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German Pages 244 [248] Year 1977
Schulz-Lüke/Wolf Gewalttaten und Opferentschädigung
Sammlung Guttentag
Gewalttaten und Opferentschädigung Kommentar zum Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten von
Gerd Sdiulz-Lüke Regierungsdirektor, Berlin
und Manfred Wolf
Richter am Amtsgericht, Berlin
w DE
G 1977 Walter de Gruyter · Berlin · New York
CIP-Kurztitelaujnahme
der Deutschen
Bibliothek
Sdiulz-Lüke, Gerd G e w a l t t a t e n u n d Opferentschädigung : K o m m e n t a r z u m G e s e t z über die Entschädigung für O p f e r v o n G e w a l t t a t e n / v o n Gerd S d i u l z - L ü k e u. M a n f r e d W o l f — 1. Aufl. — Berlin, N e w Y o r k : de Gruyter, 1977. ( S a m m l u n g Guttentag) ISBN 3-11-006942-3 N E : Wolf, Manfred:
© Copyright 1977 by Walter de Gruyter & Co., vormals G . J. Göschen'sdie Verlagshandlung J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & Comp., 1000 Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne sdiriftlidie Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Satz und Drude: Saladruck, 1000 Berlin 36. Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer, 1000 Berlin 61.
Inhaltsverzeichnis Seite Abkürzungsverzeichnis
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UN-Deklaration über die Rechte behinderter Menschen
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Einführung I. Gesetzestext: Gesetz über die Entschädigung f ü r Opfer von Gewalttaten II. Kommentar § § § § § § § § § § § §
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Anspruch auf Versorgung Versagungsgründe Zusammentreffen von Ansprüchen Kostenträger Übergang gesetzlicher Schadensersatzansprüche Zuständigkeit und Verfahren Rechtsweg Änderung der Reichsversicherungsordnung Änderung des Pflichtversicherungsgesetzes Ubergangsvorschriften Geltungsbereich (Land Berlin) Inkrafttreten
Anhang 1. Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges — Bundesversorgungsgesetz 2. Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung — Verwaltungsverfahrensgesetz 3. Sozialgesetzbuch — Allgemeiner Teil Stichwortverzeichnis
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3 8 8 135 151 157 162 164 167 169 173 177 178 178 179 179 209 216 227
Abkürzungsverzeichnis AG AN AP BayObLG BGB BGBl. BGH BGHZ Binding, Handbuch Binding, Normen Binding, Lehrbuch BMA Bockelmann Breithaupt
BSG BT BVerfGE BVerwGE BVG DJ DR Dreher
Amtsgericht Amtliche Nachrichten des Reichsversicherungsamtes Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit 1973 (BMA) Entscheidungen des Bayrischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Binding, Handbuch des Strafrechts, 1885 Binding, Die Normen und ihre Übertretung, 2. Auflage 1890—1919 Binding, Lehrbuch des gemeinen Strafrechts, Besonderer Teil 1902—1905 Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung Bockelmann, Straf recht, Allgemeiner Teil 1973 Sammlung von Entscheidungen des Reichsversicherungsamtes, der Landesversicherungsämter und der Oberversicherungsämter, hrsg. von Breithaupt Bundessozialgericht Bundestag Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes Bundesversorgungsgesetz Deutsche Justiz Deutsches Recht Strafgesetzbuch, Kommentar, 36. Aufl. 1976
Abkürzungsverzeidinis DRiZ DStR DVBl. Eser I
VII
Deutsche Riditerzeitung Deutsches Strafrecht Deutsches Verwaltungsblatt Eser, Juristischer Studienkurs, Strafrecht I, 2. Aufl. 1975 Entscheidungen und Mitteilungen EuM Goltdammers Archiv für Strafrecht, zitiert nach GA Bänden, seit 1953 in Jahrgängen Grundgesetz für die Bundesrepublik DeutschGG land GVBl. Gesetz- und Verordnungsblatt Hauck — Haines, Kommentar zum SozialgeHauck — Haines SGB setzbuch, 1976 HESt. Höchstrichterliche Entscheidungen, Sammlung von Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Strafsachen HRR Höchstrichterliche Rechtsprechung JGG Jugendgeriditsgesetz Juristische Rundschau JR Juristische Wochenschrift JW Juristenzeitung JZ Kammergericht KG Konkursordnung KO Kohlrausch — Lange, Strafgesetzbuch, 43. Aufl. Kohlrausch — Lange 1961 Kleinknecht, Strafprozeßordnung, Kommentar, Kleinknecht StPO 32. Aufl. 1975 Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, LK 8.Aufl., herausgegeben von P. Baldus und G. Willms, 1970 ff. LM Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofes, herausgegeben von Lindenmaier — Möhring MDR Monatsschrift für Deutsches Recht NJW Neue Juristische Wochenschrift van Nuis — Vorberg van Nuis — Vorberg, Das Recht der Kriegsbeschädigten und Hinterbliebenen Gesetz über die Entschädigung für Opfer von OEG Gewalttaten OGHSt Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes für die Britische Zone in Strafsachen
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Abkürzungsverzeichnis
Oberlandesgericht Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 35. Aufl. 1976 Gesetz über die Pflichtversicherung für K r a f t PflVG fahrzeughalter Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen RG RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rittler Lehrbuch des österreichischen Strafrechts, Bd. I, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1957 RVGer Reichsversicherungsgericht RVO Reichsversicherungsordnung Schätzler Der Versorgungsbeamte N r . 6/1976 Schleswig-Holsteinische Anzeigen SchlHA Sdiönke — Schröder Strafgesetzbuch, Kommentar, 18. Aufl. 1976 Schönleiter — Schönleiter — Hennig, Kommentar zum Gesetz Hennig über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung, 1969 SGB Sozialgesetzbuch StGB Strafgesetzbuch StPO Strafprozeßordnung StVG Straßenverkehrsgesetz StVZO Straßenverkehrszulassungsordnung VfG Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung VRS Verkehrsrechts-Sammlung, Entscheidungen aus allen Gebieten des Verkehrsrechts VV Verwaltungsvorschriften VwGO Verwaltungsgerichtsordnung Warneyer Sammlung zivilrechtlicher Entscheidungen des Reichsgeridits, herausgegeben von Warneyer Wilke — Wilke — Wunderlich, Kommentar zum BunWunderlich desversorgungsgesetz, 4. Aufl. 1973 Wittern Wittern, Grundriß des Verwaltungsrechts, 7. Aufl. 1972 ZStW Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft
OLG Palandt
UN-Deklaration über die Rechte behinderter Menschen Die Generalversammlung der Vereinten 1975 die folgende Resolution an:
Nationen
nahm am 9.
Dezember
Die Generalversammlung ist sich bewußt, daß die Mitgliedsstaaten gemäß der Charta der Vereinten Nationen die Verpflichtung als Gelöbnis abgegeben haben, kollektiv oder einzeln in Zusammenarbeit mit der Weltorganisation tätig zu werden, um einen höheren Lebensstandard, Vollbeschäftigung und die Voraussetzung f ü r wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt zu fördern; bekräftigt ihren Glauben an die Menschenrechte, an die Grundfreiheiten und die Grundsätze des Friedens, der Würde und des Wertes des Mensdien und an die in der Charta erklärten Grundsätze der sozialen Gerechtigkeit; erinnert an die Grundsätze der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, an das Internationale Übereinkommen über die Menschenrechte, an die Deklaration über die Redite des Kindes, die Deklaration über die Redite der geistig Behinderten, sowie an die in der Verfassung verankerten f ü r den sozialen Fortschritt notwendigen Normen, die bereits dargelegt wurden in: den Verfassungen, Konventionen, Empfehlungen und Resolutionen der Internationalen Arbeitsorganisation, der Erziehungs-, Wissenschafts- und Kulturorganisation der Vereinten Nationen, der Weltgesundheitsorganisation, des Kinderhilfsfonds der U N und anderer beteiligter Organisationen; erinnert auch an die Resolution 1921 (LVIII) des Wirtschafts- und Sozialrats über die Verhütung von Behinderungen und die Rehabilitation Behinderter vom 6. Mai 1975; betont, daß die Deklaration über den sozialen Fortschritt, die Notwendigkeit des Schutzes der Rechte und die Sidierstellung des Wohles und der Rehabilitation Körperbehinderter und geistig Behinderter proklamiert hat; ist sich der Notwendigkeit bewußt, Körperbehinderungen und geistige Behinderungen zu verhüten und behinderten Mensdien zu helfen, ihre Fähigkeiten in den unterschiedlichsten Tätigkeitsbereichen zu entwickeln und ihre Integration in das normale Leben weitgehendst zu fördern; ist sich im klaren darüber, daß sich mandie Länder in ihrem gegenwärtigen Entwicklungsstadium nur in begrenztem Maße f ü r dieses Ziel einsetzen können; proklamiert diese Deklaration über die Redite der Behinderten und r u f t zu nationalen und internationalen Aktionen auf, um zu gewährleisten, daß diese Deklaration als gemeinsame Basis und gemeinsamer Bezugsrahmen f ü r den Schutz dieser Rechte dient:
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UN-Deklaration über die Rechte behinderter Menschen
1. Behinderte im Sinne dieser Erklärung sind alle Personen, die aufgrund einer angeborenen oder erworbenen Schädigung körperlicher oder geistiger Art nicht in der Lage sind, sich voll oder teilweise aus eigener K r a f t wie ein Nichtbehinderter die entsprechende Stellung in Arbeit, Beruf und Gesellschaft zu sichern. 2. Die Behinderten sollen in den Genuß aller in dieser Deklaration enthaltenen Rechte kommen. Diese Rechte sollen allen Behinderten gewährt werden, ohne jede Ausnahme und ohne Unterscheidung oder Diskriminierung aufgrund von Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischen oder anderen Einstellungen, nationaler oder sozialer H e r k u n f t , unabhängig von Einkommens- und Vermögensverhältnissen, Geburt oder sonstiger Umstände, sowohl hinsichtlich der oder des Behinderten selbst wie auch ihrer oder seiner Familie. 3. Behinderte Mensdien haben das unveräußerliche Recht auf Achtung ihrer Menschenwürde. Behinderte, ungeachtet des Ursprungs, der Art und Schwere ihrer Benachteiligungen oder Behinderungen, haben dieselben Grundrechte wie die anderen Mitbürger ihres Alters, womit primär und insbesondere das Recht auf ein angemessenes Leben gemeint ist, das so normal und sinnerfüllt als möglich sein soll. 4. Behinderte Menschen haben dieselben bürgerlichen und politischen Rechte wie alle anderen Menschen. Art. 7 der Deklaration über die Rechte der geistig Behinderten bezieht sich auf jede etwaige Einschränkung oder U n terdrückung dieser Rechte bei geistig Behinderten. 5.. Behinderte Menschen haben Anspruch auf Maßnahmen, die ihnen dazu verhelfen, zu größtmöglicher Selbständigkeit zu gelangen. 6. Behinderte haben Anspruch auf medizinische, psychologische und funktionelle Behandlung, einschließlich prothetischer und orthethischer Versorgung, auf medizinische und soziale Rehabilitation, berufliche Bildung, Berufsausbildung, berufsfördernde Maßnahmen zur Rehabilitation, Hilfe, Beratung, arbeitsvermittelnde und andere Dienste, die es ihnen ermöglichen, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten maximal zu entwickeln und den Prozeß ihrer sozialen Eingliederung oder Wiedereingliederung zu beschleunigen. 7. Behinderte haben Anspruch auf wirtschaftliche und soziale Sicherheit und auf einen angemessenen Lebensstandard. Sie haben das Recht, sich einen ihren Fähigkeiten entsprechenden Arbeitsplatz zu beschaffen und ihn zu behalten oder eine sinnvolle, produktive und vergütete Beschäftigung aufzunehmen und Gewerkschaften beizutreten. 8. Behinderte haben Anspruch darauf, daß ihre besonderen Bedürfnisse in allen Phasen der Wirtschafts- und Sozialplanung berücksichtigt werden. 9. Behinderte Menschen haben das Recht, mit ihren Familien oder Pflegeeltern zu leben und an allen Aktivitäten des sozialen, schöpferischen oder freizeitorientierten Lebens teilzunehmen. Kein(e) Behinderte(r) darf hinsichtlich ihrer oder seiner Unterbringung einer anderen Behandlung ausgesetzt werden als der, die ihr Zustand erfordert oder die f ü r eine Besserung erforderlich ist. Wenn der Aufenthalt einer oder eines Behinderten in einer
UN-Deklaration über die Redite behinderter Menschen
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Spezialeinrichtung unerläßlich ist, müssen die Umgebung und die Lebensbedingungen dort weitgehendst denen entsprechen, unter denen ein nichtbehinderter Mensch ihres oder seines Alters leben würde. 10. Behinderte sollen gegen jegliche Ausnutzung, gegen Bestimmungen und Behandlungen diskriminierender, beleidigender oder herabsetzender A r t geschützt werden. 11. Behinderte Menschen sollen in der Lage sein, von sich aus qualifizierte rechtliche Hilfe in Ansprudi zu nehmen, wenn sich eine solche Hilfe als unerläßlidi für den Schutz ihrer Person oder ihres Eigentums erweist. Wenn Geriditsverfahren gegen sie laufen, muß beim Prozeß ihrer körperlichen und geistigen Verfassung voll Redinung getragen werden. 12. Es kann sich als nützlich erweisen, Behindertenorganisationen in allen die Rechte behinderter Mensdien betreffenden Angelegenheiten in Ansprudi zu nehmen. 13. Behinderte, ihre Familien und die Gemeinschaften in denen sie leben, sollen mit allen geeigneten Mitteln eingehend über die in dieser Deklaration enthaltenen Rechte unterrichtet werden.
Einführung"* Dieses Gesetz will der in jüngster Zeit gewachsenen Erkenntnis Rechnung tragen, daß Opfern von Gewalttaten in weiterem Umfange als bisher mit öffentlichen Mitteln geholfen werden muß. Damit soll eine wichtige soziale und rechtspolitische Aufgabe erfüllt werden, deren Bedeutung erst in den letzten Jahren zunehmend in das Bewußtsein der Öffentlichkeit gerückt ist. Opfer von Gewaltkriminalität können oft von einem Tag zum anderen ohne jedes Verschulden erwerbsunfähig, hilflos oder pflegebedürftig werden. Solchen schwer geschädigten Menschen Hilfe zu gewähren, ist aber nicht nur eine soziale Aufgabe, sondern auch ein Gebot der Gerechtigkeit. Die durch Gewalttaten persönlich Angegriffenen handeln, falls sie sich verteidigen, zugleich im Interesse der Rechtsgemeinschaft. Wie die Nothelfer oder die sogenannten Verwaltungshelfer (§ 539 Abs. 1 Nr. 9, 12 a, 13 RVO) sind sie, sobald sie Tätlichkeiten nicht nur passiv erdulden, zugleich Verteidiger der Rechtsordnung. Aber auch wenn ihnen keine Gegenwehr möglich ist, kann der Allgemeinheit ihre Schädigung nicht gleichgültig sein. Die gewaltsam Überfallenen befinden sich oft in einer unvermeidbaren Situation; sie haben oft keine Wahl zwischen Abwehr und Flucht. Anders als bei den Angriffen auf das Eigentum oder sonstige Rechte können sie nicht der körperlichen Auseinandersetzung aus dem Wege gehen und auf die Hilfe der Behörden bei dem späteren Schadensausgleich vertrauen. Dauerfolgen von Körperverletzungen können die allgemeine gesellschaftliche Stellung des Betroffenen schwer beeinträchtigen. Es kann nicht hingenommen werden, daß diejenigen Mitbürger, die unverschuldet durch ein Verbrechen arbeitsunfähig geworden sind, auf allgemeine Sozialhilfeleistungen verwiesen und dadurch in ihrer sozialen Stellung zurückgeworfen werden· Den Staat trifft eine besondere Verantwortung für Personen, die durch eine vorsätzliche Straftat geschädigt werden. Seine Aufgabe ist es, die Bürger namentlich vor Gewalttätern zu schützen. Kann er diese Pflicht nicht erfüllen, so muß er sich für die Entschädigung des Opfers verantwortlich * (Vgl. BT-Drucksache 7/2506)
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Einführung
fühlen. Zwar kann es nicht Aufgabe der Allgemeinheit sein, in diesen Fällen Schadensersatz einschließlich eines Schmerzensgeldes im Sinne des Zivilrechts zu leisten, weil es hier im Gegensatz zur Amtshaftung an einem schuldhaften Verhalten mangelt. Auch eine zivilrechtliche Gefährdungshaftung der für die Verbrechensbekämpfung zuständigen Behörden läßt sidi nicht begründen, da für Art und Ausmaß der Kriminalität besondere, zivilrechtlich nicht erfaßbare Entstehungsursachen und Gesetzmäßigkeiten Bedeutung haben. Die zu gewährenden Leistungen sollen nicht vollen Schadensersatz darstellen; sie müssen jedoch der sozialen Verantwortung der Allgemeinheit gerecht werden und über das Bedürftigkeitsprinzip im Sinne des B S H G hinausgehen. Die Gesdiädigten müssen von der Allgemeinheit in einem solchen Umfange schadlos gehalten werden, daß ein soziales Absinken der Betroffenen selbst, ihrer Familien und ihrer Hinterbliebenen vermieden wird. Das Leistungssystem des B V G wird diesen Prinzipien sozialer Entschädigung am besten gerecht, wie auch die Erfahrungen mit der Entschädigungsregelung für Impfgeschädigte bestätigen. Auch zahlreidie andere Gesetze nehmen auf das B V G Bezug. Der 49. Deutsche Juristentag stellte fest, das Bundesversorgungsgesetz sei eine geeignete Vorlage für ein umfassendes soziales Entschädigungsrecht.
I. GESETZESTEXT Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) vom 11. Mai 1976 (BGBl. I S. 1181) § 1 Anspruch auf Versorgung (1) Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Die Anwendung dieser Vorsdirift wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Angreifer in der irrtümlichen Annahme von Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes gehandelt hat. (2) Einem tätlichen Angriff im Sinne des Absatzes 1 stehen gleich 1. die vorsätzliche Beibringung von Gift, 2. die wenigstens fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr f ü r Leib und Leben eines anderen durch ein mit gemeingefährlichen Mitteln begangenes Verbrechen. (3) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die durch einen Unfall unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Buchstabe e oder f des Bundesversorgungsgesetzes herbeigeführt worden sind; Buchstabe e gilt auch f ü r einen Unfall, den der Geschädigte bei der unverzüglichen Erstattung der Strafanzeige erleidet. (4) Ausländer haben keinen Anspruch auf Versorgung, wenn die Gegenseitigkeit nicht gewährleistet ist. (5) Die Hinterbliebenen eines Geschädigten erhalten auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes.
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Gesetzestext
(6) Dieses Gesetz ist nicht anzuwenden auf Schäden aus einem tätlichen Angriff, die von dem Angreifer durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeuges oder eines Anhängers verursacht worden sind. (7) § 1 Abs. 3, §§ 64 bis 64 f. sowie § 89 des Bundesversorgungsgesetzes sind mit der Maßgabe anzuwenden, daß an die Stelle der Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung die Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde tritt, sofern ein Land Kostenträger ist (§ 4). § 2 Versagungsgründe (1) Leistungen sind zu versagen, wenn der Geschädigte die Schädigung verursacht hat oder wenn es aus sonstigen, insbesondere in dem eigenen Verhalten des Anspruchstellers liegenden Gründen unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren. (2) Leistungen können versagt werden, wenn der Geschädigte es unterlassen hat, das ihm Mögliche zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Verfolgung des Täters beizutragen, insbesondere unverzüglich Anzeige bei einer für die Strafverfolgung zuständigen Behörde zu erstatten. § 3 Zusammentreffen von Ansprüchen (1) Treffen Ansprüche nach diesem Gesetz mit Ansprüchen aus einer Schädigung im Sinne des § 1 des Bundesversorgungsgesetzes oder nach anderen Gesetzen, die das Bundesversorgungsgesetz für anwendbar erklären, zusammen, so ist unter Berücksichtigung der durch die gesamten Schädigungsfolgen bedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit eine einheitliche Rente festzusetzen. (2) Die Ansprüche nach diesem Gesetz entfallen, soweit auf Grund der Schädigung Ansprüche nach dem Bundesversorgungsgesetz oder nach einem Gesetz, welches das Bundesversorgungsgesetz für anwendbar erklärt, bestehen. (3) Trifft ein Versorgungsanspruch nach diesem Gesetz mit einem Schadensersatzanspruch auf Grund fahrlässiger Amtspflichtverletzung zusammen, so wird der Anspruch nach § 839 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Voraussetzungen des § 1 vorliegen. (4) Bei Schäden nach diesem Gesetz gilt § 541 Abs. 1 Nr. 2 der Reichsversicherungsordnung nicht. § 4 Kostenträger (1) Zur Gewährung der Versorgung ist das Land verpflichtet, in dem die Schädigung eingetreten ist. Sind hierüber Feststellungen nicht möglich, so ist das Land Kostenträger, in dem der Geschädigte
Gesetzestext
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zur Tatzeit seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hatte er im Geltungsbereich dieses Gesetzes keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, oder ist die Sdiädigung auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes eingetreten, so ist der Bund Kostenträger. (2) Der Bund trägt vierzig vom Hundert der Ausgaben, die den Ländern durch Geldleistungen nach diesem Gesetz entstehen. Zu den Geldleistungen gehören nicht solche Geldbeträge, die zur Abgeltung oder an Stelle einer Sachleistung gezahlt werden. (3) In den Fällen des § 3 Abs. 1 sind die Kosten, die durch das Hinzutreten der weiteren Schädigung verursacht werden, von dem Leistungsträger zu übernehmen, der für die Versorgung wegen der weiteren Schädigung zuständig ist. § 5 Übergang gesetzlidier Schadensersatzansprüdie (1) Ist ein Land Kostenträger (§ 4), so gilt § 81 a des Bundesversorgungsgesetzes mit der Maßgabe, daß der gegen Dritte bestehende gesetzliche Schadensersatzanspruch auf das zur Gewährung der Leistungen nach diesem Gesetz verpflichtete Land übergeht. (2) Die eingezogenen Beträge, soweit sie auf Geldleistungen entfallen, führt das Land zu vierzig vom Hundert an den Bund ab. § 6 Zuständigkeit und Verfahren (1) Die Versorgung nach diesem Gesetz obliegt den für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden. Ist der Bund Kostenträger und hat der Geschädigte im Zeitpunkt der Schädigung seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem Land, sind die Behörden dieses Landes zuständig; hat der Geschädigte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes, sind die Behörden des Landes zuständig, das die Versorgung von Kriegsopfern in dem Wohnsitz- oder Aufenthaltsland durchführt. (2) Die örtliche Zuständigkeit der Behörden bestimmt die Landesregierung durch Rechtsverordnung. (3) Das Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung, mit Ausnahme der §§ 3 bis 5, sowie die Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes über das Vorverfahren sind anzuwenden. (4) Absatz 3 gilt nicht, soweit die Versorgung in der Gewährung von Leistungen besteht, die den Leistungen der Kriegsopferfürsorge nach den §§ 25 bis 27 e des Bundesversorgungsgesetzes entsprechen.
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Gesetzestext
§ 7 Rechtsweg (1) Für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten dieses Gesetzes ist, mit Ausnahme der Fälle des Absatzes 2, der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben. Soweit das Sozialgerichtsgesetz besondere Vorschriften für die Kriegsopferversorgung enthält, gelten diese auch für Streitigkeiten nach Satz 1. (2) Soweit die Versorgung in der Gewährung von Leistungen besteht, die den Leistungen der Kriegsopferfürsorge nach den §§ 25 bis 27 e des Bundesversorgungsgesetzes entsprechen, ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben. § 8 Änderung der Reichsversidierungsordnung Nach § 765 wird folgender § 765 a eingefügt: 4 765 a (1) Den nach § 539 Abs. 1 Nr. 9 Versicherten werden auf Antrag die Sachschäden, die sie bei einer der dort genannten Tätigkeiten erleiden, sowie die Aufwendungen, die sie den Umständen nach für erforderlich halten dürfen, ersetzt. Der Anspruch richtet sich gegen den für die Versicherung zuständigen Versicherungsträger. (2) § 1542 Abs. 1 Satz 1 und § 640 Abs. 2 gelten entsprechend." § 9 Änderung des Pflichtversicherungsgesetzes § 12 des Pflichtversicherungsgesetzes vom 5. April 1965 (Bundesgesetzbl. I S. 213), zuletzt geändert durch das Zuständigkeitsanpassungs-Gesetz vom 18. März 1975 (Bundesgesetzbl. I S. 705), wird wie folgt geändert: 1. In Absatz 1 Satz 1 wird am Ende der Nummer 1 das Wort „oder" gestrichen, am Ende der Nummer 2 der Punkt durch das Wort „oder" ersetzt und folgende Nummer 3 angefügt: „3. wenn für den Schaden, der durch den Gebrauch des ermittelten oder nicht ermittelten Fahrzeugs verursacht worden ist, eine Haftpflichtversicherung deswegen keine Deckung gewährt oder gewähren würde, weil der Ersatzpflichtige den Eintritt der Tatsache, für die er dem Ersatzberechtigten verantwortlich ist, vorsätzlich und widerrechtlich herbeigeführt hat." 2. In Absatz 1 wird folgender Satz 5 angefügt: „Die Leistungspflicht des Entschädigungsfonds entfällt ferner bei Ansprüchen des. Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände als Straßenbaulastträger sowie bei Ansprüchen der Deutschen Bundesbahn als Baulastträgerin für verkehrssichernde oder verkehrsregelnde Einrichtungen an Bahnübergängen."
Gesetzestext
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3. In Absatz 4 Satz 2 wird das Wort „Nr. 2" ersetzt durch „Nr. 2 und 3". § 10 ÜbergangsVorschriften Dieses Gesetz gilt für Ansprüche aus Taten, die nach seinem Inkrafttreten begangen worden sind. S11
Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 1) auch im Land Berlin. $12
Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.
II. KOMMENTAR § 1 Anspruch auf Versorgung (1) Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Die Anwendung dieser Vorschrift wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Angreifer in der irrtümlichen Annahme von Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes gehandelt hat. (2) Einem tätlichen Angriff im Sinne des Absatzes 1 stehen gleich 1. die vorsätzliche Beibringung von Gift, 2. die wenigstens fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben eines anderen durch ein mit gemeingefährlichen Mitteln begangenes Verbrechen. (3) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die durch einen Unfall unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Buchstabe e oder f des Bundesversorgungsgesetzes herbeigeführt worden sind; Buchstabe e gilt auch für einen Unfall, den der Geschädigte bei der unverzüglichen Erstattung der Strafanzeige erleidet. (4) Ausländer haben keinen Anspruch auf Versorgung, wenn die Gegenseitigkeit nicht gewährleistet ist. (5) Die Hinterbliebenen eines Geschädigten erhalten auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. (6) Dieses Gesetz ist nicht anzuwenden auf Schäden aus einem tätlichen Angriff, die von dem Angreifer durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeuges oder eines Anhängers verursacht worden sind. (7) § 1 Abs. 3, §§ 64 bis 64 f sowie § 89 des Bundesversorgungsgesetzes sind mit der Maßgabe anzuwenden, daß an die Stelle der Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung die
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Anspruch a u f V e r s o r g u n g
§1
Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde tritt, sofern ein Land Kostenträger ist (§ 4). Ü bersieht Rdnr. I. V e r s o r g u n g 1. 2. 3. 4. 5.
Reditsnatur des Anspruchs Bundesversorgungsgesetz Umfang der Versorgung Leistungsvoraussetzungen Andere Rechtsvorschriften
....
1 2 7 8 9
II. Räumlicher Geltungsbereich 1. Begründung 2. Bereich 3. Deutsche Schifft zeuge
10 11 und
Luftfahr-
14
III. Persönlicher Geltungsbereich 1. Allgemeines 2. Deutsche, deutsche Volkszugehörige 3. Berechtigte außerhalb des Geltungsbereichs 4. Ausländer 5. Status und Anspruchsberechtigung 6. Hinterbliebene
21 24 32 35 37 39
I V . Niederlassung 1. Allgemeines 2. Wohnsitz 3. Gewöhnlicher Aufenthalt
42 43 56
V . Entschädigungstatbestand
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V I . Straftatbestände 1. Tatbestandsgruppen 2. Straftaten durch Tätlichkeiten . . 3. Straftaten durch Tätlichkeiten und andere Tatformen 4. „Nicht-Gewalttaten" 5. Gefährdungsdelikte 6. Nebenstrafrecht
63 64 65 77 80 83
V I I . O r t der T a t
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V I I I . Handlungsbegriff
85
1. Tatbehandlung 2. Unterlassungsdelikte
86 88
I X . Angriff 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Begriff Tätlicher Angriff Schlägerei Personenbezogenheit Personengruppe Rechtswidrigkeit Rechtfertigung Vorsatz Weitere Voraussetzungen Strafbarkeit
Rdnr. 97 100 104 106 107 111 114 144 der
177
X . Abwehr 1. 2. 3. 4. 5.
Entschädigungsbereditigung . . . . 186 Notwehr-(Abwehr-)lage 189 Notwehr-(Abwehr-)handlung . . 196 Verteidigungs-(Abwehr-)wille . . 207 Irrtum über die Notwehr 208
X I . B e i b r i n g u n g v o n Gift 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Begründung Folgen der Giftbeibringung . . . . Gifte Giftwirkung »Andere" Stoffe Tathandlung
211 212 213 220 223 224
Χ Π . V e r b r e c h e n mit g e m e i n · gefährlichen M i t t e l n 1. Gemeingefährliche Verbrechen als Gewalttat 2. Verbrechen 3. Gemeingefährliche Mittel 4. Gefahr für Leib und Leben . . . . 5. Subjektive Seite des Tatbestandes 6. Tatfolge
228 230 235 241 245 250
X I I I . Angriff m i t t e l s eines Kraftfahrzeuges o d e r e i n e s A n h ä n g e r s 1. 2. 3. 4.
Begründung Anwendungsbereich Haftpflichtversicherung Fahrzeuge
251 252 254 255
Versorgung
§1 X I V . Unfälle 1. Begründung 2. Begriff 3. Anspruchsberechtigte 4. Unfallschutz 5. Notwendiger Weg
Rdnr.
Rdnr.
258 259 260 262 269
2. Ursächlicher Zusammenhang zwischen Schädigung und Tod 333 3. Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Schädigung und Gesundheitsstörung 339 4. Unterbrechung des ursächlichen Zusammenhangs 344
X V . Gesundheitliche Schädigung 1. Begriff 272 2. Schädigender Vorgang 274 3. Absichtlich herbeigeführte Schädigung 275 X V I . Gesundheitliche F o l g e n der Schädigung 1. Gesundheit 281 2. Gesundheitsstörung 282 3. Verschlimmerung, weitere Verschlechterung 306 4. Wesentliche Änderung 316 X V I I . Wirtschaftliche F o l g e n Schädigung
11
der
319
XVIII. Ursächlicher Z u s a m m e n h a n g 1. Ursächlicher Zusammenhang zwischen schädigendem Vorgang und Schädigung 321
XIX. Erwerbsfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit 1. 2. 3. 4.
Erwerbsfähigkeit Minderung der Erwerbsfähigkeit Erwerbsunfähigkeit Schädigung und Tod
347 349 358 361
X X . Antragstellung 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Rechtsvorschriften Beratung Auskunft Anträge Inhalt der Anträge Rücknahme der Anträge
363 364 376 383 402 408
I. Versorgung 1. Rechtsnatur des Anspruchs 1 Der Versorgungsanspruch ist ein gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichteter öffentlich-rechtlicher Entschädigungsanspruch eigener Art. Er dient dem Ausgleich für das besondere Opfer, das der Geschädigte durch die Beeinträchtigung seiner Gesundheit oder die Hingabe seines Lebens der Allgemeinheit erbracht hat. Der Versorgungsanpsruch ist also weder ein Aufopferungs- noch ein Schadensersatzanspruch. Bestimmend für die Rechtsnatur des Versorgungsanspruchs und die hieraus ableitbaren Rechte sind das Schadensereignis (§ 1 Abs. 1 bis 3 OEG) und seine Folgen. Der Anspruch auf Versorgungsleistungen setzt den Kausalzusammenhang zwischen diesem Ereignis und der dabei erlittenen gesundheitlichen Schädigung voraus; er wird befriedigt durch Geld-, Sach- oder Dienstleistungen. Bemessungsgrundlage für die einkommensunabhängigen Leistungen sind die gesundheitlichen, für die einkommens-
12
Ansprudi auf Versorgung
§1
abhängigen Leistungen audi die wirtschaftlichen Folgen der Schädigung. Auf die Leistungen besteht ein Rechtsanspruch, es sei denn, daß der Gesetzgeber Kannleistungen vorgesehen hat.
2. Bundesversorgungsgesetz 2 a) Entsprechende Anwendung. Die Geschädigten und ihre Hinterbliebenen erhalten gemäß § 1 Abs. 1 und 5 O E G auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges — BVG —) vom 20. Dezember 1950 (BGBl. I S. 791) in der Bekanntmachung der Neufassung vom 22. Juni 1976 (BGBl. I S. 1633) und in der danach jeweils geltenden Fassung. Aus der Formulierung „in entsprechender Anwendung" könnte geschlossen werden, daß nur die Leistungsvorschriften der §§ 9 ff. B V G anzuwenden sind, nicht aber die Vorschriften der §§ 1 bis 8 BVG, soweit sie nicht Schädigungstatbestände nach dem B V G enthalten. Dagegen spricht zunächst, daß der Gesetzgeber selbst einige dieser Vorschriften für entsprechend anwendbar erklärt hat, so den § 1 Abs. 2 Buchst, e und f B V G — durch Unfall herbeigeführte Schädigungen — (§ 1 Abs. 3 OEG) und den § 1 Abs. 3 B V G — Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Schädigung und Gesundheitsstörung (§ 1 Abs. 7 OEG). 3 Eine Regelung über den persönlichen Geltungsbereich enthält das O E G nicht, wenn von der Vorschrift des § 1 Abs. 4 O E G (nicht heimatlose Ausländer) abgesehen wird. Das Gesetz beschränkt sich vielmehr nur auf die Feststellung, daß entschädigungsberechtigt ist, „wer" als Opfer einer Straftat oder als Betroffener eines Unfalls eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Danach wäre das Gesetz — mit Ausnahme der nicht heimatlosen Ausländer — auf jede natürliche Person (und den Nasciturus) anwendbar, die sich zum Zeitpunkt der Tat bzw. des Unfalls im Geltungsbereich des O E G aufgehalten hat, somit auch auf heimatlose Ausländer und auf Staatenlose. Grundgedanke des Entschädigungsrechts ist jedoch, daß die Gemeinschaft, der der Geschädigte angehört, als Ausgleich für den erlittenen Schaden an Leib und Leben zur Entschädigungsleistung verpflichtet oder daß eine vergleichbare Entschädigung für nach diesem Gesetz unmittelbar Berechtigte vorgesehen ist, wenn sie im räumlichen Geltungsbereich eines anderen Staates eine gesundheitliche Schädigung haben erleiden müssen. Heimatlose Ausländer und Staatenlose gehören diesem Personenkreis nicht an, weshalb das Gesetz auf sie nicht anwendbar ist. Die Ausklammerung
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dieses Personenkreises zwingt schon aus Gründen der Rechtssicherheit zu einer Aussage über den persönlichen Geltungsbereich des OEG. Mangels insoweit unmittelbar geltender Regelungen sind daher die Vorschriften des § 7 Abs. 1 BVG entsprechend anzuwenden, ausgenommen die auf die Schädigungstatbestände des BVG abgestellten Vorschriften des § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG. 4 Entsprechend anzuwenden sind auch die Vorschriften über Zusammentreffen von Ansprüchen (§§ 54, 55 BVG), über Anpassung der Versorgungsbezüge (§ 56 BVG), über Beginn, Änderung und Aufhören der Versorgung (§§ 60 bis 62 BVG), für Berechtigte außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes (SS 64 bis 64 f BVG), über Ruhen des Anspruchs auf Versorgung (§ 65 BVG), über Zahlung (§ 66 BVG), über Übertragung kraft Gesetzes (§§ 71, 71 b BVG), über Kapitalabfindung (§§ 72 bis 78, 80 BVG), über Schadenersatz, Erstattung (§§ 81 bis 81 b BVG), über Ausschluß der Anrechnung von Versorgungsbezügen auf das Arbeitsentgelt (§ 83 BVG), über Härteausgleich (§ 89 BVG) und über SchlußVorschriften ( S S 90 bis 92 BVG). 5 Nicht entsprechend anwendbar ist die Vorschrift des $ 7 Abs. 2 BVG. Der BMA (Schrb. vom 2 . 6 . 1 9 7 6 — Va 2 — 5051.2 — 525/76) hat hierzu u. a. ausgeführt: „Wenn die erlittene Schädigung einen Anspruch nach dem OEG als auch nach einem ausländischen Entschädigungsredit begründet, so widerspricht es nach allgemeiner Ansicht dem Sinn und Zweck der sozialen Entschädigung, daß diese Ansprüche zu einer Doppelleistung führen. Derzeit seien ggf. Leistungen nach S 2 Abs. 1 OEG zu versagen." Der Erlaß einer allgemeinen Kollisionsnorm — evtl. entsprechend der Vorschrift des 5 7 Abs. 2 BVG — ist in Aussicht genommen. Nicht entsprechend anwendbar sind weiterhin S 1 Abs. 4 BVG (vom Beschädigten absichtlich herbeigeführte Schädigung), weil dieser Tatbestand im S 2 Abs. 1 OEG enthalten ist, § 1 Abs. 5 BVG (Anspruchsberechtigung der Hinterbliebenen), weil die Vorschrift des S 1 Abs. 5 OEG im Ergebnis mit dieser übereinstimmt und als lex specialis Vorrang hat, sowie § 8 BVG (Erweiterung des Anwendungsbereichs). 6 b) Zustimmungszuständigkeit. S 1 Abs. 3 B V G (Ungewißheit in der medizinischen Wissenschaft über die Ursache des festgestellten
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Leidens), §§ 64 bis 64 f B V G (Berechtigte außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes) und § 89 B V G (Härteausgleidi) sind mit der Maßgabe anzuwenden, daß an die Stelle der Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung die Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde tritt, sofern ein Land Kostenträger ist (§ 1 Abs. 7 OEG).
3. Umfang der Versorgung 7
Die Versorgung umfaßt 1. Heilbehandlung, Versehrtenleibesübungen und handlung (§§ 10 bis 24 a BVG), 2. Leistungen der Kriegsopferfürsorge (§§ 25 bis 3. Beschädigtenrente (§§ 29 bis 34 B V G ) und (§ 35 BVG), 4. Bestattungsgeld (§ 36 BVG) und Sterbegeld (§ 37 5. Hinterbliebenenrente (§§ 38 bis 52 B V G ) und
Krankenbe27 f BVG), Pflegezulage BVG),
6. Bestattungsgeld beim Tode von Hinterbliebenen (§ 53 BVG).
4. Leistungsvoraussetzungen 8 Sofern Versagungsgründe (§ 2 O E G , § 64 e Abs. 2 B V G ) nicht vorliegen, die Ruhensvorsdiriften (§ 64 Abs. 2 BVG, § 64 c Abs. 4 B V G , § 65 B V G ) nicht anwendbar sind oder Versorgungsansprüche nicht entfallen (§ 3 Abs. 2 OEG), werden Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz gewährt, wenn — ein schädigendes Ereignis im Sinne des § 1 Abs. 1 bis 3 O E G vorliegt und — das schädigende Ereignis im Geltungsbreich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug eingetreten ist, und — der Geschädigte Deutscher im Sinne des Grundgesetzes oder deutscher Volkszugehöriger oder, wenn er Ausländer ist und der Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, die Gegenseitigkeit gewährleistet, und — der Geschädigte eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, und — die gesundheitliche Schädigung in ursächlichem Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis steht, und — die Gesundheitsstörung wenigstens wahrscheinlich die Folge der erlittenen Schädigung ist, und
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ein Antrag auf Gewährung von Versorgung rechtswirksam gestellt ist, und die anerkannten Schädigungsfolgen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit zur Folge haben.
5. Andere Rechtsvorschriften 9 Neben dem Bundesversorgungsgesetz sind im wesentlichen folgende Rechtsvorschriften anzuwenden: — Die Verordnung über die sachliche Zuständigkeit in der Kriegsopferversorgung vom 20. Mai 1963 (BGBl. I S. 367) in der Fassung vom 21. Januar 1968 (BGBl. I S. 104); — die Verordnung über die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung für Berechtigte außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes vom 9. Juni 1964 (BGBl. I S. 349) in der Fassung vom 22. Dezember 1966 (BGBl. I S. 772); — das Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VfG) vom 2. Mai 1955 (BGBl. I S. 202) in der Fassung vom 11. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3015). Es findet Anwendung bei der Ausführung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Gesetze, die dieses Gesetz für anwendbar erklären (§ 1 VfG). „Anderes Gesetz" in diesem Sinne ist auch das Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG). Nach § 6 Abs. 3 O E G sind das Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung, mit Ausnahme des § 3 (örtliche Zuständigkeit), § 4 (Verlegung des Wohnsitzes) und § 5 (Zuständigkeit in Zweifelsfällen), sowie die Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes über das Vorverfahren anzuwenden. Dies gilt nicht, soweit die Versorgung in der Gewährung von Leistungen besteht, die den Leistungen der Kriegsopferfürsorge nach den §§ 25 bis 27 e des Bundesversorgungsgesetzes entsprechen (§ 6 Abs. 4 O E G ) ; —
das Sozialgesetzbuch (SGB) — Allgemeiner Teil — vom 11. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3015). Gemäß Artikel II § 1 SGB gelten u. a. das Bundesversorgungsgesetz, audi soweit andere Gesetze die entsprechende Anwendung der Leistungsvorschriften des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen, sowie das Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung als besondere Teile des Sozialgesetzbuches. Unmittelbar geltendes Recht für die Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung sind demnach § 1 (Aufgaben des Sozialgesetzbuches), § 2 (Soziale
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Rechte), § 5 (Soziale Entschädigung bei Gesundheitsschäden), § 10 (Eingliederung Behinderter), §§11 bis 17 (Allgemeines über Sozialleistungen und Leistungsträger), § 20 (Zusätzliche Leistungen für Schwerbehinderte), § 24 (Versorgungsleistungen bei Gesundheitsschäden), § 29 (Leistungen zur Eingliederung Behinderter), §§ 30 bis 37 (Allgemeine Grundsätze), §§ 38 bis 59 (Grundsätze des Leistungsrechts) und §§ 60 bis 67 (Mitwirkung des Leistungsberechtigten); — das Sozialgerichtsgesetz vom 3. September 1953 (BGBl. IS. 1239) in der Fassung vom 27. September 1975 (BGBl. I S. 2535); — die Verwaltungsgerichtsordnung vom 21. Januar 1960 (BGBl. I S. 17) in der Fassung vom 25. Mai 1976 (BGBl. I S. 1253).
II. Räumlicher Geltungsbereich 1. Begründung 10 Voraussetzung der Entschädigung ist, daß das Opfer der Straftat im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug geschädigt worden ist. Nur für diesen örtlichen Geltungsbereich kann deutschen Organen eine Verantwortung für die Sicherheit der Menschen und für die Aufklärung von Straftaten zugeschrieben werden. Die Begriffe „deutsches Schiff" und „deutsches Luftfahrzeug" sind in dem Sinne gebraucht, wie § 4 StGB in der Fassung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 (Bundesgesetzbl. I S. 469) sie umschreibt. Die Entschädigung für Opfer von Straftaten ist nicht auf Deutsche beschränkt; Ausländer, die hier leben, sollen (unter dem Vorbehalt des § 1 Abs. 4) gleichbehandelt werden. Haben sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes, so ruhen etwaige Ansprüche nach § 64 Abs. 2 BVG (vgl. BT-Drucksache Nr. 7/2506 zu § 1 Abs. 1 OEG). 2. Bereich 11 Der räumliche Geltungsbereich dieses Gesetzes erstreckt sich auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einschließlich des Landes Berlin. Die Gebietshoheit endet an den Grenzen der Küstenmeere (Dreimeilenzone der Nord- und der Ostsee). Sie umfaßt auch die Luftsäule über dem Festlandsgebiet und den Hoheitsgewässern (Eigengewässer und Küstenmeere) sowie den Gewässergrund.
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Räumlicher Geltungsbereich
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12 Auf Straftaten, die auf den Land- und Wasserwegen zwischen Berlin-West und dem Bundesgebiet begangen wurden, ist dieses Gesetz nicht anwendbar. Entsprechendes gilt für Straftaten in Flugzeugen, soweit es sich nicht um deutsche Luftfahrzeuge handelt (Rdnrn. 19, 20). Der Geltungsbereich dieses Gesetzes beginnt bzw. endet auf Land- und Wasserwegen mit dem Ubertritt über die Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland bzw. Berlin-West und der D D R , auf dem Luftwege mit dem Einflug in die Luftsäule über der Bundesrepublik Deutschland bzw. Berlin-West und endet mit dem Verlassen dieser Bereiche. 13 Das Gesetz ist ferner nicht anwendbar auf deutsche exterritoriale Einrichtungen (ζ. B. im Ausland befindliche Gebäude, die diplomatischen Zwecken gewidmet oder für Vertreter bei internationalen Organisationen bestimmt sind, Truppenunterkünfte). Hierzu gehört auch die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der D D R mit Sitz in Ostberlin.
3. Deutsche Schiffe und Luftfahrzeuge 14 a) Allgemeines. Mit den Begriffen „deutsches Schiff" und „deutsches Luftfahrzeug" wird der Anwendungsbereich des Gesetzes erweitert auf Taten, die im Ausland oder im Niemandsland begangen sind, jedoch als im Inland begangen behandelt werden. Diese Begriffe sind im § 4 S t G B wie folgt umschrieben: „Das deutsche Strafrecht gilt, unabhängig vom Recht des Tatorts, für Taten, die auf einem Schiff oder Luftfahrzeug begangen wurden, das berechtigt ist, die Bundesflagge oder die Staatsangehörigkeitszeichen der Bundesrepublik Deutschland zu führen." 15 Das Gesetz ist unabhängig davon anzuwenden, ob ein Schiff sich auf hoher See, in fremden Küstengewässern oder Häfen, also in fremdem Hoheitsgebiet befindet, oder ob ein Luftfahrzeug die hohe See oder fremdes Gebiet überfliegt oder auf einem ausländischen Flughafen gelandet oder abgestellt oder in fremdem Gebiet notgelandet ist. Das Gesetz gilt auch für Wracks deutscher Schiffe oder Luftfahrzeuge (Schönke-Schröder, Rdn. 4 zu § 4 StGB), nicht jedoch für Rettungsboote und Flöße, weil sie nicht wesentliche Bestandteile (§ 93 BGB) eines Schiffes sind (a. M. Rietzsch, D J 1940, 565). 16 b) Schiffe. Schiffe im Sinne dieses Gesetzes sind Seeschiffe, denen das Recht zur Führung der Bundesflagge zusteht. Das Flaggenrechtsgesetz vom 8. Februar 1951 (BGBl. I S. 79) bestimmt dazu:
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-$1 (1) Die Bundesflagge haben alle Kauffahrteischiffe und sonstigen zur Seefahrt bestimmten Sdiiffe (Seeschiffe) zu führen, deren Eigentümer Deutsche sind und ihren Wohnsitz im Geltungsbereich des Grundgesetzes haben. (2) Deutschen mit Wohnsitz im Geltungsbereich des Grundgesetzes werden gleichgeachtet Offene Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften und juristische Personen, die ihren Sitz in diesem Bereich haben, und zwar a) Offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften, wenn die Mehrheit sowohl der persönlich haftenden als auch der zur Geschäftsführung und Vertretung berechtigten Gesellschafter aus Deutschen besteht und außerdem nach dem Gesellsdiaftsvertrag die deutschen Gesellschafter die Mehrheit der Stimmen haben, b) juristische Personen, wenn Deutsche im Vorstand oder in der Geschäftsführung die Mehrheit haben. §2 (1) Die Bundesflagge dürfen Seeschiffe führen, deren Eigentümer Deutsche ohne Wohnsitz im Geltungsbereich des Grundgesetzes sind. (2) Das gleiche gilt für Seeschiffe im Eigentum von Partenreedereien und Erbengemeinschaften, wenn wenigstens a) bei Partenreedereien die Mehrheit der Parten im Eigentum von Deutschen steht und die Korrespondentreeder Deutsche sind und ihren Wohnsitz oder Sitz im Geltungsbereich des Grundgesetzes haben, b) bei Erbengemeinschaften Deutsche zu mehr als der Hälfte am Nadilaß beteiligt sind und zur Vertretung ausschließlich Deutsche bevollmächtigt sind, die ihren Wohnsitz oder Sitz im Geltungsbereich des Grundgesetzes haben." 17 Zu den Seeschiffen zählen nicht nur Privatschiffe, sondern auch solche im Eigentum und öffentlichen Dienst des Bundes, eines zum Bunde gehörigen Landes oder einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft oder Anstalt mit Sitz im Geltungsbereich des Grundgesetzes (§ 4 Abs. 1 Flaggenrechtsgesetz), so u. a. Schiffe der Bundesmarine, des Zolls, der Polizei, Lotsenschiffe. 18 Binnenschiffe sind zwar befugt, die Bundesflagge zu führen (§ 14 Flaggenrechtsgesetz). Auf diesen Schiffen begangene Straftaten sind jedoch im Inland begangen, weshalb der auf Schiffe erweiterte Geltungsbereich auf sie nicht Anwendung findet. 19 c) Luftfahrzeuge. Luftfahrzeug ist der Sammelbegriff für alle Fluggeräte, die sich in der Atmosphäre halten und bewegen können. Zur Beförderung von Personen zugelassene Luftfahrzeuge sind Flugzeuge, Drehflügler, Luftschiffe, Segelflugzeuge, Frei- und Fesselballons, Fallschirme sowie sonstige für die Benutzung des Luft-
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raums bestimmten Geräte, insbesondere Raumfahrzeuge, Raketen und ähnliche Flugkörper (vgl. § 1 Abs. 2 Luftverkehrsgesetz i. d. F. vom 4. November 1968 [BGBl. I S. 113]). 20 Das Luftverkehrsgesetz bestimmt zum Begriff „deutsches" Luftfahrzeug:
Λ2 (1) Deutsche Luftfahrzeuge dürfen nur verkehren, wenn sie zum Luftverkehr zugelassen (Verkehrszulassung) und — soweit es durch Reditsverordnung vorgeschrieben ist — in das Verzeichnis der deutschen Luftfahrzeuge (Luftfahrzeugrolle) eingetragen s i n d . . . (2) bis ( 4 ) . . . (5) Deutsche Luftfahrzeuge haben das Staatszugehörigkeitszeichen und eine besondere Kennzeichnung zu führen. §3 (1) Luftfahrzeuge werden in der Luftfahrzeugrolle nur eingetragen, wenn sie im ausschließlichen Eigentum deutscher Staatsbürger stehen. Juristische Personen und Gesellschaften des Handelsrechts mit dem Sitz im Inland werden deutsdien Staatsangehörigen gleichgestellt, wenn der überwiegende Teil ihres Vermögens oder Kapitals sowie die tatsächliche Kontrolle darüber deutschen Staatsangehörigen zusteht und die Mehrheit der Vertretungsberechtigten oder persönlich haftenden Personen deutsche Staatsangehörige sind. Die für die Verkehrszulassung zuständige Stelle kann im Einzelfall Ausnahmen zulassen, wenn besondere Umstände vorliegen.
III. Persönlicher Geltungsbereich 1. Allgemeines 21 a) Natürliche Personen. Ansprüche auf Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz kann geltend machen »wer" als Opfer einer Straftat (§ 1 Abs. 1, 2 OEG) oder als Geschädigter eines Unfalls (§ 1 Abs. 3) eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, durch die gesundheitliche und/oder wirtschaftliche Folgen ausgelöst wurden. Versorgungsberechtigt ist — vorbehaltlich des § 1 Abs. 4 (Ausländer) und des Vorliegens von Versagungsgründen (§ 2) — somit jede natürliche Person, wenn die Schädigung im Geltungsbereich dieses Gesetzes (Abschn. II) eingetreten ist. 22 Der Anspruch auf Versorgung ist ein Recht, das nur eine rechtsfähige Person erwerben kann. Die Rechtsfähigkeit des Menschen
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beginnt mit der Vollendung der Geburt (§ 1 BGB), d. h. mit dem vollständigen Austritt aus dem Mutterleib. Der Abschneidung des Nabelstranges bedarf es nicht; das Kind muß jedoch nach dem vollständigen Ausscheiden — wenn auch nur für einen Augenblick — gelebt haben. Auf seine Lebensfähigkeit kommt es nicht an. 23 b) Ungeborenes Leben. Mit Urteil vom 24. Oktober 1962 — 10 RV 583/59 — hat das Bundessozialgericht festgestellt, daß der Gesetzgeber des BVG offenbar nicht daran gedacht habe, daß auch der Nasciturus (die gezeugte, aber noch ungeborene Leibesfrucht) im Sinne des BVG geschädigt werden könne. Diese Gesetzeslücke könne nur durch Rechtsprechung im Wege der Rechtsergänzung ausgefüllt werden. Anspruch wegen einer Schädigung, die eine Leibesfrucht erlitten habe, sei grundsätzlich gerechtfertigt, weshalb im Wege der Rechtsfindung diese zweifellos vorhandene Gesetzeslücke geschlossen werden müsse. Diese Entscheidung ist mit dem Urteil des BSG vom 15. Oktober 1963 — 11 RV 1292/61 — bestätigt worden. 2. Deutsche, deutsche Volkszugehörige 24 a) Allgemeines. Das OEG enthält — mit Ausnahme des § 1 Abs. 4 — keine Regelung über den persönlichen Geltungsbereich. Die entsprechende Anwendung der Vorschriften des BVG hinsichtlich der Gewährung von Versorgung (§ 1 Abs. 1 OEG) erstreckt sich daher aus den zu Rdn. 3 genannten Gründen auf jenen Personenkreis, auf den dieses Gesetz anwendbar und der in § 7 BVG benannt ist, mit Ausnahme des Abs. 1 Nr. 3, weil die dort aufgeführten Tatbestände nur bei unmittelbarer Anwendung des BVG vorliegen können. 25 Der persönliche Anwendungsbereich erstredet sich somit zunächst auf Deutsche und deutsche Volkszugehörige, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt entweder im Geltungsbereich dieses Gesetzes, oder in den zum Staatsgebiet des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 gehörenden Gebieten östlich der Oder-Neiße-Linie oder im Ausland haben (§ 7 Abs. 1 Nr. 1, 2 BVG). 26 Bei den östlich der Oder-Neiße-Linie gelegenen Gebieten handelt es sich um jene, die der polnischen und der sowjetischen Verwaltung unterstehen. 27 Ausland sind die Staatsgebiete außerhalb der Bundesrepublik Deutschland einschließlich des Landes Berlin, ausgenommen die D D R und Ostberlin.
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28 b) Deutsche. Wer Deutscher ist, bestimmt sich nach Art. 116 Abs. 1 GG: „Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat" und dort bis zum Inkrafttreten des Grundgesetzes geblieben ist, auch wenn er dieses Gebiet nach dem 23. 5. 1949 verlassen hat oder künftig verläßt. 29 Der Erwerb und Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit richtet sich nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. 7. 1913 (RGBl. S. 583), das nach Art. 123 Abs. 1 GG audi weiterhin gilt. Das Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom 22. 2. 1955 (BGBl. I S. 65) befaßt sich im wesentlichen mit Staatsangehörigkeitsverhältnissen deutscher Volkszugehöriger, das Zweite Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom 17. 5. 1956 (BGBl. I S. 431) behandelt Rechtsfragen auf dem Gebiet der Staatsangehörigkeit, die nach Außerkraftsetzung des Gesetzes über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich vom 13. 3. 1938 entstanden sind (Wilke/ Wunderlich, Erl. V zu § 7 BVG). Das Dritte Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom 19.8. 1957 (BGBl. I S. 1251) gibt Ausländerinnen, die mit Deutschen die Ehe schließen, einen Anspruch auf Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit. 30 c) Deutsche Volkszugehorige. Zu diesem Personenkreis gehört, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird (VV N r . 7 zu § 1 BVG), und wer nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Das schließt jedoch nicht aus, daß auch im Geltungsbereich des Grundgesetzes lebende Personen deutschen Volkstums, die noch nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, für begrenzte Zeiträume und unter besonderen Umständen noch als deutsche Volkszugehörige angesehen werden können (BSG, Urteil vom 19. 12. 1961, Bd. 16 S. 72). 31 Eine Prüfung, ob ein Antragsteller sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, braucht nur dann eingeleitet zu werden, wenn sein Bekenntnis zum Deutschtum zweifelhaft sein könnte. Durch den späteren Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit tritt grundsätzlich keine Änderung in der Einstufung als deut-
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scher Volkszugehöriger im Sinne des BVG ein (Ausl. Richtl. 71, Abschn. A Nr. 3 Abs. 2). 3. Berechtigte außerhalb des Geltungsbereichs 32 Deutsche und deutsche Volkszugehörige, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Staaten haben, mit denen die Bundesrepublik Deutschland diplomatische Beziehungen unterhält, erhalten Versorgung wie Berechtigte im Geltungsbereich dieses Gesetzes, soweit §§ 64 a bis 64 f BVG nichts Abweichendes bestimmen (§ 64 Abs. 1 BVG). 33 Der Anspruch auf Versorgung ruht für Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes, sondern in Staaten haben, mit denen die Bundesrepublik Deutschland keine diplomatische Beziehungen unterhält. Ihnen kann mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung — sofern ein Land Kostenträger ist, mit Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde — Versorgung in angemessenem Umfang gewährt werden (§ 64 Abs. 1 BVG, § 1 Abs. 7 OEG). 34 Bewohner der DDR und von Ost-Berlin sind nicht in den Geltungsbereich dieses Gesetzes einbezogen. Für Personen, die ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt in diese Gebiete verlegen, ruht der Versorgungsanspruch nadi § 64 Abs. 2 BVG. 4. Ausländer 35 Zu diesem Personenkreis gehört, wer nidit Deutscher im Sinne des Grundgesetzes ist und die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates besitzt. 36 Die Gegenseitigkeit erfordert lediglidi die prinzipielle Übereinstimmung der Systeme in Anspruch und Leistung. Auslandsversorgung an Ausländer kommt nur dann in Betracht, wenn die Gegenseitigkeit audi hinsichtlich der Auslandsversorgung gewahrt ist. Bei Volksdeutschen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, ist die Gegenseitigkeit zu prüfen (BMA vom 25. 6. 1976 — V a 2 — 5031.2 — 525/76). Zur Zeit ist die Gegenseitigkeit gewährleistet in Großbritannien, der Republik Irland, den Niederlanden und Schweden. Die Gegenseitigkeit ist nicht verbürgt mit Bezug auf Jugoslawien, Spanien und die Türkei; entsprechendes gilt für Belgien und Österreich. Gesetze zur Regelung der Opferentschädigung sind
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in Vorbereitung in Dänemark, Frankreich und Italien, entsprechende Regelungen werden in Luxemburg erwogen.
5. Status und Anspruchsberechtigung 37 Die Meinungen darüber, zu welchem Zeitpunkt der Geschädigte den Status (Deutscher im Sinne des Grundgesetzes, deutscher Volkszugehöriger, anspruchsberechtigter Ausländern) besitzen muß, um versorgungsberechtigt zu sein, weichen voneinander ab. Soweit es die Ausländer angeht, soll für den Status der Zeitpunkt der Antragstellung (Wilke/Wunderlich, Anm. I V Nr. 1 zu § 7 BVG), andererseits soll hierfür der Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag maßgebend sein. 38 Mit der — rechtswirksamen — Antragstellung wird lediglich der Wille bekundet, einen Versorgungsanspruch als vorhanden festzustellen. Zwar ist der Antrag materiell-rechtliche Voraussetzung des Anspruchs auf Versorgung (VV Nr. 1 zu § 1 BVG). Da aber in der Verfahrensphase (von der Anstragstellung bis zur Entscheidung über den Antrag) keine den Leistungsanspruch auslösenden Rechte entstehen und daher auch nicht geltend gemacht werden können, ist es zunächst rechtsunerheblich, welchen Status der Geschädigte hinsichtlich seiner Staatsangehörigkeit besitzt, bei Ausländern, ob die Gegenseitigkeit gewährleistet ist oder nicht. Erst wenn über den Antrag rechtsverbindlich entschieden ist und Versorgungsansprüche anerkannt wurden, hat die Statusfrage rechtsentscheidende Bedeutung, weil die Zugehörigkeit zum anspruchsberechtigten Personenkreis Voraussetzung für die Leistungsgewährung (nicht aber für das Recht auf Antragstellung) ist. Maßgebend ist somit, welchen Status der Antragsteller zum Zeitpunkt der endgültigen und leistungsgewährenden Entscheidung über seinen Antrag besitzt.
6. Hinterbliebene 39 a) Personenkreis. Die Hinterbliebenen eines Geschädigten erhalten auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (§ 1 Abs. 5 OEG). Zum Personenkreis der Hinterbliebenen zählen die Witwe, der Witwer, der frühere Ehegatte (§ 42 BVG), die Waisen — Halb- und Vollwaisen — (eheliche, für ehelich erklärte, an Kindes Statt angenommene Kinder, Stiefkinder, Pflegekinder und nicht eheliche Kinder [§ 45 Abs. 2 BVG]), Eltern — Elternteile — (Adoptiv-, Stief- und Pflegeeltern) sowie Großeltern (§ 49 BVG).
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40 b) Anspruchsvoraussetzungen. Die Hinterbliebenen haben Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn der Beschädigte an den Folgen einer Schädigung (§ 1 Abs. 1 bis 3 OEG) gestorben ist. Der Tod gilt stets dann als Folge einer Schädigung, wenn ein Beschädigter an einem Leiden stirbt, das als Folge einer Schädigung rechtsverbindlich anerkannt und für das ihm im Zeitpunkt des Todes Rente zuerkannt war. Die Witwe hat keinen Anspruch, wenn die Ehe erst nach der Schädigung geschlossen worden ist und nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, daß nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, daß es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, der Witwe eine Versorgung zu verschaffen (vgl. § 38 BVG). Wegen der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen s. §§ 39 bis 52 B V G . 41 c) Leistungen. An Leistungen sind vorgesehen für Witwen, Witwer und frühere Ehegatten die Grundrente (§ 40 BVG), der Schadensausgleich (§ 40 a BVG), die Ausgleichsrente ( § 4 1 BVG) und die Witwenbeihilfe (§ 48 BVG), für die Witwe oder die frühere Ehefrau die Witwenabfindung (§ 44 BVG), für Waisen die Grundrente (§ 46 BVG), die Ausgleichsrente (§ 47 BVG) und die Waisenbeihilfe (§ 48 BVG), für Eltern und Großeltern die Elternrente (§ 49 BVG), für versorgungsberechtigte Hinterbliebene das Bestattungsgeld (§ 53 B V G ) sowie der Härteausgleich (§ 89 B V G ) .
I V . Niederlassung 1. Allgemeines 42 Anspruch auf Versorgung hat, wer dem berechtigten Personenkreis (Abschn. III) zugehört und seine Niederlassung (Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt) im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat. Für Berechtigte mit Wohnsitz oder ständigem Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes gelten die Vorschriften der §§ 64 bis 64 f B V G .
2. Wohnsitz 43 Für den Wohnsitz gelten die § § 7 bis 9, 11 B G B (vgl. V V Satz 1 zu § 7 BVG) sowie § 30 Abs. 3 Satz 1 SGB: „§ 7 BGB (1) Wer sich an einem Ort ständig niederläßt, begründet an diesem Ort seinen Wohnsitz.
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(2) Der Wohnsitz kann gleichzeitig an mehreren Orten bestehen. (3) Der Wohnsitz wird aufgehoben, wenn die Niederlassung mit dem Willen aufgehoben wird, sie aufzugeben. § 8 BGB (1) Wer geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, kann ohne den Willen seines gesetzlichen Vertreters einen Wohnsitz weder begründen noch aufheben. (2) Ein Minderjähriger, der verheiratet ist oder war, kann selbständig einen Wohnsitz weder begründen noch aufheben. § 9 BGB (1) Ein Soldat hat seinen Wohnsitz am Standort. Als Wohnsitz eines Solaten, der im Inland keinen Standort hat, gilt der letzte inländisdie Standort. (2) Diese Vorschriften finden keine Anwendung auf Soldaten, die nur auf Grund der Wehrpflicht Wehrdienst leisten oder die nicht selbständig einen neuen Wohnsitz begründen können. § 11 BGB Ein minderjähriges Kind teilt den Wohnsitz der Eltern; es teilt nicht den Wohnsitz eines Elternteils, dem das Recht fehlt, für die Person des Kindes zu sorgen. Steht keinem Elternteil das Recht zu, für die Person des Kindes zu sorgen, so teilt das Kind den Wohnsitz desjenigen, dem dieses Recht zusteht. Das Kind behält den Wohnsitz, bis es ihn rechtsgültig aufhebt." § 30 Abs. 3 Satz 1 SGB „Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird." 44 a) Ort. Ein Ort ist eine (politische) Gemeinde mit den beiden Hauptarten Stadt (Stadtgemeinde) und Landgemeinde. Merkmale einer Gemeinde sind die Bevölkerung (Einwohner), das Gemeindegebiet und die Gemeindeverwaltung. Der Wohnsitz befindet sich nicht am Platze der Wohnung, sondern in der Gemeinde, zu der sie gehört (vgl. R G 67, 194). 45 b) Niederlassung. Der Wohnsitz wird mit der Niederlassung, d. h. durch Aufenthaltsnahme mit dem rechtsgeschäftlichen Willen begründet, nicht nur vorübergehend zu verweilen, sondern den Ort zum Mittelpunkt (vgl. Warneyer, 22, 24) oder zum Schwerpunkt (BVerwG RLA 54, 339) der Lebensverhältnisse zu machen. Es genügt, wenn der Domizilwille aus den Umständen geschlossen werden kann (BGH 7, 109). Die Absicht, die Niederlassung später wieder aufzugeben, steht dem nicht entgegen (vgl. Palandt, Rdn. 2 zu § 7
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BGB). Die ständige Niederlassung erfordert nicht das Vorhandensein einer eigenen Wohnung. Allein die polizeiliche Anmeldung ist für die Begründung, die Abmeldung für die Aufhebung des Wohnsitzes ohne Bedeutung. 46 c) Doppelwohnsitz. Der Doppelwohnsitz erfordert in der Regel, daß an mehreren Orten dauernd Wohnungen unterhalten werden, in denen abwechselnd Aufenthalt genommen wird, so daß von ihm aus jeweils die gesamten Lebensverhältnisse bestimmt werden können. Das Unterhalten einer Wohnung zu dem Zweck, nur einzelne Geschäftsverhältnisse von dort zu betreiben, genügt nicht zum Erwerb eines zweiten Wohnsitzes. 47 d) Wohnung. U m Mißbräuchen bei der Beantragung von Leistungen durch eine nur formale Begründung eines Wohnsitzes auszuschließen, bestimmt § 30 Abs. 3 Satz 1 SGB, daß einen Wohnsitz jemand dort hat, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. 48 Unter einer Wohnung ist nicht unbedingt eine abgeschlossene Wohneinheit zu verstehen. Audi ein möbliertes, teilmöbliertes oder ein Leerzimmer ist diesem Begriff zuzuordnen. Darauf, daß die Wohnung oder das Zimmer allein bewohnt oder mit anderen Personen geteilt wird, kommt es nicht an. Mindestvoraussetzung ist jedoch das Vorhandensein eines Raumes, der nach orts- oder landesüblicher Auffassung für einen ständigen Aufenthalt von Menschen geeignet ist. 4 9 Umstände, die auf die Beibehaltung einer Wohnung schließen lassen können, sind ζ. B. ein schriftlicher Mietvertrag, die polizeiliche Anmeldung, die postalische Erreichbarkeit und eine über einen längeren Zeitraum hinweg anhaltende Nutzung. Auf die Benutzung einer Wohnung kann ζ. B. geschlossen werden, wenn sie hinreichend mit Mobiliar ausgestattet, vorwiegend auch, daß sie mit Fenstervorhängen versehen ist und, daß der Mieter sie ununterbrochen, mindestens aber vorwiegend zu Unterkunftszwecken in Anspruch nimmt. 5 0 e) Aufhebung des Wohnsitzes. Hierzu bedarf es außer der tatsächlichen Aufhebung der Niederlassung eines rechtsgeschäftlichen Willensaktes dahingehend, die Niederlassung aufzugeben, d. h. den O r t nicht mehr als Lebensmittelpunkt zu betrachten. Allein die Aufgabe einer Wohnung ohne Annahme einer neuen ist daher nicht
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Wohnsitzaufgabe, wenn Beziehungen zum bisherigen Wohnsitz aufrechterhalten bleiben. Mit dem Antreten dauernder Strafhaft wird kein Wohnsitz aufgegeben, weil freier Aufgabewille fehlt (vgl. Palandt, Rdn. 3 zu § 7 BGB). 51 f) Wohnsitz nicht voll Geschäftsfähiger. Zu dem Willensakt, einen Wohnsitz zu begründen oder aufzuheben — nicht zu der tatsächlichen Handlung — ist grundsätzlich (Ausnahme: Verheirateter Minderjähriger) Geschäftsfähigkeit nötig. Bei dem nicht voll Geschäftsfähigen entscheidet der Wille des für die persönlichen Angelegenheiten zuständigen gesetzlichen Vertreters, der somit mindestens zustimmen muß (BGH 7, 109). Er kann aber den Wohnsitz auch selbst ohne Mitwirkung des nicht voll Geschäftsfähigen bestimmen (vgl. Palandt, Rdn. 1 zu § 8 BGB). 52 g) Verheiratete oder verheiratet gewesene Minderjährige. Für einen Angehörigen dieses Personenkreises kann der gesetzliche Vertreter einen Wohnsitz weder begründen noch aufheben. 53 h) Wohnsitz eines Soldaten. Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit im Sinne der §§ 39, 40 Soldatengesetz haben ihren gesetzlichen Wohnsitz am Standort ihres Truppenteils. Bei längerer Abkommandierung zu einem anderen Truppenteil wird dessen Standort zum gesetzlichen Wohnsitz, weil der räumliche Schwerpunkt des gesamten Lebens dorthin verlagert wird. Neben dem gesetzlichen kann ein gewählter Wohnsitz bestehen (RG 126, 8). 54 i) Wohnsitz des Kindes. Die Vorschrift des § 11 BGB gilt einheitlich für eheliche und nichteheliche Kinder; sie haben einen von den Eltern abgeleiteten Wohnsitz. Haben die Eltern einen gemeinsamen Wohnsitz, teilen die Kinder diesen; bei getrennten Wohnsitzen der Eltern haben die Kinder einen doppelten Wohnsitz. Hieran ändert sich durch den Tod eines Elternteils f ü r sich allein nichts, solange der verbleibende Elternteil den Kindeswohnsitz nicht nach Satz 3 ändert. Lebt nur ein Elternteil, so teilt das Kind dessen Wohnsitz; dasselbe gilt, wenn dem anderen Elternteil das Personensorgerecht fehlt. Geben beide Eltern ihren Wohnsitz auf, ohne einen neuen zu begründen, entfällt abgeleiteter Wohnsitz des Kindes; es wird ebenfalls wohnsitzlos, falls die Eltern nicht ausnahmsweise gemeinschaftlich einen neuen Wohnsitz für das Kind begründet haben sollten (vgl. Palandt, Rdn. 1 a zu § 11 BGB). 55 Der abgeleitete Wohnsitz bleibt solange bestehen, bis das Kind ihn rechtsgültig aufhebt, d. h. bis zur Aufhebung der Niederlassung
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mit Aufgabewillen. Es ist also in der Regel Aufenthaltsänderung und Willen nötig; bei Minderjährigen entscheidet der Wille beider Elternteile (Palandt, Rdn. 1 b zu § 11 BGB). 3. Gewöhnlicher Aufenthalt 56 a) Rechtsgrundlage. § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB bestimmt hierzu: „Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem O r t oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt." 57 b) Begriff. Gewöhnlicher Aufenthalt besteht an dem Ort, der f ü r nicht nur vorübergehende Zeit Mittelpunkt der Lebensbeziehungen einer Person ist, ohne daß es auf den Willen zu ständiger Niederlassung ankommt (VV Satz 2 zu § 7 BVG). Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts orientiert sich an dem O r t oder dem Gebiet, in dem Aufenthalt, d. h. an dem auf längere Zeit Wohnung genommen wird, ohne daß damit — sei es aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen — ein Wohnsitz begründet wird. Es ist also der Ort eines nicht vorübergehenden, sondern eines Verweilens von einer gewissen Dauer und Regelmäßigkeit (RG 91, 288; Lauterbach DR 42, 535; Mann JZ 56, 466). Unter diesen Voraussetzungen ζ. B. der gewählte Studienort, der O r t einer Straf- oder Pflegeanstalt oder eines Fürsorgeerziehungsheims. 58 c) Erkennbare Umstände. Erkennbare Umstände müssen nicht immer äußerlich wahrnehmbare Umstände sein. Daß jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einer Wohnung oder einem Zimmer genommen hat, kann ζ. B. der Beibehaltung seines Wohnsitzes, aber auch einem nur mündlich oder nur für einen bestimmten Zeitraum geschlossenen Mietvertrag entnommen werden. Als erkennbarer Umstand werden — auch bei mietfreier Benutzung von Wohnraum (ζ. B. bei Bekannten) — die erklärte Absicht und die insoweit getroffenen Vorbereitungen zur Durchführung eines Studiums zu werten sein, wenn hierfür ein nicht nur vorübergehender Aufenthalt vorgesehen ist. Merkmale des gewöhnlichen Aufenthalts sind audi die polizeiliche Anmeldung und die postalische Erreichbarkeit.
V. Entschädigungstatbestand 59 Bei Umschreibung des schädigenden Tatbestands und der Bezeichnung des Bereichs der Kriminalität, der die Entschädigungs-
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pflicht der Allgemeinheit auslöst (§ 1 des Gesetzes), sieht das Gesetz davon ab, den Begriff „Gewaltkriminalität" zu verwenden. Im Strafrecht gibt es einen solchen Begriff bisher nicht. Die Worte „Gewalt", „gewaltsam" oder „Gewalttätigkeiten" werden zwar in zahlreichen Vorschriften des S t G B gebraucht (§§ 48, 52, 81, 82, 105, 106, 107, 108, 113, 122 Abs. 3, §§ 124, 125, 125 a, 176, 177, 234, 234 a, 235, 237, 240, 244 Abs. 1 N r . 2, §§ 249, 250 Abs. 1 N r . 4, §§ 251, 252, 253, 255), jedoch ist ihre Bedeutung nicht einheitlich. Unter Umständen kann Kraftentfaltung gegen Sachen Gewalt darstellen; auch Androhung von Gewalt wird zuweilen als gewaltsames Handeln angesehen; eine körperliche Berührung des Opfers durch den gewaltsam Handelnden braucht nicht zustande gekommen zu sein. Der Gewaltbegriff ist also außerordentlich weit. Die Lehre zieht teilweise sogar in Zweifel, daß ein „verbindlicher Gewaltbegriff als Richtschnur für die Entscheidung" besteht (Schröder in Schönke-Schröder, StGB-Kommentar, 16. Auflage, Randziffer 8 vor § 2 3 4 ; ähnlich: Haffke, Z S t W 84, 47, 57). Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Bedenken berechtigt sind. Jedenfalls umfaßt der Gewaltbegriff mehr als die Fälle körperlicher Gewaltanwendung gegen Personen. 6 0 Audi eine listenmäßige Benennung strafrechtlicher Tatbestände als Voraussetzung von Entschädigungsleistungen sieht das Gesetz nicht vor; denn sie würde zu noch größeren Abgrenzungsschwierigkeiten führen als ein abstrakt formulierter Entschädigungstatbestand. Es gibt Straftatbestände, die entweder durch Tätlichkeiten gegen eine Person oder durch andere Mittel der Gewalt oder des Zwanges (Drohung) begangen werden können, z . B . : §§ 176, 234 bis 235, 239, 240, 249, 250, 253, 255 StGB. Eine Aufzählung von Tatbeständen in einer Entschädigungsregelung müßte also durch weitere allgemeine Formulierungen ergänzt werden, welche die mit tätlicher Gewalt gegen eine Person verbundenen Begehungsformen bezeichnen. Das alles würde die Abgrenzungsschwierigkeiten nur vermehren. 61 Das Gesetz erfaßt den wesentlichen Bereich der sogenannten Gewaltkriminalität, die zu Körperverletzungen oder Tod führen kann, in § 1 Abs. 1 Satz 1 durch die Worte: „vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff gegen seine oder eine andere Person". Diese Grundregelung wird dadurch ergänzt, daß mit gemeingefährlichen Mitteln begangene Delikte und das vorsätzliche Beibringen von Gift einem tätlichen Angriff gleichgestellt werden, weil in diesen Fällen ebenfalls ein gewaltsamer Bruch der Rechts- und Friedensordnung vorliegt.
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62 Ausgenommen werden Sdiäden, die mit einem Kraftfahrzeug verursacht worden sind, auch wenn dies vorsätzlich geschehen ist. Durch eine entsprechende Erweiterung von § 12 des Pflichtversicherungsgesetzes wird aber sichergestellt, daß der Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen auch für die Folgen vorsätzlich mit einem Kraftfahrzeug verursachter Sdiäden Leistungen erbringt (vgl. BT-Drucksache Nr. 7/2506).
VI. Straftatbestände 1. Tatbestandsgruppen 63 Bei den Straftatbeständen, die eine Entschädigungspflicht nach § 1 dieses Gesetzes auslösen können, sind folgende Tatbestandsgruppen zu unterscheiden: — Straftatbestände, bei denen die Begehung einer Tätlichkeit Tatbestandsmerkmal ist oder bei denen die Tatbestandsverwirklichung in der Regel eine Tätlichkeit voraussetzt (Straftaten durch Tätlichkeiten); — Straftatbestände, bei denen die Begehung einer Tätlichkeit nur eine von mehreren Tatformen ist, die zur Tatbestandsverwirklichung führt (Straftaten durch Tätlidikeiten und andere Tatformen); — Straftatbestände, die weder das Tatbestandsmerkmal „Gewalt" oder „tätlicher Angriff" aufweisen, noch in der Regel die Begehung einer Tätlichkeit voraussetzen („Nicht-Gewaltstraftaten"). — Straftatbestände, bei denen nicht nur die Verletzung, sondern bereits die Gefährdung eines Rechtsguts zur Tatbestandsverwirklichung führt (Gefährdungsdelikte).
2. Straftaten durch Tätlichkeiten 64
Hierzu gehören folgende Straftatbestände des Strafgesetzbuches: § 113 Abs. 1 — Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte („tätlich angreift")
§ 121 Abs. 1 N r . 1 § 176 Abs. 3 Nr. 2
§211 § 212
— Gefangenenmeuterei („tätlich angreifen") — Sexueller Mißbrauch von Kindern ( » . . . das Kind bei der Tat körperlich schwer mißhandelt . . . " ) — Mord — Totschlag
Straftatbestände
§1 §213
§216
§217 §218 §220 a
§222
§ 223 a §223 b §224 §225
§226 §227 §340 §343
— — — — — — — — — — — — — —
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Minderschwerer Fall des Totschlags Tötung auf Verlangen Kindestötung Abbruch der Schwangerschaft Völkermord Körperverletzung Gefährliche Körperverletzung Mißhandlung von Schutzbefohlenen Schwere Körperverletzung Beabsichtigte schwere Körperverletzung Körperverletzung mit Todesfolge Beteiligung an einer Sdilägerei Körperverletzung im Amt Aussageerpressung ( „ . . . einen anderen körperlich mißhandelt'').
