Gratis habitare: Unentgeltliches Wohnen nach römischem und geltendem Recht [1 ed.] 9783428448326, 9783428048328


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German Pages 223 [224] Year 1981

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Gratis habitare: Unentgeltliches Wohnen nach römischem und geltendem Recht [1 ed.]
 9783428448326, 9783428048328

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KLAUS

SLAPNICAR

Gratis habitare - Unentgeltliches Wohnen nach römischem und geltendem Recht

B e r l i n e r

J u r i s t i s c h e

A b h a n d l u n g e n

unter Mitwirkung von

Walter G. Becker, Hermann Blei, A r w e d Blomeyer, Erich Genzmer, Ernst Heinitz, Ernst E. Hirsch, Hermann Jahrreiß, E m i l Kießling, Wolfgang K u n k e l , Richard Lange, Walter Meder, Dietrich Oehler, Werner Ogris, L u d w i g Schnorr von Carolsfeld, E r w i n Seidl, K a r l Sieg, Klaus Stern, W i l h e l m Wengler, Franz Wieacker, Hans Julius W o l f f (Freiburg i. Br.)

herausgegeben von

Ulrich von Lübtow

B a n d 30

Gratis habitare Unentgeltliches Wohnen nach römischem und geltendem Recht

Von Dr. Klaus Slapnicar

DUNCKER & HUMBLOT / BERLIN

Alle Rechte vorbehalten © 1981 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1981 bei Buchdruckerei Bruno Luck. Berlin Printed in Germany ISEN 3 428 04832 6

Sigrid

Meiner Frau Slapnicar-Voigt

Vorwort Diese Arbeit ist die leicht überarbeitete und ergänzte Fassung der i m Sommersemester 1978 vom Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität i n Mainz angenommenen Dissertation. Als Dissertation hat sie 1979 den Preis der Johannes Gutenberg-Universität für wissenschaftliche Arbeiten erhalten. Bei der Überarbeitung ergab sich die Gelegenheit, einige nach Abschluß der Arbeit publizierte Werke, insbesondere die Hamburger Dissertation von Elke Herrmann zum „Vollzug von Schenkungen nach § 518 I I BGB" und das Lehrbuch von Ernst Wolf zum Besonderen Teil des Schuldrechts einzubeziehen, die sich i n Teilen ausführlich m i t der Frage befassen, ob die unentgeltliche Überlassung einer Wohnung nach Leihe- oder Schenkungsrecht zu beurteilen sei. Herr Präsident Professor Dr. Manfred Harder, mein hochverehrter Lehrer, ist i n menschlicher und wissenschaftlicher Hinsicht die conditio sine qua non meiner Promotion geworden. Er hat m i r jederzeit mit Rat und Hilfe zur Seite gestanden. Dafür sei an dieser Stelle mein herzlicher Dank wiederholt. Meiner Frau, die während der Entstehungszeit stets Verständnis gezeigt und m i t der verstärkten Übernahme familiärer Pflichten Freiräume für meine wissenschaftliche Tätigkeit gewährleistet hat, widme ich dieses Buch. Fräulein Birgit Meister gebührt Dank für die zügige und akkurate Niederschrift des Manuskripts. Für die A u f nahme meiner Dissertation i n die Reihe der „Berliner Juristischen Abhandlungen" bin ich Herrn Professor Dr. Ulrich von Lübtow, der mich als Student insbesondere m i t dem römischen Recht vertraut machte, außerordentlich dankbar. Nicht zuletzt danke ich Herrn Senator E. h. Ministerialrat a. D. Professor Dr. Johannes Broermann für den Abschluß des Verlagsvertrages. Wiesbaden, i m Dezember 1980 Klaus Slapnicar

F ü r unser heutiges Recht haben die römischen Rechtsquellen i n erster Reihe die Bedeutung, daß w i r sehen „ w i r vor uns ein weiser M a n n gedacht". Wilhelm von Seeler, Glossen zur Praxis gerichts, 1908, 69.

Die Rechtsgeschäfte schließen sich i m allgemeinen an gewisse i m Verkehr längst ausgeprägte Typen an, . . . Der praktische Wert dieser Erscheinung liegt darin, daß sie dem Menschen ermöglicht, i n seinem geschäftlichen Leben von der Erfahrung der Jahrhunderte ohne w e i teres Nutzen zu ziehen. Theodor Kipp, Das römische Recht, 1930, 195

des

Reichs-

Inhaltsverzeichnis Α. Unentgeltliches Wohnen als Leihe oder Schenkung im geltenden Recht I. Die zur Vertragsart der unentgeltlichen vertretenen Auffassungen

Wohnungsüberlassung

13 14

1. Die Rechtsprechung u n d die L i t e r a t u r bis zum Jahre 1970

16

2. Die Rechtsprechung u n d die L i t e r a t u r seit dem Jahre 1970

24

I I . Die zu den Rechtsfolgen der unentgeltlichen Überlassung von Wohnraum vertretenen Auffassungen 33 I I I . Die praktische Bedeutung der Beurteilung des unentgeltlichen Wohnens als Schenkung

36

B. Gratis habitare als Leihe (commodatum) im klassischen römischen Recht

41

I. Die Voraussetzungen des commodatum

41

I I . Meinungsverschiedenheiten unter den römischen Juristen über die S t r u k t u r des gratis habitare als Leihe

45

I I I . Die f ü r die Rückgabe der verliehenen Wohnung zuständige actio

58

C. Der Gegensatz von Schenkung und gratis habitare im klassischen römischen Recht 70 I. Die Erscheinungsformen der Schenkung

70

I I . Die Gegenstände der Schenkung

74

I I I . Der endgültige Vermögensübergang bei der Schenkung

76

D. Die analoge Anwendung von Schcnkungsregeln auf das gratis habitare

82

I. Pomponius D. 39,5,9 pr. u n d die analoge A n w e n d u n g der lex Cincia

82

1. Die E r k l ä r u n g Wohnrecht

der

Pomponiusstelle

mit

einem

dinglichen

82

10

Inhaltsverzeichnis 2. Die lex Cincia de donis et muneribus

84

3. Der Erlaß einer gedachten Mietzinsforderung als angenommenes Schenkungsobjekt

91

4. Die praktische Bedeutung der Pomponiusstelle

99

I I . Pomponius D. 24,1,18 u n d die analoge Anwendung des Schenkungsverbots unter Ehegatten 103 1. Das Verbot der Schenkung unter Ehegatten

104

2. Die Bedeutung von „valet donatio" i n Pomponius D. 24,1,18 . . 107

E. Der unentgeltliche Gebrauch einer Wohnung als Leihe im geltenden Recht 124 I. Die Voraussetzungen der Leihe I I . Die Zweifel lassung

126

an einer Leihe bei langfristiger

Gebrauchsüber-

I I I . Die Abgrenzung der Leihe von der Schenkung

133

1. Der Zuwendungsbegriff als Unterscheidungsmerkmal 2. Die Versuche, die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung Schenkungszuwendung zu konstruieren

129

138 als

a) Die Ausgabenersparnis als Schenkungszuwendung

153 154

b) Der Besitz u n d der Gebrauch als Schenkungsgegenstände . . 166

F. Die Anwendung von Schenkungsrecht auf die Wohnungsleihe modernen Recht

im

172

I. Die analoge A n w e n d u n g von Schenkungsrecht auf die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung 172 1. Die analoge A n w e n d u n g der F o r m Vorschrift (§518)

175

2. Die analoge A n w e n d u n g sonstiger (§§ 519 - 521, 523, 524, 528, 529)

176

SchenkungsVorschriften

3. Die entsprechende A n w e n d u n g von schenkungsrechtlichen A u f lageregelungen u n d Widerrufsbestimmungen zur Lückenfüllung 178 4. Die analoge A n w e n d u n g von Beschränkungen bei unentgeltlichen Verfügungen 181 5. Die praktische Bedeutung für den Eingangsfall

184

Inhaltsverzeichnis

11

I I . Die analoge A n w e n d u n g von Schenkungsrecht auf den angenommenen Erlaß einer gedachten Mietzinsforderung f ü r die Überlassung von Wohnraum 185 1. Die F i k t i o n der Schenkung

185

2. Die entsprechende A n w e n d u n g der §§ 518 - 534

189

3. Die entsprechende A n w e n d u n g von Beschränkungen bei unentgeltlichen Verfügungen 190 Quellen- und Literaturverzeichnis

196

Α. Unentgeltliches Wohnen als Leihe oder Schenkung im geltenden Recht „Jeder Mensch bedarf einer Wohnung, und insofern er nicht untergeordnetes Mitglied eines Hausstandes ist, kann er dieses Bedürfniß i n der Regel nur durch Grundeigenthum, oder durch einen Miethvertrag, befriedigen. Eben so w i r d umgekehrt der Eigenthümer eines Hauses dieses entweder selbst bewohnen, oder vermiethen; daß er es leer stehen lasse, gehört zu den seltnen Ausnahmen 1 ." Savignys (1779 bis 1861)2 Bemerkung erklärt hinreichend, weshalb es nicht gerade häufig vorkommt, daß ein Eigentümer eine Wohnung jemandem unentgeltlich überläßt. Das unentgeltliche Wohnen i n fremdem Haus geschieht i n der Tat nur gelegentlich 3 . Wer ein vermögenswertes Recht auf einen anderen überträgt, soll dafür einen Gegenwert, ein Entgelt, erhalten 4 . Dieses Prinzip der regelmäßigen Entgeltlichkeit 5 , das auf historischer Erfahrung beruht 6 , gilt als „relatives Naturrecht" 7 auch noch für das heutige Rechtsleben 8 . Lediglich dann, wenn für den Rechtserwerb ein Entgelt geleistet wird, 1

Savigny 32. Wieacker, PGN, 381 ff.; SZ 72, I f f . ; Wesenberg / Wesener, 155 ff.; Gmür passim. 3 Metzler (ZfRpfBay 22, 100) nennt als häufige Ursache Wohnungsnot, die einen Wohnungsinhaber veranlaßt, Verwandte, Freunde, Gesinnungsgenossen usw. ohne Entgelt f ü r kürzere oder längere Zeit bei sich aufzunehmen. Kieckebusch (HdR 3, 956) spricht der „Wohnungsleihe" i m m e r h i n eine „gewisse wirtschaftliche Bedeutung" zu. Ä h n l i c h Eger H u W 1947, 149; vgl. auch O L G H a m b u r g N J W 1949, 547. 4 Käser SZ 91, 148. 5 H. J. Wolf SZ 74, 413 f.; Talamanca B I D R 65, 259 -270; Modrzejewski I U R A 15, 36 f.; SZ 85, 446 F N 13; Käser SZ 91, 146 ff., 164 f., 176. Seidl spricht von einem „Prinzip der notwendigen Entgeltlichkeit" (TR 20, 108 f.; St. A r a n gio-Ruiz I, 46 ff., 55 f.; Ptolem. Rechtsgeschichte, 114 ff.; Ägypt. Rechtsgeschichte, 4 5 - 5 0 ; RPR, Rdnr. 552). I h m folgen Adams 78; Claus 14 ff.; J. Ph. Lévy, Mel. Meylan I I , 161 m i t F N 23 u n d dort weiteren Nachweisen. Z u r E n t geltlichkeit als allgemeinem Rechtsprinzip von Lübtow SZ 56, 243 m i t F N 7; Fs Koschaker I I , 114 m i t L i t e r a t u r F N 7, 8; Condictio, 25; Leifer SZ 56, 207 f., 211; H. J. Wolff , Fs von Hippel, 695 F N 19; W. G. Becker 10, 11, 57, 58, 156 f., 159; Weber 407. β Käser SZ 91, 148. Mallinckrodt (1) weist zutreffend darauf hin, daß die Besonderheiten der Stellung unentgeltlicher Rechtsgeschäfte nicht w i l l k ü r liche Schöpfungen der Kodifikationen, sondern Folge eines seit langer Zeit anerkannten Rechtsbedürfnisses seien. 7 Koschaker 124. 8 Käser SZ 91, 148. 2

14

Α. Unentgeltliches Wohnen als Leihe oder Schenkung

erlangt der Erwerber i m Normalfall juristischen Schutz. Von altersher sind unentgeltliche Zuwendungen von der Rechtsordnung m i t Argwohn betrachtet worden 9 . So enthält das BGB für unentgeltliche Rechtsgeschäfte zahlreiche Sonderregeln, die sich ganz allgemein dahin zusammenfassen lassen, daß eine unentgeltliche Rechtsposition gegenüber einer entgeltlichen geringeren Schutz bietet (ζ. B. §§ 816 I 2, 822, 988, 1641, 1804, 2113 I I , 2205, 2287, 2325, 2327 1 0 ) 1 1 . Dies liegt an der ^ W i r t -

schaftlichkeit unentgeltlicher Zuwendungen 12 . I m Vergleich zu dem Gewicht und der Häufigkeit der entgeltlichen Geschäfte spielen die unentgeltlichen i m Rechtsverkehr nur eine untergeordnete Rolle 1 3 . Deshalb w i r d den unentgeltlichen Vertragstypen des BGB i n den Lehrbüchern eine weitaus geringere Aufmerksamkeit gewidmet 1 4 als den entgeltlichen Schuldverhältnissen 15 , i n Fallsammlungen werden sie häufig übergangen 16 , die Zahl der ergangenen Gerichtsentscheidungen ist vergleichsweise gering 1 7 . I. Die zur Vertragsart der unentgeltlichen Wohnungsüberlassung vertretenen Auffassungen Dennoch werfen auch unentgeltliche Rechtsgeschäfte nicht selten schwierige Probleme auf 1 8 . Hierzu zählt die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung von Wohnraum. Daß sie offenbar häufiger i m Rechtsleben vorkommt 1 9 , zeigen mehrere Entscheidungen des B G H 2 0 und des L G 9 Burckhardt, Begriff, 37; Noell 9, 14; Medicus Rdnrn. 364 ff.; Holzapfel 69 F N 29 m i t weiteren Nachweisen. Zweigert (JZ 1964, 350) u n d Sepp (98) bezeichnen die unentgeltlichen Rechtsgeschäfte als soziologisch u n d juristisch abnorm. 10 Paragraphen ohne besonderen Zusatz sind solche des BGB. 11 Medicus Rdnr. 364; Bosch, Fs Beitzke, 121 f. 12 Vgl. von Mayr 87; Kieckebusch, H d R 3, 956; Bosch, Fs Beitzke, 121. 13 Zweigert J Z 1964, 350; Sepp 98; ähnlich schon Burckhard, Begriff, 37; Noell 9, 14. 14 Heimann 2; Steinstraß 11. 15 Larenz beispielsweise behandelt auf 145 Seiten den Kauf, w i d m e t aber n u r 13 Seiten der Schenkung, räumt der Miete 46 Seiten ein, stellt die Leihe dagegen auf 3 Seiten dar. 18 Fikentscher (ESJ) hält weder zur Schenkung noch zur Leihe noch zum A u f t r a g einen F a l l bereit, ebensowenig Esser / Schmidt / Köndgen (Fälle). Bei Emmerich fehlt die Schenkung ganz, ist die Leihe kurz erwähnt ( § 8 1 2 , S. 53), n u r ein Auftragsfall w i r d ausführlich behandelt (§ 11, S. 68 ff.). 17 Zabel 1; Sonnenbrodt 1; Heimann 2; Steinstraß 11. 18 Medicus Rdnrn. 364, 365 ff., 373 ff., 382 ff., 390 ff.; vgl. auch Bosch, Fs Beitzke, 121. 19 Heilborn (5) bemerkt allgemein, daß Leihverträge i m täglichen Leben i m m e r h i n recht häufig vorkommen, jedoch die Grenzen zu anderen Rechtsinstituten verwischt seien. Kieckebusch (HdR 3, 956) spricht der Leihe a l l gemein größere wirtschaftliche Bedeutung ab, m i ß t der Wohnungsleihe j e doch „gewisse wirtschaftliche Bedeutung" bei. Fikentscher (Schuldrecht, § 7613, S. 453) hält die wirtschaftliche Bedeutung f ü r „nicht gering" und erwähnt das Beispiel unentgeltlicher Überlassung eines Ferienhauses.

I. Die zur Vertragsart vertretenen Auffassungen K ö l n 2 1 aus j ü n g e r e r Z e i t . U m die Rechtsfragen z u

15

veranschaulichen,

die sich b e i u n e n t g e l t l i c h e r W o h n u n g s ü b e r l a s s u n g ergeben k ö n n e n , sei der folgende F a l l a n d e n A n f a n g gestellt. Frau A hat von ihrem verstorbenen M a n n ein Haus geerbt. Sie räumt ihrer Schwester Β durch privatschriftlichen Vertrag ein obligatorisches Wohnrecht an zwei Z i m m e r n i m ersten Stock bis zu ihrem Lebensende ein. Frau A reut es nach einiger Zeit, daß sie die Z i m m e r unentgeltlich zur V e r fügung stellte. Sie verlangt daher von ihrer Schwester B, sie möchte i n Z u k u n f t eine angemessene Miete zahlen oder sich eine andere Wohnung besorgen. F r a u Β meint, geschenkt sei geschenkt. Wer ist i m Recht? Dieser f ü r d e n akademischen U n t e r r i c h t g e b i l d e t e F a l l 2 2 w i r f t z u nächst die F r a g e nach d e r V e r t r a g s a r t des u n e n t g e l t l i c h e n W o h n e n s a u f 2 3 . I h r e B e a n t w o r t u n g h a t w e i t t r a g e n d e K o n s e q u e n z e n 2 4 , beispielsweise i m H i n b l i c k a u f d i e w i r k s a m e B e g r ü n d u n g eines solchen V e r t r a ges. W ä h r e n d das V e r s p r e c h e n d e r F r a u A g e g e n ü b e r i h r e r Schwester Β f o r m b e d ü r f t i g (§ 518 I ) i s t 2 5 , w e n n m a n es als Schenkungsversprechen b e u r t e i l t , besteht eine solche N o t w e n d i g k e i t f ü r e i n e n L e i h v e r t r a g n i c h t 2 6 . N i m m t m a n eine S c h e n k u n g an, so k o m m t f e r n e r e i n W i d e r r u f w e g e n g r o b e n U n d a n k s i n F r a g e (§§ 530, 531), w a s b e i e i n e r L e i h e ausscheidet. Schließlich müssen d a n n , w e n n m a n u n e n t g e l t l i c h e s W o h nenlassen als S c h e n k u n g q u a l i f i z i e r t , gegebenenfalls auch a l l e d i e j e n i g e n V o r s c h r i f t e n a n g e w e n d e t w e r d e n , d i e i n d e n verschiedenen B ü chern des B G B a n eine S c h e n k u n g g e k n ü p f t w e r d e n 2 7 . 20 a) B G H - V Z R 5 7 / 6 7 - U r t . v. 6. 3.1970 - N J W 1970, 941 = W M 1970, 638 = M D R 1970, 496 = DNotZ 1970, 946 = L M Nr. 7 zu § 518 B G B ; b) B G H - V I I I ZR 179/68-Urt. v. 4 . 5 . 1 9 7 0 - L M Nr. 45 zu § 585 B G B = B B 1970, 1197; c) B G H - V ZR 144/67 - Urt. v. 19. 6.1970 - W M 1970, 1247. 21 N J W 1973, 1880. 22 Köhler 62. 23 Heck § 94.6, S. 297; Larenz § 47 I, S. 154; Gelhaar i n B G B - R G R K Rdnr. 5 vor § 598; Amberg 8; Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, 65; Sonnenbrodt 5 ff.; Heimann 42 ; Köhler 62. 24 Endemann, BürgR, § 164 I 2, S. 1027 F N 18 a. E. (1028); Heck § 94.6, S. 297; Larenz § 47 I, S. 154 F N 3; Nickel 9; Sonnenbrodt 11; Köhler 62 f.; Oertmann , Entgeltliche Geschäfte, 1 (allgemein), 64 f. (speziell). 25 Heck § 94.6, S. 297; Larenz § 47 I, S. 154 F N 3; Schlie 24 f. 26 Crome 503 F N 4 (allgemein); Kohler § 1131, S. 292; Heck § 94.6, S. 297; Henle 74; Titze § 44.1, S. 171; Enneccerus / Lehmann § 140.4, S. 588; Wolf § 1 2 A I c 5 , S. 70; von Seeler 48 (allgemein), 50 (speziell); Oertmann, E n t geltliche Geschäfte, 65 F N 41; Koeppen 3; Klostermann 3; Mallinckrodt 18 m i t zutreffendem Hinweis auf die prinzipielle Formfreiheit des B G B ; Sonnenbrodt 11; Beck 116; Herrmann 194, 200. 27 Die Vorschriften über Schenkung sind seit I n k r a f t r r e t e n des B G B p r a k tisch k a u m geändert worden, w i e ein Vergleich von Gradenwitz (128 f.) u n d des Wörterverzeichnisses B G B 1976 (579 f.) ergibt. Die Worte „Schenkung, Schenkungen" erwähnen außerhalb des Titels Schenkung die §§ 1425 I I = 1446 a. F., 1432 I 2 = 1453 a. F., 1477 I I 2, 1624 I, I I , 1641 1, 2, 1804 1, 2, 2113 I I 2, 2287 I, 2301 I I (2 Mal), 2325 I, I I 1, 2, I I I (2 Mal) 2330, 2385 I I 1 (3 Mal). So wie i m Zuge des Gleichberechtigungsgesetzes von 1957 die §§ 1406 2, 1521 1, 1551 1, 1556 u n d 1584 1 1 wegfielen, sind die §§ 1374 I I u n d 1478 I I Nr. 2 hinzugekommen.

16

Α. Unentgeltliches Wohnen als Leihe oder Schenkung

Es geht bei der vorliegenden Untersuchung nicht darum, ob Wohnraum als solcher, etwa ein Einfamilienhaus (nebst Grundstück) oder eine Eigentumswohnung, Gegenstand einer Schenkung sein kann. Diese Frage ist gewiß zu bejahen; denn es unterliegt keinem Zweifel, daß ein m i t einem Wohnhaus bebautes Grundstück oder eine Eigentumswohnung schenkweise übereignet werden kann 2 8 . Die Arbeit befaßt sich vielmehr lediglich m i t der Frage, welche Vorschriften eingreifen, wenn der Eigentümer von Wohnraum — unter Beibehaltung seines Eigentumsrechts — einem anderen gestattet, die Wohnung unentgeltlich zu gebrauchen 29 . I m Zusammenhang m i t dem Schenkungsrecht hat bereits die II. Kommission 3 0 einen Streit darüber befürchtet, „ob auch die Gebrauchsleihe . . . hierher gehört". I n der Tat ist dieses Problem seit dem Inkrafttreten des BGB umstritten. Oertmann 3 1 bezeichnete es 1912 als „eine zweifelhafte, noch kaum untersuchte Frage", ob neben dem Sonderrecht der Gebrauchsüberlassungsgeschäfte „subsidiär auch die Regeln der Schenkung eventuell herangezogen werden können". Monographisch wurde die damit eng verbundene A b grenzung von Schenkung und Leihe zuletzt 1931 von Heimann und unter Anleitung Oertmanns von Sonnenbrodt behandelt. 1. Die Rechtsprechung und die Literatur

bis zum Jahre 1970

Die Rechtsprechung vor 1970 wertete zwar Fälle von unentgeltlich eingeräumtem Gebrauch an einer Wohnung 3 2 oder allgemein an Teilen eines Grundstücks oder eines Gebäudes 33 einhellig als Leihe. Auch der 28

Vgl. dazu B G H W M 1977, 717 f. = N J W 1978, 213 f. I m Gegensatz dazu bleiben die Fälle, i n denen ein dingliches Wohnrecht (§ 1093 BGB) unentgeltlich auf Lebenszeit begründet wurde, außer Betracht. Vgl. dazu RGZ 11, 349; Β G H Z 46, 253 = N J W 1967, 627 = L M Nr. 4 zu § 1093 B G B ; Β G H Z 59, 51, 52 = N J W 1972, 416 = L M Nr. 7 zu § 1093 BGB. Ferner Amberg 12; Grasegger 17, 79; zum schweizerischen Recht: Mugglin 31; Heinz 31, 34. 30 Mugdan I I , 737. 31 Entgeltliche Geschäfte, 65. 32 RG SächsArch 10 (1900) 244; P r O V G B e r l i n D J Z 1904, Sp. 511; R G SchlHolstAnz 1907, 65 = J W 1907, 100 Nr. 2; RGZ 65, 270, 2761; O L G Colmar ElsLothZ 36 (1911) 637 Nr. 185; O L G H a m b u r g O L G 22 (1911) 291 lit. c; RG J W 1921, 1362 Nr. 5; R G L Z 1921, Sp. 414 Nr. 4; O L G München Recht 1931, 11 Nr. 7; O L G H a m b u r g N J W 1949, 547; B G H N J W 1954, 918, 921; O L G Hamburg N J W 1954, 1688; L G H a m b u r g Z M R 1957, 154; A G Oberndorf/Neckar, Wohnungswirtschaft u n d Mietrecht 1958, 149; A G Münster, Wohnungswirtschaft u n d Mietrecht 1960, 169. Abweichend O A G Oldenburg SeuffArch 23 (1870) Nr. 130, S. 212, 213 zum französischen Landrecht (Code Napoléon) u n d zum gemeinen Recht i m Fürstentum Birkenfeld. 33 Speicher (OLG H a m b u r g SeuffArch 37 (1882) 418 Nr. 307); Dach für Elektrizitätsleitung (OLG Colmar O L G 9 (1904) 304 lit. g); Anschlußgleis (OLG Breslau O L G 20 (1910) 209 Nr. 11 a a); Laden (OLG H a m b u r g O L G 20 (1910) 210 Nr. 11 aß); Schuppen (RG GruchotsBeitr 58 (1914) 1067); Bodenraum 29

. Rechtsprechung u n d L i t e r a t u r

i

m Jahre 1970

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B G H b e u r t e i l t e die u n e n t g e l t l i c h e Gebrauchsüberlassung e i n e r W o h n u n g als L e i h e 3 4 . N o c h 1965 h a t er a u f die D a u e r v o n 10 J a h r e n einger ä u m t e n kostenlosen G e b r a u c h eines G r u n d s t ü c k s z u r L a g e r u n g v o n B a u m a t e r i a l i e n als L e i h e e i n g e s t u f t 3 5 . I n der L i t e r a t u r w u r d e das P r o b l e m bis i n d i e d r e i ß i g e r J a h r e 3 6 h i n e i n k o n t r o v e r s d i s k u t i e r t . E i n G r o ß t e i l d e r A u t o r e n befaßte sich z w a r a l l g e m e i n m i t der A b g r e n z u n g v o n S c h e n k u n g z u L e i h e , g i n g jedoch dabei nicht auf den F a l l unentgeltlichen Wohnens ein37. U n t e r denjenig e n S c h r i f t s t e l l e r n , d i e sich m i t der E i n o r d n u n g dieses P r o b l e m f a l l e s beschäftigten 38, w a r e n die Auffassungen geteilt. Zunächst überwogen die S t i m m e n , d i e i n der u n e n t g e l t l i c h e n W o h n u n g s ü b e r l a s s u n g eine Schenk u n g s a h e n 3 9 , gegenüber d e n j e n i g e n , d i e d a r i n e i n e n A n w e n d u n g s f a l l (RG D J Z 1924, Sp. 905); Grundstück für Elektrizitätsleitung (RG HRR 9 (1933) Nr. 1000; R G WarnRspr 26 (1934) 313 Nr. 152; B G H N J W 1976, 416 i . V . m . Schapp N J W 1976, 1093); Strohboden (LG A l t o n a Recht 1936 Nr. 3338 = JbDR 3 n. F. (1936) 808 = R d R N 1936, 321); Grundstück (OLG München HRR 15 (1939) Nr. 365; B G H - V I I I ZR 157/63 - Urt. v. 18.10.1965, S. 9); Gartenland (LG Flensburg M D R 1948, 352); Hafen (OGHZ 2, 170 = N J W 1949, 623); Straßenkörper für Versorgungsleitungen (BGH N J W 1962, 1817); Grundstücksteile (VGH Hessen R d L 1966, 248); Grundstücksstreifen (LG Kassel N J W 1969, 1174); Krankenhaus (BGH N J W 1972, 1128, 1129). 34 B G H N J W 1954, 918, 921; vgl. ferner B G H N J W 1962, 1817. 35 B G H - V I I I ZR 157/63 - Urt. v. 18.10.1965 (unveröffentlicht), S. 9. 36 Nach Siber (Schuldrecht, 1931, § 54 2 a, S. 250) umfaßt der Schenkungsgegenstand zwar nicht die Gebrauchsüberlassung; er kennzeichnet dies aber als „str" (a.a.O.). 37 Krückmann § 12 I I I , S. 81; Crome 503 F N 4; Endemann, BürgR, § 16412, S. 1027 F N 18; Kohler §§ 85, 106 V 5, 1131, S. 229, 282, 292; Kipp i n W i n d s c h e i d / K i p p § 365, S. 552; Siber, Schuldrecht, § 54. 2 a, S. 250; von Gierke § 191 F N 3, S. 415; von Tuhr § 75 12 m i t F N 19, 27, S. 156; Kreß, A T , 61; BT, 57, 138; F. Leonhard 115; Planck / Knoke A . 2 zu § 516 (S. 775 Mitte); Fischer / Ebert A. 31 zu § 516; Loewenwarter A n m . zu § 516 (S. 116); Zabel 15 f., 27 f.; Schmid 18 f., 24; Hoeniger 165; Hübner 13; Ortloff ArchBürgR 21, 291 f.; Klein J W 1906, 100; von Blume Recht 1908, Sp. 652; Haymann JheringsJb 56, 100; O. Schreiber JheringsJb 60, 156, 191; Siber JheringsJb 70, 253 F N 1. 38 Schollmeyer 46; Goldmann / Lilienthal 529 F N 2, 603 F N 1; Planck I Greiff, 3. Auflage, A. 2 zu § 516; Oertmann A . 1 b γ vor § 516, A . 3 zu § 517; 5. Auflage, Α. 1 b γ vor § 516, A. 3 zu § 516; Schuldrecht 30; Entgeltliche Geschäfte, 65; Siméon § 62.1a, S. 429; Cosack § 20312, S. 572; Heck § 94.6, S. 297; Henle 73; Boehmer 261 f.; Warneyer Α. I I zu § 516; Planck / Gunkel A . I I vor § 598; Burckhard, Begriff, 35; Horn 46, 47, 70; Stolte 22 ff., 25 f., 41; Nickel 11; Froehlich 51 F N 5; Sachse 4; Simon 30 f.; Mallinckrodt 16; Schlie 22 ff.; Amberg passim; von Seeler 47; Lande, Poseners Rechtslexikon, 34; Alfer 12 f. m i t F N 9 a. E.; Noell 31 F N 110; Grasegger 79; Steinstraß 11; Liebisch 78 ff., 8; Bartholdy 11 f.; Kickebusch, H d R 3, 955, 956; Heimann 40 ff.; Sonnenbrodt 7, 16 f.; Metzler ZfRpfBay 22, 100. 39 Planck / Greiff, 3. Auflage, A. 2 zu § 516; Oertmann A . 1 b γ vor § 516, A. 3 zu § 516; Schuldrecht, 30; Entgeltliche Geschäfte, 65; Schollmeyer 46; Siméon § 62.1 a, S. 429; Cosack § 203 I 2, S. 572; Burckhard , Begriff, 35; Horn 46, 47, 70; Stolte 22 ff., 25 f., 41; Nickel 11; Simon 30 ff.; Mallinckrodt 16 F N 1; Schlie 2 2 - 2 5 ; Cohn 53 F N 6; Wogt 27; Amberg 24 ff., bes. 29 ff., 37 ff.; von Seeler 47; Schmid 18 f.; Alfer 12 f. m i t F N 9 a. E.; Noell 31 F N 110; Bartholdy 2 Slapnicar

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Α . Unentgeltliches Wohnen als Leihe oder Schenkung

der Leihe erblickten 4 0 . Erst nachdem Knoke i m Jahre 1928 die Stellungnahme des damals führenden PZancJcschen Kommentars unter Abkehr von der herrschenden Meinung änderte 41 , bahnte sich eine Wende zugunsten der Leihe an 4 2 . Er begründete dies damit, daß die bisher vertretene Auffassung zu einer „Grenz ver w i r rung zwischen Schenkung einerseits und Leihe und unverzinslichem Darlehen andererseits" 43 führe. Viele Äußerungen i n der Literatur lassen an Klarheit zu wünschen übrig. Nach Oertmann fehlt es für die Erfassung von Gebrauchsüberlassungsgeschäften als Schenkungen allgemein an einem Vermögensopfer, weil der Geber die Sache i m Vermögen behält 4 4 . Bereits bei seiner Darstellung zum Schuldrecht äußert Oertmann 1907 die Ansicht, daß Gebrauchsüberlassungen „auch wenn sie nach dem Gesichtspunkt der Ausgabeersparnis eine Zuwendung enthalten, keine Schenkung" seien, „da und insoweit sie das Vermögen des Zuwenders nicht bereichern. Überlasse ich mein Fremdenzimmer auf einige Wochen meinem Freunde X, so erspare ich i h m eine Zimmermiete i m Gasthofe, da ich aber mein Zimmer nicht entgeltlich zu vermieten pflege, habe ich m i r durch die Überlassung nichts entzogen, dem X somit nichts geschenkt. Anders freilich, wenn ein Hotelier seinen Freund unentgeltlich i m Gasthof wohnen l ä ß t . . ," 4 5 . Ebenfalls am Beispiel unentgeltlichen Wohnens erläutert Oertmann 1910 i n der 4. Auflage seines Kommentars, daß auch dann keine Schenkung vorliegen solle, wenn dem Empfänger durch die Überlassung Ausgaben erspart werden oder gar positive Vorteile zufließen 46 . Selbst 11 f. Fischer ! Ebert (A. 3 zu § 516) fassen das unentgeltliche Wohnen als u n entgeltliche A b t r e t u n g eines Mietrechts auf, ähnlich schon Froehlich (52) und Warneyer (Α. I I zu § 516). Diese Passagen sind bei Warneyer / Bohnenberg offensichtlich gestrichen worden. 40 Goldmann/ Lilienthal 529 F N 2, 603 F N 1; Henle 73; Kreß, BT, 138; Planck / Knoke A . 2 zu § 526 (S. 775 Mitte) unter ausdrücklicher Aufgabe der i n den Vorauflagen vertretenen Meinung; Planck / Gunkel A . I I vor § 598; Oertmann, 5. Auflage, Α. 1 c, 3 zu § 516; Sachse 4; Heimann 40 ff.; Steinstraß 11; Grasegger 79; Sonnenbrodt 7, 16 f.; Landé, Poseners Rechtslexikon, 34; Metzler ZfRpfBay 22, 100. N u r bezüglich des Gastes verneint von Blume (Recht 1908, Sp. 649, 652) die A n w e n d u n g der Leiheregeln auf Wohnung oder Räume (außerrechtliches Gefälligkeitsverhältnis). 41 A . 2 zu § 516 i n der 4. Auflage. 42 Sonnenbrodt (17) spricht 1931 v o n einer i m Anwachsen begriffenen Kritikerzahl. 43 Planck / Knoke A . 2 zu § 516 (S. 775 Mitte). 44 A . 1 b γ vor § 516. 45 Schuldrecht, 30. 46 A. 3 zu § 516.

11. Rechtsprechung u n d L i t e r a t u r bis zum Jahre 1970

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für die Fälle, i n denen sich der Geber damit eine Verdienstquelle ( = Einnahmequelle) verstopfe, zieht Oertmann i n Erwägung, sie wegen §517 vom Schenkungsbegriff auszunehmen 47 . Er meint, daß der Wortlaut dieser Vorschrift dies „unleugbar i n nicht unerheblicher Weise" unterstütze. Auch i n seiner Monographie „Entgeltliche Geschäfte" weist Oertmann 1912 auf die Bedenken aus § 517 hin 4 8 . Er zerstreut sie aber m i t dem Zitat von D. 39, 5, 9pr. und der Bemerkung, „daß die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung zugleich eine Schenkung enthalten könne, haben übrigens schon die Römer anerkannt" 4 9 . Schließlich erfaßt Oertmann das unentgeltliche Wohnen — i m Gegensatz zu seinen zuvor dargelegten Ausführungen — doch als Schenkung. Nach den i n der 4. Auflage enthaltenen Kommentierungen des Schenkungsrechts „kann wegen der entsprechenden Nutzungen darin eine Schenkung liegen, s. 1.9 D. 39, 5" 5 0 . Außerdem begründet Oertmann die Schenkungsnatur des kostenlosen Wohnens damit, daß sich der Zuwendende damit eine Einnahmequelle verstopfe, die i h m sonst aus den dem Begünstigten zur Verfügung gestellten Mitteln erwachsen wäre 5 1 . § 517 scheidet für Oertmann hier dann aber deswegen aus, weil nicht nur auf zukünftigen Erwerb verzichtet werde, sondern sich der Zuwendende zeitweilig die Nutzung eines schon gegenwärtig vorhandenen Vermögensstückes entziehe und also sein Vermögen mindere und zugleich das des Empfängers bereichere, wenn auch nicht zu vollem Betrage, so doch wenigstens, indem er anderweitige Ausgaben erspare (Paul. D. 12, 6, 65, 7) 52 . I n der 5. Auflage seines Kommentars rückt Oertmann 1929 in bezug auf das unentgeltliche Wohnen deutlich von seiner Position i n der Vorauflage ab. Wegen der Nutzungen kann bei kostenloser Wohnungsüberlassung nur „ein schenkungsähnlicher A k t " 5 3 vorliegen; denn, „ob der Abschluß eines unentgeltlichen Gebrauchsüberlassungsvertrages eine echte Schenkung sein könne, ist zweifelhaft, aber i m Sinne des Gesetzbuchs wohl zu verneinen" 5 4 . I n einer neuen Passage, die die Vorauflage nicht enthält, führt Oertmann zur Begründung dessen aus: „Das BGB behandelt solche Fälle als besondere Rechtstypen, in einer von der Schenkung mehrfach abweichenden Weise, und die Anwendung des Schenkungsrechts daneben müßte zu unnützen Verwirrungen füh47 48 49 50 51 52 53 54

2*

A . 3 zu § 517. Schuldrecht, 65. 65. Α. 1 b γ vor § 516. A . 3 zu § 516. A. 3 zu § 517. Oertmann, 5. Auflage, Α . 1 b γ vor § 516. Oertmann, 5. Auflage, Α . 1 c zu § 516.

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Α . Unentgeltliches Wohnen als Leihe oder Schenkung

ren. M a n w i r d d e m g e g e n ü b e r . . . d i e S c h e n k u n g a u f gegenständliche Z u w e n d u n g e n beschränken, b e i a n d e r e n n u r eine v o r s i c h t i g e (subsidiäre) entsprechende A n w e n d u n g d e r S c h e n k r e g e l n a n e r k e n n e n 5 5 . " D e m g e m ä ß sieht O e r t m a n n i m u n e n t g e l t l i c h e n W o h n e n „ w e n n auch w o h l k e i n e eigentliche Schenkung, so doch eine nach d e r e n R e g e l n entsprechend z u b e u r t e i l e n d e u n e n t g e l t l i c h e Z u w e n d u n g " 5 6 . 1931 b e s t ä t i g t e i n Schüler Oertmanns, Sonnenbrodt, die inzwischen g e ä n d e r t e A n s i c h t seines L e h r e r s . E r f ü h r t aus, daß Oertmann dazu neige, „ d i e S c h e n k u n g a u f gegenständliche Z u w e n d u n g e n z u beschränken"57. Fischer / Ebert behandeln unentgeltliche Wohnungsüberlassung einmal als unentgeltliche A b t r e t u n g eines Mietrechts 5 8 ; zum anderen ist die Leihe für sie wegen ihrer notwendigen Unentgeltlichkeit „keine Schenkung" 5 9 . Der F a l l kostenlosen Wohnens ist f ü r Warneyer Schenkung 59 *, während er andere Fälle unentgeltlicher Überlassung von Gebäude- und Grundstücksteilen als „leiheähnliche Verträge" bezeichnet 591 ». Nach Staudinger / Ostler 60 bildet die Gebrauchsüberlassung bei Ausgabenersparnis u n d Verzicht auf Vermögensverwertung zum Beispiel bei leerstehender Wohnung Schenkung, obwohl Leihe als besonderer Rechtstyp aus dem Begriff der Schenkung herausgenommen sei 81 . F ü r Staudinger / Riedel 82 k a n n unentgeltliche Gebrauchsüberlassung zwar Schenkung sein, bei A u f nahme i n eine Wohnung für „ k u r z oder länger" ist „dieses Rechtsverhältnis als Wohnungsleihe rechtlich zu beurteilen" 6 3 . Staudinger l Kiefersauer 84 bleibt unentschieden. Soergel ! Ballerstedt^ verneint bei der Leihe eine Schenkung, während Soergel / Mezger 88 i n der Gebrauchsüberlassung bei längerer Dauer u n d V e r wertungsmöglichkeit eine Schenkung annehmen w i l l . F ü r Crome 87 steht die „Schenkung auf der Grenze der Verfügungs- u n d Gebrauchsüberlassungsgeschäfte, gehört aber ganz überwiegend zu der ersteren Kategorie" 8 8 . Dennoch betrachtet er die Gebrauchsüberlassung bei Vermögensaufopferung des Gebers als eine Schenkung 8 9 . 55

F N 54. Oertmann, 5. Auflage, A 3 zu § 516. 57 18. 58 A. 3 zu § 516. 59 A . 4 zu § 598. 59a ß9 A. I I I zu § 516. b Α . I zu § 598. 80 Rdnrn. 3, 39 zu § 516. 81 Rdnr. 4 zu § 516. 82 Rdnr. 1 a. E. vor § 598. 83 Rdnr. 2 zu § 598. 84 Rdnr. 2 zu § 535. 85 Rdnr. 2 vor § 516, Rdnr. 4 zu § 516. Ebenso jetzt Soergel / Mühl, 11. A u f lage, Rdnr. 4 zu § 516, Rdnr. 7 zu § 518. 88 Rdnr. 10 zu § 598. Soergel / Kummer (Rdnr. 11 vor § 598) ist i n der 11. Auflage entgegengesetzter Auffassung. 87 503 F N 4. 88 504. 89 503 F N 4. 58

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Schollmeyer 70 bejaht einerseits bei unentgeltlicher Gebrauchsüberlassung unterlassenen Vermögenserwerb gemäß § 517, qualifiziert sie andererseits trotzdem als Schenkung. Froehlich betrachtet zwar den Besitz als einen möglichen Schenkungsgegenstand 71 , stellt aber keinen Bezug zum Beispiel zur Leihe her. Die u n entgeltliche Wohnungsüberlassung stuft er gegenständlich als unentgeltliche Überlassung des Mietrechts ein u n d n i m m t wegen Ausgabenersparnis Schenk u n g an 7 2 . Cohn73 schickt zunächst voraus, daß ein unentgeltliches Überlassen des Gebrauches einer Sache nie eine Schenkung darstelle, w e i l dies nicht die Ausscheidung eines Vermögensrechtes involviere u n d m i t h i n zum einen keine Zuwendung i m Sinne des § 516 enthalte, zum anderen speziellen N o r men unterstellt sei (§§ 598 ff.). Demgegenüber w i l l er Fälle, i n denen es sich u m die Nichtbenutzung einer Einnahmequelle handele, wie beispielsweise bei unentgeltlicher Überlassung einer Mietwohnung, als Schenkung erfassen, w e i l dies zu dem Werte einer Geldsumme veranschlagt werden könne 7 4 . A l s Belege zieht Cohn Pomp. D. 39,5,9 pr., Savigny 75 u n d das Reichsgericht 7® heran 7 7 . Wenn Wogt i n der Leihe deswegen keine Schenkung sieht, w e i l jene ein synallagmatischer Vertrag sei 78 , so ist dies eine unhaltbare Begründung. Darüber hinaus bleibt es widersprüchlich, die Vergütung als Schenkungsgegenstand zu behandeln, w e n n der Inhaber einer Mietbücherei seinem Freund ein Buch zum unentgeltlichen Gebrauch überläßt 7 9 . Schmid hält einerseits die unentgeltlichen Vertragstypen für eine Schranke der Schenkung 8 0 u n d durch § 517 aus i h r herausgenommen 81 , andererseits die Gebrauchsüberlassung wegen der Ersparung notwendiger Ausgaben f ü r „materiell nichts anderes als Schenkung(en) i m eigentlichen Sinne" 8 2 . Bei Hübner macht auch die Ausgabenersparnis die Leihe zur Schenkung 8 3 , obwohl infolge des Rückforderungsanspruchs des Gebers dessen Vermögen nicht vermindert werden soll 8 4 . F ü r Horn ist die unentgeltliche Wohnungsüberlassung immer dann eine Schenkung, w e n n dem Empfänger dadurch notwendige Ausgaben erspart werden 8 5 u n d dem Geber durch nicht erfolgte Verwertung Vermögensminde70

46. 43, 44. 72 51. 73 52. 74 53. 75 33. 76 SächsArch 10 (1900) 244. 77 53 F N 6. 78 84. 79 27. 80 18. 81 19. 82 24. 71

83 β4 85

13. 12. 46, 47.

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Α. Unentgeltliches Wohnen als Leihe oder Schenkung

rung entsteht8®. Solche notwendige Ausgabenersparnis sieht H o r n beim Essen, bei K l e i d u n g u n d Wohnung. Z u r Begründung bezieht er sich auf Jav. D. 34,1, 6. Trotz der grundsätzlichen Bemerkung Stoltes „bei weitem nicht jede N u t zungsüberlassung u n d damit nicht jede Leihe, nicht jedes unentgeltliche Darlehen ist deshalb Schenkung" 8 7 , qualifiziert er das unentgeltliche Wohnen unter Hinweis auf Pomp. D. 39, 5, 9 pr. als Schenkung. Mallinckrodt 88 bemerkt, daß die Leihe „ausnahmsweise" eine das Vermögen des Verleihers entreichernde u n d das des Entleihers bereichernde Z u wendung sein könne. Ansonsten „eine Schenkung ist die Leihe nicht, w e i l keine Vermögensvermehrung auf der anderen Seite notwendig m i t der Leihe verbunden i s t " 8 9 . Nach Noell können unentgeltliche Gebrauchsüberlassungen „unter U m ständen eine Vermögensverschiebung u n d somit eine Schenkung enthalten" 9 0 . Dies aber n u r „ausnahmsweise. I n der Regel sind sie nicht als Vermögensobjekte zu betrachten" 9 1 .

Die Annahme einer Schenkung wurde überwiegend m i t der Ausgabenersparnis des Empfängers zu Lasten des Gebers begründet 9 2 und als Sonderfall eingestuft 93 . Viele schenkungsrechtliche Monographien 94 nahmen dabei ausdrücklich auf einen i n den Digesten überlieferten Rechtssatz Bezug, wonach kostenloses Wohnen i n fremden Häusern deswegen als Schenkung zu behandeln sei, weil der Wohnende das86

70. 25. 88 16 F N 1. 89 16. 90 31. 91 31 F N 110. 92 Oertmann Α . 1 b γ vor § 516, Α . 3 zu § 516, Α . 3 zu § 517; 5. Auflage, Α. 1 b γ vor § 516; A. 3 zu § 516; Schuldrecht, 30; Entgeltliche Geschäfte, 65; Warneyer A . I I zu § 516; Horn 46, 47, 70; Stolte 22 ff., 25 f., 41; Froehlich 51; Mallinckrodt 16 F N 1; Schmid 24; Amberg passim; Noell 31. Schollmeyer (46) gibt zwar zu, daß darin ein unterlassener Vermögenserwerb i m Sinne des § 517 B G B liegt, w i l l aber dennoch eine Schenkung annehmen. Alf er (12 f.) läßt zwar die Ausgabenersparnis ausdrücklich nicht unter § 517 B G B fallen (13), n i m m t aber dennoch Schenkung beim unentgeltlichen Wohnen an. Ebenso erfaßt Hübner (13) das unentgeltliche Wohnen als Schenkung, obwohl er infolge des Rückforderungsanspruchs des Gebers dessen Vermögen für nicht vermindert hält (12). Boehmer dagegen n i m m t bei unentgeltlicher Gebrauchsüberlassung Schenkung dann an, „ w e n n der unentgeltlich L e i stende durch die Gebrauchs- oder Nutzungsgewährung sein »Vermögen 1 verringert (§ 516). Das ist aber stets der Fall, w e n n er sonst normalerweise m i t solchen Leistungen Geld verdient hätte, auf das er durch die unentgeltliche Zuwendung verzichtet". (262). 93 Horn 46, 47, 70; Stolte 25; Mallinckrodt 16 m i t F N 1; Amberg 29; Noell 31 m i t F N 110. 94 Horn 25; Burckhard, Begriff, 61 m i t F N 2 (62), 66; Stolte 41 m i t F N 3; Nickel 11; Froehlich 51 F N 2, 52; Cohn 53 F N 6; Amberg 8 F N 1 m i t Hinweis auf die A n t i n o m i e U l p . - V i v i a n D. 13, 6 , 1 , 1 u n d Pomp. D. 39, 5, 9 pr. Sonnenbrodt (4) u n d Heimann (42) erwähnen Pomponius, teilen seine Auffassung aber nicht. Siehe ferner Windscheid / K i p p , 545 F N 6, 548 F N 14, 549 F N 15. 87

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j e n i g e z u e r h a l t e n scheine, w a s er a n M i e t z i n s n i c h t zahle (D. 39, 5, 9 p r . ) . So a r g u m e n t i e r t e n e t w a Oertmann 95 rus /

u n d z u l e t z t noch

Ennecce-

Lehmann™.

Dieser A u f f a s s u n g s i n d schon b a l d andere S c h r i f t s t e l l e r 9 7 entgegengetreten. Gegen d i e E i n s t u f u n g der u n e n t g e l t l i c h e n Gebrauchsüberlassung e i n e r W o h n u n g als S c h e n k u n g w i r d v o r g e b r a c h t , daß sich L e i h e u n d S c h e n k u n g v o n i h r e m T y p h e r als z w e i selbständige V e r t r ä g e 9 8 s o w o h l s y s t e m a t i s c h 9 9 als auch i n h a l t l i c h 1 0 0 unterscheiden. A n d e r e E i n w ä n d e b r i n g e n z u m A u s d r u c k , daß die Gebrauchsüberlassung f ü r das V e r m ö g e n v o n G e b e r u n d E m p f ä n g e r g l e i c h e r m a ß e n ohne E i n f l u ß

95 Α. 1 b γ vor § 516; Entgeltliche Geschäfte 65 f. I n der 5. Auflage seines Kommentars relativiert Oertmann seine Auffassung dahin, daß wegen der Nutzungen darin n u r „ e i n schenkungsähnlicher A k t " liegen soll (Α. 1 b γ vor § 516), „keine eigentliche Schenkung", sondern „eine nach deren Regeln entsprechend zu beurteilende unentgeltliche Zuwendung" (A. 3 zu § 516). 96 § 120 I I 1 a, S. 487 F N 2 (1958 ! ). 97 Goldmann / Lilienthal 529 F N 2, 603 F N 1; Siber, Schuldrecht, § 54.2 a, S. 250; Planck / Knoke A . 2 zu § 516 (S. 775 Mitte); Soergel / Ballerstedt Rdnr. 2 vor § 516; Sachse 4; Landé, Poseners Rechtslexikon, 34; Steinstraß 11; Metzler ZfRpfBay 22, 100; Kieckebusch, H d R 3, 954; Heimann 40ff.; Sonnenbrodt 10-22. Heilborn (11) grenzt Leihe u n d Schenkung dadurch ab, daß es bei dieser zu einer dauernden Entreicherung komme, bei jener n u r eine zeitlich abgrenzbare Gebrauchsbeschränkung für den Verleiher entstehe. Hoeniger (165) bemerkt: „ i n ganz verwirrender Weise (werden) t y p i sche unentgeltliche Leistungen, w i e etwa die Sachleihe nochmals der Schenk u n g unterstellt." V g l auch Oertmann, 5. Auflage, Α. 1 b γ vor § 516, Α. 1 c, 3 zu § 516, A . 3 zu § 517. 98 Titze §§ 42.3, 44.1, S. 162, 171; Staudinger ! Ostler Rdnr. 4 zu § 516; Hübner 10, 13; Klein J Z 1906, 100. Nach Schmid findet der Schenkungsbegriff seine Schranke an den anderen unentgeltlichen Vertragstypen (18) u n d § 517 (19). 99 Systematische Trennung: Schenkung — endgültige Veräußerung, Leihe — vorübergehende Gebrauchsüberlassung. Kohler §§ 85, 106 V 5, S. 229, 282; Hedemann § 33 I I a, S. 182; Fischer ! Ebert A . 3 zu § 516; Soergel / Ballerstedt Rdnr. 2 vor § 516, Rdnr. 4 zu § 516; Klostermann 3; von Seeler 50; Heilborn 11; Richrath 29 f.; Sonnenbrodt 14 f., 22; M. Cohn 53; Grasegger 79. Staudinger / Ostler (Rdnr. 4, 39 zu § 516) sieht trotzdem den F a l l unentgeltlicher Wohnungsüberlassung als Schenkung (Rdnr. 3 zu § 516). 100 Inhaltliche Trennung: Schenkung — Substanzveränderung durch Gegenstandsverschaffung, Leihe — Gebrauch der Sache. Kohler § 1131, S. 292; von Gierke §§ 190 I I I , 191, S. 411, 415 F N 3; Oertmann, 5. Auflage, Α. 1 c zu § 516; Loewenwarter A n m . zu § 516 (S. 116); Soergel / Mezger Rdnr. 10 zu § 598; Hedemann § 33 I I a , S. 182; Staudinger / Ostler Rdnr. 39 zu § 516; Fischer / Henle / Titze / David A . 3 zu § 516, A . 4 zu § 598; Zabel 28, 38; Hoeniger 164f.; Richrath 56; Liebisch 78; Heimann 48; Sonnenbrodt 14 f.; Haymann JheringsJb 56, 100. Kreß (61) i m Prinzip, ausnahmsweise soll bei Verwertungsmöglichkeit Schenkung vorliegen. Siber (Schuldrecht, § 54.2 a, S. 250) ebenso w i e Kreß, anders JheringsJb 70, 253 F N 1. Ο. Schreiber (JheringsJb 60, 156, 191) hält überdies i m Schenkungsrecht n u r die Sachverschaffung f ü r geregelt.

Α. Unentgeltliches Wohnen als Leihe oder Schenkung

24

s e i 1 0 1 , u n d versuchen, das A r g u m e n t d e r A u s g a b e n e r s p a r n i s m i t

dem

H i n w e i s a u f § 517 z u e n t k r ä f t e n 1 0 2 . E i n e S o n d e r s t e l l u n g n i m m t Heck ein. E r b e n u t z t z w a r die gegen die Schenkungsnatur

v o r g e b r a c h t e n A r g u m e n t e , h ä l t es aber f ü r

„nicht

interessengemäß", d i e u n e n t g e l t l i c h e Ü b e r l a s s u n g v o n W o h n r a u m der F o r m Vorschrift des § 518 I z u entziehen 1 0 3 . M i t B e g i n n der d r e i ß i g e r J a h r e w u r d e es u m d e n S t r e i t ü b e r die R e c h t s n a t u r des u n e n t g e l t l i c h e n W o h n e n s r u h i g e r . Es h a t t e d e n A n schein, als sei er z u g u n s t e n der L e i h e entschieden. A b e r auch später b l e i b t d i e E r f a s s u n g des u n e n t g e l t l i c h e n W o h n e n s u m s t r i t t e n . Z u m e i n e n w i r d w e i t e r h i n die A u f f a s s u n g v e r t r e t e n , es h a n d e l e sich u m S c h e n k u n g 1 0 4 , z u m a n d e r e n die A n s i c h t geäußert, es sei eine L e i h e 1 0 5 . 2. Die Rechtsprechung

und die Literatur

seit dem Jahre

1970

1970 h a t der B G H e r n e u t m e h r m a l s F ä l l e u n e n t g e l t l i c h e r W o h n u n g s überlassung entschieden106. I m M ä r z 1970 l a g d e m B G H 1 0 7 f o l g e n d e r S a c h v e r h a l t z u r Entscheidung vor. Fall 1 Dem Ehepaar C gehörte seit 1939 ein Einfamilienhaus. A m 29. August 1939 schlossen sie m i t der damals noch ledigen Schwester u n d den E l t e r n des C einen privatschriftlichen „Familienvertrag". D a r i n waren sie „übereingekommen, daß sich der Besitzer des Hauses verpflichtet, alle unterschriebenen Mitglieder der Familie i m Hause unkündbar aufzunehmen". Vorbehalten wurde die „Regelung" der „Miete" entsprechend den Einkommens- u n d 101 Endemann, BürgR, § 16412, S. 1027 m i t F N 18; Fischer / Henle / Titze / David A. 3 zu § 516, A . 4 zu § 598; Zabel 27, 28; Steinstraß 10; Heimann 40, 41 ; Sonnenbrodt 16. 102 von Gierke § 191 F N 3, S. 415; Hedemann § 33 I I a, S. 182; Ortloff ArchBürgR 21, 291 f.; Schmid 19; Liebisch 78 ff.; Sonnenbrodt 7; Heimann 47. 103 Heck § 94.6, S. 297. 104 Boehmer 262; Enneccerus / Lehmann § 120111a, S. 487 F N 2; Staudinger/Ostler Rdnrn. 3, 39 zu § 516. Soergel / Mezger (Rdnr. 10 zu § 598) bei bestehender Verwertungsmöglichkeit u n d w o h l langer Dauer. Kuhn (in B G B - R G R K , 11. Auflage, 1959, A. 2 zu § 516) u n d Soergel / Mezger (Rdnr. 10 zu § 598) verwenden als A r g u m e n t die Ausgabenersparnis. 105 Staudinger / Riedel Rdnr. 2 zu § 598; Achilles / Greiff / Glaser A n m . zu § 598; Soergel / Ballerstdt Rdnrn. 2, 4 vor § 516, Rdnr. 4 zu § 516. Soergel! Mezger (Rdnr. 10 zu § 598) insofern relativierend, als er Leihe bei unentgeltlicher Gebrauchsüberlassung n u r f ü r solange annimmt, w i e sich keine entgeltliche Verwertungsmöglichkeit finde. * 106 a) B G H - V ZR 57/67 - Urt. v. 6. 3.1970 - N J W 1970, 941 = W M 1970, 638 = M D R 1970, 496 = DNotZ 1970, 946 = L M Nr. 7 zu § 518 B G B ; b) B G H - V I I I ZR 179/68-Urt. v. 4.5.1970 - L M Nr. 45 zu § 535 B G B = B B 1970, 1197; c) B G H - V ZR 144/67 - U r t . v. 19. 6.1970 - W M 1970, 1247. 107 B G H N J W 1970, 941 = W M 1970, 638 = M D R 1970, 496 = DNotZ 1970, 946 = L M Nr. 7 zu § 518 BGB.

I 2. Rechtsprechung u n d L i t e r a t u r seit dem Jahre 1970

25

Hausabzahlungsverhältnissen. Die Schwester bewohnte zunächst eine K a m mer i m Obergeschoß des Hauses, dann zusammen m i t ihrem Ehemann 2 Z i m mer m i t Wohnküche i m Erdgeschoß (nebst Kelleranteil u n d Waschhaus), w o seinerzeit die 1948/1949 verstorbenen Eltern gewohnt hatten. Nach dem Tode der Eltern hatten die beiden Ehepaare eine Vertragsänderung dahin vereinbart, daß sich das Wohnrecht n u n auf die Erdgeschoßwohnung beziehe u n d k ü n f t i g ein Entgelt dafür zu leisten sei. Das Ehepaar C verlangte Räumung der Wohnung.

Die Vorinstanzen hatten die Herausgabeklage als unbegründet abgewiesen. Der B G H bestätigte die Urteile. Aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts mußte der B G H davon ausgehen, daß die Parteien durch den Familien vertrag von 1939 für die Schwester ein unentgeltliches Wohnrecht auf Lebenszeit begründet hatten. Diese Verpflichtung zu unentgeltlicher Aufnahme ins Haus beurteilte der V. Zivilsenat als Schenkungsversprechen, der Schwester Besitz und Nutzung einzuräumen. Da die Verpflichtungserklärung lediglich privatschriftlich abgegeben worden war und daher nicht der notariellen Form des § 518 I entsprach, prüfte das Revisionsgericht die Voraussetzungen des § 518 II. Die Fragestellung beschränkte sich demgemäß darauf, ob die schenkweise versprochene Leistung bereits bewirkt und dadurch der Formmangel geheilt worden sei 1 0 8 . A u f einen entsprechenden Vortrag der Revision, „die tatsächliche Gebrauchsüberlassung (habe) den Formmangel nur für die Vergangenheit und Gegenwart, aber nicht auch für die Zukunft geheilt" 1 0 9 , bemerkte der BGH: „Ist (nämlich) Gegenstand eines Schenkungsversprechens nicht die Rechtsinhaberschaft an einer Sache, sondern nur deren Besitz und Nutzung, so hat der Schenker damit, daß er die Sache dem Beschenkten einmalig zum Zweck dieser Nutzung übergibt . . . das von seiner Seite aus Erforderliche auch für die Zukunft vollständig getät i g t 1 1 0 . " Der Vertragsgegenstand als solcher erschien dem B G H offenbar unproblematisch. Er erörterte ihn nur i m Hinblick auf eine Gesellschaft oder ein gesellschaftsähnliches Rechtsverhältnis 111 und lehnte beides ab. I n der Ausgabenersparnis den schenkweise versprochenen Gegenstand zu sehen, zog der V. Zivilsenat gar nicht i n Erwägung. Er ging auf den Streit u m die juristische Qualifikation der unentgeltlichen Wohnungsüberlassung mit keinem Wort ein. Demgegenüber hob der V I I I . Zivilsenat des B G H 1 1 2 i n seinem Urteil vom 4. 5. 1970 die Kontroverse über die Rechtsnatur des unentgeltlichen Wohnens ausdrücklich hervor. Es ging um folgenden 108 Reinicke N J W 1970, 1447; Mezger i n B G B - R G R K Rdnr. 4 zu § 518; Wolf § 12 A I c 5, S. 70. 109 B G H W M 1970, 638, 639 re. Sp. 110 111 F N 109. B G H W M 1970, 638, 639 Ii. Sp. 112 B G H B B 1970, 1197 = L M Nr. 45 zu § 535 BGB.

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Α . Unentgeltliches Wohnen als Leihe oder Schenkung

Fall 2 Hauseigentümer A hatte den Eheleuten U i n einer Vereinbarung v o m Februar 1953 ein lebenslanges schuldrechtliches Wohnrecht zugesagt. Danach brauchte das Ehepaar U i n den ersten fünf Jahren keinerlei Gegenleistungen zu erbringen. Anschließend w a r lediglich ein A n t e i l an den Unkosten zu t r a gen. V o m sechsten Jahr an weigerten sich die Eheleute U, die anteiligen Kosten zu zahlen. A erhob daraufhin Zahlungsklage. D e r B G H f ü h r t e aus: „ R e c h t l i c h s t e l l t sich eine solche u n e n t g e l t l i c h e Gebrauchsüberlassung nach e i n e r A u f f . 1 1 3 als Schenkung, nach der neuerdings stark vertretenen Gegenmeinung 114>115 als L e i h e d a r . " W e l cher A n s i c h t d e r V o r z u g z u geben sei, b r a u c h t e das Revisionsgericht deswegen n i c h t z u entscheiden, w e i l A f ü r d i e f ü n f J a h r e v o n 1953 bis 1958, i n d e n e n d i e E h e l e u t e U kostenlos w o h n t e n , w e d e r Z a h l u n g v e r l a n g t e noch F e s t s t e l l u n g s a n t r ä g e g e s t e l l t h a t t e 1 1 6 . O b w o h l d e r V I I I . Z i v i l s e n a t 1 1 7 d i e Q u a l i f i k a t i o n des u n e n t g e l t l i c h e n W o h n e n s als S c h e n k u n g gerade noch e i n m a l i n Z w e i f e l zog, b e s t ä t i g t e sie der V . Z i v i l s e n a t des B G H 1 1 8 k u r z d a r a u f ( J u n i 1970) ohne w e i t e r e s im Fall 3 1959 erwarb S ein Grundstück u n d errichtete darauf i m Jahre 1960 ein Haus. A n dem B a u des Hauses hatte der m i t der S zusammenlebende M a u rer Y mitgearbeitet. A m 18. Oktober 1960 übergab S dem Y eine p r i v a t schriftliche „Versicherung", wonach er i n ihrem „ z u m großen Teil von i h m erbauten Haus . . . das Wohnrecht bis an sein Lebensende" haben sollte. Erst nach seinem Tode sollten die K i n d e r der S „das Erbe übernehmen". Bei Einzug i m März 1961 überließ S dem Y einen Raum i m Erdgeschoß sowie einen K e l l e r r a u m unentgeltlich zur Benutzung. I n einem handschriftlichen Testament v o m 1. Januar 1962 vermachte S dem Y „das lebenslängliche u n d unentgeltliche Wohnungs- u n d Nutzungsrecht am Grundstück", wobei sie erklärte, daß er das Wohnungs- u n d Nutzungsrecht als Entgelt dafür eingeräumt erhalte, daß er „das Haus zum größten T e i l durch Eigenleistung erstellt" u n d f ü r seine Arbeitsleistung keine Vergütung erhalten habe. I n der Folgezeit k a m es zu Streitigkeiten. Beide beendeten i m Oktober 1962 ihre bis dahin bestehende Wirtschaftsgemeinschaft. Y zog aus dem gemeinsamen

113 Der B G H zitiert dazu: Staudinger / Ostler Rdnrn. 3, 39 zu § 516; Kuhn i n B G B - R G R K , 11. Auflage, 1959, Α . 1 zu § 516, Α. 1 vor § 598; B G H N J W 1970, 941 = W M 1970, 638 = M D R 1970, 496 = DNotZ 1970, 946 = L M Nr. 7 zu § 518 BGB. 114 Hervorhebung von m i r . 115 Der B G H zitiert dazu: Esser, Schuldrecht, Band 2, 3. Auflage, 1969, § 67 2 a, S. 80; Larenz, Schuldrecht, Band 2, 8. Auflage, 1967, § 431, S. 119; Soergel f Ballerstedt Rdnr. 4 zu § 516. 118 B G H L M Nr. 45 zu § 535. I n M D R 1970, 1004 ist diese Passage durch die zutreffende Bemerkung des Herausgebers ersetzt, daß der Zeitraum der Unentgeltlichkeit ohne Interesse für den Rechtsstreit sei. 117 B G H B B 1970, 1197 = L M Nr. 45 zu § 535 BGB. 118 B G H W M 1970, 1247.

2. Rechtsprechung u n d L i t e r a t u r seit dem Jahre 1970

27

Schlafzimmer aus u n d i n einen weiteren 22 m 2 großen Raum i m Erdgeschoß ein. Die S verlangte, die beiden Räume i m Erdgeschoß u n d den K e l l e r zu räumen u n d an sie herauszugeben. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme i n der Berufungsinstanz legte der B G H die „ V e r s i c h e r u n g " als Schenkungsversprechen aus. I n h a l t l i c h w a r d a m i t f ü r Y auf Lebenszeit e i n Recht z u m Besitz u n d z u r N u t z u n g der W o h n u n g e i n g e r ä u m t . D a es auch h i e r b e i — w i e i m F a l l 1 — seiner M e i n u n g n a c h a l l e i n a u f d i e F r a g e des S c h e n k u n g s v o l l z u g s ( § 5 1 8 I I ) a n k a m , b e m e r k t e d e r B G H : „ Ü b e r g i b t i n e i n e m solchen F a l l der Schenker die W o h n u n g d e m B e s c h e n k t e n z u m Z w e c k dieser N u t zung, so h a t er d a m i t das v o n seiner Seite z u r V e r t r a g s e r f ü l l u n g E r f o r derliche auch f ü r d i e Z u k u n f t v o l l s t ä n d i g g e t a n 1 1 9 . D e r F o r m m a n g e l ist d a h e r n i c h t n u r f ü r d i e Z e i t g e h e i l t , i n d e r d e r Schenker sein E i n v e r s t ä n d n i s m i t d e m B e w o h n e n d e r R ä u m e a u f r e c h t e r h ä l t , s o n d e r n auch d a r ü b e r h i n a u s f ü r das Schenkungsversprechen i m g a n z e n 1 2 0 . " I m J a h r e 1973 entschied auch das L G K ö l n 1 2 1 e i n e n F a l l u n e n t g e l t licher Wohnungsüberlassung, dem folgender Sachverhalt

zugrundelag:

Fall 4 Dem Ο gehört ein Drei-Parteien-Haus. I n einer der Wohnungen w o h n t Ο selbst. Die zweite hat er vermietet. I n der d r i t t e n Zweizimmerwohnung w o h n t Frau R. A m 25. Dezember 1938 hatte Ο gegenüber der R folgende handschriftliche E r k l ä r u n g abgegeben: „ H i e r m i t verpflichte ich mich, F r a u R eine Wohnung von 2 Zimmern, Küche, Bad u n d Heizung entsprechend meinen Vermögensverhältnissen u n entgeltlich auf Lebenszeit oder bis zu ihrer Wiederverheiratung zur V e r f ü gung zu stellen. Ich fühle mich unbedingt verpflichtet, aufgrund der jahrelangen Beziehungen, insbesondere darauf hin, daß F r a u R durch mich geschieden wurde, dieses Entgegenkommen zu zeigen. Ich stelle ausdrücklich fest, daß i m Falle meines Todes meine Erben diese Verpflichtung einzuhalten haben." 1959 hatten sich die Parteien nach einem von Ο angestrengten Räumungsund Mietzahlungsprozeß dahin verglichen, daß sich die R verpflichtete, „die anteiligen Heizungskosten während der Heizungsperiode entsprechend der von i h r bewohnten Räumlichkeiten — Vs — zu übernehmen". 1968 begehrte Ο auch die Erstattung anteiliger Kosten für Wasserverbrauch, Treppenhausbeleuchtung, K a m i n r e i n i g u n g u n d Gebühren f ü r Müllabfuhr, Abwasser u n d Straßenreinigung. Außerdem forderte Ο die Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung f ü r die Wohnung i n Höhe von 400 DM. A l s die R diese Forderungen ablehnte, erhob Ο Klage. Das L G K ö l n w i e s d i e K l a g e a b 1 2 2 , w e i l es i n d e r E r k l ä r u n g v o n 1938 e i n Schenkungsversprechen sah, w o n a c h Ο d e r R f ü r die Z u k u n f t Besitz 119 Der B G H zitiert dazu: U r t e i l desselben Senats v o m 6. 3.1970 = N J W 1970, 941 = W M 1970, 638 = M D R 1970, 496 = DNotZ 1970, 946 = L M Nr. 7 zu § 518 BGB. 120 B G H W M 1970, 1248 Ii. Sp. 121 N J W 1973, 1880. 122 L G K ö l n - 2 0 44/71 - Urt. v. 10. 5.1973, S. 1 f. (teilweise Abweisung).

Α. Unentgeltliches Wohnen als Leihe oder Schenkung

28

und Nutzung einer Wohnung unentgeltlich zuwenden wollte 1 2 3 . Den Mangel der notariellen Beurkundung des Versprechens betrachtete das L G als geheilt. Zur Begründung machte es sich die Ansicht des BGH zu eigen 1 2 4 . Darüber hinaus bemerkte das LG, daß es i m Rahmen des § 518 I I weniger auf den Erfüllungserfolg (§ 362) als viel stärker auf den Schutzzweck des § 518 I ankomme 1 2 5 . Dieser aber bestehe darin, den Schenker vor unüberlegter Übereilung zu schützen und Zweifel an seinem Willen zu rechtsgeschäftlicher Bindung zu beseitigen 126 . Demzufolge habe der Schenker m i t der Gebrauchsüberlassung auch das für die Zukunft seinerseits Erforderliche getan und dadurch die versprochene Leistung nach § 518 I I bewirkt, weil er seinen Zuwendungswillen i n umfassender Weise i n die Tat umgesetzt hat 1 2 7 . I n einer ausführlichen Besprechung der Entscheidung des B G H vom 6. 3.1970 (Fall 1) kritisierte Dietrich Reinicke 128 die Auffassung von der Bewirkung einer schenkweise versprochenen Leistung. Die Beurteilung des unentgeltlichen Wohnens als Schenkung von Besitz und Nutzung der Wohnung zog er dagegen nicht i n Zweifel 1 2 9 . Vielmehr wandte sich Reinicke unter Heranziehung der Entstehungsgeschichte der §§ 313, 362, 518 I I nur gegen die Heilungswirkung der formlosen Einräumung von Besitz und Nutzung für die Z u k u n f t 1 3 0 . Reinicke 1 3 1 legte dar, daß das auf ein lebenszeitiges Wohnrecht gerichtete Schenkungsversprechen nicht schon durch die einmalige Besitzeinräumung vollständig erfüllt sei; denn der Schenker schulde den Gebrauch der Wohnung bis zum Tode des Beschenkten. Dem B G H gab Reinicke 1 3 2 zwar zu, daß der Schenker die Erfüllung des schuldrechtlichen Anspruchs auf die Wohnung damit einzulösen beginne, daß der Beschenkte m i t seiner Einwilligung i n den Zimmern wohnt. Aber der Erfüllungserfolg nach § 518 I I trete, meinte Reinicke, nur bis zu dem Zeitpunkt ein, i n welchem diese Voraussetzung gegeben sei, nicht hingegen für die spätere Zeit; der Schenkungsvollzug könne den Formmangel nur für die Vergangen123 124 125

126 127

L G K ö l n N J W 1973, 1880 Leitsatz a) u n d re. Sp. L G K ö l n N J W 1973, 1880 re. Sp. u n d 1881 Ii. Sp. L G K ö l n N J W 1973,1881 Ii. Sp. F N

125.

F N 125. 128 N J W 1970, 1447. 129 Reinicke bemerkt lediglich, daß bei der Frage, was der Beschenkte bekommen habe u n d behalten könne, nicht auf den Besitz als solchen abgestellt werden dürfe u n d es nicht darauf ankomme, „ob der Beschenkte irgend etwas (den Besitz), sondern ob er die versprochene Leistung erhalten hat" (NJW 1970, 1449). 130 Reinicke N J W 1970, 1447 f.; so schon B A G N J W 1959, 1746. 131 N J W 1970, 1449. 132 N J W 1970, 1449, Ii. Sp.

2. Rechtsprechung u n d L i t e r a t u r seit dem Jahre 1970

29

heit heilen; lediglich für diese Zeit bestehe ein bereicherungsfester Rechtsgrund; für die Zukunft dagegen sei das Schenkungsversprechen, auf Lebenszeit umsonst zu wohnen, wegen fehlender Bewirkung nicht i g 1 3 3 ; es könne dem Beschenkten keinesfalls als Rechtsgrund für die Erlangung weiterer Vorteile dienen, nämlich des künftigen Gebrauchs der Wohnung 1 3 4 . Reinicke 1 3 5 gelangte zu dem Schluß: „Sind Gegenstand eines Schenkungsversprechens Besitz und Nutzung einer Sache, so w i r d der Mangel der Beurkundungsform nicht schon dadurch geheilt, daß der Schenker die Sache dem Beschenkten zum Zwecke der Nutzung übergibt; eine Heilung t r i t t vielmehr nur insoweit ein, als dieser die Sache m i t seinem Einverständnis bereits genutzt hat." Gegen die Ansicht Reinickes, die Heilung des Formmangels auf die Vergangenheit zu beschränken, wandte sich das L G Köln. Nach seiner Auffassung liegt es für die Auslegung des § 518 I I sachlich näher, auf den Schutzzweck des § 518 I denn auf den Erfüllungserfolg nach § 362 abzustellen 136 . Habe der Schenker erkennbar überlegt und ohne Übereilung gehandelt und stehe zudem sein Bindungswille außer Zweifel 1 3 7 , dann heile die Leistungsbewirkung den Formmangel über die Vergangenheit hinaus auch für die Z u k u n f t 1 3 8 . Die Mehrzahl der Lehrbuchliteratur befaßt sich m i t den besonderen Problemen beim unentgeltlichen Wohnen überhaupt nicht 1 3 9 . Andere Schriftsteller schließen sich ansonsten der Beurteilung des B G H i m Ergebnis 1 4 0 ohne nähere Begründung 1 4 1 an oder verharren bei einer lediglich allgemeinen Abgrenzung von Schenkung und Leihe 1 4 2 .

133 Reinicke N J W 1970, 1449 re. Sp. Vgl. B A G N J W 1959, 1746 Leitsatz d : „Der Formmangel nach § 518 B G B w i r d bei einem nicht beurkundeten Schenkungsversprechen f ü r längere Zeit oder auf Lebenszeit durch B e w i r k u n g von Leistungen n u r f ü r die Zeit geheilt, für die die Leistungen erfolgt sind." 134 Reinicke N J W 1970, 1450. 135 N J W 1970, 1450. 136 L G K ö l n N J W 1973, 1881 Ii. Sp. 137 F N 136. 138 L G K ö l n N J W 1973, 1880 re. Sp. u n d 1881 Ii. Sp. 139 Esser, Esser / Weyers, H. Dilcher, Medicus, Brox, Fikentscher, Schuldrecht. 140 Larenz § 471, S. 154 F N 3; Köhler 62; Erman/ Seiler Rdnr. 27 zu § 516; Mezger i n B G B - R G R K Rdnr. 5 zu § 516; Gelhaar i n B G B - R G R K Rdnr. 5 vor § 598; Palandt / Putzo A . 5 zu § 518; Staudinger / Reuss, 12. Auflage, 1978, Rdnr. 39 zu § 516; Reinicke N J W 1970, 1449. 141 Mezger i n B G B - R G R K Rdnr. 4 zu § 518; Reinicke N J W 1970, 1449. Palandt / Putzo (A. 5 zu § 518) verweist auf „h. M.". 142 Esser § 6712 a, S. 80; Esser/ Weyers § 1212, S. 128 f.; Medicus 373; Fikentscher, Schuldrecht, § 731 a. E., S. 429; Brox Rdnr. 138.

