Grundfragen zur Leistungskondiktion bei Drittbeziehungen [1 ed.] 9783428449286, 9783428049288


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German Pages 259 Year 1981

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Grundfragen zur Leistungskondiktion bei Drittbeziehungen [1 ed.]
 9783428449286, 9783428049288

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FRANZ SCHNAUDER

Grundfragen zur Leistungskondiktion bei Drittbeziehungen

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 67

Grundfragen zur Leistungskondiktion bei Drittbeziehungen

Von

Franz Schnauder

DUNCKER & HUMBLOT I

BERLIN

Alle Rechte vorbehalten 1981 Duncker & Humblot, Berlln 41 Gedruckt 1981 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berl1n 65 Printed in Germany

10

ISBN 3 428 04928 4

Meinen Eltern

Vorwort Es mag überflüssig oder gar vermessen erscheinen, die kaum noch überschaubare Zahl der literarischen Beiträge zu bereicherungsrechtlichen Dreieckskonstellationen noch um eine weitere Stimme zu vermehren. Indes soll mit der vorliegenden Arbeit nicht eine weitere Variante der Meinungsvielfalt hinzugefügt, sondern vielmehr ein ganz andersartiger Versuch unternommen werden; nämlich der, bereicherungsrechtliche Einzelfragen in den übergreifenden Zusammenhang mit dem ganzen Schuldrechtssystem zu stellen und so einer Lösung näherzuführen. Das gedankliche und rechtswissenschaftliche Fundament dazu liefert die Lehre vom Zweck im Schuldrecht. Sie ist zugleich Rechtfertigung und Motivation dieser Arbeit. Ohne diese sichere Grundlage hätte ich kaum gewagt, die mit der Thematik dieser Untersuchung anzuschneidenden Fragenkreise aufzugreifen, die kontroverse Literatur und die unsichere Judikatur kritisch zu durchleuchten und einen eigenen Lösungsansatz zu entwickeln. Die vorliegende Arbeit hat im Wintersemester 1979/80 der Juristischen Fakultät Heidelberg als Dissertation vorgelegen. Das Manuskript wurde bereits Anfang 1979 abgeschlossen. Rechtsprechung und Literatur konnten jedoch im wesentlichen noch bis September 1980 in den Fußnoten berücksichtigt werden. Dadurch hat der Anmerkungsapparat stellenweise eine erhebliche Erweiterung erfahren, was aber in Kauf genommen werden mußte. Herrn Prof. Dr. H. Weitnauer, der mich schon als Studenten und später als Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl in die Lehre vom Zweck eingeführt und mit ihr vertraut gemacht hat, gilt auch an dieser Stelle mein herzlicher Dank. Zu danken habe ich ferner der Juristischen Fakultät der Universität Heidelberg für die Gewährung eines Zuschusses zur Drucklegung. Sinsheim, im Januar 1981 Franz Schnauder

Inhaltsverzeichnis 17

Einführung Erstes Kapitet

Systematische Grundlegung

20

A. Die Lehre vom Zweck ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

I. Der Zweck im Recht der Güterbewegung .....................

21

1. Typische Verkehrszwecke .................................

23 23 24 25 27 27 28

a) Parallelität von Leistung und Verpflichtung. . . . .. . . . . . . aa) Handgeschäfte ..................................... bb) Gemischte Realverträge ............................ b) Typische Zwecke der Zuwendungen.................... aa) Bei Leistungsversprechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bei realen Leistungen. . . .. . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . 2. Angestaffelte Zwecke ..................................... a) Das System von Kreß .................................. aa) Beispielsfälle ...................................... bb) Versprechen und Leistung condicionis implendae causa.............................................. b) Ablehnung durch die moderne Rechtsprechung und Literatur ..................................................

28 29 29

H. Das Rechtsgrundproblem .......... . ..........................

35

1. Die Zweckerreichung ......................................

35

a) Parallelität von Leistung und Verpflichtung. . . . . . . . . . . . . b) Das einseitige Rechtsgeschäft. . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36 37

2. Die Zweckvereinbarung ................................... 3. Der Rechtsgrundbegriff der h. M. ..........................

38 41

IH. Kausalität und Abstraktion .................................. 1. Kausalität ................................................ a) Bei realen Zuwendungen ............................... b) Bei Leistungsversprechen .............................. aa) Das Zustandekommen der schuldrechtlichen Verpflichtung .......................................... bb) Die Bedeutung des Zwecks für die Abwicklung der Schuldversprechen .................................

43 43 44 44

31 33

45 45

10

Inhaltsverzeichnis 2. Abstraktion bei Leistung und Verpflichtung 3. Abstrakte und kausale Gestaltung der Rechtsgeschäfte ..... a) Parteiautonomie ....................................... b) Angestaffelte Zwecke .................................. 4. Parleiwille und Abstraktionsgrundsatz . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhaltliche und äußerliche Abstraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Minimal- oder Maximalkonsens? ....................... c) Das Dogma der Abstraktion ............................

46 49 49 50 52 52 55 58

IV. Leistung und Erfüllung ......................................

59

1. Die Leistung ..............................................

a) Zweckbestimmung der Leistung ........................ b) Begründung einer kausalen Verpflichtung als Leistung? c) Kondizierbarkeit der Leistung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . 2. Die Erfüllungsleistung im Schuldrechtssystem ..............

59 59 60 61 64

B. Der Zweck bei Drittbeziehungen ..................................

71

I. Zweckbeziehungen bei "abstrakten Verpflichtungen" .......... 1. Sog. abstrakte Verpflichtungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abstrakt ist nicht gleich abstrakt .................... . ..... a) Abstrakt L S. von zweckneutral ........................ b) Abstrakt i. S. von einwendungsunabhängig . . . . . . . . . . . . . . c) Bedeutungszusammenhänge ............................

71 71 74 74 75 76

11. Zuwendung, Zweck und Rechtsgrund ......................... 1. Die Umleitung der Zuwendung ............................ 2. Der Weg der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung .... a) Nach dem Parleiwillen ................................. b) Auf Grund objektiver Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nach der Lehre von der Einheitskondiktion ............. d) Durch Analogie ........................................

77 78 82 82 85 88 93

3. Der Inhalt des Bereicherungsanspruchs .................... a) Das Erlangte i. S. des § 812 Abs. 1 Satz 1 ................ b) Die Bereicherung ...................................... aa) Unwirksames Deckungsverhältnis .................. bb) Unwirksames Valutaverhältnis ..................... ce) Doppelmangel ......................................

96 97 102 102 103 103

111. Multilaterale Leistungsbeziehungen im Dreieck? .............. 1. Zweckneutrale Zuwendung B-C .......................... 2. Zweckgetragene Zuwendung B-C ........................ 3. Konkurrierende Leistungskondiktionen? ...................

105 106 108 112

IV. Der theoretische Ansatz und seine Verwirklichung in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .

115

Inhaltsverzeichnis

11

1. Die Lehre vom Empfängerhorizont ........................

116

a) Die Rechtsprechung des BGH .......................... b) Literaturstimmen ...................................... 2. Der Subsidiaritätsgrundsatz ............................... 3. Die wertungsmäßige Kontrolle des Leistungsbegriffs

116 120 121 124

Zweites

Kapite~

Bereicherungsrechtliche Konsequenzen in Einzelfällen

128

A. Anweisungsfälle .......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

130

1. Reale Zuwendung im Außenverhältnis ........................ 1. Der Ablauf einer störungsfreien Anweisung ..... . . . . . . . . . . . 2. Unwirksamkeit der Rechtsbeziehungen .................... 3. Mängel der Anweisung .................................... a) Lösung aus dem Zurechnungsgedanken ..... . ........... b) Parteiwille und Vermögensvermehrung ................. aal Fehlende Anweisung .............................. bb) Fehlerhafte Anweisung ............................

131 131 135 136 136 140 140 145

H. Leistungsversprechen im Außenverhältnis ....................

153

1. Die Verpflichtung aus angenommener Anweisung..........

a) Begründung der Verpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erfüllung der Verpflichtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. überweisungsgutschrift und Akkreditiv .................... 3. Die Wechselforderung .....................................

154 154 156 162 165

B. Abwicklungsgeschäfte unter Drittbeteiligung ......................

170

1. Reale Erfüllungsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erfüllung durch einen Dritten ............................. a) Grundfall .............................................. b) Abwandlungen......................................... aal Eine reale Zuwendung, zwei Leistungen .. . . . ....... bb) Eine reale Zuwendung, drei Leistungen. . . . . . . . .. . . . cc) Zweckstaffelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Irrtümliche Zahlung fremder Schulden .................. 2. Erfüllung an einen Dritten. . .. . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der solutionis causa adjectus (§ 364 Abs. 1) ............ . . b) Erfüllung gemäß § 362 Abs.2 ........................... 3. Erfüllung an und durch einen Dritten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

170 170 170 176 176 179 181 185 189 191 191 194

11. Leistungsversprechen als Abwicklungsgeschäfte ............... 1. Schuldübernahme .........................................

195 195

12

Inhaltsverzeichnis a) Privative Schuldübernahme ............................ aa) Durch Vereinbarung zwischen Bund C ............. bb) Durch Vereinbarung zwischen B und A .... . ........ b) Kumulative Schuldübernahme ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Durch Vereinbarung zwischen Bund C ............. bb) Durch Vereinbarung zwischen Bund A ............. ce) Der SicherungszweCk ............................... 2. Bürgschaft .................................... . ........ . ..

196 196 198 200 201 201 201 202

C. Forderungsabtretung ............................................ .

204

I. Die Abtretung der Forderung ................................ 1. ZweCkbeziehungen der Beteiligten ......................... 2. ZweCkverfehlung zwischen A und C .................. . .... 3. ZweCkverfehlung zwischen A und B .......................

204 204 205 205

II. Die Erfüllung der abgetretenen Forderung .... . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kondiktion im Kausalverhältnis ........................... 2. Kondiktion im Leistungsverhältnis ........................

206 207 208

D. Verträge zu Rechten Dritter ......................................

210

I. Das Zustandekommen des Vertrags........................... 1. Die ZweCkbeziehungen der Beteiligten ..................... 2. Kausales oder abstraktes Forderungsrecht? ................

211 211 213

H. Das AbwiCklungsstadium .................................... 1. Leistungsbeziehungen ..................................... 2. Der Bereicherungsausgleich ............................... a) Bereicherungsausgleich bei unwirksamem Vertrag zu Rechten Dritter ........................................ aa) Abhängigkeit vom Valutaverhältnis ................ bb) Vom DeCkungsverhältnis abhängiger Leistungsempfang ............................................... ce) RüCkabwiCklung nur bei ZweCkverfehlung .......... b) Doppelmangel .........................................

215 216 221

E. DTittjinanzierter Abzahlungskauf (B.-Geschäft) ...................

234

I. Der Stand der Meinungen .................................... 1. Die Kondiktionsrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Kondiktionsinhalt .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

236 236 240

H. Eigener Lösungsansatz ....................................... 1. Leistungsrechtliche Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Leistungsrechtliche Praxis .............................. . ..

242 242 245

Schlußbemerkung ...................................... . ............

248

Literaturverzeidmis .................................................

251

221 222 226 229 231

Abkürzungsverzeichnis a.A.

AT Aufl.

anderer Ansicht am (zuletzt) angegebenen Ort Absatz ablehnend Gesetz betreffend die Abzahlungsgeschäfte vom 16. Mai 1894 Archiv für die civilistische Praxis am Ende Alternative Anhang Anmerkung Archiv für Bürgerliches Recht argumentum Artikel Allgemeiner Teil Auflage

BB bestr. Bd. BGB BGHZ Bsp. BT bzw.

Der Betriebsberater bestritten Band Bürgerliches Gesetzbuch Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Beispiel Besonderer Teil beziehungsweise

DB ders. d.h. DNotZ

Der Betrieb derselbe das heißt Deutsche Notarzeitschrift

EI, EIl

Entwurf erster Lesung (1888) und zweiter Lesung (1895) zum BGB Einführung Einleitung Verordnung über das Erbbaurecht vom 15. Januar 1919 Erläuterung(en) Eigentumsvorbehalt

aaO Abs. abI. AbzG AcP a.E. Alt. Anh. Anm. ArchBürgR arg. Art.

Einf. EinI. ErbbauVO ErI. EV f., ff. Festg. FN FS gern. Gruch

folgende Seite(n) Festgabe Fußnote Festschrift gemäß Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts, begründet von Gruchot

Hervorh. HGB

Hervorhebung Handelsgesetzbuch

14

Abkürzungsverzeichnis

h.L. h.M. HS.

herrschende Lehre herrschende Meinung Halbsatz

idR ieS insb. iSv iVm

in der Regel im engeren Sinne insbesonders im Sinne von in Verbindung mit

JA Jh Jb JR JuS JW JZ

Juristische Arbeitsblätter Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des Bürgerlichen Rechts Juristische Rundschau Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung

KG KO

Kammergericht Konkursordnung

LAG LG LM LS

Landesarbeitsgericht Landgericht Lindenmaier I Möhring, Nachschlagewerk des· Bundesgerichts· hofs Leitsatz

MDR m:E. m.N. Mot. mwN

Monatsschrift für deutsches Recht meines Erachtens mit Nachweisen Motive zu dem Entwurf eines BGB, IBBB mit weiteren Nachweisen

NJW Nr.

Neue Juristische Wochenschrift Nummer

OLG

Oberlandesgericht

Pand. Prot.

Pandekten Protokolle der zweiten Kommission zum BGB, IB97-lB99

RabelsZ

Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, begründet von Ernst Rabel Randnummer(n) Randziffer Das Recht Reichsgerichtsrätekommentar Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rechtsprechung

Rdnr.(n) Rdziff. Recht RGRK RGZ Rspr.

S. s.

SeuffA. s. o. sog. str. st. Rspr. SZ

Seite(n) siehe Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte siehe oben sogenannt(e) streitig ständige Rechtsprechung Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Romanistische Abteilung

Abkürzungsverzeichnis ScheckG SchR

Scheckgesetz vom 14. August 1933 Schuldrecht

u.a. u.ö. usw. u.U.

unter anderem und öfter und so weiter unter Umständen

Verf. vgl. Vorb(em.)

Verfasser vergleiche Vorbemerkung

WarnRspr., RG Warn.

15

WG WM z.B.

Warneyer, Rechtsprechung des Reichsgerichts auf dem Gebiete des Zivilrechts Wechsel gesetz vom 21. Juni 1933 Wertpapiermitteilungen zum Beispiel

ZHR ZPO z.T.

Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zivilprozeßordnung zum Teil

Paragraphen-Angaben ohne weiteren Zusatz beziehen sich auf das BGB.

Einführung Als der Bundesgerichtshof vor einigen Jahren die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Fluß geratene Definition des Leistungsbegriffs mit den Worten "Nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung ist unter einer Leistung i. S. des § 812 Abs. 1 BGB eine bewußte und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens zu verstehen'" zum Abschluß brachte, haben viele Stimmen in der Literatur diese Entwicklung!, auf die sie' teilweise schon jahrelang hingearbeitet hatten, mit großer Befriedigung begrüßt. Mit dem Zweckelement ist zweifellos ein neuer Markstein im Bereicherungsrecht gesetzt und zugleich ein Kriterium eingeführt worden, das mit dem gemeinen Recht bei der Schaffung des BGB seine Bedeutung verloren zu haben schien. Der sog. "moderne" LeistungsbegriffS hatte sich damit endgültig als "herrschende Meinung" durchgesetzt. Fortan verlangte man für das Vorliegen einer Leistung, daß neben die Zuwendung (= bewußte Vermehrung fremden Vermögens) noch der dafür vom Leistenden bestimmte Zweck tritt. Die Entwicklung in Rechtsprechung und Lehre ist jedoch inzwischen nicht stehengeblieben, der zweckgetragene Leistungsbegriff hat sich nicht als die Zauberformel erwiesen, mit deren Hilfe der Bereicherungsausgleich insbesondere im Dreipersonenverhältnis problemlos hätte durchgeführt werden können. Vielfach sind hier die Vertreter der h. M. auf Schwierigkeiten gestoßen, und trotz des gemeinsamen terminologischen Anknüpfungspunktes sind die erzielten Ergebnisse kontrovers geblieben. Einige kritische Stimmen haben versucht, das Zweckelement des Leistungsbegriffs nach objektivrechtlichen Zurechnungskriterien zu bestimmen4 ; andere haben den "Abschied vom Leistungsbegriff"~ gefordert, während wieder andere zur Tat geschritten sind und dem" unwah, Vgl. BGH NJW 1974, 1132 unter II, 2.a), aa) der Gründe. Die erst im Jahre 1963 mit der Entscheidung zum sog. Elektrogerätefall BGHZ 40, 272 (277) begonnen hat. a Der gar nicht so modern ist, vgl. Weitnauer, FS v. Caemmerer, S.259. 4 Besonders weitgehend neuerdings Joerges, Bereicherungsrecht als Wirtschaftsrecht, 1977. 5 So Canaris, FS Larenz, S. 857 ff. 2

2 Schnauder

18

Einführung

ren Leistungsbegriff"6 endgültig den Garaus machen wollten7 • Erst kürzlich hat ein Autor geschrieben: "Es geht ein Gespenst um im Zivilrecht: der bereicherungs rechtliche Leistungsbegriff"6. Diese und andere Angriffe haben Zweifel an der Brauchbarkeit des zweckbestimmten Leistungsbegriffs aufkommen lassen. Mit diesen wenigen Sätzen läßt sich der augenblickliche Stand der bereicherungsrechtlichen Diskussion um den Leistungsbegriff skizzieren. Zugleich stellt sich die Frage, wie es überhaupt zu dem gegenwärtigen Stadium kritischer Distanz hat kommen können. Wenn hier eine erste und vorläufige Antwort gegeben werden soll, so kann gesagt werden, daß die Fragen nach der Leistungskondition im Dreip.cksverhältnis, wie überhaupt die Fragen nach der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung in einfachen Zweipersonenverhältnissen, nicht bloß allein aus dem Blickwinkel der §§ 812 ff. beantwortet werden dürfen. Sie erfordern vielmehr auch die Betrachtung der zur Bereicherung führenden Vorgänge selbst, was sich bereits daran zeigt, daß das Bereicherungsrecht nur ein Rückabwicklungsschuldverhältnis zur Ausgleichung ungerechtfertigter Vermögensverschiebungen begründet. Die Leistungskondition ist nämlich nur der rechtssystematische Schlußstein einer fehl geschlagenen Zuwendung. Daß die bereicherungsrechtliche Auseinandersetzung in der Literatur dagegen oft nur "isoliert", d. h. ohne Rückkoppelung an das Schuld recht im übrigen geführt wird, ist ein elementarer Mangel, der auf dem Weg zu einer vermögensrechtlichen Gesamtkonzeption nur hinderlich sein kann. In dem Maße, wie dieser Verselbständigungsprozeß des Bereicherungsrechts fortschreitet, wird daraus ein esoterisches Rechtsgebiet, in welchem selbst noch so eigenwillige Vorstellungen und Konstruktionen ihren Platz finden können, ohne sich gleichzeitig einer Kontrolle des Schuldrechtssystems insgesamt unterziehen zu müssen. Eine solche Entwicklung übersieht aber, daß der sog. moderne Leistungsbegriff nicht unverbunden im Schuldrecht steht. Hinter ihm steht nämlich ein ganzes theoretisches Konzept des Schuldrechts, an dem Rechtsprechung und Lehre bisher weitgehend vorbeigegangen sind. Mit dieser Arbeit soll die Aufmerksamkeit wieder auf dieses zum zweckbestimmten Leistungsbegriff gehörige Gebäude des Schuldrechts gee Harder, JuS 1979, 76 (77). 7 Wilhelm, Rechtsverletzung und Vermögensentscheidung als Grundlagen und Grenzen des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung, 1973; Kaehler, Bereicherungsrecht und Vindikation - Allgemeine Prinzipien der Restitution, 1972; Costede, Dogmatische und methodologisdle überlegungen zum Verständnis des Bereicherungsrechts, 1978; und seit kurzem auch Kupisch, Gesetzespositivismus im Bereicherungsredlt - Zur Leistungskondiktion im Drei-Personen-Verhältnis, 1978.

Einführung

19

lenkt werden, das Hugo Kreß8 vor 50 Jahren entworfen, Weitnauerv und Ehmann10 in der modemen Literatur wieder aufgegriffen und verteidigt haben. Danach ist der Zweck nicht ein bloßes Phänomen, welches im Bereicherungsrecht als deus ex machina auftaucht, er ist vielmehr die Seele des ganzen Schuldverhältnissesl1 • Es geht in der vorliegenden Arbeit darum, nachzuweisen, daß mit dieser Lehre vom Zweck bereicherungs rechtliche Fragen, die Dreiecksbeziehungen aufwerfen, folgerichtig und in völliger systematischer Transparenz beantwortet werden können. An dieser Lehre kann nicht länger vorbeigegangen werden, soweit und solange man den "neuen" Leistungsbegriff im Bereicherungsrecht zugrundelegt. Die schroffe Ablehnung, die ihm heute vielfach zuteil wird, beruht offenbar darauf, daß das Zweckelement in seiner Bedeutung und Tragweite gründlich verkannt wird. Die Schuldrechtsdoktrin steht wohl im Augenblick vor der Gefahr, daß das terminologische Instrumentarium der Lehre vorn Zweck immer mehr von deren Idee abgelöst zu werden, der Leistungsbegriff immer mehr zur bloßen Formel zu erstarren droht. Dazu tragen freilich auch gerade Autoren bei, die sich zur modemen Lehre von der Leistungskondition bekennen, die aber außer der begrifflichen Gemeinsamkeit keine weitere übereinstimmung mit der Lehre von Kreß vorweisen können. Daher ist es an der Zeit, solche und ähnliche Bestrebungen in einer breiter angelegten Untersuchung zurückzuweisen. Es muß deutlich werden: Wer sich für den zweckbestimmten Leistungsbegriff entscheidet, hat sich damit zugleich für ein bestimmtes Schuldrechtssystem entschieden, nämlich für das Schuldrechtssystem von Kreß.

8 Lehrbuch des Allgemeinen Schuldrechts, München 1929, Neudruck Aalen 1974. v Insbesondere NJW 1974, 1129, FS v. Caemmerer, S.255 sowie jetzt wieder NJW 1979, 2008. 10 Die Gesamtsehuld, 1973 und insb. NJW 1969, 398. 11 So Kreß, SehR AT, S.45, 59; ders. SchR BT, S. VI.

E'Tstes Kapitel

Systematische Grundlegung Im ersten Kapitel geht es lediglich darum, das theoretische Instrumentarium für die bereicherungsrechtliche Lösung von einigen ausgewählten Dreiecksverhältnissen (2. Kapitel) bereitzustellen. Zu diesem Zweck sollen zunächst die systematischen Grundlagen des Schuldrechtsgebäudes von Kreß nachskizziert und in einzelnen Punkten besonders herausgestellt werden (A.), bevor in einem weiterführenden Schritt die Bedeutung des Zwecks für Dreiecksbeziehungen allgemein zu untersuchen ist (B.).

A. Die Lehre vom Zweck Der theoretische Ansatz der Lehre vom Zweck ist - wie noch deutlich werden wird - im besonderen Maße der Privatautonomie verpflichtet. Sie ist Ausdruck einer rechtsphilosophischen Grundhaltung, welche der Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse durch den einzelnen die Priorität gegenüber irgendwelchen objektiven Vernunftvorstellungen Dritter1 einräumt. Die Lehre vom Zweck leitet ihre Thesen und Feststellungen aus Beobachtungen des Rechtsverkehrs und des Verhaltens der daran Beteiligten ab, sie respektiert (innerhalb der von der Rechtsordnung gesetzten Grenzen) demzufolge den Grundsatz, daß die Privatrechtsordnung an dem Egoismus der Menschen "Güter zu erwerben und die erworbenen zu bewahren"! nicht vorbeigehen kann. Damit ist nicht nur eine anthropologische Grunderkenntnis ausgesprochen, sondern zugleich auch der entscheidende Grundstein zum Aufbau und zur Unterscheidung von Schuldverhältnissen allgemein gelegt: Danach geht es im Schuldrecht um die Bewegung und den Schutz der in der Welt vorhandenen Güter. Die subjektiven Rechte der Zivilrechtsordnung lassen sich deshalb in ETWerbsansprüche (Güterbewegung) und SchutzanspTÜche (Güterschutz) einteilen. Mit dieser Differenzierung hat Kreß ein Bauelement des Schuldrechts entdeckt, das zeitlos überall und solange gilt, wo es Privatautonomie gibts. I. Der Zweck im Recht der Güterbewegung Im folgenden wollen wir uns nur dem Recht der Bewegung der Güter zuwenden. Nach Kreß sind Begründung und Abwicklung von Schuldverhältnissen aus dem menschlichen Zweckstreben zu erklären. Kein Vermögensgut wird um der Bewegung willen bewegt, keine Zuwendung erfolgt um ihrer selbst willen·. 1 Vgl. die Vorrede der Herausgeber zu Kreß, rechts, Neudruck Aalen, 1974, S. XXV. I So Kreß, SchR AT, S. 1. S Vorrede der Herausgeber (FN 1), S. XV. 4 So bereits v. Jhering, Der Zweck im Recht, S.122 ff. Welker, S.27 hat die der Zuwendung nicht von dem Zweck getrennt, also Zweck und auseinandergehalten.

Lehrbuch des Allg. Schuld-

S. 14; insbes. auch Ehmann, zugrundeliegende Handlung Mittel der Zuwendung nicht

22

1. Kap., A. Die Lehre vom Zweck

Dabei kann die Güterbewegung selbst nach dem System des BGB entweder unmittelbar, d. h. ohne vorausgehende schuldrechtliche Verpflichtung erfolgen oder durch eine solche Verpflichtung (insbesondere durch Versprechensvertrag) eingeleitet werden. In beiden Fällen handelt es sich um eine Vermögensverschiebung (Zuwendung)', der Vermögenswert wird entweder versprochen (Leistungsver8prechen) oder zur Beschleunigung der Güterbewegung sogleich gewährt (reale LeistungS). Ob die Parteien sich verpflichten oder sogleich real zuwenden, hängt allein von ihrem Willen und ihren wirtschaftlichen Möglichkeiten ab1• Jedenfalls begleitet die objektive Güterverschiebung das subjektive Zweckstreben der Parteien. Diese subjektive Seite ist natürlich vielschichtig und bleibt beim Geschäftsabschluß regelmäßig zum größten Teil im Dunkel. Warum jemand kauft, verkauft oder schenkt, läßt sich nicht abschließend aufzählen. Die vom Zuwendenden dabei verbundenen inneren Vorstellungen (Beweggrunde) können in ihrer Vielfalt vom Recht nicht erfaßt werden. Die Juristen sind keine Psychologen8 • Für die Rechtsordnung kann nur entscheidend sein, welches der Motive die Parteien zum Ausdruck gebracht haben. Ist das Motiv erklärt, so wird es rechtlich erheblich und hat als Zweck für die Rechtsprechung Bedeutung8 • Klingmüller wollte den rechtlich bedeutsamen Zweck unmittelbar aus der Psyche der Beteiligten ermitteln10• Da sich an den Zweck verschiedene rechtliche Wirkungen knüpfen, kann es sich dabei aber nicht um eine lediglich psychologische Beziehung handeln; es geht vielmehr um ein rechtliches Kriterium. Aus diesem Grunde kann vor dem Recht nur das in der Zweckbestimmung zum Ausdruck gebrachte Motiv Beachtung finden. 5 Auch die Forderungszuwendung bewirkt einen Vermögenszuwachs beim Gläubiger; v. Tuhr H, 2 § 71, S. 53; Huber, JuS 1972, 58. e Die Bezeichnung "reale Leistung" ist doppeldeutig: Zunächst kann darunter eine Zuwendung verstanden werden, die das Vermögen des Empfängers tatsächlich, d. h. um ein reales Gut bereichert. Ferner kann damit auch die bloße Abtretung einer Forderung oder die Zuwendung eines Leistungsversprechens auf Grund vorgängiger Verpflichtung (Vorvertrag) gemeint sein, also Zuwendungen, die eine reale Vermögensvermehrung beim Empfänger erst vorbereiten sollen. - In dieser Arbeit wird der Begriff "reale Leistung", soweit nichts anderes gesagt ist, stets im ersten Sinn verwendet, so auch bei v. Tuhr, FS Schultze, S.30. 1 So schreibt v. Jhering, Der Zweck im Recht, S. 205: das "Versprechen entbindet ... von der hemmenden Voraussetzung des momentanen Könnens und Habens". 8 Ehmann, S. 131. o Ebenso auch Schwarz, S.225; H. P. Westermann, S. 98; v. Tuhr H, 2 § 71, S. 65; vgl. auch Simshäuser, AcP 172, 27 (im Hinblick auf die Voraussetzungslehre Windscheids) sowie Kegel, FS Mann, S. 59 ff. (teilweise abweichend). 10 S.18, 27 und öfter; gegen solche Bemühungen zu Recht schon Neubecker, S.8: "Man versenkt sich nicht in die Seele der Geschäftsparteien"; vgl. auch H. P. Westermann, S.100 und Flume, S.158.

I. Der Zweck im Recht der Güterbewegung

23

1. Typiscl1e Verkehrszwecke

Da die Rechtsordnung innerhalb der Grenze der §§ 134, 138 die Verfolgung jedes beliebigen Zweckes freigibt 11 , können alle denkbaren Motive zum Zweck einer Vermögensverschiebung erhoben werden12. Dabei ist gleichgültig, um welche Art der Güterverschiebung es jeweils geht, auf beiden Stufen der Güterbewegung (Leistungs- und Versprechensebene) finden sich dieselben Zwecke. Aus der Fülle der denkbaren und rechtlich zulässigen Zwecke kann man jedoch mit KreB13 drei typische Zwecke durch Beobachtung des Rechtsverkehrs gewinnen: Danach kann ein Vermögensopfer entweder entgeltlich oder unentgeltlich erbracht werden. Aus dieser elementaren Unterscheidung folgen bereits der Austausch- (acquirendi causa) und der Liberalitätszweck (donandi causa). Als dritter typischer Zweck tritt der Abwicklungszweck hinzu. Die beiden ersten sind primäre Zwecke, weil sie ein Schuldverhältnis begründen, nicht voraussetzen. Sekundäre Zwecke (Zwecke zweiter Stufe) sind die unter den Abwicklungszweck fallenden Erfüllungs- (solvendi causa), Sicherungs- und Vergleichszwecke, weil sie das Bestehen eines Schuldverhältnisses voraussetzen. Die weiteren mit einer Zuwendung von den Parteien verfolgten Zweckvorstellungen (Motive) werden nach der Verkehrsbeobachtung idR nicht offengelegt, weil der Vertragspartner diese nicht akzeptieren kann und will. Die drei genannten Zwecke (causae)14 bestimmen und erfassen nach KreB jede denkbare Güterbewegung. Daraus folgt, daß die Zahl der typischerweise mit einer Zuwendung verbundenen Zwecke als geschlossen angesehen werden muß1G . a) Parallelität von Leistung und Verpflichtung

Da jeder Zuwendung (Leistungsver8prechen, reale Leistung) einer der genannten Zwecke zugrunde liegt, ist jede Beschränkung eines bestimm11 So Kreß, SchR AT, S. 37; Ehmann, S. 142 ff.; v. Tuhr H, 2 § 72, S.79. 12 Dazu v. Tuhr H, 2 § 71, S.64 und Ehmann, S.168, 148 ff. (dort mit Beispielsfällen) sowie Brütt, S.53; a. A. Jung, der in FN 154 S.103 "von wesen-

loser Unterscheidung von rechtlichen erheblichen und rechtlich nicht erheblichen Motiven" spricht; vgl. auch Jung, S.139 ff. und Welker, S.28. 13 SchR AT, S. 37; H. P. Westermann, S. 58 vermag demgegenüber die Vielfalt von causa-Typen nicht zu bewältigen; Jung, S. 101 legt auf die Dreiteilung kein besonderes Gewicht, während sie etwa von Rümetin, AcP 97, 218 und Krawieticki, S. 159 f. gänzlich abgelehnt wird. 14 Bisweilen werden noch weitere Zwecke genannt: Causa obligandi, constituendi, condicendi; vgl. dazu Jung, S.86; H. P. Westermann, S. 58. Das sind aber Einteilungen, die keine grundlegende Bedeutung haben; vgl. auch Schwarz, S. 228 f. 16 Kreß, SchR AT, S.37; Ehmann, S.136 These 7; Jung, S.76, 103 ff.; a. A. z. B. H. P. Westermann, S.58; Costede, S.55 um FN 92, 93.

