Griechische Heiligtümer als Handlungsorte: Zur Multifunktionalität supralokaler Heiligtümer von der frühen Archaik bis in die römische Kaiserzeit 351512389X, 9783515123891

Heiligtümern kam in der griechischen Welt stets eine zentrale Rolle zu. Sie waren nicht nur Stätten der Kultpraxis, sond

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German Pages 338 [342] Year 2019

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
(Matthias Haake)
Feiern, opfern, schänden, handeln, inszenieren … Supralokale Heiligtümer
in der griechischen Welt als Handlungsorte – ein Aufriss
(Christoph Ulf)
Merkmale supralokaler und überregionaler Heiligtümer
im Kontext der Formierung der Polis
(Ioanna Patera)
Variations de la pratique sacrificielle dans les sanctuaires supra-locaux
(Fritz Graf)
Lead Invocations in Greek Sanctuaries
(Klaus Freitag)
Griechische Heiligtümer als Handlungsorte und die Ausbildung
von Wissenskulturen im antiken Griechenland
(Marie-Kathrin Drauschke)
Die gemeinsame Aufstellung zwischenstaatlicher Vertragsurkunden
(koinē stēle)
(Angelos Chaniotis)
Display and Arousal of Emotions in Panhellenic Sanctuaries
in the Shadow of Rome
(Kai Trampedach)
Der Gott verteidigt sein Heiligtum in Delphi (nicht)
(Clarisse Prêtre)
Diaphonie et symphonie. La propagande polyphonique du sanctuaire
d’Asklépios à Épidaure
(Vinciane Pirenne-Delforge)
The Politics of Olympus at Olympia
(Tonio Hölscher)
Die Statuenausstattung des Heraion von Olympia.
Museum für Bildungsreisende oder Rahmen für Kulte von Frauen?
(Sebastian Scharff)
In Olympia siegen. Elische Athleten des 1. Jahrhunderts v. Chr.
und die Frage nach der Attraktivität der Olympischen Spiele
im späten Hellenismus
(Alain Bresson)
Slaves, Fairs and Fears. Western Greek Sanctuaries
as Hubs of Social Interaction
(Andrew Lepke)
Vor fremden Göttern? Religiöse Handlungs- und Repräsentationsorte
im Spiegel der Freilassungsinschriften des 2. Jahrhunderts v. Chr.
(Katharina Knäpper)
„With a Little Help from my Friends“ oder das Asyliederby
zwischen Magnesia am Mäander und Milet
(Robert Parker)
Concluding Remarks
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Griechische Heiligtümer als Handlungsorte: Zur Multifunktionalität supralokaler Heiligtümer von der frühen Archaik bis in die römische Kaiserzeit
 351512389X, 9783515123891

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Griechische Heiligtümer als Handlungsorte Zur Multifunktionalität supralokaler Heiligtümer von der frühen Archaik bis in die römische Kaiserzeit herausgegeben von Klaus Freitag und Matthias Haake

Alte Geschichte Franz Steiner Verlag

Griechische Heiligtümer als Handlungsorte Zur Multifunktionalität supralokaler Heiligtümer von der frühen Archaik bis in die römische Kaiserzeit Herausgegeben von Klaus Freitag und Matthias Haake

Franz Steiner Verlag

Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder – EXC 2060 „Religion und Politik. Dynamiken von Tradition und Innovation“

Umschlagabbildung: Offerings at the Temenos, pencil on vellum, 2019. © Thanasi Papapostolou Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2019 Layout und Herstellung durch den Verlag Satz: DTP + Text Eva Burri, Stuttgart Druck: Beltz Grafische Betriebe, Bad Langensalza Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-12389-1 (Print) ISBN 978-3-515-12390-7 (E-Book)

Inhaltsverzeichnis Vorwort ................................................................................................................vii Matthias Haake Feiern, opfern, schänden, handeln, inszenieren … Supralokale Heiligtümer in der griechischen Welt als Handlungsorte – ein Aufriss .........................................1 Christoph Ulf Merkmale supralokaler und überregionaler Heiligtümer im Kontext der Formierung der Polis .................................................................... 31 Ioanna Patera Variations de la pratique sacrificielle dans les sanctuaires supra-locaux ...................57 Fritz Graf Lead Invocations in Greek Sanctuaries ..................................................................75 Klaus Freitag Griechische Heiligtümer als Handlungsorte und die Ausbildung von Wissenskulturen im antiken Griechenland......................................................87 Marie-Kathrin Drauschke Die gemeinsame Aufstellung zwischenstaatlicher Vertragsurkunden (koinē stēle) ...........................................................................................................121 Angelos Chaniotis Display and Arousal of Emotions in Panhellenic Sanctuaries in the Shadow of Rome ....................................................................................... 137 Kai Trampedach Der Gott verteidigt sein Heiligtum in Delphi (nicht) ...........................................155 Clarisse Prêtre Diaphonie et symphonie. La propagande polyphonique du sanctuaire d’Asklépios à Épidaure......................................................................................... 175

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Inhaltsverzeichnis

Vinciane Pirenne-Delforge The Politics of Olympus at Olympia.................................................................... 187 Tonio Hölscher Die Statuenausstattung des Heraion von Olympia. Museum für Bildungsreisende oder Rahmen für Kulte von Frauen?.................... 207 Sebastian Scharff In Olympia siegen. Elische Athleten des 1. Jahrhunderts v. Chr. und die Frage nach der Attraktivität der Olympischen Spiele im späten Hellenismus ........................................................................................227 Alain Bresson Slaves, Fairs and Fears. Western Greek Sanctuaries as Hubs of Social Interaction ................................................................................251 Andrew Lepke Vor fremden Göttern? Religiöse Handlungs- und Repräsentationsorte im Spiegel der Freilassungsinschriften des 2. Jahrhunderts v. Chr. ........................279 Katharina Knäpper „With a Little Help from my Friends“ oder das Asyliederby zwischen Magnesia am Mäander und Milet ......................................................... 303 Robert Parker Concluding Remarks ........................................................................................... 323

Vorwort Der hier vorliegende Band geht in seinem Kern auf die internationale Tagung „Griechische Heiligtümer als Handlungsorte. Zur Multifunktionalität supralokaler Heiligtümer von der frühen Archaik bis in die römische Kaiserzeit“ zurück, die vom 15.–18.4.2015 in der ebenso wunderbaren wie einzigartigen Atmosphäre der Villa Vigoni (Loveno di Menaggio) stattfand. Anlass für diese Tagung an den Ufern des Comer Sees war der 65. Geburtstag von Peter Funke. Dieses Ereignis gab den Anstoß, in einem kleinen Kreis jenseits des akademischen Alltags aus unterschiedlichen Perspektiven ein Forschungsfeld in Muße intensiv zu diskutieren, das in den letzten zwei Jahrzenten zu einem wesentlichen wissenschaftlichen Arbeitsgebiet Peter Funkes geworden ist: die Multifunktionalität supralokaler Heiligtümer in der griechischen Welt. Nachdem die Arbeiten an dem Sammelband nunmehr zu ihrem Abschluss gekommen sind, bleibt uns an dieser Stelle die schöne Aufgabe Dank auszusprechen – und Dank abzustatten haben wir vielen Personen und Institutionen. An erster Stelle gilt unser Dank den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Konferenz, die sich bereitwillig auf unser Oberthema eingelassen haben und die durch ihre Vorträge und deren schriftliche Ausformulierung sowie durch ihre Diskussionsbeiträge ganz wesentlich zum Gelingen des Tagungsprojektes beigetragen haben. Wir freuen uns sehr, dass sich unter den nun vorliegenden Beiträgen auch zwei Aufsätze befinden, deren Autoren leider nicht in der Villa Vigoni zugegen sein konnten.1 Mit der Villa Vigoni ist eine derjenigen Institutionen genannt, der wir unseren sehr herzlichen Dank aussprechen möchten: Die seinerzeitige Generalsekretärin des Deutsch-Italienischen Zentrums für Europäische Exzellenz Villa Vigoni e. V., Immacolata Amodeo, sowie ihre Nachfolgerin, Christiane Liermann Traniello, haben gemeinsam mit dem Team der Villa Vigoni nicht nur für einen reibungslosen organisatorischen Ablauf der Konferenz Sorge getragen, sondern auch für eine unvergleichliche Atmosphäre während unseres dreitägigen Aufenthaltes gesorgt und damit einen großen Beitrag zum Gelingen der Tagung geleistet. Die zweite Institution, der wir uns zu großem Dank verpflichtet fühlen, ist der Münsteraner Exzellenzcluster ‚Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und der Moderne‘(EXZ 212), der die Veranstaltung in großzügiger Weise aus seinen Mitteln gefördert hat. Deswegen freuen wir uns auch in besonderem Maße, dass wir vier ehemalige Doktorandinnen und Doktoran1

Der Beitrag von Klaus Hallof wird unter dem Titel Alte und Neue Inschriften aus Olympia II. 5. Epigramm für den Olympiasieger Deinosthenes aus Sparta im Chiron 49, 2019 erscheinen.

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Vorwort

den von Peter Funke gewinnen konnten, zu dem vorliegen Band ebenfalls Beiträge beizusteuern – sie alle waren Teil von Peter Funkes durch das Exzellenzcluster geförderten Projekten ‚Parteiische Götter – konkurrierende Götter. Die Rolle von Kulten und Heiligtümern in antiken Staatsverträgen (2007 bis 2012)‘ und ‚Politisch-religiöse Interdependenzen in sakralen Räumen. Epigraphische Texte im Umfeld antiker griechischer Heiligtümer‘ (2012 bis 2017). Dass der Band in der vorliegenden Form erscheinen kann, wird der dritten Institution verdankt, die wir dankbar erwähnen möchten: Für die äußerst großzügige finanzielle Unterstützung bei der Übernahme der Druckkosten danken wir dem Münsteraner Exzellencluster ‚Religion und Politik. Dynamiken von Tradition und Innovation‘ (EXZ 2060). Dank gebührt auch Laura Lechtenberg, die die Manuskripte redaktionell bearbeitet und die Druckvorlage erstellt hat, sowie Nils Fischer, der im Rahmen der Korrekturen der Druckfahnen die letzten Arbeiten an diesem Band übernommen hat. Dem Franz Steiner Verlag möchten wir für die Aufnahme der erweiterten Konferenzakten in sein Verlagsprogramm herzlich danken, und Katharina Stüdemann wissen wir uns für die engagierte Betreuung unseres Projekts zu großem Dank verpflichtet. Schließlich möchten wir noch einen ganz besonderen Dank aussprechen: Thanasi Papapostolou hat auf unsere Bitte hin mit großer Begeisterung die Vorlage für das Coverbild gezeichnet (Offerings at the Temenos, 2019), wofür wir ihm sehr herzlich danken. Aachen und Münster, im Mai 2019 Klaus Freitag und Matthias Haake

Feiern, opfern, schänden, handeln, inszenieren … Supralokale Heiligtümer in der griechischen Welt als Handlungsorte – ein Aufriss* Matthias Haake Zum Kampf der Wagen und Gesänge, Der auf Korinthus’ Landesenge Der Griechen Stämme froh vereint, Zog Ibykus, der Götterfreund. Ihm schenkte des Gesanges Gabe, Der Lieder süßen Mund Apoll, So wandert’ er, an leichtem Stabe, Aus Rhegium, des Gottes voll. aus: F. Schiller, Die Kraniche des Ibykus

I. ‚Setting the scene‘ – eine exemplarische Skizze „Zur Zeit der Isthmischen Spiele ging Diogenes zum Isthmos hinab; wie es scheint, hielt er sich gerade in Korinth auf. Er ging gern zu großen Veranstaltungen, aber aus einem anderen Grund als die Menge: Sie will die Wettkämpfer bestaunen und ihre Vergnügungssucht befriedigen, er aber wollte, wie ich glaube, die Menschen und ihren Unverstand beobachten.“1

Diese kurze Textpassage aus Dion Chrysostomos’ Rede Diogenes oder Die Isthmischen Spiele hat einen Gegenstand zum Thema, der alles andere als außergewöhnlich ist: die Präsenz eines Philosophen, in vorliegendem Fall des Kynikers Diogenes, in einem panhellenischen Heiligtum. Vielmehr handelt es sich bei diesem Sujet geradezu um ein topisches Element in der antiken ‚Philosophenliteratur‘.2 Dabei dreht sich *

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Die nachfolgenden Ausführungen basieren in ihrem ersten Teil in sehr verkürzter Form auf Überlegungen, die in der Villa Vigoni unter dem Titel Supralokale Heiligtümer als Bühne für intellektuelle ‚performances‘: Sophisten, Philosophen, Dichter und Historiker ‚on stage‘ vorgetragen worden sind. Nicht mehr berücksichtigt werden konnte Biard et al. 2017. – Für eine kritische Lektüre des Textes gilt mein herzlicher Dank Daniela Bonanno (Palermo), Klaus Freitag (Aachen), Anna Haake (Münster), Andrew Lepke (Münster) und Robert Parker (Oxford). Dion. Chrys. or. 9,1 (Übers.: W. Elliger): Ἰσθμίων ὄντων κατέβη Διογένης εἰς τὸν Ἰσθμόν, ὡς ἔοικεν, ἐν Κορίνθῳ διατρίβων. παρετύγχανε δὲ ταῖς πανηγύρεσιν οὐχ ὧνπερ οἱ πολλοὶ ἕνεκα, βουλόμενοι θεάσασθαι τοὺς ἀθλητὰς καὶ ἵνα ἐμπλησθῶσιν, ἀλλ᾿ ἐπισκοπῶν οἶμαι τοὺς ἀνθρώπους καὶ τὴν ἄνοιαν αὐτῶν. – Vgl. in gleicher Weise Dion. Chrys. or. 8,6. Instruktiv ist auch die Pythagoras in den Mund gelegte parallele Gedankenführung in Herakl. Pont. frg. 85 Schütrumpf = frg. 88 Wehrli2 ap. Cic. Tusc. 5,3,8–9. Vgl. etwa Dreßler 2014, 129–130 in Bezug auf Diogenes Laertios.

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Matthias Haake

stets Vieles um das Begriffspaar ‚sehen und gesehen werden‘. Dass das Sehen, hier im Sinne des philosophischen Beobachtens, Diogenes’ Motiv war, sich nach Isthmia zu begeben, daran lässt Dion Chrysostomos nicht den geringsten Zweifel.3 Und zu sehen gab es ja auch in der Tat vielerlei, denn – um Herakleides Kritikos’ Worte über Athen auf das Heiligtum am Isthmos umzumünzen: „Allerlei wird vorgetragen.“4 Dies lässt sich auf instruktive Weise mit einer Textstelle aus Dion Chrysostomos’ Rede Diogenes oder Von der Tugend illustrieren: „Zu jener Zeit war es auch, daß man rings um den Poseidontempel beobachten konnte, wie viele erbärmliche Sophisten schrien und sich gegenseitig beschimpften, ihre sogenannten Schüler miteinander stritten, viele Prosaisten ihre stumpfsinnigen Schreibereien vorlasen, viele Dichter ihre Werke rezitierten und beim Publikum Beifall ernteten, viele Gaukler ihre Kunststücke zeigten, viele Wahrsager die Zeichen deuteten, zahllose Redner das Recht verdrehten und nicht weniger Krämer verhökerten, was sie gerade hatten.“5

Auch für das Gesehen werden liefert Dion Chrysostomos ein treffliches, wenn auch drastisches Beispiel. Wiederum spielt Diogenes die Hauptrolle, und er wird dabei seiner Rolle als Kyniker vollauf gerecht, tat er doch angeblich etwas, „was man sonst in der Öffentlichkeit nicht tut“: Er soll coram publico im Heiligtum defäkiert haben.6 Wie auch immer es um die Historizität der biographischen Details aus dem Leben des Diogenes in Dions um das Jahr 100 oder (etwas) später gehaltenen ‚diogenianischen Reden‘ bestellt sein mag:7 Es steht außer Frage, dass das Bild, das der Goldmund vom isthmischen Heiligtumsfestbetrieb zeichnet, nicht nur hinsichtlich der autorialen Gegenwart und in Bezug auf das am Isthmos von Korinth gelegene Poseidon-Heiligtum zutreffend ist, sondern ein in seinen Grundzügen recht treffendes Sittengemälde des ‚kulturellen Jahrmarktgepräges‘ der panhellenischen Heiligtümer zu Zeiten der großen penteterischen respektive trieterischen Götterfeste, im

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Vgl. in diesem Zusammenhang Nightingale 2005, 151–154. FGrHist 2022 Herakleides Kritikos, Über die Städte in Hellas 1,1 = BNJ 369A F 1. Dion. Chrys. or. 8,9 (Übers.: W. Elliger): Καὶ δὴ καὶ τότε ἦν περὶ τὸν νεὼν τοῦ Ποσειδῶνος ἀκούειν πολλῶν μὲν σοφιστῶν κακοδαιμόνων βοώντων καὶ λοιδορουμένων ἀλλήλοις, καὶ τῶν λεγομένων μαθητῶν ἄλλου ἄλλῳ μαχομένων, πολλῶν δὲ συγγραφέων ἀναγιγνωσκόντων ἀναίσθητα συγγράμματα, πολλῶν δὲ ποιητῶν ποιήματα ᾀδόντων, καὶ τούτους ἐπαινούντων ἑτέρων, πολλῶν δὲ θαυματοποιῶν θαύματα ἐπιδεικνύντων, πολλῶν δὲ τερατοσκόπων τέρατα κρινόντων, μυρίων δὲ ῥητόρων δίκας στρεφόντων, οὐκ ὀλίγων δὲ καπήλων διακαπηλευόντων ὅτι τύχοιεν ἕκαστος. Dion. Chrys. or. 8,36. – Zum kynischen Auftreten in der Kaiserzeit s. Hahn 1989, 172–181; Hahn 2009, 252–256. Defäkieren im Heiligtum fällt nicht nur unter die Rubrik der Negation des ‚comme il faut‘, sondern kann zumindest auch die Sphäre der Verunreinigung eines Heiligtums berühren; vgl. in diesem Zusammenhang Lupu 2009, 501 Anm. 1 sowie auch Bain 1991, 52–53 mit Anm. 18; Palaiokrassa-Kopitsa 1996, 225–229 Nr. 1. – Die vielleich spektakulärste Inszenierung eines Philosophen, die mit einem panhellenischen Heiligtum assoziiert ist, die Selbstverbrennung des Peregrinos Proteus, wurde zwar von ihm bei den Olympischen Spielen des Jahres 161 n. Chr. annonciert, fand jedoch unmittelbar nach dem Ende der Spiele des Jahres 165 n. Chr. im Nahe von Olympia gelegenen Ort Harpina statt; s. Lukian. Peregr. 35–36 mit Pilhofer 2005, 72 Anm. 76, 85–87 Anm. 114–121; Haake 2006, 523–524. Zu Dions ‚diogenianischen Reden‘ (or. 6–10) sowie ihrer Datierung und Einordnung in sein Leben und Œuvre s. Jones 1978, 49–50; 136; Jouan 1993. Speziell zu or. 8–9 vgl. König 2005, 141–143.

Feiern, opfern, schänden, handeln, inszenieren …

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Antikythera-Mechanismus mit einem eigenen Ziffernblatt versehen,8 seit archaischer Zeit imaginiert.9 Zahlreich sind nämlich die Geschichten und Zeugnisse über Dichter, Philosophen, Sophisten, Redner, Musiker und Historiker bei den panhellenischen Spielen von Olympia, Delphi, Nemea und Isthmia.10 Um nur einige in den antiken Quellen erwähnte, hinlänglich bekannte Beispiele anzuführen: Herodot soll bei Olympischen Spielen aus seinen Historien vorgetragen haben, um ein panhellenisches Publikum zu erreichen, und dabei den jungen Thukydides zu Tränen gerührt haben;11 Gorgias hielt bei Olympischen Spielen zu Ende des fünften oder zu Beginn des vierten vorchristlichen Jahrhunderts von den Stufen des Zeus-Tempels herab eine panhellenische Festrede, in der er die Griechen aufforderte, einig zu werden und gegen die Barbaren vorzugehen,12 und Lysias propagierte in seiner Olympiakos betitelten Rede im Jahre 388 oder 384 v. Chr. den Kampf gegen den syrakusanischen Tyrannen Dionysios I.;13 Platon wiederum wollte angeblich die Olympischen Spiele des Jahres 360 v. Chr. dazu nutzen, im Geheimen Dion aus politischen Gründen zu treffen.14 Um falschen Schlussfolgerungen aus der Olympialastigkeit der bisher angeführten Beispiele vorzubeugen,15 sei als Beispiel für die Präsenz von Dichtern in panhellenischen Heiligtümern auf den eisernen Thron in Delphi verwiesen, den man zu Pausanias’ Zeiten in der Nähe des Herdes mit der ewigbrennenden heiligen Flamme bestaunen konnte und auf dem Pindar, der durch seine Dichtungen eine wichtige Rolle bei der Konstruktion von Delphi als bedeutungsvollem und sinnstif-

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Vgl. Anastasiou et al. 2016, 158 mit 174–175; s. auch Freeth et al. 2008; Jones 2017, 89–92. Aus der reichen Literatur zum Thema s. etwa Bouvier 1985; Kokolakis 1992; Meier 1993; Weiler 1997; Van Liefferinge 2000; Lefka 2005; Haake 2006; Tell 2007; Morgan 2009; Nebelin 2016, 226–228; s. auch Massar 2007. Zu Musikern und musikalischen Auftritten in supralokalen Heiligtümern im Hellenismus vgl. Chaniotis 2009, bes. 82–92. Zu einem koischen Kitharöden, der um die Mitte des ersten nachchristlichen Jahrhunderts u. a. zweimal siegreich an den Isthmien und Nemeen teilnahm (IG XII 4, 2, 1166), s. Summa 2013. Suda, s. v. Θουκυδίδης (θ 414); s. auch Lukian. Herodot. 1–2; Markell. vit. Thuc. 54 Piccirilli mit Piccirilli 1985, 159–160 ad loc.; vgl. ferner Oliver 2017, 136–141 zu Herodots Auftritt in Olympia sowie 141–181, wo nachzuweisen versucht wird, dass die herodoteische ‚Thermopylen-epideixis‘ (Hdt. 7,172– 233) an ein amphiktyonisches Publikum in Delphi adressiert war. Paus. 6,17,8; s. Maddoli et al. 1999, 305–306 ad loc. Für die Fragmente der Rede s. Gorgias frg. 7–8a DK 82 [76] / Buchheim / Ioli ap. Aristot. rhet. 1414b29; Clem. Al. Strom. 1,51; Plut. mor. 144b-c; s. auch Gorgias test. 35 DK 82 [76] / Buchheim / Ioli ap. Philostr. ep. 73. Zur Rede vgl. Flower 2000, 92–93; Consigny 2001, 75, 139–141, 195; Hose 2012, bes. 37–39. Diod. 14,109,2; s. auch Dion. Hal. Lys. 29. Zum erhaltenen Text der Rede s. Lys. or. 33 Carey. Vgl. insgesamt Stroheker 1958, 137–139; Gigante 1960; Todd 2000, 331–332. Plat. ep. 7,350b. Nach Neanthes von Kyzikos zog Platon die Augen aller Griechen auf sich (FGrHist 84 F 22 = BNJ 84 F 22 ap. Diog. Laert, 3,25); nach Ailian hingegen konnte Platon sich unerkannt in Olympia aufhalten (Ail. var. 4,9). Zu Platon in Olympia vgl. Trampedach 1994, 111; Haake 2006, 524–525. Es ist dennoch bezeichnend, dass T. M. Robinson 15 seiner 18 Theaterstücke, die in The Other Olympians. Philosophers and Poets at the Ancient Greek Games zusammengestellt sind, bei verschiedenen Olympischen Spielen des fünften und vierten Jahrhunderts stattfinden lässt; s. Robinson 2017.

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Matthias Haake

tendem Ort gespielt hat,16 gesessen haben soll, wenn er am ‚Nabel der Welt‘ weilte und Gesänge zu Ehren Apollons sang.17 Pindars Thron stellt ein instruktives Scharnier zwischen den zwei unterschiedlichen Präsenzformen von Dichtern, Philosophen, Sophisten, Rednern und Historikern in den panhellenischen Heiligtümern dar, hatte dieser metallene Stuhl doch zunächst eine temporäre Funktion bei Pindars Auftritten, die sich dann in eine dauerhafte als mobiliarer Erinnerungsort wandelte: Pindars Thron vermag deshalb auf instruktive Weise einerseits auf die temporär performative und andererseits die permanent kommemorative Präsenz der genannten Gruppe verweisen. Diese dauerhaft kommemorative Präsenz lässt sich – neben der Frage nach kultischen Ehren, die etwa für Pindar in Delphi in kaiserzeitlichen und späteren literarischen Texten bezeugt sind18 – in drei Typen unterteilen, die anhand der folgenden Beispiele exemplifiziert werden sollen. Die erste Form hat Gorgias praktiziert: Er weihte eine die gesamte Antike hindurch Aufsehen erregende goldene Statue seiner selbst auf einer Säule in Delphi – und zwar überaus prominent an der Stelle, an der er auch seine ‚panhellenische Rede‘ gehalten hatte, nämlich in der Nähe des Altars im Bereich der Ostseite des Apollon-Tempels19 (womit sich Gorgias späterhin in bester aitolischer Gesellschaft befinden sollte20). Verbreiteter ist allerdings der Weg, über den Gorgias in Olympia permanent Teil des Heiligtums wurde. Eine Statue, deren Basis samt dazugehöriger Inschrift erhalten ist, wurde von seinem Großneffen dediziert.21 Neben solch privaten Initiativen konnten auch politische Gemeinschaften durch ein Weihgeschenk etwa einen Philosophen im Raum eines Heiligtums verewigen – als Beispiel mag hier das nur in Teilen erhaltene Anathem fungieren, das die Athener um 150 v. Chr. in Olympia errichteten und zu dem ausweislich eines fragmentarischen Epigramms sicher eine Statue des peripatetischen Scholarchen Kritolaos von Phaselis gehörte, womöglich aber auch Bildnisse der akademischen respektive stoischen Schuloberhäupter Karneades von Kyrene und Diogenes von Babylon mit entsprechenden Inschriften.22 Die letzte Form, dauerhaft im Kosmos eines Heiligtums präsent zu bleiben, rückt wiederum den Dedikanten als Akteur in den Fokus. Doch anders als im Fall des Sophisten Gorgias, der sich selbst in Delphi ein Denkmal setzte, weihte etwa Aristoteles nach dem Tod des Hermias von Atarneus eine Statue des 16 17 18 19 20 21 22

Vgl. dazu etwa Eckerman 2014, bes. 43–55. Paus. 10,24,5. Zu dieser in mancherlei Hinsicht rätselhaften Stelle s. Bultrighini/Torelli 2017, 399–400 ad loc. Vgl. in diesem Zusammenhang u. a. Plut. mor. 557 f.; Paus. 9,23,3; vit. Ambros. Pind., p. 2,14–16 Drachmann; s. dazu Clay 2004, 76–78, 147–148 T 4–5; Currie 2005, 303; Kimmel-Clauzet 2013, 237– 241; Phillips 2016, 98–101. Paus. 10,18,7; vgl. Bultrighini/Torelli 2017, 372–373 ad loc. Vgl. auch Jacquemin 1999, 71 u. 339 Nr. 334; Scott 2010, 112 Abb. 5.1 u. 385 Nr. 213. Zu den aitolischen Weihgeschenken auf dem Vorplatz des Apollon-Tempels s. Jacquemin 1985, bes. 28. Paus. 6,17,7. Zum Text der Inschrift s. IvO 293 = CEG II 830; s. auch EPSG 1077G (http://gams.unigraz.at/o:epsg.1077g). Vgl. Tzifopoulos 1991, 209–214 Nr. 48; Krumeich 1997, 215; Löhr 2000, 83–85 Nr. 96; Himmelmann 2001, 14–20 mit 12–13 Abb. 3-5; Tzifopoulos 2013, 158–161. NIvO 53 = DNO V Eucheir (Εὔχειρ III) aus Athen Nr. 6–3615; s. Hallof et al. 2012, 229–231 Nr. 4; vgl. Haake 2007, 256–259.

Feiern, opfern, schänden, handeln, inszenieren …

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ihm über seine Frau Pythias auch verwandtschaftlich verbundenen kleinasiatischen Machthabers in Delphi, verfasste ein Epigramm, das auf der Basis angebracht war, und wurde auf diese Weise ebenfalls dauerhaft präsent im Imaginaire von Delphi.23 Diese Feststellung berührt einen wichtigen Punkt: So sehr die steingewordene oder in Bronze gegossene physische Permanenz der Präsenz im Heiligtum auch intendiert sein mochte, sich ändernde Rahmenbedingungen konnten dazu führen, dass ein ‚Besitz für immer‘ aus dem physischen Profil eines Heiligtums entfernt wurde, ohne dass das Vergessen dadurch allerdings vollständig sein musste. Exemplifizieren lässt sich dieser Prozess ebenfalls an Aristoteles. Für die Erstellung eines vermutlich auf Forschungen im delphischen Heiligtum basierenden Katalogs der Pythioniken wurde er gemeinsam mit seinem Neffen Kallisthenes in der Zeit zwischen den Jahren 337 und 327/6 v. Chr. von den Amphiktyonen geehrt,24 und womöglich führten diese Forschungen zu einer Korrektur in der Inschrift des Daochos-Weihgeschenks.25 Wie dem auch gewesen sein mag: Nur vier Jahre nach der mit zwei Minen entlohnten inschriftlichen Aufzeichnung des Werkes,26 die sich allem Anschein nach bis in das Jahr 324/3 v. Chr. erstreckte,27 ging Aristoteles seiner delphischen Ehren nach dem Tode Alexanders des Großen im Zuge der nunmehr in weiten Teilen der griechischen Welt offen zu Tage tretenden antimakedonischen Ressentiments verlustig28 – und es liegt die Vermutung nahe, dass das Ehrendekret für Aristoteles und Kallisthenes in diesem Zusammenhang zerstört und das heute erhaltene Fragment in den Brunnen geworfen wurde, in dem es in den 1890er Jahren gefunden wurde.29 Ob Aristoteles’ Hermias-Weihung, über dessen Geschichte nichts bekannt ist, ein ähnliches Schicksal erlitt, ist zwar eine verlockende und auch nicht unplausible Vermutung, jedoch nicht zu beweisen. Sicher hingegen ist, dass das Wissen um die einstige aristotelische 23

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Aristot. frg. 674 Rose3 = Epigr. Gr. 623–626 Page ap. Diog. Laert. 5,6; zur Weihung s. Jaquemin 1999, 65 u. 352 Nr. 444; Scott 2010, 342 Nr. 272; vgl. zum Epigramm Ford 2011, 29–35; LeVen 2013, 283–284. Zum Verhältnis von Aristoteles und Hermias, das auch in Aristoteles’ viel diskutiertem Gedicht auf Hermias beredten Ausdruck findet (Aristot. frg. 675 Rose3 = PMG 842 Page ap. Athen. 15,696b-d; Diog. Laert. 5,7–8; Didym. in Demosth. col. 6, Z. 23–35 Pearson/Stephens [P.Berol.inv. 9780]; vgl. umfassend Ford 2011; LeVen 2013), s. etwa Green 2003. Vgl. Barbantani 2018, 96–107 zu inschriftlich aufgezeichneten Paianen in den großen griechischen Heiligtümern in hellenistischer und römischer Zeit. FD III 1, 400 = CID IV 10 = Rhodes-Osborne, GHI 80 = Choix Delphes 49. Vgl. zu dieser nur fragmentarisch erhaltenen Inschrift und dem aristotelisch-kallisthenischen Werk (Aristot. frg. 615–617 Rose3; Aristot. frg. 410–414 (p. 544–547 [Titel 131]) Gigon; FGrHist 124 T 23 = BNJ 124 T 23) Chaniotis 1988, 195–196, 214–215, 293–296 E 3; Christesen 2007, 179–202; Haake 2007, 237–240; s. ferner auch Mari 2013, 126, 131, 135–136. Es geht um die Korrektur der Anzahl der Pythiensiege des Agias: FD III 4, 460.2, Z. 3 mit Taf. 21 Abb. D = Choix Delphes Nr. 48B, Z. 3. Vgl. dazu Miller 1978, 139–141 mit Taf. 1 Abb. 2-3; Rhodes 2019, 152 mit Anm. 17. Syll.3 252, Z. 42–43 = FD III 5, 58, Z. 42–43 = CID II 97, Z. 42–43. Vgl. Christesen 2007, 185–186. Vgl. Haake 2007, 238 Anm. 5. Aristot. frg. 666 Rose3 = frg., p. 547 (Titel 131) Append. B Gigon ap. Ail. var. 14,1. Vgl. Rhodes-Osborne, GHI, p. 395; Rhodes 2019, 149. Zu Eradierungen, Korrekturen und Textänderungen in delphischen Inschriften des fünften und vierten vorchristlichen Jahrhunderts s. Rhodes 2019, 150–152.

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Gegenwärtigkeit im delphischen Heiligtum unabhängig von der unversehrten physischen Präsenz der entsprechenden Zeugnisse erhalten blieb – im imaginären Raum des Heiligtums von Delphi. Ein wichtiger Bereich, der Dichter, Philosophen, Sophisten, Redner, Musiker und Historiker mit den panhellenischen Heiligtümern verbindet, ist bislang ausgespart geblieben: Handlungen, die einen kultischen Charakter im engeren Sinne haben. Am Beginn steht das sorgfältige Abschreiben von Sentenzen im delphischen Apollon-Heiligtum durch einen gewissen Klearchos, der womöglich mit dem homonymen Peripatetiker zu identifizieren ist und der die kopierten Sprüche in Ai Khanoum in Baktrien am anderen Ende der Welt in einem heiligen Bezirk, demjenigen eines Kineas, wohl des Gründers dieser Stadt unbekannten antiken Namens, aufstellte.30 Das, was Klearchos um das Jahr 300 v. Chr. kopierte, hat Pausanias eigenen Angaben zu Folge noch 450 Jahre später im Pronaos des Apollon-Tempels sehen können – Maximen für die Menschen von denjenigen, die die Griechen als weise bezeichnen, mithin also den Sieben Weisen.31 Eine besondere Qualität erhalten diese Weisheitssprüche durch ihre früheste literarische Bezeugung: Platon lässt in seinem Frühdialog Protagoras Sokrates ausführen, dass derartige Weisheiten nur von in höchstem Maße gebildeten Menschen geäußert worden sein können. Dabei handelt es sich dem platonischen Sokrates gemäß um sieben Männer, die gemeinsam Apollon für seinen Tempel ihre ‚Weisheitsfrüchte‘, die späterhin als Sprüche der Sieben Weisen bekannt waren, weihten (ἀπαρχὴν τῆς σοφίας ἀνέθεσαν) und dort aufschrieben.32 Vieles liegt im Zusammenhang mit den sieben weisen Männern und den Sieben Weisen im Unklaren,33 und erst recht gilt dies für den Zeitpunkt der schriftlichen Fixierung der Maximen – doch was hier interessiert, ist die platonische Formulierung, in der (auch wenn sie einen metaphorischen Gehalt haben mag34) für den antiken Textrezipienten das Lexem ‚Opfer(n)‘ wohl mitgeklungen haben dürfte.35 Dieses Wortfeld lässt in Hinblick auf Delphi insbesondere an Plutarch als Angehörigen der hier in den Blick genommenen Gruppe denken, war dieser doch nicht nur Schriftsteller, Philosoph und Politiker, sondern hatte auch die höchste Position in der Hierarchie des Heiligtums als einer der beiden permanenten Priester etwa um das Jahr 100 n. Chr. inne.36 30 31 32 33 34 35 36

SEGO III 12/01/01 = IK 65 Estremo Oriente 382–384 = CII II,I,1 97. Grundlegend ist Robert 1968; s. auch Haake 2007, 283 Anm. 41; Foster 2017, 190–191; Verhasselt i. Dr. Paus. 10,24,1; vgl. Bultrighini/Torelli 2017, 394–396 ad loc. Plat. Prot. 342e3–343c1; vgl. dazu Manuwald 1999, 335–338. Vgl. dazu etwa Martin 1993; Busine 2002; Althoff/Zeller 2006; Engels 2010. So, sicher nicht unzutreffend, Jim 2014, 28 Anm. 2. Zu ἀπαρχή vgl. Jim 2014, 36–38. Zu Plutarchs priesterlicher Funktion in Delphi, imaginativ ausgestaltet an Hand einer fiktiven Opferhandlung von Stadter 2014, 82–83, s. Plut. mor. 700e; Syll.3 829A = CID IV 150; vgl. in diesem Zusammenhang Feldmeier 1998; Casanova 2012. Als Philosoph wird Plutarch in einer in das dritte nachchristliche Jahrhundert datierenden attischen Inschrift bezeichnet, die im Heiligtum von Eleusis gefunden wurde: IG II2 3814, Z. 4 = I.Eleusis 650, Z. 4; s. auch Puech 2002, 357–360 Nr. 180. Vgl. in diesen Zusammenhängen Jones 1971, 26, 33–34; Haake 2008, 157, 164. Zu Plutarch und Delphi, dem dort zu einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt eine Ehrenstatue gemeinsam von seiner Heimat-

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Auch wenn dem delphischen Orakel nirgends eine Rolle bei Plutarchs Hinwendung zur Philosophie zugeschrieben wird,37 so weiß die literarische Überlieferung für einige Philosophen davon zu berichten, dass es ein Spruch der Pythia war, der dazu führte, dem Leben durch eine Konversion zur Philosophie eine neue Ausrichtung zu geben38 – nicht zuletzt gilt dies auch für den Prototypen den (antiken) Philosophen: Sokrates.39 Um zu guter Letzt den Fokus weg von den großen panhellenischen Heiligtümern auf ein supralokales Heiligtum ganz anderer Natur zu richten, sei Menedemos von Eretria in den Blick genommen, wodurch zwei bislang unerwähnt gebliebene Aspekte Erwähnung finden: das Heiligtum als Zufluchtsort40 und das Heiligtum als Ort transgressiver, gewalthafter und krimineller Handlungen.41 Der eritreische Philosoph und Politiker nahm gegen Ende seines Lebens Zuflucht im Heiligtum des Amphiaraos in Oropos – und wurde beschuldigt, eine ganz und gar unheilige Handlung in diesem Heiligtum durchgeführt zu haben: Er soll goldene Gefäße entwendet, mithin also Tempelraub begangen haben und wurde deswegen durch einen Bundesbeschluss der Boioter des Heiligtums verwiesen.42

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polis Chaironeia und den Delphern errichtet wurde (Syll.3 843A = CID IV 151; s. Jacquemin 1999, 60, 318 Nr. 106), s. außerdem Zagdoun 1995; Stadter 2014, 70–81. Vgl. in diesem Kontext Jones 1971, 16. Es handelt sich dabei um Aristoteles (Parke/Wormell 1956, II 201 Nr. 496 ap. [Ammon.] vit. Aristot. vulg. 4 Düring; s. auch vit. Aristot. Marc. 5 Düring = p. 2,34–37 Gigon; vit. Aristot. lat. 5 Düring; vgl. dazu etwa Gigon 1962, 40–42), den Kyniker Diogenes von Sinope (Parke/Wormell 1956, II 77 Nr. 180 ap. Diog. Laert. 6,20; Iul. or. 6,188a) und den Stoiker Zenon von Kition (Parke/Wormell 1956, II 170– 171 Nr. 421 ap. Diog. Laert. 7,2). Grundsätzlich zu delphischen Philosophenorakeln s. Parke/Wormell 1956, I 400–407 mit 414–415; zu delphischen Orakelsprüchen als topischem Movens für die Hinwendung zur Philosophie in der biographischen Literatur s. Gigon 1946, 7–8; vgl. auch Grau 2008, 72–73. Dies trifft zumindest dann zu, wenn man einige sicher und andere wahrscheinlich Aristoteles’ Schrift Über die Philosophie zuzuweisende Fragmente kombiniert: So soll Sokrates in jungen Jahren nach Delphi gekommen sein (Aristot. frg. 2 Rose3 = frg. 861 Gigon = de philos. frg. 10 Untersteiner ap. Diog. Laert 2,23 [nach Ion von Chios; s. FGrHist 392 F 9 = BNJ 392 F 9]), wo ihm die göttlichste der delphischen Inschriften, das ‚Erkenne dich selbst‘, zum Ausgangspunkt seines Fragens und Suchens wurde (Aristot. frg. 1 Rose3 = frg. 709 Gigon = de philos. frg. 2 Untersteiner ap. Plut. mor. 1118c); diese Maxime wird neben anderen von Aristoteles auch der Pythia – und damit Apollon – zugeschrieben (Aristot. frg. 3,2 Rose3 = frg. 29 [p. 269,21–23] Gigon = de philos. frg. 4,2 Untersteiner ap. Clem. Al. Str. 1,14,60,3 Stählin; s. auch Aristot. frg. 3,1 Rose3 = frg. 28 Gigon = de philos. frg. 4,1 Untersteiner ap. Stob. 3,21,26 (vol. III, p. 579,6–21 Hense) [aus Porphyrios’ Schrift Über das ‚Erkenne dich selbst‘; s. Porph. frg. 273F,1–17 Smith]). Vgl. in diesem Zusammenhang etwa Gigon 1946, 6–7; Untersteiner 1963, 73–80 ad loc.; Flashar et al. 2007, 131–132, 133–135 ad loc. Vgl. dazu etwa Sinn 1989–90; Sinn 1993; s. auch Traulsen 2004, 131–223; Knäpper 2018, 22–74. Zum Phänomen der Hierosylie vgl. grundsätzlich Trampedach 2005. Beispielhaft für den Umgang der Perser mit griechischen Heiligtümern während der Perserkriege s. Funke 2007. Vgl. Antonetti 1990, 199; Funke 2013c, 49–50 zur Zerstörung der Heiligtümer von Dodona und Dion durch die Aitoler und – als Vergeltungsmaßnahme – des Heiligtums von Thermos durch Philipp V.; s. auch Pol. 5,9,2– 6. Zur narrativen Ausgestaltung einer Alexander-Anekdote, einer fiktiven Gewalthandlung Alexanders des Großen an der Pythia im Zusammenhang mit einer Orakelanfrage (Plut. Alex. 14,6–7), s. Aletsee 2016. Harter-Uibopuu 2001–2002 hat sich mit Fehlverhalten bei den Heiligen Spielen in Epidauros befasst. Vgl. FGrHist 1026 F 79 = Hermipp. Hist. frg. 38 Wehrli2 = SSR2 I Menedemus Eretrius [= III F] frg. 16 ap. Diog. Laert. 2,142; zu dieser Geschichte, die instruktiv vor dem Hintergrund von IG VII 235,

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Was voranstehend ausgeführt wurde, ist nicht mehr als ein Mosaikstein aus dem großen Panorama ‚supralokale Heiligtümer als Handlungsorte‘.43 In den Blick genommen wurde eine beliebige, jedoch nicht zufällig gewählte Gruppe bestehend aus Dichtern, Philosophen, Sophisten, Rednern und Historikern, mithin also männlichen Personen, denen gemeinsam ist, dass sie (auch, aber keineswegs zwingend ausschließlich) auf dem literarischen Feld aktiv waren. An Hand von instruktiven, in der Regel oftmals bemühten Beispielen, denen sich mehr oder weniger beliebig weitere, unterschiedlich aussagekräftige Fälle hinzufügen ließen, wurden verschiedene Handlungen in einer bestimmten Art von Heiligtümern, nämlich abgesehen von einer Ausnahme den panhellenischen, vorgestellt. Diese Handlungsbeispiele illustrieren eine keineswegs vollständige Palette spezifischer Handlungsformen in panhellenischen Heiligtümern, mögen aber dennoch als ein geeigneter Ausgangspunkt für die nachfolgenden konzeptionellen Überlegungen zum Begriffspaar ‚supralokale Heiligtümer‘ und ‚Handlungsorte‘ dienen. II. Konzeptionelle Überlegungen: Supralokale Heiligtümer als Handlungsorte Griechische Heiligtümer können aus vielerlei Perspektiven in den Blick genommen werden, und ihre – bislang ungeschriebene – Forschungsgeschichte spiegelt die Bandbreite sich wandelnder altertumswissenschaftlicher Forschungsinteressen seit dem neunzehnten Jahrhundert wider. Die in den letzten drei bis vier Jahrzehnten zu beobachtende höchst innovative Dynamik auf dem Gebiet des stark interdisziplinär beeinflussten Forschungsfeldes ‚Griechische Religion‘44 hat auch zu einer Neuausrichtung der Erforschung griechischer Heiligtümer geführt:45 Stand ursprünglich der Tempel

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Z. 9–19 = I.Oropos 277*, Z. 9–19 = Rhodes-Osborne, GHI 27, Z. 9–19 = CGRN 75, Z. 9–19, einer rituellen Norm aus der Zeit zwischen 386 und 374 v. Chr., und I.Oropos 325, Z. 20–21, einem Tempelinventar aus dem frühen 2. vorchristlichen Jahrhundert, in dem das Fehlen einer Silensmaske vermerkt ist, zu sehen ist, vgl. Chaniotis 1996, 74–75; Haake 2013, 90–91; s. in diesem Zusammenhang auch Parker 1983, 170–171. Zu Menedemos als tatsächlichem und vermeintlichem Akteur im Kontext des delphischen Apollon-Tempels vgl. Haake 2007, 177–181, 242–246. Vgl. in diesem Zusammenhang auch den Beitrag von K. Freitag zu Heiligtümern als Orten der Wissenskultur in diesem Band. Vgl. prägnant Davies 2002, 234–235. Zur dynamischen Entwicklung des Forschungsfeldes ‚Griechische Religion‘ s. Kindt 2011; vgl. Burkert 2011, 11–18 mit einem knappen forschungsgeschichtlichen Überblick. Den gegenwärtigen Stand der Forschung spiegelt Eidinow/Kindt 2015 in Form eines von vielen Autoren verfassten (und somit durchaus auch polyphonen) Handbuchs umfassend wider; vgl. daneben auch Parker 2011 als entsprechendes Beispiel aus der Feder eines Autors sowie Parker 2018 zum Beitrag der Epigraphik für die Erforschung der griechischen Religion. Exemplarisch verwiesen sei an dieser Stelle allein auf Schachter 1992; Frevel/von Hesberg 2007; Kistler et al. 2015; Melfi/Bobou 2016; Colonge 2017; Frielinghaus/Stroszeck 2017. Die deutlich veränderte Stellung des Themenkomplexes ‚Heiligtum‘ im Kontext der griechischen Religion lässt sich exemplarisch vermittels eines Vergleichs der Indices von Burkert 2011 (zuerst 1977 erschienen), Price 1999 und Larson 2016 illustrieren: Im Index des ersten Werkes findet sich kein einziger Eintrag unter dem Lemma ‚Heiligtum‘; in den Indices der an zweiter und dritter Stelle genannten Bücher hingegen fin-

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(und markante andere Gebäude) insbesondere aus einer ‚klassischen‘ archäologischen Perspektive im Zentrum des Interesses, rückte zunehmend das Heiligtum als komplexer, durch sinnhaftes menschliches Handeln – wie etwa der Kommunikation mit den Göttern, der sozialen Interaktion zwischen Individuen und Gruppen, performativen Akten sowie der Sinnzuschreibung durch historische Akteure – definierter Raum in den Fokus.46 Bei dieser Entwicklung, die durch verschiedene ‚turns‘ der letzten Jahrzehnte in den Kultur- und Sozialwissenschaften wie den spatial (und auch landscape) turn oder den ritual turn zusätzlichen Input erhielt,47 bildete (zunächst) ein zentraler Aspekt den Hintergrund, der als wesentlicher Motor der thematisch so überaus vielfältigen Forschungen zu griechischen Heiligtümern seit den frühen 1980er Jahren ausgemacht werden darf: die letzten Endes auf Durkheims funktionalistischem und seinerzeit noch überaus präsentem Religionsverständnis basierende Fokussierung auf die Funktion respektive die Funktionen von Heiligtümern,48 die vielfach die Fragen nach dem Wechselspiel von Heiligtümern und Politik (in einem weiten Sinne verstanden) oder auch nach der Bedeutung von Festen in Heiligtümern für Gemeinschaftsformierungsprozesse dominieren ließ.49 In gewisser Weise klassisch formuliert hat dies Nanno Marinatos in seinem Beitrag What Were Greek Sanctuaries? im Jahre 1993: „Greek sanctuaries were not mere places of worship and pilgrimage but

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den sich unter dem entsprechenden Lemma ‚sanctuaries‘ mehr als ein (Price 1999, 216) bzw. mehr als zwei Dutzend (Larson 2016, 406) Einträge. S. auch Bruit Zaidman/Schmitt Pantel 1992, 55–62; Bremmer 1996, 31–42; Van Andringa 2015. Vgl. Price 1999, 47–66. Erneut ist ein Vergleich zweier wichtiger und (auch auf Grund der forschungsgeschichtlichen Verortung) unterschiedlich disponierter Werke instruktiv, nämlich die Gegenüberstellung der archäologischen Standartwerke von Gruben 1986 (zuerst 1966; zuletzt 2001) zu griechischen Tempeln und von Pedley 2005 zu Heiligtümern und dem Heiligen in der griechischen Welt; vgl. in verdichteter Form Pedley 2005, 2–13. In Hinblick auf den spatial turn s. etwa de Polignac 1984; Alcock/Osborne 1994; Cole 2004; Felten 2007; Horster 2010; Mylonopoulos 2011; Lafond/Michel 2016; vgl. auch Scheid/de Polignac 2010; Käppel/Pothou 2015; Sporn et al. 2015; Hansen et al. 2016; Wiemer 2017. Bezüglich des ritual turn s. etwa Mylonopoulos 2006; die ‚griechischen‘ Beiträge in Mylonopoulos/Roeder 2006; Larson 2016, 187–204. Eine Symbiose beider turns bietet Gerlach/Raue 2013. Zu Durkheims Religionsverständnis, zusammengefasst in Durkheim 1912, 593–638, vgl. prägnant etwa Olk 2017, 8: „Zusammenfassend ist das Religionsverständnis Durkheims geprägt von der Annahme, dass Religion sozialen Ursprungs sei und gesellschaftliche Funktionen erfülle.“ – Ein entsprechender Ansatz liegt beispielsweise der Konzeption von Freitag et al. 2006b in Freitag et al. 2006a, 8–11 sowie von Funke/Haake 2013 in Funke 2013b zu Grunde; s. auch Freitag 2003; Funke 2012; Funke 2013a; s. auch Lefèvre 2016. Erwähnt seien in diesem Zusammenhang die die griechischen Heiligtümer betreffenden Beiträge in Sordi 1983; s. auch Morgan 1990. Zur Funktion von Festen sei grundsätzlich auf Assmann 1991 verwiesen; vgl. – mit erweiterter Perspektive – Ulf 2006 zu „Festen mit überlokaler Reichweite in vor- und früharchaischer Zeit“; s. auch den Beitrag von C. Ulf in diesem Band. In Bezug auf die Gemeinschaftsformierungsprozesse s. etwa Rosenberger 2001 hinsichtlich Delphis; Gehrke 2013b zur Funktion des Heiligtums von Olympia „für die Formierung kollektiver Identitäten auf verschiedenen Ebenen (lokal, regional, hellenisch)“ (60) sowie Funke 2013c bezüglich der Bedeutung des Apollon-Heiligtums von Thermos für die Ausbildung und Aktualisierung der aitolischen Identität. In diesen Kontext gehört auch die Rolle supralokaler Heiligtümer als Erinnerungsorte; s. dazu die dieses Themenfeld berührenden Beiträge in Haake/Jung 2011.

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multidimensional institutions which served the needs of their communities and the needs of the Greek city-state as a whole.“50 Diese Aussage über die Funktion griechischer Heiligtümer für die polis spiegelt ein zentrales Paradigma der Erforschung griechischer Religion insbesondere seit den 1980er Jahren wider: den Poliszentrismus. Griechische Religion wurde primär als öffentliche, kollektiv vollzogene Kultpraxis aufgefasst und vorrangig als Phänomen im Kontext der poleis verortet – diese Sichtweise resultierte in der Analyse der Religion als integralem Bestandteil des je spezifischen Kosmos einer polis.51 Eingebunden waren die religiösen Systeme der polis-Welt in die panhellenische Dimension,52 bei deren Entstehung die Heiligtümer in Olympia und Delphi eine zentrale Rolle spielten53 und die unter anderen, aber in besonderer Weise von Homer, Hesiod und Herodot literarisch ausgestaltet wurde.54 Nicht ohne Konsequenz blieb diese dichotomische Konzeptualisierung der griechischen Religion in die polis-Religion einerseits und in die panhellenische Dimension andererseits für die Beschäftigung mit griechischen Heiligtümern: Diese wurden in drei Kategorien unterteilt. Der Welt der polis-Religion zugeordnet waren einerseits die städtischen und andererseits die extra-urbanen Heiligtümer, deren Klassifizierung auf der Grundlage ihrer Lokalität erfolgte und die administrativ in eine polis eingebunden waren. Als dritte Kategorie sind die zwischenstaatlichen Heiligtümer zu nennen, deren sinnfälligste Exponenten die panhellenischen Heiligtümer sind; ihr Charakteristikum ist die geographische Lage jenseits größerer städtischer Zentren sowie die gemeinsame Verwaltung durch mehrere politische Gemeinschaften.55

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So Marinatos 1993, 233; vgl. in diesem Zusammenhang auch Coldstream 1985; Bubenheimer et al. 1996; Fehr 1996. S. etwa Funke 2009, 288. Programmatischer Fixpunkt in dieser Hinsicht war und ist Sourvinou-Inwood 1990, insbes. 304–306 – allerdings ist der Beitrag in Bezug auf seine Fokussierung auf die polis-Religion oftmals verabsolutierender aufgefasst worden als er von seiner Verfasserin gemeint war; vgl. explizit Sourvinou-Inwood 1990, 295 in Bezug auf ethne sowie Sourvinou-Inwood 1988, 264, wo die Bedeutung des Individuums als Kultakteur betont wird. Vgl. Graf 2013 zu den Grenzen der Individualisierung von Kulthandlungen in der griechischen Welt. Zur Bedeutung von Religion, Kulten und Heiligtümern im Kontext der koina-Welt s. die Beiträge in Freitag et al. 2006b; Funke/Haake 2013 sowie grundsätzlich Freitag 2003 zur hellenistisch-römischen Zeit; Graninger 2011 exemplarisch zu Thessalien. Paradigmatisch ist dies für Aigina von Polinskaya 2013 herausgearbeitet worden. Zu der in diesem Zusammenhang immer wieder diskutierten Herodotpassage (Hdt. 8,144,2) s. beispielsweise Hall 2002, 189–194; Zacharia 2008; Funke 2009, 292–294; Polinskaya 2010, bes. 44–48. Vgl. dazu etwa Morgan 1993; Malkin 2005; Skinner 2011, 211–231; Vlassopoulos 2013, 38–41; s. auch Eder i. Dr. Zu Delphi s. Davies 2007; Malkin 2011, 112–117. Vgl. die Ausführungen von Gehrke 2013b zu Olympia. Als Konsequenz und Verfestigung der panhellenischen ‚mental map‘ wird man die ‚Panhellenisierung‘ etwa der Isthmischen Spiele ansehen dürfen; s. dazu Gebhard 2002. Im Hellenismus setzte sich diese Entwicklung unter anderen Vorzeichen fort; vgl. Parker 2004. Vgl. grundsätzlich in diesem Zusammenhang Funke 2003 [2005]. Vgl. Hdt. 2,53,2. S. dazu beispielsweise Funke 2009, 291–292; Thomas 2000, 216–217; vgl. auch Graziosi 2016. Zu Herodot und den zentralen griechischen Heiligtümern s. Funke 2004. Vgl. z. B. Marinatos 1993, 229–230 unter Bezugnahme auf das grundlegende Werk von de Polignac 1984; s. auch Malkin 1996.

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In dem gleichen Maße, in dem die binäre wissenschaftliche Konstruktion der griechischen Religion seit den frühen 2000er Jahren in Frage gestellt wurde,56 geriet auch die starre und schematische Differenzierung griechischer Heiligtümer in polisHeiligtümer auf der einen Seite und zwischenstaatliche Heiligtümer auf der anderen Seite in die Kritik.57 Diese Kritik entzündete sich insbesondere daran, dass sich die Rolle zahlreicher griechische Heiligtümer nicht auf eine Funktion im Kosmos einer polis oder in der panhellenischen Dimension begrenzen lässt, sondern dass es Heiligtümer gab, die zwar ihren ‚Sitz in der polis‘ hatten, aber auch jenseits der polis wirkten (man denke etwa an die Asklepieia von Epidauros und Kos oder das Heiligtum der Kabiren auf Samothrake58), und dass die panhellenischen Heiligtümer auch unterhalb (und oberhalb) der alle Griechen betreffenden Dimension Funktionen innehaben konnten.59 Um all diese Heiligtümer unter einem Begriff zusammenführen zu können, werden sie hier mit der offenen Begrifflichkeit ‚supralokal‘ bezeichnet,60 was aber keines56 57 58

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Vgl. besonders prägnant Kindt 2009; s. auch bereits Burkert 1995. Für einen Forschungsüberblick vgl. (manchmal nicht ohne polemischen Einschlag) Naiden 2013a, 401–408. S. ferner Harrison 2015. S. Freitag et al. 2006a, 7–9; Funke 2006, 8–9; Funke 2009, 294–295. Vgl. ferner Kindt 2012, 123–154. S. auch die Ausführungen von R. Parker in diesem Band. Vgl. Riethmüller 2005, I 148–174, 279–324 sowie I 206–219, II 349–350 Nr. 179 zu den Asklepieia von Epidauros bzw. Kos; zu Epidaurios s. auch Melfi 2007, 17–209. In Epidauros mag die Tholos in gewisser Weise beispielhaft für die Multifunktionalität dieses Heiligtums stehen; vgl. Schultz et al. 2017; s. auch Prignitz 2014, 10–15, 121–122, 219–223. Zur vielstimmigen Propaganda des Asklepios-Heiligtums von Epidauros s. den Beitrag von C. Prêtre in diesem Band. Zum Asklepios-Kult auf Kos s. auch Paul 2013, 167–187. Für das Heiligtum der Kabiren auf Samothrake (zum Verhältnis polis – Heiligtum s. Tsochos 2007) sei verwiesen auf Dimitrova 2008, bes. 71–74, 243–249. Clinton/Dimitrova 2010 ist ein Beispiel für die Ehrung eines Römers, Q. Lutatius Catulus, durch eine nahe Samothrake gelegene Stadt, Maroneia, im Heiligtum der Großen Götter. Zum internationalen, über die panhellenische Dimension weisenden Bezugsrahmen griechischer Heiligtümer s. etwa Kaplan 2006 zu den Weihungen nicht-griechischer Herrscher in griechischen Heiligtümern sowie Magnani 2006 in Hinsicht auf die Römer und Jacquemin 1999, 72–75 allgemein zu nicht-griechischen Dedikanten in Delphi; vgl. auch Rosenberger 2006 sowie die Beiträge in Galli 2013. S. auch den Beitrag von A. Chaniotis in diesem Band zur Inszenierung und Evozierung von Emotionen in panhellenischen Heiligtümern im Schatten Roms. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auch auf die literarisch etwa durch Hdt. 1,14, 25, 50–52 u. 92 bezeugten Weihungen der lydischen Könige Gyges, Alyattes und Kroisos in Delphi (Kerschner 2006, v. a. 259–261, 281, 283 Abb. 2; Michels 2012, bes. 77–91), die durch ein neues inschriftliches Zeugnis aus Theben, das eine goldene Schildweihung des Kroisos bezeugt (Papazarkadas 2014, 233–247 mit Porciani 2016; Tentori Montalto 2017; Thonemann 2016, 161–165 ist skeptisch bezüglich der Identifikation des Dedikanten mit dem homonymen Lyderkönig und hat stattdessen die interessante, allerdings nicht restlos überzeugende Identifikation mit einem homonymen Athener vorgeschlagen), neues Profil gewinnen. Zum lokalen Aspekt panhellenischer Heiligtümer s. z. B. Baslez 2005 in Bezug auf das delische Apollon-Heiligtum und seine verschiedenen geographischen Wirkebenen; vgl. auch Constantakopoulou 2017, bes. 111–228. Farrington 2012, 31–35 bietet eine Darstellung der Herkunft der Isthmioniken, Kostouros 2008, II eine Zusammenstellung der Sieger der Nemeen. Vgl. Crowther 2003 zur ‚elischen Dimension‘ von Olympia; s. in diesem Zusammenhang auch den Aufsatz von S. Scharff in diesem Band. In hohem Maße instruktiv ist in vorliegendem Kontext der Beitrag von F. Graf zur generellen (Nicht-)Deponierung von Fluchtäfelchen in Heiligtümern mit supralokaler Dimension. Der Begriff ist auch verwendet von Freitag et al. 2006a, 8, jedoch steht in Freitag et al. 2006b der Terminus ‚überregional‘ bzw. das Konzept der Überregionalität im Vordergrund.

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wegs ausschließt, dass sie auch in einen lokalen Kontext eingebunden sein konnten: Griechische Heiligtümer charakterisiert gerade, dass sie in vielerlei Bezugsrahmen ihren religiös-kultischen und sozialen Ort besaßen.61 Ausschlaggebend für die Klassifikation supralokal ist dabei nicht die Form und Organisation der Verwaltung eines Heiligtums zur Maßgabe seiner Klassifizierung zu machen, sondern im Sinne einer multidimensionalen und multifunktionalen Perspektive nach ‚Wirkkreisen‘ der Heiligtümer, die sinnfällig etwa in Form der theoroi oder der Festfrieden manifest sind, zu fragen.62 Diese Wirkkreise, bedingt auch durch die im Heiligtum verehrte Gottheit sowie das dadurch geprägte spezifische Profil des Heiligtums als Ort etwa eines Mysterien- oder Inkubationskultes,63 präfigurierten die Öffentlichkeitsreichweiten der jeweiligen Heiligtümer, jedoch müssen die Öffentlichkeitsreichweiten die Wirkkreise nicht zwingend kongruent reflektieren.64 Fragt man nach den Wirkkreisen von Heiligtümern in der griechischen Welt, so gilt es diese als Handlungsorte in den Blick zu nehmen und zu analysieren, welche individuellen oder kollektiven Akteure aus welchen geographischen Räumen Handlungen in einem Heiligtum in einer diachronen Perspektive – von den sich mehr und mehr aufhellenden ‚Dunklen Jahrhunderten‘ bis in die Spätantike – vorgenommen haben. Diese Handlungen können dabei sehr unterschiedlicher Natur sein – sie können von kultisch-religiösen Akten wie dem Opfer und der Orakelbefragung durch Individuen oder politische Gemeinschaften bis hin zu wirtschaftlichen Aktivitäten oder dem ‚touristischen‘ Besuch (meist, wenn auch nicht immer sicher in Zusammenhang mit einer ‚Wallfahrt‘) reichen.65 Die geographische Dimension der Wirk61 62

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Vgl. dazu etwa Funke 2014. Vgl. hierzu Funke 2009, 293–297. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Studie von Moustakis 2006 „zu den multidimensionalen Wirkungsgebieten von polis-übergreifenden Heiligtümern im antiken Epirus“; s. zu Dodona in archaischer und klassischer Zeit instruktiv Piccinini 2017. Neue Aufschlüsse erlaubt die Isotopenuntersuchung der Bleitäfelchen, in die die Orakelanfragen in Dodona eingeritzt waren, in Bezug auf ihre Herkunft und somit in Bezug auf Wirkkreise im Bereich von Rohstoffhandel; vgl. dazu Vogel et al. 2016, 1125–1126. Zu den theoroi s. Rutherford 2013 und vgl. Perlman 2000 zur Institution der theorodokia peloponnesischer Heiligtümer; vgl. Theotikou 2013 zu den Festfrieden. Einen knappen Überblick zu griechischen Mysterienheiligtümern wie Eleusis oder Samothrake bietet Graf 2005, 15–23; s. grundsätzlich zum Verständnis Burkert 1987. S. Clinton 1989 für römische Initiierte und Wohltäter in Eleusis. Zu Heiligtümern mit Inkubationskulten s. umfassend Renberg 2017; vgl. auch von Ehrenheim 2015. In diesem Zusammenhang ist beispielsweise an nichtgriechische Akteure in supralokalen Heiligtümern zu denken: Auch wenn deren Wirkkreise über den griechischen Horizont hinausreichen konnten, so waren die nicht-göttlichen Adressaten der Handlungen nicht-griechischer Akteure – sofern den entsprechenden Aktivitäten auch ein repräsentativer Charakter eignete – die jeweiligen griechischen Öffentlichkeiten, die durch die (potentielle) physische Präsenz der intendierten Rezipienten konstituiert wurden. Ein instruktives Beispiel in dieser Hinsicht sind die Weihungen nicht-griechischer Herrscher; s. dazu oben Anm. 59. Zu Opfern s. den Beitrag von I. Patera in diesem Band; vgl. grundsätzlich Georgoudi 2010; Naiden 2013b sowie die griechischen Beiträge in Pirenne-Delforge/Prescendi 2011; s. auch die Beiträge zum Opfern in der griechischen Welt in Lippolis et al. 2017 [2018]. Zu Weihgaben grundsätzlich sei verwiesen auf Patera 2012; in Bezug auf Delphi s. etwa Jacquemin 1999 zu den monumentalen Weihungen; Constantakopoulou 2017, bes. 196–201 u. 273–292 hat weibliche Dedikantinnen in den delischen In-

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kreise kann um unterschiedliche Facetten ergänzt werden, indem nach spezifischen Typen von Akteuren gefragt wird, um auf diese Weise differenziertere Resultate erzielen zu können.66 Diese Typen können einerseits auf der Grundlage bestimmter ausgeübter Handlungen konstituiert werden – man mag in diesem Zusammenhang etwa an Weihungen von Waffen durch Privatpersonen oder von Denkmälern durch politische Gemeinschaften denken, durch die Geschichte(n) sowohl konsensual wie auch konkurrierend inszeniert und materialisiert, geschrieben und umgeschrieben wurden.67 Andererseits ist es möglich, ausgehend von sozialen Kategorien Akteursty-

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ventarlisten zwischen 314 und 200 v. Chr. untersucht; Chankowski 2008, 344–349 hat die Dedikanten auf Delos zu Zeiten der athenischen Vorherrschaft über Delos analysiert. Kilian-Dirlmeier 2005 hat die Weihungen im thessalischen Bundesheiligtum der Athena Itonia in Philia analysiert; vgl. PetsalisDiomidis 2016 zu Heilweihungen aus dem klassischen und hellenistischen Griechenland. Vgl. Parker 1985; Eidinow 2007, 42–55, 138; Johnston 2008, 1–108; Dillon 2017, 323–402 zu Orakelbefragungen privater oder staatlicher Natur; s. zu Formen der Orakelbeantwortung auch Georgoudi 2012. Zum Zusammenspiel von Wirtschaft, Religion und Politik in griechischen Heiligtümern vgl. etwa die Fallstudien von Rosenberger 1999 zu Orakelheiligtümern (und hier v. a. Delphi); Czech-Schneider 2002 zum Apollon-Heiligtum von Aktion; vgl. den Beitrag von A. Bresson zum Sklavenhandel in westgriechischen Heiligtümern. Allgemein s. Ampolo 1989–1990; Sinn 1996; vgl. ferner auch Dignas 2002; Horster 2004. Zur vielfach symbiotischen Beziehung von touristischen Aspekten und Pilgerwesen s. Dillon 1996; Galli 2005, bes. 253–259; Pretzler 2007, 135; vgl. Jones 2001 zu Pausanias und seinen lokalen Führern. Vgl. in diesem Zusammenhang die Studie von M. Drauschke in diesem Band. Zu Waffenweihungen in griechischen Heiligtümern allgemein s. Baitinger 2011; vgl. Frielinghaus 2010 mit einem Vergleich zwischen Waffenweihungen in Delphi und Olympia; Siewert 1996 mit Überlegungen zum Ende von Waffen- und Geräteweihungen in Olympia nach 440 v. Chr.; Wescoat 2005 zu Bauten für Schiffsweihungen auf Delos und Samothrake im Zusammenhang mit militärischen Erfolgen. S. ferner Larson 2009. Ein überaus instruktives Beispiel für den Kampf um Denkmäler und Erinnerung in einem panhellenischen Heiligtum (und seiner Interpretation in der modernen Forschung) ist das sog. Aemilius-Paullus-Monument in Delphi, das vor dem Apollon-Tempel steht und nach Plutarch (Plut. Aem. 28,4) ursprünglich vom Makedonenkönig Perseus zu seinem eigenen Ruhm – und sicher in konkurrierender Kommunikation mit den von den Aitolern geweihten Säulenmonumenten für Eumenes II. von Pergamon (Syll.3 628 = IG IX 12, 183 = FD III 3, 230; s. Jacquemin 1999, 334 Nr. 292; Kotsidu 2000, 157–159 Nr. 93) und Prusias II. von Bithynien (Syll.3 632 = IG IX 12, 184 = FD III 4, 76; s. Jacquemin 1999, 334 Nr. 294; Kotsidu 2000, 164–166 Nr. 100) – errichtet worden war, dann aber von seinem Besieger in der Schlacht bei Pydna, L. Aemilius Paullus, bei dessen Besuch des delphischen Heiligtums im Nachgang der Schlacht für sich im wahrsten Sinne des Wortes besetzt wurde: Auf dem etwa 10 Meter hohen Monument wurde eine Reiterstatue des römischen Feldherrn aufgestellt, ein Schlachtfries zierte die Basis der Reiterstatue und eine lateinische Inschrift (CIL I2 622 = ILS 8884 = ILLRP 323; s. auch HD022400 [http://edh-www.adw.uni-heidelberg.de/edh/inschrift/ HD022400]: L(ucius) Aimilius L(uci) f(ilius) inperator de rege Perse / Macedonibusque cepet) explizierte die neuen Machtverhältnisse. Vgl. zu diesem Monument (Jacquemin 1999, 350 Nr. 424) und seiner Deutung beispielsweise Gruen 1992, 141–145; Alcock 1993, 196; Günther 1995; Flashar 1996, 349–351; Flaig 2000, 138; Boschung 2001; Taylor 2016. Ein in höchstem Maße sprechendes Beispiel für den Kampf mit Denkmälern in einem panhellenischen Heiligtum ist die sog. Nike der Messenier und Naupaktier des Paionios von Mende in Olympia (IvO 259 = IG IX 12 656 = IG V 1, 1568 = ML 74; Paus. 5,26,1 mit Tzifopoulos 1991, 56–61 Nr. 4): Diese Statue, wohl nach dem Nikiasfrieden im Jahre 421 v. Chr. an der Südostseite des Zeus-Tempels errichtet, um die Teilnahme der Messenier an der erfolgreichen athenischen Pylos-Expedition im Jahre 425 v. Chr. gegen Sparta in Szene zu setzen (Paus. 5,26,1), ist als Antwort auf eine Weihung der Spartaner zu verstehen. Diese hatten nach ihrem Sieg über die Athener und ihre Verbündeten in der Schlacht von Tanagra im Jahre 457 v. Chr. einen goldenen Schild nach Olympia geweiht, der am Dachfirst des Zeus-Tempels angebracht wurde (Paus. 5,10,4

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pen zu definieren. So kann man beispielsweise die aktiven Teilnehmer an den supralokalen Agonen,68 hellenistische Monarchen,69 Künstler,70 oder auch das religiöse Personal71 als Handlungsgruppen in supralokalen Heiligtümern in den Blick nehmen oder – um den Aspekt Geschlecht ins Spiel zu bringen – nach Frauen in supralokalen Heiligtümern fragen.72 Schließlich ist es in Hinsicht auf die Ausprägungen der Wirkkreise möglich, den Aspekt der Temporalität in den Blick zu nehmen und der Frage nachzugehen, auf welche Weise der Kalender eines Heiligtums dazu beitrug, dass Akteure mit bestimmten Intentionen nicht zu allen, sondern nur zu spezifischen Zeiten ein Heiligtum frequentierten.73 Dass den beiden gewählten Begrifflichkeiten supralokal und Handlungsort ein nicht geringes Maß an Flexibilität respektive Fluidität eignet, steht außer Frage. Jedoch ermöglicht gerade dies, bestimmte griechische Heiligtümer in ihren vielfältigen Dimensionen und mannigfachen Funktionen im Zusammenspiel mit sich permanent ändernden historischen Gegebenheiten in den Blick zu nehmen.

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mit Tzifopoulos 1991, 37–46 Nr. 1; Zizza 2006, 158–166 Nr. 8; IvO 253 = ML 36 = Rhodes-Osborne, GHI 112). Noch fast dreihundert Jahre später wurde ein Schiedsspruch der Milesier zugunsten der Messenier im Jahrhunderte währenden Streit der Messenier und Spartaner um die Dentheliatis auf der Frontseite der Basis der Nikestatue publiziert (IvO 52 = Syll.3 683 = Ager 1996, 446–450 Nr. 159; vgl. dazu von Hesberg 2009, 34–35 mit 54–55 Abb. 10-11). Vgl. zur Statue und ihrem historischen Kontext Hölscher 1974; Luraghi 2008, 188–194; Luraghi 2009, 111–113; Whitley 2011, bes. 161–165, 176–178. Zum Konflikt um die Dentheliatis s. Luraghi 2006, 172–181. Exemplarisch zu Olympia ist Heine Nielsen 2007, insbes. 59–62; zu den Pythien in Delphi s. Della Bona 2017, v. a. 76–92. Vgl. Bringmann/von Steuben 1995, u. a. 101–106 Nr. 57–61 (Olympia), 141–164 Nr. 90–101 (Delphi), 172–176 Nr. 107–109 (Dodona), 187–231 Nr. 117–193 (Delphi) u. 250–254 Nr. 224–229 (Kos); s. dazu Bringmann 2000, 52–107; Schmidt-Dounas 2000, bes. 161–215; in Bezug auf die makedonischen Herrscher bis zu Alexander dem Großen vgl. Mari 2002, pass. Vgl. dazu beispielsweise Feyel 2006. Die Tätigkeit von Künstlern in Heiligtümern darf wohl dahingehend als besonderer Fall angesehen werden, dass sie wie kaum eine andere Handlungsweise Heiligtümer in dieser Hinsicht zu supralokalen Heiligtümern macht, da die Involvierung nicht-lokaler Künstler die Regel beim (Aus-)Bau von Tempeln gewesen sein dürfte. Obschon zahlreiche Arbeiten zum Themenfeld ‚griechische Priester‘ vorliegen (vgl. etwa Dignas/ Trampedach 2008), ist das religiöse Personal supralokaler Heiligtümer systematisch kaum erforscht. Vgl. Lee 1988 auf Grundlage von Syll.3 803 = FD III 1, 534 (Mitte des 1. Jh.s n. Chr.). S. zum noch keineswegs erschöpfend behandelten Thema auch Dillon 2002; Connelly 2007; Friese 2017. Das Auftreten von Frauen in supralokalen Heiligtümern wird in den Beiträgen von T. Hölscher und V. Pirenne-Delforge thematisiert. Ein instruktives Beispiel in dieser Hinsicht ist der im frühen dritten vorchristlichen Jahrhundert gescheiterte, von Hermippos von Smyrna überlieferte Versuch des Philosophen Alexinos von Elis in Olympia eine Philosophenschule zu etablieren (FGrHist 1026 F 78 = Hermipp. Hist. frg. 36 Wehrli2ap. Diog. Laert. 2,109–110): Auf Grund der geographischen Lage und der Charakteristika von Olympia fehlten der für das Bestehen einer Philosophenschule notwendige urbane Kontext sowie die permanente Öffentlichkeit; vgl. dazu Haake 2007, 255–256; Bäumler/Wacker 2008. Vgl. in diesem Zusammenhang auch den Beitrag von A. Lepke in diesem Band (S. 283–284) hinsichtlich der delphischen Verhältnisse vor dem Hintergrund des dortigen Orakelbetriebs.

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III. Schluss Supralokale Heiligtümer waren (wie alle Heiligtümer) in der griechischen Welt zu tiefst in ihre jeweiligen Umwelten, ihre keineswegs starren, ‚katastematischen‘, sondern vielmehr sich permanent wandelnden, ‚kinematischen‘ ‚Wirkkreise‘, eingebettet.74 Dies unterscheidet sie in struktureller Hinsicht keineswegs unbedingt von sakralen Räumen anderer Religionen.75 Doch die spezifische Konstitution des religiösen Feldes unter griechischen Auspizien, nämlich seine nicht-Autonomie,76 bedingte mit, dass supralokale Heiligtümer als Handlungsorte in Griechenland in besonderer, nachgerade allumfassender Weise wechselhaft die Geschichte(n) ihrer sie ‚bespielenden‘ unterschiedlichen historischen Akteure reflektieren.77 In diesem Zusammenhang gilt, dass das Handeln im Kontext supralokaler Heiligtümer, das Ausweis ihrer Multifunktionalität ist, stets in Beziehung zum Heiligen gesetzt werden konnte – aber bei weitem nicht jede Handlung originär heilig gewesen ist.78 Es ist diese grundsätzliche Konstellation, die die supralokalen Heiligtümer zu physischen, aber auch virtuellen, zu visuell und akustisch erfahrbaren und erzählbaren Orten macht,79 an und in denen sich nicht nur – wenn auch meist dominant – die griechische (politische) Geschichte der Herrschenden und Machtvollen, sondern auch – zumindest partiell – die griechische (Alltags-)Geschichte der am unteren Ende der sozialen Hierarchie stehenden Bevölkerungsgruppen in all ihrer Vielschichtigkeit und ihrem Facettenreichtum in nuce widerspiegelt:80 von der Herausbildung von Gruppenidentitäten seit dem frühen ersten Jahrtausend bis in die Spätantike, als die Christianisierung das Ende der supralokalen Heiligtümer durch verschiedenartige Transformationsprozesse bedingte81 und etwa Konstantin der Große eine der berühmtesten Weihgaben der Antike, die Schlangensäule, vom ‚Nabel der Welt‘ im Rahmen einer großangelegten ‚Memorabilientranslation‘ in das Neue Rom verbrachte.82 74

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Vgl. Scott 2015, 238: „Sanctuaries were flexible, multidimensional, and polyvalent institutions which, thanks in turn to the structures and objects they contained, reflected, articulated, and facilitated the extraordinary number of ways in which religious practice was interwoven and embedded into Greek society (…).“ In diesem Zusammenhang instruktiv ist etwa Wiemer 2017. Vgl. dazu Flaig 2013; Gehrke 2013a, bes. 81–83; s. auch Knäpper 2014, 33. In diesen Kontext sind die Ausführungen von Naiden 2017, bes. 149–150 zur rechtlichen Dimension griechischer Opferregeln einzuordnen. Vgl. in diesem Kontext beispielsweise Leypold et al. 2014; s. auch Gagné 2016. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auch auf den Beitrag von K. Trampedach in diesem Band. In diesem Zusammenhang sei auf Hornblower 2009, bes. 39–40 verwiesen. Vgl. das anregende Buch von Brulé 2012; Jacquemin 2017 hat sich ausgehend von Plutarch mit der Geräuschkulisse im delphischen Apollonheiligtum befasst. S. außerdem McInerney 2004 zu Plutarch und Pausanias in Delphi. Einen gewöhnlichen Tag im Leben eines Heiligtums hat Dignas 2007 ausgemalt. Vgl. in diesem Zusammenhang etwa Spieser 1976; Brown 2006; Gutsfeld et al. 2007; Gutsfeld/Lehmann 2008; Remijsen 2015, 38–59. Zu Delphi s. Scott 2014, 223–249; Heineman 2018. Eus. vit. Const. 3,54; Sokr. HE 1,16; Soz. HE 2,5. Aus der reichen Literatur zur Schlangensäule, wiederum ein Beispiel für den Kampf um die Erinnerung anhand einer Weihung in einem panhellenischen

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Durch ihr mannigfaltiges Eingebettetsein in die multipolare griechische Welt waren die supralokalen Heiligtümer auf Grund ihres Charakters als Handlungsorte überaus dynamische Konstrukte, die durch das Wirken einer Vielzahl von höchst unterschiedlichen Akteuren mit ihren je eigenen Intentionen grundsätzlich der Veränderung in Permanenz unterlagen83 – und die ungleichzeitig wie gleichzeitig ebenso in integrierende wie in konkurrierende Sinnzuschreibungs- und komplexe Handlungszusammenhänge ‚zwischen Himmel und Erde‘ eingebunden werden konnten:84 Dass sich in den supralokalen Heiligtümern der griechischen Welt ‚Glanz und Elend‘ der griechischen Geschichte(n)85 in höchster Dichte prismenhaft brechen und wie an kaum anderen Orten widerspiegeln, das macht nicht zum geringsten ihren Reiz und ihren heuristischen Wert für altertumswissenschaftliche Forschungen aus. Wenn der vorliegende Band, der selbstredend seine Thematik weder umfassend noch erst recht erschöpfend, sondern allein exemplarisch behandeln kann, seinen Leserinnen und Lesern davon einen Eindruck zu vermitteln vermag, dann hat er eine seiner Zielsetzungen nicht verfehlt. Bibliographie Ager, S. L. 1996: Interstate Arbitrations in the Greek World, 337–90 B. C., Berkeley/Los Angeles/London. Alcock, S. E. 1993: Graecia Capta. The Landscapes of Roman Greece, Cambridge. Alcock, S. E. / Osborne, R. (Hgg.) 1994: Placing the Gods. Sanctuaries and Sacred Space in Ancient Greece, Oxford. Aletsee, A.-S. 2016: Der Triumph des Transgressors. Plutarch, Alexander der Große und die Pythia (Plu. Alex. 14,6–7), in: D. Bonanno / P. Funke / M. Haake (Hgg.), Rechtliche Verfahren und religiöse Sanktionierung in der griechisch-römischen Antike. Akten einer deutsch-italienischen Tagung, Palermo, 11.–13. Dezember 2014 / Procedimenti giuridici e sanzione religiosa nel mondo greco e romano. Atti di un convegno tedesco-italiano, Palermo, 11–13 dicembre 2014, Stuttgart, 139–149. Althoff, J. / Zeller, D. (Hgg.) 2006: Die Worte der Sieben Weisen. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert, Darmstadt.

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Heiligtum, als griechischem Weihgeschenk nach der Schlacht von Plataiai im Jahre 479 v. Chr. (Hdt. 9,81; Thuk. 1,132,3; Paus. 10,13,9; Syll.3 31A = ML 27 = Choix Delphes 17) vgl. Steinhart 1997; Jung 2006, 243–255. Zur Schlangensäule in Konstantinopel s. Madden 1992; Bassett 2004, 224–227 Nr. 141; Bravi 2014, 274–278. Vgl. insgesamt Stephenson 2016. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auf die Olympia betreffenden Beiträge von V. Pirenne-Delforge und T. Hölscher im vorliegenden Band. Zur Konkurrenz zwischen supralokalen Heiligtümern vgl. die Fallstudie von K. Knäpper in diesem Band. Es mag hier ein passender Ort sein, darauf hinzuweisen, dass H. E. Stier in seiner im Spätsommer des Jahres 1945 erschienen Monographie Grundlagen und Sinn der griechischen Geschichte auf folgendes Dictum des greisen Goethe in Eckermanns Gesprächen mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens (24. November 1824) verwies (Stier 1945, 4 [leicht abgewandelt]): „Die griechische Geschichte bietet wenig Erfreuliches“; vgl. Eckermann 1999 [zuerst 1836], 124.

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Ampolo, C. 1989–1990: Fra economia, religione e politica: tesori e offerte nei santuari greci, in: Atti del convegno internazionale anathema: regime delle offerte e vita dei santuari nel Mediterraneo antico, 15–18 giugno 1989, Rom, 271–280. Anastasiou, M. / Bitsakis, Y. / Jones, A. / Steele, J. M. / Zafeiropoulou, M. 2016: The Back Dial and Back Plate Inscriptions, Almagest 7,1, 139–215. Antonetti, C. 1990: Les Étoliens. Image et religion, Paris. Assmann, J. 1991: Der zweidimensionale Mensch: das Fest als Medium des kollektiven Gedächtnisses, in: J. Assmann (Hg.), Das Fest und das Heilige. Religiöse Kontrapunkte zur Alltagswelt, Gütersloh, 13–30. Bain, D. 1991: Six Greek Verbs of Sexual Congress (βινῶ, κινῶ, πυγίζω, ληκῶ, οἴϕω, λαικάζω), CQ 41, 51–77. Baitinger, H. 2011: Waffenweihungen in griechischen Heiligtümern, Mainz. Barbantani, S. 2018: A Survey of Lyric Genres in Hellenistic Poetry: the Hymn. Transformation, Adaption, Experimentation, Erga-Logoi 6, 61–135. Baslez, M.-F. 2005: Les dévots de l’Apollon de Délos: au-delà du panhellenisme officiel, in: M.-F. Baslez / F. Prévot (Hgg.), Prosopographie et histoire religieuse. Actes du colloque tenu en l’Université Paris XII – Val de Marne les 27 & 28 octobre 2000, Paris, 35–49. Bassett, S. 2004: The Urban Image of Late Antique Constantinople, Cambridge. Bäumler, G. / Wacker, C. 2008: Die ‚Philosophenschule‘ des Alexinos in Olympia, in: P. Mauritsch / W. Petermandl / R. Rollinger / C. Ulf (Hgg.), Antike Lebenswelten. Konstanz – Wandel – Wirkungsmacht. Festschrift für Ingomar Weiler zum 70. Geburtstag, Wiesbaden, 71–86. Biard, G. / Kalliontzis, Y. / Charami, A. 2017: La base des Muses au sanctuaire de l’Hélicon, BCH 141, 697–752. Boschung, D. 2001: Überlegungen zum Denkmal des Aemilius Paullus in Delphi, in: C. Evers / A. Tsingarida (Hgg.), Rome et ses provinces: Genèse & diffusion d’une image du pouvoir. Hommage à Jean-Charles Balty, Brüssel, 59–72. Bouvier, H. 1985: Hommes de lettres dans les inscriptions delphiques, ZPE 58, 119–135. Bravi, A. 2014: Griechische Kunstwerke im politischen Leben Roms und Konstantinopels, Berlin. Bremmer, J. N. 1996: Götter, Mythen und Heiligtümer im antiken Griechenland, Darmstadt. Bringmann, K. 2000: Geben und Nehmen. Monarchische Wohltätigkeit und Selbstdarstellung im Zeitalter des Hellenismus, Berlin. Bringmann, K. / von Steuben, H. 1995: Schenkungen hellenistischer Herrscher an griechische Städte und Heiligtümer, I: Zeugnisse und Kommentare, Berlin. Brown, A. R. 2006: Hellenic Heritage and Christian Challenge: Conflict over Panhellenic Sanctuaries in Late Antiquity, in: H. A. Drake (Hg.), Violence in Late Antiquity. Perceptions and Practicies, Aldershot / Burlington, VT, 309–319. Bruit Zaidman, L. / Schmitt Pantel, P. 1992: Religion in the Ancient Greek City, Cambridge. Brulé, P. 2012: Comment percevoir le sanctuaire grec? Une analyse sensorielle du paysage sacré, Paris. Bubenheimer, F. / Mylonopoulos, J. / Schulze, B. / Zinsmaier, A. (Hgg.) 1996: Kult und Funktion griechischer Heiligtümer in archaischer und klassischer Zeit. 1. Archäologisches Studentenkolloquium, Heidelberg, 18.–20. Februar 1995, Mainz. Bultrighini, U. / Torelli, M. 2017: Pausania: Guida della Grecia. Libro X: Delfi e la Focide, Mailand. Burkert, W. 1987: Ancient Mystery Cults, Cambridge, MA/London.

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Merkmale supralokaler und überregionaler Heiligtümer im Kontext der Formierung der Polis Christoph Ulf

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Z. B. Funke 2009, 285; Gehrke 2013, 40 spricht von einer „notwendige(n) Synopse von Religion, Gesellschaft und Politik“. Scodel 2002; daran zum Teil anschließend und weiterführend Ulf 2016. Vgl. die unterschiedlichen Stellungnahmen wie z. B. Dowden 2004, 204: „Homer’s epics stand in a tradition which recedes through Mycenean courts and Indo-European warriors into the mists of history“; Foley 1997, 172: „Homer uses the inherited hexameter language … because its very limitations make for a built-in allusiveness, because whatever characters and actions he describes will frame individual situation in the resonant context of the traditional, because its inherent economy of signification makes possible a distinctive kind of verbal art“; Graziosi/Haubold 2005, 61: „The traditional aspects of Homeric epic … were developed in order to capture precisely the history of the cosmos and human society.“

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Christoph Ulf

brauchten Begriff stellt sie jedoch nicht nur fest: „No term appears more often in the study of Homer than tradition“, sondern fragt auch: „But what exactly is tradition, and why does it matter?“4 Und sie macht gegenüber der – letztlich auf den romantischen Volksbegriff zurückgehenden5 – Vorstellung eines die Generationen überdauernden Traditionsstromes geltend, dass es kaum eine Tradition im Sinn eines Kanons als Grundlage für das Repertoire der Sänger gegeben haben kann, da ja die Sänger ihre Dichtungen an verschiedenen Orten vortrugen und dabei auch Neuerungen vornahmen. Denn es bleibt unklar, wie und durch wen diese verschiedenen Erzählungen zu einem Ganzen zusammengefügt worden sein sollen. Da hilft auch der Versuch nicht, die behauptete kanonisierte Tradition mit einer Datenbank zu vergleichen, die angeblich hunderte Mal in ihrem vollen Umfang abgerufen worden sei, wenn die Angabe fehlt, wer die Datenbank gefüttert haben soll.6 Zudem führt Scodel an, dass das menschliche Gedächtnis selektiv ist und sich die Auswahl der Erzählungen bzw. der Motive in allen bekannten mündlichen Kulturen an dem jeweilig aktuellen gesellschaftlichen Kontext orientiert. Daher ist davon auszugehen, dass durch die verschiedenen Publika, die den Maßstab für die Bewertung einer Erzählung gebildet haben sollen, unterschiedliche soziale, politische, kulturelle, aber auch ästhetische Vorstellungen ins Spiel gebracht wurden. Aus diesem Grund kann das, was erzählt wurde, kaum eine Realität im Sinn der Weitergabe historischen Wissens gewesen sein, sondern vielmehr nur eine vom jeweiligen Publikum akzeptierte Realität, eine geglaubte Wirklichkeit, d. h. auch eine geglaubte Vergangenheit. Geht man hiervon aus, ist es kein großer Schritt zur Anwendung des Konzepts der intentionalen Geschichte und der erfundenen Geschichte7 für die homerischen, aber auch für die hesiodischen Epen. Mit Recht zieht Scodel aus solchen Überlegungen den Schluss: „Instead of defining tradition, Homerists tend to reify it.“8 Mit dem von Ruth Scodel angenommenen Bild von parallelen, sich da und dort kreuzenden, aber im archaischen Griechenland niemals in ein System gebrachten Traditionen, besser: Erzählungen, korrelieren die Ergebnisse der Untersuchungen, welche sich mit der Genese eines hellenischen Identitätsbewusstseins beschäftigen. Zuerst ist der bekannte Sachverhalt anzuführen, dass der Hellenen-Begriff in seinen ersten Belegen in den homerischen Epen kein Äquivalent zum modernen und umfassenden Begriff ‚Griechen‘ darstellt, sondern hier nur eine Benennung für einen mehr oder weniger großen Teil der von Thessalien bis zur Peloponnes lebenden Menschen ist. Damit steht die Methode in Verbindung, mit der mehrere Gruppen von Menschen als Einheit präsentiert werden. Jonathan Hall nannte sie in Nach4 5 6

7 8

Scodel 2002, 1. Vgl. dazu Patzek 1992, 73–80; Ulf 2002, 328–333; dagegen Bierl 2015, 182–183. So Martin 1993, 227–228. Kritisch dazu: Scodel 2002, 31; vgl. auch die Überlegungen von Scodel 2014 und der anderen Beiträge in Cairns/Scodel 2014, inwieweit die Kategorie „Greek narrative“ überhaupt verwendet werden kann, was zwangsläufig auf die Frage nach einer ‚griechischen Tradition‘ zurückwirkt. Gehrke 1994. Scodel 2002, 4.

Merkmale supralokaler und überregionaler Heiligtümer

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folge von George Grote „aggregativ“.9 Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass in archaischer Zeit modern als ‚Griechen‘ bezeichnete Gruppen nicht als eine von Anfang an vorhandene, geschlossene Einheit betrachtet, sondern nur additiv zu einer mehr oder weniger großen Einheit verbunden und als solche präsentiert wurden. Das findet seinen Ausdruck deutlich darin, dass die Genealogie des Hellen niemals alle Griechen umfasste, sondern offensichtlich als Argument in dem sich ab dem frühen 6. Jahrhundert aufbauenden Gegensatz zwischen Sparta und Athen benützt wurde.10 Diesem Kontext entstammten auch die Erzählungen über die Wanderungen von Doriern und Ionern, mit denen politische Ansprüche von Sparta und Athen im 6. und 5. Jahrhundert abgesichert werden sollten und eben keine Hinweise auf reale historische Abläufe enthalten.11 Auf die sich daraus ergebende Parallelität von sich widersprechenden Diskursen darüber, wer die Hellenen sind, weist auch, dass das, was hellenisch ist und wer hellenisch ist, noch im 5. Jahrhundert bei Herodot und Thukydides debattiert wurde.12 Ohne all das im Einzelnen ausführen zu können, trifft die Schlussfolgerung von Kurt Raaflaub, auf Herodot bezogen, die Situation sehr gut, wenn er fast resignierend meint, dass angesichts der Erkenntnis der intentionalen Ausrichtung der antiken Historiographie nicht wenig von dem verloren geht, von dem wir dachten, es wäre die Geschichte des archaischen Griechenland.13 Doch akzeptiert man diesen Verlust einer anfänglichen griechischen Einheit, dann kommt man nicht umhin auch die Frage zu stellen, wie es um ‚die‘ griechische Religion bestellt ist. Auch hier hat Peter Funke mit dem Hinweis auf die Konkurrenz zwischen den Polisreligionen auf der einen Seite und der polytheistischen Welt als „Bestandteil eines allseitig anerkannten religiösen Gesamtsystems“14 auf der anderen Seite den Blick auf ein zentrales Problem gelenkt. Denn angesichts des Verlustes einer gesicherten Einheit am ‚Beginn‘ der griechischen Geschichte ist auch zu klären, wie einerseits die ‚Polisreligion‘ bzw. Polisreligionen zustande kommen konnten und was es andererseits ermöglichte, ein religiöses Gesamtsystem nicht nur zu erzeugen, sondern auch als solches zu erkennen und schließlich zu akzeptieren. Dies führt zu der in jüngerer Zeit mehrfach geäußerten Kritik daran, dass die Polis nicht die für ‚die Griechen‘ typisch politische Einheit gewesen sei, und zu der damit in Verbindung stehenden, dass die ‚die Polis‘ kennzeichnende Religion nicht ‚die‘ griechische Religion schlechthin ist. In ihrer so lautenden Kritik verweist Julia Kindt auf das nicht hinreichend geklärte Verhältnis zwischen religiösen und sozio-politischen Strukturen, das einmal als symbolische oder ideologische Einbettung des Religiösen ins Politische betrachtet, das andere Mal als eine aktiv-religiöse und praktische Verbindung gesehen wird. Die in beiden Fällen behauptete intensive Verquickung 9 10 11 12 13 14

Grote 1884, 239, 263, 271. Hall 1997, 47; Hall 2002, 27–29, 168–171. Jede Argumentation muss die von Prinz 1979 erhobene methodische Forderung, die Sagenchronologie zu beachten, berücksichtigen. Vgl. Ulf 2015a; Ulf 2015b. Raaflaub 2016; ähnlich schon Raaflaub 2010; Osborne 2009, 4–7. Funke 2009, 287.

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von griechischer Religion und Polis lässt kaum Platz für die doch unübersehbaren „local variants“ und übersieht zudem die vielen Formen nicht-staatlicher Religion.15 Als Konsequenz daraus fordert sie die Gleichstellung von literarischen Texten mit allen anderen Arten von Quellen samt den in ihnen enthaltenen religiösen Äußerungen des ‚Alltags‘. Doch beruht diese berechtigte Forderung nach Erweiterung von dem, was unter den Begriff griechische Religion zu subsumieren ist, nach wie vor auf zumindest einem Kern an griechisch-religiöser Essenz, deren Existenz vorausgesetzt, jedoch nicht weiter geklärt wird. Deshalb stellt sich die weitere Frage, ob das Konzept einer ‚griechischen Religion‘ nicht mit den Mängeln behaftet ist, welche oben am Begriff der Tradition ausgemacht wurden.16 Denn das notwendig statische und homogenisierende und somit geschlossene Bild ‚der‘ griechischen Religion beruht zwangsläufig auf der Zusammenschau von Texten und Befunden aus verschiedenen Zeiten, in der historischen Veränderungen nur eine untergeordnete Bedeutung zugemessen wird.17 Geht man nicht von diesem essentialistischen Konzept aus, sondern von religiösen Vorstellungen und Verhaltensformen, die sich erst zu einem – sich in Bewegung befindlichen und niemals völlig stabilen – Zeichensystem formten,18 dann erhält die viel zitierte Äußerung von Herodot im Ägyptenlogos (2,53,1–2) ihre volle Bedeutung. Im Kontext von Überlegungen, wie sich die heterogene griechische Welt zu einer gemeinsamen fügte (oder: fügen sollte),19 stellt Herodot fest, dass die griechischen Götter aus drei Wurzeln stammen: viele sind ursprünglich ägyptisch, einige pelasgisch und nur wenige wirklich hellenisch. Und Herodot weiter: Bis vor kurzem wussten die Hellenen darüber nichts, denn es waren Homer und Hesiod, die für die Hellenen eine Theogonie erschufen, den Göttern ihre Epitheta und Patronymika gaben, unter ihnen Status und Zuständigkeitsbereiche verteilten und ihre Form bestimmten. Wenn diese Feststellungen Herodots so zu lesen sind, dass Homer und Hesiod das griechische Religionssystem erst schufen,20 dann lenken sie wieder zum Begriff der Tradition zurück und der mit ihr zu verbindenden Suche nach der eigenen Identität. Denn was Herodot formuliert, lässt sich durch den narratologisch geführten Nachweis erhärten, dass das später als olympische Götter bezeichnete religiöse System in der Ilias erst bewusst geformt wurde, um eine für die Menschen vorbildhafte und als Instanz einsetzbare göttliche Ordnung zu schaffen. Erst im Lauf des in der Ilias aufgebauten Geschehens finden die Götter zu einer Gemeinsamkeit, in deren Zentrum ein 15 16 17 18 19 20

Kindt 2012; Kindt 2015; diese Spannung notiert auch Parker 1996, 3. Zur Problematik eines häufig vorausgesetzten Zusammenhangs von Ethnos, Sprache, Kultur und geographischem Raum als dem statischen Rahmen für ‚Religion‘ vgl. Schweizer 2015, 934–936 mit Verweis besonders auf Graf 1997a. Ein Beispiel dafür ist die Berufung auf Götternamen, die im Linear B aufscheinen, aber nur unter Prämisse der Konstanz des ‚Griechischen‘ Beweiskraft für eben diese Konstanz erhalten kann. So z. B. Palaima 2008, 348–350; Schachter 2000. Graf 1997b. Zur Existenz von parallelen und keineswegs einheitlichen Diskursen darüber, was die Merkmale des Hellenischen sind, vgl. Ulf 2015a; Ulf 2015b; Ulf 2017 (mit Literatur). Affirmativ dazu mit dem zusätzlichen Hinweis auf Xenophanes Rösler 2003.

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geläuterter Zeus steht, der der Gewalt abgeschworen und an ihre Stelle die Entscheidungsfindung auf der Grundlage von Kommunikation unter Gleichen gesetzt hat.21 Von hier aus lässt sich verallgemeinernd formulieren, dass es komplexe und vielfältige Prozesse samt den zugehörigen Diskursen gewesen sein müssen, aus denen sich die Wahrnehmungen von Gemeinsamkeit ergaben, die (nur) in ethnischer Perspektive als mehr oder weniger stabil erscheinen konnten.22 Ein Weg zur Aufhellung dieser Prozesse ist im gegebenen Rahmen die nähere Bestimmung dessen, was als supralokal angesehen werden kann. II. Die Relativität von supralokal Ohne ein als solches vorauszusetzendes griechisches Volk, ohne eine geschlossene griechische Tradition und ohne eine wesenhafte griechische Religion als Bezugspunkte gehen die großen Rahmen verloren, innerhalb derer vergleichsweise einfach bestimmt werden kann, was lokal und was supralokal ist. Bei der deshalb notwendig gewordenen Suche nach neuen Bezugspunkten tritt die Archäologie, d. h. die aus archäologischen Befunden ableitbaren Aussagen über die sozialen und politischen Gegebenheiten in den Dark Ages und der frühen Archaik in den Vordergrund. Die kontinuierliche Verfeinerung der Interpretation bestehender und neuer archäologischer Befunde in den letzten Dezennien lässt erahnen, wie komplex die Prozesse gewesen sein müssen, die aus den Zuständen nach dem Ende der palatialen Systeme zu den verschiedenen Formen von Ethne und urbane Züge annehmenden Siedlungen zur Zeit der griechischen Archaik geführt haben.23 Diese durch die Archäologie möglich gewordenen Differenzierungen lassen verschiedene Arten von Supralokalität und Heiligtümern zum Vorschein kommen. Zur Beschreibung der Wohnstrukturen der sich während des Dark Age in Griechenland ausbildenden vielen kleinen Siedlungen wurden in jüngerer Zeit Begriff und Konzept des ‚Compound‘ verwendet.24 Als Typ gefasst, bestehen Compounds genannte Wohnstrukturen aus mehreren Rund- und auch Rechteckbauten, die oft „miteinander konstruktiv verbunden und um einen Binnenhof zu einem Konglomerat gruppiert (sind).“25 Innerhalb eines Siedlungsareals fügen sich mehrere nebeneinander oder weit verstreut, immer aber unabhängig voneinander bestehende Compounds zu einer mehr oder weniger deutlich erkennbaren Streusiedlung zusammen. Größere Compounds weisen nicht nur eine höhere Zahl an Rundbauten auf, sondern

21 22 23 24 25

Das ist ausgeführt in Ulf 2010, 292–294; Ulf 2012, 477–479; Ulf 2016, 8–14. Auf solche Zusammenhänge verweist Ganter 2013, 86–87 mit Bezug auf Beck/Wiemer 2009. Überblick zur Vielfalt der Siedlungen bei Lang 1996; Mazarakis Ainian 1997; gegen eine simple Reduktion der Vielfalt auf Polis und Ethnos auch Funke 1997, 145; eine konzise Übersicht in Ulf/Kistler 2019 (Kapitel I 2 und II 3). Vgl. Mazarakis Ainian 2007; Rumscheid 2009, 182–192; Kistler 2011. Kistler 2011, 132.

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auch einen Rundbau, der durch Architekturelemente hervorgehoben ist, und einen anderen, der mit umlaufenden Bänken und einer Herdstelle ausgestattet ist. Nicht nur auf der Grundlage der Architektur, sondern auch der Verteilung der Fundstücke werden die Compounds nach dem Konzept der Hausgesellschaften als die Wohnorte von Familiengruppen unterschiedlichen Ansehens interpretiert, der architektonisch hervorgehobene Rundbau als das Haus des Familienoberhauptes und der Rundbau mit umlaufenden Bänken und Herd als der Ort für Versammlungen und die Verehrung des bzw. der Ahnen.26 Dieses letztere Gebäude war somit gleichzeitig profaner und sakraler Ort. Hier trafen sich die Bewohner des Compounds zur Beratung beim gemeinsamen Mahl. Hier befanden sich aber auch die für die kleine Gemeinschaft wichtigen göttlichen Mächte, die an dem sozialen Akt durch Opfer, Gebete und andere rituelle Handlungen beteiligt wurden bzw. über ihn wachten. Dort wo im Lauf der Zeit ein Zusammenschluss der weilerartigen Compounds erfolgte, war er von einer veränderten Siedlungsstruktur begleitet. Als ein weithin anzutreffendes Signal für die neue Dimension des Zusammenhalts der größer gewordenen, dorfartigen Siedlungen wurden neue ‚moderne‘ Gebäude errichtet – wohl an den Stellen, an denen man sich bisher auf freier Fläche getroffen hatte. Diese Oikoi waren häufig rechteckige Bauten mit Ziegeldach und einer kleinen Vorhalle, nicht selten auch mit bemalten Gebälkzonen, Akroteren und Antefixen. An einigen Orten finden sich Hinweise dafür, dass die bisherigen meist apsidialen Begegnungshäuser als Memorialstätten mit kultischem Charakter erhalten wurden. Beides zusammen, die Erhaltung der familiären Erinnerungsstätten bei gleichzeitiger Etablierung eines neuen Versammlungsortes, lässt sich als die Installierung einer übergeordneten interfamiliären, damit siedlungsgemeinschaftlichen Ebene und gleichzeitig als ein „religiöser Verdichtungsprozess“ deuten.27 Somit können diese Begegnungsstätten als erste supralokale, „temporäre Kontaktzonen“ bezeichnet werden. Diese in den aus Compounds bestehenden Streusiedlungen beobachtbaren Prozesse finden ihre Analogien in den Siedlungen, welche urbane Merkmale aufzuweisen beginnen. Für die Beurteilung dafür, inwieweit die Verwendung des Begriffs des Supralokalen im Kontext derartiger Siedlungen sinnvoll ist, ist es nötig, deren Genesen in den Blick zu nehmen.28 An verschiedenen Stellen der griechischen Welt entstanden vom 7. zum 6. Jahrhundert aus den Clustern von Weilern größere Siedlungseinheiten. Durch die Konstruktion einer Umfassung (‚enceinte‘) wurden Siedlungsnuklei formal zusammengefasst und/oder die offenen Flächen zwischen ihnen gefüllt. Für diesen Vorgang eines Synoikismos stehen so bekannte Siedlungen wie Samos in der Dodekanes, Milet oder Ephesos in Kleinasien oder Athen, Eretria, Argos oder Korinth auf der 26 27 28

Zum Konzept der Hausgesellschaften vgl. Joyce/Gillespie 2000; González-Ruibal 2006. Beispiele bei Mazarakis Ainian 1997; Mazarakis Ainian 2007, 159, 166–167; Öhlinger 2015, 312–313. Auf die Unterschiedlichkeit dessen, was unter dem Begriff ‚Polis‘ gefasst wird, wies deutlich Welwei 2017, 6–8 hin; einen anderen Aspekt beleuchtet die Debatte über den Charakter der Polis; dazu Hansen 2002. Ein Überblick zur Geschichte der Forschung, ihre athenozentrische Schräglage und mit einem Plädoyer für einen breiten Zugang Vlassopoulos 2007.

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südlichen Balkanhalbinsel, aber auch nicht wenige Orte auf Kreta. Ein anderer Weg zur Bildung einer Siedlung mit urbanen Merkmalen ergab sich in Sizilien oder auch in Unteritalien aus einem Enoikismos. Griechen wurden in lokalen Siedlungen aufgenommen oder in der Nähe von lokalen Streusiedlungen geduldet. Aus dieser Verbindung entwickelte sich dann eine gemeinsame geschlossene Siedlung von städtischem Aussehen. Ein solcher Ablauf ist u. a. an Orten an der Ostküste Siziliens wie Naxos, Syrakus, Megara Hyblaia, oder z. B. in Incoronata am Golf von Tarent zu beobachten.29 Unabhängig von der Art der Genese ist für die Bildung einer urbane Züge annehmenden Siedlung charakteristisch, dass der besiedelte Raum samt seinem Umland neu organisiert wurde.30 Die kleinen Häuser mit einem oder zwei Räumen wurden durch solche mit mehreren Räumen und einem die Räume miteinander verbindenden Korridor oder Innenhof ersetzt. Die Friedhöfe – bisher mit den Clustern an Häusern verbunden – wurden an den Rand der Siedlung verlegt. In der neu entstandenen Siedlung wurde ein Agora genannter Raum frei gehalten oder auch erst frei gemacht – für kommerzielle Zwecke und um hier öffentliche Angelegenheiten verhandeln zu können. Und mit der Errichtung eines zentralen Kultplatzes wurde ein zweiter für die gesamte Siedlung geltender gemeinsamer Bezugspunkt geschaffen. Die Komplexität der Vorgänge lässt sich an diesen zentralen Kultplätzen gut nachvollziehen. Die bis dahin von den einzelnen lokalen Gruppen verwalteten Kultgeräte wurden in Häuser überführt, die in den neuen zentralen Heiligtümern errichtet wurden. In diesen Okoi oder Naiskoi – meist verkürzt nur Schatzhäuser genannten, tatsächlich aber polyfunktionalen31 – Gebäuden wurden immer monumentaler werdende Votive wie Dreifußkessel oder Statuen deponiert. Kultgeräte und Votive wurden anlässlich der gemeinsamen Feste im Heiligtum vor den Gebäuden zur Schau gestellt und in diesen gemeinsame Mahle der einzelnen Gruppen, aus denen sich die neu formierte Siedlung zusammensetzte, abgehalten.32 In diesem Verhalten zeigt sich, dass sich der zwischen den einzelnen Gruppen herrschende Wettbewerb nicht nur an dem für die Siedlung zentralen Ort konzentrierte, sondern sich zudem noch intensivierte. Um in dieser Konkurrenz bestehen zu können, versicherten sich die Anführer der auf (fiktiven) Familienstrukturen beruhenden lokalen Kleingruppen der Unterstützung von komplexer werdenden Anhängergruppen.33 Solche scheinen sich in den vier verschiedenen Typen von Hetairien, wie sie in den homerischen Epen beschrieben werden, zu spiegeln: kleine Gruppen, die sich um einen Anführer gruppieren; eine als Ethnos bezeichnete Großgruppe um einen Anführer; eine Gruppe,

29 30 31 32 33

Überblicke bei Kistler 2015, 401–404; Osanna 2015, 354–357. Lang 1996; Hölscher 1998; Mazarakis Ainian 2007. Zu diesen polyfunktionalen Bauten zuerst Hölscher 2001; Leypold 2008. Mohr 2013, 27 führt als Beispiele dafür an: Oikos der Naxier in Delos, Dionysostempel III in Yria, der Breitraum im Heraklesheiligtum von Thasos oder der Apollon Daphnephoros Tempel in Eretria. Vgl. Kistler 1998.

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die sich aus Anführern zusammensetzt, und schließlich eine Gruppierung, die diese Anführer samt den ihnen folgenden Männern (laoi) umfasst.34 Die Notwendigkeit für die Anführer dieser Gruppen, immer wieder von neuem ihre Führungsqualität zu bestätigen, musste angesichts der durch den intergruppalen Synoikismos erhöhten politischen Dichte den Wettbewerb zwischen den Gruppen bzw. ihren Anführern verschärfen. Als Folge davon ist eine – nicht beabsichtigte – sich verstärkende soziale Differenzierung zu beobachten. Die in diesem Wettbewerb längerfristig erfolgreichen Anführer von Hetairien hoben sich von der sich durch den Synoikismos zu einer Einheit formierenden Bevölkerung immer stärker ab und begannen sich zur Gruppe der Besten (aristoi), d. h. zu einer Aristokratie formieren.35 Derartige intergruppale Synoikismen konnten in dieser vergleichsweise offenen Form über längere Zeit bestehen bleiben, oder sich aber auch weiter verfestigen. Dass es zu solchen Verfestigungen kam, wird durch die Errichtung eines Peripteraltempels angezeigt. In der Neubewertung der Entstehung dieser Art von Tempel haben mit etwas unterschiedlicher Akzentsetzung Alexander Mazarakis Ainian und Karl Reber die besondere Charakteristik dieser Bauten mit dem Hinweis erkennbar gemacht, dass die den Peripteraltempeln vorausgehenden Gebäude nicht einfach deren Vorgängerbauten waren.36 Denn in diesen älteren Gebäuden, apsidal oder rechteckig, befand sich ein Herd, eine Kultstelle, häufig auch eine Bank entlang der Wand als Sitzgelegenheit; sie waren also zugleich Versammlungs- und Kultraum. Mit der Errichtung eines Peripteraltempels – mit einem Kultbild im und einem Altar vor dem Gebäude – ersetzte bzw. überlagerte eine vermutlich bisher so nicht verehrte, die Gesamtheit repräsentierende Gottheit die bisherigen, wohl mit den Hetairien in Verbindung stehenden Kulte und Gottheiten.37 Das heißt jedoch nicht zwangsläufig, dass die Errichtung derartiger Tempel eine Gemeinschaftsleistung gewesen sein muss. Karl Reber hat die Möglichkeit erwogen, dass einzelne Führer von Hetairien – angeregt durch den zwischen den Hetairien herrschenden Wettbewerb – versuchten, sich innerhalb der neu entstandenen Elite dadurch abzugrenzen, dass sie im kultischen Zentrum auf eigene Kosten solche Kultbild-Tempel errichteten.38

34 35 36 37

38

Ulf 1990, 127–138; Welwei 1992. Ulf 2001; Ulf 2011, 271–275; vgl. auch Duplouy 2006; Stein-Hölkeskamp 1989 und Stein-Hölkeskamp 2015, 186–220 beschrieb unter etwas anderen Vorzeichen diesen Prozess als die Verselbständigung der Aristokraten von der Polis. Mazarakis Ainian 1997; Reber 2009. Zu deren vergesellschaftender Wirkung Kistler 2014. Hölkeskamp 1994 und Hölkeskamp 2004 hob die Bedeutung dieser Bauten als zentrale Identifikationsorte mit dem Hinweis darauf hervor, dass an ihnen die Normen für die aufgrund der Vergemeinschaftung nötig gewordenen ‚Ämter‘ anlassbezogen in Inschriften angebracht wurden. Zur sich (auch) darin dokumentierenden Verschmelzung von sakralem und sozialem Ort vgl. den Überblick über die Diskussion bei Schweizer 2015, 926–927. Reber 2009, 109.

Merkmale supralokaler und überregionaler Heiligtümer

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III. Parallelen zwischen der Formierung von Compound-Siedlungen und ‚Ethne‘ Geht man nicht von Volk, Tradition und Religion als festen und vorgegebenen Größen aus, dann können auch die politischen Verbünde, die unter dem Begriff Ethnos subsumiert werden, nicht als Zusammenschlüsse verstanden werden, die – auf ethnischen Grundlagen beruhend – in ‚frühe‘ Zeiten zurückreichten.39 Auch hier müssen Prozesse von der Art wirksam gewesen sein, welche den Zusammenhalt von Compounds zu übergreifenden Einheiten bewirkten. Da jedoch diese Prozesse nicht gerichtet waren, sondern von den Aushandlungen zwischen den kleinen Gruppen abhängig, erhielten deren Siedlungen nicht zwangsläufig urbane Züge, sondern sie formierten sich unter anderen Bedingungen im ausgehenden 6. Jahrhundert eben zu den organisatorisch lockeren Ethnos-Gebilden. Es kam in archaischer Zeit auch zu keiner klaren Identitätsbildung und keiner politischen Verdichtung der beteiligten Gruppen, wohl weil kein ausreichender Impuls existierte, die räumliche Distanz zwischen den einzelnen Mitgliedern zu schließen. Folgerichtig bildeten sich Identitäten zwar früher als politische ‚Institutionen‘ aus, jedoch auch erst ab dem 6. Jahrhundert.40 Beides war bis ins 4. Jahrhundert nicht so ausgeprägt wie in den inzwischen entstandenen Siedlungen mit urbanen Zügen. Das in den Ethne zu beobachtende Niveau des Politischen kann daher mit dem eines Synoikismos in den Streusiedlungen verglichen werden, wenn an die Stelle der einzelnen Compounds die unterschiedlichen sozio-politischen, ein ‚Ethnos‘ formierenden Einheiten gesetzt werden (Compounds, Streusiedlungen, später auch: städtische Siedlungen). Auch hier boten Heiligtümer das Umfeld eines sakral abgesicherten Ortes, um die für das Zusammenleben der einzelnen Gruppen bzw. sozio-politischen Einheiten nötige Kommunikation führen zu können. Wie in den Heiligtümern der städtischen Siedlungen konnte auch hier durch die Präsentation von Weihegaben Status und Statusanspruch einzelner Individuen als auch ganzer sozio-politischer Einheiten demonstriert werden Auch hier wurden Schatz- und Banketthäuser errichtet, um gemeinsame Mahle zu veranstalten und die anlässlich von Festen zur Schau gestellten Prestigegüter zu lagern. An weniger bekannten Beispielen für solche Heiligtümer werden z. B. das in Yroulas bei Sangri mitten in einer fruchtbaren Ebene auf Naxos oder das in Yria ebenfalls auf Naxos gelegene genannt. Zu ihnen zählen auch so bekannte wie das Apoll Heiligtum in Thermos, das Heraion von Argos und das von Perachora41 oder das Heiligtum von Kalapodi und das Ptoion. Ähnliche Heiligtümer fanden sich an vielen Stellen Griechenlands. Es stellt sich daher die Frage, was die Gründe dafür waren, dass sich solche Regional-Heiligtümer in einigen Fällen zu so39 40 41

Vgl. dazu Mackil 2014, die zur Beschreibung der Positionen die Unterscheidung einer ‚primordial identity‘ von einer ‚instrumentalist identity‘ aufgreift. Die Datierung ergibt sich aus dem Datum der Ausbildung von Ethnizität in den Ethnos-Gebilden; vgl. Argumentation und Belege bei Morgan 2003, 132–133; Mackil 2014, 272–278; vom Gesichtspunkt der Ausbildung des Heroenkults im 6. Jh. dazu Bremmer 2006, bes. 18–19. Reber 2009, 108; Mohr 2013, 24–29.

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gar mehrere Regionen verbindenden Heiligtümern entwickelten, in anderen jedoch nicht. IV. Merkmale supralokaler Heiligtümer Die Bestimmung als supralokal, das zeigt der knappe Überblick über die Heiligtümer in Compound-Siedlungen, in Konstellationen, aus denen Ethne entstehen, und in den städtische Merkmale annehmenden Siedlungen, benötigt als Bezugspunkte die jeweiligen sozio-politischen Einheiten, um die für eine Analyse nötige inhaltliche Qualität zu erreichen. Um die Spezifik der verschiedenen Formen von supralokalen Heiligtümern näher eingrenzen zu können, sollen die in Abbildung 1 dargestellte Abgrenzung der verschiedenen Typen nach den folgenden vier Kategorien dienen: Reichweite der Supralokalität, Art des Wettbewerbs, Bezugspunkte zur Begründung der Identität und Gewährleistung der Kommunikation. Steht die Reichweite der Supralokalität einfach in Verbindung mit der Art der sozio-politischen Einheit, so werden mit den drei anderen Gliederungskategorien Merkmale hervorgehoben, aus deren Zusammenwirken die spezifische Verbindung der verschiedenen sozio-politischen Einheiten und der supralokalen Heiligtümer hervorgeht. Vor diesem Hintergrund gewinnen die überregionalen Heiligtümer, welche sich nicht dieser inhaltlichen Festlegung von supralokal fügen, weil sie eben nicht auf eine sozio-politische Einheit allein bezogen sind, erst ihr charakteristisches überregionales Profil. CompoundSiedlung

Ethnos (regionales Gebilde)

Städtische Siedlung

Reichweite der Supralokalität

Intergruppale Einheit

Zusammenführung Stadt als Einheit Unterschiedunterschiedlicher liche politische Gruppen Einheiten

Art des Wettbewerbs

Vergesellschaftend

Bedingt vergesellschaftend

Vergesellschaftend

Antagonistisch

Bezugspunkte zur Begründung der Identität

Ahnen

‚Heroen-Ahnen‘

‚Polisreligion‘

Mehrere ideologischreligiöse Instanzen

Gewährleistung der Kommunikation

Sozialer Druck

Aushandlungsprozesse

Polis-Institutionen

Lokale Organisatoren und politischer Druck der Besucher des Heiligtums

Abb. 1: Merkmale supralokaler Heiligtümer

Überregionales Heiligtum

Merkmale supralokaler und überregionaler Heiligtümer

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Die Supralokalität überregionaler Heiligtümer ist gegenüber den oben besprochenen supralokalen religiösen Begegnungsplätzen insofern von besonderer Qualität, als das überregionale Heiligtum zwar über eine eigene Organisation zur Durchführung der täglichen Geschäfte, aber auch der großen Feste verfügt, diese Organisation jedoch – unabhängig davon, ob sie (zumindest zum Teil) aus einem von einer politischen Einheit gestellten Personal oder aus unabhängigen, nur dem Heiligtum verpflichteten Personen besteht42 – nicht auf einen außerhalb des Heiligtums liegenden Bezugspunkt ausgerichtet ist. Diese Art der Supralokalität ist also nicht als ein Mittel zur Bestätigung und Präsentation einer Gemeinsamkeit zu verstehen, die in die innere Struktur der einzelnen Teilnehmer zurückwirkt bzw. als ein Teil der jeweiligen politischen Einheiten anzusehen ist. Diese Besonderheit des Angebots einer jenseits der Beteiligten liegenden politischen Kommunikationsebene wird auch unter der Perspektive der weiteren Analysekategorien erkennbar. Wettbewerb In den Compound-Siedlungen, den Ethne und den städtischen Siedlungen wird durch die religiös abgesicherte Supralokalität der gemeinsamen Plätze die in allen Fällen vorhandene Konkurrenz insofern aufgehoben, als sie auf den Vorteil der jeweiligen Einheit gelenkt wird bzw. werden soll. Das ist deutlich ausgeprägt in den Compound-Siedlungen und den städtischen Siedlungen die Intention, kommt weniger klar oder nur zeitweise in den Ethne-Gebilden zum Vorschein. Der Sachverhalt gewinnt an Klarheit, wenn man von der Unterscheidung ausgeht, die der Soziologe Georg Simmel in seiner grundlegenden Analyse der Formen und Ziele von Wettbewerb vorgenommen hat.43 Unter anderem am Beispiel der Sportarten Boxen und Laufen zeigt er, dass im ersten Fall Wettbewerb auf die Niederlage des Konkurrenten zielt, während im anderen Fall ein gemeinsames Ziel rascher als vom Konkurrenten erreicht werden soll, ohne diesen zu schädigen. Die zur Charakterisierung der unterschiedlichen Formen von Wettbewerb gewählten Etiketten ‚antagonistisch‘ bzw. ‚vergesellschaftend‘ machen den Unterschied gut sichtbar.44 Weiterführende Differenzierungen im Verhalten von Konkurrenten lassen sich vornehmen, wenn die Ergebnisse der Sozialpsychologie berücksichtigt werden. In der Sozialpsychologie geht man davon aus, dass sich jedes Individuum aus Gründen und der Notwendigkeit der Selbstvergewisserung mit anderen Individuen vergleicht und beurteilt.45 Da der Vergleich mit anderen Personen dazu dient, Sicherheit als Person im sozialen Umfeld zu erlangen, ist er von einer einfachen Regel gelei42 43 44 45

Diese Möglichkeit beschrieb Morgan 2003, 107–163 ausführlich im Kapitel „Cult Communities“, besonders mit dem Blick auf die Phokis und Kalapodi; vom Heraion von Argos ausgehend mit weiteren Argumenten Strøm 2009. Simmel 1983. Die hiervon ausgehenden Debatten und Positionen sind in Hölkeskamp 2014 gut verfolgbar. Vgl. zum Folgenden Brewer 2003; Fischer/Wiswede 2009.

