Grundgebiete der Elektrotechnik: Band 2 Wechselströme, Drehstrom, Leitungen, Anwendungen der Fourier-, der Laplace- und der Z-Transformation [12th completely revised edition] 9783110352016

The two-volume work covers the essential principles of electrical engineering and information technology. Volume 2 cover

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort zur zwölften Auflage
Aus dem Vorwort zur ersten Auflage
7. Wechselstromlehre
7.1 Zeitabhängige Ströme und Spannungen
7.1.1 Entstehung von Sinusströmen und -spannungen
7.1.2 Periodische und nichtperiodische Vorgänge
7.1.3 Überlagerung zweier Sinusschwingungen gleicher Frequenz
7.1.4 Darstellung von Schwingungen mit Hilfe komplexer Größen
7.1.5 Oberschwingungen
7.1.6 Gleichrichtung
7.1.7 Mittelwerte periodischer Funktionen
7.1.8 Messung von Wechselgrößen
7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen
7.2.1 Komplexe Zeitfunktion, komplexe Amplitude
7.2.2 Eingeschwungene Vorgänge in linearen Bauelementen
7.2.3 Die Kirchhoffschen Gleichungen für die komplexen Amplituden
7.2.4 Komplexe Effektivwerte
7.2.5 Parallel- und Reihenschaltung von Impedanzen
7.2.6 Berechnung der reellen Zeitfunktionen mit Hilfe der komplexen Größen
7.2.7 Graphische Lösungen mit Hilfe des Zeigerdiagramms
7.2.8 Allgemeine Analyse linearer RLC-Schaltungen
7.2.9 Ortskurven komplexer Widerstände und Leitwerte
7.2.10 Äquivalente Zweipole
7.2.11 Dualität
7.2.12 Einfache RC-Kettenschaltungen
7.2.13 Lineare Schaltungen mit Quellen unterschiedlicher Frequenz
7.3 Resonanz in RLC-Schaltungen
7.3.1 Freie und erzwungene Schwingungen
7.3.2 Einfache Parallel- und Reihenschwingkreise
7.3.3 Gruppenschaltungen aus den drei Elementen R, L und C
7.3.4 Kombinationen von Reihen- und Parallelschwingkreisen
7.4 Die Leistung eingeschwungener Wechselströme und -spannungen
7.4.1 Leistung in Widerstand, Kondensator und Spule
7.4.2 Wirk-, Blind- und Scheinleistung; Leistungsfaktor
7.4.3 Blindleistungskompensation
7.4.4 Leistungsanpassung
7.5 Der Transformator im eingeschwungenen Zustand
7.5.1 Die Transformatorgleichungen
7.5.2 Der verlustlose Transformator
7.5.3 Der verlust- und streuungsfreie Transformator; Impedanzwandlung
7.5.4 Der ideale Transformator
7.5.5 Vierpolersatzschaltungen des eisenfreien Transformators
7.5.6 Zweipolersatzschaltungen des eisenfreien Transformators
7.5.7 Hysterese- und Wirbelstromverluste im Eisentransformator
7.5.8 Induktive Kopplung zweier Schwingkreise
7.5.9 Dimensionierung von Transformatoren
7.6 Vierpole
7.6.1 Einführung
7.6.2 Die Vierpolgleichungen in der Leitwertform
7.6.3 Die Vierpolgleichungen in der Widerstandsform
7.6.4 Weitere Formen der Vierpol-Gleichungen
7.6.5 Zusammenschalten von Vierpolen
8. Mehrphasensysteme
8.1 Konstante Leistung im symmetrischen Zweiphasensystem
8.2 Das Drehstromsystem
8.2.1 Spannungen an symmetrischen Drehstromgeneratoren
8.2.2 Die Spannung zwischen Generator- und Verbraucher-Sternpunkt
8.2.3 Symmetrische und asymmetrische Belastung symmetrischer Drehstromgeneratoren
8.2.4 Zusammenfassender Vergleich symmetrischer Drehstromsysteme
8.2.5 Wirkleistungsmessung im Drehstromsystem mit der Aronschaltung
8.3 Systeme mit mehr als drei Phasen
9. Leitungen
9.1 Die Differentialgleichungen der Leitung und ihre Lösung
9.2 Veranschaulichung der Lösung
9.3 Die Leitungsgleichungen
9.4 Die charakteristischen Größen der Leitung
9.5 Der Eingangswiderstand
9.6 Der Reflexionsfaktor
9.7 Die ebene Welle
10. Zeitlich veränderliche elektromagnetische Felder
10.1 Das System der Maxwellschen Gleichungen
10.2 Die Maxwellschen Gleichungen bei harmonischer Zeitabhängigkeit
10.3 Wirbelströme
10.4 Die Maxwellschen Gleichungen in differentieller Form
11. Nichtsinusförmige Vorgänge
11.1 Einführung
11.2 Fourier-Reihen
11.2.1 Reelle Darstellung zeitperiodischer Funktionen
11.2.2 Komplexe Darstellung zeitperiodischer Funktionen
11.3 Die Leistung bei nichtsinusförmigen Strömen und Spannungen
11.4 Die Fourier-Transformation
11.4.1 Der Übergang von der Fourier-Reihe zum Fourier-Integral
11.4.2 Eine Anwendung der Fourier-Transformation
11.4.3 Ausblick auf die Systemtheorie
11.4.4 Einige Eigenschaften der Fourier-Transformation
11.4.5 Die Fourier-Transformierten häufig auftretender Funktionen
11.4.6 Beschreibung der Systemreaktion mit Hilfe der Impulsantwort
12. Die Laplace-Transformation
12.1 Der Übergang von der Fourier- zur Laplace-Transformation
12.2 Einige Eigenschaften der Laplace-Transformation
12.3 Die Laplace-Transformierten häufig auftretender Funktionen
12.4 Die Bestimmung der Originalfunktion aus der Bildfunktion (Rücktransformation)
12.5 Die Behandlung von Ausgleichsvorgängen
12.5.1 Übersicht über den Lösungsweg
12.5.2 Schaltvorgänge bei Gleichstrom
12.5.3 Schaltvorgänge bei Wechselstrom
13. Die Z-Transformation
13.1 Allgemeine Zusammenhänge
13.1.1 Einführung und Definition
13.1.2 Der Übergang von der Laplace- zur Z-Transformation
13.1.3 Die Umkehrformel
13.2 Einige Eigenschaften der Z-Transformation
13.3 Die Z-Transformierten häufig auftretender Folgen
13.4 Die Bestimmung der Originalfolge aus der Bildfunktion (Rücktransformation)
13.5 Einige weitere Anwendungen
13.6 Beschreibung der Systemreaktion mit Hilfe der Impulsantwort
14. Systemtheorie
14.1 Zusammenfassender Vergleich zwischen zeitkontinuierlichen und zeitdiskreten Systemen
14.2 Abtastung und Signalrekonstruktion
14.2.1 Zum Abtasttheorem
14.2.2 Zur Signalrekonstruktion
14.3 Ein- und zweiseitige Transformationen
14.3.1 Einführung
14.3.2 Die zweiseitige Laplace-Transformation
14.3.3 Ergänzungen zur einseitigen Laplace-Transformation
14.3.4 Die zweiseitige Z-Transformation
Weiterführende Literatur
Stichwortverzeichnis
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Grundgebiete der Elektrotechnik: Band 2 Wechselströme, Drehstrom, Leitungen, Anwendungen der Fourier-, der Laplace- und der Z-Transformation [12th completely revised edition]
 9783110352016

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Horst Clausert, Gunther Wiesemann, Ludwig Brabetz, Oliver Haas und Christian Spieker Grundgebiete der Elektrotechnik 2 De Gruyter Studium

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Horst Clausert, Gunther Wiesemann, Ludwig Brabetz, Oliver Haas und Christian Spieker

Grundgebiete der Elektrotechnik

Band 2: Wechselströme, Drehstrom, Leitungen, Anwendungen der Fourier-, der Laplaceund der Z-Transformation 12. Auflage

Autoren Prof. Dr. rer. nat. Ludwig Brabetz Universität Kassel Fachbereich Elektrotechnik/Informatik Fachgebiet Fahrzeugsysteme und Grundlagen der Elektrotechnik Wilhelmshöher Allee 73 34121 Kassel [email protected]

Dr.-Ing. Christian Spieker Universität Kassel Fachbereich Elektrotechnik/Informatik Fachgebiet Fahrzeugsysteme und Grundlagen der Elektrotechnik Wilhelmshöher Allee 73 34121 Kassel [email protected]

Dr.-Ing. Oliver Haas Universität Kassel Fachbereich Elektrotechnik/Informatik Fachgebiet Fahrzeugsysteme und Grundlagen der Elektrotechnik Wilhelmshöher Allee 73 34121 Kassel [email protected] Begründer Prof. Dr.-Ing Horst Clausert 64367 Mühltal [email protected]

Prof. Dr.-Ing Gunther Wiesemann 38126 Braunschweig [email protected]

ISBN 978-3-11-035199-6 e-ISBN (PDF) 978-3-11-035201-6 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-039726-0 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2015 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Coverabbildung: fotographic1980/iStock/thinkstock Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Vorwort zur zwölften Auflage Die beiden Bände Grundgebiete der Elektrotechnik der Autoren Clausert und Wiesemann gelten schon seit vielen Jahren an der Universität Kassel als Standardwerk für die Studierenden der Fächer Elektrotechnik, Mechatronik, Maschinenbau und Technischer Informatik. Didaktisch eng an diese Werke angelehnt, sind in diesem Zusammenhang in Kooperation mit der Technischen Universität Darmstadt in den letzten Jahren die beiden Bücher Aufgaben zur Elektrotechnik entstanden. Es hat uns deshalb sehr erfreut, als der Verlag und die Autoren Clausert und Wiesemann uns die Weiterführung dieser Werke angeboten hatten. Gerne übernehmen wir die Weiterarbeit und hoffen, dass diese Werke den Studierenden auch noch viele weitere Jahre als guter Wegbegleiter durch das Grundstudium dienen werden. Wir wünschen allen Lesern bzw. Studierenden viel Spaß beim Lesen und sind stets dankbar für Verbesserungsvorschläge und Hinweise auf noch vorhandene Fehler. Abschließend möchten wir es nicht versäumen, DE GRUYTER OLDENBOURG für die gute Zusammenarbeit zu danken.

Kassel im April 2015

Ludwig Brabetz Oliver Haas Christian Spieker

VI

Vorwort

Aus dem Vorwort zur ersten Auflage Nachdem sich Band 1 in den Kapiteln 1 bis 6 mit elektrischen und magnetischen Feldern sowie mit elektrischen Netzen bei Gleichstrom befasst hat, kommen in dem vorliegenden zweiten Band in den Kapiteln 7 bis 12 folgende Themen zur Sprache: die Wechselstromlehre (Ströme und Spannungen im eingeschwungenen Zustand) einschließlich des Drehstromsystems, die Theorie der Leitungen, Wirbelströme, die Fourier-Darstellung von nichtsinusförmigen Strömen und Spannungen und die Laplace-Transformation, die auf Ausgleichsvorgänge in linearen Netzen angewendet wird. Wie bei einem Lehrbuch üblich findet man auch hier in allen wichtigen Abschnitten Übungsaufgaben. Anspruchsvollere Hilfsmittel werden nicht vorausgesetzt, sondern im Text erläutert. Recht ausführlich ist das Literaturverzeichnis ausgefallen. Es enthält auch viele Arbeitsbücher und Aufgabensammlungen, da Studenten, die sich auf Prüfungen vorbereiten wollen, meist gerade nach solchen Büchern fragen. Auch einige englische Titel haben wir aufgenommen, weil diese oft für ausländische Studenten eine große Hilfe sind, außerdem wollen wir dazu ermuntern, englische Fachliteratur schon frühzeitig zu Rate zu ziehen. Zum Schluss danken wir allen, die zum Gelingen des Buches beigetragen haben. Der erstgenannte Verfasser dankt Frau Bauks für die Anfertigung der Reinschrift seines Beitrages sowie Herrn cand. ing. Butscher für das Entwerfen und Zeichnen der Bilder. Der zweitgenannte Verfasser dankt seinen Kollegen, den Professoren W. Eberhardt und W. Hogräfer, für vielerlei Anregungen, die sie ihm in jahrelanger gemeinschaftlicher Arbeit gegeben haben. Dem Verlag gebührt unser Dank für die angenehme Zusammenarbeit und die sehr gute Ausstattung des Buches. Wuppertal, Braunschweig im März 1980

H. Clausert G. Wiesemann

Inhalt Vorwort zur zwölften Auflage

V

Aus dem Vorwort zur ersten Auflage ......................................................................................... VI 7. 7.1 7.1.1 7.1.2 7.1.3 7.1.4 7.1.5 7.1.6 7.1.7 7.1.8

Wechselstromlehre Zeitabhängige Ströme und Spannungen ....................................................................... Entstehung von Sinusströmen und -spannungen .......................................................... Periodische und nichtperiodische Vorgänge ................................................................ Überlagerung zweier Sinusschwingungen gleicher Frequenz ...................................... Darstellung von Schwingungen mit Hilfe komplexer Größen ..................................... Oberschwingungen ....................................................................................................... Gleichrichtung .............................................................................................................. Mittelwerte periodischer Funktionen ........................................................................... Messung von Wechselgrößen .......................................................................................

1 1 1 4 6 8 16 18 20 27

7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4 7.2.5 7.2.6 7.2.7 7.2.8 7.2.9 7.2.10 7.2.11 7.2.12 7.2.13

Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen ................. Komplexe Zeitfunktion, komplexe Amplitude ............................................................. Eingeschwungene Vorgänge in linearen Bauelementen ............................................... Die Kirchhoffschen Gleichungen für die komplexen Amplituden ............................... Komplexe Effektivwerte .............................................................................................. Parallel- und Reihenschaltung von Impedanzen .......................................................... Berechnung der reellen Zeitfunktionen mit Hilfe der komplexen Größen ................... Graphische Lösungen mit Hilfe des Zeigerdiagramms ................................................ Allgemeine Analyse linearer RLC-Schaltungen ........................................................... Ortskurven komplexer Widerstände und Leitwerte ...................................................... Äquivalente Zweipole .................................................................................................. Dualität ......................................................................................................................... Einfache RC-Kettenschaltungen................................................................................... Lineare Schaltungen mit Quellen unterschiedlicher Frequenz .....................................

28 28 29 39 42 43 50 54 57 64 80 86 87 95

7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.3.4

Resonanz in RLC-Schaltungen ..................................................................................... Freie und erzwungene Schwingungen .......................................................................... Einfache Parallel- und Reihenschwingkreise ............................................................... Gruppenschaltungen aus den drei Elementen R, L und C............................................. Kombinationen von Reihen- und Parallelschwingkreisen ............................................

97 97 100 109 120

7.4 7.4.1 7.4.2 7.4.3 7.4.4

Die Leistung eingeschwungener Wechselströme und -spannungen ............................. Leistung in Widerstand, Kondensator und Spule ......................................................... Wirk-, Blind- und Scheinleistung; Leistungsfaktor ...................................................... Blindleistungskompensation ........................................................................................ Leistungsanpassung......................................................................................................

128 128 130 135 138

VIII

Inhalt

7.5 7.5.1 7.5.2 7.5.3 7.5.4 7.5.5 7.5.6 7.5.7 7.5.8 7.5.9

Der Transformator im eingeschwungenen Zustand ..................................................... Die Transformatorgleichungen .................................................................................... Der verlustlose Transformator ..................................................................................... Der verlust- und streuungsfreie Transformator; Impedanzwandlung........................... Der ideale Transformator ............................................................................................. Vierpolersatzschaltungen des eisenfreien Transformators ........................................... Zweipolersatzschaltungen des eisenfreien Transformators .......................................... Hysterese- und Wirbelstromverluste im Eisentransformator ....................................... Induktive Kopplung zweier Schwingkreise ................................................................. Dimensionierung von Transformatoren .......................................................................

140 140 142 143 145 147 151 151 155 158

7.6 7.6.1 7.6.2 7.6.3 7.6.4 7.6.5

Vierpole ....................................................................................................................... Einführung ................................................................................................................... Die Vierpolgleichungen in der Leitwertform ............................................................... Die Vierpolgleichungen in der Widerstandsform ........................................................ Weitere Formen der Vierpol-Gleichungen................................................................... Zusammenschalten von Vierpolen ...............................................................................

159 159 161 163 165 167

8.

Mehrphasensysteme

173

8.1

Konstante Leistung im symmetrischen Zweiphasensystem ......................................... 173

8.2 8.2.1 8.2.2 8.2.3 8.2.4 8.2.5

Das Drehstromsystem .................................................................................................. Spannungen an symmetrischen Drehstromgeneratoren ............................................... Die Spannung zwischen Generator- und Verbraucher-Sternpunkt .............................. Symmetrische und asymmetrische Belastung symmetrischer Drehstromgeneratoren.................................................................................................. Zusammenfassender Vergleich symmetrischer Drehstromsysteme ............................. Wirkleistungsmessung im Drehstromsystem mit der Aronschaltung ..........................

8.3

Systeme mit mehr als drei Phasen................................................................................ 194

9.

Leitungen

9.1

Die Differentialgleichungen der Leitung und ihre Lösung .......................................... 197

9.2

Veranschaulichung der Lösung .................................................................................... 200

9.3

Die Leitungsgleichungen ............................................................................................. 203

9.4

Die charakteristischen Größen der Leitung .................................................................. 204

9.5

Der Eingangswiderstand .............................................................................................. 207

9.6

Der Reflexionsfaktor.................................................................................................... 209

9.7

Die ebene Welle ........................................................................................................... 211

10.

Zeitlich veränderliche elektromagnetische Felder

10.1

Das System der Maxwellschen Gleichungen ............................................................... 215

10.2

Die Maxwellschen Gleichungen bei harmonischer Zeitabhängigkeit .......................... 216

10.3

Wirbelströme ............................................................................................................... 216

10.4

Die Maxwellschen Gleichungen in differentieller Form .............................................. 222

174 174 178 180 188 190

197

215

Inhalt

IX

11.

Nichtsinusförmige Vorgänge

11.1

Einführung ................................................................................................................... 229

11.2 11.2.1 11.2.2

Fourier-Reihen ............................................................................................................. 233 Reelle Darstellung zeitperiodischer Funktionen........................................................... 233 Komplexe Darstellung zeitperiodischer Funktionen .................................................... 237

11.3

Die Leistung bei nichtsinusförmigen Strömen und Spannungen .................................. 242

11.4 11.4.1 11.4.2 11.4.3 11.4.4 11.4.5 11.4.6

Die Fourier-Transformation ......................................................................................... Der Übergang von der Fourier-Reihe zum Fourier-Integral ......................................... Eine Anwendung der Fourier-Transformation ............................................................. Ausblick auf die Systemtheorie .................................................................................... Einige Eigenschaften der Fourier-Transformation ....................................................... Die Fourier-Transformierten häufig auftretender Funktionen ...................................... Beschreibung der Systemreaktion mit Hilfe der Impulsantwort...................................

245 245 247 249 251 256 265

12.

Die Laplace-Transformation

271

12.1

Der Übergang von der Fourier- zur Laplace-Transformation....................................... 271

12.2

Einige Eigenschaften der Laplace-Transformation ...................................................... 273

12.3

Die Laplace-Transformierten häufig auftretender Funktionen ..................................... 277

12.4

Die Bestimmung der Originalfunktion aus der Bildfunktion (Rücktransformation) .... 280

12.5 12.5.1 12.5.2 12.5.3

Die Behandlung von Ausgleichsvorgängen ................................................................. Übersicht über den Lösungsweg .................................................................................. Schaltvorgänge bei Gleichstrom .................................................................................. Schaltvorgänge bei Wechselstrom ...............................................................................

282 282 283 293

13.

Die Z-Transformation

299

13.1 13.1.1 13.1.2 13.1.3

Allgemeine Zusammenhänge ....................................................................................... Einführung und Definition ........................................................................................... Der Übergang von der Laplace- zur Z-Transformation ................................................ Die Umkehrformel .......................................................................................................

299 299 303 304

13.2

Einige Eigenschaften der Z-Transformation................................................................. 305

13.3

Die Z-Transformierten häufig auftretender Folgen ...................................................... 308

13.4

Die Bestimmung der Originalfolge aus der Bildfunktion (Rücktransformation) .......... 312

13.5

Einige weitere Anwendungen ...................................................................................... 314

13.6

Beschreibung der Systemreaktion mit Hilfe der Impulsantwort................................... 320

14.

Systemtheorie

14.1

Zusammenfassender Vergleich zwischen zeitkontinuierlichen und zeitdiskreten Systemen ...................................................................................................................... 323

14.2 14.2.1 14.2.2

Abtastung und Signalrekonstruktion ............................................................................ 326 Zum Abtasttheorem ...................................................................................................... 326 Zur Signalrekonstruktion.............................................................................................. 328

229

323

X 14.3 14.3.1 14.3.2 14.3.3 14.3.4

Inhalt Ein- und zweiseitige Transformationen ....................................................................... Einführung ................................................................................................................... Die zweiseitige Laplace-Transformation ..................................................................... Ergänzungen zur einseitigen Laplace-Transformation................................................. Die zweiseitige Z-Transformation ...............................................................................

329 329 329 331 333

Weiterführende Literatur

335

Stichwortverzeichnis

339

7.

Wechselstromlehre

7.1

Zeitabhängige Ströme und Spannungen

7.1.1

Entstehung von Sinusströmen und -spannungen

In der Physik spielen periodische Schwingungen eine besondere Rolle. An zwei Beispielen soll gezeigt werden, wie elektrische Schwingungen aus der gleichmäßigen Drehung einer Spule im Magnetfeld (Beispiel 7.1: Prinzip der Induktionsmaschine) oder aus akustischen Schwingungen (Beispiel 7.2: Kondensator-Mikrofon) entstehen können. Außer solchen in ihrem Verlauf von außen erzwungenen Schwingungen gibt es auch freie elektrische Schwingungen: deren Verlauf wird im Wesentlichen durch die Bauelemente (Kondensatoren, Widerstände, Spulen, Verstärker, Glimmlampen u.a.) eines elektrischen Netzes bestimmt, vgl. Abschnitt 12.5 „Die Behandlung von Ausgleichsvorgängen“. Unter den periodischen Schwingungen interessieren uns vor allem die sinusförmigen, weil auch die nichtsinusförmigen periodischen Vorgänge als Summe sinusförmiger Schwingungen aufgefasst werden können, vgl. Abschnitt 11.2 „Fourier-Reihen“. Beispiel 7.1 Prinzip der Induktionsmaschine (vgl. Bd. 1, Bsp. 6.1)



Die Drehachse einer Leiterschleife steht senkrecht zu einem homogenen, zeitkonstanten Magnetfeld ( B) (Bild 7.1) Zur Zeit t = 0 soll für den Drehwinkel gelten:

ϕ = 0. Bei konstanter Drehgeschwindigkeit gilt

ϕ  t.

Bild 7.1 Drehung einer Leiterschleife im konstanten Magnetfeld.

2

7. Wechselstromlehre

Bild 7.2 Mit einer Leiterschleife verketteter Fluss Φ = f1 (t ) und induzierte Spannung u = f2 (t ).

Als Proportionalitätsfaktor verwendet man hierbei ω :

ϕ = ωt .

(7.1)

Die Größe ω gibt an, wie schnell ϕ mit der Zeit anwächst, ist also ein Maß für die Anzahl der Umdrehungen pro Zeit; daher wird ω als Winkelgeschwindigkeit oder Kreisfrequenz bezeichnet. Mit der Schleife ist der Fluss

Φ = B ab cos ϕ = B A cos ϕ

(7.2)

verkettet (hierbei bezeichnet A die Fläche des von der Leiterschleife begrenzten ebenen Rechtecks). In der Schleife wird dem Induktionsgesetz gemäß [vgl. Band 1, Gl. (6.2)] folgende Spannung induziert:

u=−

dΦ d = − AB (cos ωt ) = ω AB sin ωt . dt dt

(7.3)

Der mit der Schleife verkettete Fluss Φ und die induzierte Spannung u sind in Bild 7.2 als Funktionen der Zeit dargestellt.

Nach dem Induktionsprinzip arbeiten die wichtigsten elektrischen Energie-Erzeuger (Generatoren); solche Induktionsmaschinen erzeugen primär immer Wechselspannungen, die allerdings bei den Gleichstrommaschinen durch Gleichrichten nach außen hin nur als Gleichspannung in Erscheinung treten. Der Wechselstrom bietet die Möglichkeit der Spannungs- und Stromtransformation und damit den Vorteil geringer Energie-Übertragungsverluste, wenn auf den Leitungen mit hohen Spannungen und kleinen Strömen gearbeitet wird. Beispiel 7.2 Kondensatormikrofon Beim Kondensatormikrofon steht einer starren, unbeweglichen Platte als Gegenelektrode eine elastische Metallmembran gegenüber (Bild 7.3). Diese Membran kann auftreffenden Schallschwingungen folgen, wodurch der Plattenabstand d des Kondensators im Takt der Schallschwingungen verändert wird. Trifft beispielsweise eine sinusförmige Tonschwingung auf, so ändert sich auch der Plattenabstand sinusförmig:

d = d0 + δ sin ωt. Damit gilt für die Kapazität gemäß Gl. (3.32) aus Band 1

C = ε0

A d 0 + δ sin ω t

7.1 Zeitabhängige Ströme und Spannungen

3

und mit den Abkürzungen α = δ d0 und C0 = ε 0 A d0 C = C0

1 1 + α sin ω t

C = C0 (1 α sin ω t

α 2 sin 2 ω t

α 3 sin 3 ω t



).

(7.4)

Wenn die Auslenkung der Membran relativ klein ist (d. h. α  1 ), konvergiert die angegebene Reihe sehr rasch, und man kann schreiben

C ≈ C0 (1 − α sin ωt ); (7.5)

Bild 7.3 Zum Prinzip des Kondensatormikrofons.

in erster Näherung ergibt sich also auch für die Kapazität C eine sinusförmige Änderung, falls die Schallschwingung sinusförmig ist. Für die Ladung des Kondensatormikrofons gilt

Q = CU ≈ C0 U (1 − α sin ωt ), für den Strom demnach

i=

dQ ≈ − C0 Uαω cos ωt , dt

(7.6)

d. h. eine akustische Sinusschwingung wird in eine nahezu sinusförmige elektrische Schwingung umgewandelt, deren Amplitude offenbar von ω abhängt.

7.1.2

Periodische und nichtperiodische Vorgänge

Periodische Vorgänge Vorgänge, bei denen sich immer wieder der gleiche Ablauf wiederholt, nennen wir periodisch. Beispiele hierfür gibt das Bild 7.4. In Bild 7.4a wird die Sinusschwingung dargestellt,

f1 (ϕ ) = a sin ϕ ,

(7.7)

4

7. Wechselstromlehre

Bild 7.4 Periodische Vorgänge.

wobei ϕ einen (Phasen-) Winkel bezeichnet. Die Sinusschwingung lässt sich leicht mit Hilfe folgender Wertetabelle zeichnen: 0°

30°

45°

60°

90°

120°

135°

0

1 π 6

1 π 4

1 π 3

1 π 2

2 π 3

3 π 4

5 π 6

π

7 π 6

0

1 2

1 2 2

1 3 2

1

1 3 2

1 2 2

1 2

0



0

0,5

0,707

0,866

1

0,866

0,707

0,5

0

–0,5

ϕ

sin ϕ

150° 180° 210°

1 2

225°

240°

270°

300°

315°

330°

360°

5 π 4

4 π 3

3 π 2

5 π 3

7 π 4

11 π 6



1 3 2

–1



1 2 2



–0,866

–1

–0,866



1 2 2

–0,707



1 3 2



–0,707

1 2

–0,5

0 0

7.1 Zeitabhängige Ströme und Spannungen

5

Für die Funktion f1 (ϕ ) gilt die Periodizitäts-Bedingung

f1 (ϕ ) = f1 (ϕ + 2π) = f1 (ϕ + 4π) =  = f1 (ϕ + 2nπ) (n positiv oder negativ ganzzahlig),

(7.8a)

d. h. nach dem Durchlaufen des Winkelbereiches 2π nimmt die Funktion jeweils wieder den gleichen Wert an. Ebenso verhält sich die gegen f1 (ϕ ) um den Nullphasenwinkel ϕ 0 verschobene Funktion f 2 (ϕ ), siehe Bild 7.4b. Stellt man den Winkel ϕ gemäß Gl. (7.1) dar, so wird

f 2 (ϕ ) = f 2 (ω t ) (Bild 7.4c). Statt der Bedingung (7.8a) schreiben wir nun:

f 2 (t ) = f 2 (t + T ) = f 2 (t + 2T ) =  = f 2 (t + nT ) ( n positiv oder negativ ganzzahlig). (7.8b) Hierbei ist T die Periode(ndauer) der Schwingung; für eine vollständige Schwingung wird die Zeit T gebraucht:

ωT = 2π T=



ω .

(7.9a)

1 ω = T 2π

(7.9b)

Die Größe

f =

bezeichnet man als Frequenz. Eine mögliche Einheit der Frequenz ist somit

[f]=

1 1 = . [T ] s

Die Einheit 1/s wird bei der Angabe von Frequenzen meist durch die Einheit Hertz ersetzt,

1 1Hertz = 1Hz = , s jedoch als Einheit der Kreisfrequenz nicht verwendet. In der Darstellung

f 2 (ω t ) = a sin(ω t + ϕ 0 )

(7.10)

bezeichnet man a als die Amplitude oder den Scheitelwert der Schwingung.

Nichtperiodische Vorgänge Die Wechselstromlehre befasst sich nur mit Vorgängen, die periodisch im Sinne der Bedingung (7.8) sind. Nicht periodisch ist zum Beispiel ein irgendwann eingeschalteter Gleich- oder Wechselvorgang oder ein einzelner Rechteck- oder Sinus-Impuls (vgl. Bild 7.5). Die Funktion

0 für t < 0 f 4 (t ) =  1 für t > 0

(7.11a)

6

7. Wechselstromlehre

Bild 7.5 Beispiele nichtperiodischer Funktionen.

bezeichnet man als Sprungfunktion und verwendet für diesen Sprung an der Stelle t = 0 auch die Bezeichnungen σ (t ), ε (t ) oder 1(t ):

f 4 (t ) = σ (t ) = ε (t ) = 1(t ).

(7.11b)

Ein Sprung im Zeitpunkt t0 wird also durch die Funktion σ (t − t0 ) dargestellt. Sprungfunktionen spielen bei der Beschreibung aller Schaltvorgänge eine wichtige Rolle (vgl. Abschnitt 12.5 „Die Behandlung von Ausgleichsvorgängen“).

7.1.3

Überlagerung zweier Sinusschwingungen gleicher Frequenz

Wenn zwei Sinusschwingungen (z. B. zwei Sinusströme) zu addieren sind, die beide die gleiche Kreisfrequenz ω , aber verschiedene Amplituden a 1 und a 2 und verschiedene Nullphasenwinkel ϕ 1 und ϕ 2 haben, so hat auch die resultierende Sinusschwingung die Frequenz ω (vgl. Bild 7.6). Amplitude und Nullphasenwinkel der resultierenden Schwingung sollen im Folgenden berechnet werden. Die Schwingungen

f 1 = a 1 sin (ω t + ϕ 1 ) und f 2 = a 2 sin (ω t + ϕ 2 )

7.1 Zeitabhängige Ströme und Spannungen

7

werden addiert:

f = f 1 + f 2 = a1 sin (ω t + ϕ1 ) + a2 sin (ω t + ϕ 2 ). Mit Hilfe des Additionstheorems

sin(α + β ) = sin α cos β + cos α sin β

(7.12)

wird daraus

f = a 1 sin ω t cos ϕ1 + a1 cos ω t sin ϕ1 + a2 sin ω t cos ϕ 2 + a2 cos ω t sin ϕ 2 , f = (a1 cos ϕ1 + a2 cos ϕ 2 )sin ω t + (a1 sin ϕ1 + a2 sin ϕ 2 ) cos ω t. Mit

K 1 = a1 cos ϕ1 + a2 cos ϕ 2 und K 2 = a1 sin ϕ1 + a2 sin ϕ 2

(7.13a, b)

ist

f = K1 sin ω t + K 2 cos ω t ,

(7.14)

und ein Vergleich mit dem Ansatz

f = a sin(ω t + ϕ ) = a cos ϕ sin ω t + a sin ϕ cos ω t

(7.15)

(a = Amplitude, ϕ = Nullphasenwinkel der resultierenden Schwingung) ergibt

K1 = a cos ϕ ;

K 2 = a sin ϕ .

(7.16a, b)

Hieraus folgt

K 2 sin ϕ = = tan ϕ K1 cos ϕ

(7.17a)

und mit den Gln. (7.13)

tan ϕ =

a1 sin ϕ1 + a2 sin ϕ2 a1 cos ϕ1 + a2 cos ϕ 2

(7.17b)

sowie wegen cos 2 ϕ + sin 2 ϕ = 1

K12 + K 22 = a cos 2 ϕ + sin 2 ϕ = a

a = (a1 cos ϕ1 + a2 cos ϕ 2 )2 + (a1 sin ϕ1 + a2 sin ϕ 2 ) 2

(7.18a) (7.18b)

Beispiel 7.3 Überlagerung zweier sinusförmiger Ströme gleicher Frequenz

Die beiden Wechselströme

i1 (t ) = 1Asin ωt und i2 (t ) = 2 A cos ω t werden addiert. Welche Amplitude iˆ und welchen Nullphasenwinkel ϕ hat der resultierende Wechselstrom? Lösung: Für den resultierenden Strom gilt

i(t ) = i1 (t ) + i 2 (t ) = iˆ sin(ω t + ϕ ) ,

8

7. Wechselstromlehre

also

π iˆ sin (ωt + ϕ ) = 1Asin ωt + 2 Asin (ωt + ). 2 π Mit a1 = 1A, a 2 = 2 A; ϕ 1 = 0, ϕ 2 = und den Gln. (7.13) wird 2 K1 = 1A ⋅ 1 + 2 A ⋅ 0 = 1A K2 = 1A ⋅ 0 + 2 A ⋅ 1 = 2 A, eingesetzt in die Gln. (7.17a) und (7.18a) folgt tan ϕ = iˆ =

K2 K1

=

2 ; ϕ ≈ 54, 7° 1

K12 + K 22 = 3 A ≈ 1, 73A .

In Bild 7.6 werden die Ströme i 1 , i2 und i dargestellt.

Bild 7.6 Liniendiagramm zweier sinusförmiger Ströme und ihrer Summe.

7.1.4

Darstellung von Schwingungen mit Hilfe komplexer Größen

Eulersche Formeln und Gaußsche Zahlenebene Mit Hilfe der Eulerschen Formeln können Sinus- und Kosinusschwingungen durch Exponentialfunktionen dargestellt werden. Es gilt mit j2 = − 1

e j α = cos α + jsin α ,

(7.19a)

und wenn man hierin α durch − α ersetzt

e – jα = cos α – jsin α .

(7.19b)

Diese Zusammenhänge werden in der Gaußschen Zahlenebene veranschaulicht (Bild 7.7). Für den Sonderfall α = π 2 ergibt sich aus Gl. (7.19a) wegen sin(π 2) = 1

e jπ / 2 = j ;

(7.20a)

7.1 Zeitabhängige Ströme und Spannungen

9

und für α = −π 2 folgt aus Gl. (7.19a) wegen sin( − π 2) = − 1

e− jπ / 2 = − j .

(7.20b)

Bild 7.7 Darstellung der komplexen Funktionen e j α und e − j α in der Gaußschen Zahlenebene.

Fügt man auf beiden Seiten der Gl. (7.20a) den Exponenten n hinzu, so wird

e jnπ / 2 = jn .

(7.21)

Dieser Zusammenhang soll für n = − 4+ 4 auch als Tabelle wiedergegeben werden: n

–4

–3

–2

–1

0

1

2

3

4

jn

1

j

–1

–j

1

j

–1

–j

1

Diese Tabelle wird in Bild 7.8 veranschaulicht. Addition und Subtraktion der Gln. (7.19) ergeben:

cos α =

1 jα (e + e – jα ) 2

sin α =

1 jα . (e – e – jα ) 2j

(7.22a, b)

Aus der Gl. (7.19a) folgt außerdem, dass cos α und sin α als Realteil bzw. Imaginärteil der Exponentialfunktion darstellbar sind:

cos α = Re{e jα }

sinα = Im{e jα } .

(7.23a, b)

10

7. Wechselstromlehre

Bild 7.8 Potenzen von j.

Die Eulersche Formel (7.19a) lässt sich übrigens leicht aus den Taylor-Reihen für e jα , cos α und sin α begründen. Es ist nämlich

e j α = 1 + jα +

(jα)2 (jα)3 α2 α4 α3 – +…= 1– + – + … + j(α – + – …) . 2! 3! 2! 4! 3!

Mit

1−

α2

α−

2!

α3 3!

+

α4

+

4!

α5 5!

− +  = cos α − +  = sin α

gilt demnach

e jα = cos α + jsin α . Im allgemeinen werden komplexe Größen durch Unterstreichung des betreffenden Buchstaben kenntlich gemacht, z. B.

U = Re{U } + j Im{U } = U r + jU i .

(7.24)

Für den Betrag U der komplexen Größe U gilt

U = U = U r2 + U i2

(7.25)

(vgl. Bild 7.9a), und für den Winkel ϕ = arc U

Ui , Ur

(7.26a, b)

U = U cos ϕ + jU sin ϕ = Ue jϕ

(7.27)

tan ϕ =

Ui , Ur

ϕ = arc tan

womit man auch schreiben kann

7.1 Zeitabhängige Ströme und Spannungen

Bild 7.9a Darstellung einer komplexen Größe in der Gaußschen Zahlenebene.

11

Bild 7.9b Eine komplexe Größe und ihr konjugiert komplexer Wert.

oder mit anderer Schreibweise für die Exponentialfunktion

U = U exp( jϕ ) = U ϕ (sprich: U Versor ϕ ). Hieraus folgen auch n

U = U n e jnϕ und n U = n U e j( ϕ + 2 πk ) n .

(7.28a, b)

Differenziation und Integration Für die Differenziation einer Größe u = uˆ e jω t nach der Zeit t gilt

du d d = {uˆ e jωt } = uˆ {e jωt } = jω uˆ e jωt dt dt dt du = jω u , dt

(7.29a)

d. h. die Differenziation führt einfach zu einer Multiplikation mit jω ; u wird also mit der reellen Größe ω multipliziert und gemäß Gl. (7.20a) um den Winkel π 2 gedreht. Für das unbestimmte Integral einer Größe i = iˆe jω t über die Zeit t gilt

 i dt =  iˆ e  i dt =

i jω

jω t

1 ˆ jωt dt = iˆ  e jωt dt = ie jω

= −j

i

ω

,

die Integration führt demnach zur Division durch ω und Drehung um − π 2.

(7.29b)

12

7. Wechselstromlehre

Addition und Subtraktion; Multiplikation und Division Für die wichtigsten Verknüpfungen zweier komplexer Größen

Z 1 = R1 + jX 1 = Z1e jϕ1

(7.30a)

Z 2 = R2 + jX 2 = Z 2 e jϕ 2

(7.30b)

und

gelten folgende Regeln:

Z 1 + Z 2 = ( R1 + R2 ) + j( X 1 + X 2 ) ,

(7.31a)

Z 1 − Z 2 = ( R1 − R2 ) + j( X 1 – X 2 ) ,

(7.31b)

Z 1 ⋅ Z 2 = Z1e jϕ1 ⋅ Z 2 e jϕ2 = Z1 Z 2 e j(ϕ1 + ϕ2 ) ,

(7.31c)

Z e jϕ1 Z Z1 = 1 jϕ2 = 1 e j(ϕ1 − ϕ2 ) . Z 2 Z2e Z2

(7.31d)

Bestimmung von Real- und Imaginärteil

Real- und Imaginärteil einer Summe oder Differenz Für den Realteil der Summe bzw. Differenz Z 1 ± Z 2 gilt

Re{ Z 1 ± Z 2 } = Re{ R1 + jX 1 ± R2 ± jX 2 } = R1 ± R2 Re{ Z 1 ± Z 2 } = Re{ Z 1} ± Re{ Z 2 }

(7.32a)

und für ihren Imaginärteil:

Im{ Z 1 ± Z 2 } = Im{ R1 + jX 1 ± R2 ± jX 2 } = X 1 ± X 2 Im{Z 1 ± Z 2 } = Im{Z 1} ± Im{Z 2 } .

Erweitern mit dem konjugiert komplexen Nenner Wenn die komplexe Größe Z in der Form

Z = R + jX vorliegt, so sind deren Real- und Imaginärteil unmittelbar gegeben:

Re{ Z } = R ; Im{ Z } = X . Bildet man nun z. B. den Kehrwert

Y =

1 1 , = Z R + jX

(7.32b)

7.1 Zeitabhängige Ströme und Spannungen

13

so erreicht man dessen Aufspaltung in Real- und Imaginärteil, indem man mit dem konjugiert komplexen Wert des Nenners erweitert:

Y =

R − jX R − jX R –X = = + j 2 ( R + jX ) ( R − jX ) R 2 + X 2 R 2 + X 2 R + X2

Re{Y } =

–X R ; Im{Y } = . 2 2 R + X2 R +X 2

(7.32c, d)

Real- und Imaginärteil eines Produktes oder Quotienten Für den Realteil des Produktes Z 1 Z 2 gilt

Re{ Z 1 Z 2 } = Re{( R1 + jX 1 ) ( R2 + jX 2 )} = Re{R1 R2 − X 1 X 2 + j( R1 X 2 + R2 X 1 )} Re{ Z 1 Z 2 } = R1 R2 − X 1 X 2 Re{ Z 1 Z 2 } = Re{ Z 1}Re{ Z 2 } − Im{ Z 1}Im{ Z 2 } und für seinen Imaginärteil:

Im{ Z 1 Z 2 } = R1 X 2 + R2 X 1 Im{ Z 1 Z 2 } = Re{ Z 1}Im{ Z 2 } + Im{ Z 1}Re{ Z 2 } . Für den Realteil des Quotienten Z 1 Z 2 gilt

Re

R + jX 1 ( R + jX 1 ) ( R2 − jX 2 ) Z1 = Re 1 = Re 1 ( R2 + jX 2 ) ( R2 − jX 2 ) Z2 R2 + jX 2 = Re

Re

Re

R1 R2 + X 1 X 2 + j( X 1 R2 − R1 X 2 ) R22 + X 22

Z 1 R1 R2 + X1 X 2 = Z2 R22 + X 22 Z1 Z2

=

Re{ Z 1}Re{ Z 2 } + Im{ Z 1}Im{ Z 2 } Re 2 { Z 2 } + Im 2 { Z 2 }

und für seinen Imaginärteil:

Im

Im

X R – R1 X 2 Z1 = 1 22 Z2 R2 + X 22 Z1 Z2

=

Im{Z 1}Re{Z 2 } − Re{Z 1}Im{Z 2 } . Re2 {Z 2 } + Im2 {Z 2 }

14

7. Wechselstromlehre

Bestimmung von Betrag und Winkel Für die komplexe Größe Z gilt

Z = Ze

jϕ z

= R + jX

R2 + X 2

(Bild 7.10). Hierbei ist Z = Y = 1 Z gilt

Y = Ye

jϕ y

=

1 Ze

jϕ z

(7.33)

=

X der Betrag und ϕ z = arc tan der Winkel von Z . Für R

1 2

R + X

2

e

– jϕ z

,

daher ist

Y =

1 = Z

1 2

R + X

2

ϕ y = – ϕ z = – arc tan

X R .

(7.34a, b)

Für den Quotienten zweier komplexer Größen gilt:

F=

a + jb = c + jd

a 2 + b 2 e jarc tan(b a ) c 2 + d 2 e jarc tan( d c )

= Fe jϕ

(7.35)

mit

F=

a 2 + b2 2

c +d

2

; ϕ = arc tan

b d − arc tan . a c

Bei der Bildung des Betrages F braucht also der Bruch nicht mit seinem konjugiert komplexen Nenner erweitert zu werden.

Bild 7.10 Darstellung der komplexen Größe Z.

Summen und Produkte konjugiert komplexer Größen Der konjugiert komplexe Wert einer Größe

A = Re( A) + jIm( A) = A e jα , ist ∗

A = Re( A) − jIm( A) = Ae jα ,

7.1 Zeitabhängige Ströme und Spannungen

15

vgl. Bild 7.9b. Daraus folgt: ∗

und

Re( A) =

1 ∗ (A + A ) 2

(7.36a, b)



und

Im( A) =

1 ∗ ( A − A ). 2j

(7.36c, d)

A + A = 2 Re( A) sowie

A − A = 2 jIm( A)

Speziell für A = e jα ergeben sich hieraus wieder die Gleichungen (7.22). ∗

Aus den Definitionen für A und A folgt außerdem ∗

A ⋅ A = A e jα ⋅ A e – jα ∗ A ⋅ A = A2 .

(7.36e) ∗

Multipliziert man die Größe A mit dem konjugiert komplexen Wert B einer zweiten komplexen Größe

B = Re( B ) + jIm( B ) , so gilt ∗

A ⋅ B = [ Re( A) + jIm( A)][Re( B) − jIm( B)] = Re( A) Re( B) + j[Im( A) Re( B) − Re( A) Im( B)] + Im( A) Im( B) und entsprechend ∗

A ⋅ B = Re( A) Re( B) − j[Im( A) Re( B) − Re( A) Im( B)] + Im( A) Im( B), so dass ∗











AB + A B = 2 Re( AB ) = 2 Re( A B )

(7.36f)

und ∗



AB − A B = j2 Im( A B ) = − j2 Im( A B )

(7.36g) ∗





wird. Außerdem folgt aus A = B + C die Beziehung A = B + C , und aus A = B ⋅ C ∗ ∗ ∗ folgt A = B ⋅ C . (Diese Beziehungen ergeben sich, wenn man in den Gleichungen des Abschnittes 7.1.4.3 jeweils j durch – j ersetzt.) ∗







Im übrigen ist ( AB)∗ = A B und ( A + B)∗ = A + B .

Vorteile der komplexen Rechnung Die komplexe Beschreibung der Sinus- und Kosinusfunktionen bringt folgende Vorteile: jω t

1. Beim Differenzieren und Integrieren der Funktion e bleibt die Funktion erhalten, und es tritt gemäß den Gln. (7.29) nur der Faktor jω bzw. 1 jω hinzu; in Abschnitt 7.2 „Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen“ wird gezeigt, wie man diesen Vorteil nutzt.

16

7. Wechselstromlehre

2. Bestimmte Umrechnungen zwischen trigonometrischen Funktionen lassen sich leichter ausführen. Beispiel 7.4 Herleitung des Additionstheorems für cos( α + β )

Mit Gl. (7.23a) gilt

cos(α + β ) = Re{e j(α + β ) } = Re{e jα e j β } = Re{(cosα + jsin α )(cos β + jsin β )} cos(α + β ) = cos α cos β − sin α sin β .

(7.37)

Beispiel 7.5 Umrechnung der Funktion sin 3α

Mit Gl. (7.23b) gilt

sin 3α = Im{e j3α } = Im{(cos α + jsin α )3 } = 3sin α cos 2 α − sin 3 α = 3sin α (1 − sin 2 α ) − sin 3 α sin 3α = 3sin α − 4sin 3α .

(7.38a)

Hieraus folgt auch

sin 3 α =

7.1.5

1 (3sin α − sin 3α ). 4

(7.38b)

Oberschwingungen

Überlagert man z. B. der Schwingung iˆ1 sin ω t die Schwingung iˆ2 sin 2 ω t (Bild 7.11) oder die Schwingung iˆ3 sin 3ω t (Bild 7.12), so entstehen ebenfalls wieder periodische Schwingungen mit der Periode T = 2π ω .

Bild 7.11 Überlagerung von Grundschwingung und 1. Oberschwingung (Oktave).

7.1 Zeitabhängige Ströme und Spannungen

17

Bild 7.12 Überlagerung von Grundschwingung und 2. Oberschwingung.

Das gleiche gilt für die Addition der Schwingungen iˆ2 sin ω t und iˆ3 sin 3ω t (Bild 7.13).

Bild 7.13 Überlagerung von 1. und 2. Oberschwingung.

Da aus der Überlagerung von Grundschwingung und Oberschwingungen nichtsinusförmige periodische Schwingungen entstehen, kann man vermuten, dass sich umgekehrt auch jeder periodische Vorgang als Summe von Grundschwingung und Oberschwingungen auffassen lässt (harmonische Analyse), vgl. Abschnitt 11.2 „Fourier-Reihen“. Nichtsinusförmige periodische Schwingungen werden z. B. elektrisch in Funktionsgeneratoren oder akustisch in Musikinstrumenten gebildet; sie können aber auch durch nichtlineare Verzerrung aus reinen Sinusschwingungen entstehen, was im folgenden Beispiel gezeigt wird. Beispiel 7.6 Nichtlineare Verzerrung an einem Varistor (VDR-Widerstand)

Die Strom-Spannungs-Kennlinie eines Siliziumkarbid-Varistors soll durch folgende Darstellung beschrieben werden:

i = K u3 ,

Bild 7.14 Schaltsymbol und Kennlinie eines Varistors.

18

7. Wechselstromlehre

vgl. Bild 7.14 (varistor = variable resistor; VDR = voltage dependent resistor). Am Varistor liegt die Spannung

u = uˆ sin ωt .

Bild 7.15 Entstehung eines nichtsinusförmigen Stromes aus einer sinusförmigen Spannung durch nichtlineare Verzerrung.

Der Strom ist daher

i = K uˆ 3 sin3 ω t und mit Gl. (7.38b) wird

i = K uˆ 3 ⋅

1 (3sin ω t − sin 3ω t ). 4

(7.39)

Eine rein sinusförmige Spannung verursacht in diesem Fall einen Strom, der außer der Grundschwingung noch die Oberschwingung mit der dreifachen Frequenz enthält; Bild 7.15.

7.1.6

Gleichrichtung

In vielen Anwendungsfällen braucht man Gleichspannung und -strom, z. B. zur Stromversorgung von Verstärkerschaltungen in Rundfunkgeräten oder zum Aufladen von (Blei-) Akkumulatoren; wenn hierfür zunächst nur ein Wechselstromnetz vorhanden ist, so muss der Wechselstrom gleichgerichtet werden. Die einfachste Schaltung hierzu ist in Bild 7.16 dargestellt, wobei der Einfachheit halber vorausgesetzt wird, dass die Diode für u < 0 keinen Sperrstrom führt und für u > 0 einen konstanten Durchlasswiderstand hat.

7.1 Zeitabhängige Ströme und Spannungen

19

Bild 7.16 Einweggleichrichtung.

Bei der Gleichrichtung mit nur einer Diode (Einweggleichrichtung) werden die negativen Halbwellen der Eingangsspannung u1 (t ) sozusagen abgeschnitten. Genutzt werden die negativen Halbwellen dagegen durch Brückengleichrichtung, wie es in Bild 7.17 dargestellt wird (Graetzschaltung). Während der positiven Halbwellen von u 1 fließt der Strom i 2 über die Dioden D1 und D 2 (gestrichelter Weg) und während der negativen Halbwellen über D 3 und D 4 (strichpunktierter Weg).

Bild 7.17 Brückengleichrichtung.

20

7. Wechselstromlehre

7.1.7

Mittelwerte periodischer Funktionen

Arithmetischer Mittelwert (Gleichwert) Wenn man sich bei einem zeitabhängigen Strom für die im zeitlichen Mittel transportierte Ladungsmenge interessiert, so muss man seinen arithmetischen Mittelwert bilden. Für den arithmetischen Mittelwert f einer Funktion f (t ) gilt (Bild 7.18)

f =

1 T

τ +T

τ

f (t ) dt

(τ beliebig).

(7.40)

Bild 7.18 Zur Bildung des arithmetischen Mittelwertes f .

Der Gleichwert fsin einer Sinusschwingung ist also immer gleich Null; es ist nämlich T

fsin =

1 sin ω tdt , T 0

und mit ω t = ϕ ; dt = d ϕ ω ; ω T = 2π gilt

fsin =

1 2π



1

 sin ϕ dϕ = 2π ( − cos ϕ )

2π 0

= 0.

(7.41)

0

Eine Schwingung, deren Gleichwert Null ist, nennt man eine (reine) Wechselgröße (Wechselspannung; Wechselstrom). Ist der Gleichwert einer Schwingung von Null verschieden, so nennt man sie eine Mischgröße (Mischspannung; Mischstrom). Die Größe Δf (Bild 7.18a) nennt man die Schwingungsbreite (Schwankung) der Mischgröße f . Einweg-Gleichrichtwert Setzt man eine Funktion f (t ) zu allen Zeiten, zu denen sie negative Funktionswerte annimmt, gleich Null und bildet von der daraus entstandenen Funktion f EG (t ) den arithmetischen Mittelwert, so entsteht ihr Einweg-Gleichrichtwert

f EG =

1 T

τ +T

τ

f EG dt

(τ beliebig).

(7.42)

7.1 Zeitabhängige Ströme und Spannungen

21

Bild 7.19 Zur Bildung des Mittelwertes f E G nach Einweggleichrichtung.

Zu der in Bild 7.18 gegebenen Funktion f (t ) gehört die Funktion f E G (t ) (Bild 7.19); in diesem Beispiel wird f E G > f . Die schraffierte Fläche im oberen Diagramm des Bildes 7.19 hat den gleichen Inhalt wie die im unteren Diagramm. Für den Einweg-Gleichrichtwert einer Sinusfunktion gilt

1 = T

f E G sin

f E G sin =

T 2

 sin ω t dt = 0

π

1 1 sin ϕ dϕ = [ − cos ϕ ] 0π  2π 0 2π

1 1 [1 + 1] = ≈ 0,318 . 2π π

(7.43)

Gleichrichtwert (elektrolytischer Mittelwert) Will man mit einem zeitlich veränderlichen Strom, insbesondere einem Sinusstrom, in vorgegebener Zeit eine möglichst große Ladungsmenge in einer bestimmten Richtung transportieren (wie es für die Elektrolyse nötig ist), so wird man hierfür die Brückengleichrichtung nehmen (vgl. Bild 7.17). Ein in dieser Weise gleichgerichteter Strom hat einen arithmetischen Mittelwert, den man als Gleichrichtwert oder elektrolytischen Mittelwert bezeichnet. Man definiert daher den Gleichrichtwert einer Funktion f (t ) wie folgt:

f =

1 T

τ +T



f (t ) dt

(τ beliebig).

τ

(7.44)

In Bild 7.20 wird dieselbe Funktion f (t ) dargestellt wie schon in den Bildern 7.18 und 7.19; außerdem werden die Funktion f (t ) und der Wert f abgebildet. Die schraffierten Flächen in den beiden Diagrammen des Bildes 7.20 sind gleich groß. Für den Gleichrichtwert einer Sinusfunktion gilt

fsin = fsin =

1 T 2

T 2



sin ωt dt =

0

2 ≈ 0, 637. π

π

1 1 1 sin ϕ dϕ = [ − cos ϕ ]0π = [1 + 1] π 0 π π (7.45)

22

7. Wechselstromlehre

Bild 7.20 Zur Bildung des elektrolytischen Mittelwertes f .

Effektivwert (Quadratischer Mittelwert) Wenn ein Wechselstrom i (t ) in einem ohmschen Widerstand R fließt, so wird die Leistung p (t ) = Ri 2 (t ) umgesetzt; diese Leistung hat den arithmetischen Mittelwert τ +T

1 T

p=P=



p(t ) dt =

τ

1 T

τ +T



Ri 2 (t ) dt.

(7.46)

τ

Für einen Gleichstrom I, der im zeitlichen Mittel in R die gleiche Leistung P umsetzt, muss gelten

P = RI 2 , also mit Gl. (7.46)

RI 2 =

I =

τ +Τ

1 T



Ri 2 (t ) dt

τ

1 T

τ +T

i

2

(t ) dt (τ beliebig).

τ

Den Gleichstrom I, der dem zeitabhängigen Strom i (t ) in Bezug auf die Leistung äquivalent ist, nennt man auch den Effektivwert oder quadratischen Mittelwert des Stromes i (t ). Der Effektivwert F einer beliebigen Zeitfunktion f (t ) ist

F =

1 T

τ+T



f 2 (t ) dt (τ beliebig).

τ

(7.47)

In Bild 7.21 wird wieder die Funktion f (t ) aus den Bildern 7.18 bis 7.20 dargestellt, außerdem die Funktion f 2 (t ) und deren arithmetischer Mittelwert F 2 und schließlich der Effektivwert F. Für den Effektivwert Fsin der Sinusschwingung sin ω t gilt T

Fsin2 =



1 1 sin 2 ωt dt = sin 2 ϕ dϕ .  2π 0 T0

7.1 Zeitabhängige Ströme und Spannungen

23

Bild 7.21 Zur Berechnung des Effektivwertes F.

Mit

1 (1 − cos 2ϕ ) 2

sin 2 ϕ =

(7.48)

wird hieraus 2π



1 1  1  0 2 (1 − cos 2ϕ )dϕ = 4π ϕ − 2 sin 2ϕ 0 1 1 = [2π − 0 + 0] = 4π 2

Fsin2 =

Fsin =

1 2π

1 2

≈ 0, 707.

(7.49)

Der Effektivwert einer Spannung, die sich aus Grundschwingung und Oberschwingungen zusammensetzt, wird in Abschnitt 11.3 („Die Leistung bei nichtsinusförmigen Strömen und Spannungen“) berechnet: Gl. (11.17) beschreibt den Gesamteffektivwert U als Wurzel aus der Summe der Quadrate aller Teileffektivwerte (U 0 , U1 , U 2 usw.):

U = U 02 + U12 + U 22 + U 32 +  . Beispiel 7.7 Mittelwerte einer synchron getasteten Sinusspannung

Für den in Bild 7.22 dargestellten Spannungsverlauf mit dem Tastverhältnis 0,5 sollen berechnet werden a)

der Gleichwert u

b)

der Einweg-Gleichrichtwert uEG

24

7. Wechselstromlehre

c)

der Gleichrichtwert u

d)

der Effektivwert U .

Bild 7.22 Synchron getastete Sinusspannung.

Lösung:

a)

u =

5T 8

1 T

 uˆ sin ωtdt.

T 8

Ersetzt man hierhin ω t durch den Winkel ϕ , so kann man ϕ als neue Integrationsvariable verwenden. Als Periode tritt dann 2π statt T auf, und die Integrationsgrenzen sind nun π 4 und 5π 4 : 1 2π

u =

5π 4



π 1 uˆ  5π − cos + cos  uˆ[ − cos ϕ ]5ππ44 = 2π 2π  4 4

uˆ sin ϕ dϕ =

π4

2  uˆ 2 uˆ  2 + ≈ 0, 22uˆ . u =  = 2π  2 2  π 2 π uˆ 1 1 [ − cos ϕ ]ππ 4 uˆ sin ωtdt = uˆ sin ϕ dϕ =   2π π 4 2π TT8 T 2

b)

uEG =

uˆ  π uˆ  2 − cos π + cos  = 1 +  ≈ 0, 27uˆ . 2π  4  2π  2 

=

c)

u =

1 T

5T 8



uˆ sin ω t dt =

T 8

1 2π

5π 4



uˆ sin ϕ dϕ .

π4

Die Integration von π 4 bis 5π 4 kann durch eine Integration von 0 bis π (Integration über eine Halbwelle) ersetzt werden:

u =

d)

U2 =

1 T

π uˆ uˆ uˆ 1 uˆ sin ϕ dϕ = [ − cos ϕ ]0π = [1 + 1] = ≈ 0,32uˆ .  2π 0 2π 2π π 5T 8



uˆ 2 sin 2 ω tdt =

T 8

1 2π

5π 4



π4

uˆ 2 sin 2 ϕ dϕ =

π

1 uˆ 2 sin 2 ϕ dϕ 2π 0 π

π uˆ 2 1 uˆ 2  uˆ 2 uˆ 2 1  (1 − cos 2ϕ )dϕ = [ π − 0 + 0] = ϕ − sin 2ϕ  = =   2π 0 2 4π  2 4  0 4π

U =

uˆ = 0,5uˆ . 2

7.1 Zeitabhängige Ströme und Spannungen

25

Beispiel 7.8 Effektivwert eines einweggleichgerichteten Mischstromes

Gegeben sind die Gleichspannung U 0 = 1V und die Wechselspannung u1 (t ) = 2Vsin ωt , der Widerstand R = 100 Ω und eine ideale Diode (Durchlasswiderstand gleich Null, Sperrwiderstand unendlich groß), siehe Bild 7.23.

Bild 7.23 Gleichrichten eines Mischstromes.

a)

Der Strom i (t ) soll skizziert werden.

b)

Welchen Effektivwert I hat i(t )?

c)

Wie groß ist die mittlere Leistung PR im Widerstand?

Lösung: a) Ohne die Diode fließt der Strom

i *(t ) =

U0 + u1 (t ) = 10mA + 20 mA ⋅ sin ωt. R

Die Diode unterdrückt alle Werte i * < 0, daher ergibt sich der in Bild 7.24 dargestellte Strom i(t ).

Bild 7.24 Mischstrom nach Einweggleichrichtung.

b) Für den Effektivwert I des Stromes i (t ) gilt: I2 = =

(10 mA) 2 2π (10 mA) 2 2π

7π 6



(1 + 2sin ϕ ) 2 dϕ

−π 6 7π 6



−π 6

(1 + 4sin ϕ + 4sin 2 ϕ ) dϕ .

26

7. Wechselstromlehre

Mit Gl. (7.48) ist I2 =

(10 mA) 2 2π

7π 6



(3 + 4sin ϕ − 2cos 2ϕ )dϕ =

−π 6

(10 mA) 2 [3ϕ − 4cos ϕ − sin 2ϕ ]7−ππ 66 2π

(10 mA) 2  7 π π 7π   π   7π  π   = + − 4  cos − cos  −   − sin − sin  −    .  2π  2 2 6 3  6    3   

Hierbei gilt

cos

7π 3 3 π π  π ; cos  −  = cos = = − cos = − 6 6 2 6 2  6

sin

7π π 3 = sin = ; 3 3 2

π 3  π sin  −  = − sin = − , 3 2  3

so dass sich ergibt I2 =

 (10 mA) 2  3 3  3  3    − −  −   4π − 4  − − 2π  2   2  2     2

(10 mA) 2 (4π + 3 3) ≈ 2,827 ⋅ 100 mA 2 2π I ≈ 16,8mA. I2 =

c)

PR = RI 2 ≈ 100 Ω ⋅ 2,827 ⋅ 10− 4 A 2 ≈ 28, 27 mW.

Scheitel- und Formfaktor Bei einer reinen Wechselspannung definiert man das Verhältnis von Scheitelwert zu Effektivwert als Scheitelfaktor: f s =

uˆ U

(7.54)

und das Verhältnis des Effektivwertes zum elektrolytischen Mittelwert (Gleichrichtwert) als Formfaktor: f f =

U u .

(7.55)

Für eine Sinusschwingung gilt mit den Gln. (7.45) und (7.49):

fssin =

uˆ uˆ

2

= 2 ≈ 1, 414

(7.56)

und

f f sin =

π 2 = ≈ 1,11. 2 2 2 uˆ π



(7.57)

Zum Vergleich sollen im Folgenden f s und f f für eine Dreieckschwingung (Bild 7.25) berechnet werden. Als Gleichrichtwert der Dreieckschwingung ergibt sich

7.1 Zeitabhängige Ströme und Spannungen 2π

1 1 u(ϕ ) dϕ =  2π 0 π2

ud = ud =

π2

27





 π 2 ϕ dϕ = (π 2)

2

0

1 ⋅ ϕ2 2

π2 0

uˆ ; 2

(7.58)

Bild 7.25 Dreieckschwingung.

dieses Ergebnis hätte man aus Bild 7.25 auch unmittelbar erkennen können. Für den Effektivwert der Dreieckschwingung gilt

U d2 =



1 1 u 2 (ϕ )dϕ = 2π 0 π2 uˆ

Ud =

3

π2

uˆ 2

 (π 2) 0

2

ϕ 2 dϕ =

1 π 2 uˆ 2 uˆ 2 ⋅ ϕ3 = 3 3 (π 2) 3 0

.

(7.59)

Die Dreieckschwingung hat demnach den Scheitelfaktor

fsd =

uˆ uˆ

3

= 3 ≈ 1, 732

und den Formfaktor

ffd =

uˆ 3 2 = ≈ 1,156. uˆ 2 3

Allgemein gilt

uˆ  U  u  uEG  u , und deshalb ist für alle Wechselspannungen

f s  1;

7.1.8

f f  1.

Messung von Wechselgrößen

Drehspulinstrument Beim Drehspulmesswerk ist die Anzeige dem Messstrom proportional; wegen der mechanischen Trägheit der Drehspule und des Zeigers zeigt es daher den arithmetischen Mittelwert der Mess-

28

7. Wechselstromlehre

größe an, in Verbindung mit einer Dioden-Brückenschaltung (vgl. Abschnitt 7.1.6) also den Gleichrichtwert i (oder u ). Fließt z. B. der Strom

i (t ) = iˆ sin ω t = 1A ⋅ sin ω t durch das Messinstrument, so müsste der Zeiger eigentlich den Wert i = 2iˆ π ≈ 0, 637 A anzeigen. Da man normalerweise aber den Effektivwert des gemessenen Stromes ablesen möchte, wird die Skala so beschriftet, dass der Zeiger statt des Wertes 0,637 A den Wert I = f f i = 1,11 ⋅ 0, 637 A = 0, 707 A angibt. Misst man nun mit einem in dieser Weise geeichten Drehspulgerät einen Dreieckstrom mit dem Scheitelwert iˆ = 4 A π ≈ 1, 274 A, so wird der Zeiger ebenso weit ausschlagen wie bei dem Sinusstrom mit der Amplitude 1A, denn auch in diesem Fall wird (wegen i = iˆ 2) i ≈ 0, 637 A. Die Angabe I = 0,707 A wäre nun aber falsch, da der betrachtete Dreieckstrom den Effektivwert

I =

1, 274 3

A ≈ 0, 735A hat .

Das auf sinusförmige Wechselgrößen geeichte Drehspulinstrument würde nun einen zu kleinen Effektivwert anzeigen. Werden nichtsinusförmige Wechselgrößen gemessen, so kann sich also ein Formfehler ergeben. (Es gibt aber auch nichtsinusförmige Zeitverläufe, bei denen der Formfaktor den gleichen Wert wie bei Sinusschwingungen hat; in solchen Fällen würde ein Drehspulgerät mit idealem Brückengleichrichter den Effektivwert genauso richtig anzeigen wie bei Sinusschwingungen.) Dreheiseninstrument Beim Dreheiseninstrument ist der Zeigerausschlag ein Maß für das Quadrat des Messstromes; wegen seiner mechanischen Trägheit zeigt das Messwerk also den arithmetischen Mittelwert des Stromquadrates an. Die Anzeige ist somit ein Maß für den Effektivwert: das Dreheisenmesswerk zeigt unabhängig von der Kurvenform den Effektivwert richtig an.

7.2

Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

7.2.1

Komplexe Zeitfunktion, komplexe Amplitude

Eine Wechselspannung

u (t ) = uˆ cos(ω t + ϕ u )

(7.60)

kann gemäß Gl. (7.23a) in folgender Weise beschrieben werden:

u (t ) = uˆ Re{e j(ω t + ϕ u ) } = Re{uˆe j(ω t + ϕu ) } u (t ) = Re{uˆe jϕu e jω t }.

(7.61)

Hierbei ist der Realteil eines komplexen Ausdrucks zu bilden. Diesen Ausdruck bezeichnet man

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

29

auch als komplexen Augenblickswert (komplexen Momentanwert) oder als komplexe Zeitfunktion u (t ):

u (t ) = uˆe jϕu e jω t .

(7.62)

Bei den Darstellungen (7.61) und (7.62) beachte man, dass die reelle Zeitfunktion (reeller Augenblickswert, physikalischer Augenblickswert) u (t ) nicht der Betrag, sondern der Realteil von u (t ) ist. Eine reelle Kosinusschwingung, wie z. B. die in Gl. (7.60) beschriebene Spannung u (t ), lässt sich als Produkt einer zeitunabhängigen Amplitude uˆ mit einer zeitabhängigen Schwingung cos(ω t + ϕ u ) darstellen. Entsprechend lässt sich in der Definition (7.62) die zeitunabhängige Größe

uˆ = uˆe jϕu als komplexe Amplitude und die Zeitfunktion e Definition (7.63) folgt, dass

(7.63) jω t

als komplexe Schwingung auffassen. Aus der

uˆ = uˆ

(7.64)

wird; d. h. der Betrag der komplexen Amplitude uˆ ist gleich der reellen Amplitude uˆ. Mit den Gln. (7.62) und (7.63) lässt sich auch schreiben

u (t ) = uˆe jωt ,

(7.65)

u (t ) = Re{u (t )},

(7.66a)

u (t ) = Re{uˆe jω t}.

(7.66b)

Anmerkung: Geht man zur Beschreibung der Spannung u (t ) nicht von der Darstellung (7.60) aus, sondern nimmt statt der Kosinus- die Sinusfunktion zu Hilfe, so muss man die Gl. (7.66a) durch die Gleichung u (t ) = Im{u (t )} ersetzen.

7.2.2

Eingeschwungene Vorgänge in linearen Bauelementen

Der ohmsche Widerstand an Wechselspannung Wenn man das Ohmsche Gesetz

iR =

uR (mit R = konst) R

(7.67)

(vgl. Bild 7.26) für den Fall einer Wechselspannung

uR (t ) = uˆR cos(ω t + ϕ R ) = Re{uˆ R e jω t }

(mit uˆ R = uˆR e jϕu )

anwendet, so wird

iR (t ) =

uR (t ) uˆR  uˆ  = cos(ω t + ϕ R ) = Re  R e jϕR e jωt  . R R R 

30

7. Wechselstromlehre

Bild 7.26 Zählpfeile von Spannung und Strom beim ohmschen Widerstand.

Die komplexe Amplitude des Stromes iR (t ) ist also

uˆ iˆ R = R e jϕR R iˆ R = uˆ R R ,

(7.68)

d. h. das Ohmsche Gesetz behält seine Gültigkeit auch für die komplexen Amplituden iˆ R und

uˆ R .

Der Kondensator an Wechselspannung; das Zeigerdiagramm

Bild 7.27 Zählpfeile für Kondensatorstrom und -spannung.

Aus der Kondensatorspannung u C (t ) (vgl. Bild 7.27) lässt sich mit Hilfe der Gln. (1.3) und (3.28) aus Band 1 der Strom iC (t ) eindeutig bestimmen:

iC (t ) =

dQC (t ) d = [CuC (t )]; dt dt

wenn C = konst ist (Linearitätsbedingung), wird

iC (t ) = C

duC (t ) . dt

(7.69)

Umgekehrt lässt sich aus dem Strom die Spannung nicht eindeutig bestimmen; die Integration der Gl. (7.69) liefert nämlich das unbestimmte Integral

uC (t ) =

1 iC (t ) dt ; C

(7.70)

wenn also iC (t ) gegeben ist, so sind beliebig viele Lösungen u C (t ) möglich, die sich durch eine Integrationskonstante K voneinander unterscheiden, die durch eine zusätzliche Bedingung festgelegt werden kann. Zum Beispiel ergibt sich für iC = I C = konst

uC (t ) =

I I 1 I C dt = C  dt = C t + K  C C C

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen C

31

C

C

C

C

C

C

C

Bild 7.28 Konstanter Kondensatorstrom und 4 mögliche zugehörige Kondensator-Spannungsverläufe.

(vgl. Bild 7.28). Für iC (t ) = iˆC cos ω t wird

iˆ 1 ˆ iC cos ω t dt = C sin ω t + K  ωC C uC (t ) = uˆC sin ω t + K u C (t ) =

(7.71)

(vgl. Bild 7.29). Statt der Darstellung (7.70) kann man auch die Beschreibung von u C (t ) durch ein bestimmtes Integral wählen: t

uC (t ) =

1 iC (τ ) dτ C −∞ t

0

1 1 uC (t ) = iC (τ ) dτ +  iC (τ ) dτ . C −∞ C0

(7.72)

Der Summand 0

1 iC (τ ) dτ = U C0 C −∞

(7.73)

ist der Wert, den die Spannung u C (t ) für t = 0 erreicht hat; man nennt ihn den Anfangswert. Es wird nun t

uC (t ) = U C0 +

1 iC (τ) d τ . C 0

(7.74)

In der Wechselstromlehre werden nur reine Wechselströme und -spannungen betrachtet, d. h. die Integrationskonstante – wie sie z. B. in Gl. (7.71) auftritt – wird grundsätzlich gleich Null gesetzt:

K = 0. Das bedeutet: Wenn am Kondensator zur Wechselspannung tatsächlich noch eine Gleichspannung dazukommt, so soll sie hier trotzdem außer Betracht bleiben. Wegen dieser willkürlichen Festsetzung liefert uns die Wechselstromlehre nur Aussagen über die Wechselkomponenten aller betrachteten Ströme und Spannungen, und über eventuell vorhandene Gleichkomponenten kann sie nichts aussagen. Wenn ebenfalls alle Quellenspannungen und Quellenströme reine Wechsel-

32

7. Wechselstromlehre C

C

C

C

C

Bild 7.29 Sinusförmiger Kondensatorstrom und 4 mögliche zugehörige Kondensator-Spannungsverläufe.

größen sind, dann können übrigens an den Kondensatoren eines Netzes gar keine Gleichspannungskomponenten mehr auftreten, sobald eine genügend lange Zeit nach dem Einschalten aller Quellen vergangen ist. Dass alle Einschaltvorgänge lange genug zurückliegen und somit alle Spannungen und Ströme eingeschwungen sind, ist Hauptvoraussetzung der ganzen Wechselstromlehre. Anmerkung: Die Ströme und Spannungen in RLC-Schaltungen können durch Differentialgleichungen beschrieben werden, deren Lösung sich aus dem Partikular-Integral und der homogenen Lösung zusammensetzt. In der Wechselstromlehre wird nur das Partikular-Integral betrachtet, und auch dies nur für den Sonderfall sinusförmiger Anregungen; vgl. Abschnitt 11.1.

Setzt man in Gl. (7.69)

uC (t ) = uˆC cos(ω t + ϕ C )

(7.75a)

ein (wodurch ein beliebiger sinus- oder kosinusförmiger Verlauf beschrieben wird), so erhält man

d {uˆC cos(ω t + ϕ C )} dt iC (t ) = − ω CuˆC sin(ω t + ϕ C ); iC (t ) = C

(7.75b)

der Strom iC (t ) hat demnach die Amplitude

iˆC = ω CuˆC .

(7.75c)

Damit wird

π  iC (t ) = − iˆC sin(ωt + ϕC ) = iˆC cos  ωt + ϕC +  = Re{iˆCe j(ωt +ϕC + π 2) } 2  und mit Gl. (7.20a)

iC (t ) = Re{jiˆCe jϕC e jωt }.

(7.76)

In Bild 7.30 werden der Strom iC (t ) und die ihm um π 2 nacheilende Spannung u C (t ) als Funktionen der Zeit t dargestellt.