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1. Kap., A Die Lehre vom Zweck

ten Zwecks auf die Leistungs- oder die Verpflichtungsebene16 einfach unrichtig. Das Kreßsche System zielt ganz bewußt auf diese Parallelität der Betrachtung von vertraglicher Verpflichtung und realer Leistung ab17 • Von diesem Standpunkt aus ist es möglich, das gesamte Recht der Güterbewegung in anschaulicher Transparenz darzustellen. Gleichwohl wird diese Betrachtungsweise nicht anerkannt und in den modernen Schuldrechtslehrbüchern überhaupt nicht mitgeteilt. So ist es mit der Lehre von Kreß ohne weiteres möglich, den Realverträgen im System der Güterbewegung ihren Platz zuzuweisen. aal Der Realvertrag ist ein Vertrag, der ohne vorgängige Verpflichtung mit der realen Bewirkung der Leistung(en) zustande kommtl8 • Die Existenz solcher Güterverschiebungsgeschäfte wird vielfach abgelehnt18 und von BoehmeflO sogar als eine "groteske Auffassung, die noch immer in der Literatur zum BGB herumspukt" bezeichnet. Nach der Lehre vom Zweck stellt der Realvertrag (Handgeschäft) nichts Außergewöhnliches dar. Danach kann ein Vermögensgut selbstverständlich zu beliebigen (typischen oder atypischen) Zwecken real zugewendet werden. Boehmer wollte stattdessen die gemeinrechtliche causa-Lehre durch ein ganz anderes System ablösen. Jedem Verfügungsgeschäft sollte ein Verpflichtungsgeschäft vorangehen, es sollte nur noch einen einzigen Zuwendungszweck, nämlich den Erfüllungszweck, geben!'. Dieses schablonenhaft reduzierte Schuldrechtssystem, das nicht mehr danach fragt, welchen Willen die Parteien bei einer Vermögensverschiebung erklären, ist mit der im geltenden Schuldrecht herrschenden Privatautonomie nicht zu vereinbaren!!. Es steht vielmehr im Belieben der Parteien, eine Güterbewegung ohne vorherige Verpflichtung vorzunehmen. Das ergibt 15 So aber Esser, SchR I, 4. Aufl. S.16, 2. Auf!. S. 47 und beispielsweise auch Zeiss, AcP 164, 50 ff., der hier sogar den Versuch unternimmt, den Sicherungszweck als Leistungszweck auszusondern (S.59). Auch H. P. Westermann, S. 58 versucht, einzelne Zwecke auf bestimmte Stufen der Güterbewegung zu beschränken; ebenso auch Mayer-Maly, FS Wilburg, S.245. 17 So Weitnauer, FS v. Caemmerer, S.265. 18 Vgl. Kreß, SchR AT, S.20 (re contrahere) und S. 83 ff. 18 Häufig sucht man nämlich noch nach einem logischerweise (v. Tuhr 11, 2 § 72, S.72) vorgängigen Verpfiichtungsgeschäft (Simultangeschäft, Heck, S.246), welches durch die reale Zuwendung sofort erfüllt werden soll; siehe auch Medicus, Rdnr. 38; Pawlowski, S.294; Wieling, JuS 1978, 802. Gegen diese h. M. etwa Kreß, SchR AT, S. 85; Siber, SchR S.172; ders. Jh Jb 70, 251; v. Tuhr 11, 1 § 50, S.149 (aber: ders. 11, 2 § 72, S.72); Blomeyer, S. 95 ff.; Ehmann, JZ 1968, 549 FN 9; ders. NJW 1969, 398 und NJW 1969, 1834 insb. FN 20 mwN. lO Grundlagen 11, 1. Abt., S.87. 21 Arch BürgR 38, 126; dagegen v. Tuhr 11, 2 § 73, S.124; Ehmann, S.163; Enneccerus / Lehmann, SchuVerh, S. 887 FN 33. 22 So Esser, SchR 2. Aufl., S.53; ebenso Krawielicki, S. 130.

1. Der Zweck im Recht der Güterbewegung

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sich nicht nur aus den Gesetzesmaterialienll3 , sondern aus dem Gesetz selbst. Für die Schenkung hat das BGB nämlich hinsichtlich beider Arten der Güterbewegung eine Regelung getroffen, für die reale Schenkung in § 516, für das Schenkungsversprechen in § 518. Selbst Larenzu erkennt an, daß § 516 einen gesetzlichen Fall des Handgeschäfts betrifft, um so unverständlicher ist daher, daß ers den Handkauf als rechtliches Gestaltungsmittel ablehnt und stattdessen dem Leistungsgeschäft zeitlich ein Verpflichtungsgeschäft vorschalten will26 , was angesichts der Tatsache, daß die Parteien sich bei einem Bargeschäft des tägltchen- Lebens überhaupt nicht verpflichten wollen, auf die Fiktion einer Verpflichtung hinauslaufen wird27 , und deshalb unter dem Gesichtspunkt der Privatautonomie erheblichen Bedenken begegnet. Nicht zuletzt unter diesem Aspekt müssen Handgeschäfte als selbstverständliche rechtliche Gestaltungsmittel der Güterbewegung angesehen werden. Dabei gibt es aber nicht nur Handkauf oder Handschenkung, denn der Begriff des Realkontraktes ist von allgemeiner Bedeutung28 , es können generell "alle Zwecke ... durch Versprechensvertrag wie durch Realkontrakt erreicht werden"18. bb) Nach dem Willen der Parteien können beide Stufen der Güterbewegung gemischt werden (sog. gemischte Realkontrakte30). So werden beispielsweise Leistungsversprechen und reale Leistung ausgetauscht, wenn A an B Gesellschaftsanteile überträgt und B ihm dafür als Entgelt eine Urkunde übergibt, worin er anerkennt, dem A den Betrag von 1 600000,- zu schulden31 • Hier hat B eine (abstrakte~ Verpflichtung im Austausch gegen eine reale Übertragung der Gesell-

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Eingehend dazu Oeckinghaus, S. 65 ff.; insb. für den Fall des Handkaufs

Mugdan 11, S.767.

SchR 11, S.157. SchR 11, S. 12. 26 So schreibt Larenz, SchR 11, S. 12: "Den Willen, sich zur Eigentumsverschaffung zu verpflichten, rechnet ihm (sc. dem Verkäufer) in diesen Fällen die Rechtsordnung zu." Bereits v. Jhering, Vermischte Schriften, S.56 fand gegen diese Ansicht die richtigen Worte: "Was soll eine solche todtgeborene Obligation?"; Siber, SchR S.173 hat diese Verpflichtung mit Recht "wirklichkeitsfremd und zwecklos" genannt; ebenso auch Krawielicki, S.35, 50 mwN. 27 Vgl. Siber, Jh Jb 70, 251; Jahr SZ 80, S.145 f. 28 Kreß, SchR AT, S. 84 FN 3. 28 Kreß, SchR AT, S.86; sachlich ebenso, wenn auch mit abweichender Terminologie Krawielicki, S. 128. 30 So Kreß, SchR AT, S.21 und 88 ff.; vgl. auch Krawielicki, S. 84 ff. 31 Sachverhalt der Entscheidung des RG vom 18. 11. 1927, RGZ 119, 5. 32 Dazu RGZ 119, 5 (12). 24 25

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1. Kap., A. Die

Lehre vom Zweck

schaftsanteile begründet. Ein gemischter RealvertragM käme umgekehrt auch dann zustande, wenn A ein Leistungsversprechen hinsichtlich der Anteile abgegeben und B das Geld real geleistet hätte. A und B hätten aber auch ein reales Handgeschäft (Realkauf) vornehmen und Geld und Anteile unmittelbar austauschen können. Dieselbe Güterbewegung hätten A und B aber auch. durch den Austausch. gegenseitiger Leistungsversprechen vorbereiten können. Als gemischte Realverträge werden darüber hinaus auch solche Verträge bezeich.netM , bei denen eine Dauerleistung zwar versprochen, dieses Versprechen aber erst bei realer überlassung einer bestimmten Sache wirksam werden soll, §§ 598, 607, 688. Als Beispiel hierfür kann etwa der Fall angeführt werden, daß der A dem B auf dessen Bitte seine Bereitschaft erklärt, ihm seinen Wanderrucksack für das kommende Wochenende zu "borgen", sich. aber nicht verpflichten will und daher seine Verpflichtung zur Gebrauch.süberlassung von der tatsächlichen überlassung abhängig macht. In diesem Falle wird die reale Leihe zwischen A und B (das schuldrechtlich.e Band) erst begründet, wenn A den Rucksack an B aushändigt. Hier stellt sich. nun vor dem Hintergrund unserer These vom numerus c1ausus der drei typischen Verkehrszwecke die Frage, zu welchem Zweck der A die Besitzverschaffung bei der Leihe in unserem Beispielsfalle (oder, beim Darlehen, die übereignung der Valuta) vornimmt. Wenn Kreß3S meint, daß es dem Leistenden dabei darauf ankomme, dem Vertragsgegner die Dauerleistung zu ermöglichen, so könnte man daraus schließen, daß A die Begründung des Dauerschuldverhältnisses bezwekke und somit einen Zweck verfolge, der unsere Ausgangsthese zu widerlegen scheint. Wäre das richtig, so müßte man die Dreiteilung der Zwekke erweitern, und dem Abwicklungszweck noch einen, diesem entsprechenden Begründungszweck an die Seite stellen. Indessen ist die Frage nach dem Zweck der Verschaffung des Besitzes (beim Darlehen: der Kapitalnutzung) verfehlt: Dieses reale Moment ist nämlich nur ein Tatbestandsmerkmal der realen Leihe (des Darlehens), dessen Bewirkung das Rechtsgeschäft (die Zuwendung) erst ermöglicht. Es ist lediglich das rechtliche Mittel der Zuwendung selbst, der Zweck dieser Zuwendung (Leihe, zinsloses Darlehen) ist die Liberalität, Unentgeltlichkeit38• 33 A. A. Ehmann, S. 156, der hier keinen gemisehten Realvertrag, sondern ein reales Handgesehäft annimmt, da er die Begründung der Forderung des A als reale Leistung ansieht; vgl. zu dieser Frage bereits oben FN 6. 3' Kreß, SehR AT, S.89. 35 SehR AT, S.90 und (für das Darlehen) Kreß, SehR BT, S.145 FN 9. 38 So Kreß, SehR AT, S. 89 FN 19.

I. Der Zweck im Redlt der Güterbewegung

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b) Typische Zwecke deT Zuwendungen

Im folgenden sollen die auf allen Stufen des Systems der Güterbewegung gleichermaßen vorkommenden Zwecke vorgestellt werden. aa) Typische Zwecke bei Leistungsversprechen Der Austauschzweck beherrscht die entgeltlichen Versprechensverträge Kauf, Tausch, Miete, Pacht, Dienst- und Werkvertrag, entgeltliches Darlehen, usw. Der Schuldner verpflichtet sich hier nur, wenn er im Austausch gegen seine Verpflichtung das Leistungsversprechen des Vertragsgegners erhält17• Dieses Synallagma stellt im Rechtsleben den Regelfall dar 8 • Der LibeTalitätszweck findet sich beim Schenkungsversprechen und ferner bei Leihe, zinslosem Darlehen und Verwahrung38, sofern diese Geschäfte als Versprechensverträge abgeschlossen werden. Der Abwicklungszweck ist als Zweck zweiter Stufe bei schuldrechtlichen Verpflichtungen seltener zu finden, weil Schuldverhältnisse regelmäßig nur durch reale Güterverschiebungen abgewickelt werden können. Zum Zwecke der Erfüllung kann der Schuldner dem Gläubiger gegenüber eine neue Verbindlichkeit übernehmen (§ 364 Abs. 2)~, das neue Leistungsversprechen kann auch an Erfüllungs Statt (§ 364 Abs.l) erfolgen. Der Sicherungszweck im Bereich der Leistungsversprechen findet sich etwa beim Bürgschaftsversprechen und bei der Sicherungsabrede (pactum de oppignorando41), in welcher der Schuldner die Bestellung einer Sicherheit verspricht. Eine Forderung kann auch zum Zwecke des Vergleichs begründet werden. Während die Parteien bei der Vereinbarung des Sicherungszweckes davon ausgehen, daß die zu sichernde Schuld besteht, ist hier das Bestehen des Anspruchs gerade streitigC, die Abwicklung besteht in der Schuldfeststellung. 37 Ungenau Flume, S.170, der schreibt, es würden Leistungen ausgetauscht; ebenso auch HubeT, JuS 1972, 57, 58, 64. Dazu auch WelkeT, S.82 FN 11. 38 Siehe KTeß, SchR AT, S.35. Daß den Rechtsverkehr entgeltliche Geschäfte beherrschen, hat v. JheTing, Der Zweck im Recht, S. 124 mit folgender Ableitung gezeigt: Verkehr = er kehrt, ver-kehrt, d. h. vertauscht die Sachen. 38 Auch die mit einem pactum de non petendo verbundene Zuwendung kann schenkungshalber vorgenommen werden, vgl. SchöningeT, S.46: "si donandi causa de non petendi pecunia pactus sit". ~o Dazu KöhleT, WM 1977, 242; vgl. auch v. Tuhr H, 2 § 72, S.67. 41 Pactum de pignore dando, §§ 681, 682 E 1. 4% Der Vergleichszweck ist ein Abwicklungszweck, obgleich der Vergleich auch objektiv nicht existente Schuldverhältnisse betreffen kann; denn auch in diesem Falle wird immerhin noch das - nach der Vorstellung der Parteien - vermeintliche Schuldverhältnis außer Streit gestellt. Es genügt, daß die Parteien ein streitiges Rechtsverhältnis aus der Welt schaffen wollten. Kreß, SchR AT, S.39 FN 10 spricht nur bedingt ("wohl") vom Vorliegen einer Abwicklung.

1. Kap., A. Die Lehre vom Zweck

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bb) Typische Zwecke bei realen Leistungen Gegenüber dem Leistungsversprechen stellt die reale Zuwendung zweifellos die im Rechtsleben einfachere, weil auch ursprünglichere Art der Güterbewegung dar43 • So bedeutet die reale Verfolgung des Austauschzweckes bei Handkauf oder Handtausch, daß die Parteien die gegenseitigen Leistungen unmittelbar Zug um Zug (do ut des) vornehmen". Als Beispiel für den Unentgeltlichkeitszweck bei Realkontrakten ist bereits die Handschenkung (§ 516) genannt worden. Reale Leistungen werden wohl in den statistisch häufigsten Fällen zu Abwicklungszwecken erbracht. Im Bereich der Realleistungen ist der Erfüllungszweck daher von besonderer Bedeutung~. Ebenso kann natürlich mit einer realen Zuwendung auch der Sicherungszweck verknüpft werden. Nach dem hier darzustellenden Schuldrechtssystem ist es eine Selbstverständlichkeit, daß eine Sicherheitsleistung ohne vorgängige Verpflichtung erbracht werden kann48 • Ohne pactum de pignore dando kann beispielsweise der A seine Uhr dem B als Pfand geben (§ 1204) oder zur Sicherheit übereignen oder sich auch für eine Schuld des B bei C real verbürgen47 • Die Frage, ob der Sicherungszweck als Leistungszweck ausreicht oder nur zusammen mit einem weiteren Zweck den Rechtsgrund einer Leistung abgeben kann, der das Handeln des Sicherungsgebers "wirtschaftlich verständlich macht"", ist daher im ersteren Sinne zu beantworten. 2. Augestaffelte Zwecke

Über diese typischen Zwecke hinaus können die Parteien - wie gesagt - jedes Motiv, dessen Verfolgung die Rechtsordnung freigibt, zu einem rechtserheblichen Zweck machen, der dann dem typischen Zweck angestaffelt wird49 • Wir haben es hier mit einem Bereich zu tun, ,,(den) So Kreß, SchR AT, S.88. Scheitert der Austausch, so kann aus dem mißlungenen Handkauf (-tausch) regelmäßig keine Verpflichtung auf die Vornahme des Geschäfts abgeleitet werden, Kreß, SchR AT, S. 87 f.; anders H. P. Westermann, S.60; vgl. auch KrawieZicki, S. 51. 45 Kreß, SchR AT, S. 87; anders die Theorie der realen Leistungsbewirkung (vgl. Larenz, SchR I, S.193 ff.), die für die Erfüllungswirkung grundsätzlich genügen läßt, daß die geschuldete Leistung erbracht wird. Dazu noch später. 4e Anders beispielsweise schon Leonhard, Allg. SchR, S.380; wegen weiterer Nachweise vgl. Ehmann, JZ 1968, 550. 47 Dann wird die Leistung zum Zwecke der Bürgschaft (Sicherung) nicht erst versprochen, sondern real bewirkt; § 774 Abs. 1 findet Anwendung; vgl. näher Kreß, SchR AT, S.87 FN 11. 48 Darüber Zeiss, AcP 164, 60 ff.; ebenso wie hier v. Caemmerer, FS Lewald, S.456 um FN 65; Blomeyer, S.84; vgl. auch Krawielicki, S.35, 169. 43 44

I. Der Zweck im Recht der Güterbewegung

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menschliche Phantasie im voraus noch schwerer ausloten kann als die bei (Schuld-) Vertragsfreiheit ja ebenfalls unbegrenzte Zahl möglicher Geschäftstypen"5o. Hinter den ersten Zweck einer Zuwendung können nämlich neben typischen auch beliebig vorstellbare, atypische Zwecke gesetzt (angestaffelt) werden5 t, gleichgültig, um welche Stufe der Güterbewegung (Leistungsversprechen, reale Leistung) es sich handeW'!.

a) Das System von KTeß Mit Kreß53 sind im Gesetz selbst Güterbewegungen mit angestaffelten Zwecken festzustellen: Beim Gesellschaftsvertrag wird dem Austauschzweck der Gesellschaftszweck (§ 705: "Erreichung eines gemeinsamen Zwecks") angestaffeIt, während ihm beim Vergleich (§ 779)/54 der Schuldfeststellungs(Streitbeilegungs-)Zweck und bei Spiel und Wette" der Spiel- und Wettzweck (§§ 762 ff.) als atypischer, gesetzlicher Zweck an die Seite gestellt worden ist. In § 1624 ist dem Liberalitätszweck der Ausstattungszweck (causa dotis56) hinzugefügt, so daß keine Schenkung mehr vorlieg~7. Insbesondere durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung können die Parteien weitere Zwecke anstaffeln. aal Beispielsfälle übernimmt eine Bank gegen Provision(sversprechen) eine Bürgschaft, so liegt ihrem Versprechen neben dem Sicherungszweck als angestaffelter Zweck der Austauschzweck zugrunde"'s. Dem Sicherungszweck kann auch der Erfüllungszweck angestuft sein, das ist dann der Fall, wenn der zur Sicherheitsleistung Verpflichtete die Sicherheit (z. B. in Form einer Sicherungszession) zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bestellt59• 49 Der Begriff geht auf Kreß, SchR AT, S.37 zurück; vgl. auch Ehmann, S.142 f.; Weitnauer, FS v. Caemmerer, S. 261; ferner v. Tuhr II, 2 § 72, S. 79 f. ("sekundäre causa"); Neben der Staffelung von Zwecken ist auch eine Mischung von verschiedenen Zwecken - auf gleicher Stufe - möglich (dazu Kreß, SchR AT, S.39). Liebs, JZ 1978, 700 hat beide Fälle nicht auseinandergehalten. 50 So Liebs, JZ 1978, 700. 51 Gegen eine solche Abstufung Liebs (FN 49). Iil! Schöninger, S.232 will dagegen beim Leistungsversprechen keine Zweckstaffelung zulassen. 53 Vgl. Kreß, SchR AT, S.38. 64 Der Austausch liegt im gegenseitigen Nachgeben. 55 Ausgetauscht werden hier Chance und Einsatz. 58 Jung, S. 79 hält Zweck und Motiv nicht auseinander. 57 Dazu beispielsweise Kreß, SchR AT, S.37 FN 7 und Oertmann, S. 10. Das Gesetz fingiert hier eine Schenkung, § 1624. 58 Ehmann, S. 151. 59 Kreß, SchR AT, S. 37; Ehmann, S.185.

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1. Kap., A. Die Lehre vom Zweck

Eine reale Leistung mit angestaffeltem Zweck enthält beispielsweise auch folgender Fall80 : Frau A zahlt DM 20000,- an den mit ihr zusamenlebenden B, um eine zwischen ihr und B streitige Ausgleichsforderung aus der Welt zu schaffen und "damit B bei ihr bleibt ... ". Der BGH hat gemeint, den zweiten Grund, den die A dem B für ihre Zahlung ausdrücklich genannt hat, als eine im Motivationsbereich liegende unbeachtliche Äußerung ignorieren zu können81 • Das ist jedoch unrichtig, weil die A ihre weitere Absicht "damit du bei mir bleibst" in rechtsgeschäftlich erheblicher Weise bei der Zahlung erklärt hat. Richtiger Ansicht nach lag in der Zahlung der A ein realer VergleichtI!, dem der atypische Zweck "damit du bei mir bleibst" angestaffelt worden ist. A kann dem B aber auch ein Leistungsversprechen83 oder ein reales Gut" zuwenden, ohne daß der B eine Gegenverpflichtung eingehen Nach BGH NJW 1973, 612 mit abI. Anm. Ehmann, NJW 1973, 1035. Der BGH hält das Motiv der A nur dann als Zweck rechtlich relevant, wenn der B damit einverstanden war; das hat der BGH auch in der Folgezeit so gehalten, dazu noch unten 1. Kapitel A. IV. 1. c). «2 Einseitige Schuldfeststellung; der Streit sollte mit der Zahlung aus der Welt geschafft werden, ähnlich wie in RGZ 97,140. A. A. Ehmann, NJW 1973, 1035, der meint, typisch primärer Zweck sei die Erfüllung der (streitigen) Forderung gewesen. 83 Zu den promissiones ob rem folgende Beispiele: Ein Mann verspricht Geld für den Fall, daß ein Dritter das vom Versprechenden geschwängerte Mädchen (RGZ 62, 273), oder seine Tochter heirate (RG Warn 1931, Nr.24). Oder jemand verspricht Geld, damit der Versprechensempfänger den Versprechenden heirate (RG Recht 1919 Nr. 1940 und 1949). - Ferner: ein Mann verspricht einer Frau Geld, falls sie ihn als Erzeuger ihres unehelichen Kindes (Kassel 1841 SeuffA 10 Nr. 10) oder überhaupt die Tatsache des außerehelichen Geschlechtsverkehrs verschweige (RG Warn. 1910, Nr.277) - alle nachgewiesen von Krawielicki, S. 154 FN 525 ff. - Oder wenn jemand verspricht, eine bestimmte Geldsumme zu zahlen, um den Empfänger zum Unterlassen einer Strafanzeige zu veranlassen (RG Gruchot 56, 325); oder Bürgschaftsversprechen zum gleichen Zweck (RG Warn. 1908, Nr. 149) oder zum Zwecke der Abwendung eines Disziplinarverfahrens (RGZ 118, 358). Ein weiterer Fall eines Leistungsversprechens mit angestaffeltem Zweck ist auch RGZ 132, 238: Auflassungsversprechen zur Errichtung eines fortifikatorischen Werkes. Aus der neueren Rechtsprechung: Auflassungsversprechen "zum Zwecke der Errichtung einer Mini-Golf-Anlage", BGH NJW 1975, 776 = WM 1975, 366 (dazu noch unten); Auflassungsversprechen gegen Freistellung von einer Schuldverpfiichtung aus dem Grundstückskauf, BGH WM 1971, 276; Schuldversprechen zwecks Vermeidung einer Strafanzeige, OLG Zweibrücken MDR 1977, 227. Zu solchen Fällen neuerdings Liebs, JZ 1978, 700 sowie Rebe, JA 1979, 37. 84 Als Beispiele für die weniger häufigen dationes ob rem können genannt werden: Hypothekenbestellung (RG Recht 1902, Nr.U30), Geldzahlung (vgl. Krawielicki, S. 154 FN 519), um den Zuwendungsempfänger zum Unterlassen einer Strafanzeige zu bewegen. Veräußerung eines Grundstücks, damit dem Erwerber die Heirat mit der Tochter des Veräußernden erleichtert werde (RG SeuffA. 76, Nr.26) - nachgewiesen bei Krawielicki, S.154. Aus der neueren Rechtsprechung: BGHZ 44, 321: Dienstleistungen in Erwartung der Erbeinsetzung; OLG Hamm NJW 1971, 1810: Erfüllungsleistung 69

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1. Der Zweck im Redlt der Güterbewegung

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oder selbst eine reale Leistung gewähren soll; die Zuwendung kann vielmehr zu dem Zweck erfolgen, daß B sich in bestimmter Weise tatsächlich65 oder rechtsgeschäftlich88 verhält. Dann verfolgt A mit seiner Zuwendung neben dem Unentgeltlichkeitszweck einen weiteren (atypischen) ZwecIt67. Ein ähnlicher Fall ist aber auch der, daß A seine testamentarische Zuwendung an B davon abhängig macht, daß dieser eine fremde oder eigene Schuld bei C erfüllt6s • bb) Versprechen und Leistung condicionis implendae causa Zahlt oder verspricht in einem der letztgenannten Fälle B an C das ihm von A Geheißene, so liegt der Fall der sog. condicionis impZendae causa vor68 • Die Einordnung dieser causa (Zweck) macht Schwierigkeiten insbesondere im Hinblick auf die auch hier vertretene These von Kreß70, die Zahl der drei typischen Verkehrszwecke sei abschließend. Ist die condicionis implendae causa als eigener, selbständiger Zweck anzusehen70, so wäre diese These um einen vierten Verkehrszweck zu erweitern71 • Sicher ist jedenfalls, daß die condicionis implendae causa kein Fall der causa soZvendi7l! ist, weil es hier mangels schuldrechtlicher Verpflichtung des B nicht um den Erfüllungszweck geht. Zur Einordnung eines Nichtschuldners (Dritten), um die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner abzuwenden; BGH NJW 1977, 950: Abtretung von Gesellschaftsanteilen zu dem weiteren Zweck, als Erbe bedacht zu werden; OLG Stuttgart NJW 1977, 1779 = JuS 1978, 53 (Karsten Schmidt): Zuwendung in Erwartung einer Eheschließung. 6ö Z. B. Dienstleistungen erbringt. 68 Beispielsweise eine rechtsgeschäftliche Zuwendung (übereignung) an A oder an einen Dritten (C) erbringt. 67 Ebenso Oertmann, S. 26, der die Zuwendung des A nicht "als selbständig (= rein) unentgeltlich" ansieht. Dieselbe Zweckstaffelung liegt vor, wenn A DM 1000,- an die Stadt B für ein von dieser zu errichtendes Denkmal zahlt (Beispiel bei Jung, S. 105). 68 Das Beispiel findet sich ebenfalls bei Jung, S.82. 69 Das ist ein altes Problem, das insbesondere schon das Gemeine Recht beschäftigt hat, vgl. dazu Jung, S. 75 ff. mN. 70 So Oertmann, S.45 und deutlicher S.69 FN 47; vgl. auch H. P. Westermann, S.58 und Schwarz, S.252; a. A. ist hier Jung, S. 82 ff., der die condicionis implendae causa zwar als Zweck einer Leistung (S. 97), aber nicht als sog. "obligatorischen Zweck" ansieht (S.86) und deshalb den Kreis der typischen Zwecke nicht zu verlassen braucht (S. 101). Dazu noch später. 71 Windscheid, Lehre von der Voraussetzung, S.97 meinte, bei der Zuwendung condicionis implendae causa bestehe eine mögliche erste Absicht (= Zweck, so Kreß, SchR AT, S.40 FN 14) darin, " ... durch die Leistung die Bedingungen einer testamentarischen Zuwendung zu erfüllen und dadurch sich oder einem Dritten das Zugewendete zu verschaffen. Wir betreten hiermit das Gebiet derjenigen Leistung, die weder animo donandi, noch animo obligandi, noch animo solvendi geschehen. In der That, wer Condicionis implendae causa leistet, hat keine dieser Absichten". - Vgl. dazu auch Schwarz, S.251. 7l! Auch kein Unterfall, wie Oertmann, S.69 FN 47 meint; v. Tuhr H, 2

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1. Kap., A. Die Lehre vom Zweck

dieser Causa in das Zwecksystem muß daher zunächst auf die mit der Güterverschiebung des B verbundenen vermögensrechtlichen Intentionen der Beteiligten eingegangen werden. B will sich mit der Zuwendung an C die Leistung des A endgültig sichern. A seinerseits hat die mit seiner Leistung an B verknüpfte Bedingung gerade mit Blick: auf C nicht grundlos gesetzt. Das hinter seiner Bedingung stehende, C betreffende Motiv kann er auf zwei Arten rechtsgeschäftlich zu Geltung bringen73 : er kann selbst den von ihm angestrebten Zweck: gegenüber C bestimmen, oder den B nach dem Inhalt der Bedingung veranlassen, diesen Zweck: gegenüber C zu verfolgen. Im ersten Falle7" ist die Bedingung des A darauf gerichtet, daß B an C lediglich eine Zuwendung 75 erbringt. Dann verfolgt der B bei Zahlung an C in erster Linie den Zweck, die (bedingte) Zuwendung des A zu erlangen, wobei B diese Zweck:bestimmung gegenüber A trifft. Da dieser Austauschzweck78 aber nur erreicht werden kann, wenn B die Bedingung des A erfüllt, kann er (B) die condicionis implendae causa als weiteren Zweck anstaffeln. Im zweiten FalF7 ist es dem B überlassen, die Zweckvorstellung des A im eigenen Namen dem C gegenüber zum Ausdruck: zu bringen. Danach wird B regelmäßig gehalten sein, dem C gegenüber liberalitatis causa zu handeln. Bleibt der Wille des B, die Bedingung zu erfüllen, bloßes Motiv, so liegt eine reine Schenkung vor78. Hellwig7V ist der Meinung, diese Fallkonstellation sei hier die einzig mögliche und verweist daher den Umstand, daß B auch zur Erfüllung der Bedingung an C leisten könnte, von vornherein in den Bereich eines Motives. Dem ist jedoch nicht zu folgen, da der B in der Mehrzahl der Fälle neben der Unentgeltlichkeit den weiteren80 Zweck verfolgen wird, die Bedingung des A zu erfüllen (condicionis implendae causa). § 72, S. 73 FN 65 und Schöninger, S. 103 sehen dagegen in der condicionis imptendae causa eine Unterart der causa credendi (bzw. acquirendi). 711 Darüber auch Kreß, SchR AT, S.53 FN 42 und S. 63 f. 74 Vgl. auch v. Tuhr H, 2 § 72, S.94. 71> Keine Leistung (= zweckgerichtete Zuwendung); terminologisch ungenau Kreß (FN 73), der - wie schon S.51 - von Leistung spricht. Sachlich anders dagegen Jung, S.82, der meint, daß "dem Dritten gegenüber ... die Zuwendung immer eine besondere causa (hat)" (S. 85), die "notwendig" der Zuwendende bestimme (S. 96); ebenso HeUwig, S.52. 78 Oertmann, S.26 spricht von "wechselseitigem" Entgelt, Schwarz, S.163 von Gegenleistung. 77 Vgl. darüber ebenfalls v. Tuhr H, 2 § 72, S.95. 78 So Kreß, SchR AT, S.63; außerdem Jung, S.84. 78 S.52. 80 Kreß, SchR AT, S. 63; so auch Jung, S.84, 98 FN 149, ohne allerdings die Bedeutung des angestaffelten Zwecks im System der Güterbewegung zu erkennen.

