe des Frischgasflows. Frischgasflow [l/min]

1

Nicht­Rückatmung

Gesamtflow [l/min] 6

O2 [l/ min] 2

N2O [l/min]

11.4.2

1 1 1 1 1 1 1 11 1

normal flow

>3

1

2

low flow

1

0,5

0,5

minimal flow

0,5

0,3

0,2

Extremfall bis auf die Gasmenge, die der Patient aufnimmt, vermindert werden kann: geschlossenes System. Demgegenüber kann der Rückatmungsanteil vernachlässigt werden, sofern die Frischgaszufuhr höher als das Atemminutenvolumen eingestellt wird.

Bei Low-Flow-Techniken wird die Gesamtfrischgaszufuhr auf ca. 1 l/min reduziert. Bei Verwendung von Lachgas ist eine Zusammensetzung von je 0,5 Liter O2 und N2O pro min üblich. Schon die Reduktion des Sauerstoffflows auf 400 ml/min bei gleichbleibendem Lachgasanteil von 500 ml/min kann im Verlauf der Narkose zu inspiratorischen O2-Konzentrationen unter 21 % und damit zu hypoxischen Gasgemischen führen (Abb. 11.19)! Ähnliche Effekte treten bei erhöhtem O2-Verbrauch auf. Außerdem müssen zeitabhängige Veränderungen der N2O-Aufnahme in das Gewebe berücksichtigt werden. Unerlässlich ist daher die kontinuierliche Messung der inspiratorischen O2-Konzentration, die aus Sicherheitsgründen 30 % nicht unterschreiten sollte.

Merke Moderne Narkosegeräte sind als Rückatmungs­ systeme konzipiert. Bei Narkosetechniken mit Rückatmung wird anhand des Frischgasflows unterschieden zwischen normal flow, low flow, minimal flow und total geschlossen.

11.4.1

Narkosen mit „low flow“

4

Rückatmung

1

Merke Normal­Flow­Techniken nur in Ausnahmefällen.

Narkosen mit „normal flow“

Der Frischgasflow (Sauerstoff, Luft, Lachgas) wird auf etwa die Hälfte des verabreichten Atemminutenvolumens reduziert (z. B. 1,5 Liter O2, 2,5 Liter N2O). Er liegt damit weit über der vermuteten Sauerstoff-(und Lachgas-)aufnahme des Patienten. Größere Gasverluste durch Leckagen im Narkosesystem werden problemlos kompensiert. Die Anforderungen an die Dichtigkeit des Systems sind daher nur gering. Diese Techniken sind – wenn überhaupt – nur noch bei kurzen Narkosen vertretbar, sowie in Situationen, in denen kein ausreichendes Monitoring der Atemgase zur Verfügung steht, Zweifel an der Zuverlässigkeit der Messwerte bestehen oder die Kapazität des Atemkalks erschöpft ist.

Inspir. Konz. (%)

1

11 Narkoseapparate und ­systeme, Narkosebeatmung

Frischgasflow (l/min)

334

100 80

Lachgas

60 40

Sauerstoff

20

1000 800

Lachgas

600 400 200

Sauerstoff Zeit

Abb. 11.19 Inspiratorische Gaskonzentrationen in Abhängigkeit von den Frischgasflows. Bei einem Gesamtfrischgasflow von 1 l/min (je 500 ml O2 und N2O) resultiert bei einem O2­Verbrauch von ca. 300 ml/min eine inspiratorische O2­Konzentration von ca. 30 %. Wird der O2­Frischgasflow nur um 100 ml/min reduziert, sinkt die inspiratorische O2­Konzentration in den hypoxischen Bereich. Entsprechendes gilt bei erhöhtem O2­Verbrauch.

11.4 Niedrigfluss­Inhalationsnarkosen

Merke Low­Flow­Techniken erfordern ein funktions­ fähiges Monitoring der Atemgase. Das inspiratorische O2-Angebot kann drastisch abnehmen, wenn Veränderungen im Gesamtsystem nicht rechtzeitig erkannt und korrigiert werden, z. B. durch: ● Leckagen im System, ● Abfall des Frischgasflows, ● Erhöhung des Lachgasanteils bei unverändertem Gesamtflow, ● Rückgang der N O-Aufnahme mit zunehmender 2 Narkosedauer, ● Zunahme des O -Verbrauchs, 2 ● Stickstoffakkumulation, besonders nach unzureichender Denitrogenisierung.

11.4.3

Narkosen mit „minimal flow“

Besonders bei Minimal-Flow-Techniken ist darauf zu achten, dass in der Initialphase der Narkose eine ausreichend lange Zeit (ca. 10 min) mit hohem Frischgasflow beatmet wird, um die notwendige Denitrogenisierung des Organismus zu gewährleisten. Der anfangs hohe Frischgasflow ist auch für die schnelle Anflutung von volatilen Anästhetika unerlässlich, da gebräuchliche ▶ Verdunster selbst bei maximaler Einstellung (Installation im Frischgasflow!) den initial erhöhten Anästhetikabedarf bis zum Erreichen der angestrebten alveolären Konzentration nicht abdecken können. Merke Ausreichend lange Denitrogenisierungsphase bei Minimal­Flow­Techniken.

Hinweis In der klinischen Routine der Low­Flow­Anästhe­ sie hat sich folgendes Vorgehen bewährt: Nach initialer Beatmung mit hohem Frischgasflow (ca. 2 l/min O2, 4 l/min N2O) für einige Minuten wird der Frischgasflow auf 1 l/min reduziert. Bei nor­ maler Lungenfunktion werden O2 und N2O zu gleichen Teilen (500 ml/min) gemischt. Damit werden im Mittel inspiratorische O2­Konzentrati­ onen von ca. 30 Vol.% erreicht. Bei Patienten mit

eingeschränktem pulmonalem Gasaustausch oder gesteigerter Stoffwechselaktivität sollte der O2­Anteil initial erhöht sein. Im Verlauf von län­ geren Narkosen ist die Erhöhung des Sauerstoff­ bzw. Reduzierung des Lachgasanteils durch ver­ minderte Lachgasaufnahme notwendig. Bei Narkoseführung mit minimal flow wird der Frischgasflow noch weiter (auf ca. 0,5 l/min) re­ duziert, was der „quantitativen“ Anästhesie im geschlossenen System (Abb. 11.16c) bereits sehr nahe kommt. Außer bei der Narkoseeinleitung und -ausleitung erfordern auch schnelle Wechsel der Narkosetiefe die Erhöhung der unterschiedlichen Frischgasflüsse. Nur so kann die zügige An- und Abflutung der volatilen Anästhetika gewährleistet werden. Da Veränderungen der Frischgaszusammensetzung (O2, N2O, volatile Anästhetika) bei Rückatmung nicht zu gleichartigen Konzentrationsänderungen im Inspirationsschenkel des Kreissystems führen (Abb. 11.19), wird die Narkoseführung durch kontinuierliche Messung der Atemgas- und Anästhetikakonzentrationen erleichtert.

335

1 1 1 1 1 1

Merke Erhöhung des Frischgasflows für schnelle Wech­ sel der Narkosetiefe.

1

Hinweis Neben der obligaten Bestimmung im Frischgas­ flow bzw. im Inspirationsschenkel sollten volatile Anästhetika immer auch exspiratorisch gemes­ sen werden. Im Gegensatz zur inspiratorischen Narkosemittelkonzentration korreliert die endex­ spiratorische Konzentration eng mit der alveolä­ ren Konzentration und damit der ▶ Narkosetiefe. Die Messung volatiler Anästhetika im Frischgas­ flow ist unter klinischen Gesichtspunkten ohne Aussagewert, da sie – abgesehen von Narkosen ohne oder mit geringem Rückatmungsanteil – keine Beurteilung der tatsächlichen inspiratori­ schen Narkosemittelkonzentration erlaubt. Bei Narkosen im Rückatmungssystem mit reduzier­ tem Frischgasflow ist damit lediglich die Über­ wachung der Abgabeleistung des Verdampfers möglich, um gerätebedingte Fehlfunktionen rechtzeitig zu erkennen.

1 1 1 11 1

336

1 1 1 1 1

11 Narkoseapparate und ­systeme, Narkosebeatmung

Merke Die Anästhetikum­Konzentration im Frischgas­ flow erlaubt keine Rückschlüsse auf die inspirato­ rische Narkosemittelkonzentration.

gasflow kann es bei längerer Narkosedauer zu Stickstoff- und möglicherweise auch Methanakkumulation im System kommen. Zur Vermeidung derartiger Probleme sollte das Kreissystem in regelmäßigen Abständen gespült werden, z. B. stündlich.

Die Vorteile der Beatmung mit reduziertem Frischgasflow liegen nicht nur im geringeren Narkosemittelverbrauch und damit in niedrigeren Betriebskosten. Durch partielle Rückatmung der feuchten und warmen Atemgase und zusätzliche Wasser- und Wärmefreisetzung im Absorber werden die Atemgase klimatisiert, wobei die Anfeuchtung und Erwärmung mit der Narkosedauer sowie dem Rückatmungsanteil zunimmt. Ausreichende Atemgasklimatisierung kann hierdurch jedoch erst nach längerer Beatmungsdauer erreicht werden.

Hinweis Da Stickstoff mit dem Standardmonitoring nicht gemessen werden kann, muss zur Abschätzung des N2­Gehaltes der Rückatemluft die Differenz von N2O, O2 und des volatilen Anästhetikums zu 100 % gebildet werden. Methan kann ebenfalls nicht standardmäßig gemessen werden. IR­Sen­ soren können allerdings Methan fälschlicherwei­ se als Halothan anzeigen.

Merke Ausreichende Klimatisierung der Atemgase im Rückatmungssystem nach längerer Beatmungs­ dauer.

1 1 1 1

Obgleich bislang nicht abschließend geklärt werden konnte, welche Bedeutung den Anästhesiegasen bei der Zerstörung der Ozonschicht zukommt, treten ökologische Betrachtungsweisen immer mehr in den Vordergrund. Der Forderung nach möglichst weitgehender Verminderung der Umgebungsbelastung kann dabei durch konsequente Anwendung von Low-Flow-/Minimal-Flow-Techniken entsprochen werden, ohne die Sicherheit des Patienten zu beeinträchtigen. Merke Kostensenkung und Verminderung der Umge­ bungsbelastung durch Rückatmung von Narko­ segasen.

1 11.4.4

11 1

Narkosen im geschlossenen System

Mit zunehmendem Rückatmungsanteil steigen die Anforderungen an die Dichtigkeit des Systems erheblich an. Bei Narkosen im geschlossenen System (Abb. 11.16c) entspricht die Menge der verbrauchten Gase exakt der Menge der eingespeisten Gase. Wie bei Narkosen mit stark reduziertem Frisch-

Merke Regelmäßiges Spülen des Kreissystems zur Vermeidung von Fremdgasakkumulation. Voraussetzungen zur sicheren Durchführung dieser Extremvariante der Rückatmungsnarkose sind somit die absolute Dichtigkeit des Systems, exakte Frischgasdosierung im unteren Flowbereich sowie kontinuierliche Überwachung von in- und exspiratorischen Atemgas- und Narkosemittelkonzentrationen und Atemvolumina. Die Durchführung von Narkosen im geschlossenen System erfordert somit gerätetechnische Voraussetzungen, die von älteren Narkosekreissystemen und -respiratoren nicht erfüllt werden. So sind aufgrund der geringen Frischgaszufuhr konventionelle, im Frischgasflow installierte Narkosemittelverdunster für den Einsatz in geschlossenen Narkosesystemen nur bedingt geeignet, da die erforderlichen Narkosemittelkonzentrationen im Atemsystem zu langsam erreicht werden. Merke Narkosen im geschlossenen System nur mit speziellen Narkoserespiratoren. Die Durchführung von Narkosen im geschlossenen System setzt fundierte Kenntnisse der physiologischen und technischen Abläufe während der Anästhesie voraus. Sie sollten daher nur von erfahrenen Anästhesisten und nur mit geeigneten Narko-

11.5 Beatmungsmodule zur manuellen / maschinellen Beatmung

segeräten durchgeführt werden. Ein ausreichender Kenntnisstand des Anästhesisten in der Anwendung des gewählten Narkoseverfahrens ist Grundvoraussetzung für die Sicherheit des Patienten. Bei Auftreten von Narkoseproblemen sollten Narkosetechniken mit höheren Frischgasflüssen bevorzugt werden, deren Handhabung und Überwachung keine zusätzliche Aufmerksamkeit des Anästhesisten erfordert. So wird man sich bei Narkosen mit stark reduziertem Frischgasflow bis zur Klärung und Stabilisierung der kritischen Situation für die Erhöhung von Frischgasflow und inspiratorischem O2-Anteil entscheiden. Merke Bei unklaren Narkoseproblemen und V. a. Geräte­ fehlfunktion: Frischgasflow und O2­Anteil erhöhen! Die Vorteile der Frischgasflowreduktion unter 0,5 l/min bezüglich Kosten, Atemgaskonditionierung und Umweltbelastung gegenüber dem konsequenten Einsatz von Low-Flow-Techniken sind insgesamt nur gering, der gerätetechnische Aufwand ist dagegen hoch.

11.5

Beatmungsmodule zur manuellen / maschinellen Beatmung Jörg Rathgeber

11.5.1

Dräger Kreissystem 7a/8 ISO

Die technische Konzeption der herkömmlichen und nach wie vor in Deutschland am meisten verbreiteten Rückatmungssysteme oder sog. Kreissysteme zur CO2-Elimination geht auf Entwicklungen aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts zurück und wurde seitdem im Prinzip unverändert beibehalten. Das Dräger Kreissystem 7a/8 ISO wird zwar seit vielen Jahren nicht mehr hergestellt, ist aber weiterhin in zahlreichen deutschen Kliniken im täglichen Einsatz, z. B. in Einleitungsräumen oder als Reservegerät mit einem Respiratormodul. Abb. 11.20 zeigt die Gasläufe bei In- und Exspiration sowie die Funktion des Knebelventils. Der

kontinuierliche, während In- und Exspiration fließende Frischgasstrom wird ober- oder unterhalb des CO2-Absorbers eingespeist. Handbeatmung. Durch Drücken des Handbeatmungsbeutels öffnet sich das Inspirationsventil, Frischgas und Exspirationsgas fließen über den CO2-Absorber zum Patienten. Gleichzeitig schließt das Exspirationsventil. Zum Ende der Inspiration schließt das Inspirationsventil über dem Absorber. Das Exspirationsventil öffnet sich, sobald der Atemwegsdruck den Druck im Inspirationsschenkel übersteigt. Das Exspirationsgas wird zusammen mit Frischgas in den Handbeatmungsbeutel geleitet, der gleichzeitig als Atemgasreservoir dient. Zum Ende der Exspiration kommt es zur Druckumkehr und Einleitung der Inspiration durch den Sog des Patienten bei Spontanatmung oder die erneute manuelle Kompression des Handbeatmungsbeutels. Durch entsprechende Einstellung des Überdruckventils (Knebel nach oben) ist eine druckbegrenzte manuelle (oder maschinelle) Beatmung durchführbar. Übersteigt der Druck im System den eingestellten Wert, wird überschüssiges Gas in die Narkosegasfortleitung abgegeben. Beachte Der Knebel sollte (außer für den Dichtigkeitstest) im Handbeatmungsmodus aus Sicherheitsgrün­ den niemals in waagerechte Position gestellt werden: Bei Konnektion des Schlauchsystems an einen Patienten und hohen Frischgasflüssen kön­ nen bei manchen Modellen unbemerkt und in­ nerhalb weniger Sekunden Drücke bis 200 mbar aufgebaut werden, die zu schwersten Lungen­ schädigungen mit Parenchymzerreißungen so­ wie Kreislaufdepressionen führen können. Spontanatmung. Durch Öffnen des Exspirationsventils (Knebel nach unten) wird das System zur Atmosphäre bzw. Narkosegasfortleitung entlastet. Ein Teil der Ausatemgase sowie Frischgas fließen statt in den Handbeatmungsbeutel in die Narkosegasfortleitung. Manuelle Beatmung ist nicht mehr möglich. Durch Regelung des Überdruckventils kann ein Teil der Atemgase in den Handbeatmungsbeutel geleitet werden, so dass die Atemgasverluste in die Narkosegasfortleitung reduziert werden können.

337

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 11 1

338

11 Narkoseapparate und ­systeme, Narkosebeatmung

Patient

1 a

1

b

Überdruckventil

Umschaltventil

1

c

Pneumat. Umschaltventil

NarkosegasFortleitung

1 1 1 1 1 1 1 11 1

Beachte Entscheidend für die einwandfreie Funktion des Beatmungssystems ist die Funktionstüchtigkeit der In­ und Exspirationsventile. Bei einem De­ fekt kommt es unweigerlich zur Rückatmung, da das Gas den Weg des geringsten Druckgra­ dienten nimmt, d. h. über das defekte Ventil. Häufige Ursachen für Fehlfunktionen sind ver­ schmutzte, fehlende oder defekte Ventilplätt­ chen. Gar nicht so selten ist auch das Verklem­ men oder Verkleben der Plättchen in einer deformierten Ventilführung, z. B. nach Gewalt­ einwirkung.

11.5.2

Narkoserespiratoren ohne Frischgasflow-Kompensation

Für den Betrieb bei länger dauernden Narkosen sind Rückatmungssysteme wie das Kreissystem 7a/8 ISO oder ähnliche in der Regel mit einem Respirator verbunden, wodurch zusätzlich die maschinelle Beatmung ermöglicht wird. Die Kopplung von Patientensystem (Kreissystem mit CO2-Absorber, Schläuchen, Handbeatmungsbeutel, Faltenbalg usw.) und Respirator erfolgt meist pneumatisch nach dem Prinzip „Bag in Bottle“. Frischgas und Exspirationsgas fließen statt in den Handbeatmungsbeutel in den Faltenbalg („Bellows“) bzw. die Gummiblase („Bag“) des Respirators, die sich in einer Druckkammer („Bottle“) befinden (Abb. 11.21). Die Inspiration beginnt durch Einleiten von Überdruck in die Druckkammer, wodurch sich die Gummiblase bzw. der Faltenbalg – dem manuel-

Frischgas

Abb. 11.20 Gasflüsse im Kreissystem bei manueller Beatmung. a Knebel waagerecht: Während der Inspiration ist das Kreissystem zur Narkosegasfortleitung geschlossen. b Knebel nach oben: Inspiratorische Druckbegrenzung im Kreissystem durch regelbares, zur Narkosegas­ fortleitung geöffnetes Überdruck­ ventil. c Knebel nach unten: Öffnung des Kreissystems zur Narkosegasfort­ leitung.

len Zusammendrücken des Handbeatmungsbeutels vergleichbar – entleeren (z. B. Dräger Ventilog). Dieser Arbeits- oder Entleerungsdruck ist entweder fest vorgegeben oder variabel einstellbar. Er bestimmt die Entleerungsgeschwindigkeit der Gummiblase oder des Balges und beeinflusst damit den Inspirationsflow und Druckverlauf in den Atemwegen. Der Arbeitsdruck begrenzt gleichzeitig den maximalen oberen Beatmungsdruck. Sobald diese Grenze erreicht wird, dezeleriert der Inspirationsflow. Die aktive Inspirationsphase wird verlängert, bis das Tidalvolumen abgegeben wurde oder die Inspirationszeit abgelaufen ist. Entleerungsdruck (Arbeitsdruck) und Beatmungsdruck sind daher keinesfalls gleichzusetzen! Merke Arbeitsdruck und Beatmungsdruck sind nicht identisch. Durch die pneumatische Kopplung mittels „Bag in Bottle“ wird eine vollkommene Trennung zwischen Antriebseinheit (Primärsystem) und Narkosesystem (Sekundärsystem, Patientensystem) erreicht. Dadurch wird die Kontamination der Antriebseinheit mit Exspirationsgasen vermieden. Zwischen den Einsätzen muss lediglich das Patientensystem aufbereitet werden, falls keine Atemgasfilter verwendet werden.

■ Atemvolumina Da der Frischgasflow direkt und kontinuierlich ins Patientensystem eingespeist wird, hängt das ver-

11.5 Beatmungsmodule zur manuellen / maschinellen Beatmung a

339

b Gasversorgung

1

zum Patienten Atemgas

Atemgas

Kolbenpumpe

Kolbenpumpe

1 1

c

d Gasversorgung

Atemgas

1

zum Patienten Atemgas

1 Antriebsgas

Abb. 11.21 Trennung zwischen Antriebseinheit und Patientensystem durch pneumatische Kopplung. „Bag in Bottle“: Während der Exspirationsphase erzeugt die Kolbenpumpe in der Druckkammer einen Unter­ druck, wodurch sich die Gummiblase mit Atemgas füllt (a). Das Rückschlagventil verhindert einen Unterdruck in den Atemwegen des Patienten. Der Aufbau von Überdruck in der Kammer durch die Kolbenpumpe führt zur Kompression des Beutels und Abgabe der Atemgase zum Patienten (b). „Bellows in Bottle“: Während der Exspi­ rationsphase füllt sich der Faltenbalg aufgrund seines Eigengewichtes mit dem Inspirationsgas (c). Durch Einlei­ ten von Überdruck in die Druckkammer und Kompression des Balges wird die Inspirationsphase eingeleitet (d). abreichte Tidalvolumen nicht nur von der Einstellung des Balgvolumens am Respirator ab, sondern zusätzlich auch von der Höhe des eingestellten Frischgasflows sowie der Inspirationszeit. Das am Respirator eingestellte Tidalvolumen wird um den während der Inspirationsphase fließenden Frischgasanteil erhöht. Die Anpassung des Tidalvolumens erfolgt daher durch Veränderung des Frischgasanteils und/oder des Balgvolumens, wodurch sich immer auch der Rückatmungsanteil ändert! ● Beispiel 1: Atemzeitverhältnis: 1:1 Frischgasflow: 6 l/min ● Beispiel 2: Atemzeitverhältnis: 1:1 Frischgasflow: 2 l/min

Die Gesamtinspirationszeit pro Minute beträgt in beiden Fällen 30 Sekunden. Da der Frischgasflow kontinuierlich fließt, addiert er sich anteilig zum Atemminutenvolumen: im ersten Beispiel zusätzlich 3 l/min, im zweiten Beispiel 1 l/min. Hinweis Um in der Praxis die Differenz zwischen einge­ stelltem und appliziertem Volumen zu verrin­ gern, werden diese Zusammenhänge bei der Kalibration der Volumenskalen am Faltenbalg meist mit berücksichtigt (z. B. durch Kalibrati­ on des Dräger Ventilog für einen Frischgasflow von 4 l/min). Die genaue Messung des tatsächli­ chen exspiratorischen Tidal­/Minutenvolumens ist jedoch nur mit Zusatzgeräten, z. B. einem ▶ Spirometer, möglich.

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1

11 Narkoseapparate und ­systeme, Narkosebeatmung

Merke Bei nicht Frischgasflow­kompensierten Narko­ serespiratoren hängt das AMV vom Volumen im Faltenbalg, der Höhe des Frischgasflows und dem Atemzeitverhältnis ab.

1 ■ Beatmung mit PEEP

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Einfache Kreissysteme älterer Bauart verfügen über keine ansteuerbaren Exspirationsventile, so dass manuelle Beatmung mit PEEP oder CPAP-Spontanatmung nicht möglich sind. Erst durch Kopplung des Kreisteils mit einer maschinellen Antriebseinheit mit steuerbarem Exspirationsventil ist die Beatmung mit positiv endexspiratorischem Druck durchführbar. Hinweis Durch die starke Reduktion des Frischgas­ flows bei Minimal­Flow­Techniken wird das Überschussgasvolumen erheblich vermin­ dert, so dass das Eigengewicht des fallenden Balges besonders zu Beginn der Exspiration zu einem Sog in den Atemwegen führt. Die­ ser Effekt wird verstärkt bei leckagebeding­ ten Volumenverlusten oder hoher Gasaufnah­ me des Patienten und führt zu unerwünschter ▶ Wechseldruckbeatmung und Inkonstanz des eingestellten PEEP­Niveaus. Auch aus diesen Gründen wird daher von einigen Herstellern die umgekehrte Anordnung des Balges bevorzugt. Das Eigengewicht sowie die Führung des Balges führen jedoch umgekehrt zu einer Erhöhung des exspiratorischen Ausatemwiderstands. Dieser Aspekt dürfte bei Erwachsenen zu vernachlässi­ gen sein, nicht dagegen bei Kindern.

1 11.5.3

11 1

Narkosegeräte mit Frischgasflow-Kompensation

In den vergangenen Jahren wurden auch einfache Bellows-in-Bottle-Narkoserespiratoren mit einer effektiven Frischgasflow-Kompensation aus- bzw. nachgerüstet, so dass die Beatmung mit annähernd konstanten Tidalvolumina möglich ist. Dazu wird der kontinuierliche Frischgasstrom während der Inspirationsphase durch ein atemphasensynchron

angesteuertes Ventil – das Frischgasentkoppelungsventil (FGE-Ventil) – in den Handbeatmungsbeutel umgeleitet und dort zwischengespeichert. Durch die diskontinuierliche Einleitung des Frischgases in das Atemsystem nur während der Exspirationsphase wird eine Entkoppelung des Tidalvolumens vom Frischgasfluss erreicht. Gleichzeitig dient der Handbeatmungsbeutel als Gasreservoir. Die Verbindung zwischen diesem Reservoir, der Frischgaszuleitung und dem Atemsystem wird nur in der Exspirationsphase geöffnet. Der Ventilatorbalg füllt sich dann mit Gas aus dem Reservoir, dem exspiratorisch zuströmenden Frischgas und der in das System zurückströmenden Ausatemluft. Erst wenn nach kompletter Füllung des Balgs und des Reservoirs (Handbeatmungsbeutels) ein Überdruck von 2 mbar entsteht, wird das Überschussgas-Abströmventil geöffnet. Der gefüllte Handbeatmungsbeutel dient dem Ausgleich kurzfristiger Volumenimbalancen. Nur wenn dieser während der Exspirationsphase völlig kollabiert, wird der Ventilatorbalg nicht mehr ausreichend gefüllt und das Beatmungsvolumen und der Beatmungsdruck nehmen ab. Korrekturen der Beatmungsparameter bei Veränderungen des Frischgasanteils, z. B. zur schnellen Veränderung der Narkosetiefe, sind nicht mehr erforderlich. Das gleiche Prinzip der Frischgasentkoppelung findet sich bei Narkosegeräten, die mit einer elektronisch gesteuerten, mechanisch angetriebenen Pumpe in Form einer Kolben-Zylinder-Einheit mit “rolling seal“-Dichtung (z. B. Dräger Cicero) arbeiten. Beim exspiratorischen Rücklauf des Kolbens wird der Ventilatorzylinder mit dem eingestellten Atemhubvolumen gefüllt; überschüssiges Gas wird erst nach Füllung des als Gasreservoir fungierenden Handbeatmungsbeutels durch ein bei einem Systeminnendruck von 0,5 mbar aktiv öffnendes Überschussgas-Abströmventil aus dem Narkosesystem abgeleitet. Bei der Inspiration wird die gesamte Gasfüllung des Zylinders durch den Kolbenvorschub in das Narkosesystem hineingepresst. Wenn nach völliger Entleerung des Reservoirs in der Exspirationsphase ein Gasvolumenmangel auftritt, wird der exspiratorische Rücklauf des Kolbens bei Entwicklung eines Unterdrucks im Zylinder gestoppt. Alternative technische Konzepte erreichen eine Entkoppelung des Atemhubvolumens vom Frischgasfluss und damit eine Flusskompensation z. B. durch elektronisch gesteuerte diskontinuierliche Einleitung des eingestellten Frischgasvolumens

11.5 Beatmungsmodule zur manuellen / maschinellen Beatmung

nur während der Exspirationsphasen, wobei die Frischgas-Einzelportionen auf die Beatmungsfrequenz und das Atemzeitverhältnis abgestimmt sind. Technisch realisierbar ist auch die elektronisch gesteuerte Anpassung der inspiratorischen Ventilatoransteuerung entsprechend dem kontinuierlich in das System einströmenden Frischgasfluss. Voraussetzung ist die elektronische Messung des Inspirationsvolumens. Bei dieser Variante der Frischgasfluss-Kompensation wird das während der Inspiration zum Patienten strömende Gasvolumen (Frischgas- und vom Ventilator geliefertes Volumen) gemessen und die Inspiration bei Erreichen des eingestellten Atemhubvolumens beendet. Merke Bei Frischgasflow­kompensierten Narkosesyste­ men sind die applizierten Tidalvolumina unab­ hängig vom Frischgasflow.

11.5.4

Closed-Loop-Feedback-Systeme

Bei Narkosegeräten mit elektronischer Steuerung der Gaszusammensetzung im Atemsystem mittels „Closed-Loop-Feedback“-Regelung wählt der Anästhesist die Trägergas-Zusammensetzung, das Inhalationsanästhetikum, die inspiratorische Sauerstoffkonzentration, den Frischgasfluss sowie die in- und exspiratorische Narkosemittelkonzentration. Entsprechend den im Narkosesystem kontinuierlich gemessenen inspiratorischen und/oder exspiratorischen Gaskonzentrationen – Istwerte – wird von der elektronischen Dosiereinrichtung die Zufuhr der Atem- und Narkosegase so geregelt, dass bei dem eingestellten Frischgasfluss die Sollwertkonzentrationen erreicht und konstant gehalten werden. Durch Verwendung spezieller Einspritzsysteme wird immer so viel Anästhetikum in das zirkulierende Gasgemisch abgegeben, dass die eingestellte endexspiratorische Konzentration aufrechterhalten wird (MAC-gesteuerte Anästhesie). Neben dem Lachgas- und Narkosemittelverbrauch kann gleichzeitig auch der Sauerstoffverbrauch online erfasst werden. Er erlaubt als metabolischer Parameter die direkte Interpretation der Stoffwechselaktivität des Patienten. Da der Gasanalysator integraler Teil der Gasdosiereinrichtung ist, ist die Gasmessung aus Sicherheitsgründen redundant ausgelegt – ein zweiter

Analysator muss die Kontrolle der Dosiereinrichtung übernehmen. In diesem Modus bleibt dem Anästhesisten die Wahl des Frischgasflusses vorbehalten, was immer dann von Vorteil ist, wenn gewollt mit höherem Frischgasfluss gearbeitet werden soll. Das Charakteristikum dieses Modus ist der Erhalt einer konstanten Gaszusammensetzung im Atemsystem gemäß vorgegebener Sollwerte durch elektronisch gesteuerte kontinuierliche Anpassung der Frischgaszusammensetzung an die aktuellen Messwerte. Bei elektronischer Realisierung der „quantitativen Inhalationsnarkose“ werden vom Anästhesisten, wiederum nach Vorwahl der Trägergas-Zusammensetzung und des Inhalationsanästhetikums, die inspiratorische Sauerstoff- sowie die exspiratorische Narkosemittel-Konzentration als Sollwerte vorgegeben. Entsprechend der kontinuierlich gemessenen in- und exspiratorischen Gaskonzentrationen – Istwerte – und der zusätzlich kontinuierlich überwachten Gasfüllung des Systems werden von der elektronischen Dosiereinrichtung so viel Sauerstoff, Trägergas und Inhalationsanästhetikum in das System eingespeist, dass die Sollwertkonzentrationen erreicht und das im Atemsystem zirkulierende Gasvolumen konstant gehalten wird. Der „Uptake“-Dosierer ermöglicht die quantitative Narkose im geschlossenen System, da im Regelkreis nur die Mengen an Narkosegasen und Inhalationsanästhetika eingespeist werden, die zum jeweiligen Zeitpunkt vom Patienten aufgenommen oder durch Leckagen verloren gehen. Nicht nur die Gaszusammensetzung im Narkosesystem, sondern auch das zirkulierende Gasvolumen wird konstant gehalten. Es ist dem Anästhesisten nicht möglich, die Narkose bewusst mit einem Überschuss an Narkosegas zu führen, was im Einzelfall – etwa bei Maskennarkosen, Narkosen für Patienten mit Rauch- oder Gasvergiftungen sowie bei einer malignen Hyperthermie – jedoch zwingend erforderlich sein kann.

11.5.5

Spontanatmungs-/ Handbeatmungssysteme zum externen Anschluss an Narkoseapparate

Handbeatmungssysteme mit Reservoir zum externen Anschluss an Narkosegeräte wie z. B. das KuhnSystem (Abb. 11.15f) haben in Deutschland heute

341

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11 Narkoseapparate und ­systeme, Narkosebeatmung

eine fast historische Bedeutung. Aufgrund ihres hohen Gasverbrauchs und der damit verbundenen Umgebungsbelastung werden sie in der klinischen Routine kaum noch eingesetzt. Da sie über einen geringen Totraum verfügen und die Gasflusswiderstände vernachlässigbar sind, werden sie gelegentlich bei kurzen Eingriffen in der Säuglingsanästhesie angewendet. Veränderungen der pulmonalen Resistance und Compliance können durch den direkten Kontakt zu den kindlichen Atemwegen (Beatmungsbeutel in der Hand des Anästhesisten) gut erkannt werden. Das Monitoring ventilatorischer Parameter wie Spirometrie, Kapnometrie, Narkosegasmonitoring usw. ist jedoch nicht ohne Weiteres möglich.

11.6

Narkosegeräte und Patientensicherheit Jörg Rathgeber

1 1 1 1 1 11 1

Wenn eine Komplikation möglich ist, wird sie mit Sicherheit und zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt eintreten. Murphy’s Law Das Spektrum aller denkbaren Komplikationen ist gerade im OP-Bereich besonders groß. Durch die teilweise Überschneidung der Tätigkeitsbereiche von Mitarbeitern unterschiedlicher Funktionsbereiche – Anästhesisten, Anästhesie-Personal, OPPersonal, Techniker, Reinigungspersonal – können leicht Situationen entstehen, in denen persönliche Fehler des Einzelnen zu einer potenziellen Gefährdung von Patienten führen können. Nicht zuletzt aufgrund der bestehenden Sicherheitsvorschriften werden bedrohliche Zwischenfälle und Komplikationen dennoch in den allermeisten Fällen vermieden. Notwendig ist zudem eine ständige Qualitätskontrolle und Diskussion der Probleme in der Anästhesie, um den spezifischen Gegebenheiten des Krankenhauses ausreichend Rechnung zu tragen. Leider liegen nur wenige Zahlen über Häufigkeit und Bedeutung technischer Zwischenfälle im Bereich der Anästhesie vor. Die wenigen neueren Studien weisen jedoch darauf hin, dass der überwiegende Teil der bekannten Anästhesiezwischen-

fälle auf menschlichem Versagen beruht und nur ein geringer Teil definitiv auf Gerätefehlfunktionen zurückgeführt werden kann. Dabei korrelieren die Komplikationen häufig mit Fehleinschätzungen der Interaktionen zwischen Patient, Narkose- und Gasversorgungssystem und Respirator, die auf mangelnde Kenntnis und Beachtung der Funktionsweisen der Geräte sowie unzureichende Erfahrungen mit dem Narkoseverfahren zurückzuführen sind. Weitere Faktoren sind fehlerhafte Handhabung der Geräte sowie nicht erkannte technische Defekte. Merke Die meisten Narkosezwischenfälle beruhen auf mangelnden Kenntnissen über die Funktion des Narkosesystems.

11.6.1

Sicherheitstechnische Anforderungen

Die derzeit gültigen sicherheitstechnischen Anforderungen für den Betrieb von Narkosegeräten sind Ergebnis einer Vielzahl von Untersuchungen über die Ursachen narkosebedingter Zwischenfälle. Die technische Realisierung der nach EN 740 aus dem Jahre 1999 für Inhalations-Narkosegeräte vorgeschriebenen Punkte ist Grundvoraussetzung für die Erteilung der Bauartzulassung und damit den Betrieb des Gerätes. Diese europäische Norm beschreibt den Mindestumfang der sicherheitstechnischen Ausstattung von Inhalations-Narkosegeräten, die in medizinisch genutzten Räumen eingesetzt werden. Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) und der Berufsverband Deutscher Anästhesisten (BDA) haben in einer gemeinsamen Stellungnahme die in der europäischen Norm definierte sicherheitstechnische Ausstattung zum verbindlichen Standard erklärt und eine entsprechende Umrüstung auch von Altgeräten empfohlen. Danach muss das Gerät folgende Ausstattungsmerkmale aufweisen: ● Stromausfallsignal – akustisches Warnsignal bei Ausfall der Stromversorgung, ● inspiratorische Messung der O -Konzentration 2 mit einstellbarer unterer Alarmgrenze, ● Sauerstoffmangelsignal, ● Sauerstoff-Verhältnisregelung, ● Lachgassperre,

11.6 Narkosegeräte und Patientensicherheit







haptische Unterscheidung der Einstellknöpfe an den Dosierventilen der Durchflussröhren, Schutzvorrichtung gegen unbeabsichtigtes Verdrehen der Einstellknöpfe, O2-Bypass.

Narkosemittelverdunster müssen ● für das Narkosemittel kalibriert sein, ● mit einer Sicherheitsfüllvorrichtung versehen sein, ● über eine Nullpunktarretierung verfügen, ● eine Limitierung der Maximalkonzentration aufweisen, ● gegen gleichzeitigen Betrieb gesichert sein. Hinsichtlich der Atemmechanik sind vorgeschrieben: ● Handbeatmungsmöglichkeit, ● Beatmungsdruckmessung mit Stenose- und Diskonnektionsalarm, ● Messung der Beatmungsvolumina, ● Ventilationsüberwachung mit Kapnographie. Diese Norm gilt nur für Geräte, die nach Inkrafttreten der DIN-Norm am 1. Juli 1984 vertrieben bzw. in Betrieb genommen wurden. Notfallgeräte, in Rettungsmitteln eingesetzte Geräte sowie Geräte für den Katastropheneinsatz fallen nicht darunter; hierfür gilt die Norm EN 794-3:1998. Die administrativen Rahmenbedingungen der Gerätesicherheit sowie die Verantwortlichkeiten für sichere Handhabung, Funktion und Anwendung sind durch das Medizinproduktegesetz (MPG) als Nachfolge der Medizingeräteverordnung geregelt.

■ Sauerstoffmonitoring Die kontinuierliche Messung der inspiratorischen Sauerstoffkonzentration ist für alle Narkosegeräte vorgeschrieben. Die Messgeräte müssen mit der Möglichkeit zur Einstellung oberer und unterer Alarmgrenzen ausgestattet sein. Zur Sicherstellung der Überwachungsfunktion bei allen Betriebszuständen ist darüber hinaus die gleichzeitige Inbetriebnahme von Sauerstoffsensor und Respirator durch einen zentralen Netzschalter empfehlenswert. In der Literatur wird eine Vielzahl von Fällen beschrieben, bei denen es zur Applikation hypoxischer Gasgemische kam. Ursächlich waren z. B. das

unbeabsichtigte Vertauschen der Gasanschlüsse innerhalb des Versorgungsnetzes im Rahmen von Reparaturen, baulichen Veränderungen usw. Berichtet wurde auch über die irrtümliche Füllung der zentralen O2-Anlage mit Stickstoff. Mehrfach vorgekommen ist die unzureichende Spülung des Leitungssystems nach Abschluss von Wartungsarbeiten, so dass große Mengen Luft oder Stickstoff im Leitungssystem verblieben. Wiederholt wurden fehlerhafte Beschriftungen, Kennzeichnungen und sogar Füllungen von Gaszylindern beschrieben. Obwohl die Montage falscher Gasflaschen am Narkosegerät durch die Verwendung genormter Steckanschlüsse eigentlich unmöglich ist, wurde und wird immer wieder über Zwischenfälle durch fehlerhafte Installation von Gasflaschen berichtet. Offenbar sind dem menschlichen Erfindungsreichtum bei der Überwindung von Sicherheitssystemen keine Grenzen gesetzt. Reparaturen oder Wartungsarbeiten von Narkosegeräten dürfen zwar nur von autorisiertem Fachpersonal durchgeführt werden, dennoch ist das Vertauschen von Schlauchanschlüssen an Narkosegeräten niemals mit Sicherheit auszuschließen. Beobachtet wurden auch fehlerhafte Gaskonnektionen innerhalb des Narkosegerätes nach routinemäßigen Servicearbeiten. Merke Kontinuierliche Messung der inspiratorischen Sauerstoffkonzentration.

■ Sauerstoffmangelsignal Leckagen oder sogar Gasleitungsbrüche sind jederzeit möglich, insbesondere im Bereich beweglicher und mechanisch stark beanspruchter Leitungsteile. Aus diesem Grunde verfügen manche Geräte über Manometer, die den zentralen Versorgungsdruck in der Leitung anzeigen. Selbstverständlich müssen auch diese Druckanzeigen vor Inbetriebnahme des Gerätes auf mögliche Defekte kontrolliert werden. Das Sauerstoffmangelsignal weist auf den Ausfall der Sauerstoffversorgung im Hochdrucksystem hin, z. B. aufgrund einer leeren Sauerstoffflasche am Gerät, einer Störung der zentralen Gasversorgungsanlage oder einer Diskon-

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11 Narkoseapparate und ­systeme, Narkosebeatmung

nektion der Sauerstoffkupplung. Der Alarm wird durch eine mechanisch/pneumatische Stimmpfeife hervorgerufen und ist unabhängig von elektrischem Strom. Er setzt ein, sobald der Mindestdruck in der Sauerstoffversorgungsleitung des Gerätes einen vom Hersteller anzugebenden Wert – z. B. ca. 1,5 bar (150 kPa) – unterschreitet. Es handelt sich also nicht um eine Alarmeinrichtung zur Überprüfung des O2-Gehalts der Inspirationsluft! Das Sauerstoffmangelsignal muss mindestens 7 Sekunden lang anhalten und darf nicht abschaltbar sein. Merke Das Sauerstoffmangelsignal weist auf den Ausfall der Sauerstoffversorgung hin.

Hinweis In älteren Arbeiten wurde immer wieder auf Pro­ bleme im Zusammenhang mit zentralen Gasver­ sorgungsanlagen hingewiesen. Ursächlich waren u. a. Verschmutzungen des Systems, Fehlfunkti­ onen von Reglern und Ventilen sowie unbemerk­ te Leckagen. Obwohl offenbar moderne Anlagen über erhebliche höhere Sicherheitsstandards verfügen, sind dennoch auch heute komplette Zusammenbrüche der zentralen Gasversorgung, wenn auch kurzzeitig, nicht auszuschließen.

■ Lachgassperre und Oxygen Ratio Controller, ORC Leider sind in Deutschland effektive Vorrichtungen zur Vermeidung der Einstellung hypoxischer Gasgemische immer noch nicht für alle in der klinischen Routine eingesetzten Narkosegeräte verbindlich vorgeschrieben. Dies ist unverständlich angesichts der Tatsache, dass die Beatmung mit hypoxischen Gasgemischen eine wesentliche Ursache vermeidbarer Narkosekomplikationen darstellt. Kaum bekannt ist, dass die sog. Lachgassperre (siehe auch Abb. 11.1, S. 308) für Narkosegeräte in der bislang in Deutschland vorgeschriebenen Form unzulänglich ist, da sie die Applikation hypoxischer Gasgemische nicht verhindert! Diese Schutzvorrichtung wurde ursprünglich für den Fall der zur Neige gehenden Sauerstoffversorgung aus Druckgasflaschen konzipiert: Sauerstoffman-

gelsignal und Lachgassperre werden gleichzeitig aktiv, wenn der am Gerät anliegende Sauerstoffdruck unter einen bestimmten Druck abfällt. Mit dem noch zur Verfügung stehenden Sauerstoff soll der Diffusionshypoxie durch alveoläre Lachgasanreicherung vorgebeugt werden. Merke Bei Anschluss an eine zentrale Gasversorgungs­ anlage wird die Lachgassperre nur bei Diskon­ nektion der O2­Steckkupplung aktiv. Solange das Gerät jedoch ordnungsgemäß angeschlossen und die Gasversorgung zum Gerät intakt ist, kann bei älteren Geräten mit reinem Lachgas beatmet werden!

Oxygen Ratio Controller Eine deutliche Verbesserung der Patientensicherheit kann z. B. durch Oxygen-Ratio-Controller-Systeme (ORC) als Ergänzung zur Lachgassperre erreicht werden: Ein zusätzliches Proportionalventil im Niederdrucksystem regelt den Lachgasflow entsprechend dem O2-Flow, womit die Einstellung inspiratorischer O2-Konzentrationen unter 21 % verhindert werden soll oder bei Unterschreiten dieser Konzentration ein akustischer Alarm ausgelöst wird. Hinweis Mit dieser in der EN 740 festgeschriebenen Spe­ zifizierung ist jedoch kein sicherer Schutz vor der Applikation eines hypoxischen Gasgemisches gewährleistet – bei einer O2­Konzentration im Frischgas von 21 % kann sich bei hohem Rück­ atemanteil im Atemsystem sehr wohl eine hypo­ xische Gasmischung ausbilden. Alternative Konstruktionstechniken gewährleisten einen kontinuierlichen O2-Flow von mindestens 200 ml/min durch Einspeisung im Bypass und automatische Unterbrechung der Lachgasversorgung bei Messung hypoxischer Gasgemische im Inspirationsflow.

■ Sauerstoffbypass (O2-Flush) Zur Behandlung akuter Sauerstoffmangelzustände und zum Spülen des Narkosesystems ist bei Narko-

11.7 Narkosesysteme und ­respiratoren für Säuglinge und Kleinkinder

segeräten eine vom Gasdosiersystem unabhängige Sauerstoffquelle vorgeschrieben, damit Sauerstoff mit hohem Flow (30 – 70 l/min) unter Umgehung des Narkosemittelverdunsters zur Verfügung gestellt werden kann (siehe auch Abb. 11.1, S. 308).

■ Schutzmodul für maximalen Atemwegsdruck Ist das Narkosegerät mit einem Narkosebeatmungsgerät oder Narkosesystem ausgerüstet, muss es mit einer Schutzvorrichtung für maximalen Atemwegsdruck betrieben werden. Diese muss sicherstellen, dass der Maximaldruck am Konnektor zum Patienten den einstellbaren maximalen Grenzdruck um höchstens 15 % oder 10 mbar (1 kPa) überschreitet und nicht höher als 125 mbar (12,5 kPa) ist. Ist das Narkosegerät mit einem Narkosebeatmungsgerät oder einem Schutzmodul für maximalen Atemwegsdruck ausgerüstet, das auf einen Maximaldruck über 80 mbar (8 kPa) eingestellt ist, muss es mit einer einstellbaren Druckbegrenzung betrieben werden, die einen Druckaufbau über den eingestellten Wert hinaus verhindert.