Rdnr.

30

Α. Unentgeltliches Wohnen als Leihe oder Schenkung

M i t d e m H i n w e i s Gelhaars 143, a u f d i e besonderen U m s t ä n d e des E i n zelfalles abzustellen, i s t nichts g e w o n n e n . A u c h d i e v o n Reinicke 144 und Mezger 145 gegenüber d e m B G H e r h o b e n e n E i n w ä n d e b e t r e f f e n doch die Gegenstände des Schenkungsversprechens, n ä m l i c h Besitz u n d N u t z u n g , nicht146. Fast a l l e A n h ä n g e r d e r S c h e n k u n g s n a t u r e i n e r u n e n t g e l t l i c h e n W o h n u n g s ü b e r l a s s u n g v e r w e n d e n als A r g u m e n t d i e A u s g a b e n e r s p a r n i s 1 4 7 . Diesbezügliche D a r l e g u n g e n s i n d n i c h t i m m e r w i d e r s p r u c h s f r e i . Nach Erman / Seiler 148 k a n n allgemein unentgeltliche Überlassung des Gebrauchs einer Sache Schenkung sein, „ w e n n dieselbe nach den V e r h ä l t nissen geeignet ist, anderen gegen Entgelt überlassen zu werden u n d bürgerliche Früchte zu tragen, u n d der Gläubiger sie andernfalls selbst nutzen würde". Seiler bezieht sich dabei auf die Rechtsprechung des B G H 1 4 9 , w ä h rend für Erman / Schopp150 „Überlassung einer Sache zum unentgeltlichen Gebrauch bis zur Verwertung . . . Leihe, nicht Schenkung" ist u n d er sich zur Begründung auf die reichsgerichtliche J u d i k a t u r 1 5 1 stützt. Mezger 152 rechnet die Überlassung des Gebrauches einer Sache zunächst grundsätzlich zu den bereichernden Schenkungszuwendungen, schränkt dies aber dann wieder ein. „Gebrauchsüberlassungen bereichern den Empfänger nur dann, w e n n sie i h m Ausgaben ersparen. Gegenstand der Schenkung ist dann die Ersparnis, also derjenige Wert, der f ü r eine solche Leistung ü b licherweise hätte gewährt werden müssen." Z u r Entreicherung bei der Schenkung bemerkt Mezger 1 5 3 : „Das k a n n auch durch unentgeltliche Gebrauchsüberlassung geschehen (Leihe, unverzinsliches Darlehen), sofern dadurch ein Ertrag aufgeopfert w i r d , den der Schenker sonst gewonnen hätte." Daß insbesondere bei Ersparung von Ausgaben i n der unentgeltlichen Überlassung des Gebrauchs einer Sache Schenkung liegen kann, muß nach Staudinger / Reuss 154 i n der Tradition des gemeinen Rechts sowie des preußischen Landrechts „ i m allgemeinen auch jetzt noch gelten". „Nicht Schenkung, sondern Leihe liegt dagegen vor, w e n n der Eigentümer dem anderen eine Sache, die er jetzt gerade nicht verwenden kann, solange unentgeltlich überläßt, bis sich eine Verwertungsgelegenheit findet, ζ. B. eine leerstehende Wohnung 1 5 5 ." 143

i n B G B - R G R K Rdnr. 5 vor § 598. N J W 1970, 1447. 145 i n B G B - R G R K Rdnr. 4 zu § 518 (S. 295 oben). 146 Reinicke N J W 1970, 1449; Mezger i n B G B - R G R K Rdnr. 5 zu § 516, Rdnr. 4 zu § 518. 147 Erman I Seiler Rdnr. 25 zu § 516; Mezger i n B G B - R G R K Rdnr. 5 zu § 516; Palandt / Putzo A . 2 zu § 516; Staudinger / Reuss, 12. Auflage, 1978, Rdnrn. 4, 39 zu § 516; Meinig 167 f. 148 Rdnrn. 3, 25 zu § 516. 149 N J W 1970, 941. 150 Rdnr. 1 zu § 598. 151 R G SächsArch 10 (1900) 244. 152 i n B G B - R G R K Rdnr. 5 zu § 516. 153 i n B G B - R G R K Rdnr. 6 zu § 516. 154 12. Auflage, 1978, Rdnr. 39 zu § 516. 144

2. Rechtsprechung u n d L i t e r a t u r seit dem Jahre 1970

31

Hervorhebung verdient die von Larenz 156 i m zeitlichen Zusammenhang m i t den BGH-Entscheidungen vertretene Auffassung 1 5 7 . Larenz begründet die Unanwendbarkeit von Leiheregeln für das auf Lebenszeit eingeräumte unentgeltliche Wohnrecht damit, daß sich der Vertragstyp Leihe auf eine „unentgeltliche Gebrauchsüberlassung für verhältnismäßig kurze Z e i t " 1 5 8 ohne fühlbare wirtschaftliche Einbuße für den Verleiher beschränkt 159 . Besteht hingegen „die Verpflichtung zu einer langfristigen Gebrauchsüberlassung ohne Entgelt, ζ. B. zur unentgeltlichen Überlassung einer Wohnung an den Berechtigten auf dessen Lebenszeit" 1 6 0 , so liegt — nach Larenz — typologisch eine solche Annäherung an die Schenkung v o r 1 6 1 , die deswegen zur Anwendung von Schenkungsregeln f ü h r t 1 6 2 , weil „darin ein Verzicht auf die übliche wirtschaftliche Nutzung (mögliche Mieterträge) für eine unabsehbare oder sehr lange Zeit gelegen i s t " 1 6 3 . Trotz der Rechtsprechung des B G H fehlt es i m neueren Schrifttum nicht an Stimmen, die i n der unentgeltlichen Überlassung von Wohnraum eine Leihe erblicken 1 6 4 . Neben der systematisch und inhaltlich be-

155

Staudinger / Reuss, 12. Auflage, 1978, Rdnr. 39 zu § 516. SchuldR I I , 10. Auflage, § 471, S. 125 m i t F N 4; § 50, S. 186 m i t F N 3. Diese Grenzziehung stellt Larenz seit der 10. Auflage, 1972, neben die begriffliche. E r behält sie i n der 11. Auflage, 1977, bei. 157 Köhler (62) folgt. Ebenso jetzt Soergel / Mühl, 11. Auflage, Rdnr. 7 zu § 518. Ä h n l i c h wie Köhler auch Gelhaar i n B G B - R G R K Rdnr. 5 vor § 598. 158 SchuldR I I , 10. Auflage, 1972, § 47 I, S. 125 F N 4; SchuldR I I , 11. Auflage, 1977, § 47 I, S. 154 F N 3. Ä h n l i c h Gelhaar i n B G B - R G R K Rdnr. 5 vor § 598, der Zweifel an der Leihe f ü r eine „ v o n vornherein f ü r längere Zeit geplante unentgeltliche Gebrauchsüberlassung" anmeldet. 159 Larenz, SchuldR I I , 10. Auflage, 1972, § 471, S. 125 F N 4; SchuldR I I , 11. Auflage, 1977, § 47 I, S. 154 F N 3. 160 F N 159. 161 Ä h n l i c h schon Heck (§ 94.6, S. 297), der i n seinen Beispielen f ü r A n w e n dung von Schenkungsrecht auf Gefälligkeitsverträge von unentgeltlicher Tätigkeit „auf Jahre" spricht u n d neben wirtschaftlicher Bedeutung u n d Grad der Bindung, die Dauer f ü r entscheidend hält, ob Schenkungsrecht eingreift oder nicht (S. 298). Staudinger / Ostler u n d Staudinger / Reuss, 12. A u f lage, 1978 (Rdnr. 39 zu § 516) folgen Heck darin. Bartholdy (11) stellt ebenfalls auf „längere Zeit" ab. Auch Soergel / Mezger (Rdnr. 10 zu § 598) erwähnt „lange Dauer". Nach Cosack (§ 203 I I 2, S. 572 Beispiel) soll bei Versprechen unkündbarer Hausüberlassung auf 10 Jahre Schenkung vorliegen, ohne daß es zur Gültigkeit auf § 5181 ankommt. Ohne nähere Begründung steht dies i n Widerspruch zu Cosacks aus § 517 hergeleiteten Bemerkung, daß es keine Schenkung sei, „ w e n n jemand einen i h m offenstehenden Vermögenserwerb zugunsten eines anderen unterläßt" (§ 20014 a, S. 562). 156

162 Larenz, SchuldR I I , 10. Auflage, 1972, § 471, S. 125 F N 4; SchuldR I I , 11. Auflage, 1977, § 47 I, S. 154 F N 3; Köhler 62. 103 Larenz F N 162. 164 Schmelzeisen Rdnrn. 177, 187; Wolf § 1 2 A l e 5 , S. 69; Beck 112ff., bes. 116 f.; Kroier 31; Herrmann 194, 195 ff.

32

Α. Unentgeltliches Wohnen als Leihe oder Schenkung

gründeten Trennung 1 6 5 von Schenkung und Leihe w i r d teilweise schon auf Zuwendungsebene wegen fehlender Vermögensminderung unterschieden 166 , teilweise § 517 herangezogen 167 . Ausdrücklich Gebäude und Gebäudeteile, also unbewegliche Sachen, als Beispiele für Leihegegenstände nennen Schopp 168 , Gelhaar 169, Weyers 170 und Ernst Wolf 171. Gegen die Auffassung des BGH, das unentgeltliche Wohnen als Schenkung des Besitzes und Nutzung zu erfassen, haben sich neuestens Elke Herrmann und Ernst Wolf ausgesprochen. Nach Ansicht von Elke Herrmann liegt „ i n solchen Fällen eine Leihe nach § 598 vor, so daß sich die Frage des Schenkungsvollzuges überhaupt erübrigt" 1 7 2 . Ebenso ist es Ernst Wolf zufolge verfehlt, den „Familien ver trag für einen Schenkungsversprechensvertrag" 173 zu halten. „Die Ausführungen des B G H zu § 518 liegen neben der Sache" 174 ; „sind auch in sich nicht zutreffend" 1 7 5 . „Gegenstand der Vereinbarung war die Überlassung des Gebrauchs von Wohnräumen gegen ein noch zu vereinbarendes Entgelt. Ein Vertrag dieses Inhalts ist ein Vormietvertrag. Ein solcher bedarf keiner Form. Daran änderte sich auch nichts, wenn bis zum A b schluß des Mietvertrages unentgeltlicher Gebrauch der Wohnräume vereinbart gewesen sein sollte; dann bestand insoweit ein ebenfalls formlos zu vereinbarendes Leihverhältnis 1 7 6 ." Die dogmatische Begründung dieser Argumentation Wolfs ergibt sich aus seinen kritischen Bemerkungen zu der von Palandt / Putzo 177 vertretenen Meinung, daß eine Zuwendung unter anderem auch durch tatsächliche Handlungen möglich sei. „Daß eine Zuwendung auch durch 165

Medicus

Rdnr. 373; Wolf

§§ 1 2 A I c 5 , 13 Κ l i l a , S. 69, 135;

Herrmann

197 f. 1ββ

Schmelzeisen Rdnr. 177; Wolf §§ 1 2 A I c 5 , 13 Κ l i l a , S. 69, 135; Kroier 31; Beck 113 f; Herrmann 196 f. F ü r Brox (Rdnr. 138) fehlt es „nach gesetzlicher Wertung" bei der Leistung des bloßen Gebrauches des Vermögens (ζ. B. Leihe) an Vermögensminderung. 187 Esser § 6712 a, S. 81; Schmelzeisen Rdnr. 177; Larenz § 471, S. 154; Wolf § 12 A I c 5 , S. 69; Herrmann 199. Brox (Rdnr. 138) ist i n dieser Hinsicht unklar. Beck (114 f.) bezeichnet § 517 als „Hinweis auf die richtige Entscheidung" (114). Köhler (62) hält seine eigene Auffassung f ü r „freilich nicht u n bedenklich i m Hinblick auf § 517". 168 Erman / Schopp Rdnr. 1 zu § 598. 189 i n B G B - R G R K Rdnr. 1 zu § 598. 170 Esser / Weyers § 25 I, S. 214. 171 § 13 Κ I I I a, S. 135. 172 Herrmann 194. 173 Wolf § 12 A I c 5, S. 70. 174 Wolf § 12 A I c 5, S. 69 f. 175 § 12 A I c 5 F N 18, S. 70. Wolf weist diesbezüglich auf Reinicke (NJW 1970, 1447 ff.) hin. 178 F N 173. 177 Α. 2 zu § 516.

I I . Die zu den Rechtsfolgen vertretenen Auffassungen

33

eine nichtrechtsgeschäftliche Handlung, ζ. B. durch die Übertragung des Besitzes oder eines begünstigenden wirtschaftlichen Verhältnisses, vorgenommen werden kann, ist an sich zutreffend. Denn eine Zuwendung ist eine Verfügung zugunsten eines anderen und kann als solche nicht nur durch ein Verfügungsgeschäft, sondern auch als tatsächliche Verfügung erfolgen. Es gibt somit auch tatsächliche Zuwendungen. Eine solche kann aber nicht Gegenstand einer Schenkung sein 1 7 8 ." Da die Überlassung des Gebrauchs einer Sache an einen anderen — nach Wolf 179 — durch eine nichtrechtsgeschäftliche Handlung erfolgt, kann sie für ihn demzufolge nicht Schenkungsgegenstand sein; was i m BGB darin zum Ausdruck kommt, „daß das Schuldverhältnis der unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung (Leihverhältnis) i n den §§ 598 ff. besonders geregelt i s t " 1 8 0 . Der zwischen Leihe und Schenkung von Larenz 181 begründeten Unterscheidung, „daß der verliehene Gegenstand aus dem Vermögen des Verleihers nicht ausscheidet, die Zuwendung (der Gebrauchsvorteile) also nicht aus der Vermögenssubstanz erfolgt" begegnet Wolf 182 folgendermaßen. „Zuwendung ist die Übertragung eines Vermögensgegenstandes rechtlicher oder wirtschaftlicher A r t aus dem Vermögen eines Menschen i n das eines anderen. Ein Gebrauchsvorteil ist — i m Unterschied zu einer Verfügungsmöglichkeit über Gebrauchsvorteile — kein Vermögensgegenstand und kann daher nicht Gegenstand einer Zuwendung sein. Eine ,Substanz' eines Vermögens gibt es nicht 1 8 3 ." I I . Die zu den Rechtsfolgen der unentgeltlichen Überlassung von Wohnraum vertretenen Auffassungen Seit Inkrafttreten des BGB wurde neben der Kontroverse um die Vertragsart des kostenlosen Wohnens auch darüber gestritten, welche Vorschriften auf die unentgeltliche Wohnungsüberlassung anzuwenden seien. Für diejenigen Schriftsteller, die i n der unentgeltlich zur Verfügung gestellten Wohnung eine Leihe sehen, ist die Entscheidung eindeutig vorgezeichnet. Der Sachverhalt w i r d ausschließlich den Leihevorschriften unterstellt, die Anwendung von Schenkungsrecht abgelehnt. A u f die Sonderstellung Hecks ist bereits hingewiesen.

178 179 180 181 182 183

Wolf § 12 A I c 5, S. 69. § 12 A I c 5, S. 69. Wolf § 12 A I c 5, S. 69. Vgl. auch Herrmann 195 ff. § 50, S. 221; vgl. auch § 47 I, S. 154. § 13 Κ I I I a, S. 135. Vgl. auch Herrmann 200. Wolf § 13 Κ I I I a, S. 135.

3 Slapnicar

34

Α. Unentgeltliches Wohnen als Leihe oder Schenkung

Lediglich Liebisch 184 erwägt eine entsprechende Anwendung einzelner Schenkungsregeln. Während er die entsprechende Anwendung der §§ 518, 519, 521, 5231, 5241, 528 und 529 ausschließt, hält er eine analoge Heranziehung der §§ 523 II, 525 ff. und 530 ff. auf die Leihe für möglich 1 8 5 und angemessen 186 . Diejenigen Autoren, die beim unentgeltlichen Wohnen dagegen Schenkung annehmen, kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Eine Reihe von Schriftstellern läßt es bei der Feststellung bewenden, daß es sich u m eine Schenkung handele, ohne sich ausdrücklich zu den Folgen zu äußern 1 8 7 . Burckhardt 188, Crome 189 und Noell 190 unterstellen die Fälle unentgeltlicher Wohnungsüberlassung zwar ausnahmsweise, aber ausschließlich den Schenkungsregeln. Nach Schlie 191 und Amberg 192 kommen Vorschriften der Leihe und der Schenkung nebeneinander zur Anwendung. Das Versprechen, unentgeltlich eine Wohnung zur Verfügung zu stellen, w i l l Schlie der Form des § 518 I unterwerfen 1 9 3 und auch die Einrede der Bedürftigkeit (§ 519) zulassen. Amberg lehnt die Anwendbarkeit des § 518 I 1 9 4 m i t Rücksicht auf die Struktur der Leihe als eines Realvertrages ab; denn ein erst durch Hingabe der Sache zustandekommender Vertrag erfülle immer zugleich die Voraussetzungen der Schenkungsheilung nach § 518 I I 1 9 5 . Jedenfalls können die Rückforderung aus § 528 und der W i derruf aus § 530 stattfinden 1 9 6 . Oertmann hat sich zurückhaltend geäußert 197 . Lediglich „subsidiär" 198 w i l l er Schenkungsregeln heranziehen. Die Fragen, ob die Leihe wegen 184

81 ff. Liebisch 81. 186 Liebisch 82. 187 Horn 46, 47, 70; Stolte 22 ff., 25 f., 41; Simon 30 ff.; Froehlich Mallinckrodt 16; Schmid 18 f., 24; Bartholdy 11 f.; Hübner 12 f. iss Begriff 35. 185

52;

189

503 F N 4. 31 F N 110, 32. 191 24. 102 44 f f m

190

193

24, allerdings i m Widerspruch zu seiner Auffassung von der Leihe als eines Realvertrages. 194 Amberg (50 F N 2) r ä u m t ausnahmsweise § 519 eine begrenzte A n w e n dungsmöglichkeit ein. 195 Amberg 45 ff. 196 Schlie 25; Amberg 49 ff. 197 I m Zusammenhang m i t der von Liebisch beeinflußten Beschränkung der Schenkung auf gegenständliche Zuwendungen w i l l Oertmann (5. Auflage, Α. 1 c zu § 516) bei anderen unentgeltlichen Gebrauchsüberlassungsverträgen

I I . Die zu den Rechtsfolgen vertretenen Auffassungen

35

groben Undanks widerruflich sei und ob nach § 528 die Gebrauchsvorteile herausverlangt werden können, w i r f t er zwar auf, beantwortet sie aber nicht 1 9 9 . Cosack 200, Staudinger / Ostler 201 und i n der 12. Auflage jetzt noch Reuss 202 wollen auf die unentgeltliche Wohnungsüberlassung, die für sie sowohl Leihe als auch Schenkung ist 2 0 3 , nur die Bestimmungen der Leihe anwenden. I m Gefolge des B G H haben sich das L G K ö l n 2 0 4 , Reinicke 205, Mezger 20«, Larenz 207 und Köhler 208 für die Anwendung von § 518 ausgesprochen. Larenz 209 erwägt darüber hinaus die unmittelbare oder entsprechende Heranziehung der §§ 519, 528, 530. Für Meinig 210 kommt bei unentgeltlicher Überlassung des Gebrauchs an einem Grundstück der Pflichtteilsrestanspruch gemäß § 2305 211 i n Betracht. Wenige Autoren haben bislang der vom B G H und seinen Gefolgsleuten vertretenen Auffassung widersprochen. Für Beck ist der Schutz vor übereilter Vermögensverfügung, „den § 518 sicherstellen will, bei der Leihe überflüssig" 2 1 2 , ebenso das Rückforderungsrecht nach § 528, da es bei der Leihe „seine eigene Ausformung i n einem außerordentlichen Kündigungsrecht nach § 605 gefunden" 2 1 3 habe. Nach Ansicht Elke Hermanns vom unentgeltlichen Wohnen als Leihe erübrigt sich die Frage des Schenkungsvollzuges überhaupt 2 1 4 . Ernst Wolf bezeichnet die „eine vorsichtige (subsidiäre) entsprechende A n w e n d u n g der Schenkregeln anerkennen" (a.a.O.). Vgl. auch Oertmann, 5. Auflage, A . 3 zu § 517. 198 Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, 65; 5. Auflage des Kommentars, Α. 1 c zu § 516, A. 3 zu § 517. 199 Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, 65 F N 41. 200 § 203 I 2, S. 572 Beispiel. 201 Rdnr. 4 zu § 516. 202 Staudinger / Reuss, 12. Auflage, 1978, Rdnr. 39 zu § 516. 203 Cosack § 20312, S. 572 Beispiel; Staudinger / Ostler Rdnrn. 3, 39 zu § 516; Staudinger / Reuss, 12. Auflage, 1978, Rdnr. 39 zu § 516. 204 N J W 1973, 1880. 205 N J W 1970, 1449. 206 i n B G B - R G R K Rdnr. 4 zu § 518 (S. 295). 207 § 47 I, S. 154. I h m hat sich jetzt Soergel/ Mühl (11. Auflage, Rdnr. 7 zu §518) angeschlossen. 208 62 f. 209 § 47 I, S. 154 F N 3. 210 168. 211 Meinig spricht unzutreffenderweise v o m Pflichtteilsergänzungsanspruch, der i n §§ 2325 f. geregelt ist. 212 114. 213 114. Hedemann (§ 371, S. 211) spricht i n diesem Zusammenhang von einer „gewisse(n) Parallele" zwischen Rückforderung (§§ 519, 528) u n d K ü n d i gungsrecht bei Eigenbedarf (§ 605 Nr. 1). 214 Herrmann 194, i m einzelnen 194 - 202. 3*

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Α. Unentgeltliches Wohnen als Leihe oder Schenkung

Ausführungen des B G H zu § 518 als neben der Sache liegend und auch i n sich nicht zutreffend 2 1 5 . I I I . Die praktische Bedeutung der Beurteilung des unentgeltlichen Wohnens als Schenkung N i m m t man den Standpunkt der Rechtsprechung über die Schenkungsqualität unentgeltlicher Wohnungsüberlassung ein, so folgt daraus ohne weiteres die Formbedürftigkeit des Versprechens 216 . Bei Nichtbeachtung der von § 518 I vorgeschriebenen notariellen Form wäre es ungültig (§§ 125, 518 I). Daher sahen B G H und L G K ö l n das zentrale Problem folgerichtig darin, ob das Versprechen nach § 518 I I bereits bewirkt und der Formmangel dadurch geheilt worden sei. Gewiß ist die Anwendung des § 518 eine wichtige Folge der von der Judikatur vertretenen Auffassung 2 1 7 . Aber dies kann nur als eine m i t der juristischen Erfassung des kostenlosen Wohnens als Schenkung notwendig verbundene und damit immanente Erscheinung gewertet werden; denn sie ergibt sich aus dem Schenkungsrecht von selbst, ebenso wie der Widerruf wegen Undanks (§§ 530 ff.) und die Rückforderung bei Verarmung (§§ 528, 519) 218 . Für einen Leihvertrag, der die unentgeltliche Überlassung der Wohnung ja auch sein könnte, besteht eine solche formelle Beschränkung nicht 2 1 9 . Von weitaus größerer Tragweite für die praktische Bedeutung der umstrittenen Rechtsnatur des unentgeltlichen Wohnens sind die darüber hinausreichenden Ausstrahlungen der Entscheidung innerhalb 2 2 0 und außerhalb des B G B 2 2 1 . Das BGB knüpft nämlich an das Vorliegen einer Schenkung eine Reihe von Sonderbestimmungen, die für die Leihe nicht gelten.

215

Wolf § 12 A I c 5, S. 70 m i t F N 18. Heck § 94.6, S. 297; Larenz § 47 I, S. 154 F N 3; Schlie 24 f. 217 Mallinckrodt 18; Simson 1; Sonnenbrodt 11. 218 von Tuhr § 75 F N 19, S. 156; Heck § 93.2, S. 291; Noell 46 ff. 219 Crome 503 F N 4; Kohler § 1131, S. 292; Heck § 94.6, S. 297; Henle 74; Titze § 44.1, S. 171; Enneccerus / Lehmann § 140.4, S. 588; Wolf § 1 2 A I c 5 , S. 70; Erman / Wagner, 5. Auflage, Rdnr. 6 zu § 598; von Seeler 48 (allgemein), 50 (speziell); Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, 65 F N 41; Koeppen 3; Klostermann 3; Mallinckrodt 18 m i t dem zutreffenden Hinweis auf die prinzipielle Formfreiheit des B G B ; Sonnenbrodt 11; Beck 116; B G H - V I I I ZR 157/63 - Urt. v. 18.10.1965 - S. 9. 220 von Tuhr § 75 F N 19, S. 156; Sonnenbrodt 11. 221 Heck § 93.5, S. 292 f.; Simson 1; Noell 52 ff., 59 ff., 67 ff.; Beck 1 f.; Kroier 2 f. Die Besonderheiten bei unentgeltlichen Rechtsgeschäften, insbesondere der Schenkung stellt Mallinckrodt (18 ff.) ausführlich dar. 216

I I I . Praktische Bedeutung des unentgeltlichen Wohnens als Schenkung

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Umfangreiche Folgen bringt die Fixierung auf die Schenkungsnatur des unentgeltlichen Wohnens i m Familien- und Erbrecht 2 2 2 m i t sich. Hätte Frau A ihrer Schwester Β beispielsweise an einer zum Vermögen ihres minderjährigen Sohnes C gehörenden Wohnung — selbst unter Beachtung der Form des § 518 I — ein lebenslanges Gebrauchsrecht einräumen wollen 2 2 3 , so wäre dieser Vertrag unheilbar u n w i r k sam 2 2 4 . Da der Zweck des § 1641, der den Eltern Schenkungen in Vertretung des Kindes untersagt, i m Schutz des Kindesvermögens vor Schmälerung besteht 225 , wäre die kostenlose Vergabe einer Wohnung keine erlaubte Vermögensverwaltung der Eltern 2 2 6 . Die Nichtigkeit einer solchen Maßnahme könnte selbst durch vormundschaftsgerichtliche Genehmigung nicht beseitigt werden 2 2 7 . Dieselbe Folge träte ein, wenn Frau A als Vormund oder Pflegerin ihrer Nichte S aus deren Vermögen formgerecht ihrer Schwester Β unentgeltliches Wohnen versprechen würde. Denn § 1804 verbietet es — genauso wie § 1641 den Eltern — dem Vormund, i m Namen des Mündels aus dessen Vermögen Schenkungen zu machen. Gemäß § 1915 gilt § 1804 auch für die Vermögenssorge des Pflegers. Da i n beiden Fällen die Schenkung trotz erfolgter Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht schlechthin nichtig ist 2 2 8 , wäre auch ein solches Versprechen (der A) unwirksam 2 2 9 . Nichtigkeit hätte es ebenso i m vertragsmäßigen Güterstand der Gütergemeinschaft zur Folge, wenn Frau A als Verwalterin des Gesamtgutes ohne Zustimmung des Ehemannes eine zum gemeinsamen Vermögen gehörige Wohnung ihrer Schwester unentgeltlich überlassen hätte (§§ 1425, 14271, 1366 I, IV). Auch hierbei wäre die Unwirksamkeit darin begründet, daß Schenkungen regelmäßig außerhalb des Rahmens ordnungsmäßiger Vermögensverwaltung liegen 2 3 0 . Das i n den §§ 1641, 1804 allgemein ausgesprochene Verbot, fremdnützig und rechenschaftspflichtig verwaltetes Vermögen durch Schen222 F ü r das französische Recht (Artt. 843, 852, 856 Code civil) hat das Reichsgericht (RGZ 11, 360) bei unentgeltlicher Einräumung einer Wohnung eine Kollationspflicht, die Ausgleichung des Nachlasses f ü r Vorausempfänge, abgelehnt. 223 Vgl. die ähnliche F a l l b i l d u n g von Heck (§ 94.6, S. 297) u n d Liebisch (82). 224 Palandt / Diederichsen Α. 1 zu § 1641. 225 Hinz i n M K Rdnr. 1 zu § 1641. 226 Schlie (25) w i l l i n diesem Zusammenhang eine unentgeltliche W o h nungsüberlassung als verbotene Schenkung behandeln. Liebisch spricht von „unerwünscht" (82). 227 Vgl. B a y O b L G O L G 32 (1916) 19; Hinz i n M K Rdnr. 11 zu § 1641. 228 Vgl. B a y O b L G O L G 32 (1916) 19; Zagst i n M K Rdnr. 2 zu § 1804; Erman l Hefermehl Rdnr. 1 zu § 1804. 229 Heck § 94.6, S. 297; Schlie 25. 230 Erman / Heckelmann Rdnr. 2 zu § 1425.

Α. Unentgeltliches Wohnen als Leihe oder Schenkung

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kungen zu vermindern, erlangt ebenso für das Erbrecht Bedeutung 2 3 1 . Auch wenn Vorerbe oder Testamentsvollstrecker auf unentgeltlicher Grundlage beruhende Verfügungen — wofür die Schenkung den Prototyp bildet 2 3 2 — vornehmen, sind diese unwirksam (§§ 2113 II, 2205). Hätte Frau A beispielsweise als Vorerbin ihres verstorbenen Mannes gehandelt, so wäre selbst bei befreiter Vorerbschaft die Einräumung eines unentgeltlichen obligatorischen Wohnrechts zugunsten ihrer Schwester keine ordnungsmäßige und damit eine unwirksame Vermögensverwaltung 2 3 3 gewesen (§§ 21361, 2113 II). Dieselbe Beurteilung t r i f f t auch für den Fall der Testamentsvollstreckung zu (§ 2205 S. 3). Erblickt man i n der unentgeltlichen Wohnungsüberlassung eine Schenkung, dann begründet dies nach Maßgabe des § 2325 einen Anspruch auf Ergänzung des Pflichtteils 2 3 4 . Hat der Erblasser, um seinen Vertragserben absichtlich zu beeinträchtigen, jemandem ein obligatorisches Wohnrecht i n seinem Hause „geschenkt", dann müßte der Vertragserbe nach dem Erbfall die Herausgabe des Geschenks nach Bereicherungsgrundsätzen fordern können (§ 2287). Dieselbe Rechtsfolge ergäbe sich bei Auflösung des Verlöbnisses (§ 1301) 235 sowie i m Hinblick auf eine Ausstattung (§ 1624) 236 , wenn die von den Eltern unentgeltlich zur Verfügung gestellte Wohnung deren Vermögensverhältnisse übersteigt und demzufolge als Schenkung zu beurteilen wäre. Außerdem ergeben sich auch i m Bereich des Schuld- und Sachenrechts (§§ 81612, 822, 988) Konsequenzen aus der Entscheidung, wie unentgeltliches Wohnen juristisch zu erfassen ist. Bei § 816 I 2 hält es Karpus 237 für denkbar, eine auf Leihe basierende Nutzungsmöglichkeit als Bereicherungswert herauszugeben; w o r i n allerdings eine Verfügung liegen soll, führt er nicht aus. Larenz 238 spricht sich generell für die analoge Anwendung von § 816 I 2 aus 239 , „wenn 231

Vgl. Hinz M K Rdnr. 1 zu § 1641; Spellenberg FamRZ 1974, 350. Planck/Knoke A. 3 vor § 516; Staudinger l Ostler Rdnr. 2 vor § 516; Staudinger / Reuss, 12. Auflage, 1978, Rdnr. 2 vor § 516. Ä h n l i c h auch Titze § 42.1, S. 159; Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, 2; Noell 9. 233 Erman l Hense Rdnrn. 3, 10 zu § 2113. 234 Vgl. dazu B G H N J W 1961, 605; N J W 1972, 1709, 1710. Meinig (168) w i l l wegen „der unentgeltlichen Überlassung des Gebrauchs an einem G r u n d stück" einen „Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2305" gewähren. U n k l a r bleibt, ob sie dabei einen Pflichtteilsrestanspruch gemäß § 2305 meint oder n u r eine falsche Vorschrift, nämlich § 2325 zitiert. 235 Vgl. dazu O L G K ö l n N J W 1961, 1726; Amberg 50; Boehmer 262. 236 I n R G WarnRspr. 1920 Nr. 98, S. 125, 126 u n d L G Mannheim N J W 1970, 2111 geht es u m unentgeltliche Wohnungsüberlassung als Ausstattung. 237 54. 238 § 69 I V b, S. 503 f. 239 So Larenz, SchuldR I I , bereits seit der 1. Auflage (1956), § 62 I I c 2, S. 309. 232

I I I . Praktische Bedeutung des unentgeltlichen Wohnens als Schenkung

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jemand eine fremde Sache an einen Dritten verleiht, diesem also die Gebrauchsvorteile, die dem Eigentümer gebühren, unentgeltlich zuwendet" 2 4 0 . Der Dritte soll dann dem Eigentümer verpflichtet sein, den Wert der erlangten Gebrauchsvorteile zu ersetzen, „obgleich er den Leihbesitz von dem unbefugt handelnden Verleiher m i t Rechtsgrund erlangt h a t " 2 4 1 . Für § 988 w i r d vereinzelt die Auffassung vertreten 2 4 2 , daß ein unentgeltlicher Erwerb auch bei zunächst mietzinsfreiem Gebrauch einer Wohnung vorläge. Demzufolge hält das L G Mannheim 2 4 3 denjenigen, der während der Zwangsversteigerung i n Räumen umsonst wohnt, für verpflichtet, den üblichen Mietzins zu entrichten. Die Folgen der einmal bezogenen Schenkungsposition treten aber auch bei der Schenkungsanfechtung des Konkursrechts (§ 32 KO) und i m Anfechtungsgesetz ( § 3 1 Nr. 3, 4) i n Erscheinung 244 . Außerdem kann die Problementscheidung, fällt sie zugunsten der Schenkung aus, i n mehrfacher Hinsicht i m Steuerrecht 245 , insbesondere i m Schenkungsund Erbschaftssteuergesetz 246 praktisch werden. Die für die juristische Erfassung der unentgeltlichen Überlassung von Wohnraum notwendige Abgrenzung von Schenkung und Leihe läßt sich bis auf die klassische römische Jurisprudenz zurückverfolgen 2 4 7 . Die rechtliche Würdigung der unentgeltlichen Überlassung von Wohnraum zum Gebrauch (gratis habitare) scheint bereits unter den klassischen Rechtsgelehrten umstritten gewesen zu sein. Einerseits w i r d das habitare gratis überwiegend als Leihe (commodatum) erfaßt. Dafür setzen sich Cassius Longinus (gest. nach 69) 248 , Vivian (ca. 98 - 117) 249 und

240

241 F 242

Larenz, SchuldR I I , § 6 9 I V b, S. 504. N 240.

L G Mannheim Z M R 1969, 178 f.; Palandt l Bassenge A. 2 b zu § 988. Z M R 1969, 178, 179. 244 von Gierke § 191 V I 3, S. 429 m i t F N 59; F. Leonhard 113; Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, 3; Stolte 46; Simson 1; Hübner 36. Abweichend Endemann, BürgR, § 164, S. 1024 F N 2 jedoch ohne nähere Begründung. 245 Heck § 93.7, S. 293; F. Leonhard 113; Rosenthal / Bohnenberg Rdnr. 1501; Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, 3; Bartholdy 56 ff.; Hübner 36 f.; Kroier 3 m i t F N 1 u n d 2. §§ 21 I I , 21 a EStG; § 3 Nr. 2 GrEStG; § 61 L A G . Die i m Z u sammenhang damit stehenden Probleme können hier nicht weiter behandelt werden. Vgl. dazu Liebisch 109 ff.; Jung passim. 246 §§ 1 1 Nr. 2 I I , 7 ErbStG. 247 Amberg (8), Heimann (41 f.) u n d Sonnenbrodt (5 f.) machen m i t ihren Ausführungen deutlich, daß es sich dabei u m einen geradezu typischen Schulfall f ü r Dogmengeschichte handelt. 248 Kunkel (130 f.) n i m m t an, daß er ein E n k e l des gleichnamigen Caesarmörders war. 249 Kunkel 146; Mayer-Maly, RE I X A . 1, 496 f. 243

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Α. Unentgeltliches Wohnen als Leihe oder Schenkung

Ulpian (gest. 223) 250 ein 2 5 1 . M. Antistius Labeo (gest. zwischen 10 - 21) 252 spricht anstelle von „commodare" bei unbeweglichen Sachen von „utendum dare" 2 5 3 . Andererseits bringt Sextus Pomponius (ca. 138 - 161) 254 das gratis habitare m i t der Schenkung (donatio) i n Zusammenhang 255 . Aber auch die Meinungsverschiedenheiten darüber, welche Rechtsregeln auf das unentgeltliche Wohnen anzuwenden seien, können auf dieselbe fast 2000jährige Tradition zurückblicken. Einerseits unterfällt die habitatio gratuita den Regeln des commodatum 256. So erachtet Vivian für sie eine actio commodati als gegeben, während Ulpian eine actio praescriptis verbis für „sicherer" hält 2 5 7 . Andererseits läßt Pomponius das habitare gratis unter das Schenkungsverbot unter Ehegatten fallen 2 5 8 und behandelt es i m Zusammenhang m i t der lex Cincia 259. Die i m geltenden Recht vertretenen Auffassungen sind also nicht neu. Windscheid 260, Oertmann 261 und sogar Enneccerus / Lehmann262 berufen sich i n diesem Zusammenhang auf Pomponius. Deshalb ist es zur K l ä rung der modernrechtlichen Fragen notwendig, zunächst die juristische Erfassung des gratis habitare i m klassischen römischen Recht zu analysieren.

250 Käser, Rechtsgeschichte, 195; Jörs, RE V. 1, 1435 ff.; Mayer-Maly, RE I X A. 1, 567 ff. Kunkel (245 ff.) hat allerdings noch nicht Pap. O x y r h X X X I Nr. 2565 berücksichtigt u n d das früher angenommene Todesjahr 228 geschrieben (246). Neuestens zu U l p i a n Crifò, A N R W I I . 15, 708 ff. 251 D. 13, 6,1,1. 252 Pomp. D. 1, 2, 2,47 u n d 48. A. Pernice , Labeo I, 7 ff., bes. 9 ff.; Jörs, RE I. 2, 2548; Kunkel 114. 253 D. 13, 6,1,1. 254 Kunkel 170 f.; Wesenberg, RE X X I . 1, 2416 ff. Neuestens zu Pomponius: Nörr, A N R W 11.15, 509 ff. 255 D. 24,1,18; 39, 5, 9 pr. 256 D. 13, 6,1,1; ferner D. 19, 5,17 pr. 257 D. 19, 5,17 pr. 258 D. 24,1,18. 259 D. 39, 5, 9 pr. 260 § 365 F N 2 (S. 544), F N 6 (S. 547), bes. F N 14 (S. 548), F N 15 (S. 549). 261 Α . 1 b γ vor § 516; Entgeltliche Geschäfte 65 f. 262 § 120 I I 1 a, S. 487 F N 2 (1958 ! ).

Β. Gratis habitare als Leihe (commodatum) im klassischen römischen Recht Es l i e g t v o n v o r n h e r e i n nahe, i n der u n e n t g e l t l i c h e n G e b r a u c h s ü b e r lassung v o n W o h n r a u m auch f ü r das römische Recht eine L e i h e (commodatum) anzunehmen. I . D i e Voraussetzungen des commodatum W i e h e u t e noch d i e L e i h e des g e l t e n d e n Rechts ist schon i m k l a s s i schen r ö m i s c h e n Recht das commodatum als besonderer V e r t r a g s t y p ausgebildet u n d d u r c h die z e i t w e i l i g e , u n e n t g e l t l i c h e G e b r a u c h s ü b e r lassung e i n e r Sache g e k e n n z e i c h n e t 1 . D e r U r s p r u n g des commodatum i s t — w i e f ü r das gesamte römische Recht t y p i s c h — i m b ä u e r l i c h e n L e b e n z u suchen 2 . Das L e i h e n v o l l z i e h t sich zunächst a u ß e r h a l b des Rechts i m gesellschaftlichen R a u m 3 . So ist das commodatum d e m ä l t e r e n r e p u b l i k a n i s c h e n Recht als V e r t r a g n o c h u n b e k a n n t 4 . A u f g r u n d l i t e r a r i s c h e r Ü b e r l i e f e r u n g e n 5 ist z w a r k e i n e 1 Siehe neben den Fragmenten i m Digestentitel 13,6; Ulp. D. 43,26,1,3; Gaius D. 44, 7,1, 3 u n d 4; ferner Just. Inst. 3,14, 2 i. f. von Mayr 52; Endemann, RPR, 167; Siber 189; Kipp 261; Jörs / Kunkel § 136.1, S. 221; Sohm ! Mitteis ! Wenger 395 f.; Schulz, CRL, Rdnrn. 875, 876, 881; Seidl, RPR, Rdnr. 497; Watson , obligations, 167 ff.; Käser, RPR I, § 125 I, S. 533. 2 Vgl. Cato maior, De agricultura, 4, 5; 5, 3. R. Leonhard, RE I V . 1, 771; Michel Nr. 140. 3 Schulz, CRL, Rdnr. 882; Pastori 32 - 35; Garresi 10; Michel Nrn. 61, 62, 140, 141. 4 Siber 189; Schulz, CRL, Rdnr. 882; Stock 43; Pastori 35 m i t F N 3 u n d ff.; Michel Nr. 61; Macqueron Index 1, 265. Die Geschichte des commodatum reicht nicht über das erste vorchristliche Jahrhundert zurück (Michel Nrn. 62, 618). Siber (189) hält es erst nach Quintus Mucius Scaevola (gest. 82) f ü r zum K o n t r a k t geworden. E r legt dafür offenbar Ulp. D. 13, 6 5, 3 zugrunde. 5 Plautus (ca. 250 - 184 v. Chr.): Asinaria 2 , 4 , 3 8 - 9 ; A u l u l a r i a 1 , 2 , 1 8 - 9 ; 2,4,32; 2,9,3; Cistellaria 4,2,75; Curculio 5 , 2 , 3 - 5 ; Menaechmi 4 , 2 , 9 4 - 6 ; Miles gloriosus 2,3,76; 3 , 1 , 1 7 6 - 8 ; Persa 1 , 3 , 4 7 - 8 ; 2 , 3 , 1 - 2 ; 2,5,19; Rudens 3, 1, 9 - 1 0 ; T r i n u m m u s 5, 2, 7 (dazu Costa, d i r i t t o d i Plauto, 313 f.; teilweise Ferrini 93 f.; Pastori 35 ff.; Kaufmann 241 f.). Cato (234 - 149 v. Chr.): De agricultura 5,7 (dazu Pastori 35; Michel Nr. 140). Terenz (ca. 195- 159 v. Chr.): Hecyra 5,1,34 (dazu Pastori 36). Auetor ad Herennium (ca. 85v.Chr.) 4, 51, 6 4 : . . . Iste hospites donum deduciti ait se aedes maximas cuidam amico ad nuptias commodasse. Nuntiat puer argentum repeti: pertimuerat enim, qui commodarat. „Apagete te", inquit, „aedes commodavi, familiam dedi: argentum quoque vult? Tametsi hospites habeo, tarnen utatur licet, nos Samis delectabimur" . . . (dazu Cicogna B I D R 19, 237; de Caqueray 403 f.; Ferrini 95). Ovid (43 ν. Chr. - 17 η. Chr.): 1 A r t . am 435 (dazu Pastori 36).

B. gratis habitare

42

als commodatum

i m römischen Recht

genaue, i m m e r h i n aber eine w a h r s c h e i n l i c h e D a t i e r u n g seiner r e c h t l i c h e n A n e r k e n n u n g m ö g l i c h 6 . D e r prozessuale Schutz f ü r das R ü c k g a b e v e r l a n g e n des E n t l e i h e r s l i e g t i m H o n o r a r r e c h t b e g r ü n d e t 7 . E i n e f ü r d e n T a t b e s t a n d des commodatum g e w ä h r t e K l a g e (actio commodati) ist zunächst in factum k o n z i p i e r t 8 u n d r e i c h t w o h l n i c h t ü b e r das erste vorchristliche Jahrhundert zurück 9. V o n i h r berichtet Ulpianus D. 13, 6,1 pr. (lib. 28 ad edictum): Ait praetor: dasse dicetur, de eo iudicium dabo".

„quod quis

commo-

U m d i e W e n d e v o n d e r R e p u b l i k z u m P r i n z i p a t w i r d eine in ius k o n z i p i e r t e F o r m e l z u r V e r f ü g u n g g e s t e l l t (Gaius 4, 47) 1 0 . Das später a u f A n o r d n u n g H a d r i a n s v o n S a l v i u s I u l i a n u s (ca. 100 - 165) 1 1 r e d i g i e r t e p r ä t o r i s c h e edictum perpetuum 12 h ä l t beide F o r m e l n b e r e i t 1 3 . Sie l a u t e n : actio commodati i n factum concepta: Si paret Am Am No No habitationem, qua de re agitur, commodasse eamque (dolo malo Ni Ni?) 14· Ao Ao redditam non esse, quanti ea res erit, tantam pecuniam iudex Nm Nm Ao Ao condem nato, si non paret, absolvito 15. actio commodati i n ius concepta: Quod As As No No habitationem commodavit, qua de re agitur, quidquid ob earn rem Nm Nm Ao Ao dare facere oportet (ex fide bona?)10 eius iudex Nm Nm Ao Ao, si non paret, absolvito 17. Z w a r verschaffte d i e j ü n g e r e in ius k o n z i p i e r t e formula

dem Ver-

l e i h e r Schadensersatz aus a l l e n P f l i c h t v e r l e t z u n g e n des E n t l e i h e r s u n d 6

Pastori 35 ff.; Carresi 10; Michel Nrn. 140,141; Ferrini 93 ff. Jörs/Kunkel § 117.2 c, S. 189; Watson, L a w Making, 43 f.; Macqueron Index 1, 265; Maschi, St. Volterra I V , 710. 8 Watson, obligations, 167; Mette 46; Wubbe TR 35, 505; Maqueron Index 1, 265. 9 Watson , L a w Making, 44; Mette 46; Pastori 61; Carresi 10; Michel Nr. 62; Ferrini 92; Wubbe TR 35, 505. 10 Watson, obligations, 167; Pastori 35 F N 3; Carresi 10; Michel Nr. 62 (S. 51); Ferrini 95 ff. 11 Neuestens Bund, A N R W I I . 15, 408 ff. Siehe auch Kunkel 157 ff.; I U R A 1, 192 ff.; Nörr, Daube Noster, 233 - 242. 12 Const. Tanta 18. Sohm l Mitteis / Wenger 85 ff.; Schulz, Geschichte, 149 F N 6, 150 F N 1 u n d 2; Käser, Rechtsgeschichte, § 33 I I I 6, S. 148; Seidl, Rom. Rechtsgeschichte, Rdnrn. 124, 177; Söllner 126; Dulckeit / Schwarz / Waldstein § 2 2 V 7 , S. 137; Pringsheim, Fs Lenel, I f f . ; Kunkel I U R A 1, 193; Nörr, Daube Noster, 243; Bund, A N R W I I . 15, 427. 13 Gaius 4, 47 i. f. Lenel, edictum, 252 ff.; Siber 189; Jörs / Kunkel §§ 117 F N 10, 136.2 a, S. 189, 222; Schulz, CRL, Rdnr. 883; Rabel § 62, S. 100; Watson, obligations, 167 f.; L a w Making, 44; Käser, RPR I, § 125 I I , S. 534; Pastori 50; Labeo 2, 89 ff.; Ferrini 8 2 - 9 3 ; Luzzatto Labeo 2, 357 ff.; Carresi 10. 14 Vgl. Lenel, edictum, 253; Schulz, CRL, Rdnr. 883; Käser, RPR I, §12511 m i t F N 10, 11, S. 534; Pastori Labeo 2, 90 f.; Luzzatto Labeo 2, 358 ff.; Maschi, St. Volterra I V , 694 ff., 698 ff. 15 Lenel, edictum, 252; Schulz, CRL, Rdnr. 883. te F N 1 4 > 7

17 Lenel, edictum, 252; Schulz, CRL, Rdnr. 883. Siehe auch Pastori Labeo 2, 90; Luzzatto Labeo 2, 358 ff.

I. Voraussetzungen des

commodatum

43

räumte dem Richter ein weiteres Ermessen ein (quidquid ... dare facere oportet) als die ältere formula in factum concepta, die nur auf den objektiven Wert der Sache und auf das aus ihr Erlangte ging (quanti ea res erit). Aber gerade deshalb konnte sie gelegentlich als die vorteilhaftere der in ius konzipierten actio vorzuziehen sein 18 . Das commodatum ist ein Realvertrag, womit es i n einer Reihe neben mutuum, depositum und pignus steht 19 . Für den Vertragsschluß ist demnach neben der vertraglichen Einigung 2 0 die Hingabe der Sache das ausschlaggebende Moment 2 1 . Da das commodatum re zustandekommt, kann durch bloßes formloses pactum keine Verpflichtung zur Gebrauchsüberlassung der Sache begründet werden. Infolgedessen ist ein nicht i n Stipulationsform gekleidetes Leihversprechen unverbindlich und nicht einklagbar. Es steht zunächst nichts i m Wege, auch das gratis habitare dementsprechend als commodatum aufzufassen. Auch hierbei führt erst die Übergabe der Wohnung zum Vertragsschluß 22 . Wenn der Begünstigte also die Wohnung betritt, um sich dort einzurichten, kommt der Vertrag zustande 23 . Erst dieser Realakt 2 4 vermag die obligationsmäßigen Verpflichtungen zu erzeugen 25 . Das hindert den Geber jedoch nicht, wie Cervidius Scaevola (ca. 161-211) 2 6 i n D. 39, 5, 32 berichtet, dem Empfänger seinen Entschluß, i h m unentgeltlich Wohnung zu gewähren, schriftlich mitzuteilen 2 7 . Scaevola D. 39, 5, 32 (lib. 5 responsorum) : Lucius Titius epistulam talem misit: „Ille Uli salutem. hospitio ilio quamdiu volueris utaris superioribus 18 Vgl. Gaius 4, 107. Käser, RPR I , § 125 I I m i t F N 9, S. 534. R. Leonhard (RE IV.1, 772) begründet dies damit, daß die actio in factum concepta die i n der Formel nicht erwähnten Einreden abschneide u n d bei Klageabweisung den Anspruch nicht m i t derselben Stärke w i e eine in ius konzipierte tilge. 19 Gaius D. 44, 7,1, 3, 5 u n d 6. Dazu m i t Zweifeln an der Klassizität: Jörs / Kunkel § 117.2 c, S. 188 f. m i t F N 10; Rabel § 62, S. 100; Wubbe TR 35, 500 ff. (kritisch zu Wubbe Macqueron Index 1, 263, 269). Endemann (RPR, 166 ff.), Sohm / Mitteis / Wenger (391 ff.), Schulz (CRL, Rdnrn. 800, 871), Seidl (RPR, Rdnr. 271), Käser (RPR I, § 122 F N 30, S. 525) u n d Pastori (49) halten die Vierzahl der Realkontrakte f ü r bereits klassisch. 20 Ulp. D. 2,14,1, 3. Dazu Käser, RPR I , § 58 F N 31, S. 239; § 122 F N 11, S. 523. 21 Sohm ! Mitteis ! Wenger 395 f.; Schulz, CRL, Rdnr. 872; Käser, RPR I, § 122 I I 1, S. 525; Carresi 11,13; Maschi , St. Volterra I V , 694 f. 22 Michel Nr. 65. 23 Stock 42 f. 24 Käser, RPR I, § 122 F N 29, S. 525. 25 F N 22. 26 Kunkel 217 ff.; Jörs, RE III.2, 1988 f.; Meyer SZ 48, 586. 27 Dazu Michel Nrn. 65, 66. Vgl. auch Silva (SDHI 6, 262 f.), die i n D. 39, 5, 32 allerdings einen precanwm-Fall u n d einen Beleg f ü r ihre These sieht, daß der Prekarist possessor alieno nomine war.

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B. gratis habitare

als commodatum

i m römischen Recht

diaetis omnibus gratuito , idque te ex voluntate mea facere hac epistula notum tibi facio": quaero , an heredes eius habitatione eum prohibere possunt. respondit secundum ea, quae proponerentur , heredes eius posse mutare voluntatem.

Durch den Brief des Lucius Titius an tu kommt die habitatio gratuita nicht etwa litteris, also i n der Form des Litteralvertrages, zustande 28 . Zwar kann dem Empfänger der Brief zu Beweiszwecken dienen, wenn i h m der Aufenthalt i n der Wohnung — wie hier — von den Erben bestritten w i r d 2 9 . Aber er kann vom Absender aufgrund dieses Briefes weder die Einräumung der Wohnung verlangen noch sein Begehren i m Klagewege durchsetzen. Da das habitare gratis die strukturelle Eigenheit des Realvertrages m i t dem commodatum teilt, entstehen vertragliche Bindungen zwischen den Parteien erst durch den Einzug in die Wohnung. Dieser Umstand führt für das Scaevolafragment zu dem Schluß, daß sich tu bereits i n der i h m unentgeltlich überlassenen Wohnung aufhielt 3 0 . Bei einem Vergleich des commodatum und der habitatio gratuita m i t den anderen Typen römischer Realverträge, ergeben sich auch sonst keine Unstimmigkeiten. Die habitatio gratuita fügt sich vielmehr i n diese inhaltlich auf Rückgabe gerichteten Verträge 3 1 zwanglos ein. Ebenso wie pignus, depositum und mutuum erzeugen auch commodatum und habitatio gratuita eine reddere-Verpflichtung des Empfängers 32 . Daß dabei Unterschiede bezüglich des Rückgabeobjekts bestehen, ist von geringerer Bedeutung. Denn, weshalb Pfandgläubiger, Verwahrer genauso wie Entleiher und Habitator 3 3 die empfangene Sache selbst zurückzugeben haben, allein der Darleiher Sachen gleicher A r t und Güte zurückzuerstatten hat, hängt m i t den überlassenen Gegenständen zusammen 34 . Während ferner nur Darlehensnehmer und Pfandgläubiger an der Sache dinglich berechtigt sind — jener als Eigentümer 3 5 , die28

F N 22. F N 22. 30 Ebenso Michel S. 52 F N 28. Er schließt dies aus dem Passus des Briefes von „idque - facere 31 Siber 188; Jörs /Kunkel § 117.2 c, S. 188 f.; Sohn l Mitteis / Weng er 392; Schulz, CRL, Rdnr. 873; Käser, RPR I, §§ 122 I I 1, 123 I I 1, S. 525, 528. 32 Allgemein zur reddere-Klage: Käser, RPR I, §§ 122 I I 1, 125 I I , S. 525, 534 m i t F N 5; SZ 78, 212 ff., SZ 89, 99; Wieacker TR 30 72 f.; Flume TR 24, 467; Wubbe TR 35, 505. 33 Habitator w i r d hier i m Gegensatz zu Scapini, St. Grosso V, 69 u n d öfters zwar auch technisch verwendet, aber nicht als Inhaber einer dinglichen habitatio (ius in re aliena ), sondern als unentgeltlich Wohnender aufgrund einer bloßen Obligation. 34 Käser, RPR I, § 122 I I 1, S. 525. 35 Gaius 3, 90. Käser, RPR I, § 1241, S. 531; von Lübtow, Darlehnsbegriff, 15 f. 29

I I . Strukturelle Meinungsverschiedenheiten beim gratis habitare als Leihe

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ser als juristischer Besitzer 36 —, werden Depositar und Kommodatar als bloße Detentoren angesehen 37 . Von viel größerer Wichtigkeit ist i n diesem Zusammenhang das Quellenzeugnis von Gaius 4, 153. Es beweist i n diesem Punkte die Übereinstimmung von commodatum und habitare gratis. Gaius 4,153: Possidere autem videmur non solum , si ipsi possideamus , sed etiam si nostro nomine aliquis in possessione sit, licet is nostro iuri subiectus non sit, qualis est colonus et inquilinus. per eos quoque, apud quos deposue rimus, aut quibus commodaverimus, aut quibus gratuitam habitationem praestiterimus, ipsi possidere videmur ...

Es fällt auf, daß Gaius (gest. nach 178)38 das gratis habitare neben dem commodatum besonders erwähnt. Z u weit ginge es aber, daraus zu schließen, zwischen beiden bestünden grundlegende Unterschiede 39 . Diese Bedeutung läßt sich der Quelle nicht beilegen, werden doch auch Mieter und Pächter nebeneinander genannt, obwohl beide conductores 40 sind. Gaius ging es i n seinen zu Lehrzwecken verfaßten Institutionen 4 1 bei der Darstellung des Besitzes wahrscheinlich nur darum, möglichst plastische Beispiele für die nicht besitzenden Detentoren zu liefern. Prinzipiell bestehen also keine Bedenken, das gratis habitare als Erscheinungsform des commodatum zu betrachten und seinen Rechtsregeln zu unterwerfen. I L Meinungsverschiedenheiten unter den römischen Juristen über die Struktur des gratis habitare als Leihe Dennoch bestanden unter den römischen Klassikern Meinungsverschiedenheiten über die juristische Einordnung des gratis habitare unter das commodatum. Hierüber berichtet: U l p i a n u s D . 13, 6,1,1 (lib. 28 ad edictum): Huius edicti interpretatio non est difficilis. unum solummodo notandum, quod qui edictum concepit, commodati

30

Käser, RPR I, § 94 I I I 2 d, S. 389. Siber, § 34, S. 132; Sohm / Mitteis / Wenger 270, 274, 279 F N 13; Schulz, CRL, Rdnr. 754; Rabel § 34, S. 61 f.; Käser, RPR I, § 94 IV, S. 390; Detention, 17 f.; Genius 21. 38 Kunkel 186 - 213 nennt Gaius als „ i n verschiedener Hinsicht rätselhaft" (187). Neuestens dazu Liebs, A N R W 11.15, 288, 295 f. Diósdi (ANRW 11.15, 605 ff.) beginnt m i t der bezeichnenden Überschrift „Das Gaiusproblem". 39 Silva (SDHI 6, 260) w a r n t davor, jede habitatio gratuita gleich als eine prekaristische Überlassung einer dinglichen habitatio aufzufassen. I n Gaius 4,153 u n d Pomp. D. 43, 26,15,1 sei nicht der prekaristische Habitans gemeint. Zamorani (71 F N 36) hält unter Hinweis auf Pomp. D. 43, 26,15 u n d D. 39, 5, 9 pr. die prekaristische Überlassung einer dinglichen habitatio f ü r unzulässig; ebenso Scapini, St. Grosso V, 77. 40 Käser, RPR I, § 132 I, 2, S. 563; M a y e r - M a l y 16 ff., 22 f. 41 Schulz, Geschichte, 192; Mayer-Maly 70. 37

46

B. gratis habitare

als commodatum

i m römischen Recht

fecit mentionem, cum Paconius i2 utendi fecit mentionem. inter commodatum autem et utendum datum Labeo quidem ait tantum interesse, quantum inter genus et speciem; commodari enim rem mobilem, non etiam soli, untendam dari etiam soli : sed ut apparet, proprie commodata res dicitur et quae soli est, idque et Cassius existimat. Vivianus amplius etiam habitationem commodari posse ait. Das U l p i a n f r a g m e n t e r g i b t , daß d i e rechtliche W ü r d i g u n g d e r L e i h e von Immobilien streitig w a r 4 3 . N a c h M . A n t i s t i u s L a b e o (gest. zwischen 1 0 - 2 1 ) 4 4 s o l l d e r B e g r i f f commodare ausschließlich a u f b e w e g l i c h e Sache b e s c h r ä n k t gewesen sein, d e r v o n utendum d a r e 4 5 dagegen s o w o h l f ü r b e w e g l i c h e als auch u n b e w e g l i c h e Sachen g e g o l t e n haben. A n l a ß f ü r diese K o n t r o v e r s e m a g d i e Fassung des E d i k t s gegeben h a b e n 4 6 . D e r E r k l ä r u n g , daß i m E d i k t schon z u Labeos Z e i t e n , utendum dare gestanden u n d dies erst J u l i a n gegen commodare ausgewechselt h a b e 4 7 , k a n n n i c h t b e i g e t r e t e n w e r d e n 4 8 . D i e t e r m i n o l o g i s c h e E r ö r t e r u n g Labeos w ä r e d a n n u n e r k l ä r l i c h 4 9 . V i e l m e h r w i r d i m E d i k t commodare v e r w e n d e t w o r d e n s e i n 5 0 u n d dies sich u r s p r ü n g l i c h a u f b e w e g l i c h e Sachen b e s c h r ä n k t h a b e n 5 1 . D e m B e s t r e b e n d e r s p ä t e r e n J u r i s p r u d e n z , commodare auch a u f I m m o b i l i e n a n z u w e n d e n , ist d a n n L a b e o entgegengetreten. B e i utendum dare, das auch d i e L e i h e v o n G r u n d s t ü c k e n u m f a ß t , h ä t t e f ü r L a b e o k e i n 42 Fs pacunius. Eine Amsterdamer Ausgabe des Corpus Iuris Civilis von 1664 schreibt Pacuvius. 43 Käser, RPR I, § 125 F N 2, S. 533; Zabel 16 F N 58; Michel Nrn. 56, 57, 145 m i t F N 12, 146; Horak 97 F N 18. Weiß (SZ 50, 263) spricht n u r allgemein von einer Streitigkeit über den Umfang des Kommodats. Ferrini (127 ff.) hält dies f ü r einen Streit über die Frage, ob auch res incorporales Gegenstand der Leihe sein können. Demzufolge begreift er habitatio unter Hinweis auf ein Stephanusscholion zu Bas. 13,1,1 (vgl. Heimbach I I , 1) als geliehene A u s übung eines ius habitationis (a.a.O. 127 F N 3). Ebenso faßt Pastori (18 f., 23 ff., 27, 132) habitatio gratuita als unentgeltliches ius (in re aliena) habitationis auf. Einen lediglich terminologisch veranlaßten Streit sehen darin: Kariowa I I . l , 601 f., A. Pernice, Labeo I, 429 f., Zabel 15 F N 56; Pastori 10 m i t F N 6, 13 f., 18 ff., 23 f., Michel Nr. 56 u n d Horak 97 m i t F N 18 a. E. 44 Pomp. D. 1,2,2,47 u n d 48. A. Pernice, Labeo I, 7 ff., bes. 9 ff.; Jörs, RE I. 2, 2548; Kunkel 114. 45 Solazzi ( I U R A 6, 258 F N 1) sieht den Anlaß des Streites darin, daß Paconius lediglich von „utendum" ohne „dare" gesprochen habe. Diese H y p o these ist zwar möglich, aber angesichts des terminologischen Bezuges auf utendum dare — commodare i n D. 13, 6 , 1 , 1 unwahrscheinlich. 46 Kariowa I I . l , 601 f.; Pastori 13 ff., 21 f., 22 F N 29, 61; Horak 97 F N 18; Ferrini 95 ff.; Käser, Fs Schulz I I , 67. 47 Kariowa I I . l , 601; A. Pernice, Labeo I, 430; Lenel, edictum, 243 m i t F N 3; Watson, obligations, 168 m i t F N 4; Michel Nr. 145 F N 12; Ferrini 95 ff., 97; Gradenwitz SZ 24, 247 F N 1; Weiß SZ 50, 263. 48 Pastori 23 ff.; Käser, Fs Schulz I I , 67; Horak 97 F N 18. 49 Horak 97 F N 18. 50 Pastori 23 ff.; Käser, Fs Schulz I I , 67; Horak 97 F N 18. 51 Pastori 27; Horak 97 F N 18; Mette 46.

I I . Strukturelle Meinungsverschiedenheiten beim gratis habitare

als Leihe

47

A n l a ß f ü r seinen E i n w a n d b e s t a n d e n 5 2 . A u ß e r d e m s t ü n d e eine solche Auffassung i n Widerspruch m i t der v o n U l p i a n überlieferten ediktalen V e r h e i ß u n g . A n i h r e r R i c h t i g k e i t g i b t es aber k e i n e Z w e i f e l 5 3 . Die

Meinungsverschiedenheit

ist

keineswegs

nur

terminologischer

N a t u r 5 4 , s o n d e r n b e t r i f f t d e n sachlichen A n w e n d u n g s b e r e i c h des commodatum 55. Sie b e r u h t a u f e i n e m S c h u l e n s t r e i t z w i s c h e n S a b i n i a n e r n u n d P r o c u l i a n e r n 5 6 . D i e P r o c u l i a n e r , d i e sich t r o t z der B e n e n n u n g n a c h P r o c u l u s (ca. 10 - 70/79) 5 7 u m L a b e o als G r ü n d e r s c h a r t e n 5 8 , h i e l t e n d a r a n fest, daß das K o m m o d a t u r s p r ü n g l i c h n u r d i e Gebrauchsgestatt u n g v o n M o b i l i e n b e t r a f . D i e G r u n d s t ü c k s l e i h e v o l l z o g sich daneben e n t w e d e r i n d e n F o r m e n der fiducia cum amico 59 oder als precarium so. 61 Die „fortschrittlicheren" Sabinianer dagegen, d e r e n H a u p t der i m F r a g m e n t ebenfalls g e n a n n t e Cassius L o n g i n u s w a r 6 2 , setzten sich f ü r die A n w e n d u n g des E d i k t s auch b e i I m m o b i l i e n u n d f ü r d i e v o l l k o m m e n e G l e i c h w e r t i g k e i t v o n commodare u n d utendum dare ein. I n w i e w e i t diese frühklassische U n t e r s c h e i d u n g n o c h f ü r d i e H o c h k l a s s i k B e d e u t u n g h a t t e , l ä ß t sich n i c h t sicher ausmachen. F ü r V i v i a n 6 3 d e m sich 52

Pastori 23 ff., 27; Horak 97 F N 18. Lenel, edictum, 252; Schulz, CRL, Rdnr. 883; Käser, RPR I, § 125 F N 6, S. 534; R. Leonhard, RE IV.1, 772. 54 Kariowa I I . l , 601 f.; A. Pernice, Labeo I, 429 f.; Zabel 15 F N 56; Pastori 10 m i t F N 6, 13 f., 18 ff., 23 f.; Michel Nr. 56; Horak 97 m i t F N 18 a. E. 55 Zabel 15 F N 56, 16 F N 58; Pastori 23 ff., 25 f., 27; Watson, obligations, 168; Horak 97 F N 18. 56 Zabel 15 F N 56; ähnlich auch A. Pernice, Labeo I, 429 f. Allgemein zu den zwei Rechtsschulen: Pomp. D. 1,2,2,47 - 53. Scharr 57 f.; Kodrqbski, A N R W 11.15, 190 ff.; Liebs, A N R W 11.15, 197 ff.; Schulz, Geschichte, 140 ff.; Kunkel 340 ff. 57 Kunkel 123 ff., 126; Kodrçbski, A N R W 11.15, 194. 58 Schulz, Geschichte, 142, 144 f. 59 A. Pernice, Labeo I, 429; Stock 43 m i t weiteren Nachweisen F N 142. Erbe (7, 139, 141), Watson (obligations, 169 F N 2) u n d Wubbe (TR 35, 507) bezeichnen sie als früheres Ersatzmittel f ü r das commodatum. Aus soziologischer Sicht w i r d man dem f ü r Personen gleichen sozialen Status zustimmen können (siehe dazu Macqueron Index 1, 265). Vgl. auch Leijer SZ 56, 210. 60 R. Leonhard, RE I V . 1, 771; Stock 43 m i t weiterem Nachweis i n F N 141; Zamorani 15 ff.; Käser SZ 89, 96. Auch hierfür fänden sich die soziostrukturellen Eigenheiten der Überlassung von L a n d zwischen Patron u n d colonus bestätigt. Sie bestehen darin, daß precarium zwischen sozial Ungleichen stattfindet, während beim commodatum die Vertragspartner sozial gleichgestellt sind (Mar quer on Index 1, 265). 81 Vgl. dazu Liebs, A N R W 11.15, 197, 216 f., 276 ff. m i t den Worten: „der unleugbare Konservativismus der Sabiniani" u n d spricht sie den Proculiami zu (a.a.O., 194). Kodrçbski (ANRW 11.15, 193) leugnet diese Eigenschaft. 62 Schulz (Geschichte, 141) spricht auch von der „schola CassianaKunkel (341) verwendet zur Bezeichnung der Rechtsschule „Cassianer" (131). Vgl. auch Kodrçbski ( A N R W 11.15, 192 f.), der i h n als „Repräsentant ultrakonservativer Traditionen" bezeichnet. 63 Wenn auch von V i v i a n bis auf ein vereinzeltes Zitat i n Ulpians Edikts53

48

. gratis habitare

als commodatum

i m römischen Recht

Ulpian anschließt 64 , gibt es offensichtlich keinen Zweifel daran, „habitationem commodari posse". Vivian zieht zudem daraus den Schluß, daß hierfür die actio commodati Platz greife (D. 19, 5,17 pr.). Über die Identität des als Gegner des „qui edictum concepit" erwähnten Paconius herrscht Unklarheit 6 5 . Dieser Name w i r d kein zweites Mal i n den Quellen überliefert. Der Ansicht Pastoris, Paconius sei derjenige Prätor, der die actio decretalis zum ersten M a l habe praktisch anwenden müssen 66 , kann nicht gefolgt werden 6 7 . Sie müßte davon ausgehen, daß i m Edikt utendum dare gestanden hätte. Dann aber würde sich Pastori nicht nur m i t sich selbst i n Widerspruch setzen 68 , sondern es wäre auch die Stellungnahme Labeos unverständlich 60 . Außerdem w i derspricht es der Erfahrung, daß ein Prätor namentlich genannt w i r d 7 0 . Die Annahme Kariowas 71, der sich Ferrini anschloß 72 , daß von einer Korruptel des Namens auszugehen und Paconius als Pomponius aufzufassen sei, überzeugt ebensowenig. Für diese Lesart spricht zwar, daß Ulpian den bekannten Ediktskommentar des Pomponius häufig benutzt hat 7 3 . Dem historisch bewanderten Pomponius 74 waren überdies beide kommentar (Coli. 12,7,8) nirgends Buchtitel angegeben sind, ist ziemlich sicher, daß er über das E d i k t geschrieben hat (Lenel, Palingenesia I I , Sp. 1225 F N 1; Schulz, Geschichte, 235 m i t F N 2, 270). Als Bestätigung dafür können beide von Ulp. D. 13, 6 , 1 , 1 u n d D. 19, 5,17 pr. übereinstimmend überlieferten Aussagen von V i v i a n gelten. Darüber hinaus ist es sehr wahrscheinlich, daß beide Fragemente, die auch Lenel (Palingenesia, V i v . Nr. 7) zusammenfaßt, unter commodati vel contra zu rubrizieren sind. 64 Da sich U l p i a n hier u n d i n D. 19, 5,17 pr. jeweils m i t dem commodatum befaßt (Lenel, Palingenesia, Ulp. Nrn. 798, 804) u n d sich zweifach auf Vivians A u t o r i t ä t beruft, k a n n dies als Anzeichen für eine i n der Spätklassik herrschende Meinung gewertet werden (vgl. Käser, Methodologie, 23). 65 A. Pernice, Labeo I, 430 F N 22. Michel (Nr. 145 F N 12) und Weiß (SZ 50, 263) stellen hinter den Namen ein Fragezeichen. ββ 13 ff. Solazzi ( I U R A 6, 258) u n d Flume (TR 24, 465) folgen darin w o h l Pastori. Solazzi ( I U R A 6, 258 F N 1) meint aber, Paconius könne „utendum" ohne „dare" geschrieben haben. Flume (a.a.O.) hat Pastori insofern mißverstanden, als er Paconius f ü r den A u t o r der actio decretalis ausgibt („daß Paconius erstmals eine a° decr. gewährt habe"). Ä h n l i c h w i e Flume auch Käser (Fs Schulz I I , 67) u n d Carresi (10). 67 So aber Watson, obligations, 169. E r hält dies f ü r möglich. Ebenso Carresi 10; Michel Nr. 145 F N 12. 68 Pastori 23 ff., 27. 69 Horak 97 F N 18. 70 Schulz, Geschichte, 61 m i t F N 4 u n d 5; von Lübtow, Eranion Maridakis I, 187. Folgende wahllos herausgegriffene Fragmente sprechen immer n u r v o m praetor: Ulp. D. 2, 9,1 pr.; 3,1,1,4 u n d 8; l u i . D. 3, 2,1 pr.; Ulp. D. 3, 2, 2 pr.; 4,1,1; 4, 4 , 1 , 1 (edicit); 4, 5, 2 , 1 u n d öfters. 71 I I . l , 601. 72 96. 73 Kariowa I I . l , 601; Ferrini 96. 74 Schulz, Geschichte, 158, 204 ff. Die Bemerkung von Kalb (63), Pomponius sei ein unwissender Schriftsteller, ist insofern unhaltbar.

I I . Strukturelle Meinungsverschiedenheiten beim gratis habitare als Leihe

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Rechtsschulen vertraut 7 5 . M i t großer Wahrscheinlichkeit werden ihm, der fast ausschließlich als Rechtslehrer tätig w a r 7 6 , die unterschiedlichen Terminologien der Proculianer und Sabinianer zur Leihe bekannt gewesen sein. Aber gerade sein Bericht über die Schulen 77 läßt nirgends erkennen, daß er sich selbst einer Schule zugehörig fühlte 7 8 . Überlieferungen, wonach Pomponius ein Anhänger der einen oder der anderen Richtung gewesen sei, gibt es nicht. Auch utendum dare als bewußt rechtshistorischen Hinweis zu begreifen und als zutreffende Aussage dafür anzusehen, daß dies die Sprache des alten ius civile sei 79 , ist keine größere Stütze. Z u Pomponius' Zeiten dürfte sich der Ausdruck bereits eingebürgert haben, nicht zuletzt durch die entschiedenen Meinungsäußerungen von Cassius und Vivian und wohl auch durch das i n dieser Zeit für unabänderlich erklärte edictum perpetuum 80. Es liegt viel näher, i n Paconius einen älteren Juristen 8 1 zu sehen. W i r d zudem berücksichtigt, daß die Florentina Pacunius anstelle von Paconius überliefert, eine Amsterdamer Ausgabe von 1664 Pacuvius schreibt, dann erscheint — neben einem möglichen Abschreibeversehen 8 2 ο gegen u — auch ein Fehler bei η statt υ 8 3 sehr wahrscheinlich. Der sich so ergebende Name Pacuvius ist nicht unbekannt 8 4 . Es handelt

75 D. 1, 2, 2, 47 - 53. ™ Kunkel 171 m i t weiteren Nachweisen i n F N 290; Scharr 62; Liebs, St. Volterra V, 78 f.; A N R W 11.15, 197, 198. Schulz (Geschichte, 158) nennt Pomponius w i e Gaius „akademische Juristen". 77 Pomp. D. 1, 2, 2, 47 - 53. 78 Scharr 61. 79 Vgl. Kariowa I I . l , 601; Costa, d i r i t t o d i Plauto, m i t umfangreichen l i t e rarischen Nachweisen 306 m i t F N 145, 307 ff., 314 f.; Pastori 61 ff.; Kaufmann 241 ff.; Ferrini 97. Die Frage nach der Zugehörigkeit des Leiheschutzes zum ius civile ist nicht ohne Bedeutung f ü r das daran anknüpfende Problem, ob die actio commodati zu den bonae fidei iudicia oder denen stricti iuris zählt. A u f die damit zusammenhängenden Fragen der Formelkonzeption kann hier nicht näher eingegangen werden. Siehe dazu Ferrini 97 ff.; Pastori 61 ff. 80 Pastori 20, 22 F N 29. 81 Käser, Fs Schulz I I , 67. 82 Dazu allgemein Schulz, Einführung, 18; Lenel, edictum, 8 f.; Seidl, Rom. Rechtsgeschichte, Rdnrn. 46 - 48. 83 Ist es selbst f ü r Kunkel (32 = Fs Zycha, 27) „schwer vorstellbar, wie ein Stadtrömer zu diesem unrömischen Namen gekommen sein sollte", so ist es leicht verständlich, daß sich dem Schreiber bei dem als samnitisch-kampanischen Individualnamen mehrfach bezeugten Praenomen Pacuvius die Feder sträubte. Vielleicht liegt hier auch ein Hörfehler vor. Dazu Seidl, Rom. Rechtsgeschichte, Rdnr. 48. 84 Pomp. D. 1,2, 2, 44; Paul. D. 37,12, 3 pr.; Cicero, Brutus, 182, 226. A. Pernice, Labeo I, 8; Klebs, RE 1.2, 2557. Gellius (noctes atticae, 5, 21, 10) berichtet, daß Sinnius Capito einen Brief an i h n gerichtet u n d u m A u s k u n f t über die rein grammatische Frage gebeten habe, ob plura oder pluria richtig sei.

