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German Pages 182 [361] Year 2022
Adolf Nast
G.
Göschen'sche
Oerlagshandluna V
Gotthold Ephraim Lessrng's
sämmtliche Schriften.
Dreißigster Band.
Berlin unb. Stettin. Ja der Nicolaischen Buchhandlung.
1 8 2 8.
Inhalt, Seite Äuszüge aus Lessin g's Antheil an den Litteratur briefen................................................. -...............
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Lcssing's einzige Recension in der Bibliothek der schönen Wissenschaften................................. . . . 301
Vorrede von Friedrich Nicolai.
X/er Herr Herausgeber*) der sämmtlichen Schrif
ten Lessing'6 ersuchte mich, schon vor drei Jahren, dieses berühmten Schriftstellers Antheil an den Litteraturbriefen dieser Sammlung gänzlich einzuverleiben. Ich weigerte mich lange, diesem Verlangen ein Genüge zu thun. Ich bekenne offen herzig , daß ich nicht der Meinung bin, man müsse alles, was ein Schriftsteller je geschrieben hat, ohne Auswahl in einer Sammlung wieder drucken lassen. Insonderheit scheint es, Lessing's Antheil an den Briefen, eine Litteratur betreffend, die v o r m e h r als dreißig Jahren neu war, könne sich am wenigsten zu einem neuen ganz ungeänderten Ab drucke in einer Sammlung seiner sämmtlichen Werke qualisiciren. Es hat sich seitdem ungemein viel ge ändert. Was damals das Verdienst der Neuheit hatte, ist jetzt alt; die Freimüthigkeit, die damals unerhört schien, und daher auch so viel beitrug, der deutschen Litteratur eine bessere Wendung zu geben, *) Der Heraußaeber der ersten Auflage war be kanntlich Lesirng'S Bruder.
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ist jetzt so allgemein geworden, daß sie sogar mehr mals in Übermuth und Unanständigkeit ausartete.
Streitigkeiten, die damals wichtig waren, sind jetzt uninteressant; Tadel längst mit Recht vergessener schlechter Schriften, kann jetzt nichts Anziehendes haben. Sogar das Verdienst, daß man etwa Über bleibsel von Lessing's Geiste der Vergessenheit entreißen wollte, welche die Einrückung mancher un bekannt gewordenen Aufsätze entschuldigen könnte, kann hier nicht in Anschlag kommen; denn diese Lessingifchen Briefe stehen in einer Sammlung, die genugsam bekannt, und in allen Bibliotheken der Litteraturliebhaber und in allen Buchhandlungen vorhanden ist. Indeß ward von mir der neue Abdruck der Lessingischen Litteraturbriefe wiederholt und sehr drin gend verlangt. Man führte den Grund an, cs sey einmal in dieser Sammlung der Plan, alles, was von Lessing herrühre, wieder zu drucken. Ich überlegte endlich, daß sobald dieser Plan einmal angenommen worden, Lessing's Antheil an den Litteraturbriefen nothwendig dazu gehöre. Ich über legte ferner, daß es vielleicht auch von mir nicht wohlgethan seyn möchte, darauf zu bestehen, daß der schon meist ausgeführte Plan an einer Seite mangelhaft bliebe, ob es gleich nicht mit meiner Über
zeugung übereinstimmte. Ich gab also endlich nach, doch mit der ausdrücklichen Bedingung, daß nicht alles wieder gedruckt würde, sondern daß ich eine