11.7

Narkosesysteme und -respiratoren für Säuglinge und Kleinkinder Jörg Rathgeber

Narkosesysteme für Erwachsene sind für die Beatmung von Neugeborenen, Säuglingen und Kindern unter 2 Jahren nicht ohne Weiteres geeignet. Ihr Innenvolumen (Atembeutel, Schlauchsystem, Ventile, Winkelstücke usw.) ist im Verhältnis zum verabreichten Tidalvolumen zu groß. Dementsprechend hoch ist der Anteil der Totraumventilation. Dadurch nehmen die Zeitkonstanten des Systems bei Veränderungen der Narkosegaskonzentration erheblich zu. Da Atemgase außerdem kompressibel sind, steigt der Anteil des Gasvolumens an, der bei maschineller oder manueller Beatmung lediglich komprimiert wird, ohne jedoch die Lungen des Patienten zu erreichen. In gleicher Weise wirkt sich die reversible Dehnung von elastischem Beatmungszubehör, wie Faltenschläuchen usw. aus,

insbesondere bei Veränderungen von pulmonaler Resistance und Compliance. In früheren Jahren wurden daher vorwiegend Spülgassysteme wie das ▶ Kuhnsche System verwendet. Heute wird dagegen auch bei Kindern, Säuglingen und sogar Frühgeborenen die Beatmung über ein Kreissystem mit Gasrichtungsventilen und Absorber bevorzugt. Voraussetzung ist lediglich die Verwendung kleinlumiger, nicht dehnbarer Schläuche sowie kleiner Winkelstücke zur Verringerung des apparativen Totraums. Vorteilhaft sind nicht nur die geringere Umgebungsbelastung, sondern auch die leichtere Handhabung sowie die Möglichkeit zum Monitoring ventilatorischer Parameter. Die Atemwegswiderstände sind aufgrund der niedrigen in- und exspiratorischen Flows (0,5 mbar bei 5 l/min bzw. 2 mbar bei 15 l/min) nur geringfügig höher als im Kuhnschen System. Merke Kreissysteme mit reduziertem Totraum eignen sich für die Beatmung von Säuglingen, Neu­ und Frühgeborenen.

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Druckbegrenzung. Bei manueller Beatmung muss unbedingt auf die adäquate Einstellung des Druckbegrenzungsventils im Kreissystem geachtet werden, um pulmonale Barotraumen zu vermeiden.

1

Handbeatmung oder maschinelle Beatmung?

1

11.7.1

Generell ist auch beim Säugling die maschinelle Beatmung mit einem sorgfältig eingestellten Respirator der Handbeatmung überlegen. Voraussetzung ist allerdings die Verwendung eines geeigneten Narkoserespirators. Narkosebeatmungsgeräte für die Kinderanästhesie sollten folgende Mindestanforderungen erfüllen: ● druckbegrenzte Beatmung, ● Abgabe und Monitoring kleiner Tidalvolumina bis 10 ml, ● Beatmungsfrequenzen bis 60/min, ● einstellbares I:E-Verhältnis, ● PEEP bis 15 mbar. Diese Voraussetzungen werden von modernen Narkosegeräten erfüllt, so dass diese Geräte bei Verwendung entsprechender Schlauchsysteme ohne Weiteres bei Kindern bis hin zum Neugebo-

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346

1

11 Narkoseapparate und ­systeme, Narkosebeatmung

renen eingesetzt werden können. Alternativ werden auch spezielle Säuglings-Narkoserespiratoren angeboten. Bei älteren ▶ „Bag-in-Bottle“-Geräten wird empfohlen, den Faltenbalg durch einen kleineren zu ersetzen.

1 11.7.2

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Praktisches Vorgehen

Nach der Narkoseeinleitung kann die Frischgasmenge auf 500 – 1000 ml pro Minute oder weniger reduziert werden. Nicht sinnvoll ist die Beatmung von Säuglingen und Kleinkindern im Rückatmungssystem mit hohem Rückatmungsanteil. Die Narkoseführung wird unnötig erschwert, wohingegen die ökologischen und ökonomischen Vorteile zu vernachlässigen sind. Die Patientensicherheit wird verringert, da die Verschiebung kleiner Tidalvolumina bei vergleichsweise hoher Compliance zu unerkannten und schwer zu detektierenden Rückatmungsphänomenen führen kann. Auch die Möglichkeit zur Rückführung angewärmter und befeuchteter Atemgase nach CO2-Elimination spielt bei der Vermeidung von Wärme- und Feuchtigkeitsverlusten quantitativ keine Rolle. Stattdessen sollten bei allen Säuglingsnarkosen effektive Maßnahmen zur ▶ Atemgasklimatisierung sofort nach der Intubation durchgeführt werden. Alternativ zu aktiven Befeuchtungssystemen haben sich Pädiatrie-HME mit geringem Totraum bewährt. Merke Klimatisierung der Atemgase durch HME oder aktive Befeuchter sofort nach der Intubation.

1 11.8

1

Umgebungsbelastung durch Inhalationsanästhetika Jörg Rathgeber

11 1

Operative Eingriffe an infizierten Patienten können zu einer erheblichen bakteriellen oder viralen Belastung der OP-Luft führen. Dies ist insbesondere der Fall bei Verwendung pneumatisch oder elektrisch betriebener Geräte wie Knochensägen und dergleichen. Möglichen Gesundheitsgefahren soll durch die obligate Verwendung von Mundschutz,

Schutzbekleidung und Handschuhen sowie ausreichender Frischluftzufuhr und Luftumwälzung vorgebeugt werden. Trotz dieses offensichtlichen Gefährdungspotenzials ist in der Vergangenheit nahezu ausschließlich die OP-Belastung durch volatile Anästhetika betrachtet worden, da bei chronischer Exposition mit Narkosegasen gesundheitliche Gefährdungen des Anästhesie- und OPPersonals nicht auszuschließen sind. Trotz zahlreicher Untersuchungen ließ sich eine Häufung von Spontanaborten allein durch kontaminierte OP-Luft bei Ärztinnen und Schwestern bisher jedoch nicht zweifelsfrei nachweisen, da auch andere Faktoren wie mentale und körperliche Belastung im OP zur erhöhten Abortrate beitragen können. Ebenso konnte bisher kein Zusammenhang zwischen kongenitalen Missbildungen und berufsbedingter Exposition mit volatilen Anästhetika festgestellt werden. Auch frühere Angaben über eine Häufung von Infertilität bei weiblichen Beschäftigten im OP oder den Ehefrauen von Mitarbeitern haben sich bisher nicht bestätigen lassen. Diskutiert wird ein Zusammenhang zwischen der regelmäßigen Exposition mit halogenierten Kohlenwasserstoffen und der Häufung bösartiger Tumoren. Dieser Verdacht konnte zwar durch prospektive Studien an Anästhesisten bisher nicht erhärtet werden. Allerdings deuten tierexperimentelle Ergebnisse auf die Möglichkeit eines kausalen Zusammenhangs hin.

11.8.1

Narkosegasfortleitung

Trotz gewisser Zweifel hinsichtlich der tatsächlichen gesundheitlichen Risiken für die Mitarbeiter haben die Gesundheitsminister der Bundesrepublik Deutschland in der Vergangenheit zahlreiche Verordnungen erlassen, die eine umfassende Reduktion der Umweltbelastung mit volatilen Anästhetika zum Ziel haben. So dürfen überschüssige und abgeatmete Narkosegase nach Verlassen des Narkosesystems nicht ungehindert in den OPSaal (oder auch die Intensivstation!) abgegeben werden. Moderne OP-Abteilungen verfügen daher über Narkosegasfortleitungssysteme, wie z. B. druckluftbetriebene Ejektoranlagen, die eine nahezu vollständige Elimination der Narkosegase durch Fortleitung aus dem Narkoserespirator in die Außenatmosphäre gewährleisten. Sicherheitsventile sowie großlumige Öffnungen im Schlauch der Nar-

11.8 Umgebungsbelastung durch Inhalationsanästhetika

kosegasfortleitung sollen Druckschwankungen im Narkosesystem verhindern (Abb. 11.22). Kohlefilter. Die Verwendung von Kohlefiltern im Auslass des Narkosesystems ist überall dort zu fordern, wo mit Inhalationsanästhetika gearbeitet wird und keine Möglichkeit zur Narkosegasfortleitung besteht, wie z. B. auf der Intensivstation. Aktivkohle absorbiert volatile Anästhetika (jedoch kein Lachgas!), allerdings ist die Aufnahmekapazität begrenzt, so dass sie in regelmäßigen Abständen gewechselt werden müssen. Bei normalem Narkosebetrieb beträgt die Standzeit ca. 2 Tage. Merke Verwendung von Kohlefiltern in Räumen ohne Narkosegasfortleitung. Arbeitsplatzkonzentration. In modernen Operationssälen kann die gesundheitliche Belastung des Personals durch volatile Anästhetika und Lachgas auf ein Minimum reduziert werden. Während in nichtklimatisierten OP-Sälen ohne Narkosegasfortleitung 10 – 70 ppm Halothan und 400 – 3000 ppm Lachgas nachgewiesen wurden, lassen sich diese Konzentrationen durch effektive Narkosegasabsaugung, Verwendung von Low-Flow-Techniken mit Narkosegeräten hoher Dichtigkeit und Klimaanlagen mit hohen Umwälzraten auf Werte von 0,005 bzw. 1 ppm bis zur Unterschreitung der Nachweisgrenze reduzieren.

Hinweis Nach der Gefahrstoffverordnung darf die maxi­ male Arbeitsplatzkonzentration (MAK) für Halo­ than 5 ppm, für Enfluran und Isofluran 20 ppm und für Lachgas 100 ppm nicht überschreiten. Für Desfluran und Sevofluran wurden bisher noch keine MAK­Werte festgelegt.

Merke Durch moderne Techniken lassen sich die Narkosegaskonzentrationen im OP unter die Nachweisgrenze reduzieren. Bei Maskennarkosen oder Spülgassystemen ohne Narkosegasabsaugung, wie z. B. bei Verwendung des klassischen ▶ Kuhnschen Systems ohne Absaugbeutel bei der Kindernarkose, ist die Kontamination der Umgebung mit Narkosegasen unvermeidbar. Wenn immer möglich, sollten daher Systeme verwendet werden, die eine potenzielle Gefährdung des OP-Personals vermeiden. Die praktische Umsetzung der gesetzlichen Bestimmungen treibt nicht nur die Kosten für Narkosegeräte in die Höhe, sondern steigert auch die Komplexität der Systeme. An manchen Arbeitsplätzen, wie z. B. im Aufwachraum, ist die vollständige Ableitung der mit volatilen Anästhetika kontaminierten Exspirationsluft des Patienten praktisch unmöglich oder dem Patienten bzw. den Mitarbeitern nicht zuzumuten. Aus diesem Grunde soll-

Narkosegas VenturiDüse

Narkosegasfortleitung

Geräteadapter mit Druckausgleichsöffnungen

Sog

Wandsteckdose

Druckluft Absperrventil

Abb. 11.22 Narkosegasfortleitung. Durch Einstecken der Kupplung des Narkosgasfortleitungsschlauchs wird das Absperrventil in der Wandsteck­ dose geöffnet. Dadurch wird Druck­ luft über die Venturi­Düse in die Ejektorkammer geleitet. Der hierbei entstehende Unterdruck saugt das Narkosegas durch die Öffnungen im Kupplungsstecker in die Narkose­ gasfortleitung. Zur Vermeidung von Unterdruck im Beatmungssystem ist der Geräteadapter mit Druckaus­ gleichsöffnungen versehen.

347

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 11 1

348

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 11 1

11 Narkoseapparate und ­systeme, Narkosebeatmung

ten Schwangere aus Sicherheitsgründen – wenn möglich – an anderen Arbeitsplätzen beschäftigt werden.

11.9

Atemgasklimatisierung während der Narkose Jörg Rathgeber

Während die Notwendigkeit zur Befeuchtung und Erwärmung der Atemluft bei langzeitbeatmeten Patienten allgemein akzeptiert ist, wird dieser Problematik in der Anästhesie nur wenig Beachtung geschenkt. Weit verbreitet ist die Meinung, dass bei kurzen Intubationszeiten – wie bei der Narkose – Maßnahmen zur ▶ Klimatisierung der Atemgase entbehrlich seien. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass Narkosen von mehreren Stunden Dauer keine Ausnahme darstellen. Zur Vermeidung beatmungsbedingter postoperativer Komplikationen ist es daher zumindest bei länger dauernden Eingriffen zwingend erforderlich, bereits intraoperativ Schäden durch Beatmung mit trockenen Atemgasen zu verhindern. Zusätzliche Maßnahmen zur Atemgasklimatisierung können daher notwendig sein. Unter den Bedingungen der Narkosebeatmung sollte dauerhaft eine absolute Feuchte der Inspirationsluft von mindestens 20 mg H2O/l angestrebt werden. Als optimal werden Temperaturen zwischen 30 und 37 °C und eine absolute Feuchte zwischen 30 und 35 mg H2O/l angesehen. Aktive Befeuchter, die der Inspirationsluft Feuchtigkeit und Wärme aus beheizten und temperaturregulierten Wasserreservoiren zusetzen, werden nur vereinzelt in der Kinderanästhesie eingesetzt, haben aber in der Routineanästhesie keine Bedeutung. Bewährt hat sich die Verwendung von ▶ HME mit zusätzlichen Filtern (HMEF), die – ebenso wie bei langzeitbeatmeten Patienten – direkt auf den Beatmungstubus aufgesetzt werden. Merke Verwendung von HMEF bei jeder Narkose.

Hinweis Eine Möglichkeit zur Verringerung des Schädi­ gungspotenzials ist die konsequente Beatmung im Rückatmungssystem mit reduziertem Frisch­ gasflow: Je höher der Rückatmungsanteil ist, desto höher ist der Feuchtigkeits­ und Wärmege­ halt der Inspirationsluft. Physiologische Wärme­ und Feuchtigkeitsverhältnisse werden dennoch selbst bei Beatmung im geschlossenen System nicht erreicht, da Wasserverluste durch Kon­ densation in Schlauchsystemen, Ventilen oder Absorberwandungen kaum zu vermeiden sind. Zudem ist frühestens nach 120 Minuten ▶ Mi­ nimal­Flow­Beatmung mit Steady­state­Bedin­ gungen und ausreichender Feuchterückführung zu rechnen. Bei höheren Frischgasflows werden ausreichende Wärme­ und Feuchtewerte auch nach Stunden nicht erreicht.

11.10 Kontamination und Kreuzinfektion durch Narkosesysteme Jörg Rathgeber In der Vergangenheit wurde über zahlreiche Fälle berichtet, in denen pulmonale Infektionen zweifelsfrei auf kontaminierte Narkosesysteme zurückgeführt werden konnten. Erwartungsgemäß wurden vor allem Infektionen mit Pseudomonaden beschrieben, die als typische Feuchtkeime im warmen und feuchten Milieu von Narkosesystemen optimale Lebensbedingungen vorfinden. Das Risiko der Kreuzkontamination durch andere pathogene Keime scheint zwar geringer zu sein, ist jedoch keinesfalls ausgeschlossen. Zudem wurde auf die mögliche Übertragung von Hepatitis-C- und anderen Viren hingewiesen, die in Beatmungsschläuchen lange Zeit überdauern können. Auch die Kontamination und Infektion des Patienten durch medizinische Atemgase aus der zentralen Gasversorgungsanlage oder aus Druckgasflaschen ist grundsätzlich nicht ausgeschlossen, da Atemgase nicht steril sein müssen, sondern lediglich keimarm. Bakterielle Verunreinigungen wurden zwar mehrfach beschrieben, liegen jedoch in unbedeutenden Größenordnungen, wobei allerdings Infektionen auch mit geringen Keimzahlen, z. B.

11.10 Kontamination und Kreuzinfektion durch Narkosesysteme

durch Verunreinigungen mit Tuberkelbakterien oder ähnlich hoch pathogenen Keimen, prinzipiell denkbar sind. Merke Kontaminierte Narkosegeräte bergen ein poten­ zielles Infektionsrisiko für den nächsten und wei­ tere Patienten. Dennoch, die Überlebensfähigkeit der meisten ins Beatmungssystem eingebrachten Keime ist gering. Verantwortlich für den hohen Anteil von abgestorbenen Bakterien in Narkosesystemen sollen Temperaturschwankungen sowie Wechselwirkungen von Verdunstung und Evaporation sein. Während gramnegative Bakterien besonders empfindlich gegenüber trockenen Oberflächen und trockenen Gasen sind, wird das Wachstum zahlreicher anderer Bakterien, wie z. B. Staphylokokken und Enterobakterien, durch metallische Oberflächen, antistatische Schläuche usw. gehemmt. Auch Lachgas und volatilen Anästhetika werden von der Mehrzahl der Untersucher bakterizide Wirkungen zugeschrieben. Nicht zuletzt verfügt Atemkalk über eine hohe antibakterielle Potenz, die sowohl auf mechanische als auch chemische Ursachen zurückgeführt wird. Nach Untersuchungen im Lungenmodell sollen 60 – 95 % der Bakterien im CO2Absorber zurückgehalten werden. Hinweis Wenig bekannt ist über die Infektionsrisiken durch besonders robuste oder pathogene Erre­ ger, wie z. B. Tuberkelbakterien, da die Infektion oft nicht zur sofortigen manifesten Erkrankung führt. Den Arbeiten von Duguid aus den Jahren 1945 und 1946 zufolge ist die Keimbeladung der Exspirationsluft jedoch eher gering. Nur ein kleiner Teil der expektorierten Tröpfchen von Pa­ tienten mit offener Tuberkulose, Diphtherie oder Streptokokkeninfektionen war mit Bakterien kontaminiert.

Merke Im Narkosesystem ist die Überlebensfähigkeit der meisten Keime gering.

349

11.10.1 Hygiene-Richtlinien Da sich das Gefährdungspotenzial für den einzelnen Patienten nicht quantifizieren lässt, gilt der Grundsatz, durch geeignete Maßnahmen die Gefahr der Kontamination des Atemsystems auf ein Minimum zu reduzieren und Kreuzkontamination durch Verwendung hygienisch einwandfreier Beatmungs-/Narkosesysteme auszuschließen. Dementsprechend wird in den Richtlinien des Bundesgesundheitsblattes für die Beatmung auf Intensivstationen die Verwendung von desinfizierten Gerätschaften und täglicher Wechsel der Beatmungssysteme gefordert. Für Anästhesiegeräte existieren zwar derzeit noch keine verbindlichen Richtlinien oder Vorschriften; in allgemeiner Übereinstimmung wird jedoch gefordert, dass die am Patienten eingesetzten Beatmungssysteme inklusive -zubehör hygienisch einwandfrei sein müssen. Aus Sicherheitsgründen wurde daher früher generell für den Narkosebetrieb empfohlen, patientennahe Teile des Narkosekreisteils, also Schläuche und Y-Stück, nach jedem Patienten zu wechseln, unabhängig von der Dauer der Narkose und unabhängig von einer etwaig vorbestehenden Infektion. Für Handbeatmungsbeutel, Faltenbalg und CO2-Absorber wurde der Wechsel am Ende des Arbeitstages zumeist als ausreichend angesehen. Merke Minimierung des Infektionsrisikos durch hygienisch aufbereitete Narkosesysteme.

11.10.2 Atemsystemfilter, ASF Als Alternative wird in letzter Zeit zunehmend die Verwendung tubusnah installierter Atemsystemfilter (ASF) für jeden Patienten propagiert. Sie bieten den Vorteil, dass der Patient vor Luftkeimen aus dem Respirator bzw. den Inspirationsschläuchen geschützt und die Kontamination des Beatmungssystems durch Patientenkeime verhindert wird. Da ASF gleichzeitig eine wärme- und feuchtigkeitstauschende Funktion aufweisen, bleiben die Integrität und Funktionsfähigkeit des Flimmerepithels in den Luftwegen durch zusätzliche Erwärmung und Befeuchtung der Atemgase erhalten, was als wirksame Keimbarriere zum Schutz vor Infektion angesehen wird. Zusammen mit der Durchführung

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 11 1

350

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11 Narkoseapparate und ­systeme, Narkosebeatmung

geeigneter Desinfektionsmaßnahmen an Kontaktstellen des Narkoseequipments stellt der Einsatz geeigneter ASF damit eine sichere und kostengünstige Alternative zur Verwendung neuer oder frisch aufbereiteter Narkoseschlauchsysteme und zur Aufbereitung der Atemgas führenden Komponenten des Narkosegerätes nach jedem Einsatz am Patienten dar und trägt wesentlich zur Prozessoptimierung bei. Merke ASF: Vermeidung von Kontamination, zusätzli­ che Atemgasklimatisierung.

Hinweis Filtration bedeutet die physikalische Abtrennung von Partikeln aus Flüssigkeiten oder Gasen beim Durchtritt durch das Filtermedium. Bei den in Anästhesie und Intensivmedizin eingesetzten Atemgasfiltern handelt es sich um sog. Tiefen­ filter, deren Filtrationseigenschaften auf unter­ schiedlichen Mechanismen beruhen. So werden Partikel, die direkt auf die Fasern der Filtermatrix auftreffen, durch Adhäsionskräfte an der Ober­ fläche der Filtermatrix gebunden. Dadurch wer­ den auch Partikel festgehalten, die kleiner sind als die Zwischenräume des Filtermaterials. Sehr kleine Partikel, z. B. Viren, können durch Brown­ sche Molekularbewegung zur Faser transportiert und abgeschieden werden (Diffusionsabschei­ dung). Bei größeren Partikeln können auch Träg­ heitskräfte zum Auftreffen auf die Fasern führen. Partikel, die größer sind als die Zwischenräume des Filters, werden durch Siebfiltration abgefan­ gen. Effektive Filtration setzt daher immer eine dem Gasstrom und der Partikelzahl angepasste Tiefe und Dichte der Filtermatrix voraus. Die Fil­ trationsrate kann durch Zunahme der Tiefe und Packungsdichte des Materials sowie die Reduk­ tion der Durchflussrate verbessert werden, wo­ durch allerdings auch der Durchflusswiderstand ansteigt. Tiefenfilter mit hoher Packungsdichte werden auch als HEPA­Filter (High EfÏciency Par­ ticulate Air) bezeichnet. Sie sollen beim Durch­ strömen mit Luft mit Partikeln von 0,3 µm Grö­ ße eine Abscheiderate von mindestens 99,9 % aufweisen. Durch dauerhafte elektrische Ladungen der Fa­ sern der Filtermatrix kann die Adhäsionsfähigkeit

auch für kleine Teilchen erheblich erhöht wer­ den – insbesondere für Mikroorganismen und Aerosole, da diese ebenfalls elektrische Ladungs­ verteilungen an ihrer Oberfläche aufweisen. Der­ artige aus Fasern mit hoher Materialstabilität her­ gestellte Elektretfilter zeichnen sich im Vergleich zu einfachen Tiefenfiltern durch höhere Abschei­ degrade bei gleicher Dichte mit Verschiebung der Filtrationslücken zu kleineren Partikeldurch­ messern sowie durch geringere Flowwiderstän­ de aus. Da das Risiko der pulmonalen Infektion durch Übertragung von Keimen aus kontaminierten Narkosegeräten und -schläuchen aus infektionsepidemiologischer Sicht insgesamt gering ist, konnte die Inzidenz postoperativer pulmonaler Komplikationen bisher weder durch die Verwendung sterilisierter Beatmungssysteme für jeden Patienten noch durch die Verwendung von Beatmungsfiltern gesenkt werden. Dies ist auch nicht verwunderlich, da die Ursachen für nosokomiale pulmonale Infektionen bekanntlich nur zu einem geringen Anteil auf die aerogene Übertragung von Keimen zurückgeführt werden.

■ Empfehlungen zum Gebrauch von ASF ●









Der ASF ist nach jedem Patienten zu wechseln. Die Herstellerangaben bezüglich der Standzeiten sind einzuhalten. Für die Abscheideleistung für luftgetragene Partikel (gemessen nach EN DIN 13 328-1:2001) werden Filtrationswerte > 99 % empfohlen. Die Rückhalteleistung des ASF für Flüssigkeit soll bis zu Drücken von mindestens 60 mbar (= 60 hPa) gewährleistet sein. Ob bei Narkosen mit geringem Wasseranfall, z. B. bei geringem Rückatmungsanteil, Filter mit geringerer Flüssigkeitsretentionsleistung vertretbar sind, ist als ungelöste Frage zu betrachten. Die absaugende Atemgasmessung und/oder die Atemwegsdruckmessung sollen auf der Maschinenseite des ASF erfolgen. Bei der Narkosebeatmung soll ausreichende Atemgasklimatisierung gewährleistet sein; ASF allein gewährleisten dies in der Regel nicht. Die Atemgasklimatisierung wird bei der Narkosebe-

11.10 Kontamination und Kreuzinfektion durch Narkosesysteme

atmung dadurch sichergestellt, dass der Frischgasflow so gering wie möglich gewählt wird.

■ Anforderungen an ASF für den Einsatz bei Narkosen ●











Der Atemwiderstand des Filters sollte so gering wie möglich sein, typischerweise < 2 mbar/l/s (2 hPa/l/s). Beachte: Gemäß ISO DIN 8835-3 ist im kompletten Schlauchsystem einschließlich ASF ein Atemwiderstand ≤ 6 mbar/l/s (6 hPa/l/s) zugelassen. Das Totraumvolumen soll so gering wie möglich sein (Kennwerte gemäß ISO DIN 9360-1 und EN DIN 13328-2). Da es noch keine Norm zur Bestimmung des Totraumvolumens von ASF und HME für Atemzugvolumina < 250 ml gibt, muss der ASF vom Hersteller für diesen Bereich zugelassen sein. Der Einsatz steriler ASF ist nicht erforderlich, eine Herstellung unter Reinraumbedingungen ist ausreichend. Bei mehrstündiger Operationsdauer (ab etwa 2 – 3 h) mit hohem Rückatmungsanteil ist der Einsatz von Wasserfallen sinnvoll. Alle Handkontaktflächen am Narkoseequipment sind gemäß den Empfehlungen desinfizierend zu reinigen. Bei sichtbarer Verschmutzung, z. B. mit Blut oder bei einem Defekt, sind der ASF und das Narko-



Beachte Generell sollten unter Rückatmungsbedingun­ gen mechanische Filter (s.o) bevorzugt werden, da sie einen besseren Schutz vor Flüssigkeits­ durchtritt gewährleisten als elektrostatische Filter (Elektretfilter). Gleichzeitig nimmt jedoch das Risiko der akzidentellen Erhöhung des Strö­ mungswiderstandes durch Wasserakkumulati­ on oder Anlagerung von Sekret, Sputum oder Blut zu. Trotz aller Maßnahmen verbleibt in jedem Fall – unabhängig vom Filtermaterial – eine Filtrationslücke im Bereich zwischen 0,03 und 1 µm (Abb. 11.23).

Merke Verwendung von Tiefenfiltern mit hoher Pa­ ckungsdichte (HEPA­Filter) und einer Abschei­ derate von mindestens 99 % nach EN 13 328­ 1:2001 während der Narkose. Eine 100 %ige Filtration aller Keime und Partikel ist durch keine Maßnahme möglich.

1 1 1 1 1 1 1 1

100 Trenngrad (%)

Hinweis In der Pädiatrie bzw. Neonatologie ist neben der Atemgasfiltration vor allem auch auf ausreichen­ de Atemgasklimatisierung zu achten. Bei kleinen Tidalvolumina ist die Reduzierung des Frischgas­ flows allein dafür nicht ausreichend. Sie muss mit anderen Methoden sichergestellt werden, z. B. durch geeignete ▶ HME, die aber möglicher­ weise nur begrenzte Filtrations­ und Fluidreten­ tionseigenschaften aufweisen. Zur Vermeidung von CO2­Rückatmung muss der Totraum außer­ dem sehr gering sein. In diesem Dilemma ist der Atemgasklimatisierung mit HME, ggf. als Einlage im Tubusadapter, der Vorzug vor der Atemgasfil­ tration zu geben und der hygienische Schutz des Patienten durch Verwendung eines neuen bzw. frisch aufbereiteten Schlauchsystems zu gewähr­ leisten.

seschlauchsystem zu wechseln. Außerdem sind die Atemgas-führenden Komponenten des Narkosegerätes nach Herstellerangaben hygienisch aufzubereiten. Zur Ausschaltung von Übertragungsrisiken bei der Narkosebeatmung sind die Grundsätze der Händehygiene sorgfältig einzuhalten.

351

1

Gesamtfiltration Trägheitsfiltration

1

Diffusionsfiltration

50

Siebfiltration 0,1

1,0 (µm)

10,0

100

Abb. 11.23 Atemgasfiltration. Vollständige Filtrati­ on aller Partikel ist mit keinem Filtermaterial möglich; immer verbleibt eine Filtrationslücke im Bereich zwischen 0,03 und 1 µm.

11 1

352

11 Narkoseapparate und ­systeme, Narkosebeatmung

11.10.3 Empfehlungen für die Praxis

1

Wechsel des Atemsystemfilters ●

1 1 1 1 1 1 1 1 1



Der ASF ist nach jedem Patienten zu wechseln. Die Herstellerangaben bezüglich der Standzeiten sind einzuhalten. Der ASF kann beim Transport des Patienten und zur Nachbeatmung auf der Intensivstation weiterhin eingesetzt werden. Für die Dauer des Einsatzes auf der Intensivstation sind die Herstellerangaben zu beachten. Bei Nachbeatmung ohne Rückatmung im Aufwachraum oder auf der Intensivstation ist zu bedenken, dass ASF in der Regel selbst keine guten Wärme und Feuchtigkeit austauschenden Eigenschaften haben, so dass bei längerer Nachbeatmung für ausreichende Atemgasklimatisierung mit effektiven ▶ HME Sorge getragen werden muss.

Wechsel des Schlauchsystems

Schlauchsystem und Handbeatmungsbeutel werden sofort im Anschluss an die jeweilige Narkose gewechselt, wenn folgende Situation einschließlich des Verdachtes darauf vorliegt: ● meldepflichtige Infektion nach § 6 Infektionsschutz Gesetz, IfSG, z. B. Tbc, akute Virushepatitis, Masern, Influenza H1N1 etc. ● Infektion und/oder Kolonisation mit einem dokumentationspflichtigen resistenten Keim nach § 23 IfSG, z. B. MRSA, VRE, ESBL-Keime etc. ● Infektion mit respiratorischen Viren, Noroviren, Legionellen oder Clostridium difÏcile. Solche Patienten sollen – wenn möglich – am Ende des OP-Programms operiert werden, danach erfolgt der Austausch des Schlauchsystems. Merke Bei Einhaltung dieser Maßnahmen kann das Nar­ koseschlauchsystem dem aktuellen Wissens­ stand zufolge bis zu 7 Tagen eingesetzt werden, sofern es seine übrige Funktionalität, z. B. Dich­ tigkeit, erfüllt.

11 Aufbereitung des Narkosegerätes

1

Wird kein ASF eingesetzt oder wurden die obigen Grundsätze nicht eingehalten, muss das Narkoseschlauchsystem nach jedem Patienten gewechselt

und das Narkosekreissystem (Atemsystem) entsprechend den Herstellerangaben aufbereitet werden. Merke Beim Einsatz von ASF ist eine routinemäßige Aufbereitung des Geräteinneren (Atemsystem) nicht erforderlich. Ausnahme: Reparatur mit Er­ öffnung des Gerätes.

Hinweis Sowohl durch Wechseln der Systeme als auch durch die Verwendung von Atemgasfiltern kann das Kontaminationsrisiko lediglich auf ein ver­ tretbares Maß reduziert werden; gänzlich aus­ geschaltet werden kann es durch kein Verfah­ ren. Im Übrigen bergen selbst frisch aufbereitete wiederverwendbare Beatmungsschläuche sowie Einmalschläuche, sofern sie nicht sterilisiert sind, ein potenzielles Infektionsrisiko, auch wenn die­ se Gefährdung als vergleichsweise gering einzu­ schätzen ist.

Merke ASF für jeden Patienten sind eine gleichwertige Alternative zur hygienischen Aufbereitung des Beatmungssystems.

11.11 Narkosebeatmung Peter Neumann, Jörg Rathgeber

11.11.1 Beatmungsformen während der Narkose ■ Volumen-/druckkontrollierte Beatmung Die Notwendigkeit zur kontrollierten Beatmung während der Allgemeinanästhesie resultiert aus dem (passageren) vollständigen oder weitgehenden Ausfall der Atempumpe durch intravenöse und/oder volatile Anästhetika sowie Muskelrelaxanzien. Während in früheren Jahren intraoperativ nahezu ausschließlich ▶ volumenkontrolliert beatmet wurde, haben sich in den letzten Jahren zunehmend auch ▶ druckkontrollierte Beatmungsformen durchgesetzt. Ursächlich hierfür ist

11.11 Narkosebeatmung

u. a. der vermehrte Einsatz von Larynxmasken in der Anästhesie, bei denen zur Vermeidung unerwünschter gastraler InsufÒation die druckkontrollierte Beatmung favorisiert wird. Die Volumeninkonstanz druckkontrollierter Beatmungsverfahren während der Narkose ist jedoch nicht unproblematisch, da sich die atemmechanischen Eigenschaften des respiratorischen Systems operationsbedingt schnell ändern können. Kommt es z. B. bei laparoskopischen Eingriffen zur Verminderung der alveolären Ventilation durch intraabdominelle Druckerhöhung, droht nicht nur eine CO2-Retention, sondern bei Verwendung volatiler Anästhetika auch eine (unbemerkte) Verminderung der Narkosetiefe. Von Vorteil sind daher auch während der Narkosebeatmung volumenkonstante druckkontrollierte Beatmungsmuster, wie sie aus der Intensivmedizin bekannt sind (▶ Autoflow, ▶ BiLevelVG etc.). Sie erleichtern die Narkoseführung und -sicherheit erheblich, da das ständige Nachführen der Beatmungsparameter weitgehend entfällt. Leider verfügen derzeit nur wenige Narkoserespiratoren über entsprechende Modes. Merke Volumenkonstante druckkontrollierte Beat­ mungsmuster erleichtern die Narkoseführung und verbessern die Patientensicherheit.

■ Assistierte Beatmung Infolge des gestörten oder aufgehobenen zentralen Atemantriebs bieten patientengetriggerte kontrollierte (▶ assistierte) Beatmungsverfahren (▶ S-CMV) während der Narkose meist keine Vorteile. Im Gegenteil: Ist die ▶ Triggerempfindlichkeit zu hoch eingestellt, können schon geringste chirurgische Manipulationen zur (unerwünschten) Auslösung eines maschinellen Beatmungszuges führen. Vor allem bei Bauchoperationen muss die Triggerfunktion daher immer inaktiviert werden, ansonsten droht alveoläre Hyperventilation durch inadäquat hohe Beatmungsfrequenzen. Merke Inaktivierung der Triggerfunktion bei abdomi­ nellen Eingriffe.

Beachte Inspirationsbemühungen des Patienten sind häufig ein Indikator für unzureichende Analge­ sie/Anästhesie oder erhebliche alveoläre Hypo­ ventilation!

353

1 1

Als assistierte Beatmung wird auch die intermittierende ▶ manuelle Beatmung eines spontan atmenden Patienten in Narkose mittels eines Handbeatmungsbeutels bezeichnet.

■ Maschinell unterstützte Spontanatmung Moderne Narkoserespiratoren werden zunehmend mit assistierenden Spontanatmungsformen ausgerüstet, wie ▶ S-IMV oder ▶ druckunterstützter Spontanatmung (PSV). Durch Anlehnung an Beatmungsformen aus der Langzeitbeatmung soll offenbar beim Anwender der Eindruck erweckt werden, dass nunmehr auch bei Narkosegeräten zusätzliche beatmungstechnische Optionen im Sinne einer besseren und patientengerechteren Beatmung zur Verfügung stünden. Maschinell unterstützte Spontanatmungsformen stellen jedoch im Rahmen der Anästhesie keinen wirklichen Fortschritt dar, da sie die besonderen Bedingungen der Narkosebeatmung nur unzureichend berücksichtigen: Der tief sedierte/analgesierte oder sogar relaxierte Patient bedarf der kontrollierten Beatmung. Unterstützende Spontanatmungsformen, in der Intensivmedizin bei Langzeitbeatmung und Respiratorentwöhnung unverzichtbar, sind aus lungenphysiologischer Sicht während tiefer Narkose entbehrlich. Sie erleichtern jedoch in manchen Fällen die Narkoseführung des nicht relaxierten Patienten, analgosedierten Patienten sowie die Ausleitung der Narkose. Merke Unterstützende Spontanatmungsformen wäh­ rend der Narkose nur in Ausnahmefällen.

1 1 1 1 1 1 1 1 11

■ Manuelle Beatmung Die manuelle Narkosebeatmung hat in den letzten Jahren – auch bei kurzen Eingriffen – zunehmend ihren früheren Stellenwert verloren. Die Gründe

1

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11 Narkoseapparate und ­systeme, Narkosebeatmung

liegen vor allem in der erheblichen und schwer zu kontrollierenden Variabilität der abgegebenen Tidalvolumina sowie der Neigung der Anästhesisten zur Beatmung mit hohen Frequenzen mit dem Risiko der alveolären Hyperventilation. Auch die adäquate Begrenzung der Atemwegsdrücke kann bei der manuellen Beatmung technisch schwierig zu realisieren sein. Zudem hat der Anästhesist die Hände in kritischen Situationen nicht frei. Daher sollte die Indikation zur manuellen Beatmung streng gestellt werden, wobei die ventilatorischen Parameter eng überwacht werden sollten. Weiterhin indiziert ist die manuelle Beatmung via Atemmaske dagegen nach Einleitung der Narkose bis zur Intubation, zur Durchführung einer kurzzeitigen intraoperativen Hyperventilation zur Vertiefung der Narkose oder bei unerwünschtem Wiedereintritt der Spontanatmung. Zudem kann die manuelle Beatmung gelegentlich zusätzliche Informationen bei Änderungen der Lungenmechanik durch Veränderungen der Compliance oder Resistance liefern, wenngleich dieser Aspekt in seiner Bedeutung meist weit überschätzt wird. Typischerweise kommt die manuelle Beatmung auch am Ende der Narkose zum Einsatz, wenn die Spontanatmung des Patienten langsam wieder einsetzt: ventilatorischer Assistenz durch manuelle Unterstützung der Spontanatmungsaktivitäten und/oder interponierte manuelle Beatmungen. Bei insufÏzienter maschineller Beatmung (Gerätedysfunktion, Verlegung der Atemwege etc.) kann es ratsam sein, den Patienten bis zur Klärung der Situation manuell mit 100 % Sauerstoff zu beatmen – entweder mit dem Handbeatmungsbeutel des Narkosegeräts oder sogar mit einem separaten Handbeatmungsbeutel. Merke Manuelle Beatmung nur kurzzeitig oder in unklaren ventilatorischen Notfallsituationen.

11.11.2 Pathophysiologische Besonderheiten der Narkosebeatmung Bekanntermaßen nimmt die ▶ funktionelle Residualkapazität (FRC) schon allein durch Rückenlage um 15 – 20 % ab, wobei dieser Effekt bei Adipositas besonders ausgeprägt ist. Die Einleitung einer Vollnar-

kose führt zu einer weiteren Reduktion der FRC um nochmals 15 – 20 %. Bei übergewichtigen Patienten kann die FRC während einer Vollnarkose somit bis auf 50 % des Ausgangswertes absinken. Unterschreitet die FRC einen kritischen Wert, die ▶ Closing Capacity, verschließen sich kleine Atemwege. Hinweis Schon bei lungengesunden jungen Patienten kann die Closing Capacity allein durch Narkose in Rückenlage unterschritten werden (Abb. 11.24). Durch den hydrostatischen Druckgradienten nimmt der ▶ intrapleurale Druck in ventrodor­ saler Richtung zu. Daher ist der transpulmonale Druck (Differenz zwischen intraalveolärem Druck und Pleuradruck) in den dorsalen Lungenab­ schnitten am geringsten, so dass in diesen Berei­ chen zuerst ein Verschluss der kleinen Atemwege mit einer konsekutiven Abnahme der alveolären Ventilation auftritt. Die Abnahme der alveolären Ventilation bedingt einen Abfall des pulmonal ka­ pillären paO2 (Abb. 11.25).

Merke Narkose führt zur Reduktion der funktionelle Re­ sidualkapazität, mit Unterschreiten der Closing Capacity und Abnahme der alveolären Ventilati­ on. Dieser Effekt nimmt mit dem Lebensalter zu.

Das Unterschreiten der Closing Capacity resultiert nicht nur in einer Verschlechterung des pulmonalen Gasaustauschs, sondern begünstigt auch die Entstehung von Resorptionsatelektasen. Sie entstehen, wenn die alveoläre Ventilation einen kritischen Wert unterschreitet, so dass die Aufnahme von Gas aus den Alveolen ins Blut den Zustrom von Frischgas aus den Atemwegen übersteigt. Dabei hängt die Geschwindigkeit des Alveolarkollaps zum einen vom V˙ a/Q˙ -Verhältnis der einzelnen Alveolen und zum anderen von der alveolären Gaszusammensetzung ab: Je höher die FiO2 und je niedriger das V˙ a/Q˙ -Verhältnis ist, desto schneller kommt es zum Alveolarkollaps, da die Löslichkeit von Stickstoff im Blut deutlich schlechter ist als die Löslichkeit von Sauerstoff.

11.11 Narkosebeatmung

4

Merke Übersteigt die Gasresorption aus den Alveolen ins Blut die Frischgaszufuhr aus den Atemwegen, entstehen Resorptionsatelektasen. Ihre Entwick­ lung wird durch hohe inspiratorische Sauerstoff­ konzentrationen begünstigt.

Closing Capacity FRC im Stehen

FRC (l)

3

FRC in Rückenlage 2 FRC in Rückenlage und Vollnarkose 1

0 20

30

40

50

60

70

80

90

Alter (Jahre)

Prozent des HZV

Abb. 11.24 FRC, Closing Capacity, Lebensalter und Narkose. Im Gegensatz zur FRC nimmt die Closing Capacity mit zunehmendem Lebensalter zu. Zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr kann sie die FRC bereits im Sitzen oder Stehen unterschreiten. Rückenlage und Muskelrelaxation lassen die Closing Capacity weiter abfallen, so dass die FRC in Narkose schon bei jungen Erwachsenen unterschritten wird.

14

Shunt + · · Low VA/Q

12

venöse Beimischung

10 8 6

Shunt

4 2 0

0

20

40

60

80

Alter (Jahre)

Abb. 11.25 Intrapulmonaler Shunt, venöse Beimischung und Lebensalter. Die intraoperative Verschlechterung des Gasaustausches mit zuneh­ mendem Lebensalter wird in erster Linie durch eine Zunahme der venösen Beimischung und weniger durch echten Shunt hervorgerufen. Mit zunehmen­ dem Lebensalter kann eine fast lineare Abnahme des paO2 beobachtet werden, die vor allem durch eine Zunahme schlecht ventilierter Alveolen (Low­V˙ a/ Q˙ ­Areale) hervorgerufen wird.

Neben der Gasresorption begünstigt auch die Kompression von Lungengewebe die Entstehung von Atelektasen. Bereits durch das Eigengewicht der Lunge nehmen der Unterdruck im Pleuraspalt und damit auch der transpulmonale Druck, der den elastischen Rückstellkräften der Lunge entgegenwirkt, schwerkraftabhängig ab. Die Übertragung des intraabdominellen Druckes mitsamt seinem hydrostatischen Druckgradienten in den Thorax wird beim spontan atmenden Menschen durch den Zwerchfelltonus und die atemabhängigen Zwerchfellkontraktionen vermindert. Nach Gabe von Muskelrelaxanzien wird das erschlaffte Zwerchfell, dem Druckgefälle von intraabdominellem zu intrathorakalem Kompartiment folgend, nach kranial verlagert. Dadurch nimmt der transpulmonale Druck ab und die Entstehung von Kompressionsatelektasen wird begünstigt. Eine intraabdominelle Druckerhöhung bei Adipositas, Pneumoperitoneum oder akutem Abdomen verstärkt die oben beschriebene Problematik, so dass diese Patienten besonders zu Kompressionsatelektasen neigen.

355

1 1 1 1 1 1 1 1

Merke Erhöhte Gefahr von Kompressionsatelektasen bei erhöhtem intraabdominellem Druck, z. B. als Folge von Adipositas, Pneumoperitoneum oder akutem Abdomen. Resorptions- und/oder Kompressionsatelektasen entstehen bei ca. 90 % aller erwachsenen Patienten bereits während der Narkoseeinleitung (Abb. 11.26) und sind die häufigste Ursache für intraoperative Gasaustauschstörungen.

1 1 11 1

356

11 Narkoseapparate und ­systeme, Narkosebeatmung

Merke Atelektasen sind die Hauptursache für die intra­ operative Verschlechterung des Gasaustauschs. Die Ausdehnung der Atelektasen korreliert eng mit dem Ausmaß der Oxigenierungsstörung.

1 1

11.11.3 Einstellung der Ventilationsparameter

1 1 1 1 1 1 1 1 11 1

Abb. 11.26 Dreidimensionale Rekonstruktion von Atelektasen nach Narkoseeinleitung. Bereits unmittelbar nach Narkoseeinleitung finden sich bei ca. 90 % aller Erwachsenen dorsobasale Atelektasen. Die Entstehung von Atelektasen wird durch hohe inspiratorische Sauerstoffkonzentrationen und Mus­ kelrelaxation begünstigt (Quelle: Hedenstierna u. Reber 1996).

Hinweis Die Ausdehnung der Atelektasen ist eng mit dem Schweregrad der Oxigenierungsstörung korreliert. Bereits Ende der 50er Jahre beobach­ teten Campbell und Mitarbeiter eine Verschlech­ terung der Oxigenierung während der Narkose, so dass später die intraoperative Beatmung mit FiO2 > 0,3 empfohlen wurde. Die Abnahme des paO2 war umso ausgeprägter, je kleiner die Ti­ dalvolumina waren. Diese Erkenntnis führte zu der aus heutiger Sicht fatalen Empfehlung, mit niedrigen Atemfrequenzen und hohen Tidal­ volumina zu beatmen. Bendixen und Mitarbei­ ter vermuteten bereits Anfang der 60er Jahre Atelektasen als Ursache der intraoperativen Gas­ austauschstörung und empfahlen daher Bläh­ manöver der Lungen mit Atemwegsdrücken zwischen 20 und 40 mbar für 10 – 15 Sekunden. Durch diese Maßnahme konnten sie schlagartig eine weitgehende Normalisierung des Gasaus­ tausches und eine Zunahme der Compliance er­ reichen, so dass sie ihre Theorie bestätigt sahen.