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

C

C

C

33

C

C

C

C

Bild 7.30 Kondensatorspannung und -strom im eingeschwungenen Zustand.

Wenn wir gemäß Abschnitt 7.2.1 die reelle Zeitfunktion u C (t ) als Realteil der komplexen Zeitfunktion uC (t ) auffassen, dann folgt aus Gl. (7.75a)

uC (t ) = Re{uˆC e jϕC e jωt } uC (t ) = uˆC e jϕC e jω t

(7.77)

und mit der komplexen Amplitude

uˆC = uˆCe jϕC

(7.78)

u C (t ) = uˆCe jωt .

(7.79)

wird

Auch der Strom iC (t ) lässt sich entsprechend darstellen: aus Gl. (7.76) folgt

i C (t ) = jiˆC e jϕC e jω t ;

(7.80)

die komplexe Amplitude des Stromes ist

iˆC = jiˆC e jϕC ,

(7.81)

mit Gl. (7.75c) und (7.78) also

iˆC = jω CuˆC e jϕC iˆC = jω Cuˆ C .

(7.82)

Zeigerdiagramm Zwischen den komplexen Zeitfunktionen i C (t ) und u C (t ) gilt der Zusammenhang

iˆCe jωt = jω CuˆC e jωt i C (t ) = jω CuC (t ). Die Größen i C (t ) und u C (t ) bezeichnet man gern als Zeiger und veranschaulicht sie in der Gaußschen Zahlenebene in einem Zeigerdiagramm, das die Größen i C (t ) und u C (t ) als Momen-

34

7. Wechselstromlehre

tanwerte (also zu irgendeinem festen Zeitpunkt) wiedergibt. In Bild 7.31a sind die Zeiger i C und uC für den Fall ω t = − ϕ C dargestellt; in diesem Fall wird gemäß Gl. (7.80) und (7.77)

i C (t )

t = −ϕC ω

= jiˆC

und

u C (t )

t = −ϕC ω

= uˆC .

Für t = 0 ergibt sich aus den Gln. (7.80) und (7.77) mit (7.81) und (7.78)

i C (t )

t =0

= iˆC

(7.83a)

= uˆ C .

(7.83b)

und

u C (t )

t =0

Das heißt: im Fall t = 0 stellt das Zeigerdiagramm unmittelbar die komplexen Amplituden iˆC und uˆ C dar (Bild 7.31b).

C

C

C

C

C

C

C

C

C

C

Bild 7.31 Zeigerdiagramme für u C (t ) und i C (t ) für zwei verschiedene Zeiten t.

Im Folgenden werden wir das Zeigerdiagramm stets für den Sonderfall t = 0 betrachten, also einfach als die Darstellung der komplexen Amplituden uˆ C und iˆC (vgl. Bild 7.31b). Das Zeigerdiagramm in Bild 7.31b, das Liniendiagramm in Bild 7.30, die Gleichung (7.82) und das Gleichungspaar (7.75a, b) beschreiben in unterschiedlicher Weise, dass der Strom im Kondensator der Spannung um π 2 vorauseilt. Hierbei lässt sich jeder Wert des Liniendiagramms als Projektion eines rotierenden Zeigers auf eine feste Achse (z. B. die reelle Achse) der komplexen Ebene deuten. Der Vorteil der komplexen Darstellung reeller Spannungen und Ströme zeigt sich u.a., wenn man die Quotienten uC (t ) iC (t ) und u C (t ) i C (t ) bildet. Mit den Gln. (7.75a, b) wird

−1 uC (t ) uˆC cos(ωt + ϕC ) = = cot(ωt + ϕC ); −ωCuˆC sin(ωt + ϕC ) ω C iC (t ) und aus den Gln. (7.77) und (7.80) folgt

uC (t ) uˆCe jϕC e jωt uˆ C = = , i C (t ) jiˆCe jϕC e jωt iˆC mit den Gln. (7.75c) und (7.82) wird hieraus

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

u C (t ) i C (t )

=

uˆ C uˆ C 1 . = = iˆC jiˆC jωC

35

(7.84)

Das Verhältnis der reellen Momentanwerte u C (t ) und iC (t ) ist also zeitabhängig, während das Verhältnis der komplexen Momentanwerte uC (t ) und i C (t ) den konstanten Wert 1 ( jω C ) ergibt. Analog zum Ohmschen Gesetz bezeichnet man auch hier den zeitunabhängigen Quotienten uC (t ) i C (t ) als einen Widerstand, und zwar als den komplexen Scheinwiderstand (die Impedanz) Z C des Kondensators:

ZC =

1 1 . =−j jω C ωC

(7.85)

Den Imaginärteil einer Impedanz bezeichnet man als ihren Blindwiderstand (ihre Reaktanz) X, vgl. Abschnitt 7.4; die Reaktanz X C des Kondensators ist demnach

XC = −

1 ,

(7.86)

ωC

und man kann schreiben Z C = jX C ,

(7.87)

d. h. die Impedanz des Kondensators hat keinen Realteil. (Hier ist X C als der Imaginärteil von Z C definiert. Den Kehrwert des Wechselstromwiderstandes Z nennt man den komplexen Scheinleitwert (die Admittanz) Y:

Y =

YC =

1 Z

(7.88)

1 1 1 = =−j Z C + jX C XC

Y C = jω C .

(7.89a)

Den Imaginärteil einer Admittanz bezeichnet man als ihren Blindleitwert (ihre Suszeptanz) B; es gilt also für den Blindleitwert eines Kondensators

BC = ω C = −

1 . XC

(7.89b)

Die Spule an Wechselspannung Aus dem Spulenstrom iL (t ) (vgl. Bild 7.32) lässt sich die Spannung u L (t ) eindeutig bestimmen:

uL (t ) =

dΨ L (t ) d = [ LiL (t )] dt dt

uL (t ) = L

diL (t ) , ( L = konst) dt

(7.90)

36

7. Wechselstromlehre

Bild 7.32 Spulenstrom und -spannung.

vgl. Gl. (6.14) in Band 1. Umgekehrt lässt sich der Strom aus der Spannung nicht eindeutig bestimmen; die Integration der Gl. (7.90) liefert nämlich das unbestimmte Integral

iL (t ) =

1 uL (t ) dt ; L

(7.91)

wenn also u L (t ) gegeben ist, so sind beliebig viele Lösungen iL (t ) möglich, die sich durch eine Integrationskonstante K unterscheiden, die durch eine zusätzliche Bedingung festgelegt werden kann. Zum Beispiel ergibt sich für

uL = U L = konst

iL (t ) =

U U 1 U L dt = L  dt = L t + K ,  L L L

Bild 7.33 Konstante Spulenspannung und 4 mögliche zugehörige Spulen-Stromverläufe.

vgl. Bild 7.33. Für uL (t ) = uˆL cos ω t wird

uˆ 1 uˆL cos ω tdt = L sin ω t + K  ωL L ˆ iL (t ) = iL sin ω t + K iL (t ) =

(7.92)

(vgl. Bild 7.34). Statt die Darstellung (7.91) zu nehmen, kann man iL (t ) auch als bestimmtes Integral schreiben: t

iL (t ) =

1 u L (τ ) dτ L −∞

iL (t ) =

1 1 uL (τ ) dτ +  uL (τ ) dτ . L −∞ L0

0

t

(7.93)

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

37

Bild 7.34 Sinusförmige Spulenspannung und 4 mögliche zugehörige Spulen-Stromverläufe.

Der Summand 0

1 uL (τ ) dτ = I L0 L −∞

(7.94)

ist der Wert, den der Strom iL (t ) zur Zeit t = 0 erreicht hat (Anfangswert). Es wird nun t

iL (t ) = I L0 +

1 uL (τ ) dτ . L 0

(7.95)

Da man in der Wechselstromlehre immer von der Voraussetzung K = 0 ausgeht (vgl. Abschnitt 7.2.2), ist nicht nur u L (t ) aus iL (t ) eindeutig berechenbar, sondern umgekehrt auch iL (t ) aus u L (t ). Setzt man in Gl. (7.90)

iL (t ) = iˆL cos(ω t + ϕ L )

(7.96a)

ein, so erhält man

d ˆ {iL cos(ω t + ϕ L )} dt uL (t ) = − ω LiˆL sin(ω t + ϕ L ); u L (t ) = L

(7.96b)

die Spannung u L (t ) hat demnach die Amplitude

uˆL = ω LiˆL .

Bild 7.35 Spulenstrom und -spannung im eingeschwungenen Zustand.

(7.96c)

38

7. Wechselstromlehre

Damit wird

uL (t ) = uˆL cos(ω t + ϕ L + π 2) = Re{uˆL e

j(ω t + ϕ L + π 2)

}

und mit Gl. (7.20a)

uL (t ) = Re{juˆL e jϕL e jω t }.

(7.97)

In Bild 7.35 werden die Spannung u L (t ) und der ihr um π 2 nacheilende Strom iL (t ) als Funktionen der Zeit t dargestellt. Gemäß Abschnitt 7.2.1 lässt sich die reelle Zeitfunktion iL (t ) als Realteil der komplexen Zeitfunktion i L (t ) auffassen, so dass sich aus Gl. (7.96a) ergibt

iL (t ) = Re{iˆL e

jϕ L

e jω t }

jϕ i L (t ) = iˆL e L e jω t ;

(7.98)

mit der komplexen Amplitude

iˆ L = iˆL e jϕL

(7.99)

wird

i L (t ) = iˆ L e jω t .

(7.100)

Auch die Spannung u L (t ) lässt sich entsprechend darstellen: aus Gl. (7.97) folgt

u L (t ) = juˆL e jϕL e jω t ;

(7.101)

die komplexe Amplitude der Spannung ist

uˆ L = juˆL e jϕL

(7.102)

oder mit Gl. (7.96c) und (7.99)

uˆ L = jω LiˆL e jϕL uˆ L = jω L iˆ L .

(7.103)

Die durch die Gln. (7.98) und (7.101) beschriebenen komplexen Schwingungen i L (t ) und u L (t ) können in Zeigerdiagrammen dargestellt werden. Für die Fälle t = − ϕ L ω und t = 0 zeigt Bild 7.36 die Zeigerdiagramme. In diesen Diagrammen wird ebenso wie in Bild 7.35 deutlich, dass an der Spule die Spannung dem Strom um π 2 vorauseilt. Den Quotienten u L (t ) i L (t ) bezeichnet man als den komplexen Scheinwiderstand (die Impedanz) Z L der Spule. Mit den Gln. (7.96c) und (7.103) wird

u L (t ) i L (t )

=

uˆ L juˆ = L = jω L . iˆ L iˆL

Z L = jω L .

(7.104) (7.105)

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

39

Bild 7.36 Zeigerdiagramme für i L (t ) und u L (t ) für zwei verschiedene Zeiten t.

Mit der Abkürzung

XL = ωL

(7.106)

für die Reaktanz einer Spule wird

Z L = jX L .

(7.107)

(Die Impedanz einer Spule hat – ebenso wie die eines Kondensators – keinen Realteil.) Die Admittanz der Spule ist

YL =

1 1 1 = =−j ZL XL jX L

YL =

1 . jω L

(7.108a)

Mit der Bezeichnung B für den Imaginärteil einer Admittanz Y gilt:

BL = −

7.2.3

1

ωL

1 . XL

=−

(7.108b)

Die Kirchhoffschen Gleichungen für die komplexen Amplituden

Die Knotengleichung für die komplexen Stromamplituden Die Kirchhoffsche Gleichung n

I

v

=0

(2.5)

v =1

gilt nicht nur für Gleichströme, sondern muss auch zu jeder Zeit für die Momentanwerte von n zeitabhängigen Strömen gelten, die aus einem Knoten abfließen (Bild 7.37). Sie ist z. B. auch anwendbar für n sinusförmige Ströme gleicher Kreisfrequenz ω, aber verschiedener Nullphase ϕ v: n

 iˆ cos(ωt + ϕ ) = 0. v

v =1

v

(7.109)

40

7. Wechselstromlehre

v

Bild 7.37 Knoten mit n abfließenden zeitabhängigen Strömen.

Die Summe der Amplituden aber kann nie verschwinden, da sie als positive Größen definiert sind (vgl. Abschnitt 7.1.2). Dass dagegen die Summe der Momentanwerte zu jedem Zeitpunkt verschwinden kann, wird in Bild 7.38 für die drei aus einem Knoten ausfließenden Ströme i1 , i2 und i3 gezeigt.

Bild 7.38 Drei gleichfrequente Ströme, die aus einem Knoten ausfließen.

Die Gl. (7.109) lässt sich mit Hilfe von Gl. (7.23a) umformen: n

 Re{iˆ e ω v

j( t + ϕv )

} = 0.

v =1

Summation und Realteilbildung lassen sich hierbei aufgrund der Formel (7.32a) miteinander vertauschen:

 n  Re   iˆv e j(ω t + ϕ v )  = 0  v =1   n  Re   iˆv e jϕ v e jω t  = 0 .  v =1  jω t

Da der Faktor e nicht von der Summationsvariablen v abhängt, kann er als gemeinsamer Faktor aller n Summanden vor das Summationszeichen gezogen werden: n   Re e jω t  iˆv e jϕv  = 0 . v =1  

Die komplexe Summe hierin kürzen wir ab: n

 iˆ e ϕ j

v

v =1

v

= S.

(7.110)

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

41

Aus Gl. (7.110) entsteht nun:

Re{e jωt ⋅ S} = Re{(cos ω t + jsin ω t ) (Re S + jIm S )} = cos ω t ⋅ Re S − sin ω t ⋅ Im S = 0 Dies muss für alle Werte von t gelten. Setzt man ωt = 0, so folgt daraus

Re S = 0; setzt man ω t = π 2, so folgt hieraus

Im S = 0. Es gilt also n

S =  iˆv e jϕv = 0. v =1

Hierbei stellen die n Summanden iˆv e jϕ v die komplexen Amplituden iˆ v dar [wie aus der Definition (7.63) hervorgeht], so dass man schreiben kann n

 iˆ

=0 .

v

(7.111)

v =1

Die Summe der komplexen Amplituden aller aus einem Knoten herausfließenden Ströme ist also Null. Das heißt: die erste Kirchhoffsche Gleichung gilt nicht nur für Gleichströme oder Momentanwerte beliebiger zeitabhängiger Ströme, sondern sie gilt auch für die komplexen Stromamplituden. Auch hier zeigt sich der Vorteil der komplexen Schreibweise: die erste Kirchhoffsche Gleichung behält für die komplexen Stromamplituden ihre Gültigkeit, während sie für die reellen Amplituden nicht angewendet werden kann. Die Umlaufgleichung für die komplexen Spannungsamplituden Die Kirchhoffsche Gleichung n

U

v

=0

(2.7)

v =1

gilt nicht nur für Gleichspannungen, sondern muss auch zu jedem beliebigen Zeitpunkt für die Momentanwerte von n zeitabhängigen Spannungen gelten, die zu einem Umlauf gehören (Bild 7.39).

v

Bild 7.39

Umlauf mit n zeitabhängigen Spannungen.

42

7. Wechselstromlehre

Sie ist z. B. auch anwendbar für n sinusförmige Spannungen gleicher Kreisfrequenz ω, aber verschiedener Nullphase ϕ v: n

 uˆ

v

cos(ω t + ϕv ) = 0.

(7.112)

v =1

Ebenso wie sich aus Gl. (7.109) das Ergebnis (7.111) herleiten lässt, so folgt aus Gl. (7.112) das Ergebnis n

 uˆ

=0

v

(7.113)

v =1

für die Summe der komplexen Spannungsamplituden, die zu einem geschlossenen Umlauf gehören. So wie die erste Kirchhoffsche Gleichung gilt demnach die zweite Kirchhoffsche Gleichung nicht nur für reelle Momentanwerte, sondern ebenfalls für komplexe Amplituden.

7.2.4

Komplexe Effektivwerte

Der Effektivwert A einer sinusförmigen Schwingung aˆ sin ω t hat die Größe

A=

aˆ 2

,

vgl. Gl. (7.49). Teilt man also die reelle Amplitude aˆ durch Entsprechend nennt man die durch tivwert A :



A=

2

2, so erhält man den Effektivwert.

2 geteilte komplexe Amplitude aˆ den komplexen Effek-

.

Für die komplexen Effektivwerte U und I gelten z. B. die Gln. (7.68), (7.82), (7.103), (7.111) und (7.113) ebenso wie für die komplexen Amplituden: dividiert man nämlich beide Seiten der Gl. (7.68) durch 2, so erhält man

iˆ R 2 und mit iˆ R

=

uˆ R

2 R

2 = I R ; uˆ R

2 = UR

I R = UR R .

(7.114)

Entsprechend folgt aus Gl. (7.82)

I c = jω CU C

(7.115)

und aus Gl. (7.103)

U L = jω LI L .

(7.116)

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen Dividiert man beide Seiten der Gl. (7.111) durch n

I

2, so entsteht

=0

v

43

(7.117)

v =1

und aus Gl. (7.113) folgt n

U

v

=0 .

(7.118)

v =1

Mit den komplexen Effektivwerten kann man also genauso arbeiten wie mit den komplexen Amplituden. Vorteilhaft bei der allgemein üblichen Verwendung der komplexen Effektivwerte ist, dass der Betrag des komplexen Effektivwertes unmittelbar den (reellen) Effektivwert liefert, für den man sich in der Elektrotechnik im Allgemeinen mehr interessiert als für die Amplitude, die allerdings in der Schwingungslehre und Feldtheorie (siehe Kapitel 10 „Zeitlich veränderliche elektromagnetische Felder“) der wichtigere Begriff ist. Im Folgenden werden wir uns den allgemeinen Gepflogenheiten anschließen und hauptsächlich mit komplexen Effektivwerten statt mit komplexen Amplituden rechnen.

7.2.5

Parallel- und Reihenschaltung von Impedanzen

RLC-Parallelschaltung Aus der Knotengleichung (7.117) ergibt sich für die komplexen Effektivwerte der Ströme in einer RLC-Parallelschaltung (Bild 7.40):

I = I L + I R + I C.

(7.119)

C

Bild 7.40 Parallelschaltung von Spule, Widerstand und Kondensator.

An allen drei Bauelementen liegt dieselbe Spannung U , so dass sich mit Berücksichtigung der Gln. (7.114) bis (7.116) für die Parallelschaltung schreiben lässt

I =

U jω L

+

 1  U 1 + jω CU =  + + jω C  U = Y pU , R  jω L R 

d. h. die Parallelschaltung hat den komplexen Leitwert (die Admittanz)

Yp =

1 1 + + jω C . jω L R

(7.120a)

44

7. Wechselstromlehre

Bild 7.41 Schaltsymbol einer Impedanz Z .

Mit G = 1 R, − 1 (ω L ) = BL , ω C = BC , B = BC + BL wird

1   Y p = G + jωC −  = G + j( BC + BL ) L ω 

(7.120b)

Y p = G + jB ,

(7.120c)

vgl. Bild 7.43. Hierin bezeichnet man den Realteil G der Admittanz Y p als ihren Wirkleitwert ( = Konduktanz), den Imaginärteil B als ihren Blindleitwert ( = Suszeptanz); vgl. Abschnitt 7.4. Die Impedanz der RLC-Parallelschaltung ist

Zp =

1 1 . = Y p G + jB

(7.121)

Das Schaltsymbol für eine Impedanz Z ist in Bild 7.41 dargestellt. Aus der Darstellung (7.121) können Real- und Imaginärteil von Z p nicht unmittelbar abgelesen werden, sondern erst nach Erweitern mit dem konjugiert komplexen Wert des Nenners, vgl. Gln. (7.32c, d):

C C

C C

Bild 7.42 Spannung und Ströme einer RLC-Parallelschaltung.

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

1 G − jB G − jB = 2 ; G + jB G − jB G + B 2 G 1 1 1 Re{Z p } = 2 = =R , 2 2 G +B G 1 + (B G) 1 + ( BR ) 2 B 1 B/G BR Im{Z p } = − 2 =− =−R . G + B2 G 1 + ( B G)2 1 + ( BR ) 2

45

Zp =

(7.122a) (7.122b)

Das Bild 7.42 zeigt das Linien- und das Zeigerdiagramm der Spannung und der vier Ströme. Hierbei wurde vorausgesetzt, dass u (t ) = uˆ cos ω t ist; die Nullphase von u verschwindet also, der Zeiger U ist damit reell. Die drei Zeiger I R , I C und I L sind im Zeigerdiagramm vektoriell addiert und ergeben den Zeiger I = I R + I C + I L . Die zeitunabhängigen komplexen Größen Z und Y bezeichnet man auch als Operatoren. Das Diagramm der Operatoren Y der RLC-Parallelschaltung ist in Bild 7.43 dargestellt; es entspricht dem Zeigerdiagramm der Ströme in Bild 7.42a.

Bild 7.43 Operatordiagramm der Admittanzen einer RLC-Parallelschaltung.

Für den Betrag Y p der Admittanz Y p gilt (vgl. Bild 7.43): 2

1  ,  Yp = G 2 + B 2 = G 2 +  ω C − ω L  

(7.123a)

und für ihren Winkel

ϕY

p

B = arc tan = arc tan G

ωC − G

1

ωL

(vgl. Bild 7.43). Die zugehörige Impedanz ist

Z p = Z pe

jϕ z p

=

1 1 1 − jϕY = = e p. Y p Yp e jϕYp Yp

(7.123b)

46

7. Wechselstromlehre

Wegen Gl. (7.34a) müssen die Beträge Z p und 1 Y p übereinstimmen, mit Gl. (7.123a) wird also

Zp =

1 2

G + B2

;

(7.124a)

außerdem muss Gl. (7.34b) gelten: ϕ Z p = − ϕ Yp , mit Gl. (7.123b) also

ϕ Z = − arc tan p

B . G

(7.124b)

Die Frequenzabhängigkeit von Y p Der Realteil G der durch Gl. (7.120c) beschriebenen Admittanz Y p ist unabhängig von der Kreisfrequenz ω, der Imaginärteil B ist frequenzabhängig (Bild 7.44). Die Frequenzabhängigkeit von Y p kann auch gemäß den Gln. (7.123) durch den Betrag Yp = f1 (ω ) und den Winkel ϕ Yp = f 2 (ω ) vollständig beschrieben werden (siehe Bild 7.45).

Bild 7.44 Die Frequenzabhängigkeit des Real- und Imaginärteiles von Y p .

Bild 7.45 Die Frequenzabhängigkeit von Betrag und Winkel der Admittanz Y p .

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

47

RLC-Reihenschaltung Aus der Umlaufgleichung (7.118) ergibt sich für die komplexen Effektivwerte der Spannungen in einer RLC-Reihenschaltung (Bild 7.46):

U = UL + UR + UC.

(7.125)

Durch alle drei Bauelemente fließt derselbe Strom I , so dass sich mit Berücksichtigung der Gln. (7.114) bis (7.116) für die Reihenschaltung schreiben lässt

U = jω LI + RI +

 I 1  =  jω L + R +  I = ZrI , jω C  jω C 

Bild 7.46 Reihenschaltung von Spule, Widerstand und Kondensator.

d. h. die Reihenschaltung hat den komplexen Widerstand (die Impedanz)

Z r = jω L + R + Mit ω L = X L ; −

1

ωC

1 . jω C

(7.126a)

= X C ; X = X L + X C wird

1   Z r = R + j ω L − = R + j( X L + X C) ωC  

(7.126b)

Z r = R + jX .

(7.126c)

Hierin bezeichnet man den Realteil der Impedanz Z r als ihren Wirkwiderstand ( = Resistanz), den Imaginärteil X als ihren Blindwiderstand ( = Reaktanz); vgl. Abschnitt 7.4. Die Admittanz der RLC-Reihenschaltung ist

1 1 = . Z r R + jX

Yr =

(7.127)

Hieraus folgt

Yr = Re{Y r } =

1 R − jX R − jX = 2 R + jX R − jX R + X 2 R 1 1 1 = =G , R 2 + X 2 R 1 + ( X R)2 1 + (GX ) 2

Im{Y r } = −

X 1 X R GX =− =−G . R2 + X 2 R 1 + ( X R) 2 1 + (GX ) 2

(7.128a) (7.128b)

48

7. Wechselstromlehre

Das Bild 7.47 zeigt das Linien- und das Zeigerdiagramm des Stromes und der vier Spannungen für den Fall i(t ) = iˆ cos ω t (Nullphase des Stromes gleich Null). Das Operatordiagramm der RLC-Reihenschaltung ist in Bild 7.48 dargestellt. Für den Betrag Z r der Impedanz Z r gilt (vgl. Bild 7.48):

1   Zr = R + X = R + ω L − ω C   2

2

2

2

(7.129a)

Bild 7.47 Strom und Spannungen einer RLC-Reihenschaltung.

Bild 7.48 Operatordiagramm der Impedanzen einer RLC-Reihenschaltung.

und für ihren Winkel

ϕZ

r

X = arc tan = arc tan R

ωL − R

1

ωC .

(7.129b)

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

49

Die zugehörige Admittanz ist

Y r = Y re

jϕYr

=

1 1 1 − jϕ = = e Zr . jϕZr Z r Zr e Zr

Die Beträge Yr und 1 Z r stimmen überein, mit Gl. (7.129a) ist daher

Yr =

1 2

R + X2

;

(7.130a)

außerdem muss gelten

ϕY = − ϕZ , r

r

mit Gl. (7.129b) also

ϕ Y = − arc tan r

X . R

(7.130b)

Die Frequenzabhängigkeit von Z r Der Realteil R der durch Gl. (7.126c) beschriebenen Impedanz Z r ist unabhängig von der Kreisfrequenz ω, der Imaginärteil X ist frequenzabhängig (Bild 7.49).

Bild 7.49 Die Frequenzabhängigkeit des Real- und Imaginärteiles von Z r .

Bild 7.50 Die Frequenzabhängigkeit von Betrag und Winkel der Impedanz Z r .

50

7. Wechselstromlehre

Die Frequenzabhängigkeit von Z r kann auch gemäß den Gln. (7.129) durch den Betrag Z r = f1 (ω ) und den Winkel ϕ Zr = f 2 (ω ) vollständig beschrieben werden, siehe Bild 7.50.

7.2.6

Berechnung der reellen Zeitfunktionen mit Hilfe der komplexen Größen

Die komplexen Amplituden und komplexen Effektivwerte elektrischer Ströme und Spannungen sind nur mathematische Hilfsgrößen. Man kann aber leicht aus dem Bereich der komplexen Größen in den Bereich der reellen Größen zurückkehren; dies wird im Folgenden gezeigt. Eine reelle Zeitfunktion kann gemäß Gl. (7.66a) als Realteil einer komplexen Zeitfunktion aufgefasst werden. Wenn z. B. die komplexe Amplitude uˆ einer gesuchten Spannung berechnet worjω t den ist, so braucht man uˆ nur noch mit der Exponentialfunktion e zu multiplizieren und den Realteil des Produktes zu bilden. Die Verwendung komplexer Größen zur Berechnung reeller Zeitfunktionen kann man daher in folgendem Schema zusammenfassen: Reelle, zeitabhängige Anregungsfunktion(en) z. B. (vgl. Beispiel 7.9):

uq (t ) = uˆq cos(ω t + ϕ )

Reelle, zeitabhängige Ergebnisfunktion(en) z. B.: uC (t ) = uˆC cos (ωτ + ψ )

Transformation: Übergang von cos(ω t + ϕ ) zu e j(ω t + ϕ ) , Abspalten der Funktion

Rücktransformation: e jωt ergänzen, Realteil bilden

e jωt

Komplexe Amplitude(n) oder Effektivwert(e) der Anregungsfunktion(en) z. B.: uˆ q = uˆq e jϕ oder: U q =

uˆ q 2

=

uˆq 2

e



Berechnung der gesuchten Größe(n) mit Hilfe der Netzwerkgleichungen

Komplexe Amplitude(n) oder Effektivwert(e) der Ergebnisfunktion(en) z. B.:

(  I = 0,  U = 0, U = Z I)

uˆ C =

uˆ q 1 + jω RC

= uˆC e jψ

Dieses Schema wird im folgenden Beispiel angewandt. Beispiel 7.9 Die Spannung uC (t ) einer RC-Reihenschaltung

An einer RC-Reihenschaltung liegt eine (ko)sinusförmige Quellenspannung, siehe Bild 7.51. Die Spannung uC (t ) am Kondensator soll berechnet werden.

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

51

C

Bild 7.51 Sinusförmige Quellenspannung an einer RC-Reihenschaltung.

C

Bild 7.52 Strom und Spannungen in einer RC-Reihenschaltung. Lösung: Aus der Formel (7.126a) für die RLC-Reihenschaltung ergibt sich für diesen Sonderfall ( L = 0) :

Z =R+

1 . jωC

Der reellen Spannung uq (t ) = uˆq cos ω t entspricht gemäß Gl. (7.62) die komplexe Zeitfunktion

u q (t ) = uˆq e jωt mit der komplexen Amplitude uˆ q = uˆq . Der Strom i (t ) hat die komplexe Amplitude

iˆ =

uˆ q Z

=

uˆq Z

,

und die Spannung am Kondensator hat die komplexe Amplitude 1 uˆq uˆq 1 jω C ˆ ˆ = uˆ q = = uˆ C = i Z C = i e − jarc tan(ω RC ) . 1 ω + RC jω C 1 j 1 + (ω RC ) 2 R+ jω C

Hieraus folgt

  uˆq uˆq e j[ωt − arc tan(ω RC )]  = cos[ωt − arc tan(ω RC )] . uC (t ) = Re{uˆCe jωt } = Re  2 1 ( ) 1 ( ω ω RC )2 + + RC   In Bild 7.52a sind die Spannungen uq (t ), uR (t ), uC (t ) und der Strom i (t ) für den Fall ω RC = 1 dargestellt, in Bild 7.52b die zugehörigen komplexen Effektivwerte im Zeigerdiagramm.

52

7. Wechselstromlehre

Beispiel 7.10 Die Kurvenschar uL = f (t; L) einer RL-Reihenschaltung

In einer RL-Reihenschaltung (Bild 7.53a) sind der Widerstandswert R und die Quellenspannung uq = uˆq sin ω t gegeben. Die Induktivität L soll so bestimmt werden, dass uL (t ) zu einem bestimmten Zeitpunkt t = t1 einen vorgegebenen Wert kuˆ q annimmt. Welche Werte L ergeben sich speziell für t1 = 0 und a)

k = 0,5

k = 0, 25

b)

und wie sehen in diesen beiden Fällen die Spannungsverläufe uL (t ) aus?

Bild 7.53 Darstellungen zur RL-Reihenschaltung. Lösung: Nach der Spannungsteilerformel gilt für die komplexen Amplituden uˆq und uˆL

uˆ L =

jω L uˆ q = R + jω L

ωL R 2 + (ω L)2

uˆ q e j( π 2 − arc tan ω L R ) .

Hierbei ist

ωL R 2 + (ω L)2

uˆq = uˆL

die (reelle) Amplitude von uL (t ) und der Winkel

π 2 − arc tan

ωL R



die Phasenverschiebung von uL (t ) gegen uq (t ), daher wird uL (t ) = uˆL sin(ω t + Ψ ) = uL (t ) = uˆq

ωL R 2 + (ω L) 2

ωL R 2 + (ω L) 2

π ωL   uˆq sin  ω t + − arc tan  2 R  

ωL   cos  ω t − arc tan . R  

Wenn uL (t ) für t = t1 den Wert kuˆ q annehmen soll, dann gilt

uL (t1 ) = kuˆq = uˆq

ωL

ωL   cos  ω t1 − arc tan , R   R + (ω L) 2

2

und mit dem Additionstheorem

cos(α − β ) = cos α cos β + sin α sin β

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

53

wird

ωL  ωL  ω L    cos ω t1 cos  arc tan  + sin ω t1 sin  arc tan  . R  R    R 2 + (ω L)2 

kuˆq = uˆq

Aus dem Diagramm 7.53b können die folgenden Beziehungen abgelesen werden:

tan ϕ =

ωL R

,

ϕ = arc tan

ωL R

;

ωL   cos ϕ = cos  arc tan = R  

R + (ω L) 2

ωL   sin ϕ = sin  arc tan = R  

R 2 + (ω L) 2

R 2

ωL

, .

Damit wird k=

ωL {R cos ω t1 + ω L sin ω t1} . R 2 + (ω L) 2

Aus dieser Gleichung kann L bestimmt werden. Für t1 = 0 gilt k =

ω LR . R 2 + (ω L) 2

a) Mit k = 0,5 wird daraus

R 2 + (ω L)2 = 2ω LR L = R ω. Die Spulenspannung ist nun

uL (t ) =

uˆq 2

π  sin  ω t +  ; 4 

diese Funktion ist in Bild 7.53c dargestellt. b) Mit k = 0, 25 wird

R 2 + (ω L)2 = 4ω LR

ω L = (2 ± 3) R ; ω L1 ≈ 3,73R , ω L2 ≈ 0, 27 R . Die Spulenspannung hat im ersten Fall den Verlauf uL (t ) ≈ 0, 965uˆq sin(ω t + 21, 3°)

und im zweiten Fall uL (t ) ≈ 0, 255uˆq sin(ω t + 74,8°).

Auch diese beiden Spannungsverläufe sind in Bild 7.53c dargestellt. Anmerkung: Für t1 = 0 führt die Forderung k > 0,5 zu keiner reellen Lösung für L. Für k = 0,5 gibt es nur eine Lösung (Fall a) und für 0 < k < 0,5 jeweils zwei Lösungen für L. Dies zeigt sich auch in der Kurvenschar in Bild 7.53c: es gibt keine Schwingung, die die uL-Achse oberhalb des Wertes 0,5uˆq schneidet.

54

7.2.7

7. Wechselstromlehre

Graphische Lösungen mit Hilfe des Zeigerdiagramms

Eine Spannung kann als Differenz zweier Potentiale aufgefasst werden (vgl. Abschnitt 3.2.3 in Band 1). Diese Definition einer Spannung als Potentialdifferenz braucht man nicht auf reelle Spannungen zu beschränken, d. h. man kann eine komplexe Spannung (genauer: den komplexen Effektivwert U oder die komplexe Amplitude uˆ einer Spannung) als Differenz zweier komplexer Potentiale ansehen. Am Beispiel einer RC-Reihenschaltung soll dies verdeutlicht werden (Bild 7.54a).

Bild 7.54 RC-Reihenschaltung..

Aus den gegebenen Werten für R und X C lässt sich leicht das Diagramm für Z = R + jX C darstellen (Bild 7.54b); Z entsteht hierbei aus der (geometrischen) Addition der Werte R und jX C , und man kann ablesen:

Z = Z = 50 Ω ; ϕ Z ≈ − 53° . Multipliziert man die Größen R, jX C , Z des Diagramms 7.54b mit dem Faktor I , so entsteht wegen

RI = U R , jX C I = U X , Z I = U q hieraus das Zeigerdiagramm der Spannungen (Bild 7.54c); der Winkel ϕ Z bleibt dabei erhalten. Um die Aufteilung der gegebenen Spannung U q auf U R und U X zu ermitteln, kann man also folgendermaßen vorgehen: Man stellt in einem beliebig gewählten Maßstab U q dar und trägt den aus Bild 7.54b gefundenen Winkel ϕ Z an. Außerdem zeichnet man den Halbkreis (Thaleskreis) über U q. Dort wo der an U q. angetragene freie Schenkel den Thaleskreis schneidet (b), liegt die Pfeilspitze von U R ; der von b nach c reichende Zeiger ist U X ; U R und U X stehen senkrecht aufeinander. Zu den

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

55

Punkten a, b und c gehören die komplexen Potentiale Φ a ,Φ b bzw. Φ c (Φ c = 0). Man beachte, dass hier die dem Potential zugeordneten Pfeile im Koordinatenursprung enden. Beispiel 7.11 Bestimmung der Potentiale in einer Reihenschaltung aus mehreren Widerständen und Induktivitäten

Es ist eine Reihenschaltung (Bild 7.55a) mit folgenden Werten gegeben:

U q = 100 V;

R1 = 20 Ω, X L2 = 20 Ω, R3 = 10 Ω , X L4 = 20 Ω, X L5 = 40 Ω, R6 = 30 Ω .

Die Spannungen U a ,, U e sind gesucht.

Bild 7.55 RL-Reihenschaltungen. Lösung: In der einfacheren Schaltung 7.55b mit

R = R1 + R3 + R6 = 60 Ω ;

X L = X L2 + X L4 + X L5 = 80 Ω

fließt der gleiche Strom I wie in Schaltung 7.55a. Das Zeigerdiagramm für die Spannungen U q , U R , U L lässt sich ebenso konstruieren wie das Diagramm 7.54c für die Spannungen einer RC-Reihenschaltung (siehe Bild 7.56a und die Spannungen U q , U R , U L in Bild 7.56b). Hierbei ist Z =

R 2 + X 2 = 100 Ω ;

I =

100 V = 1A. 100 Ω

Für die Schaltung 7.55a gilt damit

U1 = R1I = 20 V ,

U 2 = X L2 I = 20 V ,

U 3 = R3 I = 10 V ,

U 4 = X L4 I = 20 V ,

U 5 = X L5 I = 40 V ,

U 6 = R6 I = 30 V.

Die ohmschen Spannungsabfälle U1 , U 3 , U 6 sind ebenso gerichtet wie UR (Bild 7.55b), die induktiven Spannungsabfälle U2 , U4 , U5 wie UL . Damit kann man vom Punkt A ausgehend der Reihe nach die Spannungen U1 , U 2 usw. einzeichnen und so die Spannungen Ua , U b usw. ablesen, vgl. Bild 7.56c:

U a = 90 Ve j9° , U b = 72Ve j2,5° , U d = 50 V

U e = 30 Ve

− j53,5°

U c = 67,5Ve j10° , .

56

7. Wechselstromlehre

Diese Spannungen stellen zugleich die Potentiale der Punkte a  e dar, wenn das Potential des Punktes B gleich Null gesetzt wird.

Bild 7.56 Konstruktion des Zeigerdiagramms für die Schaltung 7.55a.

Beispiel 7.12 Minimieren eines Stromes (Blindstromkompensation)

Eine RLC-Schaltung entnimmt einer Spannungsquelle (U q ) den Strom I (Bild 7.57a). Wie groß muss X C gewählt werden, damit der Betrag I dieses Stromes möglichst klein wird (vgl. Abschnitt 7.4.3)?

Bild 7.57 Blindstromkompensation.

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

57

Lösung: Der Strom I R fließt durch R und X L . Wegen R = X L gilt auch U L = U R , wobei UL um π 2 voreilt (Zeigerdiagramm 7.57b). UR kann man nun aus der Zeichnung ablesen:

UR = Uq

2 ≈ 155,5 V.

Daraus folgt IR =

U R 155, 5 V ≈ = 15, 55 A. R 10 Ω

Diesen Strom trägt man ins Zeigerdiagramm ein (seine Richtung muss mit der von UR übereinstimmen). Der Strom im Kondensator eilt der Spannung U q um π 2 voraus. Wählt man nun I C so groß, wie es im Diagramm 7.57b dargestellt ist, so erreicht der Betrag I des Gesamtstromes I = I R + I C offensichtlich gerade in diesem Fall sein Minimum, und man kann aus dem Diagramm ablesen: I C = 11A oder berechnen: IC = I R

2 = U q (2 R ) = 11A.

Daraus folgt

XC =

7.2.8

Uq IC

=

Uq U q (2R)

= 2R = 20 Ω .

Allgemeine Analyse linearer RLC-Schaltungen

In den Abschnitten 7.2.2 und 7.2.4 wurde folgendes gezeigt: Nicht nur in einem konstanten Widerstand ist der Zusammenhang zwischen U und I linear, sondern auch in Spulen mit konstanter Induktivität und Kondensatoren mit konstanter Kapazität:

IR =

UR U ; I C = jω CU C ; I L = L . R jω L

Außer diesen (dem Ohmschen Gesetz entsprechenden) linearen Gleichungen gelten für die komplexen Effektivwerte auch noch die Kirchhoffschen Gleichungen n

I

v

=0

n

und

v =1

U

v

= 0,

v =1

was in den Abschnitten 7.2.3 und 7.2.4 begründet wurde. Daher bleiben alle Berechnungsverfahren, bei denen Linearität vorausgesetzt wird, nicht nur für ohmsche Netze mit Gleichspannungsquellen (oder Gleichstromquellen), sondern auch für beliebige lineare RLC-Netze mit linearen Wechselquellen anwendbar. Unter anderem können also die folgenden Verfahren ohne weiteres in der Wechselstromlehre benutzt werden: • Spannungs- und Stromteilerformeln, • Methoden zur Zusammenfassung der Widerstände in Gruppenschaltungen, • Methode der Ersatzspannungsquelle, Methode der Ersatzstromquelle, • Überlagerungssatz,

58

7. Wechselstromlehre • Transformation passiver Netze (z. B. Stern-Dreieck-Umwandlung), • Umlauf- und Knotenanalyse.

Diese Verfahren wurden in der Gleichstromlehre (Kapitel 2 in Band 1) ausführlich behandelt. Beispiel 7.13 Berechnung eines Stromes in einem RC-Netz

In einem RC-Netz mit einer Spannungsquelle (Bild 7.58) sind U q , X C1, R2, R3, X C4 gegeben. Gesucht ist der Strom I 4 .

Bild 7.58 RC-Kettenschaltung mit einer Spannungsquelle. Lösung 1 (Methode der Ersatzstromquelle): Der Schaltungsteil links von den Klemmen a und b in Schaltung 7.58 lässt sich durch eine Ersatzstromquelle repräsentieren (Bild 7.59).

Bild 7.59 Ersatzstromquelle zur Berechnung von I 4 .

Der Kurzschlussstrom ist derjenige Strom, der bei Kurzschluss der Klemmen a, b in Schaltung 7.58 über diese Klemmen fließt. I q = U q R2 .

Der linke Teil der Schaltung 7.58 hat von seinen Klemmen a, b aus gesehen die innere Admittanz Yi =

1 1 + R2 R3

(die Spannungsquelle ist hierbei als kurzgeschlossen zu betrachten: dadurch wird Y i unabhängig von X C1). Wie die Schaltung 7.59 zeigt, wird damit nach dem Gesetz der Stromteilung

I4 Iq

=

jBC4 Y i + jBC4

1 Uq Uq jBC4 jX C4 I4 = = = . 1 1 1 R2 Y i + jBC4 R2  R  + + R2 + jX C4 1 + 2  R2 R3 jX C4 R3   Uq

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

59

Lösung 2 (mit Hilfe der Ersatzspannungsquelle): Den linken Teil der Schaltung 7.58 kann man auch durch eine Ersatzspannungsquelle darstellen (Bild 7.60). Die Leerlaufspannung dieser Ersatzquelle ist

Ul = Uq

R3 R2 + R3

Bild 7.60 Ersatzspannungsquelle zur Berechnung von I 4 .

und ihre innere Impedanz Zi =

R2 R3 , R2 + R3

so dass man erhält I4 =

I4 =

Ul R3 = Uq Z i + jX C4 R2 + R3 U q R3 R2 R3 + jX C4 ( R2 + R3 )

=

1 R2 R3 + jX C4 R2 + R3 Uq  R  R2 + jX C4 1 + 2  R3  

,

wodurch das Ergebnis des Lösungsweges 1 bestätigt wird. Lösung 3 (mit der Spannungsteilerformel): Die Schaltung 7.58 ist eine Gruppenschaltung. Man kann Ströme und Spannungen in solchen Fällen auch mit Hilfe der Teilerformeln (2.16) und (2.28) berechnen; in unserem Beispiel genügt die Spannungsteilerformel: R3 jX C4 R3 + jX C4 R3 jX C4 U4 = Uq = Uq R3 jX C4 ( jX C4 ) + R3 jX C4 R R + 2 3 R2 + R3 + jX C4 I4 =

Uq R3 U4 . = Uq = jX C4 R2 ( R3 + jX C4 ) + R3 jX C4 R2 + jX C4 (1 + R2 R3 )

Auch hier finden wir das Ergebnis der beiden ersten Lösungswege bestätigt.

Beispiel 7.14 Ermittlung eines Stromes in einer dreimaschigen RL-Kettenschaltung

In Bild 7.61 wird eine RL-Kettenschaltung dargestellt. Hierbei sind gegeben: U q = 64 V , R1 = R3 = R5 = R = 1 Ω , X L2 = X L4 = X L6 = X = 1 Ω .

60

7. Wechselstromlehre

Der Strom I 5 wird gesucht.

Bild 7.61 RL-Kettenschaltung mit einer Spannungsquelle. Lösung (mit Umlaufanalyse): Wir wählen den vollständigen Baum mit den Zweigen 2 und 4 und stellen das Gleichungssystem für die unabhängigen Ströme I 1 , I 3 , I 5 auf: I1

I3

R + jX − jX 0

− jX R + j2 X − jX

I5

0 − jX R + j2 X

Uq

0 0

Mit den speziellen Werten für R, X und U q sieht das System folgendermaßen aus: I1

I3

1+ j −j 0

−j 1 + 2j −j

I5

0 −j 1 + 2j

64 A 0 0

Löst man das System nach I 5 auf, so wird schließlich I5 =

j64 64 A j arc tan 0,8 A= e ≈ 10 Ae j38,6 . 4 + 5j 41

Anmerkung: Dieses Ergebnis hätte man auch mit Hilfe des Zeigerdiagramms durch „Stromannahme“ oder „Spannungsannahme“ erhalten. Hierbei geht man wie folgt vor:

1.

Wir nehmen z. B. willkürlich an, der Strom I 5 hätte den Wert I 5 = 2,5 A, und zeichnen ihn als Zeiger auf. Dieser Zeiger wird zum Ausgangspunkt bei der Konstruktion des Zeigerdiagramms 7.62.

2.

Die Spannung U 5 wird eingezeichnet. Strom und Spannung in R5 sind phasengleich, und es wird U5 = 2,5V. Wählt man für 1 V im Zeigerdiagramm die gleiche Länge wie für 1 A, so sind die Zeiger I 5 und U 5 identisch.

3.

An X L6 fallen ebenfalls 2,5V ab, aber um π 2 gegen I 5 voreilend; die Spannung U 6 kann nun eingezeichnet werden.

4.

Die Summe U4 = U5 + U6 wird im Zeigerdiagramm gebildet.

5.

Es ist I 4 = U 4 X L4 ≈ 3, 54 A ; I 4 eilt gegen U 4 um π 2 nach und kann damit gezeichnet werden.

6.

Die Summe I 3 = I 4 + I 5 wird im Zeigerdiagramm gebildet: I3 ≈ 5,7 A.

7.

U 3 und I 3 sind phasengleich; es wird U3 = R3 I3 ≈ 5,7 V, d. h. die Zeiger U 3 und I 3 sind identisch.

8.

Die Summe U2 = U3 + U4 wird im Zeigerdiagramm gebildet.

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

61

Bild 7.62 Zeigerdiagramm zur Schaltung 7.61.

9.

Es ist I 2 = U 2 X L2 ≈ 7, 5 A ; I 2 eilt gegen U 2 um π 2 nach und kann damit gezeichnet werden.

10. Die Summe I 1 = I 2 + I 3 wird im Zeigerdiagramm gebildet: I1 ≈ 11, 2A. 11. U1 und I 1 sind phasengleich; es wird U1 = R1I1 ≈ 11, 2V, d. h. die Zeiger U1 und I 1 sind identisch. 12. Die Summe U q = U1 + U 2 wird im Zeigerdiagramm gebildet: U q ≈ 16 Ve− j38° .

Da in Wahrheit U q = 64 V ist, müssen also alle Werte des Zeigerdiagramms mit 4e j38°

multipliziert werden. Damit gilt insbesondere: statt des angenommenen Wertes I 5 = 2, 5 A wird

I 5 ≈ 10 Ae j38° .

Beispiel 7.15 Wechselstromparadoxon

In Bild 7.63 ist eine Schaltung dargestellt, in der sich trotz des Hinzuschaltens des Widerstandes R3 der Betrag des Gesamtstromes I 1 nicht ändert (Wechselstromparadoxon); das ist allerdings nur für einen bestimmten Wert R3 möglich. Dieser Wert soll berechnet werden (R1 und X sind gegeben). Lösung: Im Fall a (offener Schalter S) wird

I 1a =

Uq R1 + jX

,

I1a2 =

U q2 2 1

R + X2

;

62

7. Wechselstromlehre

Bild 7.63 Wechselstromparadoxon.

im Fall b (geschlossener Schalter S) wird

I 1b =

Uq U q ( jX + R3 ) U q ( jX + R3 ) = = jXR3 + + R X R XR X R1 + R3 ) + R1 R3 ( j ) j j ( 1 3 3 R1 + jX + R3

I1b2 = U q2

X 2 + R32 . X ( R1 + R3 ) 2 + R12 R32 2

Aus der Forderung I1a = I1b folgt als Bestimmungsgleichung für R3 :

X 2 + R32 1 = . X ( R1 + R3 )2 + R12 R32 R12 + X 2 2

Umformung dieser Gleichung führt zu ( R32 + X 2 ) ( R12 + X 2 ) = X 2 ( R1 + R3 ) 2 + R12 R32 R12 R32 + ( R12 + R32 ) X 2 + X 4 = X 2 ( R12 + R32 + 2 R1 R3 ) + R12 R32 X 4 = X 2 ⋅ 2 R1 R3

R3 =

X2 . 2 R1

(Im Zeigerdiagramm des Bildes 7.63 stoßen I 3b und I 1b wegen der Wahl des Strommaßstabes zufällig auf dem Thaleskreis zusammen.) Vgl. auch Beispiel 7.19b.

Beispiel 7.16 90°-Schaltung (Hummel-Schaltung)

Falls man eine Schaltung braucht, bei der eine Spannung einem Strom um genau π 2 voreilt (90°-Schaltung, z. B. für Blindleistungsmessung), so könnte man einfach eine Spule nehmen, wenn diese außer ihrer Induktivität nicht auch noch einen ohmschen Widerstand enthielte. Eine reale Spule ist also keine 90°-Schaltung. Verwendet man dagegen die in Bild 7.64 dargestellte Schaltung aus zwei realen Spulen ( Z 1 , Z 2 ) und einem ohmschen Widerstand, so kann R3 so gewählt werden, dass die Spannung U ab dem Strom I 2 genau um π 2 voreilt. Wie groß muss R3 sein, damit diese Bedingung erfüllt wird? (Z 1 und Z 2 sind gegeben.)

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

63

Bild 7.64 Hummel-Schaltung. Lösung: In Schaltung 7.64 gelten die Knotengleichung I1 = I 2 + I 3

und die beiden Umlaufgleichungen

U ab = Z1 I 1 + Z 2 I 2 Z 2 I 2 = R3 I 3 , aus denen nach Elimination von I 1 und I 3 eine Beziehung zwischen den Größen U ab und I 2 übrigbleibt:

U ab ( Z1 + Z 2 ) R3 + Z1Z 2 = . I2 R3 Wenn U ab um π 2 gegen I 2 voreilen soll, muss gelten

Re{( Z1 + Z 2 ) R3 + Z1Z 2 } = 0 ( R1 + R2 ) R3 + R1R2 − X 1 X 2 = 0 R3 =

X 1 X 2 − R1 R2 ; R1 + R2

die Forderung ist erfüllbar, wenn X1 X 2 > R1R2 ist (d. h.: solange die ohmschen Widerstände R1 und R2 der Spulen klein genug sind).

Beispiel 7.17 Messung der Induktivität und des Wicklungswiderstandes einer Spule (Maxwell-Wien-Brücke)

Mit der Messbrücke in Bild 7.65 können die unbekannten Werte R1 und L1 einer Spule gemessen werden, wenn R2 , R3 , R4 und C4 bekannt sind; R4 und C4 können so eingestellt werden, dass über das Nullanzeige-Instrument kein Strom fließt (Brückenabgleich). R1 und L1 sollen durch die Größen R2 , R3 , R4 und C4 der abgeglichenen Brücke ausgedrückt werden. Lösung: Durch das Messinstrument fließt kein Strom, wenn die Abgleichbedingung erfüllt ist [vgl. Gl. (2.32) in Band 1]:

Z1 Z 2 = Z3 Z 4 R1 + jω L1 = R2

R3 1 1 R4 + jω C4

R1 + jω L1 = R2 R3 (1 R4 + jω C4 ).

64

7. Wechselstromlehre

Bild 7.65 Maxwell-Wien-Brücke.

Die Realteile auf beiden Seiten dieser komplexen Gleichung müssen übereinstimmen, R1 =

R2 R3 , R4

und ebenfalls die Imaginärteile:

ω L1 = ωC4 R2 R3 L1 = R2 R3C4 . Mit der betrachteten Messbrücke können R1 und L1 also bestimmt werden, und zwar unabhängig von der Kreisfrequenz ω der Spannungsquelle.

7.2.9

Ortskurven komplexer Widerstände und Leitwerte

Geraden als Ortskurven

Bild 7.66 RL-Reihenschaltung.

In manchen Fällen will man wissen: Wie wirkt sich eine Änderung der Kreisfrequenz ω auf die Impedanz eines Zweipoles aus? Welchen Einfluss hat eine Änderung eines Widerstandes, einer Induktivität oder einer Kapazität auf die Impedanz? Zur Veranschaulichung einer solchen Abhängigkeit zeichnet man die Kurve auf, die von der Spitze des Impedanz-Operators in der komplexen Ebene durchlaufen wird, wenn die veränderliche Größe verschiedene Werte annimmt; eine solche Kurve nennt man Ortskurve. Als Beispiel hierzu betrachten wir eine RL-Reihenschaltung (Bild 7.66) und stellen ihre Ortskurven dar, wenn jeweils R, L oder ω verändert werden (Bild 7.67).

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

65

Bild 7.67 Z-Ortskurven einer RL-Reihenschaltung.

Die Ortskurve in Bild 7.67a kommt dadurch zustande, dass in der Impedanz Z = R + jω L die Größe R verschiedene Werte durchläuft. Zum Beispiel nimmt Z für R = R1 den Wert Z 1 = R1 + jω L und für R = R2 den Wert Z 2 = R2 + jω L an; hierbei bewegt sich die Spitze des Operators Z entlang der eingezeichneten Ortskurve. Die Ortskurve in Bild 7.67b entsteht durch Verändern des Wertes L. Die gleiche Ortskurve (Bild 7.67c) erhält man, wenn ω variiert wird; diese Ortskurve hat ihren Fußpunkt auf der reellen Achse (ω = 0) und ist eine Halbgerade, die parallel zur imaginären Achse liegt. Ortskurven, die die Frequenzabhängigkeit einer Impedanz oder Admittanz darstellen, sind für die elektrische Nachrichtentechnik besonders interessant. Eine Reihe solcher Ortskurven, die Z und Y als Funktion der Frequenz darstellen, sollen im Folgenden betrachtet werden. Bild 7.68 zeigt eine RC-Reihenschaltung und ihre Z - Ortskurve; der Punkt auf der reellen Achse wird für ω = ∞ erreicht. Bild 7.69 zeigt eine RLC-Reihenschaltung und ihre Z - Ortskurve. Der Imaginärteil X = ω L − 1 (ω C ) wird Null, wenn ω den Wert

ωr =

1 LC

annimmt: bei dieser Kreisfrequenz schneidet die Ortskurve die reelle Achse.

66

7. Wechselstromlehre

Bild 7.68 Die RC-Reihenschaltung und ihre Z-Ortskurve.

Bild 7.69 Die RLC-Reihenschaltung und ihre Z-Ortskurve.

Bild 7.70

Y-Ortskurven von Parallelschaltungen.

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

67

So wie die Z - Ortskurven von Reihenschaltungen leicht aus der Addition der Teilwiderstände konstruiert werden können, so können auch die Y - Ortskurven von Parallelschaltungen aus der Addition der Teilleitwerte konstruiert werden. Auch in diesem Fall ergeben sich als Ortskurven Halbgeraden oder Geraden (vgl. Bild 7.70). Kreise als Ortskurven Die RL-Reihenschaltung (Bild 7.66c) hat eine Impedanz Z , deren Ortskurve eine Halbgerade ist (Bild 7.67c). Bildet man nun den Kehrwert Y = 1 Z , so entsteht als Ortskurve für alle möglichen Werte Y ein Halbkreis mit dem Durchmesser G = 1 R (Bild 7.71a). Man sagt, dass die Y - Ortskurve durch Inversion aus der Z - Ortskurve entsteht (und umgekehrt: die Z - Ortskurve entsteht durch Inversion aus der Y - Ortskurve). Allgemein gilt: die Inversion eines Kreises ergibt wiederum einen Kreis. (Dieser Satz soll hier im Anschluss an das Beispiel 7.19a bewiesen werden.) Hierbei werden Geraden als Sonderfall eines Kreises (mit unendlich großem Radius) angesehen:

Bild 7.71

Y-Ortskurven von Reihenschaltungen.

Bild 7.72

Z-Ortskurven von Parallelschaltungen.

68

7. Wechselstromlehre

1S

S

Bild 7.73 Konstruktion eines Frequenzmaßstabes zur Z- und Y-Ortskurve einer RL-Reihenschaltung.

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

69

Jeder Kreis, der den Nullpunkt der Gaußschen Zahlenebene berührt, geht durch Inversion in eine Gerade über (und umgekehrt). Invertiert man die Ortskurve für die Impedanz der RCReihenschaltung (Bild 7.68b) und der RLC-Reihenschaltung (Bild 7.69b), so entstehen die Ortskurven, die in den Bildern 7.72b und c dargestellt sind. Die Inversion der in Bild 7.70 dargestellten Y - Ortskurven führt zu den Z - Ortskurven des Bildes 7.73. Konstruktion eines Frequenzmaßstabes Am Beispiel einer RL-Reihenschaltung (Bild 7.73a) soll gezeigt werden, wie man in einfachen Fällen (Geraden und Kreise als Ortskurven) eine Frequenzskala konstruieren kann. Die RLSchaltung hat eine Halbgerade als Ortskurve (Bild 7.73b). Im Punkt A gilt:

ωL = R; ω =

R . L

An den Punkt A könnte man also unmittelbar die Kreisfrequenz ω = R L schreiben. Man kann aber auch besondere Frequenzmaßstäbe parallel zur Z - Ortskurve zeichnen. Der Frequenzmaßstab in Bild 7.73b hat den Vorteil, dass nicht nur der Wert ω = R L bequem angegeben werden kann, sondern auch eine Dezimalteilung bei vorgegebenem Raster besonders einfach wird. Den gleichen Frequenzmaßstab wie für die Z - Ortskurve kann man auch für die Y - Ortskurve verwenden, man muss ihn nur nach unten klappen (Bild 7.73c). Denn der Impedanz Z A mit dem Winkel ϕ A entspricht die Admittanz Y A mit dem Winkel − ϕ A , d. h. die Winkel der jeweiligen Admittanzen stimmen bis auf das Vorzeichen mit den Winkeln der Impedanzen überein. Man kann mit Hilfe einer Frequenzskala z. B. sehr leicht feststellen, welcher Wert Y sich für eine vorgegebene Kreisfrequenz ergibt. Will man für R = 0,7 Ω, L = 3,5mH und ω = 300 s − 1 den Wert Y ermitteln, so muss man durch den Punkt ω = 300 s − 1 und den Nullpunkt der komplexen Ebene eine Gerade zeichnen, deren Schnittpunkt C ′ mit der Y - Ortskurve die Spitze des Operators Y C festlegt (Bild 7.73c). Beispiel 7.18 Verschobene Kreise als Ortskurven

Für die Schaltungen in Bild 7.74 sollen die Ortskurven für Z (ω ) und Y (ω ) skizziert werden.

Bild 7.74 Einfache RLC-Gruppenschaltungen.

70

7. Wechselstromlehre

Lösung:

Bild 7.75 Ortskurven einfacher RLC-Gruppenschaltungen.

Die Y-Ortskurve der in Schaltung 7.75a enthaltenen RLC-Reihenschaltung ist bekannt, vgl. Bild 7.71c. Zu jedem Punkt dieser Ortskurve muss nun der konstante Leitwert G2 = 1 R2 addiert werden: die gesamte Y-Ortskurve der RLC-Reihenschaltung wird also um G2 nach rechts verschoben, siehe Bild 7.75a. Die Z-Ortskurve der in Schaltung 7.75b enthaltenen R1LC-Parallelschaltung ist bekannt, vgl. Bild 7.72c. Zu jedem Punkt dieser Ortskurve ist nun der konstante Widerstand R2 zu addieren: die Z-Ortskurve der R1LC-Parallelschaltung muss demnach um R2 nach rechts verschoben werden, siehe Bild 7.75b. Beispiel 7.19a Maximaler Winkel einer Admittanz

Die Größen R und C der Schaltung in Bild 7.76a sind gegeben. a)

Für die Admittanz des dargestellten Zweipoles ist die Ortskurve Y = f (ω ) gesucht.

b)

Welchen Wert ϕˆ kann die Admittanz Y = Ye jϕ höchstens erreichen?

c)

Bei welcher Kreisfrequenz ω1 hat Y den Winkel ϕˆ ?

Bild 7.76a RC-Gruppenschaltung. Lösung: a) Die Z-Ortskurve der Parallelschaltung von Kondensator (C) und ohmschem Widerstand (2R) ist ein Halbkreis, wie in Bild 7.72a gezeigt wurde. In Reihe zur Parallelschaltung liegt ein Widerstand R, so dass die Ortskurve des gesamten Zweipoles ein um R nach rechts verschobener Halbkreis ist (Bild 7.76b). Die Y-Ortskurve ergibt sich aus der Z-Ortskurve durch Inversion, ist also ebenfalls ein Halbkreis. Hierbei geht   das Betragsmaximum Zˆ = 3R in das Betragsminimum Y = 1 Zˆ = 1 (3R) über (ω = 0), und das Minimum Z = R in das Maximum Yˆ = 1 Z = 1 R (ω = ∞). Damit ist die Lage des Y - Halbkreises eindeutig bestimmt (Bild 7.76c).

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

71

Bild 7.76b,c Ortskurven zu Bild 7.76a.

b) Das schraffierte Dreieck in Bild 7.76c zeigt, dass 1 1 3 sin ϕˆ = R = 2 2 3R

ist, also

ϕˆ = c)

π . 6

Die Schaltung hat die Impedanz

1 2R 3 + j2ω RC =R+ =R 1 + ω + j2ω RC RC 1 j2 1 + jω C 2R

Z =R+

mit dem Betragsquadrat

Z 2 = R2

9 + 4(ω RC )2 . 1 + 4(ω RC ) 2

Damit wird speziell für ω = ω1

Y2

ω =ω1

=

1 1 + 4(ω1 RC ) 2 . R 2 9 + 4(ω1 RC ) 2

(7.135)

Wie das Bild 7.76c zeigt, ist außerdem 2

Y2

ω =ω1

2

1  2   1  =  −  = . 3R 2  3R   3R 

Ein Vergleich der Gl. (7.135) mit (7.136) ergibt dann 1 1 + 4(ω1 RC ) 2 1 = R 2 9 + 4(ω1 RC ) 2 3R 2 3 + 12(ω1 RC ) 2 = 9 + 4(ω1 RC ) 2

ω1 =

3 1 . 2 RC

(7.136)

72

7. Wechselstromlehre

Ergänzungen Zunächst hatten wir die Aussagen über die Inversion von Kreisen und Geraden nur als plausibel vorausgesetzt, aber nicht bewiesen. Die Beweise werden im Folgenden nachgeholt. Inversion von Parallelen zu den Achsen Beim Übergang zum Kehrwert geht eine geradlinige Ortskurve in einen Kreis durch den Ursprung über. Das soll hier für die Gerade gezeigt werden, die in der Z - Ebene parallel zur imaginären Achse verläuft ( R = konst, X = veränderlich). Wir suchen also die Ortskurve in der Y - Ebene, die durch die Kehrwertbildung

Y =

1 Z

aus der Geraden Z = R + jX (mit R = konst) hervorgeht. Es gilt

Z = R + jX =

1 1 G − jB = = 2 . Y G + jB G + B 2

Aus der Gleichheit der Realteile folgt

R=

G G + B2 2

oder G 2 + B 2 =

G R

(die Veränderliche X kommt nicht mehr vor!). Das ist die Gleichung eines Kreises durch den Koordinatenursprung (Bild 7.77a): 2

1    1  B + G −  =  2R    2R 

2

2

 1  , 0, 2R  

Mittelpunkt: 

Radius:

1 . 2R

Bild 7.77a Der Kreis durch den Koordinatenursprung, der durch Inversion von Z = R + jX bei veränderlichem X entsteht.

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

73

Inversion der Geraden in allgemeiner Lage Die Gerade in allgemeiner Lage wird z. B. durch

Z = Ap + B

(p ist ein reeller Parameter, z. B. die Frequenz)

beschrieben (Bild 7.77b).

Bild 7.77b

Die Gerade Z = Ap + B.

Eine gleichwertige, aber für die folgenden Betrachtungen geeignetere Darstellung ist (Bild 7.77c):

Z = Z 0 (1 + ja )

(a = reeller Parameter).

Diese Darstellung ergibt sich aus der Gleichung für die Gerade parallel zur imaginären Achse durch Drehung um den Winkel ϕ 0 = arc( Z 0 ). Damit entspricht die zugehörige Y - Ortskurve einem Kreis durch den Ursprung, der aber gegenüber dem Kreis in Bild 7.77a um − ϕ 0 gedreht ist: (Bild 7.77d). Der Punkt a = 0 auf der Z - Ortskurve, der den kleinsten Abstand vom Koordinatenursprung hat, geht in der Y - Ebene in den Punkt mit maximalem Abstand vom Ursprung über. Die

Bild 7.77c, d

Inversion der Geraden in allgemeiner Lage (c): Kreis durch den Ursprung (d).

74

7. Wechselstromlehre

Verbindungslinie dieses Punktes mit dem Ursprung ist also der Durchmesser des Kreises. Allgemein gilt für die Inversion:

Z

↔ Y

max

min

, Z

min

↔ Y

max

.

Die beschriebenen geometrischen Überlegungen können durch Rechnung leicht bestätigt werden, wenn man in der Gleichung für Y (a ) den Mittelpunkt des Kreises abspaltet, d. h. folgende Form anstrebt

Y = K + R e jϕ (a ) , wobei nach Bild 7.77d gesetzt wird:

K=

1 . 2Z 0

Man hat also:

Y =

1 1 1 2 1 = = ⋅ = Z Z 0 (1 + ja ) 2 Z 0 1 + ja 2 Z 0

Y =

1 2Z 0

  2 − 1 1 + 1 + ja  

 1 − ja  1 (1 + e − j2 arc tan a ). 1 + = + 1 j 2 a Z   0

Inversion des Kreises in allgemeiner Lage Die Betrachtungen im vorigen Abschnitt haben gezeigt, dass

Y =

1 1 = Z Ap + B

einen Kreis durch den Ursprung beschreibt. Ein Kreis in allgemeiner Lage entsteht daraus durch Addieren einer beliebigen Konstanten S (Bild 7.77e):

Y =

Bild 7.77e

1 1 + BS + AS p +S= . Ap + B Ap + B

Entstehung eines Kreises in allgemeiner Lage aus der Verschiebung eines Kreises durch den Koordinatenursprung.

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

75

Den Ausdruck auf der rechten Seite nennt man eine gebrochen-lineare Abbildung (Funktion). Nach Umbenennung der Konstanten erhält man:

Y=

Cp + D . Ap + B

Wenn A, B, C, D ungleich Null sind, beschreibt eine solche Funktion also einen Kreis, der nicht durch den Ursprung geht. Der Kehrwert von Y ist

Z=

1 Ap + B = , Y Cp + D

(7.137)

also wieder eine gebrochen-lineare Funktion (Gleichung eines Kreises). Für die Inversion von Geraden und Kreisen gilt also: Gerade in allgemeiner Lage ↔ Kreis durch Ursprung Kreis in allgemeiner Lage ↔ Kreis in allgemeiner Lage

.

Wenn z. B. eine kreisförmige Z - Ortskurve gegeben und zu invertieren ist, so genügt es also, die beiden Punkte mit den Beträgen Z min und Z max zu invertieren (die die Endpunkte eines Durchmessers des Z - Kreises sind). Bei der Inversion erhält man Ymax und Ymin , also auch zwei Endpunkte eines Durchmessers des Y - Kreises und damit auch sofort dessen Mittelpunkt und Radius (Bild 7.77f), vgl. auch die Beispiele 7.18 und 7.19a.

Bild 7.77f Inversion eines Kreises in allgemeiner Lage.

Beispiel 7.19b Ortskurvenbetrachtung beim Wechselstromparadoxon (vgl. Beispiel 7.15)

Die Schaltung in Bild 7.63 hat die Eingangsimpedanz Z = Z ( R3 ) = R1 +

jR3 X ( R + jX ) R3 + jXR1 = 1 . R3 + jX R3 + jX

Diese Darstellung stimmt mit der Kreis-Gleichung (7.137) überein, wenn man als reelle Variable

p = R3

76

7. Wechselstromlehre

und als Konstanten

A = R1 + jX ; B = jXR1; C = 1; D = jX setzt: die Ortskurve Z = f ( R3 ) ist also ein Kreis. Seine Lage und Größe ergibt sich, wenn man drei Punkte bestimmt, z. B.:



R3 = 0,



R3 = ∞,

Z = R1

Z = R1 + jX X X R3 = X , Z = R1 + + j .  2 2 Daraus lässt sich die Ortskurve in Bild 7.77g konstruieren. Man sieht, dass Z (und daher auch I 1 ) in den Punkten a und b den gleichen Betrag hat.

Bild 7.77g Ortskurve zur Schaltung nach Bild 7.63 (Wechselstromparadoxon).

Kompliziertere Ortskurvenformen Die bisher betrachteten Ortskurven waren gerade oder kreisförmig. Aber schon aus nur drei Elementen ( R, L, L oder R , C , C oder R , L, C ) lassen sich Gruppenschaltungen mit komplizierteren Ortskurven zusammensetzen (Bilder 7.78a und 7.102). Beispiel 7.20 Ortskurvenschar der Eingangsimpedanz eines verlustlosen Transformators

Man skizziere Ortskurven Z = f (ω; L1 ) für den in Bild 7.78a dargestellten Zweipol (der sich übrigens ebenso verhält wie ein verlustloser Transformator an seinen Primärklemmen, vgl. Abschnitt 7.5). Lösung: Eine Z-Ortskurve erhält man, wenn man zu jedem Punkt der Z2-Ortskurve (Halbkreis, vgl. Bild 7.72b) den (mit ω zunehmenden) Wert jω L1 addiert, siehe Bild 7.78b. Für andere Werte L1 entstehen andere Ortskurven, vgl. die Ortskurvenschar in Bild 7.78c.

In den Abschnitten 7.3.3 und 7.3.4 werden weitere Beispiele komplizierterer Ortskurvenscharen gegeben.

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

77

Bild 7.78a,b,c Ersatzzweipol und Z-Ortskurven eines verlustlosen Transformators.

Das Kreisdiagramm Bei der Berechnung von Wechselstromschaltungen ist es oft zweckmäßig, eine Reihenschaltung aus Wirk- und Blindwiderstand in eine äquivalente Parallelschaltung aus Wirk- und Blindleitwert umzuwandeln, vgl. den folgenden Abschnitt 7.2.10.1 „Bedingte Äquivalenz“. Eine solche Umwandlung lässt sich mit Hilfe des Kreisdiagramms einfach und recht genau ausführen. Zum Kreisdiagramm gelangt man, indem man einmal die Ortskurven Y = f ( B ) der Parallelschaltung aus G und jB. invertiert: In der Z - Ebene ergeben sich Kreise durch den Ursprung, deren Mittelpunkte auf der positiv-reellen Achse liegen (Bild 7.78d oben). Zu einem Leitwert Y , dessen Pfeilspitze z. B. auf der Geraden G2 = konst liegt, gehört ein Z- Wert, der in der Z - Ebene abgelesen werden kann: die Pfeilspitze liegt auf dem Kreis mit dem Durchmesser 1 G 2. Die Winkel des Z- und des Y - Pfeils haben unterschiedliche Vorzeichen. Damit ist der Z - Pfeil festgelegt, und es können Real- und Imaginärteil von Z auf den Achsen abgelesen werden. Invertiert man die Ortskurven Y = f (G ) der Parallelschaltung aus G und jB, so erhält man in der Z - Ebene Halbkreise durch den Ursprung, deren Mittelpunkte auf der imaginären Achse liegen (Bild 7.78d unten). Jetzt kann der bereits betrachtete Y - Pfeil mit der Pfeilspitze auf B1 = konst ebenfalls invertiert werden: die Pfeilspitze des zugehörigen Wertes von Z liegt im vierten Quadranten auf dem Halbkreis mit dem Durchmesser 1 B1 , für den Winkel gilt das schon Gesagte. Man kann also die Inversion der Y- Werte durchführen, indem man mit den Kurven im oberen oder unteren Teil des Bildes 7.78d arbeitet, wenn man jeweils den Winkel ϕ als zweite Angabe hinzunimmt. Einfacher ist es, man druckt die beiden Kurvenscharen aus Bild 7.78d (jeweils rechter Teil) übereinander. Jeder Z- Wert ist durch die beiden rechtwinkligen Koordinaten R und X festgelegt, das zugehörige Y durch die krummlinigen G,B-Koordinaten. Die Inversion kann in beiden Richtungen durchgeführt werden:

78

7. Wechselstromlehre

Bild 7.78d Ortskurvenscharen der G,B-Parallelschaltung und der R,X-Reihenschaltung, wobei einmal G als konstant (oberer Bildteil) und das andere Mal B als konstant (unterer Bildteil) vorausgesetzt wird.

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

Z  wird in Y

79

rechtwinkligen    Koordinaten vorgegeben und  krummlinigen 

Y   krummlinigen  das zugehörige   in   Koordinaten abgelesen. Z  rechtwinkligen  Vor Lösung einer Aufgabe mit dem Kreisdiagramm müssen die Werte so normiert werden, dass sie im Bereich des Kreisdiagramms liegen und genau genug abgelesen werden können:

Z = R + jX →

Z R X = + j R1 R1 R1

mit R1G1 = 1 .