3. Straftaten durch Tätlichkeiten und andere Tatformen 65 Hierbei handelt es sich um Straftatbestände, die u. a. auch das Merkmal „Gewalt", „Gewalttätigkeit" oder „Angriff" aufweisen. Allerdings sagt das Tatbestandsmerkmal „Gewalt" bzw. „Gewalttätigkeit" für sich gesehen noch nichts darüber aus, ob ein schädigender Tatbestand, der die Entschädigungspflicht nach diesem Gesetz auslöst, vorliegt. Es bedarf vielmehr einer eingehenden Prüfung, ob die zur Verwirklichung der betreffenden Straftatbestände ausreichende Gewaltanwendung auch einen schädigenden Tatbestand im Sinne dieses Gesetzes darstellt. 66 a) Gewalt. Mit dem Begriff „Gewalt" wird im Strafrecht ein bestimmtes Mittel bezeichnet, das neben anderen (ζ. B. Drohung, List) geeignet ist, auf das Verhalten anderer einzuwirken. Ursprünglich bedeutete „Gewalt" die zur Uberwindung eines Widerstandes entfaltete physische Kraft ( R G 56, 87; 64, 115). Diese Kraft konnte sowohl gegen Personen (unmittelbar) als auch gegen Sachen (mittelbar) angewandt werden, wobei bei der Gewalt gegen Sachen erforderlich war, daß sie von dem zu Nötigenden physisch empfunden wurde (Schönke-Schröder vor § 234 StGB Rdn. 6). 67 Unter dem Einfluß der sich fortentwickelnden Rechtsprechung hat der Begriff „Gewalt" eine Änderung erfahren. Danach soll dieses Tatbestandsmerkmal auch dann vorliegen, wenn ζ. B. ohne jede Kraftentfaltung, also gewaltlos, dem zu Nötigenden narkotische Mittel (ζ. B. Evipan, Eunarkin, Skolpolamin, Chloräthyl; vgl. B G H 1, 145) beigebracht werden, wobei aber gefordert wird, daß das
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Opfer mit der Herbeiführung des Zustandes der Willenlosigkeit nicht einverstanden war ( B G H N J W 1953, 351). Weiterhin wurde eine Gewaltanwendung von der Rechtsprechung bejaht, wenn das Opfer in entsprechender Weise hypnotisiert, durch Abschließen einer Tür eingesperrt oder durch Abgabe von Schreckschüssen eingeschüchtert wurde (vgl. B G H 1, 146; B G H G A 1962, 145). 6 8 In allen diesen Fällen wird die von den angewandten Mitteln ausgehende Zwangswirkung als entscheidend, aber auch ausreichend für die Bejahung des Tatbestandsmerkmals „Gewalt" angesehen (vgl. Schönke-Schröder vor § 234 StGB Rdn. 7). Insgesamt kann somit festgestellt werden, daß die Entfaltung physischer Kraft für den Gewaltbegriff nicht mehr zu fordern ist (Schönke-Schröder vor § 234 StGB Rdn. 13). 6 9 b) Gewaltformen. Nach der heute vorherrschenden Auffassung werden zwei Formen von Gewalt unterschieden, nämlich die vis absoluta (überwältigende Gewalt) und die vis compulsiva (beeinflussende Gewalt). 70 Gewalt in Form der überwältigenden Gewalt (vis absoluta) stellt sich in der Weise dar, daß der Täter entweder die Willensbildung eines anderen unmöglich macht (ζ. B. durch Betäubung) oder verhindert, daß der andere seinen vorhandenen Willen verwirklicht (Festhalten, Einsperren, Aussperren, Verschließen einer Tür). Gewalt ist somit auch das Errichten einer Straßensperre oder das Dazwischentreten mehrerer Personen, um einen anderen am Passieren einer bestimmten Stelle zu hindern, das Versperren einer Hofeinfahrt, um einem anderen die Ausfahrt unmöglich zu machen, das Versperren einer Parklücke ( R G 45, 153; BayObLG N J W 1963, 824; Schönke-Schröder vor § 234 StGB Rdn. 7 ; Dreher § 240 StGB Rdn. 1, 3). 71 Die andere Form der Gewalt, die beeinflussende Gewalt (vis compulsiva), dient dazu, den Willen des zu Nötigenden zu beugen. Sie will daher nicht unmittelbar physisch auf das äußere Verhalten, sondern psychisch auf den Willen in der Weise einwirken, daß der andere durch die Zufügung von Nachteilen veranlaßt wird, nach dem Willen des Täters zu handeln. Eine Gewaltanwendung in diesem Sinne liegt daher schon vor, wenn der Täter den Willen des Genötigten in eine bestimmte Richtung treibt. So etwa bei einem Sitzstreik vor einem Kasernentor, um das Ausfahren von Panzern zu verhindern. Der Genötigte müßte hier, um seinen Willen durch-
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zusetzen, den Täter körperlich verletzen oder töten ( B G H N J W 1969, 1772); Werfen von Stinkbomben in einem Kino ( B G H 5, 245; vgl. hierzu Schönke-Schröder vor § 234 StGB Rdn. 9 a und 10). Auch diese Form der Gewalt ist im Einzelfall geeignet, eine Gesundheitsschädigung oder den Tod des Angegriffenen zu verursachen (ζ. ,B das eingesperrte Opfer erleidet einen — tödlichen — Herzanfall). 72 Welcher Kräfte sich der Gewaltübende bedient, ob unmittelbar seiner eigenen körperlichen Kräfte oder einer Naturkraft (ζ. B. elektr. Strom), ist unerheblich; auch das Hetzen eines Hundes kann beeinflussende Gewalt sein ( R G GA 37, 158; Baldus, L K § 52 StGB Rdn. 11). 73 Von der sog. vis compulsiva ist die Drohung zu unterscheiden. Bei ihr findet eine rein seelische Beeinflussung in der Weise statt, daß ein Übel in Aussicht gestellt wird. Bei der vis compulsiva hingegen wird das Übel schon zugefügt ( R G 64, 116), möglicherweise in der Form einer mittelbaren Einwirkung, die vom Opfer auch körperlich und nicht nur seelisch empfunden wird, ζ. B. bei Abgabe eines Schreckschusses, Einsperren in einem umschlossenen Raum ( R G 45, 156; 48, 346; 60, 157; B G H 20, 194, Dreher § 2 4 0 StGB Rdn. 3; Baldus LK § 52 StGB Rdn. 11; Schäfer LK § 240 StGB, Rdn. 32 ff.). 74 Gewalt kann auch durch Unterlassen begangen werden. Dies ist dann der Fall, wenn das Verhalten als physische Einwirkung verstanden wird, wenn etwa die Haushälterin des bettlägerig Kranken es unterläßt, ihm Medikamente zu geben und dadurch den Kranken gesundheitlich körperlich in Mitleidenschaft zieht ( R G 13, 49; Schäfer LK § 240 StGB Rdn. 42). 75 Auch durch den gelegentlich verwendeten Begriff „Gewalttätigkeit" (ζ. B. bei § 125 StGB) wird lediglich ein Angriff auf Personen oder Sachen in deren körperliche Existenz durch physische Kraftentfaltung gekennzeichnet (Schönke-Schröder vor § 234 StGB Rdn. 19). Gewalt kann sich somit in allen Erscheinungsformen einen tätlichen Angriff darstellen und daher zur Verwirklichung eines Entschädigungstatbestandes nach diesem Gesetz führen. 76 c) „Gewalt"-Straftatbestände. Folgende Straftatbestände Strafgesetzbuches können hier in Betracht kommen: § 81 Abs. 1 § 82 Abs. 2 § 105 Abs. 1
Hochverrat gegen den Bund Hochverrat gegen ein Land Nötigung von Verfassungsorganen
des
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34 § 106 Abs. 1 § 107 Abs. 1 § 108 Abs. 1 § 124 §125 Abs. 1 Nr. 1 § 125 a Abs. 1 Nr. 3 § 177 Abs. 1 §178 §181 § 234 § 234 a § 235 § 237 § 240 § 244 Abs. 1 Nr. 2 § 249 Abs. 1 § 252 § 253 § 255 § 316 a § 316 c § 343 4.
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Nötigung des Bundespräsidenten und von Mitgliedern eines Verfassungsorgans Wahlbehinderung Wählernötigung Schwerer Hausfriedensbruch Landfriedensbruch Besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs Vergewaltigung Sexuelle Nötigung Menschenhandel Menschenraub Verschleppung Kindesentziehung Entführung gegen den Willen der Entführten Nötigung Diebstahl mit Waffen Raub Räuberischer Diebstahl Erpressung Räuberische Erpressung Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer Angriff auf den Luftverkehr Aussageerpressung.
„Nicht-Gewalttaten"
77 Auch solche S t r a f t a t b e s t ä n d e k ö n n e n einen schädigenden T a t bestand i m Sinne dieses Gesetzes darstellen, die w e d e r das T a t b e s t a n d s m e r k m a l „ G e w a l t " oder „tätlicher A n g r i f f " aufweisen noch in der Regel die Begehung einer Tätlichkeit voraussetzen. Bei dieser G r u p p e v o n D e l i k t e n k a n n jedoch u n t e r U m s t ä n d e n auch ein „tätlicher A n g r i f f " z u r V e r w i r k l i c h u n g des S t r a f t a t b e s t a n d e s f ü h r e n . H i e r z u gehören f o l g e n d e S t r a f t a t b e s t ä n d e des Strafgesetzbuches: § 103 Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten (in Form einer tätlichen Beleidigung) § 185 Beleidigung (tätlich); bei den §§ 103, 185 muß allerdings die Tathandlung audi den Tatbestand einer Gewalt-Straftat erfüllen. (Begehung beider Straftatbestände durch eine und dieselbe Handlung.) § 221 Aussetzung § 239 Freiheitsberaubung § 239 a Erpresserischer Menschenraub § 239 b Geiselnahme. 7 8 Z u dieser G r u p p e g e h ö r e n a u d i die S t r a f t a t b e s t ä n d e , die i m Strafgesetzbuch als gemeingefährliche Delikte bezeichnet w e r d e n .
Straftatbestände
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Diese Straftaten sind zum Teil auch gemeingefährliche Verbrechen im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 OEG. Bei der Begehung solcher Straftaten setzt der Täter Kräfte in Bewegung; insbesondere Naturgewalten, deren Auswirkung auf eine unbestimmte Vielzahl von Menschen oder Sachwerten er nicht in der Hand hat (RG 5, 309; 56, 96; Dreher vor § 306 StGB Rdn. 1). Im einzelnen: §229
§ 306 § 307 § 310 b § 311 §311 a § 312 § 313 § 315 § 315 a § 315 b § 324
Vergiftung (So: Binding Lehrbuch 1 S. 59; KohlrauschLange Anm. I; a. A. Schönke-Schröder § 2 2 9 StGB Rdn. 1 und Dreher § 229 StGB Rdn. 1, nach denen die Vergiftung nach § 229 einen erschwerten Fall der gefährlichen Körperverletzung darstellt) Schwere Brandstiftung Besonders schwere Brandstiftung Herbeiführung einer Explosion durch Kernenergie Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion Mißbraudi ionisierender Strahlen Herbeiführen einer lebensgefährlichen Überschwemmung Herbeiführen einer sadigefährdenden Überschwemmung Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr Gefährdung des Bahn-, Schiffs- und Luftverkehrs Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr Gemeingefährliche Vergiftung
79 Unberücksichtigt blieben die Vorschriften, die ein strafbares Verhalten beim Gebrauch von Kraftfahrzeugen zum Gegenstand haben, ζ. B. §§ 315 c, 316 StGB. 5. Gefährdungsdelikte 80 Nach der Wirkung der strafbaren Handlung werden Verletzungs- und Gefährdungsdelikte unterschieden. Bei den ersteren gehört zur Vollendung des Delikts die Verletzung eines bestimmten Objekts (ζ. B. Verletzung des menschlichen Körpers — § 223 StGB). In einer Reihe von Fällen wird aber bereits die Gefährdung eines Rechtsgutes mit Strafe bedroht, um die Verletzung zu verhüten, sogenannte konkrete Gefährdungsdelikte (Schönke-Schröder vor § 13 StGB Rdn. 129). Bei diesen Straftatbeständen, die die Gefährlichkeit als Tatbestandsmerkmal aufführen, ist an sich die Tat bereits mit dem Eintritt der Gefahr für Leib und Leben eines anderen (konkrete Gefahr) vollendet. Ob sie auch zu einem Schaden führt, ist demnach für die Verwirklichung des Straftatbestandes ohne Bedeutung. Insofern ist es an sich ausgeschlossen, daß solche Delikte auch einen schädigenden Tatbestand im Sinne dieses Gesetzes dar-
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stellen, da dies stets den Eintritt eines Erfolges, nämlich Körperverletzung oder Tod, voraussetzt. Hierbei ist jedoch zu beachten, daß im Einzelfall die konkrete Gefährdung einer Person auch zu einem Schaden führen kann, da die Gefahr lediglich die Vorstufe des Schadens ist. 81 Ist also bereits die Herbeiführung einer konkreten Gefahr bei bestimmten Delikten strafwürdig, so finden diese Strafvorschriften auch dann Anwendung, wenn durch die Herbeiführung der Gefahr zusätzlich ein Schaden eingetreten ist. Demgemäß ist auch bei diesen Straftatbeständen eine Tatbegehung in der Form eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs mit der Folge einer Gesundheitsschädigung möglich (Dreher § 315 StGB Rdn. 17; Schönke-Schröder vor § 306 StGB Rdn. 13 a). Dies gilt aber nur dann, wenn festgestellt werden kann, daß die Gefährdung, die von der Tathandlung ausgelöst wurde, über die nachher tatsächlich erfolgte Verletzung hinausging. Das Gefährdungsdelikt bleibt somit gegenüber der nachfolgenden Verletzungsstraftat (ζ. B. Körperverletzung — § 223 StGB —) straflos, wenn es sich jeweils um dasselbe Rechtsgut handelt und die Gefährdung nicht über die Verletzung hinausreicht (RG 59, 113; 70, 402; BGH 8, 244; Sdiönke-Sdiröder vor § 52 StGB Rdn. 129). Zu dieser Gruppe von Straftatbeständen gehören: § § § § § §
102 315 315 a 315 b 321 330
Angriff gegen Organe und Vertreter ausländischer Staaten Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr Gefährdung des Bahn-, Schiffs- und Luftverkehrs Gefährlidie Eingriffe in den Straßenverkehr Beschädigung wichtiger Anlagen Baugefährdung
82 Anders sind die sogenannten abstrakten Gefährdungsdelikte zu beurteilen, bei denen die Gefährlichkeit nicht Merkmal des Tatbestandes, sondern gesetzgeberischer Grund der Strafdrohung ist, z . B . §§ 145 d, 153, 306, 316 StGB (Dreher vor § 1 StGB Rdn. 13; Schönke-Schröder vor § 306 StGB Rdn. 3). Soweit sie nicht anderen Deliktsgruppen zugeordnet werden können (ζ. B. § 306 StGB) oder nicht durch eine und dieselbe Handlung zusammen mit Gewaltstraftaten begangen werden, kommen sie als entschädigungsauslösender Tatbestand nicht in Betracht.
6. Nebenstrafrecht 83 Das Strafgesetzbuch enthält nur den Kernbereich des sog. materiellen Strafrechts (Schönke-Schröder vor § 1 StGB Rdn. 1 £F.).
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Weitere materiell-rechtliche Strafbestimmungen befinden sich in den sonstigen „strafrechtlichen Hauptgesetzen" (wie Wehrstrafgesetz, Wirtschaftsstrafgesetz und Jugendgerichtsgesetz) und in zahlreichen anderen Gesetzen, die dem sog. Nebenstrafrecht zugeordnet werden. Auch diese enthalten Bestimmungen, die die Begehung von Gewalttaten im Sinne des OEG unter Strafe stellen. Im einzelnen handelt es sich um folgende Gesetze (Auswahl): —
Gesetz über die Beseitigung von Abfällen (Abfallbeseitigungsgesetz) vom 7 . 6 . 1972 (BGBl. I S. 873); letztes ÄndG vom 15. 3.1974 (BGBl. I S. 721) — AbfG —, § 16: Gefährdung von Leben oder Gesundheit;
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Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz) vom 1 6 . 5 . 1 9 6 1 (BGBl. I S. 533); letztes ÄndG vom 2 . 7 . 1 9 7 5 (BGBl. I S. 1745, 1752) — AMG —, § 4 4 Abs. 3: Schwere Körperverletzung oder Tod;
—
Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) vom 23.12. 1959; letztes ÄndG vom 6. 8. 1975 (BGBl. I S. 2121) — ATG — : § 45 Gefahr für Leib oder Leben eines anderen, § 47 Gefahr für Leib oder Leben eines anderen, § 48 Gefahr für Leib oder Leben eines anderen;
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Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz) vom 15. 3. 1974 (BGBl. I S. 721); ÄndG vom 1 5 . 8 . 1 9 7 4 (BGBl. I S. 1942) — BImSchG —, § 64: Gefährdung von Leben oder Gesundheit;
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Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz) vom 10. 12.1929 / 10. 1.1972 (BGBl. I S . 1); ÄndG vom 2. 3. 1974 (BGBl. I S. 469, 549) — BtMG — : § 11 Abs. 1 Nr. 7 Verabreichung von Betäubungsmitteln, § 11 Abs. 1 Nr. 8 Gelegenheit zum Genuß von Betäubungsmitteln, § 11 Abs. 4 Nr. 1, 2 Gefährdung der Gesundheit, Gefahr des Todes;
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Gesetz zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten vom 23. 7.1953 (BGBl. I S. 700); letztes ÄndG vom 2. 3. 1974 (BGBl. I S. 469, 552) — GeschlKrG —, § 6 Abs. 3: Übertragung von G. Krankheiten; Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit vom 27.7. 1957 (BGBl. I S. 1058); letztes ÄndG vom 2 . 3 . 1 9 7 4 (BGBl. I S. 469, 554) — JÖSchG —, § 13: Gefährdung der körperlichen, geistigen oder seelischen Entwicklung;
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Gesetz über die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden vom 15. 8 . 1 9 6 9 (BGBl. I S. 1143); ÄndG vom 2 3 . 1 1 . 1973 (BGBl. I S. 1725) — KastrG — , § 7: Körperverletzung mit oder ohne Todesfolge; Gesetz über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) vom 2 4 . 7 . 1 9 5 3 (BGBl. I S. 684); letztes ÄndG vom 2. 3 . 1 9 7 4 (BGBl. I S. 469) — VersammlG — : § 21 Vornahme von Gewalttätigkeiten, § 22 Widerstand mit Gewalt; Wehrstrafgesetz vom 30. 3. 1957 in der Fassung vom 24. 5. 1974 — W S t G — : § 24 Abs. 1, 4 Nötigung durch Gewalt, § 25 Abs. 1, 3 Tätlichkeiten gegen Vorgesetzte, § 27 Abs. 1, 3 Meuterei, § 30 Körperliche Mißhandlung usw. von Untergebenen.
VII. Ort der Tat 8 4 In örtlicher Hinsicht ist eine Tat sowohl dort begangen, wo ein Tatbeteiligter gehandelt hat bzw. hätte handeln müssen, als auch da, wo ein tatbestandsmäßiger Erfolg eingetreten ist bzw. nach Vorstellung des Beteiligten eintreten sollte (vgl. § 9 Abs. 1 StGB). Demgemäß gelten bei sogenannten Distanzdelikten, bei denen der Ort der Handlung und des Erfolgseintritts auseinanderfallen, beide als Tatort. Dies läßt sich damit begründen, daß das Schwergewicht der Tat weder einseitig auf die Handlung noch auf den Erfolg gelegt werden darf, sondern beide eine Einheit bilden, wobei jedem dieser Tatbestandsteile gleiches Gewicht zukommt. Demgemäß ist eine Tat an jedem Ort als begangen anzusehen, an dem auch nur eines ihrer Tatbestandsmerkmale verwirklicht worden ist (Schönke-Schröder § 9 StGB Rdn. 3). Bei Straftaten in politischen Grenzbereichen sind demnach die Voraussetzungen dieses Gesetzes auch dann erfüllt, wenn das Opfer sich ζ. B. im Inland aufgehalten hat, der Täter aber und/oder das Tatwerkzeug oder die zu seiner Inbetriebsetzung notwendigen Einrichtungen sich im Ausland oder im Niemandsland befunden haben und die Tat von dort aus begangen wurde.
VIII. Handlungsbegrifi 85 Bei der Beschreibung der einzelnen Entschädigungstatbestände (tätlicher Angriff, Abwehr eines solchen Angriffs, Giftbeibringung und Verbrechen mit gemeingefährlichen Mitteln) verwendet das Gesetz — auch wenn es davon absieht, strafrechtliche Tatbestände
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im einzelnen als entschädigungsbegründend zu benennen — Begriffe, die aus dem Bereich des Strafrechts hergeleitet werden. Es ist daher erforderlich, die vom Gesetz gegebenen Tatbestandsmerkmale unter Beachtung der von der Rechtsprechung der Strafgerichte und der Strafrechtswissenschaft entwickelten Begriffsbestimmungen zu erläutern.
1. Tathandlung 86 Alle vorbezeidineten Tatbestände setzen als entschädigungsbegründendes Ereignis ein bestimmtes Schädigerverhalten voraus. (Angriff, Giftbeibringung, Begehung eines Verbrechens mit gemeingefährlichen Mitteln.) Dieses Schädigerverhalten ist gleichbedeutend mit einer Tathandlung im Sinne eines Straftatbestandes des Strafgesetzbuches oder eines der strafrechtlichen Nebengesetze und ist daher nach strafrechtlichen Kriterien zu beurteilen. Unter einer Handlung versteht das Strafgesetzbuch jedes menschliche Verhalten. Keine Handlung ist somit die auf mechanische Weise durch unwiderstehliche Gewalt hervorgerufene Körperreaktion (ζ. B. gewaltsames Führen der Hand beim Unterzeichnen einer Urkunde), ferner Körperbewegungen im Zustande der Bewußtlosigkeit ( B G H 1, 127; ζ. B. bei tiefem Schlaf, bei tiefer Ohnmacht, Narkose, sinnloser Trunkenheit) sowie Reflexbewegungen, die sich organisch durch unmittelbare Uberleitung eines von außen kommenden Reizes von den sensorischen auf die motorischen Nerven vollziehen ( O L G Hamburg, J R 1950, 409; O L G Hamm, N J W 1975, 657); z . B . die bei einem Epileptiker durch flimmerndes Licht ausgelöste Bewegungen im Krampfanfall; das zu einer Sachbeschädigung führende Zusammenzucken bei Berührung einer elektrischen Leitung (vgl. hierzu im einzelnen Schönke-Schröder vor § 13 StGB Rdn. 41 ff.). 87 Der Handlungsbegriff des Strafgesetzbuches ist nicht nach naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. Unter Handlung wird daher sowohl ein aktives Tun, als auch ein Unterlassen verstanden. Ein aktives Tun besteht in einem Eingreifen in die Außenwelt. Das Unterlassen als Handlung im Sinne des Strafrechts stellt kein bloßes Nichtstun dar. Der Unterlassende ist dann Handelnder in diesem Sinne, wenn er nicht nur die Möglichkeit zum aktiven Tun hat, sondern auch entweder die Möglichkeit erwägt, etwas zu tun (und trotzdem nichts unternimmt — bewußtes Unterlassen —), oder von ihm ein aktives Tun erwartet wird (Dreher vor § 1 StGB Rdn. 3 ff.).
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2. Unterlassungsdelikte 88 Je nachdem, ob das strafbare Verhalten in einem positiven Tun oder in einem Unterlassen bestellt, wird zwischen Begehungs- und Unterlassungsdelikten unterschieden. Bei den Unterlassungsdelikten unterscheidet man wiederum zwischen echten und unechten Unterlassungsdelikten. Von einem echten Unterlassungsdelikt spricht man, wenn der strafrechtliche Tatbestand unmittelbar durch das Unterlassen einer rechtlich gebotenen Handlung erfüllt wird (ζ. B. das Unterlassen einer Anzeige — § 138 StGB —, Unterlassung einer Hilfeleistung bei Unglücksfällen — § 330 c StGB —). Bei sogenannten unechten Unterlassungsdelikten wird der Tatbestand grundsätzlich durch ein positives Tun erfüllt. Trotzdem kann bei solchen Delikten auch ein Unterlassen zur Tatbestandsverwirklichung führen, sofern dieses dem positiven Tun gleichzustellen ist. Eine solche Gleichwertigkeit ist dann anzuerkennen, wenn der Unterlassende aufgrund einer besonderen Pflicht (Garantenpflicht) verpflichtet gewesen wäre, einen strafrechtlich relevanten Erfolg abzuwenden. So kann es ζ. B. keinen Unterschied machen, ob der Täter sein Opfer durch aktives Tun tötet oder diesen Menschen, für den er aufgrund einer besonderen Beziehung (Garantenstellung) verantwortlich ist, verhungern oder ertrinken läßt (so: Schönke-Schröder vor § 13 StGB Rdn. 134 ff.; vgl. auch Dreher vor § 13 StGB Rdn. 12). 89 a) Echte Unterlassungsdelikte. Für die Frage, ob Opfer von Straftaten einen Entschädigungsanspruch nach dem Gesetz haben, können solche Straftaten außer Betracht bleiben, die als sogenannte echte Unterlassungsdelikte zu bewerten sind. Die Strafbarkeit nach diesen Vorschriften beruht darauf, daß jemand eine Pflicht, die jedermann trifft, verletzt. Bei den §§ 138 und 142 Abs. 2 und 3 StGB werden Verstöße gegen bestimmte Mitteilungspflichten geahndet (Nichtanzeige geplanter Straftaten, Vereitelung von Feststellungen nach einem Unfall im Straßenverkehr). Eine gegen einen anderen gerichtete Angriffsrichtung (feindselige Einwirkung) haben diese Straftaten nicht. 90 Auch bei unterlassener Hilfeleistung (§ 330 c StGB), die als echte Unterlassungstat eingeordnet wird, wird lediglich die Verletzung einer jedermann treffenden Handlungspflicht unter Strafe gestellt, ohne daß es darauf ankäme, ob die Unterlassung einen schädlichen Erfolg hat oder nicht. Zwar wird hier wie bei den unechten Unterlassungsdelikten ein Handeln gefordert, um drohende Schäden abzuwenden, die strafrechtliche Reaktion jedoch bleibt hinter der des
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unechten Unterlassungsdelikts zurück. Die Pflidit des § 330 c StGB ist gegenüber der entsprechenden unechten Unterlassungstat untergeordnet. Zu einer Begehungstat, die auf den gleichen Erfolg gerichtet ist, steht § 330 c StGB regelmäßig im Verhältnis der Subsidiarität (BGH 3, 68; 14, 285). Wer z.B. seinen Ehegatten nach einem Unglücksfall verbluten läßt, ist nur wegen Tötung gem. der §§ 211 ff. StGB zu verurteilen. (Vgl. Schönke-Schröder § 330 c StGB Rdn. 1 und 34.) 91 Den echten Unterlassungsdelikten ist gemeinsam, daß der Eintritt einer Schädigung immer das Hinzutreten einer weiteren Straftat voraussetzt (ζ. B. Begehung einer Körperverletzung zur unterlassenen Hilfeleistung; tätlicher Angriff auf einen Polizeibeamten neben Verweigerung der Personalien nach einem Straßenverkehrsunfall). Als Angriff im Sinne des Gesetzes ist dann nur die eigentliche Begehungstat (Körperverletzung bzw. Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) bzw. das der Begehung gleichwertige Unterlassen (im Sinne einer sogenannten unechten Unterlassungstat) zu bewerten. 92 b) Unechte Unterlassungsdelikte. Die Möglichkeit, ein Unterlassen mit einem Tun gleichzustellen, ergibt sich aus § 13 Abs. 1 StGB: „Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht."
93 Die Gleichstellung des Unterlassens mit dem Tun setzt somit voraus: —
Der Täter wendet einen Erfolg nicht ab, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört (v. B. Verhinderung des Eintritts einer Gesundheitsschädigung), soweit der Erfolg lediglich als tatbestandsmäßiges Ereignis aufzufassen ist, das eine Strafbestimmung für die Vollendung einer Straftat voraussetzt (Schönke-Schröder § 13 StGB Rdn. 3).
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Der Täter hat dafür, daß der Erfolg nicht (Garantenstellung); s. hierzu Rdn. 94.
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Der Täter muß die Möglichkeit zur Verhinderung des Erfolges haben. Die Handlung, die von ihm zu fordern war, und zu der er die Möglichkeit hatte, müßte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Erfolg verhindert haben (RG 51, 127; 58, 131; 77, 1 2 7 ; BGH 4, 22, 6, 2, 57; so: Dreher § 13 StGB Rdn. 14).
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Die Handlung, die den Erfolg verhindert hätte, muß von dem Täter rechtlich zu fordern sein. Das ist nicht schon der Fall, wenn er Garant ist und die Möglichkeit hat, entsprechend zu handeln, sondern erst dann, wenn ihm diese Handlung auch zuzumuten ist. (So: Dreher § 13 Rdn. 15 und 16.) Ferner muß das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durdi ein Tun entsprechen, wenn das Unterlassen strafbar sein soll. Das ist ζ. B. der Fall, wenn das Unterlassen in gleichwertiger Weise die besonderen Handlungsmodalitäten verwirklicht, es also eine dem positiven Tun vergleichbare Prägung besitzt und damit in seinem sozialen Sinngehalt mit der Tatbestandshandlung des Begehungsdeliktes übereinstimmt (so: Dreher § 13 StGB Rdn. 17; vgl. auch Schönke-Schröder § 13 StGB Rdn. 4). Schließlich muß den Täter auch eine Handlungspflicht (Garantenpflicht) treffen. Diese Handlungspflicht soll nicht zum gesetzlichen Tatbestand, sondern ähnlich wie die Pflicht bei den Begehungsdelikten, rechtswidrige Taten zu unterlassen, Bestandteil der Rechtswidrigkeit sein (BGH — Großer Senat — 16, 158; so: Schönke-Schröder § 13 StGB Rdn. 2). Auf die vorgenannten Umstände (Erfolgseintritt infolge Untätigkeit, Zumutbarkeit des Tätigwerdens, Möglichkeit der Erfolgsverhinderung, Garantenstellung) muß sich der Vorsatz des Täters erstrecken (vgl. Rdn. 144 ff.). Da — wie oben dargelegt — die Handlungspflicht (Garantenpflicht) selbst nicht zum Tatbestand gehört, muß sidi hierauf der Vorsatz nicht beziehen. Ein diesbezüglicher Irrtum würde daher auch einen sogenannten Verbotsirrtum gem. § 17 StGB darstellen (BGH — Großer Senat — 16, 155; so: Dreher § 1 3 StGB Rdn. 18; vgl. auch Rdn. 183 ff.).
9 4 c ) Garantenstellung. Die Stellung des Täters als G a r a n t für die Schadensabwehr beruht auf bestimmten Rechtspfliditen, wobei es nicht erforderlich ist, daß sich diese aus ausdrücklichen Rechtssätzen ergeben. Rechtspflichten dieser A r t k ö n n e n audi aus allgemeinen Rechtsprinzipien hergeleitet w e r d e n ; rein sittliche Pflichten hingegen genügen nicht ( R G 54, 2 7 5 ; Schönke-Schröder § 13 StGB R d n . 7). 95
Eine Garantenstellung kann sich aus folgenden F a k t e n ergeben:
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Gesetz (z.B. §§ 1353 BGB), Lebensgemeinschaft verpflichtet den Ehegatten von Straftaten 285; B G H 2, 150; vgl. Dreher sprechungsnachweisen).
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Die tatsächliche Übernahme der Gewähr für das Rechtsgut. Diese Übernahme kann auf Vertrag oder auch nur auf tatsächlicher Gewährsübernahme beruhen (ζ. B. Übernahme einer ärztlichen Behänd-
wonach der Ehegatte zur ehelichen ist. Hieraus ergibt sich auch die Pflicht, abzuhalten ( R G 52, 204; 72, 19; 74, § 13 StGB Rdn. 6 mit weiteren Recht-
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lung — BGH 7, 212 —, der Pflege von Kranken und Kindern — RG 10, 100 —, der Tätigkeit als Bauunternehmer — BGH 19, 286 —, oder einer Bergführung; Behandlung eines Kranken durch den Bereitschaftsarzt — BGH 7, 211 —; weitere Nachweise bei Dreher § 13 StGB Rdn. 7 ff.). Besonderes Vertrauensverhältnis (ζ. B. bei besonderen Vertrauensgemeinschaften wie der Familie und der Hausgemeinschaft — RG 69, 321; 73, 389; 74, 310; BGH 2, 153; 13, 162; 19, 167), Gemeinschaft bei Bergsteigern, Verlöbnis bei tatsächlicher Lebensgemeinschaft (JR 1955, 104; NJW 1960, 1821; anders RG 56, 169), bei besonderen Umständen audi ein Liebesverhältnis (JR 1956, 347), eheähnliches Verhältnis zusammenwohnender Homosexueller (AG Duisburg MDR 1975, 1027). Auch Verträge auf Treu und Glauben (BGH 6, 188) können ein besonderes Vertrauensverhältnis schaffen. Aufgrund einer bloßen Zechgemeinschaft entsteht kein besonderes Vertrauensverhältnis (NJW 1954, 1047; 1973, 1706; BayObLG NJW 53, 568; OLG Oldenburg NJW 1961, 1938; OLG Düsseldorf NJW 1966, 1175; mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen, Dreher § 13 StGB Rdn. 10; SchönkeSchröder § 13 StGB Rdn. 17 ff.). Das tatsächliche Herbeiführen einer Gefahrenlage (sogenannte Ingerenz). Derjenige, der durch sein Handeln oder pflichtwidriges Unterlassen die Gefahr f ü r den Eintritt schädlicher Erfolge geschaffen hat, ist verpflichtet, die drohenden Schäden zu verhindern. Das Verbot, andere zu verletzen, enthält gleichzeitig das Gebot, selbst geschaffene Gefahren zu beseitigen (ständige Rechtsprechung: R G 10, 100; 46, 343; 51, 12; 57, 197; 58, 132; 64, 276; 73, 57; 74, 283; BGH 4, 20; 25, 220; 26, 37). Die Rechtsprechung macht grundsätzlich keinen Unterschied zwischen der Herbeiführung der Gefahr durch ein Tun oder Unterlassen zwischen einer verschuldeten oder unverschuldeten Verursachung (BGH 4; 22; RG 68, 104; BGH 2, 283; 11, 355). Mitunter wird jedoch gefordert, daß das Vorverhalten eine nahe (adäquate) Gefahr für den Schadenseintritt geschaffen hat. Danach würde nur ein solches Vorverhalten zu einer Garantenstellung führen, das generell geeignet ist, den Gefahrenzustand herbeizuführen. Als weitere Voraussetzung wird außer der adäquaten Herbeiführung der Gefahr verlangt, daß das Vorverhalten pflichtwidrig war, als solches also mißbilligt werden konnte. (Haben ζ. B. Straßenarbeiter unter Beachtung sämtlicher Sicherungsmaßnahmen die Straßendecke aufgerissen, so können sie nicht Garant für den sein, der aus Unvorsichtigkeit dennoch in die Baugrube fällt; hierzu im einzelnen: Schönke-Schröder § 13 StGB Rdn. 32 ff.). In folgenden Fällen wurde von der Rechtsprechung das tatsächliche Herbeiführen einer Gefahrenlage zuerkannt: Ausheben einer Baugrube (OLG Celle VRS 1929, 23); versehentliches Einsperren eines anderen (RG 24, 339); Körperverletzung, die Lebensgefahr auslöst (OGHSt. 1, 357); Verbringen eines infolge Trunkenheit Schuldunfähigen in eine gefährliche Verkehrssituation (MDR 1975,
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328); übermäßige Abgabe von Alkohol durch einen Gastwirt an einen Kraftfahrer, der fahruntüchtig wird, aber fahren will (BGH 4, 2 0 ; B G H 19, 152); vergleiche hierzu weiterhin Dreher § 13 StGB Rdn. 11). Sachherrschaft (ζ. B. Verpflichtung des Gastwirts, in der Gaststätte für Ordnung zu sorgen — N J W 1966, 1763); dortigen Umsatz von Diebesgut zu verhindern (RG 58, 300); als Veranstalter eines Autorennens (BGHZ N J W 1975, 533); als Halter eines Kraftfahrzeuges (BGH 18, 7); als Halter von Tieren (OLG Bremen N J W 1957, 7 3 ; weiterhin hierzu Dreher § 13 StGB Rdn. 12).
9 6 Die Handlungspflichten, die einem sogenannten echten Unterlassungsdelikt zugrunde liegen, begründen keine Garantenstellung. So können insbesondere nicht die jedermann treffenden Pflichten nach den §§ 138 und 330 c StGB eine Garantenstellung herbeiführen ( R G 73, 55; B G H 3, 65, Schönke-Schröder § 1 3 StGB, Rdn. 57; Dreher § 13 StGB Rdn. 13).
IX. Angriff 1. Begriff 97 Angriff ist im Strafrecht schon jede von Menschen drohende bzw. unmittelbar bevorstehende oder noch nicht abgeschlossene Verletzung rechtlich geschützter Interessen, wobei es grundsätzlich nicht erforderlich ist, daß die drohende Verletzung vom Angreifer bezweckt oder gewollt ist (OGHSt. 1, 274; Baldus LK § 63 StGB Rdn. 2; Schönke-Schröder § 3 2 StGB Rdn. 3; Dreher § 3 2 StGB Rdn. 4). Somit kann auch eine fahrlässige oder gänzlich schuldlose Handlung einen Angriff darstellen, sofern sie eine Gefahr für ein fremdes Rechtsgut begründet. Entscheidend bleibt aber, daß das fragliche Verhalten durch einen Willensentschluß vermittelt wird, zumindest aber eine menschliche Handlung darstellt (SchönkeSchröder § 32 StGB Rdn. 3; Dreher § 32 StGB 3 A). 9 8 Angreifer können nach dieser Begriffsbestimmung auch schuldlos Handelnde (RG 27, 44), Geistesgestörte, Kinder, Berauschte (BGH 3, 217; O L G München N J W 1966, 1165) sein (vgl. Baldus LK § 53 StGB Rdn. 2). So liegt im Sinne des Gesetzes sicher kein Angriff vor, wenn er von einem Tier ausgeht. Jedoch ist ein Tierangriff zugleich ein menschlicher Angriff, wenn das Tier zum Angriff benutzt wird (ζ. B. Hetzen eines Hundes). 9 9 Grundsätzlich erfordert ein Angriff vom Begriff her ein aktives Handeln, da ein rein passives Verhalten an sich nicht abgewehrt
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werden kann (OGHSt. 3 , 1 2 3 ; Sdiönke-Schröder § 32 StGB Rdn. 10). Uberwiegend wird jedoch angenommen, daß unter bestimmten Voraussetzungen (vgl. Rdn. 87) ein Angriff auch in einem Unterlassen bestehen kann. Hierbei wird allerdings zu verlangen sein, daß das Unterlassen nach den Grundsätzen des sogenannten unechten Unterlassungsdelikts (vgl. Rdn. 92) dem aktiven Tun gleichgestellt werden kann (BGH N J W 1963, 824; BayObLG N J W 1963, 824; SchönkeSchröder § 32 StGB Rdn. 10; Dreher § 32 StGB Rdn. 2; Baldus L K § 5 3 StGB Rdn. 3; grundsätzlich ablehnend R G 19, 298); z . B . Niditernährung des Säuglings durch die Mutter.
2. Tätlicher Angriff 100 Der Umfang der Handlungen, die nach der obigen rein strafrechtlichen Begriffsbestimmung als Angriff in Betracht kämen, erfährt dadurch eine Einschränkung, als das Gesetz einen tätlichen Angriff gegen eine Person fordert. 101 Der Begriff „tätlicher Angriff" ist Tatbestandsmerkmal in den Vorschriften der §§ 113 und 121 StGB. Dort versteht man unter einem tätlichen Angriff gegen eine Person eine unmittelbare, auf den Körper eines Menschen zielende feindselige Einwirkung ohne Rücksicht auf den Erfolg (RG 59, 264; 41, 181; 7, 301; SchönkeSchröder § 1 1 3 StGB Rdn. 23). Es genügt also, daß durch einen solchen Angriff Leib und Leben eines Menschen Schaden nehmen können. Bei mehreren Tätern braucht keineswegs jeder Beteiligte tätlich zu werden, und ebensowenig muß notwendig der Beginn des Angriffs mit dem Anfang der Tätlichkeit zusammenfallen. Audi in der Verfolgung eines Flüchtenden in der Absicht, ihn zu mißhandeln, kann bereits ein Angriff liegen (RG 59, 264). 102 Wie die Begehung von „Gewalt" fordert ein tätlicher Angriff ebenfalls keine körperliche Berührung (vgl. Rdn. 66 ff.). Es genügt auch hier das Einwirken auf den Körper eines Menschen, wodurch nicht nur das körperliche, sondern auch das seelische Wohlbefinden beeinträchtigt sein kann (ζ. B. Abgabe von Schreckschüssen — hier ist noch nicht einmal eine körperliche Berührung beabsichtigt —, R G 66, 353; Sdiönke-Schröder § 113 StGB Rdn. 23; Dreher § 113 StGB Rdn. 21; a. A. Heimann-Trosien LK § 113 StGB Rdn. 17; das Ausströmenlassen von gasförmigen oder flüssigen Angriffsmitteln, die Kontaktverbindung zu elektrischem Strom, das Legen von Feuer). Natürlich muß der „tätliche Angriff" immer so gestaltet sein, daß er als Ursache der festgestellten Gesundheitsschädigung in Betracht kommt.
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1 0 3 Deshalb wird in den weitaus meisten Fällen sich der tätliche Angriff in der F o r m einer vollendeten oder versuchten Körperverletzung vollziehen.
3. Schlägerei 1 0 4 Einen Sonderfall stellt die Schlägerei (früher Raufhandel) im Sinne des § 227 S t G B dar: „Ist durch eine Schlägerei oder durch einen von mehreren gemachten Angriff der Tod eines Menschen oder eine sdiwere Körperverletzung verursacht worden, so ist jeder, welcher sich an der Schlägerei beteiligt hat, sdion wegen dieser Beteiligung mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe zu bestrafen, falls er nicht ohne sein Verschulden hineingezogen worden ist." 1 0 5 Eine Schlägerei ist der in gegenseitiger Tätlichkeit ausartende Streit zwischen mehr als zwei Personen. Erforderlich ist somit, daß mindestens 3 Personen an der Schlägerei aktiv beteiligt sind. Beteiligung bedeutet hier die Anwesenheit am T a t o r t und die Teilnahme an der Tätlichkeit in feindseliger Weise, sofern nicht der T ä t e r ohne sein Verschulden in die Schlägerei hineingezogen wurde (SchönkeSchröder § 227 S t G B R d n . 6, 7). Diese F o r m der Teilnahme an einer Tätlichkeit ist somit von einem Angriff mehrerer gegen eine Person zu unterscheiden, da bei der Schlägerei der Angreifer zugleich Opfer eines Gegenangriffs ist. D e r an einer Schlägerei Beteiligte ist somit, soweit die in § 227 S t G B bezeichneten Folgen eintreten, nicht nur strafbar, sondern k o m m t audi als Angreifer im Sinne dieses Gesetzes in Betracht.
4. Personenbezogenheit 1 0 6 D e r tätliche Angriff muß grundsätzlich personenbezogen, somit gegen Leib und Leben einer bestimmten Person gerichtet sein. Gegen diese Person hat sich in erster Linie der Angriff zu richten. Eine Entschädigungspflicht ist aber — beim Vorliegen der sonstigen V o r aussetzungen — auch dann gegeben, wenn der Angriff gegen eine andere Person gerichtet war, aber das spätere Opfer geschädigt wurde. Dabei ist es unerheblich, ob die Person, der der Angriff gegolten hat, selbst eine Beschädigung erlitten hat oder nicht. Es handelt sich hierbei um Fälle einer abgeirrten Straftat (aberratio ictus), ζ. Β. Schießen auf eine Person, der Schuß geht fehl und trifft einen Nebenstehenden. Voraussetzung ist natürlich audi hier, daß der tätliche Angriff gegen die als Opfer vorgesehene Person M e r k male des Vorsatzes und der Rechtswidrigkeit aufweist. Bezogen auf
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das spätere Opfer ist die Tat in diesen Fällen allerdings strafrechtlich als fahrlässig begangen zu werten.
5. Personengruppe 107 Nach dem Wortlaut des Gesetzes sind die Folgen eines Angriffs nur dann entschädigungsauslösend, wenn dieser gegen eine Person gerichtet war. Nicht ausdrücklich bestimmt ist somit, ob diese Ansprüche audi dann geltend gemacht werden können, wenn der Angriff gegen eine Personengruppe gerichtet war und das Opfer entweder dieser Gruppe angehört hat oder durch einen Angriff auf eine Gruppe, der er nicht zugehört hat, geschädigt wurde. Angriffe dieser Art werden vorwiegend der politischen Gewaltkriminalität zuzuredinen sein, so etwa durch Einsatz von Waffen aller Art mit Sprengoder Streuwirkung, durch Verwendung von Kampfgas, Wasserwerfern usw. Als Personengruppen in diesem Sinne kommen Einheiten von Ordnungskräften (Polizei, Bundesgrenzschutz usw., ziviles Wachpersonal) sowie Demonstranten, Gegendemonstranten, aber audi Ansammlungen von Unbeteiligten in Frage. 108 Entschädigungsbereditigt soll nach der Sinnaussage des Gesetzes jede Person sein, die durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff einen Gesundheitssdiaden erlitten hat. Eine Anspruchsvoraussetzung nur dann als gegeben anzuerkennen, wenn der Angriff einer Einzelperson gegolten hat, aber nicht auch dann, wenn sich der Angriff gegen eine Personengruppe gerichtet hatte, der u. a auch der Angegriffene zuzurechnen war, dürfte mit dieser Absicht des Gesetzgebers nicht zu vereinbaren sein. Hierauf abgestellte Entscheidungen würden darüber hinaus auch Ermessenserwägungen einen unangemessen breiten Raum lassen. Andererseits sind die Angehörigen einer Personengruppe nicht ohne weiteres bestimmbar. Zunächst müßte der Begriff „Personengruppe" so hinreichend definierbar sein, daß Zweifel an seiner Begriffsaussage nicht zu erwarten sind. Hierzu gehört aber nicht nur die Festlegung auf die Zahl der Personen, die mindestens als notwendig erscheint, um eine Ansammlung von Menschen als Gruppe bezeichnen zu können, sondern auch, welche Abstände und Zwischenräume zwischen einzelnen Personen mindestens eingehalten werden müssen, um ihre Gesamtheit als Gruppe einstufen zu können. Und schließlich müßte eine nach diesen Kriterien als Gruppe anerkannte Ansammlung auch nach ihrer Funktion hinreichend identifiziert werden können. Dies, um ermitteln zu können, ob das spätere Opfer dieser Gruppe zugehört hat oder ob
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es sich — zufällig oder nicht — nur in deren Bereich aufgehalten hat, somit Umstände, aus denen geschlossen werden kann, ob der Angriff der Gruppe gegolten hat, durch den das Opfer geschädigt wurde, oder ob er ihm zugedacht war. Solche Feststellungen ließen sich im Einzelfalle nur mit großen Schwierigkeiten, mitunter auch gar nicht, treffen. 109 Auch im Interesse der Rechtssidierheit, die bei der Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs „Personengruppe" nicht oder doch nur unter ganz erheblichen Bedenken gewahrt werden könnte, kann dieser Begriff nur im Sinne einer „Menschenmenge" (Rdn. 110) verstanden werden. Als Tathandlung im Sinne dieses Gesetzes ist daher nicht nur der gegen eine bestimmte oder gegen eine andere Person gerichtete Angriff zu bewerten, sondern auch der gegen eine Menschenmenge geführte Angriff, in dessen Bereich das spätere Opfer sich aufgehalten hat. 110 Der Begriff „Menschenmenge", der ζ. B. in § 125 StGB Verwendung findet, ist dahingehend zu definieren, daß es sich um eine größere Anzahl von Menschen handelt, bei der es auf das Hinzukommen oder Weggehen eines einzelnen nicht mehr ankommt (RG H R R 1942, Nr. 128). Aber auch organisierte Aktionen, bei denen der Täterkreis feststeht, werden unter den Begriff „Menschenmenge" einzuordnen sein (Sdiönke-Sdiröder § 125 StGB Rdn. 8). 6. Rechtswidrigkeit 111 Die Gewährung einer Entschädigung setzt weiterhin voraus, daß der schädigende tätliche Angriff auch rechtswidrig war. Nach der vorherrschenden Methode bei der Prüfung strafrechtlicher Tatbestände ist eine Handlung schon immer dann rechtswidrig, wenn sie den objektiven Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt und ein Rechtfertigungsgrund, ζ. B. Notwehr, nicht vorliegt. Unter objektivem Tatbestand werden hierbei die Umstände verstanden, die im Gegensatz zu den subjektiven Unrechtselementen (wie Vorsatz, Fahrlässigkeit) das äußere Erscheinungsbild der Tat bestimmen (Schönke-Schröder vor § 13 StGB Rdn. 62). Somit ist eine Handlung, kann man nur ihre Tatbestandsmäßigkeit im Sinne eines Strafgesetzes feststellen, grundsätzlich auch rechtswidrig („Tatbestandsmäßigkeit indiziert die Rechtswidrigkeit"). Die Rechtswidrigkeit der Tat ist ein allgemeines Deliktsmerkmal (RG 61, 247; BGH 2, 194), mit dem das „den Widerspruch zu den generellen, für jeder-
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mann verbindlichen Sollens — Anforderungen des Rechts ausdrükkende negative Werturteil über die Tat bezeichnet wird" (SchönkeSchröder vor § 13 StGB Rdn. 12). 112 Die Rechtswidrigkeit eines Angriffs beurteilt sich jedoch nach anderen Gesichtspunkten. Während man im obigen Sinne nur solche Taten als rechtswidrig ansieht, die der Rechtsordnung widersprechen (tatbestandsmäßig im Sinne eines Strafgesetzes sind), ist ein Angriff als besondere Form einer Tathandlung schon dann rechtswidrig, wenn dieser im Widerspruch zu rechtlichen Verhaltensnormen steht (Schönke-Schröder § 32 StGB Rdn. 19), wenn der Angegriffene die Angriffshandlung nicht zu dulden braucht (RG 21, 171; 27, 44; OGHSt. 1, 274; Dreher §32 StGB Rdn. 11; Binding-Handbuch S. 740; Frank Anm. I 2 b; Baldus LK § 53 StGB Rdn. 7). Maßgeblich ist hier also ein allgemeiner Rechtswidrigkeitsbegriff, der lediglich darauf abstellt, ob das Verhalten des Angreifers vom Recht „objektiv-negativ" bewertet wird, nicht aber ein tatbestandsmäßiges (oder gar strafbares) Handeln im Sinne des Strafgesetzbuches voraussetzt. In diesem Sinne wird auch bei § 32 StGB (Notwehr) der rechtswidrige Angriff gewertet (Schönke-Schröder § 3 2 StGB Rdn. 19 ff.; Baldus LK § 53 StGB Rdn. 7). Ein solcher Angriff liegt bei dieser Bestimmung ζ. B. schon vor, wenn ein Kind gestapelte Steine umwirft, um den Betroffenen zu ärgern. Nicht rechtswidrig hingegen ist ein Angriff, den der Betroffene zwar nicht hinzunehmen braucht, das Handeln des Angreifers aber aus anderen Gründen, ζ. B. weil er gegen keine rechtliche Sorgfaltspflicht verstößt, erlaubt ist. Zum Beispiel, wenn aus einem den Verkehrsregeln entsprechenden Verhalten im Straßenverkehr eine Verletzung droht. Nicht willentliches Verhalten, das keine Handlung im Rechtssinne darstellt, ist ebenfalls nicht als rechtswidriger Angriff zu bewerten (ζ. B. Kraftfahrer droht infolge einer plötzlichen Ohnmacht in eine Menschenmenge zu fahren; so: Schönke-Schröder § 32 StGB Rdn. 21). 113 Allerdings entfällt die Rechtswidrigkeit des Angriffs nicht deshalb, weil der Angegriffene ihn schuldhaft verursacht oder gar provoziert hat (RG 73, 342; Schönke-Schröder §32 StGB Rdn. 23; Baldus LK § 53 StGB Rdn. 37). Die Provokation, ζ. B. eine Beleidigung, kann aber selbst wieder einen rechtswidrigen Angriff darstellen, der den provozierten „Angriff", soweit die anderen gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, zu einer Notwehrhandlung macht, also einen Rechtfertigungsgrund begründet.
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7. R e c h t f e r t i g u n g 114 Die Rechtswidrigkeit eines tätlichen Angriffs ist vor allem ausgeschlossen, wenn dieser gerechtfertigt war. 115 a) Die Rechtfertigung tatbestandsmäßigen Verhaltens ergibt sich daraus, daß der dem Tatbestand zugrunde liegenden, dem Schutz eines bestimmten Rechtsguts dienenden generellen Verbots- bzw. Gebotsnorm andere Normen gegenübertreten, welche die erstere im Einzelfall außer Kraft setzen oder jedenfalls nicht wirksam werden lassen, indem sie das rechtsgutverletzende Verhalten ausnahmsweise gestatten. Gemessen an der allgemeinen Verbots- bzw. Gebotsnorm stellen sich diese „Gegennormen" als Erlaubnissätze dar (SchönkeSchröder vor § 32 StGB Rdn. 4 und 7). 116 Es sind zwei Grundsituationen, auf die sich alle Rechtfertigungsgründe zurückführen lassen (vgl. auch Dreher, Heinitz-Festschrift S. 218): Entweder das Interesse am Schutz des verletzten Rechtsguts gerät in Widerstreit mit anderen wichtigeren Interessen und wird durch diese verdrängt (Notwehr, Notstand usw.) oder es entfällt deshalb, weil der Verletzte selbst das fragliche Gut in der konkreten Situation nicht geschützt wissen will und deshalb auch für die Rechtsordnung kein Anlaß bestehen kann, Rechtsgütern Strafschutz zu gewähren, die von ihrem Inhaber bewußt dem Zugriff Dritter preisgegeben werden (Einwilligung, übergesetzliche Rechtfertigungsgründe). 117 Die Rechtfertigungsgründe können, da die Frage nach der Rechtswidrigkeit einer Handlung nur für alle Rechtsgebiete einheitlich beantwortet werden kann, dem Gesamtbereich des Rechts entnommen werden (RG 59, 406; 61, 247; 63, 218; B G H 11, 244; Schönke-Sdiröder vor § 3 2 StGB Rdn. 28; Dreher vor § 3 2 StGB Rdn. 2). Als Gründe, die ein tatbestandsmäßiges Verhalten rechtfertigen, kommen in Betracht: — — — — — — — — — —
Einwilligung des Verletzten, Mutmaßliche Einwilligung des Verletzten, Behördliche Erlaubnis, Notwehr (§ 32 StGB), Widerstandsrecht des Art. 20 Abs. 4 G G , Selbsthilfe (§§ 229 ff. BGB), Zivilrechtlicher Notstand (§§ 228, 904 BGB), Rechtfertigender Notstand (§ 34 StGB), Rechtfertigende Pflichtenkollision, Züchtigungsrecht,
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Angriff Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB), Festnahmerecht (§ 127 Abs. 1 StPO), Handeln aufgrund von Amtsrediten und Pflichten Befehl).
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118 b) Einwilligung des Verletzten. Die rechtfertigende Einwilligung des Verletzten ist ihrem Wesen nach ein Rechtsschutzverzicht (BGH 17, 359). Von dieser rechtfertigenden Einwilligung ist vorab das sogenannte Einverständnis zu unterscheiden, das bereits einer Handlung ihren deliktischen Charakter nimmt. Wo ζ. B. ein Handeln gegen den Willen des Betroffenen zum Straftatbestand gehört, entfällt bereits die Tatbestandsmäßigkeit, wenn mit dem Willen des Betroffenen gehandelt wird (ζ. B. entfällt ein Diebstahl bereits tatbestandsmäßig, wenn der Gewahrsamsinhaber der „weggenommenen" Sache mit der Entziehung einverstanden ist). Aufgrund eines Einverständnisses entfällt auch bei solchen Delikten bereits der Tatbestand, der einen Angriff auf die Freiheit der Willensbildung oder -betätigung enthält (ζ. B. Nötigung). 119 Eine tatbestandsausschließende Einwilligung (Einverständnis) kann in Betracht kommen bei Delikten nadi §§ 108, 123, 177, 178, 185, 223 (ärztlicher Heileingriff), 234, 234 a, 239, 240, 242, 249, 252, 253, 255 StG.B (Vgl. Hirsch L K vor § 51 StGB Rdn. 102; SchönkeSchröder vor § 32 StGB Rdn. 31; Dreher vor § 32 Rdn. 3.) 120 Nur wenn ein Handeln gegen den Willen des Beschützten nicht bereits zum Tatbestand gehört, kommt eine Einwilligung des Verletzten als Rechtfertigungsgrund in Betracht. Eine Einwilligung setzt eine Erklärung des Verletzten voraus, die vor der Tat abgegeben sein muß und zudem nicht inzwischen widerrufen wurde. Eine ausreichend erklärte Einwilligung liegt auch dann vor, wenn aus dem Verhalten des Verletzten auf eine Einwilligung geschlossen werden kann (konkludent erklärte Einwilligung), ζ. B. Einwilligung in Sportverletzungen. Die hier vertretene Auffassung entspricht der herrschenden Meinung (eingeschränkte Willenserklärungstheorie: BayObLG N J W 1968, 665; O L G Celle M D R 1969, 70; O L G Oldenburg N J W 1966, 2132; Schönke-Schröder vor § 3 2 StGB Rdn. 43). Nach anderer Auffassung muß die Einwilligung die Qualität einer nach außen hin rechtsgeschäftlichen Erklärung haben (sogenannte strenge Willenserklärungstheorie; andere wiederum lassen als Einwilligung die innere Zustimmung des Rechtsgutträgers genügen (sogenannte Willensrichtungstheorie: K G J R 1954, 428; vgl. im übrigen Hirsch LK vor § 5 1 StGB Rdn. 107). Im einzelnen bedeutet dies: Die Einwilligung muß, ohne daß sie audi die Voraussetzung einer
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rechtsgeschäftlichen Willenserklärung im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches erfüllt, aus Gründen der Rechtssicherheit in irgendeiner Weise nach außen in Erscheinung getreten sein (Hirsch LK vor § 51 StGB Rdn. 107; Schönke-Sdiröder vor § 32 StGB Rdn. 43). 121 Die Einwilligung m u ß vor der Tat erklärt oder zum Ausdruck gebracht worden sein. Eine nachträgliche Genehmigung ist wirkungslos (BGH 7, 249; 17, 359). 122 Die Einwilligung ist grundsätzlich frei widerruflich, so daß, soll sie sich noch als Rechtfertigungsgrund auswirken, sichergestellt sein muß, daß sie zwischenzeitlich noch nicht widerrufen ist. Der Widerruf ist bis zur Vollendung der Tat jederzeit möglich (RG 25, 382). 123 Weiterhin setzt eine wirksame Einwilligung voraus, daß der Einwilligende auch zur Abgabe einer solchen Erklärung berechtigt war (Dispositionsbefugnis). Eine Dispositionsbefugnis steht grundsätzlich dem Inhaber des Rechtsgutes zu. Gewisse Rechtsgüter hingegen sind der Disposition ihrer Inhaber entzogen. Dies gilt grundsätzlich dann, wenn die Tat trotz Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt. Unbeachtlich bleibt immer die Einwilligung bei Tötungsdelikten und bei Eingriffen in die Körperintegrität — § 2 2 6 a StGB — (vgl. Schönke-Schröder vor § 3 2 StGB Rdn. 36 ff.; Hirsch LK vor § 51 StGB Rdn. 110). In diesem Zusammenhang ist auch zu verlangen, daß der Einwilligende nach seinen geistigen Fähigkeiten und seiner sittlichen Reife imstande ist, Bedeutung und Tragweite der Einwilligung zu erkennen und sachgerecht zu beurteilen. Bei mangelnder Einsichtsfähigkeit k o m m t auch eine Einwilligung durch einen gesetzlichen Vertreter in Betracht (BGH 5, 362; 8, 357; 23, 1; Schönke-Schröder vor § 32 StGB Rdn. 39, 41). 124 Der Täter ist nur dann aufgrund einer erklärten Einwilligung gerechtfertigt, wenn er diese bei Tatbegehung kannte und nach ihrer Maßgabe auch handelte (subjektives Rechtfertigungselement) (Hirsch LK vor § 51 StGB Rdn. 119). 125 c) Die mutmaßliche Einwilligung des Verletzten entspricht einer Geschäftsführung ohne Auftrag. Neben den allgemeinen Erfordernissen der rechtfertigenden Einwilligung, die hier mit Ausnahme der Einwilligungserteilung gleichermaßen vorliegen müssen, ist zu fordern, daß der Täter sich in einer Situation befindet, in der nicht abgewartet werden kann, wie der Einwilligungsberechtigte selbst verfügen würde, weil es f ü r die Entscheidung dann zu spät wäre (OLG F r a n k f u r t MDR 1970, 694; vgl. Hirsch LK vor § 51 StGB Rdn. 127,
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128). Das Handeln muß dann schließlich auch im Sinne des Einwilligungsberechtigten erfolgen. Ein erkennbarer entgegenstehender Wille des Berechtigten wäre hierbei stets zu beachten und würde einer Rechtfertigung entgegenstehen ( R G 25, 382). Unschädlich ist es jedoch, wenn sich erst nachträglich herausstellt, daß der Berechtigte nach Lage der Dinge eine andere Entscheidung getroffen hätte und dies für den Handelnden jedoch nicht erkennbar war (SchönkeSchröder vor § 32 StGB Rdn. 58). 126 d) Eine behördliche Erlaubnis kann, soweit sie nicht schon die Tatbestandsmäßigkeit ausschließt, einen Rechtfertigungsgrund abgeben (ζ. B. S§ 284 ff. S t G B ; S 23 Apothekengesetz, % 11 Abs. 1 Nr. 1 Betäubungsmittelgesetz, S 64 Abs. 1 Nr. 1 Bundesseuchengesetz). (Vgl. im übrigen Schönke-Schröder S 32 StGB Rdn. 61 ff.) 127 e) Die Notwehr (S 32 StGB) gibt dem Handelnden ebenfalls einen Rechtfertigungsgrund. Hier sind die bei Randnote 191 ff. dargelegten Gesichtspunkte zu beachten. Nach S 859 B G B ist der Besitzer zu notwehrähnlichen Handlungen befugt (Besitzwehr und Besitzkehr). 128 f) Das Widerstandsrecht wird in Art. 20 Abs. 4 G G wie folgt bestimmt: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese (freiheitliche demokratische) Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglidi ist." Dieser Rechtfertigungsgrund ist sowohl in Fällen eines sogenannten Staatsstreichs von oben (Widerstandsrecht gegen die Staatsorgane) als auch in Fällen des sogenannten Staatsstreichs von unten (Staatsnotstand, Staatsnothilfe) gegeben. (Vgl. im übrigen Hirsch L K vor S 51 Rdn. 9 2 ; Schönke-Schröder vor S 32 Rdn. 65.) 129 g) Auch die sogenannte Selbsthilfe (§§ 229 ff. B G B ) — Wegnahme, Zerstörung oder Beschädigung von Sachen des Schuldners, Festnahme des fluchtverdächtigen Schuldners — stellt einen Rechtfertigungsgrund dar (vgl. Schönke-Schröder vor S 32 StGB Rdn. 66). 130 h) Der zivile Notstand (§ 904 BGB) gibt das Recht zu Eingriffen in fremdes Eigentum (Sachbeschädigung, Benutzung eines fremden Pkw), soweit diese Eingriffe zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr erforderlich sind, und der drohende Schaden gegenüber dem aus der Einwirkung dem Eigentümer entstehenden Schaden unverhältnismäßig groß ist ( R G 23, 116).
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131 Die sogenannte Sachwehr (§ 228 BGB), die auch als defensiver Notstand bezeichnet wird, erlaubt im Rahmen des Erforderlichen die Beschädigung oder Zerstörung fremder Sachen, um eine durch sie drohende Gefahr abzuwenden, wenn der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr steht (ζ. B. Abwehr von Tierangriffen, Einreißen einer vom Einsturz drohenden Mauer, um Schaden auf dem Nachbargrundstück zu verhindern). (Vgl. im übrigen SchönkeSchröder vor § 32 StGB Rdn. 67 ff.) 132 i) Dem rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB) liegt der Gedanke zugrunde, daß eine Tatbestandsverwirklichung dann nicht gegen die Rechtsordnung verstößt, wenn sie in einer für ein Rechtsgut bestehenden gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr mit Rettungswillen begangen wird und bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter, ein wesentliches Uberwiegen des wahrgenommenen Interesses anzuerkennen ist. (So Hirsch LK vor § 51 StGB Rdn. 50.) Hierzu § 3 4 StGB: „Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben und Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahr das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden."
133 Diese Regelung stellt eine Normierung des sogenannten übergesetzlichen Notstandes dar. Der Rechtfertigungsgrund des § 34 StGB gibt dem Täter ein echtes Eingriffsrecht, das ihn befugt, in Konfliktsfällen dann in fremde Rechtsgüter einzugreifen, wenn diese im Vergleich zu dem drohenden Schaden als geringwertig erscheinen (Schönke-Schröder § 34 StGB Rdn. 3). 134 Für das höherrangige Rechtsgut muß eine gegenwärtige Gefahr bestehen. Eine Gefahr ist dann gegenwärtig, wenn ein Zustand besteht, der erfahrungsgemäß bei fortschreitender Entwicklung sicher oder höchstwahrscheinlich zum Schadenseintritt führt, falls nicht alsbald eine Abwehrmaßnahme ergriffen wird (BGH 14, 1; BGH N J W 1951, 769). Weiterhin darf diese Gefahr nicht anders als durch die begangene Tat abwendbar sein. Unerheblich ist es hierbei, ob der Inhaber des zu rettenden Rechtsgutes die Gefahrenlage verschuldet hat (RG 61, 242).
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135 Der Täter muß die widerstreitenden Interessen abwägen und hierbei zum Ergebnis kommen, daß das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Es muß ein klarer Rechtswertunterschied zugunsten des Beschützten bestehen. (Vgl. Dreher § 34 StGB Rdn. 8, der als Beispiel anführt, daß das Interesse an der Erhaltung eines in Brand geratenden Gebäudes wesentlich das Interesse Herumstehender überwiegt, nicht durch gespritztes Wasser naß zu werden.) 136 Eine Rechtfertigung ist sodann gegeben, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden. Eine solche Prüfung wird selbst dann nicht überflüssig, wenn das geschützte Interesse wesentlich überwiegt. (Vgl. Dreher § 34 StGB Rdn. 12; andere Ansicht Hirsch LK § 51 StGB Rdn. 80 ff.; Schönke-Schröder § 34 StGB Rdn. 46, die diese Klausel als Leerformel bezeichnen.) 137 Als subjektives Rechtfertigungselement muß der Täter im Bewußtsein der Gefahrensituation gehandelt haben und wissen, daß sein Handeln das einzige Mittel zum Schutze des bedrohten Rechtsgutes ist. Der soweit gehende Rettungswille ist ausreichend. Auf die Motivation bzw. auf den Zweck des Täterverhaltens kommt es nicht an. Auch derjenige ist gerechtfertigt, der nur deshalb ein schwerverletztes Opfer in das nächste Krankenhaus bringt, um sich den Feststellungen der Polizei zu entziehen, Rechtfertigung f ü r eine Tat gemäß § 145 StGB — Verkehrsunfallflucht — (vgl. Schönke-Schröder § 34 StGB Rdn. 48; vgl. im übrigen Hirsch LK vor § 51 StGB Rdn. 54 ff.). 138 j) Die Pflichtenkollision ist als selbständiger Rechtfertigungsgrund anerkannt. Er ist gegeben, wenn bei Unterlassungsdelikten den Täter mehrere Handlungspflichten treffen, er aber nur die eine oder die andere erfüllen kann. Eine Kollisionssituation liegt somit vor, wenn der Täter zwei Normbefehlen gegenübersteht, von denen er einen verletzen muß, um den anderen erfüllen zu können (ein Arzt wird gleichzeitig zu mehreren Patienten gerufen). Es sind zwei Fälle denkbar: Kollidieren verschiedenwertige Handlungsgebote, so ist das Nichtbefolgen des minderen gerechtfertigt, wenn der Täter nur dadurch das höhere erfüllen kann. Kollidieren gleichwertige Handlungsgebote miteinander, so hat der Täter die Wahl, welche von beiden er erfüllen will. Erst wenn der Täter keines der kollidierenden Handlungsgebote erfüllt, handelt er bezüglich aller rechtswidrig. (So Hirsch LK vor § 51 StGB Rdn. 88 ff.; Schönke-Schröder vor § 230 StGB Rdn. 71 ff.)
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139 k) Die Ausübung des Züchtigungsredites durch einen Erziehungsberechtigten in angemessenen Grenzen ist ebenfalls nicht rechtswidrig ( B G H 12, 67). Für den Umfang des Züchtigungsrechtes ist allein der Erziehungszweck maßgebend. Züchtigungsrechte können den Eltern, dem Vormund des Minderjährigen und nach herrschender Meinung auch dem Lehrer zustehen ( B G H 11, 241; 14, 53); dem Lehrherrn steht gegenüber den Lehrlingen kein Züchtigungsrecht zu. Das gleiche gilt gegenüber fremden Kindern. Leichte Züchtigungen fremder Kinder hingegen werden jedoch überwiegend als gerechtfertigt angesehen. Es kommen auch hier Gesichtspunkte der mutmaßlichen Einwilligung des Erziehungsberechtigten, mitunter auch die der Notwehr in Betracht. (Vgl. im übrigen Schönke-Schröder § 223 StGB Rdn. 23 ff.) 140 1) Auch die Wahrnehmung berechtigter Interessen führt zu einer Rechtfertigung. Der hierfür einschlägige § 193 StGB lautet:
„Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, desgleichen Äußerungen, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemacht werden sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von Seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht."
141 m) Ein weiterer Rechtfertigungsgrund ist das Recht zur vorläufigen Festnahme nach § 127 Abs. 1 S t P O :
„Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtigt ist oder seine Persönlichkeit nidit sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn audi ohne richterlichen Befehl vorläufig festzunehmen."
142 Der Zweck des jedermann zustehenden Festnahmerechts ist die Ermöglichung strafgerichtlicher Verfolgung. Gerechtfertigt sind nach dieser Vorschrift allerdings nur Eingriffe in die Freiheit (ζ. B. Fesselung, R G 17, 128), nicht dagegen in die körperliche Integrität, soweit sie über das mit der Festnahme notwendig verbundene Maß hinausgehen, wie zum Beispiel körperliche Mißhandlungen, gravierende Körperbeeinträchtigungen oder die Gefährdung des Lebens ( R G 34, 433; 69, 308; 71, 4 9 ; 72, 305). Das Recht zur vorläufigen Festnahme berechtigt daher auch nicht, auf einen Fliehenden angriffsweise zu schießen ( R G 65, 392; 71, 49; 72, 305). Das Drohen mit Schießen, ein Warnschuß hingegen, sind erlaubt. (Vgl. im übrigen Hirsch L K vor § 51 StGB Rdn. 145; Schönke-Schröder vor § 32 StGB Rdn. 81, 82; Dreher vor § 32 StGB Rdn. 7.)
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143 η) Audi das Handeln aufgrund von Amtsrechten und Dienstpflichten kann einen Rechtfertigungsgrund darstellen. Gerechtfertigt ist allerdings nur, wer in Ausübung rechtmäßigen hoheitlichen Handelns einen strafrechtlichen Tatbestand verwirklicht. Bei der Rechtmäßigkeit der Anordnung bzw. des Befehls ist zu beachten, daß der Befehlende formell zuständig ist und der Befehl in der vorgeschriebenen Form erteilt wurde. Auch muß eine von der Rechtsordnung gedeckte Befugnis des befehlenden Vorgesetzten vorliegen. Schließlich muß der Befehl durch die Umstände geboten sein. Rechtswidrige Befehle kommen als Rechtfertigungsgrund nicht in Betracht. Es kann jedoch das Verschulden des Ausführenden entfallen oder gemindert sein. (Vgl. hierzu im einzelnen Hirsch L K vor § 51 StGB Rdn. 149 ff.; Schönke-Schröder vor § 3 2 StGB Rdn. 83 ff.; Dreher vor § 32 StGB Rdn. 8.) 8. V o r s a t z 144 Schließlich setzt die Gewährung einer Entschädigung voraus, daß der rechtswidrige tätliche Angriff vorsätzlich begangen wurde. Auch die am 1. Januar 1975 in Kraft getretene Neufassung des Strafgesetzbuches enthält keine Begriffsbestimmung von Vorsatz oder Fahrlässigkeit und überläßt somit wie bisher die Definition der Wissenschaft und Rechtsprechung. 145 Der Vorsatz ist nach überwiegender Meinung eine Schuldform, der als Wissen und Wollen der zum gesetzlichen Tatbestand gehörenden objektiven Merkmale definiert wird (Schönke-Schröder § 15 StGB Rdn. 12; Dreher § 15 Rdn. 2; Schroeder L K § 59 StGB R d n . 83). Diese Definition stützt sich auch weitgehend auf die Formulierung des § 16 StGB (früher § 59 StGB): „Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich..
146 Gemäß § 15 StGB können strafrechtliche Konsequenzen nicht nur an vorsätzlicher, sondern auch an fahrlässiger Verwirklichung eines Tatbestandes geknüpft werden. So erfaßt ζ. B. § 222 S t G B denjenigen, der „durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht". Unter Fahrlässigkeit ist hier neben dem Vorsatz eine weitere Schuldform zu verstehen, die gegeben ist, wenn der Täter einen Tatbestand rechtswidrig und verwerfbar verwirklicht, ohne die Verwirklichung zu erkennen oder zu wollen. Elemente der Fahrlässigkeit sind somit Pflichtwidrigkeit und die Vorhersehbarkeit der Tatbestandsverwirklichung ( B G H 10, 369; Dreher § 15 StGB R d n . 12/14; Schönke-Schröder § 15 StGB Rdn. 102 ff.).
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147 a) Wissenselement. Die Tat als Gegenstand des Vorsatzes ist ein bestimmtes, konkretes Geschehen, ein Stück Wirklichkeit, das der Täter in sein Vorstellungsbild aufgenommen haben muß. Der Vorsatz könnte daher als Spiegelbild der die Tat charakterisierenden Merkmale im Täterbewußtsein bezeichnet w e r d e n . . . Das Kennen der Umstände, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören, bildet die Grundvoraussetzung des intellektuellen Moments des Vorsatzes (Schönke-Schröder § 15 StGB Rdn. 40 ff.). Der Täter muß somit bei der Begehung eines Tötungsdeliktes wissen, daß das Objekt, auf das er schießt, ein Mensch ist. Der psychologische Vorgang des Erkennens ist je nach Art des Tatbestandsmerkmals verschieden. Einmal wird das Erkennen der reinen Tatsachen ausreichen, zum anderen wird es erforderlich sein, die Bedeutung von gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen (ζ. B. Gewalt) zu erkennen. Dies allerdings muß nicht nach der Art eines Juristen erfolgen. Hier reicht eine Wertung nach Laienart („Parallelwertung in der Laiensphäre") aus. Nicht erforderlich ist somit die richtige Subsumtion der Tatsachen unter das Gesetz, weil sonst nur Juristen ein Verbrechen begehen könnten (Frank § 59 StGB Anm. II). Folglich ist für den Vorsatz die Kenntnis des Sachverhalts und eine zusätzliche Bedeutungskenntnis, die das im Tatbestand typisierte Unrecht nach Laienart erfaßt, notwendig (Schönke-Schröder § 15 StGB Rdn. 40 ff.). 148 Der Vorsatz muß sich schließlich auch auf den Erfolg als das E r gebnis der Tathandlung beziehen. Gleichermaßen muß die Tat nach Gegenstand, Zeit und Ort in allen wesentlichen Beziehungen bestimmt sein, wenn es auch nicht notwendig ist, daß der Täter die Tat mit allen Einzelheiten der Ausführung in seine Vorstellung und seinen Willen aufgenommen hat. Darüber hinaus muß der Täter nach herrschender Meinung auch die Verbindung zwischen Handlung und Erfolg in Gestalt der Kausalität (Ursächlichkeit) seines Handelns kennen. Hierbei ist es aber nur erforderlich, daß der Kausalablauf im wesentlichen richtig vorhergesehen wird. Abweichungen sind bedeutungslos, wenn sie sich noch innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren halten und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigen (BGH N J W 1960, 1822; Schönke-Schröder § 15 StGB Rdn. 55). Eine wesentliche Abweichung vom vorgesehenen Kausalverlauf würde aber vorliegen, wenn ζ. B. das Opfer, dem jemand Gift gegeben hat, an einem Dolchstich stirbt, bevor das Gift wirkt (RG 69, 47; BGH 4, 362). Ein Sonderfall der Abweichung vom vorgesehenen Kausalverlauf
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ist das Fehlgehen der Tat (aberratio ictus). Hier tritt ohne Verwechslung des Angriffsgegenstandes der Erfolg nicht an der in Aussicht genommenen, sondern an einer anderen Person ein. Der Täter schießt mit Tötungsvorsatz auf das von ihm ausersehene Opfer, trifft und tötet aber einen Dritten, der ihm in die Schußlinie kommt ( R G 58, 28). Hinsichtlich der als Opfer ausersehenen Person liegt nur eine versuchte vorsätzliche Tötung vor; daneben kann je nach den Umständen eine fahrlässige Tötung des Dritten gegeben sein (vgl. im einzelnen Schönke-Schröder § 15 StGB Rdn. 56). 149 Auch der Dritte bzw. dessen Hinterbliebene hätten einen Entschädigungsanspruch nach diesem Gesetz, obwohl die Tat insoweit lediglich als eine fahrlässige zu werten ist. Entscheidend bleibt hier, daß die von dem Täter ausgehende Handlung als vorsätzlicher tätlicher Angriff gewollt war. 150 b) Der Täter muß die Umstände seiner Tat nicht nur kennen (wissen), sondern auch wollen (Willenselement). Das heißt, der Täter muß die von ihm erkannte Möglichkeit einer Tatbestandsverwirklichung in seinen Willen aufnehmen (intellektuelles Moment) und sich für diese entscheiden (voluntatives Moment). Hiernach wird man schon dann von einer vorsätzlichen Handlung sprechen müssen, wenn der Täter die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung erkennt und sidi trotz dieser Kenntnis zur Tat treiben läßt, wobei das Wissen um die Tatbestandsverwirklichung nicht von vornherein gegeben sein muß, sondern audi während der Tat hinzutreten kann. Dies gilt insbesondere im Bereich der Affekttaten, deren Impuls in tieferen Schichten der Persönlichkeit liegt und realisiert wird, ohne die rational kontrollierenden Ebenen der höheren Bewußtseinsschichten zu durchlaufen (vgl. Schönke-Schröder § 15 StGB Rdn. 60). 151 c) Nach der Beschaffenheit der Willensbeziehung des Täters zur Tatbestandsverwirklichung unterscheidet man zwischen direktem Vorsatz (dolus directus), der in verschiedenen Stufen auftritt, und bedingtem Vorsatz (Eventualvorsatz — dolus eventualis —). 152 Der direkte Vorsatz kann in zwei verschiedenen Formen auftreten, nämlich in der Form der Absicht im Sinne des direkt auf den Erfolg als Ziel gerichteten Willens (herausgehobener Willensfaktor) und in der Form des sicheren Wissens davon, daß die Handlung eine Rechtsverletzung darstellt (herausgehobener Wissensfaktor) [Dreher § 15 StGB Rdn. 6 und 7.].
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153 Absicht liegt somit vor, wenn der Handlungswille des Täters final gerade auf den vom Gesetz bezeichneten Handlungserfolg gerichtet war, dieser also als erstrebenswert in den Willen aufgenommen wurde. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob dieser Erfolg Beweggrund (Motiv) des Handelns war, oder ob es dem Täter letztlich auf etwas anderes ankam, das er nur über den Delikterfolg glaubte erreichen zu können. Absicht als zielgerichtetes Handeln liegt also ζ. B. vor, wenn der Täter den Tod eines Menschen erstrebt, mag Motiv seines Handelns die Aussicht sein, dessen Erbe zu werden, mag er es in sexueller Erregung tun oder zur Beseitigung eines Nebenbuhlers (so: Schönke-Schröder § 15 StGB Rdn. 64 a; vgl. auch Schroeder LK § 59 StGB Rdn. 86 ff.). 154 Direkter Vorsatz im eigentlichen Sinne ist gegeben, wenn der Täter weiß oder als sicher annimmt, daß sein Verhalten die Voraussetzungen eines Strafgesetzes erfüllt, sei es, daß er den nicht beabsichtigten Erfolg als notwendige Nebenfolge seines Handelns voraussieht, sei es auch, daß er von seinem Willen unabhängige Elemente der Tat als sicher gegeben erkennt. Binding (Normen II 2 S. 851) benennt als Beispiel den Fall, wenn der Täter zur Erlangung der Versicherungssumme den Untergang eines Schiffes beabsichtigt und als sichere Nebenfolge den Tod der Mannschaft erwartet. 155 Beide Formen des dolus directus sind an sich gleichwertig. Verlangt das Gesetz aber das Vorliegen einer „Absicht", ist eine Tatbestandsverwirklichung durch die zweite Form des „dolus directus" ausgeschlossen (Schönke-Schröder § 15 StGB Rdn. 67). 156 Beim bedingten Vorsatz wird die Erfüllung des Tatbestandes vom Täter nicht erstrebt und auch nicht als sicher vorausgesehen. E r hält die Erfüllung des Tatbestandes nur für möglich, nimmt aber in Kauf, daß er den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht und damit gegen ein Gesetz verstößt oder sonst Unrecht tut (Dreher § 15 StGB Rdn. 9 ff.; Schönke-Schröder § 15 StGB Rdn. 68 ff.; Härtung J Z 1953, 399). In der Rechtsprechung ist bei der Begriffsbestimmung des Eventualvorsatzes eine einheitliche Linie nicht festzustellen. Im wesentlichen wird aber anerkannt, daß ein Eventualvorsatz dann gegeben ist, wenn der Täter die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält und aus Gleichgültigkeit gegenüber dem geschützten Rechtsgut diese in Kauf nimmt (vgl. R G 72, 44; B G H 7, 363; N J W 60, 1821). 157 Bedingter Vorsatz genügt bei allen Delikten, bei denen zum inneren Tatbestand zwar Vorsatz, aber nicht direkter Vorsatz oder Handeln wider besseren Wissens verlangt wird.
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158 Der Sprachgebrauch des Gesetzes ist jedoch nicht immer genau, insbesondere wird der Begriff der Absicht in verschiedenem Sinne gebraucht (BGHSt. 4, 107; 9, 144; 16, 3). In verschiedenen Tatbeständen bedeutet Absicht direkter Vorsatz im Gegensatz zum bedingten Vorsatz. Die Verwendung des Ausdrucks ist hier also ein Mittel, die Berücksichtigung des bedingten Vorsatzes auszuschließen. Dagegen reicht es in solchen Fällen aus, daß der Erfolg als notwendige Handlungsfolge angesehen wird (vgl. § 288 StGB, 239, 241 K O ; Schönke-Schröder § 15 StGB Rdn. 84). 159 Gelegentlich ist jedoch der Begriff „Absicht" auch im Sinne eines echten Motivs zu verstehen. Dies ist immer dann der Fall, wenn es dem Gesetz um die Kennzeichnung einer Gesinnung geht, die in der Motivierung des Täters durch bestimmte Erfolge ihren Ausdruck findet, so ζ. B. der niedrige Beweggrund in § 211 StGB. 160 Der Ausdruck „wissentlich" bedeutet in verschiedenen Bestimmungen dasselbe wie Vorsatz; in anderen Fällen dient er auch dazu, bedingten Vorsatz auszuschließen. Dasselbe geschieht durch den Begriff „wider besseres Wissen", z . B . §§ 164, 187, 278 StGB (so: Schönke-Schröder § 15 StGB Rdn. 83 ff.). 161 d) Eine sogen, vorverlegte Verantwortlichkeit (actio libera in causa) liegt vor, wenn sich der Täter in einem Zustand der Willensund Entscheidungsfreiheit zu einer Straftat entschlossen hat, diese dann aber später in einem Zustand begeht, in dem er wegen § 20 StGB schuldunfähig war. Soweit sich der Täter vorsätzlich in den Zustand der Schuldunfähigkeit begeben hat, um dann die Tat leichter begehen zu können oder aber jedenfalls sich bewußt ist, daß dieser Zustand zur Begehung einer bestimmten Straftat führen wird, handelt er vorsätzlich. Auf die spätere Schuldunfähigkeit bei Tatausführung kommt es somit nicht mehr an. 162 Für die Annahme einer Vorsatztat genügt es allerdings nicht, wenn der Täter ζ. B. nur seine Neigung zu Gewalttätigkeiten kennt ( B G H 17, 260). Ebensowenig genügt es, wenn der Täter einen vorher gefaßten Tatplan im Zustand des § 20 StGB realisiert, nach seiner Vorstellung jedoch keine innere Beziehung zwischen der Herbeiführung dieses Zustandes und der Tat besteht. Wer ζ. B. für den Abend einen Mord plant, das Opfer jedoch zufällig am Mittag trifft und im Zustand der Schuldunfähigkeit tötet, kann nicht wegen vorsätzlicher Begehung bestraft werden ( B G H 2, 17; 17, 259, 335; 21, 382; B G H N J W 1955, 1037; Schönke-Schröder § 2 0 StGB Rdn. 33 ff./35).