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zweckmäßige Auswahl machte, womit man endlich, jedoch ungern, zufrieden war. Ich liefere also hier diesen Auszug, und habe ihn so zweckmäßig zu machen gesucht, als ich konnte. Ich habe mir in Gedanken vorgestellt, was wohl Lessing selbst noch möchte wieder drucken lassen, und was nicht. Ob ich alles getroffen habe, mag der Kenner beurtheilen; im Ganzen, hoffe ich aber, soll dieser Auszug seines Zwecke entsprechen. Ich habe die Briefe weggelaffen, worin Lessing bloß Stellen aus Büchern anführt, welche damals als Neuigkeiten Werth hatten, jetzt aber entweder als schätzbare Kunstwerke bekannt, oder, weil ihr Werth nicht dauernd war, vergessen sindferner solche, wo er bloß einen Auszug macht, oder wo er z. B. bloß das Resultat einer Streitschrift Hein zens, gegen Gottsched's längst vergessene deutsche Grammatik, giebt. Bei Tadel von Schrif ten, besonders von schlechten Schriften, habe ich von den Beispielen oft einige weggelassen, sowie ich überhaupt alles wegließ, wovon es mir schien, es werde unter veränderten Umständen nicht mehr interessant seyn. Dazu gehören auch Streitigkeiten, wobei ich wenigstens wegzulassen oder zu mildern gesucht habe, was einen lebenden Schriftsteller be leidigen könnte. Aber solche Stellen, wo Lessing's Scharfsinn, Witz und eigenthümlicher Charakter hervorleuchtet, solche Stellen, denen Feinheit der Schreibart, Richtigkeit der Kritik oder brauchbare
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litterarische Anmerkungen noch jetzt Werth geben, habe ich sorgfältig beibehalten, wenn ich sie gleich aus anderen Ursachen jetzt ungern wieder drucken Lasse. Ich glaube auf diese Art erhalten zu haben, was des Erhaltens vorzüglich würdig ist; und viel leicht dem Verehrer Lessing's, durch die Auswahl und durch einige wenige erläuternde Anmerkungen, die wiederholte Lektüre noch bequemer gemacht zu ha ben. Den Litterator, der alles umfassen will, was Lessing je geschrieben hat, weise ich auf das kom plette Werk der Briefe, die Litteratur betreffend. Zwar hat ein gewisser Herr Heinzmann, der einen Nachdruck mit dem Anschein einer litterarischen^Unternehmung beschönigen will, in einer Kompilation, die er Lessing's Analekten für die Litteratur betitelt, auch schon Lessing's Litteraturbriefe, so wie die Dramaturgie, ganz wie der abdrucken lassen; aber kein ächter Liebhaber der Litteratur wird diese unförmliche Zusammenraffung eines Ayblicks würdigen. Es würde vergebene Mühe seyn, hier umständlich aus einander zu setzen, wie zwecklos und ohne Sinn dieser Mann gesammelt hat, da er z.B. Lessing's umständlichen Auszug aus dem Comedien des Remond de St. Al bino, einem allenthalben bekannten Buche, mit geliefert, hingegen andere eigene Stücke von Les sing, welche eher in eine solche Sammlung gehö ren, weggelassen hat. Ich will hier nur anführen, daß dieser elende
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Kompilator Lessing'S Manier und Schreibart so wenig kennt, daß er Aufsätze von anderen Verfassern als Lessingische abdrucken läßt. Unter den Recen sionen, die er aus der Bibliothek der schönen Wissenschaften wieder abdrucken zu lassen für gut gefunden hat, ist keine einzige von Lessing. Der Auszug aus dem Essay on tho WriLings and Genius ol* Pope ( Analekten .11. Theil / tiozouGt (siXoaoipct)^ y uno gtiovften mrd 27ften Zeile sagt der Dichter:
-------- 2voccv ZcJ.EOVTl tu Ttayieg, Ta/yitv, «XioxttuöTov • lyw de poyog ^.eXt^Xtdoop. 14*
316 D. r. Alle nennen dich die schlanke, von der Sonne verbrannte Syrerin; und nur ich nenne dich die honigbraune. Wie giebt das sein Übersetzer? ------- Die schlanke Syrerin nennt dich jeder, Von der Sonne gefärbt! Ich aber gleiche dem Honig! XL Idyll. Lheokrit läßt den Cyklops 3.54. seufzen: , oT ovx tiEXEV fLi « paiyr) ßqayxL l/ovta l£lq ximduv jiotl tiv , xac tav X€Qct T€US AI firj To Giouct hjg.