Y G B Y = G + jB → = + j G1 G1 G1

Bisher wurde nur der Einsatz des Kreisdiagramms zur Bildung des Kehrwerts besprochen. Anhand des Bildes 7.78e soll gezeigt werden, welche weiteren Aufgaben mit dem Kreisdiagramm gelöst werden können. Gegeben sei ein passiver Zweipol, dessen normierte Impedanz durch den Punkt P, d. h. Z R1 = 2 + j1 gegeben ist. (Die zugehörige normierte Admittanz ist laut Diagramm Y G1 = 0, 4 − j0, 2.) Jetzt soll zu diesem Zweipol jeweils ein Bauelement R, L oder C hinzugeschaltet werden, und zwar zunächst in Reihe und dann parallel. Wie sich das Hinzuschalten eines Bauelements auswirkt, zeigt folgende Tabelle (in Verbindung mit Bild 7.78e): Reihenschaltung Verdeutlichung durch Pfeil 1

R

normierter Zusatzwiderstand R R1 = 0, 5

die neue normierte Impedanz Z R1 2,5 + j1

L

X R1 = 0, 5

2

+ j1,5

2

C

X R1 = − 0, 5

2

+ j0,5

3

Bauelement

Parallelschaltung Bauelement

normierter Zusatzleitwert

R

G G1 = 0,1

L

B G1 = − 0,1

C

B G1 = 0,1

die neue norm. Admittanz Y G1 0,5 − j0, 2

0, 4 − j0,3 0, 4 − j0,1

die zugehörige Impedanz Z R1

1, 7 + j0, 67 1, 6 + j1, 2 2, 35 + j0,58

Verdeutlichung durch Pfeil

4 5 6

Aus Bild 7.78e ist leicht zu entnehmen, wie man einen reellen Widerstand durch Beschalten mit einem Kondensator und einer Spule in einen anderen reellen Widerstand transformieren kann (Anwendung: Anpassung). Schaltet man z. B. zu Z R1 = 2 eine Spule mit X R1 = 1 in Reihe, so erhält man ein Z R1, das dem Punkt P in Bild 7.78e entspricht. Durch Parallelschalten eines Kondensators bewegt man sich von P aus in Richtung des Pfeiles 6, und zwar bis zum Punkt Z R1 = 2,5, wenn ein Kondensa-

80

7. Wechselstromlehre

tor mit B G1 = 0, 2 gewählt wird. Im beschriebenen Fall wird also Z R1 = 2 in Z R1 = 2,5 (jeweils reell) transformiert (Resonanztransformation).

Bild 7.78e Ermittlung der Impedanz (oder Admittanz), wenn zu einem gegebenen Wert ein Bauelement (R, L oder C) in Reihe oder parallel geschaltet wird.

7.2.10

Äquivalente Zweipole

Bedingte Äquivalenz Ein Zweipol aus zwei parallelgeschalteten Bauelementen unterschiedlicher Art kann für eine bestimmte Frequenz durch einen Zweipol aus zwei reihegeschalteten Elementen ersetzt werden, siehe Bild 7.79.

Bild 7.79 Zum Vergleich einfacher Parallel- mit einfachen Reihenschaltungen.

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

81

Wenn der Scheinwiderstand zweier Schaltungen übereinstimmt, so bezeichnen wir sie als äquivalent. Stimmen die beiden Schaltungen aber nicht bei allen Frequenzen überein, so sprechen wir von bedingter Äquivalenz.

Umwandlung einer RC-Parallelschaltung in eine RC-Reihenschaltung Will man eine RC-Parallelschaltung durch eine RC-Reihenschaltung ersetzen (Bild 7.79a), so ist es zweckmäßig, deren Impedanzen Z p und Z r auszurechnen:

Zp =

Rp 1 − jω Cp Rp 1 = = Rp , 1 + C R ω 1 j 1 + (ω Cp Rp ) 2 p p + jω C p Rp

Z r = Rr +

1 1 = Rr − j . jω Cr ω Cr

(7.140)

(7.141)

Es soll gelten Z r = Z p. Daraus folgt auch

Re{Z r } = Re{Z p } und Im{Z r } = Im{Z p }. Der Vergleich der Real- und Imaginärteile von Z p und Z r liefert unmittelbar die gesuchten Größen Rr , C r:

Rr =

Rp 1 + (ω Cp Rp )2

;

(7.142a)

ω Cp Rp2 1 = ω Cr 1 + (ω Cp Rp ) 2 Cr =

1 + (ωCp Rp )2

ω 2Cp Rp2

= Cp

1 + (ωCp Rp )2 (ωCp Rp )2

.

(7.142b)

Die Äquivalenzbedingungen (7.142) sind offenbar von ω abhängig. Ein Wertepaar Rr , Cr liefert also immer nur bei einer bestimmten Frequenz eine Schaltung mit der gleichen Impedanz wie die Parallelschaltung aus Rp und Cp.

Umwandlung einer RC-Reihenschaltung in eine RC-Parallelschaltung Gibt man die Werte Rr , Cr einer RC-Reihenschaltung (Bild 7.79a) vor und sucht die Werte Rp , Cp der bedingt äquivalenten Parallelschaltung, so könnte man das Gleichungssystem (7.142) nach den Größen Cp und Rp auflösen; zweckmäßiger ist es aber, die Admittanzen Y beider Schaltungen zu vergleichen, weil sich dann die gesuchten Größen Rp und Cp unmittelbar auf die gegebenen Werte Rr , C r zurückführen lassen:

82

7. Wechselstromlehre

Yr =

1 Rr +

=

1 jω C r

jω C r jω Cr (1 − jω Cr Rr ) = 1 + jω Rr Cr 1 + (ω Cr Rr ) 2

Yr =

1 (ω Cr Rr ) 2 1 , + jω C r 2 Rr 1 + (ω Cr Rr ) 1 + (ω Cr Rr ) 2

(7.143)

Yp =

1 + jω Cp . Rp

(7.144)

Es soll gelten Y r = Y p. Daraus folgt auch

Re{Y p } = Re{Y r } und Im{Y p } = Im{Y r }. Der Vergleich der Real- und Imaginärteile von Y r und Y p liefert unmittelbar die gesuchten Größen Rp und Cp:

1 + (ω Cr Rr )2 (ω Cr Rr )2

Rp = Rr

1 . 1 + (ω Cr Rr )2

Cp = Cr

(7.145a, b)

Umwandlung einer RL-Parallelschaltung in eine RL-Reihenschaltung Die Parallelschaltung (Bild 7.79b) hat die Impedanz

Zp =

jω Lp Rp Rp + jω Lp

=

jω Lp (1 − jω Lp Rp ) 1 + (ω Lp Rp ) 2

(ω Lp Rp ) 2

Z p = Rp

1 + (ω Lp Rp )

2

+ jω Lp

= Rp

jω Lp Rp + (ω Lp Rp ) 2 1 + (ω Lp Rp ) 2

1 , 1 + (ω Lp Rp ) 2

(7.146)

und die Reihenschaltung hat die Impedanz

Z r = Rr + jω Lr .

(7.147)

Der Vergleich der Gln. (7.146) und (7.147) ergibt

Rr = Rp

(ω Lp /Rp )2 1 + (ω Lp /Rp )

2

Lr = Lp

1 . 1 + (ω Lp /Rp )2

(7.148a, b)

Umwandlung einer RL-Reihenschaltung in eine RL-Parallelschaltung Die Reihenschaltung (Bild 7.79b) hat die Admittanz

Yr =

R − jω Lr 1 = 2r Rr + jω Lr Rr + (ω Lr ) 2

Yr =

Rr ω Lr − j 2 , 2 R + (ω Lr ) Rr + (ω Lr ) 2 2 r

(7.149)

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

83

und die Parallelschaltung hat die Admittanz

Yp =

1 1 . −j ω Lp Rp

(7.150)

Der Vergleich der Gln. (7.149) und (7.150) ergibt Rp = Rr [1 + (ω Lr Rr )2 ]

Lp = Lr

1 + (ω Lr Rr )2 . (ω Lr Rr ) 2

(7.151a, b)

Graphische Umwandlung einer RL-Parallelschaltung in eine RL-Reihenschaltung und umgekehrt Für die Impedanz der RL-Reihenschaltung (Bild 7.79b) gilt

Z r = Rr + jω Lr = Rr + jX r = Z r e jϕ r .

(7.152)

Die Impedanz der RL-Parallelschaltung ist

Zp =

Zp =

1

=

1 1 + Rp jω Lp Rp X p 2 p

R + X

2 p

e

1 1 1 + Rp jX p

j( π 2 − arc tan X p Rp )

=

jX p Rp Rp + jX p

= Zpe

jϕ p

.

(7.153)

In Bild 7.80 wird die Impedanz Z r in der komplexen Zahlenebene dargestellt. Senkrecht zu Z r ist außerdem eine Strecke eingezeichnet, deren Endpunkte auf den beiden Achsen liegen. Diese Endpunkte geben zugleich die Lage und Länge der Operatoren Rp und jX p der bedingt äquivalenten Parallelschaltung an, was im Folgenden bewiesen wird. Die beiden unterschiedlich schraffierten Dreiecke (d. h. das große mit den Katheten X p , Rp und das linke mit der Hypothenuse X p ) sind nämlich ähnlich, so dass folgende Proportion gilt:

Zr = Xp Zr =

Rp Rp2 + X p2 Rp X p Rp2 + X p2

= Zp .

Aus der Parallelschaltung von Rp und X p ergibt sich also eine Impedanz, die den gleichen Betrag wie die Impedanz der Reihenschaltung von Rr und X r hat. Für den Winkel von Z p gilt gemäß Gl. (7.153)

ϕp =

Xp π . − arc tan 2 Rp

Bild 7.80 zeigt, dass

Xp Rp

= tan α ; α = arc tan

Xp Rp

84

7. Wechselstromlehre

ist und außerdem

α=

π − ϕr . 2

Damit wird

ϕp =

π − α = ϕr , 2

d. h. nicht nur die Beträge, sondern auch die Winkel von Z r und Z p stimmen überein, so dass man schreiben kann

Zr = Zp .

Bild 7.80 Graphische Umwandlung einer RL-Parallelschaltung in eine RL-Reihenschaltung.

Die in Bild 7.80 dargestellten Zusammenhänge erlauben z. B. die graphische Umwandlung der Werte Rp , X p in die Werte Rr , X r der äquivalenten Schaltung: Man zeichnet zuerst die Größen Rp , jX p in einem beliebigen Widerstandsmaßstab (z. B. 1cm =ˆ 10 Ω). Dann schlägt man einen Thaleskreis über der Strecke Rp (oder auch über jX p ) und verbindet die Spitzen der Operatoren jX p und Rp durch eine Gerade. Der Schnittpunkt dieser Geraden mit dem Thaleskreis ist die Spitze des Operators Z r = Z p . Schließlich wird Z r in den Realteil Rr und den Imaginärteil X r zerlegt. Umgekehrt kann man auch leicht aus den gegebenen Größen Rr , X r die Größen Rp , X p konstruieren. (Die hier angegebene Konstruktion folgt übrigens auch aus der Theorie des Kreisdiagramms.) Unbedingte Äquivalenz Die Umrechnungsformeln (7.142), (7.145), (7.148) und (7.151) zeigen, dass sich die Werte der gesuchten Schaltung bei unterschiedlichen Frequenzen voneinander unterscheiden. Es gibt aber auch Paare äquivalenter Schaltungen, bei denen die Umrechnungsformeln die Kreisfrequenz ω nicht enthalten. In solchen Fällen spricht man von unbedingter Äquivalenz. Als Beispiel hierfür betrachten wir das Schaltungspaar in Bild 7.81.

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

85

Bild 7.81 Äquivalente Zweipole.

Der Zweipol a hat die Impedanz

jω La Ra jω La′ ( Ra + jω La ) + jω La Ra = Ra + jω La Ra + jω La L′ ( R + jω La ) + La Ra ( L′ + La ) Ra + jω La La′ = jω a a = jω a Ra + jω La Ra + jω La

Z a = jω La′ +

( La′ + La ) + jω Z a = jω

1 + jω

La Ra

La La′ Ra .

(7.154)

Der Zweipol b hat die Impedanz

Zb =

jω Lb′ ( Rb + jω Lb ) L′ R + jω Lb′ Lb = jω b b Rb + jω ( Lb′ + Lb ) Rb + jω ( Lb′ + Lb )

Lb′ Lb Rb . Z b = jω Lb′ + Lb 1 + jω Rb Lb′ + jω

(7.155)

Die Impedanzen Z a und Z b sind beide gebrochen rationale Funktionen von ω und haben gleiche Form:

Za = jω

Aa + jω Ba 1 + jω Da

Z b = jω

Ab + jω Bb . 1 + jω Db

bzw.

86

7. Wechselstromlehre

Z a und Z b stimmen für jeden Wert ω überein, wenn die einander entsprechenden Koeffizienten übereinstimmen: Aa = Ab , Ba = Bb , Da = Db . Das heißt, es muss werden La′ + La = Lb′

La La′ Lb′ Lb = Ra Rb

La Lb′ + Lb . = Ra Rb

(7.156a, b, c)

Diese drei Gleichungen können als Bestimmungsgleichungen für Lb′, Lb , Rb benutzt werden, wenn La′, La , Ra gegeben sind (und umgekehrt).

7.2.11

Dualität

Vergleicht man beispielsweise die beiden Schaltungen in Bild 7.82 miteinander, so fällt die Analogie zwischen der Admittanz

Y a = Ga + jω Ca

(7.157a)

Bild 7.82 Duale Schaltungen.

und der Impedanz

Z a = Ra + jω La

(7.157b)

auf. Diese formale Analogie gilt auch zwischen der Stromteilung der Schaltung a,

IG I

=

Ga , Ga + jω Ca

(7.158a)

und der Spannungsteilung der Schaltung b,

Rb UR = . U Rb + jω Lb

(7.158b)

Aus den Gln. (7.157) folgt

Za Z b =

Zb R + jω Lb = b ; Y a Ga + jω Ca

wenn Ga und Ca gegeben sind, dann können Rb und Lb so bestimmt werden, dass das Produkt Z a Z b frequenzunabhängig und reell wird, so dass man schreiben kann

Rb + jω Lb = R02 , Ga + jω Ca

(7.159)

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

87

wobei die Dualitätskonstante R02 das Quadrat eines ohmschen Widerstandes ist. Aus der Forderung (7.159) folgt

Rb + jω Lb = R02Ga + jω R02Ca , und nach Vergleich der Real- und Imaginärteile:

Lb = R02Ca .

Rb = R02 Ga

(7.160a, b)

Man nennt Rb und Lb die zu Ga und Ca dualen Werte. Umgekehrt können Rb und Lb gegeben sein und die dualen Werte Ga und Ca daraus bestimmt werden. Wenn die Schaltungen a und b zueinander dual sind [d. h. wenn die Bedingungen (7.160) erfüllt sind], dann ergibt sich aus Gl. (7.158a) nach Erweitern mit R02

IG I

=

Ga R02 Rb = Ga R + jω R02 Ca Rb + jω Lb 2 0

und durch Vergleich mit Gl. (7.158b)

IG I

=

UR ; U

die Stromaufteilung in Schaltung a und die Spannungsaufteilung in Schaltung b verhalten sich nun nicht nur analog, sondern sie stimmen völlig überein. Kennt man also das Verhalten der Schaltung a, so kann man unmittelbar Aussagen über die Schaltung b machen (oder umgekehrt).

7.2.12

Einfache RC-Kettenschaltungen

Tiefpässe Tiefpass 1. Grades In der Schaltung a des Bildes 7.83 gilt aufgrund der Spannungsteilerformel für das Verhältnis der Ausgangs- zur Eingangsspannung:

1 UA 1 jω C . = = 1 UE R + 1 + jω RC jω C

(7.161)

Mit der Frequenznormierung

ω RC = Ω

Bild 7.83 Tiefpässe 1. Grades.

(7.162)

88

7. Wechselstromlehre

wird

UA 1 1 = = e− jarc tan Ω U E 1 + jΩ 1+ Ω 2

(7.163)

Diese (Spannungs-) Übertragungsfunktion hat den Betrag

UA 1 = UE 1+ Ω 2 und den Winkel

ϕ = − arc tan Ω , die als Kurven I in Bild 7.84 dargestellt sind. Der Betrag UA/UE hat die Anfangssteigung 0, der Winkel die Anfangssteigung –1.

Bild 7.84 Betrag UA/UE und Winkel ϕ von Tiefpass-Übertragungsfunktionen.

Die Funktion U A /U E = f (Ω ) veranschaulicht, dass die an den Ausgang des Vierpols übertragene Spannung mit der Frequenz abnimmt, dass der Vierpol also ein Tiefpass ist. (Die RL-Schaltung in Bild 7.83b verhält sich übrigens ebenso, ist aber von geringerer praktischer Bedeutung als die RCSchaltung.) Als Grenzfrequenz Ωg des Tiefpasses definiert man diejenige Frequenz, bei der U A /U E = 1/ 2 wird (3-Dezibel-Abfall):

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

UA UE

= Ω = Ωg

1 1+ Ω

2 g

89

1

=

2

(7.164a)

Ωg = 1 . Wegen der Abkürzung (7.162) wird demnach

ωg =

Ωg RC

=

1 . RC

(7.164b)

Tiefpass 2. Grades Wenn man die Ausgangsklemmen des einfachen RC-Tiefpasses mit einem weiteren RC-Glied belastet (Bild 7.85), so wird das Tiefpassverhalten der Schaltung noch ausgeprägter.

Bild 7.85 Tiefpass 2. Grades.

Um U A zu berechnen, kann man z. B. die Umlaufanalyse anwenden (vgl. Beispiel 2.27 in Band 1) und das Gleichungssystem für die beiden Ströme I 1 und I 3 anschreiben:

I1

I3

R+

1 jωC



1 jω C

UE



1 jω C

R+

2 jωC

0

Die Auflösung dieses Systems ergibt

I3 =

UE 1 , 2 jω C R + 3R jω C + (1 jω C )2

so dass

UA = I 3

UE 1 = jω C 1 − (ω RC )2 + j3ω RC

(7.165a)

wird; mit der Abkürzung (7.162) ist

UA 1 . = U E 1 − Ω 2 + j3Ω

(7.165b)

90

7. Wechselstromlehre

Der Betrag

UA = UE

1 (1 − Ω ) + 9Ω 2 2 2

und der Winkel

ϕ = − arc tan

3Ω 1 − Ω2

sind als Kurven II in Bild 7.84 eingetragen. Der Betrag U A U E hat die Anfangssteigung 0, der Winkel ϕ die Anfangssteigung −3. Die Grenzfrequenz des Tiefpasses 2. Grades ergibt sich aus der Definition, die beim Tiefpass 1. Grades zu dem Ergebnis (7.164a) geführt hat. Mit ihr wird hier 1 1 = 2 (1 − Ωg2 ) 2 + (3Ωg ) 2 (7.166)

Ωg4 + 7 Ωg2 − 1 = 0. Von den Lösungen dieser quadratischen Gleichung für Ωg2 ist nur eine positiv:

Ωg2 =

1 ( 53 − 7) 2

Ωg ≈ 0, 35;

0,35 . ωg ≈ RC

(7.167a, b)

Hochpässe Hochpass 1. Grades Vertauscht man die Bauelemente in einem Tiefpass 1. Grades (Bild 7.83) miteinander, so entsteht ein Hochpass (Bild 7.86), wie die Anwendung der Spannungsteilerformel für die Schaltung a und die Betrachtung der daraus hervorgehenden Übertragungsfunktion U A U E zeigt:

UA jω RC R = = 1 1 + jω RC UE R+ jω C

U UA jΩ = = A e jϕ UE U E 1 + jΩ UA Ω = ; UE 1 + Ω2

ϕ=

Bild 7.86 Hochpässe 1. Grades.

π 1 − arc tan Ω = arc tan . 2 Ω

(7.168)

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

91

Der Betrag und der Winkel der komplexen Übertragungsfunktion U A U E sind in Bild 7.87 als Kurven I dargestellt. Die Anfangssteigung des Betrages ist 1, die des Winkels ϕ ist −1. Die Grenzfrequenz ergibt sich aus

 UA     UE 

2

= Ω = Ωg

Ωg2 1 = . 2 2 1 + Ωg

Damit wird

Ωg = 1; ω g =

1 . RC

Bild 7.87 Betrag U A U E und Winkel ϕ von Hochpass-Übertragungsfunktionen.

Hochpass 2. Grades

Bild 7.88 Hochpass 2. Grades.

(7.169a, b)

92

7. Wechselstromlehre

Wenn man dem einfachen Hochpassglied (Bild 7.86a) ein zweites hinzufügt (Bild 7.88), so wird das Hochpassverhalten ausgeprägter. Um U A zu berechnen, kann man auch hier die Umlaufanalyse anwenden:

I1

R+

I3

1 jωC

−R

−R

2R +

UE

1 jωC



.

0

Die Auflösung dieses Gleichungssystems ergibt

I3 =

 1  R +  ω j C 

RU E ,  1  2 + − 2 R R   jω C  

so dass

UA = R I 3 =

R 2U E ( jω RC )2 U E = 2 1 + ( jω RC )2 + 3jω RC R + 3R jω C + (1 jω C ) 2

(7.170a)

wird (was sich auch aus Gl. (7.165a) ergibt, wenn dort R durch 1 (jω C ) und jω C durch 1 R ersetzt werden); mit der Abkürzung (7.162) ist

UA −Ω 2 . = U E 1 − Ω 2 + 3jΩ

(7.170b)

Der Betrag

Ω2

UA = UE

(1 − Ω 2 ) 2 + 9Ω 2

und der Winkel

ϕ = π − arc tan

3Ω 1 − Ω2

sind als Kurven II in Bild 7.87 eingetragen (hierbei wurde die mehrdeutige Arcusfunktion so berücksichtigt, dass ϕ stetig vom Wert π auf den Wert 0 abnimmt). Die Anfangssteigung des Betrages U A U E ist 0, die des Winkels ist − 3. Die Grenzfrequenz ergibt sich aus

 UA     UE 

2

= Ω = Ωg

Ωg4 (1 − Ω ) + 9Ω 2 2 g

(1 − Ωg2 ) 2 + 9Ωg2 = 2Ωg2

Ω − 7Ω − 1 = 0. 4 g

2 g

2 g

=

1 2 (7.171)

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

93

Diese quadratische Gleichung für Ωg2 unterscheidet sich von Gl. (7.166) nur durch ein Vorzeichen. Die Lösung ist

1 ( 53 + 7) ≈ 7,14 2 2, 67 . Ωg ≈ 2, 67; ω g ≈ RC

Ωg2 =

(7.172)

Beispiel 7.21a RC-Bandpass

Für den in Bild 7.89 dargestellten Vierpol ist die Übertragungsfunktion U A U E gesucht. Die Funktionen U A U E = f1 (Ω ) und ϕ = f2 (Ω ) sind zu skizzieren (Ω = ω RC ).

Bild 7.89 RC-Bandpass.

Lösung: Wir stellen mit Hilfe der Umlaufanalyse das Gleichungssystem für die Ströme I 1 und I 3 unmittelbar auf: I1

I3

R+

1 jωC



1 jω C

UE



1 jω C

R+

2 jωC

0

Die Elimination von I 1 ergibt 2  UE 2  2   1   + − I 3  R + R     = jω C   jω C   jω C   jω C  UE U E jω C = I3 = 2 jω C  R 2 + 3R jω C + (1 jω C ) 2  1 + 3jω RC + ( jω RC )

U A = RI 3 =

U E jω RC 1 + 3jω RC + ( jω RC ) 2

UA jΩ = = U E 1 + j3Ω − Ω 2

Ω (1 + Ω 2 )2 + 9Ω 2

e jπ 2 e

jarc tan

3Ω 1− Ω 2

.

(vgl. Gln. (7.165))

94

7. Wechselstromlehre

Der Betrag der Übertragungsfunktion ist UA = UE

Ω (1 − Ω 2 ) 2 + 9Ω 2

=

1 1   9 + Ω − Ω  

2

.

Ohne weitere Rechnung ist erkennbar, dass diese Funktion ein Maximum an der Stelle Ω = 1 hat; dort wird UA UE = 1 3. Die Anfangssteigung ist 1. In Bild 7.90a wird U A U E = f1 (Ω ) dargestellt. Der Winkel der Übertragungsfunktion ist

ϕ=

π 3Ω + arc tan 2 . 2 Ω −1

Diese Funktion hat die Anfangssteigung − 3 und ist in Bild 7.90b wiedergegeben. Die Betrachtung des Verlaufes von U A U E = f1 (Ω ) zeigt, dass der Vierpol (Bild 7.89) nicht nur Spannungen niedriger Frequenz unterdrückt (wie ein Hochpass), sondern auch Spannungen hoher Frequenz (wie ein Tiefpass): der Vierpol überträgt nur ein bestimmtes Frequenzband, er ist ein Bandpass. Als seine Grenzfrequenzen können wir die Frequenzen definieren, bei denen U A U E den Wert

UA UE

= Ω = Ωg

1  UA  1   = U 2  E max 3 2

Bild 7.90 Betrag und Winkel der Übertragungsfunktion eines RC-Bandpasses.

7.2 Eingeschwungene Sinusströme und -spannungen in linearen RLC-Netzen

95

annimmt. Daraus lässt sich Ωg berechnen: 2

Ωg  UA  1 =   = 2 2 2 Ω − 18 (1 U g ) + 9Ωg  E 2

Ωg2 ± 3Ωg − 1 = 0 Ωg1  13  3 = Ωg2  2 Ωg1 ≈ 0,3; Ωg 2 ≈ 3,3.

7.2.13

Lineare Schaltungen mit Quellen unterschiedlicher Frequenz

Wenn eine lineare Schaltung Quellen unterschiedlicher Frequenz enthält, so können die Blindwiderstände der Kondensatoren und Spulen nicht ohne Weiteres angegeben werden: Die Anweisungen

X L = ω L oder

X C = − 1/ ω C

liefern für unterschiedliche ω auch unterschiedliche Werte X L , X C . Das Verhalten einer solchen Schaltung kann aber mit Hilfe des Überlagerungsprinzips herausgefunden werden: Man berechnet z. B. zuerst die Auswirkung der Quellenspannung mit der Kreisfrequenz ω 1 (hierbei ist jeweils X L = ω1 L, X C = − 1 ω1C ), dann die Auswirkung der Quellenspannung mit der Kreisfrequenz ω 2 ( X L = ω 2 L, X C = − 1 ω 2 C ) usw. Danach werden die Wirkungen aller Quellen addiert. Ein einfaches Beispiel soll dies zeigen.

Bild 7.91 Lineare Schaltung mit zwei Spannungsquellen unterschiedlicher Frequenz.

96

7. Wechselstromlehre

Beispiel 7.21b Lineare Verzerrung

Zwei in Reihe geschaltete Spannungsquellen (u1 und u3 ) wirken auf die Reihenschaltung eines Widerstandes R und einer Induktivität L. Gesucht ist der Strom i (t ) für u1 (t ) = uˆ1 cos ω t , uˆ1 = 10 V u3 (t ) = − uˆ3cos3ω t , uˆ3 = 103 V 1 R = 10 Ω, L = 100 mH, ω = 2π ⋅ 50 . s Lösung: Die Aufgabe wird durch Superposition gelöst. Zunächst wird der Beitrag berechnet, den die Quelle 1 zum Strom i liefert. Die Quelle u1 (t ) hat die komplexe Amplitude uˆ 1 = 10 V; die komplexe Amplitude von i (1) ist iˆ (1) = =

uˆ 1 R + jω L

=

10 V 10 Ω + j2π ⋅ 50 s −1 ⋅ 0,1 Ωs

 10 V = 303 mA ⋅ e − j72,3 ; (10 + j10π )Ω

daraus folgt

i (1) (t ) = 303mAcos(ωt − 72,3°). Entsprechend erhält man als Beitrag der Quelle mit der Spannung u3 (t ):

iˆ(3) =

uˆ 3 R + j3ω L

=

° −10 V = − 35 mA e− j84 ; 3(10 + j30π )Ω

hieraus folgt

i (3) (t ) = − 35mAcos(3ωt − 84°) = − 35mAcos3(ω t − 28°). Wegen i(t ) = i(1) (t ) + i(3) (t ) wird schließlich

i(t ) = 303mA cos(ωt − 72,3°) − 35mA cos3(ω t − 28°) . Dieser Strom ist in Bild 7.91 dargestellt. Anmerkung: Der Stromverlauf i (t ) zeigt eine andere Kurvenform als der Spannungsverlauf u (t ), weil die Induktivität L die Oberschwingung (3ω ) stärker unterdrückt als die Grundschwingung (ω ). Diese Verzerrung des Kurvenverlaufes einer zeitabhängigen Größe nennen wir eine lineare Verzerrung, weil sie in einer linearen Schaltung (R = konst, L = konst) zustandekommt. (Im Gegensatz hierzu bezeichnen wir Verzerrungen, die allein wegen der Nichtlinearität eines Bauelementes entstehen, als nichtlineare Verzerrungen; vgl. Beispiel 7.6.)

7.3 Resonanz in RLC-Schaltungen

97

7.3

Resonanz in RLC-Schaltungen

7.3.1

Freie und erzwungene Schwingungen

Schaltungen mit Induktivitäten und Kapazitäten sind schwingungsfähig: zum Beispiel kann der Anschluss eines geladenen Kondensators an eine RL-Reihenschaltung (Bild 7.92) zu Schwingungen der Spannungen und des Stromes führen. Solche Schwingungen, deren Verlauf allein von den Werten R, L, C der Schaltung abhängt, nennt man Eigenschwingungen. So ergibt sich für die Schaltung in Bild 7.92 aus dem 2. Kirchhoffschen Gesetz (nach dem Schließen des Schalters S):

uR + uL + uC = 0.

C

Bild 7.92 Entladung eines geladenen Kondensators über eine RL-Reihenschaltung.

(Diese Schaltung wird in Kapitel 12 noch ausführlich behandelt werden: Beispiel 12.4.) Wenn man annimmt, dass der Schalter zur Zeit t = 0 geschlossen wird und der Kondensator zuvor auf die Spannung U 0 aufgeladen war, dann gilt t

− Ri − L

di 1 = uC = U 0 +  id τ. dt C0

(7.175)

Falls 4L > CR 2 ist, schreibt man die Lösung dieser Gleichung am besten in der Form

i=

−U 0 − δ t e sin ωe t , ωe L

(12.36)

wobei die Abkürzungen

δ =

R ; 2L

2

ωe =

1  R  −  = LC  2 L 

1 LC

1−

CR 2 4L

(7.177a, b)

verwendet werden; vgl. Abschnitt 12.5.2. Der Strom i ist eine exponentiell gedämpfte (negative) Sinusschwingung (Bild 7.a) mit dem Dämpfungsmaß δ und der Kreisfrequenz ω e. Mit Gl. (7.175) ergibt sich als Kondensatorspannung

uC = U 0 +

t   1 δ i (τ)d τ = U 0 cos ω et + sin ω et  e−δ t ,  C0 ω e  

(7.178)

98

7. Wechselstromlehre

Bild 7.93 Entladestrom i und Spannung

uC des Kondensators in einem Reihenschwingkreis.

vgl. Bild 7.93b. Die Verläufe des Entladestromes (Spulenstromes) i und der Kondensatorspannung u c kann man folgendermaßen deuten: Der Strom i muss den Anfangswert i0 = 0 haben, denn der Spulenstrom kann seinen Wert nicht plötzlich ändern, weil sich die magnetische Energie

Wm =

1 2 Li 2

(6.27)

des Spulenfeldes nur stetig ändern kann. Da sich außerdem auch die elektrische Energie

1 We = CuC2 2

(3.46)

des Kondensatorfeldes nur stetig ändern kann, muss gelten

uC t = 0 = U 0 . Im Einschaltmoment (t = 0) ist alle Energie des Schwingkreises im elektrischen Feld des Kondensators gespeichert, und nach dem Schließen des Schalters entlädt sich der Kondensator. Wenn der Wert uC = 0 erreicht ist, fließt ein großer Entladestrom: jetzt ist die ursprünglich im Kondensator gespeicherte Energie in die magnetische Energie des Spulenfeldes übergegangen (bis auf die Verluste im Widerstand). Der Spulenstrom hat nun einen Extremwert und behält hiernach seine Richtung bei, klingt aber wieder ab; dadurch wird der Kondensator wieder aufgeladen (in umgekehrter Richtung wie zu Anfang), und für t = π ω e ist wieder i = 0, die Kondensatorspannung hat nun einen Extremwert, und die Gesamtenergie des Schwingkreises ist wieder als elektrische Energie im Kondensatorfeld gespeichert. Der Kondensator entlädt sich nun wieder, und die Schwingkreisenergie pendelt weiterhin zwischen Spule und Kondensator hin und her, wobei sie allmählich

7.3 Resonanz in RLC-Schaltungen

99

durch die Verluste im Widerstand verbraucht wird. In Bild 7.92 wird der Wechsel zwischen den einzelnen Energieformen und seine Analogie zu den mechanischen Schwingungen eines Pendels dargestellt, bei dem potentielle und kinetische Energie miteinander abwechseln und allmählich durch Reibungsverluste aufgezehrt werden.

Bild 7.94 Analogie zwischen elektrischem Schwingkreis und mechanischem Pendel.

Wie man zu der Lösung (12.36) kommen kann, wird in Abschnitt 12.5.2 gezeigt. Aber auch ohne Kenntnis dieser Methoden können wir leicht nachprüfen, dass die Lösung (12.36) die Gl. (7.175) befriedigt, indem wir die Ableitung und das Integral von i (t ) bilden und in Gl. (7.175) einsetzen, wobei wir als zusätzliche Abkürzungen

p1 = − δ + jω e ;

p2 = − δ − j ω e

einführen und die Sinusfunktion durch Exponentialfunktionen ersetzen:

i=

− U 0 − δ t 1 jω e t −U 0 − e − jωe t ) = e (e (e p1t − e p2t ) 2j j2ω e L ωe L

−U 0 di ( p e p1t − p 2 e p2t ) = dt j2ω e L 1 t

 idτ = 0

− U 0  e p1t e p2t  1 1  − − −   . p2  p1 p2   j2ω e L  p1

Setzt man dies in Gl. (7.175) ein, so ergibt sich

 1  p1t  1  p2 t 1 1 −  R + p1 L + −  e +  R + p2 L + e = 1 + p1C  p2 C  p1C p2 C   p1t p2 t −0 ⋅ e + 0 ⋅ e =0,

(7.179a, b)

100

7. Wechselstromlehre

die Gl. (7.175) wird also durch die Lösung (12.36) befriedigt. Man nennt übrigens p1 und p2 die Eigenwerte der in Bild 7.92 dargestellten RLC-Schaltung, ω e ihre Eigenkreisfrequenz und

fe =

ωe 2π

=

1 2π LC

CR 2 4L

1−

(7.180)

ihre Eigenfrequenz. Eine Schaltung, in der Eigenschwingungen auftreten können, bezeichnet man als Schwingkreis. Innerhalb des Kapitels 7 (Wechselstromlehre) sollen die Eigenschwingungen von Schwingkreisen nicht genauer untersucht werden; hier wird nur der eingeschwungene Zustand derjenigen Spannungen und Ströme betrachtet, die durch Spannungs- oder Stromquellen erzwungen werden und deren Frequenz mit der Quellenfrequenz übereinstimmt. Solche erzwungenen Schwingungen können – wie die bisherigen Abschnitte gezeigt haben – nicht nur in Schwingkreisen, sondern in allen möglichen Schaltungen auftreten. Schwingkreise aber zeigen ein besonderes Verhalten, wenn ihnen Schwingungen aufgezwungen werden, deren Frequenz nahezu mit einer Eigenfrequenz der Schaltung zusammenfällt: es kommt dann zur Resonanz. Dieser Begriff aus der Akustik (Resonanz = Widerhall) wird auf alle Gebiete der Physik ausgedehnt, in denen Schwingungen eine Rolle spielen, wie Mechanik, Optik, Elektrik, Atomphysik.

7.3.2

Einfache Parallel- und Reihenschwingkreise

Phasen- und Betragsresonanz Ein Reihenschwingkreis hat gemäß Gl. (7.126b) die Impedanz

1   Z = R + jω L − . C ω  Diese Impedanz wird für eine einzige Kreisfrequenz ω reell, nämlich dann, wenn

ωL −

1

ωC

=0

wird, d. h. für die Kreisfrequenz

ωr =

1 LC

.

(7.181)

Für ω = ω r gilt also Z = R, die Impedanz Z wird in diesem Fall übrigens nicht nur reell, sondern ihr Betrag

Z =

1   R2 + ω L − ω C  

2

hat bei der Kreisfrequenz ω r auch sein Minimum

 Z =

1   R2 + ω L −  ω C 

2

= R. ω = ωr

7.3 Resonanz in RLC-Schaltungen

101

Wenn Z reell ist, dann sind die Spannung U und der Strom I in Phase, und man spricht von Phasenresonanz. Wenn Z minimal (bzw. maximal im Fall der Parallelschaltung) wird, spricht man von Betragsresonanz. Beide Resonanzen fallen beim Reihenschwingkreis zusammen; man unterscheidet deshalb für diese einfache Schaltung (ebenso wie für den Parallelschwingkreis) nicht zwischen den beiden Resonanzfallen und bezeichnet darum

fr =

ωr 2π

=

1

(7.182)

2π LC

kurz als Resonanzfrequenz der Schaltung. Zu beachten ist hierbei, dass die Resonanzfrequenz nicht mit der Eigenfrequenz f e übereinstimmt: die Gln. (7.180) und (7.182) zeigen, dass beide Frequenzen nur für R = 0 gleich sind. Bemerkenswert ist, dass sich auch beim Parallelschwingkreis die Formel (7.182) für die Resonanzfrequenz ergibt und auch hier Phasen- und Betragsresonanz zusammenfallen: ein Parallelschwingkreis hat die Admittanz

1   Y p = G + jωC − , L ω 

(7.120b)

die für ω = ω r den reellen Wert Y p = G annimmt (Phasenresonanz) und bei dieser Kreisfrequenz auch ihr Betragsminimum hat (Betragsresonanz). Spannungs- und Stromüberhöhung Die Spannung U L an der Induktivität und die Spannung U C an der Kapazität eines Reihenschwingkreises können größer werden als die Gesamtspannung U (Spannungsüberhöhung), was aus den Zeigerdiagrammen des Bildes 7.94a zu erkennen ist. Speziell für die Spulenspannung U L gilt: jω L ωL UL (7.183a, b) = . UL = U, 2 1  U  1   2 R + j ω L − R + ω L − ω C   ω C   Dieses Spannungsverhältnis (die auf die Eingangsspannung bezogene Spulenspannung) bezeichnen wir als normierte Spulenspannung. Da sie den Wert 1 überschreiten kann, spricht man auch von der Spannungsüberhöhung an der Spule; sie nimmt im Resonanzfall den Wert

UL U

= ω = ωr

ωr L R

=

LC R

(7.184)

an, den wir als Resonanzüberhöhung bezeichnen. Die Resonanzüberhöhungen an der Spule und am Kondensator stimmen im übrigen überein, weil sich im Resonanzfall U C und U L kompensieren, also gleichen Betrag haben. Beim Parallelschwingkreis (Bild 7.95b) können Teilströme auftreten, die größer als der Gesamtstrom I sind: für den Strom I C gilt

IC =

jω C I, 1   G + jω C − ω L  

IC = I

ωC 1   G + ωC −  ω L  2

2

,

102

7. Wechselstromlehre

Bild 7.95 Einfacher Reihen- und Parallelschwingkreis mit Zeigerdiagrammen.

Bild 7.96 Spannungsüberhöhung an der Induktivität eines Reihenschwingkreises.

und speziell im Resonanzfall (ω = ω r ) wird

IC IC I

ω = ωr

= =

ω = ωr

jωr C I G

ωr C G

=

C L . G

(7.185)

7.3 Resonanz in RLC-Schaltungen

103

ω r C G ist die Resonanzüberhöhung des Kondensatorstromes, die mit derjenigen des Spulenstromes übereinstimmt. Resonanzkurven des Reihenschwingkreises Für die Spannung U L des Reihenschwingkreises (Bild 7.95a) folgt aus Gl. (7.183b): 2

(ω 2 LC )2  UL   U  = (ω RC )2 + (1 − ω 2 LC )2 .  

(7.186)

Das Spannungsverhältnis U L U hängt also u. a. von den Größen ω und R ab, und wir können deshalb U L U als Funktion dieser beiden Größen betrachten: 2

 UL   U  = f (ω ; R).   Diese Funktion wollen wir in einem U L U ; ω -Koordinatensystem als Kurvenschar mit dem Parameter R darstellen, siehe Bild 7.96. Zunächst untersuchen wir, welche Extremwerte sich in Abhängigkeit von ω ergeben. Für Extremwerte gilt die Bedingung

d  UL  1 d = ⋅   dω  U  2(U L U ) dω

 U L  2     = 0.  U  

Da U L U für alle ω endlich bleibt ( R > 0 vorausgesetzt), genügt zur Ermittlung von Extremwerten die Bedingung

d dω

 U L  2     = 0.  U  

Nach Anwendung der Quotientenregel erhält man 2   1   1  1  2 2 2 2  R +  ω1 L −   2ω1 L = 2ω1 L  ω1 L −  L + 2  . ω1C   ω1C  ω1 C     

Als erste Lösung ergibt sich hieraus

ω11 = 0 , d. h. die Funktionen U L U = f (ω ) beginnen mit der Anfangssteigung 0. Für die zweite Lösung (ω 12 ) gilt: 2

  1  1  1  R 2 +  ω12 L −  = ω12  ω12 L −  L + 2  ω12 C  ω12 C   ω12 C    2

 1  L 2 2  =2 −R C  ω12 C 

ω12 =

1 LC



1 1−

2

CR 2L

=

ωr 1−

. 2

CR 2L

(7.187)

104

7. Wechselstromlehre

Bei dieser Kreisfrequenz hat U L U ein Maximum (da U L U als Quotient zweier Spannungsbeträge stets positiv ist und für ω = 0 den Wert 0 und für ω = ∞ den Wert 1 hat, muss der einzige dazwischen liegende Extremwert ein Maximum sein). Für CR2 = 2L fällt das Maximum ins Unendliche; für CR 2 > 2L tritt kein Maximum mehr auf (vgl. Bild 7.96). Im Grenzfall R = 0, der bei der Extremwertbestimmung ausgeschlossen werden musste, wird ω1 = ω r , und es ergibt sich keine waagrechte Tangente, sondern ein Pol. Für die Spannungsüberhöhung am Kondensator gilt 2

 UC    = U 

1

, 2  2  1   (ω C )  R +  ω L −  ω C     UC 1 1 ; = = 2 2 2 U 1 2 RC LC ( ) ( 1) + − ω ω 2 ) ω C R + (ω L − ωC 2

(7.188)

sie hat für ω = 0 den Wert 1 und für ω = ∞ den Wert 0. Zur Berechnung von Extremwerten genügt es auch in diesem Fall, die Extremwerte der quadrierten Funktion zu bestimmen: 2 d  UC  1 d  U C   = ⋅      = 0. dω  U  2(U C U ) dω  U  

Hieraus folgt als Bestimmungsgleichung für die Kreisfrequenzen ω 2 , bei denen Extremwerte auftreten:

2ω 2 ( RC ) 2 + 2(ω 22 LC − 1) ⋅ 2ω 2 LC = 0. Als erste Lösung ergibt sich

ω 21 = 0, d. h. die Funktion U C U = f (ω ) hat die Anfangssteigung 0. Die zweite Lösung erhält man aus 2 LC − 1) LC = 0 ( RC ) 2 + 2(ω 22

ω 222 LC = 1 −

ω22 =

1 LC

R 2C 2L

1−

CR2 CR 2 . = ωr 1 − 2L 2L

Bei dieser Frequenz hat U C U ein Maximum (im Grenzfall R = 0 ergibt sich hier, ebenso wie für U L U , keine waagrechte Tangente, sondern ein Pol), vgl. Bild 7.97. Die Spannungsüberhöhung im Resonanzfall stellt ein Maß für die Selektivität des Schwingkreises dar, und man bezeichnet den Quotienten in Gl. (7.184) als Güte Q des Schwingkreises:

Qr =

LC (Güte des Reihenschwingkreises). R

(7.189)

7.3 Resonanz in RLC-Schaltungen

105

Bild 7.97 Spannungsüberhöhung an der Kapazität eines Reihenschwingkreises.

Den reziproken Wert nennt man Verlustfaktor d:

dr =

R

(Verlustfaktor des Reihenschwingkreises).

LC

(7.190)

Die Spannung am Widerstand eines Reihenschwingkreises ist

UR =

R ω RC U = U, 1  ω RC + j(ω 2 LC − 1)  R + jω L − ω C  

das Verhältnis von U R zu U ist also

UR = U

R 1   R2 + ω L − ω C  

2

=

ω RC (ω RC ) + (ω 2 LC − 1) 2 2

.

(7.191)

Diese Funktion hat offenbar ihr Maximum an der Stelle

ωr =

1 LC

.

Bild 7.98 zeigt Funktionen U R U = f (ω ; R ). Sie verhalten sich für ω → 0 nahezu wie die Gerade ω RC ; die Anfangssteigung der normierten Spannung am Widerstand R ist also proportional RC.

106

7. Wechselstromlehre

Bild 7.98 Die normierte Spannung U R U am ohmschen Widerstand eines Reihenschwingkreises.

Ganz analoge Überlegungen wie für die Teilspannungen des Reihenschwingkreises kann man übrigens für die Teilströme des Parallelschwingkreises anstellen. Grenzfrequenzen und Bandbreite, Verstimmung Aus den Kurvenscharen der Bilder 7.96 bis 7.98 geht hervor, dass die Maxima um so ausgeprägter sind, je kleiner R wird. Dies zeigt sich übrigens auch bei der Funktion Z = f (ω ; R ). Für den Reihenschwingkreis gilt 2

1   R2 + ω L − . ω C  

Z =

(7.129a)

Dieser Betrag ist in normierter Form für verschiedene Werte von R in Bild 7.99 dargestellt. Ein Reihenschwingkreis hat sein Impedanzminimum bei der Kreisfrequenz ω r:

Z ω =ω = R . r

Bild 7.99 Betrag der Impedanz des Reihenschwingkreises.

7.3 Resonanz in RLC-Schaltungen

107

Bei allen anderen Kreisfrequenzen ist die Impedanz größer, und wir bezeichnen die beiden Kreisfrequenzen, bei denen

Z=R 2

(7.192)

Bild 7.100 Zur Definition der unteren und oberen Grenzfrequenz und der Bandbreite.

wird, als die Grenzfrequenzen, vgl. Bild 7.100. Aus dieser Definition folgt mit Gl. (7.129a)

Z

2

 1  = 2R = R +  ωg L −   ω g C   2

ω = ωg

2

2

 1  R 2 =  ωg L −   ω g C   1 ± R = ωg L − ωgC

2

ω g2 LC  ω g RC = 1. Die Auflösung dieser quadratischen Gleichung(en) liefert:

ωg = ±

R ± 2L

2

1  R  +  . LC  2 L 

Das untere Vorzeichen vor der Wurzel kommt nicht in Betracht, da es zu zwei negativen Lösungen für ω g führen würde. Übrig bleiben die beiden Lösungen 2

ωg1 = −

R  R  + ω r2 +   (untere Grenzfrequenz), 2L  2L 

ωg2 = +

R  R  + ω r2 +   (obere Grenzfrequenz), 2L  2L 

(7.193a)

2

(7.193b)

108

7. Wechselstromlehre

wobei 1 ( LC ) = ω r2 eingesetzt wurde; im Übrigen gilt ω g1ω g2 = ω r2 . Als Bandbreite des betrachteten Schwingkreises definiert man die Differenz aus oberer Grenzfrequenz f g 2 = ω g 2 2π und unterer Grenzfrequenz f g1 = ω g1 2π:

Δ f = fg2 − fg1 =

1 (ωg2 − ωg1 ); 2π

mit den Gln. (7.193a, b) wird daraus

Δf =

1 R ⋅ (absolute Bandbreite). 2π L

(7.194)

Die Bandbreite Δ f ist also dem Widerstand R direkt proportional. Je kleiner R wird, desto schmaler wird die Resonanzkurve Z = f (ω ) : die Selektivität des Schwingkreises nimmt zu. Man kann die Bandbreite Δ f auch auf die Resonanzfrequenz beziehen und erhält so die relative Bandbreite

Δf fr

=

Δω R LC = = ωr L

R LC

= d,

eine Größe also, die offensichtlich mit dem Verlustfaktor identisch ist, vgl. Gl. (7.190). Die Gleichung (7.126b) für die Impedanz eines Reihenschwingkreises kann folgendermaßen umgeformt werden:

LC 1 1  1  Z = 1 + j ω L −  ω LC −   =1+ j ωC  R R R  ω LC  LCω ω ω  ω  Z =1+ j − r  = 1 + jQ  − r .  ω  ω R R  ωr  ωr

(7.195)

Hierbei ist die Größe

ω ωr − =v ωr ω

(7.196)

ein Maß für die Abweichung der Kreisfrequenz ω von der Resonanz-Kreisfrequenz ω r . Die Größe v gibt also an, wie weit der Resonanzkreis gegenüber den aufgezwungenen Schwingungen verstimmt ist. Man nennt v die relative Verstimmung. Den Ausdruck

ω ω  Q − r  = Qv = Ω ω ω   r

(7.197)

nennt man übrigens normierte Verstimmung. Es ergibt sich nun

Z = 1 + jQv = 1 + jΩ . R

(7.198)

In Bild 7.101 sind der Betrag

Z = 1 + Ω2 R

(7.199a)

7.3 Resonanz in RLC-Schaltungen

109

und der Winkel

ϕ = arc tan Ω

(7.199b)

der normierten Impedanz Z R über der normierten Verstimmung Ω aufgetragen. Der Betrag Z R hat bei Resonanz (Verstimmung Ω = 0) den Wert l und erreicht bei Ω = ± 1 den Wert 2 . Die Werte Ω = ± 1 bezeichnen also die Bandgrenzen. Der Winkel ϕ nimmt hier die Werte ± π 4 = ± 45° an; man bezeichnet daher die Grenzfrequenzen als 45°-Frequenzen und schreibt

ω −45 = ωg1 , 

ω +45 = ωg2 . 

Bild 7.101 Betrag und Winkel der Impedanz eines Reihenschwingkreises als Funktionen der normierten Verstimmung.

7.3.3

Gruppenschaltungen aus den drei Elementen R, L und C

Die einfachsten Kombinationen aus den drei Elementen R, L und C sind der Reihenschwingkreis (Bild 7.95a) und der Parallelschwingkreis (Bild 7.95b); diese beiden Schaltungen sind in Abschnitt 7.2 eingehend untersucht worden. Es sind aber auch andere Kombinationen möglich, von denen einige in den folgenden Beispielen betrachtet werden sollen (Bild 7.102).

110

7. Wechselstromlehre

Bild 7.102 RLC-Gruppenschaltungen.

Beispiel 7.22 Phasen- und Betragsresonanz in einem Parallelschwingkreis mit Wicklungsverlusten

In Abschnitt 7.3.2 wurde der Parallelschwingkreis betrachtet, ohne hierbei die ohmschen Verluste in der Spule zu beachten. Will man den Wicklungswiderstand der Spule berücksichtigen, so kann man dies durch die Ersatzschaltung 7.102a erreichen, die im Folgenden genauer untersucht werden soll (der Verlustleitwert des Kondensators wird nun vernachlässigt). a)

Die Ortskurven für Y = f (ω; C) sind unter der Annahme R = konst, L = konst zu skizzieren.

b)

Auch die Funktionen Y = f1 (ω; C) und ϕY = f2 (ω; C) sollen skizziert werden.

c)

Bei welcher Kreisfrequenz ω r ergibt sich Phasenresonanz?

d)

Bei welcher Kreisfrequenz ω1 erreicht Y ein Minimum (Betragsresonanz)?

e)

Wie groß werden ω r und ω1 für die Zahlenwerte

R = 800 Ω ;

L = 10mH;

C = 10 nF?

Lösung: a) Die Ortskurve für Y 2 (Admittanz der RL-Reihenschaltung) ist ein Halbkreis (vgl. Bild 7.71a). Die Y-Ortskurve erhält man, indem zu jedem Punkt des Y2- Halbkreises der imaginäre Wert jωC hinzugefügt wird. Dieser Wert nimmt mit ω zu (Bild 7.103a). Er wird aber auch um so größer, je größer C ist (Bild 7.103b), so dass schließlich Ortskurven entstehen können, die die reelle Achse nicht mehr schneiden (in Bild 7.104a gestrichelt gezeichnet).

b) Kennt man eine Ortskurve, so kann man aus ihr leicht den Verlauf Y = f1 (ω ) und ϕY = f2 (ω ) abschätzen, indem man die Beträge und Winkel aus der Ortskurve z. B. bei einer beliebigen Kreisfrequenz ω a und ihren ganzzahligen Vielfachen abliest (Bild 7.103a) und über ω aufträgt (Bild 7.105). c)

Die Schaltung hat die Admittanz

Y = jω C +

1 R − jω L R C[ R 2 + (ω L)2 ] − L = jω C + 2 = 2 + jω . 2 2 R + jω L R + (ω L) R + (ω L) R 2 + (ω L)2

Die Resonanzkreisfrequenz ω r ergibt sich aus der Bedingung Im{Y } = 0 :

ωr

C[ R 2 + (ω r L)2 ] − L = 0. R 2 + (ω r L) 2

7.3 Resonanz in RLC-Schaltungen

Bild 7.103 Zur Entstehung der Ortskurven des Parallelschwingkreises mit Spulenverlusten.

Bild 7.104 Ortskurven des Parallelschwingkreises mit Spulenverlusten.

111

112

7. Wechselstromlehre

Bild 7.105 Frequenzabhängigkeit der Admittanz Y eines Parallelschwingkreises mit Spulenverlusten.

Diese Gleichung liefert als erste Lösung

ω r1 = 0, d. h. bei Gleichstrom hat die Schaltung die (reelle) Impedanz R. Die zweite Lösung, den Resonanzfall, finden wir aus C[ R 2 + (ω r 2 L ) 2 ] = L ;

7.3 Resonanz in RLC-Schaltungen

113

hieraus folgt

1

ωr2 =

1−

LC

R2C . L

(7.200)

Solange R2C L < 1 bleibt, existiert demnach eine reelle Phasenresonanzfrequenz (vgl. Kurven 2 und 3 in Bild 7.104a und 7.105b). Im Grenzfall R2C L = 1 ist Y nur noch für ω = 0 reell: die Y-Ortskurve schneidet die reelle Achse an keiner anderen Stelle mehr (Kurve 4 in Bild 7.104a). Für R2C L > 1 kommen Ortskurven zustande wie beispielsweise die Kurven 5 und 6 in Bild 7.104a. d) Das Betragsquadrat der Admittanz

Y = jω C +

1 1 − ω 2 LC + jω RC = R + jω L R + jω L

ist

Y2 =

(1 − ω 2 LC )2 + (ω RC ) 2 . R 2 + (ω L) 2

Verwendet man die Abkürzung ω 2 = x, so ergibt die Kettenregel der Differentialrechnung

dY dY dx dY = ⋅ = 2ω dω dx dω dx und wegen

d 2 dY Y = 2Y ; dx dx

dY 1 d 2 = (Y ) dx 2Y dx

wird

dY ω d 2 = (Y ). dω Y dx Der Betrag Y hat Extremwerte für dY dω = 0, als erste Lösung ergibt sich ω11 = 0, und die zweite folgt aus d 2 (Y ) = 0. Wendet man die Quotientenregel der Differentialrechnung an, so entsteht dx ( R 2 + xL2 )[ − LC ⋅ 2(1 − xLC ) + ( RC ) 2 ] − L2 [1 − xLC ) 2 + x( RC ) 2 ] =0 ( R 2 + xL2 ) 2 x 2 L2 ( LC ) 2 + 2 xR 2 ( LC ) 2 = L2 + R 2 ⋅ 2 LC − R 2 ( RC ) 2 2

4

2

1 1 R R R + 2  ⋅ x2 + 2 x   +   = . ( LC ) 2 L L  L  LC

Die Lösung dieser quadratischen Gleichung ist 2

R ω122 = x = −   (+− ) L 



2 1  1 R  + 2   .  LC  LC  L  

(7.201)

Das untere Vorzeichen vor der Wurzel kommt nicht in Betracht, weil sich dann kein positiv reeller Wert für ω12 ergibt. Eine weitere Umformung der Gl. (7.201) liefert

ω12 =

1 LC

1+ 2

R2C R2C . − L L

(7.202)

114

7. Wechselstromlehre

Solange R2C L < 1 + 2 bleibt, existiert also eine reelle Betragsresonanzfrequenz; im Grenzfall R2C L = 1 + 2 geht ω12 in den Wert ω11 = 0 über. Falls R = 0 ist, gehen ω r 2 (Phasenresonanz) und ω12 (Betragsresonanz) beide in den Wert ω 0 = 1 LC (Resonanz des ungedämpften Schwingkreises) über. Vergleicht man die Ergebnisse (7.200) und (7.202) miteinander, so ist unmittelbar zu erkennen, dass

ω 12 > ω r 2 ist, d. h. der Betrag von Y erreicht sein Minimum bei einer Frequenz ω12 oberhalb der Phasenresonanzfrequenz. Dies ist auch in Bild 7.b deutlich zu erkennen. Im Übrigen wird durch den Widerstand R nicht nur die Phasenresonanzfrequenz, sondern auch die Betragsresonanzfrequenz unterhalb der Resonanzfrequenz des ungedämpften Schwingkreises liegen: ω0 > ω12 > ωr2 . e)

Setzt man die angegebenen Zahlenwerte in die Gln. (7.200) und (7.202) ein, so erhält man

ωr 2 = 6 ⋅ 104 s−1 ; ωl 2 = 9,33 ⋅ 104 s −1 . Ohne ohmschen Widerstand hätte sich ergeben

1 = 10 ⋅ 104 s−1. LC

ωr2 = ω12 = ω0 =

Beispiel 7.23 Konstruktion der Y -Ortskurvenschar eines Schwingkreises

Die Ortskurven Y = f (ω ) der in Bild 7.102b dargestellten Schaltung sollen für die Fälle 4 a) La = CR2 3 b) Lb = 2CR 2 c)

Lc = 4CR 2

skizziert werden, wobei R und C konstant sind. Lösung: Die Schaltung hat die Admittanz

Y =

1 jω L

+

1 R+

1 jω C

=

1 (ω CR)2 ω 2 [ LC − (CR)2 ] − 1 + j . 2 ω L[1 + (ω CR)2 ] R 1 + (ω CR)

Aus der Bedingung Im{Y } = 0 erhält man 1 LC − (CR) 2

ω r2 = a)

(7.203)

4 2 CR wird ω ra2 = 3 (CR ) 2 ; die Admittanz Y nimmt nun folgenden Wert an: 3 3 3 = Re{Y } ω =ω = G = G. ra 1+ 3 4

Für L = La =

Y ω =ω

ra

b) Für L = Lb = 2CR 2 wird ω rb2 = 1 (CR) 2 und

Y ω =ω = Re{Y } ω =ω = G rb

rb

1 1 = G. 1+1 2

7.3 Resonanz in RLC-Schaltungen c)

115

Für L = Lc = 4CR 2 wird ω rc2 = 1 3(CR ) 2 und

Y ω =ω = Re{Y } ω =ω = G rc

rc

13 1 = G. 1+13 4

Die Werte Y ω = ω geben jeweils an, wo die Ortskurve die reelle Achse schneidet, siehe Bild 7.106. Zum Beispiel r schneidet die Kurve c bei der Kreisfrequenz ωrc die reelle Achse an der Stelle 14 G. Hierbei ist offensichtlich

1

ωrc Lc

= Bc ,

und bei der gleichen Frequenz findet man den Punkt der Kurve b aus der Gleichung

1

ω rc L b

=

1

ω rc L c 2

= 2 Bc

und den Punkt der Kurve a aus der Gleichung

1

ωrc La

=

1

ωrc Lc 3

= 3Bc

(vgl. Bild 7.106). Ebenso kann man die Schnittpunkte der Kurven b und a mit der reellen Achse jeweils dazu verwenden, um Punkte der anderen beiden Kurven zu konstruieren.

Bild 7.106 Ortskurvenschar eines Schwingkreises.

116

7. Wechselstromlehre

Beispiel 7.24 Spannungs-Übertragungsfunktionen eines RLC-Vierpols

Die Größen R, L, C der Schaltung 7.102c sind gegeben. a)

Die Übertragungsfunktion U L U q ist gesucht.

b) Die Funktion U L U q ist für die beiden Fälle

R = 1kΩ ,

C = 1nF,

L = 2 mH

R = 1kΩ ,

C = 1nF,

L = 1mH

und

in Abhängigkeit von ω zu skizzieren. c)

Die Übertragungsfunktion U C U q ist gesucht.

Lösung: a) Nach der Spannungsteilerregel gilt

UL = Uq

UL = Uq

R ⋅ jω L R + jω L − ω 2 LC = 1 R ⋅ jω L 1 − ω 2 LC + jω L R + jω C R + jω L

ω 2 LC

.

(1 − ω 2 LC )2 + ω 2 ( L R)

2

(7.204)

Anmerkung: Für L → ∞ geht die Funktion U L U q in die vom Hochpass 1. Grades bekannte Übertragungsfunktion über (vgl. Abschnitt 7.2.12.2):

lim

L →∞

UL − ω 2C jω RC = = . U q − ω 2C + jω R 1 + jω RC

b) Mit den Werten R = 1kΩ , C = 1nF, L = 2 mH wird

LC = 2 ⋅10−12 s2 , ( L R)2 = 4 ⋅ 10−12 s2 ; eingesetzt in Gl. (7.204) ergibt dies

UL 2 ⋅ 10−12 s2ω 2 = Uq (1 − 2 ⋅ 10−12 s2ω 2 )2 + 4 ⋅ 10−12 s2ω 2 und mit der Abkürzung ω ⋅ 10−6 s = Ω

UL = Uq

2Ω 2

(1 − 2Ω )

2 2

. + 4Ω 2

Diese Funktion ist in Bild 7.107 dargestellt. Mit den Werten R = 1kΩ , C = 1nF, L = 1mH wird

LC = 10−12 s2 ; ( L R)2 = 10−12 s2 ;

7.3 Resonanz in RLC-Schaltungen

117

mit Ω = ω10−6 s ergibt sich nun nach Einsetzen in Gl. (7.204)

10− 12 s2ω 2

UL = Uq

(1 − 10− 12 s2ω 2 )2 + 10− 12 s2ω 2

=

Ω2 (1 − Ω 2 )2 + Ω 2

.

Auch diese Funktion ist in Bild 7.107 dargestellt.

Bild 7.107 Übertragungsfunktionen einer RLC-Gruppenschaltung. Anmerkung: Die beiden Funktionen in Bild 7.107 unterscheiden sich vor allem darin, dass sich für L = 1mH ein Maximum ergibt, für L = 2 mH aber nicht. Allgemein gilt Folgendes: U L U q hat einen Extremwert, wenn

d  UL   =0 dω  Uq  wird. Daraus folgt

2 = 2 LC − ( L R)2

ωm =

1 LC

1 1−

L 2 R 2C

für die Kreisfrequenz, bei der ein Maximum auftritt. Bedingung für die Existenz eines Maximums ist

L < 1. 2 R 2C

(7.205)

Wenn übrigens U L U q ein Maximum bei einer endlichen Frequenz hat, so muss der zugehörige Funktionswert > 1 sein, da für ω → ∞ schließlich U L U q = 1 wird. Der Wert U L U q = 1 muss daher auch einmal bei einer Kreisfrequenz ω1 unterhalb von ωm erreicht werden. Die Bestimmungsgleichung für ω 1 ist:

 UL     Uq 

2

=1= ω =ω1

ω14 ( LC )2 . (1 − ω12 LC ) 2 + ω12 ( L R) 2

Aufgelöst nach ω1 ergibt sich:

ω1 =

1 ⋅ LC

1 L 2− CR 2

=

ωm 2

.

Auch hieraus folgt die Bedingung (7.205) für die Existenz eines Maximums.

118 c)

7. Wechselstromlehre Für die Spannung am Kondensator gilt nach der Spannungsteilerregel 1 1 + jω L R jω C = 2 1 jω LR LC + jω L R ω 1 − + jω C jω L + R

UC = Uq

UC 1 + (ω L R)2 . = Uq (1 − ω 2 LC)2 + (ω L R)2 Aus der Bedingung

d  UC   =0 dω  Uq  können Extremwerte dieser Funktion gefunden werden: sie hat ein Minimum an der Stelle ω11 = 0 und ein Maximum für

ωm = Mit ω 0 = 1

R L

1+ 2

L − 1. R 2C

LC lässt sich schreiben:

ω m = ω0

 . R 2C  L  1 + 2 2 − 1 L  RC 

(7.206)

Dieser Wert ωm bleibt für alle Fälle R, L, C positiv reell, es existiert also immer ein Resonanzmaximum der Funktion U C U q. Die folgende Überlegung bestätigt dies. U C U q nimmt den Wert l außer bei ω = 0 auch stets ein zweites Mal an: 2

U  1 + (ω1 L R ) 2 ,  C  = 1 = U (1 ω12 LC ) 2 ( ω1 L R ) 2 −  q (1 − ω12 LC ) 2 + (ω1 L R ) 2 = 1 + (ω 1 L R ) 2 1 − ω12 LC = ± 1 .

Diese Gleichung hat die Lösungen ω11 = 0 und

ω12 =

2 = ω0 2 . LC

(7.207)

Das bedeutet: Wenn das Produkt LC konstant gehalten und nur R verändert wird, so schneiden sich alle Kurven der Kurvenschar U C U q = f (ω ; R ) in dem gemeinsamen Punkt ω ω 0 = 2; U C U q = 1, was auch in Bild 7.108 zu erkennen ist.

Beispiel 7.25 Boucherot-Schaltung

Der Strom I R in der Schaltung 7.102d ist gesucht.

7.3 Resonanz in RLC-Schaltungen

119

Bild 7.108 Übertragungsfunktionen einer RLC-Gruppenschaltung.

Lösung: Nach der Stromteilerregel gilt

IR

1 1 jω C jω C = I = 1 1 R+ R+ jω C jω C

IR

1 Uq jω C = = R (1 − ω 2 LC ) + jω L  1  R jω L  R + + jω C  j ω C 

Uq R jω C jω L + 1 R+ jω C

Uq

Anmerkung: Speziell für ω = ω 0 = 1

IR

ω =1 LC

=

.

(7.208)

LC wird

Uq jω L ω =1

= LC

Uq j LC

,

d. h. wenn der Kondensator eines idealen (d. h. ungedämpften) und bei Resonanz betriebenen Reihenschwingkreises durch einen Parallelwiderstand belastet wird, so hängt der Strom im Belastungswiderstand nicht von dessen Größe R ab. Im Resonanzfall ist nämlich die Spannung am Kondensator des idealen Reihenschwingkreises unendlich groß. Diese Spannung bricht um so mehr zusammen, je kleiner der Parallelwiderstand R wird, wobei im Resonanzfall die Spannung am Widerstand dem Wert R genau proportional ist, was zu dem von R unabhängigen Wert des Stromes I R führt.

120

7.3.4

7. Wechselstromlehre

Kombinationen von Reihen- und Parallelschwingkreisen

Alle bisher behandelten Schwingkreise enthielten nur eine einzige Spule und einen einzigen Kondensator. Es handelte sich immer entweder um einen Parallelschwingkreis (mit einem Impedanzmaximum) oder um einen Reihenschwingkreis (mit einem Impedanzminimum). Schaltungen, wie sie die Bilder 7.108 und 7.110 zeigen, verbinden die Eigenschaften von Parallel- und Reihenschwingkreisen miteinander. Beispiel 7.26 Ortskurven eines Schwingquarzes

Für die Schaltung 7.109 (Ersatzschaltung eines Schwingquarzes mit der Halterungskapazität C1 ) sollen Ortskurven skizziert werden.

Bild 7.109 Ersatzschaltung eines Schwingquarzes. Lösung: Die Y-Ortskurve eines Reihenschwingkreises ist ein Kreis (vgl. Bild 7.71c); zu den einzelnen Werten Y 2 dieser Ortskurve kommt jeweils ein Wert jωC1 hinzu, siehe Bild 7.110a. Dadurch entsteht eine Ortskurve, die sich für niedrige Werte ω zunächst sehr dicht an den Y 2 - Kreis anschmiegt, sich aber schließlich ganz davon entfernt und der positiv-imaginären Halbachse asymptotisch annähert.

Diese Ortskurve unterscheidet sich auch dadurch von der Y -Ortskurve, dass sie die reelle Achse bei zwei Kreisfrequenzen schneidet: beim Wert ωrr (Reihenresonanz: in der Nähe von ωrr hat Y ein Maximum) und beim Wert ω rp (Parallelresonanz: in der Nähe von ω rp hat Y ein Minimum). Hierbei gilt ω 0 < ω rr < ω rp. Wählt man C1 größer als im Fall des Bildes 7.110a, so kommen Ortskurven zustande, die sich mit wachsender Kreisfrequenz ω schneller vom Y 2 - Kreis entfernen. Die beiden Schnittpunkte der Ortskurve mit der reellen Achse rücken immer dichter zusammen und fallen für einen bestimmten Wert von C1 schließlich aufeinander. Für noch größere Werte von C1 existiert überhaupt keine Phasenresonanz mehr (Bild 7.110b).

Beispiel 7.27 Phasenresonanzen einer Reihenschaltung aus Reihen- und Parallelschwingkreis

 L Gesucht sind Ortskurven Z = f ω;  für die in Bild 7.111 dargestellte Schaltung; R und L ⋅ C sollen konstant  C gehalten werden. Welche (Phasen-) Resonanzfrequenzen treten auf? Lösung: Der Reihen- und der Parallelschwingkreis haben beide die gleiche Resonanzkreisfrequenz ω 0 = 1 LC . In den Bildern 7.112a und b sind die Ortskurven des Reihen- und Parallelschwingkreises dargestellt, deren Werte Z r und Z p man für beliebige Frequenzen bestimmen und zu einer resultierenden Ortskurve zusammenfügen kann. Deren Verlauf hängt stark von der Größe L C ab. Für ω = ω0 ist Z = 2 R, und zwar für alle Parameter L C.

7.3 Resonanz in RLC-Schaltungen

121

Bild 7.110 Y-Ortskurven zu Bild 7.109.

Ist L C klein und erhöht man z. B. ω von ω 0 aus auf den Wert ωA, so wird auf der Z p - Ortskurve von ω 0 aus ein größeres Ortskurvenstück durchlaufen als auf der Zr -Ortskurve. Daher ergibt sich für einen kleinen Wert L C z. B. die Z-Ortskurve 1, die sich in der Nähe von ω 0 dem Z p - Kreis anschmiegt (Bild 7.112c). Ist dagegen L C groß und erhöht man z. B. ω von ω 0 aus auf ω B, so wird auf der Zr -Ortskurve von ω 0 aus ein größeres Ortskurvenstück durchlaufen als auf der Z p - Ortskurve. Daher erhält man für einen großen Wert L C z. B. die Z-Ortskurve 4.

Bild 7.111 Zusammengesetzter Schwingkreis.

122

7. Wechselstromlehre

Die Schaltung 7.111 hat die Impedanz

1  1  Z = R + jω L − + 1  ω C    G + j ωC − ω L   (G = 1 R ). Ihr Imaginärteil ist

Im( Z ) =

1   ω L − ω C  

 2 G + 

  1   −  ωC − ω L    . 2 1   G 2 +  ωC −  ωL   1   ωC − ω L  

2

Bild 7.112 Ortskurven eines zusammengesetzten Schwingkreises.

Phasenresonanz ergibt sich für Im( Z ) = 0, also wenn

1   ω L − ωC  

2  2  1   1 G +  ωC −   = ωC − ω ω L L    

wird. Hieraus folgt mit den Abkürzungen

ω 2 LC = x und a =

L CR2

als Bestimmungsgleichung für die Stellen x, bei denen Im( Z ) = 0 wird:

x3 − (4 − a) x2 + (4 − a) x − 1 = 0.

7.3 Resonanz in RLC-Schaltungen

123

Mit der zusätzlichen Abkürzung b = 4 − a erhält man

x3 − bx2 + bx − 1 = 0.

(7.209)

Diese kubische Gleichung ist leicht lösbar, da eine Lösung (nämlich ω 02 LC = 1, d. h. x0 = 1) schon bekannt ist. Es ist also zweckmäßig, die kubische Gleichung durch ( x − 1) zu dividieren:

( x3 − bx2 + bx − 1):( x − 1) = x2 + (1 − b) x + 1. Die Lösungen der quadratischen Gleichung

x2 + (1 − b) x + 1 = 0 sind

x1  3 − a ± = x2  2

a 2 3a 5 − + . 4 2 4

Für a > 1 werden x1 , x2 entweder negativ reell (a ≥ 5), imaginär (a = 3) oder komplex; für L (CR2 ) = a > 1 ergeben sich demnach keine reellen Lösungen ω . Für a = 1 wird x1 = x2 = 1, diese Lösungen fallen mit x0 = 1 zusammen. Im Bereich 1 > a  0 erhält man für x1 , x2 positive Wertepaare, also auch für ω1 , ω2 . So ergibt sich z. B. für

L 1 =a= CR2 2 das Wertepaar x1  5 = ± x2  4

9 5 3  2 = ± = 16 4 4 0, 5

2 ; LC

ω1 =

ω2 =

1 . 2 LC

Im Grenzfall a = L (CR2 ) = 0 wird

x1  1  = (3 ± 5). x2  2 Für den Realteil von Z gilt übrigens Re( Z ) =

R[(ω LG ) 2 + (ω 2 LC − 1) 2 ] + (ω L ) 2 G (ω LG ) 2 (ω 2 LC − 1) 2

=R

2(ω LG ) 2 + (ω 2 LC − 1) 2 2ax + ( x − 1) 2 =R . (ω LG ) 2 + (ω 2 LC − 1) 2 ax + ( x − 1) 2

Im Falle der Phasenresonanz ω 0 = 1

LC , x0 = 1 bestätigt diese Gleichung, dass

Z ω =ω = Re ( Z ) ω =ω = 2 R 0

0

wird, und zwar für alle Werte von a = L (CR2 ). Für a = 0, 5 und x = x1 = 2 wird

Z = Re(Z ) =

3 R; 2

dies ergibt sich auch für a = 0,5; x = x2 = 0,5. Das heißt, die Z-Ortskurve mit a = 0, 5 erreicht an den Stellen ω1 und ω2 den gleichen Wert: Kurve 2 in Bild 7.112c. Nimmt nun a noch größere Werte an und geht schließlich gegen 1, so fallen die beiden Lösungen ω1 und ω 2 mit ω0 zusammen: die Schleife hat sich vollständig zusammengeschnürt und ist zur Spitze geworden (Kurve 3). Für a > 1 entstehen dann beispielsweise die Kurven 4 und 5.

124

7. Wechselstromlehre

Beispiel 7.28 Reaktanzzweipol

a)

Gesucht sind die Resonanzfrequenzen der Parallelschaltung zweier idealer Reihenschwingkreise (Bild 7.113).

b) Da die ohmschen Verluste der beiden Schwingkreise gemäß Bild 7.113 vernachlässigt werden, wird die Impedanz Z (ω ) rein imaginär:

Z (ω ) = jX (ω ). Die Reaktanzfunktion X = f (ω ) ist zu skizzieren.

Bild 7.113 Reaktanzzweipol. Lösung: a) Die Schaltung hat die Eingangsimpedanz  1  1   jω L1 +   jω L2 +  C C2  ω ω j j Z1 Z 2 1   Z = = . Z1 + Z 2 1  1 1  + jω ( L1 + L2 ) +   jω  C1 C2 

(7.210)

Es wird Z = 0, wenn einer der beiden Faktoren im Zähler verschwindet, also für

ω r1 =

1 L1C1

1 ; L2C2

und ω r 2 =

(7.211a, b)

d. h. die Resonanzfrequenzen der beiden Reihenschwingkreise bleiben erhalten: wenn nur einer von ihnen kurzschließt, so ist die gesamte Schaltung kurzgeschlossen (Reihenresonanz). Wenn der Nenner in Gl. (7.210) verschwindet, so wird Z = ∞ ; die Schaltung verhält sich nun wie ein Parallelschwingkreis (Parallelresonanz):

1

ωp =

( L1 + L2 )

C1C2 C1 + C2

.

