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German Pages 136 Year 1854
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Geſchichtliche
Entwickelung
der
Riordamerikaniſchen
Union
Vorleſungen gehalten vor einer Geſellſchaft gebildeter
Frauen
und
Männer .
Dr. Rudolf liagel.
Leipzig Verlag von Otto Wigand. 1854.
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V or w or t.
Es mag auffallen , daß ich die ſo ſchon überreiche Amerikaliteratur noch mit einem Buch vermehre , und dazu vornehmlich dasjenige darin be handele, was, wie's ſcheint, an der neuen Welt bas Allerunweſentlichte und Alerunintereſſantefte iſt, ihre Geſchichte.
Iſt es doch, wie Göthe ſagt, an
Amerika ſo ſchön , daß es ein Land der Zukunft iſt, daß es noch keine Ge fchichte hat , bagegen Europa gleich einem aus lauter Geſchichtsſtüden zus ſammengeflicten Gemäuer ausſteht!
Vielleicht rechtfertigt fich indeß das
Erſcheinen des Buche am beſten, wenn ich erzähle, wie's entſtanden . Als ich vor zwei Jahren durch den Lauf des geographiſchen Unter richts, den ich an hieftger höherer Bürgerſchule ertheilte, dazu geführt ward, nun auch die neue Welt den Schülern zu ſchildern, befand ich mich in eigen thümlicher Verlegenheit.
Auf Gymnaftum und Univerfität hatte ich nur
von Paläſtina, Hellas, Italien , Deutſchland gehört , von den Ländern des Alterthums und Mittelalters - von Amerika , dem Lande der Zukunft, auch kein Sterbenswort.
Die neue Welt mußte ich ſelber erſt ſtudiren, um
den Schülern etwas mehr darüber geben zu können , als jene trodenen No tizen , womit die gäng und gäben geographiſchen Compendien die muntere Jugend abfüttern.
Ich las Schilderungen des gegenwärtigen Zuſtande des
nordamerikaniſchen Freiſtaats , all ſeine Einrichtungen und Geſeße und Zu ftände ſahen mich ſo fremdartig an , wichen ſo ganz und gar von unſern europäiſchen Verhältniffen ab .
Woher kommt das ? fragte ich.
Dazu
konnte der Grund nur in ſeiner Geſchichte und vornehmlich in ſeinem Ur ſprung geſucht werden , nur darin fonnte dies liegen , daß Flüchtlinge der
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alten Welt ihn gegründet, Flüchtlinge , die dann natürlich auf dem neuen friſchen Boden Alles ganz im Gegenſaß zu den Verhältniſſen daheim geftal ten mußten, denen fte eben entflohen . Indem ich mich ſo denn getrieben fand, mich mit dem Urſprung und der bisherigen Geſchichte des neuen Freiſtaats bekannt zu machen , fand ich wohl eine Menge vortrefflicher Werke , ſowohl über das Ganze , wie über einzelne Partien , aber ſämmtlich waren fte ſehr ausführlich und weitläuftig ; vergebens ſuchte ich nach einem Werk , das in kurzen anſchaulichen Zügen das Werben des neuen Weltftaate ſchilderte, Das ihn in Kürze gleichſam dem Leſer vor Augen aufwachſen ließ ; durch mühſeliges Studium weitläuftiger Werke mußte ich mir ein Bild davon ſelber erſt entwerfen , irgendwie zu verſtehen .
um davon aus
feine gegenwärtigen Verhältniſſe
Der neue Stoff riß dann nicht bloß meine Schüler
mit fich fort und rief einen wahren Amerikajubel in ihnen hervor, er feſſelte mich auch ſo ſehr, daß ich mich immer weiter herein vertiefte; und als ich dann zum zweiten Mal in der Schule das neue Land zu ſchildern hatte , be fchloß ich zugleich , darüber Vorleſungen vor dem gebildeten Publikum zu halten, Vorleſungen, die mich zwangen , ihn nochmals durchzuarbeiten und in eine gewiſſe Form zu gießen .
Es fanden dieſe Vorleſungen denn auch
Anklang, und da ich nun perſönlich inne geworden war, wie das , zum Vers ftändniß der neuen Welt ſo wiffenêwerthe, geſchichtliche Werben des neuen Weltſtaats noch nicht kurz und anſchaulich zugleich geſchildert ſei, ſo glaubte ich vielleicht Manchem ein mühſeliges Studium erſparen zu können , wenn ich dieſe Vorleſungen in den Drud gäbe.
Und ſo treten fte denn ohne viel
Anſpruch in die Welt, namentlich mag ihnen das Publikum das freiere Ge wand der Rebe zu Gut halten .
Ich war anfangs gewillt, fte zum gelehrten
Buch umzuformen , es war mir indeß unmöglich , aus Reden trođene A6 handlungen zu machen , aus dem Lebendigen ein Skelett zu fabriciren .
Ich
habe d'rum auch die kleinen Rüdweiſungen , wie ſie bei Vorleſungen unver meidlich ſind, nicht immer ſtreichen mögen , nur zwei Mal find zwei Vor leſungen , die gerade einen größeren zuſammenhängenden Gegenſtand theil ten , zuſammengeſchmolzen worden.
Und hiermit gehe denn das Büchlein
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feinen Weg in die Welt und mag es den Leſer ermuntern, ſei's zum tieferen wiſſenſchaftlichen Studium ſeines großen Gegenſtande * ) , fei's zum prafs tiſchen Mitarbeiten an der Geftaltung der neuen Weltfönigin jenſeit des Dceans !
* ) Wen es zum weiteren Studium treibt , dem nenne ich hier folgende Schrif ten , aus welchen ich vornehmlich das hier verarbeitete Material gezogen – ich führe fte hier ein für allemal auf , um ſpåter des buntſcheckigen Citirens überhoben zu ſein. Das vorzüglichſte Hauptwerk über das Ganze iſt unſtreitig Nordamerika von Andree . Von eben demſelben Verfaſſer erſcheint ſeit Oktober 1851 eine vortreffliche Zeitſchrift über Amerika , das Weſtland. Ebenfalls über das Ganze handelt Frost, history of the united states, Philadelphia 1846 , und Philippi , Geſchichte von Nordamerika, beide ohne ſonderliche hiſtoriſde Kunſt abgefaßt. Ueber die Indianer find Carver's Reiſen in das Innere Nordamerika'ø , ſowie Catlin's Leben unter den Wilden leſeno werth . Die Geſchichte der Coloniſation Neuenglands hat Talvi aus amerikaniſchen Quellen ausführlich geſchildert. Franklin's Leben iſt von ihm ſelber beſchrieben . Den Unabhängigkeitskrieg hat Elsner beſonders bearbeitet , ſehr reiches Material, aber nicht recht geordnet. Washington's Leben und Briefwechſel hat Maumer her: ausgegeben . Die Geſchichte der Deutſchen in Amerika hat Löher mit vorzüglichem Fleiß und in ſchöner Darſtellung geſchrieben. Für die ncue deutſche Einwanderung find Duden's Briefe von einer Reiſe in's Innere Nordamerika'8 , ſowie ſein ,, Europa und Amerika “ wichtig geworden . Ueber die gegenwärtigen Verhältniſſe geben Quen tin's Reiſeſkizzen aus dem Norden der Vereinigten Staaten , ſowie Görling's neue Welt ein lebendiges Bild , desgleichen in Form eines Romans Sealsfield's Lebens bilder aus der weſtlichen Hemiſphäre. Die Schattenſeiten des amerikaniſchen Lebens hat Kirſten dargeſtellt. Von Schilderungen einzelner Staaten nenne ich Wettſtein's Buch über Wiskonſin , Engels über Ohio , Römer's Schrift über Teras , Briefe aus den vereinigten Staaten von Nord-Amerika , und das brauchbarſte und beſte Buch für Solche, die auswandern oder Amerika vollfândig kennen lernen wollen : „ Dies Buch gehört dem deutſchen Auswanderer. Eine geographiſch -ſtatiſtiſche und geſchichtliche Beſchreibung der vereinigten Staaten von Nordamerika, mit beſon derer Rückſichtnahme auf Auswanderung und Coloniſation . Gin vollſtändiger Rath geber für Auswanderer nach und durch Nord -Amerika, Canada, Teras, Californien 2c . nebft Angabe der verſchiedenen Reiſerouten zur See und im Innern , herausgegeben von Carl Schmidt, Secretär im amerikaniſchen Conſulat zu Leipzig . Mit der neueſten, größten und vollſtändigſten Karte der Vereinigten Staaten , Californien , Dregon u . und der Inſel Cuba , nebſt Angabe aller Canåle , Eiſenbahnen , Poſt- und Lands ſtraßen . Ler . -8 . 1853. Preis 2 Thlr . “ Remſcheid , d . 22. April 1853 .
Dr. Rudolf Nagel.
I n h a I t. Seite . Erfte Vorleſung. 1
Geſchichtliche Weltſtellung Amerika's .
Zweite Vorleſung. Geographiſche Weltſtellung Amerika's.
- Urbewohner Nordamerika's .
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Dritte Vorleſung. Anſiedelungen der Engländer an der atlantiſchen Rüfte Nordamerika's . Goldſucher, Puritaner, Quäfer.
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Bierte und fünfte Vorleſung. Franklin , ein amerikaniſches Charakterbild. dem Mutterland . Unabhängigkeitskrieg.
Conflikt der Rolonien mit Washington .
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Sechſte und fiebente Vorleſung. Befiede: Das Aufblühen des neuen Freiſtaats ſeit ſeiner Unabhängigkeit. lung des Miffifippilandes, das unter franzöſiſcher Hand todt da lag, durch engliſche Hinterwaldler. - Deutſche im Herzen Nordamerika's . - Teras.. Religiöſe Zu: Mormonen . Californien . Krieg gegen Merico. funft des neuen Weltſtaats.
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Achte Vorleſung. Allgemeine Verhältniſſe des neuen Weltſtaats und Charakteriſtik ſeiner Haupt theile nach den neueſten Reiſebeſchreibungen .
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Hochverehrte Verſammlung !
Wir Alle, die wir hier verſammelt ſind , wir tragen es wohl noch in friſcher Erinnerung, wie da vor nunmehr fünf Jahren in unſerm Vaterland Alles in gewaltſamer Aufregung und fieberhafter Bewegung war , um mit einem Mal alle Lebensverhältniſſe umzugeſtalten , mit einem Schlag im eignen Vaterland Alles neu zu ſchaffen.
Von dieſer Aufregung , von dieſer Bewegung ſehen wir jeßt nichts mehr , es iſt Alles ſtill und ruhig ; aber eine andere wahrhaft fieberhafte Bewegung und Aufregung gewahren
wir jeßt , wenn wir entlang ziehen den großen Strömen zur Nordſee hinab , wenn wir entlang fahren jenen Bahnen , die jeßt beinahe des Raumes Ent fernungen vernichten , wenn wir da ſehen die langen Schaaren Männer, Weiber, Greiſe, Kinder , Alle gleichſam auf der Flucht begriffen aus Furcht vor Verarmung , vor neuen Kriegen oder Revolutionen , vielleicht auch nur wie der Zugvogel von einem dunkeln unerklärlichen Drang nach Weſten ges trieben , Alle zuftrömend der neuen Welt , in der fte Leben und Freiheit die Fülle zu finden , in der ſte ſich ein neues Vaterland zu gründen hoffen , Alle zuftrömend dem gelobten Land jenſeit des Oceans , Alle zuſtrömend Amerika. Ja wenn wir die Sdaaren derjenigen , die jeßt unſer deutſches Vaterland verlaſſen , bereits nach Hunderttauſenden zählen können , wenn wir ſehen , wie nun in vielen Gegenden die Gemeinden ihre noch irgendwie rüftigen Armen , denen ſie ſelber keine Arbeit geben können , die ſie doch aber auch nicht zu Bettlern füttern wollen , fortichaffen, wie ganze Gemeinden außwan dern , wie ſelbſt die Staatsregierungen es ſich angelegen ſein laſſen , ihren 1 Nagel, Vorleſungen.
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bisherigen Angehörigen drüben eine beſſere Stätte zu bereiten und fich ſelbſt damit bei ihnen ein liebendes Andenken zu ſichern ; dann möchte man wohl ſagen, es ſei eine neue Völkerwanderung. Ia wohl , eine Völkerwanderung gleichſam eine Fortſeßung der alten Wanderung , die da ſeit uralten Zeiten geht mit der Sonne von Oſten nach Weſten , und damit dann nicht mehr bloß ein zufälliges Ereigniß , ſondern ein weſentliches Glied in der Denn gehen wir etwas zurück über die Ge höhern Ordnung der Dinge. genwart in die Vergangenheit unſeres Volke , woher e8 gekommen , wober ihm gefommen der Glaube , ja weiter zu den Völfern der Vorzeit , die der einſt die Welt beherrſcht, ja ſteigen wir herauf zu den Anfängen der Menſch heit : alle Ueberlieferung und heilige Sage der Völker weiſt uns hin nach Dſten , nach dem Morgenland , nad Aften . Wie das alte aften ſo redt liegt in der Mitte der vier Welttheile , wie's ſeine Halbinſeln und Inſelfetten nad allen hin queftreft, wie's jeine Lebensſtröme nach allen vier Himmeles gegenden außjendet : ſo iſt es denn auch der Welttheil , von dem Alles auß geht – und wie es denn jelber nach Weſten hin in jeder Hinſicht ſdmaler und ſchlanker und gegliederter wird, bis daß denn unſer zwar weit kleinerer, aber ebenmäßiger und harmoniſcher geſtalteter und in weit mehr Glieder fich queſtreckender Welttheil hervorſpringt : ſo geht in ihm das Leben von Often nach Weſten , von Alfien nach Europa . In Aften ſuchen die Sagen der Völker die Wiege der Menſdyheit, ſei's im Thal Kaſdimir, ſei’s am Ur ſprung des Euphrat und Tigris , jei's in jenem Paradies zwiſchen den Quellen des Gihon und Sihon ; von dort her haben zu verſdiedenen Zeiten menſchlicher Erinnerung fich die Völferſtröme nad Weften ergoſſen , zum Sheil freilich zerſtörend, wie Hunnen , Mongolen , Türken , hauptſächlich aber um Reiche höherer geiſtiger Bildung zu ftiften , wie Perſer, Germanen , Araber ; von dort her haben wir ſo manches Gewächs erhalten , lo zur Speiſung und Tränkung und Kleidung des Leibes dient ; von dort iſt end lich , da der Menſch nicht allein vom Brote lebt , ſondern von jedem Wort, das aus dem Munde Gottes geht , das geiſtige Brot gekommen , iſt dod dreimal , in Moſes , in Jeſus Chriftus , in Muhamed von dort der geiſtige Gottesdienſt ausgegangen . So ſehen wir dieſen Gang im Verhältniß Aftens zu Europa , des Morgenlands zum Abendland. Aber auch in unſerm eigenen Europa ſehen wir den Gang von Oſten nach Weſten. Denn betrachten wir zunächſt den ſchönen ſonnigen Süden , in dem zuerſt das Les ben erwadyte , als im rauben Norden noch Alles dumpf und ſtarr da lag,
3 betrachten wir die Länder um das Mittelmeer , das mit ſeinen vielen Ver engungen und Erweiterungen zuerſt die Völker dreier Welten zu gemein famem Leben vereinte : da ſeben wir das Leben zuerſt aufgehn im äußerſten Dften , in Paläſtina als ernſter erhabener Gottesdienſt, bei den ſeefahrenden Phönifen als unternehmender Handelsgeift, bei den dumpfen Aegyptern als räthſelhafter Trieb zu ſeltſamen Bauten - von dort , verkünden die Sagen der weiter weſtwärts gelegenen Griechen , kam ihnen der Same der Bildung , der dort zu fröhlichem Götterdienſt und ſchöner Dichtkunft er : blühte ; aber ihr ſchönes Reich ging unter , es ging die Herrſchaft weiter nach Weſten , zur italiſchen Halbinſel, zum ehernen Rom , das , ſo recht in der Mitte des Mittelmeers gelegen , alle Länder des Mittelmeereg ringsum mit eherner Schwertesgewalt zuſammenſchlug ; aud ſpäter , nachdem 3talien den nordiſchen Germanen erlegen , übt die Siebenhügelſtadt als Oberherrin der Chriſtenheit eine geiſtige Weltherrſchaft aus , nicht minder erheben fich andere Städte dieſer Halbinſel , erheben ſich Venedig und Genua zu den Aber ſeit drei Jahrhunderten iſt dieſe Hans Handelsherrinnen der Welt . delsherrſchaft weiter gewandert nach Weſten, zum ſtolzen Hispanien, das ſo recht an der Grenzſcheide zwiſchen dem geſchloſſenen Mittelmeer und dem offenen atlantiſchen Ocean gelegen , ſich zuerſt von jenem bisherigen Uebungeplaß hinauswagte auf die Waſſerwüſten des weiten grauſen Meere , zum alten indiſchen Wunderland und zum fernen Weſten der neuen Welt, das ſich ein Reid, ſchuf, in deſſen Grenzen die Sonne nicht unterging. Es erliegt nun der ſchöne aber entnervende Süden dem rauhen aber kräftigen Norten -- aber auch in ihm Weſten.
ſehen wir denſelben Zug von Oſten nach
Denn da fehen wir , wenn wir von dem nur vorübergehenden
hunniſchen Barbarenreich im äußerſten Often Europa's abſehen , die Welts herrſchaft zunächſt im öſtlichen Theil Mitteleuropa's , in unſerm Vaterland, tas ſo recht im Herzen des Welttheils gelegen, ein halbes Jahrtauſend hin durch als Inhaber des heiligen römiſdhen Reich nach allen Seiten hin mächtiglich waltet , deſſen Oſtſeeſtädte mit Venedig und Genua hinſichtlich der Handelsberrſchaft wetteifern , ja das auch , nachdem ſeine Kaiſerherrlichs feit begraben , in der Vuchdruckerfunft , in der Reformation, in der Wiſſens (daft ein neues geiſtiges Regiment beginnt. Aber ſeitdem es den Glau benszwicipalt im dreißigjährigen Krieg auêgekämpft und barob mit Trüm mern bedeckt und zum Tod ermattet da lag : da geht von ihm die Herrſchaft weiter nach Weſten , der Handel geht von den deutſchen Städten der ge 1*
4 fchloſſenen Oſtſee nach den Rüften der offenen Nordſee, nach dem Nieder land , ſeine ſtaatliche Bedeutung wird aber ganz zertrümmert von ſeinem unruhigen welſchen Nachbar im Weſten , der durch mächtige Könige zu einem ſtarken Manu vereinigt nun unter jenem biffigen vierzehnten Ludwig, nun unter jenem gewaltſamen Revolutionsbegpoten ganz Europa vor fich zittern macht; ja gibt doch auch im Reich der Bildung Frankreich das ganze achtzehnte Jahrhundert hindurch mit ſeiner zierlichen Akkurateſſe und ſeinem brillanten Wiß überall nur zu ſehr den Ton an ! Aber auch von ihm geht es weiter nach Weſten , zum meerumſchlungenen Britannien , das allein ale ſtolzer Siß der Freiheit fich behauptete gegen franzöſiſches Er oberung@ gelüft , das die Seemacht Hiếpaniens wie Niederlands niederwarf und durch alle fünf Welten fich fein ſtolzes Seereich duf , jeden Strand bes herrſchend, ſelbſt jedes Land Europa's mit ſeinen Wachtpoſten belagernd ; in dem endlich der Dichter erſtand, der wie fein Anderer , was alles das Men Ichenherz durchfühlen kann , durchlebte, wie kein Anderer des Schickſals Walten durch alles Leben hindurch erfaßte und darſtellte, der auch uns Deutſche vom engen franzöftſchen Formenwefen befreite , das Land des ge waltigen Shakſpeare.
Aber wenn wir ſo nun im Süden wie Norden un
fers Welttheils dieſen Gang von Oſten nach Weſten wahrnehmen : gerade aus den weſtlichſten Ländern Europa's , gerade aus Hiếpanien und Britans nien ſtnd ſeit drei Jahrhunderten die Unternehmendſten kühn über den weiten grauſen Ocean geſegelt zur neuen Welt , haben dort neue Reiche ge ſtiftet, Reiche , die freilich anfangs da lagen in den Windeln des Mutter lands , die dann aber ſich muthig von ihm losrangen und ſich dann ſelber geſtalteten nach ganz neuen Principien ; ja mit ihren Principien haben ſte ſeit zwei Menſchenaltern zurückgewirkt auf das alte europäiſche Mutterland, um auch dies , freilich nur unter Revolutions- und Kriegsſtürmen , zu ver jüngen , zugleich aber ſind dieſe weiter weſtwärts gebrochen von einem Ocean bis zum andern , ja brechen nun auch ſchon über den weiten , uner meßlichen frillen Ocean in die Urſtätte der Bildung , in das alte , ehedem lebendige , jest tobte verídloſſene Aften herein , um auch dies aufs Neue höherem Leben aufzuſchließen . „ Nad Weften ", ſagt der Dichter, , nimmt der Siß der Herrſchaft ſeinen Weg " . Doch was waren dieſe Principien ? Es iſt hier um ſo mehr am Ort, uns dieſelben in ihrer Aufeinanderfolge vorzuführen , als hierbei denn auch den Unternehmungen der Hispanier , die ausführlich zu erzählen eine Be
leidigung gegen die hochverehrte Verſammlung ſein würde , ihr geſdichts liches Recht wird . Wie jegt die Sehnſucht der Völker nach dem freien Weſten , nach dem Lande der Zukunft geht : ſo ging fte vor acht Jahrhunderten nach dem heiligen Dften , dem Lande des Aufgange.
Nach dem heiligen Land , wo
der Herr gewandelt, nach dem heiligen Grab zogen Jahrhunderte lang die frommen Pilger des Abenblandes , es war , als ob dort allein Gott gegens wärtig ſei, und als daher die Heiligthum in Frevlerhand gefallen war, focht zweihundert Jahre lang die Blüthe der Ritter und Fürſten und Könige und Katſer des Abendlandes um das heilige Grab , fie gewann es auch , aber troß allen Kampfes ging es wieder verloren , zum tiefften Jammer der Ohriftenheit. Da war es denn den Völfern , als müſſe fich im allerfernſten Often noch ein größeres Heiligthum befinden , ein chriftliches Kaiſerreich unter einem Prieſter Johannes ; während im Abendland Kaiſer und Papſt, weltliche und geiſtliche Macht ftets mit einander fämpften , ſollten dort beide Würden in einer ſeligen Perſönlichkeit vereint ſein , und um dieſen feligen Prieſterkaiſer zu ſuchen , zogen fromme Mönche durch die Sandwüſten und Salzſteppen und Schneegebirge und durch die räuberiſchen Nomadenborden Aftens.
So denn namentlich auch der edle Venetianer Marko Polo , und
der fand denn im außerſten Dſten allerdings – nicht ein chriſtliches Pries fterfaiſerreich , doch einen mächtigen Großdan , der ſich den Sohn des Him mels und den Herrn der Welt nannte, fich auch durch ihn Briefe vom Papſt und heiliges Del von Jeruſalem kommen ließ ; ein Reich , das ſich das Himmelreich , eine Stadt , die ſich die Himmelsſtadt nannte , von Menſchen wimmelnd , wie kein Fleck der ganzen Erde ; er ſah dort Reichthümer von Perlen und Diamanten , wie man ſte nie geſchaut, er gewahrte paradicſtſche Inſeln , noch ehe er fte mit Augen ſah , ſchon durch den Duft, der ftd , von ihnen ergoß , er hörte von noch viel herrlicheren Schäßen einer Inſel Zipango , wo ſich Paläſte befänden von lauterem Gold und was er denn erzählte daheim , das erregte allgemein den Trieb dorthin .
Nach
dieſem Reich zu gelangen und damit das Ziel alles Lebens zu erreichen , das war’s, was die Portugieſen trieb , durch die unheimlich verrufene Glühhite del Aequators hindurdum jenes ftürmiſche Vorgebirge herum Afrika zu umſegeln , und was fte denn führte zum alten indiſchen Wunderland und zu dem rings von Muhamedanern umkämpften chriftlichen Prieſterkaiſerreich Aethiopiens .
Nach dieſem Heich auf noch fürzerem
Wege queer nach
6 Weſten ſegelnd zu gelangen - das war'8 , was den fühnen Genueſen über's Meer, über das bisher noch von Niemand befahrene grauſe Meer trieb ; da dies Himmelreich aufzubeden , da dieſem Sohn des Himmels Botſchaft vom heiligen Vater zu bringen , dann mit den Gold- und Edelſteinſchägen dieſes herrlichen Reichs das heilige Grab , dies höchfte, ſeit zwei Jahrhunderten verloren gegangene Heiligthum, wieder zu erkämpfen – das war's , was ihn beflügelte und ſeinem
Unternehmen einen fo romantiſchen Schwung
verlich .
Als er auf der Inſel Haiti hörte von einem Goldgebirg Cibao, da war's ihm die Goldinſel Zipango , ale er der langgeſtreckten Inſel Cuba entlang fuhr , da glaubte er ſich an den Dfifüften jenes affatiſchen Wun derreichs , als er da von einem Fürſten im Innern hörte , glaubte er, es ſei jener mächtige Kaiſerprieſter , ſchicte einen Geſandten ab , der Hebräiſch, Chaldaich , Arabiſch verſtand, war freilich ſehr erftaunt, als dieſer einen ganz einfachen Razifen vor ſeiner Hütte auf einer Matte liegend fand. 218 er todtfrank auf einem zerbrechlichen Schiff unter meuteriſchem Schiff &volt daliegend von den wilden Strömungen an den Ausflüſſen des Drinoco hin und her geſchleudert ward , da war's ihin , ein ſo gewaltiger Strom könne doch nur au &gehn vom erhabenſten Punct der Erde , bom irdiſchen Para dies , an der Pforte des Paradieſes, von dem die vier Lebensſtröme außgehn in alle Welt , war er in dieſem tödtlichen Zuſtand angefommen . 218 er in Retten und Banden nach Spanien zurückgeſchleppt warb , da war es ihm am Web'ften , daß er nicht ſoviel Golt zuſammengebracht, um ein heiliges Kriegsheer auszurüſten und das heilige Grab zu befreien , auf's Dringendſte bat er am Ende feines verbitterten Lebens ſeine Fürſten , doch dies vor Allem nid )t zu vergeſſen. des Columbus Sinn *) -
So romantiſch und idealer Phantaſien voll war noc jeßt liegt eine idwache Erinnerung daran
im Namen Weſtindien . Bei dem fühnen ritterlichen Cortez , der mit einer Handvol entſchloſſener Leute in das gewaltige Reich Montezuma's ein drang , nachdem er alle Schiffe verbrannt , die noch zur Rückfehr loden mochten , da finden wir auch noch einen hohen Sinn , wenn er in all den Drten , wo er durcıkam , jene tempel niederriß, in denen ſchöne Knaben von bluttriefenten Prieſtern zur Abſchlachtung für die Gößen gemäftet wurden, wenn er jenen ſdheußlichen Vißlipugli ſtürzte, dem zu Ehren jährlich Taus
*) Es iſt dies zuerſt in's Licht geſegt von Washington 3rving in ſeiner Biogras phie des Columbus.
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ſenden von Indianern das Herz aus dem Leibe geſchnitten warb , wenn er ftatt deſſen das Zeichen des Kreuzes pflanzte - doch aber fingen ſchon ſeine Soldaten Spottlieder auf ihn , daß er zu ſehr nach dem Gold gegeizt und fte bei der Theilung des erbeuteten Goldes übervortheilt.
Bei dem dritten
der hispaniſchen Entdecker , dem ehemaligen Schweinehirten Pizarro , der das Reich der Infas , das Reich der ſanften Sonnenfinder auf der Hoch ebene von Peru zerſtört, da tritt dieſer Golddurft in recht gemeiner Weiſe hervor ließ er ſich doch von dem einen gefangenen Infa zum Löſegeld ein ganzes Zimmer , 22 Fuß lang und 16 Fuß breit , ſo hoch er reichen fonnte , mit goldenen Gefäßen anfüllen , um dann , als deſſen Bruder ihm ein weit größeres anbot, ihn gefangen zu halten , ja ſogar nachher als Bru dermörder hinrichten zu laſſen.
Golddurft , bloßer Goldburſt war es , was
von dort an vornehmlich die Spanier beſeelte, und wirklich fanden fte denn auch in Peru und Merico wahre Eltorados , desgleichen die Portugiefen in Braſilien eine wahre Diamantengrube ; aber das bloße Gold ſchafft den Segen nicht, über dem
Gold vergaß der in der Heimath zurückbleibende
Spanier Ackerbau, Gewerbe, Kunftfleiß, er mußte all' ſeine Bedürfniſſe von andern Ländern beziehen , es machten die Schäße der neuen Welt nur einen Durchgang durch Spanien zu thätigen gewerbfleißigen Völkern , mit den größten Gold- und Silberſchäßen der Welt mußte Philipp II . für ſich betteln laſſen . Und nun die dorthin Kerübergezogenen und ihre Nach kommen , dieſe ftolzen Creolen , die dort das edle Metall aus der Erde zogen , ſonſt aber fich im heißen Süden trägem Nichtsthun ergaben
nun ,
fte haben ſich allerdings auch im leßten Menſbenalter vom Mutterland log gekämpft und haben ſogar Republiken gebildet , find aber weiter nichts als ein warnendes Beiſpiel, was Republiken ſind ohne Republikaner, d. h. ohne ſolche Bürger , die wirklich im ſauren Schweiß täglicher Arbeit ſich ſelbſt zu regieren und ſich ſelbſt zu helfen gelernt.
Sind doch dieſe ſogenannten Re
publifen nur ein Lummelplaß für das wilteſte Säbelregiment ,
wo alle
Augenblicke ein ehrgeiziger General fich zum Retter der Geſellſchaft auf wirft und Lob den Tyrannen brüllt - in einem einzigen Staat ſeit ſeiner Losreißung vom Mutterland nicht weniger als 237 Mal , doch wohl noch hundert Mal toller ale in unſerm unruhigen Nachbarvolf, und wenn , wie fundige Forſcher meinen , der glücklichfte der ehedem biðpaniſchen Staaten , das Kaiſerreich Brafilien , in welchem freie Neger und Mulatten gleiche Rechte mit den Weißen haben und ſelbft hohe Ehrenſtellen bekleiden , viels
8 leidyt bazu beſtimmt iſt, den Söhnen des gegenüberliegenden heißen Afrika's zum Erbtheil zu fallen - dieſe Republiken ſcheinen doch insgeſammt nur eine fidere Beute für jenen von üppiger Lebenskraft ftrogenden und nach allen Seiten hin fich ausreckenden Freiſtaat, der fich im Norden der neuen Welt aus den engliſchen Colonien erhoben , ja ſcheint barin vielleicht allein noch Heil für ſie zu finden ! Denn ganz anderer Art war der Drang , der die Bewohner Englands über das ftürmiſche Meer nach dem rauhen Norden der neuen Welt trieb . Dorthin lockte kein Gold , kein Silber , kein Edelſtein , der dunkle Urwald, vol tückiſcher , nur aus dem Hinterhalt kämpfender Indianer , ſchredte den Weidling ab , nur mit harter Arbeit , ja weit härterer, alé man jemals in Europa gethan , ia mit eigenhändig körperlicher Arbeit , die doch in dem feinen gebildeten Europa eine Schande war für den gebildeten Mann , die dort nur dem Leibeignen zufiel ,
nur mit Fällen der Bäume , mit dem
lichten des Urralde , mit dem Anbau des Bodens , nur im Schweiß des Angeſichts und zwar in ſteter Gefahr vor hinterliftigen Wilden war borans zukommen – dorthin trieb es vornehmlich nur Solche, waltſame Staatskirchenthum
denen das ge
des damaligen Europa's eß verſagte, nach
ihrem Gewiſſen Gott zu verehren, und die doch , ſo willig fte ſich ſonſt auch jedem Drucke fügen mochten , doch in dieſem innerſten Gewiſſen @punct Gott mehr gehorchen wollten als Menſchen.
Während nun in Europa die vers
ſchiedenen Confeſſionen ſic) blutig zerfleiſchten, lernten hier die Vertriebenen jeder Confeifion fich gegenſeitig achten , daß jeder für ſein inneres Gut das äußere Glück geopfert; während in Europa Inquiſitionsgerichte, Scheiter haufen, Bartholomäusnächte, Dragonaden , dreißigjährige Kriege wütheten , erwuchs im Aſyl tes Roger Williams, erwuchs im Walde del Quäfers Penn der Staat der Bruderliebe .
Während in Europa den Völkern durch
die blutigen Religionsſchlachten die Lebenskraft gebrochen ward , daß ſte, zum Tod ermattet , fid willenlos einem weltlichen Abſolutismus hingaben : lernten dort die Leute, die ganz auf ſich ſelbſt angewieſen Alles ſich ſelbſt zu verðanfen hatten , fich ſelbſt zu regieren , fich ſelbſt Gefeße zu geben , fich ſelbſt ihr Gemeinweſen zu ordnen .
Ja wie denn nun das Mutterland ſte
wie davongelaufene Baſtarde behandelte, da fämpften fte , nachdem alle güt liden Mittel erſchöpft, weldie ihnen die Pictät eingab, ſich vom Mutterland, vom weltbeherrſchenden Gngland los , fie geſtalteten ſich ſelbſt einen neuen Freiſtaat, in dem Jeter nach ſeinem Gewiſſen ſich jeinen Gottesdienſt ordne,
-9 wo Jeder nach ſeiner Anſicht frei rede und ſchreibe , wo ſie denn endlicy ſelber fich Geſeke gäben und ſich ſelber verwalteten . Es wanderten dieje hohen Gedanken über's Meer zurück nach Frankreich, und riefen dort eine ungeheure Begeiſterung hervor , aber in eine krampfhaft zuſammengepreßte Despotie einſchlagend, richteten fte durch den Sklaven , der die Kette bricht, nur Greuel der Verwüſtung an , es fiel das ſich ſelbſt zerfleiſchende Land einem Soldatenkaiſer anheim , der nun mit dem Schwert Ordnung her ſtellte, nun aber auch ſeine Kraft nach allen Ländern Europa's in fteten Ers oberungen ausſtrömen ließ , während er ſelbſt dabei doch in ſo manden ſeiner Einrichtungen unwillkürlich pon der Kraft amerikaniſcher Gedanken Während dieſer Soldatenkaiſer denn mit jeinen Kriegs ſchaaren das alte Europa von einem Ende zum andern durdyjog , unter Strömen Bluts Reiche über Reiche über den Haufen warf und die älteſten Throne Der Chriſtenheit umfließ: ward auch in der neuen Welt eine Er erobert ward .
oberung gemacht , aber nicht durch Soldaten mit flingendem Spiel und bligenden Bajonetten , hatte doch vielmehr der Freiheit& general , batte coch pielmehr das Freiheitsheer , zum Theil ohne Solb , gleich nach dem Krieg , Das ganze Miſftſtøpithal, der fruchtbarfte den Degen niedergelegt Theil des Welttheils , fech &mal ſo groß als Deutſdland, ein Land , wo noch für Unzählige, denen unſer übervolles Vaterland feinen Raum zu geben ver mag , frijder unentweihter Boden ift - die Land , bisher eine Wildniß, ward für die Geſittung erobert durch die Art und den Pflug. Des Sol datenfaiſers Gewaltreich ward gebrochen durch der Völfer einmüthige Bes es ward den Völkern , die nun durch ihre freiwillige Erhe geiſterung bung gezeigt, daß ſie nicht mehr Kinder , auch nicht Knechte , ſondern mün dige Söhne des Hauſes ſeien , geſagt, ſte ſollten nun auch ſelbſtbewußten Antheil nehmen an der Verwaltung des eigenen Hausweſeng – aber es trat nun bald Furcht ein , es würde daraus nur llnordnung entſtehn , es ward nidyt gleich in der Art erfüllt, wie' & in der Zeit der Begeifterung ges meint war , es entſtand darob Verbitterung , durch alle Länder Europa's tobte der Aufruhr, ja drang zuleßt aud in unſer Vaterland , drang ſelbſt in den Staat ein , der wie fein anderer ſein Aufblühn von Anfang an ſeinem hochſinnigen Herrſchergeidlecht verdankt — nun ex find daraus denn Ver faſſungen entſtanden , in denen dem Volk ſolche Rechte gewährt ſind , in benen ihm ift.
namentlid) ein folder Antheil am eignen Staatóweſen berbürgt
Aber dieſe Verfaſſungen , die nun in unſerm Welttheil nur durch fo
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viel Umwälzung entſtanden – was find fle ? Nichte als Nachwirkung deſſen, was auf Amerika's friſchem , jungfräulichem Boden wie von ſelbſt erwachſen, gleichſam eine Eroberung Amerika's in Europa , eine Eroberung des neuen Weſtens im alten Dſten , des jungen Lochterlands im verwitterten Mutter land , ähnlich wie ja der Weſten der alten Welt , wie Europa , wohin die Cultur vom afiatiſchen Often gefommen , nun als dieſer abgelebt war , ihn der Bildung wieder zu gewinnen begonnen.
Aber weil dann dieſe Grs
oberung nicht ſo friedlich vor fich gegangen , ſondern nur durch viel Ver bitterung, ia wer weiß was für Proben von allen Seiten noch zu beſtehen hat : ſo bat denn nicht kloe Tauſende der Hunger weggejagt, jo hat's viela mehr gar Manchen aus denſelben Gründen fortgetrieben in's Herz Nord amerika's , aus denen es einſt die Britten zur atlantiſchen Rüfte forttrieb, und mögen wir denn wünſchen und hoffen , daß fte dort nicht aufgeſchlürft werden vom brittiſchen Weſen , vielmehr daß uns , den Söhnen des Herzens Europa's , ein neues Deutſdland erblühe im Herzen Nordamerika's , wie jenem brittiſchen Rüftenvolk ein Neubritannien an den atlantiſchen Küſten aufgeblüht iſt.
Und ſehen wir denn hiervon zurück auf die romantiſchen
überſchwenglichen Phantaſten des fühnen Genueſen : es iſt doch , als wür den fte dort erfüllt, erfüllt aber in höherem Sinn, als er ſte jelber verſtand. Das heilige Grab zwar — eß iſt nicht wieder erobert , aber Gott joll auch nicht wohnen an dem einen Drt , im Grab ſoll inan das Leben nicht ſuchen , es ift aber ein Land entdeckt , wo jede Gemeinſchaft nach ihrem
Gewiffen
ihren Gottesdienſt zu pflegen vermag ; das Reich des Prieſterfaijers Jo Hannes , der weltliche und geiftliche Gewalt in einer feligen Perſönlichkeit vereint – das iſt allerdings nicht gefunden , es ſind vielmehr beide Sphä ren dort ganz getrennt, aber es blüht eben das religiöſe Leben , weil der Staat nicht herein kommandirt , und es blüht eben das Leben des Staats, weil er Niemanden deshalb für einen ſchlechteren Bürger hält , daß er in religiöſen Dingen ſeinen eigenen Weg geht. Ja wenn Columbus in ſeinen Phantaften fich hinwagt an den alten Often Aftens — eß geht in Amerika in Erfüllung, indem nun ſeit der Entdecung jenes Eldorados am ſtillen Dcean bereits aus dem übervölkerten dineftichen Himmelreich die Leute dorthin ftrömen ,
ſo daß denn einſt aus dem übervölferten europäiſchen
Weſten und aſtatiſchen Diten ,
aus den durch unermeßliche Steppen ,
Wüſten , Gebirge , Meere geſchiedenen entgegengeſeßten Grenzen der alten Welt die Völker friedlich zuſammenwohnen werden im Herzen der neuen
11 Welt .
Zene fchwärmeriſchen Phantaften des fühnen Weltentdeckers — fte
werden Wahrheit. Doch ehe wir dieſes näher ausführen , ſcheint es noth wendig , zunächſt einen Blick zu werfen auf die ganze Geſtalt der neuen Welt , wie fte fich der alten Welt gegenüber zeigt , vielleicht daß fich uns darin ihre ganze Weltftellung , wie ſie geſchichtlich aufgetreten , vorſpiegelt. Doch davon das nächſte Mal.
Hochverehrte
Verſammlung !
In großen Zügen ſuchte ich das vorige Mal nachzuweiſen , wie die jeßige Wanderung nach der neuen Welt eben nur ein leßtes Glieb iſt in der großen Wanderung die feit uralten Zeiten von Oſten nach Weſten geht ; ich ſuchte zu zeigen , wie ſolche Ideen , denen das alte Europa keine Heimath bot , dort eine ſolche ſuchten, dort im Kampf mit den Eingebornen ein neu europäiſches Leben gründeten , ein Leben, das anfangs beſchloſſen lag unter den Windeln des Mutterlandes, dann aber fich ftegreich davon losriß, ja fogar dorthin erobernd zurückdrang und nun auch ſchon das alte Aften an fich zieht . Es mag nun dem ſinnigen Erkunder der Länder und Völker ſonſt ſchon wohl erſcheinen, als ließe fich die Geſchichte eines Volkes ſchon an der Lage und Geftalt ſeines Landes gleichſam ableſen — das auserwählte Volf, von dem das Heil ausgehen ſoll in alle Welt, das aber bis dahin ge ſchieden fein foll von aller Welt, wir ſehen es wohnen am Zuſammenſtoß zweier Welttheile, zweier Meere, und doch von allen Seiten durch Gebirge und Wüften abgeſchnitten ; das zu ſo reicher Individualität entwickelte aber immer in ſich uneinige Volk der Hellenen , wie leicht erkennt man's nicht an der zerſplitterten Geſtalt ihres ſo vielfach vom Meere eingeriſſenen Landes ? das innerliche deutſche Volf , von dem ſo oft das geiſtige Lebensblut nach allen Seiten Europas hin iſt ausgeſtrömt, wer erkennt es nicht, wenn er unſer Vaterland ſo recht im Herzen des Welttheile gelegen fieht ? Wie wär's der wenn ſich uns dies Verhältniß der alten und neuen Welt , wie's geſdhichtlich aufgetreten, auch ſchon in ihrer äußeren Geſtalt offenbarte!
13 Werfen wir nämlich im Geiſt einen Blic auf die Karte der alten und neuen Welt, dann ſtellt fich ein ganz eigenthümliches Verhältniß heraus, ein Verhältniß gegenſeitiger Aehnlichkeit und Unähnlichkeit. In der Mitte einer jeben dieſer beiden Maffen finden wir eine ſchmale Landenge, hier die von Suez, dort die son Panama, und jede diefer beiden Welten feben wir dadurch in eine Nort- und eine Südhälfte zerfallen, die ſich dann wieder eigenthümlich entſprechen .
Denn was fällt uns wohl beim erſten Blick auf
als der Unterſchied zwiſchen dem Süden und dem Norten der alten Welt, zwiſchen Afrifa und dem europäiſch -aftatiſchen Körper ? Doch wohl dies, daß fenes ſo gut wie gar nicht vom Meere eingeriffen iſt, daß es vielmehr als ein maſſtv gedrungener Körper fich darſtellt, dagegen Aften, dagegen namentlich ſein weſtlicher Vorſprung Europa auf's Mannigfachſte vom Meer eingeſchnitten und mit ſelbſtändig vorſpringenden Halbinſeln befekt ift gewiß nicht unwichtig für den Culturunterſchied beider Theile, ſofern Bins nenafrika, ſeit Jahrtauſenden von jedem Verkehr abgeſchnitten, ſtets noch ein verſchloffenes Räthſel geblieben , ſofern feine Bewohner fo tumpf geblies ben , dagegen die Europäer, überall auf's Meer gewieſen, in den mannigfach ften Verkehr unter einander und mit dem Auslande getreten , dadurch das viel gewandte Weltvolk geworden ſind.
Und nun in der neuen Welt
wie Afrika fich verhält zum europäiſch - aſiatiſchen Körper, fo Südamerika zu Nordamerika ; jenes ohne Gliederung, dies doch mit manchen Halbinſeln ausgezact , wohl auch nicht unwichtig für das geſchichtliche Hebergewicht. Sdon hieraus ſteht man , wie beide Welten auf einander angewieſen ſind . Doch ſehen wir etwas näher zu, ſo zeigt fich ein großer Unterſchied zwiſchen der Geſtaltung am ſtillen und am atlantiſchen Ocean. Um den ſtillen Ocean herum da ſtoßen jene beiden Welten zwar im Norden faſt zuſam men, nur eine ſchmale Straße trennt fte, ihrem fühnen Entdecker zu Ehren die Beringsſtraße genannt, aber nach Süden laufen ſie wie vor einander fliehend auseinander, bis fte in zwei ſtürmiſchen Vorgebirgen ihr äußerſtes Ziel erreichen , im Norden nur durch fünf Meilen , im Süden durch etliche Tauſend Meilen wüſten Oceans getrennt .
Von eben dieſem Meere iſt die
neue Welt durch das rieſigſte Kettengebirge der Erde abgeſchnitten , jene 1800 Meilen langen Cordilleren, die ſchon von fern durch ihre Reihe dam pfender Feuerſchlünde ſcrecen , die dazu denn gerade gegen das Meer hin am fteilften abfallen, die dorthin alſo nur fürzere Ströme ſtürmiſch abſtürs zen laſſen, Ströme, die ſo gut wie gar keinen Weg in's Innere bahnen
14 Alles wie zum Spott auf den übertriebenen Eifer derer, die nun, um Aften recht heilig zu machen, von Aften her auch den Urwohner der neuen Welt abftainmen laſſen . Meer.
Aber ganz anders geſtaltet es fich um das atlantiſche
Da laufen die Rüften beider Welten faſt parallel, Skandinavien
ſchiebt ſich in Grönland , Britannien in Labrador, Frankreich in den Lorenz buſen ein , Spanien und Nordafrifa entſprechen ungefähr den Vereinigten Staaten und Weftindien, ganz beſonders aber fügt fich Brafilien in den Golf des Negerlandes Guinea ein . Nicht minder entſprechen fich die Meer buſen, die das atlantiſche Meer nach der alten und neuen Welt hin bildet, merkwürdig.
Wie wir hier haben die Nordſee mit einem engen und einem
weiten Eingang in's offene Meer, ſo dort die Baffinsbay ; wie wir hier jes nes geſchloſſene Binnenmeer der Oſtſee haben, die nur in drei ſchmalen Straßen zwiſchen den täniſchen Inſeln und dem Feſtland fich zur offenen See durchringt, ſo dort ganz in derſelben Art die Sudſonsbay, ja zum Ueberfluß iſt jedes dieſer Binnenmeere, die man lieber Seen nennen möchte, ganz in gleicher Art von einem ungeheuern Kranz von Seen umgeben. Wie wir denn endlich in der Mitte der alten Welt jenes rings umſchloſſene mittelländiſche Meer haben, ſo dort in der Mitte der neuen das von Halb inſeln und Inſelfränzen umgebene mericaniſch -antilliſdhe Meer - wie jenes durch die italiſdhe Halbinſel in zwei Theile ſich ſcheidet, ſo dies durch die von Vufatan , und wie denn um's Mittelmeer, das mit ſeinen vielen engen Stra Ben , Inſeln und Halbinſeln die Völker breier Welttheile ſcheidet und ver bindet, ſich das Leben entfaltet hat, als an den Geftaden des offenen Meeres noch Ales tumpf da lag : ſo hat ſich eben in den Ländern um das merica niſche Meer, ſo hat fich auf den Hochebenen von Peru und Merico und in der Halbinſel Yukatan allein in Amerika urthümlide Cultur entwickelt. In dieſer Art ſehen wir um den atlantiſchen Ocean herum beide Welten ſchon der äußeren Geſtalt nach einander entſprechen ; ja gerade auch nach dem atlantiſchen Ocean breitet die neue Welt ihre gewaltigſten Tiefebenen aus, nach ihm zu läßt ſte ihre Wafferrieſen , läßt ſie den Lorenz, Miffiſtppi, Marannon, La Plata, läßt ſie ebenfalls viel kürzere Ströme, ähnlich denen Englands, ihre Mündungen weit aufſperren, gleich als lüden fie zumn Her einfahren ein – dies Alles zum deutlichen Zeichen , daß der atlantiſche Theil der alten Welt, daß Europa und Weſtafrika vornehmlich auf die neue Welt angewieſen iſt, daß der Europäer in ihrem Norden , der Guineaſdwarze in ihrem Süden, namentlich in Braſilien ſeine neue Heimath ſuchen roll.