4 Slapnicar

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B. gratis habitare

als commodatum

i m römischen Recht

sich um den Vater von M. Antistus Labeo 85 , der selbst auch Jurist w a r 8 6 und zum Kreis des Caesarmörders Brutus gehörte 87 . Iulius Paulus (ca. 198 - 225) 88 zitiert Pacuvius i m 8. Buch an Plautus 8 9 . Da Pacuvius Labeo (gest. 42) 90 noch diesem Spätklassiker als Gewährsmann diente, dürfte er auch seinem Zeitgenossen Ulpian nicht unbekannt gewesen sein. Diese Erklärung 9 1 fügt sich i n den Rahmen der hier angestellten Überlegungen zur Erläuterung von Ulp. D. 13, 6 , 1 , 1 gut ein. Es steht zu vermuten, daß Pacuvius Labeo m i t einem auf die alte zivilrechtliche Terminologie zurückgehenden utendum dare versucht haben könnte, eine Änderung des von commodare sprechenden Edikts herbeizuführen, dabei aber auf Ablehnung gestoßen war 9 2 . Sein Sohn M. Antistius Labeo griff die Meinung seines Vaters auf und verteidigte sie auf die von Ulpian berichtete A r t und Weise. Da Pacuvius Labeo offenbar keine Magistraturen bekleidet hat 9 3 , ergibt sich daraus ein zusätzliches Argument gegen Pastori, dem sich Watson 94 angeschlossen hat, ihn als Prätor aufzufassen. Ziemlich sicher hingegen ist m i t demjenigen, „qui edictum concep i t " 9 5 , Salvius Iulianus gemeint 9 6 . Es paßt zudem ins Bild, daß Julian bei 85

Pomp. D. 1, 2, 2,44. Kunkel 32 f., 114 = Fs Zycha, 27 ff. A. Pernice (Labeo I , 9) hält dies n u r f ü r möglich. 87 Plutarch, Brutus, 12,4. Schulz, Geschichte, 120; Kunkel 32 f., 114; A. Pernice, Labeo I, 9; Klebs, RE 1.2, 2557. 88 Kunkel 244 f. 89 D. 37,12, 3 pr. 90 A. Pernice, Labeo I, 9; Schulz, Geschichte, 56; Klebs, RE 1.2, 2557. 91 Käser, Fs Schulz I I , 67 F N 4. 92 Käser, Fs Schulz I I , 67. 93 Schulz, Geschichte, 120. 94 obligations, 168 F N 2, 169. 95 Wenn dieser Ausdruck vielleicht auch i n bezug auf J u l i a n übertrieben klingen mag (so Käser, Fs Schulz I I , 67), ist doch seine A r b e i t nicht gering zu schätzen, als daß sie lediglich m i t „Ordnen" bezeichnet werden könnte (Käser, Fs Schulz I I , 67 F N 5) und deswegen der qui-Satz „nicht aus der Feder Ulpians" stamme (Käser a.a.O.). I m m e r h i n hat J u l i a n wahrscheinlich während seiner Amtszeit als praetor urbanus (Bund, A N R W 11.15, 419, 421) für die Redaktion des edictum perpetuum mehrere Jahre gebraucht (135 bis 138) (Bund, a.a.O., 427). Auch der Wortsinn von concipere steht einer solchen Auslegung nicht entgegen. Heumann / Seckel (86) bringen f ü r „ i n Worte fassen, abfassen" gerade das Beispiel „edictum" i n Ulp. D. 13, 6,1,1. Dafür, daß „concipere" als technischer Ausdruck f ü r die actio decretalis gebraucht w i r d , gibt es keinen Anhaltspunkt. Eher paßt dieses Verb für einen praktizierenden Prätor. F ü r die Honorarrecht schaffenden Aussprüche des Prätors findet vielmehr „ a i t " Verwendung (Heumann/ Seckel 26; Ulp. D. 13, 6,1 pr.). D a m i t sind zugleich Pastoris Thesen, der qui-Satz bezöge sich auf den verheißenden, Paconius auf den praktizierenden Prätor (13 ff.), denen sich Watson (obligations, 168 f.) angeschlossen hat, weiter erschüttert. 96 A. Pernice, Labeo I, 430 F N 22; Ferrini 95; Käser, Fs Schulz I I , 67; Gradenwitz SZ 24, 247 F N 1. 86

I I . Strukturelle Meinungsverschiedenheiten beim gratis habitare als Leihe

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der Redaktion des edictum perpetuum commodare gleichwertig für bewegliche und unbewegliche Sachen verwendet hat. Stand er zwar einerseits neben Aburnius Valens (um 109) 97 und Tuscianus (um 100) 98 der sabinianischen Rechtsschule v o r 9 9 und w i r d i h m die Ansicht seines Vorgängers Cassius bekannt gewesen sein, so war aber andererseits seine Unabhängigkeit von Schulmeinungen sehr ausgeprägt 100 . Die erörterte Problembehandlung kann wohl als Beispiel dafür dienen, daß Julian durch seine Unvoreingenommenheit 1 0 1 und große A u t o r i t ä t 1 0 2 gerade Schulenunterschiede eingeebnet hat 1 0 3 . Die unbedenkliche A u f nahme von commodare anstelle des sehr alten 1 0 4 , inzwischen ungebräuchlich gewordenen utendum dare i n das edictum 105 erklärt einerseits die von Horak 106 näher umrissene Haltung Labeos und macht andererseits verständlich, weshalb Ulpian den das iudicium verheißenden Prätor von commodare sprechen läßt 1 0 7 . Für die Spätklassik war, wie Ulpian anschaulich darlegt, das Problem erledigt 1 0 8 . Es geht nicht an, die vorsichtigen Bedenken Ulpians gegen eine actio commodati i n D. 19, 5,17 pr. darauf zu gründen, er habe schlechthin das commodatum inhaltlich auf Mobilien beschränkt 109 . Dem steht seine Aussage i n D. 13, 6, 5,15 entgegen, wonach ein Bad, ein Säulengang oder ein Feld Gegenstand eines commodatum sein kann 1 1 0 . 97

Kunkel (151 f.) m i t Hinweisen auf die Schwierigkeit, ob m i t i h m Vater oder Sohn gemeint sein k a n n (152). 98 Kunkel 153 f. m i t Nachweisen über den Streit seiner Identifikation (FN 225). 99 Pomp. D. 1,2, 2,53. 100 Bund (ANRW 11.15, 441 f.) vermutet, daß dazu die juristische Erziehung von Iavolenus Priscus beigetragen hat, die J u l i a n D. 40,2, 5 selbst bestätigt. 101 Bund, A N R W 11.15, 445. 102 Bund (ANRW 11.15, 408) ist Iulianus „der berühmteste der Hochklassiker". Er beurteilt sein Schaffen als nachhaltig, obwohl J u l i a n nicht zu den autorisierten Z i t i e r j u r i s t e n (C. Th. 1, 4, 3) gehörte (a.a.O. 446 ff.). Siehe auch A. Pernice, Labeo 1,2; Schulz, Geschichte, 144; Kunkel 157 ff.; I U R A 1, 192 ff.; Nörr 100; Daube Noster, 242 ff. 103 104 105

Schulz, Geschichte, 144; Scharr 58. Kariowa II.1, 601; Kaufmann 241 ff. Pastori 22 F N 29.

ιοβ 97 107

F N

1 8 i

Die Kommentierung Ulpians zum edictum läßt ein gleichbleibendes Schema erkennen, wonach das jeweils behandelte E d i k t zunächst i m W o r t laut mitgeteilt u n d — w i e i n D. 13,6 — an den Anfang gestellt w i r d (Schulz, Geschichte, 245). V o n daher schränken sich die Zweifel an der Echtheit von commodare abermals ein. 108 Gradenwitz SZ 24, 247 F N 1 m i t der Bemerkung: „allerdings nebensächlich". Vgl. auch Scharr 58. 109 So aber Michel Nrn. 56, 57, 70. 110 Vgl. auch Paul D. 48, 2, 3, 3 (Haus f ü r Ehebruch); Ulp. D. 48, 5,10 pr. (Haus f ü r Ehebruch). 4*

52

B. gratis habitare

als commodatum

i m römischen Recht

A u ß e r d e m l ä ß t sich eine solche A u f f a s s u n g n i c h t m i t d e m F r a g m e n t D . 13, 6 , 1 , 1 v e r e i n b a r e n . U l p i a n s p r i c h t sich h i e r b e i einer u n e n t g e l t lichen Immobiliarüberlassung für ein K o m m o d a t aus111. I n dem letzten Satz des F r a g m e n t s zeigt sich seine b i l l i g e n d e S t e l l u n g n a h m e z u der v o n V i v i a n e r w ä h n t e n habitatio gratuita doch ganz k l a r 1 1 2 . Dieses e t w a s a n g e k l e b t w i r k e n d e B e i s p i e l 1 1 3 l ä ß t sich so e r k l ä r e n , daß U l p i a n b e i A u s w e r t u n g d e r L i t e r a t u r 1 1 4 auf e i n e n f ü r die v o n i h m geschilderte S c h u l e n k o n t r o v e r s e p r a k t i s c h b e d e u t s a m e n F a l l b e i V i v i a n gestoßen i s t 1 1 5 » 1 1 6 . S i c h e r l i c h h ä t t e U l p i a n e i n e n noch z u seiner Z e i t u m s t r i t t e n e n F a l l n i c h t so einfach seinen B e m e r k u n g e n ü b e r d e n S c h u l e n s t r e i t angeh ä n g t 1 1 7 u n d b e t o n t , daß eine A u s l e g u n g des E d i k t s ü b e r das commodatum n i c h t s c h w i e r i g s e i 1 1 8 . Es ist die A u f f a s s u n g v e r t r e t e n w o r d e n , i n D . 13, 6 , 1 , 1 habe es sich u m die u n e n t g e l t l i c h e E i n r ä u m u n g eines d i n g l i c h e n Gebrauchsrechts (habitatio) gehandelt119. 111

Pastori 27. 112 Ferrini (128), der allerdings i n D. 13, 6,1,1 habitatio als ius in re aliena versteht u n d als Beispiel f ü r die Zulässigkeit eines Kommodats an u n k ö r perlichen Sachen auffaßt. I n D. 19,5,17 pr. begreift er darunter hingegen schuldrechtliches habitare gratis. 113 Solazzi ( I U R A 6, 258 F N 2) n i m m t Anstoß an der Verbindung m i t „amplius". Er hält dies f ü r eine unlogische Ausdrucksweise eines Juristen nach der Anerkennung der Immobiliarleihe, die bereits von Cassius Longinus vollzogen worden war. 114 Schulz (Geschichte, 246) spricht bei Ulpians Ediktskommentar von einer Generaltendenz, die darin besteht, daß U l p i a n i n i h m unter verständiger und ausführlicher A u s w a h l die klassische Interpretation i n F o r m eines „restatements" kodifiziert habe. 115 Vgl. Scharr (58) m i t dem Hinweis, daß frühere Kontroversen wie historische Tatsachen noch gelegentlich vermerkt werden, aber inzwischen für die meisten strittigen Einzelfragen das abschließende W o r t vielfach von J u l i a n bereits gesprochen sei. Mayer-Maly (SZ 93, 427) bemerkt allgemein, daß Zitate dazu dienen, auf T r a d i t i o n zu verweisen oder Gelehrsamkeit zu üben. 116 Vielleicht spielt auch die auctoritas von V i v i a n eine Rolle. Dazu Käser (Methode, 55) m i t der allgemein zutreffenden Beurteilung, „daß den Klassik e r n die A n f ü h r u n g älterer Juristen gewichtiger erschien als sachliche Argumente". Vgl. auch Schulz, Prinzipien, 125; Geschichte, 172; Käser, critica del testo I, 302 f. 117 Vgl. dazu Käser (Methodologie, 22 f., 23 unten), wonach für die großen Sammelkommentare kennzeichnend ist, daß sie Meinungsstreitigkeiten noch zu einem beträchtlichen T e i l registrieren, aber ihre Berichte i n der Angabe der durchgedrungenen („herrschenden") Meinung ausmünden lassen. 118 Beseler (Beiträge I, 54) streicht den Anfang i n Ulp. D. 13,6,1,1 bis „notandum" m i t der Begründung: „dicere , quod u n d ähnliches ist i n den Digesten w o h l meistens, w e n n nicht immer unecht" (53). Dieser lediglich philologisch begründeten Interpolationsannahme, welche Beseler zusätzlich grammatisch dadurch zu unterstützen versucht, daß er den Fortgang der Stelle m i t quod, qui für eine relativische A n k n ü p f u n g hält (54), steht der einleuchtende I n h a l t dieser Passage entgegen. 119 Glück 454; Käser, RPR I, § 125 F N 2, S. 533; Amberg 16; Pastori 27, 132 m i t F N 37 bis; Meinig 41. Ferrini (128) u n d Cicogna (BIDR 19, 250) halten

I I . Strukturelle Meinungsverschiedenheiten beim gratis habitare

als Leihe

53

Dies gelangt zum Ausdruck i n den auf dem Höhepunkt byzantinischer Machtentfaltung von Kaiser Basilius I. Macedo (867 - 886) vorbereiteten und unter seinem Nachfolger Leo VI. dem Weisen (886-911) abgeschlossenen, als verkürzte griechische Neubearbeitung der justinianischen Kodifikation verkündeten Basiliken 1 2 0 . Zugleich als Beispiel dieser typischen Verkürzungstendenz bestimmt das zusammengestrichene Ulpianfragment D. 13, 6 , 1 , 1 Bas. 13,1,1 (Heimbach 11,1): Ούλπ. Κιχρώνται καΐ κινητά και ακίνητα και οϊκησις. Ulpian. Tarn res mobiles, quam immobiles, quam habitatio commodari possunt.

Wie sich aus dem angefügten Stephanusscholion zu Κιχρώνται = commodari

possunt

ergibt,

Scholion zu Bas. 13,1,1: Στεφ. Σημείωσαι, δτι ούδεμία διαφορά ούτένδου και κομμοδάτι· και δια τοΰτο καλώς κιχρώνται και κινητά και ακίνητα. Σημείωσαι 0έ, δτι έπί ασωμάτων χώραν £χεί τό κομμοδάτον δυνάμεθα γαρ ναβιτατίονα κιχρδν. Μη έναντιτιωθη δε σοι τό κείμενον έν τφ η', βιβλιω του παρόντος συντάγματος τιτ. ε', διγ. ιζ'., άλλα άνάγνωϋι τήν έκεΐσε κειμένην παραγραφήν. commodari possunt Steph. Nota, nullam esse differentiam utendi et commodati: ideoque recte res mobiles et immobiles commodantur. Nota, in rebus incorporalibus locum esse commodato ; habitationem enim commodare possumus. Ne tibi obstet, quod legitur lib 8 huius partis, tit. 5 dig. 17. sed lege ibi adnotationem.

w i r d habitatio

hier i m Gegensatz zum klassischen Recht nicht als Bei-

spiel f ü r eine res immobilis, sondern als H i n w e i s auf eine res incorpo ralis verstanden. D a m i t erfassen die Basiliken die dingliche habitatio

als Anwendungsfall des commodatum 121. Nach Ansicht der oströmischen Juristen erstreckt sich also das commodatum auch auf Rechte. Daß die i m Pomponiusfragment hervorgehobene habitatio als Beispiel für einen obligatorischen usus rei und die Wohnung für eine unbewegliche Sache stehen, w i r d — folgt man den Erörterungen von Stephanus — gar nicht mehr i n Betracht gezogen. Gerade die Verbindung, die Stephanus m i t dem nur scheinbar entgegenstehenden Zitat Alf. D. 8, 5, 17 herstellt, das von Streitigkeiten zwischen Hausnachbarn über das Ausmaß von Dienstbarkeiten 1 2 2 , Überbau 1 2 3 und Immissionen 1 2 4 handelt, verdeutlicht, „amplius" f ü r ein mögliches argumentum a fortiori, wonach U l p i a n m i t dem Zitat Vivians sagen wollte, dieser habe über die Verleihbarkeit von I m m o bilien selbst unkörperliche Sachen anerkannt. Es bleibt festzustellen, daß Ferrini nicht ohne Widerspruch Ulp.-Viv.D. 19, 5,17 pr. als schuldrechtliches habitare gratis ansieht. 120 Kunkel, Rechtsgeschichte, 159; Käser, Rechtsgeschichte, 272; Dulckeit / Schwarz / Waldstein § 44 I 6, S. 273. 121 F e r r i n i 127 m i t F N 3. 122 128 124

Käser, RPR I, § 105 I I m i t F N 8, S. 440 f. Käser, RPR I, § 98 I I I 3 m i t F N 29, S. 407. Käser, RPR I, § 98 I I I 5 m i t F N 33, S. 407.

B. gratis habitare

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als commodatum

i m römischen Recht

daß er habitatio hier als servitus habitandi auffaßt 1 2 5 . Offenbar haben die nachjustinianischen Basilikenverfasser keine Bedenken an einer Immobiliarleihe. Dem aus vorklassischer Zeit stammenden, bis i n die Frühklassik hineinreichenden terminologischen Streit über die Bedeutung von utendum dare und commodare und der damit verknüpften Frage des sächlichen Anwendungsbereichs der Leihe haben sie nach fast einem Jahrtausend wohl m i t Ratlosigkeit gegenübergestanden. Das Stephanusscholion legt davon Zeugnis ab. Berücksichtigt man zusätzlich die von Stephanus angebrachte Gleichsetzung von uti und commodare, dann weicht es m i t der Anerkennung der Rechtsleihe grundlegend von der Rechtslage i m klassischen römischen Recht ab. Weshalb der A n wendungsbereich des commodatum allerdings auf Rechte (res incorporates) ausgedehnt wird, bleibt unklar. U m das habitare gratis als Leihe zu erfassen, hätte dazu kein Anlaß bestanden. Auch als i m 11. Jahrhundert m i t dem mos italicus eine neue wissenschaftliche Pflege des römischen Rechts einsetzt 126 , wurde die habitatio gratuita überwiegend als dingliches Nutzungsrecht aufgefaßt. Die Periode der Glossatoren ( 1 1 . - M i t t e 13. Jahrhundert) 1 2 7 ist i n diesem Zusammenhang noch von Zweifeln und Meinungsverschiedenheiten gekennzeichnet. Communis opinio ist, daß bewegliche wie unbewegliche Sachen Gegenstand des commodatum sein können. Die Glosse „mobilem" zu D. 13,6,1,1: sed nec omnem mobilem; eod(am) l(ex) iy § fin & l(ex) iiy (D. 13, 6, 3, 6 und 13, 6, 4)129.

ut i

(nfra)

128

steht der grundsätzlichen Erstreckung der Leihe auf bewegliche Sachen nicht entgegen. I h r Hinweis darauf, daß nicht alle beweglichen Sachen dem Anwendungsbereich des commodatum unterfallen, kann lediglich als Unterrichtung dafür verstanden werden, daß verbrauchbare Sachen i m Hinblick auf das mutuum ausgenommen sind. Azo (gest. vor 1235) 130 versteht unter gratis habitare liche Gebrauchsüberlassung eines ganzen Hauses.

die unentgelt-

Glosse „Habitationem" zu D. 19, 5,17 pr.: id est domum plenam, cato usu, ad quem utatur domo. Azo. 125

non specifi-

F N 121. Wieacker, PGN, 60 ff.; Kunkel, Rechtsgeschichte, 161 f.; Käser, Rechtsgeschichte, 274; Dulckeit / Schwarz / Waldstein § 44 I I 2, S. 274; Wesenberg ! Wesener 27 f., 29 f. 127 Kunkel, Rechtsgeschichte, 162 f.; Wesenberg / Wesener 27. 128 Z u r Auflösung der mittelalterlichen Siglen w u r d e n als H i l f s m i t t e l Seckel (SZ 45, 1 ff.) u n d Capelli verwendet. 129 Die mittelalterlichen Allegationen werden durch Klammerzusatz der neuzeitlichen Zitierweise angepaßt. 130 Wieacker, PGN, 63 m i t F N 77; Molitor l Schlosser 17; Wesenberg ! Wesener 30; Meinig 57. 126

I I . Strukturelle Meinungsverschiedenheiten beim gratis habitare

als Leihe

55

Sicherlich ist es hier ebenso unbedenklich wie i m klassischen römischen Recht, unter habitatio nur Wohnung und damit einen Teil einer Immobilie zu begreifen. Aber eine solche Ableitung, die den hergebrachten sächlichen Anwendungsbereich nicht sprengte, scheint den Glossatoren und auch ihren Nachfolgern, den Konsiliatoren 1 3 1 , für die habitatio gratuita offenbar nicht überzeugend genug gewesen zu sein. Anlaß dazu mögen vermutlich die zwei dem Grundsatz D. 13, 6,1,1 widersprechenden Stellen D. 19, 5,17 pr. und D. 39, 5, 9 pr. gegeben haben 1 3 2 . Dem Streben nach „concordantia discordantium" 133, dem Leitmotiv des mos italicus 1 3 4 , w i r d es wahrscheinlich entsprochen haben, den Widerspruch dadurch auszuräumen 135 , daß der sächliche Anwendungsbereich des commodatum auf die Rechtsleihe ausgedehnt wird. Dies kündigt sich als Tendenz schon an i n der wahrscheinlich von Accursius (1185 - 1263) 136 herrührenden Glosse „Habitationem" zu D. 13, 6,1,1: i(d est) donum gratia habitandi, secundum Pla(centinus). non aute(m) servitute(m) habita(n)di: quia incorpo ralia no(n) commodantur: & secundum hoc erit donatio, usus, & commodatio rei: ut j(nfra) de dona(tionibus) l(ex) in aedibus (D. 39, 5,9 pr.). haec enim nomina verbalia ponuntur pro proprio nomine rei quandoque: ut hic habitatio. i(d est) res, qu(a)e inhabitatur: & alibi, ut emptio. i(d est) instrume(n)tu(m) emptionis: ut C(odex) quaeres pign(ori) ob(ligari) pos(unt) l(ex) cum co(n)stet (C.8,16,2 [a. 207]). & donatio; id est res donata: ut diximus s(upra) de cond(ictione) cau(sa) data l(ex) cu(m) quis (D. 12,4,12). Tu dicas, quod de Servitute habitandi dicit: & quod incorporalia co(m)modantur: alias nil adiiceret praedictis Iulia. habet etiam hie locum actio praescript(is) ver(bis), ut j(nfra) de praescr(iptis) ver(bis) l(ex) si gratuita(m) in prin(cipium) (D. 19, 5,17 pr.).

Die umfangreichen Überlegungen von Accursius für die Anwendung der actio praescriptis verbis stützen sich letztlich auf die D. 13, 6, 1, 1 ergänzende Parallelstelle D. 19, 5,17 pr. Sie beruhen jedoch materiell auf der Entscheidung über den sächlichen Anwendungsbereich der Leihe. Accursius sieht i n der habitatio gratuita — Placentinus (gest. 1192) 137 folgend 1 3 8 — das Geschenk unentgeltlichen Wohnens und qualifiziert sie zunächst ausdrücklich nicht als eine servitus habitandi. Diese 131

Wieacker, PGN, 81 m i t F N 6; Wesenberg / Wesener 31. Vgl. Genzmer, A C I Bologna I, 392. 133 zu ergänzen „canonum". Es ist der T i t e l des von dem Kamaldulensermönch Gratian u m 1140 geschaffenen Lehrbuchs für den geistlichen U n t e r richt u n d enthält eine systematische Sammlung von Kirchenrechtssätzen. Dazu Wieacker, PGN, 74; Wesenberg / Wesener 20. 134 Wesenberg / Wesener 28. 135 F N 132. 138 Wieacker, PGN, 63 m i t F N 80; Käser, Rechtsgeschichte, 276; Molitori Schlosser 17 ; Meinig 58. 137 Wieacker, PGN, 63 m i t F N 76; Meinig 56. 138 Vgl. zur Bedeutung des Zitierens von „Außenseitern" Genzmer, A C I Bologna I, 395. 132

B. gratis habitare

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als commodatum

i m römischen Recht

Ansicht begründet er damit, daß unkörperliche Sachen nicht verliehen werden können. Einen zweiten Ablehnungsgrund leitet Accursius aus D. 39, 5, 9pr. her (usus et commodatio rei erit donatio). Daß er dann aber für das gratis habitare die actio praescriptis verbis anwenden will, steht dazu i n Widerspruch. Denn dafür ist seiner Ansicht nach allein entscheidend, daß die habitatio gratuita nicht die Gebrauchsüberlassung einer unbeweglichen, sondern — i n Form der dinglichen servitus habitandi — einer unkörperlichen Sache betrifft. I m Gegensatz zu seiner kurz zuvor getroffenen Aussage meint Accursius nun, daß unkörperliche Sachen verliehen werden können. Auch Azo erstreckt die Leihe — neben beweglichen und unbeweglichen Sachen — i m Zusammenhang m i t der habitatio gratuita auf unkörperliche Sachen. Für ihn ist die i n D. 13, 6,1,1 i. f. erwähnte habitatio ein dingliches Gebrauchsrecht 139 . Demgegenüber haben Vivianus Τuscus (gest. ca. 1260) 140 in der Glosse „Si gratuitam" zu D. 19, 5,17 pr.: Casus. Accommodavi tibi domum usu non designato: dubium est, an sit commodatum, vel precarium: & ideo datur mihi praescrip(tis) verb(is). Vivian.

und Accursius i n der Glosse „Tutius" zu D. 19, 5,17 pr.: si dubitetur sit commodatum, an precarium. Differunt enim haec inter se: ut diximus s(upra) commod(ati) l(ex) in commodato § sicut (D. 13, 6,17, 3) & est pro hoc s(upra) eod(am) l(ex) 1 (D. 13, 6,1) & sic cessât commodatum, cum usus non fuerit dietus, & propter dubium, secundum Azo. 2. Vel die secundum Io(annis Bassianus) quod nihilominus habet locum commodati, nam & domus commodatur: ut s(upra) commod(ati) l(ex) 1 & 1(D. 13, 6,1,1). Accurs(ius).

m i t dem Annex Randglosse d: Commodari

domus potest.

das Zurückweichen der actio commodati beim gratis habitare auf Zweifel darüber zurückgeführt, ob es sich um ein commodatum oder ein precarium handele. Beide gehen jedoch von einem auf körperliche Sachen beschränkten Anwendungsbereich der Leihe aus. Dies ergibt sich ganz klar daraus, daß sich Accursius zum einen auf Johannes Bassianus (Anfang des 13. Jahrhunderts) 1 4 1 beruft 1 4 2 , zum anderen auf die vom römischen Hochklassiker Vivian gemachte Aussage bezieht, daß Gegenstand der Leihe ein Haus und damit eine unbewegliche Sache sein könne. Für die i m 13. Jahrhundert die Glossatoren ablösenden Kommentatoren stellt die habitatio gratuita als Objekt eines commodatum schon 139

Azo fol. 88, li. Sp. außen Rdnr. 3. Hattenhauer / Buschmann 46 F N 1. 141 Wesenberg / Wesener 30. 142 v g l . z u r Bedeutung des Zitierens von „orthodoxen Romanisten" Genzmer, A C I Bologna I, 395. 140

I I . Strukturelle Meinungsverschiedenheiten beim gratis habitare

kein Problem mehr dar. Nur so erklärt sich Bartolus' pidare Aussage i n der Glosse vor D. 13,6,1,1: Commodari poralis Bar(tolus).

potest res mobilis

als Leihe

57

(1314 - 1357) 143 la-

& immobilis,

& incor-

Erstaunlich ist das parallele Vorgehen und das kongruente Verständnis von Basiliken und mos italicus. Hier wie dort w i r d die habitatio gratuita als servitus habitandi aufgefaßt; dies beruht auf einer Einbeziehung von res incorporales i n den Anwendungsbereich der Leihe. Unbeantwortet bleibt — wie bei Glossatoren und Kommentatoren — die Frage, weshalb die als dingliches Gebrauchsrecht verstandene habitatio zu einer Ausdehnung des Anwendungsgebiets der Leihe führen muß. Eine Notwendigkeit dazu besteht hier ebensowenig wie i n den Basiliken. Die von den Basiliken und einem großen Teil des mos italicus geteilte Ansicht, i n D. 13, 6,1,1 habe es sich u m die Einräumung eines dinglichen Gebrauchsrechtes und damit um eine Rechtsleihe gehandelt, ist jedoch unzutreffend 1 4 4 . Denn einmal befaßt sich Ulpian i m 28. Buch ad edictum mit dem obligatorischen commodatum 145 und zum anderen geht es i m Verlauf des Fragments allein u m die inhaltliche Beschreibung der Leihe. Es ist ausschließlich von beweglichen und unbeweglichen Sachen, nicht aber von (beschränkten dinglichen) Rechten die Rede 146 . Ulpian wird deshalb im Anschluß an Vivian von der schuldrechtlich begründeten, unentgeltlichen Überlassung einer Wohnung zum Gebrauch gehandelt und darin ein commodatum erblickt haben 1 4 7 . Mangels anderslautender Quellen hat er sich für die spätklassische Zeit m i t dieser Auffassung durchgesetzt 148 .

143 Wieacker, PGN, 86; Käser, Rechtsgeschichte, 276; Kunkel, Rechtsgeschichte, 163; Dulckeit / Schwarz / Waldstein § 44113 b, S. 276; Molitor [ Schlosser 19; Wesenberg / Wesener 31; Meinig 58. 144 Endemann, RPR, 167; Zabel 16 F N 58. 145 Lenel, Palingenesia, Ulp. Nr. 798. 146

147

F

N

1 4 4 >

Dafür spricht auch die Tatsache, daß zwei Stellen diese Auffassung doppelt u n d übereinstimmend überliefern u n d U l p i a n sich dabei beide Male auf die A u t o r i t ä t von V i v i a n beruft (D. 13, 6,1,1 i. f.; 19, 5,17 pr.), i n D. 13, 6,1,1 zusätzlich auf Cassius. Vgl. auch Watson, obligations, 168. 148 Vgl. dazu Käser, Methodologie, 22 f., 23 unten. Dafür spricht nicht zuletzt die Doppelüberlieferung i n D. 13, 6 , 1 , 1 i. f. u n d 19, 5,17 pr. Dies kann m i t Käser (Methodologie, 23) w o h l als Anzeichen f ü r eine i n der Spätklassik herrschende Meinung gelten.

58

B. gratis habitare

als commodatum

i m römischen

echt

ΠΙ. Die für die Rückgabe der verliehenen Wohnung zuständige actio Handelt es sich also nach Ansicht von V i v i a n und Ulpian beim gratis habitare u m einen Anwendungsfall des commodatum, müßte dem Verleiher für sein Rückgabeverlangen folgerichtig die actio commodati zur Verfügung gestanden haben. I n diesem Zusammenhang heißt es i n Ulpianus D. 19, 5,17 pr. (lib. 28 ad edictum): Si gratuitam tibi habitationem dedero, an commodati agere possim? et Vivianus ait posse: sed est tutius praescriptis verbis agere.

Nach diesem Fragment, das ebenfalls aus dem 28. Buch von Ulpians Ediktskommentar stammt und an dessen Echtheit keine Zweifel bestehen 149 , zieht Vivian i n der Tat die gebotene Konsequenz aus der von i h m in D. 13, 6, 1,1 überlieferten Auffassung. Da er der Meinung ist, habitationem commodari posse 150 , spricht er dem Verleiher zum Zweck der Räumung der Wohnung die actio commodati zu 1 5 1 . Ulpian mag dagegen nicht so weit gehen. Er ist vorsichtiger und meint, es sei für den Verleiher sicherer (tutius), m i t einer actio praescriptis verbis zu klagen. Ulpians Äußerung „tutius est, praescriptis verbis agere" bringt Michel 152 m i t dem Gedanken i n Zusammenhang, daß das commodatum bei Immobilien ursprünglich nur auf relativ kurzfristige Gebrauchsüberlassungen zugeschnitten gewesen sei, während demgegenüber das gratis habitare i n der Regel über recht lange Zeiträume gewährt wurde. Gewiß ist es denkbar, daß die römischen Leiheregeln zunächst nur dann auf Immobilien angewendet wurden, wenn es sich um eine kurze, auf einen bestimmten Gebrauch begrenzte Leihdauer gehandelt hat 1 5 3 .

149 Käser, RPR I, § 135 F N 6 a. E., 12, 19, S. 581, 582, 583. Allgemein halten die verbale Ausdrucksweise „praescriptis verbis agere" f ü r eine i n die klassische Zeit zurückreichende Bezeichnung: Endemann, RömPR, 169; Siber 208 ff.; Jörs l Kunkel § 152.2 m i t F N 4, S. 244; vorsichtig Kabel § 74, S. 116 f. Meylan 9 ff. m i t ausführlicher Literaturübersicht über Voraufgehende. Käser m i t umfassenden weiteren Nachweisen (a.a.O. S. 582 i n F N 12 u n d 13). Die Verdächtigungen von Beseler (Beiträge I I , 156 ff.), Perozzi (278 f.), de Francisco (307 ff.) u n d Lenel (edictum, 301) sind wenig substantiiert. Es ist zu undifferenziert, w e n n beispielsweise Beseler (Beiträge I I , 156 ff.) die actio praescriptis verbis pauschal als eine Schöpfung Tribonians bezeichnet (156) u n d davon spricht, daß die Klage m i t einem Manne zu vergleichen sei, „der aus einem unrechtmäßig von i h m bewohnten Hause hinausgeworfen, den Schuh zwischen T ü r u n d Schwelle zu klemmen vermocht hat. Diesem Schuh entspricht der pseudoklassische Name der Klage" (157/8). 150 D. 13,6, 1, 1. 151 D. 19, 5, 17 pr. 152 Nrn. 56, 57, 70, 146, 501 a. E. 153 Michel Nrn. 56, 57, 146, 501 a. E.

I I I . actio f ü r die Rückgabe der verliehenen Wohnung

59

Diesen entwicklungsmäßig sicherlich zutreffenden Ausgangspunkt 1 5 4 unterstreichen literarische Quellenbeispiele von Schriftstellern 1 5 5 , die bereits der jüngeren Republik angehören. Es gibt aber keine Anzeichen dafür, daß die Juristen die Kurzfristigkeit der Gebrauchsdauer zu einem zusätzlichen begrifflichen Merkmal erhoben haben. Michels H y pothese 156 , die Äußerungen von V i v i a n als einen Beleg dafür anzusehen 157 , daß i n der Zeit bis zur Hochklassik langfristige Gebrauchsüberlassungen gebräuchlicher geworden seien 158 , mag berechtigt sein. Aber diese Erklärung für die Haltung Ulpians i n D. 19, 5,17 pr. ist nur schlüssig, wenn festgestellt werden könnte, daß die habitatio gratuita ihrerseits i m Gegensatz zur Immobiliarleihe stets auf lange Dauer eingeräumt worden wäre. Das ist aber nicht der Fall. I n dem von Cervidius Scaevola D. 39, 5, 32 erwähnten Beispielsfall hatte Lucius Titius dem tu das unentgeltliche Wohnen so lange gestattet, wie dieser es wolle. I m Gegensatz zu den bei entgeltlicher Wohnungsüberlassung vielfach kürzeren Zeiträumen 1 5 9 war die Wohnungsdauer beim habitare gratis vielleicht häufig länger. Während der Briefempfänger i n Scaev. D. 39, 5, 32 behauptet, noch nach dem Tode des Lucius Titius zu weiterer unentgeltlicher Benutzung der Wohnung berechtigt zu sein, bestreiten die Erben dies und verlangen die Räumung. Die Gewährung für „quamdiu volueris" weist deutlich auf die bloße Abhängigkeit der Wohnungsbenutzung von dem Willen des Bedachten 1 6 0 hin. Deswegen wäre eigentlich zu erwarten, daß Scaevola das Verbleiben des Habitators nach dem Tode des Lucius Titius i n der Wohnung als rechtmäßig eingestuft hätte; denn die geschilderte Abhängigkeit umfaßt auch die Möglichkeit, daß der Habitator über den Tod des Gestattenden hinaus bis zu seinem eigenen Tode i n den Zimmern wohnt. Diese Bindung an den Willen des Habitators, i n dessen Macht es allein steht, das Rechtsverhältnis zu lösen, spricht entschieden gegen

154

R. Leonhard, RE I V . 1, Sp. 771. Siehe die amüsante Geschichte des Prahlers bei Auetor ad Herennium 4, 51, 64 (Haus f ü r eine Nacht). Weiter Plinius minor (62 * ca. 114), epistulae 8,12, 2; Juvenal (60 - 140) Satyr 7, 39 - 40 (dazu Cicogna B I D R 19, 237). 156 F N 152. 157 Michel Nr. 56. 158 Michel Nr. 146. 159 Ulp. D. 19,2,19,6, berichtet von der einjährigen Vermietung einer W o h nung (habitatio). Paul. D. 19, 2, 24, 2 erwähnt eine fünfjährige Vermietung eines Hauses (domus). Dazu Käser, RPR I, § 132 I I I 5, S. 568; Costa, locazione, 104 f., 105 F N 2 a. E.; Mayer-Maly 215; Genius 23 F N 26 m i t weiteren Nachweisen u n d 24 F N 29. 160 Michel Nr. 65. Vgl. den modernrechtlichen F a l l des L G Hamburg (ZMR 1957, 154): Überlassung eines Hauses „solange w i e er (der Empfänger) wolle". 155

60

B. gratis habitare

als commodatum

i m römischen Recht

die A n n a h m e , d e n I n h a l t des B r i e f e s als v o m G e b e r j e d e r z e i t rufliches precarium 161 zu qualifizieren 162. I m Gegensatz d a z u i n D . 39, 5, 32 z w a r als Erfassung belegt f ü r (1225 - 1293), d e r S o h n

wider-

h a t der mos i t a l i c u s das u n e n t g e l t l i c h e W o h n e n F a l l eines precarium angesehen. Diese j u r i s t i s c h e d i e Z e i t d e r Glossatoren Franciscus Accursius von Accursius163, i n der

Glosse „Lucius" zu D. 39, 5, 32: Casus. Concessi tibi precario , ut qua(m)diu volueris utaris domo mea, hoc possunt revocare heredes mei. Franc(iscus Accursii). u n d f ü r die anschließende P e r i o d e der K o n s i l i a t o r e n Paulus

de

Castro

(gest. 1441) 1 6 4 i n d e r Glosse vor D. 39, 5, 32 : Concessio ad usum indeterminatum dicitur precarium, non donatio: et transit ad heredes concedentis, et potest per eos revocari. Paul(us). A b e r diese B e u r t e i l u n g v o n Scaev. D . 39, 5, 32 ist schon deswegen u n w a h r s c h e i n l i c h , w e i l das P r e k a r i u m k e i n e n Bestandsschutz g e w ä h r t e 1 6 5 . L u c i u s T i t i u s h ä t t e also v o n A n f a n g a n a u f e i n A u s z i e h e n gefaßt sein müssen. W e s w e g e n d e r F a l l j u r i s t i s c h v o n Interesse w a r , l i e g t i n der z u m precarium gerade entgegengesetzten S i t u a t i o n der Ü b e r l a s s u n g f ü r „quamdiu voluerisEin „quamdiu voluerim" hätte von vornherein k e i n e P r o b l e m e ü b e r d i e D a u e r des W o h n e n s a u f w e r f e n k ö n n e n . I m Gegensatz z u d e n z u v o r a n g e s t e l l t e n Ü b e r l e g u n g e n s t e h t aber die E n t scheidung Scaevolas. E r b i l l i g t der habitatio gratuita n u r b i s z u m Tode des e r s t v e r s t e r b e n d e n V e r t r a g s p a r t n e r s v e r b i n d l i c h e K r a f t z u 1 0 6 u n d 161 Otto ί Schilling / Sintenis 93 F N 81; Ferrini 130 f. Zamorani (71 F N 36) findet sich durch die Glosse bestätigt. Siehe auch Archi 90. Lenel (Palingenisia I I , Sp. 313) rubriziert Scaev. D. 39, 5, 32 (Nr. 299) unter „De precario". Diese Auffassung läßt sich allerdings n u r bei Interpolationsannahme: volueri[s](m) halten. Dazu Index itpl. 162 Michel Nrn. 55 - 67. Da sich der Brief offenbar an einen Freund oder Bekannten gleichen Standes richtet, ist die Qualifikation des unentgeltlichen Wohnens aus den i n F N 60 geschilderten sozialen Gründen ausgeschlossen. F ü r ein precarium fehlt es hier an dem kennzeichnenden Über- u n d U n t e r ordnungsverhältnis. Das Kommodat findet zwischen Partnern sozial gleicher Schicht statt (dazu Macqueron Index 1, 265). 163 Hattenhauer / Buschmann 44 F N 1. 184 Wieacker, PGN, 86 m i t F N 28. les p r i n z i p : Ulp. D. 43, 26,1 pr. Ausnahmen: Ulp. D. 43, 26,4, 4; Pomp. D. 43, 26,5; Ulp. 43, 26, 6 pr. Sohm / Mitteis / Wenger 279 F N 13 m i t dem zutreffenden Hinweis, daß das P r e k a r i u m n u r eine Besitzüberlassung „bis auf w e i teres" u n d daher zu jeder Zeit widerruflich sei. Das „precarium ad tempus" (dazu Zamorani 163 ff.) ist m i t der zeitlichen Verbindlichkeit, die der precario dans nicht w i l l k ü r l i c h u n d vorzeitig abkürzen kann, eine ganz seltene, singuläre Erscheinung. Zamorani (167, 168 F N 11, 182) hält sie überdies für eine Schöpfung der nachklassischen oströmischen Doktrin. Siehe auch Michel Nr. 214 ff. 1ββ

Michel Nr. 65.

I I I . actio für die Rückgabe der verliehenen Wohnung

61

b e s c h r ä n k t i h r e obligatorische W i r k u n g d a m i t a u f d i e Z e i t inter vivos 1* 7. W e s h a l b er d e m g e ä n d e r t e n W i l l e n der E r b e n G e l t u n g verschafft, h ä n g t d a m i t zusammen, daß d e r B r i e f w e d e r der V e r m ä c h t n i s f o r m g e n ü g t 1 6 8 noch d e n V o r a u s s e t z u n g e n des F i d e i k o m i s s e s e n t s p r i c h t 1 6 9 ' 1 7 0 . D e r E n t s c h e i d u n g Scaevolas scheint A e m i l i u s P a p i n i a n (ca. 146 b i s 2 1 2 ) 1 7 1 z u widersprechen, w e n n er e i n e r W o h n u n g s ü b e r l a s s u n g ü b e r d e n T o d des Gebers h i n a u s G ü l t i g k e i t b e i m i ß t : Papinianus D. 39, 5, 27 (lib. 49 quaestionum) : Aquilius Regulus iuvenis ad Nicostratum rhetor em ita scripsit: „quoniam et cum patre meo semper fuisti et me eloquentia et diligentia tua meliorem reddidisti, dono et permitto tibi habitare in illi cenaculo eoque uti u. defuncto Regulo controversiam habitations patiebatur Nicostratus et cum de ea re mecum contulisset, dixi posse defendi non meram donationem esse, verum officium magistri quadam mercedo remuneratum Regulum ideoque non videri donationem sequentis temporis irritam esse, quod si expulsus Nicostratus veniat ad iudicem, ad exemplum interdicti, quod fructuario proponitur, defendendus erit quasi loco possessoris constitutus, qui usum cenaculi accepit. B e i d e F ä l l e s i n d n u r i n s o w e i t v e r g l e i c h b a r , als die B e r e c h t i g u n g z u m W o h n e n h i e r w i e d o r t i n e i n e m B r i e f e r k l ä r t w i r d 1 7 2 . A n s o n s t e n besteh e n Unterschiede, d i e d i e abweichende A n t w o r t P a p i n i a n s r e c h t f e r t i gen, n i c h t n u r d a r i n , daß h i e r k e i n e habitatio gratuita i n Betracht k o m m t , w e i l i n d e m F r a g m e n t v o n gratuitus n i r g e n d w o d i e Rede ist. P a p i n i a n v e r n e i n t v i e l m e h r d i e f ü r eine S c h e n k u n g n o t w e n d i g e L i b e r a l i t ä t 1 7 3 u n d sieht i n d e r W o h n u n g s g e w ä h r u n g die A b g e l t u n g d e r v o n 175 N i c o s t r a t u s z u v o r g e l e i s t e t e n operae liberales 174* . Das U n t e r s u c h u n g s e r g e b n i s z u r L e i h d a u e r e i n e r I m m o b i l i e u n d e i n e r W o h n u n g f ä l l t d e m n a c h bescheiden aus. D e n w e n i g e n Q u e l l e n , welche d i e k u r z e D a u e r b e i m V e r l e i h e n e i n e r u n b e w e g l i c h e n Sache ü b e r l i e 167 F e r r i n i (131) hält Scaev. D. 39, 5, 32 f ü r einen Beleg dafür, daß zur Beendigung der precario gewährten habitatio gratuita allein das Leben des Gebers ausschlaggebend sei. 168 Uber die einzelnen, unverzichtbaren legatsbegründenden Formentypen berichtet Gaius 2, 193, 201, 213, 216. Dazu Käser, RPR I, § 184 I I 1 - 4, S. 743 f. 169 Z w a r ist das fideicommissum nicht formgebunden (Käser, RPR I, § 189 I I 1, S. 758), k a n n also auch durch einen Brief bestellt werden (Paul. D. 31, 75 pr.). Aber er muß dann an Erben oder Legatar gerichtet sein und darf erst nach dem Tode des Absenders geöffnet werden. 170 Michel Nr. 66. 171 Jörs, RE 1.1, 572 ff.; Kunkel 224 - 229. 172 Michel Nr. 67. 173 Ulp.-Labeo D. 39, 5,19,1. Mitteis 164 F N 46; von Rambach 27; Stock 43; Michel Nrn. 67, 449; Ferrini 131. 174 Käser, RPR I, § 132 F N 62, S. 569; Stock 43; Michel Nrn. 67, 309 ff., 449; Visky, Synteleia Arangio-Ruiz I I , 1068, 1069. 175 Die zahlreichen Interpolationsannahmen zu dieser Stelle (siehe dazu Index itpl. u n d Stock 42 f.) w i r k e n sich bei dieser Beurteilung nicht aus.

62

B. gratis habitare

als commodatum

i m römischen Recht

fern, steht allein das Scaevolafragment gegenüber, das die lange Dauer bei der habitatio gratuita bezeugt. Ob die habitatio gratuita regelmäßig für lange Zeit eingeräumt wird, läßt sich lediglich vermuten. Selbst wenn sie i n der Regel langfristig vereinbart worden sein sollte, vielleicht i n ihrer Dauer an das Leben einer Partei geknüpft war, dann spricht dies nicht von vornherein gegen ein commodatum. Aus einer solchen Situation Schlüsse zu ziehen, ist daher bedenklich. Daß die römischen Juristen aber aufgrund dieser tatsächlichen Unterschiede, ohne näher auf sie einzugehen, die Subsumtion der habitatio gratuita unter das commodatum abgelehnt hätten, ist unwahrscheinlich. Michel 176 hat ferner erwogen, daß Ulpian i n D. 19, 5,17 pr. die eingeräumte habitatio, obwohl sie ausdrücklich als gratuita bezeichnet war, aus Gründen, die die Kompilatoren gestrichen hätten, i n dem i h m vorgelegten praktischen Fall als nicht zweifelsfrei unentgeltlich betrachtet haben könnte. Daß Zweifel an der Unentgeltlichkeit eines Rechtsgeschäfts eine praescriptis verbis (in factum konzipierte) actio auszulösen vermochten, dafür erbringen neben Pap. D. 39, 5, 27 die Stellen Ulp. D. 19, 5, 17, 3 1 7 7 und Marc. D. 19, 5, 25 Beweis. Stellt sich nämlich der geschlossene Kreis der i m prätorischen Edikt enthaltenen Klagen als unzureichend heraus, wenn außerhalb von Kauf und locatio conductio ein Austausch von Leistung und Gegenleistung vereinbart worden w a r 1 7 8 , dann gewährte der Prätor ergänzend (utiliter) 179 an die ediktalen Klagen angelehnte actiones in factum 180. Ulpianus D. 19, 5,17, 3 (lib. 28 ad edictum): Si, cum unum bovem haberem et vicinus unum, placuerit inter nos, ut per denos dies ego ei et ille mihi bovem commodaremus, ut opus faceret, et apud alterum bos periit, commodati non 176

Nrn. 57, 146, 501. Vgl. auch Cicogna B I D R 19, 249. Vgl. Übernahme von Ulp. D. 19, 5,17, 3 i n Just. Inst. 3, 24, 2 zweite Hälfte. Käser (RPR I, § 132 F N 29 m i t weiteren Nachweisen) hält den Gebrauchstausch schon f ü r klassisch u n d die Stelle damit f ü r echt. Dazu jetzt ausführlich Misera (SZ 94, 270 ff.). Z u Recht betont Mayer-Maly (131), daß die Begründung „non fuit gratuitam" n u r die Ablehnung der actio commodati, nicht aber auch einer actio locati deckt. Dennoch ist sein Vorschlag, „praescriptis verbis" durch „in factum" zu ersetzen, nicht zwingend, k a n n es sich doch gerade u m einen Beleg f ü r die klassische Verwendung von „praescriptis verbis agere" (dazu Käser a.a.O. § 135 F N 6, 19) als untechnische Bezeichnung f ü r actio in factum handeln, welche ergänzend f ü r einen Austausch von Leistung u n d Gegenleistung außerhalb der locatio conductio gewährt wurde (Käser a.a.O. § 135 I, S. 580; Misera SZ 94, 272). 178 Käser, RPR I, § 1351, S. 580; ähnlich schon Siber 208 f.; jetzt Misera SZ 94, 272. 179 Alex. C. 2, 4, 6,1 (a. 231). 180 Siber 209; Jörs / Kunkel § 152.2, S. 244; Rabel § 3, S. 8; Käser, RPR I, § 135 I I . l , S. 582; siehe auch Pomp. D. 19, 5,1 pr. Beseler (Beiträge I I , 96) anerkennt, daß diese Stelle i n der Hauptsache echt ist. Ebenso jetzt Misera SZ 94, 272. 177

I I I . actio f ü r die Rückgabe der verliehenen Wohnung competit actio, quia non fuit verbis agendum est

gratuitam

commodatum,

verum

63 praescriptis

Ulpian sieht den Vertrag über den gegenseitigen Gebrauchstausch zweier Ochsen nicht als zwei voneinander unabhängige Leiheverträge an, obwohl die Parteien dies als wechselseitiges commodatum 181 bezeichneten. Er erblickt darin offenbar einen einheitlichen entgeltlichen Vertrag 1 8 2 . Auch Marcian (ca. 218 - 235) 183 betrachtet den Austausch von Sklavendiensten als einen Fall, der eine actio praescriptis verbis erfordert 1 8 3 ' 1 . Marcianus D. 19,5,25 (lib. 3 regularum): Si operas fabriles quis 18i servi vice mutua dedisset, ut totidem reciperet, posse eum praescriptis verbis agere ...

Man hätte vielleicht erwarten dürfen, daß Ulpian i m Ochsenfall eine locatio conductio annimmt. Aber nach Gaius 3,144: V e i 1 8 5 si rem tibi utendam dederim et invicem dam acceperim, quaeritur an locatio et conductio contrahatur.

aliam rem

uten-

war die Qualifikation des Gebrauchstausches als locatio conductio umstritten 1 8 6 . Das zeigt der Gebrauch von „quaeritur" 187. Wie Gaius selbst dazu stand, beantwortet er nicht 1 8 8 . Papinian D. 39, 5, 27 zögert nicht, die von Regulus ausdrücklich als schenkweise Wohnungsgestattung („dono et permitto tibi habitare") beschriebene Qualifikation des Rechtsgeschäfts i n die Abgeltung bereits geleisteter Dienste durch Auslegung umzuändern 1 8 9 . Ulpian D. 19, 5,17, 3 und Marcian D. 19, 5, 25 sind übereinstimmend der Auffassung, daß nicht jeweils zwei unentgeltliche Verträge des Typs commodatum vorliegen. Für die Gewährung der 181 Es geschieht ganz selten, daß f ü r das Kommodat die Unentgeltlichkeit ausdrücklich erwähnt w i r d . Das Vocabularium Iurisprudentiae Romanae (gratuitus, S. 1003) weist lediglich diese Stelle nach. Vgl. auch Watson, obligations, 169 F N 2. 182 Käser (RPR I, § 132 I I I 1, S. 566 m i t F N 29) sieht darin eine Ausnahme von dem klassischen Prinzip der Gegenleistung i n Geld (merces, pretium). Dazu Michel Nrn. 147, 148. Mayer-Maly (131 f. m i t F N 4 a) ersetzt i m A n schluß an de Francisci (241 ff.) u n d Beseler (Beiträge I I , 164/5) „praescriptis verbis " durch „in factum". 183 Kunkel 258 f. 183a Käser (RPR I, § 139 F N 13, S. 594) hält es f ü r Klassikermeinung, daß die sonst einschlägige condictio operarum von Marcian deswegen abgelehnt wird, w e i l geleistete Dienste nicht mehr in rerum natura seien, von Lübtow (Condictio 57 f.) sieht hier mehr die Frage behandelt, ob überhaupt eine repetitio stattfindet (58). Siehe auch Michel Nr. 148. 184 F qui. 185 Baviera beginnt m i t Item (FIRA I I , 131). 186 Mayer-Maly 130 f. 187 Mayer-Maly 130; Käser, Methodologie 21; critica del testo I, 302; Schwarz, Fs Schulz I I , 207 ff. 188 Mayer-Maly 130; Michel Nr. 147. 189 Michel Nrn. 67, 449; Ferrini 131.

64

B. gratis habitare

als commodatum

i m römischen Recht

actio commodati ist den Juristen die Unentgeltlichkeit zweifelhaft und unklar, ob nicht doch eine Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung der Sache vorhanden ist 1 9 0 . Eine locatio conductio lehnte Ulpian vermutlich deshalb ab, weil die „Gegenleistung" nicht i n einer festen Geldsumme (merces, pretium) bestand 191 . Eine bei Abschluß der ersten „Leihe" vereinbarte „Gegenleistung" reicht zwar aus, einen außerhalb der Vertragstypen stehenden Austauschvertrag zu begründen 1 9 2 . Da für ihn aber keine ediktale Klage zur Verfügung steht, erfordert er die geschilderte prätorische Fortbildung. Es entspricht der Billigkeit des römischen Rechts, das berechtigte Leistungsbegehren eines Teils nicht an Schwierigkeiten der Subsumtion scheitern zu lassen, erst recht dann nicht, wenn feststand, daß ein Kontrakt geschlossen worden ist, und nur ungewiß war, welcher 1 9 3 . Die beiden letzten, für eine actio praescriptis verbis einschlägigen Fälle kommen dem, was auch Ulpian D. 19, 5,17 pr. veranlaßt haben könnte, zu ihr zu greifen, am nächsten. Ob Ulpian dabei an den Fall der remissio mercedis (D. 19, 2, 5) gedacht hat, den Lenel 194 dem Fragment D. 19, 5,17 pr. i n der Palingenesie des 28. Buches des Ulpianschen Ediktskommentars unmittelbar anschließt, ist fraglich 1 9 5 . U l p i a n u s D . 19,2,5 (lib. 28 ad edictum): Si tibi habitationem pensionem remittam, ex locato et conducto agendum erit.

locavero,

mox

Zwar ist die wirtschaftliche Situation 1 9 6 zwischen einem Wohnungsmieter, dem der Mietzins erlassen ist, und einem Habitator gleich 1 9 7 . Aber gerade für den Fall des Verzichts auf Mietzins durch den locator beläßt es Ulpian bei den aus dem typischen Vertrag folgenden actiones „ex locato " und „ex conductoweil die Parteien ursprünglich ja w i r k lich einen Mietvertrag abgeschlossen hatten. Er geht deshalb auf eine actio praescriptis verbis gar nicht ein 1 9 8 . Daß die remissio pensionis (oder mercedis) nicht zur Umwandlung der bislang entgeltlichen locatio conductio i n ein commodatum führt, beruht vielleicht darauf, daß der Wohnungsinhaber ein Interesse daran hat, weiterhin als Mieter behandelt zu werden 1 9 9 . Grund dafür ist die strengere Haftung des Habitators 190

Michel Nrn. 147, 148. Vgl. Käser, RPR I , § 132 I I I 1, S. 566 m i t F N 29. 192 Käser, RPR I, § 135 I, S. 580 f. 193 Käser, RPR I, § 135 I, S. 581; ähnlich schon Siber 208 f. 194 Palingenesia, Ulp. Nr. 804, Sp. 582. 195 Michel Nr. 501. 196 A u f g r u n d derselben Betrachtungsweise gelangt U l p i a n auch beim I n t e r d i k t „de migrando " zur A n w e n d u n g auf den Habitator (D. 43, 32,1, 3). 197 Ähnliche Überlegung bei Michel Nrn. 495, 496. 198 Michel Nrn. 407, 501. 199 Michel Nr. 407. 191

I I I . actio für die Rückgabe der verliehenen Wohnung

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gegenüber dem Mieter 2 0 0 . Während jener als Kommodatar regelmäßig für custodia 201 und dann, wenn er die Sache nicht vertragsmäßig gebraucht, selbst für vis maior haftet 2 0 2 , ist der Mieter nur bei culpa und lediglich für die übergebenen Sachen zur custodia verpflichtet 2 0 3 . Ist zwar nach alledem der Erklärungsversuch Michels 204 theoretisch möglich, so scheitert seine Annahme, daß es sich i n D. 19, 5,17 pr. u m eine i n Wahrheit entgeltliche habitatio gehandelt haben könnte, aber einfach daran, daß Ulpian zum einen ausdrücklich von habitatio gratuita spricht, zum anderen den technischen Begriff commodare 205 verwendet. Es gibt zudem keine Anhaltspunkte dafür, daß die Kompilatoren den Ulpiantext verkürzt hätten, was angenommen werden müßte 2 0 6 , wenn Michels Vermutung zutreffen soll. Die vorsichtige Äußerung Ulpians (tutius est praescriptis verbis agere) hat nach alledem weder etwas m i t der langen Dauer einer habitatio gratuita noch m i t Zweifeln an der Unentgeltlichkeit zu tun. Sie hängt vielmehr zusammen m i t der Kontroverse über den Anwendungsbereich bei Immobilien (D. 13, 6,1, l ) 2 0 7 und ist i m übrigen natürlich aktionenrechtlich zu erklären 2 0 8 . Erwuchsen beispielsweise de eadem re mehrere Aktionen, mußte sich der Kläger für das Vorgehen aus einer einzigen actio entscheiden 209 . Infolge der über die ausgewählte actio hinausgehenden Ausschlußwirkung der Litiskontestation stand und fiel die materielle Berechtigung m i t dem Erfolg oder Mißerfolg der actio 210. Deshalb war es für die 200 Vgl. Michel Nrn. 407 m i t F N 28, 496, für das Verhältnis Mieter — K o m modatar. 201 Kipp 261; Watson , obligations, 169 f.; Käser, RPR I, § 125 I I m i t F N 4, S. 533; Michel Nr. 407 m i t F N 28; Macqueron Index 1, 266 f. 202 Gaius 3, 206; Ulp. D. 13, 6, 5, 4; Gaius D. 13, 6,18 pr. Käser, RPR I, § 125 I I m i t F N 4, S. 533; Michel Nr. 407 m i t F N 28; Pastori 153 ff., 185 ff. — 256 m i t teilweise bedenklichen Deutungen (dazu Käser a.a.O.; Solazzi I U R A 6, 142 ff.; Flume TR 24, 469 f.). 203 Gaius D. 19,2,25,7. Dazu Mayer-Maly 28 ff.; Käser, RPR I, § 132 F N 86, S. 571. Allgemein: Mayer-Maly 159 f., 189 ff., 200 ff.; Käser, a.a.O., § 132 V 2, S. 571. 204 Nrn. 57, 146, 501. 205 Käser, St. Biondi I, 115 F N 111. Watson (obligations, 169 F N 2) bemerkt i n diesem Zusammenhang: „There is, however, no direct evidence that commodatum had to be gratuitous but this, no doubt, can be presumed." 206 Michel (Nrn. 57, 501 a. E.) hält es sogar für möglich, daß auch ein K o m p i l a t o r den letzten auf die actio prascriptis verbis deutenden Teil angehängt hat. 207 Siehe dazu oben B. I I . 208 Dazu allgemein: Windscheid, Actio, passim; Schulz, Prinzipien, 21, 28 f.; Rabel §§ 1, 2, S. 1 ff., 3 ff.; Kaufmann J Z 1964, 482 ff. 209 Kaufmann J Z 1964, 484. 210 F N 209.

5 Slapnicar

B. gratis habitare

66

als commodatum

i m römischen Recht

römischen Juristen weniger entscheidend, welches materielle Rechtsverhältnis der actio zugrundezulegen war. Wichtiger war, welche actio am sichersten zum Erfolg verhelfen werde 2 1 1 . Gewiß war Ulpian bestrebt, die Entscheidung über die Klage nach der bestmöglichen Erfolgsaussicht auszurichten. Auch seine jahrelange Erfahrung i n wichtigen Staatsämtern, bei denen er ständig m i t Rechtsangelegenheiten befaßt gewesen ist 2 1 2 , werden ihn gelehrt haben, daß eine auf Tatsachen abgestellte Formel dafür am geeignetsten war. Der iudex war dadurch gezwungen, den Sachverhalt umfassend zu überprüfen und nicht nur die vom Kläger vorgetragene Rechtsansicht zu beurteilen, die zudem die Gefahr einer Fehleinschätzung i n sich barg. Höchstwahrscheinlich hängt die Empfehlung Ulpians (D. 19, 5, 17 pr.), sicherheitshalber (tutius) m i t einer praescriptis verbis actio zu klagen 2 1 3 , m i t der Kontroverse darüber zusammen, ob man auch bei einem gratis habitare von commodare sprechen kann (Ulp. D. 13, 6, 1, l ) 2 1 4 . U l pian selbst bejaht zwar diese Frage (D. 13, 6, 1, 1), ist aber realistisch genug, dem Verleiher zu raten, lieber praescriptis verbis zu klagen. Bei einem agere praescriptis verbis handelt es sich um das Vorgehen m i t Hilfe einer actio in factum, bei der der Prätor den jeweils konkreten Sachverhalt (factum) i n der demonstratio umschrieben hat 2 1 5 . Die Gewährung solcher ergänzender Klagformeln war überall dort notwendig, wo dem Gerichtsmagistrat ein Klagebegehren zwar schutzwürdig erschien, der von den Parteien in iure vorgetragene Sachverhalt aber nicht unter den geschlossenen Kreis der i m Edikt proponierten Formeln subsumiert werden konnte 2 1 6 . Hierher gehören vor allem die Fälle, i n denen von den Parteien zwar ein Vertrag geschlossen worden ist, bei dem jedoch unklar ist, welcher 2 1 7 . 211

F N 209. Jörs (RE V . l , 1436/7) m i t der Bemerkung, daß U l p i a n unter anderem als praefectus praetorio (Chef der Reichsverwaltung) die Entscheidungen des Kaisers Severus Alexander (222 - 235) i n Rechtsangelegenheiten vorbereitete. Siehe auch Kunkel 245 ff.; Käser, Rechtsgeschichte, 195; Mayer-Maly, RE I X A . l , 567 ff. 213 Beseler (Beiträge I I , 164) wechselt „praescriptis verbis" gegen „in factum" aus, was jedoch materiell dasselbe bedeutet. Auch Michel (Nrn. 57, 501 a. E.) räumt die Möglichkeit ein, daß eine fremde H a n d diesen Zusatz gemacht habe. Käser (RPR I, § 135 F N 6, S. 581) hält Ulp.-Viv. D 19, 5,17 pr. i m K e r n f ü r echt. 214 So offenbar auch Michel Nr. 57. Vgl. auch Pastori 27; Scapini, St. Grosso V, 76 F N 111 a. E. R. Leonhard (RE IV.1, 772) vermutet als ausschlaggebenden Umstand für die Gewährung der gegenüber der in ius konzipierten, allgemein vorteilhafteren formula in factum, daß der Prätor sie dann gab, wenn er zwar einen Widerspruch m i t dem ius civile feststellte, aber trotzdem eine Klagemöglichkeit eröffnen wollte. 215 Käser, RPR I, § 135 I I 1, S. 582 f. 21β Käser, RPR I, § 135 I, S. 580. 217 Käser, RPR I , § 1351, S. 581. 212

I I I . actio f ü r die Rückgabe der verliehenen Wohnung

67

Ein solcher Anwendungsfall lag beim gratis habitare v o r 2 1 8 . Bei i h m war es nach dem Bericht Ulpians i n D. 13, 6 , 1 , 1 unter den Klassikern nicht unbestritten, ob man hier von einem commodare sprechen konnte, weil es sich bei der Wohnung j a nicht u m eine bewegliche Sache handelt. Deshalb scheidet von vornherein die Annahme aus, Ulpian könnte m i t praescriptis verbis auf die ältere in factum konzipierte Leiheklage angespielt haben, weil es gelegentlich vorkommt, daß Klagen m i t formulae in factum conceptae als actiones in factum bezeichnet werden 2 1 9 , was gleichbedeutend ist m i t praescriptis verbis actiones 220. Ebenso wie die formula in ius concepta („commodavit") 221 enthielt nämlich auch die in factum konzipierte actio commodati i n der intentio das Erfordernis „commodasse ii22 2f und ob ein commodare vorlag, war ja gerade das Problem. Deshalb w i r d es sich i n Ulp. D. 19, 5,17 pr. genauso wie beim fructus tollere i n Pomp. D. 19, 5, 16, 1 u m eine selbständige, für den Einzelfall (gratis habitare) geschaffene Klage gehandelt haben, deren Formel den individuellen Sachverhalt beschrieb 223 . I n Anlehnung an die ediktale in ius konzipierte formula civilis 224 beim Kommodat w i r d die von Ulpian i n D. 19, 5,17 pr. geforderte actio vielleicht gelautet haben: Si paret Am Am No No domum, qua de re agitur, gratis utendam dedisse eamque (dolo malo Ni Ni?) Ao Ao redditam non esse, quidquid ob earn rem Nm Nm Ao Ao dare facer e oportet (ex fide bona?)225 eius iudex Nm Nm Ao Ao condemnato, si non paret, absolvito.

M i t dieser Empfehlung zog sich Ulpian i m Interesse des rechtsuchenden Publikums elegant aus der Affaire, ohne seine Ansicht aufgeben zu müssen, habitare gratis sei ein Fall des commodatum (D. 13, 6,1,1). A u f keinen Fall kann geschlossen werden, daß bereits die römischen Klassiker das gratis habitare als Innominatrealkontrakt verstanden haben. Möglicherweise scheint Michel diese Vorstellung vorgeschwebt zu haben, als er sich dazu entschloß, das gratis habitare i n einem von der Darstellung des commodatum 226 getrennten K a p i t e l 2 2 7 zu erörtern, 218

Käser (RPR I, § 135 I, S. 581 F N 6) f ü h r t deshalb zu Recht hier D. 19, 5, 17 pr. an. 219 Käser, St. Volterra I I I , 566; Selb, Fs Demelius, 224 sub I I . 220 Vgl. Selb, Fs Demelius, 224 sub I I . 221 Siehe oben Β . I. bei F N 16. 222 Siehe oben Β . I. bei F N 14. 223 Vgl. Käser, St. Volterra I I I , 566. 224 Vgl. Käser, RPR I, § 135 I I 1, S. 582. 225 Vgl. Lenel, edictum, 253; Schulz, CRL, Rdnr. 883; Käser, RPR I, § 125 I I m i t F N 10, 11, S. 534; Pastori Labeo 2, 90 f.; Luzzatto Labeo 2, 358 ff. 228 K a p i t e l 5: L e commodat, Nrn. 139 ff. 227 K a p i t e l 2: L'habitatio gratuita, Nrn. 45 ff. 5*

68

B. gratis habitare

als commodatum

i m römischen Recht

und zu dem Ergebnis gelangte, daß die habitatio gratuita zwar ein unentgeltlicher Vertrag, aber kein Anwendungsfall der Leihe sei 2 2 8 . Damit stellt Michel nicht nur seine prinzipielle Aussage i n Frage, wonach die habitatio gratuita inter vivos nichts Materielles vom commodatum zu trennen vermag 2 2 0 . Gegen sein Ergebnis spricht vor allem die zweimal von Ulpian - Vivian überlieferte Auffassung vom gratis habitare als Leihe. Erst die oströmische Schule 230 hat die actio praescriptis verbis als selbständige Einrichtung aufgefaßt, zu einem technischen Begriff gemacht und i m Zusammenhang damit gegenüber den bisherigen Schuldvertragstypen eine neue Gruppe von unbenannten Verträgen (Innominatkontrakte) entwickelt 2 3 1 . Die Interpolationsbehauptungen zu Ulp. D. 19, 5, 17 pr., welche sich lediglich an der Verwendung von praescriptis verbis stoßen 232 , gehen fehl und verkennen die dargelegten Zusammenhänge. M i t der Einführung des Kognitionsprozesses i m 3. Jahrhundert und der Abschaffung des Formularverfahrens i m Jahre 342 233 mußten die lediglich für den Formularprozeß passenden Überlegungen Ulpians natürlich ihre Bedeutung einbüßen und ihre Erklärbarkeit schwieriger werden 2 3 4 . Diese prozessuale Neuerung brachte unter anderem eine stärkere Hinwendung zum materiellen Zivilrecht m i t sich 235 und lenkte so — nahezu zwangsläufig — die Erklärung des Ulpianfragments i n die verkehrte Richtung. Dies bestätigt ein Blick auf die Problembehandlung in den Basiliken und in den Schriften des mos italicus. Die Basiliken geben zwar die klassische Auffassung von Ulpian richtig wieder, wenn auch der Hinweis auf Vivian getilgt ist. Bas. 20,4,17 (Heimbach 11,382): Ούλπιαν. Έαν παράσχω σοι δώρον οϊκησιν, εχω τήν επί τοις κεχρημένοις άγωγήν. άσφαλέστερον δε, την περί των προγεγραμμένων συμφώνων άγωγήν κινεϊν. Ulpian. Si gratuitam tibi habitationem dedero, commodati Sed est tutius, actione praescriptis verbis experiri.

actionem

habeo.

228 Michel Nrn. 70, 372, 499. Gaudemet (RH 41, 639) n i m m t daran keinen Anstoß. Offensichtlich trägt Kaden (SZ 78, 447) daran ebenfalls keine Bedenken. 229 Nr. 64. 230 Jörs/Kunkel § 152.3 F N 6, S. 244; Käser, RPR I, § 135 F N 19, S. 583; RPR I I , § 269 I, S. 419; critica del testo I, 344 f., bes. 347. 231 Jörs l Kunkel § 152.3 m i t F N 7, S. 245; Käser RPR I I , § 269 I, I I , S. 419 ff. m i t weiteren Nachweisen; critica del testo I, 347. 232 Beseler , Beiträge I I , 164; Perozzi, 278 ff., 355 F N 1; 356 ff., de Francisci 307 ff. Auch Michel (Nrn. 57, 501 a. E.) hält einen kompilatorischen Zusatz f ü r möglich. 233 Constans (337-350) u n d Constantinus I I . (337 -361), C. 2, 57,1. 234 Vgl. Kaufmann JZ 1964, 484. 235 Käser, RZ, § 88 I 1, S. 467; Kaufmann J Z 1964, 484.

I I I . actio für die Rückgabe der verliehenen Wohnung

69

Denkt man an Bas. 13,1,1 (Heimbach II, 1), so ist es immerhin folgerichtig, für die Leihe der — wenn auch als dingliches Gebrauchsrecht aufgefaßten — habitatio 236 die actio praescriptis verbis eingreifen zu lassen. Aber worin der Sinn für die Anwendung der praescriptis verbis actio bestanden haben soll, bleibt zunächst unklar. Ein erklärendes Scholion findet sich nicht. Die m i t „sed est tutius" ausgedrückten aktionenrechtlichen Überlegungen Ulpians und sein Hinweis auf die sicherere formula in factum concepta sind i m 9. Jahrhundert sehr wahrscheinlich nicht mehr verständlich. I n der Zwischenzeit hatte sich nämlich die Prozeßform mehrfach geändert 237 . Verlor das dem Formularprozeß angehörende aktionenrechtliche Denken bereits i n spätklassischer Zeit durch den Kognitionsprozeß an Bedeutung 2 3 8 , so machte der seit Mitte des 5. Jahrhunderts aufgekommene Libellprozeß 2 3 9 das an der Klagemöglichkeit orientierte Denken vollends entbehrlich; denn die Klageerhebung brauchte, ohne nähere Gründe zur Sache auszuführen, lediglich die Tatsachen zu enthalten 2 4 0 . Die nach justinianischen Basilikenverfasser haben vielleicht i n diesem Zusammenhang das U1pianfragment für einen wertvollen Hinweis gehalten, dem für den Libellprozeß scheinbar zentrale Bedeutung zukam. Dies erklärte auch, weshalb die oströmischen Juristen das agere i n experü 2 4 1 umformulierten. Während die Basiliken das Ulpianfragment wegen des verlorengegangenen Zusammenhanges von D. 19, 5, 17 pr. m i t dem aktionenrechtlichen Denken mißverstanden, erklärten die Glossatoren 242 die Empfehlung Ulpians, beim gratis habitare zur formula in factum concepta zu greifen, m i t Zweifeln, ob hierbei ein commodatum oder ein precarium vorliege 2 4 3 , was ja auch nicht der klassische Sinn der Stelle war. Vielmehr steht nach den Bemerkungen zum klassischen römischen Recht fest: Ulpian ebenso wie Vivian sahen das habitare gratis als Anwendungsfall des commodatum an. Lediglich aus prozessualen Gründen hielt Ulpian für das Rückgabeverlangen gegenüber der actio commodati eine in factum konzipierte actio civilis für sicherer (tutius).

236

Siehe dazu oben bei F N 121. Käser, RZ, § 77, S. 410 ff. 238 Käser, RZ, § 88 I 1, S. 467; Kaufmann JZ 1964, 484. 239 Käser, RZ, § 87 I, S. 460. 240 Käser, RZ, § 87 I, S. 461. 241 Nach Heumann / Seckel (194/5) bedeutet experiri neben klagen, einen Anspruch gerichtlich verfolgen (Nr. 3). Es hat damit einen neutraleren I n h a l t als das auf den Formularprozeß nahezu festgelegte agere (24 f.). 242 Vivianus Tuscus Glosse „Si gratuitam" zu D. 19, 5,17 pr.; Accursius Glosse „Tutius" zu D. 19, 5,17 pr. 248 Siehe oben bei F N 139. 237

C. Der Gegensatz von Schenkung und gratis habitare im klassischen römischen Recht Haben die bisherigen Erörterungen ergeben, daß nach Vivian-Ulpian die römischen Klassiker gratis habitare als commodatum aufgefaßt haben, so stehen diesem Zwischenergebnis möglicherweise zwei Pomponiusfragmente entgegen, wonach ein gratis habitare Schenkung ist. Pomponius D. 39, 5, 9 pr. (lib. 33 ad Sabinum) : In aedibus alienis habitare gratis donatio videtur: id enim ipsum capere videtur qui habitat , quod mer cedem pro habitatione non solvit ... Pomponius D. 24,1,18 (lib. 4 ex variis lectionibus) : Si vir uxoris aut uxor viri servis aut vestimentis usus vel usa fuerit vel in aedibus eius gratis habitaverit , valet donatio.

Unter Berufung auf Pomp. D. 39, 5, 9 pr. meint denn Käser 1 , auch die unentgeltliche Gewährung einer Wohnung könne Schenkung sein. I. Die Erscheinungsformen der Schenkung Anders als i m geltenden Hecht (§ 516 I) fehlt i m römischen Hecht eine Definition der donatio 2 ebenso wie eine Aufzählung möglicher Schenkungsobjekte 3 . Die römische Rechtswissenschaft hat die Schenkungslehre zudem weder systematisch noch begrifflich behandelt 4 . Vielmehr haben die römischen Juristen für die donatio von verschiedenen A n sätzen her i n Fallentscheidungen Regelungen entwickelt 5 . Anlaß für die Beschäftigung m i t ihr i n klassischer Zeit gaben zwei Schenkungsverbote. Die lex Cincia untersagte Schenkungen von bestimmter Höhe zwischen Personen, die nicht ausdrücklich von diesem Gesetz ausgenommen waren®. Nach einem anderen Verbot waren 1 2

36.