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163 Von der sogenannten vorverlegten Verantwortlichkeit sind die Fälle zu unterscheiden, in denen der Täter erst während der Tatausführung schuldunfähig wird, ζ. B. bei einem Blutrausch. Hier weicht der vorgestellte von dem tatsächlichen Kausalverlauf ab ( B G H 23, 356; 7, 329; 23, 133; Schönke-Schröder § 2 0 StGB Rdn. 40; Dreher § 20 StGB Rdn. 19). 164 e) Ein rechtswidriger tätlicher Angriff ist beim Irrtum über Tatumstände unter Umständen selbst dann nicht vorsätzlich begangen, wenn an sich die vorbezeichneten Merkmale einer Vorsatztat vorliegen. So heißt es in § 16 S t G B : „Wer bei der Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich." Diese Vorschrift regelt nicht nur den sogenannten Irrtum über Tatumstände, sondern auch den Fall, in dem der Täter, ohne falsche Vorstellungen zu haben, die Tatumstände überhaupt nicht kennt (Dreher § 16 StGB Rdn. 2). 165 Der Tatbestandsirrtum führt selbst dann zum Vorsatzausschluß, wenn der Täter seinen Irrtum verschuldet hat. In diesem Falle kann nach § 16 Abs. 1 Satz 2 StGB das Tatgeschehen jedoch als Fahrlässigkeitstat bestraft werden, wenn die weiteren Voraussetzungen vorliegen. Eine solche Tatbestandsverwirklichung reicht allerdings nicht aus, um einen Entschädigungsanspruch zu begründen. 166 Zu den Umständen des gesetzlichen Tatbestandes (Tatbestandsmerkmale) gehören die der gesetzlichen Tatbestandsbeschreibung, die zur Indizierung des Tatunrechts beitragen und nicht allein V o r gänge in der Psyche des Täters sind (Dreher § 16 StGB Rdn. 3). Tatbestandsmerkmale können somit sowohl Personen als auch sinnlich wahrnehmbare Gegenstände oder Verwaltungsvorgänge, seelische Sachverhalte (ζ. B. krankhafte seelische Störung — § 179 I N r . 1 StGB —) oder Vorgänge (ζ. B. Erregung eines Irrtums — § 263 StGB —), aber auch Sachverhalte und Vorgänge der Gedankenwelt ( z . B . Menschenwürde — § 1 3 0 StGB — ; Aufforderung zu Straftaten — § 111 StGB —) sein. Die Merkmale können schließlich auch negative sein (ζ. B. ohne behördliche Erlaubnis — § 284 StGB —) oder sich auf Eigenschaften des Täters selbst beziehen, ζ. B. Eigenschaft als Amtsträger (vgl. Dreher § 16 StGB Rdn. 4, 5). 167 Ein Irrtum über Tatumstände ist auch dann gegeben, wenn der Täter den Angriffsgegenstand verwechselt. Hier bezieht sich der Irrtum des Täters auf das Objekt seiner Tat.
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168 Ein Irrtum im Gegenstand (error in objecto) liegt vor, wenn das vorgestellte Objekt und das tatsächlich verletzte Rechtsgut nicht gleichwertig sind (ζ. B. A will Β töten und schießt auf eine Schaufensterpuppe, die er für den Β hält). Die strafrechtliche Haftung des Täters beurteilt sich hier nach dem vorgestellten Sachverhalt. Der Täter wäre wegen Versuchs (untauglicher Versuch) der Tötung strafbar. In einem solchen Falle könnte ein Entschädigungsanspruch zwar nach dem Angriffstatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative, nicht entstehen, weil das vorgesehene Opfer nicht verletzt wurde. Wohl aber könnte sich ein Anspruch nach dem sogenannten Abwehrtatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative, ergeben, ζ. B. ein „Helfer", der in gleicher Weise wie der Täter irrt, wird bei der „Abwehr" verletzt. Da zumindest in diesen Fällen der (strafbare) untaugliche Versuch einer Straftat vorliegt, wären insoweit auch die Voraussetzungen eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs anzunehmen. 169 Einen Unterfall des Irrtums im Gegenstand stellt der Irrtum in der Person (error in persona) dar. Dieser Irrtum schließt den Vorsatz nicht aus. Zum Beispiel: A will Β töten, tötet aber versehentlich den C, den er für Β hält. Α hat den Menschen, den er vor sich sah und töten wollte, getötet und damit den konkreten Tatbestand der Tötung verwirklicht (RG 18, 338; 19, 179; B G H 11, 268; SchönkeSchröder § 15 StGB Rdn. 58; Dreher § 16 StGB Rdn. 6). 170 f) Anders liegt der Fall des sogenannten Fehlgehens der Tat (aberratio ictus), der der Sache nach ein Abweichen vom konkreten Tatbestand darstellt. Zum Beispiel: A will den Β töten, tötet aber durch versehentliches Vorbeischießen den C. Hier liegt durch eine und dieselbe Handlung ein versuchter Mord und eine fahrlässige Tötung des C vor ( R G 2, 336; 54, 350; 58, 28; anderer Meinung Frank III 2 c; unentschieden B G H 9, 242; Dreher § 16 StGB Rdn. 6; vgl. auch Rdn. 103). Nach dem Gesetz ist für den C auch in einem solchen Falle ein Versorgungsanspruch begründet. Der tätliche Angriff gegen den C ist zwar rechtlich als fahrlässige Straftat zu werten, eine Entschädigung erscheint aber als angebracht, weil die Tathandlung der Gewaltkriminalität zuzurechnen ist (vgl. BT-Drucksache Nr. 7/2506). 171 g) Irrtum über Rechtfertigungsgründe. Nach der herrschenden Meinung wird die Bestimmung des § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB auch entsprechend für die Fälle angewandt, in denen der Täter irrtümlicherweise die Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes an-
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nimmt ( z . B . Putativnotwehr, B G H 3, 106; B G H N J W 1951, 412; B G H LM Nr. 3 zu § 240 StGB). 172 Rechtfertigungsgründe (Unrechtausschließungsgründe) sind solche, die der Tatbestandsverwirklichung die Rechtswidrigkeit nehmen (vgl. im einzelnen Rdn. 117 ff.). Die wesentlichsten Rechtfertigungsgründe sind — — — — — — — —
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Einwilligung des Verletzten; mutmaßliche Einwilligung des Verletzten (ähnlidi der Geschäftsführung ohne Auftrag); behördliche Erlaubnis, die im öffentlichen Bereich der Einwilligung im Privaten entspricht; besondere Dienstrechte der Beamten und Soldaten; das Festnahmerecht des Privatmannes (§ 127 Abs. 1 StPO); das Handeln auf Befehl, wenn die befohlene Handlung rechtmäßig ist; Notrechte, wie das politische Widerstandsrecht (Art. 20 Abs. 4 GG); der Rechtfertigungsgrund der Pflichtenkollision, wenn ζ. B. den Handelnden mehrere sich ausschließende Pflichten treffen und er die nach seiner konkreten Lage objektiv höherwertige, zum Nachteil der geringwertigen, erfüllt; Notwehr ( § 3 2 StGB); der zivilrechtliche Notstand (§ 904 BGB); die Sachwehr (§ 228 BGB); das Züchtigungsrecht; Notstand ( § 3 4 StGB); das Recht zur Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB).
173 In allen diesen Fällen liegt ein Irrtum, der in entsprechender Anwendung des § 16 StGB den Vorsatz ausschließt, nur dann vor, wenn der Täter irrtümlich die tatbestandlichen Voraussetzungen eines vom Recht anerkannten Rechtfertigungsgrundes für gegeben hält. Geht er dagegen irrig von der Existenz eines Rechtfertigungsg^undes aus, den das Recht überhaupt nicht oder nicht in dieser Form anerkennt, so liegt kein Vorsatz ausschließender Irrtum vor. In Betracht kommt dann lediglich ein Irrtum nach § 17 StGB (sogenannter Verbotsirrtum), der möglicherweise zur Straflosigkeit, in der Regel aber nur zu einer Strafmilderung führt. Für den Bereich des O E G ist ein solcher Irrtum somit ohne Bedeutung. 174 Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 O E G wird allerdings die Gewährung einer Entschädigung nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Angreifer in der irrtümlichen Annahme von Voraussetzungen eines Reditfertigungsgrundes gehandelt hat. Durch diese Regelung bestimmt der Gesetzgeber, daß auch derjenige einen Versorgungsanspruch hat, der durch einen nach dem oben Dargelegten an sidi nicht vorsätz-
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liehen, rechtswidrigen tätlichen Angriff eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Die im Strafrecht zugunsten des Irrenden entsprechend anzuwendende Bestimmung des § 16 StGB soll nicht dazu führen, daß das Opfer eines tätlichen und anscheinend auch vorsätzlichen Angriffs um seinen Entschädigungsanspruch gebracht wird. 175 h) Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Strafbarkeit eines Verhaltens unter anderem von der inneren Einstellung des Täters abhängt und je nachdem, aus welchem Straftatbestand er strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden soll, seine innere Einstellung bzw. Vorstellung von unterschiedlicher Qualität sein muß. Für eine Anspruchsberechtigung nach diesem Gesetz bedarf es somit eines Täterverhaltens, welches durch die Erfüllung der äußeren Merkmale eines eingangs aufgezählten Gewalt-Straftatbestandes (vgl. Rdn. 63 ff.) einen tätlichen rechtswidrigen Angriff darstellt und darüber hinaus einer inneren Einstellung des Täters, die den Erfordernissen einer Vorsatztat im Sinne der obigen Darlegungen entspricht. Das O E G sieht unter diesen Voraussetzungen jede subjektive Vorstellung (Einstellung) des Täters als ausreichend an und schließt nur solche Taten als entschädigungsbegründend aus, die — ausgenommen die Fälle der sogenannten aberratio ictus (Rdn. 170) — lediglich fahrlässig begangen wurden. 176 Der Vorsatz des Schädigers muß sich allerdings nicht darauf beziehen, daß bei seinem Opfer eine gesundheitliche Schädigung eintritt, denn das Gesetz ordnet den Eintritt dieser Schädigung nicht dem schädigenden Tatbestand zu, sondern bestimmt diesen lediglich als Entschädigungsvoraussetzung. Noch weniger ist ein Handlungswille erforderlich, der wie eine Absicht (herausgehobener Willensfaktor) final auf die vom Gesetz als Handlungserfolg bezeichnete Gesundheitsschädigung gerichtet war. Diese Schädigung (oder der Tod) eines Menschen ist also Verletzungserfolg der Tathandlung (Angriff), der vom Vorsatz nicht erfaßt zu sein braucht. Auch daß insoweit eine zumindest fahrlässige Verursachung der Gesundheitsschädigung zu verlangen ist, kann dem Gesetz nicht entnommen werden. 9. Weitere Voraussetzungen der Strafbarkeit 177 Uber die vorgenannten Merkmale aus dem gesetzlichen Tatbestand eines Strafgesetzes sind für die Gewährung eines Entschädigungsanspruches nach dem O E G weitere Anforderungen nicht zu stellen. Insbesondere hängt der Entschädigungsanspruch nicht davon
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ab, ob der Schädiger strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann, also auch strafbar ist. Dies wäre mit der Vorstellung des Gesetzgebers nicht vereinbar, der gerade dem Opfer von Gewalttaten über die herkömmlichen Sicherungen hinaus aus der Verantwortung für die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung Versorgung für gesundheitliche Schäden gewähren will. Die Person des Schädigers, seine Strafbarkeit, seine Zahlungsfähigkeit, seine Erreichbarkeit sollen hierbei keine Rolle spielen. 178 a) Schuld. Anders als nach dem OEG (s. hierzu Rdn. 185) ist im Strafrecht eine volle Tatbestandsverwirklichung erst dann gegeben, wenn die Tat nicht nur vorsätzlich bzw. fahrlässig, sondern auch schuldhaft begangen wurde. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und die herrschende Strafrechtswissenschaft sieht eine Schuld als weitere Voraussetzung der Strafbarkeit an (BVerfGE 9,169; 20, 331; 23, 132; B G H 10, 259; Dreher vor § 1 StGB Anm. 28). Während früher die Schuld als psychologischer Begriff verstanden und Vorsatz und Fahrlässigkeit hierbei die beiden Formen dieser Schuld waren, hat sich im Anschluß an die neuere Lehre (Frank, Kommentar zum StGB, 18. Aufl.) in der Rechtsprechung ein normativer Schuldbegriff durchgesetzt. Danach ist Schuld Vorwerfbarkeit oder das Belastetsein mit der Verantwortung für eine rechtswidrige Tat (Entschließungsunwert); (BGH Großer Senat 2, 200). Somit können Vorsatz oder Fahrlässigkeit die Schuld allein nicht begründen, sie bestimmen aber die Art der Schuld (BGH 9, 377 sehr strittig; vgl. Schönke-Schröder vor § 13 StGB Rdn. 113; Dreher vor § 1 StGB Rdn. 28). 179 Zum subjektiven Tatbestand einer Straftat gehören danach das "Wissen um die Tat (Vorsatz) bzw. die Möglichkeit des Wissens um die Tat (Fahrlässigkeit) und als Elemente der Schuld, die Zumutbarkeit eines gesetzlichen Verhaltens und das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit (Unrechtsbewußtsein). (Dreher vor § 1 StGB Rdn. 29 ff.; vgl. auch Hirsch L K vor § 51 StGB Rdn. 162 ff.) 180 b) Zumutbarkeit eines gesetzlichen Verhaltens. Bei den vorsätzlichen Straftaten erkennt das Gesetz zwar einen allgemeinen Schuldausschließungsgrund der Nichtzumutbarkeit nicht an, verweist aber in mehreren Vorschriften auf Fälle, die die Schuld ausschließen, ζ. B. § 17 StGB (Verbotsirrtum), § 20 StGB (Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen — früher §51 Abs. 1 StGB —), §33 StGB (Überschreitung der Notwehr), § 35 StGB (entschuldigender Notstand) — RG. 66, 317. In der Strafrechtswissenschaft (Bockelmann
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S. 123, Eser I Nr. 19 A 6) wird teilweise zwischen Schuldausschließungsgründen (Gründe, die die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Handelnden berühren und von vornherein einen Schuldvorwurf unmöglich, machen), ζ. B. § 19 (Schuldunfähigkeit des Kindes), § 17 (Verbotsirrtum) und den bloßen Entschuldigungsgründen unterschieden, bei denen die Schuld nicht begriffsnotwendig ausgeschlossen ist, sondern vielmehr der Handelnde sich in einer Situation befindet, indem er wegen einer außerordentlichen Konflikts- und Motivationslage Nachsicht der Rechtsordnung in der Weise finden muß, indem auf die Erhebung des an sich durchaus möglichen Schuldvorwurfs verzichtet wird, ζ. B. § 35 (Notstand) — SchönkeSchröder vor § 32 StGB Rdn. 108 —. Die Rechtsprechung ist dieser Unterscheidung nicht immer gefolgt. Gemeinsam ist beiden Gründen, daß bei ihrem Vorliegen die Strafbarkeit entfällt. 181 c) Das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit. Das Bewußtsein, Unrecht zu tun (Unrechtsbewußtsein), hat der Täter dann, wenn er sich des Widerspruchs seines Handelns (oder Unterlassens) zum Wohle der Allgemeinheit, zu den Normen, die für das Zusammenleben unentbehrlich sind, bewußt ist (OLG Kiel SchlHA 1948, 146; OLG Tübingen N J W 1949, 957 mit Anm. Härtung). Erforderlich und genügend ist somit das Bewußtsein, „gegen die vom Staat aufgestellte Ordnung zu handeln" (Rittler I S. 200). 182 Nach dieser Definition hat auch der sogenannte Überzeugungstäter regelmäßig Unrechtsbewußtsein, der bewußt seine Überzeugung gegen die der Gesellschaft setzt (BGH 2, 208; 4, 1; BayObLG MDR 1966, 693; Schönke-Schröder § 1 7 StGB Rdn. 6). Unrechtbewußtsein liegt nicht nur dann vor, wenn der Täter Kenntnis von der Strafbarkeit seines Handelns hat. Es reicht aus, wenn er weiß, daß er Unrecht tut bzw. das Bewußtsein hat, seine Handlung verstoße möglicherweise gegen irgendwelche, wenn auch im einzelnen nicht klar vorgestellte gesetzliche Bestimmungen (BGH Großer Senat 11, 266). Notwendig und ausreichend ist, daß dem Täter „seine Laienvorstellung, sein Rechtsempfinden sagt, daß er Unerlaubtes tut" (BGH J R 1952, 285). 183 d) Ein Irrtum des Täters über das Verbotensein seines Tuns wird, wenn er hierdurch nicht das Bewußtsein hatte, gegen das Recht zu handeln, als Verbotsirrtum bezeichnet (§ 17 StGB): „Fehlt dem Täter bei der Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB gemildert werden."
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184 Die Strafbarkeit des Täters hängt somit davon ab, ob der Irrtum vermeidbar war oder nicht. Für die Vermeidbarkeit der Verbotsunkenntnis stellt die Rechtsprechung in erster Linie darauf ab, ob der Täter die gehörige Anpassung seines Gewissens unterlassen und dadurch versäumt hat, das Unrechtmäßige seines Handelns zu erkennen (BGH Großer Senat 2, 201). Das Maß der erforderlichen Gewissensanspannung soll sich dabei nach den Umständen des Falles im Lebens- , und Berufskreis des einzelnen richten, wobei die Vermeidbarkeit des Irrtums von den individuellen Fähigkeiten des Täters abhängt (BGH a. a.O.; 3, 366; Schönke-Schröder § 17 StGB Rdn. 14 ff.). 185 Für die Entstehung eines Entschädigungsanspruches nach dem OEG ist es allerdings nicht erforderlich, daß der Täter bei der Begehung des vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs auch schuldhaft im oben dargelegten Sinne gehandelt hat. Auf die Schuldfähigkeit des Täters oder sein Unrechtsbewußtsein kommt es somit nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nicht an. Audi ein handlungsfähiges Kind unter 14 Jahren kann somit einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff im Sinne dieses Gesetzes begehen (vgl. BT-Drucksache Nr. 7/2506 zu § 1 Abs. 1 OEG).
X. Abwehr 1. Entschädigungsberechtigung 186 Das Gesetz gewährt nicht nur demjenigen einen Entschädigungsanspruch, der einen tätlichen Angriff mit der Folge einer Gesundheitsschädigung hinnehmen mußte, sondern auch demjenigen, der sich durch eine Gegenhandlung gegen ihn oder einen anderen gerichteten tätlichen Angriff zur Wehr gesetzt und hierbei einen gesundheitlichen Schaden erlitten hat. Diese Abwehr muß rechtmäßig sein. Mit dem Abwehrtatbestand knüpft der Gesetzgeber somit an die Regelung des § 32 Abs. 2 StGB an, die die Merkmale der sogenannten Notwehr bzw. Nothilfe beschreibt: „Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen reditswidrigen Angriff von sidi oder einem anderen abzuwenden." 187 Die Folge wird dahingehend gekennzeichnet, daß derjenige, der eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, nicht rechtswidrig handelt (Abs. 1). Der Täter, der sich gegen einen reditswidrigen Angriff wehrt (Notwehr) oder einen reditswidrigen Angriff von
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einem anderen abwehrt (Nothilfe) und hierbei selbst die äußeren Merkmale einer Straftat verwirklicht, ist in seinem Tun gerechtfertigt und kann damit strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden. Die Notwehr (Nothilfe) dient hierbei nicht nur dem Schutze der Rechtsgüter des Angegriffenen, sondern zugleich der Bewährung der Rechtsordnung. („Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen." RG 21, 270; 58, 85; Schönke-Schröder vor § 3 2 StGB Rdn. 9; § 32 StGB Rdn. 1; Baldus LK § 53 StGB Rdn. 1.) Diese Funktion der Notwehr für die Rechtsordnung schafft auch die Berechtigung dafür, den Verteidiger (Nothelfer) in gleichem Maße wie das passive Opfer einer Gewalttat zu entschädigen. 188 Nothilfe. Nach § 32 Abs. 2 StGB („oder einem anderen") braucht der Abwehrende nicht der Träger des angegriffenen Rechtsguts zu sein; es kann auch einem anderen zustehen. Das jedermann zustehende Recht zur Nothilfe besteht audi dann, wenn der bedrohte Rechtsträger in die Verletzung nicht wirksam einwilligen kann (ζ. B. Nothilfe bei drohender Tötung auf Verlangen); im übrigen darf die Nothilfe dem Angegriffenen nicht gegen seinen Willen aufgedrängt werden (BGH 5, 248). Auch wenn der Angegriffene von dem Angriff nichts weiß oder dessen Intensität nicht erkennt, ist Nothilfe erlaubt (vgl. Baldus LK § 53 StGB Rdn. 19).
2. Notwehr-(Abwehr-)Iage 189 a) Die Berechtigung zur Abwehr setzt nach dem Strafgesetzbuch zunächst das Vorhandensein einer Notwehrlage voraus, die in einem gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff auf den „Täter" selbst oder einen anderen besteht (Schönke-Schröder Rdn. 2 zu § 32 StGB). Das Strafrecht sieht somit bereits jede von Menschen drohende Verletzung, gleichgültig, ob der Angreifer sie will, auch fahrlässige oder schuldlose Handlungen, wie ζ. B. die Bewegungen eines Bewußtlosen, als Angriff an (OGHSt. 1, 274; Dreher Rdn. 4 zu § 32 StGB; Baldus LK § 53 StGB Rdn. 2; vgl. auch Rdn. 97). Das OEG hingegen verlangt als entschädigungsbegründendes Ereignis darüber hinaus, daß die rechtmäßige Abwehr sich auf einen rechtswidrigen tätlichen Angriff bezieht, der auch vorsätzlich begangen wurde. 190 Mit dieser Einschränkung gegenüber dem Strafrecht wird klargestellt, daß Angriffshandlungen keine Versorgung nach dem OEG auslösen können, die nicht von einem entsprechenden Angriffswillen getragen werden. Das Gesetz will ausschließlich demjenigen eine Entschädigung gewähren, der Opfer der sogenannten Gewaltkrimi-
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nalität geworden ist. Die Bewegungen eines Bewußtlosen, die, wie dargelegt, bereits im strafrechtlichen Sinne einen Angriff darstellen können, sind somit ebensowenig entschädigungsbegründend im Sinne des OEG wie die fahrlässig herbeigeführte Verletzung eines fremden Rechtsgutes. 191 b) Merkmale der Notwehr-(Abwehr-)lage. Abgesehen von der Schuldvoraussetzung „Vorsatz" müssen auch bei dem Angriff im Sinne des OEG diejenigen Merkmale vorliegen, von denen § 32 StGB eine Notwehrberechtigung abhängig macht. 192 Gegenwärtig ist der Angriff, wenn die Verletzungshandlung unmittelbar bevorsteht, bereits stattfindet oder noch fortdauert. Maßgebend dafür ist die objektive Sachlage zur Zeit der Tat und nicht die subjektive Vorstellung des Täters (Schönke-Schröder § 32 StGB Rdn. 13). Im einzelnen bedeutet dies, daß ein Angriff schon dann gegenwärtig ist, wenn er zwar noch keine Rechte des Angegriffenen verletzt, aber unmittelbar in eine Verletzung umschlagen kann (RGSt. 67, 339; B G H N J W 1973, 255). Voraussetzung ist hier, daß die mit dem Angriff einhergehende Bedrohung bereits gegenwärtig ist, das bedrohliche Verhalten selbst schon begonnen wurde (ζ. B. Einbau einer Bombe, die später detonieren soll). Ein Angriff steht ζ. B. unmittelbar bevor, wenn der Gegner den Arm zum Schlag erhebt, nach der Waffe greift (BGH N J W 73, 255) oder sein Gewehr in Anschlag bringt (vgl. R G 53, 132; 67, 340). Indiz für die Gegenwärtigkeit ist der Umstand, daß das Hinausschieben der Abwehr deren Erfolg gefährden würde (Baldus L K § 53 StGB Rdn. 5). Gegenwärtig ist auch der noch, fortdauernde Angriff, insbesondere auch dann, wenn sich der Angriffserfolg vergrößert, ζ. B. der Dieb mit der Beute flüchtet (RG 55, 82; 60, 277; 63, 221). Entsprechendes gilt bei einem sogenannten Dauerdelikt, das dann vorliegt, falls nicht nur die Begründung eines Zustandes, sondern auch dessen Fortdauernlassen den verbrecherischen Tatbestand ununterbrochen (auf Dauer) weiter verwirklicht, ζ. B. Freiheitsberaubung (§ 239 StGB) — vgl. R G 58, 13; Dreher vor § 52 StGB Rdn. 41 —. Erst dann, wenn der Angriff endgültig aufgegeben, fehlgeschlagen oder die Verletzung endgültig eingetreten ist und ein weiterer Schaden nicht mehr abgewendet werden kann, ist die Verletzenshandlung nicht mehr gegenwärtig. So ist ein Schuß auf einen flüchtenden Dieb, der sich seiner Beute entäußert hat, nur um ihn am künftigen Wiederkommen zu hindern, nicht durch Notwehr gerechtfertigt (OLG Dresden DRiZ 1935 Nr. 299). ~
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193 Nicht gegenwärtig ist neben dem bereits abgeschlossenen auch der künftige Angriff. Eine Abwehr käme hier noch nicht in Betracht. Nach RGSt. 65, 160 soll gegenüber einem künftigen Angriff nur die Vorbereitung der Abwehr gestattet sein (Schönke-Schröder § 32 StGB Rdn. 15 und 16; Baldus L K § 53 StGB Rdn. 5 und 6). 194 Rechtswidrig ist der Angriff, wenn die Angriffshandlung im Widerspruch zu rechtlichen Verhaltensnormen steht; maßgeblich ist also auch hier der allgemeine Rechtswidrigkeitsbegriff. Für das Vorliegen eines rechtswidrigen Angriffs genügt es bereits, daß der Angreifer nicht zu seinem Handeln befugt sein darf bzw. der Angegriffene, nicht zur Duldung verpflichtet ist. Nach herrschender Lehre bestimmt sich die Rechtswidrigkeit primär vom Standpunkt des Angegriffenen aus (Baldus LK § 53 StGB Rdn. 7; Schönke-Schröder § 32 StGB Rdn. 19; Dreher § 32 StGB Rdn. 11). Die Rechtswidrigkeit des Angriffs kann sich somit nicht nur aus dem Strafrecht, sondern aus allen Gebieten der Rechtsordnung ergeben (Baldus LK §53 StGB Rdn. 7). Im übrigen gilt das bereits zu Rdn. 112 Ausgeführte. 195 Ausschluß der Rechtswidrigkeit durch Einwilligung des Verletzten. Beim Sportkampf und bei einer freiwilligen Rauferei, bei der sich beide Teilnehmer einverständlich nur ungefährliche Körperletzungen beibringen, sind die gegenseitigen Angriffshandlungen bereits gerechtfertigt durch § 226 a StGB: „Wer eine Körperverletzung mit Einwilligung des Verletzten vornimmt, handelt nur dann rechtswidrig, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt."
Aber auch wenn die Rauferei eine ernsthaftere und gefährlichere Auseinandersetzung zum Ziele hat, kann sich keiner der Beteiligten auf Notwehr berufen, weil jeder den Angriffswillen hatte und Angriffs- und Verteidigungssituation in gegenseitigem Einverständnis herbeigeführt worden sind. Sobald jedoch ein Beteiligter aus der Gegenseitigkeit ausbricht, ζ. B. weiterrauft, obwohl der andere den Kampf aufgibt, oder zu einem gefährlichen Werkzeug greift, kann für den anderen die Notwehrlage entstehen (RG 72, 183; 73, 341; B G H M D R 54, 335; Baldus L K §53 StGB Rdn. 10).
3. Notwehr-(Abwehr-)handlung 196 Nach Feststellung einer Notwehrlage ist eine Abwehr (Notwehrhandlung) nur dann gerechtfertigt, wenn und soweit sie die
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erforderliche Verteidigung darstellt. Das O E G spricht insoweit von einer rechtmäßigen Abwehr. 197 a) Unter Verteidigung wird sowohl die rein defensive Abwehr des Angriffs (sogenannte Schutzwehr) als auch die Abwehr in Form eines Gegenangriffs (sogenannte Trutzwehr) verstanden. Beide Formen der Verteidigung sind zulässig (vgl. R G J W 25, 962; B G H M D R 58, 12; R G 16, 71; B G H M D R 58, 13; BayObLG N J W 1963, 824; Schönke-Schröder § 32 StGB Rdn. 3 0 ; Baldus L K § 53 StGB Rdn. 15; Dreher § 32 StGB Rdn. 13). 198 Eine Abwehr ist audi gegen einen Angriff denkbar, der in einem Unterlassen besteht. Der Abwehrende kann entweder den Angreifer (Unterlassenden) zu einem pflichtgemäßen Tun zwingen, oder unter Verletzung von Rechtsgütern des Angreifers selbst den Zustand, den dieser herbeizuführen hätte, herstellen bzw. den infolge Unterlassens drohenden Erfolg selbst abwenden; ζ. B. ein Arzt wird durch ein Nötigungsmittel zur Erfüllung seiner Hilfeleistungspflicht oder zur Erfüllung einer Garantenpflicht (infolge vorangegangener ärztlicher Behandlung) veranlaßt. (Schönke-Schröder § 32 StGB Rdn. 11, die die Frage, ob ein Unterlassen einen Angriff darstellen kann, für ein Scheinproblem halten, weil Fälle dieser Art durch ein besonderes Eingriffsrecht — § § 2 4 0 Abs. 2 StGB, 228, 904 B G B — zu regeln seien; vgl. auch oben zu Rdn. 88 ff.) 199 Die Verteidigung muß sich ausschließlich gegen den Angreifer richten. Eine Verteidigung, die sich zugleich auf unbeteiligte Dritte auswirkt, ist durch Notwehr nicht gedeckt (BGHSt. 5, 248; O L G Frankfurt M D R 1970, 695; Schönke-Schröder § 3 2 StGB Rdn. 31). Dies gilt auch, wenn im Falle der Nothilfe die gegen den Angreifer gerichtete Abwehr versehentlich den Angegriffenen trifft (OLG Frankfurt M D R 1970, 694). Eine Rechtfertigung von Eingriffen in Rechtsgüter unbeteiligter Dritter kann sich jedoch aus § 34 StGB oder § 9 0 4 B G B ergeben (Baldus L K § 5 3 StGB Rdn. 2 7 ; Dreher § 32 StGB Rdn. 15). 200 b) Erforderlich ist die Verteidigung, wenn und soweit sie einerseits zur Abwehr des Angriffs geeignet ist und andererseits das relativ mildeste Gegenmittel darstellt (Notwehr hat keine Straffunktion). Auf das Wertverhältnis des angegriffenen und des verletzten Rechtsgutes kommt es dagegen grundsätzlich nicht an. So dürfen auch höherwertige Güter des Angreifers verletzt werden, wenn eine weniger intensive Abwehr nicht ausreichen würde (RGSt. 55, 85; 69, 310; B G H V R S 30, 281; Schönke-Schröder § 3 2 StGB
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Rdn. 34; Baldus LK § 5 3 StGB Rdn. 20 if.). Die Verteidigung muß schließlich geeignet sein, den Angriff zu beenden oder doch abzuschwächen und die gegenwärtige Gefahr der bevorstehenden oder weiter drohenden Rechtsgutverletzung abzuwenden oder zu verringern (RG 21, 190; 55, 167; Dreher § 3 2 StGB Rdn. 16). Die Frage der Erforderlichkeit der Verteidigung zur Abwendung des Angriffs beurteilt sich nicht nur nach der Vorstellung des Angegriffenen, sondern nach der objektiven Sachlage, wobei diese Entscheidung für den Zeitpunkt des Angriffs aufgrund einer objektiven Prognose zu treffen ist (Schönke-Schröder, § 32 StGB Rdn. 34). 201 Die Stärke und die Gefährlichkeit des Angriffs bestimmen Art und Maß der Abwehr. Stehen mehrere wirksame Mittel zur Verfügung, so hat der Verteidiger, wenn ihm Zeit zur Auswahl bleibt, dasjenige zu wählen, das für den Angreifer und etwaige Dritte am wenigsten gefährlich ist (Dreher § 32 StGB Rdn. 16 mit Rechtsprechungsnachweisen). Genügt zum Beispiel Schutzwehr, so ist Trutzwehr unzulässig (BGH 24, 356); reicht eine Drohung oder ein Schreckschuß aus, so ist unmittelbare Gewaltanwendung keine erforderliche Verteidigung (RG 12, 197; 32, 393); bei einem ehrverletzenden Angriff durch Worte ist nur unter bestimmten Voraussetzungen eine tätliche Abwehr nach Art und Maß erforderlich (BGH 3, 217). Der Grundsatz, daß Stärke und Gefährlichkeit des Angriffs Art und Maß der Abwehr bestimmen, erfordert auch, daß der Angegriffene, der sich in einem früheren Stadium des Angriffs durch weniger einschneidende Maßnahmen hätte wirksam verteidigen können, nicht warten darf, bis er zur erfolgreichen Abwehr des Angriffs zu einem schweren Mittel greifen muß (Schönke-Schröder § 32 StGB Rdn. 36). Allerdings darf der Täter von vornherein das Mittel benutzen, das mit Sicherheit eine erfolgreiche Abwehr gewährleistet. Bei verschiedenen Verteidigungsmöglichkeiten ist der Angegriffene nicht darauf angewiesen, eine Verteidigungsmöglichkeit zu wählen, die zweifelhafte Erfolgsdiancen nur bietet (BGH 24, 358; BGH 25, 229). Der Angegriffene braucht die Gefährdung eigener Rechtsgüter nicht deshalb hinzunehmen, um den Angreifer zu schonen (BGH GA 1969, 24). 202 Eine Eignung der Verteidigung zur Beendigung oder Abschwächung des Angriffs wird nur insoweit gefordert, als die Verteidigungshandlung ihrer Art nach zur Herbeiführung des Abwehrerfolges geeignet sein muß (daher keine erforderliche Verteidigung, wenn der Angegriffene, anstatt dem Angreifer entgegenzutreten, mit dem Angriff in keinem Zusammenhang stehende Sachen des
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Angreifers zerstört und. nicht die Erwartung begründet ist, daß sich der Angreifer dadurch von einer Fortsetzung seines Angriffs abhalten lassen -wird,· Schönke-Schröder § 32 StGB Rdn. 35). 203 Die Voraussetzung der Erforderlichkeit bezieht sich lediglich auf die Verteidigungshandlung, nicht auch auf den Abwehrerfolg. War nach den dargelegten Gesichtspunkten eine Abwehrhandlung erforderlich, so sind auch solche ungewollten Auswirkungen durch Notwehr gedeckt, die im Ergebnis zur Abwehr des Angriffs nicht notwendig gewesen wären. Allerdings muß auch hier beachtet werden, daß wenigstens die Verteidigungshandlung dem Grundsatz des relativ mildesten Gegenmittels entspricht. Unter diesen Voraussetzungen kann daher auch eine Tötung des Angreifers als ungewollte Folge einer Abwehr gerechtfertigt sein, obwohl vom Erfolge her in aller Regel ein bloßes Kampfunfähigmachen genügt hätte. Eine gezielte Tötung dürfte nur in besonderen Ausnahmefällen die erforderliche Verteidigung darstellen, ζ. B. der gezielte Todesschuß bei einem zum Äußersten entschlossenen Terroristen, wenn das Risiko besteht, daß er durch eine bloße Verletzung nicht sofort kampfunfähig gemacht werden kann (Schönke-Schröder § 32 StGB Rdn. 38 und 39). 204 Der Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit muß aber nur zwischen Angriff und Abwehr gegeben sein. Nicht notwendig ist es hingegen, daß der Rang des angegriffenen Rechtsgutes und dessen Gefährdung einerseits und der Rang des durch die Verteidigung bedrohten Rechtsgutes und dessen Gefährdung andererseits sich entsprechen (RG 55, 85; 72, 85; BGH N J W 1969, 802; Dreher § 32 StGB Rdn. 17). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit fordert von dem Angegriffenen auch nicht, daß er dem Angriff ausweicht. Selbst dann nicht, wenn dies ohne Mühe möglich wäre (Baldus LK § 53 StGB Rdn. 21; Schönke-Schröder § 3 2 StGB Rdn. 40). Demgegenüber wird die Erforderlichkeit der Verteidigung vielfach verneint, wenn der Angreifer ausweichen kann „ohne seiner Ehre etwas zu vergeben oder sonst seine Belange zu verletzen" (z.B. RGSt.66, 245; 71, 134; 72, 58; BGH 5, 238; OLG Düsseldorf N J W 1961, 1784; BGH 24, 356; BGH N J W 1962, 308). Für den Fall, daß sich der Angegriffene zur Abwehr des Angriffs fremder Hilfe hätte bedienen können, gilt, daß seine Verteidigung dann nicht erforderlich war, wenn und soweit ausreichende polizeiliche Hilfe präsent ist und tatsächlich geleistet wird (RGSt. 32, 392). 205 Aus der Formulierung in Abs. 1 des § 32 StGB wird zum Teil geschlossen, daß eine Verteidigung nicht nur erforderlich, sondern
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audb geboten sein muß (so D r e i e r Rdn. 18 zu § 32 StGB). Hiernach wird eine Rechtfertigung des Angegriffenen verneint, wenn von diesem ein anderes Verhalten zur Abwehr zu fordern oder zuzumuten "war; insbesondere wenn die Verteidigung einen Rechtsmißbrauch darstellt. Der Angegriffene kann verpflichtet sein, sich nicht zu verteidigen. Gegenüber Kindern, Geisteskranken oder sonst ohne Schuld Handelnden (Betrunkenen) kann es geboten sein, auf Abwehr zu verzichten oder sich ohne ernstliche Gefährdung des Angreifers zu verteidigen. Auch bei unerträglichem Mißverhältnis zwischen dem angegriffenen Rechtsgut und der durch die Verteidigung herbeigeführten Verletzung oder Gefährdung soll die Verteidigungshandlung Rechtsmißbrauch und daher nicht geboten sein; z . B . Revolverschüsse zum Schutz von Biergläsern (RG 23, 116), lebensgefährliche Selbstschutzanlage zur Abwehr von Pfirsichdiebstählen (OLG Braunschweig M D R 47, 205); (vgl. im einzelnen Schönke-Schröder § 3 2 StGB Rdn. 48 ff.; Dreher § 3 2 StGB Rdn. 19 ff.). 206 c) Fälle der provozierenden Notwehr (Abwehr). Das Notwehrrecht kann ausgeschlossen oder doch beschränkt sein, wenn der Angegriffene die Notwehrlage selbst schuldhaft herbeigeführt hat. Hierzu zählt insbesondere der Fall der sogenannten Absichtsprovokation, die dann vorliegt, wenn der Angriff durch ein Verhalten des Angegriffenen ausgelöst wird, das objektiv und subjektiv keinen anderen Zweck hatte, als den Angreifer zu provozieren, um ihn dann unter Ausnutzung der so entstandenen Notwehrlage verletzen zu können. Es ist zu unterscheiden: Kann der Provokateur dem Angriff ausweichen, so hat er, soweit dieser das erwartete Maß nicht wesentlich übersteigt, kein Notwehrrecht, so daß seine Verteidigung rechtswidrig ist. Kann er jedoch nicht mehr dem Angriff ausweichen, so steht ihm zwar ein Notwehrrecht zu, da auch einem Provokateur eine Pflicht zur Düldung eines rechtswidrigen Angriffs nicht auferlegt werden kann. Der Provokateur, der zwar nicht das Notwehrrecht, wohl aber die Institution der Notwehr mißbraucht hat, haftet aus seinem provozierenden Verhalten (actio illicita in causa). Für die übrigen Fälle des rechtswidrigen und vorwerfbaren Herbeiführens einer Notwehrlage gilt, daß der Angegriffene dem Angriff grundsätzlich auszuweichen hat; ist ihm das nicht mehr möglich, so ist ihm zuzumuten, ein weniger gefährliches Verteidigungsmittel zu wählen (BGH 24, 356). Auch eine Haftung aus der sogenannten actio illicita in causa kommt in Einzelfällen in Betracht (vgl. Baldus L K § 53 StGB Rdn. 37 ff.; Schönke-Schröder § 32 StGB Rdn. 54 ff.;
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Dreher § 32 StGB Rdn. 23 und 24). Von diesen Fällen sind jedoch solche zu unterscheiden, in denen sich der Angegriffene lediglich bewußt in eine mögliche Notwehrlage begibt. Ein solches Verhalten begründet noch keinen Vorwurf. Wer in einer politischen Veranstaltung heftige Kritik an der Gegenpartei übt oder wer sich in eine Gaststätte begibt, in der er mit tätlichen Auseinandersetzungen rechnen mußte, behält, falls es zu einem Angriff kommt, das volle Notwehrrecht (RG JW 1926, 1171; OLG Hamm N J W 65, 1928; Schönke-Schröder § 32 StGB Rdn. 59).
4. Verteidigungs-(Abwehr-)wille 207 Als subjektives Rechtfertigungselement muß die Abwehr von einem Verteidigungswillen getragen sein. Der Angegriffene muß demnach mit dem Willen handeln, einer Rechtsverletzung entgegenzutreten (RG 54, 196; 72, 183; BGH 2, 114; 5, 245; Schönke-Schröder § 32 StGB Rdn. 63; Dreher § 32 StGB Rdn. 14). Hierbei ist es ausreichend, daß der Angegriffene in Kenntnis der Notwehrlage von dem ihm zustehenden Notwehrrecht in objektiv zulässiger Weise Gebrauch macht. Auf die Motive seines Handelns kommt es nicht an. Auch derjenige handelt in Notwehr, der ausschließlich oder ganz überwiegend aus Gefühlen, wie Haß oder Rache, einen Angriff abwehrt (vgl. R G 60, 261; BGH 3, 198; 5, 247). Weiß der Täter dagegen nicht, daß die Voraussetzungen der Notwehr gegeben sind, handelt er also mit gewöhnlichem Vorsatz, so bleibt die Tat rechtswidrig; eine Bestrafung ist jedoch nur wegen Versuchs möglich (Baldus LK § 53 StGB Rdn. 16; Schönke-Schröder § 32 StGB Rdn. 63).
5. Irrtum über die Notwehr-(Abwehr-)lage 208 Nimmt der Handelnde hingegen irrigerweise einen Sachverhalt an, bei dessen Vorliegen sein Tun als Notwehr gerechtfertigt wäre (Putativnotwehr), so bleibt sein Verhalten rechtswidrig und erlaubt dem anderen Beteiligten eine Abwehr nach den Bestimmungen der Notwehr. Unter dem Gesichtspunkt der Putativnotwehr werden solche Fälle eingeordnet, in denen der Täter glaubte, er werde angegriffen oder in denen er infolge unrichtiger Einschätzung der Stärke des Angriffs das gewählte Abwehrmittel für erforderlich hielt. Die Frage, ob eine Notwehrlage gegeben und dadurch eine Abwehr gerechtfertigt ist, wird ausschließlich nach den objektiven Gegebenheiten zur Zeit der Verteidigungshandlung beurteilt.
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209 Für die Strafbarkeit ist zu beachten, daß in soldien Fällen der Handelnde nur wegen fahrlässiger Tat bestraft werden kann, wenn sein Irrtum auf Fahrlässigkeit beruhte und das betreffende Delikt fahrlässig begehbar ist. Eine Vorsatztat ist nach den Regeln des Tatbestandsirrtums (§ 16 StGB) ausgeschlossen (vgl. Baldus L K § 53 StGB Rdn. 49 ff.; Schönke-Sdiröder § 3 2 StGB Rdn. 65). Hält der Täter („Verteidiger") irrig einen tatsächlich gegebenen rechtmäßigen Angriff für rechtswidrig, so ist zu unterscheiden, ob der Irrtum auf tatsächlichem oder rechtlichem Gebiet liegt. Wenn der Täter einen Sachverhalt annimmt, der für den Fall seines Vorliegens die Rechtswidrigkeit der Verteidigung ausschließt, liegt nach den obigen Grundsätzen keine Vorsatztat vor. Verkennt er jedoch nur die Rechtslage, so liegt lediglich ein den Tatvorsatz nicht berührender Verbotsirrtum ($ 17 StGB) vor (vgl. BayObLG N J W 1965, 1924; Baldus LK § 53 StGB Rdn. 50, bestr.). 210 Für die Anspruchsberechtigung nach dem O E G gilt jedoch, daß derjenige, der in vermeintlicher Notwehr (Putativnotwehr) handelt und hierbei einen Körperschaden erleidet, nicht entschädigungsberechtigt ist. Entweder ist er, weil er nur glaubt, angegriffen zu werden, nicht Opfer eines wirklichen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs oder seine Abwehr ist nicht rechtmäßig, weil er infolge Verkennung der Intensität des (an sich gegebenen) Angriffs zu einem nicht erforderlichen bzw. nicht gebotenen Verteidigungsmittel greift.
X I . Beibringen von Gift 1. Begründung 211 Die Vorschrift stellt Straftaten mit einem tätlichen Angriff im Sinne des Abs. 1 gleich, die zur Tötung oder Verletzung eines Menschen führen können und nach allgemeiner Auffassung als Gewalttaten angesehen werden. Nr. 1 nennt das vorsätzliche Beibringen von Gift. Die möglichen schweren Tatfolgen rücken die Vergiftung so stark in die Nähe der Gewaltkriminalität, daß die Einbeziehung in die Entschädigungsregelung geboten erscheint (BT-Drucksache Nr. 7/2506 zu § 1 Abs. 2 Nr. 1 OEG).
2. Folgen der Giftbeibringung 212 Welche Folgen eintreten müssen, um — wie bei der Gesundheitszerstörung nach § 229 StGB — den Tatbestand einer vorsätz-
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liehen Beibringung von Gift zu erfüllen, sieht das Gesetz nicht vor. Es ist also nicht erforderlich, daß die Schädigung bereits das Ausmaß einer Gesundheitszerstörung angenommen haben muß, etwa dadurch, daß "wesentliche körperliche Funktionen völlig oder zumindest in erheblichem Umfange aufgehoben werden (OGHSt. 3, 38; BGH 4, 278), wie z.B. die Bewegungs-, Atmungs- oder Verdauungstätigkeit. Vielmehr begründet jede gesundheitliche Schädigung, die ursächlich auf das Beibringen von Gift zurückzuführen ist, Ansprüche nach diesem Gesetz. 3. Gifte 213 Hierunter werden Stoffe und Zubereitungen verstanden, die nach Zuführung in das Innere des Körpers (Verschlucken, Einatmen oder Aufnahme durch die Haut) Gesundheitsschäden oder den Tod verursachen können. 214 Unter Stoffen werden chemische Elemente und deren Verbindung verstanden, wie sie natürlich vorkommen oder in der Produktion anfallen. 215 Zubereitungen sind Gemenge, Gemische und Lösungen, die aus zwei oder mehreren Stoffen bestehen. Dem Begriff „Gift" sind alle listenmäßig erfaßten Stoffe und Zubereitungen zuzuordnen, deren Handel staatlicher Aufsicht unterliegt. Der Giftverkehr (Aufbewahrung und Abgabe von Gift) ist landesrechtlich geregelt (ζ. B. Berliner Verordnung über den Verkehr mit Giften in der Fassung vom 8. September 1970, Gesetz- und Verordnungsblatt f ü r Berlin 1970, Seite 1744). Danach sind Gifte u. a. Arsen, Brom, Chlorsäure, Fluorwasserstoffe, Jod, Kalium, Medanol, Phenol, Quecksilb er Verbindungen, Phosphor-, Salz- und Schwefelsäure, Strophantine, Strychnin und Zyankali. 216 Gifte im weiteren Sinne sind übertragbare, physiologisch wirkende Ansteckungsstoffe des menschlichen und tierischen Körpers, also belebte Krankheitserreger, wie Bakterien und die von diesen gebildeten Toxine (Krankheitsgifte ζ. B. bei Pocken und Syphilis). Hierzu gehören auch die in den Pflanzen enthaltenen Gifte (ζ. B. im Fliegenpilz, R G JW 1936, 513) sowie Gas (LG Berlin MDR 1964 Seite 1023). Giftwirkung haben auch Genußmittel, die in konzentrierter Form als Rauschgifte wirken (Alkohol und Barbiturate, Haschisch, Heroin, LSD, Marihuana, Meskalin, Morphium, Opium, Psilocybin).
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217 Arzneimittel können die Wirkung von Giften haben, -wenn sie dem Körper überdosiert zugeführt werden (ζ. B. schlaffördernde, beruhigende oder schmerzlindernde Medikamente), oder wenn dies auf andere als die verordnete "Weise geschieht. 218 Auch Stoffe der täglichen Ernährung können wie Gifte wirken, ζ. B. Zucker bei Diabetikern oder Kochsalze, Vitamine, für den menschlichen Genuß nicht mehr verwertbare Lebensmittel usw., bei entsprechender Anfälligkeit des Körperhaushalts. 219 Die medizinische Wissenschaft unterscheidet im wesentlichen zwischen Blut-, Enzym-, Kontakt-, Phasen- und Mitosegiften. 4. Giftwirkung 220 Die Giftwirkung bestimmt sich durch die Menge des zugeführten Stoffes, seine Konzentration, die Form, in der es wirkt, den Ort der Einwirkung und die Aufnahme in den Körper. Von besonderer Bedeutung ist hierbei das Produkt aus Konzentration des Stoffes und Dauer der Einwirkungszeit. In geringer Konzentration über einen längeren -Zeitraum hinweg zugeführtes Gift kann mit den gleichen Folgen zur Vergiftung führen wie ein in kurzer Zeit und in hoher Konzentration dem Körper zugeleitetes Gift. Eine Substanz, welche lediglich durch ihre qualitative Beschaffenheit unter allen Umständen geeignet wäre, die Gesundheit zu zerstören, existiert nicht. Die gesundheitszerstörende Eigenschaft ist vielmehr stets eine relative, sie ist nicht bloß von der Qualität, sondern von anderen Bedingungen, insbesondere von der Quantität des beigebrachten Stoffes und von der körperlichen Beschaffenheit der Person, welcher dieselben beigebracht worden sind, abhängig. Je nach der Verschiedenheit der in Frage kommenden Bedingungen kann derselbe Stoff bald als gesundheitszerstörend, bald als nur gesundheitsschädlich, bald als durchaus unschädlich, bald endlich als Heilmittel erscheinen (RG 10, 179). 221 Gifte wirken örtlich, wenn sie sich unmittelbar auf Teile des Körpers absetzen, so ζ. B. auf die Haut, auf die Schleimhäute von Mund, Speiseröhre und Magen oder auf die Lungenoberfläche. 222 Als Giftung wird die Umwandlung einer ungiftigen in eine giftige chemische Verbindung im menschlichen (oder tierischen) Körper bezeichnet.
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5. „Andere Stoffe" 2 2 3 Die Beibringung „anderer Stoffe" im Sinne des § 229 StGB, die die Gesundheit zerstören können, also solche, die nicht chemisch oder chemisch-physikalisch, sondern medianisch oder thermisch wirken (ζ. B. gehacktes Blei, zerhacktes Glas, kochendes Wasser), ist von dieser Vorschrift nicht erfaßt. Dies gilt auch für die Beibringung von ätzenden Stoffen und Zubereitungen mit jenen Mitteln, die bei Berührung mit lebendigem Gewebe dessen Zerstörung verursachen können. Auch Bakterien und sonstige Krankheitserreger sind lediglich „andere Stoffe" im Sinne des § 229 StGB, sofern sie nicht schon als Krankheitsgifte zu bewerten sind (Sdiönke-Schröder § 229 StGB Rdn. 3; Dreher § 229 StGB Rdn. 2).
6. Tathandlung 224 Als Tathandlung muß ein Beibringen des Giftes vorliegen. Beibringen bedeutet, daß der Täter eine Verbindung des Giftes mit dem Körper derart herstellt, daß sich hieraus eine gesundheitsschädigende Wirkung im Inneren des Körpers entfalten kann ( R G J W 1936, S. 513). Hierbei ist unerheblich, ob diese Verbindung durch Vermengen mit Lebens- und Genußmitteln oder durch Einspritzen oder auch dadurch geschieht, daß das Gift durch Bestreichen einer offenen Wunde in die Blutbahn gelangt (Schroeder J R 1960, 466) oder durch natürliche Körperöffnungen, wie Augen und Ohren dem Körper zugeführt wird ( B G H 15, 113 mit Anmerkung Schroeder J R 1960, 466; B G H N J W 1976, 1851). Zwar ist das bloße Einführen von Gift in den Mund in der Regel noch kein vollendetes Beibringen ( R G 52, 210); aber durch eine nur äußerliche Anwendung kann Gift beigebracht werden, wenn die Wirkung des Stoffes im Inneren des Körpers eintritt, was ζ. B. bei der Anwendung von Strahlen oder beim Bestreichen mit einer giftigen Salbe der Fall sein kann (vgl. B G H 15, 113 mit Anm. Schroeder J R 1960, 466). Vollendet ist die Tat erst, wenn der verabreichte Stoff nach Menge und Anwendungsform die Gesundheit des Opfers schädigen könnte (vgl. R G D S t R 1936, 290; O L G H a m m H E St. 2, 292). 2 2 5 Ohne Bedeutung ist, ob die Tat heimlich oder gewaltsam erfolgt und ob das Opfer das Gift als Werkzeug des Täters selbst zu sich nimmt, auch wenn es durch Gewaltanwendung oder Drohung hierzu gezwungen wird. Soweit eine gegen einen einzelnen gerichtete gewaltsame Giftbeibringung vorliegt, dürfte auch der Angriffstatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 , 1 . Alternative gegeben sein.
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226 Schließlich erfüllt audi hier ein Unterlassen das Merkmal des Beibringens (ζ. B. Eltern lassen es geschehen, daß ihr Kind Gift zu sich nimmt). Das bloße Verschaffen von Gift hingegen ist noch kein Beibringen im Sinne des Gesetzes (Schönke-Schröder § 229 StGB Rdn. 6). 227 Vorsatz. Der Täter muß wissen, daß er das Mittel beibringt und daß dieses in der gewählten Dosierung geeignet ist, die Gesundheitsschädigungen oder Zerstörungen herbeizuführen (OGHSt. 3, 91; BGH 4, 279). Insoweit reicht bedingter Vorsatz aus (vgl. Rdn. 151, 157). Der Wille, eine Todes- oder Siechtumsgefahr (vgl. OGHSt. 3, 91) oder Gesundheitsschädigung herbeizuführen, ist nicht erforderlich. Auch braucht der Täter die konkrete Wirkungsweise des Stoffes nicht zu kennen, es genügt vielmehr die allgemeine Vorstellung, das beigebrachte Mittel könne irgendeine gesundheitsschädliche Wirkung haben. Das Vorliegen einer Absicht, die Gesundheit des Opfers zu schädigen oder zu zerstören, verlangt das Gesetz im Gegensatz zu § 229 StGB ebenfalls nicht (vgl. auch oben Rdn. 176).
X I I . Verbrechen mit gemeingefährlichen Mitteln 1. Gemeingefährliche Verbrechen als Gewalttat 228 a) Begründung. § 1 Abs. 2 Nr. 2 stellt dem tätlichen Angriff gleich die mit gemeingefährlichen Mitteln begangenen Verbrechen. Brandstiftung, Überschwemmung, Sprengstoffanschläge können Personenschäden anrichten, ohne daß die Tat gegen eine Person gerichtet sein muß. Im Interesse einer einfachen und überschaubaren Regelung werden die in Betracht kommenden Tatbestände nicht einzeln aufgezählt, sondern allgemein bezeichnet. Gemeingefährliche Mittel sind nach der Rechtsprechung zu dem gleichlautenden Tatbestandsmerkmal des § 2 1 1 StGB solche, die nach ihrer Beschaffenheit und nach der Art ihrer Anwendung für eine unbestimmte Anzahl anderer Personen die konkrete Möglichkeit der Gefährdung von Leib und Leben geschaffen haben, ohne daß der Täter die Wirkung der von ihm entfesselten Kräfte bestimmen oder abgrenzen kann. Erforderlich ist weiterhin, daß der Täter Leib und Leben eines Menschen — des Verletzten oder eines Dritten — wenigstens fahrlässig (vgl. § 18 StGB) gefährdet hat. Der Täter muß die Gefährdung selbst herbeigeführt haben. Das ist nicht der Fall, wenn er nur eine gemeingefährliche Situation ausnutzt oder pflichtwidrig eine solche nicht beseitigt (BT-Drucksache Nr. 7/2056).
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229 b) Deliktsgruppe. Die in der Begründung des Gesetzes aufgeführten Straftatbestände weisen auf eine bestimmte Deliktsgruppe hin, die bereits beschrieben wurde (vgl. Rdn. 80). Es handelt sich hierbei um die sogenannten gemeingefährlichen Straftaten, denen im Strafgesetzbuch ein besonderer Abschnitt gewidmet ist (27. Abschnitt §§ 306 £F.). Delikte dieser Art unterscheiden sich von den anderen in der Weise, daß sie auch begangen werden können, ohne gegen eine Einzelperson gerichtet zu sein. Die Verursachung ζ. B. einer Brandstiftung oder einer Überschwemmung gefährdet eine unbestimmte Vielzahl von Personen, so daß diese Fälle nicht unter den Angriffstatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative, der einen Einzelangriff fordert, eingeordnet werden können. Die Schaffung eines besonderen Entschädigungstatbestandes war daher notwendig.
2. Verbrechen 230 Die Begehung eines Verbrechens als erste Voraussetzung eines Entschädigungsanspruches verlangt die Verwirklichung eines Straftatbestandes, der nach den Regeln des Strafgesetzbuches eine rechtswidrige Tat mit einer Strafandrohung von mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe darstellt. § 12 Abs. 1 StGB bestimmt hierzu: „Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafen von einem Jahr oder darüber bedroht sind." 231 Diese Legaldefinition gibt die Abgrenzung zu anderen Straftaten mit geringerer Strafandrohung, die nach der Systematik des Strafgesetzbuchs als Vergehen bezeichnet werden (§ 12 Abs. 2 StGB). N u r solche Straftaten sind somit zur Begründung eines Entschädigungsanspruchs geeignet, die die Qualität eines Verbrechens erreicht haben. Für die Einordnung als Verbrechen oder Vergehen im einzelnen ist allein die (abstrakte) Mindeststrafe des jeweiligen gesetzlichen Regelstrafrahmens entscheidend. Die für die Einzeltat selbst verhängte (konkrete) Strafe bleibt für die Beurteilung der Qualität der Straftat außer Betracht. Ebenfalls kommt es auf die Höchstdauer der angedrohten Strafe nicht an. 232 Soweit das Gesetz ohne bestimmte Beschreibung andersartigen Unrechts lediglich einen anderen Strafrahmen für gleichartiges Unrecht in Fällen schwerer oder geringerer Bewertung vorsieht, spricht man von Schärfungen bzw. Milderungen. Hierzu bestimmt § 12 Abs. 3 StGB: „Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder
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minderschwere Fälle vorgesehen sind, bleiben für die Einteilung außer Betracht." Dazu zählen ζ. B. § 21 StGB (Verminderte Schuldfähigkeit); § 23 Abs. 2 StGB (Strafbarkeit des Versuchs); § 49 Abs. 2 StGB (Besondere gesetzliche Milderungsgründe); § 83 a StGB (Tätige Reue); § 2 1 3 StGB (Minder schwerer Fall des Totsdilages); § 2 6 6 Abs. 2 StGB (Untreue); § 2 9 2 Abs. 3 StGB (Jagdwilderei); § 316 a Abs. 2 StGB (Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer). 233 Die Unbeachtlichkeit etwaiger Schärfungs- oder Milderungsgründe endet dort, wo durch Hinzuführung abschließend „benannter Strafänderungsgründe" nicht nur der Strafrahmen des gleichbleibenden Tatbestandes nach oben oder nach unten erweitert wird, sondern ein neuer Tatbestand mit neuer Strafdrohung entsteht (ζ. B. § 212 StGB im Verhältnis zu § 216 StGB, § 223 StGB im Verhältnis zu § 224 StGB, § 242 StGB im Verhältnis zu § 249 StGB). In allen diesen Fällen hat sich die Deliktsnatur geändert. Der Strafrahmen ist dann diesen besonderen Straftatbeständen zu entnehmen (vgl. Schönke-Sdiröder § 12 StGB Rdn. 11). 234 Die mitunter gebrauchte Definition des Verbrechens als Rechtsgut- bzw. Pflichtverletzung (BGH 2, 368) ist in diesem Zusammenhang nicht heranzuziehen, um den Anwendungsbereich des hier in Betracht kommenden Tatbestandes zu beschreiben. 3. Gemeingefährliche Mittel 235 Dies sind nach der Rechtsprechung zu dem gleichlautenden Tatbestandsmerkmal in § 211 StGB solche, die nach ihrer Beschaffenheit und nach der Art ihrer Anwendung für eine unbestimmte Anzahl anderer Personen die konkrete Möglichkeit der Gefährdung von Leib und Leben geschaffen haben, ohne daß der Täter die Wirkung der von ihm entfesselten Kräfte bestimmen und abgrenzen kann (RG 5, 309; O L G Dresden N J W 1948, 274; OGHSt. 1, 86; SdiönkeSchröder § 211 StGB Rdn. 18; Dreher § 211 StGB Rdn. 8;BT-Drucksache Nr. 7/2506). 236 Was unter gemeingefährlichen Mitteln im einzelnen zu verstehen ist, kann dem 27. Abschnitt des Strafgesetzbuches entnommen werden. Dort werden die sogenannten gemeingefährlichen Straftaten wie Brandstiftung, Herbeiführen einer Brandgefahr, Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie, Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, Mißbrauch ionisierender Strahlen, Herbeiführen einer lebensgefährdenden Überschwemmung, gefährliche Ein-
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griffe in den Bahn-, Schiffs-, Luft- oder Straßenverkehr usw. beschrieben. Die Frage, ob nur die vorgenannten Mittel als gemeingefährliche Mittel in Betracht kommen oder darüber hinaus auch andere, ist umstritten. Richtig dürfte sein, daß als gemeingefährliche Mittel sämtliche in Betracht kommen, die die eingangs beschriebene Wirkung herbeiführen können. Umgekehrt ist es daher auch nicht nötig, daß das gemeingefährliche Mittel im Sinne des Gesetzes auch geeignet war, eine Gemeingefahr im Sinne der Straftaten des 27. Abschnittes des Strafgesetzbuches herbeizuführen (vgl. Schönke-Schröder § 211 StGB Rdn. 18). 237 Zur Erfüllung des Tatbestandes gem. § 1 Abs. 2 Nr. 2 OEG reicht somit die Begehung einer jeden Straftat aus, die als Verbrechen einzuordnen ist und mit Mitteln begangen wurde, die eine Gefahr für eine unbestimmte Anzahl anderer Personen mit sich gebracht hatte. Mit dieser Begriffsbestimmung soll sichergestellt werden, daß die Art und Weise der Durchführung der Straftat eine besondere Qualität haben muß. Es genügt daher nicht, wenn der Täter eine bereits vorhandene gemeingefährliche Situation zur Begehung eines Verbrechens ausnutzt, ζ. B. bei einem Brand einen Menschen ins Feuer wirft. Auch ein pflichtwidriges Unterlassen würde wegen der besonderen Ausgestaltung des Gemeingefahrtatbestandes nicht ausreichen, um diesen zu erfüllen (so: SchönkeSdiröder §211 StGB Rdn. 18). In der Begründung des Bundestages heißt es hierzu, daß der Täter selbst die Gefährdung herbeigeführt haben muß. Das sei nicht der Fall, wenn er nur eine gemeingefährliche Situation ausnützt oder pflichtwidrig eine solche nicht beseitigt (BT-Drucksache Nr. 7/2506). 238 Wenn auch theoretisch zwischen der Begehung eines Verbrechens mit gemeingefährlichen Mitteln und der Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben eines anderen unterschieden werden kann, so ist nach dem OEG die Begehung eines Verbrechens mit gemeingefährlichen Mitteln ohne Herbeiführen einer Gefahr für Leib und Leben, ζ. B. in Form des Ausnutzens einer gemeingefährlichen Situation, tatsächlich nicht möglich. Bei diesem Tatbestand reicht es für die Gewährung eines Entschädigungsanspruchs aus, daß ein Verbrechen begangen wird, das nach der Vorstellung des Täters sich nicht gegen den im konkreten Fall Geschädigten, sondern gegen einen anderen oder gegen eine unbestimmte Anzahl von Menschen gerichtet hatte. Andernfalls würde bereits der Angriffstatbestand ausreichen, um das Opfer zu einer Entschädigung zu berechtigen. Gerade wegen der Gefährlichkeit des Tatmittels wird hier das Täter-
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verhalten der Gewaltkriminalität zugeordnet und als entschädigungsbegründend anerkannt. 239 Die Besonderheit des Tatbestandes gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 O E G besteht somit darin, daß eine Tat mit besonderen Mitteln begangen wird und diese Tatausführung bereits so gefährlich ist, daß der Täter die Auswirkungen seiner Tat nidit regulieren kann und hierdurch dann in einem konkreten Einzelfall ein Mensch geschädigt wird. Sollte bereits das Ausnutzen einer gemeingefährlichen Situation zur Erfüllung des Gemeingefahrtatbestandes ausreichen, würde die eigentliche Tathandlung erst mit der Schädigung des (konkreten) Opfers beginnen (ζ. B. Hineinwerfen in ein Feuer). Ein solches Verhalten stellt einen tätlichen Angriff dar und wird daher bereits vom Angriffstatbestand erfaßt. Die Auswahl des Tatmittels und die Gefährdung eines anderen stehen somit in einem solchen Zusammenhang, daß sich das „Herbeiführen" im Sinne des Gesetzes auch auf die tatsächliche Verursachung bzw. Auslösung des Taterfolges infolge Anwendung eines gemeingefährlichen Mittels bezieht. 240 Die Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben eines anderen ist also ein Tatbestandsmerkmal, mit dem gerade die Fälle ausgeschieden werden, in denen der Täter lediglich die Gefahr für Leib und Leben, in der sich das Opfer befindet, ausnutzt oder diese pflichtwidrig nicht beseitigt. Ein Herbeiführen liegt allein vor, wenn der Handelnde selbst die Ursache des in Betracht kommenden Erfolges gesetzt hat. Das Tatbestandsmerkmal „Herbeiführen" wird auch im Strafgesetzbuch wiederholt benutzt (ζ. B. bei den §§ 310 a, 310 b, 311). In allen diesen Vorschriften wird hierunter die tatsächliche Verursachung, das Auslösen des Taterfolges verstanden (vgl. Dreher § 310 b StGB Rdn. 5 und § 311 StGB Rdn. 3). 4. Gefahr für Leib und Leben 241 Das Ergebnis des Herbeiführens muß im vorliegenden Falle eine Gefahr für Leib und Leben eines anderen sein. Hinsichtlich Straftaten, die als Tatbestandsmerkmal die Gefährdung eines Menschen aufführen, müssen zwei Gruppen unterschieden werden. Soweit im Einzelfall festzustellen ist, daß eine Gefährdung tatsächlich eingetreten ist, spricht man von sogenannten konkreten Gefährdungsdelikten (ζ. B. Überschwemmung — § 312 StGB). Kann hingegen nur festgestellt werden, daß die bestimmte Handlung oder der herbeigeführte Zustand lediglich generell gefährlich ist, so bezeichnet man diese Straftaten als sogenannte abstrakte Gefährdungsdelikte.
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Bei diesem Deliktstyp führt bereits die Vornahme einer solchen gefährdenden Handlung oder die Herbeiführung eines solchen Zustandes zur Strafbarkeit, ohne daß im Einzelfall zu prüfen wäre, ob eine Gefahr wirklich eingetreten ist oder nicht (ζ. B. Brandstiftung — § 306 StGB) (vgl. Schönke-Schröder vor § 306 StGB Rdn. 2 ff.). 242 Mit der Bezeichnung „Gefahr für Leib und Leben eines anderen" knüpft das Gesetz an eine Formulierung des Strafrechts an, mit der im Bereidi des StGB gefordert wird, daß die Gefährdung des anderen im konkreten Einzelfall festzustellen ist. Demnach kommen zunächst solche Straftatbestände als entschädigungsauslösend im Sinne des Gesetzes in Betracht, die der Gruppe der sogenannten konkreten Gefährdungsdelikte zuzuordnen sind. Aber audi die Verwirklichung eines Straftatbestandes aus der Gruppe der sogenannten abstrakten Gefährdungsdelikte, die sich von den sogenannten konkreten Gefährdungsdelikten dadurch unterscheiden, daß bei ersteren die Gefährlichkeit nicht Tatbestandsmerkmal, sondern gesetzgeberischer Grund der Strafdrohung ist (Dreher vor § 1 StGB Rdn. 13), kann die Voraussetzungen erfüllen, von denen das OEG eine Entschädigung abhängig macht. Hierbei ist jedoch zu beachten, daß das Gesetz auch in diesen Fällen ein Tatverhalten fordert, das über die Voraussetzungen des jeweiligen Straftatbestandes hinausgehend eine Gefahr für Leib und Leben eines anderen herbeigeführt hat. Dies ist ζ. B. immer dann der Fall, wenn die Tatbegehung konkret eine Gesundheitsschädigung bzw. Tötung eines Menschen zur Folge hatte (Fälle der Tateinheit zu Erfolgsdelikten, wie § 223 StGB: Körperverletzung; §§211, 212 StGB: Tötung). Richtete sich die mit gemeingefährlichen Mitteln begangene Straftat gezielt gegen einen Menschen, so ergibt sich die Entschädigungsberechtigung allerdings schon aus dem Angriffstatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative. 243 Mit dem Merkmal „Gefahr" wird vom Gesetz die Herbeiführung eines Zustandes gefordert, bei dem die Möglichkeit der Verletzung von Rechtsgütern besteht (RG 30, 169); ein effektiver Schaden ist somit nicht erforderlich. Ob eine Gefahr vorliegt, bestimmt sich nicht nur nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit. Auch die geringe Möglichkeit von Schäden ist eine Gefahr. Der Maßstab dafür, ob eine Gefahr vorliegt, ist das allgemeine Erfahrungswissen, das unter Berücksichtigung aller individuellen Umstände des Einzelfalles eine Prognose darüber ermöglicht, ob der Eintritt schädlicher Erfolge naheliegt oder nicht (BGH VRS 45, 38; KG VRS 25, 120; Schönke-Schröder vor § 306 StGB Rdn. 4 ff.).
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244 Die Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben bedeutet die Gefährdung eines Menschen. Das menschliche Leben ist dann gefährdet, wenn die Gefahr des Todes besteht. Dies gilt auch hinsichtlich des werdenden Lebens (Schönke-Schröder § 35 StGB Rdn. 8; Dreher § 35 S t G B Rdn. 3). Mit dem Leib als schutzfähigem Gut ist die leibliche Unversehrtheit im ganzen gemeint. Die Zusammenstellung mit dem Merkmal „Leben" ergibt, daß nicht jede drohende einfadie Körperverletzung genügt, sondern nur eine schwerere ( R G 29, 77; 66, 400), allerdings können auch nur vorübergehende Beeinträchtigungen genügen ( R G 29, 78; Schönke-Schröder § 35 StGB Rdn. 9; Dreher § 35 S t G B Rdn. 4). Das Gesetz verlangt weiterhin, daß der Eintritt der Gefahr im konkreten Falle nachgewiesen werden kann. Dies ist der Fall, wenn feststeht, daß ein Mensch, der nicht selbst Täter oder Teilnehmer der gefahrschaffenden Handlung ist, gefährdet wird ( B G H 6, 100; Schönke-Schröder vor § 306 StGB Rdn. 9 a).
5. Subjektive Seite des Tatbestandes 2 4 5 Insoweit ist hier zu unterscheiden: Die Begehung des Verbrechens mit gemeingefährlichen Mitteln muß vorsätzlich erfolgen; d. h. der Täter muß die Tatumstände kennen und seine Handlung auch wollen (vgl. oben Rdn. 144 ff.). Die Herbeiführung der (konkreten) Gefährdung von Leib oder Leben eines Menschen hingegen muß hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes wenigstens die Voraussetzungen der Fahrlässigkeit erfüllen. Der Gemeingefahrtatbestand bringt insoweit eine Kombination zwischen vorsätzlicher Handlung und der zumindest fahrlässigen Herbeiführung einer besonderen Folge. Diese Regelung entspricht dem § 11 Abs. 2 S t G B : „Vorsätzlich im Sinne dieses Gesetzes ist eine Tat auch dann, wenn sie einen gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, der hinsichtlich der Handlung Vorsatz voraussetzt, hinsichtlich einer dadurch verursachten besonderen Folge jedoch Fahrlässigkeit ausreichen läßt." 246 Diese Vorschrift erläutert die aus der tatbestandlichen Kombinierung von vorsätzlicher Handlung mit dadurch herbeigeführter fahrlässiger Gefährdung entstandene Problematik. Solche VorsatzFahrlässigkeitskombinationen befinden sich im Gesetz bei den Tatbeständen des Staatsschutzrechts (§ 97 Abs. 1, § 109 b Abs. 5, § 109 g Abs. 4 und insbesondere bei den Explosions- und Verkehrsgefährdungsdelikten § 3 1 1 Abs. 4, § 3 1 5 Abs. 4, § 315 a Abs. 3 Nr. 1, § 315 b Abs. 4, § 315 c Abs. 3 Nr. 1 StGB). Diese Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationstatbestände zeichnen sich dadurch aus, daß das
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eigentliche vorsätzliche Handeln (ζ. B. die Herbeiführung einer Explosion) für sich allein nicht strafbar ist, sondern u. a. erst dann, wenn eine Gefährdung hinzutritt und dadurch in fahrlässiger Weise eine konkrete Individualgefahr verursacht wird (Schönke-Schröder § 1 1 StGB Rdn. 85). 247 Von diesen Kombinationen zu unterscheiden sind solche Tatbestände, bei denen das Strafgesetz an eine besondere Folge der vorsätzlichen Tat eine schwerere Strafe knüpft soweit dem Täter hinsichtlich dieser besonderen Folge wenigstens Fahrlässigkeit zur Last fällt (§18 StGB). Diese sogenannten erfolgsqualifizierten Delikte unterscheiden sich von der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination insofern, als bei den erfolgsqualifizierten Delikten bereits die vorsätzliche Grundstraftat für sich allein schon eigenständig strafbar ist. (Vgl. auch hierzu Schönke-Schröder § 11 StGB Rdn. 85.) Als solche Delikte ordnet man die Straftatbestände der §§ 221 Abs. 3, 224, 226, 229 Abs. 2, 239 Abs. 2 und 3, 307, 312, 321 Abs. 2, 324, 340 Abs. 2 StGB ein. Beide Straftatstypen, also sowohl die Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination als auch die erfolgsqualifizierten Delikte, unterliegen den Regeln des § 11 Abs. 2 StGB mit der Folge, daß die jeweilige Tat als vorsätzlich im Sinne des Strafgesetzes zu bewerten ist. Damit finden auch beim Tatbestand gem. § 1 Abs. 2 Nr. 2 OEG alle lediglich fahrlässig begangenen Straftaten bei der Prüfung der Anspruchsberechtigung nach diesem Gesetz keine Berücksichtigung. 248 Hinsichtlich der Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben eines anderen muß dem Täter mindestens Fahrlässigkeit zur Last fallen. Diese Schuldform ist gegeben, wenn der Täter einen Tatbestand rechtswidrig und vorwerfbar verwirklicht, ohne die Verwirklichung zu erkennen oder zu wollen. Elemente der Fahrlässigkeit sind somit Pflichtwidrigkeit, Vorhersehbarkeit der Tatbestandsverwirklichung sowie Erkennbarkeit der Rechtswidrigkeit (BGH 10, 369; 12, 75; Schönke-Schröder § 1 5 StGB Rdn. 121 ff.; Dreher § 15 StGB Rdn. 12 und 14). Die Pflichtwidrigkeit als Element der Fahrlässigkeit kann verschiedene Grundlagen haben. Sorgfaltspflichten können sich aus einer Rechtsnorm, aus Vertrag, aus dem Beruf des Täters oder aus dessen vorausgegangenem Verhalten (BGH 2, 203) herleiten. Aber auch der allgemeine Grundsatz, fremde Rechtsgüter zu respektieren, schafft eine solche Sorgfaltspflicht (RG 19, 53; BGH 17, 359). Die Pflichtwidrigkeit entfällt immer dann, wenn dem Täter anderes Handeln nicht zugemutet werden kann (RG 2, 204; 4, 23). Die Voraussehbarkeit der Tatbestandsverwirklichung bedeutet, daß der Täter bei Anwendung
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der gebotenen Sorgfalt in der Lage gewesen wäre, unter den konkreten Umständen, bei seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten, die Tatbestandsverwirklichung vorauszusehen. Hierbei ist es nicht notwendig, daß der Täter alle konkreten Einzelheiten vorauszusehen hat. Es genügt die Voraussehbarkeit des Tatverlaufs im allgemeinen ( B G H 12, 78; 10, 226; Dreher § 15 StGB Rdn. 17; § 222 StGB Rdn. 15). Die Erkennbarkeit muß sich auch auf die Rechtswidrigkeit der Handlung beziehen. Der Täter hätte, wenn er die Tatbestandsverwirklichung vorausgesehen hätte, auch erkennen können, daß er rechtswidrig handelte (Dreher § 15 StGB Rdn. 18). 249 Die Formulierung im Gesetz „wenigstens fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr" bedeutet, daß zur Verwirklichung des Tatbestandes insoweit auch die Schuldform Fahrlässigkeit ausreicht. Ist die besondere Folge (Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben) ebenfalls vorsätzlich herbeigeführt worden, so ist auch diese Schuldform geeignet, die Voraussetzungen des Gemeingefahrtatbestandes zu erfüllen. Hierbei ist jedoch zu beachten, daß die vorsätzliche Herbeiführung der besonderen Folge in aller Regel bedeutet, daß das zur Auslösung eines Entschädigungsanspruches in Betracht kommende Strafdelikt von anderer rechtlicher Qualität ist. So liegt ζ. B., falls eine Todesfolge vorsätzlich herbeigeführt wird, nicht mehr der Tatbestand des § 226 (Körperverletzung mit Todesfolge), sondern bereits der der vorsätzlichen Tötung gem. §§211, 212 StGB vor. (Dreher § 18 Rdn. 3.)
6. Tatfolge 250 Das Gesetz fordert sodann auch bei diesem Tatbestand den Eintritt einer gesundheitlichen Schädigung als Folge des unter Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben eines anderen begangenen Verbrechens mit gemeingefährlichen Mitteln. Auf diese besondere Folge der Tat muß sich der Vorsatz des Täters (bei der Begehung des Verbrechens) auch bei dem Tatbestand gem. § 1 Abs. 2 N r . 2 O E G nicht beziehen.
X I I I . Angriff mittels eines Kraftfahrzeuges oder eines Anhängers 1. Begründung 251 Schäden, die durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeuges oder Anhängers verursacht worden sind, nimmt das Gesetz aus. § 9 stellt
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sicher, daß in diesem Bereich der Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen leistungspflichtig ist (vgl. BT-Drucksache N r . 7/2506 zu § 1 Abs. 5 — jetzt § 1 Abs. 6).
2. Anwendungsbereich 252 Die Vorschrift des § 1 Abs. 6 O E G ist nur anzuwenden auf Schäden aus einem tätlichen Angriff, die von dem Angreifer durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeuges oder eines Anhängers verursacht worden sind und dessen Halter usw. zum Abschluß und zur Aufrechterhaltung einer Haftpflichtversicherung nach dem Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter (Pflichtversicherungsgesetz) — PflVG — verpflichtet ist. 253 Das Fahrzeug muß als Tatwerkzeug verwendet werden, wobei es nicht darauf ankommt, daß der Fahrer sich während der Tatausführung im Fahrzeug aufgehalten hat; es genügt, wenn er das Fahrzeug (ζ. B. durch Anschieben) auf das spätere Opfer oder eine Sache hinbewegt hat, wodurch (auch) das Opfer einen Schaden im Sinne dieses Gesetzes erlitten hat. Vorsatz und Rechtswidrigkeit des Angriffs (§ 1 Abs. 1 O E G ) werden nicht gefordert.
3. Haftpflichtversicherung 254 Der Halter eines Kraftfahrzeuges oder Anhängers mit regelmäßigem Standort im Inland ist verpflichtet, für sich, den Eigentümer und den Fahrer eine Haftpflichtversicherung zur Deckung der durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursachten Personenschäden, Sachschäden und sonstigen Vermögensschäden nach den folgenden Vorschriften abzuschließen und aufrechtzuerhalten, wenn das Fahrzeug auf öffentlichen Wegen oder Plätzen (§ 1 des Straßenverkehrsgesetzes — StVG —) verwendet wird (§ 1 PflVG).
4. Fahrzeuge 2 5 5 a) Als Kraftfahrzeuge gelten Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein (§ 1 Abs. 2 StVG). Der Pflichtversidierung unterliegen Halter usw. von Kraftfahrzeugen, deren durch die Bauart bestimmte Höchstgeschwindigkeit mehr als 6 km/h beträgt (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 a PflVG i. V. m. § 18 Abs. 1 StVZO). 256 Versicherungspflicht besteht auch für Halter usw. von selbstfahrenden Arbeitsmaschinen ( § 1 8 Abs. 1 Nr. 1 StVZO), deren
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Höchstgeschwindigkeit zwanzig Kilometer je Stunde übersteigt, wenn sie den Vorschriften über das Zulassungsverfahren unterliegen. Selbstfahrende Arbeitsmaschinen sind Fahrzeuge, die nach ihrer Bauart und ihren besonderen, mit dem Fahrzeug fest verbundenen Einrichtungen zur Leistung von Arbeit, nicht zur Beförderung von Personen oder Gütern bestimmt und geeignet sind (S 2 Abs. 1 N r . 6 b) PfiVG; § 18 Abs. 2 Satz 1 StVZO). 257 Anhänger sind hinter Kraftfahrzeugen mitgeführte Fahrzeuge mit Ausnahme von betriebsunfähigen Fahrzeugen, die abgeschleppt werden und von Abschleppsachen (§18 Abs. 1 StVZO). Sie sind versicherungspflichtig, soweit sie den Vorschriften über das Zulassungsverfahren (§ 18 StVZO) unterliegen (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 c PflVG).