15 Aber nun vergleiche man die Natur dieſer beiden Welten weiter
was für
ein Unterſchied ergibt ſich nicht ? Während Afrika von Sandmeeren wallt, während es im Ganzen wenige Flüſſe, und dazu die meiſten in ſteten Waſſer fällen vom Hodland abſendet, Flüſſe, von denen die meiſten überdies in der Gluthhişe verdorren , von denen alſo nur wenige irgend einen Weg in'o In nere gewähren : da walt Südamerika von Grasmeeren und von himmelan ragendem Urwald, da durchziehen ſeine Flüſſe, die riefigſten Ströme der gan zen Welt — hat doch der Amazonenſtrom an ſechszig Zuflüſſe, die kleinſten ſo groß wie der Rhein, die größten größer als die Donau – es von einem Ende zum andern , ja ſie ſchwimmen durch ihre Nebenflüſſe förmlich in ein ander über – Alles das direktefte Gegentheil .
Ja ſelbſt auch in Nord
amerika zeigt ſich etwas Aehnliches, wenn wir, wie billig, es nidyt blos Eu ropa, ſondern dem ganzen Norden der alten Welt, dem
ganzen europäiſch
aſiatiſchen Körper gegenüberſtellen. Da ſtellt es ſich nämlich toch als ſchmaler heraus, weit leichter zu durdwandern von einem biß zum andern Dcean , zwar nicht ſo ſehr vom Meere eingeſchnitten, wie Europa allein, doch wird dieſer Mangel ſchon in etwas durd, die großen Seen erſeßt, wie fte den Lorenzſtrom aufwärts liegen .
Etwas ganz Beſonderes aber tritt
uns,entgegen, wenn wir unſern Blick auf die Flüſſe richten, auf dieſe eigent lich pulfirenden Lebensadern des Verkehr - da nämlich iſt es, al8 ob Nordamerika die Vorzüge der europäiſchen und aſiatiſchen Ströme in fich vereinte . Denn in Aſten zwar ſind die eigentlichen Waſſerricien der alten Welt , ſie gehen auch nach allen vier Himmelsgegenden aus , aber unermeß liche Hochwüſten und Gebirge trennen die Quellen derer, ſo nach entgegen geſeßter Richtung gehen , trennen damit die Bewohner des chineſiſchen Him melreichs vom
turaniſchen Paradies , ſcheiden tas ſonnige Hindoſtan voin
kalten Sibirien . In Europa, da gehen dagegen von einem und demſelben Gebirgsknoten , vom Sanct (Gotthard, die Ströme zur Nordſee, zum Buſen von Lyon , zum Adriameer und zum Dichter ſagt:
ídwarzen Meer , da geht's , wie der
Vier Ströme brauſen hinab in das Feld, Ihr Quell, der iſt ewig verborgen , Sie ſtrömen nach allen vier Straßen der Welt : Nach Abend, Nord , Mittag und Morgen . Und wie die Mutter ſie rauſchend geboren, Fort flieh'n ſie, und ſind ſich auf ewig verloren.
16 Ja vielmehr trop dieſes ſcheinbaren Verlorenſeind geht denn dod faſt von Natur ſhon eine zuſammenhängende Waſſerſtraße von der Nordiee bis zumn fdwarzen Meer.
Aber wie winzig find nicht dieſe Flüffe gegen die aſiatis
ſdjen Waſſerrieſen !
Dagegen in Nordamerika - da ſehen wir den Vater
der Gewäſſer, den Miffifippi oder vielmehr Miffuri noch weit größer und mädtiger als den mächtigften affatiſchen Strom, den blauen Fluß des chines ftſchen Himmelreichs.
Da fehen wir denn aber auch von einem Punfte des
Felſengebirges vier Ströme, unter ihnen den Miſſuri , ausgehen in den ſtillen Ocean, in die californiſche Bucht und den mericaniſchen Golf, da fehen wir namentlich aber von einem Hügelzug des fruchtbaren Binnentief landes den Mifitſippi zum mericaniſchen Südmeer, den Lorenz zum offenen atlantiſchen Dcean ,
den Mackenzie zum ftarrenden Eismeer abgeben , da
fehen wir die blauen Berge des Oſtens und die Felſengebirge des fernen Weſtens burch die Zuftröme des Vaters der Gewäſſer, da durd die daran grenzenden Ströme den atlantiſchen und ſtillen Ocean mit einander ver einigt, da ſehen wir ſelbſt im unwirthbaren Nordland , wohin nur des Pelz händlers Fuß ſich wagt, die Flüſſe und Seen förmlich in einander rinnen eine ſolche Binnenverbindung, wie ſie die alte Welt nicht beſtft, und das mag allerdings als ein Vorzeichen des geſchichtlichen Hebergewichts der neuen Welt gelten. Doch überlaſſen wir uns nicht zu ſehr ſolchen geographiſchen Phantas fien ! So reich ein Land ſein mag, es kommt darauf an , daß die rechten Leute darin ſind, die den Winken der Natur zu folgen, die ihre reichen Schäße auszubeuten verſtehen . Solche Bewohner ſollte die neue Welt erſt von der alten empfangen ehe aber ein europäiſcher Fuß den Norden der neuen Welt betrat, war bereits ein ganzes Menſchengeſchlecht dort von der Erde verſchwunden, und die ihn damals bewohnten , verſtanden , wenn wir von den Mericanern im äußerſten Südweſt abſehen , blos, raſtlos und ſchlan = genklug das flüchtige Wild aufzuſpüren und fich felbft in ewigen Kriegen unter einander aufzureiben. Werfen wir vorerſt noch einen Blick auf dieſe Urbewohner.
Bereits ein Menſchengeſchlecht, ſagte idy, war vertilgt , ehe ein euro päiſcher Fuß den Norden Amerikas betrat - und zwar, füge ich hinzu, ein ziemlich cultivirtes. Dies wird der hodyverehrten Verſammlung vielleicht etwas ſeltſam erſcheinen
denn in der Regel kennt man nur die Bewoh
ner der Hochebenen von Peru und Merico als cultivirte Urwohner Amerikas ,
17 Völfer, von deren Runftfertigkeit noch ießt Ruinen alter Städte und inos beſondere ungeheure Pyramiden Zeugniß geben, Pyramiden , ebenſo vieſto wie die von Aegypten, wie denn namentlich in der Nähe der Stadt Cholula eine ſolche 120 Abftufungen und 1300 Fuß Länge an jeder Seite hat ; aber dieſe Wölfer blühten ja noch, als der Spanier hinfam , woher denn dieſe vertilgten Träger der Bildung ? Nun , wie man in neueſter Zeit am mericaniſchen Golf noch eine dritte Spur alter Cultur entdeckt, wie man nämlich in der Halbinſel Yukatan nicht weniger als die Ruinen von 44 Städten, zum Shell mit Hieroglyphen bedeckt, aufgefunden hat, wie man teßt ſogar einer Stadt auf der Spur iſt, in der ein den Spaniern unzugäng lich gebliebenes Indianervolk wohnen ſoll, das allein dieſe Hieroglyphen zu entziffern bermöchte * ) : ſo hat man auch ſeit der Mitte des vorigen Jahre hunderts in dem großen Mifftſippibecken von den Seen des Nordens bis zu jenem ſüdlichen Golf hin eine ungeheure Menge von Erdwerken aufgefuns den , von denen der rothe Jägersmann auch nicht wußte, woher ſte ſtammten, und zwar Werke der alerverſchiedenſten Art . Einmal nämlich fand man kleinere freiſtehende Hügel, wohl in Regelgeſtalt, auch unſern Hünengräbern ähnlich, und wirklich fand man in gar manchen , die man aufftach, ein Ske lett, in eine Matte oder einen rohen hölzernen Sarg gehüllt, auch wohl ge mauerte Todtenkammern voll Skelette und voll Schmuckſachen, wie Muſchel perlen , Pfeilſpißen, kupferne Armbänder, welche die Liebe der Verwandten mit in's Grab gelegt.
Weiter aber größere Hügel in Geſtalt eines Regels
oder einer abgeſtumpften Pyramide, mit einem Graben und Wal umgeben . Man könnte meinen , es ſei wohl ein Vertheidigungswerk, doch hatte ein folcher Wall nur 250 Fuß höchſtens im Umfang , ſo daß es zum Vertheis digung8werk doch wohl zu klein war, vielmehr leiten bei dem einen die phra midaliſd terraſſenförmigen Abtachungen, die ganz an jene terraſſenförmigen Lempel der Mericaner erinnern , bei dem andern aber die noch, wenigſtens ftückweis, vorhandenen Steinaltare darauf hin , daß fie religiöſen Zwecken dienten wie das Alterthum am liebſten auf den Bergen opferte und Tem pel baute, wie's auf den Bergen eben ſich den Göttern näher fühlte, auf den Bergen , auf denen noch jeßt eine friſchere Gottesluft den Wanderer umfängt, ſo warfen die Bewohner dieſes bergloſen einförmigen Tieflandes dieſe Hüs
*) Nachrichten hierüber finden ſich in Andree's Weſtland in mehreren Auf fäßen . 2 Nagel, Vorleſungen .
18 gel gleichſam dem Himmel näher auf, und ſonderten fte durch Graben und Wälle von der langweiligen profanen Ebene ab . Religiöſen Sweden diens ten auch wohl ſolche niedrige Wälle, wie wir fte finden in Geftalt einer ge ringelten Solange, eine fogar 700 Fuß lang – denn Schlangen waren den alten Mericanern ein Bild der Gottheit. Wälle in Geſtalt anderer Thiere, wie z . B. in Geftalt von Schildkröten, Fröſchen, Eidechſen, Hunden, wie ſte fich namentlich im heutigen Wiskonſin finden, möchte man für Spies lereien halten - e8 müßten denn dergleichen Thiere, wie noch ießt bei den Indianern , eine beſondere Bedeutung als Zeichen der einzelnen Stämme ge habt haben. Ganz beſonders praftiſch ernſten Zweden dienten dagegen wohl jene großen umwallten Hügel , wie fte fich namentlich am Dhio finden — Da nämlich zeigen ſich Hügel , idon von Natur unzugänglich, meiſt nämlich am Zuſammenfluß zweier Gewäſſer gelegen oder von einem zerklüfteten Ufer hervorſpringend , immer aber ſo gewählt , daß fein Nachbarhügel fte bes herrſcht ; dieſe ſchon von Natur unzugänglichen Hügel find dann aber durd Kunft mit Wal und Graben umgeben, mit Wal und Graben in der ver ſdyiedenſten Form , theile im Kreis , theils im Rechtec, theile im Vielec , immer aber ſorgfältig herum ; bei einem dieſer Hügel erſtreckt fich der Wall in der Länge einer deutſden Meile , nach ihm ziehen fidh vom Hügel ſchmale gebahnte Pfade herab und münden in Deffnungen, die aber wiederum mit Schanzen geſchirmt find — dies Alles, ſowie denn auch viele in den Hügeln gegrabene Ciſternen deutet darauf hin , daß es Werke ſein ſollten zur Ver theidigung , vielleicht zur Vertheidigung gegen das rothe Jägervolk der In dianer, als dies von Norden herabrückte; in fold )en Umwallungen konnten fich Tauſende Monate lang gegen den Feind halten . Wer möchte nicht gern Kunde haben über dieſe alten Hügelbauer ? — Aber feines Meniden Gebächt niß weiß von ihnen , nur vielhundertjährige Gidhen bedecen fo manchen von ihnen aufgeworfenen heiligen Hügel, und bezeugen durch ihr bloßes Daſein , daß ſchon ſeit vielen Jahrhunderten folch Heiligthum nicht mehr benußt wird und das daran gebundene Volf von der Erde verſchwunden iſt - nur ſo viel drängt fich Jedem auf, daß ein Volk, das ſolche Werke aufwarf, nicht nach Jägerart im Walddicficht umherſchweifen konnte, daß es vielmehr dicht zuſammen wohnen, daß es alſo wohl auch Acerbau treiben mußte ; ja die zierlich von Stein gearbeiteten Tabaføpfeifen, Köpfe , Vögel, die man in dieſen Hügeln gefunden, verrathen einen nicht geringen Grad von Kunft fertigkeit, die fupfernen Armbänder endlich führen von ſelbſt darauf, daß
19
died Volt bereits Bergbau trieb , wie man denn wirflich in den reichen Kupferlagern , die man jeßt im hohen Norden entdeckt hat, Spuren von altem Bergbetrieb aufgefunden . Doch hiermit mögen denn dieſe alten Hü gelbauer ſanft ruhen in ihren Hügeln ! Ganz anderer Art , ale fie geweſen ſein müffen, waren fene fdywarz äugigen , langhaarigen , bartloſen, buntbemalten Rothhäute, wie fte bei dem Auftreten der Europäer in Nordamerika den dichten Urwald und die gras wallenden Prairien bewohnten . Gebhafte8 Weſen war an ihnen nichts wohl hatten ſte zum Theil kleine Dörfer, es waren aber eigentlich nur be wegliche Lager ; Hölzer, gabelförmig in einander gelegt und mit Fellen oder Matten bedeckt waren ihre Wigwams, bie fich gleich Zelten leicht abbrechen und anderwärts hin tragen ließen ; wohl bauten fte fich allenfalls etwas Maib, dies Getreide iſt ja in ihrem Lande einheimiſch, doch das war nur das Geſchäft der Weiber, des Mannes Luft aber war's, auf der Jagd ums herzuſchweifen . Mit tagelangem Faften bereitete man ſich auf die Entbeh rungen in der ungeheuren Waldwildniß vor, im Schlaf fandte dann der große Geift dem vom Faften ermüdeten Jägersmann Träume und offenbarte ihm darin, in welcher Richtung fich das Wild befände — nach dieſer hin wandten ſich dann die Jäger, mit eben der liſtigen Lautloſtgkeit, mit der etwa dann nun , wann's einem Bären galt, die Solange den Feind beſchleicht war's ihre Luft, ihn im Viereck zu umſtellen und von allen Seiten zu durch bohren ; wann's einer Heerde jener furchtbaren Büffel galt, wie ſie noch jeßt mit rieſigen Häuptern und Hörnern , blißenden Augen, furchtbaren bärtigen Mähnen zu Hunderttauſenden in Weſten des Mifftſippi hauſen, dann legten fte wohl auf der Prairie Feuer an und jagten fte dadurch einen Abgrund berab oder ſchreckten ffe nach ſonſt einem Orte, wo ſte bon ficherm Sinter halt auß fte leicht mit Pfeilen oder Lanzen durchbohrten, oder fte ſchlichen auch in Wolfsfelle gehüllt auf allen Vieren gleich Wölfen heran und durchs uns bohrten dann auf einmal das um einen Wolf unbekümmerte Thier gerechnet, was es ſonſt an Rehen , Hirſchen, Elengthieren , Rennthieren, was eß namentlich in den nordiſchen Seen an Bibern , an jenen kunſtreichen Wafferbaumeiſtern gab, die man dann auch liftig beſdlich. Rehrte man dann nach monatelanger Abweſenheit mit reißer Jagdbeute heim, ſo folgte auf tag raftloſe itmherjagen die ritterlichfte Faulheit, man lag buchſtäblich auf der Bärenhaut, bis wieder Allee verzehrt und ein neuer Auszug noth wendig war – inzwiſchen bergegenwärtigte man fich in luſtigen Tänzen
2*
20 das genoſſene Jagdvergnügen , man hüllte fich in Bärenhäute und ahmte tanzend die wunderlichen Geberden des zottigen Meiſter Braun nach , oder man ſegte einer um den andern fich Büffelfopffelle ſammt Hörnern auf den Kopf und ſpielte tagelang Büffeljagd. Doch gab es auch noch ernftere Jagd, Menſchenjagd, Krieg.
Es ift merkwürdig , in was für eine Unzahl
von Stämmen dieſe Rothhäute zerfielen, Stämme , die jeder fich irgend ein Thier, einen Hund , Wolf, Adler, Raben u . ſ. w. zum Zeichen oder Totem erforen , Stämme, die , ſo wenig Glieder jeder auch zählte — die ſtärkſten mochten höchſtens fünftauſend Krieger in's Feld ſtellen – doch jeder eine beſondere Sprache redeten, und dieſe Stämme lebten denn in ewiger Feinde ſchaft. Nur geringen Anlaß bedurfte es , um Krieg anzufangen - die Die Knochen eurer gebliebenen Lands = Luft dazu war immer vorhanden . leute ", fo brauchte nur ein Redner aufzutreten , , liegen unbedeckt, fte for Ihre Geifter ſchreien gegen uns , wir müſſen Laßt uns nicht unthätig figen , ſalbt euer Haar , bemalt euer Antliß , füllt eure Köcher, laßt die Wälder von Geſang widerhallen, geht und verſchlingt die Mörber unſerer Brüder ! " - auf ſolche Auffor dern uns auf, fte zu rächen .
fte beſänftigen.
derung hin ſtreiften wohl einzelne Kaufen Tagereiſen weit in das Land ihrer Feinde. Galt eg freilich einen allgemeineren Krieg , dann ward es vorerſt berathen in allgeineiner Verſammlung , in der ein Jeder mitreden durfte ; in hochtrabenden , bildreichen Reden erging man fich ; ward's bee ſchloſſen , dann mußte der Hauptfrieger fidy fowarz anſtreichen , Tagelang faſten , den großen Geiſt um Sieg anflehen und in ſeinen Träumen deſſen Offenbarung abwarten – war dieſelbe günſtig , dann hieß es : , laßt uns ihr Fleiſch eſſen , ihr Blut trinken ! " zum Zeichen des Blutkrieges ward eine rothbemalte Art dein Feind überſchickt, in der Regel war fte ſchon dem Ueberbringer todtbringend ; in wilden Kriegestänzen , in denen Giner nach dem Andern, ſeine Art ſchwingend , in die Luft werfend und wieder auffan gend, zu tanzen begann und dabei ſeiner Vorfahren und ſeine eignen Thaten pries , erhişte man fich zur Wuth , rafete zulegt in wahrem Teufelstanz ein Hod in den Lüften " , ſang her. So zog man denn gen Feindebland . man, „ ſchreien die Adler ; fte weßen ihre krummen Sdnäbel ; ſteig empor, Von der Stelle erhebe dich , Kriegøruf ! Ruhm ſucht unſer Führer ". des Südens ", hieß es , „ kommen fte, kommen fte, die Kriegegvögel ; höre den Jon , wie fte ſchreien in den Lüften ! Ich mödte mid verwandeln , möchte ein Vogel ſein, fein wie der ſchnelle Leib , ihm ähnlich ſein !"
Doch
21 ſtürmte man nicht voran gleich dem Adler, ſondern ſchlich liftig voran gleich der Solange. Dffene Schlacht ſchien zu gefährlich , vtelmehr ward die höchfte Ehre darin geſucht, auß ficherem Hinterhalt den Feind zu überfallen , mit der größten Stille bewegte man fich vorwärts , ſorgfältig jede eigene Spur berwiſdenb , felbft aber auf's Genauefte im weidyſten Gras wie auf dem Bärteſten Stein jede Spur beachtend , ob fte von einem Mann oder einem Weib, ja ſogar ob fte von dieſem oder jenem Stamm ſei - in fols cher Art überfiel man ben argloſen Feind ; wen man nicht glaubte ohne Mühe fortſchaffen zu können , den erſchlug man mit der Tomahawkart oder auch lebendig ſkalpirte man ihn, indem man rings um die Stirne einſchnitt, dann das Haar ſtraff faßte und nun mit geſchicktem Griff die Kopfhaut abs 30g , bie Uebrigen nahm man gefangen und brachte fte mit derſelben Lift, mit der man gekommen, nach Hauſe.
Kam man in die Nähe des Heimaths
lichen Dorfe , ſo verkündete ein wildes Freudengeheul die Ankunft, darauf hin bildete die ganze zurückgebliebene Bevölkerung , mit Ruthen, Pfeilen, Spießen, Keulen bewaffnet, eine Gaffe , wodurch die Gefangenen durchpaj firen mußten - unter furchtbaren Hieben und Stichen , nur daß man fich hütete , ihnen einen töbtlichen Streid zu werfeßen. Vielmehr ward dann über ihr Loos berathen - war Einer noch jung , ſchien er noch nicht viel Kriegøthaten gethan zu haben , fo fam er , in's Haus der Gnade " , er ward einer Familie übergeben und hatte eo da gar nicht übel , fonnte wohl darauf rechnen , von einer Wittwe zum Mann genommen zu werden . Wer aber an den vielen blauen Ringen, die er ftch in den Leib eingerißt, als tapferer Krieger , als Ueberwinder gar niancher Feinde erfannt ward , den traf der Zod . ein Glück noch , wenn ihn ein raſcher Tod durch's Feuer traf, in der Regel aber war eg langſame Todesmarter : man ließ die kleinen Anaben ihre Geſchidlichkeit im Bogenſchießen an dein Unglücklichen erproben , tages lang, man beſteckte die nagten Körper mit Splittern von Lerchenholz, fiecte dieſe dann an und ließ fte fo langſam verbrennen , oder man band fte mit einem langen Strid an einen Pfahl, häufte in einem Umkreis von zwanzig bis dreißig Schritten Reißig auf , zündete dies an und röftete fie fo lang fam ; und dieſe Ghlachtopfer fte fanben ihren Ruhm darin , feine Miene zum Schmerz zu verzieben, vielmebr laut ihre Kriegøthaten zu pretjen , viele mehr namentlich fich zu rühmen , mit was für Grauſamkeiten fie felbft die Stammeegenoffen ihrer Ⓡeiniger gemartert; auf folche Weife ſuchten fle dieſelben zu defto größerer Wuth zu reizen , erhielten dann auch wohl deſto
22 raſcher den Gnadenſtoß. In ſolcher Art dauerte der Krieg fort, bis des Mordens genug war. Dann warb ein Gerold mit ſchön verzierter Fries dengpfeife geſandt,
durch fte geſichert betrat er das Verſammlungshaus
ſeiner Feinde , bot fte himmelwärts dem guten Geift an , hielt fte dann erd wärts , die Geiſter der Unterwelt damit abzuwehren , ſchwenkte fte dann im Kreis ring &um , die Waſſer- und Erdgeifter herbeizurufen , und bot fie dann der Reihe entlang den feindlichen Häuptlingen an , die dann mit ihm zu unterhandeln begannen .
Ward der Frieden angenommen , ſo warb die
rothbemalte Kriegbart eingegraben , und ein mit Muſchelſchnüren behängter Wampumgürtel übergeben - bis daß die Kriegówuth aufs Neue ent brannte.
So wild aber auch die Luft der Rothhäute in Jagd und Krieg
war, ſo bilderreich dann auch ihre Beredſamkeit fich ausſprach : im Uebrigen waren fie ftarr , flumm , gefühllos. Kam nach monatelanger Abweſenheit der Hausvater einmal wieder in ſeine Hütte, fand er die Seinen alle munter er ſeşte fich ſtumm nieder , ohne irgend ein Zeichen der Freude ; waren Kinder während der Zeit geſtorben – er gab fein Zeichen der Trauer , 06 man fich dergleichen nun als unmännlich abgeftumpft denkt oder ob es übers haupt von Haus aus nicht da war. Nur bei einer Gelegenheit bemerkten wohl Europäer ſanftere Empfindungen in ihnen , bei den gewaltigen Wundern der Natur – bei'm Antonsfall hörte Carver , der in der Mitte des vorigen Jahrhunderts bas Didicht und die Prairien des nördlichen Miffiſippi Durdh ftreifte, ſeinen indianiſchen Begleiter mit lauter Stimme zum großen Geift beten , er ſei gekommen hier ſeine Macht zu ſchauen , er möge ihm auf weis terer Reiſe blauen Şimmel, glänzende Sonne und ſeinen Schuß gewähren ; er ſah ihn dann dem großen Geift zu Ehren das Beſte , was er befaß, feine ſchönſte Pfeife , ſein Tabaksfutteral, ſeine Armbänder in den Strom herabs werfen , zulegt nöthigte ihn ſein Begleiter , mit ihm zuſammen dem großen Geiſt eine Pfeife zu rauchen . Dem großen Geift war ihre Anbetung ge widmet – dem großen Geift , von dem ſte fich allerdings kein Bildniß und kein Gleichniß machten , ein Zug , der gar manche Forſcher in überheiligem Eifer dahin getrieben hat , fte - mit was für ungeheuren Wanderungen !
von den Juden abzuleiten
warum nicht auch von den Perſern und
Germanen , von denen boch Aehnliches berichtet wird ?
Wenigſtens war
dieſer große Geift nicht der einzige Geift, den fte verehrten, vielmehr , wie bei den Griechen, war jeder See, Fluß , Mald , Baum noch von beſonderen Geiftern erfüllt, deren Scuß man fich auch ſonſt empfahl; ganz beſonders
23 aber hatte Jeder noch ein Privatheiligthum bei fich , das ihn gegen Unheil ſchüßte, eine ſogenannte Medicin - wuchs nämlich der Jagersmann heran , ſo ging er in den Wald, faftete, flehte, bis er ermattet einſchlief, im Traum zeigte ihm dann der große Geift irgend ein Thier , aus deffen Fell bereitete er fich dann einen Beutel zum Heiligthum , zur Medicin , die er niemals von fich that. Einen eigentlichen Prieſterſtand gab es nicht — doch gab es Weiſſager , , Medicin-Männer “, die , mit Wolfsfellen angethan oder vielmehr in Wölfe verkleidet, mit ausgeſtopften Eidedſen , Fledermäuſen, Fiſchen , Eichhörnchen , Krokodilchen, Schlangen und anderm Ungeziefer bes durch furchtbares Schreien und
hangen, fich durch narkotiſche Kräuter ,
Trommeln ſelbft in die gräßlichſte Raſerei verſekten , bis fte wie tobt hins fielen , dann aber vom Scheintod wieder zu fich fommend theilten ſie mit, was ihnen der große Geiſt über die Zukunft offenbart – und zwar fagten fte, wie ſehr aufgeklärte europäiſche Reiſende bezeugen , die Zukunft richtig voraus. Erzählt doch unter andern Carver einen Fall, wo Indianer euros päiſche Kaufleute erwarteten und fte befragten einen ſolchen Medicinmann, und er dann , raſend , ſcheintodt, vom Scheintod erwachend enthüllte ihnen, am andern Mittag werde ein Rahn kommen , der Nachricht bringe — und To geſchah's , man mag'8 denn magnetiſch oder ſomnambül erklären. Dies ſelben , Medicinmänner " waren es auch , welche durch ihre gräßlichen Ges oder auch zu Tode ſchreckten . berden die Kranken zum Leben furirten War ein Indianer geſtorben - und er ſtarb mit derſelben gleichgültigen dann ward der Körper bekleidet wie bei Lebs Ruhe, mit der er gelebt zeiten , und mit bemaltem Geſicht aufrecht auf eine Matte gefeßt, ſeine Waffen neben ihm , denn auch im Jenſeits ſollte er Jagd und Krieg führen. War es dann ein berühmter Krieger , ſo begann die Todtenflage, wie Cars ber eine ſolche überliefert. Doch hören wir fte lieber in den Sdillerlichen Worten !
Seht, da fißt er auf der Matte, Aufrecht figt er da, Mit dem Anſtand, den er hatte, Als er's Licht noch fah. Doch wo iſt die Kraft der Fäuſte, Wo des Athems Hauch, Der noch jüngſt dem großen Geiſte Blied der Pfeife Rauch ?
24
Wo die Augen , falkenhelle, Die des Rennthiers Spur Zählten auf des Graſes Welle, Auf dem Thau der Flur ? Dieſe Schenkel, die behender Flohen durch den Schnee, Als der Hirſch, der Zwanzigender , Als des Berges Neh ? Dieſe Arme, die den Bogen Spannten ſtreng und ſtraff! Seht, das Leben iſt entflogen , Selt, fie hängen ſchlaff! Wohl ihm, er iſt heimgegangen , Wo kein Schnee mehr iſt, Wu mit Mais die Felder prangen , Der von ſelber ſprießt. Wo mit Vögeln alle Sträuche, Wo der Wald mit Wild, Wo mit Fiſchen alle Teiche Luftig find gefüllt. Mit den Geiſtern ſpeiſt er droben , ließ uns hier allein, Daß wir ſeine Thaten loben Und ihn ſcharren ein . Bringet her die legten Gaben, Stimmt die Todtenklag?! Alles ſei mit ihm begraben, Was ihn freuen mag.
Legt ihm unter's Haupt die Beile, Die er tapfer ſchwang, Auch des Bären fette Reule, Denn der Weg iſt lang. Auch das Meffer, fcharf geſchliffen , Das vom Feindeskopf Raſch mit drei geſchickten Griffen Schälte Haut und Kopf.
255 Farben auch , den Leib zu malen , Steckt ihm in die Hand, Daß er röthlich möge ſtrahlen In der Seelen Land . In dieſer Todtenklage erkennen wir am reinften das Ideal Deo Ins bianerthums; denn was nimmt der Indianer als leßtes Ideal mit herüber in's Jenſeits ? Bagd und Krieg. Doch ein bloßes Jagt- und Kriegsleben es reibt fich ſelber auf, und wie bleibt das reichſte Land dabei nicht brach liegen ! wie viel Land braucht nicht der einzelne Jäger für fich ! wie dünn fönnen dabei die Menſchen nur geſät ſein ! Ein befferes dauerhaf teres Ideal mußte auf dem reichen unermeßlichen Boden verwirklicht werden von den europäiſchen Einwanderern , bei dem freilich das Ins dianerthum ganz zu Grunde ging.
Doch ehe wir dies zugrundegehen
des rothen Mannes betrachten , werfen wir noch einen Blick auf ſeinen Urs ſprung. Abſichtlich habe ich es bisher vermieden , mich hierauf einzulaffen -über dem Ungewiſſen ſoll man nicht das Gewiffe vergeſſen , erft vielmehr ihre Sitten ſchildern , dann etwa fragen, woher ſte ftammen . In der Regel läßt man fte , läßt man überhaupt alle Urwohner der neuen Welt aus dem alten heiligen Aften abftammen , etwa über die Beringsſtraße feßen oder über die Aleuten wandern aber wie ſollen denn die Bewohner des heißen Südaftene durch dieſe Eisregion gezogen ſein , um dann wieder im Süden fich ein wärmeres Land zu ſuchen ? Sie müßten denn quer über die Südſee gekommen ſein – und das wagen doch die Chineſen erft jeßt , erft ſeit der Entdeckung des californiſchen Goldes . Und was für Verändes rungen mußten nicht im ganzen Körperbau vor fich gegangen ſein , ehe aus dem Mongolen der Amerikaner ward !
Vielmehr haben wohl die Jrofeſen
Recht, wenn fie ſagen : Aoneo d . 1. Amerika ſei ihre Heimath.
Es find
ſolche Herleitungsverſuche meift aus dem Streben entſtanden , der Ehre der Bibel zu genügen , fofern ihr alle Menſchen von jenem einem Paar abftam men. Doch will man hier bibliſder ſein als die Bibel felbft denn da zur Zeit, wo fte geſchrieben warb, Amerika den Kindern Iſrael noch unbes fannt war wollen .
fo fann auch ihr Urpaar mit Amerika nichts zu thun haben
Was aber den eigentlich religiöſen Gedanken anlangt , der dem
Apoſtel Paulus vorſchwebt , wenn er in jener großartigen Rede zu Athen ſagt, daß Gott aus einem Blut aller Menſchen Geſchlechter habe auf Erben
26 wohnen laſſen * ) , den Gedanken nämlich , daß nicht, wie Griechen und Jus den wähnten , jedes Volk blos für fich da fei, fa fogar die andern Völker blos als Barbaren und Heiben von fich zu ftoßen habe , daß fte vielmehr alle berufen ſeien zu einem großen Gottesreich nun , der hat auch dann ſeine Wahrheit, wenn auch die amerikaniſchen Urvölker ihren beſonderen Stammbater gehabt haben , und man möchte nur wünſchen , daß die Eins wanderer aus der alten Welt , die dort allerdings ein beſſeres Ideal vers wirklicht, dies etwas mehr bedacht. Doch von dieſen Einwanderern das nächfte Mar.
* ) Apoftelgeſchichte 17, 26 .
Hochverehrte Verſammlung !
Ich habe das vorige Mal verſucht , Ihnen ein Bild derer vorzuführen, To die neue Welt bewohnten , noch ehe ein europäiſcher Fuß fte betrat einmal jene alten Hügelbauer , die idon dicht zuſammenwohnten , Aderbau trieben , heilige Hügel aufrichteten und gegen ihre Feinde große Verſchans zungen aufwarfen , doch die ſchlafen nun ſchon ſeit Jahrhunderten unter ihren Hügeln - anderſeits die umherſtreifenden Rothbäute , deren legtes Ideal biß in's Jenſeits herein Jagd und Krieg war. Ein ſolches Ideal aber, ewig Jagd und Krieg, das reibt fich ſelber natürlich auf.
Seben wir
nun zu , was für Ideale dauerhafterer Art der Europäer dort zu verwirk lichen ſtrebte , feben wir , was für Völfer hauptſächlich daran gewirkt, und betrachten wir dann zunächſt die Beftebelung dee atlantiſchen Geſtades. Befanntlich iſt das atlantiiche Geftade Nordamerika's vornehmlich den Eng ländern zugefallen , und wirklich , noch bevor Columbuß auf ſeiner dritten Reiſe das fübliche Feſtland der neuen Welt erreichte , geſchah es , daß ein Venetianer , Cabot, im Auftrag Heinrich's Vill . nach Norden regelte, dort wo möglich einen Durchweg zu finden nach dem alten indiſchen Wunder land , von dort felbft aber wo möglich Goldſchäße zurückzubringen . Doch die eig- und ſchneebedeckten Küſten Labradors , die er fah , gewährten feins darum nahm denn jener ſtolze Despot zwar fühn den ganzen von beiden Norden der neuen Welt in Befis , doch da man fenen Wunſch nicht erfüllt fand, ließ er zunächſt andere Völker dort ihr Heil verſuchen . E8 waren denn zunächſt die romantiſch - ritterlidien Spanier , die von
28 ihren reichen weftindiſchen Inſeln eindrangen .
Den Quell ewiger Jugend,
den Jungbrunnen ſuchte der edle Ponce de Leon in jener ſchönen Halbinſel, die wie fein anderer Sheil des nordiſchen Feftlandes in jüdlich tropiſchem Blumenflor prangt und die er deshalb Florida nannte - da traf ihn der Todespfeil eines Indianers .
Gold , Gold , Gold ſuchte ſein fühner Nach
folger Fernando Soto, durch Goldvorſpiegelung ließ er ftch von den liftigen Indianern von Florida's Küfte weg nach Weflen in die wildeften Dickichte locen -- da fand er ein Grab im Vater der Gewäſſer . Gewiſſensfreiheit ſuchten franzöftiche Hugenotten , die auf Antrieb des edlen Coligny nach Florida gingen , dort den Scheiterhaufen ihres Vaterlandes zu entgehn, dort nach ihrem Gewiffen Gott anzubeten – da aber traf fte der für den Papſt und die Meſſe ſchwärmende Spanier und henkte fte auf , „ als Keßer, nicht als Franzoſen . "
Reichen Handelsgewinn ſudyte jene bolläns
diſche Handelsgeſellſchaft, die an der weiten Mündung des von Heinrich Hudſon entdeckten ſchönen Stromes auf der Inſel Manhattan ftd ein Neu Amſterdam anlegte ; wirklich fand fte ihn auch
aber um ihres Gewinned
recht ſicher zu ſein , behandelte ſie die dortigen Auſtedler ganz patriarchalifah Despotiſch, es berlangten dieſelben denn doch audy etwas mitzuſprechen und mitzuregieren in ihren eigenen Angelegenheiter:
es warb ihnen verweis
gert: , er hänge von Gott und von der Handeløgeſellichaft ab , niõht von einigen wenigen unwiſſenden Unterthanen ", entgegnete der fonft tüchtige Statthalter Pater Stuyvciant. Da war's dieſen lieb , ale die während Deß angeftedelten Engländer, in deren Anftedelungen edle Freiheit und Gelbftregierung walte , zur Eroberung anrücten , bergeblich rief fte Stuyveſant zur Vertheidigung auf - jenes Eigennuß- und Willkürregia ment kam zu Fall , Kniderbocer "
aus dem kleinen Neu- Amſterdam der holländiſchen
blühte unter engliſcher Freiheit Neu - Dorf auf.
Doch
hiermit find wir bereits in die Unternehmungen der Engländer gerathen . Troß Cabots vergeblichen Verſuch war es doch wieder Goldfucht, was im leßten Drittel des rechezebnten Sahrhunderts engliſde Seefahrer nach Labrador trieb , wirklich , fle brachten ganze Schiffsladungen Golderz mit nach Haus – da zeigte ſich , daß es Werthlores Zeug war . Gold ſudite denn aud Walter Raleigh, der die ganze Küfte zu Ghren der jungfräulichen Königin Virginien nannte , in ihrem ſonnig üppigen Süden, zweimal legte er zu dieſem Zwed Colonien an bald fand man feine Spur davon mehr. Sroßdem war es abermale Goldburſt , was eine Kaufmannsgeſellſdaft in
29 London bewog , fich von König James I. einen Freibrief auf den ſüdlichen Sheil Virginiens ausſtellen zu laſſen ,
dorthin wollte fte Goldſucher
bringen , ein Fünftel des edlen Funde route der König erhalten.
Hohe
Ablige, Juweliere, bankerotte Kaufleute, Bediente, unruhiges Volf , das zu Hauſe allerlei Skandal angefangen , ſolche Leute waren es , die dorthin fuh ren den famesfluß herauf, Gold zu ſcharren - wirflich fanten ſte goldfar bige Erde, ſcharrten fleißig in goldfarbiger Erde , es war aber nicht Alles Gold , was glänzte, ja fte ftarben faft Hungers , ra die mitgebrachten reichen Vorräthe aufgingen , zur Befinnung aber kamen fe nicht. Nur ein Mann war unter ihnen , der bald die Wahrheit ausfindig machte eine der abenteuerlichften Perſonen in jener gährenden Zeit, Gelehrter , Soldat, Seemann zugleich , Capitän Smith. In England geboren , diente er in Holland als Soldat , focht dann unter des deutſchen Kaiſers Fahnen gegen die Sürfen , hieb einmal in einem Gefecht drei Jürfen die Köpfe ab , ward gefangen , diente einer ſchönen Türkin in Conſtantinopel , ward an einen Tartaren in die Krimm verkauft, ſollte dreſchen, zerdraſch ſeinem Herrn den Schädel, floh nach Rußland , focht dann in Nordafrika gegen die Seeräuber - jeßt war er in Virginien , dieſe unruhigen Geſellen zu regieren .
Nun,
dieſer abenteuerliche Mann erlebte dort einerſeits auch die größten Aben teuer : einſt waren all' feine Gefährterr von den Indianern erſchlagen , da zeigte er ihnen die Wunder des Compaſſes und rettete ſich damit ; ein ander Mal lag er ſchon vor einem Cazifen ausgeſtrect, um mit dem Toma bawf erſchlagen zu werden , da ſprang des Cazifen Tochter hervor und warf fich dazwiſchen - anderſeits aber ſah gerade er , worauf es daſelbſt anfam . In Amerika , erklärte er laut , käme man nur voran durch Mühe und Arbeit, deshalb bat er die Handelsgeſellſchaft, fie möchte toch lieber Fiſcher , Ackerbauer , Handwerker ſchicken . Doch dieſer wackere Held ward mit Undank belohnt, frank fortgeſchickt, man ſchickte vielmehr nach wie vor dergleichen vornehmes Volf , auch wohl Sträflinge, Gold zu ſcharren bis daß man durch Schaden klug ward und nun anfing namentlich Mais und Tabaf zu pflanzen, freilich bald aud ſchon mit Hülfe von Negerſtlaven, da man in dem heißen Klima doch immer etwas faul war . Mit foldem wunderlichen Volf wollten denn auch honnette Frauen nichts zu thun haben , als es nach Frauen von dabeim begehrte , grade wie weiland mit dem edlen Räubervolk, aus dem der römiſche Raubftaat hervorging -- endlid, ließen fich hundert Straßendirnen , Harfenmädden u . dergl . in England bereit
30 finden , fich dorthin ſchaffen zu laſſen , da murden fte denn, das Stüd zu 200 Pfund Tabaf , von der Hantelegeiellſchaft an die Pflanzer berfauft. Dies Volk ward denn nun auch von ſeinen Kaufherren recht hündiſch bes handelt Alles , was Einer erarbeitete , und Feder ſollte feche Stunden täglich arbeiten , das fam in tag Vorrathohaus der Kaufberren , die dann dafür einen färglichen Lohn auszahlten – bis daß ihr Gigennuß dahinter kam , daß auf dieſe Weiſe die redte Triebfeter zur Arbeit fehlte. Da ließen fte denn Jeden für ſeinen eignen Gewinn arbeiten und begnügten fich mit Beziehung einiger Abgaben ; da tenn gewöhifte ſich das nichtsthuige Volf bald an Arbeit , da ſte ihm ſelefi Gewinn gab , und die Niederlaſſung gebieh , zumal bald darauf jene eigennüßige Kaufmannggeſellichaft vom König aufgelöſt ward.
Von Seiten des Königs ward denn dies unruhige
Volf zunächſt nur durch's Kriegsgeſek im Baum gehalten ; auf das ge ringfte Vergehen ſtand der Tod .
Doch ſchon vierzehn Jahre nach der
erſten Einwanderung , im Jahr 1621 , ward den Gingeſeffenen das Recht gegeben, ihre Lüchtigften in eine gefeßgebende Verſammlung zu wählen , die Beſchlüſſe dieſer Verſammlung ſollten allerdings noch dem Veto des fönig lichen Statthalters unterworfen ſein, dagegen ſollten aber auch Verordnungen des Statthalters feine Kraft haben ohne Einwilligung der Verſammlung. Bei dieſer edlen Selbſtregierung, bei tüdhtiger Arbeit blühte dann aus den wun derlichen Vätern ein fräftiger Schlag von Söhnen herbor — in hartem Kampf mit den Indianern , die nach ihrer tüdiſchen Art einſt an einem Tag an einer Stunde 347 Pflanzer in ihren eignen päuſern , wo ſte fich zur Ar beit verdungen , erſchlugen , gleichſam eine virginiſche Veſper , dafür denn aber auch theild wie die wilden Thiere gejagt , theils mit gleicher Lift ficher gemacht und plößlich erinordet wurden . So ging alſo die erſte Niederlaſſung der Engländer von Gold aus, freis lich um nicht darin zu bleiben doch ſchon ganz anderer Art waren die Grundfäße, von denen die weitere Beftedelung der ſüdlichen Küſte augging . Als ein liebenswürdiges Gegenſtück zu jener gemein habgierigen Kaufmanngs geſellſchaft erſcheint es, wenn über ein Jahrhundert ſpäter König Georg verarm ten Schuldnern daſelbſt eine beffere Stätte zu bereiten ſuchte, als im engliſchen Shuldthurm . Noch icßt preift dort der Name Georgien den menſchenfreunds lidhen Fürften. Doch hatten ſdon lange vorher ernſtere Principien , nämlich Principien religiöſer Art , neue Niederlaſſungen hervorgerufen. Vergegen wärtigen wir uns zu dem Ende den damaligen religiöſen Charakter Englands.
31 In England war befanntlich die Reformation auf etwas eigenthüms liche Weiſe eingeführt worden .
Es war ja das Wohlgefallen an der
fchönen Anna Boleyn , was den launigen Despoten Heinrich Vill . antrieb, fich von ſeiner bravén Katharina ſcheiden zu laſſen und , als der Papft mit Recht ſeine Hand dazu nicht hergeben wollte , den Papſt für England abzu feßen und fich felbft dort zum unfehlbaren Papſt zu machen darin bes ftand ſeine Reformation, im Uebrigen ließ er Alles beim Alten , Anhänger des Papſtes und Leſer der lutheriſchen Bibel hingen an demſelben Galgen . Erft allmälig ward im religiöſen Leben und Erfennen etwas Neues anges bahnt und im Befenntniß ausgeſprochen – und dennoch, ale nach den Vers folgungen der blutigen Maria die Reformation durch die jungfräuliche Kö nigin zum Sieg gelangte ,
da war es doch vor
Allem
das unfehlbare
Supremat der Königin , worauf es ankam , während man ſonſt in dem prächtigen Pomp der Biſchöfe , in dem finneblendenden Cultus , in den enda Iofen Liturgien ſo ziemlich katholiſd blieb. Deshalb mußten denn römiſche Katholiken und andere Diffenters vornehmlich als Staatsverbrecher gelten erfannten fte toch den weltlichen Oberherrn England nicht als Papft an , hielten ſich jene vielmehr an den Papft in Rom . So geſchah's , daß ein engliſcher Edelmann , ein wirklich edler Mann , Lord Baltimore , ſeine Würden , Aemter und Güter verlor , weil er von der engliſchen Hodkirche zur römiſchen überging . Er wanderte nach Virginien , dort eine Zuflucht zu finden aber, hieß es , wir nehmen Niemand auf, der niật den König von England als Papſt anerkennt.
Verſtoßen , ließ er fich denn vom König
Karl I., der gerade mit einer papiſtiſchen Prinzeſſin Marie verheirathet war , das Land am Potomac anweiſen , bas er jener Königin zu Ehren hier denn in Maryland, und das erklärte er gerade zu
Maryland nannte
der Zeit , als in DeutſQland der dreißigjährige Krieg zwiſden Ratholifen und Proteſtanten wüthete , hier ſollten alle chriftlichen Kirchen gleiche Bes rechtigung finden, es war , als ſollte hier ein Hirt und eine Heerde werden ! Er ſelbſt zwar ſchaute ſein Werf nur von fern , er ſtarb , noch ehe ein Auss wanderer den heiligen Boden betrat , aber ſein Geift wirfte fort bafelbft, nody jeſt erinnert die große Stadt Baltimore an dieſen etlen , ſeiner Zeit weit vorau @ geeilten Mann . Nicht minder trieb das ſchroffe Weſen der anglifaniſden Hochkirche mehrere andere Leute aus Virginien heraus – fte ließen fich nieder am Albemarleſund , mit der Erklärung : „ ſte wollten feinen Oberherrn haben als Gott allein , auch keine Gefeße, als welche ihnen
32 die eigene Bernunft gäbe über Recht und Unrecht. “
Nun, ſte erkannten
Denn doch Rönig Karl II. als Oberherrn, aber in religiöſer þinficht folgten fie ſich ſelbſt, und durch dieſe edle Freiheitsluft gedieh denn dieſe caroliniſche Niederlaſſung ſo ſehr , daß fte ftch bald icon in eine Nord- und eine Südfolonie theilen mußte.