RPR I, § 140 F N 8, S. 601. l u i . D. 39, 5,1 pr. Froehlich

5; Michel Nr. 405; Meinig 32; abweichend Stock

3 Burckhard, Begriff 71; Stolte 2; Froehlich 5; Bartholdy 1; Hübner 1; Karpus 14; Michel Nrn. 1, 465; Meinig 32. 4 Froehlich 5; Meinig 32; Michel Nr. 465. 5 Stolte 2; J. Kübler 2; Hübner 1; Karpus 13; Seiler 4; Michel Nr. 465; vgl. Schulz, Geschichte, 156; Käser, critica del testo I, 297, 301; Wieacker, critica del testo I I , 1107. 6 Siehe dazu Kariowa I I . l , 585 ff.; Mitteis 153 ff.; Β . Kübler, Geschichte, 181 f.; Siber 65; Kipp 269; Jörs ! Kunkel § 153.2, S. 246; Rabel § 121, S. 192 f.; Käser, RPR I, § 140 13 a, S. 602; Verbotsgesetze, 21 ff.; Stock 40; Archi 145 ff.;

I. Erscheinungsformen der Schenkung

71

Schenkungen unter Ehegatten ungültig 7 . Es war für die Römer von sekundärer Bedeutung, einen Schenkungsbegriff auszubilden. Primär interessierte es sie festzustellen, ob ein unentgeltliches Rechtsgeschäft unter die Regelungen fiel 8 , die nach dem Wortlaut der lex Cincia ein „donare et capere "9 voraussetzten oder von dem Verbot der donatio inter virum et uxorem erfaßt wurde. Daß die römischen Juristen schwerlich zu einer einheitlichen begrifflichen Erfassung der Schenkung hätten gelangen können, liegt in den strukturellen Eigenheiten der donatio selbst begründet. Die donatio ist i m römischen Recht nämlich nicht als besonderes Rechtsinstitut entwickelt. Die donatio als solche kennt das klassische Recht nicht. Weder ist sie ein selbständiger Verpflichtungsgrund noch ein besonderer Vertragstyp. Es gibt lediglich eine causa donandi, die die verschiedensten Zuwendungsakte rechtfertigen und bereicherungsfest machen kann 1 0 . Um rechtliche Bindung zu erzeugen, ist die causa donandi darauf angewiesen, i n Formalakte eingekleidet zu sein 11 . Demzufolge kommt eine Schenkung erst zustande, wenn simultan ein dingliches Übertragungsgeschäft — mancipatio und in iure cessio bei res mancipi und traditio bei res nec mancipi — vollzogen w i r d 1 2 . Noch heute beruht die dogmatische Grundfigur der Schenkung auf der Vorstellung des Handgeschäfts (§ 516). Als Versprechensgeschäft konnte die causa donandi nur durch den gleichzeitigen Abschluß einer Stipulation Verbindlichkeit Casavola passim; Biondi , donazioni, Nrn. 8, 15; Meinig 32 ff.; Garofalo B I D R 15, 310 ff.; Dénoyez I U R A 2, 140 ff.; Wesener SZ 78, 485 ff.; Kaden Labeo 9, 248 f. 7 D. 24.1. Endemann, RPR, 205; Siber 65 f.; Jörs ! Kunkel § 153.2, S. 247; Schulz, CRL, Rdnr. 206; Rabel § 121, S. 193 f.; Käser, RPR I, § 79 I I I 1, S. 33; Wilms passim (dazu Erdmann SZ 57, 432 ff.); Dumont passim (dazu Käser K r V j S c h r 59, 333; Kaden SZ 50, 611); Thayer 123 ff. (dazu Käser K r V j S c h r 59, 333); Nikolsky passim (dazu von Nolde SZ 24, 441); Aru passim; Stock 4 ff., 44 ff. (dazu Kaden SZ 53, 615); Archi 195 ff.; Biondi , successione, 649 ff.; donazioni, Nr. 15; Michel Nr. 68; Meinig 37 ff.; Misera 238 ff., 286 ff.; Söllner 127 ff.; Hof mann GrünhutsZ 8, 286 ff.; Stoicesco, Revista clasicä (drept) 1/2, 4 ff. (dazu Kreller SZ 62, 460, 461). 8 Burckhard, Begriff, 7 ff., bes. 13 f.; Meinig 52; Misera 83 F N 17 m i t w e i teren Nachweisen. 9 Vat. 298, 307. Dazu Wesel 54 f. 10 Z u r S t r u k t u r der causa donandi: Mitteis 246; Siber 65; Jörs f Kunkel § 153.1, S. 246; Schulz, CRL, Rdnr. 972; Käser, RPR I, § 14012, S. 602; Bartholdy 25 f.; Archi 23; Biondi , donazioni, Nr. 7; Michel Nrn. 463, 469, 470; Meinig 32, 52. 11 Kariowa I I . l , 588 f.; Käser, RPR I , § 1401 2, S. 602; Moser 20; Archi 35, 41, 85 ff.; Michel Nr. 464. 12 Kariowa I I . l , 588 f.; Käser, RPR I, § 14012, S. 602; Moser 20; Sturm 189 ff., 210 ff.; Meinig 35. Burckhard (Begriff, 64) m i t dem Hinweis, daß T r a dition (datio) und Stipulation (promissio) als die beiden Hauptarten vollendeter Vermögensübertragung auch bezüglich der Schenkung jedenfalls i n klassischer Zeit gleichwertig nebeneinanderstanden.

72

C. Gegensatz von Schenkung u n d gratis habitare i m römischen Recht

erzeugen 13 , was der heutigen Regelung i m § 518 I entspricht. Wenn auch i m römischen Recht die stipulatio durch das Wechseln bestimmter Worte 1 4 (Verbalvertrag) zwischen den Parteien zustandekam 15 und heute das Schenkungsversprechen vor einem Notar abgegeben wird, so ist doch für beide Tatbestände entscheidend, daß die Schenkungsverpflichtung erst dadurch entsteht, daß der Schenker seinen formalisierten Schenkungswillen äußert, wobei es sich um eine einseitige Verpflichtung handelt 1 6 . Da der Parteikonsens über die causa donandi weder selbständig obligieren konnte noch als eigener Geschäftstyp ausgeprägt war, kommt es ähnlich wie bei dem als Realvertrag strukturierten commodatum erst m i t der Hingabe des Leistungsgegenstandes zu einer gültigen (Hand-) Schenkung. Ebenso wie bei jenem begründet auch die causa donandi keine Verpflichtung zur Leistung. Ist jemandem ein silberner Tisch schenkweise — aber ohne Stipulationsform — versprochen worden, so kann er diese Leistung genausowenig einklagen, wie wenn zwischen den Parteien die unentgeltliche Überlassung einer Wohnung vereinbart worden war. Erst wenn er die Wohnung betritt, entstehen die Obligationen aus dem commodatum 17. Gleichermaßen ergibt sich die rechtfertigende Wirkung, den Tisch behalten zu dürfen, erst m i t der traditio. Diese Besonderheit der Schenkung und der vorwiegend kasuistische Charakter des römischen Rechts 18 , dem von vornherein theoretische Begriffsbestimmungen fremd sind, mußten nahezu zwangsläufig zu einem unübersichtlichen B i l d 1 9 i n bezug auf die donatio führen. Die Schwierigkeiten, den Schenkungsumfang zu erfassen 20 , bestanden nicht nur für die klassische Jurisprudenz. Noch Justinian (527 - 565) ließ dem i n D. 39,5 behandelten, bezeichnenderweise i m Plural gefaßten Digestentitel „de donationibus" den Ausspruch Julians voranstellen: „donationes complures 21 sunt" 22. 13

F N 12. Ζ. Β. „Sestertium X milia mihi dari spondesne" (Frage des Promittenten) „Spondeo " ( A n t w o r t des Promissors). 15 Käser, RPR I, § 128 I I 1 u n d 2, S. 538 ff. 16 Käser, RPR I, § 128 I I 4, S. 542; Larenz § 47 I, S. 157. 17 Siehe dazu oben Β . I bei F N 22. 18 Schulz, Geschichte, 156; Käser, critica del testo I, 297; Wieacker, critica del testo I I , 1107. 19 Michel Nrn. 21, 465, 482. 20 Meinig 32, auch 52 f. 21 Vgl. dazu den von Gellius (noctes atticae, 5, 21, 14) berichteten Streit zweier Freunde bezüglich Sinn und richtigen Gebrauchs von „pluria", auch über die Bedeutung von „complures". Weiss übersetzt m i t „mehrere". 22 Vgl. Michel Nr. 465 m i t F N 4. 14

I. Erscheinungsformen der Schenkung

73

Fruchtlos wäre es deshalb, nach einer A n t w o r t zu suchen, ob die Römer einen vielfachen — für die lex Cincia und das Verbot der Ehegattenschenkung jeweils einen anderen — oder einen einheitlichen Schenkungsbegriff gehabt haben 23 . Die später auf der Grundlage des römischen Rechts durch die Gemeinrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts getroffene Unterscheidung zwischen donatio i m weiten und i m engen Sinn 2 4 bietet sich zwar als mögliche Erklärung an. Demzufolge könnten die römischen Juristen einmal donatio i m weiten Sinn für „Unentgeltlichkeit" benutzt, zum anderen i m engen Sinn als das verwendet haben, was w i r heute unter Schenkungszuwendung i m Sinne des § 516 verstehen 2 5 ' 2 6 . Aber diese rückwärtige Projektion ist von zu großer Begrifflichkeit getragen. Ferner ist es zu begriffsjuristisch gedacht, die Unterscheidung zwischen Schenkung und anderen unentgeltlichen Rechtsgeschäften (commodatum, depositum, mandatum) nach rein sprachlichen Gesichtspunkten zu treffen. So hat Michel 27 behauptet, daß die Quellen für das Fehlen jeglicher Gegenleistung zwei verschiedene Wendungen, nämlich gratuitus und lucrativus, mit jeweils eigenem Anwendungsbereich und gratuitus niemals i m Zusammenhang m i t donatio benutzen. Demzufolge soll lucrativus ausschließlich diejenigen Rechtsgeschäfte bezeichnen, welche eine endgültige unentgeltliche Eigentumsmehrung des Begünstigten verwirklichen 2 8 , während gratuitus nur i m Zusammenhang m i t solchen Rechtsgeschäften verwendet wurde, die einem der Vertragsteile den unentgeltlichen Gebrauch einer Sache oder einen unentgeltlichen Dienst verschaffen 29 » 30 . Die Annahme Michels erscheint je23

Misera 83 F N 17. Dazu Burckhard, Begriff, 9 4 - 103 m i t umfangreichen Nachweisen aus dieser Zeit. Er behandelt i n diesem Zusammenhang ausführlich Schilling (S. 94 - 97), Böcking (97), Wächter (98), Windscheid (98), Unger (98), Brinz (99), Dernburg (100), Bekker (101), Holder (102) und Regelsberger (102 f.). Vgl. auch noch Staudinger / Reuss, 12. Auflage, 1978, Rdnr. 1 vor § 516; ff. Schreiber 14; Stock 48. Gegen A. Cohns Versuch, § 516 I als Schenkung i m weiten Sinn aufzufassen (6, 7), zu Recht Schlie (22). 25 Staudinger / Reuss, 12. Auflage, 1978, Rdnr. 1 vor § 516. 26 Jörs / Kunkel (§ 153.1, S. 246) bemerken, daß der „juristische Schenkungsbegriff" gegenüber der i m römischen Sprachgebrauch des bürgerlichen Lebens für jede unentgeltliche Zuwendung verwendeten „donatio i m w e i testen Sinne" (S. 245) wesentlich enger war. 27 Nrn. 20, 366, 468, 469, 479, 714. 28 Michels Ansicht nach handelt es sich bei „causa lucrativa" u m einen dogmatischen Begriff, den die römischen Juristen wahrscheinlich seit J u l i a n nicht n u r i m Falle einer Schenkung, sondern auch bei einem Damnationsvermächtnis oder einer Stipulation, später auch beim Fideikommiß anwendeten (Nrn. 469, 669, 715). Er bedeutet allgemein, Erwerb aufgrund unentgeltlichen Titels u n d ist eng m i t der Eigentumsverschaffung verknüpft (Nr. 469). 29 Nrn. 20, 469, 714, 715, 716, 717 ff. 30 Gaudemet (RH 41, 639) findet diese Trennung bemerkenswert. Kaden 24

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C. Gegensatz von Schenkung u n d gratis habitare i m römischen

echt

doch fragwürdig. Ob nämlich die klassischen Juristen gratuitus und lucrativus bewußt technisch so gebraucht haben, ist zweifelhaft 3 1 , zumal i n den beiden erwähnten Pomponiusstellen donatio und gratuitus 32 gleichzeitig auftreten. Außerdem hat die Untersuchung Burckhards zum Schenkungsbegriff 33 gezeigt, daß die Juristen Roms anderen Überlegungen folgen und keine feste Terminologie gebrauchen. Bald bezeichnen sie nur das als Schenkung, was den für eine bestimmte Rechtsfolge erforderlichen Tatbestand aufweist (z. B. Pomp. D. 24,1, 31, 8), bald sprechen sie davon, daß zwar eine Schenkung vorliege, aber ein bestimmter Rechtssatz keine Anwendung findet (z. B. Ulp.-Iul. D. 24,1, 5,13) 34 . Π . Die Gegenstände der Schenkung Der Prototyp der Schenkung oder — wie es Misera nennt — „die Primitivform der Schenkung" 35 liegt i n der unentgeltlichen Übertragung einer res (corporalis) 3e. Später — wohl schon in vorklassischer Zeit — hat sich die donatio dann auch auf die Verschaffung von iura in re aliena erstreckt 37 . Für den Inhalt i n klassischer Zeit w i r d gelehrt 3 8 , daß die Schenkungszuwendung neben den erwähnten Vorgängen des Sachenrechts (Eigentumsübertragung, Bestellung und Aufhebung beschränkter dinglicher Rechte) 39 auch Geschäfte des Obligationenrechts (unentgeltliches Leistungsversprechen i n Stipulationsform 4 0 , schenk(SZ 78, 447) hält sie f ü r hervorhebenswert, schließt sich der Feststellung Michels an u n d n i m m t sie als E r k l ä r u n g f ü r causa (lucrativa). Das U r t e i l Miseras , Michels Darstellung sei „ m e h r enzyclopädisch als analysierend" (188 F N 123) ist zu pauschal u n d widerspricht zudem der gegen Stock und Wilms eingewandten Bemerkung, ganz scharf zwischen gratuitus (so z. B. commodatum u. a.) u n d lucrativus (so die donatio) zu unterscheiden (263 F N 302). 31 J u l i a n unterscheidet zwischen „proprie" u n d „ n o n proprie donatio appellatur" (D. 39, 5, 1 pr.). 32 Vgl. auch Ulp.-Lab. D. 39, 5,19,1. 33 7 ff., bes. 13 f. 34 Misera 83 F N 17. 35 82. 3β Mitteis 153; Käser, RPR I, § 140 F N 4, S. 601; Burckhardt Stellung 8, 9, 11; Begriff, 4, 51 ff., 57 ff.; H. Pernice 64; Nickel 15; Lehfeldt 16 ff., 20 ff., 24, 28; Archi 9 f., 85; Casavola 159; Biondi, donazioni, Nr. 7, S. 21; Meinig 34 f.; Misera 82, 92 m i t F N 9; Talamanca B I D R 64, 249 ff.; Lévy R I D A 3, 91 f. 37 Siber 215, 238; Stock 1, 40. 38 Siber 65; Jörs / Kunkel § 153.1, S. 246 f.; Schulz, CRL, Rdnr. 972; Käser, RPR I, § 14011, S. 601; Burckhard, Begriff, 57 ff., bes. 65 ff.; Archi 85 ff.; Biondi, donazioni, Nr. 7; Meinig 35; Misera Index 3, 405. 39 D a m i t umfaßt sie auch die schenkweise Verschaffung einer dinglichen habitatio. Dazu Stock 41; Archi 91; Meinig 35. Abweichend Scapini, St. Grosso V, 77. 40 Archi 94 ff.

I I . Gegenstände der Schenkung

75

weise Abtretung einer Forderung oder deren Erlaß 4 1 ) und sonstige rechtliche 42 oder faktische Vorgänge 43 umfaßt. Als Beispiel für eine schenkweise Zuwendung durch „einen sonstigen rechtlichen Vorgang" 4 4 nennt Käser unter Berufung auf Pomp. D. 39, 5, 9 pr. die Wohnungsgewährung 4 5 . Da das habitare gratis ein Anwendungsfall der Leihe ist, wäre ein commodatum zugleich donatio, eine Folge, die sich m i t den Vorstellungen der römischen Juristen schwer i n Einklang bringen läßt. Zunächst sind diejenigen Leistungen, die den Empfänger auf Kosten des Gebers bereichern, von der Schenkung ausgenommen, wenn sie — wie beispielsweise unentgeltliche Gebrauchsüberlassungen — einen eigenen Geschäftstyp ausgebildet haben und beide Rechtsinstitute verschieden und voneinander gesondert behandelt werden 4 6 . Unterschiede bestehen zwischen donatio und commodatum aber bereits i n bezug auf Alter und Struktur. Während die ältesten gesetzlichen Regelungen der Schenkung auf das Jahr 204 v. Chr. (lex Cincia) zurückgehen, fand die Leihe erst nahezu 200 Jahre später rechtliche Anerkennung 4 7 . W i r d der Schenkungserwerb nur durch eine rechtsgeschäftliche causa, die causa donandi, gerechtfertigt 48 , ist das commodatum als ein besonderer Vertragstyp m i t Rückgabepflicht s t r u k t u r i e r t 4 9 ' 5 0 . Von entscheidender Bedeutung sind überdies die verschiedenen Leistungsgegenstände, wobei allgemein Unterscheidungen zwischen dare, jacere und praestare getroffen werden 5 1 . Diese i n der Frühzeit noch nicht fest umrissenen Begriffe haben i n späterer Zeit klare Konturen erhalten und wurden 41

Ulp. D. 39, 5,17; Diocl. C. 8, 43, 2 (a. 293). Käser (RPR I, § 140 F N 8, S. 601) m i t dem Hinweis auf die habitatio gratuita u n d die Stundung (Pomp. D. 39,5,9 pr.). Schulz (CRL, Rdnr. 972, S. 567) erfaßt darunter auch das pactum de non petendo. Ebenso Biondi (donazioni, Nr. 7, S. 20 u n d 21) m i t zusätzlichem Hinweis auf das pactum ne ante certum tempus petendo (FN 7). 43 Käser (RPR I, § 140 F N 9, S. 601) nennt hierfür die Beispiele der B e w i r t schaftung eines fundus (lui. D. 39, 5,14) u n d der Gebäudeerrichtung (Sev. Ant. C. 3, 32, 2,1 [a. 213]). 44 Käser, RPR I, § 140 I, S. 601. 45 Käser, RPR I, § 140 F N 8, S. 601. 46 Siber 65; Jörs / Kunkel § 153.1, S. 246; Schulz, CRL, Rdnr. 972, S. 567; Burckhard, Begriff, 33 f.; Stock 48; Archi 90; Casavola 156 F N 48; Biondi , donazioni, Nr. 10, S. 32; Michel Nrn. 468 ff., 520, 714 ff.; Kaden SZ 53, 616; Macqueron Index 1, 265. Vorsichtig u n d differenzierend Misera 187 ff., 263 ff. Ferner auch Carresi Nr. 11. 47 Siehe oben Β. I. bei F N 4, 9. 48 Siehe oben C. I. bei F N 10. 49 Siehe oben Β . I. bei F N 31, 32. 50 Ulp. D. 43, 26,1, 2 u n d 3. 51 Vat. 269: „utendum dare non est donare". Siber 238; Jörs / Kunkel § 104.1, S. 167; Seidl, RPR, Rdnr. 274; Käser, RPR I, § 1151, S. 489; Misera 92 m i t F N 9. 42

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C. Gegensatz von Schenkung u n d gratis habitare i m römischen Recht

dann m i t technischer Bedeutung verwendet 5 2 . Danach ist unter dare die Verschaffung quiritischen Eigentums 5 3 und unter facer e jedes Tun, insbesondere Besitz- und Gebrauchsverschaffung 54 , Arbeitsleistung etc. zu verstehen. Die Schenkung ist i n der Regel auf ein dare gerichtet, bet r i f f t die Sache selbst (res) und führt m i t der dinglichen Wirkung zu einer alienatio 55. Immer dann, wenn sie grundlegende Elemente der Schenkung erörterten, haben die römischen Juristen das Beispiel der Eigentumsübertragung einer Sache gewählt 5 6 und diesen Leistungsinhalt als Grundfall angesehen 57 . Für das habitare gratis als commodatum dagegen ist das facer e kennzeichnend 58 ; denn nur der Gebrauch der Sache (usus rei) ist bei ihr Vertragsgegenstand. I I I . Der endgültige Vermögensübergang bei der Schenkung Außerdem fehlt es dem genden Voraussetzung der stungsgegenstandes unter gibt sich klar aus folgenden

gratis habitare an einer weiteren grundledonatio: dem endgültigen Erwerb des LeiAusschluß seiner Rückforderung. Dies erDigestenstellen.

Ulpianus D. 43, 26,1,2 u n d 3 (lib. 1 institutionum) : (2) Et distat (precarium) a donatione eo, quod qui donat, sic dat, ne reeipiat, at qui precario concedit, sic dat quasi tunc reeepturus, cum sibi libuerit precarium solvere. (3) Et est simile commodato: nam et qui commodat rem, sie commodat, ut non faciat rem aeeipientis, sed ut ei uti re commodata permittat.

„Qui donat, sie dat, ne reeipiat". M i t diesem Satz w i r d nicht nur die Endgültigkeit der Vermögensverschiebung betont, die i m Gegensatz zur notwendigen Rückforderung bei der Gebrauchsüberlassung steht 5 9 , son52

Käser, RPR I, § 115 I, S. 489. Gaius 4,4; 2,204. Siber 238; Jörs ! Kunkel § 104.1, S. 167; Käser, RPR I, § 115 I, S. 489; Stock 1; Michel Nr. 416; Horak 154 ff. Abweichend allerdings i n anderen Zusammenhängen Schloßmann SZ 29, 288 ff. 54 Siber 237; Käser, RPR I, § 115 I, S. 489. 55 Burckhard, Begriff, 53 ff. Vgl. auch Sturm 211. 56 Gaius 2, 20; Vat. 259, 298, 307, 309; Ulp. D. 12,1,18 pr.; l u i . D. 39, 5,1 pr. u n d 1; l u i . D. 41,1, 36; Paul. D. 44, 4, 5, 2. Beispiele gleichwertiger Verwendung von dare u n d donare: Pomp. D. 1, 2, 2, 37; l u i . D. 12,1, 20; Ulp. D. 23, 3, 5, 9; Paul. D. 24,1,14; Scaev. D. 24,1, 58 pr. u n d 1. 57 Mitteis 153; Käser, RPR I , § 140 F N 4, S. 601; H. Pernice 64; Burckhardt Begriff, 54, 56; von Rambach 25; Archi 95; Biondi , donazioni, Nr. 7; Misera 82; Talamanca B I D R 64, 249 ff. Abweichend Casavola (89), wonach die donatio i n älterer Zeit die F u n k t i o n der Besitz-, nicht der Eigentumsverschaffung hatte. Hiergegen zu Recht Talamanca (a.a.O.) u n d Käser (SZ 91, 151 F N 22). Casavola zustimmend allerdings Wesener (SZ 78, 491). Vgl. auch Käser, Eigentum, 160; Pringsheim, St. Albertario I, 671; Lehfeldt 18. 58 Daß Paul. D. 34, 3,18 von „gratuitam habitationem heres praestare deberet" spricht, steht dem nicht entgegen. 59 Erbe 114 F N 4; Pringsheim, St. Albertario I, 670 f. 53

77

I I I . Endgültiger Vermögensübergang bei der Schenkung

dern aus ihr geht ebenso wie aus dem folgenden Fragment hervor, daß die donatio ein dare voraussetzt 60 . Pomponius D. 39, 5, 9, 3 (üb. 33 ad Sabinum) : Bonari eius fit , cui donatur.

non potest , nisi

quod

Eine leihweise Gebrauchsüberlassung ist demgegenüber gerade nicht mit einer Eigentumsübertragung verbunden: PomponiusD. 13,6,8 (lib. 5 ad Sabinum): Rei commodatae et proprietatem retinemus:

et possessionem

Ulpianus D. 13, 6, 9 (lib 2 ad edictum): nemo enim commodando eius 61 cui commodate.

rem facit

Wäre sie es, so träte die Überlassung des Gebrauchs i n den Hintergrund und es läge eine Veräußerung vor. Dann könnte sie Gegenstand der Schenkung sein. Solange es aber bei der Überlassung des bloßen Sachgebrauchs bleibt, kann sie — da kein dare vorliegt — nicht tauglicher Inhalt einer Schenkung sein 63 . Wenn i n einigen Quellen das commodatum zwar als „beneficium" bezeichnet 64 und damit seine Ähnlichkeit m i t der Schenkung hervorgehoben w i r d 6 5 , so besteht doch nach Ulpians Bemerkungen i n D. 43, 26, 1 kein Zweifel daran, daß schon zur Zeit der römischen Klassik das Kommodat als eigenständiger Vertragstyp neben der ganz anders gearteten Schenkung angesehen wurde 6 6 . I m Zusammenhang m i t der Unterscheidung des Prekarium von der Schenkung führt Ulpian (§ 2) aus: „qui donat, sic dat, ne reeipiat: at qui precario concedit, sic dat quasi tunc recepturus" . Diesem Satz fügt er als nächstes (§ 3) das Gemeinsame zwischen commodatum und precarium und zugleich das Verschiedene zwischen jenem und der Schenkung an: „qui commodat rem, sic commodat, ut non faciat rem accipientis: sed ut ei uti re commodata permittat". Zwar läßt sich m i t Recht einiges gegen die Begründung für die Unterscheidung zwischen commodatum und precarium einwenden; denn beide Rechtsgeschäfte unterscheiden sich in ihrer Funktion als Leihe voneinander nicht 6 7 . Gleich60

Stock 36. Hierbei w i r d bemerkenswerterweise dieselbe Wendung wie bei Pomp. D. 39, 5, 9, 3 benutzt, nämlich facere m i t Genetiv i n der speziellen Bedeutung für Hingeben einer Sache zu Eigentum. 62 Vgl. dieselbe Aussage für die entgeltliche Gebrauchsüberlassung: Ulp. D. 19, 2, 39 (lib. 2 ad edictum): Non solet locatio dominium mutare. Siehe dazu Lenel, Palingenesia, Ulp. Nr. 199, Sp. 425. Er verbindet beide Fragmente m i t einander. 63 Stock 36. Vgl. auch Vat. 269. 64 Paul.D. 13,6,17,3; Pap. D. 16, 3, 24; Gaius D. 47, 2, 55 (54) 1; P.S. 5,6,10. Biondi, donazioni, Nr. 10, S. 32; Meinig 41. 65 Meinig 41; Ferrini 126; Macqueron Index 1, 264. 66 Siehe oben Β. I. bei F N 1 u n d 4. 67 Meinig 41. 61

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C. Gegensatz von Schenkung u n d gratis habitare i m römischen Recht

w o h l h a t U l p i a n b e i seiner d i d a k t i s c h e n B e s c h r e i b u n g 6 8 auf d e n c h a r a k teristischen, i n der W i d e r r u f l i c h k e i t b e g r ü n d e t e n U n t e r s c h i e d zwischen precarium 69 u n d commodatum h i n g e w i e s e n 7 0 . D e m P r e k a r i u m steht anders als i m F a l l e des commodatum u n d d e r habitatio gratuita keine sichere Gebrauchsdauer zu. N i c h t b e i g e t r e t e n w e r d e n 7 1 k a n n d e r A u f f a s s u n g Meinigs 72 darin, daß U l p i a n s U n t e r s c h e i d u n g v o n L e i h e u n d S c h e n k u n g deswegen u n z u t r e f f e n d sei, „ w e i l beispielsweise auch b e i d e m als S c h e n k u n g a n e r k a n n t e n F a l l d e r E i n r ä u m u n g d e r ,habitatio' d i e Sache z u r ü c k z u g e b e n ist u n d n u r d i e G e b r a u c h s e r l a u b n i s z u g e w e n d e t w i r d " 7 3 . E i n e solche A r g u m e n t a t i o n s t e l l t eine petitio principii d a r ; denn, ob es sich b e i m habitare gratis so v e r h ä l t , ist j a gerade d i e Frage. U l p i a n m a c h t doch i n D . 43, 26,1, 3 ganz d e u t l i c h , daß die S c h e n k u n g z u m E i g e n t u m s e r w e r b a n der Sache f ü h r t , aber b e i d e r L e i h e d e m E m p f ä n g e r n u r d e r G e b r a u c h der Sache a u f Z e i t überlassen w i r d 7 4 . F ü r die L e i h e ist f o l g l i c h e n t scheidend, daß d e r V e r l e i h e r die Sache w i e d e r z u r ü c k h a b e n w i l l u n d 68

Käser SZ 89, 118. Ulp. D. 43, 26, 4,1. Sohm / Mitteis / Wenger 279 F N 13; Schulz, CRL, Rdnr. 753 Nr. 2 c, S. 430; Seidl, RPR, Rdnr. 254; Rabel § 33, S. 60; Käser, RPR I, § 941112 c, I V , S. 388 f.; Michel Nrn. 197, 200, 202; Zamorani 48 ff.; Silva S D H I 6, 261, 273. 70 Vgl. auch Pomp. D. 43, 26,15,1. Pomponius behandelt zwar dort den Gast u n d denjenigen, welcher unentgeltlich wohnt, i n bezug auf das precarium gleich. D. 43, 26,15,1 (lib. 29 ad Sabinum): Hospites et qui gratuitam habitationem accipiunt non intelleguntur precario habitare. Aber die Feststellungen von Pomponius, bei der er gedanklich den Prekaristen zum Vergleich heranzieht, erschöpft sich i n der Verneinung: „ n o n precario habitare". Der Vergleichsmaßstab für diese Absage ist der juristische Besitz gewesen (Michel Nr. 54; Zamorani 71 F N 36). Der Prekarist, der eine Wohnung auf jederzeitigen freien Widerruf des Gebers zum Gebrauch erhält, hat als Fremdbesitzer juristische possessio (Sohm / Mitt eis / Weng er 279 F N 13; Schulz, CRL, Rdnr. 753 Nr. 2 c, S. 430; Seidl, RPR, Rdnr. 254; Rabel § 33, S. 60; Käser, RPR I, § 941112 c, I V , S. 388 f.; Silva S D H I 6, 261, 273; Pringsheim, St Albertario I, 671) u n d k a n n deswegen durch die Interdikte eigenen Besitzschutz erlangen. Demgegenüber haben Habitator u n d Gast die Wohnung zwar i n tatsächlicher Gewalt, sind aber nicht juristisch possessores, vielmehr i n späterer gemeinrechtlicher D i k t i o n „Detentoren" ohne Besitzschutz (Jörs/Kunkel § 64 F N 3, S. I l l ; Rabel § 33, S. 59; Käser, RPR I, § 94 I V , S. 390. Siehe auch Schulz, CRL, Rdnr. 757). Da sich die Beziehung des Gastes zur Wohnung überdies außerhalb des Rechts, i m Rahmen sozialer Gefälligkeit abspielt, scheidet er von vornherein als possessor aus (Rabel § 34, S. 62; nicht ganz k l a r Michel Nr. 54). 71 Käser SZ 89, 122 m i t F N 83, 123 m i t F N 87. 72 41. 73 Meinig 41. 74 Ulp.-Sab. Vat. 269: Ut quod utendum mater filiae dédit, non videatur donatum et si donatum sit, non valeat, in potestate filia constituta patris ... Dazu Schulz, Einführung, 28 f.; Geschichte, 267; Casavola 156 F N 48, 158 ff.; Biondi, donazioni, Nr. 10, S. 32; Burckhard, Fg Dernburg 68 f.; Pringsheim, St. Albertario I, 671 m i t F N 2; Misera Index 3, 398. 69

I I I . Endgültiger Vermögensübergang bei der Schenkung

79

nur den Gebrauch an ihr zuläßt (qui commodat, sic dat, ut uti permittat) 75. Derjenige dagegen, welcher schenkt, gibt eine Sache so, daß er sie nicht zurücknehmen w i l l 7 6 (qui donat, sic dat, ne reeipiat). Ulpian hat demzufolge für das i n D. 43, 26,1, 2 und 3 aufgezeigte Schema precarium — donatio — commodatum 77 entscheidend auf die Vorstellung des Gebers abgestellt 78 . Darüber hinaus läßt sich dieses Fragment wieder als zusätzlicher Beleg verwenden, daß sich der Regelfall einer Schenkung auf Eigentumsverschaffung bezieht. Auch die Aussage Julians für den Fall, daß jemand einem anderen Geld unter der Abrede tradiert, es als Darlehen sofort zurückzuerhalten, ist i n diesem Zusammenhang klar und unverdächtig 79 . Iulianus D. 12,1,20 (lib. 18 digestorum): Si tibi pecuniam donassem, ut tu mihi eandem crederes, an eredita fieret? dixi in huiusmodi propositionibus non propriis verbis nos uti, nam talem contractum neque donationem esse neque pecuniam ereditami donationem non esse, quia non ea mente pecunia daretur, ut omnimodo penes aeeipientem maneret: creditam non esse, quia exsolvendi causa magis daretur quam alterius obligandi. igitur si is, qui pecuniam hac condicione accepit, ut mihi in creditam daret, acceptam dederit , non fore creditam : magis enim meum accepisse intellegi debeo, sed haec intellegenda sunt propter suptilitatem verborum : benignius tamen est utrumque valere.

Der Satz: „donationem non esse, quia non ea mente pecunia daretur, ut omnimodo penes aeeipientem maneret " bestätigt, daß die donatio ein dare ohne Abrede der Rückgabe an den Schenker erfordert 8 0 . Er kann als Bestätigung des wohl allgemein gültigen, nicht erst von Ulpian erfundenen „sie dat, ne reeipiat" gewertet werden 8 1 . Außerdem mißt auch Julian der Vorstellung des Gebers entscheidende Bedeutung 8 2 bei. Schließlich heißt es bei Iulianus D. 39, 5,1 pr. (lib. 17 digestorum): Donationes complures sunt, dat aliquis ea mente, ut statim velit aeeipientis fieri nec ullo casu ad se reverti, et propter nullam aliam causam facit, quam ut liberalitatem et munificentiam exerceat: haec proprie donatio appellatur. dat aliquis, ut tunc demum aeeipietis fiat, cum aliquid secutum fuerit: non proprie donatio appellabitur, 75

Casavola 160. l u i . D. 39, 5,1 pr. : „dat aliquis ea mente, ut statim velit aeeipientis fieri nec ullo casu ad se reverti...". 77 Casavola 157 ff. 78 Archi (192, 280 ff.) bezeichnet es als „mens". Zustimmend Pringsheim (SZ 78, 482) u n d Käser (RPR I, § 140 F N 10, S. 601). Casavola (160) nennt es „voluntas". 79 Käser, RPR I, § 140 F N 10, S. 601; Stock 38. 80 Stock 38. 81 Casavola 155. 82 Casavola 160; Archi 192, 280 ff. m i t Zustimmung darin von Pringsheim (SZ 78, 482) u n d Käser (RPR I , § 140 F N 10, S. 601). Vgl. zusätzlich Archi, A C I V I I I , 128. 76

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C. Gegensatz von Schenkung u n d gratis habitare i m römischen Recht

sed totum hoc donatio sub condicione est: item cum quis 83 ea mente dat, ut statim quidem faciat accipientis, si tarnen aliquid factum fuerit aut non fuerit, velit ad se reverti 84, non proprie donatio dicitur, sed totum hoc donatio est, quae sub condicione solvatur. qualis est mortis causa donatio.

Soweit es sich um die Darstellung der notwendigen Merkmale der Schenkung i m ersten Teil des Fragments handelt, bestehen keine inhaltlichen Echtheitsbedenken 85 . Julian bestimmt die donatio als dare ohne Vereinbarung der Rückgabe 86 ; wobei auch hier wieder auf die mens dantis abgehoben w i r d 8 7 . Insgesamt können die drei Fragmente als Belege dafür herangezogen werden, daß bei einer Gebrauchsüberlassung m i t Rückgabepflicht keine donatio vorlag 8 8 . Demzufolge muß auch die habitatio gratuita aus dem Kreis der donatio ausgeschlossen werden; denn sie ist durch ein bloß vorübergehendes Gebrauchsrecht gekennzeichnet. Beim habitare gratis bleibt gleichermaßen wie bei anderen auf Gebrauchsüberlassung gerichteten Verträgen (beispielsweise bei der locatio conductio) 89 die Trennung von Zugehörigkeit der gebrauchten Sache zum Vermögen des Gebers und Gebrauch oder Nutzung der Sache durch den Empfänger aufrechterhalten 90 . Die Rückgabepflicht gehört zu den unverzichtbaren Merkmalen dieser Verträge 9 1 . Bei der Schenkung kommt es dagegen von vornherein nicht auf die Aufrechterhaltung einer Trennung von Eigentum einerseits und Nutzung oder Gebrauch der Sache andererseits an. Der Beschenkte unterliegt keiner zeitlichen Beschränkung i m Genuß seines Eigentums. Das an der Sache erworbene Eigentum vermittelt i h m ohnehin die Rechtsmacht, sie zu gebrauchen, zu vermieten oder gar weiter zu veräußern. Der Eigentumswechsel ist endgültig. Der Beschenkte kann die Sache behalten. Für die Vorstellung einer Rückgabe oder gar einer darauf gerichteten Pflicht ist bei der Schenkung kein Raum.

83

F 2 ipse.

84

F 1 perverti, F 2 peverti. Käser, RPR I, § 611 6 F N 55, S. 257, § 1401 F N 10, S. 601; Stock 38 f.

85 8e 87

Stock 38. Kaser, RPR I, §140 F N 10, S. 601; Archi, A C I V I I I , 128.

88 Vat. 269. Siber, 65; Jörs / Kunkel § 153.1, S. 246; Schulz, CRL, Rdnr. 972; Burckhard, Begriff, 62; Stock 38, 39, 48; Archi 90; Casavola 156 F N 48; Biondi, donazioni, Nr. 10, S. 32; Michel Nrn. 468 ff., 520, 714 ff.; Kaden SZ 53, 616; Pringsheim, St. Albertario, 671 m i t F N 2; vgl. auch Carresi Nr. 11; Misera 187 ff., 263 ff. 89

Ulp. D. 19, 2, 39. Pomp. D. 13, 6, 8; Ulp. D. 13, 6, 9. 91 Siehe oben Β . I. bei F N 32. Dies g i l t ebenso für die locatio Kaser, RPR I, § 132 I I I 3, S. 567. 90

conductio.

I I I . Endgültiger Vermögensübergang bei der Schenkung

81

Damit steht zwar fest, daß sowohl das commodatum als auch die habitatio gratuita nicht zugleich Schenkungen sind. Um so mehr bleibt unklar, was Pomponius ver anlaß t haben könnte, das habitare gratis zweimal i n Verbindung m i t Regeln zu erörtern, die nur für Schenkungen gelten.

6 Slapnicar

D. Die analoge Anwendung von Schenkungsregeln auf das gratis habitare I. Pomponius D. 39, 5,9 pr. und die analoge Anwendung der lex Cincia Pomponius D. 39, 5, 9 pr. (lib. 33 ad Sabinum) : In aedibus alienis habitare gratis donatio videtur. id enim ipsum capere videtur qui habitat , quod mer cedem pro habitatione non solvit, potest enim et extra corporis donationem valere donatio, velut si donationis causa cum debitore meo paciscar, ne ante certum tempus ab eo petam.

1. Die Erklärung der Pomponiusstelle mit einem dinglichen Wohnrecht Nach einer verbreiteten Ansicht soll die Stelle die Einräumung einer dinglichen habitatio betreffen 1 . Gewiß ist eine solche Interpretation der Pomponiusstelle möglich 2 , zumal der größte Teil des 33. Buches von Pomponius' Sabinuskommentar von Servituten und persönlichen Gebrauchsrechten handelt 3 . Aber das gratis habitare i n D. 39, 5, 9 pr. als dingliche habitatio zu begreifen, überzeugt nicht 4 , zumal diese Auffassung nur m i t einer solchen T e x t k r i t i k zu begründen ist, wie es etwa Stock 5 versucht hat. Hiergegen sprechen schon die vorsichtigen Wendungen „donatio videtur" und „capere videtur". Auch hätten sich die ausführlichen Begründungen von Pomponius für die Behandlung der habitatio gratuita als einer donatio erübrigt. Lenel stellt deshalb das gesamte Pomponiusfragment D. 39, 5, 9 gerade nicht unter den Titel „de servitutibus", sondern in Parallele zum Aufbau des 15. Buches des Sabinuskommentars von Paulus 6 unter die Überschrift „de donationibus" 7> 8. Dies erscheint auch durchaus sinn1 Mitteis 164 m i t F N 46; Stock 41; Aru Nrn. 98, 100; Archi 90; Casavola 46 m i t F N 43; Meinig 35; Ferrini 127 f.; 132 f.; widersprüchlich Cicogna B I D R 19, 249 f. Ohne Entscheidung über die Rechtsnatur des habitare scheint Amberg (26 m i t F N 2 - 4 ) aber von Schenkung auszugehen. 2 Misera Index 3, 405. 8 Lenel, Palingenesia, Pomp. Nrn. 774 ff. 4 F N 2. 6 41. β Lenel, Palingenesia, Paul. Nrn. 1875 f. 7 Lenel, Palingenesia, Pomp. Nr. 774. 8 F N 2.

11. Pomp. D. 39, 5, 9 pr. als Stelle eines dinglichen Wohnrechts

83

v o l l 9 , w e i l e i n sonst so b e g r i f f s r e i n e r J u r i s t w i e P o m p o n i u s 1 0 sicherlich n i c h t v o n „donatio

videtursondern

v o n „donatio

est"

gesprochen

h ä t t e 1 1 , w e n n er e i n e n so a l l g e m e i n a n e r k a n n t e n Schenkungsgegenstand e r ö r t e r t e , w i e die d i n g l i c h e habitatio

i h n darstellt.

Z w a r sprechen die B a s i l i k e n i n 47,1, 8, w o das P o m p o n i u s f r a g m e n t D . 39, 5, 9 p r . s t a r k v e r k ü r z t w i e d e r g e g e b e n ist, u n d i n d e m Scholion z u gratis habitare v o n „donatio est u. Bas. 47,1,8 (Heimbach I V , 567): Πομπώνιος. To προίκα οίκειν δωρεά έστι· και το έπί χρόνον τινά μή άπαιτηϋήναι χρέος. Pomponius.

Habitare

gratis , donatio est: et ante certum

debitum

non petere.

Scholion zu Bas. 47,1,8: το προίκα οίκειν. To χωρίς ενοικίου καταμεϊναι εις άλλότριον οίκον ειδός έστι δωρεάς, αυτό γάρ τοΰτο δοκεΐ λαμβάνειν το μή παρέχειν ενοίκιον υπέρ της καταμονής αυτοί), δυνατόν γαρ και διά του μή ύφεστάναι τό δωρούμενον σώμα έρρώσθαι τήν δωρεάν ώςπερ δτε προς τον έμόν χρεώστην πακτεύω μή άπαιθήσαι αύτον εΐσω πέντε ένιαυτών τό χρέος. habitare gratis. Sine mercede in domo aliena habitare, species est donationis. Id enim ipsum capere videtur, quod mercedem non praestat pro sua habitatione. Potest enim etiam si non sit corpus, quod donatur, valere donatio: veluti si cum debitore meo paciscor, ne intra quinquennium 12 debitum ab eo petam. A b e r das i n b e i d e n Q u e l l e n g l e i c h z e i t i g e r w ä h n t e pactum de non petendo ante certum tempus k a n n n u r z u d e m Schluß f ü h r e n , daß h i e r i m Gegensatz z u Bas. 1 3 , 1 , 1 u n t e r habitare gratis gerade k e i n e d i n g liche habitatio (servitus habitandi), s o n d e r n eine s c h u l d r e c h t l i c h s t r u k t u r i e r t e u n e n t g e l t l i c h e Gebrauchsüberlassung b e g r i f f e n w i r d . I n diesem P u n k t s t i m m e n die B a s i l i k e n m i t d e m klassischen Recht also ü b e r e i n . D e m g e g e n ü b e r b e z i e h t die Glosse „Donatio videtur" zu D. 39,5,9pr.: usus vel mercedis: res autem dicitur commodari ut s(upra) commo(dati) l(ex) 1 § 1 (D. 13,6,1, l) 13 in fi(ne) vel precario concedi : ut s(upra) de praescript(is) verb(is) si gratuitam in princip(ium) (D. 19, 5,17 pr.) quae sunt co(n)tra. vel in leg(e) commodati. de Servitute habitandi dicit: alias nihil ibi adderet Iulia praecedentibus. eine andere S t e l l u n g . N e b e n der i n h a l t l i c h e n K o n k r e t i s i e r u n g d e r S c h e n k u n g b e i m gratis habitare u n d e i n e r A b g r e n z u n g gegenüber

9

F N 2. Misera Index 3, 405 m i t Hinweis auf D. 24,1, 31, 8. Vgl. auch Ankum, Daube Noster, 5; Nörr, A N R W I I . 15, 549. 11 Vgl. Misera Index 3, 405, F N 93. Allerdings t r i f f t seine Begründung, daß „gratis habitare donatio videtur" nicht zu beanstanden sei, w e i l dabei auf den Beschenkten bezug genommen werde, wie der folgende Satz m i t „capere videtur" zeige, nicht den Kern. 12 Die Fünfjahresfrist der Stundung erinnert an Gaius 4, 122. 13 Meinig (60) löst diese Allegation fälschlicherweise i n die nachfolgende D. 19, 5,17 pr. auf. 10



84

D. Analoge Anwendung von Schenkungsregeln auf das gratis

habitare

commodatum und precarium rechtfertigt der Glossator, vermutlich Accursius, die Schenkung am Ende m i t der servitus habitandi. Aber schließlich bliebe unverständlich, weshalb Pomponius — angenommen, er habe hier eine dingliche habitatio als Schenkungsgegenstand behandelt — so zurückhaltend das Verb „videri" gebraucht, dessen Verwendung für diesen Fall dann sogar falsch ist. Darüber hinaus ist unwahrscheinlich, daß ein römischer Jurist so viele Worte gemacht und ein ganzes Spektrum von Argumenten ausgebreitet hätte 1 4 , um lediglich die selbstverständliche Tatsache auszudrücken, daß ein unentgeltlich eingeräumtes ius in re aliena Gegenstand einer donatio sein kann. 2. Die lex Cincia de donis et muneribus Die Pomponiusstelle betrifft vielmehr eine bloß obligatorisch vereinbarte Wohnungsüberlassung und steht i m Zusammenhang m i t der lex Cincia 15. Dafür spricht nicht nur der anschließende § 1, in dem Pomponius mit den Worten „in computationem donationis venire" auf den modus legis Cinciae anspielt 16 , sondern auch die Verwendung der aus der lex stammenden Worte donare und capere i m Prinzipium 1 7 . Dieser Bezug ist offensichtlich schon dem mos italicus fremd. Fehlendes historisches Verständnis dokumentieren i n diesem Zusammenhang die Glosse „capere videtur" zu D. 39, 5, 9 p r . : Causa donationis sciamus an sit facienda insinuatio(b) vel non

& facit

ad hoc ut

und die zusätzliche Randglosse b: donatio habitationis utru(m) insinuationem requirat. m i t der Überlegung, ob die Insinuation geboten sei oder nicht. Der Glossator bezieht den Inhalt des „capere videtur" unzutreffenderweise auf die erst von Justinian eingeführte Insinuation 1 8 , während es von Pomponius auf die lex Cincia gemünzt ist. Immerhin t r i f f t es zu, wenn das „quod mercedem pro habitatione non solvere" als Berechnungsmaßstab 19 aufgefaßt wird. M i t der lex Cincia de donis et muneribus 20 w i r d die Schenkung nicht nur i n das ius civile eingegliedert, sondern unentgeltlichen Zuwendun14

Schulz, Geschichte, 72; Käser, Methode, 55. Seidl, RPR, Rdnr. 562; Stock 41; Archi 90; Casavola 46; Meinig 35; Misera 187 ff., 264. Mitteis (156 F N 14, 15) spricht n u r bei Pomp. D. 39, 5, 9,1 v o m Bezug zur lex Cincia. Das P r i n z i p i u m behandelt er nicht. Undifferenziert Ferrini 132; Burckhard, Begriff, 61 F N 2 (S. 62). 16 Mitteis 156; Misera 187 m i t F N 122, 188. 17 Stock 40 f.; Archi 90; Misera 187. 18 C. 8, 53, 34 pr. (a. 529); C. 8, 53, 36, 3 (a. 531); Just. Inst. 2, 7, 2. 19 Misera 188; vgl. auch Seidl, RPR, Rdnr. 562. 20 Diesen T i t e l belegen: Cicero, de senectute, 4,10; de oratore, 2,71,286; Livius 34, 4, 9. Siehe auch Tacitus, annales, 11, 5; 13, 42; 15, 20. 15

12. lex Cincia de donis et muneribus

85

g e n zugleich m a t e r i e l l e B e s c h r ä n k u n g a u f e r l e g t 2 1 . B e i der a l l g e m e i n sogenannten lex Cincia h a n d e l t es sich u m e i n v o n M . Cincius Alimentus b e a n t r a g t e s 2 2 P l e b i s z i t 2 3 . Ü b e r sein E n t s t e h e n e x i s t i e r e n genauere Q u e l l e n als ü b e r seinen I n h a l t . A u f g r u n d l i t e r a r i s c h e r N a c h w e i s e 2 4 l ä ß t sich das seit der lex Hortensia i n seiner n o r m a t i v e n G e l t u n g einer lex gleichgestellte plebiscitum 25 e x a k t a u f das n e u n t e K o n s u l a t s j a h r Catos des Älteren, also 204 v . Chr., d a t i e r e n 2 6 . Ü b e r die e i n z e l n e n A n o r d n u n gen d e r lex Cincia b e r i c h t e n die v o n d e m K a r d i n a l Angelo Mai 1821 i m V a t i k a n aufgefundenen, 1859/60 v o n Mommsen edierten Fragm e n t a V a t i c a n a 2 7 . D i e G r u n d z ü g e der cincischen Schenkungsbeschränk u n g e n w a r e n j e d o c h schon v o r d e m A u f f i n d e n der v a t i k a n i s c h e n B l ä t t e r Cuiacius (1522 - 1590) u n d Savigny 28 b e k a n n t 2 9 . B e i der aus d e m K l o s t e r B o b b i o s t a m m e n d e n H a n d s c h r i f t h a n d e l t es sich u m e i n e n Codex rescriptus 30, dessen T e x t s a m m l u n g i m W e s t r e i c h 3 1 b a l d nach 323 21

Vgl. Kaden Labeo 9, 249. Entgegen der Auffassung von Michel (Nr. 466) w i r d der Begriff der Schenkung dadurch nicht eingeführt oder gar geschaffen. Vielmehr w a r er schon vorher vorhanden u n d höchst wahrscheinlich wurde Schenkung — w e n n auch i n die mancipatio nummo uno eingekleidet (dazu Käser, RPR I, § 91111c, S. 47; Leifer SZ 56, 209 f.) seit altersher praktiziert. I m übrigen hat das sehr v i e l ältere Verbot der Ehegattenschenkung (dazu Käser, Verbotsgesetze, 115) sicherlich schon eine Beschäftigung m i t i h r erfordert. 22 Cicero, de oratore, 2, 71, 286. Walter § 580 m i t Nachweisen F N 118; Mommsen, Strafrecht, 705; B. Kübler, Geschichte, 181. Casavola (21 ff.), Archi (14), Wesener (SZ 78, 485, 486) u n d Kaden (Labeo 9, 249) betrachten den Volkstribun zu Recht als bloßes Werkzeug des eigentlichen Urhebers Quintus Fabius Maximus („suasor legis Cinciae" so Cicero, de senectute, 4, 10), dessen P o l i t i k es gewesen sei, die durch die Kriegsereignisse zerrüttete öffentliche Wirtschaft aufzurichten u n d den drohenden Pauperismus zu verhindern. Siehe auch Kariowa I I . l , 585. 23 Kariowa I I . l , 585, 586; Mitteis 153; Siber 65; Jörs ! Kunkel § 153.2, S. 246; Rabel § 121, S. 192; Käser, RPR I, § 14013 a, S. 602; Casavola 6; Meinig 32; Garofalo B I D R 15, 310; Dénoyez I u r a 2, 147, 151; Kaden Labeo 9, 248. 24 Z. B. Plautus, incertam fabulam ap. Fest., 142 (dazu Costa, d i r i t t o d i Plauto, 298, 299); Cicero, de oratore, 2, 71, 286; de senectute, 4, 10. Weitere Nachweise bei Walter § 580 F N 118; Käser, RPR I, § 140 F N 19, S. 602; H. Pernice 3 F N 9; Garofalo B I D R 15, 310 F N 1. 25 Gaius 1, 2 u n d 3. 2β Cicero, de senectute, 4, 10. Walter § 580, S. 224; Kariowa I I . l , 585; Mitteis 154; von Mayr 87; Siber 65; Kipp 269; Jörs ! Kunkel § 153.1, S. 246; Schulz, CRL, Rdnr. 973; Rabel § 121, S. 192 m i t Druckfehler 294; Biondi, donazioni, Nr. 8; Käser, RPR I, § 14013 a, S. 602; H. Pernice 3; von Rambach 1; Casavola 6; von Lübtow, Darlehnsbegriff, 49 m i t F N 191; Archi 9; Michel Nr. 466; Lehfeldt 30; Söllner, actio rei uxoriae, 122; Garofalo B I D R 15, 310; Dénoyez I U R A 2, 147. 27 Β . Kübler, Geschichte, 387, 388 f.; Wenger 543; Schulz, Geschichte, 392. 28 194 m i t F N a. 29 Schweppe § 317, S. 471; von Rambach 1; Casavola 2 f., 28 ff. 30 Wenger 95. Vgl. zu den Einzelheiten des Palimpsets B. Kübler, Geschichte, 387; Wenger 95 f., 543; Schulz, Geschichte, 392. 31 Wenger 543; Schulz, Geschichte, 393 F N 5; Felgentraeger 31; Erbe 206; Levy SZ 49, 234.

86

D. Analoge Anwendung von Schenkungsregeln auf das gratis

habitare

abgeschlossen sein w i r d 3 2 . N u r e t w a e i n E l f t e l des G e s a m t w e r k s ü b e r l i e f e r n die v a t i k a n i s c h e n F r a g m e n t e 3 3 . Sie bestehen aus T e i l e n k l a s s i scher oder f ü r klassisch g e h a l t e n e r J u r i s t e n s c h r i f t e n u n d K a i s e r k o n s t i t u t i o n e n 3 4 u n d b e h a n d e l n i n unsystematischer O r d n u n g Z u s a m m e n s t e l lungen v o n jeweils zu einem juristischen T h e m a 3 5 gehörenden Quellen, die v i e l l e i c h t Z i e l e des h ö h e r e n U n t e r r i c h t s v e r f o l g t e n 3 6 . D e r v o l l s t ä n dige W o r t l a u t der lex Cincia ist n i c h t ü b e r l i e f e r t 3 7 . N u r v e r e i n z e l t , w i e e t w a i n P a u l . V a t . 298, f i n d e n sich B r u c h s t ü c k e des T e x t e s 3 8 , die i m m e r h i n die A u t h e n t i z i t ä t der W o r t e donare u n d capere b e l e g e n 3 9 . Vat. 298 (Paulus lib. 71 ad edictum, ad Cinciam): Personae igitur cognatorum excipiuntur in his verbis : „sive qui cognati 40 cognata(e)* 1 inter se, dum sobrinus sobrinave propriusve eo sit , ( erunt) 42 sive quis in alterius potestate manu mancipiove erit, qui eos hac cognatione attinget , quorum 43 is in potestate manu mancipiove erit eis, omnibus inter se donare capere liceto." W i e sich schon d e m T i t e l des Gesetzes e n t n e h m e n läßt, b e h a n d e l t e es z w e i verschiedene A r t e n v o n Geschenken, die munera u u n d die d o n a 4 5 ' 4 6 . Diese U n t e r s c h i e d e regelte die lex h ö c h s t w a h r s c h e i n l i c h i n z w e i g e t r e n n t e n A b s c h n i t t e n 4 7 . E i n T e i l des Gesetzes, der die H o n o r a r 32 Wenger (543) datiert das Entstehen auf 320. Schulz (Geschichte, 393) n i m m t 318 an. I m m e r h i n Vat. 37 stammt aus dem Jahre 372. B. Kubier (Geschichte, 388) n i m m t Vat. 37 so zum Anlaß, die Entstehungszeit des Codex erst danach anzusetzen (dagegen Wenger a.a.O.). Vat. 37 einmal außer Betracht gelassen, legt das über die Reformen Konstantins berichtende Vat. 249 (a. 323; Seeck (SZ 10, 216) datiert Vat. 249 auf den 3. Februar 316) die hier getroffene Datierung nahe. Vgl. Erbe 206 m i t F N 5 und 6. Er datiert es i n die Zeit Konstantins. 33 Wenger 543. B. Kubler (Geschichte, 387) spricht auch von einem sehr kleinen T e i l des ursprünglichen Werkes. Ebenso Levy SZ 49, 234. 34 Schulz, Geschichte, 392. 35 Die einzelnen T i t e l sind: ex empto et vendito, de usufruetu, de re uxoria ac dotibus, de excusatione, quando donator intellegatur revocasse voluntatem, ad legem Cinciam de donationibus, de cognitoribus et procuratoribus. 36 Wenger 545. 37 Mitteis 155; Casavola 8; Archi 9 ff.; Wesel 54 f.; Meinig 32; Käser, V e r botsgesetze, 28. 38 Dumont 5f.; Archi 90; Casavola 61 f.; Wesel 54f.; Käser, Verbotsgesetze, 28; Wesener SZ 78, 489 F N 28. 39 Kariowa I I . l , 587; B. Kiibler, Geschichte, 181 F N 3; von Lübtow, Darlehnsbegriff, 49; Wesel 55; Käser, Verbotsgesetze, 28. 40 Abweichungen der Lesart gegenüber Mommsen. Vgl. F I R A I I , 531. 41 F N 40. 42 F N 40. 43 F N 40. 44 Marc. D. 50,16,124. 45 Ulp. D. 50,16,194. 46 Dazu Michel Nr. 799. Mitteis (154) bemerkt zutreffend, daß diese Nomenk l a t u r selbst von den Juristen nicht m i t besonderer Strenge eingehalten wurde. Ebenso von Rambach 2; Kaden SZ 50, 614. 47 Archi 16 ff.; Käser, Verbotsgesetze, 38; Wesener SZ 78, 485; Kaden Labeo

12. lex Cincia de donis et muneribus

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Schenkungen (munera) b e t r i f f t , v e r b i e t e t insbesondere d e n Senatoren, die als R e c h t s k o n s u l e n t e n u n d S a c h w a l t e r i h r e r K l i e n t e n a u f t r a t e n , v o n diesen d a f ü r B e l o h n u n g e n a n z u n e h m e n (capere). E i n Verstoß geg e n dieses V e r b o t w a r o f f e n s i c h t l i c h m i t S t r a f e b e d r o h t 4 8 . E i n z w e i t e r T e i l b e h a n d e l t die Geschenke (dona) u n t e r P r i v a t p e r s o n e n . D a b e i u n tersagt die lex Cincia das A n n e h m e n (capere) v o n Schenkungen, w e n n das donare e i n e n b e s t i m m t e n , uns h e u t e u n b e k a n n t e n W e r t ü b e r s t e i g t 4 9 , w e i l dies als sozialer M i ß s t a n d b e t r a c h t e t w u r d e 5 0 . D i e V e r b o t s g r e n z e bezeichnen d i e Q u e l l e n als modus (legis) (Cinciae) oder quantitas ( donationis) oder sie sprechen v o n „in computationem donationis venire" 51. V o n dieser B e s c h r ä n k u n g w a r e n d i e i n V a t . 298 - 309 g e n a n n t e n , d e m Schenker nahestehenden Personen a u s g e n o m m e n (personae exceptae) 52. I n bezug auf d i e dona w a r die lex ohne S a n k t i o n (lex imperfecta) 53. I s t danach das capere e i n entscheidendes T a t b e s t a n d s e r f o r d e r n i s des Gesetzes 5 4 , d a n n k o m m t es v o r a l l e m a u f d i e B e r e i c h e r u n g des B e schenkten a n 5 5 . Rechtspolitisch r i c h t e t sich das plebiscitum einerseits gegen d e n M i ß s t a n d , daß die m a c h t v o l l e Oberschicht v o n d e n sozial u n d 9, 249. Mitteis (155 m i t F N 11) gegen Garofalo (BIDR 15, 310 ff.) m i t der unbewiesenen Hypothese, das plebiscitum habe n u r die munera betroffen. 48 Mommsen, Straf recht, 705 f.; Kariowa I I . l , 586; Mitteis 154 f.; von Mayr 88; Rabel § 121, S. 192; H. Pernice 3; von Rambach 2; Archi 16; Michel Nrn. 339, 340; Meinig 33; Kaden Labeo 9, 249. Käser (Verbotsgesetze, 38 f. m i t Nachweisen i n F N 22) spricht von der Strafe des Vierfachen (quadruplum) unter Berufung auf Dio Cassius 54, 18, 2. 49 Kariowa I I . l , 587; Mitteis 155 f.; von Mayr 87 f.; Kipp 269; Jörs / Kunkel § 153.2, S. 246; Schulz, CRL, Rdnr. 973; Rabel § 121, S. 193; Käser, RPR I, § 140113 a m i t F N 20, S. 602; Verbotsgesetze, 22; H. Pernice 3; Meinig 33; Krüger SZ 60, 80 F N 1. Β. Kübler, Geschichte, 181 F N 5 zu Rekonstruktionen der Höhe des modus. Dazu auch Casavola 30 ff.; Kaden Labeo 9, 249. 60 Kariowa I I . l , 585, 587; Schulz, Prinzipien, 6; Käser, Verbotsgesetze, 25 ff.; Krüger SZ 60, 80. 51 Pomp. D. 39, 5,9 („in rationem donationis non computatur ... venient in computationem donationis"); Gaius D. 39, 5,11 („de modo donationis quaeritur"); Cels D. 39, 5, 21,1 („quod modum legis excedit"); Modest. D. 39, 5, 23 („in ea donatione ex summa quantitatis"); lav. D. 39, 5, 24 („qui donationis causa penuniam supra modum legis promisit"); Paul. D. 44,4, 5, 2 („quod supra legitimum modum facta est"); Paul. D. 44, 4, 5, 5 („qui volebat mihi donare supra legitimum modum"). Mitteis 156 F N 14 u n d 17; von Rambach ausführlich 7 - 21 ; Casavola 28 ff. ; Meinig 33. 52 P.S. 5,11,4; C.Th.8,12,4. Kariowa I I . l , 586 f.; Mitteis 155 m i t F N 12; von Mayr 87; Β . Kübler, Geschichte, 181 f.; Kipp 269; Rabel § 121, S. 193; H. Pernice 3; von Rambach ausführlich 3 - 6 ; Casavola 54 ff.; Kaden Labeo 9, 250. 53 Ulp. Epit. 1,1. Kariowa I I . l , 586 f.; Mitteis 159; von Mayr 87; B. Kübler, Geschichte, 182; Siber 65; SZ 53, 136; Sohm / Mitteis / Weng er 227; Schulz, CRL, Rdnr. 273; Biondi , donazioni, Nr. 8; Käser, RPR I, § 60 F N 37, S. 249; Verbotsgesetze, 20 ff.; von Rambach 20 f.; Meinig 36. 54 Mitteis 159 f.; von Rambach 22; Wesel 55 m i t F N 46. Vgl. auch von Mayr 88. 55 Ä h n l i c h Kariowa I I . l , 587; Käser, Verbotsgesetze, 38 f.

88

D. Analoge A n w e n d u n g von Schenkungsregeln auf das gratis

habitare

w i r t s c h a f t l i c h A b h ä n g i g e n f ü r d e n i h n e n an sich u n e n t g e l t l i c h g e w ä h r t e n S c h u t z 5 6 i n z u n e h m e n d e m M a ß e u n d b e t r ä c h t l i c h e r H ö h e als A n e r k e n n u n g Geschenke (munera) f o r d e r t e 5 7 . A n d e r e r s e i t s s i n d die M o t i v e f ü r das V e r b o t der A n n a h m e v o n dona w e n i g e r i n der A b n e i g u n g der R ö m e r gegen S c h e n k u n g e n ü b e r h a u p t 5 8 , als v i e l m e h r i n a l l g e m e i n e r L u x u s b e k ä m p f u n g u n d i n d e m S t r e b e n nach W i e d e r h e r s t e l l u n g des d u r c h d e n 2. P u n i s c h e n K r i e g (218 - 201 v . Chr.) z e r r ü t t e t e n W i r t s c h a f t 5 9 z u sehen 6 0 . D i e lex Cincia w o l l t e i m ersten T e i l eine a u f sozial m i ß b i l l i g e n s w e r t e A r t u n d Weise erreichte V e r m ö g e n s v e r g r ö ß e r u n g der Sachw a l t e r v e r h i n d e r n 6 1 u n d daneben d i e Rechtssuchenden v o r A u s b e u t u n g d u r c h die A d v o k a t e n schützen 6 2 . I m z w e i t e n T e i l suchte sie die auf einer causa donandi b e r u h e n d e n Z u w e n d u n g e n e i n z u d ä m m e n , u m d e n i n der d a m a l i g e n W i r t s c h a f t s s i t u a t i o n a u f t r e t e n d e n A u s w ü c h s e n entgegenzuw i r k e n , die i n u n v e r n ü n f t i g e n u n d u n m ä ß i g e n schenkweisen Bereicher u n g e n z u Tage t r a t e n 6 3 . D a n e b e n w i r d es d e m rechtspolitischen B e 56 Plinius minor, epistulae 6, 23, 1 - 2 r ü h m t sich noch unentgeltlich plädiert zu haben. Siehe auch Kariowa I I . l , 586; Michel Nrn. 339 ff., 363 m i t soziologischer Begründung. 57 Tacitus , annales, 13, 42; 15, 20. Mommsen, Strafrecht, 705 f.; Kariowa I I . l , 586; Mitteis 154 f.; Rabel § 121, S. 192; Käser, RPR I, § 140113 a, S. 603; Verbotsgesetze 26; H. Pernice 2; von Rambach 2; Archi 12 ff., 21 f.; Michel Nrn. 339 ff. Kariowa (a.a.O.) u n d Kaden (Labeo 9, 249) sprechen von „erpressen". δ8 So aber: B. Kubier, Geschichte, 181; H. Pernice 2; von Rambach 2; Lange 35. Allgemein Kariowa I I . l , 585; Leifer SZ 56, 208. Dagegen Käser, RPR I, § 140113 a, S. 603; Verbotsgesetze 25 ff. (anders noch, Eigentum, 160 ff.); Casavola 19 f. 59 Mommsen (Geschichte I I , 399), Kariowa ( I I . l , 585) u n d B. Kubier (Geschichte, 181) sprechen von der Zeit der beginnenden Grisetten- u n d B u h l knabenwirtschaft. 80 Tacitus, annales, 11,5. Kariowa I I . l , 585, 587; Käser, RPR I, § 140113 a, S. 603; Verbotsgesetze, 25 ff.; H. Pernice I f . ; Casavola 19 f., 21 ff.; Wieacker, Fs Siber I, 47 f.; Wesener SZ 78, 486 f., 488; Kaden Labeo 9, 248 ff. Dénoyez (IURA 2 146 ff.) beschränkt die von der lex Cincia erfaßten Schenkungen auf die Fälle des von Gaius (2, 102) erwähnten Testaments per aes et libram. Den Zweck sieht Dénoyez darin, daß dieses Plebiszit 200 Jahre nach den X I I Tafeln unter Berücksichtigung der inzwischen erfolgten Veränderungen der Familienorganisation den Widerruf bei der mancipatio familiae einführt, nachdem diese sich i n eine Testamentsform gewandelt hatte (151). Diese These hat bislang wegen ihrer recht spektakulativen Herleitung zu Recht keine Anhänger gefunden. M i t den literarischen u n d juristischen Überlieferungen läßt sie sich schwer vereinbaren. 61 Ganz lückenlos w a r das m i t Strafe bedrohte Verbot nicht. Die Advokaten ließen sich durch Vermächtnisse ihre Honorare versprechen. Dazu Michel Nr. 339 m i t Nachweisen F N 62. Siehe auch Cicero, de officiis, 2, 19, 66. 62 Kariowa I I . l , 586, 587; Käser, RPR I, § 140113 a, S. 603; Verbotsgesetze, 26; von Rambach 2; Archi 21 f.; Bleicken 170 f. m i t F N 121; Gioffredi SDHI 13/14, 64 ff.; Kaden Labeo 9, 249 f.; Wieacker, Fs Siber I, 47 f. (kritisch). 83 Kariowa I I . l , 585, 587; B. Kubier, Geschichte, 181; Bleicken 169 f., 171; H. Pernice I f . ; Käser, Verbotsgesetze, 26; Wesener SZ 78, 487; Kaden Labeo 9, 249.

12. lex Cincia de donis et muneribus

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diirfnis entsprochen haben, Schutz vor damit regelmäßig verbundenen Substanzeinbußen zu bieten 6 4 . Zu modern ist die Vorstellung, Nachteile aus unüberlegtem und übereiltem Handeln zu verhüten 6 5 . Denn übermäßigen Schenkungen in Stipulationsform konnte die exceptio legis Cinciae entgegengehalten werden 6 6 . Immerhin war nicht schlechthin jede Schenkung verwehrt. Die lex Cincia unterscheidet vielmehr eine kleine und eine übermäßige (große) Schenkung, und lediglich die A n nahme dieser, hingegen nicht jener unterliegt ihrem Verbot 6 7 . Neben diesem Unterschied ist außerdem darauf zu achten, zwischen welchen Personen das donare et capere stattfindet 6 8 . Beides ist bei einer kleinen Schenkung jedermann möglich und nach ius civile gültig. Dies gilt bei großen Schenkungen nur dann, wenn sie zwischen bestimmten, von der lex Cincia ausdrücklich genannten Personen (exceptae personae) erfolgen 69 . Handelt es sich hingegen um eine übermäßige Schenkung inter non exceptas personas, ist die zivilrechtliche Beurteilung eine andere. Eine solche gegen das cincische Verbot verstoßende Stipulation oder Manzipation ist ohne Bestandskraft. Sie sind ungültig, solange die traditio nicht vorgenommen ist 7 0 . W i r d aber die manzipierte Sache tradiert, erwirbt der Empfänger nach Zivilrecht gültiges Eigentum an ihr 7 1 . Dies liegt i n dem Charakter der lex Cincia als einer lex imperfecta begründet 72 . 84

Kariowa

I I . l , 587; B. Kübler,

Geschichte, 181; Stock 43; Wesener SZ 78,

487. 85 Archi 21; Meinig 32 f.; Käser SZ 71, 455 m i t F N 35. Vgl. Lehfeldt (30 f.), der hierfür außerdem die Parallele zu § 518 zieht (31). Wie hier Kariowa I I . l , 587. ββ Vat. 310. Walter § 580; Kariowa I I I , 586; Mitteis 161; von Mayr 87; B. Kübler, Geschichte, 182; Sohm ! Mitteis / Wenger 227; Jörs / Kunkel § 152.2, S. 246; Schulz, CRL, Rdnr. 973; Käser, RPR I, § 140113 a, S. 603; Verbotsgesetze, 21; von Rambach 21, 28; Archi 149 f.; Biondi, donazioni, Nr. 8, S. 24 f.; Meinig 36; Garofalo B I D R 15, 312; Siber SZ 53, 137. 67 Walter § 580; Kariowa I I . l , S. 587; Mitteis 157 m i t F N 19 (S. 158); Biondi , donazioni, Nr. 8. 88 Kariowa I I . l , 587; Mitteis 155 m i t F N 12, 159; Β . Kübler, Geschichte, 181, 182; Rabel § 121, S. 193; Käser, RPR I, § 140113 a, S. 602 f.; Verbotsgesetze, 21; von Rambach 3 ff., 21, 24; Archi 17 f., 19 ff.; Meinig 33. 89 Kariowa I I . l , 587; Mitteis 160 f.; Käser, RPR I, § 140113 a, S. 603; von Rambach 21, 24. 70 Z u m System der donatio perfecta — imperfecta: Walter § 580; Kariowa I I . l , 587; Mitteis 155 ff., 159, 160 f., 163 ff.; Siber 65; Sohm ! Mitteis ! Wenger 227; Jörs/Kunkel § 153.2, S. 246; Schulz, CRL, Rdnr. 973; Rabel § 121, S. 193; Biondi, donazioni, Nr. 8, S. 24ff.; Seidl Rdnr. 561; Käser, RPR I, § 140113 a, S. 603 f.; Verbotsgesetze, 21 ff. (§ 3 sub. I I , 1 u n d 2); H. Pernice 5 f.; Meinig 36 f. 71 Kariowa I I . l , 587; Sohm / Mitteis l Wenger 227 ; Jörs / Kunkel § 153.2, S. 246; Schulz, CRL, Rdnr. 973; Biondi, donazioni, Nr. 8, S. 25; Käser, RPR I, § 140 I I 3 a, S. 603; Verbotsgesetze, 27 (sub. 4); von Rambach 20 f. 72 Walter § 580; Kariowa I I . l , 587; Mitteis 159; Rabel § 121, S. 193; Biondi, donazioni, Nr. 8, S. 25; Käser, RPR I, § 140113 a, S. 603; Verbotsgesetze, 27

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D. Analoge Anwendung von Schenkungsregeln auf das gratis

habitare

Die Durchsetzung des Annahmeverbots von Schenkungen obliegt dem Prätor 7 3 und hängt von gewissen Voraussetzungen ab. Hat jemand eine Sache schenkweise unter Verstoß gegen das cincische Gesetz stipuliert, sie aber noch nicht i n der gehörigen Form übertragen, so gewährt der Prätor dem Schenker, den seine Liberalität jetzt reut 7 4 , auf die Leistungsklage des Beschenkten die exceptio legis Cinciae 75. Diese Einrede verhindert die Klage aus dem stipulierten Schenkungsversprechen 76 . Sie kann auch der Vindikation der mancipierten, aber noch nicht übergebenen (tradierten) Sache wirksam entgegengesetzt werden 7 7 . Dadurch wurde dem Verbot des capere Wirksamkeit verliehen. Unverzichtbares Erfordernis für das Eingreifen des cincischen Verbots ist jedoch, daß die Schenkung noch nicht „perfekt" ist 7 8 . Bei res nec mancipi reicht zur Perfektion die traditio, während bei res mancipi außerdem noch die Vornahme der mancipatio notwendig ist 7 9 . Jedenfalls muß die Besitzübertragung bei Mobilien so beschaffen sein, daß der Beschenkte i m Besitzprozeß dem m i t dem interdictum utrubi begründeten Herausgabeverlangen des Schenkers erfolgreich widerstehen kann 8 0 . Dies ist nach einem halben Jahr der Fall 8 1 . Bei vollständiger Abwicklung der Schenkung ist für eine exceptio kein Raum mehr 8 2 . Die Schenkung bleibt trotz des mißachteten, gesetzlich angeordneten Annahmeverbots bestehen 83 . Die lex Cincia selbst gewährt kein Rückforderungsrecht für (sub. 4); von Rambach 21; von Lübtow, Darlehnsbegriff, 49; Meinig 36; Lévy R I D A 3, 105. 73 Kariowa I I . l , 586; Mitteis 161; von Mayr 87; B. Kübler, Geschichte, 182; Kipp 269; Sohm ! Mitteis ! Wenger 227; Rabel § 121, S. 193; Käser, RPR I, §140 I I 3 a, S. 603; Verbotsgesetze, 21; von Rambach 21; Garofalo B I D R 15, 312; Siber SZ 53, 136. 74 von Rambach 21; Lehfeldt 30 f. 75 F N 66. Siehe auch Vat. 266 m i t dem Schulenstreit über die Legitimation zur exceptio (dazu Mitteis 161; von Rambach 29 f.; Archi 150 ff.). 76 Lévy R I D A 3, 105. 77 Walter § 580; Mitteis 163; B. Kübler, Geschichte, 182; Sohm ! Mitteis ! Wenger 227; Archi 149; Meinig 36 f. 78 Walter § 580; B. Kübler, Geschichte, 181, 182; Sohm ! Mitteis ! Wenger 227; Jörs! Kunkel § 153.2, S. 246; Rabel § 121, S. 193; Käser, RPR I, § 140 I I 3 a, S. 603; Verbotsgesetze, 21 f.; Lange 35; von Lübtow, Darlehnsbegriff, 49 f.; Archi 147; Meinig 36; Lévy R I D A 3, 99 ff., 106. 79 Vat. 259, 293, 311, 313 (dazu von Rambach 26 f.; Casavola 131 ff.). Walter § 580; Mitteis 163 ff.; B. Kübler, Geschichte, 182; Rabel § 121, S. 193; H. Pernice 5 f.; Archi 149 f.; Casavola 127 ff.; Meinig 36 f. 80 Vat. 293, 311. Walter § 580; Mitteis 163, 164 m i t F N 45; Β . Kübler, Geschichte, 182; H. Pernice 5; Archi 150; Casavola 135 f.; Lehfeldt 18; von Lübtow, Darlehnsbegriff, 50. 81 Gaius 4, 148 - 152. 82 F N 78. 83 Siber 65; Sohm / Mitt eis / Weng er 227 ; Jörs / Kunkel § 153.2, S. 246; Schulz, CLR Rdnr. 973 ; Rabel § 121, S. 193; Meinig 36 m i t F N 47.