XIV. Unfälle 1. Begründung 258 § 1 Abs. 2 Buchstaben e und f BVG bestimmen, daß einer Schädigung im Sinne von § 1 Abs. 1 BVG Unfälle gleichstehen, die der Beschädigte bei der Durchführung einer Maßnahme der Heilbehandlung, einer Badekur, von Versehrtenleibesübungen als Gruppenbehandlung oder von arbeits- und berufsfördernden Maßnahmen nach § 26 BVG erlitten hat, ferner Unfälle auf einem Hin- und Rüdeweg, der notwendig ist zur Durchführung dieser Maßnahmen oder um zur Aufklärung des Sachverhalts zu erscheinen, sofern das Erscheinen angeordnet war. Dieser Unfallschutz muß auch Opfern von Straftaten zugute kommen. Das Gesetz sieht deshalb die entsprechende Anwendung von § 1 Abs. 2 Buchstaben e und f BVG vor (vgl. die Regelung des § 52 Abs. 1 Bundes-Seuchengesetz). Darüber hinaus werden Unfälle einbezogen, die Geschädigte bei der unverzüglichen Erstattung der Strafanzeige erleiden, weil hier regelmäßig eine Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht in Betracht kommt. Dies ist angezeigt, weil nach § 2 Abs. 2 des Gesetzes Geschädigte gehalten sind, möglichst unverzüglich Strafanzeige zu erstatten (vgl. BT-Drucksache Nr. 7/2506).
2. Begriff 259 Unfall ist ein unvorhersehbares, plötzlich eintretendes, örtlich und zeitlich unbestimmbares Ereignis, das eine Gesundheitsstörung verursacht. Er setzt also voraus ein ungewolltes Ereignis, ein Opfer
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dieses Ereignisses und eine Gesundheitsstörung, die in kausalem Zusammenhang zu diesem Ereignis steht (vgl. BSG, Urteil vom 2 5 . 1 1 . 1 9 5 8 — 10 R V 1055/55 —). Der Unfall kann von dem Betroffenen selbst verursacht sein (ζ. B. fahrlässiges Verhalten im Straßenverkehr), auf sonstigen Vorgängen beruhen (Ausgleiten infolge Glätte, Sturz auf der Treppe usw.) oder er kann von anderen Personen (durch Schlag, Stoß, Fall usw.) oder Tieren (Schlag, Biß) oder von Sachen (herunterfallende Ziegel, abfallender Putz, zuschlagende Tür) hervorgerufen werden (vgl. van Nuis-Vorberg, Teil L, Abschn. II Nr. 5). 3. Anspruchsberechtigte 260 Unfallschutz nach diesem Gesetz genießen nur Geschädigte. Hierunter sind nicht nur Personen zu verstehen, die zur Zeit des Unfalls bereits als Geschädigte im Sinne des OEG anerkannt sind, sondern auch jene, die rechtswirksam einen Antrag auf Versorgung gestellt haben und deren Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolge anerkannt werden, schließlich auch Personen, die im Zeitpunkt des Unfalls noch keinen Antrag gestellt haben, bei denen sich aber gelegentlich einer ärztlichen Untersuchung herausstellt, daß ein hierbei festgestelltes Leiden eine Schädigungsfolge im Sinne des § 1 OEG ist. Die Vorschrift ist nicht anwendbar auf Angehörige und andere Personen, die im Auftrag des Geschädigten tätig werden (ζ. B. Abholung von Arznei- oder orthopädischen Hilfsmitteln, Erstattung der Strafanzeige). Zu den Geschädigten zählen ferner nicht Personen, die zwar eine Schädigung im Sinne des § 1 OEG erlitten haben, denen jedoch Versorgungsleistungen versagt wurden. 261 Ein Hinterbliebener, der eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, die durch einen Unfall nach Maßgabe des § 39 BVG herbeigeführt worden ist, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung wie ein Beschädigter. 4. Unfallschutz 262 Geschützt sind die Hin- und Rückwege, die erforderlich sind, um wegen der Schädigungsfolgen eine Maßnahme der Heilbehandlung, eine Badekur, Versehrtenleibesübungen als Gruppenbehandlung oder arbeits- und berufsfördernde Maßnahmen nach § 26 BVG durchzuführen, um zur Aufklärung des Sachverhalts persönlich zu erscheinen, sofern das Erscheinen angeordnet ist (§ 1 Abs. 2 Buchst, e
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BVG), und um eine Strafanzeige zu erstatten (§ 2 Abs. 2 OEG), sowie die Vorgänge bei der Durchführung einer dieser Maßnahmen. 263 Die Heilbehandlung umfaßt die ambulante ärztliche und zahnärztliche Behandlung, die Versorgung mit Arznei- und Verband'· mittein, mit Heilmitteln einschließlich Krankengymnastik, Bewegungstherapie, Sprachtherapie und Beschäftigungstherapie, die Versorgung mit Zahnersatz, die Krankenhausbehandlung und die Behandlung in einer Tuberkulose-Heilstätte, die orthopädische Versorgung, die Belastungserprobung und die Arbeitstherapie. Zur Heilbehandlung gehören audi die Hilfe und Wartung durch Krankenpfleger, Krankenschwestern oder andere Pflegekräfte (Hauspflege) sowie die Zurverfügungstellung einer Haushaltshilfe. Unfallgeschützt sind auch etwa notwendig werdende Wege zu und von diesen Personen sowie die von ihnen durchzuführenden Hilfs- und Wartungsmaßnahmen an der Person des Geschädigten. 264 Eine Badekur ist eine stationäre Behandlung in einer Versorgungskuranstalt oder einer vergleichbaren Einrichtung, in die der Geschädigte von der Versorgungsverwaltung oder dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung eingewiesen ist, in der er sich aufhält und den ärztlichen Anordnungen unterworfen ist. Zur Badekur gehören alle ärztlicherseits angeordneten und empfohlenen Untersuchungen sowie Anwendungen, unabhängig davon, ob sie in der Anstalt selbst, einer zugehörigen Einrichtung außerhalb der Anstalt oder an anderen Stellen (Ärzten, Laboratorien usw.) durchgeführt werden, an die der Geschädigte überwiesen wird. 265 Versehrtenleibesübungen werden als Gruppenbehandlung unter ärztlicher Überwachung durchgeführt (§ 11 a Abs. 1 BVG). Um Gruppenbehandlung handelt es sich, wenn geeignete Leibesübungen im Rahmen von Ubungsveranstaltungen einer anerkannten Versehrtensportgemeinschaft durchgeführt werden (VV Nr. 1 zu § 11 a BVG). Soweit heilgymnastische oder bewegungstherapeutische Übungen auf Grund ärztlicher Verordnung als Einzelmaßnahme im Rahmen der Heilbehandlung durchgeführt werden, besteht kein Unfallschutz. 266 Als arbeits- und berufsfördernde Maßnahmen kommen insbesondere in Betracht Hilfen zur Erhaltung und Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich Hilfen zur Förderung der Arbeitsaufnahme, Berufsfindung und Arbeitserprobung, Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Schädigung erforderlichen Grundausbildung, berufliche Anpassung, Fortbildung, Ausbildung und Um-
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Schulung, einschließlich eines zur Teilnahme an diesen Maßnahmen erforderlichen schulischen Abschlusses, sowie sonstige Hilfen der Arbeits- und Berufsförderung, um Beschädigten eine angemessene und geeignete Erwerbs- oder Berufstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder in einer Werkstatt für Behinderte zu ermöglichen (§ 26 Abs. 2 BVG). 267 Geschützt ist auch der Hin- und Rückweg zur Aufklärung des Sachverhalts und bei der Durchführung dieser Maßnahme, sofern das persönliche Erscheinen angeordnet ist. Die Sachaufklärung erstreckt sich auf alle Gebiete, die — bezogen auf das schädigende Ereignis, die Schädigung und die Sdhädigungsfolgen — in straf- und versorgungsrechtlicher Hinsicht von Bedeutung sind. Hierzu gehören im wesentlichen die Maßnahmen im Ermittlungsverfahren der Polizei oder der Staatsanwaltschaft bzw. das Strafverfahren selbst, sowie alle bei der Versorgungsverwaltung anhängigen Verfahrensvorgänge, ζ. B. zur Ermittlung der Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Versorgungsleistungen einschließlich der ärztlichen Untersuchung, zur Feststellung der Versorgungsansprüche in Geld (Erstfeststellung, Minderung, Erhöhung, Sperrung, Rückerstattung, Aufrechnung, Verrechnung, Übertragung, Verpfändung, Pfändung, Versagung und Ruhen dieser Leistungen) und von Sach- und Dienstleistungen sowie zur Vernehmung in sonstigen klärungsbedürftigen Angelegenheiten. Dies gilt audi, soweit Behörden aufgrund entsprechender Amtshilfeersuchen tätig werden. Voraussetzung ist jedoch, daß für die Aufklärung des Sachverhalts das persönliche Erscheinen des Geschädigten angeordnet ist. Das ist jedoch nur dann der Fall, wenn dieses Ersuchen von einer hierzu befugten Behörde ergeht. Die Befugnis hierzu ist erteilt für die Vorladung von Zeugen in einem Strafverfahren in § 48 StPO, von Angeklagten in §§ 236, 387 StPO, von Privatklägern in § 387 StPO und für die Versorgungsverwaltung und die anderen Träger von Sozialleistungen in § 61 SGB. Die Anordnung zum persönlichen Erscheinen kann audi mündlich oder fernmündlich ergehen, ist in diesen Fällen jedoch aktenkundig zu machen. 268 Strafanzeigen (Strafanträge) sind die schriftlich, persönlich oder fernmündlich abgegebenen Willenserklärungen zur Einleitung eines Strafverfahrens. Sie können bei der Staatsanwaltschaft, den Behörden und Beamten des Polizeidienstes und den Amtsgerichten angebracht werden (§ 158 StPO). Der Unfallschutz ist auch dann gegeben, wenn die Strafanzeige nicht bei der zuständigen Behörde erstattet wird und der Geschädigte dies nicht zu vertreten hat (ζ. B.
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durch Flucht oder Krankentransport vom Tatort — § 7 StPO — zu einem anderen Ort). 5. Notwendiger Weg 269 Der unfallgeschützte Weg beginnt und endet an der Außenhaustür des Wohnhauses (BSG, Urt. v. 13. 3. 56 — 2 RU 124/54) oder jenes Gebäudes (ζ. B. Krankenhaus, Haftanstalt), von dem aus der Weg angetreten und beendet wird, es sei denn, daß die Gefahr, welcher der Geschädigte dann erlegen ist, ihn schon außerhalb dieser Grenze bedroht hat und in den häuslichen oder den Bereich, in dem er sich aufgehalten hat, eingedrungen ist (vgl. Drescher u. a., Rdn. 3 zu § 550 RVO). Nicht hierzu gehören Wege, die nur der Vorbereitung des Weges oder der Maßnahme dienen (BSG, Urt. v. 26. 6. 58 — 2 RU 30/56 —), ζ. B. die Besorgung des Bundesbehandlungsscheines, der Weg zu einem vorbereitenden Telefongespräch oder zum Postamt wegen aufzugebender Sendungen; ferner nicht die vorbereitete Bereitstellung von Beförderungsmitteln, um den Weg zurücklegen zu können oder die vorbereitende Reparatur an einem Beförderungsmittel im häuslichen Bereich. Die Art des Beförderungsmittels, das der Geschädigte auf dem notwendigen Weg benutzt, ist für die Frage des Versorgungsschutzes ohne Einfluß (BSG, Urt. v. 30. 7. 59 — 2 RU 157/57 —; Breithaupt 24 S. 249). Hin- und Rüdeweg sind im Ergebnis rechtlich gleich zu werten (EuM Bd. 23 S. 355, Bd. 24 S. 115; Breithaupt 1946 S. 114). Audi wenn der Geschädigte ζ. B. ohne ausdrückliche Erlaubnis eine Heilstättenbehandlung abbricht oder den Kurort verläßt und sich nach Hause begibt, ist dieser Weg versorgungsrechtlich geschützt (vgl. van Nuis-Vorberg, Teil L Absdin. III Nr. 3 a). 270 Bei Umwegen muß der Geschädigte damit rechnen, daß der Versorgungsschutz nicht mehr gegeben ist, denn grundsätzlich ist er gehalten, den kürzesten Weg zu wählen. Das schließt nicht aus, daß bei Umwegen alle nach der allgemeinen Verkehrsanschauung zu berücksichtigenden Umstände in Betracht zu ziehen sind. Im Einzelfall auch das gewählte Verkehrsmittel und die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit im Hinblick auf die Art des gewählten Verkehrsmittels, einen bestimmten Weg einzuschlagen, um das Ziel schnell und sicher sowie bei Umleitungen erreichen zu können (vgl. BSG, Urt. v. 22. 1. 1957 — 2 RU 92/55; Lauterbach S. 276). 271 Geringfügige Unterbrechungen lösen den Zusammenhang nicht (BSG Bd. 4 S. 219). Werden aber Zwecke verfolgt, die mit der
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Zurücklegung des Weges unmittelbar nichts zu tun haben und nicht nur geringfügig sind, so wird dadurch der Zusammenhang unterbrochen. Daß die Unterbrechung zur Beschaffung von Lebens- und Nahrungsmitteln nicht dem Unfallschutz unterliegt (BSG, Urteil vom 26. 4. 1963 — 2 R U 19/59; BSG, Urteil vom 30. 1.1963 — 2 R U 7/60), dürfte nur für jene Fälle gelten, in denen der Geschädigte die unterlassene Versorgung mit diesen Waren selbst zu vertreten hat. Der Unfallschutz wird aber zu bejahen sein, wenn der Weg ζ. B. durch einen Unfall oder einen Defekt an einem Kraftfahrzeug unterbrochen werden muß und die Dauer der Unterbrechung die Aufnahme von Nahrungsmitteln erfordert, die den Gehalt und den Umfang dessen übersteigen, was der Geschädigte mit sich führt. Entsprechendes wird in diesen Fällen auch für die Essenseinnahme in einem Gasthaus gelten müssen. Die Durchführung von kleineren Reparaturen oder das Betanken eines Kraftfahrzeuges ist versorgungsrechtlich geschützt, wenn sich Werkstatt oder Tankstelle unmittelbar am Weg befindet (vgl. Lauterbach S. 269). Wird der Weg nach einer Unterbrechung fortgesetzt, so lebt auch der Versicherungsschutz wieder auf, es sei denn, daß der Zusammenhang durch die Dauer, aber auch durch die Art (Zielsetzung) der Unterbrechung endgültig gelöst ist (vgl. Dersch u. a., Rdn. 4 zu § 550 RVO).
XV. Gesundheitliche Schädigung 1. Begriff 272 Die gesundheitliche Schädigung ist die primäre Beeinträchtigung der Gesundheit durch einen schädigenden Vorgang, d. h. der Verlust an körperlichem, seelischem oder geistigem Vermögen ζ. B. durch Verwundung, Verletzung, durdi Unfall oder durch Resistenzminderung der Belastung. Die verbleibende Gesundheitsstörung ist die unmittelbare Schädigungsfolge (AP Nr. 3). 273 Die gesundheitliche Schädigung muß hervorgerufen oder verschlimmert sein durch mindestens einen schädigenden Vorgang im Sinne dieses Gesetzes, also entweder durch — —
einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff gegen das spätere Opfer oder gegen eine andere Person, oder rechtmäßige Abwehr eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen das spätere Opfer oder gegen eine andere Person, oder
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die vorsätzliche Beibringung von Gift oder die wenigstens fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben eines anderen durch ein mit gemeingefährlichen Mitteln begangenes Verbrechen oder einen Unfall, den der Geschädigte erleidet auf einem Hin- oder Rückweg, der notwendig ist, um eine Maßnahme der Heilbehandlung, eine Badekur, Versehrtenleibesübungen als Gruppenbehandlung oder berufsfördernde Maßnahmen zur Rehabilitation nach § 26 Bundesversorgungsgesetz durchzuführen, um zur Aufklärung des Sachverhalts persönlich zu erscheinen, sofern das Erscheinen angeordnet ist, oder bei der unverzüglichen Erstattung der Strafanzeige, sowie bei der Durchführung einer dieser Maßnahmen.
2. Schädigender Vorgang 274 Der schädigende Vorgang ist das Ereignis, das zu einer Gesundheitsschädigung führt, wie ζ. B. die Schußabgabe aus Waffen (mit Munition oder Treibladungen), das Versprühen oder Ausstoßen von Reizstoffen aus Geschossen oder Geräten, die Explosion von Gasen oder deren Giftauswirkung, die Aussendung von gesundheitsschädigenden Strahlen, sowie Hiebe, Stiche, Strangulierungen durch Menschenhand mit oder ohne Tatwerkzeug, die Beibringung von Gift, auch durch Umweltverschmutzung, die Detonation eines Sprengkörpers sowie alle auf den menschlichen Körper bezogenen Auswirkungen eines Unfalls im Sinne dieses Gesetzes. 3. Absichtlich herbeigeführte Schädigung 275 Eine absichtlich herbeigeführte Schädigung liegt ζ. B. vor, wenn der — noch nicht oder bereits — Geschädigte seine Überlebenschance bei einem Angriff oder dessen Abwehr als aussichtslos einschätzt und sich zur Selbsttötung entschließt. Aber auch, wenn er einer schon erlittenen eine weitere Schädigung hinzufügt, um dadurch eine höhere Bewertung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit als jene zugesprochen zu erhalten, die er nur durch die Fremdschädigung zu erwarten hätte. 276 Absichtliches Handeln bedeutet, daß der Handelnde nicht einen bestimmten Erfolg gewollt oder in Kauf genommen hat, dern daß er diesen Erfolg als Ziel seines Handelns erstrebt Absicht geht somit weiter als Vorsatz, zu dem das Bewußtsein
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sämtlichen Tatbestandsmerkmalen genügt. Eine vorsätzliche Handlung ist nur auf die Schädigung selbst, nicht aber auf die eigene Gesundheitsschädigung als Folge derselben gerichtet, während ein absichtliches Handeln dann vorliegt, wenn sich der Wille über das vorsätzliche Handeln hinaus auf ein bestimmtes Ziel, das erreicht werden soll, richtet. 277 Wenn im Versorgungsrecht ein Leistungsausschluß bereits bei einer vorsätzlich herbeigeführten Gesundheitsschädigung vorgesehen wäre, dann käme bei einem mißglückten Selbsttötungsversuch ein Versorgungsanspruch nie in Frage, weil der zur Selbsttötung Entschlossene auch eine Beschädigung seines Körpers mit in seine Vorstellung aufgenommen und gewollt, zumindest in Kauf genommen hat (BSG, Urt. vom 14. 7 . 1 9 5 5 — 8 R V 177/54 —). 278 gilt lich war
Eine vom Geschädigten absichtlich herbeigeführte Schädigung nicht als Schädigung im Sinne der Versorgungsgesetze. Absichtherbeigeführt ist sie dann, wenn sie vom Geschädigten erstrebt (AP Nr. 7).
279 Selbsttötung und die Folgen eines Selbsttötungsversuchs oder eine Selbstverletzung sind nicht absichtlich herbeigeführt, wenn eine Beeinträchtigung der freien Willensbestimmung durch versorgungsrechtlich geschützte Tatbestände wahrscheinlich ist (AP Nr. 7). Eine Selbsttötung oder die Folgen eines Selbsttötungsversuchs sind als Schädigungsfolge anzusehen, wenn zur Zeit der Tat eine Beeinträchtigung der freien Willensbestimmung vorlag, die durch schädigende Tatbestände verursacht war (AP Nr. 101). 280 Da gewöhnlich eine Reihe von Ursachen und Motiven in ihrem Zusammenhang den Entschluß der Selbstaufgabe reifen läßt, so daß schließlich auch ein belangloser Anlaß zur Tatausführung führen kann, müssen alle erreichbaren Unterlagen der Staatsanwaltschaft und Zeugenaussagen über die Persönlichkeit des Verstorbenen und über seine soziale Lage sowie über die beruflichen Verhältnisse beigezogen werden. Die individuelle Belastbarkeit ist zu beachten; es ist zu fragen, wie die schädigenden Umstände gerade auf diesen Menschen gewirkt haben. Andererseits kann aus der Tatsache der Selbsttötung für sich allein nicht abgeleitet werden, daß der Suizident seinem Wesen nach seelisch nidit ausreichend widerstandsfähig war. Eine geltend gemachte Minderbelastbarkeit müßte gegebenenfalls aus der gesamten Lebensgeschichte des Suizidenten wahrscheinlich gemacht werden (AP Nr. 101).
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X V I . Gesundheitliche Folgen der Schädigung 1. Gesundheit 281 Unter Gesundheit wird — nach der Satzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) — der Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen verstanden.
2. Gesundheitsstörung 282 a) Begriff. Gesundheitliche Folge einer Schädigung (Gesundheitsstörung) ist die Beeinträchtigung der Gesundheit durch Verwundung, Verletzung oder Krankheit, hervorgerufen oder verschlimmert durch einen oder mehrere der in § 1 Abs. 1 bis 3 O E G aufgeführten Tatbestände. 283 Als Gesundheitsstörung im versorgungsrechtlichen Sinne gelten, wenn der ursächliche Zusammenhang zwischen schädigendem Vorgang und gesundheitlidier Schädigung nachgewiesen und die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dieser Schädigung und der Gesundheitsstörung versorgungsrechtlich anerkannt ist, — die Gesundheitsstörung als unmittelbare Schädigungsfolge, — die durch ein äußeres Ereignis herbeigeführte Gesundheitsstörung, das seine Ursache in einem schädigungsbedingten Leiden hat(mittelbare Schädigungsfolge), — die schädigungsunabhängige Gesundheitsstörung, die bei Eintritt der Schädigung bereits bestanden hat (Vorschaden) und — die Gesundheitsstörung, die nach der Schädigung eingetreten ist und bei der die Schädigung oder deren Folgen bei der Entstehung dieser Gesundheitsstörung wesentlich mitgewirkt haben (Folgeschäden), sowie Verschlimmerungen und weitere Verschlechterungen dieser Gesundheitsstörungen. 284 Ein Nachschaden (Gesundheitsstörung, die zeitlich nach der Schädigung eingetreten ist und nicht in ursächlichem Zusammenhang mit der Schädigung steht) kann bei der Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht berücksichtigt werden, auch dann nicht, wenn sie zusammen mit den Schädigungsfolgen zu besonderen Auswirkungen führt, bei denen die Schädigungsfolgen eine gleichwertige oder überwiegende Bedeutung haben (AP Nr. 16).
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285 Gesundheitsstörungen, bei deren Auftreten schädigende Einwirkungen nicht mitgewirkt haben, können in ihrem Verlauf in einen ursächlichen Zusammenhang mit schädigenden Einflüssen kommen, wenn durch die Schädigungsfolgen eine fachgerechte und wahrscheinlich erfolgreiche Behandlung nicht oder zu spät durchgeführt wurde (vgl. AP N r . 10). 286 b) Folgen ärztlicher Behandlung. Die Folgen von diagnostischen Eingriffen, Operationen oder anderen Behandlungsmaßnahmen, die wegen Schädigungsfolgen durchgeführt werden, sind Schädigungsfolge. Wenn derartige Maßnahmen wegen schädigungsunabhängiger Gesundheitsstörungen vorgenommen werden, sind nachteilige Folgen als Schädigungsfolge anzusehen, wenn die Maßnahmen im besonderen Interesse der Erhaltung oder Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erfolgt sind. Gleiches gilt für vorbeugende Maßnahmen. Die Folgen von Maßnahmen, die aus vitaler Indikation oder überwiegend im gesundheitlichen Interesse des Geschädigten erforderlich werden, sind grundsätzlich keine Schädigungsfolgen (vgl. AP Nr. 11). 287 Nachteilige gesundheitliche Folgen sind solche, die außerhalb des mit der Behandlung angestrebten Heilerfolges liegen (AP N r . 11). 288 Bei stationärer Behandlung wegen eines Leidens, das nicht auf schädigenden Vorgängen beruht, sind auch die sich anschließenden Folgen keine Schädigungsfolgen. Der Umstand, daß eine stationäre Behandlung vorgenommen wird, bietet allein keinen Grund, weitere Folgen der Krankheit, die die Behandlung notwendig macht, oder neue Krankheiten, die sich allein aus der stationären Behandlung ergeben, als Schädigung bzw. Schädigungsfolgen anzusehen (vgl. AP N r . 11). 289 Eine ärztliche Behandlung dient der Behebung oder Besserung von Gesundheitsstörungen. Wird sie fachgemäß durchgeführt, so stellt sie keine gesundheitliche Schädigung dar. Eine durch Versorgung zu entschädigende gesundheitliche Schädigung liegt nur dann vor, wenn die Behandlung den Gesundheistzustand des Geschädigten verschlechtert und wenn sie nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt ist (BSG, Urt. vom 15. 7.1959 — 9 R V 468/59 —). 290 Fehldiagnosen können auch dem tüchtigsten und gewissenhaftesten Arzt unterlaufen, und die Tatsache allein, daß eine von einem Arzt nach bestem Wissen und Können und unter Beachtung der Regeln der ärztlichen Wissenschaft aufgestellte Diagnose sich später
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als falsch erweist, rechtfertigt noch nicht den Vorwurf, daß der Arzt unverantwortlich gehandelt habe. Ein Arzt hat keineswegs unverantwortlich gehandelt, sondern gerade das getan, was von einem verantwortungsbewußten Arzt zu verlangen ist, der sich seiner Diagnose aufgrund einer nur ambulanten Untersuchung nicht ganz sicher ist, wenn er den Patienten in ein geeignetes Krankenhaus eingewiesen hat, damit aufgrund klinischer Untersuchung und unter Ausnutzung aller dort zur Verfügung stehender Mittel ein sicherer Befund erhoben werden kann (BGH, Urt. vom 11. 5. 1956 — V I Z R 209/55 —)· 291 c) Vorschaden, Nachschaden. Als Gesundheitsstörung kann nur die wirklich vorhandene angesehen werden, nicht aber das Vorstadium (Bayer. L V A m t vom 8 . 5 . 1 9 5 1 — K b c 691/50 — 230/51). 292 Eine abgeheilte oder abgelaufene, eine wiederauftretende oder eine neuerworbene gleiche Krankheit stellt keine anerkennungsfähige Gesundheitsstörung dar. Das gleiche gilt für eine Gesundheitsstörung, die zeitlich nach der Schädigung eingetreten ist und nicht im ursächlichem Zusammenhang mit der Schädigung steht (Nachschaden). 293 Bei der Frage, ob und welche Folgen ein Vorschaden für die Höhe des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit hat, darf kein bestimmtes Schema maßgebend sein; vielmehr sind die U m stände des Einzelfalles entscheidend. Handelt es sich um zwei aufeinanderfolgende, sich ablösende Leidenszustände, von denen der spätere den ersteren einschließt, dann darf die bisherige Beeinträchtigung des Beschädigten bei der Bemessung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht völlig außer acht gelassen werden (BSG, Urt. vom 3. 3 . 1 9 6 6 — 8 R V 815/64). 294 d) Anlagebedingte Leiden. Beruht ein Leiden auf einer Anlage, die körperliche und psychische Veränderungen hervorzubringen pflegt, und haben sich solche Veränderungen bereits entwickelt, auch ohne daß sie sofort bemerkbar geworden sind, so handelt es sich versorgungsrechtlich um eine Verschlimmerung, wenn die äußere Einwirkung (der schädigende Vorgang) entweder den Zeitpunkt vorverlegt hat, an dem das Leiden sonst in Ersdieinung getreten wäre, oder das Leiden schwerer auftreten läßt, als es sonst zu erwarten gewesen wäre. Beruht ein Leiden dagegen auf einer Anlage, die bisher kein krankhaftes Geschehen hervorgerufen hat („ruhende Anlage"), und wird das krankhafte Geschehen erst durch einen schädigenden Vorgang „zum Ausbruch gebracht", so stehen als Be-
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dingungen sowohl die Anlage als audi der schädigende Vorgang nebeneinander; in diesem Falle ist versorgungsrechtlich die durch den schädigenden Vorgang gesetzte Bedingung auch dann eine wesentliche Bedingung und damit Ursache im Rechtssinne für die Entstehung des Leidens, wenn sich Anlage und sdiädigender Vorgang gleichwertig gegenüberstehen (BSG, Urt. vom 14. 1 2 . 1 9 6 1 — 11 R V 40/60 — und vom 22. 2. 1967 — 8 R V 431/64 —). 2 9 5 Anlagebedingte Leiden — wie ein Krampfaderleiden — entwickeln sich grundsätzlich nach eigener Gesetzlichkeit. Ein solches Leiden kann zwar von außen beeinflußt werden, maßgebend bleibt aber die Anlage, die stetig fortschreitende Veränderungen im Körper hervorruft, ohne daß diese Veränderungen sofort bemerkt zu werden brauchen. Es handelt sich dann bereits um ein krankhaftes Geschehen, es sei denn, daß das betreffende Leiden auf einer Anlage beruht, die ohne eine auslösende Ursache zunächst kein krankhaftes Geschehen imKörper hervorruft. In den Fällen, in denen es sich um keine solche ruhende Anlage handelt, kann das äußere Ereignis nur den Zeitpunkt vorverlegen, an dem das Leiden sonst in Erscheinung getreten wäre. Hierzu hat das Bundessozialgericht in den Urteilen vom 27. 3 . 1 9 5 8 — 8 R V 427/56 —, vom 3. 7 . 1 9 5 8 — 8 R V 947/57 — und vom 2 3 . 3 . 1 9 5 8 — 8 R V 683/56 — bereits zutreffend ausgesprochen, daß es sich insoweit nicht um eine Mitursache, sondern um eine Verschlimmerung des betreffenden Leidens handelt (BSG, Urt. vom 9. 1 2 . 1 9 5 9 — 10 R V 591/56 —). 296 Ordnet das Gericht die Untersuchung und Begutachtung eines Beschädigten an und wird dabei eine Phlebographie (Venendarstellung) vorgenommen, um zu klären, ob die Krampfaderbildung auf die als Schädigungsfolgen anerkannten Splitterverwundungen, Narben und Stecksplitter zurückzuführen sind und kommt es dabei zu einer Thrombophlebitis mit daraus folgenden Gesundheitsstörungen, dann handelt es sich hierbei um weitere mittelbare Schädigungsfolgen, auch wenn der ursächliche Zusammenhang zwischen Krampfadern und den anerkannten Schädigungsfolgen nicht wahrscheinlich gemacht werden kann. Die anerkannten Schädigungsfolgen (Narben, Splitter) stehen bei Abwägung der Umstände, die zu den neuen Gesundheitsstörungen geführt haben, anderen — versorgungsrechtlich unerheblichen — Umständen jedenfalls dann nicht nach; sie sind vielmehr gleichwertig wesentliche Bedingung und damit Ursache im versorgungsrechtlichen Sinne. Das ist auch dann nicht anders, wenn bei der Phlebographie ein ärztlicher Kunstfehler „mitgewirkt" hat (BSG, Urt. vom 17. 5 . 1 9 6 2 — 11 R V 398/61).
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297 Die im Laufe der Jahre nach der Schädigung — schädigungsunabhängig — entstandene außergewöhnliche Fettleibigkeit ist nicht zu berücksichtigen, wenn diese Erkrankung nicht auf einem „Vorschaden", d. h. auf einem krankhaften physischen oder psychischen Geschehen beruht hat, das bereits vor dem Eintritt des schädigenden Ereignisses vorgelegen hat. Ein „Vorschaden" liegt nur dann vor, wenn die Fettsucht auf krankhaften Veränderungen beruht, die — konstitutionsbedingt oder aus anderen Ursachen (Erkrankung) — schon vor dem Eintritt des schädigenden Ereignisses vorhanden waren (ζ. B. Stoffwechselstörungen oder andere innersektorische Störungen). Ein „Vorschaden" in diesem Sinne ist aber noch nicht anzunehmen, wenn — ohne daß vor dem Eintritt der Schädigung ein krankhaftes Geschehen vorgelegen hat (vgl. auch BSG, Urt. vom 9. 12.1959 — 10 R V 591/56 — ) — sich nach dem Eintritt der Sdiädigung gezeigt hat, daß der Geschädigte auch eine „konstitutionelle Neigung" zur Ubergewichtigkeit hat (BSG, Urt. vom 2 5 . 6 . 1963 — 11 R V 568/62 —). 298 b) Seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen. Nach § 30 Abs. 1 B V G sind seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen bei der Beurteilung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu berücksichtigen. Diese Hervorhebung im Gesetz verpflichtet den Gutachter, sich mit der Auswirkung der Schädigungsfolgen auf die Persönlichkeit und mit dem Einzelschicksal des Beschädigten (ζ. B. Beeinträchtigung der Gesellschaftsfähigkeit, Minderung des Lebensgefühls) besonders zu befassen (AP N r . 15). 299 Eine Störung der körperlichen Unversehrtheit beeinträchtigt in mehr oder weniger großem Ausmaß das seelische Gleichgewicht. Man „leidet" an einer Krankheit, an einer Verstümmelung, an einem Gebrechen. Dieses „Leiden" ist ein seelisches Geschehen, Ausdruck dafür, daß das organisch-pathologische Geschehen oder der organisch pathologische Zustand psychisch verarbeitet wird. Diese beiden Prozesse, der organische und der psychische, lassen sich nicht trennen oder aufspalten, sondern sind als Ganzes zu betrachten (AP N r . 15). 300 Gehen die seelischen Begleiterscheinungen, die durch die Schädigungsfolge verursacht werden, erheblich über die dem Ausmaß der organischen Veränderungen entsprechenden üblichen seelischen Begleiterscheinungen hinaus, so ist eine höhere Bewertung der M d E berechtigt. Vergleichsmaßstab kann aber — im Interesse einer gerechten Beurteilung — nicht der Beschädigte sein, der überhaupt
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nicht oder kaum unter seinem Körperschaden leidet. Beurteilungsgrundlage ist wie immer die allgemeine ärztliche Erfahrung mit dem Uberblick über die Gesamtheit des Krankengutes unter Berücksichtigung des Einzelfalles. In seltenen Fällen können seelische Begleiterscheinungen auch in Form von anhaltenden, leidensadäquaten Psychoreaktiven Störungen auftreten (AP 15). 301 Ähnliches gilt für die Berücksichtigung der Schmerzen. Die Anhaltswerte für die ärztliche Gutachtertätigkeit schließen in den angegebenen MdE-Werten die üblicherweise vorhandenen Schmerzen mit ein und berücksichtigen auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände durch erhöhte Werte. In den Fällen, in denen nach dem Sitz und dem Ausmaß der pathologischen Veränderungen eine über das übliche Maß hinausgehende Schmerzhaftigkeit wahrscheinlich ist, können höhere Werte angenommen werden (AP Nr. 15). 302 Seelische Erscheinungen ohne äußere Einwirkungen, die allein auf Vorstellungen beruhen (Neurosen), sind keine Gesundheitsstörungen im Sinne der Versorgungsgesetze und bedingen deshalb keine MdE (BSG, Urt. vom 19. 9.1958 — 9 RV 818/55 —)• 303 Auch heute noch ist die herrschende Auffassung der medizinischen Wissenschaft, daß es sich bei neurotischen Erscheinungen stets um rein seelisch bedingte Funktionsstörungen ohne spezifische Veränderungen handelt, die keine organische Krankheit darstellen. Andererseits kann jedoch nicht ohne weiteres gesagt werden, an sich neurotisch bedingte Erscheinungen hätten niemals irgendeinen Krankheitswert bzw. seien stets unberücksichtigt zu lassen (BSG, Urt. vom 23. 10.1958 — 4 RV 21/57 —). 304 Ebenso wie bei körperlichen Reaktionen auf äußere Einflüsse einer etwa vorhandenen körperlichen Anlage des Geschädigten nicht von vornherein eine so überragende Bedeutung beigemessen werden darf, daß äußere Einflüsse als rechtserhebliche Bedingung ausscheiden, so dürfen auch bei psychischen Reaktionen äußere Einflüsse nicht schon deshalb als wesentliche Bedingung für den Erfolg und damit als Ursache im Rechtssinne ausgeschlossen werden, weil bei dem Geschädigten eine in seiner Persönlichkeit begründete „abnorme seelische Reaktionsbereitschaft" vorliegt. In beiden Fällen kann die Frage nach der rechtlich wesentlichen Ursache vielmehr erst nach eingehender individueller Prüfung beantwortet werden; dabei sind auch psychische und neurotische Erscheinungen nicht einfach im Blick auf die normale Reaktionslage zu bewerten, sondern die Be-
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trachtungsweise ist auf die Persönlichkeit des Geschädigten und seine Reaktionsweise abzustellen. Zwar muß von jedem Geschädigten erwartet werden, daß er seinen Willen gemäß den Anforderungen seiner Situation steuert und Begehrungsvorstellungen Widerstand leistet, ob und wieweit er dazu entsprechend seinem seelischen Zustand und seiner möglicherweise abartigen seelischen Reaktionsweise in der Lage ist, kann aber nur im Einzelfall beurteilt werden (BSG, Urt. vom 20. 8.1963 — 11 RV 808/61 —). 305 Eine geistig-seelische Fehlhaltung (Neurose) mit dem Erscheinungsbild einer Lähmung (psychogene Lähmung) kann — wie jede andere Gesundheitsstörung — als Schädigungsfolge nur anerkannt werden, wenn die anerkannte Schädigungsfolge für ihre Entstehung eine wesentliche Bedingung im Sinne der Kausalitätsnorm ist (BSG, Urt. vom 18. 2. 1965 — 10 RV 667/62 —). 3. Verschlimmerung, weitere Verschlechterung 306 Eine Gesundheitsstörung kann im Sinne ihrer Entstehung oder im Sinne ihrer Verschlimmerung und bei jeweils weiterer Verschlechterung als versorgungsrechtliche Schädigungsfolge anerkannt werden. Die Anerkennung einer Gesundheitsstörung im Sinne der Entstehung setzt voraus, daß zur Zeit der Einwirkung des schädigenden Vorganges noch kein dieser Gesundheitsstörung zugehöriges pathologisches physisches oder psychisches Geschehen vorhanden war (AP Nr. 8). 307 Verschlimmerung. Eine Anerkennung im Sinne der Verschlimmerung kommt in Frage, sofern zur Zeit der Einwirkung des schädigenden Vorganges bereits ein einer Gesundheitsstörung zugehöriges pathologisches physisches oder psychisches Geschehen, wenn auch noch nicht bemerkt oder bemerkbar, vorhanden war. Von diesem Begriff der Verschlimmerung ist der Begriff der Verschlimmerung im Sinne einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse nach § 62 BVG zu unterscheiden (AP Nr. 8). 308 Medizinisch gesehen unterscheidet man verschiedene Arten der Verschlimmerung. Ein schädigender Vorgang kann nur vorübergehend zu einer Zunahme des Krankheitswertes führen; er kann anhaltend, aber abgrenzbar den weiteren Krankheitsverlauf richtunggebend bestimmen. Häufig wird erst nach längerer Beobachtung des Verlaufs zu beurteilen sein, wie weit der Einfluß des schädigen-
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den Vorgangs reicht. Das Ausmaß der Verschlimmerung ist für die Festsetzung der MdE von wesentlicher Bedeutung. Hierbei müssen in jedem Fall die durch die Gesundheitsstörung bewirkte GesamtMdE sowie die MdE für den Verschlimmerungsanteil durch Schädigungsfolgen und das Ausmaß des Vorschadens angegeben werden (AP Nr. 9). 309 Unabhängig von der medizinischen Beurteilung der Art der Verschlimmerung muß bei jeder weiteren Zunahme des Krankheitswertes der ursächliche Zusammenhang dieser Weiterentwicklung neu beurteilt werden (AP Nr. 9). 310 Anzeichen des Leidens. Für die Unterscheidung eines Leidens nach dem Gesichtspunkt der Entstehung oder Verschlimmerung ist lediglich die Tatsache maßgebend, ob zur Zeit des schädigenden Ereignisses schon Anzeichen eines Leidens vorhanden waren oder nicht (BSG, Urt. vom 13. 5 . 1 9 6 4 — 10 R V 371/62 —). 311 Bei Anlageleiden ist eine Anerkennung im Sinne der Entstehung vorzunehmen, wenn die Anlage bisher kein krankhaftes Geschehen hervorgerufen hat, sondern erst durch den schädigenden Vorgang zum Ausdruck gebracht wurde. In diesem Falle sind Anlage und schädigender Vorgang gleichwertig, weshalb nicht lediglich eine Anerkennung im Sinne der Verschlimmerung erfolgen darf (BSG, Urt. vom 26. 5 . 1 9 6 4 — R V 458/63 —). 312 Die Bezeichnung (Anerkennung) eines Leidens im Sinne der Entstehung oder Versdilimmerung hat keine Bedeutung für die Beurteilung von Folgen, die später auftreten und selbständig daraufhin zu prüfen sind, ob sie auch noch auf eine Schädigung im Sinne des § 1 B V G zurückzuführen sind (BSG, Urt. vom 2 7 . 1 2 . 1 9 5 7 — 10 R V 925/55 —). 313 „Richtunggebende" Versdilimmerung. Ist ein Leiden im Sinne der Versdilimmerung als Schädigungsfolge anerkannt, so ist bei jeder weiteren Leidensverschlimmerung stets zu prüfen, ob und inwieweit diese noch eine Schädigungsfolge ist. Die Auffassung, daß eine sogenannte richtunggebende Verschlimmerung immer dann vorliege, wenn die Erwerbsfähigkeit durch die als Schädigungsfolge anerkannte Versdilimmerung eines Leidens um 50 v. H . oder mehr gemindert sei, ist rechtlich nicht haltbar (BSG, Urt. vom 30. 10. 1957 — 8 R V 47/56 —). Dem B V G ist nicht zu entnehmen, daß im entscheidenden Teil des Verwaltungsakts auch anzugeben ist, ob eine
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Verschlimmerung „richtunggebend" ist oder nicht; die Unterscheidung hat zwar der Praxis der Versorgungsbehörden entsprochen, sie ist nach dem Gesetz aber nicht gerechtfertigt (BSG, Urt. vom 15. 12. 1959 — 11/110 RV 1326/56 —). 314 „Abgegrenzte" Verschlimmerung. Wird in der Urteilsformel eine „abgegrenzte" Verschlimmerung festgestellt, so ist etwas anderes als eine Verschlimmerung schlechthin als Schädigungsfolge anerkannt. Der gesetzlich nicht gerechtfertigte Zusatz „abgegrenzt" geht über die für die Begründung des Versorgungsanspruchs nach § 1 BVG gebotene Feststellung hinaus; er macht die Kennzeichnung „abgegrenzt" zu einem Bestandteil der Feststellung der Schädigungsfolge und nimmt eine spätere Entscheidung vorweg (präjudiziert), daß eine weitere Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolge zugerechnet wird (BSG, U r t . vom 15. 12. 1959 — 11/10 R V 1326/56 —). 315 Bei weiterer Verschlechterung sowohl im Sinne der Entstehung als auch im Sinne der Verschlimmerung anerkannter Gesundheitsstörungen bleibt jeweils zu prüfen, ob die Leidenszunahme noch auf eine Schädigung ursächlich zurückzuführen ist (AP Nr. 8).
4. Wesentliche Änderung 316 Tritt in den Verhältnissen, die für die Feststellung des Anspruchs maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung ein, ist der Anspruch entsprechend neu festzustellen. Eine Neufeststellung ist nur insoweit zulässig, als sich die Verhältnisse nach der letzten Feststellung wesentlich geändert haben. Eine wesentliche Änderung im Ausmaß der Schädigungsfolgen liegt nur vor, wenn der veränderte Gesundheitszustand mehr als sechs Monate angehalten hat oder voraussichtlich anhalten wird und die Änderung der MdE wenigstens 10 v. H . beträgt oder wenn sie dazu führt, daß die MdE 25 v. H . erreicht oder unter diesen Vomhundertsatz sinkt. Eine wesentliche Änderung liegt nicht vor, wenn eine Gesundheitsstörung, ohne sich verändert zu haben, lediglich abweichend beurteilt wird (AP Nr. 21). 317 Bei Krankheiten, die zu Rezidiven neigen oder bei denen die Belastbarkeit abgewartet werden muß (ζ. B. chronische Osteomyelitis, Tuberkulose, Leberschäden), ist bei der Herabsetzung der MdE Zurückhaltung zu üben. Auch bei gleichbleibenden Symptomen ist eine Neubewertung später zulässig, weil die Heilungsbewährung eine
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wesentliche Änderung der Verhältnisse darstellt. Im übrigen ist es nicht angängig, eine Schädigungsfolge unter Außerachtlassung des tatsächlichen Ausmaßes der Funktionsstörung oder einer objektiven Besserung aus Schonungsgründen oder aus prognostischen Gründen mit einer höheren MdE zu bewerten, als sie dem Zustand entspricht (AP Nr. 21). 318 Bei gleidibleibendem Erscheinungsbild liegt eine wesentliche Änderung nur dann vor, wenn sich die schädigungsbedingte Störung, die dem Erscheinungsbild zunächst zugrunde lag, gebessert oder ganz zurückgebildet hat, das Leidensbild jedoch aufgrund neuer Ursachen bestehen geblieben ist („Verschiebung der Wesensgrundlage"). Bei Versorgungsberechtigten, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, sind die MdE und die Schwerstbeschädigtenzulage bei Besserung des Gesundheitszustandes nicht niedriger festzusetzen, wenn sie in den letzten zehn Jahren seit Feststellung unverändert geblieben sind (AP Nr. 21).
XVII. Wirtschaftliche Folgen der Schädigung 319 Wirtschaftliche Folgen sind die durch die gesundheitliche Schädigung bedingten einmaligen oder ständigen Einkommensminderungen oder -verluste und die besonderen finanziellen Aufwendungen, die die gesundheitliche Schädigung erfordert. Es genügen gesundheitliche „oder" wirtschaftliche Folgen, denn das Wort »und" ist im § 1 Abs. 1 OEG im Sinne von „oder" zu verstehen. Die wirtschaftlichen Folgen werden durch einkommensabhängige Versorgungsleistungen (ζ. B. Berufsschadensausgleich, Schadensausgleich) im Rahmen der entsprechenden Vorschriften ausgeglichen. 320 Die Beurteilung des Grades der MdE ist eine Bewertung der Gesundheitsstörung auf wirtschaftlichem Gebiet. Wenn § 1 BVG von den gesundheitlichen und wirtschaftlichen „Folgen" der Schädigung spricht, dann ist dabei als Schädigung an dieser Stelle die gesundheitliche Schädigung im Sinne „Gesundheitsstörung" gemeint; im Sinne von „schädigendem Ereignis" ist hier das Wort Schädigung nicht gebraucht. Der Wortlaut des Gesetzes berechtigt durch den Gebrauch des Wortes „Folgen" nicht zu der Annahme eines Kausalitätsverhältnisses zwischen der Gesundheitsstörung und der MdE, die nach wirtschaftlichen Folgen der Gesundheitsstörung zu bemessen ist (BSG, Urt. vom 6. 8.1963 — 10 RV 1331/60 —).
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X V I I I . Ursächlicher Zusammenhang 1. Ursächlicher Zusammenhang zwischen schädigendem Vorgang und Schädigung 321 a) Kausalkette. Zwischen dem schädigenden Vorgang und der gesundheitlichen Schädigung muß ein ursächlicher Zusammenhang bestehen, zwischen der gesundheitlichen Schädigung und einer Gesundheitsstörung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (§ 1 Abs. 1 Satz 1 B V G ) . Diese dreigliedrige — nicht unterbrochene — Kausalkette muß mit den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft und den ärztlichen Erfahrungen im Einklang stehen. Dabei sind Brückensymptome oft notwendige Bindeglieder (AP Nr. 3). 322 b) Ursadienbegriff. Ursache im Sinne der Versorgungsgesetze ist die Bindung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, sind sie versorgungsrechtlich nur dann nebeneinanderstehende Mitursachen (und wie Ursachen zu werten), wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig sind. K o m m t einem der Umstände gegenüber dem anderen eine überragende Bedeutung zu, ist dieser U m stand allein Ursache im Sinne des Versorgungsrechts (AP N r . 2). 323 nen gen Nr.
Die Ursache braucht nidit zeitlich eng begrenzt zu sein. Es könauch dauernde oder wiederkehrende kleinere äußere Einwirkunin ihrer Gesamtheit eine Gesundheitsstörung verursachen (AP 2).
324 Der Ursachenbegriff spielt eine Rolle bei der Beurteilung ursächlichen Zusammenhangs zwischen schädigendem Vorgang Gesundheitsstörung, des beruflichen besonderen Betroffenseins, Hilflosigkeit sowie im Bereich der Kriegsopferfürsorge und Heilbehandlung wegen Schädigungsfolgen (AP Nr. 2).
des und der der
325 Gelegenheits-„Ursachen", letzter Anstoß, Anlaß sind begrifflich keine wesentlichen Bedingungen. So wird bei konstitutionsbedingten Leiden oft ein unwesentlicher äußerer Anlaß vom Geschädigten als Ursache verantwortlich gemacht, ζ. B. das Heben von Gegenständen für das Auftreten nichttraumatischer Hernien (Brüche). In solchen Fällen hat die äußere Einwirkung bei der Entstehung der Krankheit nicht wesentlich mitgeholfen, sondern sie hat nur innerhalb einer
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bereits bestehenden Störung einem besonders charakteristischen Krankheitssymptom zum Durchbrach verholfen. Bei der Beurteilung ist zu prüfen, welcher der zur Diskussion stehenden ätiologischen Faktoren die wesentliche Bedingung für den Eintritt des Erfolges und damit Ursache im versorgungsrechtlichen Sinne ist (vgl. AP Nr. 2). 326 Unter Ursache im erkenntnistheoretischen Sinne versteht man die Gesamtheit aller Bedingungen des Erfolges. Diese Begriffsbestimmung ist jedoch für die Rechtsordnung zu weitgehend. In den einzelnen Rechtsgebieten werden entsprechend ihren unterschiedlichen Bedürfnissen verschiedene Ursachenbegriffe zugrunde gelegt. Im Strafrecht herrscht die sogenannte Bedingungstheorie. Danach ist als Ursache eines strafrechtlich bedeutsamen Erfolges jede Bedingung anzusehen, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg entfiele, also jede conditio sine qua non. Diese Bedingungstheorie, die den besonderen Eigenarten des Strafrechts gerecht wird, ist weder im zivilen Schadensrecht noch im Versorgungsrecht verwertbar, da sie eine zu weitgehende Haftung begründen würde. Die Rechtslehre hat deshalb die Theorie der adäquaten Verursachung entwickelt, die auch das Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung vertreten und der sich der Bundesgerichtshof angeschlossen hat. Der adäquate Zusammenhang ist dann zu bejahen, „wenn eine Tatsache im allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolges geeignet war" (vgl. Β G H Z Bd. 3 S. 267). 327 Diese Lehre vom adäquaten Kausalzusammenhang hat auch die Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts und des Reichsversorgungsgerichts beeinflußt. Danach sind nur solche Ursachen als adäquat und damit rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehungen zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben, während die sonstigen Glieder der Kausalreihe, die nur rein philosophisch, nicht aber als Ursachen im Rechtssinne in Betracht kommen, auszuscheiden sind (vgl. A N 1912 S. 930; R V G e r . Bd. 3 S. 197). 3 2 8 An diesem Begriff der wesentlichen Ursache haben das Reichsversicherungsamt und das Reichsversorgungsgericht in ständiger Rechtsprechung festgehalten (vgl. A N 1914 S. 411; 1926 S. 480; EuM Bd. 39 S. 265; R V G e r . 9. Bd. (S. 161). Auch der erkennende
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Senat hat keine Bedenken, an diesem Ursadienbegriff festzuhalten BSG, Urt. vom 14. 7. 1955 — 8 R V 177/54 —). 329 Die Frage, ob eine Bedingung im Sinne der Kausalitätsnorm des Rechts der Kriegsopferversorgung neben anderen Bedingungen die „wesentliche" Bedingung gewesen ist, kann nicht danach beurteilt werden, ob die Bedingung „erfahrungsgemäß" im allgemeinen unter gleichen Umständen bei anderen Personen den gleichen Erfolg herbeigeführt hätte, sondern nur nach den besonderen Umständen und der besonderen Einzelpersönlichkeit; es kommt nicht darauf an, ob die versorgungsrechtlich erheblichen Ereignisse sich im Rahmen „durchschnittlicher, gewöhnlicher" Anforderungen gehalten haben, sondern auf die besondere individuelle Belastung und Belastbarkeit des Geschädigten (BSG, Urt. vom 11. 11. 1959 —· 11 R V 290/57 —). 330 Beim Vorliegen mehrerer Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne für den Eintritt eines Erfolges ist nach der im Recht der Kriegsopferversorgung geltenden Kausalitätsnorm zu prüfen, ob es sich hierbei um rechtlich nebeneinanderstehende Mitursachen, die in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig gewesen sind, gehandelt hat oder ob einer Bedingung gegenüber der anderen eine derart überragende Bedeutung zukommt, daß sie allein Ursache im Rechtssinne ist (BSG, Urt. vom 27. 2. 1962 — 10 R V 119/59 —)· 331 c) Nachweis. Die Fakten, auf die sich die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs gründet, müssen bewiesen sein. Das bedeutet, daß sie belegt sein müssen oder daß — wenn Belege nicht zu beschaffen sind — zumindest nach den gegebenen Umständen (ζ. B. aufgrund Glaubhaftmachung) die Überzeugung zu gewinnen ist, daß es so gewesen ist (AP Nr. 3). 332 Es muß nicht nur bewiesen oder zumindest hinreichend glaubhaft gemacht sein, daß der schädigende Vorgang stattgefunden hat und daß eine gesundheitliche Schädigung eingetreten ist, sondern auch, daß zwischen diesen Ereignissen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Mittel des Beweises oder der Glaubhaftmachung sind u. a. eigene eidesstattliche Erklärungen oder solche von Zeugen, die Ergebnisse des Ermittlungs- und — bei Straftaten — des Strafverfahrens, Lichtbilder, sonstige Belege mit oder ohne Urkundscharakter, Gutachten, für die Schädigung außerdem Krankenpapiere, -aufzeichnungen, Krankengeschichten, Sektions- und Untersuchungsbefunde, ärztliche Atteste, Röntgenaufnahmen.
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Anspruch auf Versorgung
§1
2. Ursächlicher Zusammenhang zwischen Schädigung und Tod 333 Der Tod ist die Folge einer Schädigung, wenn er durch sie verursacht worden ist (AP N r . 12). 334 Wenn ein Geschädigter an einem Leiden stirbt, das als Folge einer Sdiädigung rechtsverbindlich anerkannt und für das ihm im Zeitpunkt des Todes Rente zuerkannt war, d. h. wenn die anerkannte Gesundheitsstörung den Tod verursacht hat, gilt der Tod stets als Schädigungsfolge — Rechtsvermutung — (AP Nr. 12). 335 Stirbt ein Beschädigter an einem im Sinne der Verschlimmerung anerkannten Leiden, so trifft die Rechtsvermutung zu, wenn die schädigungsbedingte Verschlimmerung für den Tod ursächlich gewesen ist. Ob dies der Fall war, bedarf einer Prüfung unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des Einzelfalles und unter Wertung der mitwirkenden, nicht schädigungsbedingten Umstände. Die Höhe der für den Verschlimmerungsanteil anerkannten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) gibt dabei nicht den Ausschlag, vielmehr sind die tatsächlichen gesundheitlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Todes für die Beurteilung maßgebend (AP Nr. 14). 336 Haben zum Tod mehrere Leiden beigetragen, die nicht alle Schädigungsfolgen sind, dann ist unter Anwendung des versorgungsrechtlichen Ursachenbegriffs zu prüfen, ob die Schädigungsfolgen zumindest eine annähernd gleichwertige Bedeutung für den Eintritt des Todes hatten (AP Nr. 12). 337 In seltenen Fällen kann bei dieser Beurteilung auch der Zeitpunkt des Todes eine wichtige Rolle spielen, und zwar dann, wenn neben den Schädigungsfolgen ein schweres schädigungsunabhängiges Leiden vorgelegen hat, das nach ärztlicher Erfahrung ohne die Schädigungsfolgen noch nicht zu diesem Zeitpunkt, jedoch in einem späteren Stadium in absehbarer Zeit für sich allein zum Tode geführt hätte. In einem solchen Falle ist der Tod dann als Schädigungsfolge anzusehen, wenn der Beschädigte ohne die Schädigungsfolgen wahrscheinlich mindestens ein Jahr länger gelebt hätte. Auch eine wegen Schädigungsfolgen unterbliebene rechtzeitige ärztliche Behandlung kann Ursache des Todes sein (vgl. AP Nr. 12). 338 Zwischen der ärztlichen Behandlung und dem Tod ist ein ursächlicher Zusammenhang auch dann anzunehmen, wenn bei dieser Behandlung solche Maßnahmen unterblieben sind, die normalerweise hätten getroffen werden müssen und den Kranken wahrscheinlich gerettet hätten (vgl. RVGer. 3. Bd. S. 45 N r . 15).
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3. Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Schädigung und Gesundheitsstörung 339 Für die Annahme, daß eine Gesundheitsstörung Folge einer Schädigung ist, genügt versorgungsrechtlich die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Schädigung und Gesundheitsstörung. Sie ist gegeben, wenn nach der geltenden medizinischwissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (AP Nr. 4). 340 Grundlage für die medizinische Beurteilung sind die von der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung vertretenen Erkenntnisse über die Lehre von den Krankheitsursachen (Ätiologie) und der Krankheitsentstehung (Pathogenese). Es genügt nicht, daß ein einzelner Wissenschaftler eine Arbeitshypothese aufgestellt oder einen Erklärungsversuch unternommen hat. Es kommt auch nicht allein auf die subjektive Auffassung des beurteilenden Arztes an (AP Nr. 4). 341 Vielfach läßt allein der große zeitliche Abstand ohne Brückensymptome den ursächlichen Zusammenhang unwahrscheinlich erscheinen (AP Nr. 4). 342 Die angemessene zeitliche Verbindung bildet in der Regel eine Voraussetzung der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Andererseits kann die zeitliche Verbindung zwischen einer Gesundheitsstörung und dem schädigenden Ergebnis für sich allein die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs nicht begründen (AP Nr. 4). 343 Aus dem Umstand, daß der Zusammenhang der Gesundheitsstörung mit einem schädigenden Vorgang nach wissenschaftlicher Erkenntnis nicht ausgeschlossen werden kann, läßt sich nicht folgern, daß er darum wahrscheinlich sei. Ebensowenig kann das Vorliegen einer Schädigungsfolge bejaht werden, wenn ein ursächlicher Zusammenhang nur möglich ist (AP Nr. 4).
4. Unterbrechung des ursächlichen Zusammenhangs 344 Für den im Zivilrecht (§§ 249 bis 255 BGB) entwickelten Begriif der „Unterbrechung des Kausalzusammenhangs" ist in der im Versorgungsrecht geltenden Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung kein Raum (BSG, Urt. vom 2 4 . 2 . 1 9 6 1 — 11 R V 1352/58, vom 25. 4 . 1 9 6 1 — 11 R V 1008/60 — und vom 21. 5 . 1 9 6 3 — 9 R V
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738/59). Auch das „Verschulden" ist für die Beurteilung der „Wesentlichkeit" einer vom Beschädigten selbst gesetzten Bindung kein Maßstab (BSG, Urt. vom 18. 3 . 1 9 6 4 — 9 R V 738/59 —). 345 Das Verhalten des Geschädigten ist nicht schon deshalb die allein wesentliche Bedingung, weil diese Bedingung zeitlich die letzte ist und damit den „Erfolg" ausgelöst hat (BSG, Urt. vom 25. 4 . 1 9 6 1 — 11 R V 1008/60 —). Das Verhalten ist nicht nach Art und Grad des Verschuldens, sondern danach zu beurteilen, ob und inwieweit es für den Erfolg wesentlich gewesen ist. Danach kann ein fahrlässiges Verhalten des Beschädigten den Versorgungsschutz nicht schlechthin ausschließen; andererseits kann ein sdiuldhaftes eigenes Verhalten wesentliche Ursache im Rechtssinne für den Erfolg sein" und den Versorgungssdiutz ausschließen (BSG, Urt. vom 21. 5 . 1 9 6 3 — 9 R V 738/59 —). 346 An der Rechtsprechung des BGH, nach der die von sonstigen Beweisanzeichen unabhängige Fahruntüchtigkeit bei einem Blutalkohol von 1,5 °/oo beginnt (BGHSt. 5, 168 = N J W 54, 159; BGHSt. 10 265 = N J W 57, 1038), wird festgehalten. Kraftfahrer sind jedoch schon bei einem Blutalkoholgehalt von l,3°/oo unbedingt fahruntüchtig (4 StR 517/58 vom 6. 3.1959). Ein Kraftfahrer ist fahruntüchtig, wenn seine Gesamtleistungsfähigkeit, besonders infolge Enthemmung sowie geistig-seelischer und körperlicher (psychophysischer) Leistungsausfälle soweit herabgesetzt ist, daß er nicht mehr fähig ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke, und zwar auch bei plötzlichem Auftreten schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern (BGH, Urt. vom 6 . 3 . 1 9 5 9 — 4 StR 306/58 = 1959 S. 1047 Nr. 17).
X I X . Erwerbsfähigkeit 1. Begriff 347 Erwerbsfähigkeit im versorgungsrechtlichen Sinne bedeutet die Fähigkeit, die Arbeitskraft im allgemeinen Erwerbsleben wirtschaftlich zu verwerten. Nicht gleichbedeutend hiermit ist die Erwerbstätigkeit, deren Ergebnis der Verdienst ist. Der Verdienst kann nicht als Maßstab für die Bemessung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit dienen (AP Nr. 13). 348 Von der Erwerbsfähigkeit ist ferner die Erwerbsmoglichkeit zu unterscheiden, d. h. die Möglichkeit, die vorhandene und Wirtschaft-
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lieh verwertbare Arbeitsfähigkeit tatsächlich nutzbringend anzuwenden. Für die Beurteilung der Minderung der Erwerbsfähigkeit ist es unerheblich, ob und aus welchen Gründen trotz vorhandener Erwerbsfähigkeit ein Verdienst nicht erzielt wird (AP N r . 13).
2. Minderung der Erwerbsfähigkeit 349 a) Begriff. Nach dem Versorgungsrecht soll der Verlust an körperlichem, seelischem und geistigem Vermögen, gemessen durch die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) entschädigt werden, d. h. im allgemeinen sollen die Auswirkungen des durch schädigende Vorgänge bedingten Verlustes der anatomischen und funktionellen Intaktheit ausgeglichen werden. Eine Abwandlung erfährt dieser Grundsatz durch die Regelung nach § 30 Abs. 2 B V G , wonach die Minderung der Erwerbsfähigkeit höher zu bewerten ist, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, in seinem nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen ist, den er nach Eintritt der Schädigung ausgeübt hat oder noch ausübt (vgl. AP N r . 17). 350 Für die Beurteilung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben ist maßgebend, um wieviel die Befähigung zur üblichen, auf Erwerb gerichteten Arbeit und deren Ausnutzung im wirtschaftlichen Leben durch die als Folgen einer Schädigung anerkannten Gesundheitsstörungen beeinträchtigt sind. Nicht zu berücksichtigen sind vorübergehende Gesundheitsstörungen, Ereignisse, die erst in Zukunft erwartet werden sowie Gesundheitsstörungen, die zeitlich nach dem schädigenden Ereignis eingetreten sind und mit einer Schädigung nicht in Zusammenhang stehen. Als vorübergehend ist ein Zeitraum bis zu sechs Monaten anzusehen (VV N r . 1 zu § 30 BVG). 351 b) Bemessung. Die durch die Folgen der Schädigung bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit ist in Hundertteilen der Erwerbsfähigkeit des Beschädigten auszudrücken (VV N r . 2 Satz 1 zu § 30 BVG). Da sie ihrer Natur nach nur annähernd geschätzt werden kann, werden lediglich solche Werte festgesetzt, die durch 10 teilbar sind, in besonderen Fällen die durch 5 teilbaren Zwischenwerte (AP Nr. 14). 352 Hat bei Eintritt der Schädigung bereits eine meßbare Minderung der Erwerbsfähigkeit bestanden, so ist dieser Vorschaden nur
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dann mindernd zu berücksichtigen, wenn er an demselben Organsystem oder an derselben Gliedmaße vorgelegen hat. Dabei ist der Rentenbemessung unter Abwägung der Bedeutung des Vorschadens für die gesamte Gesundheitsstörung nur die Minderung der Erwerbsfähigkeit zugrunde zu legen, die dem Anteil der Schädigungsfolge an der Gesundheitsstörung entspricht. Dieser Anteil kann auch zur Erwerbsunfähigkeit führen, wenn bei einer Erwerbsunfähigkeit bedingenden Gesundheitsstörung der Anteil des Vorschadens unter ein Zehntel absinkt oder wenn die Gesundheitsstörung sich auch auf ein anderes Organsystem oder eine andere Gliedmaße auswirkt und dabei die schädigungsabhängigen Störungen schon Erwerbsunfähigkeit bedingen. Sind durch Vorschaden und Schädigungsfolge verschiedene Organsysteme oder Gliedmaßen betroffen und verstärkt der Vorschaden die schädigungsbedingte Funktionsstörung, so ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit unter Umständen höher zu bewerten, als es bei einem bisher voll Erwerbsfähigen im gleichen Schadensfall zu geschehen hätte (VV N r . 2 Sätze 2 bis 5 zu § 30 BVG). 353 Wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere Gesundheitsstörungen beeinträchtigt wird, ist eine einheitliche Rente festzusetzen, für deren Höhe die Gesamteinwirkung der Gesundheitsstörungen auf die Erwerbsfähigkeit maßgebend ist (VV N r . 3 zu § 30 BVG). 354 Für erhebliche äußere Körperschäden gelten folgende Mindestsätze: Vom Hundert
Schädelnarben mit Verlust von Knochenmasse ohne Funktionsstörungen des Gehirns Hirnbeschädigung mit stärkeren Funktionsstörungen Rückenmarksverletzung mit schweren Funktionsstörungen Verlust des Gaumens Erheblicher Gewebsverlust der Zunge Verlust des Kehlkopfes Völliger Verlust der Nase Abstoßend wirkende Entstellung des Gesichts Verlust beider Ohrenmuscheln Verlust oder Erblindung eines Auges bei voll gebrauchsfähigem anderen Auge Verlust oder Erblindung eines Auges und Herabsetzung der Sehschärfe des anderen Auges auf weniger als die Hälfte
30 50 70 30 30 50 50 50 30 30 50
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117 Vom Hundert
Völlige Taubheit Verlust oder dem Verlust gleidizuachtende Verletzung beider Hoden Verlust des männlichen Gliedes Künstlicher After
70 50 50 50
Verlust des Afterschließmuskels mit schwerem Mastdarmvorfall
50
Urinfistel mit Notwendigkeit, ein Urinal zu tragen
50
Verlust eines Armes im Schultergelenk oder mit sehr kurzem Oberarmstumpf Verlust eines Armes in der Mitte des Oberarmes oder im Ellenbogen
70
Verlust eines Armes in der Mitte des Unterarmes
50
80
Verlust einer ganzen Hand
50
Verlust aller Finger einer Hand
50
Verlust des ganzen Daumens einschließlich Mittelhandknochens einer Hand Verlust eines Beines im Hüftgelenk oder mit sehr kurzem Oberschenkelstumpf Verlust eines Beines im Bereich des Oberschenkels bis zur Kniehöhe (ζ. B. Amputation nach Gritti) Verlust eines Beines im Bereich des Unterschenkels bei genügender Funktionstüchtigkeit des Stumpfes und der Gelenke Verlust eines Beines im Bereich des Unterschenkels bei ungenügender Funktionstüchtigkeit des Stumpfes und der Gelenke Verlust beider Beine im Bereich der Unterschenkel bei Funktionstüchtigkeit der Stümpfe und der Gelenke Teilverlust des Fußes mit Erhaltung der Ferse (Absetzung nach Pirogow) bei gutem funktionellem Ergebnis einseitig beiderseitig Teilverlust des Fußes (Absetzung nach Chopart, Lisfranc, Sharp) einseitig beiderseitig Verlust aller Zehen an beiden Füßen
30 80 70
50
60 80 40 60 30 50 30
Anspruch auf Versorgung
118 355 Anhaltswerte N r . 145) für
sind
Kopf und Gesicht Gehirn Psychosen Rückenmark Sehorgane Hör- und Gleidigewiditsorgane Nase Mundhöhle und obere Luftwege Brustkorb, Lungen, Rippenfell Tuberkulose Sarkoidose Herz und Kreislauf
die festgesetzten Vomhundertsätze
§1 (AP
Wirbelsäule Brüche (Hernien) Magen, Darm Leber und Gallenwege Bauchspeicheldrüse Diabetes mellitus Harnorgane Männl. Geschlechtsorgane Weibl. Geschlechtsorgane Blut und retikulo-endotheliales System Haut Osteomyelitis Obere Gliedmaßen Untere Gliedmaßen.
356 Unerläßlich ist, daß alle leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet in jedem Einzelfall zu berücksichtigen sind. Je nach der besonderen Lage des Einzelfalles kann von diesen Hundertsätzen mit einer die besonderen Gegebenheiten darstellenden Begründung abgewichen werden (AP N r . 14, 145). 357 Schwankungen im Leidensablauf ist mit einer DurchschnittsM d E Rechnung zu tragen. Für zurückliegende Zeiträume mit unterschiedlichem Leidensumfang sind in der Regel unter Berücksichtigung markanter Ereignisse im Krankheitsverlauf DurchschnittsMdE-Sätze für jeweils mindestens sedis Monate zu bilden (AP N r . 14).
3. Erwerbsunfähigkeit 358 Sie liegt bereits vor, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit mehr als 90 v. H. beträgt. 359 Eine stationäre Behandlung begründet für sich allein nicht die Annahme von Erwerbsunfähigkeit. Entscheidend ist die Einbuße an Funktionsfähigkeit im Vergleich mit Dauerzuständen ähnlicher Art. Uber längere Zeit vorhandene Erschwernisse, auch seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen, können sich auf die MdE auswirken (AP N r . 14).
Antragstellung
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360 Stirbt ein Beschädigter innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt der Schädigung an der Schädigungsfolge, so ist Erwerbsunfähigkeit anzunehmen (AP N r . 14).
4. Schädigung und Tod 361 Fallen Schädigung und Tod zusammen, so kann eine MdE nicht angenommen werden. Schädigung und Tod fallen nicht nur zusammen, wenn beide Ereignisse in derselben Sekunde eintreten. Dies ist vielmehr auch dann der Fall, wenn die durch einen schädigenden Vorgang verursachte Gesundheitsstörung in so rascher Entwicklung zum Tode führt, daß bei natürlicher Betrachtungsweise Sdiädigung und Tod einen einheitlichen Vorgang darstellen. 362 Stirbt ein Beschädigter vor Ablauf von sechs Monaten nach Eintritt der Schädigung an einem von der Schädigung unabhängigen Leiden, dann richtet sich die MdE nach der Beeinträchtigung, die f ü r sechs Monate zu erwarten gewesen wäre (AP Nr. 14).
XIX. Antragstellung 1. Rechtsvorschriften 363 Für das Antragsverfahren gelten im wesentlichen folgende Rechtsvorschriften: § 2 VfG (Sachliche Zuständigkeit der Versorgungsämter) § 3 VfG (örtliche Zuständigkeit der Versorgungsämter) § 4 VfG (Verlegung des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthaltes) § 6 VfG (Antragstellung) — siehe auch § 16 SGB — § 7 VfG (Inhalt des Antrages) — siehe auch § 16 SGB — § 8 VfG (Beteiligte am Verfahren) § 9 VfG (Geschäftsfähigkeit des Antragstellers) § 10 VfG (Vertretung und Vollmacht) §11 VfG (Zuziehung Dritter) § 12 VfG (Sachaufklärung von Amts wegen) § 13 VfG (Eidesstattliche Versicherung) § 14 VfG (Gerichtliche Vernehmung) § 15 VfG (Fehlen von Unterlagen) § 16 VfG (Auskunfts- und Mitteilungspflicht) § 18 VfG (Folgen einer Weigerung) § 14 SGB (Beratung)
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§ 15 SGB (Auskunft) § 16 SGB (Antragstellung) — siehe auch §§ 6, 7 V f G — § 30 SGB Abs. 3, §§ 7, 9 bis 11 BGB (Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt) § 34 SGB (Anhörung Beteiligter) § 35 SGB (Geheimhaltung) § 36 SGB (Handlungsfähigkeit) § 60 SGB (Angabe von Tatsachen) § 61 SGB (Persönliches Erscheinen) § 62 SGB (Untersuchungen) § 6 3 SGB (Heilbehandlung) § 65 SGB (Grenzen der Mitwirkung) § 66 SGB (Folgen fehlender Mitwirkung) § 67 SGB (Nachholung der Mitwirkung)
2. Beratung 364 Jeder hat Anspruch auf Beratung über seine Redite und Pflichten. Zuständig für die Beratung sind die Leistungsträger, denen gegenüber die Redite geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind. Siehe hierzu auch § 25 a Abs. 2 BVG. 365 a) Begründung: Die Vorschrift gibt dem Bürger einen Anspruch auf umfassende Beratung durch den zuständigen Leistungsträger, der aufgrund seiner Sachkenntnis für diese Aufgabe am besten geeignet ist. Die Beratungspflicht erstreckt sich auf die sozialrechtlichen Fragen, die für den Bürger zur Beurteilung seiner Rechte und Pflichten von Bedeutung sind oder in Zukunft von Bedeutung sein können, soweit er hieran ein berechtigtes Interesse hat (BT-Drucksache N r . 7/868 zu § 14 SGB). 366 b) Recht auf Beratung. Das Recht des Ratsuchenden auf Beratung erstreckt sich auf alle Gebiete aus dem Zuständigkeitsbereich der angesprochenen Behörde. Im Einzelfall hat der Ratsuchende Anspruch auf eine Beratung, mit der — soweit erkennbar — alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften angesprochen werden, die auf den Beratungsgegenstand anwendbar sind. Die Beratung soll sich an dem jeweiligen Stand der Gesetzgebung, der Rechtsprechung, den in der Fachliteratur vertretenen Rechtsauffassungen und den hieraus abgeleiteten rechtlichen Erkenntnissen orientieren. Soweit Rechtsvorschriften unterschiedlich ausgelegt werden und die ratgebende Behörde sich noch keine eigene Rechtsmeinung hat bilden können, ist dies dem Ratsuchenden bekanntzugeben und, daß er eine insoweit erhaltene Beratung nicht als rechtsverbindlich erteilt bewerten könne.
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Antragstellung
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367 c) Recht auf Anhörung. Das Recht auf Beratung setzt das Recht auf Anhörung voraus. Dem Ratsuchenden muß ermöglicht werden, sein Anliegen vorzubringen, die ratgebende Behörde ist verpflichtet, hiervon Kenntnis zu nehmen und ratgebend tätig zu werden. Das Anhörungsrecht findet allerdings dort seine Grenze, wo die Ausführungen des Ratsuchenden über den Beratungsgegenstand den Zuständigkeitsbereich der Behörde und die ihr zumutbare Möglichkeit überschreiten, selbst beratend tätig zu werden. 368 d) Umfang der Beratung. Bei der Beratung sollte grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß der Ratsudiende sich an die zuständige Behörde wendet, weil er nidit oder nicht hinreichend über einschlägige Rechtskenntnisse verfügt, sich also nicht in der Lage sieht, den Sachverhalt rechtlich zutreffend zu erkennen und daraus die notwendigen Schlußfolgerungen zu ziehen. Die Beratung sollte sich daher nicht nur auf die Beantwortung von Fragen, auf die Behebung von Zweifeln oder die Richtigstellung nicht zutreffender Auffassungen beschränken. Vielmehr gebieten es die Sachkenntnis und die Fürsorgepflicht der Behörde gegenüber dem Ratsuchenden, von sich aus alles anzusprechen und verständlich zu erläutern, was nach dem jeweiligen Erkenntnisstand für die Begründung und für die Durchsetzung der Ansprüche erforderlich erscheint. Hierbei sollte auch bedacht werden, daß die Bereitschaft des Ratsuchenden, Informationen aufzunehmen, nicht immer die Fähigkeit einschließt, sie audi entsprechend zu verarbeiten und zu verwerten. 369 Bei der Antragstellung wird sich die Beratung in der Regel auf die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Leistungen, auf die Art der erforderlichen Beweismittel und ihre Beschaffungsmöglichkeit sowie auf Art, Umfang bzw. Höhe und Dauer der voraussichtlich zu erwartenden Leistungen erstrecken. Die hierfür einschlägigen materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften sollen dem Ratsuchenden zumindest insoweit bekanntgegeben und erläutert werden, als die erkennbaren Sachumstände dies erfordern. Hierzu gehört auch, daß er über seine Mitwirkungspflichten (§§ 60 bis 64 SGB), über die Grenzen seiner Mitwirkung (§ 65 SGB) sowie über die Folgen fehlender Mitwirkung (§ 66 SGB) und die Folgen verweigerter Mitwirkung (§18 VfG) aufgeklärt wird. Jede Beratung sollte auch eine Aussage darüber enthalten, welche weiteren Schritte zur Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens unternommen werden sollten und welche Reihenfolge hierfür als zweckmäßig empfohlen wird. Hierbei sollte der Ratsudiende audi darauf hingewiesen werden, daß die Versorgungsbehörde ihm während der gesamten
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Dauer des bei ihr anhängigen Verfahrens und einer eventuellen späteren Leistungsgewährung zur Raterteilung zur Verfügung steht, dies aber die Vertretung durch einen rechtskundigen Bevollmächtigten nicht ausschließt. 370 Die Beurteilung der Erfolgsaussichten eines Antrages sollte grundsätzlich nicht Gegenstand der Beratung sein, weil es hierzu gesicherter Beweiserkenntnisse bedarf, die in der Regel erst bei Abschluß des Verfahrens vorliegen dürften. Dies gilt naturgemäß nicht, wenn bei der Beratung zweifelsfrei zu erkennen ist, daß die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem B V G vorliegen oder daß sie, auch bei Beibringung weiteren Beweismaterials, nicht vorliegen werden. 371 e) Beratung in persönlichen Angelegenheiten. Im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung des Deutschen Bundestages wurde davon ausgegangen, daß sich die Beratung nicht auf eine Rechtsberatung beschränken solle, sondern die Beratung in persönlichen Angelegenheiten mit umfasse, soweit sie im Rahmen der Zuständigkeit des Leistungsträgers liege (BT-Drucksache Nr. 7/868 zu § 14 SGB). 372 Daß der Begriff „persönliche Angelegenheiten" in Verbindung mit einer Beratung nicht eng auszulegen ist, ergibt sich aus der Fürsorgepflicht der beratenden Behörde gegenüber dem Ratsuchenden. Grundsätzlich sind hierunter alle Angelegenheiten zu verstehen, welche die Privatsphäre des Ratsuchenden, seiner Angehörigen und sonstiger Personen berühren, die von den Folgen des schädigenden Vorgangs betroffen sind oder sein könnten, und zwar unabhängig von der Ratsuche im Zusammenhang mit diesem Gesetz. Betreffen persönliche Angelegenheiten aus diesem Geschehen andere Rechtsgebiete, so findet die Beratung ihre Grenze in der Zuständigkeit der Versorgungsbehörde. Das schließt jedoch nicht aus, daß sie alles ihr Zumutbare unternimmt, was geeignet ist, den Ratsuchenden in die Lage zu versetzen, sein Anliegen bei der sachlich zuständigen Behörde vorzubringen. Soweit erkennbar ist, daß der Ratsuchende — aus welchen Gründen auch immer — nicht oder nicht hinreichend fähig ist, insoweit tätig zu werden, wird ihm die hierzu erforderliche Unterstützung — gegebenenfalls auch durch fernmündliche oder schriftliche Vermittlung — zu gewähren sein. 373 Die Beratung soll auf das berechtigte Interesse des Ratsuchenden abgestellt sein. Unter berechtigtem Interesse ist ein Zweck zu verstehen, dessen Verfolgung vom gesunden Rechtsempfinden gebilligt wird. Es genügt ein erst der Begründung eines Rechts dienendes,
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verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse (vgl. § 193 StGB, § 824 BGB). Das berechtigte Interesse geht über ein rechtliches oder rechtlich geschütztes hinaus und kann auch ein rein wirtschaftliches oder familiäres Interesse umfassen. Es genügt, wenn es durch den Ausgang des Verfahrens berührt wird, es braucht dagegen nicht verletzt oder gefährdet zu werden. Das berechtigte Interesse muß aber stets an dem jeweils schwebenden Verfahren bestehen (VV zu § 8 VfG). 374 f) Beratungsform. Die Beratung kann mündlich oder schriftlich erfolgen. Welche dieser Möglichkeiten in Anspruch genommen wird, ist der Entscheidung des Ratsuchenden überlassen. Selbst wenn ein berechtigtes Interesse daran besteht, eine mündliche Beratung schriftlich bestätigt zu erhalten, hat der Ratsuchende hierauf keinen Anspruch, weil die mündliche Beratung — abgesehen von dem erheblichen Verwaltungsaufwand und den Kostenwirkungen bei einer schriftlichen Bestätigung — den Bedürfnissen des ratsuchenden Bürgers in der Regel in ausreichendem Maße Rechnung trägt. 375 g) Zuständigkeit. Soweit nach geltendem Recht die Beratung ausschließlich bestimmten Leistungsträgern zugewiesen ist (ζ. B. Berufsberatung und Arbeitsvermittlung nach dem Arbeitsförderungsgesetz), bleiben die Regelungen des § 14 SGB unberührt (vgl. BTDrucksache Nr. 7/868 zu § 15 SGB).