An dieſe neuen friſchen Länder knüpften fich
freilich zunädyft wunderliche mittelalterlich moderne Träumereien. König Karl II . ſchenkte nämlich Carolina acht engliſchen Edelleuten zum Eigenthum , und die ließen fich denn von einem engliſchen Philoſophen eine Mufterſtaats verfaſſung ausflügeln – ſte ſelber wollten die eigentlichen Erbeigenthümer fein und das Ganze regieren, neben ihnen ſollten Landgrafen , Burggrafen , Cazifen, Barone einen hoben Adel bilden, darunter das Bolf ftehen , ein Fünftel des Landes wollten ſie zu eigenem Gebrauch haben , ein Fünftel dem Adel, drei Fünftel dem Volfe gegen Zins überlaſſen , hoher Adel und Volk ſollten ſich ein Parlament wählen, das dürfte aber nur über Vorſvläge der Erbeigenthümer berathen, auch ſollten ſeine Beſchlüſſe unbedingt verworfen werden dürfen .
Die engliſche Hochkirche ſollte die eigentliche Nationalkirche
ſein - wenn auch Solche, die überhaupt an Gott glaubten , geduldet werden könnten . Nun , e8 famen aud Grbeigenthümer , e8 famen Landgrafen , Burggrafen, Caziken , Barone, es kamen anglikaniſche Biſchöfe mit großem Pomp in dem Lande, wo man nur durch Arbeit und zwar körperliche Arbeit voran kam , in dem
großen Tempel der unentweihten Natur ftarben
fte bald aus, für noble Paſſionen war fein Raum .
Den Erbeigenthümern ,
die da Zins einforderten von Leuten , die ſich da zuerſt auf eigene Fauſt nies dergelaſſen, wollte Niemand bezahlen - ja ſelbft von den Leuten, denen ſte dort erſt Land verkauften , traten , da dieſe ſich bald zu fühlen begannen , ihnen ſo viel Schwierigkeiten entgegen , daß ſie bald froh waren , der Krone ihre Anſprüche für ein Spottgeld zu verkaufen. Gerade das Gegentheil von ten Adeligen und Goldſuchern , die vor nehmlich im Süden ihr Heil juchten , waren jene Puritaner, die nun in den allerrauheften und ſteinigtſten Norden zogen , nicht von Raufleuten ausge= ichickt, nicht von hohen Lords protegirt, ſondern ganz auf fich geſtellt, viel mehr vom Vaterlande ausgeſtoßen , zogen fte dorthin, dort ein Reich der Heiligen zu gründen .
Unheiliges Weſen war es , was ihnen an der hohen
Kirche ihres Vaterlantes auffiel – hochgeſtellte Biſchöfe widerſpradien dem allgemeinen chriſtlichen Prieſterthum, ſtundenlang vorgeleſene Gebete und Liturgien wurden zum heidniſchen Herplappern , pompöſe Meßgewänder,
33 Heiligenbilder erinnerten ſtets an das Heidenthum deß römijden Papſtthums, und wie ſollte man , nachdem man den Papſt in Rom abgeſchüttelt, nunmehr den jeweiligen König oder gar die jeweilige Königin von England als un fehlbaren Papſt in Sachen der Religion anerkennen ! Aber ſo wollte es eben die jungfräuliche Rönigin, fte, die in dem finnlichen Pomp des Ratho liciếmus aufgewachſen, nur zu dem Ende der Reformation ergeben zu ſein ſchien, um ihrer Herrſchſucht deſto mehr fröhnen zu können , ja mit der uns erbittlichften Strenge beſtand ſte darauf, daß durch den ganzen Gottesdienft auch in den äußerlichſten Dingen die größte Gleichförmigkeit im ganzen Lande herrſche wer fich dem nicht fügen wollte, wer nicht zur hohen Rirde kam , wer gar daheim fich erbaute , ward gleich einem Verbrecher in's Gefängniß gethan. Eine Religion , eine Lehre, eine Disciplin 11 ward kommandirt, ,,werdet immerhin Heuchler und Satans , aber geborcht ! " hieß es ; auf ſolche Weiſe ward das, was allerdings wohl das legte Ziel eines Volkes iſt, daß es auch im religiöſen Leben ſich einig fühle und wiſſe und bekenne, erzwungen . Da hieß es : , lieber Gott gehorchen , als Menſchen ! " Entſdýloſſen zogen Mehrere nach Holland, und lebten mehrere Jahre fried lich in Amſterdam -- aber in der großen Handelsſtadt ließ fich der Sabbath nicht ſo ſtreng und heilig balten , wie's ihnen als göttliches Gebot erſchien, 8 ihre Jugend war auch zu vielen ſinnlichen Verſuchungen ausgeſeßt. , Nun , hieß es, „ wir find doch einmal entwöhnt von der jüßen Milch des Mut terlandes , wir ſind doch einmal gewöhnt an die Trübfale des fremden Lan des, find einmal Fremdlinge und Pilgrimme auf Erden - wir haben uns einmal zuſammengethan zu einem heiligen Gottesbund, den wir nicht wol len laffen brechen auf denn , Volf Gottes , über's Meer in's gelobte Land ! “ Mit Mühe erlangten fte's von König James I. — nicht, daß er erlaube, ſondern daß er ignoriren wolle, wenn fte als ſeine loyalen Unters thanen in das ihm gehörige Nordvirginien zögen, mit Mühe von einer habs gierigen Handelscompagnie, daß ſie ihnen unter harten Bedingungen zwei Schiffe gab, auf denen ihrer hundert und zwanzig, unter lautem Weinen, deffen man ſich doch troß aller Abhärtung nicht erwehren fonnte, unter lau tem Gebet und Flehen abfuhren.
Doch bald ward das eine Schiff lect, man
mußte nach England zurück, gar Manche verloren den Muth und gaben die Fahrt auf , als fein neues Schiff zu bekommen war ; aber defto entſchloſſe ner waren denn die hundert Männer, Weiber, Kinder, die denn nun in der engen , Maiblume“ zuſammengepreßt im Spätherbft fich auf das ſtürıniſche 3 Nagel, Vorleſungen.
34 Meer machten.
Es war in den erſten Tagen des Dezember 1620 , ale fte
an einem rauhen eigbedeckten Felſenufer einen guten Hafen zur Einfahrt in's Land Kanaan entdeckten wie jdlug ihr Herz darnach ! aber es war Sabbath, den Tag des Herrn durfte man nicht mit dem Geſchäft der Lan dung entweihen nun es war, als ob die Hand des Herrn ihnen voran gegangen und ihre Feinde vertilgt, von Indianern fanden fich nur Gräber vor, eine Peſt batte fte weggerafft, und die Wenigen, die fich nadıber einfans ben, wie der Häuptling Maſſaſoit, Defſen Name noch in dem Staate Mafſa chuſetts fortlebt, ſchloſſen mit den redlichen Männern, die jeden Fußbreit Lans des bezahlten , bald Freundidaft. Doch traf fte ſelber auch die prüfende Hand des Herrn , bereits in den erſten Monaten war die Hälfte ein Raub des Todes geworden ,
öfters waren fte ſo von Mißwachs geſchlagen, daß
Muſcheln und Fiſche ihre einzigen Nahrungsmittel waren, nur ſpärlich kam von England Nachwuchs, nach zehn Jahren zählte Plymouth ſo nannten fte ihre erſte Niederlaſſung zur Erinnerung an ihren leßten Aufenthaltsort daheim
erft dreihundert Einwohner ,
erſt dann führte die neu augs
bredhende Verfolgung neue Puritanerſchaaren aus England harbet , die nach und nach Salem , Boſton, New-Haven anlegten und das ſchlangengleich ges wundene Jhal des Connecticut beſtedelten , ſtets Pſalmen und geiſtliche Lies der fingend bei der härteſten Arbeit. ten ſie denn ein , Reid
In dieſem abgelegenen Winkel ftrebs lored Gefindel von
der Heiligen " aufzuridten
Abenteurern , was ihnen von London aus nachkam , ſchickten fie lieber auf ihre eigenen Roſten zurück, als daß ſie ſich damit verunreinigt hätten, aber auch fein ſonſt bürgerlich chrbarer Mann fonnte Bürgerrecht erwerben , er mußte denn zu ihrer Kirche gehören , und zwar nicht bloß, wie in Europa, ſo nach Herkommen und todter Gewohnheit , ſondern aus Ueberzeugung, ja dieſe mußte er recht laut dokumentiren , er mußte nämlich vor verſammelter Gemeinde in einem wenigſtens eine Stunde langen Vortrag feinen religiö fen Lebenegang ſchildern und namentlich die Stunde ſeiner Neugeburt ge und wie nau beſtimmen . Wer fich dazu nid )t entſchließen mochte Mande, namentlich Frauen , hielt das Zartgefühl davon ab ! - der war fein Leben lang vom Gottesdienſt wie vom Bürgerrecht ausgeſchloſſen und war blos dazu da, vom Reiche der Heiligen im Zaume gehalten zu werden . Dies Reich der Heiligen ward denn allerdings etwas jüdiſch geordnet . war allerdings ſo viel neuteſtamentiſcher Sinn in ihnen , daß ihnen jeder Drt gleich heilig zum Gottesdienft war , lange Zeit hatten ſte gar keine bes
35 fonderen Kirchen, auch galt der Prediger nicht als Prieſter, ſondern fraft allgemeinen chriſtlichen Priefterthums nur als lehrender Bruder unter an dern Brüdern , aber das Wort Jeſu, daß der Menſch nicht um des Sabbaths willen, ſondern der Sabbath um des Menſchen willen da fei, ja daß der Menſchenſohn ein Herr ſei auch über den Sabbath *) , dat verſtanden fte nicht – der Sonntag, oder es hieß vielmehr Sabbath , denn Sonntag galt ale heidniſches Wort ,
ward auf's Strengfte gehalten ,
Verſäumniß des
Kirchenbeſuche ſtreng mit Geld und Gefängniß beſtraft, keine Arbeit, auch nicht in der Küche, feine frohe Feierlichkeit, wenn auch noch ſo gering , war an dieſem Tage geſtattet, eg burfte kaum die Mutter ihr Kind füffen , ge ſoweige denn der Mann ſeine Frau ; es fam einſt ein Schiffscapitän von langer Reiſe zurück, ſehnſüchtig harrte ſeiner die treue Gattin am Ufer, er fiel ihr um den Hals und füßte fte, da wurde er öffentlich ausgepeitſcht, weil - es am Sabbath geſchehen. Nach dieſer Strenge ging's auch fonft ber . Zanfte eine verheirathete Frau einmal ihren Mann aus , ſo warb fte geknebelt und vor ihrem eigenen Haus zur Schau geftellt ; wer die Obrigkeit tabelte , dem wurden die Dhren abgeſchnitten ; wer gar fluchte, wer gar den Namen Gottes unnüz brauchte, dem ward ein glühendes Eiſen durch die Bunge geſtoßen . Kam ein Fremder nach Boſton , in eine der wenigen Wirthshäuſer, die dort allenfalls geduldet wurden , ſo ging ihm einer der Beamten nach und ſchrieb genau vor, wie viel der Wirth einſchenken dürfe - ja ſo ſtraff war dieſe fittenrichterliche Polizei, daß wer Jemand gegen den Sabbath, gegen die Mäßigkeit u . f. w . fehlen ſah und es nicht angab, hinterher gerade ſo beſtraft ward, als hätte er es ſelbſt begangen , daher Denn die drückendſte Aufpaſſerei in der That das ädyteſte Gegenſtück zu den Glücksrittern des Südens , aber auch nicht liebenswürdiger Art .
Doch
gerade ein ſoldies hartes Geſchlecht war dazu gemacht, gerade dieſen aller rauheften Norden urbar zu machen , gerade ein ſolches war dazu geſchaffen, in harter Arbeit die ſittliche Selbſtbeherrſchung zu gewinnen , die zur Re publik nothwendig iſt. Mit Recht feiert deshalb der Nordamerikaner jähr lid den Tag der Ankunft , der Pilgerväter “ , mit Recht betrachtet er den fel ſen von Plymouth mit ebrfurchtsvoller Scheu - nur ift es ein romantiſcher Irrthum in dem ſonſt ſo nüchtern verſtändigen Volke, wenn er fte ſchon als Apoſtel der Demokratie und Gewiffenøfreiheit bewundert. Denn fie fas men dorthin vielmehr, wie ſte ſelbſt jagen, als , lohale Unterthanen des ges
* ) Matthäus 12, 8.
Markus 2, 27 u. 28. 3*
36 fürchteten Königs James" , als loyale Unterthanen dieſes Königs , obgleich derſelbe fte weder in England duldete, nod auch in Amerifa mit ihnen zu thun haben wollte
aber allerdings führte der Umſtand, daß kein König
und keine Geſellſchaft fich um fte fümmerte, daß fte ganz auf fich felbft an gewieſen waren , fte von ſelber zur Selbftregierung, wählten fie doch Jahre lang ihre Statthalter felbft, ja namentlich gab ihnen der Kampf mit dem rauben Boden die fittliche Stablkraft und Selbſtbeherrſchung, wodurch allein eine Republik beftehen kann . Gewiſſensfreiheit wollten fte zunächſt auch nur – für fich felbft.
Einen ruhigen Plaß ſuchten fte, um ficher den Weg
geben zu können , der ihnen der einzige Weg zum Himmel war - wer aber einen anderen Weg zum Himmel geben wollte, den litten fte nicht, nament lich keinen Katholiken, der mochte fich in der weiten neuen Welt einen an deren Plaß ſuchen, für fremdes Gewiſſen war bei ihnen kein Raum . Aller dings aber gaben fte dadurch , daß fte fremdes Gewiſſen nicht bei fich dulde ten, Anlaß, daß dies edele Gut auch im Norden gerade ſo ausgeſprochen warb, wie im Süden durch Lord Baltimore, ja ſogar noch eindringlicher. Es kam nämlich um 1631 ein junger Geiſtlicher aus England, Roger Williams, dahin - ein begeiſterter Redner, zog er mächtig das Volk an fid heran. Bald aber vernahm man von ihm die Behauptung, die Obriga keit möge Verbrechen hindern, aber keine Meinungen controliren, möge die Schuld ſtrafen, aber die Freiheit der Seele nicht verlegen , ja fte ſolle fich nicht nur nicht darum kümmern, ob einer Puritaner, Katholik, hochfirdlich, ſondern nicht einmal, ob einer Jude, Muhamedaner oder Chriſt ſei, wenn er nur bürgerlich rechtſchaffen lebe , könnten doch auf einem und demſelben Schiffe immerhin jüdiſche, muhamedaniſche, driftliche Matroſen jeder nach ſeiner Art ſeinen Gottesdienſt halten , wenn fte ſonſt nur den Anordnungen des Capitäns hinſichtlich des Seedienſtes fich fügten . Solch unerhörte Be hauptung iprach Roger Williams aus er in ſeiner Art ein Mann, in dem ſich zu erfüllen beginnt die Weiſſagung des Apoſtel Paulus, daß einft das Reid Chrifti aufhören , daß er's übergeben werde dem Vater, auf daß Gott ſelber ſei Alles in Allem *) . Doch die Dörigkeit ftrafte dieſe Bez hauptung - nach England ſollte er deportirt werden ; da denn, eben vom Krankenbett aufſtehend, floh er in bitterfter Winterfälte in's Waldgebirge und ftrich da vierzehn Wochen in fteter Hungersnoth umber, oft war ein
* ) 1. Corinther 15, 24–28 .
37 hobler Baum ſein Nadtquartier, bis ihn Indianer freundlid aufnahmen und fich fünf ſeiner früheren Zuhörer zu ihm einfanden . derte er in einem elenden Ranot einen Fluß herauf ,
einen Bunft, wo fich ein ſchöner Quell in den Fluß ergoß . es : „ hier iſt gut ſein , hier laßt ung Hütten bauen ! “
Mit dieſen rue
bio fte famen an Da denn hieß
Dankbar der Vor
fehung , die ihn dorthin geführt, nannte er die Niederlaſſung Providence, und nach dieſer Niederlaſſung, in der es denn von vorn herein hieß, daß Jeder feines Glaubens leben könne, ftrömte, was durch Hochkirchler und Puritaner beengt war - allerdings ein Volk der buntſchedigſten Art . Williams ſelber wirkte hier nod fünfzig Jabre lang ſegensreich, geliebt nas mentlich von den Indianern, gehabt und ob feines Freicorp8 beſpöttelt bon den Puritanern, felbft aber ohne Grol gegen ſeine Verfolger.
Als einft
Indianerſtämme die Niederlaſſungen ſeiner Dränger überfallen wollten, brachte er eß durch ſeine Beredſamfeit dahin , daß fte davon abließen und vergalt ſo Böſes mit Gutem – wie recht engherzig erſcheinen bagegen ſeine Verfolger, wenn fte auf einem Zuge gegen die Indianer deshalb mehrere Soldaten ausmuſterten , weil fte meinten , zur Seligkeit genüge nicht Chriſti Verdienft allein, fte müßten vielmehr durd ihre Werfe auch dazu beitragen *) . ein intereſſanter Zug in dem Lande, wo man nur durch eigenes Arbeiten , nicht durd fremdes Verdienſt vorankam ! wie düſter und hartherzig fana . tiſd , wenn fle das Lager der ſchlafenden Indianer in Brand ſtecten , ſo denn ſechshundert Männer, Weiber, Kinder berbrannten und nun den unter lautem Wehgeſchrei gen Himmel fteigenden Dampf mit Freude betrachteten u ald , ein wohlgefälliges Opfer dem Herrn ! So intereſſant die Niederlaſſungen der Ateligen und Glüceritter im üppigen Süden, der Puritaner im rauhen Norden ſind, intereſſant namenta lich auch durch ihre Gegenſäßlichkeit liebenswürdig wird kein Deutſcher fte finden , nur Lord Baltimore und Roger Williams ziehen durch ihr milo Des edles Weſen unwiderſtehlich an . Mit Wohlgefallen aber mag er ber weilen auf den Niederlaſſungen, die da zwiſchen dem ſonnigen Süden und dem rauben Norden im milden lieblichen Himmeløftrid erblühten , ift ihm dort auch ſchon an den atlantiſden Geftaden durch den Duäfer William Penn ein neues Deutſchland emporgeblüht.
Unter den vielen Sekten nämlich, welche die politiſd -religiöſe Revolu
* ) Dieſe Notiz findet fich in dem Werke von Froſt S. 90.
38
tion des ftebenzehnten Jahrhunderts auf Englands Boden aufiproffen ließ, zeichnete fick namentlich die Sefte der Duäfer aug . Mit dem ftegreichen Aufftande des finſtern Puritaners Cromwell, den Karl I. zum Heil ſeines Kopfes lieber nach Amerika hätte ziehen laffen ſollen , ward die biſchöfliche Hierarchie geſtürzt, dem ftarren Auktoritäteweſen gegenüber brach nun die Innerlichkeit in begeiſterter Verzüdung log ; während die Proteſtanten biga her die göttliche Offenbarung in der Bibel für abgeſchloſſen anſahen , wähs rend nur gelehrtes Bibelſtudium zum Predigen berechtigte, fühlte der Schus fter For fich auf einmal durch ein innered Wort getrieben , zu predigen aus dem innern Lidhte heraus.
Ja namentlich als nach Cromwell's Tode der
vertriebene Prinz Karl zurückkehrte, aber nichts gelernt, nichts vergeſſen, die biſchöfliche Hierarchie und den föniglichen Abſolutiømus in geiſtlichen wie weltlichen Dingen erneuerte, ja dazu noch mit ſeinem ganzen Hofgefindel das Beiſpiel des ausgelafſenften luftigſten Lebens , des merry reign gab — da namentlich trieb ihn das innere Wort, zu zeugen gegen dies üppige Weſen und gegen die hohe Kirche, die Solches gut hieß , eine ganz andere Kirche follte kommen, feine ſolchen befoldeten Miethlinge drin , überhaupt gar keine aparten Prediger, Jeder vielmehr rolle in der Verſammlung res den , wie der Geiſt über ihn komme, feien fie doch Alle gottgelehrt *), über haupt dürfe kein Rang ſein unter den Gläubigen , ſeien fte doch Ade Brüe der **) , daher wozu mit Sie anreden, wozu den Hut abnehmen u. dergl. ? rede Feder den Andern mit Du an , behalte er auch vor dem Höchſtgeftellten den Hut auf, find doch vor Gott Alle gleich ; wozu ferner unter Brüdern eine beſondere eidliche Anrufung Gottes ? gleich als trauten fte einander nicht, ſchon das einfache Ja Ja Nein Nein müſſe durchaus als Eid gels ten *** ) ; wie reime es fich aber namentlich mit chriftlicher Bruderſchaft, um eines elenden Stü& Landes oder um eiteler Ehre vor Menſchen willen Krieg zu führen und Menſchenblut zu vergießen ? - Das müffe ganz auf hören. Es ſchlofſen fich ihm gar bald Viele an, zogen durch die Straßen und Märkte, brachen auch wohl in die biſchöflichen Kirchen und verkündeten Gottes Gericht über das üppige Regiment und das hochkirchliche Pfaffen thum, das ja freilich bei dem noch unverbeſſerlicheren Nachfolger Karl's II.
* ) Johannes 6, 45. **) Matthäus 23, 8 . ***) Matthäus 8, 33–37 .
39 einbreden ſollte.
Von der hohen feinen Welt wurden fte mit Spott vers
folgt - Enthuftaften, Zitterer, Duäfer hieß man fte – von der Kirche und der Regierung mit Gefängniß, und freilich war ihr erſtes Auftreten fürmiſch und tumultuariſch genug ; da follte ihnen durch William Penn eine ruhigere Stätte und ein friedliches Gedeihen werden . Der alte Penn war ein hoher Lord , hatte Seereiſen gemacht und Seeſtege erfochten , er wünſchte denn auch, daß ſein Sohn William ein hoher Weltmann würde, als er mit Schrecken bemerkte, daß er ſich zu den Quäfern hielt und an gar keinen Vergnügungen Antheil nahm – er ſchickte ihn nach Paris , dort follte er ſeine trüben kopfhängeriſchen Gedanken vergeſſen und savoir vivre lernen, aber gerade in dem Strudel der üppigen Weltſtadt trieb es ihn um ſein Vater ent ſo mehr in fich hinein, nur noch ernſter kam er zurück erbte ihn, das Heden in den Verſammlungen der Brüder war ihm das liebſte Erbtheil, er ward drum vor Gericht geſchleppt, er vertheidigte ſich ganz ruhig, ſollten doch alle Chriften gottgelehrt und Propheten ſein, ſollte doc Niemand den Geiſt dämpfen, er ward in's Gefängniß geworfen, ſeine Ueberzeugung ließ er ſich nicht gefangen nehmen – zuleßt ward ſein Vater durch dieſe Standhaftigkeit gerührt, und nahm ihn wieder zum Sohne an, und nun denn , Herr eines großen Vermögens, fab er ſich nach einem Zus fluchtsorte für ſeine verfolgten Brüder um . Glüdlich traf es ſich, daß Rö nig Karl II . jeinem väterlichen Vermögen cine bedeutende Geldſumme ſchul dafür ließ ſich denn Penn die waldbedeckte Gegend zwiſchen dem dete Kudjon und Delaware, wo früher auch ſchon Guſtav Adolph ein Neuſchwes den als Aſyl für fromine Chriſten anzulegen verſucht, anweiſen , zum Zeichen der Lehnspflichtigkeit ſollte er dem König jährlich zwei Bärenhäute, ſowie ein Fünftel des etwa vorfindlichen edlen Metalls einliefern ; doch wohl wif ſend, daß der König eigentlich ebenſo wenig Recht auf das Land hatte als er, kaufte er es noch ausdrücklid, den Indianern ab, noch zeigt man den Ulmbaum , unter welchem er den Kauf abſchloß und fte dabei vor jeder Wilfür zu ſchüßen verſprach. Dieſer liebliche Strid zwiſchen dem üppigen virginiſchen Süden und dem rauhen puritaniſchen Norden , dieſer Wald des Quäfers Penn , dieſes Pennſylvanien ward denn das Land , wo die Stadt der Bruderliebe, wo Philadelphia aufblühte — gehabt hatten ſich die vers ichiedenen Kirchen in Europa , ja ward doch gerade damals durch die Aufs hebung des Edift von Nantes ein Beiſpiel ſolchen Haſſes gegeben , hier aber ſollten ſte fich wie Brüder lieben ; denn nicht etwa blog für Quäfer ſollte
40 es ein Aſyl ſein , Chriften jeder Confeffton follten hier brüderlich zuſammen leben , zugleich aber auch als freie Männer , anfangs zwar unter der milden Aufricht des Eigenthümers , dem dafür einiger Zind gegeben ward, balb aber ganz felbftändig , felbft ihre Angelegenheiten ordnen und regteren. Nach dieſer Stadt der Bruderliebe ftrömte denn , was gebrüdt und geplact war , und namentlich auch aus Deutſchland. In Deutſchland war der Ver ſuch des habsburgiſchen Kaiſerbauſed , nachdem einmal der religiöſe Zwift ausgebrochen , nun doch eine einige Nationalkirche mit Schwerteßgewalt her zuftellen, nach dreißigjährigem Kampf geſcheitert -- aber das Land lag mit Trümmern bededt, und was ſeit dem Krieg wieder aufgeblüht , ward durch den eroberungsſüchtigen Ludwig den Vierzehnten mit raffinirter Mørbbren nerei verwüſtet, fo namentlich das geſegnete Rheinland .
Ju den tauſend
größeren und kleineren Gebieten , worin nun das deutſche Reich zerfiel, war endloſe Sladkerei, ftand doch kein Kaiſer mehr als Schirmherr der Schwa chen gegen Herrenwillkür da, namentlich war der Landbauer ſo gut wie keib eigen und endloſem Frohndienſt unterworfen ; ja troß des weftphäliſchen Fries dens plackte jeder Landesherr die Unterthanen , die andern Glaubens waren , auf allerlei Weiſe , und wenn gar , wie in der Pfalz , das landesherrliche Haus dreimal hinter einander die Confeffion wechſelte , ſo wußte das Volk erſt recht nicht, woran es war , wurden doch dreimal hinter einander die Prediger und Schullehrer abgeſeßt;
und nun denn wollte jeder ſolcher
Fürften die höftiche Pracht des ſonſt ſo gebaßten Franzoſen nachahmen. wandten ſich denn viele ſtille Gemüther aus hohem
Da
wie niederem Stande
von foldem Weſen ab ; zurückgezogen von dem dogmatiſchen Gezänk der Kanzeln , von dem üppigen franzöftſchen Modeweſen , von der widerlichen Herren- und Dienerwirthidaft, ſuchten fie fich in ftillem Zuſammenſein ein Reich apoſtoliſcher Liebe aufzurichten, ein Reich , mo's auch keinen Eid und Mennoniten , keinen Krieg gab , nur Arbeit und fromme Gemeinſchaft Herrnhuter, Dunfer traten in der Art auf , zum Theil auch der Meinung, zu ſolch heiligem Reich fönne nur gehören , wer bei reifem Alter mit vollem Bewußtſein ftch durch das Laufbad den alten Schmuß habe abwaſchen laſſen , Kindertaufe nüße nichte. Aber gerade ſolche ſtille Gemüther fanden in der verbildeten Welt Feine bleibende Stätte. Solche wandten fidy denn Bereits ein Jahr nach der über'& Meer nad dem Staat der Bruderliebe. Gründung Philadelphia's erbauten Frankfurter Mennoniten Germantown oder die deutſche Stadt “, Pfälzer und Würtemberger Bauern ftrömten
nach, Herrnhuter legten Nazareth , Gnadenhütten , Bethlehem mitten unter den Indianern an . Den Indianern waren fte freundlich und ſuchten durch Erzählung von der Liebe Gottes in Chrifto liebevolle Geſtnnungen in dem wilden Kriegsvolk zu wecken ; , wenn ein engliſcher Prediger ſpricht “, ſagte ein Indianer , ſo ſpricht er von Chriſtus wie von einem fremden Land, dem Deutſchen aber geht das Wort aus dem Herzen “ . Engliſche Pelz= händler , erbittert , daß der Branntwein die Indianer nicht mehr betrüge, ſeit Herrnhuter unter ihnen wirften , wiegelten einft einen Häuptling zur Ermordung Zinzendorf's , diejes Hauptes der Herrnhuter , auf er fand ihn rubig ſchreibend, über ſeine Stiefel ſchlüpfte eine Klapperſchlange ; , den Mann kann Niemand tödten “, rief der Indianer , fein Scußgeift iſt bei ihm in Geſtalt einer Schlange ".
Deutſche waren es auch , die vor allen
Dingen darauf brangen , daß feines Menſchen Leib eigen ſein dürfe , die , ſo viel ſte nur konnten , den Schwarzen , die von geldgierigen Engländern ein geführt wurden , zur Freiheit verhalfen und auch die Quaker dazu bermods ten , Golder milden Sinnesart warb denn auch der Gegen des Himmels zu Theil.
Wohl wurden viele mittelloſe Bauern durch glänzende Vor
ſpiegelungen engliſcher Seelenverkäufer dorthin verlockt , und dann zum Abs dienen des Fahrgeldes in die ſchlimmſte Sclaverei verfauft, wohl bertamen auch einmal dreißigtauſend deutſche Auswanderer auf einer großen Haide bei London durch engliſche Unbarmherzigkeit – aber zuleßt wurden fte doch bas eigentliche Marf des Landes und gebiehen in dem lieblich frugtbaren gemüthlichen Lande wunderbar - ein einziger Einwanderer zählte am Ende ſeines Lebene dreihundert und acht Kinder , Enfel, Urenkel, Ururenfel um fich her. Es ruhte auf den biedern Deutſen jener Segen der Berg predigt:
Selig find die Sanftınüthigen , denn fte werden das Erdreich
# befigen !
Hochverehrte
Verſammlung !
Ich habe das vorige Mal verſucht , Ihnen die Beftebelung der atlans tiſden Küſte von England aus zu ſchildern : nad dem heißen Süden fahen wir Goldſucher fommen , Adlige , Juweliere , bankerotte Raufleute, hohe Biſchöfe, lauter Leute , die ohne Arbeit reich werden wollten und erſt Durch harte Erfahrungen inne werden mußten , daß man in der neuen Welt nur vorankomme Durd Mühe und Arbeit , Leute zum Theil ſo eigner Art , Daß bonnette Frauen fich ihnen nicht antrauen mochten , nur ſolche, die ſich für 200 Pfund Sabaf berkaufen ließen ;
im rauhen Norden ſahen wir
dagegen die verfolgten Puritaner ihr Reich der Heiligen aufrichten , Leute ber entſchloſſenften und um des Gewiſſen
willen ausdauerndſten Art , aber
freilich auch von einer mehr als jüdiſchen Sabbathgeſeglichkeit, war doch am Sabbath felbft der Mutter die Freude am Kind verſagt - auf dem Süden und Norden ragen nur Lord Baltimore und Roger Williams, ihren Zeit genoſſen und ihrer Umgebung fremd, als Charaktere idealer geiſtiger Reli giofität bervor mitten im Zeitalter der blutigften Religionsſchlachten .
Im
milden Mittelſtrich ſahen wir endlid; dieſe ideale) Religioſität fich nies derlaſſen im Walde des Quäfers Penn , in der Stadt der Bruderliebe, in ihm faben wir denn auch namentlich unſere Deutſchen eine neue Heimath ſuchen , fte, das Volk der Mitte, im mittleren Küſtenſtrich. Es wäre nun wohl nicht unwichtig , daß allmälige Wachsthum dieſer Anſtedelung in al' und jeder Hinficht zu verfolgen — doch hätte dieß eigentlich nur für den Eingeborenen Intereffe, für uns aber ift 8 intereſſanter , und das Bild
43 eines jener Männer vorzuführen , die ſpäter entſcheidend in das Geſchide ihres Vaterlandes eingegriffen , uns ihn vorzuführen, wie er, von geringem Anfang , unter großen Sawierigkeiten , durch Lernbegier , Nüchternheit, Gparſamkeit, Arbeitſamkeit , Waghalftgkeit fich zum geiſtigen Führer ſeines Vaterlands hervorarbeitet — id meine Benjamin Franklin , den Sohn des harten Puritanerlandes , den Bürger jener Stadt der Bruderliebe , den Mann , der dem Himmel den Bliß und das Scepter den Tyrannen entrana ; mag er uns denn in ſeiner Entwickelung und ſeinem Charakter ein Bild amerikaniſcher Entwickelung und amerikaniſchen Charakters abgeben ! mö gen von dieſem Geficht& punct aus auch ſcheinbar fleinliche Details hier ibre Stelle finden ! Es ward Benjamin Franklin in Boſton geboren , im harten zäben Puritanerland --- das dreizehnte unter den ſtebzehn Kindern ſeines Vaters , Eben dies Handwerk war der ſeine Handwerke ein Seifenfteder war . auch dem kleinen Benjamin beſtimmt
doch lag im Knaben ein unwider
ftehlicher Leſetrieb , namentlich zu den Lebensbeſchreibungen großer Männer der Vorzeit ; was er fich nur an Zeit und Geld erſparen konnte, verwandte er darauf.
Deshalb ließ ſein Vater nach einiger Zeit doch davon ab , ihn
mit der Seifenftederei zu plagen , und gab ihn ſeinem älteren Bruder in die Lehre , dort die Buddruckerei zu lernen wie gern ergriff er dies nicht! gab es doch zum Leſen Gelegenheit ! Benjamin's Meiſter ſah nun auf doch bald erfuhr er , ſeinen kleinen Bruder anfangs verächtlich herab was für ein entſchloffener Geift in dem kleinen Lehrling faß.
Einft las
Benjamin , es habe der Menſch fein Recht, Thiere zu töbten und ihr Fleiſch zu effen ; flugs entſchloß er fich, fich nur an Pflanzenfoft zu halten, und als ſein Bruder ſpottete, bat er ſich von dieſem nur die Hälfte des Geldes aus, was dieſer früher ihm zu feiner Beföftigung gegeben . dieſer gern ein , brachte es ihm doch baaren Vortheil
Das freilich ging wie erſtaunte er
aber, als Benjamin dabei nicht bloß ganz geſund und friſch blieb , ſondern ſogar noch die Hälfte jenes wenigen Geldeß zur Anſchaffung nüßlicher Bücher verwandte ! fam .
Noch mehr machte ihn etwas Anderes auf Benjamin aufmerk
Er gab eine Zeitung heraus, einſt hätte er gern über einen wichtigen
Gegenſtand einen Artikel geliefert, konnte aber ſelbft keinen ſchreiben , bes ſprach fich mit ſeinen Freunden darüber, fonnte aber Niemand dazu bringen - ftebe, da fand ſich in der Hausthür ein ſolcher eingeklemmt, aber ohne Namendunterſchrift und von unbekannter Hand – er warb gedruckt und
fand allgemeinen Beifall – eg kamen mehrere Auffäße, von derſelben un bekannten Hand, fanden denſelben Beifal - aber Jedermann zerbrach fich den Kopf, wer der Verfaſſer ſei, bis endlich einmal der Bruder unſern Ben jamin einen Aufiaß hineinſtecken ſab , und nun war das Geheimniß ents dect — durch Ercerpiren der von ihm geleſenen Bücher hatte fich Benja min dieſe Fertigkeit erworben .
Der ältere Bruder ward nun aber neidiſch
auf die Talente des jüngeren , er behandelte ihn hart, ſchlug ihn ſogar; da beſchloß denn der ſecházehnjährige Jüngling , der fich zu fühlen begann , der aber dod dem älteren Bruder nicht unziemlich begegnen wollte , davon zu gehen , er verkaufte feine lieben Bücher , und ohne auch nur ſeinem Vater etwas zu ſagen , fuhr er mit einem Schiff nach New-Yorf , Beſchäftigung ſuchend
doch gab eß dort damals nur eine Buchdruckerei,
und die
brauchte ihn nicht; ſo fuhr er denn aufs Neue weiter nach Philadelphia, half ſelber vom Meer aus den Delamarefluß aufwärts zur Stadt rudern , die Bootsleute wollten ihm d'rum das Fährgeld ſchenken , und wirklich bez indeß , ſagt er , man mag faß er nur noch wenig mehr als einen Thaler nicht gern arm ſcheinen , man iſt vielmehr gern deſto generöſer , je weniger man ſelbſt beſikt, ſo denn entrichtete er es doch.
Mit abgetragenen Klei
dern, einen Ranzen auf dem Rücken, voll Staub und Schweiß , wanderte er in die Stadt hinein ; ſein erſter Gang war zum Bäcker, wie wunderte er ftch. für drei Pennys dreimal ſo viel Brot zu erhalten, als in Boſton ! mitleidig gab er einer armen Frau zwei von den drei Broten ab.
Indem er nun ein
Quartier ſuchte, ſab er mehrere Leute ftill nach einem ſchmudloſen Hauſe gehen , ging mit - es war eine Verſammlung der Duäfer , die ſtumm da faßen , erwartend, ob nicht auf Zemand der Geiſt käme ; doch der Geift blieb aus , ermüdet ſchlief Franklin ein , da , bei'm Auðeinandergeben , ſtieß ihn ein Quäfer unſanft an und bradte ihn in ein Gafthaus , wo er bis zum näche ften Mittag ſchlief. Alsbald ſuchte er Beſchäftigung – nur zwei Buch drucker zählte die Stadt und der eine davon hatte ſo gut wie nichts zu thun , der andere, Reimer, nahm ihn zwar an , es zeigte fich aber bald , daß der Gehülfe weit mehr verſtand denn der Meiſter
wie erſtaunte der
Meiſter nicht, als er eines Lage den Gouverneur der Stadt an Fein Haus beran reiten fah, wie aber nicht erſt , als jener mit ihm ſelber fich gar nicht weiter einließ , ſondern zu dem jungen Gerellen ein paar Treppen herauf fich bemühte , ja dieſen in ein Wirthdhaud mitnahm und dort mit einer Flaidye Madeira bewirtbete !
Noch mehr erſtaunte Franklin aber ſelber, ale
45 ihm der Gouverneur nach einiger Zeit vorſchlug , er , ein fo beleſener , fo kenntnißreicher und geſchichter junger Mann, möge ſich doch felbft eine Druckerei einrichten , er wolle ihm nicht nur alle Regierungsſachen zu drucken geben , fondern ihm auch einige hundert Thaler vorſchießen , daß er fich eine Druckerpreiſe von London berholen könne. Da trieb es ihn aber doch vorerſt ſeine Eltern zu befragen , und zwar felbft hinzugehn. Auf's Aeußerſte beſtürzt durch ſein Davonlaufen , waren fte nun defto froher , als fte den Todtgeglaubten ftattlich gekleidet und reichlich mit Geld verſehen wieder ſahen , nur fein Bruder ärgerte ſtch, daß er gegen ſeine früheren Mit geſellen ftch fo freigebig bewieb .
Von jenem Unternehmen aber wollte der
Vater anfangs nichts wiffen , doch als er das großmüthige Anerbieten des Gouverneurs hörte , willigte er ein . Freudig kehrte nun Franklin nach Philadelphia zurück , traf ſeine Zurüſtungen und erbat fich nun das Geld vom Gouverneur doch baar , hieß es , habe er es nicht, er wolle ihm Wechſelbriefe an einige Kaufleute mitgeben ; fam er nun aber , dieſe zu holen , ſo war der Gouverneur theils durch Geſchäfte verhindert worden , fte zu ſchreiben, theils war er auch augenblicklich unwohl oder abweſend, er bes kam fte nicht ; ſchon hatte er fich einen Plaß auf dem einzigen Schiffe ge nommen , das damals jährlich einmal regelmäßig die Fahrt nach London machte, ſchon war der Tag der Abreiſe da , zum leßten Mal war er zum Gouverneur gegangen , aber nicht einmal vorgelaſſen worden
da denn ,
alé er ichon mit feltſamen Gedanken darüber einſtieg , ward ein Sad mit Briefen vom Gouverneur gebracht und in den Schiffsraum geworfen . Er erbat ihn fic vom Capitän - aber , hieß es , zu folchem Herausſuchen ſei's Seit , bis man in der Themſemündung ſei. Nun , er ließ ihn fich dort denn erit geben – aber , o Wunder , auf keinem der Briefe war vermerkt , daß gerade Franklin ihn abgeben folle. Run , er rieth fich denn zuſammen , einige Briefe, die gerade an reiche Kaufleute lauteten , ſollten wohl zu Cre ditbriefen für ihn beſtimmt ſein, mit großer Hoffnung ging er zu ihnen hin 0 , hieß es , ein Mann , der bei Niemand Credit hat , ein Mann , der gern verſpricht, aber niemals ſein Verſprechen hält, hat Sie angeführt ! Da ſtand er denn nun , achtzehn Jahr alt , verrathen und verkauft in der großen Weltſtadt , nur nicht verlaſſen von ſeinem Muth und ſeinem Gottvertrauen . Hilf dir ſelber ", hieß es , ſo ſo wird Gott helfen ".
Alsbald ſuchte er Be
chäftigung und fand fte auch in einer Buchdruckerei, doch hier hatte er einen harten Stand.
Seine Geſellen forderten von ihm ein Faß Bier zum An
46 trittstrunf, er verweigerte es , dazu hätten fte fein Recht, fte machten ihm nun das Leben auf alle Weiſe leid , warfen ihm einmal des Abends einen ganzen Bogen, den er bereits geſeßt, auseinander , er las rubig die Lettern auf und ſepte fie wieder zuſammen
zuleßt ward es doch zu arg , d'rum
gab er das Berlangte , dod mit der ausdrüdlichen Erklärung, es geſchehe nur des Friedens willen . Bald hatte er nod mehr Spott auszufteben wegen ſeiner Mäßigkeit
zwar aß er wieder Fleiſch , ſeit er auf dem Meer
geſehen, wie ein Vogel einen Fiſch verſchlang, doch nur wenig , und Waſſer war ſein Getränk, und ſte labten fich ein paar Mal des Tags an ſchwerem Bier und Beefſteak, und fpotteten über den amerikaniſchen Waſſertrinfer. Indeß er blieb ganz ruhig und zeigte ihnen durch die That , daß er dabei geſunder bleibe und weit mehr verdiene denn ſte, damit gewann er gar Viele zu mäßiger Lebensart .
So erwarb er ſich eine hübſche Summe und
einen wohlhabenden Mann zum Freund , der in Philadelphia ein Handelés geſchäft errichten und ihn mit anſehnlichem Gehalt zum Gehülfen annehmen wollte. Er ging mit ihm zurück – der Erſte, der ihm begegnete , war der Gouverneur, der inzwiſchen abgeſeßt war und nun ſcheu vor ihm zurücwich, gern hätte er ihm verziehen .
Das Geſchäft ging glüdlich – da ſtarb ſein
Freund und er ſelber ward auch dem Tod beinahe zum Kaub .
Nothges
drungen trat er bei ſeinem früheren Meiſter wieder ein , deſſen Geſchäft ſeit feinem Weggang ſehr zurückgegangen war , Alles erhielt durch ihn wieder neuen friſchen Sdwung da denn verſtieß dieſer ihn , nadidemn er ihn ge nug gebraucht.
Jeft verband er fich denn mit einem Bekannten zur Er
richtung einer Bud )druckerei, jener gab das Geld , er dagegen die Kenntniß dazu her .
Das Geſchäft gab guten Gewinn — da zeigte ſich, daß fich ſein
Gefährte dem Trunk ergab und ſo denn Alles , was er erwarb , wieder ver that; ſeine Freunde - er hatte einen geiſtreichen Kreis um ſich geſammelt, mit dem er ſich über Literatur und andere intereſſante Dinge beſprach riethen ihm , abzubrechen , ſte ſelbſt wollten ihm das nöthige Geld vors fdießen ; tas , ſagte Franklin , wäre undankbar , verdanke ich's doch ſeinem Geld , daß ich das Geſdaft habe einrichten können ! ſtand ihm ſei
Zum Glück aber ge
ſein Compagnon bald ſelbſt, daß auch ſein Geld nur Chimäre
ſo denn konnte er ſich mit Ehren von ihm trennen und ſich ſelbſt
ftändig einridten ; Buddruckerei , Buchhandel, Zeitung , Alles blühte auf, po jehr, daß er ſich bald darauf , eben drei und zwanzig Jahr alt, das Mäd den heimholen fonnte , das ihn am erſten Tag ſeiner Ankunft in Philas
Delphia wie einen Landftreicher auf der Straße geſehen .
Um denn nun
aber an ſich ſelbſt fortzuarbeiten und fich diejenigen Eigenſchaften , wodurch er ſich hervorgearbeitet, recht zum bewußten Eigenthum zu machen , entwarf er fich eine Tabelle der Tugenden : „ Mäßigkeit, Schweigſamkeit, Ordnung und Reinlichkeit, Entſchloſſenheit, Sparſamkeit, Fleiß , Aufrichtigkeit , Ges rechtigkeit, Mäßigung , Gemüthérube, Reuſchheit , Demuth, Menſchenliebe ", nahm dann jede Woche eine dieſer Tugenden beſonders vor und bemerkte fich mit einem
Strich , wann er dagegen gefehlt.
Um dann aber auch
ſeinen Landsleuten ſolche Tugenden einzuprägen , ſchrieb er einen Kalender, der arme alte Richard ", wo dieſer gute erfahrene Alte in humo riſtiſcher Art ernften Rath ertheilt. Ihr klagt “, heißt es darin , , über Abgaben , welche die Obrigkeit fordert , aber keine Obrigkeit fordert ſo viel von euch ein , wie die Faulheit , denn die nimmt die koſtbarſte Münze weg die Zeit , denn die Zeit iſt mehr werth als Geld ! Wie viel Zeit ver liert man nicht durch zu langen Schlaf!
und doch fängt der ſchlafende
Fuchs kein Huhn . Ihr klagt über ſchlimme Zeiten , beſſert euch ſelbſt , ſo werden die Zeiten fich beſſern. Fleiß hat nidit nöthig zu wünichen ; wer arbeiten will , findet immer Brot , dem Fleißigen guckt der Hunger wohl in's Haus , aber herein darf er nicht. Greift aber rüſtig an denn die Kaße fängt die Mäuſe nicht mit Handſchuhen. Seid aber auch ftätig und ein ausdauernd bei der Arbeit ! ichweift nicht von Einem zum Antern ! Baum , der oft umgepflanzt wird , gedeiht nidt, Gebt auf's Kleinſte Adyt ! weil ein Nagel verloren ging, ging der Huf verloren , weil der Huf ab ging , ſtürzte das Pferd, weil das Pferd ſtürzte , brach der Reiter das Bein . Schränkt euren Luruð ein ! -- eine einzige Liebhaberei foftet ſo viel , daß man zwei Kinder davon ernähren kann.