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tet: „In order to validate a positive perception of myself, it is not enough to be ‚good‘ in an absolute sense but to be ‚better‘ than others.“46 Daher sind alle Vergleiche, die zur Selbstkategorisierung einer Person nötig sind, „intrinsically competitive“. Um das bei diesen Vergleichen erzielte Ergebnis als positiv oder negativ einschätzen zu können, ist die Orientierung an Standards nötig. Diese sind nicht objektiv vorgegeben, sondern bestehen aus den Normen und Regeln, nach denen sich die jeweiligen Gruppen organisieren. Zur Differenzierung zwischen den auf diesen Normen und Regeln aufsitzenden verschiedenen ‚Wettbewerbskulturen‘47 lassen sich die Motivationen heranziehen, auf die Wettbewerb ausgerichtet sein kann. Marilynn Brewer nennt in ihrer grundlegenden Einführung in die Sozialpsychologie fünf derartige Motivationen, die sich auf einer Skala anordnen lassen. Deren Pole sind ähnlich definiert wie die von Georg Simmel getroffene Unterscheidung von ‚vergesellschaftend‘ bzw. ‚antagonistisch‘, nämlich als „other’s gain orientation“ oder Altruismus und „other’s loss orientation“ oder Aggression. Mit dem genaueren Blick auf die individuelle Motivation lässt sich das Feld zwischen den Polen beschreiben als „equality“, „joint gain orientation“ und „relative gain orientation“. Die Motivation von ‚equality‘ – nahe beim Altruismus – tendiert dazu, Unterschiede zu minimieren. Geleitet von ‚joint gain orientation‘ soll ein die beteiligten Individuen bzw. Gruppen möglichst gleichermaßen befriedigendes Ergebnis erzielt werden, ohne dabei die eigenen Ziele zu vernachlässigen. Unter „relative gain orientation“ ist die Absicht zu verstehen, bei der Realisierung des gemeinsamen Ziels ein für sich möglichst günstiges Ergebnis zu erzielen. Da eine Verbindung zwischen der Wahl eines dieser Motive und dem eigenen sozio-politischen Umfeld besteht, ist die Wahl weder zufällig oder auch nur das Ergebnis einer individuellen Entscheidung. Sie hängt mit dem Verhältnis eines Individuums mit denjenigen zusammen, mit denen es in Wettbewerb steht. So geht die Wahl des Motivs ‚joint gain‘ mit Kooperation einher. Kooperation setzt jedoch „trust and concern for the common welfare“48 voraus und verursacht auch ‚Kosten‘.49 Solche Kosten bestehen zum Beispiel darin, Wünschen wie der Ausübung von Macht oder der Demonstration von Leistung zugunsten von Kooperation nicht weiter nachzugeben. Nicht weniger wichtig als diese am Individuum orientierten Kooperationskosten ist, dass für jede Kooperation auch Koordination erforderlich ist, deren Aufwand mit der Zahl der daran beteiligten Personen signifikant ansteigt. Da nicht zu übersehen ist, dass umgekehrt auch Wettbewerb Kosten verursacht, steht hinter der Wahl einer Wettbewerbsform immer auch eine (nicht immer rational und bewusst vorgenommene) Kostenabwägung. Im gegebenen Zusammenhang von Bedeutung ist die empirisch belegte Feststellung, dass Individuen zu einer antagonistischen Interpretation von Wettbewerb besonders dann neigen, wenn sich nicht nur einzelne 46 47 48 49

Brewer 2003, 13 spricht von einem „strong need to evaluate their own abilities and characteristics“. Zum Begriff vgl. Nullmeier 2000. Brewer 2003, 29. Dazu Fischer/Wiswede 2009, 555–558, 705–708.

Merkmale supralokaler und überregionaler Heiligtümer

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Personen, sondern ganze Gruppen als Konkurrenten gegenüberstehen. In einem solchen Umfeld neigen die einzelnen Individuen zu einer weiter verschärften Auslegung des Wettbewerbs.50 Die von der Sozialpsychologie angebotenen Differenzierungen erlauben die nähere Bestimmung der Art des Wettbewerbs für die vier Kategorien von supralokalen Begegnungsorten.51 Es liegt nahe, für Compound-Siedlungen ein hohes Maß an ‚trust and concern for the common welfare‘ anzunehmen, was die Bereitschaft zu Kooperation förderte und daher Wettbewerb auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet sein ließ, nicht auf die Besiegung eines Kontrahenten. Unter anderen Voraussetzungen trifft das auch auf Poleis im Sinn von politischen Einheiten zu. Zwar dürfte von einem Unterschied zwischen oligarchisch und demokratisch organisierten Poleis auszugehen sein. Doch Poleis waren immer bestrebt, Wettbewerb so zu lenken, dass er den inneren Zusammenhalt nicht gefährdete, sondern stärkte.52 Es ist offensichtlich, dass Feste und Kulte in einer Polis eben diesem Ziel dienten, also von einer ‚relative gain orientation‘ oder sogar einer ‚joint gain orientation‘ geleitet waren. Demgegenüber fehlten in Ethnos-Gebilden vor dem Zeitpunkt, als sich einige von ihnen zu einem regelrechten Koinon wandelten, nicht nur das institutionelle Instrumentarium zur Beförderung oder sogar Erzwingung von Zusammenhalt, sondern auch das Bewusstsein von einem stabilen gemeinsamen Interesse. So dürfte der Wettbewerb zwischen den verschiedenen potentiellen Partnern im Ethnos maximal die Ebene einer ‚relative gain orientation‘ erreicht haben. Nicht weniger ist deutlich, dass der für überregionale Heiligtümer charakteristische Wettbewerb ein klares Ziel hat: the other’s loss. Darauf sind die hier exzessiv veranstalteten sportlichen Wettbewerbe ausgerichtet, bei denen die einzelnen Athleten als Vertreter ihrer politischen Einheit im direkten Kampf gegeneinander andere Athleten desselben Status besiegen wollten.53 Identität Von diesen Unterschieden wird der Blick direkt auf die Art der Identität gelenkt, die über die verschiedenen supralokalen Heiligtümer vermittelt wird bzw. werden soll. In den nach Hausgesellschaften organisierten Compound-Siedlungen steht der Weg eindeutig im Vordergrund, über die Verbindung der gegenwärtigen Gemeinschaft mit gemeinsamen Ahnen – seien diese real oder nur fiktiv – Identität zu erzeugen. Darauf weist die für Hausgesellschaften charakteristische Verehrung der Ahnen im gemeinsamen Versammlungshaus, und dieser Bezug kann leicht in vielen Nekropolen beobachtet werden, wo die Gräber auf ein zentrales Grab ausgerichtet wurden,

50 51 52 53

Brewer 2003, 31. Erste Schritte zur präziseren Beschreibung dieser Zusammenhänge in Ulf 2008; Ulf 2011b. Dazu z. B. Osborne 2010. Vgl. Ulf 2011b.

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hervorgehoben durch seine besondere Ausstattung und auch einen Tumulus.54 Die Ahnen, von denen in Ethnos-Gebilden erzählt wurde, um Zusammenhalt und gemeinsame Identität über einen gemeinsamen Bezugspunkt zu formen, sind gegenüber den ganz konkreten Ahnenfiguren in Compound-Siedlungen blasse Figuren. Das hängt mit dem fragilen und nur fallweise abgerufenen Zusammenhalt der Ethne zusammen und damit, dass solche Erzählungen erst vom 6. Jahrhundert an bis ins 4. Jahrhundert formuliert wurden. Dementsprechend stellen diese artifiziellen Ahnen eine als solche leicht erkennbare Mischung aus Ahnen und Heroen dar. Sie standen in keinem direkten genealogischen Bezug zu einer der vielen Einheiten, aus denen sich ein Ethnos konstituierte, sondern sollten eine Beziehung zu allen Gruppen herstellen – meist über einen heros eponymos, von dem sich der übergeordnete gemeinsame Name herleiten soll, wie Arkas, Triphylos, Pisos, Phokos usw., oder durch eine ganz spezifische, auf aktuelle Gegebenheiten sich beziehende Genealogie wie z. B. die, dass Aitolos der Sohn des Endymion gewesen und von Salmoneus aus Elis vertrieben worden sei.55 Ganz anders stellte sich die Situation in den um eine Agora formierenden Siedlungen dar. Es ist anzunehmen, dass ab dem ausgehenden 7. Jahrhundert, als sie sich institutionell zu verfestigen begannen, auch das kontinuierlich in Kraft gesetzt wurde, was als Polisreligion im engeren Sinn bezeichnet werden kann, nämlich die Ausbildung eines für eine Stadt charakteristischen ideologisch-religiösen Systems. Dieses wurde über Kulte und Feste samt den dazugehörigen Prozessionen, Opfern und Gebeten mit dem Zweck vermittelt, Kohäsion zu erzeugen.56 Mit der Auswahl einer Gottheit aus dem Angebot der olympischen Götter als Stadtgottheit wurde ein jenseits der Einzelgruppen liegender Bezugspunkt geschaffen, der die Zusammenbindung aller Gruppen erlaubte. Dennoch wurde diese göttliche Bezugssphäre in einer für die jeweilige Polis spezifischen Weise strukturiert.57 Überregionale Heiligtümer konnten demgegenüber nicht einmal einen so vagen Bezugspunkt anbieten wie Ethnos-Gebilde, da seine Besucher von überall herkamen und aus verschiedenen politischen Einheiten stammten. Doch durch nebeneinander offerierte derartige Diskurse wurde ein möglichst breites Angebot zur Identifikation mit dem Heiligtum geschaffen. Diese Heiligtümer operierten mit Heroen, auf welche die Gründung des Heiligtums oder wenigstens des Hauptfestes zurückgeführt wurde; sie präsentierten sich als der (Wohn-)Ort eines der olympischen Götter und sie versuchten zum Teil auch Attraktivität mit der Behauptung zu erzeugen, über ein besonderes Wissen über die Zukunft zu verfügen. Olympia ist das am leichtesten zugängliche Beispiel, um das zu konkretisieren. 54 55 56 57

Angesichts solcher archäologischer Befunde ist das von Boehringer 2001, 44–46 gewonnene Ergebnis des Fehlens eines Ahnenkultus in Griechenland wohl zu erweitern. Dazu Funke 2013, 51; Ulf 1997a, 26–31. Aus der Vielzahl sei nur noch der von Ganter 2013, 92–93 angeführte Mythos um das Ptoion als charakteristisches Beispiel herausgegriffen. Mylonopoulos 2006, 71–84. Vgl. das kritische Referat von Kindt 2012, 12–35 zu den verschiedenen Positionen und die Problematik der Einbindung der Polisreligion in ‚die griechische‘ Religion.

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Von dem in der Mitte des 3. Jahrtausends aufgeschütteten prähistorischen Tumulus führt keine Verbindung zu dem Tumulus, der als Grab des Pelops galt.58 Die beiden sind durch mehr als ein Jahrtausend getrennt, im archäologischen Befund durch eine sterile Schwemmsandschicht, aus der nur die Spitze des alten Tumulus hervorragte. Um diese kleine Erhebung wurde vom 11. Jahrhundert bis an das Ende des 7. Jahrhunderts dunkle Erde in mehreren Schichten abgelagert. Diese ‚schwarzen Schichten‘ lieferten die Hauptmasse der frühen Votive aus Ton und Bronze, Keramik und zertrümmerte Tierknochen. Die Zertrümmerung der Knochen und das zerbrochene Ess- und Trinkgeschirr sind deutliche Indizien dafür, dass die schwarzen Schichten die Reste von Opfern und Opfermahlen darstellen. Dieses Bild von gemeinsamen Mahlen wird durch den Nachweis ephemer genutzter Banketthäuser bestätigt, für deren Existenz Pfostenlöcher unter dem Pronaos des am Beginn des 6. Jahrhunderts. errichteten Heraion die Indizien liefern.59 Das Ende dieser rituellen Gemeinschaftsmahle fiel mit einer Neuorganisation des Heiligtums am Beginn des 6. Jahrhunderts zusammen. In ihr wird das Bestreben erkennbar, eine möglichst hohe Attraktivität des Heiligtums dadurch zu erzielen, verschiedene ideologisch-religiöse Angebote gewissermaßen im Paket anzubieten. Mit der Errichtung eines der neuartigen Tempel wurde ein Programm vorgestellt, von dem Helmut Kyrieleis meinte, dass es die Mehrung der sakralen Autorität des Heiligtums zum Ziel gehabt habe.60 Dieser Peripteros, das sogenannte Heraion, wurde im südlichen und westlichen Teil über den von den großen Opfermahlen stammenden schwarzen Schichten errichtet. Darin zeigt sich nicht nur die Abwendung von diesem alten Brauch, sondern gleichzeitig auch die Ausrichtung auf eine neue ideologisch-religiöse Sphäre, vor allem dann, wenn das Heraion tatsächlich ein erster Tempel für Zeus gewesen sein sollte.61 Zudem wurde jetzt in Analogie zu den Heroenkulten in den Poleis, die nach Helmut Kyrieleis der „mythisch-symbolischen Begründung und Darstellung staatlicher Identität und Macht dienten,“62 vielleicht noch mehr in Parallele zu den gleichen Vorgängen in den auf Identitätsbildung ausgerichteten Heiligtümern der Ethne das bekannte Pelopion errichtet. Mit Pelops bzw. der von dem Namen nicht zu trennenden Peloponnes wurde nicht nur ein erster Raum abgesteckt, auf den sich das Heiligtum ausrichtete,63 sondern wohl auch das Problem angesprochen, wem die Leitung des Heiligtums bzw. der Wettkämpfe zusteht. Das ergibt sich daraus, dass der Heros nach der Erzählung über den Brautwettkampf um die Tochter des Oinomaoswohl von Argos nach Elis kam,64 doch über die Heirat mit Hippodameia zum Eleer wurde. Wie intensiv über derartige Fragen diskutiert worden sein muss und wie 58 59 60 61 62 63 64

Das Folgende vor allem nach Kyrieleis 2006. Mohr 2013, 26, 102–105. Kyrieleis 2006, 81. Siehe Mohr 2013, 103 mit Anm. 857. Kyrieleis 2006, 80. Pelops wurde erstmalig im 7. Jh. erwähnt: Hom. h. Apol. 250, 290, 419, 430, 432; Kypria frg. 11,3–4. Vgl. zum gesamten Kontext Weiler 1974, 209–217.

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weit die neue Ausrichtung des Heiligtums ging, lässt sich an den an verschiedenen Stellen der Oden Pindars hergestellten Bezügen zur Geschichte von Olympia ablesen. Nach Pindar gab zwar schon vor dem Auftreten von Herakles einen Kult für den Heros Pelops, aber dieser Kult war nicht der Vorläufer für die Feier und den Agon des Zeus. Die sich daraus ergebende Isolierung von Pelops wird dadurch weiter unterbaut, dass nach Pindar von Pelops – anders als dann bei Thukydides65 – keine Verbindung zu den Atriden führte.66 Pindar ging in der Abwertung von Pelops noch weiter, indem er mit zum Teil für ihn spezifischen Erzählungen über Herakles Zeus in den Vordergrund rückte. Die Götter sollen die Hilfe von Herakles benötigt haben, um die Giganten besiegen zu können; und: Herakles besiegte in Elis die Söhne der Molione und des Poseidon und begründete dann die Festfeier und Agon für Zeus in Olympia.67 Was mit all dem bezweckt wird, wird daraus klar, dass Herakles auch den Ölzweig als den Siegespreis von den Hyperboreern holte, um dann die Leitung der Spiele an die Söhne der Leda und des Tyndareos, also die Dioskuren zu übergeben.68 Auch wenn das auf den ersten Blick nach einer Bevorzugung Spartas aussieht, relativiert sich dieser Eindruck dadurch wieder, dass diese Übergabe der Agonothesie zu einem Zeitpunkt stattgefunden haben soll, noch ehe die – mit den Doriern in Verbindung stehenden – Herakliden nach Sparta gekommen waren. Zudem sah Pindar in Sparta kein rein dorisches Gebilde. Denn die eine komplizierte Geschichte durchlaufenden Herakliden siedelten nach Pindar nicht Sparta wie die (aus Argos stammenden) Tyndariden, sondern in Amyklai.69 So entsteht der Eindruck, als habe Pindar Sparta als eine Art ‚multiethnisches‘ Gebilde präsentieren wollen, das mit einer über die Peloponnes hinausgehenden Ausrichtung Olympias gut in Einklang zu bringen ist.70 Mit Zeus verbindet sich eine dritte von Pindar für Olympia genannte, herausragende Besonderheit. Er erzählte in einer verwickelten Geschichte von einem Iamos, der als Enkel der in Pitana am Eurotas lebenden Phintis, von seiner von Apoll schwanger gewordenen Mutter Euadne in Phaisna in Arkadien aus Angst vor Aipytos ausgesetzt worden sei, um ihm das Überleben zu sichern.71 Diesem Iamos habe dann Apoll die Sehergabe verliehen, die er am Altar des Zeus in Olympia ausüben sollte, doch erst nachdem Herakles den Agon gegründet hatte. Von den Erzählungen Pindars ist es kein großer Schritt zu dem neuen, nach den Perserkriegen errichteten, monumentalen Tempel für Zeus. In seinen Giebeln und Metopen wurden die verschiedenen Begründungserzählungen für jedermann sichtbar zusammengeführt und präsentiert.72 65 66 67 68 69 70 71 72

Nach Thuk. 1,9,2 kam Pelops aus Asien und wurde zum Stammvater der Atriden, deren Aufstieg den Abstieg des Perseus und seiner Nachfahren verursacht habe. Pind. O. 1,93–94. Pind. N. 1,67–75; O. 10,24–25, 45–64. Pind. O. 3,31–39. Pind. P. 1,66–69. Zum Kontext vgl. Ulf 1996, 259–264. Ulf 1997a, 13–25. Pind. O. 6,22–58. Dazu Kyrieleis 2013, 13. Diese Intention würde noch verstärkt zum Ausdruck kommen, wenn der Beschluss für den Bau des Tempels auf der ‚Siegesolympiade‘ von 476 gefallen sein sollte; so Sinn 1991, 50–51.

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Um die besondere Qualität der damit vom überregionalen Heiligtum erhobenen Ansprüche noch weiter hervortreten zu lassen, ist ein Unterschied zwischen den Polisheiligtümern und Olympia von Bedeutung. Bernhard Linke hat hervorgehoben, dass Zeus – ungeachtet seiner wichtigen Rolle im täglichen Kult und Leben – nie als der Gott einer Polis präsentiert wurde, von den gescheiterten Versuchen der Tyrannen in Athen, Korinth, Akragas oder sehr späten Beispielen aus dem 4. Jahrhundert abgesehen.73 Die prominente Platzierung von Zeus als dem obersten der Götter kann daher als der Anspruch Olympias auf eine Supralokalität ohne jede Eingrenzung gelesen werden. Dieser Anspruch stieß auf Widerhall. Das zeigt sich daran, dass ab dem 6. Jahrhundert die verschiedenen Poleis als politische Einheiten in dem Heiligtum bei den Olympien präsent waren und zum Teil hier ihre Schatz- bzw. Banketthäuser errichteten.74 Nicht weniger drückt sich die weite Resonanz in dem durch die Aussendung der Theoroi an Olympia angebundenen Netzwerk aus.75 Kommunikation Auch wenn für alle Heiligtümer gilt, dass sie nicht einfach nur Orte zur Befriedigung religiöser Bedürfnisse, d. h. für den Vollzug religiöser Praktiken wie Gebete oder Opfer waren, sondern durch Sakralisierung geschützte Räume, in denen wegen des hier herrschenden, durch die Gottheiten abgesicherten Verbots der Anwendung von Gewalt eine gefahrfreie Begegnung und Kommunikation zwischen den Besuchern des Heiligtums möglich war, so unterscheidet sich die von ihnen gebotene Sicherheit je nach der Art und den Möglichkeiten der die Supralokalität erzeugenden sozio-politischen Einheit. Es ist davon auszugehen, dass der soziale Druck in den vergleichsweisen kleinen Compound-Siedlungen so groß war, dass die Kommunikation beim gemeinsamen Fest gewährleistet war.76 An die Stelle des sozialen Drucks traten in den Poleis die politischen Institutionen mit ihren Regeln der Entscheidungsfindung. Mit diesen waren der Weg für die und das Ausmaß der Kommunikation festgelegt, aber auch das Ziel für die Kommunikation vorgegeben. Über die in der breiteren (demokratischen) oder kleineren (oligarchischen) Öffentlichkeit diskutierten Beschlüsse wurde festgestellt, was der Wille der Gesamtheit ist. Bei einer Abweichung von diesen Beschlüssen konnte daher zu Sanktionen gegriffen werden, es sei denn die Einheit ging in inneren Konflikten verloren und damit auch die Möglichkeit der Kommunikation; die sakrale Sphäre von Heiligtum, Kult und Fest bot in diesem Fall keinen Schutz mehr.77 73 74 75 76 77

Linke 2006, 94–96 mit Verweis auf Graf 1999, 937. Dazu Siewert 2005; Kyrieleis 2006. Dazu jetzt Gehrke 2013. Gerade in solchen Fragen hilft die Anthropologie als Feld möglicher Analogien weiter; dazu konkret Ulf 2006; Ulf 2009. Unter den verschiedenen Beispielen für die Missachtung des Gewaltverbots an sakralen Orten, ist das extremste Beispiel dafür die Klage von Thukydides (3,82) im Kontext des ‚Bürgerkriegs‘ in Kerkyra, dass ab diesem Zeitpunkt keine der geltenden Normen mehr beachtet wurde.

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Auf einer anderen Grundlage beruhte die Kommunikation in den Heiligtümern, in denen sich diejenigen trafen, die sich als einem Ethnos zugehörig bekannten. Da angesichts des Fehlens von übergreifenden Institutionen keine Möglichkeit bestand, Kommunikation zu erzwingen, konnte sie nur auf Freiwilligkeit beruhen. Der sakrale Ort als Treffpunkt konnte die Barriere, zu Gewalt zu greifen, nur möglichst hoch werden lassen, so wie das über die Konstruktion einer gemeinsamen Herkunft auch angestrebt wurde.78 Diese vielfach zu beobachtenden Versuche waren keineswegs alle erfolgreich. Als Beispiele für geringen Erfolg können das Apoll-Heiligtum von Ptoion oder das Athena-Heiligtum in Tegea – mit dem Versuch, eine böotische bzw. arkadische Gemeinsamkeit zu erzeugen – gelten.79 Umso auffälliger ist vor diesem Hintergrund der Erfolg der überregionalen Heiligtümer. Es muss an der besonderen Supralokalität überregionaler Heiligtümer gelegen haben, dass das Zusammentreffen verschiedener selbständiger politischer Einheiten unterschiedlichen Charakters, das Zusammenwirken in Fest und Ritual und deren Kommunikation untereinander möglich war. Da überregionale Heiligtümer gleichsam quer zu allen anderen Formen der Identität lagen, verfügte ihre Priesterschaft bzw. die Organisatoren und Ausrichter der Feste über keine andere Sanktionsmöglichkeit als die Berufung auf die besondere Sakralität des Ortes. Die intensive Ausgestaltung der Gründungserzählungen und ihre Adaption an die sich ändernden politischen Gegebenheiten belegen, wie viel Wert auf Vermittlung dieser ideologischreligiösen Ebene gelegt wurde.80 Und das mit Erfolg. Wenn auch in unterschiedlichem Verlauf und mit unterschiedlichem Aufwand, so wurden doch alle Versuche, gewaltsam auf die Organisation des Heiligtums und seiner Feste Einfluss zu nehmen, von den restlichen Besuchern des Heiligtums abgewehrt.81 Das zeigen zum Beispiel die in unterschiedlicher Dimension ablaufenden Auseinandersetzungen, am bekanntesten die ‚heiligen Kriege‘ um Delphi oder die wiederholten und jedes Mal gescheiterten Versuche, von den Eleiern als den Organisatoren in Olympia ausgesprochene Sanktionen militärisch abzuwenden.82 Allein die besondere Sakralität des Ortes wird man dennoch nicht dafür verantwortlich machen können. Es ist wohl von dem tiefer liegenden Grund auszugehen, dass die politischen Einheiten – auch in Koalitionen – zu klein waren, um sich militärisch durchzusetzen. Am Ende war es wohl die Art der Kosten-Nutzen-Rechnung, die in den modernen Peace Studies als Grund für die Beendigung von militärischen

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Die Instrumentalisierung einer konstruierten Vergangenheit konnte natürlich auch für das Gegenteil verwendet werden; vgl. dazu den Konflikt von Pisa und Elis um Olympia, an dem Möller 2004 und Giangiulio 2009 (unter Verweis auf B. Niese) neuerlich klar gemacht haben, wie sehr historisches Konstrukt (nämlich die behauptete frühe Existenz der Pisaten) bemüht wurde, um im 4. Jh. aktuelle, aber völlig neue Ansprüche als alt zu erweisen. Zum Ptoion: Mackil 2014, 273; zu Tegea: Mazarakis Ainian 1997, 80–82; Voyatzis 1999. Zur Anpassung der Gründungsgeschichte Olympias an die jeweilige politische Situation vgl. Ulf 1997a; grundsätzlich zur Frage der „intentionalen“ Gestaltung von Geschichte bes. Gehrke 1994. Zur stets respektierten Unabhängigkeit der Veranstalter vgl. Freitag 2013. Zu den Konflikten um Olympia vgl. Kyle 2007, 130.

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Konflikten angegeben wird.83 Entscheidend ist in dieser Kalkulation, dass die Konfliktparteien realisieren, dass es unwahrscheinlich ist, den Gegner besiegen zu können, weshalb am Ende Kommunikation dem Einsatz von Gewalt vorgezogen wird.84 Wohl nur in einem solchen Kontext konnte die komplexe ideologisch-religiöse Argumentation der überregionalen Heiligtümer ihre Wirksamkeit entfalten. V. Supralokalität im „Grenzraum“ Obwohl der Gedanke naheliegt, dass im Kontext der politischen Gesamtsituation die parallel angebotenen verschiedenen Formen von Identität die Attraktivität als Ort der Kommunikation so steigerten, dass diese Heiligtümer eine Regionen übergreifende Bedeutung erlangen konnten, dürfte ein weiteres Moment für ihre besondere Attraktivität unabdingbar gewesen sein: die Lage des Heiligtums in einem Zwischenraum. Auf dieses Moment hat Ulrich Sinn grundsätzlich schon hingewiesen, wenn er den Heiligtümern in Grenzräumen zwischen Poleis die Funktion der Sicherung für Handel und das Wohl der Kaufleute zusprach.85 Für den besonderen Erfolg des Heiligtums in Kalapodi argumentiert Jeremy McInerney mit seiner Lage dort, wo sich die Lokris, Phokis und Böotien überschnitten hatten.86 In ähnlicher Weise betonte Cathrine Morgan die Funktion wichtiger kleinasiatischer Heiligtümer, Bezüge zu dem mächtigen staatlichen Gebilde der Lyder, aber auch zu den Karern herzustellen.87 Doch um von einem – erfolgreichen – überregionalen Heiligtum zu einem ‚panhellenischen‘88 zu werden und somit so etwas wie eine ‚Super-Supralokalität‘ zu erreichen, kann dieses Moment nicht ausreichen. Andernfalls hätten kaum nur vier derartige Heiligtümer – von keineswegs gleichem Einzugsgebiet und gleicher Lage – zu dieser Qualität aufsteigen können. Die besonders erfolgreichen überregionalen Heiligtümer scheinen an Schnittlinien oder Verbindungslinien oder vielleicht noch besser: in besonderen Grenzräumen gelegen zu haben, nämlich in solchen, in denen nicht nur einzelne sozio-politische Einheiten, sondern sich gerade formierende und schon existierende politische Großgebilde miteinander in Kontakt und Kommunikation traten bzw. treten konnten. Ich möchte vorschlagen, drei solcher Grenz- bzw. Begegnungsräume voneinander abzuheben: den Raum zwischen der Küste und dem Hinterland in Kleinasien, den Begegnungsraum der Ägäis und den Grenzraum zwischen den Einflussgebieten Spartas und Athens. 83 84 85 86 87 88

Zu den Peace Studies vgl. z. B. Ramsbotham et al. 2011; Cheledin et al. 2008. Pugh 2009. Sinn 1996. McInerney 2013, 190–191. Morgan 1990, 225–230. Der Terminus ‚panhellenisch‘ wird unter der Prämisse einer von Anfang an gegebenen ethnischen Einheit ‚der Griechen‘ als allgemein griechisch/hellenisch verstanden. Von einem solchen Verständnis von ‚Hellenen‘ ist jedoch nicht vor dem 5. Jh. auszugehen; s. vorerst unten S. 50.

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Der Grenzraum in Kleinasien war durch die Begegnung zwischen dem expandierenden Lyderreich und den sich formierenden griechischen städtischen Siedlungen gekennzeichnet. Heiligtümer wie Didyma, das Heraion von Samos oder das Artemision in Ephesos erreichten aus diesem Kontext ihre besondere Bedeutung. Für den Begegnungsraum der Ägäis steht insbesondere das Heiligtum auf der Insel Delos. Der homerische Hymnos legt für seine Reichweite und das Zusammentreffen von Menschen unterschiedlicher Sprache ein beredtes Zeugnis ab und liefert mit dem Namen der Ioner auch den Rahmen dafür, wie weit das Supra-Lokale hier gespannt wurde. Mit dem Anspruch Athens, das Zentrum der Ioner zu sein, erweiterte sich dieser Rahmen noch. Doch gleichzeitig wurde für Delos aufgrund der sich anbahnenden Dominanz Athens die Möglichkeit verbaut, eine darüber hinausgehende Bedeutung zu erlangen. Nur mit dem Grenzraum, der zwischen dem Peloponnesischen Bund und dem sich unter der Führung Athens ab dem 6. Jahrhundert entstehenden – neu definierten – ionischen Machtgebilde lag, verbanden sich diejenigen Erzählungen, welche sich direkt in eine ‚hellenisch‘ zu nennende Perspektive einbanden.89 Diese Erzählungen – die Rückkehr der Herakliden und die damit verbundene Dorisierung der Peloponnes, die verschiedenen historisch zu kontextualisierenden Variationen der Gründungsgeschichten der Agone in Olympia, Delphi, Isthmia und Nemea, und die verschiedenen Fassungen der Wanderung der Ioner – standen in Verbindung mit der Genealogie des Hellen.90 Nicht mit diesem Raum in Zusammenhang zu bringende Griechen spielten, wie sehr viele: u. a. die Achäer, Äoler, Akarnanen usw., in der Genealogie des Hellen eine eindeutig untergeordnete Rolle oder wurden von ihr überhaupt nicht erfasst.91 Denn die Genealogie des Hellen zielte in ihrem Kern auf die Bestimmung des Rangverhältnisses zwischen Doros und Ion, nicht auf die Erfassung ‚aller Griechen‘. Ein deutliches Indiz dafür ist, dass die in der ältesten Fassung der Genealogie des Hellen in dem ins 6. Jahrhundert zu datierenden Frauenkatalog (frg. 9 u. 10a West) gegebene Überordnung des Doros über Ion von Euripides in seinem Ion (v. 1553–1605) bewusst umgedreht wurde. Euripides machte Ion zum Sohn des Apollon, Achaios und Doros zu Kindern des Xouthos. Die mit den – modern ‚panhellenisch‘ genannten – Heiligtümern verbundenen Erzählungen standen somit nicht nur in einem exklusiv ‚hellenischen‘ Kontext, sondern drehten sich um den Führungsanspruch unter jenen, die von Hellen abstammten. Erst die Ausweitung des Hellenenbegriffs ab den Perserkriegen, besonders im 4. Jahrhundert durch Isokrates und Demosthenes brachte die Möglichkeit mit sich, beinahe überall Anspruch auf ‚panhellenische‘ Geltung zu erheben.92

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Ulf 2015a. So fände die von Funke 2005, bes. 15 Anm. 41 geäußerte Überlegung ihre plausible Konkretisierung, ob die Kanonisierung der vier panhellenischen Heiligtümer nicht mit einem dorischen Ursprung in Verbindung zu bringen sein könnten. Dazu Hall 1997, 47–49; Hall 2002, 125–134. Van Nijf/Williamson 2015.

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Geht man von einem solchen Zusammenhang aus, dann wäre ein bisher nicht genanntes Indiz dafür gefunden, warum Olympia, Nemea, Isthmia und Delphi nicht nur große supralokale, d. h. überregionale Kommunikationsorte werden konnten, wie sie auch anderswo zu finden waren, sondern am Beginn des 5. Jahrhunderts zu Heiligtümern von besonderer Reichweite wurden – und die Warnung von Peter Funke, „nicht vorschnell mit Sammelbegriffen wie „panhellenisch“ oder „polisübergreifend“ zu operieren“, hat eine konkrete Begründung erhalten.93 Denn nur in dem weiteren Grenz- bzw. Begegnungsraum von Sparta und Athen, wo bis ins 5. Jahrhundert hinein diskutiert wurde, was hellenisch ist und wer unter den Hellenen den Anspruch auf Superiorität erheben darf,94 waren die Voraussetzungen für ‚panhellenisch‘-überregionale Kommunikationsorte gegeben. Auch der Zeitraum hierfür lässt sich – wieder mit Blick auf Olympia – mit hoher Wahrscheinlichkeit festlegen. Der terminologische Wandel in der Bezeichnung des wichtigen Funktionärs in Olympia gibt hierfür ein Indiz. Aus dem diaiteter wurde wohl unter dem Eindruck des Zusammenschlusses eines großen Teils der Griechen unter der Führung Spartas und Athens im Perserkrieg ein Hellanodike.95 Das fügt sich zum offensichtlich ‚panhellenischen‘ Anspruch des Heiligtums von Olympia, wie er mit dem neuen Tempel für Zeus deutlich zum Ausdruck gebracht wurde.96 Bibliographie Beck, H. / Wiemer, H.-U. (Hgg.) 2009: Feiern und Erinnern. Geschichtsbilder im Spiegel antiker Feste, Berlin. Bierl, A. 2015: New Trends in Homeric Scholarship, in: A. Bierl / J. Latacz (Hgg.), Homer’s Iliad. The Basel Commentary (transl. by B. W. Millis and S. Strack), vol. I: Prolegomena, Berlin/Boston, 177–203. D. Boehringer, D. 2001: Heroenkulte in Griechenland von der geometrischen bis zur klassischen Zeit, Berlin. Bremmer, J. N. 2006: The Rise of the Hero Cult and the New Simonides, ZPE 158, 15–26. Brewer, M. 2003: Intergroup Relations, Buckingham/Philadelphia2. Cairns, D. / Scodel, R. (Hgg.) 2014: Defining Greek Narrative, Edinburgh. Cheledin, S. / Druckman, D. / Fast, L. (Hgg.) 2008: Conflict. From Analysis to Intervention, New York/London. Duplouy, A. 2006: Le prestige des élites. Recherches sur les modes de reconnaissance sociale en Grèce entre les Xe et Ve siècles avant J.-C., Paris. Fischer, L. / Wiswede, G. 2009: Grundlagen der Sozialpsychologie, München3.

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Funke 2009, 294. Zu dieser nicht abgeschlossenen Diskussion bei Herodot und Thukydides vgl. Ulf 2015b. Siewert 2005; Zusammenstellung der Argumente bei Ulf 1997b, 53–55. Sinn 1994 verweist auf die Funktion der Befriedung der medisierenden und der gegen die Perser kämpfenden Griechen, für die Apoll als der Schiedsrichter im Giebel des neuen Zeustempels in Olympia steht.

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Variations de la pratique sacrificielle dans les sanctuaires supra-locaux Ioanna Patera

Lieux d’assemblée protégés par des règlements gérant les rapports entre communautés, les sanctuaires supra-locaux sont des lieux de négociation et d’arbitrage.1 La catégorie comprend notamment les centres d’amphictionies et les sièges panhelléniques où se déroulent des jeux et des fêtes.2 Précisons toutefois que nous pouvons inclure dans cette catégorie des sanctuaires certes locaux mais exerçant un attrait dépassant le cadre d’une cité voire d’une région. Ainsi les sanctuaires oraculaires ou de guérison, dont l’administration demeure locale, attirent des visiteurs aussi bien des environs que de contrées lointaines. Nous tenterons de voir comment cette dimension, que l’on pourrait qualifier de supra-locale, a pu influencer les pratiques sacrificielles. Nous savons que les rites communs et, en l’occurrence, les sacrifices constituent une part essentielle du processus selon lequel différentes communautés s’associent, forgent un passé commun et conçoivent un territoire unifié en investissant dans un sanctuaire commun.3 Nous savons en outre que les raisons du sacrifice varient, de même que les dieux invoqués ainsi que l’espèce et le nombre d’animaux sacrifiés, selon les lieux et les occasions célébrées, mais qu’en est-il des pratiques proprement dites ? Afin de préciser ce qui caractérise les pratiques sacrificielles dans ces sanctuaires, nous passerons en revue divers éléments qui semblent à première vue pertinents, à savoir l’évolution ou les changements de statut des sanctuaires et les conséquences qu’ils ont pu avoir sur les rites sacrificiels, l’importance des structures mises en place pour les rites, le financement des sacrifices et son aspect communautaire. Delphes, sanctuaire commun à tous les Grecs,4 à la fois panhellénique, amphictionique et local, dont l’oracle a une portée dépassant les limites du monde grec, pourrait servir de modèle afin d’esquisser une typologie des sacrifices relative à la

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Cole 2004, 66 ; Funke 2009, 285–297 traite principalement de l’aspect politique de ces sanctuaires ; voir 293–294 pour l’aspect panhellénique, ainsi que pour les koina hiera de la paix de Nicias en 421, où l’on sacrifie, on rend des oracles et auxquels on envoie des théories (Thuk. 5,18,2). Freitag et al. 2006, 7–8. Pour la fonction des sanctuaires fréquentés par des communautés définissant leurs frontières et leurs intérêts à travers des formes d’activités cultuelles collectives, créant ainsi une histoire du groupe et instaurant des relations de pouvoir entre communautés, voir Morgan 2003, 113. Mackil 2013, 157. Aristeid. Panath. 190 (240d).

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nature du sanctuaire.5 Selon l’Hymne homérique qui lui est dédié, Apollon veut y bâtir « un temple magnifique, oracle pour les hommes qui sans cesse … conduiront à mes autels de parfaites hécatombes ».6 L’autel central construit par les Chiotes au Ve siècle, vient probablement agrandir un autel antérieur.7 C’est là que seront offerts quantité de sacrifices qui ont inspiré l’image sanglante d’Apollon – « qu’on égorge sans cesse des moutons », dit l’Hymne homérique (536 : σφάζειν αἰεὶ μῆλα· τὰ δ’ ἄφθονα πάντα παρέσται). Contrairement à Olympie où les nombreux autels tracent un chemin sacrificiel, à Delphes il y a un seul autel pour les sacrifices – les boucs des consultants,8 les sacrifices des réunions de l’amphictionie et les hécatombes des Pythia,9 dont les animaux sont fournis par les États amphictioniques,10 ainsi que pour les sacrifices des naopes, officiels chargés de la construction du temple en l’honneur de Déméter lors de chaque session du Conseil ou pylée.11 Nous ignorons cependant, comme le remarque François Lefèvre, les différences qui pourraient exister entre les sacrifices amphictioniques, accomplis lors des pylées et des concours, ceux célébrés au nom des États ou à titre privé, et ceux des consultants de l’oracle.12 Que se passe-t-il pour d’autres sanctuaires, dont la portée au moins régionale suggère des sacrifices relativement spectaculaires et des structures conséquentes ? Nous passerons en revue différents types de sanctuaires, notamment un sanctuaire oraculaire, un sanctuaire de guérison et un sanctuaire fédéral, afin de déterminer quels facteurs, outre leur portée, sont susceptibles d’influencer les pratiques sacrificielles.

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Funke 2013, 9. Hom. h. Apol. 287–289 : ἐνθάδε δὴ φρονέω τεύξειν περικαλλέα νηὸν ἔμμεναι ἀνθρώποις χρηστήριον οἵ τέ μοι αἰεὶ ἐνθάδ’ ἀγινήσουσι τεληέσσας ἑκατόμβας. Hdt. 2,135 ; Bommelaer 1991, 417. L’autel est reconstruit au IIIe s. et encore une fois à l’époque romaine. Nous ignorons en revanche quelle était l’activité autour de l’autel de Poséidon mentionné par Paus. 10,24,4 : FD III 5, 25, III A 12 (344). CID I 13, ll. 21–24 (IVe s., Delphes, convention avec Skiathos concernant les taxes de culte ; LSCG Suppl. 41). CID I 10, ll. 14–15 (380/79 ; CID IV 1) : « et ils rassembleront en troupeau les animaux … l’hécatombe, ayant prêté serment selon la formule des hiéromnémons ». Les hiéromnémons, délégués officiels des cités au Conseil amphictionique, sont désignés par l’ethnos ou la polis. Voir Lefèvre 1998, 205–206 et 237–239 pour les Pythia, où les hiéromnémons accomplissent les sacrifices pour leur ethnos ou leur cité et président aux concours dont ils sont les arbitres. CID I 10, ll. 14–15 ; Xen. hell. 6,4,29 pour le tyran Jason de Phères qui, en 370, ordonne aux cités de l’amphictionie de se préparer pour les Pythia et de fournir « bœufs, moutons, chèvres et porcs pour le sacrifice » (Ἐπιόντων δὲ Πυθίων παρήγγειλε μὲν ταῖς πόλεσι βοῦς καὶ οἶς καὶ αἶγας καὶ ὗς παρασκευάζεσθαι ὡς εἰς τὴν θυσίαν). FD III 5, 23, ll. 26–32 (345–342), mentionne du petit bétail (πρόβατα). Les amphictions donnent par ailleurs de l’argent pour l’autel de Déméter à Pyle : FD III 5, 22, l. 68 (340/39). Pour le sacrifice des amphictions lors de chaque session pulaia : IG XII 5, 444, l. 9 ; Habicht 1987, 65, ll. 21–22 ; Strab. 9,3,7. Voir Roux 1979, 51–52. Lefèvre 1998, 259, n. 447.

Variations de la pratique sacrificielle dans les sanctuaires supra-locaux

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I. Le statut changeant des sanctuaires et ses conséquences sur les sacrifices En s’attachant à la catégorie des sanctuaires supra-locaux, la première question qui se pose est celle du statut. S’il vient à changer, son évolution est vraisemblablement accompagnée de variations dans les pratiques sacrificielles. Le sanctuaire d’Action présente une évolution de statut que nous pouvons suivre de manière assez détaillée. Dépendant d’Anactorion, colonie corinthienne, Action devient le sanctuaire de la Confédération acarnanienne.13 En effet, après la guerre des alliés de 220–217, qui se termine avec la paix de Naupacte, la cité d’Anactorion n’était plus en mesure de subvenir à la célébration de l’Actias, la fête agonistique tenue en l’honneur d’Apollon. Pour pallier cette défaillance, des délégués de la Confédération ont proposé aux gens d’Anactorion de « consentir à ce que le sanctuaire soit commun à tous les Acarnaniens, afin qu’il soit administré de la manière qui convient pour que l’on célèbre les concours et la panégyrie selon les coutumes ancestrales ».14 Anactorion a posé quelques conditions et un traité a été conclu en 216. Parmi d’autres clauses, on stipule que « les Acarnaniens répareront le sanctuaire et assureront les dépenses nécessaires aux concours, aux sacrifices et à la panégyrie, ne faisant pas moins que ne le faisait la cité auparavant ».15 Enfin, « si les Acarnaniens ne respectent pas le traité, le sanctuaire reviendra à la cité d’Anactorion comme initialement ».16 L’Actias a ici une portée régionale, rassemblant des communautés et des cités.17 Plus tard, elle sera réorganisée par Auguste, qui y ajoutera des concours, et elle sera célébrée à Nicopolis en tant que fête pentétérique.18 Malgré une certaine profusion de 13

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Voir Freitag 2013, 65–67. Thuk. 1,5,1–3 montre les Acarnaniens comme ayant un mode de vie arriéré ; les auteurs anciens classiques ne parlent ni de leurs cultes ni de leur rattachement mythique à Argos. Pour la localisation du sanctuaire d’Action, voir Strab. 10,2,2 et Czech-Schneider 2002, 76–100. Outre les inscriptions, les trouvailles du sanctuaire consistent essentiellement en deux kouroi de la première moitié du VIe s. Des trois temples qu’il contenait, le plus ancien a été détruit à l’époque hellénistique. Voir Habicht 1957, 100 pour plus de références. IG IX 12, 583, ll. 23–26 (216 av. n. è. ; LSCG Suppl. 45 ; StV III 523 ; Habicht 1957, 88–89 ; Pouilloux 2003, no. 29) : ἐπιχωρῆσαι τοῦ κο[ινὸν] | εἶμεν τὸ ἱερὸν πάντων τῶν Ἀκαρνάνων, ὅπως τυγχάνῃ τᾶς ποθ¢η|κούσας ἐπιμελείας διεξαγομένων τῶν τε ἀγώνων καὶ τᾶς πανα|γύριος κατὰ τὰ πάτρια. Une copie de l’inscription avait été déposée à Olympie où elle fut découverte, alors que l’autre se trouvait à Action (IG IX 12, 583, ll. 66–67). Sur la question d’Apollon Actios ou Leucatas et le statut antérieur du sanctuaire, voir Corsten 2006, 157–167. Larsen 1968, 269, considère qu’Anactorion devint ainsi la capitale religieuse de la Confédération. Celle-ci devait se doter d’un centre culturel et politique, bien que celui choisi n’ait pas eu de valeur financière en termes de possessions ou de revenus ; voir Czech-Schneider 2002, 99. IG IX 12, 583, ll. 27–30 : ὥσ|τε ἐπισκευάζειν τοὺς Ἀκαρνᾶνας τὸ ἱερὸν καὶ ἀναλίσκειν, | ὅσα κα δῇ εἴς τε τοὺς ἀγῶνας καὶ τὰς θυσίας καὶ εἰς τὰμ πανάγυ|ριν μηθὲν καταδεέστερον ποιοῦντας τῶμ πρότερον ὑπὸ τᾶς πόλιος δι|ο¢ικ¢ουμένων. Pour une discussion des clauses financières, voir Sokolowski 1959, 216–217 ; Migeotte 2001. IG IX 12, 583, ll. 50–51 : μὴ ἐπιτελούντων δὲ τῶν Ἀκαρνάνων ὃ¢ν τρόπον γέ|γραπται, τᾶς πόλιος τῶ¢ν Ἀνακτοριέων τὸ ἱερὸν εἶμεν καθότι καὶ τὸ ἐξ ἀρχᾶς. Thuk. 1,29,3 mentionne son existence dès 435. Selon Beck 1997, 35–36, bien que ce sanctuaire soit le centre cultuel des Acarnaniens, il n’a pas le statut de sanctuaire fédéral à l’époque classique puisqu’il est sous le contrôle d’Anactorion. Pour Cabanes 1985, 355 en revanche, on pourrait le considérer comme un sanctuaire fédéral bien avant 216, puisqu’il s’agit du sanctuaire le plus fréquenté d’Acarnanie. Habicht 1957, 102–103 ; Migeotte 2001, 164.

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détails concernant l’organisation de la fête et notamment l’ordre de la procession,19 nous n’avons pas beaucoup de détails concernant les sacrifices. Selon l’accord rapporté par l’inscription, « pour ce qui concerne les concours, la panégyrie et tout ce qui a trait à la fête d’Actias, les Acarnaniens doivent se conformer aux lois sacrées établies par la cité d’Anactorion ».20 La Confédération doit cependant augmenter les honneurs du dieu (συναύξειν : ll. 14, 54). Nous pouvons dès lors imaginer que le financement de la Confédération fut destiné, notamment, à des sacrifices plus prestigieux que ne l’avaient été ceux offerts par la cité d’Anactorion. Un autre exemple d’évolution de statut est décelable dans l’histoire du sanctuaire oraculaire d’Apollon Ptoios près d’Acraiphia,21 révélé à travers les changements portés à sa fête principale, les Ptoia. Le sanctuaire a reçu d’importantes séries de statues de kouroi, principalement au VIe siècle, qui sont des offrandes individuelles et locales.22 À la même époque, il attire également des dédicants étrangers, comme des hommes politiques athéniens : Alcméonidès y a dédié une colonne après sa victoire aux courses de chevaux aux Panathénées et Hipparque une base circulaire.23 Il se peut qu’ils cherchent au moyen de ces offrandes à consolider leur influence à l’extérieur de l’Attique. Il se peut aussi que le sanctuaire de Ptoios ait occupé, fût-ce momentanément, la place de l’oracle delphique après la destruction de son second temple au milieu du VIe siècle.24 Dès 500 apparaissent également des offrandes collectives, notamment des Béotiens, comme celle offerte à Athéna Pronaia.25 Il ne s’agit donc pas nécessairement d’offrandes destinées à Apollon, mais apportées au sanctuaire où se rassemblent les différentes communautés. L’importance régionale du sanctuaire est donc avérée dès l’époque archaïque.26 S’il présente moins d’attraits pour les étrangers après les guerres médiques, il devient dès le IIIe siècle l’oracle officiel des Béotiens. Selon un décret de l’amphictionie delphique daté des années 220, le sanctuaire devient inviolable (asulon) et une trêve est établie en vue des Ptoia.27 Comme auparavant, le sanctuaire est géré par le prophète, 19 20 21 22

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IG IX 12, 583, ll. 41–43. IG IX 12, 583, ll. 68–70 : ποτὶ δὲ τοὺς ἀγῶνας καὶ τὰμ πανάγυριν καὶ τὸ καθόλου περὶ τῶγ κατὰ | τὰς Ἀκτιάδας χρῆσθαι τοὺς Ἀκαρνᾶνας τοῖς ἱεροῖς νόμοις, οὓς εἷλε ἁ | πόλις τῶν Ἀνακτοριέων. Voir Schachter 1994b, 295 pour la situation du Ptoion entre les territoires d’Acraiphia et de Thèbes, en somme territoire neutre servant au rassemblement des citoyens de plusieurs cités. Voir le tableau des dates et origines des kouroi dressé par Ducat 1971, 459. Selon de Polignac 2009, 432–433 ces offrandes sont celles d’une élite qui élève le sanctuaire au niveau des grands sanctuaires panhelléniques ou régionaux comme Délos et Delphes. Le Ptoion joue dès lors un rôle dans l’identité culturelle béotienne, bien avant d’impliquer une unification politique et d’abriter les dédicaces des Béotiens à partir de 500. Respectivement IG I3 1469 (milieu du VIe s.) et 1470 (après 522/1). Hdt. 8,135 rapporte la fameuse histoire du Carien Mus, à qui l’oracle avait répondu dans sa langue. Schachter 1994b, 297–299, retient la date de 548/7. Ducat 1971, 409, no. 257. de Polignac 2009, 431–432 se fonde sur la richesse des offrandes et la visibilité du culte jusqu’aux années 640 pour mettre l’accent sur l’importance du sanctuaire et son caractère interrégional marqué dès ses débuts ; de Polignac 2017. CID IV 76, A, ll. 5–10 (IG VII 4135 ; LSCG 73 ; Rigsby 1996, no. 2–3). La pierre avec le décret est érigée à Delphes, au Ptoion et à Pyle (ll. 18–19). Voir aussi la réponse oraculaire IG VII 4136 et la borne IG

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le prêtre d’Apollon Ptoios, la cité d’Acraiphia et le koinon des Béotiens, auxquels s’ajoute désormais l’agonothète qui s’occupe des jeux.28 La fête locale devient panbéotienne. Qu’il s’agisse d’une fondation ou d’une réorganisation de la fête,29 à la fin du IIIe siècle Acraiphia envoie une ambassade auprès des cités béotiennes pour solliciter « l’acceptation du sacrifice et du concours des Ptoia », concours pentétérique. En retour, les cités y envoient des représentants pour offrir des sacrifices.30 En effet, comme le montre la sollicitation des Oropiens, on « invitait le peuple à accroître le sacrifice à Apollon Ptoios comme le font la Confédération béotienne et la cité d’Acraiphia ».31 Selon le décret d’acceptation, Oropos y envoie (pempein) un bovin.32 Le décret d’Haliarte, daté des années 230–220, précise qu’en réponse à deux demandes d’Acraiphia, la cité a accepté de participer à un sacrifice dans le temenos d’Athéna Itônia et de Zeus Karaios, et d’envoyer des cavaliers au concours hippique qui se disputait lors des Ptoia.33 Elle offre un bovin en présence des katoptai, des contrôleurs des magistrats et des finances locaux,34 et organise une procession qui se rend d’Haliarte au Ptoion avec l’archonte de la cité et les tethmophylaques.35 Sacrifie-t-on à Haliarte dans le temenos

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VII 4153. De façon semblable, l’amphictionie delphique déclare en 260 inviolable le sanctuaire d’Athéna Itônia qui se trouve soit à Itôn (FD III 4, 358, ll. 11–14), siège de la ligue thessalienne et des jeux fameux des Itônia (Kall. h. 6,74–75), soit à Coronée, centre religieux de la ligue béotienne (Strab. 9,2,29 ; Paus. 9,34,1). Selon Beck 1997, 86 ces deux cultes sont inefficaces du point de vue politique, tout comme l’association des Béotiens dans l’amphictionie pyléodelphique. Rigsby 1996, no. 1, p. 55– 56 penche pour Coronée. Pour plus d’exemples d’asylie demandée au Conseil amphictionique, voir Sanchez 2001, 336–359. Alors que le Conseil fédéral se réunit au sanctuaire de Poséidon à Onchestos (Strab. 9,2,33), les Pamboiotia ont lieu chez Athéna Itônia. Les cultes d’Onchestos et d’Itônia sont examinés par Mackil 2013, 157–167. À propos du rôle joué par les cultes d’Athéna, Poséidon et Apollon dans la formation de l’identité béotienne, voir Kowalzig 2007, 360–371. CID IV 76, A, ll. 12–16. Lauffer 1959, 1547–1549 ; Schachter 1981, 71 ; Roesch 1982, 231–232 ; Nafissi 1995, 156 concernant l’incertitude entre une fondation et une réorganisation. Selon Ganter 2013, 87, c’est l’oracle officiel du koinon hellénistique, doté d’une importance transrégionale dès l’époque archaïque. Les offrandes de kouroi et de trépieds au nom des Béotiens seraient dès lors une façon d’articuler l’identité collective, alors que les mêmes offrandes provenant de cités variées, comme Athènes, attesteraient de son importance transrégionale. Si, toutefois, le collectif des Béotiens est évident dès l’époque archaïque, sa nature en tant que koinon ou État fédéral est loin d’être certaine. Voir Beck 2014, 37–41. Voir Feyel 1942, 133–147 pour le dossier et les références ; Roesch 1982, 229–238. Nous connaissons les acceptations d’Orchomène (IG VII 4138), Thisbé (IG VII 4139) et d’une cité non identifiée (IG VII 4140–4142, 4144), ainsi que les catalogues de vainqueurs et décrets honorifiques de la fin IIe s. av. n. è.– IIe s. de n. è. (IG VII 4147–4152). IG VII 351, ll. 5–7 (vers 240 ; LSCG 71 ; I.Oropos 304). Trad. Roesch 1982, 239. IG VII 351, l. 11. La décision gravée sur la stèle concerne la procession qui accompagnera le bovin d’Oropos à Acraiphia : « plaise au Conseil et au peuple que l’archonte, les polémarques successivement en fonction et le secrétaire envoient un bovin de la ville aux Ptoia et qu’ils l’accompagnent en procession ; que l’on fasse tout le reste comme il est prescrit pour les autres sacrifices qu’accomplit la cité dans la Confédération béotienne ». Lupu 2005, no. 11, ll. 7–11 ; Vatin 1968, 616–624 ; Roesch 1982, 205. Pour les katoptai, voir Migeotte 2014, 70–71. Roesch 1982, 248–249 pour les tethmophylaques gardiens du droit fédéraux élus par les cités.

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d’Athéna ?36 Bien que le verbe suntelein puisse indiquer un sacrifice commun aux ambassadeurs d’Acraiphia et aux Haliartiens,37 la question reste ouverte.38 L’évolution du statut de ces deux sanctuaires, d’importance d’abord locale puis régionale pour Action, ainsi que l’institutionnalisation de la portée régionale du Ptoion, entraîne un enrichissement des sacrifices. Ce changement de statut est accompagné de la mise en scène de processions qui convergent vers le sanctuaire d’Action ou qui mènent les animaux à Acraiphia, produisant des spectacles qui font participer les cités environnantes. Mis à part l’enrichissement des fêtes et des sacrifices, nous n’avons toutefois jusqu’ici pas de changements concernant les pratiques sacrificielles proprement dites. II. Variations des structures et des pratiques sacrificielles L’Amphiaraeion d’Oropos, loin d’être un sanctuaire proprement supra-local, est situé aux confins de l’Attique et de la Béotie, dans une région longuement disputée entre voisins. Les changements qui s’y décèlent ne concernent dès lors pas tant son statut que ses administrateurs. Le sanctuaire, bien connu pour ses pratiques divinatoires et guérisseuses, a été transféré à Oropos après l’abandon de l’Amphiaraeion de Thèbes, suivant un oracle d’Apollon de Delphes.39 Son rayonnement est dû à celui du héros ainsi qu’à sa localisation sur un territoire disputé entre Athéniens, Béotiens et Érétriens.40 36 37 38

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Ainsi que le pensait Roesch 1982, 208. Les ambassadeurs inviteraient la cité d’Haliarte à offrir avec eux un sacrifice dans le sanctuaire, en écho au sacrifice d’hospitalité offert à la maison qui les héberge par des hôtes de passage. Roesch 1982, 210 ; Rutherford 2013, 204 pour les sacrifices communs plus généralement. Selon Rigsby 1987, 730–734, une cité n’inviterait pas une autre à un sacrifice qui aurait lieu dans la seconde. Ainsi Acraiphia aurait envoyé une seule invitation pour une seule cérémonie se déroulant sur son territoire. Le concours hippique aurait lieu dans le temenos d’Athéna Itônia, une générale pour les Pamboiotia de Coronée. La localisation du sacrifice est acceptée par Schachter 1994a, 20–21. Deux comptes d’Acraiphia datés du Ier s. énumèrent par ailleurs les cités qui ont pris part aux concours : IG VII 4149, ll. 17–25 (Thèbes, Tanagra, Lébadée, Thespies, Orchomène et Copai) ; Bizard 1920, 250–252, ll. 25–34 (Thèbes, Thespies, Orchomène, Lébadée, Copai et Bouméliteia de Locride orientale). Strab. 9,2,10. De manière générale, voir Roesch 1984, 175 ; Bearzot 1987, 80–99. Alors qu’Oropos est une fondation d’Érétrie, Paus. 1,34,1, dit qu’il appartenait à l’origine à la Béotie. Voir ainsi FGrHist 376 Nikokrates F 1 ; ce sont les Athéniens qui l’en auraient soustrait, après 507/6 selon Hansen 2004, 448–449. Selon Thuk. 2,23,3 les habitants d’Oropos sont hupêkooi des Athéniens, en 431 et en 424. Voir aussi Sineux 2007, 73–75. En 412/1, les Béotiens, alliés de Sparte, s’emparent de la région avec l’aide des Érétriens et des Oropiens (Thuk. 8,60,1–2), et en 402 les Thébains aident les Oropiens qu’ils annexent en 395 à la Confédération béotienne (Diod. 14,17,3) ; voir Parker 1996, 146–147. Selon Sineux 2007, 95–96 la fondation même à Oropos du culte d’Amphiaraos, englouti par la terre à Harma, entre Thèbes et Oropos, montre la mainmise athénienne face aux Thébains. Ainsi déjà Bearzot 1987, 89–92 déduisant une plus grande antiquité pour le culte thébain, dont le transfert à Oropos montrerait les liens béotiens de l’Oropie ; cf. Strab. 9,2,10. La fondation du culte d’Amphiaraos a par ailleurs été considérée comme une initiative d’Oropos, voire comme une initiative privée, peut-être de la part d’une association ; voir de Polignac 2011, 104 ; de Polignac 2017.

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Les sacrifices offerts à Amphiaraos sont connus à la fois par des inscriptions et par la littérature, deux types de sources qui donnent des informations divergentes. Pausanias décrit les sacrifices qui aboutiront à l’incubation : un sacrifice est accompli à des fins purificatoires (katharsion thuein), offert « à Amphiaraos et à tous ceux dont les noms sont sur l’autel ».41 Cet autel est décrit de façon très précise.42 Il comporte cinq parties, la première appartenant à Héraclès, Zeus et Apollon Paiôn, la deuxième aux héros et à leurs femmes, la troisième à Hestia, Hermès, Amphiaraos et à son fils Amphilochos, la quatrième à Aphrodite, Panakeia, Iasô, Hygie, et Athéna Paiônia, et la cinquième aux nymphes, Pan et aux fleuves Achélôos et Céphise.43 Après les rites préliminaires, toujours selon Pausanias, « on sacrifie un bélier, on étend la peau et on dort dessus, en attendant la révélation d’un songe ».44 Il y a ainsi deux sacrifices, le premier étant purificatoire et suivi d’un sacrifice de bélier.45 Une inscription d’Oropos datée entre 387 et 377 donne également des indications détaillées portant cette fois sur le règlement du sanctuaire.46 Lorsque le prêtre est présent, il consacre les parts de l’animal destinées au dieu et les dépose sur l’autel ; en son absence, le rite est accompli par les sacrifiants. Les choses semblent se passer différemment lors de la thusia, que l’on peut vraisemblablement comprendre ici comme une fête : chacun consacre l’animal qu’il sacrifie, alors que le prêtre consacre les animaux publics (dêmoriôn). On est libre de sacrifier l’espèce d’animal que l’on veut, mais la viande ne peut être emportée hors de l’enceinte. Les parts sont en revanche précisées. Les peaux des animaux sont consacrées et les épaules en reviennent au prêtre. Pour ce qui est des sacrifices accomplis lors de la fête (heortê), le prêtre reçoit l’épaule des animaux publics. Cette inscription distingue les sacrifices publics de ceux offerts par des particuliers, déterminant le rôle des sacrifiants et celui du prêtre. Les animaux du sacrifice dont l’espèce n’est pas spécifiée ont été considérés comme offerts en guise de remerciement après l’incubation ou en guise d’accomplissement d’un vœu.47 En revanche, 41 42 43

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Paus. 1,34,5 : θύουσι δὲ καὶ αὐτῷ καὶ πᾶσιν ὅσοις ἐστὶν ἐπὶ τῷ βωμῷ τὰ ὀνόματα. Paus. 1,34,3. Deux stèles datées du IVe s. trouvées dans le sanctuaire correspondent à la partie de l’autel consacrée à Amphiaraos et à Amphilochos, et peut-être aussi à celle d’Hermès et d’Hestia : I.Oropos 280 et 281 respectivement. Voir Sineux 2007, 86–89 et 143–147 pour l’association de ces puissances dans la sphère prophétique et guérisseuse intégrant les dieux de l’Attique qui protègent ces lieux frontaliers. Pour Amphilochos, devin comme son père, sa participation mythique à des fondations en Pamphylie, en Cilicie, en Syrie mais aussi en Amphilochie, dans des territoires peuplés de non Grecs et donc figure de médiation, voir de Polignac 2011, 99–101. Pour l’intégration des divinités des trois régions concernées auxquelles le sanctuaire sert de lieu central, voir de Polignac 2017. Paus. 1,34,5 : προεξειργασμένων δὲ τούτων κριὸν θύσαντες καὶ τὸ δέρμα ὑποστρωσάμενοι καθεύδουσιν ἀναμένοντες δήλωσιν ὀνείρατος. Sineux 2007, 138 interprète ainsi le relief d’Athènes, MN 1395 du IVe s. représentant un porcin et un bélier (van Straten 1995, 283–284, R 37 et fig. 72). IG VII 235 ; LSCG 69, ll. 25–37 ; I.Oropos 277 ; Rhodes-Osborne, GHI 27. Cette datation est acceptée par I.Oropos 277 ; Knoepfler 1992, 452 ; Lupu 2003, 322. Selon Petropoulou 1981, 5 ils seraient donc distincts des sacrifices mentionnés par Pausanias, accomplis avant de rentrer dans les lieux pour y dormir. L’auteur date la fondation du culte des années 420–414 ; Petropoulou 1985, 176.

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aucune allusion n’est faite dans l’inscription au sacrifice précédant l’incubation.48 Quant aux fêtes qui occasionnent les sacrifices publics, elles sont organisées par la cité d’Oropos et sont de caractère local.49 Il s’agit probablement des concours en l’honneur d’Amphiaraos,50 soit les Grands Amphiaraeia pentétériques, soit les Petits Amphiaraeia annuels.51 Une autre inscription datée du IVe siècle, fragmentaire, se réfère au contexte sacrificiel.52 On y précise la somme qui doit être déposée dans le trésor pour chaque espèce d’animal sacrifiée. Il subsiste les sommes relatives aux poulets et aux bovins. Ces sacrifices sont vraisemblablement accomplis par des particuliers.53 Enfin, un sacrifice de nature différente est connu à Oropos par le décret de Pandios. Celui-ci prescrit la réfection de la fontaine et des bains du sanctuaire. Il est précédé d’un décret du Conseil qui reprend le cahier des charges (suggraphai). Il s’agit pour le prêtre de prélever, dans l’argent provenant du tronc et des boutiques (kapêleia), vingt drachmes pour accomplir un sacrifice propitiatoire (arestêrion).54 Concernant l’animal du sacrifice, nous ne savons pas plus. Les espèces animales sacrifiées qui sont mentionnées dans les inscriptions d’Oropos diffèrent de celles décrites par Pausanias en rapport avec l’incubation. Peut-on penser que les sacrifices de bélier n’étaient pas obligatoires, comme le suggère la permission de sacrifier ce que l’on veut ?55 Il se peut que cette permission ait été la norme, aussi longtemps que la grande inscription, la première citée ici, était en vigueur, mais que la coutume ait été celle que connaissait Pausanias.56 L’inscription fragmentaire ne nous éclaire pas davantage, puisque nous ne savons pas si elle traite des sacrifices en général ou bien si elle se réfère à une occasion particulière.57 Il est légitime de supposer qu’il y avait des occasions distinctes, celles concernant un sacrifice de particuliers qui se tiendrait, notamment, en rapport avec l’incubation, et celles des sacrifices lors des fêtes. 48 49 50 51

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Lupu 2003, 322–323. Knoepfler 2002, 144. Déduits par deux reliefs à apobates datés des Ve-IVe s. : Petrakos 1968, 121–122, no. 16, 17, pl. 38, 39. Selon Pirenne-Delforge 2005, 62, cette fête est une dêmotelês heortê, financée ou célébrée par la communauté. Les deux fêtes sont distinguées dans les catalogues des vainqueurs. Les Grands : I.Oropos 520, l. 1 (IG VII 414, avant 338) ; I.Oropos 294 (IG VII 412, l. 26, 150–100) ; I.Oropos 307, ll. 34–35 (IG VII 411, après 154). Pour les Amphiaraeia annuels, voir Dürrbach 1890, 128 ; Petrakos 1968, 94, 194–198 ; Petropoulou 1981, 56, n. 54. I.Oropos 278, p. 30–31. Lupu 2003, 329–330. I.Oropos 290 ; Knoepfler 1986, 72–73, l. 19. L’auteur rejette la datation traditionnelle qui fait remonter la pierre à la domination athénienne, entre 338 et 322 (voir les références aux travaux modernes 74–75). En 333/2, l’épimélète Pythéas d’Alopékè a également fait reconstruire la fontaine du sanctuaire : I.Oropos 295 (IG VII 3499). En se fondant sur l’orthographe, le formulaire et la prosopographie, Knoepfler date le décret de Pandios non pas de la période lycurguéenne mais d’une autre époque de domination athénienne et plus précisément de l’année 369/8 (p. 95), les travaux matérialisant dans ce cas la possession athénienne de l’Oropie : on répare ce qui avait été aménagé lors de la fondation du sanctuaire vers 420. Ainsi Petropoulou 1985, 175–176 ; van Straten 1995, 73–74. Lupu 2003, 325. Lupu 2003, 331 tend à associer les animaux mentionnés aux sacrifices précédant l’incubation.

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Bien que nous ayons du mal à départager ces occasions, les fouilles archéologiques ont fourni un cadre à ces sacrifices. Deux petits autels de taille différente, datés du dernier quart du Ve siècle et contemporains du théâtre, étaient placés côte à côte.58 Le plus ancien, qui est le plus petit, est situé au centre du théâtre.59 Au début du IVe siècle, ils sont remplacés par un plus grand autel qui les englobe, lui-même divisé en cinq parties.60 Il se peut que le changement opéré ne soit qu’un simple élargissement des structures et du culte préexistants.61 Nous ne savons en tous les cas pas à quel moment ce remplacement a eu lieu, ni s’il peut être associé aux événements qui marquent l’histoire de la région, comme par exemple les débuts de l’autonomie d’Oropos après la dissolution de la Confédération béotienne en 378, ou encore la reprise d’Oropos par les Athéniens en 371. La grande inscription précise par exemple que les parts sont mises « sur l’autel » ;62 cela signifie-t-il cependant que le changement de la structure a déjà eu lieu ? En outre, on peut se demander à quel point le changement de la structure a pu affecter la pratique sacrificielle. Les deux autels initiaux laissent supposer deux sacrifices distincts. Le nouvel autel de son côté, loin d’associer les deux sacrifices présumés, est divisé en plusieurs parties consacrées à différents dieux et héros, laissant supposer au moins cinq sacrifices si l’on se rapporte au nombre des parties de l’autel. Certaines particularités des sacrifices offerts à l’Amphiaraeion, comme le sacrifice d’incubation, peuvent être attribuées au caractère guérisseur du culte. Les espèces animales sont cependant variées, ainsi que les sacrifiants et les occasions qui génèrent leurs pratiques. Ce sanctuaire disputé par plusieurs cités voisines, comportant nombre de cultes annexes, des pratiques divinatoires et de guérison, des structures sacrificielles qui varient dans le temps, montre bien la difficulté de définir précisément la catégorie des sanctuaires supra-locaux. L’aménagement de l’autel multiple incite par ailleurs à examiner les structures mises en place pour les pratiques sacrificielles. III. L’importance des sacrifices et des autels correspondants L’importance des sacrifices est de prime abord proportionnelle à celle des sanctuaires. En suivant le même raisonnement, on pourrait penser qu’elle serait également proportionnelle à la dimension des autels. Ces deux postulats méritent d’être revus dans le cadre des sanctuaires supra-locaux, lieux où la fréquentation d’étrangers s’ajoute à celle de la population locale et où les fêtes communes impliquent une solennité accrue.

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Petropoulou 1981, 57–58 retient une date après la paix de Nicias en 421. Sineux 2007, 79 retient prudemment le dernier quart du Ve s., autour de 420, Oropos étant alors sous domination athénienne. Petrakos 1968, 67–69. Petrakos 1968, 96–98. Le grand autel mesurait 8,90 × 4,60 m. Dans ses ruines, les fondations des deux autres autels sont visibles, mesurant l’un 1,60 × 1,15 m, l’autre 3,71 mètres de longueur. de Polignac 2011, 102. IG VII 235, l. 26.

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Les Artémisia célébrés à Amarynthos dans le territoire d’Érétrie sont l’une des fêtes les plus somptueuses de la déesse en Eubée.63 On y trouve comme participants les Érétriens, les Carystiens et, vraisemblablement, les Chalcidiens.64 Le caractère fédéral de la fête est cependant mis en question.65 Les sacrifices offerts lors des Artémisia sont connus par un décret daté de 340 av. n. è. Cinq jours avant le début de la fête, la cité fournit des ovins dont deux animaux de choix.66 Il se peut que ces animaux, dont il n’est plus question par la suite, aient servi à nourrir les participants aux concours musicaux, qui reçoivent une drachme par jour, trois jours avant le début de la fête et jusqu’au concours.67 Il est ensuite question des animaux fournis par les chôroi, les circonscriptions d’Érétrie, qui consistent en un bovin de choix par an, les mêmes qu’ils procurent pour la fête d’Héra (26–27). Ils reçoivent en retour les peaux de ces animaux. Les démarques organisent de leur côté une procession qui commence au marché des animaux. En tête avancent les animaux publics (dêmosia) et l’animal qui a remporté le prix de beauté, puis les bovins de choix (krita) fournis par les chôroi. Enfin, il y a les animaux des particuliers (tôn idiôtôn) qui choisissent de participer.68 Les animaux destinés aux sacrifices des particuliers et des communautés engagent une procession impressionnante accompagnée, selon Strabon, de trois mille hoplites, six cents cavaliers et soixante chars.69 À côté des citoyens (politas) on trouve des étrangers (xenoi) qui prennent part aux koina :70 la participation est générale, pour une fête spectaculaire qui suscite des dépenses considérables.71 Le nombre d’animaux sacrifiés lors des Artémisia laisse supposer une structure sacrificielle de taille imposante. Nous n’avons aucune donnée pour l’autel d’Artémis mais nous pouvons procéder par comparaison. L’autel d’Apollon à Delphes offert par les Chiotes ne mesure que 8,50 × 2,20 mètres et ne présente rien de très particulier. Quant aux deux autels de l’Amphiaraeion, englobés ensuite en un seul autel lui-même partagé entre plusieurs puissances, ils suggèrent également de nombreux sacrifices. Comment s’articule dès lors la taille des autels à l’importance des sacrifices ? Prenons l’exemple de l’autel monumental qui accompagne le temple archaïque au sanctuaire de Poséidon à l’Isthme au VIIe siècle, long de plus de trente mètres.72 La question a déjà été posée de savoir s’il s’agit d’effectuer des mises à mort en grand nombre ou 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72

Selon Paus. 1,31,5 la fête est célébrée par les Athéniens avec la même solennité. Pour les sources et la localisation du sanctuaire, voir Knoepfler 1988, 382–421 ; Sapouna-Sakellaraki 1992. Liv. 35 ; 38. Voir Picard 1979, 218–221. Selon Knoepfler 1972, 297 la fête ne serait pas organisée par la Confédération eubéenne dans un sanctuaire lui appartenant, en tous les cas pas avant le début de l’époque impériale. IG XII 9, 189, ll. 7–8 (IVe s., LSCG 92). IG XII 9, 189, ll. 21–23 ; Rhodes-Osborne, GHI 73, p. 365. IG XII 9, 189, ll. 35–37. Ail. nat. 12,34 précise que les animaux sacrifiés sont mutilés. Strab. 10,1,9 (448). IG XII 9, 234, décret d’Érétrie en l’honneur du gymnasiarque Elpinikos, daté de la fin du IIe s. Sur les koina en tant que cérémonies communes, voir Knoepfler 1972, 300 ; Georgoudi 1998, 329 et n. 25. Georgoudi 1998, 329. Morgan 1994, 141.

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bien plus simplement d’accroître l’importance de la cérémonie et du sanctuaire, du moins en apparence. En tous les cas, l’échelle de l’autel suit celle du temple dans une évolution éloquente. Après l’incendie de 470, le temple est en effet reconstruit et agrandi. L’autel est également agrandi sur le côté nord, passant de 8 à 40 mètres de long.73 Il se peut, comme cela a été suggéré, que ces nouvelles dimensions imposantes aient servi aux sacrifices de divers groupes sociaux ayant leur propre espace sacrificiel sur l’autel, divisé d’une manière que nous pouvons imaginer similaire à celle de l’autel multiple d’Oropos.74 Si nous ne pouvons trancher la question de savoir à qui et à quoi servent ces autels surdimensionnés, on peut se demander dans quel type de sanctuaires ils se trouvent. Un autre autel agrandi au fil du temps est celui de l’Héraion de Samos, sanctuaire monumental de la cité, que nous pouvons comparer à celui de l’Isthme en raison de sa taille. Son temple est selon Hérodote le plus grand connu.75 Au VIIIe siècle c’est déjà un hécatompédon, long de près de 33 mètres, puis il est remplacé par un temple diptère bâti avant le milieu du VIes., que Helmut Kyrieleis qualifie de gigantesque.76 Le deuxième temple, qui n’aurait jamais été terminé, a été déplacé d’une quarantaine de mètres. Les diverses phases d’extension de l’autel ont culminé avec celui du temple bâti par Rhoikos au VIe s. : l’autel était long d’une quarantaine de mètres, large d’une vingtaine et accessible par un escalier aménagé à la partie antérieure. Il a encore été rebâti à l’époque impériale. Il est possible qu’il ait servi à des sacrifices destinés à plusieurs divinités ; en tous les cas, sa taille suggère des sacrifices importants. Il n’en reste pas moins que l’Héraion samien est toujours resté, malgré la richesse des offrandes à la fois locales et étrangères et la construction d’une voie sacrée suggérant des processions, un sanctuaire d’importance locale. La taille considérable des structures sacrificielles n’est dès lors pas un indice du statut des sanctuaires. IV. Les espèces sacrifiées et les sacrifiants Les espèces sacrifiées à l’Héraion samien sont connues par les restes de repas. La grande majorité des animaux consiste en bovins, beaucoup moins d’ovins et, en troisième lieu, en porcins.77 L’importance de la taille des animaux est aussi probante que leur nombre, selon un raisonnement des plus simples d’après lequel il faut sacrifier beaucoup et il faut sacrifier grand. Ces pratiques ostentatoires nous incitent à considérer non plus leur dimension supra-locale mais leur ampleur quantitative. La ques73

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Gebhard 1993, 162–163. L’aire sacrificielle archaïque, dépourvue d’autel, s’étend sur quelques quarante mètres, tout comme l’autel classique ; pour ce dernier, voir Broneer 1971, 56, 98–101. La partie originale, contemporaine du temple archaïque, est la partie sud. On a ensuite ajouté à la partie nord mesurant 8,35 × 1,88 m – partie bien bâtie comprenant des blocs du temple archaïque, quelques 31,65 × 1,76 m. Broneer 1971, 98–100 concernant l’autel ; Gebhard/Hemans 1992, 41–42. Hdt. 3,60. Pour l’autel, voir Kyrieleis 1993, 126, 128. Kyrieleis 1993, 137.

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tion que l’on peut poser est dès lors celle de savoir qui offre ? Ou en d’autres termes, qui finance ces sacrifices ? Est-ce la cité ? Est-ce un ensemble de cités, auquel cas nous retrouvons la dimension supra-locale des sacrifices en question ? En effet, jusqu’ici nous avons vu des sacrifices de particuliers qui s’opposent ou complètent ceux de la cité ou ceux qui sont publics. Mais la dimension supra-locale suppose une communauté de cités ou de collectivités se réunissant pour accomplir une action commune. Il ne suffit en effet pas de savoir qu’un sacrifice est public, c’est-à-dire accompli aux frais du dème ou de l’État.78 Il ne suffit pas non plus de savoir que les dieux reçoivent les sacrifices d’étrangers, de xenoi, comme cela arrive par exemple à Chios où ils sont distingués des citoyens,79 ou encore à Iasos où les xenoi sont distingués des astoi et des metoikoi quant à la part qu’ils attribuent au prêtre.80 Il nous faut dès lors revenir aux cas où un ensemble de communautés ou de cités offrent un sacrifice lors d’une occasion commune, comme ceux de l’Amphictionie à Delphes et ceux des Confédérations acarnanienne à Action et de la béotienne à Acraiphia. Prenons pour commencer un cas de synécisme. À Myconos, lors du synécisme formé vers 200, le calendrier sacrificiel est réorganisé selon l’accord de tous les Myconiates.81 Pour l’ensemble des sacrifices mentionnés, énumérés suivant le mois et la divinité, les Myconiates agissent désormais de concert, sans différenciation en cités ou villages comme précédemment. Il en va de même lors du synécisme de Cos en 366, dont le calendrier présente la même structure que celui de Myconos (date – divinité destinataire – animal sacrificiel avec nombre, espèce, âge – sacrificateur, parts d’honneur).82 Ce calendrier daté du milieu du IVe siècle donne une idée de l’association des communautés dans un sacrifice commun. Les trois tribus de Cos, les Pamphyloi, puis les Hylleis et les Dymanes, conduisent leurs bœufs à l’agora afin de choisir celui qui sera sacrifié à Zeus Polieus.83 Il semble qu’à Delphes, en revanche, la plupart des animaux étaient achetés sur place, alimentant les caisses du dieu. Ce fait peut être dû à des questions pratiques comme la distance à parcourir en accompagnant les animaux ou alors le nombre des animaux à sacrifier.84 Prenons un autre cas de sacrifice à grande échelle. Les Daidala, célébrés en l’honneur d’Héra à Platées, deviennent à l’époque hellénistique une fête panbéotienne.85 L’histoire de la cité, aussi mouvementée que celle d’Oropos, montre les Platéens 78 79 80 81 82 83 84 85

Ainsi par exemple Georgoudi 1998, 325, sur le sacrifice dêmosiê, public, ou dêmotelês, aux frais du dème ; Pirenne-Delforge 2005, 56–60. LSCG Suppl. 77, ll. 10–15 (début du IVe s.) à propos des repas organisés par la cité ou les étrangers. Comme le remarque Georgoudi 1998, 327 n. 9 nous ne savons pas dans ce cas si les étrangers résident dans la cité ou s’ils sont de passage. À savoir les mêmes parts que les autres auxquelles s’ajoute la peau : LSAM 59, ll. 5–6 (IVe s.). LSCG 96 (200). Paul 2013, 330–331. IG XII 4, 278, ll. 10–16 (Rhodes-Osborne, GHI 62). Lefèvre 1998, 259 n. 447 donne l’exemple des crédits alloués au hiéromnémon chiote en 247/6 (FD III 3, 214, ll. 33–35) et les sacrifices de Sôsiclès de Magnésie en 194 (Syll.3 598B, ll. 4–5 = CID IV 100). Pour Héra à Platées, voir Paus. 9,2,7–9. Knoepfler 2001, 345–346 pour les différentes interprétations de la fête ; Iversen 2007, 381–418. Pour la bibliographie antérieure, voir Chaniotis 2002, 26 n. 7.

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deux fois exilés et leur ville saccagée.86 La fête a été fondée ou remaniée au début de l’époque hellénistique, après le retour d’exil des Platéens.87 Comme dans le cas des Amphiaraeia, il y a deux fêtes : les Mikra Daidala sont une fête locale célébrée par les Platéens tous les six ans, alors que les Megala Daidala lors desquels tous les Béotiens se joignent aux Platéens sont célébrés tous les soixante ans.88 La grande fête commune comporte une procession depuis les rives de l’Asopos jusqu’au sommet du Cithéron, avec des chars portant chacun un daidalon. Pour s’attribuer les daidala, les cités procèdent par tirage au sort, auquel prennent part aussi les petites cités, les polismata, associées entre elles.89 La liste de ces cités est une question ouverte sur laquelle je ne m’attarderai pas.90 Plus intéressante pour notre propos est la description du sacrifice fournie par Pausanias. Chaque cité offre une vache adulte à Héra et un taureau à Zeus.91 Ils sont brûlés sur un autel fait de poutres où sont également consumés les animaux offerts par les particuliers, grands et petits, selon leurs moyens, ainsi que les daidala. La fête commémore la réconciliation mythique d’Héra avec son époux. La signification donnée par Pausanias concerne par ailleurs la réconciliation entre les Thébains et les Platéens. Ainsi les Thébains veulent « participer à l’assemblée commune et envoyer un animal pour le sacrifice des Daidala » ;92 comme le remarque Denis Knoepfler, la phraséologie est celle de la participation à une confédération et la cérémonie finale s’apparente à la conclusion ou au renouvellement d’un traité d’alliance, les daidala représentant les poleis ou les telê du koinon, à l’intérieur duquel les Béotiens s’engagent à respecter l’alliance et la paix.93 86

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Paus. 9,1,3. Le premier exil date de la guerre d’Archidamos en 427–386 et le second (Paus. 9,1,8) de l’archontat d’Astias à Athènes, de 373/2–338. La date de 373/2 est privilégiée par Knoepfler 2001, 344 n. 6 à celle de 374/3 fournie par Diod. 15,46,5. Les Platéens sont rentrés chez eux après la défaite thébaine à Chéronée, grâce à Philippe de Macédoine (Paus. 9,1,8). Knoepfler 2001, 347. La date considérée est donc postérieure au retour des Platéens en 338. En revanche, Mackil 2013, 226–227 fait remonter le culte d’Héra à Platées à l’époque archaïque et les Daidala à l’époque classique. Quant aux problèmes que pose la périodicité de la fête, voir Iversen 2007, 402–405. Paus. 9,3,6. Quant à la procédure pour le choix des arbres qui serviront à la confection des statues, elle rappelle la sélection des animaux du sacrifice : Chaniotis 2002, 34–35. Les Platéens cuisent de la viande et la déposent près de la grotte d’Alalkomenai. Des officiels observent les corbeaux qui les prennent ; l’arbre où ils se posent est choisi pour la construction du daidalon. Par ailleurs, le daidalon a le sort de l’animal sacrifié, kathagizô selon Pausanias. Pour l’organisation de la participation des cités béotiennes, ou des districts, voir Knoepfler 2001, 347–356, à propos des cités et des telê. Paus. 9,3,7–8. Paus. 9,3,6 : διαλλαγῆναι γὰρ καὶ οὗτοι Πλαταιεῦσιν ἠξίωσαν καὶ συλλόγου μετασχεῖν κοινοῦ καὶ ἐς Δαίδαλα θυσίαν ἀποστέλλειν. Une version différente de l’étiologie des Daidala est donnée par Plutarque : FGrHist 388 F 1. Knoepfler 2001, 369–371 avec des références. L’auteur s’appuie notamment sur la géographie des rites, passant du bourg d’Alalkomenai, la rivière Asopos qui sépare les territoires de Platées et Thèbes et le mont Cithéron, au cœur de la Béotie, et non pas à l’Héraion de Platées. Ainsi il reconnaît, même concernant les petits Daidala locaux, que la fête avait dans une certaine mesure un caractère panbéotien. Selon Chaniotis 2002, 36–37 et Iversen 2007, 395 il peut s’agir de célébrer le retour des Platéens parmi les Béotiens. L’alliance initiale daterait du retour de Thèbes dans le koinon après 315, c’est-à-dire,

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Les sacrifices accomplis lors de fêtes fédérales posent la question de leur financement. Comme pour les Daidala, les cités financent chacune un sacrifice, généralement en envoyant des théores ou des délégués avec de l’argent comme à Delphes, ou encore en envoyant une procession avec l’animal comme lors des Ptoia.94 À la manière des cités, les Confédérations s’associent pour envoyer également des théores avec de l’argent – comme le fait par exemple la ligue acarnanienne pour le sacrifice de la fête d’Artémis Leukophruênê en Magnésie du Méandre.95 Par rapport aux pratiques des cités, la différence est ici celle de l’association des cités qui agissent en commun et se marque finalement par une question d’échelle. En soulignant l’importance de l’échelle des sacrifices, nous soulevons inévitablement la question de leur prix. Quel genre d’animal sacrifie-t-on dans ces sanctuaires où chaque cité se doit d’agir comme les autres ? Parmi les Béotiens, les Oropiens et les Haliartiens fournissent un bovin pour les Ptoia ou bien pour le sacrifice en l’honneur d’Athéna Itônia et Zeus Karaios,96 et les cités envoient des bovins pour les Daidala. C’est aussi des bovins que fournissent les tribus de Cos pour Zeus Polieus ainsi que le font les districts du territoire d’Érétrie pour les Artémisia, un peu à la façon dont les alliés envoient un bovin à Athènes pour les Grandes Panathénées.97 Là où les cités d’une ligue ou d’une confédération se rassemblent, chacune doit offrir autant que les autres et sacrifier le même type d’animal. Lorsqu’un koinon agit en tant que tel, il se comporte dès lors comme les cités, en fournissant des animaux pour le sacrifice. Si l’on se fie à l’évolution et aux changements de statut des sanctuaires qui passent d’une portée locale à une portée supra-locale, ou bien dont la portée s’élargit et s’institutionnalise, le nombre et probablement aussi l’espèce des animaux qui y sont sacrifiés gagnent en importance. Les sacrifices de la Confédération en l’honneur d’Apollon à Anactorion sont ainsi plus impressionnants, de même que pour Apollon Ptoios à Acraiphia, pour qui les cités envoient des bovins. Pour ce qui est de la taille des structures, nous les imaginons imposantes pour les sacrifices des fêtes fédératrices, comme les Artémisia d’Érétrie. C’est le cas de l’autel du sanctuaire de l’Isthme, bien que les grands autels se trouvent dans tous types de sanctuaires. Quant à l’importance des espèces sacrifiées, elle semble en réalité dépendre de l’occasion célébrée plutôt que du type de sanctuaire, de même que la taille des structures semble en accord avec la volonté de paraître des localités érigeant les sanctuaires. Ce qui différencie les sanctuaires supra-locaux par rapport aux autres, c’est l’aspect communautaire des célébrations et du financement des sacrifices, où quantité de districts ou de cités participent en rendant les rites aussi impressionnants que possible. L’organisation des processions

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selon Knoepfler 2001, 373 pas avant 287. Ce ne serait en effet qu’en 286 que l’on verrait le système des sept telê ou districts, et le cycle initial des Daidala aurait été accompli vers 227, moment d’essor de la vie religieuse fédérale. En effet, selon les cas, on envoie de l’argent pour acheter l’animal sur place ou bien on envoie une théorie qui accompagne l’animal, cf. Rutherford 2013, 203. IG IX 12, 582, ll. 30–36 (I.Magnesia 31). La stèle est érigée chez Apollon Actios. Lupu 2005, no. 11, ll. 17–18. IG I3 71, ll. 55–57 (425/4).

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a le même but. Celle des Artémisia d’Érétrie inclut l’ensemble des populations et, telle qu’elle est racontée par Strabon, est parmi les plus imposantes.98 Des processions sont encore organisées vers les autres sanctuaires mentionnés, Delphes, le Ptoion, et lors des Daidala. Les cités contribuent au spectacle offert, chacune faisant aussi bien que les autres, ou alors aussi bien que pour une autre fête, comme les districts érétriens font autant que pour la fête d’Héra. La procession dans ces cas renforce la fonction d’intégration des sanctuaires et la dimension politique des fêtes par la participation des communautés et du plus grand nombre de gens ; elle instaure la communication à tous les niveaux, entre hommes et dieux comme entre communautés, et elle contribue à augmenter la visibilité de la fête.99 Il n’en demeure pas moins que ces sanctuaires supra-locaux fonctionnent à plusieurs niveaux. S’ils contribuent à l’identité ethnique des uns, l’appartenance à une fédération pour les autres, ils restent des sanctuaires locaux en dehors des célébrations communes. Bibliographie Bearzot, C. 1987 : Problemi del confine attico-beotico. La rivendicazione tebana di Oropo, in : M. Sordi (éd.), Il confine nel mondo classico, Milan, 80–99. Beck, H. 1997 : Polis und Koinon. Untersuchungen zur Geschichte und Struktur der griechischen Bundesstaaten im 4. Jahrhundert v. Chr., Stuttgart. Beck, H. 2014 : Ethnic Identity and Integration in Boeotia. The Evidence of the Inscriptions (6th and 5th Centuries BC), in : N. Papazarkadas (éd.), The Epigraphy and History of Boeotia. New Finds, New Prospects, Leyde/Boston, 19–44. Bizard, L. 1920 : Fouilles du Ptoïon (1903), II. Inscriptions, BCH 44, 227–262. Bommelaer, J.-F. 1991 : Guide de Delphes, Athènes. Broneer, O. 1971 : Isthmia. Excavations by the University of Chicago, I. Temple of Poseidon, Princeton/New Jersey. Cabanes, P. 1985 : Le pouvoir local au sein des États fédéraux. Épire, Acarnanie, Étolie, in : G. Argoud / P. Roesch (éds.), La Béotie antique, Paris, 343–357. Chaniotis, A. 2002 : Ritual Dynamics. The Boiotian Festival of the Daidala, in : H. F. J. Horstmanshoff / H. W. Singor / F. T. Van Straten / J. H. M. Strubbe (éds.), Kykeon. Studies in Honour of H. S. Versnel, Leyde/Boston, 23–48. Chaniotis, A. 2013 : Processions in Hellenistic Cities. Contemporary Discourses and Ritual Dynamics, in : R. Alston / O. M. van Nijf / C. G. Williamson (éds.), Cults, Creeds and Identities in the Greek City after the Classical Age, Louvain/Paris, 21–47. Cole, S. G. 2004 : Landscapes, Gender, and Ritual Space. The Ancient Greek Experience, Berkeley/Los Angeles/London. Corsten, T. 2006 : Stammes- und Bundeskulte in Akarnanien, in : K. Freitag / P. Funke / M. Haake (éds.), Kult – Politik – Ethnos. Überregionale Heiligtümer im Spannungsfeld von Kult und Politik, Stuttgart, 157–167.

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Pour l’importance de la taille des processions à l’époque hellénistique, voir Chaniotis 2013, 31–33. Kavoulaki 1999 ; Chaniotis 2013.

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The key documents for ritual activity that is usually labeled “magic” are the tabellae defixionum or curse tablets, Fluchtafeln in the German terminology of Richard Wünsch which is the basis of the common English term. The number of these very often difficult epigraphical texts is still outgrowing our resources to publish them, even less to analyze them in depth. Auguste Audollent who in 1904 published the first and only corpus of these texts organized them in four categories, according to their function: erotic spells, to attract an object of desire or block the relationship of a rival; business spells, to damage rival professionals; judicial spells, to injure an opponent in litigation; and agonistic spells, to harm a rival in a contest.1 This categorization is still valid, with one important addition: in several publications, Hendrik Versnel followed a suggestion by Eric Turner and distinguished between curse tablets proper and prayers for justice, as he came to call them, after earlier attempts with other terms; and he has in 2010 given a lavish overview over his position that has found many followers.2 Curse tablets aim at influencing the outcome of a future action by invoking the help of underworld powers in order to damage a rival or opponent, for example by causing an accident among rival charioteers or by taking away the voice of witnesses or lawyers of one’s opponent in court. Prayers for justice, on the other hand, invoke a superhuman but not necessarily underworldly power to help the speaker to find the justice he or she has been denied by an action in the past, for example by an unknown thief or someone whose spells caused the death of a beloved person. The distinction is suggestive, but it has its dangers. At best, it is too neat, as Versnel is willing to agree; at worst, it lends itself to problematical dichotomies that, however, are inherent in the model. The basic dichotomy is the one between curse and prayer: this is far from being a given in Greek culture where, after all, Homer can call a priest ἀρητήρ, “curser”. Only the philosophical reflection on cult that becomes important after the sixth century leads up to the dichotomy of prayer and curse; it appears established in late Hellenistic times and become vital in Christianity. In an anecdote found in Plutarch, the Athenian priestess of Athena with the Homeric name Theano refused to curse Alcibiades because priests would not curse but pray;

1 2

Faraone 1991 after Audollent 1904, lxxxix–xc. Versnel 2010.

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but the story seems late and not authentic, as Christiane Sourvinou-Inwood argued long ago.3 The dichotomy also lends itself to two other dichotomies. One – the one relevant here – concerns the find-spots of the two text groups, with defixiones coming from graves and appealing to underworldly, chthonic powers, and prayers for justice coming from sanctuaries. This has seduced some scholars to classify prayers for justice as religious and defixiones as magical, relying on yet another problematical dichotomy that has been under criticism in recent scholarship mainly because it imports a Christianocentric evaluation into antiquity.4 Given all these problems, in what follows I will hesitatingly use the clumsy term ‘lead invocations’ for all these texts, and look at functional and formal differences only in a second step. My discussion will present the finds sanctuary per sanctuary, starting with one over-regional shrine, and only at the end draw some wider conclusions. I. Over-Regional Sanctuaries Only one over-regional Greek sanctuary yielded lead invocations, the sanctuary of Nemea, the site of the Panhellenic Nemean Games, performed in honor of Zeus and the heros Opheltes or Archemoros, in a typical cult constellation where heroic nocturnal rites precede the day-light sacrifices for the divine partner. The excavators of the sanctuary signalled four lead tablets, one of them a fourth century BCE text that was published in 1980, and two (or three) that were read but not published by David Jordan, all dating to the fifth century. These four texts belong to the sacrificial debris that was, in the later fourth century BCE, deposited in a pit inside the sanctuary. The published text is an erotic spell that aims to turn one Euboula away from one Aineas, with the usual list of body parts of Aineas from which Euboula should be kept away.5 The text is short and has no specific divine addressee: ἀποστρέφω Εὔβουλαν | ἀπὸ Αἰνέα, ἀπὸ τοῦ | προσώπου, ἀπὸ τῶν ὀφ|θαλμῶν κτλ. “I turn Euboula away from Aineas, from his face, from his eyes, etc.”

It is a performative utterance, spoken and at the same time recorded on the tablet during the ritual that accompanied the formula and the deposition of the tablet. The two other texts, read but not published, have a similar context.6 Given that these tablets were part of sacrificial debris, it is unclear where they were placed originally. But we can at least exclude that they come from graves, from a well or from the heating system, as most defixiones in the archaeological and papyro-

3 4 5 6

Sourvinou-Inwood 1988. See Braarvig 1999. SEG XXX 353 = Miller 1980, 196. Miller 1981, 65.

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logical record.7 These texts thus were not brought into local contact with the powers of the Underworld; maybe they were not even hidden away. The published text was found on top of the debris layer, immediately below an early Christian layer. If this was the place where it was originally deposited, it was not deeply hidden. But the letter forms are earlier than the late fourth century date of the deposit, and it might thus come from anywhere in the sanctuary. There, it might have been plainly visible, as some of the texts that I will present in the next part, or it could have been deposited in the ash of an altar, as the much later judicial prayers from Mainz.8 This seems to be the only over-regional sanctuary from which we have such a record. A well in the neighboring shrine of Poseidon at Isthmia yielded a still unpublished lead tablet whose content is unknown; as with other lead invocations it could be the well and not the sanctuary that determined the deposition.9 In order to understand the scarcity of such texts from over-regional shrines, I have to turn to the local sanctuaries that contained such texts; given the theme of this volume, I will focus on Greece and not look at later sanctuaries in the Latin West.10 II. Local Shrines in Greece Among the few local sanctuaries in Greece where lead tablets have been found, four stand out because of the number of texts and the well-known contexts. All but one are sanctuaries of Demeter. In chronological order, they are the shrine of Demeter Malophoros in Selinus, the Demeter sanctuary of Cnidus, the so-called Central Shrine on the agora of Morgantina, and the sanctuary of Demeter and Kore in Corinth; then there is one outlier, the one text from the sanctuary of the healing hero Pankrates in Athens. The finds in these shrines come from different epochs, ranging from the late sixth century BCE to the first century CE, and are far from uniform. III. Selinus, Malophoros In the Malophoros sanctuary in Selinus, the excavations in the shrine in the main part of the sanctuary complex yielded thirteen lead tablets: besides three fragmentary texts and four lists of names without other textual details, we have six longer texts that chronologically range from the late sixth to the early fourth centuries BCE.11 Four of them (nos. 20, 21, 23, 28) are clearly judicial curses, “registering” (ἐγγράφω or καταγράφω) people (both men and women) and their tongues “for loss of usefulness” (ἐπ’ἀτελείαι). The function of a fifth that uses a similar formula (no. 24) has been dis7 8 9 10 11

See the overview in Graf 2005. Blänsdorf 2012, 39–40. Jordan 2000, 12 no. 26. Some material in Gordon/Marco Simón 2010. See Arangio Ruiz/Olivieri 1925; Bettarini 2005 whose numbers I cite.

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puted, but to me it seems a judicial curse as well. A short sixth text is unclear – it is mainly a list of names.12 Once only we are told that these people are to be registered with the “Pure Goddess” (no. 23: πὰρ τὰν hαγνὰν θεόν) who is either Demeter or Persephone; a second text has a short title θεά that connects it with votive inscriptions rather than with defixiones. All texts come from the sacrificial and votive debris and thus have lost their original context of deposition. Given that they were part of debris above ground, we can safely assume that they were treated not differently from any other votive gifts that were deposited somewhere in the shrine; they were not buried in the ground, but remained visible. All explicit texts seem to look forward to a trial in the future where the tongues of the victims will be tied, with the intervention of the goddess. One text only (no. 28) also looks back to the past. After a list of names to which the writer has added “and whoever will speak or act on their behalf ” (ὅσστις ὑπὲρ τήνων μέλλει ἢ λέγειν ἢ πράσειν), it continues “They took an oath useful to Selino” (Σελινῶι ἐνώμασαν χρήσιμα), that is they committed perjury on behalf of one Selino.13 In its intention, this text thus seeks redress for past injustice; but in the mind of the writer, this could also justify the condemnation of the culprits for future acts. In a 2009 paper, Sabina Crippa and Mario de Simon not only pointed out that the language of these texts has ties to public texts, they also noted what they read as diacritical signs on some tablets: to them, this suggested a recitation of the text from the tablets.14 In his turn, Luca Bettarini, the most recent editor (2005), had already noticed that in one text (no. 20) the key formula, hα Σελινοντίō γλõσσα ἀπεστραμμένα (εἴη) ἐπ’ἀτελείαι “be the tongue of Selinuntios turned backwards to become useless”, was joined rather awkwardly to the following ἐνγράφω: he read this as a sign that an oral formula was taken over into a written context.15 This goes together with Crippa and de Simon’s observations and suggests that in this sanctuary the cursing of enemies was not done secretly, but in a public ritual act for which the goddess was an addressee and a witness. IV. Cnidus, Demeter and Kore The thirteen lead tablets from the shrine of Demeter and Kore in Cnidus, dated to the second and first centuries BCE, are known since their first publication by Charles T. Newton in 1863;16 they refer to seventeen different cases. It is these texts that helped to define what a prayer for justice was. In all cases, a wronged person – a woman, when the identity is known – dedicated (ἀνιεροῖ, ἀνατίθημι) someone either known or unknown to Demeter, Kore, Pluto and the gods and goddesses with them, to right an injustice. What the accuser suffered varies greatly. In the cases of theft by person 12 13 14 15 16

No. 23 “rimane oscuro”: Bettarini 2005, 117. On the verb see Lopez Jimeno 1991, 152–153. Crippa/de Simon 2005. Bettarini 2005. See Audollent 1904, nos. 1–13.

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unknown or embezzlement of a loan, the gods are asked to force the culprit to bring the object back. Such a simple restitution is impossible in other cases: when rumor accuses a woman of having used poison against her husband, when someone has been beaten up or one’s house has been vandalized, or when another woman has taken away a husband. In these cases, the writer simply asked for punishment, although the tablet about the lost husband misses the end where the writer might have also asked for his return, which would bring this text close to the typical erotic curses. In order to punish or to force someone, the gods are to send illness or misfortune, although sometimes there is room for mercy if the culprit reacts fast. The mechanism recalls the Phrygian confession stelae.17 Unlike in the texts from Selinus (and other curses), in these cases the address to a divinity follows upon a past action, but like with the defixiones it aims for a reaction (punishment or restitution) in the future; and as in the defixiones, the targeted person becomes a possession of the gods. And like in other curses, the performers are aware of the dangers involved in such an action, and they often seek self-protection. As in Selinus, these texts were not buried. Scholars have assumed that they were nailed to a wall and thus were visible to all visitors of the shrine. But already Audollent pointed out that this is impossible: Newton reported that he had unrolled some of them. Moreover, a large number of tablets is inscribed on both sides, often with a second case, but sometimes with the continuation of a long text that started on the other side; this excludes that the tablets were reused and again nailed to a wall. The addition of a second case in another hand, however, shows that the texts were available for such additions, be it at the same time when two women shared the same lead tablet, or at different times when someone looked for an easily available writing surface; this reuse recalls the oracular lead tablets from Dodona.18 The texts use formulae that might reflect an oral performance, a curse uttered in the sanctuary in the intention to reach a culprit – not necessarily directly, if the culprit was a man who had no business in a women’s shrine, but certainly through the grapevine of rumor; rumor had also spread the accusation of having used poison against an innocent husband. V. Morgantina, Central Sanctuary The third local sanctuary is again a shrine of Demeter and Persephone, the so cocalled “Central Sanctuary” on the agora of the second city of Morgantina, built after 450 BCE.19 From its latest phase, well after the Roman conquest of 211 BCE, we have nine inscribed lead tablets, with a tenth left blank; three of the nine are illegible. They were all concentrated in the southern part of the shrine; this area was organized around a bothros (“pit altar”), a round main altar and a small votive chapel. They 17 18 19

Chaniotis 2004. See Lhôte 2006; Dakaris et al. 2013. See Hinz 1998, 132–134; Bell 2014.

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were all rolled up, with the written surface on the inside; seven of them were found inside the bothros.20 The texts that we can read all connect one or several women with various gods whose presence and combination varies somewhat – anonymous θεοὶ χθόνιοι, Gaia, Hermes, Pluto and Persephone; only Hermes appears in all formulae. The divinities are usually asked to “receive” (ποτιδέξεσθε), once to “lead down” (κατάγετε) these women. This explains the dominance of Hermes: he is the god who secures the passage from here to there for which the women ask with their prayer ποτιδέξεσθε, “receive”. The unusual verb for “receive”, προσδέχομαι, made some scholars understand these texts not as defixiones, to which “to lead down” points, but as prayers for deceased women or as manumissiones. This latter interpretation was inspired by the status of the women who are either freed women (λιβέρτα) or servant girls (θεράπαινα), and the existence of manumissiones in the Demeter shrine in Heraclea in Lucania.21 But this parallel does not work because the Heraclea texts are very formal bronze tablets; the status of liberta argues against a manumission because a liberta is already free, and so does the presence of the same servant girl, Venusta servant of one Sextius Rufus, in four texts because a manumission is a single contract that is not copied out several times with slightly changing wording in the same sanctuary.22 Nothing of these arguments contradict the understanding of these texts as defixiones, however. The mild verb “to receive” is not a cogent counterargument, given the wide local variety of verbs used in defixiones, including παραδίδωμι and παρατίθημι, the latter also attested in Corinth.23 But this group of texts does not conform to most defixiones insofar as they were not hidden away deep in the ground: most of them were deposited in the bothros, as were votive terracotta statuettes and other votive material, and two were found in the small shrine that also contained other votives. We cannot know whether the texts were recited when written down: as with other defixiones, this is always a possibility, even if human eyes could not read the texts anymore once the tablets were rolled up. More importantly perhaps, the texts fit a women’s world. Moreover, the freedwomen or slave girls bear names that are erotically suggestive: Venusta and Erotica are obvious, while Anikia, “Unbeaten” is at least easily conceivable in such a context, as is Fides. I thus assume that the women dedicated to the underworld divinities were courtesans, meretrices, and that they had provoked the anger of free women, either married or at least in love with a local citizen. This concern with marriage and marital fidelity fits the function of the sanctuary as a thesmophorion, as the later continuation of the earlier thesmophorion on the hillside between the new city and the old

20 21 22 23

The texts are published in Nabers 1979 and Dubois 1989, 195. Deceased: Nabers 1966; manumissiones: Hinz 1998, 132–134. On the owner’s name, pieced together from the tablets, see Curbera 1996. See Lopez Jimeno 1991, 189–197 who also points to 1 Kor 5,5 παραδοῦναι τὸν τοιοῦτον τῶι σατανᾶι. Add Corinth, Stroud 2013, 105 no. 125.

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citadel, in the Contrada San Francesco Bisonti; from this older sanctuary, active until the third century BCE, the large terracotta image of the so-called Goddess of Morgantina, Demeter or Persephone, must come.24 VI. Corinth, Demeter and Kore The fourth shrine is again a sanctuary of Demeter and Kore, the one on the hillside of Acrocorinth. We have a series of lead tablets from the Roman occupation of this shrine in the first and second centuries CE, found in the reused ruins of dining-rooms that were a prominent feature of the classical and Hellenistic sanctuary. The recent edition by Ronald Stroud gives 18 texts, many of which were rolled or pierced with a nail or both. A considerable number is fragmentary and difficult to understand; but there are enough texts to make us see the wide variety of these texts. One is an erotic spell that prevents one Secundina Postumia from having any other lover (no. 118 Stroud). Two are judicial curses (no. 122, 133); in one of them (no. 133), “Lady Demetra” is invoked for justice, which recalls a famous text from Amorgos that has no clear provenance.25 In three texts, the flower girl Carpima Babia is handed over to the avenging gods, either the generally named θεοὶ ἀλειτήριοι and θεαὶ ἀλειτήριαι (124) or the specific Moirai Praxidikai who were worshipped nearby (125) and Ananke who was invoked with her secret names and asked to kill her through constant monthly bleeding (126). We are not told what the poor victim did, but the same text that wishes her a fatal menstruation also asks that the writing woman may become pregnant (καρπίσαι). The writer must have seen in Carpima a serious threat to her own childless marriage. Here too, the tablets were not buried – and two were used by different hands to record a second or in one case a third invocation: as in Cnidus, the tablets remained available for such a use, and in both cases, the first and the second text were curses, not prayers for justice. Thus, the contents did not remain a well guarded secret hid away somewhere, and I suspect – without good arguments except the parallels from Cnidus and especially Selinus and what we know about inscribing curse tablets from the Magical Papyri – that here too the primary performance was oral, and that the written text was a permanent record of this performance. As in Cnidus, nothing prohibits the assumption that the ritual was openly performed and not kept secret. In an intriguing paper, Christopher Faraone has argued that the Cnidian texts reflect not any performance, but a performance during the Thesmophoria when all women were assembled in the shrine; Ronald Stroud suggests the same for Corinth.26 24 25

26

For the older thesmophorion see Greco 2009; Raffiotta 2014. Amorgos: IG XII 7, p. 1; find spot unclear. – The text begins Κυρία Δημήτηρ, βασίλισσα, ἱκέτης σου, προσπίπτω δὲ ὁ δοῦλός σου “Lady Demeter, Queen, your suppliant, I implore you, your slave”, and then tell how one Epaphrodeitos lured away the speaker’s slaves and seduced and married his favorite slave-girl; it ends with a plea for help “to obtain my rights” and the wish of all bad things for the offender. Faraone 2011; Stroud 2013, 82.

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The suggestion is interesting, but not necessarily compelling. Some of the problems addressed in both shrines are specific problems of women (rumor of poisoning, infertility, threats to a marriage by an attractive younger woman), but they can have been addressed whenever women came together in the shrine of Demeter. The wronged women did not have to wait for the annual festival but could act when it was necessary, and to judge from the large amount of votive terracottas in Demeter shrines, they were well frequented the year over. Moreover, other problems are less specific (theft, embezzlement, vandalism), and the one judicial curse is not necessarily a woman’s problem and, more importantly, it could not wait for the next Thesmophoria to come around. Even less can the model be exported to Selinus with its male dominance in the judicial curses. If anything, the Morgantina texts lend themselves somewhat more easily to the hypothesis of Faraone. It can be suggestive of a common ire that four texts, found close to each other, target the same Venusta, “servant girl of (Sextius) Rufus”. But if so, this was not a custom practiced throughout most of antiquity but only in the very last phase of the shrine, in the early first century BCE, a century after the Roman take-over. Nor does anything prevent us from assuming that the dedication of these angry texts took place during the entire year, whenever a woman visited the shrine, and that four wives banded together because they all felt provoked and threatened by that most successful seductress Venusta, as the Corinthian wives felt threatened by the flower girl Carpima Babia and a Cnidian wife asked for revenge on the women who turned her husband away “from the children”.27 VII. Athens, Pankrates To complicate matters, there is at least one other Greek shrine with a lead tablet that is not at all a women’s shrine. There is in Athens near the Ilissos a small shrine that has left no trace in literature, the “humble” shrine of Pankrates that was active throughout the classical and Hellenistic period.28 Votive reliefs from between 350 and 250 BCE, lavishly and thoroughly published by Evgenia Vikela in 1994, show two male divinities who coexist in this shrine, a Heracles who is also called Pankrates, and a Zeus-like mature god with a cornucopia, called Plouton, Palaimon or again Pankrates. Two anatomical votives, one anepigraphical, the other one dedicated to Pankrates, point to the healing power of this divinity.29 Besides the often impressive votive reliefs, the shrine yielded one lead tablet, dated to the later fourth century, in which an anonymous writer binds seven men down to Palaimon (καταδῶ πρὸς τ[ὸν Π]αλαίμονα) and asks the god to punish these people (δέομαί σου, ὦ Παλαῖμον, τιμωρὸν γένοιο τούτων ὧν ἀπέγραψά σοι) because they are lying to the judges (ἄδικα 27 28 29

Audollent 1904, no. 5. Parker 2005, 419. Forsén 1996, 59–60.

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δοκῶιν λέγειν): thus, bind their tongues, soul, and actions “because they tell and do unjust things” (ἄδικα γὰρ καὶ ποιοῦσιν καὶ λέγουσι).30 The editor, David Jordan, rightly called it “the first curse tablet known certainly to have been deposited in an Athenian sanctuary.” Like one of the Selinus tablets, it is both a judicial curse and a prayer for justice: the unlawful actions of the targeted person in court have wronged the writer, and he will find justice if Palaimon prevents them from further acting in this way. And again this is not a text buried deeply in a grave or well, but deposited in a small shrine, presumably again resulting from an oral performance – although writing is an important act of the ritual, since the last line of the text contains the name of the main culprit, Aristophanes, written upside down, in an act of graphic ritual analogy. VIII. Summary There are several lessons to be learned from these cases, both on the function of lead invocations and on their role in sanctuaries. The sanctuaries and their divinities are chosen because the divinities worshipped there are both powerful and close enough to the performer to be felt as reliable helpers. The Athenian Heracles Pankrates is a good point in case: as a healer, he is himself intimately connected with human suffering, as his mythology suggests, and as Heracles he has great and proven power, a power that is already spelled out in his name Pankrates – he is one of those heroes that Aristophanes, in his lost Heroes, described as guardians of justice and revengers of bad deeds.31 For the same reason, women rely on Demeter and Persephone, a mother and a daughter who know what it is to be a woman and to whose cults women had a very special relationship, not the least thanks to their role as mothers. Another important batch of lead tablets from a temple comes from the shrine of Isis and Magna Mater in Roman Mainz, Moguntiacum: these are again two powerful mothers who, as mystery goddesses like Demeter and Persephone, have an additional intimate contact with their human worshipers. Even closer to Pankrates is the British Minerva Sulis, the healing goddess of thermal Bath who received a large number of lead invocations by wronged men and women.32 This is less obvious for the Roman Anna Perenna and her well that contained another batch of Latin curse tablets, however; at best one can point to Ovid’s description of Anna Perenna’s festival as a very intimate celebration from which participants expected a long life.33 But perhaps nothing can demonstrate the closeness between women’s lives and these texts better than the Corinthian combination of prayer for fertility and a cursed menstruation, that is the positive wish for a child of one’s own and the negative prayer for perhaps even life-threatening damage to reproductive powers of the opponent. 30 31 32 33

Jordan 2008 = SEG LVIII 266. Aristoph. F 58 Austin. Tomlin 1988. Mainz: Blänsdorf 2010a; Blänsdorf 2012. – Anna Perenna: Blänsdorf 2010b; Piranomonte 2010.

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The Mainz tablets are mainly judicial prayers, the Roman ones defixiones, which underlines the point that the distinction is not an essentialist one: the distinction between defixio and prayer for justice is at best a heuristic tool, at worst it muddies the waters. People – women and men – address the divinities both for a wrong that was done to them in the past, and a wrong that they fear will strike them in the near future. In this respect, a law-suit is almost an exemplary occurrence: at least in our cases, the writers of these tablets are not people who fear a law-suit because they are guilty; they are afraid because they are innocent but cannot easily deal with the legal tricks of their superior opponents. A close analogy is the situation of Apollonios, the priest of Sarapis on Delos: after a long wait and much deliberation, he bought a piece of land to build a temple, but the neighbors, presumably all locals and citizens, wanted to prevent him and opened court proceedings. He was innocent, but as a foreigner, even a third generation foreigner, he felt a helpless victim. His god saved him: when the proceedings took place, the opposition became literally tong-tied.34 – Unfortunately, we do not have comparable details for the trials behind most judicial curses, but if we rely on the Apollonios case, the recourse to a judicial curse was the result of fear, not of malice. In all these cases we know or can suspect a public oral performance of which the text is the result as a recording of the ritual voice; nothing excludes this even for Morgantina, although nothing confirms this either. Far from being secret nightly rituals on grave-yards as some of the defixiones are in the literary record and the descriptions in the Papyri Graecae Magicae, these rituals took place in the sanctuary as a space that allows public action. One should not forget, as already Plato knew, that publicity is vital for the success of a curse: if the victim does not know that she has been targeted, not much happens.35 I think it is here also that lies the answer to my initial question, why we have not more lead tablets from over-regional shrines. Those shrines were too much aloof from daily life, they served the elitarian purpose of panhellenic and often aristocratic agonistic contests and high diplomacy: neither the majestic Zeus of Olympia nor the cool Apollo in Delphi had the close appeal the writers of lead tablets were looking for. Nemea is the one exception, and it might well lie with Opheltes Archemoros, and not with Zeus, with the small child forgotten on the ground and killed by a venomenous snake, whose second name defines him as the “begin of death” – not because he is a chthonic power but because he is almost the paradigmatic human.36

34 35 36

See Engelmann 1975; Moyer 2011, 142–207. Plat. leg. 399c. Bacchyl. Ep. 9,12; Apollod. 3,6,4 = 3,64–66; on the etymology Eur. frg. 12,283 Page; Pind. N. 8,5.

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Griechische Heiligtümer als Handlungsorte und die Ausbildung von Wissenskulturen im antiken Griechenland Klaus Freitag

Seit etwa 20 Jahren hat das Konzept der Wissenskulturen in vielen Bereichen der Geisteswissenschaften Konjunktur. Dabei geht es darum, die Verwendung und die Vermittlung von Wissen vor dem jeweiligen gesellschaftlich-kulturellen Hintergrund mit historischen Methoden und Fragestellungen zu untersuchen.1 Es stehen Fragen im Vordergrund, wie in den Gesellschaften Alltags-, Erfahrungs-, Handlungs-, Experten- und Sonderwissen, um hier einmal die unterschiedlichen Formen von Wissensbeständen zu erwähnen, erworben, organisiert und weitergegeben wurden. Wissensgeschichte umfasst generelle Fragen, die sich auch mit dem Problem auseinandersetzen, wie neues Wissen und Innovationen hergestellt wurden. Im Mittelpunkt steht auch prekäres und notorisch unsicheres Wissen in Phasen von Krisen oder in Zeiten, in denen sich die Gesellschaften tiefgreifenden Wandlungen ausgesetzt sahen. Untersucht werden Institutionen, die Wissen produzieren, die dafür Akzeptanz finden und die dieses mit dem Anspruch auf Überprüfbarkeit bewahren. Auch die beteiligten Akteure wie Gelehrte, Wissenschaftler, Weise, Sachverständige, Experten, Spezialisten und Intellektuelle werden zum Forschungsgegenstand, die tatsächlich oder vorgeblich über Wissen verfügten und deren Autorität in Wissensfragen häufig nicht in Frage gestellt wurden. Wenn wir vor diesem Hintergrund auf die Religion im antiken Griechenland zu sprechen kommen und vor allem Heiligtümer in den Blick nehmen als Handlungsorte im Kontext von Wissenskulturen, dann steht man vor großen methodischen Problemen. Im antiken Griechenland steht die Frage, was Wissen ist, wie man es erwerben und nutzen kann, seit frühester Zeit im Mittelpunkt des Denkens. Die ‚religiöse Wissenskultur‘ im antiken Griechenland richtete sich vor allem an einer kulturellen Praxis aus, die auf den Umgang mit religiösem Wissen zielte.2 Dieses Wissen war ein durch verschiedene Sozialisationsinstanzen (unter anderen Familie, Kultverband und Polis) weitergegebenes und fortlaufenden Veränderungen unterworfenes soziales Phänomen. Die Organisation des Wissens über Religion in der griechischen Antike wurde kaum institutionalisiert, was aber eher für die Offenheit und Transparenz der 1 2

Zittel 2014, 29–42. Vgl. Pahl 2006.