Mit den Abkürzungen

L = L1 + L2 für die Induktivität der Reihenschaltung beider Spulen und

C=

C1C2 C1 + C2

für die Kapazität der Reihenschaltung beider Kondensatoren wird

ωp =

1 . LC

(7.212)

7.3 Resonanz in RLC-Schaltungen

125

b) In Bild 7.114a werden die Reaktanzen

X1 = ω L1 −

1

ωC1

,

X 2 = ω L2 −

1

ωC2

Bild 7.114 Frequenzabhängigkeit der Blindwiderstände und -leitwerte einer Reaktanzschaltung.

126

7. Wechselstromlehre

der beiden Reihenschwingkreise dargestellt und in Bild 7.114b die Funktionen

B1 = −

1 , X1

B2 = −

1 , X2

B = B1 + B2 ,

vgl. Gln. (7.89b) und (7.108b). Dort wo der Betrag von X1 einen Pol hat, hat B1 eine Nullstelle; wo X1 eine Nullstelle hat, hat B1 einen Pol. In Bild 7.114c ist die Gesamtreaktanz X = − 1 B skizziert; auch hier ergeben sich aus den Polen von B(ω ) die Nullstellen von X (ω ) und umgekehrt. Für ω ≈ 0 verhält sich die Schaltung übrigens wie ein Kondensator mit der Kapazität C0 = C1 + C2 und für ω → ∞ wie eine Spule mit der Induktivität L0 = L1L2 ( L1 + L2 ). In Bild 7.115 wird Z = X = f (ω ) dargestellt. Von dieser Funktion ausgehend kann man auch den grundsätzlichen Verlauf der Funktion Z = f (ω ) bei Berücksichtigung ohmscher Verluste abschätzen (gestrichelte Kurve in Bild 7.115).

Bild 7.115 Impedanz Z einer Parallelschaltung zweier Reihenschwingkreise mit und ohne Berücksichtigung ohmscher Verluste.

Für den Sonderfall L1 = kL, C1 = C, L2 = L, C2 = kC würde ωr1 = ωr 2 = ωp = 1 kLC . Die Schaltung wirkt dann wie ein einfacher Reihenschwingkreis mit Resonanz bei ω p: Die Kurven für B1 (ω) und B2 (ω) in Bild 7.114b haben nun an der gleichen Stelle ihren Pol; daher hat auch B(ω) = B1 (ω) + B2 (ω) nur einen Pol und keine Nullstelle ω p.

Beispiel 7.29 Übertragungsfunktion eines Reaktanzvierpols (hier: Bandpass)

Die Übertragungsfunktion UA UE = f (Ω ) eines Reaktanzvierpols (Bild 7.116) soll berechnet und skizziert werden 2 2 (Frequenznormierung: Ω = LCω ).

Bild 7.116 Reaktanzvierpol.

7.3 Resonanz in RLC-Schaltungen

127

Lösung: Für die Ströme I 1 und I 3 gilt das Gleichungssystem

I1

I3

jω L +

1 jωC



1 jω C

UE



1 jω C

jω L +

2 jωC

0

mit der Lösung I3 =

UE , 2  jω L  1   2 jω C  ( jω L ) + 3 +   jω C  jω C   

(7.213)

vgl. Beispiel 2.27 in Band 1. Mit

U A = jω LI 3 wird dann

UA − ω 2 LC = 2 U E 1 − 3ω LC + (ω 2 LC ) 2 −Ω 2 UA = U E 1 − 3Ω 2 + Ω 4

=

(1 − Ω 2 )2 . 1 − 3Ω 2 + Ω 4

(7.214a, b)

Das Nennerpolynom hat die Wurzeln

Ω12  3  5 , = 2 Ω22  es ist also Ω 1 ≈ 0,618 und Ω 2 ≈ 1,618. Die Funktion U A U E hat an diesen Stellen Pole; den Funktionswert 0 nimmt sie nur für Ω = 0 und Ω = ∞ an, und für Ω ≈ 0 verhält sie sich in erster Näherung wie die Parabel − Ω 2 , hat dort also negative Werte und eine waagrechte Anfangstangente. Die Funktion muss im ganzen Bereich 0 < Ω < Ω 1 negativ bleiben, weil dort Nullstellen oder Pole nicht vorkommen. Damit ist der grundsätzliche Verlauf des Kurvenastes I (Bild 7.117) bekannt, und er kann ohne weitere Rechnung skizziert werden. Oberhalb von Ω 1 springt die Funktion in den Bereich positiver Werte U A U E , in dem sie bis zur Frequenz Ω 2 bleiben muss, weil zwischen Ω 1 und Ω 2 keine Nullstellen oder weiteren Pole vorkommen. Daraus folgt (ohne besondere Extremwertberechnung) zwangsläufig, dass U A U E im Bereich Ω 1 < Ω < Ω2 (mindestens) ein Minimum haben muss. Damit ist auch der Verlauf des Kurvenastes II bekannt. Da für Ω → ∞ die Funktion UA UE → 0 geht und oberhalb von Ω 2 ebenfalls keine Pole und Nullstellen mehr vorkommen, kann auch der Kurvenast III ohne Weiteres skizziert 2 2 werden. Die Darstellung (Gl. (7.214b)) zeigt, dass der Zähler (1 − Ω ) eine doppelte Nullstelle bei Ω = 1 hat: U A U E 2 2 hat also sein Minimum dort. Der Bruch mit dem Zähler (1 − Ω ) stellt übrigens die Übertragungsfunktion einer Bandsperre dar.

128

7. Wechselstromlehre

Bild 7.117 Übertragungsfunktion eines Reaktanzvierpols (Bandpass).

7.4

Die Leistung eingeschwungener Wechselströme und -spannungen

7.4.1

Leistung in Widerstand, Kondensator und Spule

Ein ohmscher Widerstand nimmt die Leistung

pR (t ) = uR (t ) ⋅ iR (t ) = RiR2 (t ) =

uR2 (t ) R

auf. Speziell für einen eingeschwungenen Sinusstrom wird damit

pR (t ) = RiˆR2 sin 2 (ω t + ϕ i ). Der arithmetische Mittelwert dieser pulsierenden Leistung, die mittlere Leistung PR , ergibt sich dann folgendermaßen (vgl. Abschnitt 7.1.7):

PR =

T ˆ2 T 1 ˆR2 sin 2 (ω t + ϕi )dt = RiR 1 [1 − cos 2(ω t + ϕi )] dt . Ri T 0 T 0 2

7.4 Die Leistung eingeschwungener Wechselströme und -spannungen

129

Die hierin vorgeschriebene Integration der Schwingung cos 2(ω t + ϕi ) über genau 2 Perioden trägt zum Wert des Integrals nichts bei, vgl. Bild 7.118. Daher wird

PR = R

iˆR2 = RI R2 2

(I R = Effektivwert des Stromes, vgl. Abschnitt 7.1.7.4).

Bild 7.118 Leistungsaufnahme im ohmschen Widerstand.

Ein Kondensator nimmt die Leistung

PC (t ) = uc (t ) ⋅ ic (t ) = uc (t ) ⋅ C

duc (t ) dt

auf. Speziell für eine eingeschwungene Sinusspannung gilt

pC (t ) = uˆc sin(ωt + ϕu ) ⋅ ωCuˆc cos(ωt + ϕu ). Mit

sin α cos α =

1 sin 2α 2

gilt

pC (t ) =

1 ωCuˆc2 sin 2(ωt + ϕu ), 2

die Leistung im Kondensator enthält also keinen Gleichanteil: der (arithmetische) Mittelwert der Kondensatorleistung ist Null, im Kondensator lösen sich Leistungsaufnahme und Leistungsabgabe ab (Bild 7.119). Das bedeutet: ein Strom und eine Spannung, die um π 2 gegeneinander verschoben sind, setzen im zeitlichen Mittel keine Leistung um. Eine Spule nimmt die Leistung

pL (t ) = iL (t )uL (t ) = iL (t ) ⋅ L

diL (t ) dt

130

7. Wechselstromlehre

Bild 7.119 Wechsel von Leistungsaufnahme und -abgabe beim Kondensator.

auf. Speziell für einen eingeschwungenen Sinusstrom gilt

pL (t ) = iˆL sin(ω t + ϕ i ) ⋅ ω LiˆL cos(ω t + ϕ i ) =

1 ω LiˆL2 sin 2(ω t + ϕ i ) , 2

Bild 7.120 Wechsel von Leistungsaufnahme und -abgabe bei der Spule.

auch in einer Spule schwingt also die Leistung sinusförmig und enthält keinen Gleichanteil; der Mittelwert der Spulenleistung ist Null, in der Spule lösen sich Leistungsaufnahme und -abgabe ab (Bild 7.120).

7.4.2

Wirk-, Blind- und Scheinleistung; Leistungsfaktor

An einer beliebigen Impedanz Z (Bild 7.121a) können wir den eingeschwungenen Zustand folgendermaßen beschreiben:

i(t ) = iˆ cos ω t ;

u (t ) = uˆ cos(ω t + ϕ ).

Bild 7.121 Zusammenhang zwischen Strom und Spannung bei der Impedanz Z .

7.4 Die Leistung eingeschwungener Wechselströme und -spannungen

131

Hierbei ist die Nullphase des Stromes gleich Null angenommen worden (d. h. im Zeitpunkt eines Strommaximums wird willkürlich t = 0 gesetzt); ϕ ist der Winkel, um den die Spannung gegenüber dem Strom voreilt. Die Impedanz Z nimmt folgende Leistung auf:

ˆ ˆ cos ω t (cos ω t cos ϕ − sin ω t sin ϕ ) p(t ) = u (t ) ⋅ i (t ) = ui ˆ ˆ cos ϕ ⋅ cos 2 ω t − ui ˆ ˆ sin ϕ cos ω t sin ω t = ui p(t ) =

ˆˆ ˆˆ ui ui cos ϕ (1 + cos 2ω t ) − sin ϕ ⋅ sin 2ω t . 2 2

(7.215)

In diese Darstellung lassen sich die im vorigen Abschnitt (7.4.1) beschriebenen Fälle ohne weiteres als Sonderfälle einordnen. Der erste Summand auf der rechten Seite der Gl. (7.215) ist in Bild 7.122a, der zweite in Bild 7.122b dargestellt. Die Schwingung in Bild 7.122a ergibt den zeitlichen Mittelwert

P=

ˆˆ ui cos ϕ = UI cos ϕ 2

(7.216a)

Bild 7.122 Zur Definition von Wirk- und Blindleistung in einer Impedanz.

den man auch als Wirkleistung bezeichnet. Als Wirkleistung bezeichnet man darüber hinaus auch den arithmetischen Mittelwert einer nichtsinusförmigen periodischen Leistung p (t ), vgl. Beispiel 7.30b. Die Schwingung in Bild 7.122b hat den Mittelwert Null, und man bezeichnet

Q=

ˆˆ ui sin ϕ = UI sin ϕ 2

(7.216b)

als Blindleistung. Sie ist als Amplitude der in Bild 7.122b dargestellten Leistungsschwingung ein Maß für die Leistung, die periodisch von Z aufgenommen und dann wieder abgegeben wird. Im Bereich − π 2  ϕ < 0 (d. h. Impedanz mit überwiegend kapazitiver Reaktanz) wird Q übrigens negativ. In den Gln. (7.216a, b) bezeichnen U und I die Effektivwerte sinusförmiger Schwingungen:

U = uˆ

2, I = iˆ

2;

132

7. Wechselstromlehre

vgl. Abschnitt 7.2.4 (Einheit der Wirkleistung: 1W; bei der Blindleistung schreibt man statt der Einheit Watt: 1 var [voltampere reactive]). Die Summe S = P + jQ = UI (cos ϕ + jsin ϕ ) = UIe jϕ

(7.216c)

bezeichnet man als komplexe Scheinleistung; den Betrag

S = P2 + Q2 = UI

(7.216d)

nennt man die (reelle) Scheinleistung (Einheit: 1 VA). Die von uns bisher festgestellte Analogie zwischen Gleich- und Wechselstromlehre erstreckt sich z. B. auf das Ohmsche Gesetz und die Kirchhoffschen Gleichungen:

R ⋅ I = U entspricht Z ⋅ I = U

 U = 0 entspricht  U = 0  I = 0 entspricht  I = 0.

Sie erstreckt sich aber nicht auf die Formeln zur Leistungsberechnung, wie die Gln. (7.216) zeigen. Insbesondere geht in die Berechnung der Wirkleistung der Leistungsfaktor cos ϕ mit ein, vgl. Gl. (7.216a); man bezeichnet cos ϕ auch als Wirkfaktor und sin ϕ als Blindfaktor. Mit

U = ZI kann man für P, Q und S auch schreiben:

P=

U2 cos ϕ = I 2 Z cos ϕ , Z

(7.217a)

Q=

U2 sin ϕ = I 2 Z sin ϕ , Z

(7.217b)

S=

U2 Z

= I 2 Z.

(7.218)

Die Zerlegung in Wirk- und Blindkomponente kann man auch auf Spannungen oder Ströme beziehen. Wenn man sich z. B. die Impedanz Z in Bild 7.121 als RL-Reihenschaltung vorstellt, dann setzt sich U aus dem mit I phasengleichen Anteil U w und dem senkrecht dazu stehenden Anteil U b zusammen (Bild 7.121b), und es gilt wegen

U w = U cos ϕ ;

U b = U sin ϕ

für P und Q:

P = IU w ;

Q = IU b . jϕ

jϕ In Bild 7.121b ist die Winkeldifferenz zwischen U = Ue u und I = Ie i :

ϕ = ϕ u − ϕi .

7.4 Die Leistung eingeschwungener Wechselströme und -spannungen

133

Daher gilt für die komplexe Scheinleistung auch

S = UIe jϕ = Ue jϕu ⋅ Ie− jϕi = U ⋅ I * S = P + jQ = U ⋅ I * .

(7.219)

Hieraus folgt

P = Re(U ⋅ I *) Q = Im(U ⋅ I *)

(7.220a, b)

und mit den Gln. (7.36f, g)

P=

1 1 (U ⋅ I * + U * ⋅ I ) Q = (U I * − U * I ) . 2j 2

Beispiel 7.30a Wirk- und Blindleistungen zweier parallelgeschalteter Generatoren

Für die Spannungen und Impedanzen der Schaltung in Bild 7.123a gelten folgende Zahlenwerte:

Uq1 = jUq2 = 70V Z1 = R1 + jX1 = (8 − j6)Ω ;

Z 2 = R2 + jX 2 = (6 − j8)Ω .

Gesucht sind die Wirk- und Blindleistungen in Z1 und Z 2 für a)

offenen Schalter S

b)

geschlossenen Schalter S.

Bild 7.123a Parallelschaltung zweier Generatoren mit den inneren Impedanzen Z1 und Z2.

Lösung: a) Bei offenem Schalter (Leerlauf an den Klemmen a, b) fließt im Generator 1 (U q1 , Z1 ) der Strom

I 1 = I 1L = mit dem Betrag

I1L = 5A.

U q1 − U q2 Z1 + Z 2

=

70 V + j70 V 1+ j = 5A 14 Ω − j14 Ω 1− j

(7.221a, b)

134

7. Wechselstromlehre

Dieser Strom fließt sowohl durch Z1 als auch Z2. Er bewirkt in dem in Z1 enthaltenen ohmschen Widerstand R1 = 8 Ω die Wirkleistung

P1L = R1I12L = 8 Ω(5A)2 = 200 W und im Widerstand R2 = 6 Ω die Wirkleistung

P2 L = R2 I12L = 6 Ω(5A)2 = 150 W. Außerdem entsteht in Z1 die Blindleistung

Q1L = X 1I12L = − 6 Ω(5A)2 = −150 var und in Z 2

Q2 L = X 2 I12L = − 8 Ω(5A)2 = − 200 var ; beide Blindleistungen sind kapazitiv (negatives Vorzeichen), was sich auch unmittelbar darin zeigt, dass die Imaginärteile der Impedanzen Z1 und Z 2 negativ sind. b) Ist der Schalter geschlossen, so wird

I 1 = I 1k =

U q1 Z1

=

70 V ; 2(4 − 3j) Ω

=

− j70 V ; 2(3 − 4j) Ω

70 V = 7A 2 ⋅ 5Ω

I 1k =

und

I 2 = I 2k =

U q2 Z2

I 2k =

70 V = 7 A. 2 ⋅ 5Ω

Die Wirkleistung in Z1 ist

P1k = R1I1k2 = 8 Ω(7 A)2 = 392 W und in Z 2 2 P2k = R2 I 2k = 6 Ω(7 A)2 = 294 W.

Die Blindleistung in Z1 ist

Q1k = X 1I1k2 = − 6 Ω(7 A)2 = − 294 var und in Z 2 2 Q2k = X 2 I 2k = − 8 Ω(7 A)2 = − 392 var .

Beispiel 7.30b Scheinleistung und Wirkleistung bei nichtsinusförmigem periodischen Stromverlauf; Verzerrungsblindleistung

An einem Zweipol liegt die Spannung u (t ) = uˆ sin ωt , er nimmt den in Bild 7.123b dargestellten Strom auf. Gesucht sind a) der Effektivwert I des Stromes i (t )

c) die vom Zweipol aufgenommene Scheinleistung S = U ⋅ I

b) der Effektivwert U der Spannung u(t )

d) die von ihm aufgenommene Wirkleistung P.

7.4 Die Leistung eingeschwungener Wechselströme und -spannungen

135

Bild 7.123b Sinusspannung und Rechteckstrom. Lösung: a) Der Strom i (t ) hat den Effektivwert 2π

1 i 2 dϕ = 2π 0

I =

1 ˆ2 4π ˆ 2 i ⋅ =i ≈ 25A. 2π 3 3

b) Die Spannung u(t ) hat den Effektivwert

U=

uˆ 311V = ≈ 220 V. 2 2

c) Wendet man die Definition (7.216d), die wir zunächst nur für sinusförmige Strom- und Spannungsverläufe eingeführt hatten, auch in diesem Fall an, so erhält man S = U ⋅ I ≈ 220 V ⋅ 25 A = 5500 VA.

d) Den arithmetischen Mittelwert der Leistung p(t ) = u(t ) ⋅ i(t ) bezeichnen wir als die Wirkleistung P: P=

1

π

π

ˆˆ iu

 iuˆ ˆ sin ϕ dϕ = π [ − cos ϕ ]π π π

3

/3

ˆˆ  iu π  1,5 ˆ 1,5 1 + cos  = 30, 6 A ⋅ 311V iuˆ = 3 π π  π P ≈ 4544 W. P=

Auch in diesem Fall ist also P < U I : die Wirkleistung P ist ebenso wie bei gegeneinander phasenverschobenen sinusförmigen Spannungen und Strömen kleiner als die Scheinleistung S. Auch hier lässt sich die Größe Q=

S 2 − P 2 = 3100 var

als eine Blindleistung auffassen; sie entsteht vor allem dadurch, dass der Strom eine andere Kurvenform als die Spannung hat (d. h. der Strom ist gegenüber der Spannung verzerrt: Verzerrungsblindleistung).

7.4.3

Blindleistungskompensation

Die in der Gleichstromlehre übliche Definition

η = PNutz PGesamt

(2.67)

für den Leistungswirkungsgrad kann man auch in der Wechselstromlehre weiterverwenden. Sie bleibt dann sinnvoll, wenn PNutz und PGesamt Wirkleistungen sind und Blindleistungen nicht in die Betrachtung mit einbezogen werden. Wenn auch die Definition (2.67) Blindleistungen nicht unmittelbar erfasst, so kann sich z. B. die Blindleistungsaufnahme eines Verbrauchers indirekt doch

136

7. Wechselstromlehre

auf den Wirkungsgrad auswirken. Als Beispiel hierzu betrachten wir die Schaltung in Bild 7.124. Ohne die Spule hätte die Schaltung mit dem Nutzwiderstand R den Wirkungsgrad

η1 =

R , R + Ri

vgl. Gl. (2.71). Die Spule parallel zum Widerstand R vergrößert den Strom I im inneren Widerstand Ri , so dass hier die Verlustleistung zunimmt; zugleich wird die Spannung U R an R kleiner, wodurch die Nutzleistung abnimmt: der Wirkungsgrad verschlechtert sich also durch die Spule, obwohl diese selbst nur Blindleistung aufnimmt.

Bild 7.124 Spannungsquelle mit Innenwiderstand und ohmsch-induktiver Last zur Berechnung des Wirkungsgrades.

Im Einzelnen gilt Folgendes: Die Verlustleistung in Ri ist

Pi = Ri I 2 = Ri ( I R2 + I L2 ) ,

(7.222)

die Nutzleistung in R ist

PN = RI R2 .

(7.223)

Für die Stromaufteilung auf die parallelgeschalteten Schaltungselemente R und L gilt

IL 1 ω L R , = = 1R ωL IR daher wird 2

 R  2 I L2 =   IR . ωL  Dies setzen wir in Gl. (7.222) ein und erhalten 2   R   Pi = Ri I R2 1 +   .  ω L   

(7.224)

7.4 Die Leistung eingeschwungener Wechselströme und -spannungen

137

Mit dieser Gleichung und Gl. (2.67) ergibt sich dann als Wirkungsgrad der Schaltung mit Spule

η2 =

η2 =

PN = PN + Pi

RI R2 2   R   RI R2 + Ri I R2 1 +     ω L   

R

 R  R + Ri + Ri   ωL 

2

.

(7.225)

Wenn z. B.

R = Ri = ω L ist, gilt

η1 =

1 1 und η2 = . 2 3

Zur Verbesserung des Wirkungsgrades kann man eine positive Blindleistung (Q > 0) in einem Verbraucher mit induktiver Komponente durch die negative Blindleistung (Q < 0) eines Kondensators kompensieren (Bild 7.125).

i

Bild 7.125 Kompensation der induktiven Blindleistung durch einen Kondensator.

Totale Blindleistungskompensation erreicht man in diesem Fall, indem man C so wählt, dass der entstehende Parallelschwingkreis in Resonanz gerät:

C=

1

ω2L

.

In diesem Fall hat die LC-Parallelschaltung die Impedanz Z = ∞, sie nimmt also keinen Strom auf, und es wird I = I R ; die gesamte Schaltung hat nun den Wirkungsgrad η 1. Vergleiche Beispiel 7.12.

138

7. Wechselstromlehre

7.4.4

Leistungsanpassung

Wenn die Impedanz Za eines Verbrauchers so gewählt wird, dass sie einer vorgegebenen Wechselspannungsquelle (mit der inneren Impedanz Z i , siehe Bild 7.126) die maximal mögliche Wirkleistung Pa entnimmt, so spricht man von Leistungsanpassung.

i

i

i

i

Bild 7.126 Verbraucher mit der Impedanz Z a als Belastung einer Quelle mit der inneren Impedanz Z i .

Für die Wirkleistung in Za gilt

Pa = Ra I 2 = Ra

Pa =

U q2 Za + Zi

2

=

RaU q2 2

( Ra + Ri ) + ( X a + X i )2

RaU q2 Ra + Ri + j( X a + X i )

2

.

(7.226)

Aus der Bedingung

∂Pa =0 ∂X a ergibt sich für die angepasste äußere Reaktanz:

X aA = − X i .

(7.227a)

Dass in diesem Fall Pa = f ( X a ) ein Maximum hat, ist auch leicht aus Gl. (7.226) unmittelbar zu erkennen. Die Bedingung (7.227a) bedeutet: die Reaktanzen von Z i und Za kompensieren sich (Resonanzfall). Aus der Bedingung

∂Pa =0 ∂Ra (für ein Maximum der Leistung in Abhängigkeit von Ra ) ergibt sich der angepasste äußere Widerstand RaA:

( Ra + Ri ) 2 + ( X a + X i ) 2 − Ra ⋅ 2( Ra + Ri ) [( Ra + Ri ) 2 + ( X a + X i ) 2 ]2 R

a

=0 = RaA

( RaA + Ri ) 2 + ( X a + X i )2 = 2 RaA ( RaA + Ri )

RaA = Ri2 + ( X a + X i )2 .

(7.228)

7.4 Die Leistung eingeschwungener Wechselströme und -spannungen

139

Speziell wenn die Reaktanz-Anpassungsbedingung X a = − X i erfüllt ist, wird hieraus

RaA = Ri .

(7.227b)

Die beiden Anpassungsbedingungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

RaA + jX aA = R i − jX i = Z *i Z aA = Z i* .

(7.229)

Völlige Anpassung der äußeren Impedanz an die innere erreicht man also, wenn Za den konjugiert komplexen Wert von Z i annimmt. Aus der Bedingung (7.228) kann man den optimalen äußeren Widerstand Ra auch für die Fälle berechnen, in denen X a ≠ − X i ist. Zum Beispiel wird für

Xa = 0

RaA = Ri2 + X i2 = Zi . Beispiel 7.31 Anpassung einer RC-Parallelschaltung an die innere Impedanz einer Quelle

Die Spannung U q und die innere Impedanz Zi = Ri + jω Li einer Wechselspannungsquelle sind gegeben (Bild 7.127). Die Kapazität C und der Widerstand R sollen so bestimmt werden, dass die Leistung in R möglichst groß wird.

i

i

Bild 7.127 RC-Parallelschaltung als Belastung einer Quelle mit der inneren Impedanz Ri + jω Li . Lösung: Aus der Anpassungsbedingung Z a = Z *i folgt auch

Y a = Y *i . Wenn zwei komplexe Größen übereinstimmen, so müssen auch ihre konjugiert komplexen Werte gleich sein: Y *a = Y i . Mit

Y *a =

1 − jωC ; R

Yi =

1 R i + jω L i

wird also

jω L i 1 1 Ri − jω C = = − R R i + jω Li R i2 + (ω Li )2 R i2 + (ω Li )2 und damit

R=

Ri2 + (ω Li )2 Ri

;

C=

Li Ri2 + (ω Li )2

.

140

7. Wechselstromlehre

7.5

Der Transformator im eingeschwungenen Zustand

7.5.1

Die Transformatorgleichungen

In Abschnitt 6.3.2 (Band 1) wird die induktive Wechselwirkung beschrieben, die benachbarte Leiterschleifen aufeinander ausüben. Eine besonders starke magnetische Kopplung ergibt sich zwischen Spulen, die auf einen gemeinsamen Eisenkern gewickelt sind (Bild 7.128a); sie bilden einen Transformator (Übertrager), dessen Primärseite (Klemmen 1,1') galvanisch von der Sekundärseite (Klemmen 2,2') getrennt ist. Ein Transformator kann eine an die Primärklemmen angelegte Wechselspannung (primäre Wechselspannung) in eine sekundäre Wechselspannung größerer oder kleinerer Amplitude übersetzen (transformieren); ebenfalls kann er den Strom übersetzen und als Impedanzwandler wirken. In Bild 7.128a ist als Beispiel ein Eisenkern dargestellt, dessen Primärwicklung vier und dessen Sekundärwicklung zwei Windungen hat. Das Schaltbild eines solchen Transformators zeigt Bild 7.128b.

Bild 7.128 Transformator.

Bild 7.129 Transformator-Schaltsymbole.

Ob Spulen gleich- oder gegensinnig gekoppelt sind, wird im Schaltbild durch zwei Punkte gekennzeichnet, so wie es die Bilder 7.129a und b zeigen. (Wenn bei beiden Spulen der Strom, der in die Klemme mit dem Punkt eintritt, positiv ist, so haben deren Beiträge zum Hauptfluss die gleiche Richtung.) Betrachtet man statt der beiden einfachen Leiterschleifen in Bild 6.14 (Band I) zwei Spulen mit

7.5 Der Transformator im eingeschwungenen Zustand

141

N 1 bzw. N 2 Windungen, so ergibt sich aus den Gln. (6.17) nun das Gleichungspaar − u1 + i1 R1 = − N1 − u2 + i2 R2 = − N 2

dΦ1 dt dΦ 2 dt

für die beiden Maschen der Schaltung 7.128b, wobei Φ1 der mit der Wicklung 1 und Φ 2 der mit der Wicklung 2 verkettete Fluss ist. Diese Flüsse sind den Strömen i1 und i2 proportional:

N1Φ1 = L1i1 + Mi2 ;

N 2Φ 2 = L2 i2 + Mi1 .

Dies entspricht der Darstellung in den Gln. (6.18) bis (6.23), und es ergeben sich daraus die Gln. (6.24) für die symmetrische Bepfeilung:

di1 di −M 2 dt dt di2 di − u2 + i2 R2 = − L2 −M 1 . dt dt − u1 + i1 R1 = − L1

Wenn an den Primärklemmen 1,1' eine Spannungsquelle (u1 ), an den Sekundärklemmen dagegen ein Verbraucher ( Rv ) liegt, so ist es zweckmäßig, den Zählpfeil für i2 umgekehrt wie in Bild 7.128b festzusetzen: Bild 7.130 (Kettenbepfeilung). Die beiden Transformatorgleichungen nehmen nun folgende Form an:

di1 di −M 2 dt dt di2 di − u2 = R2 i2 + L2 −M 1 . dt dt u 1 = R1i1 + L1

(7.230a) (7.230b)

Hieraus folgt im Fall eingeschwungener Ströme und Spannungen für die komplexen Effektivwerte (vgl. Abschnitt 7.2.2.3):

U1 = R1 I 1 + jω L1 I 1 − jω MI 2

(7.231a)

− U 2 = R2 I 2 + jω L2 I 2 − jω MI 1 ;

(7.231b)

vgl. Bild 7.131. [Die Punkte an den Wicklungen in den Bildern 7.132 und 7.133 bedeuten: die Wicklungen sind gleichsinnig, und in den Trafogleichungen (7.230), (7.231) ist M > 0. Diese Gleichungen bleiben völlig unverändert, wenn man gegensinnige Wicklungen voraussetzt (wenn sich also die Punkte diagonal gegenüberliegen); in diesem Fall gilt für die Gegeninduktivität in den Gleichungspaaren (7.230), (7.231): M < 0.]

v

Bild 7.130 Transformator mit unsymmetrischen Stromzählpfeilen (für die Momentanwerte).

142

7. Wechselstromlehre

v

Bild 7.131 Transformator mit unsymmetrischen Stromzählpfeilen (für die komplexen Effektivwerte).

7.5.2

Der verlustlose Transformator

Wendet man die Transformatorgleichungen (7.231) auf einen verlustlosen Transformator an (verlustlos: die Verluste in den Wicklungswiderständen und mögliche andere Wirkleistungsverluste werden vernachlässigt), so ergibt sich nun wegen

R1 = R2 = 0

(7.232)

das Gleichungspaar

U1 = jω L1 I 1 − jω MI 2

(7.233a)

U 2 = jω MI 1 − jω L2 I 2 .

(7.233b)

Setzt man in der unteren Gleichung

U2 = Zv I 2

(7.234)

(vgl. Bild 7.131), so entsteht

Z v I 2 = jω MI 1 − jω L2 I 2 I2 =

jω M I1. Z v + jω L2

(7.235)

Das Verhältnis des Sekundärstromes zum Primärstrom ist also beim verlustlosen Transformator I2 I1

=

jω M . Z v + jω L2

Dividiert man Gl. (7.233a) durch Gl. (7.233b), so erhält man

jω L1 I 1 − jω MI 2 U1 = U2 jω MI 1 − jω L2 I 2 und mit Gl. (7.236)

U1 = U2

jω L1 − jω M −

( jω M ) 2 jω L1 ( Z v + jω L2 ) − ( jω M ) 2 Z v + jω L2 . = ( jω ) 2 L 2 M jω M ( Z v + jω L2 ) − ( jω )2 L2 M Z v + jω L2

(7.236)

7.5 Der Transformator im eingeschwungenen Zustand

143

Das Verhältnis der Sekundär- zur Primärspannung ist beim verlustlosen Transformator demnach

jω MZ v jω MZ v U2 = . = jω L1 Z v − ω 2 ( L1 L2 − M 2 ) U1 jω L1Z v + (ω M )2 − ω 2 L1 L2

(7.237)

Mit der Abkürzung (vgl. Gl. (7.249)) σ = 1 − M 2 ( L1 L2 ) wird hieraus

jω MZ v U2 = . U1 jω L1 Z v − ω 2σ L1 L2

7.5.3

Der verlust- und streuungsfreie Transformator; Impedanzwandlung

Wenn der gesamte Fluss Φ1 der Wicklung 1 mit der ganzen Wicklung 2 (vgl. Bild 7.128b) verkettet ist, so gilt für diese streuungsfrei gekoppelten Wicklungen:

Φ1 = Φ 2 = Φ = Φ11 + Φ12 = Φ 21 + Φ 22 ,

(7.238)

vgl. Gln. (6.20) und (6.21) in Band 1. Hierbei bezeichnet Φ11 den Flussanteil, der in der Wicklung 1 vom Strom i1 erzeugt wird; und Φ12 ist der Flussanteil, der in der Wicklung 1 vom Strom i2 erzeugt wird (1. Index: Entstehungsort; 2. Index: Ursache). Φ 21 ist der vom Strom i1 in der Wicklung 2 hervorgerufene Flussanteil; Φ 22 ist der Flussanteil, der von i2 in der Wicklung 2 hervorgerufen wird. Die einzelnen Flussanteile kann man gemäß der Induktivitäts-Definition

NΦ = Li durch die verursachenden Ströme und die Selbstinduktivitäten L1 und L2 sowie die Gegeninduktivität M ausdrücken. Damit ergibt sich aus Gl. (7.238):

L1 L M M i1 + i2 = i1 + 2 i2 . N1 N1 N2 N2 Die Koeffizienten von i1 und i2 müssen auf beiden Gleichungsseiten übereinstimmen, weil die Gleichung für beliebige Werte von i1 und i2 gilt; daher wird

L1 N1

=

M , N2

M =

N2 L1 N1

=

M , N1

M =

N1 L2 . N2

und

L2 N2

Daraus folgt, dass im streuungsfreien Transformator

L1 N12 = = ü2 L2 N22

(ü = Windungszahlverhältnis)

(7.239a)

144

7. Wechselstromlehre

wird (was aber auch in einem Transformator mit Streuung gilt, falls die primär- und die sekundärseitige Durchflutung auf den gleichen magnetischen Leitwert Λ wirkt) und außerdem

M 2 = L1 L2

(7.239b)

ist. Setzt man diese beiden Ergebnisse in die Gl. (7.236) ein, so folgt daraus

I2 I1

=

jω L1 L2 Z v + jω L 2

L1 jω L2 . ⋅ L2 Z v + jω L2

=

Das Verhältnis des Sekundärstromes zum Primärstrom ist also beim verlust- und streuungsfreien Transformator

I2 I1

=

N1 jω L2 . ⋅ N 2 Z v + jω L2

(7.240)

Setzt man die Beziehungen (7.239a, b) in Gl. (7.237) ein, so wird mit Z v ≠ 0

jω MZ v M U2 = = = U1 jω L1 Z v L1

L1 L2 L1

=

L2 . L1

(7.241)

Das Verhältnis der Sekundär- zur Primärspannung ist beim verlust- und streuungsfreien Transformator demnach

1 U 2 N2 = . = ü U1 N1

(7.242)

Eliminiert man in Gl. (7.233a) I 2 mit Hilfe von Gl. (7.235), so erhält man

( jω ) 2 L1 L2 + jω L1 Z v − ( jω ) M 2 ( jω M ) U1 = jω L1 − = . I1 Z v + jω L2 Z v + jω L2 2

2

Im verlust- und streuungsfreien Transformator wird daher wegen M 2 = L1 L2

jω L1 Z v U1 = = I1 jω L2 + Z v

L1 L2 , L jω L1 + Z v 1 L2 jω L1 ⋅ Z v

und mit L1 L2 = ü 2 kann man die Eingangsadmittanz Y 1 = I 1 U1 des verlust- und streuungsfreien Transformators folgendermaßen darstellen:

Y1 =

Y1 =

I1 U1

=

jω L1 + ü 2 Z v jω L1 ⋅ ü 2 Z v

1 1 . + 2 jω L1 ü Z v

(7.243)

7.5 Der Transformator im eingeschwungenen Zustand

145

An den Primärklemmen 1,1′ findet man also eine Admittanz vor, die aus der Summe zweier Teiladmittanzen besteht. Das heißt: Y 1 kann als Parallelschaltung dieser beiden Teiladmittanzen aufgefasst werden: Bild 7.132. Da die Eingangsadmittanz nicht einfach den Summanden 1 Z v , sondern 1 (ü 2 Z v ) enthält, sagt 2 man: der Wert Z v wird mit ü transformiert. Man spricht daher auch von Impedanzwandlung oder Impedanztransformation; siehe auch Beispiel 7.32 (Anpassungsübertrager).

v

v

v

v

v v

Bild 7.132 Impedanzwandlung im verlust- und streuungsfreien Transformator.

7.5.4

Der ideale Transformator

Man kann mit den Vernachlässigungen noch weiter gehen als beim verlust- und streuungsfreien Transformator und voraussetzen, dass die Induktivität L1 in Schaltung 7.134b unendlich groß wird, also einfach in der Parallelschaltung weggelassen werden darf. Einen verlust- und streuungsfreien Transformator, bei dem L1 und damit auch L2 und M als unendlich groß angesehen werden, nennt man ideal. Für die Spannungsübersetzung des idealen Übertragers gilt weiterhin Gl. (7.242):

U 2 N2 1 = = . U1 N1 ü

(7.242)

Für seine Stromübersetzung ergibt sich wegen Gl. (7.240) und mit endlichem Z v

I2 I1 I2 I1

= lim

L2 →∞

=

jω L2 N1 ⋅ N2 Z v + jω L2

N1 = ü. N2

(7.244)

Die Eingangsadmittanz reduziert sich, wie oben erwähnt, auf den Wert

Ye =

1 ; ü Zv 2

die Eingangsimpedanz wird

Ze = ü 2 Z v ,

(7.245)

146

7. Wechselstromlehre 2

das heißt der ideale Übertrager transformiert die Ausgangsimpedanz mit ü auf die Primärseite, und die Zweipolersatzschaltung von Bild 7.132b reduziert sich auf die in Bild 7.133b dargestellte Schaltung.

v

v

Bild 7.133 Impedanzwandlung im idealen Übertrager.

Diese Schaltung zeigt, dass die gesamte Eingangsleistung vollständig an die Ausgangsimpedanz Z v weitergegeben wird. Der ideale Übertrager ist also ein Vierpol (Schaltung mit vier Anschlussklemmen), der selbst weder Blind- noch Wirkleistung aufnimmt und lediglich Ströme, Spannungen und Impedanzen transformiert. Sein Schaltsymbol ist in Bild 7.133a dargestellt.

Bild 7.134 Zur Berechnung eines Anpassungsübertragers.

Beispiel 7.32 Anpassungsübertrager

Eine Spannungsquelle hat die innere Impedanz Zi = Ri + jω Li. Ein Verbraucher mit dem ohmschen Widerstand R2 = 400 Ri soll eine möglichst große Leistung aufnehmen. Dies kann durch die Schaltung erreicht werden, die in Bild 7.134a dargestellt ist. Welchen Wert muss das Übersetzungsverhältnis ü = N1 N2 des idealen Übertragers haben? Wie groß muss C werden? Lösung: Die Quelle gibt an ihrem Klemmenpaar 1,1′ die maximale Leistung ab, wenn Z i = ü 2 Z a* ist (vgl. Abschnitt 7.4.4):

ü 2 R2 = Ri

ü=

Ri 1 = R2 20

und ü 2 X C + X L = 0,

ü2 = ω L, ωC

C=

ü2 ω 2 Li .

7.5 Der Transformator im eingeschwungenen Zustand

147

(Hiernach wäre die Lösung N1 = 1, N2 = 20 ebenso brauchbar wie z. B. die Lösung N1 = 10, N2 = 200. Bei der Berechnung ist jedoch ein idealer Übertrager ( L1 → ∞) vorausgesetzt worden. Die Forderung L1 → ∞ wird natürlich umso besser erfüllt, je größer die Windungszahlen N1 , N 2 sind: d. h. N1 = 10, N2 = 200 wäre die bessere Lösung. Näheres hierzu findet man in Abschnitt 7.5.9.)

7.5.5

Vierpolersatzschaltungen des eisenfreien Transformators

Alle Vierpole (vgl. Bild 7.135a), deren Klemmenverhalten durch die Transformatorgleichungen (7.231a, b) beschrieben wird, verhalten sich nach außen hin (d. h. an ihren Klemmen 1,1', 2,2') wie der Transformator und können daher als Transformator-Ersatzschaltungen verwendet werden.

Bild 7.135 Vierpolersatzschaltungen des Transformators.

Zu einer solchen Ersatzschaltung kommt man leicht durch geeignete Umformung der Gln. (7.231a, b), entsprechend dem Übergang von den Gln. (6.24) zu den Gln. (6.25). Mit den hier gewählten Zählrichtungen und nach dem Übergang zu komplexen Effektivwerten entsteht

U1 = R1 I 1 + jω ( L1 − M ) I 1 + jω M ( I 1 − I 2 )

(7.246a)

− U 2 = R2 I 2 + jω ( L2 − M ) I 2 − jω M ( I 1 − I 2 ).

(7.246b)

Dieses Gleichungssystem beschreibt die elektrischen Zusammenhänge der Schaltung 7.135b. Die drei Spulen mit den Induktivitäten L1 − M , L2 − M und M sind hierbei nicht magnetisch (induktiv) gekoppelt. Ein Vorteil der Ersatzschaltung ist also, dass eine Schaltung aus drei ungekoppelten Spulen (gegeninduktivitätsfreie Schaltung) eine Schaltung zweier induktiv gekoppelter Spulen ersetzt. Originale Schaltung (Bild 7.131) und Ersatzschaltung (Bild 7.135b) stimmen nach außen hin (d. h. in bezug auf die Zusammenhänge zwischen U1 , I 1 , U 2 , I 2 ) überein, nicht dagegen im Innern (so fließt z. B. in der Ersatzschaltung ein Strom von der Größe I 1 − I 2 ; ein solcher Strom tritt in der ursprünglichen Schaltung nirgendwo auf). Im übrigen ist die Ersatzschaltung in vielen Fällen nicht frequenzunabhängig realisierbar. Zum Beispiel tritt für L1 = 100 mH, L2 = 1mH, M = 5mH in der Ersatzschaltung eine negative Induktivität auf:

L2 − M = − 4 mH.

Beliebig viele Ersatzschaltungsmöglichkeiten ergeben sich, wenn man das Gl.-System (7.231a, b) in etwas komplizierterer Weise umformt. Vom Summanden jω L1 I 1 in Gl. (7.231a) subtrahiert man nun den Wert jω v MI 1 (statt einfach jω MI 1), den man dafür zum Summanden − jω MI 2 wieder hinzufügt; so entsteht die nachfolgende Gl. (7.247a). Die Gl. (7.247b) geht durch

148

7. Wechselstromlehre

ähnliche Umformungen aus Gl. (7.231b) hervor, nur dass hierbei zuvor die ganze Gl. (7.231b) mit v multipliziert wird:

U1 = R1 I 1 + jω ( L1 − v M ) I 1 + jω v M ( I 1 − I 2 v )

− vU 2 = v 2 R2

I2 v

+ jω (v 2 L2 − vM )

I2 v

− jωv M ( I 1 − I 2 v ).

(7.247a) (7.247b)

Die Größe v kann beliebige Werte annehmen. Speziell für υ = 1 ergeben sich die Gln. (7.246a, b). Naheliegend ist es auch, v = L1 L2 zu setzen. Die Gln. (7.247a, b) stimmen einerseits mit den Transformatorgleichungen (7.231a, b) überein, stellen andererseits aber auch die beiden Spannungsgleichungen für eine T-Schaltung mit 3 magnetisch nicht gekoppelten Spulen und einem idealen Ausgangsübertrager dar, siehe Bild 7.136 (vergl. hierzu auch Beispiel 7.36).

Bild 7.136 Transformatorersatzschaltung mit idealem Übertrager.

In dieser Ersatzschaltung erscheint ein realer Transformator wie folgt zerlegt: im linken Schaltungsteil werden die Abweichungen des Transformators vom Idealverhalten zusammengefasst: die Wicklungswiderstände R1 und v 2 R2 , die Streuinduktivitäten ( L1 − v M ) und (v 2 L2 − v M ) und die endliche Querinduktivität (Hauptinduktivität) v M ; der rechte Schaltungsteil übersetzt dann Ströme und Spannungen ideal. Falls ein Transformator sich fast ideal verhält, gelten auch die Gln. (7.242) und (7.244) für Spannungs- und Stromübersetzung nahezu. Dann liegt es nahe, im Ersatzschaltbild eines solchen Transformators v ≈ ü oder kurzerhand v = L1 L2 zu setzen. Nur wenn M L2  v  L1 M ist, tritt keine negative Streuinduktivität in der Ersatzschaltung auf. Mit v = L1 L2 ergibt sich die Ersatzschaltung, die in Bild 7.137 gezeigt wird. Der in ihr enthaltene ideale Übertrager hat nun das Übersetzungsverhältnis, das auch dann entstünde, wenn Primärwicklung ( L1 ) und Sekundärwicklung ( L2 ) tatsächlich einen idealen Übertrager bildeten.

Bild 7.137 Transformatorersatzschaltung mit symmetrischer T-Schaltung.

7.5 Der Transformator im eingeschwungenen Zustand

149

Die drei Induktivitäten in Bild 7.137 können übrigens mit Hilfe der Definition des Kopplungsfaktors

k=

M (7.248)

L1 L2

übersichtlicher dargestellt werden. Da M nur im Idealfall totaler Kopplung (d. h. fehlender Streuung) den Wert M = L1 L2 erreicht, sonst aber immer kleiner bleibt, ist beim realen Transformator

0 < k < 1; k ist um so kleiner, je weniger die Primär- und die Sekundärspule miteinander magnetisch gekoppelt sind. Außerdem definiert man noch den Ausdruck M2 = 1 − k2 L1 L2

σ =1−

(7.249)

als Streufaktor und kann auch schreiben

k = 1−σ . Mit diesen Definitionen ergibt sich nun für die beiden Längsinduktivitäten (Streuinduktivitäten) in Bild 7.137

L1 − M

L1 = L1 (1 − k ) , L2

wobei auch deutlich wird, dass diese Werte immer positiv sind. Die Hauptinduktivität ist

M

L1 = kL1 . L2

Da v frei wählbar ist, kann diese Größe z. B. auch so bestimmt werden, dass die linke Längsinduktivität (primäre Streuinduktivität) L1 − v M in der Ersatzschaltung 7.138 verschwindet :

L1 − v M = 0

v=

L1 . M

(7.250)

Wählt man einen größeren Wert v , so wird die primäre Streuinduktivität negativ. Für v = L1 M wird die sekundäre Streuinduktivität

v 2 L2 − v M =

L12 σ LL  L − L1 = L1  1 22 − 1 = L1 , 2 2 M M  1−σ

und die Hauptinduktivität

vM =

L1 M = L1 , M

150

7. Wechselstromlehre

Bild 7.138 Transformatorersatzschaltung ohne primäre Streuinduktivität.

siehe Bild 7.138. Die Größe v kann auch so gewählt werden, dass die sekundäre Streuinduktivität in Bild 7.136 verschwindet:

v 2 L2 − v M = 0 v=

M . L2

(7.251)

Wählt man einen kleineren Wert v , so wird die sekundäre Streuinduktivität negativ. Für die primäre Streuinduktivität gilt mit v = M L2

L1 − v M = L1 −

 M M2  M = L1 1 −  = σ L1 L2 L1 L2  

und für die Hauptinduktivität

vM =

M2 = L1 (1 − σ ) , L2

siehe Bild 7.139. Die drei dargestellten Ersatzschaltungen (Bilder 7.137 bis 7.139) gehen im Grenzfall idealer Kopplung ( k = 1) in das Ersatzschaltbild 7.140 über.

Bild 7.139 Transformatorersatzschaltung ohne sekundäre Streuinduktivität.

Bild 7.140 Ersatzschaltung eines streuungsfreien Transformators mit Verlusten.

7.5 Der Transformator im eingeschwungenen Zustand

7.5.6

151

Zweipolersatzschaltungen des eisenfreien Transformators

Oft interessiert man sich nur für die Eingangsgrößen (z. B. Eingangswiderstand, Eingangsstrom) eines beliebig belasteten Transformators. In solchen Fällen genügt ein Ersatzbild, in dem die tatsächlichen Werte I 2 , U 2 gar nicht vorkommen: man ersetzt den mit der Verbraucherimpedanz Z V belasteten idealen Übertrager dann in der Vierpolersatzschaltung einfach durch die transformierte Impedanz v 2 Z V. Für die symmetrische Ersatzschaltung (Bild 7.137) führt das zu der Zweipolersatzschaltung in Bild 7.141.

V

Bild 7.141 Zweipolersatzschaltung eines Transformators.

7.5.7

Hysterese- und Wirbelstromverluste im Eisentransformator

Bei der Beschreibung des Transformators und der Herleitung der Ersatzschaltungen sind wir von den Gln. (7.231a, b) ausgegangen. Diese Gleichungen gelten aber nur, wenn die Induktivitäten L1 , L2 , M konstant sind (Linearitätsbedingung), vernachlässigen also die Nichtlinearität der Funktion Φ = f (i) im Eisen und erst recht die Hysterese, die Ummagnetisierungsverluste verursacht (vgl. Abschnitt 6.2.2). Außerdem induziert das magnetische Wechselfeld im Eisenkern Wechselspannungen, und so entstehen Wirbelströme, die sich über die Querschnittsfläche der Trafobleche räumlich verteilen und dadurch Wirbelstromverluste bewirken (vgl. auch Abschnitt 10.3). Die Ummagnetisierungsverluste (Hystereseverluste) PH sind frequenzabhängig: sie werden um so größer, je öfter die Hystereseschleife in der Zeiteinheit durchlaufen wird, wachsen also frequenzproportional:

PH  f ,

PH  ω .

Ebenfalls frequenzproportional sind die Amplituden der Wirbelströme; deren Leistung Pw wächst (gemäß Beispiel 10.1) mit dem Quadrat der Frequenz:

PW  f 2 ,

PW  ω 2 .

Die Summe der bei den Induktionsvorgängen im Eisenkern entstehenden Verluste bezeichnen wir als die Eisenverluste

PE = PH + PW .

(2.252)

152

7. Wechselstromlehre

Bild 7.142 Berücksichtigung der Eisenverluste in einer Transformator-Vierpolersatzschaltung.

V

Bild 7.143 Berücksichtigung der Eisenverluste in einer Zweipolersatzdarstellung des Transformators.

In den Transformatorgleichungen (7.231) sind sie unberücksichtigt geblieben und daher auch in den aus ihnen hergeleiteten Ersatzschaltbildern. Die Eisenverluste können berücksichtigt werden, indem man in einem der Ersatzschaltbilder (Bild 7.137) parallel zur Hauptinduktivität einen ohmschen Widerstand RE einfügt (Bild 7.142), dessen Größe von der Kreisfrequenz ω und wegen der Nichtlinearität der Magnetisierungskennlinie von den Amplituden iˆ1 und iˆ2 der beiden Wicklungsströme abhängt. Die zugehörige Zweipolersatzschaltung (auf die Primärseite bezogene Ersatzschaltung) ist in Bild 7.143 dargestellt. Hierbei weist der Strich an den Größen X h′ , RE′ , X σ′ 2 , R2′ , Z V′ darauf hin, dass sie auf die Primärseite bezogen sind:

X σ′ 2 ≈ X σ 1 = ω (1 − k ) L1 ; X h′ = kL1 L1 L R2 ; Z v′ = 1 Z v . L2 L2 Für typische Leistungstransformatoren ergeben sich bei Nennbelastung aus der Ersatzschaltung (Bild 7.143) Zeigerdiagramme wie das in Bild 7.144 dargestellte (hierbei wurde vorausgesetzt, dass Z v schwach induktiv ist). R2′ =

Die Hypothenuse des schraffierten Dreiecks (Kappsches Dreieck) ist hierbei annähernd die Spannung, die bei sekundärem Kurzschluss ( Z v = 0) aufgebracht werden muss, damit auf der Primärseite der Nennstrom fließt. Beispiel 7.33 Ermittlung eines Ersatzschaltbildes für einen Einphasen-Leistungstransformator aus Leerlauf- und Kurzschlussmessung

Auf dem Leistungsschild eines 50 Hz-Einphasentransformators sind folgende Werte angegeben:

7.5 Der Transformator im eingeschwungenen Zustand U1N = 2 kV

(primäre Nennspannung)

U 2 N = 220 V

(sekundäre Nennspannung)

SN

153

= 20 kVA (Nennscheinleistung).

Bild 7.144 Zeigerdiagramm eines Leistungstransformators bei Nennlast.

Der primäre Nennstrom ist also

I1N =

SN 20kVA = = 10A . U1N 2kV

Beim Leerlaufversuch werden mit einem Leistungsmessgerät die Wirkleistung P11 und mit einem Strommessgerät der Strom I11 gemessen, die an den Primärklemmen aufgenommen werden, wenn die primäre Nennspannung anliegt und die Sekundärklemmen leer laufen (Bild 7.145a). Hierbei werden folgende Werte gemessen:

I11 = 1A; P11 = 200W.

Bild 7.145a Zum Leerlaufversuch beim Transformator.

Beim Kurzschlussversuch (Bild 7.145b) werden die Sekundärklemmen kurzgeschlossen, und die Primärspannung U1 wird so eingestellt, dass der Primärstrom gerade seinen Nennwert erreicht: I1k = I1N = 10A. Auch hierbei wird die Wirkleistung gemessen, die der Transformator an seinen Primärklemmen aufnimmt: P1k = 300W. Die Primärspannung hat bei diesem Kurzschlussversuch den Wert U1k = 120V = 0,06 ⋅ U1N . Die Primär- und die Sekundärwicklung des Transformators haben das gleiche Volumen. Die Induktivitäten und Widerstände der Ersatzschaltung sollen näherungsweise berechnet werden. Wie groß ist der Wirkungsgrad bei Nennbelastung?

154

7. Wechselstromlehre

Bild 7.145b Zum Kurzschlussversuch beim Transformator. Lösung: Bei einem Leistungstransformator können wir wegen der geringen Streuung und der geringen Kupferverluste in den Wicklungswiderständen R1 und R2 davon ausgehen, dass die folgenden Beziehungen gelten:

U L1 N ≈ 1 = ü ≈ 1N = 9,1 L2 N2 U 2N

R1  RE′ , R2′  RE′ , Lσ  M ′. Im Übrigen ist wegen der gleich großen Spulenvolumina auf Primär- und Sekundärseite

R1 ≈ R′2 . Beim vorliegenden Transformator ist die sekundäre Windungszahl N2 kleiner als die primäre:

N2 ≈

U N2 220 N1 = N1 = 0,11 N1 . 2000 U N1

Der Spulendraht der Primärspule muss also 9,1 mal so lang sein wie in der Sekundärspule (l1 = 9,1l2 ). Die Sekundärspule kann nur dann das gleiche Volumen wie die Primärspule füllen, wenn ihr Drahtquerschnitt 9,1 mal größer ist als der der Primärspule ( A2 = 9,1 A1 ). Damit gilt

R2 ≈ cu

l2 l R R ≈ cu 12 ≈ 12 ≈ 21 , A2 ü 9,1 A1 9,1

und es wird

R2′ ≈ R2ü 2 ≈ R1 , d. h. der auf die Primärseite bezogene sekundäre Wicklungswiderstand stimmt mit dem primären Wicklungswiderstand nahezu überein. Bei Leerlauf gilt (vgl. Bild 7.145a) wegen RE′  R1

P11 ≈

U112 ; RE′

daraus kann R′E bestimmt werden:

RE′ ≈

U112 (2 ⋅ 103 V)2 = = 20 kΩ . P11 200 V ⋅ A

Der Strom in diesem Widerstand ist

I E′ ≈

U1N 2 kV = = 100 mA. 20 kΩ RE′

7.5 Der Transformator im eingeschwungenen Zustand

155

Wegen I 11 = I ′E + I ′μ ≈ I ′ E + jI ′ μ wird I μ′ ≈

I11′2 − I E′2 = 995 mA

und

ωM ′ ≈

U1N 2 kV 2, 01kΩ = = 2, 01kΩ ; M ′ ≈ = 6, 4 H. Iμ′ 995 mA 100π ⋅ s −1

Bei Kurzschluss gilt (vgl. Bild 7.145b) wegen RE′  R2′ 2 2 P1k ≈ I1N ( R1 + R2′ ) ≈ I1N ⋅ 2 R1 ;

daraus kann R1 bestimmt werden:

R1 ≈

P1k 300VA = = 1,5 Ω ≈ R′2 . 2 2I1N 2 ⋅100A2

Die Eingangsimpedanz hat bei sekundärem Kurzschluss den Betrag

Z1k =

U1k ≈ 2 (ω Lσ )2 + R12 . I1N

Daraus ergibt sich als Streureaktanz 2

ω Lσ ≈

1  U1k  2 2 2   − R1 = 6 − 1,5 Ω ≈ 5,8 Ω 4  I1N 

und als Streuinduktivität

Lσ ≈

5,8 Ω ≈ 18,5mH. 100 π ⋅ s −1

Bei Nennbelastung fließt der primäre Nennstrom I1N = 10A durch den Widerstand R1 und fast ganz auch durch den Widerstand R′2 und verursacht hierbei die Kupferverluste PKu ≈ P1k = 300W. Außerdem liegt bei Nennbelastung am Widerstand R′E fast die gesamte primäre Nennspannung, weil die Spannungsabfälle, die der Nennstrom an R1 und ω Lσ bewirkt, gegenüber der Größe U1N vernachlässigt werden können; hierdurch entstehen die Eisenverluste PE ≈ P11 = 200W. Der Wirkungsgrad bei Nennbelastung ist

η=

7.5.8

PN 20kW ≈ = 0,976. PN + PE + PKu 20kW + 0, 2kW + 0,3kW

Induktive Kopplung zweier Schwingkreise

In Bild 7.146a sind zwei völlig gleiche Schwingkreise dargestellt, deren Spulen miteinander gekoppelt sind. Bild 7.146b zeigt die Ersatzschaltung mit den Streuinduktivitäten

Ls = L − M = L (1 − k ) und der Hauptinduktivität

M = k L.

156

7. Wechselstromlehre

Bild 7.146 Bandfilter.

Die Eingangsimpedanz der Ersatzschaltung ist

 1  jω M  jω Ls +  ω j C 1  + jω Ls + Z1 = 1 jω C jω M + jω Ls + jω C =

1 (1 − ω 2 CLs ) (1 − ω 2 CL) − ω 2 CM (1 − ω 2 CLs ) jω C 1 − ω 2 LC

1 [1 − ω 2 C ( L + Ls + M ) + ω 4 C 2 Ls ( M + L)] jω C (1 − ω 2 LC ) 1 Z1 = [1 − 2ω 2 LC + ω 4 C 2 ( L2 − M 2 )]. jω C (1 − ω 2 LC ) =

Wegen L2 − M 2 = L2 (1 − k 2 ) = σ L2 wird

Z1 =

1 [1 − 2ω 2 LC + σ (ω 2 LC )2 ]. jωC (1 − ω 2 LC )

Mit der Frequenznormierung

Ω 2 = ω 2 LC ist dann

Z1 =

L C 1 − 2Ω 2 + σΩ 4 . ⋅ jΩ 1 − Ω2

Sind die Spulen entkoppelt (σ = 1), so ist in diesem Grenzfall

LC (1 − Ω 2 ), jΩ

Z1 σ =1 =

ein Ausdruck, der sich auch unmittelbar aus der Berechnung der Impedanz des LCReihenschwingkreises ergibt (Nullstelle bei

Ω = 1, d. h. ω = 1 LC ). Falls σ < 1 ist, so hat

Z1 zwei Nullstellen. Man erhält sie aus der Bedingung

σΩ 4 − 2Ω 2 + 1 = 0 Ω2 −

1

σ



1

σ

1−σ = ±

k

σ

,

7.5 Der Transformator im eingeschwungenen Zustand

157

Bild 7.147 Reaktanz eines zweikreisigen Bandfilters bei unterschiedlicher Kopplung der beiden Schwingkreise.

sie liegen also bei

Ω1 =

1+ k

σ

und Ω 2 =

1− k

σ

.

Die Eingangsreaktanz X 1 der beiden gekoppelten Schwingkreise kann demnach folgendermaßen beschrieben werden:

X1 = Im{Z1} =

σ L C (Ω 2 − Ω12 ) (Ω 2 − Ω22 ) . Ω Ω2 − 1

Bild 7.147 zeigt X 1 für die Fälle

σ = 0; σ = 0,25; σ = 0,75; σ = 1 .

158

7. Wechselstromlehre

7.5.9

Dimensionierung von Transformatoren

Für die Sekundärwicklung des Transformators in Bild 7.128a gilt das Induktionsgesetz in der Form

u2 = N2

dφ , dt

wenn man die ohmschen Verluste in der Wicklung vernachlässigt (das Vorzeichen ergibt sich aus der Wahl der Zählpfeile in Bild 7.128a). Nimmt man an, dass der Fluss im eingeschwungenen Zustand sinusförmig ist,

φ = φˆ sinω t , so wird

u2 = N2

d ˆ (φ sin ωt ) = N2ωφˆ cos ωt = uˆ2 cos ωt . dt

Für die Amplitude uˆ 2 der Sekundärspannung gilt also

uˆ2 = N 2ω φˆ = 2π N 2 f φˆ und für den Effektivwert U 2

U2 =

uˆ2 2π = fN2φˆ 2 2

U2 = 4,44 fN2φˆ . Bei homogener Flussverteilung im Eisenkern ist

U2 = 4,44 f ⋅ N2 ⋅ ABˆ ,

(7.253)

wobei A die Querschnittsfläche des Eisenkerns bezeichnet. Die Gl. (7.253) lässt sich z. B. nach Bˆ auflösen:

Bˆ =

U2 . 4, 44 f N 2 A

(7.254)

Sind nun die sekundäre Effektivspannung U 2 , die Frequenz f, die Sekundärwindungszahl N 2 und der Querschnitt A vorgegeben, so folgt daraus für die Amplitude der magnetischen Flussdichte unter Umständen ein Wert, der über der Sättigungsflussdichte des verwendeten Eisens liegen müsste. Da sich ein solcher Wert aber gar nicht einstellen kann, sondern z. B. höchstens der Wert Bˆ = 1T erreichbar ist, so folgt daraus, dass die zunächst vorgegebene Effektivspannung U 2 überhaupt nicht gefordert werden kann. Der geforderte Wert U 2 ist nur dann erreichbar, wenn der aus Gl. (7.254) resultierende Wert unter der Sättigungsflussdichte bleibt, was man bei vorgegebener Frequenz f (z. B. f = 50 Hz) durch Erhöhung der Windungszahl N 2 oder des Querschnitts A – also durch angemessene Dimensionierung des Transformators – bewirken kann. Außerdem spielen für die Dimensionierung der Wicklungen und des Kernes noch der Nennstrom (Drahtquerschnitt!) und die Begrenzung der Transformatorverluste (große Hauptinduktivität, aber kleine Streuinduktivitäten und kleine Wicklungswiderstände) eine wichtige Rolle.

7.6 Vierpole

159

7.6

Vierpole

7.6.1

Einführung

Es ist eine der Grundaufgaben der Elektrotechnik, elektrische Energie von einem Erzeuger zu einem Verbraucher zu übertragen. In der Energietechnik handelt es sich dabei um die Übertragung relativ großer Energien, in der Nachrichtentechnik werden mit relativ kleinen Energien Informationen von einem Sender zu einem Empfänger geleitet. Beispiele für derartige Übertragungen sind die Hochspannungsleitung zur Energieübertragung über große Entfernungen, das Fernmeldekabel zur Übertragung von Sprach- und Datensignalen. Bei diesen Beispielen interessiert man sich vielfach nicht für die Verteilung der elektrischen und magnetischen Felder entlang der Leitung, sondern für die Beziehungen zwischen Strömen und Spannungen am Anfang und am Ende der Leitung. Aus dieser Sicht liegt es nahe, die Betrachtung völlig auf das äußere Verhalten (Klemmenverhalten) des Übertragungsgliedes zu beschränken und den Zusammenhang zwischen Ein- und Ausgangsgrößen auf möglichst einfache Weise zu beschreiben.

Bild 7.148 Vierpol (im allgemeinen Sinn).

Ein Vierpol (im allgemeinen Sinn) ist eine Schaltung mit vier Klemmen. Der innere Aufbau der Schaltung interessiert nicht, sondern nur das Klemmenverhalten. Von den vier eingetragenen Klemmenströmen (Bild 7.148) sind drei voneinander unabhängig, der vierte folgt mit dem ersten Kirchhoffschen Satz. Es gibt insgesamt sechs Klemmenspannungen, von denen jeweils drei wegen des zweiten Kirchhoffschen Satzes von den übrigen drei Spannungen abhängen. Für die weiteren Betrachtungen beschränken wir uns auf den Fall, dass etwa das linke Klemmenpaar als Eingang des Vierpols, das rechte als Ausgang angesehen wird (Vierpol im engeren Sinn); dann ist I1 = I 3 und I 2 = I 4 (auf das Unterstreichen komplexer Größen wird in diesem Abschnitt verzichtet). Wir denken uns also links einen Generator angeschlossen, rechts einen Verbraucher. Es liegt nahe (VZS), mit der Bepfeilung nach Bild 7.149 zu arbeiten (Kettenbepfeilung). Aus mathematischformalen Gründen benutzt man jedoch fast nur die symmetrische Bepfeilung, wie sie Bild 7.150 zeigt; diese ist genormt: DIN 40148.

160

7. Wechselstromlehre

Bild 7.149 Vierpol (Zweitor) mit Kettenbepfeilung.

Statt Klemmenpaar sagt man auch Tor. Einen Vierpol (im engeren Sinne) nennt man dann ein Zweitor. Für die in den folgenden Abschnitten behandelte Vierpoltheorie wird vorausgesetzt: 1. Die Parameter der Bauelemente im Innern des Vierpols sollen unabhängig von Strömen und Spannungen und von der Zeit sein. Solche Vierpole nennt man linear und zeitinvariant.

Bild 7.150 Vierpol (Zweitor) mit symmetrischer Bepfeilung.

2. Im Innern des Vierpols sollen keine unabhängigen Quellen existieren. Das bedeutet, dass ohne äußere Einspeisung die Klemmenströme und -spannungen gleichzeitig Null sind. Zugelassen sind dagegen sogenannte gesteuerte Quellen. Eine derartige Quelle ist von einer Klemmengröße abhängig und wird mit dieser Null. Jetzt sollen die Vierpolgleichungen und -parameter für ein einfaches Beispiel angegeben werden: Bild 7.151. Es gilt:

U1 = Z1 I1 + U 2 oder I1 = Y1 (U1 − U 2 ). U 2 = kU1 + Z 2 ( I1 + I 2 ) = kU1 +

1 [Y1 (U1 − U 2 ) + I 2 ] oder Y2 I2 = − (Y1 + kY2 )U1 + (Y1 + Y2 )U 2 .

Bild 7.151 Einführendes Beispiel (Vierpol mit spannungsgesteuerter Spannungsquelle).

7.6 Vierpole

161

Die beiden unterstrichenen Gleichungen lassen sich übersichtlicher mit Matrizen darstellen:

Y1 − Y1  U1   I1    I  =  − (Y + kY ) (Y + Y )  U  . 2 1 2   2  2  1

(7.255)

Dieses Ergebnis hätte man für k = 0 mit der Knotenanalyse sofort hinschreiben können.

7.6.2

Die Vierpolgleichungen in der Leitwertform

Mit Gl. (7.255) haben wir ein erstes Beispiel für die Vierpolgleichungen in der Leitwertform kennengelernt. Im allgemeinen Fall schreibt man

 I1  Y11 Y12  U1   I  = Y Y  U   2   21 22   2 

(7.257)

oder abgekürzt

[ I ] = [Y ][U ] bzw. I = Y ⋅ U . Man nennt [ I ] die Spaltenmatrix der Ströme. [Y ] die Leitwertmatrix, [U ] die Spaltenmatrix der Spannungen

Für den Fall eines rein ohmschen Vierpoles (Y1 = G1 , Y2 = G2 ) werden die Vierpolgleichungen (7.255) in Bild 7.152 veranschaulicht. Die entstehenden Kurvenscharen bestehen aus Geraden, wenn man die G-Werte und k als konstant voraussetzt (d. h. der Vierpol verhält sich in diesem Fall linear).

Bild 7.152 Kennlinien des Vierpols nach Bild 7. für Y1 = G1, Y2 = G2 .

Die physikalische Bedeutung der Parameter Yik , lässt sich aus Gleichung (7.257) ablesen:

Y11 =

I1 (für U2 = 0) = Eingangs-Kurzschlussadmittanz, U1

Y22 =

I2 (für U1 = 0) = Ausgangs-Kurzschlussadmittanz, U2

162

7. Wechselstromlehre

Y21 =

I2 (für U2 = 0) = Kurzschluss-Kernadmittanz vorwärts, U2

Y12 =

I1 (für U1 = 0) = Kurzschluss-Kernadmittanz rückwärts, U2

Y21 und Y12 sind ein Maß für die Kopplung zwischen Eingang und Ausgang. In dem Sonderfall Y12 = Y21 spricht man von einem übertragungs-(kopplungs-)symmetrischen Vierpol. Aus der Bedeutung der Y-Parameter ergibt sich, wie diese messtechnisch (mindestens im Prinzip) ermittelt werden können (Bild 7.153). Mit diesen Überlegungen (bzw. Gedankenexperimenten) können auch die Y-Parameter für einen gegebenen Vierpol berechnet werden, wie an dem folgenden Beispiel gezeigt wird (Bild 7.154):

I  = Y1 + Y2 , Y11 =  1   U1 U 2 = 0 I  Y21 =  2  = − Y2 ,  U1 U 2 = 0

I  = Y2 + Y3 , Y22 =  2   U 2 U1 = 0

 I  Y12 =  1  = − Y2 .  U 2 U1 = 0

Bild 7.153 Messschaltungen zur Bestimmung der Parameter Y11 , Y21 und Z11 , Z21.

Bild 7.154 Dreieck- oder ∏ - Schaltung .

7.6 Vierpole

163

Ergebnis:

− Y2  Y + Y2 [Y ] =  1 . Y2 + Y3   − Y2

(7.258)

Hinweis: Die Knotenanalyse führt schneller zum Ziel. Am Ende dieses Abschnitts soll die Frage geklärt werden, ob durch die Vierpolgleichungen in der Leitwertform (7.257) jeder beliebige passive lineare Vierpol (der also nur aus den konstanten Elementen R, L, C, M aufgebaut ist) beschrieben werden kann. Um diese Frage zu beantworten, gibt man sich z. B. die Spannungen U1 und U 2 (als ideale Spannungsquellen) vor und berechnet mit der Umlaufanalyse die Ströme I1 und I 2 . Dabei wählt man den vollständigen Baum so, dass diese Ströme als unabhängige Ströme in Verbindungszweigen liegen. Nach den Gesetzen der Umlaufanalyse und der linearen Algebra erhält man Lösungen der Form

I1 = K11 U1 + K12 U 2 I 2 = K 21 U1 + K 22 U 2

Kik = konst .

Das ist aber, wenn man K ik durch Yik ersetzt, genau das Gleichungssystem (7.257).

7.6.3

Die Vierpolgleichungen in der Widerstandsform

Zu einem anderen Gleichungssystem gelangt man, wenn man anstelle der Spannungen am Eingang und Ausgang jetzt die Ströme I1 und I 2 (als ideale Stromquellen) vorgibt und mit der Knotenanalyse die Spannungen U1 und U 2 ermittelt. Das entsprechende Gleichungspaar sieht so aus:

U1 = Z11 I1 + Z12 I 2 U 2 = Z 21 I1 + Z 22 I 2 . oder

U1   Z11 Z12   I1  U  =  Z Z   I   2   21 22   2 

(7.259)

bzw. in Kurzform

[U ] = [Z ] ⋅ [I ]. Das sind die Vierpolgleichungen in der Widerstandsform. [Z] ist die Widerstandsmatrix. Aus dem Gleichungssystem (7.259) lässt sich folgern, welche physikalische Bedeutung die Parameter Z ik haben:

164

7. Wechselstromlehre

Z11 =

U1 (für I 2 = 0) = Eingangs-Leerlaufimpedanz, I1

Z 22 =

U2 (für I1 = 0) = Ausgangs-Leerlaufimpedanz, I2

Z 21 =

U2 (für I 2 = 0) = Leerlauf -Kernimpedanz vorwärts, I1

Z12 =

U1 (für I1 = 0) = Leerlauf -Kernimpedanz rückwärts. I2

Z12 und Z 21 bilden ein Maß für die Kopplung der beiden Tore. Stimmen diese beiden Z- Werte überein, so spricht man von einem übertragungssymmetrischen Vierpol. Die Beziehungen für die Parameter Z erlauben, sie messtechnisch (Bild 7.153) oder bei gegebener Schaltung durch Rechnung zu bestimmen. Wir zeigen das an dem folgenden Beispiel (Bild 7.155):

Z11 = Z1 + Z 3 , Z 21 =

U2 I1

Z 22 = Z 2 + Z 3 , = Z3 ,

Z12 =

I2 =0

U1 I2

= Z3 , I1 = 0

Ergebnis:

 Z1 + Z3  Z3

[Z ] = 

 . Z2 + Z3 

Z3

(7.260)

Hinweis: Die Umlaufanalyse führt schneller zum Ziel.

Bild 7.155 Stern- oder T-Schaltung.

Die Umrechnung der Vierpol-Parameter Sind für einen Vierpol die Z-Parameter bekannt, so lassen sich z. B. die Y-Parameter durch Umrechnung der Widerstandsgleichungen in die Leitwertgleichungen finden. Das soll allgemein gezeigt werden.

7.6 Vierpole

165

Mit Determinanten ergibt sich aus den Widerstandsgleichungen (7.259)

U1 Z12 U Z Z 22 − Z12 I1 = 2 22 = U1 + U2 Z11 Z12 det[ Z ] det[ Z ] Z Z 22  21 

det[ Z ] = Z11 Z 22 − Z12 Z 21 und entsprechend

I2 =

− Z 21 Z11 U1 + U2 det[ Z ] det[ Z ]

oder in Matrizenschreibweise:

 I1  1  Z 22 − Z12  I  =    2  det[ Z ]  − Z 21 Z11 

U1  U  .  2

Den Übergang von der Widerstands- zur Leitwertform kann man besonders einfach mit der Matrizenrechnung beschreiben: Man multipliziert Gl. (7.259) von links mit der Kehrmatrix [ Z ]−1:

[ Z ]−1 [U ] = [ Z ]−1 [ Z ][ I ] = [ I ]   oder

[ I ] = [ Z ]−1[U ].