Kauft nur , was ihr nicht nöthig
habt , ihr werdet dann das Nöthige bald verkaufen müſſen . In Alem 0 helft euch ſelbſt, ſo wird Gott helfen ! Mit dieſem Kalender erwarb er fich ſelber denn auch ſo viel Geld , daß er genug Freiſtunden erübrigte , um nod mehrere Sprachen zu lernen .
Nun denn , um ſo nügliche Renntniſſe
noch weiter zu verbreiten , regte er ſeine Mitbürger zur Gründung einer hoben Schule , zur Anlegung einer leicht zugänglichen Bibliothek an , bald waren funfzigtauſend Pfund Sterling an freiwilligen Beiträgen unters zeichnet , Waiſenhäuſer und Hülføanſtalten für gebrechliches Alter und arme Kranke folgten bald darauf Alles in der Stadt der Bruderliebe . Für ſich beſchäftigte ſich Franklin bekanntlich am liebſten mit Phyfit,
48 und namentlich mit der Natur des Blißes.
Längſt ſchon hatte er bers
muthet , daß er mit der Elektricität zuſammenhänge , doch fehlte der praf tiſche Beweis . Da denn verfertigte er einen fliegenden Drachen und brachte an dem langen Stab derſelben eine eiſerne Spiße an , an dieſe band er einen hanfenen Faben - Giſen und Hanf find bekanntlid Reiter der Glet tricität ; damit deshalb ihm ſelbft nicht etwa die Funfen in die Hand flögen , band er an den hanfenen Faden eine ſeidene Sonur , dieſe Sanur wollte er dann felbft anfaffen , da ja Seide nicht leitet ; an das Ende des Fadene band er einen Schlüſſel , in den ſollten fich die elektriſchen Funken ſammeln .
So denn ausgerüſtet ging er an einem gewitterſchwülen Tag
mit ſeinem Sohn auf's Feld , der Drache ftieg auf und die Donnerwolke ging über ihm her. Bald fingen die Faſern des hanfenen Fadens an fich zu ſträuben , er hielt den Knöchel an den Schlüſſel und ein Funke ſprang ihm entgegen . Die große Entdeckung war gemacht. Bald hatte er denn nun auch die Freude, durch die Ableiter der Menſchen Gebäude vor dem Bliß des Himmels zu fichern . „ Er entriß dem Himmel den Blig “ , heißt es in ſeiner Grabſchrift, aber noch bedeutungsvoller iſt , was ſie zuſeßt, , und den Tyrannen das Scepter ".
Doch dies führt uns zu den Colonien ſelber wieder zurück,
führt und namentlich auf ihr Verhältniß zum
Mutterland und wie fte fich
von ihm losgekämpft, ein Kampf , den unſer Franklin mit ſeinem Geiſt, ſeinem Wort und ſeiner Feder mitgefämpft. Alle dieſe Colonien nämlich , wie verſchieden fte auch
entſtanden
waren , die einen ob Goldgewinns , die andern ob Gewiſſensfreiheit ges gründet , die einen von Handelsgeſellſchaften , die andern von hohem Adel angelegt, endlich einige ganz von ſelber erwachſen , wie verſchieden auch die Nationalitäten waren, Holländer , Deutſche , Engländer - fte ftanden body alle unter der Oberhobeit der engliſchen Krone .
Sie war's , die da ihnen
wohl das Recht verlieb , geſeßgebende Verſammlungen zu wählen , die da Rechte und Freiheiten in ausdrücklichen Freibriefen beſtätigte, fte war es aber auch, die da Statthalter einſekte und durch dieſe regierte. Indeſſen die Krone des Mutterlandes war fern, dazwiſchen lag der weite Ocean , vom Cabinet in London aus dieſe Colonien zu regieren , von einem fertigen Ca binet au8 lauter friſch erft werdenden Verhältniſſen Maß und Regel vorzus ſchreiben, war ein ſchwieriges Ding , zumal aber war ein großer Theil der Auswanderer gerade deshalb weggegangen , um beengenden Verhältniſſen
49 des Mutterlandes, welcher Art auch, zu entkommen , um dort doch irgendwie friſch anzufangen.
Und dazu denn ſahen die Colonien im Mutterland das
furchtbare Schauſpiel jenes Krieges zwiſchen Volf und König , die Hinrichs tung des Könige , die Einführung der geiftlich - ſoldatiſchen Republik , fte ſaben ſpäter dort zwar die Rückkehr des Königshauſes , aber ſo , daß eg nidhte gelernt und nicht vergeſſen hatte und deshalb einem anderen Plas madhen mußte , das ſeine Ehre darin ſuchte , ein freies Volk zu lenken Alles wie dazu gemacht, fte deſto mehr anzutreiben , fich auf eigene Füße zu ftellen .
Jin Süden zwar , wohin vornehmlich hoher Adel fich gewandt,
hing man ſehr an der engliſchen Krone , Virginien war die leßte Provinz, welche nothgedrungen Cromwell's geiſtliche Soldatenrepublik anerkannte, die erſte, die , noch auf ganz ungewiſſe Nachrichten hin , mit freudigem Herzen Karl 11. zum König ausrief – es gehörte erſt die Tyrannei des ſo freudig begrüßten Königs gegen den Handel Virginiens dazu , dieſe Begeiſterung zu dämpfen. Fin Norden aber – da war man gerade vor der geiſtlich -welts lichen Despotie der Stuartå entflohen , von ihr verachtet regierte man fich eine Zeit lang ganz allein , da freute man ſich mit heilig unheiliger Freude, als die Puritaner des Mutterlande , fte , die man auf & Aeußerſte gequält, zur Ehre Gottes den König enthaupteten und dort auch ein Reich der Heis ligen einrichteten ; war ihnen doch Cromwell fo befreundet, daß er ihnen das ichöne ſonnige Jamaica zum beſſeren Wohnſiß anbot ; da war man deshalb aufs Neußerſte beſtürzt , als der zweite Karl wiederkam , man pro klamirte ihn zwar, aber ſpät, gezwungen, eiſtg kalt , , weil es fich endlich be ftätigt habe , daß er unzweifelhaft Herr von Großbritannien ſei“ , man ver bot ſogar, feine Geſundheit zu trinken , denn ſolches Geſundheittrinken fdade der Mäßigkeit , ja man verbarg ſogar zwei jener Richter , die mit jenem Königsmord Gott gemeint hatten einen Dienſt zu thun ; da rief man zwar für fich die Gnade des neuen Königs an , als Giner , der ſelbſt lange Zeit in der Verbannung gelebt, möge er doch auf ſte gnädig herabſehen, die da fern vom ſüßen Mutterland in's Eril gezogen , aber man verwahrte ſich auf's Eifrigfte dabei ſeine verbrieften Rechte, und als der König einige nicht eben unbillige Forderungen machte, wie z . B. daß in ſeinem Namen Recht geſprochen , daß ihm auch der Eid der Unterthänigkeit geleiſtet werde : da that man das zwar endlich, aber , hieß es in einem Schreiben zum Schluß : ,, laßt unſere Regierung leben , laßt unſere Obrigkeiten leben , laßt unſern Gottesdienft leben , laßt all das , deſſen wir uns erfreuen , leben , dann 4 Nagel, Vorleſungen .
50 werden wir auch immer Urſach haben , zu rufen von ganzem Berzen : laßt den König leben auf immer! " Doch gab ihnen das Haus Stuart nicht eben viet Urfadz bazu.
Rönig James W. vernidytete furzweg alle bisher gewähr ten Freibriofe deg puritaniſchen Neuenglands - einen freilich verftecte man glücklich in einem alten Eichenbaum und ſchickte einen Gouverneur
mit unumjdränkter Gewalt hin , der denn , wie felbft Engländer ſagen , wahrhaft türkiſch regierte, indem er ſogar ten Neuengländern alles Recht auf ihren theuer erfauften Grundbefiß abjprach und ihn fidy von ihnen erſt wieder abkaufen ließ. Da fegte denn die q ruhmreidye Revolution von 1688 " , ba legte die Landung Wilhelm's von Dranion in England dem König James und ſeinem türkiſchen Statthalter ein Ziel. Allgemeiner Jubel erſdoll in Neuengland - pod feine alten lieben Verfaſſungen ers hielt das Volf nicht wieder, und als es endlid) eine neue Verfaſſung erhielt, mufte es darin zu ſeinem Leitweſen ſehen , daß alle wichtigen Aemter von ter Krone beſcßt werden ſollten ; jogar den Oberbefehl über die Colonials miliz wollte Wilhelm ſeinem Statthalter Fletcher von New York veridhafa fen ; auf feine Anordnung hin rief Fletcher die Miliz des nádyftgelegenen Puritanerſtaats , die Miliz von Connecticut zuſammen und wollte des Kös nige Befehl vorlejen - alo Capitän Wadsworth dazwiſchen trommeln ließ und Fletcher und Wilhelm ftanten von ihrem Begehr ab .
Doch mochte ſo
der Süden mehr inonarchiſden , der Norden mehr republikaniſchen Inſtinkt haben : redit cmpfindlich und fränkend für den Süden wie für den Norden war ein anderer Punct. Haupterwerbezweig nämlich war natürlid der Handel mit den Produkten , die man dem neuen Land abgewann - im Süden vornehmlich Tabaf, Mais und Reis , im Norden europäiſdes Ges treide, Sdiffbauholz , dazu dann Pelziert, das man namentlich von der Rothhaut cintauſchte , ſo wie , was man von der Slicerei, namentlich auch vom Wallfiidfang an brauchbaren Artifeln gewann. Wie leicht war es nun den Coloniſten nicht, damit nach den benachbarten Niederlaſſungen der Franzoſen am Lorenz , nach den reichen Befißungen der Spanier in Florida, in Weſtindien , in Südamerika zu handeln ! wie viel näher und bequemer lag ihnen alles dies , als das durch ein ſo weites Meer davon getrennte Mutterland ! Zu dieſem modite allenfalls die Pictät treiben , dorthin aber trich der cigene Gewinn . Wirklich war denn aud ) früher der Handel frci, und zwar war dico geſeglich verbrieft. Aber bald wollte das Mutterland c8 ander8 .
Bereits Cromwell hatte in jener berühmten Navigationsafte
51 verordnet , daß aus Affen , Afrika , Amerita Nidhte nad England geführt werben folle , außer auf Sdpiffen , die in England oder in den engliſchen Colonien gebaut, son engliſchen Unterthanen befehligt und großentheils audi bemannt ſeien . Gdyon dieß war den Coloniften unbequem , ſofern fte fich namentlich holländiſcher Schiffe bedienten ; - waren doch damals die Nies derländer das betricbſamfte Seehandeldvolf,
Dods im Grunde ſollte es viels
mehr die englijden Kaufleute ermuntern , ihre Schiffe nicht im Hafen vers faulen zu laffen , ſondern überall damit zur Hand zu ſein , ſollte vielmehr aud die Coloniſten ermuntern , fich felber Schiffe zu bauen , es war dieſen alſo eber vortheilhaft, victmehr galt es den Holländern , entbrannte deshalb dodh mit dieſen ein Seefrieg , in dem fich zuerft bag Rule Britannia bes währte - aber bald nadher , gleich mit der Rüdkehr der Stuarte famen Zuſäße ſchneidender Art.
Seine Waaren , hieß es , ſollten mehr aus den
Kolonien ausgeführt werden , es fei denn nach engliſchen Häfen ; ertappte man ein Schiff mit Kolonialwaaren darauf, daß es anderwärts hin ſegelte, ſo warb eo confiêcirt, ja alle Schiffe, die von England nach den Kolonien regelten , mußten Bürgſchaft ſtellen , daß fte die dort aufzuladenden Waaren nirgend andershin transportiren ſollten, als eben nach England. Ja , um die Beſchränkung vollftändig zu machen , ſollten die koloniſten ihre Bedürfs niffe nirgents anders holen , außer von England , höchſtens Wein moditen fie fich von der Inſel Madeira direkt beziehen , und den tranken wenigſtens die Puritaner nicht. In ſolcher Art ging's fort , und zwar auch nach dem Auftreten des Draniſchen Kaufeß. Nicht einmal im eignen saus ſollten die Koloniſten Ørrr fein - feine fremden Staufleute ſollten fich bei ihnen Handeld wegen aufhalten dürfen , es ſei denn engliſche , ja dieſe aber auch erft recht ; denn keine Kolonie follte frei mit der andern Handel treiben , engliſche Kaufleute mußten die Vermittlung übernehmen . Ja man ſollte nidyt blos mit feinen Producten nicht frei handeln dürfen , man ſollte nicht einmal aud ihnen etwas anfertigen , was der Mühe werth war.
Wohl
mochten die Koloniſten Roheiſen ſchmelzen , Wolle züchten , Flache bauen , aber fie durften feine Säge , keine Scheere , keinen Meißel noch Hobel ans fertigen , ja kaum cincn Hut ; feinen Webſtuhl durften fte aufſtellen und erklärte tod) einmal cin engs felbft um das Spinnrad beneitete man ſie Tijder Parlamenterconer , er fönne nidyt ruhig ſdylafen , wenn in Amerika auch nur ein Nagel verfertigt werde !
Ihre roben Stoffe ſollten die Rolos
niften nach England ſchaffen, dort mochten tann engliſche Schmiede, Weber,
52 Hutmacher Waaren daraus verfertigen, die konnten fich dann die Roloniſten mit ſchwerem Geld wieder zurüc erfaufen. Es wurden ſo die Kolonien nur dazu benußt , damit das Mutterland von ihnen Gewinn hätte , ja noch bazu recht ſchönen ſchnöden Gewinn - Gewinn bon Menſchenfleiſch. Schon früh hatten die ſüdlichen Pflanzer, ihrem Hang zur Trägheit fols gend, fidh, Sklaven kommen laſſen , dod im Ganzen wenig .
Aber als Enge
land durch den ſpaniſchen Erbfolgefrieg das alleinige Vorrecht erhielt, Sklaven nach den ſpaniſchen Befißungen zu bringen , da begann es nun auch, ſeine eigenen Kolonien förmlich mit Negern zu überſchwemmen .
Bers
geblich erklärten die Puritaner, es ſei fündhaft, mit Gottes Ebenbild Handel zu treiben ; vergeblich die Quäker , jeder Menſch ſei von Gotteswegen frei; vergeblich flehten virginiſche Pflanzer , fte nicht mit ſolchen Leuten zu über ſchwemmen, die ihnen ſelbſt einmal das Garaus machen könnten ; vergeblich verboten ſogar geſeßgebende Verſammlungen die Negereinfuhr — Liverpool wollte es fich nicht nehmen laſſen , mit Negerſchädeln gepflaftert zu werden, England überhaupt nicht , gelbe Guineen aus (dwarzen Afrikanern zu prä gen .
Und in allem dieſem fügte man ſich doch zuleßt, ſo ſehr eß auch böſes
Blut ſeßen mochte -- wurden doch auch von jedem andern europäiſchen Volk die Rolonien nur ſo behandelt , ja ging doch dies nicht ſowohl vom Polf aus , vielmehr war es nach engliſchem Recht der Rönig , der die Hans delsverhältniſſe zu regeln hatte , und vom engliſchen König wollte doch der in Loyalität erwachſene Engländer ſo bald auch in der neuen Welt nicht laſſen.
Aber nun die Deutſchen , die dorthin vor der heimiſchen Placerei
geflüchtet – was für Bietät konnten fte für den König von England ha ben !
Das wußte auch die engliſche Regierung recht wohl und ſorgte degs
halb möglichſt argwöhniſch dafür, daß fte nicht zu bicht zuſammenſtedelten , ſondern recht weit auseinander zerſtreut wurden . In aller Art war ſo Stoff zu gerechter Unzufriedenheit angeſammelt. Es kam nur darauf an , daß die Roloniſten einerſeits erprobten , wie ſehr ſte auf ihrem eigenen Boden dem Muttervolk überlegen ſeien, daß ſte anderſeits aber nicht bloß von der Krone , ſondern auch vom Volk des Mutterlandes mißhandelt wurden . Beides geſchah denn durch den Krieg mit den frans zöftfchen Kolonien in Amerika . Schon lange bevor das britiſche Küſtenvolk fich an jener langen Rüſte feftfeßte, waren die Franzoſen die weite Mündung jenes Stromes heraufges ſegelt, den fte zu Ehren des Laurentiustageß , an dem fte ihn erblickt , den
53 Lorenz nannten , hatten fich bort denn in Canada ihr neues Franfreich ges gründet - Quebec und Montreal waren dort ihre Stüppuncte , von denen aus fte gewinnreichen Pelzhandel trieben. Später hatten fte fich unter dem ländergierigen Louis in jenem Deltaland am Ausfluß des Vaters der Ges wäffer feftgefeßt und da denn mit acht franzöſiſcher Schwindelei fich ein neues Louiſiana hervorgezaubert , Pelztäger , Abenteurer , Bauern hatten fich , wie dies Alles ſpäter noch ausführlicher berichtet werden ſoll , auch an ſeinem oberen Lauf und an deſſen Zuflüffen in der Wildniß niedergelaſſen, man hatte bemerkt , daß er mit ſeinen Nebenflüffen in die Nähe der cana diſchen Seen, in die Nähe dieſer Quellen des Lorenz hinanreiche, ſo ſchien eß den Franzoſen leicht, beide Ströme durch eine Reihe Fort8 mit einander zu verbinden , und namentlich legten fte den Dhio entlang mehrere Forts an gelang dies , ſo waren die Engländer auf immer auf die Küfte bes ſchränkt. Das fonnten , das durften fie nicht dulden – fte, die alten ernften Gegner des leichtfüßigen Franzoſen, fte, die gerade damals als Bun de@ genoſſen ftritten .
de
großen
Friß
auch
in
Deutſchland
gegen
Frankreich
Ein treffliches Heer ward dorthin gefandt unter General Brads
dock, es ging der Marſch nach einem Fort Du Queộne am Urſprung des Dhioſtroms, der dort aus zwei Flüffen zuſammenrinnt , idon war man auf dem leßten Lagemarſch dorthin , war eben durch einen dieſer Flüſſe gewatet, zog dann in ſchönfter Drdnung aus dem Monongahelafluß landaufwärts, ſchon dachte man in Rurzem als Sieger in das Fort einzuziehen - da auf einmal , auf einer , nur mit dünnem Wald , aber dichtem Gras bez wachſenen und hier und da mit Schluchten eingeſchnittenen Ebene empfing aber kein Feind war zu fte von allen Seiten ein mörderiſches Feuer ſehen , mit den Franzoſen berbündete Indianer waren es , die nach ihrer ges wohnten Art hinter den Bäumen, im Gras , in den Schluchten verſteckt das unſichtbare Feuer unterhielten. Verwirrung ergriff die Truppen , fte woll ten auseinander ftieben - wie wenn's gegen geregelte europäiſche Truppen wäre , ſo ſuchte General Brabbod fte zu regelrechten Schaaren zu ſammeln und fte ſammelten fich , aber nur um defto ficherer den unſichtbaren Scharf fchüßen ausgeſeßt zu ſein ; nach drei Stunden lag mehr als die Hälfte todt auf dem Plaß , der unbehülfliche General ſelbſt, die Andern floben . Nur drei Compagnien waren es, die ſich gleich anfangs auch hinter Bäume und in Schluchten verfteckten und von dort aus ebenſo geſchickt wie mannhaft feuerten - aber daß waren feine Engländer , ſondern Amerikaner , birgt
-
-
54 niſche Landwehr.
Nur ein Oberft war eß , der in diefem tüdiſchen Feuer
bodh den Kopf oben behielt und den man mitten im Rugelregen bodo ju Roß umherreiten , umherſpähen und wie's noch irgend ging , die Truppen gegen den tückiſchen Feinb ordnen jah aber auch das war fein Engs länder , ſondern ein Amerifaner , ein junger Mann aus Virginien , Georg Washington. Er war es , der ſchon lange vor dem Aufbruch des Kriege ale Unterhändler mit den Franzoſen und Indianern das Ohiolant auegee kundet , er war es , der dem General Braddod auf's Inſtändigſte gerathen, doch nicht ſo ſtolz europäiſch einherzuziehen , er hatte ihn vor der Jadianer Kriegsliſt gewarnt , er hatte ihm gerathen , Später voraubzuſchicfen , hatte ihm namentlich noch einige befreundete Indianer zu dieſem Zweck empfohlen Der ftolze Britte hatte eß verachtet und büßte nun dafür. Und wie wenn dadurch ein paniſcher Strecken eingebrochen , mißlangen die brittiſchen Uns ternehmungen anderen Orts insgeſammt ebenfalls.
Washington war es
Denn auch, der einige Jahre darauf einem neuen brittiſchen Heer gegen dieſes Fort das Geleit gab , durd ſeine flugen Vorſichtsmaßregeln neues Unglück verhütete und ſo denn dies Fort bezwang . Ermuthigt dadurch errangen nun zwar bald darauf Die Britten berrliche Siege, namentlich ward dem General Wolfe vor Quebec ewiger Heldentodesruhm zu Theil ; den übers müthigen Franzoſen , die von jenen zwei Strömen auß die Britten aus der neuen Welt wegzuzwängen trachteten , ward der größte Theil ihres Beriges genommen , zur Zeit jenes Kriegs , in dem Friedrich fte bei Roßbach und Ferdinand von Braunſchweig fie bei Crefeld ſchlug.
Es hatten nun aber
in dieſem Krieg ebenſoviel Koloniſten mitgefochten ald Alt- Britten, die Bes förderung der Lebensmittel zu den Truppen auf ihren Märſchen durch die weite Waldwildniß war auch nur durch die Klugheit und Eilfertigkeit Franklin's , der gerade damals Oberpoftmeifter war, ermöglicht worden , die þödfte Vorſicht und den höchſten Heldenmuth zugleich hatte, recht im Ge genfaß zu jenem unbehülflic ftolzen Britten , Washington gezeigt - der Gewinn des Krieges , das neue reiche Land , fam dem Mutterland zu gut, das ja den alten wie den neuen Befig nur zu ſeinem Vortheil benügte , das Und nun , in eigentliche Verdienſt aber fiel auf die Koloniſten zurück. dieſem Augenblick, ſollten die Kolonien nicht von der engliſchen Rrone, nein, bom englijden Volf als rechtlog behandelt werden .
Doch dieß mußte
nun Anlaß geben zu jenem Freiheitsfrieg, worin Franklin, der dem Himmel ben Blig entriſſen , den Tyrannen das Scepter entreißen follte durch Klugs
55 heit und Kraft des Worts , Washington , der in jenem Sreffen wie bon un fichtbarer Hand beſchüßt worden , durch's Gdwert, worin er , der mitten im Kampf mit tüdiſchen Indianern den Muth bewährt, ihn nun auch im Kampf mit Tauſenden offener und verſteckter Feinde bewähren ſollte, um fein Land zum friedliden Freiheiteland der Erde durchzufe dyten .
Durch jenen Krieg nämlich war Englands Staatsſould auf anderts halb hundert Millionen Pfund Sterling geftiegen , da ſchien es den britti ſchen Miniſtern billig zu fein , zur Tilgung dieſer Schuld auch die Ameris kaner heranzuziehen , habe man ſie doch durch denen Krieg von der läftigen franzöſlichen Nachbarſchaft befreit, man müffe fte deshalb von England aus beſteuern.
Freilich ging das ſchon in London felbft nicht ohne heftige Des
batten ab , gar Mancher warnte dagegen im Parlament, hätten toch die Amerikaner ſo ſchon im Krieg ſelber genug Truppen und Geld geliefert. Wie “, rief ein Miniſter aus, , diefe unſere Kinder, gegründet durch unſere Vorſorge, erhalten und großgezogen durch unſere Zuneigung, beſdüßt durch unſere Waffen - die ſollten uns jetzt undankbar einen Schilling weigern ? " , Aber “, rief ein Oberſter aus , gegründet durch unſere Vorſorge - nein , vor unſerer Tyrannei geflüchtet!
Großgezogen durch unſere Zuneigung -
nein , gerade durch ihr Berlaffenfein von uns , unſere Sorge bezog fich nur darauf, ſte niederzuhalten !
Beſchüßt mit unſern Waffen - nein, fte ſelbſt
haben für unſer Land die Waffen ergriffen !
Bedenkt wohl ", fuhr er fort,
#die Liebe zur Freiheit, welche die Väter beſeelte , hat die Söhne nicht ver laffen .
Treu find fte ihrem König, treu aber auch ihrem Recht, bem alten
Recht des brittiſchen Bürgers, fich ſelbſt zu beſteuern " . Nichtsdeſtoweniger ward vom Parlament beſchloffen , fte zu beſteuern , und zwar zunächfit in ſchonend indirekter Art : es folle nämlich zu Heirathô= und Miethskon traften , zu Teſtamenten und Raufſcheinen künftig ein geſtempelter Bogen nothwendig ſein , dieſe Stempelbogen wolle die engliſche Regierung nach den Kolonien liefern und dann vorkommenden Falls für jeden Bogen einige Sdilling erheben.
Indeß wenn eine ſolche indirekte Beſteuerung wohl mit
Abfidit gewählt wurde , um den amerikaniſchen Stolz, wie man es nannte, zu ſchonen : fo war doch wohl kaum eine geeigneter ihn zu wecken , als ges rabe dieſe Art . Denn fo wenig eine folche Abgabe etwa bei uns läftig fein
56
fann, wo Feder in ſeinem Wohnort felbft oder doch in nächſter Nähe der gleichen Bogen erhalten kann wie mußte es nicht läftig ſein in dem weiten dünnbevölkerten Amerika , wo's nur wenig Städte, dagegen viel eins ſame Pflanzungen gab , wo man tagelang reiten konnte , eh' man zu einer Obrigkeit kam , wo dieſe Bogen deponirt waren ! Doch nicht dies , etwas Anderes war es , was Franklin , der fich gerade damals in London aufhielt, in der Nacht, in der das Stempelgeſeß durchging , antrieb , an einen Freund daheim zu ſchreiben : „ Die Sonne der Freiheit will untergehen, ſteden wir etwas Anderes war es, die Kerzen des Fleißes und der Sparſamkeit an ! " was dieſen zu der Antwort trieb :
wir werden bald Fackeln ganz anderer
Art anzünden ! “ Einer bloßen Unbequemlichkeit hätte man ſich am Ende noch gern gefügt, hatte man doch ſchon weit größeren Unbequemlichkeiten hinftchtlich des Handels fich gefügt. Aber , erklärte alsbald die Verſamm lung von Virginien, unſere Vorväter , die von Großbritannien über's Meer hierhin gezogen , haben alle Rechte des brittiſchen Bürgers mit herüber ges bracht , und das erſte Recht des brittiſchen Bürgers beſteht darin , daß er keine Steuern zahlt , außer die er durch ſeine eigenen Abgeordneten und Stellvertreter bewilligt; es kann deshalb dieſer getreuen Kolonie Virginien Niemand Steuern auferlegen , außer der von ihr ſelbft gewählten Afſembly Virginiens, und wer anderdhin tradhtet, der will die Freiheit in England wie in Amerifa umſtoßen , und iſt ein Feind dieſer Seiner Majeſtät ge treuen Kolonie ". Wilder ging es an anderen Orten her , in Boſton und Philadelphia läutete man die Trauergloden , als die Schiffe mit Stempel papier ankamen , man ſtürmte die Forts , wohin die Statthalter eß gebracht, man verbrannte die verhaßten Bogen, von Bofton aus bildete fich durch alle Kolonien hindurch bald die Verbindung der , Söhne der Freiheit “, darauf zu achten , daß , falls etwas der Vernichtung entronnen , es doch nicht ges braucht werde , ja , was weit wichtiger und ſchon früher bei Gelegenheit des franzöftſchen Kriegs von Franklin vorgeſchlagen, aber von der Krone arge wöhniſch hintertrieben war , zum erſten Mal traten nun die bisher verein zelten Afſemblies der dreizehn Kolonien zu einem gemeinſamen Kongreß zus ſammen , und dieſer erklärte furz und gut, aber ehrerbietig nach London, was , bereits die virginiſche Afſembly erklärt.
Gewaltthaten und Worte
fonnten inbeſſen nicht helfen - frteblich wirkſameren und thatlicheren Widerſtand aber leifteten die amerikaniſchen Kaufleute , wenn fte fich ver pflichteten , keine Manufakturen mehr von England kommen zu laffen ,
57 leifteten die übrigen Amerikaner ſelbft, wenn fte fich entſchloffen , ſo wenig wie möglich Lämmer zu ſchlachten , vielmehr recht viel Wolle zu ziehen und daraus felbft dann ihre Zeuge zu verfertigen, wenn fte, wie Franklin in dem Verhör, was in London mit ihm angeſtellt wurde , wißig bemerkt , ihre Ehre nicht mehr darin ſuchten , recht viel großbritanniſche Manufakturen zu beziehen , ſondern darin, ihre alten Röcke ſo lange zu tragen , bis fte ſelber im Stande wären , fich neue zu verfertigen ; wirkſamen Widerſtand leiſteten ferner die engliſchen Kaufleute felbft, die nun ihre Waaren ungenußt da liegen ſaben und nicht aufhörten, das Parlament um Rücknahme der Stems pelbill zu beſtürmen, ja vor Allem erhub fich im Parlament ſelbft der größte Staatsmann Englande , der greiſe William Pitt , als der Vorfechter der Steuern aufzulegen ", ſagte er , ift
Rechte des amerikaniſchen Volks .
kein Sheil der Regierungegewalt, die Auflagen fönnen nur als freiwillige Gaben durch die Gemeinen bewilligt werden , dieſe Kammer vertritt die Ges meinen . Wenn die Glieder dieſer Rammer etwas bewilligen , ſo bewilligen fte es von unſerm Eigenthum. Aber nun in den Auflagen Amerika's , was thun wir da ? Wir , Seiner Majeftät getreue Gemeinen von Großbritan nien , wir geben und bewilligen Seiner Majeftat — was ?
Unſer Eigens
thum ? Wir geben und bewilligen Seiner Majeſtät das Eigenthum Ihrer Gemeinen in Amerika. Es ift ſchon im bloßen Ausdrud ein Unfinn. Sd freue mich ", ſagte er zum Schluß , daß Amerika Widerſtand geleiſtet Drei Millionen Seelen , ſo todt für jedes Gefühl der Freiheit , daß
hat.
fte fich freiwillig der Sklaverei fügen , wären brauchbare Werkzeuge geweſen , uns felbft zu Sklaven zu machen “. . Es ward die Stempelbil nun auch wirklich zurückgenommen , ein ungeheurer Jubel erſcholl in Amerifa , eine wirkliche Anhänglichkeit an das Mutterland ſprach fich aus , wenn die Vers ſammlungen Dankadreſſen an das Parlament , an Pitt und an den König beſchloſſen , wenn ſte Leßterem ſogar in Virginien eine Ehrenſäule errichten wollten , wenn ſie ſogar fich erboten , freiwillig zur Dedung jener Schuldens laft fich ſelbſt zu beſteuern .
So groß war der Freudenrauſch , daß man's
faſt ganz überſah , wie das Minifterium der Aufhebungsakte doch zugleich die Klauſel hinzugefügt , es habe das brittiſche Parlament das Recht, Gefeße zu geben , die in jedem Fall , es ſei was es wolle , die Kolonien verbänden. Man überſah dies , hielt es etwa für eine vom Gefühl der Ehrenrettung eingegebene Formel , aber man ſollte bald empfinden , daß es Ernft war. Franklin hatte in ſeinem Berhör geſagt, von ſolchen inneren Auflagen , wie
58 Stempeltaren auf Heirathen , Mieth8
und Kauf- Contrafte , Seſtamente,
unterſcheide man ſehr beftimmt äußere Auflagen, wie Zoll auf einzuführende Gegenftande; jenen fönne fich Niemand entziehen , da Zeder doch in ſeinem Leben mit ſolchen Aften zu thun habe, daher wolle fie dann aber aud Nies mand ftch ohne ſeinen Willen aufgelegt wiſſen , neu eingeführte Gegenſtände dagegen ſei Niemand zu kaufen gezwungen , und wer fie daher kaufe und nun mit dem durch den Eingangszol erhöhten Preis eine Steuer an Eng= land zahle, der beſteuere ftch doch im leßten Grunde felbft, ſolche Zölle könne daher das engliſche Parlament immer auflegen . ſterium und Parlament , ſo verſuchen wir das.
Nun wohl, ſagte Minis Es ſollten denn von nun
an bei der Einfuhr von Olas , Papier , Bappe , Bleiweiß , Malerfarbe und Thee gewiſſe Gebühren beim Eintritt in Amerika erhoben und ſo denn die jenigen Amerikaner, die dieſe Sachen nun um fo theurer bezahlten, beſteuert werden. Nun wohl, dachten die Amerikaner , ſo kaufen wir das nicht mehr von England ,
fo kaufen wir überhaupt ſo wenig wie möglich engliſche
Waaren , fo trinken wir namentlich ſo wenig wie möglich Thee. Bald hatten die engliſchen Raufleute bitter zu klagen. Der Bogen ward nun aber immer ſtraffer geſpannt , in jeder Provinz ſuchte die Regierung eine der Controle der Provinzialverſammlung ganz entzogene Kaſſe anzulegen , natürlich aber aus den Provinzialſteuern ſelber , damit wollte fte dann ihre Beamten beſolden , die ſo denn nur von ihr abhingen ſollten daturch Unruhen entſtehen, ſo ſollten Goldaten kommen , und die rückten nun auch wirklid bald in Boſton ein , in der alten Puritanerſtadt , die nunmehr im Eigenthumsrecht dieſelbe unbeugfame Hartnäckigkeit bewies , Vorväter in Gewiſſendređt.
welche ihre
Ja noch ebe irgend die mindeſte Schlägerei
zwiſchen den Rothröcken und dem Bürger entſtanden , ward im Parlament beldloſſen , laſſe ich ein Amerikaner irgend etwas zu Gdulden kommer, das nadh Fodhverrath fchmede, ſo ſolle er nach England geſchleppt und dort vor engliſchen Richtern gerichtet werden - nicht in der Heimath , vor ſeinen Bürgern, nein in der Fremde , vor Fremden. troß alledem
Wie ſtreng gemäßigt
die Stimmung der Amerikaner war , zeigte ſich bei der erften
barten Reibung, die zwiſdhen den Rothröden und dem Boftoner Pöbel auss brach. Tropbom nämlich, daß mehrere Boſtoner erſchoffen oder verwundet waren -- alt nun die Soldaten , die gefeuert hatten , vor Gericht kanter , da waren es zwei der beredteſten Dppoſitionemänner , welche die Vertheis digung der Soldaten übernahmen , gegen Pöbelinſulte hätten fte fich set
theidigen müſſen , da war es das Geſchwornengericht der Boſtoner ſelber, weldes fte freiſprach . Wirflid ließ fid nun das Parlament dazu bringen, daß eg die eingeführten Eingangszölle zurüdnabm , aber dode ritt es ſo feft auf feinem
unglücklichen Princip , daß es fie doch beim Thee beibehalten
wiffen wollte; ja, recht um den Amerikanern zu zeigen , daß man mit ihnen machen könne, was man wolle , ja daß man fte vor allen andern Kolonien recht ſtiefmütterlich behandeln wolle , ward der oſtindiſchen Handelscom pagnie erlaubt, nach jetem andern Drt , nad jeder brittifchen Rolonie den Shee ganz ohne Eingangezoll einzuführen
nur bei der Einfuhr in
Amerika ſolle fte drei Pence vom Pfund bezahlen.
Ungeheure Theevor
räthe gingen nun nach Amerifa , lagen ſte doch ſchon zu lang auf dem Lager die Söhne der Freiheit faben ein , daß wenn dieſelben einmal ausges laden ſeien, fich doch manches alte Mütterchen und junge Berrchen von dem Lieblingsgetränk kaufen würde , man bot baber Alles auf, um die Landung zu verhindern . Drei Schiffe liefen in den Hafen von Boſton ein, die Menge beſefte den Landungsplas , die Capitäne baten den Statthalter, ihnen doch Erlaubniß zur Rückkehr zu geben , der Statthalter drohte , vers fuchten fte dieß , ſte von dem Fort aus , welches den Hafen beherrſchte, zur ſammen zu ſchießen. Da denn verkleideten fich mehrere Boſtoner in 3ns dianer, gingen auf die Schiffe , gleich als wollten ſie dieſelben beleben aber alsbald ward die Bai ron Boſton zu einem großen Theefeſſel gemacht. Hierauf hin ward denn Bofton ganz und gar mit Soldaten befeßt und der Hafen der Stadt ward geſchloſſen einer anderen Stadt ward das Hafenrecht angeboten , aber ftandhaft ſchlug diefe das Danaergeſdenk aus, fte dådyte, erklärte fie, gerade ſo wie Bofton ; ja, wie Boſton, ſo dachte das ganze Land. Ja wenn eben das Mutterland ſte nur durch Waffenge
walt rechtloß machen wollte, To , fühlten die Koloniſten , mußten auch ſie zu den Waffen greifen und mit den Waffen ihr Recht erkämpfen , überall fah man ererciren ; , Gott wil es ", hieß es von den Rangeln . Dennoch vers fuchte man ſo lang wie möglich den Weg der Güte - noch einmal erließ der Congreß von Philadelphia aus eine Bittſchrift an den König , wirklich mit einer rührenden Pietat abgefaßt, noch einmal erließ er eine Erklärung an das Bolk von England, ganz ruhig und würdevoll, gern würde Amerika mit ihm unter derfelben Krone fteben , aber es wolle aud daffelbe Hecht genießen fte traf verſchloſſene Dhren ; wohl wies der große Pitt auf die würdige und ruhig gehaltene Sprache jener Aktenſtüde ale auf ein lebendiges Zeugniß
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hin , daß man vergeblich verſuchen werde , ſolchen Männern ein Joch aufzu zwingen , wohl wies er darauf hin , daß , wenn man auch die Städte beſebe, man damit doch nicht das weite Land mit all ſeinen Wäldern und Strömen befiße - mit neun Regimentern wollte ein General die ganze Bewegung niederſchlagen .
Da rüſteten aud die Amerikaner , doch den erſten Schlag
wollten ſie nicht thun , den follte das Mutterland thun - und den that es auch bald.
Von Boſton aus ward eine Truppenſchaar nach Lerington ge
ſandt, um dort ein Waffenmagazin der Amerikaner zu zerftören ; e8 war amerikaniſche Miliz dort aufgeftellt, man feuerte auf fte - fte ließ fich zers ſtreuen ; man drang weiter nach Concord , dort das Gleiche zu thun , und zur größeren Sicherheit in dieſem Geſchäft ſuchte man vorerſt einige Brüden zu zerſtören , da traf man aufs Neue mit einer amerikaniſchen Freiheit8 fdhaar zuſammen – um noch immer den Weg des Friedens zu gehen , griff auch dieſe nicht zuerſt an , eine brittiſche Salve ſchoß einige der Anführer weg , da denn aber griffen die Freiheitskämpfer mit Macht an und bald mußten die Britten weichen .
Aber nun , auf dem Rückzug, da wurden auf
einmal alle Büſche, Schluchten , Gärten , Häuſer zu beiden Seiten des Wege lebendig , von allen Seiten drangen die Kugeln wohl geftcherter Scharf ſchüßen in die lange dichtgedrängte daar , der ganze Weg war mit Todten und Verwundeten bebedt, mit Mühe entfam ein fleiner Reft nach Boſton. Dies war der verhängnißvolle 19. April des Jahrs 1775 , der erſte Tag des Bürgerkriege, der den Namen des kleinen Lerington verewigt hat. eben den Jeßt ernannte denn der Congreb' einen Obergeneral Mann , der allein an dem verhängnißvollen Tag am Monongahela Stand gehalten , und willig verlics Washington ſeinen friedlichen Landfiß und er griff das Schwert.
Bald jah fic dae Brittenheer in Boſton zu Land und
Waſſer eingeſchloſſen , wohl erſtürmte es die befeſtigte Höhe von Bunferos hill, von der aus Washington die Stadt beherrſchte , aber mit furchtbarem Verluft, wohl betrauerten die Amerikaner dabei den Tod des tapfern Arztes Warren , aber noch mehr verging es den Britten , über die Vanfees zu ſpotten , als ſie doppelt ſo viel Tobte begruben denn das Freiheitsheer ; ta nach einer harten winterlichen Belagerung mußten fte Boſton räumen , ja nur durch die Drohung , Boſton anzuſtecken , erzwang ihr Befehlshaber fich freien Abzug.
3a , To febr hub ftoh der Amerikaner Energie, daß fte nun
auch gleich das altfranzöftfdhe Land, daß fte Canada mit hereinzuziehen ſuchs ten - in furchtbarfter Winterkälte brangen Montgomery und Arnold durd
61 dichte Wälder und Sümpfe , über rauhe eisglatte Berge nach Norden , mit ungeübten Truppen ſtürmten fie das fteilgelegene , von Schneebergen und Batterien beſchirmte Quebec - da freilich traf eine töbtliche Kugel Monts gomery's Bruſt , und nun brach denn überhaupt von Europa her ein ges waltiges Unwetter über die Amerikaner herein . Nicht bloß 20,000 Britten , auch 20,000 deutſche Söldner landeten im Frühjahr 1776. Es war damals in den kleinen Staaten unſeres Vaterlandes jener ſchauerliche Zuſtand, wie ihn Schiller in der Kabale und Liebe ſchildert, wo die Landes väter Schweiß und Blut des Volfe mit liederlichen Weibábildern ver praßten, wo ſte fich denn auch nicht ſcheuten, zur Aufbringung des Geldes für ſolche Luftbarkeit ihre getreuen Landebkinder wie das Bieh zu verhandeln ; geſchah's doch , wie Schiller erzählt , daß , als einmal eine ſolche Ladung aba gehen ſollte und nun die Shrigen um ſte herumweinten und nun denn Ets liche vorwißig fragten , wie theuer der gnädige Herr das Schod Menſchen verkaufe, man die Regimenter aufmarſchiren und dieſe Maulaffen zuſammen ſchießen ließ — fo wurden denn damals gegen zwanzigtauſend Waldecker, Braunſchweiger und Heſſen verhandelt. Aber dieſe blinden Heſſen , die Nachkommen des alten friegeriſchen Kattenſtammes , waren damit auch die beftgeübten und gefürchtetften Soldaten ihrer Zeit , und wie fte denn mit blinder Treue gegen ihre Fürſten dorthin zogen , fo ftürmten fie denn auch mit blinder Muth gegen die Rebellen an. Und was für Leute hatte Washington dagegen ! ungeübte Leute, vor allen Dingen ungeübt in ſoldatiſcher Zucht, allerdings von Freiheit begeiſtert ; aber von Freiheit bes geiſtert ſchwindelten fte ſo ſehr , daß nun auch Niemand ſeinem Dffizier ges horchen wollte, auch nahmen fich die Bürger wohl die Freiheit, einmal den Sold ganz und gar nicht zu zahlen , und die Soldaten demgemäß die Freis heit, auch einmal tüchtig zu plündern und zu ſtehlen , eg hieß dann, es ging über einen Königlichgeſinnten her ; der ächte Freiheitsgeiſt verrauchte ſo balb, daß, als das Jahr um war, worauf man ſich hatte anwerben laſſen denn in ſo kurzer Zeit meinte man fertig zu fein – man auch gleich nach Hauſe lief und Washington hatte nun die größte Mühe mit den neu Ein tretenden , ward dazu denn auch von der Eiferſucht der Amerikaner geplagt, er möchte ſich zum Soldatenkaiſer aufwerfen. Hätte ich ſolche Dinge vor mir geſehen ", ſchrieb er , der bisher ſo friedlich auf ſeinem Landfis gelebt, ich trüge lieber troß dem beſten gemeinen Soldaten die Muskete , ale daß ich ein ſolches Heer kommandirte " .
Nun , es ging auch darnach ; als das
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brittiſche Beer mit fluger Berechnung gerade gegen den Mittelpunct , gerade gegen Nev -Yorf logiegelte , da denn auf Staten - 3sland , da denn auf der Neirs Mort- Juſel warf der Ungeftüm der blind darauf losgehenden Heffen Adrø: nieder, das ganze amerifaniſche Beer wäre gefangen genommen wor . den , wenn ihm nicht ein dichter Nebel und der engliſde Uebermuth zur Rückehr nach dem Softland berholfen hätte - Washington felbft war der Icßte Mann, der überfuhr , aber nun war in ſeinem Beer fein Halten mehr, ſebaarenweiß ftob es auseinander , nur etliche Tauſend Pennſylvaniers Deutſche wir Deutſche dürfen und deffen wohl rühmen hielten bei ſeinen Fahnen aus, als er flüchtig über den Delaware fich zurüdzog, ale zus gleid, bom Süden die Gdyrecen poft über die mörderiſchen Einfälle der Ins dianer fam , welche von England auß aufgewiegelt waren, ja gar Viele mad = ten von der angebotenen engliſchen Gnade Gebrauch . Indeß gerade im härs teften Unglück erhub fich im eigentlichen Rern der moraliſche Muth deſto feſter. Bis jebt hatten die Amerikaner wofür gefämpft ? Nur tafür, daß- fte nicht vom engliſchen Parlament beſteuert werden ſollten , fintemal jte ja nicht darin vertreten wären , nur dafür, daß fie fich ſelber beſteuerten , ter engliſchen Krone wollten ſie dabei dod ebenſo gern unterworfen ſein wie das Volf in England , Irland und Schottland, ja fogar hatten ſie fich er boten , hundert Jahre lang jährlich eine Summe zur Tilgung der engliiden Sould zu zahlen , nur daß ſie dieſelbe ſich ſelber auferlegten. Man batte mit Söldnerichaaren geantwortet, man hatte überhaupt von England aus alle die Mittel befolgt, welde Franklin damalå in einer beſonders wißigen Schrift als geeignet aufzählt, um aus einem großen Reich ein kleines zu maden . Jegt denn hieß. c& : , nun, ſo ſtehen wir überhaupt auch nicht mehr unter der engliſchen Krone , denn von ihrem
Willen geht toch zulegt dies
Alles aus ". Ewig denkwürdig iſt die Erklärung, welche der Congreß , der dreizchn bereinigten Staaten Amerikas “ am 4. Juli 1776 zu Phila telphia erließ. Wir halten “, heißt es darin , folgende Wahrheiten für ſelbſtverſtändlic :
Ade Menſchen ſind gleich geſchaffen, fte haben von ihrem
Schöpfer gewiſſe Redite erhalten , die fie auf feine Weiſe aufgeben dürfen , zu dieſen Rechten gehört das Leben , die Freiheit und das Streben nach einem glücklichen Zuſtand ; um dicſe Rechte feſtzuſtellen , haben die Mens fden Landesregierungen angeordnet, die keinen andern Urſprung haben , als die Einwilligung derjenigen , die regiert werden . Go oft eine Regierungs form dieſen Zweden hinderlich wird, hat das Volk ein Recht, fie abzuändern
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oder abzuſchaffen , und eine andere einzuführen , die auf folche Grundfäße erbauet, und deren Gewalt in der Form organiſirt iſt, daß ſie dem Volk am zuträglichften fcheint, feine Sicherheit und ſein Wohl zu gründen . ift wahr, die Klugheit verlangt, daß Regierungeformen, die ſchon eine lange Zeit gedauert haben , nidyt aus unbedeutenden oder vorübergehenden Urs ſaden abgeändert werden , und an8 dieſem Grunde lehrt uns audy die Ers fahrung aller Jahrhunderte , daß das menſchliche Geſchlecht geneigter ift, zu dulden, ſo lange feine laften erträglich ſind , ale fich durch Abidhaffung der Formen, an die es einmal gewöhnt iſt, ſelbft Mecht zu ſchaffen. Aber wenn eine lange Steihe von Mißbräuchen und Anmaßungen , die unveränderlich einerlei Gegenſtand zum Zweck haben , deutlich tarthut, daß man die Abſicht habe , ein Volk einen
unbedingten Deepotiếmuß zu unterwerfen , ſo bat
daſſelbe ein Kedyt, es iſt ſelbſt ſeine Pflicht , das Joch einer ſolden Regies rung abzuſchütteln , und fich neue Beſchüßer ſeiner fünftigen Sicherheit zu verſchaffen.