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Einstellung Griechen spricht. Heiligtümer dienten als Rahmen für rituelle Inszenierungen und einer religiösen Kommunikation, in der Wissen über Götter und die Formen und Inhalte, die mit regulärer Kultausübung in Verbindung standen, durch „nachahmendes Mitmachen“3 vermittelt wurde. Die in Heiligtümern präsenten religiösen Akteure, vor allem Priesterinnen und Priester4 und Orakelausdeuter (manteis und Chresmologen),5 die häufig als interessierte Laien auftraten, fungierten durchaus wissensbewahrend und -vermittelnd. Es gab aber keinen Priesterstand, der auf Grundlage von ‚heiligen Büchern‘ theologische Dogmen aufstellte. Die Priesterschaften waren nicht nach eigenen Regeln organisiert. Sie bildeten niemals eine machtvolle, in sich geschlossene Gemeinschaft.6 Es gab in den griechischen Poleis keine Bemühungen, das religiöse Wissen kanonisch zusammenzufassen, zu systematisieren und zu hierarchisieren. Wenn dies ansatzweise, wie in der Theogonie Hesiods oder in der orphischen Götterlehre dann doch geschieht, dann in einer sehr offenen Art und Weise, die stark vom individuellen Zugriff des einzelnen Verfassers geprägt war. Es gab keine ‚heiligen‘ Schriften, die Inhalte und Formen von ‚richtiger‘ Kultausübung offiziell fixierten und die als Anweisung dienen konnten. Zwar findet sich schon bei Herodot der Ausdruck hieros logos („Heiliger Text“ oder „Heilige Geschichte“).7 Diese Texte gehörten häufig der orphisch-dionysischen Tradition an und zählten bisweilen unmittelbar zum geheimen Kultgeschehen. Sie dienten als fundierende Texte zur Ableistung von Rechenschaft und spielten vor allem unter bestimmten restriktiven Bedingungen eine Rolle, die z. B. im Mysterienkult wichtig wurden. Der Derveni Papyrus präsentiert eine orphische Theogonie aus dem 5./4. Jahrhundert v. Chr., die einer naturphilosophischen Allegorese unterzogen wird.8 Die religiösen Texte und „Dokumente“, die in Heiligtümern inschriftlich zu finden waren und mit den Heiligtümern in Verbindung standen, wie Weihungen, Heilige Kalender, Orakeltexte, Fluchtäfelchen oder ‚Heilige Gesetze‘ waren von ihren Inhalten sehr vielgestaltig und viele von ihnen waren im eigentlichen Sinne situationsgebunden. Sie repräsentierten nicht einen Versuch, systematisch religiöses Denken zu fixieren, sondern sie spiegelten den häufig zugleich auch problematischen Einzelfall.9 Bei den Griechen zielte religiöses Wissen nicht in erster Linie auf die Überprüfbarkeit von offenbartem Wissen, sondern beschäftigte sich mit der Vernetzung von Wissensbeständen und fragte mitunter kritisch nach deren Akzeptanz. In den griechischen Gesellschaften wurde selbstverständlich ausführlich über Religion, Kulte und Götter nachgedacht und man hat diese Diskurse in unterschiedlichen literarischen Gattungen schriftlich fixiert. In der Dichtung und in philosophischen und historiographischen Texten wurden ausführlich religiöse und mytho3 4 5 6 7 8 9

Burkert 2011, 158. Sinn 2004, 106; Frateantonio 2009. Flower 2008, 240. Leppin 2010, 74. Z. B. Hdt. 2,81,2. Vgl. nur Tsantsanoglou 2014, 446–452; Kotwick/Janko 2017. Gehrke 2013, 71–86.

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logische Fragen thematisiert und diskutiert. Die dichterische Überlieferung formte eine reichhaltige gemeinsame Mythologie, in der auch religiöses Wissen gespeichert wurde, das aber in der Regel primär auf einen einzelnen Gott oder ein Heiligtum bezogen wurde.10 Götter erhielten überall in der griechischen Welt dieselben Namen und auch die Erzählungen, in die sie einbezogen worden waren, trugen häufig die gleichen Züge. Einigen Dichtern war es gelungen, die Mythen in einen panhellenischen Diskurs zu stellen. Die Griechen haben schon früh erkannt, dass das Wissen über die Herkunft ihrer Götter nicht sehr alt war. Herodot, der ein großes Interesse an religiösen Fragen hat, nimmt sogar an, die Dichter Homer und Hesiod seien es gewesen, „die den Hellenen ihr Göttergeschlecht geschaffen, ihnen ihre Namen gegeben, die Aufgaben und Tätigkeiten unter ihnen verteilt und ihre Gestalten beschrieben haben“.11 Vor allem Hesiod hat in seiner Theogonie den Versuch unternommen, die Totalität der vorgestellten Wirklichkeit zu begreifen und Ordnung und Struktur in eine komplexe Welt zu bringen. Diese ‚Götterlehre‘ des Homer und des Hesiod wurde schon früh kritisiert, u. a. von Xenophanes von Kolophon,12 der sich vor allem gegen die anthropomorphe Gottesvorstellung des Homer wendeten. Die Sichtweise, dass Homer und Hesiod das ‚Wissen‘ über die Götter maßgeblich prägten, hielt sich noch lange in der Antike.13 I. Die panhellenischen Heiligtümer als Orte des Expertenwissens und ihre Rolle in der Wissenskultur der Griechen Die panhellenischen Heiligtümer wurden zu wichtigen Knotenpunkten im antiken Griechenland, in denen auch der Diskurs über Wissen wichtig war. Sie waren eingebettet in weitgespannte soziale und politische Netzwerke zwischen den Poleis und Ethne. Einige Heiligtümer übernahmen von allen Griechen akzeptierte Spezialfunktionen, in denen spezifische Wissensbeständen durchaus eine zentrale Rolle spielten. Die Götter wurden häufig durch ein Medium vertreten vor Ort in beeindruckender Inszenierung aktiv, in der auch ‚Expertenwissen‘ zur Anwendung kam. Im Rahmen des Orakelwesens im antiken Griechenland wurden bestimmte Wissensbestände eingebracht und das gilt nicht nur für die großen panhellenischen Orakelstätten, sondern auch für die vielen Heiligtümer, in denen Orakel existierten, die in intra- und extra-urbanen Heiligtümern vorhanden waren und in denen ganz unterschiedliche Prozeduren angewendet wurden, die die Kommunikation zwischen Gottheit und den Menschen ermöglichen sollten. Über das Orakel in Delphi gibt es eine lebhafte Debatte, in der eine Diskussion über eine Erdspalte, aus der Dämpfe hervortreten sein sollen, und die Rolle und 10 11 12 13

Landfester 2005, 333. Hdt. 2,53. VS 21 11 DK = frg. 11 Heitsch. Landfester 2005, 332–333.

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Inspiration der Pythia im Vordergrund stehen.14 Das Apollon-Orakel in Delphi soll sich im Verlauf der Zeit zu einer regelrechten Informationszentrale im Rahmen der Kolonisationsaktivitäten entwickelt haben,15 in denen man sich mit kontroversen und problematischen Themen beschäftigte. Apollon war der Gott, mit dem die Griechen eine gute und gerechte Organisation ihrer Poleis in Verbindung brachten. Viele Gründungsgeschichten berichten darüber, dass ein Oikist vor der Einrichtung einer Kolonie nach Delphi gekommen sei und dort das Orakel befragt hatte, das ihn mit der Gründung beauftragte und in Form von rätselhaften Sprüchen den Weg gewiesen habe. In der älteren Forschung ist man davon ausgegangen, dass im Heiligtum von der Priesterschaft in Delphi Informationen über ferne Länder und günstige Seerouten gesammelt wurden. Die Priester hätten über viel Wissen verfügt und seien zu Lenkern der griechischen Kolonisationsaktivitäten geworden. Dies wird heute weitgehend bestritten, auch weil man mit Blick auf viele Orakelsprüche nicht mehr von deren Authentizität überzeugt ist, sondern sie für nachträgliche Erfindungen hält.16 Zuletzt hat aber R. Schulz noch einmal darauf hingewiesen, dass die Priester in Delphi durchaus Wissen über ferne Küsten und Länder gesammelt haben. Das ApollonHeiligtum habe durchaus einen geschützten Raum für den Erfahrungsaustausch geboten.17 Demnach sei die Priesterschaft zu einer „überregionalen Instanz“ geworden, die ihr „Wissens- und Erfahrungsmonopol“ mit religiöser Autorität verband und Delphi zu einem „geistigen Umschlagplatz“ und zu einem Kulminationspunkt des Denkens machte. Nach I. Malkin habe sich Delphi zu einem Hauptquartier innerhalb eines Netzwerks entwickelt.18 Auch die Legende der Sieben Weisen war bald fest mit Delphi verbunden, die sich dort getroffen haben sollen und deren Sprüche wie „Erkenne Dich selbst“ und „Nichts allzusehr“ im Apollon-Heiligtum „als Erstlingsgabe der Weisheit“ aufgezeichnet worden seien, die vermutlich rein delphisch sind.19 Die Leitsprüche, die als Anleitung zur rechten Lebensführung dienten, verbanden das Heiligtum mit erzieherischem Anspruch, in dem Weisheit untrennbar mit Delphi verbunden war.20 Die Praxis eines Orakelheiligtums wird vor allem durch die Orakelanfragen und -antworten beleuchtet. Deswegen ist ein Blick auf diese in anderen Heiligtümern hilfreich. In den Orakeltäfelchen, von denen insgesamt bislang etwa 5.000 Exemplare gefunden wurden, aus dem Zeus-Heiligtum von Dodona sind Anfragen von Poleis und von Privatpersonen, Frauen und Männern, Freien und Sklaven und Menschen von unterschiedlicher Abstammung überliefert. In manchen Fällen haben sich auch die Antworten des Orakels erhalten. Dabei ist auffällig, dass sich die Anfragen, auf die auch in einem Losverfahren geantwortet wurde, nicht nur an Zeus und seine Frau 14 15 16 17 18 19 20

Kindt 2015, 268–278. Forrest 1957, 160–175; Osborne 2016, 21–26. Morgan 1990, 172–175; Miller 1997; Rosenberger 2006, 195. Schulz 2016, 137–139. Malkin 2011, 203. Plat. Prot. 343a-b. Asper 2006, 83–104. Rosenberger 2001, 114–115.

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Dione gerichtet wurden, sondern auch an andere Gottheiten wie Hestia, Themis und Tyche.21 Es stehen religiöse Fragen und persönliche Anliegen in Situationen von Unsicherheit und Sorgen im Vordergrund.22 Über die Art und Weise der Archivierung der Orakeltäfelchen aus Dodona ist man nicht weiter informiert. Das Apollon Orakel von Didyma in Milet, dessen Orakeltätigkeit man nach der Zerstörung des Heiligtums in den Perserkriegen wiederaufnahm,23 wurde in hellenistischer Zeit häufig von Poleis offiziell angefragt.24 Leider weiß man hier wenig über die Praxis der Orakelanfragen. In der römischen Kaiserzeit sind hingegen fast ausschließlich Anfragen von Privatpersonen überliefert.25 Eine beträchtliche Zahl von Orakeln liegt inschriftlich überliefert vor. Im 2. Jahrhundert. v. Chr. existierte im Heiligtum ein Schreibbüro, das sich mit dem Abfassen von Orakelsprüchen beschäftigte und das Chresmographion genannt wurde.26 Über die Funktion des ‚Schreibbüros‘ ist viel spekuliert worden. So wurde darüber gerätselt, ob sich hier die Orakelbefragenden, die den heiligen Bezirk selbst nicht betreten durften, einfanden, um ihre Anfragen verschriftlichen zu lassen, oder ob vor Ort ein zentrales Archiv angelegt war.27 Man findet demnach zwar einige Hinweise zur Archivierung von Orakeln in Heiligtümern, die Praxis war jedoch offensichtlich wenig systematisch organisiert. Im Rahmen der Heilkunde entwickelten sich die Asklepieia, vor allem das Asklepios-Heiligtum von Epidauros zu Zentren, die über medizinisches Know-how verfügten, das von den Priestern und den Bediensteten eingebracht wurde. Die Entwicklung der ‚professionellen‘ Medizin spiegelt sich in den ältesten Teilen des hippokratischen Corpus wider und wirkte sich auf den Aufschwung des Asklepios-Kultes seit dem Ende des 5. Jahrhundert v. Chr. aus. Im Zentrum stand die Inkubation, der Tempelschlaf, der das wichtigste Element einer Tempelheilung war. In der Prozedur sah man vor, nach dem Schlaf mit einer autorisierten Person zu sprechen, um Anweisungen zur Kurierung des Leidens zu erhalten.28 Die ‚Wunderinschriften‘ aus dem 4. Jahrhundert v. Chr., die unter der Überschrift „Heilungen des Apollon und des Asklepios“ veröffentlicht wurden, überliefern Berichte über Wunderheilungen, die von der Priesterschaft in Epidauros verfasst worden sind und die im Apollon/Asklepios Heiligtum aufgestellt wurden.29 Sie waren dort noch zur Zeit des Pausanias zu sehen, der betont, dass einst sehr viele Stelen im Heiligtum zu finden waren: „Innerhalb des 21 22 23 24 25 26 27

28 29

Chaniotis 2018, 23–24. Lhôthe 2006; Eidinow 2007, 347; Dakaris et al. 2013. Furtwängler 2014, 241–248. Günther 1971, 124–127. Fontenrose 1988, 177–244; Oesterheld 2008, 578–592. I.Didyma 31, 32. Möglicherweise kann man das von Strab. 14,1,5 erwähnte Manteion mit diesem Gebäude gleichsetzen. Im Orakel-Heiligtum des Amphiaraos von Oropos, das in hellenistischer Zeit prosperierte, wird von dem Exegeten, Iophon von Knossos, berichtet, dass er Orakel in Hexametern herausgegeben hat, von denen er behauptete, Amphiaraos habe sie gegen die nach Theben ziehenden Argiver erteilt. Dieses Zeugnis hätte bei der Menge große Anziehungskraft gefunden. Paus. 1,34,4. Jones 2001, 35. Rubel 2013, 447–472. Herzog 1931; LiDonnici 1995, 112–113.

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heiligen Bezirks standen vor alters viele Stelen, zu meiner Zeit noch sechs. Auf ihnen sind die Namen von Männern und Frauen verzeichnet, die von Asklepios geheilt wurden, und dazu die Krankheit, an der jeder litt, und wie er geheilt wurde.“30 Die Hauptfunktion der Inschriftenstelen lag in der werbenden Beweisführung für die Heilkraft und die Größe des Gottes, auch wenn U. von Wilamowitz-Moellendorff die Priester,31 die die Wundergeschichten zusammengestellt hatten, des ‚Kurschwindels‘ bezichtigt hatte. Die Wundergeschichten deuten an, dass die Priester ein gewisses Grundwissen und -fertigkeiten in medizinischen Fragen mitbrachten, welche sie auch anwendeten. B. Manuwald hat die Iamata aus dem Asklepios-Heiligtum als Dokumente eines religiösen Kommunikationssystems aufgefasst.32 Vor dem Hintergrund der rituellen Heilungsverfahren wurden die Stelen mit den Heilungsberichten als Dankvotive und zugleich als Teil einer systematischen Werbe- und Informationspolitik behandelt, in der die heilende Kraft des Gottes herausgestellt werden sollte. H. Solin hat darauf hingewiesen, dass die Wunderberichte die Existenz von ‚Archiven‘ voraussetzen, in denen Pinakes, die im Heiligtum in Epidauros in großer Zahl zu finden waren, verwahrt wurden.33 Er betont, dass wissenschaftlich geschulte Ärzte zwar durchaus ein Nahverhältnis zum Asklepios-Kult aufweisen konnten, dass aber ihre Tätigkeiten jedoch wenig mit den Aktivitäten zu tun haben, die anhand der epidaurischen Wunderheilungsberichte erkennbar werden. Die Wunderheilinschriften stellten den Heilschlaf im Abaton und das Wirken des Gottes Asklepios in den Vordergrund. Es war selbstverständlich der Gott, der im Traum erscheint und Operationen vornahm, Binden anlegte und Heilmittel verordnete. Asklepios soll selbst Arznei aufgekocht und einem Kranken in die Augen hineingegossen haben. Man wird die Aktivitäten des Gottes in ihrer literarischen Ausgestaltung durchaus mit den Tätigkeiten von ärztlichem Personal in Verbindung bringen können, das sich um ihre Kranken kümmerte. Der Tempelschlaf wurde ergänzt durch medizinische Maßnahmen, die Priester vornahmen, die man auch schon als „Priesterärzte“ bezeichnet hat.34 Sie stellten Medikamente bereit und wendeten physiotherapeutische Maßnahmen an, die die Leiden der Kranken beseitigen sollten. Man hat auch darüber spekuliert, ob die Priester in Epidauros selbst medizinische Operationen im Heiligtum vorgenommen hatten. H. Solin hat das ausgeschlossen, auch indem er darauf verweist, dass keine chirurgischen Instrumente während der Ausgrabungen gefunden wurden.35 Seiner Ansicht nach verfügten die Priester nur über rudimentäre medizinische Grundkenntnisse. Sie waren keine professionellen Ärzte, sondern wurden jährlich gewählt und stammten aus alten Priesterfamilien.

30 31 32 33 34 35

Paus. 2,27,3. Wilamowitz-Moellendorff 1886, 37. Manuwald 2007, 89–120. Strab. 8,6,15. Solin 2013, 38. Kudlien 1967, 16. Solin 2013, 38.

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II. Pilger, Besucher und Gesandte in Heiligtümern und die Präsentation von Wissen Pilger, Besucher und Gesandte traten häufig in Heiligtümern auf als Gelehrte bzw. Intellektuelle, so wird dies vor allem in späteren Quellen beschrieben, um ihre Thesen, ihre Werke und Wissensgebiete vorzustellen und sich in kurzer Zeit vor einer großen Öffentlichkeit bekannt zu machen. Philosophen, Historiker und Dichter agierten vor allem in den panhellenischen Heiligtümern. Philosophen und andere ‚Gelehrte‘ sind in klassischer und hellenistischer Zeit aber in der Regel nicht nach Olympia und Delphi gekommen, um dort ihre philosophischen oder andere wissenschaftliche Inhalte zu präsentieren.36 Wichtig war der öffentliche Rahmen, der vor allem die Feste prägte. Die ‚Gelehrten‘ begaben sich, dieser Aspekt wird zumindest in dem antiken Quellenmaterial immer wieder betont, häufig in den Heiligtümern in eine Art kompetitiven Wettbewerb mit anderen. Kommen wir zuerst auf Olympia zu sprechen: Der Naturforscher Anaxagoras aus Klazomenai soll während der olympischen Spiele, zur Zeit, in es am wenigsten zu regnen pflegt,37 das Stadion mit einem ledernen Mantel bekleidet betreten haben, weil er wusste, dass es regnen würde.38 Als ein Wolkenbruch heruntergegangen war, hätte ganz Hellas Anaxagoras gepriesen und behauptet, dass seine Weisheit mehr die eines Gottes als die eines Mannes gewesen sei. Dies sind alles spätere Rekonstruktionen, die wenig mit historischer Realität zu tun haben. Man wird aus diesen Überlegungen wohl nicht ableiten können, dass Anaxagoras wirklich die Exaktheit seiner meteorologischen Studien in Olympia unter Beweis stellen konnte. Der Grund, wieso man die Geschichte in Olympia hat sich ereignen lassen, bestand allein darin, dass man ein Forum gesucht hat, um den Ruhm des Anaxagoras zu vergrößern. Unter den weiteren Besuchern, die im Heiligtum von Olympia in intellektueller Weise agierten und Reden vortrugen, waren Männer wie Gorgias von Leontinoi, der in Olympia und Delphi Reden hielt, Hippias aus Elis und Lysias, dem ebenfalls eine Rede in Olympia zugewiesen wurde. Auch Polos von Akragas, Prodikos von Keos, Anaximenes von Lampsakos sollen in Olympia Vorträge gehalten haben.39 In der römischen Kaiserzeit sind u. a. Dion Chrysostomos,40 Apollonios von Tyana,41 Herodes Attikus42 und Peregrinus Proteus (s. u.) als Redner in Olympia belegt. Dion Chrysosthomos kritisierte das unwürdige Auftreten von Rednern während der Spiele.43 Gorgias, dem seine Tätigkeiten als Sophist und Redner großen Reichtum gebracht hatten, hat in Olympia Reden gehalten.44 Er habe 408 v. Chr. in einer hoch36 37 38 39 40 41 42 43 44

Scholz 2006, 50. Lee 2001. Philostr. Ap. 1,2,24–26; Ail. nat. 7,8; Diog. Laert. 2,10. Lukian. Herodot. 3. Dion Chrys. or. 12,15. Philostr. Ap. 4,31. Philostr. soph. 5,57. Dion Chrys. or. 12,15. Philostr. soph. 1,9,2.

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brisanten Thematik die Griechen zur Einheit aufgerufen und zu einem gemeinsamen Unternehmen gegen das Perserreich aufgefordert.45 Außerdem sprach er ein Lob über die Eleer aus, das sich auf die Veranstalter der Festveranstaltungen bezog. In Olympia stand eine Statue des Gorgias, die von seinem Großneffen Eumolpos errichtet worden ist.46 Dieser lobt in einer Inschrift, dass niemand anderes als Gorgias besser die Kunst (Techné) erfunden hätte, den Geist für den Wettkampf um Areté zu üben.47 In Delphi habe dieser eine Rede vom Altar aus vorgetragen,48 über deren Inhalt man nicht informiert ist. Er hat eine goldene oder eine vergoldete Statue, aus eigenen Mitteln finanziert, im Tempel aufstellen lassen.49 In einem Dialog des (Pseudo-?)Platon wird Hippias aus Elis gefragt, ob er dem Sokrates nach seinem langen Vortrag auf dessen Fragen antworten werde. Hippias verweist selbstbewusst darauf, dass er häufig von seiner Heimatstadt Elis ins Heiligtum nach Olympia gegangen sei, um dort als Redner zu unterschiedlichen Themen in der Festversammlung der Hellenen während der Spiele aufzutreten. Er hat er Reden angekündigt und ehrgeizig bekundet,50 dass er in der Lage sei, auf jede beliebige Frage zu antworten.51 Sokrates betont darauf hin, Hippias sei offensichtlich zu jedem Fest in Olympia gegangen in großer Zuversicht auf seine Weisheit. Hippias entgegnet, dass er, nachdem er begonnen habe, sich in Olympia im Wettkampf zu zeigen, noch auf niemanden gestoßen sei, der ihm überlegen gewesen ist.52 Hier wird – wie häufig in dem antiken Quellenmaterial – das Herausstellen der angeblichen Weisheit in Olympia mit einem Kampf im Rahmen eines olympischen Agons verglichen. Philostratos ergänzt,53 Hippias habe ganz Hellas betört mit seinen gut begründeten Reden. In Olympia soll er auch seine Epen, Tragödien und Dithyramben bekannt gegeben haben.54 Von Hippias wird auch behauptet, dass er alle Kleidungsund Schmuckstücke, die er einmal in Olympia am Leib und bei sich getragen hatte, selbst hergestellt habe.55 Man wird diese Stilisierung wohl mit der generellen Kritik des Platon an den ‚Sophisten‘ in Verbindung bringen können. Wenn sich hier eine Selbstinszenierung des Hippias widerspiegelt, dann wurde die Autarkie des Weisen und seine handwerklichen Fertigkeiten, die mit theoretischen Wissen verbunden waren, in den Vordergrund gerückt. Nach Pausanias wurde Hippias von Griechen als der ‚Weise‘ bezeichnet.56 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56

Aristot. rhet. 3,14,1414b29–33; Clem. Al. Strom. 1,51,3. Paus. 6,17,7–9; IvO 293; Morgan 1994, 375–386. Himmelmann 2001, 14–17. Philostrat. soph. 1,9,2. Cic. orat. 3,129; Plin. nat. 33,83; Val. Max. 8,15 ext. 2; Paus. 10,18,7; Dion Chrys. or. 37,28. Athen. 11,505d. Pekáry 2007, 101–102. Schütrumpf 1972, 28. Plat. Hipp. mai. 285e. Xen. symp. 4,62. Plat. Hipp. min. 363c7, 364a8, 368b5. Philostr. soph. 1,11. Plat. Hipp. min. 368b-d. Plat. Hipp. min. 368c. Paus. 5,25,4.

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Lysias forderte in seinem Olympiakós im Jahre 388 v. Chr. die Griechen auf, ihre fortwährenden Streitigkeiten beizulegen und den Kampf gegen ihre Feinde, die Perser und den Dionysios I. von Syrakus, aufzunehmen.57 Ihm gelang es, einen Proteststurm gegen den Tyrannen und gegen Sparta auszulösen, das sich anschickte, ein Bündnis mit Dionysios und den Persern zu schließen.58 In einem Fragment aus dem Olympiakós heißt es, dass Herakles das Fest in Olympia auch zur Schaustellung der Geisteskraft der Griechen gegründet hat.59 Platon war 360 v. Chr. zu den Spielen nach Olympia gereist, um sich mit Dion von Syrakus heimlich zu treffen,60 der im Begriff war, gegen Dionysios II. von Syrakus ins Feld zu ziehen. Platon habe, so Ailian, dort mit anderen in einem Zelt gewohnt, welche er nicht kannte. Mit der Zeit hätten die Besucher jedoch großen Gefallen an ihm gefunden. Bei Diogenes Laertios wird behauptet,61 dass alle Griechen in Olympia sich nach ihm umgedreht und ihre Augen auf ihn gerichtet hätten.62 Platon wird in dieser Tradition nachträglich mit einem öffentlichen Auftritt in Olympia in Verbindung gebracht, um dessen Ruhm zu betonen. Nach Lukian aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. hätte Herodot beabsichtigt, sich mit seinen Historien ohne großen Aufwand an Zeit, Mühen und Unkosten bei den Griechen bekannt zu machen.63 Er habe dazu die Olympischen Spiele genutzt. Er trat dort in einem günstigen Moment nicht als Zuschauer auf, sondern wie ein Wettkämpfer und er trug seine Geschichten im Opisthodom des Zeustempels vor.64 Bei Lukian werden erneut agonale Aktivitäten betont, in die die Präsentation von historischen Wissen gestellt worden sein soll. Herodot habe mit seinem Vortrag die Anwesenden in hohem Maße beeindruckt, so dass seine Bücher, neun an der Zahl, nach den Musen benannt wurden. Sein Name war – so fasst Lukian seine Ausführungen über dessen Auftritt in Olympia zusammen – nun in Griechenland weitverbreitet.65 Nach späten Quellen hätte Thukydides, der noch ein Kind war, Herodot in Olympia gehört und er sei vor lauter Ergriffenheit in Tränen ausgebrochen.66 Diese gesamte Geschichte wurde wohl in einer späteren Tradition erfunden, die auch kritisch mit Herodot umgegangen ist und ihn als ‚Sophisten‘ abstempelte.67 Der Astronom und Mathematiker Oinopides aus Chios (5./4. Jh. v. Chr.) weihte in Olympia während der Spiele eine bronzene Tafel,68 auf der von ihm ein Vorschlag 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68

Dion. Hal. Lysias 29; Diod. 14,19,3. Diod. 14,19,3–6. Lys. or. 33,2. Plat. ep. 7,345c-351e; Ail. var. 4,9; Burkert 2000, 80. Diogenes Laertios beruft sich auf Neanthes von Kyzikos: FGrHist 84 F 22. Dazu Schorn 2007, 127. Diog. Laert. 3,35 nach Neanthes von Kyzikos, FGrHist 84 F 32. Vgl. auch Plat. epist. 7,350c-d. Philod. Ind. Acad., col. X, ll. 2–5; Haake 2007, 255; Schorn 2007, 124. Lukian. Herodot. 1–2. Krause 2015, 164–166. Crowther 2001, 37–52; Sinn 2004, 175. Suda, s. v. Thoukydides; Will 2015, 9. Erbse 1955, 102–103. Bodnár 2008.

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für eine neue Jahres-Zeitrechnung unterbreitet wurde.69 Er habe dort einen Kalender ausgestellt, der auf einem Schaltzyklus von 59 Jahren beruhte und die Länge eines Jahres auf 365 22/59 Tage bestimmte. Der Vorschlag des Gelehrten konnte sich jedoch nicht durchsetzen.70 Der Philosoph Alexinos von Elis, ein bedeutender Dialektiker der Megarischen Schule, war im 3. Jahrhundert v. Chr. bei seinem Versuch, eine „Olympische“ Philosophenschule in Olympia zu gründen, kläglich gescheitert.71 Alexinos sei von seinen Schülern bald verlassen worden, als die Mittel zum Unterhalt ausgingen und die ungesunde Ortslage erkannt wurde. Er blieb nur von einem Diener begleitet allein zurück und sei später beim Schwimmen im Alpheios gestorben.72 Das Heiligtum von Olympia war auch wegen des Fehlens eines urbanen Kontextes kein Ort, um dauerhaft Philosophie zu treiben.73 Der bekannte Philosoph Peregrinos Proteus,74 der von einigen, vor allem von Lukian, als Scharlatan bezeichnet wurde, inszenierte seine Selbstverbrennung nach Beendigung der Olympischen Spiele wahrscheinlich im Jahr 165 n. Chr. in der elischen Stadt Harpine.75 Peregrinos hielt sich mehrfach in Olympia auf. Im Jahre 153 n. Chr. kritisierte er Herodes Attikus wegen dessen Baumaßnahmen und er habe, nachdem er den Zorn der Besucher auf sich gezogen hätte, sich in den Zeus-Tempel geflüchtet.76 Er hatte 165 n. Chr. seinen Tod in einer Rede77 angekündigt, die er wie Herodots angebliche Lesung im hinteren Raum des Zeus-Tempels gehalten haben soll. Wieso er seine Selbstverbrennung in der 20 Stadien von Olympia entfernten Stadt Harpine durchführte, bleibt unklar. Es wurde vermutet, dass dies geschah, weil in Olympia – wie in jedem griechischen Heiligtum – Bestattungen verboten waren.78 Die Motivation des Peregrinos für seinen selbstzerstörerischen Akt in Harpina war die große Öffentlichkeit, die das benachbarte Heiligtum von Olympia bot.79 In Delphi wurden in hellenistischer Zeit und vor allem in der römischen Kaiserzeit einige ‚hommes de lettres‘, vor allem Dichter und andere Literaten geehrt, wenn deren literarischen Aktivitäten für das Heiligtum von Nutzen waren und sich auf diese Weise das Prestige der Kultstätte steigern ließ.80 Hierbei mag sich besondere Atmosphäre im Heiligtum Delphi durch die musischen Agone und eine spezifische 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80

Ail. var. 10,7. Wacker 1995, 136 vermutet, Oinopides habe die Bronzetafel in der Palästra in Olympia aufgestellt, weil dort ein entsprechend interessiertes Publikum anzutreffen war; Strasser 2004, 338–351. Diog. Laert. 2,109–110, der sich auf Hermippos aus Smyrna beruft; Bäumler/Wacker 2008, 71–87. Nach Athen. 15,696e-f war Alexinos auch Verfasser eines Paians zu Ehren von Krateros von Makedonien, der in Delphi von einem Kind vorgetragen worden sein soll. Haake 2006, 524. Spickermann 2012, 111–132; Huttner 2009, 295–320. Thuk. 5,50,3; Strab. 8,3,32; Paus. 6,21,8. Zur Lokalisierung Roy 2002, 235. Lukian. Peregr. 19–20. Vier Jahre später hätte Proteus den Herodes für sein Engagement in Olympia gelobt. Lukian. Peregr. 32–33. NIvO 117. Haake 2006, 523–544. Bouvier 1985.

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apollonische bzw. delphische Ideologie, die vor allem von der Priesterschaft getragen wurde, ausgewirkt haben. In Delphi traten Redner, Philosophen, Dichter und andere Künstler auf und zeigten dort vor einer großen Öffentlichkeit ihre Fähigkeiten.81 Der Philosoph Menedemos von Eretria war im 3. Jahrhundert v. Chr. in Delphi präsent, der dort als Hieromnemon der Amphiktyonie seiner Heimatstadt agierte. Er wurde wohl auch wegen seiner Verdienste geehrt,82 ein brachygraphisches System erfunden und in einer Abhandlung ausgearbeitet zu haben, das zur Platzersparnis im Rahmen der Stenographie diente. Nikandros von Kolophon wurde in Delphi als Dichter geehrt, der möglicherweise in einem Epos Aitolika die erfolgreiche Keltenabwehr der Aitoler in Delphi literarisch ausgestaltet hatte.83 Im 2. Jahrhundert v. Chr. ehrte die Polis Delphi den historiographos Aristotheos aus Troizen, der sich gegenüber dem Tempel würdig erwiesen, der über viele Tage öffentliche Lesungen aus seinen Werken veranstaltete und Vorträge gehalten hatte, in denen er Lob für die Römer aussprach.84 Es ist nicht ganz klar, ob Aristotheos wirklich im Heiligtum seine Lesungen veranstaltet hat. Er ist auf jeden Fall der erste ‚Historiker‘, der in Delphi erwähnt wird. Philosophen wurden häufig in der Kaiserzeit in Delphi geehrt. Es ist vermutet worden, dass sich hier die Nähe der Polis Delphi zum Heiligtum positiv ausgewirkt hatte.85 Auch auf der Insel Delos wurden in hellenistischer Zeit Literaten geehrt, die man mit dem Apollon-Heiligtum in Verbindung brachte. Zu Beginn des 3. Jhs. v. Chr. wurde Demoteles, ein Dichter aus Andros, vom Demos geehrt, der sich in seinem Werk ausführlich mit dem Heiligtum und der Polis Delos beschäftigte und der lokale Mythen zusammengestellt hat.86 Wegen ähnlicher Dienste erhielten auch der Dichter Amphiklos aus Chios87 und Ariston von Phokis88 Ehrungen. Der kynische Philosoph Diogenes von Sinope wird in der antiken Tradition vor allem mit den Isthmischen Spielen in Verbindung gebracht. Er habe generell gerne panhellenische Festversammlungen besucht, um dort Menschen zu beobachten.89 Er sei auch nach Olympia gekommen, um dort an der Festversammlung teilnehmen.90 In Zusammenhang mit verschiedenen Versionen über seine Verbannung91 und einer Erklärung, wie er zum Philosophen wurde, wird dieser mit einem Apollon-Heiligtum in Verbindung gebracht. Er habe ein Apollon-Orakel entweder in Delphi, auf Delos oder im Delion in Sinope befragt, als er in seiner Heimat den Plan gefasst hatte, 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91

van Liefferinge 2000. SEG XV 336; Bousquet 1956, 20–32. Es gibt Probleme bei der Datierung der Inschrift und bei der Zuweisung zu einem Nikandros, Syll.3 452; Rutherford 2009, 247; Massimilla 2000, 127–36. FD III 3, 124; Chaniotis 2009, 260. Haake 2006, 536. IG XI 4, 544; Chaniotis 1988, 344–345; Constantakopoulou 2017, 141. I.Délos 1497; IG XI 4, 572 (ca. 260 v. Chr.). Er wurde auch Delphi geehrt: FD III 3, 217. I.Délos 1506. Dion Chrys. or. 8,11–12; 9,1–2, 14–15, 22. Diog. epist. 38 (= Luck 513); Ail. var. 9,34. Hartmann 2002, 63.

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Falschmünzerei zu betreiben. Das Orakel hätte geweissagt, er solle die „staatliche Ordnung“ (politikon nomisma) umprägen lassen, und dann hätte Diogenes seinen Plan ausgeführt, nachdem er das Orakel falsch gedeutet habe.92 Mit politikon nomisma sei nicht öffentliches Geld gemeint gewesen, sondern die politische Ordnung eines Staates, die er in Unordnung bringen sollte. Die erhaltenen Quellen machen deutlich, dass die Diskurse über das Auftreten von Intellektuellen in Heiligtümern vor allem von literarischen Gesetzmäßigkeiten geprägt sind, in denen die biographischen Traditionen mit bestimmten Topoi behandelt wurden. Diese Topoi wurden häufig verbunden mit einer panhellenischen Ebene, die die Atmosphäre in den großen Heiligtümern auszeichnete. Hierbei wird vor allem betont, dass die Heiligtümer den Intellektuellen ein Forum geboten hätten, in dem sie ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen konnten. In den Inschriften wird der konkrete Bezug auf das Heiligtum deutlicher thematisiert, wenn man vor allem den Nutzen der intellektuellen und literarischen Aktivitäten für den Gott und das Heiligtum herausstellt. III. Heiligtümer als Archive In einigen Heiligtümern waren mitunter ‚Archive‘ zu finden, die den Raum für die Bewahrung und Bearbeitung eines geordneten Wissensbestandes boten. Ihnen kam, wenn es um die archivalische Praxis geht, gewisse Bedeutung zu, die aber nur schwer einzuschätzen ist, wenn es um die konkrete Unterbringung von schriftlichen Einträgen auf Papyrus, auf Holz oder anderen vergleichbaren Medien geht. Es ist durchaus nicht geklärt, wie sich diese Art der Archivierung zu den traditionellen Mitteln der öffentlichen Publikation verhält, die durch die Aufstellung von Inschriften in Heiligtümern vorgenommen wurde. Es gibt eine kontrovers geführte Diskussion über die Fragen, ob Kopien von diesen Inschriften in zentralen Archiven der Heiligtümer bewahrt wurden und welche Variante der Texte die primäre und autoritative Version darstellte.93 Inschriftliche ‚Stein-Archive‘, in denen nicht nur Texte zu finden sind, die sich unmittelbar auf den Kultvollzug beziehen, wurden bisweilen in Heiligtümern aufbewahrt, in denen unterschiedliche Gottheiten verehrt wurden. Der Grund, wieso gerade Heiligtümer im antiken Griechenland gewisse Archivfunktionen übernommen hatten, bestand generell darin, dass die Kultstätten unter dem Schutz einer Gottheit standen. Die dort aufbewahrten Texte zu manipulieren oder zu zerstören, bedeutete ein Verbrechen gegenüber dem Gott und den Menschen. Ein Apollon Heiligtum wurde häufig als Archiv ausgewählt. Im Rahmen des griechischen Archivwesens kam dem Apollon besondere Bedeutung zu als Gott mit höchster Autorität, der über die Organisation des sozialen, politischen und religiösen Lebens wachte. Das auf der Agora in Athen gelegene Metroon, welches zu einem zentralen Archiv wurde, stand seit dem 5./4. Jahrhundert v. Chr. unter dem Schutz eines Kul92 93

Diog. Laert. 6,20–21 Rebenich 2016, 29–40; Boffo 1995, 91–130.

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tes für Meter Theon, die als Beschützerin der institutionalisierten Polis angesehen wurde,94 nachdem das alte Bouleuterion in ein neues Domizil umgezogen war. Die Beziehung des hellenistischen Metroon zu seinen möglichen älteren Vorgängerbauten, dem Bouleuterion und spätarchaischen Tempel der Meter wird weiter kontrovers diskutiert.95 Der steinreiche Apellikon von Teos, ein Helfershelfer des Stadtdespoten Athenion zu Beginn des 1. Jahrhunderts v. Chr., hatte sich heimlich Originalinschriften alter Autographen von Volksbeschlüssen aus dem Metroon verschafft. Er wurde erwischt und ihm drohte die Todesstrafe, wenn er sich nicht auf und davon gemacht hätte.96 Aristoteles und sein Neffe Kallisthenes sollen nach der Schlacht bei Chaironeia „im Archiv“ in Delphi gearbeitet haben, um im Auftrag der delphisch-pyläischen Amphiktyonie eine neue Pythionikenliste und eine Auflistung derjenigen, die die Pythien ausgerichtet hatten und die von Beginn an die Wettkämpfe organisierten, zu erstellen.97 Die Verwalter des Tempels wurden angewiesen, die Liste im Heiligtum auf einer steinernen Stele aufzuzeichnen. Aristoteles soll mit seiner Leistung die Wirkung eines älteren Werkes eines Historikers Menaichmos von Sikyon übertroffen haben, der nach Aussage einer Quelle von Aristoteles „besiegt“ worden sein soll.98 Eine weitere Inschrift enthält eine Kostenaufstellung für die Ehreninschrift und die Bewilligung der Kosten für die Aufzeichnung der Pythoniken-Liste. Die Summe ist sehr hoch, es wurden zwei Minen bewilligt, was darauf verweist, dass die technische Ausfertigung der Inschrift sehr umfangreich war.99 Diogenes Laertios führt ein Verzeichnis der Sieger bei den Pythien unter den Werken des Aristoteles auf. Daneben erwähnt er Aristoteles als Autor eines Pythikos logos, der sich mit Apollon und seinem Heiligtum beschäftigt hat.100 Insgesamt stehen hier nicht die philosophischen Tätigkeiten des Aristoteles im Vordergrund. Beide Forscher, Aristoteles und Kallisthenes, wurden wegen ihrer gelehrten Arbeiten als Sammler und Organisatoren geehrt, die eine auf die Interessen des Heiligtums und an den politischen Einstellungen der Amphiktyonen ausgerichtete Leistung darstellten. Anhand der Tätigkeit des Aristoteles wird trotz der spärlichen Quellenlage davon ausgegangen, dass das Kultarchiv in Delphi von panhellenischer Bedeutung war und große Datenmengen bereitstellte. In Delphi stand aber kein authentisches Material aus der Frühzeit des Heiligtums zur Verfügung, das Aristoteles nutzen konnte. Im Jahre 322 v. Chr. wurde anlässlich weit verbreiteter antimakedonischer Stimmung die Ehrung für Aristoteles und Kallisthenes widerrufen.101 94 Deinarch. 1,86; Xagorari-Gleißner 2008. 95 Shear 1995, 157–190; Miller 1995, 133–156. 96 Athen. 5,214d-e. Apellikon leitete den gescheiterten Versuch, das abgefallene Delos zurückzuerobern, und er hatte die Bibliothek des Aristoteles und Theophrast erworben, die Sulla nach Rom abtransportieren ließ; Plut. Sul. 26. 97 CID IV 1; Chaniotis 1988, 195–196, 207, 214–217, 293–296; Spoerri 1988, 111–140; Mari 2013, 125–148. 98 Vita Hesychii (vita Menagiana) 123 Düring; Haake 2007, 239. 99 CID II 97; Syll.3 252. 100 Diog. Laert. 5,26. 101 Ail. var. 14,1.

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Ob in dem Archiv in Delphi auch Orakelsprüche gesammelt worden sind, ist nicht belegt. Orakelsprüche wurden möglicherweise aufgezeichnet, aber nicht auf dauerhaft überlieferten Materialien.102 Mit der inschriftlichen Erwähnung eines Zygastron in Delphi ist jedenfalls kein Archiv gemeint, sondern ein Behälter, in dem Rechnungen aufbewahrt wurden.103 Im Übrigen weiß man nicht, ob die Hieromnemonen (‚die Heiligen Erinnerer‘) der Delphischen Amphiktyonie auch gewisse Aufgaben in den ‚Archiven‘ in Delphi übernommen hatten.104 Aus dem Apollon Heiligtum sind mehr als 1000 Freilassungsinschriften überliefert,105 in denen ca. 1350 Sklaven freigelassen wurden, von denen mehr als die Hälfte weiblichen Geschlechts waren. Die Inschriften stammen aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. bis zum 1. Jahrhundert n. Chr. Sklaven wurden vor allem im Rahmen der Praxis eines Verkaufs an Apollon freigelassen. In vielen Fällen wurde mit einer paranome-Klausel künftige Verpflichtungen des Freigelassenen gegenüber seinem Herrn festgeschrieben.106 Die Sklaven wurden nicht Eigentum des Apollon, sondern man bediente sich der Form eines Verkaufs an die Gottheit, um die Freilassung zu veranlassen. Die Priester des Apollon agierten unter den Zeugen. Die Freilassungen waren nicht direkt religiös motiviert, Apollon schützte aber deren Freiheit.107 In einigen Inschriften ist ein ‚staatliches‘ Archiv unter den Bezeichnungen wie damasion grammatophylakion108 belegt, in denen der Grammateus der Polis Delphi agierte.109 In anderen Freilassungsinschriften wird ausgesagt, dass die Kaufurkunde hinterlegt wurde unter den öffentlichen Schriftstücken der Stadt im staatlichen Archiv,110 das man strenggenommen der Polis Delphi, nicht dem Apollon Heiligtum zuweisen muss, obwohl die Administration von Polis und Amphiktyonie nicht immer trennscharf unterscheidbar sind.111 Ob auch in Olympia ein Archiv existierte, wird vor allem im Zusammenhang mit der Liste der Olympia-Sieger (Olympionikon anagraphe) des Hippias von Elis diskutiert, die wohl um 400 v. Chr. veröffentlicht wurde.112 Es gibt eine Diskussion darüber, ob er eine archivalische Quelle aus Olympia oder Elis herangezogen hat oder ob er in selbständiger Arbeit Quellen unterschiedlicher Art verwendet hat.113 Von einigen Forschern wird die Forschungsarbeit des Hippias mit der des Aristoteles in Delphi etwa 70 Jahre später verglichen.

102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113

Parke/Wormell 1956, XIII. CID II 31, 32, 34; Syll.3 244B; Phot., s. v. ζύγαστρον. Sickinger, 1999, 37; IG II/III2 1126; Aristot. pol. 1321b35. Sokolowski 1954, 173–181; Kränzlein 1964, 820–827; Kränzlein 1984, 57–68; Rädle 1970, 613–617; Lepke 2016, 151–161. Zelnick-Abramovitz 2005. Klees 1998, 308 FD III 6, 19, ll. 15–16; 20, l. 13; 27, ll. 14–15; 29, ll. 12–13; III 1, 141, l. 10; III 4, 78, l. 13; III 6, 5, ll. 18–19; 35, ll. 17–19. Harter-Uibopuu 2013, 273–305. FD III 6, 12, ll.10–12; 14, ll. 13–14; 44, ll. 12–13; 109, ll. 25–26; 121, ll. 19–21. Lefèvre 1998, 32. Bilik 2000, 47–62. Plut. Numa 1,4; Christesen 2007, 45–160.

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Nach Strabon hingen beschriebene Holztäfelchen (Pinakes) im Asklepios-Heiligtümer in Kos und Trikka, im Heiligtum von Epidauros wimmelte es von ihnen,114 auf denen u. a. die Selbstberichte von geheilten Patienten aufgeschrieben waren. Ein Reformgesetz aus Paros, das im Heiligtum der Hestia aufgestellt worden ist, sollte dazu dienen, rechtswidrige Manipulationen an privaten Dokumenten im Heiligtum des Apollon, der Artemis und der Leto, dem Pythion, zu unterbinden.115 Ein apodektes (Archivar) war für das Heiligtum des Apollon Pythios zuständig. Ein anderer Apodektes, der sich um die Belange der Polis kümmerte, sollte die Vertragsabschriften der im Pythion deponierten Dokumente in Zukunft im Heiligtum der Hestia, in dem sich ein weiteres öffentliches Archiv befand, in eine verschlossene Kiste (Kibotos) einwerfen, aus der sie nur in einem komplizierten und genau regulierten Verfahren wieder entnommen werden konnten. Das Archiv im Hestia-Heiligtum wurde im Zuge der Reform zum Duplikat des unter dem Schutz des Pythios befindlichen Originalarchivs. IV. Literarische Schriften und Aufzeichnungen in Heiligtümern In Heiligtümern wurden Schriften und ‚Bücher‘ in dauerhafter physischer Form deponiert bzw. geweiht, die man unterschiedlichen literarischen Gattungen (Dichtung, historiographische Texte, Reden, wissenschaftliche Abhandlungen) zu weisen kann. Ich beziehe mich hier auf Texte, die nicht für die inschriftliche Aufzeichnung vorgesehen waren (wie Weihinschriften), oder die in den öffentlichen Archiven aufbewahrt wurden (wie Verträge, Dekrete oder Gesetze). Es gibt aber auch literarische Texte, die man inschriftlich aufgezeichnet und die man in Heiligtümern aufgestellt hat. Den literarischen Schriften kann in Zusammenhang mit der Ausbildung einer Wissenskultur in einem Heiligtum besondere Bedeutung zugewiesen werden. Man muss aber jedes einzelne Beispiel für sich interpretieren und nach den Gründen fragen, wieso die ‚Bücher‘ bzw. die Inschrift, in der ein ‚Buchtext‘ veröffentlicht wurden, in Kultstätten aufbewahrt wurden bzw. warum der Kontext zwischen ‚Buch‘ und ‚Heiligtum‘ hergestellt wurde. Aus drei Themenbereichen, darunter wohl auch einem, der sich mit theologischen Fragen beschäftigte, sei ein Buch des Herakleitos von Ephesos zusammengefasst worden, das im Artemis-Heiligtum in seiner Heimatstadt deponiert wurde. Nach Diogenes Laertios, der sich hier auf Autoren bezieht, die er nicht namentlich erwähnt, habe Herakleitos dieses Werk in dunkler Diktion geschrieben, damit es nur den Verständigsten zugänglich sei und nicht durch einen populären Stil in Verruf geriet.116 Er zog sich in das Heiligtum als neutralem Ort zurück, um sich den politischen Streitigkeiten zu entziehen. Er habe mit Kindern Würfel gespielt und den 114 Strab. 8,6,15. 115 SEG XXXIII 679. 116 Diog. Laert. 9,6.

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Ephesiern erklärt, es sei besser, dies zu tun, als mit ihnen Politik zu betreiben.117 Die Deponierung seines Werkes ging auf jeden Fall auf seine private Initiative zurück. Es wird betont, dass dieser Vorgang mit der Publikation der Schrift gleichzusetzen sei, die die Lektüre durch Interessierte ermöglichen sollte.118 Die späte Überlieferung bei Diogenes Laertios stellt ein Problem dar, einige Forscher zweifeln jedoch nicht an der Glaubwürdigkeit der Informationen über das Verhältnis des Herakleitos zum Artemision.119 Von dem Platon-Kommentator und Philosophen Krantor aus Soloi aus dem frühen 3. Jahrhundert v. Chr. berichtet Diogenes Laertios,120 dieser habe seine Gedichte im Athena-Heiligtum seiner Heimatstadt versiegelt hinterlegt. Bücher des Alkaios sind im Heiligtum von Delos inschriftlich für das 2. Jahrhundert v. Chr. belegt, die im Schatzhaus der Polis Andros in einer dreieckigen Truhe aufbewahrt wurden.121 Ein begeisterter Leser hat wohl dem Apollon das Werk des Klassikers dezidiert, das auch inhaltlich mit diesem zu tun hatte. Aristomache aus Erythrai, die zweimal in Isthmia bei einem epischen Wettkampf siegreich gewesen sein soll, habe deswegen ein „goldenes Buch“ im Schatzhaus der Sikyonier in Delphi geweiht, wie Polemon in seinem Werk Über Schatzhäuser berichtet.122 Es ist weder bekannt, aus welchem Erythrai die Frau stammt, wieso die Weihung im Schatzhaus der Sikyonier vorgenommen wurde, noch sind anderweitig musische bzw. epische Agone in Isthmia belegt.123 Bei Aristomache handelt sich wohl um eine legendäre Figur. Ob tatsächlich ein „goldenes“ Buch der Aristomache in Delphi vorhanden war, muss demnach offen bleiben. Ebenso ist nicht geklärt, was in diesem Buch gestanden haben mag. Im Liebesroman des Xenophon von Ephesos, Ephesische Geschichten, wird von den beiden Helden der Geschichte, Anthia und Habrocomes gesagt, dass sie eine Schrift in das Heiligtum der Artemis von Ephesos geweiht hätten, in der über ihre Taten und das, was sie erleiden mussten, berichtet wird.124 In dem Roman über Apollonios von Tyros aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. wird berichtet, dass dieser angeordnet habe, ein Exemplar seiner Biographie, in der seine Abenteuer und die seiner Familie zusammengefasst worden seien, solle im Artemis-Heiligtum von Ephesos deponiert werden, ein anderes in seiner eigenen Bibliothek.125 In den antiken Quellen finden sich keine Informationen zu den konkreten Hintergründen derartiger Handlungen, die die Weihung oder Deponierung der genannten literarischen Texte in Heiligtümer betreffen. Einige der geschilderten BücherWeihungen haben darüber hinaus in der Realität niemals stattgefunden. Bei den 117 118 119 120 121 122 123 124 125

Diog. Laert. 9,2–3. Müller 2011, 101–122. Franz 2017, 83–102 Diog. Laert. 4,25. I.Délos 1400, 7; 1409, B a, II, 39; Andrianiou 2006, 569. Plut. mor. 675b; Badino 2014, 79–97. Farrington 2012, 51. Xen. Ephes. 5,15,2. hist. Apoll. reg. Tyr. 51, RB 37–39.

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angeblich historisch belegten Deponierungen hat man bisweilen an testamentarische Verfügungen gedacht, die den Hintergrund für derartige Handlungen dargestellt haben könnten. Man weiß aber nicht sicher, ob man in der Tat intendierte, autorisierte Texte quasi zur öffentlichen Publikation zu geben, und die Möglichkeit einräumen wollte, Kopien herzustellen, und demnach fällt es sehr schwer, die Bedeutung dieser Praxis im Rahmen einer Wissenskultur einzuschätzen. Wir haben Hinweise darauf, dass einzelne Schriften von ihren Verfassern selbst in ein Heiligtum verbracht wurden, wo die Publikation oder der Schutz vor Plagiat aber wohl nicht im Vordergrund stand, weil sie in versiegelter Form vorgenommen wurden. In anderen einzelnen Fällen wird berichtet, dass Werke von Bewunderern der Autoren auf Stelen aufgeschrieben und öffentlich in Heiligtümern aufgestellt wurden.126 Die Deponierung bzw. Weihung von literarischen Schriften in inschriftlicher Form, die für die Kultstätte eine besondere Bedeutung haben, ist in einigen späten Quellen als Quellenfiktion belegt, was aber trotzdem darauf hinweisen soll, dass dies eine gängige Praxis gewesen ist.127 Man muss aber im jeden Einzelfall untersuchen, wie die Geschichte einzuordnen ist, wer die Veröffentlichung der Texte veranlasst hatte und wieso diese in einem Heiligtum aufgestellt wurden. In dem kaiserzeitlichen Werk Über Homer und Hesiod und ihre Herkunft und ihren Wettstreit, das sich in seinem Hauptteil mit dem Wettstreit zwischen beiden Dichtern beschäftigt, wird davon berichtet, dass Homer in Delos während der großen Panegyris dort seinen Hymnos auf Apollon vor dem berühmten Hörneraltar128 rezitiert habe. Die Versammlung der Ionier habe ihm daraufhin das Bürgerrecht verliehen und die Bewohner von Delos hätten den Hymnos auf einer weißen Tafel aufschreiben lassen und im Tempel der Artemis geweiht.129 Die Frage, warum man in dieser Geschichte den Hymnos im Tempel der Artemis, und nicht im Tempel des Apollon weihte, wird mit dem Hinweis in Verbindung gebracht, dass das Heiligtum der Artemis als älter betrachtet und deshalb hoch angesehen wurde.130 Durch die Vorstellung, dass der Text aufgeschrieben wurde, sollte die Autorenschaft des Homer-Textes dauerhaft belegt werden, dessen Bedeutung man durch die Weihung zusätzlich verstärkt hatte. Es sind darüber hinaus vergleichsweise viele Texte aus Heiligtümern inschriftlich erhalten, die sich in dichterischer Form mit Göttern, den Heiligtümern und den mit ihnen verbundenen Mythen beschäftigten. Zu den herausragenden Beispielen von inschriftlich überlieferter Chorlyrik gehören der Paian des Isyllos an Asklepios aus Epidauros aus dem 3. Jahrhundert v. Chr., der auf einer Stele an der Ostfront des Asklepiostempels überliefert wurde.131 Die Inschrift wurde von 126 Selle 2008, 363; Chaniotis 2014, 132–169. 127 Pöhlmann 1990, 23. 128 Kall. h. Ap. 60–4; h. Del. 312; Plut. mor. 983e; Thes. 21. Im angeblichen Selbstzeugnis (Pseudo-Fragment) des Hesiod wird ausgesagt, dass er und Homer in Delos Apollon einen Hymnos vorgetragen haben (Hes. dub. frg. 357 M.-W). 129 Cert. Hom. et Hes. Vita 315–321; West, 1990, 41. 130 Janko 1982, 257; Richardson 2010, 13. 131 IG IV2 1, 128; Willamowitz-Moellendorf 1886, 11; Kolde 2003; Riethmüller 2005, I 42–44.

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Isyllos für Apollon Maleatas und Asklepios aufgestellt. Aus der späthellenistischen Zeit stammen inschriftlich erhaltene Hymnen bzw. Aretalogien, in denen vor allem Taten der Isis und anderer mit ihr in Verbindung stehender Götter erwähnt werden. Am bekanntesten sind das Sarapis-Gedicht des Maiistas aus dem Serapeion in Delos, in dem Geschichte des Kultes zusammengefasst wird,132 der Isis-Hymnos von Andros133 und aus Maroneia.134 Diese literarische Produktion mit religiösen Rahmen war auf den jeweiligen sakralen Kontext und die gelehrten Besucher zugeschnitten. Aber auch andere literarische Texte, die nicht unmittelbar mit dem Kultgeschehen und den verehrten Göttern in den Heiligtümern in Verbindung standen, wurden in diesen ausgestellt: Von Pindar wird berichtet, dass seine olympische Ode auf den Sieg des Diagoras von Rhodos (464 v. Chr.) als Inschrift mit goldenen Buchstaben im Athenaheiligtum von Lindos aufgestellt wurde.135 Das Marmor Parium überliefert eine Chronik von der Herrschaftszeit des Kekrops 1581/80 bis zum Jahr 299/98 v. Chr. mit kurzen historischen Bemerkungen, die sich vor allem auf die athenische Geschichte beziehen.136 Diese Chronik diente der Unterrichtung und Unterhaltung einer breiteren Öffentlichkeit.137 Der Autor ist nicht bekannt, es wurde vermutet, ein Lokalhistoriker aus Paros habe die Chronik verfasst. Wo war die Stele aufgestellt? Die schwierigen Fundumstände machen eine Lokalisierung heute unmöglich. Es ist vermutet worden, dass die Stele im Archilocheion (s. u.) errichtet wurde. Dagegen spricht, dass Archilochos mit keiner Silbe in der Inschrift erwähnt ist.138 Von einem Gefolgsmann des Antigonos Gonatas, Herakleitos aus dem Demos Athomon, wird in einer Inschrift aus Athen ausgesagt, dass er Inschriftenstelen in das Heiligtum der Athena Nike geweiht habe, in denen er über die Taten des Königs im Kampf gegen Barbaren „für die Rettung Griechenlands“ im Rahmen der Schlacht bei Lysimacheia im Jahre 277 v. Chr. berichtete.139 Der Aufstellungsort des Denkmals in einem Heiligtum auf der Athener Akropolis ist sehr aussagekräftig, weil der Sieg des Antigonos mit einer viel älteren Tradition verbunden wurde, in der ebenfalls der erfolgreiche Kampf gegen Barbaren mit Unterstützung der Athena Nike betont wird.140 Die Anagraphe von Lindos überliefert ein lokalgeschichtliches Werk, das sich einem Spezialthema widmet.141 Es geht um die Geschichte des Heiligtums der Athena Lindia, die sich in den Weihgeschenken und Ereignissen spiegelt, die mit diesem in Verbindung stehen. In der Inschrift wird die Bedeutung der Athena Lindia und ihres 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141

IG XI 4, 1299; Engelmann 1964. IG XII 5, 739; Peek 1930. Grandjean 1975. Überliefert bei Gorgon aus dem 2. Jh. v. Chr., der häufig in der Lindischen Tempel-Chronik zitiert wird, FGrHist 515 F 18. Rotstein 2014, 3–9, Rotstein 2016. Rosenberger 2008, 225–33. Chaniotis 1988, 87–89. IG II/III2 677; IG II/III3 1, 1034; Paschidis 2008, 177–179. Chaniotis 2014, 145. Wiemer 2001, 27–32; Higbie 2003; Shaya 2005, 423–442.

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Heiligtums hervorgehoben. Sie stellt ein bedeutendes Zeugnis für die kulturelle und politische Erinnerungskultur in Lindos dar.142 Die Inschrift wurde im Jahr 99 v. Chr. auf Antrag eines Hagesitimos durch Beschluss des Rates im Heiligtum der Athena Lindia aufgestellt. Sie überliefert ein Inventar von 45 Weihgeschenken und beschreibt Epiphanien. Die Weihgeschenke werden häufig durch die Angabe von schriftlichen Quellen belegt. Tharsagoras und Timachidas aus Lindos sollen für die Zusammenstellung der Inhalte verantwortlich gewesen sein. V. Die Kulte von Dichtern, Gelehrten und Intellektuellen Bekannte Dichter und auch Gelehrte wurden häufig mit den Göttern in Verbindung gebracht und in den Quellen als ‚göttlich‘ bezeichnet und charakterisiert. Man sprach aber nicht ihre konkrete kultische Verehrung an, sondern man wollte damit betonen, dass bestimmte Dichter und Gelehrte von Göttern besonders geschätzt worden seien.143 In diesem Kontext kommt häufig auch ein gewisser Lokalstolz zum Tragen, der bei der Ausformulierung vieler Geschichten, die über Kulte für Dichter und Gelehrte berichten, eine Rolle spielte. Der Redner Alkidamas aus Elaia erwähnt Dichterkulte für Archilochos auf Paros, Homer auf Chios und Sappho in Mytilene und Kulte für Weise und Gelehrte wie Chilon in Sparta, Pythagoras in Italien und Anaxagoras in Lampsakos.144 ‚Dichterkulte‘ und ‚Gelehrtenkulte‘ in den Poleis sind aber ein Phänomen, das erst in hellenistischer Zeit aufkommt, auch wenn mit Blick auf Archilochos auf Paros und Sophokles in Athen eine frühere Existenz von Kulten für diesen Personenkreis vermutet wird.145 Bei Ailian wird berichtet, dass Ptolemaios Philopator IV., der selbst Tragödien gedichtet hat und ein leidenschaftlicher Verehrer des Homer war, diesem ein Homereion in Alexandria errichteten ließ.146 In dem Tempel war eine prächtige Sitzstatue des Homer aufgestellt und um diese herum waren im Halbkreis Statuenpersonifikationen der Städte zusehen, die Anspruch auf Homer als dessen Heimat erhoben hatten. In der Antike nahmen über 20 Städte, vor allem Chios, Smyrna, Kolophon und Kyme für sich in Anspruch, Heimat des Homer zu sein. Darstellungen von Homer gibt es auch auf Münzen, die in vielen kleinasiatischen Städten geprägt wurden.147 In einigen Poleis waren auch Kulte für Homer eingerichtet. Auf Chios gab es ein Homereion, das vor allem als Gymnasium diente. Dort waren wohl ebenfalls kultische Ehrungen eingerichtet und es wurde auch ein Fest zu Ehren des Homer veranstaltet, zu dem auch andere Poleis Zugang hatten.148 Die Rhapsodengemeinschaft der Homeriden, 142 143 144 145 146 147 148

Massar 2006, 229–243. Jones 2010, 44–46. Aristot. rhet. 1389b11–17. Clay 2004; Zanker 1995, 154–157. Ail. var. 13,22; Fraser 1972, 611; Zeitlin 2001, 200. Esdaile 1912, 298–325; Klose 1984, 1–3; Heyman 1982, 161–174; Matthaei 2013, 126–127. I.Chios 77; SEG XXX 1073.

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die sich auf Homer bezog, hatte ebenfalls ihren Sitz auf Chios.149 In Smyrna existierte ein heiliger Bezirk mit einer quadratischen Säulenhalle und einem Tempel mit einem Kultbild des Homer, der Homereion genannt wurde. Der Dichter wurde dort im Rahmen eines Heroenkults verehrt.150 Daneben ist in Smyrna ein Gymnasion mit dem Namen Mimnermeion belegt, in dem aber wohl Kulthandlungen, in denen der Dichter Mimnermos im Mittelpunkt stand, stattgefunden haben.151 Auch in Ios, wo auch ein Monatsname nach Homer benannt wurde,152 ist ein öffentlicher Kult des Homer belegt.153 Es wird berichtet, dass Homer in Argos aufgetreten sei. Man habe ihn mit Geschenken ausgezeichnet und ihm eine bronzene Statue errichtet. Die Argiver hätten beschlossen, ihn jedes Jahr durch Opfer zu ehren und alle vier Jahre an einer Thusia in Chios teilzunehmen, die dort für Homer während eines Festes durchgeführt wurden.154 Es gibt Hinweise darauf, dass ein Kult für Homer auch auf Delos,155 in Notion156 und Pergamon157 begangen wurde. In Thespiai in Boiotien existierte ein Musenheiligtum am Helikon. Dort ist auf einem Grenzstein ein Kultverein („Synthytai der Musen des Hesiod“) erwähnt, der zu Ehren Hesiods tätig wurde, der aber nicht direkt mit einem Kult in Verbindung gebracht werden kann.158 In einer Weihinschrift aus Thespiai an die Musen von einem Euthykles finden sich drei Epigramme, von denen das letzte Hesiod erwähnt, der die Musen und den heiligen Helikon mit den schönsten Gesängen gefeiert habe.159 Auch diese Inschrift wird mit einem Kult für Hesiod in Verbindung gebracht. Der Dichter Archilochos wurde in einem Archilochion auf Paros kultisch verehrt. Sein Heiligtum war im 3. Jahrundert v. Chr. von Mnesipes restauriert worden.160 In einer Inschrift wird berichtet, dass auf Geheiß des Orakels in Delphi Mnesipes ein Temenos „Archilocheion“ mit einem Altar für die Musen, Apollon, Dionysios, andere Götter und für die Verehrung des Archilochos einrichten sollte. Die Inschrift ist wohl im Umfeld eines Rhapsoden-Vereins entstanden, der Heroenkult ging auf private Initiative zurück. Im 1. Jahrhundert v. Chr. wurde im Archilocheion eine Inschrift des Sosthenes aufgestellt, in der historische Ereignisse aufgelistet wurden, an denen Archilochos beteiligt gewesen sein soll, und diesen wurden Zitate des Dichters zugewiesen.161 149 Plat. Ion 530d; Harpokr., s. v. Vgl. aber Fehling 1979, 193–210. 150 Strab. 14,1,37. Ein Homereion ist als Tagungsort der Gerousia in I.Smyrna 214 erwähnt. 151 Grabinschrift für P. Petronius Achaikos, der eine Ehrung von Jünglingen des Mimnermeion erhalten hatte; I.Smyrna 215. 152 Masouris 1992, 103–109; Münzen HN2 486. 153 IG XII 5, 15; Paus. 10,24,2; Strab. 10,5,1. 154 Certam. 17, p. 44,9–20; Vita 2,303–308; vgl. Ail. var. 9,15. 155 I.Délos 443 BL. B, l. 147 (178 v. Chr.), zur Reparatur eines Ὁμηρεῖον; Clay 2004, 141 Nr. T 15; Farnoux 2002, 97–104. 156 Aneziri/Damaskos 2004, 258. 157 I.Pergamon 203. 158 IG VII 1785; I.Thespiai 136; die Inschrift soll in die hellenistische Zeit gehören. 159 IG VII 4240; I.Thespiai 274; SEG XLVI 543; Hurst 1996, 57–71; Hunter 2014, 84–85. 160 SEG XVII 517. Vgl. auch Aristot. rhet. 1389b. 161 IG XII 5, I, 455; Suppl., pp. 212–214; II., p. 325; Clay, 2004, 24. Catalogue, II 2–3.

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Die Dichterin Sappho, die als zehnte Muse bezeichnet wurde,162 ist auf Münzen aus Eresos und aus Mytilene163 aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. abgebildet, auf denen sie auf einem Thron sitzend in einem Tempel dargestellt wird, was möglicherweise auf einen Kult für sie hindeutet.164 Dem Tragödiendichter Aischylos wurden in Gela, wo er begraben sein soll, von denen, die ihren Lebensunterhalt mit Tragödien verdienten und die häufig sein Grab besuchten, heroische Opfer dargebracht und öffentliche Lesungen von Tragödien durchgeführt, wobei nicht klar ist, ob hier die Werke des Aischylos oder anderer gemeint sind.165 Pindar hat wohl kultische Ehren in Delphi erhalten. Nach Pausanias hätte die Pythia den Delphern befohlen, ihm von allen Erstlingsgaben an Apollon den gleichen Anteil zuzuweisen.166 Ob Sophokles in Athen mit einem Heroenkult verehrt wurde, ist nicht endgültig geklärt. Jedenfalls behauptet ein hellenistischer Historiker, Istros, die Athener hätten den Beschluss gefasst, ihm wegen seiner Arete jährlich zu opfern.167 Andere, spätere Quellen besagen, dass man Sophokles in Dexion umbenannt und verehrt hätte wegen seiner Aufnahme des Asklepios,168 den er als Priester des Heilgottes Halon in seinem Haus beherbergt habe.169 Auch für Gelehrte und Weise wurden Kulte in Poleis eingerichtet. Thales von Milet verehrte man wohl auf der Agora seiner Heimatstadt mit einem Heroenkult.170 Auch sein Schüler Anaximander hat in Milet einen Kult erhalten, der im Bouleuterion ausgeübt wurde.171 In Priene gab es wohl ein Heroon des Bias, der möglicherweise in einem Bianteion verehrt wurde.172 Für einen Arideiktes von Rhodos, der sich mit der Philosophie Platons beschäftigte, ist ebenfalls ein Kult belegt.173 In Milet gab es in der römischen Kaiserzeit Timotheastai und Hegesiastai, die sich in musischen und rhetorischen Aufführungen auf den Dichter Timotheos und den Redner und Historiker Hegesias bezogen haben.174

162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174

Dioskurides, Anth. Pal. 7,407. Antipater von Sidon, Anth. Pal. 9,66. BMC, Troas, Aeolis, and Lesbos, 200 Nr. 167. Jones 2010, 44. TrGF 3, 1,40–47Radt; Lefkowitz 2009, 523; Smith 2018, 15–16. Paus. 9,23,3; Vita Thomana 1,5 Drachmann; Phillips 2016, 99–100. Plut. mor. 557 f. berichtet, dass die Nachfahren des Pindar an den Theoxenien in Delphi teilnahmen. FGrHist 334 Istros F 38; Vita Soph. 17. TrGF 4 T 69; IG II2 1252–1253; Connolly 1998, 1–21. Plut. Num. 4,8. Plut. Sol. 12; Herda 2013, 67–122. Pind. P. 5,93; Plut. Solon 12; Diog. Laert. 1,34. Diog. Laert. 1,82. Vgl. I.Priene 113, 111, 117; Zanker 1995, 157; Horster 2012, 192. GVI 1451; Clay 2004, 86–87. I.Didyma 181; Fontenrose 1988, 71.

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VI. Bibliotheken in Heiligtümern Sichere Hinweise auf Bibliotheken in Heiligtümern setzen erst in hellenistischer Zeit ein.175 Seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. waren es vermögende und einflussreiche Persönlichkeiten mit königlichem oder aristokratischem Hintergrund, die Büchersammlungen in Heiligtümern stifteten und ihre Rolle als Euergeten verdeutlichten.176 In der römischen Zeit wurden diese Aktivitäten in den prosperierenden Städten des Ostens dann in einem engen Bezug zur Verehrung des römischen Kaiserhauses vorgenommen. Verweise auf Bibliotheken in Heiligtümern in vorhellenistischer Zeit sind gering: Der Tyrann Peisistratos soll eine Sammlung von Büchern auf der Akropolis in Athen aufbewahrt haben, die er der athenischen Öffentlichkeit zugänglich machte.177 Die Glaubwürdigkeit dieser Nachricht wird häufig infrage gestellt, zumal es eine Tradition gibt, wonach Aristoteles der erste Grieche gewesen sei, der Bücher gesammelt hat.178 Nach Gellius habe der Perserkönig Xerxes die Bibliothek des Peisistratos geraubt und erst Seleukos I. Nikator habe die Rückführung der Bücher nach Athen veranlasst.179 Bei Tertullian und Isidor wird erwähnt, dass Ptolemaios Philadelphos mit dem athenischen Tyrannen wetteiferte und er aus diesem Grund Wert auf die Einrichtung einer Bibliothek in Alexandria gelegt hätte. Gellius betont zwar, dass die Sammlung auf der Akropolis aufbewahrt wurde, er bringt sie aber nicht direkt mit einem Heiligtum in Verbindung.180 Der Ptolemäerkönig Ptolemaios I. stiftete zu Beginn des 3. Jahrhunderts v. Chr. in seinem Palastbezirk in Alexandria im Stadtteil Brucheion ein Musenheiligtum (museion),181 in dem eine Forschungsstätte mit einer großen Bibliothek eingerichtet wurde, die der Pflege von Wissenschaft und Literatur und der Bewahrung des eigenen kulturellen Erbes in Alexandria dienen sollte.182 Der antike Quellenbefund, der über das Museion und die Bibliothek berichtet, ist ausgesprochen dünn. Das genaue administrative Verhältnis zwischen Museion und Bibliothek entzieht sich weitgehend unserer Kenntnis. Die Bibliothek stand, angebunden an das Musenheiligtum, in der Tradition der platonischen Akademie183 und des Lykeion des Aristoteles184 unter dem Schutz der Musen, den neun Töchter des Zeus und der Memnosyne. Dort wurden Feste und religiöse Riten veranstaltet und es diente zur Aufbewahrung von Lehrmaterialien und Schriftrollen. Man orientierte sich hier nicht nur an griechischer, sondern 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184

Coqueugniot 2013a. Diesen Punkt betont Johnstone 2014, 347–393. Athen. 1,3a-c; Gell. 8,17,1; Tert. apol. 18; Isid. Etym. 6,3,5; Hieron. epist. Marcell. 14,1; Woolf 2013, 10. Strab. 17,1,54. Gell. 1,17,1. Es gibt keinen sicheren Beleg dafür, dass der „Palast“ des Peisistratos sich auf der Akropolis befunden hat, auch wenn Herodot berichtet, er habe mit einer Leibwache diese besetzt; s. Hdt. 1,59; Hansen/ Fischer Hansen 1994, 26–27. Strab. 17,1,8; Plut. mor. 1095d-e. Erskine 1995, 40; Nesselrath 2013, 65–88. Plat. Phaidr. 278b. Diog. Laert. 5,51–52.

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auch an ägyptischer Tradition.185 Dem Museion, institutionell ein Kultverein, der mit wissenschaftlichen Aufgaben versehen war, stand ein Priester vor, der einst vom König, zur Zeit des Strabon aber vom römischen Kaiser Augustus ernannt wurde.186 Gelehrte, wie Demetrios von Phaleron,187 der möglicherweise den Anstoß dazu gegeben hat, eine umfangreiche Bibliothek einzurichten, und Kallimachos aus Kyrene, der über viele Jahre hinweg einen großen Katalog der Bestände anfertigte,188 wurden an den Hof geholt, um sich mit der Organisation der Bibliothek zu beschäftigen. Strabon, die früheste Quelle, die über das Museion berichtet, erwähnt die Bibliothek nicht. Der Satirendichter Timon von Phleius drückte seinen Spott über die Verhältnisse im Museion aus, das er als „Vogelkäfig“ bezeichnete, in dem ständig Streit herrschte: „Zahlreich werden gefüttert im stämmereichen Ägypten, Bücherkritzler im Käfig der Musen, sich ständig zankend“.189 Eine kleinere Filialbibliothek,190 die im Gegensatz zur ‚königlichen‘ Bibliothek wohl der Öffentlichkeit zugänglich gewesen ist, war von Ptolemaios III. beim Heiligtum des Sarapis eingerichtet worden.191 G. Weber hat die Frage gestellt, wieso diese Bibliothek eingerichtet wurde und wer sie nutzen konnte.192 Die Abhängigkeit von der großen alexandrinischen Bibliothek wird durch die Bezeichnung ‚Tochterbibliothek‘ unterstrichen.193 Möglicherweise hatte man sich dazu entschieden, eine zweite große Bibliothek in Alexandria zu errichten, weil man im heiligen Bezirk des Sarapis die Möglichkeit gegeben sah, einen offenen Zugang zur Bibliothek zu gewährleisten und eine größere Zahl von Lesern anzusprechen.194 In dem Sarapion sollen 42.800 Papyrusrollen195 untergebracht worden sein. Sarapis war der neue und integrative Reichsgott im Ptolemäerreich, dessen Heiligtum im Stadtteil Rhakotis lag.196 Das Sarapion war zur Zeit des Strabon fast verlassen, weil man sich auf den Neubau von Kultstätten im benachbarten Nikopolis konzentrierte.197 Beide Bibliotheken in Alexandria wurden aus öffentlichen staatlichen Mittel finanziert.198 Die mit Tausenden Papyrusrollen ausgestattete königliche Bibliothek in Pergamon wurde von Attalos I. oder Eumenes II. eingerichtet. Man orientierte sich am ptolemä-

185 Assmann 2001, 38–39. 186 Strab. 17,1,8. 187 Ail. var. 3,17; Plut. mor. 189d; Aristeas Philokr. 9–11. Eus. Pr. Ev. 8,3; Ios Ant. Iud. 12,12; Tert. apol. 18,5. Epiphan. mens. 9; Tzetz. Proleg. 32,2–12 Koster; Hoepfner 2018, 75–76; Mavrojannis 2018, 273. 188 Schmidt 1922; Blum 1977, 12–13, 325–330. 189 Tim. Sil. frg. 60 Diels; Bringmann 2011, 119. 190 Epiphan., De mens. et pond. 11. 191 Tert. apol. 18. Aphthon. Progymn. 12; Amm. 22,16,13; Oros. 6,15,22; Tzetz. Proleg. 32,2–12 Koster. McKenzie et al. 2004, 99–100; Bergmann 2010, 112–115. 192 Weber, 1998, 86. 193 Epiphan. De mens. et pond. 11; Hahn 2006, 381. 194 Casson 2001, 36. 195 Tzetz. Proleg. 32,2–12 Koster. 196 Männlein-Robert 2010, 160–186. 197 Strab. 17,1,10. 198 Stein 1915, 119.

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ischen Vorbild, mit dem man auch konkurrierte.199 Die Bibliothek befand sich wohl im Athena- Polias-Tempel oder in seiner Nähe in der Nordstoa auf dem Burgberg in unmittelbarer Nähe zum Königspalast.200 In diesem Areal ist eine Nachbildung der Athena Parthenos-Statue des Phidias gefunden worden, die heute im Pergamonmuseum in Berlin aufbewahrt wird und die wohl in der Bibliothek aufgestellt worden war. Die Bibliothek wurde nah bei der Stadtgöttin Athena,201 die als Schutzgottheit der Weisheit und der Wissenschaften angesehen wurde, eingerichtet.202 Berühmte Gelehrte wie Krates von Mallos203 und Athenodoros Kordylion aus Tarsos204 agierten als Leiter der Bibliothek, in der unter Anleitung der pergamenischen Könige zahlreiche Gelehrte ein- und ausgingen.205 Zwei Inschriften, die in das 1. Jahrhundert v. Chr. gehören und offensichtlich eine Bibliothek erwähnen, sind im Bereich des zentralen pergamenischen Gymnasions gefunden worden, was zur These geführt hat, dass die königliche Bibliothek dort zu suchen sei.206 Im Areal des Hauptgymnasions war wohl eine zweite Bibliothek eingerichtet, die man neben der im Tempelbezirk der Athena nutzte. Eine weitere Bibliothek in Pergamon wurde später im Asklepieion eingerichtet (s. u.). Ein Maron soll im 2. Jahrhundert v. Chr. in seiner Heimatstadt Antiocheia ein Musenheiligtum mit einer Bibliothek nach seinem Tod testamentarisch gestiftet haben. Das Musenheiligtum wurde unter Antiochos Philopator (Antiochos IX. Philopator oder Antiochos X. Eusebes Philopator) errichtet und zur Zeit des Tiberius von einem Feuer zerstört.207 Maron hat sich wohl am ptolemäischen Vorbild orientiert. Es kam aber nicht zur direkten Beteiligung des seleukidischen Königs an der Einrichtung der Bibliothek. In Athen wurden Epheben verpflichtet, bei ihrem Abschied den Zukauf von 100 Buchrollen zu finanzieren.208 In einer Inschrift aus dem Jahr 116/5 v. Chr. wird von dem Ephebenjahrgang eine Weihung einer Phiale an Demeter und Kore und Mater Theon und von 100 Bücherrollen für die Bibliothek vorgenommen, die möglicherweise in einem Tempelbezirk in Athen oder im Gymnasion Ptolemaion209 aufgestellt wurden.210

199 200 201 202 203 204 205 206 207 208 209 210

Hansen 1971, 390–433. Strocka 2000, 155–165. Coqueugniot 2013b, 118–123; Coarelli 2016, 61–77. Nach Plutarch hätte Antonius der Kleopatra die Bibliothek aus Pergamon als Ersatz für die angebliche Zerstörung des Museion in Alexandria durch Caesar übergeben: Plut. Anton. 58,9; Caes. 49,6; Nesselrath 2012, 56–74. Marek 2010, 313. Plut. Cat. Mai. 4; Plin. nat. 7,133. Artemon aus Kassandreia schrieb in Pergamon das erste Buch über das Büchersammeln und eine Anleitung zur Benutzung von Bibliotheken: Athen. 12,515e, 15,694a. Jacobsthal 1908, 383 Nr. 4, 409 Nr. 41; Robert 1937, 72–73. Ioh. Mal. 10,10; Downey 1961, 132; Scholten 2014, 113. IG II2 1009; Hesperia 16, 1947, 170–172; IG II2 1030, 1041; s. Haake 2007, 45. IG II2 1029, 1042, 1943. Dieses Gymnasion befand sich in der Nähe der Agora: Paus. 1,17,2.

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Ein Phänomen, das erst in der römischen Kaiserzeit richtig in Erscheinung tritt, ist die Existenz von ‚Bibliotheken‘ in Asklepios-Kultstätten.211 Die Heiligtümer mit ihrem Kurbetrieb wurden mit eigenen Bibliotheken mit Vortragsäälen etc. ausgestattet. Einige Asklepios-Tempel wurden in der Kaiserzeit zu Orten eines regen intellektuellen Austauschs.212 Welchen Charakter diese Büchersammlungen zugewiesen bekommen haben, ob sie unter Umständen als wissenschaftliche oder öffentliche Bibliotheken genutzt wurden,213 wird in dem Quellenmaterial nicht thematisiert. Auch die Frage, ob Bibliotheken vor allem in Asklepios-Heiligtümern eingerichtet worden sind, weil Priester und Ärzte ein großes Interesse an diesen Informationsressourcen hatten, muss offenbleiben. In Kos weihte im 1. Jahrhundert n. Chr. der berühmte Leibarzt des Kaisers Claudius, G. Stertinius Xenophon,214 als Priester des Asklepios, der Hygeia, der Epione und der kaiserlichen Familie dem Volk eine ‚Bibliothek‘, wenn die fast vollständige Ergänzung der Inschrift zutrifft.215 Er stiftete die Bibliothek, nachdem er in seine Heimat zurückgekehrt war.216 In einer Inschrift aus Kos aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. ist eine Bibliothek bezeugt, für die Spenden in Form von Büchern oder Geldern angekündigt wurden, die aber nicht unmittelbar mit dem Asklepieion in Verbindung gebracht wird.217 Der Tradition nach soll Hippokrates die auf Stelen im Heiligtum des Asklepios auf Kos eingemeißelten Heilungsberichte abgeschrieben218 und so die wissenschaftliche Medizin begründet haben. Nach einem Brand im Tempel des Asklepios auf Kos219 habe er die ‚klinische‘ Medizin eingeführt. In der Hippokrates-Vita des Pseudo-Soranus aus dem 1./2. Jahrhundert n. Chr. wird darüber berichtet, dass dieser die grammatophylakia in Knidos oder auf Kos zerstört habe.220 In der TzetzesVita des Hippokrates aus dem 12. Jahrhundert wird dieser zum Bibliothekar (bibliophylax) gemacht, der die „alten medizinischen Bücher“ und die Bibliothek verbrannt habe.221 Ein bekannter moderner Philologe hat von einer törichten Legende gesprochen, die mit dem Leben des Hippokrates in Verbindung gebracht wurde.222 Ob es auf Kos im Asklepieion in vorrömischer Zeit wirklich eine größere Sammlung von Schriften (‚Ärztebibliothek‘) gab, muss demnach offen bleiben. Eine Bibliothek in Delphi ist ebenfalls inschriftlich belegt, die auf eine Initiative der Amphiktyonie in der Zeit von 99–102 n. Chr. zurückging. Finanziert wurde diese

211 212 213 214 215 216 217 218 219 220 221 222

Krug 1992, 187–200. Nicolai 1988, 29–37. Achenbach 2005, 1–12. Buraselis 2000, 66–110. Parker/Obbink 2000, 415–416. Coqueugniot 2010, 41–53. IG XII 4,2, 433. Strab. 14,2,19, 8,6,15. Plin. nat. 29,4, der sich auf Varro bezieht. Ps.-Soran. Vit. Hippocr. 4 Ilberg (= CMG, p. 175). Tzetz. chil. 7,964. Flashar 2016, 29–30.

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„mit dem Geld des Gottes“ unter dem Epimeleten T. Flavius Soclarus, einem Freund des Plutarch.223 Im Areal des Asklepios-Heiligtums in Pergamon,224 das sich seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. zur überragenden Kultstätte des Asklepios im griechischen Osten entwickelt hatte, ist im 2. Jahrhundert n. Chr. ein Rundtempel für Zeus Asklepios zur Zeit des Hadrian gegenüber der alten Asklepios Soter-Kultstätte von dem aus Pergamon stammenden römischen Senator und dem Konsul von 142 n. Chr., L. Cuspius Pactumeius Rufinus, errichtet worden. In der Nähe war eine Bibliothek vorhanden, die zusammen mit einem monumentalen Standbild des Hadrian von einer reichen Frau namens Flavia Melitine, Frau des Flavius Metrodorus, errichtet wurde.225 Überliefert ist ein öffentlicher Ehrenbeschluss für Melitene,226 in dem festgehalten war, dass diese eine Bibliothek in dem Heiligtum des Soter Asklepios gestiftet hat.227 Ob an diesem Ort wirklich eine auf medizinische Fragen ausgerichtete Fachbibliothek eingerichtet wurde, muss offen bleiben.228 Es ist denkbar, dass dort eine Sammlung klassischer Autoren zu finden war, die von den Gesunden und Kranken, die sich im Asklepieion aufhielten, gelesen wurde. Das Asklepieion wurde zu einem geistigen Zentrum, in dem Ärzte, Gelehrte und Philosophen agierten, und zu einem Ort der religiösen Heilkunde. Der Rhetor Aelius Aristides machte das Asklepieion mehrere Jahre wegen seiner Krankheiten zu seinem ständigen Wohnsitz.229 Im Asklepios-Heiligtum von Epidauros existierte eine Bibliothek seit dem 2. Jahrhundert n. Chr. G. Rufus Xenaios hatte sie dem Apollon Maleatas und Asklepios Soter gestiftet.230 Während einer sanatio des M. Iulius Apella, so berichtet er in seinem Kurbericht über den Aufenthalt im Asklepieion, hat dieser in der Bibliothek einige Tage gearbeitet.231 Bibliotheken wurden seit hellenistischer Zeit häufig in einem Heiligtum untergebracht. Man hat den Schutzgott, in der Regel Apollon oder Asklepios, mit ihnen zumindest vordergründig in einen inneren religiösen Zusammenhang gebracht. Die Bibliothek wurde unter den Schutz eines geheiligten Ortes gestellt. Wichtig war auch die zweckmäßige Verwaltung, die den Anschluss an ein Heiligtum ermöglichte. Für die Kultstätten bedeutete die Verbindung von Wissen und Kult einen Gewinn an Popularität. Diejenigen, die die Bibliotheken einrichteten, erwarteten durch die Übernahme von derartigen kostspieligen Projekten im Rahmen der euergesía Ruhm und Anerkennung.

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VII. Zusammenfassung Die Heiligtümer im antiken Griechenland können nur in einem eingeschränkten Maße als aktive ‚Institutionen des Wissens‘ bezeichnet werden. Sie öffneten sich aber durchaus bewusst einem Diskurs, in dem Wissen und Bildung wichtig wurden. Diese Tendenzen wurden seit der hellenistischen Zeit verstärkt, in der in einigen Heiligtümern auch Bibliotheken eingerichtet wurden. In den Heiligtümern stand über die Zeit hinweg das religiöse Wissen im Handeln in Kult und Ritual im Vordergrund. Die handelnden Akteure reflektierten aber auch nicht-religiöses Wissen in Heiligtümern. In Einzelfällen wurden Wissensbestände, die nichts mit der Religion zu tun hatten, in Heiligtümern präsentiert bzw. geweiht. In einigen Heiligtümern gab es Archive, die von der Polis organisiert wurden, die für deren Verwaltung verantwortlich war, und die unter den Schutz einer Gottheit gestellt werden sollten. Eine Vernichtung der Archive stellte einen Bruch der bestehenden Ordnung dar. In den Archiven wurden die Dokumente unterschiedlicher Art aufbewahrt, die aber bisweilen zumindest nicht nur mit der Verwaltung des Heiligtums unmittelbar in Verbindung standen. Besondere Bedeutung hatten die Asklepieia, in denen vor allem Heilungsberichte aufbewahrt und gesammelt wurden. Diese Heilberichte hatten zwei Funktionen: zum einen sollten sie die Erfolgshaftigkeit der Heiligtümer unter Beweis stellen. Zum anderen konnten die Texte auch zur Ausbildung von Personen herangezogen werden, die sich mit Heilungen in der Antike beschäftigten, wenn auch nicht in systematischer Weise. In den großen panhellenischen Heiligtümern stand vor allem die Öffentlichkeit im Vordergrund, die von einzelnen Intellektuellen und Gelehrten genutzt wurde, um ihr Wissen durchaus in einem kompetitiven Umfeld an heiligen Orten der Begegnung vor vielen Menschen zu demonstrieren. Das Wissen, das man dort präsentierte, hatte aber häufig einen engen Bezug zu den in den Kultstätten verehrten Göttern und ihren Heiligtümern.

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Klaus Freitag

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Die gemeinsame Aufstellung zwischenstaatlicher Vertragsurkunden (koinē stēle)* Marie-Kathrin Drauschke

I. Untersuchungsgegenstand Wenn griechische Gemeinwesen einen zwischenstaatlichen Vertrag eingingen, konnte die entsprechende Urkunde neben einer Hinterlegung in den lokalen Archiven1 auch in inschriftlicher Form auf dauerhaftem Material festgehalten und an öffentlich zugänglichen Orten errichtet werden. Erhaltene Publikationsbeschlüsse zeigen, dass in den meisten Fällen jeder Vertragspartner eine Aufstellung innerhalb seines Gemeinwesens vornahm; darüber hinaus konnten weitere Orte bestimmt werden, an denen die Urkunde ebenfalls zu sehen sein sollte. Schauplatz waren häufig Heiligtümer; durch eine dortige Aufstellung kam der Inschriftenträger in den Besitz und unter den Schutz der jeweiligen Gottheit.2 Im Zusammenspiel mit dem Eid, der einen Vertrag rechtswirksam machte,3 steigerte dieses Aufstellungsverhalten die Erwartung einer religiösen Sanktionierung, die den Vertrag absichern sollte.4 Einige Publikationsbeschlüsse, die nicht nur Aufstellungen bei den Vertragspartnern, sondern auch eine oder mehrere zusätzliche Urkunden an weiteren Orten vorsehen, gebrauchen eine besondere Terminologie zur Beschreibung von Objekt und Handlung: Es handelt sich um den Begriff koinós, der entweder adverbial den Vorgang des Aufstellens oder adjektivisch die Stele als „gemeinsame“ aller Vertragspartner charakterisiert.5 Die Wortwahl in diesem Kontext hat bisher eine nur oberflächliche Behandlung erfahren; Ziel des folgenden Beitrags ist, sie genauer in den Blick zu nehmen. *

1 2 3 4 5

Der Beitrag entstand im Rahmen der Untersuchungen für meine Dissertation „Kαὶ στῆσαι ἐς τὸ ἱερὸν. Die Aufstellung zwischenstaatlicher Vereinbarungen in griechischen Heiligtümern“ (Diss. Münster 2018; wird veröffentlicht als „Die Aufstellung zwischenstaatlicher Vereinbarungen in griechischen Heiligtümern“, Hamburg 2019). Durchgeführt wurde das Promotionsvorhaben als Teil des Projektes „Politisch-religiöse Interdependenzen in sakralen Räumen. Epigraphische Texte im Umfeld antiker griechischer Heiligtümer“ unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Funke im Exzellenzcluster „Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und der Moderne“ der Universität Münster. Giovannini 2007, 235–238. Bresson 2005, 164. Scharff 2009, 318; vgl. auch Scharff 2016. Bresson 2005, 163–166. Vgl. Anm. 24–25.

122

Marie-Kathrin Drauschke

II. Vorkommen in epigraphischen und literarischen Quellen Inschriftlich nachgewiesen werden kann der Ausdruck in zwei Verträgen zwischen Poleis und Bundesstaaten des griechischen Festlandes bzw. der Peloponnes aus dem 5. bzw. 3. Jahrhundert v. Chr. sowie sechs Vereinbarungen zwischen kretischen Poleis des späten 3. und 2. Jahrhunderts v. Chr. Darüber hinaus gibt es literarische Erwähnungen: Plutarch überliefert in Bezug auf eine Syntheke zwischen Sparta und Tegea eine gemeinsame Stele beim Fluss Alpheios,6 der die Grenze zwischen den Territorien der Vertragspartner darstellte.7 Des Weiteren zitiert Thukydides den Text eines Friedens- und Symmachievertrags zwischen Athen, Argos, Mantineia und Elis, dessen Publikationsbeschluss eine gemeinsame Aufstellung in Olympia vorsieht.8 Die hier relevanten Auszüge der Publikationsbeschlüsse und Erwähnungen mit den Vorkehrungen zur gemeinsamen Aufstellung sind im Folgenden aufgeführt. Von einem vollständigen Zitat der Publikationsbeschlüsse inklusive der jeweiligen Angaben über die bei den Vertragspartnern aufzustellenden Urkundenstelen wird aus Platzgründen abgesehen.9 Vertragstexte, in denen die Angaben zur gemeinsamen Aufstellung auf mehr oder weniger unsicheren Ergänzungen beruhen,10 werden nicht näher diskutiert, da die sicheren Nachweise im Vordergrund stehen. Nr.

Titel, Datierung

Textstelle/ Edition

Angabe der gemeinsamen Aufstellung

i

Vertrag zwischen Sparta und Tegea; Datierung umstritten11

Plut. mor. 292b

Plut. mor. 292b: στήλην ἐπ᾽ Ἀλφειῷ κοινὴν ἀνέστησαν. „Sie stellten eine gemeinsame Stele beim Alpheios auf.“

6 7 8 9

10

11

StV II 112. Paus. 8,54,1; Leahy 1958, 163 Anm. 68. Thuk. 5,47. Folgende Aufstellungsorte werden neben der gemeinsamen Aufstellung genannt. ii: Akropolis in Athen, Apollon Lykeios Heiligtum in Argos, Zeusheiligtum in Mantineia; iii: Athenaheiligtum in Koroneia, Poseidonheiligtum in Onchestos, Alalkomeneion, bei der Statue der Aitolia in Thermos, Lophrion in Kalydon; iv: Aktion, Thermos; v: Heiligtum [der Athena Oleria] in Oleros, Apollonheiligtum in Hierapytna, Athenaheiligtum und Apollonheiligtum in Lyttos; vi: Apollon Pythios Heiligtum in Gortyn, Apollon Delphinios Heiligtum in Knossos; vii: Heiligtum der Eleithyia in Lato, Apollon Delphinios Heiligtum in Knossos, Aresheiligtum in Dera, Zeus Tallaios Heiligtum in Olus; viii: Pythion im oberen Lyttos, Agora in Lyttos am Meer, Agora in Olus; ix: Heiligtum der Zwölf Götter in Hierapytna, Heiligtum der Eleithyia in Lato; x: Athena Polias Heiligtum in Hierapytna, ein Heiligtum des Asklepios. Folgende Ergänzungen, die diese Terminologie aufweisen, sind eher unsicher: 1. Staatsverträge II 308: Vertrag zwischen Philipp II und den Chalkidiern (357/6 v. Chr.), Vorkehrungen für eine gemeinsame Aufstellung in Delphi ergänzt von Robinson 1934, Nr. 1; die Lesung und Ergänzung in Staatsverträge II 308 dagegen weist nicht auf eine gemeinsame Aufstellung hin: Ὀλυμπίου καὶ ἐς Δελφοὺς μα¢|[ντείης τε καὶ στήλης ἀντίγρα]φα θεῖναι; 2. Chaniotis, Verträge 50: Vertrag zwischen Hierapytna und Knossos (nach 145 v. Chr.), gemeinsame Aufstellung im Heiligtum des Zeus Diktaios bei Palaikastro, wo die Inschrift gefunden wurde, ergänzt an Stelle einer Rasura. Vgl. Heine Nielsen 2002, 188–190 (Datierungen zwischen 550 und 460); Osborne 2009, 272 ordnet den Vertrag in die Zeit zwischen dem späten 7. und frühen 5. Jh. ein.

Die gemeinsame Aufstellung zwischenstaatlicher Vertragsurkunden (koinē stēle)

123

Nr.

Titel, Datierung

Textstelle/ Edition

Angabe der gemeinsamen Aufstellung

ii

Friedens- und Symmachievertrag zwischen Athen, Argos, Mantineia und Elis; 420 v. Chr.

Thuk. 5,47 IG I3 8312

Thuk. 5,47,11: καταθέντων δὲ καὶ Ὀλυμπίασι στήλην χαλκῆν κοινῇ Ὀλυμπίοις τοῖς νυνί. „Bei den kommenden Olympischen Spielen soll eine Bronzestele gemeinsam in Olympia aufgestellt werden.“13

iii

Symmachievertrag zwischen Aitolern und Boiotern; 275 v. Chr.14

IG IX 12 1 170

IG IX 12 1 170, Z. 3–4: στήλας δὲ στῆσαι (…) καὶ κοινὴν ἐν Δελφοῖς. „Stelen sollen aufgestellt werden (…) und eine gemeinsame in Delphi.“

iv

Symmachievertrag zwischen Aitolern und Akarnanen; 263/2 v. Chr.

IG IX 12 1 3

IG IX 12 1 3, Z.13–16: ἀναγραψάν|τω δὲ ταῦτα ἐν στάλαις χαλκέαις (…) ἐν Ὀλυμπίαι δὲ καὶ ἐν Δελφοῖς καὶ ἐν Δω[δ]ώναι κοινᾶι ἑκάτ|εροι. „Diese Dinge sollen sie auf Bronzestelen aufschreiben (…) in Olympia und Delphi und Dodona gemeinsam beide.“

v

Symmachievertrag I.Cret. III zwischen Hierapytna und iii 3b Lyttos; 205 v. Chr.

I.Cret. III iii 3b, Z. 12–13: στασάντων δὲ καὶ κοινὰν στάλαν ἐν Γόρτυνι ἐν τῶι ἱερῶι | τῶ […7…]ι. „Und eine gemeinsame Stele sollen sie in Gortyn im Heiligtum des [Apollon Pythios?] aufstellen.“15

vi

Vertrag zwischen Gortyn und Knossos; 167/6 v. Chr.

Chaniotis, Verträge 44, Z. 17–21: στᾶσαι τὰν ὁμολογίαν ταύ¢[τα|ν] […] κ¢α¢ὶ ¢ [ἄλ]/λαν κοινᾶι τὰνς πόλινς ἀμφοτέρανς ἐν¢ [-------------------|.]ίαι ἐν τῶι ναῶι τᾶς Ἀθαναίας. „Diese Vereinbarung sollen sie aufstellen […] und eine andere gemeinsam beide Poleis in [-------------------|.]ίαι im Naos der Athena.“

12

13 14 15

Chaniotis, Verträge 44

Aus Athen ist ein Fragment der Vereinbarung auch inschriftlich erhalten (IG I3 83); nur Thukydides aber überliefert den Publikationsbeschluss. Wie Thukydides an den Vertragstext kam und wo er diesen abgeschrieben haben könnte, ist viel diskutiert worden: Während in Betracht zu ziehen ist, dass Thukydides einen Archivtext konsultierte, argumentieren einige Historiker, dass er die Urkundenstele während der Spiele in Olympia gesehen und abgeschrieben habe. U. a. gilt als Anhaltspunkt für diese Einschätzung, dass dem Vertrag direkt eine sehr detaillierte Beschreibung der Festlichkeiten folgt, vgl. u. a. Clark 1999, 124–125; Hornblower 2004; dagegen u. a. Cohen 1956. Die Inschrift war zur Zeit des Pausanias noch im Inneren des Zeustempels zu sehen, Paus. 5,12,8. Knoepfler 2007, 1253; zuvor war der Vertrag zeitlich deutlich früher eingeordnet worden, zwischen 300 und 281 v. Chr., vgl. die Zusammenfassung früherer Datierungen in Flacelière 1937, 58–59. Chaniotis, Verträge 26, 244.

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Marie-Kathrin Drauschke

Nr.

Titel, Datierung

Textstelle/ Edition

Angabe der gemeinsamen Aufstellung

vii

Vertrag über Vermittlung zwischen Lato und Olus; 118–116 v. Chr.

I.Cret. I xvi 4A

I.Cret. I xvi 4A, Z. 11–15: καὶ θέμεν στάλαν ἐ|ν ἁμέραις τριάκοντα […] ἄλλαν | δὲ κοινᾶι ἐν Δάλωι ἐν τῶι ἱαρῶι τῶ Ἀπόλλωνος. „Und sie sollen eine Stele aufstellen innerhalb von 30 Tagen […] und eine weitere Stele gemeinsam in Delos im Heiligtum des Apollon.“

viii

Philia, Isopolitie und Symmachie zwischen Lyttos und Olus; 111/0 v. Chr.

Kritzas 2011, 145

Kritzas 2011, 145, Z. 44–50: ἀνθέμεν δ[ὲ | κα]ὶ ἄλλας στάλας ..ΕΣΙ[..|..]ς κοινᾶι ἑκατέρος ἐχ[όν|σ]ας τὸ ἀντίγραφον τᾶσδ[ε | τ]ᾶς συνθήκας, ἔν τε Κνω|[σ]ῶι ἐν τῶι ἱερῶι τῶ Ἀπόλλ[ω|ν]ος τῶ Δελφιδίω καὶ ἐν Ῥ[ό|δ]ωι καὶ ἐν Ἀθήναις „Und sie sollen auch weitere Stelen aufstellen ..ΕΣΙ[..ï..]ς gemeinsam beide mit einer Abschrift dieses Vertrags in Knossos im Heiligtum des Apollon Delphinios und in Rhodos und in Athen.“

ix

Symmachievertrag zwischen Lato und Hierapytna; 111/0 v. Chr.

Chaniotis, Verträge 59

Chaniotis, Verträge 59, Z. 45–47: [Ὅρ]κ¢ον δ¢ὲ καὶ στάλας ἀ¢ν¢[αγραψάντων καὶ στασάντων ἑκάτεροι] (…) [κοινᾶι δὲ στ] α¢σ¢άντων Ἱ[αρα|πύτνιοι] καὶ Λάτιοι [Λυττοῖ ἐν τῶι ἱαρῶι τᾶς Ἀθαναίας Πολιάδος?] „Den Eid und die Stelen sollen beide aufzeichnen und aufstellen (…) und [gemeinsam] sollen die Hierapytnier und die Latier (eine Stele) [in Lyttos im Heiligtum der Athena Polias?] aufstellen.“

x

Isopolitievertrag Hierapytnas; 2. Jh. v. Chr.16

Chaniotis, Verträge 74

Chaniotis, Verträge 74, Z. 3–8: ἀγγραψάντων | δὲ τὰν ἰσοπολιτείαν ἑκάτεροι ἐς] στάλας λιθίνας τρεῖς κα[ὶ | ἀνθέντων] […] τὰν δὲ τρίταν κοινᾶι | [Ὠλεροῖ] ἐν τῶι ἱερῶι τᾶς Ἀθαναίας. „Und sie sollen die Isopolitie beide aufzeichnen auf drei steinerne Stelen und sie aufstellen […] und eine dritte gemeinsam in [Oleros] im Heiligtum der Athena.“

16

Die Identität des Vertragspartners ist unsicher. Der Publikationsbeschluss sieht eine gemeinsame Stele in einem Athenaheiligtum vor; wo sich dieses Heiligtum befindet, ist jedoch unklar; möglicherweise in Oleros oder auch in Lyttos, vgl. Chaniotis, Verträge 74, bes. 433–435 und Anmerkungen. Die Tatsa-

Die gemeinsame Aufstellung zwischenstaatlicher Vertragsurkunden (koinē stēle)

125

III. Forschungsstand In der Forschungsdiskussion wurde die hier im Fokus stehende Formulierung zwar bemerkt und kommentiert, die Anmerkungen sind aber kurz und exemplarisch geblieben und eine tiefergehende Betrachtung wurde bisher nicht angestrebt. In seiner Untersuchung über den Abschluss und die Beurkundung antiker Staatsverträge aus dem Jahre 1934 erwähnt Alfred Heuß mit Verweis auf den Vertrag zwischen Hierapytna und Lyttos (v) den Begriff der koinē stēle; er erklärt, diese Bezeichnung hätten Urkunden getragen, die nicht „in den Gemeinden der jeweiligen Vertragsschließenden“ sondern an – von Heuß nicht genauer beschriebenen – „dritten Orten“ aufgestellt worden seien.17 Die Benennung erklärt er mit dem Anspruch beider Vertragspartner auf die Stele: „Diese Stele gehörte dann keinem der beiden Partner und hieß deshalb folgerichtig κοινὴ στήλη.“18 Der Zweck der Aufstellung einer koinē stēle sei es gewesen, so fährt er fort, „ein den willkürlichen Eingriffen eines der Partner noch mehr entrücktes Exemplar zu haben, auf das man im Notfall zurückgreifen konnte.“19 Ohne Verweis auf die Kommentare von Heuß kommentiert auch Gerald Lalonde in seiner 1971 an der Universität Washington eingereichten Dissertation dieses Detail. Sein nur als Mikrofilm verfügbares und dementsprechend wenig rezipiertes Werk The Publication and Transmission of Greek Diplomatic Documents beschäftigt sich vor allem mit technischen, finanziellen und verfahrensorientierten Fragen im Umgang mit zwischenstaatlichen Urkunden. Den Begriff der koinē stēle benennt Lalonde nicht; stattdessen spricht er von einer „cooperative publication“ und betont so das Zusammenwirken der Vertragspartner, das durch den adverbialen Gebrauch von koinṓs ausgedrückt wurde. Lalonde bemerkt zutreffend, dass die gemeinsame Aufstellung ein speziell in Bezug auf die Gattung zwischenstaatlicher Verträge auftretendes Verhalten ist: „In keeping with the amicable and mutual nature of treaties of peace and alliance, the participating states frequently shared the responsibility and expense of erecting the extra copy of their agreement.“ Dabei suggeriert er, dass die Möglichkeit, nicht aber die Notwendigkeit bestand, Aufstellungen an ‚dritten‘ Orten gemeinsam durchzuführen.20 Im Unterschied zu Heuß, der die ‚dritten‘ Orte nicht weiter charakterisiert, betont Lalonde, dass es sich speziell um Heiligtümer gehandelt habe, und zwar um „panhellenische“, wobei er Olympia und Delphi besonders hervorhebt; dies untermauert er mit Verweis auf die von Thukydides überlieferte Übereinkunft (ii) und den Symmachievertrag zwischen Aitolern und Akarnanen (iv).21

17 18 19 20 21

che, dass die Identität des Vertragspartners der Hierapytnier unsicher ist, erschwert die Beantwortung der Frage nach dem fehlenden ‚dritten‘ Aufstellungsort; vgl. Errington 2015. Heuß 1995, 418 (Neuveröffentlichung des Beitrags von 1934). Heuß 1995, 418. Heuß 1995, 418. Lalonde 1971, 181. Lalonde 1971, 181, 152. Ebenso wie Heuß nennt Lalonde 1971, 181 Thuk. 5,47,11; anders als Heuß nennt Lalonde darüber hinaus IG IX 12 1, 3 (entspricht iii).

126

Marie-Kathrin Drauschke

Bei beiden Althistorikern basieren die Anmerkungen nicht auf einer umfassenden Materialgrundlage, stehen sie doch am Rande des jeweiligen Untersuchungsschwerpunktes: Lalonde richtet sein Hauptaugenmerk auf die technischen Verfahren der Bekanntmachung und Übermittlung zwischenstaatlicher Abkommen, Heuß beschäftigt sich vorrangig mit dem Verhältnis zwischen dem Vorgang des Vertragsabschlusses einerseits und der Aufzeichnung der entsprechenden Urkunden andererseits.22 Die Beobachtungen beider werden an dieser Stelle mithilfe der gesammelten Zeugnisse zunächst revidiert, weitergeführt und auf eine systematischere Grundlage gestellt (IV.). Lalonde geht in seinen Überlegungen einen Schritt weiter als Heuß, indem er nicht nur die Aufstellungsorte der gemeinsamen Stelai erläutert, sondern auch auf die Frage eingeht, ob und inwiefern eine koinē stēle sich von den anderen Aufzeichnungen einer Vereinbarung abhob. Er vermutet, dass für die gemeinsame Aufstellung ein Einheitstext verfasst wurde und somit inhaltliche und formale Besonderheiten bestanden: Die gemeinsame Stele habe „a version which in wording and content represented all of the parties equally, unlike the official local inscriptions which were essentially separate decrees of ratification and resolutions formulated from the point of view of each respective party“ getragen.23 Anhand einer inhaltlichen Betrachtung einzelner Publikationsbeschlüsse wird in diesem Beitrag auch der Frage, was eine gemeinsame Stele eigentlich ausmachte, tiefergehend nachgegangen (V.). IV. Revision Die Bestandsaufnahme der verfügbaren Quellen zeigt, dass die Anmerkungen von Heuß und Lalonde in drei Punkten revidiert werden müssen, und zwar erstens zum Gebrauch des Begriffs koinē stēle, zweitens bezüglich des Zusammenhangs von koinē stēle und Aufstellung an einem ‚dritten‘ Ort und drittens hinsichtlich der Beschreibung der Schauplätze dieser Handlung. 1. Der von Heuß hervorgehobene Begriff der koinē stēle, den er als Bezeichnung der an ‚dritten‘ Orten aufgestellten Inschriftenträger präsentiert, ist in einzelnen Publikationsbeschlüssen zwischenstaatlicher Vereinbarungen belegt.24 Häufiger ist es aber die Handlung des Aufstellens, die adverbial als koinṓs charakterisiert wird.25 Ob die unterschiedlichen grammatikalischen Formen reale Handlungsvarianten beschrei22

23 24 25

Die in diesem Beitrag herangezogenen Inschriften ii–vii waren schon Ende des 19. / Anfang des 20. Jh.s bekannt (vgl. entsprechende Angaben in Staatsverträge und Chaniotis, Verträge). Lediglich Inschrift ix wurde erst Mitte des 20. Jh.s gefunden; der relevante Teil von viii kann weder Heuß noch Lalonde bekannt gewesen sein. Lalonde 1971, 182. Als weniger übliche, alternative Form eines „common text“ nennt Lalonde „separate final drafts (…) engraved consecutively.“ In den Symmachieverträgen zwischen Aitolern und Boiotern (iii) sowie zwischen Hierapytna und Lyttos (v) ist der adjektivische Gebrauch von koinós als Beschreibung einer Stele belegt. Mehrfach belegt ist die adverbial gebrauchte Form des Dativ feminin κοινῇ bzw. im Dorischen κοινᾶι; κατὰ κοινὸν wird im Vertrag zwischen Ephesos und Sardeis genutzt (I.Pergamon II 268).

Die gemeinsame Aufstellung zwischenstaatlicher Vertragsurkunden (koinē stēle)

127

ben, geht aus den Quellen nicht hervor. Von Bedeutung ist aber die Feststellung, dass häufig nicht der gemeinsame Besitz der Stele, sondern die Kooperation im Vordergrund stand. Im Folgenden wird zwischen koinē stēle und gemeinsamer Aufstellung als Beschreibungen desselben Gesamtphänomens nicht mehr explizit unterschieden. 2. Während Heuß einen engen Zusammenhang zwischen der koinē stēle und den ‚dritten‘ Orten herstellt, betrachtet Lalonde zu Recht das Zusammenwirken der Vertragspartner als ein mögliches, nicht aber notwendiges Vorgehen.26 Nicht alle Publikationsbeschlüsse zwischenstaatlicher Verträge, die eine Aufstellung in ‚dritten‘ Heiligtümern anordnen, sehen eine Kooperation zwischen den Beteiligten vor; bisweilen zählen sie die Kultstätten auf, ohne einen Zuständigen für die Umsetzung der Anweisungen zu identifizieren.27 Von einer gemeinsamen Aufstellung ist dann nicht unbedingt auszugehen, da Vertragsstelen auch in ‚dritten‘ Heiligtümern von einem einzelnen Vertragspartner errichtet werden konnten. Ein solches Vorgehen beschreibt der Publikationsbeschluss eines Sympolitievertrags zwischen Smyrna und Magnesia am Sipylos aus dem Jahre 245 v. Chr.28 Zwar sollen Inschriftenträger an zwei Orten errichtet werden, die außerhalb der Territorien und Verwaltung der Vertragspartner liegen und als ‚dritte‘ Orte gelten können – nämlich Heiligtümer in Magnesia am Mäander und in Gryneion – eine Kooperation wird jedoch an keinem dieser Orte angestrebt. Stattdessen wird die Arbeit aufgeteilt, indem jeder Vertragspartner angewiesen wird, zwei bzw. drei Stelen aufzustellen.29 Auch im Fall von schiedsrichterlichen Vereinbarungen veröffentlichte häufig nur einer der Vertragspartner entsprechende Urkunden – nämlich derjenige, der von dem Urteil profitierte –, während der andere davon absah.30 Dies betraf Stelen im eigenen Gemeinwesen ebenso wie an weiteren Orten.31 Diese Beispiele belegen die Unzulänglichkeit einer generellen Gleichsetzung von Aufstellung an einem ‚dritten‘ Ort und koinē stēle. Zudem war der sogenannte ‚dritte‘ Ort weder notwendigerweise von den Vertragspartnern unabhängig oder unbeteiligt, noch waren die dort aufgestellte Urkun26 27 28 29

30 31

Lalonde 1971, 181; Heuß 1995, 418. Vgl. nur Publikationsbeschluss des Nikiasfriedens, zitiert in Thuk. 5,18,10: στήλας δὲ στῆσαι Ὀλυμπίασι καὶ Πυθοῖ καὶ Ἰσθμοῖ καὶ Ἀθήνησιν ἐν πόλει καὶ ἐν Λακεδαίμονι ἐν Ἀμυκλαίῳ. I.Magnesia am Sipylos 1. I.Magnesia am Sipylos 1, Z. 83–85 ἀναγραψάτωσ[αν] δὲ καὶ τὴν ὁμολογίαν ἐν στήλα[ις λευκολίθοις καὶ ἀναθ]έτωσαν Σμυρναῖοι μὲν ἐν τῶι τῆς Ἀφροδίτης τῆς Στρατονικίδος ἱερῶι | καὶ ἐμ Μαγνησίαι τῆι πρὸς τῶι Μαιάνδρωι ἐν τῶι τῆς Ἀρτέμιδ[ος τῆς Λευκοφρυη]νῆς ἱερῶι, οἱ δὲ ἐμ Μαγνησίαι κάτοικοι ἔν τε τῆι ἀγορᾶι παρὰ τὸν βωμὸν τοῦ | Διον[ύσ]ου καὶ τὰς τῶν βασιλέων εἰκόνας καὶ ἐμ Πάνδοις ἐν [τῶι ἱερῶι τοῦ] Ἀπόλλωνος καὶ ἐγ Γρυνέωι ἐν τῶι ἱερῶι τοῦ Ἀπόλλωνος· – „Und sie sollen die Vereinbarung auf steinerne Stelen aufschreiben und aufstellen, die Smyrnäer im Heiligtum der Aphrodite Stratonikis und in Magnesia am Mäander im Heiligtum der Artemis Leukophryene, die Siedler in Magnesier auf der Agora beim Altar des Dionysos und den Statuen der Könige und in Panda im Heiligtum des Apollon und im Gryneion im Heiligtum des Apollon.“ In Gryneion befand sich ein recht bekanntes Apollon-Orakel; das Apollonheiligtum in Panda wurde bisher nicht lokalisiert, vgl. Williamson 2013, bes. 135, 139. Ager 1996, 18. Im Falle einer schiedsrichterlichen Vereinbarung zwischen Messenien und Sparta aus dem Jahre 138 v. Chr. (IvO 52) ist eindeutig, dass die Aufzeichnung in Olympia auf der Basis der bekannten Nikestatue des Paionios von den Messeniern ausging: Teil der Inschrift ist eine entsprechende Anfrage der Messenier, die von dem Schiedsspruch profitierten, an Elis.

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den stets den Zugriffen der Vertragspartner entzogen, wie Heuß suggeriert.32 So sollte der Vertrag zwischen Athen, Argos, Mantineia und Elis (ii) in Heiligtümern der ersten drei Poleis sowie darüber hinaus als koinē stēle in Olympia aufgestellt werden. Ein Heiligtum in Elis selbst wird nicht genannt, sodass Olympia als Aufstellungsort für Elis und gleichzeitig als ‚dritter‘ Aufstellungsort aller Vertragspartner fungiert. Der Aufstellungsort der koinē stēle war somit ein Heiligtum, das von einem der Vertragspartner – Elis – verwaltet wurde. Auch mehrere Verträge mit dem Aitolerbund (iii, iv) wurden zu einer Zeit gemeinsam in Delphi aufgestellt, als das Heiligtum unter starkem aitolischem Einfluss stand.33 Der Einfluss eines einzelnen Vertragspartners auf das Heiligtum, in dem eine koinē stēle errichtet wurde, scheint unproblematisch gewesen zu sein. Dies zeigt einmal mehr, dass Heiligtümer wie Olympia und Delphi auf mehreren Ebenen in Anspruch genommen werden konnten; sie waren nicht ausschließlich elisch, aitolisch oder panhellenisch, sondern konnten zugleich Funktionen eines lokalen und eines überregionalen Heiligtums erfüllen.34 3. Die Bestandsaufnahme ermöglicht es, die von Heuß sogenannten ‚dritten‘ Orte genauer zu definieren: Es handelt sich mit großer Wahrscheinlichkeit durchweg um Heiligtümer. Selbst wenn ein Heiligtum nicht explizit im Publikationsbeschluss genannt wird, ist ein solches naheliegend.35 In Bezug auf den Vertrag zwischen Sparta und Tegea (i) äußert Victor Alonso Troncoso die Vermutung, dass ἐπ᾽ Ἀλφειῷ als Beschreibung Olympias zu verstehen ist; dementsprechend könnte mit dem Ver-

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Heuß 1995, 418. Nach der Datierung der Symmachie mit den Boiotern (iii) von Knoepfler 2007, 1253 in das Jahr 275 wurde dieses Abkommen einige Jahre nach dem aitolischen Sieg über die Galater 279 v. Chr. geschlossen und gehört somit in eine Zeit, in der die Aitoler das Heiligtum von Delphi und die Amphiktyonie dominierten, Flacelière 1937, 93–94. Bis 263/2 v. Chr., als der Bund den ebenfalls gemeinsam in Delphi aufgestellte Vertrag mit den Akarnanen (iv) einging, hatten die Aitoler ihre Expansion fortgesetzt und ihren Einfluss in der Amphiktyonie ausgedehnt, Flacelière 1937, 179–220, bes. 198–199, 208–209. Es besteht Uneinigkeit, ob Delphi zu dieser Zeit als „aitolisches“ Heiligtum bezeichnet werden kann; dagegen spricht sich Freitag 2013, 147 aus; dafür argumentiert Knoepfler 2007, 1250. Diese unklare Zuordnung äußert sich auch in Bezug auf den Vertrag zwischen Aitolern und Akarnanen. Statt Delphi zu den aitolischen Heiligtümern zu zählen, bemühten sich die Forscher vor Knoepfler, die Anzahl der Aufstellungsorte für die Vertragspartner auszugleichen oder äußerten Unbehagen über die vermeintlich unausgeglichene Anzahl der Aufstellungen. So waren sich u. a. Walek 1913, 265 und Pomtow (Syll.3 366) einig, dass die Lacuna im Publikationsbeschluss durch ein drittes aitolisches Heiligtum zu ergänzen sei. Die Bezeichnung der in Delphi aufgestellten Stele als koinē mag dazu beigetragen haben, dass man das Heiligtum keinem der Vertragspartner direkt zuordnen wollte. Auch Knoepfler 2007, 1222 scheint sich um einen Ausgleich der Anzahl der Heiligtümer zu bemühen, indem er in Bezug auf das Itonion und das Alalkomeneion aufgrund ihrer geographischen Nähe und da sie derselben Gottheit geweiht sind argumentiert, sie seien „pratiquement un seul [sanctuaire]“. Ausreichend Belege zeigen aber, dass eine ausgeglichene Anzahl an Aufstellungen durch jeden Vertragspartner oft vorkam, aber durchaus keine Notwendigkeit war. Moustakis 2006, 2–3; Funke 2009, 294–296; Funke 2014, 53–65. Im Falle eines Vertrags zwischen Lyttos und Olus (viii), der neben dem Delphinion in Knossos auch Athen und Rhodos als Aufstellungsorte weiterer Stelen vorsieht, weist zumindest der Fundort in Athen – die Akropolis – auf eine dortige Aufstellung in einem Heiligtum hin. Auch für Rhodos ist zu vermuten, dass die Stele ebenfalls in einem Heiligtum aufgestellt wurde.