Gängigen Literaturempfehlungen zufolge kann der Ventilationsbedarf des Patienten in Narkose in einfacher Weise anhand seines Körpergewichts abgeschätzt werden: Danach beträgt das einzustellende Atemminutenvolumen (in Litern) etwa 10 % des Körpergewichts in kg, wobei Beatmungsfrequenzen zwischen 10 und 15/min empfohlen werden. Selbst unter der Annahme, dass ein ideales Körpergewicht zugrunde gelegt wird, könnten auf der Basis dieser Berechnungsgrundlage im Einzelfall Tidalvolumina resultieren, die unter ▶ lungenprotektiven Aspekten zu hoch wären. Bislang ist jedoch strittig, ob die Empfehlungen zur lungenprotektiven Beatmung in der Intensivmedizin auch im Rahmen der Narkosebeatmung umgesetzt werden sollten, denn wahrscheinlich tolerieren lungengesunde Patienten kurzzeitig auch höhere Tidalvolumina. Nicht ausgeschlossen ist allerdings, dass hierdurch Schädigungen in der gesunden Lunge verursacht werden, die erst später, z. B. im Rahmen einer intensivmedizinischen Weiterbehandlung, evident werden. Für Patienten mit pulmonalen Vorschädigungen gelten die Empfehlungen der lungenprotektiven Beatmung dagegen auch im Rahmen der Narkosebeatmung uneingeschränkt. Idealerweise sollen die Tidalvolumina so gewählt werden, dass die Elastizitätsgrenze der Lunge nicht überschritten wird. Zielparameter bei der Einstellung der maschinellen Gesamtventilation ist also das Tidalvolumen V T: Die Höhe orientiert sich am idealen Körpergewicht (IBW) des Patienten, wobei eine initiale V T-Einstellung von etwa 6 – 8 ml/kg KG bei Beatmungsfrequenzen zwischen 12 und 16 bpm bei Erwachsenen zugrunde gelegt wird. Bei Kindern und Säuglingen variieren die Beatmungsfrequenzen altersabhängig zwischen 20 und 60 bpm.

11.11 Narkosebeatmung

Hinweis Die primäre Einstellung des Tidalvolumens ist bei druckkontrollierten Beatmungsverfahren nicht möglich, da die Volumina von der Compli­ ance und Resistance des beatmeten Systems so­ wie der Differenz zwischen Inspirations­ und Ex­ spirationsdruck („driving pressure“) abhängen. Ein gesunder, spontan atmender Erwachsener weist im Sitzen oder Stehen eine respiratorische Compliance von ca. 100 ml/mbar auf, ein Neuge­ borenes dagegen nur etwa 5 ml/mbar. Bezogen auf das Körpergewicht beträgt die Compliance dagegen jeweils etwa 1,2–1,5 ml/mbar/kg KG, so dass bei einem angestrebten Tidalvolumen von ca. 6 ml/kg unabhängig vom Lebensalter ein „driving pressure“ von ca. 5 mbar einge­ stellt werden müsste. Dieser Wert erweist sich in praxi allerdings als deutlich zu niedrig, da die Compliance eines narkotisierten Menschen in Rückenlage um etwa 30 – 50 % abnimmt. Tat­ sächlich sollte deshalb bei der druckkontrol­ lierten Beatmung initial ein Differenzdruck von etwa 10 mbar – unabhängig vom Lebensalter – eingestellt werden. Die Nachjustierung erfolgt anhand der resultierenden Tidalvolumina sowie der exspiratorischen CO2­Werte.

Merke Die Grundsätze der lungenprotektiven Beat­ mung gelten auch für die unkomplizierte Narko­ sebeatmung lungengesunder Patienten. Das Atemzeitverhältnis wird in der Regel zwischen 1:2 und 1:1.5 eingestellt. Die Verlängerung der Inspirationszeit ist bei der Beatmung lungengesunder Patienten in der Regel nicht indiziert. Neben primär pulmonal bedingten exspiratorischen Flowbehinderungen (Bronchospastik, Sekret in den Atemwegen) können gelegentlich auch operations- oder lagerungsbedingte Flowlimitierungen zu ▶ intrinsic-PEEP-Phänomenen führen, die eine Verlängerung der Exspirationszeit erfordern. Entsprechende Informationen vermittelt ▶ die Flow-Zeit-Kurve auf dem Display des Respirators.

Merke Die Flow­Zeit­Kurve gibt wertvolle Hinweise bei der Einstellung der Beatmungsparameter. Tab. 11.4 fasst die initiale Beatmungseinstellung für Erwachsene und Kinder zusammen. Die weitere Anpassung der gewählten Beatmungseinstellung erfolgt in erster Linie mithilfe der Pulsoximetrie und Kapnometrie: Die inspiratorische Sauerstoffkonzentration sollte (mit Ausnahme von sehr unreifen Frühgeborenen) mindestens so hoch gewählt werden, dass eine SaO2 > 95 % resultiert. Dafür ist auch bei lungengesunden Patienten ein FiO2 von etwa 0,3 erforderlich. Die alveoläre Ventilation wird mithilfe der Kapnometrie abgeschätzt. Das Ziel der Normoventilation wird bei den meisten Patienten mit endtidalen CO2-Werten zwischen 30 und 35 mmHg erreicht. Merke Zielgrößen der Beatmungseinstellung sind eine pulsoximetrische SpO2 > 95 % und ein endtidales CO2 zwischen 30 und 35 mmHg.

Tabelle 11.4 Initiale Einstellung der Beatmungs­ parameter. Jugendliche und Erwachsene

Säuglinge und Kinder

Modus

volumenkont­ rolliert

druckkontrolliert

Beatmungs­ frequenz

15/min

15 – 35 (je nach Lebensalter)

Tidalvolumen

6 ml/kg KG (ideal)

entfällt

Atemzeitver­ hältnis

1:1 – 1:2

1:1 – 1:2

Inspirations­ druck

entfällt

12 – 20 mbar

PEEP

5 – 10 mbar

3 – 5 mbar

FiO2

0,3 – 0,5

0,2 – 0,5

357

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 11 1

358

11 Narkoseapparate und ­systeme, Narkosebeatmung

■ PEEP – ein „Muss“ bei jedem Patienten?

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 11 1

Die narkosebedingten Veränderungen des pulmonalen Gasaustauschs legen den Schluss nahe, dass die Einstellung eines PEEP bei allen Patienten längst zum Standard bei der intraoperativen Beatmung gehört, zumal der Oxigenierungsstörung pathophysiologisch ein ähnlicher Mechanismus wie beim akuten Lungenversagen zugrunde liegt, nämlich ein erhöhter intrapulmonaler Shunt als Folge von Atelektasen. Im Gegensatz zur Langzeitbeatmung ist der Stellenwert von PEEP in der intraoperative Narkosebeatmung primär lungengesunder Patienten jedoch immer noch unklar, da klinische Untersuchungen die Überlegenheit der PEEP-Beatmung bislang nicht belegen konnten. Allerdings mehren sich in jüngster Zeit Empfehlungen, auch während der Narkosebeatmung (zumindest bei intubierten Patienten) generell einen PEEP von 5 – 10 mbar einzustellen, da lungenprotektive Beatmung mit niedrigen Tidalvolumina bekanntermaßen die Entwicklung von Atelektasen begünstigt. Beachte Kontraindikationen gegen die intraoperative Anwendung moderater PEEP­Werte zwischen 5 und 10 mbar bei intubierten Patienten sind eher theoretischer Natur. Kreislaufdepressionen durch die intrathorakale Druckerhöhung mit Abnahme der kardialen Vorlast sind intraopera­ tiv klinisch kaum relevant und lassen sich durch entsprechend Volumengabe und/oder Vaso­ pressoren gut therapieren. Generell sollten alle Patienten mit einem akuten hypoxämischen Lungenversagen, die sich einer Operation unterziehen müssen, intraoperativ nach ▶ lungenprotektiven Grundsätzen beatmet werden. Fester Bestandteil der intraoperativen Beatmungsstrategie sollte neben der Beatmung mit kleinen Tidalvolumina selbstverständlich auch die Einstellung eines adäquaten PEEP-Wertes sein. Kommt es bei primär lungengesunden Patienten intraoperativ zu einer progredienten Verschlechterung des Gasaustauschs, muss immer an einen großflächigen Kollaps basaler Lungenabschnitte gedacht werden. Nach Ausschluss anderer möglicher Ursachen, wie z. B. eine einseitige Intubation oder ein Pneumothorax nach Venenkatheter-

anlage, sollte ein PEEP eingestellt werden bzw. der PEEP-Wert unter Kontrolle der gasaustauschenden Parameter erhöht werden. Adipöse Patienten weisen nach Narkoseeinleitung einen signifikant schlechteren Gasaustausch und mehr Atelektasen auf als Normalgewichtige. Während sich die Atelektasen in der Regel postoperativ schnell zurückbilden, sind sie bei stark übergewichtigen Patienten auch 24 Stunden nach der Extubation noch nachweisbar. Es konnte weiterhin gezeigt werden, dass die intraoperative Einstellung von PEEP-Werten um 10 mbar bei diesen Patienten zu einer signifikanten Verbesserung der Oxigenierung durch alveoläres Rekruitment führte. Diese Befunde haben sehr wahrscheinlich auch bei Patienten mit erhöhtem intraabdominellem Druck Gültigkeit. Merke Intraoperative Beatmung mit PEEP wird empfoh­ len bei Adipositas, erhöhtem intraabdominel­ lem Druck, vorbestehendem akutem hypoxä­ mischem Lungenversagen und progredienter intraoperativer Verschlechterung des Gasaus­ tausches. Ob die Anwendung eines moderaten PEEP von 3–5 mbar auch bei Säuglingen und Kleinkindern generell befürwortet werden sollte, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt aufgrund widersprüchlicher Daten nicht abschließend beantwortet werden. Aus lungenphysiologischer Sicht erscheint ein PEEP jedoch sinnvoll: Säuglinge und Kleinkinder neigen wegen ihres hohen Sauerstoffverbrauchs zur Ausbildung von ▶ Resorptionsatelektasen, zumal die radiären Zugkräfte, welche die kleinen Atemwege besonders während der Exspiration offenhalten, bei Säuglingen und Kleinkindern durch das noch unvollständig ausgebildete System der elastischen Fasern in der Lunge gering sind.

■ Rekruitmentmanöver Tritt während der Allgemeinnarkose eine ausgeprägte und progrediente Verschlechterung des Gasaustausches auf, kann nach Ausschluss anderer Ursachen die Durchführung eines Rekruitmentmanövers indiziert sein. Die erforderlichen Drücke zur Wiedereröffnung von Atelektasen betragen bei

11.11 Narkosebeatmung

geschlossenem Thorax etwa 40 mbar. Um eine annähernd vollständige Rekrutierung kollabierter Alveolen zu erreichen, sollte daher ein Blähmanöver mit einem Atemwegsdruck von ca. 40 mbar für ca. 7–10 Sekunden durchgeführt werden (Abb. 11.27 und 11.28). Längere Blähmanöver führen nur zu unwesentlich besseren Rekrutierungseffekten, verstärken jedoch die unerwünschten Nebenwirkungen wie Blutdruckabfälle und bradykarde

Atelektasen (cm2)

25

20

15

10

5

0 0

10

20

30

40

Atemwegsdruck (cm H2O)

Abb. 11.27 Einfluss des Atemwegsdruckes auf die alveoläre Rekrutierung. Atemwegsdrücke von ca. 20 mbar führen bei Erwachsenen nur noch zu geringen Rekrutierungseffekten. Für eine annähernd vollständige Rekrutierung intraoperativer Atelekta­ sen sind Atemwegsdrücke um 40 mbar erforderlich (mod. nach Rothen et al. 1993)

Atelektasen (cm2)

6 5 4 3 2 1 0 0

5

10

15

20

25

Zeit nach Beginn des Rekrutierungsmanövers (s)

Abb. 11.28 Dynamik von alveolärem Rekruitment. Alveoläres Rekruitment folgt einer exponentiellen Kinetik. Eine annähernd vollständige Rekrutierung intraoperativer Atelektasen erfordert bei Erwachse­ nen die Aufrechterhaltung von Atemwegsdrücken um 40 mbar für 7–10 Sekunden (mod. nach Rothen et al. 1999).

Herzrhythmusstörungen. Normovolämie ist daher eine unbedingte Voraussetzung für die Durchführung eines Rekrutierungsmanövers. Ob Rekrutierungsmanöver bei Kindern im Fall von klinisch relevanten, intraoperativ aufgetretenen Atelektasen durchgeführt werden sollten, ist bislang ungeklärt. In jedem Fall kann davon ausgegangen werden, dass im Säuglings- und Kleinkindesalter deutlich geringere Atemwegsdrücke zur Rekrutierung von Atelektasen ausreichen, da aufgrund des vergleichsweise elastischen Thorax bei Kindern ein höherer transpulmonaler Druck erzielt wird als bei Erwachsenen. Sekundäre Lungenschäden als Folge einer Überdehnung der Lunge und der dadurch bedingten Freisetzung inflammatorischer Zytokine (▶ Volutrauma) sind bei der Durchführung eines einmaligen und kurzdauernden Rekrutierungsmanövers nicht zu erwarten. Da für die Rekrutierung von Atelektasen der transpulmonale Druck und nicht der Atemwegsdruck entscheidend ist, sollte bei Patienten mit eröffnetem Thorax sowie bei Kindern (hohe Thoraxwandcompliance) der Druck während des Blähmanövers reduziert werden. Nach dem Blähmanöver ist Anpassung des PEEP-Niveaus sinnvoll, um einem erneuten Alveolarkollaps vorzubeugen.

11.11.4 Anästhesierelevante Besonderheiten bei Kleinkindern und Säuglingen Bei Neugeborenen und Säuglingen sind respiratorische Komplikationen während der Narkose häufig, sie nehmen mit zunehmendem Lebensalter ab. Ursächlich sind spezifische Besonderheiten der Lungenfunktion und des Stoffwechsels im Säuglings- und Kleinkindesalter. So ist der Sauerstoffverbrauch des Neugeborenen mit etwa 6 ml/kg/ min zwar ungefähr doppelt so hoch wie der des Erwachsenen (~ 3 ml/kg/min), das endexspiratorische Lungenvolumen (≅ FRC) als der einzige nennenswerte Sauerstoffspeicher des Körpers ist mit etwa 30 ml/kg jedoch vergleichbar groß (Tab. 11.5). Dieser Aspekt ist für die Narkose überaus bedeutsam, da er in unmittelbarem Zusammenhang zur Apnoetoleranz – die Zeitdauer bis zum Abfall der Sauerstoffsättigung unter 90 % – steht: Bei optimaler Präoxigenierung beträgt die Apnoetoleranz eines Erwachsenen rechnerisch etwa 10 Minuten (in

359

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 11 1

360

1 1 1

11 Narkoseapparate und ­systeme, Narkosebeatmung

Tabelle 11.5 Tabelle Physiologische Veränderungen bis zum Erwachsenenalter. Ventilationsparameter

Frühgeborene

Neugeborene

Erwachsene

O2­Verbrauch [ml/kg/min]

8–10

6–8

~3

FRC [ml/kg]

20–30

~30

~30

Tidalvolumen [ml/kg Idealge­ wicht]

6

6

6

Atemfrequenz [min–1]

40–60

30–40

14–18

1 1 1 1 1 1 1 11 1

praxi ca. 6–8 Minuten), bei einem Säugling dagegen theoretisch nur noch 5 Minuten (in praxi etwa 2–3 Minuten). Die Gefahr einer Hypoxämie, z. B. im Rahmen der Einleitung/Intubation, ist daher bei Säuglingen und Kleinkindern wesentlich größer als bei Jugendlichen und Erwachsenen. Merke Säuglinge und Kleinkinder besitzen ein erhöhtes Hypoxämierisiko durch das ungünstige Verhält­ nis zwischen Sauerstoffverbrauch und FRC.

Parallel zum erhöhten O2-Verbrauch ist auch die CO2-Produktion – bezogen auf das Körpergewicht – bei Säuglingen und Kleinkindern größer als bei Erwachsenen, so dass die alveoläre Ventilation zur Aufrechterhaltung einer Normokapnie höher ist. Die höhere alveoläre Ventilation wird durch eine höhere Atemfrequenz erzielt, die bei Frühgeborenen bis zu 60 Atemzüge/min betragen kann und bis auf 14–18 Atemzüge/min im Erwachsenenalter abfällt. Dabei bleibt der Totraum mit etwa 2 ml/kg annähernd konstant. Unabhängig vom Lebensalter beträgt das Tidalvolumen unter Spontanatmung ungefähr 6 ml/kg Idealgewicht.

11.12 Anhang: Prüfung des Narkosegerätes auf Betriebsbereitschaft und Funktionssicherheit Nach § 6 Abs. 1 MPBetreibV sind in Verbindung mit § 15 Nr. 6 MPBetreibV regelmäßig sicherheitstechnische Kontrollen (STK) der Narkosegeräte durchzuführen und zu dokumentieren. Deren Umfang und Fristen werden in der Regel durch den Hersteller festgelegt und durch technisches Fachpersonal durchgeführt. Die Prüfung des ordnungsgemäßen Zustands des Gerätes vor seiner Anwendung am Patienten wird in § 2 Abs. 5 MPBetreibV (Medizinproduktebetreiberverordnung) verbindlich vorgeschrieben. Die routinemäßige Prüfung anhand von Checklisten und die Dokumentation dieses Prüfvorgangs tragen zur Risikominimierung von Narkosen bei und sind für die Verantwortungszuweisung bei technischen Zwischenfällen von herausragender rechtlicher Bedeutung. Diese Prüfungen müssen den in der Gebrauchsanweisung festgelegten Angaben des Herstellers entsprechen und können sowohl anhand einer herstellerspezifischen als auch einer herstellerunabhängigen Checkliste durchgeführt werden. Zur Verbesserung der Anwendungssicherheit medizinisch-technischer Geräte hat die sicherheitstechnische Kommission der DGAI im Jahre 2006 eine hierarchisch gestufte Abfolge von Funktionsprüfungen und deren Dokumentation vorgeschlagen: ● Prüfung auf ordnungsgemäßen Zustand und Funktionsfähigkeit vor geplantem Betrieb (Gerätecheck A), ● Prüfung auf ordnungsgemäßen Zustand und Funktionsfähigkeit bei Patientenwechsel (Gerätecheck W), ● Prüfung auf ordnungsgemäßen Zustand und Funktionsfähigkeit bei notfallmäßiger Inbetriebnahme (Gerätecheck N). Die technische Kommission empfiehlt, den Gerätecheck A (Abb. 11.29) auch nach jeder Aufbereitung am Ende des Routineprogramms, nach Aufrüstung des Gerätes im Anschluss an die regelmäßig durchzuführenden Aufbereitungsroutinen, nach technischen Instandhaltungsmaßnahmen (Inspektion, Wartung und Reparatur) und weiterhin auch bei Narkosegeräten durchzuführen, die in selten

11.12 Anhang: Prüfung des Narkosegerätes auf Betriebsbereitschaft und Funktionssicherheit

Funktionsprüfung des Narkosegerätes am Anästhesiearbeitsplatz nach Checkliste (Gerätecheck A) Vorbereitung zum Gerätecheck: � Sichtprüfung auf ordnungsgemäßen Zustand des Gerätes: korrekter und vollständiger Aufbau, hygienische Sauberkeit, keine erkennbaren äußeren Schäden, Verwendung von geeignetem Zubehör, Prüfsiegel regelmäßiger technischer Kontrollen. � Überprüfung auf Vorhandensein und Funktionsprüfung eines separaten Handbeatmungsbeutels � Anschluss an die Stromversorgung � Anschluss an die Gasversorgung � Anschluss an die Anästhesiegasfortleitung � ggfls. Überprüfung der Reservedruckgasbehälter � Überprüfung des korrekten Anschlusses der Probengasleitung � Einschalten von Narkosegerät (ggfls. aller Einzelmodule) und Monitorsystemen � Überprüfung der Funktion des O2-Flushs � Überprüfung des/der Verdampfer(s) (Füllzustand, korrekter Sitz, Nullstellung, ggfls. elektrischer Anschluss) � Überprüfung des CO2-Absorbers (Befülldatum, Farbveränderungen) Durchführung des automatischen Gerätechecks mit korrekter Befolgung der geforderten manuellen Prüfschritte: � Start der Selbsttests von Narkose- und Überwachungsgeräten, nach deren Abschluss: Überprüfung der Testergebnisse oder Durchführung des manuellen Gerätechecks entsprechend den Detailangaben der jeweiligen gerätespezifischen Gebrauchsanweisung: � Überprüfung der Gasdosiereinrichtung (Gasflüsse nach völligem Öffnen der Dosierventile) � ggfls. Überprüfung der Sauerstoffverhältnisregelung � Überprüfung des korrekten Anschlusses der Schläuche des Atemsystems und der Handbeatmung � Überprüfung der Dichtigkeit des Atemsystems (Leck ≤ 150 mL bei 3 kPa (30 mbar)) � Überprüfung der Funktion von Ein- und Ausatemventil und der Handbeatmung mit einer Testlunge � Überprüfung der Funktion des Druckbegrenzungs(APL)-Ventils und seiner POP-OFF-Funktion � Funktionsprüfung des Ventilator-Moduls (Dichtigkeit und Maximaldruck) � Überprüfung der Einstellung des Ventilator-Moduls (abteilungsinterne Standardwerte) � ggfls. Kalibrierung des Gasmonitoring (O2, CO2, Inhalationsanästhetika) � Überprüfung der Alarmgrenzwerteinstellung � Überprüfung der Sekretabsaugung (Zustand, Funktion) Datum:

Gerät:

Saal:

Unterschrift:

Abb. 11.29 Geräteunabhängige Checkliste A nach den Empfehlungen der Kommission für Normung und technische Sicherheit der DGAI.

genutzten Funktionsbereichen bereitstehen und nicht routinemäßig eingesetzt werden. Es ist zudem sicherzustellen, dass jedes Narkosegerät zumindest einmal wöchentlich entsprechend den Vorgaben des Gerätechecks A überprüft wird. Nur so kann gewährleistet werden, dass an allen Anästhesiearbeitsplätzen funktionsfähige Geräte in ordnungsgemäßem Zustand bereitgestellt werden. Die Überprüfung der Betriebssicherheit eines Narkosegerätes sollte mit der Sichtprüfung auf ordnungsgemäßen Zustand des Gerätes beginnen. An jedem Anästhesie-Arbeitsplatz muss ein Hand-

beatmungsbeutel vorhanden sein, dessen Funktion und korrekter Zusammenbau zu kontrollieren ist. Danach erfolgt die Überprüfung der Stromund Gasversorgung. Die Befüllung der Reservoirflaschen wird durch Öffnen der Flaschenventile überprüft, der Binnendruck der Flaschen sollte bei Sauerstoff ≥ 5 MPa (50 bar), bei Lachgas ≥ 3 MPa (30 bar) betragen. Der korrekte Sitz der Stecker zur zentralen Gasversorgungsanlage wird überprüft; der Versorgungsdruck für Luft, O2 und N2O kann an den geräteseitigen Manometern abgelesen werden und muss für alle Gase gleicher-

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1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 11 1

11 Narkoseapparate und ­systeme, Narkosebeatmung

maßen 500 kPa (5 bar) betragen. Wird der Stecker des Sauerstoffschlauchs aus der Buchse zur zentralen Gasversorgungsanlage herausgezogen und die Feinnadelventile für O2 und N2O an der Gasdosiereinrichtung geöffnet, so muss nach kurzer Zeit ein akustisches Warnsignal ertönen (▶ Sauerstoffmangelsignal) und der Lachgasfluss auf den Wert 0 abfallen (▶ Lachgassperre). Es folgt die Überprüfung der ▶ Gasdosiereinrichtung: Die Feinnadelventile werden geöffnet und beobachtet, ob ein Gasfluss angezeigt und der maximale Gasfluss erreicht wird. Bei Schließen des Sauerstoffventils muss bei korrekter Funktion der ▶ Sauerstoffverhältnisregelung auch der Lachgasstrom auf 0 l/min abfallen. Bei Betätigung der ▶ Flush-Taste muss ein hoher O2-Fluss in das Atemsystem abgegeben werden. Es folgt die Überprüfung des Moduls zur ▶ Anästhesiegasdosierung: Das gewünschte Anästhetikum muss am Gerät zur Verfügung stehen, der Füllungszustand des Reservoirs und der korrekte Verschluss der Befülleinrichtung überprüft werden. Beim Einsatz konventioneller Verdunster ist zu kontrollieren, ob diese korrekt auf dem Stecksystem angebracht und das Einstellelement in Nullstellung arretiert ist. Alle Schlauchverbindungen des ▶ Narkosesystems sind auf korrekte Anbringung und dichten Sitz zu überprüfen. Weiterhin ist das Vorhandensein von Atembeutel, Absorber, Messanschlüssen, in- und exspiratorischem Ventilteller, Frischgasschlauch und Probengasrückführung zu kontrollieren. Die Dichtigkeitsüberprüfung muss entsprechend den Herstellerangaben durchgeführt werden. Der ▶ Absorberkanister muss mit Atemkalk befüllt sein, der Atemkalk ist auf etwaigen Farbumschlag zu überprüfen und das Befülldatum zu kontrollieren, das auf dem Absorbergehäuse vermerkt sein sollte. Der Ventilator muss eingeschaltet und durch Verschluss des Patientenschlauchsystems kontrolliert werden, ob sich der zur Beatmung erforderliche Überdruck aufbaut. Die Sekretabsaugung wird auf korrekten Zusammenbau überprüft und dann eingeschaltet. Bei Einstellung der maximalen Saugleistung sollte bei Verschluss des Absaugschlauches ein Unterdruck von mindestens –80 kPa (–0,8 bar) erreicht werden. Beim ▶ Anästhesiegas-Fortleitungssystem wird zuerst der korrekte Sitz der Schlauchverbindungen

am Gerät, dann der korrekte Sitz der Steckkupplung in der Wandsteckdose überprüft. Die Monitorsysteme müssen, wenn erforderlich, vor Einsatz des Gerätes am Patienten kalibriert werden, die Alarmfunktionen ausgelöst und die korrekte Einstellung der Standardalarmgrenzen überprüft werden. Die Überprüfung der Dichtigkeit von Atemsystem und Ventilator, der Funktion der Ventile und der Monitorfunktionen läuft bei den Narkosegeräten der neueren Generation automatisch in elektronisch gesteuerten Selbsttestsequenzen ab. Hinweis Der Anästhesist kann die Überprüfungen anhand der Checkliste A an anästhesiologisches Fachpfle­ gepersonal delegieren. Die Dokumentation der sorgfältigen Geräteüberprüfung auf einer Check­ liste ist im Komplikationsfall von großem Vorteil. Zu den genuinen Aufgaben des Anästhesisten und damit nicht delegierbar sind nach Auffassung der DGAI-Kommission Funktionsprüfungen des Narkosegerätes am Anästhesiearbeitsplatz vor oder bei Patientenwechsel im laufenden Betrieb (Gerätecheck W) (Abb. 11.30). Ist die schnelle Inbetriebnahme eines Narkosegerätes, z. B. in Notfallsituationen außerhalb der Dienstzeiten oder in einem selten genutzten Funktionsbereich erforderlich, kann die routinemäßige Überprüfung des Geräts anhand der Checkliste A zu aufwändig sein. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass sich das Narkosegerät in ordnungsgemäßem, funktionsfähigem Zustand befindet, sofern die Funktionen routinemäßig nach Gerätecheck A überprüft und dokumentiert wurden. Dennoch kann nie ausgeschlossen werden, dass zwischenzeitlich unsachgemäß am Gerät manipuliert wurde oder einzelne technische Funktionen ausgefallen sind. Bei unmittelbarer drohender vitaler Gefährdung eines Patienten steht daher die Überprüfung zweier Funktionen des Narkosegerätes ganz im Vordergrund: die gesicherte Zufuhr von Sauerstoff und die sichere Möglichkeit der Beatmung. Die Überprüfung der Geräte- und insbesondere der Sauerstofffunktion erfolgt lediglich orientierend anhand einfach zu überprüfender Parameter anhand der Checkliste N (Abb. 11.31). Bei jeder im Verlauf auftretenden Zyanose unklarer Ursache ist daher immer auch an die Möglichkeit

11.12 Anhang: Prüfung des Narkosegerätes auf Betriebsbereitschaft und Funktionssicherheit

Funktionsprüfung des Narkosegerätes am Anästhesiearbeitsplatz vor/bei Patientenwechsel im laufenden Betrieb (Gerätecheck W) Der Gerätecheck W ist zwischen aufeinanderfolgenden Narkosen durchzuführen, eine Dokumentation nicht erforderlich. � Sichtprüfung auf ordnungsgemäßen Zustand des Gerätes � Sichtprüfung des/der Verdampfer(s) (3) � Sichtprüfung des CO2-Absorbers � ggfls. Wasserkondensat aus Atemschläuchen und Wasserfallen entleeren � Überprüfung, ggfls. Leerung und Säuberung der Sekretabsaugung (Zustand, Funktion) Teil der Funktionsprüfung, die bei/vor Anschluss eines jeden Patienten an ein Narkosegerät genuine Aufgabe des Anästhesisten ist: � Überprüfung der Gasdosiereinrichtung � Überprüfung des korrekten Anschlusses der Schläuche des Atemsystems und der Handbeatmung � Überprüfung der Dichtigkeit des Atemsystems � Überprüfung der Funktion von Ein- und Ausatemventil und der Handbeatmung � Überprüfung der Funktion des Druckbegrenzungs(APL)-Ventils � Funktionsprüfung des Ventilatormoduls � Überprüfung der Einstellung des Ventilatormoduls

Abb. 11.30 Geräteunabhängige Checkliste W nach den Empfehlungen der Kommission für Normung und technische Sicherheit der DGAI.

Funktionsprüfung des Narkosegerätes am Anästhesiearbeitsplatz im Notfall (Gerätecheck N) Der Gerätecheck N stellt im Notfall sicher, dass ein Patient mit Sauerstoff versorgt und zumindest manuell beatmet werden kann. Die Verantwortung für die Durchführung des Gerätechecks N ist nicht delegierbar. � Anschluss an Gas- und Stromversorgung � Einschalten des Narkose- und der Überwachungsgeräte, ggfls. Selbsttests abbrechen � Narkosegerät im Funktionsmodus „Manuell/Spontan“? � Öffnen nur des Sauerstoffventils, O2-Flow mindestens 4 L/min � APL-Ventil zur Drucküberprüfung auf 40–50 mbar einstellen � orientierende Dichtigkeitsprüfung: Verschluss des Y-Stücks und Kompression des Handbeatmungsbeutels: Druckaufbau gelingt � Y-Stück öffnen: Gas muss abströmen � Konnektion des Patienten an das Atemsystem, manuelle Beatmung muss erkennbar möglich sein: Thoraxbewegungen, Auskultationen der Lungen � Wann immer die Beatmung nicht sicher möglich ist: separaten Handbeatmungsbeutel einsetzen. � frühestmöglicher Anschluss des Patienten an das Monitoring � Umschalten auf maschinelle Beatmung erst dann, wenn O2-, CO2- und Atemwegsdruckmessung verfügbar sind, Diskonnektions- und Stenosealarm einstellen � Wenn die maschinelle Beatmung nicht sicher möglich ist: sofortige Rückkehr zum manuellen Beatmungsmodus. Erst bei gesichertem Betrieb: � Anschluss des Gerätes an die Narkosegasfortleitung � Befüllen des Absorberkanisters mit Atemkalk

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1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 11

Abb. 11.31 Geräteunabhängige Checkliste N nach den Empfehlungen der Kommission für Normung und technische Sicherheit der DGAI.

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11 Narkoseapparate und ­systeme, Narkosebeatmung

zu denken, dass dem Patienten ein hypoxisches Gasgemisch zugeführt wird. Eine probatorische Diskonnektion vom Narkosegerät und Beatmung mit dem separaten Handbeatmungsbeutel wird in dieser Situation empfohlen. Dabei kann entweder mit Raumluft oder unter Sauerstoffzusatz aus einer separaten Sauerstoffflasche beatmet werden. Wurde das Narkosegerät mit unbefülltem Atemkalkbehälter betriebsbereit bereitgestellt und lässt die Dringlichkeit der Inbetriebnahme eine Atemkalkbefüllung nicht zu, empfiehlt die Kommission, mit einem Frischgasfluss von zumindest 4–6 l/min zu arbeiten, bis die Befüllung erfolgen kann.

1 11.13 Weiterführende Literatur

1 1 1 1 1 1 11 1

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11 Narkoseapparate und ­systeme, Narkosebeatmung

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367

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12 Beatmung und Analgosedierung

1

Jörg Rathgeber

2 Die Analgosedierung des Intensivpatienten soll idealerweise nicht nur Schmerzfreiheit garantieren, sondern darüber hinaus anxiolytisch wirksam sein, zur Stressreduktion beitragen, ausreichenden und erholsamen Nachtschlaf gewährleisten und eine Amnesie erzeugen (Abb. 12.1). Viele therapeutische und pflegerische Maßnahmen werden durch eine ausreichende Analgosedierung überhaupt erst möglich. Da die Kommunikationsfähigkeit vor allem von beatmeten Patienten erheblich eingeschränkt ist, kann eine ausreichende Toleranz von Tubus und Respirator oftmals nur durch sedierende Medikamente sichergestellt werden. Nicht zuletzt führen Schmerzen und Angst zur Steigerung des O2-Bedarfs, zu erhöhter kardiozirkulatorischer Belastung und möglicherweise auch zur Suppression des Immunsystems. Merke Adäquate Analgosedierung ist bei intensivme­ dizinischen Patienten nicht nur ein Gebot der Menschlichkeit, sondern auch eine medizinische Notwendigkeit.

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schnellen Wirkungseintritt, gute Steuerbarkeit, keine Kumulation, keine Bildung aktiver Metaboliten, keine Beeinträchtigung von Atmung und Kreislauf, keine Veränderung der Metabolisierung bei Leber- und NiereninsufÏzienz, keine Interaktion mit anderen Medikamenten, keine Beeinträchtigung der gastrointestinalen Motilität, fehlende Toxizität, sichere und einfache Anwendung,

Keine der zurzeit verfügbaren Substanzen erfüllt diese Forderungen in idealer Weise. Alle Sedativa und Analgetika verursachen in unterschiedlicher Weise unerwünschte Nebenwirkungen, die im Einzelfall berücksichtigt werden müssen. So vermindern alle Opioide und Sedativa dosisabhängig den

2 2 2 2 2 2

Sedierung

Trotz dieses allgemein akzeptierten Standpunktes besteht derzeit weder bei den Intensivmedizinern noch beim Pflegepersonal ein breiter Konsens, wie und mit welchen Substanzen dieser Zustand am besten herzustellen bzw. im Verlauf der intensivmedizinischen Behandlung aufrecht zu erhalten ist. Evidenzbasierte Daten zum Einsatz der zahlreichen verfügbaren Sedativa und Analgetika bei kritisch kranken Patienten liegen bisher kaum vor, was nicht zuletzt auf die Unterschiedlichkeit intensivmedizinischer Krankheitsbilder und -verläufe zurückzuführen ist. Generell sollten Analgetika und Sedativa für den Einsatz bei intubierten und beatmeten Patienten folgendes Wirkprofil aufweisen:

2

Analgesie Anxiolyse

2

Amnesie

Stressreduktion

Nachtschlaf

2

Toleranz von Tubus, Beatmung ...

12 Abb. 12.1 Ziele der Analgosedierung.

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12 Beatmung und Analgosedierung

Atemantrieb. Gleichzeitig nimmt der Hustenstoß ab, so dass über die Reduktion der bronchialen Clearance-Funktion das Risiko sekundärer pulmonaler Infektionen steigt. Durch die Beeinflussung der Bewusstseinslage werden die Kommunikation mit dem Patienten sowie die Beurteilung seines neurologischen Status beeinträchtigt. Tiefe Analgosedierung erschwert die Mobilisation des Patienten, was wiederum die Entstehung pulmonaler Komplikationen begünstigt und damit die Verlängerung der maschinellen Beatmung erfordert. Klinisch bedeutsam ist auch die dosisabhängige Störung der Darmmotilität, vor allem durch Analgetika vom Opioidtyp. Der Aufbau der enteralen Ernährung wird verzögert, wenn nicht gar unmöglich gemacht (Tab. 12.1). So ist bekannt, dass die Darmwand schon vor einem manifesten paralytischen Ileus durch Atonie, nicht ausreichende Perfusion und fehlende Stimulation durch enterale Ernährung durchlässiger wird für biogene Amine, Endotoxine und Bakterien. Die gestörte Funktion des Gastrointestinaltrakts mit Einschränkung der Darmmotilität gilt daher auch als „Motor des Multiorganversagens“.

Tabelle 12.1 sedierung

Auswirkungen inadäquater Analgo­

Zu wenig Analgosedierung

Zu viel Analgosedierung

Schmerz

Koma

Angst

Atemdepression

Stress

Beeinträchtigung der bronchialen Clearance

Unruhe, Schwitzen

erschwerte Mobili­ sation

Hypertonie, Tachykardie

Hypotonie, Bradykardie

Hypoxie, Hyperkapnie

Ileus

unzureichende Toleranz von Tubus und Beatmung

Immunsupression

Durchgangssymptomatik

Verschleierung von Komplikationen Toleranz, Gewöhnung

12.1

Sedierungs-Scores

Die regelmäßige Beurteilung des angestrebten Sedierungsgrades erleichtert die Dosierung von Sedativa, wobei die Sedierungstiefe primär von der Erkrankung des Patienten und seinem aktuellen Zustand sowie den notwendigen diagnostischen und therapeutischen Interventionen abhängt. Angestrebt wird ein ruhiger, leicht erweckbarer Patient, der kooperativ, orientiert und frei von Schmerzempfindungen, Angst und Stress ist. Tiefere Sedierungsgrade sind zumeist nicht erforderlich und sollten nach Möglichkeit vermieden werden. Grundsätzlich sollten sich die diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen und damit auch der Sedierungsgrad am physiologischen Tag-NachtRhythmus orientieren. Merke Der Patient soll kooperativ und frei von Schmerz, Angst und Stress sein.

Nach übereinstimmender Meinung sollte das schriftlich fixierte Sedierungskonzept hinsichtlich seiner Effektivität regelmäßig und in engen zeitlichen Abständen überprüft und an die Bedürfnisse des Patienten angepasst werden, um Über- bzw. Unterdosierungen zu vermeiden. Bewährt hat sich die Verwendung von Scoring-Systemen, da sie die Beschreibung des Sedierungsgrades anhand definierter Kategorien erlauben. Dadurch können Missverständnisse zwischen Mitgliedern des Behandlungsteams weitgehend ausgeschlossen werden. Der angestrebte Sedierungs-Score wird vom Arzt als Sollwert für Tag und Nacht festgelegt. Die tatsächliche Qualität der Sedierung sollte als Istwert mindestens zweimal pro Schicht vom Pflegepersonal dokumentiert werden. Nach entsprechendem Training kann das Pflegepersonal selbständig eine individuelle Anpassung der Pharmakadosierung in vorgegebenen Grenzen durchführen. Es konnte gezeigt werden, dass ein Protokoll-gestütztes Sedierungsregime die Beatmungsdauer und die Dauer des Intensivaufenthalts verkürzt – unabhängig vom eingesetzten Score. Hinweis Protokoll­gestützte Sedierungsregimes verkür­ zen die Beatmungsdauer.

12.1 Sedierungs­Scores

Idealerweise sollte das Score-System Informationen liefern, mit denen der Sedierungsgrad des Patienten einfach, valide und reproduzierbar erfasst werden kann, und zwar möglichst unabhängig von den zur Schmerztherapie verwendeten Substanzen.

12.1.1 Subjektive Scores Obgleich zahlreiche Scores beschrieben wurden, konnte sich bisher keiner als „Gold-Standard“ durchsetzen. Am weitesten verbreitet ist der vor über 25 Jahren von Ramsay publizierte und nach ihm benannte Score (Tab. 12.2). Da er nur 3 Wachheitsstadien und 3 Schlafstadien bewertet, wird er häufig wegen unzureichender Trennschärfe bei intensivmedizinischen Patienten kritisiert. Zudem ist er nicht für Intensivpatienten validiert. Trotz Tabelle 12.2

dieser Mängel wird der Ramsay-Score nach wie vor weltweit bei den meisten vergleichenden Sedierungsstudien eingesetzt. Eine differenziertere Bewertung der Bewusstseinslage ist mit dem 1994 von Riker vorgestellten Sedation-Agitation-Score (SAS) sowie einer Modifikation, dem Motor Activity Assessment Score (MAAS) möglich (Tab. 12.3 und Tab. 12.4). Beide Scores erfassen die Bewusstseinslage anhand von 7 ausreichend definierten Kriterien, deren Validität bei intensivmedizinischen Patienten nachgewiesen werden konnte. Hinweis Zur Beurteilung der Sedierungstiefe beim nicht relaxierten Patienten sind subjektive Scores aus­ reichend.

Quantifizierung des Sedierungsgrades nach Ramsay.

371

1 2 2 2 2

Wach 1

ängstlich und agitiert und/oder unruhig

2

kooperativ, orientiert, ruhig, Tubustoleranz

3

schlafend, aber kooperativ: öffnet Augen auf laute Ansprache oder Wachrütteln

Schlafend 4

tiefe Sedierung, Augenöffnen weder auf laute Aufforderung noch auf Wachrütteln, reagiert prompt auf Schmerzreize

5

träge Reaktion auf Schmerzreize oder laute akustische Stimuli

6

tiefes Koma, keine Reaktionen auf Ansprache und Reize

Tabelle 12.3

Quantifizierung des Sedierungsgrades nach der Sedation Agitation Scale (SAS) nach Riker.

7

gefährliche/selbstgefähr­ dende Agitation

motorisch unruhig, zieht an Tubus/Kathetern, bettflüchtig, attackiert Personal

6

stark agitiert

keine verbale Führbarkeit, Schutzfixierung notwendig, geringe Tubustoleranz

5

agitiert

ängstlich, unruhig, lässt sich durch verbale Zuwendung jedoch beruhigen

4

ruhig und kooperativ

ruhig, auf Ansprache leicht erweckbar, befolgt Anweisungen

3

übersediert

auf laute Ansprache/leichtes Schütteln kurzfristige Wachheit, Befolgen einfacher Anweisungen

2

stark übersediert

nur auf Schmerzreize erweckbar, keine Kommunikationsfähigkeit, erhaltene Spontanmotorik

1

nicht weckbar

keine oder nur minimale Reaktion auf starke Schmerzreize, keine Kommunika­ tionsfähigkeit

2 2 2 2 2 2 12

372

12 Beatmung und Analgosedierung

Tabelle 12.4

1 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 12

Quantifizierung des Sedierungsgrades nach der Motor Activity Assessment Scale (MAAS).

6

gefährliche/selbstge­ fährdende Agitation

nicht kooperativ, motorisch unruhig, zieht an Tubus/Kathetern, bettflüchtig, keine verbale Führbarkeit, attackiert das Personal

5

stark agitiert

starke motorische Unruhe ohne externe Stimuli, Bettflüchtigkeit, nur kurzzeiti­ ges Befolgen von Aufforderungen

4

unruhig und kooperativ

motorische Unruhe ohne externe Stimuli, ständiges Zerren an Kathetern, Wä­ sche und Kleidung, Patient ist jedoch kooperativ und befolgt Aufforderungen

3

ruhig und kooperativ

zielgerichtete Spontanbewegungen, Patient befolgt Aufforderungen

2

Reaktion auf Berühren oder Namensnennung

auf Berührung oder laute Namensnennung Augenöffnen, Augenbrauenheben, Kopfdrehung, Motorik der Extremitäten

1

Reaktion nur auf Schmerzreize

auf Schmerzreiz Augenöffnen, Augenbrauenheben, Kopfdrehung, Motorik der Extremitäten

0

keine Reaktion

auf Schmerzreiz keine mimische Reaktion, keine motorische Bewegung

12.1.2 Objektive Scores: Bispektral-Index Bei relaxierten Patienten ist die Aussagefähigkeit der anhand subjektiver Kriterien ermittelten Scores unzureichend. Blutdruck und Herzfrequenz sind keine ausreichend spezifischen oder sensiblen Marker, mit denen bei diesen kritisch kranken und beatmeten Patienten eine zu niedrige Sedierung sicher erfasst werden kann. Auch die Überwachung tiefer Sedierungsgrade, z. B. bei hirnverletzten Patienten, ist mithilfe von Sedierungs-Scores nur eingeschränkt möglich. In jüngster Zeit werden daher vermehrt Monitoringverfahren erprobt, die auf der Messung und Verarbeitung von Hirnströmen beruhen. Dabei werden die rohen EEG-Signale zumeist elektronisch soweit bearbeitet, dass bettseitige online Aussagen zum zerebralen Funktionszustand des Patienten bzw. seiner Schlaftiefe möglich sind. Der Bispektral-Index (BIS) beispielsweise nutzt zur Charakterisierung der Bewusstseinslage eine dimensionslose Skala von 0 (isoelektrisches EEG) bis 100 (vollständige Wachheit). Zur Bestimmung der Narkosetiefe unter Verwendung verschiedener Anästhetika wie Propofol oder Midazolam ist der BIS-Index validiert. Obgleich der BIS-Index ein vielversprechendes Verfahren für die objektive Erfassung der Narkosetiefe darstellt, sind seine Einsatzmöglichkeiten in der Intensivmedizin zurzeit noch begrenzt. So kann der BIS-Index zwischen Patienten, die anhand subjektiver Kriterien den gleichen Sedierungsgrad aufwiesen, erheblich variieren. Insbesonde-

re bei leichter Sedierung scheinen herkömmliche Scores in höherem Ausmaß reproduzierbar zu sein. Problematisch sind auch Überlagerungen der EEG-Signale durch Muskelartefakte, die beim nicht relaxierten, leicht sedierten Patienten unvermeidlich sind und oftmals keine Interpretation des Sedierungsgrades erlauben. Über die Validität der BIS-Daten bei Patienten mit metabolischen Störungen oder vorbestehenden Hirnschädigungen liegen bisher keine Daten vor. Die Beurteilung der Bewusstseinslage durch den BIS-Index kann daher als Ergänzung herkömmlicher Verfahren bisher nur empfohlen werden bei tief sedierten Patienten oder bei relaxierten Patienten, bei denen eine ausreichende Sedierungstiefe zur Vermeidung von AwarenessPhänomenen sichergestellt werden muss. Es bleibt zu hoffen, dass zukünftige Entwicklungen eine valide Beurteilung der Bewusstseinslage auch bei leichterer Sedierung ermöglichen werden. Hinweis Bei tief sedierten Patienten oder relaxierten Patienten ist die Messung der Sedierungstiefe durch Neuromonitoring empfehlenswert.