Mit dieſer Geduld trugen die Kolonien ; aber dieſe Noth
wendigkeit iſt es auch anjeßt , die ſie zwingt, das Syſtem ihrer vorigen Res gierungsform abzuändern . Die Geſchichte des fepigen Königs von Groß britannien
iſt
die
Geſchichte
wiederholter
Uingerechtigkeiten
und
Ans
maßungen, die ſämmtlich unmittelbar tic Gründung ciner uneingeſchränkten Tyrannei in dieſem Lande zum Zweck hatten — teshalb ", ſchließen fte, nachdem ſie die ganze Regierung8geſchichte Gcorg': III. aufgezählt, , deshalb erklären wir unter Anrufung des hödyſten Ridters der ganzen Welt , daß dieſe vereinigten Rolonien freie und unabhängige Staaten find und aus allem Ochorſam gegen die brittiſche Krone entlaſſen , und im Vertrauen auf die göttliche Vorſchung machen wir uns verbindlich , unſer Leben , unſere Güter und unſere Ehre der Aufrechthaltung dieſer Erklärung zu widmen ". Eigenthümlich mußte folche Erklärung den damaligen Fürften Europas klingen , und doch ſind die darin aufgeſprochenen Grundfäße dicſelben , die der abſolutefte und aufgeklärtefle Monarch , die Friedrid, der Große auss ſprach in jenem bekannten Wort : der König iſt der erſte Dicner tes Staats. Dody fehren wir zum Verlauf des Krieges zurück: zu dieſer mannhaften Erklärung cryub fich der Congreß gerate in der troſtloſeſten Zeit , und alsbald fügte Washington zu dieſer Erflärung die That. Mit nur wenigen Gctrcuen , die gleich ten dreihundert 18 Gideon bei ihm ausgebarrt , hatte er ſich über den Delaware zurückgezogen, ſorglos hatte ſich das große Feindreher am linfen Ufer des Sluſſes weit
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auseinander gelagert, nur auf ſtarken Froſt wartend , um dann dem ſchwa chen Haufen vollende den Heft zu geben.
Da denn aber in der Weih
nachtenacht ging Washington unter Bagel und Schnee über den mit Eis ſchollen treibenden Strom, und überfiel die zerſtreut liegenden Truppen , die fich wohl gerade der Chriftbeſcheerung freuen mochten.
Vornehmlich an
neunhundert Heſſen wurden gefangen , ein ſchönes Chriftgeſchenk! — wie freuten ſich nicht die Bewohner Philadelphia's, als fte dieſe gefürchteten Draufichläger nun ſo ganz zahun durch ihre Straßen geführt ſahen , wie gingen aber auch nicht den blinden " Heffen die Augen auf, als ſie nun unter den , Rebellen " liebe deutſche Landsleute fanden , als dieſe ſte nicht wie Gefangene, ſondern wie Brüder aufnahmen , ihnen Land anwieſen und ihnen riethen , fich unter den deutſchen Töchtern des Landes umzuſehen * ). Seit der Zeit liefen fte ſchaarenweis zu den Amerikanern über.
Wohl
mußte nun Washington fich wegen Mangel an Truppen lange Zeit unthätig verhalten - aber deſto bewundernemerther , daß er gleich einem Fabius Cunctator ein weit überlegeneres Heer ſo lang auch in Inthätigkeit erhielt, wohl ward er endlich in offener Schlacht am Branntweinfluſſe geſchlagen , wohl mußte er weiter weichen , wohl fiel Philadelphia , der bisherige Vers ſammlungsort des Congreſſes , in General Howe's Hand , aber gerade als dieſer nun meinte , mit dieſer ſogenannten Hauptſtadt Alles erobert zu haben, und ſeine Soldaten ſorglos einen ganzen Winter hindurch ſchwelgen ließ, ähnlich Hannibal's Heer in Capua : da denn erſcholl auf einmal vom Norden die Nachricht, ein ganzes Brittenheer iſt gefangen genommen worden ! Zwei engliſche Heerzüge hatten , der eine den Lorenzſtrom herauf, der andere von den Seen den Hudſon herunterziehend , das eigentliche Purita nerland , dieſen eigentlichen Herb des Aufſtandes , von beiden Seiten zu ſammendrücken ſollen wirklich gut berechnet, und dabei denn mit ſolchem Racheburſt, daß man ſogar die Mord- und Scalpirſucht der Rothhäute in ſeine Dienſte nahm. Wirklich fielen auch einige für unüberwindlich ges haltene Forte in der Britten Hand , überall wichen die Amerikaner — da denn aber geriethen jene ſelber in die Falle.
War das Land ſo ſchon
fumpfig , moraftig oder von undurchdringlichem Wald beſegt, ſo hatten die weichenden Amerifaner überdies alle Wege, Brüden, Dämme zerſtört, zwei
* ) Löher, S. 185.
1
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Meilen lang mußten die Britten einen Damm durch den Moraſt bauen, auf vier Meilen mußten fte vierzig Brüden ſchlagen , zwanzig Lage bergingen ihnen über dieſer kleinen Strecke Wegs, die Lebensmittel gingen aus, kleine Trup penabtheilungen , die man um Zufuhr ausſchickte, wurden aufgerieben ,
In
dianer, die man gegen die Amerikaner aufgehegt, ließen jeßt ihr Müthchen an den Britten aus, von allen Seiten rückten die Feinde heran, vergeblich ſchicte man nach dem Hauptheer in Philadelphia, das ſchwelgte in ſorgloſer Ruhe, vergeblich verſuchte man ſich durchzuſchlagen , vergeblich wagten brave her ftſche Generale ihr Leben daran - bei Saratoga mußte das ganze Heer unter General Bourgoyne die Waffen ſtrecken. Milde ward es behandelt, Bourgoyne hatte die Güter der amerifaniſchen Generale durch die Indianer verwüſten laſſen - feßt ward ihm ſelbſt ein ſchöner Landfig angewieſen. Wie dieſe Nachricht nach Europa kam , da ward freilich den brittiſchen Miniſtern eigenthümlich zu Muth .
Wie gern hätten fte jeßt nicht Vers
föhnung herbeigeführt, wie gern erboten fte ſich nicht, vom Recht der Bes ſteuerung abzuſtehen , wie gern wollten fte nicht den Amerikanern gleichen Siß im brittiſchen Parlament zugeftehn , wie gern nicht all’ die alten drückenden Feſſeln von Handel und Induſtrie abſtreifen , wie gern gelobten fte nicht vor allem , auf ewige Zeit keinen brittiſchen Soldaten mehr den nur Amerifa unter Fuß auf Amerikas Boden feßen zu laſſen !
derſelben Krone bleiben wolle !
Was lag jeßt den Amerikanern daran ,
nachdem fte idon auf eigenem Boden die brittiſchen Rothröcke gefangen ge nommen !
Ja ießt vielinehr winkte ihnen Hülfe vom alten Europa aus.
Schon früher waren deutſche Generale gekommen , Kalb und Steuben , ſte, denen es vornehmlich zu verdanken iſt, wenn das ungeordnete ungeübte Freiheitsheer , dem eg namentlich an guten Offizieren mangelte — meinte doch Washington von vielen , man könne fte nicht einmal als Schuhpußer brauchen — zu irgend welcher Regelrechtigkeit eingeübt ward , desgleichen freiheitglühend der edle Pole Rosciusko , den unglückliche Liebe zur Tochter eines ahnenſtolzen Marſchalls zum Vaterland der Freiheit und Gleichheit trieb , und der junge Franzoſe Lafayette, der fich aus den Armen ſeiner jungen Gemahlin losriß , für die junge Freiheit zu fechten ; doch das waren Einzelne - inzwiſchen aber war in Frankreich durch Rouſſeau , dieſen me lancholiſchen Schwärmer des Naturrechts und Naturftaats , eine ungeheure Begeiſterung für den jungen Freiſtaat erwedt , der allein der jungfräuliche Boden für die Verwirklichung ſeiner Ideen zu ſein ichien ; und auch der 5 Nagel, Vorleſungen.
66 franzöftidie Hof, ſo wenig er dieſe Begeiſterung theilte , doch fühlte er eine geheime Wonne, daß nun dem alten Erbfeind, daß nun England ſeine foft barfte Beffpung entriffen ward. Da denn kam vom Congreß geſandt Franklin dorthin – in einem einfachen ſchwarzen Rock , mit ſchlichten langen Haaren , ohne Zopf , Puter und Berrücke erſchien der große Mann mitten im Land der fteifften Moden , im Land der wälſchen Zierbengelei und Menſchenverkünftelei; da denn verliebte ftch bald Alles förmlich in den eins fachen Mann , der mit ſolcher Begeiſterung für das Wohl feines Materlandes ſprach. Bald war ein förmliches Bündniß zu Stande gebracht, oas altefte und abſoluteſte Königthum verbündete ſich mit der blutjungen Republik – modite es wohl ahnen , daß es dadurch ſich ſelbſt ein ſo fürchterliches Ver hängniß fduf? So fai denn nun eine bedeutende Flotte , eine bedeutende Truppen macht von Franfreid her zu Hülfe, geſtdyert waren nun die amerikaniſchen Rüften vor brittiſchen Schiffen , europäiſche Disciplin focht auch auf ihrer Seite mit
und doch , es war , als ruhe auf dieſer Hülfe kein ſo rechter
Segen . Mochten fich ftreng disciplinirte Franzoſen nicht redit famerade ſchaftlid , vertragen mit irregulären Amerifanern , oder war'd vielmehr, daß bei dieſen eine große Lauheit und Nachläſſigkeit einriß , feitdem fie fich auf fremde Hülfe verließen ? Ja wohl riß eine ungeheure Nachläſſigkeit ein das Soldzahlen hörte einmal lange Zeit ganz auf . habgierige Lieferanten betrogen die Soldaten um die Lebensmittel , ja verkauften fte fogar lieber an die Engländer, deren klingende Münze ihnen beſſer gefiel als der Ameri kaner Papiergeld , ganze Regimenter wurden daher rebelliſch , nur mit der größten Mühe konnte Washington fte beſchwichtigen, im Norden , der durch die Capitulation von Saratoga gänzlich befreit war , fand ſich derſelbe Mann , der fich einft in Canada mit Ruhm bedeckt, fand fich General Arnold bereit, für ſdnödes Geld den Britten das ihm anvertraute Weſtpoint, das amerikaniſche Gibraltar , auszuliefern , und nur ein glückliches Ungefähr, das freilidh den engliſchen Unterhändler, den edlen Major André zum Galgen brachte ,
rettete die Feſtung ;
im Süden aber , in dem zunächſt
Adlige fich niedergelaſſen , in dem die Pflanzungen zum Theil direkt vom König ausgegangen , erhoben fich zahlreiche Sdjaaren Königlichgeſinnter, vereinten ſich mit Britten und Indianern und verheerten das Land mit Mord und Brand – noch erzählt man ſich mit Schaudern von der Auówüftung des blühenden Wyomingthales , wo eine ſolche Bande die Bewohner durch
67 Verſprechungen ficher machte und aus ihrem Fort herauslodte, dann aber plößlich überfiel und zu Tode marterte , wo Britten nach Indianerart einen Capitän mit Tannenſplittern beſteckten , dieſe dann anſteckten und ihn fo langſam zu Tode brieten , wo , als ein Indianer ſeine Mordart vor einem unſchuldigen Würmchen in der Wiege zitternd niederfinken ließ, ein Rohalift es mit den Worten : , das iſt auch ein Rebell ! “ an's Bayonnet ſpießte. Wirklich wurden Denn auch im Süden , den unter ſolchen Umſtänden die Britten leicht zu erobern gedachten , die Amerikaner mehrfach geſchlagen , und zur See - da widhen die Franzoſen den Engländern ebenfalls. gerade dies Unglück weckte wieder die eigentlich moraliſche Rraft.
Aber
Wie der
Congreß , wie die Staaten ſelber feinen Sold zahlten , ta opferten die Frauen willig ihren Schmuck auf den Altar des Vaterlandes , da verſorgte unter Andern wir Deutſche mögen uns das wiederum merken ! eine deutſche Bädersfrau aus Philadelphia ein Jahr lang das Heer mit Allem , was fte nur an Mehl und Brot aufbringen konnte * ), und mochte auch noch ſo ſehr der Britte Cornwall die Treuen , die einmal dem Freiſtaat Treue ge ſchworen , in ſeinen Rerfern quälen, es fand ſich Reiner , der überlief , felbft unter den aufrühreriſchen Soldaten nicht da Denn nun , als Cornwall gerade den Süden gebändigt zu haben meinte , wagte Washington , der drei Jahre lang den ewigen Kreuz- und Querzügen unthätig hatte zuſehen müſſen , einen entſcheidenden Schlag. Es ſtand im Süden Cornwall bei der Stadt Vorftown am Vorffluffe Da erſchien auf eininal Washington auf der Land- und die franzöſiſche Flotte auf der Wafferſeite dieſer Stadt und idloffen ſie mit doppelt überlegener Macht ein .
Bald
waren die Außenwerfe zerſchoſſen , die ſlimmſten Forté nahmen Lafayette und Steuben mit Sturm , in vollem Lauf ſtürmten die Amerifaner , die im Beginn des Krieges niemals dein Bayonnet widerſtanden , die Batterien, vergebens ſuchte Cornwall zu Waſſer zu entrinnen , das Waſſer focht gegen ihn, 7000 Mann mußten die Waffen ſtrecken , als eben eine Flotte zum Entſaß erſchien - zu ſpät! Mit dieſem Shlag war der Krieg entſchieden , 1783 erkannte Eng land ſeine bisherigen Kolonien als ſelbſtändigen Freiſtaat an - gegen Frankreich hatte es im Seefrieg Ehre eingelegt , noch mehr gegen die alte ſpaniſche Seemacht, die ſich auch bei dieſer Gelegenheit an der Beſtegerin
* ) Löher S. 169 .
5*
68 der unüberwindlichen Flotte rächen wollte , ewig denkwürdig fteht die Ver theidigung Gibraltars gegen die ſchwimmenden Batterien der Franzoſen und Spanier da, aber trozdem unterlag das meerbeherrſchende Mutterland gegen den mündig gewordenen Tochterſtaat, als es an ihm zur Stiefmutter werden wollte. Mit ſeligem Gefühl durchzog Washington das befreite Land , überall als Vater des Vaterlandes begrüßt ; an der Stelle , wo er in ſchauriger Weihnachtsnacht mit einem zerlumpten Häuflein Getreuer den Delaware überſchritten , da waren Ehrenbogen errichtet und die Frauen und Mädchen des Landes empfingen ihn mit Liedern und Blumenkränzen. Und nun der Feldherr , der acht Jahre lang das Schwert geführt und an der Spiße des Heers geſtanden , er legte ſein Schwert nieder und ging , gleich jenem Röiner Cincinnatus , auf ſeinen friedlichen Landfis ; das Beer, das oft ohne Sold und Kleidung und Nahrung , unter den größten Strapagen acht Jahr ausgehalten , es begnügte fich, bei ſeinem Sieg und bei der allgemeinen Armuth, mit einer dürftigen Abſchlagszahlung und ging friedlich und ruhig in's bürgerliche Leben zurüc, treu folgend ſeinem Cincinnatusgeneral, glück lich, „ Theil genommen zu haben an der Gründung der herrlichen Werks ftätte der Freiheit , an der Errichtung eines großen Staats auf dem Boden der Unabhängigkeit , an der Stiftung eines Zufluchtsorts für die Unters drückten aller Völfer und Religionen ". Nur noch einmal trat Washington aus ſeinem friedlichen Landfis hervor, aber nicht, um gleich einem Napoleon fich zum Säbeldiktator des freien Vaterlandes zu machen , ſondern von der Stimme ſeines ganzen Volkes berufen , um den dreizehn Staaten , die , von ungeſtümem Freiheitsdrang beſeelt, gar keine einheitliche Regierung aner kennen wollten , eine ſolche Regierung zu verſchaffen , die da den nothwen digen Einheits- und Schwerpunct abgebe für die dreizehn ſo ſehr von ein= ander verſchiedenen Staaten , und die doch zugleich einem jeden einzelnen ſeine freie Bewegung laſſe. Dann aber trat er ganz vom Schauplaß zu rüd , nachdem er dem neuen Freiſtaat empfohlen , fic fern zu halten von den Verwickelungen der alten Welt , und ſtarb dann bald in ſeliger Ruhe und während nun in Europa das Säbelregiment begann , regierte in Ames rifa der Pflug.
Hochverehrte Verſammlung!
Wir haben in den legten Vorleſungen geſeben , wie die engliſch -Deuts ſchen Rolonien , gegründet von Leuten , die doch irgendwie beengenden Vers hältniſſen des Mutterlandes , zumal dem Religionsdruc entflohen, dazu vom Mutterland getrennt durch den weiten Ocean , nun bei den inneren politis ſchen Rämpfen deſſelben ſich auf eigene Füße zu ſtellen lernten , wie fte vom Mutterland aber in all ' und jeder Hinfidit niedergehalten wurden und zus leßt, gerade als ſte fich auf eigenem Boden als friegøtüchtig fühlen gelernt, ohne eignes Wiſſen und Wollen beſteuert werden ſollten , gleich als hätten fte felbft gar kein Recht auf ihr Eigenthum – da verſuchten fte ſelber noch gütliche Vermittelung, aber als auch dieſe abgewieſen war , griffen ſte zum Schwert und kämpften fich in achtjährigem Kampfe log .
Ewig denkwürdig
ſteht da die Geſtalt des weltweiſen Franklin , der vom Sohn eines Seifens fteders fich zum Vertreter ſeines Vaterlandes bei der älteſten Monarchie Europas emporſchwang und ihm deſſen Hülfe gewann , ſteht vor Allem da die Geſtalt Washington's ,
der
troß aller Uebermacht der feindlichen
Söldner , troß alles Mangels an Ordnung im Freiheitsbeer , trop der öfteren Entmuthigung und Erſchlaffung doc ftete den Muth und die Bes am ſonnenheit aufrecht hielt und dadurch ſein Vaterland frei fämpfte Denkwürdigften darin , daß er , der vom Adergut in den Krieg gezogen , daß desgleichen das ganze Freiheitsheer , nun als der Krieg ausgefochten , willig den Säbel niederlegt und in's bürgerliche Leben zurückkehrt. Ia denkwürdig iſt dies namentlich als Vorzeichen für die ganze Entwidelung und das ganze
70 Aufblühen des neugeborenen Freiſtaats , wenn wir es vergleichen mit den leßten ftebenzig Jabren Europa's . Schon früher babe ich darauf hingewieſen , wie die legten ſtebenzig Jahre Europa's im Grund genommen nur ein Verſuch find , amerikaniſche Ideen und Einrichtungen auf europäiſchen Boden zu verpflanzen , wie fich dies ja ſchon äußerlich darin zu erkennen gibt , daß gerade das Heer des Landes , in welchem der europäiſdie Sturm losbrach , in Amerika mitge fochten.
All' dieſe Ideen , die ſich gleich einem rothen Faden durch das
wirre Labyrinth der legten Menſchenalter ziehen , daß Jeder Herr ſeines Leibes ſei, daß vor dem Gefeß jeder Stand gleich ſei, daß in Gewiffens fachen der Staat nicht herein kommandire , daß Niemanden eg beſchnitten werde, mündlich oder ſchriftlich ſeine Anſichten zu äußern , daß Jeder , indem er regiert wird , zugleich doch irgendwie ſelber mitregiere, al' dieſe Ideen , wie man fte mit den gäng und gäben Stichwörtern der perſönlichen , relia giöſen und bürgerlichen Freiheit bezeichnet – eg find eben die Ideen , die idon lange vor der franzöflichen Revolution auf Amerifa's friſchem Boden zur vollen Selbſtändigkeit gelangt ſind.
Nun , wollen wir hoffen , daß ſte
auch unſer altes Europa, dieſe alternde Königin , wie der Dichter fie nennt, verjüngen - aber grauen jollte uns freilich vor dem Weg , den ſie durch Europa genommen . Was ſehen wir da nicht Alles ? Nach den erſten ſeligen Flitterwochen des Jahres 1789 die Guillotinirung eines frommen wohlgeſinnten Rönige, das jakobiniſche Schreckensregiment, den Kampf der alten Monarchien gegen den neugeborenen Freiſtaat , das Ausſtrömen der Freiſchaaren nach allen Landen hin , die Herſtellung der Drdnung, aber unter einem Soldatenkaiſer, der unter Hunderten von mörderiſchen Schlach ten ganz Europa vom äußerſten portugieftſchen Südweſt bis zum äußerſten rufftfchen Nordoſt, vom äußerſten franzöftſchen Nordweſt bis zum legten ägyptiſchen Südoſtwinkel des Mittelmeers in eine einzige Familiendynaſtie zu verwandeln trachtet, dann den Sturz dieſer Degpotie durch den vereinten Kampf der Fürften und Völker , ſeitdem allerdings dreiunddreißig Fries bensjahre , aber Jahre des bewaffneten Friedens , del Mißtrauens der einzelnen Staaten gegen einander , ja leider auch des Mißtrauens zwiſchen Fürſten und Völkern , zuleßt auch des zwiſchen Reich und Arm , und was nun ſchon mitten in dieſen Friedensiahren das Jahr 1830 , was aber nach ihnen das Jahr 1848 für Erſchütterungen hervorgerufen hat von einem Ende Europa's zum andern , Revolutionen von Portugal bis nach Polen,
71 von Frankreich bis nach Ungarn und dazwiſchen nun gar in den alten Reſts dengen der mächtigſten deutſchen Könige und Raiſer - das iſt uns Allen ja wohl noch im Gedächtniß.
Al' dieſe Erſcheinungen , welche dieſe Ideen
in Europa hervorgerufen haben , wären wohl geeignet , dieſelben ſelbſt zu verleiden , wenn ſte nicht durch ihre eigne Erhabenheit unwiderſtehlich ans zögen , wenn ſie ſich namentlich aber nicht als lebenſpendend bewährten in dem neuen friſchen Welttheil , wie neuer Moft im neuen Schlauch — wäh rend fte freilich im alten Europa nur zerſtörend wirken mußten , wie neuer Moſt im alten Sdlauch . Denn beiſpiellos iſt eben das Aufblühen jenes neuen Freiſtaats und zwar vornehmlich auf friedlichem Weg . Zwar hat auch er nod einmal etwa dreißig Jahre nach ſeinem Unabhängigkeitskampf das Schwert gegen England ziehen müſſen , als dies , auf Rache gegen Napoleon , der aller Welt den Handel mit England verbot , nun anderſeits aller Welt den Handel mit Frankreidy, ja mit dem ganzen von Frankreich beherrſchten Con tinent verbot und ſo Hunderte von amerikaniſdien Schiffen , die um die europäiſden Welthändel unbekümmert dorthin legelten, wegnehmen ließ, und zwar mit Ehren hat er dies Sdwert gezogen ; ſeine neugeſchaffene Flotte ſchlug die altbrittiſchen Seeleute von den canadiſchen Seer: hinweg, und als die Britten mit wahrem Vandaliamus das Capitol der vereinigten Staaten in Washington einäjcherten , da ſchlug die Stadt Baltimore dieſe Vandalen zurück, da ſdhlug eine kleine Sdaar die vierfach größere brittiſche Kriegeridaar , ſchlug ungeübte Landwehr die Veteranen des Beſtegerd Na poleon's bei New -Orleans in die Flucht. Doch dieſer Krieg galt nur einem weit entfernten Land , gleichſan als leßte Abrechnung mit dem Mutterland. Zwar herrſcht dort auch am allerwenigſten das , was ſich eine ſchwärmeriſche Faulbeit als ewigen Frieden vorſpiegelt, vielmehr das allerrührigſte Treis ben , ja namentlich auch das großartigfte Parteitreiben in religiöſer wie politiſder Hinſicht, das fich namentlich im Lande der Freiheit am unge bemmteſten entwickelt, zwar wird dabei die ſaftigſte Grobheit und ſchuftigſte Verläumdung nicht geſpart - aber während in Europa das Parteitreiben zu Barrikaden , Guillotinen und ftandrechtlichen Begnadigungen zu Pulver und Blei führt, richtet dort über alles Treiben die öffentliche Meinung felbft in den Abſtimmungen , der öffentlichen Meinung, die fich in den Wahl abftimmungen zeigt , fügt man ſich als Gottesſtimme und ſo geht denn bei aller furchtbaren Rührigkeit das Leben doch ohne Revolution for fich , hat
72 doch ſelbſt die brennendfte aller inneren Fragen, hat doch ſelbft die Sklavens frage, die den Nord und Süd ſpaltet, noch nicht zur Revolution geführt zumal aber gibt es noch ungeheure friſche Landftriche , wohin jede friſche Kraft, wohin jede neue Idee fich werfen und dort fich ihr eigenes Reid ges ftalten kann , zumal aber ſind dieſelben die rechten Ableiter aller materiellen Noth . Und dies hat denn nun ungeheure Schaaren Einwanderer angelockt aus allen Ländern Europa's , vornehmlich aber theils aus Irland , aus jener unglüdlichen Smaragdinjel, die feit Jahrhunderten von dem freiheitos ftolzen Albion nur als erobertes
Sklavenland behandelt ,
dabei aber
in ihrer Bevölkerung rieſenhaft angewachſen , nun ihre unglücklichen Söhne maſſenhaft herüberſendet, wo fte zunächſt freilich nur den Pöbel in den großen Seeftädten bilden , allmälig aber vom heimiſchen Schmuß und von heimiſcher Leichtfertigkeit geneſen und dann auch wohl ein gutes Theil von ihrem leichten und waghalſigen Blut in die angelfächftiche Bevölkerung bringen * ) , theils aber aus Deutſchland, aus dem Herzland Europa's, daß Wie ſehr durch dies Alles
ſeine Söhne ſendet in das Herz Nordamerifa's.
der neue Freiſtaat emporgeblüht , ergibt ſich ſchon aus einigen ſtatiſtiſchen Notizen . Damals, bei dem Friedensſchluß von 1783 , betrug die Ausfuhr etwa für 15 Millionen Pfund Sterling , war doch Handel und Gewerbe ſo ſehr tarnieder gehalten worden , jeßt gegen 150 Millionen . Damals zählte der Staat 3 Millionen Einwohner , jeßt 23 Millionen . Damals umfaßte der Bund nur 13 Staaten , feßt 31. Damals nämlich war eigentlich nur die lange ſchmale Rüfte zwiſchen dem atlantiſchen Meer und den blauen Bergen beſtedeltes Staatégebiet – ja nicht einmal dieſe ganz , denn Florida gehörte den Spaniern ; wohl gehörte auch der größte Theil des öftlichen Mifftfippithals dem neuen Staat , aber nur einzelne Hinterwäldler hauſten dort in ihren Blockhütten , ja über die Mündung des Mifftfippi, über das weſtliche Mifftfippithal kommandirten abwechſelnd die Gebieter von Frankreich und Spanien . Jeßt ift Florida , jeßt iſt die Mündung des Vaters der Gewäffer , jeßt ſein ganzes weftliches Stromgebiet durch Kauf erworben , abgekauft namentlich jenem kriegeriſchen Revolutionseroberer des alten Europa'f ** ) , und alsbald nicht durch Schwerter , ſondern durd Holzart
*) Es iſt Löher's Verdienſt, auf die Bedeutung des irländiſchen Bluts in dem engliſchredenden Amerikanerſchlag aufmerkſam gemacht zu haben . S. 389 ff. **) Genauer ! 1763 , am Schluß jenes canadiſchen Krieges trat Frankreich den
-
73 und Pflug für den Frieden erobert.
Ja noch über das Mifftſippithal her
aus iſt der Amerikaner im Kampf gegen die verfaulte ſpaniſche Cultur Merico's gedrungen bie zum ftillen Ocean , wo ftch ihm denn durch das neue Goldland bereits eine Brücke nach Aften aufgethan.
Und ſo ſtredt
fich denn der neue Freiſtaat jeßt bom atlantiſchen bis zum ftillen Ocean, von den canadiſchen Seen bis zum mericaniſchen Golf , und er redt fich nach Süden aus nach dem großentheils in krampfhafter Anarchie zudenden Weftindien und Südamerika , und er reckt fich nach Weften aus über das ſtille Meer, um Japan, um China, um das alte Aften , um dieſe einft lebens dige , jeßt feit Jahrtauſenden erſtorbene Urftätte der Kultur aufzuſchließen . Es wiederholt fich denn in dieſem Gang dieſes neuen Staats das große Geſeß, das wir früher durch die ganze Weltgeſchichte verfolgt, daß die Bil bung eben geht von Often nad Weften .
Verfolgen wir denn dieſen Gang
näher und zwar zunächſt die Beſtedelung des Mifftſippithale . Schon früher hab' ich erzählt , wie zuerſt ein Spanier , Fernando de Soto eß war, der den großen Strom fab um ſein Grab in ihm zu fin den .
Um Gold zu ſuchen , fam er , ein jüngerer Zeitgenoſſe des fühnen
Cortez und des Goltſuchers Pizarro , mit etwa tauſend Kriegern nach Flo rida , ließ fich aber durch die liſtigen Vorſpiegelungen der Indianer nach Weſten in die furchtbarſten Dickichte locken , da ward er von ihnen mehrfach überfallen , aber rottenweis wurden die nachten Nothhäute von den ftahlges panzerten Kriegern niedergehauen , ſo kam er unter den größten Beſchwerden zum gelben Strom , da ſtarb er , von Strapagen erſchöpft.
So erbittert,
wußten ſeine Gefährten, waren auf ihn die Indianer, daß ſte ihn aus einem gewöhnlichen Grab wieder aufgeriſſen haben würden , darum legten fie ſeinen leichnam in einen hohlen Baum , berdwerten denſelben mit Steinen und der Mifftfippi ward ſeines Entdeckers Grab .
Auf ſteben armjeligen
Schiffen fuhr der Reſt der Seinigen unter fteten Nadiebungen der Indianer den Strom herab nur dreihundert erreichten , mehr Thieren als Men ſchen ähnlich, Merico .
Hundert und freißig Jahre verfloffen ſeitdein , ehe
Diten des Miſfifippithals, Spanien Florida an England ab . Der Weſten des Mifft: fippithals ſamit Neu-Orleans blieb bei Frankreich. 1783 fiel das öftliche Miffifippi: thal an die vereinigten Staaten , Florida ward an Spanien zurückgegeben , zugleich erhielt dies von Frankreich das weſtliche Miſfifippithal ſammt Neu-Orleans . 1801 kaufte Napoleon Bonaparte es den Spaniern wieder ab , 1803 aber ſchon verkaufte er es den Freiſtaaten . 1819 verkaufte Spanien auch ſein Florida.
74 ein europäiſches Auge den Mifftftppi pieder (aute.
Da denn hörte ein
franzöſiſcher Mönch am Lorenzſtrom , der dort den Indianern das Evanges lium predigte , dieſelben erzählen von einem Meffaſchweba oder Vater der Gewäſſer im Weſten, den kein Mann befahren könne, weil Ungeheuer ſeinen Nachen verſchlängen und ein böſer Geiſt oder Manitu jedwedem Schiffer Untergang drohe aber gerade dorthin zog's.ihn ; mit noch einem anderen Pater, den es unwiderſtehlich trieb , aller Kreatur das Wort zu verkünden, lernte er die indianiſchen Sprachen , ſte trugen dann ihren Nachen über die Waſſerſcheide , welche die Gewäſſer der Seen von den nach Weſten rins nenden Flüſſen trennt , fuhren den Wiskonſin herunter zum grünen Strom - ta rauchten die Indianer mit den ehrwürdigen Vätern die Friedens pfeife.
Man meinte , ter Strom fließe nach Weſten und werde einen Hans
delsweg nach China eröffnen ; erſt ein anderer unternehmender Franzoſe, erft La Salle , Gelehrter , Geiftlicher , Kaufmann zugleich , fuhr unter den größten Mühſeligkeiten bis zum mericaniſchen Golf herab und nahın im Namen des vierzehnten Louis von dem gewaltigen Strom und dem Strom thal Louiſiana Beſts — aber es iſt charakteriſtiſch , wie wenig dieſer ge waltthätige franzöſiſche Eroberer, der das ganze alte Europa faft zwei Mens ſchenalter hindurch mit Krieg und Brand erfüllte , wie wenig überhaupt das unruhige franzöſide Volk, dem es ſtets nach dem zwar wunderſchönen, aber doch nur mit Denkmälern der Vergangenheit bedeckten Vater Rhein ge lüftet , von dieſem gewaltigften aller Ströme , von dieſem Vater der Ges wäſſer, von diejem friſchen jungfräulichen Land, wenigſtens ſechsmal ſo groß als Deutſchland , wie wenig es davon Gebraudzu machen verſtand. Louis XIV. ſchickte ein Geldwader mit etwa 280 Mann Beſaßung aus, fich an der Mündung des neuen Stromes niederzulaſſen , aber er übertrug den Oberbefehl nicht unſerem unternehmenden Reiſenden La Salle, ſondern einem arroganten Soldaten .
Der läßt ſich von La Salle nid ) t weiſen , ver
fehlt die Mündung , ſeßt endlich , da inzwiſchen ein Sdhiff zu Grunde gegangen , die Roloniften am erſten beſten Fleck an's Land und macht ſich nach Haus zurück. In einem furchtbar ungeſunden Küſtenſtrich baut La Salle ein Fort Louiß und fät Maiß und Gemüſe, um nicht zu ver = hungern. Bergeblich ſucht er in einem gebrechlichen Nachen längs der Küſte fabrend die Miffifippimündung wieder zu finden , vergeblich nach Merico durchzudringen , von dorther fogar Gold zu holen , fein Muth ift ungebrochen, mit nur vierundzwanzig Mann macht er ſich auf , um die uns
75 geheure acthundert Stunden lange Strecke landeinwärts durch die dichte Waldwildniß hindurch bis zum Lorenz, bis nach Canada durchzudringen und von den dort angeſiedelten Franzoſen Hülfe zu holen — da denn , un terwegs, empören ſich ſeine Leute wider ihn , auf einer Prairie wird er er ſchoſſen , ſein nackter Leichnam bleibt den Wölfen und Geiern zum Fraß, ungeräht.
Ihren bravſten Mann ließen ſo die Franzoſen verfommen , erſt
mehrere Jahre nachher ſchaffte Louis neue Anſiedler in's Land , doch durch ſtreiften ſie meiſt nur als Jäger und Metalſucher das Land , Ackerbau war ihnen zu unbequem.
Bald ward denn das Land einer Handelskompagnie
zur Beſtedelung und Ausbeutung übergeben . Die denn , um Anſiedler an zuloden , berfiel darauf , auszuſchreien , es ſeien große Gold- und Silber gruben in Louiſtana entdeckt und wohl noch größere Entdeckungen ſtünden bevor , und mit ihr verbrüderte ſich ein anderer Schwindler , um den Fran zoſen daheim ihr Geld abzulocken .
Bei der fürchterlichen Zerrüttung näm
lidy, in der fich nach Louis XIV. Tod die franzöſtichen Finanzen befanden , trat am franzöftſchen Hofe ein Schotte Law mit dem Project auf , alles baare Gelb der Unterthanen in die Taſche des Hofeß hinein zu bugftren.
Er
errichtete nämlich im Namen der Regentſchaft eine Bank , die Papiergeld ausgab , wer dies Papiergeld annahm und dafür ſeinen Betrag in baarem Geld an dieſe Banf lieferte, der erhielt Antheil an den überſchweng lichen Gold- und Silberſchäßen von Louiſiana.
Ganz Frankreich drängte
fid , ſein baares Gold und Silber gegen ſchlechtes Papier einzuliefern , eine Dame , die nicht zum Bankhaus durchdringen konnte , ließ ſogar ihren Wagen umwerfen , um dann als beſchädigt hereingetragen zu werden , indeß es kam kein Gold und Silber aus Louiſiana an da denn , eines ſchönen Morgens , war Lam mit ſeinen Helfershelfern und dem größten Theil des eingenommenen Geldes über alle Berge und die Franzoſen waren zu Bett lern gemacht; nur Louiftana war um einige tauſend Einwanderer reicher geworden , die denn nun , da man in den gräßlichen giftigen Miffiſtppi ſümpfen kein Gold fand, ſich zum Ackerbau bequemen mußten . Ja freilich, dazu bequemen - denn es war den feinen Franzoſen zu grobe Arbeit; was ſte ſtd ; fobald wie möglich anlegten , war ein großer Tanzſaal , wo fte mit allerlei Flitterſtaat bebangen die Noth des Lebens wegzuſcherzen ſuchten. Legten fte doch auch nicht lange darnach im giftigſten Land der Erde , im Guianaland ein kleines Paris und Verſailles an , ließen dort ſchöne Holz ſtädte aus dem Giftboden hervorzaubern , gingen dort ihrer fünfzehntauſend
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Grafen , Barone , Marquiſen , Offiziere , Maitreſſen ſpazieren , tanzten alle Tage in Herzensluſt, lebten wie dans la belle France in Herrlichkeit und Freuden — nach einigen Monaten waren die Meiſten zu Leichen geworden und die Uebrigen waren froh , vom Giftland nach la belle France zurückzu kehren . Nicht viel beſſer trieben . ſie's in Louiſiana - nur deutſche Knochen , wir Deutſche waren auch dort der Dünger der Welt , hielten in jener gräß= lichen Sumpfgegend aus , überſtanden bas giftige Fieber und machten den Boden urbar, Reis , Tabak, Zuckerrohr und Baumwolle ward gepflanzt, ſehr gern freilich nahm man Neger zu Hülfe. Nach zwanzigjähriger Bemühung gab e8 1724 erſt fünftauſend Röpfe in dieſem Land , Neu - Drleans war ein glänzendes Elend.
Nur ein Ungeheuer berniditeten die ritterlichen Frans
zoſen allerdings , nämlich den ſonſt cultivirteſten , aber auch raffinirt grau ſamſten Indianerſtamm des ganzen amerikaniſchen Nordens .
Es war dort
nämlich die Nation der Natchez, fte wohnte in einer förmlichen Holzſtadt, in deren Mitte ein der Sonne geweihter hölzerner Tempel ſtand , der zu Ehren beeiferten fich die Mütter ihre kleinen Kinder im ewigen Feuer zu ver brennen ein Abkömmling des Sonnengottes Felber, die große Sonne ge nannt, ftand dem ganzen Volf vor.
In der Nähe dieſer Nation legten die
Franzoſen ein Fort an , Roſalie genannt , das erregte bald den Argwohn der Natchez , fte verſchworen fich dagegen , aber unter der größten Freunds lichkeit ; vergeblich war eß, daß ein liebendes Indianerweib den franzöſiſchen Gouverneur warnte , arglos ließen die Franzoſen die Natchez in ihr Fort, als dieſe kamen , gegen ihre Jagdbeute Pulver , Rugeln und Flinten einzu tauſchen , bald aber fing das Gemeßel an , in wenig Stunden waren zweis hundert Männer und hundert und fünfzig Kinder abgeichlachtet und neunzig Weibern die Bäuche aufgeidlißt, nur ein Schneider ward für Seine Ma jeſtät die große Sonne aufgeſpart. Da ward denn freilich von Neu -Drleans aus eine wahre Vertilgungsjagd angeſtellt Wolf und Wölfin und Wolfebrut , Alles ward ausgerottet.
Nur ſehr langſam famen die Frans
zoſen im Süden voran, doch fingen fte nach und nach auch an , vom Norden her in's Mifftftppilant einzubringen — bom Lorenz , von Canada aus , wo fte deß gewinnreichen Pelzhandeld wegen ſich ſchon früher niedergelaffen , von dort aus kamen Mifftonare und Pelzhändler in das , irdiſche Paradies " am Mifftftppi, am Juinoiß und Radfaskia , von dem die entronnenen Gefährten des unglücklichen La Salle erzählt, an vielen Orten blühten Niederlaſſungen auf, namentlich auch entlang des Dhioſtroms militäriſche Poſten zur Ver
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bindung von jenen zwei Waſſerrieſen ; nod feßt erinnern Stäbtenamen , wie Detroit, St. Vincent, St. Louis, Louisville an den franzöſiſchen Urſprung. Und wirklich – in dieſen Niederlaſſungen entſtand ein recht gemüthlich patriarchaliſch -idylliſches Leben. Nicht einzeln im Wald baute fich der Franzoſe ſein Haus , wie der ſo gern auf ſich ſelbſt allein zurückgezogene Deutſche, ihm war Unterhaltung Bedürfniß - vielmehr Dorfweis , und zwar Haus an Haus ſo dicht zuſammen , daß fich die Nachbarn von ihren Söllern her mit einander unterhalten konnten , Geſang und Tanz fah man jeden Abend vor gar manchem Haus , unter einem alten Walnußbaum ers zählten dann heimgekehrte Pelzjäger ihre Abenteuer. Armuth und Reich die Bäche lieferten Fiſche, die Wälder Wildpret thum war unbekannt im reichſten Maß , die Weide gab Futter für das Vieh faft ohne Aufftcht, der Boden reiches Korn faſt ohne Anſtrengung , in einem Gemeindeacker war jedem Gemeindeglied fein hinreichendes Land angewieſen ; wann zu pflügen, wann zu fäen , zu pflanzen, zu ernten war , das war in jedem Dorf vorgeſchrieben , es geſchah vom ganzen Dorf zu gleicher Zeit, aber ebenſo feſt ſtand denn auch , wann zu ruhen war. Als gute Ratholiken feierten dieſe Franzoſen ftreng alle katholiſchen Feiertage , da ruhte alle Arbeit , da ging Alles zur Meſſe und zur Predigt , des Nachmittags aber ertönte Muftf und Geſang und am Abend drehte fich Jung und Alt luſtig im Reigen des Lanzes – der Altvater des Dorfs , ſelbſt auch der Pfarrer blickten munter herein in das luſtige Treiben . . Luftig tanzten auch die ſchwarzen Sklaven mit , die es nirgends ſo gut hatten als hier , ja mit dieſen , ja auch mit den Rothhäuten verkehrte der Gallier freundlich , gern heirathete man ſich in= dianiſche Jungfrauen . Streit über Mein und Dein gab's nicht, trieb man doch Handel und Handwerk nur ſo weit , als zum gemüthlichen Leben noth wendig war, Geſebbücher, Gerichtsvollzieher, Gefängniſſe kannte man nicht, Wirthshäuſer ebenſowenig , denn jedes Haus war ein Wirthehaus , wie im Patriarchenthum des alten Griechenlands und Drients. ſchaften ſich den Kopf zu zerbrechen, das fiel Niemand ein
Mit Wiffent Leſen, Schreis
Politiſch zu raiſonniren – der König von Frankreich war der mächtigſte Herr der Welt , und etliche tauſend Meilen
ben , Rechnen war genug !
von ihm entfernt war das Joch , das in der Nähe furchtbar drückte , ein ſehr Sid nun gar mit religiöſen Streitigkeiten abzuzanken -
ſanftes Joch.
der Papſt war unfehlbarer Statthalter Chriſti, der war durch den Prieſter dein Pfarrfind in aller Noth des Lebens zur Hand und gab auch dem Ster
78 benden den Weg in's himmliſche Paradies irdiſdien Paradies .
hier aber lebten fte ſchon im
Man aß wirklich nur vom Bauin des Lebens , vom
Baum der Erfenntniß des Guten und Böfen hatte man nod nicht gegeffen - indeß jo ſchön und anmuthig das ſein mag , die rechte treibende Lebenskraft fehlt, wo man von dieſem Baum noch nicht gegefſen .
Trieb zum Vorwärts
lag in dieſem Leben nicht, das ſah man ſchon an der äußeren Erſcheinung dieſer Orte ; felbft in eigentlichen Städten gab ee fein Pflaſter , vielmehr Inietiefen Roth , daher die Damen ihre Beſuche auf kleinen einſpännigen Karren machten.
Da denn überhaupt aber der luftige geſellige Franzos
aud nicht im Geringſten in der Waldwildniß als Einftedler zu leben bers mochte, ſo konnten nur wenige , durdt hunderte von Meilen getrennte Ort ſchaften entſtehen , in dieſen Ortſdaften der Wildniß aber , wo man doch nur zulegt auf einen und denſelben Kreis angewieſen war , im Verkehr mit dem ſchweigſamen gefühlstobten Indianer erſtarb zulegt auch die franzöftiche Luftigkeit, ohne zu männlichem Ernſt fich umzuwandeln .
So ſehr daher
auch die Franzoſen als erſte Entdecker und Anfiedler das größere Recht auf den Vater der Gewäſſer haben mochten : doch iſt es im Intereffe Der Cultur ein Glück , daß England ihnen in jenem obenerwähnten Krieg den öſtlichen Theil des Mifftftppithaló abgewann ; ſo ſehr man auch die Pummheit Nas poleon's ſchelten mag , daß er den weſtlichen Theil jammt der Mündungs ſtadt Nem -Orleans , den er eben erſt von Spanien erworben, für ein Sport geld von ſechszehn Millionen Dollars den Freiſtaaten verkaufte, gleich wie Eſau ſein Erſtgeburtfredyt für ein Linſengericht: es war zum Heil , daß das reiche Land aus den Händen dieſer abenteuerlichen , tanzluftigen , idylliſchen Franzoſen in die der raſtlos thätigen engliſchen Amerikaner überging. Denn ein ganz anderes Geſchlecht war es , das feit den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderte mit jenen , Hinterwaldlern " fich über die blauen Berge in die Wälder des Weſtens, in die Wälder am Kentucky- und Tenneſſeeſtrom ergoß.
Mit der Bibel , der Art und dem Feuerrohr , Weib
und Kind auf leichtem Wagen , ohne viel Hab und Gut , zog man aus ; eins zeln ſchlug man ſeine Blockhütte auf , ähnlich den alten Germanen , wo gerade Einem ein Hain , ein Hügel , ein Quell gefiel; die Art in ein paar Bäume geſchlagen und die Hütte errichtet , das gab ein Anrecht auf vier hundert Morgen Lands ringsum , ſo weit in der Kunde durfte fich kein Nachbar niederlaſſen , mit ſeinem Weib und ſeinen Kindern war man fich ſelbſt genug, am liebſten ſo weit wie möglich von aller Welt ; rüdten andere
79 Anftedler zu dicht heran , ſo machte fich der Hinterwaldler wieder weiter nachy Weften , daß nur das Wild ihn ſeinen Abendpſalm fingen hörte. Mit einer wahren Wuth hieb man auf die Bäuine ein , man mußte hauen und hauen , bis Einem die Sehnen verhärteten – es war , als ob dieſe Wald - Manfecs eigens dazu geſchaffen wären , um kommenden Geſchlechtern die Wälder zu lichten.