3. Auskunft 376 a) Begründung. Häufig kann der einzelne gar nicht übersehen, welche Sozialleistungen für ihn in Betracht kommen und an welchen Leistungsträger er sich wenden muß. Damit der, der Sozialleistungen in Anspruch nehmen will oder muß, nicht von einer Stelle an die andere verwiesen wird und durch die institutionelle Gliederung des Sozialleistungssystems Nachteile erleidet, sind ortsnahe Stellen notwendig, die einerseits engen Kontakt zum Bürger haben, andererseits aber der Vielseitigkeit der Aufgaben gewachsen sind, über alle sozialen Angelegenheiten Auskunft zu geben. 377 b) Der Umfang der Auskünfte, die die Auskunftsstellen zu geben haben, wird je nach den Umständen des Einzelfalles unterschiedlich sein. Während in allen Fällen zumindest der zuständige Leistungsträger benannt werden muß, dem nach § 14 SGB die umfassende Beratung obliegt, besteht in fachlichen Fragen eine Auskunftspflicht nur insoweit, als die Auskunftsstelle hinreichend sachkundig ist. Der Unterschied der Auskunftspflicht zu der in § 14
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SGB geregelten Beratungspflicht liegt vor allem in dieser Einschränkung sowie darin, daß die Auskunftsstellen über alle Sozialleistungsbereiche informieren müssen, die Beratung sich dagegen auf den jeweiligen Zuständigkeitsbereich des Leistungsträgers beschränkt (vgl. BT-Drucksache Nr. 7/868 zu § 15 SGB). 378 c) Sozialleistungsbereiche. Die Auskunftsstellen sind gehalten, über alle Sozialleistungsbereiche zu informieren. Hierzu gehören die Ausbildungsförderung, die Arbeitsförderung, das Schwerbehindertenrecht, das Recht der gesetzlichen Sozialversicherung (Krankenversicherung, Unfallversicherung, Rentenversicherung einschließlich der Altershilfe für Landwirte), das Versorgungsrecht bei Gesundheitsschäden, das Kindergeldrecht, das Wohngeldrecht, das Recht der Jugendhilfe, der Sozialhilfe und der Eingliederung Behinderter. 379 Bei der Benennung des zuständigen Leistungsträgers sollte zumindest dessen Anschrift, möglichst auch dessen Fernsprechanschlußnummer und die Sprechzeiten bekanntgegeben werden. Soweit bei der Behörde Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit ihrer Auskunft entstehen, soll sie nach Wegen suchen, um die erbetenen Auskünfte verläßlich vermitteln zu können. Hierzu gehören auch fernmündliche Informationen bei einer insoweit sach- und fachkundigen Stelle oder unmittelbar beim zuständigen Leistungsträger. Die Erfragung der für das Anliegen zuständigen Verwaltungseinheit (Dezernat, Abschnitt), gegebenenfalls auch des Sachbearbeiters, sollte grundsätzlich, in der Regel aber bei behinderten und älteren Mitbürgern vorgesehen sein, wenn und soweit hierdurch nicht unverhältnismäßig hohe Kosten (ζ. B. durch Ferngespräche) zu erwarten sind. 380 d) Grenzen der Auskunftspflicht. Art und Umfang der Auskünfte sind begrenzt durch die Bedeutung, die sie für den Auskunftsuchenden haben und durch die Fähigkeit der angesprochenen Stelle, sie zu erteilen. 381 Die Bedeutung, die der Vorsprechende der Auskunft beimißt, setzt die Unterrichtung der angesprochenen Stelle über Sinn und Zweck seines Anliegens voraus. Ob und inwieweit sie hierüber Auskünfte erteilen kann, hängt von dem Umfang der Kenntnisse ab, über die sie verfügt. Da aber ζ. B. die Auskunft darüber, wer zuständiger Leistungsträger ist, bereits klare Vorstellungen darüber voraussetzt, für welche Sachgebiete er zuständig ist, dürften weitere Auskünfte sich in der Regel in ergänzenden Hinweisen erschöpfen.
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Hierzu gehören ζ. B. die Benennung jener Stellen, die der Auskunftssuchende im Zusammenhang mit seinem Anliegen zusätzlich aufsuchen sollte oder müßte, ob und inwieweit Vordrucke erforderlich und auszufüllen sind, um Leistungen zu bewirken, wo sie erhältlich sind und, soweit dies nach Lage des Einzelfalles erwartet werden kann, Angaben zur Beachtung bestimmter Formalitäten und zur Einhaltung von Fristen sowie die Ausgabe einschlägiger Broschüren und Merkblätter. 382 e) Zuständigkeit. Die Auskunftspflicht ist den nach Landesrecht zuständigen Stellen sowie den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung (Orts-, Betriebs-, Innungskrankenkassen, Seekasse, knappschaftliche Krankenkasse, Ersatzkassen) übertragen. Soweit nach geltendem Recht die Erteilung von Auskünften ausschließlich bestimmten Leistungsträgern zugewiesen ist (ζ. B. Berufsberatung und Arbeitsvermittlung nach dem Arbeitsförderungsgesetz) bleiben diese Regelungen unberührt (vgl. BT-Drucksache Nr. 7/868 zu § 15 SGB).
4. Anträge 383 a) Allgemeines. Der Antrag ist materiell-rechtliche Voraussetzung des Anspruchs auf Versorgung. Er ist als auf alle nach Lage des Falles in Betracht kommenden Leistungen gerichtet anzusehen, es sei denn, daß er auf bestimmte Leistungen ausdrücklich beschränkt wird (VV Nr. 1 zu § 1 BVG). Ihm kommt als Tatbestandsmerkmal nach § 1 BVG sachlich-rechtliche Bedeutung zu, d. h. der Antrag muß gestellt werden, damit der Anspruch auf Versorgung entsteht (BSG, Urt. vom 23. 3.1956 — 10 RV 385/55 —). Mit dem Antrag wird an die Behörde das Ersuchen gerichtet, tätig zu werden. Einer ausdrücklichen Bezugnahme auf die einschlägigen Rechtsvorschriften bedarf es nicht. Wird die Gewährung von Leistungen beantragt, so sollen sie möglichst näher bezeichnet werden, zumindest aber soll dem Antragstenor oder der -begründung entnommen werden können, daß und welche Leistungen begehrt werden. Verschiedene der in § 9 BVG genannten Leistungen müssen besonders beantragt werden. 384 b) Auslegung. Antrag ist jede Erklärung, durch die jemand Versorgung allgemein oder bestimmte Versorgungsleistungen (§ 9 BVG) begehrt. Maßgebend ist nicht die Ausdrucksweise, sondern der unter Berücksichtigung aller Umstände erkennbare Wille des Antragstellers (VV Nr. 1 Satz 1 zu § 6 VfG). Dabei sind die mündlichen Erklärungen des Berechtigten nicht wörtlich, sondern so auszulegen, wie sie
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seinem wirklichen, aus Fragen und Antworten erkennbaren Willen entsprechen (BSG, Urt. vom 24. 8.1955 — BVBl. 1956 S. 7 Nr. 2). Ob eine nicht eindeutige Erklärung als Antrag zu betrachten ist, ist im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Zeitverhältnisse und des erkennbaren Willens des Erklärenden zu ermitteln (BSG, 7, 118, 120, 121). Wenn auch die Anmeldung nidit notwendig den „Antrag" umfaßt (BSG 2, 290, 282, 293), so bringt in der Regel derjenige, der einen Versorgungsanspruch anmeldet, damit zugleich zum Ausdruck, daß nach seiner Meinung die Tatbestandsmerkmale verwirklicht sind, die einen Anspruch auf Versorgung begründen, den er geltend machen, also beantragen will (Vorberg-Van Nuis, Anm. IV, 1 c zu § 7 VfG). 385 In Zweifelsfällen ist es eine Beweisfrage, ob der Vorsprechende es durch seine Verhaltensweise offengelassen hat, nur eine Auskunft oder eine Beratung zu erhalten oder ob seinen Äußerungen oder den vorliegenden Sachumständen hätte entnommen werden müssen, daß eine Antragstellung beabsichtigt war. Insoweit unterschiedliche Auffassungen zwischen Vorsprechendem und Behörde dürften sich insbesondere beim Einholen einer Auskunft bei einem nicht zuständigen Leistungsträger usw. (s. § 16 Abs. 2 SGB) ergeben. Zur Vermeidung der hieraus möglicherweise eintretenden Folgen für Auskunftsuchende und -erteilende dürfte es sich empfehlen, jede vor einer Antragstellung stattgefundene Vorsprache — wenn auch nur durch einen kurzen Vermerk — aktenkundig zu machen. Soweit aus einer solchen Vorsprache Anspruchsvoraussetzungen nach diesem Gesetz erkennbar sind, gilt sie als rechtswirksame Antragstellung. 386 c) Antragsteller ist derjenige, zu dessen Gunsten der Antrag gestellt wird, somit nicht derjenige, der kraft Gesetzes (gesetzlicher Vertreter, Vormund, Pfleger) oder aufgrund einer Vollmacht insoweit für den Geschädigten tätig wird. Durch die Unterscheidung zwischen Antragsteller und Versorgungsberechtigtem (§ 8 VfG) soll die Stellung des Geschädigten im Verwaltungsverfahren vor der Versorgungsbehörde zum Ausdruck kommen. Als Antragsteller wird der Geschädigte bezeichnet von der Antragstellung ab bis zur Entscheidung über seinen Versorgungsanspruch, als Versorgungsberechtigter, nachdem der Anspruch auf Versorgungsleistungen rechtsverbindlich anerkannt ist. 387 d) Antragsform. Der Antragsteller kann wählen, ob er den Antrag schriftlich oder mündlich stellen will. Für die schriftliche Antragstellung bestehen keine Formvorschriften. Der Antrag muß von
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dem Antragsteller weder selbst verfaßt noch geschrieben, soll jedoch von ihm oder seinem Bevollmächtigten unterschrieben sein. Ein schriftlicher Antrag liegt erst vor, wenn er beim Versorgungsamt oder einer der in § 16 Abs. 1 SGB genannten Stellen eingegangen ist. 388 Uber mündlich gestellte Anträge ist stets eine Niederschrift aufzunehmen, auch wenn dem Antragsteller ein Antragsvordruck zur Einreichung ausgehändigt wird. Die Niederschrift soll vom Antragsteller oder seinem Bevollmächtigten unterschrieben sein (VV Nr. 1 Sätze 2, 3 zu § 6 VfG). Die Verpflichtung der Behörde, hier weitgehendst Formulierungshilfe zu leisten, schließt nicht aus, vom Antragsteller ausdrücklich gewünschte Ausführungen — gegebenenfalls audi wortwörtlich — in die Niederschrift aufzunehmen. Der Antragsteller hat Anspruch auf Aushändigung einer Durchschrift oder einer Fotokopie der Niederschrift. 389 e) Antragstellung bei einem Versorgungsamt. Die Anträge in Versorgungsangelegenheiten sind schriftlich oder mündlich unter Aufnahme einer Niederschrift bei dem Versorgungsamt zu stellen, auch wenn für die Entscheidung das Landesversorgungsamt zuständig ist (§ 6 VfG, § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB). Wegen der Antragstellung bei anderen Leistungsträgern i. S. des SGB, bei Gemeinden und amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland siehe Rdn. 392 ff. 390 Die Anträge sind „bei dem" Versorgungsamt, grundsätzlich also bei jeder für die Kriegsopferversorgung zuständigen Behörde zu stellen, deren Aufgaben von einem Versorgungsamt wahrgenommen werden. Zuständig ist das Versorgungsamt, in dessen Bereich der Antragsteller (Geschädigter, Hinterbliebener) seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt hat. Für Antragsteller mit Wohnsitz oder ständigem Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes ist der Name ihres Heimatlandes usw. in Klammern () bei dem Versorgungsamt aufgeführt, das für sie zuständig ist. 391 Versorgungsämter bestehen für Baden-Württemberg in Freiburg, Sautierstraße 30 Heidelberg, Bergheimer Straße 69 Heilbronn, Bahnhofstraße 35 Karlsruhe, Kriegsstraße 103 (Portugal; Spanien auch dann, wenn
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der Antragsteller oder Versorgungsberechtigte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Spanien hat) Radolfzell, Sdieffelstraße 15 (Schweiz) Ravensburg, Weingarten, Lazarettstraße 2 (Europäisches Ausland, soweit ein anderes Versorgungsamt nicht zuständig ist) Rottweil, Johanniter Straße 16 Stuttgart, Fritz-Elsaß-Straße 30 Ulm, Grüner Hof 2 Bayern in Augsburg, Morellstraße 30 Bayreuth, Hegelstraße 2 Landshut, Friedhofstraße 7 a Mündien I, Heßstraße 89 (Österreich, Italien, Griechenland) München II, Heßstraße 104 Nürnberg, Bärenschanzstraße 8 a Regensburg, Landshuter Straße 55 Würzburg, Georg-Eydel-Straße 13 Berlin in Berlin 31, Sächsische Straße 28—30, Versorgungsamt I und II Bremen in Bremen, Parkstraße 58—60 (Amerikanische Staaten und Kanada) Hamburg in Hamburg-Altona, Altonaer Bahnhofsplatz 5 (Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, Irland, Türkei und außereuropäische Staaten — mit Ausnahme der amerikanischen Staaten und Kanada — und für Eltern von Beschädigten in den zur Zeit unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten) Hessen in Darmstadt, Bartningstraße 53 Frankfurt, Eschenheimer Landstraße 303 Fulda, Marquardstraße 23 (Albanien, Jugoslawien, Tschechoslowakei) Gießen, Lessingstraße 3 Kassel, Frankfurter Straße 84 A Marburg, Barfüßertor 1 Wiesbaden, Bierstadter Höhe 68
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Niedersachsen in Braunschweig, Bienroder Weg 80 Hannover, Gustiv-Bratke-Allee 2 Hildesheim, Goslarsche Straße 3 Oldenburg, Pferdemarkt 13 Osnabrück, Süsterstraße 46 Verden, Hospitalstraße 3/4, Eingang Marienstraße 3 Nordrhein-Westfalen in Aachen, Schenkendorfstraße 2—6 (Niederlande, Belgien) Bielefeld, Stapenhorststraße 62 Dortmund, Lindemannstraße 78 Duisburg, Am Freischütz 10 Düsseldorf, Roßstraße 92 Essen, Kurfürstenstraße 33 Gelsenkirchen, Vattmannstraße 2—8 (Rumänien, Witwen, Witwer und Waisen von Beschädigten in den zur Zeit unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten) Köln, Köln-Riehl, Boltensternstraße 2 Münster, von-Vincke-Straße 23—25 (Ungarn, Beschädigte in den zur Zeit unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten) Soest, Heinsbergplatz 13 Wuppertal-Barmen, Friedrich-Engels-Allee 76 Rheinland-Pfalz in Koblenz, Baedekerstraße 12—20 Landau, Reiterstraße 16 Mainz, Rheinstraße 4 Trier, Maximinhof (Luxemburg) Saarland in Neunkirchen, Linde-Allee Saarbrücken, Talstraße 43—47 (Frankreich) Saarlouis, Luxemburger Ring 4 Schleswig-Holstein in Heide, Neue Anlage 9 Kiel, Gartenstraße 7 Lübeck, Große Burgstraße 4 Schleswig, Seminarweg — Moltke-Kaserne — (Dänemark, Island, Schweden, Norwegen, Finnland)
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392 f) Antragstellung bei anderen Stellen. Anträge werden auch von allen anderen Leistungsträgern, von allen Gemeinden und bei Personen, die sich im Ausland aufhalten, auch von den amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland entgegengenommen (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB). 393 Begründung. Die Vorschrift zieht die notwendigen Folgerungen aus dem Grundsatz, daß der einzelne mit seinem Begehren nach Sozialleistungen nicht an Zuständigkeitsabgrenzungen innerhalb der gegliederten Sozialverwaltung scheitern darf. Im Inland können Sozialleistungen daher bei jedem Leistungsträger, der in einem der im Sozialgesetzbuch geregelten Bereiche Sozialleistungen erbringt (vgl. § 12 in Verbindung mit § § 1 8 bis 29 SGB), sowie bei allen Gemeinden beantragt werden, wobei audi die von ihnen betriebenen Krankenhäuser zur Entgegennahme von Anträgen befugt sind. Bei Personen, die sich ständig oder vorübergehend im Ausland aufhalten, nehmen audi die amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland Anträge entgegen. Weitergehende Regelungen, wonach Anträge bei allen deutschen Behörden gestellt werden können, sind bisher kaum praktisch geworden und erscheinen aufgrund des Gegenstandsbereichs des Sozialgesetzbuches unnötig und unzweckmäßig, zumal andere Stellen, die zur sachgerechten Antragstellung erforderliche Information nicht geben können und den zuständigen Leistungsträger oft nicht kennen (BT-Drucksadie Nr. 7/868 zu § 16 SGB). 394 „Andere Leistungsträger" sind jene, die zuständig sind für die Bereiche Arbeitsförderung, Ausbildungsförderung, Sozialversicherung (gesetzliche Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung einschließlich der Altershilfe für Landwirte), Kindergeld, Wohngeld, Jugendhilfe, Sozialhilfe und Eingliederung Behinderter. 395 In Gemeinden besteht die Pflicht zur Annahme von Anträgen bei allen Dienststellen und Behörden ihrer Verwaltung. Hierin sind — nach der Begründung — audi die von ihnen betriebenen Krankenhäuser eingeschlossen. Entsprechendes sollte audi für vergleichbare Einrichtungen, wie Hospitäler, Sanatorien, Heilstätten, Pflegeund Altenheime gelten. 396 den len. late,
Personen, die sich im Ausland aufhalten, können Anträge bei amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland stelHierzu gehören Botschaften, Gesandtschaften, GeneralkonsuKonsulate, Wahlkonsulate, Wahlvizekonsulate, Handelsvertre-
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tungen, Wirtschaftsdelegationen und Verbindungsstellen leiter-Hennig, Rdn. 8 zu § 6 VfG).
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397 Einen Antrag „zu stellen" bedeutet, daß der Antragsteller berechtigt ist, einen Antrag bei einer der zugelassenen Stellen anzubringen und — falls er es verlangt — ein Empfangsbekenntnis zu erhalten. Die Antragstellung bei einer unzuständigen Stelle (s. Rdnr. 398 ff.) ist unschädlich. Sich hieraus etwa ergebende Nachteile (ζ. B. unverhältnismäßig lange Laufzeit) muß der Antragsteller sich anrechnen lassen. 398 g) Weiterleitung von Anträgen. Fristwahrung. Anträge, die bei einem unzuständigen Leistungsträger, bei einer f ü r die Sozialleistung nicht zuständigen Gemeinde oder bei einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gestellt werden, sind unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Ist die Sozialleistung von einem Antrag abhängig, gilt der Antrag als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei einer der in Satz 1 genannten Stellen eingegangen ist (§16 Abs. 2 SGB). 399 Begründung. Mit dieser Vorschrift wird sichergestellt, daß der Antrag unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger gelangt und daß der Eingang des Antrags bei einem unzuständigen Leistungsträger, einer für die Sozialleistung nicht zuständigen Gemeinde oder einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland genügt, um Fristen zu wahren. Dies gilt auch für einen Antrag, der die zustehende Sozialleistung nicht genau bezeichnet und deshalb ausgelegt oder umgedeutet werden muß. Satz 2 fingiert nur die Einhaltung eines Zeitablaufs, nicht jedoch andere Voraussetzungen für Sozialleistungen, wie etwa die Kenntnis des Leistungsträgers nach § 5 Bundessozialhilfegesetz (BT-Drucksache N r . 7/868 zu § 16 SGB). 400 Die zur Antragsannahme verpflichteten, jedoch zu der beantragten Leistungsgewährung usw. nicht berechtigten Stellen haben die Anträge unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern an das zuständige Versorgungsamt weiterzuleiten. Andere als diese Behörden sind zwar kraft Gesetzes nicht verpflichtet, Anträge anzunehmen. In Einzelfällen ist aber davon auszugehen, daß sie sich einem entsprechenden Ersuchen nich verschließen, es sei denn, daß sich am O r t eine der in § 16 Abs. 1, 2 SGB genannten Einrichtungen befindet. Kommen diese Stellen dem jedoch nach, so obliegt auch ihnen die Pflicht zur unverzüglichen Weiterleitung an das zuständige Versorgungsamt.
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401 Der Antrag gilt als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei einer der Stellen eingegangen ist, die zur Annahme verpflichtet sind oder einen Antrag annehmen, ohne hierzu verpflichtet zu sein. Für die Behörden der Versorgungsverwaltung ist vorgeschrieben, daß der Antrag am Tage seines Einganges mit dem Eingangsstempel oder einem entsprechenden Vermerk zu versehen ist (vgl. V V Nr. 1 Satz 4 zu § 6 VfG). Entsprechendes muß für die im Satz 1 genannten Stellen gelten. Bei Behörden, deren Briefkästen nicht zu Mitternacht geleert und deren Eingänge nicht mit dem Datumsstempel des abgelaufenen Tages versehen werden, geht der Umstand, daß ein vor Mitternacht eingeworfenes Antragsschreiben erst mit dem Eingangsdatum des nächsten Tages versehen wird, zu Lasten des Antragstellers.
5. Inhalt der Anträge 402 Der Antrag soll die begehrten Leistungen bezeichnen und von dem Antragsteller, seinem gesetzlichen Vertreter oder seinem Bevollmächtigten mit Orts- und Tagesangabe unterzeichnet sein. Er soll ferner die Erklärung enthalten, daß ein gleichartiger Antrag bei einer anderen Verwaltungsbehörde nicht gestellt worden ist (§ 7 Abs. 1 VfG). Stellt die Verwaltungsbehörde fest, daß für den Antragsteller auch oder nur Leistungen einer anderen Stelle in Frage kommen können, so soll sie den Antragsteller alsbald auf diese Möglichkeit hinweisen und ihm anheimstellen, sie zu beantragen (VV Nr. 1 zu § 7 VfG). 403 Erforderliche Angaben. Die für den Inhalt eines Antrages erforderlichen Angaben sollen, sie müssen aber nicht vorliegen. Für den Antrag genügt es daher im allgemeinen, wenn der Antragsteller wenigstens im Umriß die von ihm begehrte Leistung näher bezeichnet. Nach dem Zweck des Antrages muß für die Versorgungsbehörde erkennbar sein, welche Leistungen der Antragsteller begehrt, selbst wenn der Inhalt des Antrages erst durch ein weiteres Verhandeln mit ihm nachträglich geklärt oder ergänzt wird. 404 Die Rechtswirksamkeit des Antrages steht also nicht in Frage, wenn die erforderlichen Angaben fehlen oder nicht vollständig sind. Soweit erforderlich, ist dem Antragsteller aufzugeben, fehlende Angaben nachzuholen oder unvollständige Angaben zu ergänzen. Das gilt auch für die Erklärung, ob ein gleichartiger Antrag bereits
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anderweitig gestellt worden ist. Wird sie wissentlich unrichtig abgegeben, so werden hierdurch zu Unrecht empfangene Versorgungsleistungen zurückgefordert. Außerdem bleibt dabei zu prüfen, ob der Straftatbestand des Betruges erfüllt ist (vgl. Schönleiter-Hennig, Rdn. 6 zu § 7 VfG). 405 Die Versorgungsbehörde ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß unverzüglich klare und sachdienliche Anträge gestellt und unvollständige Angaben ergänzt werden ( § 1 6 Abs. 3 SGB), auch, daß der Antragsteller sie begründet ( § 1 6 Abs. 3 SGB, § 7 Abs. 2 VfG). Sie hat zu prüfen, ob der Antragsteller alle erforderlichen Tatsachen und Beweismittel angegeben hat. Reichen die Angaben des Antragstellers nicht aus, um eine Aufklärung des Sachverhalts und eine Entscheidung zu ermöglichen, so hat sie darauf hinzuwirken, daß der Antragsteller sachdienliche Anträge stellt, sie begründet und gegebenenfalls ergänzt. Das kann durch eine schriftliche Aufforderung oder eine mündliche Erörterung unter Aufnahme einer Niederschrift geschehen. Alle noch offenen Fragen sind, um vermeidbare Rückfragen auszuschließen, möglichst gleichzeitig zu behandeln (vgl. V V 2 zu § 7 VfG). 406 Das Tätigwerden der Behörde setzt voraus, daß der Geschädigte entweder den Willen zur Antragstellung bekundet oder daß er einen entsprechenden Antrag bereits gestellt hat. Zwar ist ein Antrag auf Versorgung als auf alle nach Lage des Falles in Betracht kommenden Leistungen nach dem B V G gerichtet anzusehen. Da aber nach § 9 B V G verschiedene Leistungen vorgesehen sind, die — falls die Voraussetzungen hierfür vorliegen — besonders beantragt werden müssen, ist nach entsprechender Beratung zu erwarten, daß audi insoweit klare und sachdienliche Angaben in den Anträgen gemacht werden. Der Antragsteller ist darauf hinzuweisen, daß er — in eigenem Interesse — gehalten ist, diese Angaben unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern zu machen. Bei dennoch nicht klaren und nicht sachdienlichen Angaben oder nicht hinreichend begründeten Anträgen setzt — soweit dies im Einzelfall erforderlich erscheint — eine über die Beratungspflicht hinausgehende Beistandspflicht für die Versorgungsbehörde ein. Sie kann sich ζ. B. darin darstellen, daß insbesondere bettlägrige und nicht gehfähige Antragsteller am O r t ihres Aufenthalts aufgesucht werden, um die Anträge den Erfordernissen entsprechend zu formulieren. Die Hinzuziehung einer Person des Vertrauens sollte dabei gestattet sein.
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407 Wird eine Aufforderung der Verwaltungsbehörde zur Ergänzung des Antrages oder der Begründung vom Antragsteller, seinem gesetzlidien Vertreter oder seinem Bevollmächtigten nicht beantwortet, so ist ihm schriftlich eine angemessene Frist mit dem Hinweis zu setzen, daß im Falle der Nichtbeantwortung trotz Unvollständigkeit des Antrags nach Lage der Akte entschieden werden kann (§ 7 Abs. 3 VfG). Als angemessene Frist zur Beantwortung von Anfragen durch den Antragsteller ist im allgemeinen ein Zeitraum bis zu einem Monat anzusehen. Macht er glaubhaft, daß die gesetzliche Frist nicht ausreicht, so ist sie entsprechend zu verlängern und eine neue Frist zu gewähren ( W Nr. 3 zu § 7 VfG). Werden die notwendigen tatsächlichen Angaben trotz Aufklärung und Aufforderung mit Fristsetzung und Hinweis auf die Folgen nicht erbracht, so ist, wenn eine Aufklärung des Sachverhalts nicht möglich ist, über den Antrag nach dem Inhalt der Akten zu entscheiden. Eine Ablehnung ist darauf zu stützen, daß der Antrag sachlich nicht begründet ist; in den Gründen ist auch darauf hinzuweisen, daß der Antragsteller der Aufforderung zur Ergänzung trotz Fristsetzung und Hinweises auf die Folgen nicht nachgekommen ist und eine Aufklärung von Amts wegen nicht möglich war (VV N r . 4 zu § 7 VfG.)
6. Rücknahme des Antrags 408 Ein Antrag kann bis zur Zustellung des hierauf gerichteten Bescheides zurückgenommen werden. Einer Begründung bedarf es nicht. Die Antragsrücknahme bedeutet keinen Verzicht auf Versorgungsansprüche. Zurückgenommene Anträge können erneut gestellt werden. 409 Rüdenahmeerklärungen sind einseitige empfangsbedürftige Willenserklärungen. Bei ihrer Auslegung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften (vgl. § 133 BGB). Der Rücknahmewille kann aber auch aus schlüssigem Verhalten geschlossen werden, etwa, wenn dies nicht unmittelbar in der Erklärung zum Ausdruck kommt, aber Handlungen vorgenommen werden, die mittelbar den Schluß zulassen, daß die Rücknahme gewollt ist. Das bloße Schweigen ist grundsätzlich keine Willenserklärung. Ihr kommt diese Wirkung jedoch zu, wenn der Berechtigte verpflichtet gewesen wäre, seinen gegenteiligen Willen zum Ausdruck zu bringen (RG 145, 94; BGH 1, 355; MDR 70, 136).
§ 2
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Versagungsgründe
§2 Versagungsgründe
(1) Leistungen sind zu versagen, wenn der Geschädigte die Schädigung verursacht hat oder wenn es aus sonstigen, insbesondere in dem eigenen Verhalten des Anspruchstellers liegenden Gründen unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren. (2) Leistungen können versagt werden, wenn der Geschädigte es unterlassen hat, das ihm Mögliche zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Verfolgung des Täters beizutragen, insbesondere unverzüglich Anzeige bei einer für die Strafverfolgung zuständigen Behörde zu erstatten.
Rdnr.
I. Versagungsgründe
1. Verursachte Schädigung 2. Unbilligkeit
1 4
Begründung Umfang der Mitwirkung Mitwirkung im einzelnen Grenzen der Mitwirkung
27 28 29
III. Leistungen und ihre Versagung
II. Mitwirkung 1. 2. 3. 4.
Rdnr. 5. Folgen fehlender Mitwirkung . . . . 6. Nachholen der Mitwirkung 7. Strafanzeige
12 13 15 17
1. 2. 3. 4.
Leistungen Versagungsgründe Entscheidungsgrundlagen Leistungsausschluß
38 39 40 42
I. Versagungsgründe 1. Verursachte Schädigung 1 a) Begründung. Leistungen sind zu versagen, wenn der Geschädigte die Schädigung verursacht hat. Verursachung ist hier im Sinne der im Versorgungsrecht durchweg geltenden Kausaltheorie der wesentlichen Bedingung zu verstehen. Der Geschädigte muß also eine wesentliche Bedingung für den Eintritt der Schädigung gesetzt haben. Das ist ζ. B. der Fall, wenn der Geschädigte den Angriff schuldhaft herausgefordert hat oder wenn er das Opfer einer Schlägerei geworden ist, in die er nicht ohne eigenes Verschulden hineingezogen worden war (vgl. BT-Drucksache N r . 7 / 2 5 0 6 zu § 2 OEG). 2 b) Verursachung. Der Geschädigte muß die Schädigung verursacht haben. Als verursacht ist eine Schädigung ζ. B. anzusehen, wenn der Geschädigte sich die Schädigung selbst beigebracht hat, wenn er Opfer einer von ihm begangenen Straftat (ζ. B. eines Sprengstoffanschlages) wird oder wenn er schuldhaft einen Angriff
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Versagungsgründe
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provoziert hat oder Opfer einer Schlägerei geworden ist, in die er nidit ohne eigenes Verschulden hineingezogen wurde. Vom Geschädigten verursacht ist eine Schädigung aber auch dann, wenn er eine andere Person — ggf. durch Nötigung oder Erpressung — veranlaßt hat, die Schädigung an ihm vorzunehmen. Das gleiche gilt, wenn der Geschädigte sich vor, während oder nach einer von ihm nicht verursachten schuldhaft eine weitere Schädigung beigebracht hat oder hat beibringen lassen. Eine verursachte Schädigung liegt auch vor, wenn sie zwar ohne Mitwirken des Geschädigten eingetreten ist, er sie aber nicht verhindert hat, obwohl ihm dies nach den Gesamtumständen des Herganges möglich und zumutbar gewesen wäre. 3 c) Schuldhaftes Handeln. Der Geschädigte hat selbst eine wesentliche Bedingung gesetzt, wenn er schuldhaft gehandelt hat. Mit dem Urteil der Schuld wird dem Geschädigten vorgeworfen, daß er sich für das Unrecht entschieden hat, obwohl er sich rechtmäßig verhalten, sich also für das Recht hätte entscheiden können (vgl. BGHSt. 2, 200). Gegenstand des Schuldvorwurfs ist damit im wesentlichen die fehlerhafte Willensbildung des Geschädigten, die darin besteht, daß er sich nicht zu einem rechtmäßigen Handeln hat motivieren lassen, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre, weil er sowohl das Unrecht der Tat hätte einsehen als auch nach dieser Einsicht hätte handeln müssen (vgl. Schönke-Schröder vor §§13 ff. StGB).
2. Unbilligkeit 4 a) Begründung. Die Versorgungsbehörden und ggf. die Gerichte müssen auch die Möglichkeit erhalten, Leistungen zu versagen, wenn ihre Gewährung mit Rücksicht auf das eigene Verhalten des Anspruchstellers unbillig wäre. Das Verhalten des Anspruchstellers, das zum Ausschluß führt, kann in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis stehen, ohne daß der Anspruchsteller eine wesentliche Bedingung für den Eintritt der Schädigung selbst gesetzt haben muß. Wer bei der Begehung einer Straftat Opfer eines tätlichen Angriffs wird, der mit der beabsichtigten Straftat keinen Zusammenhang hat, soll keinen Anspruch auf Versorgung haben. Dies muß auch für Fälle gelten, in denen zwar ein zeitlicher und örtlicher Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Verhalten des Anspruchstellers fehlt, es gleichwohl aber nicht gerechtfertigt wäre, ihm Versorgung zu ge-
Versagungsgründe
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währen. Wer sich als Zuhälter, Rauschgifthändler oder sonst in krimineller Weise betätigt und Opfer der auf solchen Gebieten herrschenden Rivalität unter Konkurrenten wird, soll keinen A n spruch haben, aus öffentlichen Mitteln versorgt zu werden. Denkbar ist audi ein Verhalten, das nach dem schädigenden Ereignis liegt, ζ. B. wenn der Geschädigte den Täter begünstigt oder es schuldhaft unterläßt, den Eintritt des Schadens abzuwenden oder den Schaden zu mindern, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre (vgl. BT-Drucksache Nr. 2/2056 zu § 2 O E G ) . 5 b) Tatbestände. Leistungen sind zu versagen, wenn es aus sonstigen, insbesondere in dem eigenen Verhalten des Anspruchstellers liegenden Gründen unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren. Damit sollen Fälle erfaßt werden, in denen der Geschädigte zwar keine wesentliche Bedingung für das Eintreten der Schädigung gesetzt hat, aber Versorgungsleistungen gleichwohl nicht gerechtfertigt erscheinen. Eine Entschädigung zu gewähren wäre unbillig, wenn sie dem Zweck des Gesetzes, unschuldigen Opfern zu helfen, widersprechen oder wenn sie im Ergebnis (auch) dem Täter zugute kommen oder wenn sie sozialfeindliches oder sozialschädliches Verhalten honorieren würde (vgl. Sdiätzler, S. 68). 6 Hier kommt es nicht nur auf das Verhalten des Anspruchstellers an. Sind Anspruchsteller und Opfer nicht identisch (Hinterbliebene des getöteten Opfers beantragen Versorgung), so ist nicht nur das Verhalten der Anspruchsteller, sondern audi das des Opfers zu werten. Dies folgt aus dem Wort „insbesondere", das hier das vornehmlich in Betracht kommnede Beispiel hervorhebt, aber andere Versagungsgründe, auch solche objektiver Art, nicht ausschließt (Schätzler, a. a. O.). 7 Dem eigenen Verhalten ist alles zuzuredinen, was sich mit Wissen und Wollen des Betroffenen unmittelbar oder mittelbar auf das schädigende Ereignis und alle Vorgänge ausgewirkt hat, die dem vorangegangen oder gefolgt sind. Dazu gehört ζ. B. die Teilnahme an der Tat als Mittäter, Anstifter oder Gehilfe (§§ 25 bis 27 StGB). Zur Tatbeteiligung zählen ζ. B. das Auskundschaften des Tatortes, die Herstellung oder Beschaffung von Tat- und Tathilfswerkzeugen einschließlich dem Diebstahl von Kraftfahrzeugen, die Herstellung oder Beschaffung von Munition und deren Bestandteilen sowie von Ausweisen, Stempeln, polizeilichen Kraftfahrzeugkennzeichen und deren Fälschung, die Vorbereitung des Fluchtweges und die Bereitstellung von Unterschlupf für die Tatbeteiligten. Ein Leistungsaus-
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Versagungsgründe
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schluß ist auch begründet, -wenn der Täter begünstigt wurde, ζ. B. durch Sicherung der Vorteile der Tat, durch Fluchthilfe, Beeinflussung von Zeugen, Gewährung von Unterkunft mit dem Ziel, den Täter dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden zu entziehen, durch Irreführung der Behörden bei der Tätersuche oder -beschreibung oder durch Befreiuung des Täters aus der Untersuchungs- oder Strafhaft. Entsprechendes gilt, wenn es schuldhaft unterlassen wurde, den Eintritt des Schadens abzuwenden oder ihn zu mindern, obwohl dies nach den Umständen des Falles möglich gewesen wäre. 8 Unter sonstigen Gründen werden insbesondere jene zu verstehen sein, die aus einem einschlägigen kriminellen Vorleben herzuleiten sind. So soll derjenige, der gewohnheitsmäßig die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch kriminelle Handlungen stört, keinen Anspruch auf Gewährung von Versorgung haben. Hierzu zählen in erster Linie Straftaten gegen Leib und Leben von Menschen oder gegen die persönliche Freiheit, dies insbesondere dann, wenn sie mit gemeingefährlichen Mitteln begangen wurden. Auch wer bei der Begehung einer Straftat Opfer eines tätlichen Angriffs wird, der mit der beabsichtigten Straftat keinen Zusammenhang hat, soll keinen Anspruch auf Versorgung haben. Ein Leistungsausschluß kann aber auch begründet sein, wenn der Geschädigte oder — mit seinem Wissen und Wollen — andere Personen als Mittäter eine vergleichbare Tat geplant oder vorbereitet haben und die hierfür getroffenen Maßnahmen sich nicht auf diese Tat, sondern auf das schädigende Ereignis ausgewirkt haben. Ein sonstiger Grund liegt auch vor, wenn Anspruch auf Doppelversorgung besteht. 9 Ein Leistungsausschluß soll auch für bestimmte Randgruppen, so für Zuhälter, Rauschgifthändler und Personen vorgesehen sein, die sich sonst in krimineller Weise betätigen und Opfer der auf solchen Gebieten herrschenden Rivalität unter Konkurrenten werden (s. Rdnr. 4). Ob jeder Zwang oder die Neigung zu tätlichen Auseinandersetzungen einen Verhaltensgrund darstellt, der den Leistungsausschluß rechtfertigt, kann dahinstehen. In diesen Fällen bliebe aber jeweils zu klären, ob ein Straftäter wegen seiner „Interessen" ζ. B. als Zuhälter oder aus einem anderen Grunde in eine tätliche Auseinandersetzung geraten ist. Die Erfahrung lehrt, daß die Beweggründe für Straftaten gerade dieses Personenkreises in der Mehrzahl ungeklärt bleiben. Auf einen Leistungsausschluß wird also nur dann erkannt werden können, wenn zweifelsfrei feststeht, daß der Tat oder der Tatbeteiligung ein Motiv zugrunde liegt, das sich aus einer einschlägigen kriminellen Veranlagung oder entsprechen-
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den Vorstrafen des Geschädigten ergibt, und daß es in diesen Kreisen üblich ist, Auseinandersetzungen um „Markt"-Anteile tätlich auszutragen. 10 c) Unbilligkeit. Für die Entscheidung über die Gewährung einer Entschädigung bedarf es nicht der offenbaren Unbilligkeit (ζ. B. nach § 319 BGB). Es genügt bereits, daß es unbillig wäre, einen Leistungsanspruch anzuerkennen, wenn das Verhalten des Geschädigten oder sonstige Gründe dies nicht rechtfertigen. 11 Der Begriff »unbillig" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Seine Auslegung erfährt er durch die Bewertung der berührten Interessen — hier die der Allgemeinheit und die des Geschädigten — und deren Abwägung gegeneinander. Da es für die Anwendung dieses Begriffes somit keine objektiven Maßstäbe gibt, ist der Verwaltung ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Sie hat zwar nicht die Wahl zwischen zwei Entscheidungen, wohl aber das Recht und die Pflicht, durch Wertung des Sachverhalts die vom Gesetzgeber gewollte „richtige" Entscheidung zu treffen. Dies ist in der Regel der Fall, wenn die Entscheidung verfahrensfehlerfrei ist, bei ihr alle wesentlichen Tatsachen berücksichtigt sind und allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe (ζ. B. der Gleichheitsgrundsatz) nicht verletzt wurden (vgl. BVerwG in DVBl. 62, 179; 64, 320). Auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens besteht ein Anspruch (vgl. § 39 SGB).
II. Mitwirkung 1. Begründung 12 Ob eine den Versorgungsanspruch begründende Tat im Sinne des § 1 vorliegt, ist immer Beweisfrage. Die Versorgungsämter müssen über zureichende Unterlagen für ihre Beurteilung verfügen können. Hier kommen in erster Linie die Ergebnisse polizeilicher Ermittlungen in Betracht. Deshalb soll, wer Entschädigung beantragt, gehalten sein, den Strafverfolgungsbehörden ohne schuldhaftes Zögern Anzeige zu machen und darüber hinaus an der Sachaufklärung mitzuwirken. Tut ein Geschädigter das nicht, verweigert er etwa grundlos die Aussage, macht er unzutreffende Angaben, verzögert er die Ermittlungen oder die Aufklärung von wesentlichen Tatumständen, so muß die Versorgungsbehörde die Möglichkeit haben, nach ihrem Ermessen Leistungen zu versagen. Hier ist jedoch keine zwingende Vorschrift, sondern eine flexible Kann-
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Bestimmung am Platz; sie erlaubt den Versorgungsbehörden, Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen (BT-Drucksache Nr. 7/2506).
2. Umfang der Mitwirkung 13 Der Geschädigte hat das Mögliche zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Verfolgung des Täters beizutragen. Möglich ist, was den Naturgesetzen nicht widerspricht. Möglich ist zwar nicht gleichzusetzen mit zumutbar, denn was möglich ist, kann sehr wohl den Rahmen des Zumutbaren überschreiten. Da aber der Gesetzgeber mit der Zumutbarkeit die Grenze benannt hat, die zur Wahrung der Persönlichkeitssphäre und der körperlichen Integrität des einzelnen erforderlich ist (Begründung zu § 65 SGB), darf mit dem Möglichen nicht das Maß des Zumutbaren überschritten werden. 14 Was dem Geschädigten als möglich zugemutet werden kann, orientiert sich an seinen Fähigkeiten und dem insoweit aufgebrachten Handlungswillen. Hieran ist das — zumutbare — Ausmaß seiner Mitwirkung zu messen. Nicht das Mögliche beigetragen zu haben, heißt jedoch nicht, daß der Geschädigte überhaupt nicht mitgewirkt hat. Vielmehr ist der Mitwirkung solange nidit Genüge getan, als sie zur Aufklärung des Sachverhalts oder zur Verfolgung des Täters nicht ausreicht. Allerdings ist das Maß der Mitwirkung stets an dem Gesamtumfang des aufklärungsbedürftigen Sachverhalts und dem Anteil zu messen, der der Behörde hieran zukommt (s. § 12 Abs. 1 Satz 1 VfG). Hierbei bleibt insbesondere die Vorschrift des § 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB zu beachten, wonach die Mitwirkungspflicht nicht besteht, soweit der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann.
3. Mitwirkung im einzelnen 15 a) Zur Aufklärung des SadiVerhalts hat der Geschädigte alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, Beweismittel zu bezeichnen und vorzulegen und auf Verlangen der Behörde der Erteilung der erforderlichen Auskünfte (s. auch § 12 Abs. 2, § 16 Abs. 1 VfG) und der Vorlage von Beweisurkunden zuzustimmen. Weiterhin soll der Geschädigte auf Verlangen der Behörde zur mündlichen Erörterung des Antrags und zur Vornahme anderer für die Entscheidung über die Leistung notwendiger Maßnahmen persönlich erscheinen (§ 61 SGB). Die Mitwirkung
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umfaßt somit alles, was den Tathergang und seine Folgen unmittelbar und mittelbar betrifft. Dazu gehören insbesondere Angaben über den Tatort, wenn möglich mit Lageskizze, über die Tatzeit, den Tatvorgang, über tatsächliche oder vermutete Tatmotive, über die Art der Tatwerkzeuge, die Benennung von Tatzeugen oder solchen, die zu den Geschehnissen Auskunft geben können und über die Art der erlittenen Schädigung. 16 b) Zur Verfolgung des Täters hat der Geschädigte insbesondere dessen Namen, die Namen von Mittätern, Gehilfen oder Tatverdächtigen und deren tatsächliche oder vermutete Aufenthaltsorte zu benennen, ferner, falls der Täter flüchtig ist, dahin mitzuwirken, daß seine Ergreifung ermöglicht wird. Kennt der Geschädigte den Täter nicht, hat er ihn aber optisch wahrgenommen, so ist er im Rahmen seines Erinnerungsvermögens verpflichtet, zur Personenbeschreibung beizutragen. Die Mitwirkungspflicht ist nicht erst damit erfüllt, daß der Täter ergriffen wird. Es genügt der glaubwürdige Nachweis, daß der Geschädigte alles ihm Zumutbare zur Verfolgung des Täters getan hat.
4. Grenzen der Mitwirkung 17 a) Tatbestandsvoraussetzungen. Die Aufklärung des Sachverhalts und die Verfolgung des Täters sind zwei Tatbestandsvoraussetzungen. Hinsichtlich der Mitwirkung des Geschädigten bilden sie jedoch dann nur eine Tatbestandsvoraussetzung, wenn die Verfolgung — und damit die Ergreifung — des Täters sich auch sachaufklärend auswirkt. Das ist ζ. B. der Fall, wenn Zweifel an dem Tathergang und damit am Zustandekommen des schädigenden Ereignisses nur durch die Aussage des Täters behoben werden können. Die Sachaufklärung im engeren und die Verfolgung des Täters in diesem Sinne sind somit identisch mit dem Pflichtenkatalog des § 60 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGB. Die Vorschriften des § 65 SGB (Grenzen der Mitwirkung) sind deshalb entsprechend anzuwenden. 18 b) Die Mitwirkungspflicht besteht nicht, wenn die Voraussetzungen des § 65 SGB erfüllt sind. Soweit es die Pflicht zur Sachaufklärung und das Beitragen zur Verfolgung des Täters angeht, ist § 65 Abs. 1 Nr. 2 von Bedeutung, wonach die Mitwirkungspflichten nicht bestehen, soweit ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann. Nach § 65 Abs. 3 SGB können Angaben, die den Antragsteller, den Leistungsberechtigten oder ihnen nahestehende Personen (§ 383 Abs. 1 N r . 1 bis 3
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Zivilprozeßordnung) der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen, verweigert werden. 19 c) Unzumutbarkeit. Die Mitwirkungspflichten — hier insbesondere die Sachaufklärung und das persönliche Erscheinen — bestehen nicht, soweit ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann. Ein wichtiger Grund wird bei Gefahr für Leib und Leben und in der Regel immer dann anzunehmen sein, wenn andere Umstände sich — unmittelbar oder mittelbar — nachteilig auf den Betroffenen auswirken können und es für ihn nicht zumutbar ist, deren Folgen hinzunehmen. Das kann ζ. B. der Fall sein, wenn eine Ehefrau, die von ihrem Ehemann im Sinne des § 1 OEG geschädigt worden ist, vorbringt, sie befürchte, daß er sich wieder zu Gewalttätigkeiten hinreißen lasse, wenn er erfährt, daß sie seinen Namen oder seinen derzeitigen Aufenthaltsort bekanntgibt. Entsprechendes kann auch gelten, wenn ein Ausländer einwendet, Gefahr für Leib und Leben sei aus einer Sippenhaftung oder — wegen Ehrenkränkung bei Verdächtigung eines Tatunschuldigen — aus Blutrache unabwendbar. Als nicht zumutbar kann auch die Gefahr der Nötigung, der Erpressung oder der Denunzierung mit nachhaltigen wirtschaftlichen Nachteilen gewertet werden. Es ist nicht erforderlich, daß der Betroffene selbst diesen Gefahren ausgesetzt sein muß; es genügt, wenn andere, insbesondere nahestehende Personen davon bedroht sind. Soweit diese Personen nicht dem in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO genannten Personenkreis angehören, kann es auch nicht zumutbar sein, deren Namen preiszugeben, wenn sie dadurch der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten ausgesetzt werden. Hierzu gehören ζ. B. Lebensgefährten und andere Personen, zu denen eine starke persönliche Bindung besteht. Auch erhebliche Bedenken gegen eine Krankenanstalt oder einen Arzt ist nachzugehen, weil es nicht zumutbar sein kann, sich einem Arzt anzuvertrauen, der den Betroffenen bereits einmal falsch behandelt hat (Hauck-Haines, Rdn. 8 zu § 65 SGB). 20 Das persönliche Erscheinen kann nicht zumutbar sein, wenn der physische oder psychische Zustand des Betroffenen dies nicht zuläßt oder — falls von einer Vernehmung auf dem Wege der Amtshilfe nicht Gebrauch gemacht wird —, wenn der zeitliche und finanzielle Aufwand bei Uberwindung größerer Entfernungen in keinem angemessenen Verhältnis zu den Ergebnissen steht, die durch eine Aussage bei persönlichem Erscheinen zu erwarten sind. Soweit die
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Weigerung mit der Unabkömmlichkeit vom Arbeitsplatz oder von der Wohnung (ζ. B. wegen Betreuung einer hilflosen Person) begründet wird, muß der Behörde vorbehalten bleiben, im Einzelfall die Rechtmäßigkeit des Vorbringens in angemessener Weise zu prüfen. 21 Prüfung der Unzumutbarkeit. Das Vorbringen von Umständen, die nach Auffassung des Betroffenen als wichtiger Grund zu bewerten sind, bedarf einer sorgfältigen Prüfung. Denn hinsichtlich der Sachaufklärung ist nicht nur die Gefahr nicht auszuschließen, daß die vermuteten Folgen überbewertet werden, sondern auch, daß es sich dabei lediglich um Schutzbehauptungen handelt. Letztere dürften vorwiegend — aus unterschiedlichen Motiven, oft wohl wegen finanzieller Abhängigkeit — zugunsten der Täter aufgestellt werden, um sie dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden zu entziehen. Andererseits kann aber auch der Geschädigte ein Interesse daran haben, den Namen des Täters nicht bekanntzugeben, so ζ. B. wenn er ihn den Ermittlungs- oder Strafverfolgungsbehörden als Zeuge für sein Mitverschulden an der Tat vorenthalten will. Der Begriff „nicht zumutbar" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Mit der Zeit werden in Rechtsprechung und Praxis Fallgruppen und daran orientierte konkrete Beurteilungsmaßstäbe erarbeitet werden müssen. Der Verweis auf die Zumutbarkeit einer Mitwirkungspflicht bildet daher keinen klaren, begrifflich subsumierbaren Tatbestand, sondern eine Aufforderung an den Reditsanwender, die genannte Abwägung unter sorgfältiger Berücksichtigung der Interessen des einzelnen wie der Versorgungsbehörde und auch der Allgemeinheit vorzunehmen (vgl. Hauck-Haines, Rdn. 7 zu § 65 SGB). Die Unzumutbarkeit, sich zu äußern, wird in der Regel zu bejahen sein, wenn nach eingehender Prüfung aller Motive und sorgfältiger Erforschung des Wahrheitsgehalts die Erkenntnis überwiegt, daß entsprechende Offenbarungen mit hoher Wahrscheinlichkeit Gefahr für Leib und Leben zur Folge haben oder irreparable Schäden mit nicht mehr vertretbaren Nachteilen auslösen können. 22 d) Die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung. Angaben, die den Antragsteller, den Leistungsberechtigten oder ihnen nahestehende Personen (§ 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO) der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen, können verweigert werden. 23 Nachstehende Personen im Sinne des § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO sind der/die Verlobte, der Ehegatte, auch wenn die Ehe nicht
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mehr besteht, sowie diejenigen, die mit dem Betroffenen in gerader Linie verwandt, verschwägert oder durch Adoption verbunden oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grade verschwägert sind, auch wenn die Ehe, durch welche die Schwägerschaft begründet ist, nicht mehr besteht (siehe umseitiges Schaubild).
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24 Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten können eingeleitet werden bei Verletzung der Hausordnung eines Gesetzgebungsorgans (§ 112), unerlaubter Ansammlung (§ 113), verbotswidrigem Betreten militärischer Anlagen (§ 114), unbefugtem Verkehr mit Gefangenen (§ 115), öffentlicher Aufforderung zu Ordnungswidrigkeiten (§ 116), Erregung unzulässigen Lärms (§ 117), Belästigung der Allgemeinheit (§ 118), "grob anstößigen und belästigenden Handlungen (§ 119), verbotener Ausübung der Prostitution, Werbung für Prostitution (§ 120), Halten gefährlicher Tiere (§ 121), Vollrausch (§ 122), unbefugter Benutzung von Wappen oder Dienstflaggen (§ 124), unbefugtem Benutzen des Roten Kreuzes oder des Schweizer Wappens (§ 125), Mißbrauch von Berufstrachten oder Berufsabzeichen (§ 126), Herstellung oder Verwendung von Sachen, die zur Geld- oder Urkundenfälschung benutzt werden können (§ 127), Herstellung oder Verbreitung von papiergeldähnlichen Drucksachen oder Abbildungen (§ 128) und Verletzung der Aufsichtspflicht in Betrieben und Unternehmen (§ 130). 25 Mit dem Begriff „Angaben" werden alle Äußerungen erfaßt, die der Betroffene selbst abgegeben hat, unabhängig davon, ob er dazu verpflichtet war oder nicht. Das wird auch f ü r die Bezeichnung von Beweismitteln sowie für die zustimmungsbedürftige Vorlage von Beweisurkunden und die Erteilung von Auskünften (§ 60 Abs. 1 SGB) gelten müssen. Die Verweigerung des persönlichen Erscheinens (§61 SGB) oder der Untersuchung (§ 62 SGB) kann jedoch nicht sinngemäß in die Schutzvorschrift des § 65 Abs. 3 SGB einbezogen werden (a. M. Hauck-Haines, Rdn. 16 zu § 65 SGB). Das wird allenfalls dann gelten können, wenn bei diesen Anlässen nur Angaben zu Fragen erwartet werden, die ein Weigerungsrecht begründen könnten. Hinzu kommt, daß die Untersuchung des Geschädigten wichtiger Teil der Entscheidungsgrundlage für die Gewährung von Leistungen ist, weshalb die Weigerung, sich ihr zu unterziehen, schon im Interesse des Geschädigten nicht grundsätzlich als zulässig anerkannt werden könnte. 26 Die Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem OWG besteht, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen, daß es eingeleitet werden könnte. Es genügt zwar, wenn der Betroffene behauptet, es bestünde eine solche Gefahr, weil es sich bei dem Weigerungsrecht um ein höchstpersönliches, nicht aber um ein Recht handelt, das die Behörde zuerkennen kann. Es wird jedoch davon auszugehen sein, daß der Betroffene oft nicht hinreichend rechtskundig ist, um die objektiven und subjektiven Merk-
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male für ein rechtswidriges Verhalten und seine Folgen hinreichend sicher beurteilen zu können. U m den Betroffenen vor Aussageverweigerungen zu bewahren, die möglicherweise nachteilige Folgen für den Leistungsanspruch haben können, wird die Behörde in solchen Fällen gehalten sein, ihm rechtsberatend beiseite zu stehen.
5. Folgen fehlender Mitwirkung 2 7 § 2 Abs. 2 O E G berechtigt die Behörde zum Leistungsausschluß, wenn der Geschädigte nicht das Mögliche zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Verfolgung des Täters beigetragen hat. Als lex specialis hat diese Vorschrift Vorrang vor der des § 66 Abs. 1 SGB. Die Vorschrift des § 66 Abs. 3 SGB ist ebenfalls nicht anwendbar, weil sie sich nur auf Leistungen bezieht, die auf Grund des hier nicht anwendbaren § 66 Abs. 1 SGB versagt werden. Unberührt hiervon bleibt, daß die Behörde bei verweigerter Mitwirkung in den Fällen des § 12 Abs. 2 V f G (Einverständnis zur Einholung von Krankenpapieren usw. und von Auskünften), des § 15 V f G (Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung), des § 16 Abs. 1 Satz 2 V f G (Zustimmung zur Auskunftserteilung durch Finanzbehörden) und des § 61 SGB (Persönliches Erscheinen) über den Antrag erst entscheiden kann, wenn der Antragsteller schriftlich darauf hingewiesen ist, daß sein Verhalten nachteilige Folgen haben kann ( § 1 8 VfG). Die Weigerung wird bei der Beweiswürdigung in der Regel zu Lasten des Antragstellers zu werten sein und damit zu einer Ablehnung des Antrags führen (VV Nr. 1 Satz 2 zu § 18 VfG). Beharrt der Antragsteller bei seiner Weigerung, so ist über den Antrag nach Lage der Akten zu entscheiden. Macht der Antragsteller für seine Weigerung Gründe geltend, die sie entschuldbar erscheinen lassen, so ist die Entscheidung auszusetzen. Für die Beseitigung eines Hindernisses ist dem Antragsteller eine angemessene Frist zu setzen; nach deren fruchtlosen Ablauf ist zu entscheiden. Beruht die Weigerung auf der Befürchtung, daß das ärztliche Berufsgeheimnis nicht gewahrt bleiben würde, so ist er im Sinne der V V Nr. 8 zu § 12 V f G zu belehren (VV Nr. 3 zu § 18 VfG).
6. Nachholen der Mitwirkung 2 8 Soweit die Aufklärung des Sachverhalts und die hierfür erforderliche Anhörung des Täters nachgeholt wird, können die versagten Leistungen ganz oder teilweise erbracht werden (§ 67 SGB). Das
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gilt nicht, wenn die Verfolgung des Täters eine von der Sachaufklärung unabhängige Tatbestandsvoraussetzung ist (s. Rdn. 17). Im übrigen entbindet die mangelnde oder fehlende Mitwirkung die Behörde nicht von ihrer Pflicht, die Aufklärung des Sachverhalts zu betreiben (§ 12 VfG). Solange es ihr nicht gelungen ist, ausreichend verwertbare Kenntnisse von allen leistungsbegründenden Umständen zu erhalten, wird sie in regelmäßigen Zeitabständen zu prüfen haben, ob die dem Geschädigten zugestandene Unzumutbarkeit, sich zu äußern, oder ob die Gefahr der Strafverfolgung im Sinne des § 65 Abs. 3 SGB noch besteht. Dies sollte dem Geschädigten eröffnet werden, desgleichen, daß hiervon seine Anzeigepflicht unberührt bleibt, wenn aus seiner Sicht Umstände eingetreten sind, die eine Verweigerung der Mitwirkung nicht mehr rechtfertigen.
7. Strafanzeige 29 Der Geschädigte ist verpflichtet, unverzüglich Strafanzeige bei einer für die Strafverfolgung zuständigen Behörde zu erstatten, wenn er Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz begehrt. 30 a) Die Verpflichtung, Strafanzeige zu erstatten, leitet sich nicht vom Straf-, sondern vom Versorgungsrecht ab, weil sie eine rechtserhebliche, wenngleich auch nicht unabdingbare Voraussetzung f ü r die Begründung von Leistungsanspriichen ist. Dies zunächst, weil der Tathergang durch das Ermittlungs- oder das Strafverfahren umfassend und objektiv rekonstruiert werden und hieraus somit gefolgert werden kann, ob ein kausaler Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und der Schädigung besteht. Schließlich soll hierdurch auch sichergestellt werden, daß der N a m e des Täters bekannt oder danach mit dem Ziel der Ergreifung gefahndet wird, auch damit die Versorgungsbehörde in die Lage versetzt wird, die aus den Leistungen erwachsenden Schadensersatzansprüche geltend machen zu können. 31 Anzeigeberechtigt ist nicht nur der Geschädigte, sondern jede handlungsfähige Person sowie Personenmehrheiten des öffentlichen und privaten Rechts. Dem Geschädigten bleibt überlassen, die Anzeige selbst zu erstatten oder damit eine andere Person oder Einrichtung zu beauftragen. Die Übertragung entbindet ihn jedoch nicht von den ihm insoweit zustehenden Pflichten, d. h. daß er es zu vertreten hat, wenn die Strafanzeige nicht oder nicht unverzüglich erstattet wird.
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32 Lassen besondere Umstände (ζ. B. der Gesundheitszustand) nicht zu, daß der Geschädigte selbst unverzüglich Anzeige erstattet oder jemanden damit beauftragt, so ist auch die Versorgungsbehörde anzeigeberechtigt. Dies jedoch nur, wenn sie verbindlich Kenntnis davon erhalten hat, daß dem nicht der ausdrückliche oder zumindest hinreichend zu vermutende Wille des Geschädigten entgegensteht und daß er Leistungsansprüche geltend gemacht hat oder geltend machen wird. Unter diesen Voraussetzungen wird die Versorgungsbehörde jedenfalls dann gehalten sein, von ihrem Anzeigerecht Gebrauch zu machen, wenn dessen soziale Sicherheit oder die seiner Angehörigen durch die Folgen des schädigenden Ereignisses so erheblich gefährdet ist, daß ein unverzügliches Tätigwerden der Behörde geboten ist.
33 b) Unverzüglichkeit. Die Strafanzeige ist unverzüglich zu erstatten. Unverzüglich ist nicht dasselbe wie sofort. Eine Anzeige ist unverzüglich erstattet, wenn dies ohne schuldhaftes Zögern geschieht. Dem Anzeigepflichtigen muß jedoch eine angemessene Uberlegungsfrist zugestanden werden (RG 124, 118), auch zur Beratung mit Rechtskundigen (RG H R R 31, 584). Die Dauer der Uberlegungs- und der Beratungsfrist richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles.
34 Allerdings kann eine unverzügliche Anzeigeerstattung unmittelbar nach der Straftat nicht in jedem Falle verlangt werden. So ζ. B. wenn eine Ehefrau eine an ihr vom Ehemann begangene Straftat zunächst hinnimmt, ohne Strafanzeige zu erstatten — sei es, weil sie Repressalien befürchtet oder glaubt, damit die Ehe zu retten — und nach Wochen oder Monaten ein Umstand (erneute Straftat, Erkenntnis, daß die Ehe endgültig zerrüttet ist) eintritt, der sie nicht mehr veranlaßt, von der Erstattung einer Anzeige wegen der (ersten) Straftat abzusehen. In diesen oder ähnlich gelagerten Fällen hat nicht die Erstattung der Anzeige, sondern das Erfordernis Vorrang, dem Geschädigten nicht zuzumuten, daß er sich durch die Anzeigerstattung einer Situation aussetzt, die geeignet sein könnte, Schaden an Leib oder Leben zu nehmen oder die Privatsphäre erheblich nachteilig zu beeinflussen. Das unverzügliche Handeln kann deshalb nicht auf den Zeitpunkt der (ersten) Straftat, sondern es muß auf jenes Ereignis abgestellt werden, das aus der Sicht des Geschädigten keine dieser möglichen Folgen mehr auslösen dürfte.
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35 c) Annahme von Anzeigen. Anzeigen strafbarer Handlungen oder Anträge auf Strafverfolgung können bei der Staatsanwaltschaft, den Behörden und Beamten des Polizeidienstes und den Amtsgerichten mündlich oder schriftlich angebracht werden. Die mündliche Anzeige ist zu beurkunden ( § 1 5 8 Abs. 1 StPO). Diese Behörden sind zur Entgegennahme der Anzeigen verpflichtet, und zwar unabhängig von ihrer sachlichen oder örtlichen Zuständigkeit. Die Annahme kann auch nicht mit der Begründung verweigert werden, daß die strafrechtliche Verfolgung voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Die an eine nicht zuständige Behörde gerichtete Anzeige ist von ihr unverzüglich an die zuständige Stelle weiterzuleiten. 36 Die Anzeigen können mündlich oder schriftlich angebracht werden. Soweit sie mündlich erstattet werden, sind die durch den entsprechenden Beamten der Staatsanwaltschaft, der Behörde, des Polizeidienstes oder des Amtsgerichts zu beurkunden. Anzeige durch Fernsprecher ist zulässig, falls der Beamte sie zur Beurkundung entgegennimmt (Kleinknecht, Anm. 4 Α zu § 158 StPO). 37 Schriftliche Anzeigen sind an keine Form gebunden. Nicht erforderlich ist die Benennung der zuständigen Behörde. Es genügt die Erklärung, daß ein strafrechtliches Einschreiten wegen einer bestimmten Handlung erkennbar zum Ausdrude kommt (BGH GA 57, 17), wobei zur Auslegung auch äußere Umstände herangezogen werden dürfen. Die Angabe eines bestimmten Täters ist nicht erforderlich, ein Schreibversehen ist unschädlich (E 64, 107).
III. Leistungen und ihre Versagung 1. Leistungen 3 8 Der Begriff „Leistungen" ist dem der Sozialleistungen ( § 1 1 SGB) gleichzusetzen. Er umfaßt somit alle Dienst-, Sach- und Geldleistungen, die die Versorgungsbehörde nach dem B V G zu gewähren hat oder gewähren kann. Sie werden erbracht mit der Heilbehandlung, den Versehrtenleibesübungen und der Krankenbehandlung (§§ 10 bis 24 a BVG) sowie mit der Kriegsopferfürsorge (§§ 25 bis 27 e BVG). Zu den Geldleistungen gehören die Beschädigtenrente (§§ 30 bis 34 BVG), die Pflegezulage (§ 35 BVG), das Bestattungsgeld (§ 36 BVG) und das Sterbegeld (§ 37 BVG), die Hinterbliebe-
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nenrente (§§ 38 bis 52 BVG), das Bestattungsgeld beim Tode von Hinterbliebenen (§ 53 BVG) sowie der Härteausgleich (§ 89 BVG).
2. Versagungsgründe 39 Leistungen müssen versagt werden, wenn der Geschädigte die Schädigung verursacht hat oder wenn es aus sonstigen Gründen, insbesondere in dem eigenen Verhalten des Anspruchsstellers liegenden Gründen unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren. Leistungen können versagt werden, wenn der Geschädigte es unterlassen hat, das ihm Mögliche zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Verfolgung des Täters beizutragen, insbesondere unverzüglich Anzeige bei einer für die Strafverfolgung zuständigen Behörde zu erstatten. Der Vorenthalt von Leistungen verstößt weder gegen Artikel I noch gegen Artikel 20 des Grundgesetzes (BSG, Urteil vom 12. 12. 1969 — 8 RV 653/66 —).
3. Entscheidungsgrundlagen 40 a) Tatsachen. Die verursadite Schädigung, die völlig unterlassene Mitwirkung bei der Aufklärung des Sachverhalts und bei der Verfolgung des Täters sowie in der Regel die nicht unverzügliche Erstattung der Strafanzeige sind Tatsachen, die einen Leistungsausschluß bewirken (können). Die Tatsachen sollen nachgewiesen sein. Soweit dies nicht möglich ist, können der Entscheidung über einen Leistungsaussdiluß auch Umstände zugrunde gelegt werden, die einen mittelbaren Beweis zulassen. 41 b) Ermessen. Die Behörde hat nach § 2 Abs. 2 OEG die Möglichkeit, Leistungen nach ihrem Ermessen zu versagen. Hiervon muß sie in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch machen und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einhalten, wobei sie den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung zu tragen hat. Die Einhaltung und andererseits die volle Ausschöpfung der vom Gesetz bestimmten Ermessensgrenzen durch Abwägung des öffentlichen mit dem Einzelinteresse, die Anwendung „dem Zweck der Ermächtigung entsprechender", also nicht sachfremder Erwägungen und die Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes sind danach die Hauptvoraussetzungen für eine fehlerfreie Ermessensentscheidung. Verletzt die Behörde diese Bindungen, leidet ihr Verwaltungsakt also an einem Ermessensfehler, so ist er rechtswidrig, auch wenn er äußerlich die Grenzen des eingeräumten Ermessensspielraumes einhält (vgl. Wittern, Anm. 4 zu § 7, II).
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Zusammentreffen von Ansprüchen
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4. Leistungsausschluß 42 a) Umfang. Im Falle des Abs. 1 müssen die Leistungen in vollem Umfang, im Falle des Abs. 2 können sie auch teilweise versagt werden. Von der Versagung werden nicht nur die Leistungen erfaßt, die dem Geschädigten zum Zeitpunkt der möglichen Erstanerkennung des Anspruchs auf Versorgungsleistungen zugestanden hätten, sondern auch jene, die zu einem späteren Zeitpunkt (ζ. B. wegen Verschlimmerung der Schädigungsfolgen oder wegen Änderungen in den Einkommensverhältnissen) zu beanspruchen gewesen wären. Die Befugnis, Leistungen teilweise zu versagen, schließt auch das Recht zur Entscheidung darüber ein, welche Leistungen davon betroffen sind. Da der Leistungsanspruch der Hinterbliebenen sich aus dem entsprechenden Anspruch des Verstorbenen ableitet, sind sie bei völligem Leistungsausschluß nicht versorgungsberechtigt. Soweit eine teilweise Versagung sich auf Geldleistungen bezieht, bleiben sie hinsichtlich der insoweit versagten Leistungen von der Versorgung ausgeschlossen. 4 3 b) Dauer. Da der Gesetzgeber keinen zeitlich begrenzten Leistungsausschluß vorgesehen hat, sind die Versorgungsleistungen — ganz oder teilweise — nur auf Dauer zu versagen. Der insoweit untergegangene Leistungsanspruch lebt auch dann nicht wieder auf, wenn in den Verhältnissen, die zum Zeitpunkt der möglich gewesenen Erstanerkennung bestanden haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist (§ 62 BVG). Der Ausschluß wird endgültig mit der Unanfechtbarkeit des hierzu ergangenen Bescheides bzw. mit der Rechtskraft einer entsprechenden gerichtlichen Entscheidung. Der Leistungsausschluß kann nur aufgehoben werden, wenn die Entscheidung hierüber im Zeitpunkt des Erlasses tatsächlich oder rechtlich unrichtig war, wobei die tatsächliche Unrichtigkeit in der Regel auch die rechtliche zur Folge hat oder, wenn die Behörde ermessensfehlerhaft gehandelt hat.
§ 3 Zusammentreffen von Ansprüchen (1) Treffen Ansprüche nach diesem Gesetz mit Ansprüchen aus einer Schädigung im Sinne des § 1 des Bundesversorgungsgesetzes oder nach anderen Gesetzen, die das Bundesversorgungsgesetz für anwendbar erklären, zusammen, so ist unter Berücksichtigung der durch die gesamten Schädigungsfolgen bedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit eine einheitliche Rente festzusetzen.
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Zusammentreffen von Ansprüchen
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(2) Die Ansprüche nach diesem Gesetz entfallen, soweit auf Grund der Schädigung Ansprüche nach dem Bundesversorgungsgesetz oder nach einem Gesetz, welches das Bundesversorgungsgesetz für anwendbar erklärt, bestehen. (3) Trifft ein Versorgungsanspruch nach diesem Gesetz mit einem Schadensersatzanspruch auf Grund fahrlässiger Amtspflichtverletzung zusammen, so wird der Anspruch nach § 839 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Voraussetzungen des § 1 vorliegen. (4) Bei Schäden nach diesem Gesetz gilt § 541 Abs. 1 Nr. 2 der Reichsversicherungsordnung nicht. Übersicht Rdnr.
Rdnr.
I. Ansprüche aus mehreren Gesetzen 1. 2. 3. 4. 5.
Begründung Andere Gesetze Einheitliche Rente Gesamt-MdE Zuständiger Leistungsträger
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II. Vorrang anderer Gesetze 1. Begründung 2. Vorrang
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3. Anspruchsübergang 4. Ruhensvorsdiriften
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III. Versorgungs- und Sdiadensersatzanspruch 1. Begründung 2. Beamtenhaftung
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IV. Leistungen bei Arbeitsunfällen 1. Begründung 2. Arbeitsunfall
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I. Ansprüche aus mehreren Gesetzen 1. Begründung 1 Eine einheitliche Rente ist bei Zusammentreffen von Ansprüchen nach diesem Gesetz mit solchen nach dem BVG oder nach anderen Gesetzen, die auf das BVG verweisen, zu bilden, um eine sachgemäße, auf den Einzelfall zugeschnittene Ausgestaltung der Versorgungsleistungen zu erreichen (vgl. BT-Drucksache Nr. 7/2506 zu § 4 — jetzt § 3 — Abs. 1). 2 . A n d e r e Gesetze 2 Die einheitliche Rente bemißt sich nach den Ansprüchen, die nach dem OEG und gleichzeitig nach dem Bundesversorgungsgesetz sowie nach jenen Gesetzen bestehen, die auf das BVG verweisen.
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Ansprüdie aus mehreren Gesetzen
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Hierzu gehören das Gesetz über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen, das Häftlingshilfegesetz, das Soldatenversorgungsgesetz, das Ersatzdienstgesetz und das Bundesseuchengesetz hinsichtlich der Impfschäden.
3. Einheitliche Rente 3 Hierunter sind Geldleistungen zu verstehen, die sich aus Ansprüchen ergeben, denen der Gesamtgrad der Minderung der Erwerbsfähigkeit bzw. die Auswirkungen aus allen Schädigungsfolgen zugrunde liegen. Der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit ist bestimmend für die H ö h e der Grundrente. Die Auswirkungen der Schädigungsfolgen sind Grundlagen für die Gewährung der erhöhten Grundrente (besondere berufliche Betroffenheit — § 30 Abs. 2 B V G —), der Schwerstbeschädigtenzulage (außergewöhnliche gesundheitliche Betroffenheit — § 31 Abs. 5 B V G —), der Ausgleidisrente für volljährige Schwerbeschädigte (nicht oder nur in beschränktem Umfang oder nur mit überdurchschnittlichem Kräfteaufwand ausgeübte zumutbare Erwerbstätigkeit — § 32 Abs. 1 B V G —), und der Pflegezulage (Hilflosigkeit, dauerndes Krankenlager oder außergewöhnliche Pflege — § 35 B V G —). Die aus den jeweiligen Schädigungsfolgen ermittelten Minderungen der Erwerbsfähigkeit sind einschließlich einer etwaigen besonderen beruflichen Betroffenheit zu einer Gesamt-MdE zusammenzufassen, die einzelnen Auswirkungen der Schädigungsfolgen bilden in ihrer Gesamtheit die Grundlage für die Gewährung der Schwerstbeschädigtenzulage (Stufen I bis VI), der Ausgleichsrente und der Pflegezulage (Stufen I bis V). Schwerbeschädigten, die nodi nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben, wird Ausgleichsrente nur insoweit gewährt, als dies nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschädigten und seiner unterhaltspflichtigen Angehörigen gerechtfertigt ist (§ 34 Abs. 2 BVG). Eine einheitliche Rente ist auch bei Hinterbliebenen zu bilden.
4. Gesamt-MdE 4 Wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere Gesundheitsstörungen beeinträchtigt wird, ist eine einheitliche Rente festzusetzen, für deren Höhe die Gesamteinwirkung der Gesundheitsstörungen auf die Erwerbsfähigkeit maßgebend ist (VV Nr. 3 zu § 30 BVG). Liegen mehrere Schädigungsfolgen vor, so ist zwar die jeweilige EinzelMdE anzugeben, bei der Ermittlung der Gesamt-MdE durch alle Schädigungsfolgen dürfen jedoch die einzelnen MdE-Werte nicht addiert werden. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen
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Zusammentreffen von Ansprüchen
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Schädigungsfolgen in ihrer Gesamtheit auf die Erwerbsfähigkeit (AP N r . 14).
5. Zuständiger Leistungsträger 5 Eine Vorschrift darüber, welches Bundesland für die Festsetzung der Gesamt-MdE und der Gesamtversorgung zuständig ist, wenn Wohnsitz (gewöhnlicher Aufenthaltsort) und Tatort nicht im gleichen Land gelegen sind, besteht nicht. Bis zu einer entsprechenden gesetzlichen Regelung wird davon auszugehen sein, daß jenes Land, das für die Versorgung nach dem B V G zuständig ist, auch die Gesamt-MdE und die Gesamtversorgung festsetzen und entsprechende Zahlungen leisten sollte.
II. Vorrang anderer Gesetze 1. Begründung 6 Es ist möglich, daß eine Schädigung nach § 1 dieses Gesetzes auch aufgrund anderer Vorschriften Ansprüche nach dem B V G auslöst, so ζ. B. bei Soldaten und Zivildienstleistenden, wenn sie im Dienst Opfer einer Tat im Sinne des § 1 werden. Dann geht der Anspruch aufgrund des Dienstverhältnisses vor. 7 Einer Regelung des Vorrangs bedarf es dagegen nicht, wenn ein Beamter während der Ausübung seines Dienstes Opfer einer Straftat im Sinne des § 1 wird. Denn in diesen Fällen greift die Ruhensvorschrift des § 65 B V G ein; sie räumt der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge (vgl. §§ 134 ff. B B G ) den Vorrang ein. Dieselbe Vorschrift bestimmt ferner, daß der Anspruch auf Versorgungsbezüge ruht in Höhe der Bezüge aus gesetzlicher Unfallversicherung (BT-Drucksache Nr. 7/2506 zu § 4 — jetzt § 3 — Abs. 2).
2. Vorrang 8 Soweit ein Betroffener Ansprüche aus einer Schädigung nach dem O E G und gleichzeitig nach dem Bundesversorgungsgesetz, dem Gesetz über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen, dem Häftlingshilfegesetz, dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Ersatzdienstgesetz oder dem Bundesseuchengesetz hinsichtlich der Impfschäden hat, entfällt der Anspruch auf Grund des O E G . Werden Leistungen ganz versagt, besteht kein Anspruch auf Versorgung, werden sie teilweise versagt, so besteht der Anspruch nur, soweit sie nicht versagt worden sind.
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Versorgungs-und Schadensersatzanspruch
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3. Anspruchsübergang 9 Der Ubergang des Anspruchs tritt kraft Gesetzes ein, also immer dann, wenn zweifelsfrei feststeht, daß eine nach diesem Gesetz erkannte anspruchsberechtigte Schädigung auch die Leistungsvoraussetzungen des anderen Gesetzes erfüllt. Der Anspruch geht auch insoweit über, als Leistungen für nicht unmittelbare Schädigungsfolgen zu erbringen sind. Hierzu gehören auch die Ansprüche, die sich aus Verschlimmerungen und erheblichen Verschlechterungen der Schädigungsfolgen ergeben. 4. Ruhensvorschriften 10 Der Vorrang tritt nicht ein, wenn der Anspruch auf Versorgungsbezüge ruht, weil beide Ansprüche auf derselben Ursache beruhen. Der Anspruch auf die gesamten Versorgungsbezüge ruht in diesen Fällen in Höhe der Bezüge aus der gesetzlichen Unfallversicherung bzw. in Höhe des Unterschiedes zwischen einer Versorgung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen und aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge, der Anspruch auf Grundrente ruht in Höhe der neben Dienstbezügen gewährten Leistungen aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge (§ 65 Abs. 1, 2 BVG). Der Anspruch auf Heilbehandung (§10 Abs. 1 BVG) und auf den Pauschbetrag als Ersatz für Kleiderverschleiß (§15 BVG) ruht insoweit, als aus derselben Ursache Ansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder nach den beamtenrechtlichen Vorschriften übei? die Unfallfürsorge und alle Ansprüche auf entsprechende Leistungen nach den Vorschriften über die Heilfürsorge für Angehörige des Bundesgrenzschutzes und für Soldaten (§ 69 Abs. 2, § 70 Abs. 2 Bundesbesoldungsgesetz und § 1 Abs. 1 Wehrsoldgesetz) und nach den landesrechtlichen Vorschriften für Polizeivollzugsbeamte der Länder bestehen (§ 65 Abs. 3 BVG). Wegen der Wirksamkeit des Ruhens siehe § 65 Abs. 4 BVG.
III. Versorgungs- und Schadensersatzanspruch 1. Begründung 11 § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB bestimmt, daß ein Beamter wegen fahrlässiger Amtspflichtverletzung nur dann in Anspruch genommen werden kann, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. Das Gesetz sieht vor, daß die Haftung des Be-
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Zusammentreffen von Ansprüchen
§ 3
amten oder seines Dienstherrn (Artikel 34 GG) nicht entfällt; weitergehende Ersatzansprüche aus Amtspflichtverletzungen bleiben unberührt. Soweit die Leistungen nach dem BVG nicht dem Schadensersatzanspruch nach § 839 BGB gleichwertig sind (ζ. B. Schmerzensgeld, § 847 BGB), kann der Geschädigte Schadensersatz verlangen. H a t die für die Durchführung zuständige Behörde Leistungen erbracht, gehen — sofern der Dienstherr ein „Dritter" im Sinne von § 81 a BVG ist — eventuelle Ansprüche wegen fahrlässiger Amtspflichtverletzung nach § 81 a BVG auf den Bund, nach § 61 i. V. m. § 81 a BVG auf das die Kosten tragende Land über (BT-Drucksache Nr. 7/2506 zu § 4 — jetzt § 3 — Abs. 3).
2. Beamtenhaftung 12 Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag (§ 839 Abs. 1 BGB). Soweit Amtspflichten fahrlässig verletzt werden und ein hierdurch enstehender Schadensersatzanspruch mit einem Versorgungsanspruch nach dem OEG zusammentrifft, wird der Anspruch nadi § 839 Abs. 1 BGB nicht dadurch ausgeschlossen, daß eine Straftat im Sinne des § 1 OEG vorliegt. Die Haftung des Beamten bzw. des Staates oder der Körperschaft, in deren Dienst er steht (Art. 34 GG) bleibt also in vollem Umfange bestehen. Insoweit die Ansprüche nach § 839 BGB den Leistungsanspruch nach dem OEG übersteigen, kann der Geschädigte Schadensersatz nach § 839 Abs. 1 BGB geltend machen. Das Rückgriffsrecht des Dienstherrn bei grober Fahrlässigkeit des Beamten bleibt hiervon unberührt.
IV. Leistungen bei Arbeitsunfällen 1. Begründung 13 § 541 Abs. 1 Nr. 2 der Reichsversicherungsordnung würde in Verbindung mit § 1 dieses Gesetzes unter Umständen zum Ausschluß von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung führen, die höher als im Versorgungsrecht sein können. Durch Absatz 4 soll diese nachteilige Wirkung einer Entschädigungsregelung f ü r Opfer von Straftaten vermieden werden; danach fallen Schäden der
Kostenträger
§4
157
Opfer von Straftaten, die in Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit stehen (Arbeitsunfall), unter die gesetzliche Unfallversicherung. Konkurrieren Ansprüche auf Versorgung nach diesem Gesetz mit Leistungen aus der Unfallversicherung, gilt § 65 des Bundesversorgungsgesetzes. Eine entsprechende Vorschrift enthält § 54 Abs. 5 Bundes-Seuchengesetz (BT-Drucksadie Nr. 7/2506 zu § 4 — jetzt § 3 — Abs. 4).