12.2 Schmerzscores

12.2

Schmerzscores

Die objektive Erfassung von Schmerzen bei kritisch kranken und intubierten Patienten ist schwierig. Dementsprechend dürftig sind Daten aus evidenzbasierten Untersuchungen. Die folgenden Empfehlungen zur Beurteilung von Schmerzzuständen bei Intensivpatienten beruhen daher auf Erhebungen, die bei wachen und ausreichend kooperativen Patienten, wie z. B. chronisch kranken oder postoperativen Patienten, erhoben wurden. Trotz der eingeschränkten Validität von Schmerzscores bei Intensivpatienten ist eine systematische und kontinuierliche Erfassung und Dokumentation von Schmerzsymptomen notwendig. Der zuverlässigste Parameter zur Beurteilung des Schmerzes sind die Angaben des Patienten. Bei wachen und kooperativen Patienten sollten Lokalisation, Charakteristik und Intensität abgefragt werden. Zur Erfassung der Schmerzintensität ist die visuelle Analogskala (VAS) validiert – allerdings nicht bei Intensivpatienten – und am weitesten verbreitet. Hierbei muss der Patient die Intensität des Schmerzes auf einer 10 cm langen Skala eintragen, die von „kein Schmerz“ bis „stärkster Schmerz“ reicht. Alternativ kann die Schmerzintensität auch durch die Wahl einer Zahl zwischen 0 (kein Schmerz) und 10 (stärkster Schmerz) quantifiziert werden (Numeric Rating Scale, NRS). Aus

praktischen Gründen ist bei Intensivpatienten oftmals die Quantifizierung der Schmerzintensität anhand von Piktogramm-Tafeln einfacher durchführbar (Abb. 12.2). Bei tief sedierten oder nicht kooperativen Patienten sind visuelle Analogskalen zur Schmerzquantifizierung ungeeignet. Versuche, unspezifische Parameter wie Körperhaltung, Mimik, motorische Unruhe, Atemfrequenz und HerzKreislauf-Reaktionen als Ausdruck der Schmerzintensität zu erfassen und anhand modifizierter Schmerzscores zu bewerten, haben sich in der Praxis als nur begrenzt valide erwiesen. Am ehesten für die klinische Praxis geeignet scheint die Behavioral Pain Scale (BPS) (Tab. 12.5) zu sein. Trotz aller Einschränkungen kann die Beobachtung dieser klinischen Parameter – vor allem nach der Gabe eines Analgetikums – wertvolle Hinweise auf das Vorhandensein von Schmerzen und deren Intensität liefern. Merke Der zuverlässigste Parameter zur Beurteilung des Schmerzes ist die Beobachtung des Patienten. Hilfreich können auch die Beobachtungen von Angehörigen sein. So konnte gezeigt werden, dass sie mit hoher Übereinstimmung beurteilen konnten,

kein Schmerz

2 2 2 2 2 2

0 1

leichter Schmerz

1

2

Visuelle Analog-Skala

Faces-Skala

373

2

maximal vorstellbarer Schmerz

kein Schmerz

2

3 nagender, unangenehmer Schmerz

4

10

0

5 beeinträchtigender elender Schmerz

6

Numeric-Rating-Skala

7 intensiver schrecklicher Schmerz

8 9

schlimmstmöglicher unerträglicher Schmerz

2

10

0

1

2

3

kein mäßiger Schmerz Schmerz

4

5

6

7

mittel- stärkster starker Schmerz Schmerz

8

9

10

stärkster vorstellbarer Schmerz

Abb. 12.2 Piktogramme und visuelle Analogskalen zur Erfassung und Quantifizierung der Schmerzintensität.

2 12

374

1 2 2

12 Beatmung und Analgosedierung

Tabelle 12.5 Quantifizierung des Schmerzes nach der Behavioral Pain Scale. Punkte

Item

Beschreibung

1

Gesichtsausdruck

entspannt

2

teilweise ange­ spannt

3

stark angespannt

4

Grimassieren

1

2 2 2

obere Extremität

keine Bewegung

2

teilweise Bewegung

3

Anziehen mit Bewe­ gung der Finger

4

ständiges Anziehen

1

Adaptation an das Beatmungsgerät

Toleranz

2

seltenes Husten

3

Kämpfen mit dem Ventilator

4

kontrollierte Beatmung nicht möglich

2 2 2 2 2 12

ob ihr kritisch kranker Verwandter Schmerzen hatte oder nicht (73,5 %). Die Schmerzintensität wurde dagegen weniger häufig korrekt abgeschätzt (53 %).

12.3

Gebräuchliche Substanzen und ihre Pharmakologie

in seinem zeitlichen Ablauf, der ganz wesentlich durch die Verteilung der Medikamente im Körper sowie deren Ausscheidung beeinflusst wird. Der bekannteste pharmakokinetische Parameter ist die Eliminationshalbwertszeit. Sie gibt die Zeitdauer an, bis die Hälfte der im Organismus vorhandenen Wirkstoffmenge ausgeschieden wird. Die Eliminations-Halbwertszeit von Analgetika und Sedativa kann nach oraler oder parenteraler Applikation von einigen Minuten bis zu mehreren Tagen reichen. Da Sedativa und Analgetika in der Intensivmedizin meist kontinuierlich mit dem Ziel verabreicht werden, die Blutspiegel auch über längere Zeit möglichst konstant im therapeutischen Bereich zu halten, ist die Halbwertszeit kein hinreichender Parameter zur Beschreibung ihrer Eliminationskinetik. Speziell für Sedativa und Analgetika, die üblicherweise kontinuierlich intravenös verabreicht werden, wurde daher der Begriff der kontextsensitiven Halbwertszeit geprägt. Sie beschreibt die Zeitspanne nach Beendigung der Infusion, innerhalb der die Plasmakonzentration der Substanz um 50 % abgefallen ist. Die Dauer der Infusions- und Verteilungsphase sowie die anschließende Eliminationsphase werden damit in einem klinisch relevanten Parameter zusammengefasst. Die kontextsensitive Halbwertszeit (Abb. 12.3) ist somit ein indirektes Maß für die Steuerbarkeit einer Substanz bei kontinuierlicher Applikation. Hinweis Die Eliminationshalbwertszeit von Substanzen, die kontinuierlich verabreicht werden, wird am besten durch den Begriff der kontextsensitiven Halbwertszeit definiert.

12.3.2 Sedativa 12.3.1 Pharmakokinetik und kontextsensitive Halbwertszeit

■ Benzodiazepine

Zur Beurteilung der Wirksamkeit von Sedativa und Analgetika reicht es nicht aus, sich nur mit der Pharmakodynamik der Substanzen, d. h. den qualitativen Aspekten ihrer Wirkung, auseinanderzusetzen. Für den therapeutischen Einsatz in der Intensivmedizin spielt auch die Pharmakokinetik eine wichtige Rolle. Sie beschreibt die quantitativen und qualitativen Veränderungen des Pharmakons

Pharmakologische Wirkung. Benzodiazepine gehören zu den in der Intensivmedizin am meisten verwendeten Sedativa, da sie neben der sedierenden auch über eine ausgezeichnete anxiolytische Wirksamkeit verfügen. Ihr Wirkprinzip beruht auf der Verstärkung der inhibitorischen Wirkung der γ-Aminobuttersäure (GABA), insbesondere im limbischen System und in der Formatio reticularis.

Kontextsensitive-Halbwertszeit (min)

12.3 Gebräuchliche Substanzen und ihre Pharmakologie

300

Fentanyl

250 200

Abb. 12.3 Kontextsensitive Halbwertszeit: einige gebräuchliche Analgetika und Sedativa. Erläute­ rungen im Text.

1

Thiopental

150 100

Midazolam Alfentanil Sufentanil Propofol Remifentanil

50 0

375

0

1

2

3

4 5 6 Infusionsdauer (h)

7

GABA hemmt die Aktivität von Nervenzellen und wirkt dadurch beruhigend, muskelentspannend und krampflösend. Benzodiazepine wirken daher sowohl schlafanstoßend als auch schlaffördernd. Unter der hypnotischen Wirkung der Substanzen kommt es zu einer Veränderung des REM-Schlafs (Augenbewegungen fehlen) und zu einer Beeinträchtigung des Tiefschlafs. Insgesamt ist die Schlafzeit verlängert. Durch die Blockierung der Aufnahme und Verarbeitung von Informationen wird auch die Speicherung von unangenehmen Ereignissen verhindert (anterograde Amnesie). Eine retrograde Amnesie wird dagegen nicht erzeugt. Vorteilhaft ist die große therapeutische Breite der Benzodiazepine, die sicher zu der raschen Verbreitung und häufigen Anwendung dieser Substanzen beigetragen hat. Hinweis Benzodiazepine verursachen eine anterograde Amnesie. Die wesentlichen Unterschiede zwischen den vielen verschiedenen Verbindungen werden durch deren pharmakokinetische Parameter bestimmt, wobei hauptsächlich die Geschwindigkeit des Wirkungseintritts und die Dauer der Wirkung (Eliminationshalbwertzeit) eine Rolle spielen. Nach oraler Gabe werden deutliche Unterschiede im Wirkungseintritt beobachtet, die im Wesentlichen auf unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Resorption und der Anflutung im ZNS beruhen. Daher differenziert man zwischen: ● Substanzen mit raschem Wirkungseintritt, wie z. B. Triazolam oder Diazepam, und ● Substanzen mit verzögertem Wirkungseintritt, wie z. B. Oxazepam oder Temazepam.

8

9

Aufgrund ihrer Eliminationshalbwertszeiten unterscheidet man zudem zwischen lang wirksamen (z. B. Diazepam), mittellang wirksamen (z. B. Flunitrazepam) und kurz wirksamen (z. B. Midazolam) Benzodiazepinen. Besonders bei den Substanzen mit langer Halbwertszeit besteht allerdings keine Korrelation zwischen Wirkdauer und Eliminationshalbwertszeit. So hält z. B. der anxiolytische oder sedierende Effekt normalerweise nicht länger als einige Stunden an, weil die Substanzen, ähnlich wie die Barbiturate, vom ZNS in die Peripherie umverteilt werden. Erst bei einer Dauertherapie bzw. bei eingeschränkter Elimination (eingeschränkte Funktion von Leber bzw. Nieren) machen sich die z. T. sehr langen Eliminationshalbwertszeiten nachteilig bemerkbar. Hier besteht die Gefahr, dass es zur Kumulation der Substanz kommt. Obgleich Benzodiazepine prinzipiell das gleiche Wirkprofil zeigen, unterscheiden sie sich in Potenz, Verteilung, Metabolismus und darin, ob sie zu aktiven Metaboliten abgebaut werden (Tab. 12.6). Die Biotransformation erfolgt in der Leber, der Ausscheidung über Urin und Galle geht häufig eine Konjugatbildung (Glukuronidierung) voraus. Die Metabolisierung ist besonders vielfältig: NDesalkylierung, Hydroxylierung, Desaminierung, Reduktion, Acetylierung, N-Oxidation und Hydrolyse führen zu zahlreichen, teilweise aktiven Abbauprodukten. Die Nachweisdauer im Urin beträgt bei therapeutischer Dosierung ca. 3 Tage, bei Langzeitkonsum bis zu 6 Wochen, im Blut einige Stunden bis Tage. Patientenspezifische Faktoren wie Begleiterkrankungen oder Alkoholabusus beeinflussen die Wirkstärke und Wirkdauer aller Benzodiazepine, woraus die Notwendigkeit zur individuellen Dosierung resultiert. Alte Patienten weisen generell eine verzögerte Clearance der Benzodiazepine oder ihrer aktiven Metaboliten auf. Eine

2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 12

376

12 Beatmung und Analgosedierung

Tabelle 12.6

Pharmakologie und Dosierung einiger gebräuchlicher parenteraler und enteraler Sedativa.

1

Eliminationshalbwertszeit

Wirkdauer (Bolus)

Bolus

Kontinuierliche Infusion

Diazepam

24 – 48 h (– 80 h)

lang (> 24 h)

2,5 – 5 mg

*

Midazolam

1,5 – 3,5 h

kurz (< 12 h)

2 – 5 mg

0,05 – 0,2 mg/kg/h

Flunitrazepam

18 h

mittellang (12 – 24 h)

0,5 mg

*

Lorazepam

13 – 14 h

mittellang (12 – 24 h)

2 mg

*

Bromazepam

15 – 28 h

mittellang (12 – 24 h)

nur enteral verfügbar

Nordazepam

50 – 90 h

lang (> 24 h)

nur enteral verfügbar

Oxazepam

5 – 15 h

mittellang (12 – 24 h)

nur enteral verfügbar

Temazepam

5 – 13 h

mittellang (12 – 24 h)

nur enteral verfügbar

Propofol

20 – 30 min

sehr kurz (< 30 min)

50 – 200 mg

1,0 – 3,0 mg/kg/h

Methohexital

1,5 – 3,0 h

sehr kurz (< 30 min)

30 – 100 mg

1,0 – 2,5 mg/kg/h

Dehydrobenzperidol

2,5 h

kurz (< 12 h)

2,5 – 25 mg

2,5 – 15 mg/h

Haloperidol

18 – 54 h

kurz (< 12 h)

2 mg

3 – 15 mg/h

GHB

30 min

kurz (15 min – 3 h)

50 mg/kg

10 – 20 mg/kg/h

Clonidin

7 – 12 h

kurz (< 4 h)

Benzodiazepine

2 2 2 2 2 2

Andere

0,3 – 1,5 µg/kg/h

* Wird nicht empfohlen.

2 2

eingeschränkte hepatische oder renale Funktion kann die Eliminationshalbwertszeit der Benzodiazepine oder ihrer aktiven Metaboliten weiter verlängern. Die Induktion oder Hemmung hepatischer oder intestinaler Enzymaktivitäten durch andere Medikamente beeinflussen den oxidativen Metabolismus der meisten Benzodiazepine.

2

Merke Benzodiazepine unterscheiden sich ganz wesent­ lich in Potenz, Metabolismus und Wirkdauer.

2

Alle Benzodiazepine verfügen über eine gute antikonvulsive Aktivität und führen zentral bedingt zu einer leichten Muskelrelaxierung. Die antikonvulsive Wirkung der Benzodiazepine beruht im Wesentlichen darauf, dass diese Substanzen die Ausbreitung und Generalisierung einer lokalisierten neuronalen Überaktivität (Fokus) hemmen,

12

während sie auf die Aktivität der Neurone im Fokus selbst nur in hoher Dosierung eine Wirkung zeigen. Benzodiazepine sind sowohl akut als auch präventiv antikonvulsiv wirksam. Ihre antikonvulsive Wirkstärke übertrifft die anderer Antiepileptika wie z. B. Phenytoin oder Carbamazepin. Merke Benzodiazepine sind auch potente Antikonvul­ siva.

Hinweis Obgleich Benzodiazepine selbst nicht analgetisch wirksam sind, haben sie einen Opioid­sparenden Effekt, der durch eine Veränderung der antizipa­ torischen Schmerzantwort verursacht wird.

12.3 Gebräuchliche Substanzen und ihre Pharmakologie

Applikationsweise. Benzodiazepine sollten bis zu einem vorher definierten Endpunkt titriert werden, wobei oftmals mehrere Dosierungen erforderlich sind. Dabei können insbesondere kardial eingeschränkte oder hämodynamisch instabile Patienten (Hypovolämie, Sepsis, Schock) initial mit ausgeprägter Hypotension (negativ inotrop, periphere Vasodilatation) reagieren. Die Aufrechterhaltung des angestrebten Sedierungslevels kann in Abhängigkeit von der klinischen Wirkdauer mit intermittierenden Boli nach einem festgelegten Schema erfolgen oder auch durch bedarfsgerechte Applikationen. In der Intensivmedizin, insbesondere bei langzeitbeatmeten Patienten, wird meist die kontinuierliche Gabe über Motorspritzenpumpen bevorzugt. Besonders vorteilhaft ist die große therapeutische Breite der Benzodiazepine. Langzeitsedierung. Ceiling-Effekte begrenzen die Anwendbarkeit der Benzodiazepine zur tiefen Sedierung, insbesondere in der Langzeitsedierung. Zudem kann schon nach Tagen oder sogar Stunden eine Toleranzentwicklung beobachtet werden, die oftmals zur exzessiven Steigerung der Dosierungen führt. Es sollte daher schon frühzeitig damit begonnen werden, Benzodiazepine mit anderen Substanzen wie z. B. Propofol zu kombinieren und dadurch synergistische Effekte zu nutzen. Pharmakologisch sinnlose Dosissteigerungen der Benzodiazepine können so vermieden werden. Merke Benzodiazepine zeigen eine schnelle Toleranz­ entwicklung und einen ausgeprägten Ceiling­Ef­ fekt.

Entzugssyndrome und paradoxe Reaktionen. Bei abruptem Absetzen der Benzodiazepine treten häufig Entzugssyndrome auf. Besonders bei älteren Patienten wird eine erhöhte Inzidenz an paradoxen Reaktionen mit Agitiertheit, Schlaflosigkeit und Desorientiertheit beobachtet. Sie sind möglicherweise eine Folge der Benzodiazepin-induzierten Veränderung der Informationsverarbeitung und kommen gerade auch bei niedrigen Dosierungen vor.

Diazepam

Trotz seiner langen Eliminationshalbwertszeit von 24 – 48 Stunden weist Diazepam nach einer ein-

zelnen Dosis einen schnellen Wirkungsbeginn und eine kurze klinische Wirkdauer auf (Tab. 12.6). Nach wiederholten Gaben nimmt die Wirkdauer jedoch erheblich zu, was vor allem an der Kumulation seiner lang wirksamen Metaboliten (Temzepam, Oxazepam ...) liegt, die Halbwertszeiten bis zu 80 Stunden aufweisen. Der Einsatz von Diazepam zur Langzeitsedierung ist daher nur mit Einschränkungen zu befürworten. Merke Dosierung von Diazepam: Bolus 2,5 – 5,0 mg, Tagesdosis 50 – 100 mg. Keine kontinuierliche Infusion empfohlen.

377

1 2 2 2

Flunitrazepam

Die Substanz weist gegenüber Diazepam eine deutlich stärkere anxiolytische und sedierende Wirkung auf. Die häufigste Indikation, meist in Kombination mit einem Opioid, ist die Sedierung von langzeitbeatmeten Patienten, z. B. in der Neurochirurgie. Trotz der im Vergleich zu Diazepam erheblich niedrigeren Eliminationshalbwertszeit (10 – 20 h) ist bei längerem Einsatz ebenfalls eine Kumulation zu befürchten (Tab. 12.6). Die kontinuierliche Applikation ist somit nicht ratsam. Obgleich Flunitrazepam recht preiswert ist, wird es – wie Diazepam – in der Intensivmedizin heute nur noch selten eingesetzt. Ein Grund ist sicherlich, dass Flunitrazepam im Gegensatz zu den anderen Benzodiazepinen der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung unterliegt. Merke Dosierung von Flunitrazepam: Bolus 0,5 – 2,0 mg, Tagesdosis 10 – 20 mg. Keine kontinuierliche Infusion empfohlen.

Midazolam

Ähnlich wie Diazepam besitzt Midazolam in Form einer intravenösen Bolusgabe (2 – 5 mg) eine schnelle Anschlagszeit und eine kurze Wirkdauer. Es ist daher besonders geeignet zur Behandlung von akut agitierten Patienten. Midazolam verbleibt aufgrund seiner höheren hepatischen Extraktion deutlich kürzer im Organismus als Diazepam oder Flunitrazepam. Bei mittleren Eliminationshalbwertszeiten von 1,5 – 3,5 Stunden (Tab. 12.6) sollte die Substanz zur Langzeitsedierung kontinuierlich

2 2 2 2 2 2 2 12

378

1 2 2 2 2 2 2 2

12 Beatmung und Analgosedierung

verabreicht werden. Der Basisbedarf liegt zwischen 3 und 15 mg/h. Ist auch mit höheren Midazolam-Dosierungen keine ausreichende Sedierung zu erreichen, sollte das Analgosedierungskonzept kritisch überprüft und ggf. durch andere Substanzen ergänzt werden. Akkumulation und prolongierte Sedierung werden besonders bei adipösen Patienten oder bei Patienten mit niedrigem Albuminspiegel oder NiereninsufÏzienz beobachtet. Bei verminderter Leberperfusion, z. B. im hypovolämischen Schock oder bei Sepsis, ist die Metabolisierung von Midazolam eingeschränkt. Eine verlängerte Wirkdauer kann auch durch die Akkumulation eines aktiven Metaboliten (α-Hydroxymidazolam) verursacht werden, besonders bei niereninsufÏzienten Patienten. Eine signifikante Hemmung des Midazolam-Metabolismus wurde bei gleichzeitiger Gabe von Propofol, Diltiazem und Makrolid-Antibiotika beschrieben. Tägliche Unterbrechungen der Infusion und Neueinstellung auf die gewünschte Sedierungstiefe sind daher auch bei Verwendung von Midazolam empfehlenswert. Trotzdem ist die Zeit bis zur Wiedererlangung des vollen Bewusstseins nach tagelanger Sedierung mit Midazolam in der klinischen Praxis kaum vorhersehbar. Um Entzugssyndrome zu vermeiden, sollte Midazolam bei Therapieende schrittweise reduziert werden. Merke Dosierung von Midazolam: Bolus 5 – 10 mg, Dosisreduktion bei alten Patienten, Tagesdosis 50 – 250 mg. Zur kontinuierlichen Infusion geeignet (0,05 – 0,2 mg/kg KG/h).

2 Lorazepam

2 2 12

Lorazepam wird vorwiegend zur Behandlungseinleitung bei schweren neurotischen Angst- und Erregungszuständen eingesetzt (vorzugsweise intravenös). Die Anschlagszeit ist allerdings vergleichsweise langsam, so dass sich Lorazepam für die Akuttherapie von stark agitierten Patienten nur bedingt eignet. Lorazepam hat eine Eliminationshalbwertszeit von 12 – 15 Stunden, so dass die Aufrechterhaltung der Sedierung über intermittierende intravenöse Gaben oder enteral erfolgen kann (Tab. 12.6). Da Lorazepam wie auch Oxazepam im Gegensatz zu den anderen Benzodiazepinen nicht über das Zytochrom-P450-Enzymsystem abgebaut

wird, resultieren weniger Interaktionen mit anderen Medikamenten. Aufgrund seiner schlechten Steuerbarkeit ist Lorazepam dennoch, ähnlich wie Diazepam und Flunitrazepam, für die tiefe Sedierung von Intensivpatienten nicht geeignet. Merke Dosierung von Lorazepam: Bolus 2 mg, bei an­ haltender Symptomatik Repetitionsdosen. Keine kontinuierliche Infusion empfohlen.

■ Benzodiazepinantagonisten Die rezeptorvermittelte Wirkung der Benzodiazepine kann durch den kompetitiven Antagonisten Flumazenil aufgehoben werden. Durch dessen hohe AfÏnität zu den Benzodiazepinrezeptoren lassen sich Benzodiazepin-bedingte Vigilanzstörungen diagnostizieren und therapieren. Flumazenil sollte titrierend verabreicht werden, um ein abruptes Erwachen des Patienten zu vermeiden. Allerdings liegt die Halbwertszeit der Substanz nur bei etwa 50 – 60 Minuten und ist damit wesentlich kürzer als die aller Agonisten. Daher ist u. U. ein mehrfache Applikation oder eine Dauertropfinfusion erforderlich (z. B. bei Intoxikation). Bei der Differenzialdiagnose unklarer komatöser Zustände hat der Benzodiazepinantagonist Flumazenil einen festen Stellenwert. Bei gesicherter, akuter Benzodiazepin-Intoxikationen oder auch bei versehentlicher iatrogener Überdosierung kann u. U. auf weitergehende invasive Therapiemaßnahmen verzichtet werden. Ein sinnvolles Einsatzgebiet ist auch der Ausschluss eines Benzodiazepinüberhangs bei akuter neurologischer Verschlechterung im Rahmen der Dauersedierung. Die planmäßige Antagonisierung der Benzodiazepinwirkung nach lang dauernder Benzodiazepintherapie wird dagegen nicht empfohlen, da schon niedrige Dosierungen Entzugssymptome auslösen können. Hinweis Benzodiazepinantagonisten nur einsetzen bei akuter Benzodiazepin­Intoxikation, bei iatroge­ ner Überdosierung oder zur schnellen Beurtei­ lung des neurologischen Status bei Therapie mit Benzodiazepinen.

12.3 Gebräuchliche Substanzen und ihre Pharmakologie

■ Propofol Das hoch potente Hypnotikum Propofol setzt sich als Basissedativum zunehmend in der Intensivmedizin durch. Es liegt als 1 %ige und 2 %ige Lösung in einer Wasser-in-Öl-Emulsion vor, mit Sojabohnenöl (10 %), Glyzerol (2,5 %) und Phospholipiden (1,2 %) als Lösungsvermittler. Aufgrund seiner kurzen Wirkdauer (Eliminationshalbwertszeit 20 – 30 Minuten) ist Propofol sehr gut steuerbar, muss jedoch kontinuierlich verabreicht werden (1,0 – 3,0 mg/kg KG/h) (Tab. 12.6). Die kontextsensitive Halbwertszeit von Propofol liegt nach einer Infusionsdauer von 8 Stunden bei weniger als 30 Minuten. Nach länger dauernder Verabreichung kommt es allerdings auch hier zum Überhang durch Rückflutung aus Gewebespeichern, so dass die kontextsensitive Halbwertszeit ansteigt. Die Elimination erfolgt hauptsächlich hepatisch durch Glukoronidierung, wobei die pharmakologisch inaktiven Metaboliten renal eliminiert werden. Die Eliminationskinetik wird durch Störungen der Nieren- und Leberfunktion nicht beeinträchtigt. Nebenwirkungen. Bei länger dauernder Anwendung in höheren Dosierungen muss der Fettanteil der Emulsion (1,1 kcal/ml) gegebenenfalls bei der Kalorienbilanz mit berücksichtigt werden. Auch die Triglyzeride im Serum können erheblich ansteigen. Aus diesem Grund bietet die 2 %ige Lösung Vorteile gegenüber der 1 %igen Anmischung. Propofol führt regelhaft und dosisabhängig zu Hypotension und Bradykardie, wobei die Hypotension besonderes ausgeprägt nach Bolusinjektionen auftritt. In peripheren Venen verursacht Propofol zum Teil heftige Injektionsschmerzen, die durch den Zusatz von Lokalanästhetika gemindert werden können. Generell wird für die Dauersedierung die Applikation über einen zentralen Venenkatheter gefordert. Nach lang dauernder Propofolsedierung wurden Anstiege der Pankreasenzyme beschrieben, in Einzelfällen wurden Pankreatitiden beobachtet, wobei der Zusammenhang jedoch bisher nicht gesichert ist. Hinweis Die Rhabdomyolyse ist eine seltene, aber schwer­ wiegende und gefährliche unerwünschte Wir­ kung von Propofol. In den Produktinformationen der Hersteller wird sie erwähnt bei länger

dauernder Anwendung (> 48 Stunden) in der In­ tensivmedizin in Dosierungen von mehr als 4 mg/kg KG/h. Auch in der Literatur sind Fälle von Rhabdomyolysen beschrieben. Besonders dra­ matisch und durch eine hohe Mortalität gekenn­ zeichnet ist das so genannte Propofol­Infusions­ syndrom, das u. a. folgende Symptome umfasst: Rhabdomyolyse der Skelett­ und Herzmuskula­ tur, (Brady­)Arrhythmien bis zum Herz­Kreislauf­ Versagen, Hypertriglyzeridämie und Lipidämie, metabolische Azidose und Nierenversagen. Die genaue Pathophysiologie dieses Syndroms ist nicht bekannt. Besonders gefährdet sind hier­ bei Kinder. Aus diesem Grund ist Propofol in Deutschland zur Sedierung im Rahmen einer In­ tensivbehandlung nur für Erwachsene und zur Narkose nur für Kinder ab 3 Jahren und Erwach­ sene zugelassen.

Klinische Anwendung. Ursprünglich eingeführt als Hypnotikum für die totale intravenöse Anästhesie (TIVA), setzt sich Propofol zunehmend als Alternative zu den Benzodiazepinen in der Intensivmedizin durch. Aufgrund seiner niedrigen kontextsensitiven Halbwertszeit ist Propofol für die kurzdauernde (tiefere) Sedierung beatmeter Patienten, z. B. während der Nachtstunden, sehr gut geeignet. In äquipotenten Dosierungen verursachte Propofol bei Freiwilligen eine vergleichbare Amnesie wie die Benzodiazepine, bei Intensivpatienten dagegen war eine Amnesie weniger häufig als nach Midazolam. Hinweis Die Dauer der kontinuierlichen Anwendung ist vom Hersteller aufgrund der o. g. potenziellen Nebenwirkungen auf 7 Tage beschränkt. Die kli­ nische Erfahrung zeigt, dass es offenbar auch un­ ter Propofol zur Toleranzentwicklung kommt. Zur Vermeidung immer höherer Dosierungen mit den o. g. Nebenwirkungen und auch aus Kos­ tengründen kann die Kombination mit einem niedrig dosierten Benzodiazepin (z. B. Midazo­ lam, 5 mg/h) empfehlenswert sein. Propofolinfu­ sionen ohne antimikrobiellen Zusatz sollten aus hygienischen Gründen nach spätestens 12 Stun­ den verworfen werden.

379

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12 Beatmung und Analgosedierung

Bei Patienten, die unter Propofolsedierung einen steigenden Bedarf an Vasopressoren oder inotropen Substanzen, unklare Herzrhythmusstörungen oder therapiebedürftige Bradykardien aufweisen, sollte ein Auslassversuch gemacht und gegebenenfalls auf ein anderes Sedativum gewechselt werden. Nach den Empfehlungen der FDA in den USA ist Propofol auch im 1. Trimenon der Schwangerschaft als relativ sicher einzustufen. Propofol verfügt offenbar ähnlich wie die Benzodiazepine über antikonvulsive Eigenschaften. Kleinere Studien sowie Fallberichte deuten auf die Effektivität von Propofol im Status epilepticus hin, nachdem der Status mit den gängigen medikamentösen Regimen nicht limitiert werden konnte. Wiederholt wurde Propofol erfolgreich auch bei der Therapie des Delirium tremens eingesetzt. Selten werden nach Propofol exzitatorische Phänomene wie Myoklonien beobachtet. Bei neurochirurgischen Patienten führt die tiefe Sedierung mit Propofol – wie mit anderen Sedativa auch – zur Abnahme erhöhter intrakranieller Drücke bei gleichzeitiger Reduktion von zerebralem Blutfluss und Hirnmetabolismus. Der Vorteil gegenüber anderen Substanzen ist die vergleichsweise kurze kontextsensitive Halbwertszeit, die intermittierend die Beurteilung des neurologischen Status ermöglicht („diagnostisches Fenster“). Allerdings sind oftmals sehr hohe Dosierungen erforderlich, so dass häufig eine Kombination mit anderen Sedativa wie Benzodiazepinen sowie Opioiden sinnvoll erscheint. Merke Dosierung von Propofol: zur kontinuierlichen Infusion mit 1,0 – 3,0 mg/kg KG/h, Bolus 50 – 200 mg.

■ Neuroleptika Neuroleptika wie Haloperidol, Dehydrobenzperidol oder Levopromazin verursachen psychomotorische Veränderungen, die durch Dämpfung der emotionalen Erregbarkeit, Indifferenz gegenüber äußeren Reizen sowie Antriebsminderung bei erhaltener Kooperation gekennzeichnet sind. Ursächlich sind Veränderungen auf der Ebene der verschiedenen Neurotransmittersysteme, wobei der Modulation der dopaminergen Übertragung an ze-

rebralen Synapsen und Basalganglien vermutlich eine zentrale Rolle zukommt. Neuroleptika werden hauptsächlich in der Leber metabolisiert und weisen unterschiedlich lange Eliminationshalbwertszeiten auf (Tab. 12.6). Wesentlichster Nachteil aller Neuroleptika ist die fehlende anxiolytische Wirkkomponente, so dass sie als Monotherapie zur Sedierung des Intensivpatienten weniger geeignet sind. Merke Neuroleptika wirken nicht anxiolytisch und sind daher zur Sedierung des Intensivpatienten nicht geeignet.

Nebenwirkungen. Nach der Bolusgabe von Neuroleptika können aufgrund der α-Rezeptorenblockierenden Wirkung (periphere Vasodilatation) kurzfristige Blutdruckabfälle eintreten. Aufgrund der dopaminergen Aktivität können vor allem neuroleptische Medikamente der 1. Generation, zu denen auch Dehydrobenzperidol und Haloperidol gehören, extrapyramidale Symptome mit tardiven Dyskinesien und Parkinson-ähnlichen Symptomen auslösen. In diesen Fällen lassen sich die Symptome in aller Regel mit Biperiden kupieren. Neuroleptika senken die Krampfschwelle, was besonders bei der Therapie des Alkoholentzuges beachtet werden muss. Sehr selten entwickeln die Patienten ein Locked-in-Syndrom, bei dem die (wachen!) Patienten unfähig sind, willkürliche Bewegungen auszuführen. Sie können sich nur noch durch vertikale Augenbewegungen bemerkbar machen. Beschrieben wurden neu aufgetretene Arrhythmien mit Verlängerung der QT-Zeit bis zum Extremfall einer „Torsade-de-pointes“-Tachykardie. Klinische Bedeutung. Neuroleptika zeichnen sich durch eine hohe antipsychotische Potenz aus und werden hauptsächlich bei produktiver Symptomatik mit Wahnideen, illusionärer Verkennung und dergleichen eingesetzt. Da Neuroleptika keine Abhängigkeit erzeugen, werden sie häufig in hohen Dosierungen bei Entzugssyndromen mit agitierten und deliranten Zuständen verabreicht, z. B. beim Alkoholentzugssyndrom. Aufgrund der fehlenden anxiolytischen Wirkkomponente ist eine Supplementierung mit Benzodiazepinen oder Propofol in niedrigen Dosierungen empfehlenswert. Das derzeit am häufigsten eingesetzte Neuroleptikum

12.3 Gebräuchliche Substanzen und ihre Pharmakologie

in der Intensivmedizin ist vermutlich Haloperidol, nachdem das Dehydrobenzperidol zunächst vom Markt genommen und erst seit kurzem wieder als hochpreisige Substanz eingeführt wurde. Dehydrobenzperidol hat zwar mit 2,5 Stunden eine deutliche kürzere Eliminationshalbwertszeit als Haloperidol (18 – 54 Stunden), seine klinische Wirkdauer ist jedoch erheblich länger. Bei akut agitierten und deliranten Patienten wird Haloperidol meist intermittierend intravenös bis zur Beruhigung des Patienten verabreicht. Die initiale Dosis beträgt zum Beispiel 2 mg, gefolgt von Repititionsdosen alle 15 – 20 Minuten, wobei die Dosierung jedesmal verdoppelt wird. Dosen bis 400 mg/Tag wurden beschrieben, wobei die Nebenwirkungsrate jedoch zunimmt. Die Fortführung der Therapie nach Kontrolle der Symptomatik kann kontinuierlich erfolgen. Merke Dosierung von Haloperidol: zur kontinuierlichen Infusion mit 3 – 15 mg/h nach Wirkung, Bolus 2 mg.

■ Barbiturate Barbiturate sind hypnotisch und antikonvulsiv wirksam und werden daher gelegentlich bei beatmeten Patienten eingesetzt, bei denen eine tiefe und lang dauernde Sedierung angestrebt wird. Es besteht eine annähernd lineare Dosis-WirkungBeziehung, die anhand von Blutspiegelbestimmungen kontrolliert werden kann. Im Gegensatz zu den Benzodiazepinen weisen Barbiturate keinen oder nur einen geringen Ceiling-Effekt bei Dosissteigerung auf, so dass die Vertiefung des Sedierungsgrades durch Dosiserhöhung möglich ist. Dauerhaft tiefe Sedierungsgrade sind daher durch Barbiturate leichter zu erreichen und zu halten als durch andere Substanzen. Hinweis Barbiturate weisen keinen oder nur einen gerin­ gen Ceiling­Effekt bei Dosissteigerung auf.

Methohexital

Methohexital weist eine Eliminationshalbwertszeit von nur 1,0 – 3,0 Stunden auf und verfügt da-

mit über eine gute Steuerbarkeit auch bei längerfristiger Anwendung. Aktive Metaboliten sollen bei der Verstoffwechselung in der Leber nicht entstehen. Die Induktion mikrosomaler hepatischer Enzymsysteme (Zytochrom P450) ist im Vergleich zu den Thiobarbituraten (Thiopental) gering. Delirante Symptome in der Entwöhnungsphase nach Langzeittherapie sollen seltener als nach Benzodiazepinen auftreten. Von Nachteil ist jedoch die geringe therapeutische Breite. Methohexital führt nach Bolusinjektionen zu einer ausgeprägten Beeinträchtigung der Hämodynamik. Dieser Effekt ist jedoch bei kontinuierlicher Infusion deutlich geringer. Die Beeinflussung der Thermoregulation kann unter klinisch-intensivmedizinischen Bedingungen vorteilhaft sein. Diskutiert wird eine infektionsfördernde Wirkung durch Immunsuppression, die durch die ausgeprägte Hemmung der mukoziliären Clearance und der gastrointestinalen Motilität verstärkt wird. Alle Barbiturate führen in niedrigen Dosierungen zu Hyperalgesie. Die Substanz wird gelegentlich zur Senkung erhöhter intrakranieller Drücke oder auch als „hirnprotektive“ Maßnahme beim beatmeten Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma eingesetzt, konnte sich aber ansonsten bisher in der Intensivmedizin nicht durchsetzen. Empfohlen wird die kontinuierliche Gabe, zumeist in Verbindung mit einem Opioid (Tab. 12.6). Durch die adjuvante Gabe von Benzodiazepinen kann die Dosis reduziert werden. Merke Dosierung von Methohexital: zur kontinuierli­ chen Infusion mit 1,0 – 2,5 mg/kg KG/h, Bolus 0,5 – 1,0 mg/kg.

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■ γ-Hydroxybuttersäure (GHB) γ-Hydroxybuttersäure (GHB), eine dem Neurotransmitter γ-Aminobuttersäure (GABA) verwandte Substanz, kann physiologischerweise im Säugerhirngewebe nachgewiesen werden und spielt – vermutlich als eigenständiger Neurotransmitter – eine wichtige Rolle bei der Induktion und Steuerung des Schlafes. GHB übt seine hypnotische Wirkung offenbar über spezifische Rezeptoren im ZNS aus, wobei die Substanz auch die Freisetzung anderer Neurotransmitter wie Dopamin, Serotonin und Acetylcholin beeinflusst. GHB ver-

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12 Beatmung und Analgosedierung

fügt über keine analgetischen, muskelrelaxierenden oder vegetativ hemmenden Wirkungen. Der Wirkungseintritt nach i. v. Injektion erfolgt sehr verzögert und tritt gelegentlich erst Minuten nach der Injektion ein. Das Einschlafen wird von den Patienten als angenehm empfunden. Bereits vor über 40 Jahren wurde GHB als Hypnotikum in der Anästhesie eingeführt, konnte sich aber aufgrund der schwer berechenbaren Pharmakokinetik und der daraus resultierenden erheblich wechselnden Aufwachzeiten in der klinischen Praxis nicht durchsetzen. Klinische Bedeutung. Die Eignung von GHB zur Sedierung in der Intensivmedizin wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Günstig ist in jedem Fall die hohe Kreislaufstabilität, die möglicherweise durch einen positiv-inotropen Mechanismus hervorgerufen wird. Auch der Atemantrieb wird wenig beeinflusst, was bei intubierten Patienten in der Weaning-Phase vorteilhaft sein kann. Dem gegenüber stehen die schlechte Steuerbarkeit, die fehlende Anxiolyse, psychomimetische Nebenwirkungen, die im Einzelfall kaum vorhersehbare Sedierungsqualität sowie mögliche krampfinduzierende Effekte. Umstritten sind die postulierte zerebroprotektive Wirkung der Substanz und der Einsatz bei Patienten mit erhöhtem intrakraniellem Druck. GHB wird derzeit in der Intensivmedizin gelegentlich als alternatives Sedativum bei Patienten eingesetzt, die mit üblichen Schemata nur unzureichend sediert werden können (Tab. 12.6). Beachtet werden muss der hohe Natriumgehalt der Substanz, so dass engmaschige Serum-NatriumKontrollen erforderlich sind. Selbst bei intakter Nierenfunktion ergibt sich hieraus eine Limitierung bei länger dauerndem Einsatz. Zur Dosisreduktion wird daher meist die Kombination mit einer anderen Substanz wie Midazolam oder Propofol empfohlen, wobei aufgrund synergistischer Effekte erhebliche Dosiseinsparungen resultieren können. Der sedative Effekt von GHB kann durch Physostigmin innerhalb von 6 – 10 Minuten antagonisiert werden. Die Bioverfügbarkeit von oral appliziertem GHB beträgt etwa 25 %. Klinisch spielt diese Applikationsform keine Rolle mehr, dagegen hat sich hiermit ein erhebliches Missbrauchspotenzial als Partydroge entwickelt.

Merke Dosierung von GHB: zur kontinuierlichen Infusion mit 10 – 20 mg/kg KG/h, Bolus 50 mg/kg KG.

■ Zentrale α2-Agonisten Zusätzlich zur Analgosedierung hat sich die adjuvante Therapie mit α2-Agonisten bewährt. Diese besitzen eine mehr oder weniger ausgeprägte selektive AfÏnität zu den α2-Rezeptoren, die sich überwiegend präsynaptisch an den Endigungen der Noradrenalin freisetzenden, postganglionären sympathischen Neurone, im Hinterhorn des Rückenmarks sowie an extraneuralen Zellen befinden. Daher vermindern sie den Sympathikuseinfluss auf das Erfolgsorgan. Die Substanzgruppe verfügt jedoch über ein weites Wirkspektrum, das weit über die ursprüngliche Indikation zur Blutdrucksenkung hinaus geht. Klinische Wirkungen. In der Intensivmedizin in Deutschland wird aus der Substanzgruppe der α2-Agonisten fast ausschließlich Clonidin eingesetzt. Andere Substanzen wie Dexmedetomidin und Mivazerol sind in Deutschland derzeit nicht erhältlich, eine Zulassung ist nach Aussagen der Herstellerfirma in nächster Zeit auch nicht zu erwarten. Clonidin verfügt bei fehlender Atemdepression nicht nur über anxiolytische, sedierende und analgetische Effekte, sondern verstärkt zusätzlich die Wirkung anderer Analgetika und Sedativa. Bei der Analgosedierung kritisch Kranker können durch gleichzeitige Verabreichung von α2-Agonisten Opioide und Sedativa eingespart, die Entwicklung einer Opioidtoleranz verzögert und die Entwöhnungsphase verkürzt werden. Der analgetische Effekt von Clonidin ist nicht durch Naloxon antagonisierbar, jedoch durch α2Antagonisten, z. B. durch Phentolamin. Der einsparende Effekt soll für Opioide soll bei 40 – 60 % liegen, der für Sedativa bei 45 – 80 %. Hinweis α2­Agonisten haben einen einsparenden Effekt für Opioide und Sedativa, die Entwicklung einer Opioidtoleranz wird verzögert.

12.3 Gebräuchliche Substanzen und ihre Pharmakologie

Die anxiolytische und ein Teil der analgetischen Wirkung dürften auf eine Aktivitätshemmung am Locus coeruleus und nachgeschalteten Systemen (limbisches System, Hypothalamus, Kortex) zurückzuführen sein. Außerdem existieren Bindungsstellen für α2-Agonisten im Bereich des Rückenmarks, die zur analgetischen Wirkung beitragen und den Einsatz der Substanzen bei rückenmarksnahen Verfahren der Regionalanästhesie (neuropathischer Schmerz) rechtfertigen. Clonidin hat daher heute einen festen Stellenwert im Rahmen der länger dauernden Analgosedierung. Bei kontinuierlicher intravenöser Zufuhr werden 0,2 – 1,3 µg/kg KG/h appliziert. Die Eliminationshalbwertszeit wird mit 7 – 12 Stunden angegeben (Tab. 12.6). Der Wirkungsbeginn bei i. v. Gabe liegt bei weniger als 5 Minuten, nach oraler Applikation bei 30 – 60 Minuten. Die maximale Wirkung ist nach i. v. Gabe nach ca. 30 Minuten (Hypotension) bzw. 90 – 120 Minuten (Sedierung) zu erwarten, nach oraler Gabe nach 2 – 4 Stunden. Die Wirkungsdauer hält nach i. v. Gabe mindestens 4 Stunden an, nach oraler Gabe etwa 8 Stunden. Antiemetische Wirksamkeit. Clonidin wirkt antiemetisch und verstärkt den antiemetischen Effekt von Propofol. Hierdurch lässt sich nicht nur die Häufigkeit von postoperativem Erbrechen vermindern. Da ein hoher Sympathikotonus und eine erhöhte Katecholaminfreisetzung Übelkeit und Erbrechen antriggern können, kann dieser Effekt auch für intensivmedizinische Patienten bedeutsam sein. So sind Übelkeit und Erbrechen typische Nebenwirkungen, wenn man niedrig dosiertes Adrenalin an wache Patienten verabreicht. Eine Dosis von 2 µg/kg Clonidin ist effektiv. Gastrointestinale Wirkungen. Clonidin wirkt hemmend auf Motiliät und Sekretion des Gastrointestinaltrakts. Mundtrockenheit und Durst sind subjektiv störende Faktoren. Die Transitzeit der Ingesta wird durch die α2-Agonisten verlängert, die Magenentleerung verzögert. Diese Effekte sind jedoch im Vergleich zu den Opioiden von marginaler Intensität. Postoperatives Kältezittern. (Shivering) kann bei der Mehrzahl der Patienten durch Clonidin (Bolusgabe 75 – 150 µg) effektiv unterbunden werden. Clonidin vermindert die Reaktion peripherer Gefäße auf vasoaktive Substanzen und sympathische

Stimulation und wirkt damit der Zentralisation entgegen. Beachtet werden muss, dass Clonidin ausgeprägte Bradykardien sowie bei Patienten mit Volumenmangel durch periphere Vasodilatation schwere Blutdruckabfälle auslösen kann. Entzugssyndrome. Bewährt hat sich Clonidin bei der Prophylaxe und Behandlung von Entzugssyndromen bei Intensivpatienten nach länger dauernder Therapie mit Opioiden und Sedativa, insbesondere Benzodiazepinen. Auch bei der Prophylaxe und Therapie des Alkoholentzugsdelirs hat Clonidin einen festen Stellenwert. Man geht davon aus, dass bei Alkoholkranken die Anzahl der Opioidrezeptoren vermindert oder ihre Empfindlichkeit herabgesetzt ist. Unter Alkoholabstinenz kommt es zum plötzlichen Mangel morphinähnlicher Produkte des Intermediärstoffwechsels, die üblicherweise bei der Alkoholelimination entstehen. Dieser Mangel wird vom Körper mit einem enthemmten „Noradrenalinsturm“ beantwortet. Da Clonidin nicht antidelirant oder antiepileptisch wirkt, ist beim Alkoholentzug die Kombination mit einem Antipsychotikum und einem Benzodiazepin sinnvoll. Zur Prophylaxe oder bei leichteren Verlaufsformen kann Clonidin als Monotherapie ausreichend sein. Je nach Wirkung sind Dosierungen zwischen 25 und 180 µg/h erforderlich. Im Rahmen der Alkoholentzugstherapie wurden unter hohen Dosen unerwünschte Wirkungen durch Clonidin beschrieben, die am 2. und 3. Behandlungstag den Gipfel ihrer Inzidenz erreichten: Mundtrockenheit, Schluckstörung, Benommenheit, Energielosigkeit, Schlafstörungen, Alpträume und Halluzinationen. Unklar ist, ob diese Phänomene durch Clonidin verursacht werden oder Begleiterscheinungen des Entzugs sind. Merke Beim Alkohol­ und Medikamentenentzug gehört Clonidin zu den Medikamenten der ersten Wahl. Rebound-Phänomene. Nach plötzlichem Absetzten einer hochdosierten Therapie mit Clonidin kann es zu Rebound-Phänomen der Kreislaufwirkung kommen (Hypertension + Tachykardie). Diese Phänomene sollen bei gleichzeitiger oder hochdosierter Betablockertherapie ausgeprägter (!) sein. Eine Clonidintherapie soll daher über 2–4 Tage ausgeschlichen werden. Betablocker sollten möglichst

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12 Beatmung und Analgosedierung

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einige Tage vor der geplanten Beendigung der Clonidintherapie abgesetzt werden. Eine ReboundHypertonie kann mit Clonidin oder Phentolamin behandelt werden.