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trag die früheste bekannte koinē stēle im olympischen Heiligtum vorliegen.36 Zudem ist anzunehmen, dass Außenstehenden in einem ‚dritten‘ Gemeinwesen vorrangig, wenn nicht ausschließlich, die dortigen sakralen Stätten für die Anbringung eigener Inschriften offenstanden. Die Bezeichnung einer sich außerhalb eines Heiligtums befindlichen zwischenstaatlichen Urkunde als koinē stēle ist lediglich für die Mitgliederliste des Zweiten Attischen Seebundes (IG II2 43) überliefert,37 die auf der athenischen Agora bei der Statue des Zeus Eleutherios stand.38 Allerdings gibt es keinerlei Anhaltspunkte, dass diese koinē stēle von allen Bündnispartnern gemeinsam aufgestellt wurde; Athen übernahm diese Aufgabe als Hegemon des Bundes. In diesem Fall scheint die Stele als koinós aufgefasst worden zu sein, weil sie die Namen aller Bündner trug. Der Begriff der koinē stēle beschreibt hier somit einen anderen Sachverhalt und hatte eine andere Bedeutung als in den oben aufgelisteten Publikationsbeschlüssen. Anders als Heuß nennt Lalonde Kultstätten als Schauplätze der gemeinsamen Aufstellungen und charakterisiert diese zudem als „panhellenisch“. Die Aufstellungsorte derjenigen Urkundestelen, die durch Gemeinwesen des Festlandes platziert wurden – Olympia ([i], ii, iv), Delphi (iii, iv) und Dodona (iv) – gehörten zu den prominentesten Heiligtümern der griechischen Welt. Auf der religiösen Ebene bildeten sie die Grundlage einer panhellenischen Verbundenheit und waren Referenzpunkte mit weitreichender Akzeptanz, weshalb eine dortige Aufstellung einer Vertragsurkunde mit dem Ziel der religiösen Absicherung wahrscheinlich als besonders wirkungsvoll betrachtet wurde.39 Darüber hinaus war dort die Bekanntmachung vor einem besonders breiten Publikum möglich; die Anweisung im Vertrag zwischen Athen und den peloponnesischen Städten (ii), die Aufstellung bei den nächsten Olympischen Spiele vorzunehmen, lässt ein Interesse an einer weitreichenden Verbreitung erkennen, wie sie an kaum einem anderen Ort und Zeitpunkt in gleichem Maße möglich gewesen wäre.40 Für Abmachungen zwischen kretischen Poleis (v-x) aber sind auch Kultstätten mit geringerer Reichweite und ohne panhellenischen Status als Aufstellungsorte bezeugt. 36

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Alonso Troncoso 2013, 219 u. Anm. 41 betont, dass die Aufstellung einer koinē stēle für Olympia auch anderweitig bekannt ist; für diese Art der Vereinbarung sei die Aufstellung an einem Grenzfluss zwar inhaltlich passend, aber ohne Parallele; bei den Lyrikern würde ἐπ᾽ Ἀλφειῷ synonym für Olympia gebraucht. Die Bezeichnung als koinē stēle überliefert der Bündnisvertrag Athens mit Korkyra, Akarnanien und Kephallenia aus dem Jahr 375, der die Aufnahme der Städte in den Zweiten Attischen Seebund regelt und die Aufzeichnung ihrer Namen [ἐ]ς τὴν στήλην τὴν κοινὴν τῶ[ν συμμάχων] vorsieht (IG II2 96, Z. 13–14). Dort heißt es εἰς δὲ τὴν στήλην ταύτην ἀναγρά|φειν τῶν τε οὐσ[ῶ]ν πόλεων συμμαχίδων τ|ὰ ὀνόματα καὶ ἥτις ἂν ἄλλη σύμμαχος γί|νηται ταῦτα μὲν ἀναγράψαι (IG II2 43, Z. 69–71). Zur Identifikation dieser Inschrift als die koinē stēle vgl. Tuplin 1984, bes. 545–549. Hdt. 8,144: θεῶν ἱδρύματά τε κοινὰ καὶ θυσίαι; dazu Funke 2004, 161; Funke 2009, bes. 287–293; Polinskaya 2010, 52–53; Kindt 2012, 123–154, bes. 123, 125, 153. Bekanntlich waren die Olympischen Spiele für die Verbreitung politischer Neuigkeiten, für die man die Resonanz einer großen Menschenmenge suchte, besonders geeignet, vgl. u. a. Giovannini 2007, 57; Alonso Troncoso 2013, 224.

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Auch solche eher regional bedeutsamen Heiligtümer waren in ihrer Funktion als Versammlungsorte und Bezugspunkte der umliegenden Gemeinwesen41 für die kretischen Vertragspartner als Aufstellungsorte ihrer Urkunden offenbar geeignet. In diesen Verträgen ist eine politische Dimension in der Wahl der Aufstellungsorte erkennbar: So wählten Lyttos und Hierapytna (v) das Delphinion des gemeinsamen Verbündeten Gortyn als Aufstellungsort einer gemeinsamen Stele,42 und Latier und Hierapytnier errichteten wahrscheinlich eine Urkunde ihres Vertrags (x) bei dem gemeinsamen Bündnispartner Lyttos.43 Auch die Wahl von Knossos, Athen und Rhodos (ohne konkrete Benennung der Heiligtümer)44 als Aufstellungsorte des Vertrags zwischen Lyttos und Olus (viii) wird auf politische Verbindungen zurückgeführt.45 Möglicherweise bestand die Erwartung, dass die als Aufstellungsorte gewählten Gemeinwesen aufgrund der Verbindungen zu allen Beteiligten die Einhaltung des jeweiligen Vertrags positiv beeinflussen konnten oder aber von seinen Konsequenzen mitbetroffen waren. V. Besonderheiten der koinē stēle Bezüglich der Frage, was die gemeinsame Stele eigentlich ausmachte, können einige Beobachtungen gemacht werden. Sie betreffen die Form des aufgezeichneten Vertragstextes, die Zusammensetzung der an den Aufstellungsorten vorstelligen Gesandtschaften und die Finanzierung des Unterfangens. Lalonde nimmt an, dass die gemeinsame Stele einen Einheitstext trug, der sich in seiner Form von den „lokalen“ Abschriften unterschied, welche die Form separater Dekrete gehabt hätten. Begrifflichkeiten für diese formalen Unterscheidungen bietet Heuß, der in Bezug auf Einigungsurkunden zwischen dem nicht-psephismatischen Typus, der hauptsächlich aus Vertragsregelungen ohne Verweis auf die Beschlüsse der Vertragspartner besteht, und dem psephismatischen Typus unterscheidet, der im Wesentlichen einen ratifizierenden Volksbeschluss in Reaktion auf einen entsprechenden Antrag umfasst.46 Die verfügbaren Quellen bestätigen die Aussage Lalondes: Für eine koinē stēle ist die nicht-psephismatische Form häufiger bezeugt.47 Swobodas Einschätzung, diese habe „dem Document das Gepräge einer grösseren Feierlichkeit gege41 42 43 44

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Funke 2004, 163. Chaniotis, Verträge 26, 244. Chaniotis, Verträge 59, 345 mit Verweis auf die Nennung von Lyttos als Verbündeter in Z. 68 des Vertrags und die Aufstellung eines Vertrags zwischen Lato und Olus (Chaniotis, Verträge 61) u. a. im Athenaheiligtum von Lyttos (keine Angaben zur gemeinsamen Aufstellung). Es ist wahrscheinlich, dass die Urkundenstelen an allen drei Orten in Heiligtümern errichtet wurden. Fundort des athenischen Fragments ist die Akropolis; als Aufstellungsort in Rhodos kommt das Athenaheiligtum in Frage, wo im ausgehenden 3. Jh. auch ein Vertrag zwischen Rhodos und Hierapytna (I.Cret. III iii 3a) errichtet werden sollte. Ager 1996, 478 zu Nr. 165; Chaniotis, Verträge 60, 355. Heuß 1995, 396–399. Eindeutig nicht-psephismatisch sind die hier besprochenen Verträge zwischen Athen, Argos, Mantineia und Elis (ii); Aitolern und Boiotern (iii); dem aitolischen und akarnanischen Bund (iv); Lyttos und Olus (viii).

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ben [sic]“ kann nicht überzeugen;48 von größerer Bedeutung ist, wie schon Lalonde bemerkt, dass sie alle Vertragspartner repräsentierte,49 während die psephismatische Form in stärkerem Maße ein einzelnes Gemeinwesen in den Vordergrund rückte. Erstere unterstützte somit einen Eindruck des Einvernehmens und der Gleichstellung unter den Vertragspartnern. Es ist allerdings auch bezeugt, dass an allen Orten derselbe Text aufgestellt wurde: So spezifiziert der erst seit einigen Jahren bekannte Publikationsbeschluss des Vertrags zwischen den kretischen Poleis Lyttos und Olus (viii),50 dass die gemeinsam aufgestellten Stelen ein ἀντίγραφον, d. h. eine Abschrift des Vertrags tragen sollten. Fragmente des Vertrags sind aus Athen, Rhodos und dem ehemaligen Lyttos-am-Meer erhalten; bei den Fundstücken aus Athen und Rhodos handelt es sich um Fragmente gemeinsamer Stelen, in Lyttos-am-Meer stellte Lyttos eine eigene Abschrift auf. Ein Vergleich der Bruchstücke erlaubt die Folgerung, dass die an den verschiedenen Orten aufgestellten Texte zwar nicht völlig identisch, die Abweichungen aber sehr begrenzt waren.51 Ein ἀντίγραφον war somit eine sinngemäße Übertragung ohne größere Abänderungen oder Auslassungen.52 Ein separater Einheitstext wurde in diesem Fall nicht verfasst. Einige Anhaltspunkte weisen darauf hin, dass für die gemeinsamen Stelen anstatt eines sonst üblichen lokalen Dialektes53 das koinē-Griechisch verwendet wurde. So ist der in Delphi gefundene und dort gemeinsam aufgestellte Symmachievertrag zwischen Aitolern und Boiotern (iii) in der koinē verfasst.54 Auch das Fragment des Symmachievertrags zwischen Aitolern und Akarnanen aus Delphi (iv) wurde in koinē, hier der koinē Nordwest-Griechenlands, niedergeschrieben.55 Da die Dialekte in der Regel allgemein verständlich waren, war eine Redaktion der gemeinsam aufgestellten Inschrift in koinē-Griechisch allerdings nicht unbedingt erforderlich.56 Carl D. Buck schließt dementsprechend: „We may conjecture that, if we had treaties between parties of different dialect in the copies which were published in their common name, they would show now the dialect of one, now of another, according to the channels through which they reached publication.“ Daneben besteht die Möglichkeit, dass der Dialekt des Aufstellungsortes verwendet wurde.57 48 49 50 51 52

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Swoboda 1890, 250; dazu Heuß 1995, 397 und Anm. 2. Lalonde 1971, 182. Die neuen Fragmente aus Chersonesos wurden publiziert von Kritzas 2011, 141–154. Der Vertrag ist durch Fragmente aus Athen und Rhodos schon deutlich länger bekannt (Chaniotis, Verträge 60). So stellt Chaniotis, Verträge 60, 355 fest. Zum Verhältnis mehrerer Abschriften zueinander sowie die Frage, ob von Originalen und Kopien gesprochen werden kann, vgl. nur Klaffenbach 1960, 34–35; Georgoudi 1988, 240–241; Eich 2009, 267–299. Vgl. Wörrle 1975, 261–279 zum Begriff ἀντίγραφον und anderen Bezeichnungen für Urkundenarten. Buck 1913, 133; Buck 1955, 173; Lalonde 1971, 188. Knoepfler 2007, 1223. Buck 1913, 155; Buck 1955, Nr. 67 u. S. 178–179 zur koinē Nordwest-Griechenlands. Das Fragment aus Delphi stimmt mit dem Text aus Thermos überein, der ebenfalls in koinē verfasst war, StV II 480. Lalonde 1971, 188–214, bes. 213–214. Buck 1913, 159. So könnte, vermutet Buck, die gemeinsame Urkunde des Vertrags zwischen Athen, Argos, Mantineia und Elis (ii) in Olympia in elischem Dialekt verschriftlicht worden sein. Da diese

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Bezüglich des praktischen Vorgehens werden in mehreren Publikationsbeschlüssen gemeinsame Gesandtschaften angeordnet, um in den als Aufstellungsorte gewählten Heiligtümern um einen tópos für die koinē stēle zu ersuchen.58 So sieht der bereits genannte Publikationsbeschluss des Vertrags zwischen Lyttos und Olus vor, dass beide Städte innerhalb von zwei Monaten ausgehend vom Zeitpunkt der Vertragsratifizierung Gesandte abschicken sollen. Ziel der Gesandtschaften waren vermutlich Knossos, Athen und Rhodos, wo die gemeinsamen Aufstellungen erfolgen sollten. Auch im Vertrag zwischen Lato und Olus (vii) ist die Durchführung einer gemeinsamen Gesandtschaft von Delegierten beider Vertragspartner an einen ‚dritten‘ Aufstellungsort vorgesehen; zusätzlich werden auch die Knossier, die als Schiedsrichter fungieren, zur Teilnahme an der Gesandtschaft aufgerufen.59 In welcher Weise Gesandte an einem ‚dritten‘ Ort einen tópos erbaten, verdeutlicht eine Vorkehrung in einer Vereinbarung zwischen Ephesos und Sardeis, die im 1. Jh. v. Chr. das offenbar konfliktreiche Verhältnis zwischen den beiden Städten beruhigen sollte: ἀνα|γράψαι δὲ καὶ εἰς στήλας λιθίνας τήνδε τὴν συνθήκην καὶ στῆσαι (…) ἐν δὲ Περγάμωι ὃν ἂν αἰτήσωνται κατὰ κοινὸν αἱ πόλεις ἐπισημ¢[ό]|τατον τόπον. „Und sie sollen diesen Vertrag aufzeichnen auf steinernen Stelen und aufstellen in Pergamon an dem Ort, den die Poleis gemeinsam anfragen werden als am besten sichtbarer Platz.“60

Ephesier und Sardier überlassen die Wahl eines Standortes in Pergamon den Pergameniern, sie bitten lediglich um einen besonders sichtbaren Platz.61 Eine ähnliche Bitte könnten die Gesandten aus Lyttos und Olus in Athen und Rhodos vorgebracht haben. Die Wahl des genauen Standortes wurde dabei in der Regel dem Gemeinwesen überlassen, welches das jeweilige Heiligtum verwaltete, während die Gesandten der Vertragspartner lediglich Vorschläge einbringen konnten.62

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Stele sowohl die gemeinsame als auch die elische war – Elis nimmt keine separate Aufstellung vor – ist das umso wahrscheinlicher. Zur Vergabe von topoi vgl. Lalonde 1971, 6–8, 159. I.Cret. I xvi 4a, Z. 15–19 Die Aufgabe, die Inschriften später um den Schiedsspruch zu ergänzen, fällt allein den Knossiern zu I.Cret. I xvi 4a, Z. 22–27 Das Urteil wird somit nicht, wie mehrfach belegt ist, durch die erfolgreiche Streitpartei aufgestellt (vgl. Ager 1996, 18), sondern die Aufgabe wird an die Vermittler abgegeben. I.Pergamon II 258, Z. 30–34 (98/7 oder 94/3 v. Chr.). Der Fundort der Fragmente weist auf eine Aufstellung im Athenaheiligtum der Stadt, so Fraenkel in I.Pergamon II, p. 202. Lalonde 1971, 163–165, 169. Präzise Angaben zum Standort einer Vertragsinschrift innerhalb eines Heiligtums sind in der Regel nur angegeben, wenn es sich um Aufstellungen durch einzelne Vertragspartner in eigenen Kultstätten handelt. So sollte eine der aitolischen Stelen des Vertrags zwischen Aitolern und Boiotern (iii) nach der Ergänzung von Knoepfler 2007, 1223 bei der Statue der Aitolia in Thermos ἐν Θέρμωι | [παρὰ τῆι Α]ἰ ¢τ¢ω¢λ¢ίαι errichtet werden. Der Vertrag zwischen Gortyn und Knossos (vi) aber nennt als Standort der gemeinsam aufzustellenden Stele präzise das Innere eines Naos der Athena; eine Lacuna verbirgt die Lage dieses Naos (ἐν τῶι ναῶι; der Begriff ναός bezeichnete in der Regel das Gesamtgebäude oder auch nur die Cella eines Tempels, vgl. die entsprechenden Anmerkungen in der Untersuchung zum Vokabular griechischer Architektur von Hellmann 1992, bes. 269–270. Die Angabe des Standortes der gemeinsamen Stele könnte bedeuten, dass die Vertragspartner einen

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Keinerlei Aufschluss bietet der Publikationsbeschluss des Vertrags zwischen Lyttos und Olus über die Finanzierung der Anfertigung und Aufstellung der gemeinsamen Stelen. Wahrscheinlich ist, dass die Kosten geteilt wurden.63 Eine solche Regelung ist in einer Vereinbarung zwischen Halos und Theben in der Phthiotis über die Schlichtung eines Grenzstreits durch Makon von Larisa vorgesehen.64 Dort heißt es: [τὰν δὲ συν[θήκαν] | [κατὰ] τὰν ἀποδοθεῖσαν κρίσιν ὑπὸ Μ[άκ]ωνος ἀναγραφεῖσαν ἐγ κίονας δύο, ἀ[ναθέ|μεν τὰμ] μὲν μίαν ἐν Δελφοῖς, τὰν δὲ [ἄλ]λαν ἐν Λαρίσαι ἐν τῷ ἱερῷ τοῦ Ἀπόλ[λωνος | τοῦ Κερδ]ώιου ἐν τῷ καταλειπομέν[ῳ] χρόνῳ τοῦ ἐνιαυτοῦ· τὰς δὲ γινομέν[ας δαπά|νας εἰς τα]ῦτα δόμεν ἑκατέραν τὰ[ν π]όλιν κατὰ τὸ ἥμισυ.65 „Diese Übereinkunft, gemäß derer der Schiedsspruch Makon anvertraut wurde, sollen sie aufschreiben auf zwei Säulen und die eine aufstellen in Delphi, die andere in Larissa im Heiligtum des Apollon Kerdoios in der verbleibenden Zeit des Jahres. Die Ausgaben für diese Inschriften sollen von beiden Poleis jeweils zur Hälfte getragen werden.“66

Die Aufstellungen in Delphi und Larissa werden zwar nicht explizit als koinṓs bezeichnet, eine Aufteilung der Kosten für die Anfertigung und Errichtung der Stelen, wie sie hier vorgesehen ist, kann aber als ein ganz zentraler Aspekt des Zusammenwirkens bei gemeinsamen Aufstellungen angenommen werden. VI. Fazit Mittels einer Bestandsaufnahme der verfügbaren Quellen, in denen die hier im Vordergrund stehende terminologische Besonderheit nachgewiesen ist, konnten die eingangs vorgestellten Aussagen von Alfred Heuß und Gerald Lalonde revidiert bzw. weitergeführt werden. Es ist deutlich geworden, dass die gemeinsame Aufstellung oder koinē stēle zwischenstaatlicher Vertragsurkunden als eine über die Aufstellung an einem ‚dritten‘ Ort hinausgehende Handlung zu betrachten ist, die nicht bedenkenlos vorausgesetzt werden kann. Ist nicht nur von einer Aufstellung an einem weiteren Ort die Rede, sondern soll die Handlung explizit gemeinsam erfolgen und wird allen Beteiligten ein Anspruch auf die Urkundenstele zugesprochen, spiegelt das eine spezifische Auffassung der Handlung wider; sie wird durch das Element des Zusammenwirkens konzeptionell auf eine andere Ebene gehoben.

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Zugriff auf das Athenaheiligtum hatten, der ihnen eine Bestimmung des tópos ermöglichte; möglicherweise lag das Heiligtum in der Stadt Rhaukos, deren Aufteilung durch den Vertrag geregelt wird. Zwar ist ein Heiligtum einer besiegten Stadt ein im Rahmen der verfügbaren Quellen ungewöhnlicher Aufstellungsort für eine koinē stēle, doch würde dieser Umstand erklären, dass die Vertragspartner den präzisen Standort der Stele (mit)bestimmen konnten, wie es sonst für Aufstellungen an ‚dritten‘ Orten nicht möglich war. So auch Lalonde 1971, 181. Die Aufstellungsorte des Vertrags sind bereits sehr eingehend von Freitag 2006, bes. 218–227 untersucht worden. Diese Anweisung wird wiederholt für die Veröffentlichung des Urteils (Z. 45–50). FD III 4, 355, Z. 13–17 (145–137 v. Chr.); Übersetzung: Freitag 2006, 215.

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Als Schauplätze der Handlung konnten panhellenische Heiligtümer dienen; darüber hinaus konnten auch andere, überregional oder supralokal bedeutende Kultstätten für die umliegende Gemeinwesen dem mit der Aufstellung verbundene Bedürfnis nach Absicherung und Bekanntmachung gerecht werden. Alternativ ist bezeugt, dass ein mit den Beteiligten politisch in Beziehung stehendes Gemeinwesen als gemeinsamer Aufstellungsort gewählt wurde, dem die Vertragspartner dann die Auswahl einer passenden Kultstätte und eines angemessenen Standortes überließen. Grundlegend war wohl, dass alle Vertragssubjekte eine Verbindung zu dem ‚dritten‘ Ort hatten, sei es auf religiöser oder politischer Ebene. Bezüglich der Frage, was diese spezielle Handlung ausmachte, konnten einige begründete Vermutungen geäußert werden, die auch hinsichtlich der Bedeutung der gemeinsamen Aufstellung aufschlussreich sind. Zwar hatten die gemeinsame Durchführung von Gesandtschaften und die Aufteilung der Kosten einerseits wahrscheinlich praktische Hintergründe; ebenso wie die Wahl eines Aufstellungsortes, zu dem alle Vertragspartner eine Verbindung hatten und die Möglichkeit der sprachlichen und formalen Anpassung des Urkundentextes vermitteln diese Maßnahmen aber auch einen Eindruck von Kooperation, Konsens und Gleichstellung unter den Vertragspartnern. Die Bewahrung, Konsolidierung und Darstellung eines solchen Verhältnisses bildete eine positive Grundlage für die Akzeptanz und Verbindlichkeit eines Vertrags. Die koinē stēle ist mehrfach in Symmachieverträgen bezeugt, die für die Zukunft ein hohes Maß an Kooperation zwischen den Beteiligten voraussetzten. Das gemeinsame Wirken in diesem Kontext legte ein Fundament für die weitere Zusammenarbeit. Bibliographie Ager, S. L. 1996: Interstate Arbitrations in the Greek World 337–90 B. C, Berkeley. Alonso Troncoso, V. 2013: Olympie et la publication des traités internationaux, in: N. Birgalias / K. Buraselis / P. Cartledge (Hgg.), War – Peace and Panhellenic Games, Athen, 209–231. Bresson, A. 2005: Les cités grecques et leurs inscriptions, in: A. Bresson / A.-M. Cocula / C. Pébarthe (Hgg.), L’écriture publique du pouvoir, Pessac, 153–168. Buck, C. D. 1913: The Interstate Use of the Greek Dialects, CPh 8, 133–159. Buck, C. D. 1955: The Greek Dialects. Grammar, Selected Inscriptions, Glossary, Chicago2. Clark, M. 1999: Thucydides in Olympia, in: R. Mellor / L. Tritle (Hgg.), Text & Tradition, Studies in Greek History & Historiography in Honour of Mortimer Chambers, Claremont, 115–134. Cohen, D. 1956: I. G. I2 86 and Thucydides V 47. Treaty of Athens, Argos, Mantineia, and Elis, 420/19 B. C., Mnemosyne 9, 289–295. Eich, A. 2009: Diplomatische Genauigkeit oder inhaltliche Richtigkeit? Das Verhältnis von Original und Abschrift, in: R. Haensch (Hg.), Selbstdarstellung und Kommunikation. Die Veröffentlichung staatlicher Urkunden auf Stein und Bronze in der römischen Welt.

Die gemeinsame Aufstellung zwischenstaatlicher Vertragsurkunden (koinē stēle)

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Display and Arousal of Emotions in Panhellenic Sanctuaries in the Shadow of Rome Angelos Chaniotis

I. Emotions in Panhellenic sanctuaries Sometime around 420 BCE, the sculptor Paionios of Mende was asked to make a statue of Nike, to be dedicated in Olympia. The work was commissioned by the Messenians and the Naupaktians in commemoration of their victories as allies of the Athenians in the first phase of the Peloponnesian War. The statue of the personification of victory stood opposite the temple of Zeus, in visual connection both with the temple’s akroteria made by the same sculptor and a golden shield placed by the Spartans in the temple’s pediment. A second dedication was erected on the same occasion in another Panhellenic sanctuary, in Delphi.1 There is nothing unusual in the dedication of the Nike of Paionios. Commemorative dedications after a war were a common practice. Although their emotional background is hardly ever explicitly stated, it still can be plausibly reconstructed. Such a dedication displayed joy and pride for the military success, gratitude towards the gods for their help, and probably hatred against the enemy. The emotions that a war dedication intended to arouse might vary: pride among the countrymen, who could thus overcome the grief for any losses; hope that the success might last or be repeated; grief or indignation among the enemies, who would, in visiting the sanctuary, be continually reminded of their defeat. The dedicatory inscription of the Nike of Paionios did not mention the name of the defeated enemy: “dedicated by the Messenians and Naupaktians as a tithe of the spoils of their enemies”.2 This is not unusual either. In victory dedications set up in Panhellenic sanctuaries, the enemies were more often named when they were barbarians than when they were Greeks. This dedication further acquired a life of its own as time went by and the circumstances changed. This too is not unusual. When Pausanias saw the statue almost six centuries after its erection, he claimed that what made the dedicators conceal the name of the defeated enemy was an emotion unexpected in this context: fear.

1 2

On the historical context see Hölscher 1974. IvO 259: Μεσσάνιοι καὶ Ναυπάκτιοι ἀνέθεν Διὶ | Ὀλυμπίωι δεκάταν ἀπὸ τῶμ πολεμίων.

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Angelos Chaniotis “But the Messenians themselves say that the offering is a trophy of the battle in which they fought on the Athenian side in the island of Sphakteria and that they refrained from inscribing the name of the enemy for fear of the Lacedaemonians.”3

Pausanias and his contemporary Messenians do not differ very much from modern historians who make reasonable but possibly wrong speculations about the emotional background of a dedication. The afterlife of the Nike of Paionios does not end here. In Sparta, Lysandros made a similar dedication after the Peloponnesian War, washing away the shame of defeat with the pride of the ultimate victory. A dialogue of monuments, such as this, is not unusual in Greek sanctuaries. To the examples collected by Tonio Hölscher for the fifth century BCE, I may add another one from the Hellenistic period. On the Athenian Acropolis, near the Temple of Athena Nike that showed the gods fighting against the Giants and the Athenians defending their fatherland from the Amazons and the Persians, a Macedonian commander dedicated a monument that presented Antigonos Gonatas as savior of the Greeks from the Gauls, around 250 BCE; Attalos II, enemy of the Macedonians, responded 50 years later by dedicating the Smaller Attalid Group near-by and presenting himself as rescuer of the Greeks from the Gauls.4 The Athenian Acropolis became a battlefield of works of art presenting contrasting views of history. Similarly, Greek sanctuaries could easily serve as a stage for the display and arousal of contrasting emotions. Emotions were present in Greek sanctuaries, as they were present in all aspects of human life in antiquity – and in any historical period for that matter. Is there anything peculiar about emotions in supra-local sanctuaries as opposed to other sanctuaries? The prevailing, expected, and intended emotions in most sanctuaries are those of hope for divine protection, fear of divine power, and gratitude for divine assistance.5 But as sanctuaries were also places of social interaction, other emotions could also be aroused: envy for the ostentatious display of power and wealth, joy for a victory in a contest, sorrow for a defeat, pain and worries in oracular and healing sanctuaries, pride for an achievement celebrated through a dedication, anger and hatred – violent attacks in sanctuaries or during festivals are attested – and even erotic desire if we believe the stories about young men falling in love with statues6 or a confession inscription from Asia Minor that narrates the story of a sacred slave who had the habit of having sex with flutists in a sanctuary of Mes.7 Emotions, heterogeneous, conflicting, and contrasting, are no less part of the history of Greek sanctuaries than buildings, dedications, religious offices, cult images, and cult objects. What about supra-local sanctuaries? While in Greek sanctuaries the interaction was primarily among the members of the same community, albeit of different 3 4 5 6 7

Paus. 5,26,1: Μεσσήνιοι δὲ αὐτοὶ λέγουσι τὸ ἀνάθημά σφισιν ἀπὸ τοῦ ἔργου τοῦ ἐν τῇ Σφακτηρίᾳ νήσῳ μετὰ Ἀθηναίων πραχθέντος εἶναι, καὶ οὐκ ἐπιγράψαι τὸ ὄνομα τῶν πολεμίων σφᾶς τῷ ἀπὸ Λακεδαιμονίων δείματι. Chaniotis 2005, 220. Chaniotis 2012a; Chaniotis 2017. Ps.-Lukian. Amor. 13–16; Ail. var. 9,39. Petzl 1994, no. 5.

Display and Arousal of Emotions in Panhellenic Sanctuaries in the Shadow of Rome

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genders, age classes, and social positions, interaction in supra-local sanctuaries was among visitors from very different communities, leading to tensions as those seen in the case of the dedication of the Nike of Paionios. When the contacts between the Greek states and Rome intensified and the Romans became both agents and audiences in Panhellenic sanctuaries, the emotional life of Panhellenic sanctuaries became significantly more complex. This justifies an investigation of the display and arousal emotions during the period of Roman expansion and the early Principate.8 In my approach, I will highlight one particular aspect: the role of oral communication in emotional arousal and display. II. Oral communication in sanctuaries Although mostly elusive, oral communication has left significant traces, both in literary works, especially in orations and in reports of historians, and in inscriptions.9 With regard to sanctuaries, the most widespread but also most elusive type of communication were the discussions among the visitors, held while they walked around the sanctuary, commented on the buildings and dedications that they saw, dined after a sacrifice, or spent the night in a tent, an incubation hall, or a dormitory. We do get glimpses of this from Aristophanes’ Ploutos, Herodas’ Asklepiazousai, and the healing miracles of Epidaurus.10 In my study of oral communication between mortals and gods, and between visitors of sanctuaries, I am concerned with formal, sometimes ceremonial and performative, forms of orality: hymns sung, acclamations shouted, prayers solemnly said, announcements recited by heralds, decrees, edicts, letters and other documents read aloud, orations held, public lectures, and competitions in encomiastic oration. All these types of formal oral communication have a strong emotional background. Hymns aroused religious awe and expressed hope and gratitude;11 prayers displayed piety and begged for pity;12 the repetition of words or of similar sounds in acclamations was an effective device that increased the emotional impact of a message and united people in an emotional community;13 encomiastic orations were highly emotional texts;14 but also lectures, announcements, and public documents read out aloud and then inscribed could display or arouse emotions.

8 9 10 11 12 13 14

On the impact of Rome on emotional display and emotional language in diplomatic relations see Chaniotis 2015. On orality in the Classical world see the eleven volumes published in the series Orality and Literacy in the Ancient World (Leiden 1996–2016); orality in inscriptions: Chaniotis 2012b. Epidaurus: e. g. LiDonnici 1995, nos. A3, A4, A9. Furley/Bremer 2001. Pulleyn 1997; Jakov/Voutiras 2005. Chaniotis 2009; Chaniotis 2016, 102–103; cf. Kuhn 2012. A good example is the encomium for Isis from Maroneia (I.Thrac.Aeg. E205; RICIS 114/0202), discussed by Martzavou 2012. For encomiastic orations in honor of gods (ἐγκώμιον εἰς τὸν θεόν) as a discipline in competitions see e. g. I.Oropos 521 (Amphiaraa in Oropos); IG XII 9, 91 (Tamyneia in Tamynai).

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Angelos Chaniotis

A particular feature of the communication with which I am concerned here is that it occurred in a period in which it was no longer limited to Greek communities. From the early 2nd century BCE on, a foreign power, Rome, made its presence visible, both as an agent and as an audience in supra-local sanctuaries, and the Romans, both collectively and individually – that is, individual generals and, later, emperors – became part of oral communication. In some cases we only have vague references to Rome and the Romans, e. g., when we learn from an honorific decree that a historian ‘gave lectures for several days presenting his treatises, and in addition to this he also read praises for the Romans, the common benefactors of the Greeks’ (see n. 23); or when supra-local contests in sanctuaries included a competition in encomiastic oration in honor of Rome; or when a hymn ended with a prayer asking the gods to save Rome (see n. 25). Vague as such references may be, we can be certain that the relevant texts had elements of emotional arousal and display. After this quick overview of formalized orality and its emotional impact in supra-local sanctuaries, I shall now discuss a few select sources and comment on the part played by emotions in oral communication. III. A Roman general as agent of emotional arousal: Flamininus The very first presence of a Roman with high authority in a Greek supra-local sanctuary was a highly emotional event: Flamininus’ declaration of freedom in the sanctuary of Poseidon at the Isthmus (196 BCE).15 Flamininus knew how to stage the announcement of his victory to a Greek audience. The sanctuary, where all the Greeks celebrated the Isthmian festival with athletic and musical contests every second year, had a layered symbolical and ideological significance. It is in Isthmia that the first Hellenic alliance was established during the Persian Wars, and it was here that all later Hellenic alliances were renewed, by Philip II (337/3 BCE), the founders of the Antigonid dynasty Antigonos Monophthalmos and Demetrios the Besieger (302 BCE), 15

Plut. Tit. Flam. 10: Ἰσθμίων οὖν ἀγομένων πλῆθος μὲν ἀνθρώπων ἐν τῷ σταδίῳ καθῆστο τὸν γυμνικὸν ἀγῶνα θεωμένων, οἷα δὴ διὰ χρόνων πεπαυμένης μὲν πολέμων τῆς Ἑλλάδος ἐπ᾽ ἐλπίσιν ἐλευθερίας, σαφεῖ δὲ εἰρήνῃ πανηγυριζούσης, τῇ σάλπιγγι δὲ σιωπῆς εἰς ἅπαντας διαδοθείσης, προελθὼν εἰς μέσον ὁ κῆρυξ ἀνεῖπεν ὅτι Ῥωμαίων ἡ σύγκλητος καὶ Τίτος Κοΐντιος στρατηγὸς ὕπατος καταπολεμήσαντες βασιλέα Φίλιππον καὶ Μακεδόνας, ἀφιᾶσιν ἀφρουρήτους καὶ ἐλευθέρους καὶ ἀφορολογήτους, νόμοις χρωμένους τοῖς πατρίοις, Κορινθίους, Λοκρούς, Φωκεῖς, Εὐβοέας, Ἀχαιοὺς Φθιώτας, Μάγνητας, Θετταλούς, Περραιβούς. τὸ μὲν οὖν πρῶτον οὐ πάνυ πάντες οὐδὲ σαφῶς ἐπήκουσαν, ἀλλ᾽ ἀνώμαλος καὶ θορυβώδης κίνησις ἦν ἐν τῷ σταδίῳ θαυμαζόντων καὶ διαπυνθανομένων [5] καὶ πάλιν ἀνειπεῖν κελευόντων ὡς δὲ αὖθις ἡσυχίας γενομένης ἀναγαγὼν ὁ κῆρυξ τὴν φωνὴν προθυμότερον εἰς ἅπαντας ἐγεγώνει καὶ διῆλθε τὸ κήρυγμα, κραυγὴ μὲν ἄπιστος τὸ μέγεθος διὰ χαρὰν ἐχώρει μέχρι θαλάττης, ὀρθὸν δὲ ἀνειστήκει τὸ θέατρον, οὐδεὶς δὲ λόγος ἦν τῶν ἀγωνιζομένων, ἔσπευδον δὲ πάντες ἀναπηδῆσαι καὶ δεξιώσασθαι καὶ προσειπεῖν τὸν σωτῆρα τῆς Ἑλλάδος καὶ πρόμαχον. τὸ δὲ πολλάκις λεγόμενον εἰς ὑπερβολὴν τῆς φωνῆς καὶ μέγεθος ὤφθη τότε. κόρακες γὰρ ὑπερπετόμενοι κατὰ τύχην ἔπεσον εἰς τὸ στάδιον. – Cf. Pol. 18,46,5; Liv. 33,32,5. See Gebhard 2011 for a detailed discussion of the historical context, the significance of the sanctuary for Greek cultural memory, and the sanctuary’s condition after the Second Macedonian War.

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and Antigonos Doson (224 BCE); Poseidon, in whose honor the festival was held, had been the patron of Demetrios Poliorketes; and the near-by citadel of Acrocorinth had been the most important Antigonid garrison in Greece until 245 BCE.16 There is evidence for destructions that occurred in the sanctuary during and immediately after the Second Macedonian War, including of stelae that contained treaties between Philip V and Greek cities.17 Flamininus chose the celebration of this festival and this setting to announce to the assembled Panhellenes their liberation. Plutarch, or his source, first describes the emotional mood of the audience: it was the first time after many years that the celebration was not taking place during a major war. While the defeat of Philip V had raised hopes, no one had been able to anticipate such an announcement: “At first, then, the proclamation was by no means generally or distinctly heard, but there was a confused and tumultuous movement in the stadium of people who wondered what had been said, and asked one another questions about it, and called out to have the proclamation made again; but when silence had been restored, and the herald in tones that were louder than before and reached the ears of all, had recited the proclamation, a shout of joy arose, so incredibly loud that it reached the sea. The whole audience rose to their feet, and no heed was paid to the contending athletes, but all were eager to spring forward and greet and hail the savior and champion of Greece. And that which is often said of the volume and power of the human voice was then apparent to the eye. For ravens which chanced to be flying overhead fell down into the stadium.”18

A Roman general had now assumed a role played by Greek kings in the past, as savior and liberator. With his actions, Rome had become not only a power whose presence was strongly felt from the east coast of the Adria to Asia Minor, but also a power that became part of Greek collective memory. The Thessalians established a festival of freedom (Eleutheria) to commemorate their newly established independence.19 Flamininus received, like Hellenistic kings before him, divine honors in Chalkis.20 And a new goddess began to be worshipped in the Greek world: Thea Rhome (Goddess Rome). Since the word rhome means ‘might’, the Greeks were worshipping at the same time a personification of might and a personification of the greatest military power of their times.21 16 17 18

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The Hellenic alliances: StV III 403, 446, 507. Demetrios Poliorketes and Poseidon: Chaniotis 2011, 180, 183–184. On evidence for destruction at the sanctuary dating to ca. 198–196 BCE see Gebhard 2011, 50–56, 61–65. Plut. Tit. Flam. 10,4–6: τὸ μὲν οὖν πρῶτον οὐ πάνυ πάντες οὐδὲ σαφῶς ἐπήκουσαν, ἀλλ᾿ ἀνώμαλος καὶ θορυβώδης κίνησις ἦν ἐν τῷ σταδίῳ θαυμαζόντων καὶ διαπυνθανομένων καὶ πάλιν ἀνειπεῖν κελευόντων· ὡς δ᾿ αὖθις ἡσυχίας γενομένης ἀναγαγὼν ὁ κῆρυξ τὴν φωνὴν προθυμότερον εἰς ἅπαντας ἐγεγώνει καὶ διῆλθε τὸ κήρυγμα, κραυγὴ μὲν ἄπιστος τὸ μέγεθος διὰ χαρὰν ἐχώρει μέχρι θαλάττης, ὀρθὸν δὲ ἀνειστήκει τὸ θέατρον. οὐδεὶς δὲ λόγος ἦν τῶν ἀγωνιζομένων, ἔσπευδον δὲ πάντες ἀναπηδῆσαι καὶ δεξιώσασθαι καὶ προσειπεῖν τὸν σωτῆρα τῆς Ἑλλάδος καὶ πρόμαχον. Τὸ δὲ πολλάκις λεγόμενον εἰς ὑπερβολὴν τῆς φωνῆς καὶ μέγεθος ὤφθη τότε. κόρακες γὰρ ὑπερπετόμενοι κατὰ τύχην ἔπεσον εἰς τὸ στάδιον. On the Eleutheria of Thessaly see most recently Graninger 2011, 74–85. Plut. Tit. Flam. 16. Chaniotis 2015, 92.

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Angelos Chaniotis

The impact of this announcement on the public opinion emerges with greater clarity if we take into consideration also its emotional dimensions. The announcement was a theatrically staged event. The content was unexpected; the timing well chosen; the announcement was one of those paradoxa that Hellenistic audiences enjoyed; only that this time the paradox did not concern some people in the past but the spectators themselves. Flamininus acted as an emotional agent intending to arouse emotions: not only the joy that was indeed abundantly displayed by the gathered Greeks but also, and primarily, gratitude. Gratitude was to be the foundation of loyalty to Rome. IV. From emotional response to habitual disposition: gratitude and loyalty Joy is a temporary feeling. Gratitude, by contrast, should endure. The Romans were not interested in temporary feelings but in habitual emotional dispositions.22 Pathos was not their cup of tea, it was hairesis or prohairesis. The Greeks were quick to learn what was expected of them, and in the following decades words that express attitudes and dispositions repeatedly appear in the documents that concern the relations between Greek communities and the Roman authorities: prohairesis, eunoia, pistis (the Roman fides), Rhomaioi koinoi euergetes ton Hellenon. Sanctuaries were suitable places to promote habitual dispositions and not temporary emotional responses. Eusebeia, the word that characterizes proper behavior in a sanctuary, derives from sebesthai, which means to feel fear and awe before the gods, and act accordingly; asebein is to act without fear of divine reactions. An early example of how the Greek communities received and cultivated this idea in connection with their relation with Rome, is an Amphictyonic decree that honors Eumenes and recognizes the asylia of the sanctuary of Athena Nikephoros in Pergamon (182/1 BCE);23 the king’s loyalty towards the Romans is repeatedly men22 23

Chaniotis 2015, esp. 96–100. CID IV 107 = Rigsby 1996, 375–377 no. 179: [… ἐπειδὴ βασιλεὺς | Εὐμένης παρειληφ]ὼς παρὰ τοῦ πατρὸς βασιλέως Ἀττάλο[υ τήν τε πρὸς τοὺς θεοὺς] | εὐσ[έβειαν καὶ τὴ]ν πρὸς τοὺς Ἀμφικτίονας εὔνοιαν καὶ διατη[ρῶν τὴν πρὸς Ῥωμαίους] | φιλίαν ἀεί [τινος ἀγ]αθοῦ παραίτιος γινόμενος διατελεῖ τοῖς Ἕλλησ[ιν· καὶ μετεσχηκὼς]τῶν αὐτῶν | κ[ινδύ]νων ὑπὲρ τῆς κοινῆς ἀσφαλείας πολλαῖς τῶ[ν Ἑλληνίδων π]ό[λεων] | δωρεὰς δέδ[ωκ]εν ἕνεκεν τοῦ διατηρεῖσθαι τὴν ὑπάρχουσ[αν αὐτον]ομίαν. Δι’ ἣν | αἰτίαν καὶ Ῥω[μαῖ]οι θεωροῦντες αὐτοῦ τὴν προαίρεσιν ἐπευξ[ήκασιν τ]ὴμ βασιλείαν | νομίζοντες [δεῖ]ν καὶ τῶμ βασιλέων ὅσοι μὲν ἐπιβουλεύουσιν [τοῖς Ἕλλ]ησιν τυγχάν[ειν] | τῆς καθηκού[σης] ἐπιπλήξεως, ὅσοι δὲ μηθενὸς γίνονται κακοῦ [παραίτιο]ι τούτους τ[ῆς] | μεγ[ί]στης [ἀξιο]ῦσθαι παρ’ ἑαυτοῖς πίστεως. – “Having inherited from his father Attalos the piety towards the gods and the benevolence towards the Amphictyones, and preserving the friendship towards the Romans, King Eumenes continually is the cause of good things for the Greeks. Having taken part in the same dangers for the common security, he gave donations to many Greek cities, in order that they retain their autonomy. For this reason, as the Romans observed his disposition, they strengthened his kingdom, believing that those of the kings, who threaten the Greeks, should receive the proper castigation, whereas those who do not cause any harm, should be worthy of the greatest trust with them.” – … [ἀ]πελογίσαντο δὲ καὶ οἱ θεωροὶ τὴν τοῦ βασιλέω[ς εὔ]νοιαν ἣν ἔχων | δ[ια]τελεῖ κ[οινῆι τ]ε πρὸς ἅπαντας τοὺς Ἕλληνας καὶ καθ’ ἱδίαν π[ρὸ]ς τὰς πόλεις· | [ὅπως οὖν καὶ οἱ Ἀμ]φικτίονες φαίνωνται ἐπακολουθοῦντες το[ῖς] ἀξιουμένοις | [καὶ τιμῶντες τ]ῶν βασιλέων ὅσοι

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tioned in the justification of the decree, which is full of expressions that indicate permanence and continuity: παρειληφὼς παρὰ τοῦ πατρὸς (“inherited from his father”), διατηρῶν (“preserve”), ἀεί διατελεῖ (“always”). The feelings referred to in the text are emotional dispositions: εὐσέβεια (awe towards the gods), εὔνοια (benevolence), φιλία (friendship), courage (μετεσχηκὼς τῶν κ[ινδύ]νων), and generosity (δωρεὰς δέδ[ωκ]εν). The main message of the text is that the Romans did not only observe and evaluate actions; they also considered the prohairesis, the chosen attitude, the disposition of a king. Loyalty was to be rewarded with increased power and trust, whereas threats against the Greeks were to be punished. The decision of the Amphictyones was based on gratitude and hope: they honored the kings who are friends of the Romans, the common benefactors; they honored those who would protect the Greeks in the future. V. Indignation and fear, trust and hope: Rome against Perseus After Flamininus’ announcement at the Isthmia, the next major event in a Panhellenic sanctuary, in which the Romans were the agents and the Greeks the audience, is the announcement of the Roman accusations against King Perseus of Macedonia.24 The

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διατηροῦντες τὴν πρὸς Ῥωμ[αί]ους τοὺς κοινοὺς | [εὐεργέτας φιλία]ν ἀεί τινος ἀγαθοῦ παραίτιοι γίνονται τ[οῖς] Ἕλλησιν. – “The sacred envoys of the king gave an account of the benevolence that he continually has jointly towards all the Greeks and separately to the cities. For this reason, in order that it is clear that the Amphictyones positively respond to the requests and honor those of the kings, who always are the cause of good things for the Greeks.” RDGE 40. The text is heavily restored, and restorations are only exempli gratia: … Π¢ερσέα παρὰ τὸ καθῆκον μ[ετὰ τοῦ στρατεύματος εἰς Δελφοὺς παρελθεῖν ἐν τῆι ἐκεχειρίαι τῶ]μ Πυθίων· οὐ δίκαιον δὲ σ[υνόλως ἧν ἐᾶν ἐκεῖνον οὔτε παριέναι οὔτε τοῦ χρηστηρίου μετέχειν] οὔτε θυσιῶν οὔτε ἀγώνων ο[ὔτε τοῦ Ἀμφικτιονικοῦ συνεδρίου τοῦ κοινοῦ τῶν Ἑλλήνων· ἐκεῖνος γὰρ] ἐπεσπάσατο τοὺς πέραν το[ῦ Ἴστρου οἰκοῦντας βαρβάρους, οἳ καὶ πρότερόν ποτε ἐπ’ ἀγαθῶι μὲν] οὐθενί, ἐπὶ καταδουλώσει δὲ [τῶν Ἑλλήνων ἁπάντων συναθροισθέντες εἰς τὴν Ἑλλάδα ἐνέβαλον καὶ] ἐπιστρατεύσαντες ἐπὶ τὸ ἱερ[ὸν τοῦ Ἀπόλλωνος τοῦ Πυθίου τὸ ἐν Δελφοῖς, διανοούμενοι διαρπάσ]αι καὶ ἀνελεῖν αὐτό, ἔτυχον π[αρὰ τοῦ θεοῦ τῆς προσηκούσης τιμωρίας, καὶ οἱ πλεῖστοι ἀπώλοντο.]. παρέβη δὲ καὶ τὰ γενόμεν[α] τὰ ὑ[φ᾿ ἡμῶν τῶι πατρὶ αὐτοῦ ὅρκια καὶ τὰς συνθήκας, ἃς αὐτὸς ἀνενεώσατο· κ]αὶ Θρᾶικας μὲν ὄντας ἡμετέ[ρους φίλους καὶ συμμάχους καταπολεμήσας ἀναστάτους ἐποίησεν. Ἀβρούπ]ολιν δέ, ὃν ἡμεῖς περιελάβομεν [ταῖς πρὸς αὐτὸν συνθήκαις φίλον ἡμῶν ὄντα καὶ σύμμαχον ἐξέβ]αλεν ἐκ τῆς βασιλείας· πρεσβε[υτὰς δὲ παρὰ τῶν Ἑλλήνων καὶ τῶν βασιλέων ἀποταλλομένους] εἰς Ῥώμην περὶ συμμαχίας τῶν [μὲν Θηβαίων κατεπόντισεν, ἄλλους δὲ ἄλλως ἐκποδὼν ποιῆσαι ἐπεβάλετο. π]λὴν εἰς τοῦτο ἦλθεν ἀπονοίας [ὥστε, καὶ τὴν σύγκλητον ἡμῶν φαρμάκοις ἀναλῶσαι ἐν νῶι εἶχε. Δόλοπες δὲ ἀφῃ]ροῦντο τὴν ἐλευθερίαν διὰ τῶ[ν ἐκείνου εἰσβολῶν. ἐν δὲ Αἰτωλίαι πόλεμόν τε καὶ φόνους ἐβουλεύσατο] καὶ ὅλον τὸ ἔθνος εἰς ταρα[χὰς καὶ στάσεις κατέστησεν, καὶ κατὰ πάσης τῆς Ἑλλάδος χείρισ]τα πράσσων διετέλει, ἄλλα [τε κακὰ ἐπινοούμενος καὶ καταδεχόμενος τοὺς ἐκ τῶν πόλεων φυγάδας, καὶ] διαφθείρων τοὺς προεστηκό[τας, ἅμα δὲ καὶ τὰ πλήθη θεραπεύων, χρεωκοπίας τε ἐπηγγέλλετο κ]αὶ νεωτερισμοὺς ἐποίει, κατάδ[ηλον ποιούμενος ἣν ἔχει προαίρεσιν πρός τε τοὺς Ἕλληνας καὶ τοὺς Ῥωμαί]ους· ἐξ ὧν συμβέβηκε[ν] τοῖς Πε[ρραιβοῖς καὶ τοῖς Θεσσαλοῖς ἀνιάτοις περιπεσεῖν] συμφοραῖς, τούς τε βαρβάρους φο[βερωτέρους ἔτι καταστῆναι τῖς Ἕλλησιν. πρὸς δὲ ἡμᾶς ἐκ πολλοῦ χρόνου ἐπιθυ]μῶν πολέμου, ὅπως, ἀβοηθ[ήτους ἡμᾶς καταλαβών μηδενὸς ἐναντιουμένου τὰς ἑλληνίδας πό]λεις καταδουλώσηται π[άσας, τόν τε Γένθιον τὸν Ἰλλυριὸν χρήμασιν ἀναπείσας κατ᾿ ἡμῶν ἐπανέσε]ν, Εὐμένεά τε τὸν βασιλ[έα, φίλον ἡμέτερον ὄντα καὶ σύμμαχον, δι᾿ Εὐάνδρου ἐπεβούλευσεν ἀνελ]εῖν [κ]αθ’ ὃν καιρόν, ἀπολυόμ[ενος τὴν εὐχὴν εἰς Δελφοὺς ἐπορεύετο, οὐδὲν φροντίσας οὐδὲ τῆς παρὰ τοῦ] θεοῦ πᾶσιν τοῖς παραγινομ[ένοις πρὸς αὐτὸν δεδομένης ἀσγαλείας οὐδὲ ἐν λόγωι ποιησάμενος ὅτι ὑπά]ρχ[ε]ι ἡ παρὰ

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year is 171 BCE, the stage the sanctuary of Apollo in Delphi, the medium, again, a public announcement, originally read aloud and then recorded in an inscription, and the persuasion strategy a clear and strong appeal to a variety of emotions. The text of the inscription is heavily restored, but the accusations are known from literary sources. A close study of the accusations shows how they contributed to emotional arousal. A first group of accusations refers to threats that Perseus poses not to the Romans but to all the Greeks. He is an ally of barbarian tribes that in the past had invaded Greece in order to enslave the Greeks and destroy the sanctuary of Apollo; he drove from their homes the Thracians; he expelled the Thracian dynast Abroupolis from his kingdom; he murdered Theban envoys; he planned to poison the Roman senate; he enslaved the Dolopians; he planned war, massacres, and civil strife in Aitolia; he planned to give refuge to exiles; he corrupted statesmen; he promised cancellation of debts; he caused revolutions. ‘As a result disasters beyond repair have befallen the Perrhaibians, Thessalians, and Aitolians, and the barbarians have become an even greater source of terror to the Greeks’. By weakening Rome, Perseus wanted to enslave all the Greeks. These accusations are designed to make the Roman allies realize that the Macedonian king posed an immediate threat. But fear of Perseus aroused by this strategy was intended to lead not to passivity and capitulation but to action. In order to achieve this, the author of the text appeals to another strong emotion: indignation. A second group of accusations is intended to trigger indignation. Indignation, not blind wrath, is based on the realization that someone πάντων ἀνθ[ρώπων νενομισμένη καθιέρωσις καὶ ἀσυλία τῆς πόλεως τῶν Δελφῶν τοῖς τε Ἕλλησιν] καὶ βαρβάροις ἐκ παντὸ[ς χρόνου - -] – “Perseus, contrary to what is proper [came with his army to Delphi during the sacred truce of the] Pythian festival; [it was altogether] unjust [to allow him to enter or to participate in the offering to the oracle], the sacrifices, the competitions [or to the common Amphictyonic council of the Greeks. For he] called on the help of the [barbarians who live] across the [Danube, who on a former occasion massed together for] no [good purpose] but to enslave [all the Greeks, invaded Greece and] marched against the sanctuary [of Pythian Apollo at Delphi, with the intention of sacking] and destroying it, but they met [a fitting punishment at the hands of the gods, and most of them were killed]. And he broke the [sworn treaty which we made with his father and which he himself renewed]. And [he defeated and drove from their homes] the Thracians, [our friends and allies]. And [Abroupolis], whom we included in the [treaty with him as our friend and ally], he expelled from his kingdom. Of the ambassadors [sent by the Greeks and the kings] to Rome to conclude an alliance [he drowned] the [Thebans and sought to remove the others in various ways]. Indeed, he became so deranged [that he planned to poison the Roman senate. And the Dolopians] were deprived of the freedom through [his attacks. In Aitolia he planned war and massacres] and [threw] the whole people into a state of confusion [and strife. And in the whole of Greece] he constantly acted [in the most detrimental way, planning] various other [crimes including giving refuge to exiles from the cities. And] he corrupted the leading statesmen, [courted at the same time the favor of the masses, promised cancellation of debts and] caused revolutions, [making] clear [his policy towards the Greeks and Romans]. As a result disasters [beyond repair] have befallen the [Perrhaibians, Thessalians, and Aitolians], and the barbarians [have become an even greater source of terror to the Greeks. He has long desired] war [against us], his aim being to [render us] helpless and enslave [all the Greek cities without anyone opposing him. He bribed Genthius the Illyrian and instigated him against us]. King Eumenes, [our friend and ally, he tried to assassinate through the agency of Euander], at the time when [he went to Delphi] to fulfil [his vow, in complete disregard of the safety guaranteed by the] god Apollo to all who come [to visit him and attaching no importance to the sanctuary and inviolability of the city of Delphi which has been recognized] by all men, [Greeks] and barbarians from the beginning [of time – -].”

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has committed acts of injustice. Perseus is accused of repeatedly committing sacrilege and crimes by violating the sacred truce, breaking oaths and treaties, murdering envoys, attempting to assassinate King Eumenes and violating the inviolability of the sanctuary. A third group of accusations concerns crimes committed against the friends and allies of the Romans, the Thracians, Abroupolis, and Eumenes. Although this is not explicitly stated, the Romans allude with the repeated references to friends and allies to their duty to fulfill their obligations towards their allies, to honor their obligation to protect them. But the Roman document does not only refer to recent events but also to an important incident in the cultural memory of the Hellenistic Greeks: the invasion of the Gauls and their miraculous defeat at Delphi thanks to the epiphany of Apollo and Zeus. The statement “they met a fitting punishment at the hands of the gods” (ἔτυχον π[αρὰ τοῦ θεοῦ τῆς προσηκούσης τιμωρίας]), did not require any further elaboration. The miracle was known to all visitors of the sanctuary. This reference aimed to instill the hope that in this war against a sacrilegious king, his enemies would have the gods on their side, as they had in the past. Hope and trust would overcome fear, and indignation connected with the faith in the Roman value of fides was to inspire the Greeks in this war. Despite the absurdity and hollowness of the accusations, a close look at this text thus reveals a carefully composed medium of propaganda, made yet more effective by its stir emotional strategy. Also the vocabulary that its Greek translator (or editor) used serves as an effective emotive stimulus. Although an explicit expression of emotion is used only once (τούς τε βαρβάρους φο[βερωτέρους ἐπιστῆναι]), he uses several words that have a strong emotive impact. On the one hand, these are expressions that place Perseus outside of humanity (παρὰ πάντων ἀνθ[ρώπων]), outside of law and custom (παρὰ τὸ καθῆκον, οὐ δίκαιον), and outside Greekness (βαρβάρους). On the other hand, one also finds expressions that refer to dangers (ἐπὶ καταδουλώσει, καταδουλώσηται, ταρα[χὰς καὶ στάσεις], νεωτερισμούς, [δειναῖς ἐμπεσεῖν σ]υμφοραῖς), and expressions that imply moral condemnation (δόλωι, φαῦλα πράσσων, διαφθείρων). The grievances of the Romans were intended to arouse two ad hoc emotional responses in the readers: fear and indignation connected with a particular situation. But the author of the text also addressed a social habitual disposition with great weight in the system of Roman values: trust (fides). The letter of Lucius and Publius Cornelius Scipio to Herakleia (189 BCE) is a good example for the importance of pistis in the diplomatic contacts between Romans and Greeks. The Roman statesmen assured the Greek city: “We are benevolent toward all the Greeks and we shall try, since they have come to our fides, to take care of them in the appropriate manner, always being the cause of something good. … We accept the expression of friendly feelings and the trust, and we ourselves shall try never to fall short in the return of kindness.”25 25

RDGE 35, ll. 8–14: ἡμ[εῖ]ς δὲ πρὸς πάντας τοὺς Ἕλληνας εὐνόως διακείμεν[οι τυγχά]νομεγ καὶ πειρασόμεθα, παραγεγονότων ὑμῶν εἰς τὴν ἡμετέρα[μ πίστιμ,] πρόνοιαμ ποιεῖσθαι τὴν ἐνδεχομένην, ἀεί τινος ἀγαθοῦ

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The relation of trust (pistis) results in an attitude of affectionate care (eunoia … pronoia) and in the continuous effort to return kindness (charis). As Teresa Morgan has argued, although trust is not an emotion, it is associated with an emotional state. When pistis and fides are invoked in Greek and Latin literary sources, they are described in ways that are often indistinguishable from the ways in which emotions are described. They share with the emotions a range of psychosomatic locations, and they are regularly and closely associated with qualities that clearly are understood as emotions.26 The document was effective because it associated two negative feelings that are closely connected in cognition with trust. Because of trust, fear and indignation were expected to be ultimately turned into positive feelings: hope for victory, courage in war, and loyalty towards Rome. VI. Praising Rome, praying for Rome Delphi remained a place where Greek loyalty towards Rome was on display in the following decades. The orations that the historian Aristotheos delivered in Delphi in the mid-2nd century BCE are not preserved;27 but the fact that they were dedicated to the Romans as ‘common benefactors of the Greeks’ leaves no doubt that display and arousal of gratitude were major themes of his speeches. Other emotional elements, e. g. hope for the future, pride in the Greek past, joy for victories and so on, can only be suspected. In 128/7 BCE, the poet and cithara-player Limenios composed and performed a cultic song for Apollo, a paian.28 The song follows the typical structure of hymns: it contains an invocation of the Muses, mythical and historical narratives and a prayer. The poet refers to Apollo’s birth, his visit to Athens – the aition for the existence of an association of the Dionysiac artists there –, and his arrival at Delphi. The last stanza commemorates the victory of the Greeks over the Gauls in 278 BCE thanks to Apollo’s divine epiphany.29 One recognizes a reference to ‘the barbarian warriors’, to a raid, and to the destruction of the raiders in the wet snow. The hymn concludes with a prayer. The composer asks the gods to save the city of Pallas (lines 34–39). But the last verses also include the Romans in the prayer (lines 44–46): Ῥωμαίω[ν] ἀρχὰν

26 27

28 29

παρα[ί|τιοι γεν]όμενοι. … ἀποδεχόμεθα δὲ καὶ τὰ παρ’ ὑμῶμ φιλάνθρωπα καὶ τὰς [πίστεις, κ]αὶ αὐτοὶ δὲ πειρασόμεθα μηδενὸς λείπεσθαι ἐγ χάριτος ἀποδόσει. Morgan 2013. FD III 3, 124: Ἀριστόθεος Ν¢ικ¢οθέου [Τρο]ζάνιος ἱστοριαγράφος παραγενόμενος [ἐ]ν τὰν | πόλιν τὰν τε ἀναστροφὰν ἐπ[οιή]σατο ἀξίως τοῦ τε ἱεροῦ καὶ τᾶς ἰδίας πατρίδος, | ἐποιήσατο δὲ καὶ ἀκροάσεις ἐπ[ὶ π]λείονας ἁμέρας τῶν πεπραγματευμένων | αὐτῶι, παρανέγνω [δὲ καὶ] ἐν¢[κώ]μια εἰς Ῥωμαίους τοὺς κοινοὺς τῶν Ἑλλάνων¢ | εὐεργέτας. On this historian see Chaniotis 1988, 309–310. CID III 2; text, translation, and commentary: Furley/Bremer 2001, I 137–138, II 92–100; on the performance and the date see Bélis 2001. Schröder 1999 dates Limenios’ paian to 106/5 BCE. I give the text of Furley/Bremer 2001, I 93, ll. 31–33: [εἶτ᾿] ἐ¢φρούρε[ις] δὲ Γᾶ[ς ἱερόν, ὦναξ, παρ᾿ ὀμφαλόν, ὁ βάρ]|βαρος ἄρης ὅτε [τε]ὸν μαντόσυ¢[νον οὐ σεβίζων ἕδος πολυκυ]|θὲς ληζόμενος ὤλεθ’ ὑγρᾶι χι ¢[όνος ἐν ζάλαι].

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αὔξετ’ ἀγηράτωι θάλλ¢[ουσαν φερε]|νίκαν (‘grant the spear-crowned Roman Empire ageless strength through victory’). The paian was performed shortly after the Roman victory in the Aristonikos War, in which many Greek communities had fought as Roman allies. In this setting, the parallelism between the victory over the barbarians and the victory over the rebel expressed joy and pride but also gratitude to the gods and aroused hope and loyalty. Encomiastic performances for Rome were not limited to Panhellenic sanctuaries. When the agonistic festival of the Erotidaia in Thespiai was re-organized after Sulla’s victory in the First Mithridatic War, the contest included a competition in composing and delivering a praise of Rome.30 The inclusion of the Romans into formalized oral performances – lectures, hymns, rhetorical contests – in sanctuaries, both local and supra-local, was a significant innovation with a strong impact: the message reached a broad Greek audience. Of course, there had been epideictic orations in sanctuaries in the past; and the achievements of individuals had been celebrated in sanctuaries since the Archaic period. But we do not have evidence for the presentation and celebration of a hegemonic state in a Panhellenic sanctuary in the way hymns and orations favored the power of Rome. When the Aitolians re-organized the Soteria at Delphi, their campaign for the acceptance of the festival by cities highlighted their contribution to the victory over the Gauls;31 however, the agonistic program of the festival did not include an event that celebrated Aitolian power. There was a rhetorical competition at the Eleutheria of Plataia in the 2nd cent. BCE (dialogos), but, again, it is not comparable to the ἐγκώμιον εἰς Ῥώμην at the Erotidaia. In Plataiai orators from Athens and Sparta competed in praising the contribution of their respective city.32 The competition had a winner and a loser; it did not aim at promoting one particular state. VII. Learning from suffering: the crisis of the Late Republic Lectures of historians in sanctuaries were a common phenomenon in the Hellenistic period.33 To judge from contemporary historiographical trends, emotional arousal was one of the aims of Hellenistic historians. Emotionality, dramatic turns of fortune, and enargeia played an important part in their works,34 and the Roman civil wars offered them the stuff that they were looking for. Strong emotionality can be assumed in the case of the public historical lectures given by Philippos of Pergamon in Epidaurus in front of a Panhellenic audience in 30 31 32 33 34

I.Thespiai 175. On this festival and its program see Manieri 2009, 341–346, 424–433. Champion 1995. Robertson 1986; Chaniotis 1988, 42–48. Chaniotis 1988, 365–377. The studies of Walbank 1938; Walbank 1955; Walbank 1960 have not lost their value; see more recently Schepens 2004; van der Stockt 2004; Marincola 2010 (with critical remarks on this concept); Chaniotis 2013a (with emphasis on emotion).

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the late 1st century BCE. The wars of the Late Republic were the subject of his lectures. Only the preface of his work survives, written on his statue base, but even this small fragment is revealing for Philippos’ historiographical program:35 “With my pious hand I delivered to the Greeks the historical narrative of the most recent deeds – all sorts of sufferings and a continual mutual slaughter having taken place in our days in Asia and Europe, in the tribes of Libya and in the cities of the islanders; I did this, so that they may learn also through us, how many evils are brought forth by courting the mob and by love of profit, by civil strife and by the breaking of faith, and thus, by observing the sufferings of others, they may live their lives in the right way.”

Sufferings (pathe) were his subject, education his aim. Philippos wished to teach the Greeks through the sufferings and passions of others – hatred, lack of trust, and avarice. He was most likely a representative of Hellenistic tragic historiography. An interesting feature of his work is the fact that it treated the entire Mediterranean (Asia, Europe, Libya). The audience had not changed: it was a Panhellenic audience (ἀγλάϊσαν δ’ Ἕλλανες … ἐξήνεγκα ἐς τοὺς Ἕλληνας). But the subject had changed: ‘the passions of the others’ (παθέων ἀλλοτρίων). The Greeks were now the audience of a historical drama, in which the role of protagonist was no longer reserved for them. VIII. Emotions of subordination Emotions, what and how people feel, probably do not have a history, but the display and the arousal of emotions do. The media through which emotions are triggered and whether and how emotions will be manifested and displayed are social and cultural constructs. It is thus worth observing how emotions were presented on the same stage of supra-local sanctuaries two centuries after Flamininus’ debut. A lot had happened in these two centuries. The Greeks had familiarized themselves with Roman rule; the rule of the empire was not in the hands of the senate but in the hands of the princeps. The cultural life of sanctuaries had changed as well. Musical competitions, sporadically attested since the 6th century BCE, had become a significant part of contests in supra-local sanctuaries only from the late 3rd century BCE onwards, thus significantly changing the expectations of those who visited sanctuaries during the great festivals. In this changed setting, emotions continued to matter, but the new main player in the emotional life of Panhellenic sanctuaries was the Roman emperor.

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IG IV2 1, 687 = FGrHist 95 T 1: ἄνθετο μέν μ’ Ἐπίδαυρος Ἀριστείδαο Φίλιππον | Περγαμόθεν θείας κοίρανον ἱστορίας· | ἀγλάϊσαν δ’ Ἕλλανες, ἐπεὶ πολεμόγραφον αὐδὰν | ἔκλαγον ἁμερίων κόσμον ἐπερχόμενος. – ἐγὼ παντοίων παθέων καὶ ξυνεχέος ἀλληλοφονίης ἀνά τε τὴν Ἀσίην καὶ τὴν Εὐρώπην καὶ τὰ Λιβύων ἔθνεα καὶ νησιωτέων πόλιας καθ’ ἡμέας γεγενημένων v ὁσίῃ χειρὶ τὴν περὶ τῶν καινῶν πρήξεων ἱστορίην ἐξήνεγκα ἐς τοὺς¢ Ἕλληνας, ὅκως καὶ δι’ ἡμέων μανθάνοντες, ὁκό¢σα δημοκοπίη καὶ κερδέων ἀμετρησίη καὶ στάσιες ἐμφύλιοι καὶ πιστίων καταλύσιες γεννῶσιν κακά, παρατηρήσει παθέων ἀλλοτρίων ἀπενθήτους ποιέωνται τὰς τοῦ βίου διορθώσιας. – Discussed by Chaniotis 1988, 314–317; Goukowski 1995.

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A very fragmentary inscription from Olympia (late 1st century BCE) contains the decree of a Greek city, probably Sardeis.36 The decree concerns the assistance offered by Augustus after a devastating earthquake in Asia Minor. The style is entirely different from the texts of the Republican period. The Greek community, which chose to have the decree published in Olympia, used expressions that clearly show the huge hierarchical difference between the emperor and his subjects. In a place of agonistic competition, the emperor is compared with the Olympian gods whom he had surpassed in his benefactions (ὑπερτεθεικὼς καὶ τοὺς Ὀλυμπίους θεούς); his rule is assimilated with that of a father who has taken over guardianship (κ¢ηδε¢μονίαν). More importantly, the Greek community assumes the role of a suppliant, as we note with words such as δέομαι and μὴ περιιδεῖν – the latter expression is from the Hellenistic period on an emotive trigger, an acoustic signal that prepares the reader to expect an appeal to pity and compassion.37 And compassion is what the Greek community received (κα¢τιτιρεν). The verbs οἰκτίρω, ἀποικτίρω, and κατοικτίρω are exclusively used in grave inscriptions, in which either the gravestone or the dead person calls the passer-by to show compassion.38 The author of this decree both used words of emotion and alluded to emotions: gratitude and hope: (εὐε¢ργεσίαι, εὐδα[ι]μονέστερον ἀποδειν¢ύ¢ς, πα¢λινγε¢νεσία), trust (πίστε]ως), pity (κα¢τιτιρεν), affection (οἰκηοτάτην τ¢[ὴ]ν¢ π¢όλ|[ιν – – -]μ¢ένων δὲ τῶν παί[δων – – -]), and hope (ταῖς τῆς ἐγ¢[ε]ιροένης πατρ¢ίδος ἐλπίσιν). This text does not simply reveal a difference in rhetorical style; it reveals a difference in attitude.

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37 38

IvO 53: ἐπὶ Αὐτοκράτωρ Καῖσαρ, θ¢ε¢οῦ υἱός, θ¢ε¢ὸς [Σεβαστός | ταῖς εἰς πάντας ἀνθρ]ώπους εὐε¢ργεσίαις ὑπερτεθεικὼς καὶ τοὺς Ὀλυμπίους θεούς, καὶ πᾶσαν μὲν τὴν οἰκουμέ¢[ν]η¢ν Ι¢[- -]|φόρου, τὸν ἐφ’ ἑατο¢ῦ¢ δὲ βίον καὶ χρόνον εὐδα[ι]μονέστερον ἀποδειν¢ύ¢ς· πρότερον γ[ὰρ] οἱ τοῖς κοινοῖς βα¢[ρυνομένοι - - -]Ι¢․ ἀπόλα¢υσιν διὰ τὴν ἐκείνου πρόνοιαν κα[ὶ] κ¢ηδε¢μονίαν, πλήονα τῶν ἄ¢λλων ἐπὶ τῆς Ἀσίας Ἑλλή[νων εὔνοι|αν εὐεργεσίαις τῇ] ἡμετέρᾳ πόλει μεγά¢λαις ἐπισφραγιζόμενος, [- - -]Ν¢Τως αὐ¢τὴν δια¢θ¢έων· τῆς δὲ τῶν σεισμῶν περιστάσε¢[ως - - | - -]μου μετὰ τὴν καταθ¢έ¢ουσα¢ν Λ¢Υ¢[- - -]Ι¢[- -]Ι¢Ι¢Μ¢ ς ἐπὶ σωτῆρα καὶ θ¢ε¢ὸν πα¢λινγε¢νεσίαν τοῖς ἀπολ{λ}λόσι [- - | - -]βλέ¢ψ¢αντος καὶ πρὸς ἑ¢α¢υτὸν ἐλθ¢[οῦσα]ν Ο μ¢ κ¢τ¢λιπῖν δ¢εη¢σομένην, πατραν μὲν τῆς οἰκίας αὐ¢τ¢οῦ π[- - | - -δι]καιότα¢τον ὂν¢ Π¢Ι¢[—] κα¢ὶ ὑπα¢ρΙ¢․α τῆς Ῥ¢[ω]μ¢[αίω]ν¢ ἡγ[ε]μονία¢ς μὴ πε¢ριιδ¢ῖν κ¢[ει]μέ¢νην ἐπ’ ἐδάφους ἐσεγη[- - | - - εὐε]ργεσίαις, καὶ σὺν τοῖς ἄ¢λλοις κα¢λλιστεύμα¢σιν, ἃ δ[ὴ] μυρία κατὰ πάντα τρόπον ε[ἵ]δρυκεν, καὶ τοῦτο | [σημεῖον πίστε]ως κ¢α¢ὶ μεγα¢λοφροσύ[ν]η¢ς … π¢υθέσθα¢ι περὶ τῶν τῆς πόλεως ἀτυχη¢μά¢τω[ν κ]αὶ [τῶ]ν Ι¢Ι¢|[- - - πρ]ὸς α¢ὐτὸν τοὺς [- - -ομ]έν[- - -]Λ¢ συνκ¢α¢τ¢․Ι¢․Λ¢ κα¢ὶ διὰ τέους ἐπαχθέστα¢τα κα¢τιτιρεν ὡς οἰκηοτάτην τ¢[ὴ]ν¢ π¢όλ|[ιν - - -]μ¢ένων δὲ τῶν παί[δων - - -]… A selection of the expressions recognizable in the remaining fragment: τ¢ὴ¢ τῆς πόλεως κτίιν ἐφ’ ἑατῷ θ¢έμος, καὶ τ¢οσοῦτον ἢ Μέροπ[α | ὑπερέβαλε - -] … ταῖς τῆς ἐγ¢[ε]ιροένης πατρ¢ίδος ἐλπίσιν … [-- ε]ὐ¢ε[ργε]σία[ς κα]τά[ρ]ξας … [τὴν ἑ]α¢υ¢τοῦ φιλανθ¢ρωπίαν εὐέντευκτον κατασκεύ¢α¢|[ζων] … [ταῖς] ὑπο[λοίπο]ις εὐεργεσίαις κ[αὶ – -]Ε¢Ι¢Ι¢ΟΝΛ¢[- -]Ι¢ες καὶ δικαίως ἀθανά¢του τετευχὼς [δόξης] … ἐκτενήας οὔσης ὑπερμε¢γέ¢θ¢ου¢ς [-- -]. – The attribution to Sardeis has been suggested by Rigsby 2010. Chaniotis 2013b, 347–348. This conclusion is based on a search in the database of Greek inscriptions of the Packard Humanities Institute: IG I3 1194bis, 1204, 1219, 1240, 1273ter (= SEG XXXVI 52), 1277; SEG XXVI 55, 1111; IG IX 1, 876; IG IX 2, 255; I.Sinope 73 (= GV 1960a). The only instance in which οἰκτίρω is not found in a grave inscription is the curse of Phila in Pella (SEG XLIII 434). I have not considered the use of these verbs and related expressions (οἰκτίρμων, οἰκτιρμός) in Christian contexts.

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IX. Imperial emotions We recognize such changes in emotional arousal also when we compare Flamininus’ announcement with a similar announcement by Nero 250 years later. An inscription in Akraiphia in Boiotia preserves the text of the invitation to a festival, the text of Nero’s oration, and a decree in Nero’s honor:39 “Proclamation of Imperator Caesar: Wishing to requite for its goodwill and loyalty to me the most noble Hellas, I invite very many from this province to put in an appearance, if possible, at Corinth on the 28th of November. – When the crowds gathered at a meeting, he delivered the following words: “I make, oh men of Hellas, a gift that you would never have expected, though nothing is beyond hope from my great desire to help. I am making a gift so great that you never entertained the thought of asking for it. All ye who dwell in Achaia and especially in the land hitherto called the island of Pelops, receive freedom, tax exemption, which not even in your happiest hours you all had, for you were enslaved either to foreigners or to each other. Would that I were offering this gift when Hellas was at its peak, so that more might enjoy the favor! For this I blame Time, who anticipated me in expending the greatness of the favor. But even now I make the benefaction, not through pity for you but through goodwill, and I requite your gods, whose care of me I have ever experienced on land and on sea, because they afforded me the opportunity to make such benefactions. For other princes too have liberated cities, Nero alone has freed a province.”

In two points the two announcements of freedom are similar. First, they were staged events, whose intended impact – joy and gratitude – was enhanced through the unexpected nature of the declaration. Secondly, both declarations – although declarations of freedom – were intended to achieve the opposite, to express and establish relations of dependence and hierarchy. Nero clearly assimilated his grant of freedom to the manumission of slaves: δουλεύειν … ἐλευθερόω. Flamininus was elevated to the status of a benefactor and a god; the decree in honor of Nero explicitly designated him as lord of the entire world and assimilated him with the Sun.40 The similarities end here. Since we do not have the text of Flamininus’ announcement, we cannot compare the style, but from Plutarch’s text we infer that it was 39

40

IG VII 2713, ll. 1–26 = Oliver 1989, no. 296: (I) Αὐτοκράτωρ Καῖσαρ λέγει· τῆς εἴς με εὐνοίας τε καὶ εὐσεβείας ἀμείψασθαι θέλων τὴν εὐγενεστάτην Ἑλλάδα κελεύω πλείστους καθ’ ὅ[σ]ο[ν] ἐνδέχεται ἐκ ταύτης τῆς ἐπαρχείας παρῖναι ἰς Κόρινθον τῇ πρὸ τεσσάρων Καλανδῶν Δεκεμβρίων. (II) συνελθόντων τῶν ὄχλων ἐν ἐκκλησίᾳ προσεφώνησεν τὰ ὑπογεγραμμένα. “ἀπροσδόκητον ὑμεῖν, ἄνδρες Ἕλληνες, δωρεάν, εἰ καὶ μηδὲν παρὰ τῆς ἐμῆς μεγαλοφροσύνης ἀνέλπιστον, χαρίζομαι, τοσαύτην, ὅσην οὐκ ἐχωρήσατε αἰτεῖσθαι. πάντες οἱ τὴν Ἀχαΐαν καὶ τὴν ἕως νῦν Πελοπόννησον κατοικοῦντες Ἕλληνες λάβετ’ ἐλευθερίαν ἀνισφορίαν, ἣν οὐδ’ ἐν τοῖς εὐτυχεστάτοις ὑμῶν πάντες χρόνοις ἔσχετε· ἢ γὰρ ἀλλοτρίοις ἢ ἀλλήλοις ἐδουλεύσατε. εἴθε μὲν οὖν ἀκμαζούσης τῆς Ἑλλάδος παρειχόμην ταύτην τὴν δωρεάν, ἵνα μου πλείονες ἀπολαύωσι τῆς χάριτος· διὸ καὶ μέμφομαι τὸν αἰῶνα προδαπανήσαντά μου τὸ μέγεθος τῆς χάριτος. καὶ νῦν δὲ οὐ δι’ ἔλεον ὑμᾶς, ἀλλὰ δι’ εὔνοιαν εὐεργετῶ, μείβομαι δὲ τοὺς θεοὺς ὑμῶν ὧν καὶ διὰ γῆς καὶ διὰ θαλάττης αἰεί μου προνοουμένων πεπείραμαι, ὅτι μοι τηλικαῦτα εὐεργετεῖν παρέσχον. πόλεις μὲν γὰρ καὶ ἄλλοι ἠλευθέρωσαν ἡγεμόνες, [Νέρων δὲ ὅλη]ν¢ ἐπαρχείαν. IG VII 2713, ll. 31, 34: ὁ τοῦ παντὸς κόσμου κύριος … νέος Ἥλιος ἐπιλάμψας τοῖς Ἕλλησιν. – On the solar imagery see Bergmann 2002.

Display and Arousal of Emotions in Panhellenic Sanctuaries in the Shadow of Rome

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short and straightforward. Nero’s text is a specimen of elaborate rhetoric.41 The paradoxical nature of the announcement is repeated with hyperbole and redundancy: ἀπροσδόκητον … οὐκ ἐχωρήσατε αἰτεῖσθαι … μὲν γὰρ καὶ ἄλλοι ἠλευθέρωσαν ἡγεμόνες, [Νέρων δὲ ὅλη]ν¢ ἐπαρχείαν. The magnitude of the gift is stressed through a comparison with the past. The motivation of the emperor is explained in emotional terms: he acted not with feelings of pity (οὐ δι’ ἔλεον) but with affection (δι’ εὔνοιαν) and gratitude towards the gods (ἀ>μείβομαι δὲ τοὺς θεοὺς ὑμῶν). And to increase the emotional impact, Nero does not express joy at his gift, but distress, because the demographic decline of Greece had decreased the number of recipients of his gift. Time, the historical circumstances, had spoiled his joy. Nero’s message was received accordingly. Epameinondas, the author of the decree of Akraiphia,42 picked up the motif of piety, with an almost verbatim quotation of the announcement (ἀμειβόμενος δὲ καὶ εὐσεβῶν τοὺς θεοὺς ἡμῶν, παριστανομένους αὐτῷ πάντοτε ἐπὶ προνοίᾳ καὶ σωτηρίᾳ), and stressed the unique nature of the gift (μεγάλῃ καὶ ἀπροσδοκήτῳ δωρεᾷ). And yet, his decree has an interesting twist: it also expressed pride. While Nero claimed that the Greeks had never known freedom, Epameinondas stated the opposite: τὴν ἀπὸ παντὸς τοῦ αἰῶνος αὐθιγενῆ καὶ αὐτόχθονα ἐλευθερίαν πρότερον ἀφαιρεθεῖσαν τῶν Ἑλλήνων. According to Epameinondas, Nero was not giving something new but only restoring something the Greeks had already possessed in the past. X. Conclusions Sanctuaries were primarily places of worship and communication between mortals and gods. Their principal function was worship. But narrowly focusing on only this one functions means to misunderstand the simple fact that Greek worship offered an occasion for complex interactions among the worshippers. These interactions made sanctuaries, whether supra-local or not, places of transactions, negotiations, performances, competitions, commemoration, and social display. The presence of human agents and human audiences made sanctuaries stages for the display and arousal of emotions. What do we learn about supra-local sanctuaries, their functions, and the actions that took place in them, if we study emotions in the particular historical contexts of the Roman expansion and the first decades of the Principate? We gain a better understanding their development, of the historical dimension of the multifunctionality of supra-local sanctuaries. The relations between Greek communities and Rome could and did take place in a variety of spatial contexts: on the battlefield, in the prytaneion, the curia, the atria of the houses of senators, the imperial domus, and the praetorium of the governor. The 41 42

On his style see Jones 2002, esp. 458–460. IG VII 2713, ll. 27–58.

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Panhellenic sanctuary was another of these locations. What it offered, and the other locations lacked, was a broad audience. It was here that the Greeks learned the new emotional script of negotiations with Rome;43 they realized the importance of emotional dispositions in their relations with the new hegemonic power; they adapted the traditional principle of reciprocity that characterized their relations with civic and royal benefactors to the relations with Rome; they established an asymmetrical relation of loyalty to Rome. It is significant to note that from the very beginning, already in 196 BCE, the Romans consciously chose to exploit this potential. Of course, they had had Greek royal predecessors – Philip II, Antigonos Monophthalmos, and Antigonos Doson in Corinth and Isthmia, and Demetrios Poliorketes in Delphi.44 Gradually, the supra-local sanctuaries were transformed from places of communication between mortals and gods to places of communication between mortals and earthly gods; from places of competition among athletes, to places in which emperors competed with their predecessors in displays of magnanimity. In the context of the Roman Empire and on marked occasions, Panhellenic sanctuaries became multifunctional stages. Sometimes the Greek audiences experienced a paradoxon, a sudden change of fortune; sometimes they were moved and thrilled at the suffering of others; sometimes they presented their own drama to the Roman emperor and the Roman authorities in a way they had never presented it to fellow Greeks.45 Bibliography Bélis, A. 2001: Esthétique musicale du péan à travers l’example des Hymnes delphiques à Apollon, in: P. Brulé / C. Vendries (eds.), Chanter les dieux. Musique et religion dans l’Antiquité grecque et romaine. Actes du colloque des 16, 17 et 18 décembre 1999 (Rennes et Lorient), Rennes, 97–114. Bergmann, M. 2002: Hatte Nero ein politisches und/oder kulturelles Programm? Zur Inschrift von Akraiphia, in: J.-M. Croisille / Y. Perrin (eds.), Neronia VI. Rome à l’époque néronienne. Institutions et vie politique, économie et société, vie intellectuelle, artistique et spirituelle. Actes du VIe colloque international de la SIEN (Rome, 19–23 mai 1999), Brussels, 273–284. Champion, C. 1995: The Soteria at Delphi. Aetolian Propaganda in the Epigraphical Record, AJPh 116, 213–220. Chaniotis, A. 1988: Historie und Historiker in den griechischen Inschriften, Stuttgart. Chaniotis, A. 2005: War in the Hellenistic World. A Social and Cultural History, Malden, MA/Oxford. Chaniotis, A. 2009: Acclamations as a Form of Religious Communication, in: H. Cancik / J. Rüpke (eds.), Die Religion des Imperium Romanum. Koine und Konfrontationen, Tübingen, 199–218.

43 44 45

On this subject see Chaniotis 2015. On Demetrios Poliorketes and Delphi see Lefèvre 1998. I am very grateful to Dr. Henry Heitmann-Gordon (Munich) for correcting the English text.

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Der Gott verteidigt sein Heiligtum in Delphi (nicht)* Kai Trampedach

Es war einmal eine Zeit, da war in unserem Fach die Meinung weit verbreitet, daß in Delphi eine höchst erfolgreiche Propagandamaschine arbeitete. Die delphischen Priester galten als die eigentlichen Verfasser der Orakelsprüche, durch die sie großen Einfluß auf die Politik griechischer Städte ausübten, indem sie etwa die Gründung von Apoikien an bestimmten Orten des Mittelmeerraumes angeregt, zur Absetzung von Tyrannen in griechischen Städten beigetragen, in Erwartung der persischen Invasion zur Unterwerfung geraten sowie nacheinander die Ambitionen der Thessaler, Athener, Spartaner, Thebaner, Makedonen und Aitoler unterstützt hätten. Vor allem aber seien die Geschichten, die die Wahrheit des Orakels beglaubigten und den Ruhm des Heiligtums verbreiteten, in Delphi erdacht und erzählt sowie von Delphi aus in alle Welt gestreut worden. Dieses Bild, das nicht nur in einigen (nicht nur älteren) Monographien über Delphi mehr oder weniger explizit entworfen wurde und das zahlreichen Geschichtswerken über die archaischen und klassischen Zeit Griechenlands – häufig implizit und unreflektiert – zugrunde liegt, scheint mir ganz verkehrt zu sein.1 Und zwar aus folgenden Gründen: 1. Wie Lisa Maurizio seit Mitte der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts in einer Reihe von Aufsätzen gezeigt hat, gibt es keine einzige antike Quelle, die behauptet oder auch nur nahelegt, daß irgendjemand anderes als die Pythia die Orakelantworten erteilte. Die Glaubwürdigkeit des Orakels beruht eben auf der Legitimität der mantischen Kommunikation, und es war die Aufgabe der Delpher, diese Legitimität sicherzustellen, etwa durch ordentliche Befragungsrituale und vor allem durch die Präsentation einer Pythia, die sich als Medium des Gottes ausweisen mußte.2 2. Eine konsistente und aktive Politik, eine dauerhafte Parteinahme für diese oder jene Macht hätte sich angesichts der Vielzahl der politischen Akteure in Griechenland langfristig nicht ausgezahlt, sondern die Glaubwürdigkeit des Orakels beeinträchtigt und das Ansehen des Heiligtums beschädigt. Vielmehr hatten die Delpher ein naheliegendes Interesse an der Unabhängigkeit (und Zugänglichkeit) ihres *

1 2

Diesen Aufsatz widme ich Peter Funke in dankbarer Erinnerung an meine ersten Delphi-Besuche 1985 und 1988, bei denen ich (mit anderen) in den Genuß seiner Führung kam – eine Erfahrung, die mein wissenschaftliches Interesse an dem Thema maßgeblich geprägt hat. Matthias Haake danke ich für wertvolle Hinweise. Vgl., auch für das Folgende, Trampedach 2015, 179–257. Maurizio 1995; Maurizio 1997.

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Kai Trampedach

Heiligtums, und daher bemühten sie sich in der Regel, jeden Anschein von Parteilichkeit zu vermeiden.3 Dementsprechend galten die komplizierten Bestimmungen, die den Zugang zum Orakel regelten, für alle. Zwar konnten die Delpher besonders wichtigen oder hilfreichen und großzügigen Staaten das Privileg der promanteía erteilen, das diesen erlaubte, das Orakel vorrangig (d. h. zu gleichen Bedingungen wie sie selbst) zu konsultieren. Damit besaßen die Delpher ein flexibles Instrument, um den jeweils herrschenden Machtverhältnissen oder ihrer Dankbarkeit symbolischen Ausdruck zu verleihen, ohne jedoch die Orakelbefragung selbst zu tangieren. 3. Die delphischen Orakelsprüche waren integraler Bestandteil von Orakelgeschichten, die in den Gemeinden entstanden und konstruiert wurden, auf die sie sich bezogen, und nicht in Delphi.4 Dementsprechend gab es in Delphi auch kein Archiv, in dem die Sprüche der Pythia dokumentiert wurden. Funktional betrachtet lag es nicht im Interesse der Delpher, Dokumente zu produzieren, die allenfalls zur Falsifikation des Orakels dienen konnten. Für die Fragesteller, die sich im System der griechischen Mantik bewegten und die Autorität des Orakels selbstverständlich anerkannten, erfüllten sich die Sprüche immer auf mehr oder weniger offenkundige Art und Weise. Die Repräsentanten des Heiligtums brauchten daher die unvermeidliche Erfüllung nur abzuwarten und konnten darauf vertrauen, daß die Klienten unwillkürlich zum Ruhm des Orakels beitragen würden. Seit dem 6. Jahrhundert war in der griechischen Welt allgemein anerkannt, daß das delphische Heiligtum über eine Quelle göttlicher Weisheit verfügte. Brauchten sich die Delpher also nur um den reibungslosen Ablauf des ‚alltäglichen‘ Betriebs zu kümmern? Würden dann Ansehen und Güter von allein kommen? Nicht ganz. Es gab Fälle, in denen sich die delphischen Repräsentanten aus guten Gründen zur Apologie veranlaßt sehen konnten. Einem Besucher des Heiligtums, der etwa die vielen prächtigen Weihgaben und Geschenke des lydischen Königs Kroisos bewunderte, mußte erklärt werden, warum es mit dem König trotz seiner frommen Großzügigkeit kein gutes Ende genommen hatte. Solche Erklärungen in Form von Geschichten, die stets auf das Einwirken der Götter abhoben, bekam offenbar auch der Besucher Herodot zu hören.5 Auch andere Geschichten, die in Delphi entstanden und von späteren Historikern verbreitet wurden, setzten an berühmten Weihgeschenken an: Beschädigungen, etwa an der athenischen Eurymedon-Palme oder dem spartanischen Nauarchen-Monument, die möglicherweise auf Diebstahl oder Unwetter zurückzuführen waren, verlangten nach einer Erklärung, die durch deren Situierung in einem bestimmten historischen Kontext gegeben wurde; auf diese Weise wurden die Beschädigungen zu bedeutungsvollen Götterzeichen gemacht. Bezeichnenderweise wurden die Schäden niemals repariert; sie sollten nach dem Willen der Delpher für alle Zukunft auf die Götterzeichen verweisen und damit die Anwesenheit des Gottes in seinem Heiligtum bezeugen.6 3 4 5 6

Vgl. Parker 1985, 300. Vgl. Giangiulio 2001; Giangiulio 2010a; Giangiulio 2010b; Giangiulio 2010c. Jacoby 1913, 420–423; Burkert 2007 (1985), 123; Flower 1991, bes. 70–73, 77. Vgl. Trampedach 2011; Trampedach 2015, 339–347, 364–368, 388–390.

Der Gott verteidigt sein Heiligtum in Delphi (nicht)

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I. Die persische Invasion (480–479) Noch viel dringlicher als das Schicksal einzelner Weihgeschenke war für die Delpher ein anderes Problem: die Verteidigung ihres mit Schätzen angefüllten Heiligtums. Sie selbst waren dazu wegen ihrer geringen Zahl und militärischen Schwäche kaum in der Lage, zumal wenn der Gegner mit einem größeren Heer anrückte. Dieses Problem stellte sich mit aller Macht, als die Perser unter Führung ihres Großkönigs Xerxes in Griechenland einfielen. Ungefähr ein Jahr lang, vom Sommer 480 bis zum Sommer 479, lag Delphi im Herrschaftsbereich der Perser. In dieser Zeit erlitten offenbar weder die Delpher noch das ihnen anvertraute Heiligtum irgendeinen nennenswerten Schaden oder Verlust. Es ist unbekannt, warum die Perser Delphi und seine Schätze verschont haben. Wahrscheinlich bestimmte sie Rücksicht auf ihre griechischen Verbündeten wie die Thessaler und die Boioter, die seit altersher eng mit dem delphischen Heiligtum verbunden waren.7 In diesem Sinne hebt nach Herodot der persische Feldherr Mardonios vor der Schlacht von Plataiai in einer Rede gegenüber den Kommandeuren der mit den Persern verbündeten Hellenen ausdrücklich hervor, daß man das Heiligtum in Delphi nicht geplündert habe.8 Wirklich belastbare Hinweise, daß die Delpher die persische Herrschaft in Griechenland unterstützt hätten, gibt es dagegen nicht. Angeblich defätistische Orakelsprüche, die nach einer verbreiteten Forschungsmeinung Delphis medismós belegen,9 müssen, wie bereits dargelegt, im Kontext der lokalen Geschichten verstanden werden, in die sie eingebettet waren; diese Geschichten wiederum verraten, abgesehen vielleicht von dem Sonderfall Athens, ein leicht durchschaubares Kalkül, in dem das delphische Orakel im Nachhinein zu apologetischen Zwecken instrumentalisiert wurde.10 Außerdem haben die Mitglieder des Hellenenbundes ein „Medisieren“ der Delpher oder der Pythia oder des Gottes offenkundig nicht bemerkt, denn sonst hätten sie das Apollon-Heiligtum von Delphi nach den Perserkriegen wohl kaum mit einem bedeutenden Anteil der Kriegsbeute ausgestattet, und dies auch noch gleichsam selbstverständlich und ohne weitere Diskussion. In der patriotischen Erinnerung der beteiligten Poleis nahm das delphische Heiligtum von Anfang an einen hervorragenden Platz ein. Wie die Weihungen der siegreichen griechischen Städte jedermann vor Augen stellten,11 stand Delphi nach den Schlachten der Jahre 480 und 479 auf dem Höhepunkt seines panhellenischen Ruhmes. 7 8 9 10

11

Vgl. Scheer 2003, 72. Hdt. 9,42,3. Zum Kontext der Stelle vgl. Trampedach 2015, 159; den Widerspruch zu Hdt. 8,35–39 (s. u.), „der beim besten Willen nicht wegzudeuten ist“ (Jacoby 1913, 459), erörtern Flower/Marincola 2002, 185. Parke/Wormell 1956, I 165–179; Burkert 2011 [1977], 182; Burn 1984, 348; Walser 1984, 51; Kienast 1995, 124–126; Arnush 2005, 102 („the anti-Hellenic stance of the oracle“). Vgl. dagegen Parker 1985, bes. 317. Dies gilt insbesondere für die Konsultationen der Argiver (Hdt. 7,148,2), der Kreter (Hdt. 7,169,1) und der Spartaner (Hdt. 7,220,3. 8,114,1); vgl. Parker 1985, 318: „There are serious uncertainties about the authenticity of almost all the responses ascribed to 481/0 (…), but if one merely accepts them as reported in Herodotus the pattern seems to be one of confirming the consultants in their own inclinations.“ Zu der berühmten Konsultation der Athener vgl. Trampedach 2015, 248–251, 468–471. Hdt. 7,132,2; 8,121–122; 9,81,1; vgl. Gauer 1968; Jacquemin 1999, 250–254.

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Wie die Delpher mit der Tatsache der persischen Invasion und Oberherrschaft umgegangen sind, wissen wir also nicht genau. Wahrscheinlich haben sie möglichst wenig Profil gezeigt und sich ruhig und abwartend verhalten. Vielleicht fürchteten sie wirklich das Schlimmste und haben, wie sie es später Herodot erzählten, den Großteil der Bevölkerung und ihre wichtigsten mobilen Besitztümer evakuiert.12 Sicher ist dagegen, daß die Delpher, wie zwei Geschichten bei Herodot verraten, nach dem Sieg des Hellenenbundes zu denjenigen Griechen gerechnet werden wollten, die den Persern Widerstand geleistet hatten. Als die Perser bereits in Pierien standen und die Hellenen beschlossen, einen Sperrriegel an den Thermopylen und am Kap Artemision aufzubauen, befragten die Delpher, so berichtet Herodot, den Gott: „denn sie fürchteten für ihr eigenes Schicksal und für ganz Griechenland. Sie erhielten die Antwort, sie sollten zu den Winden beten; die Winde würden mächtige Bundesgenossen für Griechenland sein. Die Delpher nahmen die Weissagung an, teilten sie zunächst den freiheitsliebenden Griechen mit und erwarben sich dadurch ewigen Dank; denn die Griechen empfanden eine furchtbare Angst vor den Barbaren. Danach errichteten die Delpher den Winden einen Altar in Thyia, wo sich ein Heiligtum jener Thyia, der Tochter des Kephisos, befindet, deren Namen der Ort trägt. Dort brachten sie ihnen Opfer dar. Noch bis heute verehren die Delpher auf diesen Orakelspruch hin die Winde.“13

Durch ihre Orakelbefragung trugen die Delpher dazu bei, göttliche Unterstützung für die griechische Sache zu mobilisieren, was ihnen in der denkbar starken Formulierung Herodots „unsterblichen Dank“ (χάριν ἀθάνατον) der Landesverteidiger einbringt; Herodot berichtet im Fortgang seiner Erzählung, wie die Winde auf Seiten der Griechen kämpften, indem sie wiederholt die persische Flotte schädigten (7,188–192; 8,12–14). Eine zusätzliche Beglaubigung stellt die Einrichtung des Kultes dar, dessen Fortdauer bis in seine Gegenwart Herodot ausdrücklich bestätigt.14 Doch die zweite Geschichte der Delpher sollte sich als noch folgenreicher erweisen. Herodot präsentiert sie sozusagen als Drama in mehreren Akten. Im Prolog, der die Frage erörtert, wie und mit welchen Intentionen die Perser nach Delphi kamen, folgt Herodot noch einem eigenen Erzählmuster. Demnach durchzogen die Perser, 12

13

14

Hdt. 8,36,2. In meiner Herodot-Interpretation versuche ich der pointierten Forderung von Walter Burkert (2007 [1985], 127) gerecht zu werden: „Herodot als Historiker von Traditionen, nicht als Ausgräber von Fakten zu verstehen, ist eine Aufgabe, an der Historiker wie Philologen noch zu arbeiten haben.“ Hdt. 7,178 (die Herodot-Zitate folgen hier generell der Übersetzung von J. Feix): Δελφοὶ δ᾿ἐν τούτῳ τῷ χρόνῳ ἐχρηστηριάζοντο τῷ θεῷ ὑπὲρ ἑωυτῶν καὶ τῆς Ἑλλάδος καταρρωδηκότες, καί σφι ἐχρήσθη ἀνέμοισι εὔχεσθαι· μεγάλους γὰρ τούτους ἔσεσθαι τῇ Ἑλλάδι συμμάχους. Δελφοὶ δὲ δεξάμενοι τὸ μαντήιον πρῶτα μὲν Ἑλλήνων τοῖσι βουλομένοισι εἶναι ἐλευθέροισι ἐξήγγειλαν τὰ χρησθέντα αὐτοῖσι, καί σφι δεινῶς καταρρωδέουσι τὸν βάρβαρον ἐξαγγείλαντες χάριν ἀθάνατον κατέθεντο. μετὰ δὲ ταῦτα οἱ Δελφοὶ τοῖσι ἀνέμοισι βωμόν τε ἀπέδεξαν ἐν Θυίῃ, τῇ περ τῆς Κηφισοῦ θυγατρὸς Θυίης τὸ τέμενος ἐστί, ἐπ᾿ ἧς καὶ ὁ χῶρος οὗτος τὴν ἐπωνυμίην ἔχει, καὶ θυσίῃσι σφέας μετήισαν. Δελφοὶ μὲν δὴ κατὰ τὸ χρηστήριον ἔτι καὶ νῦν τοὺς ἀνέμους ἱλάσκονται. Daß der Gott den Delphern, die über keine effektiven Verteidigungsmöglichkeiten verfügten, empfiehlt, mit rituellen Mitteln auf die Krise zu reagieren, folgt übrigens einem verbreiteten Schema: vgl. Trampedach 2015, 441–463, bes. 454. Vgl. Jacquemin 1992: Das Thyia-Heiligtum lag vermutlich in der Nähe der kastalischen Quelle.

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von den Thessalern geführt, das Land der Phoker, die sich dem Hellenenbund angeschlossen hatten, „und zerstörten alles, was sie fanden, und legten Feuer an Städte und Tempel“.15 Herodot nennt die Namen der zerstörten phokischen Städte und erwähnt dann die Plünderung und Verbrennung des Apollon-Heiligtums von Abai, das, wie er sagt, reich und mit vielen Schatzhäusern und Weihgeschenken ausgestattet war und ein (zur Zeit des Erzählers immer noch aktives) Orakel beherbergte.16 Außerdem fingen die Perser einige phokische Männer auf den Bergen und töteten einige phokische Frauen durch massenhafte Vergewaltigung. In Panopéai trennte sich das persische Heer dann: Während der größte Teil des Heeres mit Xerxes durch Boiotien gegen Athen zog, ließ sich ein kleinerer Teil von Wegführern um den Parnassos herum nach Delphi bringen, wobei sie wiederum das ganze phokische Land, das sie durchzogen, verheerten.17 Herodot begründet die Exkursion wie folgt: „Sie hatten sich aber von dem Gros des Heeres getrennt und nahmen deshalb diesen Weg, weil sie das Heiligtum plündern und dem König die Schätze überbringen sollten. Xerxes aber kannte alle Kostbarkeiten des Heiligtums, soweit sie nennenswert waren – wie man mir erzählt hat –, besser als seine eigenen Schätze zu Hause. Von vielen dieser Schätze wurde ständig geredet, besonders von den Weihgeschenken des Kroisos, des Sohnes von Alyattes.“18

Nach Herodot wurde Delphi also keineswegs von einer marodierenden persischen Einheit auf eigene Faust angegriffen, sondern auf allerhöchsten Befehl mit dem ausdrücklichen Ziel der Hierosylia. Die Behauptung trägt wesentlich zu Herodots Bild von Xerxes als Tempelräuber und Tempelzerstörer bei. Dieses Bild, das Herodot, wie die Perser des Aischylos beweisen, nur ausgemalt, nicht aber erfunden hat,19 ist aufs engste mit dem übergeordneten ‚theologischen‘ Plot der herodoteischen Erzählung verwoben. Mit den persischen Übergriffen auf griechische Heiligtümer begründet Herodot, warum die Götter sich auf Seiten des Hellenenbundes am Kampf gegen die Perser beteiligten.20 15 16

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Hdt. 8,32,2: πάντα ἐπέφλεγον καὶ ἔκειρον, καὶ ἐς τὰς πόλις ἐνιέντες πῦρ καὶ ἐς τὰ ἱρά. Höchstwahrscheinlich handelt sich bei dem Sakralbezirk von Kalapodi, der in den letzten Jahren vom Deutschen Archäologischen Institut unter Leitung von W.-D. Niemeier erforscht und ausgegraben wurden, um das Heiligtum von Abai; ein Zerstörungshorizont, der mit der persischen Invasion 480 verknüpft werden kann, läßt sich eindeutig identifizieren: vgl. Evely et al. 2007–2008, 47–49; Archibald et al. 2011–2012, 19. Hdt. 8,33–35,1. Hdt. 8,35,2: Ἐπορεύοντο δὲ ταύτῃ ἀποσχισθέντες τῆς ἄλλης στρατιῆς τῶνδε εἵνεκα, ὅκως συλήσαντες τὸ ἱρὸν τὸ ἐν Δελφοῖσι βασιλέϊ Ξέρξῃ ἀποδέξαιεν τὰ χρήματα· πάντα δ’ ἠπίστατο τὰ ἐν τῷ ἱρῷ ὅσα λόγου ἦν ἄξια Ξέρξης, ὡς ἐγὼ πυνθάνομαι, ἄμεινον ἢ τὰ ἐν τοῖσι οἰκίοισι ἔλιπε, πολλῶν αἰεὶ λεγόντων, καὶ μάλιστα τὰ Κροίσου τοῦ Ἀλυάττεω ἀναθήματα. Vgl. Aischyl. Pers. 809–812; im übrigen geht das Bild natürlich auf tatsächliche und absichtliche, in ihrer Bedeutsamkeit freilich umstrittene Tempelzerstörungen durch Xerxes und die Perser zurück, die in der Zerstörung der Athener Akropolis gipfelten: vgl. Scheer 2003, bes. 78–81, 84; Funke 2007, 25. Zu Herodots Konstruktion der achämenidischen Monarchie vgl. Trampedach/Jacobs 2013, bes. 80–85 (Verhältnis zu den Göttern). Vgl. Trampedach 2005, 144. Diese Einsicht, die die Erzählung der persischen Invasion leitmotivisch vermittelt, bringt Herodot direkt zum Ausdruck, indem er sie Themistokles nach dem Sieg bei Salamis

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Diodor beschreibt das Handeln und die Zielsetzung des Xerxes im Prinzip wie im Detail sehr ähnlich wie Herodot. Demnach ließ der Großkönig auf dem Vormarsch nach Attika einen Teil seines Heeres in Phokis zurück und befahl ihm, nach Delphi zu marschieren, um das delphische Apollon-Heiligtum in Brand zu setzen und die Weihgeschenke zu rauben.21 Daß der in diesen und anderen Texten zum Ausdruck gelangende griechische Diskurs über den Gottesfrevel der Perser, der sich aus den Erfahrungen der Brandschatzungen und Verwüstungen in den Jahren 480–479 entwickelte, eine Eigendynamik als hermeneutischer Schlüssel gewann, hat Peter Funke in einem Aufsatz 2007 überzeugend herausgearbeitet. Bei Herodot ist an dieser Stelle aber noch etwas anderes bemerkenswert: Mag er grundsätzlich, wie Peter Funke zeigt, die Haltung der Perser gegenüber griechischen Heiligtümern mit „Rache für Sardes“ motivieren,22 so erscheint Xerxes’ Sinn hier ganz unverhüllt auf die Schätze gerichtet. In seiner Habgier kennt Xerxes die Kostbarkeiten Delphis angeblich besser als seine eigenen Reichtümer; insbesondere hat er es, wie Herodot nahelegt, auf Kroisos’ berühmte Weihgeschenke abgesehen, die er geradezu als Nachfolger des Lyderkönigs wie ein Eigentum zu beanspruchen scheint. Mit diesem Vorspiel hat Herodot die Bühne bereitet für die dramatische Geschichte der Delpher. Als diese vom Anmarsch der Perser erfuhren, schreibt Herodot, „befiel sie große Angst, und in ihrer gewaltigen Furcht befragten sie den Gott wegen der heiligen Schätze, ob sie sie in die Erde vergraben oder in ein anderes Land verlagern sollten. Der Gott aber verbot, sie wegzubringen, und sagte, er sei selbst imstande, sein Eigentum zu schützen.“23

Nach dieser Antwort durften die Delpher für sich selbst sorgen: Ihre Frauen und Kinder schickten sie über den Golf hinüber nach Achaia; sie selbst suchten Zuflucht auf den Gipfeln des Parnassos oder im benachbarten Amphissa, nachdem sie ihre Wertsachen in die korykische Höhle gebracht hatten. Abgesehen von 60 Männern und dem Propheten verließen also angeblich alle Delpher ihre Stadt (und taten es damit in dieser Hinsicht den Athenern gleich). Doch wie kündet Hölderlin am Anfang des „Patmos“-Hymnos ganz im Sinne unserer delphisch-herodoteischen Geschichte: „Nah ist und schwer zu fassen der Gott. Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“ Wie Herodot durch seine Einleitung und seine wiederholte Erwähnung der „großen Furcht“, die die Delpher in der Erwartung des persischen Anmarsches

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in den Mund legt: Τάδε γὰρ οὐκ ἡμεῖς κατεργασάμεθα, ἀλλὰ θεοί τε καὶ ἥρωες, οἳ ἐφθόνησαν ἄνδρα ἕνα τῆς τε Ἀσίης καὶ τῆς Εὐρώπης βασιλεῦσαι, ἐόντα ἀνόσιόν τε καὶ ἀτάσθαλον· ὃς τά τε ἱρὰ καὶ τὰ ἴδια ἐν ὁμοίῳ ἐποιέετο, ἐμπιπράς τε καὶ καταβάλλων τῶν θεῶν τὰ ἀγάλματα· ὃς καὶ τὴν θάλασσαν ἀπεμαστίγωσε πέδας τε κατῆκε (Hdt. 8,109,3). Diod. 11,14,2: καὶ προσέταξεν εἰς Δελφοὺς ἰέναι καὶ τὸ μὲν τέμενος τοῦ Ἀπόλλωνος ἐμπρῆσαι, τὰ δὲ ἀναθήματα συλῆσαι. Funke 2007, bes. 30–32; vgl. Scheer 2003, 75. Hdt. 8,36,1: [Οἱ] Δελφοὶ δὲ πυνθανόμενοι ταῦτα ἐς πᾶσαν ἀρρωδίην ἀπίκατο, ἐν δείματι δὲ μεγάλῳ κατεστεῶτες ἐμαντεύοντο περὶ τῶν ἱρῶν χρημάτων, εἴτε σφέα κατὰ γῆς κατορύξωσι εἴτε ἐκκομίσωσι ἐς ἄλλην χώρην· ὁ δὲ θεός σφεα οὐκ ἔα κινέειν, φὰς αὐτὸς ἱκανὸς εἶναι τῶν ἑωυτοῦ προκατῆσθαι.

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befiel,24 die Gefahr für das Heiligtum und die Stadt betont, so charakterisiert er anschließend das Rettende, indem er in wiederholten Wendungen die Wunderhaftigkeit des folgenden Geschehens und damit die Nähe des Gottes hervorhebt. Demnach erzählten die Delpher in dramatischer Zuspitzung von vier göttlichen Manifestationen, die das Heiligtum vor Plünderung und Zerstörung bewahrt und die Perser in die Flucht geschlagen hätten:25 1. Als die anrückenden Perser schon in Sichtweite des Heiligtums waren, entdeckte der Prophet, dessen Namen Akeratos Herodot ausdrücklich nennt, daß die heiligen Waffen, die im Megaron des Tempels aufbewahrt wurden und die kein Mensch berühren durfte, vor dem Tempel lagen – ein klares Zeichen (τέρας), daß der Gott im Begriff war, sein Orakel wahr zu machen und selbst die Verteidigung seines Heiligtums zu übernehmen. 2. „Als (…) die Barbaren den Tempel der Athena Pronaia erreichten, zuckten in diesem Augenblick Blitze vom Himmel auf sie nieder, und zwei Bergspitzen des Parnaß rissen sich los, stürzten mit mächtigem Getöse auf sie und erschlugen viele von ihnen.“ 3. „Aus dem Tempel der Athena aber erschollen Stimmen und Kriegsgeschrei (βοή τε καὶ ἀλαλαγμὸς).“ Unter diesen Umständen verbreitete sich Panik unter den persischen Angreifern; in wilder Flucht rannten sie nach Boiotien, bedrängt von den Delphern, die jetzt von den Bergen herunterstiegen und sie verfolgten; dabei kamen viele Perser ums Leben.26 Die Geschichte der Delpher könnte hier enden, doch Herodot erzählt noch von einer weiteren göttlichen Erscheinung. Dabei beruft er sich zunächst auf die Aussage von überlebenden „Barbaren“, um diese dann von den Delphern erklären zu lassen: 4. Zwei Hopliten mit übermenschlicher physis hätten, so die Perser, die Fliehenden verfolgt und einige von ihnen getötet. Diese Männer könnten, hätten die Delpher hinzugefügt, mit den epichorischen Heroen Phylakos und Autonoos identifiziert werden, deren Weihbezirke sich in der Nähe des Heiligtums befänden (τῶν τὰ τεμένεά ἐστι περὶ τὸ ἱρόν). 24 25 26

Hdt. 7,178,1: Δελφοὶ (…) ὑπὲρ ἑωυτῶν καὶ τῆς Ἑλλάδος καταρρωδηκότες; 7,178,2: σφι δεινῶς καταρρωδέουσι τὸν βάρβαρον; 8,36,1: ἐν δείματι δὲ μεγάλῳ κατεστεῶτες; 8,36,2: Δελφοὶ δὲ ταῦτα ἀκούσαντες σφέων αὐτῶν πέρι ἐφρόντιζον. Hdt. 8,37–39. Für die göttlichen Manifestationen verwendet Herodot in diesem Abschnitt folgende Worte nahezu synonym: τέρας (auch im Plural: τέρεα), θῶμα, φάσματα, θεῖα. Diod. 11,14,3 erwähnt nur das zweite Wunder, das er allerdings zu einem Unwetter macht (denn bei Herodot kommen die Blitze aus heiterem Himmel): „Jene, die zur Plünderung der Orakelstätte abgesandt waren, gelangten bis zum Tempel der Athena Pronoia, doch gingen plötzlich starke Regengüsse in Verbindung mit zahlreichen Blitzen vom Himmel zur Erde nieder, außerdem rissen Stürme gewaltige Felsbrocken los, die auf das Lager der Barbaren stürzten, und so kam es, daß eine Menge Perser den Tod fand, und die ganze Truppe, entsetzt über das Eingreifen der Götter (τὴν τῶν θεῶν ἐνέργειαν), aus der Gegend flüchtete.“ (οἱ δ᾿ἐπὶ τὴν σύλησιν τοῦ μαντείου πεμφθέντες προῆλθον μὲν μέχρι τοῦ ναοῦ τῆς Προναίας Ἀθηνᾶς, ἐνταῦθα δὲ παραδόξως ὄμβρων μεγάλων καὶ κεραυνῶν πολλῶν ἐκ τοῦ περιέχοντος πεσόντων, πρὸς δὲ τούτοις τῶν χειμώνων πέρας μεγάλας ἀπορρηξάντων εἰς τὸ στρατόπεδον τῶν βαρβάρων, συνέβη διαφθαρῆναι συχνοὺς τῶν Περσῶν, πάντας δὲ καταπλαγέντας τὴν τῶν θεῶν ἐνέργειαν φυγεῖν ἐκ τῶν τόπων.)

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Am Ende versucht Herodot die Authentizität der delphischen Geschichte zu bekräftigen. Schon zuvor hatte der Historiker durch die (ansonsten überflüssige) Namensnennung des Propheten seine Akribie vorgeführt. Auch die Schilderung der delphischen Topographie und der personalen Konstellation soll Glaubwürdigkeit vermitteln. Darüber hinaus berief sich Herodot für die Epiphanie der Heroen auf Zeugen aus den Reihen der überlebenen Perser, obwohl diese Quellenangabe, die eine eigene Forschung Herodots suggeriert, nur, wie Wolfgang Rösler kürzlich gezeigt hat, als Bestandteil der delphischen Geschichte verstanden werden kann.27 Jetzt fügt Herodot noch eine Lokalisierung der beiden Heroen-teménea hinzu, um die Geschichte mit einer bestätigenden Autopsie-Bemerkung abzuschließen: „Die Steine aber, die vom Parnaß heruntergerollt waren, waren zu meiner Zeit noch vorhanden und lagen im heiligen Hain der Athena Pronaia, in den sie auf ihrem Weg durch die Barbaren hineingerollt waren.“28

Die Geschichte der Delpher hat vermutlich nicht erst Herodot überzeugt, sondern schon die Sieger von 479, die – wie erwähnt und wie bekannt – das Heiligtum großzügig mit Beuteanteilen und Weihgeschenken bedachten. Die zentrale Botschaft – daß nämlich der Gott sein Heiligtum mit Hilfe der Delpher notfalls selbst verteidigen würde – sollte, so meine ich, nach dem Willen ihrer Urheber gleichsam einen magischen Ring um Delphi legen. Und weil die Schätze Delphis nach den Perserkriegen weiter lockten, und nicht nur Barbaren, bedurfte die Botschaft einer gelegentlichen Aktualisierung. II. Zwischen Athen und Sparta (Mitte des 5. Jahrhunderts) Zu einem unbekannten Zeitpunkt vor der Mitte des 5. Jahrhundert weihten die Delpher dem Gott einen bronzenen Wolf und stellten diesen in der Nähe des großen Altars auf. Das Bild sollte an einen lebendigen Wolf erinnern, der als Instrument der göttlichen Vorsehung fungierte, als er auf dem Parnassos angeblich eine Hierosylie aufgedeckt, den Tempelräuber getötet und anschließend die Delpher zu dem Raubgut geführt hatte.29 Im zweiten Heiligen Krieg, den die Delpher und die Phoker, un-

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Rösler 2013, 241–246. Hdt. 8,39,2: Οἱ δὲ πεσόντες ἀπὸ τοῦ Παρνησσοῦ λίθοι ἔτι καὶ ἐς ἡμέας ἦσαν σόοι, ἐν τῷ τεμένεϊ τῆς Προνηίης Ἀθηναίης κείμενοι, ἐς τὸ ἐνέσκηψαν διὰ τῶν βαρβάρων φερόμενοι. Τούτων μέν νυν τῶν ἀνδρῶν αὕτη ἀπὸ τοῦ ἱροῦ ἀπαλλαγὴ γίνεται. Steinlawinen sind in Delphi kein unbekanntes Phänomen: Das Bild, das Herodot evoziert, ähnelt vielleicht dem Anblick, der sich dem Besucher des Athena Pronaia-Heiligtums nach dem 26. März 1903 bot, als ein Felssturz den spätarchaischen Athena-Tempel zerschmetterte. Die drei großen Felsbrocken, die seitdem auf der Ruine lagen, wurden 1978–79 teilweise (s. Scott 2014, Abb. 8) beseitigt: vgl. Maaß 1993, 222. Paus. 10,14,7; vgl. Ail. nat. 10,26; 12,40. Der Geschichte liegt ein populäres Muster zugrunde: Durch ein auffälliges, zeichenhaftes Tierverhalten wird eine Polis auf einen bedeutsamen Sachverhalt aufmerksam; mit oder ohne Hilfe eines Orakels gelingt es ihr, den Sachverhalt zu verstehen und das damit verbundene Problem zu lösen; zum Dank weiht die Polis den Göttern ein Bild des Tieres. In Delphi verdankt sich

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terstützt jeweils von den Spartanern und Athenern, gegeneinander führten,30 wurde dieses Weihgeschenk zum Gegenstand des Konflikts. Als die Delpher die Phoker mit Hilfe der Spartaner vertrieben hatten, verliehen sie den Spartanern das Recht der promanteía und gravierten dieses Privileg in die Stirn des bronzenen Wolfes ein. Damit schrieben die Delpher den Spartanern eine dem Wolf analoge Rolle zu, nämlich Instrument des Gottes zu sein und Schützer des göttlichen Eigentums, während die Phoker implizit bereits in einer Rolle erscheinen, die sie später berüchtigt werden ließ: als Tempelräuber. Die Geschichte geht allerdings noch weiter: Nach dem Abzug der Spartaner zogen die Athener unter Führung des Perikles nach Delphi und machten wieder die Phoker zu Herren des Heiligtums; von diesen ließen sich die Athener nun ihrerseits mit der promanteía auszeichnen und das Vorrecht auf die rechte Flanke des bronzenen Wolfes eingravieren. Mit diesem „Revanchefoul“ versuchte Perikles anscheinend das Manöver der Delpher, den Gott für die eigenen Interessen zu vereinnahmen, zu unterlaufen.31 III. Nach der Schlacht von Leuktra (371) Den Peloponnesischen und den Korinthischen Krieg überstanden die Delpher weitgehend unbehelligt. Eine akute Gefahr für das Heiligtum erkannten sie, wie Xenophon (hell. 6,4,30–32) berichtet, erst wieder nach der Schlacht von Leuktra und dem daraus resultierenden Verlust der spartanischen Sicherheitsgarantien.32 Während die Thebaner ihre Interessen zunächst eher auf die Peloponnes richteten, versuchte der Führer der Thessaler, Iason von Pherai, seine Hegemonie nach Mittelgriechenland auszudehnen. In diesem Zusammenhang wollte er die griechische Öffentlichkeit durch eine symbolische Demonstration seiner Stärke beeindrucken und kündigte an, die pythischen Spiele des Jahres 370 in ganz großem Stile feiern zu wollen. Als er entsprechende Vorbereitungen traf, fürchteten die Delpher, er könne in Anbetracht seiner ehrgeizigen Pläne auch handgreifliche Vorteile im Sinn haben und die Ausrichtung der Pythien nur als Vorwand benutzen. Xenophon führt aus: „Was aber die Tempelschätze betrifft, so ist es bis heute unklar geblieben, was er damit vorhatte; man erzählt sich darüber, als die Delpher das Orakel befragt hätten, was sie tun sollten, wenn Iason sich an den Schätzen des Gottes vergriffe, da habe der Gott die Antwort erteilt, das werde seine Sorge sein.“33

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etwa auch der Stier von Korkyra, der am Eingang des Heiligtums rechts des Weges stand, diesem Handlungsmuster: Paus. 10,9,3–4; vgl. Lacroix 1992, 161–163; Jacquemin 1999, 178. Thuk. 1,112,5; vgl. FGrHist 328 Philochoros F 34a+b. Plut. Perikl. 21,2, vielleicht unter Rückgriff auf Theopomp (FGrHist 115 F 156). Vgl. Scott 2014, 131. Xen. hell. 6,4,29–32; vgl. Trampedach 2015, 378–384. Xen. hell. 6,4,30 (Übersetzung von G. Strasburger): περὶ μέντοι τῶν ἱερῶν χρημάτων ὅπως μὲν διενοεῖτο ἔτι καὶ νῦν ἄδηλον· λέγεται δὲ ἐπερομένων τῶν Δελφῶν τί χρὴ ποιεῖν, ἐὰν λαμβάνῃ τῶν τοῦ θεοῦ χρημάτων, ἀποκρίνασθαι τὸν θεὸν ὅτι αὐτῷ μελήσει.