2. Arbeitsunfall 14
§ 541 Abs. 1 N r . 2 R V O bestimmt:
„Versicherungsfrei sind Personen hinsichtlich der Arbeitsunfälle, für die ihnen Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz oder solchen Gesetzen gewährt wird, die das Bundesversorgungsgesetz für anwendbar erklären, es sei denn, daß der Arbeitsunfall zugleich die Folge einer Schädigung im Sinne dieser Gesetze sei."
Sofern eine Unfall versicherte Tätigkeit ausgeübt wird und der Geschädigte einen Arbeitsunfall erleidet, ist der Unfallversicherungsträger leistungspflichtig. Der Anspruch auf Versorgungsbezüge ruht, wenn beide Ansprüche auf derselben Ursache beruhen, in Höhe der Bezüge aus der gesetzlichen Unfallversicherung, der Anspruch auf Heilbehandlung ( § 1 0 Abs. 1) und auf den Pauschbetrag als Ersatz für Kleider- und Wäscheverschleiß ( § 1 5 BVG) ruht insoweit, als aus derselben Ursache Ansprüche auf entsprechende Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bestehen.
§ 4
Kostenträger
(1) Zur Gewährung der Versorgung ist das Land verpflichtet, in dem die Schädigung eingetreten ist. Sind hierüber Feststellungen nicht möglich, so ist das Land Kostenträger, in dem der Geschädigte zur Tatzeit seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hatte er im Geltungsbereich dieses Gesetzes keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, oder ist die Schädigung auf einem deutschen Schiff- oder Luftfahrzeug außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes eingetreten, so ist der Bund Kostenträger. (2) Der Bund trägt vierzig vom Hundert der Ausgaben, die den Ländern durch Geldleistungen nach diesem Gesetz entstehen. Zu den Geldleistungen gehören nicht solche Geldbeträge, die zur Abgeltung oder an Stelle einer Sachleistung gezahlt werden.
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Kostenträger
§4
(3) In den Fällen des § 3 Abs. 1 sind die Kosten, die durch das Hinzutreten der weiteren Schädigung verursacht werden, von dem Leistungsträger zu übernehmen, der für die Versorgung wegen der weiteren Schädigung zuständig ist. Ü bersicht I. Kostenträger 1. 2. 3. 4.
Begründung Land als Kostenträger Bund als Kostenträger Kostenträger bei mehreren sprüchen
Rdnr.
An-
1 3 4 7
II. Verteilung der Kostenlast 1. Verteilung 2. Geldleistungen 3. Geldleistungen Sachleistungen
an
Stelle
Rdnr.
von
9 10 12
I. Kostenträger 1. Begründung 1 Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit zur Gewährung von Leistungen ist der Ort, an dem die Schädigung eingetreten ist. Dies liegt nahe, weil es zu den öffentlichen Aufgaben der zuständigen Behörde gehört, den Bürger gegen Schädigungen durch Straftaten zu schützen. 2 Allerding sind Fälle denkbar, in denen sich die schädigende Tat nicht nur auf das Gebiet eines Landes erstreckt. Das Opfer eines Mordanschlages ζ. B. kann durch einen Schuß über die Landesgrenze hinweg oder durch eine Postsendung aus dem Ausland oder aus einem anderen Bundesland verletzt oder getötet werden. Bei diesen sogenannten Distanzdelikten fallen der Ort der schädigenden Handlung und der Ort, an dem der „Erfolg" der Tat, die Schadenszufügung, eintritt, auseinander. In diesen Fällen wäre es zwar konsequent, an den O r t der Handlung des Täters anzuknüpfen. Gründe der verwaltungsmäßigen Vereinfachung sprechen aber dafür, das Land des Eintritts der Schädigung als leistungspflichtig anzusehen. Mehrbelastungen aufgrund einer solchen Regelung in einzelnen Fällen werden vermutlich durch Entlastungen in anderen Fällen ausgeglichen. Die Schädigung ist dort eingetreten, wo der Geschädigte verletzt oder wo er von dem Täter getroffen wurde. Kann nicht festgestellt werden, in welchem Land die Schädigung eingetreten ist, so ist hilfsweise das Land Kostenträger, in dem der Geschädigte zur Tatzeit seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatte. War
Kostenträger
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ein soldier nicht vorhanden, etwa weil der Geschädigte sich auf der Durchreise befand, ist die Zuständigkeit eines bestimmten Landes nicht zu begründen. Kostenträger ist daher in diesen Fällen der Bund. Dasselbe gilt für Schadensfälle auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes (BT-Drucksache N r . 7/2506 zu § 5 — jetzt § 4 — Abs. 1).
2. Land als Kostenträger 3 Zur Gewährung von Versorgung ist jenes Bundesland verpflichtet, in dessen Hoheitsbereich die Schädigung eingetreten ist, und zwar unabhängig davon, ob die Tat in diesem oder in einem anderen Land ausgelöst wurde. Kann nicht festgestellt werden, in welchem Land die Schädigung eingetreten ist (ζ. B. wenn der Schaden an einer Landesgrenze zugefügt wurde und das Opfer nicht angeben kann, ob er ihn an der Stelle erlitten hat, an der er aufgefunden wurde oder ob er sich über die Landesgrenze hinweg dorthin bewegt hat oder gebracht wurde), so ist das Land Kostenträger, in dem der Geschädigte zur Tatzeit seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
3. Bund als Kostenträger 4 Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 2 OEG stellt es zunächst auch auf die Niederlassung ab, die der Geschädigte zur Tatzeit begründet hatte. Erfaßt sind demnach hiervon Deutsche und deutsche Volkszugehörige sowie Ausländer — deren Heimatstaat die Gegenseitigkeit gewährleistet —, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes hatten. 5 H a t der Geschädigte keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes (ζ. B. weil infolge Umzuges der bisherige Wohnsitz usw. aufgegeben und eine neue Niederlassung noch nicht begründet wurde), so ist der Bund ebenfalls Kostenträger. Dies gilt auch f ü r den Fall, daß der Geschädigte seinen Wohnsitz usw. im Ausland aufgegeben, aber noch keine Niederlassung in einem anderen Staat begründet hat. Hier sollte bei Deutschen und deutschen Volksdeutschen aus Gründen der Zweckmäßigkeit jener Staat als Heimatland gelten, in dessen Hoheitsbereich der künftige Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt genommen wird. Bei Ausländern mit künftiger Niederlassung in einem Staat, der — im Gegensatz zum bisherigen Heimatstaat — die Gegenseitigkeit gewährleistet bzw. nicht gewährleistet, dürfte es sich
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Kostenträger
§4
aus Gründen der Gleichbehandlung empfehlen, entsprechend zu verfahren. 6 Der Bund trägt auch die Kosten, wenn die Schädigung auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes eingetreten ist. Wegen der Grenzen des Geltungsbereichs siehe Rdn. 10 ff. zu § 1 , wegen der Begriffe „deutsches Schiff" und „Luftfahrzeug" siehe Rdn. 14 zu § 1.
4. Kostenträger bei mehreren Ansprüchen 7 a) Begründung. Die Vorschrift des § 4 Abs. 3 O E G regelt die Kostentragungspflicht bei Zusammentreffen mehrerer Ansprüche. H a t sich durch Bildung einer einheitlichen Rente gemäß § 3 Abs. 1 die Leistungspflicht wegen einer weiteren Schädigung erhöht, hat diese Kosten der Leistungsträger zu tragen, der für die Versorgung wegen der weiteren Schädigung zuständig ist (vgl. BT-Drucksache N r . 7/2506 zu § 5 Abs. 2 — jetzt § 4 Abs. 2 —). 8 b) Zuständigkeit. Treffen Ansprüche nadi diesem Gesetz mit Ansprüchen aus einer Schädigung im Sinne des § 1 B V G oder nach anderen Gesetzen, die das B V G für anwendbar erklären, zusammen, so sind die Kosten, die durch das Hinzutreten der weiteren Schädigung verursacht werden, von dem Leistungsträger zu übernehmen, der für die Versorgung wegen der weiteren Schädigung zuständig ist. Wegen der Zuständigkeit im einzelnen siehe § 6 O E G bzw. § 3 V f G in den Fällen, in denen Versorgung in der Gewährung von Leistungen besteht, die den Leistungen der Kriegsopferfürsorge nach den §§ 25 bis 27 e B V G entsprechen.
II. Verteilung der Kostenlast 1. Verteilung 9 Der Bund trägt 40 v. H . der Ausgaben, die den Ländern durch Geldleistungen nach diesem Gesetz entstehen (§ 4 Abs. 2 OEG).
2. Geldleistungen 10 Geldleistungen sind Sozialleistungen, die in der Zahlung eines Geldbetrages bestehen (vgl. BT-Drucksache Nr. 7/868 zu § 11 SGB), und zwar unabhängig davon, ob sie dem Versorgungsberechtigten kraft zwingenden Rechts oder als Kannleistung gewährt werden.
§ 4
Verteilung der Kostenlast
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11 Geldleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz sind vorgesehen in § 10 Abs. 6 BVG (Mutterschaftsgeld), § 11 a BVG (Fahrkostenerstattung an Berechtigte), § 12 Abs. 2 BVG (Zuschuß zum Zahnersatz), DVO zu § 11 Abs. 3 und § 13 BVG (§ 2 Nrn. 1, 2, 5, 6, 7, 8, 13), § 14 BVG (Führzulage), § 15 BVG (Pauschbetrag als Ersatz für Kleider- und Wäscheverschleiß), §§ 16 ff. BVG (Übergangsgeld), § 17 BVG (Beihilfe), § 18 Abs. 3 BVG (Übergangsgeld), § 24 Abs. 2 BVG (Ersatz für entgangenen Arbeitsverdienst), § 24 Abs. 3 BVG (Ersatz barer Auslagen und Entschädigung für entgangenen Arbeitsverdienst), § 26 Abs. 3 Nr. 1 BVG (Übergangsgeld), § 26 Abs. 3 Nr. 5 BVG (Hilfen zur Beschaffung von Kfz), §27 BVG (Erziehungsbeihilfen), § 27 a Abs. 1 BVG (Ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt), § 27 a Abs. 3 BVG (Wohnungsfürsorge), § 27 BVG i. V. mit dem 3. Abschnitt des BSHG (Blindenhilfe, Hilfe zur Pflege), § 30 Abs. 3 bis 6 BVG (Berufsschadensausgleich), §§ 31 Abs. 1, 40, 46 BVG (Grundrente), § 31 Abs. 5 BVG (Schwerstbeschädigtenzulage), §§ 32, 33, 34, 41, 47 BVG (Ausgleichsrente), § 33 a BVG (Ehegattenzuschlag), § 33 b BVG (Kinderzuschlag), § 35 Abs. 1 BVG (Pflegezulage), § 35 Abs. 2 S. 2 BVG (Verbleibender Rentenbetrag), §§ 36, 53 BVG (Bestattungsgeld), § 37 BVG (Sterbegeld), § 40 a BVG (Schadensausgleich), §44 Abs. 1 BVG (Heiratsabfindung), § 51 BVG (Elternrente), §§ 72 ff. (Kapitalabfindung).
3. Geldleistungen an Stelle von Sachleistungen 12 Als Geldleistungen zählen nicht solche, die als Abgeltung von Ansprüchen der Berechtigten auf Kostenübernahme oder auf Erstattung von Kosten für Leistungen an Stelle von Sachleistungen gewährt werden (ζ. B. § 2 Nrn. 3, 4, 9 bis 12 DVO zu § 11 Abs. 3 und § 13 BVG, § 18 BVG). Das gleiche gilt f ü r Leistungen, die die Versorgungsbehörde gegenüber anderen Leistungsträgern oder aufgrund besonderer Rechtsverhältnisse etwa an Bedienstete, an Laboratorien, Kassenärzte usw. zu erbringen hat. 13 In den Fällen, in denen es in das Ermessen der Behörde gestellt ist, Sach- oder Geldleistungen zu erbringen (§ 24 Abs. 1 BVG, § 26 Abs. 3, 4 BVG, § 27 a Abs. 1, 2 BVG sowie § 27 BVG i. V. mit dem 3. Abschnitt des BSHG — Vorbeugende Gesundheitshilfe, Krankenhilfe, Eingliederungs- und Tbc-Hilfe —) wird je nach der Ermessensausübung im Einzelfall zu entscheiden sein, ob es sich hierbei um eine Geld- oder Sachleistung handelt.
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Übergang gesetzlicher Sdiadensersatzansprüdie
§ 5
§ 5 Übergang gesetzlicher Sdiadensersatzansprüdie (1) Ist ein Land Kostenträger (§ 4), so gilt § 81 a des Bundesversorgungsgesetzes mit der Maßgabe, daß der gegen Dritte bestehende gesetzliche Schadensersatzanspruch auf das zur Gewährung der Leistungen nach diesem Gesetz verpflichtete Land übergeht. (2) Die eingezogenen Beträge, soweit sie auf Geldleistungen entfallen, führt das Land zu vierzig vom Hundert an den Bund ab.
Übersich t Rdnr. I. Übergang von Schadensersatzansprttchen 1. Begründung 2. Anspruch
3. Obergang 1 2
Rdnr. 3
II. Abführung abgezogener Beitrage 6
I. Übergang von Schadensersatzansprüchen 1. Begründung 1 Nach § 81 a des Bundesversorgungsgesetzes geht ein gesetzlicher Anspruch des Geschädigten gegen Dritte auf Ersatz des durch die Schädigung verursachten Schadens in dem Umfang der durch das B V G begründeten Pflidit zur Gewährung von Leistungen auf den Bund über. Da nach § 4 des Gesetzes in der Regel die Länder leistungspflichtig sind, muß dies dahin abgewandelt werden, daß die Ansprüche in diesen Fällen auf das Land übergehen. Inwieweit übergegangene Ansprüche gegen den Schädiger gestundet oder niedergeschlagen werden können, richtet sich nach § 47 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung und den hierzu ergangenen Verwaltungsvorschriften (vgl. BT-Drucksache Nr. 7/2506 zu § 6 — jetzt § 5 —). 2. Anspruch 2 Der Schadensersatzanspruch entsteht in dem Augenblick, in dem das schädigende Ereignis stattgefunden hat oder, falls hierüber keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen, zu dem Zeitpunkt, zu dem es stattgefunden haben könnte. Es ist dabei also ohne Bedeutung, wann der Geschädigte die Schädigung (ζ. B. die Folgen einer zunächst nicht wahrnehmbaren inneren Verletzung) bemerkt hat oder diese, ohne daß er sie bemerkt hat, versorgungsärztlidierseits festgestellt wurde.
§5
Abführung eingezogener Beiträge
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Der Schadensersatzansprudi für anerkennungsfähige Vorschäden, Folgeschäden sowie für Verschlimmerungen und Verschlechterungen entsteht mit dem Tage der versorgungsärztlichen Feststellung.
3. Übergang 3 Der Schadensersatzanspruch geht zum Zeitpunkt seines Entstehens insoweit auf den Bund über, als das Bundesversorgungsgesetz eine Pflicht zur Gewährung von Leistungen vorschreibt. Ist ein Land Kostenträger, so geht der Anspruch insoweit auf das zur Leistungsgewährung verpflichtete Land über. Hierzu gehören auch Kannleistungen, wenn und soweit sie ermessensfehlerfrei gewährt werden. Der Ubergang findet auch insoweit statt, als die Leistungen durch nachträgliche gesetzliche Änderungen erhöht werden (vgl. VV Nr. 1 zu § 81 a BVG). Im übrigen finden auf den Rechtsübergang die Vorschriften der §§ 398 ff. BGB entsprechende Anwendung (§ 412 BGB). Für die Anwendung der Schutzvorschrift des § 407 BGB ist davon auszugehen, daß jeder, der weiß, daß der Verletzte zu den nach dem Bundesversorgungsgesetz zu versorgenden Personen gehört, die Kenntnis vom Rechtsübergang im Sinne dieser Vorschrift hat, so daß Leistungen an den Geschädigten oder Rechtsgeschäfte mit diesem dem Bund bzw. dem Land nicht entgegengehalten werden können (vgl. VV Nr. 3 zu § 81 a BVG). 4 Dritte sind sowohl natürliche als auch juristische Personen, die mit dem Bund bzw. dem Land nicht personengleich sind. Bundespost und Bundesbahn sind nicht Dritte im Sinne des § 81 a BVG (VV Nr. 2 zu § 81 a BVG). 5 Der Übergang des Anspruchs kann nidit zum Nachteil des Berechtigten geltend gemacht werden (§ 81 a Abs. 1 Satz 3 BVG). Hiernach soll im Falle der Zwangsvollstreckung aufgrund von Schadensersatzansprüchen gegen einen Dritten grundsätzlich zuerst der Geschädigte und dann erst der Bund bzw. das Land hinsichtlich des auf sie übergegangenen Anspruchs befriedigt werden. Das gleiche gilt auch für Fälle der freiwilligen Schadensregulierung (vgl. VV Nr. 4 zu § 81 a BVG).
II. Abführung eingezogener Beiträge 6 Da der Bund 40 v. H. der Ausgaben trägt, die den Ländern durch Geldleistungen nach diesem Gesetz entstehen, sind aus Sdia-
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Zuständigkeit u n d Verfahren
§ 6
densersatzleistungen eingezogene Beträge, die auf Geldleistungen entfallen, zu 40 v. H . an den Bund abzuführen. Entsprechendes gilt f ü r insoweit freiwillig an das Land entrichtete Beträge. Geldleistungen sind nur solche Beträge, die nicht zur Abgeltung oder an Stelle einer Sachleistung gewährt werden (s. § 4 Abs. 2 Satz 2 OEG).
§ 6 Zuständigkeit und Verfahren (1) Die Versorgung nadi diesem Gesetz obliegt den für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden. Ist der Bund Kostenträger und hat der Geschädigte im Zeitpunkt der Schädigung seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem Land, sind die Behörden dieses Landes zuständig; hat der Geschädigte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereidrs des Grundgesetzes, sind die Behörden des Landes zuständig, das die Versorgung von Kriegsopfern in dem Wohnsitz- oder Aufenthaltsland durchführt. (2) Die örtliche Zuständigkeit der Behörden bestimmt die Landesregierung durch Rechtsverordnung. (3) Das Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung, mit Ausnahme der §§ 3 bis 5, sowie die Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes über das Vorverfahren sind anzuwenden. (4) Absatz 3 gilt nicht, soweit die Versorgung in der Gewährung von Leistungen besteht, die den Leistungen der Kriegsopferfürsorge nach den §§ 25 bis 27 e des Bundesversorgungsgesetzes entsprechen. Ü
bersicht
Rdnr. I. 1. 2. 3. 4.
Zuständigkeit Begründung Rechtsgrundlagen Behörden Zuständigkeit im einzelnen
1 2 3 7
Rdnr. II. Verfahren 1. Begründung 2. Rechtsgrundlagen
9 11
I. Zuständigkeit 1. Begründung 1 Um die einheitliche Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes zu sichern, wird die Versorgung nach diesem Gesetz den für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden übertragen (vgl. BT-Drucksache Nr. 7/2506 zu § 7 — jetzt § 6 —).
§6
Zuständigkeit
165
2. Rechtsgrundlage 2 Die Zuständigkeit der Behörden der Kriegsopferversorgung ist geregelt —
im Gesetz über die Errichtung der Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung vom 12. März 1951 (BGBl. I S. 169) i. d. F. vom 27. April 1955 (BGBl. I S. 189),
—
in der Verordnung über die sachliche Zuständigkeit in der Kriegsopferversorgung vom 20. Mai 1963 (BGBl. I S. 367) i. d. F. vom 21. Januar 1968 (BGBl. I S. 104) und
—
in der Verordnung über die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung für Berechtigte außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes vom 9. Juni 1964 i. d. F. vom 22. Dezember 1966 (BGBl. I S. 772).
3. Behörden 3 Die für die Kriegsopferversorgung zuständigen Obersten Landesbehörden sind die Ministerien bzw. Senatsverwaltungen für Arbeit (und Soziales) in den Bundesländern einschl. Berlin-West. 4 Die Versorgung der Kriegsopfer — hier der Geschädigten im Sinne des O E G — wird von den Versorgungsämtern und den Landesversorgungsämtern durchgeführt. Diese Einrichtungen sind als besondere Verwaltungsbehörden errichtet worden. 5 Die Versorgungsämter unterstehen den Landesversorgungsämtern. Weiterhin unterstehen den Landesversorgungsämtern die orthopädischen Versorgungsstellen und versorgungsärztlichen Untersuchungsstellen, die Versorgungskuranstalten, -heilstätten für Tuberkulose und -krankenhäuser, die Beschaffungsstellen für Heilund Hilfsmittel sowie die Krankenbuchlager. 6 Die Landesversorgungsämter sind den für die Kriegsopferversorgung zuständigen Obersten Landesbehörden nachgeordnet.
4. Zuständigkeit im einzelnen 7 Für die Ermittlung der Zuständigkeit sind § 3 V f G (örtliche Zuständigkeit), § 4 V f G (Verlegung des Wohnsitzes) und § 5 V f G (Zuständigkeit in Zweifelsfällen) nicht anwendbar, es sei denn, daß die Versorgung in der Gewährung von Leistungen besteht, die den
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Zuständigkeit und Verfahren
§6
Leistungen der Kriegsopferfürsorge nach den §§ 25 bis 27 e BVG entsprechen (s. hierzu Rdn. 12). 8 Zuständig sind die Behörden des Landes, in dem der Geschädigte im Zeitpunkt der Schädigung seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, auch wenn der Bund Kostenträger (§ 4 OEG) ist. Hat der Geschädigte zu diesem Zeitpunkt seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes, so sind die Behörden des Landes zuständig, das die Versorgung von Kriegsopfern in dem Wohnsitz- oder Aufenthaltsland durchführt (s. hierzu Rdn. 389 ff. zu § 1). Die örtliche Zuständigkeit der Behörden bestimmt die Landesregierung durch Rechtsverordnung.
II. Verfahren 1. Begründung 9 Aus der Zuständigkeit der Versorgungsämter ergibt sich die Anwendung der für das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung geltenden Vorschriften und der Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes über das Vorverfahren (§ 6 Abs. 3). Abweichend von § § 3 bis 5 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung soll die örtliche Zuständigkeit der Behörden von der Landesregierung durch Rechtsverordnung bestimmt werden. Wie bei der entsprechenden Regelung in § 55 Bundes-Seuchengesetz (in der Fassung des Artikels 2 des Vierten Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes vom 24. Juli 1972, BGBl. I S. 1284) sprechen sachliche Gründe dafür, den Landesregierungen die Möglichkeit zu geben, die Zuständigkeit für diese Materie bei einzelnen Versorgungsämtern zu konzentrieren. 10 Die Verweisung auf die Vorschriften des BVG macht es wegen des Sachzusammenhangs notwendig, gerichtliche Entscheidungen den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zuzuweisen und die besonderen Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes für die Kriegsopferversorgung für anwendbar zu erklären. Der für die Kriegsopferfürsorge (§§ 25 bis 27 e BVG) gegebene Verwaltungsrechtsweg (§51 SGG, § 40 VwGO) soll auch für Leistungen, die der Kriegsopferfürsorge entsprechen (§ 7 Abs. 2), gegeben sein. Inhaltsgleiche Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit enthält das Bundes-Seuchengesetz ($ 61 Abs. 2 und 3).
§7
Rechtsweg
167
2 . Rechtsgrundlagen 11 Für das Verfahren bei den Behörden der Kriegsopferversorgung ist das Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VfG) vom 2. Mai 1955 (BGBl. I S. 202) in der — zur Zeit geltenden — Fassung vom 6. Mai 1976 (BGBl. I S. 1169) anzuwenden, ausgenommen die §§ 3 bis 5 dieses Gesetzes (s. Rdnr. 7). Weiterhin sind anzuwenden die Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes über das Vorverfahren ( § 7 7 : Bindung des Verwaltungsaktes, § 7 8 : Vorverfahren, § 83: Beginn des Vorverfahrens, § 84: Frist und Form des Widerspruchs, § 85: Erledigung des Widerspruchs und § 86: Erweiterung des Vorverfahrens, aufschiebende Wirkung des Widerspruchs). 12 Soweit die Versorgung in der Gewährung von Leistungen besteht, die den Leistungen der Kriegsopferfürsorge nach den §§ 25 bis 27 e B V G entsprechen, ist das Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung vollinhaltlich anzuwenden. Die Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes über das Vorverfahren gelten nicht, da in diesen Fällen der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist (§ 7 Abs. 1 OEG).
§ 7 Rechtsweg (1) Für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten dieses Gesetzes ist, mit Ausnahme der Fälle des Absatzes 2, der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben. Soweit das Sozialgerichtsgesetz besondere Vorschriften für die Kriegsopferversorgung enthält, gelten diese auch für Streitigkeiten nach Satz 1. (2) Soweit die Versorgung in der Gewährung von Leistungen besteht, die den Leistungen der Kriegsopferfürsorge nach den §§ 25 bis 27 e des Bundesversorgungsgesetzes entsprechen, ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Ü bersicht Rdnr. Rechtsweg 1. Begründung
1
2. Sozialgerichtsbarkeit 3. Verwaltungsrechtsweg
Rdnr. ... 2 ... 4
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Rechtsweg
§ 7
Rechtsweg 1. Begründung 1 Die Verweisung auf die Vorschriften des B V G macht es wegen des Sachzusamenhangs notwendig, die gerichtlichen Entscheidungen den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zuzuweisen und die besonderen Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes für die Kriegsopferversorgung für anwendbar zu erklären. Der für die Kriegsopferfürsorge (§§ 25 bis 27 e BVG) gegebene Verwaltungsrechtsweg ( § 5 1 SGG, § 40 VwGO) soll auch für Leistungen, die der Kriegsopferfürsorge entsprechen (§ 7 Abs. 2), gegeben sein. Inhaltsgleiche Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit enthält das BundesSeuchengesetz — § 61 Abs. 2 und 3 — (BT-Drucksache N r . 7/2506 zu § 8 — jetzt § 7 —).
2. Sozialgerichtsbarkeit 2 Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten . . . der Kriegsopferversorgung ( § 5 1 Abs. 1 SGG). Zu den Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung gehören nicht Maßnahmen auf dem Gebiet der sozialen Fürsorge nach den §§ 25 bis 27 e des Bundesversorgungsgesetzes (§ 51 Abs. 2 Satz 2 SGG). 3 Besondere Vorschriften für die Kriegsopferversorgung enthält das Sozialgerichtsgesetz in § 55 Abs. 1 N r . 3 (Klage auf Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge einer Schädigung im Sinne des BVG ist), § 57 Abs. 1 (örtliche Zuständigkeit bei Klage eines Landes), § 57 Abs. 2 (örtliche Zuständigkeit bei erstmaliger Bewilligung einer Hinterbliebenenrente), § 71 Abs. 5 (Prozeßfähigkeit — Landesversorgungsamt —), § 73 Abs. 6 (Bevollmächtigte, die Mitglieder oder Angestellte von Vereinigungen der Kriegsopfer sind), § 75 Abs. 1, 2 (Beiladung der Bundesrepublik Deutschland bzw. eines Landes), § 75 Abs. 5 (Verurteilung eines beigeladenen Landes), § 78 Abs. 2 (Anfechtungsklage auch ohne Vorverfahren), § 86 Abs. 3 (Aussetzung des Vollzugs eines Verwaltungsaktes, der eine laufende Leistung entzieht), § 109 Abs. 1 (Anhörung eines Arztes), § 148 S G G (Ausschluß der Berufung), § 150 Nr. 3 (Ausnahmen von Ausschluß der Berufung), § 154 Abs. 2 (Aufschiebende Wirkung der Berufung), § 168 (Klageänderungen und Beiladungen, wenn die Bundesrepublik Deutschland beigeladen ist), § 180 Abs. 2, 6 (Zulässigkeit der Wiederaufnahme), § 182 Abs. 2 (Bindung der Entscheidung gegen nichtbeteiligte Versicherungsträger).
Ä n d e r u n g der Reidisversidierungsordnung
§8
169
3. Verwaltungsrechtsweg 4 Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind (§ 40 Abs. 1 VwGO). Für Streitigkeiten, die sich aus der Gewährung von Leistungen ergeben, die den Leistungen der Kriegsopferfürsorge nach §§ 25 bis 27 a B V G entsprechen, ist der Weg zu den Sozialgeriditen nicht zugelassen ( § 5 1 Abs. 2 Satz 2 SGG); nach § 7 Abs. 2 O E G ist hierfür der Verwaltungsrechtsweg gegeben. 5 Bei den Leistungen der Kriegsopferfürsorge handelt es sich im einzelnen um Maßnahmen und den Bedarf bei der Erziehung und Ausbildung sowie der einzusetzenden Mittel der Waise und ihrer unterhaltspflichtigen Angehörigen bzw. des Beschädigten und des auszubildenden Kindes (§ 27 BVG), um die ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt, die Erholungsfürsorge und die Wohnungsfürsorge (§ 27 a BVG), die sonstigen Hilfen (§ 27 b B V G ) und die Sonderfürsorge (§ 27 c BVG).
§ 8 Änderung der Reichsversicherungsordnung Nach § 765 wird folgender § 765 a eingefügt: „§ 765 a (1) Den nach § 539 Abs. 1 Nr. 9 Versicherten werden auf Antrag die Sachschäden, die sie bei einer der dort genannten Tätigkeiten erleiden, sowie die Aufwendungen, die sie den Umständen nach für erforderlich halten dürfen, ersetzt. Der Anspruch richtet sich gegen den für die Versicherung zuständigen Versicherungsträger. (2) § 1542 Abs. 1 Satz 1 und § 640 Abs. 2 gelten entsprechend." Übersicht Rdnr. Entschädigung für N o t h e l f e r 1. 2. 3. 4.
Begründung Personenkreis Tatbestände Sachschäden
1 7 8 11
Rdnr. 5. Aufwendungen 12 6. Ubergang von Schadensersatzansprüchen 13 7. Verzicht auf Ersatzanspruch 14
170
Änderung der Reichsversidierungsordnung
§8
Entschädigung für Nothelfer 1. Begründung 1 Die in die Reichsversidierungsordnung einzufügende Vorschrift regelt den Ersatz von Sachschäden und Aufwendungen der N o t helfer (§ 539 Abs. 1 Nr. 9 RVO). Sie gewährleistet, daß die N o t helfer die bei ihrer Hilfeleistung erlittenen Sachschäden sowie die zum Zwecke der Hilfeleistung gemachten Aufwendungen ersetzt erhalten, wenn sie einen entsprechenden Antrag an den zuständigen Versicherungsträger stellen. 2 Nothelfer haben zwar in aller Regel bürgerlich-rechtliche Ansprüche aus unerlaubter Handlung, Gefährdungshaftung, Auftrag oder Geschäftsführung ohne Auftrag, und zwar gegen diejenigen, die f ü r die Folgen der von ihnen herbeigeführten Notsituation einzustehen haben, gegen die Hilfeempfänger oder auch gegen Dritte (vgl. BGHZ 33, 251 ff.; 38, 270 ff.; 55, 207 ff.). 3 Diese Ansprüche lassen sich aber häufig nicht verwirklichen oder die Nothelfer wollen sie wegen der damit verbundenen Schwierigkeiten nicht durchsetzen. Durch die neue Vorschrift sollen dem Nothelfer, der in gewissem Umfang auch zum Wohle der Allgemeinheit tätig wird, die Mühen und Risiken bei der Verwirklichung der zivilrechtlichen Ansprüche abgenommen werden, indem ihm ein von den Regelungen des bürgerlichen Rechts unabhängiger Anspruch gegen den Versicherungsträger verschafft wird. Die möglichen bürgerlich-rechtlichen Ansprüche bleiben hiervon unberührt. 4 Die Sachschäden sind ohne Einschränkungen zu ersetzen. Wer sich uneigennützig für andere einsetzt oder zu einem solchen Einsatz verpflichtet wird, muß in weitgehendem Umfang als ein durch eine Straftat Betroffener entschädigt werden. Bei den Aufwendungen kommt es darauf an, inwieweit sie der Nothelfer nach den Umständen für erforderlich halten durfte. Dies ist jedoch nicht engherzig, sondern unter Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweiligen Notsituation zu beurteilen. 5 Der Sachschaden- und Aufwandsersatz ist von dem für den Unfallversicherungsschutz des Nothelfers zuständigen Versicherungsträger zu leisten; das ist in der Regel das Land (§ 655 Abs. 1 Nr. 3 RVO) oder der von ihm hierzu bestimmte gemeindliche Träger der Unfallversicherung (§ 656 Abs. 4 RVO).
Entschädigung für Nothelfer
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6 Die Verweisung auf § 1542 Abs. 1 Satz 1 RVO stellt sicher, daß die bürgerlich-rechtlichen Ansprüche des Nothelfers auf den Versicherungsträger übergehen, soweit dieser durch seine Leistung deckungsgleiche Schäden abgegolten hat. Denn es ist nicht beabsichtigt, die nadi bürgerlichem Recht Verpflichteten von ihrer Haftung freizustellen; der Versicherungsträger muß die Möglichkeit haben, seinerseits diese Ansprüche zu verfolgen. Die Verweisung auf § 640 Abs. 2 R V O bewirkt, daß der Versicherungsträger in Härtefällen auf den übergegangenen Anspruch verzichten kann (BT-Drucksadie N r . 7/2506 zu § 9 — jetzt § 8 —).
2. Personenkreis 7 Nach dem neu eingefügten § 765 a der Reichsversicherungsordnung vom 19. Juli 1911 (RGBl. S. 509) i. d. F. der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1924 (RGBl. I S. 779) mit allen späteren Änderungen (zuletzt vom 11. Mai 1976 (BGBl. I S. 1182) — R V O — sind anspruchsberechtigt die in § 539 Abs. 1 N r . 9 R V O genannten Personen: § 539 RVO „(Versicherte Personen) (1) In der Unfallversicherung sind, unbeschadet der §§ 541 und 542, gegen Arbeitsunfall versidiert 1. bis 8. . . . 9. Personen, die a) bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus gegenwärtiger Lebensgefahr oder erheblicher gegenwärtiger Gefahr für Körper oder Gesundheit zu retten unternehmen, b) einem Bediensteten des Bundes, eines Landes, einer Gemeinde, eines Gemeindeverbandes oder einer anderen Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts, der sie zur Unterstützung bei einer Diensthandlung heranzieht, Hilfe leisten, c) sich bei Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer rechtswidrigen, den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklichenden Tat verdächtig ist, oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen, 10. bis 1 7 . . .
3. Tatbestände 8 a) Unglücksfälle sind nach der Definition des RG (DR 1942, 1223) plötzlich eintretende Ereignisse, die erhebliche Gefahren f ü r Menschen oder Sachen hervorrufen oder hervorzurufen drohen,
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Änderung der Reichsversicherungsordnung
§8
ζ. B. ein Verkehrsunfall ( B G H G A 1956, 121, B G H S t . 11, 136) oder das Liegen eines Betrunkenen auf der Fahrbahn (BayObLG N J W 1953, 566, 1963, 62; O L G Köln V R S 24, 54). Schönke-Sdiröder (Rdn. 5 zu § 330 c StGB) folgt dieser Definition nur insoweit, als es sich um Gefahren für Menschen handelt. Es ist nicht erforderlich, daß bereits irgendein Schaden eingetreten ist; auch ein bevorstehendes Unglück ist ein Unglücksfall. Eine Sachgefahr wird man nur dann als ausreichend ansehen können, wenn die Voraussetzungen einer gemeinen Gefahr vorliegen (Schönke-Schröder, a. a. O.). Nicht jede Erkrankung ist als Unglücksfall anzusehen (BayObLG N J W 1953, 556); im Rahmen einer Erkrankung kann aber eine Lage eintreten, die ein Unglücksfall ist (RGSt. 75, 71). 9 b) Gemeine Gefahr. Vgl. hierzu § § 3 0 6 ff. StGB sowie Rdnr. 228 ff. zu § 1 O E G . 10 c) Gemeine Not. Die gemeine N o t ist eine die Allgemeinheit betreffende Notlage. Die Pflicht zur Hilfeleistung ist nicht auf die Fälle der Gefahr für Leib und Leben beschränkt; sie besteht auch bei allgemeiner Gefahr für Sachgüter (Schönke-Schröder, Rdn. 8 zu § 330 c StGB), ζ. B. für öffentliche Gebäude, insbesondere für Verund Entsorgungseinrichtungen, für Einsatzfahrzeuge der Polizei, der Feuerwehr usw.
4. Sachschäden 11 Dieser Schadensgruppe ist jeder Schaden zuzurechnen, der in einer Güterminderung besteht, aber audi, durch den Vorteile entgangen sind, die ohne die Hilfeleistung eingetreten wären. Schadensersatzpflicht besteht für jede Sache, die durch das schädigende Ereignis wertgemindert oder wertlos geworden oder abhanden gekommen ist. Entsprechendes gilt für alle Umstände, die vor und nach dem schädigenden Ereignis eingetreten sind und damit in kausalem Zusammenhang stehen.
5. Aufwendungen 12 Hierunter ist die freiwillige Aufopferung von Vermögenswerten zur Erreichung bestimmter Zwecke, hier der Hilfeleistung zu verstehen. Der Aufwandsersatz ist kein Schadensersatz, sondern Erstattung. Näheres hierzu siehe §§ 256, 670 BGB.
§9
Änderung des Pflichtversicherungsgesetzes
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6. Übergang v o n Schadensersatzansprüchen 13
Entsprechend anzuwenden ist § 1542 Abs. 1 Satz 1 R V O :
„(1) Soweit die nach diesem Gesetz Versicherten oder ihre Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften Ersatz eines Schadens beanspruchen können, der ihnen durch Krankheit, Unfall, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder durch den Tod des Ernährers erwachsen ist, geht der Anspruch auf die Träger der Versidierung insoweit über, als sie den Entschädigungsberechtigten nach diesem Gesetze Leistungen zu gewähren haben..
7. Verzicht auf Ersatzanspruch 14
Die Vorschrift des § 640 Abs. 2 R V O gilt entsprechend:
„(2) Die Träger der Sozialversicherung können nach billigem Ermessen insbesondere unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers auf den Ersatzanspruch verzichten."
§ 9 Änderung des Pflichtversidierungsgesetzes § 12 des Pflichtversicherungsgesetzes vom 5. April 1965 (Bundesgesetzbl. I S. 213), zuletzt geändert durch das Zuständigkeitsanpassungs-Gesetz vom 18. März 1975 (Bundesgesetzbl. I S. 705), wird wie folgt geändert: 1. In Absatz 1 Satz 1 wird am Ende der Nummer 1 das Wort „oder" gestrichen, am Ende der Nummer 2 der Punkt durch das Wort „oder" ersetzt und folgende Nummer 3 angefügt: „3. wenn für den Schaden, der durch den Gebrauch des ermittelten oder nicht ermittelten Fahrzeugs verursacht worden ist, eine Haftpflichtversicherung deswegen keine Deckung gewährt oder gewähren würde, weil der Ersatzpflichtige den Eintritt der Tatsache, für die er dem Ersatzberechtigten verantwortlich ist, vorsätzlich und widerrechtlich herbeigeführt hat." 2. In Absatz 1 wird folgender Satz 5 angefügt: „Die Leistungspflicht des Entschädigungsfonds entfällt ferner bei Ansprüchen des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände als Straßenbaulastträger sowie bei Ansprüchen der Deutschen Bundesbahn als Baulastträgerin für verkehrssichernde oder verkehrsregelnde Einrichtungen an Bahnübergängen." 3. In Absatz 4 Satz 2 wird das Wort „Nr. 2" ersetzt durch „Nr. 2 und 3".
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Ä n d e r u n g des Pfliditversicherungsgesetzes
§9
U bersicht Entsdiädigungsfonds 1. Begründung 2. Rechtsgrundlage
.,
Rdnr.
1
7
Entsdiädigungsfonds 1. Begründung 1 a) Z u N u m m e r 1: Mit dieser Vorschrift ist nicht beabsichtigt, Schäden zu erfassen, die im Straßenverkehr mit einem Kraftfahrzeug oder Anhänger verursacht worden sind. Diese Schäden sollen nach den gleichen Grundsätzen abgewickelt werden, die f ü r andere durch ein Kraftfahrzeug verursachte Schäden gelten. Der auf § 12 PflVG beruhende Entschädigungsfonds f ü r Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen, der in seiner heutigen F o r m von der deutschen Versicherungswirtschaft getragen wird und dazu dient, Lücken im wirtschaftlichen Schutz der Opfer des Straßenverkehrs zu schließen, erscheint vorzugsweise berufen, audi die Deckung der im Straßenverkehr durch Vorsatztaten entstehenden Schäden zu übernehmen, f ü r die bisher gemäß § 112 V V G keine Deckung bestand. Mit Zustimmung des Trägers dieser Einrichtung sieht daher das Gesetz eine Änderung des § 12 Abs. 1 PflVG durch eine N u m m e r 3 vor, die auch die vorsätzlich und widerrechtlich verursachten Schäden in die Leistungspflicht des Entschädigungsfonds einbezieht. Diese Schäden werden damit praktisch in dem gleichen Verfahren abgewickelt werden, das bei Bestehen der Deckung durch Haftpflichtversicherung angewandt wird. 2 Die erweiterte Leistungspflicht des Entschädigungsfonds soll audi in den Sonderfällen gelten, in denen die vorsätzliche Schädigung durch ein Kraftfahrzeug verursacht wurde (insbesondere Fall der Fahrerflucht), so daß die Inanspruchnahme eines Haftpflichtversicherers schon aus diesem Grunde ausscheidet. Wie durch den Wortlaut der neuen Vorschrift klargestellt wird, sollen auch die Einschränkungen der Leistungspflicht des Entschädigungsfonds, die nach § 12 Abs. 2 PflVG f ü r die Fälle der „normalen" Fahrerflucht gelten, in diesen durch das Hinzutreten einer vorsätzlichen Handlungsweise charakterisierten Fällen nicht eingreifen. 3 Durch die Verwendung der gleichen Begriffe („durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs v e r u r s a c h t . . . " ) sowohl in der Aus-
§9
Entsdiädigungsfonds
175
nahmeklausel des § 1 Abs. 5 des Gesetzes als auch in der neuen Nummer 3 des § 12 Abs. 1 PflVG wird erreicht, daß sich die beiden Vorschriften lückenlos ineinanderfügen und bei der praktischen Anwendung Auslegungsunterschiede zu Lasten der Geschädigten nicht auftreten können (vgl. BT-Drucksache Nr. 7/2506 zu § 10 — jetzt § 9 — Nr. 1). 4 b) Zu Nummer 2: Die Vorschrift klärt die seit längerem zweifelhafte Frage, ob der Entschädigungsfonds nach § 12 PflVG audi gegenüber der öffentlichen Hand leistungspflichtig ist. Diese Frage steht zwar nicht in unmittelbarem sachlichem Zusammenhang mit dem Anliegen dieses Gesetzes; die vorgesehene Entschädigungsregelung bietet aber einen geeigneten Anlaß zu der seit langem notwendigen und insbesondere auch aus dem Bereich der Bundesländer gewünschten Klarstellung durch den Gesetzgeber. Für die Versicherungswirtschaft, die den Entschädigungsfonds trägt, bringt sie zugleich einen gewissen wirtschaftlichen Ausgleich f ü r die sich aus Nummer 1 ergebende Mehrbelastung. 5 Nach dem Wortlaut des geltenden § 12 PflVG wird die Leistungspflicht des Entschädigungsfonds grundsätzlich von persönlichen Eigenschaften des Geschädigten (wie etwa Bedürftigkeit) oder von seiner Rechtsform abhängig gemacht. In den letzten Jahren sind jedoch in zunehmenden und für die Entschädigungseinrichtung nicht mehr tragbarem Umfang Ersatzansprüche der öffentlichen Hand erhoben worden, die vor allem Trägern der Straßenbaulast und der Bundesbahn wegen der Beschädigung von Einrichtungen wie Autobahn-Leitplanken, Verkehrsschildern, Bahnsdiranken usw. durch unversicherte oder nicht ermittelte Kraftfahrzeuge entstanden sind. Aufgabe einer Einrichtung, welche die Opfer des Straßenverkehrs entschädigen und vor N o t bewahren soll, kann es aber nicht sein, in großem und ständig steigendem Umfang Leistungen an die öffentliche Hand zu erbringen. Der Fonds hat daher, um seine Funktionsfähigkeit im Interesse der eigentlichen Verkehrsopfer zu erhalten, die Erfüllung solcher Ansprüche der öffentlichen Hand ausgesetzt. 6 Die neue Vorschrift soll nur die Ansprüche der Straßenbaulastträger und der Bundesbahn als Baulastträgerin für Verkehrseinriditungen ausdrücklich ausschließen, weil diese Schäden die Entschädigungseinrichtung in besonderem Maße belasten. Die Träger der Baulast für die Straßensicherheit haben die unmittelbare wesensgemäße Aufgabe, mit den ihnen hierfür bereitgestellten Mitteln die Sicherungseinrichtungen f ü r den Straßenverkehr zu errichten und zu
176
Änderung des Pflichtversidierungsgesetzes
§9
unterhalten; sie müssen mit Ansprüchen auf Sachschadenersatz zugunsten der Verkehrsopfer zurückstehen (vgl. BT-Drucksache Nr. 7/2506 zu § 10 — jetzt § 9 — Nr. 2).
2. Rechtsgrundlage 7
§ 12 PflVG hat nunmehr folgenden Wortlaut: „(1) Wird durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeuges oder eines Anhängers im Geltungsbereich dieses Gesetzes ein Personen- oder Sachschaden verursacht, so kann derjenige, dem wegen dieser Schäden Ersatzansprüche gegen den Halter, den Eigentümer oder den Fahrer des Fahrzeugs zustehen, diese Ersatzansprüche audi gegen den „Entschädigungsfonds für Schäden an Kraftfahrzeugunfällen" (Entschädigungsfonds) geltend machen, 1. wenn das Fahrzeug, durch dessen Gebrauch der Schaden verursacht worden ist, nicht ermittelt werden kann, 2. wenn die auf Grund eines Gesetzes erforderliche Haftpflichtversicherung zugunsten des Halters, des Eigentümers und des Fahrers de9 Fahrzeugs nicht besteht oder 3. wenn für den Schaden, der durch den Gebrauch des ermittelten oder nicht ermittelten Fahrzeugs verursacht worden ist, eine Haftpflichtversicherung deswegen keine Deckung gewährt oder gewähren würde, weil der Ersatzpflichtige den Eintritt der Tatsache, für die er dem Ersatzberechtigten verantwortlich ist, vorsätzlich und widerrechtlich herbeigeführt hat. Das gilt nur, soweit der Ersatzberechtigte weder von dem Halter, dem Eigentümer oder dem Fahrer des Fahrzeugs noch von einem Schadensversicherer oder einem Verband von im Geltungsbereich dieses Gesetzes zum Geschäftsbetrieb befugten Haftpflichtversicherer Ersatz eines Schadens zu erlangen vermag. Die Leistungspflicht des Entschädigungsfonds entfällt, soweit der Ersatzberechtigte in der Lage ist, Ersatz seines Schadens nach den Vorschriften über die Amtspflichtverletzung zu erlangen, oder soweit der Schaden durch Leistungen eines Sozialversicherungsträgers, durch Fortzahlung von Dienst- oder Amtsbezügen, Vergütung oder Lohn durch Gewährung von Versorgungsbezügen ausgeglichen wird. Im Falle einer fahrlässigen Amtspflichtverletzung geht abweichend von § 839 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches die Ersatzpflicht auf Grund der Vorschriften über die Amtspflichtverletzung der Leistungspflicht des Entschädigungsfonds vor. Die Leistungspflicht des Entschädigungsfonds entfällt ferner bei Ansprüchen des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände als Straßenbaulastträger sowie bei Ansprüchen der Deutschen Bundesbahn als Baulastträgerin für verkehrssichernde oder verkehrsregelnde Einrichtungen an Bahnübergängen. (2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 können gegen den Entschädigungsfonds Ansprüche nach § 847 des Bürgerlichen Gesetzbuches nur geltend gemacht werden, wenn und soweit die Leistung einer Entschädigung
§10
Übergangsvorschriften
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wegen der besonderen Schwere der Verletzung zur Vermeidung einer groben Unbilligkeit erforderlich ist. Für Sachschäden am Fahrzeug des Ersatzberechtigten besteht in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 keine Leistungspflicht des Entschädigungsfonds. Für sonstige Sachschäden beschränkt sich in diesen Fällen die Leistungspflicht des Entschädigungsfonds auf den Betrag, der eintausend Deutsche Mark übersteigt. (3) Der Anspruch des Ersatzberechtigten gegen den Entschädigungsfonds verjährt in drei Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Ersatzberechtigte von dem Schaden und von den Umständen Kenntnis erlangt, aus denen sich ergibt, daß er seinen Ersatzanspruch gegen den Entschädigungsfonds geltend machen kann. Ist der Anspruch des Ersatzberechtigten bei dem Entschädigungsfonds angemeldet worden, so ist die Verjährung bis zum Eingang der schriftlichen Entscheidung des Entschädigungsfonds und, wenn die Schiedsstelle (§ 14 Nr. 3) angerufen worden ist, des Einigungsvorschlags der Schiedsstelle gehemmt. (4) Im übrigen bestimmen sich Voraussetzungen und Umfang der Leistungspflicht des Entschädigungsfonds sowie die Pflichten des Ersatzberechtigten gegenüber dem Entschädigungsfonds nach den Vorschriften, die bei Bestehen einer auf Grund dieses Gesetzes abgeschlossenen Haftpflichtversicherung für das Verhältnis zwischen dem Versicherer und dem Dritten in dem Falle gelten, daß der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber von der Verpflichtung zur Leistung frei ist. In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 haben der Halter, der Eigentümer und der Fahrer des Fahrzeugs gegenüber dem Entschädigungsfonds die einen Versicherungsnehmer nach Eintritt des Versicherungsfalles gegenüber dem Versicherer treffenden Verpflichtungen zu erfüllen. (5) Der Entschädigungsfonds kann von den Personen, für deren Schadensersatzverpflichtungen er nach Absatz 1 einzutreten hat, wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. (6) Der Ersatzanspruch des Ersatzberechtigten gegen den Halter, den Eigentümer und den Fahrer des Fahrzeugs sowie ein Ersatzanspruch, der dem Ersatzberechtigten oder dem Halter, dem Eigentümer oder dem Fahrer des Fahrzeugs gegen einen sonstigen Ersatzpflichtigen zusteht, gehen auf den Entschädigungsfonds über, soweit dieser dem Ersatzberechtigten den Schaden ersetzt. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Ersatzberechtigten geltend gemacht werden. Gibt der Ersatzberechtigte seinen Ersatzanspruch oder ein zur Sicherung des Anspruchs dienendes Recht auf, so entfällt die Leistungspflicht des Entschädigungsfonds insoweit, als er aus dem Anspruch oder dem Recht hätte Ersatz erlangen können."
§10
Übergangsvorschriften
Dieses Gesetz gilt für Ansprüche aus Taten, die nach seinem Inkrafttreten begangen worden sind.
178
Geltungsbereich (Land Berlin), Inkrafttreten
§12
Begründung Die Vorschrift stellt klar, daß Opfer von Straftaten Ansprüche nach dem neuen Gesetz nur geltend machen können, wenn die Tat nach seinem Inkrafttreten begangen worden ist. Eine Rückwirkung des Gesetzes wird insoweit ausgeschlossen. Die darin liegende H ä r t e gegenüber Menschen, die früher Opfer einer Straftat geworden sind, ist nicht zu vermeiden. Der Gegenstand des Gesetzes ist neu, ohne Vorbild und Vorgänger im deutschen Recht. Es auf zurückliegende Fälle anzuwenden, würde nicht absehbare Kostenfolgen haben; in manchen Fällen würde eine nachträgliche Feststellung, ob die Voraussetzungen des § 1 gegeben sind, schwierig oder gar unmöglich sein. Stichhaltige Gründe f ü r einen bestimmten, zurückliegenden Zeitpunkt fehlen, er könnte daher nur willkürlich bestimmt werden (BT-Drucksache N r . 7/2506 zu § 11 — jetzt § 10 —).
§n Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 1) auch im Land Berlin.
§12 Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. Das Gesetz ist im Bundesgesetzblatt vom 15. Mai 1976 verkündet worden. Demnach ist es anzuwenden auf alle Straftaten (§ 1 Abs. 1 und 2), die ab 16. Mai 1976, 00.00 Uhr, begangen wurden. Entsprechendes gilt f ü r Unfälle (§ 1 Abs. 3).
Anh. 1
Bundesversorgungsgesetz
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Anhang 1. Gesetz
über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundes versorgungsgesetz-BVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22 Juni 1976 (BGBl. I S. 1633)
Anspruch auf Versorgung §1 (1) Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung. (2) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die herbeigeführt worden sind durch a) eine unmittelbare Kriegseinwirkung, b) eine Kriegsgefangenschaft, c) eine Internierung im Ausland oder in den nicht unter deutscher Verwaltung stehenden deutschen Gebieten wegen deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit, d) eine mit militärischem oder militärähnlichem Dienst oder mit den allgemeinen Auflösungserscheinungen zusammenhängende Straf- oder Zwangsmaßnahme, wenn sie den Umständen nach als offensichtliches Unrecht anzusehen ist, e) einen Unfall, den der Beschädigte auf einem Hinoder Rückweg erleidet, der notwendig ist, um eine Maßnahme der Heilbehandlung, eine Badekur, Versehrtenleibesübungen als Gruppenbehandlung oder berufsfördernde Maßnahmen zur Rehabilitation nach § 26 durchzuführen oder um zur Aufklärung des Sachverhalts persönlich zu erscheinen, sofern das Erscheinen angeordnet ist, f) einen Unfall, den der Beschädigte bei der Durchführung einer der unter Buchstabe e aufgeführten Maßnahmen erleidet. (3) Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewißheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung Versorgung in gleicher Weis© wie für Schädigungsfolgen gewährt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden. (4) Eine vom Beschädigten absichtlich herbeigeführte Schädigung gilt nicht als Schädigung im Sinne dieses Gesetzes.
(5) Ist der Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben, so erhalten seine Hinterbliebenen auf Antrag Versorgung. Absatz 3 gilt entsprechend. $2 (1) Militärischer Dienst im Sinne des § 1 Abs. 1 ist a) jeder nach deutschem Wehrrecht geleistete Dienst als Soldat oder Wehrmaditbeamter, b) der Dienst im Deutschen Volkssturm, c) der Dienst in der Feldgendarmerie, d) der Dienst in den Heimatflakbatterien. (2) Bei Vertriebenen im Sinne des § 1 des Bundesvertriebenengesetzes, die Deutsche oder deutsche Volkszugehörige sind, steht die Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht nach den Vorschriften des Herkunftslandes vor dem 9. Mai 1945 dem Dienst in der deutschen Wehrmacht gleich, (3) Bei deutschen Staatsangehörigen steht der Dienst in der Wehrmacht eines dem Deutschen Reich verbündet gewesenen Staates während eines der beiden Weltkriege oder in der tschechoslowakischen oder österreichischen Wehrmacht dem Dienst nach deutschem Wehrrecht gleich, wenn der Berechtigte vor dem 9. Mai 1945 seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt im Gebiet des Deutschen Reichs nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 hatte. §3 (1) Als militärähnlicher Dienst im Sinne des § 1 Abs. 1 gelten a) das von einer Dienststelle der Wehrmacht angeordnete Erscheinen zur Feststellung der Wehrtauglichkeit, zur Eignungsprüfung oder Wehrüberwachung, b) der auf Grund einer Einberufung durch eine militärische Dienststelle oder auf Veranlassung eines militärischen Befehlshabers für Zwecke der Wehrmacht geleistete freiwillige oder unfreiwillige Dienst, c) eine planmäßige oder außerplanmäßige Einschiffung von Zivilpersonen auf Schiffen oder Hilfsschiffen der Wehrmacht, d) der Dienst der zur Wehrmacht abgeordneten Reichsbahnbediensteten und der Dienst der Beamten der Zivil Verwaltung, die auf Befehl ihrer Vorgesetzten zur Unterstützung militärischer Maßnahmen verwendet und damit einem militärischen Befehlshaber unterstellt waren, sowie der Dienst der Militärverwaltungsbeamten,
Bundesversorgungsgesetz
180
e) der Dienst der Wehrmachthelfer und -helferinnen, f) der Dienst des Personals der Freiwilligen Krankenpflege bei der Wehrmacht im Kriege, g) der Dienst der Mitglieder von Pferdebeschaffungskommissionen der Wehrbezirkskommandos, h) der Dienst der Jungschützen, Jungmatrosen und Unteroffizierschüler der Luftwaffe, i) der Reichsarbeitsdienst, k) der Dienst auf Grund der Dritten Verordnung zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeu· tung (Notdienstverordnung) vom 15. Oktober 1938 (Reichsgesetzbl. I S. 1441), 1) der Dienst in Wehrertüchtigungslagern, m) der Dienst in der Organisation Todt für Zwecke der Wehrmacht, n) der Dienst im Baustab Speer/Osteinsatz für Zwecke der Wehrmacht, o) der Dienst im Luftschutz auf Grund der Ersten Durchführungsverordnung zum Luftschutzgesetz in der seit dem 1. September 1939 im Zeitpunkt der Schädigung jeweils geltenden Fassung nach Aufruf des Luftschutzes. (2) Als militärähnlicher Dienst gilt nicht der Zivildienst, der auf Grund einer Dienstverpflichtunij oder eines Arbeitsvertrages bei der Wehrmacht geleistet worden ist, es sei denn, daß der Einsatz mit besonderen, kriegseigentümlichen Gefahren für die Gesundheit verbunden war. §4 (1) Zum militärischen oder militärähnlichen Dienst gehören auch a) der W e g des Einberufenen zum Gestellungsort und der Heimweg nach Beendigung des Dienstverhältnisses, b) Dienstreisen, Dienstgänge und die dienstliche Tätigkeit am Bestimmungsort, c) das Zurücklegen des mit dem Dienst zusammenhängenden Weges nach und von der Dienststelle und d) die Teilnahme an dienstlichen Veranstaltungen. Hatte der Beschädigte wegen der Entfernung seiner ständigen Familienwohnung vom Dienstort an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft, gilt Satz 1 Buchstabe c auch für den Weg von und nach der Familienwohnung. (2) Absatz 1 gilt entsprechend für Kriegsgefangene, Internierte und Verschleppte. (3) Für Entlassene, die innerhalb der jetzigen Grenzen des Bundesgebietes keine Wohnung haben, gilt der Entlassungsweg mit dem Eintreffen an dem vorläufig zugewiesenen Aufenthaltsort als beendet.
Anh. 1
sammenhang mit einem der beiden Weltkriege stehen, a) Kampfhandlungen und damit unmittelbar zusammenhängende militärische Maßnahmen, insbesondere die Einwirkung von Kampfmitteln, b) behördliche Maßnahmen in unmittelbarem Zusammenhang mit Kampfhandlungen oder ihrer Vorbereitung, mit Ausnahme der allgemeinen Verdunkelungsmaßnahmen, c) Einwirkungen, denen der Beschädigte durch die besonderen Umstände der Flucht vor einer aus kriegerischen Vorgängen unmittelbar drohenden Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt war, d) schädigende Vorgänge, die infolge einer mit der militärischen Besetzung deutschen oder ehemals deutsch besetzten Gebietes oder mit der zwangsweisen Umsiedlung oder Verschleppung zusammenhängenden besonderen Gefahr eingetreten sind, e) nachträgliche Auswirkungen kriegerischer Vorgänge, die einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich hinterlassen haben. (2) Als nachträgliche Auswirkungen kriegerischer Vorgänge (Absatz 1 Buchstabe e) gelten auch Schäden, die in Verbindung a) mit dem zweiten Weltkrieg durch Angehörige oder sonstige Beschäftigte der Besatzungsmächte oder durch Verkehrsmittel (auch Flugzeuge) der Besatzungsmächte vor dem Tag verursacht worden sind, von dem an Leistungen nach anderen Vorschriften gewährt werden, b) mit dem ersten Weltkrieg durch die in § 1 Nr. 1 des Gesetzes über den Ersatz der durch die Besetzung deutschen Reichsgebiets verursachten Personenschäden (Besatzungspersonenschädengesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. April 1927 (Reichsgesetzbl. I S. 103) bezeichneten Ereignisse verursacht worden sind und zur Zuerkennung von Leistungen geführt hatten. §6
In anderen als den in den §§ 2, 3 und 5 bezeichneten, besonders begründeten Fällen kann mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung das Vorliegen militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder unmittelbarer Kriegseinwirkung anerkannt werden. 57 (1) Das Gesetz wird angewendet auf 1. Deutsche und deutsche Volkszugehörige, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben,
§5
2. Deutsche und deutsche Volkszugehörige, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in den zum Staatsgebiet des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 gehörenden Gebieten östlich der Oder-NeiBe-Linie oder im Ausland haben,
(1) Als unmittelbare Kriegseinwirkung im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchstabe a gelten, wenn sie im Zu-
3. andere Kriegsopfer, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses
Anh. 1
Bundesversorgungsgesetz
Gesetzes haben, wenn die Schädigung mit einem Dienst im Rahmen der deutschen Wehrmacht oder militärähnlichem Dienst für eine deutsche Organisation in ursächlichem Zusammenhang steht oder in Deutschland oder in einem zur Zeit der Schädigung von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebiet durch unmittelbare Kriegseinwirkung eingetreten ist. (2) Auf Kriegsopfer, die aus derselben Ursache einen Anspruch auf Versorgung gegen einen anderen Staat besitzen, wird das Gesetz nicht angewendet, es sei denn, daß zwischenstaatliche Vereinbarungen etwas anderes bestimmen. §8
In anderen als den in § 7 bezeichneten, besonders begründeten Fällen kann mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung Versorgung gewährt werden, außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes jedoch nach Maßgabe der §§ 64 bis 64 f. Die allgemeine Hinbeziehung einer Kriegsopfergruppe in den Anwendungsbereich des Gesetzes bedarf auch der Zustimmung des Bundesministers der Finanzen.
Umfang der Versorgung §9 Die Versorgung umfaßt 1. Heilbehandlung, Versehrtenleibesübungen Krankenbehandlung (§§ 10 bis 24 a),
und
2. Leistungen der Kriegsopferfürsorge (§§ 25 bis 27 fj, 3. Besdiädigtenrente (§§ 29 bis 34) und Pflegezulage (§ 35), 4. Bestattungsgeld (§ 36) und Sterbegeld (§ 37), 5. Hinterbliebenenrente {§§ 38 bis 52), 6. Bestattungsgeld beim Tode von Hinterbliebenen (§ 53).
Heilbehandlung, Versehrtenleibesübungen und Krankenbehandlung § 10 (1) Heilbehandlung wird Beschädigten für Gesundheitsstörungen, die als Folge einer Schädigung anerkannt oder durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht worden sind, gewährt, um die Gesundheitsstörungen oder die durch sie bewirkte Beeinträchtigung der Berufs- oder Erwerbsfähigkeit zu beseitigen oder zu bessern, eine Zunahme des Leidens zu verhüten, körperliche Beschwerden zu beheben, die Folgen der Schädigung zu erleichtern oder um die Beschädigten möglichst auf Dauer in Arbeit, Beruf und Gesellschaft einzugliedern. Ist eine Gesundheitsstörung nur im Sinne der Verschlimmerung als Folge einer Schädigung anerkannt , wird abweichend von Satz 1 Heilbehandlung für die gesamte Gesundheitsstörung gewährt, es sei
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denn, daß die als Folge einer Schädigung anerkannte Gesundheitsstörung auf den Zustand, der Heilbehandlung erfordert, ohne Einfluß ist. (2) Heilbehandlung wird Schwerbeschädigten auch für Gesundheitsstörungen gewährt, die nicht als Folge einer Schädigung anerkannt sind. (3) Versehrtenleibesübungen werden Beschädigten zur Wiedergewinnung und Erhaltung der körperlichen Leistungsfähigkeit gewährt. (4) Krankenbehandlung wird a) dem Schwerbeschädigten für den Ehegatten und für die Kinder (§ 33 b Abs. 2 bis 4) sowie für sonstige Angehörige, die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben und von ihm überwiegend unterhalten werden, b) dem Empfänger einer Pflegezulage für Personen, die seine unentgeltliche Wartung und Pflege nicht nur vorübergehend übernommen haben, c) den Witwen (§§ 38, 42 bis 44 und 48), Waisen (§§ 45, 48) und versorgungsberechtigten Eltern (§§ 49 bis 51) gewährt, um Gesundheitsstörungen oder die durch sie bewirkte Beeinträchtigung der Berufs- oder Erwerbsfähigkeit zu beseitigen oder zu bessern, eine Zunahme des Leidens zu verhüten, körperliche Beschwerden zu beheben oder die Folgen der Behinderung zu erleichtern. Die unter Buchstabe c genannten Berechtigten erhalten Krankenbehandlung auch zu dem Zweck, sie möglichst auf Dauer in Arbeit, Beruf und Gesellschaft einzugliedern. (5) Krankenbehandlung wird f e m e r gewährt a) den Beschädigten mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um weniger als 50 vom Hundert für sich und für die in Absatz 4 Buchstabe a genannten Angehörigen, b) den Witwen (§§ 36, 42 bis 44 und 48) für die in Absatz 4 Buchstabe a genannten Angehörigen, sofern der Berechtigte Ubergangsgeld nach § 26 a erhält. (6) Berechtigten, die die Voraussetzungen der Absätze 2, 4 oder 5 erfüllen, werden für sich und die Leistungsempfänger Mutterschaftshilfe und Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten gewährt. Für diese Leistungen gelten die Vorschriften über die Heil- und Krankenbehandlung mit Ausnahme des Absatzes 1 entsprechend. (7) Die Ansprüche nach den Absätzen 2, 4, 5 und 6 sind ausgeschlossen, wenn und soweit a) ein Sozialversicherungsträger zu einer entsprechenden Leistung verpflichtet ist oder ein entsprechender Anspruch auf Tuberkulosehilfe oder aus einem Vertrag, ausgenommen Ansprüche aus einer privaten Kranken- oder Unfallversicherung, besteht, oder b) der Berechtigte oder derjenige, für den die Krankenbehandlung begehrt wird (Leistungsempfänger), ein Einkommen hat, das die Jahresarbeitsverdiens tgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung übersteigt, es sei denn, daß der Berechtigte Ausgleichsrente erhält oder die Heilbehandlung wegen der als Folge einer Schädi-
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gung anerkannten Gesundheitsstörung nicht durch eine Krankenversicherung sicherstellen kann, oder c) die Heil· oder Krankenbehandlung durch ein anderes Gesetz sichergestellt ist. (8) Heil· oder Krankenbehandlung kann auch vor der Anerkennung eines Versorgungsanspruchs gewährt werden. §11 (1) Die Heilbehandlung umfaßt 1. ambulante ärztliche und zahnärztliche Behandlung, 2. Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln, 3. Versorgung mit Heilmitteln einschließlich Krankengymnastik, Bewegungstherapie, Sprachtherapie und Beschäftigungstherapie, 4. Versorgung mit Zahnersatz, 5. stationäre Behandlung in einem (Krankenhausbehandlung),
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6. stationäre Behandlung in einer Tuberkulose-Heilstätte (Heilstättenbehandlung), 7. Hilfe und Wartung durch Krankenpfleger, Krankenschwestern oder andere Pflegekräfte (Hauspflege), 8. orthopädische Versorgung, 9. Belastungserprobung und Arbeitstherapie. Krankenhaus- und Heil Stättenbehandlung werden gewährt, wenn andere Behandlungsverfahren keinen genügenden Erfolg haben oder in absehbarer Zeit erwarten lassen; die Gewährung von Hauspflege setzt voraus, daß die Aufnahme des Beschädigten in ein Krankenhaus geboten, aber nicht durchführbar ist, oder daß ein sonstiger wichtiger Grund vorliegt. Art und Umfang der Heilbehandlung decken sich, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, mit den Leistungen, zu denen die Krankenkasse (§ 18 c Abs. 2) ihren Mitgliedern verpflichtet ist. (2) Stationäre Behandlung in einer Kureinrichtung (Badekur) kann Beschädigten unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1, 2, 7 und 8 gewährt werden, wenn sie notwendig ist, um den Heilerfolg zu sichern oder um einer in absehbarer Zeit zu erwartenden Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder dem Eintritt einer Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen. Eine Badekur soll nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Durchführung einer solchen Maßnahme oder einer Kurmaßnahme, deren Kosten auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften getragen oder bezuschußt worden sind, gewährt werden, es sei denn, daß eine vorzeitige Gewährung aus dringenden gesundheitlichen Gründen erforderlich ist. Wird die Badekur unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 gewährt, so sollen Gesundheitsstörungen, die den Erfolg der Badekur beeinträchtigen können, mitbehandelt werden. (3) Zuschüsse zu den Kosten der Beschaffung, Instandhaltung und Änderung von Motorfahrzeugen an Stelle bestimmter Hilfsmittel (§ 13 Abs. 1) und deren Instandsetzung, Zuschüsse zu den Kosten der
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Beschaffung und Änderung bestimmter Geräte sowie zu den Kosten bestimmter Dienst- und Werkleistungen (Ersatzleistungen) können Beschädigten, unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1, 2, 7 und 8 zur Ergänzung der orthopädischen Versorgung gewährt werden. Weitere Zuschüsse können zu den Kosten der Unterbringung von Motorfahrzeugen, zu deren Beschaffung der Beschädigte einen Zuschuß nach Satz 1 erhalten hat oder erhalten konnte, sowie zu den Kosten der Unterbringung von Krankenfahrzeugen und Blindenführhunden gewährt werden. Die Gewährung von Zuschüssen zu den Kosten der Beschaffung, Instandhaltung, Änderung und Unterbringung von Motorfahrzeugen an Pflegezulageempfänger mindestens nach Stufe III hängt nicht von der Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln ab. Bei einzelnen Leistungsarten können als Ersatzleistung auch die vollen Kosten übernommen werden. (4) Beschädigte erhalten Haushaltshilfe, wenn ihnen wegen einer Krankenhausbehandlung, Heilstättenbehandlung oder wegen einer Badekur die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist und eine andere im Haushalt lebende Person den Haushalt nicht weiterführen kann, sofern die Maßnahmen auf Grund dieses Gesetzes gewährt werden. Voraussetzung ist ferner, daß im Haushalt ein Kind lebt, das das achte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder das behindert und auf Hilfe angewiesen ist. Als Haushaltshilfe ist eine Ersatzkraft zu stellen. Kann eine Ersatzkraft nicht gestellt werden oder besteht Grund, von der Gestellung einer Ersatzkraft abzusehen, so sind die Kosten für eine selbstbeschaffte Ersatzkraft in angemessener Höhe zu erstatten, §lla (1) Versehrtenleibesübungen werden als Gruppenbehandlung unter ärztlicher Überwachung durchgeführt. Die Verwaltungsbehörde kann sich im Benehmen mit den Versehrten Sportorganisationen geeigneter Versehrtensportgemeinschaften zur Durchführung der Versehrtenleibesübungen bedienen. (2) Die Eignung einer Sportgemeinschaft zur Durchführung von Versehrtenleibesübungen wird durch die Verwaltungsbehörde anerkannt. Voraussetzung für die Anerkennung ist, daß Größe und sportliche Leitung, Ubungsmöglichkeiten und ärztliche Überwachung eine ordnungsmäßige Durchführung der Übungen gewährleisten. Die anerkannte Sportgemeinschaft hat jedem Beschädigten Gelegenheit zur Ausübung von Versehrtenleibesübungen zu geben, sofern nicht zwingende Gründe entgegenstehen. Die Anerkennung kann bei Nichterfüllung der notwendigen Voraussetzungen zurückgenommen werden. (3) Den Versehrtensportgemeinschaften werden die Kosten für die Durchführung der Versehrtenleibesübungen in angemessener Höhe erstattet. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung kann einheitliche Erstattungssätze festlegen. Soweit bei der Durchführung der Versehrtenleibesübungen den organisatorischen Trägern des Versehrtensports Verwaltungskosten entstehen, werden diese in angemessenem Umfang ersetzt.
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§ 12 (1) Für die Krankenbehandlung gilt § 11 Abs. 1 mit Ausnahme der Nummer 4 entsprechend. (2) Zuschüsse zu den notwendigen Kosten der Beschaffung von Zahnersatz können den Berechtigten unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 4, 5, 7 und 8 in angemessener Höhe gewährt werden. (3) Ehegatten und Eltern von Pflegezulageempfängern mindestens der Stufe III sowie Personen, die seine unentgeltliche Wartung und Pflege übernommen haben, kann eine Badekur gewährt werden, wenn sie den Beschädigten mindestens seit zwei Jahren dauernd pflegen und die Badekur zur Erhaltung ihrer Fähigkeit, den Beschädigten zu pflegen, erforderlich ist. § 10 Abs. 7 gilt entsprechend. (4) § 11 Abs. 4 gilt für Berechtigte im Sinne des § 10 Abs. 4 und 5 sowie für Pflegezulageempfänger 'mindestens nach Stufe III entsprechend, sofern Leistungsempfängern im Sinne des $ 10 Abs. 4 Buchstaben a und b und $ 10 Abs. 5, Berechtigten im Sinne des § 10 Abs. 4 Buchstabe c oder Pflegepersonen im Sinne des § 12 Abs. 3 die entsprechenden Maßnahmen der Krankenbehandlung oder eine Badekur gewährt werden. §13 (1) Die orthopädische Versorgung umfaßt die Ausstattung mit Hilfsmitteln (Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, Bündenführhunden) und deren Zubehör, die Instandhaltung und den Ersatz der Hilfsmittel und des Zubehörs sowie die Ausbildung im Gebrauch von Hilfsmitteln. (2) Die Hilfsmittel sind in erforderlicher Zahl auf Grund fachärztlicher Verordnung in technisch-wissenschaftlich anerkannter, dauerhafter Ausführung und Ausstattung zu gewähren; sie müssen in technischer Hinsicht den persönlichen und beruflichen Bedürfnissen des Berechtigten oder Leistungsempfängers angepaßt sein und dem allgemeinen Entwicklungsstand der Technik entsprechen. Hilfsmittel, deren Neuwert 300 Deutsche Mark übersteigt, sind in der Regel nicht zu übereignen. (3) Die Bewilligung der Hilfsmittel kann davon abhängig gemacht werden, daß der Berechtigte oder Leistungsempfänger sie sich anpassen läßt oder sich, um mit ihrem Gebrauch vertraut zu werden, einer Ausbildung unterzieht. Der Ersatz eines unbrauchbar gewordenen Hilfsmittels kann abgelehnt werden, wenn es nicht zurückgegeben wird. (4) Der Berechtigte hat Anspruch auf Instandsetzung und Ersatz der Hilfsmittel, wenn ihre Unbrauchbarkeit oder ihr Verlust nicht auf Mißbrauch, Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Berechtigten oder Leistungsempfängers zurückzuführen ist. § 14 Beschädigte, bei denen Blindheit als Folge einer Schädigung anerkannt ist, erhalten monatlich 133 Deutsche Mark zum Unterhalt eines Führhundes oder als Beihilfe zu den Aufwendungen für fremde Führung.
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Verursachen die anerkannten Folgen der Schädigung außergewöhnlichen Verschleiß an Kleidung oder Wäsche, so sind die dadurch entstehenden Kosten mit einem monatlichen Pauschbetrag von 17 bis 109 Deutsche Mark zu ersetzen. Der Pauschbetrag ergibt sich aus der Multiplikation von 1,674 Deutsche Mark mit der auf Grund einer Rechtsverordnung nach § 24 a Buchstabe c für den jeweiligen Verschleißtatbestand festgesetzten Bewertungszahl; Pfennigbeträge sind auf volle Deutsche Mark abzurunden, und zwar bis 0,49 Deutsche Mark nach unten und von 0,50 Deutsche M a r k an nach oben. Ubersteigen in besonderen Fällen die tatsächlichen Aufwendungen die höchste Stufe des Pauschbetrages, so sind sie erstattungsfähig. § 16 (1) Ubergangsgeld nach Maßgabe der folgenden Vorschriften wird gewährt a) Beschädigten, wenn sie wegen einer Gesundheitsstörung, die als Folge einer Schädigung anerkannt ist oder durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht ist, arbeitsunfähig im Sinne der Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung werden; bei Gesundheitsstörungen, die nur im Sinne der Verschlimmerung als Folge einer Schädigung anerkannt sind, tritt an deren Stelle die gesamte Gesundheitsstörung, es sei denn, daß die als Folge einer Schädigung anerkannte Gesundheitsstörung auf die Arbeitsunfähigkeit ohne Einfluß ist, b) Beschädigten, wenn sie wegen anderer Gesundheitsstörungen arbeitsunfähig werden, sofern ihnen wegen dieser Gesundheitsstörungen Heiloder Krankenbehandlung zu gewähren ist (§ 10 Abs. 2, 5 Buchstabe a und Absatz 7), c) Witwen (§§ 38, 42 bis 44 und 48), Waisen (§§ 45, 48) und versorgungsbereditigten Eltern (§§ 49 bis 51), wenn sie arbeitsunfähig werden, sofern ihnen Krankenbehandlung zu gewähren ist (§ 10 Abs. 4 Buchstabe c und Absatz 7). (2) Als arbeitsunfähig im Sinne der §§ 16 bis 16 f ist auch der Berechtigte anzusehen, der wegen der Durchführung einer Maßnahme der Heil- oder Krankenbehandlung oder einer Badekur keine ganztägige Erwerbstätigkeit ausüben kann oder dem eine an stationäre Behandlungsmaßnahmen anschließende Schonungszeit zugebilligt worden ist. (3) Anspruch auf Uber gang sgeld besteht auch dann, wenn Heil- oder Krankenbehandlung vor Anerkennung des Versorgungsanspruchs nach § 10 Abs. 8 gewährt oder eine Badekur durchgeführt wird. 9 16a (1) Das Ubergangsgeld beträgt 80 vom Hundert des entgangenen regelmäßigen Entgelts (Regellohn) und darf das entgangene regelmäßige Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen. Der Regellohn wird nach den Absätzen 2 und 3 berechnet. Das Ubergangsgeld wird für Kalendertage gezahlt. Ist es für einen ganzen Kalendermonat zu zahlen, so ist dieser mit 30 Tagen anzusetzen.
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(2) Für die Berechnung des Regellohnes ist bei Berechtigten, die bis zum Beginn der Arbeitsunfähigkeit gegen Entgelt beschäftigt waren, das von dem Berechtigten im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Lohnabrechnungszeitraum, mindestens während der letzten abgerechneten vier Wochen (Bemessungszeitraum) erzielte und um einmalige Zuwendungen verminderte Entgelt durch die Zahl der Stunden zu teilen, für die es gezahlt wurde. Das Ergebnis ist mit der Zahl der sich aus dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses ergebenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden zu vervielfachen und durch sieben zu teilen. Ist das Entgelt nach Monaten bemessen oder ist eine Berechnung des Regellohnes nach den Sätzen 1 und 2 nicht möglich, so gilt der 30. Teil des in dem letzten vor Beginn der Maßnahme abgerechneten Kalendermonat erzielten und um einmalige Zuwendungen verminderten Entgelts als Regellohn. (3) Der Regellohn wird bis zur Höhe der jeweils geltenden Leistungsbemessungsgrenze berücksichtigt. Leistungsbemessungsgrenze ist der 360. Teil der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung der Arbeiter für Jahresbezüge.
§ 16b (1) Hat der Berechtigte unmittelbar vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 13 Abs. 1 und 2 und § 14 des Einkommensteuergesetzes), aus Gewerbebetrieb (§§ 15 bis 17 des Einkommensteuergesetzes) oder aus selbständiger Arbeit (§ 18 Abs. 1, 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes) erzielt, ist § 16 a entsprechend anzuwenden. Bemessungszeitraum ist das letzte Kalenderjahr, für das ein Einkommensteuerbescheid vorliegt. Das Ubergangsgeld ist für Kalendertage zu zahlen. Als Regellohn gelten die Gewinne, die der Veranlagung zur Einkommensteuer zugrunde gelegt worden sind. Ein Verlustausgleich zwischen einzelnen Einkunftsarten ist nicht vorzunehmen. Den Gewinnen sind erhöhte Absetzungen nach den §§ 7 b, 7 d, 53 Abs. 3 und § 54 des Einkommensteuergesetzes, nach den §§ 82 a und 82 g der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung, nach den §§ 14 und 14 a des Berlinförderungsgesetzes und nach den §§ 7 und 12 des Schutzbaugesetzes hinzuzurechnen, soweit sie die nach § 7 des Einkommensteuergesetzes zulässigen Absetzungen für Abnutzung übersteigen. Ferner sind Sonderabschreibungen, insbesondere die nach § 7 e des Einkommensteuergesetzes, § 3 des Zonenrandförderungsgesetzes, den §§ 75 bis 77, 79, 81, 82, 82 d bis 82 f der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung, sowie die nach den §§ 1 und 2 des Entwicklungsländer-Steuergesetzes gebildeten steuerfreien Rücklagen hinzuzurechnen. Freibeträge für Veräußerungsgewinne nach den §§ 14, 14 a, 16 Abs. 4, § 17 Abs. 3 und § 18 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes und Freibeträge nach § 13 Abs. 3 und $ 18 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes sind nicht zu berücksichtigen. Findet eine Veranlagung zur Einkommensteuer nicht statt, so hat der Berechtigte die Gewinne nachzuweisen. Ist er hierzu nicht in der Lage, so sind die Gewinne unter Berücksichtigung der Ge-
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samtverhältnisse festzusetzen. Dabei kann das Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Berechtigte angehört, zugrunde gelegt werden. Treffen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des $ 16 a Abs. 1 mit Einkünften im Sinne dieses Absatzes zusammen, so ist ein einheitliches kalendertägliches Ubergangsgeld festzusetzen. (2) Als Regellohn im Sinne des § 16 a Abs. 1 gelten auch a) bei Berechtigten, die die Voraussetzungen des § 30 Abs. 6 Satz 1 erfüllen, ein Betrag in Höhe von zehn Achteln der durch die Arbeitsunfähigkeit notwendigen Mehraufwendungen für die Haushaltsführung, b) bei nicht erwerbstätigen Berechtigten, die durch Arbeitsunfähigkeit gehindert sind, eine bestimmte Erwerbstätigkeit aufzunehmen, das Bruttoeinkommen, das ihnen durchschnittlich entgeht, oder, sofern dieses Einkommen nicht ermittelt werden kann, das Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Berechtigte ohne die Arbeitsunfähigkeit angehörte, c) bei Empfängern von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld ein Betrag in Höhe von zehn Achteln dieser Leistungen, sofern die Voraussetzungen von Buchstabe b nicht vorliegen. § 16 c (1) Das Ubergangsgeld erhöht sich jeweils nach Ablauf eines Jahres seit dem Ende des Bemessungszeitraumes um den Vomhundertsatz, um den die Renten der gesetzlichen Rentenversicherungen zuletzt vor diesem Zeitpunkt nach dem jeweiligen Rentenanpassungsgesetz angepaßt worden sind; es darf nach der Anpassung 80 vom Hundert der jeweils geltenden Leistungsbemessungsgrenze (§ 16 a Abs. 3) nicht übersteigen. (2) Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung gibt die Vomhundertsätze jährlich im Bundesanzeiger bekannt. § 16d Hat der Berechtigte von einem anderen Rehabilitationsträger Obergangsgeld oder Krankengeld bezogen und ist ihm im Anschluß daran Ubergangsgeld nach den §9 16 bis 16 f zu gewähren, so ist bei der Berechnung des Ubergangsgeldes von dem bisher zugrunde gelegten Entgelt auszugehen. § 16 e Sind nach Abschluß der Heil- oder Krankenbehandlung oder einer Badekur berufsfördernde Maßnahmen erforderlich und können diese aus Gründen, die der Berechtigte nicht zu vertreten hat, nicht unmittelbar anschließend durchgeführt werden, so ist das Ubergangsgeld für diese Zeit weiterzugewähren, wenn der Berechtigte arbeitsunfähig ist und ihm ein Anspruch auf Krankengeld nicht zusteht oder wenn ihm eine zumutbare Beschäftigung nicht vermittelt werden kann.