2 2 2

Kontraindikationen der α2-Agonisten: Hypovolämie, Zentralisation, Hypotension, ● höhergradiger AV-Block, ● Sick-Sinus-Syndrom, ● Sinusbradykardie, ● hypersensitiver Karotissinus, ● Aortenstenose. ●

Merke Dosierung von Clonidin: zur kontinuierlichen Infusion mit 0,3–1,5 µg/kg KG/h. Keine oder nur geringgradige hämodynamischen Reaktionen im unteren Dosierungsbereich.

2 ■ Inhalationsanästhetika

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Inhalationsanästhetika werden derzeit zur Sedierung in der Intensivmedizin nur sehr selten eingesetzt. Ein Hauptgrund ist die aufwändige Applikationstechnik via Verdampfer, die über einen längeren Zeitraum meist nur mit einem Narkoserespirator oder einem speziell umgerüsteten Intensivrespirator mit Kreissystem, Narkosegasmonitoring sowie Narkosegasabsaugung möglich ist. Daher bleibt der Einsatz volatiler Anästhetika meist Einzelfällen vorbehalten wie z. B. der Behandlung akuter schwerer obstruktiver Ventilationsstörungen, da Halothan und Isofluran über gute bronchospasmolytische Eigenschaften verfügen. Jüngst wurde eine Alternative zum herkömmlichen Kreissystem vorgestellt, mit dem volatile Anästhetika kostengünstig und mit geringem apparativem Aufwand auch mit Intensivrespiratoren appliziert werden können. Hierbei wird direkt auf den Tubus ein miniaturisiertes Kreissystem von der Größe einer sog. ▶ künstlichen Nase gesetzt, in das die Narkosegase über eine handelsübliche Motorspritzenpumpe kontinuierlich und dem Bedarf entsprechend injiziert werden (Abb. 12.4). Das System ist mit modifizierter Aktivkohle gefüllt, welche die Narkosegase aus der Exspirationsluft des Patienten reversibel speichert und sie dem Patienten mit der nächsten Inspiration wieder zuführt. Dadurch werden die Narkosegasver-

luste minimiert, die Umweltbelastung reduziert und Kosten gespart. Das Wirkprinzip des Systems (Anaconda) ist also vergleichbar mit der Arbeitsweise von Wärme- und Feuchtigkeitstauschern (▶ Heat and Moisture Exchanger, HME), die zur Klimatisierung der Atemluft beatmeter Patienten mittlerweile weit verbreitet sind. Aufgrund des hohen Wirkungsgrads des Systems sind die exspiratorischen Narkosegasverluste gering, so dass auf eine Narkosegasabsaugung verzichtet werden kann. Restkonzentrationen in der Exspirationsluft können am Respiratorauslass mit einem Filter mit langer Standzeit eliminiert werden. Der Vorteil der inhalativen Sedierung wird in deren guten Steuerbarkeit bei schwer sedierbaren Patienten, fehlender Toleranzentwicklung, geringer Nebenwirkungsrate, der rasch ablaufenden Weaning-Phase und dem Ausbleiben von Durchgangssyndromen gesehen. Gerade auch bei der Beatmung von Patienten mit ausgeprägter Bronchospastik kann die Sedierung mit Inhalationsanästhetika wegen deren bronchodilataorischen Effekte vorteilhaft sein. Klinisch relevante Veränderungen hämodynamischer Parameter oder renaler oder hepatischer Funktionstests konnten bislang weder bei länger dauernder Sedierung mit Isofluran noch Sevofluran beobachtet werden. Bisher konnte sich das Anaconda-System aufgrund apparativer Unzulänglichkeiten und sicherheitstechnischer Bedenken in der klinischen Routine nicht durchsetzen. Neuere technische Konzepte sind jedoch in Vorbereitung, so dass zukünftig mit einem verstärkten Einsatz volatiler Anästhetika auch bei langzeitsedierten Patienten zu rechnen ist. Als entscheidender Vorteil gegenüber allen anderen Substanzen gelten ihre ausgezeichnete Steuerbarkeit aufgrund der kurzen kontextsensitiven Halbwertszeiten sowie die zeitliche Limitierung der intravenösen Sedativa wie z. B. von Propofol. Vor allem Desfluran bietet sich wegen seiner geringen hepatischen Metabolisierungsrate von nur 0,02 % in Zukunft als eine wirkliche Alternative zu den intravenösen Hypnotika an. Ob sich die in die neue Technologie gesetzten Hoffnungen erfüllen, werden die Ergebnisse aktuell laufender sowie künftiger Studien zeigen. Hinweis Volatile Anästhetika können zukünftig eine gute Alternative zu intravenösen Hypnotika darstellen.

12.3 Gebräuchliche Substanzen und ihre Pharmakologie

Aktivkohle Filter Beatmungsgerät/ Y-Stück

Gasmessport

Patient

flüssiges Anästhetikum Miniaturverdampfer

a

Abb. 12.4 Verabreichung volatiler Anästhetika über ein patientennahes Applikationssystem. a Aufbau der Anaconda (Quelle: Sedana Medical AB, Sundbyberg, Schweden). b Zufuhr des flüssigen Inhalations­ anästhetikums durch eine Mo­ torspritzenpumpe, Messung der Narkosemittelkonzentration im Seitenstromverfahren.

Luft O2 Beatmungsgerät

Infusionsspritzenpumpe

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Anästhesiegasmonitor

2

b

■ Opioide

12.3.3 Analgetika Intensivmedizinische Patienten haben in der Regel mehr oder weniger starke Schmerzen unterschiedlichster Ursachen. Mutmaßliche Schmerzdauer und -intensität bestimmen primär die Wahl des Analgetikums. Da sich im Krankheitsverlauf nicht nur die Schmerzintensität ändern kann, sondern auch die Pharmakokinetik des Medikaments (z. B. durch das Auftreten einer akuten NiereninsufÏzienz), ist die ständige Überprüfung und Anpassung von Medikation und Dosierung erforderlich. Neben den Opioiden spielen auch in der Intensivmedizin nichtsteroidale antiinflammatorische Substanzen eine zunehmende Rolle. Daneben gewinnen Regionalanästhesieverfahren zur Schmerztherapie zunehmend an Bedeutung.

Steht die Schmerzsymptomatik im Vordergrund, wie z. B. bei traumatisierten Patienten, wird die systemische Schmerztherapie in erster Linie mit hochwirksamen Opioiden durchgeführt. Ihre Wirkung beruht auf der Aktivierung zahlreicher zentraler und peripherer Opioidrezeptoren, wovon die μ- und κ-Rezeptoren für den analgetischen Effekt die größte Bedeutung haben. Interaktionen mit anderen Rezeptoren verursachen die bekannten Nebenwirkungen wie Atemdepression, Übelkeit, gastrointestinale Motilitätsstörungen bis hin zum Ileus usw. (Tab. 12.7). Bei beatmeten Patienten kann der atemdepressorische Effekt der Opioide gelegentlich sehr hilfreich sein, um hochfrequente, unökonomische Atmung durch übersteigerten Atemantrieb zu beeinflussen. Die Wahl des Opioids sollte sich an seinen pharmakologischen Eigenschaften (Anschlagzeit, Wirkdauer, Eliminationsweg) und den potenziellen Nebenwirkungen orientieren.

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12 Beatmung und Analgosedierung

Piritramid

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Besonders geeignet für die Schmerztherapie durch intermittierende Bolusinjektionen sind morphinartig wirkende Analgetika (Opioide) wie das Piritramid (Tab. 12.7). Die Substanz zeichnet sich durch einen schnellen Wirkungseintritt und eine Wirkungsdauer von mehreren Stunden aus. Übelkeit und Erbrechen sind seltener als bei vergleichbaren Substanzen. Wegen fehlender Histaminfreisetzung ist der Einsatz auch bei bronchialer Hyperreagibilität (Asthma bronchiale) unbedenklich. Hämodynamik und Gastrointestinaltrakt werden im Vergleich zu anderen Opioiden wenig beeinträchtigt. Die Atemdepression soll bei Bolusgaben von 3,0 – 7,5 mg durch die geringere AfÏnität zu µ2-Rezeptoren geringer sein als bei anderen Opioiden. Bei eingeschränkter Nierenfunktion ist keine Dosisanpassung notwendig. Seinen Schwerpunkt hat die Substanz bei der Behandlung von postoperativen Schmerzzuständen im Aufwachraum und auf der Normalstation. Piritramid eignet sich auch besonders für die patientenkontrollierte Schmerztherapie via PCA-Pumpe.

Tabelle 12.7

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Merke Dosierung von Piritramid: Bolus 3,0 – 7,5 mg, via PCA­Pumpe 1,5 mg. Zur kontinuierlichen Infusion (außer PCA­Pum­ pe) nicht empfohlen.

Pethidin

Pethidin wird vor allem in der postoperativen Phase eingesetzt (Tab. 12.7). Im Gegensatz zu Piritramid unterdrückt Pethidin bereits in geringer Dosierung das postanästhetische Kältezittern (Shivering), das besonders bei kardial eingeschränkten Patienten einen kritischen Anstieg des Gesamtsauerstoffverbrauchs verursachen kann. Dieser Effekt lässt sich nicht durch seine Wirkung auf μ-Rezeptoren erklären, sondern beruht vermutlich auf seiner im Gegensatz zu Fentanyl, Morphin oder Piritramid stärker über κ-Rezeptoren vermittelten Analgesie. Die Wirkdauer der Muttersubstanz ist deutlich kürzer als die von Piritramid, Übelkeit und Erbre-

Pharmakologie und Dosierung einiger gebräuchlicher intravenöser Analgetika. Eliminationshalbwertszeit [h]

Wirkungseintritt* [min]

Mittlere Wirkdauer [min]

Bolus

Kontinuierliche Infusion

PCA-Pumpe (Bolus)

Morphin

1–5

bis 30

120 – 180

2 – 5 mg

2 – 10 mg/h

0,5 – 1,0 mg

Pethidin

4–6

1–2

60 – 240

25 – 100 mg

**

5 – 10 mg

Piritramid

4 – 10

bis 30

300 – 400

3,0 – 7,5 mg

**

1,5 mg

Fentanyl

2–6

5–8

30 – 60

50 – 100 µg

0,6 – 3,5 µg/kg/h

10 – 50 µg

Sufentanil

2–3

4

45 – 60

10 – 20 µg

0,3 – 1,2 µg/kg/h

2 – 5 µg

Alfentanil

1–2

1,0 – 1,5

20 – 40

1 – 3 mg

5 – 25 µg/kg/h

**

Remifentanil

3 – 10 min

1,0 – 1,5

3–4

0,5 – 1,0 µg/kg

0,05 – 0,3 µg/kg/min

**

Ketamin

1–3

1

5 – 15

0,5 – 1,0 mg/kg

0,6 – 4,5 mg/kg/h

**

2 2

Piritramid ist das Opioid-Analgetikum der ersten Wahl im Aufwachraum und auf der Normalstation.

* Zeitdauer bis zur maximalen Wirkung. ** wird nicht empfohlen

12.3 Gebräuchliche Substanzen und ihre Pharmakologie

chen sollen dagegen häufiger auftreten. Pethidin wird unter anderem zu Normeperidin abgebaut, einem aktiven Metaboliten mit proepileptogenen Eigenschaften, der vorwiegend renal eliminiert wird. Die Serum-Konzentration von Normeperidin liegt üblicherweise unter derjenigen von Pethidin. Bei NiereninsufÏzienz kann Normeperidin jedoch kumulieren, wobei der Metabolit erheblich höhere Konzentrationen als die Muttersubstanz erreichen kann. Repetitionsdosen von Pethidin sollten deshalb bei niereninsufÏzienten Patienten vermieden werden. Pethidin ist wegen seines ungünstigen Nebenwirkungsprofils in den letzten Jahren weitgehend von Piritramid (s. o.) verdrängt worden. Merke Dosierung von Pethidin: Bolus 25 – 100 mg, via PCA­Pumpe 5 – 10 mg. Zur kontinuierlichen Infusion (außer PCA­Pumpe) nicht empfohlen.

Morphin

Morphin wird aufgrund seines zusätzlichen sedierenden und euphorisierenden Effektes in den letzten Jahren wieder vermehrt verwendet. So kann Morphin bei akuter Dyspnoe durch Lungenödem und Herzinfarkt mit gutem Erfolg eingesetzt werden, da Schmerz, Angst, Anspannung und Atemnot zuverlässig reduziert werden. Von Vorteil ist in diesen Fällen auch die Senkung des peripheren Widerstandes, die allerdings zu ausgeprägter arterieller Hypotonie führen kann. Dies beruht unter anderem auf der Freisetzung von Histamin, weshalb die Substanz bei bronchialer Hyperreagibilität nicht indiziert ist. Morphin weist ein erhebliches stärkeres Suchtpotenzial auf als andere morphinartig wirkende Opioide. Allerdings wird die Entwicklung einer dauerhaften physischen und psychischen Abhängigkeit bei therapeutischer Anwendung meistens überschätzt. Haupteinsatzbereich für die parenterale Morphin-Gabe in der Intensivmedizin ist die Schmerzbehandlung von Patienten im Finalstadium. Die Applikation erfolgt zumeist kontinuierlich (Tab. 12.7). Zu Beginn der Behandlung sind Dosierungen von 1–2 mg Morphin/h oftmals schon ausreichend. Wegen der schnell einsetzenden Gewöhnung sind im Verlauf oder bei chronischen Schmerzpatienten häufig jedoch überraschend hohe Dosierungen erfor-

derlich. Da die Morphin-Elimination teilweise an die Nierenfunktion gebunden ist, muss vor allem bei Patienten mit NiereninsufÏzienz bei Langzeitgabe mit einem Anstieg der Plasmakonzentrationen von Morphin und dessen aktiven Metaboliten (Codein, Morphin-6-Glucuronid) gerechnet werden. Unter länger dauernder und hoher Dosierung kommt es zur therapieresistenten spastischen Obstipation, die gelegentlich zur Dosisreduktion oder zum Absetzen der Substanz zwingt. Merke Dosierung von Morphin: zur kontinuierlichen In­ fusion mit 2 – 10 mg/h, Bolus 2,0 – 5,0 mg, via PCA­Pumpe 0,5 – 1,0 mg.

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Fentanyl Bei intubierten und beatmeten Patienten mit andauernder Schmerzsymptomatik wird die kontinuierliche Applikation kürzer wirkender Opioide mit geringeren hämodynamischen und gastrointestinalen Nebenwirkungen bevorzugt. Standardsubstanz für diese Applikationsform war früher das Fentanyl, das aufgrund seiner im Vergleich zu Morphin kürzeren Wirkdauer besser steuerbar ist (Eliminationshalbwertszeit 2,0 – 6,0 Stunden) (Tab. 12.7). Fentanyl führt zudem nicht zur Freisetzung von Histaminen und kann daher auch bei Patienten mit obstruktiven Lungenerkrankungen problemlos eingesetzt werden. Die sedierende Komponente von Fentanyl ist nur gering, so dass in der Regel die adjuvante Gabe von Sedativa erforderlich ist. Die Pharmakokinetik wird durch Nierenund Leberfunktionsstörungen nicht wesentlich beeinträchtigt. Bei länger dauernder Anwendung nimmt jedoch die kontextsensitive Halbwertszeit von Fentanyl deutlich zu (siehe Abb. 12.3, S. 375), so dass Fentanyl in den letzten Jahren in der Intensivmedizin weitgehend von Substanzen mit günstigerer Pharmakokinetik verdrängt wurde. In Einzelfällen, z. B. bei Patienten mit chronischen Schmerzsyndromen, kann Fentanyl auch in der Intensivmedizin transdermal über Hautpflaster appliziert werden. Die Pflaster geben die Substanz zwar kontinuierlich ab, die Aufnahme ist allerdings unsicher. Sie hängt unter anderem ab von Körpertemperatur, Hautperfusion und Hautbeschaffenheit. Dementsprechend können die Plasmakonzentrationen stark variieren. Effektive analgetische Konzentrationen werden erst nach

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12 Beatmung und Analgosedierung

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Stunden erreicht, so dass Fentanylpflaster zur Therapie akuter Schmerzzustände ungeeignet sind. Nach Entfernen hält die Wirkung des Pflasters ähnlich lange an wie nach i. v. Injektion.

2

Merke Dosierung von Fentanyl: zur kontinuierlichen Infusion mit 0,6 – 3,5 µg/kg KG/h, Bolus 50 – 100 µg, via PCA­Pumpe 10 – 50 µg.

2 Alfentanil

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Das Opioid verfügt über eine etwa 30-mal stärkere analgetische Potenz als Morphin. Die Anschlagszeit ist mit 1 – 2 Minuten relativ kurz (Tab. 12.7). Die kontextsensitive Halbwertszeit von Alfentanil ist bis zu 2-stündiger, kontinuierlicher Infusion leicht ansteigend und bleibt dann über Stunden konstant (siehe Abb. 12.3, S. 375). Die hepatische Biotransformation von Alfentanil erfolgt über das ZytochromP450-Enzymsystem, die renale Ausscheidung der unveränderten Muttersubstanz ist minimal. Bei leberinsufÏzienten Patienten ist daher die Halbwertszeit verlängert und es ist eine verstärkte und verlängerte Wirkung zu erwarten. Alfentanil wird zwar zu einem geringen Teil renal eliminiert, dennoch ist bei eingeschränkter Nierenfunktion keine Dosisanpassung erforderlich. Alfentanil ist ebenso wie Fentanyl in den letzten Jahren zunehmend von neueren und pharmakologisch günstigeren Substanzen wie Sufentanil und in jüngster Zeit auch Remifentanil verdrängt worden. Merke Dosierung von Alfentanil: zur kontinuierlichen In­ fusion mit 5 – 25 µg/kg KG/h, Bolus 0,5 – 1,0 mg.

Sufentanil

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Gegenüber Fentanyl und Alfentanil weist Sufentanil eine Reihe von Vorteilen auf (Tab. 12.7). Es verfügt nicht nur über eine stärkere analgetische Wirksamkeit und günstigere hämodynamische Eigenschaften, sondern zeigt gleichzeitig ein günstigeres pharmakologisches Profil (Eliminationshalbwertszeit 2,7 ± 1,2 Stunden). Im Vergleich zu anderen Opioiden soll zudem die meist unerwünschte Verknüpfung von analgetischer und atemdepressiver Wirkung weniger ausgeprägt sein. Ursächlich hierfür könnte die vergleichsweise geringere AfÏnität von Sufentanil zu den µ2-

Rezeptoren sein, die für die atemdepressiven Effekte verantwortlich gemacht werden. Stärker ist dagegen die Bindung an µ1-Rezeptoren, welche die analgetischen Wirkungen vermitteln. Wegen des sedierenden Effekts von Sufentanil kann oftmals auf die zusätzliche Applikation von Sedativa verzichtet werden. Nach 8-stündiger Infusionsdauer liegt die kontextsensitive Halbwertszeit von Sufentanil in Bereichen, wie sie auch für Propofol gemessen wird. Bei länger dauernder Applikation nimmt die kontextsensitive Halbwertszeit zwar zu; dennoch ist das pharmakologische Profil von Sufentanil auch im Steady-state erheblich günstiger als das von Fentanyl (siehe Abb. 12.3, S. 375). Der hepatische Biotransformationsmechanismus ist einfach und bleibt auch bei eingeschränkter Leberfunktion weitgehend erhalten. Die hepatische Elimination hängt dagegen von der hepatischen Extraktionsrate ab, die ihrerseits von der hepatischen Perfusion bestimmt wird. Nur ein sehr geringer Anteil der Substanz wird unverändert im Urin ausgeschieden, so dass bei eingeschränkter Nierenfunktion keine Dosisanpassung erforderlich ist. Merke Dosierung von Sufentanil: zur kontinuierlichen Infusion mit 0,3 – 1,2 µg/kg KG/h, Bolus 10 –20 µg, via PCA­Pumpe 2 – 5 µg.

Remifentanil

Das erst jüngst in die Intensivmedizin eingeführte Remifenanil weist wegen seiner hervorragenden Steuerbarkeit deutliche Vorteile gegenüber den anderen Opioiden auf. Daher erfreut sich die Substanz vor allem im Rahmen der totalen intravenösen Anästhesie (TIVA) wachsender Beliebtheit. Verantwortlich für die extrem kurze Wirkdauer ist u. a. der Metabolismus von Remifentanil: Nach intravenöser Injektion wird Remifentanil – unabhängig von der Leber- und Nierenfunktion – zu 98 % durch ubiquitär vorhandene unspezifische Esterasen im Blut und Gewebe hydrolytisch gespalten, zu 2 % durch N-Dealkylierung eliminiert. Dadurch erfolgt der Abbau der Substanz praktisch unabhängig von der Infusionsdauer und -dosierung (Tab. 12.7). Die kontextsensitive Halbwertszeit für Remifentanil wird mit 3 bis 4 Minuten (siehe Abb. 12.3, S. 375) angegeben. Die beim Abbau entstehenden Metaboliten besitzen nur eine

12.3 Gebräuchliche Substanzen und ihre Pharmakologie

minimale analgetische Potenz und werden unverändert über die Nieren ausgeschieden. Eine Dosisanpassung bei niereninsufÏzienten Patienten ist nach derzeitiger Kenntnis somit nicht erforderlich. Entsprechendes gilt für Patienten mit LeberinsufÏzienz. Allerdings soll der atemdepressive Effekt hier ausgeprägter sein. Hinweis Remifentanil kumuliert nicht, der Abbau ist un­ abhängig von der Leber­ und Nierenfunktion. Der schnelle Wirkungseintritt beruht auf der geringen Lipidlöslichkeit der Substanz, die zu einer kurzen Equilibrierungszeit zwischen Blut und Hirn innerhalb des zentralen Kompartiments führt. Gleichzeitig ist die Akkumulation im Fettgewebe deutlich niedriger als bei den anderen Opioiden, woraus insbesondere bei längerer Applikation Vorteile resultieren. Günstig ist auch die niedrige Plasmaeiweißbindung von etwa 70 % im Vergleich zu den traditionellen Opioiden Fentanyl, Alfentanil und Sufentanil. Wie bei den anderen Opioiden auch ist bei Kombination mit Sedativa wie Benzodiazepinen oder Propofol mit einer Verstärkung der Sedierung und hämodynamischer Beeinflussung zu rechnen, so dass eine Dosisanpassung der zentral dämpfenden Medikamente erforderlich sein kann. Die Wirkdauer von Remifentanil ist zwar weitgehend unabhängig vom Lebensalter, dennoch ist bei geriatrischen Patienten eine Dosisreduktion empfehlenswert. Obgleich größere Erfahrungen mit Remifentanil in der Intensivmedizin bisher noch nicht vorliegen, ist in der Zukunft mit einem verstärkten Einsatz der Substanz zu rechnen, möglicherweise auch in Kombination mit anderen Opioiden. Merke Dosierung von Remifentanil: zur kontinuier­ lichen Infusion mit 0,05 – 0,3 µg/kg KG/min, Bolus 0,5 – 1,0 µg/kg KG.

■ Opiatantagonisten Die Antagonisierung von Opioiden durch spezifische kompetitive Antagonisten wie Naloxon wird nur bei akut lebensbedrohlichen Situationen emp-

fohlen, wie der schweren Atemdepression durch Überdosierung. Opiatantagonisten werden daher vorwiegend in der Notfallmedizin (Intoxikation) und in der Anästhesie eingesetzt. Naloxon sollte titrierend mit einer Anfangsdosis von etwa 1 µg/ kg KG verabreicht werden. Häufig sind Repetitionsdosen erforderlich, da die Wirkdauer von Naloxon mit 40 – 60 Minuten kürzer als die der meisten Opioide ist. Nach lang dauernder Analgesie kann Naloxon schwere Entzugssyndrome verursachen mit Übelkeit und Erbrechen, Hypertension, Tachykardie und Herzrhythmusstörungen.

■ Ketamin Ketamin ist das einzige intravenöse Anästhetikum, das in subanästhetischen Dosierungen über ausgezeichnete analgetische Eigenschaften verfügt. Die Substanz erzeugt in Abhängigkeit von der Dosis eine Art kataleptischen Zustand („dissoziative Anästhesie“), in dem sich der Patient von seiner Umgebung abgekoppelt fühlt. Die über die Sinnesorgane eintreffenden Reize werden unverändert weitergeleitet, jedoch vom Gehirn nicht mehr angemessen verarbeitet. EEG-Untersuchungen weisen darauf hin, dass Ketamin eine funktionelle Dissoziation zwischen limbischem und thalamoneokortikalem System hervorruft. Dieser Zustand geht mit einer ausgeprägten Analgesie und Amnesie einher. Im Gegensatz zu anderen Anästhetika wird durch Ketamin in klinisch verwendbaren Dosen keine dosisabhängige Supprimierung der spontanen elektrischen Aktivität des Gehirns hervorgerufen. Es wird über beunruhigende Veränderungen von Körperschema, Gefühlen und Stimmungen, z. B. schwerelosem Schweben im Raum oder alptraumartige Szenen, berichtet. Ohne gleichzeitige Gabe von Sedativa werden in Abhängigkeit von der injizierten Dosis häufig bizarre, teilweise furchterregende Träume und optische Halluzinationen geschildert. Nach intravenöser Bolusapplikation von Ketamin (0,25 – 1,0 mg/kg) ist der Wirkungseintritt zügig (Tab. 12.7). Die Wirkdauer ist kurz (5 – 20 Minuten), die Eliminationshalbwertszeit beträgt 1 – 3 Stunden. Bei Eingriffen über 10 – 15 Minuten sind meist Repetitionsdosen von 0,25 – 0,5 mg/kg notwendig. In Einzelfällen, z. B. bei Kindern ohne intravenösen Zugang, ist auch die intramuskuläre Applikation (2 – 5 mg/kg KG) möglich. Atemantrieb

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12 Beatmung und Analgosedierung

und kardiovaskuläre Funktionen werden selbst bei höheren Dosierungen nur wenig beeinträchtigt. Bei kontinuierlicher Applikation kommt es allerdings zur Kumulation. In der Intensivmedizin wird Ketamin häufig für kurze, schmerzhafte Eingriffe gegeben, z. B. Verbandswechsel bei Verbrennungspatienten, Nekrosenabtragungen usw. In der Notfallmedizin ist Ketamin aufgrund seiner sympathomimetischen Effekte bei kreislaufinstabilen Patienten (Schock, Trauma, Hypovolämie usw.) das Analgetikum/Anästhetikum der Wahl. Andererseits resultieren hieraus bei höheren Dosierungen die teilweise unerwünschten Nebenwirkungen wie pulmonale und systemische Hypertonie sowie Tachykardie. Da Ketamin zusätzlich über spezifische bronchodilatatorische Wirkungen verfügt, wird es bei beatmungspflichtigen Patienten im Status asthmaticus eingesetzt. Wegen teilweise exzessiver Hypersalivation wird die gleichzeitige Gabe von Atropin oder Glycopyrronium empfohlen. Da Ketamin die Darmmotilität nur wenig beeinflusst, ist die Substanz vor allem bei Patienten mit bestehender oder drohender Ileussymptomatik eine gute Alternative zu den Opioiden. Nachteilig sind psychomimetische Nebenwirkungen, die – vor allem bei höheren Dosierungen – die Kombination mit Benzodiazepinen oder Propofol erfordern. Hinweis Ketamin nur Verbindung mit Benzodiazepinen oder Propofol. Ketamin stand früher nur als razemisches Gemisch der beiden Enantiomere (S- und R-)Ketamin zur Verfügung. Seit einigen Jahren ist auch S(+)-Ketamin erhältlich, das im Vergleich zum herkömmlichen Ketamin über eine 2–3-fach höhere analgetische und anästhetische Potenz verfügt. Aufgrund der höheren Clearance bleibt S(+)-Ketamin bei kontinuierlicher Infusion besser steuerbar als das Razemat: Bei vergleichbarem Wirkungseintritt sind die Aufwachzeiten deutlich kürzer. Unklar ist bisher, ob die psychomimetischen Nebenwirkungen geringer sind. Es ist davon auszugehen, dass S(+)-Ketamin das Razemat in der klinischen Routine vollständig ersetzen wird.

Merke Dosierung von Ketamin: zur kontinuierlichen Infusion mit 0,6 – 4,5 mg/kg KG/h, Bolus 0,5 – 1,0 mg/kg. Bei Verwendung von S(+)­Ketamin muss die Dosis halbiert werden.

■ Nichtopioid-Analgetika Die Nichtopioid-Analgetika werden in saure und nichtsaure antipyretische Analgetika unterteilt, die sich in ihrem pharmakologischen Verhalten deutlich voneinander unterscheiden: Saure antipyretische Analgetika reichern sich vorwiegend in Geweben mit niedrigem pH-Wert an (entzündliches Gewebe, Nieren, Magen), während sich die nichtsauren Substanzen ubiquitär im Körper verteilen.

Unspezifische Cyclooxygenase-Inhibitoren

Zu den sauren antipyretischen Analgetika zählen die sog. nichtsteroidalen Antiphlogistika (non-steroidal anti-inflammatory drugs, NSAID; synonym: nichtsteroidale Antirheumatika, NSAR) und die Acetylsalicylsäre (ASS). In der operativen Medizin werden aus dieser Gruppe vorwiegend Diclofenac, Ibuprofen und das intravenös injizierbare Tenoxicam eingesetzt. Während Opioide ihre analgetische Wirkung durch direkte Aktivierung von Opioidrezeptoren auf zentralen und peripheren Neuronen entfalten, hemmen diese Substanzen im Wesentlichen die Cyclooxygenasen, die zur Verstoffwechselung von Arachidonsäure zu zahlreichen pharmakologisch aktiven Metaboliten beitragen. Hierdurch wird unter anderem die Produktion von Prostaglandinen vermindert, die eine wichtige Rolle bei Entzündungsvorgängen und bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Schmerz spielen. Leichte bis mittelstarke Schmerzen können mit diesen Mitteln meist gut behandelt werden. Da der Wirkmechanismus weitgehend derselbe ist, unterscheiden sich die Substanzen nur unwesentlich in ihren chemischen Eigenschaften und damit in ihrer Wirkdauer, Wirkstärke und auch dem Anwendungsgebiet. Sie sind besonders gut knochengängig und werden deshalb gerne bei Knochen- und Gelenkschmerzen verabreicht.

12.3 Gebräuchliche Substanzen und ihre Pharmakologie

Merke Cyclooxygenase­Inhibitoren werden zur Behand­ lung von leichten bis mittelstarken Schmerzen eingesetzt.

Nebenwirkungen. Cyclooxygenasen hemmen nicht nur den Abbau von Arachidonsäure zu Prostaglandinen, sondern auch die Bildung von Prostazyklin und Thromboxan. Diese Metaboliten spielen jedoch bei der Homöostase zahlreicher Körperfunktionen eine wichtige Rolle: Prostazyklin und Thromboxan regulieren als potente Gegenspieler den Gefäßtonus und die Thrombozytenaggregation. Zudem beeinflussen Prostaglandine die Schleimsekretion im Magen und die Elektrolytsekretion in den Nieren, bewirken eine Vasodilatation im Nierenparenchym und erhöhen den Blutfluss in der Magenmukosa. Hieraus erklären sich die teilweise gravierenden Nebenwirkungen der unspezifischen Cyclooxygenase-Hemmung der Nichtopioid-Analgetika im Magen-Darm-Trakt, den Nieren und der Blutgerinnung. Werden die Substanzen nur einige Tage verabreicht, sind sie in der Regel gut verträglich. Bei langfristiger Anwendung steigt die Gefahr von Nebenwirkungen. Am meisten gefürchtet sind Magen- und ZwölfÏngerdarmgeschwüre sowie Nierenschäden als Folge der COX-1-Hemmung. Daher sollten sie immer in Verbindung mit einem Protonenpumpenhemmer appliziert werden. Beschrieben sind auch allergische Reaktionen, Blutbildveränderungen und Störungen der Leberfunktion. Bei Asthma bronchiale, Bluthochdruck und schweren Leber- und Nierenerkrankungen muss die Anwendung von Cyclooxygenase-Inhibitoren sorgfältig abgewogen werden. Hinweis Bei kurzfristiger Anwendung von Cyclooxygena­ se­Inhibitoren ist die Gefahr von gravierenden Nebenwirkungen gering.

COX-2-Inhibitoren

Anfang der 90er Jahre wurden 2 unterschiedliche Formen der Cyclooxygenasen entdeckt, die COX-1 und die COX-2. Neuere Substanzen wie Celecoxib und Valdecoxib hemmen selektiv die Cyclooxygenase 2, so dass bei vergleichbarer analgetischer, antipyretischer und antiphlogistischer Wirksamkeit die

schützenden Effekte der Cyclooxygenase 1 auf die Magenschleimhaut erhalten bleiben und die Blutgerinnung nicht beeinflusst wird. Die Wirkdauer der COX-2-Hemmer ist mit 12 – 24 Stunden deutlich länger als die aller anderen Nichtopioid-Analgetika. Mit Parecoxib ist seit kurzem auch ein parenteral applizierbarer COX-2-Hemmer verfügbar, der im Organismus zu Valdecoxib gespalten wird. Nebenwirkungen. Ein Teil der NSAID-typischen gastrointestinalen Nebenwirkungen kann durch die neuen selektiven COX-2-Hemmer zwar vermieden werden, bei entzündlichen Darmerkrankungen, aktiven peptischen Ulzerationen und gastrointestinalen Blutungen sind sie jedoch wie die klassischen NSAID kontraindiziert. Ebenso sind Wechselwirkungen mit zahlreichen, auch in der Intensivmedizin verwendeten Substanzen beschrieben und müssen beachtet werden. Gegenanzeigen bestehen bei Langzeittherapie auch bei Patienten mit schweren Herz- und Gefäßerkrankungen und bei Asthma bronchiale. Für Celecoxib gilt außerdem eine Kontraindikation bei Überempfindlichkeit gegen Sulfonamide. Rofexocib (Vioxx) hatte bereits einen festen Platz im Rahmen der präemptiven Analgesie gefunden, musste aber vor einigen Jahren wegen bis dahin nicht beschriebener Nebenwirkungen von Markt genommen werden. Merke Eingeschränkte Indikationen für COX­2­Hemmer bestehen bei Patienten mit floriden gastrointes­ tinalen sowie kardialen Erkrankungen.

Pyrazolderivate

Zu den nichtsauren Nichtopioid-Analgetika gehören auch die Pyrazolderivate mit seinem Hauptvertreter Metamizol. Metamizol ist im Gegensatz zu den klassischen NSAID nur ein schwacher Inhibitor der Cyclooxygenasen 1 und 2. Seine analgetische Wirksamkeit wird primär auf die Hemmung einer – bisher allerdings nur bei Tieren beschriebenen – dritten Cyclooxygenase-Variante (COX-3) zurückgeführt. In der Intensivmedizin wird Metamizol aufgrund seiner spasmolytischen Wirkung häufig bei kolikartigen Schmerzen verwendet. Zusätzlich kann Metamizol bei hohem Fieber angewendet werden, wenn andere Maßnahmen erfolglos bleiben. Ferner wird Metamizol bei Tumor-

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12 Beatmung und Analgosedierung

schmerzen und anderen vergleichbar schweren Schmerzzuständen eingesetzt. Eine Kombination von Metamizol und Opioiden kann im Einzelfall zur Dosisreduktion von Opioiden mit konsekutiver Minderung der spezifischen Nebenwirkungen sinnvoll sein. Merke Dosierung von Metamizol: 1000 – 2500 mg i. v. als Kurzinfusion in 50 – 100 ml NaCl 0,9 %, Tagesdosis bis 5000 mg/24 h. Nebenwirkungen. Durch die Anwendung von Metamizol können Überempfindlichkeitsreaktionen auftreten, die sich sehr unterschiedlich äußern können. Schwere Hautreaktionen sind beschrieben, darunter auch das Auftreten eines Lyell-Syndroms. Als weitere Überempfindlichkeitsreaktionen können asthmatische Zustände und schwere Hypotonien vorkommen. Die Gefahr für das Auftreten einer Schocksituation ist besonders bei zu schneller Verabreichung der Metamizol-haltigen Injektionslösung gegeben. Daher ist unbedingt eine langsame Injektion durchzuführen, z. B. als Kurzinfusion. Eine besonders gefährliche Form der Überempfindlichkeitsreaktion ist die Agranulozytose. Wegen dieser schwerwiegenden Komplikation gelten für Metamizol nach wie vor die in den 80er Jahren angeordneten strengen Anwendungsbeschränkungen auf akute starke Schmerzen nach Verletzungen und Operationen, bei Koliken und Tumoren sowie sonstige akute oder chronische starke Schmerzen bzw. hohes Fieber, wenn andere Medikamente kontraindiziert sind oder nicht wirken. Bei Störungen der Knochenmarksfunktion oder anderen Erkrankungen des blutbildenden Systems darf Metamizol ebenfalls nicht angewendet werden. Bei Erkrankungen, die mit einer erniedrigten Anzahl weißer Blutkörperchen einhergehen und bei Nierenfunktionsstörungen ist die Anwendung von Metamizol sorgfältig abzuwägen. Wird Metamizol außerhalb dieser Indikationen verwendet, beispielsweise routinemäßig auf Stationen, zur Schmerzprävention bei ambulanten Operationen oder generell als Erstwahlmittel bei Schmerzen, ist im Schadensfall mit haftungsrechtlichen Problemen zu rechnen. In Ländern wie Großbritannien, USA, Kanada oder Australien ist Metamizol seit Jahrzehnten nicht mehr im Handel. In Schweden wurde das Analgetikum Ende der 90er Jahre nach kurzer erneuter

Vermarktung wegen der hohen Risiken wieder aus dem Verkehr gezogen. Hinweis Trotz guter Wirksamkeit wird die Nutzen­Scha­ den­Bilanz von Metamizol insgesamt eher nega­ tiv bewertet.

Aniline

Ebenfalls zu den nichtsauren Nichtopioid-Analgetika gehört das Paracetamol. Die Substanz wirkt überwiegend im zentralen Nervensystem, wobei der genaue Wirkungsmechanismus noch nicht eindeutig geklärt ist. Wie Metamizol ist auch Paracetamol nur ein schwacher Inhibitor der Cyclooxygenasen 1 und 2 und verfügt auch über keine nennenswerte entzündungshemmende Wirkung. Paracetamol ist schmerzlindernd, fiebersenkend und trägt zur Dosisreduktion von Opioiden bei. Bei Patienten mit Leber- oder Nierenfunktionsstörungen ist die Dosis zu reduzieren oder das Intervall zu verlängern. Dosen von maximal 4 g sollten nicht überschritten werden. Seit 2003 ist eine Neuformulierung von Paracetamol zur parenteralen Anwendung als Fertiglösung (1 g) im Handel. Die übliche Dosierung beträgt für Erwachsene 4 × täglich 1 g (= 100 ml) in einem minimalen Zeitintervall von 4 Stunden. Bei Patienten mit Alkoholanamnese oder schlechtem Ernährungszustand sollten 2 g pro Tag nicht überschritten werden. Merke Dosierung von Paracetamol: 10 – 15 mg/kg KG als Einzeldosis, Maximaldosis bis 50 mg/kg KG pro 24 Stunden. Intravenöse Fertiglösung (1 g): maximal 4 × täglich, Dosierungsabstände 4 – 8 Stunden. Nebenwirkungen. Im Vergleich zu den anderen Nichtopioid-Analgetika weist Paracetamol bei bestimmungsgemäßem Gebrauch die geringsten Nebenwirkungen auf. Bei Überdosierung von Paracetamol kann es mit einer Zeitverzögerung von 24 – 48 Stunden zu schweren Leberfunktionsstörungen kommen, deren Ausgang tödlich sein kann. Besonders bei Kindern muss unbedingt die empfohlene Dosierung eingehalten werden. Als Antidot-Therapie bei Überdosierung hat sich die parenterale Gabe von N-Acetylcystein (NAC) bewährt.

12.4 Empfehlungen für die klinische Praxis

Bei langfristiger Einnahme der Substanz, besonders in Kombination mit anderen schmerzlindernden Wirkstoffen, kann es zu Nierenschädigungen kommen. Dementsprechend ist Paracetamol bei schweren Leberschäden, z. B. durch Alkoholmissbrauch, oder schweren Nierenerkrankungen kontraindiziert. In seltenen Fällen können allergische Reaktionen vorkommen, die sich beispielsweise in Form von Hautrötungen, Übelkeit, Atemnot, Schweißausbrüchen oder Blutdruckabfall äußern können. Hinweis Eine Kombination von Opioiden mit Nichtopioid­ Analgetika kann sinnvoll sein zur Erweiterung des Wirkungsspektrums (z. B. antiphlogistische Wirkung von NSAID, spasmolytische und antipy­ retische Wirkung von Metamizol) und zur Dosis­ reduktion von Opioiden mit konsekutiver Minde­ rung der spezifischen Nebenwirkungen, obwohl systematische Studien zum Einsatz dieser Sub­ stanzen bei kritisch kranken Patienten bisher noch nicht vorliegen. Paracetamol ist zwar seit Jahren zur Behandlung von leichteren Schmer­ zen eingeführt, hatte aber in der operativen Me­ dizin nur einen geringen Stellenwert. Durch die Einführung der parenteralen Applikationsform hat Paracetamol in jüngster Zeit jedoch vor al­ lem bei der Behandlung von postoperativen Schmerzen eine gewisse Renaissance erlebt. Durch Ceiling­Effekte ist die analgetischen Wirksamkeit aller Nichtopioid­Analgetika auf die Behandlung von geringen bis mittelstar­ ken Schmerzen beschränkt. Allerdings führt die Kombination mit einem Opioid zu einer stärke­ ren Analgesie als höher dosierte Opioide allein. Generell haben alle Nichtopioid­Analgetika einen opioidsparenden Effekt, der mit bis zu 30 – 40 % angegeben wird. Das Ausmaß dieses Effektes hängt dabei von der Intensität der Schmerzen ab: Bei Patienten mit starken Schmerzen sind die Effekte offenbar geringer als bei Patienten mit moderaten Schmerzen. Insgesamt ist der Stellenwert der oralen und auch der parenteralen Nichtopioid­Analgetika in der Intensivmedizin zurzeit noch unklar.

Merke Alle Nichtopioid­Analgetika haben einen opio­ idsparenden Effekt, insbesondere bei mittelstar­ ken Schmerzen.

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12.4

Empfehlungen für die klinische Praxis

Generell gilt, dass die Ziele und der Stellenwert der analgosedierenden Maßnahmen im Rahmen des individuellen Gesamt-Therapiekonzepts umrissen werden müssen, wobei insbesondere der angestrebte Sedierungsgrad anhand eines SedierungsScores klar definiert sein muss. Nach Möglichkeit sollte die Analgosedierung mit wenigen Substanzen erreicht werden, deren Wirkungen und Nebenwirkungen alle Mitarbeiter gut kennen. Gut steuerbare Analgetika und Sedativa mit einer kurzen kontextsensitiven Halbwertszeit sollten gegenüber länger wirksamen Substanzen bevorzugt werden. Dabei wird es erforderlich sein, das Therapiekonzept ständig den wechselnden und individuellen Bedürfnissen des Patienten entsprechend anzupassen. Bei komplizierten Behandlungsverläufen wird es auch unumgänglich sein, nicht nur tägliche Dosisanpassungen vorzunehmen, sondern auch wiederholt bestimmte Pharmakokombinationen durch andere zu ersetzen.

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Merke Nicht die Dosierung der Medikamente wird vor­ gegeben, sondern der angestrebte Sedierungs­ grad.

Stress oder Schmerz? Das Erreichen des Therapieziels einer adäquaten Analgosedierung ist schon beim kooperativen Patienten schwierig, da eine eindeutige Abgrenzung von unspezifischen Stressreaktionen gegenüber Schmerzen oftmals kaum möglich ist: Angst und Stress können die Schmerzempfindung und -empfindlichkeit erheblich beeinflussen und umgekehrt. So nimmt der Analgetikabedarf bei sedierten Patienten deutlich ab, während vollkommen schmerzfreie Patienten häufig keiner oder nur einer geringgradigen Sedierung bedürfen. Motorische Unruhe und Agitiertheit des beatmeten Patienten, Hypertension,

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12 Beatmung und Analgosedierung

Tachykardie, Tachypnoe und Hyperventilation sowie vegetative Stressreaktionen sind nicht immer Zeichen mangelhafter Sedierung. Vor der Applikation zusätzlicher Sedativa müssen daher zunächst andere Ursachen ausgeschlossen werden. Dazu gehören auch beim nicht traumatisierten Patienten Schmerzen unterschiedlichster Ursache wie z. B. abdominelle Schmerzen durch Meteorismus, Spasmen, Harnverhalt usw., aber auch Hypoxämie, Hyperkapnie, Tubus-/Bronchialobstruktionen oder eine unzureichende maschinelle Unterstützung der Atmung. Merke Vor der Sedierung ausreichende Analgesie sicherstellen.