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Kurze Zeit später wurde Iason von Pherai während einer Reiterparade ermordet. Natürlich ist es gut möglich, daß die Delpher die Geschichte ihrer Orakelbefragung nach diesem Ereignis in Umlauf brachten. Wie 480 war das Heiligtum dem Zugriff eines Tyrannen ungeschützt ausgeliefert; wie 480 hatte der Gott sein Schutzversprechen eingelöst, auch wenn er dafür diesmal keine Wunder vollbringen mußte, sondern sich menschlicher Medien bedienen konnte, um die Hierosylie zu verhindern. Die Geschichte reflektiert einerseits die Furcht der Delpher vor der Plünderung ihres Heiligtums – eine Furcht, die angesichts der gesteigerten Instabilität der politischen Verhältnisse nach Leuktra verständlich war und sich, wie sich bald zum Schaden des Heiligtums zeigen sollte, als nur allzu berechtigt herausstellen sollte – und bekräftigt andererseits die Botschaft, daß der Gott sein Heiligtum notfalls, auf welche Weise auch immer, selbst schützen werde. Möglicherweise bot die Iason-Krise auch den Anlaß, um an den Ursprungsmythos der Rettung Delphis während der persischen Invasion zu erinnern. Diodor berichtet im Zusammenhang mit dem angeblichen Angriff der Perser auf Delphi, zweifellos unter Rückgriff auf Ephoros, die Delpher hätten den kommenden Geschlechtern ein ewiges Denkmal für die Erscheinung des Gottes (τῆς τῶν θεῶν ἐπιφανείας ἀθάνατον ὑπόμνημα) hinterlassen wollen und daher beim Heiligtum der Athena Pronoia (sic!) ein Siegeszeichen (τρόπαιον) errichtet, in das sie ein elegisches Epigramm, bestehend aus zwei Distichen, einmeißelten.34 Die englischen Delphi-Besucher Francis Vernon 1675 und George Wheler 1676 haben das von Diodor zitierte Epigramm noch auf einem Stein gelesen und abgeschrieben, der sich bei der Kastalischen Quelle in der Nähe des ursprünglichen Aufstellungsortes, wenn auch nicht mehr in situ, befand.35 Beide Reisende waren sich des Zusammenhangs mit Diodor nicht bewußt. Einerseits kann daher an der Existenz des Tropaions kein Zweifel bestehen, andererseits besteht Konsens in der Forschung, daß das Monument mit dem Epigramm nicht bald nach dem Sieg 479, sondern erst in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts errichtet wurde.36 Eine solche Datierung wird durch die Buchstabenform und Schreibweise der kopierten Inschrift nahegelegt und findet Unterstützung im Schweigen Herodots und in der Annahme, daß Diodor vermutlich auf Ephoros, der seine Universalgeschichte ja zeitnah zur Errichtung des fraglichen Monuments im dritten Viertel des 4. Jahrhunderts schrieb, zurückgeht. Wann aber hatten die Delpher ein besonderes Interesse, an die göttliche Verteidigung und Rettung des Heiligtums zu erinnern? Joachim Ebert 34

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Diod. 11,14,4. Daß Diodor die Bücher XI bis XV keineswegs, wie von der Forschung lange angenommen, in durchgängiger oder gar ausschließlicher Abhängigkeit von Ephoros verfaßt hat, zeigen Green 2006, 35 und vor allem Parmeggiani 2011, bes. 349–394 (vgl. auch Parmeggiani 2014). An der zitierten Stelle legen allerdings zwei typische Eigenschaften die Verwendung von Ephoros sehr nahe: die Ergänzung der herodoteischen Erzählung durch Lokaltraditionen „jenseits von Athen und Sparta“ sowie vor allem der Rückgriff auf dokumentarische Ressourcen, d. h. in diesem Fall ein Monument mit inschriftlich überliefertem Epigramm; vgl. Schepens 2003, 341, 358; Parmeggiani 2011, 330–333; Vannicelli 2014, 541. Meritt 1947. Meritt 1947, 60: „a date about 400 B. C., possibly later“; Peek 1978, 5: „Fälschung des 4. Jahrhunderts“ (vgl. dazu Luppe 1979); Ebert 1982, 36: „vor die Mitte des 4. Jhs. v. Chr.“.

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schlägt als Datierung 380 vor, „als sich den Delphern die erfolgreiche Abwehr der Perser zum 100. Male jährte“.37 Aber hat man solche Jubiläen in dieser Zeit in Griechenland überhaupt gefeiert? Vielleicht wurde das Monument anläßlich der Friedenskonferenz 368 in Delphi errichtet,38 um die Besucher zu beeindrucken und zu warnen. Mir scheinen die Jahre nach Leuktra und besonders die Iason-Krise einen plausiblen Kontext für die Errichtung des Tropaions und die Aktualisierung seiner Botschaft zu bilden: daß nämlich jeder Angriff auf das Heiligtum von den Delphern mit Hilfe der Götter zurückgeschlagen werde und den Angreifern Verderben bringe. IV. Der 3. „Heilige Krieg“ (356–346) Widerlegt wurde die Botschaft im sogenannten dritten Heiligen Krieg. Die Phoker bemächtigten sich des Heiligtums und benutzten seine Reichtümer, um eine zahlreiche und schlagkräftige Söldnerarmee anzuwerben und zu unterhalten. Allerdings kam dieses Unheil zunächst gar nicht von außen über Delphi, sondern nahm, wie so oft in griechischen Städten, seinen Anfang im Inneren. Dem dritten Heiligen Krieg ging eine Stasis in Delphi voraus, die im Frühjahr 363 ausbrach und in Zusammenhang mit einem antiphokischen bzw. prothebanischen Kurswechsel der Amphiktyonie stand.39 Mit der Einigkeit verloren die Delpher auch die Diskurshoheit über das folgende Geschehen. Die Verbannten von 363 kehrten mit den Phokern 356 zurück und übernahmen sogleich führende Positionen. Welchen Delphern sollte der Gott jetzt beistehen? Denen, die mit den Phokern kollaborierten, oder jenen, die von diesen getötet, enteignet und verbannt worden waren? Am Ende waren es nicht die Delpher, sondern die Sieger, die die Geschichte vom dritten Heiligen Krieg erzählten. Von einer wunderbaren Rettung des Heiligtums konnte keine Rede sein, vielmehr wurde ein anderes Erzählmuster konstruiert, das ebenfalls die Mitwirkung der Götter postulierte – man könnte es vielleicht de mortibus persecutorum nennen. Der zeitgenössische Historiker Theopompos von Chios hat das Motiv vermutlich am konsequentesten verfolgt; auf ihn geht streckenweise (sei es direkt, sei es über Duris von Samos) die Darstellung Diodors zurück,40 die unter dem folgenden Motto steht: „Denn nicht allein die Urheber des Tempelraubs, sondern auch alle jene, die nur im geringsten mit dem Frevel in Verbindung gestanden hatten, wurden unerbittlich von der Rache der Gottheit heimgesucht.“41 Nicht nur die Anführer der Phoker fanden demnach jeweils auf eine Art und Weise den Tod, die ihrem Frevel angemessen war; auch die phokischen Soldaten, die Söldner, die direkt oder indirekt an der Plünderung Delphis mitwirkten, verbündete Strategen wie der 37 38 39 40 41

Ebert 1982, 36. Vgl. Xen. hell. 7,1,27. Vgl. Gehrke 1985, 50–52; Scott 2014, 148. Vgl. Markle 1994. Diod. 16,61,1: ὅλως γὰρ οὐ μόνον τοῖς αὐθένταις τῆς ἱεροσυλίας, ἀλλὰ καὶ πᾶσι τοῖς προσαψαμένοις μόνον τῆς παρανομίας ἀπαραίτητος ἐκ τοῦ δαιμονίου ἐπηκολούθησε τιμωρία (Übersetzung von Th. Frigo).

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Spartanerkönig Archidamos oder Städte, die die Phoker unterstützt hatten wie Sparta und Athen, ja sogar die Frauen der phokischen Anführer, die in Delphi geraubten Schmuck getragen hatten – sie alle erhielten, wie die Theopomp folgenden Historiker im einzelnen nachzuweisen nicht müde wurden, die gebührende Strafe.42 Alle Quellen sind sich einig, daß die Götter für die Bestrafung der Übeltäter sorgten. Aber haben sie zuvor gar nichts unternommen, um das Heiligtum zu bewahren? Eine Geschichte wurde doch erzählt; sie findet sich ebenfalls bei Diodor, der sie für das Jahr 347/6 berichtet, dann auch in ähnlicher Weise bei Strabon, Aelian und in dem Homer-Kommentar des Eustathios.43 Demnach hätten es Offiziere des phokischen Anführers Philaikos, verleitet durch einen mißverstandenen (oder genauer: allzu wörtlich verstandenen) Homer-Vers, gewagt, im Naos des Tempels um den Dreifuß herum auf der Suche nach einer Schatzkammer gefüllt mit viel Silber und Gold (θησαυρὸς εἴη πολὺν ἔχων ἄργυρόν τε καὶ χρυσόν) zu graben, als schwere Erdbeben (σεισμοὶ μεγάλοι) einsetzten und das frevlerische Werk stoppten. In diesem Fall schützte die Intervention des Gottes zwar nicht das gesamte Heiligtum, aber immerhin das Allerheiligste, und kündigte die Bestrafung der Frevler an. Mit diesem schwachen Abglanz von 480 bringt die Geschichte die Ohnmacht der Delpher in jenen Jahren treffend zum Ausdruck. V. Die keltische Invasion (279) Doch es sollte noch einmal eine Gelegenheit kommen, um Delphi im Licht himmlischen Beistands erstrahlen zu lassen. Fast genau 200 Jahre nach den Persern drangen Kelten unter Brennos durch Makedonien und Thessalien nach Mittelgriechenland vor. Die Griechen versammelten sich wiederum, wenn auch in anderer Zusammensetzung, an den Thermopylen, um die Invasoren aufzuhalten. Wiederum vergeblich: Nach einigen Manövern gelang es Brennos wie einst Xerxes, den Paß zu umgehen; daraufhin verzichtete das griechische Heer auf den Heldentod und löste sich in seine Bestandteile auf. Brennos konnte nun, im Spätherbst 279, mit seinen Scharen ungehindert auf Delphi rücken, das nur von Delphern, Phokern und einer Abteilung 42

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Die unmittelbare Wirksamkeit dieses Narrativs hat Ehrhardt 1966 mit numismatischen Mitteln aufgezeigt. Von den sehr vielen aus dem delphischen Schatz geprägten Münzen – man schätzt 15 Millionen Silber- und 5 Millionen Goldstücke – sind nur auffällig wenige erhalten geblieben, was darauf hindeutet, daß dieses Geld als verflucht galt und sofort nach 346 eingeschmolzen wurde. „Possession of money from the temple treasures would be prima facie evidence of complicity in the sacrilege: therefore its owners would have a powerful incentive for melting it down, and this is almost certainly what happened to most of the coins; the few survivors were probably casually lost or mislaid“ (Ehrhardt 1966, 230). Außerdem wurden nach dem Sieg der von Philipp von Makedonien angeführten Koalition die Statuen der phokischen Strategen aus dem Heiligtum entfernt und zerstört – die einzige Entscheidung dieser Art, die aus der delphischen Geschichte bekannt ist: vgl. Scott 2014, 154. Diod. 16,56,7–8; Strab. 9,3,8; Ail. var. 6,9; Eust. comm. in Hom. Il. 2,745,14–19 van der Valk. Nach Markle 1994, 54–58, 61, 68 geht diese Geschichte vermutlich nicht auf Theopomp zurück, sondern auf Demophilos, den Sohn und Herausgeber des Ephoros („Diodorus’ less biased source“).

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Aitoler, im ganzen etwa 4000 Mann, verteidigt wurde und durch keine Befestigung geschützt war. Ob es den Kelten gelang, in das Heiligtum einzudringen, ist umstritten; klar ist jedoch, daß sie unter äußerst widrigen Wetterbedingungen einen überstürzten Rückzug antreten mußten und dabei erhebliche Verluste erlitten. Brennos selbst soll schwer verwundet worden sein und sich dann mit eigener Hand den Tod gegeben haben.44 Die erhaltenen literarischen Berichte über den Angriff der Kelten auf Delphi, die sich bei Diodor, Pausanias und Iustin (in der Epitomé des Pompeius Trogus) finden, unterscheiden sich zwar im Detail, stimmen aber darin überein, daß sie allesamt die delphische Meistererzählung des Jahres 479 rezipieren.45 Wie in dem Fall der persischen Invasion geht dem Angriff der Kelten die Befragung des Orakels voraus; und wieder versichert der Gott, daß er sein Heiligtum selbst verteidigen werde.46 In der ausführlichsten Schilderung der Ereignisse bei Pausanias geschieht dies denn auch, indem Unwetter – Donner und Blitz, jahreszeitlich ergänzt um heftigen Schneefall, Frost und Hagelsturm – und Erdbeben und Felsstürze sowie die Epiphanie von drei oder vier Heroen die Barbaren so sehr verwirren und in Schrecken versetzen, daß sie der kleinen Schar der hellenischen Verteidiger nichts entgegenzusetzen haben.47 Nach anfänglichen Abwehrversuchen fliehen die Barbaren, wobei sie ihre Verwundeten, die sie nicht mitnehmen können, töten. In der folgenden Nacht, so Pausanias, überfällt die Kelten ein panischer Schrecken: Viele bringen sich gegenseitig um, und der Rest wird, wie Pausanias und Iustin übereinstimmend berichten, von den Griechen ständig angegriffen und schließlich aufgerieben. Die Erzählungen von Pausanias und Iustin enthalten herodoteische Motive, die durch die Ergänzung von Erdbeben sowie die Häufung von ungewöhnlichen Naturphänomenen gesteigert werden. Dieselbe Tendenz, nämlich Herodot zu übertreffen, verraten auch die Erzählungen der Götter- bzw. Heroenepiphanien: Statt der heiligen Waffen, die der Prophet in Herodots Geschichte vor dem Tempel liegen sieht, melden bei Iustin die Priester und die Wahrsagerinnen, sie hätten gesehen, daß der Gott persönlich als Jüngling in übermenschlicher Größe und leuchtender Schönheit 44 45 46

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Vgl. Beloch 1912–27, IV 1, 560–565 (IV 2, 489–496); Scholten 2000, 31–37. Paus. 1,4,4, 10,23; Diod. 22,9; Iust. 24,7–8; vgl. Nachtergael 1977, 15–125; Bearzot 1989, 71. Speziell zur Darstellung des Pausanias: Habicht 1979, 87–94; Ameling 1996, 145–154. Diod. 22,9,5; Paus. 10,23,1. Nach Iust. 24,7,6–7 trägt das Orakel durch eine Kriegslist zur erfolgreichen Verteidigung Delphis bei, indem es der Landbevölkerung verbietet, Wein und Getreide in Sicherheit zu bringen, und dadurch die unbeherrschten Kelten zum vorzeitigen Plündern und Feiern verleitet (Übers.: G. Laser / P. Emberger): Prima namque opinione adventus Gallorum prohibiti agrestes oraculis feruntur messes vinaque vilis efferre. Cuius rei salutare praeceptum non prius intellectum est, quam vini ceterarumque copiarum abundantia velut mora Gallis obiecta auxilia finitimorum convenere. – „Denn bei der ersten Kunde von der Ankunft der Gallier hatten, so heißt es, Orakelsprüche den Bauern untersagt, Ernteerträge und Wein von ihren fortzuschaffen. Wie nützlich diese Vorgabe war, verstand man erst dann, als die Menge an Wein und anderen Vorräten die Gallier gleichsam aufgehalten hatte und in dieser Zeit die Hilfstruppen der Grenznachbarn zusammenkommen konnten.“ Während bei Herodot Blitze und Felsstürze als Wunderzeichen (τέρατα) erscheinen, nennen Pausanias und Iustin an dieser Stelle Erdbeben und besonders harte winterliche Wettererscheinungen, die wegen der Koinzidenz mit der Schlacht als Götterzeichen verstanden werden; vgl. Bearzot 1989, 77–79.

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im Tempel erschienen sei und daß ihm zwei bewaffnete Jungfrauen aus den beiden naheliegenden Tempeln der Diana und der Minerva engegengelaufen seien; außerdem hätten sie das Schwirren eines Bogens und das Klirren von Waffen gehört. Die Verteidiger sollten daher nicht zögern, den Feind zu zerschlagen und sich dem Sieg der Götter als Verbündete anzuschließen (hostem caedere e victoriae deorum socios se adiungere).48 Bei Pausanias wiederum erscheinen den Kelten statt der beiden Heroen Phylakos und Autonoos, die das Heiligtum gegen die Perser verteidigt haben sollen, die Geister (φάσματα) von drei Heroen namens Hyperochos, Laodokos und Pyrrhos. „Einige führen als Vierten noch den einheimischen Heros Phylakos hinzu.“49 Ungewiß bleibt, wie die genannten späten Autoren zu ihrer jeweiligen Darstellung gekommen sind; klar ist jedoch, daß Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen ihnen sowie zum analogen Bericht Herodots über den angeblichen persischen Überfall von 480 am besten erklärt werden können, wenn man den Ursprung der Tradition auch in diesem Fall auf eine delphische Quelle zurückführt.50 Damals, in den Jahren nach dem persischen Rückzug, suchten und fanden die von dem Geschehen gleichsam nur gestreiften Delpher mit ihrer spektakulären Geschichte Anschluß an die Sieger; diesmal stand Delphi unbestritten als Wendepunkt der Barbareninvasion im Zentrum der Ereignisse. Welches Instrument wäre besser geeignet gewesen, den Ruhm Delphi als Symbol der griechischen Freiheit zu verbreiten, als eine gegenüber 480 gesteigerte Epiphanie-Geschichte? Eine solche Geschichte konnte außerdem eine Antwort auf die Frage geben, wem vor allem das Heiligtum seine Rettung verdankte: nicht den Aitolern, nicht den Phokern, auch nicht den Delphern, sondern dem Gott und seinen übermenschlichen Mitstreitern. Eine bemerkenswerte Inschrift beweist, daß das göttliche Eingreifen in den literarischen Berichten auf eine Tradition zurückgeht, die bereits unmittelbar nach dem Abzug der Kelten etabliert wurde. Die Inschrift legt überdies nahe, daß die Delpher das Ereignis benutzten, um mit ihrer Geschichte für ihr Heiligtum zu werben. Bei der Inschrift handelt es sich um einen Volksbeschluß der Koer über Dankopfer anläßlich der Rettung Delphis vor den Kelten, der in die Zeit zwischen März und Juli 278 – also nur ein paar Monate nach dem Ereignis! – datiert werden muß und später im Asklepieion aufgestellt wurde.51 Da, so der Volksbeschluß, die Nachricht eintrifft 48 49 50 51

Iust. 24,8,3–7. Paus. 20,23,2; nach Paus. 1,4,4 kamen Hyperochos und Amadokos (statt Laodokos) angeblich von den Hyperboreern, während Pyrrhos, der dritte in der Reihe, der Sohn des Achilleus gewesen sein soll. Vgl. Petridou 2016, 123; Bearzot 1989, 73–76, hier 75: „Questa tradizione, che esalta il fattivo intervento del dio, attraverso diverse modalità, a fianco dei difensori del santuario, ha tutto l’aspetto di una versione idealizzante elaborata in ambito delfico.“ IG XII 4, 1, 68 (= Syll.3 398); vgl. Sherwin-White 1978, 107. Nach den paläographischen Untersuchungen von Crowther 2004, 25, 27, denen K. Hallof in seinem Kommentar zu IG XII 4, 1, 68, folgt, ist die vorliegende Inschrift wahrscheinlich erst gut dreißig Jahre nach dem Volksbeschluß angefertigt und im Asklepieion aufgestellt worden. Die späte Monumentalisierung des Volksbeschlusses hängt vermutlich mit dem Ende des Ausbaus des Heiligtums und der koischen Asyloffensive des Jahres 242 zusammen, als die Koer auf zahlreichen Inschriften die panhellenische Anerkennung ihres penterischen Asklepiosfestes demonstrierten; vgl. Sherwin-White 1978, 111–114, 356–358. Ein Zusammenhang der Aufstellung mit der aitolischen Kampagne von 246/45 für die erneuerten delphischen Soterien,

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(ἀναγγέλλεται), daß die Barbaren, die gegen die Hellenen und gegen das Heiligtum in Delphi einen Feldzug unternommen hatten, „ihre Strafe erhalten haben von dem Gott und von den Männern, die dem Heiligtum zu Hilfe gekommen waren bei dem Ansturm der Barbaren, und daß das Heiligtum bewahrt geblieben ist und geschmückt mit den Waffen von den Angreifern“,52 wollen die Koer an der Freude über den von den Hellenen errungenen Sieg teilnehmen und „dem Gott Dankopfer abstatten für seine Epiphanie, welche erfolgte in den dem Heiligtum drohenden Gefahren, und für die Rettung der Hellenen“.53 Die Dankopfer sollen sowohl durch Gesandte in Delphi und als auch durch die Bürgerschaft in Kos vollzogen werden. In dem Gebet, das das Opfer in Delphi begleiten soll, werden neben den Koern diejenigen „Hellenen, die dem Heiligtum zu Hilfe geeilt sind“, mit Segenswünschen bedacht.54 Was verbirgt sich hinter der Formel ἀναγγέλλεται in Zeile 4 der Inschrift? Wie erfuhren die Koer von dem Ereignis? Wahrscheinlich haben die Delpher schon kurz nach ihrer Rettung Gesandte ausgeschickt, um auch die weiter entfernt siedelnden Griechen, besonders auf den Inseln und in Kleinasien, von den Ereignissen in Mittelgriechenland und der Epiphanie zu unterrichten und um zu den Pythien, die im Sommer 278 den Charakter einer Siegesfeier annahmen, besonders einzuladen. Daß sie dabei bereits von den Motiven der zweihundert Jahre alten Perserrettungserzählung Gebrauch machten, ist wahrscheinlich, auch wenn es die koische Inschrift, die keine Einzelheiten der Rettung erwähnt, nicht erkennen läßt. Doch nicht nur die Delpher, sondern auch die Aitoler, die in dem Krieg gegen die Kelten insgesamt die Hauptlast der Verteidigung getragen und die meisten Opfer gebracht hatten, wollten das Ereignis propagandistisch ausschlachten. Sie hatten schon vor der Kelteninvasion ihren Einfluß auf Delphi ausgedehnt. In den Jahren nach dem Keltensieg versuchten sie ihre Stellung zu legitimieren, indem sie, ebenfalls in Analogie zu den Perserkriegen, ihr besonderes Verdienst bei der Rettung Delphis und Griechenlands herausstellten, wie Monumente in Delphi und Thermos sowie die aitolische Münzprägung jener Jahre bezeugen.55 Promantie-Verleihungen an Bürger ebenso wie zahlreiche ProxenieDekrete, die eigene delphische Beziehungen zu einflußreichen Personen griechischer

52 53 54 55

wie ihn Crowther 2004, 25 annimmt, ist dagegen aus inneren und äußeren Gründen unwahrscheinlich: s. u. IG XII 4, 1, 68, Z. 4–11: τὸς μὲν ἐλθόντας ἐπὶ τὸ ἱερὸν τιμωρίας τετεύχεν ὑπὸ τοῦ θεοῦ καὶ ὑπὸ τῶν ἀνδρῶν τῶν ἐπιβοαθησάντων τῶι ἱερῶι ἐν τᾶι βαρβάρων ἐφόδωι, τὸ δὲ ἱερὸν διαπεφυλάχθαι τε καὶ ἐπικεκοσμῆσθαι τοῖς ὑπὸ τῶν ἐπιστρατευσάντων ὅπλοις. Die Übersetzung folgt derjenigen von Klaus Hallof. IG XII 4, 1, 68, Z. 14–21: τῶι θεῶι χαριστήρια ἀποδιδοὺς τᾶς τε ἐπιφανείας τᾶς γεγενημένας ἕνεκεν ἐν τοῖς περὶ τὸ ἱερὸν κινδύνοις καὶ τᾶς τῶν Ἑλλάνων σωτηρίας. IG XII 4, 1, 68, Z. 25–30: ἐπεύχεσθαι τῶι τε δάμωι τῶι Κώιων γίνεσθαι τὰ ἀγαθὰ καὶ μεθ᾿ὁμονοίας πολιτεύεν ἐν δαμοκρατίαι, καὶ τοῖς ἐπιβοαθήσασι τῶν Ἑλλάνων τῶι ἱερῶι εὖ ἦμεν ἐς τὸν ἀεὶ χρόνον· Vgl. Nachtergael 1977, 196–205; Jacquemin 1999, 254–256; Scholten 2000, 40; Knoepfler 2007; Antonetti 2012; Scott 2014, 171–175. Nach Champion 1996 hat die aitolische Delphi-Legende sogar Polybios, der bekanntlich keiner aitolischen Sympathien verdächtig ist, überzeugt. Im übrigen konnten sich die Phoker, die einen entscheidenen Anteil an der Rettung Delphis hatten, durch ihren tapferen Einsatz rehabilitieren; sie erhielten den nach dem dritten Heiligen Krieg verlorenen Sitz in der Amphiktyonie zurück; außerdem wurden ihnen die noch offenen Reparationen erlassen: vgl. Nachtergael 1977, 194.

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Städte dokumentieren,56 könnten darauf hindeuten, daß die Delpher ihr Möglichstes taten, um trotz des aitolischen Einflusses einen eigenen Stand zu behaupten.57 Doch nach und nach gewannen die Aitoler immer mehr die Oberhand, nicht nur in Delphi selbst, auch in der Amphiktyonie. Diese Dominanz erlaubte ihnen schließlich, die Soterien, die von der Amphiktyonie aus Anlaß der Rettung Delphis gegründet und alljährlich im Herbst mit athletischen und musischen Wettbewerben gefeiert wurden, gut drei Jahrzehnte später in ein panhellenisches penterisches Fest umzuwandeln. Im Jahre 246/5 schickten sie eine Gesandtschaft aus, um alle möglichen griechischen Städte zu diesem Fest einzuladen.58 Aus inschriftlich erhaltenen Dekreten von Athen, Chios, Tenos, einer kykladischen Insel und Abdera (Nachtergael 1977, Nr. 21–26), die auf diese Einladung reagierten, wird klar, daß die Aitoler eine andere Version der Rettung Delphis erzählten als die Delpher – eine Version, in der, wie Craige Champion überzeugend gezeigt hat, nicht die Götter, sondern sie selbst die entscheidene Rolle spielten.59 Offenkundig und naheliegenderweise wollten die Aitoler das Verdienst der Verteidigung Delphis mit keinem, sei es göttlichem oder menschlichem Akteur teilen.60 VI. Schluß: eine delphische Geschichte Damit endet meine Geschichte. Ex negativo verdeutlicht die Version der Aitoler noch einmal den delphischen Charakter der Erzählung: daß notfalls der Gott selbst sein Heiligtum gegen unbefugte Eindringlinge und Plünderer verteidigen werde. Diese Geschichte nützt nämlich vor allem den Hütern und Betreibern des Heiligtums. Die Annahme einer außerordentlichen Theophanie im Krisenfall ergänzt aufs schönste die mantische Kommunikation sowohl des regulären Orakelbetriebs als auch der eingangs erwähnten irregulären Zeichen an den Weihgeschenken, indem sie die grundsätzliche Anwesenheit des Gottes postuliert. Außerdem erweist sich die Geschichte als delphische Konstruktion, weil sie ein Bewußtsein der Schwäche reflektiert und den Versuch dokumentiert, diese physische Schwäche sozusagen durch metaphysische Stärke zu kompensieren – gerade so, wie der Ruhm Delphis die Einsicht der Delpher in ihre politische Bedeutungslosigkeit zur Voraussetzung hat. Die Geschichte ist damit ein hervorragendes Beispiel für die mythenbildende Kraft Delphis. Konstruiert, um dem Heiligtum einen Anteil am Sieg über die Perser zu sichern, entfaltete sie eine große Nachwirkung – zum einen, weil die Delpher sie immer wieder auf die eine oder andere Weise aktualisiert in Stellung brachten, um ihr 56 57 58 59 60

Vgl. Arnush 2005, 108–110. So Scott 2014, 174: „(…) it seems that the city of Delphi worked awfully hard to maintain its own relationships with a number of other parts of the Greek world at the same time.“ Zu den politischen Ambitionen, die die Aitoler mit dieser Initiative verbanden, vgl. Funke 2008, 260–262 (mit weiterer Forschungsliteratur), 266. Nachtergael 1977, 435–447 (Nr. 21–27). Champion 1995, bes. 218; vgl. Petridou 2016, 123.

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Heiligtum mitsamt seinen Schätzen gegen Übergriffe zu verteidigen, zum anderen, weil auch andere Akteure sich einzelner Motive der Verteidigungstheophanie, die die Delpher 479 entwickelt hatten, bedienten – etwa die Thebaner vor der Schlacht von Leuktra61 oder die Eleer bei der Besetzung Olympias durch die Arkader 364,62 um nur zwei Beispiele der Wirkungsgeschichte zu nennen.63 Doch das ist ein anderes Thema. Bibliographie Ameling, W. 1996: Pausanias und die hellenistische Geschichte, in: J. Bingen (Hg.), Pausanias Historien, Vandœuvres/Genève, 117–160. Antonetti, C. 2012: Aitolos and Aitolia. Ethnic Identity per imagines, in: M. Offermüller (Hg.), Identitätsbildung und Identitätsstiftung in griechischen Gesellschaften, Graz, 183–200. Archibald, Z. / Morgan, C. / Cavanagh, B. / Dunn, A. / Pitt, R. / Stewart, D. / Bennet. J. / Stamatopoulou, M. 2011–2012: Archaeology in Greece 2011–2012, AR 58, 1–108. Arnush, M. 2005: Pilgrimage to the Oracle of Apollo at Delphi. Patterns of Public and Private Consultation, in: J. Elsner / I. Rutherford (Hgg.), Seeing the Gods. Pilgrimage in Graeco-Roman and Early Christian Antiquity, Oxford, 97–110. Bearzot, C. 1989: Fenomeni naturali e prodigi nell’attacco celtico a Delfi (279 a. C.), in: M. Sordi (Hg.), Fenomeni naturali e avvnimenti storici nell’antichità, Milano, 71–86. Beloch K. J. 1912–27: Griechische Geschichte, Berlin/Leipzig2. Burkert, W. 2011: Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche, Stuttgart2. Burkert, W. 2007: Das Ende des Kroisos. Vorstufen einer herodoteischen Geschichtserzählung, in: W. Burkert, Kleine Schriften VII: Tragica et Historica, hg. v. W. Rösler, Göttingen, 117–127 (zuerst in: C. Schäublin [Hg.], Catalepton. Festschrift für Bernhard Wyss zum 80. Geburtstag, Basel 1985, 4–15). Burn, A. R. 1984: Persia and the Greeks. The Defence of the West, c. 546–478 B. C., London2. Champion, C. 1995: The Soteria at Delphi. Aetolian Propaganda in the Epigraphical Record, AJPh 116, 213–220. Champion, C. 1996: Polybius, Aetolia and the Gallic Attack on Delphi (279 B. C.), Historia 45, 315–328. Chaniotis, A. 2005: War in the Hellenistic World. A Social and Cultural History, Malden, MA/Oxford. Crowther, C. 2004: The Dating of Koan Hellenistic Inscriptions, in: K. Höghammar (Hg.), The Hellenistic Polis of Kos. State, Economy and Culture, Uppsala, 21–60. Ebert, J. 1982: Zum Perser-Epigramm von Delphi (Diod. XI 14,4), ZPE 47, 35–36. Ehrhardt, C. 1966: The Fate of the Treasures of Delphi, Phoenix 20, 228–230. Evely, D. / Hall, H. / Morgan, C. / Pitt, R. K. 2007–2008: Archaeology in Greece 2007–2008, AR 54, 1–113. Flower, H. I. 1991: Herodotus and Delphic Traditions about Croesus, in: M. A. Flower / M. Toher / G. Cawkwell (Hgg.), Georgica. Greek Studies in the Honour of George Cawkwell, London, 57–77. 61 62 63

Xen. hell. 6,4,8; FGrHist 124 Kallisthenes F 22a; vgl. Trampedach 2015, 358, 364–368. Paus. 6,20,4–6. Weitere hellenistische Beispiele bespricht Chaniotis 2005, 157–160; vgl. jetzt auch Petridou 2016, 125–146.

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Diaphonie et symphonie La propagande polyphonique du sanctuaire d’Asklépios à Épidaure Clarisse Prêtre

Pourquoi les Asklépiéia sont-ils hors des cités ? pourrait-on demander en pastichant les interrogations de Plutarque dans les Questions romaines à propos du temple d’Esculape à Rome ?1 Les raisons qu’il propose pour expliquer ce phénomène sont un paradoxe de pragmatisme prenant ses sources à la mythologie personnelle d’Asklépios : « Le séjour de la campagne leur a-t-il paru plus salutaire que celui de la ville ? En effet, les Grecs eux-mêmes ont coutume de placer les temples de ce dieu dans des lieux sains et élevés. Est-ce parce qu’ils croient que ce dieu leur est venu d’Épidaure, où son temple est loin de la cité ? »2 Cette remarque, qui concerne un temple en position périurbaine, peut cependant s’appliquer à la majorité des Asklépiéia grecs et notamment celui d’Épidaure, qui pose d’emblée le problème de la définition d’un sanctuaire supra-local. Etudier les fonctions de ce type de sanctuaire, c’est en effet faire le pari de l’ubiquité selon le point de vue dont on se place : la perception qu’en a la cité auquel il est rattaché n’est pas la même que celle des pélerins qui se rendent au sanctuaire. Le sanctuaire supra-local implique une dichotomie entre son fonctionnement lié à une communauté, le plus souvent la polis, et donc à des actions cultuelles qui prennent leurs racines dans une tradition géographiquement restreinte (via le rôle actif que peuvent jouer au sein du sanctuaire des familles ou des évergètes locaux par exemple) et son fonctionnement dans un contexte panhellénique élargi avec un rôle « trans-régional ».3 Ainsi, tout sanctuaire supra-local possède un creuset de similitudes dans ses pratiques religieuses qui, de façon concomitante, sont géographiquement délimitées, tout en possédant une influence et une renommée qui s’étendent au-delà du cadre régional et une autonomie – relative – de la gestion sacrée. Dans une approche topographique, le lien entre ce sanctuaire et le territoire communautaire dépasse le réseau réel tissé par tout lieu de culte avec sa cité. Son existence propre rompt avec le schéma 1 2 3

Plut. mor. 286c-d. Ἐπιδαυρίοις δ’ οὐ κατὰ πόλιν ἀλλὰ πόρρω τὸ Ἀσκληπιεῖόν ἐστιν. L’adverbe πόρρω dans les sources textuelles ne permet pas de définir ce qui est considéré comme « loin ». La question de Plutarque le situe néanmoins clairement hors de la cité, ἔξω πόλεώς. Précision de Funke 2013, 10–12.

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d’élaboration spatio-temporelle d’un sanctuaire, tel qu’il est résumé par Libanios à propos des poleis, πολλαὶ μὲν ἐν ὑπωρείαις, πολλαὶ δὲ ἐν πεδίοις ἐφάνησαν, ἐν ἑκάστῃ δὲ μετὰ τὸ τεῖχος ἀρχὴ τοῦ λοιποῦ σώματος ἱερὰ καὶ νεῴ,4 « les villes apparurent en grand nombre, les unes au pied des montagnes, les autres dans les plaines ; et dans chacune, après le rempart, on commença à construire d’abord les sanctuaires et les temples ». Le sanctuaire est entièrement détaché des espaces funéraires et artisanaux periurbains. Lorsqu’on examine, à la lueur des rares informations sur le sujet, les mécanismes du fonctionnement des Asklépiéia, et en particulier du sanctuaire d’Épidaure, tout semble correspondre à cette bipolarité intrinsèque : une partie des pratiques liées au système symbolique des rituels, des institutions religieuses ou encore du culte relève d’un commun religieux, c’est-à-dire d’un ensemble interchangeable qu’on peut observer dans presque n’importe quel sanctuaire lié à une cité. En revanche, c’est la vocation guérisseuse d’Asklépios qui draine nécessairement un public de provenance plus lointaine et répond ainsi à ce double rôle observé dans un sanctuaire supra-local.5 Le particularisme fonctionnel d’Épidaure est encore accru par la personnalité du dieu : à l’encontre des autres divinités aux multiples attributs ancrés dans des dimensions locales et provenant d’une assimilation ou d’une mythologie de proximité, Asklépios demeure une exception dans son unicité dépourvue de caractéristiques régionales. Nous ne dégagerons pas ici toutes les fonctions de l’Asklépiéion épidaurien qui impliqueraient la rédaction d’une historiographie dans un contexte certes mythologique, mais surtout historiquement complexe : il faudrait ainsi remettre en perspective les relations du sanctuaire avec la cité d’Épidaure d’un côté, mais aussi les relations de dépendance de cette dernière avec d’autres cités, comme Argos, par exemple. En s’appuyant sur les iamata cependant, la mise en exergue des multiples lectures qu’ils offrent permet de voir comment la polyvalence, plus que l’ambivalence, de ces textes originaux peut faire écho à la bipolarité évoquée des sanctuaires supra-locaux et comment les enjeux de leur écriture servent ceux de la politique menée par le sanctuaire depuis l’époque archaïque. Le corpus d’étude a été volontairement restreint à l’Asklépiéion d’Épidaure dont les textes à la rhétorique parfois audacieuse reflètent l’indépendance d’administration sacrée du sanctuaire par rapport à la cité. L’Asklépiéion de Lébèna, qui offre le plus de similitudes dans son type de textes, est dans un contexte de sujétion à Gortyne qui ruine toute tentative d’autonomie dans la gestion du culte. A l’époque impériale, son rayonnement local s’accroît dans toute une région située aux alentours de la mer libyque, mais nous n’avons alors plus de témoignages épigraphiques des guérisons divines, et son fonctionnement comme sanctuaire supra-local n’apparaît que dans des sources indirectes comme Philostrate. Les mythes de fondation élaborés pour Lébèna tissent artificiellement un lien fort avec Épidaure, et Lébèna ne constitue donc hiérarchiquement qu’un sanctuaire évoluant à l’ombre de celui d’Épidaure. A l’époque hellénistique, cela se traduit de façon très visible dans la

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Lib. or. 30,4. C’est-à-dire dépassant un cadre régional restreint comme en témoignent en général les ethniques.

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présentation formelle de ses récits de guérison qui adoptent une structure récurrente proche des iamata épidauriens. Le développement du culte à Asklépios dans d’autres cités est également connu mais les sources épigraphiques y sont inexistantes et seuls les iamata d’Épidaure offrent donc un éventail interprétatif étendu. En outre, à la différence des textes crétois, les inscriptions épidauriennes sont parsemées de détails sur le fonctionnement du sanctuaire qui dépassent le cadre narratif strict attendu dans des textes à caractère arétalogique. Lire les iamata implique d’adopter un triple point de vue : y apparaissent en effet les voix du rédacteur, du dieu et du patient, et grâce à des jeux sur la syntaxe et la terminologie, le fonctionnement polyphonique des textes d’Épidaure souligne l’étendue des moyens mis en œuvre pour assurer le rayonnement supra-local du sanctuaire, en servant ainsi d’abord l’intérêt du dieu mais aussi celui de la cité. C’est la caractéristique du culte à Asklépios, quel que soit le sanctuaire concerné, de proclamer ses bienfaits au-delà d’un cadre géographique restreint. Le phénomène peut s’observer évidemment pour d’autres dieux, dans des sanctuaires panhelléniques comme Délos. Mais là où on observera une différence entre l’Apollon délien et l’Apollon delphien, nonobstant le caractère également supra-local de leurs deux sanctuaires, la figure d’Asklépios ne se disperse pas entre de multiples attributs. Cela tient à la genèse personnelle du dieu qui, chez Homère, est considéré comme un thérapeute sans pouvoirs particuliers, exerçant ses compétences avec ses fils médecins également.6 Même si Hésiode le déclare être le fils d’Apollon, la nature divine d’Asklépios n’équivaut jamais les compétences des dieux du panthéon, puisqu’il est dans l’incapacité à ramener à la vie un patient. Au-delà de sa qualité divine, il demeure assimilé à un médecin qui se met au service des malades, et cette position philanthropique inhabituelle chez les dieux justifie encore son statut particulier et l’autonomie de ses sanctuaires,7 volontairement supra-locaux. Cette singularité des sanctuaires supra-locaux asklépiéiens est encore renforcée par le caractère voyageur d’Asklépios évoqué notamment chez Aelius Aristide : se rendant de sanctuaire en sanctuaire, le dieu soignait ainsi les patients ne pouvant se déplacer jusqu’à Épidaure. Et avant même la fondation de son sanctuaire épidaurien, Homère l’assimile au corps des artisans appelés de cour en cour pour exercer leurs divers talents.8 La récurrence du thème du voyage dans les Discours sacrés d’Aristide est une allusion directe à ce statut nomade d’Asklépios, manifeste dans le culte qui lui était rendu dans des sanctuaires affranchis des cités.9 La dualité de la nature asklépiéienne s’observe dans le système arétalogique des iamata d’Épidaure dont chaque récit est destiné, par des techniques rhétoriques différentes, à promouvoir l’efficience divine en la dispersant au-delà d’un cadre local. De

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Hom. Il. 2,731 ; 4,193. Avant lui, Péan, le dieu guérisseur dans l’Iliade, ne traitait que les immortels. Hom. Il. 5,401. Hom. Od. 17,382–386. Voir à ce propos Petsalis-Diomidis 2010, 101–121.

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la même façon, les remerciements à Asklépios dans d’autres sanctuaires prennent une dimension publique qui correspond à l’image d’une divinité supra-locale.10 Quand on examine le fonctionnement d’Asklépios en regard des autres divinités guérisseuses, force est de constater qu’à l’époque classique, c’est le seul dont la notoriété agit dans des sanctuaires supra-locaux, les sanctuaires des cités étant réservés aux divinités plus mineures, comme ses fils à Trézène par exemple, ou Hygie et Amphiaraos, devin et non dieu. I. La voix des rédacteurs La voix la plus discrète à la première lecture des iamata est celle des rédacteurs de ces récits, qui ont pourtant la responsabilité la plus lourde : assurer la fonction apologétique en adaptant à un style narratif attrayant, l’efficience de la thérapie divine. Les iamata ne sont pas destinés à mettre en valeur un caractère thaumathurgique, comme on le pense encore souvent aujourd’hui, en parlant de guérisons « miraculeuses », mais à mettre en valeur le dieu, et le dieu uniquement, et cela par des moyens directs et indirects, allant du plus fréquent dans la rhétorique de l’éloge au plus original dans le type de récits choisis pour être gravés sur la pierre. En effet, les iamata épidauriens ne sont pas le lieu du miracle comme on le comprend dans notre acception moderne. Il est d’ailleurs remarquable que dans l’ensemble des iamata, on n’observe jamais le mot θαῦμα « miracle » et une seule occurrence du verbe θαυμάζω « admirer le prodige ». Sa place est assurément emblématique puisqu’il se trouve dans le premier récit de la première grande stèle qui commence justement par le mot ἴαμα :11 la réécriture de ce texte par les rédacteurs est très symbolique du ton qu’ils veulent donner à l’ensemble narratif épidaurien. Dans ce récit de l’accouchement de Kléô, enceinte depuis 5 ans, par un jeu de construction en abyme, l’inscription donne le texte de la dédicace inscrite en deux hexamètres et un pentamètre par la femme en remerciement : « ce n’est pas la taille de la plaquette votive qu’il faut admirer (θαυμαστέον), mais l’action divine », οὐ μέγε[θο]ς πίνακος θαυμαστέον, ἀλλὰ τὸ θεῖον. Le θαῦμα ici n’est donc pas miraculeux, mais indique la fonction première de ces textes en gardant le sens déjà connu chez Homère : celui d’un émerveillement ébloui et d’une réaction d’admiration révérencielle lorsque l’homme est confronté au divin. Mettre des images sur cet émerveillement, c’est donc bien le premier rôle des rédacteurs et ils s’y emploient tout d’abord avec les moyens rhétoriques qui ne sont pas spécifiques à Épidaure : tous les iamata font la part belle à la thématique des disparitions, des changements d’état, des naissances fabuleuses qui prouvent que l’action 10 11

Ile tibérine, IGUR I 147 (14) : καὶ ἐσώθη καὶ ἐλθὼν δημοσίᾳ ηὐχαρίστησεν ἔμπροσθεν τοῦ δήμου, « il s’y rendit et fut sauvé puis il rendit grâce en public devant le peuple ». Ou encore à Pergame, I.Pergamon III 145 (17). IG IV2 1, 121, I. Toutes les traductions françaises des iamata sont extraites de Prêtre/Charlier 2009.

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divine dépasse largement le cadre restreint des guérisons. En outre, pour chacun des récits, on observe une structure commune à tous les sanctuaires : nom et provenance des malades, description de la maladie et mode de guérison. 1. Ainsi, lorsqu’un enfant disparaît,12 la mise en scène par les rédacteurs de l’intervention du dieu auprès de son père répond aux mêmes codes que les récits concernant les guérisons proprement dites : le dieu apparaît lors d’une incubation dans l’abaton qui n’est donc pas réservé aux pèlerins malades. Il indique la démarche à suivre et le père retrouve son fils au bout de sept jours. 2. Les changements d’état sont évidemment un des thèmes les plus attendus dans la rhétorique des iamata puisque c’est la condition primaire du fonctionnement du sanctuaire : une personne arrive en étant malade puis repart guérie. La différence entre les iamata d’Épidaure et leurs homologues dans d’autres sanctuaires réside dans certaines anomalies par rapport au processus habituel de guérison. Ainsi Kaphisias arrive en bonne santé mais suite à son irrévérence,13 est piétiné par son cheval et se trouve avec le pied brisé. Il n’est pas anodin que les rédacteurs aient placé ce récit juste avant celui de Diaitos,14 handicapé moteur qui, foulé de la même manière par des chevaux, « retrouve des genoux forts », τὰ γόνατα ἰσχυρὰ : avec une même méthode, le dieu sait réparer mais sait aussi punir, c’est là encore un témoignage de sa toute-puissance, soulignée par des techniques rhétoriques fréquentes en apparence mais au contenu bien différent de ce qu’on s’attend à lire dans des récits de guérisons divines. 3. Les descriptions de naissances extraordinaires sont un troisième exemple de la réécriture originale des rédacteurs épidauriens. Les pathologies les plus habituelles dans ces textes de guérisons divines tiennent souvent à la durée du mal : ainsi la grossesse de cinq ans déjà évoquée auparavant ou une autre de trois ans.15 Cela peut aussi être lié à l’allure du nouveau-né, qui court immédiatement dès qu’il est né, par exemple et qui rappelle l’inscription de Delphes surnommée « Le miracle de la chevelure ».16 A Delphes comme à Épidaure, le même mélange de réalisme clinique et de phénomène extraordinaire est accentué par la rapidité complètement inattendue du résultat. Cette temporalité thaumaturgique resserrée est un ingrédient également employé dans les sources textuelles destinées à valoriser les dieux : dans L’hymne à Déméter,17 l’enfant élevé par Déméter grandit rapidement : « Tous s’étonnaient de le voir ainsi croître en vigueur et se développer semblable aux dieux », τοῖς δὲ μέγα θαῦμ᾽ ἐτέτυκτο, ὡς προθαλὴς τελέθεσκε : θεοῖσι γὰρ ἄντα ἐῴκει. 4. A Épidaure toutefois, l’insertion d’éléments historiques dans les narrations au caractère fabuleux va à l’encontre du topos habituel des récits dans les autres sanctuaires. « Alors qu’elle s’était endormie, elle eut une vision en songe : elle croyait qu’un joli garçon la dénudait et qu’ensuite, le dieu la touchait de sa main. À la suite de 12 13 14 15 16 17

IG IV2 1, 121, XXIV. IG IV2 1, 122, XXXVI. IG IV2 1, 122, XXXVIII. IG IV2 1, 121, l. 2. FD III 1, 560–1. Hom. h. Dem. 235–242.

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cela, Andromachè eut un fils descendant d’Arybbas. »,18 ἐδόκει αὐτᾶι π[α]ῖς τις ὡραῖος ἀγκαλύψαι, μετὰ δὲ το¢ῦτο τὸν θεὸν ἅψασθαί οὑ τᾶι [χη]ρί· ἐκ δὲ τούτου τᾶι Ἀνδρομάχαι υ[ἱ] ὸς ἐξ Ἀρύββα ἐγένετο. La tactique narrative des rédacteurs fonctionne dans un effet de triple crescendo : le thème habituel de la naissance après une stérilité ; l’ajout d’un élément historique inhabituel qui met en avant le rayonnement du sanctuaire épidaurien par le biais de célébrités ; enfin, l’accentuation du caractère merveilleux des traitements d’Asklépios par la nature de ce récit : non seulement, le dieu guérit la stérilité mais en plus, il fait accoucher directement d’un fils de roi. Ce dernier cas est assurément beaucoup plus agissant pour la fonction de propagande voulue par les rédacteurs que les techniques rhétoriques habituelles des textes de guérison miraculeuses, comme par exemple la mention systématique de l’ethnique des patients pour montrer la capacité d’un sanctuaire supra-local à drainer des patients géographiquement éloignés. La fonction de réécriture de ces textes par les rédacteurs du sanctuaire est donc multiple : elle souligne évidemment l’efficacité du dieu grâce aux descriptions émerveillées des personnes qui ont bénéficié de son action ; mais avec la distance créée de facto par la forme narrative, les rédacteurs insèrent également le lecteur au cœur de leur stratégie arétalogique : à la différence des patients, ce dernier connaît ainsi dès le début l’étiologie de ces guérisons et ce contraste avec l’ignorance des malades renforce encore l’omniscience du dieu. Dans ces textes qui, en apparence, ne diffèrent en rien des textes de guérison des autres sanctuaires, les rédacteurs réussissent donc à faire combiner subtilement sur la pierre une fonction laudative directe via les patients mais aussi une fonction apologétique indirecte via des lecteurs rendus témoins. Dans un schéma de mode cyclique, c’est l’autonomie propre à un sanctuaire supra-local qui permet une distorsion rhétorique dans la rédaction. Et c’est cette indépendance de ton qui permet aussi au sanctuaire épidaurien d’affirmer son affranchissement non seulement géographique mais surtout sacré en soulignant le particularisme de son dieu. II. La voix du dieu Parallèlement à la voix discrète et subtile des rédacteurs, les modalités d’intervention directe du dieu constituent en revanche un écart évident par rapport à la règle apologétique des iamata. Certes, dans les textes de guérisons des autres sanctuaires, « le dieu parle, le dieu ordonne »,19 et la parenté formelle est grande en apparence puisqu’à Lébéna comme à Épidaure, les verbes employés le plus souvent dans les cas d’épiphanie divine sont κέλομαι « ordonner » et ποτάσσω « prescrire ». Mais la comparaison 18 19

IG IV2 1, 122, XXXI. Titre d’un article de Sineux 2004 : « Le dieu ordonne : remarques sur les ordres d’Asklépios dans les inscriptions de Lébèna (Crète) ».

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s’arrête là : dans les iamata épidauriens, Asklépios joue un rôle qui dépasse le principe de l’épiphanie, en adoptant un comportement anthropomorphique lors de son apparition en songe pendant l’incubation, soit pour donner un conseil thérapeutique, soit pour intervenir lui-même. Le plus souvent, il est qualifié par ὁ θεός. Parfois néanmoins, il apparaît comme un jeune homme d’apparence humaine séduisante et se présente également avec les réactions des humains.20 Ainsi, dépassant encore une fois son rôle de guérisseur intervenant au cours de l’incubation, Asklépios se met en scène pour donner des conseils aux patients avant même que ceux-ci ne se rendent au sanctuaire :21 « quand celui-ci à Trézène fut sur le point de se faire cautériser par les médecins, le dieu se présenta dans son sommeil et lui ordonna de ne pas subir la cautérisation, mais de faire l’incubation dans le sanctuaire des Épidauriens. » La fonction de ce texte est de poser une double hiérarchisation en démontrant d’abord la prééminence de la médecine divine sur les thérapies humaines,22 mais aussi en mettant en exergue la suprématie du sanctuaire supra-local épidaurien sur les Asklépiéia locaux. Ce détournement d’un malade de la voie médicale rationnelle constitue une auto-promotion originale du dieu, et en lisant ce récit, tout nouveau patient devra comprendre implicitement qu’il est plus efficient de se déplacer jusqu’au sanctuaire épidaurien plutôt que de se tourner vers l’Asklépiéion local. En écho à ce iama, un autre texte renforce la primauté non seulement d’Asklépios mais aussi de son sanctuaire épidaurien.23 L’expression « il ne se trouvait pas là mais à Épidaure » confirme la notoriété du sanctuaire supra-local d’Épidaure où exerce le dieu en personne, tandis que ses fils sont présentés ici comme des apprentis médecins exerçant dans un lieu de culte asklépiéien secondaire. En conseillant à un patient de venir le voir à Épidaure, Asklépios sort donc de son cadre strictement thérapeutique et se met en scène comme garant de la qualité de ses soins, non seulement au-delà de la médecine rationnelle, mais aussi au-delà des autres divinités guérisseuses. On peut déceler dans cette forme de propagande « interne » aux 20 21 22

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IG IV2 1, 121, XIV ; XVII ; XXI. IG IV2 1, 121, XLVIII. La mention de médecins dans un texte apologétique à Asklépios contribue à ruiner définitivement les tentatives modernes trop schématiques de dichotomie entre rationnel et irrationnel. La nuance à apporter à ce schéma rigide s’applique tout autant aux phénomènes inhérents au culte asklépiéien : Cox Miller 1994 a démontré que les Grecs et les Romains ne considéraient pas les rêves comme irrationnels. Beaucoup de traités du corpus hippocratique signalent en outre que les médecins envisageaient les thérapies sacrées comme un complément à leur science « rationnelle » et qu’ils acceptaient que certaines maladies pouvaient avoir une étiologie sacrée. Il est par ailleurs bien admis maintenant qu’au IVème s., les malades se rendaient à Épidaure après avoir consulté les médecins rationnels. Partant, la présence de médecins au sein du sanctuaire de Trézène ne doit pas être perçue comme un élément incongru mais comme un des nombreux liens tissés entre les thérapeutes humains et leur dieu, comme en atteste d’ailleurs dès le début du Vème s. la référence à leur lignée divine par le terme de « Asklépiades ». Il n’était pas rare non plus de voir des médecins fréquenter le temple pour lire les tablettes suspendues et comportant les remèdes divins, qui souvent, leur inspiraient certaines ordonnances. Dans ce contexte précis, ils sont là pour suggérer la double hégémonie, et du dieu, et du sanctuaire épidaurien, sur les médecins mortels ainsi que sur le sanctuaire local de Trézène. IG IV 1, 121, XXIII.

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iamata un reflet net du mode de fonctionnement du sanctuaire dont la renommée s’étend au-delà de ses limites locales. La voix du dieu n’intervient pas seulement à propos des maladies et c’est là une autre grande originalité des iamata épidauriens. Au gré des textes, on le voit en effet agir avec un fonctionnement très humain : il dialogue avec les patients, négocie les tarifs « elle croyait que le dieu se tenant près d’elle lui disait qu’il lui redonnerait la santé mais qu’elle devrait s’acquitter d’honoraires en offrant au sanctuaire un cochon d’argent en souvenir de sa bêtise »,24 ἐδόκει οἱ ὁ θεὸς ἐπιστὰς [εἰπεῖν], ὅτι ὑγιῆ μέν νιν ποιησοῖ, μισθὸμ μάντοι νιν δεησοῖ ἀν[θέμεν ε]ἰς τὸ ἱαρὸν ὗν ἀργύρεον ὑπόμναμα τᾶς ἀμαθίας, il punit quand on ne s’acquitte pas de sa dette « comme il ne s’acquittait pas des honoraires médicaux, le dieu le rendit à nouveau aveugle », μετὰ δὲ τοῦτο τὰ ἴατρα οὐκ ἀπάγοντ¢[α ὁ θεός νιν] ἐπόησε τυφλὸν αὖθις, il peut rire en compagnie d’un enfant malade « il crut que le dieu se tenait debout près de lui et lui disait ‹ que me donneras-tu, si je te rends la santé ? › ‹ Dix osselets › répondit-il. Le dieu rit et lui dit qu’il le guérirait », ἔδοξε δὴ αὐτῶι ὁ θεὸς ἐπιστὰς εἰπεῖν· »τί μοι δωσεῖς, αἴ τύ κα ὑγιῆ ποιήσω;« αὐτὸς δὲ φάμεν ῾δέκ’ ἀστραγάλους. τὸν δὲ θεὸν γελάσαντα φάμεν νιν παυσεῖν, et il peut même embrasser « elle croyait que le dieu l’embrassait en lui massant l’estomac », ἐδόκει οἱ ὁ θεὸ[ς τὰγ γαστέρα ἀντρί]βων φιλῆσαί νιν. Paradoxalement, cette sorte de banalisation des apparitions d’Asklépios et de son humanisation contribue à asseoir sa toute-puissance. Si on garde à l’esprit que l’épiphanie divine est la condition préliminaire à toute guérison par incubation à Épidaure, elle ne constitue alors pas un phénomène extraordinaire. C’est en revanche le résultat de cette épiphanie, c’est-à-dire la guérison, qui doit frapper les esprits grâce à la mise en scène emphatique dans les inscriptions d’Épidaure. Présenter une image d’un dieu au fonctionnement humain, c’est par contraste, souligner le caractère exceptionnel de ses qualités guérisseuses et donc renforcer le prestige du sanctuaire au-delà d’un cadre géographique restreint et d’un schéma cultuel commun à tous les sanctuaires situés dans une cité. En sortant Asklépios de la représentation habituelle du dieu inaccessible et inspirant la terreur distante, les iamata suggèrent de façon subliminale aux patients qu’ils s’en approcheront au plus près : à Épidaure, les échanges avec le dieu sont directs et les guérisons n’en sont que plus efficaces. D’où l’intérêt qu’il y a à venir dans ce sanctuaire prédominant, même si l’on a un Asklépiéion à Trézène ou Athènes. On conforte ainsi la position prééminente du sanctuaire et son rôle au niveau supra-local. III. La voix du patient Dans ce système polyphonique triangulaire, le dernier acteur des iamata est le patient, ultime témoin de l’efficience du dieu. Les textes de guérison des autres sanctuaires semblent accorder une parole plus large aux patients : à Lébèna, les transcrip24

IG IV2 1, 121, IV ; 122, XXII ; 121, VIII ; 122, XLI.

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tions de certaines thérapies sont même à la première personne, comme dans les deux inscriptions de P. Granius Rufus,25 phénomène rhétorique qui ne s’observe jamais dans les récits épidauriens. En d’autres textes, le dieu demande expressément aux patients guéris de certifier de l’heureuse issue : « comme elle avait vu dans son rêve les pouvoirs majeurs du dieu, ce dernier lui ordonna de raconter ses visions »,26 ἰδοῦσαν] δέ με πλείονας ἀρετὰ[ς τοῦ θεοῦ καθ’ ὕπν]ον¢ [ἀν]αγράφειν ὁ θεὸ[ς ἐκέλευσε τὰς ὄψ]εις. Toutes les modalités rhétoriques dans ces récits, sont mises en œuvre de façon pour renforcer la fonction laudative. En cela, les textes de Lébèna ou même de Rome, quelques siècles après, ne diffèrent guère des techniques employées dans les sources poétiques : chez Hésiode ou dans les Hymnes homériques, par exemple, il y avait un réel θαῦμα, qui est la marque de l’émerveillement d’un humain, mais aussi la preuve de la distance qui existe entre les dieux et les hommes : jamais un miracle divin n’y est remis en question. Dans les iamata crétois, on procède de la même façon et la voix des patients n’a qu’une fonction gratulatoire. Les textes épidauriens se conforment en apparence à ce schéma narratif où le patient exprime sa reconnaissance envers le dieu. Ainsi Hermodikos de Lampsaque, handicapé moteur, présente la particularité de graver son ex-voto à Asklépios sur la pierre que le dieu lui avait demandé de soulever.27 C’est ici une des manifestations les plus obvies de la foi des patients en leurs guérisons miraculeuses, la pierre remplissant un double rôle : à la fois instrument de thérapie prouvant l’efficience divine et témoignage gratulatoire du patient guéri. Cependant, de la même façon que l’humanité d’Asklépios entrevue dans les textes tranchait du schéma attendu en faisant, par effet antithétique, mieux ressortir son pouvoir, les patients racontant leur guérison n’obéissent qu’en apparence aux exigences du genre narratif des textes thérapeutiques et sont présentés souvent avec des émotions contrastées et des réactions imprévues. Là encore, il faut garder à l’esprit la réécriture de ces textes et donc les voir par le prisme des rédacteurs officiels au service du dieu avant tout, mais le choix de ne pas présenter un ensemble narratif homogène est significatif de la multiplicité voulue des lectures en écho à la multiplicité des fonctions de ces inscriptions. A côté de l’admiration et de la gratitude ou encore de la peur,28 d’autres émotions plus paradoxales surgissent en filigrane dans les iamata, comme l’incrédulité face aux prodiges du dieu. On recense près de dix cas de remise en question préalable de la compétence thérapeutique du dieu ; dans un schéma rhétorique laudatif, cela constitue un nombre important mais ce procédé typiquement épidaurien obéit à un discours thaumaturgique bien rôdé, destiné une fois encore à mettre en valeur l’indépendance et donc la puissance du sanctuaire supra-local face aux Asklépiéia de proximité aux cultes et rituels insérés dans le système civique de la cité dont ils 25 26 27 28

I.Cret. I, xvii, 17, 18. I.Cret. I, xvii, 19. IG IV2 1, 121, l. 15. Chaniotis 2012, 205–234.

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dépendent. A chaque fois, la méthode est la même avec une moquerie, un doute ou une tromperie de la part d’un patient.29 Cette voix discordante parmi les narrations laudatives gravées sur la pierre a un rôle primordial par effet contraste ; au-delà de ces manifestations de « rebellion » envers la médecine irrationnelle, faire parler un apistos, c’est insérer dans les iamata épidauriens une charge émotionnelle forte qui ne trouve de parallèle dans aucun autre texte de guérisons divines. Cette dose d’humanité, déjà accordée par les rédacteurs et par le dieu permet de prévenir les doutes des futurs patients et de ruiner leurs appréhensions, en présentant des cas similaires à ce qu’ils peuvent ressentir. Le culte d’Asklépios à Épidaure prend son fondement bien en amont dans les pratiques cultuelles à Apollon Maléatas, déjà attestées à l’époque mycénienne. A l’époque archaïque, la volonté de Proklès, le tyran local, impose ce sanctuaire comme lieu de culte civique et le transforme en grand centre religieux indépendant d’Argos. Ce but, clairement politique, est reproduit ensuite à l’époque classique et c’est dans ce contexte que s’élabore le culte à Asklépios aux IVème et IIIème siècle. Les comptes de construction nous prouvent cette volonté de prééminence à la fois locale, pour se défaire d’une façon du joug argien, mais aussi trans-régionale, pour promouvoir le rayonnement du sanctuaire : que ce soit le choix des matériaux, souvent corinthiens, le recrutement des architectes, dont Polyclète d’Argos pour la tholos et le théâtre, des sculpteurs – Thrasymède le Parien réalisant la statue de culte, tout démontre que l’Asklépiéion entend dépasser les faits politiques régionaux de son époque pour devenir le sanctuaire de divinité guérisseuse de référence supra-locale. De la même façon, les iamata dépassent le cadre de simples récits de guérison à la gloire du dieu. Chaque voix exprimée a en effet un fonctionnement très personnel même si cette polyphonie tend au même but de propagande qui sert les intérêts du sanctuaire, avant ceux de la polis. La voix des rédacteurs est là pour instaurer le cadre de confiance habituel des iamata en montrant l’étendue de l’efficience divine, grâce à une rhétorique aux apparences attendues. La voix du dieu lui-même renforce le prestige indépendant du sanctuaire où on a toutes les chances d’être guéri, mais aussi, d’avoir un échange direct et privilégié avec le dieu, sans passer par des pratiques cultuelles ou votives distantes, caractéristiques des sanctuaires locaux. La voix des malades, enfin, accorde un impact affectif et émotionnel afin que chaque futur patient puisse s’identifier aux précédents avec ses doutes et ses craintes, mais en bénéficiant toujours à la fin d’un résultat positif. Cette trimorphie inédite à l’époque du plein essor du sanctuaire constitue sans doute la force et l’originalité de ces récits ; rédigés dans un souci de propagande sacrée qui dépasse le cadre d’une compétition entre sanctuaires guérisseurs locaux, les iamata présentent au IVème siècle av. J.-C. un caractère innovant : à la différence des 29

IG IV2 1, 122, XXXVI ; 121, XI. La plus forte marque d’incrédulité se trouve en IG IV2 1, 121, III. La composition comporte tous les ingrédients d’une mise en scène soignée : on y évoque les tablettes gratulatoires qui sont l’autre preuve des miracles d’Asklépios, mais à sept reprises, le sentiment d’incrédulité obstinée revient, et c’est le seul cas de refus de reconnaissance des guérisons divines. On ne peut parler d’impiété ici car ce n’est pas le dieu qui est remis en question mais bien les guérisons et les récits.

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inscriptions de guérison des autres sites, formatées pour correspondre à un schéma discursif habituel, les textes épidauriens possèdent une fonction didactique et apologétique singulière qui renforce ainsi le fonctionnement extra-régional voulu par la polis voisine, tout en faisant écho au double rôle attendu pour un sanctuaire supra-local. Bibliographie Chaniotis, A. 2012 : Constructing the Fear of Gods. Epigraphic Evidence from Greece and Asia Minor, in : A. Chaniotis (éd.), Unveiling Emotions. Sources and Methods for the Study of Emotions in the Greek World, Stuttgart, 205–234. Cox Miller, P. 1994 : Dreams in Late Antiquity. Studies in the Imagination of a Culture, Princeton. Funke, P. 2013 : Greek Federal States and their Sanctuaries : Identity and Integration. Some Introductory Remarks, in : P. Funke / M. Haake (éds.) : Greek Federal States and their Sanctuaries. Identity and Integration. Proceedings of an International Conference of the Cluster of Excellence ‹ Religion and Politics › Held in Münster, 17.06.–19.06.2010, Stuttgart, 9–12. Petsalis-Diomidis, A. 2010 : Truly Beyond Wonders. Aelius Aristides and the Cult of Asklepios, Oxford. Prêtre, C. / Charlier, P. 2009 : Maladies humaines, thérapies divines. Analyse épigraphique et paléopathologique de textes de guérison grecs, Lille. Sineux, P. 2004 : Le dieu ordonne. Remarques sur les ordres d’Asklépios dans les inscriptions de Lébèna (Crète), Kentron 20, 137–146.

The Politics of Olympus at Olympia* Vinciane Pirenne-Delforge

The traditional date of the foundation of the Olympic games, 776 BCE, is an a posteriori result of the chronological compilation by Hippias of Elis in the fifth century BCE. The Elean writer certainly enhanced the role of Elis in this context and it remains difficult to establish the ‘pre-Elean’ situation in terms of cults and athletic contests. Rather than recovering absolute dates for a period where few are available, I would like to propose some reflections on the spatial reorganisation of the sanctuary from the early sixth century BCE to the end of the fifth and to connect these changes with the mythical narratives focusing on some of the various founders at Olympia, both for the games and the cults performed there, in honour of Zeus himself, or of the ‘Olympic’ pantheon around him. The intertwined identities involved at Olympia – local, regional, ‘Panhellenic’ – are at stake in each ‘reading’ of the past in the famous sanctuary. Such an analysis should help to illuminate the Elean impact on the sanctuary from a different perspective than usual and, more specifically, the issue of girl-races for Hera at Olympia as well as the geographical extension of their attendance. I. Olympus on earth: Olympia and its region The name of the sanctuary of Olympia is so well known that one would almost forget that it refers to the mountain where the Greek gods were supposed to live. It directly reflects the ‘Olympian dwellings’ of the epic tradition.1 In the human sphere, Olympia is the place par excellence where the father of gods and men reigns, the Zeus of the Olympus, the Olympios. The name of the place where the Altis is located makes of this sanctuary the mirror of the heavenly home of the gods.2 The lexicographers of the Roman period referred to this relation between Olympia and mount Olympus. Some of them rooted the epiclesis in the name of the place which Zeus was supposed to have obtained *

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This paper is partially based on some considerations presented in French in the book L’Héra de Zeus that I recently co-authored with Gabriella Pironti: Pirenne-Delforge/Pironti 2016. I warmly thank Jan-Mathieu Carbon for correcting my English and giving me invaluable comments on a first draft of this study. E. g. Hom. Il. 1,18; 2,13, 30, 67; Od. 20,79; 22,167; Hes. theog. 963; erg. 81, 110, 128; Hom. h. Cer. 135. Hesych. o 650,1–2, s. v. Ὀλύμπια δώματ’ ἔχοντες. On the various mountains called Olympus in ancient Greece, see Parker 2011.

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as a lot during the allocation of Greek places to each of the gods.3 Other ancient commentators considered that the naming operated in reverse: the toponym was rooted in the epiclesis.4 Earlier, in the epinicia of Pindar, the sanctuary on the bank of the river Alpheios is named Olympia, as well as Pisa: the poet uses alternately both toponyms5 which are, however, absent from Homeric epics.6 The term “Olympia” refers to the divine world and its divine king, while the name of Pisa is linked to the region around the sanctuary and its inhabitants, the Pisatai or Pisaioi, who were supposed to administrate the sanctuary before Elis took it over.7 Little is known of a possible archaic Pisatan state and even less of a possible city-state named “Pisa” at this time because the toponym first occurs in an inscription dated to the early fifth century BCE and in epinician poetry.8 In both cases, it is closely connected with the sanctuary itself. After Pindar, Herodotus refers once to the sanctuary as “Pisa”, but he calls it Olympia in most cases.9 This is a sure sign that, in the mid-fifth century BCE, Olympia has become the established name of the place, while Pisa is now mainly a poetic reference available for scholarly discussion (from Antiquity to modern times). For example, Strabo challenges the idea that Pisa was ever a city by itself and interprets the name as the ancient way of referring to Olympia.10 A majority of modern scholars suspect that he is right and consider that the city did not exist before the fourth century BCE and the short period of independence of the “city of Pisa” between 365 and 362. However, the fact that Pisa was not a city as such in the archaic period does not imply the lack of any regional identity for the settlements south of the river Alpheios, unless we deny any toponymic consistency to the name of “Pisa” used by Pindar, an extreme point of view that we do not adopt.11 In summary, a toponym rooted in the Olympian dwellings of epic poetry was used for centuries to officially name the sanctuary of Zeus Olympios, whereas the 3 4 5 6 7 8

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Etym. m. 623,13–18, s. v. Ὀλυμπία. Steph. Byz., s. v. Ὀλυμπία. E. g. Pisa: Pind. O. 1,18,70; 2,3; 3,9; 6,5; 8,9; N. 10,32; Olympia: Pind. O. 1,7; 2,53; 6,26; 7,10; 8,83; P. 5,124; 7,15; 11,47; N. 11,23. On this absence, see Kõiv 2013, 346 n. 215. Strab. 8,3,31; Paus. 5,4,7, 6,1, 10,1; 6,22,2–4. Minon 2007, no. 12 (IvO 11): a field “in Pisa” is confirmed as the property of a certain Deucalion, who is now a “Chaladrian” (on this people, see e. g. Nafissi 2003, 43–45). Cf. also Sch. Pind. O. 10,55a (Drachmann): the name “Pisa” is given to the place where people attending the panegyris stay during the Olympic games. Hdt. 2,7 (ἐς Πῖσαν), 160; 6,122; 7,170; 8,134; 9,81 (ἐν Ὀλυμπίῃ); 5,22; 6,127 (τὸν ἐν Ὀλυμπίῃ ἀγῶνα). Strab. 8,3,31. To the inscription mentioned above (n. 9), one can add the eponym Pisos who is present on the chest of Cypselos described by Pausanias in Olympia (Paus. 5,17,9), an element which cannot be completely neglected in the discussion about an archaic Pisatan territory (Nafissi 2003, 32 and n. 80). – For a century, scholarship has passed from one conviction to another: on the one hand, the certainty that during the archaic period, the Pisatans were the inhabitants of the Alpheios’ valley and a coherent ethnic group subdued and finally stripped of control of the Olympian sanctuary and its contests by Elis (e. g. Meyer 1950, 1736–1743; Roy 2004, 501–502); on the other hand, the radical denial of any Pisatan ethnicity before the fourth century BCE (e. g. Nafissi 2003, 28–40; Luraghi 2008, 79; Giangiulio 2009 and already Niese 1910). Roy 2002a; Roy 2002b; Roy 2004; Roy 2009 exemplify the oscillation between both points of view. A well-balanced analysis in Kõiv 2013.

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toponym possibly anchored in local geography became the “poetic” label to designate the same place as early as the end of the archaic period. This issue, rarely addressed in these “toponymic” terms, is closely connected with the controversies about the early expansion of Elis outside its original home in the valley of the river Peneios (the koilē Elis of Thucydides).12 The name of Olympia itself and the reorganisation of the Altis between the very end of the seventh and the early sixth century BCE could give some clues to address this issue from a different angle than usual. According to the last excavations held in Olympia, a deep reorganisation of the site started at the end of the seventh century and continued in the next. At least a part of these architectural transformations could be seen as a criterion of substantial change,13 such as some sort of control by the Eleans,14 who progressively confirmed the sanctuary of Zeus Olympios as a Panhellenic venue, on the one hand, and turned it into an extra-urban centre of their own political and religious life, on the other. At some point in this period, the Elean state added to its proper territory, along the Peneios valley, the northern part of the lower Alpheios river, the so-called “Pisatis”.15 In this perspective, the names of Pisa and Olympia, which Pindar uses alternately, could reflect more than a variatio sermonis based on poetic necessities and metrical demand. The alternation could be a poetic sign of the progressive introduction of the name of Olympia to designate the sanctuary henceforth controlled by Elis. Even if there were no city-state named Pisa in the archaic period, the various settlements of the region – whatever they were – probably administrated the sanctuary of Zeus in the first centuries of its existence, welcoming the worshippers coming from the neighbouring regions.16 If this hypothesis is correct, the name of Pisa preserves the memory of a regional context and Olympia becomes the Panhellenic sanctuary par excellence, referring to the ‘Olympian dwellings’ of the epic poetry. The pantheonic organisation of Olympia and its mythical traditions have to be set against this “Pisatan/Elean” background, which also gives some clues to understanding the different levels of the participation in the rituals of the Altis. 12 13

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Thuk. 2,25,3. This chronological issue is much debated, notably regarding the date of some archaic inscriptions found in Olympia (see Minon 2007, 274–279). There is no document firmly attesting a non-Elean phase of administration on the sanctuary but, as M. Kõiv stated (Kõiv 2013, 319): “when no proof can be expected, the lack of proof proves nothing.” In view of this uncertainty, I base my argument concerning the deep reorganisation of the Altis on the evidence of archaeology (see below). Contra Kyrieleis 2006, 54–55, who does not relate the reordering of the site to a political change but to changes in architectural forms (“Wir tun also gut daran, für die bauliche Neuordnung Olympias um 600 v. Chr. nicht nach einem bestimmten politischen Anlass zu suchen, sondern sie als Teil der allgemeinen Entwicklung zu monumentalen Formen zu verstehen …”). Cf. Scott 2010, 146–180, who assumes a “rebuilding” of the Hera temple around 600, even if Mallwitz strongly argued, as already as 1966, against the existence of any previous temple: Mallwitz 1966, 325, 328. Roy 2009, 490. Diod. 15,78,2, mentioning the reference, by the Pisatans in the 4th cent. BCE (provisionally independent from Elis between 365–362, as mentioned above), to ancient traditions (τισι μυθικαῖς καὶ παλαιαῖς ἀποδείξεσι χρώμενοι) for supporting their claims on the sanctuary. Cf. Morgan 1990, 57–89; Kõiv 2013 for an extensive discussion.

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II. Archaeology and Pausanias From an archaeological as well as a textual point of view, reconstructing the Olympian sanctuary is a difficult task. The first evidence of cult activity is dated to the eleventh century BCE. Any cult continuity with the Bronze Age is much discussed, or even rejected today, because of a hiatus of centuries between Bronze Age elements and what can be identified as a new beginning of activity on the site.17 Cult activity could have developed around a prehistoric tumulus where the Pelopion would later be constructed. The recipient of the cult next to the tumulus may have been Zeus himself, before the place was more precisely interpreted as the tomb of Pelops, next to Zeus’ altar.18 Around 600 BCE, a Doric temple was built at the foot of the Cronion hill: it is the oldest monumental building on the site.19 In order to complete this work, as well as the Pelopion, the whole area was first cleaned and a lot of material mixed with ash, charcoal and animal bones was levelled and spread out around the tumulus. This is the famous schwartze Schicht (“black layer”) of Olympia, where unstratified offerings from the mid-eleventh to the end of the seventh century or even early sixth, have been recovered.20 If Helmut Kyrieleis is right, such material derives from the earliest altar of Zeus. During the deep reorganisation of the site, the altar was moved to the east, where the huge ash-altar of the Olympian god was supposed to have been located for centuries, according to our literary evidence.21 The artefacts from the black layer provide a date of ca. 600 as the terminus post quem for the reconfiguration of the site, beginning with the building of the Doric temple, the installation of the Pelopion, and the setting of the ash-altar.22 Concerning the textual evidence, one needs to be conscious that the main source for the narrative traditions at Olympia and the distribution of its monuments is Pausanias, in the second century CE. The identification of the monuments by the excavators of the site is largely based on the report of his visit in the fifth and sixth books of his Description of Greece.23 Therefore, there is a large chronological gap between our main informer of the Roman period and the time to which I want to go back in order to understand the traditions and rituals of the place, that is to say, the end of the archaic and the classical periods. However, a certain number of buildings mentioned by the visitor surely date back to the period before 450 (cf. the plan on the facing page), as the connection between the excavations and his testimony suggests in some cases. One can highlight the temple of Zeus built between ca. 470 and 457 and the statue made for the god by Pheidias (5,10,1–11,8), the sanctuary of Pelops (5,13,1–3), the ash-altar of Zeus (5,13,8–11), the 17 18 19 20 21 22 23

Kyrieleis 2002, 216–217; Kyrieleis 2006, 23–27, 61–79. Kyrieleis 2006, 49–61. Contra Kõiv 2013, 347–349. Mallwitz 1966, 325, 328. Kyrieleis 2006, 27–55; Ekroth 2012, 100. Among which Pausanias’s witness is the clearest (5,13,8–11). Kyrieleis 2002, 217; Kyrieleis 2006, 37–47; Ekroth 2012, 100–101. On this point, see Habicht 1998, 165–175; Jacquemin 2001.

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Plan of Olympia around 450 BCE (reproduced with the kind permission of H. R. Goette) 1. Temple of Zeus – 2. Pelopion – 3. Ash-altar of Zeus – 4. Heraion with the ash-altar of the goddess – 5. Prytaneion – 6. Gaion – 7. Treasuries – 8. Stadium – 9. Hippodromos – 10. Bouleuterion – 11. Cronion – 12. Cladeos today – Without no. Metroon dated ca. 420, below the treasuries (7).

Heraion, which is the Doric temple mentioned above (5,16,1). To these elements can be added six altars, each attributed to a divine pair, which form the archaic group of the Twelve gods, evidenced by Pindar.24 They are also present in Pausanias’ list of the seventy altars of the Altis on which the Eleans offer monthly sacrifices in his time, but they are not seen as a coherent group of Twelve any longer.25 Other elements of Pausanias’ description deserve consideration for the analysis conducted here. When he refers to the Cronion, that is the hill of Cronos, the father of Zeus and first king of the cosmos, he mentions the ritual performed in this place: “On the summit of the mountain, the Basilae, as they are called, sacrifice to Cronus at the spring equinox, in the month called Elaphius among the Eleans”.26 The name of the male ritual performers directly refers to kingship.27 In the north part of the Cronion, the visitor describes a double sanctuary of Ilithyia, the goddess closely related to birth, where Sosipolis is also honoured, whose name means “Saviour of the city”, a local god of the Eleans to whom I will return (6,20,2–6). Ilithyia is called Olympia, just as Hera is when Pausanias refers to her ash-altar (5,14,8); they are the 24 25 26 27

Pind. O. 5,5–6; 10,24–25; Sch. Pind. O. ad loc. Paus. 5,14,6, 14,8, 14,10, 24,1. Paus. 6,20,1: ἐπὶ δὲ τοῦ ὄρους τῇ κορυφῇ θύουσιν οἱ Βασίλαι καλούμενοι τῷ Κρόνῳ κατὰ ἰσημερίαν τὴν ἐν τῷ ἦρι, Ἐλαφίῳ μηνὶ παρὰ Ἠλείοις. See also Dion.Hal. 1,34,3–4. An inscription of the mid-sixth century BCE attests that a festival for Kronos was effectively held already at this period, but in the summer, at the time of the Olympic festival. The cult agent was a theokolos: Siewert 2017.

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only deities who bear the same cult-title as Zeus himself: he is Olympios, both goddesses are Olympia. Next to the sanctuary of Ilithyia and Sosipolis are the remains of the sacred place dedicated to Aphrodite Ourania, whose name refers to Ouranos, the father of Cronos (6,20,6). Let us summarise the first stage of our investigation and make some additional elements more precise. Between the early sixth century BCE and the end of the fifth, Elis could have led the fundamental reorganisation of the sanctuary of Olympia attested by the excavations of the site.28 This statement is to remain conditional because absolute certainty cannot be reached concerning the Elean initiative of the first cleaning of the site at the end of the seventh century. However, since the “black layer” was spread out in different, consecutive phases, as successive excavators have suggested, the final levelling could be dated to the early sixth century BCE,29 when Elis was certainly playing an important role in the sanctuary. The first monumental building of this period is the Doric temple located at the foot of the Cronion Hill, dated around 600 BCE. The building is attributed to the goddess Hera by Pausanias, and it is probably the Heraion to which Dio of Prusa refers at the same period, as well as an author named Agaklytos, otherwise unknown.30 The identification is ensured in the Roman period, but for the centuries before, there is no agreement in modern scholarship. Some scholars attribute the temple to Zeus himself, before the construction of his classical temple; others consider that it was a Heraion from the beginning, while the rest suppose that both Zeus and Hera were honoured in this temple.31 Convergent information about its foundation is found in Pausanias and in the treatise About Olympia of the otherwise unknown Agaklytos just mentioned: the temple had been built by people coming from Scillous in Triphylia, according to the first, while the latter refers to the dedication of the sacred building by the same people. Even more interesting, both authors attribute this tradition to the Eleans themselves.32 I will return to this point later. At the same period, the Pelopion was built. If we follow Helmut Kyrieleis’ hypothesis, the monumentalisation of the tumulus corresponds to the introduction of the hero at Olympia. In a recent and convincing analysis, Gunnel Ekroth has moved the argument even further, by showing how the Eleans appropriated the Panhellenic 28 29 30 31 32

The “black layer” could have been spread out in different successive phases, from the end of the seventh century until a final levelling in the sixth century BCE, according to the latest pottery recovered: Kyrieleis 2006, 27–55; Ekroth 2012, 100. Kyrieleis 2002, 217; Kyrieleis 2006, 27–55. Paus. 6,16,1; Dion Chrys. or. 9,54; FGrHist Agaklytos 411 F 1 Jacoby ap. Phot. Sud., s. v. Κυψελιδῶν ἀνάθημα ἐν Ὀλυμπίᾳ. On this point, see the detailed argument in favour of an early Heraion in Pirenne-Delforge/Pironti 2016, 179–183. Paus. 5,16,1: λέγεται δὲ ὑπὸ Ἠλείων ὡς Σκιλλούντιοι τῶν ἐν τῇ Τριφυλίᾳ πόλεών εἰσιν οἱ κατασκευασάμενοι τὸν ναὸν ὀκτὼ μάλιστα ἔτεσιν ὕστερον ἢ τὴν βασιλείαν τὴν ἐν Ἤλιδι ἐκτήσατο Ὄξυλος; FGrHist Agaklytos 411 F 1 Jacoby ap. Phot. Sud., s. v. Κυψελιδῶν ἀνάθημα ἐν Ὀλυμπίᾳ: … ναὸς τῆς Ἥρας παλαιός, ἀνάθημα Σκιλλουντίων· οὗτοι δὲ εἰσὶν Ἠλείων … Patay-Horváth 2013, 87–92 tries to demonstrate that the temple is a Spartan foundation, related to the conquest of Messenia.

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hero who gave his name to the Peloponnese.33 After the Persian wars, around 470 BCE, the building of the new classical temple of Zeus was initiated, with a sculptural programme involving among others Heracles’ labours and Pelops’ chariot-race against the local king Oenomaos to win his daughter and his throne.34 The Pelopion was reconfigured by the addition of a new entrance and an enclosing wall. Dated from 420, the Metroon is the last monumental temple of the sanctuary (i. e. the temple without a number, on the terrace below the row of treasuries described on the plan above). III. Capturing the theogony on a local level During a century and a half and with these different monuments, a specific local pantheon was elaborated and its coherence suggests that a concerted plan underlies the project of integrating “the politics of Olympus in Olympia”. Elis is the best candidate for the agent behind such a plan. The city in charge of the sanctuary seems to have elaborated a divine pantheon around the Twelve gods, Zeus and Hera, the Mother of the gods, who is certainly perceived as Rhea, and who forms a pendant to her husband Cronos on the hill watching over the sanctuary. Moreover, the temples of Aphrodite Ourania (referring to Ouranos, the grand-father of Zeus), on the one hand, and Ilithyia closely linked to Sosipolis, on the other, also seem to be related to the wish of mirroring the history of the cosmos on a local level.35 In order to assess the hypothesis that Elis, now in charge of the prestigious Panhellenic sanctuary, realised the “Olympian dwellings” mentioned in epic poetry and the theogony shared by all the Greeks, it is necessary to deal with some of the mythical narratives of the sanctuary and to get back to Pausanias. The history of the Olympic contests associates Pelops with their development and increasing popularity, but their origin is supposed to be more ancient. The first step is the Golden age, under the reign of Cronos himself: according to Pausanias, the men of that age built a temple for the god (5,7,6). This is a clear reference to the Cronion hill, even if there is no trace of any temple in this place. Then, when Rhea gave birth to Zeus, she asked the Dactyls of Cretan Ida to take care of her child. The eldest of them, whose name was Heracles, challenged his brothers to a game, a running-race, and crowned the winner with a branch of wild olive. He is therefore seen as the first organiser of the foot-race in Olympia (5,7,5–9). According to some of the narrative traditions transmitted by 33 34 35

Ekroth 2012. On this sculptural programme and its political background, see Barringer 2005. The sanctuary of Ilithyia is now identified and excavated. It is located at the foot of the northern side of the Cronion and not between the southern part of the Cronion and the treasures, as Pausanias’s description seemed to imply. The double temple was therefore located outside the Altis properly speaking, as it was the case of the temple of Aphrodite Ourania in its direct neighbourhood. No publication is available, except a newspaper article: http://www.tribune.gr/greece/news/article/104471/ anakalifthike-stin-olimpia-naos-afieromenos-sti-thea-ilithiia.html (consulted on March 29, 2017). The inscriptions recovered on the site seem to go back to the archaic period (personal communication of Aliki Moustaka, one of the excavators of the site).

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Pausanias, the deposition of the king Cronos by his son Zeus occurred in Olympia and took the form of an athletic competition. As the new king of the cosmos, Zeus held the games in honour of his victory over Cronos. Some other gods are also said to have competed in Olympia, such as Apollo, Hermes or Ares (5,7,10). These various episodes reflect the rewriting of a global story into a local, Olympic schema. The traditions evidenced by Pausanias form a local adaptation of the theogony, with clear reference to the myth of sovereignty, in which Zeus becomes the king of the gods and men.36 The contest between Zeus and Cronos is located at Olympia, and the link of the place with sovereignty and kingship is still active in Pausanias’ time by the name of the cult-agents serving Cronos on the Cronion hill: they are the Basilai, as mentioned above. The story of Olympia, according to Pausanias’ narrative, continues with the flood, which marks the transition between the time of the gods and the time of men. Fifty years after the flood, a man whose name was Clymenos came from Crete. He reorganised the games and established altars for the Dactyles of Ida, considered as his ancestors, and one for Hera Olympia (5,8,1). The latter is an ash-altar, as mentioned before, strictly parallel to Zeus Olympios’s altar. Also interesting is the fact that Clymenos is the only dedicator mentioned in connection with an altar (5,14,8). If we remark that Pausanias mentions more than seventy altars in the sanctuary, this fact deserves consideration. In particular, the “Cretan” component of these traditions seems to be significant and this path of investigation must be explored. The Dactyls, whose name is also the Couretes, were supposed to make noise to cover the baby Zeus’ cries in the Cretan Idaean cave. They have been incorporated in the myth transposed in Olympia.37 Their presence in Pausanias’ narrative is related to the theme of the victory of Zeus over Cronos, a contest appropriately implemented in a foot-race. The whole tradition, of which we can only read some scattered pieces, should have described the young god arriving in Olympia from Crete with his protectors to bring to completion the process begun by Rhea in saving her son from the voracity of her husband.38 When, after the flood, Clymenos reorganises the Olympic contests, he pays homage to the Dactyls, his ancestors, and “especially to Heracles, by giving him the name of Parastates” (5,8,1). A parastates is an assistant, a helper, especially in a context of war. Clymenos worships the figures who helped Zeus get to power. In this story, Heracles the Dactyl duplicates Heracles son of Zeus and Alcmene, who is widely attested as the founder of the Olympic contests in the common knowledge of the Greeks.39 This is a beautiful example of the necessity of keeping some significant elements of a mythical narrative unchanged when one decides to adapt it. In this context, the figure of Hera is interesting because Clymenos associates her to the tribute to his Cretan ancestors.

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The best illustration of this myth is given by the Theogony of Hesiod. Cf. Pind. O. 5,17–19 and the comments in Pirenne-Delforge/Pironti 2016, 168, n. 337. Paus. 5,7,5–9; Diod. 5,64,6–7; Strab. 8,3,30; 10,3,22. Cf. Gantz 1993, 147–148. E. g. Pind. O. 2,3; Strab. 8,30,3 (who refers to both Heracles); [Apollod.] 2,141.

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By dedicating an ash-altar to Hera Olympia, Clymenos clearly identifies the goddess as the ritual counterpart of Zeus Olympios, as the queen of the Olympus, sharing the throne of her royal husband.40 According to Pausanias, the other deity receiving the cult-title of “Olympia” in Olympia is Ilithyia, whose cult is associated to Sosipolis, the ‘Saviour of the city’ to whom I referred above (6,206). Even if, at first glance, the local expression of the theogony does not seem to integrate this cult, it is not accidental that this is the only other deity who is “Olympian” in Olympia with Zeus and Hera. We will see that another representation of the divine child hides behind this cult. The temple shared by Ilithyia and Sosipolis is built in two parts: the front part for the goddess, which is open for the public, and an inner part where the god is worshipped. No one may enter it except the woman who takes care of him and who must wrap her head and face in a white veil. When the Eleans pay homage to the god, maidens and women stand in the sanctuary of Ilithyia singing a hymn and burning incense. Libations poured for the god are made without wine and an oath is taken “by Sosipolis” on the most important occasions (6,20,2–3). The origin of the cult is said to be a kind of miracle which occurred during a war against the Arcadians who had invaded the land of Elis. A woman came to the Elean generals, holding her baby in her arms. She said that she was the mother of the child but that, according to a dream, she now gave him to fight for the Eleans. The Elean soldiers placed the naked child before the army. When the Arcadians attacked, the child turned into a snake and made the Arcadians turn and flee. The Eleans won a famous victory and thus called the god Sosipolis. On the spot where, after the battle, the snake seemed to go into the ground, they built the sanctuary. They resolved to worship Ilithyia also, because this goddess helped them by bringing the child to the light (6,20,4–5). It would be difficult to go further in the analysis of the aetiology if there were no other tradition available about Sosipolis. By chance, visiting the city of Elis, Pausanias refers for a second time to the god:41 ἔστι δὲ Ἠλείοις καὶ Τύχης ἱερόν· (…) ἐνταῦθα ἔχει τιμὰς καὶ ὁ Σωσίπολις ἐν ἀριστερᾷ τῆς Τύχης, ἐν οἰκήματι οὐ μεγάλῳ· κατὰ δὲ ὄψιν ὀνείρατος γραφῇ μεμιμημένος ἐστὶν ὁ θεός, παῖς μὲν ἡλικίαν, ἀμπέχεται δὲ χλαμύδα ποικίλην ὑπὸ ἀστέρων, τῇ χειρὶ δὲ ἔχει τῇ ἑτέρᾳ τὸ κέρας τῆς Ἀμαλθείας. “The Eleans have also a sanctuary of Tyche (…) Here Sosipolis too is worshipped in a small shrine on the left of the sanctuary of Tyche. The god is painted according to his appearance in a dream: in age a boy, wrapped in a star-spangled robe, and in the other hand he holds the horn of Amaltheia.” (transl. by W. H. S. Jones, adapted)

The depiction of Sosipolis wearing a heavenly robe, holding the attribute of the goat that Zeus was supposed to have suckled in Crete, attests to fact that the Eleans con40 41

For an extensive treatment of this aspect, see Pirenne-Delforge/Pironti 2016, 168–172, pass. Paus. 6,25,4. Correction of the corrupted passage in the first line by Hitzig, adopted by Casevitz 2002, 79.

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sidered their local god as an infant form of Zeus,42 particularly concerned by the safety and health of the local community. The prohibitions related to the cult, the female attendance, and the limited access to the shrine stand in marked contrast to the Panhellenic dimension of the Altis on the other side of the Cronion, which must have been crowded during festivals. At another level than the global theogonic representation of the early reign of Zeus over the cosmos, Olympia was also the place where the divine child was particularly involved in protecting the local Elean community. Sosipolis was, so to speak, their “own Zeus Olympios”. Regarding most of the stories recounted above, we have no clues for dating or for attributing them to specific authors, local logographoi or exegetai. We are reduced to trusting Pausanias who systematically refers to “Elean traditions”,43 but we cannot be sure that the materiality of the transformations which were organised in Olympia during the sixth and fifth centuries BCE gave immediately rise to mythical counterparts and narrative elaborations. The composition of the stories collected by Pausanias might have taken time and integrated some parts of traditions coming from the communities incorporated in the Elean state between the early sixth century BCE and 470.44 The latter was the conventional date given to the synoikismos of the city according to Diodorus and Strabo,45 and the year when the Eleans launched the construction of Zeus’ (classical) temple.46 However, the name of Olympia was itself the sign that this “territory common to all” (πάγκοινον χώραν), as Pindar qualified the place in his verses,47 was the mirror of Olympus on earth. If I am right to suppose that the Eleans adopted the toponym when they began to control the regional sanctuary of the Pisatis, then this was certainly an effective and powerful idea. IV. Zeus and Hera, Pelops and Hippodameia As we saw above, the Eleans attributed the construction or the dedication of the temple of Hera to people coming from Scillous in Triphylia, which is the area between the river Alpheios south of Olympia and the river Neda north of Messenia.48 According to Pausanias, this happened when Oxylos was supposed to be the king of Elis and to have attracted all the surrounding inhabitants to the town (5,3,6, 4,4). In history, the inhabitants of Triphylia were probably under Elean control as perioikoi at some

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The aetiology refers to a serpentine form assumed by the god, a fact which echoes some representations attested for Zeus Meilichios at Athens: see Cook 1925, 1107–1112 (with old-fashioned interpretations but good evidence). E. g. Paus. 5,4,6, 7,6, 16,1, 21,8–9, 22,6; 6,2,3, 13,10, 20,9. Cf. Ulf 1997, 38–39; Nafissi 2001. On the “reification” of traditions, see Gehrke 2003, 6–7. Diod. 11,54,1; Strab. 8,3,2. The latter refers to “unification” under the reign of Oxylus (8,3,30), while Pausanias associates the Elean synoecism with this king (5,3,6, 4,4). See above. Pind. O. 6,63. See above p. 192; Nielsen 2004, 540–541.

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point during the expansion of Elis but we do not know exactly when.49 If the mythic connexion between the Heraion and Oxylus’ reign is chronologically unreliable, it is perhaps still rooted in a real interaction located around the first Doric temple of the site, between people from the southern part of the Alpheios valley and the new masters of Olympia. But we do not know the exact status of “people coming from Scillous” around 600, the date of the Heraion according to archaeological evidence. In the ‘mythical’ reading of the Elean synoikismos made by Oxylus, the construction of the Heraion, after the Heracleidai returned to the Peloponnese, was more recent than the cult of the goddess as such: some generations before king Oxylos, Hippodameia was supposed to have organised the festival of the Heraia at Olympia, as a thanksgiving for her marriage with Pelops (5,16,2). Even before, as mentioned above, the ash-altar of Hera Olympia was said to have been dedicated by Clymenos, two generations before Pelops and Hippodameia (5,14,8). This chronological sequence, scattered throughout Pausanias’ text, started from the dedication of the altar; it continued with the festival in honour of Hera and ended up with the building of her temple. The story of Pelops and Hippodameia is a good illustration of the “marriage en gendre”. The father of the bride gives her to a man, but the young couple lives in the bride’s former house. This is the case of the daughters of Priam in the Iliad, who are living in the palace of their father with their respective husbands.50 In Pisa, the king Oinomaos had established a bride contest for his daughter Hippodameia for competing himself against the suitor in a chariot-race. Many suitors had already been unsuccessful when Pelops presented himself, coming from Asia Minor, and he defeated the king.51 A chariot-race is a perfect contest for giving in marriage a girl named Hippodameia, “the tamed mare” or “the mare to be tamed”. The metaphor is well-attested and it underscores the link between the heroine and the marriage.52 But she is also a kind of “royal talisman” and Pelops receives the bride as well as the kingship of Elis at the same time. Both marriage and royal power are in the background of the foundation of the Heraia by Hippodameia: the thanksgiving to Hera is the female equivalent of the reorganisation of the Olympia in honour of Zeus attributed to Pelops by the Eleans (Paus. 5,8,2). The act of the hero must be linked to his own kingship, which closely associates him to the figure of the divine king of the cosmos. Moreover, the first mention of Pelops in the Greek tradition connects him with the sceptre made by Hephaistos for Zeus: in the second book of the Iliad (2,100–108), this powerful talisman is described to have been transmitted to Pelops by Hermes, from the divine to the human world. Accordingly, Pelops was a very interesting figure to adopt for the Eleans: his Panhellenic aura, his link with the major royal families of 49 50 51 52

On the relationship between Elis and Triphylia, see Nielsen 2004. I do not discuss here the question of the “Triphylian” identity as such, which seems to have been constructed around 400 BCE, after the end of the war between Sparta and Elis: Ruggieri 2009. Hom. Il. 24,768–772. Gantz 1993, 540–543. Calame 1996, 39–40, 163–165.

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the “island of Pelops”, his kinship with Heracles, who founded the games in some traditions, as well as the divine power transmitted by Zeus’ sceptre – all these elements made him the perfect heroic counterpart of the divine king, Zeus Olympios honoured in Olympia. As wife who was the deciding factor for the hero obtaining the throne, Hippodameia also formed the perfect counterpart of Hera, the wife and queen who shares Zeus’ bed, throne, and power.53 Mentioning the Heraion, Pausanias immediately associates the building to the Heraia, the festival in honour of Hera (5,16,1–3). He reports that every fourth year sixteen women weave a peplos for Hera and organise games called Heraia, which are foot-races for unmarried girls. The Sixteen Women are married and assisted by other married women. Before the games, three groups are formed according to the age of the girls and they run on the same stadium as the men, but shortened by about one-sixth of its length. During the race, “their hair hangs down, their tunic reaches to a little above the knee, and they bare the right shoulder as far as the breast”.54 The victorious maidens receive an olive-crown and a portion of the cow sacrificed to Hera. They may dedicate a portrait with their name inscribed on it.55 Pausanias delivers these pieces of information in the present tense and then he switches to the past by telling the two stories related to the foundation of these female games (5,16,4–8, transl. by W. H. S. Jones): ἐπανάγουσι δὲ καὶ τῶν παρθένων τὸν ἀγῶνα ἐς τὰ ἀρχαῖα, Ἱπποδάμειαν τῇ Ἥρᾳ τῶν γάμων τῶν Πέλοπος ἐκτίνουσαν χάριν τάς τε ἑκκαίδεκα ἀθροῖσαι γυναῖκας λέγοντες καὶ σὺν αὐταῖς διαθεῖναι πρώτην τὰ Ἡραῖα (…). “The games of the maidens too are traced back to ancient times; they say that, out of gratitude to Hera for her marriage with Pelops, Hippodameia assembled the Sixteen Women, and with them inaugurated the Heraia (…).” ἐς δὲ τὰς ἑκκαίδεκα γυναῖκας καὶ ἄλλον τοιόνδε λέγουσιν ἐπὶ τῷ προτέρῳ λόγον. Δαμοφῶντά φασι τυραννοῦντα ἐν Πίσῃ πολλά τε ἐργάσασθαι καὶ χαλεπὰ Ἠλείους· ὡς δὲ ἐτελεύτησεν ὁ Δαμοφῶν – οὐ γὰρ δὴ οἱ Πισαῖοι συνεχώρουν μετέχειν δημοσίᾳ τοῦ τυράννου τῶν ἁμαρτημάτων, καί πως ἀρεστὰ καὶ Ἠλείοις ἐγένετο καταλύεσθαι τὰ ἐς αὐτοὺς ἐγκλήματα –, οὕτως ἑκκαίδεκα οἰκουμένων τηνικαῦτα ἔτι ἐν τῇ Ἠλείᾳ πόλεων γυναῖκα ἀφ᾽ ἑκάστης εἵλοντο διαλύειν τὰ διάφορά σφισιν, ἥτις ἡλικίᾳ τε ἦν πρεσβυτάτη καὶ ἀξιώματι καὶ δόξῃ τῶν γυναικῶν προεῖχεν. αἱ πόλεις δὲ ἀφ᾽ ὧν τὰς γυναῖκας εἵλοντο, ἦσαν ῏Ηλις . “Besides the account already given they tell another story about the Sixteen Women as follows. Damophon, it is said, when tyrant of Pisa did much grievous harm to the Eleans. But when he died, since the people of Pisa refused to participate as a people to their tyrant’s sins, and the Eleans too became quite ready to lay aside their grievances, they chose a woman from each of the sixteen cities of Elis still inhabited at that time to settle their 53 54

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On this point, see Pirenne-Delforge/Pironti 2016. Paus. 5,16,3: καθεῖταί σφισιν ἡ κόμη, χιτὼν ὀλίγον ὑπὲρ γόνατος καθήκει, τὸν ὦμον ἄχρι τοῦ στήθους φαίνουσι τὸν δεξιόν. A figurine and a statue are supposed to represent a girl with such a tunic but this is much discussed and disputable: e. g. Serwint 1993, 406–422; Langenfeld 2006, 164–172; Scanlon 2008, 164– 169, 175–177. On this particular point, see Sinn 2004, 82.

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differences, this woman to be the oldest, the most noble, and the most esteemed of all the women. The cities from which they chose the women were Elis .” ἀπὸ τούτων μὲν αἱ γυναῖκες οὖσαι τῶν πόλεων Πισαίοις διαλλαγὰς πρὸς Ἠλείους ἐποίησαν· ὕστερον δὲ καὶ τὸν ἀγῶνα ἐπετράπησαν ὑπ᾽ αὐτῶν θεῖναι τὰ Ἡραῖα καὶ ὑφήνασθαι τῇ Ἥρᾳ τὸν πέπλον. αἱ δὲ ἑκκαίδεκα γυναῖκες καὶ χοροὺς δύο ἱστᾶσι καὶ τὸν μὲν Φυσκόας τῶν χορῶν, τὸν δὲ Ἱπποδαμείας καλοῦσι· (…) φυλάσσουσι δὲ οὐδὲν ἧσσον Ἠλεῖοι καὶ τἄλλα ὅμως τῶν πόλεων· νενεμημένοι γὰρ ἐς ὀκτὼ φυλὰς ἀφ᾽ ἑκάστης αἱροῦνται γυναῖκας δύο. ὁπόσα δὲ ἢ ταῖς ἑκκαίδεκα γυναιξὶν ἢ τοῖς ἑλλανοδικοῦσιν Ἠλείων δρᾶν καθέστηκεν, οὐ πρότερον δρῶσι πρὶν ἢ χοίρῳ τε ἐπιτηδείῳ πρὸς καθαρμὸν καὶ ὕδατι ἀποκαθήρωνται. γίνεται δέ σφισιν ἐπὶ κρήνῃ Πιέρᾳ τὰ καθάρσια· “The women from these cities made peace between Pisa and Elis. Later on they were entrusted with the management of the Heraia, and with the weaving of the peplos for Hera. The Sixteen Women also arrange two choral dances, once called that of Physcoa and the other that of Hippodameia. (…) The Eleans still adhere to the other ancient customs, even though some of the cities . For they are now divided into eight tribes, and they choose two women from each. Whatever ritual it is the duty of the Sixteen Women or the Hellanodikai to perform, they do not perform before they have purified themselves with a pig meet for purification and with water. Their purification takes place at the spring Piera.”

To the foundation by Hippodameia is added another story mainly centred on the number of women engaged in the ritual. Both narrations are not mutually exclusive; rather, they interact with and complete each other by illuminating from different points of view the significance of Hera’s cult at Olympia. In the second story, the dark period of Damophon’s domination over Pisa is an indirect justification of the Elean control on the whole region. The reconciliation is placed under the sign of Hera since the mediation conducted by the Sixteen Women is completed by the celebration of the games for the goddess. Moreover, the Sixteen mediators have weaved the threads of reconciliation perpetuated by the penteteric manufacture of the peplos for Hera.56 It is remarkable that such an episode is placed under the aegis of Hera and not Zeus himself, but this choice resonates with the strong female tonality of the whole story: reconciliation and unification are successful thanks to the intercession of women, and the foot-races of girls form the female counterpart of the male Olympic games. The political concord in the region is divinely sanctioned by Hera, the queen and wife of the divine king. In a remarkable parallelism, the wife of the heroic king is supposed to have founded the Heraia. The memory of this act is reflected in one of the two choruses organised by the Sixteen Women being called Hippodameia, whereas the second one is related to Physcoa, supposed to be a local lover of Dionysus,57 whose cult was closely related to the koilē Elis.58

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Scheid/Svenbro 2003, 17–20, 30. On Physcoa and her chorus, see Calame 1977, 210–211; Calame 1995, 216; Schlesier 2002, 169–174. Paus. 6,26,1: θεῶν δὲ ἐν τοῖς μάλιστα Διόνυσον σέβουσιν Ἠλεῖοι (…). Cf. Bultrighini 1990, 167: “l’inserimento successivo – o meglio intrusione – dell’eroina elea Fiscoa nel rituale della duplice danza corale

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V. Foot-races for girls The questions left open by the text of Pausanias are the nature of the ritual, the identity of the girls competing at the Heraia, as well as the origin of the competition and the time of its performance. Two main options have been adopted by scholars concerning the nature of the ritual. The first tends to consider the girl-races as the female athletic counterpart of the Olympia for male competitors and highlights the “sportive” element in the Heraia. The second interpretation is based on the framewrok of “initiation” and sees the specific costume of the girls as a sign of liminal inversion, since it should be assimilated to the work-shirt of male soldiers and workers.59 Moreover, the distribution of the girls in three different groups according to their respective ages has been considered as supporting the idea of a “coming of age” ceremony in the same vein as the Arkteia in honour of the Brauronian Artemis.60 Regarding the identity of the girls, the “Panhellenic” view implies that they came from the whole Greek world, while the local framework locates them in Elis, or just around the city. The origin of the Heraia is even more debated, echoing in variable proportions these two trends of interpretation: some consider that the Heraia are an early initiation ritual transformed in a Panhellenic contest in the sixth century BCE; others see in these female contests something completely new added to the Olympic festival calendar during the Roman period, with an audience more or less extended to include female participation. Conversely, “initiation” can be seen as a good paradigm for understanding the Heraia from the archaic to the Roman period. Finally, the date of the quadrennial festival for Hera has been placed before or after the Olympic games, in a more or less close connection with them according to the nature attributed to the contest: in the Panhellenic perspective, girls and maidens attending the Olympics might have run in the Heraia just before or after the games for the men; in the local perspective, the festival can theoretically be held at any time. All these issues have been extensively debated for decades, but none of them can be grasped with a degree of certainty sufficient to ensure clear and final answers.61 Nevertheless, some elements can be gathered here and set within the mythical background of the “politics of Olympus” reconstructed in the previous parts of this paper. I am perfectly conscious of the risk of only adding another layer to an ongoing debate, but I hope to illuminate it by taking seriously into account the aetiologies of the Heraia in the Elean context of the “making of Olympia”. There are different chronological layers in the narratives concerning Hera at Olympia as transmitted by Pausanias: the marriage of Pelops and Hippodameia, the “synoikismos” of king Oxylus, the reconciliation with Pisa after the dead of Damo-

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esprime una unione cultuale delle due regioni, realizzata in concreto mediante appropriazione e incorporazione da parte elea del bagaglio mitico della zona periecica.” This is the interpretation of Serwint 1993. E. g. Serwint 1993. The depictions on the Brauronian krateriskoi show girls of different ages. On this point, see Sourvinou-Inwood 1988, 31–66. See the synthesis and discussion in Scanlon 2008.

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phon. Myth and history remain inextricable in these stories but they all emphasise the intertwined notions of union, conciliation, stabilisation and coherence, whether between husband and wife in a marriage or between various regional communities in political life. How to understand the Heraia in this context? First, the regional dimension of the second aetiological story is a strong argument in favour of the regional dimension of the girl-races: the mediation of local women in a regional conflict logically entails the organisation of athletic contests between girls coming from their respective cities or settlements in the different regions under Elean control. Even the foundation of the Heraion by Scilloutian people could be a tradition echoing this background.62 Moreover, the other aetiology, projected in a remote past when Hippodameia and Pelops were supposed to live, is closely related to marriage. This is not a Panhellenic concern, but a local one, as attested also by the choruses of Hippodameia herself, the daughter of the local king of Pisa, and of Physcoa, the Dionysiac heroine from Elis.63 The latter argument is not compelling since Panhellenic games have frequently developed aetiologies centred on local heroes, such as Opheltes at Nemea.64 However, in other cases, such as at Isthmia, Palaimon had a Panhellenic flavour since he was the immortal side of Melicertes, the son of InoLeucothea, and, in Delphi, the killing of the snake Python was a divine struggle, just like the race between Zeus and Cronos for the control of Olympia. The regional perspective in the aetiology of the Sixteen Women and the matrimonial concern of Hippodameia’s thanksgiving support each other and argue in favour of a regional contest. Finally, if the Heraia were strictly the female equivalent of the Olympia, some information about victorious girls, among the large amount of evidence about male Olympic victors, would be expected to have surfaced in their respective Greek cities. The only supposed evidence is related to the manuscript Parisinus gr. 1410 P of Pausanias’ Book 6, dated to the end of the sixteenth century. A marginal comment to the passage in 16,2 about the Heraia refers to an inscription which the scholiast claimed to have been seen in Patras. He quotes the text mentioning the victory of one Nikagora “at the race of the virgins” (τὸν τῶν παρθένων δρόμον), but nothing is said of where this took place.65 The commentator wanted to make a link between the inscription and the passage of Pausanias about the Olympian Heraia.66 However, the lack of any location specifying where the race was won is puzzling, if the text supposed to be displayed in Patras referred to an Olympic context, rather than a local one. Another inscription, found at Delphi, is more interesting. An inscribed statuebase dated to AD 47 records victories by three girls, daughters of a certain Hermesianax, 62 63 64 65 66

See above p. 192. On Physcoa and her chorus, see Calame 1977, 210–211; Calame 1995, 216; Schlesier 2002, 169–174. Bakch. Ep. 9,10–20 (Nemean games in honour of Archemoros/Opheltes); Paus. 2,15,2–3 (Opheltes’ tomb in the sanctuary). Cf. Gantz 1993, 510–511. Cf. Casevitz et al. 1999, 201 (ad 5,16,2): the author of the scholion could be the copyist Michel Souliardos himself, at the end of the sixteenth century, or the archbishop of Caesarea Arethas († ca. 935) who reveals his identity in an other scholion of the same manuscript. This is the main argument of Arrigoni 1985, 109–110.

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citizen of Caisarea Tralles as well as of Athens and Delphi.67 They won several competitions in contests for girls (various races) and boys (kithara-singing) in many Greek sanctuaries (Delphi, Isthmia, Nemea, Sikyon, Athens, Epidauros). Yet here we find not a single word of the Heraia at Olympia, supposed to be the model par excellence of female races in the Greco-Roman world.68 On a mythical level, we are told by Pausanias that one of the winners of the girls’ race was Chloris, the only surviving daughter of Niobe and Amphion, the king of Thebes.69 The narrative has been taken as supporting the Panhellenic dimension of the Heraia.70 However, the familial background of Chloris indicates her personal connection with Elis and its neighbourhood: Niobe is Pelops’ sister and, accordingly, Chloris is his niece.71 Another claim in favour of a strict Panhellenic parallel between the Olympia and the Heraia has been supported by the absence of any cult of Hera in Elis.72 If the girls’ races were a locally embedded initiation ritual, so the argument goes, the contest would be expected to have been held in the city itself and not in the Panhellenic sanctuary. But Elis made Olympia its own prestigious extra-urban sanctuary, with a bouleuterion, a prytaneion, and the cult of (Zeus) Sosipolis performed by girls and women only.73 Moreover, if the Elean tradition regarding the Heraion as a Triphylian foundation is reliable, it could be a sign that Hera’s cult was considered to be connected with the area south of the river Alpheios, more than with Elis itself.74 Therefore, all the celebrations at Olympia did not necessarily entail a Panhellenic attendance. Regional participation in the Heraia could perfectly find a place here, as early as the sixth century BCE, when Elis progressively extended its authority on this part of the Peloponnese. However, the chronological aspect of this dossier remains as allusive as the exact nature of the ritual.

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Syll.3 802. So Scanlon 2008, 196: “The Heraia was probably an event that lasted for seven centuries, may have inspired other Panhellenic contests for girls in the Roman era …” Paus. 6,16,4. Cf. Kõiv 2013, 348–349 for the various “pedigrees” of Chloris. Scanlon 2008, 180. Gantz 1994, 536–537. Scanlon 2008, 179–180. Paus. 6,20,2. According to Pausanias (6,23,3), the women of Elis celebrated Achilles during a night at the beginning of the panegyris, by which he probably means the Olympic contests. The significance of the female lamentation in honour of the Achaean hero escapes us but something similar seems to have occurred in the sanctuary of Hera at Croton in Magna Grecia (= Lykophr. 856–861 with Sch. Lykophr. ad loc.). An obscure verse of Lycophron (v. 610) refers to the cult-title Hoplosmia and the scholion ad loc. (ed. Erbse) attributes it to Hera “honoured in Elis of the Peloponnese and of Triphylia” (Ὁπλοσμία: ἐπίθετον Ἥρας τιμωμένης ἐν Ἤλιδι Πελοποννήσου καὶ Τριφυλίας), as well as to Athena ἐν Ἤλιδι τῆς Πελοποννήσου, without any mention of Triphylia this time. The region was in close relationship with Arcadia, where the river Alpheios came from. The Arcadian border town crossed by the river was the city of Heraia, where Pausanias saw a temple of the goddess in ruins (8,26,2). He considers that the toponym comes from Heraios, one of the sons of Lykaios (Paus. 8,26,1), but it is more probably related to Hera, who could have been the tutelary deity of the city (Jost 1985, 358). Unfortunately, concrete elements of a connection between a possible “Triphylian” Hera and the Arcadian goddess are missing.

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VI. Conclusion The archaic story of Olympia is full of uncertainties. Combining mute archaeology with narrative traditions conveyed by Pausanias during the Roman period can be considered as a venturesome enterprise with hazy chronological boundaries. However, while scattered pieces of information have little evidential value as such, their combination may start to provide meaning. These elements are the Elean control of Olympia in early sixth century BCE, the thorough reorganisation of the sanctuary from this date to the mid-fifth century BCE, and the mythic traditions woven in an Elean perspective. The interpretative ‘model’ emerging from such a combination meets expectations of coherence and historical relevance, while remaining conscious that certainties definitively escape us. As proposed here, an “Olympian” reading of Olympia is a way of understanding the place of the sanctuary between its regional setting – a place where girls would gather every four years to run in honour of Hera, – and its Panhellenic one – a place where athletes from various Greek cities would converge according to the same periodicity but probably not at the same time. Participation in the Olympic contests was “Panhellenic” as early as the archaic period, but the architectural development of the sanctuary could have been an Elean initiative, progressively implemented between the early sixth century BCE and the end of the fifth. “Pisa” became Olympia and the sanctuary was transformed into a mirror of the “Olympian dwellings”, confirming Zeus as the Olympian god and the master of the place. In this perspective, the city of Elis embedded Olympia within different ritual frameworks and various narratives. From a Panhellenic point of view, Olympia hosted male athletes from everywhere in Greece and was considered as the place where Zeus struggled for sovereignty. Olympia was at the same time the extra-urban sanctuary of the Eleans, who implanted some of their civic institutions there, such as the prytaneion and the bouleuterion; they organised female races in honour of Hera in the stadium of the Altis, involving girls coming from neighbouring regions; they also honoured an infant version of Zeus as the “saviour of the city” (Sosipolis), who was nursed by women and girls next to the Cronion; and they made Pelops their own hero, through his marriage with the daughter of a local king. The “politics of Olympus in Olympia” may thus have been a major Elean achievement, striking a balance between Panhellenic, regional and local references.

Bibliography Arrigoni, G. 1985: Le donne in Grecia, Roma/Bari. Barringer, J. 2005: The Temple of Zeus at Olympia, Heroes, and Athletes, Hesperia 74, 211–241. Bultrighini, U. 1990: Pausania e le tradizioni democratiche. Argo ed Elide, Padova. Calame, C. 1977: Les Chœurs de jeunes filles en Grèce archaïque I. Morphologie, fonction religieuse et sociale, Rome.

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Die Statuenausstattung des Heraion von Olympia Museum für Bildungsreisende oder Rahmen für Kulte von Frauen? Tonio Hölscher

I. Bildwerke im Tempel der Hera: Rekonstruktion der Aufstellung Pausanias überliefert in seiner bekannten Beschreibung des Hera-Tempels von Olympia ein Bild dieses Kultbaues, das in dieser Form in der Antike einzigartig ist: Der Bau barg außer den Kultbildern der Hera und des Zeus eine große Zahl von weiteren Bildwerken, teils Einzelfiguren teils Gruppen, die offenbar zwischen den Säulen im Inneren der Cella angeordnet standen.1 Die Ausgräber fanden noch den berühmten Hermes mit dem Dionysos-Kind in der dritten Nische der Nordseite, vom Eingang her gezählt. Nach der Beschreibung des Pausanias ist eine Rekonstruktion der Anordnung möglich, die zwar nicht in allen Punkten sicher ist, aber wohl im Wesentlichen zutrifft (Abb. 1).2 Die Beschreibung beginnt im Westen bei den Kultbildern: Hera auf einem Thron sitzend, Zeus offenbar stehend, bärtig und mit Helm.3 Von dort schreitet Pausanias grundsätzlich nach Osten, zum Eingang hin, fort. Zunächst wird eine Gruppe von Horen auf Thronen, ein Werk des archaischen Bildhauers Smilis von Aigina, 1

2 3

Paus. 5,17,1–4. Zu dem gesamten Passus des Pausanias s. den ausgezeichneten Kommentar von Maddoli/Saladino 1995, 289–292. Vgl. auch Frazer 1898, 584–600; Hitzig/Blümner 1901, 385–395. – Auf die These von Moustaka, der als Heraion bekannte Tempel sei zunächst für Zeus errichtet und erst im 5. Jahrhundert auf Hera umgewidmet worden, gehe ich hier nicht ein, da die Bildausstattung, um die es hier zunächst geht, auf jeden Fall später ist. Moustaka 2002a; Moustaka 2002b. Ich halte an der Zuweisung an Hera fest, vgl. Scanlon 2008, bes. 169–175. Hera erhält als weibliche Gottheit schon früh ein Haus, in dem ihr Gemahl einwohnt; Zeus selbst wird als Gott des Himmels und des Wetters lange Zeit im Freien verehrt. Wernicke 1894; Arafat 1995; Krumeich 2008; Hupfloher 2011. Ich lasse an dieser Stelle die Diskussion um den bekannten monumentalen Kalkstein-Kopf beiseite, der vielfach auf das Kultbild der Hera bezogen wurde. Die Zuweisung ist m. E. zu Recht kritisiert worden: zum einen, weil die erhaltenen Fundamente der Basis nicht ausreichen, um ein Sitzbild von der Größe aufzunehmen, die nach den Maßen des Kopfes vorauszusetzen wäre; zum anderen, weil der Kopf Asymmetrien und den Ansatz einer Ranke über dem linken Ohr aufweist, die eher auf ein Hochrelief deuten: Kent Hill 1944; Sinn 1984. Dem entspricht, dass die Proportionen deutlich von rundplastischen Köpfen abweichen: Die Tiefe vom äußeren Augenwinkel zum Ohr ist viel geringer als bei rundplastischen Kouroi und Koren. M. E. ist die Aussage des Pausanias (Paus. 5,17,3), dass alle bisher von ihm genannten Bildwerke im Heraion aus Gold und Elfenbein gearbeitet seien, auch auf die Kultbilder von Zeus und Hera zu beziehen. So auch Kent Hill 1944, pass.; Lapatin 2001, 56–57.