1 0  [E] =   0 1 

Es ist demnach

[Y ] = [Z ]−1 =

1  Z 22 −Z12  .  Z11  det[Z ]  −Z 21

(7.261)

Die Kehrmatrix [ Z ]−1 erhält man also durch Auflösen eines linearen Gleichungssystems. Hinweis: die Kehrmatrix einer Matrix lässt sich nur bilden, wenn ihre Determinante von Null verschieden ist. So kann z. B. zu

R R  G −G  [Z ] =  und [Y ] =    R R  −G G  keine Leitwertmatrix bzw. keine Widerstandsmatrix angegeben werden.

7.6.4

Weitere Formen der Vierpol-Gleichungen

Neben den bisher besprochenen Leitwertgleichungen des Vierpols (7.257) und den Widerstandsgleichungen (7.259) sind vier weitere Formen möglich. Die obigen Gleichungen lassen sich nämlich auch nach U1 , I1 ; U 2 , I 2 ; U1 , I 2 oder U 2 , I1 auflösen. Ob die eine oder die andere Form zweckmäßiger ist, hängt (ähnlich wie bei Zweipolen) von der Aufgabenstellung bzw. von der Art

166

7. Wechselstromlehre

der Zusammenschaltung ab. (So hatte sich bei Zweipolen gezeigt: Bei der Parallelschaltung ist das Arbeiten mit Leitwerten zweckmäßiger, bei Reihenschaltungen bevorzugt man das Rechnen mit Widerständen.) Einzelheiten dazu folgen weiter unten (Abschnitt 7.6.5). Durch Auflösen der Vierpol-Gleichungen nach U1 , I1 entsteht die sog. Kettenform der VierpolGleichungen:

U1 = K11U 2 + K12 I 2 I1 = K 21U 2 + K 22 I 2 . Im Hinblick auf die Kettenschaltung von Vierpolen (s. u.) arbeitet man besser mit dem Strom − I 2 und benennt die Konstanten um:

U1   A11  I  = A  1   21

A12   U 2  . A22   − I 2 

(7.262)

Zwischen den Elementen Aik und denen der beiden anderen bisher besprochenen Formen der Vierpolgleichungen bestehen z. T. einfache Zusammenhänge: Aus der Widerstandsform (2. Zeile) folgt

I1 =

Z 1 U 2 − 22 I 2 , Z 21 Z 21

es ist also

Z 22 = A22 . Z 21

1 = A21 ; Z 21

Entsprechend schließt man aus der Leitwertform (2. Zeile)

U1 = −

Y22 1 U2 + I2 , Y21 Y21

dass

Y22 = − A11 Y21

1 = − A12 ; Y21

ist. Die beiden Elemente A11 und A22 haben folgende physikalische Bedeutung: A11 = A22 =

U1 U2

= Leerlauf -Spannungsübersetzung I2 = 0

− I1 I2 U

= Kurzschluss-Stromübersetzung . 2

=0

Durch Auflösen der Vierpolgleichungen nach U 2 , I 2 entsteht die „inverse Kettenmatrix“. Wichtiger sind zwei andere Formen:

U1   H11 H12   I1   I  = H   ,  2   21 H 22  U 2  [ H ] = Reihen-Parallel-Matrix

(7.263)

7.6 Vierpole

167

 I1   P11 P12  U1  U  =  P    2   21 P22   I 2  [ P ] = Parallel-Reihen-Matrix

(7.264)

Alle sechs Gleichungssysteme und damit auch die entsprechenden Matrizen beschreiben gleichwertig die Eigenschaften eines Vierpols. Anmerkung: Manchmal lassen sich die Vierpolparameter der einen Form messtechnisch leichter (z. B. mit größerer Genauigkeit) als die einer anderen Form bestimmen. Es kann auch vorkommen, dass eine bestimmte Matrix überhaupt nicht angegeben werden kann (s. die Beispiele am Ende des Abschnitts 7.6.3).

7.6.5

Zusammenschalten von Vierpolen

Für die Parallelschaltung zweier Vierpole A und B (Bild 7.156) lässt sich die Matrix eines Ersatzvierpols am einfachsten bestimmen, indem man von den Y-Matrizen ausgeht. Für die beiden Vierpole A und B lauten die Gleichungen in der Leitwertform:

U A1 YA11 YA 21

U A2 YA12 YA 22

U B1 YB11 YB21

I A1 IA2

U B2 YB12 YB22

I B1 I B2

Nach dem Schaltbild bestehen folgende Zusammenhänge zwischen den Strömen und Spannungen:

I1 = I A1 + I B1

U1 = U A1 = U B1

I 2 = I A2 + I B2

U 2 = U A2 = U B2 .

Mit diesen Beziehungen folgt durch Addition der beiden ersten bzw. zweiten Zeilen der Gleichungen in der Leitwertform:

U1

U2

YA11 + YB11

YA12 + YB12

I1

YA21 + YB21

YA22 + YB22

I2

Bild 7.156 Parallelschaltung zweier Vierpole (VP = Vierpol).

168

7. Wechselstromlehre

womit die Leitwertmatrix des Ersatzvierpols wird:

[Y ] = [YA ] + [YB ];

(7.265)

oder in Worten: Die Leitwertmatrix des Ersatzvierpols ist gleich der Summe der Leitwertmatrizen der Einzelvierpole. Im Fall der Reihenschaltung zweier Vierpole (Bild 7.157) arbeitet man am besten mit den Z-Matrizen:

U A1   I A1  U  = [Z A ]  I  ,  A2   A2 

U B1   I B1  U  = [ Z B ]  I  .  B2   B2 

Mit

U1  U A1  U B1  U  = U  + U  ,  2   A2   B2 

 I1   I A1   I B1  I  = I  = I   2   A2   B2 

folgt

U1  U  = [ Z A ] +  2

 I1   I1   I1   I  + [Z B ]  I  = {[ Z A ] + [ Z B ]}  I   2  2  2

oder

[ Z ] = [ Z A ] + [ Z B ].

Bild 7.157 Reihenschaltung zweier Vierpole.

Bild 7.158 Reihen-Parallelschaltung zweier Vierpole.

(7.266)

7.6 Vierpole

169

Die Widerstandsmatrix des Ersatzvierpols ist also gleich der Summe der Widerstandsmatrizen der Einzelvierpole. Als weiterer Fall soll die in Bild 7.158 skizzierte Reihen-Parallelschaltung behandelt werden. Es gilt:

U1 = U A1 + U B1 ,

U 2 = U A2 = U B2

I1 = I A1 = I B1 ,

I 2 = I A2 + I B2 .

Diese Gleichungen lassen sich einfach berücksichtigen, wenn U1 und I 2 als Funktionen von U 2 und I1 dargestellt werden, also mit der H-Matrix:

U A1   I A1   I  = [ H A ] U  ,  A2   A2 

U B1   I B1   I  = [ H B ] U  .  B2   B2 

Durch Addition dieser Gleichungen entsteht (bei Berücksichtigung von I1A,B = I1 , U 2A,B = U 2 ) zunächst

U A1 + U B1   I + I  = {[ H A ] + [ H B ]}  A2 B2 

 I1  U   2

und schließlich

U1   I1   I  = {[ H A ] + [ H B ]} U  .  2  2

(7.267)

Bild 7.159 Kettenschaltung zweier Vierpole.

Besonders wichtig ist die Kettenschaltung zweier Vierpole gemäß Bild 7.159. Hier arbeitet man am besten mit den Vierpolgleichungen in der Kettenform:

U A1   U A2   I  = [ AA ]  − I  ,  A1   A2 

U B1   U B2   I  = [ AB ] − I  .  B1   B2 

Mit den in Bild 7.159 angegebenen Identitäten wird

U1  U B1   U2   I  = [ AA ]  I  = [ AA ] [ AB ]  − I  .  1  B1   2

(7.268)

Der Kettenschaltung zweier Vierpole entspricht also die Multiplikation der Kettenmatrizen der Teilvierpole (Reihenfolge!).

170

7. Wechselstromlehre

Hinweis: Die für das Zusammenschalten von Vierpolen hergeleiteten Regeln setzen voraus, dass auf der Eingangs- und der Ausgangsseite des Vierpols jeweils der in die obere Klemme eintretende Strom gleich dem aus der unteren Klemme herausfließenden Strom ist. Diese Bedingung nennt man Torbedingung. Bei der Reihen- und der Parallelschaltung ist die Bedingung u. U. nicht erfüllt; dann können die angegebenen Formeln nicht benutzt werden. Beispiel 7.34 Die Kettenmatrix elementarer Vierpole

Viele Vierpole lassen sich als Kettenschaltung der in Bild 7.160 skizzierten elementaren Vierpole auffassen. Gesucht sind zunächst deren Kettenmatrizen.

Bild 7.160 Elementare Vierpole. Lösung: Fall (a)

U = U 2 U1 = U 2 = Z ( I1 + I 2 ) →  1  I1 = YU 2 − I 2 oder

U1   1 0  U 2   1 0  I  = Y 1  − I  → [ Aa ] = Y 1 .  2    1 

(7.269a)

Fall (b)

U = U 2 + Z (− I 2 ) I1 = − I 2 = Y (U1 − U 2 ) →  1 .  I1 = − I 2 oder

U1  1 Z   U 2   I  = 0 1   − I  → [ Ab ] =   2  1 

1 Z  0 1  .  

(7.269b)

v 0   1 . 0   v 

(7.269c)

Fall (c)

1 U1 = v U 2 , I1 = − I 2 v oder

v 0  U U1    2  I  =  1   − I  → [ Ac ] = 0  1   2  v 

7.6 Vierpole

171

Beispiel 7.35 Die Kettenmatrix der T-Schaltung

Die T-Schaltung nach Bild 7.161 soll als Kombination elementarer Vierpole aufgefasst werden. Mit den Ergebnissen des vorigen Beispiels ist die Kettenmatrix zu bestimmen.

Bild 7.161 Die T-Schaltung als Kettenschaltung elementarer Vierpole. Lösung: Nach Gl. (7.268) sind die Kettenmatrizen der Teilvierpole zu multiplizieren: 1 Z1   1 0  1 Z 2  [ A] = [ A1 ][ A3 ][ A2 ] =    , 0 1  Y3 1   0 1  1 + Z1Y3 Z1  [ A1 ][ A3 ] =  , 1   Y3 1 + Z1Y3 Z 2 (1 + Z1Y3 ) + Z1  [ A1 ][ A3 ][ A2 ] =   Y3 Z 2 + 1  Y3 

oder

[ A] =

1  Z1 + Z3  Z3  1

Z1Z 2 + Z 2 Z3 + Z1Z3  . Z 2 + Z3 

(7.270)

Hinweis: Die Formel lässt sich sehr bequem auch unmittelbar herleiten, z. B. mit der Umlaufanalyse.

Beispiel 7.36 Kettenmatrizen des verlustlosen Transformators

Die Ersatzschaltung nach Bild 7.135b soll durch eine Kettenschaltung aus einem T-Glied und einem idealen Übertrager ersetzt werden. Gesucht sind die Elemente des T-Gliedes. Die Verluste sind zu vernachlässigen. Lösung: Die Kettenmatrix der gegebenen Ersatzschaltung sei [ A], die des gesuchten T-Gliedes [ A1 ] und die des idealen Übertragers [ A2 ]. Wegen Gl. (7.268) gilt:

[ A] = [ A1 ][ A2 ]. Wir lösen nach [ A1 ] auf, indem wir beide Seiten von rechts mit der Kehrmatrix [ A2 ]− 1 multiplizieren: −1

[ A][ A2 ]−1 = [ A1 ][ A2 ][ A2 ] = [ A1 ].    [E] Hierin ist [ A] wegen Gl. (7.270):

[ A] =

2 2 1  jω L1 ω (M − L1L2 )  . jω M  1 jω L2 

172

7. Wechselstromlehre

Die Matrix [ A2 ] ist bekannt: Gl.(7.269c); ihre Kehrmatrix wird nach der Vorschrift (7.261) gebildet:

1  0 [ A2 ]−1 =  v .    0 v  Durch Matrizenmultiplikation folgt

[ A1 ] = [ A][ A2 ]−1 =

2 2 2 1  jω L1 ω v (M − L1 L2 )  . jωv M  1 jωv 2 L2 

Diese Matrix unterscheidet sich von der Matrix [ A] dadurch, dass statt M jetzt v M und statt L2 jetzt v 2 L2 auftritt (L1 bleibt unverändert). Entsprechend enthält das zu [ A1 ] gehörende Ersatzschaltbild anstelle der Größen M und L2 die Größen v M und v 2 L2: Damit wird das im Bild 7.136 dargestellte Ergebnis bestätigt. In der folgenden Tabelle sind die Beziehungen zwischen den einzelnen Vierpolmatrizen zusammengefasst: Z11

Z12

Y22 det [Y ]

− Y12 det [Y ]

A11 A21

det[ A] A21

K11 K 21

− det[ K ] K 21

det[ H ] H 22

H 12 H 22

Z 21

Z 22

−Y21 det [Y ]

Y11 det [Y ]

1 A21

A22 A21

1 K 21

− K 22 K 21

− H 21 H 22

1 H 22

Z 22 det [ Z ] − Z 21 det [ Z ]

− Z12 det[ Z ] Z11 det[ Z ]

Y11

Y12

A22 A12

− det [ A] A12

K 22 K12

− det[ K ] K12

1 H 11

− H 12 H 11

Y21

Y22

−1 A12

A11 A12

1 K12

− K11 K12

H 21 H 11

det [ H ] H 11

Z11 Z 21

det [ Z ] Z 21

−Y22 Y21

−1 Y21

A11

A12

K11

− K12

− det [ H ] H 21

− H11 H 21

1 Z 21

Z 22 Z 21

− det[Y ] Y21

−Y11 Y21

A21

A22

K 21

− K 22

− H 22 H 21

−1 H 21

Z11 Z 21

− det [ Z ] Z 21

− Y22 Y21

1 Y21

A11

− A12

K11

K12

− det [ H ] H 21

H11 H 21

1 Z 21

− Z 22 Z 21

− det [Y ] Y21

Y11 Y21

A21

− A22

K 21

K 22

− H 22 H 21

1 H 21

[Z ]

[Y ]

[ A]

[K ]

[H ]

det [ Z ] Z 22

Z12 Z 22

1 Y11

− Y12 Y11

A12 A22

det[ A] A22

K12 K 22

det [ K ] K 22

H11

H12

− Z 21 Z 22

1 Z 22

Y21 Y11

det [Y ] Y11

−1 A22

A21 A22

1 K 22

− K 21 K 22

H 21

H 22

8.

Mehrphasensysteme

8.1

Konstante Leistung im symmetrischen Zweiphasensystem

Bild 8.1

Symmetrisches Zweiphasensystem. a) Schaltung, b) Spannungen u1(t) und u2(t) und die von beiden Widerständen aufgenommenen Leistungen p1(t) und p2(t).

Elektrische Systeme mit Generatorspannungen gleicher Frequenz, aber unterschiedlicher Phasenlage, nennt man Mehrphasensysteme. Bild 8.1a zeigt als Beispiel für das einfachste Mehrphasensystem (das Zweiphasensystem) einen Sonderfall: die Lastwiderstände sind gleich (symmetrische Last: R1 = R2 = R ), die Generatorspannungs-Amplituden ebenfalls (uˆ1 = uˆ2 = uˆ ), und die beiden Generatorspannungen sind um π 2 gegeneinander phasenverschoben. Da die Punkte M und N in Schaltung 8.1a kurzgeschlossen sind, liegt am oberen Widerstand die Generatorspannung u1 , am unteren die Generatorspannung u2 . Infolgedessen werden im oberen Widerstand die Leistung

p1 (t ) =

u12 (t ) uˆ 2 cos 2 ω t = R R

174

8. Mehrphasensysteme

und im unteren Widerstand die Leistung

p2 (t ) =

u22 (t ) uˆ 2 = sin 2 ω t R R

umgesetzt. Die von beiden Generatoren abgegebene Gesamtleistung ist

pges = p1 (t ) + p2 (t ) =

uˆ 2 uˆ 2 (cos 2 ω t + sin 2 ω t ) = , R R

sie ist also zeitlich konstant, vgl. Bild 8.1b. Die Schaltung nach Bild 8.1a nennt man ein symmetrisches Zweiphasensystem. Systeme, in denen die Generatorgesamtleistung (und damit auch die Verbrauchergesamtleistung) nicht schwankt, bieten wichtige Vorteile gegenüber dem Einphasenwechselstrom-System, in dem alle Leistungen zeitabhängig sind (vgl. Abschnitte 7.1.7, 7.4.1 und 7.4.2). Wenn etwa die beiden Widerstände in der Schaltung 8.1a die Wicklungen eines Motors darstellen, so ist nun gewährleistet, dass der Motor eine konstante Leistung aufnimmt, was beispielsweise für den Gleichlauf eines Plattenspielers wichtig ist. In der Energietechnik ist das symmetrische Dreiphasensystem besonders wichtig, weil die Dampfund Wasserturbinen, Verbrennungsmotoren u. dgl., die die Drehstromgeneratoren antreiben, zeitlich konstant belastet werden sollen, vgl. Abschnitt 8.2.4.

8.2

Das Drehstromsystem

Wegen seiner großen Bedeutung in der Energietechnik wird im Folgenden hauptsächlich das Dreiphasensystem (Drehstromsystem) betrachtet. Außerdem wird die Darstellung auf symmetrische Generatoren beschränkt. Es werden aber auch Fälle unsymmetrischer Belastung untersucht.

8.2.1 Spannungen an symmetrischen Drehstromgeneratoren Die drei Wicklungen eines Drehstromgenerators stellt man gewöhnlich nicht durch das in Schaltung 8.1a verwendete Schaltsymbol für eine Spannungsquelle dar, sondern durch das Symbol einer Induktivität: Bild 8.2a, b. Die drei Spannungen, die ein symmetrischer Drehstromgenerator erzeugt, haben gleiche Amplitude und Frequenz und sind gegeneinander um 120° = 2π 3 phasenverschoben:

uu (t ) = uˆ cos ω t uv (t ) = uˆ cos(ω t − 2π 3) uw (t ) = uˆ cos(ω t − 4π 3) = uˆ cos(ω t + 2π 3) Im Liniendiagramm 8.2c sind die Spannungen, die sogenannten Strangspannungen, dargestellt und im Zeigerdiagramm 8.2d die zugehörigen komplexen Effektivwerte

Uu =

uˆ uˆ − j2 π 3 , Uv = e , 2 2

Uw =

uˆ − j4 π e 2

3

=

uˆ j2 π 3 e . 2

(8.1a, b, c)

8.2 Das Drehstromsystem

Bild 8.2

175

Die Spannungen eines symmetrischen Drehstromgenerators. a), b) drei Wicklungen eines Drehstromgenerators, c) Liniendiagramm, d) Zeigerdiagramm

Der Ausdruck e j2 π

3

kann auch durch einen Operator ersetzt werden:

a = e j2 π 3 . Für diesen komplexen Operator gilt

a = e + j2 π 3 = −

1 j 3 + 2 2

a 2 = e + j4 π 3 = e − j2 π 3 = a − 1 = −

(8.2a)

1 j 3 − = a* 2 2

a 3 = e j2 π = 1,

(8.2b) (8.2c)

vgl. Bild 8.3a, und

1 + a + a2 = 0 ,

(8.3)

vgl. Bild 8.3b. Außerdem ist

1 − a2 =

3 3 + j = − j 3a 2 2

a2 − a = − j 3

a −1 = −

3 3 +j = − j 3a 2 , 2 2

(8.4a) (8.4b) (8.4c)

176

8. Mehrphasensysteme

Bild 8.3 Die Operatoren a , a 2 und a 3 . a) Darstellung in der komplexen Ebene, b) Summe nach Gl.(8.3).

Bild 8.4

Zur Veranschaulichung der Gleichungen (8.4).

was aus Bild 8.4 abgelesen werden kann. In die Gln. (8.1b, c) setzen wir die Abkürzungen (8.2) ein:

Uv =

uˆ 2 a = Uu a 2 2

(8.5a)

Uw =

uˆ a = Uu a . 2

(8.5b)

8.2 Das Drehstromsystem

177

Damit wird

U u + U v + U w = U u (1 + a 2 + a) , und wegen Gl. (8.3)

Uu + Uv + Uw = 0 ,

(8.6)

was aus den Diagrammen in Bild 8.3 auch unmittelbar erkennbar ist. Werden die drei Generatorwicklungen mit den Spannungen U u , U v und U w in Reihe geschaltet, so kann man diese Reihenschaltung kurzschließen, ohne dass ein Strom fließt (Bild 8.5b): Generatordreieckschaltung. Häufiger wird aus den Generatorsträngen die Generatorsternschaltung gebildet (Bild 8.5a).

Bild 8.5

Symmetrische Generatorschaltungen und ihre Zeigerdiagramme.

In Bild 8.5 werden die Bezeichnungen R, S, T für die Anschlussklemmen der sogenannten Außenleiter und M für den Generatorsternpunkt und den mit ihm direkt verbundenen Mittelleiter eingeführt. (Normgerecht wären anstatt der alten Bezeichnungen R, S, T die neuen: L1, L2, L3 oder einfach 1, 2, 3) Hier und im Folgenden werden in Generatorsternschaltungen die Strangspannungen mit U RM , U SM , U TM bezeichnet:

U RM = U u

(8.7a)

U SM = a 2U u = a 2U RM

(8.7b)

U TM = a U u = a U RM .

(8.7c)

178

8. Mehrphasensysteme

Oftmals verzichtet man auf die Doppelindizes und schreibt einfach U R , U S , U T ; hierbei wird dann stillschweigend vorausgesetzt, dass die Zählpfeile von der jeweiligen Außenleiterklemme zum Generatorsternpunkt M gerichtet sind. Die Spannungen U RS , U ST , U TR zwischen den Außenleitern nennt man Außenleiterspannungen. Sie sind in Generatordreieckschaltungen mit den entsprechenden Strangspannungen identisch:

U RSΔ = U u

(8.8a)

U STΔ = U v = U u a 2

(8.8b)

U TRΔ = U w = U u a .

(8.8c)

In Generatorsternschaltungen dagegen gilt mit den Gln. (8.4) und (8.7):

U RS = U RM − U SM = U RM (1 − a 2 ) = − j 3a U RM = − j 3 U TM

(8.9a)

U ST = U SM − U TM = U RM (a 2 − a) = − j 3U RM = a 2U RS

(8.9b)

U TR = U TM − U RM = U RM (a − 1) = − j 3a 2U RM = − j 3U SM = a U RS.

(8.9c)

Die Außenleiterspannungen sind bei Generatorsternschaltung also um schaltung:

U RS = U ST = U TR = 3U RSΔ = 3U STΔ = 3U TRΔ .

3 größer als bei Dreieck(8.10)

Zeigerdiagramme sämtlicher Generatorspannungen sind in den Bildern 8.5c, d zu sehen. Die dort eingetragenen Punkte R, S, T, M bezeichnen die komplexen Potentiale der Außenleiter und des Mittelleiters.

8.2.2 Die Spannung zwischen Generatorund Verbraucher-Sternpunkt Bisher wurden die Spannungen an unbelasteten symmetrischen Generatoren betrachtet. Hier soll nun ein einfacher Belastungsfall (Bild 8.6) untersucht werden: Die Generatorstränge sind zu einem Stern mit dem Sternpunkt M zusammengeschaltet. An die Generatorklemmen R, S, T sind die Impedanzen Z R , Z S, Z T angeschlossen, die ebenfalls einen Stern bilden, und zwar mit dem Verbrauchersternpunkt N. Außerdem besteht zwischen den beiden Sternpunkten M und N eine Verbindung über die Impedanz Z M (Mittelpunktleiter). Außer den Generatorspannungen U RM , U SM , U TM (und den Außenleiterspannungen U RS, U ST , U TR ) treten nun die drei Verbraucherspannungen U RN , U SN , U TN und die Verlagerungsspannung U NM auf. Diese Spannung zwischen den beiden Sternpunkten soll zunächst berechnet werden, was mit Hilfe der Methode der Ersatzstromquelle besonders einfach ist. Zwischen den Klemmen N und M (Bild 8.6) fließt bei Kurzschluss der Strom

Ik =

U RM U SM U TM + + . ZR ZS ZT

8.2 Das Drehstromsystem

Bild 8.6

179

Generator und Verbraucher in Sternschaltung.

Im Leerlauf liegt also zwischen den Klemmen M und N die Verlagerungsspannung

U NM = I k ⋅ Z P ,

(8.11a)

wobei Z P die Parallelschaltung der vier Impedanzen bezeichnet:

1 1 1 1 1 = + + + . ZP ZR ZS ZT ZM

(8.11b)

Es ist demnach

U NM

U RM U SM U TM + + ZR ZS ZT . = 1 1 1 1 + + + ZR ZS ZT ZM

(8.12)

Für die Außenleiterströme ergibt sich damit

IR =

U RM − U NM U − U NM , I S = SM , ZR ZS

IT =

U TM − U NM . ZT

(8.13a, b, c)

Sind die beiden Sternpunkte kurzgeschlossen ( Z M = 0) , so wird einfach

IR =

U RM , ZR

IS =

U SM , ZS

IT =

U TM . ZT

(8.14a, b, c)

Zu beachten ist: bei der Herleitung der Gln. (8.12), (8.13) und (8.14) wird nicht vorausgesetzt, dass die drei Generatorstrangspannungen ein symmetrisches System bilden.

180

8. Mehrphasensysteme

8.2.3

Symmetrische und asymmetrische Belastung symmetrischer Drehstromgeneratoren

Verbraucher in Sternschaltung Falls nicht nur die Strangspannungen des Generators symmetrisch (d. h. betragsgleich und um 2π 3 gegeneinander phasenverschoben) sind, sondern auch für die Belastungsimpedanzen Z R = Z S = Z T gilt, so wird

U NM =

U RM + U SM + U TM U RM (1 + a 2 + a) = = 0. 3 + ZR ZM 3 + ZR ZM

(8.15)

Aus den Gln. (8.13) folgt dann (ebenso wie im Fall kurzgeschlossener Sternpunkte):

IR =

U RM , ZR

IS =

U SM , ZS

IT =

U TM . ZT

Ist U NM ≠ 0 , so sind der Verbraucher- oder der Generatorstern oder beide unsymmetrisch. Aber auch in asymmetrischen Fällen kann der Ausdruck U RM Z R + U SM Z S + U TM Z T und damit U NM zu Null gemacht werden, vgl. Beispiel 8.2. Beispiel 8.1 Abhängigkeit der Verlagerungsspannung von der Asymmetrie eines ohmschen Verbrauchersterns

Gegeben ist die Schaltung in Bild 8.6. Die Generatorspannungen sind symmetrisch: U RM = a U SM = a 2U TM .

Die Impedanzen Z R , Z S , Z T sind ohmsche Widerstände: Z R = R1 ;

Z S = Z T = R.

Die Sternpunkte M und N sind nicht durch einen Mittelpunktleiter verbunden: Z M = ∞. a)

Die Verlagerungsspannung U NM = f ( R1 ) soll berechnet und skizziert werden.

b) Gesucht sind die Zeigerdiagramme sämtlicher Spannungen für die Fälle R1 = 0, 25 R und R1 = ∞. Lösung: a) Mit Gl. (8.12) erhält man

U NM = U RM

1 1 + (a 2 + a) R1 R = U RM 1 2 + R1 R

R 1− 1 U NM R = U RM 1 + 2 R1 R

Diese Funktion wird in Bild 8.7 dargestellt.

R 1 1 − 1− 1 R1 R R = U RM 1 2 2 R1 + 1+ R1 R R

(8.16)

8.2 Das Drehstromsystem

Bild 8.7

181

Abhängigkeit der Verlagerungsspannung von der Asymmetrie des Verbrauchersterns.

b) In Bild 8.8 sind die Spannungszeigerdiagramme für die Fälle R1 = 0, 25 R und R1 = ∞ dargestellt.

Bild 8.8

Spannungs-Zeigerdiagramme für ein Drehstromsystem mit symmetrischem Generatorstern und unsymmetrischem ohmschen Verbraucherstern.

Beispiel 8.2a Symmetrische Verbraucherspannungen an einem asymmetrischen Verbraucherstern

Die Strangspannungen U RM , U SM , U TM bilden ein symmetrisches System (Bild 8.9). Man bestimme Z R so, dass auch die Spannungen U RN , U SN , U TN ein symmetrisches System bilden.

Bild 8.9

Symmetrischer Generatorstern mit unsymmetrischer Last.

182

8. Mehrphasensysteme

Lösung: Die Verbraucherspannungen können nur dann einen symmetrischen Stern bilden, wenn

U NM = 0 wird, d.h. es muss mit Gl. (8.12) gelten:



1 a2 a − 0,5 − j0,5 3 − 0,5 + j0,5 3 −1 − j3 3 = + = + = ZR ZS Z T jX S 4 jX S − 2 jX S

ZR =

4 jX S 1 + j3 3

=

(8.17a)

4 jX S (1 − j3 3) X S = (3 3 + j) 1 + 27 7

Z R = R R + jX R ≈ X S (0, 743 + j0,143).

Die Impedanz Z R muss sich also aus einem ohmschen Widerstand mit dem Wert RR ≈ 0, 743 X S und einer Spule mit der Reaktanz X R ≈ 0,143 X S zusammensetzen, damit die Forderung nach Symmetrie der Verbraucherspannungen erfüllt wird. Die Spannungen und Ströme werden in einem Zeigerdiagramm (Bild 8.10) veranschaulicht: hier wird deutlich, dass zwar die drei Verbraucherspannungen einen symmetrischen Stern bilden (der mit dem Stern der Generatorspannungen zusammenfällt), nicht aber die drei Ströme.

Bild 8.10

Zeigerdiagramm für einen Verbraucherstern mit symmetrischen Verbraucherspannungen, aber unsymmetrischen Verbraucherströmen.

Gl. (8.17a) kann übrigens wie folgt umgeformt werden (vgl. (8.18c)): Y T = − a 2Y R − aY S .

Bedingung für Spannungssymmetrie an einem asymmetrischen Verbraucherstern

(8.17b)

Beispiel 8.2b Symmetrische Leiterströme in einem asymmetrischen Verbraucherstern

Welche Bedingung muss Z T = 1 Y T (siehe Bild 8.6) erfüllen, wenn Z R = 1 Y R und Z S = 1 Y S gegeben sind, die Sternpunkte M und N nicht miteinander verbunden werden ( Z M = ∞ ) und die Leiterströme I R , I S , I T ein symmetrisches System bilden sollen?

8.2 Das Drehstromsystem

183

Lösung: Mit U RN = U RM − U NM und wegen (8.12) wird

U RN = U RM −

U RM Y R + U SM Y S + U TM Y T Y R + Y S + YT

.

Wegen I R = U RN Y R folgt daher I R = YR

U RM (Y S + Y T ) − U SM Y S − U TM Y T YR + YS + YT

.

(8.18a)

Zyklische Vertauschung (R → S, S → T, T → R) liefert I S = YS

U SM (Y T + Y R ) − U TM Y T − U RMY R YR + YS + YT

.

(8.18b)

Die Forderung nach einem symmetrischen Leiterstromsystem, a I S = I R , führt mit (8.18a, b) zu aY S

U SM (YT + Y R ) − U TMY T − U RMY R YR + YS + YT

= YR

U RM (Y S + Y T ) − U SMY S − U TMY T YR + YS + YT

.

Mit U SM = a 2U RM und U TM = aU RM wird daraus aY S [ a 2Y T + a 2Y R − Y R − aY T ] = Y R [Y S + Y

YT =

T

− a 2 Y S − aY T ]

Y RY S −Y S a − Y R a 2

Z T = − aZ R − a 2 Z S .

Bedingung für Leiterstromsymmetrie in einem asymmetrischen Verbraucherstern

(8.18c)

Ein solcher Fall ergibt sich z. B. mit Z R = j1kΩ (Spule), Z S = − j1kΩ (Kondensator), Z T = 3 kΩ (ohmscher Widerstand).

Beispiel 8.3 Petersenspule (Begrenzung des Stromes bei Erdschluss eines Außenleiters)

Ein symmetrischer Generator speist einen symmetrischen ohmschen Verbraucher über eine dreiphasige Leitung (Bild 8.11). Der Verbrauchersternpunkt N ist unmittelbar geerdet, der Generatorsternpunkt M über die Impedanz Z M . Die Außenleiter R, S, T haben die Kapazität C gegen Erde; zwischen den Leitern treten die Kapazitäten C' auf.

Bild 8.11

Drehstromsystem mit symmetrischem Generator und Verbraucher.

184

8. Mehrphasensysteme

Das in Bild 8.11 dargestellte Drehstromsystem kann man zu der Schaltung in Bild 8.12 zusammenfassen, wenn man die Widerstände und Induktivitäten der Außenleiter vernachlässigt. Wird z. B. der Außenleiter R kurzgeschlossen (d. h. auf Erdpotential gebracht), so bedeutet das in der Schaltung 8.11 bzw. 8.12 offenbar den Kurzschluss der zugehörigen Impedanz Z R . Der nun im Leiter R fließende Kurzschlussstrom soll möglichst klein gehalten werden.

Bild 8.12

Zusammenfassung der Schaltung 8.11.

Wie muss Z M gewählt werden, damit das erreicht wird? Lösung: Wenn Z R kurzgeschlossen wird ( Z R = 0), ist U NM

ZR =0

= U RM ,

und hiermit folgt aus den Gln. (8.13b, c) I Sk = (U SM − U RM ) (Y S + jω C ′) ,

I Tk = (U TM − U RM ) (Y S + jω C ′);

außerdem ist I NMk = U RM Y M .

Die Knotenpunktgleichung ergibt I R = I NM − I S − I T I Rk = U RM (Y M + Y S + Y T + 2 jω C ′) − U SM (Y S + jω C ′) − U TM (Y T + jω C ′).

Mit

Y S + jω C ′ = Y T + jω C ′ =

1 + jω (C + C′) = Y R

wird I Rk = U RM (Y M + 2Y ) − U RM ( a 2 + a )Y I Rk = U RM (Y M + 3Y ).

Der Erdschlussstrom im Außenleiter wird minimal, wenn der Betrag von

Y M + 3Y = Y M +

3 + j3ω (C + C′) R

8.2 Das Drehstromsystem

185

minimal wird, also im Resonanzfall Y M + j3ω (C + C ′) = 0

ZM = j

1 . 3ω (C + C ′)

Z M muss demnach eine Reaktanz mit dem positiven Wert

XM =

1 3ω (C + C′)

sein:

ω LM =

1 , 3ω (C + C′)

d. h. die Impedanz Z M besteht aus einer Spule (Petersenspule) mit der Induktivität

LM =

1 3ω 2 (C + C ′)

Berücksichtigt man diesen Wert in Gl. (8.17), so erhält man

I Rk = U RM ⋅

3 , R

während ohne den Erdschluss bei symmetrischer Belastung der Strom

1  I R = U RM  + jω (C + 3C′)  R  fließt. Anmerkung: Gewöhnlich wird derjenige Strom minimiert, der über die Kurzschlussverbindung zwischen dem Außenleiter und Erde fließt. Dann muss L M = 1 (3ω 2 C ) gewählt werden.

Verbraucher in Dreieckschaltung

Bild 8.13

Drehstromsystem mit Verbraucher in Dreieckschaltung.

Sind die Verbraucher-Impedanzen zu einem Dreieck zusammengeschlossen (Bild 8.13), so liegen die Außenleiterspannungen U RS, U ST , U TR unmittelbar an diesen Impedanzen ( Z RS, Z ST , Z TR ), und deshalb gilt für die Verbraucherströme hier:

I RS =

U RS , Z RS

I ST =

U ST , Z ST

I TR =

U TR . Z TR

(8.19a, b, c)

186

8. Mehrphasensysteme

Für die Außenleiterströme (Strangströme) folgt dann

I R = I RS − I TR =

U RS U TR − Z RS Z TR

(8.20a)

I S = I ST − I RS =

U ST U RS − Z ST Z RS

(8.20b)

I T = I TR − I ST =

U U TR − ST . Z TR Z ST

(8.20c)

Ist der Generator symmetrisch,

U RS = U RM (1 − a 2 ),

U ST = U RM (a 2 − a),

U TR = U RM (a − 1) ,

und der Verbraucher ebenfalls,

Z RS = Z ST = Z TR = Z , so erhält man

IR =

U RS − U TR U RM = (1 − a 2 − a + 1) Z Z

IS =

U ST − U RS U RM 2 U = (a − a − 1 + a 2 ) = a 2 RM (1 − a 2 − a + 1) Z Z Z

IT =

U TR − U ST U RM U = (a − 1 − a 2 + a) = a RM (1 − a 2 − a + 1) Z Z Z

und wegen 1 − a 2 − a + 1 = 3 und den Gln. (8.7b, c):

IR =3

U RM , Z

IS =3

U SM , Z

IT =3

U TM . Z

(8.21a, b, c)

Beispiel 8.4 Symmetrischer Drehstromgenerator mit asymmetrischem Verbraucherdreieck

Ein Drehstromgenerator mit den Strangspannungen U RM , U SM = a 2U RM , U TM = a U RM versorgt drei Verbraucher mit den Impedanzen Z RS = jX RS , ZST ,

Bild 8.14

Z TR = RTR ,

siehe Bild 8.14.

Symmetrischer Drehstromgenerator mit asymmetrischem Verbraucherdreieck.

8.2 Das Drehstromsystem a)

187

Die Impedanz Z ST soll so bestimmt werden, dass I S = 0 wird.

b) Sämtliche Ströme und Spannungen sollen für den Fall U RM = 220 V, RTR = X RS = 200 Ω und unter der in a) ermittelten Bedingung für Z ST gezeichnet werden. Lösung: a) Mit Gl. (8.20b) wird wegen der Forderung I S = 0 IS =

U ST U − RS = 0 Z ST jX RS

Z ST = jX RS

U ST . U RS

Für die Außenleiterspannungen U ST , U RS gelten hierbei die Gln. (8.9a, b):

Z ST = jX RS

a 2U RS = ja 2 X RS = j( − 12 − U RS

1 2

j 3) X RS = X RS ( 12 3 −

1 2

j).

Die Impedanz Z ST = R ST + jX ST kann also durch die Reihenschaltung eines ohmschen Widerstandes mit dem Wert

RST =

3 X RS 2

und eines Kondensators mit der Reaktanz

X ST = −

1 X RS 2

realisiert werden. b) Bild 8.15 zeigt alle Spannungen und Ströme für die speziellen Zahlenwerte im Zeigerdiagramm.

Bild 8.15

Zeigerdiagramm zu Schaltung 8.14.

188

8. Mehrphasensysteme

Anmerkung: Speziell unter der Bedingung Y TR = − a Y RS − a 2Y ST

Bedingung für Leiterstromsymmetrie bei einem asymmetrischen Verbraucherdreieck

ergeben sich bei einem asymmetrischen Verbraucherdreieck symmetrische Leiterströme; z. B. für Z RS = − j1kΩ (Kondensator), Z ST = + j1kΩ (Spule), Z TR = (1 3) kΩ (ohmscher Widerstand): hier belastet eine Schaltung mit einem einzigen ohmschen Widerstand ein symmetrisches Drehstrom(generator)system symmetrisch; vgl. auch die Gln. (8.17b) und (8.18c).

8.2.4 Zusammenfassender Vergleich symmetrischer Drehstromsysteme Es gibt vier mögliche Kombinationen symmetrischer Generatorschaltungen mit symmetrischen Verbrauchern: Generatorstern + Verbraucherstern, Generatorstern + Verbraucherdreieck, Generatordreieck + Verbraucherstern, Generatordreieck + Verbraucherdreieck. Diese vier Kombinationen werden in Bild 8.16 miteinander verglichen, wobei in allen vier Fällen die gleichen Strangspannungen U u , U v , U w und Impedanzen Z vorausgesetzt werden. In diesen Vergleich werden die Spannungen an den Verbraucherimpedanzen Z und die in ihnen und den Außenleitern fließenden Ströme einbezogen, außerdem die von den drei Impedanzen insgesamt aufgenommene Wirkleistung Pges. Im Fall nach Bild 8.18b wird bei vorgegebenem Strangspannungsbetrag Uu und vorgegebener Impedanz Z die größte Leistung abgegeben. Ein Maß für den Wirkungsgrad der Energieübertragung über die Leitung ist das Verhältnis des Wertes Pges zu den Leitungsverlusten, die dem Wert I R2 proportional sind. In den Fällen nach Bild 8.18a und Bild 8.18c (Verbrauchersternschaltungen) gilt

Pges I R2

= 3Z cos ϕ .

In den Fällen Bild 8.18b und Bild 8.18d (Verbraucherdreieckschaltungen) gilt

Pges I R2

= Z cos ϕ .

Bei Verbrauchersternschaltung ist der Wirkungsgrad also besser als bei Verbraucherdreieckschaltung.

8.2 Das Drehstromsystem

Bild 8.16

Symmetrische Drehstromsysteme.

189

190

8. Mehrphasensysteme

Zeitkonstanz der Gesamtleistung in einem symmetrischen Drehstromsystem In einem symmetrischen Drehstromsystem (Generator und Verbraucher sind symmetrisch) gilt für die Spannungen und Ströme in den drei Generatorsträngen u, v, w:

uu (t ) = uˆ cos ω t ;

uv (t ) = uˆ cos(ω t − 2π 3) ;

iu (t ) = iˆ cos(ω t − ϕ ) ;

uw (t ) = uˆ cos(ω t − 4π 3)

iv (t ) = iˆ cos(ω t − 2π 3 − ϕ );

iw (t ) = iˆ cos(ω t − 4π 3 − ϕ )

(hierbei ist ϕ der Winkel, um den die Ströme gegen die zugehörigen Spannungen nacheilen). Die Gesamtleistung des Generators ist

p (t ) = uu (t )iu (t ) + uv (t )iv (t ) + uw (t )iw (t ) ˆ ˆ[cos ω t ⋅ cos(ω t − ϕ ) + cos(ω t − 2π 3) cos(ω t − 2π 3 − ϕ ) = ui + cos(ω t − 4π 3) cos(ω t − 4π 3 − ϕ )]. Mit dem Additionstheorem

cos α cos β =

1 [cos(α + β ) + cos(α − β )] 2

wird hieraus

p(t ) =

1 ˆ ˆ {cos[2ω t − ϕ ] + cos[2(ω t − 2π/3) − ϕ ] ui 2 + cos[2(ω t − 4π 3) − ϕ ] + 3cos ϕ }.

Die drei hier auftretenden von t abhängigen Kosinusfunktionen sind gegeneinander um 2 π 3 verschoben und löschen sich aus (ebenso wie die drei Spannungen in Bild 8.2c: der Ausdruck p(t) für die zeitabhängige Gesamtleistung des Generators wird also in einem symmetrischen Drehstromsystem zeitunabhängig, was als besonderer Vorteil schon in Abschnitt 8.1 erwähnt wurde.

Bild 8.17

8.2.5

Schaltsymbol eines Leistungsmessers.

Wirkleistungsmessung im Drehstromsystem mit der Aronschaltung

Besonders geeignet zur Leistungsmessung sind elektrodynamische Messwerke. Durch die feste Spule eines solchen Messwerkes fließt der Messstrom und erzeugt ein stromproportionales Magnetfeld, in dem sich die Drehspule befindet. Der Strom in der Drehspule ist der Messspannung proportional, daher zeigt das Instrument das Produkt von Strom und Spannung an, misst also die Leistung unmittelbar. Schnellen Änderungen einer zeitabhängigen Leistung kann das Instrument nicht folgen (ebenso wenig wie ein Drehspulinstrument den Stromänderungen): es zeigt den arithmetischen Mittelwert der Leistung an, im Falle eingeschwungener Wechselströme und -spannungen

8.2 Das Drehstromsystem

191

also die Wirkleistung. (Blindleistung kann mit einem elektrodynamischen Messwerk nur dann gemessen werden, wenn man den Strom, der durch die Drehspule fließt und der der Messspannung proportional ist, mit einer zusätzlichen Induktivität um π 2 verschiebt. Das Schaltsymbol für einen Leistungsmesser zeigt Bild 8.17. Im Folgenden wird gezeigt, dass in einem Drehstromsystem mit drei Außenleitern (aber ohne Mittelleiter) bei beliebiger Last zwei Leistungsmesser zur Messung der gesamten Leistung genügen, die vom Generator zum Verbraucher fließt (Zwei-Leistungsmesser-Methode, Aronschaltung). In Bild 8.18 sind die drei Außenleiter dargestellt, außerdem der Generator und der Verbraucher, deren inneren Aufbau wir im Allgemeinen nicht kennen (aber für die Leistungsmessung auch nicht zu kennen brauchen) und die wir deshalb in der Schaltung 8.18 als Dreipole mit unbekanntem Inhalt darstellen.

Bild 8.18

Blockschaltbild eines beliebigen Drehstromsystems ohne Mittelleiter.

Die Spannungen und Ströme an den Verbraucherklemmen R, S, T kann man sich erzeugt denken durch eine Ersatzschaltung, die aus zwei idealen Quellen mit den Quellenspannungen uRS und uTS und den Quellenströmen iR und iT besteht, siehe Bild 8.19a. Die beiden Quellen geben über die drei Anschlüsse R, S, T ihre Gesamtleistung

p(t ) = uRS (t ) ⋅ iR (t ) + uTS (t ) ⋅ iT (t )

(8.25)

voll an den Verbraucher ab, der symmetrisch oder asymmetrisch sein kann und der als Stern-, Dreieck- oder beliebige andere Schaltung aufgebaut sein darf. Aus Gl. (8.25) folgt für die vom Verbraucher aufgenommene komplexe Scheinleistung (dargestellt durch die komplexen Effektivwerte der beiden Spannungen und die konjugiert komplexen Werte beider Ströme):

S = U RS ⋅ I R* + U TS ⋅ I T* .

(8.26)

Die Wirkleistung ist daher

P = Re( S ) = U RS I R cos ϕ RS + U TS I T cos ϕ TS .

(8.27)

Hierbei bezeichnet ϕ RS den Winkel zwischen I R und U RS , ϕ TS den Winkel zwischen I T und U TS. Im Übrigen kann man anstatt mit dem von T nach S positiv gezählten Zählpfeil U TS auch hier mit dem normalerweise verwendeten Zählpfeil U ST (U ST = − U TS ) rechnen:

S = U RS I R* − U ST I T*

(8.28)

P = Re( S ) = U RS I R cos ϕ RS − U ST I T cos ϕ ST .

(8.29)

192

8. Mehrphasensysteme

Bild 8.19

Spannungen und Ströme an den Klemmen eines Verbraucher-Dreipols. a) Momentanwerte b) Effektivwerte

Zur Messung der Gesamtleistung genügen also der Leistungsmesser 1, der die Wirkleistung P1 = U RS I R cos ϕ RS misst, und der Leistungsmesser 2, der die Wirkleistung P2 = U TS cos ϕ TS = − U ST I T cos ϕ ST misst; siehe Bild 8.19b. Übrigens ist der Ausdruck P2 = − U ST I T cos ϕ ST bei ohmscher Last immer positiv, weil hier cos ϕ ST negativ wird. Beispiel 8.5 Wirkleistungsberechnung bei einem Drehstromverbraucher

Bei einem Drehstromverbraucher nach Bild 8.19b werden zwei Leiterspannungen und zwei Leiterströme gemessen: U RS = 500 V ,

U TS = − 500 V ⋅ a 2

I R = 43, 6 A e− j36,6° ,

I S = 62,5 A ⋅ e − j136,1°

Welche Wirkleistung P nimmt der Verbraucher auf? Lösung: Für den Strom I T gilt:

I T = − I R − I S = ( − 35 + j26 + 45 + j43) A = (10 + j69) A = 70 A ⋅ e j81,8° .

Aus Gl. (8.27) folgt nun

P = 500 V ⋅ 43, 6 A cos 36, 6° + 500 V ⋅ 70 A cos(81,8° − 60°) ≈ 17,5 kW + 32,5 kW = 50 kW

Beispiel 8.6 Wirkleistungsanzeige bei reiner Blindlast

Ein rein kapazitiver Drehstromverbraucher kann selbstverständlich insgesamt keine Wirkleistung aufnehmen. Trotzdem kann jeder der beiden Wirkleistungsmesser in einer Aronschaltung eine Wirkleistung anzeigen; die Summe dieser beiden Wirkleistungen muss allerdings gleich Null sein. Ein solcher Fall liegt in der Schaltung vor, die in Bild 8.20a dargestellt ist.

8.2 Das Drehstromsystem

Bild 8.20

193

Wirkleistungsmessung an einem rein kapazitiven Drehstromverbraucher. a) Ersatzschaltung b) Zeigerdiagramm

Hier ist ein symmetrisches Drehstromsystem rein kapazitiv und symmetrisch belastet. Welche Wirkleistungen Pa und Pb zeigen die Wirkleistungsmesser an? Welche Blindleistung Q ges nimmt der Kondensatorstern auf? Lösung Da die Belastung symmetrisch ist, gilt

I R = I T = U RNω C =

U RS 3

ωC .

Für den Winkel zwischen U RS und I R gilt (vgl. Zeigerdiagramm, Bild 8.20b):

ϕ RS = − 60° und für den Winkel zwischen U TS und I T:

ϕ TS = − 120° (das Minuszeichen bedeutet jeweils, dass der Strom voreilt). Damit werden

Pa = U RS I R cos ϕRS = U RS ⋅

U RS 3 2 ωC ⋅ 0,5 = ωCU RS 6 3

Pb = U TS I T cos ϕ TS = U RS ⋅

U RS 3 2 ωC ⋅ (− 0,5) = − ωCU RS 6 3

Es ist also tatsächlich Pa + Pb = 0. Für die Blindleistung gilt: Q ges = Q a + Q b = =

2 U RS ωC[sin( − 60°) + sin( − 120°)] 3

2 U RS ωC[ − 12 3 − 3

1 2

2 3] = − U RS ⋅ ωC

Die gesamte Blindleistung ergibt sich noch einfacher aus 2

U  2 2 Q ges = − 3U RN ω C = − 3  RS  ω C = − U RS ω C.  3

194

8. Mehrphasensysteme

8.3

Systeme mit mehr als drei Phasen

In der Stromrichtertechnik werden auch Systeme mit sechs oder zwölf Phasen verwendet, die durch Phasenvervielfachung aus dem Dreiphasensystem entstehen. Auf solche Systeme mit mehr als drei Phasen lassen sich die Überlegungen aus dem vorigen Abschnitt 8.2 (Das Dreiphasensystem) sinngemäß übertragen. Zum Beispiel lässt sich die Gl. (8.12) für die Verlagerungsspannung U NM ohne weiteres verallgemeinern. Werden nämlich zu den vier Zweigen der Schaltung in Bild 8.6 noch mehr Zweige parallelgeschaltet, die ebenfalls Spannungsquellen enthalten, so kommen zum Kurzschlussstrom I K einfach die entsprechenden Summanden hinzu, ebenso beim Leitwert 1 Z P. Dies wird im folgenden Beispiel gezeigt (in dieser Aufgabe wird auch deutlich – ebenso wie in Beispiel 8.2a – dass sogar dann U NM = 0 werden kann, wenn der Verbraucherstern, der einen symmetrischen Generatorstern belastet, asymmetrisch ist; die Phasenzahl 4 wird hierbei zum Zwecke einer besonders einfachen Berechnung gewählt). Beispiel 8.7 Vierphasensystem

Bild 8.21

Vierphasiger Generator- u. Verbraucherstern.

Vier Generatorstränge (mit den Quellenspannungen U1M , U 2M , U 3M , U 4M ) sind ebenso wie die vier Verbraucher (mit den Admittanzen Y 1 , Y 2 , Y 3 , Y 4 ) sternförmig zusammengeschaltet (Bild 8.21). a)

Die Quellenspannungen und die Verbraucheradmittanzen sind gegeben. Die Spannung U NM ist gesucht.

b)

Die Quellenspannungen bilden ein symmetrisches System: U 2M = − jU1M , U 3M = − U1M , U 4M = jU1M .

Außerdem sind die Admittanzen Y 1 = G 1 , Y 3 = j3G 1 , Y 4 = 4G 1 − j4G 1 gegeben. Die Admittanz Y 2 soll so bestimmt werden, dass U NM = 0 wird. Lösung: a) Wenn man die Herleitung der Gleichung (8.12) für U NM beim Dreiphasensystem auf ein Vierphasensystem überträgt, so ergibt sich mit Z M = ∞ und 1 Z 1 = Y 1 usw. folgendes:

U NM =

U1M Y 1 + U 2M Y 2 + U 3M Y 3 + U 4MY 4 Y1 + Y 2 + Y 3 + Y 4

.

8.3 Systeme mit mehr als drei Phasen

195

b) Wendet man diese auch für beliebig asymmetrische Generator- u. Verbrauchersterne gültige Gleichung für den Fall eines symmetrischen Generatorsternes an, so entsteht U NM = U1M

Y 1 − jY 2 − Y 3 + jY 4 Y1 + Y 2 + Y 3 + Y 4

.

Wenn U NM = 0 sein soll, so muss der Zähler dieses Bruches verschwinden: Y 1 − jY 2 − Y 3 + jY 4 = 0.

Dies lösen wir nach der gesuchten Admittanz Y 2 auf: j Y 2 = Y 1 − Y 3 + jY 4

j G2 − B2 = G1 + j B1 − G3 − j B3 + j G4 − B4 . Der Realteilvergleich liefert B2 = − G1 + G3 + B4

Bild 8.22

Symmetrischer Vierphasengenerator mit symmetrischen Verbraucherspannungen und unsymmetrischen Leiterströmen.

196

8. Mehrphasensysteme

und der Imaginärteilvergleich G2 = B1 − B3 + G4 . Mit den speziellen Werten G3 = 0, B4 = − 4G1 wird B2 = − 5G1 , und mit B1 = 0, B3 = 3G1 , G4 = 4G1 wird G2 = G1 . Y 2 lässt sich also als Parallelschaltung eines Widerstandes und einer Spule aufbauen.

Anmerkung: Der asymmetrische Verbraucherstern, bei dem U NM = 0 wird (bei dem also der Stern der Verbraucherspannungen mit dem symmetrischen Generatorspannungs-Stern übereinstimmt), ist in Bild 8.22 dargestellt, die Zeigerdiagramme ebenfalls.

9.

Leitungen

9.1

Die Differentialgleichungen der Leitung und ihre Lösung

Bei den bisher betrachteten Vierpolen brauchte nicht beachtet zu werden, dass die an den Eingang des Vierpols gelegte Spannung erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung am Ausgang wirksam wird. Anders ist es bei Leitungen: hier spielt die Tatsache, dass sich Ströme und Spannungen und die mit ihnen verknüpften magnetischen und elektrischen Felder mit endlicher Geschwindigkeit ausbreiten, eine entscheidende Rolle. Hier werden Strom und Spannung Funktionen der Zeit t und des Ortes auf der Leitung, den wir mit z bezeichnen wollen (Bild 9.1).

Bild 9.1 Leitung, aus zwei Drähten bestehend: Doppelleitung.

Wir greifen aus der skizzierten Leitung ein Leitungselement der Länge Δ z heraus, das sich an der Stelle z befindet (Bild 9.2). Dieses Leitungselement hat einen bestimmten elektrischen Widerstand Δ R , den wir in der Form R′Δ z schreiben. Man nennt R′ den Widerstandsbelag der Leitung (Widerstand pro Länge für Hin- und Rückleitung zusammen). Dem Leitungselement ordnen wir weiter eine Kapazität ΔC = C ′Δ z und eine Induktivität Δ L = L ′Δ z zu und bezeichnen C ′ als Kapazitätsbelag und L′ als Induktivitätsbelag. Solche auf die Länge bezogenen Größen haben wir z. B. in den Abschnitten 3.6.3 und 6.3.4 (jew. Band 1) für spezielle Anordnungen berechnet und dabei von den Feldverzerrungen am Anfang und Ende des Kabels abgesehen. Wir haben ein ebenes Feld vorausgesetzt, d. h. die Feldlinien müssen in Ebenen senkrecht zu den Leiterachsen liegen. Dieselbe Voraussetzung soll auch hier annähernd erfüllt sein. Zur Charakterisierung der Verluste im Dielektrikum zwischen Hin- und Rückleitung führen wir den Leitwert ΔG = G ′Δ z ein. G ′ heißt der Ableitungsbelag der Leitung. Wir wenden nun auf das Leitungselement an der Stelle z die beiden Kirchhoffschen Sätze in etwas verallgemeinerter Form an. Im ersten Kirchhoffschen Satz berücksichtigen wir neben dem Leitungsstrom den in Abschnitt 6.5 eingeführten Verschiebungsstrom



∂ D  ∂   ∂Ψe  ∂ t dA = ∂ t  DdA = ∂ t

198

9. Leitungen

Bild 9.2 Leitungselement der Länge Δ z. a) zur Anwendung des 1. Kirchhoffschen Satzes b) zur Anwendung des verallgemeinerten 2. Kirchoffschen Satzes (Induktionsgesetz)

mit

Ψ e → ΔΨ e = ΔCu = C ′Δ zu . Damit folgt, wenn wir etwa das obere Leiterelement als Großknoten (Bild 9.2) auffassen:

Δz   Δz  ∂ u( z, t )  , t + i z + , t  + u ( z, t )G′Δ z + C ′Δ z −i z − =0. 2  2  ∂t   Hierbei haben wir den zufließenden Leitungsstrom an der Stelle z − Δ z 2 negativ gezählt, den abfließenden Leitungsstrom an der Stelle z + Δ z 2 und die beiden anderen abfließenden Ströme positiv. In den beiden Termen, die von der Spannung abhängen, haben wir den mittleren Wert von u an der Stelle z eingesetzt. Die ersten beiden Summanden der Gleichung lassen sich zusammenfassen, wenn beide in eine Taylor-Reihe entwickelt und dabei jeweils nur die ersten beiden Glieder berücksichtigt werden:

 ∂ i( z, t )  Δ z   ∂ i( z, t ) Δ z ∂ i( z, t ) Δz. − i ( z , t ) + ⋅ = −   + i( z, t ) + ∂ z  2  ∂z 2 ∂z  Wenn wir Δ z herauskürzen, folgt hieraus die Differentialgleichung (abgekürzt: Dgl.)

∂ i( z, t ) ∂ u ( z, t ) + G ′u ( z , t ) + C ′ = 0. ∂z ∂t

(9.1)

Wird der verallgemeinerte zweite Kirchhoffsche Satz (Induktionsgesetz, Gl. (6.3)) auf den in Bild 9.2 gestrichelt eingetragenen Umlauf angewendet, wobei

φ → Δφ = Δ L ⋅ i = L ′Δ z ⋅ i gesetzt wird und mit u jetzt in (6.3) die Gesamtspannung (Summe der Teilspannungen) auf dem Umlauf gemeint ist, so folgt

Δz  Δz  ∂ i( z, t )   , t + uz + , t  + i ( z , t ) R′Δ z = − L′Δ z −u  z − 2  2  ∂t  

9.1 Die Differentialgleichungen der Leitung und ihre Lösung

199

und schließlich unter Verwendung des Taylorschen Satzes die zu Gl. (9.1) analoge Beziehung

∂ u ( z, t ) ∂ i( z, t ) + R′i ( z, t ) + L′ = 0. ∂z ∂t

(9.2)

Dieselben partiellen Differentialgleichungen (9.1) und (9.2) erhält man auch, wenn man von dem in Bild 9.3 skizzierten Ersatzschaltbild eines Leitungselementes ausgeht.

Bild 9.3 Ersatzschaltbild eines Leitungselements.

Einfacher werden die Herleitungen, wenn die Parallelschaltung aus Kapazität und Leitwert zwischen die beiden rechten Klemmen oder die beiden linken Klemmen gelegt wird. Bei ähnlichen Herleitungen in Abschnitt 10.4 werden wir so verfahren und mit den Werten für z und z + Δ z arbeiten. Da in der Elektrotechnik solche Ströme und Spannungen eine besondere Bedeutung haben, deren Zeitabhängigkeit sinusförmig ist (harmonische Zeitabhängigkeit), wollen wir die Dgln. (9.1) und (9.2) nur für diesen speziellen Fall lösen. Wir gehen zur komplexen Darstellung über (vgl. Kapitel 7) und führen gemäß

i ( z , t ) = 2 Re{ I ( z )e jω t }, u ( z , t ) = 2 Re{U ( z )e jω t } die komplexen Effektivwerte I ( z ) und U ( z ) ein, die jetzt Ortsfunktionen sind. Nach Einsetzen in die Gln. (9.1) und (9.2) erhalten wir die beiden gewöhnlichen Differentialgleichungen

dI ( z ) + (G′ + jω C ′)U ( z ) = 0 dz

(9.3)

dU ( z ) + ( R′ + jω L′) I ( z ) = 0. dz

(9.4)

Zur Vereinfachung der Schreibarbeit lassen wir in Zukunft das Argument z bei I und U weg und verzichten auf das Unterstreichen komplexer Größen. Differenziert man Gl. (9.3) nach z und setzt dann dU dz aus Gl. (9.4) in die erste Gleichung ein, so erhält man

d 2I − ( R′ + jω L′) (G′ + jω C ′) I = 0 dz 2

(9.5)

200

9. Leitungen

und auf entsprechende Weise

d 2U − ( R′ + jω L′) (G′ + jω C ′)U = 0. dz 2

(9.6)

Hierfür schreibt man mit der Abkürzung

γ 2 = ( R ′ + jω L ′) (G ′ + jω C ′)

(9.7)

einfacher

d 2I − γ 2 I = 0, 2 dz d 2U − γ 2U = 0. dz 2

(9.8) (9.9)

Um U ( z ) zu bestimmen, machen wir den Lösungsansatz U = C e az und erhalten a = ± γ , also

U = C1eγ z + C2 e −γ z .

(9.10)

Über die komplexen Konstanten C1 und C2 kann noch frei verfügt werden. Sie lassen sich z. B. dadurch festlegen, dass man die Spannungen am Anfang ( z = 0) und Ende der Leitung ( z = l ) vorschreibt. Eine Lösung gemäß Gl. (9.10) ergibt sich auch für I:

I = K 1e γ z + K 2 e − γ z . Von den vier Konstanten C1 , C2 , K1 , K 2 sind nur zwei frei wählbar, da zwischen U und I die Beziehungen (9.3) und (9.4) bestehen. Um das zu verdeutlichen, setzen wir Gl. (9.10) in Gl. (9.4) ein und erhalten

I ( z) = −

γ R ′ + j ω L′

(C1eγ z − C2 e −γ z ).

(9.11)

Für den Faktor vor der Klammer, der der Dimension nach der Kehrwert eines Widerstandes ist, schreibt man abkürzend

1 γ . = Zw R′ + jω L′

(9.12)

Bevor wir auf die mit den Gln. (9.7) und (9.12) eingeführten komplexen Kenngrößen der Leitung γ und Z w eingehen, sollen im folgenden Abschnitt zuerst die Lösungen der Differentialgleichung veranschaulicht werden.

9.2

Veranschaulichung der Lösung

Der Einfachheit halber nehmen wir in Gl. (9.10) die Konstanten C1 und C2 als reell an. Dann schreiben wir für die nach Gl. (9.7) im Allgemeinen komplexe Konstante γ :

γ = α + jβ (α , β reell) .

(9.13)

9.2 Veranschaulichung der Lösung

201

Jetzt können wir von der komplexen Form (9.10) zur reellen Darstellung, also zur Zeitfunktion zurückkehren:

u ( z, t ) = =

2 Re{C1e(α + jβ ) z + jω t + C2 e − (α + jβ ) z + jω t } 2 C1eα z cos(ω t + β z ) +

2 C2 e −α z cos(ω t − β z ).

Bild 9.4 Der Term cos(ω t − β z ) für zwei verschiedene Zeitpunkte.

Wir betrachten zunächst den Faktor cos(ω t − β z ) und stellen ihn für die beiden Zeitpunkte t = 0 und t = Δt > 0 als Funktion des Ortes z dar (Bild 9.4). Irgendein Punkt auf der Kurve t = 0 (Ausgangslage A0) bewegt sich unter Beibehaltung seiner Ordinate innerhalb der Zeit Δt um das Wegelement Δ z nach rechts (Lage A1). Das Gleichbleiben der Ordinate bedeutet, dass auch das Argument der Kosinusfunktion und somit die Phase oder Phasenlage des Punktes sich nicht ändert:

Lage A0 : ω t − β z = konst Lage A1 : ω (t + Δt ) − β ( z + Δ z ) = konst. Die Differenz beider Zeilen liefert

ωΔt − βΔ z = 0

oder

Δz ω = . Δt β

Somit bewegen sich alle Punkte auf der Kosinuskurve unter Beibehaltung ihrer Phase mit konstanter Geschwindigkeit

v =

ω β

(9.14)

von links nach rechts. Man kann auch sagen: der ganze wellenförmige Kurvenzug breitet sich mit dieser Geschwindigkeit aus. Man nennt v die Ausbreitungs- oder Phasengeschwindigkeit der Welle. Da die Größe β ein Maß für die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Phase ist, heißt sie Phasenkonstante.

202

9. Leitungen

Den räumlichen Abstand z. B. zwischen den Maxima der Kosinusfunktion (Bild 9.4) nennt man die Wellenlänge λ. Einem Zuwachs des Argumentes der Kosinusfunktion um 2π entspricht ein Zuwachs der Länge z um λ, also wird

2π = β ⋅ λ oder

λ=



β

.

(9.15)

Aus den Gln. (9.14) und (9.15) folgt durch Auflösen nach β und Gleichsetzen:

ω v

=



λ

und mit ω = 2 π f

v = f ⋅λ .

(9.16)

Berücksichtigen wir nun neben der bisher untersuchten Kosinusfunktion auch den zugehörigen Faktor e −α z , so erhalten wir für t = 0 und t = Δt > 0 die Kurven nach Bild 9.5. Die maximal auftretenden Spannungswerte nehmen jetzt immer mehr ab, je weiter sich die Welle nach rechts ausbreitet. Es liegt also eine gedämpfte Welle vor. Die Stärke der Dämpfung wird durch die Größe α bestimmt, die man daher als Dämpfungskonstante bezeichnet.

Bild 9.5 Gedämpfte Welle.

Das Ergebnis der soeben angestellten Überlegungen ist also Folgendes: Der Ausdruck

C2 e −α z cos(ω t − β z ) stellt eine gedämpfte Welle dar, die sich in Richtung zunehmender Werte von z ausbreitet; man nennt sie die hinlaufende Welle oder Hauptwelle, die wir durch den Index h kennzeichnen wollen. Die Konstante C2 , die ja einen komplexen Spannungseffektivwert darstellt, nennen wir

9.3 Die Leitungsgleichungen

203

jetzt U h . Entsprechend beschreibt

C1e + α z cos(ω t + β z ) eine gedämpfte Welle, die in Richtung abnehmender z-Werte fortschreitet; sie wird als rücklaufende Welle oder Echowelle bezeichnet. Zur Kennzeichnung benutzen wir den Index r und setzen C 1 = U r . Mit den umbenannten Konstanten schreiben wir an Stelle der Gln. (9.10) und (9.11) unter Berücksichtigung von Gl. (9.12):

U ( z ) = U r eγ z + U h e − γ z , I ( z) = −

9.3

Ur γ z Uh − γ z e + e . Zw Zw

(9.17) (9.18)

Die Leitungsgleichungen

Für viele Aufgabenstellungen ist es zweckmäßig, den Zusammenhang zwischen den Spannungen und Strömen am Anfang und Ende der Leitung zu kennen. Diese bezeichnen wir gemäß Bild 9.6 mit U 1 , I1 , U 2 , I 2 . Von diesen vier Größen lassen sich nur zwei willkürlich vorschreiben, denn in den Gln. (9.17) und (9.18) stehen nur die beiden frei wählbaren Konstanten U h und U r zur Verfügung.

Bild 9.6 Zu den Leitungsgleichungen.

Wir können z. B. die elektrischen Größen am Leitungsende vorgeben und mit den Gln. (9.17) und (9.18) Strom und Spannung am Anfang der Leitung ausrechnen. Ebenso ist die Aufgabe lösbar, die elektrischen Größen am Leitungsanfang vorzugeben und diejenigen am Leitungsende auszurechnen. Unabhängig davon, welche dieser beiden Aufgaben wir lösen wollen, brauchen wir die Größen U 1 , I1 , U 2 , I 2 , die wir durch die Gln. (9.17) und (9.18) ausdrücken, indem wir sie für z = 0 und z = l aufschreiben:

U (0) ≡ U1 = U r + U h U (l ) ≡ U 2 = U r eγ l + U h e − γ l I (0) ≡ I1 = −

Ur Uh + Zw Zw

I (l ) ≡ I 2 = −

Ur γ l Uh − γ l e + e . Zw Zw

204

9. Leitungen

Von diesen vier Gleichungen kann man nun jeweils zwei Gleichungen dazu verwenden, um die Größen U h und U r zu eliminieren. Sieht man etwa U 2 und I 2 als gegeben an, so erhält man durch Addition bzw. Subtraktion der zweiten und der mit Z w erweiterten vierten Gleichung

U 2 + I 2 Z w = 2U h e − γ l U 2 − I 2 Z w = 2U r eγ l oder

Uh =

1 γl e (U 2 + I 2 Z w ) , 2

Ur =

1 −γl e (U 2 − I 2 Z w ). 2

(9.19)

Nach Einsetzen dieser Ausdrücke in die Gleichungen für U1 und I1 hat man

1  1  U1 = U 2  (eγ l + e − γ l )  + I 2 Z w  (eγ l − e − γ l )  2 2     1 1 γ l    I1Z w = U 2  (e − e − γ l )  + I 2 Z w  (eγ l + e −γ l )  . 2  2  Mit den Hyperbelfunktionen cosh α (Hyperbelkosinus) und sinh α (Hyperbelsinus), die so definiert sind:

cosh α =

1 α (e + e−α ) , 2

sinh α =

1 α (e − e−α ) , 2

ergibt sich folgende Darstellung der sog. Leitungsgleichungen:

U1 = U 2 cosh γ l + I 2 Z w sinh γ l I1 =

9.4

U2 sinh γ l + I 2 cosh γ l . Zw

(9.20) (9.21)

Die charakteristischen Größen der Leitung

Die in Abschnitt 9.1 eingeführten Größen γ und Z w, die die Leitung charakterisieren, sollen im Folgenden etwas genauer betrachtet werden. Wir nennen die durch Gl. (9.7) definierte Größe γ die Ausbreitungskonstante der Leitung und nach Abschnitt 9.2 den Realteil von γ die Dämpfungskonstante, den Imaginärteil die Phasenkonstante:

γ = α + jβ = ( R′ + jω L′) (G′ + jω C ′) . Um getrennte Ausdrücke für α und β herzuleiten, quadrieren wir diese Gleichung und erhalten, wenn wir die reellen und die imaginären Anteile auf beiden Gleichungsseiten gleichsetzen:

α 2 − β 2 = R ′G ′ − ω 2 L ′C ′ 2αβ = ω ( R ′C ′ + L′G ′) .

(9.22) (9.23)

9.4 Die charakteristischen Größen der Leitung

205

Um das Auflösen nach α und β zu vereinfachen, nehmen wir noch den Ausdruck für γ zu:

γ

2

= α 2 + β 2 = ( R′2 + ω 2 L′2 ) (G ′2 + ω 2 C ′2 ) .

2

hin-

(9.24)

Indem wir jetzt die Gln. (9.22) und (9.24) einmal addieren, dann voneinander subtrahieren, ergibt sich schließlich

α =

1 R′G′ − ω 2 L′C ′ + 2

β =

1 2

− R′G ′ + ω 2 L′C ′ +

( R′2 + ω 2 L′2 ) (G′2 + ω 2C ′2 ) ( R′2 + ω 2 L′2 ) (G′2 + ω 2C ′2 ) .

(9.25a)

(9.25b)

In vielen Fällen sind die Verluste der Leitung nur gering und es gilt ω L′  R ′, ω C ′  G ′. Dann lassen sich die Gln. (9.25) vereinfachen. Aus (9.25b) folgt sofort

β ≈ ω L ′C ′

.

(9.26b)

Um einen Näherungsausdruck für α zu erhalten, setzt man am einfachsten die soeben gefundene Formel in Gl. (9.23) ein und löst nach α auf:

α ≈

ω ( R′C ′ + L′G′) 2ω L′C ′

α ≈

1 C′ L′  + G′  R′  .  L′ C ′  2

oder (9.26a)

Bei den meisten Leitungen ist der erste Summand in Gl. (9.26a) größer als der zweite; dann kann die Dämpfung der Leitung durch künstliche Erhöhung des Induktivitätsbelages herabgesetzt werden (Pupinisierung, Pupinleitung). Der durch Gl. (9.12) eingeführte komplexe Widerstand lässt sich mit Gl. (9.7) schreiben als

Zw =

R ′ + jω L ′ . G ′ + jω C ′

(9.27a)

Man nennt ihn den Wellenwiderstand der Leitung, der im Allgemeinen komplex ist. Man setzt meist

Z w = Z w e jarc ( Z w) . Die Bestimmung von Betrag und Winkel der Größe Z w wird in dem folgenden Beispiel durchgeführt.

206

9. Leitungen

Beispiel 9.1 Betrag und Phase der Größe Z w Nach Quadrieren folgt aus Gl. (9.27a):

Z w2 =

R ′ + jω L′ = G ′ + jω C ′

R ′2 + (ω L′) 2 e jarctan ω L′/R′ ⋅ . G ′2 + (ω C ′) 2 e jarctan ωC ′/G′

Somit wird

Zw =

4

R ′2 + (ω L′)2 G ′2 + (ω C ′)2

und

arc( Z w ) =

1 ω L′ 1 ωC′ 1 ω ( L′G′ − C ′R′) arctan . − arctan = arctan 2 R′ 2 G′ 2 R′G′ + ω 2 L′C ′

Auch für Z w sollen Näherungsformeln angegeben werden. Bei geringen Verlusten (ω L ′  R ′, ω C ′  G ′) ergibt sich, wenn der Binomische Satz in der Form (1 + x ) n ≈ 1 + nx für x  1 mehrfach angewendet wird:

Zw =



j R′ 1− L′ 2 ω L′ C ′ 1 j G′ − 2 ωC′ L′  L′  j R′   j G′  j  R′ G′   − 1− 1 −  1 + ≈   .  ′ ′ ′ ′ C  C  2 ωL   2 ωC  2ω  L′ C ′  

L′ C′

1 − j R ′ /(ω L′) ≈ 1 − j G ′ /(ω C ′)

Vernachlässigt man die Verluste ganz, so entsteht der noch einfachere Ausdruck

Zw ≈

L′ . C′

(9.27b)

Z w ist jetzt also reell. Damit gehört zu den komplexen Amplituden U r und U r Z w bzw. U h und U h Z w in den Gln. (9.17) und (9.18) der gleiche Winkel: Bei der reflektierten wie bei der hinlaufenden Welle sind Spannung und Strom an jedem Ort auf der Leitung in Phase. Bild 9.7 zeigt das zu der Hauptwelle gehörende elektromagnetische Feld; es breitet sich von links nach rechts aus.

Bild 9.7 Feldbild der sich von links nach rechts ausbreitenden Welle (Hauptwelle; keine Verluste).