Tägliche Abschätzung des Analgosedierungsbedarfs. Unnötig tiefe Sedierung und Analgesie verlängert nicht nur die Beatmungs- und Liegedauer auf der Intensivstation, sondern erhöht auch die Morbidität und Mortalität kritisch kranker Patienten und muss daher auf jeden Fall vermieden werden. Aus diesem Grunde sollte die kontinuierliche Applikation von Sedativa beim tief sedierten Patienten – wenn medizinisch vertretbar – einmal täglich reduziert oder unterbrochen werden, bis eindeutige Wachheitsreaktionen erkennbar sind. Dadurch können der aktuelle Analgosedierungsbedarf des Patienten evaluiert und angepasst sowie Kumulation und Überhang vermieden werden. Die neurologische Beurteilbarkeit des Patienten wird erleichtert, Beatmungsdauer und Dauer des Intensivaufenthalts nehmen ab. Merke Die tägliche Anpassung des Analgosedierungsre­ gimes verkürzt die Beatmungs­ und Aufenthalts­ dauer auf der Intensivstation.

12.4.1 Analgetika – intermittierend oder kontinuierlich Länger dauernde, kontinuierliche Schmerzen werden meist durch kontinuierliche Applikation des Schmerzmittels, z. B. über eine Motorspritzenpumpe, oder durch Einzelinjektionen nach Plan behandelt. Repetitive Einzelinjektionen können

gelegentlich vorteilhaft sein, da sie nicht nur die individuelle Titration erlauben, sondern auch die allmähliche Dosisreduktion im Laufe der Behandlung. Sie sind vor allem bei intermittierend auftretenden Schmerzen indiziert, z. B. vor Mobilisierung, Lagerung, Verbandswechsel etc. Die intravenöse Applikation ist der intramuskulären oder subkutanen Injektion vorzuziehen, die bei Intensivpatienten unter anderem aufgrund der unsicheren Resorption praktisch keinen Stellenwert besitzt. Merke Die kontinuierliche Applikation von Analgetika ist nur bei länger dauernden, starken Schmer­ zen indiziert.

12.4.2 On-Demand-Analgesie Sofern die apparativen Möglichkeiten vorhanden sind, sollten bei ausreichendem Wachheitsgrad und Kooperationsfähigkeit des Patienten patientenkontrollierte On-Demand-Analgesieverfahren (Patient Controlled Analgesia, PCA, z. B. mit Piritramid), angewendet werden. Wegen der Selbstkontrolle sind die Patienten zufriedener; gleichzeitig ist der Analgetika- und Sedativabedarf häufig geringer, wodurch unerwünschte Nebenwirkungen reduziert werden. Diese Methode wirkt auch im Sinne einer präventiven Behandlungsstrategie, da sie dem Patienten die Bekämpfung von Schmerzen noch vor ihrem vollen Durchbruch erlaubt. Die Einstellung einer kontinuierlichen Infusion (Basalrate) ist zumeist sinnvoll, da sie dem Patienten eine Basis-Analgesie auch während der Ruhephasen ermöglicht.

12.4.3 Stufenkonzept der Analgosedierung bei beatmeten Patienten Bei den meisten Patienten lässt sich die Beatmungsdauer bei Aufnahme auf die Intensivstation abschätzen. Diese erwartete Zeitdauer korreliert eng mit der Schwere der Erkrankung oder der Therapieplanung und bildet die Grundlage für die Auswahl des Analgosedierungsschemas. So besteht ein Unterschied in der Sedierungsstrategie

12.4 Empfehlungen für die klinische Praxis

zwischen einem Patienten, der kurzzeitig postoperativ nachbeatmet wird, und einem polytraumatisierten Patienten, der mehrere Tage oder sogar Wochen analgosediert werden muss. Jahrelang war die fixe Kombination Midazolam/Fentanyl in einer Mischspritze Standard auf deutschen Intensivstationen. Aufgrund der unterschiedlichen Pharmakokinetik und -dynamik der Substanzen kann eine bedarfsgerechte Steuerung von Sedierung und Analgesie hierdurch jedoch nicht erreicht werden. Ebenfalls nicht empfehlenswert ist die Mischung von Opioiden oder Ketamin zusammen mit Neuroleptika oder Benzodiazepinen in einer Mischspritze. Merke Keine fixen Kombinationen von Sedativa und Analgetika. In letzter Zeit werden vermehrt Konzepte mit besser steuerbaren Substanzen beschrieben. Analgetische Basis der neueren Konzepte ist das Opioid Sufentanil, das aufgrund seiner höheren Potenz, seiner stärker sedierenden Komponente und seiner kürzeren kontexsensitiven Halbwertszeit deutliche Vorteile gegenüber Fentanyl aufweist. Zur ergänzenden Sedierung eignen sich besonders Propofol und Midazolam. Die Kombination Sufentanil und Propofol erscheint aus pharmakologischer Sicht besonders günstig, da beide Substanzen eine nahezu identische kontextsensitive Halbwertszeit aufweisen (siehe Abb. 12.3, S. 375). Clonidin wird bei längerer Beatmungsdauer als synergistisch wirksamer Partner und zur vegetativen Dämpfung supplementiert. Merke Das Ziel ist eine individuelle, an den Bedarf des Patienten angepasste Analgosedierung.

12.4.4 Kurzzeitsedierung Bei der Sedierung bis 24 Stunden handelt es sich im operativen Bereich meistens um Patienten, die postoperativ nachbeatmet werden. Ziel ist die baldmögliche Extubation nach Wiederherstellung der Homöostase. Dementsprechend erfolgt die Sedierung durch kontinuierliche Gabe von Propofol.

Zur Analgesie sind meist Bolusgaben von Opioiden (Piritramid, Alfentanil oder Fentanyl) ausreichend, die insbesondere nach der Extubation durch nichtsteroidale Analgetika (Metamizol, Paracetamol) ergänzt werden können. Bei liegendem Periduralkatheter sollte die Analgesie selbstverständlich primär hierüber erfolgen.

12.4.5 Mittellange Sedierung Ist eine Extubation innerhalb von 24 Stunden nicht zu erwarten, sollte die Sedierung mit Propofol durch die kontinuierliche intravenöse Gabe von Clonidin zur vegetativen Dämpfung ergänzt werden. Die kontinuierliche Gabe von Analgetika ist in der Regel nur bei Patienten indiziert, bei denen von einer dauerhaften starken Schmerzsymptomatik ausgegangen werden muss (Polytrauma, große Baucheingriffe usw.). Aus pharmakologischen Gründen ist die Kombination von Propofol mit Sufentanil als Basisanalgetikum sinnvoll. Zur On-Top-Analgesie bei kurz dauernden schmerzhaften Stimuli wie speziellen Untersuchungen, Verbandswechseln, Bronchialtoilette, Bronchoskopien usw. können Bolusgaben Sufentanil appliziert werden. Alternativ bietet sich hier Remifentanil an: Die Substanz weist eine extrem kurze kontextsensitive Halbwertszeit auf, die praktisch unabhängig von der Leber- und Nierenfunktion ist. Remifentanil eignet sich daher besonders zur Analgesie bei kritisch kranken Patienten mit Organdysfunktionen. Gerade bei diesen Patienten ist aufgrund der guten Steuerbarkeit auch die kontinuierliche Anwendung von Remifentanil als Basisanalgetikum sinnvoll. Beachtet werden muss, dass die Schmerzintensität im Verlauf der Erkrankung häufig abnimmt – auch beim polytraumatisierten Patienten. Durch die tägliche Abschätzung des Analgetikabedarfs und Begrenzung der Opioiddosierung auf das notwendige Maß kann eine Hauptnebenwirkung der Opioide, die Störung der gastrointestinalen Motilität, vermindert werden. Da Propofol in einer Fettemulsion gelöst ist, muss die Fettzufuhr in der Ernährungsbilanz und bei Berechnung der parenteralen Ernährung mit berücksichtigt werden. In regelmäßigen Abständen sollten die Triglyzeride kontrolliert werden. Bei länger bestehender Hypertriglyzeridämie muss die Propofoldosierung entsprechend reduziert werden.

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12 Beatmung und Analgosedierung

Zur Supplementierung ist die niedrigdosierte kontinuierliche Zufuhr von Midazolam geeignet. Hinweis Propofol ist bei beatmeten Patienten das Sedati­ vum der ersten Wahl. Zusätzliche Opioidanalge­ tika sind nur bei entsprechender Schmerzsym­ ptomatik indiziert. Wenn nötig, wird Sufentanil zur Basisanalgesie supplementiert. Schmerzspit­ zen werden durch Bolusgaben von Sufentanil oder Remifentanil kupiert.

12.4.6 Langzeitanalgosedierung Übersteigt die zu erwartende Beatmungsdauer 1 Woche (schweres Polytrauma, Schädel-Hirn-Trauma, Sepsis), sollte das Sedierungsschema primär durch ein Benzodiazepin (unter Fortführung von Clonidin) ergänzt werden. Aufgrund seiner relativ kurzen kontextsensitiven Halbwertszeit kommt am ehesten Midazolam in Betracht. Midazolam weist jedoch einen ausgeprägten Ceiling-Effekt auf, d. h., aufgrund der Gewöhnung des Patienten kann trotz weiterer Dosiserhöhungen keine Vertiefung der Sedierung mehr erreicht werden. Exzessive Dosissteigerungen sind daher nicht sinnvoll und müssen wegen der Gefahr der Kumulation vermieden werden, zumal sie nicht selten zu stark verzögertem Aufwachen führen, vor allem bei älteren Patienten. Empfehlenswert ist daher die Kombination mit Propofol in niedriger Dosierung. Da der Einsatz von Propofol in der Intensivmedizin auf 7 Tage begrenzt ist, kann intermittierend auf Methohexital gewechselt werden. Merke Exzessive Midazolamdosierungen sind pharma­ kologisch sinnlos und müssen vermieden.

12.5

Prophylaxe und Therapie von Entzugssyndromen nach Langzeitsedierung

Bei mehr als 60 % der langzeitsedierten Intensivpatienten werden Entzugssyndrome unterschiedlicher Schweregrade beobachtet. Als Ursache hierfür werden Transmitter-Imbalancen an exzitatorischen und inhibitorischen Rezeptorsystemen angesehen, die nach schneller Reduktion der Analgosedierung (ähnlich wie beim Entzug von Alkohol oder Drogen) entstehen. Die Diagnose „Entzugssyndrom“ ist dabei immer eine Ausschlussdiagnose, die erst gestellt wird, wenn andere mögliche Ursachen abgeklärt sind, wie z. B. Enzephalopathien, Hypoxie, metabolische Entgleisung. Durch die mangelnde Kooperation des Patienten während des Entzugs besteht ein erhebliches Selbstgefährdungspotenzial, z. B. durch Manipulation an Tubus und Kathetern, Bettflüchtigkeit usw. Stressbedingte Begleiterscheinungen wie Herzrhythmusstörungen, arterieller Hypertonus, Ulkusblutungen, gastrointestinaler Reflux und Aspiration können Beatmungsdauer und Intensivaufenthalt verlängern. Die Entzugssymptome können durch langsames Ausschleichen der Analgosedierung und/ oder durch adjuvante Therapie in ihrem Schweregrad reduziert werden. Obgleich prospektive Studien hierzu nicht vorliegen, wird die tägliche Reduktion der Opioidmedikation um 5 – 10 % empfohlen oder auch eine schrittweise Reduktion um initial 20 – 40 %, danach alle 12 – 24 Stunden um weitere 10 % in Abhängigkeit vom Zustand des Patienten. Zur Therapie der Entzugserscheinungen bieten sich je nach Symptomatik an: ● Benzodiazepine und oder Propofol bei starker Agitation, ● α -Agonisten (Clonidin) bei sympathischer Hy2 peraktivität, ● Neuroleptika (Haloperidol) bei halluzinatorischen Durchgangssyndromen.

12.7 Weiterführende Literatur

12.6

Beatmung und Muskelrelaxation

Moderne Beatmungsformen und ausreichende Analgosedierung ermöglichen eine gute Anpassung der Atemunterstützung an die Bedürfnisse des Patienten, so dass in der heutigen Intensivmedizin auf den Einsatz von Muskelrelaxanzien nahezu vollständig verzichtet werden kann. Muskelrelaxanzien sind bei beatmeten Patienten nur noch in Ausnahmefällen und dann nur kurzzeitig notwendig. Indikationen bestehen bei der Durchführung chirurgischer Eingriffe auf der Intensivstation (z. B. Punktionstracheotomie) oder der Induktion einer Hypothermie unmittelbar nach Reanimation, um Kältezittern und muskuläre Wärmeproduktion zu unterdrücken.

12.7

Weiterführende Literatur

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397

1 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 12

398

1 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 12

12 Beatmung und Analgosedierung Jacobi J, Fraser GL, Coursin DB et al. Clinical practice guidelines for the sustained use of sedatives and analgesics in the critically ill adult. Crit Care Med 2002; 30: 119–141 Kelly DF, Goodale DB, Williams J et al. Propofol in the treatment of moderate and severe head injury: A randomized, prospective double-blinded pilot trial. J Neurosurg 1999; 90: 1042–1052 Kietzmann D, Briede I, Bouillon T et al. Pharmacokinetics of piritramide after an intravenous bolus in surgical patients. Acta Anaesthesiol Scand 1996; 40: 898–903 Kollef MH, Levy NT, Ahrens TS et al. The use of continuous i. v. sedation is associated with prolongation of mechanical ventilation. Chest 1998; 114: 541–548 Kress JP, Pohlman AS, O’Connor MF et al. Daily interruption of sedative infusions in critically ill patients undergoing mechanical ventilation. N Engl J Med 2000; 342: 1471– 1477 Maze M, Scarfini C, Cavaliere F. New agents for sedation in the intensive care unit. Crit Care Clin 2001; 17: 881–897 Meiser A, Sirtl C, Bellgardt M et al. Desflurane compared with propofol for postoperative sedation in the intensive care unit. Br J Anaesth 2003; 90: 273–280 Millane TA, Bennett ED, Grounds RM. Isoflurane and propofol for long-term sedation in the intensive care unit. A crossover study. Anaesthesia 1992; 47: 768–774 Mondello E, Siliotti R, Noto G et al. Bispectral Index in ICU: correlation with Ramsay Score on assessment of sedation level. J Clin Monit Comput 2002; 17: 271–277 Payen JF, Bru O, Bosson JL et al. Assessing pain in critically ill sedated patients by using a behavioral pain scale. Crit Care Med 2001; 29: 2258–2263

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399

13 Monitoring: Messmethoden

1

Jörg Rathgeber

Das Messen und Anzeigen wesentlicher Beatmungsparameter ist unumgänglich, um die an die Bedürfnisse und Erfordernisse des Patienten angepasste Einstellung des Beatmungsgerätes zu erreichen oder ggf. zu korrigieren. So wird in der Norm EN 794-1 (Lungenbeatmungsgeräte, Teil 1: Besondere Anforderungen an Beatmungsgeräte für die Intensivpflege) festlegt, dass „... alle Messwertanzeigen innerhalb des vom Hersteller angegebenen Bereichs genau sein (müssen), wenn sie unter den Betriebsbedingungen geprüft werden ...“. Die Verwirklichung dieser Messaufgabe wird unterschiedlich realisiert. Der Anwender ist somit den von den Konstrukteuren des Beatmungsgerätes gewählten Lösungen ausgeliefert. Zwar kann er manchmal hinsichtlich des Ausstattungsumfangs und der Darstellungsweise wählen, aber die Entscheidung, wo Messsensoren platziert und wie Messwerte ermittelt werden, ist eindeutig durch die Gerätekonstruktion vorbestimmt. So hängt die Höhe des angezeigten Beatmungsdrucks ganz wesentlich vom Messort ab, der entweder im Gerät selbst liegen kann oder direkt am Tubusadapter. Weiterhin bleibt für den Anwender häufig unklar, auf welche Weise der angezeigte Messwert ermittelt wird. Der Inspirationsflow kann z. B. entweder direkt gemessen oder indirekt aus den Geräteeinstellungen errechnet werden. Manche Beatmungsgeräte verfügen sogar über eine fest vorgegebene, nicht abschaltbare inspiratorische Druckunterstützung von 3 – 5 mbar, um die Widerstände des Beatmungssystems zu kompensieren. Diese Informationen sind aber den wenigsten Anwendern bekannt. Merke Messort, Messalgorithmus und geräteinterne Be­ sonderheiten beeinflussen die Messwertanzeige. Die Kenntnis des Messortes liefert wichtige Anhaltspunkte für die Interpretation der Messdaten.

Befindet sich z. B. der Beatmungsdruckaufnehmer im Gerät, so sind die Kompressibilität des Gasvolumens ebenso wie die Compliance und Resistance des Schlauchsystems und seiner Komponenten zu berücksichtigen: Je größer das Fassungsvermögen von Atembeutel, Schlauchsystem, Ventilen usw., desto größer auch der Anteil des Gasvolumens, der während der Inspirationsphase lediglich komprimiert wird, ohne die Lungen des Patienten zu erreichen. Manche Respiratoren verfügen über die Möglichkeit, diese Fehler durch Messung der Compliance des Atemsystems vor Konnektion des Patienten rechnerisch zu kompensieren. Dennoch ist prinzipiell die tubusnahe Druck- und Flowmessung zu bevorzugen. Unberücksichtigt bleiben auch hierbei Länge und Durchmesser des Tubus. Sinnvoll ist in jedem Fall die gleichzeitige Bestimmung in- und exspiratorischer Volumina. Sind exakte Messungen der Atemwegsdrücke erforderlich, z. B. für wissenschaftliche Fragestellungen, müssen Spezialtuben mit einem proximalen Messport verwendet werden. Trotz prinzipieller Vorzüge sind tubusnahe Messverfahren in der klinischen Routine nicht unproblematisch. Die Sensoren erhöhen nicht nur Atemwegswiderstände und Totraum, sondern beeinträchtigen durch Gewicht, zusätzliche Messleitungen und Diskonnektionsgefahr Komfort, Ergonomie und Sicherheit des Patienten. Hierbei dürfen hygienische Aspekte nicht außer acht gelassen werden. Die gesamte Verbindung zwischen Respirator und Patient bedarf daher der kritischen und konzeptionellen Überarbeitung, wobei ein sinnvoller Kompromiss zwischen klinischen Erfordernissen und technischen Möglichkeiten gefunden werden muss. Für spezifische Fragestellungen sind in der Regel zusätzliche Monitore erforderlich, deren Messmöglichkeiten und Genauigkeit über die klinischen Erfordernisse hinausgehen.

3

3

3

3

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3

3

3

3

13

400

13 Monitoring: Messmethoden

13.1

1

Messung von Atemvolumina und Flow

Bei beatmeten Patienten erfolgt die Bestimmung von Atemvolumina üblicherweise durch die Messung des Flows und Integration über die Zeit. Die Messungen können durch im Respirator integriertes Monitoring oder durch separate Respirationsmonitore erfolgen.

3 13.1.1 Messgenauigkeit

3

3

3

3

3

3

Generell gilt für alle indirekten Messverfahren, dass schon geringe Messfehler bei der Flowbestimmung durch Fehlerfortpflanzung zu hohen Volumenfehlern führen. Ursächlich können z. B. Drift, fehlerhafte Kalibration, Veränderungen der Gaszusammensetzung, Feuchtigkeit usw. sein. Beispiel: Der Patient wird beatmet mit einer Atemfrequenz von 10/min, einem Tidalvolumen von 700 ml und einem Atemzeitverhältnis von 1:2. Die Abweichung der Flow-Messvorrichtung wird vom Hersteller mit 0,01 l/s angegeben. Durch Integration des Flows über die Exspirationszeit von 4 Sekunden resultiert ein Volumen von –40 ml. Statt 700 ml werden 740 ml angezeigt, was einem Fehler von ca. 6 % entspricht. Merke Messfehler bei der Flowbestimmung pflanzen sich bei der Volumenberechnung fort. Zusammensetzung, Temperatur, Dichte, Viskosität, Feuchte und Wärmeleitfähigkeit der Atemgase beeinflussen deren physikalischen Eigenschaften (Tab. 13.1). Daraus resultieren Messungenauigkeiten, die sich in Abhängigkeit vom verwendeten

Messverfahren zu sensorspezifischen systematischen Fehlern addieren. So variieren Sauerstoffkonzentrationen zwischen 21 % und 100 %, Lachgas wird gar nicht oder in unterschiedlichen Konzentrationen verwendet. Das Gleiche gilt für volatile Anästhetika wie Halothan, Isofluran, Enfluran usw. Bei speziellen Fragestellungen ist zusätzlich die Verwendung von Inertgasen wie Helium oder Argon denkbar. Berücksichtigt werden müssen auch Unterschiede in Wasser- und Wärmegehalt der Inund Exspirationsluft im Verlauf des Atemzyklus: Atemgase oder Atemgasgemische aus Druckgasflaschen oder der zentralen Gasversorgungsanlage sind kalt und trocken, die Exspirationsluft dagegen ist mit ca. 35 °C fast körperwarm, wasserdampfgesättigt und CO2-haltig. Bei der Interpretation spirometrisch ermittelter Gasvolumina für wissenschaftliche Fragestellungen müssen die Einflüsse von Umgebungsdruck, Umgebungstemperatur und Wasserdampfgehalt mit berücksichtigt werden. Erforderlich ist daher in jedem Fall die Umrechnung der Messbedingungen (ATPS: Ambient Temperature & Pressure, Saturated with water vapor bzw. ATPD: Ambient Temperature & Pressure, Dry) auf Körperbedingungen (BTPS: Body Temperature & atmospheric Pressure, completely Saturated with water vapor at body temerature). Parameter des Gasaustauschs wie O2-Aufnahme oder CO2-Abgabe werden dagegen vereinbarungsgemäß auf Standardbedingungen (STPD: Standard Temperature & Pressure, Dry) bei 0 °C und 760 Torr umgerechnet. Merke Zusammensetzung, Temperatur und physikali­ schen Eigenschaften der Atemgase beeinflussen die Messgenauigkeit.

3 Tabelle 13.1 Physikalische Eigenschaften von Sauerstoff, Lachgas und Helium (bei 35 °C), bezogen auf Luft als Normwert (100 %). Dichte

Dyn. Viskosität

Wärmekapazität

Wärmeleitfähigkeit

Luft

100,0

100,0

100,0

100,0

Sauerstoff

110,6

111,6

91,2

100,0

Lachgas

153,0

79,4

87,9

65,4

Helium

13,8

108,7

520,4

57,7

3

3

13

13.1 Messung von Atemvolumina und Flow

Unabhängig vom verwendeten Messverfahren ist bei der Messung von Atemvolumina beatmeter Patienten immer zu berücksichtigen, dass Gase kompressibel sind. Während der Inspirationsphase wird ein Teil der Gase lediglich komprimiert, ohne die Lungen des Patienten zu erreichen. Bei Entlastung des Systems durch Öffnung des Ausatemventils wird das Gas sein ursprüngliches Volumen wieder annehmen: Im Exspirationsschenkel installierte Spirometer messen somit falsch hohe Volumina. In gleicher Weise führt die reversible Dehnung von elastischem Beatmungszubehör, Faltenschläuchen usw., zu falsch hoher Messung exspiratorischer Volumina. Undichtigkeiten des (Mess-)Systems können bei der Messung in Inund Exspirationsschenkel gleichgerichtete Fehler bewirken, in Abhängigkeit von der Leckagestelle jedoch auch die Messung des Exspirationsvolumens stärker beeinflussen. Sinnvoll ist daher auf jeden Fall die gleichzeitige Bestimmung in- und exspiratorischer Volumina. Technische Probleme durch Drift des Nullpunktes, fehlerhafte Kalibration usw. tragen zur Erhöhung des Messfehlers bei.

Differenzdrucktransducer

13.1.2 Differenzdruckverfahren ■ Blende – Variable Blende Bei Einbringen eines Blenden-Widerstands in die Gasströmung wird ein Druckabfall erzeugt, der umso größer ist, je kleiner der Durchmesser der Blende bzw. je höher der Flow ist (Abb. 13.1). Die Lochblende führt zum Druckabfall, der quadratisch proportional zur Gasströmung ist. Ungenauigkeiten treten vor allem im unteren Messbereich auf, so dass diese Sensoren für die Messung kleiner Volumina weniger geeignet sind. Hinweis Lochblenden haben eine Kennlinie, die quadra­ tisch proportional zur Gasströmung ist. Um eine lineare Kennlinie zu erhalten, werden Lochblenden heute meist nicht starr, sondern variabel ausgelegt. Das Strömungshindernis besteht dabei zumeist aus einer (Osborn) oder mehreren (Franetzki) Segeln aus Kunststofffolie, die von der Strömung umgebogen werden und je nach Strömungsgeschwindigkeit eine mehr oder weniger große Öffnung freigeben. Blendensensoren führen

Druck

Flow a

401

feste Blende

Druck

Abb. 13.1 Flowmessung durch Blendenspirometer. a Der Blenden­Widerstand in der Gasströmung erzeugt einen Druckabfall, der quadratisch proportional zum Flow ist. Die Beziehung zwischen Flow und Druck weist eine charakteristische Kennlinie auf. b Die bewegliche Blende im Strö­ mungskanal (Osborn­Sensor) wird flowabhängig ausgelenkt. Dadurch wird die Kennlinie linearisiert und die Genauigkeit im unteren Mess­ bereich verbessert.

1

3

3

3

3

3

3

3

3

3 Flow b

variable Blende

3

13

402

13 Monitoring: Messmethoden

1

daher immer zu einer Zunahme der Atemwegswiderstände, die bei Spontanatmung nicht vernachlässigt werden sollte. Hinweis Variable Blenden haben eine Kennlinie, die linear proportional zur Gasströmung ist.

3

3

3

3

3

3

Messgenauigkeit. Erhebliche Messwertverfälschungen können durch Kondenswasserauflagerung auf dem Segel und in den ableitenden Druckschläuchen entstehen. Außerdem treten von der Benutzungsdauer abhängige Änderungen der Kennliniencharakteristik auf. Dennoch erlauben diese zumeist als Einmalartikel erhältliche Sensoren bei geringem apparativem Aufwand die kontinuierliche und bei Erwachsenen ausreichend genaue Bestimmung und Überwachung der ventilatorischen Parameter Flow und Volumen.

■ Staudrucksensor In den Gasstrom wird ein Staurohr eingebracht, dessen Öffnungsfläche senkrecht zur Strömungsrichtung angeordnet ist (Abb. 13.2). Der Gasfluss bewirkt im Staurohr eine flowabhängige Druckerhöhung. Durch die Kombination zweier Staurohre ist auch die bidirektionale Flowmessung möglich. Zur Vermeidung von Messfehlern sind relativ lange Vorlaufstrecken erforderlich. Die Verengung im Bereich der Staurohre verstärkt durch Flowerhö-

3

3

Differenzdrucktransducer

Vorlaufstrecke

Staurohre

3

3

13

Abb. 13.2 Flowmessung durch einen bidirektionalen Staudrucksensor. Die Staurohre sind in der Mittelachse des Strömungsprofils angeordnet. Lange Vorlaufstrecken erhöhen die Messgenauigkeit.

hung das Messsignal. Dadurch erhöhen sich allerdings auch die Atemwegswiderstände. Staudrucksensoren werden als Einmalartikel oder auch als mehrfach verwendbare Sensoren für Respiratoren und Atemmechanikmonitore angeboten.

■ Pneumotachograph Entlang einer gas- oder flüssigkeitsdurchströmten Röhre kommt es zum Druckabfall, der bei laminarer Strömung linear proportional zum Flow ist (▶ Hagen-Poiseuille-Gesetz). Treten bei höheren Strömungen Turbulenzen auf, gilt dieser lineare Zusammenhang nicht mehr. Der von Fleisch 1925 vorgestellte Sensor erlaubt die Volumenstrommessung von Atemgasen über weite Bereiche: Durch Linearisierung des Systems findet der Übergang von laminarer in turbulente Strömung erst bei höheren Strömungen statt. Dieser Effekt wird durch Einbringen von dünnen Blechen in das Messrohr erreicht, so dass eine wabenartige Struktur aus engen, parallel angeordneten Röhren innerhalb des umschließenden Rohres entsteht (Abb. 13.3). Entlang dieser Röhren kommt es zum Druckabfall, der äquivalent der Strömungsgeschwindigkeit ist. Der gemessene Differenzdruck wird mithilfe von Drucktransducern in ein elektrisches Signal verwandelt. Pneumotachographen sind symmetrisch aufgebaut und messen daher bei Verwendung eines geeigneten Druckwandlers auch bidirektional. Messgenauigkeit. Wie aus dem Hagen-PoiseuilleGesetz hervorgeht, wird das Messergebnis nicht nur von der Geometrie der Messanordnung, sondern auch von der Viskosität der Gase direkt beeinflusst. Diese ist temperatur- und gasartabhängig und kann deshalb bei Beatmung mit medizinischen Gasen in Anästhesie und Intensivmedizin ganz beträchtlich variieren: Im Vergleich zu Luft ist die Viskosität von Lachgas geringer, von Sauerstoff dagegen höher. Nach Kalibration mit Luft beträgt somit der Messfehler für Sauerstoff +9 %, für Lachgas −25 %. Da die dynamische Viskosität von Wasserdampf nur halb so groß ist wie die von Luft, tragen Änderungen des Wassergehalts ebenfalls zur Erhöhung des Messfehlers bei. Zur Verbesserung der Messwertgenauigkeit müssen daher Gaszusammensetzung und -viskosität, Temperatur und Partialdrücke der Gasanteile

13.1 Messung von Atemvolumina und Flow

Differenzdrucktransducer

403

1

Druck

Heizung

Flow

3 Seitenansicht

Durchflussansicht

Abb. 13.3 Flowmessung mit einem Pneumotachographen. Der Pneumotachograph nach Fleisch besteht aus einer Vielzahl von parallel zur Strömungsachse angeordneten Kapillaren, die zur Laminarisierung des Gas­ flows führen. Der Druckabfall in jeder Kapillare ist proportional dem Flow. Der in den äußeren Waben erzeugte Druckabfall wird durch 2 Messstutzen auf den Differenzdrucktransducer geführt und ist ein Maß für den Flow. Zur Vermeidung von Kondensation wird das Messsystem beheizt. Die Genauigkeit des Pneumotachographen für den Messbereich ist durch die nahezu lineare Kennlinie gekennzeichnet (rechts). mit Korrekturfaktoren bewertet werden. Zur Vermeidung von Kondensation muss das Messsystem beheizt werden. Hinweis Die Messwertgenauigkeit wird durch Berücksich­ tigung der Gaszusammensetzung verbessert. Oberer Messbereich und Genauigkeit des Systems sind durch die Linearität der Kennlinie im laminaren Strömungsbereich definiert. Die Kennlinie ist durch die Bauweise des Pneumotachographen festgelegt und begrenzt. Pneumotachographen sind so kalibriert, dass der maximale Flow einen Messdruck von ca. 1 mbar nicht überschreitet. Dementsprechend stehen für unterschiedliche Messbereiche zwischen 9 ml/s und 21 l/s unterschiedliche Größen zur Verfügung. Der Bereich der laminaren Strömung lässt sich durch Verwendung eines Metallgitters, das vor den Sensoreingang installiert wird, zusätzlich erhöhen. Dadurch nimmt allerdings auch der Strömungswiderstand des Systems zu. Bei Pneumotachographen mit einem Messbereich bis 2 l/s beträgt der Druckabfall bei einem Flow von 1 l/s ca. 0,7 mbar. Die Linearität der Kennlinie wird auch durch die Geometrie der Anschlüsse beeinflusst. Problematisch ist auch die Nullliniendrift, die Kalibratio-

nen nach jedem Messzyklus erfordert. Durchmesseränderungen und Winkelstücke verursachen turbulente Strömungen, Aussagen über den linearen Messbereich sollten daher nur für ein komplettes System gemacht werden. Bei sorgfältiger Kalibration und Kompensation der Messfehlereinflüsse beträgt die Genauigkeit < ± 2 – 3 %. Aufgrund seiner Genauigkeit ist der Pneumotachograph nach Fleisch das Standardverfahren in der Spirometrie für den kurzzeitigen Einsatz sowie bei wissenschaftlichen Fragestellungen. Für die Langzeitüberwachung bei beatmeten Patienten ist das Verfahren allerdings nicht geeignet.

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3

3

3 ■ Lamellenspirozeptor Auf ähnlichen Messprinzipien wie der Pneumotachograph nach Fleisch basiert der Lamellenspirozeptor. Die Unterschiede liegen in der Geometrie der Strömungskanäle und der Zahl der Messstellen. Im Pneumotachographen nach Fleisch finden sich annähernd runde Strömungskanäle, der Messdruck wird nur einem am Rand des Sensors gelegenen Strömungskanal entnommen. Der Lamellenspirozeptor besteht dagegen aus Stapeln von Kunststoff- oder Metallfolien, die durch Distanzstücke voneinander getrennt sind; es liegt also ein rechteckiger Querschnitt der Messkanäle vor.

3

3

3

13

404

1

3

3

13 Monitoring: Messmethoden

Wegen der Übereinstimmung des Messprinzips mit dem Pneumotachographen nach Fleisch gelten die dort gemachten Aussagen über Kennlinie und Viskositätseinfluss grundsätzlich auch hier. Speziell für den Einsatz in der Neonatologie und Pädiatrie wurden miniaturisierte Lamellenspirozeptoren entwickelt, die genaue Flowmessungen auch im unteren Flowbereich ermöglichen. Messgenauigkeit. Sie ist der des Fleisch-Pneumotachographen vergleichbar. Da der Differenzdruck über die gesamte Höhe des Sensors, also in jedem Kanal, gemessen wird, ist der Sensor weniger anfällig für ungleichmäßige Strömungsprofile als der Fleisch-Pneumotachograph. Erhebliche Abweichungen zeigen sich bei feuchten Gasen; sie beruhen vermutlich auf Kondensation von Wasser in den Lamellen.

3 ■ Hitzdrahtanemometrie

3

3

3

1915 stellte King eine Messmethode vor, bei der die Abkühlung eines beheizten Widerstandsdrahts im Gasstrom ein Maß für die Strömungsgeschwindigkeit ist. Das Messelement besteht im Prinzip aus einem Widerstandsdraht (meist aus Platin) im Strömungskanal (Abb. 13.4), der auf eine Temperatur von ca. 180 °C geheizt wird. Durch das vorbeiströmende Gas kühlt sich der Draht ab. Die dabei abgegebene Wärmemenge ist umso größer, je höher das vorbeifließende Volumen pro Zeiteinheit ist. Gebräuchlich ist die Messung mit konstanter Hitzdrahttemperatur. Dabei wird die Tempera-

3

3

Hitzdraht

Temperaturfühler

Rückschlagventil Auswertung

3 Flow

3

13

Abb. 13.4 Flowmessung durch Hitzdrahtanemometer. Bei Hitzdrahtanemometern mit konstanter Hitzdrahttemperatur ist die zur Aufrechterhaltung der Hitzdrahttemperatur im Atemgasstrom erforder­ liche Energiemenge dem Gasfluss proportional.

tur des Drahtes durch einen elektrischen Regelkreis konstant gehalten, so dass der erforderliche Heizstrom ein Maß für den Gasflow ist. Die zur Aufrechterhaltung der Hitzdrahttemperatur notwendige elektrische Energie ist somit der Flussgeschwindigkeit des vorbei fließenden Gasstromes proportional. Der Einfluss der Gastemperatur kann durch einen zusätzlichen Temperaturmessfühler im Gasstrom laufend kompensiert werden. Hitzdrahtanemometer messen unabhängig von der Strömungsrichtung; durch den Einbau eines zweiten Messfühlers kann diese erkannt werden. Die Sensoren werden dabei so angeordnet, dass sie in Strömungsrichtung gesehen genau hintereinander liegen. Der zweite Draht kühlt weniger ab als der erste, weil er im Windschatten liegt. Hitzdrahtanemometer ermöglichen aufgrund ihrer hohen Empfindlichkeit auch die Flowmessung bei höherfrequenter Atmung/Beatmung und niedrigen Flüssen. Sie sind daher besonders gut für Flow- und Volumenmessungen in der Pädiatrie geeignet. Da bei Kindern nur niedrige Flows mit geringen Volumina vorliegen, sollte das Hitzdrahtanemometer jedoch tubusnah installiert sein. Dann sind Messungen mit ausreichend hoher Empfindlichkeit und Genauigkeit durchführbar, zumal Resistance und Totraum klein gehalten werden können. Hinweis Trifft ein Flüssigkeitstropfen auf den Draht, so wird wegen der wesentlich höheren Wärmeleit­ fähigkeit von Flüssigkeiten gegenüber Gasen schlagartig sehr viel mehr Wärme abgeführt und bei der üblichen Schaltung mit konstanter Hitz­ drahttemperatur so viel Strom nachgeregelt, dass der Draht zerstört werden kann. Messgenauigkeit. Da Lachgas eine andere Wärmekapazität als Luft aufweist, sollten Hitzdrahtanemometer für den Einsatz während der Narkose über eine Lachgaskompensation verfügen. Ohne diese Fehlerkompensation liegen die Messwerte oberhalb der tatsächlichen Werte. Unterschiedliche Wasserdampfdrücke gehen ebenfalls über die Parameter Wärmeleitfähigkeit und Wärmekapazität in den Messwert ein, da sich Luft und Wasserdampf in diesen Größen stark voneinander unterscheiden. Die Messwertabweichung beträgt 8 – 10 % zwischen trockenen und wasserdampfgesättigten Gasen.

13.1 Messung von Atemvolumina und Flow

■ Turbinenflowmeter Bei Volumenstromsensoren nach dem Turbinenflowprinzip treibt der Gasstrom Rotorblätter an, die auf einer oder mehreren Achsen sitzen (Abb. 13.5). Die Umdrehungszahl der Turbine ist proportional zu Gasströmung. Die Auswertung kann durch ein mechanisches Zählwerk oder auch durch berührungslose Verfahren erfolgen, z. B. durch magnetisch-induktive Kopplung oder optische Systeme mit Fotodiode und -transistor. Bei den letztgenannten werden durch die Drehungen des Turbinenrads Impulse an den Messwertaufnehmer abgegeben, deren Frequenz dem Flow proportional ist. Reibungsverluste bei der Übertragung entfallen. Das ventilatorische Monitoring kann durch elektronische Auswertung der Daten und Integration von Alarmfunktionen, z. B. bei Über- oder Unterschreiten definierter Tidal- oder Minutenvolumina oder Atemfrequenzen, problemlos erweitert werden. Prinzipiell ist es möglich, den Flow in beiden Richtungen zu messen. Die Auswerteeinheit muss dann – bei optischer Auswertung – mit einer weiteren Lichtschranke versehen sein, um die Drehrichtung des Sensors zu erkennen.

Licht

Leitbleche

Photozelle

Impulszähler

Volumen

Abb. 13.5 Volumenmessung mit dem Turbinenflowmeter. Turbinenflowmeter mit elektronischer Auswerteeinheit: Jede Unterbrechung des Lichtsi­ gnals durch einen Flügel des Rotors bewirkt eine Spannungsänderung, die Anzahl der Impulse wird elektronisch ausgewertet und als Volumen angezeigt. Die Leitbleche sollen Turbulenzen vermeiden, die zu Messwertverfälschungen führen können (Linearisie­ rung des Flows).

Messgenauigkeit. Massenträgheit und Lagerreibung führen dazu, dass ein Mindestflow nötig ist, um die Turbine in Bewegung zu versetzen, z. B. 2 l/ min. Geringe Lagerreibung bewirkt dagegen langes Nachlaufen der Flügel. Die Beeinträchtigungen der Linearität im unteren Messbereich beruhen dementsprechend auf mechanisch bedingten Reibungsverlusten, während es sich im oberen Messbereich um strömungsphysikalische Vorgänge handelt. Da mathematische Berechnungen der Zusammenhänge von Strömung und Drehzahl durch die komplizierten strömungsphysikalischen Verhältnisse schwierig sind, beruhen die geometrischen Formen der Turbinen in erster Linie auf empirischen Erfahrungen. Dementsprechend sind Messgenauigkeit und Linearität geräteabhängig und unterliegen fertigungs- und alterungsbedingten Schwankungen. Unabhängig davon ist die Zunahme der Atemwegswiderstände neben der Luftführung und den mechanischen Widerständen in erster Linie von der Flowhöhe abhängig. Hinweis Messgenauigkeit und Linearität sind gering. Abhängigkeiten bestehen zudem von der Gasart, d. h. der Sauerstoffkonzentration, dem Wasserdampfgehalt sowie den Konzentrationen volatiler Anästhetika etc. Bei Verwendung von Gasen niedriger Dichte, wie z. B. Helium (Gasdichte Helium 13,8 %, Luft 100 %) wird der Flow erheblich niedriger gemessen als mit Luft. Volumenstromsensoren nach dem Turbinenflowprinzip zur Bestimmung des exspiratorischen Tidal- und Minutenvolumens werden vor allem in Narkosegeräten sowie zur Abschätzung der ventilatorischen Kapazität bei intubierten, spontan atmenden Patienten in der Intensivmedizin eingesetzt. Ihre Genauigkeit ist gering, reicht jedoch für die grobe klinische Orientierung aus. Bei mechanischen Sensoren wie dem WrightSpirometer (Abb. 13.6) können zudem durch die eingebauten mechanischen Zeituhren ganz erhebliche Abweichungen der Zeitmessung vom Sollwert auftreten, so dass exakte und reproduzierbare Berechnungen des Atemminutenvolumens über orientierende Betrachtungen hinaus kaum möglich sind. Die durch Messungenauigkeiten in Turbine und Auswerteeinheit verursachten Abweichungen vom eingestellten Sollwert werden meist mit

405

1

3

3

3

3

3

3

3

3

3

3

13

406

13 Monitoring: Messmethoden

Transducer 1

1

Laufzeit t1

Laufzeit t2

Leitbleche

3

3

Abb. 13.6 Volumenmessung mit dem WrightSpirometer. Einfache Wright­Spirometer können z. B. auf den Tubus des spontan atmenden Patienten aufgesetzt werden und ermöglichen die einfache Abschätzung seiner ventilatorischen Kapazität.

Transducer 2

Auswertung

± 15 % angegeben, können jedoch zwischen –25 und +35 betragen. Flow

3

3

3

3

3

3

■ Ultraschall-Spirometer In strömenden Gasen ändert sich die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Schalls mit der Bewegungsrichtung. Ein Signal, das in Strömungsrichtung gesendet wird, erreicht den Empfänger früher als beim Durchlaufen des Mediums in Gegenrichtung. Die Geschwindigkeiten von Schall und Medium überlagern sich, die Differenz der Laufzeiten ist ein Maß für die Strömungsgeschwindigkeit (Abb. 13.7). Im Gegensatz zu anderen Verfahren werden die Atemwegswiderstände nicht beeinflusst. Sie erhöhen lediglich den Totraum. Probleme, wie z. B. Undichtigkeiten des Systems, sind jedoch bis heute nicht befriedigend gelöst. Auch aufgrund ihres hohen Preises werden daher Ultraschall-Spirometer in der klinischen Routine derzeit kaum eingesetzt. Hinweis Ultraschall­Spirometer beeinflussen die Atem­ wegswiderstände nicht.

Abb. 13.7 Flowmessung mit dem UltraschallSpirometer. In Strömungsrichtung gesendete Schallwellen erreichen den gegenüberliegenden Transducer schneller als Schallwellen, die entgegen der Strömungsrichtung abgegeben werden. Aus der zeitlichen Differenz lassen sich Richtung und Strö­ mungsgeschwindigkeit ermitteln.

Wirbel (Vortex)

Sender

Störkörper

Empfänger

Wirbelzähler

Flow

3

3

13

■ Wirbelzähler / Vortex-Flowmeter Wird in eine Rohrleitung ein Störkörper eingebaut und von einem Gas umströmt, bilden sich in einer bestimmten Entfernung dahinter Wirbel (engl. Vortex). Das Ausmaß der Wirbelbildung ist der Strömungsgeschwindigkeit proportional (Abb. 13.8). Zur Messwerterfassung werden unter-

Abb. 13.8 Flowmessung mit Wirbelzählern. Stör­ körper im Gasstrom erzeugen Wirbel, die mit der Gasströmung weitergetragen werden. Die Anzahl der Wirbel wird detektiert und ist ein Maß für die Gasströmung.

schiedliche Verfahren eingesetzt; verbreitet ist die Anwendung von Ultraschall. Dabei werden die Wirbel erfasst und über eine Impulszählung elektronisch in Flow- und Volumensignale umgewandelt. Die Richtungserkennung des Flows ist durch neuere Entwicklungen möglich, bei denen der Störkörper symmetrisch gestaltet ist und 2 Auswerteeinheiten eingesetzt werden. Der Störkörper kann so klein sein, dass er kaum Druckabfall verursacht. Totraum und Resistance sind daher ähnlich klein wie bei Ultraschallverfahren oder Hitzdrahtanemometern. Wirbelzähler werden in der klinischen Routine derzeit nur selten eingesetzt. Weiterentwicklungen auf diesem Gebiet lassen für die Zukunft deutlichere Einsatzschwerpunkte im ventilatorischen Monitoring erkennen, da Wirbelzähler durch das Fehlen von bewegten Teilen praktisch verschleißfrei sind.

13.2

Messung der Beatmungsdrücke

13.2.1 Pneumatische Druckmanometer Die einfachste Druckmessung in Beatmungssystemen erfolgt durch pneumatische Druckmanometer, die vor allem in der Narkosebeatmung noch weit verbreitet sind (Abb. 13.9). Zur Apnoe- und/ oder Diskonnektionserkennung sind sie oft mit einem photooptischen Sensor (Lichtschranke) ge-

Druckdose

Abb. 13.9 Druckmessung mit dem pneumatischen Manometer. Die Auslenkung der Druckdose wird mechanisch auf das Zeigerinstrument übertragen und ist proportional zum anliegenden Druck.

13.3 Messung von Gaskonzentrationen

407

koppelt. Wird das Lichtsignal nicht innerhalb einer bestimmtem Zeit, z. B. 15 Sekunden, durch den Zeigerausschlag des Druckmanometers unterbrochen, erfolgt akustische Alarmierung.

1

13.2.2 Elektronische Drucktransducer Intensivrespiratoren arbeiten zumeist mit elektronischen Drucktransducern. Die Messprinzipien aller Verfahren sind grundsätzlich ähnlich. Die Druckamplitude im Beatmungssystem (am Tubus oder im Gerät gemessen) führt zur mechanischen Auslenkung einer Membran, wobei sich deren piezoresistiven, induktiven oder kapazitiven Eigenschaften proportional ändern. Die Änderungen werden digital oder analog angezeigt. Elektronische Drucktransducer folgen dem Druckverlauf praktisch trägheitsfrei. Messwertverfälschungen entstehen durch die Kompressibilität des Gasvolumens im Atemsystem. Durch patientennahe Messungen kann der Messfehler vermindert werden. Durch Kopplung des Messsystems mit der Respiratoreinheit besteht die Möglichkeit der Ansteuerung des Respirators, z. B. Öffnung des elektronischen Exspirationsventils bei Überschreiten des Maximaldrucks.