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(1) Erhält der Berechtigte während des Bezuges von Ubergangsgeld Arbeitsentgelt, so ist das Ubergangsgeld um das um die gesetzlichen Abzüge verminderte Arbeitsentgelt zu kürzen? einmalige Zuwendungen sowie Leistungen des Arbeitgebers zum Ubergangsgeld, soweit sie zusammen mit dem Ubergangsgeld das vor der Arbeitsunfähigkeit erzielte, um die gesetzlichen Abzüge verminderte Arbeitsentgelt nicht übersteigen, bleiben außer Ansatz. Erzielt der Berechtigte während des Bezuges von Ubergangsgeld Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb oder aus selbständiger Arbeit, so ist das Ubergangsgeld um 80 vom Hundert der als Regellohn geltenden Beträge zu kürzen.
(1) Hat der Berechtigte eine Heilbehandlung, Krankenbehandlung oder Badekur vor der Anerkennung selbst durchgeführt, so sind die Kosten für die notwendige Behandlung in angemessenem Umfang zu erstatten. Dies gilt auch, wenn eine Anerkennung nicht möglich ist, weil nach Abschluß der Heilbehandlung keine Gesundheitsstörung zurückgeblieben ist, oder wenn ein Beschädigter die Heilbehandlung vor Anmeldung des Versorgungsanspruchs durchgeführt hat und durch Umstände, die außerhalb seines Willens lagen, an der Anmeldung gehindert war.
(2) Erhält der Berechtigte durch eine Tätigkeit während des Bezuges von Ubergangsgeld Arbeitseinkommen, so ist das Ubergangsgeld um 80 vom Hundert des erzielten Arbeitseinkommens zu kürzen. (3) Das Ubergangsgeld ist ferner zu kürzen um 1. Geldleistungen, die eine öffentlich-rechtliche Stelle im Zusammenhang mit der Heil- und Krankenbehandlung oder Badekur gewährt, 2. Renten, wenn dem Ubergangsgeld ein vor Beginn der Rentengewährung erzieltes Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde liegt, 3. Renten, die aus demselben Anlaß wie die Maßnahmen zur Rehabilitation gewährt werden, wenn durch die Anrechnung eine unbillige Doppelleistung vermieden wird. (4) Erfüllt der Arbeitgeber während der Arbeitsunfähigkeit des Berechtigten den Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nicht, so geht der Anspruch des Berechtigten gegen den Arbeitgeber bis zur Höhe des gezahlten Ubergangsgeldes auf den Kostenträger der Kriegsopferversorgung über. Macht der Berechtigte Ansprüche auf Leistungen einer öffentlich-rechtlichen Stelle nicht geltend, so ist der ihm dadurch entgehende Betrag anzurechnen; das gilt nicht, soweit die Ansprüche nicht zu verwirklichen sind oder aus Unkenntnis oder aus einem verständigen Grund nicht geltend gemacht worden sind oder geltend gemacht werden. (5) § 71 b findet entsprechende Anwendung. 5 17 Führt eine notwendige Maßnahme der Behandlung einer anerkannten Schädigungsfolge (§ 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1 und 2) zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Erwerbsgrundlage des Beschädigten, so kann eine Beihilfe in angemessener Höhe gewährt werden; sie soll im allgemeinen 70 Deutsche Mark täglich nicht übersteigen. Die Beihilfe kann auch gewährt werden, wenn die Einkünfte einschließlich des Ubergangsgeldes infolge bestehender, unabwendbarer finanzieller Verpflichtungen nicht ausreichen, den notwendigen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Beihilfe ist jedoch nicht zu gewähren, soweit die finanziellen Belastungen auf einer Verpflichtung beruhen, durch die die Grundsätze wirtschaftlicher Lebensführung verletzt worden sind.
(2) Hat der Berechtigte eine Heil- oder Krankenbehandlung nach der Anerkennung selbst durchgeführt, so sind die Kosten in angemessenem Umfang zu erstatten, wenn unvermeidbare Umstände die Inanspruchnahme der Krankenkasse (§ 18 c Abs. 2) oder der Verwaltungsbehörde (§ 18 c Abs. 1) unmöglich machten. Das gilt für Versorgungsberechtigte, die Mitglied einer Krankenkasse sind, jedoch nur, wenn die Kasse nicht zur Leistung verpflichtet ist, sowie hinsichtlich der Leistungen, die nach § 18 c Abs. 1 von der Verwaltungsbehörde zu gewähren sind. Hat der Berechtigte oder Leistungsempfänger nach Wegfall des Anspruchs auf Heil- oder Krankenbehandlung eine Krankenversicherung abgeschlossen oder ist er einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung beigetreten, so werden ihm die Aufwendungen für die Versicherung in angemessenem Umfang ersetzt, wenn der Anspruch auf Heil- oder Krankenbehandlung im Vorverfahren oder durch gerichtliche Entscheidung rechtsverbindlich rückwirkend wieder zuerkannt wird. Kosten für eine selbst durchgeführte Badekur werden nicht erstattet. (3) Wird dem Berechtigten Kostenersatz nach Absatz 1 oder 2 gewährt, besteht auch Anspruch auf Ubergangsgeld. (4) An Stelle der Leistung nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 kann dem Beschädigten für die Beschaffung eines Zahnersatzes wegen Schädigungsfolgen ein Zuschuß in angemessener Höhe gewährt werden, wenn er wegen des Verlustes weiterer Zähne, für den kein Anspruch auf Heilbehandlung nach diesem Gesetz besteht, einen erweiterten Zahnersatz anfertigen läßt. Die Verwaltungsbehörde kann den Zuschuß unmittelbar an den Zahnarzt zahlen. (5) Der Berechtigte kann den für die notwendige Krankenhausbehandlung erforderlichen Betrag als Zuschuß erhalten, wenn er oder der Leistungsempfänger Leistungen in Anspruch nimmt, die über die allgemeinen Krankenhausleistungen hinausgehen. Die Verwaltungsbehörde kann den Zuschuß unmittelbar an das Krankenhaus zahlen. § 18 a (1) Die Leistungen nach den §§ 10 bis 24 a werden auf Antrag gewährt; sie können auch von Amts wegen gewährt werden. Die Ausstellung eines Bundesbehandlungsscheines (§ 18 b) gilt als Antrag. Ist der Berechtigte Mitglied einer Krankenkasse, gelten Anträge auf Leistungen nach diesem Gesetz zugleich als Anträge auf die entsprechenden Leistun-
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gen der gesetzlichen Krankenversicherung, Anträge auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zugleich als Anträge auf die entsprechenden Leistungen nach diesem Gesetz.
keit oder eines Altersruhegeldes aus den gesetzlichen Rentenversicherungen. Ein Dauerzustand ist gegeben, wenn die Arbeitsunfähigkeit in den nächsten 78 Wochen voraussichtlich nicht zu beseitigen ist. Ubergangsgeld und Beihilfe werden bei Wegfall (2) Die Leistungen nach den §§ 10 his 24 a wer- der Voraussetzungen für ihre Gewährung bis zu den, sofern im folgenden nichts anderes bestimmt dem Tage gewährt, an dem diese Voraussetzungen ist, vom Fünfzehnten des zweiten Monats des Kalen- entfallen. Bei Eintritt eines Dauerzustandes oder Bedervierteljahres, das der Antragstellung vorausge- willigung einer Rente oder eines Altersruhegeldes gangen ist, frühestens jedoch von dem Tag an ge- werden Ubergangsgeld und Beihilfe, sofern sie lauwährt, von dem an ihre Voraussetzungen erfüllt fend gewährt werden, bis zum Ablauf von zwei Wosind. Von Amts wegen werden die Leistungen von chen nach Feststellung des Dauerzustandes, bei Rendem Tag an gewährt, an dem die anspruchsbegrün- ten· oder Altersruhegeldbewilligung bis zu dem denden Tatsachen der Krankenkasse oder Verwal- Tage gewährt, an dem der Berechtigte von der Betungsbehörde bekannt geworden sind. willigung Kenntnis erhalten hat. Werden die Leistungen nicht laufend gewährt, so werden sie bis (3) Ubergangsgeld ist von dem Tage an zu gewäh- zu dem Tage der Feststellung des Dauerzustandes ren, von dem an seine Voraussetzungen erfüllt sind, oder des Beginns der Rente oder des Altersruhewenn, es innerhalb von zwei Wochen nach Eintritt geldes gewährt. Die Feststellung eines Dauerzustander Arbeitsunfähigkeit oder nach dem Beginn der des ist ausgeschlossen, solange dem Berechtigten BehandlungsmaBnahme oder nach Wegfall des An- stationäre Behandlungsmaßnahmen gewährt werden spruchs auf Fortzahlung des Lohnes oder Gehalts oder solange er nicht seit mindestens 78 Wochen beantragt wird, sonst von dem Tage der Antragstel- ununterbrochen arbeitsunfähig ist; Zeiten einer vorlung an. Als Antrag gilt auch die Meldung der Ar- aufgehenden, auf derselben Krankheit beruhenden beitsunfähigkeit. Ist der Antrag nicht fristgerecht Arbeitsunfähigkeit sind auf diese Frist anzurechnen, gestellt, so ist das Ubergangsgeld für die zurücklie- soweit sie in den letzten drei Jahren vor Eintritt der gende Zeit zu gewähren, wenn unvermeidbare Um- Arbeitsunfähigkeit liegen. Badekuren und Heilstätstände die Einhaltung der Frist unmöglich machten. tenbehandlungen enden mit Ablauf der für die BeVon Amts wegen wird Ubergangsgeld von dem Tage handlung vorgesehenen Frist. Leistungen, die in an gewährt, an dem die anspruchsbegründenden Jahresbeträgen zuerkannt werden, enden mit Ablauf Tatsachen der Krankenkasse oder Verwaltungsbe- des Kalenderjahres, in dem die Voraussetzungen für hörde bekannt geworden sind. Die Sätze 1 bis 4 gel· - ihre Gewährung entfallen sind. ten auch für die Beihilfe nach § 17. (4) Für Leistungen nach den §§ 10 bis 24 a, die in Monatsbeträgen zu gewähren sind, gilt § 60 sinngemäß. (5) Leistungen nach den §§ 10 bis 24 a, die in Jahresbeträgen zu gewähren sind, werden vom ersten Januar des Jahres der Antragstellung an, frühestens vom Ersten des Monats an, in dem die Voraussetzungen erfüllt sind, gewährt. Von Amts wegen werden diese Leistungen vom ersten Januar des Jahres an gewährt, in dem der Krankenkasse oder der Verwaltungsbehörde die anspruchsbegründenden Tatsachen bekannt geworden sind, frühestens vom Ersten des Monats an, in dem die Voraussetzungen erfüllt sind. (6) Die Leistungen nach den §§ 10 bis 24 a werden, sofern im folgenden nichts anderes bestimmt ist, bis zu dem Tag gewährt, an dem ihre Voraussetzungen entfallen. Sie werden bis zum Ablauf des Kalendervierteljahres, in dem ihre Voraussetzungen entfallen sind, weiter gewährt, wenn die Behandlungsbedürftigkeit oder der regelwidrige Körperzustand fortbesteht. Tritt der Wegfall durch eine Einkommenserhöhung ein, gelten die Voraussetzungen als mit dem Zeitpunkt entfallen, in dem der Berechtigte Kenntnis von der Erhöhung erlangt hat. Beruht der Wegfall auf dem Tode des Schwerbeschädigten oder des Pflegezulageempfängers, enden die Leistungen mit Ablauf des sechsten auf den Sterbemonat folgenden Monats. (7) Ubergangsgeld und Beihilfe nach $ 17 enden mit dem Wegfall der Voraussetzungen für ihre Gewährung, dem Eintritt eines Dauerzustandes oder der Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsunfähig-
(β) Stirbt der Berechtigte, so können den Erben die Kosten der letzten Krankheit in angemessenem Umfang erstattet werden. $ 18b Berechtigte und Leistungsempfänger, die Leistungen nur auf Grund dieses Gesetzes erhalten, sollen dem Arzt bei der ersten Inanspruchnahme innerhalb des Kalendervierteljahres einen Bundesbehandlungsschein vorlegen. Der Bundesbehandlungsschein gilt für das laufende Kalendervierteljahr. Wurde der behandelnde Arzt bereits TTn vorausgegangenen Kalendervierteljahr ohne Vorlage eines Bundesbehandlungsscheines in Anspruch genommen, ist ein weiterer Bundesbehandlungsschein auszustellen, dessen Geltungsdauer mit dem Fünfzehnten des zweiten Monats dieses Kalendervierteljahres beginnt. Bundesbehandlungsscheine dürfen nur für Zeiträume ausgestellt werden, in denen der Berechtigte Anspruch auf Heil- oder Krankenbehandlung hat. § 18c (1) Zahnersatz, Krankenhausbehandlung für tuberkulös Erkrankte, Heilstättenbehandlung, orthopädische Versorgung, Bewegungstherapie, Sprachtherapie, Beschäftigungstherapie, Belastungserprobung, Arbeitstherapie, Badekuren, Ersatzleistungen, Versehrtenleibesübungen, Zuschüsse zur Beschaffung von Zahnersatz, Führhundzulage, Beihilfe zu den Aufwendungen für fremde Führung, Pauschbetrag als Ersatz für Kleider- und Wäscheverschleiß, Beihilfe nach $ 17, Leistungen nach den §§ 18 und 24,
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Kostenersatz an Krankenkassen sowie Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen werden von der Verwaltungsbehörde gewährt. (2) Im übrigen werden die §$ 10, 11, 12, 16 bis 16 f, 18 a bis 19, 21 und 24 a von den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankenkassen) durchgeführt. Zuständig ist für Berechtigte, die Mitglied einer Krankenkasse sind, und für Berechtigte und Leistungsempfänger, die Familienangehörige eines Kassenmitgliedes sind, die Krankenkasse, für die Heilbehandlung der übrigen Beschädigten und die Krankenbehandlung der Berechtigten und der übrigen Leistungsempfänger die Allgemeine Ortskrankenkasse des Wohnorts. Während der Heil- oder Krankenbehandlung sind die Berechtigten und die Leistungsempfänger den Bußgeldvorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung sowie der Krankenordnung der Krankenkasse unterworfen, auch wenn sie nicht ihre Mitglieder sind; dabei tritt an die Stelle des Krankengeldes der Betrag des Ubergangsgeldes. (3) An Stelle der Krankenkasse kann die Verwaltungsbehörde die Heil- und Krankenbehandlung durchführen. Die Krankenkassen sollen der Verwaltungsbehörde Fälle mitteilen, in denen die Durchführung durch die Verwaltungsbehörde angezeigt erscheint. In besonderen Fällen können bei der stationären Behandlung eines Beschädigten auch die Kosten für Leistungen übernommen werden, die über die allgemeinen Krankenbausleistungen hinausgehen, wenn es nach den Umständen, insbesondere im Hinblick auf die anerkannten Schädigungsfolgen, erforderlich erscheint. (4) Auch wenn die Heil- und Krankenbehandlung nur auf Grund dieses Gesetzes gewährt werden, haben Arzte, Zahnärzte, Apotheker und andere der Heil- und Krankenbehandlung dienende Personen sowie Krankenanstalten und Einrichtungen nur auf die für Mitglieder der Krankenkasse zu zahlende Vergütung Anspruch. Ausnahmen von dieser Vorschrift können zugelassen werden. (5) Sachleistungen sind Berechtigten und Leistungsempfängern ohne Beteiligung an den Kosten zu gewähren. (6) Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen öffentlich-rechtlicher Leistungsträger, auf die jedoch kein Anspruch besteht, tiürfen nicht deshalb versagt oder gekürzt werden, weil nach den §§ 10 bis 24 a Leistungen für denselben Zweck vorgesehen sind. Erbringt ein anderer öffentlich-rechtlicher Leistungsträger eine Zuschuß- oder sonstige Geldleistung nicht, weil bereits auf Grund dieses Gesetzes eine Sachleistung gewährt wird, so hat er den Betrag der Aufwendungen zu ersetzen, den er sonst als Leistung gewährt hätte. Satz 2 gilt nicht, wenn die zu behandelnde Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung anerkannt ist oder durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht worden ist. (7) Gewährt ein Träger der Tuberkulosehilfe Heilbehandlung und wird dadurch der Anspruch auf Heil- oder Krankenbehandlung nach $ 10 Abs. 7 Buchstabe a ausgeschlossen, so werden ihm die Kosten der Heilbehandlung insoweit ersetzt, als dem
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Kranken, seinem nicht getrennt lebenden Ehegatten und, wenn der Kranke minderjährig und unverheiratet ist, auch seinen Eltern die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes zuzumuten ist. § 29 Satz 2 und $ 58 Satz 2 des Bundessozialhilfegesetzes sind insoweit nicht anzuwenden. Der Kostenersatz wird nicht geleistet, sofern der Anspruch auf Heil- oder Krankenbehandlung nach $ 10 Abs. 7 Buchstabe b oder c ausgeschlossen ist. § 19 (1) Sind die Krankenkassen nicht nur nach den Vorschriften dieses Gesetzes verpflichtet, Heilbehandlung zu gewähren, so werden ihnen die Aufwendungen für Krankenhauspflege, Haushaltshilfe und Heilmittel ersetzt. Der Ersatz wird gewährt, wenn die Aufwendungen durch Behandlung anerkannter Schädigungsfolgen entstanden sind. Die übrigen Aufwendungen für die Krankenpflege versicherter Beschädigter wegen Schädigungsfolgen werden pauschal abgegolten. (2) Krankengeld wird erstattet, wenn die Arbeitsunfähigkeit oder, die Krankenhauspflege durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht worden ist. (3) War die Gesundheitsstörung bei Beginn der Behandlung noch nicht als Schädigungsfolge anerkannt, so wird Ersatz nach Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 erst nach der Anerkennung gewährt. Ist die Gesundheitsstörung durch die Behandlung beseitigt worden, so wird die Anerkennung durch die Entscheidung der Verwaltungsbehörde ersetzt, dafi ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Gesundheitsstörung und der Schädigung bestanden hat. (4) Ist die Heilbehandlung zu Unrecht gewährt worden, so ist die Krankenkasse zur Rückerstattung bereits erhaltenen Kostenersatzes insoweit verpflichtet, als sie auf Grund des Krankenversicherungsverhältnisses Leistungen hätte erbringen müssen. $ 20
Soweit die Krankenkassen Leistungen nur nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu erbringen haben, werden ihnen die Kosten sowie ein Betrag von acht vom Hundert dieser Kosten als Ersatz für Verwaltungskosten und für sonstige mit der Durchführung zusammenhängende Kosten ersetzt. Kostenersatz ist auch zu leisten, wenn die Leistungen ohne Verschulden der Krankenkasse zu Unrecht erbracht worden sind. § 21
(1) Die Krankenkassen sollen die Ersatzansprüche nach § 20 spätestens einen Monat nach Ausstellung des Bundesbehandlungsscheines, bei Gewährung von Ubergangsgeld spätestens einen Monat nach dessen erster Anweisung bei der Verwaltungsbehörde vorläufig anmelden. Beruht der Anspruch auf 9 10 Abs. 1 oder $ 16 Abs. 1 Buchstabe a, so soll in der vorläufigen Anmeldung die behandelte Krankheit bezeichnet und der Ablauf der Leistungspflicht der Krankenkasse angegeben werden.
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(2) Ersatzansprüche nach § 18 c Abs. 6 und den §§ 19 und 20 sowie Ansprüche auf Rückerstattung des nach diesen Vorschriften geleisteten Kosten· ersatzes verjähren in zwei Jahren. Dre Verjährung der Ersatzansprüche beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem die Heil- oder Krankenbehandlung durchgeführt worden ist, frühestens jedoch mit der Anerkennung des Versorgungsanspruchs; die Verjährung der Rückerstattungsansprüche beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem der Kostennachweis der Verwaltungsbehörde vorgelegt worden ist. §22 Die Verwaltungsbehörde entrichtet für die nach § 1227 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 a Buchstabe b RVO, $ 2 Abs. 1 Nr. 10 a Buchstabe b AVG und § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchstabe b RKG versicherten Berechtigten die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1385 RVO, § 112 AVG und § 130 RKG. $ 23 (weggefallen) 5 24 (1) Wird die Heilbehandlung, Krankenbehandlung oder Badekur von der Verwaltungsbehörde durchgeführt, so sind dem Berechtigten für sich und eine notwendige Begleitung die hierdurch entstehenden notwendigen Reisekosten einschließlich des erforderlichen Gepädctransports sowie der Kosten der Verpflegung und Unterkunft in angemessenem Umfang zu ersetzen. Dauert die Maßnahme länger als acht Wochen, so können audi die notwendigen Reisekosten für Familienheimfahrten oder für Fahrten eines Familienangehörigen zum Aufenthaltsort des Berechtigten oder Leistungsempfängers übernommen werden. Wird eine stationäre Behandlung ohne zwingenden Grund abgebrochen, besteht kein Anspruch auf Ersatz der Reisekosten. (2) Ersatz für entgangenen Arbeitsverdienst wird dem Berechtigten bei notwendiger Begleitung in angemessenem Umfang gewährt, wenn er der Begleitperson zur Erstattung verpflichtet ist. (3) Ist ohne behördliche Zustimmung ein Hilfsmittel (§ 13 Abs. 1) angepaßt, geändert oder ausgebessert worden, so werden Ersatz der baren Auslagen und Entschädigung für entgangenen Arbeitsverdienst in angemessenem Umfang gewährt, wenn die Notwendigkeit der Maßnahme anerkannt wird. 5 24 a Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates a) Art, Umfang und besondere Voraussetzungen der orthopädischen Versorgung und der Ersatzleistungen näher zu bestimmen, b) näher zu bestimmen, was als Hilfsmittel und als Zubehör im Sinne des § 13 Abs. 1 gilt, c) die Bemessung des Pauschbetrages für Kleiderund Wäscheverschleiß für einzelne Gruppen von Schädigungsfolgen und die Bestimmung der besonderen Fälle im Sinne des $ 15 zu regeln,
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d) die Berechnung der Pauschale nach § 19 Abs. 1 Satz 3 unter Berücksichtigung der Jahresrechnungen oder anderer Unterlagen der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung zu bestimmen sowie die Verteilung der Pauschale zu regeln.
Kriegsopferfttrsorge 5 25 (1) Die Kriegsopferfürsorge hat sich der Beschädigten und Hinterbliebenen in allen Lebenslagen anzunehmen und ihnen behilflich zu sein, die Folgen der erlittenen Schädigung oder des Verlustes des Ernährers nach Möglichkeit zu überwinden oder zu mildem; die Kriegsopferfürsorge umfaßt auch Familienmitglieder von Beschädigten, deren Ernährer diese gewesen sind oder ohne die Schädigung voraussichtlich geworden wären, soweit die Familienmitglieder ihren Bedarf nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen decken können. (2) Beschädigte und Hinterbliebene im Sinne des Absatzes 1 sind 1. Beschädigte, die Beschädigtenrente erhalten oder Anspruch auf Heilbehandlung nach § 10 haben, sowie Hinterbliebene, die Hinterbliebenenrente erhalten, 2. Eltern, deren Elternrente infolge Erhöhung des anzurechnenden Einkommens nach dem 31. Dezember 1972 entfallen ist, 3. Hinterbliebene, die eine Beihilfe nach § 48 erhallten, 4. Beschädigte und Hinterbliebene, deren Anspruch auf Versorgungsbezüge nach $ 65 ruht, 5. Beschädigte und Witwen, deren Anspruch auf Grundrente wegen Gewährung von Kapitalabfindung nach den §5 72 bis 78 a erloschen ist, 6. Witwen, die auf Grund der Anrechnung nach 5 44 Abs. 5 Witwenrente nicht erhalten. (3) Leistungen der Kriegsopferfürsorge können auch gewährt werden, wenn über Art und Umfang der Versorgung zwar noch nicht rechtskräftig entschieden, mit der Anerkennung eines Versorgungsanspruchs aber zu rechnen ist. 5 25 a (1) Die Leistungen der Kriegsopferfürsorge werden gewährt, wenn und soweit die Beschädigten infolge der Schädigung und die Hinterbliebenen infolge des Verlustes ihres Ernährers nicht in der Lage sind, trotz der übrigen Leistungen nach diesem Gesetz sowie ihres sonstigen Einkommens und ihres Vermögens eine angemessene Lebensstellung zu erlangen oder sich zu erhalten. (2) Die Leistungen der Kriegsopferfürsorge werden als persönliche Hilfe, Geld- oder Sachleistungen gewährt. Zur persönlichen Hilfe gehört außer der Beratung in Fragen der Kriegsopferfürsorge (5 14 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) auch die Beratung in sonstigen sozialen Angelegenheiten, so-
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weit diese nicht von anderen Stellen oder Personen wahrzunehmen ist. Als Geldleistungen kommen einmalige Beihilfen, laufende Beihilfen und Darlehen in Betracht. (3) Der Zusammenhang zwischen der Schädigung oder dem Verlust des Ernährers und der Notwendigkeit der Leistungen wird angenommen, soweit nicht das Gegenteil offenkundig oder nachgewiesen ist; bei Hinterbliebenen, die Elternrente erhalten, und bei Eltern im Sinne des § 25 Abs. 2 Nr. 2 wird der Zusammenhang stets angenommen. Auch ohne diesen Zusammenhang können Leistungen gewährt werden, wenn es besondere Gründe der Billigkeit rechtfertigen. (4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 liegen, soweit Einkommen zu berücksichtigen ist, unbeschadet des § 26 Abs. 6, der 55 26 a, 27, 27 a Abs. 1 und des § 27 b Abs. 2 in der Regel vor, wenn das monatliche Einkommen eine Einkommensgrenze nicht übersteigt, die sich ergibt aus 1. einem Grundbetrag in Höhe des Doppelten des für einen Haushaitsvorstand maßgebenden Regelsatzes nach dem Bundessozialhilfegesetz, 2. den Kosten der Unterkunft und 3. einem Familienzuschlag für jede vom Versorgungsberechtigten überwiegend unterhaltene Person in Höhe des Familienzuschlags nach § 79 des Bundessozialhilfegesetzes. (5) Leistungen der Kriegsopferfürsorge werden auch gewährt, wenn es unbillig wäre, von den Beschädigten oder Hinterbliebenen den Einsatz ihres Einkommens zu verlangen. (6) Für den Einsatz des Einkommens gelten unbeschadet des § 26 a die §§ 76 bis 78 und 5 86 Abs. 2 und 3 des Bundessozialhilfegesetzes unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen entsprechend. Bei der Ermittlung des Einkommens bleiben die Grundrente oder, falls Witwen- oder Waisenbeihilfe nach § 48 gewährt wird, ein ihr entsprechender Betrag sowie die Schwerstbeschädigtenzulage unberücksichtigt; soweit nach § 44 Abs. 5 Leistungen auf die Grundrente der Witwe angerechnet werden oder die Grundrente nach § 65 ruht, bleibt ein Betrag in dieser Höhe unberücksichtigt. (7) Für den Einsatz des Vermögens gelten unbeschadet des § 26 a die §§ 88 und 69 des Bundessozialhilfegesetzes unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen entsprechend. §26 (1) Beschädigten sind als berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation alle Hilfen zu gewähren, die erforderlich sind, um die Erwerbsfähigkeit der Beschädigten entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und sie hierdurch möglichst auf Dauer beruflich einzugliedern. Dabei sind Eignung, Neigung und bisherige Tätigkeit angemessen zu berücksichtigen. Hilfen sind auch zum beruflichen Aufstieg zu gewähren, wenn den Beschädigten erst
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hierdurch die Erlangung einer angemessenen Lebensstellung ermöglicht wird. Im übrigen können Hilfen zum beruflichen Aufstieg gewährt werden. (2) Als Hilfen im Sinne des Absatzes 1 kommen insbesondere* in Betracht 1. Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich Hilfen zur Förderung der Arbeitsaufnahme sowie Eingliederungshilfen an Arbeitgeber, 2. Berufsfindung und Arbeitserprobung, Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Schädigung erforderlichen Grundausbildung, 3. berufliche Anpassung, Fortbildung, Ausbildung und Umschulung, einschließlich eines zur Teilnahme an diesen Maßnahmen erforderlichen schulischen Abschlusses, 4. sonstige Hilfen der Arbeits- und Berufsförderung, um Beschädigten eine angemessene und geeignete Erwerbs- oder Berufstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder in einer Werkstatt für Behinderte zu ermöglichen. Zu den Hilfen gehört auch die Übernahme der erforderlichen Kosten für Unterkunft und Verpflegung, wenn die Teilnahme an der Maßnahme mit einer Unterbringung außerhalb des eigenen oder elterlichen Haushalts verbunden ist. Bei Unterbringung des Beschädigten in einer Rehabilitationseinrichtung werden dort entstehende Aufwendungen vom Träger der Kriegsopferfürsorge als Sachleistungen getragen. (3) Die Hilfen nach Absatz 2 sollen durch folgende Hilfen ergänzt werden (ergänzende Hilfen): 1. Ubergangsgeld nach Maßgabe des § 26 a, 2. Beiträge nach § 1385 RVO, § 112 AVG und § 130 RKG an den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung sowie zur Bundesanstalt für Arbeit, 3. Übernahme der erforderlichen Kosten, die mit einer berufsfördernden Maßnahme in unmittelbarem Zusammenhang stehen, insbesondere für Prüfungsgebühren, Lernmittel, Arbeitskleidung und Arbeitsgerät sowie Ausbildungszuschüsse an Arbeitgeber, wenn die Maßnahme im Betrieb durchgeführt wird, 4. Haushaltshilfe, wenn der Beschädigte wegen der Teilnahme an einer berufsfördernden Maßnahme außerhalb des eigenen Haushalts untergebracht ist und ihm aus diesem Grunde die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist; Voraussetzung ist ferner, daß eine andere im Haushalt lebende Person den Haushalt nicht weiterführen kann und im Haushalt ein Kind lebt, das das achte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder das behindert und auf Hilfe angewiesen ist. Als Haushaltshilfe ist eine Ersatzkraft zu stellen. Kann eine Ersatzkraft nicht gestellt werden oder besteht Grund, von der Gestellung einer Ersatzkraft abzusehen, so sind die Kosten für eine selbstbeschaffte Ersatzkraft in angemessener Höhe zu erstatten, 5. spnstige Hilfen, die während und im Anschluß an berufsfördernde Maßnahmen unter Berücksichti-
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gung der Art oder Schwere der Schädigung erforderlich sind, um das Ziel der Rehabilitation zu erreichen oder zu sichern, 6. Übernahme der im Zusammenhang mit der Teilnahme an einer berufsfördernden Maßnahme erforderlichen Fahr-, Verpflegungs- und Ubemachtungskosten; hierzu gehören auch die Kosten für eine wegen der Schädigung erforderliche Begleitperson sowie des erforderlichen Gepäcktransports. Reisekosten können auch übernommen werden für im Regelfall eine Familienheimfahrt je Monat, wenn der Beschädigte an einer berufsfördernden Maßnahme teilnimmt. An Stelle der Kosten für eine Familienheimfahrt können für die Fahrt eines Angehörigen vom Wohnort zum Aufenthaltsort des Beschädigten Reisekosten übernommen werden. (4) Zu den Hilfen im Sinne des Absatzes 1 gehören auch Hilfen zur Gründung und Erhaltung einer selbständigen Existenz; Geldleistungen hierfür sollen in der Regel als Darlehen gewährt werden. (5) Die Hilfen nach Absatz 2 sollen für die Zeit gewährt werden, die vorgeschrieben oder allgemein üblich ist, um das angestrebte Berufsziel zu erreichen; Leistungen für die berufliche Umschulung und Fortbildung sollen in der Regel nur gewährt werden, wenn die Maßnahme bei ganztägigem Unterricht nicht länger als zwei Jahre dauert, es sei denn, daß der Beschädigte nur über eine längerdauernde Maßnahme eingegliedert werden kann. (6) Die Hilfen nach Absatz 2 und nach Absatz 3 Nr. 1 bis 4 und 6 werden ohne Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen gewährt; § 26 a bleibt unberührt. (7} Witwen, die zur Erhaltung oder zur Erlangung einer angemessenen Lebensstellung erwerbstätig sein wollen, sind in begründeten Fällen Hilfen in sinngemäßer Anwendung der Absätze 2 bis 6 mit Ausnahme des Absatzes 3 Nr. 5 zu gewähren. 5 26 a (1) Ubergangsgeld wird gewährt, wenn der Beschädigte wegen Teilnahme an einer berufsfördernden Maßnahme nach $ 26 Abs. 2 keine ganztägige Erwerbstätigkeit ausüben kann. (2) Für die Berechnung des Ubergangsgeldes gelten die §§ 16 ar 16 b und 16 f entsprechend. Hat der Beschädigte unmittelbar vor Beginn der berufsförderaden Maßnahme kein Ubergangsgeld oder Krankengeld bezogen, so ist für die Berechnung des Regellohnes das von dem Beschädigten im letzten vor Beginn der Maßnahme abgerechneten Lohnabrechnungszeitraum, mindestens während der letzten abgerechneten vier Wochen (Bemessungszeitraum) erzielte und um einmalige Zuwendungen verminderte Entgelt zugrunde zu legen; ist das Entgelt nach Monaten bemessen oder ist eine Berechnung des Regellohnes nach dem vorangehenden Halbsatz nicht möglich, so gilt der 30. Teil des in dem letzten vor Beginn der Maßnahme abgerechneten Kalendermonat erzielten und um einmalige Zuwendungen verminderten Entgelts als Regellohn.
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(3) Hat der Beschädigte Ubergangsgeld oder Krankengeld bezogen und wird im Anschluß daran eine berufsfördernde Maßnahme durchgeführt, so ist bei der Berechnung des Ubergangsgeldes von dem bisher zugrunde gelegten Entgelt auszugehen. (4) Sofern a) der letzte Tag des Bemessungszeitraumes zu Beginn der Maßnahme länger als drei Jahre zurückliegt oder b) kein Entgelt nach Absatz 2 erzielt worden ist oder c) es unbillig hart wäre, das Entgelt nach Absatz 2 der Bemessung des Ubergangsgeldes zugrunde zu legen, beträgt das Ubergangsgeld für den Kalendertag den 450. Teil des Betrages, der sich bei entsprechender Anwendung der Anlagen des Fremdrentengesetzes für das bei Beginn der Maßnahme zuletzt angegebene Kalenderjahr ergibt. Bei der Zuordnung zu einer Leistungsgruppe nach Anlage 1 des Fremdrentengesetzes ist von der Beschäftigung oder Tätigkeit auszugehen, die für den Beschädigten nach seinen beruflichen Fähigkeiten und seinem Lebensalter ohne die Schädigung in Betracht käme. (5) Das Ubergangsgeld erhöht sich jeweils nach Ablauf eines Jahres seit dem Ende des Bemessungszeitraumes um den Vomhundertsatz, um den die Renten der gesetzlichen Rentenversicherungen zuletzt vor diesem Zeitpunkt nach dem jeweiligen Rentenanpassungsgesetz angepaßt worden sind; es darf nach der Anpassung 80 vom Hundert der Leistungsbemessungsgrenze (§ 16 a Abs. 3) nicht übersteigen. In den Fällen des Absatzes 4 gilt als Bemessungszeitraum das in den Anlagen des Fremdrentengesetzes bei Beginn der Maßnahme zuletzt angegebene Kalenderjahr. (6) Kann der Beschädigte an einer berufsfördernden Maßnahme aus gesundheitlichen Gründen nicht weiter teilnehmen, wird das Obergangsgeld bis zu sechs Wochen, längstens jedoch bis zum Tage der Beendigung der Maßnahme, weitergewährt. (7) Ist der Beschädigte im Anschluß an eine abgeschlossene berufsfördernde Maßnahme arbeitslos, wird das Ubergangsgeld während der Arbeitslosigkeit bis zu sechs Wochen weitergezahlt, wenn er sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hat und zur beruflichen Eingliederung zur Verfügung steht. (8) Kommen neben Hilfen nach $ 26 weitere Hilfen der Kriegsopferfürsorge in Betracht, ist bei ihrer Bemessung das Ubergangsgeld als Einkommen zu berücksichtigen. § 27 (1) Durch Erziehungsbeihilfen ist für Waisen (§ 45 Abs. 2) und für Kinder von Beschädigten (S 33 b Abs. 2) eine Erziehung zu körperlicher, geistiger und sittlicher Tüchtigkeit sowie eine angemessene, ihren Anlagen und Fähigkeiten entsprechende allgemeine und berufliche Ausbildung sicherzustellen; sie umfassen die erforderlichen Leistungen für die Ausbildung oder für sonstige Maßnahmen der Erziehung
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und für den Lebensunterhalt. Bei Bemessung der Leistungen für den Lebensunterhalt bleiben Kosten der Unterkunft in der Familie unberücksichtigt. (2) Waisen sind Erziehungsbeihilfen zu gewähren, wenn 1. sie Rente oder Waisenbeihilfe nach diesem Gesetz erhalten oder 2. ihr Anspruch auf Versorgungsbezüge nach § 65 ruht und soweit für ihre Erziehung und Ausbildung eigene Mittel und Mittel ihrer unterhaltspflichtigen Angehörigen in ausreichendem Maße nicht zur Verfügung stehen. (3) Für Kinder sind Beschädigten Erziehungsbeihilfen zu gewähren, wenn 1. sie Rente nach diesem Gesetz erhalten oder 2. ihr Anspruch auf Versorgungsbezüge oder Grundrente nach § 65 ruht oder 3. eine Kapitalabfindung nach den §§ 72 bis 78 a gewährt worden ist und soweit für die Erziehung und Ausbildung Mittel des Kindes und dessen Ehegatten sowie Mittel des Beschädigten in ausreichendem Maß nicht zur Verfügung stehen. Erziehungsbeihilfen werden längstens bis zur Vollendung des siebenundzwanzigsten Lebensjahres des Kindes gewährt. Im Falle der Unterbrechung oder Verzögerung der Schul- oder Berufsausbildung durch Erfüllung der gesetzlichen W e h r · oder Zivildienstpflicht des Kindes ist die Erziehungsbeihilfe jedoch über das siebenundzwanzigste Lebensjahr hinaus für einen der Zeit dieses Dienstes entsprechenden Zeitraum weiterzugewähren. Satz 3 gilt entsprechend für den auf den Grundwehrdienst anzurechnenden Wehrdienst, den ein Soldat auf Zeit auf Grund freiwilliger Verpflichtung für eine Dienstzeit von nicht mehr als drei Jahren geleistet hat, für einen diesem freiwilligen Wehrdienst entsprechenden Vollzugsdienst der Polizei bei Verpflichtung auf nicht mehr als drei Jahre sowie für die vom Wehr- und Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des $ 1 Abs. 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes vom 18. Juni 1969 (Bundesgesetzbl. I S. 549) für einen der Dauer des Grundwehrdienstes entsprechenden Zeitraum. (4) Erziehungsbeihilfen können auch gewährt werden, wenn an Stelle von Renten oder Waisenbeihilfen ein Ausgleich nach § 89 gezahlt wird. (5) Kann die übliche Ausbildung aus Gründen, die der Beschädigte oder der Auszubildende nicht zu vertreten hat, nicht mit Vollendung des siebenundzwanzigsten Lebensjahres abgeschlossen werden, können Erziehungsbeihilfen auch über diesen Zeitpunkt hinaus weitergewährt werden. § 27 a (1) Beschädigten und Hinterbliebenen ist ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren, soweit er nicht aus den übrigen Leistungen nach diesem Gesetz und sonstigen Mitteln bestritten werden kann. Für die ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt gelten die Bestimmungen des Abschnitts 2 des Bun-
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dessozialhilfegesetzes unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen entsprechend. $ 18 des Bundessozialhilfegesetzes gilt nicht für Empfänger einer Ausgleichsrente. § 23 Abs. 1 Nr. 2 des Bundessozialhilfegesetzes gilt bei Beschädigten nur, soweit sie ohne Berücksichtigung der Schädigungsfolgen erwerbsunfähig im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung sind. (2) Beschädigten und Hinterbliebenen ist Erholungsfürsorge zu gewähren, wenn nach ärztlichem Zeugnis, in Zweifelsfällen nach Bestätigung durch das Gesundheitsamt, die Erholungsfürsorge zur Erhaltung der Gesundheit oder Arbeitsfähigkeit notwendig, die beabsichtigte Art der Erholung zweckmäßig und, soweit es sich um Beschädigte handelt, die Erholungsbedürftigkeit durch die anerkannten Schädigungsfolgen bedingt ist. Die Dauer des Erholungsaufenthaltes darf in der Regel drei Wochen nicht übersteigen. Aufwendungen, die während dieser Zeit für den häuslichen Lebensunterhalt erspart werden, sind als Einkommen einzusetzen. § 25 Abs. 1 zweiter Halbsatz findet nur hinsichtlich der Ehegatten von Beschädigten Anwendung. (3) Beschädigten und Hinterbliebenen ist Wohnungsfürsorge zu gewähren. Sie besteht in Beratung in Wohnungs- und Siedlungsangelegenheiten sowie In Mitwirkung bei der Beschaffung und Erhaltung ausreichenden und gesunden Wohnraums. Schwerbeschädigten und Witwen können auch Geldleistungen gewährt werden, wenn die Besonderheit des Einzelfalles dies rechtfertigt; sie sollen in der Regel als Darlehen gewährt werden. § 27 b (1) Soweit die §§ 25 a bis 27 a nichts Besonderes bestimmen, gilt Abschnitt 3 des Bundessozialhilfegesetzes unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen entsprechend. Satz 1 gilt auch für Hinterbliebene, die wegen Behinderung oder Tuberkulose der Hilfe bedürfen. Die §§ 10 bis 24 a bleiben unberührt. (2) In Fällen, in denen die besondere Einkommensgrenze des § 81 des Bundessozialhilfegesetzes anzuwenden ist, gilt diese Grenze auch bei Leistungen der Kriegsopferfürsorge entsprechend. § 27 c Kriegsblinden, Ohnhändern, Querschnittgelähmten, die eine Pflegezulage beziehen, und sonstigen Empfängern einer Pflegezulage sowie Hirnbeschädigten und Beschädigten, deren Minderung der Erwerbsfähigkeit allein wegen Erkrankung an Tuberkulose oder wegen einer Gesichtsentstellung wenigstens 50 vom Hundert beträgt, ist durch die Hauptfürsorgestellen eine wirksame Sonderfürsorge zu gewähren. § 27 d Die Bundesregierung wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Art, Ausmaß und Dauer der Leistungen der Kriegsopferfürsorge (§§ 25 bis 27 c) sowie das Verfahren zu bestimmen.
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§ 27 e (1) Haben Beschädigte oder Hinterbliebene für die Zeit, für die Leistungen der Kriegsopferfürsorge gewährt werden, Ansprüche gegen einen anderen auf entsprechende Leistungen, kann der Träger der Kriegsopferfürsorge durch schriftliche Anzeige an den anderen bewirken, daß diese Ansprüche bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf ihn übergehen. Der Ubergang des Anspruchs darf nur insoweit bewirkt werden, als die Hilfe bei rechtzeitiger Leistung des anderen nicht gewährt worden wäre. Der Ubergang ist nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Ansprüche nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden können. (2) Die schriftliche Anzeige bewirkt den Ubergang der Ansprüche für die Zeit, für die den Beschädigten oder Hinterbliebenen Leistungen der Kriegsopferfürsorge ohne Unterbrechung gewährt werden; als Unterbrechung gilt ein Zeitraum von mehr als zwei Monaten. (3) Der Träger der Kriegsopferfürsorge darf den Ubergang eines Anspruchs gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen nicht bewirken, wenn der Unterhaltspflichtige mit dem Beschädigten oder Hinterbliebenen im zweiten oder in einem entfernteren Grade verwandt ist. In den übrigen Fällen darf er den Ubergang nur in dem Umfang bewirken, in dem Beschädigte oder Hinterbliebene nach den Bestimmungen des § 25 a Abs. 4 bis 7 und des § 27 b Abs. 2 Einkommen und Vermögen einzusetzen hätten. (4) Der Träger der Kriegsopferfürsorge soll davon absehen, einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen in Anspruch zu nehmen, soweit dies eine Härte bedeuten würde; er soll vor allem von der Inanspruchnahme unterhaltspflichtiger Eltern absehen, soweit einem Beschädigten oder Hinterbliebenen nach Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres Eingliedeningshilfe für Behinderte oder Hilfe zur Pflege nach 5 27 b gewährt wird. Er kann davon absehen, wenn anzunehmen ist, dafi der mit der Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen verbundene Verwaltungsaufwand in keinem angemessenen Verhältnis zu der Unterhaltsleistung stehen wird. 5 27 f Die Vorschriften des $ 118 des Bundessozialhilfegesetzes über die Kostenfreiheit gelten entsprechend mit der Maßgabe, daß eine Befreiung von Beurkundungs- und Beglaubigungskosten nicht eintritt. § 28 (weggefallen)
Besdiädigtenrente § Sind Maßnahmen zur sprechend und zumutbar, auf Höherbewertung der fähigkeit nach § 30 Abs.
29 Rehabilitation erfolgverso entsteht ein Anspruch Minderung der Erwerbs2, auf Berufsschadensaus-
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gleich sowie auf Ausgleichsrente frühestens in dem Monat, in dem diese Maßnahmen abgeschlossen werden. § 30 (1) Die Minderung der Erwerbsfähigkeit ist nach der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen; dabei sind seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen. Für die Beurteilung ist maßgebend, um wieviel die Befähigung zur üblichen, auf Erwerb gerichteten Arbeit und deren Ausnutzung im wirtschaftlichen Leben durch die als Folgen einer Schädigung anerkannten Gesundheitsstörungen beeinträchtigt sind. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen. Als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei jugendlichen Beschädigten (§ 34) ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt. Für erhebliche äußere Körperschäden können Mindestvomhundertsätze festgesetzt werden. (2) Die Minderung der Erwerbsfähigkeit ist höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, in seinem nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen ist, den er nach Eintritt der Schädigung ausgeübt hat oder noch ausübt. Das ist besonders der Fall, wenn eT a) infolge der Schädigung weder seinen bisher ausgeübten, begonnenen oder den nachweisbar angestrebten noch einen sozial gleichwertigen Beruf ausüben kann, b) zwar seinen vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf weiter ausübt oder den nachweisbar angestrebten Beruf erreicht hat, in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen aber in einem wesentlich höheren Grade als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert ist, oder c) infolge der Schädigung nachweisbar am weiteren Aufstieg in seinem Beruf gehindert ist. (3) Schwerbeschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist (EinkommensVerlust), erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von vier Zehntel des auf volle Deutsche Mark nach oben abgerundeten Verlustes, jedoch höchstens 1088 Deutsdie Mark monatlich. (4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Vergleichseinkommen ist das monatliche Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte, im Mittel des dreijährigen Zeitraums vor dem Kalenderjahr der Rentenanpassung nach § 56, erhöht um die Summe des
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Vomhundertsatzes im Sinne des § 56r um den die Renten im vorangegangenen Jahr angepaßt worden sind, und eines Viertels des Vomhundertsatzes, um den die Renten im laufenden Jahr anzupassen sind. Das Vergleichseinkommen ist jeweils vom Zeitpunkt der Rentenanpassung an für die Dauer eines Jahres maßgebend. Zur Ermittlung des monatlichen Durchschnittseinkommens sind die amtlichen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes für das Bundesgebiet und die beamten- oder tarifrechtlichen Besoldungs-, Vergütungs- oder Lohngruppen des Bundes mit den jeweils am 31. Dezember bekannten Werten heranzuziehen. Soweit Bruttowochenverdienste erhoben und bekanntgegeben werden, sind diese mit 4,345 zu vervielfältigen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Deutsche Mark sind auf volle Deutsche Mark nach unten und von 0,50 Deutsche Mark an auf volle Deutsche Mark nach oben abzurunden. Das Vergleichseinkommen ist nach Maßgabe der Sätze 2 bis 4 durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung zu ermitteln und Im Bundesanzeiger bekanntzumachen; die Beträge sind auf volle Deutsche Mark nach oben abzurunden. (5) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, Insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nadischaden), gilt statt dessen als Einkommen das Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtsdiaftsgruppe, der der Besdiidigte ohne den Nachschaden angehören würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, 1st dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, errechnet sich der Einkommensverlust nach Absatz 4. (6) Als Einkommensverlust einer Frau, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehemann, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führt oder ohne die Schädigung zu führen hätte (Hausfrau), gelten bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 50 und 60 vom Hundert um 70 und 80 vom Hundert um 90 vom Hundert und bei Erwerbsunfähigkeit
249 Deutsche Mark, 391 Deutsche Mark, 587 Deutsche Mark.
Ubersteigen die durch die Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Haushaltsführung die Beträge des Satzes 1, so gelten diese als Einkommensverlust; hiervon ist jedoch der Anteil, der auf Hilfeleistungen im Sinne des { 35 Abs. 1 Satz 5 entfällt, abzusetzen. (7) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so wird der durch die Erhöhung erzielte Mehrbetrag der Grundrente auf den Berufsschadensausgleich angerechnet. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.
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(8) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen: a) welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist, b) wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist, c) was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 5 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden. } 31 (1) Beschädigte erhalten eine monatliche Grundrente bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 vom Hundert von um 40 vom Hundert von
112 Deutsche Mark, 151 Deutsche Mark,
um 50 vom Hundert von :
206 Deutsche Mark,
um 60 vom Hundert von :
260 Deutsche Mark,
um 70 vom Hundert von : um 80 vom Hundert von •
359 Deutsdie Mark, 435 Deutsdie Mark,
um 90 vom Hundert von. 522 Deutsdie Mark, bei Erwerbsunfähigkeit von 587 Deutsdie Mark. Die Grundrente erhöht sich für Schwerbeschädigte, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, um 23 Deutsche Mark. (2) Die vorstehenden Vomhundertsätze stellen Durchschnittssätze dar; eine um 5 vom Hundert geringere Minderung der Erwerbsfähigkeit wird von ihnen mit umfaßt. (3) Schwerbeschädigter ist, wer in seiner Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 vom Hundert beeinträchtigt 1st; Absatz 2 gilt entsprechend. Wer in seiner Erwerbsfähigkeit um mehr als 90 vom Hundert beeinträchtigt ist, gilt als erwerbsunfähig. (4) Beschädigte, bei denen Blindheit als Folge einer Schädigung anerkannt ist, erhalten stets die Rente eines Erwerbsunfähigen. Beschädigte mit Anspruch auf eine Pflegezulage gelten stets als Schwerbeschädigte; sie erhalten mindestens eine Versorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 50 vom Hundert. (5) Erwerbsunfähige Beschädigte, die durch die anerkannten Schädigungsfolgen gesundheitlich außergewöhnlich betroffen sind, erhalten eine monatliche Schwerstbeschädigtenzulage, die in folgenden Stufen gewährt wird: Stufe I 69 Deutsdie Mark, Stufe II 138 Deutsdie Mark, Stufe III 209 Deutsdie Mark, Stufe IV 279 Deutsdie Mark, Stufe V 346 Deutsdie Mark, Stufe VI 417 Deutsdie Mark.
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Bundesversorgungsgesetz
Die Bundesregierung wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung den Personenkreis, der durch seine Schädigungsfolgen außergewöhnlich betroffen ist, sowie seine Einordnung in die Stufen I bis VI näher zu bestimmen.
(4) Empfänger einer Pflegezulage erhalten wenigstens die Hälfte der vollen Ausgleichsrente, Empfänger einer Pflegezulage von mindestens Stufe III die volle Ausgleichsrente, auch wenn die Pflegezulage nach § 35 Abs. 3 nicht gezahlt wird oder nach § 65 Abs. 1 ruht.
§ 32
(5) Die Bundesregierung wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung näher zu bestimmen,
(1) Schwerbeschädigte erhalten eine Ausgleichsrente, wenn sie infolge ihres Gesundheitszustandes oder hohen Alters oder aus einem von ihnen nicht zu vertretenden sonstigen Grunde eine ihnen zumutbare Erwerbstätigkeit nicht oder nur in beschränktem Umfang oder nur mit überdurchschnittlichem Kräfteaufwand ausüben können. (2) Die volle Ausgleichsrente beträgt monatlich bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 50 vom Hundert 260 Deutsche Mark, um 60 vom Hundert 260 Deutsche Mark, um 70 vom Hundert 359 Deutsche Mark, um 80 vom Hundert 435 Deutsche Mark, um 90 vom Hundert 522 Deutsche Mark, bei Erwerbsunfähigkeit 587 Deutsche Mark. § 33 (1) Die volle Ausgleichsrente ist um das anzurechnende Einkommen zu mindern. Dieses ist, ausgehend vom Bruttoeinkommen, nach der nach Absatz 6 zu erlassenden Rechtsverordnung stufenweise so zu ermitteln, daß a) bei Einkünften aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit ein Betrag in Höhe von 1,5 vom Hundert sowie bei den übrigen Einkünften ein Betrag in Höhe von 0,65 vom Hundert des Bemessungsbetrages von 20 391 Deutsche Mark, Jeweils auf volle Deutsche Mark nach oben abgerundet, freibleibt (Freibetrag) und b) dem erwerbsunfähigen Beschädigten Ausgleichsrente nur zusteht, wenn seine Einkünfte aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit niedriger sind als ein Betrag in Höhe von einem Zwölftel oder seine übrigen Einkünfte niedriger sind als ein Betrag in Höhe von einem Zwanzigstel des in Buchstabe a genannten Bemessungsbetrages, abgerundet auf volle Deutsche Mark nach oben (Einkommensgrenze); diese Einkommensgrenze schließt auch die Beträge des Bruttoeinkommens ein, die mit den genannten Beträgen die gleiche Stufe gemeinsam haben. (2) Einkünfte aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit Im Sinne des Absatzes 1 sind Einkünfte aus a) nichtselbständiger Arbeit im Sinne des δ 19 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes, b) Land- und Forstwirtschaft, c) Gewerbebetrieb, d) selbständiger Arbeit sowie Krankengeld, Uber gang sgeld, Arbeitslosengeld, Kurzarbeitergeld, Schlechtwettergeld und ähnliche Leistungen. (3) Läßt sich das Einkommen zahlenmäßig nicht ermitteln, so ist es unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse festzusetzen.
a) was als Einkommen gilt und welche Einkünfte bei Feststellung der Ausgleichsrente unberücksichtigt bleiben, b) wie das Bruttoeinkommen zu ermitteln ist. (6) Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates die Rechtsverordnung .über das anzurechnende Einkommen nach Absatz 1 zu erlassen. Die anzurechnenden Beträge sind in einer Tabelle anzugeben, die für den erwerbsunfähigen Beschädigten in 100 Stufen gegliedert ist; die ermittelten Werte gelten auch für die übrigen Beschädigtengruppen. Der jeweilige Betrag, bis zu dem die einzelne Stufe reicht, ist zu ermitteln, indem die Stufenzahl mit einem Hundertstel des um den Freibetrag (Absatz 1 Buchstabe a) verminderten Betrages nach Absatz 1 Buchstabe b multipliziert und dem auf volle Deutsche Mark nach unten abgerundeten Produkt der Freibetrag hinzugerechnet wird. Der jeder Stufe zugeordnete Betrag des anzurechnenden Einkommens ist zu ermitteln, indem die jeweilige Stufenzahl mit einem Hundertstel des Betrages der vollen Ausgleichs rente des erwerbsunfähigen Beschädigten multipliziert und das Produkt auf volle Deutsche Mark nach unten abgerundet wird. In der Rechts Verordnung kann ferner Näheres über die Anwendung der Tabelle bestimmt und können die jeweils zustehenden Beträge der Ausgleichsrente angegeben werden. $ 33 a (1) Schwerbeschädigte erhalten für den Ehegatten einen Zuschlag von 65 Deutsche Mark monatlich. Den Zuschlag erhalten auch Schwerbeschädigte, deren Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt worden ist, wenn sie im eigenen Haushalt für ein Kind im Sinne des δ 33 b Abs. 2 bis 4 sorgen. Steht keine Ausgleichsrente zu, so gilt δ 33 entsprechend mit folgender Maßgabe: a) Das anzurechnende Einkommen ist nur insoweit zu berücksichtigen, als es nicht bereits zum Wegfall der Ausgleichsrente geführt hat. b) δ 33 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe b ist nicht anzuwenden. (2) Alle Empfänger einer Pflegezulage erhalten den vollen Zuschlag, auch wenn die Pflegezulage nach δ 35 Abs. 3 nicht gezahlt wird oder nach δ 65 Abs. 1 ruht. δ 33 b (1) Schwerbeschädigte erhalten für jedes Kind einen Kinderzuschlag. Dies gilt nicht, wenn für dasselbe Kind Anspruch auf Kindergeld oder auf Leistungen im Sinne des δ 8 Abs. 1 Nr. 1 des Bundeskindergeldgesetzes besteht.
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Bundesversorgungsgesetz
(2) Als Kinder gelten 1. eheliche Kinder, 2. für ehelich erklärte Kinder, 3. an Kindes Statt angenommene Kinder, 4. in den Haushalt des Beschädigten aufgenommene Stiefkinder, 5. Pflegekinder im Sinne des $ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 des Bundeskindergeldgesetzes, wenn das Pflegekindschaftsverhältnis vor Anerkennung der Folgen der Schädigung begründet worden ist, 6. nichteheliche Kinder, vom männlichen Beschädigten jedoch nur, wenn seine Vaterschaft durch Anerkennung oder gerichtliche Entscheidung rechtskräftig festgestellt worden ist. (3) Erfüllen mehrere Beschädigte für dasselbe Kind die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2, ist der Kinderzuschlag nur einmal zu gewähren. Anspruchsberechtigt ist derjenige, der das Kind überwiegend unterhält. Unterhält keiner der Beschädigten das Kind überwiegend, erhält derjenige den Kinderzuschlag, der entsprechend der Aufzählung des Absatzes 2 dem anderen vorgeht. (4) Der Kinderzuschlag wird bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres gewährt. Br ist in gleicher Weise ' n a c h Vollendung des achtzehnten Lebensjahres für ein Kind zu gewähren, das a) sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, die seine Arbeitskraft überwiegend in Anspruch nimmt und nicht mit der Zahlung von Dienstbezügen, Arbeitsentgelt oder sonstigen Zuwendungen in entsprechender Höhe verbunden ist, längstens bis zur Vollendung des siebenundzwanzigsten Lebensjahres, b) ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres leistet, längstens bis zur Vollendung des siebenundzwanzigsten Lebensjahres, c) infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen spätestens bei Vollendung des siebenundzwanzigsten Lebensjahres außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, solange dieser Zustand dauert, über die Vollendung des siebenundzwanzigsten Lebensjahres hinaus jedoch nur, wenn sein Ehegatte außerstande ist, es zu unterhalten. Bei der Anwendung des Satzes 2 Buchstabe a gilt § 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 des Bundeskindergeldgesetzes entsprechend. Hatte ein Kind, das bei Vollendung des siebenundzwanzigsten Lebensjahres körperlich oder geistig gebrechlich war, nach diesem Zeitpunkt eine Erwerbstätigkeit ausgeübt, so ist der Kinderzuschlag erneut zu gewähren, wenn und solange es wegen desselben körperlichen oder geistigen Gebrechens erneut außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Im Falle der Unterbrechung oder Verzögerung der Schul- oder Berufsausbildung durch Erfüllung der gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstpflicht eines Kindes im Sinne des Satzes 2 Buchstabe a ist der Kinderzuschlag für einen der Zeit dieses Dienstes entsprechenden Zeitraum über das siebenundzwanzigste Lebensjahr hinaus zu gewähren. Satz 5 gilt entsprechend für den auf den
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Grundwehrdienst anzurechnenden Wehrdienst, den ein Soldat auf Zeit auf Grund freiwilliger Verpflichtung für eine Dienstzeit von nicht mehr als drei Jahren geleistet hat, für einen diesem freiwilligen Wehrdienst entsprechenden Vollzugsdienst der Polizei bei Verpflichtung auf nicht mehr als drei Jahre sowie für die vom Wehr- und Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Abs. 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes für einen der Dauer des Grundwehrdienstes entsprechenden Zeitraum. Verzögert sich die Schul- oder Berufsausbildung aus einem Grunde, den weder der Beschädigte noch das Kind zu vertreten haben, so wird der Kinderzuschlag entsprechend dem Zeitraum der nachgewiesenen Verzögerung länger gewährt. (5) Der Kinderzuschlag ist in Höhe des gesetzlichen Kindergeldes zu gewähren. Der Zuschlag ist um Kinderzuschüsse oder ähnliche Leistungen, die für das Kind gezahlt werden oder zu gewähren sind, zu kürzen. Steht keine Ausgleichsrente und kein Zuschlag nach § 33 a zu, so gilt § 33 entsprechend mit folgender Maßgabe: a) Das anzurechnende Einkommen ist nur insoweit zu berücksichtigen, als es nicht bereits zum Wegfall der Ausgleichs rente und des Zuschlags nach § 33 a geführt hat. b) § 33 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe b ist nicht anzuwenden. Werden Kinderzuschläge für mehrere Kinder gewährt, so ist das nach Satz 3 Buchstabe a anzurechnende Einkommen nach dem Verhältnis aufzuteilen, in dem die Beträge der einzelnen Kinderzuschläge zueinander stehen. (6) Bei Empfängern einer Pflegezulage ist, auch wenn die Pflegezulage nach § 35 Abs. 3 nicht gezahlt wird oder nach § 65 Abs. 1 ruht, Absatz 5 Satz 2 und 3 nicht anzuwenden. Für jedes Kind, für das ihnen nach Absatz 1 kein Kinderzuschlag zusteht, erhalten sie einen Zuschlag in Höhe des gesetzlichen Kindergeldes, das für das erste Kind vorgesehen ist. (7) Steht die Vertretung in den persönlichen Angelegenheiten des Kindes nicht dem Beschädigten zu, so kann der gesetzliche Vertreter des Kindes die Zahlung des Kinderzuschlags an sich beantragen. Ist das Kind volljährig, so kann es Zahlung an sich selbst beantragen. $ 34 (1) Die Ausgleichsrente beträgt für Schwerbeschädigte vor Vollendung des vierzehnten Lebensjahres bis zu 30 vom Hundert, vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres bis zu 50 vom Hundert der Sätze des § 32 Abs. 2; sie ist auf den vollen Satz zu erhöhen, wenn der Schwerbeschädigte seinen Lebensunterhalt allein bestreiten muß. (2) Ausgleichsrente ist nur insoweit zu gewähren, als dies nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschädigten und seiner unterhaltspflichtigen Angehörigen gerechtfertigt ist. Lehrlingsvergütung bis zu 150 Deutsche Mark monatlich bleibt unberücksichtigt.
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Bundesversorgungsgesetz Pflegezulage 535
(1) Solange der Beschädigte infolge der Schädigung so hilflos ist, daß er für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang fremder Hilfe dauernd bedarf, wird eine Pflegezulage von 249 Deutsche Mark (Stufe I) monatlich gewährt. Ist die Gesundheitsstörung so schwer, daß sie dauerndes Krankenlager oder außergewöhnliche Pflege erfordert, so ist die Pflegezulage je nach Lage des Falles unter Berücksichtigung der für die Pflege erforderlichen Aufwendungen auf 424, 599, 774 oder 1001 Deutsche Mark (Stufen II, III, IV und V) zu erhöhen. Blinde erhalten mindestens die Pflegezulage nach Stufe III. Erwerbsunfähige Himbeschädigte erhalten eine Pflegezulage mindestens nach Stufe I. Ubersteigen die Aufwendungen für fremde Wartung und Pflege den Betrag der Pflegezulage, so kann sie angemessen erhöht werden. (2) Für Beschädigte, die infolge der Schädigung dauernder Pflege im Sinne des Absatzes 1 bedürfen, ohne daß die Voraussetzungen für die Heilbehandlung gegeben sind, werden, wenn geeignete Pflege sonst nicht verschafft werden kann, die Kosten der nicht nur vorübergehenden Anstaltpflege unter Anrechnung auf die Versorgungsbezüge übernommen. Jedoch ist dem Beschädigten von seinen Versorgungsbezügen zur Bestreitung der persönlichen Bedürfnisse ein Betrag in Höhe der zustehenden Grundrente und den Angehörigen mindestens ein Betrag in Höhe der Hinterbliebenenbezüge, die ihnen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Einkommensverhältnisse zustehen würden, wenn der Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben wäre, zu belassen. (3) Während einer Krankenhausbehandlung, Badekur oder Heilstättenbehandlung nach § 11 Abs. 1 und 2, die länger als einen Monat dauert, wird die Pflegezulage nicht gezahlt. Die Zahlung wird mit' dem Ersten des auf die Aufnahme folgenden zweiten Monats eingestellt und mit dem Ersten des Entlassungsmonats wiederaufgenommen. In gleicher Weise kann sie ganz oder teilweise eingestellt wer- , den, wenn Hauspflege gewährt wird. (4) Absatz 3 gilt nicht für Empfänger einer Pflegezulage mindestens nach Stufe III. Bestattungsgeld § 36 (1) Beim Tode eines rentenberechtigten Beschädigten wird ein Bestattungsgeld gewährt. Es beträgt 1 000 Deutsche Mark, wenn der Tod die Folge einer Schädigung ist, sonst die Hälfte dieses Betrages. Der Tod gilt stets dann als Folge einer Schädigung, wenn ein Beschädigter an einem Leiden stirbt, das als Folge einer Schädigung rechtsverbindlich anerkannt und für das ihm im Zeitpunkt des Todes Rente zuerkannt war. (2) Vom Bestattungsgeld werden zunächst die Kosten der Bestattung bestritten und an den gezahlt,
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der die Bestattung besorgt hat. Dies gilt auch, wenn die Kosten der Bestattung aus öffentlichen Mitteln bestritten worden sind. Bleibt ein Uberschuß, so sind nacheinander der Ehegatte, die Kinder, die Eltern, die Stiefeltem, die Pflegeeltern, die Enkel, die Großeltern, die Geschwister und die Geschwisterkinder bezugsberechtigt, wenn sie mit dem Verstorbenen zur Zeit des Todes in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben. Fehlen solche Berechtigte, so wird der Uberschuß nicht ausgezahlt. (3) Stirbt ein nichtrentenberechtigter Beschädigter an den Folgen einer Schädigung, so ist ein Bestattungsgeld bis zu 1 000 Deutsche Mark zu zahlen, soweit Kosten der Bestattung entstanden sind. (4) Eine auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften für den gleichen Zweck zu gewährende Leistung ist auf das Bestattungsgeld anzurechnen. (5) Stirbt ein Beschädigter an den Folgen einer Schädigung außerhalb seines ständigen Wohnsitzes, so sind die notwendigen Kosten für die Leichenüberführung dem zu erstatten, der sie getragen hat. Dies gilt nicht, wenn der Tod während eines Aufenthaltes im Ausland eingetreten ist, jedoch kann eine Beihilfe gewährt werden. (6) Stirbt ein Beschädigter während einer nach den Vorschriften dieses Gesetzes durchgeführten stationären Heilbehandlung nicht an den Folgen einer Schädigung, so sind die notwendigen Kosten der Leichenüberführung nach dem früheren Wohnsitz des Verstorbenen dem zu erstatten, der sie getragen hat. Sterbegeld § 37 (1) Beim Tode eines Beschädigten ist ein Sterbegeld in Höhe des Dreifachen der Versorgungsbezüge zu zahlen, die ihm für den Sterbemonat nach den § § 3 0 bis 33, 34 und 35 zustanden, Pflegezulage jedoch höchstens nach Stufe II. Minderungen der nach Satz 1 maßgebenden Bezüge, die durch Sonderleistungen im Sinne des § 60 a Abs. 4 bedingt sind, sowie Erhöhungen dieser Bezüge, die auf Einkommensminderungen infolge des Todes beruhen, bleiben unberücksichtigt. (2) Anspruchsberechtigt sind in nachstehender Rangfolge der Ehegatte, die Kinder, die Eltern, die Stiefeltem, die Pflegeeltem, die Enkel, die Großeltern, die Geschwister und die Geschwisterkinder, wenn sie mit dem Verstorbenen zur Zeit des Todes in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben. Hat der Verstorbene mit keiner dieser Personen in häuslicher Gemeinschaft gelebt, so ist das Sterbegeld in vorstehender Rangfolge dem zu zahlen, den der Verstorbene unterhalten hat. (3) Sind Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 2 nicht vorhanden, kann das Sterbegeld dem gezahlt werden, der die Kosten der letzten Krankheit oder der Bestattung getragen oder den Verstorbenen bis zu seinem Tode gepflegt hat.
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Bundesversorgungsgesetz Hinterbliebenenrente
* 38 (1) Ist ein Beschädigter an den Folgen einer Schädigung gestorben, so haben die Witwe, die Waisen und die Verwandten der aufsteigenden Linie Anspruch auf Hinterbliebenenrente. Der Tod gilt stets dann als Folge einer Schädigung, wenn ein Beschädigter an einem Leiden stirbt, das als Folge einer Schädigung rechtsverbindlich anerkannt und für das ihm im Zeitpunkt des Todes Rente zuerkannt war. (2) Die Witwe hat keinen Anspruch, wenn die Ehe erst nach der Schädigung geschlossen worden ist und nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dafi nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dafl es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, der Witwe eine Versorgung zu verschaffen. § 39 Ein Hinterbliebener, der eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, die durch einen Unfall herbeigeführt worden ist a) auf dem Hin· oder Rückweg, der notwendig ist, um zum Zwecke der Rehabilitation (§ 10 Abs. 4 Satz 2) eine stationäre BehandlungsmaBnahme der Krankenbehandlung oder stationäre berufsfördernde Maßnahmen zur Rehabilitation nach § 26 durchzuführen oder um zur Aufklärung des Sachverhalts persönlich zu erscheinen, sofern dieses Erscheinen angeordnet ist, oder b) bei der Durchführung einer der unter Buchstabe a aufgeführten Maßnahmen, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung wie ein Beschädigter. § 1 Abs. 3 und 4 gilt entsprechend. $ 40 Die Witwe erhält eine Grundrente von 352 Deutsche Mark monatlich. § 40 a (1) Witwen, deren Einkommen geringer ist als die Hälfte des Einkommens, das der Ehemann ohne die Schädigung erzielt hätte, erhalten einen Schadensausgleich in Höhe von vier Zehntel des festgestellten, auf volle Deutsche Mark nach oben abgerundeten Unterschiedsbetrages, jedoch höchstens 544 Deutsche Mark monatlich. Ein Schadensausgleich ist nur zu gewähren, wenn die Witwe die Voraussetzungen des $ 41 Abs. 1 Satz 1 erfüllt. § 41 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend. (2) Zur Feststellung des Schadensausgleichs ist das von der Witwe erzielte Bruttoeinkommen zuzüglich der Grundrente ($ 40) und der Ausgleichsrente (§ 41 oder §§ 32, 33) der Hälfte des nach $ 30 Abs. 4 ermittelten Vergleichseinkommens der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Verstorbene angehört hat oder ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten wahrscheinlich angehört hätte, gegenüberzustellen.
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(3) Hatte der Verstorbene im Zeitpunkt seines Todes Anspruch auf die Rente eines Erwerbsunfähigen und auf eine P/legezulage mindestens nach. Stufe III wegen nicht nur vorübergehender Hilflosigkeit (§ 35) oder auf entsprechende Leistungen nach früheren versorgungsrechtlichen Vorschriften, so ist, falls es günstiger ist, abweichend von Absatz 2 die Hälfte des nach § 30 Abs. 4 aus dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 14 zuzüglich des Ortszuschlags nach Stufe 2 des Bundesbesoldungsgesetzes ermittelten Vergleichseinkommens zugrunde zu legen. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten. (4) § 30 Abs. β gilt entsprechend. $ 41 (1) Ausgleichsrente erhalten Witwen, die a) durch Krankheit oder andere Gebrechen nicht nur vorübergehend wenigstens die Hälfte ihrer Erwerbsfähigkeit verloren haben oder b) das fünfundvierzigste Lebensjahr vollendet haben oder c) für mindestens ein Kind des Verstorbenen im Sinne des § 33 b Abs. 2 oder ein eigenes Kind sorgen, das eine Waisenrente nach diesem Gesetz oder nach Gesetzen, die dieses Gesetz für anwendbar erklären, bezieht oder bis zur Erreichung der Altersgrenze oder bis zu seiner Verheiratung Waisenrente nach einem dieser Gesetze oder nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften bezogen hat. Ausgleichsrente kann auch gewährt werden, wenn einer Witwe aus anderen zwingenden Gründen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht möglich ist. Im Falle des Satzes 1 Buchstabe a gilt § 29 entsprechend. (2) Die volle Ausgleichsrente der Witwe beträgt monatlich 352 Deutsche Mark. (3) § 33 gilt mit Ausnahme von Absatz 1 Satz 2 Buchstabe b und Absatz 4 entsprechend. $ 42 (1) Im Falle der Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe steht die frühere Ehefrau des Verstorbenen einer Witwe gleich, wenn der Verstorbene zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den eherechtlichen Vorschriften oder aus sonstigen Gründen zu leisten hatte oder im letzten Jahr vor seinem Tode geleistet hat. Hat eine Unterhalts Verpflichtung aus kriegs- oder wehrdienstbedingten Gründen nicht bestanden, so bleibt dies unberücksichtigt Ist die Ehe im Zusammenhang mit einer Gesundheitsstörung des Verstorbenen, die Folge einer Schädigung im Sinne des § 1 war, geschieden, aufgehoben oder für nichtig erklärt worden, so steht die frühere Ehefrau auch ohne die Voraussetzungen des Satzes 1 einer Witwe gleich. (2) Entsprechendes gilt, wenn beim Tode des Beschädigten die eheliche Gemeinschaft aufgehoben war.
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* 43 Der Witwer erhält Versorgung wie eine Witwe, wenn die an den Folgen einer Schädigung gestorbene Ehefrau seinen Lebensunterhalt überwiegend bestritten hat.
5. Pflegekinder, die der Verstorbene bei seinem Tode mindestens seit einem vor der Schädigung oder vor Anerkennung der Folgen der Schädigung liegenden Zeitpunkt oder seit mindestens einem Jahr unentgeltlich unterhalten hat,
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6. nichteheliche Kinder, jedoch von männlichen Beschädigten nur, wenn die Vaterschaft des Verstorbenen glaubhaft gemacht ist.
(1) Im Falle der Wiederverheiratung erhält die Witwe an Stelle des Anspruchs auf Rente eine Abfindung in Höhe des Fünfzigfachen der monatlichen Grundrente. Die Abfindung ist auch zu zahlen, wenn im Zeitpunkt der Wiederverheiratung mangels Antrags kein Anspruch auf Rente bestand. (2) Wird die neue Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt, so lebt der Anspruch auf Witwenversorgung wieder auf. (3) Ist die Ehe innerhalb von fünfzig Monaten nach der Wiederve rhei ratung aufgelöst oder für nichtig erklärt worden, so ist bis zum Ablauf dieses Zeitraumes für jeden Monat ein Fünfzigstel der Abfindung (Absatz 1) auf die Witwenrente anzurechnen. (4) Die Witwenversorgung beginnt mit dem Monat, in dem sie beantragt wird, frühestens jedoch mit dem auf den Tag der Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe folgenden Monat. Bei Nichtigerklärung, Aufhebung oder Scheidung der Ehe ist dies der Tag, an dem das Urteil rechtskräftig geworden ist. (5) Versorgungs-, Renten- oder Unterhaltsansprüche, die sich aus der neuen Ehe herleiten, sind auf die Witwenrente (Absatz 2) anzurechnen, soweit sie zu verwirklichen sind und nicht schon zur Kürzung anderer wiederaufgelebter öffentlich-rechtlicher Leistungen geführt haben. Die Anrechnung einer Versorgung nach diesem Gesetz auf eine wiederaufgelebte Leistung, die ebenfalls auf diesem Gesetz beruht, geht einer anderweitigen Anrechnung vor; das gleiche gilt auch, wenn die Versorgung oder die wiederaufgelebte Leistung auf einem Gesetz beruhen, das dieses Gesetz für entsprechend anwendbar erklärt. Hat die Witwe ohne verständigen Grund auf einen Anspruch im Sinne des Satzes 1 verzichtet, so ist der Betrag anzurechnen, den der frühere Ehemann ohne den Verzicht zu leisten hätte. (6) Hat eine Witwe keine Witwenrente nach diesem Gesetz bezogen und ist ihr früherer Ehemann an den Folgen einer Schädigung (§ 1) gestorben, so finden die Absätze 2, 4 und 5 entsprechend Anwendung, wenn sie ohne die Wiederverheiratung einen Anspruch auf Versorgung hätte. § 45 (1) Waisen erhalten Rente bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres. (2) Als Waisen im Sinne des Absatzes 1 gelten 1. eheliche Kinder, 2. für ehelich erklärte Kinder, 3. an Kindes Statt angenommene Kinder, 4. Stiefkinder, die der Verstorbene in seinen Haushalt aufgenommen hatte,
(3) Die Waisenrente ist nach Vollendung des achtzehnten Lebensjahres für eine Waise zu gewähren, die a) sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, die ihre Arbeitskraft überwiegend in Anspruch nimmt und nicht mit der Zahlung von Dienstbezügen, Arbeitsentgelt oder sonstigen Zuwendungen in entsprechender Höhe verbunden ist, längstens bis zur Vollendung des siebenundzwanzigsten Lebensjahres, b) ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres leistet, längstens bis zur Vollendung des s ieb enundzwanzigsten Lebensj ahres, c) infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen spätestens bei Vollendung des siebenundzwanzigsten Lebensjahres außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, solange dieser Zustand dauert, über die Vollendung des siebenundzwanzigsten Lebensjahres hinaus jedoch nur, wenn ihr Ehegatte außerstande ist, sie zu unterhalten. Hatte eine Waise, die bei Vollendung des siebenundzwanzigsten Lebensjahres körperlich oder geistig gebrechlich war, nach diesem Zeitpunkt eine Erwerbstätigkeit ausgeübt, so ist die Waisenrente erneut zu gewähren, wenn und solange sie wegen desselben körperlichen oder geistigen Gebrechens erneut außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Im Falle der Unterbrechung oder Verzögerung der Schul- oder Berufsausbildung durch Erfüllung der gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstpflicht einer Waise im Sinne des Satzes 1 Buchstabe a ist die Waisenrente für einen der Zeit dieses Dienstes entsprechenden Zeitraum über das siebenundzwanzigste Lebensjahr hinaus zu leisten. Satz 3 gilt entsprechend für den auf den Grundwehrdienst anzurechnenden Wehrdienst, den ein Soldat auf Zeit auf Grund freiwilliger Verpflichtung für eine Dienstzeit von nicht mehr als drei Jahren geleistet hat, für einen diesem freiwilligen Wehrdienst entsprechenden Vollzugsdienst der Polizei bei Verpflichtung auf nicht mehr als drei Jahre sowie für die vom Wehr- und Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Abs. 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes für einen der Dauer des Grundwehrdienstes entsprechenden Zeitraum. Verzögert sich die Schul- oder Berufsausbildung aus einem Grunde, den die Waise nicht zu vertreten hat, so wird die Waisenrente entsprechend dem Zeitraum der nachgewiesenen Verzögerung länger gewährt. (4) Kommen für dieselbe Waise mehrere Waisenrenten nach diesem Gesetz oder Gesetzen, die dieses Gesetz für anwendbar erklären, in Betracht, so wird nur eine Rente gewährt.
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Bundesversorgungsgesetz 546
Die Grundrente beträgt monatlich bei Halbwaisen
98 Deutsche Mark,
bei Vollwaisen
186 Deutsche Mark. M7
(1) Die volle Ausgleichsrente beträgt monatlich bei Halbwaisen
174 Deutsche Mark,
bei Vollwaisen
242 Deutsche Mark.
(2) § 33 gilt mit Ausnahme von Absatz 1 Satz 2 Buchstabe b und Absatz 4 entsprechend.
rente, frühestens jedoch von dem Monat an, in dem der Beschädigte das achtzehnte Lebensjahr vollendet hätte. (2) Den Eltern werden gleichgestellt 1. Adoptiveltern, wenn sie den Verstorbenen vor der Schädigung an Kindes Statt angenommen haben, 2. Stief- und Pflegeeltern, wenn sie den Verstorbenen vor der Schädigung unentgeltlich unterhalten haben, 3. Großeltern, wenn der Verstorbene ihnen Unterhalt geleistet hat oder hätte.