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Abb. 1: Rekonstruktion der Cella des Hera-Tempels nach Pausanias

genannt, die also an erster Stelle im Westen gestanden haben muss. Das Material, wahrscheinlich Gold und Elfenbein (Paus. 5,17,3), sowie die Herkunft aus einer größeren Komposition lassen an eine unterlebensgroße Gruppe denken, die deswegen in einem einzigen Intercolumnium Platz gehabt haben kann. Im Folgenden wird davon ausgegangen (was allerdings nicht ganz sicher ist, möglicherweise ist die Anordnung hier spiegelbildlich umzudrehen), dass Pausanias mit der Beschreibung aus seiner Blickrichtung auf der linken Seite beginnt; dann standen die Horen im ersten Intercolumnium im Süden (Süd 1). „Daneben“ (parà), das heißt auf derselben Seite, folgt ein Bild der Themis, der Mutter der Horen, von Dorykleidas aus Sparta, ebenfalls aus archaischer Zeit. Da die Mutter Themis stehend, die Horen thronend dargestellt waren, können sie nicht ursprünglich eine Gruppe gebildet haben (die unterschiedlichen Künstler müssten nicht unbedingt dagegen sprechen), sondern müssen erst für

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das Heraion zusammengestellt worden sein. Aus dem Kontext kann gefolgert werden, dass Themis nicht zusammen mit den Horen in demselben, sondern in dem folgenden Intercolumnium (Süd 2) aufgestellt war.4 Anschließend wird eine Gruppe der fünf Hesperiden aus Zedernholz aufgeführt, ein Werk des archaischen Bildhauers Theokles aus Sparta, sowie ein Bild der Athena aus Zedernholz, mit Goldblech verkleidet, von Medon, einem Bruder des bereits genannten Dorykleidas. Die Hesperiden hatten ursprünglich zu einer umfangreichen Figurengruppe gehört, was zusammen mit dem Material Zedernholz wieder auf unterlebensgroße Bildwerke weisen könnte, die in einem einzigen Intercolumnium standen. Das Standbild der Athena, von einem anderen Bildhauer, steht mit ihnen in keinem engen Zusammenhang, es wird in dem anschließenden Intercolumnium gestanden haben. Dabei kann es sich nicht um die Intercolumnien nach dem Bild der Themis (Süd 3 und 4) gehandelt haben, da sonst die folgenden Paare von einander gegenüberstehenden Gottheiten keinen Platz mehr finden würden. Darum müssen sie in den beiden Intercolumnien (Nord 1 und 2) gegenüber den Horen und Themis aufgestellt gewesen sein. Dieser Schluss wird durch die Symmetrie der Aufstellung bestätigt: Zunächst die Gruppen der Horen und Hesperiden, dann die Einzelfiguren von Themis und Athena. Die Hesperiden und Athena waren aus größeren Kompositionen der archaischen Zeit entnommen und in das Heraion transferiert worden: Das spricht für unterlebensgroßes Format. Dasselbe dürfte auch für die übrigen Bildwerke in den westlichen Intercolumnien aus Gold und Elfenbein gelten, entsprechend den Bildwerken in dieser Technik in Delphi.5 Als nächste Figuren werden zwei Paare von Gottheiten beschrieben, die in den nächsten beiden Intercolumnien (Süd 3 und 4, Nord 3 und 4) gestanden haben müssen: Kore und Demeter, beide sitzend, sowie Apollon und Artemis, offenbar stehend, alle ebenfalls aus Elfenbein und Gold. Kore und Demeter waren apantikrý, in gegenüberliegenden Intercolumnien, aufgestellt; entsprechend wird Apollon gegenüber, enántios, seiner Schwester Artemis beschrieben.6 Auf diese Weise ist die Symmetrie von Nord- und Südseite weiterhin gewahrt. Ob Pausanias mit der Abfolge der paarweisen Namen Aufstellung im Süden bzw. Norden bezeichnet, ist nicht sicher. Es würde allerdings Sinn machen, Apollon und Dionysos (s. unten) wegen ihrer Verwandtschaft nebeneinander zu stellen; wenn sie auf der Nordseite standen, waren die wenigen männlichen Gestalten auf dieser Seite versammelt: wahrscheinlich der Zeus in der Kultbildgruppe, mit Sicherheit Hermes mit dem kleinen Dionysos im anschließenden Intercolumnium (Nord 6). Theoretisch ist allerdings in diesen Inter4 5

6

Horen des Smilis: Lapatin 2001, 43–44. Die Zahl der Horen ist nicht bekannt, in der Forschung werden zwei bis vier Figuren angenommen. – Themis des Dorykleidas: Shapiro 1993, 216–217; Lapatin 2001; Raming 2001, 193. Hesperiden des Theokles und Athena des Medon: Kent Hill 1944, 354–356; Lapatin 2001, 43–44. – Wernicke 1894, 106–107 setzt die Athena auf die Südseite. Das ist problematisch, weil sie bei Paus. 5,17,2 unmittelbar auf die Hesperiden folgend genannt ist und 6,19,12 sogar parà tàs Hesperídas aufgeführt wird. Beide Paare auf gleicher Höhe in den Intercolumnien links und rechts einander gegenüber aufgestellt: Maddoli/Saladino 1995, 291 gegen Wernicke 1894, 106–107.

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columnien (Nord 4 und 5, Süd 4 und 5) wieder auch spiegelbildliche Umkehrung möglich. Danach werden vier Figuren genannt, deren Aufstellung aus dem Text schwer zu erkennen ist: Leto, Tyche, Dionysos und Nike. Nach Pausanias waren sie ebenfalls aus Gold und Elfenbein gearbeitet, die Künstler konnte er nicht ermitteln. Ihre genaue Anordnung kann allenfalls aus dem Kontext begründet werden. Als nächster sicherer Punkt ist der Standort des Hermes mit dem Dionysos-Kind durch die Ausgrabung in dem übernächsten Intercolumnium im Norden (Nord 6) bezeugt.7 Im Anschluss daran nennt Pausanias eine Aphrodite des Bildhauers Kleon, aus dem 4. Jahrhundert, zu deren Füßen ein nackter Knabe (vielleicht Eros?) von dem hellenistischen Bildhauer Boethos aus Karthago saß.8 Danach werden Standbilder der makedonischen Königinnen Eurydike, Gemahlin Amyntas‘ III., und anscheinend (Lücke!) Olympias, Gemahlin Philipps II. und Mutter Alexanders des Großen genannt.9 Da in dem Imtercolumnium neben dem Hermes eine römische Frauenstatue des mittleren 1. Jahrhunderts n. Chr. stand (Nord 7), die bei Pausanias nicht erwähnt ist, und die makedonischen Königinnen nicht nach der Römerin folgen können, müssen die drei Bildwerke auf der gegenüberliegenden Seite gestanden haben: Aphrodite und der Knabe direkt gegenüber Hermes und Dionysos (Süd 6), anschließend Eurydike (Süd 7) und Olympias (Süd 8). Ihnen gegenüber kann dann neben der aufgefundenen Römerin eine zweite Römerin vermutet werden. Für die vier zuvor genannten Figuren von Leto, Tyche, Dionysos und Nike bleiben die Intercolumnien Süd 5 und Nord 5. Bei der Verteilung wird man versuchen, die Reihenfolge der Aufzählung bei Pausanias zu berücksichtigen (für die es keine andere als die topographische Erklärung gibt). Das würde heißen, dass Leto und Tyche sowie Dionysos und Nike zueinander in Bezug gesetzt waren. Doch hier ist wohl über Vermutungen nicht hinauszukommen. Erst in römischer, neronischer oder frühflavischer Zeit wurde dann das vorletzte Intercolumnium der Nordseite (Nord 7) mit einer weiblichen Porträtstatue aus Marmor besetzt, offenbar einer Priesterin.10 Ob das letzte Intercolumnium (Nord 8) mit einem weiteren Standbild ausgestattet wurde oder etwa seit früherer Zeit mit einem größeren Votivgeschenk besetzt war, etwa der Kypselos-Lade,11 ist nicht mehr zu klären.12 7 8 9 10 11 12

Zum Fundort der Basis s. Treu 1897, 194 mit Abb. 224. – Auf die Frage der Zuweisung an den Praxiteles des 4. Jahrhunderts v. Chr. gehe ich hier nicht ein. Ich halte diese Zuweisung für die einzig überzeugende Lösung. Aphrodite des Kleon: Hallof et al. 2014a. – Knabe des Boethos: Hallof et al. 2014b. Zum Problem der Deutung als Eros s. unten Anm. 25. Zur Lücke und der Ergänzung der Olympias s. Maddoli/Saladino 1995, 292. Römische weibliche Gewandstatue aus der Cella: Treu 1897, 259, Taf. 63, 6; 64, 1–2; Krumeich 2008, 83–84; Bol 2008, 155. Zum unterschiedlich überlieferten Standort der Kypselos-Lade s. Arafat 1995, 465. Die von Pausanias genannten Standbilder – zusammen mit einigen weiteren berühmten Schaustücken wie der Kypselos-Lade, dem Kult-Tisch des Kolotes, dem Diskos des Iphitos und der Miniatur-Kline der Hippodameia – stellen nach seiner eigenen Aussage (Paus. 5,16,1) eine Auswahl von Objekten dar, die ihm besonders der Beschreibung wert schienen. Das wird dadurch bestätigt, dass er die Statue der Römerin nicht nennt, die zu seiner Zeit in der Cella gestanden haben muss. Die hier vorgelegte Re-

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Für vier dieser Werke bezeugt Pausanias ausdrücklich, dass sie ursprünglich an einem anderen Ort gestanden und dort zum Teil zu größeren Gruppen von Bildwerken gehört hatten. Die Hesperiden des Theokles waren ursprünglich Teil einer umfangreichen Gruppe von Bildern aus Zedernholz im Schatzhaus von Epidamnos aus der Zeit um 540–30 v. Chr. gewesen (Paus. 6,19,8), die den Besuch des Herakles bei Atlas darstellte. Während die männlichen Protagonisten im Schatzhaus verblieben, wurden die Töchter des Atlas in den Tempel der Hera überführt. Das ebenfalls archaische Bild der Athena des Medon war aus einer Gruppe des Kampfes von Herakles und Acheloos im Schatzhaus von Megara in das Heraion überführt worden (Paus. 6,19,12).13 Hinzu kamen zwei Porträtstatuen makedonischer Herrscherinnen, Eurydike und Olympias, Mutter und Gemahlin Philipps II., aus Gold und Elfenbein, die aus dem Philippeion hierher versetzt worden waren. Dort waren sie Teil einer dynastischen Gruppe der makedonischen Dynastie gewesen, von der die Bildnisstatuen Amyntas’ II., Philipps II. und Alexanders des Großen am ursprünglichen Ort verblieben.14 Der Schluss liegt nahe, dass auch die übrigen Bildwerke im Hera-Tempel, wie Pausanias sie gesehen und beschrieben hat, erst für eine sekundäre Ausstattung dorthin gebracht worden sind. Bei der Statue der Aphrodite und der Knabenfigur des Boethos ist die erst sekundäre Zusammenstellung daran erkennbar, dass die Göttin aus einfacher Bronze bestand, der Knabe dagegen vergoldet war. Die denkbare Vermutung, dass einige der übrigen Werke, möglicherweise mit weiteren, nicht genannten Statuen, bereits ursprünglich als Weihgeschenke im Heraion gestanden hatten, ist nicht zu belegen; falls das zuträfe, so sind jedenfalls die bei Pausanias genannten Figuren bewusst für die Neuausstattung ausgewählt und zusammen mit den transferierten Werken nach einem ‚Programm‘ neu aufgestellt worden.15 Zu welcher Zeit diese neue Konzeption realisiert wurde, ist nur in weitem Rahmen zu bestimmen. Grundsätzlich hat man schon früh aus der Kohärenz des ‚Programms‘ auf eine einheitliche Maßnahme geschlossen. Zwar meint Pausanias (6,17,3), die Werke im Westen aus Marmor und Bronze seien später hinzugefügt worden, aber das kann er aus deren jüngerer Entstehungszeit geschlossen haben. Die genauere Interpretation ergibt ein so dichtes Netz von formalen und inhaltlichen Bezügen, dass ein kohärentes Konzept zugrunde zu liegen scheint; bei sukzessiver Aufstellung müss-

13

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konstruktion beruht auf der Voraussetzung, dass die von ihm als wichtig ausgewählten Werke sämtlich in den Intercolumnien standen. Sicher ist das bei der Gruppe von Hermes und Dionysos; auch die Aufstellung von Demeter – Kore und Artemis – Apollon „apantikry“ kann kaum anders verstanden werden, s. oben Anm. 6. Zu den von Pausanias unterschiedlich beschriebenen Materialien, Zedernholz für die in den Schatzhäusern verbliebenen, Elfenbein für die in das Heraion transferierten Figuren, s. Kent Hill 1944, 354–356, die eine Verbindung der Werkstoffe plausibel macht. Denkbar wäre aber auch eine Differenzierung nach dem Geschlecht: Weißes Elfenbein für die ins Heraion gebrachten weiblichen Figuren, dunkleres Zedernholz für die zurückgelassenen männlichen Figuren in den Schatzhäusern. S. zu dieser Gruppe Schultz 2007, 205–233. Standbilder z. T. ursprünglich zur Ausstattung des Tempels gehörig, zusammen mit weiteren, nicht genannten Bildwerken: Krumeich 2008, 82.

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ten die später hinzugefügten Figuren jedenfalls das ursprüngliche Programm sinnvoll weitergeführt haben.16 Für die Versetzung der Hesperiden nennt Pausanias (6,19,8) die Eleier als Akteure: Das wird man auf die ganze Aktion übertragen können. Für den Zeitpunkt der Versetzung ergibt sich ein terminus post quem aus den makedonischen Herrscherinnen: Das Philippeion muss zum Zeitpunkt der Versetzung seine Bedeutung als politisches Denkmal verloren gehabt haben. Das dürfte kaum vor der Eroberung Makedoniens durch Rom 146 v. Chr. der Fall gewesen sein. Ein weiteres Indiz kann daraus gewonnen werden, dass die Gruppe des Hermes mit dem Dionysos-Kind bei der Neuaufstellung auf einen neuen Sockel gestellt wurde, der nach seinen Profilen in das 1. Jahrhundert v. Chr. datiert wird. Plausibel wurde die Neuordnung mit einer wahrscheinlich frühkaiserzeitlichen Restauration des Heraion verbunden, bei der in der Cella die Pilaster hinter den Säulen abgearbeitet und die Wand mit einer einheitlichen Stuckschicht überzogen wurde. Durch diese Eliminierung von Zäsuren erhielten die Bildwerke eine übergreifende visuelle Kohärenz. Ein terminus post quem non ist jedenfalls mit der erhaltenen weiblichen Porträtstatue aus der Mitte oder dem 3. Viertel des 1. Jahrhunderts n. Chr. gegeben, die bei den ersten inneren Intercolumnien gefunden wurde. Man könnte spekulieren, ob diese hohe Ehre jener Priesterin zuteil wurde, unter deren Leitung die Ausstattung des Heraion vorgenommen worden war.17 II. Das Bildprogramm des Heraion und der Kult der Hera: eine Welt der Mädchen und Frauen Über Sinn und Zweck dieser Unterbringung von Bildwerken im Hera-Tempel sind viele Vermutungen angestellt worden. Im Vordergrund standen zwei Erklärungen, die einander nicht ausschließen: zum einen Schutz von besonders wertvollen und empfindlichen Bildwerken an einem sicheren Ort; zum anderen Zusammenführung und ‚museale‘ Ausstellung in einem gemeinsamen Raum für die steigende Zahl gebildeter und an alter Kunst interessierter Besucher des Heiligtums. In diesem Sinn wäre das Heraion in Olympia mit seiner sekundären Ausstattung ein bedeutender Schritt in der Geschichte der Denkmalpflege und des Museums gewesen. Bei dieser Interpretation wird oft komplementär impliziert, dass mit der Umfunktionierung des Tempels zum Museum die alte religiöse Funktion als Kultbau weitgehend verloren gegangen sei.18 Beide Erklärungen sind nicht überzeugend. Weder Schutz noch museale Ausstellung ergeben eine Begründung dafür, dass einzelne Bildwerke aus größeren Grup16 17 18

Einheitliche Maßnahme: Wernicke 1894, 109; Krumeich 2008, 82 Anm. 54 mit Erklärung zu Paus. 5,17,3. Zum Zeitpunkt der Neuausstattung s. Krumeich 2008, 81–82. – Basis des Hermes: Jacob-Felsch 1969, 93, 175 Kat. II 45; Schmidt 1995, 406–407 Kat. IV.2.33; Krumeich 2008, 79. – Römische weibliche Gewandstatue aus der Cella: oben Anm. 10. – Restaurierung des Heraion: Mallwitz 1966, bes. 325–329. Schutz und Denkmalpflege, museale Aufstellung und Verlust der religiösen Funktion: Arafat 1995, pass. Weitere Belege bei Krumeich 2008, 75 Anm. 9.

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penkompositionen herausgerissen und an einem neuen Ort aufgestellt wurden. Die Vermutung, dass die zurückgelassenen Werke bereits beschädigt und nicht mehr der ‚Ausstellung‘ wert gewesen seien, ist völlig unbegründet; bei Pausanias, der nicht nur die neu aufgestellten, sondern auch die zurückgebliebenen Bildwerke beschreibt, ist jedenfalls nicht davon die Rede. Auch als Werke der ‚Kunst‘ waren die zurückgelassenen Werke gewiss nicht weniger wertvoll als die transferierten, und jedenfalls hätte es nicht viel Sinn gemacht, eine museale Aufstellung von Bildwerken durch Auflösung und Zerstörung ihrer ursprünglichen Komposition zu bewerkstelligen. Einen Schritt in eine neue Richtung haben Ralf Krumeich und unabhängig von ihm Annette Hupfloher getan, die neben den genannten Erklärungen auf inhaltliche Bedeutungen der Bildwerke hingewiesen haben, die den Bau nicht als Museum, sondern als zentralen repräsentativen Kultort ausweisen. Der Tempel habe museale Züge, doch als Museum in modernen Sinn könne er nicht bezeichnet werden und von einer Reduzierung oder gar Aufhebung der kultischen Funktion könne keine Rede sein.19 In diese Richtung kann man noch einen Schritt weiter und grundsätzlicher gehen. Museen im heutigen Sinn des Wortes, als Räume der ‚Kunst‘ im heutigen Sinn, hat es in der Antike nicht gegeben. Das Museum der Moderne ist ein Raum der ‚Bildung‘, herausgeschnitten und isoliert aus der weiteren Welt der sozialen Praxis, bestimmt zur reinen, ästhetischen oder intellektuellen Betrachtung der darin versammelten Objekte. Diese Werke der ‚Kunst‘ sind ihrerseits Zeugnisse reiner ‚Kreativität‘ oder historischer ‚Bedeutung‘, sie sind ihren konkreten sozialen Funktionen entzogen bzw. von vornherein enthoben, und werden von den Betrachtern mit der eigenen aktiven Kraft ästhetischen oder kulturellen Verstehens angeeignet. In der Antike dagegen, der griechischen wie der römischen, waren alle Bildwerke immer in die sozialen Räume und Handlungen eingebunden. Dort übten sie ihre Wirkung aus, dort stellten sie Faktoren des sozialen Lebens dar: als Kultbilder in den Tempeln, als Weihgeschenke an die Götter, als öffentliche Ehrenstatuen für verdiente Personen, als Repräsentationen der Toten, durchweg als handlungsleitende Referenzgrößen für die soziale Praxis in ihren verschiedenen Bereichen.20 Man wird daher fragen, ob das nicht auch für die Bildwerke im Hera-Tempel von Olympia gilt. Denn auch hier handelt es sich nicht um einen neutralen Raum der ‚Bildung‘. Ich will hier nicht die Frage aufwerfen, ob es in der Antike überhaupt die Vorstellung von ‚Bildung‘ im modernen abstrahierenden Sinn gegeben hat – jedenfalls war der Besuch eines antiken Heiligtums immer in erster Linie ein Eintritt in einen religiösen Bereich, der als solcher ein Ort der sozialen und kulturellen Praxis war. Dasselbe gilt auch für andere Tempel mit einer Ausstattung von berühmten

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Krumeich 2008, 77–86, pass.; Hupfloher 2011, pass. (offenbar ohne Kenntnis des Aufsatzes von Krumeich). Hölscher 1989, 327–333; Hölscher 1990, 73–84; Hölscher 2015a, 19–22, 205–214; Schalles 2004; Bravi 2014, 5–9, pass. Anders Tanner 2006, 205–334.

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Bildwerken und historischen Objekten, wie den der Athena von Lindos und den der Concordia in Rom, die ebenfalls unzutreffend als „Museen“ verstanden wurden.21 Ein Blick aus die Gesamtheit der Bildwerke, die im Hera-Tempel von Olympia versammelt waren, lässt einige Grundzüge erkennen, die nicht auf Konzepte von ‚Museum‘ und ‚Kunst‘ weisen, sondern ganz anderen Intentionen folgen. Zum ersten: Alle Figuren, bis auf die makedonischen Herrscherinnen, stellen göttliche oder halbgöttliche Wesen dar. Das weist angesichts des großen Anteils an Menschenbildern in der antiken Bilderwelt auf eine bewusste thematische Selektion. Zum zweiten: Keine der dargestellten Figuren oder Gruppen erscheint mehr als ein Mal. Das ist auffallend angesichts der Tatsache, dass es sich um Gestalten handelt, die im Repertoire der griechischen Bildkunst mit sehr verschiedener Häufigkeit vorhanden sind: teils sehr häufig, etwa Athena, Demeter oder Aphrodite, teils in begrenzter Zahl, etwa die Apollinische Trias oder Hermes mit dem Dionysos-Kind oder die Horen, teils sehr selten, wie etwa die Hesperiden oder Themis. Jedes Museum mittelalterlicher und neuzeitlicher Kunst zeigt, dass bei einer Auswahl nach rein künstlerischen Kriterien die Hauptthemen wie die Geburt, Taufe, Kreuzigung und Himmelfahrt Christi vielfach vertreten sind, während ausgefallene Themen wie die Episoden aus dem Leben lokaler Heiliger nur selten und zufällig zu sehen sind. Darum ist im Heraion von Olympia die Aufstellung von je einem Bild der betreffenden Gestalten oder Gruppen ein starkes Indiz dafür, dass die Auswahl nicht auf künstlerischer Qualität, sondern auf einem thematischen Programm beruhte. Zum dritten: Die ausgewählten Standbilder füllen genau die zwölf Intercolumnien der inneren Säulenstellung. Es ging also nicht primär um den Schutz und die museale Präsentation der bedeutendsten Kunstwerke in und um Olympia, sondern um eine passende Ausstattung der Architektur. Schließlich, zum vierten: Die dargestellten Gestalten sind in der weit überwiegenden Zahl weiblich. Besonders auffällig ist dabei, dass es sich bei allen Figuren, die aus einer ursprünglich größeren Komposition herausgelöst und in das Heraion transferiert wurden, um die weiblichen Gestalten handelt, während die männlichen Gestalten zurückgelassen wurden. In einem Tempel für eine weibliche Gottheit kann das kaum ein Zufall sein.22 Das Heraion von Olympia war ein Kultort für Frauen und Mädchen. In unmittelbarer zeitlicher Nähe zu den großen Festspielen mit den Agonen der Männer wurde das Fest der Heraia gefeiert, bei dem Mädchen, parthenoi, in drei Altersklassen gegeneinander antraten. Ihre Tracht machte die sexuelle Bedeutung des Festes deutlich: Sie trugen die Haare offen und waren in einen kurzen Chiton gekleidet, der die rechte Brust frei ließ. Es war ein prä-nuptiales Ritual, das sich an die mythische Gestalt der Hippodameia, die Braut des Pelops, anschloss: Sie soll den Agon zum Dank an Hera für ihre Hochzeit begründet und zum ersten Mal zusammen mit sechzehn 21 22

Zum Athena-Tempel von Lindos und der Lindischen Chronik s. Krumeich 2008, 86–93 gegen Shaya 2005, 423–442. – Zum Tempel der Concordia s. unten Anm. 39. Auswahl von weiblichen Figuren bemerkt bei Arafat 1995, 471, der diesem Umstand kein großes Gewicht geben will; Krumeich 2008, 80–81 Anm. 41: „Ausschlaggebend … mag der Wunsch gewesen sein, Hera vor allem mit weiblichen Figuren zu ehren.“

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von ihr auserwählten Frauen veranstaltet haben. Nach einer zweiten, eher komplementären als alternativen Version waren in der Frühzeit nach dem Tod des Tyrannen Damophon sechzehn angesehene Frauen ausgewählt worden, die die Streitigkeiten in der Bevölkerung schlichten sollten (Paus. 5,16,2–5).23 Im Anschluss an diese mythischen Traditionen war in Olympia seit alter Zeit ein Kollegium von sechzehn vornehmen, anscheinend verheirateten Frauen für den Kult der Hera verantwortlich, die zunächst aus den sechzehn Städten, poleis, in späterer Zeit aus den acht Phylen von Elis gewählt wurden (Paus. 5,16,5–8). Diese Frauen, die aus den vornehmsten Familien stammten, wurden von sechzehn weiteren Frauen, offenbar von weniger hohem Rang, unterstützt. In Ansehen und Funktionen waren sie das weibliche Pendant zu den Hellanodiken. Die Aufgaben dieses Kollegiums waren vielfältig: Sie betreffen die zentralen religiös-sozialen Ordnungen von ganz Elis, und sie verbinden dabei die Stadt Elis mit dem großen extraurbanen Heiligtum von Olympia. Ihre hohe Bedeutung wird schon aus ihrem Amtssitz deutlich, der wie der der Hellanodiken an der Agora von Elis lag. Dort waren sie zuständig für den Kult des Dionysos in der Stadt Elis selbst und für den der Hera in Olympia: zwei Gottheiten, die offensichtlich eine komplementäre soziale Rolle in Elis spielten. Weiterhin waren sie tätig für den Kult des Achilleus in Elis und den der Hippodameia in Olympia: für die Archegeten der Jungkrieger und der jungen Bräute. Achill und Hippodameia sind Vertreter der männlichen und weiblichen Jugend, Zeus und Hera sind die Beschützer der jugendlichen wie der erwachsenen Männer und Frauen. Für die Hera von Olympia webten die sechzehn Frauen alle vier Jahre einen Peplos, den sie der Göttin beim Fest der Heraia darbrachten.24 Die Vermutung liegt nahe, dass die Bildwerke im Heraion bei ihrer sekundären Aufstellung für diese Funktion des Tempels ausgewählt wurden. Dass man für diese Auswahl einige Findigkeit und Entschlossenheit entwickelte, zeigt sich bereits auf den ersten Blick an mehreren Punkten: Zu der Gruppe der Horen suchte man ein Standbild ihrer Mutter Themis, von der es nicht viele Bilder gegeben haben dürfte, und für die Statue der Aphrodite des sikyonischen Bildhauers wählte man als Ergänzung ein Bild eines Knaben (Eros?) von dem karthagischen Bildhauer Boethos.25 Die 23

24 25

Zum Text des Pausanias s. den Kommentar von Maddoli/Saladino 1995, 282–289. – Zu den Wettläufen und ihrer religiös-sozialen Bedeutung s. Calame 1977, 67, 210–214; Arrigoni 1983, bes. 95–100; Angeli Bernardini 1988, 153–184; Th. Scanlon in zahlreichen Arbeiten, zuletzt Scanlon 2008; Scanlon 2014, 108–147; Serwint 1993, 403–422 (mit m. E. abwegiger Deutung der Tracht als Travestie in „männlicher“ Exomis: Wenn eine Frau den Busen entblößt, ist das ein Zeichen von Weiblichkeit); des Bouvrie 1995, 55–74; Dillon 1997; Dillon 2002, 131–132. – Bronzestatuetten laufender Mädchen in kurzem Chiton, z. T. mit offenem Busen: Herfort-Koch 1986, 27–29. – Konzentrierte Übersicht über den aktuellen Stand der Forschung zum Sport griechischer Mädchen und Frauen bei Scheer 2011, 106–110. Zum Kult der Hera und dem Kollegium der sechzehn Frauen s. Weniger 1883; Preisendanz 1936; Brelich 1969, 451–454; Calame 1977, 210–214; Serwint 1993, 418–419; Maddoli/Saladino 1995, 287–289; Cole 2004, 136–137; Hupfloher 2011, 237–247. – Kult der Hippodameia in Olympia: Paus. 6,20,7. Die öfters fragend ausgesprochene Deutung des Knaben auf Eros ist nur durch die Verbindung mit Aphrodite zu begründen. Kunze 2002, 262 Anm. 1585 hält einen inhaltlichen Zusammenhang schon deswegen für kaum wahrscheinlich, weil die Bildwerke erst sekundär zusammengestellt worden sind.

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Herauslösung der weiblichen Figuren aus den Gruppen in den Schatzhäusern von Epidamnos, Megara und dem Philippeion der Makedonen dürfte nicht ohne Widerstand möglich gewesen sein. Die genauere Betrachtung der gesamten Ausstattung lässt ein durchdachtes Konzept erkennen, das die Altersstufen und die zentralen Aspekte des weiblichen Geschlechts in archetypischen Gestalten vor Augen stellt. In dem ersten Paar von Intercolumnien (Süd 1, Nord 1) wurde Hera, zusammen mit Zeus, von den Horen und den Hesperiden eingerahmt. Die beiden einzigen Gruppen von göttlichen Mädchen sind offensichtlich bewusst als Pendants ausgewählt und aufgestellt worden: Sie rahmen Hera und Zeus, wie auch sonst Gruppen von göttlichen Mädchen und Frauen, die Götter begleiten. Die Horen verkörpern das Blühen der Natur und den Glanz von Liebe und Hochzeit. Auf dem KlitiasKrater schreiten sie dem Gespann von Zeus und Hera in der Hochzeitsprozession für Peleus und Thetis voran; bei Homer spannen sie das Gespann der Hera aus, und im Homerischen Hymnos auf Aphrodite empfangen, kleiden und schmücken sie die neugeborene Göttin.26 Ebenso eng sind die Hesperiden mit Hera verbunden: Sie bewachen jenen Baum mit Äpfeln der Liebe, den die Erdgöttin Ge der Hera zur Hochzeit mit Zeus geschenkt hatte. Sie vollbringen ihren Dienst in räumlicher Marginalität, wie die Mädchen der historischen Poleis, die die Phase vor dem Übergang in das Alter der Frau in Heiligtümern am Rand des städtischen Territoriums, etwa in Brauron oder Munichia, verbrachten. Horen und Hesperiden schufen um und für die Göttin eine Atmosphäre von kollektiver Festlichkeit, als archetypische Bilder der lebenden Mädchen, die in Olympia beim Fest der Heraia auftraten.27 In den nächsten beiden Paaren von Intercolumnien (Süd 2 und 3, Nord 2 und 3) sind je zwei archetypische Mütter und Töchter einander gegenüber gestellt. Beide Paare ergänzen einander komplementär: Die älteren Göttinnen, beide Frauen des Zeus, stehen in einer elementaren Antithese zueinander: Themis, die Mutter der Horen, repräsentiert die gesetzmäßige Ordnung der Welt, Demeter dagegen steht für die Fruchtbarkeit und den Reichtum der kultivierten Natur. Ihnen gegenüber stehen zwei jüngere Göttinnen, Töchter des Zeus, nicht weniger antithetisch: Athena, die Göttin der kulturellen und politischen Ordnung, und neben ihr Kore, die Verkörperung der erblühenden und vergehenden Natur. Beide Göttinnen reflektieren darüber hinaus den Status junger Frauen in unterschiedlichen Aspekten: Athena ist aus dem Kopf des Vaters geboren, Kore ist von ihrer Mutter leidenschaftlich geliebt; Athena bleibt eine unnahbare Jungfrau, Kore wird zur archetypischen Braut. Zusammen umfassen die Göttinnen in den drei ersten Intercolumnien auf beiden Seiten (Süd 1–3, Nord 1–3) eine Konstellation von weiblichen Gottheiten und

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Eben dies Argument wird hier bestritten: Die Zusammenstellung ist inhaltlich begründet. Damit wird die Deutung als Eros allerdings nicht sicherer – aber auch ein Kind ist bei Aphrodite natürlich sinnvoll. Shapiro et al. 2013, 24–25. Hom. Il. 8,433–435; Hom. h. Dionys. 5–13. Weitere Quellen: Jolles 1913, 2300–2304; Abad Casal 1990. Sittig 1912, 1243–1245.

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halbgöttlichen Wesen, die in einer komplementären Antithese den weiten Bereich der Weiblichkeit in den beiden Altersstufen der heiratsfähigen Mädchen und der Ehefrau und Mutter ausloten. Im Anschluss daran wird das Thema von Müttern und ihren Kindern in der Trias von Leto, Apollon und Artemis weiter entfaltet. Leto, Geliebte des Zeus wie Themis und Demeter, ist die normative Mutter von idealen Kindern; und beide Kinder, Apollon und Artemis, sind die normativen Archegeten der Jugend, die in der Ordnung der Polis aufwachsen sollte. Keine anderen Gottheiten konnten die sozialen Aspekte eines normativen Oikos und seiner Altersstufen so idealtypisch verkörpern wie diese: Unter den anderen Müttern hat Themis mehr die kosmische Ordnung, Demeter mehr die Früchte und die Gaben der Natur unter ihrer Herrschaft; unter den anderen Töchtern ist Athena stärker auf die ‚staatliche‘ Ordnung, Kore mehr auf Blühen und Vergehen in der Natur der Menschen und der Vegetation ausgerichtet. Für das Heiligtum von Olympia, in dem die Initiation der Mädchen parallel zu den athletischen Spielen der jungen Männer gefeiert wurde, waren Leto, Apollon und Artemis geradezu unerlässlich. Eine besondere Rolle spielte Dionysos. Er war das eigentliche Thema der Statuengruppe des Praxiteles an der nördlichen Seite (Nord 6), die sicher nicht primär den Götterboten Hermes, sondern dessen Fürsorge um das göttliche Kind darstellen sollte. Auf der Südseite, vielleicht sogar direkt gegenüber, entsprach diesem Werk ein Standbild des erwachsenen Gottes: In den beiden Lebensaltern sind verschiedene Aspekte des Gottes verkörpert. Dionysos war in Olympia nicht stark präsent, doch in Elis war er einer der höchst geehrten Götter (Paus. 6,26,1); es gab sogar eine Überlieferung, die seine Geburt am Alphaios bezeugte; und man behauptete, der erste Weinstock sei dort gewachsen. Sein städtischer Tempel in Elis, mit dem Theater verbunden, lag zentral in der Nähe der Agora, ein extraurbanes Heiligtum war die Stätte eines berühmten rituellen Weinwunders.28 In Elis war er besonders eng mit Hera verbunden, und diese Verbindung strahlte bis nach Olympia aus. Die Sechzehn Frauen, die in Olympia für den Kult der Hera zuständig waren, hatten ebenso für den Kult des Dionysos in Elis zu sorgen. In Elis hatte der Tempel des Dionysos im späteren 4. Jahrhundert ein neues Kultbild von Praxiteles erhalten: Das muss wohl in irgendeiner religions-politischen Verbindung zu der Gruppe des Hermes mit dem Dionysos-Kind von demselben Bildhauer stehen, die dann sekundär im Hera-Tempel von Olympia aufgestellt wurde. Im Einzelnen kann man hier allenfalls Vermutungen anstellen, doch mit Sicherheit wird hier deutlich, dass Dionysos in Elis als ein großer Gott nicht nur des Rausches und der orgiastischen Ekstase, sondern allgemein der heranwachsenden Jugend und der sexuellen Reife verehrt wurde. In dem überlieferten Hymnos, mit dem er in Elis herbeigerufen wurde, wird er von den Chariten begleitet. In dieser Eigenschaft stellte er ein Pendant zu Hera als Göttin der Mädchen und Frauen in ihren sozialen Rollen

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Geburt am Alphaios: Hom. h. Dionys. 1–4; Diod. 3,66,1–3. – Erster Weinstock: FGrHist 115 Theopomp F 277 ap. Athen. 1,34a.

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dar.29 Dem entspricht, dass die sechzehn Frauen auch zwei Festchöre aufzustellen hatten, einen für Hippodameia, die Schutzbefohlene der Hera, in Olympia, den anderen für Physkoa, eine Geliebte des Dionysos, in Elis.30 In diesem Sinn hat Dionysos im Heraion von Olympia einen zentralen Platz erhalten. Selbst die Gruppe des großen Bildhauers Praxiteles ist also in erster Linie nicht als Kunstwerk, sondern wegen ihres Themas im Heraion aufgestellt worden. Die beiden einzigen männlichen Gottheiten sind durch vielfältige Beziehungen mit den dominierenden göttlichen und göttergleichen Frauen verbunden. Das gilt zunächst auch für Hermes, der nicht nur für Dionysos, sondern auch selbst seine Bedeutung hat. Pausanias nennt im unmittelbaren Anschluss ein Bild der Aphrodite von dem sikyonischen Bildhauer Kleon aus dem 4. Jahrhundert, ergänzt von der Figur eines Knaben, vielleicht Eros, von dem berühmten hellenistischen Bildhauer Boethos. Nach aller Wahrscheinlichkeit war sie im Intercolumnium gegenüber der Gruppe von Hermes und Dionysos aufgestellt; die Gottheiten würden sich dann aufeinander beziehen wie Demeter – Kore und Apollon – Artemis. Hermes und Aphrodite wurden bekanntlich an verschiedenen Orten als kultisches Paar verehrt. In Kato Syme tief in den Bergen Kretas, war dies ein Initiationskult für junge Männer und Mädchen; auf Samos war ein Tempel für Hermes und Aphrodite in das Heiligtum der Hera integriert. Zweifellos ist die Konstellation der beiden Gottheiten im Heraion von Olympia in diesem Sinn zu verstehen.31 Vor allem aber hatte Dionysos in hellenistisch-römischer Zeit eine starke Ausweitung seines Wirkungsbereichs erfahren: Er war zu einem universellen Gott der glückserfüllten Lebensführung und der glückbringenden Herrschaft von Monarchen und anderen Machthabern geworden. In diesem Sinn ist es wohl zu verstehen, wenn Dionysos in Olympia offenbar mit Figuren der Nike und der Tyche zusammengestellt war: Glück und Sieg waren die Attribute dieses Gottes, der – zusammen mit Aphrodite – die Seelen der Menschen beherrschte. Konsequent schließen daran die Figuren der beiden makedonischen Königinnen an: Eurydike, die Gemahlin Amyntas’ II., und Olympias, die Gemahlin Philipps II. und Mutter Alexanders des Großen. Dass die Frauen der makedonischen Könige eine große Rolle im Kult des Dionysos spielten, ist bekannt. Hier sind sie zugleich, als Dienerinnen des Gottes, Archegetinnen seiner Bedeutung für die ganze Epoche des Hellenismus. Die Römerin, vielleicht sogar ein Paar römischer Frauen, auf der gegenüberliegenden Seite entzieht sich der genauen Benennung, aber sie war durch eine gekno29

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Sechzehn Frauen und Dionysos: Plut. mor. 251e; mor. 299a-b (dort der Hymnus); mor. 364 – Dionysos in Elis: s. den Kommentar von Maddoli et al. 1999, 398–400. Dazu Weniger 1883, pass.; Preisendanz 1936; Kerényi 1953; Kerényi 1976; Kerényi 1994, 119–120; Bérard 1976, 61–73; Mitsopoulou-Leon 1984, 275–290. – Kultbild des Praxiteles: Paus. 6,26,1. Pasquier/Martinez 2007, 35; Corso 2013, 159–165. – Der Tempel in Elis war mit einem extraurbanen Heiligtum bei Thyia verbunden, wo man ein Weinwunder feierte: Paus. 6,26,1–2. Paus. 5,16,6–7. Dazu Calame 1977, 210–210; Serwint 1993, 419. Hermes und Aphrodite: Lebessi 1985; Pirenne-Delforge 1994, 264–265, 446, 456.

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tete Wollbinde im Haar (infula) als Priesterin gekennzeichnet, bezog sich also auf den Kult der Hera. Dasselbe gilt vielleicht für drei weitere Bildnisstatuen vornehmer Frauen, die im Pronaos des Tempels Aufstellung fanden.32 Wenn man diese vielfältigen inhaltlichen Bezüge in der bildlichen Ausstattung des Heraions bedenkt, tritt der Charakter als „Kunstmuseum“ offensichtlich stark in den Hintergrund. Für eine solche „museale“ Deutung wurde vor allem angeführt, dass die Standbilder in chronologischer Folge aufgestellt sind, was eine grundsätzlich kunst-geschichtliche Sicht bezeuge.33 Dem gegenüber könnte man auch für diese Anordnung inhaltliche Gründe geltend machen: Die Kultbilder von Hera und Zeus werden zunächst von den „Begleiter“-Gruppen der Horen und Hesperiden gerahmt. Es folgen die „alten“ Gottheiten, die besonders eng mit Hera und Zeus verbunden waren: Themis und Demeter, Athena und Kore, Artemis, Apollon und Leto. Von diesen hatte man archaische Bilder aus Gold und Elfenbein, wahrscheinlich unterlebensgroß: in Material und Format zu den Kultbildern passend. Daran schlossen sich die spätklassischen und hellenistischen Bilder der aktuelleren, auf Mentalität und Lebensstil der gegenwärtigen Gesellschaft bezogenen Gottheiten an: Tyche, Aphrodite, Dionysos und Hermes: in „moderneren“ Materialien Bronze und Marmor, und in größerem Format.34 Am Eingang empfingen die makedonischen Herrscherinnen, später auch die römische Priesterin die Eintretenden, gewissermaßen als Führerinnen in den sakralen Raum, der zunehmend aus der Sphäre der gegenwärtigen Menschen in die der alten Götter führte.35 Insgesamt zeigt sich die bildliche Ausstattung des Heraion als eine höchst durchdachte Konstellation von Standbildern, die auf den religiösen Raum dieses Tempels und den Kult seiner Göttin orientiert waren. Diese Konstellation war traditionelle gewachsene Religion, präsentiert in der ‚modernsten‘ Form einheitlicher Aufstellung. Auch diese Präsentation hat keinen ‚musealen‘ Charakter, sondern steht am Ende einer langen Entwicklung der Inszenierung von sakralen und politischen Bildwerken. Man kann diese Entwicklung grundsätzlich in fünf Schritten darstellen. 1. Die grundlegende Praxis ist die Errichtung von einzelnen Votivbildern in Heiligtümern, die der Gottheit als ein passendes Geschenk dargebracht werden: In Delos weiht Nikandre der Artemis ein Bild der Göttin selbst, die Naxier weihen Apollon ein kolossales Bild des Gottes, später eine ganze Sequenz von Löwenbildern als seine animalischen Trabanten; vornehme Stifter errichten in Delos Kouroi und Koren als 32 33 34 35

Römische Bildnisstatue in der Cella: oben Anm. 10. Deutung als Priesterin: Krumeich 2008, 83–84. – Weibliche Bildnisstatuen im Pronaos: Krumeich 2008, 84–85; Trimble 2011, 186–192, vgl. 121–126. S. die meisten der oben Anm. 18 angeführten Arbeiten. Zuletzt Krumeich 2008, 81, 82, bes. 86. Aphrodite und Dionysos als aktuelle Gottheiten seit spätklassischer Zeit: Zanker 1998. Für die Standbilder der makedonischen Dynastie im Philippeion, woher die Herrscherinnen im Heraion stammten, überliefert Pausanias (5,20,10) Gold und Elfenbein als Material. Das ist von verschiedenen Forschern, zuletzt von Schultz 2007, 220–221, bestritten worden aufgrund des Fundaments mit Einlassungen für Plinthen aus Marmor, die für (vergoldete) Marmorstatuen sprächen. Dagegen Despinis 2004, 254–258; Krumeich 2008, 80 Anm. 41. Despinis nimmt aber zumindest eine Verbindung von Marmor, Holz, Elfenbein und Gold an; die Technik unterschied sich sicher von der der archaischen Werke, hinzu kam das größere Format.

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generelle Bilder der adeligen Jugend zur Ehre und Freude der Gottheiten, in Samos stellt –ilarches sich selbst in einer Familiengruppe mit Ehefrau, Sohn und Töchtern dar, in Athen weiht Rhombos der Athena ein Bild von sich, wie er ihr ein Stierkalb darbringt. 2. In einem ersten Schritt können die Bildwerke eines Heiligtums als eine ‚Bilderwelt‘ gesehen werden, die für die Gottheit charakteristisch ist: Das Heiligtum von Delos mit der ‚Gemeinschaft‘ von Göttern, Menschen und wilden Tieren, das städtische Heiligtum der Athena auf der Akropolis von Athen mit der überwiegenden Zahl von Koren, das Heiligtum des Apollon Ptoios in den Bergen von Lokris mit den kraftvollen Kouroi.36 3. Ein nächster Schritt ist die sukzessive Präsentation von Votivbildern in geschlossenen Reihen. In den Heiligtümern von Samos, Olympia und Epidauros säumten die Standbilder als ‚konzeptionelle Zuschauer‘ die Prozessionswege und die Räume um den Altar. Noch weiter ging die Ordnung von Votiven verschiedener Art in geschlossenen Reihen auf einheitlichen Terrassen oder Postamenten: Im Heiligtum von Olympia bieten sich die Schatzhäuser, obwohl nacheinander entstanden, als einheitliche Reihe dar. Ebenso standen im Heiligtum des Heros Ptoios die Dreifüße auf einem gesamten Postament neben den Eingang aufgereiht; entsprechend wurden im Apollon-Heiligtum von Kartheia auf Keos die Inschriftenstelen am Vorplatz des Tempels auf einer langen Stufenbasis aufgestellt.37 4. Ein weiterer Schritt ist dann auf der Agora von Priene zu beobachten: Dort wurden im späteren 2. Jahrhundert die sukzessiv errichteten Ehrendenkmäler in einer einheitlichen Umplanung neu arrangiert, so dass sie eine geschlossene Kulisse eines offenen Raumes für öffentliche Rituale bildet.38 5. Ein letzter Schritt ist zunächst in den Forumsanlagen von Rom zu beobachten: Auf dem alten Forum waren Ehrenstatuen und andere Bildwerke sukzessive, und in lockerer Zuordnung, zu einem Gesamtbild der historischen Größen der Republik angewachsen. Ein solches Panorama wird dann auf dem Augustus-Forum in den Galerien der summi viri als ein einheitliches und kohärentes Konzept gestaltet. Entsprechend hat Tiberius den Neubau des Concordia-Tempels mit griechischen Bildwerken von Gottheiten ausgestattet, die ein ganzes religiöses Panorama der augusteischen Staatsreligion ergeben.39 Hier schließt das Heraion von Olympia mit seiner Ausstattung an. Gewiss konnte man dies Ensemble von Bildwerken auch unter dem Aspekt der ‚Kunst‘ und des kulturellen Erbes sehen. Aber das war nicht der Gesichtspunkt, unter dem sie ausgewählt und aufgestellt worden waren. Der künstlerische Rang der Bildwerke war von hoher Bedeutung, aber er blieb auf das inhaltliche Konzept bezogen.

36 37 38 39

Zu Delos s. Hölscher 2015a, 13–53. Heiligtum des Heros Ptoios: Schneider/Höcker 1996, 202–203. Kartheia: Autopsie. Von Kienlin 1998, 241–259; von Kienlin 2004; Bielfeldt 2012, 87–122. Zum Tempel der Concordia s. Bravi 2014, 185–201; Hölscher 2018, 310–315.

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III. Frauen in Olympia In dieser Form war das Heraion ein zentrales Element des religiösen Ensembles von Olympia. Insgesamt erscheint das Heiligtum von Olympia in seinen Kulten und Festen wie in seiner visuellen Gestalt stark von männlichen Aspekten dominiert: von Krieg und männlicher Athletik. Daneben wurden in der Forschung auch immer wieder weibliche Aspekte betont: Für die Frühzeit wurde ein ganzer Horizont weiblicher Kulte angesetzt, für Gaia und Themis, Aphrodite Urania, Eileithyia, Meter Theon, Hestia, vielleicht auch Artemis, bevor dann Zeus den ersten Platz in dem Heiligtum eingenommen habe; neuerdings wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass der Hera-Tempel bis in römische Zeit auch noch ein Ort des Kultes war; und auch sonst haben einzelne weibliche Kulte im Heiligtum von Olympia Aufmerksamkeit erhalten.40 Die genauere Betrachtung der Ausstattung des Heraions zeigt nun, in welcher Vielfalt die weibliche Seite des Heiligtums reflektiert und visuell zum Ausdruck gebracht wurde. Von hier aus ergibt sich eine neue Perspektive auf das Heiligtum insgesamt. Pausanias beschreibt bekanntlich in der Altis, neben den großen Haupt-Altären für Zeus und Hera, etwa 70 kleinere Sonder-Altäre für verschiedene Gottheiten und Heroen/Heroinen, die jeden Monat einmal von den Priestern und Kultdienern in einer großen Prozession mit Opferhandlungen besucht wurden (Paus. 5,14,4–15,9).41 Von diesen ca. 70 Altären waren 31, also fast die Hälfte, weiblichen Gottheiten geweiht; und von diesen 31 Altären gehörten 21, also zwei Drittel, solchen Gottheiten, die im Heraion in Bildwerken vertreten waren: Artemis: 8; Athena: 5; Aphrodite: 2; Hera, Themis, Demeter, Horen, Tyche und Nike: je 1. Von den Figuren im Heraion hatten nur Kore und die Hesperiden keinen eigenen Altar. Auch die wenigen männlichen Figuren im Heraion sind mit 10 (von 40) SonderAltären im Heiligtum präsent: Zeus: 3; Apollon: 3; Hermes: 3; Dionysos: 2. Man wird solche Koinzidenzen nicht überbewerten, denn zum Teil gelten die Altäre den Gottheiten in Sonder-Aspekten, die nicht in den Bildwerken gemeint waren; und insgesamt sind sowohl in den Bildwerken des Heraion als auch in den Altären so viele Gottheiten vertreten, dass eine gewisse Koinzidenz sich von selbst ergibt. Aber allgemein werden doch zwei Phänomene deutlich: zum einen die starke Präsenz von weiblichen Kulten, zum anderen die starke Kohärenz von Bildwerken im Heraion und Kulten im Heiligtum. Olympia erweist sich damit als ein Ort einer umfassenden religiös-sozialen Repräsentation von Geschlechtern, Altersstufen und Lebensbereichen der griechischen Gesellschaften.

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Gaia: Herrmann 1972, 29–30. – Heraion: Krumeich 2008; Hupfloher 2011. – Weitere weibliche Kulte: Herrmann 1972, 29–32, 69–71. Weniger 1909, 291–303; Weniger 1914/15, 398–446; Weniger 1919/20, 1–39; Hölscher 2002, 331–345.

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Das starke Gewicht weiblicher Kulte in Olympia würde eine zusammenfassende Untersuchung lohnen.42 Schon jetzt aber ist deutlich, dass man sich insgesamt das kultische Geschehen im Heiligtum von Olympia sehr heterogen vorstellen muss. 1. Die großen Festspiele für Zeus, die alle vier Jahre Besucher aus der ganzen griechischen Welt zusammenführten, waren einzigartige panhellenische Situationen von überwältigender männlich dominierter Präsenz: Bei den Wettkämpfen waren verheiratete Frauen, mit der einzigen Ausnahme der Priesterin der Demeter Chamyne, als Zuschauer ausgeschlossen; die Trennung der Geschlechter war hier strenger als an den meisten anderen Festorten in Griechenland. Nur heiratsfähige Mädchen waren zugelassen, denn die Agone hatten seit Anbeginn einen deutlichen Aspekt eines Übergangsrituals in den Status der erwachsenen Männer und potentiellen Bräutigame.43 2. Das Fest für Hera dagegen war ein lokales Ereignis der Bürger-Gemeinschaft von Elis, die dort, wie in vielen anderen Städten, mit ihren heranwachsenden Mädchen in einem extraurbanen Heiligtum ihre Riten des Übergangs in den Status der heiratsfähigen jungen Frauen begingen. Auch dies Fest umfasste athletische Agone, wenn auch nur Laufwettbewerbe, in denen die Mädchen ihre körperliche Fitness und Reife bezeugten, die für die Attraktivität als Braut und die Aufgaben als Ehefrau unerlässlich waren. Auch diese Agone scheinen für Teilnehmerinnen aus ganz Griechenland offen gewesen zu sein, wie die Überlieferung über die erste Siegerin, Chloris aus Theben, nahelegt. Doch angesichts des begrenzten athletischen Programms dürften die Agone bei weitem nicht die große Rolle gegenüber den anderen religiösen Ritualen gespielt haben wie bei den Männern; dem entsprechend werden die einheimischen Familien gegenüber den Fremden stärker in den Vordergrund getreten sein. Ob männliche Zuschauer zugelassen waren, ist nicht überliefert, aber angesichts des prä-nuptialen Charakters des Rituals mit guten Gründen wahrscheinlich gemacht worden.44 3. Wieder anders muss das Bild des Heiligtums an den Tagen der allmonatlichen Opferprozessionen zu den bis zu siebzig Altären in der Altis und ihrer unmittelbaren Umgebung ausgesehen haben.45 Hier werden die Kult-Funktionäre, die im Wesentlichen aus der Stadt Elis gekommen sein müssen, die Szene beherrscht haben; für weiteres Publikum wird der anstrengende, rein auf die Erfüllung religiöser Pflichten konzentrierte Vorgang von begrenzter Attraktion gewesen sein. 4. Über lange Zeiträume zwischen den Tagen der Feste und Riten muss das Heiligtum überhaupt relativ still gelegen haben. Wie weit in diesen Zeiten individuelle Besucher nach Olympia kamen, lässt sich schwer abschätzen. Das Heiligtum von Olympia war eine multifunktionale Stätte, die zu unterschiedlichen Gelegenheiten verschiedenen Gemeinschaften und Gruppen Platz bot, sich im Kult von jeweils zuständigen Gottheiten zu formieren und zu artikulieren. 42 43 44 45

Anregender Schritt in diese Richtung bei Des Bouvrie 1995, bes. 65–72. Paus. 5,6,7; 6,20,9. Dazu Dillon 2000. Die Trennung der Geschlechter betonen auch Brelich 1969; Calame 1977; Cole 2004. Scanlon 2008. Oben S. 221.

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Die Gegensätzlichkeit der Sphären und Praktiken – männlich versus weiblich, panhellenisch versus lokal, Fest versus Alltag, athletische Kompetition versus gemeinsame Rituale, politische Repräsentation versus religiöse Verehrung der Götter – muss besonders eklatant gewesen sein.

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In Olympia siegen Elische Athleten des 1. Jahrhunderts v. Chr. und die Frage nach der Attraktivität der Olympischen Spiele im späten Hellenismus* Sebastian Scharff

I. Einleitung „Wegen seiner Freundschaft zu den Aitolern“ soll der Olympiasieger im Fünfkampf des Jahres 200, Timon aus Elis, später Festungskommandant in Naupaktos geworden sein.1 Diese Freundschaft ging Pausanias zufolge darauf zurück, dass Timon die Aitoler in einem Feldzug gegen die Thessaler unterstützt hatte.2 Sein Olympiasieg markiert die erste von zwei auffälligen Zäsuren innerhalb der agonistischen Erfolgsbilanz elischer Athleten im Hellenismus: Während für das letzte Drittel des 4. und für das gesamte 3. Jahrhundert zahlreiche elische Olympiasiege in den gymnischen und dabei insbesondere in den schwerathletischen Disziplinen bezeugt sind, ist aus dem gesamten 2. Jahrhundert überhaupt nur ein einziger Erfolg eines Eleers sicher bekannt.3 Im 1. Jahrhundert steigen die Zahlen dann in den hippischen Disziplinen so stark an, dass man ohne Übertreibung von einem ‚elischen Jahrhundert‘ des olympischen Pferdesports sprechen kann. Es fällt auf: Die Olympiasiege elischer Athleten im Hellenismus sind alles andere als gleichmäßig verteilt. Dieser Befund ist von der Forschung bisher sehr einseitig interpretiert worden. Das größte Hindernis für eine angemessene Deutung der Quellenzeugnisse stellte die *

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Der Beitrag wurde am Center for Hellenic Studies (CHS) verfasst, dessen Team der Verfasser für die großartige Unterstützung von Herzen dankt. – Wenn nicht ausdrücklich anders angegeben, verstehen sich Jahreszahlen im Folgenden immer als v. Chr. Übersetzungen sind, wenn nicht anders ausgewiesen, meine eigenen. Paus. 6,16,2: φρουρᾶς ἡγεμόνα ἐν Ναυπάκτῳ φιλίᾳ γενέσθαι τῇ ἐς Αἰτωλούς; s. zu Timon auch Paus. 5,2,5. Die Datierung des Sieges nach Moretti 1957, Nr. 601. Neben diesem Sieg hat Timon auch in vielen anderen Agonen – jedenfalls in Delphi und Nemea – Erfolge im Fünfkampf errungen. Nur bei den Isthmien trat er wie alle anderen Eleer gar nicht erst an (Paus. 5,2,2–5; 6,3,9, 16,2). Ob neben den militärischen Leistungen des Timon – wohl im 2. Makedonischen Krieg – auch sein Prestige als Olympiasieger eine Rolle bei der Übertragung der Führungsposition gespielt hat, lässt sich nicht sicher sagen, ist aber durchaus anzunehmen. Pausanias jedenfalls nennt zuerst die sportlichen und erst im Anschluss die militärischen Erfolge des Eleers. Der bei Paus. 6,16,7 bezeugte Sieg des Lysippos im Ringkampf der Knaben gehört nach Moretti 1957, Nr. 621 in das Jahr 164. Der Erfolg des (…)nos, S. d. Dionysodoros (NIvO 28), kann genauso gut in das 2. wie in das 1. Jahrhundert datieren.

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lange in der sporthistorischen Forschung weit verbreitete Meistererzählung von einem Niedergang der Agonistik im Hellenismus dar.4 Der Hellenismus wurde mit dem Stigma einer dunklen Epoche versehen, einer Epoche, die durch eine zunehmende Brutalisierung, Korrumpierung und Ökonomisierung der Spiele gekennzeichnet gewesen sei und die ganz im Gegensatz zu der guten alten Zeit der Agonistik in archaischer und klassischer Zeit gestanden habe, als noch ehrliche Aristokraten allein aus Ruhmstreben und nicht aufgrund eines materiellen Vorteils Sport getrieben hätten. Diese inzwischen überholte These von einem allgemeinen Niedergang der Agonistik im Hellenismus wird seit Edward Norman Gardiner auch explizit auf Olympia bezogen und mit den Erfolgen elischer Athleten in Zusammenhang gebracht.5 Die Prämisse lautet: Die Eleer als Ausrichter der Spiele müssten dann am erfolgreichsten gewesen sein, wenn die Spiele für alle anderen Athleten besonders wenig attraktiv gewesen seien, also vornehmlich im 1. Jahrhundert. In diesem Jahrhundert hätten die olympischen Spiele nicht mehr als „ein lokales Sportfest“ dargestellt.6 Zuletzt vertreten wurde diese These von einer nur lokalen Bedeutung der olympischen Spiele im 1. Jahrhundert von Andrew Farrington, der ausgehend von der Frage nach der Popularität der olympischen Spiele in der römischen Kaiserzeit die olympischen Siegerlisten auch für frühere Epochen in den Blick nimmt.7 Farrington kommt bei seiner Analyse der bezeugten Olympiasieger zu zwei Ergebnissen: Erstens habe sich das Einzugsgebiet der Olympiasieger seit dem 4. Jahrhundert stark verändert.8 Zweitens habe das Interesse an Olympia sowohl als einer Wettkampfstätte als auch als einem panhellenischen Heiligtum vom 2. Jahrhundert bis zur Kaiserzeit, in der es zu einer vorübergehenden Erholung gekommen sei, stark nachgelassen.9

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Dazu jetzt überzeugend Mann 2016, bes. 17, 21; von archäologischer Seite Sinn 1992. Gardiner 1910, 165; Gardiner 1925, 151–155; ein paar Beispiele: „the ideals which Olympia had represented were dead“; 152 (Kapitelüberschrift): „Decline of Olympia under the Republic“; 152: „the darkest period in the history of Olympia“; 152: „decline of the competition and interest in the games“; 154: „falling off in athletics“. Zitat: Bengtson 21983, 86 (wörtlich übernommen von Herrmann 1972, 182, auf den sich wiederum Koenigs 1984, 6 und Benne 2001, 154, Anm. 982 berufen; ähnlich Mallwitz 1972, 106); erneut in Bengtson 1988, 134–138. Schon Gardiner 1925, 155 urteilte: „the Olympic festival was becoming once more local.“ Während sich die These noch bei Gardiner primär auf die Bedeutung Olympias als Agon bezogen hatte, wurde sie in der archäologischen Forschung (Herrmann 1972; Mallwitz 1972; Koenigs 1984) auf die Bedeutung des Heiligtums insgesamt ausgeweitet. Farrington 2014a; zur geographischen Verteilung der Sieger in römischer Zeit auch Scanlon 2002, 40–63. Farrington 2014a, 178: Während diese bis zum 4. Jahrhundert noch in großer Zahl aus Unteritalien und Sizilien stammten, habe seit dem Späthellenismus die Anzahl von Siegern aus Kleinasien stark zugenommen. Farrington 2014a, 162: „At first sight, this data suggests two points. First, it suggests that there was a general shift in the catchment area of the Olympic victors from the western Greek world and Greece itself, in the fifth to third century B. C., to the eastern Greek world in the late Hellenistic and Imperial period. Second, it suggests that there was an overall decline, with a slight rally in the early Imperial period, in the number of Olympic victors, and thus, one posits, a decline in the interest in competition at the Olympic games.“

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Während Farringtons erste Beobachtung evident und sicher richtig ist,10 erscheint mir ein „overall decline“ Olympias ab dem 3. Jahrhundert aber diskussionswürdig. Schon ein Blick auf das 2. Jahrhundert lehrt, dass für dieses Säkulum zwar insgesamt wenig Siegernamen überliefert sind, dies aber nicht auch in qualitativer Hinsicht bedeutet, dass die Spiele für die Athleten selbst nun auf einmal weniger attraktiv gewesen wären: Vielmehr reisten die Athleten auch in diesem Jahrhundert von weit her nach Olympia an,11 und selbst für das 1. Jahrhundert ist die These von einem Wettkampf, der nun nur noch lokale Bedeutung gehabt hätte, mit guten Gründen in Zweifel gezogen worden. In den Worten von Nigel B. Crowther: „Yet Olympia was far from being a purely local festival in the first century, for twenty-five of the seventy-eight known victors (almost as many as from Elis) came from Asia Minor and North Africa and a further five from Italy and Sicily.“12 Ein solcher Dissens in der Forschung über eine Frage, die eines der wichtigsten griechischen Heiligtümer betrifft, ist Grund genug, sich ihrer noch einmal eingehender anzunehmen und nach der Attraktivität der olympischen Spiele im späten Hellenismus zu fragen. Methodisch soll dabei weniger von den Spielen her gedacht werden, sondern von den Athleten selbst ausgegangen werden: Es wird untersucht, woher die Sieger stammten, die im 1. Jahrhundert in Olympia erfolgreich waren und Siegesmonumente errichteten. Zugleich ist nach dem Grund für die Zunahme der Erfolge elischer Athleten im 1. Jahrhundert zu fragen: War für diese Siege allein eine vermeintlich schwächere Konkurrenz verantwortlich oder gibt es auch Anzeichen für Veränderungen in der elischen Agonistik selbst? Für eine Klärung dieser Fragen sollen in einem ersten Schritt die Quellenzeugnisse für einen angeblichen Niedergang der Spiele im 1. Jahrhundert diskutiert werden, in einem zweiten Argumente gegen die Verfallsthese angeführt und in einem dritten die Handlungen elischer Athleten im Heiligtum in den Blick genommen werden. All dies lässt sich sehr gut in einen Forschungsschwerpunkt des Geehrten einbetten, der sich intensiv mit den Dimensionen griechischer Heiligtümer beschäftigt und dabei darauf hingewiesen hat, dass sich die Wirkungsbereiche ein und desselben Heiligtums stark unterscheiden konnten, je nachdem welche Funktion man genauer betrachtet.13 So hatte Olympia z. B. als Orakelstätte nur in der Frühzeit des Heiligtums eine überregionale Bedeutung,14 während es in seiner Funktion als Wettkampfstätte – so soll im Folgenden argumentiert werden – während der gesamten Antike Athleten aus weit entfernten Teilen der griechischen Welt anlockte. 10

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Zugleich kann dem Autor nur zugestimmt werden, dass eine eingehende Untersuchung der Gründe für den Abbruch der olympischen Erfolge von Athleten aus der Magna Graecia immer noch ein Desiderat der Forschung darstellt und man zu gern mehr darüber wüsste, „what was happening in terms of agonistic life in other cities of southern Italy from the 5th to 3rd centuries BC, and particularly how things changed after the Roman conquest of the early 3rd century BC“ (Farrington 2014b, 202). Das lehrt schon das Beispiel der rhodischen Athleten; zur Dominanz rhodischer Athleten in Olympia im 2. Jahrhundert Scharff i. Dr. Crowther 1988, 303; kritisch zur Niedergangsthese auch Freitag 2011, 73–75. Vgl. etwa Funke 2004; Funke 2005; Funke 2009; Funke 2014. Sinn 2000, 15–22.

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II. Zeugnisse für einen angeblichen Niedergang der Spiele im Späthellenismus Wenden wir uns zunächst den literarischen Zeugnissen für einen angeblichen Niedergang der Olympien im 1. Jahrhundert zu. Als ein Tiefpunkt in der Geschichte der Spiele ist – durchaus zurecht – immer wieder das Jahr 80 bezeichnet worden, in dem Sulla „die Athleten und alles andere, was sich anzuschauen lohnt“,15 nach Rom abtransportiert habe, wie Appian und Eusebios übereinstimmend berichten. Uneinigkeit besteht zwischen den beiden Autoren lediglich in der Frage, welche Wettkämpfe in diesem Jahr noch in Olympia stattgefunden hätten. Während Appian unspezifisch von einem „Lauf im Stadion“ (σταδίου δρόμος) spricht, nimmt Eusebios hier zum einzigen Mal in seiner vollständigen, mehr als 1000 Jahre umfassenden Liste der Sieger im Stadionlauf nicht den Gewinner der Männerkonkurrenz, sondern denjenigen bei den Knaben auf und liefert die Begründung gleich mit:16 Der Großteil der Wettkämpfe hat im Jahr 80 also nicht in Olympia, sondern in Rom stattgefunden. Aber was bedeutet das eigentlich? Zunächst einmal doch nur, dass Sulla die Spiele sehr geschätzt haben muss.17 Denn warum hätte er im Jahre 80 einen unbedeutenden Agon nach Rom transferieren sollen? Er tat dies ja nach Appian ausdrücklich, um seinen eigenen Ruhm öffentlich zu demonstrieren (ἐπὶ δόξῃ) – und dazu bediente er sich sicher nicht eines x-belieben Wettkampfes, sondern holte die Crème de la Crème der griechischen Agonistik seiner Zeit nach Rom.18 Die olympischen Spiele waren also im Jahre 80 einmal – zumindest zu großen Teilen – ausgefallen; dies aber eben auch nur, weil sie von einem auswärtigen Potentaten ganz offenbar besonders geschätzt wurden.19 Wichtig ist zudem, dass die Spiele schon bei ihrer nächsten Austragung im Jahr 76 wieder in ihrer regulären Form in Olympia stattfanden. Es handelt sich bei den ‚römischen‘ Spielen des Jahres 80 mithin um eine einmalige Ausnahme. Der Ausfall blieb Episode und hatte keine Auswirkungen auf das Wettkampfprogramm der folgenden Veranstaltungen. Neben den Berichten über eine Verlegung der olympischen Spiele wird Sulla noch mit einem weiteren ‚Frevel‘ in Verbindung gebracht, der Olympia dauerhaft in Mit15

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App. civ. 1,99: ὀλυμπιάδων οὐσῶν ἐν Ἕλλησιν ἑκατὸν ἐβδομήκοντα πέντε καὶ οὐδενὸς ἐν Ὀλυμπίᾳ τότε ἀγωνίσματος πλὴν σταδίου δρόμου γιγνομένου· τοὺς γὰρ ἀθλητὰς καὶ τὰ ἄλλα θεάματα πάντα ὁ Σύλλας ἐς Ῥώμην μετεκέκλητο ἐπὶ δόξῃ τῶν Μιθριδατείων ἔργων ἢ τῶν Ἰταλικῶν. – „Nach der griechischen Zeitrechnung war das in der 175. Olympiade (80–76), und mit Ausnahme der Läufe im Stadium fanden damals keine Wettspiele zu Olympia statt; denn Sulla hatte die Athleten und alles, was sich anzuschauen lohnt, nach Rom geholt, um so seinen Kriegstaten gegen Mithridates und die Italiker Glanz zu verleihen.“ (Übers. n. W. Will). Eus. Chron. Ol. 175: ἑκατοστὴ οε΄. Στάδιον παίδων. Ἐπαινετὸς Ἀργεῖος ἄνδρες γὰρ οὐκ ἠγωνίσαντο, Σύλλα πάντας εἰς Ῥώμην μεταπεμψαμένου. – „175ste Olympiade: Stadionlauf der Knaben: Epainetos aus Argos. Die Männer traten nämlich nicht an, weil Sulla alle Athleten nach Rom bestellt hatte.“ Vgl. zu Sullas Motiven Golden 2008, 79. Ein ganz ähnliches Argument in Bezug auf Sullas Umgang mit griechischen Kunstwerken führt Habicht 2006, 344 an. So schon Curtius 1897, 57, 60.

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leidenschaft gezogen habe: So habe sich der römische Feldherr der Schätze der großen panhellenischen Heiligtümer bedient, um den Krieg gegen Mithridates zu finanzieren.20 Von den Heiligtümern, aus denen Schätze und Kunstwerke geraubt worden seien, nennt Plutarch explizit Epidauros, Olympia und Delphi. Allerdings findet sich bei ihm auch die Notiz, Sulla habe sich zumindest gegenüber Olympia und Delphi zugleich um finanzielle Wiedergutmachung bemüht und den beiden Heiligtümern die Hälfte des thebanischen Territoriums gestiftet.21 Da Sulla auch andernorts als Sponsor und Namenspatron von Agonen auftrat,22 ist diese Nachricht durchaus plausibel. Genügen die Nachrichten über Sullas Umgang mit den Spielen und dem Heiligtum also nicht, um einen kontinuierlichen Niedergang Olympias im 1. Jahrhundert zu konstatieren, so bleibt noch eine Passage aus dem Jüdischen Krieg zu diskutieren, in der Flavius Josephus lapidar feststellt, dass „diese Spiele ganz in Auflösung begriffen waren“.23 Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass sich diese Notiz in einem panegyrischen Kontext findet, in dem es dem Autor darum geht, Herodes den Großen, der den Spielen finanziell ausgeholfen hatte, als großzügigen Euergeten zu preisen.24 Dies allein bedeutet zwar noch nicht zwangsläufig, dass die Nachricht frei erfunden wäre, zwei Dinge gilt es gleichwohl zu bedenken: Erstens ist an genau derselben Stelle ausdrücklich vom „Ruhm der olympischen Spiele“ (ἡ δόξα τῶν Ὀλυμπίασιν ἀγώνων) die Rede,25 der ja die Voraussetzung für das finanzielle Engagement des Herodes darstellte; zweitens wird gerade eine Wohltat beschrieben, die nicht nur den Griechen genutzt, sondern explizit ein Geschenk für die gesamte bewohnte Erde (ὅλης τῆς οἰκουμένης δῶρον) dargestellt habe. Olympia mag in dieser Zeit auf Spenden angewiesen gewesen sein. Dass sein Ruf gelitten hätte, lässt sich aus dieser Passage gerade nicht herauslesen.26 Man kann sich vielmehr fragen, warum sich ein auswärtiger Herrscher wie Herodes als Agonothet in Olympia hätte engagieren sollen,27 wenn 20 21 22

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Plut. Sul. 12,3–6. Plut. Sul. 19,6. So ganz deutlich bei den Amphiaraia von Oropos (I.Oropos 308 = HGIÜ III 510), die, von Sulla als Amphiaraia Rhomaia neu gegründet, gleichsam zu Erinnerungsspielen des römischen Sieges wurden und bei denen es sogar einen Agon mit dem bezeichnenden Titel εὐαγγέλια τῆς Ῥωμαίων νίκης (I.Oropos 525, Z. 68; 529, Z. 22) gab (vgl. van Nijf/Williamson 2016, 54). Bei diesem handelte es sich wohl um eine Laufdisziplin ausschließlich für oropische Bürger, deren Bezeichnung darauf hinweisen sollte, dass der Erfolg des Festes Rom geschuldet sei (Strasser 2001–2002, 299–301; als bloßes Privileg wird die enigmatische Disziplin dagegen gedeutet von Schachter 1994, 26). Aus Athen sind mit den Sylleia Spiele bezeugt, die dezidiert zu Sullas Ehren veranstaltet wurden (SEG XIII 279; XXII 110, Z. 57; XXXVII 135; dazu Raubitschek 1951; Habicht 2006, 342 mit 489, Anm. 49). Ios. bell. Iud. 1,21,12: τούτους γὰρ δὴ καταλυομένους ἀπορίᾳ χρημάτων (Übers. v. O. Michel/O. Bauerfeind); ähnlich ant. Iud. 16,5,3. Zu den verschiedenen Euergesien des Herodes und insbesondere zu seiner Rolle als „Agonothet der Olympischen Spiele“ (Baltrusch 2012, 219) Baltrusch 2012, 235–239, bes. 236. Ios. bell. Iud. 1,21,12; auch in Ios. ant. Iud. 16,5,3 wird das διατεθειμένον τιμιώτερον ἐποίει („er [sc. Herodes] machte die feierliche Versammlung noch ehrwürdiger“) ausdrücklich hervorgehoben. So auch Baladié 1980, 338 mit Anm. 251. Dasselbe gilt neben Herodes vielleicht auch für den König Archelaos von Kappadokien, wenn denn die Deutung richtig ist, dass es sich bei IvO 315 um eine Ehreninschrift der Eleer zum Dank für die Olympia von dem Monarchen erwiesenen Wohltaten handelt.

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es sich bei den Olympien tatsächlich nur noch um „ein lokales Sportfest“ gehandelt hätte.28 Vielmehr sah Herodes wohl gerade in Olympia die Möglichkeit gegeben, sich einer breiten griechischen Öffentlichkeit als ein großer Euerget zu präsentieren.29 Ein letztes literarisches Zeugnis leitet direkt über zu der Frage der statistischen Verteilung der Herkunft der Sieger im 1. Jahrhundert: So findet sich in der Chronik des Eusebios zu den olympischen Spielen des Jahres 17 n. Chr. die Notiz, dass das Wagenrennen für Viergespanne, das seit langer Zeit nicht mehr stattgefunden habe, wieder neu eingerichtet worden sei.30 Früher hat man diese Notiz als einen faktischen Beleg für eine „discontinuance for a time of the chariot-races“ genommen.31 Gegen eine solche Deutung sprechen allerdings die für den in Frage stehenden Zeitraum epigraphisch überlieferten olympischen Erfolge elischer und römischer Pferdebesitzer.32 Von einem Aussetzen der hippischen Agone im 1. Jahrhundert kann mithin nicht die Rede sein.33 Wie sieht es nun aber mit der Qualität der sportlichen Wettkämpfe in dieser Zeit aus? Ausgangspunkt der Verfallsthese war ja die Beobachtung eines vermehrten Auftauchens elischer Sieger im 1. Jahrhundert, mithin die unausgesprochene Annahme eines sportlichen Qualitätsverlustes. Hans-Volkmar Herrmann hat mit Bezug auf die olympischen Spiele des Jahres 76 bemerkt: „Die Siegerliste dieser Olympiade verzeichnet jedoch nur Eleer und einen Mann aus dem messenischen

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Bengtson 1983, 86; vgl. Anm. 6. Spawforth 2012, 164 sieht das Motiv des Herodes darin, dass dieser seinem amicus Augustus habe schmeicheln wollen. Herodes habe gar „as a kind of cultural broker of the regime“ (Spawforth 2012, 164) gehandelt. Ganz gleich, ob Spawforth in diesem Punkt zuzustimmen ist oder nicht, es gelingt ihm jedenfalls überzeugend, gegen Langenfeld 1975 nachzuweisen, dass Augustus keineswegs indifferent gegenüber den olympischen Spielen war, sondern stattdessen ein reges Interesse an ihnen zeigte. Nach Hollstein 1999 ließ der erste Princeps sogar eine eigene Münzserie auf der Peloponnes prägen, die den Zeustempel von Olympia abbildete. Eus. Chron. Ol. 199: ἀπεδόθη τῶν ἵππων ὁ δρόμος πάλαι κωλυθείς, καὶ ἐνίκα Τιβερίου Καίσαρος τέθριππον. Anders als von Eusebios angenommen, kann es sich im Jahre 17 n. Chr. aber nicht um den in IvO 220 bezeugten Sieg des Tiberius handeln. Man hat daher eine Lücke in der Handschrift angenommen und die Passage mit dem auch aus IvO 221 bekannten Olympiasieg des Germanicus zusammengebracht (vgl. Moretti 1957, Nr. 750). Die chronologische Verwirrung des Eusebios an dieser Stelle ist beträchtlich und betrifft auch das πάλαι κωλυθείς, vgl. Moretti: „come possa dirsi πάλαι date le recenti vittorie di Tiberio (nr. 738) e di Gnaeus Marcius (nr. 743, 745) non comprendo“. Gardiner 1925, 156. Moretti 1957, Nr. 670–675, 679, 693–698, 705, 707, 711, 714, 720, 738, 743, 745 (vgl. Farrington 2014a, 166 mit Anm. 27); davon mit dem Viergespann ausgewachsener Pferde Nr. 672 (84), 679 (76), 693 (72), 738 (20?). Die Datierung des Sieges des Tiberius (IvO 220) ist umstritten. Während Moretti 1957, Nr. 738 ihn noch versuchsweise in das Jahr 4 setzte (ähnlich Kaplan 1990, 223–226, der den Olympiasieg mit dem rhodischen Exil des Tiberius zusammenbrachte und auch das Jahr 1 n. Chr. für möglich hielt), datiert Zoumbaki 2007 mit überzeugenden Argumenten bereits auf das Jahr 20 (akzeptiert von Spawforth 2012, 164). Dieser Befund ist umso wichtiger, da man allgemein davon ausgeht, dass die hippischen Agone im kaiserzeitlichen Olympia, zu einer Zeit also, für die niemand einen Niedergang der Spiele postulieren würde, relativ unpopulär waren und vielleicht für eine längere Periode gar nicht stattfanden. Vgl. Cameron 1976, 204 und Farrington 2014a, 167, die auf die Popularität der hippischen Agone bei den kaiserzeitlichen Isthmien als Vergleichspunkt verweisen.

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Kyparisia.“34 Diese Beobachtung kann allerdings kaum als repräsentativ gelten, da von diesen ersten Spielen nach dem sullanischen Eingriff nur ein Sieger, nämlich der Messenier (!), sicher datiert ist. Schon aussagekräftiger ist dagegen die vollständig erhaltene Siegerliste der unmittelbar folgenden olympischen Spiele des Jahres 72, die auf Phlegon von Tralleis zurückgeht und einen Glücksfall der Überlieferung darstellt.35 Der älteren Forschung zufolge ist die Liste typisch für ihre Zeit, da sie die Dominanz lokaler Athleten reflektiere.36 Eine solche Interpretation beachtet aber nur einen Teil der Liste. Die hippischen Agone werden zwar alle von Eleern gewonnen, sieht man sich aber den Anfang der Liste genauer an, so ergibt sich ein ganz anderes Bild: „Bis zur 177sten Olympiade, in der Hekatomnos aus Milet dreimal siegte: im Stadionlauf, Doppellauf und Waffenlauf; Hypsikles aus Sikyon: Langlauf; Caius der Römer: Langlauf; Aristonymidas aus Kos: Fünfkampf; Isidoros aus Alexandria: Ringkampf, ohne zu fallen, in der Periodos; Atyanas, Sohn des Hippokrates aus Adramyttion: Faustkampf der Knaben; Sphodrias aus Sikyon: Pankration, Sosigenes aus Asien: Stadionlauf der Knaben; Apollophanes aus Kyparissia: Ringkampf der Knaben.“37

Neben einem Dreifachsieger in den Laufdisziplinen aus Milet,38 einem sogenannten τριαστής, finden sich zwei Sieger aus Sikyon, von denen einer wahrscheinlich das römische Bürgerrecht besaß,39 ein Koer, ein Alexandriner und wohl zwei Kleinasia34 35 36

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Herrmann 1972, 182. FGrHist 257 Phlegon F 12 ap. Phot. 97,83b35–84a35. Gardiner 1925, 153: „The list is typical of the period. The chariot- and horse-races have become the monopoly of the Elean nobility, the boys’ events are mostly won by local competitors (…).“ Die Wettkämpfe der Knaben stellten allerdings während der gesamten Antike eine elische Domäne dar (Golden 1998, 107). Von allen bezeugten Olympiasiegern bei den Knaben stellten die Eleer immerhin 22,5 %; zum Vergleich: am nächsten in dieser Statistik kamen ihnen die Spartaner mit 4,0 % aller bekannten Knabensieger (Crowther 1989a). FGrHist 257 Phlegon F 12 ap. Phot. 97,83b35–84a35: μέχρι τῆς ροζ΄ Ὀλυμπιάδος, ἐν ᾗ ἐνίκα Ἑκατόμνως Μιλήσιος στάδιον καὶ δίαυλον καὶ ὁπλίτην, τρίς· Ὑψικλῆς Σικυώνιος δόλιχον· Γάϊος Ῥωμαῖος δόλιχον· Ἀριστωνυμίδας Κῷος πένταθλον· Ἰσίδωρος Ἀλεξανδρεὺς πάλην, ἄπτωτος περίοδον· Ἀτυάνας Ἱπποκράτους † Ἀδραμυτίου παῖς πύξ· Σφοδρίας Σικυώνιος παγκράτιον· Σωσιγένης Ἀσιανὸς παίδων στάδιον· Ἀπολλοφάνης Κυπαρισσιεὺς παίδων πάλην. Eus. Chron. Ol. 177 lässt Hekatomnos aus Elis stammen. Moretti 1957, Nr. 681–683 weist aber mit Recht darauf hin, dass der Name zwar in Milet – man muss hinzufügen: überhaupt in Kleinasien – sehr gut bezeugt ist, in Elis und auf der Peloponnes aber gar nicht vorkommt. Eine Recherche im LGPN online ergibt 60 Einträge für den Namen, die alle aus Kleinasien stammen. Vielleicht hat Hekatomnos tatsächlich, wie Moretti vermutet, die elische Ehrenbürgerschaft für seine außergewöhnlichen Erfolge bei den olympischen Spielen erhalten, wie dies für Damokrates von Teos bekannt ist (IvO 39; dazu Moretti 1957, Nr. 596). Die drei Disziplinen des Stadion-, Doppel- und Waffenlaufs in einem Jahr bei Olympia zu gewinnen, war vor Hekatomnos nur drei anderen Athleten gelungen. So lautet jedenfalls die plausibelste Erklärung für die seltsame Tatsache, dass Phlegon für den Langlauf (δόλιχος) zwei verschiedene Sieger nennt. Hinter den Einträgen Ὑψικλῆς Σικυώνιος δόλιχον· Γάιος Ῥωμαῖος δόλιχον würde demnach ein und derselbe Athlet stecken, ein Hypsikles aus Sikyon, der nach Annahme des römischen Bürgerrechts seinen Namen in Caius Hypsikles geändert hätte (so Moretti 1957, Nr. 684; zustimmend Golden 2008, 118). Die Alternative, dass es sich um „joint victors“ handeln würde, wie Crowther 2000, 127 vermutet, ist unwahrscheinlich, da sich 1. kein Römer nur mit seinem Praenomen hätte listen lassen, 2. ein unentschiedenes Finish bei einem Langlauf weniger wahrscheinlich ist als bei einer Kurzstrecke und es sich 3. um den frühesten Beleg für dieses Phänomen handeln würde.

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ten.40 Von dem Sieger aus Alexandria, Isidoros, wird sogar gesagt, er sei ein besonders erfolgreicher Periodonike gewesen.41 Die Herkunft der Sieger, von denen viele eine lange und beschwerliche Anreise auf sich nahmen, spricht deutlich gegen einen Wettkampf mit rein lokaler Bedeutung: Auch im Jahr 72 finden sich viele Sieger aus Übersee, die etwa aus der Ägäis, Kleinasien und dem ptolemäischen Ägypten anreisten. Im Vergleich zu früheren Zeiten hatte sich nur das Einzugsgebiet vom Westen in den Osten verlagert. Eine genaue Analyse der vollständig erhaltenen Siegerliste des Jahres 72 führt mithin zu dem Ergebnis, dass kaum etwas auf einen Niedergang der Spiele hinweist. Welches Bild ergibt sich aber, wenn man statt einer einzelnen Liste die statistische Verteilung aller Olympiasiege des 1. Jahrhunderts in den Blick nimmt, wie dies Andrew Farrington getan hat? Farrington kalkuliert, dass für die gesamte Antike 22–25 % aller Siege bekannt seien.42 Er hält dies für eine repräsentative Datenmenge und glaubt daher, mithilfe einer quantitativen Analyse, einen Verfall der olympischen Spiele im späten Hellenismus nachweisen zu können. Die methodischen Schwierigkeiten dieses Ansatzes hat jüngst Sofie Remijsen herausgestellt: „That fewer victors are known from the later Hellenistic period is connected to the later unpopularity of the literary genres of this period and to the calm epigraphic habit. It is impossible to determine, in how far the contemporary (un)popularity of athletics affected this number, especially when working with absolute numbers.“43 Farrington ist sich dieser Probleme seines Ansatzes bewusst,44 zieht daraus aber nicht die forschungspraktische Konsequenz, dass ein Niedergang der Spiele ausgehend von der absoluten Zahl der erhaltenen Siege schlicht nicht nachgewiesen werden kann. Es lässt sich allerdings ein Ausweg aus dem Dilemma finden, da die Namen der Sieger im Stadionlauf ja vollständig überliefert sind. Wenn die Olympien tatsächlich im 2. und 1. Jahrhundert an Attraktivität verloren hätten, müsste sich dies auch in der Liste der Stadionsieger widerspiegeln.45 Es ist signifikant, dass sich für diese beiden Jahrhunderte kein einziger Sieger im Stadionlauf aus Elis finden lässt. Stattdessen finden sich neben Siegern von der Peloponnes solche aus Seleukeia am Tigris,46 Milet,47 Hypaipa 40 41

42 43 44 45 46 47

Ich verstehe das Ethnikon des Sosigenes mit Moretti 1957, Nr. 689 als „una vaga designazione etnica (Ἀσιανός = ‚Greco d’Asia‘)“. Besonders erfolgreich deshalb, weil Phlegon den Ausdruck ἄπτωτος περίοδον verwendet, was so zu verstehen ist, dass Isidoros Periodonike geworden ist, ohne ein einziges Mal zu fallen (ἀπτώς oder ἄπτωτος), d. h. ohne jemals eine einzige Runde zu verlieren (vgl. Knab 1934, 10, 37; Moretti 1957, Nr. 686; Brunet 2010, 117 mit Anm. 12). Farrington 2014a, 169. Remijsen 2015, 11. Zu „Pausanias’ concentration on pre-146 history“ (Farrington 2014a, 172 Anm. 40) Habicht 1985, 82–105; Arafat 1992. So etwa Farrington 2014a, 171: „Thus, from the middle of the second century B. C. onwards, the literary evidence provides mainly only victors in the stadium race.“ So auch überzeugend Remijsen 2015, 11: „If one has a representative and continuous set of information, such as the list of stadion victors recorded by Eusebius, one can trace changes within this list, such as the geographical spread of the victors.“ Moretti 1957, Nr. 654 (Jahr des Sieges: 100). Moretti 1957, Nr. 681 (72).

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in Lydien,48 Tauromenion,49 Thurioi50 und Sidon51. Die statistisch belastbaren Zeugnisse sprechen eine deutliche Sprache und belegen eine kontinuierliche Attraktivität des olympischen Stadionlaufes für Athleten aus weiten Teilen der griechischen Welt. Bleibt noch der archäologische Befund: Was zunächst auffällt, ist eine geringere Bauaktivität ab der Mitte des 2. Jahrhunderts (spätestens ab dem zweiten Viertel des 1. Jahrhunderts) bis zum Beginn der augusteischen Zeit,52 für die sich eine Reparatur am Dach des Zeustempels nachweisen lässt.53 Die Reparaturen an Dachdeckung, Simenrand und Teilen des Gebälkes sowie die Erneuerung von Giebelfiguren in pentelischem Marmor hat man als Reaktion auf ein schweres Erdbeben kurz nach der Mitte des 1. Jahrhunderts gedeutet, welches wiederum als ein Hinweis auf einen Verfall des Heiligtums interpretiert worden ist.54 Es erscheint mir allerdings methodisch nicht legitim, eine Naturkatastrophe gleichsam automatisch als einen Hinweis auf einen Niedergang zu deuten, entscheidend ist doch der Umgang mit der Katastrophe: Und hier lässt sich erst einmal nur konstatieren, dass zeitnah gehandelt wurde.55 Betrachtet man die Bauaktivitäten in Olympia während des gesamten Hellenismus, so fällt auf, dass gerade die Gebäude mit ausschließlich oder primär agonistischer Nutzung einen wichtigen Teil der Umgestaltungen des Heiligtums vom 4.–2. Jahrhundert ausmachten: Das erste dieser Gebäude stellt das noch spätklassische Leonidaion (um 340) dar,56 das als Athletenunterkunft diente. Es folgten in chronologischer Reihenfolge die erste Palaistra (um 250)57 und das Gymnasion (um 180)58, die in Olympia auffällig spät errichtet wurden. Das Stadion erhielt im 2. Jahrhundert einen gewölbten Eingang.59 Um die Mitte des 2. Jahrhunderts wurde eine exklusive Anlage mit Speiselokalität und für die Zeit moderner Badeanlage, die erst vor kurzem ausgegraben worden ist, errichtet.60 In der 1. Hälfte des 1. Jahrhunderts stiftete 48 49 50 51 52 53

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Moretti 1957, Nr. 699 (68). Moretti 1957, Nr. 706 (56). Moretti 1957, Nr. 717 (40), 721 (32). Moretti 1957, Nr. 724 (24). Vgl. etwa Gardiner 1925, 152–163; Herrmann 1972, 182; Mallwitz 1972, 106; Koenigs 1984, 6. Die Reparatur lässt sich in diese Zeit datieren, da man ab dem Jahr 36 vom Dach des Zeustempels stammende überzählige Marmorziegel für die Aufzeichnung von Kultpersonallisten wiederverwendete und sich aus derselben Zeit eine monumentale lateinische Bauinschrift erhalten hat, die den Namen Agrippas trägt (IvO 913); vgl. Mallwitz 1972, 107; Hollstein 1999, 172; Spawforth 2012, 163. Vgl. etwa Gardiner 1925, 157. Eine weitere Naturkatastrophe ist literarisch belegt: Die Zeus-Statue des Phidias wurde nach Hieronymus im Jahr 52 durch einen Blitzschlag getroffen (Eus. Pr. Ev. 4,2,8: ἀμφὶ δὲ Ἰούλιον Καίσαρα τὸ μέγα τῶν Ἑλλήνων καὶ Ὀλυμπικὸν ἄγαλμα, τὸ ἐν αὐταῖς Ὀλυμπίασι, κεραυνῷ πρὸς τοῦ θεοῦ βληθὲν ἀναγράφουσιν. Hier. chron. 237 [Ol. 182]: simulacrum Olympiaci Iovis tactum fulmine). Dass man hierbei offensichtlich auf römische Hilfe zurückgriff, macht die Reparatur ja nicht ungeschehen. Mallwitz 1972, 246–252. Mallwitz 1972, 278–284; Wacker 1996; Kyrieleis 2011, 136. Kyrieleis 2011, 136; vielleicht auch erst „nicht vor der Mitte des 2. Jhs.“ (Mallwitz 1972, 106). Kunze 1972, 52 mit Taf. III.2; Heilmeyer 1984, 251, der in die 60er Jahre datiert. Mallwitz 1972, 193 geht etwas höher (Ende 3. / Anfang 2. Jahrhundert); Lauter 1986, 21 (2. Hälfte 2. Jahrhundert) etwas tiefer. Von Hesberg 1994, 154 (um 100) und Borrmann 1892 (1. Jahrhundert) setzen das Stadiontor sogar noch deutlich später an. Sinn et al. 2003.

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ein bisher nicht identifizierter Patron „a magnificent entry gate to the area of the gymnasion“.61 Die bereits erwähnte hellenistische Badeanlage wurde in der Mitte des 1. Jahrhunderts umgestaltet.62 Wohl um das Jahr 40 erhält Olympia dann, kurz nach Erfindung dieser Technik, ein hochmodernes Hypokaustenbad.63 Zudem gehören ein großzügiger Ausbau des Theokoleon64 und die Errichtung des Baus C, der den älteren Bau G ersetzte, in das 1. Jahrhundert.65 Es folgen zahlreiche Bauaktivitäten in augusteischer Zeit, etwa am Zeustempel, die oben schon erwähnt worden sind.66 Olympia erlebte im 1. Jahrhundert – auch wegen zweier Naturkatastrophen – eine schwierige Zeit. Dass aber keine Bauaktivitäten stattgefunden hätten oder diese vor allem „negativ“ gewesen wären,67 lässt sich gerade aus einer agonistischen Perspektive aber nicht behaupten. Das 3. und 2. Jahrhundert sind vielmehr die Hochzeit der agonistischen Ausgestaltung des Heiligtums,68 einer Ausgestaltung, von der nicht zuletzt das 1. Jahrhundert besonders profitierte. Die Hypothese, dass zwischen ca. 80 und 36 nicht gebaut wurde, beruht zu großen Teilen auf den bereits diskutierten zweifelhaften historischen Argumenten.69 III. Zeugnisse für eine weiterhin hohe Attraktivität der olympischen Spiele im 1. Jahrhundert Weder die literarischen noch die epigraphischen oder archäologischen Zeugnisse verweisen also eindeutig auf einen Verfall der olympischen Spiele im späten Hellenismus. Wie sieht es nun aber mit positiven Belegen für ein kontinuierliches Interesse griechischer Athleten an den olympischen Spielen aus?

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Sinn 2000, 132. Es ist bezeichnend, dass man dieses Gymnasionstor – wohlgemerkt v. a. aus historischen Gründen – lange in das ausgehende 2. Jahrhundert datiert hat (Mallwitz 1972, 106, 288; Rakob – Heilmeyer 1973, 26). Gardiner 1925, 293 setzte es dagegen in augusteische Zeit: „it seems to me more probable that it was built in the latter part of the first century.“ Heute scheint man sich in der Mitte geeinigt zu haben: So hat sich Wacker 1996, 47–52 überzeugend für eine Datierung in die 1. Hälfte des 1. Jahrhunderts ausgesprochen. Sinn et al. 2003, 620. Die Datierung nach Georg Ladstätter, dessen Vortrag mit dem Titel „Das sog. ‚Griechische Hypokaustenbad‘ im Zeusheiligtum von Olympia – eine Neubetrachtung in Verbindung mit der frühen italischen Thermenarchitektur“ leider unpubliziert ist. Gleichwohl wird die Datierung in der archäologischen Fachliteratur akzeptiert (Sinn et al. 2003, 623, Anm. 2; Lo Monaco 2013, 128, Anm. 16). Traditionell wurde das Bad eher zu Beginn des 1. Jahrhunderts datiert (Mallwitz 1972, 107, 272). Mallwitz 1972, 266; Lo Monaco 2004, 291–294. Mallwitz 1972, 263. Vgl. etwa Lo Monaco 2003; Spawforth 2012, 162–165. Mallwitz 1972, 106. So auch Lo Monaco 2013, 125. Vgl. etwa die Argumentation bei Mallwitz 1972, 106: „Die Datierung des Gymnasiontores in das ausgehende 2. Jh. beruht nicht allein auf der stilistischen Beurteilung seiner Kapitelle. Gegen einen späteren Baubeginn spricht, daß sich Olympia im 1. Jh. v. Chr. in einer historisch besonders kritischen Lage befand.“ S. auch Gardiner 1925, 160.

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Das erste und wichtigste dieser Zeugnisse datiert in das Jahr 59. Es handelt sich um eine Passage aus Ciceros Rede Pro Flacco, die bisher in der Diskussion keine Rolle gespielt hat. Das Zeugnis gehört in eine Zeit, in der sich die olympischen Spiele vorgeblich bereits in einem katastrophalen Zustand befunden hätten. In dieser Zeit nun erklärt Cicero seinen Mitbürgern die Bedeutung, die einem Olympiasieg in der griechischen Kultur zukomme, mit folgenden Worten: Ein Olympiasieg sei für einen Griechen noch bedeutender und ruhmvoller als für einen Römer ein Triumphzug.70 Deutlicher könnte ein Römer den Ruhm der Wettkämpfe gar nicht herausstellen. Aus einer römischen Perspektive waren die olympischen Spiele also auch in der Mitte des 1. Jahrhunderts noch so bedeutend, wie sie es seit alters her gewesen waren – und dies spiegelt nicht einfach die singuläre Überzeugung Ciceros wider, sondern lässt sich in eine Reihe stellen mit den Bemühungen römischer Aristokraten um die Spiele: Sullas Versuch des Jahres 80, die Olympien nach Rom zu verpflanzen, wie auch der Erfolg des Tiberius mit dem Viergespann aus dem letzten Viertel des 1. Jahrhunderts zeugen beide genauso von einer Bewunderung der olympischen Spiele, wie sie auch aus der Cicero-Passage spricht. An anderer Stelle beschreibt Cicero Olympia gar als einen großen mercatus,71 bei dem zahlreiche Zuschauer anwesend seien, die nicht nur versorgt werden müssten, sondern auch untereinander Handel trieben, Waren kauften und verkauften.72 Für Cicero waren die Spiele ganz offensichtlich immer noch ein großes Spektakel. Diese römische Wertschätzung muss nun nicht notwendig der tatsächlichen Bedeutung der Spiele in Griechenland entsprechen. Allerdings findet sich eine ganz ähnliche Einschätzung auch im griechischen Kontext: So sagt Strabon sehr deutlich, er halte den olympischen Agon für „den größten von allen“ (μέγιστον τῶν πάντων).73 Raoul Baladié hat mit Recht darauf hingewiesen, dass in der langen Beschreibung Olympias bei Strabon überhaupt jeder Hinweis darauf fehlt, dass das Heiligtum weniger besucht worden sei oder eine schwere Zeit durchgemacht habe.74 Diese Beob70 71

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Cic. Flacc. 31: hoc [sc. Olympionices esse] est apud Graecos […] prope maius et gloriosius quam Romae triumphasse. Cic. Tusc. 5,9: (…) mercatum eum, qui haberetur maxumo ludorum apparatu totius Graeciae celebritate; nam ut illic alii corporibus exercitatis gloriam et nobilitatem coronae peterent, alii emendi aut vendendi quaestu et lucro ducerentur, esset autem quoddam genus eorum idque vel maxime ingenuum, qui nec plausum nec lucrum quaererent, sed visendi causa venirent studioseque perspicerent quid ageretur et quo modo, item (…). – „(…) jener Markt, der im ganzen Glanz der Spiele und in der Anwesenheit ganz Griechenlands abgehalten zu werden pflegte. Denn wie dort die einen mit trainierten Körpern den Ruhm und die Ehre eines Kranzes erstrebten, andere mit Aussicht auf Gewinn und Profit durch Kauf und Verkauf angelockt würden und es endlich eine besondere Gruppe gebe, die die vornehmste sei und weder nach Beifall noch nach Gewinn strebe, sondern um des Schauens willen gekommen sei und aufmerksam betrachte, was geschehe und wie, ebenso (…).“ (Übers. v. O. Gigon). Sehr hohe Zuschauerzahlen bei den hellenistischen Olympien sind für die Spiele der Jahre 276 (Ebert 1972, Nr. 59, V. 10) und 208 (Liv. 27,35,3) belegt; dazu Freitag 2011, 87. Strab. 8,3,30. Mag sich das obige Zitat noch auf die Vergangenheit beziehen, so zählt Strabon in derselben Passage etwas weiter unten die Olympien an erster Stelle zu den Agonen, die „jetzt“ (νῦν) berühmt seien; zu dem Ausdruck „zu unserer Zeit“ und verwandtem bei Strabon Pothecary 1997. Baladié 1980, 336–338, bes. 337: „pour Strabon, Olympie reste parée du prestige qui, depuis des siècles, fut le sien.“

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achtung ist umso schlagender, wenn man sie dem gegenüberstellt, was Strabon an vergleichbarer Stelle über Delphi sagt, das er ein ‚zu seiner Zeit‘ (νυνί) „sehr armes“ Heiligtum nennt.75 Hätte man allein diese literarischen Urteile über die Bedeutung der Spiele, könnte man geneigt sein, sie für ein römisches Missverständnis (Cicero) oder eine Projektion der früheren Bedeutung der Spiele auf die Gegenwart zu halten (Strabon). Dagegen spricht allerdings die Tatsache, dass sich für den fraglichen Zeitraum im 1. Jahrhundert zahlreiche Spitzensportler in Olympia nachweisen lassen: Neben den bereits Genannten, dem τριαστής Hekatomnos und dem Periodoniken Isidoros, Olympiasieger des Jahres 72, sind dies z. B.: 1. Der Periodonike Straton aus Alexandria,76 ein dreimaliger Olympiasieger im Ringkampf und Pankration in den Jahren 68 und 64, der den Ehrentitel ‚Nachfolger des Herakles‘77 trug und über den zahlreiche Anekdoten kursierten.78 Pausanias berichtet sogar, dass in Aigion extra eine Palaistra für ihn erbaut worden sei, damit Straton darin trainieren könne.79 2. Marion aus Alexandria, dem im Jahre 52 das Kunststück gelang, an ein und demselben Tag Ringkampf und Pankration in Olympia zu gewinnen.80 3. Philippos Glykon, der wohl im Jahre 24 in Olympia im Pankration siegte und einer der berühmtesten Athleten seiner Zeit war. Als erster bekannter Athlet errang Philippos sowohl in Griechenland als auch Kleinasien und dem Westen agonistische Erfolge.81

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Strab. 9,3,8: νυνί γέ τοι πενέστατόν ἐστι τὸ ἐν Δελφοῖς ἱερὸν χρημάτων γε χάριν. Ail. var. 4,15; Anecd. Par. 2, p. 154 (Panodoros); vgl. Knab 1934, 37. Zu dem Ehrentitel ἀφ’ Ἡρακλέους, den Schwerathleten, die in Olympia an ein und demselben Tag im Ringkampf und Pankration gesiegt hatten, seit dem ausgehenden 3. Jahrhundert trugen, Miller 2004, 204. Ail. var. 4,15; solche Anekdoten über die Lebensweise eines Athleten, erzählte man sich nur von den Spitzensportlern, die besonderen Eindruck auf die Zuschauer gemacht hatten. Zu Straton, dem Sohn des Korrhagos (= Moretti 1957, Nr. 700, 703), vgl. ferner Paus. 5,21,9; 7,23,5; Eus. Chron. Ol. 178. Bei den Nemeen soll Straton, von dem Ail. var. 4,15 sagt, er sei von vornehmer Abstammung, sogar viermal – in zwei verschiedenen Altersklassen – an ein und demselben Tag erfolgreich gewesen sein. Ein kryptischer Zusatz bei Eusebios, der Straton in irgendeiner Weise mit hippischen Agonen in Verbindung bringt, ist vielleicht mit Golden 2008, 150 Anm. 101 dahingehend zu interpretieren, dass die Olympiasiege des Straton eben deshalb noch beeindruckender seien, da sie nicht – wie in den hippischen Agonen – einfach nur mit Geld erkauft waren. Paus. 7,23,5: στοὰ δὲ τῆς πόλεως (sc. Agion) πλησίον ἐποιήθη Στράτωνι ἀθλητῇ, Ὀλυμπίασιν ἐπὶ ἡμέρας τῆς αὐτῆς παγκρατίου καὶ πάλης ἀνελομένῳ νίκας. αὕτη μὲν ἐγγυμνάζεσθαι τούτῳ τῷ ἀνδρὶ ἐποιήθη. – „In der Nähe der Stadt wurde eine Halle gebaut für den Athleten Straton, der in Olympia am selben Tage Siege im Pankration und Ringkampf errang; sie wurde zum Üben für diesen Mann gebaut.“ (Übers. v. E. Meyer). Marion (Moretti 1957, Nr. 709) trug somit wie Straton den Ehrentitel ‚Nachfolger des Herakles‘. Moretti 1957, Nr. 725. Die Erfolge des Philippos sind in einer durch den Demos von Pergamon gesetzten Ehreninschrift verzeichnet I.Pergamon 534; sogar Hor. epist. 1,1,30 spielt auf ihn an. Sein Grabepigramm ist in der Anth. Graec. 7,692 überliefert, seine Erfolgsbilanz typisch für die kaiserzeitliche Agonistik, als deren frühester Exponent er gilt (vgl. Mann 2016, 21; Fauconnier 2016, 89; Mathys 2016, 142–144).

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Besonders wichtig unter den angeführten Zeugnissen ist die oben bereits zitierte Pausanias-Stelle zu Straton,82 in der der Athlet weder mit seinem Patronymikon noch mit der Angabe seiner Heimatstadt beschrieben, sondern allein durch seinen Olympiasieg charakterisiert wird. Pausanias ging offenbar davon aus, dass ein Olympiasieg in der Mitte des 1. Jahrhunderts Grund genug war, um für Straton ein eigenes Trainingszentrum zu errichten.83 Dies passt schwerlich mit der Vorstellung von den olympischen Spielen als einem rein „lokalen Sportfest“ zusammen.84 Aber kehren wir noch einmal zu der eingangs des Kapitels zitierten Cicero-Passage aus dessen Rede Pro Flacco zurück, in der der Redner einen Olympiasieg mit einem Triumphzug gleichsetzt. Diese Stelle ist für unsere Fragestellung noch aus einem anderen Grund von großem Interesse: So berichtet Cicero hier nämlich ganz konkret von dem Schicksal des Athleten Atyanas, der Piraten zum Opfer gefallen sei.85 Ob er auf der Rückfahrt von den olympischen Spielen starb, wissen wir nicht. Klar ist aber, dass es bis zum Jahre 67, als Pompeius dem Seeräuberunwesen ein Ende setzte, äußerst gefährlich sein konnte, sich auf die Seereise nach Olympia zu begeben –86 und dass Athleten die Reise dennoch auf sich nahmen. Den Grund dafür, warum die Sportler dies taten, liefert Cicero gleich mit: Ein Olympiasieg war nach wie vor mit einem enormen Prestigegewinn verbunden – Atyanas war Cicero zufolge sogar in Rom hochberühmt. Die Mithridatischen Kriege trugen nun dazu bei, dass die – zu allen Zeiten lange und schwierige – Anreise nach Olympia auch auf dem Landweg bis weit in die 60er Jahre hinein gefährlich blieb.87 Statt nun aber zu betonen, dass das Piratenunwesen und die kriegerischen Auseinandersetzungen zu einem Bedeutungsverlust der olympischen Spiele geführt hätten, scheint eine differenziertere Darstellung geboten. Trotz eines allgemeinen Einbruchs der griechischen Agonistik in den Wirren der Mithridatischen Kriege lassen sich ja gerade keine Diskontinuitäten im 82 83 84

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Paus. 7,23,5. Pausanias sagt ausdrücklich, die Halle sei gebaut worden, damit Straton darin trainieren könne (ἐγγυμνάζεσθαι). Es bleibt zu fragen, warum man im achäischen Aigion eine Palaistra für einen alexandrinischen Athleten errichtete. Förster 1892, Nr. 571 kommentiert lapidar: „Vielleicht wohnte er später in Aigion“; ähnlich Frazer 1913, 161; Hitzig/Blümner 1904, 828. Moggi/Osanna 2000, 317 denken dagegen an einen Athleten aus Aigion, dem später in Alexandria das Ehrenbürgerrecht verliehen worden sei. Dass es die Bürger von Aigion waren, die die Palaistra errichtet haben, und nicht der reiche Straton selbst, scheint mir trotz Jacquemin 1999, 233 evident. Hätte Pausanias wirklich Straton als den Verantwortlichen für die Errichtung der Palaistra kennzeichnen wollen, hätte es einfachere Möglichkeiten gegeben, dies auszudrücken, als den Gebrauch des passiven Prädikats ἐποιήθη ohne eindeutige Angabe des Urhebers (ὑπό + Genitivus auctoris). Eher dürfte die Errichtung der Säulenhalle einen Versuch der Polis dargestellt haben, den erfolgreichen auswärtigen Athleten zu integrieren. Cic. Flacc. 31: Quid si etiam occisus est a piratis Adramytenus homo nobilis, cuius est fere nobis omnibus nomen auditum, Atyanas pugil Olympionices? – „Wie, wenn von den Piraten sogar jemand umgebracht worden ist: ein geachteter Bürger der Stadt Adramyttion, dessen Namen wir fast alle kennen, der Faustkämpfer Atyanas, ein Olympiasieger?“ (Übers. n. M. Fuhrmann). Daran änderte auch der olympische Festfriede nichts (Lämmer 2010); zur olympischen Ekecheiria s. auch Theotikou 2013, 89–162. Zu den schwierigen Rahmenbedingungen für die griechische Agonistik in den Mithridatischen Kriegen Fauconnier 2016.

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olympischen Wettkampfprogramm feststellen – anders als früher angenommen, bestanden sogar die hippischen Agone fort.88 Was auffällt, ist also gerade, wie reibungslos die Spiele trotz der schwierigen Rahmenbedingungen für die Agonistik weiter funktionierten.89 Dies sei im Folgenden durch eine Negativprobe überprüft: Womit dürfte man rechnen, wenn die olympischen Spiele tatsächlich zu einem rein „lokalen Sportfest“ degeneriert wären? Zunächst doch einmal damit, dass man die 30tägige obligatorische Trainingsperiode in Elis vor den Wettspielen, die so von den heiligen Kranzagonen nur für Olympia bezeugt ist,90 ausgesetzt hätte, da dieses Training bei den Athleten nicht sonderlich beliebt gewesen sein kann – konnten die Athleten doch während dieses Zeitraumes nirgendwo anders antreten; auch galt das Training in der Sommersonne und unter den strengen Augen der Hellanodiken als besonders hart.91 Eine Abschaffung der Trainingszeit in Elis hätte die Spiele gerade für schwächere Athleten mit Sicherheit attraktiver gemacht.92 Sie ist in den Quellen aber nirgends bezeugt, vielmehr geht man allgemein von einer Kontinuität der Einrichtung aus.93 Was die Durchführung der Wettkämpfe angeht, lassen sich also keine Versuche erkennen, die Agone für die Athleten attraktiver zu gestalten. Das Bild, das sich ergibt, ist das einer Kontinuität des Wettkampfprogrammes im späten Hellenismus.

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Vgl. Anm. 32. Die Kontinuität der Spiele gilt übrigens auch in Bezug auf die Einführung neuer Wettbewerbe in Olympia: Die letzte Änderung des Wettkampfprogrammes datiert in das Jahr 200, als zum ersten Mal das Pankration der Knaben ausgetragen wurde. Die Einführung dieser neuen Disziplin ist von der älteren Forschung als ein Verfallsindiz, ein Anzeichen für eine Brutalisierung, ja sogar eine Romanisierung der Spiele gedeutet worden. So kritisierte Gardiner 1925, 150: „It was not a competition suited for boys, and its introduction illustrates the love of sensational and brutal displays that marks the beginning of Roman influence.“ Bedenkt man allerdings, dass der antike Faustkampf noch brutaler war als das Pankration und das Knabenboxen schon mehr als 300 Jahre olympisch (Finley/Pleket 1976, 41, 44), lässt sich eine solche Deutung nicht mehr halten und man dürfte sich eher mit Philostr. gym. 13 wundern, dass die Einführung der Disziplin in Olympia erst so spät erfolgte. Sie zeigt daher zweierlei: einen generellen Konservatismus in Bezug auf das Wettkampfprogramm wie auch eine besondere Beliebtheit der Disziplin im Hellenismus Für eine 30tägige Trainingsperiode bei den Sebasteia von Neapel s. IvO 56 mit Crowther 1989b; zu der olympischen Trainingsperiode in Elis Crowther 1991; Wacker 1997. Philostr. gym. 11. Das absichtliche Umgehen der Trainingszeit in Elis durch einen Athleten ist zum ersten Mal für das Jahr 93 n. Chr. bezeugt, als Apollonios aus Alexandria versuchte, die Hellanodiken davon zu überzeugen, dass ungünstige Winde ihn auf den Kykladen festgehalten hätten und er deshalb zu spät in Olympia eingetroffen sei, ein alexandrinischer Mitbürger aber erklärte, er selbst sei rechtzeitig eingetroffen und Apollonios sei nur deshalb zu spät gekommen, da er stattdessen in Kleinasien an anderen Wettkämpfen teilgenommen habe (Paus. 5,21,12–14 mit Crowther 2001, 42). In einer Inschrift aus Olympia aus dem 2. nachchristlichen Jahrhundert für den Pankratiasten Ti. Claudius Rufus wird hervorhoben, dieser Athlet habe unter den Augen der Hellanodiken trainiert, wie dies sei langer Zeit Brauch in Olympia sei (τάς τε γυμνασίας ἐν ὄψει τῶν ἑλλανοδικῶν κατὰ τὸ πάτριον τῶν | ἀγώνων ἔθος ἀπέδωκεν ἐπιμελῶς [IvO 54, Z. 8–10]); dazu Crowther 1991, 162.

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IV. Elische Athleten in Olympia – das Heiligtum als Handlungsort Nach einer Analyse der einschlägigen literarischen, epigraphischen und archäologischen Zeugnisse, die – anders als bisher angenommen – eine Kontinuität des olympischen Wettkampfprogrammes und eine weiterhin hohe Attraktivität der Agone während des 1. Jahrhunderts nahelegen, sollen nun in einem letzten Abschnitt die elischen Athleten selbst und ihr Handeln im Heiligtum näher in den Blick genommen werden. Es sollte deutlich geworden sein, dass die elischen Erfolge nicht einfach als eine Verfallserscheinung gedeutet werden können. Stattdessen soll hier der Versuch unternommen werden, sie aus sich selbst heraus zu verstehen. Als erstes Indiz für eine besondere Stärke der elischen Agonistik im 1. Jahrhundert kann das Faktum gelten, dass Siege elischer Athleten für diesen Zeitraum auch bei den anderen Kranzagonen überliefert sind: So siegte Lykomedes, Sohn des Aristodemos, nicht nur mit dem eigenen Rennpferd in Olympia,94 sondern auch bei den Pythien mit dem Zweigespann.95 Von diesen Erfolgen kündeten stolz zwei Monumente im olympischen Heiligtum, von denen Lykomedes sich dasjenige für seinen Olympiasieg selbst aufstellen ließ, während das andere von seinem Vater in Auftrag gegeben wurde.96 Eine parallel aufgebaute Inschrift erinnert ebenfalls an einen Erfolg eines Eleers bei einem heiligen Kranzagon außerhalb Olympias, den Sieg des Menedemos, Sohn des Menedemos, mit dem Fohlenzweigespann bei den Nemeen.97 In beiden Fällen wird der Sieg auffälliger Weise nicht der eigentlich für den Erfolg zuständigen Gottheit – also dem nemeischen Zeus bzw. dem pythischen Apoll – geweiht, sondern Zeus Olympios. Der Aufstellungsort der Inschrift wiegt hier schwerer als der Siegesort. Dass man diese Siegerinschriften überhaupt in Olympia und nicht nur in Nemea und Delphi aufstellte,98 zeigt zum einen, dass Olympia für die elische Aristokratie in dieser Zeit ein dezidiert elisches Heiligtum darstellte,99 und zum anderen, dass ein agonistischer Erfolg seine größte Bedeutung in der Heimat des Siegers entfaltete. Hier, vor den eigenen Peers, konnte man mit einem solchen Erfolg besonders wuchern.100 Wo auch immer sich der Sieg nun aber besonders nutzbar machen ließ, wichtig ist, dass elische Athleten des 1. Jahrhundert in der Lage waren, auch bei 94 IvO 217; Moretti 1957, 720 datiert den Sieg in das Jahr 36. 95 IvO 216; Moretti 1957, Nr. 720 gibt fälschlicherweise Nemea als Siegesort für das Zweigespannrennen. 96 Das vom Vater gestiftete Monument verzeichnet nicht nur den Sieg bei den Pythien, sondern erwähnt zuerst, dass Lykomedes das Amt des spondophoros innegehabt hatte (IvO 216): [Ἀριστόδημος] Λυκομήδου[ς Ἠλεῖος] | Λυκομήδη τὸν υἱόν, σπονδο[φορήσαντα], | νικήσαντα [δὲ] καὶ Πύθια σ[υ]νω[ρίδι - - -], | Διὶ Ὀλυμπίωι. 97 IvO 215: [Με]νέδημος Πρώτου Ἠλεῖος | [Με]νέδημον τὸν υἱόν, | [σ]π¢ονδοφορήσαντα, νικάσαντα δὲ | Νέμεα συνωρίδι πωλικῆι, | Διὶ Ὀλυμπίωι. Der Vater des Menedemos, ein gewisser Menedemos, Sohn des Protos, der seinem Sohn dieses Siegermonument gestiftet hatte, war selbst ein erfolgreicher Pferdebesitzer und hatte – nach Moretti 1957, Nr. 705 im Jahr 60 – bei den olympischen Spielen ebenfalls mit dem Fohlenzweigespann gesiegt (IvO 214). 98 Ob in diesen beiden Fällen auch am Siegesort ein Siegermonument errichtet wurde, lässt sich nicht sagen. 99 Für Olympia als ein elisches Polisheiligtum im Selbstverständnis der Eleer Crowther 2003; Freitag 2011, 75–80; Roy 2013 (mit weiterer Literatur). 100 Lo Monaco 2004.

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anderen bedeutenden Agonen Siege davonzutragen. Ihre olympischen Erfolge können daher nicht nur einem Mangel an Konkurrenz geschuldet sein.101 Im Rahmen ihrer Selbstdarstellung hoben diese stolzen elischen Pferdebesitzer besonders zwei Aspekte hervor: die Familie als agonistische Ruhmesgemeinschaft und die Qualität der eigenen Pferdezucht. Der erste Aspekt lässt sich am besten bei einem großen Familienmonument beobachten, das die Olympiasiege von mindestens sechs Mitgliedern des Geschlechtes verzeichnet, darunter zwei Frauen.102 Erhalten sind drei Blöcke eines großen Bathron aus pentelischem Marmor, die verschiedenartige Standspuren aufweisen. Der „capofamiglia“103 scheint ein gewisser Philistos, der Vater von Strogien und Timareta, zu sein, der selbst im Gegensatz zu seinen zahlreichen Nachkommen keinen Olympiasieg vorzuweisen hatte. Wichtig ist, auf welche Weise hier versucht wird, die Familie als agonistische Ruhmesgemeinschaft zu konstruieren: Wenn die Interpretation des Monumentes von Dittenberger und Purgold richtig ist, dann ehren hier zwei Brüder ihre Schwester Timareta, Siegerin mit dem Zweigespann, und alle drei zusammen ihre Mutter Theodota.104 Die weiblichen Mitglieder der Familie werden mit ihren sportlichen Erfolgen also nicht nur genannt, sondern sogar besonders hervorgehoben. Auf diese Weise gelingt es, sie in die Erfolgsgeschichte der Familie zu integrieren und damit die Vorrangstellung der eigenen Familie signifikant 101 Es ist sogar recht wahrscheinlich, dass Eleer in den hippischen Agonen der anderen panhellenischen Spiele noch wesentlich häufiger siegten. Die Überlieferungslage ist jedenfalls für das 1. Jahrhundert für die Olympien sehr viel besser als für die Nemeen (Kostouros 2008) und die Pythien (Maróti 2000): Pausanias war kaum an den Athleten des 1. Jahrhunderts interessiert; daher machen die Siegerinschriften den Hauptteil der Überlieferung aus. Diese sind für Olympia in wesentlich größerer Zahl erhalten als für Nemea und Delphi. 102 IvO 198–204 (mit Stammbaum; erweitert bei Zoumbaki 2001, 374); zu den Siegen Moretti 1957, Nr. 670–675. Aus welchen Gründen Zoumbaki 2001, 373 und Zoumbaki 2005, 90, 325, 357 auch den sonst nirgends bezeugten Namen Strogien (Moretti 1957, Nr. 670) für einen Frauennamen hält, erklärt sie leider nirgends. Der Text der relevanten Inschrift lautet nach IvO 198: Στρογιήν Φιλίστου Ἠλεῖ[ος] | Ὀλύμπια κέλητι τελείωι. Zoumbaki 2005, 325 ergänzt das Ende der ersten Zeile Ἠλεί[α]. Nach der Umschrift in IvO 198 könnte nach dem Iota zwar tatsächlich noch das untere Ende einer Schräghaste zu lesen sein. Allerdings wird leider nicht deutlich, ob Zoumbakis Lesung auf Autopsie beruht. Nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung ist daher von der Ergänzung in IvO auszugehen, die auch von Moretti und im LGPN III.A s. v. Στρογιήν akzeptiert wird, denn von den auf der Peloponnes vergleichsweise häufig bezeugten Namen auf -ην ist kein einziger feminin. Wie die rückläufigen Indices von LGPN I–V.B lehren, stammt das einzige Beispiel für einen Frauennamen mit dieser Endung aus dem Schwarzmeergebiet (Ζόβην, Pantikapaion, 1. Jahrhundert–1. Jahrhundert n. Chr.; dazu Robert 1963, 538). Auch Kaldis-Henderson 1979, 381–387, die sich in ihrer Dissertation ausführlich mit „Women in Ancient Elis“ beschäftigt, versteht Strogien als einen Männernamen. 103 Moretti 1957, Nr. 675. 104 IvO 204: [- - καὶ Στρογι]ὴν οἱ Φιλίστου | [Τιμαρέταν] τὴν ἀδελφὴν | [καὶ σύμπαν]τες Θεοδόταν | [- - - τὴν] μητέρα Διὶ Ὀλυμπίωι. – „(…) und Strogien, die Söhne des Philistos, (ehren mit diesem Denkmal) ihre Schwester Timareta, und alle (drei zusammen) ihre Mutter, dem Zeus Olympios.“ Daneben sind zwei Enkel von Philistos (I) und Theodota (I) mit ihren hippischen Erfolgen verzeichnet: Philistos (II) und Theodota (II), die Kinder des Antiphanes. In welcher verwandtschaftlichen Beziehung die beiden ebenfalls geehrten Brüder Telemachos (IvO 199) und Praxagoras (IvO 200) zu den Genannten stehen, lässt sich nicht letztgültig klären. Die Verwandtschaft kann aber sicher angenommen werden. Während Praxagoras nicht weiter bekannt ist, war Telemachos einer der bedeutendsten elischen Bürger seiner Zeit, für den sich in Olympia ein weiteres Ehrenmonument findet (IvO 406), mit dem Telemachos ἀρετῆς ἕνεκεν durch die [ἑ]λληνοδίκαι περὶ Ἀντιφάνη und den olympischen Rat geehrt wird.