I. Der Zweck im Recht der Güterbewegung

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Folglich ist die condicionis implendae causa nur als angestaffelter (atypischer) Zweck zu verstehen. Das gilt auch in den Fällen, in denen der B nach dem Inhalt der Bedingung statt des Unentgeltlichkeitszwecks den Austausch- oder den Erfüllungszweck im Verhältnis zu C bestimmen soll. Beispiele mit Austauschzweck: A veranlaßt den B, dem C ein entgeltliches Darlehen zu gewähren81 • Der im Grundbuch ungünstig plazierte Hypothekengläubiger A verspricht dem von der Zwangsvollstreckung bedrohten Grundstückseigentümer B die Zahlung von 500,- für den Fall, daß B sein Grundstück an einen Dritten verkauft8l!. Der Kaufmann B verkauft der Dame C einen bestimmten Schal für einen geringeren als den eigentlichen Verkaufspreis, weil deren Verehrer A den Kaufmann dazu durch Zahlung einer Geldsumme veranlaßt hatBs. Beispiel mit Erfüllungszweck: B erfüllt eine eigene oder fremde Schuld bei C, um gleichzeitig die Bedingung der letztwilligen Verfügung des A zu erfüllensB. Mit diesen Ausführungen dürfte hinreichend dargetan sein, daß die condicionis implendae causa kein selbständiger (typischer) Zuwendungszweck ist. b) Ablehnung durch die moderne

Rechtsprechung und Literatur

Rechtsprechung und Literatur lehnen heute die mit der Anstaffelung von Zwecken verbundene Möglichkeit weitgehend abs,. Zwar hat die Rechtsprechung unter dem Einfluß der gemeinrechtlichen Tradition ursprünglich an der Möglichkeit festgehalten, solche weitere Zwecke rechtlich erheblich zu machen, und somit jede Zweckbestimmung der Parteien für Bestand und Rechtsfolgen des Geschäfts grundsätzlich als bedeutsam angesehen. Ähnlich hat v. TuhrS5 über 501Beispiel nach Jung, S. 95. B! Fall des OLG Dresden vom 17. 3. 1903, berichtet von KlingmüHer, ZHR 58, 173. Hier besteht die condicionis implendae erfolgte Zuwendung des B an C in der Eingehung der Verpflichtung als Verkäufer. B3 Diesen "höchst instruktiven Fall bei v. Jhering, Zivilrechtsfälle, 11. Auf1.; Nr.47" weist Oertmann, S. 68 FN 44 nach. s, So bereits Leonhard, Allg. SchR, S.387, der nur solche Motive als rechtlich bedeutsame Zwecke anerkennen will, die das Geschäft "wirtschaftlich erklären" (S.384). Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Zeiss, AcP 164, 56, der die Auffassung vertritt, die typischen Zwecke entfalteten eine Sperrwirkung für weitere Zwecke (S. 60 und 64 f.). 85 II, 2 § 72, S. 79 f. 81

3 Schnauder

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1. Kap., A. Die Lehre vom Zweck

che Fälle geschrieben, daß "auch das weiter zurückliegende Motiv einer Zuwendung rechtlichen Charakter hat, so daß der Zuwendung außer ihrer nächsten causa noch eine weitere (sekundäre) causa zuzuschreiben ist". Dagegen werden heute zunehmend die weiteren Zwecke als Problem der Geschäftsgrundlage "erkannt"86. Diese Entwicklung geht in der modernen Literatur auf v. Caemmerer zurück, der einerseits zwar "jeden verständlichen Zweck" für möglich gehalten87, andererseits aber die datio und promissio ob causam als "historisches überbleibsel"88 bezeichnet hat. Damit ist jedoch zugleich die Chance vertan, alle privatautonomen Gestaltungsmöglichkeiten einer Vermögenszuwendung unter ein einheitliches System zu bringen, und die Gefahr gegeben, daß den Parteien die Möglichkeit, ihren Willen zur Geltung zu bringen, überhaupt versagt wird. Daß das Institut der Geschäftsgrundlage kein Ersatz für den angestaffelten Zweck sein kann, folgt schon daraus, daß diese Lehre nur bei Versprechensverträgen, nicht jedoch bei allen Zuwendungsgeschäften gleichermaßen anwendbar ist89 . Vor allem aber verkennt diese neuere Meinung den zwischen Geschäftsgrundlage und Geschäftsinhalt bestehenden Unterschied: Hat eine

Partei bei Vertragsschluß einen Umstand nicht bloß (bewußt oder unbewußt) vorausgesetzt, sondern zum Gegenstand ihrer rechtsgeschäftlichen Erklärung gemacht, so muß dieser Wille aufgrund der Erklärung und nicht infolge der reichlich unbestimmten Anordnung des § 242 (Treu und Glauben) zu rechtlicher Bedeutung gelangen. Er ist Vertragsinhalt, nicht bloß ein- oder zweiseitig vorausgesetzte Grundlage des Vertrages90 •

86 So Zeiss, AcP 164, 65; Jung, S.69, 95, 100, 105 und öfter wollte ebenfalls nur den auf einen Rechtserfolg gerichteten Zweck als Leistungszweck mit dem Argument anerkennen, den weiteren Zweck lasse die Rechtsordnung wegen der mit ihm verbundenen Unsicherheit nicht zu. Auch Esser, SchR 11, S.354 (4. Aufl.), Larenz, SchR 11, S. 492 ff. und Jauernig / Vollkommer, § 242 Anm. V. 2. f) geben der Lehre von der Geschäftsgrundlage die Präferenz vor dem angestaffelten Zweck. Ebenso verhält es sich mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung; vgl. dazu RGRK / Heimann-Trosien, Anm. 89 ff. zu § 812. Exemplarisch seien genannt: BGH WM 1971, 276; NJW 1975, 776; WM 1977, 535 = NJW 1977, 950. Zur Kritik an dieser Rspr. neuerdings Liebs, JZ 1978, 697 und Rebe, JA 1979, 37. 87 FS Rabel, S.383. 88 FS Rabel, S. 345 ff.; ähnlich auch Batsch, NJW 1973, 1640. Gegen beide mit zutreffender Kritik Liebs, JZ 1978, 697 Iilld 698. Unterstützung erhält v. Caemmerer jetzt wieder durch Jauernig / Schlechtriem, § 812 Anm. I. 4. b) a. E. unter Hinweis darauf, daß die Lehre von der Geschäftsgrundlage flexiblere Lösungen erlaube. 89 Darauf weist auch H. P. Westermann, S.116 hin. 90 So auch Huber, JuS 1972, 58, 64/65, Welker, S.75, 112 und H. P. Westermann, S.53; neuerdings auch Liebs, JZ 1978, 702 und Rebe, JA 1979, 37. Gegen diese aus dem Parteiwillen abgeleitete Distinktion aber Esser / Schmidt, SchR I, 1, S. 33.

H. Das Rechtsgrundproblem

35

Gleichwohl stehen Motiv, Geschäftsgrundlage und Zweck nicht ohne innere Verbindung nebeneinander. Während unter dem Zweck das aufgrund rechtsgeschäftlicher Erklärung für die Rechtsordnung bedeutsam gemachte Motiv zu verstehen ist, liegen ratio und Anwendungsbereich der Geschäftsgrundlage in der (ausnahmsweisen) Berücksichtigung der Motivationslage81 einer Vertragspartei. Während also im ersten Falle das Motiv zur höchsten Stufe der rechtlichen Erheblichkeit gelangt, können die tatsächlichen Motive (Voraussetzungen) einer Partei bei der Geschäftsgrundlage nur unter Zuhilfenahme von Treu und Glauben oder anderer allgemeiner Rechtsgrundsätze rechtlich bedeutsam werden. Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen der Lehre vom angestaffelten Zweck und dem Anwendungsbereich der Geschäftsgrundlage können auch von unserem Standpunkt aus nicht geleugnet werden, zum al der Zweck durch konkludente Willenserkärung bestimmt werden kann. Diese Probleme sind aber allgemeine Auslegungsprobleme und nicht unmittelbar mit der Lehre vom Zweck verknüpft und daher kein Argument gegen sie. Sie sind - jedenfalls solange man den Rechtsteilnehmem nicht verbietet, beliebige Zwecke zu verfolgen - Bestandteil des Rechtslebens schlechthin, mit denen die Rechtswissenschaft fertig werden muß. 11. Das Rechtsgrundproblem

Dem Rechtsgrundproblem, welchem die zivilrechtliche Literatur fast unübersehbar viel an Fleiß und Papier gewidmet hat, liegt ein im Grunde ganz einfacher, in natürlicher Weise auf die Zweckerwägungen der Parteien zurückzuführender Lebenssachverhalt zugrunde, der sich für die Lehre vom Zweck beinahe mühelos erschließt. 1. Die Zwec:kerreicltung

Nimmt der Zuwendende (Leistende, Versprechende) die Güterbewegung nur im Hinblick auf seine in der Zweckbestimmung zum Ausdruck gebrachte Zweck:vorstellung vor, so erwartet er, daß sein Zweck tatsächlich auch erreicht wird. Dafür ist zunächst Voraussetzung, daß der Empfänger die getroffene Zweckbestimmung akzeptiert, daß also zwischen den an der Vermögensverschiebung beteiligten Personen eine Zweckvereinbarung zustande kommt. Denn die Parteien sehen in der Erreichung des von ihnen gemeinsam verfolgten Zweckes den rechtfertigenden Grund für einen wirksamen und beständigen Vermögensübergangll2• Die Parteien betrachten dann den Erwerb des Empfängers als mit Rechtsgrund erfolgt (Behaltensgrund). 91 Vgl. dazu auch Ehmann, S.141 fT. und H. P. Westermann, S.112 sowie S.53 "außerhalb des Geschäftsinhalts gebliebene Motive".



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1. Kap., A Die Lehre vom Zweck a) Parallelität von Leistung und Verpflichtung

Der Rechtsgrund eines Zuwendungsgeschäftes ist somit aus dem erklärten Parteiwillen abzuleiten und über Zweckbestimmung, Zweckvereinbarung und Zweckerreichung zu bestimmen93 • Werden bei einer Zuwendung (z. B. bei den dationes ob rem) zwei Zwecke hintereinander gestaffelt, so ist diese mit Rechtsgrund erst bewirkt, wenn beide ZweckeN erreicht worden sind. Jedes Motiv kann Zweck und damit Rechtsgrund einer Güterbewegung werden96 • Der Zweck erweist sich somit als "Schlüssel zur Frage des Rechtsgrundes"96. Mit dieser Erkenntnis steht zugleich fest, daß die Frage nach dem Rechtsgrund für Leistungsversprechenu und reale Leistungen nur einheitlich (im Sinne der im Kreßschen System angelegten Parallelität von Leistung und Verpflichtung) beantwortet werden kann. Für beide Stufen der Güterbewegung gilt selbstverständlich ein einheitlicher Rechtsgrundbegriff, was oft deswegen übersehen wird, weil das Rechtsgrundproblem nur aus dem Blickwinkel des Bereicherungsrechts betrachtet zu werden pflegt98. Jede Zuwendung (rechtsgeschäftlicher 92 Windscheid, Pand. II, § 423 FN 8 schreibt, daß " ... in der Existenz des Vorausgesetzten (= Zweckerreichung; vgl. oben FN 71) der Rechtfertigungsgrund der durch die Willenserklärung hervorgerufenen Bereicherung ... liegt". 93 So außer Kreß, SchR AT, S.47 bereits Jung, S.129; ferner Ehmann, NJW 1969, 400 FN 19 mwN in FN 21. Ebenso auch schon Enneccerus, S. 618 sowie Enneccerus / Lehmann, S.887. Siehe auch Kegel, FS Mann, S.65. N "Causae", v. Tuhr II, 2 § 72, S.80; Krawielicki, S. 44 ff. spricht - wenig glücklich - von einem zweiten Rechtsgrund; ebenso Kegel, FS Mann, S.70. Richtig dagegen Ehmann, NJW 1973, 1035. Jung, S.99 und ihm folgend Zeiss, AcP 164, 60 ff. sehen demgegenüber den weiteren Zweck nur als bloße Vertragsmodifizierung an, "... die Deflzienz der einen (sc. causa, Zweck) (macht) die Leistung allerdings noch nicht zu einer grundlosen" (Jung, S.82). 96 Ebenso H. P. Westermann, S.124. 96 Wie Weitnauer, FS v. Caemmerer, S.263 für die Leistung treffend zum Ausdruck gebracht hat; daß der Zweck auch die Grundlage für den Rechtsgrund bei Leistungsversprechen bildet, hat Weitnauer, Die abstrakten Verpflichtungen und das Problem des Rechtsgrundes, in: Wertpapierrecht, S. 31, ebenfalls gezeigt. - Dagegen hat bereits Savigny, dessen Untersuchungen zur iusta causa traditionis immer noch das heutige Verständnis vom Rechtsgrund prägen, obwohl sie längst von der romanistischen Forschung als widerlegt gelten müssen (vgl. darüber bei Ehmann, S. 147 ff.), die Causa (Rechtsgrund) als Wirksamkeitsvoraussetzung des Leistungsversprechens geleugnet. Ebenso heute Kühler, S. 212; ferner Medicus, Rdnr.43, der nur als Ausnahme anerkennt, daß "SdlUldverträge ... ihrerseits noch einer causa bedürfen". 97 Dagegen hält es Cohn, AcP 135, 72 für ganz natürlich, daß "in der Tat ... wohl noch niemand sich genötigt gesehen (hat), der causa eines Kaufvertrages, ... oder eines sonstigen kausalen Geschäfts Beachtung zu schenken". 98 So Ehmann, S.154; Jahr SZ 80, S.145, 147; H. P. Westermann, S.78, 79. Für einen einheitlichen Rechtsgrundbegriff haben sich ausgesprochen: Weitnauer, FS v. Caemmerer, S.265; Ehmann, S.149 FN 82; H. P. Westermann, S.95 unten.

H. Das Rechtsgrundproblem

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oder tatsächlicher99 Natur), also auch Dienst-, Werk- oder Arbeitsleistung, Besitzverschaffung, bedarf eines Rechtsgrundes (der Zweckerreichung)1°o. b) Das einseitige Rechtsgeschäft

Dieser Satz gilt natürlich für zweiseitige, aber ohne weiteres auch für einseitige Rechtsgeschäfte, die eine Vennögensvennehrung beim Erklärungsempfänger bewirken. Auch hier gilt, daß die Zuwendung einen Grund benötigt, der sie zwischen den Parteien rechtfertigt; niemand wendet einem anderen grund- (zweck-)los zu. Einseitige Leistungsversprechen (z. B. die Auslobung, § 657; die Verpflichtung des Stifters, § 82; die Annahme einer Anweisung, § 784101) bewirken in jedem Falle eine Vennögensverschiebung,da sie Erwerbsansprüche des Erklärungsempfängers begründen. Zu ihrer Aufrechterhaltung ist mithin das Vorliegen eines Rechtsgrundes notwendig. Dagegen hat die Ausübung eines Gestaltungsrechts im Regelfalle wohl keine vennögensrechtliche Wirkung, denn sie wirkt grundsätzlich nur auf bereits bestehende Güterbewegungen ein und schafft keine neuen1OZ • Nur ausnahmsweise103 ist mit der Ausübung eines Gestaltungsrechts eine bewußte Vennögensverschiebung (Zuwendung) gegeben. Hier sei an die Fälle des Verzichts auf ein dingliches Recht1N oder auf eine Einrede1M erinnert. Die Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vennächtnisses, §§ 1942, 2180 Abs.3, kann für den Nachberufenen oder den Erben ebenfalls einen Vermögensvorteil bedeuten105• Dabei ist zu berücksichtigen, daß einige der mit solchen einseitigen Rechtsgeschäften verbundenen Güterbewegungen kraft gesetzlicher Anordnung von jeder 99 Wenn Flume schreibt (S.152): "Alle rechts geschäftlichen Zuwendungen bedürfen eines Rechtsgrundes", so ist dieser Satz im Hinblick auf bloß tatsächliche Zuwendungen zu erweitern; vgl. v. Tuhr H, 2 § 72, S.92. 100 Auch Vermögensverschiebungen, die nicht auf Grund einer zweckgerichteten Zuwendung, sondern in sonstiger Weise erfolgt sind, bedürfen vor der Rechtsordnung zu ihrem Bestand eines Rechtsgrundes. Mangels Zweckvereinbarung ergibt er sich jedoch unmittelbar aus dem Gesetz, Kreß, SchR BT, S.333. 101 Str., ob einseitige Erklärung genügt; dafür: Kreß, SchR BT, S.295. 10! So Oertmann, S. 103 f.; die Entwicklung kann beispielsweise in einer Umgestaltung (des Erfüllungsanspruchs in einen Ersatzerfüllungsanspruch bei den §§ 325, 326 oder Rücktritt) oder Rückgängigmachung (§§ 119 11.) der Vermögensverschiebung liegen. 103 Vgl. v. Tuhr H, 2 § 71, S. 64 f.; Kreß, SchR BT, S.328. IN Vgl. RGZ 33, 209 (210 f. mwN), wo der Verzicht auf eine Hypothek als Schenkung qualifiziert ist; vgl. ferner v. Tuhr H, 2 § 71, S. 50 f., S. 65 FN 14 sowie Kreß, SchR BT, S.59, 328, 334 FN42. lOS So v. Tuhr H, 2 § 71, S. 51; differenzierend Schöninger, S. 47 11. 106 Dazu v. Tuhr H, 2 § 71, S.51 einer-, S.64 andererseits; ferner Kreß, SchR BT, S. 334 FN 42.

38

1. Kap., A. Die

Lehre vom Zweck

Zweckvereinbarung unabhängig sind. So werden die in § 517 behandelten einseitigen Verzichte nicht als Schenkung angesehen; sie haben allein infolge der einseitigen Erklärung ohne Rücksicht auf Motive des Erklärenden oder auf Zweckvereinbarungen der Beteiligten Bestand, da sie zur Aufrechterhaltung keines auf einem Parteiwillen beruhenden Rechtsgrundes bedürfen. Die durch einseitigen Akt geschaffene vermögensrechtliche (erbrechtliche) Lage soll von Zweckerklärungen der Parteien unabhängig seinl07 . Andererseits gibt es aber auch Vermögensverschiebungen aufgrund einseitiger Erklärung, die für ihren Bestand eine zum Rechtsgrund führende Zweckvereinbarung benötigen. Dabei kann das Gesetz neben dem konstitutiven Tatbestand auch den Zweck des einseitigen Rechtsgeschäfts bestimmen (beispielsweise bei der Auslobungsverpflichtung den Austauschzweckl08) oder den Parteien freistellen, den Zweck und damit den Rechtsgrund selbst zu bestimmen. So kann A auf ein dingliches Sicherungs recht zugunsten des Sicherungsgebers B verzichten (§§ 1065, 1168, 1255, 875), um diesem etwa eine Schenkung zu machen oder um dafür die Gewährung einer Leistung oder eines Leistungsversprechens einzutauschen. Ferner kann der von einem tarsus procurator vertretene A den schwebend unwirksamen Vertrag zur Erfüllung einer dahingehenden Verpflichtung genehmigen. Die in der Genehmigung enthaltene Verschaffung der vermögensrechtlichen Position des Vertrages hat A ohne Rechtsgrund vorgenommen, wenn seine Verpflichtung nicht bestanden hat (der Erfüllungszweck konnte nicht erreicht werden)l09. Die Zustimmung des Berechtigten gemäß § 185 kann gleichfalls ein einseitiges Zuwendungsgeschäft darstellen, welches zu seinem Bestand der Zweckvereinbarung bedarf110. Die Zuwendung des Berechtigten an den Nichtberechtigten liegt darin, daß die Zustimmung der überlassung des Gegenstandes an den Verfügenden gleichsteht. Ob diese überlassung entgeltlich oder unentgeltlich geschieht, ist nach der Zweckvereinbarung zwischen den Beteiligten zu bestimmen111 • 2. Die Zweckvereinbarung

Ein Zweck kann notwendigerweise nur durch Vereinbarung zwischen Zuwendendem und Zuwendungsempfänger zum Rechtsgrund werden, 107 Darüber Kreß, SchR BT, S. 58 f. 108 Dazu Kreß, SchR AT, S.57. 109 So der Fall von RGZ 110, 214 (215); das RG nahm zu Recht an, daß A einen Anspruch aus § 812 auf Befreiung von dem irrtümlich genehmigten Vertrag habe. 110 Vgl. Kreß, SchR BT, S.334 FN 42. 111 So Kreß, SchR BT, S. 60.

H. Das Rechtsgrundproblem

39

da die Vermögensverschiebung zwischen diesen Personen zu einem Behaltensgrund führen soll. Das hat zur Folge, daß eine Zuwendung bereits des Rechtsgrundes entbehrt, wenn der Empfänger mit dem Zuwendungszweck nicht einverstanden ist. Die Zweckvereinbarung ist Rechtsgeschäft112, Zweckbestimmung und Annahme der Zweckbestimmung unterliegen den gesetzlichen Vorschriften über Willenserklärungen, wie zum Beispiel Abgabe, Zugang, Auslegung, Stellvertretung, Anfechtung und nicht zuletzt Geschäftsfähigkeit. Vom letztgenannten Erfordernis kann schon deshalb nicht abgesehen werden, weil sich aus der Zweckvereinbarung gerade die Bestandskraft der Güterbewegung zwischen den daran beteiligten Personen ergeben soll. Die Zweckvereinbarung tritt neben die Zuwendung, sie ist auch bei rechtsgeschäftlichen Güterbewegungen (Forderungsbegründung, Verfügung) nicht ein Teil derselben113 • Nur wenige Schriftsteller weisen darauf hin, daß sich auch im Bereich der Leistungsversprechen eine Vereinbarung über den mit der Forderungszuwendung angestrebten Zweck findet 11". Es geht hier den Parteien nicht bloß darum, eine Verpflichtung schlechthin zu begründen. So genügt der Eintritt der angestrebten Rechtsfolgen (Verpflichtungen) nicht zum Abschluß eines Kaufvertrages. Dafür müssen sich die Parteien ferner über den Zweck der einzelnen Zuwendung, Verpflichtung einigen, also darüber, daß der Verkäufer seine Verpflichtungserklärung im Austausch gegen das Zahlungsversprechen des Käufers abgibt und - mutatis mutandis - umgekehrt. Diese Zweckvereinbarung erfolgt im Bereich der gesetzestypischen Versprechensverträge regelmäßig nur konkludent, daraus darf aber nicht geschlossen werden, daß es sie nicht gibt115 • Liegt beispielsweise ein Dissens bei der Zweck112 Weitnauer, NJW 1974, 1730; Ehmann, JZ 196B, 550 FN 4; ders. NJW 1969, 400 FN 19; Jahr SZ BO, S.154; Oeckinghaus, S.46; Klingmüller, ZHR 5B, 154 "Zwecksatzungsgeschäft"; vgl. auch BGHZ 50, 227 unter II. 3. der Gründe. 113 Klingmüller, ZHR 5B, 154 schreibt: "Sonach liegen in jedem Vermögensverschiebungsgeschäft zwei wirkende juristische Elemente: Zuwendungsoder Leistungsgeschäft und Zwecksatzungsgeschäft". Ähnlich auch v. Tuhr H, 2 § 72, S.82; vgl. auch Weitnauer, FS v. Caemmerer, S.266 FN 42; zweifelnd Jahr SZ BO, S. 152 ff. 114 Z. B. Ehmann, S. 139 ff.; Jahr SZ BO, S.14B ff.; ders. AcP 16B, 15. 115 Esser, SchR 2. Aufl., S.47 glaubte, der Austauschzweck ergebe sich aus dem "Lebenstypus" des Geschäfts, eine Zweckvereinbarung sei entbehrlich; ähnlich auch H. P. Westermann, S.112, 116. Daran ist nur soviel richtig, daß die von den Parteien bei Abgabe der Leistungsversprechen verfolgten Zwecke gesetzlich in dem Sinne typisiert sind, daß die Rechtsordnung aus allen denkbaren Motiven, welche z. B. Käufer und Verkäufer bei Abschluß des Kaufvertrages beeinflussen können, den Austauschzweck als Strukturelement herausgefiltert und vertypt hat. Diesen Zweck vereinbaren die Parteien bei Abschluß des Vertrages notwendigerweise mit, so völlig zu Recht

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1. Kap., A Die Lehre vom Zweck

vereinbarung vor (B nimmt das Darlehensauszahlungsversprechen des Aals Schenkungsversprechen an), so fehlt es am Rechtsgrund der Verpflichtung, die deshalb überhaupt nicht wirksam entsteht. Das Erfordernis der Zweckvereinbarung wird dagegen bei realen Güterbewegungen häufiger erwähnt. Anhaltspunkte für die Notwendig-

keit der Einigung über den Zweck der Zuwendung gesetzlichen Vorschriften entnommen werden. So Abs. 1, daß Schenker und Empfänger sich über den zweck der Zuwendung (die nur rechtsgeschäftlicher

einigen1l7•

können bereits aus verlangt der § 516 UnentgeltlichkeitsNatur sein kannlll)

Für die Erfüllungsleistung ist nun lebhaft umstritten, ob ein solcher Konsens erforderlich ist. Nach der Lehre vom Zweck ergibt sich mit Selbstverständlichkeit, daß irgendeine reale Zuwendung des Schuldners an den Gläubiger per se noch keine (Erfüllungs-)Leistung ist; zu dieser wird sie erst, wenn der Schuldner für sie den ETjilllungszweck bestimmt; zur bestandskräftigen Leistung wird sie allerdings erst, wenn eine Erfüllungszweckvereinbarung116 zustande gekommen (Erfüllung als Realvertrag) und der Erfüllungszweck schießlich auch erreicht worden ist. Die rechtliche Natur der Erfüllung erschließt sich demnach ohne weiteres aus dem System der Güterbewegung im übrigen; Versuche, sie davon isoliert zu bestimmen, können nicht zum Erfolg führen, weil sie diese Zusammenhänge nicht erfassenlU. Wenn das Gesetz für das Zustandekommen eines Behaltensgrundes bei der Leistung donandi causa in § 516 Abs. 1 ausdrücklich eine Einigung über den Unentgeltlichkeitszweck (Zweckvereinbarung) fordert, so ist nicht einzusehen, was sich daran ändern soll, wenn die Zuwendung solvendi causa erfolgt. Der Ehmann, S.139 ff.; Blomeyer, S.82; Jahr SZ 80, S.148 und bereits Klingmüller, ZHR 58, 165, 167. 118 Eine Schenkung liegt nur bei überlassung einer Sachsubstanz vor. Eine

Substanzüberlassung kann nach unserem Recht nur durch Rechtsgeschäft erfolgen. Keine Schenkungen stellen demnach rein tatsächliche Leistungen, wie etwa eine unentgeltliche Gebrauchsüberlassung, z. B. ein lebzeitiges Wohnrecht (= Leihe, nicht formbedürftige Schenkung wie der BGH NJW 1970,941 irrig annahm) dar; das Problem wird auch von Reinicke, NJW 1970, 1447 nicht gesehen. 117 Mit der Einigung wird der Schenkungszweck zugleich auch erreicht, so treffend Jahr SZ 80, S. 157 f. und schon Kreß, SchR AT, S.43 sowie v. Tuhr H, 2 § 73, S. 107, Weitnauer, NJW 1974, 1730; ders. FS v. Caemmerer, S.267 FN 43 mit Hinweis auf Capitant. Zweifelnd allerdings Kegel, FS Mann, S. 65. 118 Ähnlich auch Rother, AcP 169, 19, der mit seinem "Zuordnungsvertrag" der Erfüllungszweckvereinbarung sehr nahe kommt. Auch Kegel, FS Mann, S. 64 fordert für die Erfüllung schlechthin eine Abrede über die causa (Zweck der Erfüllungleistung). Ebenso Palandt / Thomas, § 812 Anm. 6 A b: "Die Beteiligten müssen ... darüber einig sein, daß zum Zwecke der Erfüllung einer bestimmten Schuld geleistet wird." 11. Gemeint ist die objektive Erfüllungslehre wie sie etwa von Boehmer, Erfüllungswille, S. 10, 47, 117; Siber in Planck Erl. 2b zu § 362; Larenz, SchR I, S. 193 ff. vertreten wird. Vgl. dazu noch unten 1. Kapitel A. IV. 2.

H. Das Rechtsgrundproblem

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Erfüllungszweck ist nämlich nur einer der typischen Leistungszwecke, er bedarf keiner Sonderbehandlung. Allgemein gilt, daß die Zweckvereinbarung der jeweiligen Zuwendung (Leistungsversprechen, reale Leistung) vorausgehen, nachgehen oder zusammen mit ihr erfolgen kann, wobei die letzte Möglichkeit den Regelfall darstellt. Die Zweckvereinbarung kann ferner auch nachträglich noch vertraglich (!) geändert werden, wenn der vereinbarte Zweck sich nicht verwirklicht hat. So kann A, der auf eine vermeintliche eigene Schuld gezahlt hat, mit dem Empfänger vereinbaren, daß seine Zahlung als Erfüllung der Verpflichtung des wirklichen Schuldners gelten solle, § 267 110: Dagegen kann wohl eine nachträgliche Änderung der Zweckvereinbarung nicht mehr vorgenommen werden, wenn die Zuwendung ihren Zweck erreicht hatm . Hat A eine Sache an B zunächst verliehen (§§ 598 ff.) und später vermietet, so ist das keine Änderung der ersten Zweckvereinbarung (Unentgeltlichkeit), diese wird vielmehr durch die Vereinbarung des Austauschzweckes ersetzt. Die Parteien müssen das alte Schuldverhältnis aufheben und ein neues begründenl !1. 3. Der Redltsgrundbegrift der h. M.

Nach den heute allgemein üblichen Darstellungen in den Schuldrechtslehrbüchern stellt sich das Rechtsgrundproblem jedoch ganz anders dar l !3. Danach soll Rechtsgrund im Sinne von § 812 (!)lU ("causa im objektiven Sinne"1!5) die schuldrechtliche Verpflichtung selbst sein, die deshalb auch Kausal- oder Grundgeschäft genannt wird. In der neueren Literatur findet sich keine Begründung mehr für diese Ansicht. Es ist stattdessen üblich, sich in dieser Frage auf ein anonymes "man sagt" ("Der Kaufvertrag ist die causa der Eigentumsübertragung"1!8) zurückDazu eingehend unten 2. Kapitel B. I. 1. c). So v. Tuhr H, 2 § 72, S. 90 f. 1l!! Kreß, SehR AT, S. 155 f. 123 Wegen Nachweise siehe Ehmann, S. 152 ff.; aus der neueren Literatur vgl. beispielsweise Joerges, S. 11; Pawlowski, S.297 sowie Beuthien I Weber, S. 12, die der Auffassung sind (S. 41), für den Rechtsgrund einer Zuwendung spielten die Zuwendungszwecke überhaupt keine Rolle. lU Vgl. Larenz, SchR H, S.19; Fikentscher, S.43; Huber, JuS 1972, 58; Welker, S.43, 54 sowie Jauernig I Schlechtriem, § 812 Anm. I 4. a). 125 So noch Larenz, SchR H, 9. Aufl.; bereits in der 10. Aufl. hat Larenz Begriffe wie causa im objektiven und subjektiven Sinne ersatzlos gestrichen. Das ist ein wissenschaftsgeschichtlich nicht uninteressanter Vorgang, der für sich selbst spricht. 126 So Flume, S. 156; ähnlich Pawlowski, S.297. Aus der Kommentarliteratur vgl. z. B. Jauernig, Anm. 2. d) bb) vor § 104. Demgegenüber schreibt Kegel, FS Mann, S.64 völlig zu Recht: "Die causa eines Erfüllungsgeschäfts (oder auch einer tatsächlichen Erfüllung wie Dienstleistung) ist also nicht, wie meist gesagt wird, das Verpftichtungsgeschäft (Grundgeschäft), sondern eine zusätzliche Abrede." Ebenso zutreffend RGZ 111, 151 (152). 110 121

42

1. Kap., A. Die Lehre vom Zweck

zuziehen. Da dieser Satz für Abwicklungsgeschäfte im Ergebnis zutrifft, ist er auch kaum auf Widerspruch gestoßen. Die h. M. macht die bei einem Spezialfall (Erfüllung einer Verpflichtung) beobachtete causa (Rechtsgrund) zum Modellfall für alle Zuwendungen. Das stellt jedoch eine unzulässige Vereinfachung dar, die Wesen und Bedeutung der causa verkennt. Mit ihrem Rechtsgrundbegriff hat sich die h. M. der Möglichkeit begeben, das ganze System der auf der Privatautonomie beruhenden Stufen der Güterbewegungen nach gleichen Rechtsregeln zu erfassen127 • Sie gerät bereits bei der Frage nach dem Rechtsgrund der schuldrechtlichen Verpflichtung - wenn sie sich dieser Frage überhaupt stelW 28 - in unlösbare konstruktive Schwierigkeiten: wie kann die schuldrechtliche Verpflichtung, die doch selbst Rechtsgrund ist, eines Rechtsgrundes bedürfen? Ebensowenig vermag die Ansicht der h. M. bei der Frage nach dem Rechtsgrund der Handgeschäfte zu überzeugen12D • Akzeptiert man die Ausgangsthese, wonach Rechtsgrund des Verfügungsgeschäftes das Verpflichtungsgeschäft ist, so bleiben zur Beantwortung dieser Frage nur zwei, gleichermaßen unbefriedigende Möglichkeiten: Man kann den Handgeschäften - wenn man ihre Existenz überhaupt für möglich hält - durch Vorsehalten einer Verpflichtung (Hineinfingieren einer Obligation130) Erfüllungscharakter beimessen. Dann ist zwar die Ausgangsthese gerettet, aber nur um den Preis, daß in letzter Konsequenz der Rechtsgrund der Zuwendung mit der Obligation fingiert wird. Als zweite Möglichkeit bleibt, sich mit einem gespaltenent:n Rechtsgrundbegriff zu behelfen: bei Erfüllungsleistungen soll das Schuldverhältnis der Rechtsgrund sein, während in anderen Fällen eine sog. Rechtsgrundabrede den Rechtsgrund der Leistung bilden soll132. Der Sinn dieser ohne Notwendigkeit unternommenen Distinktion ist aber nicht einzusehen. Sie ist der Folgefehler einer Entwicklung, welche die causa127 Beispielsweise ist Medicus, Rdnr.37, 38 ff. der Meinung, das Rechtsgrundproblem lasse sich mit Hilfe eines "in mehrfacher Hinsicht" korrigierten "groben Schemas" vermitteln. 128 Z. B. Ftume, S. 170 f., der dazu aber nur undeutliche Ausführungen macht: "causa sei nichts anderes als der Inhalt des Schuldvertrages" oder "causa der durch den kausalen Schuldvertrag vereinbarten Forderungen ist stets das kausale Geschäft in seiner Gesamtheit". Das gleiche gilt auch für Huber, JuS 1972, 58. 129 Die Wurzel dieses Unvermögens sieht Jahr SZ 80, S.145 bereits in der Pandektistik des 19. Jahrhunderts. 130 So Siber, Jh Jb 70, 251. 131 Weitnauer, FS v. Caemmerer, S. 267; Ehmann, S.165. 132 Larenz, SchR H, S. 471; Fikentscher, S.43 (Kausalabrede) ; Medicus, Rdnr. 44 (Zweckabrede) ; Welker, S. 56, 59 f. (vereinbartes reines Zuordnungsverhältnis).

111. Kausalität und Abstraktion

43

Lehre "ungenau und sogar überflüssig"l33 fand und deshalb glaubte, mit ihr brechen zu müssen.

111. Kausalität und Abstraktion Eine der zahlreichen Definitionen in der langen Geschichte der causaLehre lautete llM : "Causa eines Rechtsgeschäfts ist eine es begleitende Zweckvorstellung, welche in dem Sinne rechtlich relevant ist, daß die Nichterreichung des Zweckes die Wirkung des Geschäfts irgendwie alteriert." Mit der in diesem Zitat angesprochenen "Alteration" ist die Frage nach den Folgen des mangelnden Rechtsgrundes (Zweckverfehlung) aufgeworfen. Eine Antwort darauf gibt die kausale oder abstrakte Struktur eines Rechtsgeschäfts. "Abstrakt oder kausal sind Begriffe für die Form, in der ein Rechtsgrund auf eine Vermögensverschiebung einwirkt"l36. Die an der Zweckvereinbarung beteiligten Personen können das Rechtsgeschäft in verschiedener Weise von der Zweckerreichung (Rechtsgrund) abhängig machen. 1. Kausalität Der Rechtsgrund kann zur Wirksamkeitsvoraussetzung eines Rechtsgeschäfts gemacht werden mit der Folge, daß es nicht zustande kommt, wenn der einverständlich gesetzte Zweck nicht erreicht wird. In diesem Falle ist der Rechtsgrund als Bedingung138 für den Eintritt der recht133 1M

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Cohn, AcP 135, 81 FN 25.