So haufte man denn hinten im Walde " mitten unter den Ins
dianern , und ward dann ſelber auch in Wohnung , Kleidung, umberſdywei fender Jägerei gewiſſermaßen zum Indianer. Man hauſte , wie geſagt , in einer Blochütte , auß roh behauenen , oft nicht einmal abgeſchalten Balken aufgeführt, einige ' vieredige Gemächer enthielt die Hütte , zehn Fuß hoch, oben nicht mit Balfen gelegt , darüber war ein Holzdach aufgeführt ; zum Fußboden diente wenigſtens die erſten Jahre hindurch die feuchte Erde , zum Fenſter in der Regel die Thüröffnung, des Abende leudytete das Feuer des Herdes , auch wohl die mit Bärenfett genährte Lampe oder die aus Büffel talg gezogene Rerze. Ein Bett, eine Wiege daneben , ein dreibeiniger Tiſch, ein paar dreibeinige Stühle , einige Näpfe, Seller, Sdüffein - Alles rob, aber dauerhaft felbft aus Holz gearbeitet , dazu dann die Kieider und Waffen an den Wänden aufgehängt , das war der ganze Schmuck der Hütte . Den Haushalt beſorgte die Frau , den umfriedigten Acker baute der Mann , doch überließ er den auch wohl Tage und Wochen lang ihrer Obhut , um fidy feiner Lieblingsbeſchäftigung, der Jagd , hinzugeben. Nach Indianerart angethan zog man aus , nicht im engen Rock , ſondern im weiten Jagdfittel mit aufgeſchligten Aermeln , nur durch einen Gürtel zuſammengehalten, nicht mit knappen Beinkleidern , ſondern in weiten Ueberhoſen aus weichem Hirſchleder, gleich den indianiſchen Leggins , nicht mit drückenden Schuhen und Stiefeln , vielmehr mit Sohlen aus Wildleder , nur durch Riemen um die Knöchel befeſtigt, gleich den indianiſchen Mokaſſins, dazu noch mit einer Pelzkappe, gewöhnlich mit bunten Franzen verziert. In folcher bequemen Tracht zog man aus , gegen Hirſche, Bären , Auerochſen , mit derſelben Spürkraft, wie der Indianer , mit demſelben Daft , ſich auch nienals im Wald zu verirren
oft war man Wochen lang aus , lagerte fich dann des Nachts in einer Höhle oder unter einem alten Baum oder auch auf der Wieſe unter Gottes freiem Himmel , nur durch ein Bärenfell vor der Näſſe geſchüßt; waren Mehrere zuſammen , ſo ſchlug man auch wohl eine Hütte auf und lagerte fich am wärmenden Feuer ; ſo war man oft Wochen lang htnter dem Wild her , nur am Sabbath pflegte man die Büchſe ruhen zu
80 laſſen.
Wie ſaftig und üppig man nun von dem Wildbraten lebte , von
Hirſch-, Elenn- und Bärenfleiſch , das läßt fich denken. Ganz gewöhnliche Lederbiſſen waren aber die wilden Lauben , die da in ungeheuren , die Luft verfinſternden , Tag in Nacht verwandelnden Zügen über die Wälder her flogen ; da denn herein zu ſchießen oder zu ſchlagen , ein paar Dugend auf einen Streich, war ſchon der jungen Buben Luft.
Doch gab die Jagd nicht
bloß die derbfte, üppigſte, ſaftigſte Leibeßnahrung , fte lieferte auch ſonſt an Häuten , Pelzwerk , Bärenfett gute Tauſchwaaren , fich ſonſt dafür dies und Senes zur Bequemlichkeit und Zier des Lebens einzutauſchen . Nahte das Frühjahr heran , ſo machte man ſich karawanenweiſe auf , dieſe Sachen über die blauen Berge nach den Städten des Oftens zu bringen und dorther Salz , Nägel , Eiſenwaaren und allerlei Spielereien für Weib und Kinder zu holen . Mit zwölf bis funfzehn ſchwerbepackten Pferden , alle in einer Reihe hintereinander aufgeſtellt , ihre Packjättel durch eine Leine verbunden und ſo ſte ſelber gleichſam zuſammengeknüpft, zogen ein Führer vorn , ein Treiber und etliche junge Burſchen hinterdrein quer über die vielen Ketten der blauen Berge , oft auf gefährlichen Pfaden , tiefen Abgründen entlang ; des Abends lagerte man fich im Freien , nahm den Pferden die Laft ab, band ihnen die Vorderfüße zuſammen und ließ fie graſen — ſo denn hin und zurück. Kam man nach Haus , dann erzählten die Jungen , die zum erſten Mal ſolchen Zug mitgemadt , von den Wundern der großen Städte, wo die Häuſer nicht von Holz gebaut ſeien , ſondern von Steinen , wo fte nicht mit Schindeln gedeckt ſeien , ſondern mit Ziegeln , wo man fich in ſo knappe und enge Kleider einſchnüre , wo man Geld ausgebe für Spülicht, das nichts auf die Rippen reße - denn ſo mußte den an ſo faftige Koft gewöhnten Jungen natürlich Thee und Kaffee vorkommen . Doch mochte man inſofern ganz indianiſch leben , es war denn doch in dieſen Hinterwäldlern eine geſunde Rechtskultur. Das zeigte fich, ſobald Mehrere fich in einer Gegend niedergelaſſen hatten und es nun darauf ankam , fich gegenſeitig zu vertragen .
Es war da Feder ſein eigener Herr,
ganz auf fid geſtellt , ging immer bewaffnet, es war da kein geſchriebenes Geſet , keine angeſtellte und mit Macht ausgeſtattete Obrigkeit, war man doch von civiliſirten Staaten fern - deſto mehr ward , natürliche Gerecha tigkeit “ geübt .
Nur wer tüchtig arbeitete, war geachtet , fold einem ftand
man gern nachbarlich bei , namentlich wenn ein junges Paar Hochzeit machte, ſo war es allgemeine Nachbarbluft, nachdem man die Nacht luftig
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durchgetanzt, ihm ein Blodhaus zuzurichten.
Wer dagegen müßig herums
lungerte, den , haſte man hinweg “ ; es ging eben Niemand mit ihm um , daß er fich ſchon von ſelbſt davon machte.
Ließ fich gar Einer auf einem
Diebſtahl betreffen - und es kam eben wohl ſchlechtes Gefindel aus den alten Staaten in die Wälder , um dort vor dem Gefeß ficher zu ſein da ward kurzer roceß gemacht, mit nervigen Fäuften zählte man breizehn Hiebe auf, „ die alten dreizehn “, wie es hieß , zur Erinnerung an die alten War der Diebſtahl bedeutend, dreizehn Staaten am atlantiſchen Meer. oder ward er wiederholt , ſo ward das Geſet Mofis angewandt , es wurden aufgezählt vierzig Streiche weniger einen .
Half das aber auch nicht, zeigte
fidh Jemand als unverbeſſerlich : dann erſchien Ridyter Lynch , um das Land vom Unkraut zu ſäubern.
Es traten die ehrenwerthen Männer zuſammen
als Regulatoren , als heilige Brüderſchaft und Vehme , fliegen des Abends zu Pferd und verhafteten bei Nacht und Nebel den Freyler. Unter einem Baum ward Gericht gehalten , Urtheil geſprochen und auch gleich vollſtreckt - in der Regel ward der Frevler an den Baum gebunden , auf's Blut ges peitſdt, in eine Theertonne gefteckt, in einem aufgeſchnittenen Federbett herumgewälzt und ſo denn gleich Fitcher’s Vogel über die Grenze ſpedirt. In ſolcher Art übte man ſelber natürliche Gerechtigkeit nach feftem Princip. So denn aber übte man ſelbft auch ſeinen Gottesdienſt.
So wenig wie's
einen fertigen Gerichtshof gab , ſo wenig war man an eine fertige Kirche gebunden gefiel.
es fand ſich der Waltınann mit ſeinem Schöpfer ab, wie's ihm
Aber ſeine Bibel hatte er mitgenommen in die Wälder , in ihr
lehrte die Mutter den Kleinen das Leſen.
In der großen unentweihten Ur
waldenatur , täglich von gefährlichem Wild und tückiſchen Indianern um ringt , fern von den Zerſtreuungen der großen Welt — es fonnte nicht fehlen , daß fich ſein Herz oft dem Himmel zuwandte. Aber freilich , zum ruhigen Gedankenaustauſch konnte es nicht kommen in der Einſamkeit, dar über zu reden war nidit viel Gelegenheit , nun gar eine Predigt zu hören war ein ſeltenes Ding .
Deſto größer war dann aber der Zudrang darnach,
wenn es einmal einen Prediger in die Wildniß zu den abgelegenen Hinter wäldiern trieb – und zwar was für Prediger !
Dürre Moraliſten und
fpiffindige Dogmatiker überkam der göttliche Trieb nicht, mit Aufopferung aller Bequemlidyfeit des civilifirten Lebens durch den Urwald und die Wie ſenſtoppen zu reiten und durch die Ströme zu ſchwimmen , um vereinzelten Siedlern den Troſt des göttlichen Wort& zu bringen ; Methodiſten waren 6 Nagel, Vorleſungen .
82 ed vornehmlid , fte, die in dem damald verfümmerten England durch gewala tige Predigten von der Sünde der Menſchen und der Gnade Gotte8 die gee waltigſten Zuckungen hervorgerufen hatten , fte waren es vornehmlid , die' & in den Urwald trieb , iſt doch ihr Hauptapoſtel Whitefield dreizehnmal nach Amerika geſegelt und hat dort mehrere tauſend Meilen zu Pferd zurückges legt.
Bog nun ein Solcher ſo Jahr aus Jahr ein einſam in der Wildniß
einher, ſprach er Wochen lang vielleicht Niemand, ſo ward ſein ganzes Wejen durchauß innerlid ); fam er dann nun zu einer Niederlaſſung , ſammelten fids die Leute , die ſo lange feine Predigt bernommen , freudig um ihn berum , der auf freier Wieſe, vom Urwald umgeben , hoch auf breterner Kanzel ftand : dann ſtrömten nach dem langen Schweigen ihm die Worte hervor wie ein brauſender Feldbach, und riefen unter den Hörern die größte Berzückung hervor.
Schilderte er dag Verderben der natürlichen Menſch
heit : dann fah man die Leute in Zuckungen aufipringen und hinſtürzen , man ſchleppte fte dann zur Armenſünderbank , fie dort zur Beichte zu bringen : yo weh inir ! verloren, verloren auf immer ! " heulte es überal . Sdilderte er dagegen die Gnade Gottes in Chrifto , dann gab es überall ein lautes forybantiſches Aufjauchzen : , Heiland , o Heiland ! " jauchzte es überall .
Das ging wo möglich ein paar Tage ſo fort, felbft wohl des
Nachts bei magiſchem Fackelſchein - Dann hatten ſich die Gefühle , die fo lange geſchwiegen und geſchlummert, gewaltſam Luft gemacht, und man Doch ich kann dies eigens fonnte nun wieder ſchweigfam weiter leben . thümliche einfach großartige Leben der Hinterwäldler nur wie bon ferne zeichnen - wer ein friſches volles Lebensbild will, der leſe die Schilderung jenes Nathan, des Regulators von Louiſiana, in den amerikaniſchen Lebenss bildern von Sealsfield ! Natürlich mußte dies Hinterwältlerleben in eben dem Maß verſchwinden, als die Bevölkerung fich verdichtete , als zuſammen hängende Städte angelegt wurden - bis denn auf einem bisher bloß mit Wald bedecten Gebiet ſich eine hinlängliche Bevölkerung niedergelaſſen, hinlänglich, ein neues Gemeinweſen , ein neues Olied der großen Union zu bilden . Ein abenteuerliches Gegenſtück zu den Methodiſtenpredigern bildeten die Bootsleute und Hafenmänner am Miffifippi. Sobald einmal am Dhio und anderſeits im Süden die Niederlaſſungen dichter wurden , fing man an, den Mijftfippi als natürlichen Verkehrsweg zu benußen und Boote und Flöſſe ſchwammen auf ſeinem gelben Waffer.
Stromabwärts ging es leicht
83 - aber ftroman war es ein mühſames Ding, mit langen Hafenftangen das Fahrzeug aufwärts zu ſchieben , oder gar , wenn der Wind nicht blies , bis auf den Gürtel entkleidet , an eine Leine geſpannt, durch überſchwemmtes Ufer watend , es ftroman zu ziehen. Und doch hatte dies einen ſolchen Reiz , daß hunderte von jungen Leuten Pflug und Werkſtatt ftehen ließen, um lieber auf dem Waſſer zu ſchwimmen , als auf dem Lande zu hocen. Kam man in einem Landungsplaß an, dann ward in Saus und Braus und Wettſchießen das Erſparniß durchgebracht – ja namentlich im Wettſchießen, denn berühmt waren die Bootsleute als Schüßen. So namentlich ein Deutſcher, Michael Fink , der noch jeßt gleich einem amerikaniichen Herkules in Heldenliedern beſungen wird . Als er einſt den Ohio herunterfuhr, Idoß er einem Neger , der ruhig auf einem Zaune faß , den großen Baden unter dem Fuß weg, deßgleichen pußte er einmal von Waſſer aus fünf am Ufer graſenden Schweinen mit einem Schuß die Schwänze ab, fein eigener Bruder ließ fich von ihm eine Taffe von dem Kopf herunter ſchießen . Einft zielte er im Wald auf einen Rehbock, der dreihundert Schritt von ihm gut, entfernt war , da fah er einen Indianer ebendarauf anlegen dachte er , zwei Fliegen mit einer Klappe ! unb als dann die Kugel Des rothen Mannes den Rehbod fällte, wälzte fidh der rothe Mann auch in ſeinem Blut. Doch dies Leßte führt uns nun zur Schattenſeite der ganzen Hinters wäldler- Einwanderung , auf das Verhältniß zur Rothhaut. Dieſe warb wie ges bei den Niederlaſſungen gar nicht wegen ihres Rechtes befragt ſagt, ein paar Bäume mit der Art eingehauen , das gab dem Hinterwäldler Beftgrecht auf vierhundert Morgen ringdum . Die Rothhäute verdroß eß, doc hielten fte fich ruhig, natürlich aber, daß in jenem Krieg zwiſchen Gng land und Frankreich fte fich auf die franzöftſche Seite ſchlugen , führten fte doch jenen blutigen Sólag am Monongahela herbei. Nachher fauften ihnen die damaligen Kolonien das Land öftlich vom Dhio ab , fte hielten fich nun im Weſten deſſelben ruhig - da geſchahen aber an ihnen uner hörte Gewaltthaten . Virginiſche Landläufer ſprengten, kurz vor dem Augs bruch des Revolutionskrieges , aus , am Dhio ſeien Pferde von Indianern geſtohlen - da denn überftel man mehrere Boote vol indianiſcher Weiber und Kinder , ſchoß fie todt und färbte mit den blutigen Leichen den ſchönen Strom , man fah Indianer jenſeit eines Bache , ein indianiſches Weib warnte vor ihnen , fte ſeien ob jenes Mordes ergrimmt, man bot ihnen 6*
84 Branntwein an , machte ſte trunken und ſchlachtete fte dann faltblütig ab, man berſdonte dabei weder die treue Warnerin , noch auch die Verwandten eines ftets treu befreundeten Häuptlinge Logan , auch ein anderer bejahrter Häuptling, der ſtets ihr Freund geweſen , , der kable Adler “, ward auf der Jagd abgethan . Da freilich entbrannte die Wuth , in einem großen Treffen am Renhawa fochten die Indianer zehn Stunden lang auf's er bittertfte, hundert Lodte mußten die Virginier auf dem Plaß laffen , fte ſuchten Frieden mit den Rothhäuten, die freilich ſelbſt auch wußten, daß ein Wie ! " ſprach Logan, längerer Krieg ihnen nur berberblich fein fönne. ich fordere jeden weißen Mann auf , zu fagen , ob er je in Logan's Hütte trat, ohne daß er Speiſe erhielt ; ob er je kalt und nackt kam , und nicht gekleidet wurde.
Während deß leßten langen blutigen Krieges blieb Logan
unthätig in ſeiner Hütte und ſprach für den Frieden.
So ſehr liebte idy
die Weißen, daß meine Stammedgenoſſen , wenn ſie bei mir vorübergingen , mit Fingern auf mich zeigten und ſprachen : weißen Leute .
Logan iſt der Freund der
Ich hatte geglaubt, immer mit euch leben zu können .
Aber
ihr habt im vorigen Frühjahr mit faltem Blut , ohne jeden Anlaß , alle meine Verwandten ermordet und ſelbſt mein Weib und meine Kinder nicht verſchont.
So fließt denn auch nicht ein Tropfen von meinem Blut in den
Adern irgend eines lebenden Weſens . Seite.
Ich habe ſie geſucht.
Das forderte Rache von meiner
Ich habe Viele getödtet.
Ich habe mich mit
Rache völlig geſättigt. Meinem Lande gönne ich , daß der Friede über ihm ſtrable. Aber hegt nicht etwa den Gedanken , daß ich mich aus Furcht dar über freue.
Logan hat ſich nie gefürchtet.
Er drehet fich nie herum , um
ſein Leben zu retten . Iſt Jemand da, der um Logan trauerte ? Auch nicht Einer ! " Es ward Friede geſchloſſen , aber Logan felbft ward bald darauf meudhleriſch ermordet , einen anderen Häuptling , Cornſtalt, erſchoſſen die Amerikaner, als er ſte warnte , der Strom bei ſeinem Volk gehe gegen ſte, und alſo dankten ſie ihren Freunden !
Da war es denn freilich kein Wuns
der , daß im Revolutionskrieg die Indianer fidh durch engliſden Rum be geiſtern ließen , gegen die Amerikaner zu fedhten – ja bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts dauerte ein gräßlicher Grenzkrieg fort ; gar Viele find ſkalpirt, verbrannt , nach allen vier Himmelsgegenden hin zerhadt wor den , nodi jept hat deshalb das Kentucyland den Namen des Schlacht hauſes oder des blutigen Grundes. Indianer auf engliſcher Seite.
Noch im Krieg von 1812 kämpften
Der große Geift ",
ſo trat einer ihrer
85 Propheten damals auf , „ hat aus ſeinem Gehirn die Indianer geſchaffen, aus ſeiner Bruſt die Franzoſen und Engländer, aus ſeinen Füßen die Gola länder ; aber die Amerikaner hat er nicht geſchaffen , fte find nicht ſeine Kinder, ſondern Kinder des böſen Geiftes ; fte entſtanden aus dem Schaum des großen Waſſers, welches der böſe Geift aufgewühlt hatte, dieſer Schaum wurde vom Oſtwind in die Wälder getrieben . “
Mit dieſer Verkündigung
ſchaarte er ſeine Landsleute zuſammen , brachte fte dazu , fich des Feuer waſſers zu enthalten und führte fte zur Schlacht da fiel er und der leßte Stolz der Indianer mit ihm.
Es ſcheint aber , als ob die Nordamerikaner
fein Drakel hätten wahr machen wollen – ſo namentlich am Tſcherokeſens ftamm , der noch im georgiſchen Staat eine wunderſchöne Heimath beſaß , aber dem wilden Leben entſagt hatte , vielmehr dort Ackerbau , Viehzucht, Kandrerf trieb , fid Dörfer , Kirchen , Schulen angelegt , dem Branntwein entſagt hatte und dort eine ehrenwerthe indianiſche Republik bildete. Die Georgier entdeckten , daß dies land wohl über hundert Millionen Dollars an Goldminen befiße flugể that es ihnen leid , daß fie den Sicherokeſen daſſelbe feierlich reſervirt, fie verfügten auf einmal , die Gefeße der Tſchero keſen gälten nicht mehr, ihr gerichtliches Zeugniß gegen Weiße ſei fünftig ungültig, ſo konnten die Weißen fte nach Herzensluſt zwicken und ihnen das Leben in der Heimath leid machen ; ja um fte vollende wehrlos zu machen , unterdrückten fte ihre Zeitungen und fepten ihre beredteſten Prediger ges fangen ; ja um die hohe Bundesregierung , die den Sicherokeſen günſtig ges finnt war, zu täuſchen , machten fte Einige dieſer Indianer betrunken und ließen dann von ihnen einen Verkaufskontrakt
für ihr perſönliches
Eigenthum ? nein , für das ganze Land unterzeichnen , und wirklich ſeßten fte's in der Bundesſtadt Washington durch, daß die brave Nation der Heimath ents fagen mußte, in der ſte bereits dem Jagd- und Kriegsleben entſagt und ein ruhiges anſäſſtges Leben begonnen hatte.
In andern Staaten erging es
den übrig gebliebenen Rejten der Indianer ebenſo , in ihren feierlich vers brieften , Reſerven " wurden fte ſo von ländergierigen Weißen geplackt, daß es zuleßt der Bundesregierung als Pflicht der Menſchenfreundlichkeit erſchien, ihnen dieſe Reſerven für ein Spottgeld abzunehmen und ſte dann über den Mifftfippi zu ſchaffen , da ſollen fte denn auf noch brach liegendem Gebiet fich dauernd niederlaffen und einen indianiſchen Bundesſtaat bilden – wer weiß, auf wie lange ? „ Mich ſchaudert“, ſagt der edle Amerikaner Jeffers fon , wenn ich bedenke , daß einft die Sünden , welche von den Weißen
86 gegen die Indianer verübt wurden , an unſern Nachkommen vergolten oder gerächt werden könnten ". Einen wohlthuenderen Eindruck macht nun ſchon in dieſer Sinficht die Niederlaſſung des milden Deutſchen , der überhaupt aber auch in anderer Hinſicht den nothwendigen Schluß zu dem Franzoſen und Yankee bildet. Denn das iſt der Gang der Dinge der Franzoſe zieht als Belziäger und Abenteurer voran , der Yankee folgt als Holzhacer von einem Ort zum andern , der Deutſdye jeßt fich als Ackerbauer feft. Schon früher hab ' ich erzählt , wie fich in dem lieblichen Küſtenſtrich zwiſchen dem rauhen puritaniſchen Norden und dem üppigen virginiſchen Süden die deutſche Gemüthlichkeit niedergelaſſen .
Verfolgte Fromme und
Stille des Landes , Mennoniten und Herrnhuter waren es , die es beſonders dahin getrieben
die trieb es auch bald über die blauen Berge , um dort
den Söhnen der Wildniß, die fich in fteten inneren Kriegen aufrieben , das Wort des Friedens zu verkünden .
Deutſche Glaubensboten , wie Hectes
welder und Senſemann , waren es , die am Dhio die Indianer in Friedens dörfer ſammelten und das erſte Korn da jäeten , wo Jahrtauſende lang nur die Wälder gerauſcht hatten . Zwar ward ihr friedliches Gnadenhütten zer ftört Yankees waren es , die in wilder Wuth , daß auch aus der Roth haut etwas Ordentliches werden ſolle , dieſe Dörfer der driftlichen Indianer verbrannten und einſt ganz faltblütig neunzig gefangene – nicht Wilde, ſondern friedliche ackerbautreibende Chriften abſchlachteten . Doch war ihr Werf nicht vergebens , den frommen Predigern folgte der pennſylraniſche Bauer nach . Vermehrte fich doch in dem gemüthlichen behäbigen Land das Volt ſo, daß , wie ich oben erzählt , ein einziger Einwanderer am Schluß ſeines Lebens dreihundert und acht Kinder , Enkel , Ur- und Ururenfel um fich zählte -- diefem jungen Nachwuche warb bald das Land zu eng und da ging's denn wie zu Abraham's Zeiten , blieb der Eine zur Rechten , zog der Andere zur Linken . Gar bald trieb es in's Dhiothal , und zwar hatten dieſe Pennſylvanier eine wunderbare Spürfraft , zwar nicht das Wild , aber das beſte Land auszuipähen. Die Wälder hatten Vanteed gelichtet und waren weiter gezogen er aber ftedelte ſich feſt an , und ftand für's Erſte nur ein Blockhaus da , ſo nach ein paar Jahren ein zierliches Holzhaus , ja ſpäter ein ſtattliches Steinhaus nebft Stallungen , ringdum Gärten , Dbft pflanzungen , Weiden voll ftattlichen Biebeg – Alles zum Aerger des Yankee , der wohl als pfifiger Handelsmann den ehrlichen Deutſchen übers
87 tölpelte, aber ale Ackermann es ihm nicht gleid that und deshalb öfter über the damned duteh people fludite.
Den Aderbauern folgte der Ers
finder - ein Deutſcher , Rittenhaus , ein Mann , der bis zum achtzehnten Jabr hinter dein Pflug gegangen, war es , der zuerſt ein kleines Dampfboot zuſammenſeßte , und wie Deutſche es find , die zuerſt das ſchöne Dhioland bebauten, ſo waren eß auch drei Deutſche, die zuerſt in einem Dampfboot im Oktober 1811 den Dhio hinabfuhren und damit jene Mifftftppiboots leute überflüſſig machten. Es waren ſo denn zunächſt pennſylvaniſche Deutſche, die das Weſtland anbauten , allerdings gemüthliche Sdwaben , aber eben nicht von feinerer deutſcher Bildung und Sprache - der ſchwäbiſche Dialeft war ihre Sprache und da ſte nun vom Verkehr mit dem Mutterland abgeſchnitten waren, ringdum von engliſcher Sprache umgeben , ſo berſeşte fich ihre Sprache gar ſehr mit engliſchen Ausdrüden und ſo bildete fich ein ganz eigenthümliches engliſch -Deutides Bauernpatois, wie's noch ießt in Penniylvanien geſprochen wird und ſelbſt in den Zeitungen , z. B. in folgender Ueberſchrift des Adlers " : Er fehrt bei Stadt- und Landmann ein, Und fråht : er will fein Sklave ſein ! ſeinen Siß hat.
Natürlich ging denn hierfür die ganze geiſtige Entwid
lung Deutſchlands ſeit der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts , jeit dem Entftehen der deutſchen Literatur ganz und gar verloren.
Da war es denn
dodh nothwendig , daß neuer geiſtiger Bunads von Deutſchland fam . Schon am Ende des achtzehnten Jahrhunderts fam ein ſolcher, freilich von ganz eigenthümlicher Art. Ein würtembergiſcher Bauer , Kamens Rapp , hatte ſich von früh auf ſo ſehr in die Betrachtung der großen Natur und des großen Naturgottes verſenft , daß ihm die Außenwelt darüber ganz verging.
Vor ſeiner inneren myſtiſchen Contemplation erſchien ihm der
Beſuch der äußeren Kirche und die Beobachtung der äußeren Kirchenges bräuche durchaus als unnüß , auf freiem Feld oder im Kämmerlein verſama melte er ſeine Gläubigen um ſich und predigte ihnen aus dem eigenen Ins nern heraus. Ja vor dieſer inneren Welt der Liebe idwand ihm die äußere ſo ſehr , daß auch alles Eigentbum , alles Mein und Dein aufhörte - e$ follte Allen Alles gemeinſchaftlich ſein , wie's in der friſchen Begeiſterung der erſten Chriſtengemeinde war. Natürlich konnte ſolchen Leuten fein Berbleiben ſein in der Heimath , fte begaben ſich denn insgeſammt erſt nach
88 Pennſylvanien , fpäter weiterhin nach Weſten , und legten erſt eine Hars monie, dann eine neue Harmonie , zuleßt eine Defonomie an — jedenfalls mit die intereſſanteſten Niederlaſſungen im Dhioland . Unter dem Geläut der Kirchengloden begibt ſich die ftille Gemeinde an ihr Tagewerf, Jedem ift angewieſen , was zu thun , der Schäfer treibt die Heerde dem Schaf ſcherer zu , der ſchneidet die Wolle ab für den Spinner , der ſpinnt ſte zum Weben , der Schneider holt ſich das gewebte Zeug aus der Fabrik und vers ſchneidert es, Andere ackern , dreſden , mahlen Korn, fahren Holz, ſchmieden , mauern, bauen - Biele mit recht finnreich erfundenen Maſchinen , Alles mit frohem Sinn , oft auch unter fröhlicher Muſik.
Des Abends vers
ſammelt man ftdum , den lieben Vater Rapp “ zum ernſten Gejang, des Sonntags zu ſeiner Predigt.
Jenes raftloſe Treiben , was ſonſt durch
das ganze im friſcheſten Werden begriffene amerikaniſche Leben geht , ift natürlich da nicht, wo Jeder ſeinen Erwerb in das Gemeindehaus liefert, es iſt aber ſtiller, ſinniger , gemüthlicher und der deutſche Fleiß hat auch dieſe communiſtiſchen Niederlaſſungen zur Blüthe gebracht – ohne jenes reli giöſe Element würden fte freilich , wie ſo manches andere communiſtiſche Project , längſt zerfallen fein . deutſcher Einwanderung .
Doch immer iſt es nur ein einzelner Zug
Die rechte deutſche Einwanderung in's Innere Nordamerika's begann erſt nach der Beendigung der Napoleoniſchen Kriege.
Während der langen
Kriegszeit , wo ein Kriegsſturm den andern drängte und ein junger Nachs wuche nach dem andern durch das Schwert weggerafft wurde, hatte man , in ewiger Betäubung , keine Zeit gehabt , an's Auswandern zu denken — jeßt, nach errungenem Frieden , fühlte man erſt recht die allgemeine Verarmung, das Hungerjahr 1817 kam dazu , ungeheure Heere blieben troß des Fries dens ſtehen und verzehrten im Frieden das Marf des Landes , auch waren manche kleine deutſche Fürſten gleich nach ihrer Rückehr unverſtändig ges nug , Alles , was Napoleon in ihren Landen Gutes geſchaffen, als franzö fitiches Zeug abzuſchaffen und vielmehr Frohnden , Zehnten , Patrimonialges richtsbarkeit, nobele Jagdgerechtigkeit, felbft den Zopf als gutes deutſche Recht wieder einzuführen , ging es doch namentlich im braben Heffenland in der Art das war genug , um den braven Bauern , die fich wieder wohl fühlten unter deutſchem Regiment , das Leben daheim zu verleiden , zumal aber den vielen jungen Burſchen , die , durch die vielen Kriege aus einem Land in's andere geſchleudert, fich nur ſchwer an ein ruhiges Leben im heis
89 miſchen Neft gewöhnen konnten . Schaarenweis fah man fie deshalb, ſobald der Sơnee ſchmolz, rheinabwärts ziehen. Das gebildete Publikum warf ihnen Mangel an Vaterlantsliebe vor , ftatt zu unterſuchen , was doch in den heimiſchen Zuftänden ſein müſſe, daß den heimathliebenden gemüthlichen Deutſchen ſo maſſenweis aus ſeinem ſchönen Baterland wegtreibe . Es boten die Regierungen wohl die Macht des Verbots auf, um fte zurückzu halten , aber den Abſchied zu erleichtern , daran dachte man nicht ; wer ſich nicht zurückhalten ließ , der war geachtet.
Keine deutſche Polizei wehrte ges
wiſſenloſen Agenten , durch Vorſpiegelung goldener Berge den mit Schiff fahrtsverhältniſſen unbefannten deutſchen Bauern den legten Heller aus der Saſche zu locken und fte nach Holland zu ſchaffen – um fich dann nach Deutſchland zurückbetteln zu müſſen.
Kein deutſcher Conſul kümmerte fichi
darum , wenn beim Eintritt in's neue Land die blöden unwiſſenden Ein wanderer den Bewillkommnungen betrügeriſcher Loafers in die Hände ftelen - um von ihnen ausgezogen zu werden ; fte waren verſtoßen , geächtet. Erſt ein Remſcheider , Duden , der in den zwanziger Jahren nach dem Herz land Nordamerika's , nach dem Land zwiſchen dem Ohio und Miſſuri reifte und dort fidh mehrere Jahre lang aufhielt, hat das Verdienſt, das gebildete Publikum und die Regierungen zu richtigeren Anfichten hingeleitet und na mentlich auch auf eine Haupturſache der maſſenhaften Auswanderung auf merkſam gemacht zu haben . Ihr Poliziſten “, ſagt er , was gebt ihr ſo viel Verordnungen , um damit die Menſchen zu regeln und im Baum zu halten !
Ihr Politiker ,
was dringt
faſſungen , um ſte damit zu beglücken !
ihr
ſo
fehr nach neuen Vers
Ihr Theologen ,
was gebt ihr
ihnen ſo viel gute Ermahnungen und Anweiſungen auf die Ewigfeit ! ver meint fte damit über alles Leid zu ſtillen ! Mit alledem ftillt ihr die Leute nicht. 68 will der Menſch auch ſein leibliches Brot , es ſind hier aber der Menſchen zu viel , als daß fte zu Teiblichem Brot ehrlich gelangen könnten , zumal aber die neuen Maſchinen und namentlich die Dampfmaſchinen neh men dem Handarbeiter ſein Brot und bringen ihn an den Hunger , Hunger aber macht Diebe , Räuber , Aufrührer; ihr füttert nun allenfalls den arbeitsloſen Armen , aber damit nehmt ihr ihm noch fein Ehrgefühl und füttert euch ſelber ein Bettlergeſchlecht heran ; ftatt euch ein ehrloſes Bett lergeſchlecht heranzufüttern, ſchafft eure arbeitsloſen Armen vielmehr berüber in die neue Welt , wo noch ungeheure Strecken des fruchtbarften Bodens nur auf den erſten Bebauer harren , dort mögen fte fich denn ehrlich durch
90 Arbeit ſelber forthelfen und fte werden den Segen des Himmels erfleben über ihr altes Vaterland , während fte jeßt es nur mit einem Fluch vers laffen .
Aber auch ihr gebildeten Europäer , fährt er fort , ihr , die ihr ſo
Viel lernt und wißt und ſo fein und zierlich ſeid ! wie ſteht es eigentlich mit euch ? Al' eure Bildung ift ein ſchöner Schein ohne fittlichen Gehalt, es dient alle eure Bildung doch nur der Selbſtſucht , und ſo fehr man auch ſpricht von Ideen des Rechts und der Wahrheit, bei der leijeften Verſuchung opfert man dieſe Ideen des Rechts und der Wahrheit dem Mammon . wär' einmal eine geſunde Regeneration für euch, im friſchen Urwald in ganz einfachen Verhältniſſen ein neues Leben anzufangen. Da denn , wenn ihr euch in Allem ſelbſt helfen müßtet, wenn ihr ſelbſt den Ader beſtellen, felbft aud) wohl euch Geräth verfertigen müßtet , würdet ihr den thörichten Stolz verlernen , mit dem ihr hier auf Bauern und Handwerker herunterblickt “. Gewiß ſind dieſe Gedanken Duden's , wie fte auf's Mannigfaltigſte durch ſeine Schriften ſich hindurchziehen , recht beherzigungswerthe Gedanken , ſo ſehr man es ſonſt auch ſeinen Briefen rorwerfen mag , daß das Leben im und Paradies des Miſſuri zu leicht und zu lođend beſchrieben werde wirklich haben denn auch in den leßten Jahren die ſüddeutſchen Regierungen begonnen , ihren Armen da drüben eine beſſere Stätte zu bereiten , und wirklich iſt denn auch bald genug das loos der Auswanderung auch an die gebildeten und wohlhabenden Klaſſen gekommen.
So manche ſchöne Hoff
nung , welche die Jahre des Freiheitskriegs für die Wiedergeburt eines einigen mächtigen deutſchen Reiche, für die Betheiligung des ganzen deuts ſchen Volks an ſeiner Regierung geweckt, ſo manche ſchöne Verheißung blieb unerfüllt, die deutſchen Studenten , die mit dem ſchwarzrothgoldenen Band an der Bruſt für die Rückkehr des alten Barbaroſſa ſchwärmten , wurden , ſeitdein Sand durch einen Mord Deutſchland zu befreien geſchwärmt, wie tas Wild gebeßt, das Jahr der Julirevolution rief mit jenem ſtudentiſden Attentat auf den Bundestag nur deſto härtere Zuſtände hervor , und nun gar die Erhebung des Jahres 1848 , worunter ich nicht die Barrikadene fämpfe auf den Straßen bon Wien und Berlin , ſondern eben das verſtehe, was von den höchſten deutſchen Würdenträgern und von den echteſten deuts ſden Biedermännern , was vom Rönig von Preußen wie von Ernſt Moriß Arndt als Ziel aubgeſprochen worden - was daraus geworden iſt , das liegt klar genug zu Tage : ſeit die deutſche Flotte berfauft, ſeit Shledwig Folftein durch deutſde Truppen in die Gewalt der Dänen gebracht,
91 feit
dies Ades liegt jedem , der jeßt nicht gerade ſchläft,
zu klar vor, als daß darüber zu ſprechen nothwendig wäre, auch find es gar unerfreuliche Dinge.
Daher hat es denn ſeit den legten zwanzig Jahren,
daher namentlich in dieſen leßten Jahren auch viele Tauſende gebildeter Deutſchen herausgetrieben – nicht um eben ihr Brot zu haben , das hätten fte zu Haug mit Verleugnung ihrer Ueberzeugung reichlich im bequemen , einträglichen Staatsdienſt finden können , ſondern um einen neuen Staat, eine neue Kirche, wo möglich ein neues Deutſchland fich zu gründen .
Ein
deutſcher Staat ſollte entſtehen , deutſch nicht bloß in Sitte und Bildung, fondern vor allem in der Sprache ſeiner Schulen und Gerichte , ſeiner Beauten und Regierung ,
ſollte entſtehen allerdinge als ein lieb des
großen nordamerikaniſchen Freiſtaats ; bot aber doch gerade die Beſtimmung der nordamerikaniſchen Verfaſſung , daß in jedem neu fich bildenden Staat der Wille der Mehrheit ſeiner Bewohner die Staatsſprache beſtimmt, das Recht, bot namentlich aber der freie noch unbeſtedelte Nordweſten den hin länglichen Raum dazu ! Freilich iſt nun troß aller großartigen Verſamm = lungen und Berathungen der deutſche Staat noch nicht entſtanden hatten doch folde Flüchtlinge fein Geld , fich ein großes Congreßland zu faufen , konnten fte fich doch ſelbſt auch nicht einmal über den Plaß dazu einigen , denn die Erbſünde der deutſchen lineinigkeit hatten fte mitgebracht, fand ſich doch unter den übrigen Eingewanderten , unter den Deutſchen aus niederem Stand , zu viel Oleidhgültigkeit gegen das Vaterland , das fte ſo eben ver ftoßen , waren ſte doch zu ſehr auf ihr augenblicliches Vorankommen anges wiejen , als caß fte nicht das neue Deutſchland gleich einem blauen Dunſt von ſich gewieſen hätten , find doch d'rum biele dieſer Flüchtlinge, die mit hoben Ideen herüber kamen, zu Grund gegangen , weil fie die harte Körper arbrit des Aderbaues nicht übernehmen konnten , weil ſte fich in den raft lofen Geſchäftes und Handelsftrudel nicht hereinſtürzen wollten -- mit ihren Kenntniſſen ließen fid, in dem Land, das erſt die Natur zu bewältigen hat, keine Geſchäfte machen - weil fie von dem materiellen Gelbtreiben angewidert nicht zur materiellen Lebensgrundlage zu gelangen vermochten. Aber Viele dieſer Gebildeten haben auch die Selbſtverleugnung geübt, felbft zu farmen , ſelbſt ſich ein Blockhaus zu bauen , ſelbft die Bäume anzubauen, ſelbft das noch mit Baumſtümpfen bedeckte Land zu bepflügen , ſelbſt Getreide zu ſåen und zu ernten , ſelbft ihr Gut einzuhegen und haben fich ſo denn in barter Körperarbeit ſelbſt eine freie Eriſtenz errungen , und leben dann
92 zufrieden als gelehrte Bauern - aber auch ohne Wiſſen und Zuthun dieſer Gebildeten iſt inſtinktmäßig die deutſche Maſſeneinwanderung ſei's den von Baumſtämmen ſchwimmenden Mifftfippi, Teile den rheiniſch ſchönen Hudſon und Griekanal, feis den Lorenz und die mit gefährlichen Stürmen drohens den canadiſchen Seen herauf gegangen in das eigentliche Herzland Nord amerika' &. In dem großen herzförmigen Herzland der neuen Welt, in dem Land zwiſchen dem Dhio , Miffuri und den canadiſchen Seen haben fich die Söhne des Herzens der alten Welt - wenn auch nicht ſo dicht niederges laſſen wie die Yankees, dod weit dichter ale anderwärte . In Saint Louis, dieſem Schlüſſel zum Herzen Amerika's am Zuſammenfluß des Mifſuri und Mifftſtypi, das fich in vierzig Jahren aus einem franzöſiſchen Schmugneft von 1600 Seelen jeßt zur Prachtſtadt von 80,000 Einwohnern erhoben, fühlt fidy, laut dem Zeugniß eines Yankee , der Yanfee ſchon etwas fremd gegenüber der großen Zahl gebildeter Deutſcher ; Cincinnati am Ohio , das zu Ehren jenes Cincinnatusgenerals bor fünfzig Jahren gegründet , ießt fchon 120,000 Seelen zählt , zählt darunter doch über 30,000 Deutſche. In Buffalo am Eriefee , wo vor fünfzig Jahren noch die Büffel hauften , leben jeßt unter 50,000 Einwohnern doch 18,000 unſerer Landsleute ; Milwaukie am Michiganſee, das fich gerade an der Stelle zur Stadt von 30,000 Seelen erhoben , an der 1834 die Blochütte eines Pelzhändlers ſtand , zählt darunter wenigſtens ein ſtarkes Drittel Deutſcher ; Chicago, das etwas füblich davon in gleicher Art emporgeblüht , ebenfalls — wie Viele hauſen nicht im Miſſuriland als Hinterwäldler ! Dies Alles hat denn nun freilich den Haß der Yankees über das verdammte deutſche Volf erweckt und ſchon öfters blutige Pöbelaufläufe hervorgerufen , ja ſogar iſt eine große Partei aufgetreten , die um jeden Preis die Einwanderung und namentlich die deutſche Einwanderung hemmen möchte, damit allein dem eingeborenen engliſchredenden Vollblut , damit allein den Natives das Fett des Landes zufalle - aber gerade dadurch iſt die Deutiche Gutmüthigkeit, die nur zu gern die Bedientenrolle gegenüber dem Fremdling ſpielt, aus ihrem Schlaf geweckt und das Gefühl für deutſche Sprache, Sitte, Literatur und Nationalität angeregt worden .
Abgeſehen davon “ , heißt es in einem
in Cincinnati erlaffenen Aufruf, , daß wir für unſer Muttervolk noch immer Theilnahme haben, ift es natürlich, daß wir in unſerer Volksthümlichkeit zu berharren und uns zu befeſtigen juden , da es unſer eigenfte Element ift, in dem wir uns von Kindheit an bewegt haben und heimiſch fühlen.
Das
93 Deutſchthum ift für uns , was das Waſſer dem Fiſch , die Luft dem Bogel und die Erde der Pflanze. Seßet den Baum in einen fremdartigen Boden und er verkünimert oder ftirbt. Es iſt ſchon genug für uns Deutſche , daß wir unſer Heimathland, wo unſere beſten Gefühle wurzeln , verlaſſen haben. Nur die Sprache und Sitte haben wir noch und auch dieſe verfälicht. Wenn auch dieſe weggenommen werden , fo gehen unſere beſſeren Eigenichaften zu Grunde und wir werden empfindungsloſe Selbftſüchtler “. Und ſo hat ſich denn das deutſche Element ermannt.
In Cincinnati vergeht kein Tag, in
dem nicht Eigenthum aus engliſcher Hand in deutſche übergeht, in Milwaukie hört man nicht viel weniger deutſch als engliſch auf den Straßen ſpreden, in Saint Louis halten bereits die Nichtdeutſchen ihre Kinder zum Erlernen der deutſchen Sprache an , weil ſte zum Vorankommen unentbehrlich gewor den , in Neubremen , der Vorſtadt von Saint Louis , in Hermann am Miſs ſuri ſind rein deutſche Orte emporgeblüht, fröhlich gedeiht auf den Miſſuri hügeln bei Hermann deutſder Wein , und deutſche Meined- und Geſangega fröhlichkeit fegt doch in etwas den Saucrteig des bloßen making money und des peinlichen Sabbathdienſtes aus , deutſche Zeitungen entſtehen überall und gar manche von ihnen ſuchen auch ihren Styl frei zu halten von der Fremdwörterei, deutſche höhere Schulen ſind , als Gegenſtück zu den bloß praktiſchen Abridytungsanſtalten der Manfees , in Saint Louis und Mil waufie im Entſtehen , deegleichen bilden ſich unter den Deutſden freie Ge meinden lange genug hat in Deutſchland die gelehrte Forſdjung jene Dogmen zerſeßt, die ſich aus dem Verdichten und Verfeſten jener Phan taſten der , apoſtoliſchen Jugendzeit , wo man noch durdy einen Spiegel im Räthſelbild ſchaute , entwickelt , lange genug hat ſie die Unfehlbarkeit der Bibel zerfekt, hat Widerſprüde darin aufgedeckt, hat das zeitliche Werden der heiligen Bücher in's Licht geſeßt, aber fie hat dies nur für die Ocs lehrten gethan, den Laien hat ſie den Aberglauben oder die Gleichgültigkeit und Spötterci gelaſſen, hier aber tritt das religiöſe Gemüth, das in ſolchem Proceß der vergangenen Offenbarungen Herr geworden , ſelber ſchöpferiſch, felber gemeinſchaftſtiftend auf ; jene legte Religion der Zukunft, in der laut der Weiſſagung des Apoſtels Paulus das Glauben zum Schauen wird, in der das Schauen durch den Spiegel aufhört und das klare Schauen vom Angeficht zum Angeficht eintritt, in der das vermittelnde Reich Chriſti, gleichſam der chriſtliche Staat , ſein Ende nimmt und Gott unmittelbar Alles ſein wird in Allem , in der Juden und Chriſten fich einen werden zu
94 einem großen Gortegreidy, fte findet fort gewiß ihren friſchen empfänglichen Boden . Und wenn dann Amerika das Land der Zukunft ift: nun dann mag , wer am alten Deutſchland verzweifelt, wohl hoffen , daß , wie nicht bloß Engländer und Spanier, ſondern ſelbft Portugieſen und Holländer fidh einen neuen Staat jenſeit des Oceanß geſchaffen , ſo doch auch dem gewala tigen Deutſchland, das einft trop aller Stammeguneinigkeit als Träger det heiligen römiſchen Reiches gewaltet über ganz Europa , von dem auch nach dem Zerfal feiner Kaiſerherrlichkeit durd Buchdruckerkunft. Reformation , Literatur eine Erneuerung des ganzen Welttheils ausgegangen , einft ein neues Deutſdland ftch geftalte im Lande der Freiheit jenſeit des Dceans , daß es fich ihm geftalte im Herzen der neuen Welt , wie das alte Deutſch land fich niedergelafſen im Herzen der alten Welt , und ein folches neues Deutſchland müßte dann überhaupt in den Gegenſäßen puritaniſch-ſabbath ftrenger Yankees, üppiger Pflanzer , leichtſinniger Franzoſen , methodiftiſch religiöſer Aufjauchzerei , müßte überhaupt in den Gegenfäßen des aus allen möglichen Nationen zuſammenfließenden und jeßt mitten im raftloſeſten Ges ſchäft& treiben begriffenen neuen Weltftaats den tieferen idealen Gemüth halt abgeben
es follen doch die Deutſchen das eigentliche Salz der
Erde ſein ! Doch überlaffen wir uns hier nicht zu fehr unſeren Phantaften ! Sehen wir lieber zu , wie nun auch über den Vater der Gewäſſer hinaus der neue Freiſtaat gewandert ift biß zum fillen Ocean !