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herauszustellen. Es dürfte sich bei dem Geschlecht tatsächlich um „eine der wichtigsten Familien Eleias des 1. Jh. v. Chr. und des 1. Jh. n. Chr.“ gehandelt haben,105 eine Familie, die mit einem gewissen Telemachos106 vielleicht schon im 3. Jahrhundert einen Olympiasieger stellte und die einen enormen materiellen Aufwand für ihre agonistische Selbstinszenierung betrieb. Wenn diese durchaus plausible Verbindung richtig ist,107 handelt es sich um eine Familie, in der schon seit mindestens 200 Jahren die nötigen finanziellen Mittel und das Wissen um die Pferdezucht vorhanden waren, die für einen Olympiasieg erforderlich waren, einen Olympiasieg wohlgemerkt, der in diesem Fall nicht nur in der prestigeträchtigsten hippischen Disziplin errungen wurde, sondern auch zu einer Zeit, in der sich die begüterten Königshäuser der Ptolemäer und Attaliden besonders stark in den panhellenischen Agonen engagierten und die Konkurrenz mithin besonders groß war. Der zweite Aspekt der Selbstdarstellung elischer Sieger, der Stolz auf die eigene Pferdezucht, zeigt sich in dem gelegentlichen Zusatz ihrer Siegerinschriften, dass der Erfolg „mit dem eigenen voll ausgewachsenen Rennpferd“ (κέλητι τελείωι ἰδίωι) errungen worden sei.108 Das ἰδίωι macht, wie Luigi Moretti richtig erkannt hat, wenig Sinn, wenn man davon ausgeht, dass es nur bedeuten soll, dass dem Sieger das Pferd gehörte – das war ja immer der Fall, da nicht der Jockey oder Wagenlenker bekränzt wurde, sondern der Besitzer der Pferde. Es muss daher eine andere, konkrete Bedeutung haben, die Moretti darin gesehen hat, dass mit dem Zusatz die Herkunft des Pferdes aus der eigenen Zucht hervorgehoben werden sollte.109 Eine Parallele lässt sich in dem Stolz thessalischer Pferdebesitzer auf ihre Zucht erkennen, wie er in einem Epigramm in den Hippika Poseidipps zum Ausdruck kommt.110 Wie die Thessaler im 3. Jahrhundert waren die Eleer im 1. Jahrhundert in den hippischen Agonen besonders erfolgreich und versuchten, sich mit ihren Erfolgen in eine lange Reihe siegreicher Pferdebesitzer einzureihen. Es ergibt sich das Bild einer vermögenden Elite, die ihren Reichtum und ihr Wissen um die Pferdezucht investierte, um in Olympia hippische Erfolge zu erringen.111 105 Zitat: Zoumbaki 2001, 373. Für eine solche Interpretation spricht nicht nur die Tatsache, dass man es sich leisten konnte, ein so kostspieliges Monument in der Altis zu errichten, sondern auch das Alter des Geschlechtes, die Verwandtschaftsverbindungen mit anderen wichtigen elischen Familien und die zahlreichen Funktionen der Mitglieder des Geschlechts in der Stadt Elis und dem Heiligtum von Olympia (dazu Zoumbaki a. a. O.). 106 Telemachos, Sohn des Telemachos, siegte nach Moretti 1957, Nr. 531 im Jahr 292 mit dem Viergespann (Paus. 6,13,11). Nach IvO 177 konnte Telemachos auch bei den Pythien einen Erfolg mit dem Rennpferd erringen. 107 Die Verwandtschaft zwischen Telemachos und der Familie des Philistos nach Zoumbaki 2001, 373; Zoumbaki 2005, 89, 335. 108 IvO 217; NIvO 29. 109 Moretti 1957, Nr. 680. 110 Poseidipp. ep. 85,2, wo der siegreiche Pferdezüchter Amyntas stolz darauf verweist, er habe das siegreiche Pferd selbst gezüchtet, es stamme [ἀ]π’ οἰκείας (…) ἀγέλας; dazu Scharff 2016, 221 mit Anm. 79. 111 Pleket 2004, 502 hat eine ähnliche Beobachtung in Bezug auf die elische Elite des 1. nachchristlichen Jahrhunderts etwas launig so formuliert: „Elis was ruled by the kind of well-to-do, horse-breeding estate-owners who monopolized the Olympic Council and would have been De Coubertin’s favorites, if we could be sure that he had known something about them.“

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Von der wichtigen Rolle, die der Pferdesport für die elische Aristokratie spielte, zeugt ferner eine Notiz des Pausanias, der berichtet, zu seiner Zeit werde gar die Agora von Elis als ‚Hippodrom‘ bezeichnet, weil die Eleer dort ihre Pferde trainierten.112 Das Training der Pferde rückt damit symbolisch wie räumlich in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses der Politen.113 Aber es waren nicht nur die hippischen Agone, die für die Eleer von zentraler Bedeutung waren: Die Tatsache, dass Elis über zwei Gymnasien und eine Palaistra verfügte, und sich das elische Bouleuterion in einem der Gymnasien befand, verdeutlicht nicht nur die enge Verbindung zwischen Sport und Politik,114 sondern stellt v. a. einen zuverlässigen Indikator für die große Bedeutung der Agonistik in der Polis Elis dar.115 Pausanias zufolge zählte das alte Gymnasion von Elis zu den Dingen, die in Elis der Erinnerung würdig seien (τὰ ἄξια μνήμης).116 Die alle vier Jahre stattfindende Trainingsperiode für die olympischen Spiele sorgte dafür, dass Spitzensportler regelmäßig für einen längeren Zeitraum in Elis präsent waren. Den Eindruck, den diese Athleten gerade auf jüngere Eleer gemacht haben dürften, können wir uns nicht groß genug vorstellen, zumal in einer relativ abgelegenen Polis, die wahrscheinlich nie „the exciting ‚place to be“ gewesen ist.117 Die elische Erfolgsbilanz des 1. Jahrhunderts lässt sich mithin auch positiv erklären: Das 1. Jahrhundert sah auch deshalb ein Aufblühen der elischen Agonistik, weil diese von einer zu jener Zeit besonders starken und sportlich aktiven Aristokratie getragen wurde.118

112 Paus. 6,24,2: ὄνομα δὲ τῇ ἀγορᾷ τὸ ἐφ᾽ ἡμῶν ἐστιν Ἱππόδρομος, καὶ οἱ ἐπιχώριοι τοὺς ἵππους παιδεύουσιν ἐνταῦθα. – „Der Markt heißt jetzt Hippodrom, und die Einheimischen üben hier ihre Pferde.“ Zu dieser Passage Maddoli et al. 1999, 387, die mit Tritsch 1932, 79 m. Anm. 20 und Kolb 1981, 8 m. Anm. 15 glauben, dass die Bezeichnung der Agora als Hippodrom auf die Bedeutung des Agonalen in der Polis hinweist. Crowther 1991, 165 räsoniert über ein mögliches Training für die hippischen Disziplinen von Olympia in Elis. 113 Wie lange die Bezeichnung zur Zeit des Pausanias schon in Gebrauch war, lässt sich zwar nicht mit Sicherheit sagen – das Zeugnis des Periegeten deckt erst einmal nur seine eigene Lebenszeit ab, denn die Formulierung ἐφ’ ἡμῶν („in unserer = meiner Zeit“) heißt bei Pausanias: „seitdem ich geboren bin“ – der früheste sichere Beleg im Werk des Pausanias bezieht sich nach Habicht 1985, 176–180 auf das Jahr 124/25 n. Chr. Die zahlreichen Erfolge elischer Pferdezüchter im 1. Jahrhundert sprechen aber dafür, dass man spätestens in dieser Zeit begann, Agora und Hippodrom gleichzusetzen. 114 So Crowther 2003, 65: „This location of the Council symbolically linked sport and politics in the city.“ 115 Das gilt, wie Yalouris 2002, 348 überzeugend gezeigt hat, für die gesamte Anlage der elischen Agora und des angrenzenden Bezirkes. Vgl. Anm. 112. 116 Paus. 6,23,1; nach 6,23,2 werde die Laufbahn dieses Gymnasions von den Einheimischen gar als ἱερός bezeichnet. 117 Pleket 2004, 503. 118 Lo Monaco 2004, 297 spricht von „una chiusa aristocrazia agraria, che fonda il suo patriomonio su allevamento di cavalli e proprietà terriera.“

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V. Resümee Das olympische Heiligtum und seine Spiele hatten im 1. Jahrhundert einige schwierige Situationen zu überstehen: Neben Sullas Versuch, die Spiele nach Rom umzusiedeln, lassen sich Naturkatastrophen, Kriege und Piratenunwesen ausmachen. Es ist bei diesen Rahmenbedingungen äußerst bemerkenswert, wie wenig Einfluss dies alles auf den reibungslosen Ablauf der Spiele und ihre kontinuierliche Durchführung hatte.119 Weder brachen einzelne Disziplinen gänzlich ab – auch die hippischen Wettkämpfe existierten weiter –, noch stammten die Sieger nur noch aus dem unmittelbaren Umland. Die vollständig erhaltene Liste der Stadionsieger, die für das gesamte 1. Jahrhundert keinen einzigen Eleer und dafür umso mehr Athleten aus Übersee verzeichnet, stellt ein starkes Argument gegen ein abnehmendes Interesse auswärtiger Athleten an Olympia dar; genauso die Tatsache, dass die 30tägige Trainingszeit in Elis weiterhin durchgeführt wurde. Dass sich in den hippischen Agonen etwas weniger Prominenz einfand als noch im 3. Jahrhundert, hat dagegen mehr mit Entwicklungen zu tun, die in der Geschichte der hellenistischen Großreiche begründet liegen, die in der Mitte des 1. Jahrhunderts entweder gar nicht mehr existierten oder sich bereits so stark im Niedergang befanden, dass ein kostspieliges Engagement in hippischen Wettbewerben nicht mehr auf ihrer Agenda stand. Zudem hatten die elischen Erfolge in Olympia ein solides lokales fundamentum in re, das die Siege auch aus sich selbst heraus verständlich macht: die Stärke der elischen Agonistik, getragen von einer ländlichen Elite. Die alte Meistererzählung von einem „lokalen Sportfest“ im 1. Jahrhundert ist mithin ad acta zu legen. Sie muss durch ein nuancierteres Bild ersetzt werden, das stärker als bisher die Kontinuität der Wettkämpfe in unruhigen Zeiten betont. Olympia stellte auch im 1. Jahrhundert das Nonplusultra für griechische Athleten dar. Ein Bedeutungsverlust ist nicht zu konstatieren. Gleichwohl soll nicht in Abrede gestellt werden, dass die erste Hälfte dieses Jahrhunderts eine schwere Zeit für die Agonistik in Griechenland insgesamt darstellte. Olympia wurde als Wettkampfort aber nicht weniger attraktiv für die Athleten, diese hatten nur oft größere Probleme, sicher dorthin zu gelangen. Bibliographie Arafat, K. W. 1992: Pausanias’ Attitude to Antiquities, ABSA 87, 387–409. Baladié, R. 1980: Le Péloponnèse de Strabon. Étude de géographie historique, Paris. Baltrusch, E. 2012: Herodes – König im Heiligen Land. Eine Biographie, München. Bengtson, H. 1983: Die Olympischen Spiele in der Antike, Zürich2. Bengtson, H. 1988: Die hellenistische Weltkultur, Stuttgart.

119 Zum Vergleich sei auf den Einbruch der boiotischen Agonistik gegen Ende des 2. Jahrhunderts verwiesen (van Nijf/Williamson 2016, 54 urteilen: „the lights almost went out at the end of the second century BCE.“).

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In Olympia siegen

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Slaves, Fairs and Fears Western Greek Sanctuaries as Hubs of Social Interaction* Alain Bresson

Timaeus of Tauromenium tells how traditionally in Phokis, in Central Greece, younger siblings had to serve their elders in domestic matters.1 Timaeus also underscores that the younger siblings literally “lost their jobs” when the rich Mnason, a friend of Aristotle, introduced a large mass of slaves.2 This shift from domestic service to an exogenous workforce shows that there could exist various forms of bonded labor in ancient Greece, especially in regions more or less culturally distant from the big, urbanized and more market-oriented cities of the Aegean. The same observations could be made for the world of “western Greece”, here loosely defined as the regions west from the Pindos, from Illyria in the north, through Epiros, and down to Akarnania in the south. Illyria was not Greek, but in the course of time, with the presence of Greek cities on its coast, its history was increasingly connected to that of its southern neighbors. Above all, its social structures, a world of tribes and tribal associations was similar to that of the Epirotans to the south. According to Strabo, before the Roman takeover three of the most powerful Illyrian tribes had been the Autariatae, Ardiaians and the Dardanians.3 Theopompus, writing in the fourth century BCE, has an interesting note on the social structure of the Ardiaians: “The Ardiaians, he says, possess three hundred thousand prospelatai, who are similar to helots.” The number of prospelatai is of course a gross exaggeration and the parallel with the helots of uncertain value.4 Writing in the second century, Agatharchides of Cnidus mentions that “one of the Dardanians possessed one thousand slaves, while another owned even more. In peacetime, every one of them was occupied in agriculture; but in time of war, they formed companies commanded by

* 1 2 3 4

In addition to the common abbreviations for epigraphical corpora, the following abbreviation is used: CIGIME – Corpus des inscriptions grecques d’Illyrie méridionale et d’Épire, Athens 1995-. FGrHist 566 Timaeus of Tauromenium F 11a ap. Athen. 6,264d. On Mnason, see Heckel 2006, 169, s. v. Mnason. Strab. 7,5,6. FGrHist 115 Theopompus F 40 ap. Athen. 10.443b, with Athen. 6,271e: Ἀρδιαῖοι δέ, φησί, κέκτηνται προσπελατῶν ὥσπερ εἱλώτων τριάκοντα μυριάδας. See Ducat 1993 who however wants to take the number of slaves at face value.

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Alain Bresson

their individual masters”.5 If these “slaves” could fight along with their masters in times of war, the slave of the Illyrians can hardly be assimilated to helots. They must have rather been “clients” living in the dependence of a big man.6 These indications are precious in that they reveal a form of organization of the workforce that differs from that of the model of the Aegean Greek cities. Another model was that of the slaves bought on the market, typically found in the Greek cities. However, it was not as late as the Classical period that slavery was introduced in these regions. As underscored by David Lewis, the world of Odysseus, at Ithaka, is already full of slaves.7 The Classical period saw in western Greece only the slow beginning of a process of urbanization (especially in Epiros and Illyria), which became more active only in the third and second centuries. With it came a new type of social and economic organization. What was obviously the growing importance of this type of slavery from the Classical period onward was, in fact, an extension of the phenomenon, not the introduction of a new system of workforce exploitation that so far would have been unknown. That said, even in the Greek cities of the coast there could still exist in the Classical period complex situations for the exploitation of the workforce. As for the Greek cities on the coast of Illyria, Epidamnos had its public slaves (dēmosioi) employed in public works.8 At Apollonia, a very conservative city, where according to Aristotle a minority of rich people governed a majority who were not of free birth.9 It can be envisaged that the unfree of Apollonia were of indigenous origins, but whether they were slaves in the ordinary sense of the term is dubious, at least for a large proportion of them. Thus, if the system of slaves bought on the market certainly existed in western Greece well before the Classical period, it is seemingly only in the Hellenistic period that this model became prevalent. For want of literary sources, it is the inscriptional evidence that provides us the mass of data on slaves and slavery for these regions. It starts in the fourth century BCE. Most of these texts (although, admittedly, not all of them) come from sanctuaries or were linked to the cult of a god or goddess. By far the largest part of our documents consists of manumissions, that is to say, a category of documents that can also be found in other regions of the Greek world. With the tablets of the sanctuary of Dodona, western Greece also provides us documents that are exceptional in the insight they provide us on ancient slavery. More broadly, these documents reveal the role of Western Greek sanctuaries as major hubs of social interaction. 5 6 7 8 9

Agath. Europ. 28 (FGrHist 86 F 17 ap, Athen. 6,272d): Ἀγαθαρχίδης δ᾿ ὁ Κνίδιος ἐν τῇ ὀγδόῃ καὶ τριακοστῇ τῶν Εὐρωπιακῶν Δαρδανεῖς φησι δούλους κεκτῆσθαι τὸν μὲν χιλίους, τὸν δὲ καὶ πλείους· τούτων δ᾿ ἕκαστον ἐν μὲν εἰρήνῃ γεωργεῖν, ἐν πολέμῳ δὲ λοχίζεσθαι ἡγεμόνα νέμοντας τὸν ἴδιον δεσπότην. On these texts, see the discussion by Cabanes 1988b, 191–194, whose views are adopted here. Lewis (in press). Aristot. pol. 2,4,13,1267b. Aristot. pol. 4,3,8,1290b: οὔτ᾿ ἂν οἱ ἐλεύθεροι ὀλίγοι ὄντες πλειόνων καὶ μὴ ἐλευθέρων ἄρχωσι δῆμος – “neither is it a democracy if the free being few govern the majority who are not of free birth” (transl. H. Rackham). By contrast, Epidamnos was more generous with its citizenship, but suffered from domestic political conflicts (Thuk. 1,24,3). For the conservative constitution of Apollonia, see Wilkes/ Fischer-Hansen 2004, 328–329 no. 77; for Epidamnos, Wilkes/Fischer-Hansen 2004, 330–331 no. 79.

Slaves, Fairs and Fears

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I. Fairs and slave sales Dated to 216 BCE, a famous inscription from Olympia lays down the new rules for organizing the festival and games celebrated in honor of Apollo Aktios at Aktion, in Akarnania.10 In the aftermath of the Social War (220–217 BCE), the Akarnanian city of Anaktorion found itself in difficulty managing the sanctuary and the festival of Aktias by itself.11 Thereafter, the city of Anaktorion and the Akarnanian Confederacy would share the management of the festival and the games, as well as the profit from the taxes levied during the fairs. Clearly, the sharing of tax profits levied during the fair was the condition under which the confederacy provided help, which consisted of repairing the sanctuary and celebrating the festival with the appropriate dignity.12 Although by that time the sanctuary of Aktion was already of primary importance for the Akarnanians, it then became the federal sanctuary of the confederacy.13 Of course, it is no coincidence that the stele bearing the text was erected in another sanctuary, that of the Zeus of Olympia, one the most famous and sacred places in the Greek world, which, in so doing, established a hierarchy between the sanctuaries. Both Zeus Olympios, on the divine side, and, on the mortal side, all Greeks visiting the sanctuary, would become guarantors of the agreement between Anaktorion and the Akarnanians. The covenant regulates a series of financial questions, viz. § 6, the expenses relating to the games, the sacrificial victims and the festival itself, expenses which the Confederacy should see to without delay, just as was done before by the city of Anaktorion; § 7, the hiring of flute players, which the Confederacy will handle as it sees fit; § 12, the ranking and detailed organization of the participants in the sacred procession. Four provisions are devoted specifically to the taxes and to the sacred money of the sanctuary: 1. § 8, ll. 31–34: “From the fiftieth (pentēkostē) and all the other taxes that are levied during the festival and the other ones relating to the sales of slaves, one half will go to the Akarnanians, the other half to the city of Anaktorion” (τᾶς δὲ πεντηκοστᾶς καὶ τῶν λοιπῶν τελέων ἁπάντων | [τ]ῶγ γινομένων ἐν τᾶι παναγύρει καὶ τῶν ἄλλων τῶμ

10

11 12 13

Habicht 1957; NIvO 13, with full bibliography. See also Czech-Schneider 2002 for a presentation of the history of the sanctuary and for full discussion of the economic and financial side of the inscription from Olympia. For the date of 216, see Habicht 1957. On the basis of the number of the districts of the Acarnanian League, whose members appear in the agreement, Corsten (1999, 87–88) however, also suggests a possible date of shortly after 212. See Czech-Schneider 2002, 88–90 specifically on the difficulties of the sanctuary in repairing its buildings and financing the festival. On this financial aspect, see also Migeotte 2001, 165–166; Migoette 2014, 366–367. On this evolution, see Czech-Schneider 2002; Freitag 2013, 75–80; Freitag 2015, 82. See also Corsten 2006 for the context in which it became the common sanctuary of the League (the loss of Stratos, the original center of the League, made it now inevitable that Aktion should become the common sanctuary of the Acarnanians). On the excavations of the temple of Apollo at Aktion, see Trianti et al. 2013, who show that the activity of the temple peaked already in the Archaic period.

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πιπτόντων ἐκ τᾶς | [τ]ῶν σωμάτων πωλήσιος τὰ μὲν ἥμισα τῶν Ἀκαρνάνων εἶμεν, τὰ δὲ ἥμισα | [τᾶ]ς¢ πόλιος τῶν Ἀνακτοριέων). 2. § 9, ll. 34–36: “There will be four pentēkostologoi from both sides, as well as secretaries in equal numbers, and one agoranomos from the Akarnanians and one from the city”. 3. § 10, ll. 36–38: “What the Anaktorians possess in terms of the sacred money of Aktian Apollo and dedications made before the agreement was written will be retained by them; that what is dedicated afterwards will belong to the Akarnanians”. 4. § 13, ll. 43–45: “The Anaktorians are to handle the port taxes and all other revenues, except those generated by the taxes from the Aktias”. The principle is clear. In ordinary time, the city of Anaktorion would fully remain the only beneficiary of income from taxes levied on its territory. As for the period during the festival, the city of Anaktorion did not want to be deprived of the revenues it could make from the customs duties and other taxes levied at that time as well as those derived from the sales of slaves: the answer was for the city and Confederacy to equally share those profits. The negotiation of the agreement was seemingly not easy, as proved by the several embassies of the Akarnanian League to Anaktorion.14 The attention devoted to financial matters is a hint that this was a crucial question for both the city of Anaktorion and for the Akarnanians. The number of pentēkostologoi (the collectors of the 2 % tax), four for the city and four for the Confederacy, also implies large volumes of commodities being imported and exported.15 The special provision made for slaves (ll. 31–34) certainly reveals the significant share they represented in terms of volume of trade, and thus also of taxes.16 There should be no doubt that the import and export of slaves was classified under customs duties, like the other “commodities” imported to and exported from the city. From clay bullae from Seleukeia on the Tigris we also know that a specific tax could be levied on imports of slaves into the city: ἀνδραπ[οδικῆς] | Σελευκε[ίας] | βκρʹ | εἰσαγωγ[ῆς] .17 At any rate, although the text regulating the Aktias does not provide any details on the matter, there obviously existed some form of specific tax on slave sales, a sort of ἐπώνιον, or tax on sales in general.18 Taxes on slave sales were indeed a regular source of profit for cities. A special tax on slave sales (ἀνδραποδωνίη) is mentioned as early as the end of the sixth century BCE at Kyzikos.19 A similar tax is mentioned for Kos in

14 15 16 17 18 19

Blawatsky 1974, 498. On the pentēkostologoi at Aktion and the question of tax rates, see Czech-Schneider 2002, 93–4; Migeotte 2014, 90 and n. 222. On the two categories of taxes levied on the slave trade, import and export duties on the one hand, and sales taxes on the other, see Blawatsky 1974; Czech-Schneider 2002, 95–97. I.Estremo Oriente 79g, of 190/189 BCE. On epōnia, see Migeotte 2014, 265–267, 513–514; Fawcett 2016, 166–169, 171–173. Syll.3 4B (Pleket, Epigraphica I.21; LSAG2, p. 371, no. 51, pl. 72), l. 6.

Slaves, Fairs and Fears

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the Hellenistic period in a list of tax farms.20 In Hellenistic Babylonia, clay seals from various cities refer to an ἀνδραποδική, a local tax on slave sales.21 Customs duties on slave import or export and taxes on slave sales were thus an everyday affair. The point with fairs was that the wide gathering of people during a festival like the Aktias increased sale opportunities for slave merchants or individuals who wanted to sell their slaves. In turn this increased the productivity of the customs duties or taxes. When he describes the biennial festival of Isis at Tithorea (or Tithora), in Phokis, Pausanias describes the fair that took place on the third day and mentions slaves (andrapoda) and cattle as first in the list of goods sold there: τῇ τελευταίᾳ δὲ τῶν τριῶν πανηγυρίζουσι πιπράσκοντες καὶ ἀνδράποδα καὶ κτήνη τὰ πάντα, ἔτι δὲ ἐσθῆτας καὶ ἄργυρον καὶ χρυσόν “On the last of the three days, they hold a fair where they sell slaves, all kinds of cattle as well as clothes, silver and gold”.22

As for slave sales, the festival of Thitorea is paralleled by the festival of the Thermika organized by the Aetolians at Thermon. Polybius (5.8.5) presents the Thermika as not only the major religious, but also the political event of the Aetolians. He also immediately mentions markets and fairs, underscoring that the Aetolians held ἀγοράς τε καὶ πανηγύρεις ἐπιφανεστάτας, “markets and most famous fairs”.23 In the festivals of some other sanctuaries, like those in the late Classical period at the sanctuary of Artemis Amarysia at Eretria, at the Laodikeia at Sardis, at Herakleia by the Latmos or at the sanctuary of Apollo Tarsenos for the local katoikoi, a tax exemption privilege could be granted to the participants of the festival.24 At Baitokaike, in Syria, a decree of Arados acknowledges the tax exemption on slave sales.25 This was not the case at Aktion. Tax exemptions were certainly a means to attract new participants and increase the prestige of the festival, as well as the volume of the transactions that took place during the panēgyris. At Aktion, one must conclude that after the difficult times of the Social War, both for the Akarnanians and for the city of Anaktorion, money was badly needed and for them this was not the time to grant tax exemptions.

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IG XII 4, 293 (Syll.3 1000), ll. 8–9: ὠνὰν ἀμπελοστατεύντων καὶ τῶν γυναικείων σωμάτων, which IG comments: “vectigal vel potius ἐπώνιον vinitorum vel vitium culturum et servarum venalium”. Given that winemaking was the main production of Kos, the tax on male slaves was thus specified as a tax on winemakers. Indeed, although the context is not clear, it is quite possible that what was at stake was a tax on slave sales rather than slave ownership. I.Estremo Oriente 79c1/2, 79g, from Seleukeia by the Tigris (Σελευκείας, i. e. tax of Seleukeia); 126a and b, from Nippur (Νιφαρῶν, i. e. tax of the Niphareis); 136a and b, from Uruk (respectively Ὄρχων and Ὀρχηνοῦ, i. e. tax of the Orcheis or “of Orchoē”). The meaning of the formula ἀγορᾶς ἀτελῶν or ἐπιτελῶν in these texts, with the detailed literature on the question, cannot be analyzed here. Paus. 10,32,15–16. See De Ligt 1993, 67; McInerney 2010, 193–194. On the Thermika, see Funke 2013, for religious and political aspects, and Mackil 2013, 344. See Chandezon 2000, 87–88. IGLS 4028, ll. 37–39.

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Located at the entrance of the gulf of Ambrakia, Aktion was ideally situated to play the role of a trade hub. From Aktion, it was easy to access eastern Akarnania, northern Aetolia and southern Epiros. Through the gulf of Ambrakia even inland Akarnania was connected to the sea. The panēgyris at Aktion took place only once a year. It was the major event on the Akarnanian calendar and it gave them an opportunity to meet both for religious and political reasons. And, without doubt, it certainly provided them a major opportunity to perform economic transactions. While it was indeed a religious festival, with major symbolic value, the Aktias was also a fair in the full sense of the term. All kinds of items were exchanged during the festival, including, most importantly, slaves, which justified the special attention devoted to them. The slave trade at Aktion was a permanent feature, not something exceptional and linked to the special context of the Social War. The provisions of the agreement regarding slave sales demonstrate that it was expected that the activity would be regularly conducted in the future.26 The sources of slaves may have been diverse and could have included distant countries. Yet, the way by which they reached the markets of the region was not necessarily long-distance trade. The Aetolians, the eastern neighbors of the Akarnanians, were a people of raiders par excellence, not only often attacking their neighbors but also practicing piracy.27 At the end of the third century, the Illyrians were also active pirates and thus providers of slaves.28 Without doubt, piracy represented a threat for the cities of the region. Through the agency of middlemen, pirates were also in need of markets to “legally” sell the booty and people they had taken by force. Aktion was certainly one of the places where slaves, whatever their origin, could easily enter the “legal” market. As pointed out by Pierre Cabanes, one should also certainly not underestimate the massive new slave supply introduced by the Roman military campaigns in Greece and in the Eastern Mediterranean in general, starting at the end of the third century BCE.29 Unfortunately, the origins of the slaves remain most of the time unknown, because most of the time their ethnic of origin is not mentioned in the manumissions of western Greece.30 Pierre Cabanes has supposed that a slave bearing the name Pharnakes was part of the new slave supply that followed the Roman campaigns against Antiochos III.31 A Hellenistic manumission of Stratos mentions a Phrygian slave.32 In one Hellenistic 26 27

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The point has been well made by Habicht 1957, 107; Czech-Schneider 2002, 96. De Souza 1999, 70–76 believes the actual development of Aetolian piracy did not take place before the last quarter of the third century. Given that most of our data on the Aetolians come from Polybius, who does not cover the previous periods, our information is, consequently, scarce or non-existent. Thus Scholten 2000, 20–25 might be right to insist on the structural character of the “politics of plunder” of the Aetolians, which must thus have developed before the end of the third century, although admittedly the question is still debated. On Aetolian institutions, see Funke 2015. Cabanes 1976, 207–208; Cabanes 1988b, 260–265 (limited local piracy before 228, extended after that date), and more broadly 265–325 for the period of conflict from 228 to 167; Eckstein 2006, 265–266. Cabanes 1976, 284. Zoumbaki 2009, 106–111 has devoted a detailed study to the question of the origins of slaves at Oiniadai, which is relevant for the question of the origins of all the slaves of western Greece. CIGIME II, 15, l. 7; see Cabanes 1976, 284. IG IX 12, 2, 394a. On this text, see below p. 263–264.

Slaves, Fairs and Fears

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manumission from Byllis, the four slaves have a patronymic, which has suggested a local origin, as if the slaves were locally known of everyone.33 It should be noticed however that the name of the fourth slaves, Thraïkidas the son of Syrias, could suggest a double foreign ethnicity, Thracian and Syrian, which is in itself problematic (slaves were also commonly renamed by their masters, which makes it difficult to resolve the question). We know however that Illyrians could be sold as slaves abroad. We have five testimonies of Illyrian slaves manumitted at Delphi.34 They all are from the second century BCE, and interestingly they are all female. An honorary decree from Eretria of the third century thanks the Akarnanian Eudemos for buying the freedom and saving some of their fellow-citizens who had been enslaved. There is a good possibility, although admittedly no certainty, that they had been captured by pirates, and sold in Akarnania.35 Although slaves were one of the major commodities sold during the Aktias, we have no document from Aktion itself giving us additional information on the trafficking of slaves in the sanctuary. Interestingly, we have one from Dodona, the great federal sanctuary of the Molossians and later of all the Epirotans: θεό[ς. Τύ]χα. Ματυδίκα Πο[θουμ]ενὸν ἐξεπρίατο [παρὰ] Δαμοξένας μνᾶς [ἀ]ργυρίου. μάρτυρες· 5 Ἀλεξάνωρ, Ϝαττίδας, [Σκ]οπαῖος, Εὐκ[λ]είδας. [ἐ]πὶ ναΐάρχου Μενεχάρ[μου], ἐπὶ προσστάτα Μολ[οσ]σοῦ Ἀγέ[λ]λυος. 10 [. . . . .] vac. Φοι[ν]ατοί. “God. Fortune. Matydika bought Pothoumenos completely from Damoxena for a mina of silver. Witnesses: Alexanor, Wattidas, Skopaios, Eukleidas. When Menecharmos was naiarch, when Molossos son of Agellys was prostatas. (. . .) Phoinatoi”.36

This deed of sale, inscribed on a bronze tablet, begins with an invocation to god and fortune. It is also carefully dated by a naiarch, the chief official in charge of the Naia, and by a Molossian civilian prostatas.37 There was thus a double guarantee of the sale. The tablet was found at Dodona. The state of preservation of the tablet is imperfect, but no holes for posting in the preserved corner or sides are mentioned in the descriptions of its two fragments or visible on the facsimile provided by E. Meyer. This suggests that it must have been kept in the archives of the sanctuary rather than exposed to the view of everyone. The sanctuary of Dodona could thus actually play the role 33 34 35 36 37

CIGIME III, 317 (see also below on this text p. 259). SGDI 1810, 1854, 2014, 2046 (see CIGIME III, 482–484 for three of these dedications); FD III 2, 222. Bielman 1994, 111–114, no. 54 (who thinks of Aetolian pirates); Knoepfler 2001, 317–322, no. 18 (who, p. 322, leaves the question open); Zoumbaki 2009, 106–111. Meyer 2013, no. 4, 297–250 BCE (transl. E. Meyer, modified). “From Damoxenas” by lapsus M., but correctly Δαμοξένα index p. 188. For a slave bought at Aktion, see below p. 270. On the naiarch, see Meyer 2015, 310.

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of transaction archive, although, on the basis of this single document, it is difficult to determine whether or not this usage was systematic. One could also imagine that, normally, sales deeds were written on wooden tablets, or on papyri, and only rarely on bronze tablets, which would justify the exceptional character of this document. Admittedly we are here in unknown territory. II. Manumissions Slavery could come to an end by manumission and the regions of Illyria, Epiros and Akarnania provide a wealth of information on the topic. 1. Illyria In Illyria, no manumission has so far been found at Epidamnos-Dyrrhachion.38 1.1 From Apollonia come twelve manumissions dating from the fourth to the second century BCE.39 They all are of the so-called “civilian type” (they do not mention a god) and are very laconic. It should be emphasized that the difference between the “civilian” and the “religious” type is purely technical and that the divide should not be overstated.40 None of the Apollonia manumissions makes mention of a paid sum, which, however, does not mean that the slave did not have to pay for his or her freedom.41 Likewise, none of them stipulates a paramona, the clause imposing the former slave to continue serving his or her master or mistress, but, as with the above financial condition, it may have still applied. These manumissions are of the following type:

5

πρυτανεύον[τ]ος Φαλά¢κρου, μηνὸς Δευδέκατος ἀφῆκε Γλαυκίας Κλεοπάτραν, ἴμεν ὅπᾳ λε̃ ν, ἐλευθέραν.

“Phalakros being prytanis, in the month Deudekatos, Glaukias let Kleopatra go free wherever she wants”.42 38 39 40 41

42

For the inscriptions of Epidamnos-Dyrrhachion, see CIGIME I.1. CIGIME I.2: nos. 21, 385–387, 390–391, (in CIGIME II, Add., pp. 324–325) 394–398, (in CIGIME III, Add., p. 331) 410. On the manumissions of Apollonia more broadly, see Cabanes 2004. See the warning of Mulliez 2000 reviewing Darmezin 1999. On this question, see Darmezin 1999, 238; Mulliez 2000, 447 (contra Hatzopoulos in Petsas et al. 2000, 38 and 43), who for the consecrations of slaves at the sanctuary of the Mother of Gods Autochthon in Leukopetra (Macedonia) in the imperial period thinks that the absence of mention of a financial transaction does not mean that the consecration was made for free. In principle, Mulliez is right, but the context and meaning of the slave consecrations at the sanctuary of Leukopetra is very specific: see A. Chaniotis apud SEG L 597; Chaniotis 2009, 129. CIGIME I.2, 385 (fourth century BCE, from Apollonia). For the month Deudekatos, see the discussion of Iversen 2017, 149–150.

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1.2 From the modern site of Cakran, more or less half way between Apollonia and Byllis, also comes a funerary inscription from the imperial period (CIGIME III, 401) mentioning an association of slaves (a θίασος Λεχεατῶν ὁ τῶν δούλων).43 1.3 From Byllis come two manumission documents, CIGIME III, 317, with four decisions of manumissions (on the basis of the script late Hellenistic or early Imperial). The formula is ἀφεωθεῖς vel ἀφεωθεῖσα ὑπὸ κτλ., and CIGIME III, 318 (mutilated), from third-second century BCE, with the formula ἀφῆκαν ἐλευθέραν. Two other inscriptions, CIGIME III, 314 and 315, which refer to the setting up of λίθοι κατὰ τὸν νόμον like the following inscription from Klos correspond probably to manumissions. No. 314 was found at the stadium and the editors suggest that the (likely) manumitted slave had to contribute to the construction of the stadium by bringing stones (but see below however). 1.4 From the modern site of Klos (ancient Nikaia?), south of Byllis, there is one manumission, CIGIME III, 385, from the end of the third or beginning of the second century BCE. The formula is ἀφῆκαν ἐλευθέραν, with the proviso ἔθηκε Χρήσιμος | τοὺς λίθους κατὰ | τὸν νόμον. The inscription was found near the wall of analemma of the parodos of the theater.44 The editors think of the required dedication of stones for the construction of the theater (or another building). However, it seems unlikely that in every single place a specific, but unspecified task was requested from the manumitted slave. It seems more logical to think of the dedication of the inscribed stele at the expense of the manumitted slave, which was locally required by the law. Parallels for λίθος as inscribed stele can be found in Athens.45 2. Epiros In Epiros, three sites have provided manumissions acts, two of them in large quantities. 2.1 From Phoinike, we have two manumission inscriptions, CIGIME III, 8–9, that date from the last third of third century BCE (the period of Republican Epiros, from 232 onward). In no. 8, a family group dedicates their slave to Poseidon, ll. 43

44 45

See Zoumbaki 2005, 223–224 who derives the name Λεχεάται from that of the eponymous hero of the port of Lechaion near Corinth, who was the son of Poseidon and Peirene. Thus, this slave association might have worshipped Poseidon. For A. Chaniotis (SEG LV 635bis), “Λεχεάται is more probably an ethnic, deriving either from the Corinthian harbor or from a homonymous place name in the vicinity of Apollonia, a Corinthian colony”. However, Antonetti 2010, 314 n. 77 prefers Zoumbaki’s interpretation, which indeed seems more likely. On the theater as place of publication of manumissions, see below. See IG I3 4B, l. 25, 485/4 BCE, τὰ ἐν τÕι λί[θοι γεγραμμένα], to refer to the prescription of the stele (see also l. 27: τὰ ἐν τοῖν λίθοι[ν τούτ]οιν) and IG II–III3 4,1, 214B, ll. 3–7, ca. 30–20 BCE, τοὺς λίθους … ἀνέθηκεν … κατὰ τὸν νόμον, with Steinhauer 1994, 59, whom the present writer, Bresson 2000, 163– 164, despite final reservations, should have followed on this point, rather than Descat 1997, 15; the λίθοι were not stone tables of the agora; the plural implies that the inscription, which bears a list of prices of meat and offal, was not the only one to be dedicated but that there were other similar lists regulating prices of other goods, as implied by Steinhauer.

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12–13, ἀνέθηκε ἱερὸν τῶι Πο|τειδᾶνι, which is a formula commonly found at Bouthrotos (ἀνέθηκε ἱερὸν |/ ἱερὰν τῶι Ἀσκλαπιῶι vel τῶι Διὶ τῶι Σωτῆρι, see below). No. 9 is mutilated and we have only the formula ἀφῆκε. This is also a formula found several times at neighboring Bouthrotos.46 2.2 The corpus of inscriptions of Bouthrotos, on the coast, facing Kerkyra, has 163 manumission inscriptions, six of them dated before 167, the rest later, i. e. after the catastrophic destruction of southern and eastern Epiros by Rome in 167.47 The manumissions mention 597 manumitted slaves.48 The manumitted slaves are consecrated to Asklepios or to Zeus. The manumission documents are thus of the “religious” type.49 As pointed out by the editors of CIGIME II, it should also be observed that in fact the frequent formula of manumission ἀφεωθέντες ἐλεύθεροι καὶ ἀνατεθέντες ἱεροί (with name of the god in the dative) illustrates a mix of “civilian” and “religious” types.50 This is the case, for instance, in this inscription:

5

ἐπὶ ἱερέος Ἀριστομάχου τοῦ Νικολάου Κεστρίνου Βαρρίου, οἱ ἀφεωθέντες ἐλεύθεροι καὶ ἀνατεθέντες ἱεροὶ τῶι Ἀσκλαπιῶι· Σατυρῖνος Κεφαλίνου, Κεφαλῖνος, Παμφίλα vac. Ἀριστόκλειαν· Μενοίτας Βοΐσκου, Δεινομάχα, Δεινομάχα, Βοΐσκος, Θερσὼ vac. Διόκλειαν·

“Under the priest Aristomachos the son of Nikolaos, Kestrinos, Barrios, those who have been manumitted and dedicated to Asklapios (have provided for the inscription of this list): Satyrinos son of Kephallinos, Kephalinos, Pamphila (have manumitted and decicated): Aristokleia; Menoitias son of Boïskos, Deinomacha, Deinomacha, Boïskos, Therso: Diokleia; …”51

Given that the stones bearing the manumissions come mostly from two different locations, the walls of the Roman theater for the dedications to Asklepios and a defensive tower built in a later period at around 150 meters from the theater, which has both dedications to Asklepios and to Zeus Soter, it is logical to conclude that the stones were originally part of walls from two different sanctuaries, one dedicated to the “Asklepios from Bouthrotos” (ὁ Ἀσκλαπιὸς ὁ ἐμ Βουθρωτῶι), the second one to Zeus Soter.52 2.3 The sanctuary of Dodona, in Epiros, provides us a corpus of 27 manumissions, mostly on bronze tablets, but sometimes also on stone stelae. This corpus of Dodona 46 47 48 49 50 51 52

See CIGIME II, pass. CIGIME II: nos. 1–6 (before 167); 14–169 (after 167); see pp. 267–273 for a detailed analysis of these manumissions. CIGIME II, 251; some texts / mutilated inscriptions do not allow us to determine the number of slaves who were manumitted; the actual number of manumitted slaves corresponding to our texts must thus have been around 600 (this is the number retained by CIGIME II, 267). See Antonetti 2010, 305–306. See CIGIME II, p. 269. CIGIME II, 41, ll. 1–7, dated to the “second generation” of the post-163 BCE inscriptions; see CIGIME II, p. 299, 315. CIGIME II, p. 59, 64.

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is supplemented by two manumissions from Gitana and two from Phoinike. These documents have been recently republished and commented on by Elizabeth Meyer.53 In terms of volume, the corpus of Dodona, and even that of Bouthtrotos, cannot be compared to that of Delphi, analyzed by Dominique Mulliez (1,341 manumission inscriptions), or that of the cities of Thessaly, analyzed by Rachel Zelnick-Abramovitz (over 300 inscriptions from various cities, corresponding to over 1,700 acts of manumission).54 However, the Bouthrotos and Dodona inscriptions provide us interesting information on the manumission habits in Epiros. We observe formulae that are partly specific to the region, but that can also share common features with those of other regions.55 At Bouthrotos, the gods under the protection of whom the manumission is performed are Asklepios, and, in a minority of cases, Zeus. Under various combinations, the formula uses two turns of phrase, ἀφίημι + ἐλεύθερον (ἐλεύθεραν) and ἀνατίθημι + ἱερόν (ἱεράν). We find the same combination at Gitana (with consecration to Themis, Meyer no. 28). At Dodona, the formula is even less complex, for we do not have the consecration but only the indication that the slave is set free. With this small difference, it clear, however, that there existed an “Epirotan” formula of manumission, which was much simpler than at Delphi or in many cases in Thessaly. For instance, in contrast with Delphi, there was no fictitious sale of the slave to the god or goddess (but it may have been registered in the archives of the city). Two examples from the Dodona corpus will illustrate this minimalist style:56 Στραταγο[ῦ]ντος Ἀ[πει]ρωτᾶν Εὐάλκου Ἀριαντέος, προστατεύοντος δὲ Μολοσσῶ5 ν Πολυκλείτου Ὀσσονίου, μηνὸς Φοινικαίου, ἀφῆκε ἐλευθέραν, ἀνέφαπτον Ἀγαθοκλείαν, ἃν ἐκάλουν Εὐπορίαν, Ἀνάξαν10 δρος Γέλωνος Φαργαναῖος, ὢν ἄτεκνος. μάρτυρες· Ἀντίνους Ἀλεξιμάχου Κλάθριος, Ἀντίνους Νικομάχ15 ου Σ[---]

53 54 55 56

Meyer 2013: Dodona, pp. 136–161 nos. 1–27; Gitana, pp. 162–163 nos. 28–29; Phoinike, pp. 163–165 nos. 30–31. Delphi: Mulliez 1992; Mulliez 1997; Mulliez in Choix Delphes, 234–239; Thessaly: Zelnick-Abramovitz 2013, 29, App., 151–156. For an overview of manumission formulae in the Greek world, see Darmezin 1999, 180–183. Meyer 2013, no. 24, 180–167 BCE. See however Meyer 2013, no. 15 for a more complex record of manumission.

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Alain Bresson “Eualkes, Ariantes, was stratēgos of the Apirotes, Polykleitos Ossonios was prostatas of the Molossians, in the month Phoinikaios, Anaxandros son of Gelon, Pharganaios, being childless, set free, untouchable, Agathokleia, whom they also call Euporia. Witnesses: Antinous son of Aleximachos, Klathrios; Antinous son of Nikomachos, S[---]”(transl. E. Meyer).

Indicating the magistrates in charge and mentioning the month provide a precise manumission date (which may prove fundamental for understanding the activity of the slave before or after). The witnesses will act as guarantors, able to testify to the genuineness of the manumission. As it is, the manumission is a minimalist document, with the name of the owner and the slave (with onomastic precision to avoid any possible ambiguity). However, there are two particulars worthy of comment. The manumitted slave is called “untouchable”, which comes off as a redundant, but is really a reinforcement of the manumission. As for the manumittor, he is defined as ateknos, “childless”. This is not a unicum. The designation appears three times in the corpus of Dodona (out of 27 manumissions, but with at least 9 texts of which large parts are missing).57 At Bouthrotos, either directly or through the phrase κατὰ τὸν ἀτέκνων νόμον, it appears 113 times or 23 % out of 491 decisions of manumission.58 It remains somewhat enigmatic. Was the number of childless people so high? Pierre Cabanes and his colleagues have provided a specific explanation for the formula.59 If the manumittor were childless, no one could pretend to be a descendant of the manumittor and, thus, falsely challenge the manumission. The rule applied if the manumittor were indeed childless, but it might also have been a legal fiction to protect the new freedom of the slave. Another example will allow us to have a better grasp of the particulars of the Dodona manumissions:60 [ἀπέ]λυσαν [Γ]ρύπωνα τοίδε ξενι[κ]ᾶ[ι λ]ύσει· Θ[ε]όδοτος, Ἀλεξίμαχος, Σαμύθα, Γάλαιθος, Ξένυς, μάρτυρες· Μολλο[σ]σῶν Ἀνδρόκκας Δωδω5 ναῖος, Φίλιπος [Δω]δωναῖος, Φιλόξενος Δωδωναῖος, Δράϊπος Δωδωναῖος, Ἀγίλαιος Δωδωναιος, Κραῖνυς Φοινατός, Ἀμύνανδρος Δωδωναῖος· Θρεσπωτῶν οἵδε· Δόκιμος Λαρισαῖος, Πείανδρος Ἐλεαῖος, Μένανδρος Τιαῖος, Ἀλέξα10 νδρος Τιαῖος, Δείνων Θοξουχάρου, Φίλιππος, Φίλων Ὀνόπερνος. ἐπὶ προστάτα Φιλοξένου Ὀνοπέρν[ου. ἐπὶ Διὸς] Νάου Διώνας. “The following loosed Grypon by xenikē lusis: Theodotos, Aleximachos, Samytha, Galaithos, Xenys. Witnesses: of the Molossians, Androkkas Dodonaios, Philipos Dodonaios, 57 58 59 60

Meyer 2013, nos. 22, 24, 27. CIGIME II, p. 257. Cabanes 1982; CIGIME II, pp. 257–259. Meyer 2013, no. 1, 350–250 BCE.

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Philoxenos Dodonaios, Draipos Dodonaios, Agilaios Dodonaios, Krainys Phoinatos, Amynandros Dodonaios; these of the Threspotians, Dokimos Larisaios, Peiandros Eleaios, Menandros Tiaios, Alexandros Tiaios, Deinon son of Toxouchares, Philippos, Philon Onopernos, when Philoxenos Onopernos was prostatas. In the presence of Zeus Naos and Diona” (transl. E. Meyer).

Once again, the formula of manumission is minimalist: [ἀπέ]λυσαν [Γ]ρύπωνα, with the names of the co-owners. Beyond mentioning the magistrates (at the end of the manumission), three points are worth noticing. The gods of Dodona, Zeus Naios and Diona are explicitly mentioned. The names of the witnesses are presented in an unusual way, with seven Molossians and seven Thesprotians, equal numbers of two of the main components of the Epirotan ethnos.61 This was certainly a way to underscore that the manumission was to be respected all over the koinon. However, the most enigmatic turn of phrase, both in this and other documents, is ξενικὴ λύσις.62 Rachel Zelnick-Abramovitz has convincingly demonstrated that this was a privileged granted to the slaves, which could even be referred to on their tombstones. She then explains the formula ξενικῇ λύσει the following way: “‘(He/she) discharges the [manumitted slave] from the obligation to pay the taxes of xenoi’. Although freed persons were everywhere ξένοι in the polis, their rights and obligations varied according to the extent to which the citizens guarded their prerogatives”.63 In other words, the master of the slave would have had the right to grant him/her freedom from taxes normally levied on the foreigners. This remains surprising, however, as the city or the koinon would lose a source of income without compensation. One may wonder whether this was not rather a way to emphasize that the ex-slave should henceforth be treated as a fully free xenos, not like a slave still linked to his former master by a paramonē clause, which would be implicit even if it were not mentioned.64 3. Akarnania65 From Stratos and Oiniadai come two series of manumission acts. 3.1 Stratos: IG IX 12 2, 394a (ll. 3–9 only are reproduced here), second century BCE; the block bearing the texts of the manumissions (a and b) of two male slaves likely belonged to a base located before the temple of Zeus, where it was found:

61 62 63 64 65

On the history and structure of the Epirotan koinon, see Cabanes 1976; Meyer 2015. For two other cases at Dodona, see Meyer 2013, nos. 3, 5. Zelnick-Abramovitz 2005, 111–112. In the Thessalian inscriptions, to the best knowledge of the present writer, a paramona clause never appears when a xenika lysis is mentioned. We use here the data of the volume IG IX 12, 2, edited by G. Klaffenbach in 1957. Recent research has produced 400 still unpublished new inscriptions, see Summa 2013, who however does not mention new manumission documents. The frontiers of Akarnania have changed a lot over time, as its eastern part, including Stratos, was territory was annexed by Aetolia.

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[․․․ ἀ]πέδοτο Διονύσιος [Δ]ιονυσίου Στράτιος τῶι Διὶ ἐπ’ [ἐλευθερίαι σ]ῶμα ἀνδρεῖον, ὧι ὄνομα Υνοξ․c.5․ς, τὸ [γέν]ος Φρύγα, τιμᾶς ἀργ(υρίου) μ(νᾶς)· παραμεινάτω δὲ [πα]ρὰ Διονύσιον, ἕω[ς] κα ζῇ Διονύσιος· εἰ δὲ μὴ παραμήναι, ἀτελὴς ἁ ὠνὰ ἔστω. βεβαιωτὴρ κατὰ τὸν νόμον

“… Dionysios the son of Dionysios has sold to Zeus of Stratos a male slave, named (- - -), of Phrygian origin, for one mina of silver; he will stay by Dionysios as long as Dionysios is alive; if he does not stay, the sale won’t be valid any longer; guarantor according to the law …” (the names of the βεβαιωτήρ and of the μάρτυροι follow).

The formula ἀτελὴς ἁ ὠνὰ ἔστω finds many parallels in Western Lokris, for example at Naupaktos, or at Delphi.66 3.2 Oiniadai (from the wall of the theater): IG IX 12 2, 419 = Zoumbaki 2009, no. 2, 300–250 BCE. This is a group of 11 manumissions on the wall of the theater. The very laconic formula is of the “civilian” type. Sophia Zoumbaki insists on the importance of the theater as place of publication (so making it known to everyone), demonstrates that the inscriptions date to the period 300–250 BCE, and notes that, due to the lack of an ethnic, the origin of the slaves cannot be defined, a characteristic we find commonly in the manumissions of western Greece. III. Fairs, manumissions and the world of the koina From Dodona comes a manumission document that reveals the specific role of fairs for manumissions:67 ἀγωνοθετοῦντος Κορίθου τοῦ Μενελάου Κεστρινοῦ ἔτους δʹ μηνὸς Ἀπελλαίου τοῖς Νάοις ἀφίεντι ἐλεύθερον Σωτίωνα παρὰ Δία Νάον καὶ Διώναν κτλ. (follow the names of the manumittors and witnesses) “Korithos son of Menelaos, Kestrinos, being agonothete, in the fourth year, in the month Apellaios, on the festival of the Naia (names of the manumittors) set free Sotion before Zeus Naos and Diona (names of the witnesses)” (transl.: E. Meyer, modified).

The manumission took place during the festival of the Naia.68 As already emphasized, communal festivals were a special opportunity to meet and setting free a slave during the festival was a way to solemnize and reinforce the act of manumission performed 66 67 68

Naupaktos: see index IG IX 12, 3, p. 139, s. v. ἀτελής; Delphi: see for example for example SGDI 1832. Meyer 2013, no. 23 (ll. 1–4 only are reproduced here). On the festival, its introduction in the third century BCE only, and the poetic and gymnic contests that were organized during the panēgyris, see Cabanes 1988a.

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before the whole community of the ethnos. The sanctuary of Dodona was, therefore, a place where slaves could be sold, as observed above with the deed of sale preserved on a bronze tablet, but also a place where he or she could regain freedom. Of course, Dodona was not unique in this respect and it is easy to understand how the publicity offered by a sanctuary could provide security for buyers of slaves. A parallel can easily be found in the sanctuary of Isis and other Egyptian gods at Tithorea in Phokis, and the already mentioned slave sales taking place during the panēgyris in honor of the goddess, as described by Pausanias in the second century CE.69 Indeed, there is also an epigraphic dossier of the early second century CE of slave manumissions from Tithorea, the inscriptions coming obviously from the sanctuary of Isis.70 Some of the fictive sales are made just to the local Sarapis (“Sarapis of Tithora”), whereas the dedication IG IX 1, 187 (on the same stone as nos. 188–190) is made to Sarapis, Isis and Anubis. Perhaps for accidental reasons, we have no manumission record from Thermon from the Hellenistic period, but we do have one from the Roman period.71 The case of Dodona also helps to provide a key to answer the question asked by Kostas Vlassopoulos in his review of the book by Rachel Zelnick-Abramovitz on Thessalian manumissions.72 He observed that we have large bodies of manumissions recorded on stone (or bronze tablets like at Dodona) coming from the big or small sanctuaries from northern and western Greece, as well as from small island cities like Thera and Kalymnos. By contrast, none comes from the large cities like Athens, Chios, Rhodes or Ephesos, although we know that there were crowds of slaves in these cities. Yet, like at Athens with the famous case of the phialai inscriptions, we know, or may suspect, that large numbers of slaves were manumitted.73 Vlassopoulos underscores that this strange discrepancy in epigraphic habits should require further inquiry and suggests the multiplication of “case-studies of local communities”. Indeed, case studies are required to make sense of the chronological details of the manumissions in a specific sanctuary. For instance, while manumission inscriptions appear in western Greece as early as the Classical period, they begin at Delphi in 201/200 only.74 Louis Lerat has hypothesized that the introduction of this practice should be traced back to the active presence of Locrians in the sanctuary.75 Finally, the presence of manumission inscriptions does not necessarily correspond everywhere to the same logic, and their presence in various contexts may have had diverse motives. Nevertheless, the fact remains that the question of inscribing manumissions goes far beyond that of only “epigraphic habits.” To be able to make sense of the regional 69 70 71 72 73 74 75

Paus. 10,32,15–16. On this festival, see above p. 255 and below p. 267, n. 83. IG IX 1, 188–194, 196–199; Rousset/Zachos 2012, nos. 1–4. IG IX 12, 1, 82c. See above (p. 255) for the festival at Thermon. Vlassopoulos 2014, review of Zelnick-Abramovitz 2013. On the phialai inscriptions, see below p. 269. Mulliez in Choix Delphes, 234–235. Lerat 1952, II 103 n. 3. Mulliez 1992, 33 with a nuance of doubt. It will be interesting to see whether in his publication of the Delphian manumissions in CID V, D. Mulliez will confirm Lerat’s suggestion.

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difference mentioned above one must first admit that ancient states, cities, federal states or kingdoms, were not empty shells that could and should be neglected in order to make sense of ancient social realities. Each of these institutional systems had its own specific logic and it is impossible to make sense of the development of ancient societies if we refuse to include their political constructs within our analytical framework. At least for the contrast between central, northern and western Greece, on the one hand, and the big cities of the Aegean, on the other, any search for the source of differences needs to look into the specific institutional developments on both sides, which is what ultimately translates into the basic form of social, political and economic organization in each of these two worlds. That the sanctuaries simultaneously played religious (i. e. symbolic), political and economic roles, is not disputed. However, the role they performed was not the same in each case. As for western, central and northern Greece, the distinctiveness of these regions lies in their basic economic, social and political organization and the role that cities played in them, which could itself also vary significantly. In any case, it is in western Greece that the organizational role of cities was least significant. Thus, even if during late Classical and early Hellenistic periods there were some cities organized on the “standard” model, Epiros was still mainly at this time a complex pyramid of tribes, locally defined as ethnē.76 These were also fundamentally rural societies, very different from the heavily urbanized cities of the southern Aegean. When referring to the sustained habit of people from some regions of Greece to plunder one another (which was abandoned in more advanced regions), Thucydides quotes the people “of the Ozolian Locrians, Aetolians, Acarnanians, and the mainland thereabout” (περί τε Λοκροὺς τοὺς Ὀζόλας καὶ Αἰτωλοὺς καὶ Ἀκαρνᾶνας καὶ τὴν ταύτῃ ἤπειρον).77 The contrast observed by Thucydides in the Classical period between Athens and the urban poleis of the Aegean and the “wild world” of western Greece was still not fully erased in the Hellenistic and even Roman periods. Even more significantly, animal husbandry, with its specific constraints and in very different institutional framework, played a role much more important than in the cities of the Aegean.78 At Dodona, it seems that the panēgyris of the Naia, also corresponding to the main meetings of the various components of the Molossian ethnos, took place in early spring, when the transhumant herdsmen came back to their summer pastureland.79 At the Macedonian sanctuary of the Mother of Gods at Leukopetra, given that 80 % of the consecrations took place in either October/ early November or May, Miltiades Hatzopoulos suspects that the observed seasonality might correspond to periods of transhumance.80

76 77 78 79 80

Cabanes 1985. Thuk. 1,5,3. See Chandezon 2003, 402–404 and his typology of the three main regions of Greece as regarding animal husbandry. Hatzopoulos/Mari 2004, 305, 312; Meyer 2015, 310. Hatzopoulos in Petsas et al. 2000, 28.

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As expected in this type of society, the preferred channel for buying and selling high value goods was that of the periodic fairs, and not the markets open every working day. The sanctuaries thus provided the link for interactions that went beyond the framework of the micro-ethnos or of the city, playing the role of hub in the complex network of trans-“ethnic” or trans-civic connections. In western Greece, just like in central and northern Greece, social and economic interactions did not take place within the framework of the well-defined but limited territory of a city, as was the case in the large urbanized cities of the southern Aegean, but in connection with other communities, which in turn translated into the creation of federal political organizations. This has been explored in an exemplary way by Emily Mackil for the koina of Aetolia, Boeotia and Achaia, with a specific attention to the ecology of each of these regions.81 Thus, in Aetolia, there exists a complementarity between uplands, devoted to animal husbandry, and coastal regions, devoted to grain or oil production. The markets and fairs, especially at Thermon and Naupaktos (despite the coastal location of the city), were lynchpins that connected the two zones.82 It is at fairs of this type that the “most expensive commodities regularly sold” were traded: cattle and slaves.83 Organizing into koina was the local way to become self-sufficient (autarkēs), which in its form and development differed from the world of the Aegean cities.84 It is this specific form of autarkeia in the world of koina that might well justify the engraving of manumission acts on stone. As for the slaves, the act of manumission presupposed a legal environment that would provide a guarantee. For the manumitted slave, the risk of re-enslavement was real if he or she was not able to prove the legal and irrevocable character of his or her new condition. In societies like those of the koina of western and central Greece, a guarantee extending beyond the frontiers of the micro-community was required. In the above quoted document of Dodona (Meyer 2013, no. 1), we see witnesses from two of the main subdivisions of the Epirotans, the Molossians and the Thesprotians, and, furthermore, within each subdivision, witnesses come from various cities, tribes and local villages. At Delphi, many manumissions insist that the sellers and the guarantors of the “sale” to the god must provide the deed of sale in the event of a dispute on the status of the manumitted slave, and that, if not done so, they would be liable to prosecution and a fine. If the manumission took place at Delphi, the suit would also take place there. Indeed, in this clause, many Delphian manumissions commonly refer to the law (κατὰ τὸν νόμον) or to the law of the city (κατὰ τὸν νόμον τᾶς πόλιος). One manumission, made by a Phocian from Elateia, even specifies that the action shall be brought before a court “according to the law of the Delphians and according to the covenant of the Phocians” (κατὰ τὸν νό[μο]ν τῶν Δελφῶν καὶ κατὰ τὸ σύμβολον τῶν 81 82 83 84

Mackil 2013. Mackil 2013, 274–284. See McInerney 2010, 193–194 a propos the panēgyris of Tithorea. For the notion of autarkeia in the framework of a city, see Bresson 1987; Bresson 2016, 229; Gauthier 1987–1989 and the new analyses of Chandezon 2013; Savalli-Lestrade 2013.

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Φωκέων).85 There, therefore, existed a covenant among the Phocian cities that such an action could be brought before the court of a city of the koinon that might differ from that of seller’s city.86 The suit would take place in the city where the contract had been recorded. The inscription on stone obviously brought an additional guarantee to the freed person, but there should be no doubt that formally it was the contract that had legal value.87 This means that the manumissions could be recorded in one of the several local sanctuaries existing on the territory of a koinon. At the time, for the Phocians, it was Delphi, which played the role of federal sanctuary, just like Dodona was the federal sanctuary of the Epirotans. Lokris in general offers an interesting case of interplay between the poleis, the several koina and the common ethnos.88 There, as underscored by Louis Lerat, manumissions can be found in a series of sanctuaries: at Naupaktos, at the sanctuaries of Asklepios, Dionysos and Sarapis; at Krounoi near Bouttos at the sanctuary of Asklepios; at Phaistinos at the sanctuary of Apollo; at Physkeis at the sanctuary of Athena Ilias but also at that of the goddess Basileia; at Tolphon also at the sanctuary of Basileia; at Chaleion at the sanctuary of Apollon Nasiotas; at Amphissa at the sanctuary of Asklepios.89 An interesting case is provided by a manumission through consecration to the Apollo of Delphi, proclaimed at Physkeis in Lokris, but inscribed at Delphi.90 At Delphi, Locrian manumittors chose as guarantors, witnesses or contract depositories people of their own cities, Delphians, and Locrians of other cities.91 But natives from different koina may appear mixed up in various roles in the manumission inscriptions of Delphi. In the Delphian manumissions, depending on the period, we see many Delphians, but also people of various ethnic regional backgrounds like Aetolians, Phocians, Locrians and Boeotians.92 Thus, for instance, Locrians and Aetolians may appear together in the same manumission as is the case in one document of the mid-second century BCE.93 This illustrates the role of Delphi as an “international” hub (even if by “international” one must, in fact, understand that, in this period – following the fall of the Aetolian dominion over central Greece in 189 – 85 86 87

88 89 90 91 92 93

SGDI 1712, ll. 16–18. See Zachos 2007, 23–24. Mulliez 2014. Interestingly, at Delphi, it is only around 20 CE that the contract had to be recorded in the archives of the city: up until then it was archived only by a private individual, like had still been the case in Classical Athens. For archival management in Classical and Hellenistic Greece, see Faraguna 2005; Faraguna 2013; Bresson 2016, 244, 322 with Lambrinudakis/Wörrle 1983 for the law of Paros of the third century detailing the double archiving of public and private documents in this city. On the Locrian koinon, see Domínguez Monedero 2008; Daverio Rocchi 2015. Lerat 1952, I 130, II 104. For Physkeis, in addition to the references provided by Lerat (for which see now IG IX 12, 3, nos. 671–692), see also the seven new manumissions published by Rousset 2006 with one (or two?) more from the same region. SGDI 2097, pointed out by Lerat 1952, II 104. Lerat 1952, II 105. Mulliez in Choix Delphes, 234–235: 55 % of foreign sellers in the first quarter of the second century BCE, but this percentage falls significantly in the later periods (16 % in the first half of the first century BCE), in parallel with the number of manumissions. SGDI 1908 (156–151 BCE).

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it means the several koina of central Greece). In the case of Delphi, one should not imagine that the amphictyonic laws (ἀμφικτυονικοὶ νόμοι) per se would have properly guaranteed the validity of the manumissions, for we have no trace of such a role in our sources: with very rare exceptions these laws applied only to the management of the sanctuary.94 All the people who manumitted slaves at Delphi came from ethnē that were also members of the amphictyony. This membership, and the prestige of the sanctuary, were probably sufficient to ensure the validity of the action that would take place in Delphi (or another city if the deed of sale had been recorded there). If sanctuaries therefore played a major role in the world of the koina, both for the sales of slaves and for their manumissions, it is other institutions in the market-oriented Aegean cities like Athens, Rhodes, Cos, Delos or Ephesos, that took over these roles. The Athenian Panathenaia were not big fairs at which the Athenians would have expected to buy their slaves. Slave sales were common during the entire year and slave manumission records must have been disseminated among several archives, resort to which must have been possible on a daily base. The reinforcement of the guarantee brought about by an inscription in a sanctuary seems to have been unnecessary. At Athens, the fourth century phialai inscriptions (for which there ought to be no doubt that they recorded the dedications of manumitted slaves) play a role different from that of the standard manumission texts.95 They must be envisaged from the perspective of sacred taxation on slave manumission put in place by the Athenians. The inscription of a name proved that the dedication of a cup that the manumitted slave was supposed to make had been carried out. Other institutions, more civil and prosaic ones, took charge of what elsewhere in central, northern and western Greece often required the sanctuary of the god to be operative. IV. The fears of slaves, the fears of their masters The interest in the data coming from Dodona is due to the fact that they do not provide us the official documents we are used to from other sites. The oracular tablets of this sanctuary are also a mine of information on the most varied aspects of ancient Greek life. They give us privileged access to what the consultants might have had in mind. The recent books by Éric Lhôte, Esther Eidinow and the new corpus by Sotiris Dakaris, Ioulia Vokotopoulou and Anastastasios Christidis give us easy access to these documents.96 Three examples here will suffice in illustrating the views of the two sides, that of the master and the slave:97

94 95 96 97

On these laws, see Lefèvre 1998, 153–157; Sánchez 2001, 153–163, 415–420. For the texts, see Meyer 2009, but her interpretation that the phialai correspond to fines paid by prosecutors who had lost their suits against freedmen cannot be followed; see Bresson 2012, 232. Lhôte 2006; Eidinow 2007; Dakaris et al. 2013. Dakaris et al. 2013, 1411, c. 350 BCE, see Eidinow 2007, 102; Dakaris et al. 2013, 3473A, first half of the fourth century BCE.

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Κίττωι εἰ ἐστὶ ἡ ἐλευ[θ]ερία ἡ παρὰ Διονυσίου ἣν οὖν ἔθετ᾽αὐτῶι Διονύσιος “Will Kittos get the freedom from Dionysios that Dionysios promised him?”

The slave Kittos has been promised his freedom by his master Dionysios. This promise was, of course, the best way to obtain the loyalty and the most active performance from a slave. But will the master keep his promise? Apparently Kittos was not so sure and asked the god whether he should trust Dionysios.

5

ἐπερωτῆι Σιλαν[ὸς τὸμ Δία τὸν Νάΐον] καὶ τὰν Διώναν πε[ρὶ παρμονὰς ἦ τὸν οἰ]κέταν τὸν ἀπείλα[φα ---------------] τὸν ἀπ᾽ Ἀκτίου ἐπριάμ[αν -----------] Δωδωναίο[ι]ς ὅσαπερ [-------- καὶ] ἦ ἐσε�ται πα[ράμονος -------]

“Silanos asks Zeus Naios and Diona about the paramona whether the slave I have taken away [---] the one I have bought from Aktion [---] among the Dodonaians what [---] and whether he will be observant of the paramona [---]”

The editors prefer to see in Ἀκτίου a personal name, but this is unlikely. The name Ἄκτιος is rarely attested. LGPN III.A, s. v., has two occurrences, one at Dodona (with reference to SEG XIX 428, cf. Lhôte 2006, 236–238 no. 113, but see now Méndez Dosuna 2007 [with Bull. ép. 2008, 287; SEG LVI 659]: this is a reference to a ship leaving the port of Aktion: l. 3, ἀπ᾽ Ἀκτίου ἀπέπλε), and one at Nikopolis (facing Aktion, the city where the Aktia were celebrated) for a Τιβ. Κλ. Ἄκτιος (PAE 1913, 97, no. 7), thus from the imperial period only. For Silanos, manumitting his slave was a risk: will the slave respect the clause of paramona? If not, the master, or ex-master, will lose a great deal, for he certainly expects that the freedman will help him in his activities every time he will need him. Thus, on both sides, that of slave and master, the consultant asks the gods to provide him with hints in order to overcome the uncertainty he faces. Another form of uncertainty concerns the price of a slave:98 θεὸς, τύχαν· ἀνθρώπου τίμα. “God, good fortune. The price of a slave”

The question is quite laconic. The editors suggest that the question concerns the price that the master will ask of the slave for his freedom. This is possible, but we saw that Dodona was also a slave market. The most likely solution – as there is no reference to manumission in the document – is that the question concerns the price he will have

98

Dakaris et al. 2013, 1298A, c. 350 BCE with Eidinow 2007, 103.

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to pay to buy a new slave. He wonders whether the price asked for a slave is justified or not. V. Conclusion: Slaves, sanctuaries and the economy of western Greece The documentation from western Greece concerning slaves provides a significant contribution to a better understanding of the social and economic life of this region, and of ancient Greece in general. The festivals and fairs of Aktion reveal to us the significance of the slave trade in this sanctuary. The deed of sale from Dodona and the manumissions from various cities or sanctuaries, principally Bouthrotos and Dodona, but also many other smaller locations, introduce us to the legal forms by which people could get either into slavery or out of it. The questions asked to the gods of Dodona reveal us the hopes and fears of the Greeks in their everyday life. They show us the hopes of freedom nurtured by slaves, but also their fear of not obtaining it as it was promised. As for the masters, the tablets show us their apprehension before manumitting their slaves. Many manumission documents come from the sanctuaries of western Greece, both local ones and those that played the role of federal sanctuaries. Still in the late Classical and Hellenistic periods, the sanctuaries fully performed the role of places of social mediation in every sense of the word, since the social and economic interactions required frameworks bigger than those of the local village, tribe or city. For western, central and northern Greece, it is only within the framework of the federal institutions of the koina that it was possible to make sense of the specific development of inscribing on stone the manumission deeds. We would like to know more about the occupations of the slaves in western Greece. We can suspect that here too slaves were a major component of the workforce. Moreover, it is easy to predict that in western Greece like in the other regions of the Greek world, there must have existed a differentiation between house and field servants, the latter being employed in tilling the land, taking care of the orchards, fruit trees, etc. Hesiod already praised Hellopia, near Dodona, with its many cornfields and meadows, its large flocks of cattle and sheep.99 In his account of the hardships of his campaign in Epirus and Illyria in the winter of 49/48 BC, Caesar notes a propos the grain production of Illyria: “This was of very small amount, partly from the nature of the land, because the district is rugged and hilly and the people generally use imported corn.”100 Caesar prefers to emphasize that stock raising was the main occupation of the region.101 One should not conclude that grain production was neglected; importing grain must have been the exception rather than the norm. It remains however that, given the mountainous environment and the heavy rainfalls, and as illustrated by many ancient sources, animal husbandry played the major role in the 99 Hes. cat. fr. 181 Most (Sch. Soph. Trach. 1167 [p. 344 Papageorgios]; Strab. 7,7,10). 100 Caes. Civ. 3,42,3. 101 Caes. Civ. 3,47,6.

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economy of western Greece, a situation that remained unchanged until the twentieth century.102 Besides, the region was rich in timber and in fruit trees. These activities required a specialized workforce, which must have been primarily composed of slaves. New research into the economy of western Greece is developing and it emphasizes the likely role of the region in exporting raw products like wool or leather along with the involvement of Italian-Roman traders in the exploitation of regional resources as early as the third century BCE.103 Given that the main activity was stock raising and logging, we have to think of a large population of slaves occupied as herdsmen, sheep-shearers, leather workers or woodcutters (for men), but also as wool scourers or wool carders (for women). Admittedly, our epigraphic documentation suggests that slaves were everywhere present in western Greece, but it does not reveal the role of slaves within the specific form of economic development of the region. However, literary sources provide additional information on the topic. Varro’s Book 2 of his De re rustica is famously wholly devoted to herding and its heroes are the wealthy Roman landowners who literally colonized western Greece, starting in the second century BCE. Given they are experts in herding, Varro famously calls them the new “animal-husbandry athletes of Epiros” (Epirotici pecuariae athletae).104 In fact, through the metaphor of herding, Varro stages a world of exploitation, where Rome is the villa and the provinces the pastures.105 But in Book 1 (1,17,5) Varro also echoes another episode of the history of Epiros, when he mentions the Epiroticae familiae, the “slave households of Epiros”, which have the best reputation and bring the highest prices on the Italian markets. Although western Greece suffered a lot from troop movements, and wars waged on its soil well after its submission to Rome, Varro’s designation certainly refers to the fatal days of the end of the Third Macedonian War. In 167, Paullus Aemilius destroyed Molossia (as well as Kassopeia and part of Thesprotia, as proved by archaeological research) and enslaved 150,000 persons, transforming overnight slave-owners into slaves.106 One should observe, however, that among the people who were the victims of the Roman razzia many must already have been slaves: they must simply have changed hands, trading Molossian masters – now themselves enslaved – for Roman ones. The experience of the slaves working in Epiros was thus transferred to Italy. One can find clear political motives to justify such harsh treatment of the Molossians, but Adam Ziolkowski has perceptively suggested that the decision to enslave the Molossians was also motivated by the repeated epidemics that affected Italy in the 180s and 170s, 102 Hammond 1931–1932, 139–141; Hammond 1967, 15–22, 39–45; Lévêque 1957, 227–228; Cabanes 1976, 490–494; Cabanes 1988b, 197–204. These authors provide a wealth of evidence on economic activities in Epirus and in western Greece more broadly. 103 Wool: Bresson 2016, 355–356. Italian traders: Zoumbaki 2012. 104 Varro rust. 2,1,2. On these landowners as staged by Varro, see Nelsestuen 2015, 124–129 with Prentzas 2013 and Shpuza 2016 on the Roman transformation of the economy of the region. 105 Nelsestuen 2015, 231–236. 106 Liv. 45,34,1–6; Strab. 7,7,3 = Pol. 30,15; Plut. Aemilius Paullus 29. Cabanes 1976, 303–305 (with archaeological detail). See also Ziolkowski 1986, who convincingly notes (70, n. 6) that App. Ill. 9,28 mistakenly identifies Paullus’ Epirotan victims with the Illyrians of King Genthios.

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culminating in 174–173, and that decimated the population of Italy.107 The pestilence inevitably provoked a shortage of slave manpower at a time when Italian agriculture had become totally dependent on it. One detail might even enable us to move a step further. Livy provides a horrific description of the situation prevailing in Italy in 174: “The levy was more difficult for the consuls because the plague which had attacked the cattle the year before had this year turned into a disease which attacked men. Those who were assailed by it did not easily survive the seventh day; those who had survived that length of time suffered from a lingering disease, usually quartan. The slaves especially died; and along all the roads there were piles of their unburied bodies.”108 Thus, in Italy, many slaves in the countryside must have died, especially those in contact with flocks, that is: herdsmen. Seven years later, the opportunity presented itself to “replace” the missing slaves by a new slave supply that was highly skilled in herding and leather and wool crafting. It is easy to conceive why Roman authorities did not miss it and brutally enslaved the Molossians. Beyond the fate of these hapless people, the episode invites us to accept the hypothesis that, indeed, a large proportion of the population of western Greece were slaves. As sanctuaries were the places where a large number of slaves were bought or manumitted, this contributes to an explanation of their pivotal importance in the social life of Western Greece. Bibliography Antonetti, C. 2010: I diversi aspetti di una koine socio-culturale nella Grecia nord-occidentale di epoca ellenistica, in: C. Antonetti (ed.), Lo spazio ionico e le comunità della Grecia nord-occidentale, Pisa, 301–326. Bielman, A. 1994: Retour à la liberté. Libération et sauvetage des prisonniers en Grèce ancienne, Paris/Lausanne. Blawatsky, T. 1974: Über den Sklavenmarkt am Aktion, Klio 56, 497–500. Bresson, A. 1987: Aristote et le commerce extérieur, REA 89, 217–238 (= Bresson 2000, 109–130 = Aristotle and Foreign Trade, in: E. M. Harris / D. M. Lewis / M. Woolmer [eds.], The Ancient Greek Economy. Markets, Households and City-States, Cambridge 2015, 41–65). Bresson, A. 2000: La cité marchande, Bordeaux. Bresson, A. 2012: Greek Epigraphy and Ancient Economics, in: J. K. Davies / J. Wilkes (eds.), Epigraphy and the Historical Sciences, Oxford, 223–247. Bresson, A. 2016: The Making of the Ancient Greek Economy, Princeton. Cabanes, P. 1976: L’Épire de la mort de Pyrrhos à la conquête romaine (272–167 av. J.-C.), Besançon. 107 Ziolkowski 1986. 108 Liv. 41,21,5–6 (transl. by A. C. Schlesinger): Dilectus consulibus eo difficilior erat quod pestilentia quae priore anno in boves ingruerat1 eo verterat in hominum morbos. Qui inciderant, haud facile septimum diem superabant; qui superaverant, longinquo, maxime quartanae, implicabantur morbo. Servitia maxime moriebantur; eorum strages per omnes vias insepultorum erat.

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Vor fremden Göttern? Religiöse Handlungs- und Repräsentationsorte im Spiegel der Freilassungsinschriften des 2. Jahrhunderts v. Chr.* Andrew Lepke

I. Einleitung „Wie innerhalb – oder auch unterhalb – der Polisreligion eine Vielzahl religiöser Erscheinungsformen in Gestalt von Geschlechter-, Familien- und Individual-Kulten existierte, öffnete sich jenseits der Polisreligion auch ein breit gefächertes Spektrum an räumlich wie auch funktional verschiedenen Einflussbereichen und Wirkungskreisen ‚polisübergreifender‘ Heiligtümer, das sich mit dem Begriff ‚panhellenisch‘ nicht angemessen bezeichnen lässt.“

Mit diesen Worten leitete Peter Funke in seinen „Vorüberlegungen zu den politischen Funktionen überregionaler Heiligtümer“ die Forderung ein, von der Betrachtung griechischer Heiligtümer im Sinne der traditionellen Dichotomie „Polis“ versus „panhellenische syngeneia“ abzurücken und stattdessen die jeweiligen Einflussbereiche und Wirkungskreise einzelner Heiligtümer zu bestimmen.1 Diese Einzugsgebiete der Heiligtümer müssten funktional differenziert betrachten werden: Wer an den Festfeiern in einem Heiligtum teilnahm oder das Orakel konsultierte, ließ sich unter Umständen von anderen Beweggründen leiten, als jemand, der im selben Heiligtum eine Weihung vollzog. Unter den von Funke exemplarisch angeführten Kategorien einer solchen Neubewertung finden sich neben der politischen Partizipation bei der Verwaltung von Heiligtümern (z. B. der Sitzverteilung in Amphiktyonen-Räten) kultische Dienstleistungen (Orakelanfragen) und „der Einzugsbereich von Freilassungsurkunden“. Mit letztgenannter Kategorie ist der Blick auf die über 2000 Freilassungsinschriften gerichtet, die etwa seit dem 3. Jahrhundert in zahlreichen Heiligtümern vor allem Nord- und Zentralgriechenlands aufgestellt wurden.2 Sie gehen zurück auf *

1 2

Die folgenden Ausführungen sind aus den Überlegungen meiner 2017 an der WWU Münster bei Peter Funke und Klaus Zimmermann abgeschlossenen Dissertation „Festgehalten in Stein – Die Kommunikationspotentiale griechischer Freilassungsinschriften“ erwachsen. Ich danke Matthias Haake, Kaja Harter-Uibopuu und Klaus Zimmermann für weiterführende Hinweise und Kritik, sowie Michael Tieke für die Erstellung der Abb. – Sofern nicht anders angegeben, sind alle Jahreszahlen v. Chr. Funke 2009, 294. Einzelne Freilassungsinschriften sind bereits seit dem 5. Jh. bezeugt (Minon 2007, 119–126 Nr. 17 [Olympia], IPArk 27 [Phigalea], SEG XXVI 717 [Gitana], IG V 1, 1470–1472 [Messene], IG V 1,

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Andrew Lepke

Freilassungsakte, die in den meisten Fällen3 im Heiligtum selbst durchgeführt wurden und orientieren sich sprachlich eng an den zu diesem Anlass erstellten Freilassungsurkunden.4 Eine beachtliche Zahl dieser inschriftlich kommemorierten Freilassungen wurde von ‚auswärtigen‘ Freilassern vorgenommen – d. h. von Freilassern, die aus ihrer Heimatstadt in ein Heiligtum einer anderen Polis reisten und dort ihre Sklaven freiließen. Besonders häufig begegnen die ‚Fremden‘ in den Inschriften, in denen die Freilassungshandlung durch ein Verkaufsformular beschrieben wird.5 Einen deutlichen Schwerpunkt der Evidenz bildet dabei das Apollon-Heiligtum von Delphi, aber auswärtige Freilasser sind auch in den Heiligtümern des Apollon in Phaistinos und Chaleion, der Aphrodite Syria in Phistyon, der Athena Ilias in Physkeis, der Athena Pyrgia in Potidania, der Artemis Laphria in Kalydon, des Dionysos und des Sarapis in Naupaktos, sowie des Asklepios ἐν Κρουνοῖς in Bouttos bezeugt.6 Dass diese Freilasser in Heiligtümern ihre Freilassungen vornahmen und ihre Inschriften aufstellen ließen, die nicht von ihrer eigenen Polis verwaltet wurden, wirft

3

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1228–1233 mit Zavvou 2004–2009, 306–307 [Kap Tainaron]), doch erst seit dem 3. Jh. lässt sich eine Verdichtung der epigraphischen Bezeugung konstatieren. Der Befund wird dabei deutlich vom delphischen Apollon-Heiligtum und seinen knapp 1300 Freilassungsinschriften dominiert, doch auch in Bouthrotos und Chaironeia wurden mehr als 100 Freilassungsinschriften gefunden. Interessanterweise scheinen Freilassungsinschriften – soweit sich etwas über den Aufstellungskontext der oftmals als Spolien wiederverwendeten Schriftträger sagen lässt – fast exklusiv in Heiligtümern aufgestellt gewesen zu sein. Zu Freilassungsinschriften in Theatern vgl. zuletzt Rocca 2015. Hierauf deuten bereits zahlreiche Details des jeweiligen Freilassungsrituals der Inschriften, etwa der Umstand, dass die Freilassung zwischen Altar und Tempel stattgefunden habe (vgl. nur SGDI 2010, Z. 13 und einführend Lepke 2016, 157–159). Nur in wenigen Fällen legt der Inschriftentext nahe, dass die Freilassung an einem anderen Ort durchgeführt und erst später im Heiligtum kommemoriert wurde: Vgl. etwa FD III 2, 120, eine Freilassung aus Elateia, die durch die Archonten der Polis inklusiv eines Begleitschreibens an die Archonten Delphis mit der Bitte um Einschreibung im delphischen Heiligtum geschickt wurde, IK Estremo Oriente 280, eine für Antiochos I. durchgeführte Freilassung, die selbst (ἄφεσις) im Heiligtum des Sarapis geweiht wurde, und SGDI 2097, eine Freilassung aus Physkeis, die in Delphi in Stein geschrieben wurde. Wenngleich sich Freilassungsurkunden aus hellenistischer Zeit in nur geringer Zahl erhalten haben (vgl. Quenouille 2002), legen doch die erstaunliche Homogenität der in den Inschriften verwendeten Formeln sowie die fast schon zwanghafte Bemühung einzelner Texte um Präzision (vgl. nur IG IX 1, 66 mit Robert 1935, 202–205 Nr. III 1) die Existenz standardisierter Vorlagen nahe. Zum Verhältnis von Verkaufsurkunde und Freilassungsinschrift vgl. auch Harter-Uibopuu 2013, 281–294. Erheblich seltener sind die auswärtigen Freilasser im Befund der Freilassungsinschriften, die sich (ausschließlich) eines Weihformulars bedienen. Vgl. Darmezin 1999, 54 Nr. 67 (Freilasser aus Lebadeia in Chaironeia); 58 Nr. 78 (Freilasser aus Phanotis in Chaironeia); SGDI 2071 (Freilasser aus Beroia in Delphi). Vgl. auch Darmezin 1999, 58 Nr. 76, 74 Nr. 104 aus Chaironeia. Für auswärtige Freilasser in den Freilassungsinschriften, die sich eines ‚zivilen‘ Formulars bedienen (etwa ἀφίημι ἐλεύθερον) vgl. IG IX 1, 39 (Freilasser aus Delphi in Steiris), EAM I 115 (der Freilasser trägt das Ethnikon Βρυναῖος und ließ vermutlich in Kellae frei), SEG L 829 XVII (Freilasser aus Priene im Kabirion auf Lemnos) und XXII (Freilasser aus Nikomedeia). Vgl. auch SEG L 829 VI, XIII und XXI für drei Frauen aus Milet und Thrakien, die aber höchstwahrscheinlich auf Lemnos ansässig waren. – Zur Kategorisierung der Freilassungsinschriften vgl. die Zusammenfassung von Rädle 1969, 1–5. Delphi: Alle delphischen Freilassungsinschriften werden gesammelt in CID V erscheinen. – Phaistinos: IG IX 12, 3, 708–709 – Chaleion: IG IX 12, 3, 721 – Phistyon IG IX 12 1, 95–97, 99–101, 103, 106, 108 – Physkeis: IG IX 12, 3, 672 II, 681, 684 u. SEG LVI 572, 574–576 – Potidania: SEG XLI 528A – Kalydon: IG IX 12, 1, 137F – Naupaktos: IG IX 12, 3, 625B, 630 – Bouttos: IG IX 12, 3, 631–634A, [636B], 638(3)-(5) u. (13), 639(1)-(2), (4), (7)-(8) u. (12), 640A, B u. E.

Vor fremden Göttern?

281

Fragen auf: Warum kamen die Freilasser zu bestimmten ‚fremden Göttern‘ und vollzogen in ihren Heiligtümern nicht nur ihre Freilassungen, sondern ließen sie dort auch dauerhaft in Stein setzen? Inwieweit war die Entscheidung, in einem bestimmten Heiligtum freizulassen, von der lokalen oder regionalen Bedeutung dieser Kultorte abhängig und ist die Bedeutung, die einzelne Heiligtümer als „Freilassungszentren“ ausbilden konnten, von ihrem sonstigen Renommee tatsächlich zu unterscheiden? Ausgehend von der Frage, inwieweit diese Freilassungsinschriften Rückschlüsse auf Einzugsbereiche griechischer Heiligtümer erlauben, die sich funktional differenzieren lassen, sollen im Folgenden Möglichkeiten und Grenzen einer auf die Herkunft der Freilasser abzielenden Analyse der Freilassungsinschriften mit Verkaufsformular aufgezeigt werden.7 Da die bislang bekannten Freilassungsinschriften mit Verkaufsformular fast exklusiv aus Delphi, der Westlokris und Aitolien stammen, soll dargelegt werden, inwieweit sie in der Lage sind, in diesen Regionen den Verbreitungsgrad bestimmter Gottheiten und ihrer Kultorte anzuzeigen. Speziell die besondere Befundlage des Apollon-Heiligtums in Delphi bildet dabei die Folie, an der sich – in der so turbulenten ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts – die bloße, auf die Herkunft der Freilasser abzielende Betrachtung des Einzugsbereichs eines Heiligtums im Spiegel der Freilassungsinschriften weitere differenzieren und kontextualisieren lässt. Wenn der Blickwinkel dabei von Kultort und Gottheit und ihrem Renommee auf die im Heiligtum handelnden Akteure gelenkt wird – etwa auf die in den delphischen Freilassungsinschriften besonders häufig vertretenen Amphisser – lassen sich Dynamiken und Kontexte identifizieren, die geeignet sind, unsere Perspektive auf Heiligtümer als Handlungs- und Repräsentationsorte auch jenseits von Freilassungshandlung und -inschrift zu erweitern. II. Freilassung und Wirkungskreis Für eine Beurteilung der „Wirkungskreise“ griechischer Heiligtümer, die sich aus den Freilassungsinschriften ablesen lassen, ist es zunächst nötig, die Bedeutung der Heiligtümer für den Freilassungsakt und dessen inschriftlicher Kommemorierung zu beleuchten. Ob Sklavenhalter etwa nach Delphi kamen, um dort Freilassungen vorzunehmen, oder ob sie zu einem anderen Anlass nach Delphi reisten und dabei auch Freilassungen durchführten – ob das Heiligtum also dezidiert als Freilassungsort oder bloß als besonders zahlreich frequentierter Ort wahrgenommen wurde –,8 ist

7

8

Die bisherigen Ausführungen zu Freilassungsinschriften haben die externen Freilasser nur selten problematisiert. Während die rechtshistorische Forschung sie bisweilen zu nutzen suchte, um die Verbreitung bestimmter Freilassungsverfahren nachzuzeichnen (so etwa Albrecht 1978, 201–209), fokussierte die historische Forschung v. a. auf Detailfragen etwa im Verhältnis einzelner Poleis (vgl. nur Freitag 2005, 111–112 zum Verhältnis von Chaleion und Amphissa auf Grundlage einer Freilassungsinschrift). In diesem Sinne v. a. Rädle 1969, 34–35.

282

Andrew Lepke

signifikant für die Art und den Grad der Selbstidentifizierung mit dem Heiligtum und dessen Kult.9 Vorauszuschicken ist, dass das Freilassungsverfahren, das den Freilassungsinschriften mit Verkaufsformular zugrunde liegt, auf Seiten der Freilasser bereits im Vorfeld gewisse Vorkehrungen und Planungen erforderte:10 Den Inschriften zufolge verkauften die Freilasser ihre Sklaven der jeweiligen Gottheit „zur Freiheit“ (ἀποδίδωμι ἐπ’ ἐλευθερίαι), versetzten sie also durch den ‚fiktiven‘ Verkauf an eine Gottheit, die zu keinem Zeitpunkt tatsächliches Eigentum am Kaufgegenstand erwarb, in den Rechtsstand der Freigelassenen.11 Die Adaption der für Kaufverträge üblichen Formen und Sicherungsbestimmungen bedingten dabei, dass der sakrale Verkauf auf Seiten der Freilasser der Mobilisierung eines größeren sozialen Netzwerks bedurfte, was zu zeigen ist, als dies in anderen Freilassungsformen der Fall war. Neben der Bereitstellung von Zeugen des Freilassungsaktes sind hier v. a. die Garanten zu nennen,12 die dem Gott die Unversehrtheit des Kaufgegenstands zusicherten, und im Fall der nicht rechtmäßigen Wiederversklavung des Freigelassenen mit ihrem persönlichen Besitz einstanden. Diese Garanten – oftmals zweifelsohne wohlhabende Bürger der

9 10

11

12

Vgl. Funke 2009, 294–295. Dies wird gerade dort deutlich, wo auf diese Vorkehrungen offenbar verzichtet wurde, wie SGDI 2001 demonstriert: Hier ließ 197/96 ein Funktionär des attalidischen Königshofs namens Dameas eine βασιλικὰ παιδίσκα frei. Vermutlich handelte er im Auftrag des sterbenden Attalos Soter. Umso erstaunlicher ist es aber, dass nicht etwas Attalos I. als Verkäufer und somit Freilasser der königlichen Sklavin firmiert. Stattdessen übernahm Dameas diese Funktion in der Freilassungsinschrift, stilisiert sich aber ausdrücklich als Diener seines Königs. Vier Bürger Delphis und ein Amphisseer sprangen ein, um die für das Freilassungsverfahren des illustren Freilassers notwendigen Sicherungsbestimmungen zu gewährleisten. Zur rechtlichen Konstruktion vgl. Kamen 2014. – Einen Gegenentwurf hat Sosin 2015 (bes. 328–353) zur Diskussion gestellt: Da Garanten und Verkäufer verpflichtet gewesen seien, den Verkauf des Sklaven an den Gott zu garantieren (etwa SGDI 2088, 13–15: εἰ δέ τις ἅπτοιτο ἐπὶ καταδουλισμῶι Δικαιοσύνας, βέβαιον παρεχόντων τῶι θεῶι τὰν ὠνὰν οἵ τε ἀποδόμενοι καὶ οἱ βεβαιωτῆρες), und nicht die Freilassung und den neuen Rechtstatus der Freigelassenen, müsse der Verkauf als ein von der eigentlichen Freilassung zu trennender Akt betrachtet werden. Diese Interpretation stützt sich im Wesentlichen auf Sosins Versuch die Verpflichtungen zur Paramoné als Bedingung einer später zu erfolgenden Freilassung zu interpretieren. Vgl. hierzu aber Kränzlein 1983a. Ohne an dieser Stelle ausführlich auf Sosins Argumente eingehen zu können, sei darauf hingewiesen, dass die Gewährleistung der Unversehrtheit des ‚Kaufgegenstands‘ innerhalb des zugrundegelegten Formulars – das eben den Freikauf zwischen Freilasser und Gottheit dokumentiert – konsequent und keinesfalls eine „worrisome omission“ (329) ist. Beide Kaufparteien stellten sicher, dass sie im Verfahren nicht übervorteilt werden – der daraus resultierende Schutz des Freigelassenen (immerhin vor καταδουλισμός) ist dabei eine (durchaus intendierte) prozessuale Möglichkeit. Dass es die Freilasser und nicht etwa die Freigelassenen waren, die ihre ‚Peers‘ zum Freilassungsritual luden, geht am deutlichsten aus einer Reihe von Freilassungsinschriften aus dem epirotischen Bouthrotos hervor: An zwei aufeinanderfolgenden Tagen im Monat Gamilios ließ hier ein Ehepaar insgesamt elf Sklaven frei und hielt diese Freilassungen auf elf Inschriften fest (I.Bouthrôtos 78–88). Abgesehen von den Namen der jeweiligen Freigelassenen sind die Inschriften identisch; auch die Zeugen, die die Freilassungshandlung im Prozessfall bestätigen konnten, wechseln nicht. Offenbar konnten dieselben Zeugen von den Freilassern davon überzeugt werden, an zwei aufeinanderfolgenden Tagen den Freilassungsakten beizuwohnen.

Vor fremden Göttern?

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eigenen Polis13 – mussten entweder selbst für eine Reise ins entsprechende Heiligtum gewonnen werden oder zumindest eine vertragliche Übernahme der Bürgschaft garantieren.14 Fragt man aber nach dem konkreten Anlass einer Reise zu einem bestimmten Heiligtum, ist man auf das Abwägen von Plausibilitäten angewiesen, denn in keinem Fall sind solche Beweggründe in den Inschriften überliefert. Aufgrund der Anzahl der erhaltenen Inschriften ist das Material nur in Delphi wirklich belastbar, da hier über viele Jahre hinweg mehrere Freilassungen pro Jahr inschriftlich kommemoriert wurden. Liefern die Inschriften auch nur überaus selten Indizien für den Grund der Freilassung in Delphi, so lässt sich doch zumindest ausschließen, dass die externen Freilasser vornehmlich im Kontext größerer kultischer Feste nach Delphi kamen:15 Weder die pythischen Spiele alle vier Jahre im Boukatios noch der jährlich begangene Geburtstag des Apollon im Bysios oder die Theoxenien im Theoxenios haben im Datierungsformular der 605 (publizierten)16 Freilassungsinschriften zwischen ca. 200 und 138/37 signifikante Spuren hinterlassen.17 Stattdessen scheint das Heiligtum ganzjährig für Freilassungshandlungen sowohl delphischer als auch auswärtiger Freilasser genutzt worden zu sein.

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Hierauf deutet schon allein der Umstand, wie viele dieser Garanten der Gottheit gleich mehrere Freilassungen garantierten. In diesem Sinne schon Calderini 1908, 227–228, der auch die Möglichkeit diskutiert, dass es sich bei diesen Garanten um findige Spekulanten handelt. Zu verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Freilassern und Garanten in Delphi vgl. Mulliez 2006, 162–163. In den Freilassungsinschriften ist die Bestellung der Garanten nur lakonisch wiedergegeben, etwa βεβαιωτῆρες κατὰ τὸν νόμον καὶ τὰν συμβολάν oder τὰν ὁμολογίαν, wobei συμβολά auf Verträge verweist, die zwischen den partizipierenden Poleis bestanden haben müssen (in diesem Sinne etwa SGDI 2181, Z. 9–10: βεβαιωτῆρες κατὰ τὸν νόμον τᾶς πόλιος καὶ κα|τὰ τὸ σύμβολον τὸ ποτὶ Ἀμφισεῖς) und ὁμολογία wohl auf Vereinbarungen anspielt, die zwischen Einzelpersonen (Freilasser und Garant, vgl. SGDI 2041) getroffen wurden. Vgl. hierzu auch Daux 1936, 274–275. Das dürfte aber wohl bedeuten, dass die Garanten zumeist auch selbst nach Delphi kamen, um an der Freilassung zu partizipieren wie beispielsweise aus zwei Freilassungsinschriften deutlich wird, die im Jahr 154/53 aufgestellt wurden. Hier agierte ein Λύκωπος Ἀμφισσεύς als Garant einer Freilassung (SGDI 1913) und als Freilasser in einer weiteren (SGDI 1912: die Ergänzungen folgen der Lesung von Wescher/Foucart 1868, 180 Nr. 248, die den Stein offenbar in erheblich besserem Zustand angetroffen hatten). Dass die beiden Freilassungen vermutlich am selben Tag durchgeführt wurden, ergibt sich aus dem Umstand, dass in beiden Texten identische Zeugen genannt sind. Zur Anwesenheit sonstiger Funktionäre vgl. etwa SGDI 2079, Z. 3–4: βεβαιωτήρ·| Ἀριστείδας Ἵππωνος Δελφός παρόντος καὶ τοῦ ἄρχοντος Πραξία. Dass solche Feste einen willkommenen Anlass zur Ausrufung und Durchführung von Freilassung boten, belegen beispielsweise Aischin. 3,41 (Ausrufungen von Freilassungen während der Dionysien in Athen); Accame 1941–1943, 98–99 Nr. 16 (Freilassungen während der Horaia auf Lemnos); IG XI 2, 106, 14 (Freilassung während der delischen Dionysien), IG XII 3, 336–337 (Freilassungen während der Karneen auf Thera) sowie Meyer 2013, 157–158 Nr. 23 (Freilassung während der Naia in Dodona). In diesem Zeitraum sind bislang mindestens sechs Inschriften unpubliziert. Vgl. Daux 1943, 49–57; Daux 1944, 109–110 Nr. 19. Selbiges gilt für die halbjährlichen Treffen des Amphiktyonen-Rates, die im Endyspoitropios und vermutlich im Boathoos oder Heraios (in den Jahren der pythischen Spiele im Boukatios oder Boathoos) abgehalten wurden. Vgl. Lefèvre 1998, 200. Auch im epigraphischen Befund der anderen unter Anm. 6 genannten Heiligtümer lässt sich keine Verbindung zwischen Freilassungsakt und Fest nachweisen.

Andrew Lepke

284

Delphischer Monat18

Anzahl delphischer Freilasser

Anzahl auswärtiger Freilasser

Apellaios

15

3

Boukatios

26

29

Boathoos

24

6

Heraios

16

10

Daidaphorios

25

10

Poitropios19

83

50

Amalios

24

16

Bysios

24

9

Theoxenios

32

21

Endyspoitropios

29

16

Herakleios

24

17

Ilaios

59

17

381

204

Gesamt

Auffällig ist die hohe Zahl der im Monat Poitropios durchgeführten Freilassungen. Zusammen mit den Freilassungen im Monat Daidaphorios und Amalios fanden fast 35 % aller in Inschriftenform kommemorierten Freilassungen in den drei Wintermonaten statt, in denen die Pythia wahrscheinlich nur in Ausnahmefällen Orakel erteilte, da Apollon in dieser Zeit dem Mythos gemäß außerhalb Delphis weilte.20 Damit scheint aber auch ausgeschlossen, dass die externen Freilasser vor allem deshalb nach Delphi kamen, um das Orakel zu befragen. Möglicherweise sind die Wintermonate deshalb so stark im epigraphischen Befund vertreten, weil der Zugang zu den für das Freilassungsritual wesentlichen Priestern in dieser Zeit leichter war als während der Sommermonate. Die Freilassungsinschriften können auf die Rolle des Apollon-Heiligtums als Freilassungsort aber nur Schlaglichter werfen. Es ist schwerlich davon auszugehen, dass alle im Heiligtum durchgeführten Freilassungen auch mit der Setzung von Inschriften verbunden waren.21 Damit ist auch unklar, in wieweit die Inschriften repräsentativ für alle in Delphi abgehaltenen Freilassungshandlungen sind. Was die 18 19 20 21

In 5 Freilassungsinschriften ist der delphische Monat nicht genannt, in 12 Inschriften hat sich der Monatsname nicht erhalten. In drei weiteren Freilassungsinschriften ist die Herkunft des Freilassers unsicher. In Delphi fungierte ein zweiter Poitropios genannter Monat als Schaltmonat. In solchen Schaltmonaten wurden mindestens vier Freilassungsinschriften auswärtiger Freilasser aufgestellt – sie sind in dieser Aufstellung enthalten. Apollon soll die Wintermonate bei den Hyperboreern zugebracht haben. Vgl. Nilsson 1906, 103–105, 158–159 mit Alk. frg. 307 (Himerios or. 14,10–11); Plut. mor. 292e; Prok. Gaz. ep. 65 Garzya – Loenertz. Zu trotzdem in diesem Zeitraum abgehaltenen Orakelanfragen vgl. Price 1985, 134; Roux 1971, 72–73. Die These einer inschriftlichen Publikationspflicht (vgl. etwa Kränzlein 1983b, 302–305) wurde bereits von Hopkins/Roscoe 1978, 138–139 in Frage gezogen, vgl. nun die pointierte Analyse von Mulliez 2014.

Vor fremden Göttern?

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Freilassungsinschriften aber zeigen, ist ein Trend, in einem bestimmten Heiligtum – dessen Funktionäre diese Form der Repräsentation ermöglichten – zu einem bestimmten Zeitpunkt unter Aufbringung zusätzlicher Kosten durch die inschriftliche Kommemorierung der Freilassungshandlung dauerhaft präsent zu sein. Das Formular der Inschriften lässt dabei nur wenig Zweifel, dass es nicht etwa die vermeintlich alleinigen Nutznießer der Freilassungshandlung – die Freigelassenen – waren, die diese Publizität suchten, sondern die Freilasser selbst: Sie gingen einen Vertrag mit einer Gottheit ein und erwirkten damit die Freiheit des Freigelassenen.22 Dass sie diesen Umstand inschriftlich kommemorierten, zeigt an, dass sie sich von Freilassung und Freilassungsinschrift Anerkennung und Prestige erhofften und dass sich mit der Setzung der Inschrift auch unweigerlich Repräsentationsstrategien verbanden.23 So ist auch erklärbar, warum sich unter den knapp 1300 Freilassungsinschriften aus Delphi vereinzelt Inschriften finden, die Freilassungsverfahren dokumentieren, die selbst nicht in Delphi stattgefunden haben. Die Bitte der Archonten Elateias, eine bereits in Elateia aufgestellte Freilassungsurkunde auch im delphischen Heiligtum einzuschreiben, ist ebenso wenig allein aus realprozessualen Erwägungen begreiflich, wie die inschriftliche Dokumentation einer physkischen Freilassungsurkunde in Delphi.24 In beiden Fällen suchten die Freilasser die zusätzliche inschriftliche Dokumentation im berühmten Apollon-Heiligtum, da sie sich offenbar nicht bloß mit dem Kult des pythischen Apollon, sondern auch mit diesem Kultplatz identifizierten und ihn für diese Form der Repräsentation als besonders geeignet einschätzten. Auf Grundlage dieser Überlegungen lassen sich Freilassungsinschriften ‚fremder‘ Freilasser als Indikatoren für die Bekanntheit eines bestimmten Heiligtums betrachten. Gottheit und Kultort waren offenbar auch für die Bewohner anderer Poleis attraktiv genug, um hier ihre Freilassungshandlung durchzuführen und sich im Heiligtum 22

23

24

Dies ist in der älteren Forschung noch anders gesehen worden. Vgl. etwa Bömer 1960, 11: „Die regelrechten Freilassungsakte sind fast ausschließlich durch die inschriftliche Überlieferung bekannt, und das ist kein Zufall. Hier kommt mit den Sklaven, die an dieser Dokumentation ihrer Freiheit stärker interessiert sind als die freilassenden Herren, diejenige soziale Schicht zu Wort, die in der literarischen Überlieferung nicht vertreten ist.“ Siehe ferner Rädle 1969, 7–35. Dagegen aber bereits Gibson 1999, 51 Anm. 48. So, in Anlehnung an Thomas 1992, 72–88, 93–100, schon Gibson 1999, 49–55. Mit Vorbehalten hingegen Zelnick-Abramovitz 2005, 184–185 – Dass sich Freilassungen zur Gewinnung sozialen Prestiges eigneten, belegt Aischin. 3,41–44, wo die Ausrufung von Freilassungen im Theater mit Bekränzungen durch Phylen und Demen, sowie der Ausrufung von Athenern, die Proxenoi in anderen Poleis geworden sind, parallelisiert werden. Vgl. auch Velissaropoulos-Karakostas 2016, 83–85. Hiermit korrespondiert auch der häufigste Schriftträger der Inschriften im Apollon-Heiligtum Delphi: Die polygonale Stützmauer der Tempelterasse diente vor (und auch noch während) der Anbringung der Freilassungsinschriften v. a. als Schriftträger von Proxeniedekreten, Siegerlisten (CID IV, 47–48, 53) u. ä. FD III 2, 120 (Elateia); SGDI 2097. Gerade letztgenannter Fall – eine Freilassungsinschrift, in der die Freilassung durch ein Weiheformular ausgedrückt und der Freigelassene dem pythischen Apollon geweiht wird (vgl. hierzu Darmezin 1999) – demonstriert den Stellenwert, den die inschriftliche Repräsentation des Freilassungsaktes in Delphi für Freilasser der Region besaß. Zusätzlich zur öffentlichkeitswirksamen Freilassungshandlung in Physkeis (ἐν ἐννόμωι ἐκκλησίᾳ), strebte die Freilasserin nach einem dauerhaften Zeugnis ihrer Freilassung im bei heutiger Straßenführung knapp 60 km entfernten delphischen Heiligtum.

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dauerhaft vor der Gottheit und ihren Peers zu repräsentieren. Freilassungsinschriften erscheinen dabei in der Tat als Zeugnisse eines komplexen Akzeptanzsystems, in dem verschiedene Heiligtümer für verschiedene kultische Angebote und speziell ihre inschriftliche Dokumentation polisübergreifende Strahlkraft – oder Wirkungskreise – ausbilden konnten. Zeichnet man die daraus resultierenden Einzugsbereiche einzelner Heiligtümer in Aitolien und der Westlokris nach, ergibt sich folgendes Bild:25

Abb. 1: Einzugsbereiche der aitolischen und westlokrischen Heiligtümer. Die Punktierung signalisiert nicht sicher zu lokalisierende Wirkungskreise – Abb. Michael Tieke

Angezeigt sind die Gebiete aus denen Freilasser kamen, die im Heiligtum der Aphrodite Syria in Phystion, der Athena Ilias in Physkeis, des Apollon in Phaistinos sowie des Asklepios ἐν Κρουνοῖς in Bouttos Freilassungen aufstellen ließen. Anders als für den Einzugsradius der Freilassungsinschriften in Delphi zu beobachten, stammten die auswärtigen Freilasser der bezeichneten Heiligtümer vornehmlich aus der näheren Umgebung – im Fall von Phystion aus verschiedenen Poleis der Region um den trichonischen See. Der Einzugsbereich des Asklepios-Heiligtums von Bouttos lässt sich nicht sicher fassen, da die in den Inschriften dieses Kultortes genannten Ethnika nicht lokalisiert werden konnten. Angesichts der Datierungsformeln der meisten Inschriften aus Bouttos, die primär nach dem eponymen Archonten aus Naupaktos datieren, deutet alles darauf hin, dass es sich bei den meisten der dort inschriftlich repräsentierten Gruppen ebenso um von Naupaktos abhängige Gemeinschaften handelt, wie auch Bouttos eine war.26 Fragen wirft der Befund der Freilassungsinschriften aus Physkeis und Phaistinos auf: Während Freilasser aus der kleinen Region zwischen Alpa und Oianthea in Phaistinos bezeugt sind, scheint das Heiligtum der Athena Ilias in Physkeis für die Aufstellung von Freilassungsinschriften einen größeren „Wirkungskreis“ besessen zu haben, der denjenigen des phaistinischen Heiligtums vollständig in sich aufnahm. Ein möglicher Grund für die unterschiedliche Größe der Einzugsbereiche beider Heiligtümer dürfte in der Bedeutung der Athena Ilias und ihres Kultortes für das Koinon der Westlokrer zu suchen sein: Physkeis scheint der Zentralort dieses Bundes und das Athena-Ilias Heilig25 26

Zur Materialbasis dieser Abbildung vgl. Anm. 6. Ausnahmen hierfür dürften mit einem Καλλιέος (IG IX 12 3, 639[8]) und einem Οἰνάστιος (640a) vorliegen. Ein ganz ähnlicher Fall begegnet im epirotischen Bouthrotos. Vgl. hierzu Cabanes 1996.

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tum sein kultisches Zentrum gewesen zu sein.27 Die inschriftliche Publikation der Freilassungshandlung an diesem Ort musste einen besonderen Anreiz für Freilasser darstellen, kamen hier doch illustre Vertreter der ganzen westlichen Lokris zusammen. Dass daneben aber mit den Apollon-Heiligtümern in Phaistinos und besonders Delphi, wo Freilasser aus Physkeis, Naupaktos und vereinzelt sogar aus Pergamon ihre Freilassungsinschriften setzen ließen, (mindestens) zwei viable Alternativen für dieselbe Form der Repräsentation existierten, demonstriert die Bedeutung, die den verschiedenen Kultorten auch polisübergreifend zugekommen sein muss. Die Entscheidung des einzelnen Freilassers, in einem Heiligtum die Freilassungsinschrift aufstellen zu lassen, muss dabei notwendig von weitreichenden Überlegungen begleitet gewesen sein, an welchem Ort, mit welcher Gottheit und vor dem Hintergrund welcher Sichtbarkeit dieses zusätzliche finanzielle Engagement am zweckmäßigsten war, und an welchem nicht.28 Diese Überlegungen wurden zu einem ganz entscheidenden Teil davon diktiert, wie leicht das entsprechende Freilassungsritual durchzuführen und eine Erlaubnis für die Aufstellung einer Freilassungsinschrift zu erhalten war. Zwischen einzelnen Gemeinschaften existierten rechtliche Vereinbarungen, die den Prozess ebenso erleichtert haben dürften,29 wie die Publikationsbedingungen im Apollonheiligtum in Delphi dort die inschriftliche Dokumentation der Freilassungshandlung begünstigten. III. Auswärtige Freilasser in Delphi – das Beispiel Amphissa Können Freilassungsinschriften auswärtiger Freilasser unter dieser Perspektive somit Einblick in die Akzeptanz eines Heiligtums als Repräsentationsraum für die inschriftliche Kommemorierung von Freilassungen geben, bleibt zu fragen, was damit für die Freilassungsinschriften Delphis gewonnen ist. Es kann schwerlich überraschen, dass das berühmte Apollon-Heiligtum mit seinen tausenden von Inschriften auch für die Selbstrepräsentation durch Freilassungsinschriften ein attraktives Ziel darstellte. Ebenso liegt es in der Natur des vorgenommenen Geschäfts, dass sich der an den Inschriften abzulesende Wirkungskreis vornehmlich auf die Nachbarregionen des Heiligtums konzentrierte. Wenngleich die Freilassungsinschrift einer königlichen 27

28

29

In diesem Sinne schon Lerat 1952 II, 118–121, 156–158. Vgl. auch Daverio-Rocchi 2015, 192–193, deren Argumentation für die Bedeutung des Heiligtums „as we know that only religious centers of great importance were allowed to enfranchise slaves“ (193; vgl. auch Daverio-Rocchi 2013, 146–147) aber allein schon vor dem Hintergrund der hier angesprochenen Evidenz abzulehnen ist. Dem entsprechend begegnen auch vereinzelt Freilasser, die unterschiedliche Freilassungen an verschiedenen Orten inschriftlich publizierten: Vgl. nur Philleas aus Oineon, der vermutlich sowohl in Physkeis (Rousset 2006, 365–368 Nr. 6 [SEG LVI 575] als auch in Delphi (SGDI 2075) die Freilassung seiner Sklaven vornahm und inschriftlich dokumentierte. Hier ist v. a. auf die verschiedenen symbolai angespielt, die den Rechtsverkehr zwischen einzelnen Poleis regelten. Wenngleich keine der erhaltenen symbolai dezidiert auf das Freilassungsverfahren eingeht, belegen doch verschiedene immer wieder in den Freilassungsinschriften zu findende Formulierungen ihre Existenz. Vgl. etwa SGDI 1878, Z. 8: εἰ δέ κα μὴ παρέχωντι, πράκτιμοι ὄντω κατὰ τὰν συμβολάν und SGDI 2047, Z. 5: βεβαιωτῆρες κατὰ τὰν συμβολὰν. Vgl. grundlegend Gauthier 1972, 94–100.

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Sklavin durch einen attalidischen Funktionär erkennen lässt,30 dass das repräsentative Potential von Freilassungsinschriften auch von anderen wahrgenommen wurde, war die Freilassungshandlung in Delphi doch aufwendig und schon allein aufgrund der zu bewältigenden Reise mühsam und so kostspielig, dass andere Formen der Selbstrepräsentation in Delphi attraktiver scheinen mussten.31 Für die ciuitatum vicinarum homines hingegen dürfte eine Freilassungsinschrift eine vergleichsweise günstige Möglichkeit gewirkt haben, in Delphi inschriftlich präsent zu sein.32 Dem entsprechend ergibt sich aus den delphischen Freilassungsinschriften ein Wirkungskreis des Heiligtums, der sich schwerpunktmäßig auf die Westlokris (von den zwischen 200 und 138/37 aufgestellten Freilassungsinschriften auswärtiger Freilasser geht über die Hälfte auf die Bewohner dieser Region zurück),33 Phokis und die Doris.34 Damit liefert Delphi nicht nur das größte erhaltene Dossier von Freilassungsinschriften der antiken Welt – auf Grundlage der Arbeiten von Daux und anderen ist es möglich, eine beachtliche Zahl dieser Inschriften präzise zu datieren und so nachzuzeichnen, von welchen Gemeinschaften die inschriftliche Repräsentation von Freilassungen in welcher Zeit besonders gefragt war. Ein solches Vorgehen entlarvt die Praxis, im Apollon-Heiligtum Freilassungsinschriften einschreiben zu lassen, als kulturellen Import. Die früheste inschriftlich kommemorierte Freilassung eines Delphers ist für das Jahr 197/96 belegt.35 Alle älteren Freilassungsinschriften gehen auf auswärtige Freilasser zurück: Vier Freilasser stammten aus Plygonion, zwei aus Amphissa, einer aus Hypata, einer aus Boion und einer aus Pergamon36. Auch in den Folgejahren scheint sich die inschriftliche Repräsentation der Freilassungshandlung nur langsam in der delphischen Bevölkerung durchgesetzt zu haben. Zwischen etwa 200 und 190/89 stehen 19 Freilasser aus Delphi insgesamt 30 31

32 33 34 35

36

SGDI 2001. Vgl. Anm. 10. Zur vornehmlich lokalen Bedeutung des Inschriftentexts vgl. Zelnick-Abramovitz 2005, 184–185. – Eine geeignete Folie, mit der sich der Wirkungskreis des delphischen Heiligtums im Spiegel der Freilassungsinschriften kontrastieren lässt, stellt die Liste delphischer Proxenoi zwischen 197 und 175 dar (Syll.3 585). Delphi gelang es in dieser Zeit institutionalisierte Beziehungen etwa zu Rom und der kleinasiatischen Küste aufzubauen. Vgl. hierzu auch Mack 2015, 304–306 mit 178. Drachmann 1887, 67–70. Vgl. auch Calderini 1908, 177–178, der die Freilasser, die aus größerer Entfernung nach Delphi kamen, für in Delphi ansässige Metöken hält. Vgl. auch Bömer 1960, 29–33, 129–133. Neben Amphissa (s. u.) stechen Physkeis (9 Freilassungsinschriften), Chaleion (8), Kallipolis (8), Myania (6), Tritea (5), Phalika (4), Naupaktos (4) und Oianthea (3) hervor. Phokis: Lilaia (18 Freilassungsinschriften), Plygonion (8; vgl. hierzu Rousset 2002, 20–27), Ambryssos (5); Doris: Erineos (11). SGDI 2041: Im Monat Heraios, verkaufte ein gewisser Aiakidas, Sohn des Babylos, eine dreiköpfige Sklavenfamilie an den pythischen Apollon. Über ihn ist nur wenig bekannt, er partizipierte als Zeuge oder Garant bei mindestens vier weiteren Freilassungsritualen (SGDI 2007, 1745, 1751, 1788) und war Vater und vermutlich Großvater eines späteren Archonten. Selbiges gilt für zumindest zwei zu diesem Anlass mobilisierte Zeugen, einen Nikodamos, Sohn des Peisilaos, und einen Euangelos, Sohn des Megartas. Für alle drei Teilnehmer gilt, dass dies die erste Freilassung war, an der sie partizipierten; anders der Garant Hagion, Sohn des Kallikrates (SGDI 2072), und der Zeuge Zeneas, Sohn des Hagnias (SGDI 2049), die bereits an zwei Freilassungen durch Bürger aus Plygonion 198/97 in gleicher Funktion teilgenommen hatten. SGDI 2001, vgl. Anm. 10.

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48 auswärtigen Freilassern gegenüber37 – von denen allein 22 aus der benachbarten, westlokrischen Polis Amphissa stammen. In den folgenden Jahrzehnten wandelt sich diese Unterrepräsentation delphischer Freilasser im Befund der Freilassungsinschriften deutlich. Schon zehn Jahre später, zwischen 180/79 und 171/70 sind 51 Freilasser aus Delphi und nur 29 auswärtige Freilasser bezeugt (sieben dieser Freilasser stammen aus Amphissa, resp. sind Πελεοι, Bewohner einer von Amphissa abhängigen „communauté“)38 – eine Tendenz, die sich in der Folgezeit weiter verschärft. Generell scheint das Bemühen, im benachbarten Heiligtum dauerhaft im Kontext der Freilassungshandlung präsent zu sein, bei den Amphissern stark ausgeprägt gewesen zu sein. Zwischen ca. 200 und 30/29 zeichnen Bürger oder Bewohner Amphissas für mindestens 73 Freilassungsinschriften verantwortlich, wobei ihre Aktivität einen deutlichen Höhepunkt in den Jahren zwischen 197/96 und 185/84 erlebte, in denen 32 von insgesamt 105 in Delphi inschriftlich kommemorierten Freilassungen auf Amphisser zurückgehen: Jahr

Σ (Inschriften gesamt)

Σ (amphissische Freilasser)

ca. 200– 198/97

6

1

SGDI 2116

197/96

8

4

SGDI 2000, 2042, 2043, 2044

196/95

9

2

SGDI 2010, 1990

195/94

8

4

SGDI 2081, 1995, 2122

194/93

12

3

SGDI 2123, 2068, 2082

193/92

6

2

SGDI 1984, 2128 SGDI 1998, 2129, 2130, 2131

37 38

Inschriftennummern der amphissischen Freilassungen

192/91

6

5

191/90

2

0

190/89

11

4

SGDI 1981, 2004, 2005, 1970

189/88

7

7

SGDI 1965, 2024, 2139, 2025, 2070 SGDI 2132, 2060

188/87

10

2

187/86

9

0

186/85

10

3

SGDI 1844, 2035, 1953

185/84

7

1

SGDI 1952

SGDI 2027 ist zu fragmentarisch erhalten, um eine sichere Aussage darüber zu ermöglichen, ob es sich um eine Freilassungsinschrift eines auswärtigen Freilassers oder eines Delphers handelt. Dass die Πελεοι Amphissa beizuordnen sind, ist wahrscheinlich, aber nicht ganz sicher. Vgl. hierzu Rousset 2002, 13 und Lerat 1952, I 62–63 – Auch für die Στιεῖς (SGDI 1874) ist eine Abhängigkeit von Amphissa wahrscheinlich. Vgl. Lerat 1952, I 50; Rousset 2002, 19–20. Dass sich die Φαλικαῖοι schließlich in einem ähnlichen Verhältnis befanden, ist postuliert worden (Lerat 1952, I 63–64), doch zumindest im Jahr 143/42 sind sie nachweislich eigenständig (SGDI 2136) in der Nähe Amphissas. Ob dieselbe politische Ausgangslage auch für die anderen Freilassungen durch Φαλικαῖοι vorauszusetzen ist (SGDI 2055, 2134, 2087), muss offen bleiben. Vgl. Rousset 2002, 14–15, 43.