13. Erlaß einer gedachten Mietzinsforderung als Schenkungsobjekt

91

d e n S c h e n k e r 8 4 ' 8 5 . Ebenso f ä l l t d i e cincische E i n r e d e f o r t , w e n n d e r Schenker s t i r b t , ohne d i e S c h e n k u n g w i d e r r u f e n z u h a b e n ( morte cia

removeturf

6

;

für

seine

Erben

kommt

ein

Widerruf

nicht

Cinin

Betracht87'88. 3. Der Erlaß

einer gedachten

als angenommenes

Mietzinsforderung

Schenkungsobjekt

N a c h d e m bereits f ü r das g e l t e n d e Recht Oertmann 8Θ, Heck 90 und 91 Enneccerus / Lehmann — t e i l w e i s e u n t e r H i n w e i s a u f P o m p . D . 39, 5, 9, p r . 9 2 — die A u f f a s s u n g v e r t r e t e n haben, daß die f ü r d i e S c h e n k u n g notwendige Vermögensvermehrung zwar nicht i n der bloßen Geb r a u c h s g e w ä h r u n g , w o h l aber d a r i n bestehen k ö n n e , daß A u s g a b e n , d i e sonst gemacht sein w ü r d e n , v o m B e s c h e n k t e n e r s p a r t w e r d e n , h a t f ü r das römische Recht n e u e r d i n g s auch Misera 93 d i e A n s i c h t geäußert, „ d a ß b e i d e m g r a t i s h a b i t a r e eine S c h e n k u n g v o r l i e g e n kann, n ä m l i c h 84 I n Vat. 266 spricht U l p i a n von der condictio als einer „perpetua exceptio". Aber sie ist zum einen nur auf das indebitum gerichtet, zum anderen w i r d sie n u r dann erteilt, wenn der Geber seine Einredemöglichkeit nicht gekannt hat (Käser, RPR I, § 140 F N 40, S. 604 m i t weiteren Nachweisen; ebenso Verbotsgesetze, 21 F N 6; von Mayr 87 f.; Jörs / Kunkel § 153.2, S. 246 m i t F N 6; Archi 156 f.; von Lübtow, Darlehnsbegriff, 50; Meinig 37; Siber 65; SZ 53, 139). 85 Vat. 275. Käser, RPR I, § 140 I I 3 a, S. 603 m i t weiteren Nachweisen i n F N 38; Verbotsgesetze, 21 f. m i t Meinungsstand F N 7 u n d der Bemerkung „heute w o h l alle". Zusätzlich Siber 65; Schulz, CRL, Rdnr. 973; Biondi, donazioni, Nr. 8, S. 26 ff.; von Rambach 22 für die klassische Zeit; Archi 147; von Lübtow, Darlehnsbegriff, 49; Meinig 36 m i t F N 47. 86 Vat. 250, 254, 259, 266, 278, 294. Diese Regel w a r dem ursprünglichen cincischen Schenkungsverbot fremd. Erst die Juristen der severischen Zeit handhaben sie (Mitteis 166; Biondi, donazioni, Nr. 8, S. 26 f. m i t F N 6; Käser, RPR I, § 140 I I 3 a, S. 604; von Rambach 30). 87 Kariowa I I . l , 587; Mitteis 166; Siber 65; SZ 53; 141 ff.; Kipp 269; Sohm/ Mitteis / Wenger 227 ; Jörs / Kunkel § 153.2, S. 246 m i t F N 7; Schulz, CRL, Rdnr. 973; Rabel § 121, S. 193; Biondi, donazioni, Nr. 8; S. 26 f.; Käser, RPR I, § 140 I I 3 a, S. 604 m i t F N 3; Archi 171 ff. 88 Mitteis (166 F N 58) hebt i n diesem Zusammenhang hervor, daß es angesichts der durch die fragmenta Vaticana überlieferten zahlreichen Widerrufsversuche durch die Erben nicht verwunderlich ist, daß diese Regel wiederholt eingeschärft wurde. 89 A. 1 b γ vor § 516; Entgeltliche Geschäfte, 65 f. 90 § 94.6, S. 297. 91 § 120 I I 1 a m i t F N 2, S. 487. Weitere Nachweise bei Herrmann 198 F N 35. 92 Oertmann A. 1 b γ vor § 516; Entgeltliche Geschäfte, 65 f.; Enneccerus/ Lehmann § 120 I I 1 a, S. 487 F N 2. Siehe zusätzlich Burckhard, Begriff, 61 m i t F N 2 (62), 66; Stolte 41 m i t F N 3; Nickel 11; Froehlich 51 F N 2, 52; Cohn 53 F N 6; Amberg 8 F N 1 m i t Hinweis auf die Antinomie U l p . - V i v i a n D. 13, 6, 1,1 u n d Pomp. D. 39, 59 pr. Auch Sonnenbrodt (4) u n d Heimann (42) erwähnen Pomponius, teilen seine Auffassung aber nicht. Vgl. ferner O A G Oldenburg SeuffArch 23 Nr. 130, S. 212. 93 Index 3, 405.

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D. Analoge Anwendung von Schenkungsregeln auf das gratis

habitare

dann, wenn die Ersparung von Aufwendungen zugewandt werden soll, wenn sozusagen eine Mietzinsforderung schenkweise erlassen werden soll". Allerdings betont Misera 94 nachdrücklich, daß keineswegs stets eine Schenkung vorliege, wenn eine Wohnung unentgeltlich überlassen werde; denn „es widerspräche unserer sonstigen Erfahrung, wenn ein klassischer Jurist — und dazu noch Pomponius, der sonst so begriffsrein ist, vgl. nur D. 24, 1, 31, 8 — auch bei einem unentgeltlichen Wohnenlassen zufolge eines commodatum oder precarium von einer donatio gesprochen und damit diese Typen vermengt haben sollte" 9 5 . Misera hat recht, wenn er die Schenkung darin erblickt, daß „sozusagen eine Mietzinsforderung schenkweise erlassen werden soll" 9 6 , und nicht etwa i m Gebrauch der Wohnung. Entgegen Miseras Annahme hat Pomponius aber offenbar stets bei der unentgeltlichen Überlassung einer Wohnung Schenkungsrécht angewendet. Pomponius ist jedoch keineswegs einer Typenvermengung anheimgefallen; denn Schenkungsobjekt war für ihn ja nicht etwa der Gebrauch der Wohnung 97. Schon die Basiliken und der mos italicus haben dies verkannt. Nach Bas. 47,1, 8 ist unentgeltliches Wohnen genauso Schenkung wie eine Stundung 9 8 . Die noch i n D. 39, 5, 9 pr. m i t den Worten „in aedibus alienis habitare gratis donatio videtur" ausgedrückte sprachliche Zurückhaltung von Pomponius fehlt hier völlig. Vielmehr läßt die Formulierung: „habitare gratis donatio est" gar keinen Zweifel aufkommen, daß dies als ein regulärer Anwendungsfall der Schenkung beurteilt wird. Aus dem gleichzeitigen Erwähnen von „habitare gratis" und „pactum de non petendo ante certum tempus" folgt, daß m i t habitare gratis die schuldrechtlich strukturierte Gebrauchsüberlassung selbst als Schenkung begriffen wird. Die damit von den Basiliken eingenommene Position befindet sich i n schärfstem Kontrast zur römischen Klassik. Die dogmatische Nivellierung kommt i n der Gleichsetzung von habitare gratis und donatio deutlich zum Ausdruck. Die auf möglichst weite Ausdehnung des Schenkungsinhalts bedachte, christlich beeinflußte Tendenz der nachklassisch-oströmischen D o k t r i n 9 9 hat hieran sicherlich entscheidenden Anteil. Das Anonymusscholion zu Bas. 47, 1, 8 bestätigt die Auffassung, daß Wohnen in einem fremden Haus eine „species " der Schenkung sei 1 0 0 . Hier findet sich ebenso das apodiktische „est". Wenn auch der unbekannte Scholiast auf den fehlenden Mietzins zu sprechen 94

F N 93. Misera Index 3, 405. 98 F N 93. 97 Dies übersieht Seidl, RPR, Rdnr. 562. 98 Den Text siehe oben bei F N 12. 99 Käser, RPR I I , § 265 1 u n d 2, S. 397 ff. too f n 98. 95

13. Erlaß einer gedachten Mietzinsforderung als Schenkungsobjekt

93

kommt (sine mercede habitare) und dies m i t Text des Pomponiusfragments D. 39, 5, 9 pr. begründet, so ist doch trotz des Eingehens auf die Ausgabenersparnis deutlich, daß die Gebrauchsüberlassung selbst Gegenstand der Schenkung sein soll. Nicht der Erlaß einer gedachten Mietzinsforderung ist i n dem Scholion als Schenkungsobjekt gedanklich zugrundegelegt, sondern der sich für den Empfänger ergebende unentgeltliche Gebrauchsvorteil. Vermutlich Accursius hat i n der bereits kurz behandelten Glosse „Donatio videtur" zu D. 39, 5, 9 pr. den Gebrauch (usus) oder den Mietzins (merces) als Gegenstand der Schenkung bezeichnet, während dies bei commodatum und precarium die Sache selbst sei 1 0 1 . Zum Beleg dieser Unterscheidung hat er auf die Digestenfragmente 13, 6,1,1 und 19, 5,17 pr. verwiesen 1 0 2 . Aber dem Schenkungsgegenstand usus, welcher hier zum ersten Mal ausdrücklich genannt wird, kommt keine j u ristische Tragfähigkeit zu. Wenn der Unterschied zwischen Schenkung und Leihe darin bestehen soll, daß bei jener der Gebrauch, bei dieser die Sache selbst überlassen wird, so geht dabei unter, daß für die Gebrauchsausübung die Sachübergabe ebenso notwendig ist. Erst dadurch ist der Empfänger überhaupt i n der Lage, die Sache zu gebrauchen. Dies bestätigt Azo103 i n seiner Bemerkung zum Stichwort „commodatum quid sit " commodatu(m) est alicuius rei ad alique(m) specialem usum gratuita facta concessio. Ideo dico concessio, & non tra(n)slatio: quia is qui co(m)modat retinet dominiu(m), & possessionem: ut ff eod(eam) l(ex) rei commodatae (D. 13, 6, 8).

Von juristischem Feingefühl zeugt die sprachliche Unterscheidung zwischen „concessio" für das commodatum und „translatio" für Schenkung. Danach ist die Bewertung der Vorgänge beim gratis habitare durch Accursius unzutreffend, wenn er den usus als Schenkungsobjekt erfaßt. Die inhaltlichen Gegenstände von commodatum und Schenkung werden von i h m nachgerade verkehrt. Kein klassischer Jurist hat je bestritten, daß die unentgeltliche Wohnungsgewährung als solche Leihe sei, sondern allenfalls gezögert, bei Immobilien von commodare zu sprechen 104 . Hinzu kommt, daß Pomponius natürlich nicht bei jeder unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung den schenkweisen Erlaß einer Mietzinsforderung angenommen hat. Nur bei Wohnraum, den ein vir bonus — damals wie heute — i m allgemeinen vermietet und nicht verleiht, hat er so argumentiert. 101

Den Text siehe oben bei F N 13. Die charakteristische Arbeitsweise der Glosse w i r d darin deutlich, daß beide Allegationen dem Pomponiusfragment D. 39, 5, 9 pr. als entgegenstehend hervorgehoben werden („quae sunt contra"). 103 fol. 87 re. Sp. außen. 104 Vgl. U l p . - V i v. D. 13, 6,1,1. 102

94

D. Analoge Anwendung von Schenkungsregeln auf das gratis

habitare

U m die Bedeutung von Pomp. D. 39, 5, 9 pr. zu erfassen, muß man zweierlei scharf auseinanderhalten. Der Jurist bezeichnet zum einen das gratis habitare nicht als Schenkung 105, sondern spricht nur von donatio videtur. Zum anderen qualifiziert er auch das mercedem pro habitatione non solvere nicht als Schenkungserwerb (capere). Dieses Mißverständnis herrscht aber i m mos italicus vor. Accursius spricht i n der Glosse „Donatio videtur" zu D. 39, 5, 9 pr. neben dem Gebrauch (usus) ausdrücklich vom Mietzins (merces) als anderem möglichen Schenkungsgegenstand. Diese Ansicht bestätigt er noch einmal in der Glosse „In aedibus" zu D. 39, 5, 9 p r . : Casus. Si concedo tibi gratis habita(re). domus, meae, tibi videor donare mercedem; & sie donatio valet etiam sine tradi(tio) rei. sic & alias cum paciscor animo donandi ne petam a debitore meo usque ad annum. Accurs(ius).

Wenn Accursius hierbei auch „videor donare mercedem " sagt, so ist dies kaum als Ausdruck der Vorstellung zu werten, es werde ein angenommener Mietzins schenkweise erlassen. Viel eher beruht diese Wendung auf der Annahme, der Habitator werde bei unentgeltlicher Überlassung von Wohnraum um den ersparten Mietzins bereichert. Handeln die Glossen des Accursius von der Ausgabenersparnis, welche beim gratis habitare die Bereicherung des Schenkers (capere) begründen soll, so befaßt sich Bartolus m i t dem dazugehörigen Pendant, nämlich dem Einnahmeverlust des Schenkers 106 . I n der Glosse vor D. 39, 5, 9 pr. : Qui donat habitationem, videtur donare mercedem. kennzeichnet

er

die

für

die

Schenkung

notwendige

Entreicherung

(donare) als merces. Die von Bartolus erfolgte Ummünzung der habitatio gratuita i n eine donatio mercedis ist jedoch i n dieser komprimierten F o r m unzutreffend.

Vielmehr soll Pomponius zufolge die unentgeltliche Überlassung einer Wohnung rechtlich nur so behandelt werden, als ob es sich um eine Vermietung handelt und bei der — wie Misera 107 zutreffend hervorhebt — „sozusagen" die Mietzinsforderung (merces) schenkweise erlassen w i r d (capere videtur). Auch Bund 108 rückt „das schwierig adäquat zu übersetzende videtur" zur Argumentationsform der Fiktion. Wesel 109 rechnet demgegenüber das Verb videri als eine typische Terminologie zur identifizierenden Auslegung 1 1 0 , die neben der Wortaus105

Unscharf Archi 89 - 91. Vgl. Misera 179 F N 76. 107 Index 3, 405. 108 St. Volterra I, 584. Vgl. auch Medicus, Fs Käser, 397. 109 42. 106

110 Andere Umschreibungen neben videri legi und contineri.

sind nach Wesel (42): esse, intel-

13. Erlaß einer gedachten Mietzinsforderung als Schenkungsobjekt

95

legung auch die Analogie umfaßt 1 1 1 . Horak 112 wertet die Verwendung von videtur i m Einzelfall als Anzeichen dafür, daß der Jurist damit zu erkennen gibt, seine Entscheidung sei nicht die einzig mögliche. Begrifflich bleibt das gratis habitare ein commodatum. Auch w i r d nicht eine Mietzinsforderung realiter schenkweise erlassen, w e i l zwischen den Parteien keine locatio conductio vereinbart worden ist 1 1 3 . Pomponius bedient sich hier einer ähnlichen Argumentation wie Ulpian in D. 19,2, 46 (lib. 69 ad edictum): Si quis conduxerit nulla est, quia et hoc donationis instar inducit.

nummo

uno,

conductio

Die „Miete" für einen symbolischen Pfennig ist als Miete nichtig. Der Vertrag ist vielmehr so zu beurteilen, als sei eine Schenkung vereinbart, was i n Wahrheit natürlich nicht geschehen ist (hoc donationis instar inducit). Der Sinn von Pomp. D. 39, 5, 9 pr. liegt i n der Befürwortung einer (entsprechenden) Anwendung der lex Cincia auf das gratis habitare. Pomponius mußte dabei allerdings das besondere Problem des cincischen Gesetzeswortlauts (donare — capere) überwinden. Anders als i n den meisten Fällen, i n denen der Sachverhalt lediglich den für die Klagformel geforderten Voraussetzungen entsprechen mußte 1 1 4 , war es hier notwendig, für das erstrebte Ziel eine den Worten des Gesetzes genügende Lösung zu finden. Dabei w i r d Pomponius sein Geschichtsverständnis 115 , die bei i h m nachweisbare Aktualisierungstendenz von Geschichtlichem für die Entscheidung von gegenwärtigen Rechtsfragen 1 1 6 , insbesondere zur Erklärung der Funktion einer gesetzlichen Regelung 117 und seine Kenntnis und Vorliebe grammatikalischer Nuancen 1 1 8 geholfen haben. Die A r t und Weise des (methodischen) Vorgehens und die Frage danach, ob es sich dabei um Fiktion oder Analogie handele, w i r d für Pomponius kaum eine Rolle gespielt haben 1 1 9 . Obwohl beide Argumen111

Vgl. Käser, RPR I, § 52 I I I 2, S. 213 m i t weiteren Nachweisen i n F N 28. Fs Käser, 53. 113 H i e r i n unterscheidet sich Pomp. D. 39,5,9 pr. v o m F a l l der remissio mercedis i n Ulp. D. 19, 2, 5. 114 Vgl. von Lübtow, Condictio, 134; St. Grosso I I , 602. 115 Neuestens dazu ausführlich Nörr, A N R W I I . 15, 549, 553, insbesondere 563 - 597. 116 Nörr, A N R W I I . 15, 594. 117 Vgl. Nörr, A N R W I I . 15, 595. 118 Nörr, A N R W I I . 15, 584, 590. 119 Vgl. Wieacker TR 36, 141. Nach Horak (261) w a r das Interesse der r ö m i schen Juristen für schulmäßige Handhabung der Methodenlehre nicht gerade groß. 112

96

D. Analoge Anwendung von Schenkungsregeln auf das gratis

habitare

tationsformen der klassischen Jurisprudenz geläufig waren 1 2 0 , wurden Fiktion und Analogie bei der interpretatio nicht i n dem Maße unterschieden, wie dies die heutige Methodenlehre unternimmt 1 2 1 . Vielmehr sind für den römischen Juristen Intuition und Sachgefühl entscheidende Kennzeichen seiner Arbeitsweise 1 2 2 . Häufig hebt seine Argumentation auf Umstände des Einzelfalles ab. Lediglich die Erörterung einzelner Tatbestandselemente läßt einen Rückschluß auf die bestimmenden Faktoren seiner Entscheidung zu. Nicht minder häufig werden bei der Lösung des Falles auch Nachbar- oder Gegenfälle einbezogen. Der römische Jurist läßt sich so von Assoziationen leiten 1 2 3 . Für die Argumentation von Pomponius, habitare gratis rechtlich als eine vom Schenkungsverbot der lex Cincia betroffene donatio zu w ü r digen, läßt sich feststellen, daß sowohl den Anforderungen einer Fiktion als auch einer Analogie Genüge getan ist. Ähnlich wie bei der Celsinischen Durchgangstheorie für das mutuum 124 oder dem fingierten Klagenkauf als Denkhilfe für die Entwicklung des Zessionsregresses 125, verwendet Pomponius eine verdeckte, i n Wahrheit nicht vorhandene Rechtslage zur dogmatischen Erklärung 1 2 6 des gratis habitare als donatio und konkretisiert damit zugleich die entscheidenden Kriterien, wann es seiner Ansicht nach gerechtfertigt sein soll 1 2 7 , habitare gratis donatio videtur. Der Habitator scheint wie ein Beschenkter etwas zu erhalten 1 2 8 . Sein Vermögenserwerb (capere) besteht nach der dogmatischen Vorstellung des Juristen darin, daß er einen gedachten Mietzins nicht zahlt (capere videtur qui habitat, quod mercedem pro habitatione non solvit). Die auf 120 Käser, RPR I, § 52 I I I 2, S. 213; Methode, 59 m i t F N 45; Wieacker, V o m römischen Recht, 107, 1551; TR 36, 141; SZ 88, 350 m i t F N 50; SZ 94, 21 m i t F N 82, 31 m i t F N 108; Bund 97 ff., 122 ff.; St. Volterra I, 575; Horak 6, 83, 242 bis 261; Kaufmann Gnomon 39, 728; vgl. auch Steinwenter, St. Albertario I I , 105 ff., 111 f.; von Lübtow, Darlehnsbegriff, 70. 121 Larenz, Methodenlehre, 199 ff., 205 f., 359 ff. m i t weiteren Nachweisen S. 199 F N 3, 360 F N 3, 361 F N 1; vgl. auch Mertens JuS 1967, 99 f.; Käser Labeo 26, 39. 122 Käser, Methode, 58 f.; Labeo 26, 59 f.; vgl. auch Nörr, A N R W I I . 15, 548 ff., 570, 594 ff. 123 Z u m Vorstehenden: Käser, Methode, 59; Wieacker, V o m römischen Recht, 151 f.; SZ 88, 352 f.; vgl. auch von Lübtow, Darlehnsbegriff, 68; Ankum, Daube Noster, 11. 124 von Lübtow (Darlehnsbegriff, 80 F N 372) nennt dies eine „(historische) F i k t i o n " u n d stellt sie i n den Rahmen kasuistisch erfolgender Rechtsfortbildung. Neuestens Käser Labeo 26, 24 m i t weiterer L i t e r a t u r i n F N 1. 125 Dazu eingehend Medicus, Fs Käser, 391 ff., 397 ff., 402. 126 Vgl. von Lübtow (Darlehnsbegriff, 70), er spricht von einer „offenen F i k t i o n " , vgl. auch Darlehnsbegriff, 80; Wieacker, Fs E r i k Wolf, 450 f.; Medicus, Fs Käser, 397 f., 402. 127 Vgl. Schloßmann SZ 29, 305; von Lübtow, Ediktstitel, 122; Darlehnsbegriff, 80; St. Grosso I I , 602; Käser Labeo 26, 38. 128 Burckhard, Begriff, 63.

13. Erlaß einer gedachten Mietzinsforderung als Schenkungsobjekt

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der anderen Seite für die Schenkung notwendige Vermögenseinbuße des Wohnungsgebers (donare) ist darin zu erblicken, daß er die gedachte Mietzinsforderung nicht geltend macht. Die Rechtslage muß so angesehen werden, wie wenn ein Gläubiger dem Schuldner eine Geldforderung schenkweise stundet und damit auf Zinseinnahmen verzichtet (velut si donationis causa cum debitore meo paciscar, ne ante certum tempus ab eo petam). Denn auch bei der unentgeltlichen Überlassung von Wohnraum verzichtet der Geber für die Dauer der Überlassung (certum tempus) auf den (Miet-)Zins (merces). Unter dem Gesichtspunkt der Fiktion w i r d der nicht unter die Rechtsregel fallende Sachverhalt (habitare gratis = commodare) durch die Annahme i n Wahrheit nicht vorliegender Umstände (1. Mietvertrag, 2. schenkweiser Erlaß des Mietzinses) so aufbereitet, daß er den tatbestandlichen Voraussetzungen (donatio) für die Anwendung der Rechtsfolge (Cincisches Verbot) entspricht. Bezüglich der Analogie w i r d die Rechtsfolge (Cincisches Verbot) für einen bestimmten Tatbestand (donatio) auf einen anderen Sachverhalt (habitare gratis = commodare) übertragen, der vom Gesetz (lex Cincia) nicht erfaßt ist. Die Fiktion bezweckt und bewirkt die Substituierung von Sachverhaltsvoraussetzungen 129 , u m infolge der künstlich geschaffenen Ähnlichk e i t 1 3 0 (Veranschaulichungsfunktion) zwanglos zur erstrebten 1 3 1 Rechtsfolge zu gelangen. I m Gegensatz zur Analogie betrifft sie also lediglich die Tatbestandsseite, während es bei der Analogie entscheidend auf die Rechtsfolgeseite ankommt. Die Rechtsfolge w i r d auf einen Sachverhalt übertragen, für den die gesetzliche Regelung nicht vorgesehen, aber wertungsmäßig erwünscht ist 1 3 2 . Beiden methodischen Denkfiguren ist aber gemeinsam, daß nicht logische Überlegungen, sondern teleologische Wertungen 1 3 3 bestimmend sind. Die ratio legis führt dazu, i m Falle der Fiktion eine Rechtsregel auf einen nur scheinbar vorhandenen, lediglich als gegeben angenommenen Sachverhalt anzuwenden 134 , 129 Bernhöft (Fs Bekker, 242) spricht von der A n w e n d u n g „eines naheliegenden Kunstgriffes", Bund (123) von „ K u n s t g r i f f der f i k t i v e n Ersetzung", Horak (83) von der „konstruktivistischen F i g u r der F i k t i o n " . Vgl. auch Schloßmann (SZ 29, 305): Juristen legten die Worte nicht aus, sondern legten ihnen etwas unter. Medicus, Fs Käser, 397 ( „ K u n s t g r i f f " 394). 130 Bund 123; Horak 6. 131 Bund (123) hebt zutreffend hervor, daß Gründe dafür meist nicht ausgesprochen werden. Vgl. auch Medicus, Fs Käser, 402. 132 Arthur Kaufmann 22; Larenz, Methodenlehre, 359 f. 133 Larenz, Methodenlehre, 205, 361; Käser, RPR I, § 52 I I 2, S. 213; M e thode, 59 F N 45; Arthur Kaufmann 11, 20; Horak 83; Steinwenter, St. A l b e r tario I I , 111; d'Ors S D H I 33, 439; vgl. Mertens JuS 1967, 101; Schloßmann SZ 29, 304 f.; Medicus, Fs Käser, 402, 406. Neuestens dazu Käser Labeo 26, 39 f. 134 Steinwenter, St. Albertario I I , 112; Bernhöft, Fs Bekker, 241, 243; Medicus, Fs Käser, 397, 402.

7 Slapnicar

98

D. Analoge A n w e n d u n g von Schenkungsregeln auf das gratis

habitare

bei der Analogie die Rechtsfolgen auf einen von vornherein zwar ähnlichen, aber von der Vorschrift nicht erfaßten Sachverhalt zu erstrecken 135 . Das Ergebnis ist beide Male gleich: A n einen gegebenen Sachverhalt w i r d eine Rechtsfolge geknüpft, die für diesen Tatbestand nicht vorgesehen ist (Analogie); oder: Eine Rechtsfolge t r i t t bei einem Tatbestand ein, für den sie zwar vorgesehen ist, der als Sachverhalt i n Wirklichkeit aber nicht vorliegt (Fiktion). Gerade hierin zeigt sich die enge Verwandtschaft von Fiktion und Analogie 1 3 6 . Darüber hinaus ist es insbesondere für die römische Rechtswissenschaft zweitrangig, ob die juristische Erfassung eines Falles auf dem Vergleich m i t einem ähnlichen Fall beruht (Analogie) oder ob die Ähnlichkeit erst durch Fiktion künstlich geschaffen w i r d 1 3 7 . Fiktion und Analogie hatten „ i m Haushalt der römischen Jurisprudenz die gleichen Funktionen" 1 3 8 . Beide Denkfiguren stehen i m Dienste der Rechtsfortbildung 139 . Sie knüpfen an bereits vorhandene Rechtssätze an 1 4 0 . I n Denk- und Ausdrucksweise der römischen Juristen läßt sich aber Analogie von der Fiktion nicht immer scharf abgrenzen 140a . Pomponius w i r d für die Erstreckung der lex Cincia auf das gratis habitare wahrscheinlich auf die i n klassischer Zeit nachweisbare Denkfigur verba — sententia ul zurückgegriffen haben. Eine solchermaßen beeinflußte Entscheidung geht über die verba legis Cinciae ( donare , capere) hinaus und beruft sich auf die sententia des Gesetzes (Luxusbekämpfung). Gerade für den Bereich der lex Cincia ist durch Wesel die häufige Verwendung der gedanklichen Figur verba — sententia als Grundlage für freie Analogie 1 4 2 und insbesondere nachgewiesen, daß Pomponius diesen Topos verwendet hat 1 4 3 . Außerdem w i r d gerade die Fiktion des ausdrücklich geregelten Verbotstatbestandes auch als Mittel zur Abwehr von Gesetzesumgehungen gebraucht 144 . D. 39, 5, 9 pr. stellt demnach einen rechts fortbildenden Beitrag von Pomponius dar. Er hat sich dafür eingesetzt 1* 5, das Schenkungsverbot der lex Cincia auf das gratis habitare zu erstrecken. 135

Steinw enter, St. Albertario I I , 106. Wieacker TR 36, 142 m i t F N 23; vgl. d'Ors S D H I 33, 440. Arthur Kaufmann (19): „ F i k t i o n e n sind letzten Endes nicht anders als Analogien". Horak (83): „Fiktion, die noch der Analogie nahesteht." Mayer-Maly (SZ 84, 453): „Die F i k t i o n steht der Analogie näher, als oft gesehen w i r d . " 137 138 Horak 6. Wieacker TR 36, 142 F N 23. 130 Bund 124; Steinwenter, St. Albertario I I , 112; vgl. von Lübtow, Darlehnsbegriff, 80; Mertens JuS 1967, 101 sub 4. 140 14 Bund 124. °* Käser Labeo 26, 39. 141 Käser, RPR I, § 52 I I I 2, S. 213; Wesel 91-119, bes. 96, 116; Ankum, Daube Noster, 4. 142 Wesel 96, 110 f. 143 Wesel 116. Ebenso Ankum, Daube Noster, 4. 144 Bund 172 ff.; Wieacker TR 36, 143. Vgl. auch Wacke TR 40, 256 f. 145 Vgl. Horak, Fs Käser, 53. 136

14. Praktische Bedeutung von Pomp. D. 39, 5, 9 pr.

99

4. Die praktische Bedeutung der Pomponiusstelle 146

Michel hat versucht, Pomp. D. 39, 5, 9 pr. m i t dem Gedanken des Habitatorschutzes zu erklären. Ein Schutz desjenigen, der eine Sache gebrauchen darf, ohne dafür ein Entgelt zu entrichten, wäre aber höchst eigenartig. Es ist zwar richtig, daß der Widerruf ausgeschlossen ist, wenn man das habitare gratis als Schenkung behandelt 1 4 7 . Aber um die Widerrufsfestigkeit der habitatio gratuita zu erreichen, ist die Anwendung von Schenkungsrecht nicht notwendig. Daß die habitatio gratuita durch den Geber nicht früher als vertraglich vereinbart gelöst werden kann, versteht sich nämlich aufgrund des darüber zustande gekommenen commodatum von selbst 148 . Zum anderen bedeutet der Erklärungsversuch Michels eine übertrieben einseitige Parteinahme für die Interessen des Habitators. Da dieser ohnehin nur Vorteile dadurch hat, daß er unentgeltlich wohnt, entspräche seine zusätzliche Absicherung durch Ausschluß des Widerrufs kaum der aequitas 149. Die praktische Bedeutung der Stelle liegt vielmehr wohl i n dem Verlangen des Eigentümers, für die verstrichene Zeit der verbotswidrigen unentgeltlichen Benutzung der Wohnung nachträglich einen Gegenwert zu fordern. Die actio commodati scheidet aus; denn es geht nicht um die Rückgabe der Wohnung 1 5 0 . Die actio locati entfällt, weil — anders als i n Ulp. D. 19, 2, 5 — die Wohnung ja nicht w i r k l i c h vermietet ist. I n Frage kommt jedoch die condictio aufgrund eines indebitum tum 151. Sie ließe sich stützen auf

solu-

Vat. 266 (Ulpianus lib. 1 ad edictum de rebus creditis): Indebitum solutum accipimus non solum si omnino non debebatur, sed et si per aliquam exceptionem peti non poterat, id est perpetuam exceptionem. Quare hoc quoque repeti poterit, si quis perpetua exceptione tutus solverit. Unde si quis contra 14e

Nr. 63. Vgl. Käser, RPR I, § 14013 c, S. 604; Biondi , successione, 697 ff.; Archi 188 ff.; Michel Nr. 63. 148 Michel Nrn. 407, 499 m i t Tableau, 500, 501. Widersprüchlich zu seinen Aussagen (Nrn. 407, 499) ist es dagegen, w e n n Michel für die habitatio gratuita (Nr. 63) u n d f ü r die locatio conductio donationis causa (l. c. nummo uno) (Nr. 406) hervorhebt, daß der Geber den Habitator (oder Mieter) nach seinem Belieben zu jeder Zeit vertreiben könne. Diese Vorstellung t r i f f t zwar für ein precarium (Nrn. 213, 499) zu, nicht aber f ü r commodatum oder locatio conductio (so Michel Nr. 499 selbst). Hierfür beruht sie auf der mangelnden Differenzierung zwischen Vertragsposition u n d auß erver traglichem f a k t i schen oder dinglichen Verhalten (vgl. dazu Genius 24). 149 Käser, Methode, 63; Liebs 257 f.; Nörr 34 ff., 113 ff., 136 ff., 144; von Lübtow SZ 66, 458, 517 ff.; SZ 68, 529, 532 m i t F N 5; Mayer-Maly, Fg von Lübtow, 339, 351 f.; Waldstein SZ 89, 477 f. 150 Vgl. Käser, RPR I, § 125 I I I , S. 533 f. 151 Vgl. Siber, St. Ricobono I I I , 262 m i t der zutreffenden Begründung, daß „die verbotene Schenkung iniusta causa" sei. 147

7*

100 D. Analoge Anwendung von Schenkungsregeln auf das gratis

habitare

legem Cinciam obligatus non excepto solvent, debuti dici repeter e eum posse, nam semper exceptione Cinciae uti potuti, nec solum ipse, ut Proculeiani contra Sabinianos putant, etiam quivis, quasi popularis sit haec exceptio, sed et heres eius, nisi forte durante voluntate decessit donatori tunc enim doli replicationem locum habere imperator noster rescripsit in haec verba ..

Abgesehen von der Schwierigkeit, daß die condictio indebiti die Unkenntnis des Schenkers von dem Verstoß gegen die lex Cincia voraussetzte 152 , mußte auch das Problem der donatio perfecta überwunden werden. I n der Regel war bei völlig abgewickelter Schenkung eine Rückforderung ausgeschlossen153. Die Schenkung konnte indes i m Erlaß einer Mietzinsforderung liegen 1 5 4 . Zu bedenken ist aber, daß i n Pomp. D. 39, 5, 9 pr. eine wirkliche Mietzinsforderung mangels Abschlusses eines Mietvertrages gar nicht bestand. Deshalb w i r d man annehmen müssen, daß bei unentgeltlichem Wohnen die Rechtslage ebenso beurteilt wurde, als ob eine wirklich bestehende Mietzinsforderung contrario consensu aufgehoben worden wäre. Bei Unkenntnis des Wohnungsgebers vom Verstoß gegen die lex Cincia mag deshalb zwar als Surrogat der verlorengegangenen exceptio legis Cinciae auch trotz Perfektion der Schenkung eine condictio indebiti begründet gewesen sein (si quis contra legem Cinciam obligatus non excepto solverti, debuti dici repetere eum posse; Vat. 266). A u f diese Probleme kam es indessen vermutlich gar nicht an, wenn es u m ein gratis habitare ging. Neuerdings hat Käser 155 nämlich m i t der Analyse von Celsus D. 39, 5, 21,1 und Paul. D. 44, 4, 5, 5 gezeigt, daß i n Fällen der Schenkung durch Delegation in Höhe des den modus legis Cinciae übersteigenden Betrages eine condictio i n Betracht kam, die keine condictio indebiti war, sondern wegen mangelhafter causa aufgrund der gesetzeswidrigen Schenkung zu Gebote stand. Sie hatte den Vorteil, daß es weder auf die Perfektion der Schenkung noch vor allem auf die Kenntnis des Schenkers von der Verbotswidrigkeit ankam 1 5 6 . Ebenso wie i n den von Käser untersuchten Delegationsfällen hat es sich beim gratis habitare vermutlich um einen weiteren Sonderfall gehandelt, i n dem eine von der Perfektion der Schenkung unabhängige condictio offenstand 157 . Denn auch hier ging es darum, einer Umgehung der lex Cincia zu be152

Dazu Archi 156, 157; Unterholzner RheinMuseum 3, 157. Dazu Käser, Verbotsgesetze, 26 f.; vgl. § 518 I I BGB. 154 z u r Aufhebung von Obligationen aus einer locatio conductio Knute1120 ff.; Käser, RPR I, § 150 I I 4, S. 642 f. iss Verbotsgesetze, 22 - 25. 153

156

siehe

Käser, Verbotsgesetze, 24. Möglicherweise spielte das vielfältig aufgelockerte „dare" indebitum f ü r eine solche condictio auch keine entscheidende Rolle. Zur Frage des Schulderlasses als dare: Käser, RPR I, § 139 I I 1, S. 595 m i t Nachweisen i n F N 10; Liebs, Sympotica Wieacker, 131 ff., 135 m i t F N 107. 157 Vgl. Käser, Verbotsgesetze, 25; von Lübtow, Darlehnsbegriff, 50; Unterholzner RheinMuseum 3, 157 m i t F N 44.

14. Praktische Bedeutung von Pomp. D. 39, 5, 9 pr.

101

gegnen 158 . Während bei der Schenkung per delegationem die Sachlage so angesehen wurde, als habe der Schuldner — anstatt dem Delegatar (Beschenkten) zu promittieren — die Summe zunächst seinem Gläubiger (Schenker) gezahlt und dieser sie dann dem Delegatar geschenkt, wurde beim habitare gratis vermutlich ähnlich argumentiert: Die Situation sei so zu betrachten, als habe der Verleiher die Wohnung vermietet und dann dem Entleiher die merces-Schuld contrario consensu erlassen. Ähnlich wie i n den Fällen des Durchgangserwerbs läßt sich hier eine verdeckte, i n Wahrheit nicht vorhandene Rechtslage mit Hilfe der Analogie als dogmatische Erklärung eines rechtlichen Vorganges verwenden 1 5 9 . Damit w i r d auch die These Stocks 160 bestätigt 1 6 1 , daß die entsprechende Anwendung der lex Cincia auf das gratis habitare zu einer condictio betreffend die Zahlung des (über den modus legis Cinciae hinausgehenden) üblichen Mietzinses führte 1 6 2 . Ohne zu bestreiten, daß es sich beim gratis habitare u m ein commodatum handelt, war es das Bestreben von Pomponius, die Regelungen der lex Cincia auf die habitatio gratuita (analog) anzuwenden. Die Gründe dafür liegen vor allem i n dem der habitatio gratuita und der donatio gemeinsamen Merkmal der Unentgeltlichkeit 1 6 3 . Pomponius hat die ausdehnende Anwendung der lex Cincia nicht allgemein, also für das commodatum insgesamt befürwortet, sondern auf das habitare gratis beschränkt 1 6 4 ' 1 6 5 . Dabei verzichtet er wohl bewußt auf eine juristische Qualifikation des habitare gratis als commodare, um seiner Auffassung nicht von vornherein zuviel begrifflichen Widerstand entgegenzusetzen. Außerdem wäre beispielsweise der Ausdruck „commodare habitationem" zu theoretisierend und m i t Rücksicht darauf unwahrscheinlich, daß Pomponius vielleicht ein konkreter Fall aus seiner Rechtspraxis 166 zur Beurteilung Anlaß gab.

iss v g l . Unterholzner RheinMuseum 3, 156 f. Vgl. Bernhöft, Fs Bekker, 242; von Lübtow, ιβο 47e

150

Darlehnsbegriff, 80.

161

Dagegen Misera Index 3, 420 F N 123. 162 v g l dazu Unterholzner RheinMuseum 3, 157 m i t F N 45. κ» v g l . Michel Nr. 63. Abweichend davon bemerkt Archi (89), daß das Element der Unentgeltlichkeit i n Pomp. D. 39, 5, 9 pr. nicht dazu dienen könne, den juristischen Bezug von donatio u n d gratis habitare herzustellen. 164

Vgl. Seidl, RPR, Rdnr. 562; so auch Misera Index 3, 405. Ebenso Medicus (Fs Käser, 402) f ü r die F i k t i o n des Klagenkaufes beim Zessionsregreß. 165 Die Konzentration der lex Cincia auf eine durch capere erfolgende Bereicherung des Beschenkten (siehe oben D. I. 2. bei F N 54 u n d 55) erleichterte i h m vermutlich diesen Schritt. 166 Ankum (Daube Noster, 2) hält Pomponius f ü r „ a n excellent lawyer". Vgl. auch Nörr, A N R W I I . 15, 570 u n d öfter.

102 D. Analoge A n w e n d u n g von Schenkungsregeln auf das gratis

habitare

M i t seiner Rechtsfortbildung hat Pomponius juristisches Neuland betreten 1 6 7 . Diese Tatsache braucht nicht zu verwundern, handelt es sich bei Pomponius i m Verhältnis zu Gaius um einen modernen Juristen 1 6 8 , dessen Originalität und Selbständigkeit 169 , insbesondere in seinem Sabinuskommentar „bahnbrechend" 1 7 0 war. Damit dürfte Kalbs Beurteilung, wonach Pomponius ein unwissender Schriftsteller gewesen sei 1 7 1 , widerlegt sein. Außerdem w i r d darin seine Neigung zur Analyse von Grenzfällen erkennbar 1 7 2 . D. 39, 5, 9 pr. legt insofern Zeugnis ab von dem fruchtbaren Wirken Pomponius 1 7 3 und einer juristischen Meisterschaft, die der Julians kaum nachsteht 174 . Daß Pomponius die Anwendung der lex Cincia auf das gratis habitare wohl selbst als dogmatisches novum empfunden hat, zeigt zum einen die Verwendung des Wortes videtur, zum anderen die Tatsache, daß er seine Entscheidung mehrfach begründet 1 7 5 . M i t dem zweimaligen Gebrauch von videtur (donatio videtur, capere videtur) 176 drückt er bewußt nicht nur seine persönliche Meinung aus 177 , sondern er argumentiert i n methodischer Hinsicht so überzeugend, daß sich dagegen schwerlich etwas einwenden läßt. Selten findet sich eine solch ausführliche Begründung einer Auffassung. I m allgemeinen haben sich die römischen Juristen darauf beschränkt, ihre Entscheidung mitzuteilen, ohne die dafür maßgeblichen Gründe vorzutragen 1 7 8 . Hiervon weicht Pomp. D. 39, 5, 9 pr. auffälligerweise ab. Pomponius legt die maßgeblichen Gründe, das habitare gratis als donatio zu erfassen, i m einzelnen dar. Außerdem gibt er damit zu erkennen, daß das, was man sich aus praktischen Gründen dogmatisch vorstellen, nicht als geschehen angenommen werden soll 1 7 9 . Dies dient Pomponius offensichtlich zur Veranschaulichung 180 . Leitsatzartig ist das Ergebnis an den Anfang des 167

Vgl. Ankum, Daube Noster, 3; Nörr, A N R W I I . 15, 549. A N R W I I . 15, 510, 549, 596 f. 169 Ankum, Daube Noster, 3, 11; Nörr, A N W R I I . 15, 549 f. m i t F N 231. 170 Wieacker, Textstufen, 329. 171 Kalb 63. 172 Nörr, A N R W I I . 15, 549 F N 231; vgl. auch Ankum, Daube Noster, 11. 173 B. Kübler, Geschichte, 268; Ankum, Daube Noster, 11. 174 Vgl. Ankum, Daube Noster, 11; Nörr, A N R W I I . 15, 550. 175 Vgl. dazu allgemein Wieacker, V o m römischen Recht, 152; Fs Käser, 4 f., 18; Schulz, Geschichte, 72; auch Schloßmann SZ 29, 305. 176 Gleichermaßen w i l l Pomponius offenbar i m zweiten Satz des Fragments die Wendung „valere donatio" aufgefaßt wissen. I n der synonymen Verwendung von videri u n d valere spiegelt sich vielleicht die starke Beeinflussung seines Stils durch die Umgangssprache w i d e r (dazu Nörr, A N R W I I . 15, 591). 177 Vgl. Horak, Fs Käser, 53. 178 Schulz, Geschichte, 72; Käser, Methode, 59; Wieacker, Fs Käser, 4 f. 179 Vgl. Bernhöft, Fs Bekker, 242, 243 f.; von Lübtow, Ediktstitel, 122; Darlehnsbegriff, 80; St. Grosso I I , 599, 612 f. 180 Dazu Wieacker, Fs Käser, 18 f.; Medicus, Fs Käser, 402; Käser Labeo 26, 38. lee

N ö r r >

I I . Analoge Anwendung des Schenkungsverbots unter Ehegatten

103

Fragments gestellt. Es folgen zwei aufeinander abgestimmte Argumente: die Erklärung für capere (mercedem pro habitatione non solvere) und der Vergleich des donare m i t dem unentgeltlichen pactum de non petendo ante certum tempus 181. Π . Pomponius D. 24,1,18 und die analoge Anwendung des Schenkungsverbots unter Ehegatten Kann nach den bisherigen Erkenntnissen davon ausgegangen werden, daß die schuldrechtliche habitatio gratuita als solche keine Schenkung ist, die Klassiker jedoch die lex Cincia auf sie analog angewendet haben, so bedarf es noch der Klärung, weshalb Pomponius i m Zusammenhang m i t dem Verbot der Schenkung unter Ehegatten wiederum auf das habitare gratis eingeht und von „valet donatio" spricht. Pomponius D. 24,1,18 (lib. 4 ex variis lectionibus) : Si vir uxoris aut uxor viri servis aut vestimentis usus vel usa fuerit vel in aedibus eius gratis habitaverit, valet donatio.

Ziemlich sicher kann ausgeschlossen werden, daß es sich in diesem Pomponiusfragment u m einen Anwendungsfall der lex Cincia handelt. Denn für die Beurteilung der anstehenden Frage, ob das unentgeltliche Wohnen eines Ehemannes i m Hause seiner Ehefrau i m Hinblick auf ein die Schenkung betreffendes Verbot wirksam sei, hätte sich das Problem nach der lex Cincia nicht ergeben können. I n Vat. 302 werden nämlich neben den Verlobten ausdrücklich vir et uxor als von der lex Cincia ausgenommene Personen bezeichnet. Selbst wenn damit nicht der Ehegatte des Schenkers, sondern einer der i n Vat. 298 angeführten kognatischen Eheleute gemeint sein sollte 1 8 2 , kann gerade wegen der charakteristischen klassischen Wendung „vir uxoris aut uxori viri ... usus vel usa fuerit" kein Zweifel daran bestehen 183 , daß Pomp. D. 24, 181

Vgl. Misera 188. Käser, RPR I , § 79 F N 21, S. 331. Ausführlich Dumont 10 ff., bes. 12; Biondi , successione, 635 F N 3; Archi 19, 198; Casavola 62 f., 63 F N 34; Söllner , actio rei uxoriae, 128. Abweichend Kaden SZ 50, 612 f.; Labeo 9, 250 m i t w e i teren Nachweisen der Gegenmeinung. Kaden hält die Kognationsverhältnisse i n Vat. 298 - 301 f ü r abschließend behandelt. Gewiß ist i h m darin zuzustimmen, daß Vat. 303 die Behandlung der Kognation nicht fortführt oder w i e er sagt, „nicht weiter aufgreift". Aber Vat. 302 allein deswegen von dieser Materie auszunehmen, w e i l der Text von Vat. 302 dies deutlicher ausgesprochen haben müßte, überzeugt nicht. Vat. 302 gehört noch zu dem ductus von Vat. 298 ff. Die lex Cincia hat demnach das Verbot der Schenkungen unter Ehegatten nicht berührt (Sonnenbrodt 4; Meinig 37). Vgl. auch Savigny 195; Wesener SZ 78, 489. 183 Die römischen Juristen fassen n u r selten beide Geschlechter unter ein Substantiv zusammen (Misera Index 3, 402). Diese Tatsache verkennt Stock, wenn er [vir uxoris aut] u n d [usus vel] offenbar als kompilatorischen Pleonasmus auffaßt (46). Vgl. Gaius D. 9 , 1 , 1 pr.: „si quis servum servamve alienum alienamva ... iniuria occident . . Λ Scaev. D. 33, 2, 34 pr.: „libertis lib ertasque". Scaev. D. 33,7, 20,1 : „filiis et filiabus". Vat. 298: „sive qui cognati 182

104 D. Analoge A n w e n d u n g von Schenkungsregeln auf das gratis

habitare

1,18 eine Schenkung unter Ehegatten betrifft 1 8 4 . Der Palingenesie der Stelle 1 8 5 läßt sich nicht viel entnehmen. Allenfalls spricht die gleichartige Sachbehandlung Ulpians i n anderen Fällen von Aufwendungsersparnis 186 für diesen Standort 1 8 7 . 1. Das Verbot der Schenkung unter Ehegatten Der Ursprung des erstmals unter Augustus erwähnten Verbots der Schenkung unter Ehegatten 1 8 8 ist umstritten 1 8 9 . Für sein Entstehen wurde früher ein Zusammenhang m i t den Augusteischen Ehegesetzen der lex Iulia de maritandis ordinibus (18 v. Chr.) 1 9 0 und der lex Papia Poppaea (9 n. Chr.) 1 9 1 hergestellt und gelehrt, daß es durch die von den Klassikern schon als Einheit aufgefaßte lex Iulia et Papia Poppaea 192 eingeführt worden sei 1 9 3 . Zwar stimmte ein Verbot der Schenkung unter Ehegatten gut m i t den Zwecken der Ehegesetze überein 1 9 4 . Aber die klassischen Juristen gründen die Unzulässigkeit 1 9 5 der Ehegattenschenkung nicht auf die Ehegesetze des Kaisers 1 9 6 , sondern führen sie auf die mores maiorum zurück 1 9 7 . cognatae inter se, dum sobrinus sobrinave ... donare capere liceto". So besehen versteht sich auch Ulp. D. 50,16,1 (lib. 1 ad edictum): Verbum hoc ,si quis' tarn masculos quam feminas complectitur. 184 Dumont 137 F N 1; Biondi , successione, 664 F N 4; Michel Nr. 68; Misera 188, 264 m i t F N 310, 311; Index 3, 402 f.; Lauria, St. A l b e r t o n i I I , 529 F N 42; Liebs, St. Volterra V, 59 F N 36. Abweichend Stock 46 f.; Aru 107 ff.; Koschaker, St. Bonfante I V , 5 m i t F N 11, 6 m i t F N 18. 185 Vgl. Lenel, Palingenesia, Pomp. Nr. 821. Er gibt dem 4. Buch keine Überschrift u n d stellt m i t Ulp. D. 24,1,7,5 einen F a l l des commodatum aestimatum voraus. Es folgt Pomp. D. 40, 9,23. 18β Ulp. D. 24,1, 5, 8 u n d 16. 187 Misera 81, 265 F N 311. 188 Vgl. Q. Mucius - Treb. - Pomp. D. 41,6,3; Q. M u c i u s - P o m p . D. 22,1,45; Servius - Alf. D. 24,1, 38 pr.; Maecenas - Treb. - Lab. D. 24,1, 64. Weitere Nachweise bei Jörs ! Kunkel § 153.2, S. 247; Käser, RPR I, § 79 F N 23, S. 331; Misera 216 F N 4. 189 Käser, RPR I, § 79 I I I 1, S. 331; Dumont 16 f.; Archi 195 ff.; Meinig 37; Hof mann GrünhutsZ 8, 288 m i t F N 5 a; Kaden SZ 50, 614. 190 Dazu Käser, RPR I, § 75 I, I I , S. 318 f. 191 Dazu Käser, RPR I, § 75 I, I I I , S. 318 ff. m v g l I n s k r i p t i o n von Ter. Cl. D. 24,1, 25 (dazu Misera 239 ff.); Käser, RPR I, § 75 I, S. 319. 193 Bonfante 213 ff.; Siber 65; Jörs / Kunkel § 153.2, S. 247; Seidl, RPR, Rdnr. 555; Stock 3; Sonnenbrodt 4; Archi 200; Kaden SZ 50, 612, 614. Schulz, CRL, Rdnr. 206 : „the predominant opinion . . . is . . . probably right". Unentschieden Mayer-Maly SZ 93, 423 f. 194 Schulz, CRL, Rdnr. 206; Kaser, RPR I, § 79 I I I 1, S. 331; Misera 244; Lauria, St. A l b e r t o n i I I , 513 ff.; Kaden SZ 50, 613 f. 195 Kaser, Verbotsgesetze, 115. Söllner (actio rei uxoriae, 127, 128) spricht von „Unmöglichkeit der Ehegattenschenkung". 196 Rabel § 121, S. 193; Kaser, RPR I, § 79 I I I 1, S. 331; Verbotsgesetze, 115; Nikolski 218-233 (dazu von Nolde SZ 24, 441 ff.); Wilms 42 f.; Meinig 38;

I I 1. Das Verbot der Schenkung unter Ehegatten

105

Ulpianus D. 24,1,1 (lib. 32 ad Sabinum): Moribus apud nos receptum est, ne inter virum et uxorem donationes valerent. hoc autem receptum est, ne mutuo amore invicem spoliarentur donationibus non temperantes, sed profusa erga se facilitate . Diese A u s f ü h r u n g e n u n d d i e B e m e r k u n g e n v o n P o m p o n i u s 1 9 8 u n d U l p i a n 1 9 9 a n a n d e r e r S t e l l e ergeben, daß w o h l d i e K l a s s i k e r , j e d e n f a l l s U l p i a n , d e n G r u n d d e r U n w i r k s a m k e i t n i c h t m e h r k e n n e n 2 0 0 . So d ü r f t e es sich b e i d e m v o n U l p i a n u n d P o m p o n i u s g e n a n n t e n G r u n d , g e f ü h l s b e s t i m m t e u n d u n w i r t s c h a f t l i c h e V e r m ö g e n s v e r s c h i e b u n g e n zwischen d e n E h e l e u t e n z u v e r h i n d e r n (ne mutuo amore invicem spoliarentur, D . 2 4 , 1 , 1 ; ne amore alterius alter despoliaretur, D . 24,1, 31, 7 ) 2 0 1 , noch d e n s p ä t e r h i n m o r a l i s c h f u n d i e r t e n M o t i v e n (ut venalicia essent matrimonia; P a u l . D . 24,1, 2 ) 2 0 2 , n i c h t u m d e n u r s p r ü n g l i c h e n S i n n dieses V e r bots h a n d e l n 2 0 3 . D i e ratio h i e r f ü r l i e g t v i e l m e h r i n d e m a l t e n P r i n z i p , daß d i e E h e k e i n e n V e r m ö g e n s ü b e r g a n g zwischen d e n E h e l e u t e n h e r b e i f ü h r e n s o l l 2 0 4 . Dies e n t s p r i c h t der S t r u k t u r d e r archaischen F a m i l i e n g e m e i n s c h a f t e n 2 0 5 u n d d e n r ö m i s c h e n V o r s t e l l u n g e n , ererbtes F a m i l i e n v e r m ö g e n z u b e w a h r e n 2 0 6 . N u r w e n n es aus f a m i l i e n p o l i t i s c h e n Ü b e r Misera 238 ff.; Hof mann GrünhutsZ 8, 288 f., 296; Erdmann SZ 57, 432. Vgl. auch Vat. 273. 197 Söllner, actio rei uxoriae, 128. Dazu jetzt eingehend Misera, Fs Käser, 408 ff. 198 D. 24,1,31, 7: „ . . . in quo maxime maiores donanti succurisse Proculus ait, ne amore alterius alter despoliaretur ...". 199 D. 24,1,3 pr.: „ . . . maiores nostri inter virum et uxorem donationes prohibuerunt...". 200 Misera 82; vgl. auch Meinig 38. Die Wendung „receptum est" k a n n auch darauf hindeuten (Käser, Methodologie, 21 f.). Schwarz (Fs Schulz I, 208) faßt receptum als etwas Feststehendes auf. Söllner (actio rei uxoriae) hält diese rationalen Erklärungen f ü r „gewiss nachgeschoben" (4). Ä h n l i c h Holzapfel (71 F N 43) „nachträgliche Begründungsversuche" (vgl. auch bei i h m 72 - 75). 201 Käser, RPR I, §79 I I I 1, S. 331; Meinig 37 f.; Kaden SZ 50, 614. 202 Holzapfel 74. 203 Schulz (CRL, Rdnr. 206) m i t der Bemerkung: „ B u t these reports are hardly credible." Misera (83) spricht davon, daß „unsere ältesten expliziten Zeugnisse zum G r u n d des Schenkungsverbots . . . einen . . . schon etwas verhüllten Hinweis geben" (ebenso 245), der „bis ins D u n k e l der Geschichte . . . auf die res zuläuft, nämlich auf das Bestreben, das bestehende Vermögen zusammenzuhalten u n d unentgeltliche, durch die Ehe veranlasste Übertragungen zu verhindern". Hofmann (GrünhutsZ 8, 296) m i t der zutreffenden Bemerkung, daß dies Reflexionen über etwas Gegebenes seien, das man zu erklären sucht, nicht aber solche, die den Rechtssatz hervorgebracht hätten. Söllner, actio rei uxoriae, 4 f. Vgl. auch Dumont 19. Übersicht der Vertreter zu vermengenden rechtlichen u n d moralischen Motivationen bei Holzapfel 70 ff. 204 Käser, RPR I, § 79 I I I 1, S. 331; Verbotsgesetze 115; Meinig 38; Misera 83, 245; Fs Käser, 419, 426 ff., 428. 205 Käser, Verbotsgesetze, 115. 206 Cicero, de officiis, 1, 15; 2, 15; 2, 17. B. Kübler, Geschichte, 181; Meinig 38; Misera 83, 245; Fs Käser, 419 f.; Käser, Verbotsgesetze, 115; Holzapfel 71 f., 76 ff., 81.

106 D. Analoge Anwendung von Schenkungsregeln auf das gratis

habitare

l e g u n g e n — w i e e t w a i m F a l l e der dos — g e r e c h t f e r t i g t ist, k a n n eine Vermögensverschiebung unter den Familienverbänden vorsichgehen207. D e s h a l b besteht f ü r e i n V e r b o t v o n S c h e n k u n g e n inter virum et uxorem frühestens m i t A u f k o m m e n d e r manusfreien Ehe ein Bedürfnis 208. E r s t i n einer solchen E h e v o r g e n o m m e n e Geschenke des M a n n e s an die F r a u f ü h r e n z u e i n e r B e r e i c h e r u n g i h r e s pater familias 209 u n d lassen das V e r m ö g e n v o n e i n e m z u m a n d e r e n H a u s v e r b a n d ü b e r g e h e n 2 1 0 . A u s diesem G r u n d e u n d w e g e n der durchaus p l a u s i b l e n klassischen H i n weise auf d i e mores maiorum k a n n eine E n t s t e h u n g v o r d e n X I I T a f e l n 2 1 1 u n d n i c h t erst — w i e Dumont 212 u n d Meinig 213 vermuten — im z w e i t e n v o r c h r i s t l i c h e n J a h r h u n d e r t nach der lex Cincia (204 ν . C h r . ) 2 1 4 als w a h r s c h e i n l i c h gelten. D i e Rechtsfolge e i n e r S c h e n k u n g u n t e r E h e g a t t e n ist j e d e n f a l l s i n klassischer Z e i t — w i e ä l t e r e u n d j ü n g e r e Q u e l l e n b e l e g e n 2 1 5 — N i c h 207

Kaser, Verbotsgesetze, 115. Kaser, RPR I, § 79 I U I , S. 331; Verbotsgesetze 115; Dumont 14 ff.; Wilms 78 f. (zustimmend Erdmann SZ 57, 433 m i t F N 4); Scharr 264 F N 4; Söllner, actio rei uxoriae, 127; Meinig 38, w e n n auch m i t falscher Datierung f ü r das A u f k o m m e n der manusfreien Ehe; Misera 288 F N 415 a. E. (289); Holzapfel 66; Stoicesco, Revista clasicä (drept) 1/2, 4 f f . Kaden (SZ 50, 614) verneint einen solchen Zusammenhang u n d sieht den Zweck, den das Schenkungsverbot verfolgt, i n der sonst bestehenden „Gefährdung der Reinheit der ehelichen Verhältnisse", nämlich der Möglichkeit, daß ein Ehegatte Vorteile von dem anderen erpreßt u n d davon die Fortsetzung des ehelichen Zusammenlebens abhängig macht. I m Hinblick darauf n i m m t Kaden das Verbot erst f ü r die Wende der Republik zur Kaiserzeit an, w e i l die damals auftretende Sittenverderbnis, leichtfertige Scheidungen zur Tagesordnung machte (615). 209 Dumont 14ff., bes. 16 ff.; Scharr 264 F N 4; M e i n i g 38; vgl. Erdmann SZ 57, 433; Misera 25, 177, 222; Kaser, Verbotsgesetze, 115. 210 Kaser, RPR I, § 79 I I I 1, S. 331 ; Scharr 264 F N 4. 211 Wilms 74 F N 40; Kaser, Verbotsgesetze, 115 m i t F N 19. Kaden (SZ 50 614) datiert trotz sonst anderer Ansicht das Entstehen der manusfreien Ehe a u d i vor die X I I Tafeln. Erdmann (SZ 57, 433) schreibt der sog. freien Ehe kein „allzu hohes A l t e r " zu. 212 1 4 f f < 208

213

38. Rabel (§ 121, S. 193) setzt einen unbekannten Zeitpunkt zwischen 59 und 8 v. Chr. an. Den Zusammenhang zur manusfreien Ehe stellt er zwar dar (FN 1), entscheidet sich aber nicht. Wilms (85) datiert das Entstehen des Verbots ums Jahr 100 v. Chr. Erdmann (SZ 57, 433) hält dies f ü r nicht nachgewiesen (433 F N 1) u n d w i l l es selbst spätestens u m die M i t t e des 1. Jahrhunderts v. Chr. entstanden wissen. Misera (81 f.) n i m m t eine Entstehungszeit nach der lex Cincia , aber lange vor Quintus Mucius an (289 F N 418). Mayer-Maly (SZ 93, 423 f. m i t F N 6) ist unentschieden. Er erwägt für die Datierung des aus dem mos entstammenden Verbots eine Zeit, die entweder älter als die historisch greifbare Legislative (Augusteische Ehegesetze) oder i n engerem Zusammenhang m i t i h r steht. Holzapfel (71 F N 43) hält das V e r bot i m Verhältnis zur Kaiserzeit für „ v i e l älter". 215 Alf. D. 24,1, 38 pr.; l a v . D. 24,1, 64; Ulp. D. 24,1, 3,10 u n d 11. 214

I I 2. Bedeutung von valet donatio i n Pomp. D. 24, 1, 18

107

tigkeit 2 1 6 . Dem Verbot kommt damit die Wirkung einer lex perfecta zu 2 1 7 . Allerdings ist zu berücksichtigen, daß die römische Jurisprudenz die bis zur Nichtigkeit der Übereignung reichende Wirkung der Schenkung unter Eheleuten eher als „juristische Unmöglichkeit" denn als Verbotsnorm behandelt hat 2 1 8 . Um die Frage entscheiden zu können, ob ein Rechtsgeschäft unter Eheleuten i n diesem Sinne als „unmögliche" Schenkung 219 anzusehen ist, kommt neben der Unentgeltlichkeit des Vorgangs 2 2 0 dem Merkmal der Ent- und Bereicherung entscheidende Bedeutung zu 2 2 1 . Wie bei dem für die lex Cincia überlieferten Begriffspaar „donare — capere "222 bildet hier das Begriffspaar „pauperior — locupletior" 223 das charakteristische „Zentrum des Schenkungsverbots" 224 . Voraussetzung ist, daß der Beschenkte auf Kosten des Schenkers bereichert ist 2 2 5 . Ent- und Bereicherung müssen einander spiegelbildlich entsprechen 226 . 2. Die Bedeutung von „valet donatio" in Pomponius D. 24,1,18 Nach den vorangehenden Erörterungen kann ausgeschlossen227 werden, daß Pomponius m i t der Formulierung gratis habitare valet donatio i n D. 24, 1,18 das ausschließlich für donationes 228 inter virum et uxorem geltende Verbot direkt auf gratis habitare erstrecken wollte 2 2 9 . Auch wenn Kaser 2Z0 bemerkt, daß das Kommodat zwar keine Schenkung, aber das Schenkverbot unter Ehegatten auf es „fallweise" ange216 Bonfante 216; Siber 66; St. Riccobono I I I , 246 f.; Jörs / Kunkel § 153.2, S. 247; Rabel § 121, S. 193; Käser, RPR I, § 79 I I I 1, S. 331 f.; Verbotsgesetze, 115; Dumont 17 F N 1; Aru 27 F N 1; Stock 11 ff.; Wilms 71 ff., 92 F N 16; Niederländer 13; Biondi, successione, 657; Archi 202, 217; Misera 84 m i t F N 3 (85); Fs Käser 428; Holzapfel 66; Kaden SZ 50, 615. 217 Siber 65; Käser, RPR I, § 60 F N 35, S. 249; Verbotsgesetze, 115. 218 Söllner, actio rei uxoriae, 127, 128; Käser, Verbotsgesetze, 114. 219 Käser, Verbotsgesetze, 114. 220 Rabel § 121, S. 194; Stock 23 f.; Misera 23 F N 82, 25, 222. 221 Misera 7. 222 Vat. 298. Z u Recht weist Misera (81) darauf hin, daß „pauperior — locupletior" bei der lex Cincia nie gebraucht w i r d . 223 V g l > T e r > C 1 D > 24,1, 25; Ulp. D. 24,1, 5, 8 u n d 16; D. 24,1, 25. 224 Misera 6, 222. Mayer-Maly k r i t i s i e r t allerdings die von Misera zu hoch stilisierte Abstraktion des Begriffspaars ,pauperior — locupletior'; er hält sie für „zweifelhaft" (SZ 93, 424). 225 Misera 52, 166 f., bes. 167 (zustimmend Mayer-Maly SZ 93, 423 ff.). 226 Vgl. Ulp. D. 24,1, 5, 8 u n d 16. Misera 52. 227 Michel (Nr. 68) scheidet eine solche Möglichkeit von vornherein wegen der bei gratuitus u n d lucrativus verschiedenen Anwendungsbereiche aus (Nrn. 469, 520, 645 ff., 713 ff.; zustimmend Kaden SZ 81, 450). 228 229 230

Stock 44; Misera 263; Index 3, 408 f. So aber Burckhard, Begriff, 66; Biondi, successione, 664 m i t F N 4. RPR I, § 125 F N 3, S. 533.

108 D. Analoge A n w e n d u n g von Schenkungsregeln auf das gratis

habitare

wandt worden sei, so kommt allenfalls eine entsprechende Anwendung des Verbots 2 3 1 i n Betracht, die lediglich habitare gratis betrifft. Genausowenig wie i n D. 39, 5, 9 pr. hat Pomponius i n D. 24,1, 18 gemeint, daß i n der unentgeltlichen Überlassung des Gebrauchs als solchen die Schenkung zu sehen sei. Vielmehr war nach einhelliger Auffassung der römischen Juristen eine donatio inter virum et uxorem auf eine solche Liberalität eingegrenzt, durch die der Schenker entreichert und der Beschenkte gleichzeitig bereichert w i r d 2 3 2 . Das bedeutet eine inhaltliche Beschränkung auf die Fälle der Veräußerung (alienatio), aus denen der Nehmer zu Lasten des Gebers profitierte 2 3 3 und stimmt m i t den durch das Schenkungsverbot verfolgten Zielen überein, nämlich jede Vermögensverschiebung zwischen den Ehepartnern selbst und ihren Familien zu verhindern 2 3 4 . So ist es folgerichtig, nur diejenigen unentgeltlichen Zuwendungen für unzulässig zu halten, welche die Vermögenssubstanz angreifen 235 . Dazu können aber lediglich die leistungsmäßig durch dare bewirkten Veräußerungen, nicht hingegen die unentgeltlichen Überlassungen des bloßen Gebrauchs gezählt werden. Beim habitare gratis, welches zwar den usus rei gewährt, fehlt es aber an der unentgeltlichen und endgültigen Verschaffung der res selber. Ebensowenig kann Pomp. D. 24, 1, 18 für den Schluß herhalten 2 3 6 , unentgeltliche Gebrauchsüberlassungen seien eine zwischen Eheleuten nicht verbotene donatio 237. Zum einen folgt dies aus den verschiedenen Anwendungsbereichen, die donatio und commodatum — m i t seinen Anwendungsfall gratis habitare — besitzen. Zum anderen würde dadurch die Wendung in aedibus gratis habitare valet donatio unstimmig; denn handelte es sich beim gratis habitare wirklich um eine donatio, wäre es widersinnig, valet mit „ist gültig" zu übersetzen 238 . Liegt nämlich tatbestandsmäßig eine Schenkung vor, dann kann sie nur ungültig sein. Eine Alternative i n bezug auf die Rechtsfolge einer Schenkung unter Eheleuten gibt es nicht; sie ist stets unwirksam 2 3 9 , wenn dies auch m i t unterschiedlichsten Worten ausgedrückt w i r d 2 4 0 . 231

Stock 44 ff.; vgl. auch Wilms 92 F N 16. Rabel § 121, S. 194; Kaser, RPR I, § 79 I I I 1, S. 331; Stock 23 f., 26; Meinig, 38; Misera 25, 177. 233 Michel Nrn. 68, 69. 234 Kaser, RPR I, § 79 I I I 1, S. 331; Verbotsgesetze, 115; Meinig 38; Misera 83, 245; Fs Kaser, 419 f. 235 Vgl. Stock 5, 48; Misera 82 f. 236 Stock 1; vgl. auch Kaser R I D A 2, 526. 237 Windscheid / K i p p § 365 F N 14, S. 548 f.; § 509 m i t F N 8, 9, S. 49; Burckhard, Begriff, 61, 66. 238 So zum Beispiel Otto / Schilling / Sintenis, Bd. I I , 745. Vgl. auch Stock 47. 239 Bonfante 216; Siber 66; St. Riccobono I I I , 246 f. Jörs / Kunkel § 153.2, 232

I I 2. Bedeutung von valet donatio i n Pomp. D. 24, 1, 18

109

Auch scheidet als Erklärungsmöglichkeit das Argument der Ausgabenersparnis aus, m i t dem Misera 241 operiert. Es führt unweigerlich zu einer Typenvermengung 2 4 2 . M i t seiner Hilfe ließe sich jede unentgeltliche Leistung kommerzialisieren und so zu einer donatio umwerten 2 4 3 . Außerdem wäre bei seiner Anerkennung die Grenze zwischen Tatbestandsmäßigkeit (Sachumfang) und Wirksamkeitsvoraussetzung (Rechtsfolge) bei der Schenkung kaum mehr zu ziehen. Die Gefahr der auch für das moderne Recht anzutreffenden Typenverwirrung 2 4 4 hat Misera 245 zwar selbst erkannt, aber nicht hinreichend erklärt, weshalb Pomponius doch offenbar — genauso wie i n der Parallelstelle D. 39, 5, 9 pr. für die lex Cincia — auch jedes gratis habitare als donatio inter virum et uxorem erfaßte. Wenn Misera zum einen bemerkt, „von D. 39, 5, 9 pr. her ist das ,valet donatio' i n D. 24,1,18 nicht erklärt" 2 4 6 , zum anderen vermutet, die Terminologie valet donatio könnte gerade aus dem Gegensatz zu D. 39, 5, 9pr. erwachsen sein 2 4 7 , so w i r d deutlich, daß der Schlüssel für Pomp. D. 24,1,18 i m valet donatio liegt. Deswegen darf es nicht überraschen, daß die Interpolationsannahmen zu Pomp. D. 24,1,18 2 4 8 an das Wort valere anknüpfen. Neben der beanstandeten sprachlichen Disharmonie des ersten m i t dem zweiten Teil streicht Koschaker 249 das unlogische „valet donatio", weil man für die aufgezählten Leistungen des Mannes an die Frau und umgekehrt nicht sagen könne, sie stellten Schenkungen dar; „denn sie dienen der Unterhaltsgewährung und sind überhaupt nicht Schenk u n g " 2 5 0 . Zur Begründung bezieht sich Koschaker 251 auf das von UlpianPapinian D. 24,1, 21 pr. formulierte Prinzip: non enim donat, qui neS. 247; Rabel § 121, S. 193; Käser, RPR I, § 79 I I I 1, S. 331 f.; Verbotsgesetze, 115; Dumont 17 F N 1; Aru 27 F N 1; Stock 11 ff.; Wilms 71 ff., 92 F N 16; Niederländer 13; Biondi, successione, 657; Archi 202, 217; Misera 84 m i t weiteren Nachweisen i n F N 3 (85); Fs Käser, 428; Kaden SZ 50, 615. 240 Siehe dazu Misera 86 m i t umfangreicher Tabelle. 241 188, 264 F N 310 (265). 242 Misera Index 3, 405. 243 Vgl. Stock 48. So aber Accursius Glosse „In aedibus" zu D. 39, 5 , 9 p r . ; Bartolus Glosse vor D. 39, 5, 9 pr. 234 Siehe dazu Oertmann, 5. Auflage, A . 1 c zu § 516. 245 Index 3, 405. 246 Misera Index 3, 406. 247 Misera 264 F N 310. 248 I m K e r n f ü r echt halten dieses Fragment: Stock 46 f.; SZ 53, 147 F N 2 (148); Biondi, successione, 664 F N 4; Lauria, St. A l b e r t o n i I I , 529, F N 42; Michel Nr. 68; Misera 264 F N 310; Index 3, 397, 402; Liebs, St. Volterra V, 59 F N 36; Broise 107. 249 St. Bonfante I V , 6 F N 18 (S. 7). 250 Koschaker, St. Bonfante I V , 6 F N 18 (S. 7). 251 St. Bonfante I V , 5 m i t F N 11.