KTiegsmann, S.6. Krawielicki, S.9. § 158; so Kreß, SchR AT, S.45 und öfter; danach ist das Zustandekom-

men kausaler Zuwendungsgeschäfte durch die Zweckerreichung bedingt. Siber, SchR S.170 f. und Festg. Sohm, S.16 11. sowie Jahr, AcP 168, 15 und SZ 80, 148 f. (für Leistungsversprechen), S. 154 f. (für reale Leistungen) lehnen die damit vorgegebene Trennung von Zuwendungsgeschäft und Zweckvereinbarung (dazu oben um FN 113) ab. Nach ihnen soll die Kausalabrede Teil (Inhalt) des kausalen Rechtsgeschäfts sein: ",Kausalität' eines Geschäfts kann demnach zunächst bedeuten ..., daß die Zwecksetzung zum Inhalt der den Vertrag konstituierenden Erklärungen gehört", so Jahr SZ 80, S. 149. Die Vertreter dieser Meinung konstruieren in das Angebot der (rechtsgeschäftlichen) Zuwendung zugleich den Antrag auf Abschluß der Rechtsgrundabrede, so daß es nur zusammen mit dem vorgeschlagenen Zweck angenommen werden kann; ähnlich v. Tuhr 11, 2 § 72, S.87; vgl. auch Jauernig / Vollkommer, § 305 Anm. 11. 2. sowie Kegel, FS Mann, S.79. Diese Konstruktionsweise taucht aber vereinzelt auch bei Kreß, SchR AT, S.49 FN 36; Weitnauer, FS v. Caemmerer, S.262; ders. NJW 1974, 1732; Oeckinghaus, S.60 auf; vgl. ferner Beuthien, S. 285. Dennoch ist der Bedingungskonstruktion der Vorzug zu geben, vgl. dazu unten 1. Kapitel A. 111. 4. a).

1. Kap., A Die Lehre vom Zweck

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lichen Wirkungen gesetzt, es liegt ein kausales, d. h. rechtsgrundabhängiges Rechtsgeschäft vor. Jedes Zuwendungsgeschäft kann bereits in seinem Entstehen von der Zweckerreichung (Rechtsgrund) abhängig gemacht werden, womit erneut die auch von Weitnauer137 angesprochene Parallelität in der rechtlichen Behandlung von Leistung und Leistungsversprechen deutlich wird.

a) Bei realen Zuwendungen Ist beim Handkauf das Erreichen des Austauschzwecks zur Bedingung der Wirksamkeit der beiderseitigen Verfügungsgeschäfte gemacht, so liegen selbstverständlich kausale Verfügungsgeschäfte vor. Bei der Sicherungsübereignung kann der Schuldner den Bestand der zu sichernden Forderung (das Erreichen des Sicherungszweckes) zur Bedingung (§ I58) der Wirksamkeit des Geschäfts machen. Mit ebensolcher Selbstverständlichkeit ist kausales Verfügungsgeschäft1 38 die Begründung von sog. akzessorischen Sicherheiten (Hypothek, Pfandrecht), denn die in der Sicherheitsleistung liegende reale Güterverschiebung kommt nicht zustande130, wenn der mit ihr verfolgte Sicherungszweck deswegen nicht erreicht werden kann, weil die zu sichernde Forderung nicht besteht140 • Die sog. Akzessorietät ist in Wirklichkeit nichts anderes als die gesetzlich angeordnete Abhängigkeit des Sicherungsrechts vom Sicherungszweck (= von der gesicherten Forderun'g). Bei der nichtakzessorischen Sicherheit (Sicherungsübereignung) muß diese Abhängigkeit . erst in Form einer Bedingung vereinbart werden, wenn sie von den Parteien angestrebt wirdl4l • b) Bei Leistungsversprechen

Im Bereich der Leistungsversprechen findet sich die Akzessorietät bei der Bürgschaft. Das Versprechen des Bürgen ist notwendig kausaP41, d. h. gesetzlich von der Erreichung des Sicherungszwecks bereits im FS v. Caemmerer, S.264, 265 jeweils unten. Auf Grund der §§ 1163 Abs. 1 Satz 1, 1252 liegt sogar notwendig Kausalität vor; dazu Kreß, SchR AT, S.46 und Ehmann, S. 162. Zutreffend insoweit auch Kegel, FS Mann, S. 65, 72, 78. 130 Zumindest nicht als Sicherungsrecht, Fremdhypothek; es entsteht bei Zweckverfehlung eine Eigentümergrundschuld, §§ 1163 Abs.l Satz 1, 1177. 140 Auch der Fortbestand kausaler Zuwendungsgeschäfte steht unter der Bedingung der Zweckerreichung (Rechtsgrund). Das hat für kausale Sicherungsgeschäfte bei Wegfall der gesicherten Forderung' gesetzlich in den §§ 1163, 1252 Ausdruck gefunden; in diesem Fall hat sich der Sicherungszweck "erledigt", so RGZ 148, 202; vgl. auch Kreß, SchR AT, S. 65 f. 141 Diesen Zusammenhang von Akzessorietät und Kausalität hat Zeiss, AcP 164, 61 verkannt. Richtig Kegel, FS Mann, S. 65. 141 Anderenfalls ist das Rechtsgeschäft nicht als Bürgschaft anzusehen; unzutreffend daher BGH WM 1974, 1129. 137 138

III. Kausalität und Abstraktion

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Entstehen abhängig, § 767 Abs.1. Die Bürgenverpflichtung ist unwirksam, wenn die Hauptschuld nicht besteht oder nachträglich wieder wegfällt. aa} Die Tatsache, daß der Frage nach dem Rechtsgrund von Leistungsversprechen in der Rechtswissenschaft kaum Beachtung geschenkt wird, hat zur Folge, daß auch die Kausalität der Verpflichtungsgeschäfte im allgemeinen nicht behandet wird. Nach unseren bisherigen überlegungen ist eine schuldrechtliche Verpflichtung dann kausal zugewendet, wenn die Parteien bereits ihr Zustandekommen von der Erreichung des vereinbarten Zweckes abhängig machen1,",. Die Parteien eines gegenseitigen, kausalen Versprechensvertrages des BGB haben nichts weiter getan, als den Erwerb der Gegenforderung zur Bedingung (sog. condicio in praesens relata, unechte Bedingung}1" der Wirksamkeit jeweils der eigenen Verpflichtung zu erheben~ Ist die Verpflichtung des einen Teils auf eine anfänglich unmögliche Leistung gerichtet, so kalUl der von den Parteien angestrebte Austauschzweck nicht mehr erreicht werden, gern. § 306 ist der ganze Schuldvertrag unwirksam; das Gesetz stellt hier nämlich keinen Ersatzerfüllungsanspruch zur Verfügung, mit dem der Zweck weiterverfolgt werden kÖlUlte. Ebenso ist es, wenn die eine Verpflichtung wegen Mangels in der Geschäftsfähigkeit des Erklärenden ungültig ist1". bb) Auch das Fortbestehen des kausalen Schuldvertrages ist kausal geregelt; er bleibt nach dem Zustandekommen vom Rechtsgrund abhängig. Tritt beispielsweise die Unmöglichkeit der einen Verpflichtung erst nach Entstehen des Versprechensvertrages ein, so ist mit ihrem Erlöschen (§ 275) der Austauschzweck: gestört, und die Gegenverpflichtung entfällt kraft gesetzlicher Anordnung (§ 323 Abs. 11te), es sei denn, der Austauschzweck wird mit dem Surrogatsanspruch aus § 281 Abs. 1 weiterverfolgt (§ 323 Abs.2). Demnach ist der Bestand des kausalen Versprechensvertrages insgesamt von der Zweckerreichung beeinflußt. Die Leistungsstörungen und ihre Rechtsfolgen können mit Störungen des U3 Vgl. dazu Weitnauer, FS v. Caemmerer, S.265; ders., Die abstrakten Verpflichtungen und das Problem des Rechtsgrundes, in: Wertpapierrecht, S.31. 1" Kreß, SchR AT, S.41. H. P. Westermann, S.102 fl., lehnt die Möglichkeit einer solchen Bedingung ab; als Folge hiervon kann er aber den Unterschied zwischen kausalen und abstrakten Rechtsgeschäften nicht mehr klar herausstellen und muß schließlich die Rechtsfolgen einer Zweckverfehlung der Regelung durch die Parteien entziehen und dem Gesetz zuweisen (S. 103). Gegen ihn schon Ehmann, S. 179 f. 145 Dazu auch H. P. Westermann, S. 87 f. 1~8 § 323 Abs. 1 zieht für die Gegenverpflichtung nur die Folgerungen aus der Kausalität; a. A. H. P. Westermann, S.105.

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1. Kap., A Die Lehre vom Zweck

vereinbarten Zwecks erklärt werden1.n , auch für die Abwicklung eines Schuldverhältnisses gilt: "Der Zweck bleibt die Seele des Schuldverhältnisses"u8. Die soeben dargestellte Bedeutung des Austauschzweckes bei Entstehen und Fortbestehen typisch kausaler Verpflichtungsgeschäfte wird in der heutigen Schuldrechtsliteratur mit den "verdunkelnden Fremdwörtern"149 "genetisches und funktionelles Synallagma" umschrieben. Damit ist aber die Bedeutung des Zwecks für das Leistungsverspreehen noch nicht erschöpft. Aus der Zweckbeziehung zum Gläubiger kann der Schuldner nämlich Einreden und Einwendungen herleiten160• Mit der Einrede des nichterfüllten Vertrages (§ 320) beispielsweise wird die wirtschaftliche Erreichung des Austauschzwecks sichergestellt, und § 321 begründet für den Vorleistungspflichtigen sogar bei bloßer Gefahr der Verfehlung des ursprünglichen Austauschzwecks ein Leistungsverweigerungsrecht. Andere Einwendungen (Verjährung, Treu und Glauben, Stundung, Erfüllung etc.) knüpfen an Zweckbeziehungen der Beteiligten an oder gehen jedenfalls davon aus. Die Bereicherungseinrede (§ 821) leitet sich direkt aus dem Zuwendungszweck (Zweckverfehlung) ab. Der Umstand, daß sich Einwendungen in gewissem Umfang auf Zweckbeziehungen kausal (zweck-) verbundener Personen zurückführen lassen, wird später bei der Behandlung der Dreipersonenverhältnisse noch eine wichtige Rolle spielen. 2. Abstraktion bei Leistung und Verpflichtung

Ist der Rechtsgrund nicht zur Wirksamkeitsvoraussetzung einer Vermögensverschiebung gemacht, so liegt nicht Kausalität, sondern deren Gegenteil, nämlich Abstraktion der Zuwendung vom Rechtsgrund vor; denn dann ist das abstrakte Rechtsgeschäft in seinem Zustandekommen vom Rechtsgrund gerade unabhängig (reehtsgrundunabhängig), die Zweckerreichung nicht als Bedingung gesetzt, der Zweck vielmehr lediglich mit der Zuwendung verbunden ("in den Inhalt des Rechtsgeschäfts" 147 So insb. Kreß, SchR AT, S. 59 f.; H. P. Westermann, S. 87 f., 105; vgl. auch Kegel, FS Mann, S. 67 11. Die §§ 324 11. lassen die Verpflichtung trotz Verfehlung oder Störung des Austauschzwecks jeweils unter dem Gesichtspunkt bestehen, daß der Verpflichtete die Zweckstörung zu vertreten hat; die §§ 324 11. sprechen demnach nicht gegen die Bedingungskonstruktion von Kreß, so aber H. P. Westermann, S.105. Für das franz. Recht siehe Capitant, S. 1511.; dazu audJ. Weitnauer, FS Paepcke, S.619. HB Kreß, SchR AT, S.59. Ug So Weitnauer, FS v. Caemmerer, S.265 und bereits H. P. Westermann, S.83. 1~O V. Tuhr II, 2 § 73, S. 112 schreibt: .. Entsprechend der causa ... (ist) die Verpflichtung ... verschiedenen Einwendungen und Einreden ausgesetzt."

111. Kausalität und Abstraktion

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aufgenommen 15l). Gleichwohl ist den Parteien nicht gleichgültig, ob der von ihnen abstrakt gesetzte Zweck verfehlt wird, sie haben die Zweckerreichung bloß zurückgestelWlIl!. Jeder ein Vermögensopfer begleitende Zweck soll nach dem Willen des Zuwendenden erreicht werden, auch der vorläufig zurückgestelltelli3 • Die abstrakte Zuwendung ist nämlich in ihrem Fortbestehen von der Zweckerreichung abhängig gemacht. Sie hat keinen Bestand, wenn die mit ihr getroffene Zweckbestimmung nicht zum Ziel geführt hat, gleichgültig, ob der Rechtsgrund von Anfang an gefehlt hat oder erst später weggefallen ist. In diesen Fällen fehlt es an einem von den Beteiligten herbeigeführten, die Güterverschiebung rechtfertigenden Rechtsgrund; der Empfänger ist ungerechtfertigt bereichert. Die Zuwendung kann schuldrechtlich mit der Leistungskondiktion zurückgefordert werden. Damit lassen sich Bestand oder Nichtbestand einer abstrakten Vermögensverschiebung - ebenso wie zuvor schon die Zweckbestimmung und der Rechtsgrund selbst - letztlich auf den rechts geschäftlich erklärten Willen des Zuwendenden zurückführen, der sich für den Fall, daß der mit seinem Vermögensopfer angestrebte Zweck: verfehlt wird, schlüssig die Rückforderung schon durch die zur Zweckvereinbarung führende Zweckbestimmung vorbehalten hat1M• Bei abstrakten Vermö1S1 Im Sinne des § 812 Abs.l Satz 2 2. Alt.; vgl. Kreß, SchR AT, S. 45 ff. Wenn dagegen gesagt wird, daß bei abstrakten Rechtsgeschäften der Zweck gerade aus dem Inhalt des Rechtsgeschäfts verbannt sei, so liegt dem eine andere Vorstellung von der Abstraktion zugrunde, der auf der anderen Seite bei der Kausalität die Ansicht entspricht, der Zuwendungszweck sei Inhalt des Tatbestands des Rechtsgeschäfts (vgl. oben FN 136). Diese Konstruktion (dazu noch später) geht wohl zu sehr von der philosophischen Bedeutung des Begriffs der Abstraktion aus: abstrahieren = abziehen, absehen von etwas ... , abstrakt (lat. = "abgezogen"), so Philosophisches Wörterbuch, Kröner Verlag, 20. Auflage 1978. Man meint ganz offensichtlich, die Abstraktion im Bereich des Rechts damit erklären zu können, daß man das Konkrete eines Vertrages (den Zuwendungszweck) aus dem Tatbestand entfernt, und nur noch die allgemeinen Rechtsfolgen übrig läßt; vgl. dazu insb. auch Pawlowski, S.295 ("verselbständigt"). Das ist jedoch unzutreffend (vgl. wegen weiterer Implikationen dieser Betrachtungsweise noch unten um FN 186 ff.); die philosophische Bedeutung von "abstrakt" braucht nicht der rechtswissenschaftlichen zu entsprechen. Anderenfalls müßte man wirklich mit Cohn, AcP 135, 74 FN 13 fragen, wieso denn der Zweck angeblich für die Kondiktion bedeutsam sein soll, wenn er zuvor aus dem Inhalt des Rechtsgeschäfts verdrängt worden ist. 152 Kreß, SchR AT, S.46; v. Tuhr 11, 2 § 73, S.103: "Von der causa wird zunächst abgesehen." lS3 Das verkennt Cohn, AcP 135, 74, 75, der meint, beim abstrakten Rechtsgeschäft sei die causa für immer aus dem Geschäft verschwunden. Ähnlich auch KlingmüHer, der beim abstrakten Rechtsgeschäft die causa in die Stellung eines bloßen Motivs zurückdrängen (S.33, 37, 84 und öfter) und durch §§ 812 ff. wieder hervortreten lassen will (S. 104). 1M Diese Ableitung kann man auch Quasikontraktstheorie nennen; vgl. auch Kreß, SchR BT, S. 329 f.; Weitnauer, FS v. Caemmerer, S.264 und NJW 1979, 2011 FN 25. Kritisch dagegen KlingmüHer, der diese Erklärung meta-

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1. Kap., A. Die Lehre vom Zweck

gensverschiebungen begründet die Rechtsgrundlosigkeit (Zweckverfehlung) somit eine aus dem rechtsgeschäftlichen Willen des Leistenden zu erklärende Leistungskondiktion. Die Rückgewähr einer auf Grund Leistung erfolgten Vermögensvermehrung gehört demnach zum Recht der Güterbewegung156 • Aus diesem Grunde kann der § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. (Zweckverfehlung) als das allgemeine Prinzip des Bereicherungsrechts betrachtet werden1'8. Die bei der vorliegenden Arbeit zugrundegelegte Symmetrie der Güterbewegungen (Leistungsversprechen, reale Leistungen) besteht auch hier. Sowohl bei realen Leistungen, als auch bei bloßen Leistungsversprechen kann die Zweckerreichung (causa, Rechtsgrund) abstrahiert werden, d. h. es kann zu ihrem Zustandekommen allein die Einigung über den "nackten" Rechtserfolg ausreichen. Eine solche ParaUelisierung von obligatorischem und dinglichem Vertrag ist einerseits entschieden abgelehnt, auf der anderen Seite jedoch auch als zwar erstrebenswert, aber in der Rechtswissenschaft noch nicht erreichbar angesehen worden167•

Verfügungen werden regelmäßig als abstrakt angesehen, ob sie dagegen notwendig abstrakt sind, ist eine andere Frage. Denknotwendig abstrakt sind bei realen Vermögensverschiebungen zum Beispiel rein tatsächliche Zuwendungen: die Verschaffung des Besitzes, Dienst- und Arbeitsleistung, Eintragung ins Grundbuch. In diesen Fällen kann der Vermögensübergang nicht mit Hilfe einer Bedingung aufgehalten werden1M• Aufgrund gesetzlicher Anordnung notwendig abstrakt sind beiphysisch nennt (S. 105 f.). Vgl. hierzu noch Windscheid, Lehre von der Voraussetzung. S.3, 9 f.; dazu Simshäuser, AcP 172, 21, 26, 28/29. 156 So Kreß, SchR AT, S.4 FN 7; ebenso v. Caemmerer, FS Rabel, S.353. Bei der Kondiktion in sonstiger Weise geht es dagegen nicht um die Rückabwicklung fehlgeschlagener Güterbewegungen (vgl. oben FN 100), sondern um den Güterschutz (vgl. BGHZ 55, 176 - Jungbullenfall - und BGHZ 59, 97); dazu auch Kreß, SchR BT, S.335; Köndgen, Festg. Esser, S.57. Aus diesem Grund ist jede bereicherungsrechtliche Einheitslösung von vornherein abzulehnen. 166 Vgl. dafür die Gesetzesmaterialien Mot. H, 832 = Mugdan H, S.464: "In der That bildet die condictio indebiti hiernach einen Unterfall der condictio ob rem ... ". Ebenso vor allem auch: Windscheid, Pand. H, § 426; Kreß, SchR BT, S. 329; Jung, S.58, 129, 137 und öfter; Enneccerus / Lehmann, S.887; Weitnauer, FS v. Caemmerer, S.264; Jahr SZ 80, S.151; Oeckinghaus, S.53 mwN; Wieling, JZ 1977, 291 FN 6. Ablehnend: v. Caemmerer, FS Rabel, S.346; Batsch, NJW 1973, 1640; Harder, AcP 174,480; Welker, S. 35 ff. 167 Ablehnend: Neubecker, S.2 FN 6 und S. 6; Ulmer, Wertpapierrecht, S.61 FN 34 und S.63. Dagegen hat Rümelin, AcP 97, S.220 um FN 29 "die Frage, ob es später einmal gelingen werde, eine einheitliche, beide Gebiete (sc. Leistungsversprechen, reale Leistung) umspannende Causalehre zu begründen", ausdrücklich offengelassen. 168 Kreß, SehR AT, S. 46; v. Tuhr H, 2 § 73, S. 105; Krawielicki, S.11, 15 ff.; Kegel, FS Mann, S. 65.

IH. Kausalität und Abstraktion

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spielsweise die Auflassung (§ 925 Abs. 2) und die Erbbaurechtsübertragung (§ 11 Abs. 1 Satz 2 ErbbauVO). Eine abstrakte, rechtsgrundunabhängige Verpflichtung liegt dann vor, wenn bei ihrer Begründung die Zweckerreichung nicht zur Wirksamkeitsvoraussetzung gemacht worden ist. Sie ist aber - wie gesagt - in ihrem Fortbestand vom Rechtsgrund abhängig (§§ 780, 781)l5V. Daß abstrakte Versprechen nicht der natürlichen Denkweise der Parteien entsprechenlllO, macht sie nicht unmöglich, sondern allenfalls zu seltenen Erscheinungen im Rechtsleben. Wenn Kreß 1f11 davon spricht, daß den abstrakten Forderungen ein Schärfungszweck zugrunde liegt, so ist damit nur die Wirkung der Forderung gemeint. Der Gläubiger braucht im Prozeß die Existenz eines Rechtsgrundes der Forderung weder zu behaupten noch zu beweisen, insoweit trägt der Schuldner die Beweislast (Beweislastumkehr). Ferner setzt die abstrakte Verpflichtung eine neue Verjährungsfrist in Lauf, und nicht zuletzt besteht für den Gläubiger der Vorteil darin, daß er den Weg des Urkundsprozesses (§§ 592 ff. ZPO) beschreiten kann. Der Schuldner hat dagegen bei Verfehlung des von ihm gesetzten Zweckes die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung, er kann sein Schuldversprechen aber auch vom Gläubiger kondizieren, §§ 821, 812 Abs. 2. 3. Abstrakte und kausale Gestaltung der Redltsgesdläfte

Die kausale oder abstrakte Gestaltung der Vermögensverschiebungen ist keineswegs so unflexibel oder sogar gesetzlich festgelegt, wie ein Blick in viele Lehrbücher nahezulegen scheint111ll •

a) Parteiautonomie Sie unterliegt vielmehr grundsätzlich der Parteiautonomie. Der Zuwendende hat demnach nicht nur die Wahl des Gegenstandes der Zuwendung (Leistungsversprechen, reale Leistung), er kann nach dem hier vorzustellenden Schuldrechtssystem den Zweck und die Abhängigkeit der Güterbewegung vom Rechtsgrund selbständig festlegen. 169 Diese Verpllichtungen sind, worauf Jahr SZ 80, S.149 FN 28 hinweist, bezeichnenderweise im Gegensatz zu sonstigen Verpllichtungsgeschäften (Miete, Kauf, Darlehen etc.) im Gesetz nicht benannt; sie heißen vielmehr ganz "farblos" nur: Schuldversprechen; kritisch zu diesem Begriff v. Tuhr H, 2 § 73, S.114 FN 68. 1110 Kreß, SehR AT, S.49. 181 SchR AT, S.506 FN 31; ders. SchR BT, S.257. 111ll Ftume, S. 157 und v. Tuhr H, 2 § 73, S. 104 meinen dagegen, "die abstrakte Beschaffenheit der Verfügungsgeschäfte" ergebe sich aus dem Gesetz; ebenso auch H. P. Westermann, S.183 ("Wille des Gesetzes") und Krawielicki, S. 10 ff.

4 Schnauder

1. Kap., A. Die Lehre vom Zweck

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So können zwei Personen den Austausch von Gesellschaftsanteilen und einer bestimmten Geldsummel83 folgendermaßen vorbereiten oder vornehmen: durch Leistungsversprechen, wobei der Austauschzweck kausal oder abstrakt vereinbart sein kann; durch reines Handgeschäft, wobei wiederum die Erreichung des Austauschzwecks entweder zur Wirksamkeitsbedingung jeder Zuwendung gemacht oder abstrahiert werden kann; oder schließlich durch gemischten Realvertrag, erneut entweder kausal oder abstrakt. Den Parteien steht es also frei, kausal oder abstrakt zu versprechen oder zu verfügen. Es gibt aber nur diese beiden Möglichkeiten: entweder ist die Zuwendung vom Rechtsgrund abhängig (kausal) oder nicht (abstrakt), tertium non datur. Die mangelnde Erreichung eines jeden mit der Zuwendung verbundenen Zwecks (fehlender Rechtsgrund) wirkt auf diese in jedem Falle nach Maßgabe der Kausalität oder Abstraktion ein: Ist die Zuwendung nicht schon unwirksam, so muß sie jedenfalls über § 812 in Frage gestellt werden können; eine abstrakte Vermögensverschiebung ist demnach bei Zweckverfehlung kondizierbar, die reale Leistung gemäß § 812 Abs. I, das Leistungsversprechen gemäß § 812 Abs. 2. Ob die Parteien abstrakt oder kausal zuwenden wollten, ist durch Auslegung ihrer Erklärungen zu ermitteln. Dazu sind wie auch sonst bei Auslegung von Willenserklärungen Verkehrsauffassungen und auch übungen und Gebräuche des Rechtsverkehrs heranzuziehen. So mag als Anhaltspunkt für die Auslegung die Tatsache dienen, daß das kausale Wollen der natürlichen Denkungsart der Menschen entspricht, wonach ein Vermögensopfer endgültig nur erbracht wird, falls der von ihnen damit erstrebte Zweck erreicht wird; der abstrakte Wille stellt die Ausnahme darI6 '. b) Angestaffelte Zwecke

Angestaffelte Zwecke werden ebenfalls kausal vereinbart oder abstrahiert, je nachdem, ob die Erreichung des angestaffelten Zwecks als Wirksamkeitsbedingung des Zuwendungsgeschäfts vereinbart ist oder nichtl65 • In der Mehrzahl der Fälle dürften die Parteien von der Erreichung des weiteren Zwecks abstrahieren, so daß das Rechtsgeschäft dann jedenfalls insoweit abstrakt istl66 • Die Komplikation liegt nun darin, daß der zugleich vereinbarte typische Zweck das Zustandekommen oder zumindest das Fortbestehen der Zuwendung ebenfalls beeinVgl. oben um FN 31. Kreß, SehR AT, S.48. 165 Dazu Kreß, SehR AT, S.37 FN 6 und S. 62. 166 So Kreß, SehR AT, S.45 FN 25; v. Tuhr H, 2 § 72, S.81 FN 123. Die condicionis implendae causa wird als angestaffelter Zweck idR ebenfalls abstrahiert, darüber v. Tuhr H, 2 § 73, S. 108. 163

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II!. Kausalität und Abstraktion

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ftußt. Daraus folgt, daß die Vermögensverschiebung teils kausal und teils abstrakt vorgenommen werden kann, daß sie also beispielsweise im Entstehen von der Erreichung des ersten Zwecks abhängig und von der Erreichung des weiteren Zwecks unabhängig vorgenommen werden kann. Zur Veranschaulichung mögen zwei Beispiele dienen: A kann dem B eine bestimmte Geldsumme unentgeltlich versprechen oder gewähren, damit B an ihn oder einen Dritten eine Zuwendung erbringt oder verspricht oder sich in bestimmter Weise tatsächlich verhält. Hier ist dem Unentgeltlichkeitszweck ein weiterer, atypischer Zweck angestaffelt167 • Die Einigung über den Unentgeltlichkeitszweck, mit der zugleich die Zweckerreichung verbunden ist117, kann A zur Bedingung seiner Güterbewegung machen oder davon abstrahieren. Nach der Verkehrsauffassung kann wohl davon ausgegangen werden, daß der Liberalitätszweck grundsätzlich kausal vereinbart wird. Ist auch die Erreichung des weiteren Zwecks zur Bedingung des Bestandes der Zuwendung A-B gemacht, so liegt eine sog. bedingte Schenkung188 vor; steht die Zuwendung des A nicht unter einer solchen Bedingung, ist sie also insoweit abstrakt, so spricht man auch von Zweckschenkung188 • Fällt der angestaffelte Zweck aus, so hat das im ersten Falle die Unwirksamkeit, im zweiten Falle die Kondizierbarkeit der Vermögensverschiebung des A zur Folge. Im zweiten Beispielsfalle wollen wir annehmen, daß der A dem B aufgrund vorgängiger Verpftichtung170 eine akzessorische Sicherheit (Bürgschaft. Hypothek, Mobiliarpfand) bestellt. Der Sicherungszweck wird dabei kausal (Akzessorietät), der angestaffelte Erfüllungszweck abstrakt171 vereinbart. Wird bereits der erste Zweck verfehlt (weil die zu sichernde Forderung nicht - mehr - besteht), so kommt das Sicherungsgeschäft überhaupt nicht zustande oder wird unwirksam; darauf, ob der angestaffelte Zweck erreicht worden ist, kommt es gar nicht mehr an, 167 Dagegen ist es nicht möglich, hinter den Unentgeltlichkeitszweck den Austauschzweck anzustaffeln; diese beiden Zwecke können aber gemischt werden (z. B. bei der Schenkung unter Auflage); dazu Kreß, SchR AT, S. 79/80; vgl. auch bereits oben FN 49. 168 Medicus, Rdnr.376; damit liegt eine insgesamt kausale Zuwendung vor. Vgl. dazu auch Krawielicki, S.97. 169 Vgl. Medicus, Rdnr.377; in diesem Fall liegt ein teils kausales (Liberalitätszweck), teils abstraktes (angestaffelter atypischer Zweck) Zuwendungsgeschäft vor. Dazu ebenfalls Krawielicki (FN 168). Die Terminologie ist aber in beiden Fällen unglücklich, da, sobald ein neuer Zweck zur causa donandi tritt, keine reine Schenkung mehr vorliegt; vgl. dazu bereits oben FN 57. 170 Denkbar ist aber auch eine dahingehende gesetzliche Pflicht: §§ 1039, 1051, 1067, 2128. 171 So auch v. Tuhr I!, 2 § 72, S.81 (für die Bürgschaft) und § 73, S. 103 FN 6 (für Pfandrecht und Hypothek); vgl. ferner Kreß, SchR AT, S.37 und Ehmann, S. 185.

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1. Kap., A. Die Lehre vom Zweck

weil der Rechtsgrund für die Sicherheitsleistung des A erst mit der Erreichung beider Zwecke gegeben ist. Wird dagegen erst der zweite Zweck verfehlt (weil eine Verpflichtung zur Bestellung der Sicherheit nicht bestand), so entbehrt das Sicherungsgeschäft zwar des Rechtsgrundes, aber es bleibt wirksam, da es insoweit rechtsgrundunabhängig (abstrakt) ist; der Sicherungsgeber A kann es jedoch wegen Zweckverfehlung kondizieren, § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. m . Auch ein ansonsten kausales Verpflichtungsgeschäft kann demnach infolge der abstrakten Anstaffelung eines weiteren Zwecks zu einem teils kausalen (was den ersten Zweck anlangt) und teils abstrakten (hinsichtlich des zweiten Zwecks) Rechtsgeschäft werdenl73 • Als weiteres Beispiel kann man auch an den Fall denken, daß ein Bürgschaftsversprechen zur Abwendung eines drohenden Disziplinarverfahrens gegeben wird17~. Bei Ausfall des atypischen Zwecks, also wenn das Disziplinarverfahren doch eingeleitet wird, bleibt das Bürgschaftsversprechen zwar wirksam, es kann aber vom Bürgen wegen Zweckverfehlung (§ 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alt.) kondiziert werden. In einem anderen Fall hat das Reichsgericht176 ein Auflassungsversprechen bei Verfehlung des angestaffelten atypischen Zwecks der Errichtung einer militärischen Anlage für kondizierbar gehalten. Abschließend kann also festgehalten werden, daß die Lehre von Kreß auch in Fällen, in denen die Vertragsparteien mehr als einen Zuwendungszweck vereinbaren, ohne weiteres zu bereicherungsrechtlichen Ergebnissen führt, die nicht nur dem erklärten Willen des Leistenden entsprechen, sondern auch unmittelbar daraus abgeleitet werden können. 4. Parteiwille und Abstraktionsgrundsatz

Mit diesen Möglichkeiten kausaler oder abstrakter Ausgestaltung von Zuwendungen sind die Grenzen der Privatautonomie noch nicht erreicht. Unsere Frage nach Kausalität oder Abstraktion einer Vermögensverschiebung kann nämlich noch um eine Stufe höher getrieben werden.

a) Inhaltliche und äußerliche Abstraktion Da sich die causa (Rechtsgrund) aus zwei Elementen, nämlich der Zweckvereinbarung und der Zweckerreichung zusammensetzt, steht es im 172 Ebenso v. Tuhr Ir, 2 § 76, S.178. Für die Bürgschaft im franz. Recht vgl. Vivant, S. 223. 173 Krawieticki, S.9 hält dagegen in solchen Fällen den ganzen Vertrag einheitlich für abstrakt. 174 RGZ 118, 358. 176 RGZ 132, 258. Gegen diese Entscheidung zu Unrecht Welker, S.113.