Wir müſſen hier aber
vorerſt einen Blid auf den Staat werfen, mit welchem er dabei in feindliche Berührung gekommen , auf den mericaniſchen Staat. Vekannt iſt, wie die romantiſch- ritterliche Tapferkeit jenes kühnen Cortez und ſeiner Handvoll Spanier dieſes reiche Gold- und Silberland eroberte. Wie aber das Land erobert war , da ward es von born herein auf ewige Seiten nur als Eroberung Spaniens angeſehen, allerdings nur in derſelben Art, wie jene aztekiſchen Eroberer, die Cortez vom Throne ftieß, die ganze indianiſche Urbevölkerung nur als eroberte Bevölkerung an faben , die da namentlich jenem gräßlichen Vißlipugli die Menſchenopfer zu liefern hatte.
Azteken und Indianer – alle Eingeborenen wurden in den
Staub getreten, kein perſönliches Eigenthum ihnen gelaſſen , höchftens Ges meindegüter ihnen berpachtet, gleich unvernünftigen Weſen ließ man fte vor Gericht gar nicht zu ; wenn ſte fich etwas Gelb erworben , zwang man fte, fich eine Maſſe unnüßer Gegenftände zu theuern Preiſen zu kaufen .
Mochte
95 Pich allenfalls ein Spanier eine ſchöne Eingeborene nehmen, die Sprößlinge, die Meftizen , ftanden unter gleichem Druc , fa ſelbſt die dort geborenen Weißen, die Creolen fte konnten kein Amt bekleiden , das Alles war Vorrecht der in Spanien geborenen Spanier , die nur zum Vortheil des Mutterlandes , die nur zum Vortheil ihrer ſelber die Bergwerfe bebauen ließen , ſonſt aber in Allem den Aufſchwung abſichtlich niederhielten und namentlich õandel und Gewerbe noch mehr niederdrückten , als England es mit ſeinen Kolonien that.
Dieſer Druck , der auf den Farben laſtete, war
es vor Allem geweſen , was in den Jahren , wo Napoleon das ſpaniſche Mutterland beſeßt hielt und nun auch die Kolonien aufforderte , ſeinem Bruder Joſeph zu buldigen , nun in dieſen , die ſeit Jahrhunderten nicht nach ihrem Willen gefragt worden waren , den Gedanken, erweckte, fich logs zureißen.
Nach manchen vergeblichen Verſuchen , die bei der ſpaniſchen Res
gierung nur deſto ſtärkeren Hochmuth hervorriefen , ward es glücklich durch gereßt - ein Heer ward zur Bürgſchaft der Gleichheit aller Farben und der linabhängigkeit Merico's eingefeßt, und fein Führer Iturbide ließ fich zum Kaiſer ausrufen .
Ja mit einem Kaiſer war der Freiheit nicht gebient,
bald machte man eine prächtige Republik , einen Bundesſtaat von mehreren fich felbft regierenden Staaten , mit der Verfaſſung des nordamerikaniſchen Freiftaats, ja wohl noch mit großen Vorzügen vor dieſer Verfaſſung, ſofern auch Meftizen, Indianer und Sdwarze Bürgerrecht erhielten , Reper freilich nicht. Doch wie ſollte fich die Freiheit bewähren in einem Land , wo der Eroberer nicht nur felbft zu faul geweſen war , im Schweiß des Angeſichte zu arbeiten , ſondern wo er noch obendrein gefliſſentlich die Betriebſamkeit der Eingeſeſſenen unterdrückt ! Hier konnte fte fich nad dreihundertjähs rigem Schlaf nur in frampfhaften Zuckungen zeigen , wie wenn man an einem unrettbar Schwindſüchtigen Galvaniſtrungsverſuche vornimmt. Wirk lich kommt's , wie ich ſchon oben geſagt , in den etwa dreißig Jahren der mericaniſden Republik nicht weniger als zweihundertſtebenunddreißig Mal vor , daß irgend ein ehrgeiziger General mit dem Säbel klirrt und ſich zum Retter der Geſellſchaft aufwirft - der Säbel führt dort das Regiment, frißt doch das Heer mehr denn die geſammten Einkünfte des Staates weg . Namentlich aber ward den Indianern , die ſo treulich im Krieg gegen Spa nien mitgeholfen , bald vergeſſen , daß auch fte freie Leute ſein ſollten , bald auf dieſe, bald auf fene Weiſe wurden fte verkürzt, ſuchten doch die ereoliſchen Grundbefiber ihre Arbeiter dadurch an fich zu fetten , daß fte dieſelben
96 nöthigten, Alles bei ihnen zu kaufen , und zwar auf Borg , ſo daß ſte ſtets ihre Schuldner bleiben mußten.
Daher ſind dieſe denn auch gar vielfach
losgebrochen , und eingedenf , daß fie dereinſt das ſchöne Land beherrſchten, trachten fte , die entarteten , fich felbft zerfleiſchenden Nachkommen ihrer Er oberer zu vernichten.
Doch noch ein weit gefährlicherer Feind iſt dieſem
Staat erwachſen in ſeinem Gegenbild , in jenem nicht auf das Schwert, ſondern auf Holzart und Pflug, nicht auf Unterdrückung, ſondern auf Gelbftregierung gegründeten Freiſtaat. durch Toras.
Der Anlaß dazu warb gegeben
Wie's das Leben immer dahin drängt , wo noch kein Leben iſt, bort Leben zu ſchaffen , ſo drängte es feit dem zweiten Jahrzehent unſere Jahre hunderts gar viele Abenteurer aus den vereinigten Staaten in den ſüdweſt lidhen Winkel des großen Miffifippibeckens, in das von wallenden Prairien prangende Terasland ,
diejes ſüdöſtlichſte Grenzland deg mericaniſchen
Staats . Ja der mcricaniſdie Staat ſah es nicht ungern , daß bald an 20-30,000 Amerikaner ſich dort einfanten , er ſelbſt war ihnen vielmehr bchülflich dazu , wollte er toch gern eins ſeiner ſchönſten Länder bevölfert ſehen , das ſelbſt zu bevölfern er zu ſchwach und faul war , das daher nicht einmal einen beſonderen Staat in ſeiner Union bildete . Nur freilid follten dieſe Anſiedler dabei doch ausdrücklich erfahren ,
daß ſte nun auch keine
Bürger der vereinigten Staaten mehr ſeien - wollten fie fich Acergeräth , Eiſenwaaren , Seile , Bücher , Papier , Waffen aus ihrer Heimath kommen laſſen , ſo mußten ſie dafür hohen Zou bezahlen . Reibung - der Hauptanſtedler des jungen Landes ,
Es entſtand dadurch Auſtin , ging nach
Mcrico , dort die Sache gütlich abzuthun , man ſperrte ihn ein , es didten nun die Tcraner Abgeordnete zu einem Congreß , es verlangte dieſer Con greß, Teras folle einen beſonderen Staat als Glied der mericaniſchen Union bilden , mericaniide Soldaten ſprengten ten Congreß auseinander und ver ſuchten , allen teraniſchen Bürgern die Waffen zu nehmen .
Da ſagten
ſich dieſe feierlich von Merico los , griffen zum Schwert und ſchlugen ein mericaniſches Heer in die Flucht. Bald aber erſchien eine furchtbare Ueber macht - 150 bewaffnete Teraner mußten ſich eiligſt in das Fort Alamo werfen . Unaufhörlich ward eß beſdoſſen , aber in zehn Tagen war noch feiner der tapferen Vertheidiger niedergeſtreckt, wobl aber waren Hunderte der anſtürmenden Feinde durch die Scharfidhüßenkugeln gefallen .
Da freis
lich waren fte ſelbſt durch Hungern und Wadhen auf's Reußerſte ermattet,
97
kein Pulver war mehr vorhanden , fte fonnten nicht hindern , daß die Meri caner um Mitternacht Sturmleitern anlegten , maſſenweiß drangen dieſe in bad Fort, verzweifelt wehrte fich noch die Befaßung mit Gewehrkolben , bis auf ſteben ward ſte niedergeſchoſſen .
Dieſe , tobtmatt , baten um Pardon ,
man weigerte ihn — ſo denn ftellten ſte fich an die Wand, und wehrten fich mit ihren großen Meſſern , bis auch der Legte niederſanf, umgeben von einem hohen Wall getödteter Feinde . Mit fünfzehnhundert Lobten hatten die Mericaner die Vernichtung dieſes kleinen Heldenhaufens erkauft - dies die berühmte Erſtürmung des Forts Alamo. Mißgeſchick.
Bald traf die Teraner neues
Mericaniſche Uebermacht überfiel 300 Mann auf freiem Feld ,
fte mußten ſich ergeben , das Leben ward ihnen geſichert – als ſte nun aber entwaffnet waren , ermordete man fte ſammt und fonders . Doch gerade dieſe Treuloftgkeit verſtärkte Ten Freiheit & muth und ward furchtbar beſtraft. Am Hyazinthofluß kam's zur Schlacht denkt an Alamo !" war der Schlachtruf des Freiheiteheers.
630 Mericaner fielen , 730 ſammt dem
Dbergeneral wurden gefangen , und zwar fand man leßteren in einem Röh richt verſtedt nur 6 Todte zählte das Freiheitsheer. Seitdem ward Teras frei und ließ ſich nun auch bald in die nordamerikaniſche Union auf nehmen , bald erſcholl denn ſein Lob weithin , es ſei doch ein wahrhaft para dieſiſches Land und von allen Seiten ſtrömte es in's teraniſche Paradies . Namentlich ſuchte dort ein deutſcher Adelsverein ein nenes Deutſchland zu gründen, indem er ein großes Stück Land ankaufte und dann deutſche Eins wanderer in der Art dorthin einlub, daß er 3edem für ein billiges Geld Ueberfahrt und
320 Morgen Landes anbot , nur ſollten ſte bort zus
ſammenſtedeln.
Doch ift ſolche Hoffnung nicht erfüllt — im fernen freien Land wollte der Verein zu viel regieren , als daß er die Leute hätte zuſam
menhalten können ; vor Allem aber hatte er zu weit landeinwärts liegendes Land gekauft , bald fand man , daß es dorthin keine Wege gab , ja naments lich auch kein Fuhrwerk, und nun gar zur Regenzeit ftand ein großer Theil der wallenden Prairien unter Waſſer - an zweitauſend Deutſche verdarben im giftigen Gelbfieber des mericaniſdien Golfs , vor fieben Jahren geſchah folcher Jammer !
War nun einmal Teras von Merico losgeriſſen ,
ſo mußte dieſer
Gang weiter gehen . Ueber die Grenze zwiſchen Teras und Merico konnte man ſich nicht einigen , nordamerikaniſche und mericaniſche Truppen lagerten fich zu beiden Seiten des Rio Grande, man lag ſich lange Zeit gegenüber, Nagel, Vorleſungen.
7
98 einander abwartend , da fanden eines Lage bie Nordamerifaner einen ihrer Dberften von Mericanern ermordet Das gab das Signal zum Rampf, und zwar zu einein fortwährend glücklichen Kampf.
Iroß aller Uebermacht
deg mericaniſden Heeres, trop feines guten Grercireng, troß ſeiner Kanonen gewannen die Nordamerikaner bei Rejaca Palma den Sieg , ſtürmten Mons terey in zweitägigem Straßenkampf; ihrer 6000, meiſt deutſche Freiſchaaren aud Saint Louis , Hermann , Cincinnati, Pennſylvanien oder eben erſt aus den Wäldern von Kentuch und Tenneſſee oder den Prairien von Teras gekommene halbwilde Reiter hielten bei Buena Viſta Stand , als der mili täriſche Diktator Merico's , als Santa Anna fte mit 20,000 ſeiner beſten Iruppen überfiel, die drei Februartage lang ohne Schuhe und nur mit ein paar Maiskuchen zur Nahrung durd, wilden Wald , nackte Felſen , dürre Ebenen marſchirt waren — ja vor ihnen und ihrem ruhigen Führer Taylor räumte Santa Anna zuleßt das Feld . Eine auf das furchtbarfte verſchanzte und mit Kanonen beſpickte Anhöhe , ein mericaniſches Gibraltar , warb ers ftürmt und nun ging es in einem Zuge nach Süden zugleich ward Veracruz, die Seefeftung Merico's , die erſte Stadt , die Cortez angelegt, bombardirt und zur Capitulation gezwungen , von da ging's landeinwärts nach Weſten .
Nicht eher machten beide Züge Salt , als bis fte vor der
Hauptſtadt eintrafen
vergeblich war es , daß Santa Anna noch einmal
feſten Fuß zu faffen ſuchte, die Verſchanzungen wurden erſtürmt, deutſche Freiſchaaren und wilde Wald- und Prairiereiter gogen in die ftolze Stadt und tafelten in den Hallen Montezuma's.
So warb Merico , der träge
Soldatenftaat, in offenem Soldatenfrieg gedemüthigt durch den rührigen Kandele- , Gewerb- und Ackerbauftaat ungefähr die Hälfte ſeines Ges biets mußte er ſeinem fräftigen Nebenbuhler überlaſſen. Es iſt nun wirklich wunderbar , bon welchem Glück dieſer Dabei bes günftigt ward. Bisher hatte dies abgetretene Gebiet todt dagelegen , bes ftand es freilich auch zum Theil nur aus rauhen Gebirgen und unfruchtbaren Wüſten höchſtens daß hier und da Mönche den Verſuch gemacht hatten, die Indianer in Mifflonsſtationen zur Viehzucht, zum Ackerbau und zu mechaniſchem Kirchenthum einzudrefftren. Seßt aber warb auf einmal dort das rechte Eldorado entdeckt bisher hatte der neue Freiftaat nur durd Art und Pflug , ohne Gold , fich voran geholfen, jeſt ward ihm auf einmal zur Belohnung all ſeiner Mühen das reichfte Goldland zu Theil. Ein Deutſcher , Sutter , hatte in der Schweizergarde Karl's X. Dienft
99 genommen
da brach die Julirevolution aus und vertrieb ihn von Paris.
Das Buch unſerð Remſcheidere Duden lockte ihn nach der Wonne Miſſurio , bald aber trieb ’ & ihn weiter mit einer Handelskarawane nach Neumerico, bald davon weiter zum ftillen Ocean , ja ſogar weiter bis zu den Sandwich inſeln, zu dieſen Perlen des ftillen Meere.
Zuleßt ließ er ſich in der Nähe
Der mericaniſchen Mifflonsſtadt San Francisco nieder — dort , an der Grenze deg mericaniſchen und rufftſchen Gebiet8 und alſo von beiderſeitiger Herrſchaft unabhängig , dort , am Sacramentofluß , der für den von Dften kommenden Wanderer die natürliche Straße zum ftillen Ocean bildet, dort kaufte er fich für billiges Geld elf Quadratmeilen Landes ; mit den umwohs nenden Indianern ſoloß er Freundſchaft, er übte fie militäriſch ein , fte bauten ihm ein Fort , von dem auß zwölf Ranonen die Gegend beherrſchten , fte bebauten ihm das Land , bald war ein ſchönes Land urbar gemacht, ſchöne Gärten prangten , prächtiges Vieh weidete am Sacramentofluß , ſchon trieb er mehrere Mühlen , ja fogar kaufte fich Sutter einige Schiffe und trieb direkten Handel mit den Sandwichinſeln . Es klang gleich einer Zauber ſage, daß dort in den Einöden am ſtillen Ocean ein Deutſcher gleich einem Fürften regiere - bald ſollte man noch Zauberhafteres vernehmen . In Den leßten Tagen des Februar
1848 , in dieſen auch für Europa ſo bers
hängnißvollen Tagen ließ er eine Sägemühle am Südarm des Amerikanos fluſſes bauen , um die dortigen Nadelwaldungen nußbar zu machen – der Mühlgraben war zu ſchmal angelegt , man mußte ihn erweitern , um Arbeit zu ſparen, ftaute man die volle Strömung des Fluffes dahin auf, cs gelang, die Strömung drang in den Mühlgraben und riß zu beiden Seiten bedeus tende Stücke vom Ufer mit fich fort, die fich nun
am Ende des Gras
bens ablagerten , da fah man auf einmal in dem dort abgelagerten Sand gligernde Theilchen - es war Gold , eine ungewöhnliche Goldquelle that fich in der neuen Welt zur ſelben Zeit auf , als der Revolutionsſturm bie gewöhnlichen Goldquellen in der alten Welt
vertrocknete.
Vergeblich
war es , daß Sutter es zu verheimlichen ſuchte - nach wenigen Wochen fah man in der Einöde Tauſende von Schaggräbern ; Raufleute und Advokaten , Aerzte und Geiftliche , Handwerker und Gerichtsbeamte , Mas trofen und Capitäne , Weiße , Rothe , Meſtizen , Schwarze ftürzten zum Waffer , Gold zu wühlen , wie Schweine im Wald nach Wurzeln wühlen - - weld ungeheure Maſſe man gemann , iſt weltbekannt , ein paar Arbeiter fanden in zwei Tagen für 17000 Dollars, in den erſten ſechs Monaten 7*
100 überhaupt wurden an 20 Millionen Dollars ausgegraben.
Bald kamen
von allen Seiten die Glücksritter heran, vor allen Dingen aus den vereinigten Staaten ſelber , theils ganz zur See durch die Aequatorhiße und um das eieftarrende ſtürmiſche Cap Horn herum in ſechsmonatlicher Fahrt, theils durch den giftigen Golf von Merico , über die glühend heiße Landenge von Panama , einen ſchrecklichen Maulthierpfad entlang und von da wieder zur See theils endlich auch ganz zu Land. Tauſende von Menſchen , fara wanenweiſe vereint , Lebenômittel und Geräth auf Ochſen- und Maulthier wagen gepackt, zogen vom Mifftfippi querein durch baumloſe , nur mit dürf tigem und noch dazu für das Vieh ungeſundem Gras bejeßte Prairien, durch reißende Ströme , durch enge Schluchten und Päffe, über nackte Berghöhen und durch dürre Wüften nach dem gelobten Land – es ward aber nur Wenigen ein gelobter Weg und ein gelobtes Land.
Verirren freilich konnte
man ſich nicht , denn der Weg war bald mit krepirten Ochſen und ſtehen gebliebenen Wagen bedeckt , berhungern aber vortrefflich , wenn man die Lebensmittel ſelber nicht mehr mitſchleppen fonnte , aber auch nicht Gelb genug beſaß, um von den unterwegs angeſtedelten Händlern ein Pfund Brot für einen Dollar zu kaufen . Kam man endlich an , da fand man freilich Gold — aber die Goldklumpen lagen auch nicht gerade ſo nur im Weg , vielmehr galt es , mit halbem Leib im Waſſer ſtehend den Schlamm aus den Flüſſen auszuſchöpfen und dann hieraus das Gold heraus zu fiſchen ,
oder von ſteilen Bergwänden , unter fteter Gefahr den Fals zu
brechen , die durch Regen herabgeſchwemmte Golderde abzufragen und aus zuwaſchen. Fand man dann wirklich den Tag über einige Dollars Gold, ſo ging es bald in andere Hände , denn ſcon ein Pfund Brot koſtete einen Dollar , auch waren Diebe und Mörder geſchäftig zu rauben , was Andere gewonnen , ſelbft Richter Lynch konnte nicht Viel helfen ; es war, fagt ein Augenzeuge, als ob die Erde aus allen Ecken und Enden all ihre Galgenvögel dorthin zuſammen geſpien hätte . Denn freilich , es kamen die Leute nicht blos aus dem ſo idon Aben teurer genug enthaltenden Amerika , aus allen Ländern Europa's kamen die Glüceritter und Gauner , ja fogar o Wunder ! felbft aus dem chineſtichen Himmelreich , aus dem Land der tauſendjährigen Kirchhoferuhe kamen Tauſende von Zopfträgern in das neue Babel hinein . Und dochy, lo wunderlich und abſcheulich auch dies Treiben ſein muß , es iſt doch etwas Wunderjames und Großartiges darin , daß nun an dieſem Ocean , der nicht
101 umſonſt der ſtille genannt wird , wie durch einen Zauberſchlag die Stadt Francisco erwachſen iſt , ichon jeßt eine Stadt von ſechszigtauſend Einwoha nern , ja vielmehr eine wahre Weltſtadt, in welcher Europäer , Vanfees, Kreolen , Indianer , Neger und die Söhne des aftatiſchen Himmelreiche als Bürger eines Staates hauſen , es iſt, als ob jener alte Wunſch des Co lumbus fich erfüllte , nach Weſten ſegelnd jenes himmliſche Reich des Groß dhan aufzudecken . Ja wohl noch direkter erfüllt ſich dieſer Wunſch - denn jeßt , ſeitdem dies Leben am ſtillen Dcean erwacht iſt, da ſchickt dieſer neue Weltftaat ſeine Flotten nicht bloß gegen das verſchloſſene Japan , dieſe Goldinſel Zipango des Columbus , da geht ſogar das Streben dahin , quer durch Amerika hindurch den ſtillen und den atlantiſchen Ccean , und damit auf geradeftem Weftweg Europa und Aſten , dieſe durch den ſo weit nach Süden vorſpringenden afrikaniſchen Klumpen getrennten Weft- und Oft - Enden der alten Welt zu verbinden – ſei's daß man den ſchmalen Iſthmus von Panama durchſticht oder mit Eiſenſchienen überbahnt, ſei's daß man den Juanfluß aufwärts bis in den Nicaraguaſee verfolgt und von dort noch einen Kanal in's ſtille Meer gräbt , wie denn Louis Napoleon dies für die Welt ſo wichtige Project ausführen wollte, als ihn die Februarrevolution zum Hetter der Geſellſchaft in Frankreich berief , fei's daß man endlich quer von der atlantiſchen Küſte Nordamerika's, von New - York aus durch die blauen Berge , durch die ganze Breite des Miffifippitbals , durd Prai rien und Felſengebirge und die gleichſam aſiatiſche Hodwüfte des großen Bedens hindurch die Eiſenſchienen legt bis zum ftillen Meer – wie denn der Unternehmungégeift der Amerikaner ſelbſt vor dieſem Riefenproject nicht zurüchebt. So denn erfüllen ſich hier die ſchwärmeriſchen Phantaften des Columbus und ſeine Träume werden zur Wirklichkeit
ja wenn es
ihm als leßtes Ziel vorſchwebt, das heilige Grab zu erobern , ich habe früher angedeutet , in welcher geiſtigen Art es in der neuen Welt überhaupt fich erfüllt , in frafferer Art aber möchte es fichießt grade auf dem Weg zum californiſden Goldland und Alerweltababylon erfüllen , indem dort in dem unwirthbaren großen Becken ein neues auserwähltes Volk des Herrn , ein Volf Iſrael des neunzehnten Jahrhunderts , indem dort die Heiligen des jüngſten Tages nach langem Umberirren und öfterer Vertreibung ihre blet bende Stätte gefunden , wo fte der baldigen Kunft des Herrn entgegenſe hen . Verweilen wir noch einen Augenblid bei dieſen vielberufenen More monen !
102
Es war im Jahr 1833 , erzählen dieſe wunderlichen Heiligen * ), daß dem Joſeph Smith im Staat New - York , der ob der Unzahl und dem Wirrwarr der religiöſen Sekten ſeines Vaterlandes in ununterbrochenem Mingen und Beten um Licht auf ſeinen Knien da lag , ein Engel erſchien und verkündete , er ſei berufen , die wahre Kirche herzuftellen , als Priefter nach der Art Melchiſedef's aufzutreten und die Gläubigen zu bereiten auf das bald einbrechende jüngſte Gericht und auf die Rückkehr des Herrn zum tauſendjährigen Reich , er folle fich begeben zum Hügel von Palmyra , dort werde die Wahrheit aus der Erde ſpringen und er ging hin und fand im Sügel einen aus Steinplatten gemauerten Kaften . Er molte ihn öffnen , aber ein Schlag von unſichtbarer Hand ſchlug ibn zurüd , alsbald ſagte ihm der Engel , der Satan habe ihm ehrgeizige Gedanken eingeflößt, er fuche durch all dieſe hohen Dffenbarungen nur feinen eigenen Ruhm, erft müſſe er ſeiner Nichtigkeit inne werden und allen felbftſüchtigen Ehrgeiz ablegen , dann erſt werde ihm die Offenbarung zu Theil.
Und er that
Buße ob ſeines Ehrgeizes in zerknirſchtem Gemüth , und da denn eröffnete fich ihm der Raften von ſelbft, und er ſah darin goldene Platten , gezeichnet mit wunderbarer Schrift, und es ward ihm gegeben zu leſen die Schrift. Ein jüdiſcher Stamm Jared , hieß es , ift zur Zeit der babyloniſchen Bers bannung von Gott in acht luftdichten Archen über das Meer geführt worden nach Amerika , und dort iſt ihm die Zukunft des Mefftas verkündet worden . Und wirklich hat Jeſus, nachdem er auferſtanden und gen Himmel gefahren , dies Volk beſucht und auch ſeine Wundenmale von ihm befühlen laſſen wie von Thomas und fte find gläubig geworden. Dreihundert Jahre nachher war der Glaube verſchwunden , da denn erhub fich Mormon als gewaltiger Held und ſchlug die Ungläubigen und richtete mit Gewalt den Glauben wieder auf; und ſchrieb dieſe Tafeln und vergrub fte und verkündete darin zum Schluß , wenn einft freimaureriſcher Unglaube herrſche, dann würden biefe Platten aufgefunden werden , dann würden bald die verlorenen und verſtreuten Stämme Iſraels bereinigt werden , und dann werde die Welt untergebn und dann auf einmal Chriftus mit Glanz und Herrlichkeit auf den Wolfen des Himmels erſcheinen zur Abhaltung des jüngſten Gerichte und zur Aufrichtung des ewigen Reichs.
68 waren nun dieſe Platten
*) Die beſten Nachrichten über die Mormonen finden fich in Andree's Weſtland in nehreren Auffäßen.
103 gefunden , es ſtand alſo der jüngfte Tag bevor , es ftand das jüngſte Gericht vor der Thür – mit dieſer Botſchaft trat nun Smith auf und bald hatte er Tauſende um fich gefchaart, die nun im Gefühl, der jüngfte Tag bredhe herein , das Ende aller Dinge ftehe bebor, ale ,, Heilige des jüngſten Lage " fich ein neues Zion als Rettungsplaß aus der verderbten , bem Gericht ges man weihten Welt zu ſchaffen ſuchten . Am Miffuri ſuchten fie's zuerſt vertrieb fte ; im Illinoisland bauten fte fich eine große Stadt Nauvoo mit einem prächtigen Tempel — man verjagte fte ; die Heiligen des Herrn , dem die ganze Erde gehöre , hieß es , nähmen die Güter der Heiden “ will fürlid an fich, gar Viele wurden betheert und befiedert , vierzig Mal ward Smith al8 Dieb , Mörder , Ehebrecher vor Gericht gezogen , vierzig Mal freigeſprochen , da ſtürmte zulegt der Pöbel das Gefängniß, Smith wollte fich durch einen Sprung aus dem Fenſter retten , da warb er berwundet, man band ihn an einen Baum und erfdhoß ihn ; Stadt und Tempel ward zerſtört.
Da machen fich die Auserwählten des Herrn heraus aus dem
Haus der Knechtichaft , aus Aegyptenland, ziehen über das rauhe Felſens gebirg in die Wüfte des großen Beckens; da durch Felfengebirg und Wüſte von der Welt gefchieden grünt eine Daſe, das iſt ihr gelobtes Land , nicht fern davon ift ein Salzſee, das iſt ihr todtes Meer , in ihn ergießt ſich ein Fluß , das iſt ihr Jordan , da weihen ſte das neue Land dem Herrn und errichten das neue Jeruſalem und den neuen Tempel. Bald blüht die Dafe lieblich , da kommen Heuſchrecken und freffen Alles ab, da fchreien fte zum Herrn und er ichidt Seemöven und vertilgt den böſen Feind.
Und jegt fteht ein neues ſtattliches Zion da , am neuen Jordan,
am neuen todten Meer , und es leben dort die Auserwählten des Herrn in rüftiger Arbeit und frohem Gedeihen , in defto froberem Gedeihen, als jedem Mann mehrere Frauen zugeftegelt werden, um das Volk Gottes zu mehren, geleitet von einem Scher Gottes , der in allen Dingen des Höchſten Dffens barungen erhält. Ja bald , erwarten fte , wird auf einmal ein gewaltiger Kampf lobbrechen , da ſchaart fich Alles unter zwei Banner , hier kämpfen die Heiligen des Herrn , dort das Antichriſtenvolk unter des Papſtes Ban ner. In ſchrecklichen Wehen wird die Erde zucken , da auf einmal erſcheint Chriftus ſtrahlend in Jeruſalem deß alten Driente , und das alte Bolf 3ſrael ſammelt fich aus allen Landen der Zerſtreuung dorthin und begrüßt jubelnb den lange verkannten Erretter und regiert von dort über die Völker det Oriente , die Heiligen des jüngſten Tage aber ſammeln ſich aus
104 aller Welt in dem neuen Zion des neuen Dccidents .
Und zwiſchen beiden
Zions wird fich hinziehen der Pfad, den des Löwen Fuß nicht betrat und des Adlers Auge nimmer ſchaute, ja dann verſchwinden die Meere, die beide Welten von einander trennten , dann herrſcht allenthalben holder Friede und füße Eintracht und Reiner wird mehr ſtören den Andern . Wer , der irgend nüchternen Sinn hat , mag jenem abenteuerlichen Roman von der jüdiſchen Abftammung der Amerikaner Glauben idenfen ? welcher Chriſt mag erwarten , daß noch einmal die Juden nach Jeruſalem ftrömen und daß Jeruſalem der legte Siß des Reiches Chrifti ſein ſoll ? weiß er doch , daß in Chrifto fein Zion und fein Garizim mehr gilt, daß allerorten der Vater angebetet werden ſoll im Geiſt und in der Wahrheit ! *)
Zwar
verkünden das die Propheten , aber das erwarten fte vielmehr in nächfter Frift , ja namentlich erwarten fte's gleich nach der Rüdkehr aus dem trau rigen Eril, von dort aus ſolle das Volf Jehovah's die Völker beherrſchen ** ), aber in ſo nächſter Nähe hat fidi's ja nicht erfüllt, wird fich drum auch ſo nicht erfüllen , es haben ja die Propheten , wie Jeſus jagt , noch nicht ſo ge ſchaut in das innere Weſen des Gottegreichs *** ), wie ihrer Zeit Jeruſalem der äußere Mittelpunct deſſelben war , ſo war's ihnen , müfle eß das auch bleiben, wenn auch andere Völker in dies Reich traten , in höherem geiſtigen Sinn hat es fich erfüllt, als von Jeruſalem der geiſtige Gottesdienſt, die Verehrung im Geifte und in der Wahrheit, in alle Welt hin iſt ergangen . Wer mag jeßt auch noch erwarten einen ſolchen Weltuntergang , ein ſolches Weltgericht, eine ſolche ſinnlich glänzende Wiederkunft Chrifti auf den Wol fen des Himmels ? Erſteht man doch aus dem Neuen Teftament, wie die erſten Gläubigen dies ſo ganz noch bevorſtehend erwarten , ja ſogar es ſelber noch zu erleben hoffen und ihm ſich ſehnſüchtig entgegen freuent) – und ſo bald hat eo fidh doch nicht erfüllt und wird ſich drum ſo nun auch nimmermehr erfüllen.
Wer mag dies überhaupt aber ſo finnlich maffiv und fraß auf
faſſen ? Geſteht doch der Apoſtel Paulus ſelber von fich, daß er erft wie durch
* ) Johannes 4, 21 — 24 . **) 3. B. Jeſaias 60 u . 61. Dgl. 54. Sacharjah, Cap . 8. Jeremias,Cap.31 . ***) Matthäus 13, 16 u . 17 . ) Jacobus 6, 7–9 . 1. Johannis 2, 18. Hebräerbrief 10, 37. 1. Theſſa lonicher 4, 16—17 . 1. Rorinther 18 , 61 u . 52 findet fich dieſe Erwartung deutlich ausgeſprochen . Daher als es nicht ſo fam , erhub ſich am Ende der apoſtoliſchen Zeit Spott darüber . 2. Petrus, 3 ff.
105 einen Spiegel ſchaue im Räthſelbild * ) , liegt doch in der Erwartung der Deutſchen von der Wiederkunft ihres Barbaroſſa , ſo wenig fich dies finnlich erfüllt, ein geiſtiger Wahrheitskern , deutet doch Jeſus ſelber die altteſtamen tiſche Erwartung von der Wiederkunft des Bußpredigers Elias auf die Erſchei nung des Täufers Johannes , der gleich dem alten feurigen Eiferer Elias zur Buße rief ! **) Und Erwartungen des Untergangs der ſichtbaren Welt treten ſte nicht immer in ſolchen Zeiten ein, in denen über Principien , die bis her das Leben beherrſcht, ein Gericht ergeht, in denen im Leben der Menſchheit eine große entſcheidungsvolle Kriſts ftd vollzieht, wie zur Zeit des Untergange des römiſchen Reichs , wie am Schluß des erſten chriftlichen Jahrtauſende, wie in der Gegenwart ? Es hat fich in dieſen finnlichen Formen bas tiefe wie wahre Gefühl der erſten Gläubigen ausgeſprochen, daß ihr neues Leben, Das bon der beſtehenden Welt , das von Juden und Heiden auf äußerſte bedrängt und verfolgt war , einſt bieſe ſchlechte Wirklichkeit über winden , einſt ftegreich weltherrſchend auftreten werde , es hat fich dies auch längſt geiſtig geſchichtlich erfüllt, indem ſchon ein Menſchenalter nach Jeſus Kreuzestod das Gericht erging über das alte Jeruſalem und den ſteinernen Tempel , deſſen Bauleute den Efftein verworfen , indem drei Jahrhunderte nachher durch Conftantin das Gericht erging über das heidniſche Rom , das fich mit dem Blut der Heiligen vollgetrunken , es hat fich erfüllt , indem dann das neue Leben fich ftegreich über Jeruſalem's und Rom's Trümmer erhub und nun in den friſchen germaniſchen Stämmen eine bleibende neue Stätte fant und ein neues Reich fidy ſchuf.
Jenes tauſendjährige Reich,
wo die Gläubigen mit Chrifto regieren ſollen auf Erden *** ) ,
eg ift ſchon
längſt dageweſen im heiligen römiſchen Reich deutſcher Nation , das ja tauſend Jahre beſtanden , dies tauſendjährige Reich, deſſen Sig Jeruſalem ſein ſoll +) , ift dageweſen in dieſer germaniſch - chriftlichen
Weltordnung ,
in
deren
Blüthezeit die Sehnſucht der Völker fich nach dem heiligen Grabe richtet. Wir leben jeßt in der Zeit , in der , wie Paulus ſagt, das Reich Chrifti aufhört, in der Chriſtus das Reich dem Vater übergibt , auf daß Gott ſei Alles in Allem ++) - in der Zeit , in welder , was in Chriftus gegenüber *) **) ***) +) tt)
1. Korinther 13 , 12 . Matthäus 11 , 14. 17, 10 --- 13 . Offenbarung 20, 4–6. Offenbarung 20, 9 . 1. Korinther 15, 24—28 .
106 dem alten Zuden- und Heidenthum als neues Leben aufgetreten , nunmehr fo zu Fleiſch und Blut geworden iſt , daß es nicht mehr als ſpezifiſch chrift lich gilt , daß es vielmehr als etwas gilt , was ftch wie von felbft verſteht, was aus dem Weſen der Dinge , was aus dem Weſen Gottes ſelber uns mittelbar folgt. Sind doch ſolche gäng und gäbe allgemein menſchliche Ideen , wie Verbrüderung aller Völfer , Berechtigung aller Stände und Ges fohlechter zu geiſtiger Bildung eben nur ein zu Fleiſch und Blut gewordenes, ein unbewußtes Chriſtenthum , denn im Alterthum ftanden ja das auss erwählte Volt Gottes " und die Heiden ", die gebildeten , Hellenen " und die , Barbaren " einander nur feindlich gegenüber , gegenüber den wenigen freien " Griechen
gab es eine Unzahl rechtloſer Sklaven , ihre Frauen
ſchloffen die gebildeten " Griechen von der Bildung aus , als Jeſus mit dem Weibe redet , wundert es die Jünger * ) , erſt in Chrifto geſchieht es , daß kein Jude , kein Heide , kein Hellene, kein Barbar, fein Sklave, kein Freier, fein Mann , fein Weib mehr gilt , daß Alle mit einem Geiſt getränft zu einem Leib umgeboren werden ** ), aber was in Chrifto damals geſchehen , iſt jeßt im Laufe der Jahrhunderte ſo mächtig geworden , daß es felbft in denen wirft, die bewußt ihn nicht kennen , find doch darum die jebigen Juden emancipirt , der ,, dyriſtliche Staat " hat aufgehört - das unmittelbare Reich Gottes , wo Gott ſelber iſt alles in Allem , iſt eingetreten.
Ja wir leben
teßt namentlich in der Zeit , in der , wie jener trunkene Seher weiſfagt, das himmliſche Jeruſalem auf die Erde herunterſteigt und Gott ſeine Wohnung nimmt unter den Menſchen ***) in der Zeit , wo man die Seligkeit nicht erft jenſeits des Grabes fucht, ſondern in der dieſſeitigen gegenwärtigen Wirklichkeit, wo man fich dad , Jammerthal " ſelber zur idealen Welt ums geſtaltet, wir find in jenem Reich, in dem es , wie jener verzüdte Schauer der Zukunft verkündet, keinen Lempel mehr gibt , weil Gott ſelber der Tempel ift +) – in fenem Reich , wo die Religion nicht mehr an diefes und jene Haus gebunden iſt, wo fle nicht mehr blog hier und da einmal in aparten heiligen Zeiten , Handlungen , Perſonen hereintritt in die profane Wirklich
*) Johannes 4, 27 . **) Coloſſer 3 , 11. Galater 3, 28. 1. Korinther 12, 13 . ***) Offenbarung 21. , 2 u . 3 . Wen dieſe Dinge näher intereſſeren , den verweiſe +) Offenbarung 21 , 22 . ich auf eine jeßt eben erſcheinende Abhandlung von mir: ,, Bibliſch - theologiſche Trilogie von R. N.“ bei Schmidt in Valle.
107 keit , wo fte vielmehr als ein freies flüſſiges geiſtiges Lebensblut unausge ſprochen Alles durchdringt und verklärt , ja namentlich wird Amerika , dies neue Land, wo die Flüchtlinge aller bisherigen Kirchen, wo die Vertriebenen aller bisherigen „ chriftlichen Staaten " fich ein Aſyl geſucht, wohl der neue Himmel und die neue Erde fein , wo dieſe leßte Religion , auf welche die Seher der apoſtoliſchen Jugendzeit weifſagend hinweiſen , wo dieſes Reich, in dem Gott ſelber unmittelbar iſt alles in Allem , wo dieſes himmliſche Jeruſalem ſich auf Erden verwirklicht. Doch ſo ſehr wir in allem Dieſem den Mormonen entgegentreten wer vermag auch in ihren Phantaften einen tiefen Wahrheit &gehalt zu verkennen ? wer fühlt in ihnen nicht das wahre Gefühl hindurch, daß noch gar manche ſchwere Erſchütterung nicht bloß der alten Welt, nein auch der neuen bevorſteht ? oder wird nicht das Fort ftehen der Sklaverei im Lande der Freiheit eine ſolche Rrifte entzünden, oder die Verbitterung der unzähligen Seften ? wer erkennt aber nicht in dem ſcheinbar noch fo Abenteuerlichen dod das Grundgefühl, daß, wie das Heil auðgegangen iſt von Oſten, vom Drient , vom alten Jeruſalem , daß es ſo gewandert iſt nach Weften , nach dem Dccident, gleichſam dem neuen Jeruſalem ? wer erkennt darin nicht daſſelbe Geſeß, das uns bei der Betrach tung der Geſchichte der Menſchheit, bei der Betrachtung ihrer Wanderung bon Aften nach Europa , von Europa nach Amerifa , bom atlantiſchen Dcean zum ftillen Meere ift aufgegangen ? Und darum wollen wir auch dieſer wunderlichen Heiligen mit Adhtung gedenken !
Hochverehrte Verſammlung!
In den bisherigen Vorleſungen habe ich verſucht , jenen neuen Freis ftaat jenſeits des Oceans vor Ihren Augen aufirachſen zu laſſen - nad der atlantiſchen Küſte ſaben wir von England aus üppige Goldſucher in den Süden ziehen , harte Puritaner in den Norden , milde Quäfer in den Mittel ftrid , ſaben fte dort auf friſchem Boden fich ſelber voran helfen und ſich ſelber regieren lernen , und als das Mutterland fte tyranniſtrte, fich log kämpfen , fahen ſie dann weiter dringen nach Weſten ,
den leichtfinnigen
Franzoſen ward ihr ſchönes Miſfifippiland genommen , da ftedelte man ſich einſam im Wald an, ftrich auf der Jagd umher und jauchzte auf im feltenen Feldgottesdienft, im Herzland ftebelten fich namentlich biedere Deutſche zahl reich an , immer weiter drang die Cultur gen Weſten , beſtegte den tragen Soldatenſtaat Merico , bie fich dann endlich am ſtillen Dcean das califors niſche Goldland , bis fich dadurd ſogar Verbindung mit Aften aufgethan in al Dieſem ſahen wir zwar ſehr verſchiebenartiges , aber lauter friſches originelles naturwüchfiges Volk, dem man es gleich anfühlt, daß es in unſer überfeines Europa nicht recht bereinpaßt. Seßt nun iſt es Zeit , den freilich noch immer im friſcheſten Werden begriffenen , aber doch gewiffers maßen auch ſchon gewordenen Staat in ſeinem jebigen Sein zu bes trachten und ſeine wichtigſten Orte gleichſam auf einer Reiſe zu beſuchen . Dieſe allgemeinen Verhältniffe, dieſe gegenwärtigen Zuſtände, dieſe einzelnen Orte zu fchildern unternehme ich freilich nur ſchüchtern mit voller Jreue und Lebendigkeit vermag es doch nur, wer ſelber bageweſen .
Doch nach
dieſem Princip hätte id , auch von der Geſchichte der Anſtedelung nicht er
109
zählen dürfen , nach dieſem Princip dürften wir überhaupt von der Vorzeit nichts erzählen wie man ſich aber von der Vorzeit aus dem Bericht von Augenzeugen doch irgend ein Bild zu entwerfen vermag , nun weshalb denn nicht auch von der Gegenwart nach treuen Reiſeſchilderungen ? Es umfaßt denn nun der neue transatlantiſche Freiſtaat ein Land, das wenigſtens drei Viertel von Europa's Flächenraum einnimmt , wie wenn man Portugal , Spanien , Italien , das türkiſch - griechiſche Land , Ungarn, Polen, Deutſchland, Niederland , Belgien , Schweiz, Frankreich , Dänemark, Schweden , Norwegen , Großbritannien zuſammenſchlüge und noch halb Rußland dazu nähme und er enthält denn auch ebenſo große Verſchie denheiten wie dieſe Länder. Im Norden gibt es einen rauhen Winter, nordiſches Moos und Tannen , und eine derbe Bevölkerung , im Süden tropiſche Hiße und tropiſche Produkte, Baumwolle und Zuckerrohr, dazu ein weidliches Volf , im Often einen vielfady eingeſchnittenen Küſtenſtrich, ſchöne Bergketten und große Seehandelsſtädte mit europäiſder Civiliſation , in dem Weſten rauhe Felſengebirge mit ewigem Schnee , dürre Wüften und einen Staat aus lauter Abenteurern aus aller Welt , in der Mitte das fettefte, tiefſte , fruchtbarfte Ackerland und imn friſcheſten Werden begriffene Drtſchaften.
Alles dies iſt aber verbunden durch das Band des Vaters
der Gewäſſer ,
der ſich an ſeiner Quelle faſt berührt mit den cana
diſchen Seen des Nordens und mit ſeiner Mündung fich ergießt in den mericaniſchen Golf des Südens ,
der von den Gebirgen des Oftens und
Weſtens die Ströme beiderſeits in
fich
hinein verzehrt , ja durch die
Ströme , die von der Quellgegend ſeiner Nebenflüſſe aus nach dem ftillen wie nach dem atlantiſchen Ocean hinabgehn , faft an dieſe Dceane hinan reicht — zumal aber iſt, wo die Natur hierin noch eine Lücke gelaſſen , nach geholfen durc Canäle , und vor Allem ift als ganz neues Verbindungsnek hinzugetreten ein ungeheures Neß von Eiſenbahnen , das eben jeßt durch die Mammuthbahn bom atlantiſchen bis zum ftillen Ocean ſeine Vollendung erhalten ſoll --- ein Eiſenbahnneß , wozu der Reichthum an Kohlen , zwölf Mal ſo groß als der von ganz Europa , fünfunddreißig Mal größer als der von Großbritannien , die nachhaltigſte Baſis bildet . Wie das Land denn nun die verſchiedenartigſten Bodenſtriche und Zonen enthält, ſo auch die verſchiedenartigſten Bewohner ernſte , falte , bedächtige Engländer, leichtſinnige Franzoſen , gravitätiſche Spanier , idmußige, idweiniſche, leicht blutige Irländer , hißföpfige Schotten , fniferige Holländer ,
gemüthlide
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Dentiche , Abfömmlinge von all diefen Völkern , die fich in dem kleinen europäiſchen Quartier niemals recht haben vertragen können , baben da ein gemeinſames Aſyl gefunden.
Ich ſage , ein Aſyl - denn in der Chat und
Wahrheit find es meiſtens Flüchtlinge , Leute , die vor irgend welchem relis giöſen , politiſchen , ſocialen Druc , in leßter Inſtanz vor dem Hungertob flohen, der, wie die leßten Jahre gezeigt , nicht blos in Irland, ſondern auch in dem hochcultivirten Deutſchland ganze Maffen fortraffen kann , Flücht linge irgend welcher Art find es , haben und immerfort bringen .
die dieſen Staat zur Blüthe gebracht
Eben dies nun aber , daß der ganze Staat
Flüchtlingen irgend welcher Art ſein Entſtehen und ſeine Blüthe verdankt, die dort dann im neuen Land ganz friſch anzufangen hatten , eben dies hat ihin nun einen ganz eigenthümlichen Charakter gegeben – den Charakter einer naturwüchſtgen , durch keine Schranken veralteten Berkommens gehemmten freien Entwicklung: GG iſt eben Nordamerika , wie ſein Bürger mit edelm Stolze ſagt, the beloved land of liberty.