13.3

Messung von Gaskonzentrationen

Zur Bestimmung von Gaskonzentrationen werden in Anästhesie und Intensivmedizin Messmethoden verwendet, mit denen die Einzelgaskomponenten der in- und exspiratorischen Atemgasgemische analysiert und grafisch und/oder numerisch dargestellt werden können. Hierzu werden unterschiedliche Messtechniken eingesetzt, die im Folgenden erläutert werden. Die Gaskonzentration der zu messenden Komponente bezeichnet deren Anteil am Gesamtgemisch. Dieser als Fraktion F bezeichnete Anteil ergibt sich aus dem Verhältnis seines Partialdrucks zum Gesamtdruck. Der Gesamtdruck eines Gasgemischs setzt sich nach dem Daltonschen Gesetz aus der Summe der Partialdrücke der einzelnen Komponenten zusammen:

3

3

3

3

3

3

3

3

3

3

Pgesamt = p1 + p2 + p3 + ... = Σ pn

13

408

1

13 Monitoring: Messmethoden

Die Konzentration in Prozent errechnet sich als F × 100. Zur abschätzenden Umrechnung von Partialdrücken in Volumenprozent gilt bei Normaldruck (760 mmHg) folgende Beziehung: Merke 1 Vol% ≅ 7,6 mmHg

3

Hinweis Beim Tauchen in 50 m Tiefe erhöhen sich die Partialdrücke aller Gaskomponenten proporti­ onal zum Gesamtdruck etwa um den Faktor 5. Die Gaskonzentrationen bleiben hingegen zah­ lenmäßig gleich. Ohne Kenntnis des Gesamt­ drucks ist die Angabe der Gaskonzentration so­ mit nicht hinreichend. Üblicherweise werden Messinstrumente bei Atmosphärendruck kalib­ riert; ändert sich dieser, muss dies entsprechend berücksichtigt werden.

3

3

3 13.3.1 Sauerstoff

3

3

3

3

3

Die Messung des Sauerstoffgehalts in der Inspirationsluft soll die Beatmung mit hypoxischen Gasgemischen z. B. durch fehlerhaften Anschluss an die Gasversorgungsanlage, fehlerhafte Flowmetereinstellung oder defekte Sauerstoffmischer verhindern und dient damit der unmittelbaren Patientensicherheit. Auf der Grundlage von Empfehlungen (Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin, DGAI, 1979) und gesetzlichen Vorschriften (z. B. EN 740, EN 794, Medizinproduktegesetz) ist die Sauerstoffmessung im Frischgas beim Betrieb von Narkose- und Intensivrespiratoren vorgeschrieben. Die Sauerstoffmessgeräte müssen mit der Möglichkeit zur Einstellung von unteren Alarmgrenzen ausgestattet sein. Zur Sicherstellung der Überwachungsfunktion ist die gleichzeitige Inbetriebnahme von Sauerstoffmessgerät und Respirator durch einen zentralen Netzschalter empfehlenswert. Messmethoden: elektrochemisch, ● paramagnetisch, ● schwingungsspektrometrisch, ● massenspektrometrisch. ●

3

13

Zur Bestimmung der Sauerstoffkonzentration in Atemgasen werden vorwiegend elektrochemische und paramagnetische Messverfahren verwendet. Am meisten verbreitet sind die auf elektrochemischer Basis arbeitenden galvanischen und polarographischen Sensoren. Andere Methoden zur Sauerstoffmessung, wie Schwingungsspektrometrie (Raman) oder Massenspektrometrie (s. u.), sind dagegen sehr aufwendig und werden unter klinischen Fragestellungen meist nicht eingesetzt.

■ Elektrochemische Methoden Die galvanische Zelle oder Brennstoffzelle (Abb. 13.10) besteht aus Elektroden, z. B. einer Blei-Anode und einer Gold-Kathode, die von einer basischen Elektrolytlösung umgeben sind. Die Sauerstoffmoleküle aus dem Gasgemisch diffundieren durch eine dünne Teflonmembran in den Elektrolyten und werden an der dahinter angeordneten Kathode reduziert. Der bei dieser Reaktion fließende Strom ist dem Sauerstoffpartialdruck des Gases proportional. Die Anode verbraucht sich durch die Reaktion. Daher hängt ihre Lebensdauer von der Expositionsdauer und der Sauerstoffkonzentration ab. Die mittlere Lebensdauer beträgt bei kontinuierlicher Raumluftexposition mindestens 12 – 15 Monate, bei Exposition in 100 % Sauerstoff mindestens 2 – 3 Monate. Da sich die Brennstoffzelle auch bei offener Lagerung bei Raumluft verbraucht, sollte der Sensor nach dem Einsatz aus dem Atemsystem möglichst entfernt und mit einer Schutzkappe luftdicht verschlossen werden. CO2 verkürzt die Lebensdauer durch Ablagerung von Reaktionsrückständen. Durch Diffusion nach außen findet ständig ein geringer Verlust von Wassermolekülen statt, so dass die Zelle im Laufe der Zeit austrocknet. Hinweis Brennstoffzellen nach Benutzung aus dem Beat­ mungssystem entnehmen. Messgenauigkeit. Sie ist weitgehend unabhängig von der Anwesenheit volatiler Anästhetika und Lachgas. Feuchtigkeit im System beeinflusst die Messung nicht, solange kein Wasser auf der Membran kondensiert. Kondensation verändert Diffusi-

13.3 Messung von Gaskonzentrationen

■ Polarographische Methoden

Teflonmembran O2 Elektrolyt Gold-Kathode

BleiAnode

a

Strommessung

Teflonmembran O2 Elektrolyt Silber-Kathode

PlatinAnode

Spannungsquelle b

409

Strommessung

Abb. 13.10 O2-Messung durch elektrochemische Methoden. a Brennstoffzelle: Die Sauerstoffmoleküle aus dem Gasgemisch diffundieren in den Elektrolyten und re­ agieren mit den dahinter angeordneten Elektroden. Die Spannung zwischen Anode und Kathode ergibt sich aus dem elektrochemischen Redoxpotenzial der Elektrodenmaterialien, der resultierende Strom zwischen Anode und Kathode ist proportional den an der Kathode reduzierten Sauerstoffmolekülen. b Polarographischer Sensor: Die Sauerstoffmoleküle diffundieren in den Elektrolyten und werden auf­ grund der von außen angelegten Spannung an der Kathode reduziert. Der resultierende Strom zwi­ schen Kathode und Anode ist dem Sauerstoffparti­ aldruck proportional. onsstrecke und -querschnitt und führt zur Anzeige falsch niedriger Sauerstoffwerte. Die Messsicherheit gegen Sensorausfall kann durch Installation zweier Kathoden, deren Messwerte permanent miteinander verglichen werden, zusätzlich erhöht werden. Antwortzeit. Brennstoffzellen sind nach einer Aufwärmzeit von ca. 10 Minuten betriebsbereit. Ihre Messgenauigkeit ist über Stunden stabil mit einer mittleren Drift von 0,5 %. Einmalige tägliche Kalibration mit reinem Sauerstoff ist ausreichend. Bei maximaler Veränderung der Sauerstoffkonzentration beträgt die Antwortzeit 15 – 20 Sekunden.

Während bei der Brennstoffzelle die Reduktionsspannung für den Sauerstoff konstruktiv durch die Redoxpotenziale von Kathode und Anode im Zellenaufbau erzeugt wird, beruht das Messprinzip des polarographischen Sensors (Clark-Sensor) auf der chemischen Reduktion von Sauerstoff in Elektrolytlösung aufgrund einer von außen angelegten Spannung. Die Sauerstoffmoleküle diffundieren durch die Membran und das Elektrolytgel zur Kathode. Der resultierende Strom zwischen Kathode und Anode ist auch hier dem Sauerstoffpartialdruck in der umgebenden Elektrolytlösung proportional. Verwendet werden meist Silber-Anoden und Platin- oder Gold-Kathoden in Elektrolytlösung. Solange keine Spannung anliegt, wird der Sensor nicht verbraucht, so dass der Sensor in Stand-byPosition verbleiben kann. Durch Auswechseln des Elektrolyten und/oder der Membran sind polarographische Messzellen regenerierbar. Hinweis Polarographische Sensoren können nach Benut­ zung im Beatmungssystem verbleiben.

1

3

3

3

3

3 Messgenauigkeit und Ansprechzeit. Die Membranbeschaffenheit (Material und Dicke) bestimmt die Ansprechzeit und Stabilität der Elektrode sowie deren Permeabilität. Membranen mit großem O2PermeabilitätskoefÏzienten wie Teflon führen dementsprechend zu kurzen Ansprechzeiten bei allerdings geringerer Stabilität. Gleichzeitig nimmt die Durchlässigkeit für Fremdgase wie Halothan zu. Hieraus können theoretisch nicht unerhebliche Messfehler resultieren: Halothan wird ebenso wie O2 an der Edelmetallelektrode reduziert und verursacht einen Reduktionsstrom, der sich zu dem des Sauerstoffs addiert. Dieser Einfluss lässt sich jedoch durch entsprechende Membranen verhindern. Enflurane und Isoflurane zeigen keine messbaren Interferenzen. Auch Lachgas kann zu Messfehlern führen: Ist z. B. die Elektrode nicht mit einer Spannung von < 800 mV polarisiert, erzeugt Lachgas einen Strom, der als O2-Reduktionsstrom fehlinterpretiert werden kann. Bei der O2-Messung in Exspirationsgemischen muss beachtet werden, dass Feuchtigkeit die Sauerstoffdiffusion beeinträchtigen und damit die Messgenauigkeit beeinflussen kann.

3

3

3

3

3

13

410

1

3

3

3

3

3

3

13 Monitoring: Messmethoden

Einsatzbereiche für elektrochemische Sensoren. Atemzyklusabhängige Schwankungen, wie z. B. endtidale Sauerstoffkonzentrationen, können durch elektrochemische Sensoren nicht erfasst werden. Galvanische und polarographische Sensoren werden daher vorwiegend zur Messung und Überwachung inspiratorischer Sauerstoffkonzentrationen verwendet.

■ Paramagnetische Methoden Das Messprinzip paramagnetischer Sauerstoffsensoren basiert auf den elektromagnetischen Eigenschaften von Sauerstoff. Diese beruhen darauf, dass Sauerstoff ein Diradikal mit 2 ungepaarten äußeren Elektronen darstellt. Die Messvorrichtung nach Munday besteht aus einer mit Sauerstoff gefüllten und mit einem Spiegel verbundenen Hantel, die an einem Spannband mit Rückstellvorrichtung in einem inhomogenen Magnetfeld aufgehängt ist. Abhängig von der sie umgebenden Sauerstoffkonzentration des Messgases wird die Hantel ausgelenkt. Ein vom Spiegel reflektierter Lichtstrahl zeigt den Grad der Auslenkung in Abhängigkeit vom Sauerstoffgehalt des Messgases an. Die zur Rückstellung der Hantel erforderliche elektrische Energie ist daher ein Maß für den Sauerstoffgehalt (Abb. 13.11). Die Methode ist sauerstoffspezifisch, da andere in der Anästhesie und Intensivmedizin verwendete Gase und volatilen Anästhetika über keine nennenswerten paramagnetischen Eigenschaften verfügen. Wasserdampfhaltige Atemgase

3

können durch Kondensation in der Messkammer zu Messungenauigkeiten führen. Hinweis Paramagnetische O2­Sensoren sind sauer­ stoffspezifisch. Das Prinzip der magnetoakustischen Spektroskopie beruht ebenfalls auf den paramagnetischen Eigenschaften von Sauerstoff. Beim Durchströmen eines Magnetfeldes kommt es zur Energieaufnahme, was zur Volumenzunahme des Gases führt. In einem pulsierenden Magnetfeld entstehen dadurch periodische Druckänderungen, die als Schallwellen mit einem empfindlichen Differenzdrucktransducer (Mikrofon) erfasst werden können: magnetoakustische Spektroskopie (MAS). Die Amplitude des Signals ist dem aktuellen O2-Partialdruck des Messgases direkt proportional (Abb. 13.12). Zur Erhöhung der Messgenauigkeit wird die Druckänderung im Messgas mit der Druckänderung im sauerstofffreien Referenzgas (bzw. einem Gas mit bekanntem Sauerstoffgehalt) verglichen. Messgenauigkeit. Paramagnetische Sensoren sind technisch zwar aufwendiger und teurer als galvanische und polarographische Verfahren, sie arbeiten jedoch genauer und sind vom Messprinzip her verschleiß- und nahezu driftfrei. Die extrem kurzen Ansprechzeiten (< 100 ms) moderner paramagnetischer Differenzdrucksensoren erlauben die zeitauflösende in- und exspiratorische Sauerstoff-

Rückstellung N

3 Meflgas

O2 inhomogenes Magnetfeld

3

O2

S Lichtquelle

3 Detektor

13

Abb. 13.11 O2-Messung mit dem paramagnetischen Sensor (Munday-Zelle). In Abhängigkeit vom Sauerstoffgehalt des Messgases wird die Hantel im inhomogenen Mag­ netfeld ausgelenkt. Die zur Rückstel­ lung auf den Ausgangspunkt erfor­ derliche elektrische Energie ist ein Maß für die Sauerstoffkonzentration im Messgas.

13.3 Messung von Gaskonzentrationen

Abb. 13.12 O2-Messung durch magnetoakustische Spektroskopie. Referenz­ und Messgas werden in ge­ trennten Leitungen durch den Analysator gepumpt, das Magnetfeld wird mit schneller Taktfrequenz an­ und ausgeschaltet. Die beiden Gasleitungen sind durch einen Differenzdrucktransducer gekoppelt. Die unterschiedlichen O2­Konzentrationen in Referenz­ und Messgas führen zu unterschiedlichen Drücken in den Gasleitungen. Die gemessenen Druckdifferenzen sind dem O2­Partialdruckdifferenzen proportional. messung und grafische Darstellung (Oxygramm) Atemzug für Atemzug bis zu Atemfrequenzen von 80 – 100 Atemzügen pro Minute. Hinweis Paramagnetische O2­Sensoren sind genauer als elektrochemische Sensoren und weisen kürzere Antwortzeiten auf.

13.3.2 CO2, N2O und volatile Anästhetika Mithilfe der Schwingungsspektroskopie können mehratomige Gase qualitativ und quantitativ bestimmt werden. Die Methode beruht auf der Eigenschaft der Moleküle, bestimmte Wellenlängen aus dem Licht herauszufiltern, zu absorbieren. Dadurch werden die Moleküle zu Schwingungen angeregt, der hierzu erforderliche Energiebetrag wird durch Bindungsstärke, Masse und Geometrie der Moleküle definiert. Die resultierenden Schwingungsspektren sind somit substanzspe-

zifisch. Wird also das zu messende Gas mit Licht in einem Wellenlängenbereich durchstrahlt, in dem die Gasmoleküle stark absorbieren, so wird das durchgehende Licht entsprechend stark abgeschwächt. Die Absorption ist dabei nach dem Lambert-Beer-Gesetz bei gegebener Wellenlänge der Anzahl der im Lichtstrahl befindlichen Moleküle und der Schichtdicke (Küvettenlänge) proportional. Durch Messung der Lichtintensität vor und nach der Absorption kann man dann die Anzahl der Moleküle, d. h. die Gaskonzentration, berechnen. Durch Zusammenstoß der untersuchten Moleküle mit anderen Gasen, z. B. Sauerstoff, kann eine Linienverbreiterung auftreten, die dann zur Messung falsch zu hoher Konzentrationswerte führt. Dieser Effekt ist für die klinische Routine jedoch vernachlässigbar. Soll ein Kapnometer sowohl die CO2-Konzentration (in Vol%) des exspirierten Gases anzeigen als auch den CO2-Partialdruck (in mmHg), so muss korrekterweise der aktuelle Barometerdruck mit berücksichtigt werden.

411

1

3

3

3

3 ■ Infrarot-Verfahren Die Messung und Überwachung von Kohlendioxid, Lachgas und volatilen Anästhetika in Atemgasen erfolgen derzeit in der klinischen Praxis vorwiegend durch wellenlängenabhängige Infrarotabsorptionsverfahren, die auch als Infrarotspektrometrie, Infrarotspektroskopie oder Infrarotspektrographie bezeichnet werden. Voraussetzung für die IR-Absorption ist immer ein induzierbares Dipolmoment, andernfalls wird keine elektromagnetische Strahlung absorbiert. Nichtpolarisierbare Moleküle wie Stickstoff, Sauerstoff oder Argon absorbieren kein infrarotes Licht (IRinaktiv) und können daher mit der IR-Spektroskopie nicht gemessen werden. Kohlendioxid und Lachgas, volatile Anästhetika, aber auch H2O, CO und andere polarisierbare Moleküle, sind durch spezifische Absorptionsspektren charakterisiert, die sich allerdings teilweise überlagern. So weist CO2 ein Maximum bei einer Wellenlänge von 4,26 µm auf, N2O bei einer Wellenlänge von 3,9 µm. Zur Vermeidung von Messwertverfälschungen wird daher die Lachgaskonzentration bei einer anderen Wellenlänge gemessen, der überlagernde Anteil daraus errechnet und von der überlagerten Bande subtrahiert. Der analytisch

3

3

3

3

3

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13

412

1

3

3

3

3

3

13 Monitoring: Messmethoden

nutzbare IR-Bereich liegt im Bereich von Frequenzen, die einem Lichtwellenlängenbereich von etwa 2,5 – 30 µm entsprechen. Typische IR-Spektrometer sind als Doppelstrahlinstrumente aufgebaut. Dabei vergleicht der Detektor die Lichtabsorption in der Messküvette mit der bekannten Absorption in der Referenzküvette. Die von der Lichtquelle abgegebene Infrarotstrahlung wird in der Messküvette abgeschwächt, während sie die Referenzküvette nahezu unbeeinflusst durchstrahlt. Mithilfe eines Lichtzerhackers (Chopper) wird der IR-Detektor abwechselnd mit der abgeschwächten bzw. unbeeinflussten IRStrahlung bestrahlt. Aus dem Verhältnis der beiden Signale ergibt sich die zu bestimmende Gaskonzentration (Abb. 13.13).

Licht vor der Detektion mit einem Monochromator (Interferenzfilter) selektiert werden (dispersive IR-Spektroskopie). Dadurch wird der Einfluss von Fremdgasen auf die Messqualität reduziert. Ist der Detektor selektiv oder wird nur mit der molekülspezifischen Messwellenlänge (Plasmastrahler) gearbeitet, wird kein Monochromator benötigt (non-dispersive IR-Spektroskopie) (Abb. 13.14). Die Querempfindlichkeit gegenüber Fremdgasen ist erheblich reduziert. Hinweis Bei älteren Einstrahl­IR­Spektrometern erfolgte die automatische Nullpunktkalibrierung in der als CO2­frei angenommenen Inspirationspha­ se. Dies ist bei Rückatmung von Atemgasen pro­ blematisch: Bei Erschöpfung der CO2­Absorber führt der inspiratorische CO2­Anstieg zu einer Verschiebung der Nulllinie und einer daraus re­ sultierenden Unterschätzung des endexspiratori­ schen CO2­Gehaltes. Die Kapnographie mit Null­ punktkorrektur im Inspirationsflow ist also nicht für die Funktionsüberwachung von CO2­Absor­ bern geeignet.

Hinweis Ein Hauptproblem der infrarotspektroskopischen CO2­Messung ist die Drift des Sensors. Die Null­ punktkalibration kann durch Verwendung CO2­ freier Gase oder durch Verwendung von Refe­ renzfiltern erfolgen. Bei nicht-wellenlängenselektiven Detektoren muss die Messfrequenz aus dem polychromatischen

a

3

Spiegel

Filter Referenzküvette

Zerhackerrad

Spiegel

IR-Detektor

3

herkömmliche InterferenzIR-Lichtquelle filter

b

3

3

3

13

Lichtquelle

Messküvette

Messküvette

Abb. 13.13 Aufbau eines Doppelstrahl-IR-Spektrometers. Die IR­Lichtquelle im Brennpunkt des Spiegels erzeugt parallele Strahlen, die nach Passage des optischen Filters durch die Referenzküvette bzw. Messküvette treten und von einem mechanischen Zerhackerrad periodisch unterbrochen werden. Da­ durch erreicht entweder abgeschwächte oder nicht abgeschwächte IR­Strahlung den Detektor. Über den rechten Spiegel wird das aus den Küvetten austreten­ de Licht auf den IR­Detektor fokussiert und als Ther­ mospannung gemessen.

Linse Detektor

Messküvette 115

Plasmastrahler

Detektor

Abb. 13.14 Aufbau eines einstrahligen IR-Spektrometers. a Herkömmliche, unspezifische, breitbandige Inf­ rarotlichtquellen benötigen zusätzliche optische Komponenten, um die für die CO2­Messung not­ wendige Wellenlänge herauszufiltern. b Plasmastrahler erzeugen eine molekülspezifische, präzise und stabile Wellenlänge. Dadurch entfallen zusätzliche Filter und Linsen, die die Strahlintensität abschwächen.

13.3 Messung von Gaskonzentrationen

100

1

50 CO2 N2O 0

3

a

4 Wellenlänge (µm)

5

3 Transmission (%)

Ebenso wie CO2 oder N2O weisen auch volatile Anästhetika wie Halothan, Enfluran oder Isofluran substanzspezifische Absorptionsspektren auf, die eine eindeutige Zuordnung der im Atemgasgemisch enthaltenen Komponenten erlauben. Werden die volatilen Anästhetika allerdings – wie in älteren Geräten üblich – nur in einem weiten Wellenlängenbereich gemessen, ist keine eindeutige Zuordnung des Absorptionsspektrums zu einem der volatilen Anästhetika möglich, da sich die Spektren überlagern (Abb. 13.15). Bei diesen Geräten muss der Anwender das zu bestimmende Anästhesiegas am Gerät korrekt vorwählen; andernfalls kommt es zu erheblichen Falschanzeigen. Moderne Geräte verfügen über eine Gasarterkennung und nehmen entsprechende Korrekturen vor, so dass die Vorwahl des Anästhetikums entfällt. Dabei wird z. B. nicht nur mit einer, sondern mit 3 Wellenlängen gemessen. Da jedes Anästhetikum ein charakteristisches Verhältnis der Lichtabsorption bei den 3 Wellenlängen aufweist, kann das verwendete Anästhetikum eindeutig identifiziert werden (Abb. 13.16). Darüber hinaus kann Wasserdampf von den anderen Gasen sicher diskriminiert werden, so dass Messungen im In- und Exspirationsschenkel möglich sind.

Transmission (%)

Identifikation des volatilen Anästhetikums

413

100

3

50

0

7

b Desfluran

8 9 Wellenlänge (µm) Sevofluran

10

3

Isofluran

Abb. 13.15 Infrarot-Absorptionsspektren von CO2 und N2O (a) sowie volatiler Anästhetika (b). Während CO2 und N2O aufgrund ihrer charakteristi­ schen Absorptionsspektren im Wellenlängenbereich zwischen 3 und 5 µm leicht zu differenzieren sind, überlagern sich die volatilen Anästhetika im Bereich zwischen 7 und 10 µm.

3

3

Signal (%)

Mit der IR-Spektroskopie eng verknüpft ist die Raman-Spektroskopie. Hierbei wird die zu untersuchende Substanz in der Gasküvette durch monochromatisches Licht zu Schwingungen und Rotation angeregt und sendet Streulicht aus, das neben der Erregerfrequenz der anregenden Lichtquelle auch die den Schwingungen und der Rotation der Moleküle entsprechenden Frequenzen enthält. Durch Analyse der Frequenzunterschiede zwischen dem emittierten Licht und dem in der Messvorrichtung detektierten Streulicht ist die Identifikation der in der Gasmischung vorhandenen Moleküle möglich. Da die Signalunterschiede jedoch sehr gering sind, ist der Einsatz starker Lichtquellen notwendig. Üblicherweise werden daher heute Laser verwendet. Die Raman-Schwingungsspektrometrie erlaubt die Erkennung und Messung der in- und exspiratorischen Partialdrücke nahezu aller in Anästhesie und Intensivmedizin verwendeten Gase, wie CO2, O2, N2, N2O sowie der volatilen Anästhetika. Mo-

Transmission (%)

■ Raman-Schwingungsspektroskopie 100

3

50

3

0 100 100 8,0

3 8,5 Wellenlänge (µm)

Abb. 13.16 Narkosemittelidentifikation durch Messung mit 3 Wellenlängen. Halothan und Isoflu­ ran weisen ebenso wie die anderen volatilen Anästhe­ tika ein charakteristisches Verhältnis der Lichtabsorp­ tion bei Messung mit 3 Wellenlängen auf. Dadurch ist die eindeutige Identifikation des Anästhetikums möglich.

3

3

13

414

13 Monitoring: Messmethoden

1

noatomare Gase wie Helium, Xenon oder Argon weisen keinen Raman-Effekt auf und können daher nicht erkannt werden.

■ Piezoelektrische Verfahren

3

3

3

3

3

3

3

3

3

3

13

Die vergleichsweise preisgünstige piezoelektrische Messung (Piezokristallresonanzmessung) basiert auf der Veränderung der Schwingfrequenz eines beschichteten Kristalls durch Adsorption volatiler Anästhetika. Die Adsorption ist reversibel und verhält sich proportional zum Gaspartialdruck. Allerdings sind die Beschichtungen nicht für einen spezifischen Stoff empfindlich, sondern für eine ganze Familie chemischer Verbindungen. Die Differenzierung zwischen Halothan, Isofluran usw. ist daher nicht möglich, so dass die Vorwahl des Anästhetikums notwendig ist. Der Einfluss von Lachgas auf die Messgenauigkeit ist nur gering, dagegen führt Wasserdampf zu starker Verfälschung der Messwerte. Wegen der ausgeprägten Wasserdampfquerempfindlichkeit ist die piezoelektrische Messung grundsätzlich nur im nahezu wasserfreien Frischgasflow sinnvoll; in diesem Fall ist die Methode lediglich zur Überwachung der Verdampferfunktion geeignet.

■ Photoakustische Spektroskopie Ähnlich wie die O2-Konzentration mit magnetoakustischer Technik gemessen werden kann, können andere Atemgaskonzentrationen (volatile Anästhetika, CO2, N2O) mittels photoakustischer Spektroskopie (PAS) bestimmt werden. Dabei wird das Atemgas in einer Messkammer mit (Infrarot-) Licht bestimmter Wellenlängen impulsförmig durchstrahlt. Die Pulserzeugung erfolgt mit einem Zerhackerrad (Chopper) mit konzentrisch angeordneten Lochblenden, wodurch das Infrarotlicht in 3 unterschiedliche Bänder moduliert wird. Durch Filtration mit 3 individuellen Filtern für je eine bestimmte Wellenlänge werden die Frequenzen und Wellenlängen des einfallenden Lichts den InfrarotAbsorptionsspektren der 3 zu messenden Gase angepasst, so dass die hinsichtlich Wellenlänge und Modulationsfrequenz unterschiedlichen Lichtstrahlen nur jeweils ein bestimmtes Gas anregen. Das hierbei absorbierte Licht führt zur Volumen-

zunahme des Messgases durch Temperaturveränderungen. Die daraus resultierenden periodischen Druckschwankungen können als Schallwellen erfasst und nach elektronischer Filterung den absorbierenden Substanzen zugeordnet werden. Die meisten der derzeit erhältlichen, nach dem PAS-Prinzip arbeitenden Analysatoren messen volatile Anästhetika im Infrarotbereich zwischen 7 und 14 µm, so dass zwischen Enfluran, Isofluran und Halothan wegen der Ähnlichkeit der Absorptionsspektren nicht ausreichend genau differenziert werden kann. Bei inkorrekter Vorwahl des Anästhetikums resultiert dadurch ein Messfehler von ca. 20 %. Oftmals sind PAS und MAS in einem Gerät verfügbar, so dass alle relevanten Narkosegase mit hoher Genauigkeit gemessen werden können. Vorteile der photoakustischen Messung liegen in der Nullpunktstabilität und in der synchronen, mit guter zeitlicher Auflösung möglichen Erfassung der verschiedenen Gase bis zu Atemfrequenzen von ca. 40/min.

■ Massenspektrometrie Massenspektrometer werden zur zeitaufgelösten Bestimmung von Gaspartialdrücken verwendet. Ein besonderer Vorteil liegt darin, dass damit auch die Messung von Edelgasen wie Xenon, Argon oder Helium möglich ist. Ebenso lassen sich Isotopengemische einfach unterscheiden. Das zu messende Gas wird durch die Probenkapillare im Bypass abgesaugt. Ein Teil der Probe wird über ein Molekularleck in die Hochvakuumkammer des Spektrometers eingelassen und in der Ionisationskammer durch Elektronenbeschuss ionisiert. Dabei zerfällt es je nach Ionisationsenergie in charakteristische, definierte Bruchstückionen: M + e– → M+ + 2 e– Nach Beschleunigung in einem elektrostatischen Feld werden die ionisierten Teilchen z. B. durch ein starkes Magnetfeld geleitet, in dem Partikel mit einem hohen Ladungs-/Massenverhältnis stärker aus ihrer Bahn abgelenkt werden als Partikel mit einem geringeren Ladungs-/Massenverhältnis. Schließlich werden die Teilchen entsprechend ihrer unterschiedlichen Ladungs-/Massenverhältnisse in geeigneten Kollektoren aufgefangen und als Ladungsstrom gemessen. Bei sog. Festkollek-

13.3 Messung von Gaskonzentrationen

tor-Massenspektrometern ist die Stärke des Magnetfeldes konstant, die unterschiedlich schweren Teilchen können gleichzeitig auf verschiedenen Kollektoren gemessen werden (Abb. 13.17). Voraussetzung ist jedoch, dass für jedes zu messende Ladungs-/Massenverhältnis ein entsprechender Kollektor an der geometrisch richtigen Position zur Verfügung steht. Daher lassen sich mit diesen Geräten nur definierte Gase bzw. Gasbestandteile bestimmen. Klinisch eingesetzte FestkollektorMassenspektrometer haben nur eine beschränkte Anzahl von Kollektoren. Alternativ kann auch das Magnetfeld variiert werden, so dass die ionisierten Teilchen nacheinander auf denselben Kollektor auftreffen. Solche Massenspektrometer sind besonders für hochauflösende und analytische Spektroskopie geeignet.

Die Massenauftrennung kann auch in einem elektrischen Quadrupolfeld erfolgen, das als Massefilter wirkt. Die Teilchen durchlaufen das Quadrupolfeld auf Spiralbahnen, wobei immer nur eine definierte Ionenart den Kollektor auf stabilen Bahnen erreichen kann. Der Wechsel zwischen verschiedenen Massen kann bei Quadrupol-Massenspektrometern sehr schnell erzeugt werden, womit die quasi gleichzeitige Messung unterschiedlicher Ionen ermöglicht wird (Abb. 13.18). Merke Quadrupol­Massenspektrometer erlauben die gleichzeitige, genaue und zuverlässige Messung aller relevanten Atemgasfraktionen inklusive der Edelgase.

415

1

3

3

3 Gasprobe

~ Kathodenheizung Gaseinlass

Ionisation

S

Hochvakuum Fokussierung

Beschleunigung

Magnetfeldablenkung

Anode Vakuumpumpe

N

Abb. 13.17 Festkollektor-Massenspektrometer. Die ionisierten Teilchen der Gasprobe werden im elektrischen Feld des Hochvakuums beschleunigt, fokussiert und im Magnetfeld abgelenkt. Die Stärke des Magnetfeldes ist konstant. Un­ terschiedlich schwere Teilchen kön­ nen gleichzeitig auf verschiedenen Kollektoren gemessen werden. Für jedes zu messende Ladungs­/Mas­ senverhältnis steht ein entsprechen­ der Kollektor zur Verfügung. Daher lassen sich nur definierte Gase bzw. Gasbestandteile bestimmen.

Detektion

Gasprobe ~ Kathodenheizung Hochvakuum Gaseinlass

Ionisation Beschleunigung

Anode Vakuumpumpe

Fokussierung Detektor

3

3

3

3 Abb. 13.18 Quadrupol-Massenspektrometer. Im Quadrupol­ Massenspektrometer werden die ionisierten Teilchen in einem elektrischen Wechselfeld zwischen 4 Elektromagneten auf unterschied­ liche Spiralbahnen abgelenkt. Die Massenbestimmung erfolgt nachei­ nander.

3

3

elektrisches Trennfeld

3

13

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1

3

3

3

3

3

3

3

3

3

3

13

13 Monitoring: Messmethoden

Bruchstücke, die trotz unterschiedlicher Ionenart gleiche Ladungs-/Massenverhältnisse aufweisen, wie CO2 und N2O mit der Molekülmasse 44, können durch Messung anderer Bruchstücke nachgewiesen werden. Da bei gleicher Ionisationsenergie immer die gleichen Fragmentationen des untersuchten Moleküls auftreten, lassen sich solche Überlagerungen rechnerisch präzise trennen. Hochauflösende Massenspektroskopie kann auch zwischen sehr geringen Massenunterschieden differenzieren, wie sie zwischen N2, CO und C2H4 auftreten. Die Genauigkeit der quantitativen Massenspektroskopie zur Partialdruck- bzw. Konzentrationsmessung wird entscheidend von der Kalibration des Instrumentes beeinflusst. Trotz der Komplexität des Verfahrens arbeiten Massenspektrometer außerordentlich zuverlässig, langzeitstabil und genau.

13.4

Weiterführende Literatur

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417

Sachverzeichnis

A

A/C, Assist Control Ventilation 107f Absorberkanister – Atemkalk 329f – Füllungsvolumen 329 Acute Lung Injury (ALI) 180ff Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) 204ff Adaptive Lung Ventilation (ALV) 140f Adaptive Pressure Ventilation (APV) 137f Adaptive Support Ventilation (ASV) 140f Air mix 304 Air-Trapping 71, 110, 111, 112 Airway-Management, Neonatologie 272ff Airway Pressure Release Ventilation (APRV) 122f Airway Resistance Compensation (ARC) 130ff akute respiratorische InsufÏzienz (ARI, ALI) 180ff – Behandlung schwerster Formen 209ff – Indikation zur Beatmung 185f – O2-InsufÒation 181f akutes Lungenversagen (ARDS) 21, 24, 204ff – Beatmung 209ff – Behandlung schwerster Formen 209ff – Definition 205 – Flüssigkeitsbilanzierung 219 – Glukokortikoide 216 – NO-Therapie 214 – Pathophysiologie 206f – radiologische Zeichen 208 – Stadien 207 – Symptome 207 – Ursachen 206 Alfentanil 386, 388 ALI (Acute Lung Injury) siehe akute respiratorische InsufÏzienz Alkalose 11 – hypochlorämische 15 – metabolische 15 – respiratorische 13, 53 Alpha2-Agonisten 382 ALV (Adaptive Lung Ventilation) 140f

Alveolardruck 68, 210 – unter Spontanatmung 40 alveoläre Füllungszeit 44 alveoläres Rekruitment 80, 144, 192, 193, 209ff – durch Lagerungsbehandlung 217f – Open-Lung-Manöver 210ff – und Spontanatmung 200ff – während der Narkose 358 Alveolarkollaps 185, 213 Alveolarluft-Formel 47 Alveole 3f – Eröffnungsdruck 211 Alveolitis 34 AMV (Augmented Minute Volume) siehe mandatorische Mindestventilation Anaconda-System 384 Analgetika 385ff – Applikationsformen 394ff Analgosedierung 369ff – Abschätzung des Bedarfs 394 – bei erhöhtem intrakraniellem Druck 236 – Konzepte 369ff – Stufenkonzept 394ff Anästhetika siehe Inhalationsanästhetika, Narkosemittel Aniline 392 Anionenlücke (Anion-gap) 14f Apnoe, Definition 10 Apnoetoleranz 359 Apnoeventilation 118 APV (Adaptive Pressure Ventilation) siehe kontrolliert adaptive Beatmung Arbeitsdruck 338 ARDS (Acute Respiratory Distress Syndrome) siehe akutes Lungenversagen ASB (Assisted Spontaneous Breathing) siehe druckunterstützte Spontanatmung Asbestose 34 Asphyxie, Definition 10 Aspiration, stille 263 Assist-Controler 108

418

Sachverzeichnis

Assist-Control Ventilation, assistierte Beatmung (A/C) 107f – während der Narkose 353 Assisted Spontaneous Breathing (ASB) 114ff - während der Narkose 353 Asthma bronchiale 3, 17, 33, 35f, 68, 193 Asthmaanfall, O2-Gabe 299 ATC (Automatic Tube Compensation) 130ff Atelektasen 5 – nach Narkoseeinleitung 356 – radiologische Zeichen 44 Atelektrauma 187 Atemantrieb – bei COPD 9 – physiologischer 7ff – und CO2-Partialdruck 9 – und O2-Partialdruck 10 – und pH-Wert 9 Atemarbeit 24ff, 248 – bei ARDS 207 – Definition 25 – Determinanten 252 – inspiratorische 81 – isometrische 118 – Normalwerte 25 – postoperativ 233 – spezifische 25 – unter PSV 116f Atemfrequenz 29 Atemgasanalyse 92 Atemgasbefeuchter, aktive 170ff – bei Kindern 282 – Kontamination mit Keimen 267 Atemgasbefeuchter, passive 173ff Atemgasfilter 349ff Atemgasklimatisierung – bei Hochfrequenzbeatmung 156 – bei Kindern 282f – bei nichtinvasiver Beatmung 152 – in der Intensivmedizin 169ff – in der Rettungsmedizin 303 – physiologische 6f – während der Narkose 336, 348 Atemgastemperatur, Monitoring 173 Atemkalk 329ff – Absorptionskapazität 329 – Keimretention 349 – korrekter Umgang 330f – Nutzungsdauer 329 – Reaktion mit Inhalationsanästhetika 330 Atemleistung, Normalwerte 25

Atemluft 41 – Temperatur bei Beatmung 170 – Temperatur bei HME 174 – Temperatur bei Nasenatmung 169 – Wassergehalt bei Beatmung 170, 171 – Wassergehalt bei HME 174 – Wassergehalt bei Nasenatmung 169 Atemmechanik 15ff – inspiratorische Kraft 250 Atemminutenvolumen 29f – bei volumenkontrollierter Beatmung 104 – Definition 60f Atemmuskulatur – Anatomie 1, 24 – Energieverbrauch 25 – Erschöpfung 10, 27, 247, 248, 253, 254 – Schwäche 230, 248 Atemnotsyndrom (RDS) – des Frühgeborenen 287ff – radiologische Stadien 289 – Surfactant-Mangel 5 Atempumpe 15, 16, 179 Atemregulation 7ff Atemstoßwert (ASW) 29 Atemsystemfilter 349ff – Anforderungen für den Einsatz bei Narkosen 351 Atemvolumina – bei Lungenerkrankungen 33ff – Monitoring 400 Atemwegsdruck 111 – mittlerer 69 Atemwegskollaps 17 Atemwegsobstruktion 35 – dynamische 17 Atemwegswiderstand siehe Resistance Atemzeitverhältnis (I/E-Ratio) 61f, 110 – Definition 62 – intrinsic PEEP 71 – primäre Einstellung 192 – umgekehrtes (Inverse Ratio Ventilation) 62, 110f, 212 – während der Narkose 339 Atemzugvolumen (AZV) 28 Atemzyklus 15 Äther 317 Äther-Tropfnarkose 311 Atmung 1 – Kontrolle 9f – Zentren 8 Augmented Minute Volume (AMV) 134

Sachverzeichnis

AutoFlow 138f Automatic Tube Compensation (ATC) 130ff AutoMode 141 Azidose 11 – hyperchlorämische 15 – metabolische 13ff, 54 – respiratorische 9, 12f, 53 AZV, Atemzugvolumen siehe Tidalvolumen

B

baby lung 190, 208 Bag in Bottle-Prinzip 338, 339 Bakterienfilter 267 Barbiturate 381 Barotrauma 68, 112, 187, 189 Basendefizit 12, 198 Basenüberschuss (Base Excess) 12, 198 Basisflow 96 Bauchlagerung 217f Beatmung – bei COPD 230 – bei Schädel-Hirn-Trauma 235 – bei Thoraxtrauma 241ff – Drucksteuerung 94 – Flowsteuerung 94 – Grundformen 103ff – Hybridverfahren 134ff – Indikationen bei ventilatorischer InsufÏzienz 37, 231 – in der Notfallmedizin 300 – Monitoring 65ff – postoperativ 234 – Terminologie 103 – Volumensteuerung 95 – von Früh- und Neugeborenen 280ff – von Kindern 271ff – während der Narkose 352ff – Zeitsteuerung 95 Beatmungsdruck – inspiratorische Druckbegrenzung 105 – Messverfahren 407 – mittlerer 68 – Monitoring 407 – primäre Einstellung 191 – und Compliance 21 Beatmungsfrequenz – Definition 59 – Einstellbereich 60 – primäre Einstellung 192 Beatmungshelm 150f beatmungsinduzierte Lungenschäden 186ff

Beatmungsmuster 57ff, 103 – initiale Einstellung 195 Beatmungsparameter – Korrektur 196f – primäre Einstellung 190ff Beatmungszyklus 57f – Dauer 58 – Druck-Flow-Volumen-Diagramm 58 – Phasen 57 Befeuchter siehe Atemgasbefeuchter Begrenzungsdruck, inspiratorischer 105 Behavioral Pain Scale (BPS) 373f Bellows in Bottle 339 Belüftungsstörungen 46 Benzodiazepinantagonisten 378 Benzodiazepine 374ff Best-PEEP 193 Bestrahlungslunge 34 Biasflow 96, 157 Bikarbonat – aktuelles 11 – Standardwert 12 BiLevel Pressure Controlled Ventilation siehe Biphasic Positive Airway Pressure BiLevel-VG (Pressure Controlled Ventilation-Volume Guarantee) siehe druckregulierte volumenkonstante Beatmung Biologically Variable Ventilation (BVV) 144f Biot-Atmung 54 Biotrauma 187f BiPAP (Bi-Level Positive Airway Pressure) 123ff, 154 BIPAP (Biphasic Positive Airway Pressure) 123ff – Beatmungsformen 126ff – Einsatzbereiche 128 – Geräteeinstellung 124f – inspiratorische Rampe 124 – ohne Spontanatmung (PCV-BIPAP) 126f – originäres 126 – originäres mit ungehinderter Spontanatmung 127 – plus PSV (IMV-BIPAP) 126 – postoperative Phase 234 – Sedierungsbedarf 124 – Weaning 253 BIS-Index 372 Bispektral-Index 372 BiVent 123ff Blähmanöver während der Narkose 356, 359 Blende, variable 401 Blendenspirometer 401

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Sachverzeichnis

Block, alveolo-kapillärer 43 Blue Bloater 36 Blut/Gas-VerteilungskoefÏzient 317 Blutgasanalyse 12 Bodyplethysmographie 20, 31 Bohr-Effekt 50 Boyle-Mariotte-Gesetz 99 Bradypnoe 54 Brennstoffzelle 408f Bronchialkollaps 17 Bronchialsystem, Anatomie 2f Bronchiektasen 35 Bronchiolitis 35, 275 – bei COPD 230 – bei Neugeborenen 293f – bei VAP 263 – im Kindesalter 271 – radiologische Zeichen 294 Bronchitis 19, 35, 36 bronchopulmonale Dysplasie (BPD) 290ff Bronchospasmolysetest 33 BVV siehe Biologically Variable Ventilation

C

Carboxyhämoglobin (COHb) 50, 51 Carlens-Tubus 161, 162 CE-Kennzeichnung 98 Cheyne-Stokes-Atmung 54 CHFV (Combined High Frequency Ventilation) siehe Hochfrequenzbeatmung, kombinierte Systeme Clark-Sensor 409 Clonidin 376, 382, 396 – in der Weaning-Phase 249 Closed-Loop-Feedback-Systeme 341 Closing Capacity (CC) 23 – während der Narkose 354 Closing Volume (CV) 23 CMV (Continuous Mandatory Ventilation) siehe volumenkontrollierte Beatmung CO siehe Kohlenmonoxid CO2 siehe Kohlendioxid COHb siehe Carboxyhämoglobin Compliance 20ff – bei druckkontrollierter Beatmung 77 – beim akuten Lungenversagen 208 – Berechnung bei druckkontrollierter Beatmung 71 – Berechnung bei volumenkontrollierter Beatmung 67 – Definition 20

– dynamische 24, 76 – Einfluss auf den Beatmungsdruck 105 – Messung 22 – spezifische 22 – statische 22, 73, 77 – Supersyringe-Methode 74 – Verlauf 74 Compliancedruck 67 Continuous Mandatory Ventilation (CMV) 103, 104ff Continuous Positive Airway Pressure siehe CPAP Continuous Positive Pressure Ventilation (CPPV) 104ff COPD (Chronic Obstructive Pulmonary Disease) 9, 34, 35ff, 146 – akute Exazerbation 37 – Beatmung 230 – Blue Bloater 36 – Definition 35 – nichtinvasive Beatmung 147 – O2-Gabe in Notfallsituationen 299 – pathophysiologische Veränderungen 230 – Pink Puffer 36 – radiologische Veränderungen 231 CPAP (Continuous Positive Airway Pressure) 61, 127, 132ff, 192 – bei BiLevel-VG 139 – bei BIPAP 124, 127 – bei Neugeborenen 288 – bei NIV 147 – bei respiratorischer InsufÏzienz 185 – bei Schlafapnoe-Syndrom 154 – bei Thoraxtrauma 242 – bei ventilatorischer InsufÏzienz 146 – continuous Flow 133 – Definition 61, 132 – Demand-Flow 133 – in der Rettungsmedizin 301 – Maskenatmung 185 – Nasal Prongs 290 – Spontanatmungsversuch 247 CPPV (Continuous Positive Pressure Ventilation) siehe volumenkontrollierte Beatmung Cyclooxygenase-(COX-2-)Inhibitoren 390f

D

Daltonsches Gesetz 407 Dampfdruck 171 Darmdekontamination, selektive 269 Davis-Meyer-InsufÒationsspatel 320, 328 Demand-Flow-CPAP 133