9.5 Der Eingangswiderstand

9.5

207

Der Eingangswiderstand

Für die Spannungsquelle am Eingang der Leitung wirkt die Leitung mit dem Abschlusswiderstand Z 2 wie ein komplexer Widerstand der Größe Z 1 = U 1 I1 . Man nennt diesen Widerstand den Eingangswiderstand der Leitung. Mit den Leitungsgln. (9.20), (9.21) folgt

Z1 =

U1 U 2 cosh γ l + I 2 Z w sinh γ l = U2 I1 sinh γ l + I 2 cosh γ l Zw

und mit Z 2 = U 2 I 2

Z1 = Z w

Z 2 cosh γ l + Z w sinh γ l Z 2 sinh γ l + Z w cosh γ l

.

(9.28)

Für spezielle Werte des Abschlusswiderstandes liefert diese komplizierte Formel sehr einfache Ergebnisse. Wir betrachten zuerst den Fall, dass die Leitung mit dem Wellenwiderstand abgeschlossen wird: Z 2 = Z w . Dann erhält man

Z1 = Z w . Diesen Fall bezeichnet man als Wellenanpassung: nach (9.19) tritt keine reflektierte Welle auf. Für die leerlaufende Leitung ( Z 2 = ∞ ) ergibt sich aus Gl. (9.28)

Z1l = Z w coth γ l

(9.29)

und für die kurzgeschlossene Leitung ( Z 2 = 0)

Z1k = Z w tanh γ l .

(9.30)

Bei der verlustfreien Leitung (α = 0, γ l = jβ l , Z w reell) hat man

sinh γ l → sinhjβ l = jsin β l , cosh γ l → coshjβ l = cos β l und damit an Stelle der Beziehungen (9.29) und (9.30):

Z1l = − jZ w cot β l , Z1k = jZ w tan β l . Die Eingangswiderstände Z1l und Z1k sind in Bild 9.8 als Funktion von β l dargestellt. Man sieht, dass sich die beiden Größen mit zunehmendem β l abwechselnd kapazitiv und induktiv verhalten. Beispiel 9.2 Der Eingangswiderstand einer Leitung für zwei Sonderfälle Gesucht ist der Eingangswiderstand einer verlustfreien Leitung für die beiden Sonderfälle, dass β l ein geradzahliges bzw. ein ungeradzahliges Vielfaches von π 2 ist.

208

9. Leitungen

Bild 9.8 Die Eingangswiderstände Z1l und Z1k als Funktionen der Leitungslänge. Lösung: Der Eingangswiderstand der verlustfreien Leitung folgt mit γ l = jβ l aus Gl. (9.28):

Z1 = Z w

Z 2 cos β l + jZ w sin β l . jZ 2 sin β l + Z w cos β l

Im ersten Fall:

β l = 2k ⋅

π 2

( k = 1, 2,3...)

wird

Z1 = Z w

Z 2 ( − 1)k + 0 = Z2 , 0 + Z w ( − 1)k

die Leitung wirkt also wie ein Übertrager mit dem Übersetzungsverhältnis 1:1. Im zweiten Fall:

β l = (2k + 1)

π 2

( k = 0,1, 2,...)

ergibt sich

Z1 = Z w

0 + jZ w ( − 1) k Z2 = w. k Z2 jZ 2 ( − 1) + 0

Man sagt: die Leitung transformiert den Abschlusswiderstand gemäß Z1 = Z w2 Z 2. Diese Transformationseigenschaft der Leitung kann man ausnutzen, um die Bedingung der Leistungsanpassung zu verwirklichen.

Beispiel 9.3 Bestimmung der Leitungsparameter aus Leerlauf- und Kurzschlussversuch Eine Leitung wird einmal im Leerlauf betrieben: es ergibt sich der Eingangswiderstand Z1l . Dann schließt man die Leitung am Ende kurz und ermittelt den Eingangswiderstand Z1k . Aus Z1l und Z1k sollen die Kenngrößen der Leitung bestimmt werden, nämlich Z w und γ l.

9.6 Der Reflexionsfaktor

209

Lösung: Bildet man das Produkt aus den Beziehungen (9.29) und (9.30), so erhält man Z1l Z1k = Z w2 ,

also Zw =

Z1l ⋅ Z1 k

.

Der Quotient aus den Ausgangsgleichungen liefert

Z1l Z1k

= coth 2 γ l → γ l = arc tanh

Z1k Z1l

oder

Z1l eγ l + e− γ l = γl ≡Γ. Z1k e − e− γ l Für die Wurzel haben wir abkürzend Γ geschrieben. Durch Auflösen nach der Exponentialfunktion ergibt sich dann zunächst eγ l ( Γ − 1) = e − γ l ( Γ + 1)

und schließlich

e 2γ l =

Γ +1 . Γ −1

Die Endformel lautet

1 γ l = ln 2

9.6

Z1l +1 Z1k Z1l −1 Z1k

.

Der Reflexionsfaktor

Zuerst drücken wir die komplexen Größen U r und U h in Gl. (9.17) durch die Werte von Strom und Spannung am Leitungsende gemäß Gl. (9.19) aus:

U ( z) =

1 1 (U 2 − I 2 Z w )e− γ (l − z ) + (U 2 + I 2 Z w )eγ (l − z ) . 2 2

(9.31)

Der erste Summand stellt die Spannung der rücklaufenden Welle dar, der zweite Summand die Spannung der hinlaufenden Welle. Speziell für das Leitungsende ( z = l ) gilt

U (l ) =

1 1 (U 2 − I 2 Z w ) + (U 2 + I 2 Z w ). 2 2

(9.32)

210

9. Leitungen

Entsprechend der Vorstellung, dass die hinlaufende Welle am Abschlusswiderstand Z 2 reflektiert wird, definiert man als Reflexionsfaktor r (des Abschlusswiderstandes) das Verhältnis der Spannungen von rücklaufender und hinlaufender Welle am Leitungsende:

r=

U 2 − I2 Zw U2 + I2Zw

(9.33)

oder mit Z 2 = U 2 I 2:

r =

Z2 − Zw . Z2 + Zw

(9.34)

Für die drei Sonderfälle: Wellenanpassung, Leerlauf und Kurzschluss hat man:

Z 2 = Z w → r = 0, Z 2 = ∞ → r = 1, Z 2 = 0 → r = − 1. Im ersten Fall tritt also keine Reflexion auf, es breitet sich nur die Hauptwelle aus. In den beiden anderen Fällen sind beide Teilspannungen (der hin- und der rücklaufenden Welle) am Leitungsende dem Betrage nach gleich: bei Leerlauf addieren sich die Teilspannungen, bei Kurzschluss ergänzen sie sich zu Null. Die Spannungsverteilung auf der Leitung lässt sich unter Benutzung der Definitionsgleichung (9.33) für den Reflexionsfaktor auch auf andere Arten darstellen. Zum Beispiel können wir an Stelle von Gl. (9.31) schreiben

U ( z) =

1 (U 2 + I 2 Z w ) [re− γ (l − z ) + eγ (l − z ) ] . 2

(9.35)

Der zugehörige Strom ergibt sich durch Differenziation nach z gemäß Gl. (9.4) und bei Berücksichtigung von Gl. (9.12) zu:

I ( z) =

1 U2 + I2Zw [ − re− γ (l − z ) + eγ (l − z ) ] . 2 Zw

(9.36)

Bei Leerlauf und Kurzschluss vereinfachen sich diese Beziehungen erheblich; im ersten Fall wird mit I 2 = 0, r = 1:

U ( z ) = U 2 cosh γ (l − z ) ,

I ( z) =

U2 sinh γ (l − z ). Zw

(9.37)

Im zweiten Fall folgt mit U 2 = 0, r = − 1:

U ( z ) = I 2 Z w sinh γ (l − z ) , I ( z ) = I 2 cosh γ (l − z ).

(9.38)

9.7 Die ebene Welle

211

Beispiel 9.4 Stehende Wellen

Man zeige für die verlustlose Leitung, dass sich bei Leerlauf und Kurzschluss stehende Wellen auf der Leitung ausbilden. Lösung: Die verlustfreie Leitung ist durch α = 0, γ = jβ , Im{Z w } = 0 gekennzeichnet. Arbeitet man diese Bedingungen in die Gln. (9.37) und (9.38) ein, multipliziert dann mit dem Faktor 2e jω t und bildet den Realteil, so erhält man für die leerlaufende Leitung, wenn man U 2 der Einfachheit halber als reell annimmt:

u ( z, t ) = 2 U 2 cos β (l − z ) cos ω t , i( z, t ) = − 2

U2 sin β (l − z ) sin ω t . Zw

Für die kurzgeschlossene Leitung wird mit reellem I 2:

u ( z, t ) = − 2 I 2 Z w sin β (l − z )sin ω t , i ( z, t ) = 2 I 2 cos β (l − z ) cos ω t . Die Ortsabhängigkeit der soeben berechneten Spannungen und Ströme ist von der Form cos β (l − z ) bzw. sin β (l − z ); d. h. die Lage der Extremwerte und die der Nulldurchgänge ändert sich zeitlich nicht. Der Wellenzug erfährt also keine örtliche Verschiebung. Eine solche Welle nennt man eine stehende Welle.

Bild 9.9 Feldbild der leerlaufenden Leitung (keine Verluste).

Für die leerlaufende Leitung liefern die obigen Gleichungen für ω t = 0 und für ω t = π 2 die in Bild 9.9 skizzierten örtlichen Verteilungen der Spannung bzw. des elektrischen Feldes und des Stromes. Zusätzlich enthält das Bild die dem elektrischen Feld zugeordneten Ladungen und das mit dem Stromfluss verknüpfte Magnetfeld.

9.7

Die ebene Welle

Bisher haben wir zur Beschreibung der Vorgänge auf Leitungen die integralen Größen Spannung und Strom benutzt. Wir wollen jetzt für eine bestimmte Anordnung den Zusammenhang mit den Feldgrößen E und H herleiten. Wir betrachten zu dem Zweck eine Doppelleitung, die aus zwei Bändern oder Streifen besteht, Bild 9.10, eine sog. Streifenleitung. Wir setzen die Leitung als verlustfrei voraus und nehmen an, dass d  b ist. Dann können wir das elektrische und das magnetische Feld als eben ansehen und Randeffekte vernachlässigen. Die Kapazität dieser Leitung kann mit der Formel für den Plattenkondensator ermittelt werden:

C=

εA d

=

ε bl d

→ C′ =

εb d

.

212

9. Leitungen

Bild 9.10 Streifenleitung.

Um die Induktivität ausrechnen zu können, bestimmen wir zunächst näherungsweise die magnetische Feldstärke zwischen den beiden Streifen. Wir wenden das Durchflutungsgesetz auf den eingezeichneten Umlauf an und erhalten, wenn wir – ähnlich wie bei der langen Zylinderspule (Beispiel 5.3) – nur die magnetische Spannung Hb zwischen den Streifen berücksichtigen:

Hb = I → H =

I . b

Die Induktivität wird nun über den Fluss ermittelt:

L=

φ I

=

μ Hdl I

=

μ Idl Ib

→ L′ =

μd b

.

Damit können wir die Kenngrößen der verlustfreien Streifenleitung mit den Gln. (9.26b) und (9.27b) bestimmen. Die Ausbreitungskonstante wird

β = ω L′C ′ = ω με ; die Welle breitet sich demnach mit v = ω β = 1 (die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum ist c0 = 1

με = c, d. h. mit Lichtgeschwindigkeit aus

μ0ε 0 ≈ 299792 km s). Der Wellenwiderstand

Z w, also das Verhältnis zwischen der Spannung U und dem Strom I bei der hinlaufenden und bei der rücklaufenden Welle, ergibt sich zu

Zw =

L′ = C′

μ d . ε b

Wir wollen jetzt untersuchen, ob eine ähnliche Beziehung zwischen den Feldgrößen besteht, die U und I zugeordnet sind. Wir bilden den Quotienten aus E und H und berücksichtigen dabei, dass unter den hier getroffenen Annahmen E = U d und H = I b ist und ferner U I = Z w gilt:

E U d b b = = Zw = H I b d d

μ d = ε b

μ . ε

Es ergibt sich tatsächlich eine Konstante, die man als den Feldwellenwiderstand Z F bezeichnet:

ZF =

μ . ε

9.7 Die ebene Welle

213

Befindet sich zwischen den Leiterstreifen Luft (bzw. Vakuum), so wird

ZF =

μ0 = 377 Ω ε0

(Vakuum).

Wir fassen das Ergebnis zusammen: Das ebene elektromagnetische Feld der hin- wie der rücklaufenden Welle breitet sich mit Lichtgeschwindigkeit aus und der Quotient aus E und H ist jeweils gleich dem Feldwellenwiderstand Z F . Elektromagnetische Felder der hier vorliegenden Art bezeichnet man als ebene Wellen; die Feldvektoren liegen ausschließlich in Ebenen senkrecht zur Ausbreitungsrichtung. Anmerkung:

Allgemein bezeichnet man eine Welle als eben, wenn die Flächen gleicher Phase in Ebenen liegen; der hier betrachtete Fall ist also ein Sonderfall einer ebenen Welle.

10.

Zeitlich veränderliche elektromagnetische Felder

10.1

Das System der Maxwellschen Gleichungen

Zeitlich veränderliche Magnetfelder wurden schon in Kapitel 6 betrachtet, auch die Wechselwirkung zwischen zeitlich veränderlichen elektrischen und magnetischen Feldern kam bereits zur Sprache, und zwar in dem Kapitel 9 über Leitungen. Wir stellen die maßgebenden Beziehungen, die in ihrer Gesamtheit das vollständige System der Maxwellschen Gleichungen bilden, hier zusammen. Zuerst notieren wir noch einmal die beiden Hauptgleichungen, die Aussagen über die Wirbel der beiden Felder machen: das verallgemeinerte Durchflutungsgesetz (1. Maxwellsche Gleichung) und das Induktionsgesetz (2. Maxwellsche Gleichung): (6.45)

ò

 æ  ∂ D ÷ö    ç ÷ dA H ds = ò çç J + ç ∂ t ÷÷ø A è

(10.1)

ò

    d E ds = - ò B dA . dt A

(10.2)

L

(6.4)

L

Hinzu kommen die Aussagen über die Quellen des magnetischen Feldes (3. Maxwellsche Gleichung) und des elektrischen Feldes (4. Maxwellsche Gleichung) (5.21)

ò

  B dA = 0

(10.3)

ò

  D dA = Q

(10.4)

A

(3.20)

A

und die sog. Materialgleichungen (3.16) (4.5) (5.12)

  D = εE   J =γE   B = μH .

(10.5a) (10.5b) (10.5c)

Die Verknüpfung zwischen elektrischen und magnetischen Feldern verdeutlicht das folgende Schema:

216

10. Zeitlich veränderliche elektromagnetische Felder

ò L

  H ds = ò A

 B = μH -

d dt

æ çç J ççè



+

  J =γE

 

ò B dA

(10.1)

  D = εE

(10.5)

 

ò E ds

=

A

10.2

∂ D ö÷  ÷ dA ∂ t ø÷÷

(10.2)

L

Die Maxwellschen Gleichungen bei harmonischer Zeitabhängigkeit

Hängen die in den Maxwellschen Gleichungen auftretenden Feldgrößen von der Zeit gemäß einem Sinus- (bzw. Kosinus-) Gesetz ab, so geht man zweckmäßigerweise zur komplexen Darstellung über (vgl. Kapitel 7, 8 und 9). Für die vom Ort (Aufpunkt P) und der Zeit t abhängigen Feldgrößen schreibt man

    E ( P, t ) = Re{E ( P) e jω t }, H ( P, t ) = Re{H ( P) e jω t } usw.,   wobei die komplexen Größen E ( P), H ( P) usw. Funktionen allein des Ortes sind; man nennt diese Größen auch Phasoren. Die Hauptgleichungen (10.1) und (10.2) gehen über in

ò L

       H ds = ò ( J + jω D) dA = ò (γ + jωε ) E dA A

(10.1′)

A

und (für zeitlich unveränderliche Randkurve L)

ò L

  E ds = - jω

ò

  B dA = - jω

A

ò

 

μ H dA .

(10.2′)

A

    

Die komplexen Größen E , D, J , H , B können entweder durchweg als komplexe Amplituden oder als komplexe Effektivwerte aufgefasst werden. In der Feldtheorie ist es üblich, mit komplexen Amplituden zu arbeiten, was wir hier auch tun wollen. Diese Vereinbarung hat zur Folge, dass bei der Bestimmung des Mittelwerts der Leistung der Faktor 1 2 zu berücksichtigen ist (vgl. Beispiel 10.1). Wie in Kapitel 9 verzichten wir ab jetzt wieder auf das Unterstreichen der komplexen Größen.

10.3

Wirbelströme

Die in Abschnitt 10.1 und dem dort angegebenen Schema dargestellten Zusammenhänge sollen an einem Beispiel verdeutlicht werden:

10.3 Wirbelströme

217

Bild 10.1 Leitendes Rohr in einem zur Achse parallelen magnetischen Wechselfeld.

Ein sehr langes dünnwandiges Rohr (Wandstärke s, Leitfähigkeit κ, Innenradius i , Länge l  i ) ist einem zur Achse des Rohres parallelen magnetischen Wechselfeld (Primärfeld) H P (t ) = H 0 cos ω t = Re{H 0 exp( jω t )} ausgesetzt, Bild 10.1. Gesucht sind das magnetische Feld innerhalb und außerhalb des Rohres (Hi und Ha) sowie die elektrische Stromdichte J in der Wand. Vom Einfluss des Verschiebungsstromes soll abgesehen werden. Hinweis: In diesem Abschnitt wird ausnahmsweise die Leitfähigkeit mit κ und nicht mit γ bezeichnet, weil der Buchstabe γ wie in Kapitel 9 für die Ausbreitungskonstante gebraucht wird. Wegen der Voraussetzung l  i bleiben Randeffekte außer Betracht: Die gesuchten Größen sind dann in dem interessierenden Bereich (s. Bild 10.1) von z unabhängig. Auf Grund der geringen Wandstärke hängt die Stromdichte in der Wand auch nicht von der Ortskoordinate  ab. Damit liegt die gleiche räumliche Stromverteilung vor wie bei der langen Zylinderspule, Beispiel 5.3. Das mit dieser Stromverteilung nach dem Durchflutungsgesetz, Gl. (10.1) bzw. (5.15a), verknüpfte Magnetfeld ist in Bild 5.16 dargestellt. Man kann dieses Feld als Sekundärfeld auffassen (in dem jetzt betrachteten Fall ist es zeitlich veränderlich) und es dem gegebenen Wechselfeld (Primärfeld) überlagern. Damit ergibt sich, dass das Feld außerhalb des Rohres unverändert bleibt, weil das Sekundärfeld dort vernachlässigbar klein ist. Innerhalb des Rohres dagegen führt die Überlagerung des primären und des sekundären Feldes zu einer Verringerung der magnetischen Feldstärke (Lenzsche Regel!). Um zu quantitativen Zusammenhängen zu kommen, wenden wir Gl. (10.1′) auf den in Bild 10.1 eingetragenen Umlauf L1 an:

H i Δ l − H 0 Δ l = J Δ ls = κ E Δ ls und Gl. (10.2′) auf den Umlauf L2:

E 2πi = − jω Bi πi2 = − jωμ H i πi2 .

218

10. Zeitlich veränderliche elektromagnetische Felder

Dieses Gleichungssystem wird nach den gesuchten Größen aufgelöst:

Hi =

H0

(10.6)

1 + jωμκ s A l

J = κE = −

jωμκ A l H0 . 1 + jωμκ s A l

(10.7)

Die hier eingeführten Abkürzungen A und l haben folgende Bedeutung:

A = πi2 (Rohrquerschnitt),

l = 2πi (Rohrumfang).

Die Größe μ ist hier die Permeabilität der Umgebung und nicht des Rohres (also μ = μ 0 , wenn das Rohr von Luft umgeben ist). Den Strom in der Rohrwand bezeichnet man als Wirbelstrom und die mit diesem Strom verbundenen Verluste als Wirbelstromverluste. Diese lassen sich mit Gl. (4.6) aus Gl. (10.7) z. B. als Funktion der Frequenz bestimmen: Es ergibt sich für ωμκ s A l  1 eine Proportionalität zum Quadrat der Frequenz. In Bild 10.2 ist die Hi-Ortskurve gemäß Gl. (10.6) in Abhängigkeit von der Frequenz dargestellt: Der Betrag der Feldstärke Hi nimmt mit wachsender Frequenz ab (Feldschwächung), gleichzeitig wird die zeitliche Nacheilung von Hi gegenüber dem Primärfeld immer größer; im Grenzfall ω → ∞ beträgt sie π 2. Das Rohr schirmt also den Innenraum gegen äußere Magnetfelder ab, und zwar (bei gegebenen Rohrdaten) um so besser, je größer die Frequenz ist. Bei vorgegebener Frequenz kann man die Schirmwirkung durch die Wahl des Rohrmaterials (κ) und die der Abmessungen (s, A l ) beeinflussen.

Bild 10.2 Die magnetische Feldstärke innerhalb des Rohres als Ortskurve.

Wird an Stelle des dünnwandigen Rohres ein langer Metallzylinder betrachtet (bei sonst unveränderter Aufgabenstellung), so muss die Abhängigkeit von der Ortskoordinate  berücksichtigt werden. Der Schwierigkeitsgrad dieser Aufgabe übersteigt den Rahmen der vorliegenden einführenden Darstellung. Um trotzdem den Lösungsweg aufzuzeigen, wenden wir uns einer einfacheren Anordnung zu, bei der die Begrenzungsflächen eben sind, nämlich einer leitenden Platte (z. B. Transformatorblech), Bild 10.3. Diese Metallplatte sei einem zur y-Achse parallelen magnetischen Wechselfeld H P (t ) = Re{H 0 exp( jω t )} ausgesetzt. Um von Randeffekten absehen zu können, soll gelten: lx  2b, l y  2b. Wir betrachten nur den Bereich, in dem die elektrischen und magneti-

10.3 Wirbelströme

219

Bild 10.3 Leitende Platte im magnetischen Wechselfeld.

schen Feldlinien Geraden sind, womit in diesem Bereich beide Feldgrößen nur von z abhängen. Wir machen also die Ansätze

  E ( P) = ex Ex ( z ) ,

  H i ( P) = ey H y ( z )

und wollen nun die Dgln. für diese beiden Funktionen aufstellen. Wir gehen dabei ähnlich vor wie in Abschnitt 9.1. Zuerst wenden wir Gl. (10.1′) auf den in Bild 10.3 eingetragenen Umlauf L1 an (unter Vernachlässigung des Verschiebungsstromes):

H y ( z ) dy − H y ( z + dz ) dy = J x ( z ) dydz . Durch Anwendung des Taylorschen Satzes auf den zweiten Summanden und bei Berücksichtigung nur der ersten beiden Glieder der Reihenentwicklung entsteht:

dH y dz

= − J x ( z ).

(10.8)

Entsprechend folgt mit Gl. (10.2′), aufgeschrieben für den Umlauf L2:

− Ex ( z ) dx + Ex ( z + dz ) dx = − jω By ( z ) dxdz oder

dJ x = − jωμκ H y ( z ). dz

(10.9)

Durch Eliminieren von Jx bzw. Hy erhält man aus (10.8) und (10.9) mit der Abkürzung

γ 2 = jωμκ

oder

γ = (1 + j)

ωμκ 2

≡ (1 + j) d

(10.10)

220

10. Zeitlich veränderliche elektromagnetische Felder

die Dgln.

d2Hy

− γ 2 H y ( z) = 0

(10.11)

d 2Jx − γ 2 J x ( z) = 0 , dz 2

(10.12)

dz 2

die vom gleichen Typ sind wie (9.8) und (9.9). Ihre Lösungen kennen wir schon: Gl. (9.10) bzw. (9.11). So wird z. B.

H y ( z ) = C1e γ z + C2 e − γ z

(10.13)

und mit Gl. (10.8) dann

J x ( z ) = − γ (C1eγ z − C2 e− γ z ) .

(10.14)

Da die Anordnung symmetrisch zur Ebene z = 0 ist und das primäre Magnetfeld die gleiche Symmetrie aufweist, wird die magnetische Feldstärke in der Platte eine gerade Funktion (C1 = C2 ≡ C ):

H y ( z ) = 2 C cosh γ z .

(10.15)

Die gleichen Überlegungen, die bei der vorigen Aufgabe angestellt wurden, führen auch hier zu dem Ergebnis, dass außerhalb der Platte das Magnetfeld von der Wirbelströmung nicht beeinflusst wird. So gilt, da die Tangentialkomponenten von H sich in einer Grenzschicht stetig verhalten, Gl. (5.23):

H y ( ± b) = H 0

oder

2 C cosh γ b = H 0 .

Als Lösung der Aufgabe erhalten wir nach Einarbeiten dieser Randbedingung in (10.15):

H y ( z) = H 0

cosh γ z cosh γ b

(10.16)

und wegen Gl. (10.8)

J x ( z) = − γ H 0

sinh γ z . cosh γ b

(10.17)

Wir kommen noch einmal auf die Gln. (10.13) und (10.14) zurück und wollen z. B. die Lösung mit der Konstanten C2 veranschaulichen. Mit Gl. (10.10) folgt

H y ( z ) = C2 e − (1 + j) z/d , J x ( z) =

1+ j C2 e − (1 + j) z/d . d

Diese Gleichungen beschreiben eine ebene Welle (vgl. die Abschnitte 9.2 und 9.7), die sich in Richtung zunehmender Werte von z ausbreitet, wobei sie eine Dämpfung gemäß dem Faktor exp( − z d ) erfährt. Beim Zurücklegen des Weges Δ z = d nimmt der Dämpfungsfaktor (und damit die Feldstärke) um 1 e ≈ 0, 37 ab. Da die Größe d ein Maß dafür ist, wie stark die Welle in den

10.3 Wirbelströme

221

Leiter eindringt, heißt d die Eindringtiefe. Es ist z. B. d für einen Kupferleiter bei der Frequenz f = 50 Hz ungefähr gleich 1 cm. Die für das Blech erhaltene Lösung, Gl. (10.16) und Gl. (10.17), lässt sich also als Überlagerung zweier gleichartiger Wirbelstromwellen auffassen, die jedoch entgegengesetzte Ausbreitungsrichtungen haben. Da beide Teilwellen exponentiell gedämpft sind, liegt das Feldminimum in der Symmetrieebene ( z = 0). Wir fassen die bisherigen Überlegungen zusammen und ergänzen einige Punkte. Wirbelströme sind mit einem Leistungsumsatz und daher mit Wirbelstromverlusten und einer Erwärmung des Leiters verbunden. Es kommt außerdem zu einer Feldschwächung bzw. Feldverdrängung. Aus diesen Gründen sind Wirbelströme meist unerwünscht. Sie lassen sich vermindern, indem man z. B. den Eisenkern eines magnetischen Kreises in dünne Bleche aufteilt oder Ferrite (Eisenoxyd mit Zusätzen) verwendet. Die erste Maßnahme ist in der Energietechnik üblich, die zweite wird bei hohen Frequenzen in der Nachrichtentechnik angewendet. In einigen Fällen werden Wirbelströme auch für einen bestimmten Zweck ausgenutzt. Als Beispiele nennen wir die Wirbelstrombremse, den Wechselstromzähler, die Asynchronmaschine und den Induktionsofen. Beispiel 10.1 Wirbelstromverluste in einem Blech Der Leistungsumsatz in dem Blech nach Bild 10.3 soll näherungsweise bestimmt werden; d.h. von Randeffekten und der Feldverdrängung ist abzusehen ( Hi = H 0 ). Lösung: Auf der in Bild 10.3 gestrichelt eingezeichneten Strombahn tritt die Spannung

  U=ò  E ds » 2 Ex ( z ) lx auf. Diese ist mit der Flussänderung nach Gl. (10.2′) verknüpft:

U ≈ 2 Ex ( z ) lx = − jωμ H 0lx 2 z . Teilt man das ganze durchströmte Volumen in Streifen mit dem Querschnitt dzl y und der Länge 2lx auf (vgl. Abschnitt 4.2, Beispiel 4.2), so lässt sich der Leitwert eines Streifens angeben

dG =

κ l y dz 2lx

und der Leistungsumsatz in diesem Streifen (im zeitlichen Mittel; Faktor 1 2, da mit komplexen Amplituden gearbeitet wird) berechnen: dP =

κ l dz 1 1 UU * dG = (ωμ H 0lx 2 z ) 2 y = (ωμ H 0 ) 2 κ lx l y z 2 dz . 2 2 2lx

Die Gesamtleistung folgt durch Integration: P=

 dP = (ωμ H

b

0

) 2 κ lxl y  z 2 dz = 0

1 (ωμ H 0 ) 2 κ lxl y b3 . 3

222

10. Zeitlich veränderliche elektromagnetische Felder

Bezieht man diese Leistung auf das Volumen V = lx ly2b des Bleches, so wird

PV =

1 (ωμ H 0 )2 κ b2 . 6

Bemerkenswert an diesem Ergebnis ist, dass die Verluste pro Volumen in erster Näherung mit dem Quadrat der Blechdicke anwachsen.

10.4

Die Maxwellschen Gleichungen in differentieller Form

Im Allgemeinen entspricht eine Vektorgleichung drei skalaren Gleichungen. So lassen sich z. B. auch für die erste Maxwellsche Gleichung (10.1) drei skalare Gleichungen gewinnen, wenn  man für das Flächenelement dA nacheinander setzt:













1. Fall:

Δ A = ex Δ Ax = ex Δ y Δ z

2. Fall:

Δ A = ey Δ Ay = ey Δ z Δ x    Δ A = ez Δ Az = ez Δ xΔ y .

3. Fall:

Zur Vereinfachung führen wir vorübergehend für die Gesamtstromdichte die Abkürzung    ∂D G=J + ∂t ein. (Eine Verwechslung mit dem Leitwert G ist nicht zu befürchten.)

 Bild 10.4 Zur Herleitung von rotx H .

Im ersten Fall erhält man (Bild 10.4) für gegen Null strebende Längenelemente Δ x, Δ y, Δ z :

 







Δ y Δ z  G Δ y Δ z.  H ds  G Δ A  Ge  x

x

10.4 Die Maxwellschen Gleichungen in differentieller Form

223

Die linke Gleichungsseite lässt sich so darstellen: 2 3 4 1   H ds = + + + ò ò ò ò ò= 1

2

3

4

      = H ( x, y , z ) ey Δ y + H ( x, y + Δ y, z ) ez Δ z + H ( x, y, z + Δ z )( - ey ) Δ y +   + H ( x, y, z )( - ez ) Δ z = = H y ( x , y , z ) Δ y + H z ( x , y + Δ y , z ) Δ z - H y ( x, y , z + Δ z ) Δ y - H z ( x, y , z ) Δ z . Die unterstrichenen Terme können mit der Taylorschen Formel (vgl. auch Abschnitt 9.1) zusammengefasst werden:

[ H y ( x, y , z ) − H y ( x, y , z + Δ z ) Δ y =

∂ Hy ∂ Hy     Δz Δ y = − Δz ⋅ Δ y. =  H y ( x , y , z ) −  H y ( x, y , z ) + ∂z ∂z     Entsprechend liefern die nichtunterstrichenen Terme den Beitrag

+

∂ Hz Δ y ⋅ Δ z. ∂y

Insgesamt hat man im 1. Fall



∂ Hy ∂ Hz Δ zΔ y + Δ yΔ z = Gx Δ yΔ z ∂z ∂y

oder (nach Division durch Δ y ⋅ Δ z ):

∂ Hz ∂ Hy − = Gx . ∂y ∂z

 | ⋅ ex

In den Fällen 2 und 3 erhält man durch die gleiche Rechnung (oder einfacher durch zyklisches Vertauschen der Indizes):

∂ Hx ∂ Hz − = Gy ∂z ∂x ∂ Hy ∂ Hx − = Gz . ∂x ∂y

 | ⋅ ey  | ⋅ ez

   Multipliziert man die letzten drei Zeilen mit ex , ey bzw. ez und addiert sie dann, so ergibt sich  auf der  rechten Seite derVektor G . Der Vektor auf der linken Gleichungsseite wird Rotation von H (abgekürzt: rot H ) genannt. Dieser Vektor lässt sich besonders übersichtlich durch eine Determinante darstellen:  ex

 ey

 ez

 ∂ rot H = ∂x Hx

∂ ∂y

∂ . ∂z

Hy

Hz

(10.19)

224

10. Zeitlich veränderliche elektromagnetische Felder

 Die  erste  Maxwellsche Gleichung lautet also in differentieller Form (wenn G wieder durch

J + ∂ D ∂ t ersetzt wird):    ∂D . rot H = J + ∂t

(10.20)

Für die zweite Maxwellsche Gleichung ergibt sich entsprechend   ∂B . rot E = − ∂t

(10.21)

Die Gleichungen (10.3) und (10.4) lassen sich auch in Differentialgleichungen umwandeln, indem

 Bild 10.5 Zur Herleitung von div D.

man anstelle eines beliebigen Volumens V das Volumenelement ΔV = Δ x ⋅ Δ y ⋅ Δ z betrachtet. Die beiden schraffierten Seiten in Bild 10.5 liefern zur linken Seite von Gl. (10.4) den Beitrag:

    D( x, y, z )( − ey ) Δ Ay + D( x, y + Δ y, z ) ey Δ Ay

= − Dy ( x, y, z ) Δ z Δ x + Dy ( x, y + Δ y, z ) Δ z Δ x . Die letzte Zeile lässt sich mit der Taylorschen Formel als

∂ Dy ∂ Dy Δ yΔ z Δ x = ΔV ∂y ∂y darstellen. Entsprechende Beiträge liefern die übrigen vier Flächenelemente. Insgesamt hat man:

 

æ ∂ Dx

ò D dA  çççè ∂ x

+

∂ Dy ∂ Dz ÷ö ÷ ΔV . + ∂y ∂ z ÷÷ø

10.4 Die Maxwellschen Gleichungen in differentieller Form

225



Die Summe zwischen den runden Klammern bezeichnet man als Divergenz von D (abgekürzt: 

div D):

 ∂ Dx ∂ Dy ∂ Dz div D = + + . ∂x ∂y ∂z

(10.22)

Damit lautet die linke Gleichungsseite (von Gl. (10.4)):

 div D ⋅ ΔV .

Die rechte Gleichungsseite wird

ò ψ dV  ψ Δ xΔ yΔ z = ψ ΔV . Durch Gleichsetzen beider Seiten und Division durch Δ V folgt die gesuchte differentielle Form. Anstelle von (10.3) und (10.4) hat man also

 div B = 0  div D = ψ .

(10.23) (10.24)

Um die Beziehungen ((10.20), (10.21), (10.23), (10.24)) anzuwenden, stellen wir uns die Aufgabe, eine möglichst einfache Lösung dieses Gleichungssystems zu finden. Wir setzen zunächst eine harmonische Zeitabhängigkeit und ein nichtleitendes homogenes Material voraus. Dann ergibt sich (mit (10.5)):

  rot H = jωε E

(10.20′)

  rot E = − jωμ H

(10.21′)

 div μ H = 0

(10.23′)

 div ε E = 

(10.24′)

 div H = 0 für μ = konst

(10.23″)

 ψ div E =

(10.24″)

oder

ε

für ε = konst.





In diesen Gleichungen sind E und H komplexe Amplituden. Zuerst untersuchen wir, ob Longitudinalwellen (wie bei Schall) möglich sind. Wir arbeiten also mit dem Ansatz

  E = ez E ( z )

und setzen diesen in Gl. (10.21′) ein:

226

10. Zeitlich veränderliche elektromagnetische Felder

 ex

 ey

 ez

 rot E = 0

0

 ∂ = 0 = − jωμ H . ∂z

0

0

Ez

Es zeigt sich, dass das vorausgesetzte elektrische Feld wirbelfrei ist: Es ist nicht mit einem Magnetfeld verknüpft, entsteht also nicht durch Änderung eines magnetischen Flusses. Dagegen folgt aus (10.24″)

 ∂ Ez ψ div E = oder = ∂z ε

Ez ( z ) =

1

ε

 ψ dz + konst ,

dass das elektrische Feld sich durch eine bestimmte Ladungsverteilung realisieren lässt. In dem Sonderfall ψ = 0 hat man E z = konst (homogenes Feld, z. B. das Feld zwischen den Platten eines Plattenkondensators). Wir machen jetzt versuchsweise einen Ansatz für Transversalwellen

  E = ex Ex ( z )

(10.25)

und erhalten mit Gl. (20.21′)    ex ey ez   ∂  ∂ Ex rot E = 0 0 = ey = − jωμ H . ∂z ∂z Ex 0 0 Da auf der linken Seite nur eine y-Komponente auftritt, kann auf der rechten Seite auch nur Hy von Null verschieden sein:

∂ Ex = − jωμ H y . ∂z

(10.26)

Diese Gleichung enthält zwei Unbekannte. Wir brauchen eine weitere Bedingung; diese liefert Gl. (10.21′):

 ex

 ey

 rot H = 0

0

0

Hy

 ez

 ∂  ∂ Hy  = − ex = jωε E = jωε ex Ex ∂z ∂z 0

oder

∂ Hy = − jωε Ex . ∂z

(10.27)

Da E x und H y nur von der Veränderlichen z abhängen, kann in den Gln. (10.26) und (10.27) das Symbol ∂ ∂ z durch d dz ersetzt werden.

10.4 Die Maxwellschen Gleichungen in differentieller Form

227

Leitet man diese Gln. einmal nach z ab und setzt jeweils die andere (nicht abgeleitete) Gleichung ein, so entstehen mit der Abkürzung (vgl. (9.7) und (10.10))

γ 2 = jωμ jωε oder γ = jω με ≡ jβ

(α = 0)

(10.28)

die Gleichungen

d 2Hy

− γ 2Hy = 0

(10.29)

d 2 Ex − γ 2 Ex = 0. dz 2

(10.30)

dz 2

Die Lösungen sind bekannt (vgl. (9.10) oder (10.13)); für Ex hat man

Ex = C1eγ z + C2 e−γ z = C1e jβ z + C2 e − jβ z . In Abschnitt 9.2 wurde gezeigt, daß C1 und C2 die komplexen Amplituden der Echowelle (Index r) und der Hauptwelle (Index h) sind. Wir schreiben also mit unbekannten Konstanten (analog zu Gl. (9.17)):

Ex ( z ) = Er eγ z + Eh e −γ z .

(10.31)

Daraus folgt wegen Gl. (10.26) und mit der Abkürzung (vgl. Abschnitt 9.7)

jω με γ = = jωμ jωμ

ε 1 = μ ZF

( Z F = Feldwellenwiderstand)

(10.32)

der Ausdruck (analog zu Gl. (9.18))

H y ( z) = −

E r γ z Eh − γ z . e + e ZF ZF

(10.33)

Zum Schluss ist zu prüfen, ob die gefundenen Lösungen (10.31) und (10.33) auch den Gln. (10.23″) und (10.24″) genügen:

 ∂ H y ( z) div H = =0 ∂y Das ist offensichtlich der Fall.

Bild 10.6 Transversalwelle.

und

 ∂ Ex ( z ) div E = = 0. ∂x

228

10. Zeitlich veränderliche elektromagnetische Felder

Die Lösungen (10.31) und (10.33) lassen sich leicht veranschaulichen (vgl. Abschnitt 9.2): In Bild 10.6 sind für einen bestimmten Zeitpunkt die Feldvektoren dargestellt (links: Hauptwelle, rechts: Echowelle). Mit den eben durchgeführten Überlegungen lassen sich auch die Gln. (10.8) und (10.9) ermitteln. Man braucht nur in den Formeln ab Gl. (10.20′) den Vorfaktor jωε durch die Leitfähigkeit κ zu ersetzen (an die Stelle der Verschiebungsstromdichte tritt also die Leitungsstromdichte). Es ergibt sich z. B. aus (10.26) und (10.27)

dEx = − jωμ H y oder dz dH y = − κ Ex = − J x . dz

dJ x = − jωμκ H y dz

Das sind die Gln. (10.9) und (10.8). Statt Gl. (10.28) folgt

γ 2 = jωμ ⋅ κ also Gl. (10.10); usw.

oder

γ = (1 + j)

ωμκ 2

=

1+ j d

11.

Nichtsinusförmige Vorgänge

11.1

Einführung

Wir betrachten den Reihenschwingkreis nach Bild 11.1, auf den jetzt eine Quellenspannung uq (t ) von beliebigem zeitlichen Verlauf einwirken soll. Ist z. B. die Spannung am Kondensator gesucht, die hier einfach mit u (t ) ohne Index bezeichnet wird, so hat man folgende Differentialgleichung zu lösen (wegen der Herleitung siehe Abschnitt 12.5.2):

LC

d 2u du + RC + u (t ) = uq (t ). dt dt 2

Bild 11.1 Reihenschwingkreis.

Der übliche Lösungsweg besteht darin, 1. Lösungen der homogenen Dgl. aufzustellen: uh1 = K1eλ1t , uh 2 = K 2 eλ2t , 2. eine Partikularlösung der inhomogenen Dgl. zu ermitteln: u p (t ) , 3. die Gesamtlösung zu bilden u (t ) = u p (t ) + K1eλ1t + K 2 eλ2t und die Anfangsbedingungen du u (t0 ), dt t0 einzuarbeiten, womit die Konstanten K1 , K 2 bestimmt werden. Wir führen diesen Lösungsweg an Hand von zwei Beispielen vor.

(11.1)

230

11. Nichtsinusförmige Vorgänge

Aufladen und Entladen eines Kondensators (Bild 11.2a)

C

Bild 11.2

Ein- und Ausschaltvorgang beim RC- und RL-Kreis. a) Aufladen eines Kondensators b) Ein- und Ausschalten eines Spulenstromes

Nach Einlegen des Schalters S (Stellung 1) gilt folgende Umlaufgleichung:

Ri (t ) + uC (t ) = U1

mit

i (t ) = C

duC dt

oder

RC

duC + uC (t ) = U1. dt

Der Ansatz uC = Ke λt für die Lösung der homogenen Dgl. liefert

RC λ Keλt + Keλt = 0 → λ = −

1 . RC

Man nennt RC die Zeitkonstante T der betrachteten RC-Schaltung:

RC = T . Damit ist uCh (t ) = Ke − t T . Diese Lösung beschreibt den Ausgleichsvorgang. Wenn dieser abgeklungen ist, fließt kein Strom mehr, die Quellenspannung stimmt dann mit der Kondensatorspannung überein. Addieren wir diese Lösung (Partikularlösung)

uCp = U1 zu der bereits gefundenen Lösung uch hinzu, so entsteht die Gesamtlösung

uC (t ) = U1 + Ke − t T . Die Konstante K ergibt sich aus der Anfangsbedingung: Der Kondensator soll im Schaltaugenblick ungeladen sein, d. h. es ist uC (0) = 0. (Eine sprunghafte Änderung der Kondensatorspannung ist nicht möglich, da diese wegen We = 12 CuC2 , Gl. (3.46), mit einer sprunghaften Energieänderung und damit mit einem unendlich großen Leistungsumsatz verbunden wäre.)

0 = U1 + K → K = − U 1 .

11.1 Einführung

231

Damit lautet die Gesamtlösung

uC (t ) = U1 (1 − e − t T ). Wird, nachdem der Kondensator völlig aufgeladen ist, der Schalter in die Stellung 2 gebracht, so gilt die Umlaufgleichung

RC

duC + uC (t ) = 0, dt

deren Lösung wir schon kennen:

uC (t ) = Ke − t T . Die Anfangsbedingung lautet jetzt uC (0) = U1 , also K = U1 ; und es folgt

uC (t ) = U1e − t T . Der zeitliche Verlauf dieser Spannung ist in Bild 11.3a dargestellt, außerdem die Zeitverläufe von

i=C

duC und uR = iR. dt

Einschalten und Ausschalten eines Spulenstromes (Bild 11.2b) Nach Schließen des Schalters S gilt die Umlaufgleichung

Ri (t ) + uL (t ) = U1

mit uL (t ) = L

di dt

oder

Ri (t ) + L

di = U1 . dt

Diese Dgl. stimmt mit der gerade behandelten überein. Die Lösung der homogenen Dgl. wird

ih (t ) = Keλt mit λ = −

R . L

Bild 11.3a Spannungs- und Stromverlauf beim Ein- und Ausschalten des RC-Kreises.

232

11. Nichtsinusförmige Vorgänge

Bild 11.3b Spannungs- und Stromverlauf beim Ein- und Ausschalten des RL-Kreises.

Man bezeichnet L R als Zeitkonstante T der betrachteten RL-Schaltung:

L =T . R Damit ergibt sich ih (t ) = Ke − t T . Nach Abklingen des Ausgleichsvorganges fließt der Strom

ip =

U1 . R

Die Gesamtlösung ist

i (t ) =

U1 + Ke − t T . R

Mit der Anfangsbedingung i (0) = 0 folgt

i (t ) =

U1 (1 − e − t T ). R

(Eine sprunghafte Änderung des Spulenstromes ist nicht möglich, weil mit dieser wegen Wm = 12 Li 2 , G. (6.27), eine sprunghafte Energieänderung verbunden wäre.) Wird, nachdem der Strom seinen Endwert erreicht hat, der Schalter S geöffnet, so gilt die Umlaufgleichung

Ri (t ) + L

di = 0, dt

deren Lösung bekannt ist:

i (t ) = Ke − t T .

11.2 Fourier-Reihen

233

Mit der neuen Anfangsbedingung i (0) = U1 R wird

i (t ) =

U1 − t T e . R

Dieser Strom und außerdem die Spannungen u L und uR sind in Bild 11.3b skizziert. Weitere Aufgaben dieser Art werden in Kapitel 12 mit der Laplace-Transformation gelöst. Wir wollen uns zunächst in den Abschnitten 11.2 und 11.3 mit solchen Funktionen uq (t ) befassen, die periodische Dauerschwingungen sind. Dann kann man für die Partikularlösung u p (t ) auch eine periodische Zeitfunktion erwarten. Weiterhin wollen wir annehmen, dass der Zeitpunkt, in dem die Quelle an das Netzwerk geschlossen wurde, so weit zurückliegt, dass man die Lösungen uh1 (t ) und uh 2 (t ) nicht zu berücksichtigen braucht: Wir beschränken uns also auf den eingeschwungenen Zustand. Der einfachste Fall besteht dann darin, dass die Zeitabhängigkeit der Quellenspannung durch den Sinus bzw. Kosinus beschrieben wird. Dieser Fall ist ausführlich in Kapitel 7 (Wechselstromlehre) behandelt worden. In den beiden folgenden Abschnitten wollen wir die Quellenspannung bei nicht sinusförmigem Verlauf in sinusförmige Teilspannungen zerlegen. Wir lassen dann jede Teilspannung für sich auf das Netzwerk einwirken, bestimmen die Teillösungen der gesuchten Größen (Ströme und Spannungen an irgendwelchen Stellen) und finden schließlich die Gesamtlösung durch Superposition. Das setzt natürlich voraus, dass ein lineares Netz und damit eine lineare Dgl. vorliegt; sonst ist das Superpositionsprinzip nicht anwendbar. In Abschnitt 11.4 wird das Verfahren auch auf nichtperiodische Spannungen und Ströme übertragen, indem die Periodendauer als unendlich groß angesehen wird.

11.2

Fourier-Reihen

11.2.1

Reelle Darstellung zeitperiodischer Funktionen

Wir betrachten irgendeine periodische Funktion mit der Periodendauer T, Bild 11.4. Eine solche Funktion kann man nach Fourier auf folgende Weise in Sinusschwingungen zerlegen bzw. in eine sog. Fourier-Reihe entwickeln:

f (t ) =

a0 + 2



a

n

n =1

cos nω1t +



b

n

sin nω1t

(11.2)

n =1

mit

ω1 =

2π . T

(11.3)

Die Größe a0 2 nennt man den Gleichanteil; warum hier der Faktor 1 2 eingeführt wurde, wird später deutlich. Die Schwingungen mit n = 1 heißen Grundschwingungen, die anderen Schwingungen ( n = 2, 3,...) sind die Oberschwingungen. Man bezeichnet die n-te Schwingung auch als n-te Harmonische.

234

11. Nichtsinusförmige Vorgänge

Bild 11.4 Zeitperiodische Funktion.

Ist f (t ) eine gerade periodische Funktion, d. h. f (t ) = f ( − t ), so enthält die Fourier-Reihe (11.2) nur Kosinusterme, es sind also alle bn = 0. Bei einer ungeraden Funktion dagegen, f (t ) = − f ( − t ), kommen in der zugehörigen Fourier-Reihe nur Sinusterme vor, und es sind alle an = 0 (auch a0 ). Die Koeffizienten an , bn kann man mit den sog. Orthogonalitätsrelationen (n, m > 0, ganz) π

 cos nx sin mxdx = 0

−π π

 0 für n ≠ m für n = m

 cos nx cos mxdx = π

−π π



−π

 0 für n ≠ m sin nx sin mxdx =  π für n = m

ermitteln. (Diese lassen sich leicht beweisen, wenn die trigonometrischen Funktionen durch eFunktionen dargestellt werden). Wir multiplizieren Gl. (11.2) mit cos mω1t bzw. sin mω1t und integrieren über eine Periode, z. B. von t = − T 2 bis t = + T 2: T 2



T 2

f (t ) cos mω1tdt =

−T 2

a0 cos mω1tdt 2 − T 2 T 2

+





   a

n

−T 2

n =1

 cos nω1t  cos mω1tdt 

 ∞    bn sin nω1t  cos mω1tdt.   − T / 2  n =1 T 2

+

Nach Vertauschen der Reihenfolge von Integration und Summation (wir setzen voraus, dass das hier zulässig ist) folgt bei Beachtung der Orthogonalitätsrelationen (mit ω1t statt x, ± T 2 statt ±π): T 2



f (t ) cos mω1tdt = am

−T 2

T 2

( m > 0).

Wir lösen nach am auf und ersetzen den Index m durch n: T 2

an =

2 f (t ) cos nω1tdt . T − T 2

(11.4)

11.2 Fourier-Reihen

235

Auf ähnliche Weise ergibt sich der Koeffizient bn: T 2

bn =

2 f (t ) sin nω1tdt . T − T 2

(11.5)

Der Koeffizient a0 lässt sich bestimmen, indem man beide Seiten der Gl. (11.2) über eine Periode integriert: T 2



f (t ) dt =

−T 2

a0 T. 2

Durch Auflösen nach a0 überzeugt man sich davon, dass die Berechnungsvorschrift für a0 bereits in Gl. (11.4) enthalten ist. Hätten wir den Gleichanteil in Gl. (11.2) ohne den Faktor 1 2 geschrieben, so hätten wir jetzt für a0 neben den Gln. (11.4) und (11.5) eine zusätzliche Gleichung zu notieren. Ohne Beweis geben wir hinreichende Bedingungen dafür an, dass sich eine periodische Funktion in eine Fourier-Reihe entwickeln lässt. Die Funktion f (t ) und ihre Ableitung dürfen in einem Intervall der Breite T nur endlich viele Sprungstellen aufweisen mit endlichen Sprunghöhen. Die Funktion muss (über eine Periode) absolut integrierbar sein. Als erste Anwendung betrachten wir die Rechteckspannung, Bild 11.5. Da der zeitliche Mittelwert (Gleichwert) der Spannung Null ist, kommt der Summand a0 2 in der zugehörigen FourierReihe nicht vor. Auch die übrigen Koeffizienten an treten nicht auf, da die gegebene Spannung eine ungerade Funktion ist: u ( − t ) = − u (t ).

Bild 11.5 Rechteckspannung.

Somit lautet unser Ansatz

u (t ) =



b

n

n =1

sin nω1t .

236

11. Nichtsinusförmige Vorgänge

Für die Koeffizienten folgt nach Gl. (11.5)

2   ( − U 0 ) sin nω1tdt + T  − T 2 0

bn =

T 2

 (+ U

0

0

 ) sin nω1tdt  

2 U0 = {(1 − cos nω1 T 2) − (cos nω1 T 2 − 1)} . T nω1 Mit ω1T = 2π ergibt sich

2U 0 2U 0 (1 − cos nπ) = [1 − ( − 1) n ] πn πn  4U 0 für n ungerade  =  πn  0 für n gerade.

bn =

Es treten also nur die Terme mit ungeradem n in der gesuchten Reihe auf. Damit wird die Spannung u (t ) schließlich

u (t ) =

∞ sin nω1t 4 U0  n π n =1

u (t ) =

∞ sin(2k + 1)ω1t 4 . U0  π k =0 2k + 1

(n ungerade)

oder (11.6)

Die Rechteckspannung soll jetzt auf die Reihenschaltung aus R, L und C, Bild 11.1, wirken.

Bild 11.6 Ersatz der Rechteckspannung durch sinusförmige Spannungen.

Wir ersetzen die Spannungsquelle u (t ) entsprechend Gl. (11.6) durch eine Reihenschaltung aus Spannungsquellen mit den sinusförmigen Spannungen

4U 0 sin ω1t , π

4U 0 sin 3ω1t , 3π

4U 0 sin 5ω1t ,... 5π

und erhalten damit die Schaltung nach Bild 11.6. Ist das Netz linear, so lassen sich die Teilspannungen und der Strom in dem Netz durch Anwenden des Superpositionsprinzips bestimmen. Wir kommen auf die Aufgabe zurück, wenn wir die Teilspannungen in komplexer Form dargestellt haben.

11.2 Fourier-Reihen

11.2.2

237

Komplexe Darstellung zeitperiodischer Funktionen

Man kann eine einfachere Darstellung der Fourier-Reihe gewinnen, wenn man in Gl. (11.2) die trigonometrischen Funktionen durch Kombinationen aus e-Funktionen ersetzt, Gln. (7.22a, b):

f (t ) =

a0 + 2

a = 0 + 2



an

 2 (e

jnω1t

+ e − jnω1t ) +

n =1



bn

 2 j (e

jnω1t

− e − jnω1t )

n =1

an − jbn jnω1t e +  2 n =1 ∞

an + jbn − jnω1t e .  2 n =1 ∞

Führt man jetzt komplexe Koeffizienten cn ein gemäß

an − jbn = cn , 2

a0 = c0 , 2

an + jbn = c− n 2

(11.7)

und schreibt dann in der zweiten Summe der Fourier-Reihe an Stelle von n den Index − n, so hat man

f (t ) = c0 +



c e n

jnω1t

+

n =1

−∞

ce n

jnω1t

n = −1

oder

f (t ) =



ce n

jnω1t

.

(11.8)

n=−∞

Diese Gleichung bezeichnet man als Spektraldarstellung der Zeitfunktion f (t ). Die Koeffizienten cn nennt man die zugehörigen Spektralkomponenten (komplexes Amplitudenspektrum). Wie Gl. (11.7) zeigt, sind für reelle an , bn die Koeffizienten mit positiven Indizes konjugiert komplex zu den entsprechenden Koeffizienten mit negativen Indizes; es gilt also für reelle Funktionen f (t )

cn = c−* n .

(11.9)

Gleichung (11.7) lässt weiterhin erkennen, dass bei einer geraden Funktion, für die (wie bereits erwähnt) bn = 0 gilt, die cn-Werte reell werden. Entsprechend treten bei einer ungeraden Funktion ( an = 0) nur imaginäre Koeffizienten cn auf. Wegen Gl. (11.7) lassen sich die cn mit den Gln. (11.4) und (11.5) berechnen. Bequemer ist es, die Reihe (11.8) mit exp( − jmω1t ) zu multiplizieren und über eine volle Periode zu integrieren: T 2



−T 2

f (t )e − jmω1t dt =

T 2



c  n

n=−∞

e j( n − m )ω1t dt ,

−T 2

cn  j( n − m )ω1t T 2 ] − T 2 = 0 für n ≠ m  j(n − m)ω [e 1  j( n − m )ω1t cn  e dt =  T 2 −T 2  cn  dt = cmT für n = m .  −T 2  T 2

238

11. Nichtsinusförmige Vorgänge

Damit wird, wenn man statt m wieder n schreibt:

cn =

1 T

T 2



f (t )e − jnω1t dt .

(11.10)

−T 2

Die Darstellung gemäß Gl. (11.8) mit dem komplexen Koeffizienten cn hat oft den Vorteil, dass sich das Integral (11.10) leichter auswerten lässt als die Beziehungen (11.4) und (11.5). Wichtiger noch ist für uns der Gesichtspunkt, dass die in der komplexen Wechselstromrechnung eingeführten Begriffe und Verfahren unmittelbar übernommen werden können. Die folgende Aufgabe soll das verdeutlichen. Wir betrachten noch einmal die in Bild 11.1 skizzierte Schaltung und setzen uq (t ) als Rechteckspannung an. Ermittelt werden soll die Spannung am Kondensator, die wir wie in Bild 11.1 einfach mit u (t ) (also ohne Index) bezeichnen. Zuerst entwickeln wir die Quellenspannung uq (t ) in eine Fourier-Reihe mit komplexen Koeffizienten, Gl. (11.8). Wegen Gl. (11.10) wird

1  − jnω t   ( − U 0 )e 1 dt + T  − T 2 0

cn = =

T 2

 0

 ( + U 0 )e − jnω1t dt  

U0 − (1 − e + jnω1T 2 ) + (e − jnω1T 2 − 1) − jnω1T

{

}

(n ≠ 0) .

Mit ω1T = 2π hat man

cn =

− U 0 jn π −U 0 (e − 1) = [( − 1) n − 1] jn π jn π

 2U 0  =  jn π  0 

für n ungerade für

n gerade.

Die Rechteckspannung ist also darstellbar durch die Reihe

uq (t ) =

∞ 2 1 U 0  e jnω1t jπ n = − ∞ n

uq (t ) =

∞ 2 1 e j(2 k + 1)ω1t . U0  jπ k = − ∞ 2 k + 1

(n ungerade)

oder (11.11)

Unter Benutzung der Eulerschen Formel lässt sich dieses Ergebnis leicht in Gl. (11.6) umrechnen. Anmerkung: In der Wechselstromlehre werden komplexe Größen meist durch Unterstreichung gekennzeichnet, und auf Amplituden weist ein „Dach“ hin. In der Mathematik ist diese besondere Kennzeichnung nicht üblich: die komplexen Amplituden z. B. in Gl. (11.8) heißen einfach cn. Um den Leser nicht zu verwirren, werden wir im vorliegenden Kapitel Spannungen, Ströme und Impedanzen wie in der Wechselstromlehre (s. speziell Abschnitt 7.2.1) bezeichnen und z. B. uˆ, iˆ und Z schreiben.

11.2 Fourier-Reihen

239

Jeder Summand von Gl. (11.11) entspricht einer Teil-Quellenspannung mit der komplexen Amplitude uˆ q ≡ uˆ q (ω ) = 2U 0 [ jπ(2k + 1)] und der Kreisfrequenz ω = (2k + 1)ω1 . Die Teil-Quellenspannungen haben in dem betrachteten Netzwerk Teilströme und an jedem Bauelement Teilspannungen zur Folge, deren komplexe Amplituden sich mit den Methoden der Wechselstromlehre berechnen lassen. So ergeben sich für den Strom und für die Spannung am Kondensator die Beziehungen

iˆ (ω ) =

uˆ q (ω ) Z (ω )

und

uˆ (ω ) = uˆ q (ω )

1 jω C Z (ω )

mit

Z (ω ) = R + jω L +

1 . jω C

Ersetzt man hierin uˆ q (ω ) und ω durch die oben angegebenen Ausdrücke, so folgt z. B. für die Spannung am Kondensator die komplexe Amplitude der (2k + 1) n-ten Teilspannung:

1 2U 0 j(2k + 1)ω1C uˆ (ω ) ≡ uˆ [(2k + 1)ω1 ] = . 1 jπ(2k + 1) R + j(2k + 1)ω L + 1 j(2k + 1)ω1C Die Gesamtlösung erhält man dadurch, dass man bei jeder komplexen Amplitude den zugehörigen Zeitfaktor exp[ j(2k + 1)ω1t ] ergänzt und die Teillösungen superponiert:

u (t ) = −

2U 0 ∞  πω1C k =−∞

e j(2 k +1)ω1t   1 (2k + 1)  R + j(2k + 1)ω1 L + j(2k + 1)ω1C  

.

(11.12)

2

(Streng genommen gilt die Superposition nur für endlich viele Summanden.) Anders als in der Wechselstromlehre (Kapitel 7) haben wir im vorliegenden Kapitel neben den komplexen Amplituden cn immer auch die konjugiert komplexen Amplituden c− n = cn* in die Betrachtung mit einbezogen. Damit ergibt sich als Lösung – z. B. Gl. (11.12) – der Augenblickswert, ohne dass man den Realteil bilden bzw. die mit exp( − jω t ) multiplizierte konjugiert komplexe Amplitude ergänzen muss. Beispiel 11.1 Die Koeffizienten der Rechteckspannung und die zugehörigen Linienspektren Für die Rechteckspannung nach Bild 11.5 soll der durch Gl. (11.7) gegebene Zusammenhang zwischen den Koeffizienten überprüft werden. Die Koeffizienten sind als Linienspektren darzustellen. Lösung: Bei der Herleitung von Gl. (11.6) hatte sich ergeben

a0 = 0, an = 0,

b2 k +1 =

4U 0 1 , π 2k + 1

b2 k = 0

(k = 0, 1, 2, ...)

240

11. Nichtsinusförmige Vorgänge

und entsprechend bei Gl. (11.11)

c2 k + 1 =

2U 0 1 , jπ 2 k + 1

c2 k = 0

(k = ... − 2, − 1, 0, + 1, + 2, ...).

Diese Gln. entsprechen offensichtlich der Bedingung (11.7). Stellt man die Koeffizienten graphisch dar (hier in normierter Form), so erhält man die Linienspektren (diskreten Spektren) nach Bild 11.7. Im allgemeinen Fall (an und bn von Null verschieden bzw. cn komplex) trägt man meist cn und arc cn auf.

Bild 11.7 Spektren der Rechteckspannung (Bild 11.5).

Beispiel 11.2 Überprüfung des Ergebnisses (11.12)

Man überzeuge sich davon, dass Gl. (11.12) die Lösung der Dgl. (11.1) für den Fall ist, dass die Quellenspannung uq (t ) einen zeitlichen Verlauf gemäß Bild 11.5 hat. Lösung: Durch Einsetzen von Gl. (11.12) in die linke Seite von Gl. (11.1) erhält man mit der Abkürzung

Z (k ) = R + j(2k + 1)ω1 L +

1 j(2k + 1)ω1C

den Ausdruck



2U 0 e j(2 k + 1)ω1t [ − (2k + 1) 2 ω12 LC + CRj(2k + 1)ω1 + 1]  πω1C k (2k + 1) 2 Z (k )

=

2U 0 jπ

e j(2 k + 1)ω1t



 (2k + 1)Z (k )  j(2k + 1)ω L + R + k



1

 1 . j(2k + 1)ω1C 

Die Summe in der eckigen Klammer ist gleich Z ( k ), so dass man kürzen kann. Es ergibt sich also Gl. (11.11), die Fourier-Reihe einer Rechteckspannung.

11.2 Fourier-Reihen

241

Beispiel 11.3 Eine Rechteckspannung wirkt auf einen Tiefpass

Die Rechteckspannung nach Bild 11.5 werde an den Eingang des in Bild 11.8 dargestellten Vierpols gelegt. Gesucht ist die Ausgangsspannung u2 (t ).

Bild 11.8 Vierpol (Tiefpass 1. Grades). Lösung: Die auf den Eingang wirkende komplexe Teilspannung uˆ 1 (ω ) mit der Kreisfrequenz ω hat am Ausgang die komplexe Amplitude

uˆ 2 (ω ) = uˆ 1 (ω )

1 1 + jω CR

zur Folge. Wir setzen dann im Hinblick auf Gl. (11.11):

2U 0 1 1 . jπ 2k + 1 1 + j(2k + 1)ω1CR

uˆ 2 (ω ) =

Nach Ergänzen des Zeitfaktors und Summation entsteht schließlich:

2U 0 jπ

u2 (t ) =





k = −∞

exp[ j(2k + 1)ω1t ] . (2k + 1)[1 + j(2k + 1)ω1CR]

Dass der vorliegende Vierpol als Tiefpass wirkt, kann man auch aus dem Aufbau der Glieder der soeben bestimmten 2 Reihe ablesen: Bei dieser Reihe werden die Glieder dem Betrage nach wie 1 (2k + 1) kleiner, während bei der Eingangsspannung nach Gl. (11.11) der Faktor 1 (2k + 1) auftritt.

Beispiel 11.4 Die Minimierung des mittleren Fehlerquadrates bei der Approximation einer Funktion durch die FourierReihe

Man überzeuge sich davon, dass die endliche Fourier-Reihe N

S N (t ) =

ce k

jkω1t

k =− N

mit nach Gl. (11.10) berechneten Koeffizienten cn bzw. ck eine vorgegebene Funktion f (t ) so approximiert, dass das mittlere Fehlerquadrat ein Minimum wird. Lösung: Der Fehler an irgendeiner Stelle t ist f (t ) − S N (t ) und damit wird das mittlere Fehlerquadrat F: T 2

F =

1 [ f (t ) − S N (t )]2 dt . T − T 2

Soll in Abhängigkeit von cn der Fehler ein Minimum werden, so muss gelten

∂F ! = 0, ∂ cn

242

11. Nichtsinusförmige Vorgänge

also

1 T

T 2



2[ f (t ) − S N (t )]

−T 2

∂ ! ( f (t ) − S N (t ))dt = 0 ∂ cn

(n = − N ... + N ).

Das sind 2 N + 1 Gleichungen für 2 N + 1 unbekannte Koeffizienten cn . Nach Einsetzen von S N (t ) und Durchführen der Differenziation hat man (dabei heißt der c-Wert, nach dem differenziert wird, jetzt ck , um Verwechslungen mit den cn in der verbleibenden Summe zu vermeiden): T 2



−T

N  ! jnω1t  jkω1t  f (t ) −  cn e  e dt = 0 =− n N   2

( k = − N ... + N )

oder T2



f (t )e jkω1t dt =

T 2

N

c  n

n=− N

−T 2

e jω1t ( n + k ) dt .

−T 2

Das Integral auf der rechten Seite war uns bei der Herleitung von Gl. (11.10) schon begegnet. Es ist Null für n + k ≠ 0 und T für n + k = 0 bzw. n = − k : T 2



f (t )e jkω1t dt = c− k T .

−T 2

Ersetzt man hier k durch − n, so folgt die gesuchte Beziehung (11.10).

11.3

Die Leistung bei nichtsinusförmigen Strömen und Spannungen

Strom und Spannung an einem Verbraucher sollen periodische Funktionen mit der Periode T sein und unterschiedliche Kurvenform haben. Sie seien z. B. gegeben durch die folgenden FourierReihen: ∞

 uˆ

u (t ) = U 0 +

m

cos(mω1t + α m )

(11.13a)

m =1

i (t ) = I 0 +



 iˆ cos(nω t + β n

1

n

).

(11.13b)

n =1

Man überzeugt sich leicht davon, dass sich diese Reihen auch auf die Formen (11.2) und (11.8) bringen lassen. Im zweiten Fall führt man komplexe Amplituden ein (vgl. Abschnitt 7.2.1):

uˆ m = uˆm e jα m

iˆ n = iˆn e jβ n

uˆ 0 = 2U 0

iˆ 0 = 2 I 0

uˆ −m = uˆm e − jα m

iˆ −n = iˆn e − jβ n

uˆ −m = uˆ *m

iˆ −n = iˆ *n .

11.3 Die Leistung bei nichtsinusförmigen Strömen und Spannungen

243

Damit wird

u (t ) =

1 ∞  uˆ me jmω1t 2 m=−∞

i (t ) =

1 ∞ ˆ jnω1t  i ne . 2 n=−∞

Der Augenblickswert der Leistung folgt durch Multiplikation der beiden Reihen:

1 ∞ ∞   uˆ m iˆ n e j( m + n)ω1t . 4 m=−∞ n=−∞

p(t ) = u (t )i (t ) =

Der zeitliche Mittelwert der Leistung

P=

1 T

T 2



p (t )dt

−T 2

ergibt nach Vertauschen von Summation und Integration den Ausdruck

P=

1 T



uˆ m iˆ n



 

4

m=−∞ n=−∞

T 2



e j( m + n )ω1t dt .

−T 2

Das hier auftretende Integral ist uns bei der Herleitung von Gl. (11.10) schon begegnet. Es wird T für m + n = 0, andernfalls Null. Damit hat man mit n = − m

P=

1 ∞  uˆ m iˆ −m . 4 m=−∞

(11.14)

Wir stellen die komplexen Amplituden wieder durch den Betrag und den Drehfaktor dar:

P = U 0 I0 + = U 0 I0 +

1 4



 [uˆ

iˆ e j(α m − β m ) + uˆm iˆm e − j(α m − β m ) ]

m m

m =1





m =1

uˆm iˆm cos(α m − β m ) . 2

Die Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung bezeichnet man üblicherweise mit ϕ :

ϕm = αm − βm . Indem wir jetzt noch Effektivwerte einführen

Um =

uˆm , 2

Im =

iˆm , 2

erhalten wir

P = U 0 I0 +



U m =1

I cos ϕ m .

m m

(11.15)

244

11. Nichtsinusförmige Vorgänge

Bei mehrwelligen Strömen und Spannungen ist es demnach so, dass im zeitlichen Mittel ein Leistungsumsatz nur zwischen Strom- und Spannungswellen gleicher Ordnung bzw. gleicher Frequenz stattfindet. Wirkt eine nichtsinusförmige periodische Spannung auf einen ohmschen Widerstand R, so vereinfacht sich Gl. (11.15) wegen I m = U m R zu

 P =  U 02 + 



U m =1

2 m

  



U

R=

2 m

R.

(11.16)

m=0

Man bezeichnet in Anlehnung an die in Abschnitt 7.1.7.4 angegebene Definition den Ausdruck ∞

U

U =

2 m

(11.17)

m=0

als Effektivwert der nichtsinusförmigen Wechselspannung und

U u =



U

2 m

(11.18)

m =1

als Effektivwert der dem Gleichanteil überlagerten Wechselspannung. Den Quotienten aus dieser Wechselspannung und dem Gleichanteil nennt man Welligkeit w:

w=

U u . U0

(11.19)

Bei reinen Wechselgrößen (ohne Gleichanteil) charakterisiert man den oft unerwünschten Gehalt an Oberschwingungen durch den sog. Klirrfaktor k: ∞

k =

U



U

2 m

m=2 ∞

 U m2

=

m=2

U

2 m

.

(11.20)

m =1

Oder man gibt den Grundschwingungsgehalt g an, mit dem folgender Quotient gemeint ist:

g=

U1 ∞

U

= 2 m

U1 . U

(11.21)

m =1

Zwischen g und k besteht der Zusammenhang

g2 + k2 = 1 .

(11.22)

11.4 Die Fourier-Transformation

245

11.4

Die Fourier-Transformation

11.4.1

Der Übergang von der Fourier-Reihe zum Fourier-Integral

Um die Fourier-Analyse auch bei nichtperiodischen Funktionen anwenden zu können, denken wir uns die nichtperiodische Funktion aus der periodischen durch den Grenzübergang T → ∞ hervorgegangen. Bei diesem Grenzübergang strebt dann die Frequenz der Grundschwingung wegen Gl. (11.3) gegen Null: ω1 → 0. Um den Grenzübergang zu veranschaulichen, stellen wir f (t ) zunächst durch die Reihe (11.8) dar und setzen die Koeffizienten gemäß Gl. (11.10) ein:

f (t ) = ω1

T 2



1 f (τ )e jnω1 ( t − τ ) dτ .  2 π n=−∞ −T 2



(11.23)

Da f (t ) eine reelle Funktion ist, müssen sich die Imaginärteile des Integrals gegenseitig aufheben; wir brauchen also nur die Realteile des Integrals zu betrachten, die wir abkürzend mit hr bezeichnen wollen:

hr ( jnω1 , t ) =

 T 2  1 Re   f (τ )e jnω1 ( t −τ ) dτ  . 2π  − T 2 

Die Funktion f (t ) lässt sich nun mit der Abkürzung hr so darstellen:

f (t ) =



 ω h ( jnω , t ). 1 r

1

n=−∞

Jeder Summand entspricht einem Streifen der Höhe hr und der Breite ω1 , Bild 11.9. Die Summe wird also durch die gesamte Fläche unter der Treppenkurve veranschaulicht. Daher kann sie auch in Form eines Integrals

f (t ) =  hr ( jω , t ) dω

( − T 2 < t < T 2)

Bild 11.9 Zum Übergang von der Fourier-Reihe zum Fourier-Integral.

246

11. Nichtsinusförmige Vorgänge

geschrieben werden, wobei hr die Treppenfunktion von Bild 11.9 bedeutet. Für T → ∞ geht die Stufenbreite ω1 = 2π T gegen Null, und hr strebt gegen eine (im Allgemeinen) glatte Kurve. Zugleich geht das Zeitintervall, in dem die obige Integraldarstellung für f (t ) gilt, in die gesamte Abszissenachse über. Führen wir hier den Imaginärteil wieder ein und schreiben für die Abkürzung hr wieder den ursprünglichen Ausdruck, so folgt mit den neuen Grenzen

± T 2 → ± ∞: f (t ) =

1 2π





 

f (τ )e jω ( t −τ ) dτ dω .

(11.24)

−∞ −∞

Das ist die Darstellung der nichtperiodischen Funktion f (t ) durch das sog. Fourier-Integral. Gleichung (11.24) kann auch als Transformation gedeutet werden: Man führt die komplexe Spektralfunktion S ( jω ) ein und schreibt

S ( jω ) =





f (t )e− jωt dt

(11.25a)

−∞

f (t )

1 = 2π

.



 S ( jω )e

jω t



(11.25b)

−∞

Die durch Gl. (11.25a) definierte Operation bezeichnet man als Fourier-Transformation und die durch Gl. (11.25b) beschriebene Operation als Rücktransformation oder inverse FourierTransformation. Für die beiden Operationen sind auch die Kurzzeichen F und F −1 üblich:

F[ f (t )]

=





f (t )e − jω t dt

(11.26a)

−∞

F −1[ S ( jω )] =

1 2π



 S ( jω )e

−∞

jω t



.

(11.26b)

Beim Übergang von Gl. (11.24) zu den beiden Gln. (11.25a) und (11.25b) wurde der Faktor 1 2π willkürlich vor das zweite Integral geschrieben. Häufig wird zur „Verbesserung der Symmetrie“ der Faktor 1 2π aufgespalten in 1 2π ⋅ 1 2π . Die Herleitung des Fourierschen Integraltheorems (11.24) erfolgte hier auf eine rein formale (heuristische) Weise. Den strengen Beweis des Theorems können wir hier nicht vorführen (man findet ihn in der Spezialliteratur). Wir beschränken uns darauf, hinreichende Bedingungen dafür anzugeben, dass die Funktion f (t ) durch ein Fourier-Integral dargestellt werden kann. Erstens soll f (t ) in jedem endlichen Intervall den Dirichletschen Bedingungen genügen: d. h. die Funktion hat eine endliche Anzahl von Minima und Maxima, endlich viele Sprungstellen, wobei die Sprunghöhen endlich sind. Zweitens muss das Integral ∞



−∞

f (t ) dt

11.4 Die Fourier-Transformation

247

existieren. Wegen der zweiten Bedingung lässt sich für die beim Einschalten von Gleichspannungen auftretende Sprungfunktion, Bild 11.10a, nicht ohne weiteres die Fourier-Transformierte angeben. Die Funktion nach Bild 11.10b dagegen besitzt eine Fourier-Transformierte: ∞

S ( jω ) =  e −α t e − jω t dt = 0

1

α + jω

.