III. Kausalität und Abstraktion

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Belieben der Parteien, das Zustandekommen einer Zuwendung (aber nur einer rechtsgeschäftlichen) bereits von der wirksamen Zweck:vereinbarung abhängig (kausal) oder unabhängig (abstrakt) zu machen. In diesem Falle kann man im Anschluß an Jahr von der inhaltlichen Kausalität (das Zustandekommen der Zweck:vereinbarung ist Bedingung für das Entstehen des Rechtsgeschäfts) oder Abstraktion sprechen17S• Gleichzeitig können die Parteien die Zweckerreichung zur Bedingung der Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts machen (äußerliche Kausalität177) oder die Rechtsfolgen des Rechtsgeschäfts ohne Rücksicht auf diese entstehen lassen (äußerliche Abstraktion17l1). Wenn Jahr glaubt17D, Siberl80 meine mit der Bezeichnung "innerer Rechtsgrund" dasselbe wie inhaltliche oder äußerliche Kausalität, so ist das deswegen zweifelhaft, weil mit dieser Bezeichnung (ähnlich auch der Terminus Blomeyers 181 "innere causa") nur der Vertragszweck des Schuldvertrages gemeint ist. Des weiteren bezeichnen Siber und Blomeyer mit den Ausdrükken "äußerer Rechtsgrund, äußere causa" den Zweck einer realen Leistung l82 • Die Bezeichnungen von Siber und Blomeyer, denen sich u. a. auch Jahr zumindest der Sache nach anschließt, sind aus einem besonderen, bereits erwähnten Verständnis183 der kausalen und abstrakten Geschäfte zu erklären. Während wir davon ausgegangen sind, daß ein kausales Rechtsgeschäft dann vorliegt, wenn die Parteien die Erreichung des einverständlich verfolgten Zwecks zur Bedingung des Zustandekommens des Rechtsgeschäfts gemacht 178 Jahr SZ 80, S.149; ders. AcP 168, 17. Das damit verbundene Problem wird im Schrifttum regelmäßig bei der Behandlung der Verfügungsgeschäfte vernachlässigt. 177 Nach Jahr (FN 176). Dieses Problem wird zwar bei Verfügungsgeschäften, nicht jedoch bei kausalen Schuldverträgen erörtert. 178 Auch v. Tuhr II, 2 § 73, S. 105 kennt die mit der äußerlichen Kausalität und Abstraktion angesprochenen Gestaltungsmöglichkeiten. Ebenso auch Jauernig, Anm. IV. 2. vor § 854, der aber von dem hier abgelehnten unzulänglichen Rechtsgrundbegriff der h. M. (vgl. oben um FN 123 ff.) ausgeht. Die Kritik an Jahr, die Jauernig in diesem Zusammenhang übt, wird deshalb dem System von Jahr nicht gerecht. Das gilt auch für den Einwand Jauernigs, Jahr werfe die Zwecke der Leistungs- und der Verpfiichtungsebene zusammen (der sich offenbar auf das Beispiel Jahrs bezieht, daß ein inhaltlich kausales Geschäft, z. B. ein Kaufvertrag, in Erfüllung eines - unwirksamen - Vorvertrages abgeschlossen wird). Hier verfolgen die Parteien in der Tat mit dem Abschluß des Kaufvertrages neben dem Austauschzweck noch den Erfüllungszweck. Das ist insb. in dem hier vorgestellten Schuldrechtssystem von Kreß kein Widerspruch. Zu diesem Fall noch unten FN 233. 178 SZ 80, S. 149 FN 29. 180 SehR S. 171. 181 SchR S. 82. 182 Larenz, SchR II, 9. Aufl., S. 367 nannte diesen Zweck "causa im subjektiven Sinne"; "causa im objektiven Sinne" sollte dagegen, wie erwähnt (vgl. oben bei FN 125), der Rechtsgrund i. S. d. § 812 sein. Ähnlich unzutreffend auch Beuthien, S. 286 f., wo verkannt wird, daß sich die inhaltliche Abstraktion im Sinne Jahrs nur auf die Zweckvereinbarung, nicht jedoch auf die Zweckerreichung bezieht; zu Recht kritisch daher Ehmann, JZ 1968, 555 FN 84 und Oeckinghaus, S.50 FN 35 jeweils mwN. 183 Vgl. oben FN 136.

1. Kap., A. Die Lehre vom Zweck

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haben (Bedingungskonstruktion, § 158), gehen die hier genannten Autoren dagegen von einer anderen Konstruktion, jedenfalls im Grundsatz, aus, die Tatbestandskonstruktion genannt werden kann. Denn nach dieser Ansicht sind kausale Geschäfte dadurch charakterisiert, daß der mit ihnen verfolgte Zweck notwendig Inhalt des Rechtsgeschäfts selbst wird 183 ; konstruktiv wird danach die Zweckbestimmung als Teil des Zuwendungsangebots aufgefaßt184 . Daß diese Tatbestandskonstruktion wohl unbewußt die philosophische Bedeutung des Begriffs "Abstraktion" zugrunde legt, ist bereits185 oben kritisiert worden. Hier ist nun weitere Kritik anzubringen. Denn ist, wie Jahr annimmt, bei der inhaltlichen Kausalität der Zuwendungszweck in den Tatbestand des Zuwendungsgeschäfts konstitutiv integriert, so kann dieser Abstraktionsbegriff die inhaltliche Abstraktion nicht mehr erklären: Wie soll denn die Zweckvereinbarung aus dem Tatbestand verwiesen werden, ohne daß "die auf diese Weise ausgeschiedene Kausalabrede als besonderes Rechtsgeschäft verstanden wird"?186. In der Tat steht Jahr - wie er übrigens selbstt87 erkennt - vor einem Widerspruch, den unsere Betrachtungsweise venneidet. Denn danach ist die Zweckvereinbarung ohne weiteres als eigenständiges Rechtsgeschäft anzusehen l88 • Eine weitere Schwäche der Tatbestandskonstruktion liegt darin, daß sie die inhaltliche und äußerliche Kausalität nicht einheitlich erklären kann. So konstruiert Jahr unterschiedlich, je nachdem, ob die Kausalität der Zweckvereinbarung oder die der Zweckerreichung erklärt werden soll. Im ersten Fall will er die Kausalität aus dem modifizierten Antrag folgern 189, im zweiten Fall arbeitet Jahr schließlich auch, wenn auch nicht ausdrücklich, mit der Bedingungskonstruktionl90• Auch bei der Konstruktion der inhaltlichen und der äußerlichen Abstrahierung eines Rechtsgeschäfts bedient sich Jahr gleichzeitig einmal der Tatbestandskonstruktion und zum anderen der Bedingungskonstruktion. Dagegen kann, wie wir gesehen haben, die Bedingungskonstruktion die hier anstehenden Probleme einheitlich lösen. Mit ihr venneidet man auch die im Zusammenhang mit der Tatbestandskonstruktion auftretenden Ungereimtheiten bei bedingungsfeindlichen Rechtsgeschäften; so ist zum Beispiel nach dieser Theorie bei der Auflassung streitig, ob die Auflassungserklärung inhaltlich kausal ausgestaltet werden kann, d. h. ob sie von der Vereinbarung über den Zweck der Eigentumsübertragung abhängig gemacht werden kann. Siber191 hat gemeint, es liege keine Bedingung, "sondern eine zulässige Modifikation des übereignungsantrags" vor. Dagegen hat v. Tuhr19! sich unter Berufung auf die ratio legis des § 925 Abs. 2 dafür entschieden, keine inhaltlich kausale Gestaltung zuzulassen. 184

185 188 187 188 189 190 m 191

Jahr SZ 80, S. 148 f., 154 f.

Vgl. FN 151. So fragt Jahr SZ 80, S. 154 selbst. SZ 80, S. 155 f. Vgl. oben FN 113. SZ 80, S. 154 FN 36 und S. 157. SZ 80, S.150, 157. Festg. Sohm, S.18 sowie Jahr SZ 80, S.154 FN 36. Ir, 2 § 73, S. 107 FN 26.

III. Kausalität und Abstraktion

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Kreß1~ und Weitnauer194 kommen vom Standpunkt der Bedingungskonstruktion aus zum richtigen Ergebnis: die Auflassung darf nicht von der Einigung über deren Zweck abhängig gemacht werden; das Gesetz verlangt, daß sowohl von der Zweckvereinbarung als auch von der Zweckerreichung abstrahiert wird (inhaltliche und äußerliche Abstraktion).

Die mit der inhaltlichen und äußerlichen Kausalität / Abstraktion verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten stehen den Parteien wiederum bei Leistungsversprechen und reaZen Leistungen gleichermaßen zur Verfügung. Die damit zweifellos verbundene Komplikation der Vertragsbeziehungen beruht auf der Parteiautonomie und kann deshalb nicht mit dem Hinweis auf den Willen des Gesetzes (Abstraktionsprinzip)16! geleugnet werden. Der (erklärte) Wille der Parteien soll entscheiden: Danach können die Parteien von Zweckvereinbarung und Zweckerreichung insgesamt abstrahieren (so etwa bei den abstrakten Verpflichtungen der §§ 780, 781), oder den Zuwendungserfolg vom Rechtsgrund insgesamt abhängig machen (so bei den gesetzestypischen Versprechensverträgen des BGB). Ferner können die Parteien die (rechtsgeschäftliche) Zuwendung teilweise kausal (von der Zweckvereinbarung abhängig) und teilweise abstrakt (von der Zweckerreichung unabhängig) gestalten111S . b) MinimaZ- oder MaximaZkonsens?

Der Leistende will im Zweifel sein Vermögensopfer nach Möglichkeit schon gar nicht eingehen, wenn der Empfänger mit dem von ihm dafür bestimmten Zweck nicht einverstanden ist. In diesem Fall steht nämlich vOn vornherein fest, daß der von ihm angestrebte Rechtsgrund nicht erreicht werden kann. Kann er jedoch das Ziel seines Vermögensopfers nicht erreichen, dann wird man davon auszugehen haben, daß er überhaupt nicht zuwenden wollte. Daher geht bei Dissens über den Zweck des Eigentumsüberganges - der A übereignet zum Zwecke der Erfüllung, B nimmt aber als Schenkung an - richtiger Ansicht nach im Zweifel das Eigentum nicht über. Die übereignung ist demnach, wenn nicht eine andere Vereinbarung der Parteien vorliegt, von der Zweckerreichung, nicht jedoch von der Zweckvereinbarung abstrahiert196 . 193 SchR AT, S.46 FN 29. 194 FS v. Caemmerer, S. 264 FN 36. 195 Äußerliche Abstraktion bei inhaltlicher Kausalität; Kreß, SchR AT, S.47 FN 31; Jahr SZ 80, S.161; Ehmann, S.149, 161; Weitnauer, NJW 1974, 1732; Harder, AcP 174, 481 hält diese Auffassung für "atavistisch". - Der umgekehrte Fall (inhaltl. Abstraktion bei äußerl. Kausalität) ist nicht denkbar; so auch Jahr, AcP 168, 17. 196 So Kreß, SchR AT, S.49; v. Tuhr II, 2 § 72, S.87 und § 73, S. 106 FN 25; Esser, SchR noch in der 2. Aufl., S.301; Flume, S.182 ("mit Selbstverständlichkeit"); Weitnauer, NJW 1974, 1732; Ehmann, S. 157 ff.; ders. NJW 1969, 1837.

1. Kap., A. Die Lehre vom Zweck

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Die Gegenmeinung geht von der unumschränkten Herrschaft des Abstraktionsprinzips im BGB aus und bejaht den Eigentumsübergang auch dann, wenn die Parteien sich nicht über dessen Zweck geeinigt habeni". Das in diesem Sinne verstandene Abstraktionsprinzip legt die absolute Unabhängigkeit der Verfügungen von den obligatorischen Verpflichtungsgeschäften fest, indem es das Trennungsprinzip inhaltlich fortschreibt und Kaufvertrag und Übereignung als völlig unverbunden nebeneinander stehende Verträge handelt. Es ist schwer verständlich, wie aus dieser Meinung zunächst ein Prinzip und schließlich sogar ein Dogmal88 hat werden können, obwohl sie im Gesetz selbst keine ausdrückliche Stütze zu finden vermag. Flume18g berichtet, daß sie für die Verfasser des BGB von "apriorischer Richtigkeit" gewesen sei. Auch heute findet man in den Lehrbüchern kaum einmal eine Äußerung zum Umfang des Abstraktionsprinzips oder eine Begründung dafür, wieso es zur Sicherheit des Rechtsverkehrs eigentlich der Abstrahierung von der Zweckvereinbarnng bedarf. Dagegen wird nach fast allgemeiner Meinung die inhaltliche und äußerliche Abstraktion der Übereignung aus dem Gesetz abgelesen (Minimalkonsenslehre). Sucht man eine Erklärung für diesen Vorgang, so kann man wohl auch auf die Tatbestandskonstrnktion verweisen, wie sie etwa von Siber und Jahr durchgeführt wird!Oo. Danach wird - wie gezeigt - die Frage nach Kausalität und Abstraktion als Frage nach dem Inhalt des Tatbestandes eines Rechtsgeschäfts verstanden; Abstraktion soll die "Verweisung der Zweckbestimmung aus dem Tatbestand des Rechtsgeschäfts in die Stellung eines ,bloßen', freilich bereicherungsrechtlich relevanten Motivs" bedeuten201 • Auf diesem Weg werden die abstrakten Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte zu "farblosen Einigungen über die allgemeinen Rechtsfolgen"!O!. Ist die Zweckvereinbarung so erst einmal konstruktiv aus dem Tatbestand des abstrakten Rechtsgeschäfts 197 Für die inhaltliche Abstraktion beispielsweise: Erman I H. P. Westermann, § 929 Rdnr.4; Staudinger I Berg, § 929 Rdnr.24; Beuthien, S.289; H. P. Westermann, S. 96.

So die Oberschrüt Flumes auf Seite 174. S.175. :00 Vgl. oben FN 136, 151 und um FN 179 ff. 201 So Jahr, AcP 168, 16 mwN. Ähnlich Siber, SchR, S.172 (der Zweck gehört nicht in den Inhalt der Leistung); Baur, S.40 ("zweckfreie Verfügung"); Pawlowski, S.298 (die causa besteht neben dem abstrakten Vertrag); H. P. Westermann, S.95 (die Zwecke werden künstlich aus dem Tatbestand des Zuwendungsgeschäfts ausgeschlossen), so auch die Lehre v. Jherings "von der analytischen Vereinfachung des Tatbestandes" (Röm. Geist 111, S. 206 ff., "Ausscheidung des Kausalmoments"); vgl. ferner noch Jauemig, Anm. IV. 2. vor § 854 und Anm.2. d) bb) vor § 104 sowie Jauemig I VoUkommer, § 305 Anm.lI. 2. ("zweckunempfindlich"). !02 Jahr, AcP 168, 16. 188

198

III. Kausalität und Abstraktion

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ausgewiesen (abgezogen), kann man ohne weiteres in den Fällen, in denen das Gesetz neben der Einigung über die allgemeinen Rechtsfolgen nichts weiter für das Entstehen des Rechtsgeschäfts fordert, den Zuwendungstatbestand ohne Rcksicht auf die Kausalabrede eintreten lassen!03. Bei den in den §§ 780, 781, 929, 873, 398 etc. geregelten Rechtsgeschäften wird demnach der Zweck als aus dem Geschäftsinhalt verbannt angesehen mit dem Argument, daß in diesen Tatbeständen von einem Zweck nicht die Rede sei2M • Damit ist die inhaltliche Abstraktion - sogar als vom Gesetz selbst festgeschrieben - perfekt. Die Tatbestandskonstruktion scheint somit ursächlich dafür zu sein, daß heute nahezu allgemein die inhaltliche Abstraktion der Eigentumsübertragung vertreten wird.

Es kann daher nicht überraschen, wenn als Folge davon der § 812 Abs.1 Satz 2 2. Alt. immer mehr zu einer rätselhaften und unerklärlichen Vorschrift geworden is~: dieser Kondiktionstatbestand setzt ja gerade voraus, daß der bezweckte Erfolg in den Inhalt des Rechtsgeschäfts, also regelmäßig einer (abstrakten) Verfügung, aufgenommen wird. Mit Cohn !08 läßt sich daher feststellen: "... erscheint es überaus seltsam, daß die causa innerhalb des geltenden Rechts ganz ausschließlich bei den abstrakten Geschäften., bei denen sie doch gerade aus dem geschäftlichen Tatbestande ausgesondert sein soll, eine ernstliche Rolle zu spielen vermag". Mit Recht wundert er sich darüber, daß die causa (Zweckvereinbarung) der h. L. "rechtliche Erheblichkeit nur in den ... Fällen (besitzt), in denen ihr - wenigstens zunächst - vom Recht gerade keine Bedeutung beigemessen werden soll". Aber das ist, wie wir aus den bisherigen Ausführungen hinreichend gesehen haben, nur eine Folge der im Ansatz verfehlten Tatbestandskonstruktion und daher kein Grund, den Begriff der causa zu eliminieren, wie Cohn!07 meint. Der Umstand, daß beispielsweise in § 929 als konstitutive Voraussetzungen des Eigentumsüberganges nur Einigung über den Rechtserfolg und Besitzübergabe genannt werden, spricht nicht gegen die Annahme, daß im Zweifel die Parteien die übereignung von der Zweckverein:03 "Stereotypisierung des Inhalts des Rechtsgeschäfts", so Cohn, AcP 135,

81.

ZN

§854.

Vgl. etwa Flume, S. 153 f., Beuthien, S. 287 und Jauernig, Anm. IV. 2. vor

!OS Z. B. Welker, S.16; Obsoleszenzerklärungen (so Rebe, JA 1979, 37) hinsichtlich der condictio ob rem haben etwa v. Caemmerer, FS Rabel, S. 333 ff., 345 ff. (kritisch dazu Liebs, JZ 1978, 697) und H. P. Westermann, S.215 abgegeben. "Einordnungsschwierigkeiten" macht diese Kondiktion auch Jauernig / SchlechtTiem, § 812 Anm. 1. 4. b). ÄhnlidJ. wie hier dagegen Sims häuser, AcP 172,35. !08 AcP 135, 72 ff. 207 AcP 135, 75.

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1. Kap., A

Die Lehre vom Zweck

barung abhängig (kausal) machen wollen. Denn der § 929 selbst stellt

nur die tatbestandlichlichen Voraussetzungen für die Zuwendung (den

Eigentumsübergang) als solche auf; ob diese Zuwendung dann kausal oder abstrakt vorgenommen wird, ist nicht Gegenstand seiner Regelung, sondern den Parteien überlassen. Das bedeutet im Ergebnis, daß der § 929 keine Abstraktion (Unabhängigkeit) vom Zweck der übereignung fordert. c) Das Dogma der Abstraktion

Mit allgemeinen rechtspolitischen Gründen wird ganz undifferenziert die Abstraktion der Verfügungsgeschäfte zugleich gefordert und teilweise auch abgelehnt208 • Ebenso wird die inhaltliche Abstraktion der Verfügungs geschäfte aus der bloßen Existenz der condictio indebiti gefolgerttO D• Beide Begründungen können jedoch nicht überzeugen. Bei der Anwendung des starren Abstraktionsprinzips kommt es bisweilen zu Ergebnissen, die, als mit dem Parteiwillen in unerträglichem Widerspruch stehend, mit Hilfe von sog. Durchbrechungen des Abstraktionsgrnndsatzes wieder beseitigt werden müssen!10. Zu dieser merkwürdigen Situation kann es nur kommen, weil die inhaltliche Abstraktion auf den Willen des Gesetzgebers'!l1 und nicht auf den Willen der Parteien zurückgeführt wird. Des weiteren hat das Abstraktionsprinzip außer bei den Verfügungsgeschäften keinen weiteren Erklärungswert; vor allem kann mit ihm die Abstraktion der Leistungsversprechen nicht erklärt werden. Fikentscherl! weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß der Terminus "abstrakt" nicht einheitlich gebraucht wird. So spreche man beispielsweise von abstrakten Verfügungen und abstrakten Schuldverträgen mit jeweils unterschiedlicher Bedeutung. Diese Ansicht hat bereits N eubecker vertreten: "Die causa ist bei beiden (sc. bei obligatorischen und dinglichen Verträgen) verschieden, und auch die Abstraktion muß als ein ... relativer Begriff verschieden geartet sein"213. So soll die "Ab!OS Vgl. dazu Larenz, SchR H, S. 17 FN 4 mwN. Der neueste Beitrag zu dieser Diskussion stammt von Kegel, FS Mann, S.57 (für Kausalität der Verfügungen). 209 So bereits v. Tuhr H, 2 § 73, S.104. Mit Recht wird dieses Vorgehen von Ehmann, S.155, 161 und Jahr SZ 80, S.141 ff. kritisiert; vgl. auch schon Neubecker, S. 5. 210 Dazu Baur, S. 42 ff. und insb. Oeckinghaus, S. 69 ff.

!11 Dann muß freilich die Abstraktion als "künstliches Gebilde" erscheinen, so bei v. Tuhr H, 2 § 73, S. 104 und FS Schultze, S.32. 21'! SchR, S. 43 ff. 213 S.33.

IV. Leistung und Erfüllung

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straktion im Sinne abstrakter Schuldverträge" auch "Befreiung von Einwendungen aus Mängeln zugrundeliegender Geschäfte" bedeutenZl.z• Oft wird die abstrakte Verpflichtung auch als von dem zugrundeliegenden Kausalgeschäft unabhängig definiert und als abstrakt bezeichnet, weil sie den Rechtsgrund angeblich nicht in sich aufgenommen hat, wie auf der anderen Seite beim kausalen Rechtsgeschäft der Rechtsgrund als Bestandteil des Rechtsgeschäfts angesehen wird. Mit solchen oder ähnlichen Definitionen ist aber, wie wir gesehen haben, nicht viel gewonnen. Ihre Unbrauchbarkeit wird sich deshalb bei der Behandlung von Dreiecksverhältnissen besonders nachdrücklich herausstellen. Denn hier besteht mehr als nur ein Kausalverhältnis, so daß man Rechtsgrund und Abstraktion der Zuwendung nicht mehr ohne weiteres durch Berufung auf ein bestimmtes Kausalgeschäft, also objektivrechtlich bestimmen kann, es sei denn, man bedient sich dabei irgendwelcher anderer objektiver Zurechnungskriterien. IV. Leistung und Erfüllung Die einführende Darstellung der Lehre vom Zweck soll nicht ohne den Hinweis auf die inneren Zusammenhänge einzelner Konstruktionen und Rechtsinstitute der sog. h. M. im Bereich von Leistung und Erfüllung abgeschlossen werden. Dabei kann es im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht darum gehen, den status controversiae der ausgetauschten Argumente noch einmal darzustellen; es geht an dieser Stelle nur darum, die angebotenen Lösungen auf ihre Folgerichtigkeit sowie darauf hin zu überprüfen, ob sie sich generell in das durch den Leistungsbegriff vorgezeichnete Schuldrechtssystem einordnen lassen. 1. Die Leistung

Wenn auch heute die h. M. unter einer Leistung eine zweckgetragene Zuwendung versteht, so garantiert dieser gemeinsame Ausgangspunkt gleichwohl keine übereinstimmenden Ergebnisse.

a) Zweckbestimmung der Leistung Der Streit setzt schon bei der Frage nach der Rechtsnatur der Zweckbestimmung ein: Ist sie bloß eine geschäftsähnliche'!14 oder notwendig rechtsgeschäftliche 215 oder bloß eine tatsächliche Erklärung? Nach dem 214 So H. P. Westermann, S. 187 ff.; Beuthien, S.291; Berg, NJW 1964, 721; Zeiss, JZ 1963, 9; Reeb, S.17; RGRK / Heimann-Trosien, § 812 Anm.16; Koppensteiner I Kram er, S.26. 215 Weitnauer, FS v. Caemmerer, S.273; ders. NJW 1974, 1730; Ehmann, NJW 1969, 400 FN 19; Wieling, JZ 1977, 291 FN 7; Oeckinghaus, S.46; Scheyhing, AcP 157, 386; Jauemig I SchlechtTiem, § 812 Anm.1. 1. b) bb).

1. Kap., A. Die Lehre vom Zweck

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hier dargestellten Schuldrechtssystem kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die Zweckbestimmung rechtsgeschäftlicher Natur sein muß, da sie zur Zweckvereinbarung und damit letztlich zum Rechtsgrund der Zuwendung führen soll. Die Gegenmeinung argumentiert hauptsächlich mit Blick auf die Erfüllungsleistung und die Zuwendung von Geschäftsunfähigen. Die Auseinandersetzung geht darum, ob der Geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit Beschränkte überhaupt eine Leistung bewirken kann. Die Qualifizierung der Zweckbestimmung als Willenserklärung steht dem nicht entgegen, wie bisweilen angenommen wird. Denn die Gültigkeit der Zweckbestimmung ist lediglich bedeutsam im Hinblick auf den zwischen den Parteien angestrebten Rechtsgrund der Zuwendung. Ein nicht (voll) Geschäftsfähiger kann keinen Rechtsgrund für eine Vermögensverschiebung, auch nicht für eine rein tatsächliche, herbeiführen. Die Unwirksamkeit der Zweckbestimmung kann nämlich nicht zu einer wirksamen Zweckvereinbarung und damit auch nicht zu einem Behaltensgrund für den Empfänger führen. Im Anschluß an die Entscheidung des Reichsgerichts im sog. Menzelbildfallm muß dagegen die (rechtsgeschäftlich unwirksame) Zweckbestimmung des Geschäftsunfähigen für die Annahme einer Leistung ausreichen. Zwei Fragen sind nämlich auseinander zu halten: der Leistungsvorgang als rein tatsächliches Ereignis und das damit verbundene Rechtsgrundproblem. Nur die Frage nach dem Rechtsgrund einer Leistung ist eine Frage mit rechtsgeschäftlicher Dimension!17. b) Begründung einer kausalen Verpflichtung als Leistung?

Bei der Definition der Leistung als zweckgerichtete Zuwendung könnte man auf den Gedanken kommen, auch die Eingehung einer kausalen Verpflichtung als Leistung zu begreifen, weil die Zuwendung einer Forderung nicht ohne einen bestimmten Zweck geschieh~18. Diese Frage gehört zwar nicht zum Allgemeingut der Schuldrechtswissenschaft, sie wird aber dennoch bisweilen aufgeworfen218 • Auch das BGB sieht in § 817 Satz 2 in der Eingehung einer Verbindlichkeit eine Leistung. H.-P. Westermann befürchtet, daß mit der Bejahung dieser RGZ 130, 69. Beachte in diesem Zusammenhang das Argument Ehmanns, NJW 1969, 400 FN 19 aus der Rechtsgeschäftslehre, wonach auch nichtige Willenserklärungen (Zweckbestimmungen) als Willenserklärungen anzusehen sind. 118 So kann Ehmann, S. 137 These 11 ohne weiteres dahin verstanden werden, daß eine Leistung auch in der "Zuwendung einer kausalen ... Forderung" gegeben ist. 118 Und gleichzeitig - mit oft recht dezisionistischen Erwägungen - verneint von: v. Tuhr H, 2, § 71, S. 51; Jung, S. 117 um FN 176; Siber SchR S. 176, 418 f.; ders. Jh Jb 70, 262 f.; H. P. Westermann, S.95; Huber, JuS 1972, 58. 118 !17

IV. Leistung und Erfüllung

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Frage die "ganze Systematik des Schuldrechts umstürzen" müsseuo . Aber das ist allein noch kein ausreichender Grund, die kausale Forderungsbegründung nicht ebenso wie die Eingehung einer abstrakten Verpflichtung als Leistung zu betrachten. Man hat geglaubt, den Unterschied der leistungsrechtlichen Behandlung der abstrakten und kausalen Leistungsversprechen in der Abstraktion zu finden2l!1. Das ist aber schon deswegen ungenau, weil es kausale Verfügungen gibt, die ohne weiteres als Leistung betrachtet werden (Verpfändung einer Sache oder einer Forderung). Das Problem, ob eine Zuwendung Leistung ist, wird allgemein nur mit Blick auf den § 812, also auf die kondizierbare Leistung, gelöst. Deshalb werden ausschließlich abstrakte Zuwendungen als Leistung (im Sinne von § 812) bezeichnet!2!. Die kausalen Verpflichtungen sind dagegen nicht kondizierbar, ihr Bestehen oder Fortbestehen ist von der Zweckerreichung abhängig (Bedingungskonstruktion), sie sind somit keine kondizierbaren Leistungen. c) Kondizierbarkeit der Leistung

Demzufolge kann jede abstrakte Vermögensverschiebung bei Zweckverfehlung kondiziert werden, während beispielsweise kausale Forderungen aus einem Konsensualdarlehensvertrag (Verpflichtung, das Darlehen anzunehmen und Verpflichtung zur Zinszahlung) vom Darlehensnehmer nicht mit der Leistungskondiktion zurückgefordert werden können. Dennoch nimmt Hörter U an, daß der Käufer und Darlehensnehmer beim finanzierten Abzahlungskauf (B.-Geschäft) sich des kausalen Darlehensvertrages durch Leistungskondiktion soll entledigen können, wenn der Kaufvertrag, dessen Finanzierung das Darlehen dienen sollte, etwa auf Grund Anfechtung vor Auszahlung der Valuta hinfällig geworden ist"'. Anspruchsgrundlage soll der § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. sein, weil S.95. So Siber SchR S.419; ders. Jh Jb 70, 262; ebenso Schöninger, S. 233 ff., der auf den ,;wirtschaftlichen Wert der Abstraktion" (S.236) abstellt. Huber, JuS 1972, 58 meint, nur abstrakte Leistungsversprechen haben eine (für die Annahme einer Leistung i. S. des § 812 konstitutive) "Zweckrichtung" auf ein 2!0

221

"anderes Rechtsverhältnis" . 22ll So v. Tuhr (FN 219); H. P. WesteTmann, S.95 und Krawielicki, S.8, 25; vgl. auch Mot. !I, 693. !23

S. 224 ff.

Bei Nichtigkeit des Kaufvertrages stellt sich in dieser Konstellation die Frage nach dem Verhältnis zwischen Kauf- und Darlehensvertrag beim B.Geschäft. überwiegend wird eine gegenseitige Abhängigkeit ("genetische Verknüpfung", so Weitnauer, JZ 1968, 202) angenommen, freilich mit gan7! unterschiedlicher Begründung: über § 139 oder über die Lehre von der Geschäftsgrundlage oder auch über § 242 (so der BGH, vgl. BGHZ 47, 223 und NJW 1979, 2194; wegen einzelner Nachweise siehe etwa Hörter, S. 220 11. 224

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1. Kap., A. Die Lehre vom Zweck

der "bezweckte Erfolg" (die Durchführung des Kaufvertrages) bei Unwirksamkeit des Kaufvertrages nicht erreichbar, der Darlehensvertrag somit "zwecklos"223 sei. Nach dieser Ansicht soll als Leistung des Käufers der Darlehensvertragf26 anzusehen sein, so daß sich die Kondiktion auf den "Darlehensvertragsschluß" richte227. Irgendeinen Grund, bei dieser Sachlage "nicht unter die condictio causa data causa non secuta zu subsumieren" schließt Hörter2J3 von vornherein aus. Eine solche apodiktische Feststellung ersetzt jedoch nicht die Antwort auf die Frage, wieso denn nach Ansicht Hörters "der kausale Konsensualdarlehensvertrag" (gemeint ist offensichtlich die Verpflichtung des Käufers daraus) der Kondiktion ebenso "wie ein abstraktes Geschäft"228 unterliegen soll. Die Lösung Hörters leidet somit an dem elementaren Mangell!8, daß sie verkennt, daß bereits der Bestand und nicht erst die Kondizierbarkeit von kausalen Rechtsgeschäften vom Rechtsgrund (Zweckerreichung) abhängt. Gleichwohl hat sie insoweit einen richtigen Kern, als sie auf eine mögliche Zweckverfehlung des Darlehens hinweist. Diesen Gedanken vermag jedoch nur die Zwecklehre fruchtbar zu machen und widerspruchsfrei ins Schuldrechtssystem einzuordnen: Zweck des beim B.-Geschäft zwischen Käufer und Teilzahlungsbank abgeschlossenen Darlehensvertrages ist zunächst einmal der Austausch von auf Kapitalüberlassung und Zinszahlungen gerichteten Leistungsversprechen der Parteien. Für die Begründung dieser gegenseitigen Verpflichtungen vereinbaren die Vertragspartner zumindest konkludent einen weiteren (angestaffelten) Zweck; das Darlehen soll nämlich ausschließlich zur Finanzierung des vom Darlehensnehmer zuvor abgeschlossenen Kaufvertrags dienen23o • Dabei wird der Austauschzweck, wie auch sonst beim Darlehensvertrag, kausal, der weitere Zweck da223 Esser, FS Kern, S.109, spricht von "sinnlos"; im übrigen ist die Lösung Essers (S. 108 ff.) von derjenigen Hörters zu unterscheiden, denn Esser erklärt die Unwirksamkeit des Darlehensvertrages bei Nichtigkeit des Kaufvertrages mit Unmöglichkeitsregeln. Dieser Konstruktionsversuch ist aber deshalb abzulehnen, weil die Darlehensgeberin sich nicht zur Herbeiführung dieses weiteren Zwecks verpflichtet hat, vgl. hierzu auch Larenz, FS Michaelis, S. 204 f. 226 So Hörter, S.228, 227. 227 HörteT, S.230. 228 HörteT, S.233. 229 Um so unverständlicher ist daher seine Polemik gegen Weitnauer in FN824 b. 230 So beginnt auf vielen Antragsfonnularen, wie Ostler / Weidner, § 6 AbzG Anm.104 berichten, der Darlehensantrag mit den Worten: "Zur Finanzierung dieses TZ-Kaufvertrages ... "; Gernhuber, FS Larenz, S. 469 ff. spricht von "vertraglichem Finalnexus" zwischen Kauf- und Darlehensvertrag. Vgl. auch BGH NJW 1979, 1597 (1598) = DB 1979, 1269 (1270) unter IIr. 1. b) der Gründe ("Zweck ... den Kaufpreis ... zu finanzieren").