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§50
(1) Ist ein Schwerbeschädigter nicht an den Fol· gen einer Schädigung gestorben, so ist der Witwe und den Waisen (§ 45) eine Witwen· und Waisenbeihilfe zu gewähren, wenn der Schwerbeschädigte durch die Folgen der Schädigung gehindert war, eine entsprechende Erwerbstätigkeit in vollem Umfang auszuüben und dadurch die Versorgung seiner Hinterbliebenen nicht unerheblich beeinträchtigt worden ist. Diese Voraussetzung gilt als erfüllt, wenn der Beschädigte im Zeitpunkt seines Todes Anspruch auf die Beschädigtenrente eines Erwerbsunfähigen, wegen nicht nur vorübergehender Hilflosigkeit Anspruch auf eine Pflegezulage oder mindestens fünf Jahre Anspruch auf einen Berufsschadensausgleich hatte; § 40 a Abs. 3 Satz 2 gilt. Ubersteigt das monatliche Bruttoeinkommen der Hinterbliebenen von Schwerbeschädigten, die im Zeitpunkt des Todes einen Anspruch auf Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 50 bis 90 vom Hundert hatten,
Elternrente erhält, wer erwerbsunfähig im Sinne des § 1247 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung ist oder als Mutter das fünfzigste, als Vater das fünfundsechzigste Lebensjahr vollendet hat.
bei der Witwe ein Zwölftel, bei der Halbwaise ein Vierundzwanzigstel, bei der Vollwaise ein Achtzehntel des in § 33 Abs. 1 Buchstabe a genannten Bemessungsbetrages, ist die zu gewährende Beihilfe um den übersteigenden Betrag zu kürzen; errechnet sich kein Zahlbetrag, entfällt der Anspruch auf Versorgung. (2) Die Witwen- und Waisenbeihilfe werden in Höhe von zwei Drittel, bei Witwen und Waisen von Beschädigten mit Anspruch auf eine Pflegezulage in voller Höhe der entsprechenden Witwen- oder Waisenrente (§§ 40, 40 a, 41, 46 und 47) gezahlt. (3) Im Falle der Wiederverheiratung der Witwe gilt § 44 entsprechend. Als Abfindung wird der fünfzigfache Monatsbetrag der Grundrente einer Witwe gewährt, wenn Witwenbeihilfe in Höhe der vollen Rente bezogen worden ist, sonst werden zwei Drittel dieses Betrages gewährt.
5 51 (1) Die volle Elternrente beträgt monatlich bei einem Elternpaar
435 Deutsche Mark,
bei einem Elternteil
295 Deutsche Mark.
(2) Sind mehrere Kinder an den Folgen einer Schädigung gestorben, so erhöhen sich die in Absatz 1 genannten Beträge für jedes weitere Kind monatlich bei einem Elternpaar
um 87 Deutsche Mark,
bei einem Elternteil
um 65 Deutsche Mark.
Die Erhöhung wird auch gewährt für Kinder, die a) infolge einer Schädigung im Sinne von Gesetzen, die dieses Gesetz für anwendbar erklären, gestorben oder b) infolge einer Schädigung im Sinne dieses Gesetzes oder von Gesetzen, die dieses Gesetz für anwendbar erklären, verschollen sind. (3) Ist das einzige oder das letzte Kind oder sind alle oder mindestens drei Kinder an den Folgen einer Schädigung gestorben, so erhöhen sich, wenn es günstiger ist, die in Absatz 1 genannten Beträge monatlich bei einem Elternpaar
um 271 Deutsche Mark,
bei einem Elternteil
um 196 Deutsche Mark.
Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. (4) § 33 gilt entsprechend mit folgender Maßgabe:
(4) Die Absätze 1 bis 3 finden auf Witwer Anwendung, wenn die verstorbene Beschädigte den Unterhalt des Witwers überwiegend bestritten hat.
a) Das anzurechnende Einkommen ist stets so zu ermitteln, als ob das Einkommen nicht zu den Einkünften aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit (§ 33 Abs. 2) gehörte; es ist auf die Erhöhung nach Absatz 2 oder 3 nur insoweit anzurechnen, als es nicht bereits zum Wegfall der Elternrente geführt hat.
$ 49
b) Absatz 1 Satz 2 Buchstabe b und Absatz 4 sind nicht anzuwenden.
(1) Ist der Beschädigte an den Folgen einer Schädigung gestorben, so erhalten die Eltern Eltern-
(5) Ist von einem Ehepaar nur ein Ehegatte anspruchsberechtigt, ist die Elternrente für ein Eltern-
200
Bundesversorgungsgesetz
paar um das anzurechnende Einkommen beider Ehegatten zu mindern; die Rente darf jedoch die volle Rente für einen Eltemteil einschließlich der Erhöhungen nach den Absätzen 2 und 3 nicht übersteigen. (6) Ergeben sich Renten von weniger als fünf Deutsche Mark monatlich, so werden sie auf diesen Betrag erhöht. (7) Kinder im Sinne der Absätze 2 und 3 sind leibliche Kinder, Adoptivkinder, Stief- und Pflegekinder. Ob das an den Folgen einer Schädigung gestorbene Kind das einzige oder das letzte Kind ist, richtet sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Verlustes des Kindes. (8) Kommen für ein Elternpaar oder einen Eltemteil mehrere Elternrenten nach diesem Gesetz oder Gesetzen, die dieses Gesetz für anwendbar erklären, in Betracht, so wird nur die günstigere Rente gewährt. 5 52 (1) Ist eine Person, deren Hinterbliebenen Versorgung zustehen würde, verschollen, so wird diesen Versorgung schon vor der Todeserklärung gewährt, wenn das Ableben des Verschollenen mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist. Stellt sich heraus, dafl der Verschollene noch lebt, so gelten Leistungen nach Satz 1 als auch zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen gewährt; er ist von dem Zeitpunkt an zum Ersatz nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag verpflichtet, von dem an er seinen gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht nachgekommen ist. Weitergehende Ansprüche bleiben unberührt. (2) Ein Kind hat keinen Anspruch a u f . Rente, wenn der Ehemann der Mutter während der Dauer der Empfängniszeit verschollen war.
Bestattungsgeld beim Tode von Hinterbliebenen 9 53 Beim Tode von versorgungsberechtigten Hinterbliebenen wird ein Bestattungsgeld nach Mafigabe der Vorschriften des 9 36 gewährt. Es beträgt beim Tode einer Witwe, die mindestens ein Waisenrenten* oder waisenbeihilfeberechtigtes Kind hinterläflt, 1 000 Deutsche Mark, In allen übrigen Fällen 500 Deutsche Mark.
Zusammentreffen von Ansprüchen
Anh. 1 $ 55
(1) Treffen nach diesem Gesetz zusammen a) eine Beschädigten rente mit einer Witwen- oder Waisenrente, ist neben den Grundrenten die günstigere Ausgleichsrente zu gewähren, b) ein Berufsschadensausgleich mit einem Schadensausgleich, ist der Berufsschadensausgleich bei der Festsetzung des Schadensausgleichs als Einkommen zu berücksichtigen, c) eine Beschädigten- oder Witwenrente mit einem Anspruch auf Elternrente, sind die Ausgleichsrente, der Ehegattenzuschlag, der Berufsschadensausgleich und der Schadensausgleich bei der Festsetzung der Elternrente als Einkommen zu berücksichtigen. Ist nach Satz 1 Buchstabe a die Witwenausgleichsrente zu gewähren, zählt bei der Feststellung des Berufsschadensausgleichs die Ausgleichsrente nur mit dem Betrag, der ohne das Zusammentreffen als Beschädigtenausgleichsrente zu zahlen wäre, zum derzeitigen Bruttoeinkommen. Das gilt auch, wenn Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 mit entsprechenden Leistungen nach anderen Gesetzen zusammentreffen, die dieses Gesetz für anwendbar erklären. (2) Für Witwen- oder Waisenbeihilfen gilt Absatz 1 entsprechend. Anpassung der Versorgungsbezüge S 56 Die laufenden Rentenleistungen dieses Gesetzes werden jährlich zum 1. Juli durch Gesetz entsprechend dem Vomhundertsatz angepafit, um den sich die allgemeine Bemessungsgrundlage, die der Rentenanpassung nach § 1272 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung für die Zeit vom 1. Juli des laufenden Jahres an zugrunde gelegt worden ist, gegenüber der, die für die Rentenanpassung für die Zeit vom 1. Juli des voraufgegangenen Jahres zugrunde gelegt worden war, verändert hat. Anzupassen sind die Leistungen für Blinde (§ 14), der Pauschbetrag als Ersatz für Kleider- und Wäscheverschleifi (δ 15), die Grundrenten und die Schwerstbeschädigtenzulage (δ 31 Abs. 1 und 5, δδ 40 und 46), der Höchstbetrag des Berufsschadensausgleichs (δ 30 Abs. 3), die Pauschbeträge für Schwerbeschädigte Hausfrauen (δ 30 Abs. 6), der Höchstbetrag des Schadensausgleichs (δ 40 a Abs. 1), die Ausgleichs- und Elternrenten (δ§ 32, 41, 47 und 51), der Bemessungsbetrag (δ 33 Abs. 1), der Ehegattenzuschlag (δ 33 a) sowie die Pflegezulage (5 35). §§ 57 bis 59 (weggefallen)
554 Ist eine Schädigung im Sinne des $ 1 zugleich ein Unfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung, so besteht nur Anspruch nach diesem Gesetz. Dies gilt nicht, soweit das schädigende Ereignis vor dem 1. Januar 1942 oder nach dem 8. Mai 1945 eingetreten ist.
Beginn, Änderung und Aufhören der Versorgung § 60 (1) Die Beschädigtenversorgung beginnt mit dem Monat, in dem ihre Voraussetzungen erfüllt sind.
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Bundesversorgungsgesetz
frühestens mit dem Antragsmonat, jedoch nicht vor dem Monat der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft oder aus ausländischem Gewahrsam. (2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn eine höhere Leistung beantragt wird. Die höhere Leistung beginnt jedoch wegen einer Minderung des Einkommens unabhängig vom Antragsmonat mit dem Monat, in dem die Voraussetzungen erfüllt sind, wenn der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach Ein· tritt der Minderung oder nach Zugang der Mitteilung über die Minderung gestellt wird. Der Zeitpunkt des Zugangs ist vom Antragsteller nachzuweisen. Entsteht ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich (§ 30 Abs. 3) infolge Erhöhung des Vergleichseinkommens im Sinne des § 30 Abs. 4, so gilt Satz 2 entsprechend, wenn der Antrag bis zum 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres gestellt wird. (3) Wird die höhere Leistung von Amts wegen festgestellt, beginnt sie mit dem Monat, in dem die anspruchsbegründenden Tatsachen einer Dienststelle der Kriegsopferversorgung bekanntgeworden sind. Ist die höhere Leistung durch eine Änderung des Familienstandes, der Zahl zu berücksichtigender Kinder oder das Erreichen einer bestimmten Altersgrenze bedingt, so beginnt sie mit dem Monat, in dem das Ereignis eingetreten ist; das gilt auch, wenn ein höherer Berufsschadensausgleich (§ 30 Abs. 3) auf einer Änderung des Vergleichseinkommens im Sinne des § 30 Abs. 4 beruht. (4) Eine Minderung oder Entziehung der Leistungen tritt mit Ablauf des Monats ein, in dem die Voraussetzungen für ihre Gewährung weggefallen sind. Eine durch Besserung des Gesundheitszustandes bedingte Minderung oder Entziehung der Leistungen tritt mit Ablauf des Monats ein, der auf die Bekanntgabe des die Änderung aussprechenden Bescheides folgt. Beruht die Minderung oder Entziehung von Leistungen, deren Höhe vom Einkommen beeinfluBt wird, auf einer Erhöhung dieses Einkommens, so tritt die Minderung oder Entziehung mit dem Monat ein, in dem das Einkommen sich erhöht hat. § 60a (1) Die Ausgleichsreote (§§ 32, 33, 41, 47) ist bei monatlich feststehenden Einkünften endgültig festzustellen. In den übrigen Fällen ist die Ausgleichsrente entsprechend den im Zeitpunkt der Bescheiderteilung bekannten Einkommensverhältnissen vorläufig festzusetzen und jeweils nachträglich endgültig festzustellen. (2). Monatlich feststehende Einkünfte sind Einkünfte, bei denen sich ein bestimmter Monatsbetrag aus Gesetz, Tarif-, Arbeits- oder sonstigem Vertrag ergibt. (3) Ist die vorläufig gezahlte Ausgleichsrente höher als die endgültig festgestellte, gilt nur der fünf Deutsche Mark monatlich übersteigende Betrag als überzahlt. (4) Sonderleistungen, wie Weihnachtsgratifikationen, dreizehnte Monatsgehälter und Erfolgsprämien, sind als Einkommen in den Monaten zu berücksichtigen, in denen sie gezahlt werden.
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(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Feststellung aller laufenden Versorgungsbezüge, deren Höhe vom Einkommen beeinflußt wird, soweit durch dieses Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Absatz 3 ist beim Zusammentreffen mehrerer vorläufig gezahlter Leistungen so anzuwenden, daß die Gesamtbeträge einander gegenüberzustellen sind. δ 61
Für die Hinterbliebenen Versorgung gilt § 60 mit folgender Maßgabe entsprechend: a) Wird der Erstantrag vor Ablauf eines Jahres nach dem Tode gestellt, beginnt die Versorgung frühestens mit dem auf den Sterbemonat folgenden Monat. b) An die Stelle des Berufsschadensausgleichs nach § 30 Abs. 3 tritt bei Witwen der Schadensausgleich nach $ 40 a. c) Der Änderung des Familienstandes steht bei Waisen der Tod des Vaters oder der Mutter gleich. § 62 (1) Tritt in den Verhältnissen, die für die Feststellung des Anspruchs auf Versorgung (§ 9) maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung ein, ist der Anspruch entsprechend neu festzustellen. Eine vom Einkommen beeinflußte Leistung ist nicht neu festzustellen, solange sich das Bruttoeinkommen seit der letzten Feststellung dieser Leistung insgesamt um weniger als zehn Deutsche Mark monatlich erhöht oder das Vergleichseinkommen im Sinne des § 30 Abs. 4 insgesamt um weniger als zehn Deutsche Mark monatlich gemindert hat, es sei denn, daß eine Neufeststellung einer dieser Leistungen aus anderem Anlaß notwendig wird. (2) Die Minderung der Erwerbsfähigkeit des rentenberechtigten Beschädigten darf nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheides niedriger festgesetzt werden. Ist durch Heilbehandlung eine wesentliche und nachhaltige Steigerung der Erwerbsfähigkeit erreicht worden, so ist die niedrigere Festsetzung schon früher zulässig, jedoch frühestens nach Ablauf eines Jahres nach Abschluß dieser Heilbehandlung. (3) Bei Versorgungsberechtigten, die das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet haben, ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen Besserung des Gesundheitszustandes nicht niedriger festzusetzen, wenn sie in den letzten zehn Jahren seit Feststellung nach diesem Gesetz unverändert geblieben ist. Entsprechendes gilt für die Schwerstbeschädigtenzulage, wenn deren Stufe in den letzten zehn Jahren seit Feststellung unverändert geblieben ist. Veränderungen aus anderen als medizinischen Gründen bleiben bei der Berechnung der Frist unberücksichtigt. (4) Wird der gemeinsame Haushalt einer Schwerbeschädigten Hausfrau mit den in § 30 Abs. 6 Satz 1 genannten Personen aufgelöst, so sind die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach § 30 Abs. 2 und der Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 6 von Amts
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wegen nur neu festzustellen, wenn ihr ohne die Schädigungsfolgen die Aufnahme eines anderen Berufes zuzumuten wäre. Eine Minderung des nach § 30 Abs. 6 Satz 2 festgestellten Einkommensverlustes auf höchstens die Beträge nach $ 30 Abs. 6 Satz 1 bleibt unberührt. 963 (weggefallen)
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(4) Ansprüche, die der Berechtigte gegen Träger gesetzlicher oder privater Versicherungen oder ähnlicher Einrichtungen hat, werden auf die Leistungen der Heil- und Krankenbehandlung nach diesem Gesetz angerechnet, soweit sie zu verwirklichen sind. (5) Für die Erstattung der Reisekosten und Ersatz entgangenen Arbeitsverdienstes ist $ 24 sprechend anzuwenden. Ersatz für entgangenen beitsverdienst in angemessenem Umfang steht ner zu,
den entArfer-
Besondere Vorschriften für Berechtigte außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes
a) bei der Durchführung einer von der Verwaltungsbehörde genehmigten ambulanten Behandlung und
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b) bei der Anpassung und bei der Ausbildung im Gebrauch von Hilfsmitteln,
(1) Deutsche und deutsche Volkszugehörige, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Staaten haben, mit denen die Bundesrepublik Deutschland diplomatische Beziehungen unterhält, erhalten Versorgung wie Berechtigte im Geltungsbereich dieses Gesetzes, soweit die §§ 64 a bis 64 f nichts Abweichendes bestimmen.
soweit keine Zuwendung nach Absatz 3 an Stelle des ausgeschlossenen Ubergangsgeldes gewährt wird oder gewährt werden könnte. 5 64 b (1) Deutschen im Sinne des $ 64 Abs. 1 sollen Leistungen der Kriegsopferfürsorge nach $ 26 Abs. 2 bis 4 für berufliche Fortbildung, Umschulung, Ausbildung sowie Sdiulausbildung und nach den §§ 27 und 27 a Abs. 1 gewährt werden. Die übrigen Leistungen nach § 26 sowie die Leistungen nach § 27 a Abs. 2 und 3 und nach § 27 b können ihnen in dringenden Fällen gewährt werden.
(2) Der Anspruch auf Versorgung von Kriegs· opfern, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben und nicht unter Absatz 1 fallen, ruht. Ihnen kann mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung Versorgung in angemessenem Umfang gewährt werden. Wird Versorgung gewährt, so ist sie nach Art, Höhe und Dauer festzulegen. Die Versorgung kann aus besonderen Grün(2) Anderen Kriegsopfern im Sinne des § 64 könden wieder eingeschränkt oder entzogen werden. nen mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit § 64 c Abs. 5, $$ 64 d, 64 e Abs. 2 und § 64 f Abs. 1 und Sozialordnung die in Absatz 1 aufgeführten Leistungen gewährt werden, wenn sie und 2 gelten entsprechend. $ 64 a (1) Beschädigte führen die Heilbehandlung wegen der anerkannten Folgen einer Schädigung selbst durch, soweit sie nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes gewährt wird. Sie erhalten die nachgewiesenen notwendigen und angemessenen Kosten bis zur zweifachen Summe der Kosten einer entsprechenden Heilbehandlung im Geltungsbereich dieses Gesetzes erstattet; in besonders begründeten Fällen kann auch der darüber hinausgehende Betrag teilweise oder ganz erstattet werden. Die Kosten für Arznei- und Verbandmittel sowie Heilmittel können in voller Höhe ersetzt werden. (2) Eine Badekur bedarf der vorherigen Zustimmung der zuständigen Verwaltungsbehörde der Kriegsopferversorgung. Versehrtenleibesübungen werden nicht durchgeführt. (3) Ubergangsgeld, Beihilfe nach § 17, Heilbehandlung für Gesundheitsstörungen, die nicht Folge einer Schädigung sind, und Krankenbehandlung werden nicht gewährt. Soweit hierdurch eine wirtschaftliche Notlage entsteht, kann eine Zuwendung bis zur zweifachen Höhe der Leistungen gegeben werden, die ein Versorgungsberechtigter im Geltungsbereich dieses Gesetzes erhalten könnte. Die Kosten für Arznei- und Verbandmittel sowie Heilmittel können in voller Höhe ersetzt werden.
a) Deutsche, deutsche Volkszugehörige oder deren Hinterbliebene sind oder b) während ihres militärischen oder militärähnlichen Dienstes die deutsche Staatsangehörigkeit besessen haben oder Hinterbliebene eines deutschen Staatsangehörigen sind, oder in angemessenem Umfang, wenn ihnen nach § 64 Abs. 2 Satz 2 Versorgung gewährt wird. (3) Leistungen der Kriegsopferfürsorge nach den Absätzen 1 und 2 werden nur insoweit gewährt, als der Beschädigte oder Hinterbliebene für denselben Zweck keine Leistungen erhält; dies gilt nicht für fürsorgerische und karitative Zuwendungen. (4) Art, Form und Maß der Leistungen der Kriegsopferfürsorge und der Einsatz des Einkommens und des Vermögens richten sich, wenn es sich um Deutsche handelt, nach den besonderen Verhältnissen des Aufenthaltsstaates unter Berücksichtigung der notwendigen Lebensbedürfnisse eines dort lebenden Deutschen, bei Leistungen für andere Kriegsopfer nach den notwendigen Lebensbedürfnissen unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse; dabei ist bei Beschädigten im Sinne des 5 27 c auf eine wirksame Gestaltung der Leistungen besonders Bedacht zu nehmen. Soweit das Gesetz oder Durchführungsbestimmungen hierzu bei Bemessung der Leistungen vom Doppelten des Regelsatzes nach dem Bundessozialhilfegesetz ausgehen, tritt an dessen
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Stelle das Einfache des nach Satz 1 ermittelten Betrages, der in besonders begründeten Fällen angemessen erhöht werden kann. (5) Bei der Anwendung des § 27 a Abs. 2 Satz 1 ist das Zeugnis eines amtlich bestellten Arztes oder des Vertrauensarztes der zuständigen deutschen Auslandsvertretung beizubringen. § 64c (1) Bei der Festsetzung der Versorgungsbezüge werden ausländische Einkünfte wie vergleichbare inländische Einkünfte berücksichtigt. (2) Für die Festsetzung des Berufsschadens ausgleichs gilt $ 30 Abs. 4 Satz 1, 3, 5 und 6 entsprechend; Vergleichseinkommen ist das monatliche Durchschnittseinkommen der Berufs· oder Wirtschaftsgruppe im Aufenthaltsstaat, der der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits· und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte. Als allgemeine Grundlage zur Ermittlung des Vergleichseinkommens werden die dem Statistischen Bundesamt zur Verfügung stehenden amtlichen Statistiken des Aufenthaltsstaates zugrunde gelegt. Soweit Statistiken nicht vorliegen oder sich nicht zum Vergleich heranziehen lassen, können andere Unterlagen zum Vergleich herangezogen werden. Sind verwertbare Unterlagen nicht vorhanden, ist aber das Durchschnittseinkommen der gewerblichen Arbeitnehmer bekannt, so kann mit Wirkung vom 1. Januar 1964 an von diesem als Vergleichseinkommen ausgegangen werden; bei Beschädigten, deren ohne die Schädigung nach ihren Lebensverhältnissen, Kenntnissen, Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeitsund Ausbildungswillen wahrscheinlich ausgeübte Berufstätigkeit der eines Bundesbeamten des einfachen oder des höheren Dienstes im Bundesgebiet wirtschaftlich vergleichbar ist, wird jedoch das Durchschnittseinkommen der gewerblichen Arbeitnehmer in dem Verhältnis gemindert oder erhöht, das dem sich aus dem Bundesbesoldungsgesetz ergebenden Verhältnis des Endgrundgehaltes der Eingangsgruppe für Beamte des mittleren Dienstes zum Endgrundgehalt der Eingangsgruppe für Beamte des einfachen Dienstes oder des Endgrundgehaltes der Eingangsgruppe für Beamte des gehobenen Dienstes zum Endgrundgehalt der Eingangsgruppe für Beamte des höheren Dienstes entspricht. Bezieht der Beschädigte überwiegend deutsche Einkünfte, so kann im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung bei der Ermittlung des Einkommensverlustes das Vergleichseinkommen im Bundesgebiet zugrunde gelegt werden. Tritt nach dem 31. Dezember 1975 ein Nachschaden ein, gilt § 30 Abs. 5 entsprechend; wird jedoch bei der Ermittlung des Vergleichseinkommens Satz 4 zugrunde gelegt, so gilt als Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit das Durchschnittseinkommen der gewerblichen Arbeitnehmer im Aufenthaltsstaat mit etwaigen Zu- oder Abschlägen nach Satz 4 zweiter Halbsatz, gemindert um den Vomhundertsatz, um den das tatsächliche Bruttoeinkommen vor Eintritt des Nadischadens das Vergleichseinkommen unterschritten hat.
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(3) Absatz 2 Satz 1 bis 5 gilt entsprechend für die Gewährung des Schadensausgleichs nach § 40 a; $ 40 a Abs. 3 bleibt unberührt. (4) Bei Kriegsopfern im Sinne des $ 64 Abs. 1, die nicht Deutsche sind, ruht der Anspruch auf Versorgungsbezüge, deren Höhe vom Einkommen beeinfluöt wird. Ihnen können solche Versorgungsbezüge im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung jedoch ganz oder teilweise gewährt werden. Die Gewährung soll nur versagt werden, soweit dies nach den Lebensverhältnissen im Aufenthaltsstaat oder aus anderen besonderen Gründen gerechtfertigt ist. Elternrenten sollen, wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, nicht weniger als die Hälfte der vollen Rente betragen. (5) Die §§ 60 bis 62 und 66 gelten, soweit nicht Besonderheiten der Versorgung von Kriegsopfern außerhalb des Bundesgebietes eine Abweichung bedingen. Eine Abweichung kann nur im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung vorgenommen werden; er kann im Benehmen mit der zuständigen obersten Landesbehörde auch festlegen, wie die Versorgungsbezüge auszuzahlen sind. (6) Kapitalabfindungen werden nicht gewährt. $ 64 d (1) Die Zahlung der Versorgungsbezüge richtet sich nach den devisenrechtlichen Vorschriften. (2) Können dem Berechtigten die nach diesem Gesetz zustehenden Leistungen nicht zugeführt werden, so können mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung Ersatzleistungen gewährt werden. Ein Anspruch auf nachträgliche Gewährung des Unterschiedes zur vollen Versorgung besteht nicht. 5 64e (1) Stehen einer Versorgung in dem in § 64 Abs. 1 bezeichneten Umfang besondere Gründe entgegen, kann mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung Teil-Versorgung nach Maßgabe des $ 64 Abs. 2 Satz 2 bis 4 gewährt werden. Bei der Gestaltung der Versorgung sind die gegebenen Besonderheiten, zu denen auch die Möglichkeiten der Aufklärung des Sachverhalts gehören, zu berücksichtigen. $ 64 d Abs. 2 Satz 2 ist anzuwenden. Besondere Gründe im Sinne des Satzes 1 sind im allgemeinen gegeben, wenn a) die Leistungen des fremden Staates für Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene oder entsprechende Sozialleistungen die Leistungen nach diesem Gesetz oder das Durchschnittseinkommen der gewerblichen Arbeitnehmer des Aufenthaltsstaates das Durchschnittseinkommen der gewerblichen Arbeitnehmer im Geltungsbereich dieses Gesetzes bei tnkrafttreten des Dritten Anpassungsgesetzes-KOV nicht unerheblich unterschreiten oder b) der fremde Staat Renten nach diesem Gesetz ganz oder teilweise auf eigene Renten anrechnet oder
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c) zu besorgen ist, daß den Kriegsopfern oder Gruppen von Kriegsopfern in einem Staat aus Gründen, die die Kriegsopfer nicht zu vertreten haben, auf Dauer keine Versorgung in dem in § 64 Abs. 1 bezeichneten Umfang gewährt werden kann. (2) Die Versorgungsbezüge können mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf Zeit ganz oder teilweise versagt oder entzogen werden, wenn in der Person des Berechtigten ein wichtiger, von dem Berechtigten zu vertretender Grund vorliegt. Ein wichtiger Grund ist vor allem eine Handlung, die gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet ist oder die geeignet ist, ihr Ansehen zu schädigen. § 64 f (1) Die jeweils maßgebenden verfahrensrechtlichen Vorschriften gelten, soweit nicht Besonderheiten der Versorgung von Kriegsopfern außerhalb des Bundesgebietes eine vereinfachte Regelung bedingen. Eine vereinfachte Regelung bedarf der Zulassung durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung. Dies gilt insbesondere für die Begründung von Bescheiden und die Zuziehung Dritter zum Verfahren. (2) Ist ein Bedürfnis vorhanden, kann ein besonderer Vertreter bestellt werden, wenn dieser und der Antragsteller oder Versorgungsberechtigte einverstanden sind. Das Einverständnis des Antragstellers oder Versorgungsberechtigten kann beim Vorliegen besonderer Gründe unterstellt werden.
1. aus derselben Ursache Ansprüche auf entsprechende Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder nach den beamtenrechtlichen Vorschriften über die Unfallfürsorge bestehen; 2. Ansprüche auf entsprechende Leistungen nach den Vorschriften über die Heilfürsorge für Angehörige des Bundesgrenzschutzes und für Soldaten (§ 69 Abs. 2, 9 70 Abs. 2 Bundesbesoldungsgesetz und § 1 Abs. 1 Wehrsoldgesetz) und nach den landesrechtlichen Vorschriften für Polizeivollzugsbeamte der Länder bestehen. (4) Das Ruhen wird mit dem Zeitpunkt wirksam, in dem seine Voraussetzungen eingetreten sind. Die Zahlung von Versorgungsbezügen wird mit Ablauf des Monats eingestellt oder gemindert, in dem das Ruhen wirksam wird, und wieder aufgenommen oder erhöht mit Beginn des Monats, in dem das Ruhen endet. Zahlung § 66
(1) Die Versorgungsbezüge werden in Monatsbeträgen zuerkannt, auf volle Deutsche Mark nach oben abgerundet und monatlich im voraus gezahlt. Ubergangsgeld und Beihilfe nach § 17 werden tageweise zuerkannt und mit Ablauf jeder Woche gezahlt.
(3) In den Fällen des Absatzes 1, des $ 64 Abs. 2 Satz 4, des § 64 c Abs. 4 und des § 64 e Abs. 1 tritt eine Minderung oder Entziehung der Leistung erst mit Ablauf des dritten Monats nach Ablauf des Monats ein, in dem der Bescheid oder die Mitteilung bekanntgegeben worden ist. Eine Rückforderung ist ausgeschlossen.
(2) Alle Geldleistungen werden kostenfrei auf ein Konto des Empfangsberechtigten oder eines mit diesem in häuslicher Gemeinschaft lebenden Dritten, das der Empfangsberechtigte angegeben hat, überwiesen. Wenn der Empfangsberechtigte es verlangt, sind sie ihm kostenfrei durch Zahlungsanweisung Im Postscheckweg an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort zu zahlen. In besonderen Fällen können sie bei der zuständigen Verwaltungsstelle bar gezahlt werden.
Ruhen des Anspruchs auf Versorgung
(weggefallen)
§§ 67 bis 70 a
§65 (1) Der Anspruch auf Versorgungsbezüge ruht, wenn beide Ansprüche auf derselben Ursache beruhen 1. in Höhe der Bezüge aus der gesetzlichen Unfallversicherung, 2. in Höhe des Unterschieds zwischen einer Versorgung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen und aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge. (2) Der Anspruch auf die Grundrente (5 31) ruht in Höhe der neben Dienstbezügen gewährten Leistungen aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge, wenn beide Ansprüche auf derselben Ursache beruhen. (3) Der Anspruch auf Heilbehandlung (§ 10 Abs. 1) und auf den Pauschbetrag als Ersatz für Kleider- und Wäscheverschleiß (§ 15) ruht insoweit, als
Übertragung kraft Gesetzes 5 71 Ist der Leistungsberechtigte untergebracht (§ 49 Abs. 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch), bemessen sich seine Versorgungsbezüge 1. bei Unterbringung zum Vollzug einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung nach der Höhe seines bis zur Unterbringung bezogenen Einkommens, 2. bei Unterbringung in einer psychiatrischen Krankenanstalt, in Fürsorgeerziehung, in einem Krankenhaus oder in einer ähnlichen Anstalt nach seinem tatsächlichen Einkommen. § 71 a (weggefallen)
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Bundesversorgungsgesetz §71 b
§ 73
Hat die zuständige Verwaltungsbehörde Versorgungsbezüge gewährt, so gehen, wenn der Versorgungsberechtigte für dieselbe Zeit Ansprüche gegen einen Träger der Sozialversicherung, einen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn oder eine öffentlichrechtliche Kasse hat, diese Ansprüche insoweit auf den Kostenträger der Kriegsopferversorgung über, als sie zur Minderung oder zum Wegfall der Versorgungsbezüge führen. Das gleiche gilt, wenn der Kostenträger der Kriegsopferversorgung auch diese Leistungen zu tragen hat.
(1) Eine Kapitalabfindung kann nur gewährt werden, wenn
Kapitalabfindung 572 (1) Beschädigten, die eine Rente erhalten, kann zum Erwerb oder zur wirtschaftlichen Stärkung eigenen Grundbesitzes eine Kapital abfindung gewährt werden. (2) Eine Kapital abfindung kann auch gewährt werden 1. zum Erwerb oder zur wirtschaftlichen Stärkung eines Wohnungseigentums nach dem Wohnungseigentumsgesetz vom 15. März 1951 (Bundesgesetzbl. I S. 175, 209), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und der Verordnimg über das Erbbauredit vom 30. Juli 1973 (Bundesgesetzbl. I S. 910), 2. zur Finanzierung eines Kaufeigenheims, einer Trägerkleinsiedlung, einer Kaufeigentumswohnung oder einer Wohnbesitzwohnung [§ 9 Abs. 2, § 10 Abs. 3, § 12 Abs. 2, § 12 a des Zweiten Wohnungsbaugesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. September 1965 (Bundesgesetzblatt I S. 1617, 1858), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Förderung von Wohnungseigentum und Wohnbesitz im sozialen Wohnungsbau vom 23. März 1976 (Bundesgesetzbl. I S. 737)], wenn die baldige Übertragung des Eigentums auf den Beschädigten oder der baldige Erwerb des Wohnbesitzes durch den Beschädigten sichergestellt wird, 3. zum Erwerb eines Dauerwohnrechts nach dem Wohnungseigentumsgesetz, wenn der Dauerwohnberechtigte wirtschaftlich einem Wohnungseigentümer gleichgestellt ist und das Fortbestehen des Dauerwohnrechts im Falle der Zwangsversteigerung nach § 39 des Wohnungseigentumsgesetzes vereinbart wird, 4. zum Erwerb der eigenen Mitgliedschaft in einem als gemeinnützig anerkannten Wohnungs- oder Siedllingsunternehmen, wenn hierdurch die Anwartschaft auf baldige Übereignung eines Familienheimes, einer Eigentumswohnung oder einer Siedlerstelle sichergestellt wird, 5. zur Finanzierung eines eigenen Bausparvertrages mit einer Bausparkasse oder dem Beamtenheimstättenwerk für die Zwecke des Absatzes 1 und der Nummern 1 bis 3. (3) Dem Eigentum an einem Grundstück steht das Erbbaurecht, dem Wohnungseigentum das Wohnungserbbaurecht gleich.
1. der Beschädigte im Zeitpunkt der Antragstellung das fünfundfünfzigste Lebensjahr noch nicht zurückgelegt hat, 2. der Versorgungsanspruch anerkannt ist, 3. nicht zu erwarten ist, daß innerhalb des Abfindungszeitraums die Rente wegfallen wird, 4. für eine nützliche Verwendung des Geldes Gewähr besteht. (2) Eine Kapitalabfindung kann ausnahmsweise nach dem fünfundfünfzigsten Lebensjahr gewährt werden, jedoch nicht, wenn der Antrag erst nach Vollendung des sechzigsten Lebensjahres gestellt wird. 5 74 (1) Die Kapitalabfindung kann einen Betrag bis zur Höhe der Grundrente (§ 31) umfassen. Ist eine Herabsetzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit innerhalb des Abfindungszeitraums zu erwarten, so kann der Kapitalabfindung nur die Rente zugrunde gelegt werden, die der zu erwartenden Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht. (2) Die Abfindung ist auf die für einen Zeitraum von zehn Jahren zustehende Grundrente be· schränkt. Als Abfindungssumme wird das Neunfache des der Kapitalabfindung zugrunde liegenden Jahresbetrages gezahlt. Der Anspruch auf die Bezüge, an deren Stelle die Abfindung tritt, erlischt für die Dauer von zehn Jahren mit Ablauf des Monats, der auf den Monat der Auszahlung folgt. 5 75 (1) Die bestimmungsgemäße Verwendung des Kapitals ist durch die Form der Auszahlung und in der Regel durch Maßnahmen zur Verhinderung alsbaldiger Veräußerung des Grundstücks, Erbbaurechts, Wohnungseigentums, Wohnungserbbaurechts oder Dauerwohnrechts zu sichern. Zu diesem Zweck kann insbesondere angeordnet werden, daß die Veräußerung und Belastung des mit der Kapitalabfindung erworbenen oder wirtschaftlich gestärkten Grundstücks, Erbbaurechts, Wohnungseigentums oder Wohnungserbbaurechts innerhalb einer Frist bis zu fünf Jahren nur mit Genehmigung der zuständigen Verwaltungsbehörde zulässig sind. Diese Anordnung wird mit der Eintragung in das Grundbuch wirksam. Die Eintragung erfolgt auf Ersuchen der zuständigen Verwaltungsbehörde. (2) Ferner kann die Abfindung davon abhängig gemacht werden, daß die Eintragung einer Sicherungshypothek zur Sicherung der Forderung auf die Rückzahlung der Kapitalabfindung nach den $5 76 und 77 bewilligt wird. §76 (1) Die Abfindung ist auf Erfordern insoweit zurückzuzahlen, als sie nicht innerhalb einer von der zuständigen Verwaltungsbehörde bemessenen Frist bestimmungsgemäß verwendet worden ist.
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Bundesversorgungsgesetz
(2) Die Abfindung kann zurückgefordert werden, wenn der Verwendungszweck innerhalb des Abfindungszeitraums vereitelt worden ist. (3) Dem Abgefundenen können vor Ablauf von zehn Jahren auf Antrag die durch die Kapitalabfindung erloschenen Bezüge gegen Rückzahlung der Abfindungssumme wieder bewilligt werden, wenn wichtige Gründe vorliegen. 5 77 (1) Die Verpflichtung zur Rückzahlung (§ 76) beschränkt sich nach Ablauf des ersten Jahres auf 91 vom Hundert der Abfindungssumme, zweiten Jahres auf 82 vom Hundert der Abfindungssumme, dritten Jahres auf 72 vom Hundert der Abfindungssumme, vierten Jahres auf 62 vom Hundert der Abfindungssumme, fünften Jahres auf 52 vom Hundert der Abfindungssumme, sechsten Jahres auf 42 vom Hundert der Abfindungssumme, siebten Jahres auf 32 vom Hundert der Abfindungssumme, achten Jahres auf 22 vom Hundert der Abfindungssumme, neunten JahTes auf 11 vom Hundert der Abfindungssumme. Die Zeiten rechnen vom Ersten des auf die Auszahlung der Abfindungssumme folgenden zweiten Monats bis zum Ende des Monats, in dem die Abfindungssumme zurückgezahlt worden ist. (2) Wird die Abfindungssumme nicht zum Schlufi eines Jahres zurückgezahlt, so sind neben den Vomhundertsätzen für volle Jahre noch die Vomhundertsätze zu berücksichtigen, die auf die bis zum Rückzahlungszeitpunkt verstrichenen Monate des angefangenen Jahres entfallen. Entsprechendes gilt, wenn die Abfindungssumme vor Ablauf des ersten Jahres zurückgezahlt wird. (3) Nach Rückzahlung der Abfindungssumme leben die der Abfindung zugrunde liegenden Bezüge mit dem Ersten des auf die Rückzahlung folgenden Monats wieder auf. § 78 Innerhalb der in § 76 Abs. 1 vorgesehenen Frist ist ein der ausgezahlten Abfindungssumme gleichkommender Betrag an Geld, Wertpapieren und Forderungen der Pfändung nicht unterworfen.
(2) Schließt eine abgefundene Witwe erneut «ine Ehe, so ist nach der Eheschließung die Abfindungssumme insoweit zurückzuzahlen, als sie die Gesamtsumme der bis zu ihrer Wiederverheiratung erloschen gewesenen Versorgungsbezüge übersteigt. Auf den zurückzuzahlenden Betrag ist die Abfindung nach $ 44 anzurechnen. Stellt sich heraus, daß der Verschollene noch lebt, so ist die Abfindung insoweit zurückzuzahlen, als sie die Summe der erloschenen Versorgungsbezüge übersteigt, die bis zur Rückkehr des Verschollenen nach diesem Gesetz und dem Gesetz über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. März 1964 (Bundesgesetzblatt IS. 218) zu zahlen wären. 5 79 (weggefallen) 580 Kapitalabfindungen, die bis zum 9. Mai 1945 gewährt worden sind, bewirken keine Kürzung der nach diesem Gesetz festgestellten Renten.
Schadenersatz, Erstattung 5 81
Erfüllen Personen die Voraussetzungen des 5 1 oder entsprechender Vorschriften anderer Gesetze, die dieses Gesetz für anwendbar erklären, so haben sie wegen einer Schädigung gegen den Bund nur die auf diesem Gesetz beruhenden Ansprüche; jedoch finden die Vorschriften der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge, das Gesetz über die Erweiteterte Zulassung von Schadenersatzansprüchen bei Dienst- und Arbeitsunfällen vom 7. Dezember 1943 (Reichsgesetzbl. I S. 674), geändert durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz vom 30. April 1963 (Bundesgesetzbl. I S. 241), und 5 181 a des Bundesbeamtengesetzes Anwendung. 5 81 a (1) Soweit den Versorgungsberechtigten ein gesetzlicher Anspruch auf Ersatz des ihnen durch die Schädigung verursachten Schadens gegen Dritte zusteht, geht dieser Anspruch im Umfang der durch dieses Gesetz begründeten Pflicht zur Gewährung von Leistungen auf den Bund über. Dies gilt nicht bei Ansprüchen, die aus Schwangerschaft und Niederkunft erwachsen sind. Der Ubergang des Anspruchs kann nicht zum Nachteil des Berechtigten geltend gemacht werden. (2) Absatz 1 gilt entsprechend, soweit es sich um Ansprüche nach diesem Gesetz handelt, die nicht auf einer Schädigung beruhen.
§ 78 a
5 81 b
(1) Eine Kapitalabfindung kann auch Witwen mit Anspruch auf Rente oder Witwenbeihilfe (§ 48) und Ehegatten Verschollener (5 52 Abs. 1) gewährt werden. Die Vorschriften der §§ 72 bis 80 gelten entsprechend.
Hat eine Verwaltungsbehörde oder eine andere Einrichtung der Kriegsopferversorgung Leistungen gewährt und stellt sich nachträglich heraus, daß an ihrer Stelle eine andere Behörde oder ein Versicherungsträger des öffentlichen Rechts zur Leistung
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Bundesversorgungsgesetz
verpflichtet gewesen wäre, so hat die zur Leistung verpflichtete Stelle die Aufwendungen in dem Umfang zu ersetzen, wie sie ihr nach Gesetz oder Satzung oblagen.
Übergangsvorschriften
Ausdehnung des Personenkreises
Soweit nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften über die Frage des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung mit einer Schädigung im Sinne des § 1 entschieden worden ist, ist die Entscheidung auch nach diesem Gesetz rechtsverbindlich.
§84 (weggefallen) §85
$82 (1) Dieses Gesetz ist entsprechend anzuwenden auf 1. Personen, denen für Schäden an Leib und Leben Leistungen zuerkannt worden waren a) auf Grund des § 18 des Gesetzes über den Ersatz der durch den Krieg verursachten Personenschäden (Krieg spersonensdiädengesetz) In der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Dezember 1927 (Reichsgesetzbl. I S. 515, 533) oder b) auf Grund des $ 1 Nr. 2 des Gesetzes über den Ersatz der durch die Besetzung deutschen Reichsgebiets verursachten Personenschäden (Besatzungspersonenschädengesetz) in der Fassung der Bekanntmachung von 12. April 1927 (Reichsgesetzbl. I S. 103); 2. Deutsche im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes, die in der Zeit vom 18. Juli 1936 bis 31. März 1939 in Spanien auf republikanischer Seite gekämpft und dabei durch Unfall oder Kampfmitteleinwirkung eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben, sowie deren Hinterbliebene, wenn der Beschädigte oder seine Hinterbliebenen ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben. (2) Versorgung nach diesem Gesetz kann auch an Vertriebene im Sinne des § 1 des Bundesvertriebenengesetzes, die Deutsche oder deutsche Volkszugehörige sind, gewährt werden, wenn sie nach dem 8. Mai 1945 in Erfüllung ihrer gesetzlichen Wehrpflicht nach den im Vertreibungsgebiet geltenden Vorschriften eine Schädigung im Sinne des $ 1 Abs. 1 erlitten haben; dies gilt nicht, wenn sie aus derselben Ursache einen Anspruch auf Versorgung gegen das Land, das die Dienstpflicht gefordert hat, haben und diesen Anspruch verwirklichen können.
Ausschlufi der Anrechnung von Versorgungsbezügen auf das Arbeltsentgelt § 83 Bei der Bemessung des Arbeitsentgelts von Beschäftigten, die Versorgungsbezüge nach diesem Gesetz erhalten, dürfen diese Bezüge nicht zum Nachteil des Beschäftigten berücksichtigt werden; insbesondere ist es unzulässig, die Versorgungsbezüge ganz oder teilweise auf das Entgelt anzurechnen. Das gilt auch für Leistungen, die mit Rücksicht auf eine frühere Tätigkeit erbracht werden oder zu erbringen wären.
§§ 86 bis 88 (weggefallen)
Härteausgleich § 89 (1) Sofern sich in einzelnen Fällen aus den Vorschriften dieses Gesetzes besondere Härten ergeben, kann mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung ein Ausgleich gewährt werden. (2) Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung kann der Gewährung von Härteausgleichen allgemein zustimmen. (3) Kommt eine laufende Leistung als Ausgleich im Sinne des Absatzes 1 in Betracht, so ist eine Zahlung für Zeiträume vor dem Monat, in dem der Bescheid für die Verwaltungsbehörde bindend wird, ausgeschlossen.
Schlufivorschrlften § 90 (1) Führt ein Gesetz, das das Bundesversorgungsgesetz ändert, zu einer Änderung laufend gewährter Versorgungsbezüge und Ubergangsgelder, so sind diese von Amts wegen neu festzustellen. (2) Im übrigen werden neue Ansprüche, die sich aus einem solchen Änderungsgesetz ergeben, nur auf Antrag festgestellt. Wird der Antrag binnen eines Jahres nach Verkündung des Änderungsgesetzes gestellt, so beginnt die Zahlung mit dem Wirksamwerden der entsprechenden Änderung des Bunde sversorgungsgesetzes, frühestens mit dem Jahr, Monat oder Tag, in dem oder an dem die Voraussetzungen erfüllt sind. Sie beginnt mit demselben Zeitpunkt, wenn die neuen Ansprüche erst auf Grund einer noch zu erlassenden Rechts Verordnung festgestellt werden können und der Antrag binnen eines Jahres nach Verkündung der Rechtsverordnung gestellt wird. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn Versorgung als Kannleistung oder im Wege des Härteausgleichs gewährt wird.
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§92
Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung wird ermächtigt, den Wortlaut des Gesetzes und der zu diesem Gesetz erlassenen Durchführungsverordnungen in der jeweils geltenden Fassung mit neuem Datum und in neuer Paragraphenfolge bekanntzumachen. Er kann dabei Unstimmigkeiten des Wortlauts beseitigen.
Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 des Dritten Uberleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 (Bundesgesetzbl. 1 S. 1) auch im Land Berlin. Rechtsverordnungen, die auf Grund dieses Gesetzes erlassen werden, gelten im Land Berlin nach § 14 des Dritten Uberleitungsgesetzes.
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Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung
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2. Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung v o m 2.5.1955 ( B G B l . 1 S 202) ι ü. I-' v o m 6.5.1976 ( B G B l . I S- 1169)
I. Anwendungsbereich und Zuständigkeit § 1 Das Gesetz findet A n w e n d u n g bei der Ausführung des Bundes Versorgungsgesetz es und anderer Gesetze, die dieses Gesetz f ü r a n w e n d b a r erklären, soweit die Leistungen von d e n im Gesetz über die Errichtung der V e r w a l t u n g s b e h ö r d e n der Kriegsopferversorgung vom 12. März 1951 (Bundesgesetzblatt I S. 169), zuletzt g e ä n d e r t durch das Vierte Gesetz zur Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes vom 24. Juli 1972 (Bundesgesetzblatt I S. 1284), genannten V e r w a l t u n g s b e h ö r d e n und Stellen gewährt werden. § 2 Die Versorgungsämter sind für alle Versorgungsangelegenheiten zuständig, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung k a n n mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung für bestimmte Versorgungsangelegenheiten die Zuständigkeit der Landesversorgungsämter oder der obersten Landesbehörden oder der in § 2 des Gesetzes über die Errichtung der V e r w a l t u n g s b e h ö r d e n der Kriegsopferversorgung vom 12. März 1951 (Bundesgesetzbl. I S. 169), zuletzt geändert durch das Vierte Gesetz zur Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes vom 24. Juli 1972 (Bundesgesetzbl. I S. 1284), g e n a n n t e n Stellen begründen. Die für die Kriegsopfer Versorgung zuständigen obersten Landesbehörden können sich selbst oder den Landesversorgungsämtern die Zustimmung zu Entscheidungen über bestimmte Versorgungsangelegenheiten vorbehalten. § 3* (1) ö r t l i c h zuständig ist die Verwaltungsbehörde, in deren Bezirk der Antragsteller zur Zeit der Stellung des A n t r a g e s seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. (2) Bei A n t r ä g e n Hinterbliebener auf erstmalige Bewilligung von V e r s o r g u n g s b e z ü g e n ist der W o h n sitz oder gewöhnliche A u f e n t h a l t der W i t w e oder des W i t w e r s maßgebend. Ist eine W i t w e oder ein W i t w e r nicht vorhanden, so tritt a n deren Stelle die jüngste Waise. Sind nur Eltern oder Großeltern vorhanden, so gilt Absatz 1; leben sie getrennt, so ist der Wohnsitz oder gewöhnliche A u f e n t h a l t des Ehemannes oder geschiedenen Ehemannes maßgebend, sofern auch dieser anspruchsberechtigt ist. Die Angehörigen Verschollener s t e h e n Hinterbliebenen gleich. (3) Bedarf es eines A n t r a g e s nicht, so tritt an die Stelle des Zeitpunktes der Antragstellung der Zeitp u n k t der Einleitung des Verfahrens. (4) Ist nach den Absätzen 1 bis 3 eine Zuständigkeit nicht begründet, so bestimmt das Landesversorgungsamt die zuständige Verwaltungsbehörde. Sind
die V e r w a l t u n g s b e h ö r d e n verschiedener Länder beteiligt, so entscheidet d e r Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung. (5) Die Zuständigkeit der V e r w a l t u n g s b e h ö r d e n für Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt a u ß e r h a l b des Geltungsbereiches des Grundgesetzes haben, regelt der Bundesminister f ü r Arbeit und Sozialordnung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates, § 4* (1) Bei Verlegung des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen A u f e n t h a l t e s wird die Verwaltungsbehörde zuständig, in d e r e n Bezirk der n e u e Wohnsitz oder gewöhnliche A u f e n t h a l t liegt, sobald die A k t e n an sie abgegeben sind. (2) W i r d d e r W o h n s i t z oder gewöhnliche Aufenthalt von einem Ort außerhalb des Geltungsbereiches des Grundgesetzes in dessen Geltungsbereich verlegt, so bleibt f ü r die Festsetzung v o n Art, Höhe, Beginn und Ende v o n Versorgungsleistungen sowie für die Feststellung einer Uberzahlung für die Zeit vor dem W e c h s e l d e s Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes die bisherige Zuständigkeit bestehen. 5 5* (1) Hält eine V e r w a l t u n g s b e h ö r d e eine andere für zuständig, so gibt sie die Sache an diese ab. Hält sich auch diese nicht f ü r zuständig, so entscheidet ü b e r die Zuständigkeit des Versorgungsamtes das beiden Amtern ü b e r g e o r d n e t e Landesversorgungsamt oder, w e n n ein solches nicht v o r h a n d e n ist, die oberste Landesbehörde. Sind die Verwaltungsbehörden verschiedener Länder beteiligt, so entscheidet der Bundesminister f ü r Arbeit und Sozialordnung. (2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn mehrere V e r w a l t u n g s b e h ö r d e n sich f ü r zuständig e r k l ä r e n oder wenn die örtliche Zuständigkeit zweifelhaft ist.
II. Anträge § 6 Die Anträge in Versorgungsangelegenheiten sind schriftlich oder mündlich unter A u f n a h m e einer Niederschrift bei dem Versorgungsamt zu stellen, auch w e n n f ü r die Entscheidung das Landesversorgungsamt zuständig ist. § 7 (1) Der A n t r a g soll die b e g e h r t e n Leistungen bezeichnen und von dem Antragsteller, seinem gesetzlichen V e r t r e t e r oder seinem Bevollmächtigten mit Orts- und T a g e s a n g a b e unterzeichnet sein. Er soll ferner die Erklärung enthalten, daß ein gleichartiger A n t r a g bei e i n e r a n d e r e n V e r w a l t u n g s b e h ö r d e nicht gestellt worden ist.
* Nur a n z u w e n d e n , soweit die Versorgung in der G e w ä h r u n g v o n L e i s t u n g e n b e s i e h t , d i e d e n L e i s t u n g e n der K r i e g s o p f e r f U r s o r g e nach d e n §§ 25 bis 27e d e s B u n d e s v e r s o r g u n g s g e s e t z e s e n t s p r e c h e n (§ 6 A b s . 3,4 d e s G e s e t z e s Uber d i e E n t s c h ä d i g u n g für Opfer v o n G e w a l t t a t e n ) .
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Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung
(2) Die Verwaltungsbehörde hat darauf hinzuwirken, daß dter Antragsteller sachdienliche Anträge stellt, sie begründet und gegebenenfalls ergänzt. (3) Wird eine Aufforderung der Verwaltungsbehörde zur Ergänzung des Antrages oder der Begründung vom Antragsteller, seinem gesetzlichen Vertreter oder seinem Bevollmächtigten nicht beantwortet, so ist ihm schriftlich eine angemessene Frist mit dem Hinweis zu setzen, daB im Falle der Nichtbeantwortung trotz Unvollständigkeit des Antrages nach Lage der Akten entschieden werden kann.
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δ U (1) Dritte, die am Ausgang des Verfahrens ein berechtigtes Interesse haben, können auf Antrag oder von Amts wegen zum Verfahren zugezogen werden. Sie sind berechtigt, Ausführungen zu machen und Anträge zu stellen; ferner sind sie vom Fortgang und Ausgang des Verfahrens in Kenntnis zu setzen. Die §§ 9 und 10 gelten entsprechend. (2) Soweit der Bund in einem Verfahren ein berechtigtes Interesse geltend macht, ist er auf Antrag zuzuziehen. Absatz 1 Satz 2 findet Anwendung.
III. Die Beteiligten und Ihre Vertreter
IV. Aufklärung des Sachverhalts
§ 8 Beteiligte am Verfahren sind der Antragsteller oder Versorgungsberechtigte und Dritte, die am Ausgang des Verfahrens ein berechtigtes Interesse haben und zu dem Verfahren zugezogen worden sind.
§ 12 (1) Der Sachverhalt ist von Amts wegen aufzuklären. Die Beteiligten sind verpflichtet, dabei mitzuwirken. Die Verwaltungsbehörde kann Auskunftspersonen und Sachverständige hören, Gutachten und amtliche Auskünfte jeder Art einholen, den Augenschein einnehmen und Urkunden beschaffen oder ihre Vorlegung oder Beibringung dem Beteiligten aufgeben.
§ 9 (1) Bestehen Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Antragstellers, so ist sie von Amts wegen zu prüfen. Die Vertretungsbefugnis eines gesetzlichen Vertreters ist stets zu prüfen. (2) Für Geschäftsunfähige oder beschränkt Geschäftsfähige ohne gesetzlichen Vertreter ist die Bestellung eines Vormundes oder Pflegers zu veranlassen. § 10
(1) Die Beteiligten können sich .durch geschäftsfähige Bevollmächtigte vertreten lassen. Personen, die als ärztliche Gutachter für Beteiligte tätig gewesen sind, können in dem gleichen Verfahren nicht als Bevollmächtigte auftreten. (2) Die Vollmacht ist schriftlich zu erteilen und zu den Akten einzureichen; sie kann auch zur Niederschrift der Verwaltungsbehörde erteilt werden. Bei Ehegatten und Verwandten in gerader Linie kann die Bevollmächtigung unterstellt werden. (3) Ist ein Bevollmächtigter bestellt, so sind die Mitteilungen der Verwaltungsbehörde an ihn zu richten. Der Beteiligte muß das Verfahren gegen sich gelten lassen, auch wenn er nur mündlich Vollmacht erteilt oder das Verfahren ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat. (4) Für den Umfang und die Wirkung der Vollmacht gelten im übrigen § 81 und die §§ 84 bis 86 der Zivilprozeßordnung entsprechend. (5) Der Beteiligte kann mit einer geschäftsfähigen Person als Beistand erscheinen. Für Beistände gilt Absatz 1 Satz 2 entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Antragsteller vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird. (6) Bevollmächtigte und Beistände, die nicht Rechtsanwälte sind, können aus wichtigem Grunde zurückgewiesen werden. Mit der Zurückweisung erlischt ihre Vertretungsmacht. Die Zurückweisung ist dem Auftraggeber mitzuteilen.
(2) Mit Einverständnis oder auf Wunsch des Antragstellers oder Versorgungsberechtigten kann die Verwaltungsbehörde von öffentlichen, freien gemeinnützigen und privaten Krankenanstalten sowie Krankenanstalten öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Trägern der Sozialversicherung Krankenpapiere, Aufzeichnungen, Krankengeschichten, Sektions- und Untersuchungsbefunde sowie Röntgenbilder zur Hinsicht beiziehen. Die Verwaltungsbehörde hat für die Wahrung des ärztlichen Berufsgeheimnisses Sorge zu fragen. Unter denselben Voraussetzungen kann die Verwaltungsbehörde von privaten Ärzten, die den Antragsteller oder Versorgungsberechtigten behandeln oder behandelt haben, Auskünfte einholen und Untersuchungsunterlagen zur Einsicht beziehen. § 13 (1) Die Verwaltungsbehörde ist befugt, von den Auskunftspersonen die eidesstattliche Versicherung zu verlangen, daß sie nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen haben. In gleicher Weise kann von den Sachverständigen die eidesstattliche Versicherung verlangt werden, daß sie das Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen erstattet haben. (2) Ist die Anhörung vor den zuständigen Verwaltungsbehörden mit Schwierigkeiten verbunden, namentlich wegen der Entfernung des Aufenthaltsorts der zu hörenden Personen vom Sitz der Verwaltungsbehörde, so kann eine andere Verwaltungsbehörde und, wehn die Anhörung vor dieser ebenfalls Schwierigkeiten unterläge, eine andere Behörde um die Erledigung ersucht werden. Dasselbe gilt bei Gefahr im Verzuge. § 14 (1) Leisten Auskunftspersonen oder Sachverständige der Vorladung nicht Folge oder verweigern sie
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Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung
ohne Vorliegen der in den §§ 376, 383 bis 385, 407 und 408 der Zivilprozeßordnung bezeichneten Gründe ihre Aussage oder die Erstattung des Gutachtens, so kann die für die Entscheidung zuständige Behörde das für den Wohnort der Auskunftsperson oder des Sachverständigen zuständige Sozialgericht um die Vernehmung ersuchen. Wohnt die Auskunftsperson oder der Sachverständige nicht am Sitz des Gerichts, so kann auch das zuständige Amtsgericht um die Vernehmung ersucht werden. (2) Erscheint zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage die Beeidigung notwendig, so kann bei einem der in Absatz 1 genannten Gerichte die eidliche Vernehmung beantragt werden. § 15 Die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, sind, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verlorengegangen sind, der Entscheidung zugrunde zu legen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen. Die Verwaltungsbehörde kann in besonderen Fällen von dem Antragsteller die eidesstattliche Versicherung verlangen, dafi er bei seinen Angaben nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen habe. § 16 (1) Die Finanzbehörden sind verpflichtet, wenn der Antragsteller zustimmt, den Verwaltungsbehörden über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse Auskunft zu geben. (2) Die Verwaltungsbehörde muß den Versorgungsberechtigten auf seine Verpflichtung nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch hinweisen. § Π (weggefallen) § 18 Verweigert der Antragsteller das Einverständnis nach § 12 Abs. 2, die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 15 oder die Zustimmung zur Erteilung der Auskunft nach § 16 Abs. 1 oder kommt er einem Verlangen nach den §§ 61 und 62 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch nicht nach, so darf über den Antrag erst entschieden werden, wenn der Antragsteller vorher schriftlich darauf hingewiesen worden ist, daß sein Verhalten nachteilige Folgen für ihn haben kann. § 19 (weggefallen) V. Rechts- und Amtshilfe § 20 Alle Behörden und die Träger der Sozialversicherung sind verpflichtet, den Verwaltungsbehörden
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und sonstigen Stellen der Kriegsopferversorgung auf Ersuchen Rechts- und Amtshilfe zu leisten und Auskunft zu erteilen. § 21 (1) Eine Behörde ist zur Vorlage von Urkunden oder Akten sowie zur Erteilung von Auskünften nicht verpflichtet, wenn die zuständige oberste Dienstbehörde erklärt, daß das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten oder Auskünfte dem Wohle des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde oder daß die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheimgehalten werden müssen. (2) Handelt es sich dabei um Urkunden, Akten oder Auskünfte einer obersten Bundesbehörde, so darf die Vorlage der Urkunden oder Akten oder die Erteilung der Auskunft nur unterbleiben, wenn die Erklärung nach Absatz 1 von der Bundesregierung abgegeben wird. Die Landesregierung hat die Erklärung abzugeben, wenn diese Voraussetzungen bei einer obersten Landesbehörde vorliegen.
VI. Bescheid § 22
(1) Abschließende Mitteilungen der Verwaltungsbehörden in der Versorgungssache ergehen durch schriftlichen Bescheid. Der Bescheid muß die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder Namenswiedergabe der für sie handelnden Person enthalten. Bei Bescheiden, die mit Hilfe automatischer Vorrichtungen erlassen werden, können Unterschrift und Namenswiedergabe entfallen. (2) Der Bescheid ist zu begründen. Bei der Bewilligung von Versorgungsbezügen sind zugleich Betrag und Beginn der Leistung sowie die Art der Berechnung anzugeben. (3) Kann nach dem Ergebnis der Ermittlungen über einen Teil des Anspruchs entschieden werden, so kann ein Teilbescheid erlassen werden; ein solcher Teilbescheid ist auf Antrag zu erlassen, wenn die Voraussetzungen vorliegen. (4) Kann nach dem Ergebnis der Ermittlungen über den Anspruch oder einen Teil des Anspruchs noch nicht endgültig entschieden werden, sind die Voraussetzungen für die Gewährung bestimmter Leistungen jedoch mit Wahrscheinlichkeit gegeben, so kann ein Bescheid unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der endgültigen Entscheidung erlassen werden, wenn dies beantragt ist und der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Erteilung eines solchen vorläufigen Bescheides hat. Aus dem Bescheid müssen sich Inhalt und Ausmaß des Vorbehalts ergeben. Nach Abschluß der Ermittlungen hat die Behörde unverzüglich den endgültigen Bescheid zu erlassen. Hierbei ist sie an den vorläufigen Bescheid nicht gebunden. (5) Ist in einem Bescheid nach § 60 a Abs. 1 Satz 2 des Bundesversorgungsgesetzes die endgültige Feststellung der einkommensabhängigen Leistungen
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Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung
vorbehalten worden, so ist für die endgültige Feststellung die vorher getroffene Feststellung der Berechnungsgrundlagen nicht bindend. § 23 Bescheide über Rechtsansprüche müssen den zulässigen Rechtsbehelf, die einzuhaltende Frist, die Stelle, bei welcher der Rechtsbehelf anzubringen ist, und deren Anschrift angeben. § 24 (1) Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. (2) Die Bindung der Verwaltungsbehörden tritt mit der Bekanntgabe oder dem Zugang des Bescheides ein. 5 25 Schreib- und Rechenfehler sowie ähnliche offenbare Unrichtigkeiten in Bescheiden sind jederzeit auf Antrag oder von Amts wegen zu berichtigen. Uber die Berichtigung entscheidet die nach den §§ 2 bis 5 zuständige Verwaltungsbehörde. Die Verfügung, die den Bescheid berichtigt, wird auf der Urschrift und den Ausfertigungen des Bescheides vermerkt. § 26 Bescheide und andere Verwaltungsakte sind nicht deshalb unwirksam oder anfechtbar, weil sie von einer örtlich unzuständigen Stelle ergangen sind. VII. Bekanntgabe § 27 (1) Bescheide und andere Verwaltungsakte sind demjenigen bekanntzugeben, an den sie sich richten. (2) Erfolgt die Bekanntgabe durch einfachen Brief, so gilt sie mit dem dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bewirkt, außer wenn der Brief nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Schriftstücks und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. (3) Erfolgt die Bekanntgabe durch Zustellung, so gelten für das Zustellungsverfahren die §§ 2 bis 15 des Verwaltungszustellungsgesetzes vom 3. Juli 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 379), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Verwaltungszustellungsgesetzes vom 19. Mai 1972 (Bundesgesetzbl. I S. 789), soweit in § 28 nichts Abweichendes bestimmt ist. § 28 (1) Betreibt ein Minderjähriger, der das fünfzehnte Lebensjahr vollendet hat, das Verfahren selbst, so erhält er gleichzeitig mit der Bekanntgabe an seinen gesetzlichen Vertreter eine Abschrift des bekanntzugebenden Schriftstückes.
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(2) Wird der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten vertreten, erfolgt die Bekanntgabe nur an diesen. (3) Wer seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat, hat auf Verlangen innerhalb einer angemessenen Frist einen Empfangsbevollmächtigten zu benennen. Geschieht das nicht, so gilt das Schriftstück als bekanntgegeben, sobald es zur Post gegeben ist, selbst wenn es als unbestellbar zurückkommt. § 29 (weggefallen) V i n . Kosten und Auslagen § 30 Auskunftspersonen und Sachverständige werden nach dem Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen entschädigt. § 31 (1) Kosten der Rechts- und Amtshilfe (§ 20) werden nicht erstattet. (2) Freien gemeinnützigen und privaten Krankenanstalten sowie privaten Ärzten werden die ihnen nach § 12 Abs. 2 entstandenen notwendigen baren Auslagen erstattet. § 32 (1) Wer einem Verlangen nach den §§ 61 und 62 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch nachkommt, erhält auf Antrag Ersatz der baren Auslagen und Entschädigung für entgangenen Arbeitsverdienst in angemessenem Umfang. Ist das Verlangen durch wissentlich falsche Angaben veranlaßt worden, so kann der Ersatz abgelehnt werden. (2) Wer ohne entsprechendes Verlangen einer Verwaltungsbehörde aus einem der in den §§ 61 und 62 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch aufgeführten Gründe erscheint, kann auf Antrag Ersatz der baren Auslagen und Entschädigung für entgangenen Arbeitsverdienst in angemessenem Umfang erhalten, wenn die Notwendigkeit des Erscheinens von der Verwaltungsbehörde anerkannt wird. § 33 Hat ein Beteiligter, sein Vertreter oder Bevollmächtigter durch Mutwillen, Verschleppungsabsicht oder Irreführung besondere Verfahrenskosten veranlaßt, so können sie ihm ganz oder teilweise auferlegt werden. § 34 (1) Alle gerichtlichen und außergerichtlichen Beurkundungen, Urkunden, Vollmachten, amtlichen Bescheinigungen, Eintragungen und Löschungen im Grundbuch, die von der zuständigen Verwaltungsbehörde zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes und der zu seiner Ergänzung ergangenen Vorschriften für erforderlich gehalten werden, sind kostenfrei.
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(2) Die Vorschriften über die Gebühren und Auslagen der Notare werden hierdurch nicht berührt.
IX. Akteneinsicht
§ 39 Fällt der für die Erklärung oder für den Ablauf einer Frist gesetzte Tag auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag, der am Erklärungsort staatlich anerkannt ist, oder einen Sonnabend, so gilt dafür der nächste Werktag.
§ 35 (1) Die Beteiligten, ihre Vertreter und ihre Bevollmächtigten können auf Antrag Einsicht in die Akten nehmen und sich daraus Auszüge und Abschriften selbst fertigen oder gegen Erstattung der Kosten erteilen lassen. (2) Uber den Antrag entscheidet der Leiter der Verwaltungsbehörde, bei der sich die Akten befinden. Dieser kann die Befugnis weiter übertragen; soll der Antrag abgelehnt werden, so entscheidet er selbst. (3) Der Leiter der Verwaltungsbehörde kann aus besonderen Gründen die Einsicht in die Akten oder in Aktenteile sowie die Fertigung oder Erteilung von Auszügen und Abschriften versagen oder beschränken.
XI. Beriditlgung von Bescheiden § 40 (1) Zugunsten des Berechtigten kann die Verwaltungsbehörde jederzeit einen neuen Bescheid erteilen. (2) Auf Antrag des Berechtigten ist ein neuer Bescheid zu erteilen, wenn das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung nachträglich eine andere Rechtsauffassung vertritt, als der früheren Entscheidung zugrunde gelegen hat. (3) Das Versorgungsamt bedarf zur Erteilung eines neuen Bescheides der Zustimmung des Landesversorgungsamtes, das sie für gleichgelagerte Fälle allgemein erteilen kann.
§ 36 Anderen als den in § 35 genannten Personen kann ohne Einwilligung des Beteiligten oder seines gesetzlichen Vertreters die Einsicht in die Akten nur gestattet werden, wenn ein wissenschaftliches Interesse an der Einsicht in die Akten besteht und gewährleistet ist, daß der Beteiligte dadurch keinen Nachteil erleidet. Die Erlaubnis zur Einsicht wird von der obersten Landesbehörde erteilt. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, daB abweichend von Satz 2 an Stelle der obersten Landesbehörde das Landesversorgungsamt oder diejenige Behörde zuständig ist, die die Aufgaben des Landesversorgungsamtes wahrnimmt. Sie können diese Ermächtigung auf oberste Landesbehörden übertragen.
X. Fristen § 37 (1) Richtet sich der Anfang einer Frist nach einem Ereignis oder Zeitpunkt, so beginnt die Frist mit dem Tage, der auf das Ereignis oder den Zeitpunkt folgt. (2) Wird eine Frist verlängert, so beginnt die neue Frist mit Ablauf der alten. § 38 (1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf ihres letzten Tages, eine nach Wochen oder Monaten bestimmte Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der nach Benennung oder Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. (2) Fehlt dem letzten Monat der entsprechende Tag, so endigt die Frist mit dem Monat.
§ 41') (1) Bescheide über Rechtsansprüche können zuungunsten des Berechtigten von der zuständigen Verwaltungsbehörde geändert oder aufgehoben werden, wenn außer Zweifel steht, dafl sie im Zeitpunkt ihres Erlasses tatsächlich oder rechtlich unrichtig gewesen sind. Verstöße gegen Vorschriften dieses Gesetzes rechtfertigen nicht die Erteilung eines Berichtigungsbescheides. (2) Das Versorgungsamt bedarf zum Erlaß eines Berichtigungsbescheides der Zustimmung des Landesversorgungsamtes. § 42 (1) Die Verwaltungsbehörde hat auf Antrag oder von Amts wegen erneut zu entscheiden, wenn 1. bei der früheren Entscheidung eine Person mitgewirkt hat, die von der Mitwirkung aus einem gesetzlichen Grunde ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis durch Ablehnung oder Rechtsbehelf ohne Erfolg geltend gemacht worden ist, 2. ein Berechtigter In dem Verfahren nicht ordnungsgemäß vertreten war, sofern er nicht die Vertretung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat, 3. Tatsachen, die für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung waren, wissentlich falsch angegeben oder verschwiegen worden sind, l) 9 41 Abs. 1 Satz 1 gilt gemAtt Artikel Verbesserung der Heushaltsstruktur vom desgesetzbl. I S. 3091) In dieser Fassung Besdieid nach dem 1. J a n u a r 1970 für bindend g e w o r d e n ist.
25 9 2 des Gesetzes zur 18. Dezember 1975 (Bunnur, wenn d e r unrichtige die V e r w a l t u n g s b e h ö r d e
Bis zum Ablauf des 31. Dezember 197S galt 9 41 Abs. I Satz 1 in folgender Fassung: .Bescheide Ober RechtsansprQdie können zuungunsten des Berechtigten von der zuständigen Verwaltungsbehörde geändert oder aufgehoben werden, wenn aufier Zweifel steht. daB sie im Zeitpunkt ihres Erlasses tats&dilidi und recfatlidi unriditig gewesen sind·*
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4. eine Urkunde, auf die sich die Entscheidung stützt, fälschlich angefertigt oder verfälscht war, 5. durch Beeidigung eines Zeugnisses oder Gutachtens, auf das sich die Entscheidung stützt, der Zeuge oder Sachverständige vorsätzlich oder fahrlässig die Eidespflicht verletzt hat, 6. die Entscheidung durch eine Straftat erwirkt worden ist, 7. bei der Entscheidung eine Person mitgewirkt hat, die dabei ihre Amtspflichten gegen den Berechtigten verletzt hat, sofern diese Verletzung mit Strafe bedroht ist, 8. das Urteil eines ordentlichen Gerichts, auf das sich die Entscheidung stützt, durch ein anderes rechtskräftig gewordenes Urteil aufgehoben worden ist, 9. nachträglich eine zur Zeit der Entscheidung bereits vorhandene Urkunde, die eine andere Entscheidung herbeigeführt haben würde, gefunden wird oder verwertet werden kann. (2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 4 bis 7 ist die Erteilung des neuen Bescheides weiter davon abhängig, daß 1. wegen der Straftat eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung ergangen ist oder 2. ein gerichtliches Strafverfahren aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweisen nicht eingeleitet oder durchgeführt werden konnte, § 43 (1) Der Antrag nach $ 42 ist innerhalb einer Frist von sechs Monaten, bei Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes innerhalb einer Frist von zwölf Monaten zu stellen. Bei den Verfahren von Amts wegen hat die Verwaltungsbehörde innerhalb einer Frist von sechs Monaten die erneute Prüfung einzuleiten. (2) Die Frist beginnt mit der Kenntnis des Anfechtungsgrundes. Der Antrag und die erneute Prüfung von Amts wegen sind nach Ablauf von fünf Jahren vom Tage der Entscheidung an nicht mehr zulässig; diese Frist beginnt frühestens mit dem 1. Januar 1957. (3) Absatz 2 gilt nicht, wenn der Antrag wegen mangelnder Vertretung gestellt wird. Die Frist beginnt in diesem Fall mit dem Tage, an dem die Entscheidung dem Berechtigten oder, wenn dieser nicht fähig war, das Verfahren selbst zu betreiben, seinem gesetzlichen Vertreter bekanntgegeben worden ist. (4) Der Antrag ist an die Verwaltungsbehörde zu richten, welche die Entscheidung erlassen hat. § 16 Abs. 1 Satz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend. § 44 Uber den Antrag entscheidet die Verwaltungsbehörde, welche die Entscheidung erlassen hat. Ist diese nicht mehr vorhanden oder nidit mehr zuständig, so richtet sich die Zuständigkeit nach den §§ 2 bis 5.
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XII. Amtsverschwiegenheit und Ausschließung von der Mitwirkung in Versorgungssachen § 45 Wer bei den Verwaltungsbehörden oder den sonstigen Stellen der Kriegsopferversorgung tätig ist, hat über die ihm bei seiner dienstlichen Tätigkeit bekanntgewordenen Angelegenheiten, deren Geheimhaltung ihrer Natur nach erforderlich oder dienstlich vorgeschrieben ist, Verschwiegenheit zu bewahren. Zu diesen Angelegenheiten gehören insbesondere die gesundheitlichen, wirtschaftlichen und Familienverhältnisse der Beteiligten, in Hinterbliebenenangelegenheiten auch des Verstorbenen. Die Verpflichtung bleibt auch nach dem Ausscheiden aus dem Dienst bestehen. § 46 (1) Von der Mitwirkung in Versorgungssachen ist ausgeschlossen, 1. wer in der Sache selbst Beteiligter ist, 2! wer einem Beteiligten ersatzpflichtig ist, 3. wer mit einem Beteiligten verheiratet ist oder gewesen ist, 4. wer mit einem Beteiligten in gerader Linie verwandt oder verschwägert oder durch Annahme an Kindes Statt verbunden oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grade verwandt oder bis zum zweiten Grade verschwägert ist, audi wenn die Ehe, durch welche die Schwägerschaft begründet ist, nicht mehr besteht, 5. wer in der Sache als Bevollmächtigter oder Beistand eines Beteiligten zugezogen oder als ihr gesetzlicher Vertreter aufzutreten berechtigt ist oder gewesen ist, 6. wer in der Sache als Auskunftsperson oder Sachverständiger vernommen oder tätig geworden ist. (2) Ist der Antragsteller oder Versorgungsberechtigte bei einer Verwaltungsbehörde oder sonstigen Stelle der Kriegsopferversorgung beschäftigt, so ist diese von der vorbereitenden Bearbeitung und Entscheidung des Versorgungsfalles ausgeschlossen. In diesem Fall tritt an die Stelle der ausgeschlossenen Behörde die von der übergeordneten Verwaltungsbehörde bestimmte Behörde gleicher Ordnung. Ist eine Verwaltungsbehörde gleicher Ordnung nicht vorhanden, so ist die übergeordnete Verwaltungsbehörde selbst zuständig.
ΧΙΠ. Rückerstattung von Versorgungsleistungen § 47 (1) Zu Unrecht empfangene Versorgungsleistungen sind zurückzuerstatten, wenn die Uberzahlung 1. auf einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse beruht,
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a) soweit der Empfänger beim Empfang wußte oder wissen muflte, daß ihm die Leistung nicht oder nicht in der gewährten Höhe zustand oder b) soweit die Rückforderung wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Empfängers oder der Höhe einer ihm von einem Träger der Sozialversicherung, einem öffentlichrechtlichen Dienstherrn oder einer öffentlich· rechtlichen Kasse gewährten Nachzahlung vertretbar ist; 2. darauf beruht, daß der Bescheid im Zeitpunkt seines Erlasses unrichtig gewesen ist, a) sofern die Unrichtigkeit darauf beruht, daß der Empfänger Tatsachen, die für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung gewesen sind, wissentlich falsch angegeben oder verschwiegen hat oder wenn er beim Empfang der Bezüge gewußt hat, daß sie ihm nicht oder nicht in dieser Höhe zustanden, b) sofern der Empfänger den Verfahrensmangel gekannt oder vorsätzlich herbeigeführt hat. (2) Beruht die Uberzahlung auf anderen Gründen, so findet Absatz 1 entsprechende Anwendung. (3) Der Einwand der nicht mehr vorhandenen Bereicherung ist ausgeschlossen. (4) Die Rückerstattungsschuld kann nur erlassen werden, wenn die Rückerstattung eine besondere Harte für den Rückerstattungspflichtigen bedeuten würde, oder wenn daraus in unverhaltnismäßigem Umfang Kosten oder Verwaltungsaufwand entstehen würden. (5) (weggefallen) (6) Für die Beitreibung von Rüdeerstattungsforderungen gelten die Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vom 27. April 1953 (Bundesgesetzbl. I S. 157), zuletzt geändert durch das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 (Bundesgesetzbl. I S. 469), entsprechend; das Land bestimmt die Vollstreckungsbehörde. (7) Forderungen auf Rüdeerstattung können nur a) niedergeschlagen werden, wenn feststeht, daß die Einziehung keinen Erfolg haben wird, b) gestundet werden, wenn die sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für den Rückerstattungspflichtigen verbunden wäre und die Forderung durch die Stundung nicht gefährdet wird.
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XIV. Schluß- und Übergangsvorschriften $ 49 § 42 gilt auch für Entscheidungen der Beschwerdeausschüsse nach § 20 der Sozialversicherungsdirektive Nr. 27 (Arbeitsblatt für die britische Zone 1947 S. 155). $50 (1) Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 des Dritten Uberleitungsgesetzes vom 4. Ja· nuar 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 1) auch im Land Berlin. Rechtsverordnungen, die auf Grund der in diesem Gesetz enthaltenen Ermächtigung erlassen werden, gelten im Land Berlin nach § 14 des Dritten Oberleitungsgesetzes. (2) § 42 gilt auch für Entscheidungen des Einspruchsausschusses beim Landesversorgungsamt Berlin. 5 51 (1) Dieses Gesetz tritt am 1. April 1955 in Kraft. 2 ) (2) Zum selben Zeitpunkt treten die nach § 84 Abs. 3 des Bundesversorgungsgesetzes in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesversorgungsgesetzes vom 19. Januar 1955 (Bundesgesetzbl. I S. 25) aufrechterhaltenen Vorschriften über das Verwaltungsverfahren außer Kraft, insbesondere die das Verwaltungsverfahren betreffenden Bestimmungen 1. der in $ 84 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes genannten Gesetze und Verordnungen, 2. des Gesetzes über das Verfahren in Versorgungssachen vom 10. Januar 1922 in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. November 1934 (Reichsgesetzbl. I S. 1113), 3. des Badischen Landesgesetzes über das Verfahren in Versorgungssachen vom 15. März 1950 (Badisches Gesetz- und Verordnungsblatt S. 156) sowie die zu ihrer Durchführung, Ergänzung und Änderung ergangenen Vorschriften. (3) Mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes tritt $ 79 des Bundesversorgungsgesetzes in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundes Versorgungsgesetzes vom 19. Januar 1955 (Bundesgesetzbl. I S. 25) außer Kraft. (4) Soweit in anderen gesetzlichen und sonstigen Bestimmungen auf die aufgehobenen Vorschriften verwiesen ist, treten die entsprechenden Vorschriften dieses Gesetzes an ihre Stelle.
§48 Die Entscheidung über die Rückzahlung einer Kapitalabfindung ist auch für das Verfahren auf Befriedigung aus einer für den RückZahlungsanspruch bestellten Sicherungshypothek bindend.
§52 In den am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Sachen sind für das weitere Verfahren die Vorschriften dieses Gesetzes maßgebend. >) Die Vor»thrift betrifft d u Inkrafttreten de* Gesetzes In der ursprünglichen Fassung. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens der späteren Änderungen ergibt sl