(11.27)

Bild 11.10 a) Sprungfunktion und b) Exponentialfunktion.

Würde man als Transformierte der Sprungfunktion den Grenzwert von (11.27) für α → 0 ansehen, so erhielte man S ( jω ) = 1 (jω ). Eine genauere Betrachtung (s. Abschnitt 11.4.5, in dem auch die Funktion δ (ω ) erklärt wird) liefert jedoch

S ( jω ) =

1 + πδ (ω ). jω

(11.28)

Die Formel (11.25b) entspricht weitgehend der Gl. (11.8), wobei an die Stelle des FourierKoeffizienten cn jetzt 21π S ( jω )dω getreten ist. S ( jω ) ist also eine Amplitudendichte (Spektraldichte). Die Formel (11.25a) stimmt weitgehend mit der Berechnungsformel der FourierKoeffizienten überein, Gl. (11.10). Bei dieser Interpretation ergibt sich für die Netzwerkberechnung bei nichtperiodischer Anregung sofort Folgendes: Für jede Anregung (Strom oder Spannung) kann die Wirkung der differentiellen Anregung 21π S ( jω )dω mit der komplexen Wechselstromrechnung bestimmt werden. Die Gesamtwirkung folgt durch Integration gemäß Gl. (11.25b).

11.4.2

Eine Anwendung der Fourier-Transformation

Um diese Vorgehensweise zu verdeutlichen, betrachten wir folgende Aufgabe: Die Spannung nach Bild 11.11 wirkt auf den Eingang des auch in Beispiel 11.3 untersuchten Vierpols. Gesucht ist die Ausgangsspannung u2 (t ).

Bild 11.11 Rechteckimpuls.

248

11. Nichtsinusförmige Vorgänge

Zuerst stellen wir die Eingangsspannung durch ihr Spektrum bzw. ihre Fourier-Transformierte dar. Nach Gl. (11.25a) ergibt sich t1

S1 ( jω ) = U 0  e − jω t dt = 0

U0 (1 − e − jω t1 ). jω

Die komplexe Amplitudendichte S1 ( jω ) hat wegen uˆ 2 (ω ) = uˆ 1 (ω ) (1 + jω CR ) nach Beispiel 11.3 am Ausgang die Amplitudendichte

S 2 ( jω ) = S1 ( jω )

U 1 1 − e − jω t1 = 0 ⋅ 1 + jω CR jω 1 + jω CR

zur Folge. Dieser Ausdruck stellt die Lösung der Aufgabe im Frequenzbereich dar. Um die Lösung im Zeitbereich zu erhalten, muss man die Rücktransformation gemäß Gl. (11.25b) durchführen:

u2 (t ) =

U0 2πj





−∞

1 − e − jω t1 jω t dω e . ω 1 + jω CR

Bild 11.12 Schema zur Anwendung der Fourier-Transformation (und der Laplace-Transformation: Kapitel 12).

Der hier geschilderte Lösungsweg lässt sich durch das Schema nach Bild 11.12 veranschaulichen. Auf die Auswertung des Integrals für u2 (t ) soll hier nicht eingegangen werden. Sie ist in vielen Fällen sehr mühsam. Erst in Abschnitt 11.4.5 (Beispiel 11.6) werden wir die Rücktransformation vorführen.

11.4 Die Fourier-Transformation

11.4.3

249

Ausblick auf die Systemtheorie

Der Begriff System soll hier zuerst an einigen Beispielen verdeutlicht werden.

Bild 11.13 Beispiele für Systeme (aus: Wunsch/Schreiber „Digitale Systeme“ [WS 82]).

Die auftretenden physikalischen Größen, die zur Darstellung von Nachrichten dienen, nennt man Signale. Eine Einrichtung (z. B. Schaltung, Prozess, Algorithmus), die aus einem gegebenen Eingangssignal ein Ausgangssignal erzeugt, bezeichnet man als System. Lineare Systeme lassen sich beschreiben (charakterisieren) durch ihre Reaktion (Antwort) auf einfache Eingangsfunktionen (Testfunktionen). Besonders häufig verwendet werden folgende Testfunktionen: a)

x(t ) = e jωt

b)

x(t ) = δ (t )

(Deltaimpuls)

c)

x(t ) = 1(t )

(Sprungfunktion).

250

11. Nichtsinusförmige Vorgänge

Aus den Antworten auf diese Testfunktionen lässt sich relativ einfach die Antwort auf eine beliebige Eingangsfunktion herleiten. Bisher wurde der Fall a) behandelt. Die Überlegungen werden hier noch einmal zusammenfassend dargestellt: Es hatte sich gezeigt, dass bei linearen Netzen die Antwort auf x(t ) = exp ( jω t ) proportional zu exp ( jω t ) ist. Man nennt den Proportionalitätsfaktor die Systemfunktion und schreibt

y (t ) = H ( jω ) e jωt .

(11.31)

Im gerade behandelten Beispiel (Abschnitt 11.4.2) war H ( jω ) die Spannungsübertragungsfunktion

1 . Aus (11.31) ergibt sich eine erste Vorschrift zur Bestimmung von H ( jω ) : 1 + jω CR H ( jω ) =

y (t ) x (t )

.

(11.32)

x ( t ) = e jω t

Stellt man eine beliebige Eingangsfunktion x(t ) durch das Fourier-Integral (falls dieses existiert) in der Form ∞

x(t ) =



−∞

1 X ( jω )dω ⋅ e jω t 2π

dar, so ist folgende Interpretation möglich: x(t ) ist zusammengesetzt aus lauter harmonischen Schwingungen exp( jω t ), die jeweils mit der (zu dem betreffenden ω gehörenden) Amplitude (Gewicht)

1 X ( jω )dω 2π

(11.33)

sind. Hat nun die Eingangsfunktion exp( jω t ) die Ausgangsfunktion H ( jω ) exp( jω t ) zur Folge, so gehört zu der mit der Amplitude (11.33) multiplizierten Eingangsfunktion exp( jω t ) eine mit derselben Amplitude multiplizierte Ausgangsfunktion, falls multipliziert

das System linear ist, also

H ( jω )

1 X ( jω )dω e jω t . 2π

Überlagert man die Beiträge aller Frequenzen, so entsteht das Integral

y (t ) =

1 2π



 X ( jω ) H ( jω )e

jω t

dω .

(11.34)

−∞

Ein Vergleich mit (11.25b) zeigt, dass das Produkt X ( jω ) H ( jω ) die Fourier-Transformierte von y (t ) ist, also gilt

Y ( jω ) = H ( jω ) X ( jω ).

(11.35)

11.4 Die Fourier-Transformation

251

Damit hat man eine zweite Vorschrift zur Ermittlung der Systemfunktion:

Y ( jω ) . X ( jω )

H ( jω ) =

11.4.4

(11.36)

Einige Eigenschaften der Fourier-Transformation

Bezeichnet man die Transformierte jeweils durch den entsprechenden Großbuchstaben, so folgt z. B. statt (11.25a):

F ( jw ) =





f (t )e − jwt dt.

(11.37)

−∞

Häufig verwendet man für Transformation und Rücktransformation das Korrespondenzzeichen :

F ( jw )

f (t )

F ( jw )

und

f (t ).

Betrag und Winkel Ersetzt man in (11.37) w durch −w, so entsteht:

F ( − jw ) =





f (t )e + jwt dt .

−∞

Für reelles f (t ) gilt also

F (− jw ) = F * ( jw ).

(11.38)

Daraus folgt, dass F ( jw ) eine gerade und arcF ( jw ) eine ungerade Funktion ist:

F ( jw ) = F ( − jw ) ,

(11.39)

arcF ( jw ) = − arcF ( − jw ).

(11.40)

Dualität, Symmetrie (Theorem) Die Integrale für die Hin- und die Rücktransformation sind gleichartig aufgebaut. Das lässt vermuten, dass bei gegebener Korrespondenz f (t ) F ( jω ) eine Beziehung zwischen F ( jt ) und f (ω ) leicht angegeben werden kann. Ersetzt man in dem Umkehrintegral (11.25b)

f (t ) =

1 2π



 F ( jω )e

jω t



−∞

ω durch t und t durch − ω , so entsteht: 2π f (−ω ) =



 F ( jt )e

−∞

− jω t

dt .

(11.41)

252

11. Nichtsinusförmige Vorgänge

Also gilt (wegen (11.37))

F ( jt )

2π f (−ω ).

(11.42)

Linearität Durch Einsetzen in die Definitionsgleichung folgt

k1 F1 ( jω ) + k2 F2 ( jω ).

k1 f1 (t ) + k2 f 2 (t )

(11.43)

Variablenverschiebung im Zeitbereich Aus ∞



f (t − t0 )

f (t − t0 )e − jωt dt

−∞

ergibt sich mit der Substitution t − t0 = τ → t = τ + t0 , dt = dτ bei unveränderten Grenzen: ∞



f (t − t0 )

f (τ )e − jω (τ + t0 ) dτ

−∞

oder

e − jω t0 F ( jω ).

f (t − t0 )

(11.44)

Der Betrag des Spektrums bleibt also unverändert. Variablenverschiebung im Frequenzbereich Es ist

F ( j(ω − ω 0 )) =





f (t )e − j(ω − ω0 )t dt

−∞

=





f (t )e jω0t e − jω t dt ,

−∞

also

f (t )e jω0t

F ( j(ω − ω 0 )).

(11.45)

Anwendung: Modulation Mit

f (t ) cos ω 0t = 12 [ f (t )e jω0t + f (t )e − jω0t ] 1 2

[ F ( j(ω − ω 0 )) + F ( j(ω + ω 0 ))]

hat man den in Bild 11.14 dargestellten Zusammenhang zwischen Zeitfunktion und Spektrum.

11.4 Die Fourier-Transformation

253

Bild 11.14 Modulation.

Der Ähnlichkeitssatz Für f (at ) mit a > 0 ergibt sich ∞

f ( at )



f (at )e − jω t dt.

−∞

Mit der Substitution at = T → t =

f ( at )



1 a



f (T )e

T 1 , dt = dT bei unveränderten Grenzen erhält man a a

− jωa T

dT ,

−∞

 F ( j ωa )

oder

f (at )

1 F ( j ωa ). a

Falls a < 0 ist, lautet der Vorfaktor

(11.46)

1 1 statt . Beide Fälle werden erfasst, wenn man −a a

1 schreibt. a Der Faltungssatz Ist die Fourier-Transformierte als Produkt F1 ( jω ) ⋅ F2 ( jω ) darstellbar mit bekannten Korrespondenzen F1 ( jω ) f1 (t ), F2 ( jω ) f 2 (t ), so kann man die zu F1 ( jω ) ⋅ F2 ( jω ) gehörende Originalfunktion durch eine spezielle Integration aus f1 (t ) und f 2 (t ) bestimmen. Für diese als Faltung bezeichnete Operation schreibt man f1 (t ) * f 2 (t ) (gelesen: f1 gefaltet mit f 2 ):

F1 ( jω ) ⋅ F2 ( jω )

f1 (t ) * f 2 (t ).

(11.47)

254

11. Nichtsinusförmige Vorgänge

Dieser Zusammenhang wird mit dem Umkehrintegral (11.41) dargestellt und dabei wird z. B. F2 ( jω ) durch (11.37) ausgedrückt:

f1 (t ) * f 2 (t ) =

1 2π

∞  jω t − jωτ ( j ) F ω − ∞ 1  −∞ f2 (τ )e dτ  e dω.    F2 ( jω ) ∞

Vertauscht man beide Integrationen, so entsteht:

f1 (t ) * f 2 (t ) =





f 2 (τ )

−∞



1 F1 ( jω )e jω ( t − τ ) dω dτ . 2π −∞  f1 (t − τ )

Ergebnis:

f1 (t ) * f 2 (t ) =





f1 (t − τ ) f 2 (τ ) dτ

F1 ( jω ) ⋅ F2 ( jω )

(11.48)

−∞

oder (Substitution t − t = T usw.)

f1 (t ) * f 2 (t ) =





f1 (t ) f 2 (t − t ) d t

F1 ( jw ) ⋅ F2 ( jw ).

−∞

Der entsprechende Ausdruck für die „Faltung im Frequenzbereich“ lautet:

f1 (t ) ⋅ f 2 (t )

1 2π



1

 F ( jλ ) F ( j(ω − λ ))dλ = 2π F ( jω ) ∗ F ( jω ). 1

2

1

2

−∞

Differenziation im Zeitbereich Eine Methode besteht darin, von (11.37) auszugehen und partiell zu integrieren: ∞





1 1 df − jwt F ( jw ) =   f (t ) edt = − f (t )e − jwt + e dt.  w w j j dt −∞ u −∞ −∞ v′  − jw t

Damit f (t ) transformierbar ist, muss gelten: f (t ) → 0 für t → ± ∞, also

= 0.

Ergebnis:

F ( jω ) =

1  df  F oder jω  dt 

df dt

jω F ( jω ).

(11.49)

Bei einer anderen Methode geht man vom Umkehrintegral (11.41)

f (t ) =

1 2π



 F ( jω )e

−∞

jω t



11.4 Die Fourier-Transformation

255

aus und differenziert auf beiden Seiten nach t (dabei vertauscht man auf der rechten Seite die Reihenfolge von Differenziation und Integration): ∞

df 1 = dt 2π

 jω F ( jω )e

jω t

dω .

−∞

Offenbar gilt

df dt

jω F ( jω ).

Durch n-maliges Differenzieren gewinnt man

dn f dt n

(jω ) n F ( jω ).

(11.50)

Wegen dieser Beziehung geht eine Differentialgleichung (mit konstanten Koeffizienten) durch Anwenden der Fourier-Transformation in eine algebraische Gleichung über. Integration im Zeitbereich Eine Funktion g (t ) sei durch ein Integral über f (t ) definiert: t

g (t ) =



f (τ )dτ .

−∞

Dann ist

dg (t ) = f (t ) dt oder in transformierter Form

jω G ( j ω ) = F ( jω ) und

1 F ( jω ), d. h. jω

G ( jω ) = t

g (t ) =



−∞

f (τ )dτ

1 F ( jω ). jω

(11.51)

Diese Aussage gilt nur, wenn F ( jω ) und G ( jω ) existieren. Das bedeutet, dass F ( jω ) für ω → 0 verschwindet (s. Beispiel 11.5).

256

11. Nichtsinusförmige Vorgänge

11.4.5

Die Fourier-Transformierten häufig auftretender Funktionen

1. (Einheits)sprungfunktion Übliche Bezeichnungen sind 1(t ), s (t ), u (t ) (wegen ,,unit“).

0 für t < 0 1(t ) =  1 für t > 0.

Definition: ∞

− jω t  1 ⋅ e dt = −

1(t )

0

1 − jω t e jω



=? 0

Dieser Fall wird später noch einmal betrachtet (unter Punkt 5.). 2. Deltafunktion, Stoßfunktion oder Diracimpuls I. Veranschaulichung der Deltafunktion (als Grenzübergang)

Bild 11.15 Veranschaulichung der Deltafunktion. a) Rechteckimpuls, b) Dreieckimpuls,

c) Exponentialimpuls

Die Funktionen δ T( i ) (t )

für t < 0 0 0 für t < 0 für t < 0 0  1 t   2   (1) (2) (3) δ T (t ) =  für 0 < t < T δ T (t ) =  1 −  für 0 < t < T δ T =  1 − Tt T für t > 0 T T   T e 0 für t > T 0 für t > T gehen für T → 0 in den Deltaimpuls (die Deltafunktion) über:

δ (t ) = lim δ T(i ) (t ) i = 1, 2, 3. T →0

Der Deltaimpuls ist keine Funktion im Sinn der klassischen Mathematik, sondern eine verallgemeinerte Funktion (Distribution).

11.4 Die Fourier-Transformation

257

II. Darstellung des Deltaimpulses

Bild 11.16 Deltaimpuls: δ ( t ) wird durch einen Pfeil der Länge 1 dargestellt.

III. Die Fourier-Transformierte der Deltafunktion Aus

1 − jω t 1 − e − jω T e dt =  jω T T 0 T

δ T(1) (t ) folgt

δ (t )

1 − e − jω T jω e − j ω T = lim = 1, T →0 T →0 jω T jω lim

d. h.

δ (t )

1.

(11.52)

Das Spektrum der Deltafunktion enthält also alle Frequenzen. Ergänzung:

Bild 11.17 Rechteckimpuls (symmetrisch).

Mit dem Verschiebungssatz folgt aus der oben angegebenen Korrespondenz:

 

δ T(1)  t +

1 − e − jω T e jω T ⋅e 2 = jω T

T  2

jω T2

−e jω T

Daraus entsteht

δ (t )

2sin ω T2 2 ⋅ ω T2 = lim = 1. T→ 0 T → 0 ωT ωT lim

− jω T2

=

2sin ω T2 . ωT

258

11. Nichtsinusförmige Vorgänge

Der symmetrische Rechteckimpuls der Höhe 1 und der Breite T wird oft mit Π (t T ) bezeichnet (Bild 11.18). Mit den üblichen Abkürzungen si x =

2 sin w2T wT = Tsi = T sinc fT 2 w

t  Π  T 

Abbildung 11.18

sin x sin πx und sinc x = gilt: πx x

Rechteckimpuls der Höhe 1.

IV. Definitionsgleichungen Üblicherweise definiert man den Diracimpuls durch folgende Gleichungen: Definition 1

δ (t ) = 0 für t ≠ 0 ∞

 δ (t )dt = 1

−∞

Definition 2

  −∞   oder  ( Distributionentheorie)  ∞  f ( t ) δ ( t t )d t f ( t ) − = 0 0   −∞  ∞



f (t )δ (t )dt = f (0)

Bild 11.19 Zur Ausblendeigenschaft der δ-Funktion.

(11.53)

11.4 Die Fourier-Transformation

259

Aus Definition 1 und Definition 2 folgt (ohne hier genauer begründet zu werden) die wichtige Beziehung f (t ) ⋅ δ (t ) = f (0) ⋅ δ (t ), die später gebraucht wird (Beispiel 11.7). Vorausgesetzt wird dabei die Stetigkeit von f (t ) in der Umgebung von t = 0. Wegen der Definition 2 spricht man von der „Ausblendeigenschaft der δ-Funktion“. Zwischen dem Deltaimpuls und der Sprungfunktion bestehen folgende Zusammenhänge: t

 δ (τ )dτ

= 1(t ) ≡ s (t );

−∞ t

δ

(1) T

(τ )dτ = sT (t );

−∞

ds = δ (t ) dt dsT = δ T(1) (t ). dt

Diese Beziehungen sind in Bild 11.20 veranschaulicht.

Bild 11.20 Der Zusammenhang zwischen Impuls- und Sprungfunktion.

3. Die Exponentialfunktion

e

−α t

⋅ 1(t )



1 e  dt = − e − (α + jω )t  0 e α + jω − (α + jω ) t e



−α t − jω t

= 0

1 α + jω

(für α > 0 oder falls α komplex: Re α > 0). Folgerungen: 1) Sprungfunktion:

lim e −α t 1(t )

α →0

lim

α →0

1

α + jω

=

1 . jω

Diese Herleitung ist nicht einwandfrei, da die oben angegebene Voraussetzung α > 0 verletzt wird!

260

11. Nichtsinusförmige Vorgänge

2) e

jω 0 t

?

Bei Verwendung von (11.37) ergeben sich Probleme beim Einsetzen der Grenzen! Daher soll eine andere Methode verwendet werden. Aus δ (t ) 1 folgt mit dem Symmetrietheorem:

2πδ ( − ω ) = 2πδ ( + ω )    gerade Funktion!

Bild 11.21

1

oder

1

2πδ (ω ).

(11.54)

Gleichspannung: nur Frequenz Null.

Mit der Variablenverschiebung im Frequenzbereich ergibt sich daraus:

(11.55)

Bild 11.22

(Reine) Wechselspannung der Frequenz

ω0 .

4. Kosinus

cos ω 0 t =

1 jω 0 t 1 − jω 0 t e + e 2 2

Bild 11.23 Kosinus der Frequenz

ω0 .

π [δ (ω − ω 0 ) + δ (ω + ω 0 )]

11.4 Die Fourier-Transformation

261

5. Noch einmal: Sprungfunktion Ausgangspunkt ist jetzt die Fourier-Reihe der Rechteckspannung (11.6) mit U 0 = zusätzlichen Gleichglied

1 2 + 2 π

f (t ) =

1 2

und einem

a0 1 = : 2 2

sin(2k + 1)ω1t . 2k + 1 k =0 ∞



Um den Grenzübergang T → ∞ durchführen zu können, wird zuerst mit

(2k + 1)ω1 = ω

oder

2k + 1 =

ω ω1

die neue Veränderliche ω eingeführt:

f (t ) = Die Summe 2

1 2 + 2 π

ω  ω

1



ω=

 ω ω ω

sin ω t

1 , 3 1 , 5 1 ,...

ω

⋅ ω1 .

(11.56)

lässt sich leicht veranschaulichen: Bild 11.24.

Bild 11.24 Veranschaulichung der Summe.

Die Summe stellt also die Fläche unter der Treppenkurve dar. Diese geht für T → ∞, ω1 → 0 in eine glatte Kurve über; die Summe kann als Integral geschrieben werden; dabei wird 2ω1 durch dω ersetzt: ∞ ∞ − jω t  1 1  e jω t e d dω  ω + −   2 2π j  0 ω ω 0  − ∞ ∞ jω t jω t   1 1 e e dω −  dω  = +  2 2π j  0 ω 0 ω 

1(t ) =

=

1 1 + 2 2π





−∞

1 jω t e dω . jω

(Das Integral konvergiert nur im Sinn des Cauchyschen Hauptwertes.)

262

11. Nichtsinusförmige Vorgänge

Die Fourier-Transformierte von

πδ (ω ) +

1(t ) Wegen 1(t ) =

1 2

1 2

+

1 2

ist πδ (ω ), die des zweiten Summanden offenbar

1 . jω

1 , also wird jω (11.57)

sgn t mit der Definition

 +1 für sgn t =   −1 für

x>0 x τ  t

f (t ) * u (t ) =



f (τ )dτ .

−∞

Andererseits gilt: F ( jω ) ⋅

f (t ) * u (t )

=

U ( jω )   πδ (ω ) + 1 jω 1 F ( jω ) ⋅ πδ (ω ) + F ( jω ).  jω π F (0) ⋅ δ (ω )

Ergebnis: t



f (τ )dτ

−∞

F ( jω ) + π F (0) ⋅ δ (ω ). jω

(11.59)

Beispiel 11.6 Fortsetzung von Beispiel 11.3

Das in Abschnitt (11.4.2) für u2 (t ) angegebene Integral soll jetzt ausgewertet werden. Zu diesem Zweck wird die Fourier-Transformierte S 2 ( jω ) oder U 2 ( jω ) in einfachere Terme zerlegt (dabei bedeutet jetzt U q die Höhe des Rechteckimpulses):

    − jω t1 1 e . − U 2 ( jω ) = U q   jω (1 + jω CR) jω (1 + jω CR)      Summand 2   Summand1

11.4 Die Fourier-Transformation

263

Der erste Summand zwischen den eckigen Klammern lässt sich durch zwei Partialbrüche darstellen:

1 ⋅ CR

1 1   jω  jω +  CR  

=

mit A =

Summand 1 =

   1  A B +  1  CR  jω jω + CR   1 jω +

1 CR

= CR,

B = − CR

jω = 0

1 1 − 1 jω jω + CR

1 − t sgn t − e CR ⋅ 1(t ). 2

(Die Korrespondenzen wurden aus Tabelle 11.1 am Ende des Kapitels entnommen). Für den zweiten Summanden folgt mit dem Verschiebungssatz: t −t

Summand 2

− 1 1 sgn(t − t1 ) − e CR ⋅ 1(t − t1 ). 2

Also ist t t −t − − 1 1  u2 (t ) = U q  (sgn t − sgn(t − t1 )) − e CR ⋅ 1(t ) + e CR ⋅ 1(t − t1 )  . 2  

Dieses Ergebnis ist in Bild 11.25 skizziert.

Bild 11.25 Ergebnis von Beispiel 11.6.

Beispiel 11.7 Die Sprungfunktion am Eingang des Tiefpasses 1. Grades

Wirkt statt des Rechteckimpulses die Sprungfunktion auf dieselbe Schaltung ein, so entsteht mit

 1  U1 ( jω ) = U q πδ (ω ) + j ω  

(11.60)

264

11. Nichtsinusförmige Vorgänge

der Ausdruck U 2 ( jω ) = U q

1  πδ (ω )  1 jω . = Uq  + 1 + jω CR jω (1 + jω CR )  1 + jω CR

πδ (ω ) +

Der erste Summand (zwischen den Klammern) ist wegen δ (ω ) ⋅ f (ω ) = δ (ω ) ⋅ f (0) einfach πδ (ω ). Der zweite Summand wird wie oben zerlegt; damit folgt:

    1 1 − U 2 ( jω ) = U q πδ (ω ) + . 1 j ω   jω +  CR  Mit den bekannten Korrespondenzen ergibt sich: u2 (t ) = U q [1 − e

t − CR

(11.61)

]1(t ).

6. Periodische Funktionen In den vorangehenden Abschnitten sind zwei Fourier-Darstellungen eingeführt worden, nämlich die Fourier-Reihe für periodische Signale und das Fourier-Integral für nichtperiodische Signale. In den Anwendungen kommen auch Signale vor, die einen periodischen und einen nichtperiodischen Anteil enthalten. Beide Anteile lassen sich nicht ohne weiteres in einheitlicher Form durch die Fourier-Transformierte darstellen, da der periodische Anteil nicht absolut integrabel ist. Diese Schwierigkeit kann man umgehen, wenn man Deltaimpulse zulässt. Das erste Beispiel dieser Art ist die bereits hergeleitete Korrespondenz

e jω 0 t

2pδ (ω − ω 0 ).

Die Zeitfunktion ist periodisch mit der Periode 2p ω 0. Aus dieser Korrespondenz folgt zunächst

ck e jkω0t

2pck δ (ω − kω 0 )

und durch Summation ∞

ce k

jkω0t

2p

k = −∞



 c δ (ω − kω ). k

0

k =−∞

Die linke Seite ist die Fourier-Reihe einer beliebigen Funktion mit der Periode 2p w0. Die zugehörige Fourier-Transformierte wird durch eine gewichtete Impulsfolge beschrieben (mit den Gewichten 2pck ). Als ideale Abtastfunktion spielt die gleichförmige Impulsfolge (mit den Gewichten 1 und der Periode T) eine Rolle:

xS (t ) =



 δ (t − kT ).

k =−∞

Sie lässt sich zunächst durch die Fourier-Reihe

xS (t ) =



ce k

k =−∞

T 2

jkω 0t

mit ck =

1 δ (t )e − jkω0t dt T − T 2

11.4 Die Fourier-Transformation

265

darstellen. Das Integral ist eins; also folgt

xS (t ) =

1 ∞ jkω0t e . T k = −∞

Die Fourier-Transformierte ergibt sich zu:

X S ( jω ) = ω 0



 δ (ω − kω ). 0

k = −∞

Das ist ein bemerkenswertes Ergebnis: Die gleichförmige Impulsfolge im Zeitbereich entspricht einer gleichförmigen Impulsfolge im Frequenzbereich (Bild 11.26).

Abbildung 11.26 Die ideale Abtastfunktion und ihre Fourier-Transformierte.

Anmerkung: Bei den bisher mit der Fourier-Transformation behandelten Fällen (Bild 11.12) ging es um die Berechnung der Systemantwort bei verschwindenden Anfangswerten (englisch: „zero-state-response“).

Anfangswerte lassen sich berücksichtigen, indem (im Zeitbereich) durch Lösen der homogenen Differentialgleichung (s. Abschnitt 11.1) ein Zusatzterm (englisch: „zero-input response“) bestimmt wird. Mit der Fourier-Transformation allein kann ein Anfangswertproblem also nicht gelöst werden. Hierfür ist die einseitige Laplace-Transformation ein besonders geeignetes Hilfsmittel.

11.4.6

Beschreibung der Systemreaktion mit Hilfe der Impulsantwort

In 11.4.3 wurde bereits erwähnt, dass sich die Antwort eines Systems angeben lässt, wenn die Reaktion auf den Deltaimpuls bekannt ist. Die Grundidee ist in Bild 11.27 skizziert. Vorausgesetzt werden Linearität und Zeitinvarianz des Systems. (Ein System nennt man zeitinvariant, wenn bei einer zeitlichen Verschiebung des Eingangssignals das Ausgangssignal um den gleichen Betrag verschoben – und sonst nicht geändert – wird.)

266

11. Nichtsinusförmige Vorgänge

Bild 11.27 Zerlegung einer beliebigen Eingangsfunktion in Rechteckimpulse und Zusammensetzen der Ausgangsfunktion aus Impulsantworten ( x (t ), y (t ) sind Näherungen).

Die beschriebene Grundidee wird nun genauer formuliert. x(t ) soll durch eine Treppenkurve angenähert und diese durch eine Summe von Rechteckimpulsen (bisherige Bezeichnung: δ T(1) (t ))

1 0 < t < Δ 0 sonst

δ Δ (t ) =  Δ

dargestellt werden: Bild 11.28. Offenbar gilt:

x(t )  x (t ) =



 x(k ⋅ Δ)δ Δ (t − k ⋅ Δ) ⋅ Δ

k = −∞

Für Δ → 0 geht die Treppenkurve x (t ) in eine i.a. glatte Kurve über:

x (t ) = lim x (t ), Δ→0

(11.62)

11.4 Die Fourier-Transformation

267

Bild 11.28 Annäherung der Eingangsfunktion durch Rechteckimpulse.

und aus der Summe wird ein Integral (k ⋅ Δ → τ , δ Δ (t ) → δ (t ), Δ → dτ ):

x(t ) =



 x(τ )δ (t − τ )dτ .

(11.63)

−∞

Bild 11.29 Die Antwort hΔ (t ) auf den Rechteckimpuls δ Δ (t ).

Die Antwort des Systems auf einen Impuls δ Δ (t ) am Eingang soll mit hΔ (t ) (= Impulsantwort) bezeichnet werden. Ist das System zeitinvariant, so gilt:

δ Δ (t − k ⋅ Δ ) bewirkt am Ausgang hΔ (t − k ⋅ Δ ). Ist das System außerdem linear, so hat man zunächst

x(k ⋅ Δ )δ Δ (t − k ⋅ Δ )Δ bewirkt am Ausgang x( k ⋅ Δ )hΔ (t − k ⋅ Δ ) Δ , woraus sich für die Ausgangsgröße im allgemeinen Fall (beliebiges x(t )) durch Superposition ein zu (11.62) analoger Ausdruck ergibt:

y (t )  y (t ) =



 x(k ⋅ Δ )hΔ (t − k ⋅ Δ)Δ .

(11.64)

k = −∞

Geht man auch hier zum Integral über, so folgt (mit hΔ → h usw.) das Faltungsintegral (Duhamel-Integral):

y (t ) =



 x(τ )h(t − τ )dτ .

−∞

(11.65)

268

11. Nichtsinusförmige Vorgänge

Transformiert man diese Gleichung und beachtet den Faltungssatz (11.48), so erhält man

Y ( jω ) = X ( jω ) H ( jω ).

(11.66)

Tabelle 11.1. Einige Korrespondenzen zur Fourier-Transformation.

f (t )

F ( jω )

e − at u (t )

1 a + jω

a>0

e at u ( − t )

1 a − jω

a>0

te − at u (t )

1 ( a + jω ) 2

a>0

t n e − at u (t )

n! ( a + jω ) n + 1

a>0

δ (t ) 1

1

u (t )

πδ (ω ) +

e jω 0 t

2πδ (ω − ω 0 )

cos ω 0 t

π [δ (ω + ω 0 ) + δ (ω − ω 0 )]

sin ω 0 t

jπ [δ (ω + ω 0 ) − δ (ω − ω 0 )]

2πδ (ω )

cos ω 0 t ⋅ u (t ) sin ω 0 t ⋅ u (t )

π 2

1 jω

[δ (ω − ω 0 ) + δ (ω + ω 0 )] +

jω ω − ω2

[δ (ω − ω 0 ) + δ (ω − ω 0 )] +

jω ω 02 − ω 2

π 2j

2 0

e − at sin ω 0 t ⋅ u (t )

ω0 (a + jω ) 2 + ω 02

a>0

e − at cos ω 0 t ⋅ u (t )

a + jω (a + jω ) 2 + ω 02

a>0



 δ (t − nT )

n = −∞

e− t

2

2σ 2

ω0



 δ (ω − nω ) 0

n = −∞

σ 2π e −σ

2

ω0 =

2π T

ω2 2

Die Angabe a > 0 setzt ein reelles a voraus. u (t ) bezeichnet hier die Sprungfunktion.

11.4 Die Fourier-Transformation

269

Das ist aber Gleichung (11.35); die oben eingeführte Systemfunktion ist also nichts anderes als die Fourier-Transformierte der Impulsantwort. Zeitbereich

Bild 11.30 Der Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsgröße im Zeit- und Frequenzbereich.

Zusammenfassende Anmerkung: Für die in 11.4.3 eingeführte Systemfunktion haben wir inzwischen drei Deutungen kennengelernt, die wir hier mit teils neuen Bezeichnungen aufschreiben: 7. Frequenzgang: x(t ) = e jω0 t bewirkt am Ausgang y (t ) = H ( jω 0 )e jω0 t 8. Übertragungsfunktion bei beliebiger Erregung:

Y ( j ω ) = H ( j ω ) X ( jω ) 9. Fourier-Transformierte der Impulsantwort:

H ( jω ) = F[h(t )]

Wirkt auf ein durch die Impulsantwort h(t ) gekennzeichnetes System das Exponentialsignal x(t ) = exp( jω 0t ), so folgt für die Antwort y (t ) mit dem Faltungssatz (11.65)

y (t ) =





−∞

h(t )e jω0 (t − t ) dt = e jω0t



 h(t )e

− jω 0 t

−∞

dt .

  H ( jω 0 )

12.

Die Laplace-Transformation

12.1

Der Übergang von der Fourier- zur LaplaceTransformation

Das Fourier-Integral, Gl. (11.24), existiert wegen der Konvergenzschwierigkeiten bei τ → ± ∞ nur für eine sehr beschränkte Klasse von Funktionen. So besitzt z. B., wie man leicht nachprüfen kann, die Funktion f (t ) = t keine Fourier-Transformierte, und für die Sprungfunktion lässt sich die Transformierte nicht ohne weiteres (vgl. Abschnitt 11.4.5) herleiten. Die genannten Schwierigkeiten treten nicht auf, wenn man die Fourier-Transformation in geeigneter Weise modifiziert. Es ist naheliegend, zur Konvergenzverbesserung bei t → + ∞ in Gl. (11.26a) den Faktor exp( −σ t ) (σ > 0, reell) zu ergänzen. Dadurch werden aber in vielen Fällen die Schwierigkeiten bei t → − ∞ noch verstärkt. Um das zu vermeiden, fordert man

f (t ) = 0 für t < 0. Diese Forderung ist bei technischen Vorgängen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt beginnen, ohnehin erfüllt, wenn man den Zeitmaßstab so wählt, dass t = 0 den Anfangszeitpunkt bedeutet. Damit kommt man zum einseitigen Laplace-Integral der Funktion f (t ), das mit L[ f (t )] bezeichnet werden soll:

L[ f (t )] =



 f (t ) e

−σ t

e − jω t dt .

(12.1)

0

Durch Zusammenfassen von σ und jω zu der komplexen Variablen

p = σ + jω

(12.2)

folgt

L[ f (t )] =



 f (t ) e

− pt

dt .

(12.3)

0

Anmerkung: Bei der Ergänzung des Faktors exp( − σ t ) kann der Eindruck entstehen, das Integral (12.3) würde nur für positives σ konvergieren. Das trifft nicht zu, es hängt vielmehr von der Funktion f (t ) ab, wie groß σ mindestens sein muss (s. die späteren Beispiele). Bei der Fourier-Transformation ließ sich die Rücktransformation mit Hilfe des Umkehrintegrals (11.26b) durchführen. Wir wollen nun zeigen, dass es ein entsprechendes Integral auch bei der Laplace-Transformation gibt.

272

12. Die Laplace-Transformation

Wir gehen von Gl. (12.1) aus. Die rechte Seite dieser Gleichung kann man, wie ein Vergleich mit dem Integral (11.26a) zeigt, als Fourier-Transformierte von f (t ) ⋅ e − σ t auffassen:

S ( p ) = L[ f (t )] = F[ f (t ) e − σ t ].

(12.4)

Dabei wird f (t ) = 0 für t < 0 vorausgesetzt und σ als Konstante behandelt. Außerdem muss σ so gewählt sein, dass das Laplace-Integral existiert. Mit Gl. (12.4) ist ein Zusammenhang zwischen der Laplace-Transformierten und der FourierTransformierten gefunden. Das Umkehrintegral (11.26b) liefert ∞

1 S (σ + jω ) e jω t dω 2π −∞

f (t )e − σ t = oder

f (t ) =



1 S (σ + jω ) eσ t e jω t dω . 2π −∞

Hier setzt man wieder p = σ + jω und schreibt, da σ konstant ist, dp = jd ω . Schließlich rechnet man die Integrationsgrenzen um,

ω = ± ∞ → p = σ ± j∞ , und erhält das Laplacesche Umkehrintegral: σ + j∞

f (t ) =

1 S ( p )e pt dp . 2πj σ −j∞

(12.5)

Statt L[ f (t )], L[u (t )], L[i (t )] usw. werden wir in Zukunft meist F ( p ), U ( p ), I ( p ) schreiben. Damit tritt an die Stelle der Gln. (12.3) und (12.5):

F ( p) =



 f (t )e

− pt

dt

(12.6a)

0

σ + j∞

f (t ) =

1 F ( p )e pt dp 2πj σ −j∞

Häufig wird das Korrespondenzzeichen

f (t )

F ( p)

oder

F ( p)

.

(12.6b) benutzt:

f (t ).

Man bezeichnet f (t ) als Originalfunktion, die Transformierte F ( p ) als Bildfunktion. Man spricht auch von der Darstellung einer Funktion im Originalbereich (Zeitbereich) bzw. im Bildbereich (Frequenzbereich). Ohne Beweis geben wir hinreichende Bedingungen für die Existenz der Laplace-Transformierten an: neben der bereits genannten Voraussetzung, dass f (t ) für t < 0 verschwinden muss, fordern wir: f (t ) soll (s. Abschnitt 11.4.1) den Dirichletschen Bedingungen genügen, weiter soll ∞

 0

f (t ) e −σ t dt

12.2 Einige Eigenschaften der Laplace-Transformation

273

endlich sein, was sich durch geeignete Wahl 2 von σ meist erreichen lässt. (Eine Funktion, die +t diese letzte Voraussetzung nicht erfüllt, ist e ; diese besitzt keine Laplace-Transformierte.)

12.2

Einige Eigenschaften der Laplace-Transformation

Linearität Auf Grund von Gl. (12.3) gilt

L[ kf (t )] = kL[ f (t )], k = konst L[ f1 (t ) + f 2 (t )] = L[ f1 (t )] + L[ f 2 (t )] .

(12.7)

Bild 12.1 Zum Verschiebungssatz.

Entsprechende Beziehungen bestehen für das Umkehrintegral (12.5). Diese Eigenschaften zeigen, dass die Laplace-Transformation (wie die Fourier-Transformation auch) eine lineare IntegralTransformation ist. Variablenverschiebung im Zeitbereich Wählt man an Stelle des Zeitmaßstabs t den um b verschobenen Zeitmaßstab t − b = τ mit b > 0, so erhält man wegen (12.6a):

L[ f (t − b)] =





f (t − b)e − pt dt =





−b

0



f (τ)e − p ( τ + b ) d τ = e − pb  f ( τ)e − pτ d τ. −b

Da bei der Laplace-Transformation vorausgesetzt wird, dass die betrachteten Funktionen f (t ) für t < 0 verschwinden, gilt für die verschobene Funktion: f (t − b) = 0 für t − b < 0 oder t < b, Bild 12.1. Die Integration darf also erst bei τ = 0 beginnen: ∞

L[ f (t − b)] = e − pb  f ( τ)e − pτ d τ = e − pb L[ f (t )] .

(12.8)

0

Die Verschiebung eines Zeitvorgangs um b in Richtung zunehmender Zeitwerte bewirkt im Bildbereich eine Multiplikation mit exp( − pb) = exp( − σ b) exp( − jω b), d. h. eine Phasenänderung um − ω b und eine Maßstabsänderung exp( − σ b).

274

12. Die Laplace-Transformation

Variablenverschiebung im Frequenzbereich Ersetzt man in der transformierten Funktion F ( p ) die Größe p durch p + a, so wird wegen (12.6a):

F ( p + a) =



 f (t )e

− ( p + a )t

dt = L[ f (t )e − at ] .

(12.9)

0

Diesen Zusammenhang bezeichnet man auch als Dämpfungssatz. Differenziation im Zeitbereich Wir setzen voraus, dass f (t ) für t > 0 differenzierbar ist und dass die Laplace-Transformierte von

df existiert. Dann ergibt sich durch partielle Integration: dt ∞ ∞ df (t ) − pt  df (t )  − pt ∞ L e dt [ f ( t )e ] p f (t )e − pt dt = = + 0    dt dt   0 0 = pL[ f (t )] − f (0).

(12.10)

Durch wiederholtes Anwenden dieser Regel findet man die wichtige Beziehung

 d n f (t )  n n −1 n−2 ( n −1) L (0) .  = p L[ f (t )] − p f (0) − p f ′(0) − ... − f n dt  

(12.11)

Weist die Funktion bei t = 0 eine Sprungstelle auf, so muss man sich für den rechtsseitigen oder linksseitigen Grenzwert entscheiden. In diesem Kapitel wird durchweg mit dem rechtsseitigen Grenzwert ( f (0+ )) gearbeitet (s. auch Abschnitt 14.3). Integration im Zeitbereich t

Wir betrachten das Integral

 f (τ)d τ. Durch partielles Integrieren ergibt sich: 0

  L   f (τ)d τ  = 0  1

∞ t

 0 0



∞ t  1  1 f (τ)d τe − pt dt =  − e − pt  f (τ)d τ  +  f (t )e − pt dt. p0 0  p 0

Der erste Summand verschwindet unter folgenden Voraussetzungen: Es soll f (t ) die in Abschnitt 11.4.1 genannten Bedingungen erfüllen. Dann wird an der unteren Grenze (t = 0) t

lim t →0

1 − pt e  f ( τ) d τ = 0. p 0

Beim Einsetzen der oberen Grenze (t → ∞ ) ergibt sich für genügend großen Realteil von p ebenfalls kein Beitrag. Damit folgt

1  1 L   f (τ)d τ  = L[ f (t )] . 0  p

(12.12)

12.2 Einige Eigenschaften der Laplace-Transformation

275

Der Ähnlichkeitssatz Ersetzt man in f (t ) das Argument t durch at ( a > 0), so entsteht folgende Laplace-Transformierte:

L[ f ( at )] =



 f (at )e

− pt

dt.

0

Mit der Substitution at = T , dt =

L[ f ( at )] =

1 dT ergibt sich a



1 1  p − pT f (T )e a dT = F   .  a0 a a

(12.13)

Der Faltungssatz

F1 ( p ) und F2 ( p ) sollen die Bildfunktionen von f1 (t ) und f 2 (t ) sein. Wir betrachten das Produkt F1 ( p ) F2 ( p ) und fragen nach der zugehörigen Originalfunktion, die symbolisch als f1 (t ) * f 2 (t ) geschrieben wird. Wegen Gl. (12.6b) ist zunächst σ + j∞

f1 (t ) * f 2 (t ) =

1 F1 ( p ) F2 ( p )e pt dp . 2πj σ −j∞

Wird hierin F2 ( p ) durch das Integral (12.6a) dargestellt (mit τ an Stelle von t), so folgt

f1 (t ) * f 2 (t ) =

σ + j∞ ∞ 1   F1 ( p)   f 2 (τ)e− pt d τ  e pt dp  2πj σ − j∞  0 

und nach Vertauschen der Reihenfolge der Integrationen

f1 (t ) * f 2 (t ) =



 0

σ + j∞  1  f 2 (τ)  F1 ( p)e p (t − τ ) dp  d τ.   2πj σ − j∞ 

Der Inhalt der geschweiften Klammer ist wegen (12.6b) die Funktion f1 (t − t ). Im Zusammenhang mit der „Variablenverschiebung“ im Zeitbereich wurde schon auf die Voraussetzung hingewiesen, dass die hier betrachteten Zeitfunktionen für negative Werte des Arguments verschwinden müssen. Daher ist das innere Integral gleich f1 (t − t ) für t > t und gleich 0 für t < t . Damit wird t

f1 (t ) * f 2 (t ) =

 f (t − t ) f 1

2

(t ) d t

F1 ( p ) ⋅ F2 ( p )

.

(12.14a)

0

Wegen der Symmetrie in F1 ( p ) und F2 ( p ) gilt auch: t

f1 (t ) * f 2 (t ) =

 f (t ) f 1

2

(t − t ) d t

F1 ( p ) ⋅ F2 ( p ).

(12.14b)

0

Die Übereinstimmung zwischen (12.14a) und (12.14b) ergibt sich auch einfach nach der Substitution t − t = σ . Der entsprechende Ausdruck für die „Faltung im Bildbereich“ lautet: σ + j∞

f1 (t ) ⋅ f 2 (t )

F1 ( p ) * F2 ( p ) =

1 F1 (q ) F2 ( p − q)dq. 2p j σ −j∞

276

12. Die Laplace-Transformation

Die Grenzwertsätze Die Grenzwerte der Funktion f (t ) für t → 0 und t → ∞ kann man, sofern sie existieren, aus den Grenzwerten von pF ( p ) bestimmen. Lässt man in Gl. (12.10)

 df  L  =  dt 



df

 dt e

− pt

dt = pF ( p ) − f (0)

0

p → ∞ gehen (wesentlich ist, dass der Realteil unendlich groß wird), so folgt mit e − pt → 0 ∞

lim

p→∞

df

 dt e

− pt

dt = 0,

0

falls df dt transformierbar ist, d. h. keine Singularitäten aufweist. Die rechte Gleichungsseite lim[ pF ( p ) − f (0 + )] muss also auch Null sein. Da f (0 + ) eine Konstante ist (unabhängig von p), ergibt sich

f (0 +) = lim pF ( p) . p →∞

Diese Gleichung nennt man den Anfangswertsatz. Lässt man dagegen in Gl. (12.10) p → 0 gehen, so erhält man wegen e pt → 1: ∞

lim

p→0



df − pt df 0 dt e dt = 0 dt dt = f (∞) − f (0 +)

= lim [ pF ( p ) − f (0 + )] = lim pF ( p ) − f (0 + ). p→0

p →0

Damit folgt der Endwertsatz:

f (∞) = lim pF ( p) . p→0

Voraussetzung für die Gültigkeit dieses Satzes ist, dass pF ( p ) für alle Re p ≥ 0 eine analytische Funktion ist. Ergänzungen und Beispiele Dass man ohne die eingangs erwähnte Voraussetzung (die Grenzwerte f (0 + ), f (∞ ) müssen existieren) ein falsches Ergebnis erhalten kann, zeigt das Beispiel

f (t ) = sin ω t

F ( p) =

ω p + ω2 2

Der Endwertsatz liefert

lim pF ( p) = lim p→0

während

limsin ω t t →∞

nicht existiert.

p →0

pω = 0, p2 + ω 2

.

12.3 Die Laplace-Transformierten häufig auftretender Funktionen

277

Wenden wir die Grenzwertsätze auf

f (t ) = e − at

1 p+a

F ( p) =

an, so ergibt sich richtig

f (0 +) = lim pF ( p) = lim p →∞

p →∞

p =1 p+a

und

f (∞) = lim pF ( p) = lim p→0

p→0

p = 0. p+a

+at

(Ist aber a < 0, d. h. f (t ) = e , so wird f (∞ ) → ∞. Hier liefert der Endwertsatz ein falsches Ergebnis; die Voraussetzung für die Gültigkeit des Satzes ist nicht erfüllt: pF ( p ) weist bei p = − a einen Pol auf.) In Beispiel 12.3 wird

uc (∞) = lim p ⋅ p→0

U1 1 R = U1 , R1 p(Cp + 1 R) R1

in Abschnitt 12.5.2 ergibt sich aus Gl. (12.28):

uc (∞) = lim p ⋅ p→0

U1 1 ⋅ = U1 , 2 P LCp + RCp + 1

was auch aus physikalischen Überlegungen (ohne Rechnung) folgt.

12.3

Die Laplace-Transformierten häufig auftretender Funktionen

1. Die (Einheits-)Sprungfunktion (Bild 11.10a) wird mit u (t ) (unit step), σ (t ) oder 1(t ) bezeichnet:

0 für t < 0 1(t ) =  1 für t > 0. Ihre Laplace-Transformierte ist ∞

L[1(t )] =  e − pt dt = 0

1 , p

falls der Realteil von p größer als Null ist (Re p > 0).

278

12. Die Laplace-Transformation

Bild 12.2 Deltafunktion δ (t ).

2. Die Deltafunktion (Stoßfunktion) definieren wir folgendermaßen (Bild 12.2):

0 1  δ (t ) = lim δ T (t ) mit δ T (t ) =  T →0 T  0

für

t 0. a+ p

4. Mit dem soeben gewonnen Ergebnis lässt sich die Kosinusfunktion leicht transformieren:

1  p 1  1 1 + L[cos ω t ] = L  (e jω t + e − jω t )  =  . = 2 − + 2 2 p j p j ω ω + p ω2    

L[cos ω t ] =

1 . p2 + ω 2

5. Durch Anwenden des Satzes von der Variablenverschiebung im Frequenzbereich, Gl. (12.9), erhält man für das Produkt aus Kosinus- und Exponentialfunktion:

L[e− at cos ω t ] =

p+a für Re(a + p) > 0. ( p + a)2 + ω 2

6. Die zur Rampenfunktion (Bild 12.4a)

0 für t  0 f (t ) =   t für t  0 gehörende Transformierte wird durch partielle Integration bestimmt: ∞

L[ f (t )] =  te − pt dt = − 0



1 − pt ∞ 1 1 [te ]0 +  e − pt dt = 2 p p0 p

Bild 12.4 a) Rampenfunktion, b) ihre Darstellung durch eine Sprungfunktion.

für

Re p > 0.

280

12. Die Laplace-Transformation

Dieses Ergebnis kann man auch durch Integration im Zeitbereich gewinnen, wenn man t mittels der Sprungfunktion darstellt (Bild 12.4b): t

t =  1( τ) d τ

(t > 0).

0

Mit Gl. (12.12) folgt

t  1 1 L[t ] = L   1(τ)d τ  = L[1(t )] = 2 . p 0  p Auf gleiche Weise ergeben sich mit t

t

0

0

t 2 = 2  τd τ, t 3 = 3 τ2 d τ

usw.

die Transformierten

L[t 2 ] =

2 2 3 2⋅3 L[t ] = 3 , L[t 3 ] = L[t 2 ] = 4 usw. p p p p

Allgemein wird für nichtnegatives ganzzahliges n:

L[t n ] =

n! für Re p > 0. p n +1

Alle in diesem Kapitel ermittelten Korrespondenzen und einige zusätzliche, deren Überprüfung der Leser als Übungsaufgabe ansehen sollte, sind in Tabelle 12.1 zusammengestellt.

12.4

Die Bestimmung der Originalfunktion aus der Bildfunktion (Rücktransformation)

Ist für ein Problem die Lösung im Bildbereich ermittelt worden, so besteht in vielen Fällen die Aufgabe nun noch darin, die Lösung in den Zeitbereich zurück zu transformieren, wie es schon in dem Schema nach Bild 11.12 für die Fouriertransformation verdeutlicht wird. (Für manche Untersuchungen, z. B. in der Regelungstechnik, genügt oft das Studium der Bildfunktion, um die den Anwender interessierenden Fragen zu klären.) Die leistungsfähigste und allgemeinste Methode der Rücktransformation ist die Auswertung des komplexen Umkehrintegrals, Gl. (12.6b). Dazu sind allerdings einige Kenntnisse der Funktionentheorie erforderlich, die im Rahmen der vorliegenden einführenden Darstellung nicht vorausgesetzt werden können. Alle bisher abgeleiteten Sätze, Gln. (12.7) bis (12.14), sowie die Tabelle der Korrespondenzen 12.1 lassen sich sowohl von links nach rechts als auch von rechts nach links lesen. Damit kann die gesuchte Umkehrfunktion oft direkt einer Tabelle entnommen werden; sehr ausführliche Tabellen dieser Art sind in der Spezialliteratur angegeben. Manchmal muss die Bildfunktion durch einige

12.4 Die Bestimmung der Originalfunktion aus der Bildfunktion (Rücktransformation)

281

Einige wichtige Korrespondenzen.

Tabelle 12.1.

Zeitbereich (Originalbereich)

f (t )

Frequenzbereich (Bildbereich)

F ( p)

1 p 1

1(t )

δ (t )

Voraussetzung für die Konvergenz des L-Integrals (12.6a)

Re p > 0

e − at

1 p+a

Re( p + a ) > 0

1 − e − at

a p( p + a)

Re( p + a ) > 0

te − at

1 ( p + a)2

Re( p + a ) > 0

t n ( n  0, ganz)

n! p n +1

Re p > 0

cos ω t

p p + ω2

Re p > 0

2

ω

sin ω t

p2 + ω 2 p+a ( p + a)2 + ω 2

e − at cos ω t

ω

e − at sin ω t

( p + a)2 + ω 2

Re p > 0 Re ( p + a ) > 0 Re ( p + a ) > 0

Umformungen in Ausdrücke umgewandelt werden, die man in der Tabelle der Korrespondenzen wiederfindet. Viele Bildfunktionen sind so aufgebaut, dass sie sich in Partialbrüche zerlegen lassen. Für einen Partialbruch c ( p + a ) ist die Umkehrfunktion bekannt, nämlich c exp( − at ). Es soll daher ein Verfahren zur Zerlegung einer Bildfunktion F ( p ) betrachtet werden, die durch den Quotienten aus einem Zählerpolynom Z ( p ) und einem Nennerpolynom N ( p ) dargestellt ist, wobei der Grad des Nennerpolynoms höher als der des Zählerpolynoms sein muss. Außerdem setzen wir einfache Nullstellen des Nennerpolynoms voraus, die mit p1 , p2 ..., pn bezeichnet werden sollen. Damit haben wir den Ansatz

F ( p) =

Z ( p) Z ( p) = N ( p) k ( p − p1 ) ( p − p2 )...( p − pk )...( p − pn )

=

ck cn c1 c2 + + ... + + ... + . p − p1 p − p2 p − pk p − pn

282

12. Die Laplace-Transformation

Multipliziert man beide Seiten mit p − pk , so entsteht

p − pk p − pk p − pk Z ( p) + c2 + ... + ck + ... + cn ( p − pk ) = c1 . N ( p) p − p1 p − p2 p − pn

F ( p) ( p − pk ) = Für p → pk folgt

ck = lim

p → pk

Z ( p) ( p − pk ). N ( p)

Da im Zähler und Nenner für p → pk jeweils ein Faktor Null auftritt, ziehen wir die Regel von l’Hospital heran und erhalten:

ck = lim

p → pk

Z ( pk ) Z ( p) = . N ′( p) N ′( pk )

Damit lässt sich die Funktion F ( p ) = Z ( p ) N ( p ) darstellen durch

F ( p) =

n

Z ( pk )

 N ′( p ) k =1

Mit 1 ( p − pk ) nalfunktion f (t ):

f (t ) =

n

k

exp( pk t ) nach Tabelle 12.1 folgt also für die zu F ( p ) gehörende Origi-

Z ( pk )

 N ′( p ) e k =1

1 . p − pk

pk t

.

(12.15)

k

Diese Beziehung nennt man den Heavisideschen Entwicklungssatz.

12.5

Die Behandlung von Ausgleichsvorgängen

12.5.1

Übersicht über den Lösungsweg

Bei der Untersuchung von Ausgleichsvorgängen in linearen Netzen gehen wir nach folgendem Schema vor, vgl. Bild 11.12: 1. Es werden die der Aufgabe entsprechenden Gleichungen formuliert. Bei linearen Netzen entstehen dabei lineare Dgln. mit konstanten Koeffizienten. Hinzu kommen gewisse Anfangsbedingungen. 2. Die Gleichungen werden mit e − pt multipliziert und von Null bis Unendlich über t integriert, Gl. (12.6a), und damit in den Bildbereich transformiert. 3. Dabei entstehen aus den linearen Dgln. mit konstanten Koeffizienten algebraische Gleichungen („Algebraisierung des Problems“) mit der unabhängigen Veränderlichen p. 4. Die Gleichungen für die transformierten Funktionen werden nach den gesuchten Größen aufgelöst. Vorgegebene Anfangsbedingungen sind in die Lösung einzuarbeiten. 5. Damit liegt die Lösung der Aufgabe im Bildbereich (in transformierter Form) vor. 6. Die Lösung im Zeitbereich ergibt sich mit einer der in Abschnitt 12.4 besprochenen Methoden (Rücktransformation).

12.5 Die Behandlung von Ausgleichsvorgängen

12.5.2

283

Schaltvorgänge bei Gleichstrom

Probleme, die durch eine Differentialgleichung erster Ordnung beschrieben werden Zuerst betrachten wir den Einschaltvorgang bei einer Reihenschaltung aus einem ohmschen Widerstand und einer Kapazität, Bild 11.2a, und ermitteln die Spannung am Kondensator. Die Dgl. für diese Größe hatten wir in Abschnitt 11.1 schon angegeben; sie lautet bei ganz beliebiger Zeitabhängigkeit der Quellenspannung uq (t ):

RC

duc + uc (t ) = uq (t ). dt

(12.16)

Der Kondensator soll bereits eine Ladung Q0 = CU 0 aufweisen, bevor Schalter S in Stellung 1 gebracht wird. Die Anfangsbedingung ist jetzt also

uc (0) = U 0 = Q0 C .

(12.17)

Durch Transformieren von Gl. (12.16) entsteht die algebraische Gleichung

RC[ pU c ( p ) − uc (0)] + U c ( p ) = U q ( p ) , die wir nach der gesuchten Größe auflösen:

U c ( p) =

U q ( p ) + RCuc (0) RCp + 1

(12.18)

.

Handelt es sich bei der Quellenspannung uq (t ) um die Gleichspannung U1, so ist

u q (t ) = U 1 oder, wenn wir deutlich machen wollen, dass diese Spannung erst vom Zeitpunkt t = 0 an auf die RC-Schaltung einwirkt:

uq (t ) = 1(t )U1 . Die Transformierte U q ( p ) wird in diesem Fall (Tabelle 12.1):

U q ( p ) = U1 p . Setzt man diesen Ausdruck und außerdem den Anfangswert uc (0) = U 0 in Gl. (12.18) ein, so folgt

RCU 0 U1 U c ( p) = + = p ( RCp + 1) RCp + 1

1 U0 RC + . 1 1   p+ p p +  RC RC   U1

(12.19)

Die zu U c ( p ) gehörende Zeitfunktion kann sofort mit der Tabelle der Korrespondenzen bestimmt werden:

uc (t ) = U1 (1 − e − at ) + U 0 e − at

( a = 1 RC )

284

12. Die Laplace-Transformation

oder

uc (t ) = U1 − (U1 − U 0 )e − t

RC

.

(12.20)

Der Verlauf dieser Spannung ist für verschiedene Anfangswerte U 0 in Bild 12.5 dargestellt.

Bild 12.5 Kondensatorspannung beim Einschalten eines RC-Kreises bei unterschiedlicher Anfangsladung Q0 .

Hätten wir den ersten Summanden in Gl. (12.19) nicht in der Tabelle der Korrespondenzen vorgefunden, so hätte dieser Term z. B. in Partialbrüche zerlegt werden können, was hier ohne Benutzung des Entwicklungssatzes, Gl. (12.15), vorgeführt wird:

U1a A B p( A + B) + aA = + = p( p + a) p p+a p( p + a)

(a = 1 RC ).

Da die Nenner der beiden Brüche links und rechts schon übereinstimmen, ist jetzt noch Gleichheit der Zähler für alle p zu fordern:

A = U1 und

A+B=0

oder

B = − A = − U1 .

Damit erhält man

U1 a U U1 = 1 − p( p + a) p p+a und nach Tabelle 12.1 die Korrespondenz

U1a p( p + a)

U 11(t ) − U1e − at = U1 (1 − e − t

RC

) (t > 0).

Derselbe Zusammenhang kann auch mit dem Faltungssatz bestimmt werden:

U1a 1 p p+a

t

U 1a * e − at =  U1ae − aτ d τ = U 1a 0

1 − at e −a

t 0

= U 1 (1 − e − at ).

12.5 Die Behandlung von Ausgleichsvorgängen

285

Zum Schluss zeigen wir, wie man die Lösung auch mit Hilfe einer Reihenentwicklung finden kann. Durch Anwenden des Binomischen Satzes ergibt sich 2 3  U1 a Ua 1 U a a a a = 12 = 12 1 − +   −   + ...   p( p + a) p  p p 1+ a p   p  p

  1   a a a2 a3 = U1a  2 − 3 + 4 − 5 + ...   < 1 . p p p p   p  Hier kann man nun jeden Summanden wegen

n! oder p n +1

tn

1 p n +1

tn n!

(nach Tabelle 12.1) zurück transformieren:

t  t2 t3 t4 U1a  − a + a 2 − a 3 + ...  2! 3! 4!  1! 

U1 a p( p + a)

 at (at ) 2 (at )3 (at ) 4  = U1  − + − + ...  2! 3! 4!  1!    at (at ) 2 (at )3 (at ) 4   = U1  1 − 1 + − + − + ...  = U1 (1 − e − at ). 1! 2! 3! 4!      Der Ausdruck über der geschweiften Klammer ist die Potenzreihenentwicklung der Exponentialfunktion − exp( − at ). Wir wenden uns jetzt dem Entladevorgang zu. Nachdem der Kondensator völlig aufgeladen ist und sich an ihm also die Spannung U1 eingestellt hat, wird der Schalter S in die Stellung 2 gebracht. Den Schaltaugenblick bezeichnen wir wieder mit t = 0. Zu diesem Zeitpunkt ist daher uc (0) = U1 und die Spannung auf der rechten Seite von Gl. (12.16) gleich Null. Die transformierte Lösung für die Spannung am Kondensator wird nach Gl. (12.18) unter den eben genannten Voraussetzungen:

U c ( p) =

RCU1 U1 = . RCp + 1 p + 1 RC

Aus Tabelle 12.1 entnimmt man (1 RC = a ):

u c (t ) = U 1 e − t

RC

.

(12.21)

Das Beispiel zeigt, dass der Ausschaltvorgang im Grunde auf gleiche Weise zu behandeln ist wie der Einschaltvorgang. Als nächste Anwendung betrachten wir den Einschaltvorgang bei einer Reihenschaltung aus einem ohmschen Widerstand und einer Induktivität, Bild 11.2b. Gesucht ist der Strom, für den die

286

12. Die Laplace-Transformation

Dgl. in Abschnitt 11.1 bereits angegeben wurde; sie lautet bei beliebiger Zeitabhängigkeit der Quellenspannung:

L

di + Ri (t ) = uq (t ). dt

(12.22)

Durch Transformieren dieser Gleichung erhalten wir

L[ pI ( p ) − i (0)] + RI ( p ) = U q ( p ) und durch Auflösen nach I ( p ):

I ( p) =

U q ( p ) + Li (0) Lp + R

.

(12.23)

Wir setzen jetzt eine Gleichspannungsquelle U1 voraus und nehmen an, dass i (0) = 0 ist. Damit folgt

I ( p) =

U1 U R L = 1 . p( Lp + R) R p ( p + R L)

(12.24)

Nach Tabelle 12.1 wird ( R L = a ):

i (t ) =

U1 (1 − e − t ( L R ) ). R

(12.25)

Die bisherigen Anwendungen haben gezeigt, dass die Gleichungen im Bildbereich, sofern die Anfangswerte Null sind, formal mit den entsprechenden Gleichungen der Wechselstromlehre übereinstimmen, wenn nur p statt jω geschrieben wird. Wir stellen die wichtigsten Beziehungen zusammen:

uR = Ri U R = RI di uL = L U L = jω LI dt t 1 1 uc =  idτ U c = I C0 jω C

U R ( p ) = RI ( p ) U L ( p) = pLI ( p) U c ( p) =

für

i (0) = 0

1 I ( p ) für uc (0) = 0. pC

Diese formalen Übereinstimmungen werden wir in einigen Fällen ausnutzen, um die interessierenden Gleichungen im Bildbereich unmittelbar aufzustellen, ohne vorher die Dgl. anzugeben. Beispiel 12.1 Ausschaltvorgang im RL-Kreis

Im Augenblick t = 0 wird der Schalter S in Bild 11.2b geöffnet, nachdem sich vorher der stationäre Zustand eingestellt hat. Gesucht ist der Strom i(t ).

12.5 Die Behandlung von Ausgleichsvorgängen

287

Lösung: Wir gehen von der transformierten Lösung, Gl. (12.23), aus und beachten, dass jetzt keine Quellenspannung im Stromkreis wirksam ist: U q ( p ) = 0, dass aber im Schaltaugenblick noch der stationäre Strom i (0) = U1 R fließt. Damit folgt I ( p) =

LU1 R U1 R = . Lp + R p+R L

Die Lösung ergibt sich (Tabelle 12.1) zu:

i (t ) =

U1 − t ( L R ) e . R

Anmerkung: Durch die Diode in der Schaltung nach Bild 11.26 wird erreicht, dass der Strom in der Spule beim Öffnen des Schalters ungehindert weiterfließen kann, und zwar über den Zweig mit der Diode (Freilaufdiode). Wäre die Diode nicht vorhanden, so würde sich zwischen den Kontakten kurzzeitig ein Lichtbogen ausbilden, da der Strom in der Spule sich nicht sprunghaft ändern kann (Abschnitt 11.1). Dieser wesentlich kompliziertere Vorgang wird hier nicht behandelt.

Beispiel 12.2 Energiebilanz für das Aufladen des Kondensators

Es sollen bestimmt werden durch Integration über die Zeit: 1.

die vom Kondensator aufgenommene elektrische Energie We,

2.

die im Widerstand in Wärme umgesetzte Energie Ww.

Voraussetzung: uc (0) = 0. Lösung: du Wegen des Zusammenhangs i = C c ergibt sich aus Gl. (12.20): dt U i(t ) = 1 e − t RC R 1.

Die vom Kondensator aufgenommene Energie ist also (a = 1 RC ) : ∞



We =  uc (t )i (t )dt =  U1 (1 − e − at ) 0

0

U1 − at e dt R



1 U2 U2 1 U2 = 1  (e − at − e − 2 at )dt = 1 = 1 RC = CU12 . 2 R 0 R 2a 2 R

Dieses Ergebnis ist aus Abschnitt 3.8.1 bekannt: Gl. (3.46). 2.

Die im Widerstand umgesetzte Energie wird: ∞



U12 − 2 at U2 1 1 = CU12 . e dt = 1 2 R R 2a 2 0

Ww =  Ri 2 (t ) dt = R  0

Beim Aufladen eines Kondensators tritt also ein Energieverlust von 50% auf, unabhängig von der Größe des Widerstandes R. Dieser hat nur Einfluss auf den zeitlichen Ablauf, der durch die Zeitkonstante T = RC charakterisiert wird.

288

12. Die Laplace-Transformation

Beispiel 12.3 Laden eines Kondensators mit Verlusten

Der in Bild 12.6 skizzierte Kondensator mit dem Verlustwiderstand R2 wird über einen Vorwiderstand R1 zum Zeitpunkt t = 0 an eine Gleichspannungsquelle U1 angeschlossen. Voraussetzung: uc (0) = 0.

Bild 12.6 Laden eines Kondensators mit Verlusten (dargestellt durch R2).

Lösung: Wir benutzen die Spannungsteilerregel und erhalten (wie in der Wechselstromlehre, nur mit p an Stelle von jω ):

R2 Z 3 R2 + Z 3 U c ( p) = U q ( p) R2 Z 3 R1 + R2 + Z 3

mit Z 3 =

1 . Cp

Nach einigen algebraischen Umformungen entsteht daraus U c ( p) =

U q ( p) R1

1 . R1 + R2 Cp + R1 ⋅ R2

Setzen wir jetzt U q ( p ) = U1 p und führen die Abkürzung R = R1 R2 ( R1 + R2 ) ein, so folgt U c ( p) =

U1 1 1 RC R . = U1 R1 p (Cp + 1 R ) R1 p ( p + 1 RC )

Aus Tabelle 12.1 lesen wir die zugehörige Zeitfunktion ab: uc (t ) = U1

R (1 − e − t R1

RC

) mit R =

R1 R2 . R1 + R2

Probleme, die durch eine Differentialgleichung zweiter Ordnung beschrieben werden Wir wenden uns jetzt dem Reihenschwingkreis zu, Bild 11.1, an den im Zeitpunkt t = 0 die Spannung uq (t ) gelegt werden soll. Die Maschengleichung für diese Schaltung lautet:

Ri (t ) + L

di du + u (t ) = uq (t ) mit i (t ) = C . dt dt

Daraus folgt die in Abschnitt 11.1 schon angegebene Dgl. (11.1):

LC

d 2u du + RC + u (t ) = uq (t ). dt 2 dt

12.5 Die Behandlung von Ausgleichsvorgängen

289

Durch Transformation dieser Gleichung entsteht:

LC[ p 2U ( p ) − pu (0) − u ′(0)] + RC[ pU ( p ) − u (0)] + U ( p ) = U q ( p ).

(12.26)

Der Kondensator sei im Schaltaugenblick t = 0 ungeladen: u (0) = 0. Die Induktivität verhindert, dass der Strom sich sprunghaft ändert:

i (0) = C

du dt

= Cu ′(0) = 0. t =0

Damit wird aus Gl. (12.26), wenn wir sie nach U ( p ) auflösen:

U ( p) = U q ( p )

1 . LCp + RCp + 1

(12.27)

2

Ist uq (t ) eine Gleichspannung: uq (t ) = U 1, so erhält man:

U ( p) =

U1 U 1 = 1 2 p LCp + RCp + 1 LC

1 . R 1   p  p2 + p +  L LC  

(12.28)

Um die Rücktransformation mit Hilfe der Partialbruchzerlegung durchzuführen, werden die Nullstellen des Nennerpolynoms gebraucht. Der in Klammern eingeschlossene Faktor ist Null für 2

p1,2

R 1  R  =− ±  = − δ ± δ 2 − ω r2 .  − 2L 2 L LC  

(12.29)

Hier haben wir die Abkürzungen δ und ω r eingeführt, δ nennt man den Dämpfungsfaktor, ω r ist die aus Abschnitt 7.3.2 bekannte Resonanzfrequenz des Schwingkreises. Mit p1 und p2 schreiben wir an Stelle von Gl. (12.28):

U ( p) 1 1 1 Z ( p) = ⋅ = . U1 LC p( p − p1 ) ( p − p2 ) LC N ( p) Der Quotient aus Zählerpolynom Z ( p ) und Nennerpolynom N ( p ) lässt sich mit dem Heavisideschen Entwicklungssatz, Gl. (12.15), in den Zeitbereich zurück transformieren:

Z ( p) 1 = , N ′( p ) ( p − p1 ) ( p − p2 ) + p ( p − p1 ) + p ( p − p2 ) 1 Z (0) = , N ′(0) p1 p2 u (t ) U1

=

Z ( p1 ) 1 = , N ′( p1 ) p1 ( p1 − p2 )

Z ( p2 ) 1 = , N ′( p2 ) p2 ( p2 − p1 )

 1  1 0 1 1 e + e p1t + e p2 t  .  LC  p1 p2 p1 ( p1 − p2 ) p2 ( p2 − p1 ) 

Aus Gl. (12.29) folgt, dass p1 p2 = ω r2 = 1 LC ist. Damit kann man den Ausdruck für u (t ) U1 vereinfachen:

p e p1t − p1e p2 t u (t ) =1+ 2 . U1 p1 − p2

(12.30)

290

12. Die Laplace-Transformation

Die Größen R, L, C können so gewählt sein, dass p1 und p2 reell werden und dann entweder verschieden sind oder übereinstimmen. Es ist auch möglich, dass p2 die zu p1 konjugiert komplexe Zahl ist. Man unterscheidet entsprechend drei Fälle. Der aperiodische Fall (δ > ω r ) Die Wurzel in Gl. (12.29) ist für δ > ω r reell; man schreibt

p1,2 = − δ ± δ 2 − ω r2 = − δ ± Ω

(12.31)

und hat

p1 − p2 = 2 Ω . Damit wird aus Gl. (12.30):

u (t ) 1 [( − δ − Ω )e − δ t + Ω t − ( − δ + Ω )e − δ t − Ω t ] =1+ 2Ω U1 =1+

1

Ω

Ω Ωt  δ  e − δ t  − (eΩ t − e − Ω t ) − (e + e − Ω t )  2 2  

oder

u (t ) δ   = 1 − e− δ t  cosh Ω t + sinh Ω t  . U1 Ω  

(12.32)

Der Strom folgt durch Differenzieren unter Benutzung der Produktregel:

i (t ) = C =−

  du δ2 = − CU1e − δ t  Ω sinh Ω t + δ cosh Ω t − sinh Ω t − δ cosh Ω t  dt Ω   CU1

Ω

e − δ t (Ω 2 − δ 2 ) sinh Ω t.

Wegen Ω 2 − δ 2 = δ 2 − ω r2 − δ 2 = − ω r2 = − 1 LC entsteht daraus

i (t ) =

U1

ΩL

e − δ t sinh Ω t.

(12.33)

Der periodische Fall (δ < ω r ) Jetzt wird die Wurzel in Gl. (12.29) imaginär; man führt die Abkürzung ω e (Eigenfrequenz) ein und hat:

p1,2 = − δ ± j ω r2 − δ 2 = − δ ± jω e ,

(12.34)

p1 − p2 = j2ω e . Damit lautet Gl. (12.30) nach ähnlicher Zwischenrechnung wie im aperiodischen Fall:

  u (t ) δ = 1 − e − δ t  cos ω e t + sin ω e t  . ωe U1  

(12.35)

12.5 Die Behandlung von Ausgleichsvorgängen

291

Den Strom bestimmt man am einfachsten, indem man in Gl. (12.33) Ω durch jω e ersetzt und den Zusammenhang sinhjx = jsin x berücksichtigt:

i(t ) =

U1 − δ t e sin ω e t. ωe L

(12.36)

Der aperiodische Grenzfall (δ = ω r ) Jetzt ist nach Gl. (12.29):

p1,2 = − δ .