IV. Leistung und Erfüllung

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gegen abstrakt vereinbart!S1. Stellt sich der Kaufvertrag als unwirksam heraus, so kann der Darlehensnehmer sein - insoweit abstraktes Versprechen, das Darlehen anzunehmen und Zinsen dafür zu zahlen, kondizieren, da der angestaffelte atypische Zweck (Finanzierung des Kaufvertrages) nicht erreicht werden konnte, § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. Damit fällt zugleich der ganze Darlehensvertrag in sich zusamment3l • Dieselbe Rechtsfolge (Kondiktion des Leistungsversprechens) tritt ein, wenn zwei Personen den irrtümlich als gültig angesehenen Vorvertrag auf Abschluß eines Kaufvertrages erfüllen wollen233 • Dabei vereinbaren sie als ersten Zweck den Austauschzweck, als weiteren Zweck staffeln sie diesem den Erfüllungszweck an, so daß zwar der primäre Zweck, nicht jedoch der weitere Zweck erreicht werden konnte. Als Ergebnis der vorstehenden überlegungen kann somit festgehalten werden, daß kausale Leistungsversprechen nur dann kondizierbar sind, wenn ihnen ein weiterer Zweck in der Weise angestaffelt wird, daß sie von der Zweckerreichung insoweit abstrahiert sind234 • Die eine Kondiktion begründende Zweckverfehlung liegt dabei bereits dann vor, wenn es zwischen den Parteien zu keiner wirksamen Zweckvereinbarung kommt. Ein solcher Fall ist beispielsweise gegeben, wenn der Zuwendungsempfänger die Zweckbestimmung des Zuwendenden nicht akzeptiert hat. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß, wenn die Kondiktion aus dem erklärten Willen des Zuwendenden abgeleitet werden soll, die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung einer Güterbewegung auch bei Dissens über den Zweck sich nach der vom Leistenden getroffenen Zweckbestimmung zu richten hat: Zahlt Frau A DM 20 000,- an den mit ihr lebenden B, um eine zwischen ihr und B streitige Forderung aus der Welt zu schaffen, und zu dem weiteren Zweck, damit B bei ihr bleibe!35, so kann B mit Behaltensgrund nur erworben haben, wenn beide Zweckbestimmungen erreicht werden. Dagegen hat der BGH für den Fall, daß B nur den Ver231 Darüber, daß die Finanzierungsinstitute den Darlehensvertrag nicht unter der Bedingung des Bestehens des Kaufvertrages abschließen, also den weiteren Zweck nicht kausal setzen wollen, vgl. Ostler / Weidner (FN 230); Hörter, S. 202 und Reiss, S.30. 232 Zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung der realen Leistungen vgl. unten 2. Kapitel E. 233 Vgl. dazu Kreß, S.50; v. Tuhr II, 2 § 72, S.80 FN 117; Krawielicki, S.9, 45 f.; Lorenz, JuS 1968, 442; ferner Jahr SZ 80, S.159, der besonders darauf hinweist, daß hier die Lösung nach der Lehre von der Geschäftsgrundlage unangebracht ist; dennoch hat Kühler, S. 119 FN 50 gerade diese Lehre zur Lösung herangezogen. 284 So auch Jung, S.117 FN 176; Siher, Jh Jb 70, 263; Enneccerus / Lehmann, S.874 FN 2; Staudinger / Seufert, § 812 Rdnr.3 ad; sachlich ebenso, aber mit anderer Terminologie Krawielicki, S. 26. 235 Vgl. oben FN 163, 31.

1. Kap., A. Die Lehre vom Zweck

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gleichszweck unter gleichzeitiger (ausdrücklicher) Verwahrung gegen den weiteren, atypischen Zweck der A akzeptiert, angenommen, die A könne mangels zustandegekommener Zweckvereinbarung!38 hinsichtlich des der Zahlung angestaffelten Zwecks das Geld nicht mehr zurückfordern. Wieling2S7 spricht von einem "absurden Ergebnis", das er der Lehre vom Zweck anlasten möchte. Damit hat er sich aber den falschen Adressaten für seine Kritik ausgesucht. Berechtigte Kritik ist vielmehr gegen die Auffassung vorzubringen, daß es zu einer Zweckverfehlung nur kommen könne, wenn der Zweck zuvor einverständlich gesetzt worden sei. Demgegenüber muß festgestellt werden, daß eine gültige Zweckvereinbarung nur darüber entscheidet, ob der Empfänger das Zugewendete behalten darf, sie ist aber keine Kondiktionsvoraussetzung. Der infolge Dissenses einseitig gebliebene Zweck wird stets verfehlt, weil er unter keinen denkbaren Umständen zu einem Behaltensgrund im Zuwendungsverhältnis führen kann. Richtigerweise ist nämlich für das in § 812 Abs.1 Satz 2 2. Alt. vorausgesetzte Rechtsgeschäft nicht das Vorliegen einer Zweckvereinbarung zu fordern, es genügt dafür vielmehr ein Angebot einer Leistung mit einer Zweckbestimmung, die vom Leistungsempfänger nicht angenommen wird, so daß es nicht zu einer Zweckerreichung kommen kann. Das haben sowohl der BGH als auch Wieling verkannt. Unser Fall ist demnach so zu lösen, daß die A das Geleistete von B kondizieren kannl!38. 2. Die Erfüllungsleistung im Sdluldredltssystem

Die Erfüllung einer Schuld ist der häufigste Fall einer Leistung und zugleich ihr umstrittenster. Denn nach der objektiven Erfüllungslehre, der Lehre von der realen Leistungsbewirkung, bedarf es zur Erfüllung keiner (Erfüllungs-)Zweckbestimrnung des Schuldners, dazu soll vielmehr genügen, daß objektiv eine übereinstimmung von Geschuldetem und Zugewendetem festzustellen sei. Es soll an dieser Stelle die These gewagt werden, daß diese (wohl heute herrschende) Meinung durch die Tatbestandskonstruktion zumindest begünstigt worden ist. Nach Sibez.l!38 gehört nämlich beim abstrakten Rechtsgeschäft der Zweck, und damit auch der Erfüllungszweck, nicht zum Inhalt der Zuwendung. Daraus wird deutlich, daß bei einem solchermaßen zweckentleerten Rechtsgeschäft die Begründung der Er28& BGH NJW 1973, 612; ähnlich schon BGHZ 44, 321 und jetzt wieder BGH NJW 1979, 646 = BB 1978, 1688. Vgl. auch Welker, S.108, 110. 237 JZ 1977, 291 und neuerdings wieder in JuS 1978, 801. 2SS Vgl. Ehmann, NJW 1973, 1035; a. A. jetzt Liebs, JZ 1978, 697.

239

SehR S. 172.

IV. Leistung und Erfüllung

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füllungswirkung aus dem Parteiwillen jedenfalls sehr erschwert ist. So schreibt Beuthien!40: "Da das Leistungsmotiv infolge des Abstraktionsgrundsatzes nicht zum Inhalt des Leistungsgeschäftes gehört, bietet es sich andererseits an, den Leistungszweck unabhängig vom Willen des Leistenden zu bestimmen." Die sich aus dieser Erfüllungslehre ergebenden Friktionen mit dem Bereicherungsrecht und insbesondere mit dem zweckbestimmten Leistungsbegriff sind nicht zu übersehen. Zunächst ist schon kaum einsichtig, auf welchem Wege die Vertreter der Theorie der realen Leistungsbewirkung bei Anwendung des sog. modernen Leistungsbegriffs zur Leistung (und damit, wenn die zu erfüllende Schuld nicht besteht, zur Leistungskondiktion) kommen können, wenn sie jede Erfüllungszweckbestimmung von vornherein leugnen. Die objektive Erfüllungslehre verträgt sich nicht mit dem sog. finalen LeistungsbegrifP'l. Dabei geht auch das Gesetz davon aus, daß die der Erfüllung zugrundeliegende Zuwendung final determiniert wird, vgl. §§ 363, 364 Abs. 2, 362 Abs. 2, 656 Abs. 2, 762 Abs. 2, 813 Abs. 1, 814, 2113 Abs.2 ("zum Zwecke der Erfüllung"). Daß diese Erfüllungszweckbestimmung der Annahme durch den Zuwendungsempfänger bedarf, kann jedenfalls mittelbarll42 dem § 363 ("als Erfüllung angeboten ... als Erfüllung angenommen") entnommen werden. Aus diesem Grunde ist auch eine neuere, auf Beuthienl43 zurückgehende, vermittelnde Meinung abzulehnen, die für den Eintritt der 240 S.288; vgl. noch S. 291: "Aber das Erfüllungsgeschäft ist nur infolge des Abstraktionsgrundsatzes rechtlich von seinem Zweck gelöst"; ähnlich wieder S.293. m Die Theorie der realen Leistungsbewirkung verzichtet nämlich für den Regelfall auf eine Zwecksetzung des Schuldners, vgl. z. B. Larenz, SchR I, S. 195. Wie hier Ehmann, NJW 1969, 401; ders., JZ 1968, 555; Zeiss, JZ 1963,7; vgl. auch Pinger, AcP 179, 307 FN 43. m Auch wenn der Gesetzgeber den Streit um die Rechtsnatur der Erfüllung nicht hat entscheiden wollen, Mot. H, S. 81. Daher kann auch aus § 366 nicht unmittelbar gefolgert werden, daß sich das BGB gegen eine vertragliche Einigung beim Erfüllungsvorgang entschieden habe, so aber Larenz, SchR I, S.196 f.; Münch. Komm. / Heinrichs, § 362 Rdnr.9 (zum Ganzen vgl. Ehmann, JZ 1968, 549 ff.). § 366 Abs. 1 gibt dem Schuldner ein Bestimmungsrecht, sagt aber gerade nicht und will auch gar nicht sagen (Mot. H, S. 81), welches die Voraussetzungen einer wirksamen Erfüllung sein sollen. Im übrigen ist bekanntlich auch streitig, welche Funktion dem § 366 Abs. 2 zukommt (vgl. dazu Ehmann, JZ 1968, 551 mwN [für Auslegungsregel]). Neben § 366 ist aber auch an§ 367 Abs.2 zu denken, der wiederum für die Theorie der Erfüllungszweckvereinbarung spricht,. weil diese Vorschrift für den Eintritt der Erfüllungswirkung eine Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner voraussetzt. Im Falle des § 367 Abs.2 kann der Gläubiger diese Vereinbarung u. U. ablehnen, ohne in Annahmeverzug zu geraten, während die Nichtannahme der Zweckbestimmung des Schuldners im Falle des § 366 Abs. 1 den Gläubiger in Annahmeverzug bringt. 243 Beuthien, S. 289 ff.

5 Schnauder

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1. Kap., A. Die Lehre vom Zweck

Erfüllungswirkung nur die einseitige, rechtsgeschäftsähnliche2« Zweckbestimmung (Tilgungsbestimmung) des Schuldners verlangt. Sie ist aber schon deshalb bedenklich, weil sie den Rechtsgrund einer Zuwendung nicht einheitlich aus dem übereinstimmenden Willen von Zuwendendem und Zuwendungsempfänger, sondern "von Rechts wegen"!4'/; erklärt. Das hat sie mit der objektiven Erfüllungslehre gemeinsam. Den Vertretern beider Theorien ist weiter gemeinsam, daß sie die hier vertretene (Erfüllungs-) Zweckvereinbarungstheorie immer noch mit der alten Vertragstheorie identifizieren und zusammen mit dieser abzulehnen pflegenU6 • Dieses Verfahren ist aber untauglich, und diejenigen, die nach dieser Methode vorgehen, machen sich die Auseinandersetzung unzulässigerweise zu einfach, weil eben Zweckvereinbarungs- und allgemeine Vertragstheorie nicht übereinstimm~n. Der wesentliche Unterschied beider Theorien besteht nämlich darin, daß sich bei der ersteren im Gegensatz zur zweiten der Konsens von Schuldner und Gläubiger gerade nicht auf die Aufhebung der Schuld bezieht; die Zweckvereinbarung soll nur die einverständliche Zuordnung der Leistung zur Schuld bewirken und zu einer Einigung über deren Zweck und damit zum Rechtsgrund der Vermögensverschiebung führen. Die so gekennzeichnete Verbindlichkeit erlischt dann "ipso iure", einer der acceptilatio des frühen römischen Rechts ähnlichen Vereinbarung (Erlaßvertrag) bedarf es nicht. Infolgedessen braucht der Rechtsfolgewille der Parteien nur auf den Erfüllungszweck, nicht auch auf das Erlöschen der Schuld gerichtet sein. Der Eintritt der Erfüllungswirkung setzt demnach einen Realvertrag vorausU1 • In der Auseinandersetzung wird gegen diese Lehre immer wieder vorgebracht, daß es Fälle der Erfüllung gebe, wo der Schuldner die Leistung in Abwesenheit des Gläubigers erbringe, und demzufolge in dem Erfüllungsvorgang weder eine Vereinbarung noch eine Zweckbestimmung des Schuldners zu erkennen sei24s • Dieses Argument übersieht aber schon die Erkenntnis, daß die Vereinbarung des Erfüllungszwecks zeitlich nicht mit der Zuwendung selbst zusammenfallen muß, sondern der Vermögensverschiebung ohne weiteres vorausgehen oder ihr nachfolgen kann!". 244 A. A. Wieling, JZ 1977, 291 (rechtsgeschäftliche Willenserklärung). 24.5 Beuthien, S. 290. 246 Beuthien, S.289 FN 36; Putzo, S. 158. Vgl. demgegenüber die zutreffende Unterscheidung bei Larenz, SchR I, S. 194/195 und Münch. Komm. / Heinrichs, § 362 Rdnr.7. 247 So Kreß, SchR AT, S.87. Näheres dazu bei Ehmann, NJW 1969, 1833 (1836 f.) sowie Weitnauer, FS v. Caemmerer, S. 266 ff. - So z. B. Larenz, SchR I, S. 196. 248 Vgl. dazu schon oben Text bei FN 119/120; außerdem Keget, FS Mann, S. 64 mit illustrativem Beispiel. Im übrigen ist für die Annahmeerklärung des Gläubigers auch an § 151 zu denken.

IV. Leistung und Erfüllung

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Die in diesem Zusammenhang auch stets zur Bestätigung der Theorie der realen Leistungsbewirkung ins Spiel gebrachten Fälle aus dem Werkvertrags recht (der "arme" [geisteskranke] Gärtner, Schuster usw. stellt das Werk her) sind untaugliche Demonstrationsobjekte, weil hier die Erfüllungswirkung nicht ohne die Abnahme (§ 640) eintreten kann, wozu unbestrittenermaßen gerade ein rechtsgeschäftlich wirksames Handeln auf beiden Seiten notwendig istl50 • Auch LarenzUI sieht, daß die in der Abnahme liegende Erklärung nichts anderes als die "Annahme als Erfüllung" bedeutet, ohne allerdings den Widerspruch zu seinen Ausführungen zur Erfüllungslehre zu bemerken. Insbesondere auch das häufig gegen die Theorie der Erfüllungszweckvereinbarung angeführte ArgumenF 2 , nach ihr könne der Gläubiger die Leistung zwar entgegennehmen, das Erlöschen des Schuldverhältnisses aber durch seine Weigerung, eine Zweckvereinbarung abzuschließen, verhindern, ist nicht stichhaltig. Denn nach der Lehre vom Zweck ergibt sich hier regelmäßig aus dem Parteiwillen, daß der Leistungsempfänger das verfügte Recht überhaupt nicht erhält. Das Erfüllungsgeschäft ist nämlich, wie bereits obenl!53 dargelegt wurde, im Zweifel gerade nicht vom Zustandekommen einer wirksamen Zweckvereinbarung abstrahiert, weil der Zuwendende schon kein Vermögensopfer erbringen will, wenn der Empfänger mit dem dafür bestimmten Zweck nicht einverstanden ist. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit können die Erörterungen über die richtige Erfüllungslehre bis auf einzelne Streitpunkte, die nachfolgend noch betrachtet werden sollen, nicht weiter vertieft werden!". Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Theorie der realen Leistungsbewirkung, wie sie heute vertreten wird2S5 , jedenfalls im Ansatzpunkt von der hier vertretenen Auffassung nicht so weit entfernt ist, wie das auf den ersten Blick scheint. LaTenz, der entschiedenste und einflußreichste Verfechter dieser Theorie, leugnet nur für den Normalfall, bei dem "am Tilgungszweck kein Zweifel sein kann" und deshalb eine "positive Tilgungsbestimmung" entbehrlich seil!!58, die Notwendigkeit einer Zweckbestimmung

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Das hat Weitnauer, FS v. Caemmerer, S. 269 f. hervorgehoben. SchR 11, S. 277. Vgl. Z. B. nur Münch. Komm. / Heinrichs, § 362 Rdnr.9. Im Text bei FN 196. !M Näher dazu Ehmann, JZ 1968, 549; ders. NJW 1969, 1833 sowie Weitnauer, FS v. Caemmerer, S. 266 fT. l!!55 Konsequenter dagegen noch Boehmer, Erfüllungswille, S.83; dazu Ehmann, JZ 1968, 555. 158 So Larenz, SchR I, S. 198; "positiv" steht offenbar im Gegensatz zu "negativ", hat aber nichts mit "ausdrücklich" im Gegensatz zu "konkludent" zu tun. Zum Ausschluß der Erfüllungswirkung noch unten FN 266. 5·

1. Kap., A. Die Lehre vom Zweck

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des Schuldners. In zweifelsfreien Fällen soll demnach der Umstand, daß " zum Zwecke der Erfüllung der Schuld - causa solvendi - geleistet wurde", keiner weiteren Erklärung des Schuldners mehr bedürfen:!S7. Diese Betrachtungsweise begegnet mehreren Bedenken. Die Frage ist schon, wer entscheidet, wann ein Zweifel vorliegt. Ganz abgesehen davon kann man aber vom Zweifel selbst keine materiellen Rechtsfolgen, sondern nur Beweisregeln abhängig machen. Fraglich ist ferner, wieso die causa solvendi in den Normalfällen für die Rechtsordnung bedeutsam sein kann, wenn sie rechtsgeschäftlich gerade nicht erklärt zu werden braucht. Der nicht zum Ausdruck gebrachte Erfüllungswille bleibt nämlich bloßes unbeachtZiches Motiv der Zuwendung!68. Eine Leistung solvendi causa kann daher, wenn der Erfüllungszweck in der Mehrzahl der Fälle eben nicht ausdrücklich erklärt zu werden pflegt, nur aus dem objektiven Erklärungsverhalten des Schuldners zu folgern sein. Auch die Vertreter der Lehre von der realen Leistungsbewirkung gehen für die zweifelsfreien, typischen Fälle im Grunde von einer Zweckerklärung des Schuldners aus, ohne sich dies eigentlich bewußt zu machen, weil sie nach dem tatsächlichen äußeren Erscheinungsbild des Leistungsvorganges und nach außerhalbdesselben liegenden, objektiven Umstärlden die Erfüllung als Tatbestandswirkung zurechnen (objektive Zurechnung durch die Rechtsordnung), anstatt sie aus dem er.,. klärten Parteiwillen als Rechtsfolgewirkung abzuleiten. Denn in Wirklichkeit impliziert diese Lehre doch eine Erfüllungszweckbestimmung des Schuldners, weil der besondere Umstand, daß "die Leistung gleichsam für sich selbst spricht"m, den Erfüllungsvorgang "beredt" macht im Sinne einer konkludenten Erklärung des Schuldners, solvendi causa leisten zu wollen. Daher können die Anhänger dieser Theorie ohne weiteres die Erfüllungswirkung nur bei offenkundigem Bezug der Zuwendung des Schuldners auf die bestimmte Schuld!8O annehmen (zurechnen), da eben nur dann der Tilgungszweck in rechtlich erheblicher Weise aus dem Leistungsverhalten des Schuldners abzulesen ist. Nur in der offenbaren Kongruenz von Geschuldetem und Geleistetem liegt somit die auch nach der Theorie der realen Leistungsbewirkung notwendige1l81 Zuordnung der Leistung zu einem bestimmten Schuldverhältnis. So Larenz, SchR I, S.197. Vgl. dazu schon oben im Text bei FN 9. m So Larenz, SchR I, S.198 (dazu Weitnauer, FS v. Caemmerer, S.268 FN 49); ähnlich auch Esser / Schmidt, SchR I, 1, S. 182, wo der vom Schuldner tatsächlich herbeigeführte Enderfolg mit dem Leistungsprogramm der Obligation verglichen wird. 280 So wiederum Larenz, SchR I, S. 195. 281 Das konzedieren beispielsweise Larenz, SchR I, S. 197 bei FN 4 sowie Münch. Komm. / Heinrichs, § 362 Rdnr.10; vgl. ferner auch Welker, S.49, 51. 267

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IV. Leistung und Erfüllung

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Damit ist man aber auch schon an die Grenzen dieser Lehre gelangt. Sie vermag lediglich den einfachsten aller Erfüllungsvorgänge zu erklären, nämlich den, daß der Schuldner genau das Geschuldete an den Gläubiger erbringt, oder "er nur gerade diesen einen, jetzt überwiesenen Betrag schu1dete"lI82. Entgegen Larenzl83 genügt dies angesichts von Massenumsatzgeschäften und mannigfachen Interdependenzen des modernen Wirtschaftsverkehrs auch nicht praktischen Bedürfnissen. Wie wenig die Theorie der realen Leistungsbewirkung im Sinne einer systematischen Ordnung zu leisten vermag, zeigt sich schon daran, daß sie in Fällen, wo der Erfüllungszweck der Leistung zweifelhaft ist, und überall da, wo die Leistung vom Inhalt der Obligation abweichtlI", ohnehin auf die (jetzt ausdrückliche) Tilgungsbestimmung des Schuldners zurückgreifen muß!65. Des weiteren müssen die Vertreter der objektiven Erfüllungslehre einräumen, daß der Schuldner durch eine abweichende Erklärung die Erfüllung einer bestimmten Schuld ausschließen, oder die Erfüllung einer Schuld, die nach der Grundregel nicht erfüllt würde, herbeiführen kann%S8. Auch in diesen Fällen müssen sie also auf die Rechtsfolgewirkung der Zweckerklärung des Leistenden abstellen, sie vermögen demnach die Erfüllungsvorgänge nicht mit einer einheitlichen systematischen Kategorie zu erfassen. Daraus wird deutlich, daß die Lehre von der realen Leistungsbewirkung bereits vom Lösungsansatz her nicht folgerichtig konzipiert ist; sie muß infolgedessen der Lebenswirklichkeit ständig nachlaufen. Die dabei zum Ausdruck kommende Widersprüchlichkeit ist mit darin begründet, daß die objektive Erfüllungslehre von verschiedenen, nicht miteinander in Deckung zu bringenden Ansätzen objektiv- und subjektivrechtlicher Betrachtungsweisen ausgeht und ohne übergreifende systematische Gesamtkonzeption sich einerseits der Methode der objektiven Zurechnung durch die Rechtsordnung bedient, andererseits aber gleichwohl dem Partei willen ihre Anerkennung nicht versagen kann. %8! Beispiel aus dem Giroverkehr von Larenz, SchR I, S. 196; vgl. noch S.197 unten: kein anderer als der gezahlte Betrag war geschuldet. 283 SchR I, S. 196. 284 Solche Fälle sind z. B. Leistungen gern. §§ 267, 362 Abs. 2, 364 Abs.l und 2, 266 u. a. m.; dazu Ehmann, JZ 1968, 554. 285 Vgl. außer Larenz z. B. nur Münch. Komm. / Heinrichs, § 362 Rdnr. 10 und Jauernig / Stürner, § 362 Anm.2. 1186 So beispielsweise Larenz, SchR I, S.198 und Münch. Komm. / Heinrichs, §362 Rdnr.l0, beide unter Berufung auf BGH NJW 1972,1750. Anders freilich Boehmer, Erfüllungswille, S.83 und Welker, S.69170, beide unter Mißachtung der Privatautonomie. Das Argument Welkers (S.69 FN 27) gegen Ehmann ist nicht stichhaltig, da es bei anderer Erklärung des Schuldners nicht bloß um die Berücksichtigung des Ausschlusses der Erfüllungswirkung ("negative Tilgungsbestimmung"), sondern vielmehr darum geht, einer abweichenden (positiven) Zweckbestimmung des Leistenden Geltungswirkung beizumessen.

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1. Kap., A. Die Lehre vom Zweck

über diese hier sichtbar werdende innere Brüchigkeit kann nicht mit praktischen Argumenten hinweggegangen werdenlB7 • Die objektive Erfüllungslehre muß sich fragen lassen, wieso die Tilgungsbestimmung des Schuldners lediglich bei komplizierteren Fällen Beachtung finden soll, während ihre Existenz im Regelfall schlicht geleugnet wird, und wieso die ausdrückliche Tilgungsbestimmung anerkannt, die konkludente aber ignoriert wird. Der Vorteil der hier vertretenen Lehre von der Erfüllungszweckvereinbarung liegt demgegenüber darin, daß sie organisch den verwickel ten von dem einfachen Fall her erklären und lösen kann und darüber hinaus noch zu einem einheitlichen Rechtsgrundbegriff führtllBB • Die Erfüllung kann niemals durch bloße "reale Leistungsbewirkung" (Zuwendung) eintreten, sie bedarf in allen Fällen der Zweckvereinbarung, ist also Realvertrag, der freilich sehr häufig - übrigens nicht anders als die dingliche Einigung bei § 929 - ohne ausdrückliche Erklärung zustandekommt.

:87 So aber LaTenz, SchR I, S.196. Weil hier angebliche - Erleichterungen für die Praxis einer dogmatisch geschlossenen Lösung vorgezogen werden, nennt Holtkamp, S.80 die Larenzsche Theorie nicht ohne Grund eine "Praktikertheorie" . IBB Die objektive Erfüllungstheorie führt zu einem objektiven und damit notwendig zu einem gespaltenen Rechtsgrundbegriff, dazu schon oben im Text bei FN 131.

B. Der Zweck bei DriUbeziehungen Von diesen grundlegenden, vom Zweipersonenverhältnis ausgehenden Feststellungen aus kann nunmehr auf das Dreipersonenverhältnis übergegangen werden. Dabei wird sich zeigen, daß die Lehre vom Zweck besser als alle anderen Vorstellungen geeignet ist, die hier auftretenden Schwierigkeiten zu bewältigen. I. Zweckbeziehungen bei "abstrakten Verpflichtungen" Im ersten Teil unserer systematischen Grundlegung hat sich ergeben, daß man vom Vorliegen eines abstrakten oder kausalen Rechtsgeschäfts zwischen zwei Personen erst sprechen kann, wenn zwischen ihnen bei der Zuwendung eine potentiell zum Rechtsgrund führende Zweckvereinbarung getroffen und das Rechtsgeschäft von ihnen dann im Entstehen oder Fortbestehen von der Erreichung des vereinbarten Zwecks (Rechtsgrund) abhängig gemacht worden ist. Kausal oder abstrakt ist demnach eine Zuwendung nicht schlechthin, sondern nur in bezug auf zwei bestimmte Personen, die den Zweck der Güterbewegung vereinbart haben. Dieser für das Zweipersonenverhältnis eher triviale Satz erhält für das Dreipersonenverhältnis schlagartig eine besondere Bedeutung, weil hier die am Zuwendungsgeschäft Beteiligten nicht notwendigerweise in Zweckbeziehungen zu treten brauchen; Leistungs- und Zuwendungsrichtung können nämlich auseinanderfallen. In solchen Fällen ist die Feststellung der Abstraktion oder Kausalität einer Vermögensverschiebung vom Standpunkt der h. M. nicht ohne rechtssystematische und. terminologische Implikationen möglich. 1. Sog. abstrakte Verpßichtungen

So werden von der h. M. beispielsweise die Ansprüche aus angenommener Anweisung, Akkreditiv und Bankgutschrift als abstrakte Verpflichtungen angesehen. Zugleich entsteht für sie daraus ein nicht unerhebliches Problem: Sind diese Leistungsversprechen abstrakt (rechtsgrundunabhängig), so müssen sie an sich nach unseren bisherigen Überlegungen auch der Leistungskondiktion unterliegen können, §§ 780, 812 Abs.21 • Dieser 1 Vor dieser Frage stand bereits Rümelin, AcP 97, 259; ebenso v. Tuhr, FS

72

1. Kap., B. Der Zweck bei Drittbeziehungen

Schluß wird aber von der h. M. gerade nicht gezogen. Zwar wird die in der Akkreditiveröffnung enthaltene Zusicherung einer Bank als abstrakte Verpflichtung gemäß § 780 bezeichnet2, dennoch ihre Kondizierbarkeit wegen einer angeblich "verstärkten Abstraktionswirkung" vernein~. Ähnlich sieht es im Recht der Banküberweisung aus. Die h. L. sieht die Gutschrift als abstrakten Schuldvertrag, dessen mangelnde Kondizierbarkeit außer Frage stehe4 • Auch das nicht kondizierbare Leistungsversprechen aus angenommener Anweisung wird als selbständiges Schuldversprechen i. S. von § 780 angesehenG• Es muß befremden, daß hier jeweils zwar ein abstraktes Leistungsversprechen angenommen (§ 780), die daraus folgende Kondizierbarkeit

(§ 812 Abs. 2) aber abgelehnt wird. Nicht ohne jeden Grund kann daher

Kübler6 diesen Vorgang als "formelhaft erstarrte und mechanisch reproduzierte Anwendung des § 780 BGB" bezeichnen. Ferner muß aber auch kritisiert werden, wie die h. M. die Zweifel hinsichtlich der kondiktionsrechtlichen Behandlung der genannten Verpflichtungen zurückzudrängen versucht: Zu diesem Zwecke werden den sog. "gewöhnlich abstrakten Schuldversprechen"7 (gemeint sind die gem. §§ 780, 812 Abs.2 kondizierbaren Verpflichtungen) die hier erwähnten Verpflichtungen gegenübergestellt als "in höherem Maße abstrakt"8, "anders abstrakt"D, "in jeder Beziehung abstrakt"IG, Schultze, S.28; auch heute ist die Frage noch genau so problematisch, vgl. dazu Putzo, S. 78 f. und S. 137 f. und die folgenden Ausführungen. : So die weitaus überwiegende Meinung im Anschluß an Ulmer, AcP 126, 286 beispielsweise Palandt / Thomas, Einf. vor § 783 Anm.4; Schlegelberger / Hefermehl, Anh. zu § 365 HGB Anm. 123, 129; v. Caemmerer, JZ 1959, 362; BGHZ 28, 129 (130); BGHZ 60, 262 (264). 3 Wiederum folgt die h. M. Ulmer, AcP 126, 287, 300. 4 Schlegelberger / Hefermehl, Anh. § 365 HGB, Anm. 73 ff.; Canaris, Anm. 212 Anh. zu § 357 HGB; Meyer-Cording, S.34, 41 f.; Staudinger / Kober / Müller vor § 783 Rdnr.12; Putzo, S.55, 57 und öfter; BGHZ 6, 124; 72, 11 sowie neuerdings Otto / Stierle WM 1978, 530. 5 Vgl. nur Staudinger / Kober / Müller, § 783 Rdnr.3; Larenz, SchR H, S. 460 f.; Esser / Weyers, SchR H, 1, S.333; Fikentscher, S.554; Ulmer, AcP 126, 145. 6 S.187. 7 So Rümelin, AcP 97, 270, 289 und öfter; v. Caemmerer, JZ 1959, 364; ders. FS Riese, S. 301; BTÜtt, S.56 und öfter. 8 v. Tuhr, Jh Jb 48,50; Palandt / Thomas, § 784 Anm. 3; Staudingerl Kober / MüUer, § 784 Rdnr. 6; Jauernig / Vollkommer, § 784 Anm. 2. a). 9 v. Caemmerer, JZ 1959, 364 (für das Akkreditiv). 10 v. Tuhr H, 2 § 73, S.135; auch Kreß spricht bisweilen von "völlig abstrakten Zuwendungen", so z. B. SehR AT, S.51.

I. Zweckbeziehungen bei "abstrakten Verpflichtungen"

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"hochgradig abstrakt,m, "materiell abstrakt"l!, "delegations-abstrakt"13, "endgültig abstrakt'Cl'. Durch solche und ähnliche Bezeichnungen soll die Kondizierbarkeit einer Zuwendung von dem Grad der "Abstraktion" abhängig gemacht werden: nur "vorläufigU abstrakte", nicht dagegen "endgültigt8 abstrakte" Forderungen sollen unter den Anwendungsbereich des § 812 Abs. 2 fallen. Einige Autoren sehen sich bei diesem Meinungsstand gezwungen, die Bezeichnung "abstrakt" nur noch unter Vorbehalt zu gebrauchen17, während auf der anderen Seite Kübler18 die auftretenden sachlichen und terminologischen Ungereimtheiten der h. M. zum Anlaß nehmen will, den Abschied von der abstrakten und kondizierbaren Verbindlichkeit zu feiern. Für die Konsequenz Küblers spricht in der Tat zunächst einmal der inkonsequente und undurchsichtige Gebrauch des Begriffs "abstrakt" durch die h. M., wonach die Abstraktion zu einer beliebigen und disponiblen Figur, zu einer bloßen Behauptung geworden zu sein scheint. Nach der hier dargestellten Lehre vom Zweck kann es nämlich überhaupt keine graduelle Unterscheidung in der Rechtsgrund(un)abhängigkeit geben; rechtsgrundunabhängiger als rechtgrundunabhängig kann keine Zuwendung sein. Dennoch stellt die im Bereich der Abstraktion bei Drittbeziehungen herrschende Verwirrung keinen Grund dar, mit der Lehre vom abstrakten Schuldvertrag zu brechen, Es handelt sich dabei - wie im folgenden zu zeigen ist - mehr um eine begriffliche Ungenauigkeit, die allerdings ihre Ursache in einer unzutreffenden Vorstellung von der Abstraktheit des Schuldversprechens hat. Sicherlich ist es falsch, die Frage der Kondizierbarkeit einer Zuwendung nach einer nicht näher bestimmten Vorstellung von einer "verstärkten Abstraktion" quasi vom Ergebnis her zu programmieren. Zur Rechtfertigung solcher Argumentationsweise reicht es auch nicht aus, 11 Lorenz JZ 1968, 53; ders. JZ 1971, 428; Ulmer, AcP 126, 145 ("höherer Grad" von Abstraktion); Putzo, S.93 spricht von "weitergehender Abstraktion". 11 RümeZin, AcP 97, 278 und öfter. 13 Brütt, S. 56 11., S. 179 ff. 14 Ulmer, AcP 126, 145, 160 und öfter; Lorenz, JZ 1968, 53. 15 "Provisorisch", so v. Tuhr, FS Schultze, S.35. lS "Definitiv", so v. Tuhr (FN 15). 17. So zum Beispiel Zöllner, DB 1968, 563. 18 S.112 ff.