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In dieser Tabelle sind die Zahlen der im entsprechenden Jahr aktiven Freilasser aus Amphissa (Σ [Freilasser]) vor dem Hintergrund der Gesamtzahlen der Freilassungsinschriften desselben Jahres (Σ [Inschriften]) dargestellt. Zwischen 197/96 und 185/84 wurden jährlich also im Durchschnitt 2,77 Freilasser aus Amphissa mit der inschriftlichen Kommemorierung ihrer Freilassungshandlungen im Apollon-Heiligtum von Delphi aktiv. Nur für die Jahre 191/90 und 187/86 haben sich keine Amphisser im epigraphischen Befund erhalten. Die Lücke 191/90 ist vor dem Hintergrund des Krieges zwischen den Aitolern und Rom leicht verständlich: Im selben Jahr wurde Amphissa durch Manius Acilius Glabrio belagert und von den Bewohnern aufgegeben, die sich auf die Akropolis zurückzogen.39 Erst der Waffenstillstand 190 beendete die Belagerung. Weniger leicht zu erklären ist die Lücke 187/86, ein Jahr, für das keine vergleichbare militärische Notlage bezeugt ist. Mit Blick auf den Rückgang von Freilassern aus Amphissa in den folgenden Jahren und Jahrzehnten (zwischen 184/83 und 174/73 sind durchschnittlich 0,90 Freilasser p. a. aus Amphissa bezeugt, in den Jahren 181/80, 180/79 oder 179/78 und 175/74 kommemorierte kein Amphisser seine Freilassung in Delphi) steht der Befund des Jahres 187/86 symptomatisch für einen einsetzenden Wechsel der mit der Freilassung und/oder Delphi verbundenen Repräsentationsstrategien. Wenngleich das Interesse der Amphisser, Freilassungsinschriften in Delphi aufzustellen, bis ins späte 1. Jh. im Befund greifbar ist,40 zeigt die rückläufige Zahl der in Delphi inschriftlich aktiven amphissischen Freilasser an, dass sich entweder die Repräsentationsbedürfnisse der Freilasser aus Amphissa in den folgenden Jahrzehnten wandelten, oder dass sie sich in dieser Zeit anderswo ebenso erfolgreich umsetzen ließen.41 Es ist verlockend, die nur ungenau zu datierenden Freilassungsinschriften aus dem Asklepieion von Amphissa mit dieser Änderung der Repräsentationsstrategien in Verbindung zu bringen.42 Dass sich dieses Heiligtum im 2. Jahrhundert zumindest für Freilassungen zu einer veritablen Alternative zum delphischen Heiligtum entwickelte, belegt eine Inschrift des Jahres 143/42 aus Delphi:43

5

39

40 41 42 43

ἄρχοντος ἐν Δελφοῖς Δαμοσθένεος, μηνὸς Ποιτροπίου, βουλευόντων τὰν πρώταν ἑξάμηνον Φιλαιτώλου τοῦ Φαίνιος, Τιμοκλέος τοῦ Θρασέα, γραμματεύοντος Ἀναξανδρίδα τοῦ Αἰακίδα, ἐν δὲ Ἀμφίσσαι ἄρχοντος Ξενοδόκου τοῦ Ἀλέξιος, θεοκολέοντος δὲ Δάμωνος τοῦ Δαμοξένου, μηνὸς Παναγυρίου, ἀπέδοτο Ἀριστίων Ἀναξανδρίδα Δελφὸς τῶι Ἀπόλλωνι τῶι Πυθίωι καὶ τῶι Ἀσκλαπιῶι

Pol. 21,4; Liv. 37,6,2–4. Dieser Konflikt berührte Delphi auch unmittelbar, denn vermutlich im Winter desselben Jahres konfiszierte Manius Acilius Glabrio verschiedene Grundstücke und Häuser, vornehmlich in aitolischem und westlokrischem Besitz, und weihte sie dem Gott und der Polis von Delphi (Syll.3 609–610). Vgl. hierzu unter IV. Vgl. nur FD III 3, 374. Dass sich der Zugang und die rechtlichen Voraussetzungen geändert hätten, darauf gibt es aus dem Material keinen Hinweis. Das Formular der Inschriften ändert sich jedenfalls nicht. IG IX 12, 3, 752–756. Zumindest IG IX 12 3, 752 u. 753 dürften ins 2. Jh. gehören. SGDI 2202, Z. 1–16, 29–35.

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10

15

30

35

291

τῶι ἐν Ἀμφίσσαι παιδάριον οἰκογενές, ὧι ὄνομα Ἀπολλώνιος, τιμᾶς ἀργυρίου μνᾶν τριῶν καὶ ἡμιμναίου, καὶ τὰν τιμὰν ἔχει πᾶσαν, καθὼς ἐπίστευσε Ἀπολλώνιος τοῖς θεοῖς τὰν ὠνάν, ἐφ’ ὧι τε ἐλεύθερος ἔσται καὶ ἀνέφαπτος ἀπὸ πάντων τὸν πάντα χρόνον. βεβαιωτῆρες κατὰ τοὺς νόμους τᾶν πόλιων· Κλέανδρος Ἀμφισσεύς, Εὐάγγελος Δελφός. εἰ δέ τίς κα ἐφάπτηται Ἀπολλωνίου ἐπὶ καταδουλισμῶι, βέβαιον παρεχόντων τοῖς θεοῖς τὰν ὠνὰν ὅ τε ἀποδόμενος Ἀριστίων καὶ οἱ βεβαιωτῆρες Κλέανδρος καὶ Εὐάγγελος, κατὰ τοὺς νόμους τᾶν πόλιων· (…) μάρτυροι· ὁ ἱερεὺς Ἄρχων, καὶ ὁ νεωκόρος Μένης, καὶ τῶν ἀρχόντων Ἀναξανδρίδας· ἰδιῶται Δάμων Δαμοξένου, Εὔδικος, Ἀλέξων Δάμωνος, Ἐρύμηλος, Δαμοκλῆς Ἀμφισσεῖς· Εὔδοκος, Σέλευκος, Θεύδοτος, Ἄθαμβος Ἀθανίωνος Δελφοί· τὰν ὠνὰν φυλάσσοντι Μένης Δελφός, Ἐρύμηλος Ἀμφισσεύς.

„Als Damosthenes in Delphi Archon war, im (delphischen) Monat Poitropios, unter den Bouleuten der ersten Jahreshälfte Philaitolos, Sohn des Phainis, Timokles, Sohn des Thraseas, als Anaxandridas, Sohn des Aiakidas, Grammateus war, als Xenodokos, Sohn des Alexis, Archont in Amphissa war, als Damon, Sohn des Damoxenos, Theokolos war, im (amphissischen) Monat Panagyrios, verkaufte Aristion, Sohn des Anaxandridas, aus Delphi dem pythischen Apollon und dem Asklapios in Amphissa einen hausgeborenen Kindersklaven namens Apollonios, im Wert von dreieinhalb Minen, und hat die Kaufsumme vollständig erhalten, so wie Apollonios den Göttern den Kauf anvertraute, demzufolge er sowohl frei sei als auch unantastbar von jedem und für alle Zeit. Garanten gemäß den Gesetzen der Städte: Kleandros aus Amphissa, Euangelos aus Delphi. Wenn aber irgendwer versucht Apollonios zu versklaven, sollen sowohl der Verkäufer Aristion und die Garanten Kleandros und Euangelos den Göttern für den Kauf gemäß den Gesetzen der Städte Gewähr leisten (…) Zeugen: Der Priester Archon und der neokoros Menes und von den Archonten Anaxandridas; die Privatleute Damon, Sohn des Damoxenos, Eudikos, Alexon, Sohn des Damon, Erymelos, Damokles aus Amphissa; Eudokos, Seleukos, Theudotos, Athambos, Sohn des Athanion aus Delphi. Die Kaufurkunde hütet Menes aus Delphi, Erymelos aus Amphissa.“

Der delphische Freilasser, der spätere Ratsmann und Archon Aristion, Sohn des Anaxandridas, der sich nur wenige Jahre später 140/39 und 137/36–122/21 mit dem Verkauf zweier Sklavinnen an den pythischen Apollon inschriftlich in Delphi verewigte,44 engagierte sich in einem bemerkenswerten Rechtsgeschäft: Er ließ seinen Sklaven Apollonios dadurch frei, dass er ihn an den delphischen Apollon und den Asklepios von Amphissa ἐπ’ ἐλευθερίᾳ verkaufte. Wenngleich die erhebliche schlechtere inschriftliche Überlieferungslage Amphissas keine Aussage darüber erlaubt, ob eine

44

SGDI 2090; FD III 2, 243.

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vergleichbare Inschrift auch in Amphissa aufgestellt wurde,45 illustriert dieses Zeugnis doch, welchen Stellenwert das Asklepieion von Amphissa auch über die Stadtgrenzen hinaus in der Mitte des 2. Jahrhunderts für die Freilassung von Sklaven besaß. Das Nachlassen des amphissischen Interesses an der Aufstellung von Freilassungsinschriften in Delphi ist aber keinesfalls mit einem generellen Abklingen des Phänomens zu verwechseln. Hier sind nicht allein die Delpher selbst zu nennen, die in den folgenden Jahrzehnten zahlreiche Freilassungsinschriften aufstellen ließen. Fast zeitgleich mit dem beginnenden Rückzug der Amphisser aus dem inschriftlichen Repräsentationsraum begegnen ab 187/86 vermehrt Bürger der kleinen dorischen Polis Erineos (bis ca. 160 wurden 11 Freilassungen von Bürgern dieser Stadt inschriftlich kommemoriert) und ab 178/77 der phokischen Polis Lilaia (17 Freilassungen bis vermutlich 146). In Zusammenschau mit dem Befund amphissischer Freilasser signalisieren diese Zahlen doch unterschiedliche Zeiten, in denen die inschriftliche Repräsentation von Freilassungen in Delphi besonders vorangetrieben wurde. IV. Aufstieg und Niedergang eines epigraphic habit Dieser Befund evoziert aber unweigerlich die Frage nach den Hintergründen dieser Zeitfenster intensivierter inschriftlicher Repräsentation. Handelte es sich bei der Aufstellung von Freilassungsinschriften in Delphi um eine ‚Mode‘ oder lassen sich dahinter weitreichendere Strategien identifizieren als die Freilassung eines Sklaven oder die Repräsentation dieses Aktes? Dass das sinkende Interesse an inschriftlicher Repräsentation in Delphi seitens der Amphisser mit einer in Folge veränderter gesellschaftlicher Diskurse erwachsenen Ablehnung des Freilassungsverfahrens als solchem zusammenhing, kann ausgeschlossen werden. Wenngleich unklar bleibt, wieviel Wert auf vollständige Zeugenlisten in den Freilassungsinschriften gelegt wurde, sind sie doch in einer Hinsicht bemerkenswert konstant: Die Zahl von Amphissern, die als Zeugen von Freilassungsverfahren anderer Poleis gewonnen werden konnten, ist fast gleichbleibend. Zwischen 197/96 und 185/84 bezeugten etwa zwölf Amphisser nichtamphissische Freilassungen, zwischen 184/83 und 172/71 waren es acht und zwischen 171/70 und 158/57 zehn. Ähnlich konstant ist die Zahl amphissischer Garanten.46 Die Existenz von delphischen Inschriften aus dem 2. Jahrhundert, in denen etliche Akteure aus Amphissa genannt sind, ist nicht selbsterklärend. Zwischen den Delphern und ihren westlokrischen Nachbarn war es spätestens seit der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts immer wieder zu teils militärisch ausgetragenen Spannungen gekommen, die in den Konfiskationen von offenbar umstrittenen Grundstücken durch 45

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Über die Modalitäten des Verfahrens dieser Freilassung lässt sich nur spekulieren. Dass der im Datierungsformular genannte Theokolos des Asklepios von Amphissa, Damon, Sohn des Damoxenos, aber als Zeuge der Freilassungshandlung erscheint, deutet wohl daraufhin, dass zumindest ein wichtiger Teil der Freilassungshandlung in Delphi – und in Anwesenheit des entsprechenden amphissischen Kultpersonals – durchgeführt wurde. 197/96–185/84: 4, 184/83–172/71: 3, 171/70–158/57: 6.

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Manius Acilius Glabrio 191/90 (Syll.3 609–610 mit SEG XXVII 123) einen vorläufigen Höhepunkt erfuhren. Obwohl gegen alle Aitoler gerichtet, trafen die Bestimmungen des römischen Konsuls die Amphisser besonders. Die Besitzungen von über 20 Bürgern dieser Polis wurden Stadt und Heiligtum der Delpher zugesprochen.47 Dass sich dieses Urteil aber negativ auf die Bereitschaft der Amphisser ausgewirkt hätte, in Delphi am Freilassungsritual zu partizipieren und Freilassungsinschriften aufstellen zu lassen, kann nicht behauptet werden. In den folgenden zwei Jahren sind insgesamt elf Freilasser aus Amphissa belegt und vieles spricht dafür, dass auch einige der ‚Geschädigten‘ selbst wieder nach Delphi kamen und an Freilassungen partizipierten.48 Das bedeutet aber, dass die Amphisser entweder sehr genau zwischen Gebietsstreitigkeiten und kultischem Angebot zu differenzieren wussten, oder dass sie diese Form der Repräsentation auch dort als wirkungsvoll einschätzten, wo man sie zu übervorteilen suchte. Nur zehn Jahre später (180/79 oder 179/78) sahen sich die Amphisser mit einer weiteren Intensivierung der Gebietsstreitigkeiten konfrontiert: Die Delpher hatten rhodische Richter nach Delphi gebeten, um diese Grenzfragen beizulegen. Die Amphisser blieben aber nicht nur diesem Schiedsgericht fern, so dass die Rhodier keine Einigung herbeiführen konnten,49 sondern scheinen das gesamte Jahr über das delphische Heiligtum gemieden zu haben. Kein amphissischer Freilasser, Garant oder Zeuge ist für das Amtsjahr des Archonten Mantias bezeugt.50 Um zu eruieren, was sich zwischen 190 und 180 verändert hat, ist es zunächst nötig, zu fragen, wer die Amphisser waren, die in Delphi durch die Beteiligung am Freilassungsritual und die Aufstellung einer Freilassungsinschrift aktiv wurden und was sie mit diesen Aktionen verbanden. Hier sind zwei Dinge festzuhalten: Einerseits spricht vieles dafür, in den amphissischen Akteuren der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts Mitglieder einer bislang nur in ihren Ausläufern erkennbaren Elite auszumachen.51 Diese städtischen Eliten mobilisierten andererseits nach Auskunft der Freilas47 48 49 50 51

Vgl. hierzu Rousset 2002, 250–269 Nr. 41. Vgl. nur Ageson aus Amphissa (Syll.3 610B, Z.31), der ebenso bereits im folgenden Jahr als Zeuge in Delphi belegt ist (SGDI 2005) wie Thebagoras aus Amphissa (SEG XXVII 123, Z. 35 mit SGDI 1981; vgl. Daux 1936, 462–464 mit Stemma). Ein delphisches Dekret für die rhodischen Richter (FD III 3, 383) informiert über das Scheitern der Verhandlungen (Z. 12–13): διὰ δὲ τὸ τοὺς [Ἀμφι]σσεῖς μὴ θέλε[ιν ἐπὶ τόπον παρα]|γενηθῆμεν οὐκέτι συνετελέσθη ἁ [κρίσ]ις. Auch in der folgenden Dekade sind nur wenige Amphisser in Delphi bezeugt: Acht Garanten und 21 Zeugen stehen nur sechs Freilassern zur Seite. Die Zahl der Zeugen ist nicht sicher, da SGDI 2135 zu fragmentarisch erhalten ist, um Aussagen über die Herkunft der Zeugen zu treffen. Dies wird verschiedentlich durch die Prosopographie nahegelegt. Vgl. nur Mnasilaos, Sohn des Eudamidas, der zwischen ca. 200 und 189/88 an vier Freilassungen mitwirkte: Er war Zeuge (SGDI 2116, 2042), Garant (2000) und gemeinsam mit einem Delpher Freilasser. Darüber hinaus wurde er von den Bürgern Lousois zum Proxenos, Euergeten, Thearodokos und Isopoliten ernannt (IG V 2, 394). Dorotheos, Sohn des Timasios, ist zwischen 197/96 und 144/43 aus SGDI 2043, 2132 und 2143 bekannt und wurde laut SEG LVI 588 von Kallipolis zum Proxenos ernannt. Zwischen 154 und 142 war ferner ein Lykopos, Sohn des Lykos in Delphi als Freilasser aktiv (SGDI 1913, 2141). Er bürgte in SGDI 1912 für die Freilassung eines weiteren prominenten Amphissers, Damainetos, Sohn des Aristoboulos, und dürfte zeitgleich mit dem delphischen Archonten Eudoros (Daux 1943, 55 L 50 [153/52–144/43]) in Amphissa eponymer Archon gewesen sein (SGDI 1684).

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sungsinschriften große Teile ihrer Familie und ihres sonstigen sozialen Netzwerkes. Als Beispiel hierfür mag die früheste amphissische Freilassungsinschrift SGDI 2116 (um 200) dienen: μάρτυροι· Φιλοκράτης Δαμοφάνεος, Εὔαρχος Δίωνος, Ὀρθόλαος Παυσανία, Ἀριστόδαμος Τιμοδάμου, Μεγακλῆς, Λύκος Νικομάχου, Μνασίλα10 ος Εὐδαμίδα, Δρωπίνας Ἄνδρωνος, Τίμων Ἀναξία, Πύθων, Γοργίας Νίκωνος, Παυσανίας, Ἀγασίδαμος Ἀμφισσεῖς, Καλλίας Μάχωνος, Σιμάδας Σκόπα, Πολεμαῖος, Δάμαρχος Τίμωνος, Εὐθύδαμος Ξενοφάνεος, Τήλεφος, Ἡρωΐδας, Σωγένης Ὀνομάρχου, Κρατίδας Ἡρακλειῶται, Ἀνδρόβολος Κυτινιεύς, Δρωπίνας Καλλιπολίτας, Κλέων ὁ ναοκόρος, Εὐκλῆς ὁ ἱερεύς, Δάμων Δελφοί.

Unter den zahlreichen hier genannten Zeugen finden sich 13 Amphisser, neun Bürger Herakleias, ein Bürger Kytinions, ein Bürger aus Kallipolis und mit dem naokoros, dem Priester und einer Privatperson52 drei Delpher. Mit Ausnahme von Philokrates, Sohn des Damophanes und Timon, Sohn des Anaxias treten die amphissischen Zeugen in unterschiedlicher Zusammensetzung und Rolle gleich bei mehreren Freilassungen in Erscheinung:53 Euarchos, Sohn des Dion

SGDI 2128 (193/92)

Freilasser

Ortholaos, Sohn des Pausanias

SGDI 2128

Garant

Aristodamos, Sohn des Timodamos54

SGDI 1984 (193/92)

Freilasser

Lykos, Sohn des Nikomachos

SGDI 2000 (197/96) 2042 (197/96) 2129 (192/91) 2051 (178/77)

Zeuge Zeuge Zeuge Garant

Mnasilaos, Sohn des Eudamides55

SGDI 2000 2042 2025 (189/88)

Garant Zeuge Freilasser

Dropinas, Sohn des Andron

SGDI 2057 (182/81)

Zeuge

Gorgias, Sohn des Nikon

SGDI 1970 (190/89)

Garant

Agasidamos

SGDI 2132 (188/87)

Zeuge

Python56

52 53 54 55 56

Leider wurde in der Inschrift auf die Angabe des Patronyms verzichtet. Interessant ist aber, dass auch in SGDI 2042, Z. 5 ein Damon auftaucht. Ob es sich aber um dieselbe Person handelt, lässt sich angesichts der Verbreitung des Namens in Delphi nicht sagen. Außer Acht gelassen wurde im Folgenden Pausanias, möglicherweise der Vater des Ortholaos und Megakles. Ein weiterer Aristodamos begegnet ohne Patronym in SGDI 1995 als Zeuge. Ein weiterer Mnasilaos begegnet ohne Patronym als Zeuge in SGDI 2055. Daux 1936, 464 hatte aufgrund der Seltenheit des Namens dafür plädiert, diesen Python mit dem gleichnamigen Delpher zu identifizieren, der zwischen 176 und 166 in Delphi aktiv war (SGDI 1870, 1808, 1750). Diese Gleichsetzung ist aber keinesfalls zwingend. Vgl. SGDI 1757 (165/64), 1844 (186/85), 2000 (197/96) und 2070 (189/88), in denen der Amphisser Agesandros, Sohn des Python belegt ist.

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Auffällig ist, dass verschiedentlich dieselben Amphisser an denselben Freilassungen mitwirkten – ein Befund, der noch augenfälliger wird, berücksichtigt man drei weitere Zeugen der Freilassungsinschrift SGDI 2000: Alexis, Sohn des Xenodokos, und Archedamos, Sohn des Sokratidas, und Damoxenos wirkten auch gemeinsam an der Freilassung einer gewissen Kleopatra durch den Amphisser Polyxenos mit.57 Und auch die Söhne der genannten Amphisser traten verschiedentlich selbst als Freilasser oder Zeugen in Erscheinung, etwa Dion, Sohn des Euarchos, in SGDI 2024 oder Andron, Sohn des Dropinas, in SGDI 1828. Das bedeutet aber doch, dass Amphisser im Kontext der Freilassung in unregelmäßigen Abständen – aber immerhin mehrmals jährlich – verschiedene, sich überlappende soziale Netzwerke mobilisierten, um in Delphi am Freilassungsritual zu partizipieren. Gemeinsam pilgerte die Gruppe die heilige Straße herauf zum Altar, um dort den sakralen Verkauf unter gegenseitigen Schwüren zu vollziehen.58 Zweifelsohne handelte es sich dabei um eine öffentlichkeitswirksame Handlung – eine Handlung, die gerade in der Frühzeit der delphischen Freilassungsinschriften auch zahlreiche Zeugen aus anderen Poleis miteinschloss. Zwischen ca. 200 und 190/189 begegnen diese Zeugen allein in 21 Freilassungen durch Amphisser, die wiederum in acht Freilassungen durch Bürger anderer Poleis als Zeugen präsent waren.59 Ob diese fremden Zeugen im Vorfeld oder vor Ort gewonnen werden konnten, lässt sich kaum entscheiden,60 ist für die hier angestellten Überlegungen aber auch von untergeordneter Relevanz. Unzweifelhaft scheint jedoch zu sein, dass die gemeinsame Partizipation am Freilassungsritual Potentiale in sich barg, interpersonale Beziehungen einzugehen oder zu intensivieren – Beziehungen, die sich gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt in finanzieller, familiärer oder gar politischer Hinsicht ausbauen ließen. Durch die Aufstellung der Freilassungsinschriften wurde auch diesen Verbindungen ein dauerhaftes Denkmal gesetzt. Sie waren geeignet die Ausmaße des eigenen Netzwerkes abzubilden und gaben ein permamentes Zeugnis von der Kooperation der beteiligten Personen. Speziell die zahlreichen Delpher in den Freilassungsinschriften von Amphissern sind in diesem Zusammenhang signifikant, illustrieren sie doch zusätzlich zum evidenten Versuch zahlreicher Amphisser, in Delphi beim Freilassungsritual und durch die Freilassungsinschrift immer wieder Präsenz zu zeigen, ein (demonstratives) Bemühen um enge Vernetzungen der Amphisser mit ihren Nachbarn. Auch andere Inschriftengattungen zeugen von diesen amphissischen Bestrebungen: So ließen zwei Amphisser, Eudikos und Oxymachos, ihrem Vater Damainetos,

57 58 59 60

SGDI 2042. Vgl. zu diesem Aspekt Lepke 2016, 157–159. Besonders häufig begegnen neben Delphern Bürger Plygonions. Einige Indizien sprechen aber dafür, dass fremde Zeuge ‚spontan‘ rekrutiert wurden: Dass in SGDI 2001, einer Freilassung durch einen Beamten des Attalos Soter, ein Amphisser als Zeuge auftritt, ist m. E. leichter durch seine Anwesenheit in Delphi zu erklären, als wenn der königliche Funktionär seinen ‚Freund‘ zur Freilassung nach Delphi bat.

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Sohn des Eudikos, in Delphi eine Statue aufstellen.61 Eudikos, der Sohn des Damainetos, wurde seinerseits etwa in der Zeit der Hochphase amphissischen Interesses an den Freilassungsinschriften durch Physkeis für sein Wohlwollen und seine Wohltätigkeit gegenüber den Physkern (εὐνοίας ἕνεκεν καὶ εὐεργεσίας τᾶς εἰς αὐτούς) mit einer Statue in Delphi geehrt.62 In welcher Hinsicht genau dieser Eudikos sich um Physkeis verdient gemacht hat, bleibt unklar, aber vermutlich hatte er Anteil bei der Frage des Aufstellungsortes seiner Inschrift. Wahrscheinlich gehört auch die Proxenieverleihung Delphis an einen Sohn des Kallieros aus Amphissa in denselben zeitlichen Kontext.63 Chronologisch fällt diese intensive Nutzung des delphischen Heiligtums für die Aufstellung von Freilassungsinschriften und Ehreninschriften durch Amphisser in die turbulente Zeit nach Roms Sieg über Philipp V. und die Freiheitsproklamation des T. Quinctus Flamininus (196). Speziell der Konflikt zwischen Rom und den Aitolern führte zu erheblichen politischen Umwälzungen in Zentralgriechenland, die die Frage aufkommen ließen, wer zukünftig die maßgebliche Kontrolle über das Apollonheiligtum in Delphi innehatte. Die Stadt Delphi scheint sich hier einige Hoffnungen gemacht zu haben und ersuchte Rom wiederholt um die Zusicherung ihres althergebrachten Anspruchs auf das Heiligtum.64 Parallel dazu scheinen die Mitglieder der alten Amphiktyonie – im Besonderen die Thessaler und Athener – darauf gedrungen zu haben, die voraitolischen Strukturen wiederherzustellen.65 Eingebettet in diese unsichere diplomatische Gemengelage erscheint die amphissische Präsenz im epigraphischen Befund Delphis in einem neuen Licht: War schon unklar, wer in Zukunft die Geschicke des Heiligtums lenken sollte, stand die Rolle der Nachbarstadt doch erst recht zur Debatte. Schon die Freiheitsproklamation des Flamininus dürfte hier zu Unklarheiten geführt haben. Spätestens aber nach 189 konnten die Amphisser als Mitglieder des aitolischen Koinon und Hauptbetroffene der Enteignungen des Manius Acilius Glabrio nicht mehr sicher sein, wie sich ihr Verhältnis zu Delphi und seinem Heiligtum künftig entwickeln würde. Freilassungsritual und Freilassungsinschrift in Delphi boten den einzelnen Amphissern dabei eine schon früher erprobte Möglichkeit, im Apollon-Heiligtum Präsenz zu zeigen, Kontakte zu knüpfen und diese dauerhaft und öffentlichkeitswirksam zu inszenieren. Dabei entpuppte sich die Aufstellung von Freilassungsinschriften als so geeignetes Repräsentationsinstrument, dass – als 186 die Verhandlungen in Delphi und Thermopylai abgehalten und spätestens 184/83 die Frage nach der Heiligtumsverwaltung 61

62 63 64 65

IG IX 12, 3, 776 – Während Pomtow 1918, 69 Nr. 97 diesen Text aufgrund seiner Identifizierung des Geehrten mit einem der Geschädigten von 190 in dieselbe Zeit datierte (in diesem Sinne noch Jacquemin 1999, 61, 313 Nr. 62), betonte Günther Klaffenbach die Häufigkeit dieses Namens in Amphissa (vgl. LGPN 3B 96, s. v.) und sprach sich mit Nachdruck (sine dubio) für eine Datierung in die zweite Hälfte des 3. Jh.s aus. IG IX 12, 3, 704. Flacelière 1928, 219 Nr. 25 (Datierung aufgrund der Buchstabenformen: spätes 3. / frühes 2. Jh.). Dies ist bereits in der Entscheidung des Manius Acilius Glabrio angelegt (Syll.3 609). Vgl. ferner FD III 4, 353; RDGE 38 mit FD III 4, 427B I. Vgl. hierzu Habicht 1987; Habicht 2000.

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im Sinne eines Amphiktyonen-Rates mit besonderer Stellung der delphischen Delegierten zu einem Kompromiss gelangt war –66 die Intensität amphissischer Freilassungsinschriften im Befund zwar deutlich rückläufig ist, aber doch keinesfalls zu einem Ende kommt. Die oben angesprochene Lücke im Befund der amphissischen Freilassungsinschriften 187/86 als Hinweis auf vorher erfolgreich geführte Verhandlungen der Amphisser mit den unterschiedlichen Interessensgruppen zu betrachten, mag die Aussagekraft unserer Zeugnisse überstrapazieren. Die weiteren Freilassungsinschriften in Delphi sowie der Verkauf eines Sklaven an Apollon Pythios und den Asklepios von Amphissa geben zumindest Auskunft über ein kooperatives – wenn auch nicht konfliktfreies (FD III 3, 383) – Miteinander der beiden Nachbarstädte. Gleichzeitig ermöglichte die veränderte Ausgangslage aber auch Bürgern anderer Poleis, ein gesteigertes Interesse an inschriftlicher Repräsentation in Delphi auszubilden und durch Freilassungsinschriften zu verwirklichen. Dass die Doris um 189 von den Aitolern unabhängig geworden war und zumindest 178 ein Mitglied des Amphiktyonen-Rates stellte, dürfte der Hintergrund dafür sein, warum zwischen 187/86 und etwa 160 elf Freilassungsinschriften auf Bewohner der kleinen dorischen Polis Erineos zurückgehen. Mit dem Ende der aitolischen Kontrolle über das Heiligtum scheint Delphi auch dort als geeigneter Repräsentationsraum ins Bewusstsein getreten zu sein. V. Fazit Ausgangspunkt der vorliegenden Ausführungen war die Frage, ob und inwieweit sich Freilassungsinschriften für die Auswertung polisübergreifender Funktionsweisen von einzelnen Heiligtümern und der griechischen Religion generell fruchtbar machen lassen. Der Fokus richtete sich dabei naheliegender Weise auf Freilasser, die in einem Heiligtum, das nicht der Verwaltung durch ihre eigene Polis unterstand, eine Freilassung vornahmen und diese inschriftlich dokumentierten. Es stellt sich die Frage, warum diese fremden Freilasser ein solches Heiligtum für Freilassungshandlung und/oder -inschrift wählten und ob diese Entscheidung nicht Rückschlüsse auf die Bekanntheit und das Ansehen des entsprechenden Kultortes und seiner Gottheit zulässt. Besonders interessant wäre eine solche Perspektive, wenn sich Unterschiede zwischen der Herkunft der Freilasser und der Herkunft von Orakelanfragen, Festteilnehmern, Weihenden etc. ausmachen ließen, würden sie doch anzeigen, dass unterschiedliche kultische Angebote eines Heiligtums von unterschiedlichen Personengruppen genutzt wurden und sich die einzelnen Wirkungsebenen dieses Heiligtums decken, überschneiden oder auch unterscheiden konnten. Kann ein solcher Vergleich nur in Ausnahmefällen angestellt werden, zeigt der Befund der Freilassungsinschrif66

Zum Kontext vgl. CID IV, 106 u. SEG XXXVII 92 mit Habicht 1987. Der Amphiktyonen-Rat ist erst 178 sicher greifbar (CID IV, 108). Zur Rolle Delphis im neuen Rat vgl. schon Roussel 1932, 28.

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ten doch, dass es gute Gründe gibt, solche funktional differenzierten Einzugsbereiche zu postulieren. In Delphi, wo die Überlieferungslage geeignet ist, die Freilassungshandlungen statistisch zu erfassen, zeigt sich, dass die Freilassungen offenbar nicht an andere Anlässe gebunden waren, sich die Freilasser also nicht nur mit dem Heiligtum als solchem oder als Fest-, Orakelort identifizierten, sondern das Heiligtum dezidiert als Freilassungsort rezipierten. Trotzdem können die Freilassungsinschriften über die Frage, welche Verbreitung die Praxis fand, in einem fremden Heiligtum seine Freilassung vorzunehmen – welchen Wirkungskreis das Heiligtum als ‚Freilassungszentrum‘ also ausbilden konnte – nur sehr begrenzt Auskunft geben, denn es kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass alle Freilassungshandlungen auch inschriftlich dokumentiert wurden. Dies bedeutet aber, dass uns die tatsächlichen Wirkungskreise des Freilassungsrituals verborgen bleiben, die Inschriften nur als Ausdruck eines gesteigerten Bedürfnisses um inschriftliche Repräsentation im Kontext von Freilassungen an einem Ort gewertet werden dürfen. Wo eine solche Repräsentation gelingen konnte, war ganz losgelöst von den notwendigen rechtlichen Präliminarien, die die Ausführung der Freilassungshandlung und die Aufstellung der Freilassungsinschrift ermöglichten, abhängig von der Frage, von wem sie gesehen werden sollte. Dass sich diese Inschriften nicht (nur) in den großen und berühmten Heiligtümern der antiken Welt finden und schon gar nicht in allen, dürfte dabei gleichermaßen von den Möglichkeiten, diese Inschriften in einem Heiligtum aufzustellen, wie vom Charakter der am Freilassungsverfahren beteiligten Gottheiten und den finanziellen Möglichkeiten des Freilassers abhängig gewesen sein. Nicht jeder Ort eignete sich offenbar für diese Form von Handlung und Repräsentation. Die fremden Freilasser in unseren Texten zeugen damit sehr wohl von einem Wirkungskreis eines Heiligtums – nämlich demjenigen, in dem die inschriftliche Publikation einer Freilassungsinschrift noch für Repräsentationsstrategien umzusetzen war. Hierbei sind verschiedene Ebenen zu unterscheiden: 1. Heiligtümer, die nach Auskunft der Freilassungsinschriften ausschließlich von der Lokalbevölkerung für die Aufstellung von Freilassungsinschriften genutzt wurden. Obgleich hier nicht gesondert diskutiert, scheinen die meisten Heiligtümer nach Auskunft der erhaltenen Freilassungsinschriften ausschließlich lokalen Freilassern als Publikationsort ihrer Inschriften gedient zu haben. Hierzu zählen auch 2. Heiligtümer, in den Freilasser mit fremden Ethnika zwar bezeugt sind, diese aber in einen politischen Zusammenhang gehören, da es sich bei ihnen um abhängige Poleis, ethne oder komai handelt. Welche Kriterien hier galten, die ein Heiligtum zum Zentrum für die Aufstellung von Freilassungsinschriften erhoben, ist unklar, doch demonstriert etwa das Asklepios-Heiligtum des von Naupaktos abhängigen Bouttos, dass der Publikationsort der Freilassungsinschriften nicht zwingend mit dem politischen und repräsentativen Zentrum identisch sein musste. Das Asklepios-Heiligtum scheint dabei auch über die Polisgrenzen hinweg als Repräsentationsort der Freilassungsinschriften Attraktivität gewonnen zu haben und einzelnen nicht von Naupaktos abhängige Gemeinschaften der Region als geeigneter Ort der Freilassungshandlung und ihrer Publikation erschienen zu sein. Ganz Ähnliches lässt sich beobachten für

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3. Heiligtümer, die auf Freilasser der nahe gelegenen Region als Publikationsort attraktiv wirkten (Phaistinos). 4. Heiligtümer, die für die Repräsentation auch weiter entfernt lebender Freilasser genutzt wurden (Phystion und Physkeis). Dies mag in Physkeis davon beeinflusst gewesen sein, dass das Athena Ilithya-Heiligtum das kultische Zentrum der Westlokrer war und somit gewährleistete, dass die Inschrift von Heiligtumsbesuchern der gesamten Region wahrgenommen werden konnte. Gerade der Fall Phystions zeigt jedoch, dass auch Heiligtümer regionale Bedeutung für die Publikation des Freilassungsrituals ausbilden konnten, die keine vergleichbare Rolle in der Organisation von Bundesstaaten spielten. Trotzdem müssen sich die Freilasser in Phystion eine für ihre Selbstrepräsentation geeignete Öffentlichkeit versprochen haben, bevor sie die Inschriftensetzung in Auftrag gaben. 5. Heiligtümer von internationalem Renommee, in denen Freilassungshandlung und auch Freilassungsinschrift von Freilassern aus größerer Entfernung angestoßen wurden und denen als Handlungs- und Repräsentationsort eine besondere Funktion für die ganze Mittelmeerwelt zukam. Der Fokus auf die Freilassungsinschriften einzelner Poleis in Delphi hat außerdem gezeigt, dass die Wahrnehmung und Nutzung eines Heiligtums als geeigneter Publikationsort von Freilassungsinschriften Veränderungen ausgesetzt sein konnte. Das Beispiel der Erineer führte dabei vor Augen, wie sich verändernde Modalitäten der Heiligtumsverwaltung – und gerade die neuerliche Partizipation – Voraussetzungen schaffen konnten, dass das Heiligtum den Bürgern als Repräsentationsort für Freilassungsinschriften lohnend erschien. Ungleich komplexer erwies sich die Nutzung Delphis als Aufstellungsort von amphissischen Freilassungsinschriften. Wurden sie unter aitolischer Kontrolle des Heiligtums offenbar im hier umrissenen Sinne zur Repräsentation der Freilassungshandlung verwendet, legt der Befund nahe, dass es in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts zu einer Erweiterung ihrer Funktion kam. In einer Zeit, in der das Verhältnis zwischen den beiden Nachbarstädten unklar war, boten sie eine Möglichkeit unter vielen, die Verbundenheit der Bürgerschaft beider Poleis und der engen Beziehung Amphissas zum Heiligtum zu inszenieren. Können wir solche Faktoren auf die Einzugsbereiche von Heiligtümern im Spiegel der Freilassungsinschriften in vergleichbarer Weise auch nur äußerst selten identifizieren, sind sie doch bei jeder Beschäftigung mit dem Akzeptanzsystem, in das die verschiedenen griechischen Heiligtümer eingebettet waren, mitzudenken und steigern die Komplexität eines ohnehin schon schwer zu fassenden Phänomens.

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Vor fremden Göttern?

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„With a Little Help from my Friends“ oder das Asyliederby zwischen Magnesia am Mäander und Milet1 Katharina Knäpper

I. Territoriale Asylie um die Jahrhundertwende vom 3. zum 2. Jahrhundert In seinem berühmten Buch Mediterranean Anarchy, Interstate War, and the Rise of Rome beschreibt Arthur M. Eckstein die hellenistische Staatenwelt als ein „interstate system of militarized anarchy“, in dem Machtgewinn bedeutsam, Konkurrenz überlebenswichtig und Krieg allgegenwärtig war.2 Für den westkleinasiatischen Raum im ausgehenden 3. und beginnenden 2. Jahrhundert gilt diese Feststellung in besonderer Weise: denn die vielfachen Konflikte und Machtverschiebungen der Zeit führten nicht nur im Sinne eines fernen Donners zur allgemeinen politischen Unsicherheit, vielmehr bildeten das westliche Kleinasien und die vorgelagerten Inseln eine Bühne der Ereignisse. Erinnert sei an dieser Stelle ohne Anspruch auf Vollständigkeit etwa an die Eroberungszüge Antiochos’ III. nach seiner Rückkehr nach Kleinasien; den schwindenden Einfluss Ptolemaios’ III. und das damit entstandene Machtvakuum; an die Auseinandersetzungen zwischen Philipp V. und den Aitolern, den Römern, den Attaliden, Rhodos; und schließlich auch an den Kretischen Krieg.3 In diese Phase ernstzunehmender politischer Umwälzungen und unsicherer Machtverhältnisse der letzten Dezennien des 3. und der ersten Dekade des 2. Jahrhunderts datieren zahlreiche Asyliegesuche kleinasiatischer, dem Meer zugewandter oder insularer Poleis.4 Zeitlich wie geographisch handelt es sich um einen Schwerpunkt des Phänomens. Die Popularität der territorialen Asylie resultiert m. E. aus der prekären Sicherheitslage vieler Poleis, ganz analog zu den Verhältnissen auf der Peloponnes gegen 1 2 3 4

Ich danke den Herausgebern des Bandes für die Möglichkeit einen Artikel beizutragen; Matthias Haake danke ich für Durchsicht und Diskussion des Manuskripts. – Jahres- und Zeitangaben verstehen sich soweit nicht anders verzeichnet als v. Chr. Eckstein 2006, 95. Zur historischen Situation vgl. Ma 2000, bes. 74–82; vgl. ferner Chaniotis 1996, 38–40; Chaniotis 2005b, bes. 1–17; Funke 2000, 515; Wiemer 2002, 174–234; Eckstein 2006, bes. 83–117; Dreyer 2007, 101–111; Koehn 2007, 151–168; Scherberich 2009, 164–173; Grainger 2010, 219–290. Kalchedon (Polis und Heiligtum des Apollon Pythaios), Milet (Polis und Heiligtum des Apollon in Didyma), Magnesia am Mäander, Anaphe (Polis und Heiligtum des Apollon Asgelatas), Teos, Antiocheia-Alabanda, Tenos (Heiligtum des Poseidon und der Amphitrite), Kolophon (Heiligtum des Apollon in Klaros).

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Mitte des 3. Jahrhunderts als die territoriale Asylie entstand. Die Wechselhaftigkeit der politischen Machtverhältnisse störte die gewohnten Mechanismen der Absicherung gerade politisch weniger bedeutsamer Akteure. Das generierte das Bedürfnis nach einem diplomatischen Instrument, das einen gewissen Grad an Konfliktdeeskalation und Sicherheit evozieren konnte, ohne andere Verträge oder Abmachungen zu tangieren.5 Ein besonders aussagekräftiges Beispiel der Funktionsweisen und Anwendungsmöglichkeiten der territorialen Asylie im ausgehenden 3. Jahrhundert übermitteln die Zeugnisse zum ‚Asyliederby‘ zwischen den benachbarten Städten Magnesia am Mäander und Milet. II. Einführung der Akteure: Magnesia am Mäander Die Weststoa an der Agora Magnesias am Mäander, die Barbara Sielhorst ob ihrer baulichen Struktur jüngst als einen „Vorhof“ des Artemisions bezeichnet hat,6 beherbergt eines der bekanntesten und größten Asyliedossiers der griechischen Oikumene.7 Dieses Dossier geht auf eine städtisch forcierte Asylieinitiative zurück, die sich in zwei inschriftlich belegten Gesuchserien in den Jahren 221 und 208 und einem späteren, lediglich literarisch fassbaren Herantreten an Rom,8 manifestierte. Zudem beinhaltet das magnesische Dossier eine Gründungsgeschichte der Stadt, einen gefälschten Beschluss des kretischen Koinons9 sowie die sogenannte Stiftungsurkunde der Leukophryene.10 Alle drei Dokumente wurden seit dem Jahr 208 von magnesischen Gesandtschaften potentiellen Asyliepartnern in allen Teilen der griechischen Oikumene vorgelegt und stellen daher ganz besonders geeignete Quellen für unser Verständnis der zeitgenössischen Selbstbeschreibung der Magnesier und des Prozederes eines Asyliegesuchs dar.

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Die politische Bedeutung der territorialen Asylie betonen etwa Flashar 1999, 419; Buraselis 2003; Buraselis 2004; Funke 2008, 256; Dreyer 2010; Dreyer 2011; Kató 2014; Knäpper 2016; Rigsby, Asylia stellt ein Corpus der bis ins Jahr 1996 bekannten Asylieurkunden dar; zur territorialen Asylie im Allgemeinen vgl. jetzt auch Knäpper 2018. Sielhorst 2015, 165–168. Zum Fundort der Inschriften vgl. I.Magnesia, p. 11. Das Dossier ist zuerst vorgelegt in I.Magnesia 16–87; vgl. auch Rigsby, Asylia, Nr. 66–131; zu den Texten vgl. ferner Chaniotis 1999; Rigsby 2001; Slater/Summa 2006; Thonemann 2007; Sosin 2009; Giannakopoulos 2012. Tac. ann. 3,62. Die römische Asylieverleihung an Magnesia am Mäander ist nur literarisch bezeugt. Sie scheint aber dennoch recht plausibel, da zeitgenössische und griechischen Gepflogenheiten folgende römische Asylieanerkennungen an kleinasiatische Poleis durchaus bekannt sind (Rigsby, Asylia, Nr. 173 [Kolophon mit dem Apollonion von Klaros], Nr. 153 [Teos]). I.Magnesia 17 u. 20; vgl. dazu ferner Chaniotis 1988, 34–37; Chaniotis 1996, 191; zur magnesischen Geschichte vgl. Biagetti 2010 mit umfassender Quellendiskussion und Literatur; zur politischen Verortung der Geschichte vgl. Gehrke 2001, 287–297; Gehrke 2010, 28; Sumi 2004, bes. 80–85. I.Magnesia 16 (= Ebert 1982 [Z. 10–35]; Rigsby, Asylia, Nr. 66; SEG LVI 1231 [Z. 16–33]); vgl. ferner die Neuinterpretationen (Z. 16–33) und Thonemann 2007.

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III. Ein Misserfolg in der Stiftungsurkunde der Leukophryene In der Stiftungsurkunde lassen sich zwei zeitliche Ebenen feststellen, die jeweils extern datiert und miteinander in Beziehung gesetzt werden. Die ältere Ebene wird vermittels vierfacher Datierung zeitlich im Jahr 221 verortet (Z. 11–16), und zwar zum Zeitpunkt, als das Heiligtum Bühne der Epiphanie der Artemis Leukophryene wurde. Daraufhin wurde ein Orakel des pythischen Apollon über die Statuserhöhung des lokalen Agons und die Asylie eingeholt und Kulthandlungen vollzogen (Z. 16–24). Das Vorhaben der Magnesier misslang jedoch aus nicht näher erläuterten Gründen und wurde erst im Jahr 208 wiederaufgenommen (Z. 24–33), wofür die Politen Gesandte zu Poleis, Bünden und Königen entsandten (Z. 30). Bezöge sich das Misslingen auf das Asyliegesuch der Magnesier, lieferte die Stiftungsurkunde gewissermaßen den seltenen Beweis eines (zumindest weitestgehend)11 abgelehnten Asyliegesuchs, was in der Forschung mit dem Hinweis auf fehlende Asylieanerkennungen in einigen Antwortdekreten12 auch postuliert wurde.13 Ob aber und worin die Magnesier 221 gescheitert sind, ist trotz kontroverser Forschungsdiskussion noch nicht hinreichend geklärt. Da textimmanente Hinweise in dieser Frage durchaus dienlich zu sein scheinen, sei ein erneuter Blick auf die Inschrift erlaubt: [ὑστε]ρ¢ὸν ἐπιφαινομένης αὐτοῖς Ἀρτέμι[δο]ς Λε[υκοφρυηνῆς επεμ]-|[ψα]ν¢ Ἀγάριστον¢ χρηστηριάζει τάδε πρὸς τὴν ἐρώ[τησιν αὐτῶν·]|[λώ]ιον εἶμεν καὶ ἄμεινον τοῖς σε[β]ομένοις Ἀπ[όλλωνα Πύθι]- |[ο]ν¢ καὶ Ἄρτεμιν Λευκοφρυηνὴν καὶ τὰ[μ] π[όλιν καὶ τὰν]|[χ]ώ¢ραν τὰμ Μαγνήτων τῶν ἐπὶ Μαιάνδρ[ο]υ [ἱερὰν καὶ ἄσυ]-|[λ]ον νομιζόντοις· >-< ἐπιφανοῦς δὲ γενομένης [Ἀρτέμιδος] |προσδεξάμενοι >-< τὸγ χ[ρ]ησμὸν [… vierfache Datierung der Zeitebene auf das Jahr 221 v. Chr. (Z. 10–16)]. […] >-< πρῶτ[οι14 στεφανί]-15|την ἀγῶνα θεῖναι τῶγ κατοικούντων τὴν Ἀσίαν [ἐψηφίσαν]-|το, τὴν ἐκδοχὴν τοῦ χρησμοῦ ταύτην λαβόντες, [ὅτι πάντες]|τιμήσουσιν οὕτως Ἄρτεμιν Λευκοφρυηνήν, μᾶλ[λον δὲ εἰς]|τ¢ὸ θεῖον εὐσεβῶς ἔχοντες, ἐὰμ Μάγνησιν ἐπὶ τὸν ἀ¢[ρχαῖον ἑπό]-|μενοι βωμὸν Ἀρχηγέτιδι γέρα κεχαρισμέν[α ἀποδιδῶσιν,]|ἅτε καὶ τῶν ἄλλων ἀ[γ]ώνων

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Lediglich eine Asylieanerkennung lässt sich mit relativer Sicherheit der ersten Asyliebitte der Magnesier zuweisen. Es handelt sich um eine Asylieanerkennung seitens des Aitolischen Bundes (Rigsby, Asylia, Nr. 67), die getrennt vom restlichen Dossier in Delphi und Thermos gefunden wurde. Rigsby, Asylia, Nr. 68 (Attalos I.), Nr. 69 (Antiochos III.), Nr. 70 (sein Sohn Antiochos), Nr. 78 (Aitolischer Bund), Nr. 90 (Argos), Nr. 91 (Sikyon), Nr. 97 (Chalkis), Nr. 99 (Delos), Nr. 104 (Rhodos), Nr. 111 (Antiocheia in der Persis). Rigsby, Asylia, 182 mit der Darstellung der älteren Diskussion. Vgl. ferner Sosin 2009, bes. 374–377, 406–408, der die erste Asyliebitte für unhistorisch hält. Der Autor datiert die einzige sonst für sicher zur ersten Serie gehörig gehaltene Inschrift (Rigsby, Asylia, Nr. 67) herab. Die Hauptlast seiner Argumentation tragen dabei die Tatsache, dass die Magnesier den in der Inschrift zuerkannten Amphiktyonenstatus erst 202 belegbar beanspruchen sowie die Herabdatierung des zweiten Strategenamts des Agelaos auf das Jahr 206/205 (Sosin 2009, bes. 372–377, vgl. auch Rigsby, Asylia, 191 Anm. 40). Allerdings scheinen Sosins Argumente ob der vielfachen, vom Autor selbst vorgebrachten chronologischen Probleme nicht zwingend. Ergänzung nach Thonemann 2007. Ergänzung nach Slater/Summa 2006 (zu näherem s. Anm. 20).

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Katharina Knäpper τὴ¢ν ἀρχὴμ¢ μὲν ἐπ’ ἀρ¢γ¢[υρίωι τε]-|θέντων, χρόνωι δὲ ὕστερον διὰ χρησμοὺς στεφαν[ιτῶν γεγο]-|ν¢ότων. >-< ὡς δὲ ἐπιβ[α]λόμενοι παρηλκύσθησ[αν, […].16 „Und als ihnen später Artemis Leukophryene erschien, entsandten sie Agaristos. Der Gott sprach auf ihre Frage: „Es wäre besser und zuträglicher für die Verehrer des Apollon Pythios und der Artemis Leukophryene, sowohl die Stadt als auch die Chora der Magnesier am Mäander als heilig und unverletzlich anzuerkennen.“ Nach der Epiphanie der Artemis erhielten sie das Orakel [… Datierung auf das Jahr 221 v. Chr.]. Als erste unter den, die in Asien wohnen, beschlossen sie einen Kranzagon abzuhalten; sie entnahmen dem Orakelspruch die Aussage, dass alle, die Artemis Leukophryene so ehren werden, sich gegenüber dem Göttlichen ehrfürchtiger verhalten, wenn sie den Magnesiern zu den alten Altären folgen und der Archagetis gefällige Gaben darbringen. So wie auch die anderen Agone zu Beginn um Geld gehalten wurden, in der späteren Zeit aber auf Grund von Orakeln zu Kranzagonen geworden sind. Als sie aber dazu ansetzten, erfuhren sie eine Verzögerung […].“

Betrachtet man die Struktur der Stiftungsurkunde zur Klärung der Frage nach dem Gegenstand des Misslingens im Jahre 221, rückt der Fokus in recht eindeutiger Weise auf die Statuserhöhung des Agons, denn: Zunächst beschreiben die Magnesier auf die Epiphanie der Göttin und das Orakel des Apollon Pythios, worin die Asylie der Polis und ihrer Chora anempfohlen wird.17 Das Orakel wird in wörtlicher Rede wiedergegeben, gefolgt von einem Trennzeichen. Darauf setzt die vierfache chronologische Einordnung ein, die das Orakel und damit die ältere Zeitebene der Inschrift auf das Jahr 221 v. Chr. datiert und wiederum von einem Trennzeichen abgegrenzt wird. Im nächsten Strukturabschnitt der Stiftungsurkunde fokussieren die Magnesier darauf, auf welche Art und Weise sie der Äußerung der Götter zu entsprechen gedenken. Dabei werden die eigenen Bemühungen um die Pflege des Kults der Artemis Leukophryene beschrieben. In der Phrase ἐὰμ Μάγνησιν ἐπὶ τὸν ἀ¢[ρχαῖον ἑπό]-|μενοι βωμὸν (Z. 21–22) klingt an, dass die kultischen Handlungen für Artemis Leukophryene am Ort ihrer Epiphanie bereits vollzogen wurden und werden.18 Eine solche Fokussierung auf rituelle Handlungen im eigenen Heiligtum gehört als Beispiel positiv konnotierten Verhaltens in religiösen Belangen zum üblichen Duktus von Asyliegesuchen.19 Im nächsten Abschnitt mündet die Beschreibung der kultischen Bemühungen der Magnesier im Festhalten der Idee einer Statuserhöhung der Festspiele der Artemis

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Text nach Rigsby, Asylia, 66, Z. 5–25. Auch die Epiphanie der Göttin ist nach Bonnechere 2010, bes. 122 in diesem Zusammenhang als eine Art Orakel zu betrachten. Doppelte Orakelbefragungen sollten in besonders problematischen Fällen der Absicherung einer Entscheidung dienen. Der hohe Stellenwert der vollzogenen Kulthandlungen und der göttlichen Epiphanie für die Politen äußert sich auch in der Veranlassung der Errichtung eines neuen Hermogenes-Tempels für die Göttin (Vitr. 3,2,6; 7, praef., 12), wohl am Ort Ihrer Epiphanie. Zur Deutung dieser Epiphanie vgl. Petridou 2015, 330. Vgl. Knäpper 2016.

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Leukophryene, und zwar wiederum mit einem Verweis auf die Normenkonformität dieses Vorhabens.20 Die Sektion wird durch ein Trennzeichen abgegrenzt. Erst darauf folgt der Verweis, dass dieses Anliegen der Magnesier just zu dem Zeitpunkt (im Jahr 221), da es aufgenommen wurde, misslang, oder, wörtlich, eine Verzögerung erfuhr.21 Die Struktur des Textes macht mehr als deutlich, dass sich ὡς δὲ ἐπιβ[α]λόμενοι (Z. 25) auf das im vorangehenden Satz erläuterte Prozedere zur Agonerhöhung beziehen muss. Denn an dieser Stelle Asylie ins Spiel zu bringen, würde bedeuten, einen logischen Bezug über 15 Zeilen und mehrere Trennzeichen hinweg zu konstruieren. Das scheint in Anbetracht des erläuternden Charakters der Stiftungsurkunde ohne eine Wiederaufnahme des Terminus Asylie unwahrscheinlich. In diesem Sinne ließen sich die erwähnten Antwortdekrete auf das magnesische Asyliegesuch aus dem Jahre 208 ohne Asylienennung mit Rückgriff auf Ockhams Rasiermesser auch als Indizien eines erfolgreichen Gesuchs des Jahres 221 lesen:22 die neuerlichen Interaktionspartner der Magnesier – Attalos I., Antiochos III., sein Sohn Antiochos, die Aitoler, Argos, Sikyon, Chalkis, Delos, Rhodos und Antiocheia in der Persis – spezifizierten bei der zweiten Anfrage nur das noch nicht bestehende Privileg und setzten das zuvor verliehene voraus.23 Gerade die Tatsache, dass für den Aitolischen Bund Reaktionen auf beide Gesuchsserien erhalten sind – wobei im ersten Fall

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Slater/Summa 2006, 282–287 postulieren die Richtigkeit von Kerns älterem Ergänzungsvorschlag [στεφανί]την (I.Magnesia 16) gegenüber Eberts [ἀργυρί]την (Ebert 1982) in Z. 16. Damit lehnen sie Eberts These einer stufenweisen Heraufsetzung des Agons ab und verweisen darauf, dass die Magnesier mit der Einholung des Orakels sowie der Verbreitung der Bitte um Anerkennung ihres Agons als Kranzagon bereits 221 die nötigen Schritte für ebendiesen einleiteten. Nur ein Kranzagon hätte der Anerkennung der Interaktionspartner bedurft, während ein Geldagon naturgemäß ohne offizielle Anerkennung anderer politischer Akteure auskäme. Dieser Logik folgend deuten die Autoren den in der Inschrift benannten Siegerkranz im Wert von 50 Goldstateren (Z. 28–29) als Spende an die geehrte Gottheit (Slater/Summa 2006, 288; EBGR 134 pflichtet bei und betont mit Verweis auf die Verwendung des Präsens im Kontrast zum sonst vorherrschenden Aorist, die Spende sei als wiederkehrend zu betrachten); zum Verhältnis von Geldagon und Kranzagon vgl. Remijsen 2011; ferner Mann 2016, bes. 20–22. Sosin 2009, 402–404 hält zu Recht fest, dass passivisches παρηλκύσθησ[αν keine strikte Ablehnung seitens externer Akteure bedeuten muss, sondern eine komplexen Verhältnissen geschuldete Verzögerung einer Unternehmung andeute. Er schlussfolgert – unter seiner Prämisse der Unhistorizität der ersten Asyliebitte der Magnesier – freilich, dass diese Verzögerung den Politen selbst anzulasten sei und an dieser Stelle die Verantwortlichen diplomatisch verklausuliert würden. Bereits Slater/Summa 2006, 283 deuten den Misserfolg als Folge mangelnden Engagements der Magnesier. S. Anm. 12. Bereits Rigsby, Asylia, 183 formuliert in diesem Zusammenhang, dass weder Unachtsamkeit noch der Erhaltungszustand zur Erklärung aller zweifelhaften Fälle ausreichen, so dass eine frühere Asylieverleihung wahrscheinlich ist. Belege von Unachtsamkeit in Asyliedokumenten: Asylie fehlt in der Bitte, wird jedoch verliehen: Rigsby, Asylia, Nr. 79 (Delphi), Nr. 92 (Korinth), Nr. 129 (Tralleis); Asylie erwähnt, jedoch nicht verliehen: Rigsby, Asylia, Nr. 105 (Knidos); Agon fehlt in der Bitte, wird aber im Beschluss anerkannt: Rigsby, Asylia, Nr. 94 (Korkyra). Chaniotis 1999, 60 erklärt die fehlende Asylieanerkennung mit von den Gesandten bereits mitgeführten Asylieanerkennungen früher besuchter Poleis. Im Falle Antiocheias in der Persis scheint diese Möglichkeit sehr wahrscheinlich; vgl. ferner Sosin 2009, 379 mit ähnlicher Argumentation für Gonni.

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die Asylie und im zweiten die Statuserhöhung des Agons anerkannt werden –, stützt diese These.24 Die Stiftungsurkunde – betrachtet man die Erwähnung des eigenen diplomatischen Misserfolgs zweckrational – verhilft den Magnesiern dazu, das Alter und die Originalität der eigenen Ansprüche in den Vordergrund zu rücken. Peter Thonemann verbindet diese Art und Weise der Selbstdarstellung mit der Konkurrenzsituation zu Milet. In der Stiftungsurkunde ginge es den Akteuren um den Primat der Idee der Statuserhöhung des Agons der Artemis Leukophryene gegenüber der zwischen den beiden magnesischen Gesuchserien erfolgreichen Statuserhöhung der Didymeia auf Bestreben der Milesier.25 Dazu lässt sich mit Blick auf die Struktur der Stiftungsurkunde nun ergänzen, dass die magnesischen Diplomaten nicht nur für sich beanspruchten, als erste unter den Kleinasiaten den Versuch unternommen zu haben, einen Kranzagon ins Leben zu rufen; vielmehr betonten sie auch die gegenüber den Rivalen zuerst eingeworbene territoriale Asylie. Hinter diesem Konkurrenzgebaren darf man nicht bloße Vanitas, sondern politisches Kalkül vermuten: mit der Selbstdarstellung als innovative Kraft in Asia Minor scheinen die Magnesier zu versuchen, einerseits ihr Heiligtum, andererseits auch sich als handelndes Organ besser in der griechischen Oikumene – denn diese bereisen die magnesischen Gesandten mit der Stiftungsurkunde – zu positionieren. Dazu passt, dass sie gleichzeitig versuchen, über eine ebenfalls mitgeführte – und durch ein aufwendig gefälschtes Dekret des kretischen Koinons quasi beglaubigte – Gründungsgeschichte die tiefe Verwurzelung ihrer Stadt in der griechischen Vielstaatenwelt zu betonen.26 Darin konstruieren sie ein bis in die archaische Zeit zurückgehendes Näheverhältnis zu Thessalien27 – und damit zum griechischen Mutterland – sowie andererseits eine enge Beziehung zu den auf Kreta ansässigen Gortyniern und Phaistiern – und damit einem zunehmend wichtiger werdenden zeitgenössischen Partner.28 Die Bürger Magnesias vollziehen mit den vielfachen Präsentationen ihrer Version der älteren und jüngeren Geschichte29 im Jahr 208 also in gewisser Weise ein „diplomatisches Ritual“,30 das als Appell fungiert, die gemeinsame Vergangenheit 24 25 26 27

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S. Anm. 11–12. Thonemann 2007, 155–157, 160; so auch van Nijf/Williamson 2016, 46. Zur Fälschung vgl. Chaniotis 1999, bes. 61–69. Die konsequente Berufung der Magnesier auf die historische Abstammung aus Thessalien wird auch in Remijsen/Scharff 2015 betont, wo die beiden Autoren zeigen, dass auch magnesische Athleten den „supra-local identifier“ Thessalien als Marker ihrer politischen Identität nutzen. Sie lesen das als Beleg für den Versuch der Magnesier, zu einem bedeutende(re)n Akteur in der griechischen Oikumene zu werden. Zur Patris Thessalien in Siegerepigrammen genuin thessalischer Athleten vgl. Scharff 2016, bes. 212–214. Zur Geschichte Magnesias als Argument im zwischenstaatlichen Raum vgl. Sumi 2004. Chaniotis 1999, bes. 61–69. Vgl. dazu Wiemer 2009, 88 mit Aufzählung der konkurrierenden historischen Informationen über Magnesia. Chaniotis 2005a, 145.

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gegenwärtig zu halten, und die Absicht verfolgt, ihre Position auf der internationalen Bühne sowie im lokalen Wettstreit mit den Milesiern zu stärken. Dabei steht das Heiligtum der Artemis Leukophryene einerseits im Fokus der Bemühungen der Magnesier; andererseits wird es mit der Ausführung des international anerkannten Kranzagons zum Handlungsort ihrer manifestierten Vormachtstellung und mit der Publikation der Asylieinschriften auf der an den neuen Hermogenestempel angrenzenden Agora zur wohlausgestatteten Bühne ihres zeitgenössischen Selbstverständnisses. IV. Enter Miletus: ein Zeugnis mythischen Primats Milesische Bemühungen um Asylie und die Absicherung der eigenen politischen Situation im ausgehenden 3. Jahrhundert sind über verschiedenartige Quellen belegt. Zunächst sei auf eine nach rein paläographischen Kriterien in das letzte Viertel des 3. Jahrhunderts datierte Asylieanerkennung aus Aptera hingewiesen.31 Daneben legen zahlreiche epigraphisch dokumentierte diplomatische Verhandlungen der Milesier nahe,32 dass die Politen einen proaktiven Umgang mit der unsicheren Lage am Ende des 3. Jahrhunderts gepflegt haben. Unter diesen Dokumenten ist eine gegenseitige kollektive Anerkennung persönlicher Asylie und Asphalie mit ausführlicher Nennung von Sanktionen mit dem Aitolischen Bund aus der Zeit nach 215 hervorzuheben.33 Das wichtigste Zeugnis für milesische Anstrengungen territoriale Asylie zu erlangen, ist aber ein wohl 216 nach Kos gesandtes Schreiben,34 worin die Bitte um die Statuserhöhung der Didymeia formuliert und die Asylie des Heiligtums vorausgesetzt werden.35 Das Dekret ist von besonderer Bedeutung für unser Verständnis der Konkurrenzsituation zu Magnesia am Mäander, so dass es an dieser Stelle auch zitiert sei: […] τῆς τε πόλεως καὶ τῆς χώρας|καθιερωθείσης διὰ τὴν ἐν τῶιδε τῶι|τόπωι Λητοῦς καὶ Διὸς μεῖξιν καὶ τὰς|τοῦ θεοῦ μαντείας, ἐξ ὧν ἔθνη τε οὐ-|κ ὀλίγα καὶ πόλεις καὶ τῶν βασιλέων|οἱ τετευχότες τῶν μεγίστων τῆς|παρὰ τοῦ θεοῦ συμβουλίας τήν τε καθι-|έ·Ε‚ρωσιν καὶ τὴν ἀσυλίαν ἀνηγόρευ-|σαν ἀπαράκλητοι αὐτοί, τῶι τε θεῶι καὶ|τῆι πόλει τὴν ἀξίαν περὶ τούτων ἀπο-|νείμαντες χάριν, προσήκει δὲ τῶι δή-|μωι πράσσοντι τοῖς ἐξενηνεγμένοις|χρησμοῖς ἀκόλουθα τόν τε ἀγῶνα τιθέ- |ναι τῶν Διδυμείων στεφανίτην καὶ|τοὺς Ἕλληνας εἰς ταῦτα παραλαμβά- |νειν, κοινῶν τῶν εὐεργεσιῶν εἰς πάν-|τας αὐτοὺς ὑπὸ τοῦ θεοῦ γεγενημέ- |νων, […].36 31 32 33 34 35 36

Rigsby, Asylia, Nr. 65. Vgl. etwa die Verhandlungen Milets mit Ptolemaios II. um Wiederholung von Privilegien (Milet I 3, 139; Milet VI 1, 139 mit Kommentar und Übersetzung); Antiochos’ II. Verleihung von eleutheria und demokratia, (I.Didyma 358); Seleukos’ II. Erinnerung an die Wohltaten seines Vaters (I.Didyma 493). Milet VI 3, 1031. Zur Datierung vgl. Funke 2000, 514. Zu Datierung vgl. Rigsby 2010, bes. 157 mit gewichtigen Argumenten gegenüber der traditionellen Datierung zwischen 218/217 und 206/205. IG XII 4, 1, 153, Z. 14–18. IG XII 4, 1, 153, Z. 8–25. Die Antwort der Koer ist erhalten (IG XII 4, 1, 154), wenn auch die – bezogen auf die Asylie – wichtigsten Teile der Inschrift eradiert sind. Es wird nicht deutlich, ob die Koer Asylie und Festspiele oder lediglich den Agon anerkannten. Auch wird nicht klar, ob die Asylie Didymas nicht bereits zuvor anerkannt worden ist. Beides scheint vorstellbar; letzten Endes kann aber auch völliges Fehlen einer Asylieanerkennung durch die Koer keineswegs sicher negiert werden.

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Katharina Knäpper „[…] und da die Stadt und das Land geheiligt sind durch die Vereinigung von Leto und Zeus an ebendiesem Ort und durch das Orakel des Gottes, weswegen nicht wenige Stämme und Städte und diejenigen Könige, denen durch die Ratschläge des Gottes die größten (Erfolge) zuteilwurden, die Heiligung und die Asylie ohne Aufforderung von selbst verkündeten und damit dem Gott und der Stadt die hierfür gebührende Anerkennung erwiesen; und da es wohl ansteht dem Volk, indem es entsprechend den ergangenen Orakelsprüchen handelt, die Spiele der Didymeia als einen Kranzagon auszurichten und die Griechen dazu einzuladen, weil die Wohltaten insgesamt für sie alle durch den Gott geschehen sind, […].“

Auch die Milesier ersuchten also um Asylie und eine Statuserhöhung der Didymeia mit Verweis auf ein Orakel ihres heimischen Apollon Didymaios.37 Während das Heiligtum des Apollon Didymaios den Austragungsort der betreffenden Festspiele darstellen sollte, ist der Ort der Epiphanie der Götter und damit auch der bereits partiell bestätigten Asylie die gesamte Chora Milets. Die Symbolik der beschriebenen Epiphanieszene ist dabei im Hinblick auf die Konkurrenzsituation zu Magnesia nicht zu unterschätzen, entspringt doch neben Apollon auch seine Zwillingsschwester Artemis ebenfalls dieser Verbindung. Die Milesier überbieten hier die magnesische Epiphaniebeschreibung – wie auch immer sie zu dem Zeitpunkt verbreitet wurde – in zweifacher Hinsicht: einerseits wird die Anzahl der in Erscheinung getretenen Gottheiten mit Zeus und Leto verdoppelt,38 andererseits drückt die Fokussierung auf die elterliche Generation gewissermaßen einen ‚mythischen Primat‘ der milesischen Epiphanie aus – sie musste ja schon aus Gründen der Logik der magnesischen vorausgegangen sein. Auch die Rolle der seitens der magnesischen und milesischen Akteure in diesem Zusammenhang vorgebrachten göttlichen Äußerungen untermauert die Annahme einer direkten Entgegnung auf die magnesische Epiphanieerzählung im milesischen Psephisma: Während die Magnesier eine Epiphanie ihrer Artemis mit einem Orakel des überregional bedeutsamen pythischen Apollon stützen, nutzen die Milesier zwar das eigene, dem Apollon geweihte Orakelheiligtum, aber verweisen auf eine mythisch ‚ältere‘, zudem doppelte und mit Zeus wiederum prominentere Epiphanie. V. Unbeabsichtigte Asylieanerkennungen für Milet Die Konkurrenz der beiden Städte im Mäandertal wird im Handeln der milesischen Diplomaten in Kos also mehr als deutlich. Zum einen reagieren sie auf das magnesische Epiphanie-Orakel-Narrativ, indem sie es überbieten. Daneben offenbart sich im 37

38

Das spätestens seit archaischer Zeit über eine heilige Straße fest mit Milet verbundene Orakelheiligtum des Apollon in Didyma war von überregionaler Bedeutung und erfuhr in frühhellenistischer Zeit eine Renaissance, die sich auch – nachdem der archaische Tempel in den Perserkriegen zerstört wurde – in einer neuen Bauphase spiegelte. Grundlegend zu Didyma vgl. Günther 1971; zur baulichen Entwicklung in der hellenistischen Zeit vgl. Günther/Prignitz 2016. Scharff 2016, 214–222 beschreibt das Prinzip der Verdopplung innerhalb religiöser Argumente in zwischenstaatlicher Kommunikation am Beispiel der Vergeltung.

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milesischen Dekret an die Koer auch die Absicht, die Originalität des eigenen Asylieund Agonvorhabens gegen den magnesischen Anspruch zu untermauern. Die milesischen Gesandten betonen in Kos (Z. 11–17) bereits vorab, nicht auf eigene Initiative zurückzuführende Asylieanerkennungen erhalten zu haben. Auch damit überbieten sie wiederum magnesische diplomatische Erfolge, genauer gefasst, auf eine erste Gesuchsserie zurückgehende Asylieanerkennungen für Magnesia.39 In Anbetracht der Tatsache, dass von den Empfängern unintendierte Asylieanerkennungen im Asyliematerial mehr als ungewöhnlich wären, stellt sich die Frage nach dem Hintergrund dieser Passage im milesischen Psephisma. Will man nicht von einer schlichten Lüge oder Zufall ausgehen, bietet es sich an, mögliche historische Vorbilder zu analysieren. Den einzigen bekannten Fall einer eventuell ohne Bestreben der Politen erfolgten Asylieanerkennung stellt die Asylieverleihung Seleukos’ II. an Smyrna im Jahre 246,40 während der Thronstreitigkeiten nach dem Tode seines Vaters, dar. Zumindest legt die schnelle Folge der Ereignisse initiatives königliches Handeln in Antwort auf generelle Loyalitätsbekundungen der Smyrnaier nahe. Allerdings mangelt es dieser Parallele nicht an problematischen Einschränkungen. Im Falle der Asylieanerkennung für Smyrna gab es ein spezifisches Interesse seitens des – singulären – initiativen Verleihers. Der König musste sich schnell wieder den Thronfolgestreitigkeiten, die sich zum 3. Syrischen Krieg auswachsen sollten, zuwenden und verfügte möglicherweise sogar über eine noch an den Vater adressierte Asyliebitte.41 Im milesischen Brief an die Koer heißt es hingegen lapidar, Könige, Poleis und Bünde hätten die Asylie des Heiligtums, der Polis und der Chora bereits anerkannt. Wenn aber die Vorgänge in Smyrna nicht als Vorbild für die milesischen, angeblich spontanen Asylieanerkennungen in Frage kommen und die alternativen Erklärungen – eine politisch motivierte Erfindung oder historischer Zufall – ebenfalls wenig befriedigend scheinen, drängen sich folgende Fragen auf: Welche Möglichkeiten hatten die Milesier als handlungstreibende Akteure, wenn Sie den Wunsch nach einer Asylieanerkennung ohne ein Asyliegesuch verbreiten wollen? Wo konnten sie, ohne Gesandtschaften in die griechische Oikumene auszusenden, so viele und zudem unterschiedliche politische Entitäten für ihr Anliegen interessieren? Wie konnten sie es bewerkstelligen, ihre Unternehmungen in dieser Causa so zu interpretieren, dass sie von unbeabsichtigten Asylieanerkennungen sprechen konnten? Die Antwort, die alle drei Aspekte berücksichtigt, verweist auf die Kommunikation anlässlich von Orakelkosultationen auswärtiger politischer Gemeinschaften im Apollonheiligtum von Didyma. Dabei gilt zu berücksichtigen, dass das Heiligtum zu dem Zeitpunkt nicht nur fest zum milesischen Territorium gehörte, sondern auch 39 40 41

S. Anm. 11–12. Rigsby, Asylia, Nr. 7; StV III 492, Z. 2. Zum Thronfolgestreit und den resultierenden Kriegen, vgl. I.Magnesia am Sipylos, p. 30–42; Piejko 1990; Ma 2000, 43–47; vgl. ferner Grainger 2010, 153–194; zur Asyliebitte an Antiochos II. vgl. Knäpper 2018, 85.

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die gesamte Priesterschaft durch milesische Bürger gestellt wurde.42 Eine potentielle Einflussnahme seitens der Milesier zugunsten ihrer Stadt und des von ihnen verwalteten Apollonheiligtums in Didyma scheint denkbar, pflegten die Milesier doch auch sonst einen äußerst proaktiven Umgang mit den politischen Unwägbarkeiten des ausgehenden 3. Jahrhunderts. Betrachtet man geläufige Formulare der Orakelkonsultation, manifestieren sich mögliche Ansatzpunkte für eine solche Einflussnahme. Ein sehr geläufiges Formular lautet, gegenüber welchen Göttern oder Heroen man welche Opferhandlungen zu vollziehen hätte, um das Gewünschte zu erlangen.43 Auch in Didyma sind nach der Sammlung von Joseph Fontenrose durchaus solche Orakelanfragen und entsprechende, rituelle Handlungsanweisungen verzeichnende Antworten vorhanden.44 Dabei ist durchaus eine Streuung der zu ehrenden Gottheiten zu beobachten, die wohl situationsgebundenen Erwägungen folgte. So wird etwa in Zusammenhang mit einem Erdbeben die Verehrung von Poseidon Asphaleios und hinsichtlich einer künstlerischen Darbietung ein Gebet an (Apollon) Phoibos, Sarapis und Nemesis anempfohlen.45 Bezüglich einer Epiphanie der Deo/ Demeter gegenüber einer ihrer Priesterinnen wird in Hexametern und poetischer Sprache formuliert, die erschienene Gottheit sei von allen Menschen mit Gebeten und Opfern zu verehren, vor allem aber von den Milesiern.46 Für die zitierte Argumentation der milesischen Diplomaten in Kos ließe sich unter Berücksichtigung der Orakelformulare eine vergleichbare gedachte Ereignisfolge offerieren: Nach der als Epiphanie gewerteten Vereinigung von Zeus und Leto, oder auch einer aktuellen Erinnerung an dieses mythische Ereignis, sei das Orakel von Didyma nach dem zum Wohle der Stadt gereichenden Verhalten befragt worden. Die Orakelantwort hätte gelautet, die Heiligung des Landstrichs solle anerkannt – wozu die Anerkennung der territorialen Asylie eine hervorragende zeitgenössische Möglichkeit bot – und die kultischen Dienste gegenüber dem Orakelgott – als derjenigen Gottheit, die im sakral besonders herauszuhebenden Gebiet über Prozessionen und Festspiele verfügte – sollen ausgeweitet werden. Wenn nun Orakelanfragen seitens öffentlicher Träger eintrafen, die darauf Bezug nahmen, zu welchem der Götter und Heroen geopfert werden sollte, um Erfolg in verschiedenartigen Unternehmungen zu haben, hätte die Priesterschaft von Didyma die 42 43

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Fontenrose 1988, 45–62. Dieses Formular (τίνι κα θεῶν ἢ ἡρώων θύοντες καὶ εὐχόμενοι …) lässt sich unter Vorbehalt von Modifikationen hinsichtlich Dialekt oder exakter grammatikalischer Konstruktion unter den neuerlich zugänglichen dodonäischen Orakelzeugnissen (Dakaris et al. 2013) weit über 200mal ausfindig machen. Orakelanfragen und -antworten mit rituellen Handlungsanweisungen aus Didyma: Fontenrose 1988, Nr. 14, Nr. 15, Nr. 20, Nr. 23, Nr. 24, Nr. 25, Nr. 26, Nr. 27, Nr. 30, Nr. 32, Nr. 35, Nr. 45, Nr. 48 (nur historische und quasi-historische Antworten ausgewertet). Fontenrose 1988, Nr. 14, Nr. 20. Fontenrose 1988, Nr. 23, Z. 1–3, 8: Δηὼ κα¢λλιθύγατρα φ¢ίλης μερόπεσσιν ἐδω[δῆς] | μητέρα καρποθάλειαν ἐυλλιστοῖσι θυήλ¢α¢ι¢ς¢. | χρὴ δὴ πᾶν τείειν βρότεον γένος […] | ἔξοχα δ’ αὖ Νειλῆος ἀκοντοδόκου ναετῆρας·; vgl. auch Nr. 22.

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Verbreitung des milesischen Anspruchs forcieren können, indem sie etwa darauf hingewiesen hatte, wie wichtig eine Ehrung des Orakelgottes selbst und der Chora Milets sei. Die so entstandenen Asylieanerkennungen wären – angesichts des Innovationsdrucks im Asyliederby mit den Magnesiern – in einem weiteren Schritt als unintendiert, im Sinne von nicht durch Gesandtschaften diplomatisch ausgehandelt, gewertet worden. Die milesische Meistererzählung von Asylieanerkennungen ohne Anfrage findet also in der Konkurrenzsituation zu Magnesia am Mäander eine besonders geeignete Matrix. VI. Wer hat’s erfunden? Insgesamt forcieren die Milesier in ihrem Brief an Kos den Eindruck, besonders früh, in besonders ausgedehnter Weise und auf Grund eigenständiger Erkenntnis verschiedenster Akteure der griechischen Oikumene, die Asylie der Stadt und des Heiligtums erreicht zu haben. Das sich darin äußernde ‚Übertreffen-Wollen‘ der magnesischen Bemühungen und Erfolge liefert aber – wohl unbeabsichtigter Weise – einen Hinweis auf das höhere Alter des magnesischen Gesuchs. Denn die Struktur der betrachteten milesischen Bitte um Statuserhöhung des Agons in Kos interagiert so sehr mit der Argumentation der Stiftungsurkunde der Magnesier, dass die milesische Urkunde am ehesten als eine Reaktion auf ein erstes magnesisches Gesuch vorzustellen ist. Die Abfolge der Ereignisse im Asyliederby zwischen Magnesia am Mäander und Milet lässt sich, um es an dieser Stelle dezidiert festzuhalten, wie folgt fassen. Eine magnesische Bitte um Asylie und Statuserhöhung des Agons in den späten 220er Jahren blieb hinsichtlich der Agonerhöhung – möglicherweise aus Mangel an Engagement der Gesandten – erfolglos. Die Asylie ist aber zumindest partiell anerkannt worden. Dem folgte eine milesische Bitte um Statuserhöhung der Didymeia unter Betonung der bereits unaufgefordert erhaltenen Asylie. Dabei lässt die milesische, strukturell das magnesische Narrativ spiegelnde Betonung der göttlichen Epiphanie und des Orakels vermuten, dass die magnesische Epiphanie- und Orakelerzählung bereits kursierte. Auf den Erfolg der Milesier hin schien es nun auch den Magnesiern unvermeidbar, den Primat ihrer Asylie- und Agonerhöhungsbitte gegenüber Milet zu verdeutlichen, was sie mit einer ausführlichen schriftlichen Darlegung der Ereignisse und ihrer überaus deutlichen zeitlichen Verortung auch taten. Dabei scheint die Bedeutung der Originalität ihres Gesuchs im Kontext der Rivalität zu Milet derart hoch, dass die Magnesier sich sogar dazu hinreißen ließen, darauf zu fokussieren, sie hätten als erste unter den kleinasiatischen Griechen beschlossen, einen Kranzagon abzuhalten (πρῶτ[οι στεφανί]-|την ἀγῶνα θεῖναι τῶγ κατοικούντων τὴν Ἀσίαν [ἐψηφίσαν]-|το).47 Nicht nur, dass dieses Vorhaben erfolglos blieb, auch die Tatsache, dass der Satz zumindest in dieser Deutlichkeit keineswegs zutreffend 47

Rigsby, Asylia, Nr. 66, Z. 16–18.

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ist, hielten die Magnesier nicht von der Verwendung des Arguments ab.48 Auch das verweist auf einen starken Impetus der magnesischen Bürger in Hinblick auf die Asylieanerkennung und Agonerhöhung im Jahre 208. Die Konkurrenzsituation zu Milet hat sich zu einem lokalen Derby hochgeschaukelt, in dessen Verlauf vielfache diplomatische Aktionen zu einer multilateralen Vernetzung der Städte in der griechischen Oikumene, also über die Region hinaus, führten. Die Heiligtümer wurden in diesem Zusammenhang stark in die Argumentation der Akteure eingebunden. Sie dienten den Diplomaten als Referenzpunkt, als Ort der Kulthandlungen für die in Erscheinung getretenen Gottheiten, die die positive Annahme der jeweiligen Anliegen seitens der Interaktionspartner überhaupt erst legitimieren sollten. Daneben wirkte Ihre Rolle als Handlungsort so relevant eingeschätzter Prozesse auch auf ihre bauliche Gestaltung zurück. Es liegt nahe anzunehmen, dass die Neugestaltung des Leukophryene-Heiligtums in Magnesia und des Apollonions in Didyma mit den neuerlichen Bemühungen,49 das eigene Heiligtum als unverletzlichen Kranzspielort zu etablieren, zusammenhingen. Die beiden Heiligtümer wurden damit – über die in ihnen vollzogenen Rituale und die monumentale Ausgestaltung – in gewissem Sinne selbst zum Argument in den Verhandlungen um Anerkennung von Asylie und Kranzspielstatus. VII. Adressatenkreise im Asyliederby zwischen Magnesia und Milet Was aber, und damit möchte ich zu meinem letzten Punkt kommen, nutzten die konkurrierenden Magnesier und Milesier im Mäandertal zur Stärkung ihrer Position im Asyliederby außer den jeweiligen Heiligtümern? Welche Argumente führten Sie in diesem Zusammenhang ins Feld, um ihre Anliegen voranzubringen, und welche Adressatenkreise lassen sich dabei ausmachen? Auf Grund der geringeren Materialdichte lassen sich beide Fragen für Milet recht konzise beantworten. Wie erwähnt lässt sich die territoriale Asylie Milets aus einer in Aptera gefundenen Inschrift, dem Gesuch um Statuserhöhung der Didymeia an Kos sowie der koischen Antwort ableiten. Zudem ist ein Vertrag über die gegensei48

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Die erste Bitte um Agonerhöhung, auch kombiniert mit territorialer Asylie, stammt aus Kos und datiert auf die 240er Jahre; zu koischen Asylieurkunden vgl. IG XII 4, 1, 207–245; vgl. ferner Rigsby, Asylia, Nr. 8–52. Auch wenn nicht sicher nachgewiesen werden kann, dass die koischen Gesandten Magnesia am Mäander und Milet besucht haben, ist gerade für Asia minor von einer Signalwirkung des koischen Asyliegesuchs auszugehen. Die dritte koische Asyliegesandtschaft entlang der kleinasiatischen Küste ist über desolat erhaltene Inschriften bezeugt. Namentlich sind nur Kalchedon (IG XII 4, 1, 226 III) und Kios (IG XII 4, 1, 226 IV [= Rigsby, Asylia, Nr. 32]) auszumachen; sieben weitere Inschriften stammen aus dem ionischen Sprachraum (IG XII 4, 1, 226 V; 227 III (= Rigsby, Asylia, Nr. 35), 226 II, 226 VI, 226 VII (= Nr. 36), 228 II, 229, 231); für IG XII 4, 1, 231 ist von Rigsby/Hallof 2001, 333 eine milesische Herkunft vorgeschlagen worden. Den durch Vitruv (3,2,6; 7, praef., 12) überlieferten Tempelneubau in Magnesia am Mäander bringt bereits Kern in I.Magnesia, p. 13 in Zusammenhang mit der Asylie und den Festspielen; für den Ausbau in Didyma im ausgehenden 3., beginnenden 2. Jh. vgl. Günther/Prignitz 2016.

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tige kollektive Verleihung persönlicher Asylie mit dem Aitolischen Bund überliefert. Als Adressaten milesischer diplomatischer Bemühungen der 210er Jahre lassen sich folglich Kreter, Kleinasiaten und Aitoler ausmachen. Das spricht durchaus für weit angelegte Netzwerke, die sowohl regionale Partner als auch die überregionalen politischen Hotspots der Zeit anvisierten.50 Die inhaltliche Ausgestaltung der milesischen Bitte um Asylie kann lediglich auf Grundlage des milesischen Dekrets an Kos interpretiert werden. Darin argumentieren die Milesier mit den Erfolgen derjenigen, die die Asylie bereits anerkannt hätten (Z. 30–32) und dem eigenen normenkonformen Verhalten gegenüber dem Göttlichen (Z. 34–36). Dabei bezeichnen sie die Koer als φίλοι und σύμμαχοι (Z. 26), was an die in Symmachieverträgen gebräuchliche formelhafte Wendung φιλία καὶ συμμαχία anklingt und in verschiedenen Inschriftengattungen Verwendung findet.51 Die Milesier nutzten das Freundschaftskonzept auch im kollektive persönliche Asylie garantierenden Abkommen mit dem Aitolischen Bund als Argument. Dort betonen beide Parteien ihre Absicht politische Freundschaft zu wahren und schließen eine weitreichende Anerkennung der persönlichen Asylie en groupe wie Asphalie an.52 Die Betonung des engen Verhältnisses zum Interaktionspartner stellt generell ein zentrales Motiv der Asyliedokumente dar.53 Gerade für Magnesia am Mäander lassen sich in diesem Zusammenhang wegen der günstigen Befundlage – das Asyliegesuch war, wie bereits beschrieben, deutlich überregional angelegt – vielfache Belege anführen. Die Magnesier nutzten die Termini φιλία, οἰκειότης und συγγένεια innerhalb ihrer Asyliebitten.54 Ihre politischen Interaktionspartner nahmen dieses Motiv auf und ban50

51

52 53 54

Vorsicht ist vor einer (Über-)Interpretation der für Milet überlieferten Asyliezeugnisse als Piraterieabwehr angeraten. Für den Aitolischen Bund legt Funke 2008, 256 klar dar, dass gerade Isopolitie- und Asylievereinbarungen als Instrumenta der aitolischen Außenpolitik aufzufassen sind und keineswegs per se zu Zeugnissen der Piraterie deklariert werden dürfen. Eine Belegsammlung der tatsächlichen Raubzüge des Aitolischen Bundes liefert Funke 2008, 256, Anm. 18. Zur Erklärung der Asylie aus der Piraterie vgl. etwa Pohl 1993, 120; De Souza 1999, 69. Zur differenzierten Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Asylie und Piraterie vgl. beispielsweise Schlesinger 1933, 13, 16; Brulé 1978, bes. 94; Bravo 1980, bes. 970–973; Wiemer 2002, 140–141; Buraselis 2003, 154; Kvist 2003, 195–198; Chaniotis 2005b, 137; zur Piraterie im Allgemeinen vgl. jetzt Chaniotis 2005b, 133–140; Gabrielsen 2013; Bresson 2016, bes. 181–184, 280–285, 302–305; vgl. ferner Wendt 2016. Vgl. beispielsweise StV III 464, Z. 8, 548, Z. 18; vgl. ferner Bauslaugh 1991, bes. 158, Anm. 35; einen aktuellen Forschungsabriss zur Symmachie bietet Couvenhes 2016; zur Verbindung von Freundschaft und Symmachie in Asyliedokumenten vgl. Rigsby, Asylia, Nr. 166, 4; zu Freund-Feind-Klauseln in Symmachieverträgen vgl. Baltrusch 1994, 17–68; Baltrusch 2008, 40, 111; Scheibelreiter 2010. Milet VI 3, 1031, Z. 1–11 mit Übersetzung. Vgl. dazu Knäpper 2018, 173–205, 224–248.. Es können an dieser Stelle nur Asylieanerkennungen von Poleis und Bünden herangezogen werden, da die königlichen Asylieanerkennungen keine Wiederholungen der Gesuchsargumente liefern. – oikeiotēs: Rigsby, Asylia Nr. 67, Z. 7; Nr. 73, Z. 20; Nr. 75, Z. 11; Nr. 81, Z. 10–12, 36; Nr. 82, Z. 1, 4, 21; Nr. 85, Z. 13; Nr. 87, Z. 14; Nr. 91, Z. 3; Nr. 92, Z. 5; Nr. 93, Z. 4; Nr. 95, Z. 20; Nr. 98, Z. 5,13; Nr. 102, Z. 11; Nr. 108, Z. 5, 11; philia: Rigsby, Asylia, Nr. 66, Z. 26; Nr. 100, Z. 27; syngeneia: Rigsby, Asylia, Nr. 88, Z. 19, 21; Nr. 125, Z. 15. – Verbindung von oikeiotēs und philia: Rigsby, Asylia, Nr. 81, Z. 10–12, 36; Nr. 82, Z. 1, 4, 21; Nr. 87, Z. 14; Nr. 91, Z. 3; Nr. 92, Z. 5; Nr. 93, Z. 4; Nr. 102, Z. 11; Nr. 108, Z. 5, 10. Zur Verbindung von philia und oikeiotēs in epigraphischen Zeugnissen vgl. die Fallstudie von Erskine 1997, bes. 134, der allerdings eine mythisch-historische Abkunft zum Hauptpunkt

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den es in ihre eigenen Argumentationsgefüge ein. So gewann der dialektal stets leicht variierte Satz ἐπειδὴ Μάγνητες φίλοι καὶ οἴκειιοι ἔοντες ‚weil die Magnesier Freunde und enge Vertraute sind‘ überschriftsartigen Charakter innerhalb der Dokumente.55 Syngeneia für ihren Teil wird überhaupt erst durch das magnesische Gesuch zu einem zunehmend gebräuchlichen Argument innerhalb der Asyliedokumente.56 Das durch Verwandtschaft ausgedrückte Näheverhältnis rekurriert auf eine historische Tiefendimension, die noch über die von Freundschaft, und sei selbige auch aus alter Zeit belegt,57 hinausgeht. Explizit wird in den Asylianereknnungen aus Gonni, Epidamnos, Megalopolis (und 18 weiterer Poleis) sowie Antiocheia in der Persis (und zumindest 7 weiterer asiatischer Poleis) auf syngeneia Bezug genommen.58 Gerade die Erwähnung der Verwandtschaft seitens der Gonneier reflektiert dabei zeitgenössische und im magnesischen Asyliedossier inschriftlich niedergelegte Tendenzen der Magnesier,59 ihre thessalisch-(kretische) Herkunft zu betonen. Mit den Nähe suggerierenden Termini können also unterschiedliche Grade der Verbindung und damit auch gegenseitigen Verpflichtung evoziert werden. Während Freundschaft auch mit bis dato nicht eng verbundenen, aber positiv gesinnten Partnern geschlossen werden kann, erinnert die Rückbesinnung auf Verwandtschaft oder eine alte Freundschaft an bereits vorhandene Verbindungen. Besonders prominent für das hier behandelte Asyliederby zwischen Milet und Magnesia am Mäander tritt dies in der Asylieanerkennung aus Klazomenai und 11 weiteren ionischen Poleis zu Tage. Darin wird deutlich, dass die magnesischen Gesandten gegenüber ihren kleinasiatischen Nachbarn betont haben, οἰκεῖοι und φίλοι zu sein.60 Im Gegenzug erhielten sie eine sehr ausführliche, mit vielfachen Belobigungen, Privilegien und finanziellen Vorteilen ausgestattete Anerkennung ihrer Asylie. Unter den Unterzeichnern des Dekrets aus Klazomenai befinden sich das ‚alte‘ Kolophon und das am Meer gelegene,61 Ephesos, Priene, Samos, Teos, Chios, Eryth-

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seiner Beobachtungen macht; vgl. ferner Sammartano 2008/2009, bes. 122. Generell zu Freundschaft und Verwandtschaft in politischen Zusammenhängen vgl. Patterson 2010; vgl. ferner Curty 1995; Giovannini 1997; Mitchell 1997; Curty 1999; Lücke 2000; Curty 2005; Giovannini 2007. Epeidē-Formel oikeioi/philoi: Rigsby, Asylia, Nr. 79, Z. 4; Nr. 82, Z. 1; Nr. 84, Z. 2; Nr. 86, Z. 3; Nr. 94, Z. 5; Nr. 105, Z. 3; Nr. 106, Z. 2; Nr. 111, Z. 10; Nr. 131; epeidē-Formel syngeneis/philoi: Rigsby, Asylia, Nr. 83, Z. 5.; Nr. 96, Z. 2; epeidē-Formel nur philoi: Rigsby, Asylia, Nr. 104, Z. 2; epeidē-Formel philoi und astygeitones: Nr. 129, Z. 3. Erwähnungen der syngeneia vor dem magnesischen Gesuch: IG XII 4, 1, 216 I (= Rigsby, Asylia, Nr. 21), Z. 4, 10, 14; 216 II (= Nr. 21), Z. 23; 221 (= Nr. 23), Z. 3; 220 I (Nr. 25), Z. 5; Rigsby, Asylia, Nr. 60, Z. 3, 5; seit dem magnesischen Gesuch: Rigsby, Asylia, Nr. 88, Z. 19, 21; Nr. 125, Z. 15; Nr. 145, Z. 1; Nr. 160, Z. 5; Nr. 161, Z. 8, 23; Nr. 163, Z. 12; Nr. 170; Nr. 187, Z. 5; Nr. 192, Z. 6; Nr. 199, Z. 5; Nr. 206, Z. 4, 7; Nr. 207, Z. 8. Aus alter Zeit: Rigsby, Asylia, Nr. 66, Z. 26; Nr. 100, Z. 27. Für immer: Nr. 144, Z. 3. Rigsby, Asylia, Nr. 83, Z. 5 (Gonni: philoi und syngeneis); Nr. 88, Z. 24 (Megalopolis: syngeneis, philoi); Nr. 96, Z. 3, 21 (Epidamnos: epeidē-Formel syngeneis und philoi, oikeiotēs und philia); Nr. 111, Z. 11, 33, 42 (Antiocheia in der Persis: syngeneis und philoi, syngeneia und philia, eunoia und syngeneia). S. 308 mit Anm. 27. Rigsby, Asylia, Nr. 102, Z. 11. Bei Kolophon am Meer handelt es sich um Notion, wie schon Kern im Kommentar zu I.Magnesia 53 feststellt.

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rai, Phokaia, Ptolemaia-Lebedos und Smyrna. Die Liste gemahnt stark an die ionische Dodekapolis,62 es fehlen lediglich Milet und Myus. Zum Zeitpunkt der Verschriftlichung der Inschrift war Myus, ein alter Zankapfel zwischen Magnesia am Mäander und Milet, gerade von Milet abhängig,63 was die Annahme eines bewussten Fehlens Milets – und nicht etwa eines dem Erhaltungszustand geschuldeten – stützt.64 Das wiederrum beleuchtet die Funktionsweisen von Asylie- und Festspielnetzwerken: Bei der Bemühung um Absicherung in der politisch unruhigen Zeit im ausgehenden 3. Jahrhundert schien die Anerkennung der territorialen Asylie und Statuserhöhung der lokalen Festspiele den Opponenten im Mäandertal opportun. Dabei argumentierten die Akteure mit den eigenen Verdiensten um die Heiligtums- und Kultpflege, aber auch der Relevanz des jeweiligen Kultes, der Deutlichkeit von Epiphanie und Orakel sowie, und das in sehr ausgeprägtem Maße, der Originalität des eigenen Anliegens. Beide Phänomene, die territoriale Asylie und die Agonerhöhung, sind damit Zeugnis zwischenstaatlicher Verhandlungen und Ausdruck des Versuchs die eigene Position im politischen Feld der griechischen Welt aufzuwerten. Die von den vielfachen politischen Umwälzungen betroffenen magnesischen und milesischen Diplomaten richteten ihre Bitte aber eben nicht an ihre Gegner und Konkurrenten. Sie wandten sich an ihre Freunde mit der Bitte um Hilfe. Die territoriale Asylie und die Etablierung eines Kranzagons dienten also der Erweiterung bestehender oder der bisweilen belegten Einführung neuer Netzwerke. Sie wurde aber nicht zur Befriedung althergebrachter Feindschaften eingesetzt. Vielmehr konnte die Generierung von Asylienetzwerken bestehende Konflikte – wie das Derby zwischen Magnesia am Mäander und Milet demonstriert – noch befeuern. Die Rivalität der beiden Städte kulminierte zu Beginn des 2. Jahrhunderts in einem Krieg, der durch einen Friedensvertrag von 196 belegt ist.65 Bibliographie Baker, P. 2001: La vallée au Méandre à IIe siècle. Relations entre les cités et institutions militaires, in: A. Bresson / R. Descat (Hgg.), Les cités d’Asie Mineure occidentale au IIe siècle a. C., Bordeaux, 61–75. Baltrusch, E. 1994: Symmachie und Spondai. Untersuchungen zum griechischen Völkerrecht der archaischen und klassischen Zeit, Berlin/New York. Baltrusch, E. 2008: Außenpolitik, Bünde und Reichsbildung in der Antike, München. Bauslaugh, R. A. 1991: The Concept of Neutrality in Classical Greece, Berkeley/Los Angeles.

62 63 64 65

Hdt. 1,141–143; vgl. dazu mit älterer Literatur Lohmann 2012. Zum historischen Hintergrund vgl. Herrmann 2016, 277; Chaniotis 1996, 284; Bringmann/von Steuben 1995, Nr. 271. Rigsby, Asylia, 245 erwähnt die Möglichkeit, Milet zu ergänzen. Zu dieser ‚traditionellen‘ Datierung vgl. Wörrle 2004. Auch die von Errington 1989 vorgeschlagene alternative Datierung in die 180er Jahre würde die hier niedergelegte Argumentation nicht entkräften; vgl. ferner Chaniotis 1996, 284; Baker 2001.

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Concluding Remarks Robert Parker

I. When in 396 the Spartan king Agesilaus sought to inaugurate his Asian expedition by sacrificing at Aulis, “where Agamemon sacrificed when he sailed to Troy”, the Boiotarchs sent cavalry ordering him to sacrifice no more and “scattered from the altars such offerings as they found already sacrificed”. The king went away “calling on the gods in fury”.1 He will no doubt have complained that the Boiotarchs were violating the common convention of the Greeks which allowed xenoi to make use of public sanctuaries outside the territory of their own polis. A few ‘Ritual Norms’ (as we now style what used to be called ‘Sacred Laws’) explicitly treat the case of the xenos who brings sacrifice: he will typically owe more meat from the victim to the priest of the sanctuary than a citizen would, and may need a citizen to perform the sacrificial act,2 but is not kept away from the altar. Altars and sanctuaries belonging to sub-groups (‘Zeus Patroos of the Neophantidai’, as it might be) will presumably have been an exception to this norm of openness to all, but the line of division here is not between citizen and xenos but between member and non-member of the subgroup. Xenoi could also make dedications: to take two examples (still from Boeotia) from thousands,3 two members of the Athenian elite, Alcmeonides and the Pisistratid Hipparchus, both dedicated at the sanctuary of Apollo Ptoios, for reasons we can only guess, in the sixth century.4 The Boiotarchs who obstructed Agesilaus’ sacrifice were motivated, it is generally agreed, not by religious scruples but by political hostility to Agesilaus’ imperial ambitions. This, then, is an exemplum e contrario, political in origin, to illustrate the norm. If Boiotia had favoured the expedition, Agesilaus could certainly have exploited the sanctuary at Aulis (aided perhaps by a local priest) for his grand inaugural gesture. The exclusion of xenoi tout court from Greek sanc1

2 3 4

Xen. hell. 3,4,3–4. A different version in Plut. Ages. 6,6–11 (cf. Pelop. 21,5): Agesilaus instructs his own mantis to sacrifice a deer (in mitigated memory of the sacrifice of Iphigeneia), “not as the [priest] appointed by the Boiotians used to do it”, and the Boiotarchs charge him with sacrificing “contrary to the customs and traditions of the Boeotians.” This account puts the Boiotarchs in the right, but depends on the doubtless fictional motif of the deer as substitute for a girl. See CGRN 100, with note ad loc. at http://cgrn.ulg.ac.be/. See the many contributions in Naso 2006. IG I3 1469, 1470.

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Robert Parker

tuaries is all but unknown, and even exclusions of particular categories of xenoi are rare;5 the terms on which xenoi could participate in particular rituals were different from those governing citizens, and to some rituals they were not admitted at all, but a Greek could expect basic access to the gods (i. e. by bringing offerings accompanied by prayer) wherever in Greece he or she might be. “Anyone who wishes may sacrifice here for the fulfilment of blessings” says a little altar from Phaleron.6 In a sense then all sanctuaries (except those of sub-groups) were potentially not just supra-local but even panhellenic. In reality, obviously, most were not. But it is difficult to identify supra-local sanctuaries by formal characteristics or by the vocabulary used of them. The language of ‘commonness’ is sometimes used:7 Greekness is rooted, inter alia, in “common (koina) sanctuaries of the gods and sacrifices”,8 and the Aetolians, promoting their festival of Soteria in the 3rd century, can speak of the barbarian attack on the “shrine of Apollo common to all Greeks.”9 References to unspecified ‘common’ shrines or sacrifices or festivals are also found elsewhere.10 When it was stipulated as the first item in the peace of Nicias in 421 that “concerning the common shrines, anyone who wishes may sacrifice and travel and consult and spectate in accord with tradition by both sea and land without fear”,11 one might assume that there was a shared understanding as to which shrines were meant. On a minimum view the reference would be to the four festivals that we call panhellenic, with the addition perhaps of the Eleusinian mysteries, since all five were already at this date protected by ‘sacred truces’. But sanctuaries that in other contexts could be called ‘common’ to all Greeks were excluded if so. Isocrates can speak of the Aiakeion on Aegina as “common to all Greeks”.12 Lysistrata in Aristophanes appeals to Greek unity in the name of all the places where Greeks sacrificed “like kinsmen” at the same altars “at Olympia, at Pylai, at Pytho – how many other (altars) I could name, if I needed to expand the point”.13 We can wish that she had expanded! But even what she gives includes the amphictyonic sanctuary of Demeter at Pylai, not one that most moderns would probably have thought of in this context. So the common shrines of Thuk. 5,18,2 were either fewer than those that might in other contexts be so considered, or will have extended to a degree that we cannot control14 – and could they? Extraordinary imprecision is not unknown in Greek treaties.15 Had the peace of Nicias lasted longer, one can imagine the disagreements that might have arisen over that clause … 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

See Funke 2006, 2–5, who uses Butz 1996. IG I3 987. Cf. Polinskaya 2010. On the problematic use in Thuk. 1,25,4 see Jim 2013. Hdt. 8,144,2. IG II2 660, ll. 10–11. Thuk. 3,57,1; Isokr. Paneg. 43; Plat. leg. 947a; Pol. 30.29.6. Thuk. 5,18,2. Isokr. Euag. 15: he is playing on the famous sacrifice to Zeus Hellenios made on the spot by Aiakos (Paus. 2,29,8). Minimum view: so e. g. Rutherford 2013, 264–266. Aristoph. Lys. 1129–1132. This option is favoured by Funke 2009, 293. Thuk. 8,18,1 with 43,3.

Concluding Remarks

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We also meet sanctuaries “common” to an ethnos and to an island,16 but again with no sign that we are dealing with a rigorously defined term. The category of supra-local sanctuaries, then, is a fuzzy one. What made a sanctuary supra-local was simply the fact that people came to it from beyond the immediate locality. ‘Beyond the immediate locality’ here may or may not also entail ‘from outside the territory of the polis to which the sanctuary belongs’: Artemis of Brauron was, for instance, a pan-Attic goddess but did not to our knowledge commonly welcome worshippers from beyond Attica. But the clientele of a given sanctuary could expand at any time. In principle one could imagine a god or goddess rising to prominence simply because he or she acquired a reputation for answering worshippers’ prayers. But such a case is hard to identify. Normally one can see a more specific function or attraction, very various in character, that drew worshippers to a shrine. Festivals involving competitions in sport or music that were open to all comers were the most obvious lure for both competitors and spectators, but the Spartan Gymnopaidiai is an instance of a festival during which the city was “full of xenoi”17 even though the competition was confined to citizens. Oracular advice and the hope of healing through incubation were powerful magnets. Huge numbers18 supposedly went to Eleusis in pursuit of ‘better hopes’ for the afterlife, some too to Samothrace for protection against the perils of navigation. At Thermos, “every year the Aetolians held splendid markets and festivals and also their regular elections”:19 we have learnt to be cautious about generalising this case, as if every ethnos had as its spiritual centre a particular sanctuary on which it converged periodically for purposes simultaneously religious, economic and political,20 but such was certainly a function which a sanctuary could discharge; a sanctuary could also be seat of an amphictyony or league of political importance. Polybius in that account of Thermos mentions the market (agora) in first position, and Strabo’s characterisation of the festival on Delos as a “commercial occasion”21 catches a key aspect of many other such events. The gods of certain sanctuaries also served as guarantors of sacred manumissions, even if the basis on which some sanctuaries but not others had this role is not easy to discern: it may not be a surprise that Delphi was the most favoured of all sites for manumission, but why manumittors came from a distance (modest admittedly) to the sanctuary of Aphrodite Syria at Phystion cannot be explained from any other supra-local role of that shrine.22 To acquire a supra-local clientele, a shrine had to have something distinctive to offer. And that something had to become known. It becomes natural to ask what kinds of self-promotion sanctuaries engaged in. The theme of Delphic propaganda 16 17 18 19 20 21 22

IG IX2 1, 2, 583, l. 14; SEG XVIII 578, l. 5, 7. Plut. Ages. 29,3. Hdt. 8,65. Pol. 5,8,5. For various possibilities see the essays in Funke/Haake 2013; Mackil 2013, 147–236. Strab. 10,5,4: ἥ πανήγυρις ἐμπορικόν τι πρᾶγμά ἐστι. Cf. Bresson in this volume. See Lepke in this volume.

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has long been controversial. Many of the stories of paradoxical but still veridical oracles given to cities are likely to have been shaped in the cities themselves, not at Delphi. But the accounts of the shrine’s miraculous preservation from the Persian and the Galatian invasions, the account by contrast of the terrible fate that befell the sacrilegious Phocians who looted the shrine in the fourth century, serve Delphic interests so precisely that they ought to have originated there.23 The ‘Eleusinian promise’ of a better lot in the afterlife for initiates appears in a range of texts in rather similar form, and we can imagine that it was on the lips of the spondophoroi who toured Greece proclaiming the ‘mystic truce’.24 More directly, a famous decree of the last half of the fifth century requires Athenian allies, and invites other Greeks, to send ‘first fruits’ to Eleusis, a measure which if obeyed will have required official attendance at one of the Eleusinian festivals. (Let us recall in passing compulsory participation by Athenian allies in the Dionysia and Panathenaea too.)25 The steles of iamata displayed in the temple at Epidaurus present a multi-faceted picture of the powers of the god as exercised precisely at Epidaurus.26 A difficulty in seeing the iamata as advertisement is that they will only have been read directly by those already present in the shrine, already therefore believers to some extent in the powers of the god. But perhaps the hope was that such readers would recall these striking stories and pass on the word. More immediately, the stories served to create an atmosphere of hope and expectation within the anxious community of invalids actually present in the shrine.27 II. Easier to grasp than the possible propaganda of shrines are certain structures and institutions by which the drawing power of certain sanctuaries was supported and enhanced. By (at latest) the 5th century, states throughout Greece were invited to send delegations to attend the four great athletic festivals, and a truce was proclaimed to protect them and others travelling to the sites; a similar truce was proclaimed for the Eleusinian Mysteries.28 The practice spread: similar invitations to the Asklepieia of Epidaurus and the Hekatombaia/Heraia of Argos appear in the 4th century, and almost fifteen new instances are attested in the 3rd. A remarkable snapshot in Polybius reveals seven sets of ambassadors at the court of King Ptolemy Philometor in 169 BC,29 of whom no fewer than three were there for business of this type. In most of these cases the invitation was panhellenic, but sometimes, it seems, confined to cities 23 24 25 26 27 28 29

So Trampedach in this volume. Promise: Hom. h. Dem. 480–482, with the note of Richardson 1974 ad loc. Spondophoroi: n. 17 below. First fruits: IG I3 78 = I.Eleusis 28a = Rhodes-Osborne, GHI 141 (cf. nos. 121, 142, 154 for Dionysia and Panathenaea), who date it “c. 435 or earlier”. See Prêtre in this volume. Cf. Herzog 1927, 59. Rutherford 2013, 71–92, 187–189. Pol. 28,19.

Concluding Remarks

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felt especially likely because of kinship or other ties to respond. A recently published text of the third century revealed that “Aiolians, Coans and Magnesians from the Maeander” attended a festival Olympia somewhere in Thessaly; within Boeotia the usage seems to have been for one Boeotian city to invite participation by the others. Rutherford’s Theoria reveals the scale and complexity of all this sacred travel.30 Both that book and the argument thus far confirm how right Funke has been to reject the old dichotomy of ‘local’ versus ‘panhellenic’ sanctuaries as if nothing lay between these extremes.31 In a different sense too that dichotomy is misleading. By becoming supra-local, a sanctuary did not lose its more domestic functions. Olympia continued to serve the women of Elis even while it attracted visitors from all Greece;32 the Panathenaea in its Greater form combined competitions between the local tribes and others open to all comers, in its Lesser form offered the former only; and similar points could doubtless be made about all great sanctuaries. One limitation has, however, been noted: to invoke justice against one’s domestic enemies, a purely domestic context is preferred.33 III. Many of the functions discharged by supra-local sanctuaries, and activities occurring within them, have already been mentioned above to explain their drawing power: athletic and musical festivals, healing, oracles, initiation to mysteries, markets and commerce more generally (and to a limited extent banking),34 regional or amphictyonic political assemblies, manumission. The individuals and the state theoriai who converged on the sanctuaries regularly brought offerings or made sacrifice, according to various protocols.35 The pulling power of major festivals, for those with the resources to travel, can scarcely be exaggerated: it drew even stay-at-home Socrates once, if only to the nearby Isthmia; more remarkably, Plato can imagine the venerable Parmenides coming to Athens, with Zeno of the paradoxes, to Athens for the Greater Panathenaia.36 The large publics thus assembled constituted readymade viewers for treaties37 and dedications, even for scientific inventions, and audiences for oratory. How if at all the right of making speeches in such a context was controlled seems not to be recorded, but many instances are attested: Dio’s Olympiakos 30 31 32 33 34 35 36 37

On all this see Parker 2004 (building on Perlman 2000); Parker 2011, esp. 118, on what is now SEG LIX 1406b; Rutherford 2013, pass., esp. 56–61 on ‘regional and local festivals’; Knäpper in this volume. E. g. Funke 2013, 9; cf. Haake in this volume. See Pirenne-Delforge and Hölscher in this volume. Graf in this volume. Panathenaea: e. g. Parker 2005, 268–269. Bogaert 1968, 279–304. See Patera in this volume. Plat. Krit. 52a; Parmen. 127a. Cf. Drauschke in this volume, who illuminates the meaning of koine stele in such contexts (shared responsibility of the states involved) and stresses that the practice was far from confined to ‘panhellenic’ sanctuaries.

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is the most notable example to survive complete.38 Though display oratory, epideictic, was the natural mode in this context, it could be turned to a more passionate purpose. Gorgias and Lysias both made formal speeches urging the Greeks assembled at the Olympia to “be of one mind” and turn a united front against, in Gorgias’ case, the Persians, in Lysias’ more daringly Dionysius I of Syracuse (who though not present was represented at the festival by a large theoria and was competing with chariots and poems).39 Romans well understood how to exploit this potential: positively, Flamininus proclaimed the freedom of the Greeks at the Isthmia in 196 BC, Nero proclaimed it again 250 years later at the same festival; negatively, the supposed crimes of Perseus king of Macedon were detailed in a document sent by Roman authorities in 171 BC to be read out at Delphi.40 The courtesan Phryne supposedly mounted a different kind of display. Though it was usually difficult to see her naked, “at the festival of the Eleusinia and at that of the Poseidonia in full view of all the panhellenes she took off her himation, untied her hair and walked into the sea”, thus providing Apelles with a model for his Aphrodite Anadyomene.41 Different again was the much-heralded self immolation of Peregrinus, just after the Olympic games of 165 AD and very close to the site.42 IV. Border sanctuaries may be a special case, deserving separate study. According to a famous theory, early Greek states might mark the limits of territory that they laid claim to by establishing a sanctuary at its edge. But a border is a place of encounter as well as of division. Several mountain sanctuaries in Crete lay at the point of contact between the territory of different cities, and received dedications from citizens of more than one; perhaps these places had a role in a joint programme of training for ephebes drawn, remarkably, from more than one city. Excavations in the sanctuary of Zeus on M. Parnes have revealed dedications in both Attic and Boeotian script and dialect: here we may be dealing with shepherds or herdsmen coming up from the two sides, like those who meet so fatefully in Sophocles’ Oedipus Tyrannus.43 The Peloponnese 38

39 40 41 42 43

On all cultural aspects of the sanctuaries see Haake and Freitag in this volume; both also stress their role as places of permanent display, e. g. for the sayings of the seven sages (Haake) or (Freitag) Oinopides of Chios’ tablet exposing his proposal for a 59 year intercalation cycle (Ail. var. 10,7). Sanctuaries could certainly serve as archives, but Hölscher in this volume shows that the display of statues in the Olympic Heraion had a cultic function; this was not a proto sculpture gallery. Gorgias 82 A 1 (4) and B 7–8a DK; Lys. or. 33 Carey; cf. Diod. 14,109,3–4. See Chaniotis in this volume, with other examples not all concerning the ‘big four’ sanctuaries. Athen. 13,590 f. Lukian. Peregr. 35. Famous theory: de Polignac 1984, somewhat modified in the English translation de Polignac 1995. Crete: see Chaniotis 2006. He points out that in Cretan treaties ephebes of participating cities are required to attend one another’s oathtaking. M. Parnes: personal information from Angelos Matthaiou, who is studying the inscriptions for a publication of the material of the sanctuary by a team led by Lydia Palaiokrassa.

Concluding Remarks

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offers several such border sanctuaries known from archaeology or literary texts, in the latter case sometimes with explicit mention of participation from both sides of the border.44 V. Such cases take us back to an earlier period than I have been discussing.45 Supra-regionality has a complicated history which cannot be addressed here: regions, settlement patterns, social groups, political structures, identities were manifestly subject to continuous change in the archaic period, more stable but still not fixed in the sixth to fourth centuries, re-shaped again in the hellenistic period. While some continuities are remarkable, the never-failing prestige of the Olympics for instance,46 the fortunes and functions of sanctuaries can never be assumed to remain unchanged. If one seeks a symbol of the connectivity of the archaic Greek world, perhaps the first sanctuary to come to mind is the Samian Heraion, with its stunning array of international votives. A famous inscription reveals it as still a place of commerce and refuge for suppliants in the mid 3rd century.47 But it was now functioning, as far as we can see, much more as a local sanctuary: unlike so many of its neighbours, it did not to our knowledge send out theoroi to invite the Greeks at large to a great festival.48 Peter Funke, again, has warned that general formulas are not available:49 each sanctuary is a special case, if supra-local then supra-local in its own way and for specific reasons rooted in its physical and political environment, and with a changing history also shaped by particular needs and pressures. The Cynic Diogenes attended festivals “to observe human folly”;50 a more tolerant observer might have relished there the diversity of the human comedy.

44

45 46 47 48 49 50

See Sinn 1996 on Strab. 8,4,9 (Artemis Limnatis), Paus. 8,5,1, 13,1 (Artemis Hymnia), and on temples at two remote sites on the border between Arcadian sub-communities (Psophis/Thelpousa; Pallantion/ Asea). Cf. the argument of Kowalzig 2007, 285–286, for the sanctuary of Artemis Lousiatis as “a meeting point for communities from what we identify as Akhaia on the one hand, Arkadia and the Argolid on the other”. Strab. 8,6,10 supposes the ‘Argive’ Heraion to have been common to Argos and Mycenae; Hall 1995 argues that it was originally common to the communities of the east Argolid. See Ulf in this volume, with a section on ‘Grenzraum’. See Scharff in this volume. IG XII 6, 169, cf. for suppliants IG XII 6, 156. When it first sought the asylia only attested in 23 AD (IG XII 6, 163) is unclear: Rigsby 1996, 394–396. Patera in this volume, p. 57–74, sees it as never more than a sanctuary “d’importance locale”. Funke 2009, 294. Dion Chrys. or. 8,1.

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Daniela Bonanno / Peter Funke / Matthias Haake (Hg.)

Rechtliche Verfahren und religiöse Sanktionierung in der griechisch-römischen Antike Procedimenti giuridici e sanzione religiosa nel mondo greco e romano 316 Seiten 978-3-515-11298-7 gebunDen 978-3-515-11300-7 e-book

Der Band vereinigt die Beiträge einer deutsch-italienischen Tagung, die der Frage der wechselseitigen Beeinflussung von Recht und Religion in der griechisch-römischen Welt gewidmet war. Fokussiert wird dabei auf die Frage der Verwobenheit von rechtlichen Verfahren und religiöser Sanktionierung im Kontext von Gesetzgebung, rechtlichen Auseinandersetzungen und politischen Aushandlungsprozessen. mit beiträgen von Peter Funke, Nicola Cusumano, Marie Drauschke, Katharina Knäpper, Annarosa Gallo, Lisa Stratmann, Daniela Bonanno, Giovanni Ingarao, Sebastian Scharff, AnnaSophie Aletsee, Andrew Lepke, Alessia Terrinoni, Detlef Liebs, Eva-Maria Kuhn, Matthias Haake, Klaus Zimmermann, Claudio Biagetti, Pierangelo Buongiorno, Alessandro Saggioro, Laura Mecella, Giorgio Ferri, Daniela Motta, Alister Filippini

Die herausgeber Daniela Bonanno ist „Ricercatrice“ an der Università degli Studi di Palermo. Peter Funke studierte an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und wurde 1978 an der Universität zu Köln promoviert, wo 1985 auch die Habilitation erfolgte. Seit 1988 ist er Professor für Alte Geschichte an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Matthias Haake studierte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und der Università degli Studi di Perugia. Promotion 2004 an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Dort ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Alte Geschichte.

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Matthias Haake / Michael Jung (Hg.)

Griechische Heiligtümer als Erinnerungsorte Von der Archaik bis in den Hellenismus 163 Seiten mit 10 s/w-Abbildungen 978-3-515-09875-5 kartoniert

Griechische Heiligtümer waren multifunktionale Orte, deren Bedeutung weit über den unmittelbar religiösen Bereich hinausreichte. Eine ihrer sozialen Funktionen war die von Erinnerungsorten, an denen politische Gemeinschaften sowohl gemeinsam wie auch in Konkurrenz zueinander Ereignisse der Vergangenheit erinnerten und Geschichtsbilder inszenierten. Dies galt ebenso für überregionale wie auch für lokale Heiligtümer. Dieser Band versammelt die Beiträge eines Münsteraner Kolloquiums, das die Funktionsweise griechischer Heiligtümer als Erinnerungsorte von der archaischen bis zur hellenistischen Zeit untersuchte. mit beiträgen von Michael Jung, Anne Jacquemin, Kai Trampedach, Elizabeth R. Gebhard, Klaus Freitag, Matthias Haake, Renaud Gagné

Die herausgeber Matthias Haake studierte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und der Università degli Studi di Perugia. Promotion 2004 mit „Der Philosoph in der Stadt. Untersuchungen zur öffentlichen Rede über Philosophen und Philosophie in den hellenistischen Poleis“ (München 2007) an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Dort ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Alte Geschichte. Michael Jung promovierte 2005 an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. 2005–2007 Lehramtsreferendariat. Seine Interessenschwerpunkte sind das archaische und klassische Griechenland.

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Heiligtümern kam in der griechischen Welt stets eine zentrale Rolle zu. Sie waren nicht nur Stätten der Kultpraxis, sondern Orte im Leben der Griechen, an denen vielfältige Formen der Kommunikation und Interaktion stattfanden. Die Autorinnen und Autoren dieses Bandes nehmen diese Multifunktionalität aus unterschiedlichen Perspektiven diachron in den Blick. Sie beleuchten die verschiedenen Akteure und ihre kultischen, politischen, sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und repräsentativen Handlungen in Heiligtümern, deren Bezugsrahmen durch eine Bedeutung bestimmt ist, die über den lokalen Kontext hinausreicht. Zeitlich erstreckt sich der Untersuchungsraum von der frühen Archaik bis in die römische Kaiserzeit.

ISBN 978-3-515-12389-1

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