(12.37)

Wir bestimmen die Lösungen, indem wir vom periodischen Fall ausgehen und ω e gegen Null gehen lassen. Mit

lim cos ω e t = 1,

ωe → 0

lim

ωe → 0

sin ω e t

ωe

=t

wird aus Gl. (12.35):

u (t ) = 1 − e− δ t (1 + δ t ). U1

(12.38)

Der Strom folgt aus Gl. (12.36) mit ω e → 0:

i (t ) =

U1 − δ t te . L

(12.39)

Für die drei eben behandelten Fälle ist die Kondensatorspannung in Bild 12.7a dargestellt. Zusätzlich enthält das Bild die entsprechenden Kurven für den Ausschaltvorgang (Kurzschließen des Reihenschwingkreises; vgl. auch Bsp. 12.4).

Bild 12.7a

Ein- und Ausschalten (Kurzschließen) eines Reihenschwingkreises: jeweils periodischer Fall (zwei Kurven), aperiodischer Grenzfall, aperiodischer Fall.

Beispiel 12.4 Kurzschließen eines Reihenschwingkreises

Der Reihenschwingkreis nach Bild 12.7b wird zuerst an die Gleichspannungsquelle U1 angeschlossen (Schalter S1 geschlossen, Schalter S2 geöffnet). Nachdem sich ein stationärer Zustand eingestellt hat (uc = U1 , i = 0), wird der Schalter S1 geöffnet und der Schalter S2 eingelegt (Zeitpunkt t = 0). Gesucht ist der zeitliche Verlauf des Stromes i (nur periodischer Fall).

292

12. Die Laplace-Transformation

Lösung: Die Maschengleichung wird für den eingetragenen Umlauf: t

Ri + L

di 1 i ( τ) d τ = 0 + dt C −∞ C

Bild 12.7b Kurzschließen eines Reihenschwingkreises.

oder 0

Ri + L

t

di 1 1 i (τ)d τ +  i (τ) d τ = 0. + dt C −∞ C0

(12.40)

Hierbei stellt das erste Integral die Ladung Q0 dar, auf die der Kondensator bis zum Zeitpunkt t = 0 aufgeladen wurde. Zwischen dieser Ladung und der Kondensatorspannung besteht der Zusammenhang Q0 = CU1. Damit geht Gl. (12.40) über in t

Ri + L

di 1 + U1 +  i (τ)d τ = 0. dt C0

(12.41)

Durch Transformieren ergibt sich RI ( p ) + L[ pI ( p ) − i (0)] +

U1 1 + I ( p ) = 0. p Cp

Die Induktivität verhindert eine sprunghafte Änderung des Stromes: i (0) = 0. Somit folgt

I ( p) =

U − U1 1 =− 1 . p( R + Lp + 1 Cp) L p + Rp+ 1 2 L CL

(12.42)

Wir bezeichnen die Nullstellen des Nenners von Gl. (12.42) wieder mit p1,2 , Gl. (12.29), und transformieren den Strom mit Gl. (12.15) in den Zeitbereich zurück: i (t ) = −

 U1  1 1 e p1t + e p2t  .  L  p1 − p2 p2 − p1 

Nach kurzer Zwischenrechnung ergibt sich für den periodischen Fall, der hier allein betrachtet wird: i (t ) = −

U1 1 −δ t e sin ω et , L ωe

also der Ausdruck für eine gedämpfte Schwingung. Das Minuszeichen macht deutlich, dass der Strom während der ersten Sinushalbwelle entgegen dem eingetragenen Zählpfeil fließt, d. h. außerhalb des Kondensators von Plus nach Minus.

12.5 Die Behandlung von Ausgleichsvorgängen

293

Anmerkung: Ein anderer Lösungsweg besteht darin, Gl. (12.40) oder (12.41) einmal nach der Zeit zu differenzieren,

L

d 2i di 1 + R + i = 0, dt 2 dt C

und diese Gleichung zu transformieren: L( p 2 I ( p) − pi (0) − i′(0)) + R ( pI ( p ) − i (0)) +

1 I ( p) = 0. C

Hierin ist i (0) = 0 und damit auch u R (0) = 0. Für i′(0) ergibt sich: uL = L

di u (0) → i′(0) = L . dt L

Aus dem zweiten Kirchhoffschen Satz folgt dann speziell für t = 0 : u R + u L + uC = 0 → 0 + u L (0) + U1 = 0

oder u L (0) = − U1.

Damit hat man U  1  L  p 2 I ( p ) + 1  + RpI ( p ) + I ( p ) = 0, L C  woraus durch Umformen ebenfalls Gl. (12.42) entsteht.

12.5.3

Schaltvorgänge bei Wechselstrom

In dem vorangehenden Kapitel über Schaltvorgänge bei Gleichstrom hatten wir bei der Ermittlung der transformierten Lösungen für U ( p ) oder I ( p ) zunächst offengelassen, welchen zeitlichen Verlauf die Quellenspannung haben sollte. Es tauchte also bei den Einschaltaufgaben in der Lösung zuerst immer noch eine ganz beliebige transformierte Quellenspannung U q ( p ) auf. Wir könnten die bisher behandelten Aufgaben durch entsprechende Wahl der Quellenspannung beliebig modifizieren, ohne grundsätzlich neue Überlegungen anstellen zu müssen. Mit Rücksicht auf die große praktische Bedeutung der sich zeitlich nach einem Sinusgesetz ändernden Spannungen und Ströme beschränken wir uns hier auf das Einschalten einer solchen Quellenspannung. Wir betrachten den Fall, dass an eine Reihenschaltung aus R und C (Bild 11.2a) zum Zeitpunkt t = 0 die folgende Spannung geschaltet wird:

uq (t ) = uˆ cos(ω t + γ ).

(t > 0)

(12.43)

Wir suchen die Spannung am Kondensator für den Sonderfall, dass der Kondensator anfangs ungeladen ist: uC (0) = 0. Mit Gl. (12.18) können wir die Lösung im Bildbereich sofort hinschreiben:

U C ( p) =

L[uˆ cos(ω t + γ )] 1 RC = L[uˆ cos(ω t + γ )] . RCp + 1 p + 1 RC

(12.44)

Ist die Transformierte von uq bekannt, so lässt sich die Rücktransformation mit Gl. (12.15) durchführen. Wir besprechen hier einen anderen Lösungsweg und benutzen den Faltungssatz, Gl.

294

12. Die Laplace-Transformation

(12.14a), wobei wir den ersten Faktor in Gl. (12.44) als F2 ( p ) auffassen, den zweiten als F1 ( p ). Dann gilt:

1 RC 1 − t RC = f1 (t ) (Tabelle 12.1) e p + 1 RC RC F2 ( p) = L[uˆ cos(ω t + γ )] uˆ cos(ω t + γ ) = f 2 (t ). F1 ( p) =

Nach Einsetzen in Gl. (12.14a) ergibt sich (1 RC = a ): t uˆ e− a ( t −τ ) cos(ωτ + γ )dτ  RC 0

U C ( p ) = F1 ( p ) F2 ( p ) uC (t ) = =

t uˆ 1 e − a (t −τ ) (e j(ωτ + γ ) + e − j(ωτ + γ ) )dτ RC 0 2 t uˆ − at e  (e( a + jω )τ + jγ + e( a − jω )τ − jγ ) dτ . 2 RC 0

Nach Auswerten des Integrals erhält man

uC (t ) =

uˆ − at  e ( a + jω ) t − 1 jγ e ( a − jω ) t − 1 − jγ e  e + e a − jω 2 RC  a + jω

 . 

Führt man hier die Abkürzung tan ψ = ω a ein und schreibt also die Nenner zwischen den Klammern als

a ± jω = a 2 + ω 2 e± jarc tanω a = a 2 + ω 2 e± jψ ,

(12.45)

so wird

uC ( t ) =

uˆ 2 RC

uC (t ) =

uˆ RC

1 a + ω2 2

[e j(ω t + γ −ψ ) + e − j(ω t + γ −ψ ) − e − at (e j(γ −ψ ) + e − j(γ −ψ ) )]

oder

1 a +ω 2

2

[cos(ω t + γ − ψ ) − e − at cos(γ − ψ )]

(12.46)

(a = 1 RC ). In Gl. (12.46) beschreibt der erste Summand eine periodische Dauerschwingung, während der zweite den Übergangsvorgang charakterisiert. Ein bemerkenswerter Sonderfall liegt vor, wenn sich nach dem Schalten sofort der eingeschwungene Zustand einstellt; das ist z. B. für

γ −ψ = ±π 2

oder

γ = ±π 2 +ψ

12.5 Die Behandlung von Ausgleichsvorgängen

295

der Fall. Dann wird aus den Gln. (12.43) und (12.46):

uq (t ) = uˆ cos(ω t ± π 2 + ψ ) =  uˆ sin(ω t + ψ ) uC (t ) =

uˆ RC

1 a +ω 2

2

cos(ω t ± π 2) = ±

uˆ RC

(12.43′)

1 a + ω2 2

sin ω t .

(12.46′)

Die Quellenspannung eilt im eingeschwungenen Fall der Kondensatorspannung um ψ = arc tan(ω a ) = arc tan ω CR voraus. Dieser Winkel ist nicht mit dem Winkel ϕ identisch, der üblicherweise die Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung bezeichnet. Es gilt vielmehr ψ + ϕ = π 2 mit ϕ = arc tan(1 ω CR ). Die Zusammenhänge sind in Bild 12.8 dargestellt.

C

Bild 12.8 RC-Kreis bei Wechselstrom: Zeigerdiagramm.

C

Bild 12.9 RC-Kreis bei Wechselstrom: Liniendiagramm.

Im Schaltaugenblick (t = 0) wird in dem betrachteten Sonderfall uC (0) = 0 und uq (0) =  uˆ sin ψ . Wollte man den Übergangsvorgang vermeiden, so müsste man also um den Winkel ψ nach einem Nulldurchgang der Quellenspannung schalten, Bild 12.9. Speziell für 1 ω C  R und damit ψ = 0 wäre ein Schalten genau im Nulldurchgang der Quellenspannung erforderlich. Beispiel 12.5 Einschalten eines RL-Kreises an Wechselspannung

Im Augenblick t = 0 wird der RL-Kreis nach Bild 11.2b an die Wechselspannung u q = uˆ cos(ω t + γ ) gelegt. Gesucht ist der Strom i (t ) unter der Voraussetzung i(0) = 0.

296

12. Die Laplace-Transformation

Lösung: Die transformierte Lösung für die vorliegende Anordnung ist bekannt: Gl.(12.23). Damit folgt hier: I ( p) =

U q ( p) Lp + R

=

L[uˆ cos(ω t + γ )] . Lp + R

Um einen anderen Lösungsweg vorzuführen, benutzen wir hier nicht – wie bei der vorangehenden Aufgabe – den Faltungssatz, sondern transformieren u q (t ) und wenden dann den Heavisideschen Entwicklungssatz an, Gl. (12.15). Wegen cos(ω t + γ ) = cos ω t cos γ − sin ω t sin γ lässt sich die Transformierte der Quellenspannung mit den in Tabelle 12.1 aufgeführten Korrespondenzen leicht angeben: U q ( p) = uˆ

p cos γ − ω sin γ . p2 + ω 2

Also hat man (mit a = R L) : uˆ p cos γ − ω sin γ Lp + R p2 + ω 2 uˆ cos γ p uˆω sin γ 1 = − . L ( p + a) ( p 2 + ω 2 ) L ( p + a) ( p 2 + ω 2 )

I ( p) =

Das Nennerpolynom N = ( p + a ) ( p 2 + ω 2 ) hat die Nullstellen p1 = − a, p2 = − jω , p3 = + jω und die Ableitung N ′( p) = 3 p 2 + 2ap + ω 2 . Daher wird N ′( p1 ) = a 2 + ω 2 , N ′( p2 ) = − 2ω 2 − j2aω , N ′( p3 ) = − 2ω 2 + j2aω ,

Der Entwicklungssatz liefert damit i (t ) =

 jω uˆ cos γ  − a − jω e − at + e− jωt + e + jωt  L  a 2 + ω 2 − 2ω 2 − j2aω − 2ω 2 + j2aω  1 1 1 uˆω sin γ  − at − jω t + jω t  e  − +  a 2 + ω 2 e + − 2ω 2 − j2aω e L − 2ω 2 + j2aω  

und nach einigen Umformungen i (t ) =

uˆω L

 (a ω ) cos γ + sin γ − at  1 1 e + e− j(ωt + γ ) + e + j(ω t + γ )  . − 2ω (a − jω ) 2ω (a + jω ) a2 + ω 2  

Mit der bereits verwendeten Abkürzung nach Gl. (12.45), d. h. tan ψ = ω a , cot ψ = a ω , sin ψ = ω folgt uˆω  cosψ cos γ + sinψ sin γ e− at e− j(ωt +γ −ψ ) + e+ j(ωt + γ −ψ )  −  i (t ) = + 2 2 L  a +ω sinψ 2ω a 2 + ω 2  

a2 + ω 2 ,

und als Endformel i (t ) =

uˆ L a2 + ω 2

[cos(ω t + γ − ψ ) − e − at cos(γ − ψ )],

mit a = R L , tanψ = ω a = ω L R .

Das Ergebnis stimmt weitgehend mit Gl. (12.46) überein. Auch jetzt ist der Sonderfall möglich, dass der eingeschwungene Zustand sich bereits unmittelbar nach dem Schalten einstellt: γ − ψ = ± π 2 usw. oder γ = ± π 2 + ψ . Ist speziell ω L R  1 und damit ψ = π 2 oder γ = π , 0, so wird uq (0) = uˆ cos π = − uˆ bzw. uˆ cos 0 = + uˆ. Der Übergangsvorgang lässt sich in diesem Sonderfall also vermeiden, wenn in einem Spannungsminimum bzw. -maximum geschaltet wird.

12.5 Die Behandlung von Ausgleichsvorgängen

297

Ganz andere Verhältnisse liegen für γ − ψ = 0 vor. Dann gilt uq (t ) = uˆ cos(ω t + ψ );

i (t ) =

uˆ L a2 + ω 2

[cos ω t − e− at ].

Der ungünstigste Fall tritt speziell für a = R L = 0 oder ψ = π 2 auf. Das bedeutet, dass bei einem Nulldurchgang der Quellenspannung geschaltet wird. Dann verläuft der Strom näherungsweise zunächst gemäß i (t ) ≈



ωL

[cos ω t − 1]

und erreicht einen ersten Extremwert bei ωt = π : imax ≈ −

2uˆ

ωL

.

Der Maximalwert des Stromes wird nach dem Schalten also nahezu doppelt so groß wie im eingeschwungenen Zustand. (Noch ungünstigere Verhältnisse ergeben sich bei nichtlinearen Induktivitäten.)

13.

Die Z-Transformation

13.1

Allgemeine Zusammenhänge

13.1.1

Einführung und Definition

Neben den bisher betrachteten zeitkontinuierlichen Systemen, bei denen die interessierenden Größen durch i. A. stetige Funktionen – z. B. u (t ), i (t ) − beschrieben werden (Bild 13.1a), spielen in der Elektrotechnik in zunehmendem Maß zeitdiskrete Systeme eine Rolle. Bei diesen werden die interessierenden Größen nur zu bestimmten ( = diskreten) Zeitpunkten betrachtet (gemessen): Bild 13.1b. Diesen Vorgang bezeichnet man als Abtastung: Durch diese wird der (i. A.) kontinuierlichen Funktion f (t ) die Folge der Abtastwerte  , f 0 , f1 , f 2 , f 3 ,  zugeordnet.

Bild 13.1 Die Funktion f (t ) und die Abtastwerte f n .

In den meisten Anwendungen ist der Abstand zwischen zwei aufeinander folgenden Abtastzeitpunkten konstant:

f 0 = f (0), f1 = f (T ), f 2 = f (2T ),  , f n = f ( nT ),  T = konst. Auf diesen Fall wollen wir uns im Folgenden beschränken. Als Einführung in die Art der Aufgabenstellungen dieses Kapitels betrachten wir eine aus Addierern, Multiplizierern und Verzögerungselementen (diese verzögern den Wert der Eingangsfolge jeweils um einen Zeitschritt T) aufgebaute Schaltung: Bild 13.2. Dem Schaltbild entnimmt man, dass zwischen der gegebenen Eingangsfolge xn und der gesuchten Ausgangsfolge yn der Zusammenhang

y n = xn + 2 y n − 1 + 3 y n − 2

(13.1)

300

13. Die Z-Transformation

Bild 13.2 Beispiel eines zeitdiskreten Systems.

besteht. Diese Gleichung gilt für alle ganzen n. Sie kann bei bekannter Eingangsfolge xn nur eindeutig gelöst werden, wenn man zusätzlich bestimmte Anfangswerte vorgibt. Um das zu erkennen, schreiben wir Gl. (13.1) für n = 0, 1, 2, auf, d. h. wir betrachten den Vorgang vom Zeitpunkt t = 0 an:

n = 0:

y0 = x0 + 2 y−1 + 3 y− 2

n = 1 : y1 = x1 + 2 y0 + 3 y−1 n = 2: y2 = x2 + 2 y1 + 3 y0 n = 3 : y3 = x3 + 2 y2 + 3 y1

usw.

Offenbar kann man das Gleichungssystem lösen, wenn die Werte y−1 und y− 2 bekannt sind. Wir geben uns vor: y− 1 = y− 2 = 0. Dann lässt sich aus der ersten Zeile y0 ermitteln. Mit diesem y0 liefert dann die zweite Zeile y1 , danach die dritte Zeile y2 usw. Wir zeigen das für die Eingangsfolge xn = 1 ( n  0), vgl. Bild 13.3:

n n n n n

= 0: y0 = 1 = 1 : y1 = 1 + 2 ⋅ 1 = 3 = 2: y2 = 1 + 2 ⋅ 3 + 3 ⋅ 1 = 10 = 3 : y3 = 1 + 2 ⋅ 10 + 3 ⋅ 3 = 30 = 4 : y4 = 1 + 2 ⋅ 30 + 3 ⋅ 10 = 91 usw.

(13.2)

13.1 Allgemeine Zusammenhänge

301

Bild 13.3 Die (Einheits-)Sprungfolge.

Die Werte y0 , y1 , y2 usw. werden hier rekursiv bestimmt; daher bezeichnet man Gleichung (13.1) als Rekursionsgleichung. Oft verwendet man auch den Ausdruck Differenzangleichung, und zwar deswegen, weil Gleichungen dieses Typs entstehen, wenn man in Differentialgleichungen die Ableitungen durch Differenzenquotienten ersetzt. Wir betrachten dazu ein Beispiel, und zwar den Tiefpass 1. Grades nach Bild 7.83(a). Die Umlaufgleichung lautet:

uE (t ) = R ⋅ i (t ) + uA (t ) mit i (t ) = C

duA dt

oder

CR

duA (t ) + uA (t ) = uE (t ). dt

Die äquivalente Differenzengleichung (durch die die vorliegende Differentialgleichung angenähert wird) erhält man, indem man anstelle des Zeitpunktes t und des Zeitdifferentials dt den Zeitpunkt nT und die Zeitdifferenz T betrachtet:

CR

uA ((n + 1)T ) − uA (nT ) + uA (nT ) = uE (nT ) T

oder

T  T  uA ((n + 1)T ) +  − 1 uA (nT ) = uE (nT ). CR CR   Statt u ( nT ) schreiben wir einfacher un oder u[ n], also

T  T  uA [n + 1] +  − 1  uA [ n ] = uE [n]. CR  CR  Eine Gleichung dieser Art nennt man eine Differenzengleichung erster Ordnung. Anmerkung: Die Werte un oder u[ n ] sind hier nicht die Abtastwerte des kontinuierlichen Systems nach Bild 7.84(a). Die Folge u A [ n ] ist vielmehr die Lösung der Differenzengleichung bei gegebener Eingangsfolge u E [ n ] und bekanntem Anfangszustand. Die klassische Methode zur Lösung von Differenzengleichungen ist vergleichbar mit dem Verfahren zur Lösung von Differentialgleichungen. (Man stellt Lösungen der homogenen Gleichung auf, sucht dann eine Partikularlösung der inhomogenen Gleichung usw.; vgl. Abschnitt 11.1). Dieser Weg zur Gewinnung eines allgemeinen Ausdrucks für yn soll hier nicht verfolgt werden. Statt dessen wollen wir hier derartige Probleme mit der Z-Transformation lösen. Diese Methode hat für

302

13. Die Z-Transformation

die Untersuchung diskreter Systeme eine ähnliche Bedeutung wie die Laplace-Transformation für die Analyse kontinuierlicher Systeme. (Auf den Zusammenhang zwischen beiden Transformationen geht Abschnitt 13.1.2 ein und liefert nachträglich eine Motivation für die jetzt folgende Beziehung (13.3)). Die Z-Transformation ist definiert durch die Gleichung

Z[ fn ] =



f

n

z − n = F ( z) .

(13.3)

n =0

Diese Vorschrift liefert zu einer Originalfolge f n eine Bildfunktion F ( z ). Mit dem aus Abschnitt 12.1 schon bekannten Korrespondenzzeichen schreibt man

fn

F ( z)

oder

F ( z)

fn .

In der Literatur werden meist im Zusammenhang mit der Z-Transformation nur Folgen mit f n = 0 für n < 0 betrachtet. Das soll in der vorliegenden Darstellung zunächst auch vorausgesetzt werden. Wann die Reihe (13.3) – es handelt sich um eine Laurent-Reihe – absolut konvergiert, kann mit dem Quotientenkriterium entschieden werden:

lim

n →∞

f n +1 z − (n +1) fn z

−n

= lim

n →∞

f n +1 fn

! z −1 < 1

oder

z

!

> lim

n →∞

f n +1 fn

≡ r.

Das Konvergenzgebiet ist also das Gebiet außerhalb des Kreises mit dem Radius r um den Koordinatenursprung (Bild 13.4: das Konvergenzgebiet ist schraffiert). Diejenigen Leser, die sich in erster Linie für die Handhabung der Z-Transformation interessieren und die Rücktransformation ausschließlich mit Hilfe von Korrespondenztabellen durchführen wollen, können die jetzt folgenden Abschnitte 13.1.2 und 13.1.3 überspringen und gleich zu Abschnitt 13.2 übergehen.

Bild 13.4 Die z-Ebene und das Konvergenzgebiet z > r der Bildfunktion.

13.1 Allgemeine Zusammenhänge

13.1.2

303

Der Übergang von der Laplace- zur Z-Transformation

Von einer für t  0 definierten Funktion f (t ) seien nur die Werte für t = 0, t = T , t = 2T ,  (Abtastwerte) gegeben: f ( nT ) ≡ f n . Diese Folge von Funktionswerten lässt sich nicht ohne weiteres der Laplace-Transformation unterwerfen. Ordnet man dieser Folge jedoch eine Treppenfunktion f T (t ) gemäß

f T (t ) = f n

für

nT  t < (n + 1)T

zu (Bild 13.5), so kann die Transformation durchgeführt werden:

L[ f T (t )] =



f

T

(t )e − pt dt =

n =0

nT

−e −p

− pnT

0

=



f

e n

n=0

∞ (n + 1)T

 

− p(n + 1)T

f n e − pt dt =

=

1 − e − pT p



fe n

− pnT

.

n =0

Bild 13.5 Die der Folge f n zugeordnete Treppenfunktion f T (t ).

1 − e − pT ist offenbar gleich der Laplace-Transformierte des Rechteckimpulses nach p

Der Vorfaktor

Bild 12.3 (s. Abschnitt 12.3). Wir interessieren uns hier zunächst nur für die Summe, die der Folge f n eine bestimmte Funktion zuordnet. Diese Zuordnungsvorschrift nennt man die diskrete Laplace-Transformation, für die die Bezeichnung D[ f n ] gebräuchlich ist:

[ fn ] =



fe n

− pnT

.

n =0

Führt man nun noch die Abkürzung

z = e pT ein, so entsteht die bereits angegebene Gleichung (13.3).

304

13. Die Z-Transformation

Die diskrete Laplace-Transformation kann als gewöhnliche Laplace-Transformation gedeutet werden, die auf die (verallgemeinerte) Funktion aus den äquidistanten Impulsen f 0 ⋅ δ (t ), f1 ⋅ δ (t − T ), f 2 ⋅ δ (t − 2T ),  einwirkt, also auf: ∞

 f δ (t − nT ). n

n =0

Multipliziert man die Laplace-Transformierte dieser Funktion mit der Laplace-Transformierten des Rechteckimpulses (die wir oben zunächst nicht wieder betrachtet hatten), so entsteht die Laplace-Transformierte der Treppenfunktion nach Bild 13.5. Dieser Zusammenhang lässt sich auch mit dem Faltungssatz (Gl. 12.14a) nachweisen. Ersetzt man in Gl. (13.3) z durch exp( jω t ), so entsteht

F (e jω t ) =



fe n

− jnω t

.

n =0

Diese Reihe kann man formal zu einer Reihe von n = − ∞ bis n = + ∞ ergänzen, indem man die Koeffizienten f − 1 = f − 2 = f − 3 =  = 0 hinzunimmt:

F (e jω t ) =





f n e− jnω t .

n =−∞

Das ist die Darstellung einer Funktion durch eine Fourier-Reihe gemäß Gl. (11.8) mit bekannten komplexen Koeffizienten (hier f n ). Ist dagegen die Funktion F [exp( jω t )] vorgegeben und sind die Koeffizienten f n unbekannt, so zeigt die Gl. (11.10) eine Möglichkeit auf, das Umkehrproblem (d. h. die Rücktransformation von F in f n ) zu lösen. Dieser Weg soll hier jedoch nicht weiter verfolgt werden. Statt dessen wird das Umkehrproblem im folgenden Abschnitt mit einer anderen Methode behandelt.

13.1.3

Die Umkehrformel

Eine Umkehrformel, mit der die Originalfolge aus der Bildfunktion ermittelt werden kann, lässt sich mit der aus der Funktionentheorie bekannten Cauchyschen Integralformel herleiten: Zunächst multipliziert man beide Seiten von Gl. (13.3) mit z m (den Exponenten m gibt man sich dabei willkürlich vor) und integriert dann längs eines im Konvergenzgebiet liegenden Kreises (Bild 13.4): ¥

ò å f

n

L n =0

m z - n + m dz = ò  F ( z ) z dz.

(13.4)

L

Auf der linken Seite werden Summation und Integration vertauscht: ¥

å f ò z n

n=0

−n +m

dz.

L

Das hier auftretende Integral ist (wegen der Cauchyschen Integralformel):

ò z L

-n + m

ìï2π j für - n + m = -1 oder n = m + 1 dz = ïí . ïïî 0 für - n + m ¹ -1 oder n ¹ m + 1

(13.5)

13.2 Einige Eigenschaften der Z-Transformation

305

Die Summe (13.5) weist also nur ein von Null verschiedenes Glied auf, nämlich f m +1 ⋅ 2π j. Damit lautet Gl. (13.4) jetzt m f m +1 ⋅ 2π j = ò  F ( z) z dz. L

Ersetzt man hier noch auf der linken Seite m + 1 durch n und auf der rechten Seite m durch n - 1, so folgt die gesuchte Umkehrformel

fn =

1 F ( z ) z n -1dz = ò  2π j L

 Res{F ( z ) z

n −1

}.

(13.6)

Die Definitionsgleichung (13.3) und die Umkehrformel (13.6) entsprechen dem Gleichungspaar (12.6a, b) bei der Laplace-Transformation.

13.2

Einige Eigenschaften der Z-Transformation

Linearität Aus Gl. (l3.3) folgt

Z[kf n ] = kZ[ f n ]

k = konst

Z[ f n + g n ] = Z[ f n ] + Z[ g n ] .

(13.7)

Verschiebungssätze Anstelle der Folge f n wird die nach rechts verschobene Folge f n − k ( k > 0) betrachtet (Bild 13.6). Es ergibt sich

Z[ f n − k ] =



f n =0

= z−k



n−k

z − n = z − k  f n − k z − (n − k )





n=0

fm z −m .

m=−k

Bild 13.6 Eine Folge f n und die um 2 nach rechts verschobene Folge f n − 2 .

306

13. Die Z-Transformation

Wenn f m = 0 für m < 0 vorausgesetzt wird (s. o.), kann man schreiben (jetzt wieder mit n statt m): ∞

Z[ f n − k ] = z − k  f n z − n n=0

oder

Z[ f n − k ] = z − k Z[ f n ]

k = 0, 1, 2,

(13.8)

Wichtig ist der Sonderfall k = 1:

Z[ f n − 1 ] = z − 1 Z[ f n ].

(13.8´)

Mit dem Korrespondenzzeichen lassen sich die beiden letzten Formeln so darstellen:

fn − k

z − k F (z)

f n −1

z −1 F ( z ).

und

In manchen Anwendungen treten auch (von Null verschiedene) f n -Werte mit negativen Indizes auf, also f − 1 , f − 2 usw. In diesem Fall ergeben sich anstelle von (13.8) und (13.8´) etwas kompliziertere Formeln:

Z[ f n − k ] = z − k





fm z − m =

m=−k

= z − k { f − k z k + f − k + 1 z k −1 +  + f −1 z +



f

m

z−m}

m=0

oder

Z[ f n − k ] = z − k { f − k z k + f − k + 1 z k − 1 +  + f − 1 z + Z[ f n ]}

(13.9)

k

= z − k { f − m z m + Z[ f n ]}. m =1

k = 0,1, 2, Für den Sonderfall k = 1 folgt

Z[ f n − 1 ] = f − 1 + z − 1 Z[ f n ].

(13.9´)

Werden in Gl. (l3.9) die Summanden zwischen den geschweiften Klammern mit z − k multipliziert, so erhält man (bei Benutzung des Korrespondenzzeichens):

fn − k

f − k + f − k + 1 z −1 +  + f − 1 z − k + 1 + z − k F ( z )

f n −1

f − 1 + z − 1 F ( z ).

und

13.2 Einige Eigenschaften der Z-Transformation

307

Anmerkung: Die (wegen der Voraussetzung f n = 0 für n < 0) speziellere Formel (13.8) folgt aus der allgemeineren Gleichung (13.9) auch, wenn man anstelle der Folge f n die Folge sn ⋅ f n betrachtet, wobei sn die in Abschnitt 13.3 behandelte Sprungfunktion bedeutet (vgl. auch Bild 13.3):

Z[ sn − k f n − k ] = z − k Z[ f n ]. Auf ähnliche Weise wie (13.8) und (13.9) leitet man für eine Verschiebung nach links her ( k > 0):

Z[ f n + k ] =



f

n =0

n+k





n=0

m=k

z − n = z k  f n + k z − (n + k ) = z k  f m z − m .

Ergänzt man auf beiden Seiten der Gleichung die Summanden mit m = 0 bis k − 1, so folgt: k −1



m=0

m=0

Z[ f n + k ] + z k  f m z − m = z k  f m z − m = z k Z[ f n ] oder k −1

Z[ f n + k ] = z k {Z[ f n ] −  f m z − m }

k = 1, 2, 3,

(13.10)

m=0

Im Sonderfall k = 1 hat man Z  f n + 1  = z{Z [ f n ] − f 0 }. Die Verschiebungssätze sind zur Lösung von Rekursionsgleichungen besonders wichtig. Sie spielen eine ähnliche Rolle wie die Korrespondenzen (12.10) und (12.11) bei der Laplace-Transformation (Differenziation im Zeitbereich). Der Faltungssatz

F ( z ) und G ( z ) sollen die Bildfunktionen von f n und g n sein. Gesucht ist die zu dem Produkt F ( z )G ( z ) gehörende Originalfolge, die symbolisch als f n * g n geschrieben wird. Dabei setzen wir f n , g n = 0 für n < 0 voraus. Zunächst wird F ( z ) entsprechend Gl. (13.3) umgeformt

F ( z )G ( z ) =



f

k

z − k G ( z ).

k =0

Nun ist aber das unterstrichene Produkt wegen Gl. (13.8) die Z-Transformierte von g n − k , so dass sich ergibt

F ( z )G ( z ) =





k=0



fk  gn − k z − n . n =0

Durch Vertauschen der Reihenfolge beider Summationen entsteht

F ( z )G ( z ) =







  f n =0

k = 0

k

 g n − k z − n . 

308

13. Die Z-Transformation

Offenbar ist die Summe zwischen den geschweiften Klammern die gesuchte Originalfolge. Berücksichtigt man noch, dass voraussetzungsgemäß g n − k = 0 für n − k < 0 ist, so erhält man als Endformel:

fn * gn =

n

 k =0

fk gn − k =

n

f k =0

n−k

gk

F ( z ) ⋅ G ( z ).

(13.11)

Der Dämpfungssatz Dieser für beliebiges a (komplex) gültige Satz, ergibt sich unmittelbar aus (13.3):

z F  a

an fn

.

Die Grenzwertsätze Die Grenzwerte der Folge f n für n → 0 und n → ∞ kann man, sofern sie existieren, aus F ( z ) bestimmen. Schreibt man (13.3) in der Form

F ( z ) = f 0 + f1 z −1 + f 2 z − 2 +  auf, so findet man sofort, dass für z → ∞ auf der rechten Seite nur der erste Summand nicht verschwindet. Damit lautet der Anfangswertsatz:

f 0 = lim F ( z ). z →∞

Auf ähnliche Weise erhält man:

f1 = lim z[ F ( z ) − f 0 ], z →∞

f 2 = lim z 2 [ F ( z ) − f 0 − f1 z −1 ]. z →∞

Relativ langwierig ist die Herleitung des Endwertsatzes. Daher wird hier nur das Ergebnis mitgeteilt:

f ∞ = lim ( z − 1) F ( z ). z →1+ 0

13.3

Die Z-Transformierten häufig auftretender Folgen

1. Die (Einheits-)Sprungfolge

0 für n < 0 sn =  1 für n  0,

13.3 Die Z-Transformierten häufig auftretender Folgen

309

die auch mit σ n , u n bezeichnet wird, hat die Transformierte

Z[ sn ] =



n



1 −1 −2    =1+ z + z + z  n=0 

 1 ⋅ z−n =

n=0

Mit der bekannten Formel 1 + q + q 2 +  = 1 (1 − q ) für q < 1 ergibt sich

1

sn

1−

=

1 z

z z −1

.

2. Die Sprungfolge ist ein Sonderfall der geometrischen Folge

für n < 0 für n  0.

0 fn =  n a

Als Z-Transformierte erhält man

Z[ f n ] =



 an z− n = n=0



n

1 z a =    = a z−a n =0  z  1− z

oder

z z−a

an

.

3. Die Deltafolge ist definiert durch

1 für n = 0 0 für n ≠ 0.

δn =  Man erhält

Z[δ n ] =



δ

n

z−n = 1

n =0

oder

δn

1

.

4. Für die Exponentialfolge eα n folgt, wenn man in der Korrespondenz für die geometrische Folge a durch eα ersetzt:

eα n

z z − eα

.

310

13. Die Z-Transformation

5. Da die Z-Transformation linear ist, lassen sich mit dem letzten Ergebnis die Transformierten der trigonometrischen Folgen leicht angeben. So ist z. B. ∞

Z[cos Ω n] =  cos Ω n ⋅ z − n = n =0

 1 1 z z (e jΩ n + e − jΩ n ) z − n =  + =  jΩ − jΩ  2 n =0 2 z − e z−e  1 2 z 2 − z (e jΩ + e − jΩ ) z 2 − z cos Ω = = 2 z 2 + 1 − z (e jΩ + e− jΩ ) z 2 + 1 − 2 z cos Ω ∞

=

oder

z ( z − cos Ω ) z − 2 z cos Ω + 1

cos Ω n

2

.

6. Die zur Rampenfolge

0 für n < 0 f n = rn =  n für n  0. gehörende Transformierte ergibt sich auf folgende Weise:

Z[ f n ] =



 nz

−n

= z −1 + 2 z − 2 + 3 z − 3 + 

n =0

Um die bekannte Summenformel (s. o.) benutzen zu können, bildet man

Z[ f n ] ⋅ z − Z[ f n ] = = 1 + 2 z −1 + 3 z − 2 + 4 z − 3 +  − [ z −1 + 2 z − 2 + 3z − 3 + ] = = 1 + z −1 + z − 2 + z − 3 +  =

z z −1

oder

Z[ f n ] =

z z = . ( z − 1) ( z − 1) ( z − 1) 2

Also ist

z ( z − 1) 2

rn

.

Dieses Ergebnis kann auch durch andere Überlegungen gewonnen werden: Im Konvergenzbereich einer Laurent-Reihe darf diese gliedweise differenziert werden. Damit lassen sich weitere Korrespondenzen gewinnen. So folgt aus

Z[ sn ] =



z

n =0

−n

=

z (s. o. oder Tabelle 13.1) z −1

13.3 Die Z-Transformierten häufig auftretender Folgen

311

durch Differenzieren auf beiden Seiten ∞

−  nz − (n + 1) = n =0

z −1− z ( z − 1) 2

oder ∞

 nz

− (n + 1)

n =0



= z −1  nz − n ≡ z −1 Z[n] = n =0

1 . ( z − 1) 2

Daraus ergibt sich ∞

 nz

−n

n =0

≡ Z[n] =

z . ( z − 1) 2

Nochmaliges Differenzieren liefert auf analoge Weise ∞



n =0

n =0

−  n 2 z − (n + 1) = − z −1  n 2 z − n =

( z − 1) 2 − 2 z ( z − 1) − ( z + 1) = 4 ( z − 1) ( z − 1)3

oder ∞

n z

2 −n

n =0

≡ Z[n 2 ] =

z ( z + 1) . ( z − 1)3

Die in diesem Kapitel ermittelten Korrespondenzen und einige weitere sind in Tabelle 13.1 zusammengestellt. Tabelle 13.1. Einige wichtige Korrespondenzen. Originalbereich fn

Bildbereich F ( z)

Konvergenzbereich

u n , sn

z z −1

z >1

an

z z−a

z > a

eα n

z z − eα

z > eα

δn

1

cos nΩ

z ( z − cos Ω ) z 2 − 2 z cos Ω + 1

sin nΩ

z sin Ω z 2 − 2 z cos Ω + 1

n, rn

z ( z − 1)2

z >1

n2

z ( z + 1) ( z − 1)3

z >1

a n − 1 s n −1

1 z−a

z > a

für α reell

z > 1   für Ω reell z > 1

312

13. Die Z-Transformation

13.4

Die Bestimmung der Originalfolge aus der Bildfunktion (Rücktransformation)

Für die Rücktransformation gelten weitgehend die im Zusammenhang mit der inversen LaplaceTransformation (Abschnitt 12.4) behandelten Gesichtspunkte: Die allgemeinste Methode der Rückkehr zum Originalbereich besteht in der Auswertung des Umkehrintegrals (13.6). Meist findet man die gesuchte Lösung leichter, indem man in einer Korrespondenztabelle (s. auch Spezialliteratur) nachschlägt. Viele Bildfunktionen haben die Form eines Quotienten aus Zählerpolynom Z ( z ) und Nennerpolynom N ( z ). Ist der Grad von Z ( z ) kleiner als der von N ( z ) und sind außerdem die Nullstellen des Nenners einfach, so lässt sich eine Partialbruchzerlegung der angegebenen Form vornehmen:

F ( z) = =

Z ( z) Z ( z) = = N ( z ) k ( z − z1 ) ( z − z2 )  ( z − zk )  ( z − zn ) c1 c2 ck cn + ++ ++ . z − z1 z − z2 z − zk z − zn

Die Koeffizienten können mit folgenden Formeln bestimmt werden (vgl. Abschnitt 12.4):

ck = lim

Z ( z) ( z − zk ) N ( z)

(13.12)

ck = lim

Z ( zk ) Z (z) = . N ′( z ) N ′( zk )

(13.13)

z → zk

oder z → zk

Offensichtlich brauchen wir noch die zu 1 ( z − zk ) oder 1 ( z − a ) gehörende Originalfolge. Wir gehen aus von

F ( z) =

1 z = z −1 . z−a z−a

Der Quotient auf der rechten Seite lässt sich auch als Summe darstellen (s. Tabelle 13.1): n

∞ a F ( z ) = z −1    = n =0  z 



a

n − (n + 1)

z

.

a

z .

n =0

Mit n + 1 = m folgt

F ( z) =



a

m =1

m −1

⋅ z−m =



n −1 − n

n =1

Offenbar gilt

F ( z)

 0 f n =  n −1 a

für

n 2ωb

Bild 14.1

Spektrum von x(t ) und Spektrum von xs (t ); keine Überlappung der Teilspektren.

(14.18)

328

14. Systemtheorie

vorausgesetzt wurde. Diese Bedingung nennt man das Abtasttheorem: Die Abtastfrequenz muss also mindestens doppelt so groß sein wie die höchste im Signal auftretende Frequenz. Wenn die Bedingung nicht erfüllt ist, kommt es zu Überlappungen der Teilspektren (Aliasing): Bild 14.2. Der Verlauf des Signals kann nicht mehr aus seinen Abtastwerten rekonstruiert werden.

Spektren wie in Bild 14.1; Abtasttheorem nicht erfüllt: Aliasing.

Bild 14.2

14.2.2

Zur Signalrekonstruktion

Um das ursprüngliche Signal f (t ) zurückzugewinnen, muss das abgetastete Signal f s (t ) mit dem Spektrum (14.17) einer Tiefpassfilterung entsprechend

T ω ≤ ωs 2 H ( j ω) =  0 sonst unterworfen werden. Zu H ( jω) gehört die Impulsantwort: ω 2

1 s T jω t h(t ) = Te jωt d ω = e  2π − ωs 2 2πjt

ωs 2

− ωs 2

sin πf s t ω T T = sin s t = sin πf s t = Tf s  2 πt πt πf s t 1

(14.19)

= sinc f s t . (Die Abkürzung sinc wurde in Abschnitt 11.4.5 eingeführt.) Auf das durch (14.19) charakterisierte System wirkt das Eingangssignal (14.11) mit p (t ) nach (14.16):

f s (t ) =





n=−∞

f (t )δ(t − nT ) =





n=−∞

f ( nT ) ⋅ δ(t − nT ).

14.3 Ein- und zweiseitige Transformationen

329

Das Ausgangssignal ist also:

g ( t ) = f s ( t ) * h (t ) =



  f (nT ) ⋅ δ(τ

− nT ) ⋅ sinc f s (t − τ)d τ

−∞ n ∞

=



f (nT ) sinc f s (t − nT ).

(14.20)

n=−∞

Man überzeugt sich leicht davon, dass für t = nT nur der n- te Summand einen Beitrag liefert, alle anderen Summanden sind an dieser Stelle Null; also wird g ( nT ) = f ( nT ).

14.3

Ein- und zweiseitige Transformationen

14.3.1

Einführung

Vorgänge, die von t = − ∞ bis t = + ∞ beobachtet werden, kommen in den Anwendungen kaum vor. Ein technischer Vorgang beginnt zu einem bestimmten Zeitpunkt, der als Nullpunkt betrachtet werden kann. Daher liegt es nahe, die Laplace-Transformation wie in Kapitel 12 als einseitige Transformation einzuführen. Sie stellt ein leistungsfähiges Hilfsmittel dar, um Anfangswertprobleme zu lösen. Entsprechendes gilt für die in Kapitel 13 behandelte Z-Transformation. Bei manchen Aufgabenstellungen ergeben sich auch Funktionen bzw. Folgen, die für negative Zeitwerte (kontinuierlich bzw. diskret) nicht verschwinden. Für solche Fälle sind zweiseitige Transformationen oft sehr nützlich. In der Literatur werden häufig die zweiseitigen Transformationen zuerst eingeführt. Bei ihrer Anwendung auf einseitige Funktionen f (t )u (t ) bzw. Folgen f n u n , die man auch als kausale Signale bezeichnet, ergeben sich die einseitigen Transformationen jeweils als Sonderfall der zweiseitigen. Ist das System durch die kausale Impulsantwort ( h(t ) = 0 für t < 0 bzw. hn = 0 für n < 0) gekennzeichnet, so spricht man von einem kausalen System.

14.3.2

Die zweiseitige Laplace-Transformation

Zuerst geben wir die Definitionsgleichung an:

FII ( p) =





f (t )e− pt dt .

(14.21)

−∞

(Wenn Verwechselungen ausgeschlossen sind, kann der Index römische Ziffer II entfallen). Bei der einseitigen Laplace-Transformation musste für die Existenz des Integrals (12.6a) i. a. ein genügend großer Wert von Re{ p} vorausgesetzt werden. Das Konvergenzgebiet war also eine Halbebene rechts von einer Geraden parallel zur imaginären Achse. Die folgenden Beispiele zeigen, dass bei der zweiseitigen Laplace-Transformation das Konvergenzgebiet ein Streifen parallel zur imaginären Achse ist. Enthält der Streifen die jω -Achse, dann gehen Fourier- und LaplaceTransformation durch die Substitution p = jω ineinander über.

330

14. Systemtheorie

Beispiel 14.5 Rechts- und linksseitige Funktion

Die Transformierten der Funktionen a)

f1 (t ) = e − a1t u (t ),

b)

f 2 (t ) = − e − a2t u ( − t )

mit reellen a1 , a2 sind zu bestimmen. Lösung: Mit (14.21) folgt

F1 ( p) =



e

− a1t

−∞



u (t )e− pt dt =  e − ( a1 + p ) t dt = 0

1 , p + a1

falls a1 + Re{ p} > 0 oder Re{ p} = σ > − a1 ist.

Entsprechend ergibt sich F2 ( p ) = −



e

− a2t

u (− t )e− pt dt = −

−∞



e

− ( a2 + p ) t

dt =

−∞

1 , p + a2

falls a2 + R{ p} < 0 oder Re{ p} = σ < − a2 ist. Die Konvergenzbereiche sind in Bild 14.3 dargestellt. Bemerkenswert ist, dass beide Funktionen für a1 = a2 die gleiche Transformierte besitzen, dass sich jedoch die Konvergenzgebiete unterscheiden.

Beispiel 14.6 Zweiseitige Funktion

Es soll die Funktion f 3 (t ) = e− a1t u (t ) − e− a2t u ( − t )

transformiert werden. Lösung: Mit den Ergebnissen von Beispiel 14.5 erhält man

F3 ( p) =

Bild 14.3

1 1 2 p + a1 + a2 + = . p + a1 p + a2 ( p + a1 ) ( p + a2 )

Die zu den Beispielen 14.5 und 14.6 gehörenden Konvergenzgebiete.

14.3 Ein- und zweiseitige Transformationen

331

Dieses ist nur dann die Transformierte von f 3 (t ), wenn sich die zu den beiden Summanden gehörenden Konvergenzgebiete überlappen (wie es in Bild 14.3 skizziert ist). Andernfalls besitzt diese Funktion keine Laplace-Transformierte. Soll die Rücktransformation mit (12.6b) unter Verwendung des Residuensatzes durchgeführt werden, so ist der innerhalb des Konvergenzstreifens verlaufende Integrationsweg zu ergänzen: für t > 0 kann der Weg durch einen nach links angesetzten Halbkreis mit unendlich großem Radius geschlossen werden, für t < 0 durch einen Halbkreis nach rechts. Die meisten Eigenschaften der zweiseitigen Laplace-Transformation stimmen mit denen der einseitigen Transformation überein. Ein besonders wichtiger Unterschied betrifft die Differentiation nach der Zeit: Bei der zweiseitigen Transformation treten Anfangswerte nicht auf. Der Faltungssatz nimmt, wenn nichtkausale Signale betrachtet werden, statt (12.14) die Form

f1 (t ) * f 2 (t ) =





f1 (t − τ) f 2 ( τ)d τ

−∞

=





f1 ( τ) f 2 (t − τ) d τ = F1 ( p ) ⋅ F2 ( p )

(14.22)

−∞

an.

14.3.3

Ergänzungen zur einseitigen Laplace-Transformation

Bei der zur Lösung von Anfangswertproblemen eingeführten einseitigen Laplace-Transformation (Kapitel 12) wurde in der älteren Literatur unter dem Anfangswert f (0), der im Differenziationssatz auftritt, der rechtsseitige Grenzwert verstanden, also f (0+), falls f (t ) im Punkt t = 0 nicht stetig ist. Wenn jedoch auch Diracimpulse δ(t ) in den Aufgabenstellungen vorkommen, fasst man die untere Grenze des Integrals (12.6a) besser als linksseitigen Grenzwert auf:

F ( p) =





f (t )e − pt dt .

(14.23)

0−

Der Differentiationssatz (12.10) erhält die Form

df dt

pF ( p ) − f (0−).

(14.24)

Im folgenden Beispiel werden die Unterschiede herausgestellt, die sich durch das Arbeiten mit den unterschiedlichen Grenzwerten f (0−) und f (0+) ergeben. Beispiel 14.7 Die Impulsantwort des Tiefpasses 1. Grades

Ausgehend von der Differentialgleichung soll die Impulsantwort des Tiefpasses nach Bild 11.2a bestimmt werden, und zwar mit a)

f (0) = f (0−),

b)

f (0) = f (0+),

wobei vorausgesetzt wird, dass der Kondensator vor dem Einwirken des Impulses ungeladen ist.

332

14. Systemtheorie

Lösung: Wenn die Impulsantwort mit h(t ) bezeichnet wird, hat man statt (12.16):

CR

dh + h(t ) = δ(t ). dt

Unter der Voraussetzung a) ergibt sich mit (14.24)   CR  pH ( p ) − h (0−)  + H ( p ) = 1  =0  

und daraus H ( p) =

1 1 1 = ⋅ . CRp + 1 CR p + 1 CR

Durch Rücktransformation entsteht

h(t ) =

1 − CRt e ⋅ u (t ). CR

Unter der Voraussetzung b) geht die Differentialgleichung über in   CR  pH ( p ) − h (0+)  + H ( p ) = 0  ≠0  

und

H ( p) =

CRh(0+) h(0+) = . 1 CRp + 1 p + CR

Durch Rücktransformation folgt h(t ) = h(0+) ⋅ e

t − CR

u (t ).

Hierin ist h(0+) noch unbekannt und muss durch eine zusätzliche Betrachtung bestimmt werden: Ein Rechteckimpuls (vgl. Bild 11.15a) der Höhe Zeitpunkt t = Δ von

h( Δ ) =

(

1 Δ

und der Breite Δ führt zu einer Kondensatorspannung im

)

1 − Δ 1 − e CR . Δ

Dieser Ausdruck ergibt sich aus (12.20), wenn man

uc (t ) = h(t ), U1 =

1 ,U 0 = 0 Δ

einsetzt. Für Δ → 0 erhält man (die e-Funktion wird durch die ersten beiden Glieder der Reihe approximiert):

h(0+) = lim h(Δ) = lim Δ→ 0

Also folgt

h(t ) =

1 − CRt e u (t ). CR

Δ→0

1 Δ  1 1 − (1 − ) = . CR  CR Δ 

14.3 Ein- und zweiseitige Transformationen

333

Anmerkung: Die in diesem Beispiel auftretenden Formelzeichen C, R, h usw. bedeuten Zahlenwerte. Es wird also – wie in der Systemtheorie üblich – mit normierten Größen gearbeitet.

14.3.4

Die zweiseitige Z-Transformation

Die Definitionsgleichung lautet ∞



FII ( z ) =

fn z −n .

(14.25)

n = −∞

(Wenn Verwechslungen mit der einseitigen Transformation nicht zu befürchten sind, wird der Index römische Ziffer II weggelassen.) Bei der einseitigen Transformation war das Konvergenzgebiet i. a. das Äußere eines Kreises um den Koordinatenursprung. Bei der zweiseitigen Z-Transformation erhält man als Konvergenzgebiet i. a. einen Kreisring mit dem Koordinatenursprung als Zentrum. Die folgenden Beispiele zeigen das. Beispiel 14.8 Rechts- und linksseitige Folge

Die Transformierten der beiden Folgen a)

f n = a n un

b)

g n = − b nu− n −1

sind zu bestimmen. Lösung: Mit (14.25) ergibt sich

F ( z) =



a z

n −n

=

n=0

1 z , = 1 − z −1a z − a

falls z > a ist. Das Konvergenzgebiet ist also das Äußere des Kreises um den Ursprung mit dem Radius a . Entsprechend erhält man: G( z) = −

−1

1 1−

n

n −n

n=−∞

=−

n

∞ ∞ z z = −   = −   + 1 = n =1  b  n=0  b  z +1= , z−b

bz z b

falls z < b ist. Das Konvergenzgebiet ist also das Innere des Kreises um den Ursprung mit dem Radius b . Beide Folgen haben für a = b die gleichen Transformierten, die Konvergenzgebiete sind jedoch verschieden.

Beispiel 14.9 Zweiseitige Folge

Es soll die Folge xn = a nun − b nu− n −1

transformiert werden.

334

14. Systemtheorie

Bild 14.4

Das zu Beispiel 14.9 gehörende Konvergenzgebiet.

Lösung: Mit den Ergebnissen von Beispiel 14.8 erhält man

X ( z) =

z z z (2 z − a − b) + = . z − a z − b ( z − a ) ( z − b)

Dieses ist nur dann die Transformierte von xn , wenn sich die zu den beiden Summanden gehörenden Konvergenzgebiete überlappen (wie es in Bild 14.4 skizziert ist). Andernfalls besitzt die Folge keine Z-Transformierte.

Soll die Rücktransformation mit (13.6) durchgeführt werden, so ist für L ein Weg zu wählen, der ganz im Konvergenzgebiet liegt. Die meisten Eigenschaften der zweiseitigen Z-Transformation stimmen mit denen der einseitigen Transformation überein. Ein besonders wichtiger Unterschied betrifft den Verschiebungssatz, der jetzt

f n − k = z − k F ( z ).

(14.26)

lautet. In der Faltungssumme läuft der Summationsindex, wenn nichtkausale Folgen betrachtet werden, von −∞ nach +∞ (statt 13.11):

fn * gn =





k =−∞

fk ⋅ gn − k =





k =−∞

f n − k g k = F ( z ) ⋅ G ( z ).

(14.27)

Weiterführende Literatur Lehrbücher 1.

W. Ameling. Laplace-Transformation. 3. Aufl. Braunschweig: Vieweg, 1984.

2.

W. Ameling. Grundlagen der Elektrotechnik. Band I: 4. Aufl., Band II: 2. Aufl. Braunschweig: Vieweg, 1988/1984.

3.

F. Bening. Z-Transformation für Ingenieure. Stuttgart: B. G. Teubner, 1995.

4.

G. Bosse. Grundlagen der Elektrotechnik. Band I: Elektrostatisches Feld und Gleichstrom, Band II: Magnetisches Feld und Induktion, Band III: Wechselstromlehre, Vierpol- u. Leitungstheorie, Band IV: Drehstrom, Ausgleichsvorgänge in linearen Netzen. Band I: 3. Aufl., Band II: 4. Aufl., Band III: 3. Aufl., Band IV: 2. Aufl. Berlin: Springer, 1996.

5.

H. Clausert. Elektrotechnische Grundlagen der Informatik. München: Oldenbourg, 1995.

6.

C. A. Desoer und E. S. Kuh. Basic Circuit Theory. 16th printing Singapore: McGraw-Hill, 1987.

7.

G. Doetsch. Anleitung zum praktischen Gebrauch der Laplace-Transformation und der Z-Transformation. 6. Aufl. München: Oldenbourg, 1989.

8.

H. Elschner. Grundlagen der Elektrotechnik/Elektronik. Band 1 + 2. Berlin: Verlag Technik, 1990/91.

9.

O. Föllinger. Laplace- und Fourier-Transformation. 5. Aufl. Heidelberg: Hüthig, 1990.

10. H. Frohne, K.-H. Löcherer, H. Müller, Th. Harriehausen, D. Schwarzenau: Moeller Grundlagen der Elektrotechnik. 22. Aufl. Stuttgart: Teubner, 2011. 11. A. Führer, K. Heidemann und W. Nerreter. Grundgebiete der Elektrotechnik. Band l + 2, 8. Aufl. München: Hanser, 2006. 12. H. Grafe, J. Loose und H. Kühn. Grundlagen der Elektrotechnik. Band I: Gleichspannungstechnik, Band II: Wechselspannungstechnik. Band I: 13 Aufl., Band II: 9. Aufl. Heidelberg: Hüthig, 1989/1987. 13. W. Herzog. Elektrizität und Elektrotechnik, Teil l + 2. Heidelberg: Hüthig, 1979. 14. J. G. Holbrook. Laplace-Transformation. 3. Aufl. Braunschweig: Vieweg, 1984. 15. HÜTTE. Die Grundlagen der Ingenieurwissenschaften. H. Czichos, M. Hennecke (Hrsg.). 34. Aufl. Berlin: Springer, 2012. 16. L. B. Jackson. Signals, Systems, and Transforms. Reading, Mass.: Addison-Wesley, 1991. 17. K. Küpfmüller, W. Mathis, A. Reibiger. Theoretische Elektrotechnik und Elektronik. 18. Aufl. Berlin: Springer, 2008.

336

Weiterführende Literatur

18. K. Küpfmüller. Die Systemtheorie der elektrischen Nachrichtenübertragung. Stuttgart: S. Hirzel, 1974. 19. K. Lunze. Theorie der Wechselstromschaltungen (Lehrbuch). 8. Aufl. Heidelberg: Hüthig, 1991. 20. O. Mildenberger. System- und Signaltheorie. 3. Aufl. Braunschweig: Vieweg, 1995. 21. A. V. Oppenheim und A. S. Willsky. Signale und Systeme, Arbeitsbuch. Weinheim: VCH Verlagsges., 1989. 22. A. V. Oppenheim und A. S. Willsky. Signale und Systeme, Lehrbuch. 2. Aufl. Weinheim: VCH Verlagsges., 1992. 23. R. Paul. Elektrotechnik. Band I: Elektrische Erscheinungen und Felder, Band II: Netzwerke. Band I: 3. Aufl., Band II: 3. Aufl. Berlin: Springer, 1993/94. 24. E. Philippow. Grundlagen der Elektrotechnik. 10. Aufl. Berlin: Verlag Technik, 2000. 25. A. Prechtl. Vorlesungen über die Grundlagen der Elektrotechnik. Band 1 + 2. 2. Aufl. Wien: Springer, 2006/2007. 26. R. Pregla. Grundlagen der Elektrotechnik. Band I: 4. Aufl., Band II: 3. Aufl. Heidelberg: Hüthig, 1990. 27. H.W. Schüssler. Netzwerke, Signale und Systeme. Band 1: Systemtheorie linearer elektrischer Netzwerke, Band 2: Theorie kontinuierlicher und diskreter Signale und Systeme. 3. Aufl. Berlin: Springer, 1991. 28. K. Simonyi. Kulturgeschichte der Physik. 2. Aufl. Thun: Verlag Harri Deutsch, 1995. 29. S. D. Stearns und D. R. Hush. Digitale Verarbeitung analoger Signale. 7. Aufl. München: Oldenbourg, 1999. 30. U. Tietze und Ch. Schenk. Halbleiter-Schaltungstechnik. 13. Aufl. Berlin: Springer, 2010. 31. R. Unbehauen. Systemtheorie 1: Grundlagen für Ingenieure. 8. Aufl. München: Oldenbourg, 2002. 32. R. Unbehauen. Grundlagen der Elektrotechnik. Band l + 2: 5. Aufl. Berlin: Springer, 1999. 33. P. Vaske. Berechnung von Drehstromschaltungen. 4. Aufl. Stuttgart: Teubner, 1990. 34. P. Vaske. Berechnung von Wechselstromschaltungen. 4. Aufl. Stuttgart: Teubner, 1990. 35. H. Weber. Laplace-Transformation für Ingenieure der Elektrontechnik. 7. Aufl. Stuttgart: Teubner, 2003.

Weiterführende Literatur

337

Aufgabensammlungen und Arbeitsbücher 36. C. Gierl, K. Golde, O. Haas, S. Paul, C. Spieker. Aufgaben zur Elektrotechnik 2. München: Oldenbourg, 2013. 37. O. Haas, C. Spieker. Aufgaben zur Elektrotechnik 1. München: Oldenbourg, 2012. 38. G. Hagmann. Aufgabensammlung zu den Grundlagen der Elektrotechnik. 12. Aufl. Wiesbaden: Aula-Verlag, 2006. 39. H. Lindner. Elektroaufgaben. Band I: Gleichstrom, Band II: Wechselstrom, Band III: Leitungen, Vierpole, Fourier-Analyse, Laplace-Transformation. Band I: 29. Aufl., Band II: 24. Aufl., Band III: 6. Aufl. München: Hanser, 2010. 40. K. Lunze. Berechnung elektrischer Stromkreise (Arbeitsbuch). 15. Aufl. Heidelberg: Hüthig, 1990. 41. K. Lunze und E. Wagner. Einführung in die Elektrotechnik (Arbeitsbuch). 7. Aufl. Heidelberg: Hüthig, 1991. 42. H. Mattes. Übungskurs Elektrotechnik. Band 1: Felder und Gleichstromnetze, Band 2: Wechselstromrechnung. Berlin: Springer, 1992/94. 43. G. Wiesemann. Übungen in Grundlagen der Elektrotechnik, Band II: Magnetfeld und Anwendungen des Induktionsgesetzes. 2. Aufl. Berlin: Springer, 1995. 44. G. Wiesemann und W. Mecklenbräuker. Übungen in Grundlagen der Elektrotechnik, Band I: Elektrostatisches Feld, Gleichstrom und Netzanalyse. 2. Aufl. Berlin: Springer, 1995.

Handbücher, Normen, Allgemeines 45. F. A. Brockhaus. Brockhaus Naturwissenschaften und Technik (3 Bände). Mannheim: F. A. Brockhaus, 2002. 46. K. Budig. Fachwörterbuch Elektrotechnik/Elektronik (Deutsch-Engl./Engl.-Deutsch). 6. Aufl. Berlin: Langenscheidt Fachverlag, 2002. 47. DIN Deutsches Institut für Normung e.V. Einheiten und Begriffe für physikalische Größen (DIN Taschenbuch 22). 9. Aufl. Berlin: Beuth, 2009. 48. DUDEN Informatik. Mannheim: Bibliographisches Institut, 2003. 49. M. Klein. Einführung in die DIN-Normen. 14. Aufl. Stuttgart: Teubner, 2009. 50. H. Netz. Formeln der Elektrotechnik und Elektronik. 2. Aufl. München: Hanser, 1991. 51. E. Philippow. Taschenbuch Elektrotechnik. Band 1: Allgemeine Grundlagen. 3. Aufl. München: Hanser, 1986. 52. Hrsg. bisher C. Rint; neu hrsgg. v. Lacroix u. Motz u. Paul u. Reuber. Handbuch der Informationstechnik und Elektronik. Heidelberg: Hüthig, 1989.

Stichwortverzeichnis A Ableitungsbelag 197 Abtasttheorem 326 Abtastung 326 Abtastwerte 299 Admittanz 35, 47 Ähnlichkeitssatz 253, 275 Amplitude 5 Amplitudendichte 247 Amplitudenspektrum komplexes 237 Anfangswertsatz 276, 308 Anpassungsübertrager 146 aperiodischer Fall 290 aperiodischer Grenzfall 291 Äquivalenz bedingte 80 unbedingte 84 Arithmetischer Mittelwert (Gleichwert) 20 Aronschaltung 190, 191 Aufladen 230, 287 Ausbreitungsgeschwindigkeit 201 Ausbreitungskonstante 204 Ausgangs-Kurzschlussadmittanz 161 Ausgangs-Leerlaufimpedanz 164 Ausgleichsvorgänge 282 Außenleiter 177 Außenleiterspannung 178 Außenleiterströme 179 B Bandbreite 106 absolute 108 relative 108 Bandfilter 156 Bandpass 94, 126 Belastung 180

Betragsresonanz 100, 110 Blindleistung 130, 131 Blindleistungskompensation 135, 137 Blindleitwert 35, 44 Blindstromkompensation 56 Blindwiderstand 35, 47 Boucherot-Schaltung 118 D Dämpfungsfaktor 289 Dämpfungskonstante 202 Dämpfungsmaß 97 Dämpfungssatz 308 Dauerschwingungen periodische 233 Deltafolge 309 Deltafunktion 256, 278 Deltaimpuls 249, 256, 257 Differenzangleichung 301 Diracimpuls 256 Divergenz 225 Dreheiseninstrument 28 Drehspulinstrument 27 Drehstromgenerator symmetrischer 174, 180, 186 Drehstromsysteme 174 symmetrische 188 Drehstromverbraucher 192 Dreieckimpuls 256 Dreieckschaltung 185 Dreieckschwingung 26 Duale Schaltungen 86 Dualität 86 Duhamel-Integral 267 E Echowelle 203 Effektivwert 22, 244

340 Eigenfrequenz 100 Eigenwerte 100 Eindringtiefe 221 Eingangs-Kurzschlussadmittanz 161 Eingangs-Leerlaufimpedanz 164 Eingangswiderstand 207 eingeschwungener Zustand 233 Einheitssprungfunktion 256 Einphasen-Leistungstransformator 152 Einweggleichrichtung 19 Einweg-Gleichrichtwert 20 Eisentransformator 151 elektrodynamische Messwerke 190 elektrolytischer Mittelwert 21 elektromagnetische Felder 215 ff. Endwertsatz 276, 308 Energie-Erzeuger 2 Entladen 230 Entladestrom 98 Ersatzspannungsquelle 59 Ersatzstromquelle 58 erzwungene Schwingung 1 Eulersche Formel 8 Exponentialfolge 309 Exponentialfunktion 247, 259, 279 Exponentialimpuls 256 F Faltungsintegral 267 Faltungssatz 253, 275, 307 Feldschwächung 221 Feldverdrängung 221 Feldwellenwiderstand 212, 227 Formfaktor 26 Fourier-Analyse 245 Fourier-Integral 245 Fourier-Reihe 233, 245 Fourier-Transformation 245, 247, 248, 251 freie Schwingung 1 Frequenz 5 Frequenzmaßstab 69 G Gaußsche Zahlenebene 8 Generator 2, 133 Generatordreieck 188

Stichwortverzeichnis Generatordreieckschaltung 177 Generatorstern 181, 188, 194 Generatorsternpunkt 177, 178 Generatorsternschaltung 177 geometrische Folge 309 gesteuerte Quellen 160 Gleichanteil 233 Gleichrichtung 18 Gleichrichtwert 21 Graetzschaltung 19 Graphische Lösungen 54 ff. Grenzfrequenz 106 Grenzwertsätze 276, 308 Grundschwingung 16, 233 Grundschwingungsgehalt 244 Gruppenschaltungen 109 Güte 104 H harmonische Schwingungen 233 Hauptwelle 202 Heavisidescher Entwicklungssatz 282 Hertz 5 Hochpass 1. Grades 90 Hochpass 2. Grades 91 Hochpässe 90 ff. Hummel-Schaltung 62 Hystereseverluste 151 I Imaginärteil 9 Bestimmung 12 ff. Impedanz 35, 44 innere 139 Impedanztransformation 145 Impedanzwandlung 143, 145 Impulsantwort 265, 320 Impulsfolge 325 Impulsfunktion 324 Induktionsgesetz 158 Induktionsmaschine 1 Induktive Kopplung 155 Induktivität 63 Induktivitätsbelag 197 Inversion 72 ff. K Kapazitätsbelag 197

Stichwortverzeichnis

341

Kettenform 166 Kettenmatrix 170, 171 Kirchhoffsche Gleichungen 39 ff. Klirrfaktor k 244 Knotengleichung 39 Koeffizient 239 komplexe Amplitude 28 komplexe Effektivwerte 42 komplexe Größen 8 ff., 10 komplexe Potentiale 178 komplexe Zeitfunktion 28 Kondensator 30, 128, 230, 287, 288 Kondensatormikrofon 2 Konduktanz 44 Kopplungsfaktor 149 Korrespondenzen 311 Kosinus 260 Kosinusfunktion 279 Kreisdiagramm 77 Kreisfrequenz 5 Kurzschluss-Kernadmittanz 162 Kurzschluss-Stromübersetzung 166

Lineare Verzerrung 96 Linienspektren 239

L Laplacesches Umkehrintegral 272 Laplace-Transformation 248, 271 ff. Leerlauf-Kernimpedanz 164 Leerlauf-Spannungsübersetzung 166 Leistung 128, 242 Leistungsanpassung 138 Leistungsfaktor 130 Leistungsmesser 190 Leistungswirkungsgrad 135 Leitende Platte 219 Leitendes Rohr 217 Leiterschleife 1 Leiterströme 182 Leitung 197 ff. kurzgeschlossene 207 leerlaufende 207 Leitungselement 198 Leitungsgleichungen 203 ff. Leitungsparameter 208 Leitwert 64 Leitwertform 161 Leitwertmatrix 161 Lenzsche Regel 217 Lineare Schaltungen 95

O Oberschwingungen 16, 233 Oktave 16 Operatordiagramm 48 Operatoren 45 Originalfolge 302 Ortskurven 64 ff. Ortskurvenformen 76 Ortskurvenschar 114

M Maxwellsche Gleichungen 215 ff. Maxwell-Wien-Brücke 63 Mehrphasensysteme 173 ff. Mischgröße 20 Mischspannung 20 Mischstrom 20 einweggleichgerichteter 25 Mittelleiter 177 Mittelwert arithmetischer 20 elektrolytischer 21 quadratischer 22 Modulation 252 N Nichtperiodische Vorgänge 3, 5 Nichtsinusförmige Vorgänge 229 ff. Nullphasenwinkel 5

P Parallelschaltung 66, 67 Parallelschwingkreis 100, 110 Kombinationen 120 Pendel 99 Periodendauer 5 periodische Funktionen 264 periodische Vorgänge 3 periodischer Fall 290 Periodizitäts-Bedingung 5 Petersenspule 183 Phasengeschwindigkeit 201 Phasenkonstante 201 Phasenresonanz 100, 110, 120 Phasoren 216

342 Q Quadratischer Mittelwert 22 R Rampenfolge 310 Rampenfunktion 279 RC-Bandpass 93 RC-Gruppenschaltung 70 RC-Kettenschaltung 58, 87 ff. RC-Kreis 230, 231 RC-Parallelschaltung 81, 139 RC-Reihenschaltung 50, 54, 66, 81 Reaktanz 35, 47 Reaktanzvierpol 126 Reaktanzzweipol 124 Realteil 9 Bestimmung 12 ff. Rechteckimpuls 6, 247, 256, 257, 278 Rechteckspannung 235, 239, 241 Reflexionsfaktor 209 Reihen-Parallelschaltung 169 Reihenschaltung 67 Reihenschwingkreis 98, 100, 103, 229 Kombinationen 120 Kurzschließen 291 Rekursionsgleichung 301 Resistanz 47 Resonanz 97 Resonanzfrequenz 101, 289 Resonanzkurve 103 Resonanzüberhöhung 101 RL-Kettenschaltung 59, 60 RL-Kreis 230, 232 Ausschaltvorgang 286 Einschalten 295 RL-Parallelschaltung 82 RL-Reihenschaltung 52, 55, 65, 68, 82 RLC-Gruppenschaltung 69, 70, 110 RLC-Netze 28 ff. RLC-Parallelschaltung 43 RLC-Reihenschaltung 47, 66 RLC-Schaltungen 97 lineare 57 RLC-Vierpol 116 Rotation 223 Rücktransformation 50, 246, 280, 312

Stichwortverzeichnis S Schaltvorgänge Gleichstrom 283 Wechselstrom 293 Scheinleistung 130 komplexe 132 reelle 132 Scheinleitwert 35 Scheinwiderstand 35 Scheitelfaktor 26 Scheitelwert 5 Schwingkreis 100 Schwingquarz 120 Schwingungen erzwungene 97 freie 97 Selektivität 104 Signale 249 Signalrekonstruktion 328 Sinusimpuls 6 Sinusschwingung 4 Sinusspannung 1 Sinusstrom 1 Spannung zeitabhängige 1 Spannungsteilerformel 59 Spannungsüberhöhung 101 Spannungs-Übertragungsfunktionen 116 Spektraldarstellung 237 Spektraldichte 247 Spektralfunktion 246 Spektralkomponenten 237 Sprungfolge 301, 308, 325 Sprungfunktion 6, 247, 249, 261, 277, 324 Spule 35 ff., 63, 128, 231 Spule im Magnetfeld 1 Sternschaltung 164, 180 Stoßfunktion 256, 278 Strangspannungen 174 Streifenleitung 212 Streufaktor 149 Strom zeitabhängiger 1 Stromrichtertechnik 194 Stromüberhöhung 101 Superposition 267

Stichwortverzeichnis Suszeptanz 35, 44 Synchron getastete Sinusspannung 24 System analoges 249 mit stochastischem Eingangssignal 249 zeitdiskretes 249, 299, 323 zeitkontinuierliches 323 Systemreaktion 265, 320 Systemtheorie 249, 323 ff. T Taylor-Reihe 10 Tiefpass 1. Grades 87 Tiefpass 2. Grades 89 Tiefpässe 87 ff., 241 Torbedingung 170 Transformation 50 einseitige 329 zweiseitige 329 Transformator 76, 140 ff. Dimensionierung 158 eisenfreier 147, 151 idealer 145 streuungsfreier 143 verlustfreier 143 verlustloser 142, 171 Transformatorersatzschaltung 148 Transformatorgleichungen 140 ff. trigonometrische Folge 310 T-Schaltung 164, 171 U Überlagerung 6 ff., 16 Übertrager idealer 146 Umkehrformel 304 Umlaufanalyse 60 Umlaufgleichung 41 V Variablenverschiebung 252, 273 Varistor 17 VDR-Widerstand 17 Verbraucher 180 Verbraucherdreieck 186, 188 Verbraucherdreieckschaltung 188 Verbraucher-Dreipol 192

343 Verbraucherspannung 181 Verbraucherstern 180, 181, 182, 188, 194 Verbrauchersternpunkt 178 Verbrauchersternschaltung 188 Verlagerungsspannung 178, 180 Verlustfaktor 105 Verschiebungssätze 305 Verstimmung 106 normierte 108 relative 108 Verzerrungsblindleistung 134 Vierphasensystem 194 Vierpol 159 ff. elementarer 170 Kettenschaltung 169 Parallelschaltung 167 Reihenschaltung 168 Vierpolersatzschaltungen 147 Vierpolgleichungen 161, 163, 165 Vierpol-Parameter 164 W Wechselgröße 20 Messung 27 Wechselspannung 20 überlagerte 244 Wechselstrom 20 Wechselstromparadoxon 61 Ortskurvenbetrachtung 75 Welle ebene 211, 213 hinlaufende 202 rücklaufende 203 stehende 211 Wellenanpassung 207 Wellenlänge 202 Wellenwiderstand 205 Welligkeit 244 Wicklungsverluste 110 Wicklungswiderstand 63 Widerstand 29, 64, 128 Widerstandsbelag 197 Widerstandsform 163 Widerstandsmatrix 163 Windungszahlverhältnis 143 Wirbelstrom 216 ff. Wirbelstromverluste 151, 218, 221

344 Wirbelstromwellen 221 Wirkleistung 130, 131 Wirkleistungsanzeige 192 Wirkleistungsberechnung 192 Wirkleistungsmessung 190 Wirkleitwert 44 Wirkwiderstand 47 Z Zeiger 33 Zeigerdiagramm 30, 33, 54 ff.

Stichwortverzeichnis Zeitinvariantes System 320 Z-Transformation 299 ff. Zusatzleitwert 79 Zusatzwiderstand 79 Zwei-Leistungsmesser-Methode 191 Zweiphasensystem symmetrisches 173 Zweipole äquivalente 80 Zweipolersatzschaltungen 151 Zweitor 160