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1. Kap., B. Der Zweck bei Drittbeziehungen

auf Gedanken des Verkehrs- oder Vertrauensschutzes19 hinzuweisen. Mit diesen und ähnlichen20 allgemeinen Gedanken kann allenfalls erklärt werden, wie eine bestimmte Rechtsfolge zweckmäßigerweise zu gestalten ist, aber nicht, warum sie eintritt. Es ist auch nicht einzusehen, daß, wie in diesem Zusammenhang bisweilen behauptet wird, der Begriff der Abstraktheit dann, wenn Rechtsbeziehungen von drei statt von zwei Personen gegeben sind, eine graduelle Veränderung erfahren soll. 2. Abstrakt ist nicht gleich abstrakt

Die Ursache für die angeführten Unzulänglichkeiten dürfte m. E. in der jeweils unterschiedlichen Verbindung liegen, die die Begriffe "abstrakt" und "kausal" (un-abhängig) mit dem dunklen Begriff der "causa" eingegangen sind. So kann "causa" außer Ursache, Rechtsgrund (causa als Rechtfertigungsgrund!1) u. a. noch die Bedeutung von Zweck (causa als Bestimmungsgrund!l) und sogar von Rechtsgeschäft!2 annehmen.

a) Abstrakt i. S. von zweckneutral Dementsprechend kann abstrakt zunächst bedeuten, daß die "abstrakte" Zuwendung unabhängig von einer Zweckbestimmung, also zweckneutral (zweckleer, farblos)23 bewirkt wird (causa i. S. von Zweck). Zweckneutrale Vermögensverschiebungen können real oder als Leistungsversprechen erfolgen: Nach allgemeiner Meinung erfolgt bei der einfachen Anweisung § 783) die Zahlung zwischen Angewiesenem und Anweisungsempfänger ohne jede Zweckbestimmung. Ebenso ist es bei der angenommenen Anweisung (§ 784), wo der Angewiesene dem Anweisungsempfänger (zunächst nur) ein Leistungsversprechen zuwendet. In beiden Fällen bewirkt der Angewiesene im Außenverhältnis nur eine zweckneutrale Zuwendung, also gerade keine Leistung!'. Daraus ergibt sich, daß reale 19 CanaTis, FS Larenz, S.807 und Anm.208 Anh. zu § 357 HGB (der Rechtsverkehr will es so). Auf Rechtsscheinsgesichtspunkte stützt sich für das franz. Recht Vivant, S. 230 tr. !O Internationale Usancen, vgl. v. Caemmerer, JZ 1959, 364. 21 Windseheid, Pand. H, § 423, FN 8 (S. 541); dazu Simshäuser, AcP 172, 29. 22 Weitnauer, FS Paepcke, S. 612 f. !3 Hueek / CanaTis, S.36 und Lorenz, JZ 1968, 53. N Das Außenverhältnis zwischen dem Angewiesenen und dem Anweisungsempfänger bezeichnet Kreß, SchR AT, S.51 als Leistungsverhältnis, obwohl nur eine bloße Zuwendung vorliegt. Allerdings ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß Kreß die Leistung im "tatsächlichen Sinne" (= Zuwendung) von der Leistung "in rechtlicher Hinsicht" (= Leistung) unterscheidet. Jauemig / SehleehtTiem, § 812 Anm.1. 1. b) ce) und insb. Anm. 1. 5. a) sprechen von der Zuwendung als "faktischer Leistung".

I. Zweckbeziehungen bei "abstrakten Verpflichtungen"

75

Zuwendung und Leistungsversprechen vom Angewiesenen nicht mit der Leistungskondiktion vom Empfänger herausverlangt werden können. Das folgt aber nicht aus dem Begriff der Leistung, sondern erklärt sich daraus, daß der Zuwendende sich dem Empfänger gegenüber für den Fall einer Zweckverfehlung die Rückforderung gerade nicht vorbehalten hat. Da der Angewiesene vielmehr überhaupt keine Zweckerklärung an den Empfänger gerichtet hat, kann in deren Verhältnis (Außenverhältnis) auch ein die Vermögensverschiebung rechtfertigender Grund (Rechtsgrund) nicht entstehen. Damit stellen sich die Fragen der Abstraktion und der Kondizierbarkeit der Zuwendung in diesem Verhältnis von vornherein nicht. Zur Erkenntnis, daß reale Zuwendung und Leistungsversprechen des Angewiesenen im Außenverhältnis nicht kondiziert werden kann, bedarf es daher begrifflicher Neuschöpfungen (wie z. B. der "endgültigen Abstraktion") nicht. b) Abstrakt i. S. von einwendtingsunabhängig

Insbesondere bei "abstrakten" Leistungsversprechen kann diese Bezeichnung die Unabhängigkeit von einem anderen Rechtsgeschäft, oder genauer von Einwendungen aus diesem, zum Ausdruck bringen. Auch in dieser Bedeutung meint "abstrakt" etwas anderes als bloß "rechtsgrundunabhängig" ; gemeint ist hier, daß eine bestimmte Forderung unabhängig vom (einredefreien) Bestehen oder Nichtbestehen eines anderen Rechtsverhältnisses existiert!5. So ist und bleibt beispielsweise der durch die Annahme der Anweisung begünstigte Anweisungsempfänger Inhaber der "abstrakten" Forderung gegen den Angewiesenen, gleichgültig, ob im Deckungsverhältnis zwischen diesem und dem Anweisenden ein Zweck vereinbart oder erreicht ist, oder ob der Angewiesene im Deckungsverhältnis wegen der Zweckverfehlung Gegenrechte besitzt. Der Angewiesene hat daher gegen die Forderung des Begünstigten nur die Einwendungen, die das Gesetz (§ 784 Abs. 1 2. HS) zuläßt, im übrigen ist die Forderung einwendungsunabhängig ("abstrakt"). Dieser unterschiedliche Bedeutungsgehalt der Abstraktheit kann der h. M. deshalb nicht bewußt werden, weil sie, was schon gesagt worden ist, unter der Abstraktion einer Zuwendung deren Unabhängigkeit von einem Schuldgrund (= bloße Beschreibung des Verhältnisses von Kaufvertrag und Übereignung) oder deren Loslösung (Befreiung) von Einwendungen versteht!8. Aus dieser unscharfen Begriffsbildung erklärt sich wohl auch Fikentschers Ansicht, das Leistungsversprechen des § 784 !5

26

"Nichtakzessorietät", so Hueck / Canaris, S.25, 36. Vgl. oben 1. Kapitel A. um FN 212.

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1. Kap., B. Der Zweck bei Drittbeziehungen

sei gerade im Außenverhältnis, nicht jedoch im Deckungs- und Valutaverhältnis abstraktll7• Mit Abstraktion im eigentlichen Sinne (Rechtsgrundunabhängigkeit) hat das ebensowenig zu tun wie etwa die bekannte Behauptung, die Vollmachterteilung sei ein abstraktes Rechtsgeschäft28 • Der Versuch, den Begriff der Abstraktheit bis hin zur konturenlosen "Unabhängigkeit" auszudehnen, ist freilich nicht neu. Bereits Cohn28 hat einem solchen weiten und unpräzisen Begriff das Wort geredet und "alle Erscheinungsformen der Abstraktheit auf eine gemeinsame Erklärung zurückzuführen" versucht. Dieses Bemühen darf aber heute als gescheitert betrachtet werden. Angesichts der verschiedenen Bedeutungsgehalte von "abstrakt" genügt es demgegenüber nicht, einfach darauf hinzuweisen, daß unter "Abstraktheit ... einer Verbindlichkeit ... eben ... sehr Verschiedenes"30 zu verstehen sei, man muß stattdessen auch sagen, welche Art von Abstraktion jeweils gemeint ist; bei Vollmacht und Anweisung21 bedeutet die Abstraktion die bloße Unabhängigkeit vom Auftrags- bzw. Dekkungsverhältnis. c) Bedeutungszusammenhänge

Die vorstehend belegten Bedeutungen von "abstrakt" als zweckneutral, rechtsgrundunabhängig und einwendungsunabhängig stehen freilich nicht völlig unverbunden nebeneinander. Zwischen zwei bestimmten Person.en kann auch im Dreipersonenverhältnis eine rechtsgrundabhängige oder -unabhängige Zuwendung nur vorliegen, wenn sie einen Zweck für die Vermögensverschiebung vereinbaren, da nur unter dieser Voraussetzung ein das Bestehen oder Nichtbestehen der Zuwendung beeinflussender Rechtsgrund entstehen kann.. Fikentscher, S. 42. Auch v. Tuhr H, 2 § 85, S.385 bezeichnet die Vollmacht als abstrakt. Allerdings meint er (S. 385 FN 51), daß sich mit Selbstverständlichkeit aus dem Unterschied von Zuwendung und Vollmacht ergebe, "daß die causa und insbesondere ihr Fehlen bei der Vollmacht nicht dieselbe Bedeutung hat wie bei der Zuwendung". Flume, S. 840 f. sieht das ebenso. Dagegen richtet sich die Kritik Jauernigs (§ 167 Anm.1.) an der h. M. nicht gegen diesen Punkt. Jauernig geht vielmehr wohl davon aus, daß unter Abstraktheit der Vollmacht bzw. der Bevollmächtigung nichts anderes als die Abstraktheit des dinglichen Erfüllungsgeschafts zu verstehen sei, weil er zur Erläuterung der Abstraktion ohne Unterschied auf Anm. IV. 2. vor § 854 verweist. Dementsprechend sieht er das RechtsverhäItnis zwischen dem Vertreter und dem Vollmachtgeber als Rechtsgrundverhältnis an. 28 AcP 135, 67. 30 So v. Caemmerer, JZ 1959, 364; ebenso bereits Rümelin, AcP 97, 276 und ferner auch Hueck / Canaris, S. 25. 31 Zur "Abstraktheit" der Anweisung: Staudinger I Kober / Müller, § 783 Rdnr. 14; Palandt / Thomas, § 783 Anm.3; Hueck / Canaris, S.35; gegen diese Meinung bereits Kreß, SchR BT, S. 293. !7

28

·.Il. Zuwendung, Zweck und Rechtsgrund

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Bei der zweckneutralen Zuwendung ist das Zustandekommen eines diese stützenden Rechtsgrundes ausgeschlossen, so daß die Frage nach Kausalität oder Abstraktion erst gar nicht entsteht. Für zweckneutrale Leistungsversprechen ergibt sich ferner, daß der Schuldner mangels Zweckbeziehung grundsätzlich keine - außer die bloß die Gültigkeit des Zuwendungsakts betreffenden - Einwendungen gegen den Gläubiger erheben kann. Die weitgehende Einwendungsunabhängigkeit folgt notwendig aus der Zweckneutralität der Forderungszuwendung. Ausnahmsweise können aber Einwendungen durch das Gesetz begründet sein; so gewährt z. B. der § 784 Abs. 1 2. HS, soweit es um Einwendungen "aus dem Inhalte der Anweisung" geht, für den Angewiesenen Gegenrechte aus dessen Zweckbeziehung im Deckungsverhältnis auch im Verhältnis zum Anweisungsbegünstigten (Einwendungeröffnung, nicht Einwendungsausschluß). In diesem Sinne schreibt auch CanarisS!, § 784 Abs. 1 2. HS bedeute "gerade nicht den Ausschluß einer an sich gegebenen Einwendung", sondern stelle vielmehr lediglich klar, "daß Einwendungen aus Verträgen mit Dritten, die schon rein konstruktiv gesehen die Verpflichtung aus der Annahme grundsätzlich nicht berühren können, auch wirklich irrelevant sind". Im Sinne von einwengungs(un)abhängig ist demnach die Forderung aus angenommener Anweisung "abstrakter" (= weniger Einwendungen ausgesetzt) als etwa die für den Begünstigten beim echten Vertrag zu Gunsten Dritter entstehende einwendungsabhängige ("kausale") Forderung, weil § 784 Abs.·1 2. HS weniger Einreden als § 334 gewährt. Hier ist also eine graduelle Unterscheidung der "Abstraktion" nicht nur möglich, sondern auch angezeigt. Zusammenfassend kann man daher sagen, daß ohne Zweck weder Rechtsgrund, noch Abstraktion (Kausalität), noch Kondiktion und grundsätzlich auch keine Einwendungen denkbar sind. Die Bezeichnung "endgültig abstrakt" hat die Bedeutung von zweckneutral und darüber hinaus (bei Leistungsversprechen) von einwendungsunabhängig. Als abstrakte Zuwendungen sind richtigerweise ausschließlich rechtsgrnndunabhängige Vermögensverschiebungen anzusehen; die §§ 812 Abs.2, 780,781 meinen demnach rechtsgrundunabhängige Leistungsversprechen. 11. Zuwendung, Zweck und Rechtsgrund Eine Leistung kann der Leistende vom Leistungsenipfänger dann zurückfordern, wenn er sie ohne rechtlichen Grund bewirkt hat. Nach unseren Überlegungen für Zweipersonenverhältnisse ist die Entscheidung darüber aus dem erklärten Willen des Leistenden (Zwecksetzung) abzuleiten. Für Dreipersonenverhältnisse kann nun nichts anderes gel3!

Hueck /

CanaTis, S.37.

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1. Kap., B. Der Zweck bei Drittbeziehungen

ten. Die Schwierigkeit33 liegt hierbei lediglich darin, festzustellen, wer an wen eine Leistung erbringt, das heißt, wer den Zweck der Vermögensverschiebung im Dreieck bestimmt (Leistender) und mit wem dieser die potentiell zum Rechtsgrund führende Zweckvereinbarung trifft (Leistungsrichtung). Neben der Leistungsrichtung ist weiter fraglich, was jeweils als Leistungsgegenstand anzusehen ist. In dem durch die Personen A, Bund C beschriebenen Dreiecksverhältnis soll stets eine einzige Zuwendung auf mehrere Rechtsbeziehungen zugleich einwirken. In den folgenden Beispielsfällen und bereicherungsrechtlichen Modellen wird die tatsächliche Güterbewegung immer im Außenverhältnis zwischen Bund C stattfinden. Mit ihr sollen für gewöhnlich die Rechtsbeziehungen zwischen A und B (Deckungsverhältnis) und zwischen A und C (Valutaverhältnis) erledigt, abgewickelt werden. Die rechtliche Begründung dieses angestrebten wirtschaftlichen Zieles hat von den Zweckbeziehungen der Parteien auszugehen. Wir haben es also letztlich wiederum mit einem Auslegungsproblem zu tun, jede Zurechnung - unter welchen Aspekten auch immer - verbietet sich. B kann mit der Zuwendung an C beispielsweise diesem gegenüber zugleich auch einen Zweck verfolgen, also ein Leistungsverhältnis begründen. B kann aber auch eine zweckneutrale Zuwendung an C bewirken, in diesem Falle wird er aber eine Leistung an A erbringen. Zuwendungs- und Leistungsrichtung brauchen nicht parallel zu laufen, Empfänger der realen Zuwendung und Leistungsempfänger können für den Zuwendenden zwei verschiedene Personen sein". Hier gilt es dann, wie gesagt, Leistungsrichtung und Leistungsinhalt zu bestimmen; damit ist - was gleich eingangs im Anschluß an v. Caemmerers klargestellt werden soll - ein allgemeines, über das Bereicherungsrecht hinausreichendes Problem angesprochen, das für Rückabwicklungsschuldverhältnisse schlechthin (z. B. sind auch beim Rücktritt gern. § 346 die "empfangenen Leistungen" zurückzugewähren) von Bedeutung ist. 1. Die Umleitung der Zuwendung

Die weiteren Ausführungen zu diesem Problem sollen von einem konkreten Fall ausgehen: der Schuldner des C, hat dem B ein bestimmtes Gemälde unter der Bedingung versprochen, daß B die von ihm (A) geschuldete Summe an seinen (des A) Gläubiger, den C, zahlt. Ausgangsfall: A,

33 Vgl. Koppensteiner / Kramer, S.38, nach denen sich die Schwierigkeiten hier potenzieren (!) sollen. U Weitnauer, FS v. Caemmerer, S.257 FN 10; a. A. Beuthien, JZ 1968, 324, 325, 327; ebenso Pinger, AcP 179, 309 FN 51. 36 JZ 1962, 286.

H. Zuwendung, Zweck und Rechtsgrund

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Soll der B nach dem Inhalte der Bedingung selbst den Erfüllungszweck mit C vereinbaren (§ 267), und macht er das auch, so bewirkt er mit der Zahlung eine Leistung an C, wobei er hinter den Erfüllungszweck auch die condicionis implendae causa anstaffeln kann. Wird einer der beiden Zwecke verfehlt, so findet der Bereicherungsausgleich ausschließlich zwischen Bund C statt. Dieser Fall macht also nach den bisherigen Darlegungen keine Schwierigkeiten36 • Anders dagegen der Fall, daß die Bedingung des A lediglich auf Zuwendunif7 an C lautet, so daß der B gegenüber C nur eine zweckneutrale Vermögensverschiebung vornehmen darf; B soll also im Außenverhältnis gerade keine Leistung erbringen, A selbst will den Zweck der Zuwendung bestimmen, also an C leisten und er leistet in Wirklichkeit auch an C38 • Fraglich ist nur, wieso der A die Möglichkeit haben soll, an C eine Leistung (hier Zuwendung zum Zwecke der Erfüllung seiner Verbindlichkeit) zu erbringen, obwohl die tatsächliche Güterbewegung gerade nicht von ihm, sondern von B vorgenommen worden ist. Eine befriedigende Antwort hierauf ist unter Zuhilfenahme schlagwortartiger Formeln nicht zu finden. Insbesondere ist dafür die in der modernen Bereicherungsliteratur stereotyp verwendete Figur des Leistungsmittlers3D unbrauchbar, weil sie einfach zu konturenlos ist, um in den einzelnen, zu unterscheidenden Fällen konkrete Hinweise auf die Leistungsrichtung zu geben. Es muß vielmehr jeweils stets erst noch geklärt werden, welche Konstellation mit der Bezeichnung "Leistung mittels eines Dritten" überhaupt gemeint ist40 • Stattdessen ist die Antwort in dem Willen der Beteiligten zu suchen, wie er in den von ihnen verfolgten Zwecken zum Ausdruck gekommen ist4l • Kreß hat in diesem Zusammenhang von der "Umleitung der Leistung durch die Zweckbestimmung" gesprochen42 • Bevor nämlich A das von B Zugewendete zu seiner Leistung an C machen kann, muß es ihm auf irgendeine Weise von B verschafft worden sein. Dabei ist es rein tatsächlich - nicht notwendig, daß der Weg der Güterverschiebung Vgl. jedoch noch unten FN 194 und 2. Kapitel B. I. 1. Kreß, SchR AT, S.53 FN 42, S.64 schreibt ungenau: "Leistung"; vgl. oben FN 24. 38 Kreß, SchR AT, S.53 FN 42. 39 So beispielsweise von Larenz, SchR H, S.468/469; H. P. Westermann, S.194; Fikentscher, S.581 ("VermittlungsstelleU); Kötter, AcP 153, 201 (Leistung mit Hilfe eines Dritten); Beuthien, JZ 1968, 325 (Der Dritte "mittelt" die Zuwendung). Canaris, FS Larenz, S. 800 kritisiert diese Praxis mit vollem Recht. ",0 Weitnauer, NJW 1974, 1732 und ders. FS v. Caemmerer, S. 279 ff. zu den möglichen Konstellationen; dazu auch schon v. Tuhr H, 2 § 71, S. 57 ff. 41 So vor allem Kreß, SehR AT, S. 51 ff.; Weitnauer, FS v. Caemmerer, S. 280 ff.; v. Caemmerer, JZ 1962, 386. 42 SchR AT, S.51, zutreffender ist: Zuwendung; vgl. FN 37. 36 37

80

1. Kap., B. Der Zweck bei Drittbeziehungen

von B über A an C führt, sie kann vielmehr auch ohne diesen Umweg von B direkt an C erfolgen. Rechtlich muß dagegen die Zuwendung diesen Umweg gehen43 • Die für die Leistung A-C vorausgesetzte Vermögensvermehrung macht die rechtliche Umleitung der Zuwendung B-C erforderlich. Voraussetzung dafür ist zunächst, daß der B dem A die an C bewirkte Zahlung zuleitet. Um jedes Mißverständnis auszuschließen, soll an dieser Stelle gleich betont werden, daß dadurch die Vermögensverschiebung als solche nicht berührt wird, sie ist und bleibt von B an C bewirkt«. Demnach kann B dem A seine Zuwendung an C nur zuleiten, indem er ihm rechtlich eine Position verschafft, die ihn wirtschaftlich im Verhältnis zu C so stellt, als beruhe die Vermögensvermehrung bei C auf seiner eigenen Zuwendung. Zu diesem Zwecke ist notwendig und ausreichend, daß B dem A die Möglichkeit der Verfügung über das dem C Gezahlte verschafft, was nichts anderes bedeutet, als daß er dem A die Befugnis einräumen muß, über seine (des B) Zuwendung dem Empfänger gegenüber rechtlich zu disponieren", d. h. eine Zweckbestimmung zu treffen. Es geht demnach also darum, daß A die fremde Zuwendung für eigene Zwecke gegenüber C einsetzen darf. Damit kann er im Verhältnis zu C als Leistender auftreten, denn erst wer den Zweck einer Vermögensverschiebung bestimmt oder bestimmen darf, kann den wirtschaftlichen Wert, der mit ihr bewegt wird, rechtlich nutzen. Nimmt A die ihm von B gewährte Befugnis" zu dem von B bestimmten Zweck an (dabei kann jeder beliebige Zweck in Frage kommen), so sind beide damit einverstanden, daß der A sich im Verhältnis zu B so behandeln lassen muß, als ob B die Zahlung statt an C unmittelbar an A selbst erbracht habe. In unserem Ausgangsfalle wird daher der B dem A mitteilen, er wolle ihm die Dispositionsbefugnis zu dem Zwecke überlassen, daß er die von A gestellte Bedingung erfülle, um damit die Leistung des A (das Versprechen auf Übereignung des Gemäldes) zu erhalten. Dem B ist dabei freilich gleichgültig, zu welcher Zweckbestimmung der A diese Befugnis gegenüber C wahrnimmt, es kann ihm auch gleichgültig sein. 43 Kreß, SchR AT, S.51. '" Unzutreffend ist daher die Annahme Beuthiens, JZ 1968, 324, der Dritte (B) erbringe als bloßer Leistungsmittler gegenüber dem Gläubiger (C) keine Zuwendung. 45 v. Jhering, Jh Jb 2, 136-138 (zitiert von Wilhelm, S.117) hat das anschaulich so dargestellt: "Das Empfangen liegt in dem Zugutekommen, das Zugutekommen in der Disposition . ..", und der Grund für das Zugutekommen, so ist zu ergänzen, beruht auf vertraglicher Absprache. 48 Dieser Vorgang wird zumeist mit den Begriffen "indirekte Zuwendung" oder "mittelbare Leistung" beschrieben; vgl. dazu bereits Siber SchR, S.420; Wilburg, S.I11, 113; ferner Jauernig I Voltkommer, § 783 Anm. 1. a).

11. Zuwendung, Zweck und Rechtsgrund

81

Für die Zuleitung ist lediglich entscheidend, daß B an A erklärt, er (A) könne mit seiner (des B) Zuwendung dem Empfänger C gegenüber rechtlich "machen, was er wolle". Ob der A dann tatsächlich die Zahlung eigenen Interessen durch Zwecksetzung nutzbar macht, ist eine andere Frage. Das ist eine Frage nach der Weiterleitung der Zuwendung, die ebenso wie die Zuleitung auf Grund einer Zweckvereinbarung (hier allerdings zwischen A und C) erfolgt47. Die für das Vorliegen einer Leistung A-C erforderliche Zuwendung ist darin zu sehen, daß der A den B zur Zuwendung an C hat veranlassen können48 • Damit ist ein normatives Problem angesprochen, das etwa auch bei der übereignung einer beweglichen Sache (§ 929) unter Einschaltung einer Geheißperson auf Veräußererseite auftaucht: Hier wird die faktische Macht des Veräußerers, welche in der Dispositionsbefugnis über den Besitz besteht49 , rechtlich dem Besitz, dort die Dispositionsbefugnis über die - regelmäßig sogar rechtsgeschäftliche - Zuwendung B-C rechtlich dieser Zuwendung selbst gleichgewertetSo. Dabei ist es, wie es schon wiederholt der Fall war, völlig gleich, worin die Zuwendung B-C besteht: Sie kann in einer Realhandlung'1, einer realen rechtsgeschäftlichen Zuwendung, aber auch in der Eingehung eines Leistungsversprechens bestehen. Für die leistungsrechtliche Behandlung unseres Ausgangsfalles spielt es also keine Rolles2 , ob B dem C zahlen oder lediglich Zahlung versprechen soll; die Grundsätze der Umleitung der Zuwendung durch Zu- und Weiterleitung gelten in beiden Fällen. Erbringt daher der B die Zahlung im Außenverhältnis, so werden mit der einen realen Zuwendung zugleich zwei Leistungen bewirkt, B hat an A und dieser an C geleistet (sog. abgekürzte Leistung), dagegen findet im Außenverhältnis nur eine zweckneutrale Zuwendung und keine Leistung statt·s• Daraus folgt, daß die Zahlung des B ihren Rechtsgrund 47 Dazu Kreß, SchR AT, S.52. SO Weitnauer, FS v. Caemmerer, S. 281; ebenso bereits Brütt, S. 175. 49 Der Übergabe durch den Veräußerer steht die Übergabe gleich, die ein Dritter auf Geheiß des Veräußerers vornimmt, so Medicus, Rdnr. 564. 60 Canaris, FS Larenz, S. 861 lehnt solche "verwickelten Erwägungen" von vornherein ab. 61 Z. B. Reparaturarbeiten eines Subunternehmers, Weitnauer, FS v. Caemmerer, S.279; v. Caemmerer, JZ 1962, 385. Sll Ebenso v. Tuhr 11, 2 § 71, S.58 um FN 66. 53 Für diesen Vorgang hat sich heute im Anschluß an Ulmer, AcP 126, 143 und Stampe, AcP 107, 283 ff. die Bezeichnung "Simultanleistung" durchgesetzt. Als Simultanleistung wird jede Zuwendung bezeichnet, die auf zwei Kausalbeziehungen zugleich einwirkt. Ursprünglich wohl mehr auf Anweisungsfälle bezogen, wird der Begriff heute zunehmend auf unterschiedliche Dreiecksftguren angewendet, z. B. auf die Drittzahlung gern. § 267 von Könd4S

6 Schnau der

82

1.

Kap., B. Der Zweck bei Drittbeziehungen

jeweils im Deckungs- und Valutaverhältnis hat, aber auch nur da haben kann. 2. Der Weg der bereicberungsrechtlichen Rückabwicldung

Damit scheint für unseren Ausgangsfall der Weg der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung bei Zweckverfehlung schon vorgezeichnet. Unser Fall ist nämlich grundsätzlich nicht anders als die in Literatur und Rechtsprechung breit erörterten Anweisungsfälle zu beurteilen. In beiden Konstellationen wird eine Umleitung der von B an Cerbrachten Zuwendung von den Beteiligten angestrebt. über die kondiktionsrechtliche Abwicklung solcher Dreiecksfiguren, wenn bei wirksamer Anweisung Deckungs- oder Valutaverhältnis unwirksam sind, herrscht allgemeiner Konsens: B soll von A und dieser von C kondizieren. Dagegen wird hinsichtlich der Begründung für dieses als gesichert zu betrachtende Ergebnis ein äußerst intensiver und - was die Anzahl der Literaturstimmen betrifft - schier unübersehbar gewordener Streit geführt. Dabei werden die unterschiedlichsten und kontroversesten Vorstellungen vertreten, so daß jeder Versuch, sich in Dreieckssituationen zu orientieren, fast zu einer "Odyssee" zu werden droht. a) Der Parteiwille

Dennoch ist eine zuverlässige Orientierung möglich, wenn man sich nur an den von den Parteien im Einzelfall zum Ausdruck gebrachten Willen hält. Als "Kompaß"54 dient uns nämlich der Grundsatz, daß die Lei-

gen, JZ 1976, 485. Mit dieser Bezeichnung ist freilich noch nicht gesagt, wie die "Simultanleistung" auf die Rechtsverhältnisse einwirkt, und insb. was jeweils als Leistungsgegenstand anzusehen ist. 54 Weitnauer, FS v. Caemmerer, S.282; ähnlich ("Wegweiser") Kötter, AcP 153, 217. Von diesem Prinzip läßt sich auch die jüngste einschlägige Arbeit von Meyer, Der Bereicherungsausgleich in Dreiecksverhältnissen, Berlin 1979 leiten. Meyer stellt den Leistungsbegriff nicht in Frage (S. 14), beschränkt ihn aber doch auf eine bloße formale Kategorie (z. B. S. 16, 18, 21), so daß er sich gezwungen sieht, die eigentlichen kondiktionsrechtlichen Entscheidungen unter dem materiellen Gesichtspunkt einer Interessenbetrachtung und unter Rückgriff auf die Entreicherungsvorschrift des § 818 Abs. 3 zu treffen (vgl. nur S. 14). Damit kommt er zu Ergebnissen, wie sie im wesentlichen auch hier vertreten werden. Seine Konzeption leidet aber ganz allgemein darunter, daß er seine Argumente nicht in den Gesamtzusammenhang des Schuldrechts stellt, sondern stattdessen beispielsweise glaubt, einer solch grundlegenden Frage wie der nach der Rechtsnatur der Erfüllung (Tilgungsbestimmung) ausweichen zu können (vgl. S.61 um FN 23). Im übrigen gilt: Eine Bewertung der in Dreiecksfällen beteiligten Interessen kann jedoch lediglich zur überprüfung der Ergebnisse (vgl. hierzu auch die abschließende "Kontrollüberlegung" bei Weitnauer, NJW 1979, 2008 [2013)), nicht aber zu ihrer Begründung herangezogen werden.

11. Zuwendung, Zweck und Rechtsgrund

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stungskondiktion nur innerhalb des fehlgeschlagenen Leistungsverhältnisses in umgekehrter Leistungsrichtung erfolgt. Das ergibt sich zwangsläufig schon daraus, daß nach der Zwecklehre die Leistungskondiktion durch den vom Leistenden gemachten Vorbehalt erklärt wird, den Leistungsgegenstand endgültig nur aufzugeben, wenn der von ihm angestrebte Zweck erreicht wird65 • Das ist bei sog. LeistungskettenH leicht einzusehen. Denn wird eine Sache von B an A und von diesem an C zunächst verkauft, dann geliefert und stellt sich nun heraus, daß zwar die Übereignungen wirksam, einer der Kaufverträge dagegen unwirksam ist, so kann die Kondiktion jeweils nur innerhalb der betreffenden Leistungsbeziehung erfolgen. Das gilt auch bei Nichtigkeit beider schuldrechtlichen Beziehungen; hier kondiziert B von A und dieser von C. Es greift keine Durchgriffskondiktion ein57 : als Leistungskondiktion nicht, weil B mit C überhaupt nicht in eine Zweckbeziehung getreten ist, als Kondiktion in sonstiger Weise nicht, weil diese von der spezielleren Leistungskondiktion B-A verdrängt wird58 , oder um mit dem Bundesgerichtshof58 zu sprechen, weil "eine doppelte Leistungsbeziehung" besteht, die von B über A zu C "eine geschlossene Kette wirksameroo Vertragsverhältnisse bildet", und B sich "vielmehr ausschließlich an seinen Vertragspartner halten (kann)". Das gleicheO! muß grundsätzlich auch für den Fall gelten, daß die Zuwendung derselben Sache nach dem übereinstimmenden Willen der Beteiligten nicht mehr den Umweg über A, sondern direkt von B an C gehen soll. Nach denselben Grundsätzen ist auch die alte Streitfrage zu entscheiden, von wem der condicionis implendae causa Zuwendende kondizieren kann, wenn sich die bedingte Vermögensverschiebung des A als unwirksam erweist. 6S Kreß, SchR BT, S.330; Weitnauer, FS v. Caemmerer, S. 261; vgl. bereits oben 1. Kapitel A. um FN 154. 66 Nach Lorenz, JZ 1968, 53 "lineare Bereicherungskette". 57 Im Anschluß an Wilburg, S. 115 heute allg. Meinung; vgl. nur H. P. Westermann, JuS 1968, 17 und Lorenz, JZ 1968, 51; ein "Durchgriff" über § 822 bei rechtsgrundlosem Erwerb A-C ist zu verneinen (anders wohl RGZ 163, 348), weil Rechtsgrundlosigkeit nicht der Unentgeltlichkeit gleichzusetzen ist, vgl. z. B. H. P. Westermann, S.198; ders. JuS 1968, 20. 68 H. P. Westermann, JuS 1968, 18 FN 12, 21. Subsidiarität der Eingriffskondiktion; dazu noch unten IV. 2. 59 BGHZ 56, 228; ähnlich auch Lorenz, JZ 1968, 53; H. P. Westermann, JuS 1968, 18; Weitnauer, DNotZ 1968, 706; 1972, 376. 60 Daß die Wirksamkeit der Vertragsverhältnisse nicht notwendig ist, weist Weitnauer, FS v. Caemmerer, S.291 nach. 6! Auf die rechtliche Gleichbehandlung von Leistungskette und Anweisungsdreieck weist insb. H. P. Westermann, JuS 1968, 19 hin. Wilhelm, S. 119 stellt beide Figuren irrigerweise schon im tatsächlichen Bereich gleich.