110 D. Analoge Anwendung von Schenkungsregeln auf das gratis

habitare

cessariis oneribus succurrit. Der Auffassung von Koschaker hat sich später Kaser 252 angeschlossen. Seiner Ansicht nach drückt Pomp. D. 24, 1,18 i n nachklassischer Verallgemeinerung aus, daß „die Überlassung von Gebrauchsgegenständen an die Frau zur bloßen Benutzung nicht unter die verbotenen Ehegattenschenkungen fiel, sondern zur Unterhaltsgewährung rechnete" 253 . Weitere Argumente gegen die Echtheit der Worte valet donatio bringt Stock 25* vor. Er zweifelt einmal deswegen daran, weil zum Gebrauch überlassene Sachen kein dare (im technischen Sinne für Eigentumsverschaffung) bedeuten 255 . Zum anderen bezieht auch er die Stelle auf Unterhaltsleistungen und hält zudem das gratis für eingeschoben 256 . I n seiner Textrekonstruktion ersetzt Stock 257 unter anderem „valet donatio" durch „commodatum non est". Der Ansicht von Stock, jede unentgeltliche Gebrauchsüberlassung außerhalb des Unterhalts zwischen Ehegatten für verboten zu erachten, sind später Kaden 258, Wilms 259 und vorsichtig Kaser 260 gefolgt. Siber 261 hält auch ein positiv formuliertes valere i m Zusammenhang mit Schenkungen unter Ehegatten für „verdächtig". Es w i r d seiner Ansicht nach gerade bei Pomp. D. 24, 1,18 für donationem non esse gebraucht, „wo i n der Tat nicht eine gültige Schenkung, sondern gar keine Schenkung" vorliegt. Dieselbe Erkenntnis hat Stock 262 m i t nachlässigem Sprachgebrauch der Nachklassik erklärt. Danach sei jedes vom Verbot unmittelbar oder analog betroffene Geschäft „donatio", „alles andere ,nicht donatio' oder auch — i m Unterschied zu den klassischen Juristen — ,gültige donatio 4 2 6 3 " genannt worden. Aru 2U w i l l i n Pomp. D. 24,1,18 ausgerechnet das gratis habitare eliminieren. Er hält demzufolge sowohl den Satz von vel bis habitaverit als auch das donatio valet für interpoliert, w e i l ein Jurist nicht zur selben Zeit von donare spricht und Fälle von uti behandelt 2 6 5 . 252

R I D A 2, 526 m i t F N 68. Kaser, R I D A 2, 526. Ä h n l i c h auch Wacke, actio rerum amotarum, 97 f. m i t F N 103, 104. 254 46 f. 255 Stock 47. 256 F N 255. 257 46. 258 SZ 53, 615 ff. 259 92 F N 16. 260 RPR I, § 125 F N 3, S. 533 m i t der Bemerkung, daß „das Schenkungsverbot unter Ehegatten n u r fallweise angewandt" werde. 261 SZ 53, 147 F N 2 (S. 148). 253

262 4 7 β 263

Stock 47. 107 ff., bes. 109. 265 109. 264

I I 2. Bedeutung von valet donatio i n Pomp. D. 24, 1,18

111

Michel 266 meint, daß Pomponius die ihm gestellte Frage, ob das habitare gratis eine unter Ehegatten verbotene Schenkung darstelle, negat i v beantwortet habe 2 6 7 . Er erklärt den Ausdruck donatio valet damit, daß er allgemein bei einer Schenkung Anwendung finde, die gültig ist, obwohl sie zwischen zwei Personen stattfindet, denen dies normalerweise verboten sei. Für das gratis habitare von Eheleuten folgt daraus, daß es dem Schenkungsverbot nicht unterfalle. Misera 268 bemerkt, daß valet donatio vielleicht „formell überarbeitet" sein oder „einen nachklassischen Beigeschmack haben" 2 6 9 könne, geht aber sonst von der materiellen Echtheit des Fragments aus 2 7 0 . Die Bedeutung von D. 24,1,18 ermißt Misera aus der Parallele zu D. 39, 5, 9 pr., wobei er den beiden Äußerungen von Pomponius einen Gegensatz unterlegt. Hatte Misera die Ausgabenersparnis i n Pomp. D. 39, 5, 9 pr. für die lex Cincia als „relevant" angesehen 271 , so soll Pomp. D. 24,1,18 besagen, „daß ein Ersparen von Aufwendungen i m Ehegattenschenkungsrecht irrelevant i s t " 2 7 2 . I n der Hauptsache auf diese beiden Zeugnisse 273 stützt Misera seine Beobachtung, „daß der Schenkungsbegriff beider Verbote sich nicht deckt" 2 7 4 . Das valet donatio faßt Misera als eine untechnische Terminologie auf 2 7 5 , die zum einen als am häufigsten benutzte Redewendung 276 die Rechtsfolge des Schenkungsverbots ausdrückt 2 7 7 . Zum anderen erklärt Misera die Vielzahl von non valet oder valet donatio damit, „daß i n dem betreffenden Fall die Anwendbarkeit des Schenkungsverbots, nicht die Rechtsfolge oder das Rechtmittel zu erörtern waren" 2 7 8 . Misera begreift also das donatio valet doppeldeutig, i n dem Sinne, wie bereits Burckhard 279 donatio i n doppelter Weise verwendet sah 2 8 0 . „Einmal w i r d nur das Schenkung genannt, was den für eine bestimmte Rechtsfolge erforderlichen Tatbestand aufweist, 266

Nr. 68. Vgl. auch Käser R I D A 2, 526. 268 264 F N 310. 267

269

Index 3, 403. Misera 188, 264 F N 310; Index 3, 402. 271 188. 272 264 F N 310 (265). 273 Außerdem zieht er noch Ulp. D. 24,1, 5, 8,13 u n d 16 heran. 274 1 88. 275 Misera 87. 276 Misera (86) weist daneben 24 weitere allgemeine u n d zusätzlich 14 konkrete Formulierungen für die Nichtigkeit als Folge des Verbots der donatio inter virum et uxorem nach. 277 Misera 87. 278 Misera 90 F N 18. 279 Begriff, 15 ff. 280 Misera 83 F N 17, 161 F N 153. 270

112 D. Analoge A n w e n d u n g von Schenkungsregeln auf das gratis

habitare

also hier, was unter Schenkungsverbot fällt; . . . Ein andermal heißt es, es sei zwar eine Schenkung, aber ein bestimmter Rechtssatz — hier das Schenkungsverbot — finde keine Anwendung; . . ," 2 8 1 . Für die von Koschaker 282 begründete Ansicht, der sich Stock 2SZ und Kaser 284 anschlossen, daß Pomp. D. 24,1, 18 Fragen des Unterhalts behandele, bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte 2 8 5 . Zwar ist richtig, daß i n dem Text das Wort gratis nur bei habitare erwähnt ist, nach Inhalt und Sinn der Stelle aber auch für den Gebrauch der Kleider und der Sklaven gelten soll 2 8 6 . Hätte Pomponius sich hier mit Problemen des Unterhalts befaßt, so müßte man sich fragen, weshalb die ebenso zu den alimenta gehörende Nahrung nicht genannt wird, die in anderen Fällen meist zusammen erwähnt werden 2 8 7 . Schließlich ist zu bedenken, daß ein Jurist nicht auf den durch Gebrauchsüberlassung erfolgenden Unterhalt abgestellt hätte, um das habitare von der verbotenen Schenkung auszunehmen 288 , wenn das commodatum genauso wie die locatio conductio zwischen Eheleuten selbstverständlich erlaubt waren 2 8 9 . Weitere, von Stock vorgebrachte Argumente sind durchaus stichhaltig. So kann aus der Äußerung Pomponius' gratis habitare valet donatio gewiß nicht geschlossen werden, daß das commodatum, welches die habitatio gratuita darstellt, zugleich eine Schenkung ist 2 9 0 . Andernfalls hätte sicherlich Pomponius von gratis habitare donatio est gesprochen. Diese Gleichsetzung nehmen aber erst die Basiliken vor. Pomponius spricht i n D. 39, 5, 9 pr. von donatio videtur und valere donatio, i n D. 24,1, 18 von valet donatio. Bestimmt hat er m i t dieser Wendung nicht die geschilderten tiefgreifenden Unterschiede zwischen commodatum und donatio i n Frage stellen wollen. Daß commodare kein donare ist, dürfte i h m geläufig gewesen sein 2 9 1 . Insofern sind Stocks 292 Zweifel sicherlich berechtigt: die Überlassung von Sachen zum Gebrauch bedeutet kein dare i m technischen Sinne. Auch die Entwicklung des ur281

Misera 161. St. Bonfante I V , 5, 6 m i t F N 18 (S. 7). 283 47p 282

284

R I D A 2, 526. Lauria, St. A l b e r t o n i I I , 529 F N 42; vgl. Misera 188, 264 F N 310 (265); Index 3, 403. 286 Stock 47. 287 Vgl. lav. D. 34,1, 6; Ulp. D. 34,1, 21; auch Paul. D. 34,1, 23. 288 Vgl. Misera Index 3, 403. 289 Vgl. Misera Index 3, 408. 290 So aber Burckhard, Begriff, 61, 66; Windscheid / K i p p § 365 F N 14, S. 548 f.; § 509 m i t F N 8, 9, S. 49. Dagegen zu Recht Stock 1, 44 m i t F N 145; Michel Nr. 68; Misera 263 f.; Index 3, 398, 408 m i t F N 123 (414). 291 V g l pomp. D. 39, 5, 9, 3. Misera 82 F N 13 a. E. (83); Index 3, 405. 285

292

46 f.

I I 2. Bedeutung von valet donatio i n Pomp. D. 24,1,18

113

sprünglichen Schenkungsinhalts von der Zuwendung des Eigentums an einer Sache bis h i n zur Verschaffung eines dinglichen ius in re aliena zwingt nicht zu der Annahme, die klassische Jurisprudenz hätte Leihetatbestände als Schenkung erfaßt 2 9 3 , auch nicht fallweise 2 9 4 . Das erklärungsbedürftige valet donatio i n commodare non est aufzulösen 295 , ist m i t den bisherigen Untersuchungen ebensowenig vereinbar; haben sie doch ergeben, daß gratis habitare i n Pomp. D. 24, 1, 18 nichts m i t Unterhaltsgewährung zu tun hat und so die für das commodatum notwendige Unentgeltlichkeit durchaus nicht fehlt. Eine solche Textänderung löste sich überdies völlig vom Bezug des Fragments zur donatio inter virum et uxorem. Außerdem würde Stocks eigene Aussage dadurch widersprüchlich. Wenn das Wohnen des einen Ehegatten i m Hause des anderen — seiner Ansicht nach — eine Unterhaltsleistung darstellt, deren Unentgeltlichkeit Stock 296 gewiß zu Recht verneint und die er wohl deswegen auch nicht für ein commodatum hält, dann bleibt bei Stock 297 unerklärt, wie sich aus Pomp. D. 24,1,18 ergeben soll, „daß Leihe zwischen Ehegatten verboten w a r " 2 9 8 . Keinesfalls vermag die Textrekonstruktion commodatum non est 2 9 9 das Ergebnis einer Anwendung des Verbots der Ehegattenschenkung und das Eingreifen einer condictio (incerti) auf vorzeitige Rückgabe und auf Erstattung des Gebrauchswertes zu rechtfertigen 300 , fehlte es doch dann sowohl für Leihe als auch für Schenkung an der für beide Typen notwendigen Unentgeltlichkeit. Das von Stock 3 0 1 m i t commodatum non est ersetzte valet donatio als Ausdruck für das Zögern der klassischen Jurisprudenz bei leihweiser Überlassung von Immobilien zu erklären, wäre ebenso verfehlt. Diese Überlegungen bestätigen zwar zusätzlich, daß die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung als solche zur Erklärung der Schlüsselworte valet donatio in Pomp. D. 24,1,18 ungeeignet sind. Aber es bleibt, wie Misera 302 zutreffend hervorgehoben hat, „ernsthaft zu fragen, ob Pomponius nicht doch von einer donatio gesprochen hat . . . " Zur Beantwortung dessen ist der Rückgriff auf einen erweiterten „vulgären" 293

Stock 1, 40, 44 m i t F N 145; Michel Nr. 68; Misera 263 f.; Index 3, 398, 408. So aber Käser, RPR I, § 125 F N 3, S. 533. 295 Stock 46. 296 47# 297 47. 294

298

Stock 47. Stock 46. 300 Vgl. Misera 263 F N 303 a. E.; Index 3, 397 F N 123 (420), der diesem E r gebnis pauschal entgegenhält, daß es jeglicher Uberlieferung widerspräche. 301 46. 302 Index 3, 403. 299

8 Slapnicar

114 D. Analoge Anwendung von Schenkungsregeln auf das gratis habitare

Schenkungsbegriff 3 0 3 nicht erforderlich 3 0 4 . Vielmehr kann diese Frage bejaht werden, wenn man dazu die dogmatische Konstruktion Pomponius' i n D. 39, 5, 9 pr. heranzieht. Ohne zu bestreiten, daß es sich beim habitare

gratis

u m e i n commodatum

h a n d e l t , m u ß die Rechtslage so

angesehen werden, als ob der Gläubiger dem Schuldner eine Geldforderung erläßt und damit auf (Miet-)Zinseinnahmen verzichtet, so daß der Schuldner — nach der dogmatischen Vorstellung von Pomponius — von der Zinszahlung befreit ist. Die Schenkungsinterpretation des gratis habitare

b e r u h t h i e r b e i m V e r b o t der donatio

inter

virum

et

uxorem

auf derselben Figur wie beim Verbot der lex Cincia: der gedachte Erlaß einer angenommenen Mietzinsforderung für die Überlassung einer Wohnung. Vollkommen korrekt ist daher der von Pomponius aufgestellte Rechtssatz: gratis habitare valet donatio. Pomponius unterstellt auch bei D. 24,1,18 zwei Tatsachen, nämlich zum einen eine locatio conductio, zum anderen den unentgeltlichen Erlaß des Mietzinses. Weder ist für Pomponius die unentgeltliche Überlassung des Gebrauches als solchen maßgeblich 3 0 5 noch die Ausgabenersparnis „relev a n t " 3 0 6 . Die Ansicht Miseras 307, die Terminologie donatio valet könnte gerade aus dem Gegensatz zu D. 39, 5, 9 pr. erwachsen sein, t r i f f t demzufolge nicht zu. Beide Male stimmt vielmehr die Problembehandlung des gratis

Cincia habitare

habitare

b e i P o m p o n i u s i n bezug auf die donatio

bei

lex

und dem Ehegattenschenkungsverbot überein. Er erfaßt jedes gratis

als

donatio 308.

Zieht man seine näheren Erläuterungen i n D. 39, 5, 9 pr. zur Erklärung von D. 24,1,18 heran, so ist der gesparte Mietzins (mercedem pro habitatione non solvere) genausowenig die B e r e i c h e r u n g (locupletior), w i e das u n e n t g e l t l i c h e S t u n d u n g s a b k o m m e n (donationis causa pactum de non petendo ante certum tempus) die V e r ä r m e r u n g (pauperior) dar-

stellt. Vielmehr soll Pomponius zufolge die unentgeltliche Wohnungsüberlassung nur so behandelt werden, als ob es eine locatio conductio wäre, bei der — wie Misera 309 zutreffend hervorhebt — „sozusagen" die Mietzinsforderung (merces) schenkweise erlassen wird. Der Habitator scheint etwas wie ein Beschenkter zu erhalten 3 1 0 . I n Wahrheit w i r d er aber weder reicher (locupletior) noch der Wohnungsgeber ärmer (pau303 So aber Misera Index 3, 403. Vgl. auch Broise 107. Dagegen schon Stock (48), der den weiten Schenkungsbegriff als „unfaßlich und unbrauchbar" bezeichnet. 304 Stock (48) spricht von „nicht durchführbar". 305 Kaser R I D A 2, 526. 306 Vgl. Misera 188, 264 F N 310 (265). 307 264 F N 310. 308 Vgl. Schloßmann SZ 29, 304 f. 309 Index 3, 405. 310 Burckhardt Begriff, 63.

I I 2. Bedeutung von valet donatio i n Pomp. D. 24, 1, 18

115

perior); denn realiter w i r d keine Mietzinsforderung schenkweise gestundet oder erlassen, auch ist zwischen den Parteien keine locatio conductio vereinbart. Begrifflich bleibt das gratis habitare ein commodatum, aber valet donatio. Das von Siber 3 1 1 als donatio non est gelesene valet donatio kommt dem schon näher, bleibt aber auf halbem Wege stehen. Auch der von Broise 312 dem valet entnommene Hinweis, daß es sich bei D. 24,1,18 juristisch deswegen um keine Schenkung handele, weil animus donandi fehle, führt nicht weiter. Da die parallele Entscheidung von Pomponius i n D. 39, 5, 9 pr. für D. 24,1,18 nicht genügende Berücksichtigung findet, w i r d die juristische Schenkungsinterpretation des gratis habitare verdeckt. Die Ansicht Siber s ist nur insofern zutreffend, als er davon ausgeht, daß commodare oder utendum dare eben kein donare ist. Natürlich hat Pomponius diesen Grundsatz anerkannt 3 1 3 und nicht bei jeder unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung den schenkweisen Erlaß einer Mietzinsforderung angenommen. Aber daß er regelmäßig bei der unentgeltlichen Überlassung einer Wohnung diese Interpretation verwendete, geht dabei unter. I m Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung der Wohnung hat sich Pomponius bei der lex Cincia ganz entschieden für eine entsprechende Anwendung dieses gesetzlichen SchenkungsVerbots auf das gratis habitare eingesetzt. Daß er sich beim Schenkungsverbot unter Ehegatten i m entgegengesetzten Sinne entschieden haben soll, würde einen merkwürdigen Widerspruch zwischen den Fragmenten D. 39, 5, 9 pr. und D. 24,1, 18 bedeuten. Ein solches Ergebnis wäre außerdem deswegen sehr unwahrscheinlich, weil D. 24, 1, 18 dem 4. Buch der Variae Lectio nes entstammt, i n denen Pomponius prinzipiell eigene, nicht fremde Meinungen vortrug 3 1 4 . Angesichts dieser Literaturgattung, einem persönlich gehaltenen Lesestoff des Juristen 3 1 5 , braucht auch nicht zu verwundern, daß Pomponius i n diesem Fragment weder seine Argumentation noch seine Methode näher mitteilt, habitare gratis als donatio zu erfassen. I n beiden Stellen benutzt Pomponius nämlich dieselbe Wendung valet donatio. I n D. 39, 5, 9 pr. bemerkt er i n bezug auf die Stundung (pactum de non petendo ante certum tempus): „potest enim et citra corporis donationem valere donatioIn D. 24,1, 18 stellt Pomponius den Satz auf: „gratis habitare valet donatio Das valere i n beiden Stellen läßt sich nicht auf die Rechtsfolge einer Schenkung beziehen. I n beiden Fragmenten geht es Pomponius nicht 311 312 313 314 315

8*

SZ 53, 147 F N 2 (148). 106, 107. Vgl. n u r Pomp. D. 39, 5, 9, 3. Nörr, A N R W I I . 15, 544. F N 314.

116 D. Analoge A n w e n d u n g von Schenkungsregeln auf das gratis

habitare

um die Wirksamkeit eines Schenkungsvorgangs, sondern — was gerade die Analyse von D. 39, 5, 9 pr. gezeigt hat — darum, ob der betrachtete Vorgang die Tatbestandsvoraussetzungen einer donatio erfüllt. Von daher kann das valere lediglich als Ausdruck für die Erörterung darüber dienen, ob in dem betreffenden Fall das Schenkungsverbot inter virum et uxorem tatbestandsmäßig anwendbar w a r 3 1 6 . Dann aber würde die Übersetzung von valet donatio m i t „die Schenkung ist gültig" = „sie verstößt nicht gegen das Verbot der Ehegattenschenkung" nicht nur zu der widersinnigen Situation führen, daß ein Rechtsgeschäft zwar als donatio qualifiziert wird, aber entgegen aller Erwartung — insbesondere gegen das Schenkungsverbot — Bestand haben soll. Außerdem ergäbe sich dadurch ein unvermeidlicher Widerspruch in der Argumentation von Pomponius. Geht er davon aus, daß kostenloses Wohnen keine Schenkung, vielmehr eine zulässige und gültige Leihe ist, es aber infolge seiner Interpretation erreicht, habitare gratis als donatio zu erfassen, so wäre der schenkweise Erlaß von Miete unter Eheleuten dennoch nicht verboten, sondern gerade erlaubt. Dieses widersinnige Ergebnis hat beispielsweise Misera damit zu erklären versucht, daß er donatio bei Pomp. D. 24, 1, 18 ebenso wie bei Ulp. D. 24, 1, 5, 8, 13 und 16 i m Sinne von unentgeltlicher Zuwendung begreift. Aber zwischen dem gratis habitare von Pomp. D. 24,1, 18 und den drei Fällen von Ulpian D. 24, 1, 5, (8: donatio sepulturae causa, 13: Ausschlagung einer Erbschaft und 16: Verzicht auf Erwerb) besteht ein grundlegender Unterschied, der es nicht zuläßt, alle vier Fälle i m Hinblick auf das Verbot der Ehegattenschenkung von i h m auszunehmen. I n den von i h m UlpianusD. 24,1, 5, 8; 13 u n d 16 (lib. 32 ad Sabinum): (8) Concessa donatio est sepulturae causa: nam sepulturae causa locum marito ab uxore vel contra posse donari constat , et si quidem intulerit, faciet locum religiosum, hoc autem ex eo venit, quod definiri solet eam demum donationem impediri solere , quae et donantem pauperiorem et aeeipientem faciet locupletiorem: porro hic non videtur fieri locupletior in ea re quam religioni dieavit. nec movit quemquam, quod emeret, nisi a marito aeeepisset: nam etsi pauperior ea fieret, nisi maritus dedisset, non tarnen idcirco fit locupletior, quod non expendit. (13) Si maritus heres institutus repudiet hereditatem donationis causa, Iulianus scripsit libro septimo decimo digestorum, donationem valere; neque enim pauperior fit, qui non adquirat, sed qui de patrimonio suo deposuit. repudiatio autem mariti mulieri prodest, si vel substituta sit mulier vel etiam ab intestato heres futura. (16) Cum igitur nihil de bonis erogatur, recte dicitur valere donationem. ubicumque igitur non deminuit de facultatibus suis qui donavit, valet, vel, etiamsi deminuat, locupletior tarnen non fit qui aeeepit, donatio valet.

516

Vgl. Misera 90 F N 18; auch Stock 47; Siber SZ 53, 147 F N 2 (S. 148).

I I 2. Bedeutung von valet donatio i n Pomp. D. 24, 1, 18

117

behandelten Fällen fehlt es, worauf Ulpian selbst resümierend im § 16 317 zu sprechen kommt, entweder an der Bereicherung des Empfängers oder an der Entreicherung des Gebers, so daß zwar eine unentgeltliche Zuwendung vorliegt, aber keine donatio, durch die der Schenker ärmer und der Beschenkte gleichzeitig bereichert wird. Bei der Schenkungskonstruktion des gratis habitare von Pomponius, bei welcher vom Erlaß von Mietzins (Pomp. D. 39, 5, 9 pr.; 24,1,18) auszugehen ist, sind hingegen diese für die Ehegattenschenkung zentralen Voraussetzungen erfüllt. Läge der Sachverhalt so, wie er i m Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung der Wohnung angesehen wird, so verringerte der Schenker durch einen Erlaß auf den ihm aus der locatio conductio zustehenden Mietzins (merces) sein Vermögen zugunsten des Beschenkten und wäre dadurch ärmer (pauperior); der von einer Verbindlichkeit befreite Beschenkte wäre dadurch zugleich bereichert (locupletior). pauperior erfordert bei der Ehegattenschenkung eine Verringerung des Schenkervermögens dadurch, daß der Schenker eine res unentgeltlich und endgültig aus den Händen gibt 3 1 8 . Die charakteristische Entreicherung w i r d dann nicht angenommen, wenn möglicherweise zwar eine Bereicherung beim Beschenkten eintritt, diese aber nicht aus dem Vermögen des Schenkers stammt 3 1 9 . Von einem solchen Fall, der als dogmatischer Vorläufer des § 517 bezeichnet werden könnte, berichtet Ulpian unter Hinweis auf Julian i m § 13 320 . Beide Juristen lassen eine schenkungshalber zugunsten der Frau ausgeschlagene Erbschaft, die infolgedessen Erbin kraft Gesetzes wird, deswegen nicht unter das Schenkungsverbot fallen, weil bei dem Ausschlagenden die Entreicherung fehlt 3 2 1 . Darin kommt nicht nur die Notwendigkeit konkreter Entreicherung, sondern auch die zwischen pauperior und locupletior erforderliche Unmittelbarkeit zum Ausdruck. Den umgekehrten Fall, daß es bei einer unentgeltlichen Zuwendung an einer konkreten Bereicherung des Empfängers fehlt, erörtert Ulp. D. 24, 1, 5, 8 3 2 2 . Bei der dort 317

F ü r sachliche Echtheit: Lauria, St. Albertoni I I , 517 F N 16; trotz zahlreicher Veränderungen auch Stock (26) u n d Misera (23). Kaden (SZ 50, 619 F N 1) hält dieses Fragment von vel etiamsi — f i n f ü r interpoliert, außerdem das zweimalige valet — valet. Ebenso stuft Aru (101) das doppelte valet für pleonastisch ein u n d meint, erogare m i t ex sei unecht. 318 Stock 23 f.; Misera 167. 319 Misera 52. 320 I m K e r n echt: Rabel § 121, S. 194; Käser, RPR I, §§ 56 F N 16, 140 F N 8, S. 228, 601; Dumont 194 f.; Stock 24; Archi 131 ff.; Misera 54; Lauria, St. A l bertoni I I , 534 m i t F N 74; Schwarz SZ 68, 300 f. Dagegen: Aru 97 ff.; Kaden SZ 72, 448 f. 321 Rabel § 121, S. 194; Stock 24; Misera 52. 322 Materielle Echtheit nehmen an: Bonfante 219 F N 8; Käser, RPR I, § 79 F N 29; S. 332; Dumont 182 ff.; Biondi, successione, 663; Archi 203 ff. Misera 17 ff., 24 f.; Lauria, St. A l b e r t o n i I I , 517 F N 16. Dagegen: Stock 18 f. m i t w e i teren Nachweisen 19 F N 53, 54.

118 D. Analoge Anwendung von Schenkungsregeln auf das gratis

habitare

behandelten donatio sepulturae causa w i r d der Schenker zwar ärmer, der Beschenkte aber nicht reicher 323 . Auch hierbei führt die selbständige Untersuchung der einzelnen Elemente des Begriffspaares 324 zu einem insgesamt sachgerechten Ergebnis, daß eine solche Zuwendung unter Eheleuten zulässig ist 3 2 5 . Ulpian gelangt zu diesem Schluß deswegen, weil er das Merkmal locupletior für nicht gegeben hält. Er argumentiert dabei folgendermaßen. Zunächst zieht er zwar die Bereicherung einmal bezüglich der Begräbnisstätte (hoc autem ex eo venit ... acci pientem faciet locupletior, quod non expendit), z u m a n d e r e n w e g e n der e r s p a r t e n A u f w e n d u n g e n (idcirco fit locupletior, quod non expendit)

i n Betracht. Beide Möglichkeiten lehnt Ulpian aber entschieden ab. Die erste Alternative verneint er, weil der locus sepulturae nicht i n das V e r m ö g e n d e r B e s c h e n k t e n g e l a n g t (porro pletior in ea re, quam religioni dicavit),

hic non videtur fieri locus o n d e r n eine res religiosa

(sacra) w i r d 3 2 6 . M i t einer Handbewegung 3 2 7 tut er die zweite Altern a t i v e ab (nec movit 329

...

quod non expendit),

w e i l es f ü r das

locuple-

tior nicht darauf ankommt, ob die Beschenkte ärmer, vielmehr ob sie reicher w i r d 3 2 9 . Die Ehefrau wäre zwar ärmer geworden, hätte sie sich den Ort des Grabes selbst kaufen müssen 330 , welchen ihr der Ehemann geschenkt hat. Aber dadurch, daß sie keine Ausgabe macht, w i r d sie eben nicht reicher 331 , locupletior i m Sinne der Ehegattenschenkung bedeutet, wie dieses Fragment allgemeingültig aussagt 332 und wie auch Ulp. D. 24,1, 5, 8 erkennen läßt, „etwas aus dem Vermögen des Schenkers noch i n den Händen zu haben" 3 3 3 . Bereicherung des Empfängers ist also nur dann anzunehmen, wenn das Geschenk bei i h m noch vorhanden ist 3 3 4 . Diese Überlegungen hat Misera für die Deutung von Pomp. D. 24,1, 18 herangezogen. Sie treffen aber nicht die Argumentation Pomponius\ W i r d beim commodatum — und dessen Anwendungsfall dem habitare gratis — eine Sache zum Gebrauch tradiert, dann ist richtig, daß der Empfänger die Sache nicht aus dem Vermögen des Gebers erwirbt; 323

Käser, RPR I, § 79 F N 29, S. 332; Misera 25. Misera 23. 325 Misera 25. 326 Gaius D. 1, 8, 1 pr.; Ulp. D. 8, 5, 1. Stock 19; Misera 17 f. 327 Misera 177. 328 Vgl. dazu Misera 177 F N 59. 329 Misera 25. 330 Misera 177. 331 Misera 25, 177. 332 Misera 176 F N 58. 333 p a u i . D. 24,1, 55 . . . locupletiorem esse ... quid ex re mulieris 334 Misera 177. 324

possideat.

I I 2. Bedeutung von valet donatio i n Pomp. D. 24, 1, 18

119

denn die vermögensrechtliche Zuordnung der res bleibt unverändert 3 3 5 . Aber wenn Misera das mangelnde pauperior Iulian und Ulpian zufolge (D. 24,1, 5, 13) damit begründet, daß beim gratis habitare eine Entreicherung deswegen nicht vorliegt, weil der Geber zugunsten eines anderen auf Erwerb verzichtet 3 3 6 , und damit das Ersparen von Aufwendungen i n den Mittelpunkt rückt 3 3 7 , dann gerät diese Argumentation auf ein falsches Gleis. Zwar verhält es sich i m Falle des gratis habitare ähnlich wie bei der Ausschlagung einer Erbschaft (Ulp. D. 24, 1, 5, 8): der Empfänger w i r d reicher, aber die Bereicherung erfolgt nicht aus dem Vermögen des Gebers, also nicht auf dessen Kosten 3 3 8 . Infolge der Ersparnis eigener Aufwendungen w i r d der Habitator zwar nicht um A k t i v a reicher, sondern er braucht seine Passiva nicht zu vergrößern. Diesen Unterschied einmal außer Betracht gelassen, besteht das entscheidende Moment, beide Sachverhalte als erlaubte unentgeltliche Vorgänge unter Eheleuten anzusehen, darin, daß der Geber nicht ärmer wird, es der donatio am pauperior fehlt. Diesem Ergebnis steht aber entgegen, daß beim gratis habitare nach Ansicht Pomponius' sowohl Be- als auch Entreicherung vorhanden sind. Der von Misera mit der Bemerkung, „daß ein Ersparen von Aufwendungen i m Ehegattenschenkungsrecht irrelevant i s t " 3 3 9 , gezogene Schluß, gratis habitare unterfalle nicht dem Verbot, w i r d somit unstimmig. Zwar scheint auch die Entscheidung Ulpians i m Falle der donatio sepulturae causa (D. 24, 1, 5, 8) die Richtigkeit der Auffassung von Misera zu unterstützen; denn aus der Problembehandlung Ulpians erhellt unmittelbar, daß Ausgabenersparnis keine ausreichende konkrete Bereicherung für die Ehegattenschenkung bilden k a n n 3 4 0 und von diesem Umstand die Entscheidung abhängt 3 4 1 . Dennoch stellt weder die Ausgabenersparnis das tertium comparationis von Pomp. D. 24,1, 18 und Ulp. D. 24, 1, 5, 8 und 13 dar, noch ist damit der Schlüssel für valet donatio gefunden. Wenn Misera zur Erläuterung von Pomp. D. 24, 1, 18 auf die unter Ehegatten „irrelevante" Ausgabenersparnis abstellt, dann nimmt er dabei unausgesprochen auf die Gebrauchsüberlassung und damit auf das commodatum Bezug. Aber diesen Ausgangspunkt hat Pomponius gerade nicht gewählt. Weder die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung 335

Pomp. D. 13, 6,1, 8; Ulp. D. 13, 6,1, 9. Misera (179 F N 76) m i t der Bemerkung, daß das Nichterwerben auf Seiten des Schenkers zugunsten des Beschenkten das Pendant zum Ersparen von Aufwendungen sei u n d das erste nicht als Entreicherung, das zweite nicht als Bereicherung angesehen w i r d . 337 Misera 25, 176, 188 f., 264 F N 310 (265); Index 3, 405. 338 Misera 179. 339 264 F N 310 (265). 340 Misera 25, 177. 341 Misera 25. 338

120 D. Analoge Anwendung von Schenkungsregeln auf das gratis

habitare

als solche noch die infolgedessen ersparten Aufwendungen sind die Fundamente seiner Rechtsfortbildung. Vielmehr begründet Pomponius die Anwendbarkeit des Schenkungsverbots unter Ehegatten auf das gratis habitare damit, daß die unentgeltliche Überlassung rechtlich so zu behandeln sei, als ob es sich u m eine Vermietung handele, bei der sozusagen die Mietzinsforderung schenkweise erlassen w i r d 3 4 2 . Demzufolge ist auch die inhaltliche Bedeutung von valet donatio i n Pomp. D. 24,1, 18 eine andere als i n Ulp. D. 24, 1, 5, 13 und 16. Kann die Wendung i n den Ulpianfragmenten technisch aufgefaßt und m i t „gültig, zulässig" übertragen werden, so muß man bei Pomponius von einer anderen Verwendung ausgehen. Übersetzt man i n Pomp. D. 24, 1, 18 nämlich donatio valet m i t „die Schenkung ist gültig", so gelangt man nur dann zu einem sinnvollen Ergebnis, wenn man annimmt, Pomponius habe der lex Cincia einen anderen Schenkungsbegriff zugrundegelegt als der Ehegattenschenkung. Diese Auffassung vertritt Misera 343 und wohl auch Broise* u. Aus der Beobachtung, daß das Begriffspaar pauperior — locupletior i n den Quellen nur i m Zusammenhang m i t dem Schenkungsverbot unter Ehegatten, niemals aber bei der lex Cincia auftaucht 3 4 5 , schließt Misera , daß für beide Verbote ein verschiedener Schenkungsbegriff verwendet wurde 3 4 6 . Vor allem sei die Ersparnis von Aufwendungen zwar für die lex Cincia „relevant" 3 4 7 , i m Schenkungsrecht unter Ehegatten aber „irrelevant" 3 4 8 . Aus der Nichtverwendung der Worte pauperior — locupletior bei der Interpretation der lex Cincia darf man jedoch nicht so weitreichende inhaltliche Schlüsse ziehen. Daß das Begriffspaar hier fehlt 3 4 9 , erklärt sich damit, daß es i m Wortlaut der lex Cincia nicht vorkommt, also auch nicht erläuterungsbedürftig war. Die lex enthielt aber die Worte donare — capere , die sachlich nichts anderes bedeuten als pauperior — locupletior. Bei der Schenkung spricht man i n bezug auf den Schenker von donare (lex Cincia) oder pauperior (Ehegattenschenkung) und i n bezug auf den Beschenkten von capere (lex Cincia) oder locupletior (Ehegattenschenkung). I n beiden Fällen ist eine Bereicherung des Beschenkten auf Kosten des Schenkers erforderlich 3 5 0 . Es ist daher anzunehmen, daß bei beiden Schenkungsverboten ein und derselbe Schenkungsbegriff 342

Misera Index 3, 405. 1 88. 344 io7 #

343

345 346 347 348 349 350

Misera 81. Misera 188. Misera 188 f. Misera 264 F N 310 (265). Misera (81) konstatiert dies zutreffend. Stock 26.

I I 2. Bedeutung von valet donatio i n Pomp. D. 24, 1, 18

121

gegolten hat. Dies n i m m t Misera 351 zwar für die Frage an, ob Früchte oder Ertrag eines Grundstücks (fructus) Gegenstand einer Schenkung sein können. Aber es wäre wenig plausibel, daß nur bei der lex Cincia , nicht aber bei der Ehegattenschenkung das Ersparen von Aufwendungen „relevant" gewesen sein soll. Diese Bedenken schwinden, wenn man die Worte donatio valet nicht übersetzt als: „die Schenkung ist gültig". I n Pomp. D. 39, 5, 9 pr. und D. 24,1, 18 heißt es „( potest ) valere donatio" und „valet donatioDas ist in beiden Stellen kein Ausdruck für die Gültigkeit einer Schenkung, sondern meint: es bedeutet Schenkung 352. Wenn sich valere i n diesem Sinne auch häufig nur m i t doppeltem Nominativ, bei Infinitiven oder m i t der Wendung „idem valet" findet 3 5 3 , so verbieten solche syntaktischen Überlegungen allein nicht, valere i n Pomp. D. 24,1,18 m i t „bedeuten" zu übertragen 3 5 3 a ; schließlich existiert kein Originalwörterbuch der lateinischen Rechtssprache 354 . Bei der Frage nach der endgültigen Berechtigung zur Übersetzung eines Wortes kommt es weniger auf philologische Postulate an, vielmehr sind empirische Ergebnisse, konkrete sprachliche Sach- und Rechtsinhaltsgründe und Vergleiche m i t anderen Quellen maßgebend 355 . Daß Pomponius m i t valet donatio ( = gilt als, ist gleichbedeutend mit, bedeutet) möglicherweise von einem bis dahin anderen Gebrauch dieser Wendung abrückt, ist zudem deswegen nicht unwahrscheinlich, weil sein Stil starke Einflüsse der Umgangssprache aufweist 3 5 6 . Auch Paulus verwendet i n D. 24,1,14 (lib. 71 ad edictum): Quod si vir uxori , cuius aedes incendio consumptae sunt, ad refectionem earum pecuniam donaverit, valet donatio in tantum , in quantum aedificii exstructio postulat.

valet donatio in gleicher Bedeutung wie Pomponius, u m darzutun, daß Geld, das der Ehemann seiner Ehefrau zum Aufbau des abgebrannten Hauses gibt, insofern eine (verbotene) Schenkung bedeutet (valet donatio), als es für die Errichtung des Gebäudes erforderlich ist. 351

162 F N 154. Vgl. Cicero (106 - 43 n. Chr.), De officiis 3, 39; Pro Caecina 61; Quintilianus (ca. 3 5 - 100), Institutio oratoria 1, 5, 4. Georges I I , Sp. 3356 valeo a. E.; von Nägelsbach 474 f.; V I R V, Sp. 1148 valeo I . = constare , esse, haberi. 353 Suetonis (ca. 7 5 - 150), Vitellius 18; Varrò (116 - 27 ν. Chr.), De lingua latina 6, 60; Cicero, De finibus 2, 13; Tusculanae disputationes 5, 24; Topica 34; Quintiiianus, Institutio oratoria 1, 4, 29; 10, 1, 13. 353a v g l . Cicero, Pro Caecina 61. F ü r die Hinweise auf die i n den F N 352 bis 353 a zitierten Quellen zu Verbindungen von valere = bedeuten danke ich H e r r n Dr. Gebhard Kurz aufrichtig. 352

354

Meinhart, Fs. Kaser, 761. 355 v g l . v o n Lübtow, lex Aquilia, 8; Meinhart, 35β

Nörr, A N R W I I . 15, 591.

Fs Kaser, 761.

122 D. Analoge A n w e n d u n g von Schenkungsregeln auf das gratis

habitare

Pomponius erläutert ebenso wie Paulus i n beiden Texten (D. 39, 5, 9 pr. und D. 24,1,18) das Wort donatio i n seiner Tatbestandsmäßigkeit, seinem sachlichen Umfang. I m Unterschied zu den Erörterungen von Ulpian i m 32. Buch ad Sabinum (D. 24,1, 5, 8 - 17) 357 , wo sich der Jurist m i t der Zulässigkeit und Gültigkeit von Schenkungen inter virum et uxorem befaßt (concessa donatio est . . . ) und mehrfach von donatio valet i m Sinne von „die Schenkung ist gültig, wirksam" spricht, geht es bei Pomponius offenbar weder i m 33. Buch seines Sabinuskommentars (D. 39, 5, 9 pr.) noch i m 4. Buch seiner „Vermischten Schriften" (D. 24, 1, 18) u m Fragen der Rechtswirksamkeit von Schenkungen. Er behandelt vielmehr den möglichen Sachumfang des donare- Begriffs bei der lex Cincia und bei der Ehegattenschenkung, ebenso wie es Ulpian i n D. 24, 1,17 nicht um die Zulässigkeit, sondern unter Berufung auf die Autorität Iulians u m die Erfassung der Erträge eines Grundstücks (fructus) als Schenkung unter Eheleuten geht. Übereinstimmend mit dem Gebrauch von valet donatio als „es bedeutet Schenkung" durch Paul. D. 24,1,14 kommt Pomponius für die lex Cincia und die Ehegattenschenkung zu der Feststellung, gratis habitare könne Schenkung bedeuten, könne Schenkung sein. Ausgabenersparnis ist also auch bei der Ehegattenschenkung „relevant". Es besteht kein Anlaß, i n D. 24, 1, 18 donatio non est zu lesen 3 5 8 und anzunehmen, „daß hier ein verwässerter nachklassischer Schenkungsbegriff die Aussage des Pomponius überlagert h a t " 3 5 9 . Die Analyse des gratis habitare i m römischen Recht führt zu folgenden Erkenntnissen: Die unentgeltliche Überlassung von Wohnraum erfüllt die Voraussetzungen des commodatum. Die Empfehlung Ulpians (D. 19, 5, 17 pr.), beim gratis habitare m i t der actio praescriptis verbis vorzugehen, hängt m i t der Kontroverse über den Anwendungsbereich des commodatum bei Immobilien zusammen (D. 13, 6, 1,1) und ist i m übrigen aktionenrechtlich zu erklären. Die unentgeltliche Überlassung des Gebrauchs als solchen w i r d ungeachtet dessen als commodatum erfaßt. I m Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung des Leiheobjekts, einer für das Leben der Menschen notwendigen Wohnung 3 6 0 , w i r d das gratis habitare als Schenkung interpretiert. Der Sachverhalt w i r d juristisch so erfaßt, als ob der Wohnungsüberlassung eine locatio conductio zugrundegelegen und der Wohnungsgeber sozusagen den Mietzins schenkweise erlassen habe. Begrifflich bleibt das gratis habitare ein commo357

Siehe Lenel, Palingenesia, Ulp. Nr. 2765, Sp. 1139 - 1140. Siber SZ 53, 147 F N 2 (148); weitere Nachweise bei Misera 264 F N 310; Index 3, 417 F N 97. 359 So aber Misera Index 3, 406. 360 Vgl. Savigny 32; Landwehr 68; Grasegger 5. 358

I I 2. Bedeutung von valet donatio i n Pomp. D. 24, 1, 18 datum,

aber „videtur

donatio"

(Pomp. D. 39, 5, 9 pr.) oder „valet

123 dona-

tio" (Pomp. D. 24,1,18). Die praktische Bedeutung der entsprechenden Anwendung von Schenkungsregeln auf das commodatum einer Wohnung liegt i n dem Recht des Wohnungsgebers, für die verstrichene Zeit des habitare gratis einen Gegenwert zu fordern. Die Rechtfertigung für eine solche condictio incerti gründet sich auf den Verstoß gegen die Schenkungsverbote inter

virum

et uxorem

u n d der lex Cincia.

In-

folge der dogmatischen Erfassung des gratis habitare als gedachten Erlaß von angenommenem Mietzins kann man den unentgeltlich überlassenen Gebrauch einer Wohnung als ein verstecktes Geldgeschenk 3 6 1 betrachten.

381

Savigny 109; Lehfeldt 39 FN 59.

E. Der unentgeltliche Gebrauch einer Wohnung als Leihe im geltenden Recht Die Probleme, die unentgeltliche Überlassung von Wohnraum j u ristisch zu erfassen, haben sich — wie bereits an den wenigen Beispielen aus den Basiliken und dem mos italicus gezeigt werden konnte 1 — kaum gewandelt. Aber gerade die Analyse der juristischen Beurteilung des gratis habitare i m römischen Recht ist eine große Hilfestellung für die modernrechtliche Beantwortung der Frage, welchem der beiden umstrittenen Schuldvertragstypen, Schenkung oder Leihe, die unentgeltliche Überlassung einer Wohnung zuzuordnen ist. Die Entscheidungen des BGH 2 (Fälle 1 und 3) 3 und des L G K ö l n 4 (Fall 4) 5 leisten für die Lösung des Problems keinen klärenden Beitrag. Dafür, daß die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung einer Wohnung eine Schenkung ihres Besitzes und ihrer Nutzung sei, fehlt es i n den Urteilen auch nur ansatzweise an einer Begründung. Ob die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung einer Sache, wie sie die Wohnung darstellt, überhaupt Schenkung sein kann, wenn das BGB genau dafür einen anderen besonderen Vertragstyp, nämlich die Leihe, zur Verfügung stellt, w i r d i n den Urteilen des B G H und des L G K ö l n gar nicht untersucht. Ebensowenig plausibel erscheint die Benennung von Besitz und Nutzung als Schenkungsgegenstände 6 ; denn sie bedeutet i n den konkreten Fällen nur das Synonym für Gebrauchsüberlassung 7 . Deshalb ist mit dem Wort „Nutzung" eine viel zu weite Formulierung gewählt gegenüber dem, was nach Ansicht der Parteien Vertragsinhalt sein sollte 8 . Unter Nutzung fallen nicht nur die Gebrauchsvorteile, sondern auch die Früchte (§ 100). Durch Auslegung hätten B G H und L G K ö l n i n den drei Sachverhalten feststellen können, daß eines m i t Sicherheit 1 Siehe oben B . I I , nach F N 120- 144; B . I I I , nach F N 163, 233; D. 1.1 bei F N 12; D. I. 3 nach F N 105. 2 B G H - V ZR 57/67 - U r t . v. 6. 3.1970 - N J W 1970 941 = W M 1970, 638 = M D R 1970, 496 = DNotZ 1970, 946 = L M Nr. 7 zu § 518 B G B ; B G H - V ZR 144/67 - Urt. v. 19. 6.1970 - W M 1970, 1247. 3 Siehe oben A. 1.1. nach F N 107 u n d 118. 4 N J W 1973, 1880. 5 Siehe oben A . 1.1. nach F N 121. 6 B G H N J W 1970, 638, 639 re. Sp.; W M 1970, 1247, 1248; L G K ö l n N J W 1973, 1880 Leitsatz. 7 Herrmann 195. 8 Beck 115.

E. Unentgeltlicher Gebrauch einer Wohnung als Leihe

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nicht beabsichtigt und vom Vertragsinhalt gedeckt war, nämlich über den unentgeltlichen Gebrauch der Wohnung hinaus auch die Erlangung mittelbarer Sachfrüchte (§§ 99 I I I , 100)9, welche sich durch Vermietung einer Wohnung ergäben 10 . Zudem hätte dies der Erlaubnis des Wohnungsgebers bedurft (§ 603 S. 2). I n allen drei Fällen (1, 3 und 4) sollten die Empfänger lediglich die Vorteile genießen dürfen, welche der Gebrauch gewährt, für dessen Wert der erzielbare Mietzins maßgebend sein kann 1 1 . Die Einräumung kostenlosen Wohnens war demzufolge auf den Gebrauch beschränkt 12 . Deshalb hätten die Gerichte allenfalls von der „Schenkung des Gebrauchs", nicht aber von Nutzung sprechen dürfen 1 3 . Obwohl der B G H bei Schilderung des Revisionsvorbringens i m Fall 1 selbst das Wort „Gebrauchsüberlassung" wählt 1 4 , ist die spätere Rechtsprechung nicht einmal auf die Idee gekommen, hierin den Gegenstand einer formfreien 1 5 Leihe zu erblicken. Außerdem hat sich der B G H damit über seine frühere Ansicht kommentarlos hinweggesetzt, solche Sachverhalte als Leihe zu würdigen 1 6 . Für das geltende Recht liegt es jedoch ebenso wie für das klassische römische Recht von vornherein nahe, die unentgeltliche Wohnungsüberlassung als Leihe zu beurteilen 1 7 . 9

Herrmann 195. Hadding i n StudK A. 3 (3) zu §§ 99 -100; Palandt / Heinrichs A. 1 zu § 100; Sonnenbrodt 20. 11 B G H JR 1954, 460; Betr. 1966, 739; W M 1978, 1208; Palandt / Heinrichs A. 1 zu § 100 unter Hinweis auf O L G K ö l n JMB1 N R W 1960, 180. 12 Herrmann 195. 13 Vgl. Herrmann 195. 14 B G H W M 1970, 638, 639 re. Sp. 15 Crome 503 F N 4; Kohler § 1131, S. 292; Heck § 94.6, S. 297; Henle 74; Titze § 44.1, S. 171; Enneccerus / Lehmann § 140.4, S. 588; Wolf § 1 2 A I c 5 , S. 70; Erman! Wagner, 5. Auflage, Rdnr. 6 zu § 598; Koeppen 3; Klostermann 3; von Seeler 48 (allgemein), 50 (speziell f ü r die Wohnungsleihe); Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, 65 F N 41; Sonnenbrodt 11; Beck 116; Herrmann 194, 200; B G H - V I I I ZR 157/63 - Urt. v. 18.10.1965 - S. 9. Mallinckrodt (18) m i t dem zutreffenden Hinweis auf die prinzipielle Formfreiheit des BGB. 16 B G H N J W 1954, 918, 921; N J W 1962. 1817; B G H - V I I I ZR 157/63 - Urt. v. 18.10.1965, S. 9. Siehe später B G H N J W 1976, 416 i. V. m. Schapp N J W 1976, 1093. 17 Goldmann / Lilienthal 529 F N 2; Heck § 94.6, S. 297; Siber, Schuldrecht, § 54 2 a, S. 520; Henle 73; Titze §§ 42.3, 44.1, S. 162, 171; Hedemann § 3 Β I I a , S. 182; Wolf § 12 A I c 5, S. 70; Planck/Knoke A. 2 zu § 516 (S. 775 Mitte); Planck / Gunkel A . I I vor § 598; Oertmann, 5. Auflage, Α. 1 c, zu § 516; Fischer / Henle / Titze / David A. 3 zu § 516, A. 4 zu § 598; Staudinger / Riedel Rdnr. 2 zu § 598, Achilles / Greif f l Glaser A n m . zu § 598; Soergel / Baller stedt Rdnr. 2 vor 516; Sachse 4; Klostermann 3; von Seeler 50; Landé, Poseners Rechtslexikon, 34; Heilborn 11; Hoeniger 36 f., 165; Richrath 29 f., 56; Steinstraß 10, 11; Grasegger 79; Liebisch 78 ff.; Kieckebusch, HdR 3, 954; Heimann 40-44, 47, 48; Sonnenbrodt 7, 14 f., 16, 22; Beck 116; Herrmann 194, 202; Ortloff ArchBürgR 21, 291 f.; Metzler ZfRpfBay 22, 100; Eger H u W 1947, 149. 10

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E. Unentgeltlicher Gebrauch einer Wohnung als Leihe I . D i e Voraussetzungen der Leihe

Genauso w i e das commodatum des r ö m i s c h e n Rechts e i n b e s t i m m t e r S c h u l d v e r t r a g s t y p ( R e a l k o n t r a k t ) w a r , ist d i e L e i h e des g e l t e n d e n Rechts als besonderes S c h u l d v e r h ä l t n i s geregelt (§§ 598 ff.) u n d d u r c h d i e z e i t w e i l i g e u n e n t g e l t l i c h e Gebrauchsüberlassung e i n e r Sache gekennzeichnet18. D e r S t r e i t u n t e r d e n klassischen J u r i s t e n , ob auch b e i m Überlassen einer u n b e w e g l i c h e n Sache v o n „ c o m m o d a r e " gesprochen w e r d e n k ö n n e , i s t f ü r das g e l t e n d e Recht d u r c h die V e r w e n d u n g des technischen B e g r i f f s Sache b e i g e l e g t 1 9 , o b w o h l auch h e u t e k a u m j e m a n d e m e i n f a l l e n w i r d , v o n „ l e i h e n " eines G r u n d s t ü c k s z u sprechen 2 0 . N a c h § 90 s i n d Sachen i m S i n n e des B G B a l l e k ö r p e r l i c h e n Gegenstände, w o r u n t e r g l e i c h e r m a ß e n b e w e g l i c h e w i e u n b e w e g l i c h e Sachen f a l l e n 2 1 . O b g l e i c h sich i n Rechtsprechung u n d L i t e r a t u r b i s w e i l e n Z u r ü c k h a l t u n g feststell e n läßt, d i e u n e n t g e l t l i c h e Gebrauchsüberlassung e i n e r I m m o b i l i e als L e i h e z u b e z e i c h n e n 2 2 , i s t es f ü r das g e l t e n d e Recht u n z w e i f e l h a f t , daß I m m o b i l i e n G e g e n s t a n d e i n e r L e i h e b i l d e n k ö n n e n 2 3 . Es i s t eine andere

18 Endemann, BürgR, § 183.1, S. 1150; Henle 73, 74; Enneccerus / Lehmann § 140, S. 587; Esser § 75.1, S. 136; Esser / Weyers § 251, S. 213; Fikentscher § 7611, 5, S. 453, 454; Brox Rdnr. 215; Larenz § 50, S. 221; Staudinger / Riedel Rdnrn. 1, 2 vor § 598; Soergel l Mezger Rdnr. 1 vor § 598; Palandt / Putzo A. 1 zu § 598; Amberg 15 f.; Sonnenbrodt 14. 19 Zabel 15 m i t F N 56. 20 Windscheid / Kipp § 374 F N 4, S. 591; Boehmer 262; Steinstraß 11. 21 RGZ 65, 270, 276, 277; Brox, A T , Rdnrn. 751 ff.; Larenz, A T , § 16 I I I , S. 232; Esser / Weyers § 25 I, S. 214; Soergel / Baur Rdnr. 5 zu § 90; Hadding i n StudK A. 3 zu §§ 9 0 - 9 2 ; Erman/H. Westermann Rdnr. 2 zu § 90; Kregel i n B G B - R G R K Rdnr. 20 zu § 90; Schlie 15; Zabel 15; Heilborn 12; Sonnenbrodt 12; Hodes N J W 1969, 1175. 22 Warneyer (Α. I zu § 598) bezeichnet Fälle unentgeltlicher Überlassung von Gebäude- oder Grundstücksteilen als „leiheähnliche Verträge". O L G Breslau (OLGE 20 (1910) 209 Nr. 11 a) spricht bei einem unentgeltlich zum Gebrauch überlassenen Anschlußgleis nicht von Leihe, sondern „ein dem Leihe vertrag ähnlicher unbenannter Vertrag" (210). Auch das O L G Hamburg (OLGE 22 (1911) 291) wertet den F a l l unentgeltlicher Überlassung eines Ladens m i t dem Recht f ü r den Benutzer, i h n f ü r spätere Zeit zu mieten, als „keine Leihe, sondern ein der Miete analog zu beurteilender Vertrag". 38 Jahre später meint das O L G H a m b u r g (NJW 1949, 547) für eine unentgeltlich zur Verfügung gestellte Wohnung: „ähnelt das zwischen den Part, zustandegekommene Vertragsverhältnis dem Leihvertrag". Das R G (LZ 1921 Sp. 431 Nr. 4) bemerkt f ü r nach beendeter Pacht vorübergehend unentgeltlich belassene Räume: „mag m a n dieses Rechtsverhältnis als Leihe oder sonstwie bezeichnen". Der B G H (NJW 1954, 918) faßt die Ehewohnung „nach A r t der Leihe" auf. 23 Mugdan 247 (Motive) m i t zustimmendem Hinweis auf die ausdrückliche Regelung i m Sächsischen B G B (1863/1965) § 1173 u n d i n A r t . 598 des Dresdner Entwurfs (1866). Vgl. auch Codex Maximilianeus (1756) 4. Teil, 2. K a p i t e l § 5. Krückmann § 12 I I I , S. 81; Goldmann / Lilienthal 604; F. Leonhard 183; Kreß, BT, 138 f.; Henle 73; Enneccerus / Lehmann § 140.2, S. 588; Boehmer

I. Voraussetzungen der Leihe

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A n g e l e g e n h e i t , ob die L e i h e u n b e w e g l i c h e r Sachen i n der P r a x i s v o r k o m m t 2 4 . A u c h bestehen i m H i n b l i c k auf § 93 k e i n e B e d e n k e n , u n t e r Sache bloße Sachteile aufzufassen 2 5 u n d d i e W o h n u n g s l e i h e deswegen f ü r zulässig z u erachten. W e n n auch die W o h n u n g z u d e n w e s e n t l i c h e n B e s t a n d t e i l e n des G r u n d s t ü c k s g e h ö r t (§ 94) 2 6 , so w i r d a n i h r d u r c h e i n e n L e i h v e r t r a g doch k e i n dingliches Gebrauchsrecht, s o n d e r n l e d i g l i c h e i n obligatorisches b e g r ü n d e t 2 7 . § 93, d e r j a n u r das E n t s t e h e n 261; Esser § 75.1, S. 136; Esser ! Weyers § 251, S. 214; Brox Rdnr. 215; Dileher 195, 196; Medicus Rdnr. 445; Fikentscher § 76.4, S. 453; Staudinger ! Riedel Rdnr. 2 zu § 598; Soergel / Mezger Rdnr. 1 zu § 598; Kregel i n B G B - R G R K Rdnr. 11 zu § 90; Gelhaar i n B G B - R G R K Rdnr. 1 zu § 598; Palandt / Putzo A. 2 zu § 598; Sachse 2 m i t F N 1; Schlie 15; Zabel 15; Heilborn 12; Steinstraß 10; Kieckebusch, H d R 3, 955; Heimann 4, 40; Sonnenbrodt 12; Charmatz 240; Hodes N J W 1969, 1175; Schapp N J W 1976, 1093; RGZ 65, 270, 276, 277; R G H R R 9 (1933) Nr. 1000; R G WarnRspr. 26 (1934) 313 Nr. 152; O L G München HRR 15 (1939) Nr. 365; L G Flensburg M D R 1948, 352; B G H - V I I I ZR 157/63 Urt. v. 18.10.1965, S. 9; B G H N J W 1976, 416 i. V . m . Schapp N J W 1976, 1093. Abweichend Zimmerle (32), der die Leihe zu Unrecht auf bewegliche Sachen beschränken w i l l . 24 I n den Beratungen der I I . Kommission wurde davon gesprochen, daß dies „ k a u m " geschehe (Mugdan 896/Protokolle). Auch Sachse (2) spricht noch davon, daß „Leihverträge über unbewegliche Sachen v i e l seltener vorkommen, als solche über bewegliche". Ebenso Steinstraß (10) allerdings m i t der unzutreffenden Bemerkung, daß die beweglichen Sachen i n der Regel n u r solche von geringem Wert seien. Wie Sachse auch Heimann (4). I m Gegensatz dazu ist die Rechtsprechung seit I n k r a f t t r e t e n des B G B kontinuierlich m i t solchen Fällen beschäftigt gewesen (Nachweise siehe oben Α. 1.1. F N 32 und 33). Staudinger / Riedel hebt (Rdnr. 2 zu § 598) i m Hinblick und unter Bezug auf die Rechtsprechung hervor, daß i m m e r h i n auch eine Verleihung einer unbeweglichen Sache nicht undenkbar sei u n d tatsächlich vorkomme. Fikentscher (§ 76.3, S. 453) schätzt die wirtschaftliche Bedeutung der Leihe beispielsweise eines Ferienhauses als nicht gering ein. 25 F. Leonhard 183; Henle 73; Enneccerus / Lehmann § 140.2, S. 588; Esser § 75.1, S. 136; Esser / Weyers § 251, S. 214; Dileher 195, 196; Schmelzeisen Rdnr. 187; Medicus Rdnr. 445; Oertmann, 5. Auflage, Α. 1 b vor § 598; Staudinger/Riedel Rdnr. 2 zu § 598; Sachse 3 m i t F N 4,4; Schlie 19; ausführlich Amberg 14 ff., 17, 22; Zabel 15 f.; Heimann 5; Hodes N J W 1969, 1175; R G SächsArch 10 (1900) 244; P r O V G B e r l i n DJZ 1904, S. 511; O L G Colmar O L G 9 (1904) 304 lit. g.; R G SchlHolstAnz 1907, 65 = J W 1907, 100 Nr. 2; RGZ 65, 270, 276 f.; O L G Breslau O L G 20 (1910) 209 Nr. 11 a a); O L G H a m b u r g O L G 20 (1910) 210 Nr. 11 aß); O L G Colmar ElslothZ 36 (1911) 637 Nr. 185; O L G H a m burg O L G 22 (1811) 291 l i t . c.; RG GruchhotsBeitr. 58 (1914) 1067; RG J W 1921, 1362 Nr. 5; R G L Z 1921, Sp. 414 Nr. 4; R G DJZ 1924, Sp. 905; O L G München Recht 1931, 11 Nr. 7; R G HRR 9 (1933) Nr. 1000; R G WarnRspr 26 (1934) 313 Nr. 152; L G Altona Recht 1936 Nr. 3338 = JbDR 3 n. F. (1936) 808 = R d R N 1936, 321; O L G München H R R 15 (1939) Nr. 365; L G Flensburg M D R 1948, 352; OGHZ 2, 170 = N J W 1949, 623; O L G Hamburg N J W 1949, 547; B G H N J W 1954, 918, 921; O L G Hamburg N J W 1954, 1688; L G H a m b u r g Z M R 1957, 154; A G Oberndorf/Neckar, Wohnungswirtschaft u n d Mietrecht 1958, 149; A G Münster, Wohnungswirtschaft u n d Mietrecht 1960, 169; B G H N J W 1962, 1817; B G H V I I I ZR 157/63 - U r t . v. 18.10.1965, S. 9; V G H Hessen R d L 1966, 248; L G Kassel N J W 1969, 1174; B G H N J W 1972, 1128, 1129; B G H N J W 1976, 416 i. V. m. Schapp N J W 1976, 1093. 26 Amberg 14. 27 Larenz § 50, S. 221, 223; Schlie 23; Steinstraß 5; Sonnenbrodt 13; Herrmann 195.

E. Unentgeltlicher Gebrauch einer Wohnung als Leihe d i n g l i c h e r Rechte a n w e s e n t l i c h e n B e s t a n d t e i l e n v e r h i n d e r n w i l l , steht d e r V e r l e i h b a r k e i t e i n e r W o h n u n g also n i c h t e n t g e g e n 2 8 . A n d e r n f a l l s k ä m e es auch z u d e m b e f r e m d l i c h e n Ergebnis, d i e W o h n u n g , welche p r a k t i s c h d e n h ä u f i g s t e n B e i s p i e l s f a l l der M i e t e b i l d e t , als V e r t r a g s gegenstand d e r L e i h e auszuscheiden 2 9 , o b w o h l sich j e n e v o n dieser l e d i g l i c h d u r c h i h r e n o t w e n d i g e E n t g e l t l i c h k e i t unterscheidet, d i e L e i h e also das u n e n t g e l t l i c h e 3 0 Gegenstück d e r M i e t e b i l d e t 3 1 ' 3 2 . V o n d e r F e s t s t e l l u n g abzurücken, daß es sich u m L e i h e h a n d e l t , w e n n der E i g e n t ü m e r v o n W o h n r a u m — u n t e r B e i b e h a l t u n g seines E i g e n t u m s r e c h t s — e i n e m a n d e r e n gestattet, die W o h n u n g u n e n t g e l t l i c h z u gebrauchen, besteht auch d a n n k e i n A n l a ß , w e n n die Ü b e r l a s sung a u f recht l a n g e D a u e r 3 3 , beispielsweise f ü r m e h r als 30 J a h r e 3 4 oder 28

Sachse 4; Schlie 19; Amberg 21; Heimann 5. Vgl. Sachse 1; ausführlicher Amberg 21 f., 45. 30 Z u r umgangssprachlichen Bedeutung des Wortes: unentgeltlich O L G K ö l n N J W 1975, 1615, 1616. 31 Endemann, BürgR, 1151; von Gierke § 190, S. 411; Heck § 104.1 a, S. 322; Hedemann § 371, S. 210; Enneccerus / Lehmann § 140.4, S. 588; Fikentscher § 76.2, S. 453; Emmerich § 812, S. 56; Larenz § 50, S. 221; Fischer ! Ebert A . 4 zu § 598; Warney er, Α. I zu § 598; Fischer ! Henle I Titze ! David A. 4 zu § 598; Staudinger / Riedel Rdnr. 1 vor § 598; Achilles / Greiff / Glaser Anm. zu § 598; Soergel / Mezger Rdnr. 8 vor § 598; Gelhaar i n B G B - R G R K Rdnr. 2 vor § 598; Palandt / Putzo A . 2 vor § 598; Sachse 1, 12; Schlie 20; Zabel 36; Noell 15; Steinstraß 6, 12; Heimann 10; Seiler 73 ff., 76, 131 f.; Kroier 52; Beck 113; B G H N J W 1967, 1085. Henle (74): „Leihe verhält sich zu Miete w i e Schenkung zu K a u f " . Erman / Wagner (5. Auflage, Rdnr. 4 zu § 598) hat diese Bemerkung Henles übernommen. I n der 6. Auflage findet sie sich nicht mehr. Kieckebusch (HdR 3, 954) bezeichnet die Leihe als „unentgeltliche Miete". 32 E i n Beispiel für den umgangssprachlichen Fehlgebrauch des Wortes leihen für vermieten durch den Gesetzgeber stellt § 184 Nr. 3 StGB dar: Wer pornographische Schriften . . . i n gewerblichen Leihbüchereien . . . anbietet . . . w i r d m i t Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder m i t Geldstrafe bestraft. Vgl. auch den durch das A k t G 1937 aufgehobenen § 319 HGB. Weitere Beispiele f ü r solchen Fehlgebrauch B G H N J W 1972, 1270, 1271; Esser I Weyers § 25 I I I , S. 215. 33 O L G H a m b u r g O L G 22 (1911) 291 lit. c.: Wohnung „bis sie sich wieder erholt hätten" obiter: eventuell lebenslängliches unentgeltliches Wohnungsrecht. RGZ 65, 270, 276 f.: Wohnung 8 Jahre (1896-1904); R G SchlHolstAnz 1907, 65 = J W 1907, 100 Nr. 2: Hausgrundstück 4 Jahre (1903 - 1907); R G J W 1921, 1362 Nr. 5: Wohnung 3 Jahre (23. 9.1918 -1921). Vgl. ferner die Fälle, i n denen das Grundstück oder Teile dessen zur Errichtung von Versorgungsleitungen geliehen w u r d e n : R G H R R 9 (1933) Nr. 1000: Grundstück für Hochspannungsleitung (sehr lange, fast auf immer); O L G Colmar O L G 9 (1904) 304 l i t . g.: Dach f ü r Elektrizitätsleitung (sehr lange); B G H N J W 1976, 416: Grundstück für Elektrizitätsmasten (seit 1947); R G WarnRspr 26 (1934) Nr. 152, S. 313: Grundstück f ü r elektrische Fernleitung (auf 25 Jahre m i t Verlängerungsklausel); B G H N J W 1962, 1817: Straßenkörper für Versorgungsleitungen (1934 - 1949). 29

34 Vgl. § 567. Amberg (52) hält eine Übertragung dieser Vorschrift aus dem Mietrecht auf die unentgeltliche Überlassung, die zwar nahe liegt, für „recht gewagt" angesichts der grundsätzlichen Formfreiheit des BGB. Außerdem ist die 30-Jahresfrist deswegen kein taugliches Argument für die Dauer der

I I . Zweifel an Leihe bei langfristiger Gebrauchsüberlassung

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gar — wie i n den Fällen 1 bis 4 — für die Lebenszeit des Entleihers vereinbart worden ist 3 5 » 3 6 . Das RG 3 7 hat zutreffend darauf hingewiesen, daß eine „Leihe auf ewig" rechtlich unmöglich ist. Eine endgültige Trennung von Besitz und Eigentum ist m i t dem Eigentumsrecht nicht vereinbar 3 8 . Vielmehr fallen Besitz und Eigentum bei der Leihe nur vorübergehend auseinander. Die Gebrauchsüberlassung erfolgt bei der Leihe wie bei der Miete nur auf Zeit 3 9 . Diese Zeitbezogenheit findet ihren Ausdruck insbesondere i n der Rückgabepflicht des Empfängers nach beendetem Gebrauch (§§ 553 ff., 564 a f., 605) und i n der K ü n d i gungsmöglichkeit des Gebers bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen (§§ 556, 604)40. Dieses Charakteristikum teilt aber auch der dem Empfänger auf Lebenszeit zur Verfügung gestellte Gebrauch von Wohnraum. Bei seinem Gebrauchsrecht handelt es sich ja gerade nicht u m ein zeitlich unbegrenztes Recht. Wenn auch der Entleiher bei einer Leihe auf Lebenszeit nach seinem Tode die Sache weder selbst zurückgeben noch der Rückgabepflicht (§ 6041) i n eigener Person nachkommen kann, so t r i f f t diese Verbindlichkeit doch seine Erben. Ihnen steht es nicht mehr zu, die Wohnung unentgeltlich zu benutzen. Außerdem kann der Verleiher i n einem solchen Fall zusätzlich kündigen (§ 605 Nr. 3). Damit ist aber das kennzeichnende Merkmal der Leihe als des eines Dauerschuldverhältnisses erfüllt 41, nämlich die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung auf Zeit Π . Die Zweifel an einer Leihe bei langfristiger Gebrauchsüberlassung Nachdem bereits Michel 42 für das römische Recht die Auffassung vertreten hat, Ulpian hätte i m Falle des gratis habitare die actio commodati deswegen der actio praescriptis verbis vorgezogen, weil das comLeihzeit, w e i l der Rückgabeanspruch erst nach Fälligkeit entsteht, nicht aber bereits bei Vertragsabschluß. 35 Amberg 52; Herrmann 200. 36 I m Hinblick auf die 30-Jahresfrist des § 567 Satz 1 hat der B G H ( W M 1970, 638, 639 re. Sp. = F a l l 1) die mietrechtlichen Rügen der Revision zutreffend damit als unbegründet abgelehnt, daß ein Kündigungsrecht nach § 567 Satz 2 dann nicht eingreife, w e n n der Vertrag auf Lebenszeit geschlossen sei. 37 H R R 9 (1933) Nr. 1000. 38 Vgl. RGZ 90, 219; B G H L M Nr. 24 zu § 985 B G B ; Wolff / Raiser § 84 V I 3, S. 328; Westermann § 30 I 3, S. 129; Baur § 11 C V 3 a aa, S. 92; Soergel / Mühl Rdnr. 2 zu § 985 m i t weiteren Nachweisen. Pikart (in B G B - R G R K Rdnrn. 4, 42 zu § 985) i n A b k e h r von der i n der Vorauflage vertretenen Auffassung Johannsens (BGB-RGRK, 11. Auflage, 1959, A. 25 zu § 985). 39 Endemann, BürgR, 11501; Henle 74; Enneccerus / Lehmann § 140, S. 587; Esser § 75.1, S. 136; Esser / Weyers § 251, S. 214; Brox Rdnr. 215; Soergel l Mezger Rdnr. 1 vor § 598; Staudinger / Riedel Rdnr. 1 vor § 598. 40 Vgl. B G H N J W 1974, 1086; Herrmann 202. 41 von Gierke § 198 I 5, S. 574; Henle 74; Sonnenbrodt 14. 42 Nrn. 56, 57, 70, 146, 501 a. E. 9

Slapnicar

E. Unentgeltlicher Gebrauch einer Wohnung als Leihe

modatum bei Immobilien stets auf sehr kurze Zeiträume beschränkt gewesen sei 43 , hat für das geltende Recht neuerdings auch Larenz u die Ansicht geäußert, daß es sich bei der Leihe „typologisch ... u m die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung für verhältnismäßig kurze Z e i t " 4 5 handele 46 . „Die Verpflichtung zu einer langfristigen Gebrauchsüberlassung ohne Entgelt z. B. zur unentgeltlichen Überlassung einer Wohnung an den Berechtigten auf dessen Lebenszeit, nähert sich . . . typologisch der Schenkung 47 ." Ob allerdings für die Zeitbezogenheit, einem Typenmerkmal der Leihe, wiederum selbst eine gewisse Dauer (kurzer Zeitraum) charakteristisch ist oder dies gar den Vertragstyp selbst prägt, ist überaus zweifelhaft 4 8 ; auch wenn andere Schriftsteller 49 bei der Abgrenzung von Schenkung und Leihe auf die Dauer der Gebrauchsüberlassung abgestellt haben, ohne allerdings genauere zeitliche Kriterien zu nennen 50 . Ein ganz anderes B i l d hinterläßt ein Blick auf die Rechtsprechung. Gerade i n Fällen unentgeltlicher Gebrauchsüberlassung eines Grundstücks oder eines Grundstücksteils haben verschiedene Gerichte Sachverhalte als Leihe beurteilt, bei denen sich die Gebrauchszeit über Jahre, teilweise sogar über Jahrzehnte erstreckte 51 . Demgegenüber ist die Dauer einer Mobiliarleihe i n den Entscheidungen regelmäßig kurz 5 2 . 43

Siehe oben B. I I I . nach F N 152 - 177. SchuldR I I , 10. Auflage, § 471, S. 125 m i t F N 4, § 50, S. 186 m i t F N 3; SchuldR I I , 11. Auflage, 1977, § 47 I, S. 154 F N 3; § 50, S. 221 F N 3. 45 Larenz § 47 I, S. 154 F N 3. 46 Unrichtig ist die Beurteilung von Beck (114), w e n n er darin eine Rezeption von Gedanken Savignys durch Larenz erblickt. 47 F N 45. 48 K e i n A u t o r der umfangreichen Monographien zur Leihe (Sachse, Schlie, Zabel, Steinstraß, Heilborn, Heimann, Sonnenbrodt) hat dem bislang Bedeutung beigemessen. Amberg verneint dies ausdrücklich: „einer Bindung des Gebers auf unbegrenzt lange Zeit (steht) nichts i m Wege" (52). Ebenso Herrmann 200 ff. 49 Steinstraß 3; Heck § 94.6, S. 298; Köhler 62; Gelhaar i n B G B - R G R K Rdnr. 5 vor § 598. 50 Steinstraß (3) bezeichnet die Leihe als Vertrags Verhältnis „ v o n einer gewissen Dauer". Nach Heck (§ 94.6, S. 298) hängt das Eingreifen von Schenkungsrecht für die Leihe als Gefälligkeitsvertrag i m Einzelfall von folgenden Umständen ab: „die wirtschaftliche Bedeutung, die Dauer und, was sehr erheblich ist, der Grad der Bindung . . . " . Köhler (62) bezieht sich zur Begründung auf Larenz. Gelhaar (in B G B - R G R K Rdnr. 5 vor § 598) hält „eine von vornherein für längere Zeit geplante unentgeltliche Gebrauchsüberlassung" i m Hinblick „ob Schenkung oder Leihe vorliegt" f ü r „zweifelhaft". Er w i l l die Entscheidung ohne Angabe von K r i t e r i e n „ v o n den besonderen U m ständen des einzelnen Falles abhängen" lassen. Vgl. auch Goldmann / Lilienthal 529 F N 2; Enneccerus / Lehmann § 120 I I 2, S. 488. 51 O L G Colmar O L G 9 (1904) 304 l i t . g: langfristige Überlassung eines Daches für Elektrizitätsleitung; RG H R R 9 (1933) Nr. 1000: langfristige Gestattung einer Hochspannungsleitung auf Grundstück; O L G Breslau O L G 20 (1910) 209 Nr. 11 a α): unentgeltliche Benutzung eines Anschlußgleises für die 44

I I . Zweifel an Leihe bei langfristiger Gebrauchsüberlassung

131

Das Gesetz unterscheidet eine Leihe auf bestimmte (§ 6041 und II) oder unbestimmte (§ 604 III) Zeit. Ein Abschluß auf bestimmte Zeit liegt vor, wenn die Leihzeit entweder kalendermäßig festgesetzt ist (§ 6041) oder sie sich aus dem Zweck der Leihe ergibt (§ 604 I I ) 5 3 . Das Leihverhältnis endigt alsdann m i t dem Ablauf dieser Zeit ohne Kündigung 5 4 . Dauer des Betriebes (!); B G H N J W 1970, 941: lebenszeitiger Gebrauch einer Wohnung (bis zum U r t e i l 35 Jahre); B G H W M 1970, 1247: lebenszeitiger Gebrauch einer Wohnung (bis zum U r t e i l 9 Jahre); L G K ö l n N J W 1973, 1880: lebenszeitiger Gebrauch einer Wohnung oder bis Wiederverheiratung (bis zum U r t e i l 31 Jahre); L G Hamburg Z M R 1957, 154: Überlassung eines Hauses „so lange wie er (der Empfänger) w o l l e " ; B G H N J W 1954, 918, 921: Überlassung einer Wohnung f ü r die Dauer der Ehe (!); O L G H a m b u r g O L G 22 (1911) 291 lit. c.: unentgeltliche Wohnungsüberlassung „bis sie sich wieder erholt hätten"; L G Kassel N J W 1969, 1174: 43jähriger Gebrauch von Grundstück; B G H N J W 1976, 416: 29jährige Gestattung von Elektrizitätsmasten auf Grundstück; R G WarnRspr 26 (1934) Nr. 152, S. 313: 25jähriger Vertrag über elektrische Fernleitung auf Grundstück; V G H Hessen R d L 1966, 248: 20jähriger Vertrag über Gebrauch von Grundstück; O L G München H R R 15 (1939) Nr. 365: 19jährige Überlassung eines Grundstücks; B G H N J W 1962, 1817: über 15jährige Gestattung von Versorgungsleitungen auf Grundstück; B G H V I I I ZR 157/63 - Urt. v. 18.10.1965: 10jährige Überlassung eines Grundstücks; RGZ 65, 270, 276 f.: 8jährige Überlassung einer Wohnung; A G Oberndorf/ Neckar Wohnungswirtschaft u n d Mietrecht 1958, 149: 6jährige Überlassung eines Hauses; B G H B B 1970, 1197 = L M Nr. 45 zu § 535 B G B : öjähriger Gebrauch einer Wohnung; B G H W M 1977, 717 = N J W 1978, 213: 5jährige Überlassung einer Wohnung; R G SchlHolstAnz 1907, 65 = J W 1907, 100 Nr. 2: 4jährige Überlassung eines Hausgrundstücks; RG DJZ 1924, Sp. 905: 4jährige Überlassung von Bodenraum; OGHZ 2, 170 = N J W 1949, 623: 4jährige Überlassung eines Anlegeplatzes i m Hafen; RG J W 1921, 1362 Nr. 5: 3jährige Überlassung einer Wohnung; L G Flensburg M D R 1948, 352: 3jährige Überlassung von Gartenland; O L G H a m b u r g N J W 1949, 547: 3jährige Überlassung einer Wohnung; A G Münster Wohnungswirtschaft u n d Mietrecht 1960, 169: 2jährige Überlassung eines Kellers; O L G H a m b u r g O L G 20 (1910) 210 Nr. 11 a ß): Überlassung eines Ladens f ü r 5 Monate. 52

L G Hagen N J W 1948, 341: Möbel für die Dauer des Luftkrieges über Deutschland; O G H N J W 1949, 105: öjähriger Gebrauch eines Autos; O L G Düsseldorf B B 1950, 35: Gebrauch eines Derrick f ü r ein paar Stunden; StadtG B e r l i n (Ost) N J 1953, 343: Gebrauch von Hausrat während der Ehe; O L G Nürnberg B a y J M B l 1956, 14: Gebrauch einer beweglichen Sache während des Verlöbnisses; O L G Neustadt an der Weinstraße M D R 1960, 405: Gebrauch eines Autos von gewisser Dauer; B G H N J W 1962, 1678: Gebrauch eines Autos für eine F a h r t ; B G H N J W 1964, 1225: Gebrauch eines Autos für Probefahrt; Β GHZ 49, 278 = N J W 1968, 694: Gebrauch eines Autos für mehrere Fahrten; L A G Baden-Württemberg B B 1969, 581: Gebrauch eines L k w für Bauarbeiten; O L G Zweibrücken N J W 1971, 2077: Gebrauch eines Reitpferdes für 1 Stunde; B G H N J W 1972, 1270, 1271: Gebrauch eines Buches zum Lesen; O L G K ö l n B B 1972, 1526: Gebrauch von Warenmustern f ü r die Dauer der Geschäftsbeziehung; O L G Schleswig N J W 1974, 1712: Gebrauch eines Autos für 1 F a h r t ; A r b G Herford B B 1974, 1350: Gebrauch eines Autos für Betriebsfahrt; O L G Düsseldorf VersR 1975, 90: Gebrauch eines Autos für Fahrt zur Arbeitsstelle; O L G K ö l n 1975, 2108: Gebrauch eines Autos für nächtliche Heimfahrt. 53 Zabel 67. 54 Die Motive bemerken zu Recht, daß eine K ü n d i g u n g ohne Kündigungsfrist von geringer praktischer Bedeutung wäre (Mugdan 252). Endemann, BürgR, 1150; Zabel 69; Heilborn 36, 49; Heimann 29. 9·

E. Unentgeltlicher Gebrauch einer Wohnung als Leihe

Für die durch den Zweck des Gebrauches bestimmte Leihzeit räumt § 604 I I 2 dem Verleiher zwar das Hecht ein, die Sache schon dann zurückzufordern, wenn der Entleiher den Gebrauch hätte machen können. Aber darin liegt kein Abweichen von der Festlegung auf eine bestimmte Zeit; denn hier wie bei der zeitlich von vornherein fixierten Leihe ist der Verleiher nicht befugt, die Sache vor Ablauf einer bestimmten Zeit zurückzufordern 55 , mag sich die Zeitbestimmung auch nur aus den näheren Umständen des Einzelfalles entnehmen lassen 56 . W i r d die Leihe hingegen auf unbestimmte Zeit eingegangen 57 , „so kann der Verleiher die Sache jederzeit zurückfordern" (§ 604 III). M i t dem entsprechenden Verlangen des Verleihers endet dann die Leihe 5 8 , ohne daß es hierbei der Einhaltung einer Kündigungsfrist bedürfte 5 9 . Die gesetzlichen Bestimmungen drücken damit nicht nur i n ganz dezidierter Weise die Zeitbezogenheit dieses Vertragstyps aus, welche i m Gegensatz zur endgültig verschafften Rechtsposition bei der Schenkung steht 60 . Darüber hinaus ergeben diese Regelungen und der Unterschied zwischen bestimmter und unbestimmter Leihzeit keine Anzeichen für Modellvorstellungen des Gesetzgebers über eine besondere kurz- oder langfristige Dauer des Leihverhältnisses. Dieser Differenzierung kommt lediglich Bedeutung für die Entscheidung zu, wann das Rückgabeverlangen des Verleihers gerechtfertigt ist. So sind denn die praktischen Beispiele für eine auf bestimmte Zeit abgeschlossene Leihe auch vielfältig. Sie reichen von der Ausleihe eines Buches zur „Benutzung beim Examen" 6 1 , der Überlassung eines Grundstücks auf 25 Jahre für eine Fernleitung 6 2 über die lebzeitige Einräumung von Wohnraum 6 3 bis zur „Dauerleihgabe" von Autographen an ein Museum 6 4 . Diese herausge55 Zabel (67 F N 241) bemerkt zutreffend, daß für die Leihe die Einräumung eines Gebrauchsrechts wesentlich ist, das den Moment überdauert, also eine gewisse, w e n n auch noch so kurze Zeit fortbesteht. 56 Palandt I Putzo A. 2 zu § 604; Sachse 35; Zabel 68; Schlie 45 f.; Heimann 28. 57 Sachse bemerkt zutreffend, daß dieser F a l l ein verhältnismäßig seltener sein dürfte (35). Ebenso Heimann 28. 58 I m Gegensatz zum precarium des römischen Rechts erzeugt auch die Leihe auf unbestimmte Zeit die Rechte u n d Pflichten nach §§ 598 ff. Dazu Zabel 75; Heimann 28. 59 Cosack § 203 V 1 b, S. 574; Fikentscher § 76 I I 5 b ε, S. 455; Schlie 46; Heilfron 49; Heimann 29. 60 RGZ 62, 386, 390; von Gierke 411; Boehmer 261; Fischer I Ebert A. 3 zu § 516; Liebisch 74; Sonnenbrodt 13; Beck 116; Herrmann 200. 61 Cosack § 203 V 1 a, S. 574. 62 RG WarnRspr 26 (1934) Nr. 152, S. 313. 63 B G H N J W 1970, 941 = W M 1970, 638; B G H W M 1970, 1247. Vgl. auch O L G Hamburg O L G 22 (1911) 291 l i t . c ; B G H N J W 1954, 918, 921; L G H a m burg Z M R 1957, 154. 64 Vgl. den Bericht von C. B. (FAZ 130/77, 21) über die Dauerleihgabe des Nachlasses von Hermann Muthesius, einem Mitbegründer des Werkbundes, an das Berliner Werkbund-Archiv.