Sachverzeichnis

Demandventil 299 Desfluran 310, 317 Desfluran-Verdampfer 315, 316 Diazepam 375, 376, 377 Differenzdruckverfahren 401 Diffusion 41ff Diffusionsabscheidung 350 Diffusionsgeschwindigkeit 42 Diffusionskapazität 43 DiffusionskoefÏzient 42 Diffusions-Perfusions-Verteilungsstörung 35 Diffusionsstörungen 43 Diffusionsstrecke 42 DIN/EN/ISO-Normen für Inhalations-Narkosegeräte 342 Distribution der Atemgase 43 Dochtverdunster 171, 172 Doppellumentubus 161 – Dislokation 162 – Lagekontrolle 162 Dräger Kreissystem 7a/8 ISO 337f Draw-over-Apparaturen 312f driving pressure 357 Druck – intrakranieller 235ff – intrapleuraler 16, 21, 22, 25 – intrapulmonaler 19, 20, 21, 25 – subatmosphärischer 16 – transpulmonaler 16, 21, 25 Druckbegrenzung, inspiratorische 105f, 109 Druckeinheiten 70 Druck-Flow-Volumenbeziehung – Spontanatmung versus Beatmung 57 Druckgasflaschen 98 – in der Notfallmedizin 299 – Sicherheitsregeln 99 druckgesteuerte Beatmung 94 druckkontrollierte Beatmung (PC-CMV) 69, 108ff, 190 – während der Narkose 352 – Abfall der Atemvolumina 70 – Druckbegrenzung 109 – Druck-Flow-Volumen-Verlauf 70 – Druckkurven 69 – Einfluss von Compliance und Resistance 70 – Einsatzbereiche 109 – Flowverlauf 71 – Gegenatmung 109 – in der Neonatologie 275ff – Volumen-Zeit-Diagramm 73

druckkontrollierte intermittierende mandatorische Beatmung (PC-S-IMV) 119ff drucklimitierte Beatmung 105f Druckmanometer, pneumatische 407 druckregulierte volumenkonstante Beatmung (BiLevel-VG) 139f druckregulierte volumenkontrollierte Beatmung (PRVC) 136f Drucksteuerung 94 Drucktransducer, elektronische 407 Drucktrigger 63 druckunterstützte Spontanatmung (PSV) 114ff – Atemarbeit 116 – bei chronisch ventilatorischer InsufÏzienz 232 – bei Kindern 277 – Einsatzbereiche 119 – Funktionsprinzip 114 – Geräteeinstellung 116 – während der Narkose 353 – Weaning 251 Druckunterstützung, inspiratorische 79, 114ff, 135 – Geräteeinstellung 116 Druck-Volumen-Diagramm bei Continuous-FlowBeatmung 275 Druck-Volumen-Loop 25, 73 – Atemarbeit 78 – bei Änderungen der Compliance 76 – bei Änderungen der Resistance 76 – bei Belastung 26 – bei druckkontrollierter Beatmung 76f – bei hohen elastischen Widerständen 26 – bei hohen Tidalvolumina 77 – bei inspiratorischer Druckunterstützung 78 – bei kontrollierter Beatmung 76f – bei obstruktiver Lungenerkrankung 26 – bei Ruheatmung 26 – Einzelschrittverfahren 74 – Interpretation bei Beatmung 75 – Interpretation bei Spontanatmung 77f – klinische Bedeutung 79f – Low-Flow-Manöver 74 – statische 73f – Supersyringe-Verfahren 73 – unter Beatmungsbedingungen 74 Druck-Zeit-Kurve 66ff Druck-Zeit-Produkt 26 Düsenvernebler 171, 172

421

422

Sachverzeichnis

E

ECCO2-R (Extracorporeal CO2-Removal) 220 ECMO (Extracorporeal Membrane Oxygenation) 220 – Einschlusskriterien 221 Ein-Lungen-Ventilation (ELV) 161ff – Beatmung mit PEEP 164 – Beatmungsstrategie 163f – Einstellung der Beatmungsparameter 162 – Indikationen 161 – Rechts-Links-Shunt 163 – Tuben 161f Einsekundenkapazität (FEV1.0) 32 Eiserne Lunge 113 ELA (Extracorporal Lung Assist) 220ff Elastance, Definition 21 Elektretfilter 350 ELV (One-lung Ventilation) siehe Ein-LungenVentilation EMMV (Extended Mandatory Minute Volume) siehe mandatorische Mindest-Ventilation E.M.O.-Inhalator 312f Emphysematiker 36 Emphysem, pulmonal-interstitielles 281f Energiebedarf des Intensivpatienten 257 Enfluran 317 – MAK 347 Entrainment 155 Entwöhnung siehe Respiratorentwöhnung, Weaning Entzugserscheinungen – in der Weaning-Phase 249 – nach Langzeitsedierung 396 Epiglottitis 295 Equal Pressure Point 17 Ernährung – bei nichtinvasiver Beatmung 152 – bei Respiratorentwöhnung 256ff – bei respiratorischer InsufÏzienz 258 – parenterale 258 ERV siehe Reservevolumen, exspiratorisches Erwartungszeitfenster 120, 123 Euler-Liljestrand-Reflex 38, 163, 180 Exspirationsvolumen 29 exspiratorischer Hold 65 Extracorporeal Membrane Oxygenation (ECMO) 220ff extrakorporale Lungenersatzverfahren 220ff Extubation 245

F

Farbkodierung medizinischer Gase 97 Farmerlunge 34 fast compartements 44 FDV (Forced Diffusion Ventilation) siehe forcierte Diffusionsventilation Federventil siehe PEEP-Ventil Fentanyl 386, 387f Festkollektor-Massenspektrometer 415 Fettzufuhr 257 Feuchtspirometer 31 fighting the respirator (Gegenatmung) 111f Filtration siehe Atemsystemfilter Filtrationslücke 351 Flow-Akzeleration 63 Flow-Dezeleration 63 flowgesteuerte Beatmung 94 Flowlimitierung, exspiratorische 71 Flowmessung 400ff – bidirektionale 402 – mit bidirektionalem Staudrucksensor 402 – mit Hitzdrahtanemometer 404 – mit Lamellenspirozeptor 403 – mit Pneumotachographen 403 – mit Turbinenflowmeter 405 – mit Ultraschall-Spirometer 406 – mit Wirbelzähler 406 – mit Wright-Spirometer 406 Flowmeter 308 Flowmuster – inspiratorische 62 – sinusförmige 63 Flowphase 57 Flowsteuerung 94 Flowtrigger 63 Flow-Volumen-Kurve 30 – nach Bronchospasmolysetest 33 Flow-Volumen-Loops 80 Flow-Zeit-Kurve 62, 70f Flow-Zerhacker-Prinzip 304 Flumazenil 378 Flunitrazepam 375, 376, 377 Flüssigkeitsbilanzierung bei ARDS 219 forcierte Diffusionsventilation (FDV) 157 Fractal Ventilation 144f FRC siehe funktionelle Residualkapazität Frischgasentkoppelung 340 Frischgasflow-Kompensation 338ff Frischgaszufuhr, Dosierung 307ff Frühgeborene – Algorithmus zum Management des RDS 290

Sachverzeichnis

– Beatmungsindikation 271 – Ersteinstellung des Respirators 291 – Komplikationen bei der Beatmung 280f – maschinelle Beatmung 289 – nichtinvasive Beatmung 288 – Ventilationsparameter 360 – Weaning 289f funktionelle Residualkapazität (FRC) 23, 34 – Definition 32 – postoperativ 233 – während der Narkose 354

G

Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB) 376, 381 Gänsegurgel 176 Ganzkörperplethysmographie 20, 31 Gasaustausch 37ff Gasaustauschstörungen 41, 44ff – Differenzialdiagnose 46 – Grenzwerte 186 Gasdruck in Gasflaschen 98 Gase, medizinische 97ff – Farbkodierung 97 Gasentnahme 97 Gasflaschen 98 – in der Notfallmedizin 299 – Sicherheitsregeln 99 Gasflussröhren 308 Gaskonzentration, Messverfahren 407ff Gasversorgung – dezentrale 98 – zentrale 97 Gasvolumen, intrathorakales 31 Gasvorrat, Berechnung 299 Gegenatmung 111f – bei druckkontrollierter Beatmung 109 – bei volumenkontrollierter Beatmung 112 Gegenstromverfahren 171, 172 Gerätecheck für Narkosegeräte 360ff geschlossene Systeme 321, 322, 326, 334, 336f Gewebewiderstand 28 Giebel-Rohr 184 GlobalinsufÏzienz, respiratorische 27, 54 Glockenspirometrie 31 Glukokortikoide bei ARDS 216 Guedel-Schema 311f

H

Hagen-Poiseuille-Gesetz 18 halbgeschlossene Systeme 321, 322, 326 halboffene Systeme 321, 326

Halbwertszeit, kontextsensitive 374, 375 Haloperidol 376, 396 Halothan 310, 317, 319 – MAK 347 Hämatothorax 237 – Drainage 239 Handbeatmung, Kreissystem 337f Handbeatmungsbeutel 298 Hauptbronchien 2 Hauptstromverfahren zur Atemgasanalyse 92 Heat and Moisture Excanger siehe HME Heated Humidifier (HH) 170ff Heimbeatmung 149, 154 – BiLevel 154 – BiPAP 154 Heizkammervergaser 315 Helium, physikalische Eigenschaften 400 Henderson-Hasselbalch-Gleichung 10 HEPA-Filter 350, 351 Hering-Breuer-Reflex 9 Herz-Kreislauf-Monitoring 219 Herzzeitvolumen und PEEP 194 HFJO (High Frequency Jet Oscillation) siehe Hochfrequenz-Jet-Oszillation HFJV (High Frequency Jet Ventilation) siehe Hochfrequenz-Jetbeatmung HFOV (High Frequency Oscillation Ventilation) siehe Hochfrequenz-Oszillation HFP (High Frequency Pulsation) siehe Hochfrequenzpulsation HFPPV (High Frequency Positive Pressure Ventilation) siehe Hochfrequenz-Überdruckbeatmung HFV (High Frequency Ventilation) siehe Hochfrequenzbeatmung Hirnödem, Beatmungsstrategie 235ff Hitzdrahtanemometer 404 HME (Heat and Moisture Exchanger) 173ff – Atemgasfiltration 267 – Atemgaswiderstand 71 – bei Helmbeatmung 151 – bei HF-Oszillation 156 – bei Maskenbeatmung 152 – in der Narkosebeatmung 348 – in der Rettungsmedizin 303 – mit Bakterien- und Virenfiltern 267 Hochfrequenzbeatmung (HFV) 154ff – Atemgasklimatisierung 156 – Indikationen 160f – kombinierte Systeme (CHFV) 158 – Monitoring 155 – transtracheale 161 – über einen Katheter 160

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Sachverzeichnis

Hochfrequenz-Jetbeatmung (HFJV) 156 Hochfrequenz-Jet-Oszillation (HFJO) 157 Hochfrequenz-Oszillation (HFOV) 158 – in der Neonatologie 278ff Hochfrequenzpulsation (HFP) 157 Hochfrequenz-Überdruckbeatmung (HFPPV) 156 Homöostase-Störungen 11 Houndsfield-Einheiten (HU) 208 Hüfnersche Zahl 48, 52 Hybridbeatmungsformen 134ff – bei Kindern 278 Hyperinflation – alveoläre 112, 187, 190 – dynamische 232, 253 Hyperkapnie 53, 197, 198 – Atemregulation 10 – Definition 53 – permissive 13, 197ff, 200 – Kontraindikationen 200 – Nebenwirkungen 199 – respiratorische Azidose 12 – systemische Wirkungen 235 Hyperoxämie 198 – Monitoring 86 Hyperventilation 61 – Definition 53 – hypoxische 10, 13 – Kapnogramm 91 – kompensatorische 13 – Korrektur 197 Hyperventilationssyndrom 13, 53 Hypokapnie 13, 35, 53, 198 – bei Lungenembolie 46 – Definition 53 – zerebrale Effekte 235 Hypoventilation 61 – bei druckkontrollierter Beatmung 70 – bei metabolischer Alkalose 11 – Definition 53 – Kapnogramm 91 – Korrektur 197 Hypoxämie 36, 52f, 180, 198 – anämische 52, 53 – bei Lungenembolie 45 – bei Notfallpatienten 299 – bei ventilatorischer InsufÏzienz 27, 54 – Definition 52 – Differenzialdiagnose 46 – hypoxische 52, 53 – Kontrolle der Atmung 10 – Pulsoximetrie 84 – respiratorische 52, 53

– Symptome 51 – Therapie 13, 36 – toxische 52, 53 Hypoxie 14, 28, 35, 52f – alveoläre 54 – bei Asthma 300 – Definition 52 Hypoxigenation 52

I

I/E-Ratio siehe Atemzeitverhältnis IA (Inspiratory Assist) siehe druckunterstützte Spontanatmung Idealgewicht 191 IFA (Inspiratory Flow Assistance) siehe druckunterstützte Spontanatmung IK (inspiratorische Kapazität) 28 ILA (Interventional Lung Assist) 220, 222f Iloprost 215 ILV (Independent Lung Ventilation) siehe seitengetrennte Beatmung IMPRV (Intermittent Mandatory Pressure Release Ventilation) 127 IMV (Intermittent Mandatory Ventilation) siehe intermittierende mandatorische Beatmung IMV-BIPAP 127 Independent Lung Ventilation (ILV) 165f inadvertent PEEP bei Früh- und Neugeborenen 277 Infektabwehr, pulmonale 7 Infektionskontrolle 266 Inflection Point 23, 74, 77 Infrarotspektrometer 412 Infrarotspektroskopie 92, 411 Inhalationsanästhetika 307, 310ff, 384 – Applikation 310 – alveolärer Partialdruck 316 – Anflutungsgeschwindigkeit 316 – Dampfdruck 310, 317 – Draw-over-Apparaturen 312 – Infrarot-Absorptionsspektren 413 – Kennfarben 310 – MAC50 317 – Messung mit Infrarotspektroskopie 411 – Messung mit photoakustischer Spektroskopie 414 – physikalische Eigenschaften 310 – Sättigungskonzentration 311, 317 – Siedepunkt 317 – Umgebungsbelastung 346ff – Zumisch-Systeme 315

Sachverzeichnis

Inhalationsnarkose, quantitative 341 Inspirationsflow – bei volumenkontrollierter Beatmung 104 – Definition 62f Inspirationskapazität (IK) 28 inspiratorische Pause 62 inspiratorische Rampe – bei BIPAP 124 – bei PSV 117f inspiratorischer Hold 65 Inspiratory Assist (IA) 114 Inspiratory Flow Assistance (IFA) 114 Inspiratory Pressure Support (IPS) 114 Intermittent Mandatory Pressure Release Ventilation (IMPRV) 127 Intermittent Positive Pressure Breathing (IPPB), intermittierende Überdruckbeatmung 183f Intermittent Positive Pressure Ventilation (IPPV) 104ff Intermittent Mandatory Ventilation (IMV), intermittierende mandatorische Beatmung 119ff – druckkontrollierte (PC-S-IMV) 120 – Geräteeinstellung 120 – synchronisierte (S-IMV) 120 – volumenkontrollierte (VC-S-IMV) 120 Interventional Lung Assist (ILA) 220, 222f intrinsischer PEEP siehe PEEPi Intubation – bei Notfallpatienten 300 – bei Thoraxtrauma 238 – und Kommunikation 259 intubierter Patient, Pflege 259ff Inverse Ratio Ventilation 62, 71 inzentive Spirometrie 182 IPPB (Intermittent Positive Pressure Breathing) siehe intermittierende Überdruckbeatmung IPPV (Intermittent Positive Pressure Ventilation) siehe volumenkontrollierte Beatmung IPS (Inspiratory Pressure Support) siehe druckunterstützte Spontanatmung IR-Spektroskopie 92, 411 IRV (Inverse Ratio Ventilation) 110f, 212f – bei druckkontrollierter Beatmung 110 – bei volumenkontrollierter Beatmung 110 – Definition 110, 212 – Einsatzbereiche 111 IRV-BIPAP 127 IRV-BIPAP und APRV 127 Isofluran 310, 317 – MAK 347 Isoshuntlinie 48

J

Jet-Technik 155 Jet-Ventilation siehe Hochfrequenzbeatmung

K

Kalziumhydroxidkalk (siehe auch Atemkalk) 329 Kapnographie 88 – Kurveninterpretation 89, 91 Kapnometer, technische Voraussetzungen 93 Kapnometrie 88ff – als Verlaufsparameter 89 – Messgenauigkeit 93 Kaskadenverdunster 171, 172 Keimausbreitung in Beatmungssystemen 266ff Keimbarriere 349 Ketamin 386, 389 Kinder – Beatmungsindikation 271 – Intubation 272ff – Narkosebeatmung 345f – respiratorische Kenngrößen 272 Kohlefilter 347 – Absorption 329ff – DiffusionskoefÏzient 42 – Elimination 53 – Gradient 88 – Messung im Atemgas 92f – Messung mit Infrarotspektroskopie 411 – Messung mit photoakustischer Spektroskopie 414 – Monitoring 87, 411 Kohlendioxid-Absorber – Aufbereitung 349 – Keimretention 349 Kohlendioxidpartialdruck (pCO2) 41, 42, 53 – im arteriellen Blut (paCO2) 9 – Monitoring bei Kindern 284 – transkutane Messung 87f Kohlenmonoxid (CO) 51f – Gehalt in der Atemluft 51 – Intoxikation 50f, 84 – Symptome 51 – Therapie 51 Kohlensäure/Bikarbonat-Puffer 10 Kommunikationshilfen 259f Kompressionsatelektasen 355 Konditionierung der Atemgase siehe Atemgasklimatisierung Konstantflow 62, 67 Kontamination – Befeuchtersysteme 267

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Sachverzeichnis

Kontamination, Narkosesysteme 348ff – Risiken 352 – Schlauchsysteme 267 kontextsensitive Halbwertszeit 374, 375 kontrolliert adaptive Beatmung (APV) 137f – postoperative Phase 234 kontrollierte Beatmungsverfahren 104ff Konvektion, Definition 1 Körperplethysmographie 20, 31 Kreissystem – Dräger 7a/8 ISO 337f – Gasflüsse 338 – Handbeatmung 337 – inspiratorische Druckbegrenzung 338 – Spontanatmung 337 Kreuzinfektion durch Narkosesysteme 348ff Kreuzkontamination 349 Krupp-Syndrom 294f künstliche Nasen 173 Kurzzeitbeatmung 234 Kurzzeitsedierung 395 Kussmaul-Atmung 54

L

Lachgas (N2O) 317, 331 – Bevorratung 97 – MAK 347 – Messung mit Infrarotspektroskopie 411 – Messung mit photoakustischer Spektroskopie 414 – physikalische Eigenschaften 400 Lachgassperre 308, 344 Lachgasvorrat, Berechnung 99 Lagerungsbehandlung 217f Laktazidose 14 Lamellenspirozeptor 403 Laminarströmung 18 Langzeitanalgosedierung 396 LaPlace-Gesetz 210 Larynx 1, 2, 3 LFPPV (Low Frequency Positive Pressure Ventilation) 221 Linksverschiebung siehe Sauerstoffbindungskurve Lippenbremse 17 Lochblende 401 Lorazepam 376, 378 Low-Flow-Narkose 334f Luft für Beatmungszwecke 97 Luftfeuchte, Definition 169 Luftröhre 2f Luftwege 1

Lunge – 3-Zonen-Modell 40 – Anatomie 5f – Belüftung 39 – Durchblutung 1, 37, 38f – Kontusion 242 – Minderbelüftung 44, 45 – Überblähung 34 Lungenembolie 45 Lungenemphysem 34, 35, 36 – bei Frühgeborenen 281 Lungenerkrankungen – ARDS 204ff – Asthma bronchiale 3, 17, 33, 35, 68, 193 – Atemvolumina 33ff – chronisch obstruktive (COPD) 35 – obstruktive 35ff – restriktive 34f Lungenfibrose 34 Lungenfunktionsmessungen 29ff Lungenfunktionsparameter 32ff Lungengranulomatose 34 Lungenkapazität, totale 28 Lungenödem 34, 112 – nichtinvasive Beatmung 146 lungenprotektive Beatmung 186ff – während der Narkose 356 Lungenvolumina 28ff Lungenwasser, extravaskuläres 219

M

MAC 318 MAC50-Wert 318 MAC-gesteuerte Anästhesie 341 mandatorische Beatmung 103 Mandatory Minute Ventilation (MMV), mandatorische Mindest-Ventilation 134f Mantelpneumothorax 238 Manual Breath 65 manuelle Beatmung während der Narkose 353 Maskenbeatmung 145f, 149f Massenspektrometrie 414 Medizinproduktebetreiberverordnung 360 Medizinproduktegesetz 343 Mehrventilation – durch Stoffwechselsteigerung 53 – hypoxisch bedingte 48 Mekonium-Aspirations-Syndrom (MAS) 275, 280, 292f – Beatmung 293 – pulmonale Hypertonie 293

Sachverzeichnis

Membranoxigenator 220 Metamizol 391 Methämoglobin (MetHb) 51, 84 – Antidot 52 – Intoxikation 51 Methämoglobinämie 51f Methanakkumulation 336 Methohexital 376, 381 Midazolam 375, 376, 377f, 396 Mikroaspiration 263 Minderperfusion, alveoläre 46 Minimal-Flow-Narkose 335f MMV (Mandatory Minute Ventilation) siehe mandatorische Mindest-Ventilation MMV (Minimal Minute Volume) siehe mandatorische Mindest-Ventilation Monitoring – Atemvolumina 400 – Beatmungsdrücke 407 – CO2 87, 411 – Flow 400 – Inhalationsanästhetika 411 – Kapnographie 88 – Lachgas 411 – Messmethoden 399ff – Sauerstoff 408 Morphin 386, 387 Motor Activity Assessment Scale (MAAS) 371, 372 Mukoviszidose 35 mukoziliäre Clearance 7, 170 Munday-Zelle 410 Mund-Nase-Masken 149 Murphy-Auge 162 Muskelrelaxanzien 397 Muskelrelaxation bei erhöhtem intrakraniellem Druck 236

N

N-Acetylcystein 392 Nachbeatmung, postoperative 233ff Nadelventil 309 Naloxon 389 Narkose 307ff – Beatmungsformen 352ff – Besonderheiten bei Kindern 359f – Definition 307 – FRC 354 – initiale Beatmungseinstellung 357 – Low-Flow-Technik 334f – lungenprotektive Beatmung 356 – Minimal-Flow-Technik 334, 335

– Normal-Flow-Technik 334 – pulmonaler Gasaustausch 354 – Rekruitmentmanöver 358 – Spontanatmungsformen 353 – Ventilationsbedarf 356 – Ventilationsparameter 356 Narkosebeatmung 307ff, 352ff – assistierte 353 – Besonderheiten 354ff – Closing Capacity 354 – druckkontrollierte 352 – manuelle 353 – PEEP 358 – volumenkontrollierte 352 Narkosegase, Arbeitsplatzkonzentration 347 Narkosegasfortleitung 346f Narkosegeräte 307ff – Aufbereitung 352 – Funktionsprüfung 360ff – mit Frischgasflow-Kompensation 340 – ohne Frischgasflow-Kompensation 338 – sicherheitstechnische Anforderungen 342 Narkosemittel 310ff – alveoläre Konzentration 318, 335 – Anflutungsgeschwindigkeit 316 – Dosierung 318 – Trägergas 331ff Narkosemittelverdampfer, Abgabegenauigkeit 314 Narkosemittelverdunster 310ff – Druckausgleich 314 – im Bypass-System 313f – pumping effect 314 – Sicherheitsvorschriften 318 Narkosemittelvergaser 315 Narkoseschlauchsystem, Wechselintervall 352 Narkosesysteme 319ff – für Säuglinge 345f – geschlossene 321, 322, 326, 334, 336f – halbgeschlossene 321, 326 – halboffene 321, 326 – Handbeatmungssysteme 341 – Klassifizierung 321 – Kreissysteme 325 – Nicht-Rückatemsysteme 321ff, 327ff – offene 326 – ohne Reservoir 320, 328 – Pendelsysteme 325 – Rückatemsysteme 322, 323, 325, 327 – Spontanatmungssysteme 341

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Narkosetechnik 334ff – low flow 334f – minimal flow 335f – normal flow 334 Narkosetiefe 318, 335 Nasal Prongs 150 Nasenmasken 149 Natriumkalk (siehe auch Atemkalk) 329 NAVA siehe Neurally Adjusted Ventilatory Assist Nebenstromverfahren zur Atemgasanalyse 92 Nekrose 188 Neugeborene – Algorithmus zum Management des RDS 290 – Beatmung 271ff – Beatmungsindikation 271 – Ersteinstellung des Respirators 291 – Erstversorgung 286 – Fehlbildungen 287 – Hypothermie 286 – Intubation 272ff – postnatale Adaptation 284 – respiratorische Parameter 272 – Ventilationsparameter 360 Neurally Adjusted Ventilatory Assist (NAVA) 142ff, 233 – Einsatzbereiche 144 – Weaning 254 Neuroleptika 380 nichtinvasive Beatmung (NIV) 145ff – Abbruchkriterien 153 – Atemgasklimatisierung 152 – BIPAP 148 – Durchführung 147ff – Erfolgskriterien 153 – in der Notfallmedizin 301ff – Indikationen 146 – inspiratorische Druckunterstützung 148 – Kontraindikationen 147 – Monitoring 152 – PEEP 148 – personelle Voraussetzungen 148 – technische Voraussetzungen 147 – Weaning 255 Nichtopioid-Analgetika 390ff Nicht-Rückatemsysteme 321ff, 327ff – flowgesteuerte 322, 327 – Klassifizierung nach Mapleson 321, 322 – ventilgesteuerte 323, 328 Nicht-Rückatmungsventil 301 nichtsteroidale Antirheumatika 390 Niedrigfluss-Inhalationsnarkosen 309, 333ff

NIST-Verbindungsstück 98 NO siehe Stickstoffmonoxid No-Flow-Phase 58, 62 Normal-Flow-Narkose 334 Normokapnie, Definition 53 Normoventilation, Definition 53 Notfallpatienten, Beatmung 297ff Notfallrespiratoren 303f – mikroprozessorgesteuerte 304 – pneumatisch betriebene 303 NO-Therapie 214 Novalung 222

O

O2 siehe Sauerstoff Oberkörperhochlagerung 268 Obstruktion, pulmonale 33 Okklusionsdruck, p0.1-Messung 250 Okklusionsmanöver 72, 111, 213, 250 Okklusionstest 22 Öl/Gas-VerteilungskoefÏzient 317 On-demand-Analgesie 394 Open-Lung-Concept 210ff Opiatantagonisten 389 Opioide 253, 385ff ORC (Oxygen Ratio Controller) 344 Osborn-Sensor 401 Ösophagusdruck 22 Oxigen Cost of Breathing 26 Oxigenierung, hyperbare 51 Oxigenierungsstörungen 146 – alveoläres Rekruitment 185 – Lagerungsbehandlung 217 – physikalische Maßnahmen 182 Oxygen Ratio Controller (ORC) 344

P

paCO2 siehe Kohlendioxidpartialdruck, arterieller paO2 siehe Sauerstoffpartialdruck, arterieller Paracetamol 392 Partialdrücke – im Blut 42 – in den Alveolen 41f – in den Atemgasen 41 – in der Atemluft 42 PartialinsufÏzienz, respiratorische 47 Patientensicherheit – und Narkosebeatmung 342ff Pausenphase 57 PAV siehe Proportional Assist Ventilation

Sachverzeichnis

PC-CMV (Pressure Controlled Continuous Mandatory Ventilation) siehe druckkontrollierte Beatmung PC-IRV (Pressure Controlled Inverse Ratio Ventilation) siehe IRV pCO2 siehe Kohlendioxidpartialdruck PC-S-IMV (Pressure Controlled S-IMV) siehe intermittierende mandatorische Beatmung PCV (Pressure Controlled Ventilation) siehe druckkontrollierte Beatmung PCV-BIPAP 126 Peak Flow 30 – maximaler exspiratorischer Fluss (PEF) 30 – maximaler inspiratorischer Fluss (PIF) 30 Peak-Flow-Meter 30 PEEP (Positive Endexpiratoric Pressure) 23, 61, 111, 192ff, 194 – bei APRV 122 – bei der postoperativen Beatmung 234 – bei erhöhtem intrakraniellem Druck 236 – Best-PEEP 193 – Definition 61 – Funktion des PEEP-Ventils 61, 301 – Funktionsprinzip PEEP-Ventil 61, 301 – in der Notfallmedizin 300 – primäre Einstellung 192ff – und Hämodynamik 194 – und intrakranieller Druck 195 – und Leberfunktion 195 – und Nierenfunktion 194 – während der Narkose 358 – Weaning 195 PEEPi (intrinsic PEEP) 65, 71f, 111, 122, 212, 253 – bei COPD 117 – Messung durch Okklusionsmanöver 72, 111 PEEP-Trials 193 Pendelluft 24, 62 Pendelsysteme 325 Perfusionsdruck, pulmonaler 37, 39 Perfusionsstörungen, pulmonale 46 Pethidin 386 Pflege des intubierten Patienten 259ff Pharynx 1 Phasenverschiebung bei PSV-Beatmung 118, 253 pH-Wert 9, 10f PICCO-Technologie 219 piezoelektrische Messverfahren 414 Pink Puffer 36 Piritramid 252, 253, 386 pK-Wert 11 Plateau, endinspiratorisches 94

Plateaudruck 67f, 81 Plateauphase 62 Plenum-Verdunster 313 Pleura – parietalis 5, 6 – visceralis 5, 6 PLV (Pressure Limited Ventilation) siehe drucklimitierte Beatmung Pneumohämatothorax, Drainage 240 Pneumokoniose 35 Pneumomediastinum 189 Pneumonie 180 – nosokomiale 263 – antibiotische Therapie 265 – Diagnostik 265 – Risiko 245 – Ventilator-assoziierte (VAP) 263ff – präventive Maßnahmen 268 – Erregerspektrum 264 Pneumoperikard bei Frühgeborenen 282 Pneumotachograph 402 Pneumothorax 17, 189 – Diagnose 237 – Drainage 240 – Entlastung 239 – offener 238 PNPV (Positive Negative Pressure Ventilation) siehe Wechseldruckbeatmung pO2 siehe Sauerstoffpartialdruck Poliomyelitis 34 Positive Negative Pressure Ventilation (PNPV) 112f positiv endexspiratorischer Druck siehe PEEP Postextubationsversagen, nichtinvasive Beatmung 146 postoperative Phase, Beatmungsstrategie 234 PPS (Proportional Pressure Support) 128f Präoxigenierung 59 – bei Notfallpatienten 300 Pressure Controlled Ventilation (PCV) 108ff Pressure Controlled Ventilation-Volume Guarantee (BiLevel-VG) 139f Pressure Regulated Volume Controlled Ventilation (PRVC) 136f Pressure Support (PS) 114 Pressure Support Ventilation (PSV) 104, 114ff Pressure Time Product (PTP) 26 Pressure-Volume-Loops (PV-Loops) siehe DruckVolumen-Loops Propofol 249, 376, 379f, 395, 396

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Proportional Assist Ventilation (PAV) 128ff – bei Kindern 277 – Einsatzbereiche 130 – Parametereinstellung 129 – Steuergrößen 129 Prostazykline beim ARDS 215 PRVC (Pressure Regulated Volume Controlled Ventilation) siehe druckregulierte, volumenkontrollierte Beatmung PS (Pressure Support) siehe druckunterstützte Spontanatmung PSV (Pressure Support) Ventilation siehe druckunterstützte Spontanatmung PSV-BIPAP 127 Puffer 10, 14 Pufferkapazität 11 pulmonaler Gasaustausch 1, 37ff – während der Narkose 354 pulmonal-interstitielles Emphysem (PIE) 181f Pulsoximetrie 82ff – Ansprechzeit 85 – bei Kindern 284 – bei CO-Intoxikation 51 – Einsatzbereiche 86 – Fehlbestimmung der O2-Sättigung durch Dyshämoglobine 83 – Messfehler 83f – Messort 85 – Messwertgenauigkeit 84 Pumpversagen, Ursachen 230 Punktionstracheotomie 256 PV-Loop siehe Druck-Volumen-Loop Pyrazolderivate 391

Q

Quadrupol-Massenspektrometer 415

R

Raman-Spektroskopie 413 Rampe, inspiratorische 117f, 124 Ramsay-Score 371 Rapid Shallow Breathing Index 82 Rauchen 35 RDS (Respiratory Distress Syndrome) siehe Atemnotsyndrom Rechts-Links-Shunt 5, 46f, 50, 180, 193 – Berechnung 47 Rechtsverschiebung siehe Sauerstoffbindungskurve Reibungswiderstände 24 Rekruitment siehe alveoläres Rekruitment

Relaxierung 200, 201 Remifentanil 386, 388, 395 Reservevolumen – exspiratorisches (ERV) 28, 29, 32 – inspiratorisches (IRV) 28, 29 Reservoirbeutel 298 Residualkapazität siehe funktionelle Residualkapazität (FRC) Residualvolumen der Lunge (RV) 28, 29, 32, 37 Resistance 17ff, 28, 31, 68 – bei Obstruktionen 19 – Berechnung nach der Verschlussmethode 81 – Definition 17 – Einfluss auf den Beatmungsdruck 105 – Einfluss des Tubusdurchmessers 78, 81 – Messung 19f – Normalwerte für Erwachsene und Kinder 18 – unter Beatmung 81f Resistancedruck 66 Resorptionsatelektasen 59, 182, 354 Respirationstrakt, Anatomie 1ff Respirator – Einstellparameter 58ff – Einstellung bei Früh- und Neugeborenen 275 – Steuerung 93ff Respiratorentwöhnung 245ff – automatisierte 255 – diskontinuierliche 254 – einfache 246f – mit BIPAP 253 – mit BIPAP und PSV 254 – mit MMV 136 – mit NAVA 254 – mit NIV 255 – mit PAV 254 – mit PSV 251 – mit S-IMV 251 – schwierige 247ff respiratorische InsufÏzienz – akute 179ff – chronische 27, 229 – des Frühgeborenen 287ff – GlobalinsufÏzienz 198 – Ursachen 179 respiratorischer Quotient (RQ) 257 respiratorisches Epithel 7, 8 Respiratory Distress Syndrome (RDS) – des Frühgeborenen 287ff – radiologische Stadien 289 – Surfactant-Mangel 5 Respiratory Muscle Fatigue 26f

Sachverzeichnis

Retinopathia praematurorum 283 Reynolds-Zahl 18 Rhabdomyolyse 379 Robertshaw-Tubus 162 Rotameter 308 Rotationsbett 218 Rückatemsysteme 323, 327, 333 Rückatmungsanteil 334 rückkoppelnde Systeme 134ff Ruhedehnungskurve 20, 23 RV siehe Reservevolumen bzw. Residualvolumen

S

Sättigungsdampfdruck 173 Sättigungskonzentration 311 Sauerstoff – als Trägergas 332f – Bedarf des Organismus 1 – Bevorratung 97 – DiffusionskoefÏzient 42 – Gehalt im Blut 47, 52, 84, 181 – Monitoring 343, 408 – physikalische Eigenschaften 400 – Reserveversorgung durch Gasflaschen 98 – Toxizität 181 – Transportkapazität 52 – Verbrauch des Neugeborenen 359 – Verbrauch in Ruhe 300 Sauerstoffangebot, arterielles 52 Sauerstoffbindung 49ff Sauerstoffbindungskurve 49f – Linksverschiebung 50 – Rechtsverschiebung 50 Sauerstoffbypass, Narkosegerät 344 Sauerstoff-Flush 344 Sauerstoff-InsufÒation 181f – Notfallmedizin 297 Sauerstoffkonzentration – inspiratorische (FiO2) 59 – Korrektur 196f Sauerstoffkonzentrator zur dezentralen O2-Versorgung 99f Sauerstoffmangelsignal 308, 343f Sauerstoffmessung 408ff – magnetoakustische Spektroskopie 411 – elektrochemisch 408 – paramagnetisch 410 – polarographisch 409 Sauerstoffpartialdruck (pO2) 41, 42 – arterieller (paO2) 10, 49, 54 – Monitoring bei Kindern 283 – transkutane Messung 85f

Sauerstoffpartialdruckdifferenz, alveo-arterielle 46f Sauerstoffsättigung 49ff – arterielle 49 – fraktionelle 49, 50 – gemischtvenöse 53 – Grenzen bei Frühgeborenen 289 – Monitoring 82 – partielle 49 – zentralvenöse 53 Sauerstoffsensor – paramagnetischer 410 – polarographischer 409 Sauerstoffversorgung, dezentrale 99 Sauerstoffvorrat, Berechnung 98 Säuglinge, Beatmungsindikation 271 Säure-Basen-Haushalt 10ff Schädel-Hirn-Trauma, Beatmungsstrategie 235ff Schimmelbusch-Maske 311, 320 Schlafapnoe-Syndrom 229 – CPAP-Therapie 154 Schmerzscores 373 Schnappatmung 54 Schwebekörper 308 – Ablesestellen 309 Schwingungsspektroskopie 411, 413 S-CMV (Synchronized Continuous Mandatory Ventilation) siehe assistierte Beatmung second gas effect 316 Sedativa 112, 374ff Sedierung 200, 201 – bei BIPAP 124 – kurzzeitige 395 – längerfristige 396 – mittellange 395 – Quantifizierung mit der Motor Activity Assessment Scale (MAAS) 372 – Quantifizierung mit der Sedation Agitation Scale (SAS) 371, 372 – Quantifizierung nach Ramsay 371 Sedierungs-Scores 370ff seitengetrennte Beatmung (ILV) 165ff – Indikationen 161, 165 – Synchronisation der Respiratoren 165 Seitenlagerung 218 Sekretabsaugung, supraglottische 268 Sekundenkapazität (FEV1.0) 29 Selbsttriggerung 64 Seufzerbeatmung 65, 213f Severinghaus-Elektrode 87 Sevofluran 310, 317

431

432

Sachverzeichnis

SHFJV (Superimposed High Frequency Jet Ventilation) siehe superponierte Jet-Ventilation Shunt 90 – anatomischer 47 – funktioneller 47 – intrapulmonaler 44 – pathologischer 47 – physiologischer 47 – shunt in time 23, 212 Silikose 34 S-IMV (Synchronized Intermittent Mandatory Ventilation) siehe intermittierende mandatorische Beatmung – bei Kindern 277 – Einsatzbereiche 122 – Einstellung 120f – Weaning 251 S-IPPV (Synchronized Intermittent Positive Pressure Ventilation) siehe assistierte Beatmung slow compartements 44 SmartCare/PS 141f – Weaning 255 SMI-Trainer 183 Spannungspneumothorax 189, 238, 239 – Diagnose 237 – Therapie 239 Spektroskopie – Infrarotspektroskopie 411 – magnetoakustische 410 – photoakustische 414 – Schwingungsspektroskopie 411, 413 Spirometrie 29ff Spitzendruck 81, 67f Spontanatmung 104, 130ff – bei APRV 122 – bei erhöhtem intrakraniellem Druck 237 – gerätetechnische Voraussetzungen 202 – im BIPAP-Modus 203, 205 – im S-IMV-Modus 202, 204 – Kreissystem 337 – maschinell unterstützte 103, 114ff – mit PEEP 132ff – postoperative Phase 234 – unter druckkontrollierter Beatmung 202, 203 – unter volumenkontrollierter Beatmung 202, 203 Spontanatmungsversuch 251 Sprudler 172, 173 Stagnationshypoxämie 52 Standard-Bikarbonat 12 Staudrucksensor 402 Steifigkeit siehe Elastance

Stickstoffmonoxid (NO) 214f – beim Atemnotsyndrom 280 Stickstoffmonoxid-Therapie 214 Stressulkusprophylaxe 268 Stridor 19 Strömung – laminare 18 – turbulente 18 Strömungsgeschwindigkeit 18 Strömungswiderstand siehe Resistance Subtraktionsazidose 15 Sufentanil 386, 388, 395 superponierte Jet-Ventilation (SHFJV) 158f Supersyringe-Verfahren 73 Surfactant 4f – Mangel 5 – Substitution 288 – Substitution beim ARDS 216 Sustained Maximal Inspiration (SMI) 182 Synchronized Continuous Mandatory Ventilation (S-CMV) 107 Synchronized Intermittent Mandatory Ventilation (S-IMV) 119 Synchronized Intermittent Positive Pressure Ventilation (S-IPPV)

T

Tachypnoe, Definition 54 Tankrespirator 113 Tellermasken 150 Thoraxchirurgie, Beatmungsstrategie 161 Thoraxcompliance 22 Thorax-Saugdrainage 239f Thoraxtrauma 237ff – Analgesie 241 – Beatmungsstrategie 241f – Diagnostik 237 – Intubation 238 Tidalvolumen (V T) 27, 28, 29, 104, 116 – bei Hochfrequenzbeatmung 155 – Definition 60 – primäre Einstellung 191 Tiefenfilter 350 Tiffeneau-Index 30 Tiffeneau-Test 32 Totalkapazität der Lunge (TK) 28, 29, 32 Totraum – anatomischer 27 – funktioneller 28 – Volumen 27 – Vergrößerung 184 Totraumquotient 27

Sachverzeichnis

Totraumventilation 27f, 89, 90 – alveoläre 28, 46 – beim ARDS 207 – durch Perfusionsstörungen 40, 45, 48 – Zunahme bei Tachypnoe 134 – Zunahme durch Beatmungszubehör 345 – Zunahme unter PEEP 192 T-Piece-Trial 247 Trachea 2f Tracheotomie 256 Trägergas für Narkosemittel 331ff transkutane pCO2-Messung 87 transkutane pO2-Messung 85 Trenddarstellungen 80 Triazolam 375 Triggerempfindlichkeit 63ff Triggerlatenz, Definition 64 Triggerschwelle 63, 64 Triggerung der Inspiration 95 Tris-Puffer 14 Tropfnarkose 311f Tubus – Durchmesser 78 – für Kinder 273 – Lagekontrolle durch Kapnometrie 90 – Strömungswiderstand 67, 71, 78, 130ff Tubuskompensation, automatische (ATC) 116, 130ff – Einsatzbereiche 132 – Geräteeinstellung 131 – mit PSV 131 Turbinenflowmeter 405

U

Überdruckbeatmung – intermittierende 183f – Unterschied zur Spontanatmung 57 Überschusssystem 322 Ultraschall-Spirometer 406 Ultraschallvernebler 171, 172 umgekehrtes Atemzeitverhältnis 212 Umrechnung der Messbedingungen 400

V

VALI (Ventilator Associated Lung Injury) 186

VAP siehe Pneumonie, Ventilator-assoziierte Variable Pressure Support (VPS) 135 Vasokonstriktion, hypoxisch pulmonale 38, 39 VC-CMV (Volume Controlled Continuous Mandatory Ventilation) siehe volumenkontrollierte Beatmung

VC-IRV (Volume Controlled Inverse Ratio Ventilation) siehe Betamung mit umgekehrten Atemzeitverhältnis VC-S-IMV (Volume Controlled S-IMV) siehe intermittierende mandatorische Beatmung Ventilation – alveoläre 27f, 42 – Monitoring durch Kapnometrie 88 VentilationskoefÏzient 32 Ventilationsparameter 360 Ventilations-Perfusions-Störung 46 – Auswirkungen auf petCO2 88 – Kapnometrie 90 – Partialdruckänderung 46 – während der Narkose 200 – Ursachen 46 Ventilations-Perfusions-Verhältnis 39, 46, 193, 200 – Störungen 46 – unter Beatmung 41 Ventilationsstörung, obstruktive 25, 27 – Fluss-Volumen-Kurve 30 Ventilationsstörung, restriktive 25, 27 – Fluss-Volumen-Kurve 30 Ventilator Associated Lung Injury (VALI) 186 ventilatorische InsufÏzienz 146 – Akutbehandlung 230f – Beatmungsstrategie 232 – chronische 230ff – Indikation zur Beatmung 231 – Intubationskriterien 232 – klinische Zeichen 231 – Therapie 229ff – Ursachen 229 Venturi-Effekt 155, 304 Venturi-System 315 Verdunster 171ff Vernebler 171 Verschlusskapazität 23 Verschlussvolumen 23 Verteilungsstörungen – ventilatorische 44f – zirkulatorische 45f VIDD (Ventilator Induced Diaphragm Dysfunction) 186 VILI (Ventilator Induced Lung Injury) 186 visuelle Analogskala (VAS) 373 Vitalkapazität (VK) 28, 29 – forcierte 250 – verminderte 33 Vogelzüchterlunge 34 Vollgesichtsmasken 150

433

434

Sachverzeichnis

volumengesteuerte Beatmung 95 volumenkonstante Beatmung 104 volumenkontrollierte Beatmung (VC-CMV) 104ff, 190 – Atemminutenvolumen 104 – Änderungen der Beatmungsdrücke 70 – bei Kindern 278 – Druck-Flow-Volumen-Verlauf 66 – Druckkurven 69 – Druck-Volumen-Loop 75 – Druck-Zeit-Diagramm 67 – Einfluss von Compliance und Resistance 68 – Einsatzbereiche 107 – Flowverlauf 70 – Flow-Zeit-Kurve 72 – Gegenatmung 112 – Inspirationsflow 104 – inspiratorische Druckbegrenzung 105 – mit PEEP 105 – Volumen-Zeit-Diagramm 73 – zur Lungenprotektion 107 volumenkontrollierte intermittierende mandatorische Beatmung (VC-S-IMV) 120 Volumen-Zeit-Diagramm 71f Volume Support (VS) 135f Volutrauma 187 Vortex-Flowmeter 406 VPS (Variable Pressure Support) siehe Volume Support

W

Waldarbeiterlunge 34 Wasserdampfpartialdruck 169 Wassergehalt der Atemluft 169, 170 Weaning 245ff – automatisiertes 255 – diskontinuierliches 254 – einfaches 246f

– Ernährung 256 – Kategorien 245 – mit ASV 140 – mit AutoFlow 138 – mit BiLevel-VG 139 – mit BIPAP 253 – mit BIPAP und PSV 254 – mit MMV 136 – mit NAVA 254 – mit NIV 255 – mit PAV 254 – mit PSV 251 – mit S-IMV 251 – mit SmartCare/PS 141 – nichtinvasive Beatmung 146 – Prädiktoren 250 – Protokoll 251 – schwieriges 247ff – Versagen 255ff Wechseldruckbeatmung (PNPV) 112f Wechselintervalle von Beatmungssystemen 267 White-Tubus 162 Wirbelzähler 406 Wright-Spirometer 405 Work of Breathing (WOB) 25

Z

zeitgesteuerte Beatmung 95, 96 Zeitkonstante (τ) 44 zentrale α2-Agonisten 382 Zeolithe 99 Ziliarepithel 8 Zonenmodell der Lunge 40 Zwerchfellelektromyogramm 142 Zwerchfellruptur 238 Zyanose 50, 51 – periphere (Ausschöpfungs-Zyanose) 50 – zentrale (Mischungs-Zyanose) 50