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1. Kap., B. Der Zweck bei Drittbeziehungen

Der Bereicherungsausgleich ist in dem Rechtsverhältnis vorzunehmen, in welchem der Leistungszweck nicht erreicht werden konnte. Wird der Zweck sowohl im Deckungs- wie im Valutaverhältnis verfehlt (Doppelmangel), so ist die Lösung heute noch umstritten. Mit dem Argument, es sei ein unnötiger Umweg, den B an A zu verweisen, entschied sich die früher h. M. für einen bereicherungsrechtlichen Durchgriff B-C62 • Mit dogmatischen Argumenten kann man dieses Ergebnis jedoch nicht begründen. Insbesondere ist hier jede Argumentation mit dem Rechtsgrund fehl am Platze, was offenbar ein von Lorenz63 mitgeteiltes (unveröffentlichtes) Urteil des IV. Zivilsenats des BGH versucht hat, indem es für den Fall der Unwirksamkeit beider Rechtsverhältnisse kurzerhand den Durchgriff damit begründet hat, daß "dann ... überhaupt kein Rechtsgrund mehr für die Leistung vorhanden" sei". Auf wertungsmäßiger Ebene hält die Durchgriffslehre ohnehin dem Bedenken nicht Stand, daß bei Zulassung des Durchgriffs dem Empfänger C sämtliche Gegenrechte aus seinem Verhältnis zu A abgeschnitten wären65 • Ebensowenig darf ferner übersehen werden, daß auch bei anderen als bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsschuldverhältnissen (Wandlung, Rücktritt) sich jeder nur an seinen jeweiligen Vertragspartner halten kann66 • Die zur Doppelkondiktion führende Gegenmeinung67 verdient daher den Vorzug; aus systematischen Gründen ist sie die richtige: die Leistungskondiktion ist immer, also auch bei Doppelmangel, in umgekehrter Richtung der fehlgeschlagenen Leistungsbeziehung zuzulassen18• Von dieser Lösung ist nur im Hinblick auf § 822 eine Ausnahme zu machen, also dann, wenn in unserem Ausgangsfall der A die condicionis implendae causa zugeleitete Zuwendung des B an C zum Zwecke der Schenkung weitergeleitet hätte. B kann sich demnach in diesem Falle 62 So RGZ 86, 343 (347); BGHZ 5, 281; 36, 32 (obiter dicta), BGH JZ 1962, 404; Wilburg, S.115 (aus "Gründen der Bequemlichkeit"); Ulmer, AcP 126, 162/163 ("aus Billigkeitsgründen"); Siber SchR, S.437; Stampe, AcP 107, 294; Gottschalk, Jh Jb 78, 318; v. Tuhr, Jh Jb 48, 50. Für eine Durchgriffskondiktion aus "praktischen Erwägungen unter Zurücksetzung dogmatischer Bedenken" Palandt / Thomas, § 812 Anm. 5 B b ee. &3 JZ 1968, 51/52. IM Ebenso unzutreffend LG Bielefeld WM 1970, 1072. Gegen solche überlegungen zutreffend schon Kötter, AcP 153, 197, 217. 85 Statt aller Canaris, FS Larenz, S. 861. 66 Darauf hat schon v. Caemmerer, JZ 1962, 388 hingewiesen; vgl. auch Weitnauer, FS v. Caemmerer, S.290. 67 Angeführt von Esser, SchR 2. Aufl., S. 784 ff.; Lorenz, JZ 1968, 51; H. P. Westermann, S.198; ders. JuS 1968, 17; v. Caemmerer, JZ 1962, 388; Weitnauer, FS v. Caemmerer, S.283. 68 Darin wird die "dominierende Kraft des Zweckmoments der Leistung" (so H. P. Westermann, JuS 1968,23) deutlich. Ebenso hat inzwischen auch der BGH entschieden: BGHZ 48, 70 gegen BGH JZ 1962, 404.

H. Zuwendung, Zweck und Rechtsgrund

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direkt an C halten, wenn seine Zweckbestimmung im Deckungsverhältnis nicht zum Ziel führt. Normativ ist nämlich die in der Einräumung der Verfügungsmacht liegende Zuleitung der Zuwendung B-C so zu behandeln, als ob die Vermögensverschiebung von B direkt an A erfolgt sei; deswegen rechtfertigt sie die entsprechende Anwendung des § 822 88 • b) Objektive Zurechnung

Diesen allgemeinen Grundsätzen versagt Canaris 70 ebenso die Gefolgschaft wie dem zweckbestimmten Leistungsbegriff überhaupt. Die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung soll seiner Meinung nach nicht länger nach den Zweckerklärungen der Parteien erfolgen, der Leistungsbegriff habe vielmehr versagt und sein Abschied stehe bevor71 . "Nicht der Leistungsbegriff, sondern das Abstraktionsprinzip und die diesem zugrundeliegende Wertung des Verkehrs- und Vertrauensschutzes ist demnach ... für den Ausschluß des Durchgriffs maßgeblich; und nicht die Frage, zwischen welchen Parteien ein ,Leistungsverhältnis' besteht, sondern das Kriterium, in welcher Kausalbeziehung der kondiktionsauslösende Mangel seinen Ursprung hat, entscheidet dementsprechend über die Person von Bereicherungsgläubiger und -schuldner72." Aus diesen wenigen Sätzen wird bereits deutlich, wie sehr Canaris den hier vertretenen Kondiktionsgrund der Zweckverfehlung in den Hintergrund drängt. Damit hat er sich zunächst einmal alle Freiheit geschaffen, die Kondiktionsbeziehungen in Dreipersonenverhältnissen in beliebiger Weise zu konstruieren, er hat die Wahl zwischen Durchgriffsoder Doppelkondiktion. Da aber weder die eine noch die andere Lösung aus sich selbst richtig sein kann, gerät die anfänglich gewonnene Freiheit bei Canaris unversehens zur Orientierungslosigkeit. Canaris bleibt für die Bestimmung des maßgeblichen Leistungsverhältnisses nur noch die Möglichkeit, diesen Zustand durch Einführung von rein dezisionistischen Bewertungskriterien zu beheben, die er aus dem Gedanken der "objektiven Zurechnung"73 entwickeln will. Ziel der Zurechnung soll der Ausschluß von Einwendungen aus Drittbeziehungen sein, ein Ziel, das der Leistungsbegriff vergeblich anstrebe. Mittel der Zurechnung sind "allgemeine Rechtsgrundsätze" wie die Risikozuordnung ("Prinzip der Selbstverantwortung"), insbesondere für den 6V Eingehend dazu und zu den Grenzen der Anwendbarkeit des § 822 H. P. Westermann, JuS 1968, 17; vgl. auch Pa~andt / Thomas, § 822 Anm.3. 70 FS Larenz, S. 799 ff. 71 Canaris, FS Larenz, S. 859. Dazu jetzt im Rückblick Canaris, WM 1980, 354, 367 ff. 72 Canaris, FS Larenz, S. 807; ähnlich wieder in WM 1980, 370. 73 So ausdrücklich Canaris, FS Larenz, S. 859 f.

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1. Kap., B. Der Zweck bei Drittbeziehungen

Fall des Konkurses, und der allgemeine Abstraktionsgrundsatz, der von der sachenrechtlichen Ebene auf die schuldrechtliche Ebene des Bereicherungsrechts erstreckt werden soll (Prinzip des Verkehrs- und Vertrauensschutzes)14. Daß damit freilich einmal die Abstraktion i. S. von Rechtsgrundunabhängigkeit und zum anderen i. S. von Einwendungsunabhängigkeit (Einwendungsaussch.luß) gemeint ist, macht Canaris nicht deutlich. Stattdessen scheint er die in dem Begriff der Abstraktion liegende Ungenauigkeit und Mehrdeutigkeit gerade zu suchen, um vielleicht seine Ergebnisse auf diese Weise leichter absichern und der Kritik um so schwerer zugänglich machen zu können. Bedenklicher als dieser Umstand ist aber die Tatsache, daß Canaris kein Wort darüber verliert, woher und wie seine objektiven Wertungsund Zurech.nungskriterien sich rechtfertigen 76 • Bedenklich ist insbesondere, daß die Auswahl der Kriterien anderen Personen als den Vertragspartnern überlassen werden soll. Doch das ist eine notwendige Konsequenz des Denkansatzes von Canaris: Hat man zunächst einmal den in der Zweckvereinbarung zum Ausdruck kommenden Parteiwillen verdrängt, so bleibt nur noch übrig, die entstandene Lücke im Namen der objektiven Vernunft mit beliebigen (frei erdachten7e) Prinzipien77 zu füllen. So überrascht es nicht, daß entgegen Canaris' Ankündigung78 , die 74 Vgl. dazu CanaTis, FS Larenz, S.804, 810 ff., 817; zur Kritik vgl. Weitnauer, FS v. Caemmerer, S. 275 f. Die Entgegnung Canaris' in WM 1980, 369

wird dieser Kritik nicht gerecht, weil Canaris die unterschiedliche Bedeutung der "Abstraktion" nicht offenlegt (dazu sogleich im Text und schon oben um FN 30), sondern den Begriff der Abstraktion unterschiedslos auf ganz verschiedene Konstellationen anwendet, nämlich auf die Unabhängigkeit der Vollmacht von dem zugrundeliegenden Innenverhältnis (vgl. oben FN 28 ff.), auf die Einwendungsunabhängigkeit bei Wechsel, Gutschrift und angenommener Anweisung (vgl. dazu oben FN 25: "Abstraktheit" im Sinne von Nichtakzessorietät; siehe ferner noch 2. Kapitel unter A.) und schließlich auf das sog. schuldrechUiche Abstraktionsprinzip. Unter dem letzteren Begriff kann und soll nun nichts weiter verstanden werden, als daß bei Vorliegen von zwei Schuldverhältnissen, an denen jeweils auf einer Seite dieselbe Partei, hier der Anweisende, beteiligt ist, diese, sofern sie nicht nach dem Parteiwillen aufeinander bezogen sind, in ihrem Bestand voneinander unabhängig sind. Das ist aber nicht mehr als eine bloße Selbstverständlichkeit, und Canaris muß sich fragen lassen, ob und wieso sie zusammen mit dem "sachenrechtlichen Abstraktionsprinzip" ausreichen soll, so weitreichende Konsequenzen wie Durchgriffsverbot und Einwendungsausschluß für Anweisungsfälle zu begründen (so aber Canaris, FS Larenz, S.817). 75 Allenfalls kann man der FN 168 auf S.860 entnehmen, daß bei der Auswahl Hegel eine beträchtliche Rolle zukommen soll. 75 Und "dezisionistischen" ..., so Weitnauer, FS v. Caemmerer, S.275. Die Schelte, die Weitnauer dafür von Canaris, WM 1980, 368 in und bei FN 100 erhält, ist unverdient und Canaris' Bekenntnis zum Parteiwillen eine bloße Behauptung. 77 Deren Nachvollziehung beispielsweise auch Costede, S. 17 "nicht recht gelingen" will; vgl. ferner Köndgen, Festg. Esser, S. 64 ("Labyrinth"); kritisch auch Medicus, NJW 1974, 542 und Fiedler, JR 1975, 317 sowie Esser / Weyers, SchR II, 2, S.39 ("kompliziertes Instrumentarium"). 78 FS Larenz, S. 814.

H. Zuwendung, Zweck und Rechtsgrund

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"in Betracht kommenden Risiken ... nicht in freier Wertung und in einer vom Verhalten der Parteien unabhängigen Weise" zu verteilen, schon wenig später das Abstraktionsprinzip seine Forderungen stellt ("Das Abstraktionsprinzip fordert in der Tat ... ")79. Wie sehr Canaris objektive Zurechnungsgedanken gegenüber der privatautonomen Rechtsgestaltung bevorzugt, zeigt etwa auch sein Satz: "Ist die von Parteien geschaffene Risikoverteilung einer von ihnen nicht zurechenbar ... "so. Wie, so muß siclJ. Canaris hier fragen lassen, ist es möglich, daß bestimmte, von den Parteien vereinbarte Rechtsfolgen ihnen nicht zurechenbar sein sollen? Auf der anderen Seite hat Canaris zu Recht kritisiert, daß verschiedentlich Argumente aus dem Leistungsbegriff als solchem abgeleitet werden81 . Dazu ist zu sagen, daß derjenige, der mit dem bloßen Leistungsbegriff operiert, zwnindest ebensowenig wie Canaris dem hinter dem Zweckelement des Leistungsbegriffs stehenden Schuldrechtssystem gerecht werden kann. Die Auffassung Canaris' wird uns im folgenden noch häufiger beschäftigen, aber dennoch soll bereits an dieser Stelle ein erstes, globales Urteil gewagt werden: Das Lösungsmodell von Canaris ist deshalb untauglich, weil der - angeblichen - Lösung der "h. M." (über "Begriff und Topik"82) der Vorschlag gegenübergestellt wird, mit Hilfe allgemeiner Rechtsgrundsätze und Prinzipien88 zu wertungsmäßig kontrollierten Ergebnissen zu gelanNur ganze drei Seiten später auf S.817; mit Recht kritisch Putzo, S.144. Canaris, FS Larenz, S.820. Dazu Weitnauer, FS v. Caemmerer, S.276 FN 67. Die Replik Canaris' in WM 1980, 368 FN 103 überzeugt nicht. Denn wie sollte ein Geschäftsunfähiger eine rechtsgeschäftlich wirksame Risikoverteilung schaffen können? Hier wird einmal mehr deutlich, daß Canaris eine gerechte Verteilung von Risiken ausschließlich mittels Zurechnung von objektivrechtlichen Wertungs gesichtspunkten anstrebt, die sich nicht aus dem erklärten Willen der Parteien ableiten. Er bemüht vielmehr außervertragliche, überindividuelle Verkehrs- und Vertrauensgesichtspunkte, wo es darum gehen sollte, die Risikoverteilung zunächst nach dem zum Ausdruck gekommenen Parteiwillen vorzunehmen (vgl. dazu noch unten um FN 176 ff.). Jede Partei sollte sich dabei nur an ihrer Erklärung festhalten lassen müssen und nicht an einer - von wem auch immer - "ferngesteuerten" objektiven Vernunft. 81 So bereits auch Weitnauer, NJW 1974, 1730 um FN 11. Als Beispiele aus der Rechtsprechung sollen hier genannt werden: BGHZ 61, 291 und BGH DB 1979, 158 = NJW 1979, 371 (unter H., 2. a) der Gründe: "Das folgt schon aus dem bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriff ... "). 81 Canaris, FS Larenz, S. 858. 83 Canaris, FS Larenz, S. 828,857; Weitnauer, AcP 168, 213f. hat demgegenüber - in anderem Zusammenhang - dargelegt, daß das allgemeine Vertrauensprinzip nicht als Rechtssatz, sondern nur als ein - wenn auch wichtiger - topos anzusehen ist, und daß man mit Hilfe der topischen Methode fast niemals zu sicheren Ergebnissen, sondern allenfalls zu mehr oder weniger plausiblen kommt. Ähnliche - direkt gegen Canaris gerichtete - Einwendungen finden sich bei Medicus, NJW 1974, 542. 79

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1. Kap., B. Der Zweck bei Drittbeziehungen

gen. Bei näherem Zusehen jedoch ergibt sich nämlich, daß es gar nicht die Alternative gegenüber einer imaginären "h. M." sein kann, weil weder allgemeine Begriffe noch allgemeine Prinzipien den in Dreiecksverhältnissen anstehenden Problemen gerecht werden können84 •

c) Die Lehre von der Einheitskondiktion Obwohl Canaris das Versagen des Leistungsbegriffs feststellt 71 , greift er an manchen Stellen seiner AbhandlungBS unvermittelt die Zweckbestimmung des Zuwendenden auf und behält im übrigen auch die "Zweispurigkeit des Kondiktionsrechts"88, also die Trennung von Leistungsund Eingriffskondiktion bei. Dies haben insbesondere die Vertreter der sog. Einheitskondiktion als inkonsequent kritisiert. Sie verneinen kurzerhand die Brauchbarkeit dieser Unterscheidung und wollen zur Ermittlung der Parteien des Bereicherungsausgleichs auf objektive Kriterien anderer Art, nämlich einerseits auf die eingetretene Vermögensvermehrung und andererseits auf den erlittenen Vermögensverlust bei Bereicherungsschuldner und - gläubiger zurückgreifen, weil sie der Ansicht sind, daß in § 812 Abs. 1 das Tatbestandsmerkmal "auf dessen Kosten" nicht bloß auf die Kondiktion "in sonstiger Weise" beschränkt werden dürfe87• Danach stehe dem (Bereicherungs-) Gläubiger die Leistungskondiktion nur zu, wenn er aus seinem Vermögen den (Bereicherungs-) Schuldner bereichert habe88 • Der h. M. werfen sie vor, sie treibe mit dem Tatbestandsmerkmal "Leistung" begriffsjuristischen Umgang8D • Vor diesem Hintergrund wirken die folgenden Sätze Wilhelms DO einigermaßen überraschend: "Es ist eine Selbstverständlichkeit und keine neue Erkenntnis, daß die Leistung als willentliche Mehrung fremden Vermögens zweckgerichtet ist.... Ebenso selbstverständlich beruht die Rückforderbarkeit einer Leistung auf der Verfehlung eines der mit der Leistung verknüpften Zwecke(s)". 84 Mit v. Caemmerer, JZ 1962, 386 ist aber jede "schematisierende Lösung" zu vermeiden, also gerade die von Canaris, FS Larenz, S.858 als "konturenlos" verpönte Einzelfallbetrachtung vorzunehmen. 65 Vgl. z. B. nur S.821, 836, 844, 864 f. 86 Vgl. Köndgen, Festg. Esser, S.64. 87 Wilhelm, insb. S. 100 ft.; Costede, S. 48ft.; Kellmann, S. 103ft.; entgegen der h. M. (vgl. dazu z. B. BGHZ 48, 73 und Kötter, AcP 153, 201ft.). Einen den Erstgenannten nahekommenden, allerdings eigenständigen Standpunkt nimmt neuerdings Pinger, AcP 179, 301 (insb. S. 312 ft.) ein: Während er einerseits der Einheitskondiktionslehre Wilhelms zuneigt, bedient er sich andererseits in der Erfüllungslehre des zweckbestimmten Leistungsbegrifts. Diese "Mischtheorie" vermag schon deswegen nicht zu befriedigen. 88 So Wilhelm, S. 104, 108; Kellmann, S. 97 ft., 103 ft.; Kaehler, S. 44 ft. 89 Wilhelm, S. 102, 111, 132, 140 und öfter; Costede, S.25; Kellmann, S. 122. 110 S. 102.

H. Zuwendung, Zweck und Rechtsgrund

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Zutreffender kann man den Grundgedanken der Leistungskondiktion kaum noch ausdrücken. Wilhelm zieht aber keinen Gewinn aus diesen Sätzen; er entwertet vielmehr diese im Anschluß an Ausführungen der 1. Kommission gewonnene Erkenntnis sogleich wieder durch die irrige Annahme, mit seinen Sätzen nUT das Tatbestandsmerkmal "ohne rechtlichen Grund" erlaßt zu haben. Für die Bestimmung der Kondiktionsrichtung seien sie irrelevant; sie ergebe sich nämlich gerade nicht aus der Umkehrung der Zweckrichtung, sondern aus der auf Grund des Tatbestandsmerkmals "auf dessen Kosten" zu ermittelnden "Rechtsoder Vermögensänderung,m. Leistung sei immer Bereicherung "des Schuldners aus dem Vermögen des Gläubigers". Aus diesem Grunde kreisen die Gedanken Wilhelms, Kaehlers und Costedes9! um die Frage, wie bei Anweisungslagen der Zuwendungsempfänger C aus dem Vermögen des Anweisenden A bereichert sein könnte. WilheZm e3 folgt dabei einer von Flume9f für die Risikoverteilung beim Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs.3) entwickelten Lehre, wonach "Vermögensbewegungen dem Vermögensherrn zuzurechnen sind, wenn sie auf seiner Vermögensentscheidung, seinem Einsatz eigenen Vermögens beruhen". Diesen Gedanken nutzt er bereits für die Begründung des Bereicherungsanspruchs des Anweisenden ("Gläubigers")95. Wie der Bereicherungsschuldner das Geleistete seinem Vermögen durch eine positive Vermögensentscheidung "inkorporiere"98, so könne der Anweisende (Bereicherungsgläubiger) durch Disposition über den Leistungsgegenstand (Vermögensentscheidung) diesen seinem eigenen Vermögen zuführen. Durch die in der Disposition liegende Vermögensentscheidung des Anweisenden und dadurch, daß der Angewiesene sie ausführt, "kommt der Leistungsgegenstand in einer dem dinglichen97 Durchgang 91

t!

Wilhelm, S. 103; kritisch dazu, Köndgen, Festg. Esser, S. 62. Dagegen verwendet Kellmann (S. 106 ff.) keine besondere Mühe, berei-

cherungsrechtliche Fragen bei Dreiecksbeziehungen eingehender zu beantworten; er erklärt überhaupt nicht, ob und wieso bei der Anweisung der Empfänger "auf Kosten" des Anweisenden bereichert ist. Kellmann gedenkt nämlich hier weniger das Bereicherungsrecht, als vielmehr "eigenständige Gedanken des VerkehrssdlUtzes" zur Lösung einzubringen (S.106 FN 192), wobei es auf die Zweckbestimmung nicht ankommen könne (S.104, 107). Gegen ihn zutreffend bereits Köndgen, Festg. Esser, S. 56 ff. 93 S. 62 ff. (insb. S. 73). Uf FS Niedermeyer, S. 155 ff.; ders. NJW 1970, 1163 f. Gegen solche Erwägungen bereits v. Caemmerer, FS Rabel, S.368; zu Recht, da es fraglich ist, ob bei einer Gesamtdifferenzhypothese überhaupt eine Entreicherung feststellbar ist. 95 Dazu Wilhelm, S. 115 ff.; gegen ihn mit Recht Joerges, S.39. 98 Und sich deshalb nicht mehr auf § 818 Abs. 3 berufen könne. 97 Es geht aber nicht nur um dingliche Zuwendungen, auch die in der Begründung der Forderung im Außenverhältnis liegende Zuwendung kann

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1. Kap., B. Der Zweck bei Drittbeziehungen

durch das Vermögen des Anweisenden vermögensmäßig und deshalb rechtlich gleichstehenden Weise zu Lasten des Vermögens des Anweisenden dem Empfänger zu .. ."vs. Nach dieser Ansicht soll der B dem A durch Ausführung der Anweisung (Disposition) den Gegenstand seines (des B) Vermögens zur Verfügung stellen. Deshalb habe C den Vermögensgegenstand "auf Kosten" des A erlangt. Auch KaehlerB 9 verwendet viel Mühe auf den Nachweis, daß trotz der tatsächlichen Güterbewegung B-C der C gerade nicht auf Kosten des B, sondern auf Kosten des A bereichert worden sei. Er ist der Meinung, B übertrage das Vermögensgut auf C nur gegen die Zusage (Garantie) des A, es im Deckungsverhältnis zu vergüten bzw. zu berechnen. Gibt A diese Zusage, so solle das Gut des B bereits zum fremden, zu dem des A werden. Deshalb könne A aus dem so von B abgeleiteten (Vermögens-) Recht lOO bei nichtigem Valutaverhältnis von C kondizieren. Das ist, insgesamt gesehen, eine nur in der Einzeldarstellung, nicht jedoch in der Sache selbst abweichende Meinung gegenüber der Wilhelms lol. Beide wenden sich gegen die moderne Lehre von der Leistungskondiktion. Wilhelm wirft ihr beispielsweise vor, mit dem Leistungsbegriff den Kondiktionsanspruch allein nach der Zweckbestimmung festzulegen, ohne zu erklären und erklären zu können, wieso der Kondiktionsschuldner gerade aus dem Vermögen des "Gläubigers" bereichert werde. Es genüge ihr schon, wenn eine "zweckbestimmte VeTUTsachung der Bereicherung" vorliege, also wenn beim "Schuldner" irgendeine Vermögensvermehrung vorhanden seP02. Wilhelm kritisiert insbesondere, daß die subjektive Komponente der Zweckbestimmung und nicht "das objektive Merkmal der Bereicherung" über das Entstehen des Kondiktionsverhältnisses entscheiden solle. Es sei unverständlichlos, "daß aufgrund der h. L. I04 jemand, der in Wahrheit nichts in sein Vermögen erhalten hat, allein aufgrund der irrtümlichen Zweckbestimmung des Leistendurch Zweckvereinbarung der Parteien umgeleitet werden; vgl. dazu oben um FN 52. vs Wilhelm, S.116; ähnlich auch S.114 und ders. JuS 1973, 3; ebenso jetzt Pinger, AcP 179, 312 ff. um FN 70 und 84. at S. 116; ihm folgt Costede, S. 24 ff. 100 Nicht aus "abgetretenem Recht", wie Wilhelm, S.101 FN 146 die Auffassung Kaehlers irrig interpretiert. 101 Daß Wilhelm, S.20 FN 14 nicht diese Gemeinsamkeiten heraushebt, sondern vielmehr in eine - insgesamt wohl zutreffende - Einzelkritik der Meinung Kaehlers eintritt, hat Costede, S. 46 FN 72 m. E. zu Recht kritisiert. 102 Wilhelm, S. 100, 101, 104, 108 und öfter. 103 So WHhelm, S. 108. 104 Diese imaginäre Größe dient WHhelm, ähnlich wie zuvor schon Canaris, dazu, ohne nähere Auseinandersetzung mit ihr, das eigene System leichter aufzubauen.

II. Zuwendung, Zweck und Rechtsgrund

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den Kondiktionsschuldner wird lO15 , und daß ebenso jemand, der in Wahrheit nichts geleistet hat, aufgrund seiner Zweckbestimmung bezüglich einer fremden Leistung llM1 zum Leistenden wird l07 • Die Rückabwicklung gemäß der Zweckbestimmung, d. h. in der Umkehrung der durch sie bestimmten Richtung, ist in der Anwendung der h. L. 104 so bestimmend, daß Vermögensvorteile im Vermögen eines Unbeteiligten konstruiert werden ... , um den Unbeteiligten ... zum Leistungsempfänger und Kondiktionsschuldner zu machen". Zuzugeben ist dieser Kritik, daß es in der Literatur tatsächlich Stimmen gibt, die Lösungen auf rein begrifflicher Analyse durch bloße Distinktion von Leistung und Zuwendung entwickeln. So schreibt etwa Bergl08 , daß bei der Anweisung der (B) durch seine Zuwendung an (C) eine Leistung an (A) erbringen wolle, weil der Kondiktionsschuldner ausschließlich (!) durch den Zuwendungswillen (!) des Leistenden bestimmt werde lOu • Bei Berg fehlt ebenso wie bei zahlreichen anderen Autoren die Erklärung dafür, wieso die sog. indirekte Zuwendung eine der direkten Zuwendung gleichstehende Vermögensvermehrung darstellt110 • Dieser normative Aspekt tritt stattdessen völlig in den Hintergrund, weil man glaubt, diese Seite des Problems durch Verwendung von bloßen begrifflichen Formeln, insbesondere durch die nichtssagende Figur des Leistungsmittlers111 , gelöst zu haben. Die Kritik Wilhelms darf daher berechtigterweise nur an die Adresse derer gerichtet werden, die den Leistungsbegriff zwar anwenden, ihn aber nicht in das dazugehörige Schuldrechtssystem einzuordnen vermögen. Aus unseren bisherigen Ausführungen ergibt sich dagegen eindeutig, daß es eine Leistung ohne Bereicherung nicht geben kann; die bloße Zweckbestimmung kann beim Empfänger keine Vermögensvermehrung bewirken11!. Der - richtig verstandene - Leistungsbegriff dispensiert 1015 Damit ist die bereicherungsrechtliche Situation zwischen A und B bei nichtigem Deckungsverhältnis gemeint. 1011 Gemeint ist die Zuwendung B-C. 107 Hier ist das Valutaverhältnis angesprochen. 108 AcP 160, 507 f. 10U Ähnlich auch Kötter, AcP 153, 202, 204 f. 110 Vgl. dagegen Weitnauer, FS v. Caemmerer, S.281. 111 Kötter, AcP 153, 196 ("mittelbar verursachte Bereicherung"); Koppensteiner / Kramer, S.40 ("Übermittlung" der Leistung "im Hinblick auf das Deckungsverhältnis"); vgl. auch Larenz, SchR II, S.469 und oben FN 39. m Die Zweckbestimmung ist für das Vorliegen einer Leistung nicht vorrangig, wie der BGH anzunehmen scheint (vgl. BGH NJW 1979, 371 unter II. 2. a) der Grunde; zu dieser Entscheidung vgl. schon oben FN 81). Auch Esser / Weyers, SchR II, 2, S.52 scheinen bei Annahme einer Leistungsbeziehung "lediglich" auf den "formalen Geschäftszweck" abstellen zu wollen. Ebensowenig ist die Behauptung zutreffend, die im Leistungsbegriff enthaltene Zweckbestimmung diene vor allem dazu, die Parteien des Bereicherungsausgleichs zu bestimmen (vgl. z. B. Esser, SehR II, S. 339 f.). Dazu kri~

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1. Kap., B. Der Zweck bei Drittbeziehungen

gerade nicht von der Feststellung einer Zuwendung, d. h. einer bewußten Vermehrung fremden Vermögens (Bereicherung) im LeistungsverhäUnis selbst. Daß die rechtliche Bewertung dabei vor der tatsächlichen Vermögensverschiebung zwischen Bund C nicht einfach die Augen schließen und annehmen kann, der Zuwendungsgegenstand (Forderung oder Sache) selbst sei von B ins Vermögen des A gebracht worden, ist bereits gesagt worden113 • Das damit verbundene Problem ist als normatives Problem erkannt und - vom Standpunkt der hier vertretenen Lehre aus - über die Figur der "Umleitung der Zuwendung durch Zweckbestimmung" gelöst worden. Demgegenüber deutet der Hinweis Wilhelms auf die Vermögensentscheidung der Beteiligten zwar auch eine normative Bewertung der Vorgänge im Anweisungsdreieck an, er kann ihr aber nicht zur endgültigen Klarheit verhelfen114 • Denn die Vermögensentscheidung des B, seinen Vermögensgegenstand dem A zu dessen freier Disposition zu stellen, kann nicht allein damit erklärt werden, daß der B die in der Weisung liegende Disposition des A ausführt, d. h. tatsächlich befolgt. Die Umleitung der Zuwendung durch Verschaffung der Verfügungsrnacht (= der wirtschaftliche Wert, der mit der Einräumug der Befugnis zur Zweckbestimmung über eine fremde Zuwendung verbunden ist) wird vielmehr rechtlich nur durch den Willen der beteiligten Parteien (Zweckvereinbarung) erreichtllS • Wie sollten auch ohne Vereinbarung der Parteien die Forderungen in Deckungs- und Valutaverhältnis zum Erlöschen gebracht werden können? Bei rechtlicher Betrachtungsweise wird ferner auch offenkundig, daß die in der "Disposition liegende Vermögensentscheidung" des A nichts anderes als seine Zweckbestimmung im Valutaverhältnis ist; des weiteren wird deutlich, daß B seine Zuwendung an C dem A nicht schon dann zur Verfügung stellt, wenn er sie tatsächlich vornimmt. Dazu bedarf es noch einer entsprechenden Willensäußerung des B gegenüber A. Diesen Vorgang kann man durchaus mit Wilhelm11t als "Vermögensentscheidung" bezeichnen, das ist dann nur mehr eine terminologische tisch Welker, S.29 und Jauernig / Schleehtriem, § 812 Anm. I. 1. b) sowie Anm. I 5. a) und schon Anm. 2. a) vor § 812. Die berechtigte Kritik (vgl. noch Weitnauer, NJW 1979, 2009 und Pinger, AcP 179,309) gibt aber keinen Grund, auf die Methode der Zurechnung zurückzugreifen, so aber Welker, S.30 und vor allem auch Jauernig / Sehleehtriem, § 812 Anm. I. 5. b) bb) a. E. sowie 5. c) ce), wo auf ein zusätzliches Zurechnungsmoment abgestellt wird. 113 Vgl. oben bei FN 44. 116 Ebenso Köndgen, Festg. Esser, S. 62/63. 115 So auch Jung, S.92; deutlicher jedoch Kreß, SchR AT, S.51/52 und Weitnauer, FS v. Caemmerer, S.281. 11t Interessanterweise wendet Wilhelm (S.156) auf die Vermögensentscheidung die Vorschriften über die Willenserklärung an.

H. Zuwendung, Zweck und Rechtsgrund

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Frage. Jedenfalls kann aber mit Köndgen 117 und Koppensteiner-Kramer118 festgestellt werden, daß sich Wilhelm der traditionellen, am Leistungsbegriff festhaltenden, Meinung mehr genähert hat, als ihm offensichtlich bewußt geworden ist. d) GesetzZiche AnaZogien?

Ein neues Denkmodell hat erst kürzlich Kupisch119 vorgeschlagen. Er wendet sich damit ganz entschieden gegen die eingangs aufgestellten Grundsätze der bereicherungsrechtlichen Lösung von Dreiecksverhältnissen. Harder120 hat ihn dabei anläßlich seiner geradezu überschwenglichen Buchbesprechung mit allem Nachdruck unterstützt und gemeint, mit den Thesen Kupischs sei ,,(das) Ende des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs" gekommen. Ausgangspunkt der Lehre Kupischs ist ein dem "gemeinen Verständnis'