I I I . Abgrenzung der Leihe von der Schenkung

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griffenen Einzelfälle lassen auch keine einheitliche Aussage i n bezug auf eine charakteristische Dauer des Leihverhältnisses zu. Die Leiheperioden bei bestimmter Zeit hängen allein von der rechtsgeschäftlichen Vereinbarung ab und unterliegen der parteiautonomen Disposition 6 5 . Soll also Wohnraum vereinbarungsgemäß „auf Lebenszeit des Empfängers" überlassen werden, so sind Zweifel an dem Charakter des Vertrages als Leihe wegen der wahrscheinlich langen Dauer nicht berechtigt 66 . Ist doch bei diesem Sachverhalt sichergestellt, daß die Leihsache nicht endgültig i n das Vermögen des Entleihers 6 7 oder dessen Erben gelangt, sondern i m Vermögen des Verleihers oder dessen Rechtsnachfolgers bleibt 6 8 . Ebensowenig ist der Leihe auf unbestimmte Zeit irgendein besonderes Merkmal eigen, das dazu veranlaßte, sie neben den die Leihe kennzeichnenden Merkmalen der unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung auf Zeit als zusätzliches Erfordernis anzuerkennen. Deswegen kann der Ansicht von Larenz 6 9 , der andere Autoren 7 0 beigetreten sind, nicht gefolgt werden. Die Leihe wandelt sich bei langfristiger Überlassung typologisch nicht i n eine Schenkung um 7 1 . Das Argument von Larenz ist nicht geeignet, die Unanwendbarkeit von Leiheregeln und den Zugriff auf Schenkungsrecht zu begründen 72 . Vielmehr ist der unentgeltliche Gebrauch von Wohnraum Leihe. A u f die Überlassung des Gebrauchs als solchen sind also ausschließlich die für diese Vertragsart vorgesehenen Bestimmungen anzuwenden 73 . Damit scheidet die Anwendung von Schenkungsrecht auf die Gebrauchsüberlassung der Wohnung aus. ΠΙ. Die Abgrenzung der Leihe von der Schenkung Die Leihe erfüllt nicht zugleich die Voraussetzungen der Schenkung (§§ 516 I, 517) 74 . Auch wenn der B G H und das L G K ö l n wie vor ihnen 65

Zabel 67. Herrmann 200. 87 Vgl. Zabel 2, Liebisch 74, 75; Herrmann 200. 88 Vgl. B G H N J W 1974, 1086. 89 § 47 I, S. 154 F N 3. 70 So jetzt auch Herrmann 200. 71 F N 70. 72 So jetzt auch Herrmann 202. 73 Köhler 62; Gelhaar i n B G B - R G R K Rdnr. 5 v o r § 598. 74 Heck § 104.1c, S. 323; Henle 74; Schmelzeisen Rdnr. 177; Schlie 22; Liebisch 74 ff., 78 ff., 80; Heimann 40 ff., 48; Sonnenbrodt 19; Beck 112 ff., 118; Kroier 31. A. Cohn (6) spricht von der „unentgeltlichen Leihe" als „Schenkung i m uneigentlichen Sinne". Amberg (29) m i t der Bemerkung: „Daß die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung keine Schenkung enthält . . . w i r d a l l gemein anerkannt." Vgl. auch Steinstraß 12 m i t F N 2, neuestens Crezelius B B 1978, 621 ff., 625. 88

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E. Unentgeltlicher Gebrauch einer Wohnung als Leihe

schon Accursius 75 die Auffassung vertreten haben, bei der Gebrauchsüberlassung von Wohnraum seien Besitz und Nutzung — der mos italicus spricht präziser von usus 76 — geschenkt, so lassen sich Leihe und Schenkung doch sinnvoll voneinander abgrenzen. Den Urteilsbegründungen i n den Fällen 1, 3 und 4 läßt sich zwar entnehmen, daß B G H und L G K ö l n Schenkungsrecht nicht lediglich analog heranziehen, wie es Pomponius, allerdings aus anderen Gründen, für das Eingreifen der lex Cincia und das Schenkungsverbot unter Ehegatten befürwortet hat 7 7 . Beide Gerichte betrachten die unentgeltliche Wohnungsüberlassung vielmehr als Schenkung nach § 516 78 . Es kann nicht abgeschätzt werden, ob diese Ansicht nur auf die konkreten Fälle, nämlich die unentgeltliche Überlassung von Wohnraum bezogen ist, oder ganz allgemein für jede unentgeltliche Überlassung von Gebrauch gelten soll 7 9 . Das Gesetz hat aber gerade den zuletzt genannten Vorgang ausdrücklich und eigens als Leihe geregelt und somit einem anderen, besonderen Schuldverhältnis zugewiesen (§ 598) 80 . Faßte man allgemein die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung als Schenkung 81 von Besitz 82 und Gebrauch 83 auf, so wäre jede Leihe eine 75

Glosse „Donatio videtur" u n d Glosse „ I n aedibus" jeweils zu D. 39, 5, 9 pr. Siehe oben D. I . 1 bei F N 13; D. I. 3. nach F N 101 - 106. 77 Siehe dazu oben D. I. 3. nach F N 107. 78 B G H W M 1970, 1247, 1248 li. Sp. sub I I . 79 Kennzeichnend dafür ist die Bemerkung von Erman / Seiler (Rdnr. 25 zu § 516) i m Hinblick auf B G H N J W 1970, 941 (Fall 1): „Die unentgeltliche Überlassung des Gebrauches einer Sache kann Schenkung sein." Ebenso Palandt / Putzo A. 2 vor § 598. Vgl. dieselbe H a l t u n g Miseras (Index 3, 405) für das römische Recht. 80 Kohler §§ 85, 106 V 5, S. 229, 282; von Gierke § 191 F N 3, S. 415; Siber, Schuldrecht, § 54 2 a, S. 250; JheringsJb 70, 253 F N 1; Titze §§ 42.3, 44.1, S. 162, 171; Hedemann § 33 I I a, S. 182; Esser § 67 I 2 a, S. 80 f.; Schmelzeisen Rdnr. 177; Medicus Rdnr. 373; Fikentscher § 73 I a. E., S. 429; Larenz § 471, S. 154; Fischer I Ebert A . 3 zu § 516; Fischer ! Henle I Titze ! David A. 3 zu § 516; A. 4 zu § 598; Staudinger ! Ostler Rdnrn. 4, 39 zu § 516; Soergel! Bailerstedt Rdnr. 2 vor § 516, Rdnr. 4 zu § 516; Klostermann 3; Schlie 22; Amberg 29; Zabel 27, 28; von Seeler 50; Schmid 18, 19; Heilborn 11; Hoeniger 163 ff.; Steinstraß 10; Richrath 29 f., 56; Grasegger 79; Liebisch 78 ff.; Bartholdy 11; Heimann 40 ff., 48; Sonnenbrodt 7, 14 ff., 22; Hübner 10, 13; Kroier 31; Beck 112 ff., 188; Herrmann 194, 195, 196; Haymann JheringsJb 56, 100; O. Schreiber JheringsJb 60, 156, 191. 81 So allerdings Staudinger ! Ostler Rdnr. 39 zu § 516; Staudinger ! Riedel Rdnr. 1 a. E. vor § 598. Soergel / Mezger (Rdnr. 10 zu § 598) w i l l bei längerer Dauer u n d Verwertungsmöglichkeit Schenkung annehmen. Ähnlich: Erman! Seiler Rdnr. 25 zu § 516; Gelhaar i n B G B - R G R K Rdnr. 5 vor § 598; Mezger i n B G B - R G R K Rdnr. 5 zu § 516; Larenz § 471, S. 154 F N 3; Köhler 62. Vgl. auch Meinig 167 f. 82 Henle u n d Kreß kritisieren zutreffend den Schenkungsgegenstand Besitz. Henle bemerkt dazu: „ . . . unentgeltliche Überlassung des Besitzes als solchen ist keine Schenkung, sondern ein schenkungsähnlicher nichttypischer Vertrag" (51). Kreß (BT, 57) formuliert: „Die Überlassung des Besitzes ist 76

I I I . Abgrenzung der Leihe von der Schenkung

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Schenkung 84 ; denn um eine Sache zu nutzen, d. h. „die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache gewährt" (§ 100) ziehen zu können, ist die unmittelbare Besitzübertragung 85 neben dem eingeräumten Gebrauchsrecht unabdingbare Voraussetzung. Aber auch dann, wenn man die „Schenkung" von Besitz und Gebrauch auf den Fall des kostenlosen Wohnens begrenzt, kommt es unweigerlich zu einer Typenvermengung zwischen Schenkung und Leihe 8 6 . Diese Gefahr hat Misera 87 für das römische Recht beim gratis habitare gesehen 88 und ihn zu Recht veranlaßt, nicht stets bei unentgeltlicher Überlassung von donatio zu sprechen. Dieselbe Haltung hat auch Pomponius zu der Ausdrucksweise habitare gratis donatio videtur (valet) 89 gebracht. I m geltenden Recht bewirkte die sich aus der Einschätzung des unentgeltlichen Wohnens als Schenkung ergebende „GrenzVerwirr u n g " 9 0 zwischen Leihe und Schenkung eine Änderung der Lehre, es nicht länger als Schenkung, sondern fortan als Leihe zu beurteilen 9 1 . I n der Tat führte die Anerkennung einer Schenkung von Besitz und Gebrauch dazu, die Leihe überflüssig und für das Besondere Schuldrecht entbehrlich zu machen. Die Regelungen zur Leihe liefen praktisch leer, obwohl das Gesetz durch die systematische Stellung dieses Instituts hinter den Veräußerungsverträgen (Kauf, Tausch, Schenkung) 92 » 93 nicht substantiell, der Besitz k a n n nicht verschenkt werden". Ä h n l i c h Sonnenbrodt (13): „Der Besitz einer Sache ohne Gebrauchsrecht wäre keine Leihe". Vgl. dazu auch Wogt 48. 83 K r i t i k an einem Schenkungsgegenstand Gebrauch üben: Henle (51), Sonnenbrodt (19), Herrmann (195). Beck (115) kritisiert den — v o m B G H zu weit gefaßten — Schenkungsgegenstand Nutzung: „Davon abgesehen w i l l die Gesamtregelung der Schenkung nicht so recht auf die ,Schenkung von Nutzungen' passen" (Beck 116). Anders Wogt (47), i h m zufolge „bilden die Nutzungen der Sache den Gegenstand der Zuwendung". 84 Stock 48; Sonnenbrodt 19; Beck 115. 85 Crome 587; Oertmann, Schuldrecht, 54; Titze § 44.1, S. 171; Esser § 75.2, S. 136; Planck / Gunkel A . 2 zu § 598; Achilles f Greiff / Glaser A n m . zu § 598; Rosenthal / Bohnenberg Rdnr. 1939; Ermanf Schopp Rdnr. 6 zu § 598; Sonnenbrodt 13. 86 Vgl. Stock 48; Sonnenbrodt 19. 87 Index 3, 405. 88 Vgl. auch Stock 48. 89 D. 39, 5, 9 pr. u n d 24,1,18. 90 Planck / Knoke A . 2 zu § 516. Vgl. auch Oertmann, 5. Auflage, A. 1 c zu §516. 91 Siehe dazu oben A . 1.1. F N 40. 92 F. Leonhard (114): „neben den Kauf, der die entgeltliche Veräußerung . . . regelt, t r i t t die Schenkung . . . m i t gleichem Inhalt, n u r unentgeltlich". Henle (74) bemerkt: „Leihe verhält sich zu Miete w i e Schenkung zu Kauf". Fikentscher (§ 73 I I I a. E., S. 430) spricht vom Schenkungsversprechen als einem praktischen „unentgeltlichen K a u f " . Schönle (NJW 1965, 2134) nennt „unentgeltliche Veräußerungsgeschäfte wie Schenkung, Ausstattung, Vermächtnis". Titze erblickt hingegen i n der Schenkung nicht ein „unentgeltliches Parallelinstitut zum Kaufvertrag" (§ 42.1, S. 159); ebenso Molitor § 5 I, S. 40.

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E. Unentgeltlicher Gebrauch einer Wohnung als Leihe

u n d als d e r M i e t e nachgeordnetes u n e n t g e l t l i c h e s „ G e g e n s t ü c k " 9 4 z u e r k e n n e n g i b t , daß es e i n aliud i s t 9 5 . Gerade d e r I I . E n t w u r f w a r i n f o l g e der K r i t i k a m I . E n t w u r f 9 6 Bährs F o r d e r u n g gefolgt, i n h a l t l i c h v e r w a n d t e S c h u l d v e r h ä l t n i s s e z u s a m m e n z u s t e l l e n 9 7 , u n d h a t t e dieses systematische V e r h ä l t n i s v o n S c h e n k u n g u n d L e i h e f e s t g e l e g t 9 8 ' 9 9 . L e i h e u n d S c h e n k u n g u n t e r s c h e i d e n sich also d u r c h i h r e n v e r t r a g s t y p i s c h e n I n h a l t . I s t die S c h e n k u n g auf u n e n t g e l t l i c h e V e r ä u ß e r u n g gerichtet, so s t e l l t die L e i h e e i n e n V e r t r a g a u f u n e n t g e l t l i c h e Gebrauchsüberlassung dar. Ü b e r l a s s u n g z u m G e b r a u c h u n d V e r ä u ß e r u n g s i n d d e m n a c h z w e i verschiedene D i n g e 1 0 0 . 93 Henle S. V I I ; Hedemann S. X V I I f . ; Boehmer 261; Esser S. V f . (13. K a pitel); Fikentscher S. X V I (9. Abschnitt), § 64 I V 2 a, S. 347; Larenz S. I X f. (1. Abschnitt 1. Kapitel); Herrmann 197 f. von Gierke (§ 190, S. 471) faßt diese Gruppe als auf „eine endgültige Vermögensverschiebung durch Hingabe zum Behalten" gerichtete Sachleistungsverträge zusammen. Heck (S. X I ) m i t der Bezeichnung: „Die Umsatzverträge". Molitor (S. V (2. Kapitel)) spricht von „Verträgen auf dauernde Sachüberlassung". 94 Endemann, BürgR, 1151; von Gierke § 190, S. 411; Heck, § 104.1 a, S. 322; Hedemann § 371, S. 210; Enneccerus / Lehmann § 140.4, S. 588; Fikentscher § 76.2, S. 453; Emmerich § 812, S. 56; Larenz § 50, S. 221; Fischer ! Ehert Α. 4 zu § 598; Warney er Α. I zu § 598; Fischer ! Henle ! Titze ! David A. 4 zu § 598; Staudinger / Riedel Rdnr. 1 vor § 598; Achilles / Greiff / Glaser A n m . zu § 598; Soergel / Mezger Rdnr. 8 vor § 598; Gelhaar i n B G B - R G R K Rdnr. 2 vor § 598; Palandt / Putzo A. 2 vor § 598; Sachse 1, 12; Schlie 20; Zabel 36; Noell 15; Steinstraß 6, 12; Heimann 10; Seiler 73 ff., 76, 131 f.; Kroier 52; B G H N J W 1967, 1085. Henle (74): „Leihe verhält sich zu Miete wie Schenkung zu K a u f " . Erman / Wagner (5. Auflage, Rdnr. 4 zu § 598) hat diese Bemerk u n g Henles übernommen. I n der 6. Auflage findet sie sich nicht mehr. Kieckebusch (HdR 3, 954) bezeichnet die Leihe als „unentgeltliche Miete". Abweichend Süß (ZAkDR 1942, 43): „Schenkung (ist) nicht n u r unentgeltliche Eigentumsverschaffung". 95 Beck 115. Vgl. auch Herrmann 195 ff.; Wolf § 12 A I c 5, S. 69. 98 A u f römisch-rechtlicher Grundlage teilt der I. E n t w u r f die Schuldverträge nach ihrer Entstehung i n vier Teile. Das Recht der Schuldverhältnisse gliederte sich i m I. E n t w u r f i n vier Abschnitte: 1. Schuldverhältnisse i m Allgemeinen, 2. Schuldverhältnisse aus Rechtsgeschäften unter Lebenden, 3. Schuldverhältnisse aus unerlaubten Handlungen u n d 4. Einzelne Schuldverhältnisse aus anderen Gründen. Die Schenkung findet sich i m 2. Abschnitt als 2. T i t e l nach Allgemeinen Vorschriften (1. Titel) u n d vor Darlehn (3. Titel), K a u f u n d Tausch (4. Titel), Miete u n d Pacht (5. Titel). Als 6. T i t e l folgt die Gebrauchsleihe. 97 Bahr 87 ff. Er räumt i m 3. Abschnitt (Einzelne Schuldverhältnisse) des 2. Buches der Schenkung den 1. T i t e l u n d läßt als nächste T i t e l nacheinander folgen: Darlehn (2. Titel), K a u f u n d Tausch (3. Titel), Miete u n d Pacht (4. Titel) u n d dann Gebrauchsleihe (5. Titel). 98 I m I I . E n t w u r f umfaßt das Recht der Schuldverhältnisse sieben A b schnitte. Der letzte, 7. Abschnitt, behandelt: Einzelne Schuldverhältnisse. 3. T i t e l dieses 7. Abschnitts ist die Schenkung. I h r gehen K a u f (1. Titel) und Tausch (2. Titel) voran, gefolgt von Miete. Pacht (4. Titel) u n d Leihe (5. Titel). I m I I I . Entwurf, der Reichstagsvorlage zur dritten Lesung, ist die Anordnung genau dieselbe w i e i m geltenden BGB. Dem 1. T i t e l : Kauf. Tausch folgt i m 2. T i t e l : Schenkung. Nach Miete. Pacht i m 3. T i t e l schließt sich i m 4. T i t e l Leihe an. 99 Dazu ausführlich Seiler 5, 10, 70, 72, 73 f., 75.

I I I . Abgrenzung der Leihe von der Schenkung

137

Die Differenz beider Vertragstypen kommt auch darin zum Ausdruck, daß die Vorschriften über die Leihe keinerlei Bezug auf Schenkungsbestimmungen nehmen, ja sogar inhaltlich übereinstimmende Normen i n beiden Vertragstypen besonders geregelt sind (§§ 521 - 599; 5231, 5241 - 600) 101 . Darüber hinausgehende eigenständige Regeln sollen offenbar nur für das Schuldverhältnis Geltung beanspruchen, dem sie zugeordnet sind 1 0 2 . Dies gilt insbesondere für die Form und den Widerruf der Schenkung (§§ 518 I, 530) 103 . Aufgrund der Entscheidungen i n den Fällen 1, 3 und 4, bei denen die Gerichte den Vorgang Gebrauchsüberlassung gegenständlich als Besitz und Nutzung erfaßten und ihn so für eine Schenkungszuwendung hielten, ist nicht nur die Grenze zwischen Leihe und Schenkung aufgehoben, sondern das gesamte, nach dem Vertragsinhalt geordnete „System" 1 0 4 der besonderen Schuldverhältnisse 105 erschüttert. Setzte man die für das moderne Recht zwar vom B G H 1 0 6 zum ersten Mal geäußerten, aber bereits von mittelalterlichen Juristen wie Accursius, Azo und Bartolus 107 angestellten Überlegungen fort, ließen sich die gesamten Vertragstypen des Schuldrechts auf zwei reduzieren; nämlich Kauf und Schenkung als Prototypen des Entgeltlichen und Unentgeltlichen 1 0 8 . 100

Vgl. Hoeniger

165; Hadding

i n StudK A. 3 (6) zu §§ 99 - 100; Herrmann

198. 101 Titze §§ 42.2, 44.1, S. 161, 171. Heck (§ 104.2, S. 323) hebt hervor, daß das privilegierte Kündigungsrecht des Verleihers an die §§ 528 ff. bei der Schenkung anklingt. Ä h n l i c h Hedemann (§ 37 I, S. 211) m i t dem Hinweis, daß auch das Rückforderungsrecht des Schenkers wegen Notbedarfs (§§ 519, 528) „eine gewisse Parallele" i m Kündigungsrecht des Verleihers bei unvorhergesehenem Eigenbedarf (§ 605 Nr. 1) findet. 102 Soergel / Ballerstedt Rdnr. 4 vor § 516; Oertmann, Entgeltliche Geschäfte, 65 m i t F N 41. Fikentscher (§ 73 I V 1 - 3, 5, 7, 8, 10 u n d 11, S. 430 ff.) behandelt die §§ 516 I I , 517, 519, 521, 523, 524, 528, 530 als „Besonderheiten des Schenkungsrechts" ebenso w i e (§ 76 I I 1 - 5, S. 454 f.) die §§ 599 - 602 u n d 604 als „Besonderheiten der Leihe". 103 Crome 503 F N 4; Kohler § 113 I, S. 292; Heck § 93.2, 4, S. 291; Titze § 44.1, S. 171; Koeppen 3; Klostermann 3; Liebisch 74 ff., 81; Sonnenbrodt 11. Für die Form: von Seeler 48; Herrmann 194, 200; Wolf § 12 A I c 5, S. 70. Mallinckrodt (18) weist zutreffend auf das Prinzip der Formfreiheit des B G B hin. Noell (32) n u r allgemein, nicht f ü r den F a l l unentgeltlichen Wohnens. 104 Heck (§ 80.2, S. 244) lehnt die Bezeichnung „System" ohne prinzipiellen Verbesserungsvorschlag ab u n d spricht von „Typenreihen". Dadurch k o m m t allerdings auch nicht zum Ausdruck, daß die einzelnen Schuldverhältnistypen nach inhaltlicher Verwandtschaft (Kauf — Tausch — Schenkung, Miete — Pacht — Leihe etc.) zusammengestellt sind. Seiler (103 F N 45) macht den zutreffenden Vorschlag, von „Typengruppenreihe" zu sprechen. 105 Dazu Seiler 73 ff., bes. 75 f., 80 ff., 100 f., 102, 131. loe N J W 1970, 941 = W M 1970, 638; W M 1970, 1247. 107 Siehe oben D. 1.1. bei F N 13; D. I. 3. nach F N 101 - 106. 108 Staudinger / Ostler Rdnr. 2 vor § 516; von Seeler 50; Lenel AcP 74, 230 bis 232. Stolte (110) spricht von „unversöhnlichen Gegensätzen". Oertmann (Entgeltliche Geschäfte, 1): „Jedes kausale Geschäft ist entweder entgeltlich

E. Unentgeltlicher Gebrauch einer Wohnung als Leihe A l l e a n d e r e n besonderen S c h u l d v e r h ä l t n i s s e l ö s t e n sich auf. M i e t e w ä r e K a u f eines G e b r a u c h s r e c h t s 1 0 9 , D i e n s t - u n d W e r k v e r t r a g K a u f der F o r d e r u n g a u f T ä t i g k e i t u n d E r f o l g . I n diesem R a h m e n f ü g t e sich e n t sprechend die L e i h e als S c h e n k u n g v o n Besitz u n d G e b r a u c h oder eines Gebrauchsrechts. V e r w a h r u n g w ä r e S c h e n k u n g v o n b l o ß e m Besitz, A u f t r a g Schenkung v o n Tätigkeit und/oder Erfolg 110. Daß sich eine A u s l e g u n g m i t solchen K o n s e q u e n z e n n i c h t m i t B G B v e r t r ä g t , l i e g t a u f der H a n d . 1. Der Zuwendungsbegriff

als

dem

Unterscheidungsmerkmal

N u n ist es z w a r r i c h t i g , daß d i e W o h n u n g s l e i h e m i t der S c h e n k u n g die G e m e i n s a m k e i t n o t w e n d i g e r U n e n t g e l t l i c h k e i t t e i l t 1 1 1 . D e n n o c h ist die Ü b e r l a s s u n g des Gebrauches als solchen i m g e l t e n d e n Recht ebensow e n i g S c h e n k u n g w i e i m r ö m i s c h e n Recht; auch k e i n e „besondere A r t der S c h e n k u n g " 1 1 2 oder g a r e i n „ V o l l z u g s m i t t e l der S c h e n k u n g " 1 1 3 ' 1 1 4 . I m Gegensatz z u d e r fast u n v e r ä n d e r t g e b l i e b e n e n S i t u a t i o n b e i der L e i h e h a b e n sich d i e a u f d i e S c h e n k u n g bezogenen R e g e l u n g e n des r ö m i s c h e n z u m g e l t e n d e n Recht s t a r k g e w a n d e l t 1 1 5 . A m w e i t r e i c h e n d oder unentgeltlich; Drittes gibt es nicht." (FN 1:) „ A u c h kein Mittleres!". A n ders Amberg (39 ff. m i t Schaubild 41 F N 1), der bei den unentgeltlichen Vertragstypen eine Unterscheidung durch das M i t t e l der Leistung nicht für möglich hält (40). 109 Besitz u n d Gebrauch (Nutzung) scheiden hier als Gegenstände aus, w e i l § 433 11 die Eigentumsverschaffung erfordert. Insofern ist die von Steinstraß (12) tatsächlich angestellte Betrachtung, daß Miete K a u f des Gebrauchs sei, unrichtig. Vgl. dagegen Flume , Leasing, 14. 110 Vgl. dazu Hoeniger 165. Abweichend Amberg 40, 41 F N 1. 111 Hedemann (§ 37 I, S. 210) spricht davon, daß die Unentgeltlichkeit die Leihe dicht an die Schenkung heranrückt. „Verleihen ist unentgeltliches (wenn m a n w i l l : schenkweises) Uberlassen des Gebrauchs." Titze (§ 44.1, S. 171) geht allerdings zu weit, w e n n er meint, daß die Leihe zufolge ihrer Unentgeltlichkeit die Begriffsmerkmale der Schenkung enthalte. Außerdem begibt er sich dadurch i n Widerspruch zu seiner Feststellung, daß die von der Schenkung handelnden Paragraphen da entfallen, wo für unentgeltliche Zuwendungen ein besonderer Vertragstyp geschaffen ist. Dazu rechnet er die Leihe (§ 42.3, S. 162). Dagegen zu Recht Schlie 22; Heimann 40 F N 1; Sonnenbrodt 22. 112 So aber Cosack § 20312, S. 572. 113 So aber Zimmerle 34. 114 Sonnenbrodt 22. 115 Die Schenkungsverbote unter Ehegatten u n d der lex Cincia kennt das geltende Recht nicht mehr. Z w a r ist heute noch jede sofort vollzogene Schenkung, bei der Kausal- u n d Übereignungsgeschäft simultan vorgenommen werden, ähnlich der donatio perfecta als Handgeschäft bestandsfest. Aber gemäß § 518 unterliegt jedes Schenkungsversprechen unabhängig von seiner Höhe u n d den daran beteiligten Personen (anders: modus legis Cinciae und personae exceptae) der notariellen Form. Diesen Schutz des Schenkers vor Übereilung kennt das klassische römische Recht offenbar nicht. I h n haben die damaligen Juristen nicht als wichtig erachtet oder gar wahrgenommen (Wacke 14 F N 45).

I I I 1. Zuwendungsbegriff als Unterscheidungsmerkmal

139

sten sind die strukturellen Unterschiede beider Hechtsordnungen i n bezug auf die Schenkung. Das BGB begreift die Schenkung nicht mehr als bloße causa donandi. Deren Funktion ist i m modernen Recht teilweise auf den Begriff Unentgeltlichkeit übergegangen 116 , teilweise von der Schenkung übernommen worden, die es heute als besondere Schuldvertragsart gibt. I n den §§ 516 ff. regelt sie das BGB als Typ eines besonderen Schuldverhältnisses ebenso wie die Leihe, nur vor dieser. Ausnahmsweise 117 stellten die Verfasser des BGB an den Anfang des entsprechenden Titels eine Definition der Schenkung 118 . Das BGB beschreibt sie einmal positiv § 5161: Eine Zuwendung, durch die jemand aus seinem Vermögen einen anderen bereichert, ist Schenkung, w e n n beide Teile darüber einig sind, daß die Zuwendung unentgeltlich erfolgt.

und dann „ i m Interesse des praktischen Verständnisses zur Klarstellung des gesetzlichen Schenkungsbegriffes" 119 negativ § 517: Eine Schenkung liegt nicht vor, w e n n jemand zum V o r t e i l eines anderen einen Vermögenserwerb unterläßt oder auf ein angefallenes, noch nicht endgültig erworbenes Recht verzichtet oder eine Erbschaft oder ein Vermächtnis ausschlägt.

Der Sinn für dieses Vorgehen liegt einerseits darin, Schwierigkeiten der auf dem römischen Recht fußenden gemeinrechtlichen Doktrin von vornherein auszuräumen und gar nicht erst i n die neue Kodifikation gelangen zu lassen 120 . Die donatio gegenüber der Unentgeltlichkeit allgemein zu individualisieren, um sie sowohl von den entgeltlichen Rechtsgeschäften als auch von den anderen unentgeltlichen Verträgen abgrenzen zu können, war damit zum einen beabsichtigt 121 . Zum anderen sollte dadurch der Streit über die Vertragsnatur der Schenkung zu ihren Gunsten entschieden werden 1 2 2 . Außerdem war bezweckt, den 116 Vgl. Lenel AcP 74, 230. Er verwendet causa donandi noch allgemein zur Bezeichnung von „Unentgeltlichkeit". Hedemann (§ 371, S. 210): „Verleihen ist unentgeltliches (wenn m a n w i l l : schenkweises) Überlassen des Gebrauchs". 117 Schlie 22; Wogt 7; Hübner 1; Meinig 29. 118 Mugdan 159 (Motive). Titze § 42.1, S. 159, 160; Esser § 67 11, S. 79; Horn 8,14, 73 u n d öfter; Burckhard, Begriff, 4 F N 2; Stolte 4 u n d öfter; H. Schreiber 13, 14; Froehlich 5; Simon 7; Klostermann 5, 6; Wogt 7, 8 u n d öfter; Alf er 7, 8; Noell 22; Kölle 13; Bartholdy 1, 2; Heimann 3, 40; Kroier 30. 119 Mugdan 161 (Motive). Vgl. auch Titze § 42.1, S. 159. Er spricht von einer Ergänzung der Legaldefinition durch § 517. 120 Vgl. H. Schreiber 13; Landgraf 12; Kölle 13; Hübner 1; Meinig 160, 161; Kroier 30; Beck 112 ff. Deutlichen Beweis dafür erbringen die drei Monographien Burckhards: Die Stellung der Schenkung i m Rechtssystem, 1891; Ueber Schenkungsannahme, 1892; Z u m Begriff der Schenkung, 1899. 121 Heck § 94.1, S. 294; Schlie 22; Hübner 1; Kroier 30. Henle (50): „auf Einschränkung der Fassung bedacht sein, u m nicht zuviel hineingeraten zu lassen". 122 Mugdan 159 (Motive). Dazu ausführlich Burckhard, Annahme, passim; H. Schreiber 11 m i t umfangreichen Nachweisen über den Meinungsstand i n F N 3; Charmatz 232; Oertmann, Der junge Rechtsgelehrte, 1937, 177 ff.

140

E. Unentgeltlicher Gebrauch einer Wohnung als Leihe

K r e i s m ö g l i c h e r Schenkungsgegenstände i m Gegensatz z u m G e m e i n e n Hecht z u beschränken u n d e i n z u g r e n z e n 1 2 3 . D a m i t w a r e n f ü r das g e l tende Recht v o n B e g i n n a n K o m p l i k a t i o n e n b e i m Schenkungsrecht v o r h e r s e h b a r 1 2 4 . Sie l a g e n w e n i g e r i n d e r A n w e n d u n g dieses Sonderrechts selbst als i n der A b g r e n z u n g d e r j e n i g e n Tatbestände, f ü r welche Schenk u n g s n o r m e n g e l t e n s o l l e n 1 2 5 . Dies b e w e i s t j e t z t die i n f o l g e der Rechtsprechung w i e d e r a k t u a l i s i e r t e K o n t r o v e r s e ü b e r die V e r t r a g s a r t des kostenlosen W o h n e n s . N a c h d e m W i l l e n des Gesetzgebers, der sich u n t e r a n d e r e m d u r c h d e n systematischen S t a n d o r t der S c h e n k u n g ausdrückt, w i e nach e i n h e l l i g e r A n s i c h t d e r L e h r e ist sie e i n V e r ä u ß e r u n g s g e s c h ä f t 1 2 6 . D e m z u f o l g e b i l det die S c h e n k u n g z w a r das u n e n t g e l t l i c h e Gegenstück z u m K a u f 1 2 7 , 123 Mugdan 736 f. (Protokolle). Stauding er / Ostler Rdnr. 1 vor § 516; Heck § 94.1, S. 294; H. Schreiber 14; Klostermann 6; Hübner 1, 10. Meinig (161) bezweifelt, daß dies gelungen ist. 124 Vgl. Landgraf 12; Hübner 1 f.; Meinig 161; Kroier 30. 125 Planck/Knoke A . 2 zu § 516 (S. 775 Mitte); Staudinger / Ostler Rdnr. 1 vor § 516; Rosenthal / Bohnenberg Rdnr. 1501; Heck §§ 92.5, 94.1, S. 290, 294; Henle 50; Esser § 6712, S. 80; Burckhard, Begriff, 4; Schlie 22; Hübner 1; Meinig 161; Kroier 30. 126 Henle S. V I I ; Hedemann S. X V I I f . ; Boehmer 261; Esser S. V f . (13. K a pitel); Fikentscher S. X V I (9. Abschnitt), § 6 4 I V 2 a, S. 347; Larenz S. I X f. (1. Abschnitt 1. Kapitel), von Gierke (§ 190. S. 471) rechnet sie zu der Gruppe der auf „eine endgültige Vermögensverschiebung durch Hingabe zum Behalten" gerichteten Sachleistungsverträge. Heck (S. X I ) ordnet sie zu „Die Umsatzverträge". Molitor (S. V (2. Kapitel)) subordiniert sie den „Verträgen auf dauernde Sachüberlassung". Näher dazu Esser § 601, S. 1; Fikentscher § 64 I V 2 a; Larenz § 47 I, S. 153; Wolf §§ 12 A I c 5, 13 Κ I I I a, S. 69, 135; Herrmann 197 f. Abweichend Titze § 42.1, S. 159. Er erblickt i n Fortführung überholter gemeinrechtlicher Tradition i n der Schenkung nicht einen einzelnen Kontrakttypus, sondern ein Gebilde, das sehr verschiedenartige Geschäftsfiguren i n sich begreift. „ I h r Korrelat k a n n deshalb nie ein bestimmter entgeltlicher Vertrag, sondern n u r der entgeltliche Vertrag schlechthin sein". Ä h n l i c h Süß ( Z A k D R 1942, 42), der es als alte Vorstellung bezeichnet, daß Schenkung i n der Verschaffung des Eigentumsrechtes bestehe, aber einräumt, daß dies der „häufigste, wichtigste u n d w o h l ursprüngliche Fall, aber m i t zunehmender Rechtsentwicklung längst nicht mehr der einzige" sei. Auch f ü r Boehmer (262) spielt die Schenkung eine „Sonderrolle". Obwohl Boehmer einerseits die Schenkung zu den Veräußerungsgeschäften zählt, durch die eine endgültige Überführung des Gutes i n das Vermögen des V e r tragspartners erfolgen soll (261), w i l l er dies andererseits n u r als Regel aufgefaßt wissen (262). Ausnahmsweise können auch Gebrauchs- u n d Nutzungsüberlassung u n d Arbeitsleistung Schenkung sein, „nämlich dann, w e n n der unentgeltlich Leistende durch die Gebrauchs- oder Nutzungsgewährung oder die Arbeitsleistung sein »Vermögen' verringert (§ 516). Das ist aber stets der Fall, w e n n er sonst normalerweise m i t solchen Leistungen Geld verdient hätte, auf das er durch die unentgeltliche Zuwendung verzichtet: auch entgangener Gewinn ist eine Vermögensminderung (§ 252)." (Vgl. dagegen i m einzelnen Burckhard, Stellung, passim; Herrmann 198 f.). Vgl. außerdem A r t . 601 der Verfassung von Rheinland-Pfalz: „Jedermann darf auf Grund der Gesetze Eigentum erwerben u n d darüber verfügen. Das Recht der V e r fügung schließt das Recht der Vererbung u n d der Schenkung ein." 127 Henle 50, 74; Erman / Wagner, 5. Auflage, Rdnr. 4 zu § 598. Fikentscher

I I I 1. Zuwendungsbegriff als Unterscheidungsmerkmal

141

aber sie w i r d i n § 516 nicht wie i n Parallele zu § 433 als Eigentumsverschaffung definiert, sondern es kommt bei ihr auf eine Zuwendung 1 2 8 an 1 2 9 . Zwar kann kein Zweifel bestehen, daß der zur Definition verwendete Begriff Zuwendung neben der „Primitivform der Schenkung", nämlich der Eigentumsübertragung einer Sache, auch die Veräußerung von Rechten, die i m Kaufrecht eigens geregelt sind (§§ 437 ff.), mitumfaßt 1 3 0 . Migsch 131 hat daher zutreffend den Schenkungsvertrag als Prototyp unentgeltlicher Vermögensübertragung bezeichnet. Dennoch sind die Schwierigkeiten, die Schenkung des modernen Rechts und ihren Sachumfang zu erfassen, durch das Tatbestandsmerkmal Zuwendung nicht geringer geworden 1 3 2 . Darin werden zum einen historische Reminiszenzen offenbar, welche sich aus der fast 2000jährigen Geschichte der Schenkung als bloße causa ergeben 133 . Zum anderen liegt dies daran, daß das Gesetz bei der Schenkung das Typische lediglich i n der objektiven Tatsache der Bereicherung des einen und der Vermögensminderung des anderen sowie i n dem subjektiven Moment des Einigseins über die Unentgeltlichkeit ausdrückt und sich diese Verfahrensweise von der Beschreibung der anderen Vertragstypen, die nach dem Leistungsinhalt eingeteilt werden, grundlegend unterscheidet 134 . Bereits Reatz 1* 5 hatte für den I. Entwurf zutreffend kritisiert, daß m i t Zuwendung das Rechtsgeschäft der Schenkung nicht bezeichnet werde. B a h r 1 3 6 bemerkte zur ungenauen Bestimmung des Schenkungsgegenstandes durch die I. Kommission recht drastisch: „Die Motive wollen diese Frage der Wissenschaft überlassen. Damit steckt man offenbar den Kopf i n den Busch." Außerdem hängen diese Komplikationen m i t dem Streit u m den richtigen systematischen Standort der Schenkung zusammen 137 und beruhen ganz ent(§ 73 I I I , S. 430) m i t der Bemerkung, daß es sich beim Schenkungsversprechen „praktisch u m einen unentgeltlichen Kauf, der zudem noch formgebunden ist", handelt. 128 Liebisch 56. Vgl. auch Reatz 198. Henle (50) hält die Zeichnung i m Gesetz für „sehr spröde". 129 Goldmann / Lilienthal 528 f.; Titze § 42.1, S. 159; Kreß, BT, 56 f.; Esser § 60 I, S. 1; Larenz § 47 I, S. 153 m i t F N 3; Migsch AcP 173, 46. 130 Titze § 42.1, S. 159; Esser § 601, S. 1; Larenz § 471, S. 153 m i t F N 3; Migsch AcP 173, 46. 131 AcP 173, 46. 132 Bahr 88 A n m . zu § 421; Henle 50, 51; Charmatz 232; Landgraf 12; Kölle 13; Hübner 1 f.; Meinig 160, 161; Beck 112 ff.; Kroier 30. 133 V g l > T i t z e §42.1, S. 159. 134

Charmatz 232. 198. 136 88 A n m . zu § 421. 137 v g l Burckhard, Stellung, passim; Oertmann, 1937, 177. 135

Der junge Rechtsgelehrte,

E. Unentgeltlicher Gebrauch einer Wohnung als Leihe scheidend d a r a u f , daß d i e Z u w e n d u n g als D e f i n i t i o n s b e s t a n d t e i l selbst k e i n e n festumrissenen I n h a l t h a t 1 3 8 . D a h e r bezeichnet H e n l e 1 3 9 die Z u w e n d u n g z u t r e f f e n d „ a l s eine W e n d u n g ohne E i g e n g e h a l t " u n d n e n n t d i e d a m i t erreichte Z e i c h n u n g des Gesetzes z u Recht „ s e h r s p r ö d e " 1 4 0 . D i e r i c h t i g e E i n s c h ä t z u n g e r k l ä r t sich aber aus d e r E n t s t e h u n g s g e schichte des § 516 selbst. D e r a l l e i n f ü r die S c h e n k u n g s d e f i n i t i o n v e r w e n d e t e B e g r i f f Z u w e n d u n g 1 4 1 s t e l l t sich b e i n ä h e r e r B e t r a c h t u n g als e i n d i l a t o r i s c h e r F o r m e l k o m p r o m i ß dar, der l e d i g l i c h die i n v i e l e r H i n s i c h t bestehende U n sicherheit d e r I . K o m m i s s i o n 1 4 2 v e r d e c k e n sollte u n d deswegen — w i e die S c h e n k u n g selbst — b e w u ß t m ö g l i c h s t a l l g e m e i n f o r m u l i e r t w a r 1 4 3 , u m k o n s e n s f ä h i g z u sein. A l s V o r l ä u f e r der h e u t i g e n §§ 516 bis 518 sah der I . E n t w u r f folgende f ü n f B e s t i m m u n g e n v o r ; w o b e i d e r I n h a l t der §§ 516, 518 j e w e i l s a u f zwei Paragraphen aufgeteilt ist144. I. Entwurf

(1888):

§ 437: Als Schenkung g i l t die an einen Anderen erfolgende Zuwendung, durch welche das Vermögen des Zuwendenden vermindert u n d der Andere bereichert w i r d , sofern sie i n der Absicht dieser Bereicherung geschieht u n d der Andere die Zuwendung als Geschenk annimmt. § 438: Hat jemand einen Anderen ohne dessen W i l l e n durch eine sein Vermögen vermindernde Zuwendung i n der Absicht, zu schenken, bereichert, so ist der Zuwendende so lange gebunden, bis der Andere die Schenkung ablehnt. Die Annahme der Schenkung w i r d vermuthet, wenn der Andere, nachdem er von der Bereicherung u n d der Schenkungsabsicht Kenntnis erlangt hat, nicht unverzüglich die Ablehnung erklärt. I m Falle der Ablehnung ist der Zuwendende die Herausgabe der Bereicherung nach Maßgabe der §§ 742 - 744 zu fordern berechtigt. § 439: Eine Bereicherung liegt nicht vor, w e n n f ü r ein Recht Sicherheit geleistet w i r d , selbst w e n n ein Anderer als der Verpflichtete die Sicherheit leistet. 138

Kroier 139 140 141

Stelle. 142

Reatz 198; Henle 51; Bartholdy 2; Charmatz 232; Meinig 158, 160; 7. 51. Henle 50. Die Vorschriften der Leihe enthalten das Wort Zuwendung an keiner

Dazu i m einzelnen Meinig 156 ff. Mugdan 159 (Motive): „Wenn noch mancher Zweifel übrig bleiben mag, welcher durch die Vorschrift des Entwurfes nicht unmittelbar gelöst w i r d , so erheischte der Versuch einer Lösung i m Gesetz eine kasuistische Behandlung, welche, statt Nutzen zu stiften, n u r schädlich w i r k e n würde". Siehe auch Charmatz 232; Meinig 158. 144 § 437 igt der Vorläufer der Schenkungsdefinition i n § 516 I. Der I n h a l t von § 516 I I w i r d i n § 438 geregelt. § 440 entspricht § 5181. § 441 ähnelt § 518 I I . 143

I I I 1. Zuwendungsbegriff als Unterscheidungsmerkmal

143

Eine Vermögensverminderung liegt nicht vor, w e n n auf ein angefallenes, jedoch nicht erworbenes Vermögensrecht verzichtet oder ein Vermögenserwerb unterlassen oder die für ein Recht bestehende pfandrechtliche oder andere Sicherheit aufgegeben w i r d . Als Verzicht auf ein angefallenes, jedoch noch nicht erworbenes Recht g i l t die Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses. § 440: Der Vertrag, durch welchen Jemand sich verpflichtet, einem Anderen etwas schenkungsweise zu leisten, ist n u r dann gültig, w e n n das Versprechen i n gerichtlicher oder notarieller F o r m erklärt ist. Dies g i l t auch i m Falle der Ertheilung eines die Angabe des Verpflichtungsgrundes nicht enthaltenen Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnisses. § 441: Die durch Veräußerung vollzogene Schenkung ist auch ohne Beobachtung einer besonderen F o r m gültig." A u s der Fassung d e r §§ 437 bis 441 e r g i b t sich i n diesem Z u s a m m e n h a n g e i n d e u t i g , daß Z u w e n d u n g , B e r e i c h e r u n g u n d V e r ä u ß e r u n g sprachlich g l e i c h w e r t i g v e r w e n d e t w e r d e n 1 4 5 . D e r s y n o n y m e G e b r a u c h v o n Z u w e n d u n g = V e r ä u ß e r u n g (§ 441) u n t e r s t ü t z t n i c h t n u r d i e A u f fassung, i n d e r S c h e n k u n g das u n e n t g e l t l i c h e P a r a l l e l i n s t i t u t z u m K a u f z u e r b l i c k e n 1 4 6 . V i e l m e h r e n t s p r i c h t dies auch der w e i t e r e n Tatsache, daß der sogenannte D r e s d n e r E n t w u r f v o n 1866 als G r u n d l a g e d e r I . K o m m i s s i o n s b e r a t u n g e n ü b e r das Schuldrecht d i e n t e 1 4 7 . I n i h m w a r d i e S c h e n k u n g i m 2. T e i l : „ V o n d e n S c h u l d v e r h ä l t n i s s e n i m Besonder e n " i n der 1. A b t e i l u n g : „ S c h u l d v e r h ä l t n i s s e aus V e r t r ä g e n , welche a u f eine V e r ä u ß e r u n g v o n Sachen oder Rechten g e r i c h t e t s i n d " nach K a u f u n d Tausch geregelt u n d f o l g e n d e r m a ß e n d e f i n i e r t : Entwurf eines allgemeinen (Dresdner Entwurf) (1866):

deutschen

Gesetzes

über

Schuldverhältnisse

A r t . 497: Wendet Jemand, ohne rechtlich hierzu verpflichtet zu sein, durch Verminderung seines Vermögens einem anderen m i t dessen Einverständnis und i n der Absicht, dessen Vermögen zu vermehren, einen Vermögensvorteil unentgeltlich zu, so ist diese Zuwendung eine Schenkung, ohne Unterschied, ob solche durch das Versprechen einer Leistung (Schenkungsvertrag) oder durch ein anderes Rechtsgeschäft, insbesondere durch Übertragung des Eigentums an einer Sache oder durch Überlassung oder Aufgebung eines anderen Vermögensrechtes b e w i r k t worden ist. Z w e i f e l s f r e i w i r d die S c h e n k u n g h i e r u n t e r V e r w e n d u n g des W o r t e s V e r m ö g e n s v o r t e i l , der später f ü r d i e Z u w e n d u n g s d e f i n i t i o n eine R o l l e spielt, i n h a l t l i c h als u n e n t g e l t l i c h e V e r ä u ß e r u n g v o n Gegenständen (Sachen u n d Rechten) b e g r i f f e n . D e r D r e s d n e r E n t w u r f seinerseits b e r u h t e i n der systematischen S t e l l u n g der S c h e n k u n g a u f d e m 1841 b i s 145

Meinig 157; vgl. auch Ortloff ArchBürgR 21, 292. Henle 74; Fikentscher § 7 3 I I I a . E . , S. 430; abweichend Titze S. 159; Molitor § 5 I, S. 46; F. Leonhard 114. 147 Wieacker, PGN, 463 f.; Schubert 30; Meinig 156. 146

§ 42.1,

E. Unentgeltlicher Gebrauch einer Wohnung als Leihe 1853 v e r ö f f e n t l i c h t e n „ E n t w u r f eines b ü r g e r l i c h e n Gesetzbuches f ü r das G r o ß h e r z o g t u m Hessen" u n d o r i e n t i e r t e sich i n d e r D e f i n i t i o n an der V o r l a g e des 1865 i n K r a f t g e t r e t e n e n Sächsischen B ü r g e r l i c h e n G e setzbuches 1 4 8 . Hessischer Entwurf

(1841 - 1853):

A r t . 94: Der Schenkungsvertrag ist ein Vertrag, wodurch jemand aus Freigebigkeit eine Sache oder ein Hecht an einen anderen unentgeltlich veräußert. Bürgerliches

Gesetzbuch für das Königreich

Sachsen (1863/1865):

§ 1049: Schenkung ist das Rechtsgeschäft, durch welches jemand ohne Gegenleistung u n d aus Freigebigkeit einem A n d e r n einen Vermögensgegenstand zuwendet. § 1050: Die Schenkung k a n n durch jede A r t der Vermögenszuwendung geschehen, auch durch Aufgebung eines Rechts zu Gunsten des Beschenkten, durch Befreiung des Beschenkten von Verbindlichkeiten gegen Dritte, durch Führung der Geschäfte des Beschenkten m i t der Absicht, Vergütung dafür oder Ersatz des dabei gehabten Aufwandes nicht zu verlangen, oder durch absichtliche Leistung einer Nichtschuld. B e i d e E n t w ü r f e s t a n d e n w i e d e r u m selbst i n historischer T r a d i t i o n . A l s ihre V o r b i l d e r sind die K o d i f i k a t i o n e n der Neuzeit zu betrachten, welche die S c h e n k u n g i h r e r s e i t s stets als e i n gegenständliches V e r ä u ß e rungsgeschäft geregelt h a b e n 1 4 9 . Codex Maximilianeus

Bavaricus

Civilis

oder Baierisches Landrecht (1756):

2. Theil, 3. K a p i t e l : Unterschiedliche A r t u n d Weise das Eigenthum zu erlangen (Modi acquirendi Dominium). § 7: Eine rechtmäßige Uebergabe oder Einräumung, wodurch das Eigent h u m von einem auf den anderen gebracht w i r d , erfordert Imo, daß der Uebergeber zur Auslieferung und der andere Theil zur Acceptation befugt sei . . . 2do ein Titulus D o m i n i i translativus, das ist eine solche Ursache, wodurch m a n das Eigenthum auf andere zu bringen pflegt, z. E. ein Tausch, Kauf, Darlehen, Schankung etc. vorhanden seyn. 3tio ist unter T i t u l u m onerosum vel l u c r a t i v u m dießfalls kein Unterschied, u n d w i r d unter dem letzteren eine solche unentgeltliche Handlung verstanden, welche m i t gar keiner Gegenverbindlichkeit oder sonstigen Beschwerden verknüpft ist. z. E. eine bloße Schankung unter Lebendigen oder von Todes wegen. 3. Theil, 8. K a p i t e l : V o n Schankungen sowohl unter Lebendigen als von Todes wegen. § 1: Handlungen, wodurch m a n aus bloßer Gnade u n d Freygebigkeit, ohne Entgeltung etwas von dem anderen erlangt, werden Schankungen genannt, und geschehen entweder per A c t u m inter Vivos oder Mortis causa . . . § 4: Schankungen unter Lebendigen werden nicht n u r i n reales et conventionales, sondern auch i n simplices et remuneratorias getheilt. Reales und conventionales distinguieren sich obverstandenermassen darin, daß jene mittels w i r k l i c h e r Uebergabe, u n d diese durch bloße Zusage geschehen. Sim148 149

Meinig 156. Dazu i m einzelnen Meinig 96 bis 102, bes. 97, 99, 101, 102 f.

I I I 1. Zuwendungsbegriff als Unterscheidungsmerkmal

145

plex et propria Donatio ist, welche aus bloßer Freygebigkeit h e r r ü h r t ; remuneratoria et impropria hingegen, welche sich auf ganz besondere V e r dienste gründet, m i t h i n nicht so v i e l f ü r eine Gnade u n d Freygebigkeit, als w o h l verdiente Belohnung anzusehen ist. Allgemeines

Landrecht

für die Preußischen Staaten (1794):

I. Theil, 11. T i t e l : V o n den T i t e l n zur Erwerbung des Eigenthums, welche sich i n Verträgen unter Lebendigen gründen. § 1037: Schenkungen sind Verträge, wodurch einer dem anderen das Eigent h u m einer Sache oder eines Rechts unentgeltlich zu überlassen sich v e r pflichtet. § 1038: Auch bey Schenkungen erlangt der Geschenknehmer das Eigenthum des Geschenks erst durch die Ubergabe. § 1039: Bloße Verzichtleistungen auf ein zwar angefallenes, aber noch nicht w i r k l i c h übernommenes, ingleichen auf ein zweifelhaftes Recht, sind nach den Regeln von Schenkungen nicht zu beurtheilen. Code Napoléon (1804): A r t . 893: On ne pourra disposer de ses biens à titre gratuit, que par donation entre-vifs ou par testament, dans les formes ci-après établies. A r t . 894: L a donation entre vifs est u n acte par lequel le donateur se dépouillé actuellement et irrévocablement de la chose donnée, en faveur d u donataire q u i l'accepte.

Der sogenannte Urentwurf zum A B G B 1 5 0 hatte Schenkung einmal i m w e i t e n S i n n e v o n causa donandi,

also als Ersatz f ü r

aufgefaßt und folglich Schenkung bezeichnet:

darunter

Entwurf (1796)

bürgerlichen

eines allgemeinen

Unentgeltlichkeit

alle unentgeltlichen Verträge Gesetzbuches (Urentwurf

zum

als

ABGB)

§ 49: Jeder Vertrag wodurch ein T h e i l blos aus Freigebigkeit des anderen etwas erwirbt, begreift schon eine A r t Schenkung i n sich. W e i l aber bald nur das Eigenthum einer Sache, bald n u r der zeitliche Gebrauch derselben, öfter auch w o h l n u r eine gewisse Dienstleistung unentgeltlich zugesichert wird, so werden die verschiedenen A r t e n von Freigebigkeit m i t verschiedenen Namen bezeichnet. § 50: E i n Vertrag wodurch eine Sache oder ein Recht unentgeltlich übertragen w i r d , heißt eine Schenkung i m engsten Verstände, ohne Unterschied, ob die Ubergabe sogleich oder später erfolge.

Die Schenkung i m engeren eigentlichen Sinne (§ 50) war i m Urentw u r f ganz klar als gegenständliche Veräußerung konzipiert. Sie allein fand dann Aufnahme ins A B G B 1 5 1 . Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch für die gesamten deutschen der Oesterreichischen Monarchie (1811):

Erbländer

§ 938: E i n Vertrag, wodurch jemand eine Sache unentgeldlich überlassen w i r d , heißt eine Schenkung. 150 151

Dazu i m einzelnen Charmatz Charmatz 184; Meinig 100.

10 Slapnicar

179 ff.

E. Unentgeltlicher Gebrauch einer Wohnung als Leihe § 939: Wer auf ein gehofftes, oder w i r k l i c h angefallenes oder zweifelhaftes Recht Verzicht thut, ohne es einem anderen ordentlich abzutreten, oder dasselbe dem Verpflichteten m i t dessen E i n w i l l i g u n g zu erlassen, ist f ü r keinen Geschenkgeber anzusehen.

Die Leihe hatte i n all diesen genannten Gesetzen und Gesetzentwürfen stets ihren eigenen Platz und war als unentgeltlicher Vertragstyp auf Gebrauchsüberlassung immer besonders geregelt. Weder w i r d davon das Eigentum der Leihsache berührt 1 5 2 , noch ist i n den historischen Vorläufern der Leihe irgendwo von Zuwendung die Rede. Die Filiation stellt sich demnach folgendermaßen dar. Codex Maximilianeus

Bavaricus

Civilis

oder Baierisches Landrecht (1756):

4. Theil, 2. K a p i t e l : V o n benannten u n d solchen Conventionen, welche m i t tels wirklicher Ubergabe der Sache geschehen (Contractibus nominalis et realibus). § 5: Wenn die Sache nicht e i g e n t ü m l i c h , sondern n u r zu einem gewissen u n d bestimmten Gebrauche, auch umsonst u n d m i t dem Bedinge übergeben w i r d , daß man die nämliche Sache nach vollendetem Gebrauch wiederum restituiere, so heißt es geliehen (Commodatum), u n d w i r d derjenige, welcher sie verleiht Commodans, der andere hingegen, der sie empfängt, Commodatarius g e n a n n t . . . Allgemeines

Landrecht

für die Preußischen Staaten (1794):

I. Theil, 21. T i t e l : V o n dem Rechte zum Gebrauche oder Nutzung fremden Eigenthums. § 229: W i r d eine Sache jemanden bloß zum Gebrauche, unter der Bedingung, daß eben dieselbe Sache zurückgegeben werde, unentgeltlich einger ä u m t : so ist ein Leihvertrag vorhanden. § 230: Es gehört zum Wesen dieses Vertrages, daß die Zeit der Rückgabe entweder i n sich selbst oder durch die A r t , oder den Zweck des eingeräumten Gebrauchs, bestimmt sey. Code Napoléon (1804): A r t . 1875: Le prêt à usage ou commodat est u n contrat par lequel l'une des parties l i v r e une chose à l'autre pour s'en servir, à la charge par le preneur de la rendre après s'en être servi. A r t . 1876: Ce prêt est essentiellement gratuit. A r t . 1877: Le prêteur demeure propriétaire de la chose prêtée. Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch für die gesamten deutschen der Oesterreichischen Monarchie (1811):

Erbländer

§ 971: Wenn jemanden eine unverbrauchbare Sache bloß zum unentgeltlichen Gebrauche auf bestimmte Zeit übergeben w i r d , so entsteht ein L e i h vertrag. Der Vertrag, wodurch man jemanden eine Sache zu leihen v e r spricht, ohne sie zu übergeben, ist zwar verbindlich, aber noch k e i n L e i h vertrag. 152 Nach B G H N J W 1974, 1086 bedeuten die Worte „zu gestatten" i n der Vorschrift des § 598, daß das fortdauernde Eigentum des Verleihers vorausgesetzt w i r d .

I I I X. Zuwendungsbegriff als Unterscheidungsmerkmal Bürgerliches

Gesetzbuch für das Königreich

147

Sachsen (1863/1865):

§ 1173: Die Gebrauchsleihe, Commodat, besteht i n der unentgeltlichen Ueberlassung einer beweglichen oder unbeweglichen Sache zum Gebrauch unter Verpflichtung des Entleihers, dieselbe k ü n f t i g zurückzugeben. Dresdner Entwurf (1866): A r t . 598: Durch den Gebrauchsleihvertrag w i r d der Verleiher dem E n t leiher zur Ueberlassung einer beweglichen oder unbeweglichen Sache zum unentgeltlichen Gebrauche, der Entleiher dagegen dem Verleiher verpflichtet, die nämliche Sache, welche er von letzterem zum Gebrauche erhalten hat, k ü n f t i g zurückzugeben. I. Entwurf (1888): § 549: Wer eine Sache von einem Anderen zum unentgeltlichen Gebrauche empfangen hat (Entleiher), ist verpflichtet, die Sache n u r vertragsmäßig zu gebrauchen u n d dem Anderen (Verleiher) dieselbe Sache zu der vertragsmäßigen Zeit zurückzugeben. Der Verleiher ist verpflichtet, bis dahin dem Entleiher den vertragsmäßigen Gebrauch der Sache zu belassen. II. Entwurf

(1894 - 95) =

BGB:

§ 538 = § 598: Durch den Leihvertrag w i r d der Verleiher einer Sache v e r pflichtet, dem Entleiher den Gebrauch derselben unentgeltlich zu gestatten. D i e u n e n t g e l t l i c h e Gebrauchsüberlassung ist also stets als L e i h e get r e n n t v o n der u n e n t g e l t l i c h e n Gegenstandsverschaffung, der Schenk u n g , b e h a n d e l t w o r d e n . E i n e b e m e r k e n s w e r t e P o s i t i o n bezieht i n diesem Z u s a m m e n h a n g der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich rischer Entwurf) (1861 - 1864):

Bayern

( Baye -

A r t . 640: Der Leihvertrag w i r d abgeschlossen durch unentgeltliche Ueberlassung einer Sache zum Gebrauche ohne Uebertragung des Eigenthums gegen die Verpflichtung des Empfängers zur künftigen Rückgabe der empfangenen Sache. A r t . 91: Schenkung ist jedes Rechtsgeschäft außer dem letzten W i l l e n u n d dem Erbvertrage, wodurch Jemand ohne rechtliche Verpflichtung aus seinem Vermögen einen Anderen i n freigebiger Absicht eine Bereicherung unentgeltlich zuwendet. A r t . 92: (I) Schenkungen können durch Uebertragung oder Aufgeben eines Vermögensrechts, durch Uebernahme einer Verbindlichkeit oder durch Befreiung von einer solchen b e w i r k t werden. (II) Die unentgeltliche Leihe von Sachen, Dienstleistung oder Geschäftsbesorgung ist als Schenkung zu beurtheilen, soweit hierbei die übliche Vergütung erlassen w i r d (III). Der V e r zicht auf ein noch nicht erworbenes, w e n n auch bereits angefallenes Vermögensrecht zu Gunsten eines Anderen ist keine Schenkung. Z w a r trennt der Bayrische E n t w u r f Leihe u n d Schenkung w i e erw a r t e t als u n e n t g e l t l i c h e Sachgebrauchsüberlassung ( A r t . 640) u n d u n e n t g e l t l i c h e Gegenstandsverschaffung ( A r t t . 91, 92 I). A b e r nach A r t . 92 I I ist i n der L e i h e g e n e r e l l d a n n eine S c h e n k u n g z u sehen, w e n n f ü r d e n Sachgebrauch „ d i e ü b l i c h e V e r g ü t u n g erlassen w i r d " . D i e V e r f a s ser h a b e n g e m e i n t , m i t dieser B e s t i m m u n g eine „ G r e n z l i n i e " festzu10*

E. Unentgeltlicher Gebrauch einer Wohnung als Leihe

setzen, „innerhalb welcher die unentgeltliche Leistung von Diensten oder die Besorgung fremder Angelegenheiten den Charakter einer Schenkung annimmt" 1 5 3 . Eine erstaunliche Parallele, die an die §§ 612 I, 632 I, 689 des BGB erinnert, aber i m Verhältnis Miete — Leihe fehlt. Erschien die Schenkung nach dem Wortlaut des § 437 i m I. Entwurf zwar als kausales Verfügungsgeschäft, so berücksichtigte aber der II. Entwurf den Willen der I. Kommission 1 5 4 , sie nur als Zweckvereinbarung über eine Verfügung anzusehen und konzipierte die Schenkung demzufolge i m II. Entwurf als bloßes Kausalgeschäft 155 . Die von der II. Kommission geschaffene Begriffsbestimmung der Schenkung fand fast unverändert Eingang ins BGB. II. Entwurf

(1894 - 95):

§ 463: Eine Zuwendung, durch die Jemand aus seinem Vermögen einen Anderen bereichert, ist Schenkung, w e n n beide Theile darüber einig sind, daß die Zuwendung unentgeltlich erfolgt. Ist die Zuwendung ohne den W i l len desjenigen erfolgt, welcher beschenkt werden soll, so gilt die Schenkung als von i h m angenommen, w e n n er sie nicht innerhalb einer i h m von dem Zuwendenden zur E r k l ä r u n g über die Annahme bestimmten angemessenen Frist ablehnt. I m Falle der Ablehnung ist er zur Erstattung des i h m Zugewendeten nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. § 464: Eine Schenkung liegt nicht vor, w e n n Jemand zum V o r t e i l eines Anderen einen Vermögenserwerb unterläßt oder auf ein angefallenes, noch nicht erworbenes Recht verzichtet oder eine Erbschaft oder ein Vermächtnis ausschlägt.

Auch hier w i r d — wie i m I. Entwurf — die zunächst positiv gefaßte Definition des Schenkungsbegriffs von negativen Bestimmungen i n § 464 begleitet. I m Gegensatz zum I. Entwurf entfällt nun die Bereicherungsabsicht 156 , der alte, jedoch selbst i n nachklassischer Zeit nicht als konstitutives Merkmal der donatio, sondern als bloße Bekräftigung der Wohltätigkeit aufgefaßte und von christlicher Caritas beeinflußte animus donandi 157. Außerdem t r i t t die i m Hinblick auf die „animo donandi erfolgende Zuwendung" von der I. Kommission für „entbehrl i c h " 1 5 8 gehaltene Unentgeltlichkeit — wie i n den historischen Vorbildern — hinzu. I n Übereinstimmung m i t den I. Entwurf knüpft auch

153 Bayerischer E n t w u r f 344 (Motive). Mugdan 159 f. (Motive). 155 Dazu näher Meinig 158 f. 156 Als Begründung wies die I I . Kommission zutreffend darauf hin, daß auch eine i n egoistischer Absicht gemachte Zuwendung begrifflich die V o r aussetzungen einer Schenkung erfülle (Mugdan 737). Nach Jung (9) sind auch Danaergeschenke richtige Geschenke. 157 Meinig 44 m i t F N 127. 158 Mugdan 159. 154

I I I 1. Zuwendungsbegriff als Unterscheidungsmerkmal

149

d e r I I . E n t w u r f — genauso w i e § 516 I — f ü r die zwischen Schenker u n d Beschenkten erforderliche Be- u n d Entreicherung an die

Zuwendung

an159. M i t dieser F o r m e l w a r e n die a n g e d e u t e t e n K o m p l i k a t i o n e n aber gerade n i c h t a u s g e r ä u m t w o r d e n , s o n d e r n n u r w e i t e r hinausgeschoben. B e m e r k t e schon die I . K o m m i s s i o n dazu: „ D i e a u f t a u c h e n d e n Z w e i f e l z u entscheiden, m u ß d e r Wissenschaft überlassen w e r d e n " 1 6 0 . Dagegen erhob sich t e i l w e i s e h e f t i g e K r i t i k . B a h r 1 6 1 m e i n t e z u r E n t s c h e i d u n g s v e r l a g e r u n g ü b e r d e n S c h e n k u n g s u m f a n g a u f die Wissenschaft: „ D a m i t steckt m a n aber o f f e n b a r d e n K o p f i n d e n Busch." A u c h d i e D a r l e g u n gen d e r I I . K o m m i s s i o n z u m B e g r i f f der Z u w e n d u n g f ü h r e n n i c h t w e i ter, o b w o h l die u n e n t g e l t l i c h e Gegenstandsverschaffung — w e n n auch m i t a n d e r e n A u s d r ü c k e n — d a r i n d e u t l i c h beschrieben w i r d . „ F ü r die Entscheidung der Kom. waren folgende Erwägungen maßgebend: Das Wesen der Schenkung erfordere zwei Bestandtheile, einen objektiven, das dingliche Uebertragungsgeschäft, dessen I n h a l t sich nach dem Gegenstande der Uebertragung bestimmt, u n d einen subjektiven, das Einverständnis der Parteien, daß die durch den dinglichen Uebertragungsakt erzeugte Vermögensverschiebung unentgeltlich zum Zwecke der Bereicherung, also schenkweise erfolgen soll, Die A r t u n d Weise, i n welcher das objektive Moment zur Erscheinung gebracht werde, könne so verschieden sein, w i e die Geschäfte, durch welche dem einen Vermögen aus dem anderen etwas zugeführt werde. Die Hauptgeschäfte, welche die Vermögensüberführung, ζ. B. eine Eigenthumsübertragung bewirken, erforderten allerdings ebenfalls einen Vertrag: aber nicht dieser Vertrag, sondern der Vertrag über die causa sei Schenkung 1 6 2 ." D e r d u r c h die i h r e r s e i t s k a u m i n h a l t l i c h u m r i s s e n e Z u w e n d u n g h e r v o r g e r u f e n e n Z w e i f e l h a t sich die Wissenschaft dennoch gleich angen o m m e n . U m d e m Z u w e n d u n g s b e g r i f f K o n t u r e n z u v e r l e i h e n , h a t es seit Z u s t a n d e k o m m e n des B G B b i s i n die späten z w a n z i g e r J a h r e h i n e i n D i s k u s s i o n e n g e g e b e n 1 6 3 . N a c h d e m V o r a n g a n g von Tuhrs 164 u n d der 159

Näher zu den Unterschieden zwischen I. u n d I I . E n t w u r f Meinig 159 ff. Mugdan 159 (Motive). 161 88 A n m . zu § 421. 162 Mugdan 738 (Protokolle). 163 A m weitestgehendsten erfaßt Liebisch (19) den Zuwendungsbegriff. Er versteht darunter „alle erlaubten Handlungen, durch die jemand einem anderen einen V o r t e i l verschafft". I h m folgt später Jung (9 f.). von Tuhr (§ 711, S. 49) grenzt die Zuwendung einerseits auf die durch Rechtsgeschäfte zustandegekommene Vorteilsverschaffung ein, w i l l die rechtsgeschäftliche V o r nahme aber andererseits als bloßes, w e n n auch wichtigstes Regelbeispiel verstanden wissen ( § 7 1 F N 2 S. 49). Genauso w i e von Tuhr rechnet Flume die Zuwendung zu den Vermögensverschiebungen bewirkenden, also vermögensrechtlichen Rechtsgeschäften (Rechtsgeschäft, § 11.2 S. 135; von Tuhr § 71 I, S. 49). Flume (a.a.O.) schränkt jedoch die Zuwendung auf „jedwede Bereicherung des Vermögens einer anderen Person" ein. F ü r Cosack / Mitteis (§ 75.11, S. 153) zielen Zuwendungen darauf ab, durch Rechtsgeschäft „auf Kosten des Vermögens einer Partei das Vermögen einer anderen zu v e r 160

E. Unentgeltlicher Gebrauch einer Wohnung als Leihe

gründlichen Klärung durch Liebisch 165 hat es sich „eingebürgert", Zuwendung nicht als Handlung, sondern als den durch sie bewirkten Zustand zu begreifen, der dem Empfänger einen Vorteil verschafft 166 . Die Schwierigkeiten, das kostenlose Wohnen juristisch zu erfassen und damit Leihe, die ja nicht als Zuwendung, sondern als Überlassung des Sachgebrauchs umschrieben ist, von der Schenkung abzugrenzen, ergeben sich zu einem beachtlichen Teil daraus, daß versucht wurde, einen solchen Zuwendungsbegriff zu finden, der für alle Bestimmungen des BGB zutrifft, in denen er verwendet ist 1 6 7 . Bis auf eine Ausnahme, nämlich § 330 Satz 2, beziehen sich alle gesetzlichen Bestimmungen, i n denen von Zuwendung die Rede ist, auf die gegenständliche Verschaffung von Vermögensvorteilen 168 . Für die Schenkung (§§ 516 ff.) ergibt sich dies aus den bisherigen Darlegungen, insbesondere aus der bei Entstehung dieser Vorschriften gleichwertigen Verwendung von Veräußerung und Bereicherung für Schenkungszuwendung. Auch für die Herausgabe der Bereicherung nach § 822 t r i f f t diese Auffassung zu 1 6 9 , ebenso wie für die §§ 1638, 1639, 1803, 1909, i n denen es um Fälle der Vermögensverwaltung geht 1 7 0 . Für die Vielzahl erbrechtlicher Vorschriften, die das Wort Zuwendung gebraucht 171 , ist selbstverständlich, Zuwendung als Gegenstandsverschaffung zu begreifen; denn das Erbrecht nimmt schlechthin nur die vermögensrechtliche bessern". F ü r Ortloff (ArchBürgR 21, 292) ist Zuwendung nichts anderes als Veräußerung. A u f das von Harmsen (17, 18) hervorgehobene subjektive Element, nämlich die Absicht, einem anderen einen V o r t e i l zu verschaffen, k o m m t es jedoch nicht an. Wie sich am folgenden Beispiel zeigen läßt, sind auch unbeabsichtigte und ungewollte Zuwendungen denkbar (Warneyer ! Bohnenberg Α. I zu § 516, Liebisch 16 f.; Niecke 12; Jung 8 f.; Kroier 8 f.; Beuthien JZ 1968, 323 F N 2). Wenn jemand auf die i h m zustehende Hypothek verzichtet, ohne zu wissen, daß dann eine Eigentümerhypothek nach § 1168 entsteht, oder eine Erbschaft ausschlägt, ohne zu wissen, daß sie damit dem nächstberufenen Erben zufällt, dann b e w i r k t er m i t dieser Vorteilsverschaffung Vermögensverschiebungen, die als Zuwendungen anerkannt sind (von Tuhr § 71 b 4, S. 54; Liebisch 16 f.; Jung 9; Kroier 8). 164 § 71 I, S. 49 ff. 165 6 bis 19. 166 Henle 51; Enneccerus I Nipperdey § 147 I I I , S. 913; Flume , Rechtsgeschäft, § 11.2, S. 135; Larenz, A T , § 18 I I I , S. 275; Brox, A T , Rdnrn. 109 f.; Wolf §§ 12 A I c 5, 13 Κ l i l a , S. 69, 135; Staudinger / Ostler Rdnr. 2 - 9 zu § 516; Erman! Seiler Rdnr. 2 zu § 516; Lüderitz i n S t u d K A. 2 zu § 516; Palandt ! Putzo A. 2 zu § 516; Niecke 12; Jung 9/10 m i t F N 32; Harder 16; Kroier 8; Beuthien JZ 1968, 323 F N 2. 167 Siehe dazu Gradenwitz 182; Wörterverzeichnis B G B 1976, 841 f. 168 Liebisch 14 f. 169 Liebisch 15. ito

171

F

N

1 6 9 >

§§ 2050-2056, 2065, 2066, 2070, 2074-2076, 2195, 2196, 2270, 2271, 2304, 2315, 2316, 2331, 2352.