D. i. O, daß meine Mutter mich nicht mit Kiefern und Floßfedern gebar, damit ich in das Wasser zu dir herab könnte, und wenig stens deine Hand küßte, wenn du den Mund mir weigerst. Dies ist der Verstand; und der Übersetzer, der ein Dichter seyn wollte, müßte die Worte noch weit sorgfältiger wählen, und zierlicher setzen. Thut das Herr Lbk.? — Ach, keine schuppigte Mutter, Weh mir, .gebar mich wie rudernde Fische, her unter zu schwimmen, Und dir die Hände zu küssen, wenn du die Lippen nicht reichtest. Was soll die fchuppigte Mutter? Was würde e8 helfen, wenn sie ihn auch so geboren hätte, wie Fische gebären? — Doch wir wollen uns nicht mehr bei Stetten aufhalten, die nur schlecht übersetzt sind;
317 wir können -re nicht einmal alle bemerken, die falsch übersetzt sind. Darunter gehört die 75sU Zeile.
Tav naoEOtaav
' n tov (ftvyovia (Vkozei;;
Aber, will der Cyklope sagen, warum verliere ich meine Zeit bei der spröden Galathee? Warum ver folge ich die einzige, die mich flieht, da mir so viel andere Mädchen lächeln? Und dieses drückt er durch ein Schäfersprichwort aus: melke, die vor dir steht, was verfolgst du den fliehenden? Der Scholiast erklärt es ntv uyajiiüGc.v qda. Aber wo ist diese feine Anspielung, wo ist dieser Sinn in Lbk's. Übersetzung? Was eilst du nach dich flie henden Schatten! XII. Idyll. Was mag wohl, o saturnischer Vater, heißen? Vielleicht ein Vater, der wie Saturnus seine Kinder frißt? Vielleicht ein Vater, dessen Güter die Söhne bei seinen Lebzeiten unter sich theilen? Nichts weniger als das. Der sinn reiche Herr Lbk. übersetzt Z. 17. RoaviSr] (w Ztu ytvono vis tov Koovov'), durch saturni scher Vater. — Daß die 13te und 14te Zeile falsch übersetzt ist, wollen wir nicht einmal berühren; denn Herr Lbk. könnte uns einwenden, der wahre Sinn sey im Deutschen gar nicht auszudrücken. Heinsius hat ihn wenigstens im Lateinischen aus gedrückt :
Melke -Les Schaf!
Atcpie aliquis, geminnm, dicat , par vixit amantiun.,
318 Hic Lacedaemoniis Espnilus di eins in oris, Alter erat tellus quem Thessala dicat Allen. — Wie Herr Lbk. aber die vier letzten Zeilen dieses Idylls verhunzt hat, ist gar nicht zu beschreiben. Der Dichter bricht in das Lob der Megarenser aus, wegen ihrer besondern Gastfreundschaft gegen den attischen Diokles. „Noch jetzt versammeln sich im Frühlinge die Knaben um sein Grab, und streiten um den Preis des Kusses. Wer Lippen auf Lippen am süßesten drückt, der kehrt mit Kränzen beladen zu seiner Mutter. O selig, wen sein gut Geschicke
über diese Küsse der Knaben zum Richter bestimmt! Sehnlich wird er den schönen Ganymedes flehen, daß sein Mund dem Lydischen Steine gleiche, auf dem der Künstler die Güte des Goldes erforscht." — Das ist der Sinn; nun urtheile man, wie weit Herr Lbk. davon abweicht: Selig lebe der erste,
der blühende Knaben ge
küßt hat, Denn vom reizenden Ganymedes verkündigt die Morwelt, Glatten Steinen gleiche sein Mund, worauf man das Gold prüft.
Er lerne nur das leichtere Griechische des Scholiasten
verstehen, wenn ihm der Text, zu schwer ist: ’Orrojff 6 y.oiTig tu/trat tw raruinjStt ritt t.iar^htoy £/// To aioua Tioog io tfr/ctCtir ict qtbjuaja ol-ko? , (dq Avöiv. ).idos utL «y Xeipaiyag
übersetzt Herr Lbk.: Duftende Blumen, der haarichten Bienen erquikkende Wollust, Die, wenn der Frühling sich neigt, auf Wiesen in Schwärmen dahin ziehn. Was ist offenbarer, als daß ec hier abermals nicht aus dem Griechischen übersetzt hat? Denn sonst würde er ja wohl gesehen haben, daß 6c?aa auf ay&ea und nicht auf (.uIlogul gehe. — Theokrit sagt von dem Fechter Amycus vortrefflich, daß er ein eisernes Fleisch gehabt, ota Koloa