I I I 1. Zuwendungsbegriff als Unterscheidungsmerkmal

151

Regelung des Erbfalles vor 1 7 2 , wie unter anderem der Ausdruck letztwillige Zuwendung beweist. Dies findet insbesondere seinen sinnfälligen Ausdruck i n den Ausgleichungs- und Zurechnungsvorschriften (§§ 2050 - 2056, 2315, 2331) und gilt genauso für die Normen des Familienrechts, §§ 1375, 1380 173 . Aber gerade die Ausnahme des § 330 Satz 2 hat Liebisch 174 dazu bewogen, Zuwendung nicht nur als Verschaffung von gegenständlichen Vermögensvorteilen, sondern noch allgemeiner als Verschaffen eines bloßen Vorteils aufzufassen. Dem Gedanken, diese Regelung i m Verhältnis Prinzip zu Ausnahme zu sehen, ist er nicht näher getreten, obwohl er sich angesichts der Vielzahl von Vorschriften, die Zuwendung technisch als Gegenstands Verschaffung ebenso wie i n § 516 I verwenden, fast aufdrängt. Zwar ist aufgrund dieser zu weit gefaßten dogmatischen Beschreibung der Zuwendung nicht verloren gegangen, daß die Schenkung die Verschaffung von Vermögensvorteilen erfordert; denn es war klar, daß eine be- und gleichzeitig entreichernde Schenkungszuwendung nur durch Veräußerung des Gegenstandes selbst erfolgen kann 1 7 5 . Aber infolge der Gleichsetzung von Zuwendung m i t Verschaffung von (Vermögens-)Vorteilen wurde der feststehende typische Leistungsgegenstand der Schenkung gefährlich relativiert. Daß Zuwendung i m Zusammenhang m i t der Schenkung und den meisten anderen Bestimmungen des BGB nichts anderes als die Veräußerung von Sachen und Rechten (Gegenständen) 176 bedeutet 1 7 7 und ihre Wurzel in der datio des römischen Rechts liegt 1 7 8 , geriet dabei in den Hintergrund. Dieser Umstand und die Tatsache, daß Zuwendung i m Hinblick auf die untechnische Verwendung in § 330 Satz 2 zu breit als bloße Vorteilsverschaffung gefaßt ist, führte zu dem Mißverständnis, selbst die Leihe, da sie dem Entleiher infolge der Gebrauchsmöglichkeit auch Vorteile verschafft, genauso wie die Schenkung als unentgeltliche Zuwendung 1 7 9 zu begreifen 1 8 0 und dies, obwohl die §§ 598 - 606 an keiner Stelle das Wort Zuwendung gebrauchen. 172

F N 169. F N 169. 174 15 f. 175 Goldmann / Lilienthal 529; F. Leonhard 114; Wolf § 12 A I c 5, S. 69; Esserl Weyers § 1212 a, S. 129; Beck 116; Herrmann 197 f.; Ortloff ArchBürgR 21, 292; Soergel / Mühl, 11. Auflage, Rdnr. 7 zu § 518. 176 Staudinger / Coing Rdnr. 2 - 3 d vor § 90; Soergel / Baur Rdnr. 2 zu § 90; Erman/H. Westermann Rdnr. 1 zu § 90; Kregel i n B G B - R G R K Rdnr. 7 zu § 90; Liebisch 56 f. 177 F N 175. 178 Harder 56. 179 Z u Recht ist darauf hingewiesen worden, daß Schenkung, w i e sich vor 173

E. Unentgeltlicher Gebrauch einer Wohnung als Leihe

Damit werden nicht nur die festgestellten, auf den Leistungsinhalt bezogenen Unterschiede zwischen unentgeltlicher Veräußerung (Schenkung) und unentgeltlichen Gebrauch (Leihe) eingeebnet. Darüber hinaus w i r d durch eine solche Betrachtung der Zuwendungsbegriff selbst unbrauchbar; denn u m die Zuwendung nun noch als Unterscheidungsmerkmal zwischen Schenkung und Leihe einsetzen zu können, bedurfte der Begriff der Zuwendung selber einer Differenzierung. Folglich unterscheidet Liebisch 181 einen allgemeinen (zu) weiten Zuwendungsbegriff, dem Schenkung und Leihe deswegen unterfallen, weil jene infolge der Verschaffung des Gegenstandes (res), diese infolge der Gebrauchsmöglichkeit (usus rei) dem Empfänger Vermögensvorteile bieten. Daneben soll es einen engeren Begriff der Zuwendung geben, welcher lediglich die Schenkung betrifft, sich inhaltlich auf das Gebiet des Vermögensrechts beschränkt und die Verschaffung von Sachen oder Rechten erfaßt 1 8 2 . Unrichtig wäre es, bei der Leihe i n der bloßen Übergabe der Sache die Zuwendung zu sehen 183 . Obwohl dieser Gedanke naheliegt, begegnen ihm zweierlei Bedenken. Zum einen stellt die Übergabe der Sache nur das M i t t e l zum Zweck, nämlich der Ermöglichung des Sachgebrauchs dar; denn nicht zur bloßen Besitzverschaffung, vielmehr zur Gebrauchsgestattung ist der Verleiher nach dem Leihvertrage verpflichtet (§ 598) 184 . Da zum anderen Übergabe und Überlassung einer Sache ohne Gebrauchserlaubnis keine Leihe, sondern Verwahrung ist 1 8 5 , bedeutet die Besitzverschaffung für den Entleiher nicht den durch sie erlangten Vorteil 1 8 6 . Vielmehr liegt die Zuwendung bei der Leihe allein i n der für den Empfänger durch das verschaffte Gebrauchsrecht eröffneten Gebrauchsmöglichkeit 187 . I h m steht aufgrund der Leihe die schuldrechtliche Befugnis zu, auf Zeit Gebrauch von der Sache i m Rahmen des Vertrages zu machen 188 . Ob er die Sache dann überhaupt gebraucht und den ihm zustehenden Vorteil (Gebrauchsrecht) aktualisiert 1 8 9 , kann die Zuwendung nicht mehr i n Frage stellen 1 9 0 . allem aus § 2113 I I ergibt, ein engerer Begriff als die „unentgeltliche Zuwendung" ist (Staudinger / Ostler Rdnr. 10 zu § 516; von Lübtow JR 1957, 343).1 180 Henle 51; Titze § 42.3, S. 162; Liebisch 68; Kroier 9; Kieckebusch, H d R 5, 282. 181 56 f., 68 f. 182 Liebisch 56 f. 183 Henle 51; Liebisch 68; Sonnenbrodt 19. 184 Liebisch 68, 69. 185 Vgl. Henle 51. 186 Liebisch 68, 69, 71. 187 Liebisch 69, 71. 188 Liebisch 69. Vgl. auch Oertmann, 5. Auflage, A. 3 zu § 516. 189 Davon w i l l Schlie (24) aber — zu Unrecht — die Frage der Bereicherung abhängig machen. 190 Sachse 28.

I I I 2. Versuche, Leihe als Schenkung zu konstruieren

153

Wie sich dann aber das ebenso vermögensrechtlich bedeutsame Gebrauchsrecht des Entleihers von dem engeren Begriff der Schenkungszuwendung ausnehmen lassen sollte, bleibt unbeantwortet. Die Wissenschaft ist der ihr von der I. Kommission überlassenen Aufgabe, sich aus der Schenkungsdefinition ergebende Zweifel auszuräumen 1 9 1 , nur mangelhaft nachgekommen. Was insbesondere die inhaltliche Erfassung des Begriffs Zuwendung anlangt, ist sie über den Ausgangspunkt der II. Kommission 1 9 2 kaum einen Schritt hinausgelangt. Die durch die zu weite Fassung der Zuwendung angerichtete V e r w i r rung ist größer als ihr Nutzen. Die Darlegungen zum Zuwendungsbegriff lassen den Schluß zu, daß die Leihe nicht als Zuwendung auf unentgeltlicher Grundlage aufgefaßt werden kann; denn Zuwendung ist ein Synonym für Veräußerung. Zum einen verwenden die Vorschriften über die Leihe nirgends das Wort Zuwendung. Zum anderen w i r d bei der Leihe deshalb nichts zugewendet, weil sie eben kein Veräußerungs-, sondern ein Gebrauchsüberlassungsgeschäft ist. Deswegen ist der Zuwendungsbegriff für die sich am Fall unentgeltlichen Gebrauches von Wohnraum als notwendig erweisende Abgrenzung von Schenkung und Leihe ungeeignet. 2. Die Versuche, die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung als Schenkungszuwendung zu konstruieren Was die juristische Erfassung des kostenlosen Wohnens zusätzlich komplizierte 1 9 3 , war die durch die Pandektenwissenschaft überlieferte Auffassung von Pomponius 1 9 4 , wonach habitare gratis donatio videtur. Burckhard 195 geht — wie vor i h m schon die Basiliken 1 9 6 — so weit, von gratis habitare donatio est zu sprechen. Infolge mangelnder historisch-dogmatischer Analyse wurde diese Aussage nicht — wie von Pomponius wegen der essentiellen Bedeutung der Wohnung 1 9 7 beabsichtigt — als analoge Anwendung von Schenkungsvorschriften auf eine Leihe (commodatum) angesehen, sondern — wie schon von den Basiliken und dem mos italicus zu Unrecht aufgefaßt — als Anwendungsfall einer Schenkung 198 und als Hinweis auf 191

Mugdan 159 (Motive). Siehe dazu oben bei F N 162. 193 Vgl. Stock 48. 194 Vgl. dazu exemplarisch: Windscheid / Kipp § 365 F N 2 (S. 544), F N 6 (S. 547), bes. F N 14 (S. 548), F N 15 (S. 549). 195 Begriff, 66. 198 Siehe dazu oben D. 1.1 nach F N 11. 197 Savigny 32; Landwehr 68; Grasegger 5. 198 Dies beweist die H a l t u n g Burckhards (Begriff, 65 f.) i n k a u m zu überbietender Präzision, w e n n er bemerkt, daß „ohne alles Bedenken von donatio 192

E. Unentgeltlicher Gebrauch einer Wohnung als Leihe

einen möglichen Schenkungsgegenstand begriffen. Diese Fehlinterpretation mag durch die Tatsache unterstützt worden sein, daß das mißverstandene Pomponiusfragement D. 39, 5, 9 pr. i m Corpus Iuris Civilis unter „de donationibus" rubrizierte. Dadurch war bei den Autoren, die i m kostenlosen Wohnen eine Schenkung sahen, die Vorstellung veranlaßt, Schenkungsrecht nur dann anwenden zu können, wenn es selbst den Voraussetzungen der Schenkung nach § 516 I genügte. Die von Lehfeldt für das römische Recht gemachte Beobachtung — tauscht man das von i h m gebrauchte Wort locupletior gegen Zuwendung aus — t r i f f t auch noch für das geltende Recht zu. „Da galt es nun den Begriff locupletior, auf den man aufmerksam wurde, zu definieren. Ein Spiel m i t Worten begann: man definierte eben „locupletior" so, daß es nicht bloß wirkliche Bereicherung, sondern auch Ersparnis von Ausgaben, namentlich „notwendigen" Ausgaben, umfaßte, und das Kunststück war fertig" 1 9 9 . a) Die Ausgabenersparnis als Schenkungszuwendung A u f der Suche nach einem scheinbar plausiblen Schenkungs(zuwendungs)gegenstand beim unentgeltlichen Wohnen hat die moderne Lehre, ähnlich wie bereits Bartolus 200 aus historischem Unverständnis die habitatio

gratuita

i n eine donatio

mercedis

u m w e r t e t e 2 0 1 oder der

Bayerische Entwurf die Leihe sogar generell i n einen Erlaß üblicher Vergütung (Art. 92 II) umdeutete 2 0 2 , Gedanken von Pomponius vulgarisiert. Besonders charakteristisch sind dafür die Bemerkungen Horns 203 : „ I m übrigen muss . . . bei der Überlassung einer Mietwohnung auf bestimmte Zeit i m besonderen auf eine streng juristische Durchführung der Konstruktion Verzicht geleistet werden; es bleibt nichts anderes übrig, als sich die r ö m i s c h e F i k t i o n anzueignen, der Eigentümer der Wohnung habe dem Nutzungsberechtigten e i n e so g r o s s e S u m m e G e l d e s z u g e w e n d e t , als dieser zu der Miete einer Wohnung hätte aufbringen müssen, 1. 9 pr. D. 39, 5: id enim capere videtur, qui habitat, quod mercedem pro habitatione non solvit." D i e D o k t r i n z u m B G B b e g r ü n d e t die S c h e n k u n g s n a t u r des k o s t e n losen W o h n e n s zunächst also m i t d e r A u s g a b e n e r s p a r n i s f ü r d e n „ B e gesprochen u n d das Schenkungsrecht angewandt w i r d auch i n Fällen, wo es sich nicht u m ein dare i m technischen Sinne handelt: w i e . . . das gratis habitare donatio est (D. 24,1,18; 39, 5, 9 pr.) . . . " . Typisch sind i n diesem Zusam199 menhang 37. auch die Ausführungen Horns 70 f. 200 201 202

Glosse vor D. 39, 5, 9 pr. Siehe oben D. I. 3. nach F N 106. Siehe oben bei F N 153.

203 7 0 f .

I I I 2 a. Ausgabenersparnis als Schenkungszuwendung

155

schenkten". Da dieses Argument schon seit Inkrafttreten des BGB herrschend w a r 2 0 4 und auch noch nach 1970, dem Jahr der BGH-Entscheidungen, vertreten w i r d 2 0 3 , überrascht, weswegen der B G H nicht auch auf diese dogmatische Konstruktion zurückgegriffen hat 2 0 6 , um m i t ihrer Hilfe die Anwendung von § 518 zu rechtfertigen. W i l l man die Vorstellung der römischen Juristen vom gratis habitare für das geltende Recht fruchtbar machen und die Anwendung von Schenkungsrecht auf das kostenlose Wohnen überzeugend begründen, dann ist aber dafür der Gedanke, i n der durch das unentgeltliche Wohnen verursachten Ausgabenersparnis die Schenkungszuwendung zu sehen, von Anfang an ungeeignet 207 . Die mangelnde juristische Tragfähigkeit der Ersparung von Aufwendungen als Schenkungsobjekt ergibt sich daraus, daß ihre Anerkennung unweigerlich ebenfalls zu einer Typenvermengung führte 2 0 8 . Speziell beim unentgeltlichen Wohnen vermag die Ausgabenersparnis als Gegenstand einer Schenkung nicht zu überzeugen, weil dann ausnahmslos jede unentgeltliche Gebrauchsüberlassung zugleich Schenkung wäre 2 0 9 . Denn dadurch, daß jemand unentgeltlich, also ohne eigene Kosten aufzuwenden, eine Sache (Wohnung) gebraucht, erspart er stets anderweitige Ausgaben, um dasselbe Bedürfnis zu befriedigen. So besehen, wären die Leihevorschriften überflüssig, weil diesem besonderen Schuldvertrag, der seinem typischen Inhalt nach gerade zeitbezogene unentgeltliche Gebrauchsüberlassung erfaßt, kein Anwendungsbereich mehr verbliebe. Aber auch allgemein der Ausgabenersparnis als Schenkungsobjekt Raum zu geben 210 , brächte Auswirkungen m i t sich, welche denen vergleichbar sind, die sich bei der Annahme von Besitz und Gebrauch als Schenkungsobjekt gezeigt haben 2 1 1 . M i t Hilfe der Ausgabenersparnis lassen sich nämlich alle unentgeltlichen, i n besonderen Verträgen eigens ausgeprägten Leistungsgegenstände kommerzialisieren. Infolge204

Siehe dazu oben Α. 1.1. m i t Nachweisen F N 39. Erman! Seiler Rdnr. 25 zu § 516; Mezger i n B G B - R G R K Rdnr. 5 zu § 516; Palandt l Putzo A. 2 zu § 516; Meinig 167 f. 206 Erstaunlich ist, daß Mezger (in B G B - R G R K Rdnr. 5 zu § 516) dem B G H versucht, dieses Argument unterzuschieben. 207 Liebisch 80 f.; Sonnenbrodt 10 f.; Beck 114 ff.; Herrmann 198 f.; vgl. auch Amberg 30. 208 Liebisch 80. 209 Vgl. Stock 48. 210 Ähnliches muß aber den Verfassern des Bayerischen Entwurfs f ü r A r t . 92 I I vorgeschwebt haben, w e n n sie Leihe, unentgeltliche Dienstleistung oder Geschäftsbesorgung dann als Schenkung beurteilen wollten, „soweit hiebei die übliche Vergütung erlassen w i r d " . 211 Siehe oben bei F N 82, 83, 86. 205

156

E. Unentgeltlicher Gebrauch einer Wohnung als Leihe

dessen reduzierten sich die besonderen unentgeltlichen Schuldverhältnisse auf eines, nämlich auf die Schenkung. Bewahrt A die Briefmarkensammlung des Β während dessen Weltreise unentgeltlich auf, so ist dies eine unentgeltliche Verwahrung (§§ 688, 690) und keine Schenkung des ersparten Geldbetrages für ein Bankschließfach. Übernimmt es C, das Wohnzimmer des D kostenlos m i t zur Verfügung gestellten Materialien zu renovieren, so handelt es sich u m einen Auftrag (§ 662), nicht u m eine Schenkung von Werklohn eines Anstreichers. Gibt E dem F ein Gelddarlehen, ohne dafür Zinsen zu verlangen, so schenkt er i h m nicht üblicherweise zu zahlende Bankzinsen 2 1 2 , sondern er gewährt i h m ein unentgeltliches Darlehn. Solche und ähnliche von Misera 213 für das gratis habitare des römischen Rechts befürchtete Typenvermengungen lassen sich jedoch gar nicht vermeiden, wenn man eine Schenkung darin erblickt, daß dem Habitator die Ersparnis von Aufwendungen zugewendet w i r d . Dem hat Misera 214 wenig überzeugend dadurch zu entgehen versucht, daß er relativierend von „können" redet. Z u welchen Widersprüchen und Schwierigkeiten die Berücksichtigung der Ausgabenersparnis i m Zusammenhang m i t der Schenkungsdefinition 2 1 5 selbst nach geltendem Recht führt, zeigen deutlich die Ausführungen von Tuhrs 216 beim Eingehen auf die Schenkungszuwendung. Einerseits kann nach von Tuhr 217 unter anderem „ i n der unentgeltlichen Überlassung der Benutzung von Sachen, sofern der Zuwendende dadurch einen Ertrag verliert, welchen er nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge . . . erwarten konnte", eine Zuwendung „aus dem Vermögen" (§ 5161) bestehen. „ F ü r solche Geschäfte gelten i n erster L i n i e die Rechtssätze des unverzinslichen Darlehens und der Leihe; daneben, soweit Schenkung durch entgehenden Ertrag vorliegt, das Schenkungsrecht . . . " 2 1 8 . Andererseits bemerkt von Tuhr 219 zur Erläuterung des als „Einengung des Schenkungsbegriffs" 2 2 0 gedachten Tatbestandsmerkmals i n § 517, daß dann kein zum Vorteil eines anderen unterlassener Vermögenserwerb vorliege, „ w e n n jemand den Ge212

So aber RG Recht 1930 Nr. 1492. Dagegen jetzt neuestens Crezelius B B 1978, 621 ff., 625. 218 Index 3, 405. 214 F N 213. 215 Daß die Ausgabenersparnis i m Bereicherungsrecht berücksichtigt wird, hat seinen guten Grund. Die ungerechtfertigte Bereicherung braucht nicht — wie es bei der Schenkung unverzichtbar ist — eine Zuwendung zu sein, sondern hierfür genügt ein „etwas". 216 § 7512, S. 156 f. 217 § 75 12, S. 156. 218 von Tuhr § 75 F N 19, S. 156. 219 § 75 12, S. 157. 220 F N 219.

I I I 2 a. Ausgabenersparnis als Schenkungszuwendung

157

brauch einer Sache einem anderen unentgeltlich zur Verfügung stellt und sich dadurch eine Einnahmequelle verschließt 221 , denn die Zuwendung liegt nicht darin, daß die Ausbedingung eines Entgeltes unterlassen wird, sondern i n der Überlassung der Sache 222 .. Ohne sich über die Konsequenzen klar zu werden, welche aus der Anerkennung der Ausgabenersparnis als Schenkungsgegenstand folgen 2 2 3 , haben jedoch einige Schriftsteller 2 2 4 versucht, Pomponius' Argumentation auf das geltende Recht zu übertragen. Da sie jedoch die Feinheit seiner Überlegung nicht exakt erfaßten, sondern durchweg m i t der Ersparnis von Ausgaben verallgemeinerten, drangen sie lediglich zum Ergebnis, nicht aber auch zu seiner dogmatischen Konstruktion durch, die Schenkung i n dem angenommenen Erlaß einer gedachten Mietzinsforderung zu sehen. Infolge dieser Vulgarisierung ging unter, daß nach der Vorstellung Pomponius' der Habitator ja zur Zahlung von Mietzins (merces) verpflichtet war und demzufolge Ausgaben hatte, die i h m lediglich schenkweise gestundet (oder erlassen) wurden. Keinesfalls ist also für Pomponius die Aufwendungsersparnis der Ausgangspunkt seiner Betrachtungen gewesen. Die für das geltende Recht dargebotenen Lösungen, die m i t Hilfe der Ausgabenersparnis eine Schenkungszuwendung zu konstruieren suchen, sind nicht zuletzt wegen des dargelegten Fehlverständnisses allesamt wenig stichhaltig 2 2 5 . Burckhard 226, der monographische Schenkungsspezialist des 19. Jahrhunderts 2 2 7 , hat es „ i m Resultat für das beiderseitige Vermögen gleich" 2 2 8 bezeichnet, ob jemand eine Wohnung, die er zu vermieten pflegt, einem anderen unentgeltlich einräumt oder ob er i h m bares Geld zur Bezahlung der Miete schenke 229 . Zwar verkennt Burckhard nicht 2 3 0 , daß ein Unterschied insofern besteht, als es sich lediglich i m letzten Fall u m eine — wie er sagt 2 3 1 — „reine Schenkung" handelt, 221

Hierbei bezieht sich von Tuhr auf das vorletzte Zitat u n d verweist selbst auf (§ 75) F N 19 (S. 156). 222 von Tuhr § 75 F N 2 (S. 157). 223 Liebisch 80. 224 Planck / Greiff, 3. Auflage, A. 2 zu § 516; Oertmann A . 3 zu § 517; Schuldrecht, 65; Crome 503 F N 4; Schollmeyer 46; Dernberg, BürgR, § 205, S. 142f.; Kieckebusch, H d R 5, 285; Boehmer 262; Burckhard, Begriff, 35, 117 F N 1; Horn 46 f., 70 ff.; Stolte 22 ff., 25 f., 41; Nickel 11; Froehlich 51; Simon 28 ff.; Mallinckrodt 16 F N 1; Schlie 2 2 - 2 5 ; M. Cohn 53 m i t F N 6; Ungnad 14 ff.; Wogt 27; Amberg 32 bis 36; Hübner 13. 225 Vgl. Liebisch 80; Heimann 47; Sonnenbrodt 10 ff., 19 ff.; Beck 114ff.; Herrmann 198 f. 22e Begriff, 35. 227 228 229 230 231

Reisen 1. Burckhard, Begriff, 35. Ebenso w i e Burckhard später Wogt (48). Vgl. Liebisch 80. Burckhard, Begriff, 35.

158

E. Unentgeltlicher Gebrauch einer Wohnung als Leihe

während i m Fall der unentgeltlichen Wohnungsüberlassung „das Schenkungsgeschäft nicht selbständig für sich auftritt, sondern in einem anderen Geschäft darin steckt und darum neben den Schenkungssätzen auch die Grundsätze des Commodats zur Anwendung kommen" 2 3 2 . Diese Aussage bedeutet aber eine Verkehrung des Abgrenzungsproblems von Schenkung und Leihe. Wenn überhaupt, so kann sich für die unentgeltliche Überlassung von Wohnraum doch lediglich die Frage danach stellen, ob auch Schenkungsrecht anwendbar ist, daß „auch" — und zwar zunächst — Leiherecht gilt, kann hingegen nicht zweifelhaft sein 2 3 3 . Offenbar ist die Äußerung Burckhards als Beispiel für die Feststellung zu werten, daß Schenkung als historische Reminiszenz an die römische causa donandi i m Sinne von Unentgeltlichkeit verwendet wird. Die vom gleichen Resultat her gerechtfertigte Gleichbehandlung beider Fälle läßt sich jedoch nicht mit § 517 i n Einklang bringen 2 3 4 . Denn i m Falle der Mietzahlung nach § 267 verringert der Dritte sein Vermögen um das gezahlte Geld und bereichert den Mieter, auf dessen Schuld er zahlt, um die Befreiung von der Verbindlichkeit aus dem Mietvertrag. Die Einschätzung dieses Sachverhalts als Schenkung nach § 516 I t r i f f t zwar zu. Unzutreffend aber ist es 235 , wenn Burckhard die Überlegung, daß beim Wohnungsgeber i m ersten Fall nur ein Vermögenszuwachs ausbleibe, als eine „rein formalistische Erwägung" 2 3 6 abtut. Zum einen führt eine solche Ansicht zu der dargelegten Typenvermengung 2 3 7 . Zum anderen w i r d dabei § 517 übersehen, der gerade solche lediglich w i r t schaftlichen Erwerbsmöglichkeiten von der Erfassung als Schenkung ausschließt 238 . Dernburg 239 begründet das Vorliegen einer Schenkung (§ 516 I) i m Falle kostenlosen Wohnens damit, daß bei der unentgeltlichen Überlassung einer Mietwohnung der Zuwendende Geldeinnahmen verliert, der Empfänger Geldausgaben spart. Obwohl er selbst die Frage aufwirft, ob darin nicht lediglich gemäß § 517 ein die Schenkung ausschließender Verzicht auf künftigen Erwerb enthalten sei, entschließt er sich dennoch zur Annahme einer Schenkung. Der Wortlaut des § 517 würde zwar zunächst zu dem gegenteiligen Ergebnis führen und eine Schenkung wegen mangelnder Entreicherung des Schenkers ausschließen. Das Gesetz aber habe m i t § 517 seiner Ansicht nach nur einen Verzicht 232 233 234 235 236 237 238 239

F N 231. Vgl. Liebisch 80 f. Vgl. Sonnenbrodt 7; Beck 114 f.; Herrmann Liebisch 80. Burckhard, Begriff, 36. F N 235. Heimann 42; Sonnenbrodt 7; Beck 115. BürgR, § 205, S. 142 f.

199; Crezelius

B B 1978, 624.

I I I 2 a. Ausgabenersparnis als Schenkungszuwendung

159

auf „neuen Zuwachs" ausschließen wollen, hingegen nicht den Verzicht auf Ertrag des bereits erworbenen Vermögens. Da der Zuwendende hierbei nur auf Ertrag seines Vermögens verzichtet, könne § 517 folglich nicht eingreifen. Dieser Unterscheidung von Dernburg liegt ein w i r t schaftlicher Vermögensbegriff zugrunde 2 4 0 . Seiner Auffassung kann schon allein deswegen, zusätzlich wegen der sich daraus ergebenden Widersprüche nicht gefolgt werden. Aus der sowohl positiv als auch negativ gefaßten Schenkungsdefinition (§§ 516 I, 517) ergibt sich m i t hinreichender Deutlichkeit, daß für die Schenkung lediglich die endgültige Verschaffung von Vermögen i m Rechtssinne i n Betracht kommt. Bei dem einem Wohnungsentleiher infolge unterlassener Vermietung verschafften Vorteil handelt es sich aber gerade um einen wirtschaftlichen Verzicht, eigenes Vermögen zu mehren, also um die Aufopferung künftiger Erwerbsmöglichkeit 2 4 1 . Das Vorhandensein einer Schenkung scheitert demnach daran, daß es an einer Entreicherung „aus dem Vermögen" (§ 516 I) fehlt. Was die Differenzierung zwischen Verzicht auf „neuen Zuwachs" und der Entsagung auf vorhandenes Vermögen anlangt, so findet auch sie i n § 517 keine Stütze 2 4 2 . Nach dieser Bestimmung liegt eine Schenkung gerade nicht vor, „wenn jemand zum Vorteil eines anderen einen Vermögenserwerb unterläßt". Daß damit nicht der Verzicht gemeint sein kann, die eigene Sache (Wohnung) infolge Weggabe nicht mehr selbst gebrauchen zu können, versteht sich von selbst; dies bestreitet auch Dernburg nicht. Wenn also § 517 ausschließlich die Aufgabe von „neuen Zuwachs" betreffen soll, dann kann dies bei kostenlosem Wohnen doch sinnvollerweise nur dadurch eintreten, daß der Verleiher es unterläßt, sein Vermögen durch Abschluß eines Mietvertrages zu vergrößern. Wo dann allerdings noch Raum bleibt, die Wohnungsleihe an § 517 vorbei der Schenkung zu subsumieren, ist unvorstellbar und nicht durchdacht. Der Vorstellung der römischen Jurisprudenz kommt Dernburg 243 i m Ergebnis näher, wenn er an anderer Stelle den Mietzins als Gegenstand der Schenkung bezeichnet 244 . Aber auch mit dieser unbewußten Rezeption von Gedankengut des mos italicus 2 4 5 vermag Dernburg nicht zu überzeugen, weil er dabei offenbar von einer realen Mietzinsschenkung ausgeht 246 . I n Wahrheit aber liegt gerade eine unentgeltliche Gebrauchsüberlassung und damit Leihe vor 2 4 7 . 240

Amberg 31; Heimann 46. Vgl. Heimann 42, 44, 46 f. 242 Vgl. Heimann 47. 243 Obligationenrecht, 435. 244 Vgl. Fischer / Ebert (A. 3 zu § 516), die das unentgeltliche Wohnen als „unentgeltliche Abtretung eines Mietrechts" erfassen. 245 Siehe dazu oben D. I. 3. bei F N 101 u n d nach F N 105. 246 So faßt es auch Sonnenbrodt (7, 19) auf. 241

E. Unentgeltlicher Gebrauch einer Wohnung als Leihe

Zwar leitete Oertmann 248 zunächst ähnlich wie Dernburg die Schenkungsnatur des unentgeltlichen Wohnens daraus her, daß „die Nutzung eines schon präsent vorhandenen Vermögensstückes" 249 überlassen w i r d 2 5 0 . Daß er i n der zum Gebrauch überlassenen Sache selbst das Schenkungsobjekt erblickte 2 5 1 und damit unbewußt Vorstellungen des mos italicus aufnahm, ergibt sich noch aus seinen Bemerkungen i m 1907 erschienenen „Schuldrecht", i n der 4. Auflage seines Kommentars (1910) und den 1912 publizierten „Entgeltlichen Geschäften" 252 . Oertmann sieht dabei nämlich durch die Gebrauchsüberlassung der Sache das Vermögen des Gebenden vermindert und das des Empfängers zugleich bereichert, „wenn auch nicht zum vollen Betrage, so doch wenigstens, indem er dadurch anderweite Ausgaben spart" 2 5 3 . Die mangelnde Überzeugungskraft 254 wohl und die Gefahr, daß die Anwendung des Schenkungsrechts auf einen unentgeltlichen Gebrauchsüberlassungsvertrag zu „unnützen Verwirrungen" 2 5 5 führe, veranlaßten Oertmann 1929 zu einer Änderung seines bisherigen Standpunktes. Kostenlose Wohnungsüberlassung ist nun nur noch „ein schenkungsähnlicher A k t " 2 5 6 , der nicht eine echte Schenkung sein kann, weil die Schenkung auf gegenständliche Zuwendung zu beschränken ist 2 5 7 . Schollmeyer 258 versucht, die Schenkungsnatur des kostenlosen Wohnens an folgendem Beispiel zu verdeutlichen. Wenn ein Zimmervermieter einen unbemittelten Studenten umsonst wohnen läßt, dann müsse man selbst bei unterlassener Vermögensvermehrung, die regelmäßig keine Schenkung ist 2 5 9 , ausnahmsweise doch eine Schenkung annehmen, „wenn sie entgegen der gewöhnlichen Erwerbstätigkeit des Schenkers unterbleibt" 2 6 0 . „Wer dagegen nicht zu vermieten pflegt und obwohl er i m einzelnen Fall vermieten könnte, den Mietlustigen unentgeltlich wohnen läßt, schenkt nicht 2 6 1 ." Zustimmung verdient die Auffassung 247 Sonnenbrodt 21; Wolf § 12 A I c 5 , S. 70. Vgl. auch Beck 115 f.; Herrmann 194, 195, 202. 248 A . 4 zu § 517. 249 Oertmann A . 3 zu § 517. 250 Dieser Auffassung Oertmanns haben sich M. Cohn (53), Wogt (47) und Hübner (13) angeschlossen. 251 Ebenso Stolte 23. 252 Siehe oben Α. 11, F N 45 - 52. 253 F N 249. 254 255 256 257

258 259 200 261

Amberg, 31 f.; vgl. auch Sonnenbrodt 11. Oertmann, 5. Auflage, A . 1 c zu § 516. Oertmann, 5. Auflage, A . 1 b γ vor § 516. F N 255. 46#

Schollmeyer F N 259. F N 259.

46.

I I I 2 a. Ausgabenersparnis als Schenkungszuwendung

161

Schollmeyers nur i n dem Punkt, als er die unentgeltliche Wohnungsgestattung regelmäßig nicht als Schenkung betrachtet und dies m i t § 517 begründet 2 6 2 . Die Entscheidung über die Vertragsnatur von dem Umstand abhängig zu machen, ob ein Hotelier oder ein Privatmann unentgeltliches Wohnen gestattet 263 , ist kein verläßliches K r i t e r i u m 2 6 4 . Solchermaßen hergeleitete Ergebnisse sind zudem nicht vorhersehbar, vielmehr zufällig 2 6 5 . Kieckebusch 266 setzt sich nicht nur i n Widerspruch zu eigenen Äußerungen an anderer Stelle, wo er eine Wohnungsleihe anerkennt 2 6 7 , sondern auch i n Gegensatz zu § 5 1 7 2 6 8 , wenn er meint, beim unentgeltlichen Wohnen wäre doch eine Schenkung „aus dem Vermögen" gemacht, weil der Wohnende hierdurch eine Ausgabe erspare und der Wohnungseigentümer dadurch einen Vermögensvorteil aufgebe, den „er sonst sicher erzielt hätte" 2 6 9 . Ist die Grenze zwischen sicher erzieltem und nicht sicher erzieltem Vermögensvorteil ohnehin nur sehr schwer zu ziehen 270 , so läßt § 517 einen solchen ungewissen, zudem nur w i r t schaftlichen Vermögenszuwachs gerade nicht als Schenkungsobjekt gelten 2 7 1 . Den Mangel an überzeugenden Lösungen führt Paul Simon darauf zurück, daß bislang nur einseitig die Position des Gebenden betrachtet, es aber unterlassen worden sei, „den rechtlichen Charakter der dem anderen Teil durch die Gebrauchsüberlassung zugeführten Befugnisse zu prüfen" 2 7 2 . Zur Begründung der Schenkung bei einer unentgeltlichen Wohnungsüberlassung geht er davon aus, daß ein selbständiges Vermögensrecht, nämlich der Gebrauchswert der überlassenen Sache, aus dem Vermögen des Zuwendenden übertragen werde 2 7 3 . Die Verwand262

Sonnenbrodt 7. So auch Boehmer 262; Alf er (12 f.), lediglich unter Verwendung anderer Beispiele. 284 Heimann 47; Sonnenbrodt 10 f. 265 Sonnenbrodt (11) m i t der zutreffenden Bemerkung, daß die Rechtssicherheit einer schweren Gefahr ausgesetzt wäre. 288 H d R 3, 955, 956; H d R 5, 285. 287 Kieckebusch (HdR 3, 955, 956) hält dort eine Wohnung für einen möglichen Gegenstand der Leihe u n d mißt i h r sogar gewisse wirtschaftliche Bedeutung zu. A u f Schenkung k o m m t er dabei nicht zu sprechen. 288 Sonnenbrodt 8. 289 Kieckebusch, H d R 5, 285. 270 F N 268. 271 von Gierke § 191 F N 3, S. 415; Hedemann § 33 I I a, S. 182; Esser § 67 I 2 a, S. 81; Schmelzeisen Rdnr. 177; Larenz § 471, S. 154; Arnberg 27; Schmid 19; Liebisch 78 ff.; Heimann 44 f., 46 f.; Sonnenbrodt 7; Beck 114 ff.; Herrmann 199; Ortloff ArchBürgR 21, 291 f. 272 go. 283

273

Simon 28 ff.

11 Slapnicar

E. Unentgeltlicher Gebrauch einer Wohnung als Leihe

lung des Gebrauchswerts, der zunächst allgemein „nur als Bestandteil des Vermögens i m wirtschaftlichen Sinne" 2 7 4 begriffen wird, zum Vermögensrecht erfolgt nach Ansicht Simons dadurch, „daß er i n die Fessel eines b e s o n d e r e n R e c h t s v e r h ä l t n i s s e s geschlagen wird. Die rechtliche Bindung des Eigentümers, wie sie in gleicher Weise bei der entgeltlichen wie unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung i n Form der Verpflichtung zur Belassung der Sache während der vereinbarten Gebrauchszeit zum Ausdruck kommt, w i r k t aus dem rein f a k t i s c h e n Hingeben eines wirtschaftlichen Wertes die Aufopferung eines V e r m ö g e n s r e c h t s " 2 7 5 . Schon der Ausgangspunkt geht fehl, daß der Gebrauchswert einer Sache i n der Person des Eigentümers zunächst bloß wirtschaftliches Vermögen, aber kein Vermögen i m Rechtssinne darstellen soll 2 7 6 (vgl. § 903). Unzutreffend ist außerdem, dabei vorauszusetzen, daß sich bei einer Gebrauchsüberlassung allein der Eigentümer der Sache dieser nach Simon vermögensverändernden Bindung unterwirft. Weder bei entgeltlicher noch bei unentgeltlicher Gebrauchsüberlassung braucht dies der Fall zu sein. Es kann genausogut ein dinglich Nichtberechtigter, ein Mieter oder Entleiher, eine Sache seinerseits vermieten oder verleihen. Für die Wirksamkeit eines entsprechenden Vertrages ist dies ohne Einfluß; denn auf die Position als Eigentümer kommt es überhaupt nicht an 2 7 7 . Schließlich kann man Simon 278 den von ihm selbst gegenüber anderen Begründungen erhobenen Vorwurf, nur einseitig die Position des Gebers untersucht zu haben, auch nicht ersparen. Wenn er von der „Aufopferung eines V e r m ö g e n s r e c h t s " 2 7 θ spricht, macht er methodisch nichts anderes als diejenigen, die er kritisiert. Ob es infolge der „Aufopferung" zu einer vermögensrechtlichen Bereicherung kommt, was für die Annahme einer Schenkung Voraussetzung ist, bleibt unbehandelt. Für diesen insgesamt nicht zwingenden Begründungs versuch Simons t r i f f t daher die Beurteilung durch Amberg 280 zu, wonach jener einen Weg beschritten habe, ihn jedoch nicht zu Ende gegangen sei. Amberg selbst hat m i t seiner Dissertation über den obligatorischen Vertrag auf unentgeltliche Wohnungsüberlassung versucht, das Ziel in der von Simon eingeschlagenen und für zutreffend erachteten Richt u n g 2 8 1 zu erreichen. Aber damit setzt er sich schon gleich von Anfang 274

Simon 31. Simon 31/32. 276 Amberg 33. 277 Esser § 75.2, S. 136; Staudinger 278 30. 279 Simon 32. 280 32. 275

281

Amberg 32.

/ Riedel Rdnr. 4 zu § 598; Zabel 21 ff.

I I I 2 a. Ausgabenersparnis als Schenkungszuwendung

163

an derselben K r i t i k aus, wie sie gegen Simons Argumentation vorgebracht wurde. Amberg 292 geht von der Möglichkeit endgültiger Übertragung des Gebrauchsrechts aus, ein Axiom, das sich m i t den bisherigen Erkenntnissen nicht vereinbaren läßt. „Das unbeschränkte oder auch mehr oder weniger eingeschränkte Recht, die Sache zu gebrauchen" 2 8 3 , hält er für die Rechtsordnung durch den Gebrauchswert repräsentiert und einer vermögensrechtlichen Schenkungszuwendung dann für zugänglich, wenn es i n Geld veranschlagbar sei 2 8 4 . Dies könne überall dann geschehen, wenn durch die Gebrauchsüberlassung ein w i r t schaftlicher Schenkungserfolg dadurch herbeigeführt werde, daß „dem Geber entweder eine Ausgabe erwächst oder eine Einnahme entgeht und dem Nehmer zugleich entweder eine Einnahme zufließt oder eine Ausgabe erspart w i r d " 2 8 5 . Damit stellt Amberg dem Gegensatzpaar Ausgabe beim Geber — Einnahme beim Nehmer als gleichwertigen Kontrast Einnahmeverlust beim Geber — Ausgabenersparnis beim Nehmer an die Seite. M i t dieser bewußt wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist jedoch nichts gewonnen, lediglich das Problem verschoben. Die A n t i poden Ausgabe — Einnahme entsprechen zwar den Anforderungen der Schenkungszuwendung nach § 5161. Aber für die Gegensätzlichkeit von Einnahmeverlust und Ausgabenersparnis verbietet es § 517, den Verzicht auf Vermögenszuwachs auf Seiten des Gebers als Schenkung anzuerkennen 2 8 6 . Außerdem greifen gegen die Ausgabenersparnis auch hier die bereits allgemein erhobenen Bedenken 2 8 7 durch. Dennoch geht Amberg 299 davon aus, daß bei einem Vertrag auf unentgeltliche Wohnungsüberlassung „meistens" eine Schenkung vorliege und der Gebrauchswert „nur i n den seltensten Fällen und wohl nur bei kurzfristiger Überlassung" 2 8 9 gleich N u l l sein werde. Er knüpft also die Annahme einer Schenkung an zwei Voraussetzungen: die Vermietbarkeit und die Zeitdauer. Erst wenn die Wohnung einen Mietwert h a t 2 9 0 und sie dem Empfänger für „längere Zeit" belassen bleibt 2 9 1 , seien diese Erfordernisse erfüllt. I n der Vermietbarkeit sieht Amberg deswegen den entscheidenden Umstand, weil das Gebrauchsrecht dadurch i n Geld „anschlagbar" 292 sei 282 33. 283

Amberg 33. Amberg 33, 36. 285 Amberg 34. 28β F N 271. 284

287 288 289 290 291 292

11·

Siehe dazu oben nach F N 207 ff. 36. Amberg 35. Amberg 34. Amberg 36. Amberg 33, 36.

E. Unentgeltlicher Gebrauch einer Wohnung als Leihe

und somit den Charakter eines übertragbaren Vermögensrechts erlange. Wenn er aber das Erfordernis der Vermietbarkeit lediglich von äußeren Bedingungen, wie etwa der Beschaffenheit und Lage der Wohnung abhängig machen w i l l 2 9 3 , so verkennt er, daß die Vermietbarkeit i n erster L i n i e und damit unmittelbar von der Höhe des geforderten Mietzinses abhängt. Insofern ist sein Vorbehalt, Schenkung nur dann anzunehmen, „ w e n n die überlassene Wohnung überhaupt vermietbar i s t " 2 9 4 überdies an eine unmaßgebliche, w e i l erst i n zweiter L i n i e einwirkende Bedingung geknüpft. Weshalb es bei der unentgeltlichen Wohnungsüberlassung überhaupt auf die Vermietbarkeit der Wohnung ankommen soll, ist eine weitere Widersprüchlichkeit bei dem Versuch, die Schenkungsnatur des kostenlosen Wohnens zu rechtfertigen. I m Ergebnis steht doch gerade fest, daß keine Vermietung erfolgt. Der nicht näher konkretisierten Zeitdauer der Wohnungsüberlassung kommt bei Amberg 295 nur die Aufgabe zu, solche Gebrauchsüberlassungen, für die sich wegen ihrer Kürze kein Geld veranschlagen läßt, dem Anwendungsbereich der Schenkung zu entziehen u n d sie auf den der Leihe zu beschränken. Ob es sich bei der Überlassung für „längere Z e i t " 2 9 6 u m ein sinnvolles Abgrenzungskriterium handelt, ist allerdings — insbesondere nach den gegenüber Larenz erhobenen Einwänden 2 9 7 — überaus zweifelhaft. Auch ein lediglich zum Übernachten oder zum Wechseln der Kleider für ein paar Minuten benutztes Zimmer hat i n einem Hotel seinen Preis. Wenn sich jemand auf der Durchreise i m Zimmer seines Bekannten erfrischt und umzieht, dann wäre aus der überhaupt i n Geld anzuschlagenden Inanspruchnahme des Zimmers eine Schenkung zu folgern. Wenn also Amberg bei Vermietbarkeit einer Wohnung und „längerer Zeitdauer ihrer Überlassung" Schenkung annehmen w i l l , dann bleibt einmal unklar, w o r i n genau der Schenkungsgegenstand bestehen soll. Eine sichere Abgrenzung des als ausnahmsweise Schenkung betrachteten Falles kostenlosen Wohnens 2 9 8 ist aus diesem Gesichtspunkt unmöglich. Hinzukommt zum anderen, daß sich auch bei unentgeltlicher Überlassung jedweder Sache — nicht nur einer Wohnung — für den Empfänger eine Ausgabenersparnis und für den Geber ein schon nach §517 nicht zu berücksichtigender Einnahmeverlust einstellt. Daß nach Ambergs Vorstellung 2 9 9 dennoch nicht jede unentgeltliche Wohnungs293 294 295 296 297 298 299

Amberg 34 f., 36. Amberg 34. 35, 36. Amberg 35, 36. Siehe dazu oben bei F N 51 - 72. Amberg 29. 29, 36.

I I I 2 a. Ausgabenersparnis als Schenkungszuwendung

165

Überlassung von vornherein Schenkung zu sein braucht, sondern auch als Leihe i n Erscheinung treten kann, sei nur als weiterer Widerspruch i n seiner Argumentation hervorgehoben, die sich dogmatisch insgesamt nicht halten läßt. Diese unterschiedlichen Versuche, m i t Hilfe der (infolge unterlassener Vermögensvermehrung erreichten) Ausgabenersparnis eine Schenkungszuwendung zu konstruieren, beruhen allesamt auf einer die Feinheiten einebnenden Vulgarisierung der dafür zum Anlaß genommenen Idee v o n P o m p o n i u s , w o n a c h habitare

gratis

donatio

videtur

(D. 39,

5, 9 pr.). A u f diesem Wege w i r d nicht nur verschüttet, daß es sich beim kostenlosen Wohnen zunächst einmal um eine Leihe handelt, sondern auch, daß deswegen die Schenkungsregeln — wie bei Pomponius — lediglich analog auf einen an sich von den Verboten nicht erfaßten Sachverhalt angewendet werden können, weil dies die wirtschaftliche Bedeutung des Vertragsobjekts erfordert. Die moderne Dogmatik unterstellt das gratis habitare hingegen mit Hilfe der Ausgabenersparnis direkt dem Schenkungsrecht. Zum einen führt dieses methodische Vorgehen dazu, einen ganz anderen als den ursprünglichen Leistungsgegenstand zu beurteilen. Lediglich dadurch gelangt man dann zu dem völlig abweichend von Pomponius begründeten Ergebnis, nach geltendem Recht i m kostenlosen Wohnen Schenkung und nicht Leihe zu sehen. Für die Vertragsart ist nicht mehr der Ausgangspunkt maßgebend, daß hierbei eine Sache unentgeltlich zum Gebrauch überlassen wird, sondern weil es sich bei der Sache u m eine vermietbare handelt — welche Sachen lassen sich nicht gegen Geld zum Gebrauch überlassen oder eintauschen? 300 — w i r d deswegen die Ausgabenersparnis zugrunde gelegt. Für dieses Verfahren finden sich zudem alle Anzeichen einer petitio principii. Wollte man diese Argumentation als zutreffend hinnehmen, so müßte man überdies konsequenterweise beim Vermieten einer Wohnung, also einer gerade entgeltlichen Gebrauchsüberlassung, von der Anwendung des Mietvertragsrechts absehen und einen Vertrag m i t solchem Inhalt als Kauf des Gebrauchsrechts behandeln. Daß eine derartige Anschauung abwegig ist, liegt auf der Hand. Zum anderen steht der Anerkennung der Ausgabenersparnis als rechtfertigendes Argument für die Anwendung von Schenkungsrecht neben der bereits dargelegten K r i t i k § 517 entgegen 301 . So hat Köhler 302 seine i m Anschluß an Larenz typologisch begründete und den B G H nachträglich stützende Umwertung des unentgeltlichen Wohnens i n 300

Vgl. Sonnenbrodt 21.

soi

F N

302

g2.

271.

E. Unentgeltlicher Gebrauch einer Wohnung als Leihe

166

eine Schenkung „freilich nicht unbedenklich i m Hinblick auf § 517" genannt. Bereits Liebisch 303 bemerkte, daß diese Vorschrift meist „ m i t Stillschweigen" übergangen werde. Beck 3 0 4 hat § 517 für die Abgrenzungsfragen i m Verhältnis von Schenkung und Leihe zutreffend als „Hinweis auf die richtige Entscheidung" bezeichnet. Nach Herrmann 3 0 5 besagt § 517 deutlich, „daß das Unterlassen eines Vermögenserwerbes zum Vorteil eines anderen nicht als Schenkung behandelt werden soll". Schon eine ganze Reihe anderer Autoren 3 0 6 hatte es zu Recht abgelehnt, die Überlassung einer Sache zu unentgeltlichem Gebrauch als Schenkung zu erfassen, und zwar vor allem deswegen, weil sie nicht aus der Substanz des Vermögens erfolge 307 , sondern allenfalls den Verzicht auf einen möglichen Vermögenserwerb darstelle, der jedoch § 517 unterfalle und damit gerade keine Schenkung sei 3 0 8 . b) Der Besitz und der Gebrauch als Schenkungsgegenstände Wenn der B G H 3 0 9 beim unentgeltlichen Wohnen nun Besitz und Nutzung (gemeint ist Gebrauch) 310 als Schenkungsgegenstände genannt hat, die der Zuwendung fähig sein sollen, so führt auch diese rechtliche Beurteilung nicht weiter 3 1 1 . 303 304

805

79 1 1 4 >

1 99. « Endemann, BürgR, § 16412, S. 1027 m i t F N 18; Kohler §§ 85, 106 V 5, 113 I, S. 229, 282, 292; von Gierke §§ 190 I I I , 191 F N 3, S. 411, 415; Siber, Schuldrecht, § 52 a, S. 250; JheringsJb 70, 253 F N 1; Hedemann § 33 I I a, S. 182; Esser § 6712 a, S. 81; Schmelzeisen Rdnr. 177; Larenz § 471, S. 154; Wolf §§ 12 A I c 5, 13 I Κ I I I a, S. 70, 135; Planck / Knoke A . 2 zu § 516 (S. 775 Mitte); Fischer / Henle I Titze I David Α. 1 zu § 516; Sachse 4; Amberg 27; Zabel 27, 28; Schmid 19; Heilborn 11; Hoeniger 164 f.; Richrath 56; Steinstraß 10, 11; Liebisch 78 ff.; Heimann 40, 41, 47, 48; Sonnenbrodt 7, 16; Ortloff ArchBürgR 21, 291 f.; Lande, Poseners Rechtslexikon, 34; Haymann JheringsJb 56, 100; O. Schreiber JheringsJb 60, 156, 191; Metzler ZfRpfBay 22, 100; Kieckebusch, H d R 3, 954; Eger H u W 1947, 149. 307 Endemann, BürgR, § 16412, S. 1027 m i t F N 18; Kohler § 1131, S. 292; von Gierke §§ 190 I I I , 191 F N 3, S. 411, 415; Siber, Schuldrecht, § 54 2 a, S. 250; JheringsJb 70, 253 F N 1; Hedemann § 33 I I a, S. 182; Schmelzeisen Rdnr. 177; Fischer / Henle t Titze / David A . 3 zu § 516, A. 4 zu § 598; Zabel 2, 28, 38; Heilborn 11; Hoeniger 164 f.; Richrath 56; Steinstraß 10; Liebisch 78; Heimann 48; Sonnenbrodt 14 f.; Haymann JheringsJb 56, 100; O. Schreiber JheringsJb 60, 156, 191; O L G Breslau O L G 20 (1910) 209 Nr. 11 a d. 308 von Gierke § 191 F N 3, S. 415; Hedemann § 33 I I a, S. 182; Amberg 27; Schmid 19; Liebisch 78 ff.; Heimann 47; Sonnenbrodt 7; Ortloff ArchBürgR 21, 292; Crezelius B B 1978, 624. 309 B G H N J W 1970, 941 = W M 1970, 638 = M D R 1970, 496 = DNotZ 1970, 946 = L M Nr. 7 zu § 518 B G B ; B G H L M Nr. 45 zu § 535 B G B ; B G H W M 1970, 1247. I h m ist das L G K ö l n (NJW 1973, 1880) gefolgt. 310 Herrmann 195; vgl. auch Beck 115; Wolf § 12 A I c 5, S. 69, 70. 311 Beck 115, 116; Herrmann 195; vgl. auch Henle 51; Sonnenbrodt 13, 19. 30

I I I 2 b. Besitz und Gebrauch als Schenkungsgegenstände

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Weder Besitz noch Gebrauch noch beide zusammen lassen sich m i t den festgestellten Modellvorstellungen des Gesetzes von Schenkung als unentgeltliche gegenständliche Veräußerung vereinbaren 3 1 2 . Besitzschenkung und Gebrauchsschenkung stellen auch keine anerkennenswerten atypischen Schuldverhältnisse dar. Vielmehr lassen sie sich bei genauer Analyse entweder einem anderen Vertragstyp subsumieren (Gebrauch = Leihe) oder müssen als Leistungsinhalt eines Schuldvertrages ausgeschieden werden (Besitz) 313 . Bei der Schenkung liegt der m i t der Zuwendung verschaffte Vorteil nicht in der Besitzerlangung 314 . Nach § 516 I ist vielmehr erforderlich, daß der Schenker eine Vermögensvermehrung des Beschenkten „aus seinem Vermögen" herbeiführt; denn Schenkung setzt neben dem Einig-Sein über die Unentgeltlichkeit Entreicherung des Schenkers und Bereicherung des Beschenkten voraus. Sie verlangt demzufolge eine Vermögensverschiebung 315 , die als Veräußerungsgeschäft zu einem endgültigen Güterumsatz f ü h r t 3 1 6 . Ergibt sich dies aus dem positiven Teil der Schenkungsdefinition (§ 516 I), so bestätigt der negative Teil (§ 517), daß sich der Umsatz auf Vermögen i m Rechtssinne beschränkt 317 . Nach §517 sind lediglich volkswirtschaftliche Vermögenspositionen, die sogar i n bloßen Erwerbsaussichten bestehen können, ausdrücklich aus dem Schenkungsbegriff ausgeschieden 318 ' 319 . „Eine Schenkung liegt nicht Widersprüchlich Wogt, w e n n er einerseits die Nutzungen als Schenkungszuwendung bei unentgeltlichen Sachgebrauch anerkennt (47), dies andererseits für den Besitz verneint (48). 312 Wolf § 12 A I c 5, S. 69 f.; Herrmann 195. Beck (116) bemerkt zutreffend, daß die Gesamtregelung der Schenkung nicht so recht auf die „Schenkungen von Nutzungen" passe. Vgl. auch Soergel I Mühl, 11. Auflage, Rdnr. 7 zu § 518. 313 Kreß, BT, 57; Wolf § 12 A I c 5, S. 69; Wogt 48; Sonnenbrodt 13, 19. Henle (51) hält die unentgeltliche Überlassung des Besitzes für keine Schenkung, sondern n u r für einen schenkungsähnlichen nichttypischen Vertrag. Wogt (47) w i l l bei Überlassung einer Sache zur unentgeltlichen Nutzung diese als Gegenstand der Zuwendung ansehen u n d damit als Schenkung qualifizieren. Demgegenüber mißt er der bloßen Einräumung des Besitzes keine schenkungsrechtliche Bedeutung bei (48). Warneyer (Α. I zu § 516) betrachtet aber die Besitzüberlassung zu Unrecht als Schenkungszuwendung. 314 Liebisch 78; Kreß, BT, 57. 815 Haymann JheringsJb 56, 100; Siber JheringsJb 70, 253 F N 1. 318 RGZ 62, 386, 390; von Gierke § 190 I I I , S. 411; Fischer ! Ebert A. 3 zu § 516; Liebisch 74; Sonnenbrodt 13; Beck 116; Herrmann 198, 200. 317 Kohler § 1061, S. 280; Amberg 27 ff.; Hoeniger 164 ff.; Liebisch 14 f.; Heimann 42 ff.; Sonnenbrodt 14 f.; Jung 6 ff.; Beck 114 ff.; O. Schreiber JheringsJb 60, 156, 191; Migsch AcP 173, 46. 318 Der von Reatz (Lesung, 242 F N 1) initiierte A n t r a g (Meinig 160 F N 29), die Schenkungsdefinition folgendermaßen zu fassen: „Schenkung ist der Vertrag, durch welchen Jemand, ohne dazu verpflichtet zu sein, auf seine Kosten dem A n d e r n ein wirtschaftliches Gut zuwendet, u n d beide Theile darüber einig sind, daß die Zuwendung unentgeltlich erfolgt", wurde von der I I . Kommission damit abgelehnt, „daß die Kennzeichnung des Schenkungsgegenstandes als wirtschaftliches Gut keinesfalls eine sichere Abgren-

E. Unentgeltlicher Gebrauch einer Wohnung als Leihe

vor, wenn jemand zum Vorteil eines anderen einen Vermögenserwerb unterläßt . . ( § 517). Deshalb kann Inhalt der Schenkung nur der Umsatz bereits erworbener Rechte sein 3 2 0 . Daraus und aus der Entstehungsgeschichte folgt für ihren Anwendungsbereich, daß nur Gegenstände, also Sachen und Rechte, i n Betracht kommen 3 2 1 . Bezieht sich die Schenkung ausschließlich auf die Gegenstandsverschaffung, die lediglich i m Wege der Eigentumsübertragung möglich ist 3 2 2 , dann entfallen aus ihrem Anwendungsbereich von vornherein bloße Vermögenswerte und tatsächliche Zustände. Da sich gerade aber der Besitz zum einen nicht als Gegenstand (Sache oder Recht), sondern lediglich als Vermögenswerte Position kennzeichnen läßt, zum anderen als durch die tatsächliche Gewalt erlangter Zustand (§ 8541) begriffen wird, genügt er nicht den Voraussetzungen einer Schenkungszuwendung 323 . Demnach kann der Besitz allein kein tauglicher Schenkungsgegenstand sein 3 2 4 . Dieses Ergebnis rechtfertigt auch die folgende Überlegung. Infolge einer Besitzschenkung würde dem Beschenkten zwar praktisch die Position eines Eigentümers eingeräumt, rechtlich verbliebe das Eigentumsrecht jedoch beim Schenker. A l l e i n er kann über die Sache, deren Besitz er „verschenkt" hat, verfügen. Niemand aber w i r d ein berechtigtes Interesse am Erwerb eines Eigentumsrechts haben, wenn ihm dauernd § 986 entgegensteht. Durch eine Besitzschenkung denaturierte das Eigentum zu einem nudum ius 325. Berücksichtigt man dabei zusätzlich, daß die Veräußerung bei der Schenkung regelmäßig eine endgültige ist 3 2 6 , dann scheitert die Besitzschenkung außerdem an denselben zung gewähre. Der Schenkungsbegriff werde ins Schwanken geraten u n d die Praxis m i t Schwierigkeiten u n d Zweifeln zu kämpfen haben. Es werde darüber gestritten werden, ob auch die Gebrauchsleihe und die unentgeltliche Dienstleistung hierher gehörten" (Mugdan 737, Protokolle). 319 Amberg 27 ff.; Heimann 44; Meinig 160; Beck 114 f. 320 Kreß, BT, 57; Fischer / Ebert A. 2 zu § 516; Heimann 45. 321 Kohler § 106, S. 280; Goldmann / Lilienthal 528 f.; Esser I Weyers § 1 2 1 2 a, S. 129; Wolf § 12 A I c 1, 5, S. 66, 69; Oertmann, 5. Auflage, A 1 c zu § 516; Hoeniger 164 ff.; Liebisch 78; Haymann JheringsJb 56, 100; O. Schreiber JheringsJb 70, 253 F N 1. 322 Kohler § 106, S. 280; Liebisch 78; Henle 51 f.; Migsch AcP 173, 46. Vgl. auch Goldmann / Lilienthal 528 f. 323 Kreß, BT, 57; Esser / Weyers § 12 I 2 a, S. 128 f.; Wolf § 12 A I c 1, 5, S. 66, 69. Liebisch (69) spricht der bloßen Besitzverschaffung für sich allein zu Recht die Zuwendungsqualität ab. Ebenso schon vor i h m Wogt (48). 324 Henle (51) bemerkt zutreffend, daß die unentgeltliche Überlassung des Besitzes als solche keine Schenkung ist. Kreß (BT, 57): „der Besitz kann nicht verschenkt werden". 325 Vgl. Westermann § 30 I 3, S. 129, der f ü r ein v o m Herausgabeanspruch getrenntes Eigentumsrecht v o m „nackten Eigentum" spricht. 326 RGZ 62, 386, 390; von Gierke § 190 I I I , S. 411; Fischer ! Ebert A. 3 zu § 516; Liebisch 74; Sonnenbrodt 13; Beck 116; Herrmann 198, 200; Crezelius B B 1978, 623; Soergel / Mühl, 11. Auflage, Rdnr. 2 vor § 516, Rdnrn. 4, 27 zu §516.

I I I 2 b. Besitz u n d Gebrauch als Schenkungsgegenstände

169

Bedenken, die den überwiegenden Teil der Lehre 3 2 7 die Abtretbarkeit des Herausgabeanspruchs nach § 985 verneinen läßt. Niemand kann daher endgültig den Besitz getrennt vom Eigentum übertragen, ohne den Kernbereich des Eigentums i n Frage zu stellen und es nur noch auf eine bloß formale Hülse zu reduzieren. Schenkung und Leihe unterscheiden sich zusätzlich auch i m Hinblick auf den Gebrauch. Ob und i n welcher Weise der Beschenkte die Sache gebraucht, ist für die Schenkungszuwendung belanglos 328 ; denn der aufgrund einer Schenkung zugewendete Vorteil verschafft dem Beschenkten die dingliche Rechtsmacht, mit der Sache n a c h B e l i e b e η zu verfahren. Er ist schließlich ihr Eigentümer (§ 903). Danach ist das Verhältnis von Beschenktem und Entleiher in bezug auf den Gebrauch folgendes: Der Beschenkte ist auch zum Gebrauch berechtigt, der Entleiher nur zum (vertragsmäßigen) Gebrauch, der Verwahrer nicht einmal dazu. Die Annahme einer Schenkung von Besitz allein oder Gebrauch allein oder von beiden zusammen scheitert daher aus mehreren Gründen. Zwar ließen sich Funktion und Inhalt der Leihe durch eine Schenkung des Besitzes und des Gebrauches auf Zeit (Befristung oder auflösende Bedingung) 3 2 9 ersetzen. Aber eine solche Konstruktionsmöglichkeit verträgt sich nicht m i t dem vorgegebenen Schema der besonderen Schuldverträge. Nicht nur die unterschiedlichen Leistungsgegenstände zwischen Schenkung und Leihe — bei jener Eigentum, bei dieser Gebrauch — verbieten es, die Leihe zugleich als Schenkung zu beurteilen 3 3 0 . Dagegen spricht nicht zuletzt auch die Tatsache, daß beide typischen I n halte in zwei selbständigen Verträgen ausgeprägt sind, die innerhalb der Typengruppenreihe 3 3 1 einen durchaus sinnvollen Platz einnehmen: die Schenkung als unentgeltlicher Veräußerungsvertrag, die Leihe als unentgeltlicher Vertrag auf Gebrauchsüberlassung. Hinzu t r i t t auch die Überlegung, daß Veräußerung und Gebrauch zwei verschiedene Dinge 327 B G H L M Nr. 24 zu § 985 B G B ; Wolff / Raiser § 84 V I 3, S. 328; Westermann § 3013, S. 129; Baur § 11 C I 3 a aa, S. 92; Soergel/Mühl Rdnr. 2 zu § 985 m i t weiteren Nachweisen. Pikart (in B G B - R G R K Rdnrn. 4, 42 zu § 985) i n A b k e h r von der i n der Vorauflage vertretenen Auffassung Johannsens (BGB-RGRK, 11. Auflage, 1959, A . 25 zu § 985). Nachweise der Gegenansicht, die heute k a u m mehr vertreten w i r d , bei Staudinger / Berg Rdnr. 9 zu § 985 u n d Soergel / Mühl a.a.O. 328 Liebisch 78. 329 Daß eine Bedingung der Schenkung nicht ihren typischen Charakter nimmt, dazu: Staudinger / Ostler Rdnr. 50 zu § 516; Kieckebusch, H d R 5, 287; Harder 28. Z u r Befristung vgl. von Schey 203; Becker i n B K Rdnr. 4 zu A r t . 253. 330 Hadding i n S t u d K A. 3 (6) zu §§ 99 - 100; Hoeniger 165; Liebisch 68 f., 74, 78 f. 331 Seiler 103 F N 45.

E. Unentgeltlicher Gebrauch einer Wohnung als Leihe

sind 3 3 2 . Betrifft sie die Sache selbst (res) und führt m i t dinglicher und absoluter Wirkung zu einer Eigentumsänderung, ist die Zuwendung nach § 516 also Verfügungsgeschäft 333 , so entsteht bei der Überlassung des Gebrauchs (usus rei) nur auf obligatorischer Ebene für den Empfänger die relative Befugnis, mit der Sache i m Rahmen des Vertrages zu verfahren. Die dingliche Rechtslage w i r d davon nicht berührt 3 3 4 . Außerdem verstärkt sich die Verschiedenheit von Schenkung und Leihe noch i m Hinblick auf den Faktor Zeit. Schon Paulus stellt i n D. 43, 26, 1, 2 und 3 3 3 5 zutreffend fest, daß sich Schenkung von Prekar i u m und Leihe i n bezug auf die Dauer unterscheidet. Der Schenker gibt so, daß er nicht zurücknehmen w i l l , wohingegen der Gebrauchsgestattende unter der Voraussetzung gibt, es zurücknehmen zu wollen, sobald es i h m beliebt, das Prekarium aufzulösen, oder sobald die Vertragsdauer des commodatum abgelaufen ist. Dieser Unterschied kennzeichnet auch die Regelung i m BGB. Charakteristisch für den durch Schenkung vollzogenen Umsatz eines Gegenstandes ist die Endgültigkeit 3 3 6 . Eine Rückgabepflicht für einen geschenkten Gegenstand ist ausgeschlossen. Dieser Grundsatz ist zwar unter den Voraussetzungen der §§ 528, 530 durchbrochen. Aber dies ist allein Ausdruck der allgemein schwächeren Stellung des unentgeltlichen gegenüber dem entgeltlichen (Veräußerungs-)Geschäft 337 . Die Leihe ist hingegen eine Obligation auf Zeit 3 3 8 , ein Dauerschuldverhältnis 339 . Für sie ist die Zeitbezogenheit und die daraus resultierende Rückgabepflicht (§ 604) ein den Typ konstituierendes Element 3 4 0 . M i t ihrer Hilfe kann der Gebrauch einer Sache nur zeitweise, nicht aber endgültig überlassen werden 3 4 1 . Diese allgemein festgestellten Unterschiede spiegeln sich aber auch i n den untersuchten Einzelheiten wider. Bei einer Gebrauchsschenkung fehlt es an der nach § 516 für die Schenkung erforderlichen Ü b e r tragung eines b e s t e h e n d e n R e c h t s . Durch eine Leihe w i r d ein Gebrauchsrecht nämlich erst begründet. Ein bestehendes, 332

Hadding i n S t u d K A . 3 (6) zu §§ 99 - 100. Wolf § 12 A I c 3, S. 67 f. 334 B G H N J W 1974, 1086. 335 Kaser (RPR I, § 266 F N 50, S. 407) stuft das Fragment als „unbedenklich" ein. 336 Siehe oben F N 326. 337 Medicus Rdnr. 364 ff.; Kölle 7; vgl. auch H. Schreiber 54 f.; Klostermann 7 ff., 16. 338 R G HRR 9 (1933) Nr. 1000; Liebisch 75; Wolf § 13 Κ I, S. 135. 339 von Gierke § 1981 5, S. 574; Henle 74; Sonnenbrodt 14. 340 RG HRR 9 (1933) Nr. 1000; Enneccerus / Lehmann § 32 I 2 b a. E., S. 139; vgl. auch Liebisch 74, 79; Soergel / Mühl , 11. Auflage, Rdnr. 2 vor § 516. 341 Liebisch 74; Soergel / Mühl, 11. Auflage, Rdnrn. 2 vor § 516, 4 zu § 516. 333

I I I 2 b. Besitz u n d Gebrauch als Schenkungsgegenstände

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übertragungsfähiges obligatorisches Recht zum Gebrauch setzt zudem voraus, daß es der Eigentümer gegen sich selbst begründete. Dies ist jedoch rechtlich unmöglich, weil die Gebrauchsmöglichkeit schon aus seiner umfassenden Befugnis folgt, m i t der Sache nach Belieben zu verfahren (§ 903). Schließlich würde es bei Annahme einer Besitzschenkung dem Empfänger an der Rechtsmacht fehlen, die ihm infolge einer Gebrauchsüberlassung durch die Leihe zusteht; denn — wie die Verwahrung zeigt — berechtigt der unmittelbare Besitz nicht zum Gebrauch. Besitz und Gebrauch stehen als Umschreibung für den typischen Leistungsinhalt eines auf Gebrauchsüberlassung gerichteten Vertragstyps, der, wenn er eine unentgeltliche Grundlage hat, nur Leihe, aber nicht zugleich Schenkung sein kann 3 4 2 .

5142

So aber zu Unrecht Amberg 36, 37 bis 43.

F. Die Anwendung von Schenkungsrecht auf die Wohnungsleihe im modernen Recht I m Hinblick auf die Schenkungsverbote der §§ 1641, 1804 hat es Liebisch 1 als „unerwünscht" bezeichnet, „wenn Vater und Vormund befugt sein sollten, eine Wohnung i n einem Miethause des Kindes und Mündels einem Dritten unentgeltlich überlassen . . . zu dürfen". A u f dasselbe Beispiel bezogen, hat sich Heck 2 kurz darauf die Frage gestellt, ob das Versprechen einer solchen Leistung der Formvorschrift des § 518 zu unterstellen sei. Eine Verneinung wäre seines Erachtens „nicht interessengemäß" 3 . I. Die analoge Anwendung von Schenkungsrecht auf die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung Ist nach der bisherigen Untersuchung davon auszugehen, daß die unentgeltliche Wohnungsüberlassung Leihe ist, dann muß man sich bei der zuerst von Liebisch und Heck für das geltende Recht erörterten A n wendung von Schenkungsrecht auf den Vorgang der Gebrauchsüberlassung von vornherein über zwei Dinge i m klaren sein: Zum einen kommt trotz der beiden Vertragstypen gemeinsamen Unentgeltlichkeit lediglich eine analoge Heranziehung von Vorschriften 4 der Schenkung auf die Leihe i n Betracht; denn Leihe ist weder Schenkung (endgültige unentgeltliche Veräußerung) noch Zuwendung (Veräußerung), sondern bloße Gebrauchsüberlassung auf Zeit. Zum anderen setzt die analoge Anwendung von Schenkungsregeln auf die Leihe Lücken i m Leiherecht voraus 5 .

1

82. § 94.6, S. 297. 3 Heck § 94.6, S. 297. 4 Die Analogie ist methodisch allgemein anerkannt: Bartholomeyczik 79 f., 83; Mayer-Maly, Rechtswissenschaft, 82; Baumann § 4 I I I 2, S. 941, m i t w e i teren Nachweisen: S. 95; Bockelmann 120; Larenz, Methodenlehre, 366; Bastian 74 f.; Canaris § 63, S. 71, 72 m i t Nachweisen vor i h m liegender L i t e r a t u r ; Wesel 12, 13; Böhm 35 ff.; Gropp 20; Edelmann 66 ff.; Slapnicar VSSR 1976, 251. 5 Vgl. Bartholomeyczik 81; Mayer-Maly, Rechtswissenschaft, 83; Bockelmann 120; Larenz, Methodenlehre, 366; Bastian 75; Canaris §§ 14, 63 ff., S. 25, 71 ff.; Edelmann 66; G. u n d D. Reinicke N J W 1952, 1153; Slapnicar VSSR 1976, 252. 2

I. Analoge A n w e n d u n g von Schenkungsrecht auf die Leihe

173

Die vielfältigen Konstruktionsansätze i m geltenden Recht, u m zu einer Anwendung von Schenkungsrecht auf die kostenlose Überlassung von Wohnraum zu gelangen, bleiben weit hinter dem zurück, was die römische Jurisprudenz dazu beigetragen hat. Zwei Argumente der modernen Doktrin haben sich dafür von vornherein als ungeeignet erwiesen: nämlich den Gebrauch der Wohnung als solchen oder die infolge des unentgeltlichen Wohnens verursachte Ausgabenersparnis als Schenkungsgegenstände zu werten. Beide Begründungs versuche haben die zwei grundlegenden Tatsachen, nämlich die unterschiedlichen Leistungsinhalte von Leihe und Schenkung und die Ergänzungsbedürftigkeit der Leiheregeln unberücksichtigt gelassen. Der Grund für die uneinheitlichen und i n sich widerspruchsvollen dogmatischen Erklärungsversuche des modernen Rechts liegt darin, daß sich deren Autoren von der verfehlten Vorstellung haben leiten lassen, auf das unentgeltliche Wohnen Schenkungsrecht nur dann anwenden zu können, wenn es selbst den Voraussetzungen der Schenkung genügte. A u f der Suche nach einem möglichen Schenkungsobjekt wurde weder vor der Überlassung des Gebrauchs als solchen noch vor den infolge ihrer Unentgeltlichkeit ersparten Aufwendungen Halt gemacht. Da die Vertreter solcher Auffassungen nicht die Folgen ihrer Positionen bedachten 6 und auch nicht die damit angerichtete Grenzverwirrung von Leihe und Schenkung m i t den daran anknüpfenden systematischen Friktionen erkannten, braucht nicht zu verwundern, daß alle bislang behandelten Konstruktionen des geltenden Rechts für die Übertragung von Schenkungsrecht auf das gratis habitare gleichermaßen unbefriedigend und praktisch unbrauchbar sind 7 . Das Verdienst, die gedankliche Sperre durchbrochen zu haben, können Liebisch und Heck i n Anspruch nehmen. Sie sind wieder von dem ausgegangen, was bereits i m römischen Recht gesicherte Erkenntnis war, nämlich, daß unentgeltlicher Gebrauch von Wohnraum Leihe ist (vgl. Ulp.-Viv. D. 13, 6,1,1; D. 19, 5,17 pr.) 8 . Infolgedessen scheidet die unmittelbare Anwendung des Schenkungsrechts aus9. Insbesondere Liebisch hat bei seiner ausführlichen Untersuchung, welche einzelnen Schenkungsrechtssätze auf die Leihe anwendbar sind, deutlich hervorgehoben, daß es sich dabei u m eine Analogie handelt, die nur dann eingreift, wenn es die Interessenlage des einzelnen Falles erfordere 10 . 6 7 8 9 10

Vgl. Liebisch 80. Liebisch 80; Sonnenbrodt 10 ff., 19 ff. Vgl. Beck 115; Herrmann Liebisch, 71, 82; Heck § 94.6, S. 297. Liebisch 80. Liebisch 81.

198 f.

174

F. Anwendung von Schenkungsrecht auf die Wohnungsleihe

Ungenau sind i n diesem Zusammenhang die Bemerkungen Hecks 11. I n bezug auf das Versprechen, Wohnraum unentgeltlich zu überlassen, verneint er zunächst die Anwendung von § 518 I damit, daß i n einem solchen Fall zugleich der Tatbestand der Leihe enthalten und diese keiner Form unterworfen sei. Da die Leihe vom BGB aber als Gefälligkeitsvertrag behandelt werde, seien ihre Vorschriften „nicht als allgemeine Ausschließung des Schenkungsrechts aufzufassen" 12 . „Sie kommen allein zur Anwendung, soweit nach der Lebensanschauung nur Gefälligkeit vorliegt. Aber das Schenkungsrecht muß m. E. eingreifen, wenn bei einem Einzelfalle die Leistung über die Gefälligkeit hinausgeht 1 3 ." Obwohl dem Ansatz von Heck ebenso wie dem von Liebisch zuzustimmen ist, vermögen Hecks nähere Darlegungen und insbesondere sein Ergebnis deswegen nicht zu überzeugen, weil er bei seiner Betrachtung von dem bereits als unrichtig erkannten Argument der Ausgabenersparnis 14 ausgeht 15 . Damit aber relativiert er seine Aussage, wonach die unentgeltliche Überlassung einer Wohnung den Tatbestand der Leihe erfülle. Schon die Ausdrucksweise, m i t der Heck auf begrifflicher Ebene die Anwendbarkeit des § 518 für die Leihe verneint, zeigt eine gewisse konstruktive Unschärfe. Heck lehnt die Anwendung von § 518 nicht damit ab, daß ein solcher Fall Leihe ist, sondern er formul i e r t 1 6 : „daß diese Fälle zugleich die Tatbestände der Leihe . . . enthalten' t