Es ift, um mit dem Leiblichen
zu beginnen , Niemandem durch die Geburt ein für allemal der Drt ange wieſen , an dem er unter der Knute des adligen Gutsherrn ſein Lebenlang zu verharren hat , wie in Rußland, es ift aud Niemandem durch eine viels geſchäftige, nur zu zärtlich beſorgte Polizei verwehrt, fich hierhin oder dorts hin zu begeben und fich hier oder dort niederzulaffen , we are in a free country ; es iſt auch Niemandem dadurch , daß er Schuſter oder Sdneider ift oder fonft ein Handwerk treibt oder hinter dem Pfluge geht, verwehrt, Rathsherr oder Präſident eines Staats oder gar der vereinigten Staaten ſelber zu werden , war doch Washington anfangs ſchlichter Feldmeſſer und der Präfident Fillmore ehrſamer Schneider; es bringt auch keinem Scande, wenn er in ſeiner Jugend eine höhere Bildung genoß , ſpäterhin aber mit dieſen ſeinen Kenntniſſen fich nicht gleich ſein Brot erwirbt, dann etwa Schneiderei, Schuſterei, Tiſchlerei oder einen Kramladen anzufangen oder zu hauftren oder hinter dem Pfluge zu gehn oder meinetwegen zum Haus bau Steine zu tragen oder an Chauſſeen und Eiſenbahnen zu arbeiten – denn jede körperliche Arbeit ehrt vielmehr , ja grade auf ihr ruht in dem Lande, was erſt materiell zu bewältigen iſt, der rechte Segen , žandwerk hat hier in der That und Wahrheit ſeinen goldenen Boden , ächt chriftlich , war doch Chriftus ein Zimmermann und der Apoſtel Paulus ein Leppichmacher ! verachtet ift nur, der nichts thut , Drohnen gibt's nicht, nur fleißige Bienen , während bekanntlich in manchen europäiſchen Ländern ein nichtsthuender,
111 dazu noch ſteuerfreier Adel alle Achtung für fich in Anſpruch nimint, und ſelbſt in aufgeklärten Gegenden immer noch gleichſam ein Schimpf auf dem Handwerk ruht.
Es iſt weiterhin Niemandem verwehrt, frei ſeine Meinung
über öffentliche Dinge mündlich oder ſchriftlich auszuſprechen , am wenigſten wird das beſte Wort durch Cenſur vorweg geſchnitten und ſo mit vergiftens der Wirkung in's Innere zurückgedrängt, ſprudelt freilich nun auch deſto grober hervor.
Es iſt auch Niemandem von Staatswegen geboten , dieſer
oder jener privilegirten Confeſſion anzugehören, es iſt Niemandem verboten , fich ſelbft eine neue Confeffion zu ſchaffen , es hält auch der Staat Nieman den deshalb für einen ungehorſamen Bürger , weil er in religiöſen Dingen in feiner der eben beſtehenden Confeffionen ſeine Befriedigung findet und deshalb vorerſt ganz ſeinen eigenen Weg geht, in freifter Art jafft ſich dort jede religiöje Anſchauung ihren Kreis , und ſo feltfam und abenteuerlich auch die Meinungen dieſer oder jener der unzähligen Sekten ſein mögen , die dort wie Pilze aus der Erde aufſchießen : 68 zeigt fid coch bei ihnen allen religiöſer Ernſt und Gifer , namentlich in der freiwilligen Erbauung zahlreicher Kirchen , in vollem Kirchenbeſuch und ernſter Sonntagsfeier ; auch die immerhin unbequeme Stellung der Prediger auf Kündigung dient zur Belebung des religiöſen Amtseifers und zur Verhütung langwieriger , die Religion lähmender , Mißverhältniſſe zwiſchen Gemeinde und Pfarrer , e8 zeigt ſich dieſer Eifer eben wegen der freien vom Staat nicht behinderten , nicht begünſtigten Entwickelung , wogegen das europäiſche Staatskirchen thum bekanntlich beſonders leere Kirchen , Gleichgültigkeit, Heuchelei, Spots terei, Brotpfaffenthum erzeugt und aus der Kirche Gottes ungefähr ſo ein Ding gemacht hat , wie jener Tempel zu Jeruſalem zu Jeſu Chriſti Zeiten war. Ja gibt's auch in Amerika genug , die aus allen Kirchen und Sekten ausgeſchieden fich noch zu keiner Kirche vereinigt haben , gleichſam einer neuen idealen Schöpfung entgegen harrend : es iſt denn doch die Re ligion überhaupt geachtet,
verachtet aber die Religionsſpötterei.
Es iſt
endlich dort die Regierung nicht ein außerhalb des Volkes ſtehendes Geheim niß , das nur durch ein Heer ſtraff gehaltener Beamten und blind ergebener Soldaten ſich fund thut , es iſt die Regierung nichts mehr und nichts wes niger als der Ausdruck des ſelbſtbewußten Volkswillens ; das Volk ſelber iſt es , das ſeine Beamten wählt , ſeine Richter , ſeine Rathsherren , ſeine Präfibenten und zuleßt ſogar ſeinen Geſammtpräſidenten , dies Alles nicht auf Lebenszeit , ſondern nur auf ein paar Jahre.
Es ziehen bei fola
112
chen Wahlen die Parteien allerdings mit der faftigſten Grobheit gegen einander zu Felde , es wird auch wohl einmal mit dem Knüttel drein geſchlagen namentlich ſind es die neugebackenen Republikaner , die grünen Deut ſchen , die eben erft von der Freiheitsluft ergriffen fich ſo wenig zu regieren wiſſen , daß ihre Wahlen öfters in eine Sdlägerei auslaufen – aber nad geſchehener Wahl fügen ſie ſich dem einmal erfolgten Ausdruck der Majori tät , es iſt ja doch nur auf ein paar Jahre , deshalb kann es gar nicht vorkommen , daß man , wie's in Europa mit lebenslänglichen erblichen Monarchen , wenn ſie mißliebig geworden , geſchehen iſt, einem mißliebigen Präſidenten den Kopf abhackt oder ihn mit Dolcftichen und Piſtolenſdüſſen meuchelt, im Nothfall verjeßt inan ihn in Anklagezuſtand und beraubt ihn ſeines politiſchen Kopfes , läßt ihm aber ſeinen leiblichen , in der Regel aber wartet man auf die neue Wahl .
Am allerwenigſten hat dies Volk
ein Heer fich gegenüber ſtehen , das einmal gegen ſeine eigenen Landsleute zu fechten hätte , es hat dieſer Rieſenſtaat von 130,000 Quadratmeilen und 24 Millionen Einwohnern nur etwa zehntauſend ſtehende Söldner, und zwar fern an den Grenzen ; landwehrpflichtig iſt freilich jeder Erwachſene, und das mit Luſt; bricht Krieg aus, ſo mangelt es an rüftigen Freiſchaaren nicht.
In
all dieſer Hinſicht iſt eben dieſer Staat das gelobte Land
der Freiheit – und gerade dies , daß dort Fedem die freie Selbftbeſtimmung nady allen Seiten hin offen ſteht, und das auf der Baſis eines Bodens , der nad dem Maßſtab des ſo dünn bevölkerten Rußlands doch noch dreimal, nach dem Maßſtab des auch nicht gerade dicht bewohnten Türfenreich
doch
noch ſechámal, nach preußiſchem Maßſtab aber wohl noch achtzehnmal ſo viel Bewohner zu nähren vermag als gegenwärtig , eines Bodens, der daher weder Bettler buldet , noch Zeinand zwingt ſich in ein dumpfes Fabrifelend zu verkaufen : dies iſt es , was dorthin den Europäer mit magiſcher Gewalt zieht , was auch den Gebildeten dazu vermag , dort mit Aufopferung aller gewohnten Bequemlichkeit und Behaglichkeit ein neues Leben zu beginnen, dies ift es , was jenem Staat ein ſolches beiſpielloſed Aufblühen verſchafft hat und noch ferner verſchaffen wird.
Ich ſage – verſchaffen wird.
Darin liegt , daß er allerdings ſein Ziel noch nicht erreicht hat , allerdings noch nicht fertig iſt , vielmehr noch in der Entwickelung begriffen , und da muß er allerdings noch gar manche Gebrechen an ſich tragen , die wir aller dings durchaus nicht verhehlen wollen , die aber mit jedem Entwickelungs proceß nothwendig verbunden ſind und die fich erſt nad und nach verlieren
113 fönnen .
Am Erſten , glaub' ich, hilft dieſer Geſichtspunct uns über die
Klage hinweg , daß dort Kunſt und Wiſſenſchaft nur geachtet ſei nach dem augenbliclichen Geldnußen .
Denn abgeſehn daron , daß auch in Europa
diejenigen fich zählen laſſen , denen die Wiſſenſchaft die hohe, die himmliſche Göttin und nicht die mit Butter verſorgende Kuh iſt, abgelehn davon , daß ſchon der Entſdluß , aus der bei aller Drangſal doch ſo trauten Heimath auszuwandern , einen gewiſſen 3dealismus vorausſeßt, der befanntlich nicht blos das Eigenthum der Klugen und Weiſen , ſondern oft gerade der Unges bildeten iſt : wie ſoll in einem Staat , wo der Menſch noch einer ſo gewal tigen , durch Art , Pflug , Eiſenbahn , Brücken z11 bewältigenden Natur gegenüber ſteht, wo jeder neu Eintretende nun ganz auf fich jelbſt ange wieſen ſich in raſtloſer Arbeit vorerſt ſeines Lebens Eriſtenz zu ſichern hat, wie ſoll da der Sinn für das Schöne und Anmuthige und für tiefe gelehrte Forſchung ſein , wie bei den nicht mit Lebensnoth geplagten Gebildeten Europa's ? was ſoll aber namentlich gelehrtes Wiſſen der Vergangenheit im jungen Lande der Zukunft ? Deſto mehr aber herrſcht praktiſches Wiſſen der Gegenwart , und namentlich lernt jeder junge Amerifaner ſeine Verfaſſung audivendig und lernt geläufig ſprechen , während
bekanntlich der Deutſche
Gymnaſtaſt über allen anderen Staaten ſeinen eigenen faum kennen lernt und über allem Sdireiben und Auswendiglernen ſelten dazu fommt, den Mund nur einmal ordentlich aufzuthun ; ja für Volksſchulen iſt dort reich licher geſorgt als in der alten Welt , iſt doch ſelbſt in jedem neuen Staat des Weſtens der ſechszehnte Theil des Landes zur Errichtung von Volfs īdulen beſtimmt .
Unangenehm
muß es nun freilich dem Deutſchen auf
fallen , daß man dort ſo ſelten dazu kommt, einmal nach deutſcher Art gemüthlich zuſammen zu ſein - indeß in den erſt werdenden Verhältniſſen iſt dazu feine Zeit , es hat Feder erft ſich feines Lebens Eriftenz zu ſichern. Widrig muß freilid, im äußern Leben das fürchterlich raſche Eſſen oder vielmehr Freffen und Herunterſdlingen ſein , wie's dem Europäer in den amerikaniſchen Gaſthäuſern auffällt – nun es hat der Amerikaner , ſo ſehr noch damit beſchäftigt, ſich ſeine materielle Griftenz erſt zu ſchaffen, gleichſam keine Zeit dazu , ruhig und langſam zu eſſen - lime is money.
Witriger
muß noch jenes flegelhafte und rekelhafte Benehmen in die Augen fallen , wo man , den Stuhl gegen die Wand gekippt , die Beine auf den Tiſch oder gegen den Ofen hin ausftreckt und dann alle Augenblicke den Mund der Jaudhe des gefauten Tabaks entledigt – nun , nehmen wir an , es befinde 8 Nagel, Borleſungen.
114 fich das Leben dort noch in den Flegeljahren , und erinnern wir uns , wie wir es ſelber wohl in den Flegeljahren machten !
Abſcheulich erſcheint dann
freilich fener frevelhafte Leichtfinn , mit dem auf Eiſenbahnen und Dampf ſchiffen das Menſchenleben auf's Spiel geſeßt wird , wo die Schiffskapitäne, um nur eine Minute einer dem andern zuvorzukommen, ganze Tonnen Harz, Pech, I heer unter den Dampffefſel ſdyütten , unbefümmert , ob er zerſpringt und Hunderte von Paffagieren darob ihr Grab in den Wellen finden zerſpringt doch in der Regel jede Woche auf dem Miffifippi und ſeinen Nebenflüffen ein Dampfer , Tauſende von Menſchen verunglücken in der Art jährlich und Niemand fragt darnach .
Doch findet ſelbft dieſer Frevel in
dem überrührigen , in friſchefter Entwicelung begriffenen Leben wenigftens ſeine geſchichtliche Erklärung Rechtfertigung will ich allerdings nicht ſagen ; immer aber mögen wir Europäer uns vor ſolchen Vorwürfen hüten , wir , bei denen ſo oft Tauſende von Menſchenleben kaltblütig dein Ehrgeiz eines Eroberers geopfert worden find . Daß es überdies dort eine Unmaffe Charlatanerie gibt, namentlich iin ärztlichen Fach, daß namentlich die großen Seeftädte eine Unzahl Gauner beherbergen , die da ihre Lug- und Trug künfte, beſonders an den Einwanderern und vornchmlich an den grünen Deutſchen verſuchen , das müſſen wir noch mit in den Kauf nehmen in jenem weiten Land , wohin auch ſo mancher Halunke fich begibt , der in Europa fich mit Zucht , Sitte , Geſeß überworfen und mag es uns Europäern dann auffallen , daß die Regierung ſolchem Treiben nicht ſteuert, weil ſie damit die „ Gewerbefreiheit “ zu beſchränken fürchtet: nun es mag dann Je= der ſelber die Augen aufthun , mag dann Jeder fich felbft vor den markt fchreieriſchen Quadfalbern und den trügeriſch freundlichen loafers hüten , es heißt : help you self ! Bei dieſem raftloſen, unruhigen, prickelnden Treiben, was
allerdings
ſo
viel
Flegelhaftigkeit,
frebelhaften
Leichtfinn
und
Charlatanerie mit fich führt, treten nun aber um ſo markirter als fichere Haltpuncte mitten im
unruhigen Gewühl einige Sitten und Eigenſchaften
hervor , die dem Europäer als übertriebene Tugenden vorkommen , in dieſem Zuſammenhang aber doch ganz natürlich daftehen – die Vergötterung der Frauen und die Strenghaltung des Sonntags . Denn eigenthümlich freilich erſcheint es dem Deutſchen , daß am Sonntag nicht nur , wie billig , die Andachtshäuſer mehr als einmal gedrängt voll find, ſondern auch Eiſen bahnen ,
Dampfſchiffe, Poften ftill ſtehen , ja jede, auch die kleinſte Arbeit
ſchweigt, ja ſogar auch eine Zerſtreuung durd Mufit , Geſang , geſelliges
115
Zuſammenſein als fündhaft gilt , ja ſelbſt die Regierung des Landes durch ihre Gefeße dies unterſtüßt – denn das deutſche Gemüth iſt allerdings ein » Kerr auch über den Sabbath “ , es vermag zu arbeiten und ftdy zu zer ftreuen und kann dabei dod in ſeinem Gott vergnügt ſein, wie Vater Heim , es fann ihm auch der Werkeltag zum inneren Sonntag ſein und wird ihm drum auch der Sonntag nicht durch Arbeit und ſonſtige Erholung entweiht, aber allerdings erſcheint es in dem jungen Lande deß raftloſeſten Geſchäfts betriebe alé nothwendig , daß nun im Gegentheil die Andachtdruhe defto aparter und abſonderlicher hervortrete.
Und mag denn nun das Geſchäfts
treiben wie die Sabbathsruhe nüchtern ſein , ſo bildet dagegen jene Ver götterung der Frauen das romantiſche Element. Nicht genug , daß , wie bekanntlich es in Europa nicht der Fall ift , bort ein junges Mädjen ganz allein meinethalben von New - Yorf bis New - Drleans reiſen kann , ohne auch nur einem unartigen Wort ausgejeßt zu ſein , es hat dort überhaupt in der Geſellſchaft das Weib den erſten Rang ; will fte eine Reiſe machen, iſt der Wagen überfüllt, daß fte nicht mehr hinein kann , dann iſt es nicht beſondere Höflichkeit , ſondern einfache Pflicht jedes Mannes , ihr Plaß zu machen ; kommt ſte in's Gaſthaus , kein Herr wagt fich eher zu feßen oder zuzugreifen , bis daß alle Damen Plaß und Speiſe genommen haben . Die Frau nad deutſcher Art zu ſchwerer Arbeit in Haus und Garten anzuhal ten, fällt nun dem Amerifaner vollende nicht ein , ſchon der New - Vorfer Straßenjunge ſpottet über den grünen Deutſchen , wenn er bei den Ginwanderern den Mann mit der Pfeife im Mund bequem voranſchlen dern , die Frau dagegen mit der Bagage bepadt ſchwerfällig hinterdrein traben ſteht — fa freilich hat es die Hausfrau in Amerika nur zu gut , bat fte doch nur die Kinder zu ziehen , (und zwar die Mädchen werden allerliebft gekleidet, die Jungen laufen auch in zerriſſenen Kitteln herum , iſt doch die Kleitung nicht für den Puß da ! ) ſonſt aber die häuslichen Arbeiten vers richtet das Dienſtmädchen, und den Einkauf von Lebend mitteln auf dem Markt beſorgt - der Mann ! auch den reichen Kaufmann , auch den Paftor genirt es nicht, in einem Arm einen Korb voll Fleiſch und Butter , in dem andern Arm einen voll aufgethürmter Krautföpfe vom Markt zu gehn ! So mögen denn nun dieſe beiten Sitten mitten in jener raftlos friſchen Entwickelung, die allerdings noch viel Widriges mit fich bringt, als feſte fichere Haltpuncte daftehen dagegen erſcheint es in dem gelobten Lande der Freiheit un erhört , daß noch immer darin die Gflaverei, ja vielmehr die Sklavens 8*
116 güchteret beſteht , wie fte noc jüngſt mit all ihren Abſcheulichkeiten dem Publifum von einer menſchenfreundlichen Amerikanerin geſchildert worden . Doch find es eben urſprünglich nicht die Amerikaner , welche dieſelbe eingeführt ; Engländer waren es , welche trop der Vorſtellungen der Quäfer, Puritaner, Pflanzer das Land mit Schwarzen überſchwemmten , um daraus gelbe Guineen zu prägen , ja damit zwangen fte ihren Koloniſten ein Ra pital in Menſchen auf , das nicht ſo leicht mit einem Solag weggeſchenkt werden konnte , mußte es fich doch mit der ſteigenden weißen Bevölkerung auch immer berinebren , mußte e ftch ſelbſt aud dann namentlich durch Sklavenzüchtung vermehren , als auf den Antrag des menſchenfreundlichen Wilberforce England nicht nur mit großen Geldopfern die Sklaven in ſeinen weftindiſden Befißungen losfaufte, ſondern auch die Sklaveneinfuhr durch längs der Guineatüfte freuzende Blokadeldhiffe ſperrte.
Zwar im
Norden gab es von Anfang an nur wenige Sklaven , dort trieb ſchon das Klima ſelber den Europäer zur Arbeit an , da war es deshalb leicht, fte freizulaſſen ganz anders im beißen Süden ; da beſtand ſeit lange wohl ein Drittel, ja wohl gar die Hälfte der Bevölkerung aus ſchwarzen Sklaven , da würde deshalb eine plöbliche Freilaſſung nun auch eine plößliche Vers ödung der Plantagen zur Folge haben , da freigelaſſen der Neger auch nicht mit Geld dazu zu bringen iſt, mehr zu arbeiten , als eben zum Leben noth wendig – veröden doch die weſtindiſchen
Befißungen Englands
mehr
und mehr , und in Haiti , wo ſich nach jenem gräßlichen Negerfreiheitskrieg ein ſelbſtſtändiger Negerftaat , zu Zeiten ſogar eine Negerrepublik gebildet, müſſen die freien Bürger zur Arbeit gepeitſcht werden ! GS dringt nun im Norden die Partei der Abolitioniſten darauf , mit einem Ghlag die Sklaverei aufzuheben - an Geldentſchädigung freilich denkt fte nicht, ein neues Land für die Schwarzen weiß fte auch nicht, denn in die freie Negerrepublik Liberia , die fte an der Guineafüſte angelegt und durch Lehrer und Prediger zur Freiheit des Inneren heranzuziehen ſucht, kann fie die drei Millionen Schwarze doch nicht ſchaffen , im eigenen Land will ſte aber auch nicht recht mit ihnen zu thun haben , gerade in den ſklavenfreien Staaten befinden ſich die freien Schwarzen und Farbigen im ärgften Feges feuer, find da vielmehr in Bezug auf geſelliges Leben , auf Schule, Kirche, ja ſelbſt auf den Kirchhof von jeder Gemeinſchaft mit den Weißen ausges foloſſen, und das in den Staaten dieſer , ſrommen " Abolitioniſten , trofdem wiegeln fte nun die Sklaven durch Mord- und Brandſchriften auf ,
wo
117
möglid, im Süden einen baitiſchen Vertilgungsfrieg zu beginnen .
Was iſt
die Folge davon ? Nur daß ſich die Lage der Sklaven verſchlimmert.
Bis
dahin iſt fie materiell erträglich, materiell beſſer noch als die des euros päiſchen Proletariers , iſt doch der Sklavenhalter in ſeinem eigenen Intereſſe gezwungen , den Sklaven gut zu nähren , ja auch gefeßlid gehalten , ihn im Fall der Krankheit und der Altersſchwäche zu pflegen , auch eriſtiren Kirchen für fte, und ganz beſonders verſuchen die Methodiften an ihnen ihr Heil, fte zu zerknirſchen und zu beſeligen , fte zum Heulen und zum Jauchzen zu bringen - feßt freilich iſt in gar manchen Staaten ausdrücklich dafür ge ſorgt , daß ihr Geift weiter nicht geweckt wird , daß ſte namentlich nicht Leſen oder Schreiben lernen , fte möchten ſonſt ſolche Mord- und Brands ſchriften leſen.
Es hat dieſer Punct ſchon ungemein viel böſes Blut ge
macht; namentlich ſo oft ein neuer Staat in die Union aufgenommen wers den ſollte, brach der Sklavenzanf los , welche Partei an ihm einen Hundes genoſſen erhalte , es iſt ſchon drauf und dran geweſen , daß der eine Staat in zwei Staaten , daß die eine Union in eine ſflavenfreie Nord- und eine ſklavenhaltende Südunion auseinanderging , es hat die höchſte Beſonnenheit der Patrioten erfordert, daß der Zwieſpalt noch durch gegenſeitige Zuges ftändniſſe , wie z . B. daß einerſeits in der Bundeshauptſtadt feine Sklaven geduldet , anderſeits flüchtige Sklaven von den Nordſtaaten ausgeliefert werden , ausgeglichen wurde, bis jeßt hat das Band noch gehalten — was ſollte aus den Fabrifaten des Nordens , was aus den Rohproducten , aus der Baumwolle und dem Zuderrohr des Südens werden , wenn es riſſe ? was würde überhaupt aus der ſchönen und in der ganzen Welt wirklich einzigen Stellung der Union , daß ſte keinen gefährlichen Nachbar bat ? Doch aber droht dieſe Frage immer wieder mit einem allgemeinen Brand . leicht aber löſt ſich dieſes ſchwere Problem
Viel
noch auf friedlich allmählige
Weiſe dadurch, daß mehr und mehr freie weiße Arbeiter nach Süden wan dern und es dem ſchwarzen gezwungenen Sklaven an Güte der Arbeit wie Wohlfeilheit des Preiſes zuvorthun , foftet doch die Sklavenzucht gar viel wenigſtens iſt gerade hierdurch die Sklaverei ſchon aus gar manchen Gegenden verdrängt worden , ja dadurch wird ſie, je mehr eß audy im Süden nicht mehr bloß auf Robproducte , ſondern auch auf induſtrielle Verarbeis tung ankommt , wozu doch der Schwarze kein Geſchick hat , wohl zuleßt um den mericaniſchen Golf zuſammengedrängt werden – bis daß es etwas Leichtes ſein wird , fte mit Geld abzulöſen .
Hauptträger dieſes Proceſſes
118 werden dann die Deutſchen ſein , fte, die fa ftets auch dort das Volk der Humanität gegen Schwarze wie gegen Indianer geweſen ſind , fte , die dort überhaupt wohl die Aufgabe haben, mitten in den Gegenſäßen des raftloſen Geſchäfttreibens und unruhigen Geldmachens , des flegelhaften Schlingens und Redelns , des gewiſſenloſen Dampfſchiffſprengens und dagegen des per dantiſchen Sabbathdienftes und der überzarten Galanterie den tieferen idealen Gemüthsgehalt zur vollen Wirklichkeit zu bringen . Durdwandern wir nun im Flug den neuen Staat und fragen zunächſt nach ſeiner Hauptſtadt lange Zeit wanderte der Congreß von einer Stadt zur andern , es ſollte eben kein Staat und keine Stadt über die an deren herrſchen, doch ward ihm zulegt eine bleibende Stätte nöthig , da ward denn in der Mitte der atlantiſchen Rüfte am Potomac ein von allen Einzel ftaaten und damit von allen Einzelintereffen unabhängiges Gebiet ausges wählt und dem Entdecer des Welttheils zu Ehren Columbia genannt , und in ihm ward die Bundesſtadt angelegt, und dem Befreier des Welttheil zu Ehren Washington getauft - dort ragt das Capitol hervor , gleich einem doriſchen Lempel aus Marmor aufgeführt, in ihm thront vier Monate lang jährlich der Congreß des freien Bundesſtaats , Sklaven gibt es in dieſer Hauptſtadt des freien Landes nicht, für alle Bekenntniſſe ſoll dort in dieſer Hauptſtadt des Aſyle für alle verfolgten Religionen eine Kirche noch gebaut werden .
Doch dieſe Stadt ragt einſam hervor , dem Gebiet der
wirren Parteien und Einzelintereſſen der Einzelſtaaten enthoben oder viels mehr zu ihrer Neutraliſirung beſtimmt werfen wir von ihr aus aber einen Blick in das Land ſelber, ſo treten uns ſehr verſchiedenartige Gruppen entgegen ; uns freilich wird dieſe Verſchiedenartigkeit nicht befremden, haben wir doch den Staat aus ſo verſchiedenartigen Elementen zuſammenwachſen Teben . Beginnen wir an der atlantiſchen Küfte , ſo ſehen wir im höchften Norden jenes ſechsſtaatige Neuengland , die Staaten jener ſtrengen Puris taner , die Heimath des Yankee im engſten und eigentlichſten Sinne des Worts .
Noch jeßt erkennen wir dieſen Urſprung in der jüdiſchen Sabs bathfeier, die dort vornehmlich ihren Siß hat , in der Strenge gegen den
Genuß geiſtiger Getränke , wie fte nicht bloß Enthaltſamkeitsgeſellſchaften und Enthaltſamkeitswirthshäuſer freiwilligen Urſprungs hervorgerufen, ſondern jeßt ſogar von Staatêwegen den Wirthen der guten Stadt Boſton das Schenken jedes geiſtigen Getränks , auch des Weines , verboten , weiter
119
aber in der Sorgfalt und in den Koſten , die man auf das Schulweſen ver wendet , natürlich bei Leuten , die gerade geiftiger Intereſſen balber ihr Vaterland verließen ; hat doch der Staat Connecticut , der nur halb ſo viel Einwohner als Berlin zählt, einen Shulfonds von zwei Millionen Dollars, daber denn auch der Yankee hunderte von Schulmeiſtern durch die ganze Union entſendet – freilich recht praktiſche Nüßlichkeitsſdulmeiſter.
Denn
ganz beſonders trachtet er nach Dollars, es beſteht, wie der Engländer ſagt, das männliche Geſchlecht nur aus Dollarjägern und das weibliche Geſchlecht hat weiter keine Beſtimmung, als Dollarjäger zu gebären und zu erziehen ; es iſt dem , ſmarten Yankee " dabei eine zähe Sparſamkeit und pfiffige Klug heit eigen , bei jedem noch ſo kleinen Geſchäft weiß er zu profitiren und die übrigen Amerikaner ſagen ihm nach , es fomme ihm auch nicht darauf an, Muskatnüffe und Schinken aus Walnußholz zu verkaufen – doc fommt ſolcher ,,Humbug “ auch ſonſt innerhalb und außerhalb Amerika's vor, immer fann der Yankee auf ſein Land ſtolz ſein , und auch im fernen Weſten, wohin er alljährlich gleich den Bienen vom Bienenkorb ausſchwärmt, gibt er dem Einwanderer das Beiſpiel praktiſcher Drbnung und Betriebſamkeit. Unter ſeinen Städten ragt vor allen Boſton hervor , auf einer vorſpringen den Halbinſel hoch auf drei Hügeln gelegen , die Wiege der amerikaniſchen Freiheit, die Stadt der Kirchen , das , Athen Neuenglands ", zugleich aber verſchrien als neuengliſcher Polizeiſtaat – in ihrer Nähe die berühmtefte der amerikaniſchen ſogenannten Univerſitäten , das bereite zirei Jahrhundert alte Harvard- Collegium .
Mit am wohltuendften fällt als Gegenfaß gegen
das Elend europäiſcher und zumal engliſcher Fabrifproletarier die Bauin = wollenfabrifftadt Lowell auf , gleichſam das amerikaniſche Mancheſter – da fieht man nicht in engen , dumpfen ölglatten Gängen magere zerlumpte Ges ftalten zwiſchen leben @ gefährlichen Maſchinen fich bewegen , vielmehr dort ſchlanke wohlgewachſene Mädchen in hellen luftigen Sälen in breiten Gängen mit Luft und Freudigkeit arbeiten , die dann in den Bauſen Hut und Schleier umwerfen und als junge Ladies auftreten es ſchicken näm = lid wohlhabende Pachter und Handwerker ihre woblerzogenen Töchter dorts hin , fich dort ſelber in der Fabrik ihr Heirathegut zu verdienen , und dieſe jungen Ladies arbeiten da zwar von Morgens fünf bis Abends ſteben mit nur zweimaliger Pauſe, aber, wie geſagt, in luftigem Raum , bei guter Roft und gutem Lohn , wohnen dort in eigenen Boardinghäuſern unter der Auf ſicht ehrſamer Wittwen , haben dort eine gute Leihbibliothek und redigiren
120 ſelbſt eine ZeitſQrift – zum Beweis , wie ſehr in Neuengland die Bildung alle Volksklaſſen durchdringt. Freilich hat die Bildung Neuenglande , die jenem harten Boden von den harten Puritanern abgerungen , immer etwas Kalteß und Froſtiges ; bei der nordiſchen Lage hat das Land auch ſehr eigenthümliche Handelsartikel : Holz, das in Maine zu Tauſenden von Stämmen von einem hinterwäldler: artigen Menſchenſchlag gefällt und die Flüſſe heruntergeſchwemmt wird, Thran und Fijdbein von den zahlreichen Wallfiſchen, und Eis , das naments lich zur Kühlung der Engländer in ' & heiße Oſtindien verſchickt wird. Welts männiſcher muß jedenfalls das Weſen des nad Süden folgenden New - Yorf ſtaates ſein .
Von Holländern , dem damaligen Welthandelsvolf, an der weiten Mündung des quer das Gebirg durchſchneidenden Hudſon auf einer Inſel im Meer angelegt und doch durd) vorliegende Inſeln vor dem Meeres fturm geſchüßt, iſt die Stadt New - Yorf die eigentliche Welthandelsſtadt der neuen Welt geworden , zählt ſie doch jept zwölf Hafenpläße, wahrhaft rieftg iſt ihr Anwachſen , in einem halben Jahrhundert von 60,000 Seelen auf 600,000 ; in ihr , der Weltſtadt, iſt denn auch ein wahres Weltgaſthaus, von Aſtor angelegt , der als armer Burſche von der Pfalz her dorthin ein wanderte , in ihr , der Weltſtadt, beginnt denn freilich auch ſchon der euros päiſche Gegenſaß der reichen Ariſtofratie, nämlich der Geld- oder auch Thran- und Stockfiſch - Ariſtokratie “ und des armen Pöbels, meiſt liegen ges bliebene Einwanderer aus Deutſchland und 3rland . Jeßt , nachdem der Hudjon mit dem Frieſee durch einen herrlichen Kanal verbunden , nachdem überdies dieſen Kanal entlang die Eiſenbahn geht , iſt unſere Stadt zugleich der Hauptlandung & plaß für die nach Weften gehenden Deutſchen geworden, die freilich hier gleich bei der Landung nur zu ſehr treuherzig ſcheinenden Betrügern in die Hände fallen , freilich jeßt auch eine freiwillige , deutſche Geſellſchaft " – wohnen Dod 80,000 Deutſche tort , darunter viele Ges bildete – zur Rathgeberin erhalten haben . Den Hudſon bie Albany herauf mag denn der Deutſche bei den waldbedeckten , gewundenen , hier und da auch mit ſteilen Felspalliſaden umgebenen Ufern des ſchönen Fluſſes fich an ſeinen alten Vater Rhein erinnern nur ſind es keine mittelalterlichen Burgen und Weinberge, die ihn zu beiden Seiten verzücken, ſondern Villen und Fabrikſtädte erheben fich an den Ufern , auch eine Militärakademie, Weſtpoint, berufen durch General Arnold's Verrath.
In den Bädern von
Saratoga erinnert ſich die vornehme Welt Amerika's mit Stolz der Ges
121 fangennehmung eines ganzen engliſchen Heers , Buffalo erinnert den anfoma menden Europäer mit Staunen daran , daß , wo jeßt 50,000 Menſchen wohnen, vor nicht gar zu langer Zeit die Büffel hauſten, die reinen Wunder der Natur aber ſtaunt er an dem gewaltigen Niagarafall an . Wie New - York der weltmänniſche Handelaftaat und
damit der
eigentliche , Reichsſtaat “ geworden , ſo weiter nach Süden Pennſyl vanien der Staat des deutſchen Bauern . Er iſt es , der dieſen Staat zur Blüthe gebracht hat ,
der da wohnt nicht in dicht zuſammengebauten
Dörfern, ſondern ſtolz gleich dem alten Deutſchen und gleich jenem Immer mannſden Hofichulzen auf ſeiner großen Hofwirthſchaft, an der er naments lich ſeine Scheune prangen läßt .
Troß aller engliſchredenden Umgebung,
tro aller Verpfuſchung des Dialekts hat er noch immer mehr Gehalt und Gemüth und Herzlichkeit als der Yanfee , der von Haus aus ſein alter Feind iſt. Dadurch iſt auch dieſer Staat ſo wichtig für die Union zwiſchen den falten berechnenden Norden und den heißen unruhigen Süden in die Mitte geſtellt iſt er der , Schlüſſelfteinſtaat " , der durch ſein mora liſches Schwergewicht beide zuſammenhält – tagte doch in ſeiner Haupts ftadt der Congreß, als er ſich von England losjagte , befindet fich doch auch darin die Bank der vereinigten Staaten. In Philadelphia , der „,Stadt Der Bruderliebe ", erinnern mehrere Hospitäler und Waiſenhäuſer an dieſen bedeutungsvollen Namen, an den wiſſenſchaftlichen Geift Franklin's erinnern mehrere Akademien , an beides zujammen und an die Stellung Penn's zu den beſtehenden Kirchen das Girard -College, dies vom Franzoſen Girard zur Erziehung von Waiſen aller Confeſſionen gegründete Inſtitut, in dem daher von confeffionellem Religiongunterridit keine Rede iſt, wohl eine der ſchönſten Waiſenhäuſer , auß weißem
Marmor aufgeführt.
An Marmor
nämlich ift das Land ſehr reich , als Gegenſtück dazu an ſchwarzen Kohlen , daher im
Weflen ,
da wo der Dhio aus zwei Flüſſen zuſammenrinnt,
zeigt fich eine große Fabrikſtadt, namentlich für Eiſen und Stahl , Pitts burg , das amerikaniſche Sheffield — wir dürfen ſagen , das amerikaniſche Remſdheid und Solingen , es erhebt fich dieſe Stadt von 50,000 Einwoh nern da , wo vor achtzig Jahren nur 25 Hütten ſtanden ; Philadelphia ſelbft zählt noch ſechsmal ſo viel . Von Pennſylvanien nach Süden zu nimmt nun Alles einen anderen Charakter- an , es ift das heiße Land , das urſprünglich durch Goldjucher , Adlige , Schuldner, Abenteurer bevölkert ward und hauptſächlich von Skla
122 ven bearbeitet wird
es iſt das Land der allerdings etwas ritterlich
trägen , ritterlich -zornigen und leicht in der Ehre beleidigten ,
aber auch
ritterlich -gaſtfreundlichen und ritterlich -großmüthigen Pflanzer, rinnt doch gar Manchem ſogar ſpaniſches Adelsblut in den Adern , auch wohl leichtes franzöſtſches
Creolengeblüt ,
dem unermüdet
fleißigen ,
in
all dieſer Hinſicht das
Gegentheil zu
aber auch pfiffig - ſchlau berechnenden Yankee.
Solche Fabrifen, wie in Neuengland , ſteht man nicht mehr, Tabaksfabriken allenfalls , ſo ſorgfältigen pennſylvaniſchen Aderbau auch nicht , zu dem Allen iſt der Pflanzer zu wenig erfinderiſch, der Gflave zu wenig geſchickt große Strecken Landes werden mit Tabak, Reis, Baumwolle ſo lang ausges fogen, bis fie nichts mehr tragen , dann läßt man fte liegen und baut wieder andere Strecken an .
Auch die großen Städte verſchwinden mehr und mehr,
fe weiter es nach Süden geht . Doch liegt gleich auf dem Scheibepunct mit 160,000 Einwohnern Baltimore , am Ausfluß des Potomac in die ſchöne Cheſapeakbay , berühmt als Stadt jenes edlen Katholiken , der hier zuerſt allen chriſtlichen Kirchen gleiche Rechte ficherte, berühmter für den jebigen Amerikaner als Monumentenſtadt , erhebt fich hier doch auf einer 160 Fuß hohen Säule das Standbild Washington's , erinnert auch ein anderes Denk mal an den ſpäteren Krieg mit den Britten. Weiter nad Süden erhebt fich als Hauptſtadt Virginiens , als Hauptſtadt dieſer älteſten Colonie oder der „ old dominion “ Richmond , mit etwa 30,000 Einwohnern und vielen Labaksfabriken , noch füblicher am Meer Charleſton , mit ungefähr ebenſo viel Bewohnern , etwas hodfahrend die Königin des Südens " genannt, doch immer als Handelsſtadt bedeutend , liegt fte doch zwiſchen der Mündung von zwei Flüſſen ; Savannah , die Hauptſtadt Georgiens , hat den beſten Hafen im Süden , hat aber doch nicht viel über zwanzigtaufend Bewohner. Einer dieſer Südſtaaten hat ſogar nur ein Städtchen Raleigh mit 3000 Seelen zur größten Stadt, eben kein würdiges Andenken jenes großen Sees fahrers , die Halbinſel Florida ſogar nur eins von etwa zweitauſend, Auguſtin doch liegt dies defto lieblidher, nur eine halbe Stunde vom Meer entfernt, daher von Meerwinden erfriſcht,
dazu voll dufs
tender Drangengärten , berühmt als das amerikaniſche Nizza oder Hyires. Ueberhaupt, je mehr die Städte nach Süden abnehmen , defto üppiger wird die Vegetation , namentlich in Florida zeigen fich auf einmal rein tropiſche Produkte ; außer den europäiſchen Südfrüchten , wie Citronen , Apfelfinen , Pomeranzen , Orangen gedeiht dort auch Cacao,
Ananas und Indigo ;
123 auch ſonſt enthält der Süden reiche Naturſchönheiten , berühmt iſt naments lich in den virginiſchen Gebirgen jene Feljenbrücke, die fich ein paar hundert Fußboch über einen rauſchenden Waldſtrom erhebt.
Je mehr freilich nach
Süden , deſto weniger eignet fich das Land für Deutſche , namentlich die ſumpfigen Gegenden am Meer , feßt find.
die ſo ſehr bösartigen Fiebern ausge
Noch mehr gilt dies , ſobald wir um Florida durch die gefährlichen iſt doch Klippen hindurch herumfahren in den mericaniſchen Golf fein Geſtade
der eigentliche
Sig des gelben Fiebers ,
daher auch der
Deutſche, der dadurch dem Mifftfippiland zuſegelt , am liebſten fich dazu die winterliche Jahreszeit wählt. Daber mangelt es auch länge feinem Geſtade an großen Städten , nur eine Rieſenſtadt mit 200,000 Einwohnern erhebt fich, New Orleans – aber freilich auch zum Handel gelegen , wie felten eine Stadt , gelegen an der Mündung des 730 Meilen langen Vaters der Gewäſſer und aller ſeiner vielen Zuflüſſe von Dft und Weft und Nord, der ihr all ſeine Erzeugniſſe,
die Producte und Fabrikate des ganzen
Rieſenſtaató zuſendet, dagegen er von ihr all ihre Südprodukte , ihren Zucker und ihre Baumwolle , weiter aber die Erzeugniſſe Weſtindiens, Mittel- und Südamerika's und vor Allem die Einwanderer Europa's nach Norden hin empfängt
ein ungeheures Durcheinander aller möglichen
Nationen und ſchon inſofern ein wahres Babel ,
dazu aber noch ein
Babel im ſchlimmeren Sinn . Von leichtſinnigen Franzoſen gegründet, von Peftluft umgeben , den Tod immer vor Augen , geht das dortige Leben nach dem Lieb : laßt uns effen und trinken und luftig ſein , denn morgen ſind wir todt ! eg ift New - Orleans der eigentliche Venusberg der ganzen Union , und ſo denn eine redite Hure Babylon . Das weſtlich ans grenzende Leras hat mit ſeinen wallenden Prairien, ſeinen Heerden wilder Pferde und ſeinem lieblich ſchmeichelnden Klima ſchon wohl zu viele Deut fche verlodt, um dort theils dem gelben Fieber zum Opfer zu fallen , theils aber namentlich den Romantſchis - Indianern, dieſen unbezwungenen Reitern, die mit ihren Rennern fünfzig Meilen an einem Tag durch den Gragocean hinbrauſen ,
und dabei
Leber
und
Galle des erbeuteten Wildes
ges
nießen und dem erlegten Büffel das friſche Blut aus den Adern ſaugen doch wollen wir der deutſchen Anſtedelung Neubraunfels , die etwa zwet tauſend Seelen zählt , gedenken. Fahren wir aber lieber den Mifftftppi herauf , entlang dem mächtigen Uferdeich , der mehrere Meilen lang durch
124 die ungeſunden Sumpfniederungen zu beiden Seiten geführt ift , entlang den Baumwollen- und Zuckerrohrpflanzungen , auch wohl an etlichen herrs lich prangenden Palmengruppen vorbei , weiter herauf durch Prairien und Urwald, zu beiden Seiten ſehen wir ihn gewaltige Ströme aufnehmen , den rothen Fluß , den Arkanſas , den Yazoo und Homochitto , man weiß nicht, wo fte geblieben , der Vater der Gewäffer verſchlingt ſie. Springt nun nicht unterwegs das Dampfichiff durch die eilige Wuth des Capitäne oder wird es nicht durch einen der unzähligen Bäume angebohrt , die von allen Seiten der umgebenden Wälder durch die Zuflüſſe dem großen Strom zu= geſchwemmt nunmehr theils in ihm ſchwimmen , theild fich auf ſeinem Grund aufrecht feftfeßen : ſo lodt und bald rechts der ſchöne Dhioſtrom an . Der führt uns dann hindurch zwiſchen dem Ohioſtaat im Norden und dem Kentuckyſtaat im Süden , zwiſchen dem freien Land und dem Sklas venland bildet unſer Strom die Grenze , wie er denn noch jüngſt laut jenem jeßt ſo berühmten Buch der Schauplaß einer heldenmüthigen That einer flüchtigen Sklavin und Mutter geworden .
Berühmt iſt das Kentuckyland
durd, die vielen Kämpfe mit den Indianern als der ,, blutige Grund ", weit geprieſen als der Garten des Weſtens , verrufen aber durch den Leichtſinn , die Prahlerei und Bramarbafirerei , ja durch gar mande rohe Sitten ſeiner Bewohner
herrſcht hier doch namentlich nod der abicheuliche Zweikampf
des Gougens , wo man nämlich dem
Gegner mit dem Daumen ein Auge
auszuquetſchen ſucht; und doch haben ſeine Bewohner viel Herzlichkeit und Biederkeit, wie denn Sealsfield ein ſolches Kentuckyſches Prachteremplar in ſeinem Douglas beſchrieben. Der Dhio felbſt führt aufwärts rechts nady Louisville, der altfranzöftichen Stadt , in der aber unter ungefähr fünfzig tauſend Einwohnern wohl auch ein Viertel Deutſche wohnt , ſodann aber weiter links nach der Rönigin des Weſtene , nach Cincinnati , wohl der bee deutendſten unter jenen vielen Städten , die Washington's Namen verherrs lichen. Berühmt iſt dieſe Stadt nainentlich durch ihren rieftgen Handel mit Schweinefleiſch – werden da doch in einem Jahr faſt zwei Millionen Schweine ganz fabrikmäßig abgethan und zu Schinken , Del und Stearin verarbeitet, daher fte denn auch der gelehrte Ainerifaner wohl , Porfopolis “ nennt . Cincinnati , gleichſam eine amerikaniſche Weſtphalenſtadt - geht doch ihr Schinfen unter dem Namen Weftphalia in den Handel weit und breit zählt unter ſeinen 120,000 Bewohnern doch ein gutes Vier tel Deutſche , daher die engliſchen Zeitungen dort noch immer über the
125 damned dutch people fluchen ; es iſt eben eine der Hauptſtädte jenes Herz landes Nordamerika's zwiſchen dem Ohio , dem Miffifippi-Mifſuri und den canadiſchen Seen , wohin die deutſche Phantafte ſo gern das neue Deutſch land der Zukunft hin verſeßt, wohin audh wirklich der Deutſche am zablreichften eingewandert iſt und ſich vornehmlich als freier Aderbauer niedergelaſſen hat. Von der Stadt , die gleichſam als das Coblenz am Zuſammenfluß der beiden größten Ströme des Innern angelegt den Schlüſſel zum Herzland bildet, von dem altfranzöftſchen Saint Louis bemerkt , wie ich ſchon oben er zählt, ein Native ſelber, der Native mrüffe fich unheimlich fühlen Dort wegen der vielen gebildeten Deutſchen , laſſen dort doch die Native ihre Kinder Deutſch lernen , während ſonſt vielmehr der nach Amerifa wandernde Deutſche vorerſt Engliſch zu lernen hat wie dort in Neubremen eine deutſche Vorſtadt entſtanden , wie in Hermann ein deutſches Weindorf aufs geblüht , und wie in dieſem
, verdammten deutſchen Neft “ dem pedan=
tiſchen Sabbath- und Geſchäftsweſen zum Troß ſchon deutſche Geſanges fröhlichkeit erſchallt, hab ' ich auch ſchon bemerkt. Nur das Klima und die Sklaverei iſt dem Deutſchen dort fremd, wird doch gar Mancher da dem gelben Fieber zum Raub , der Sklaverei gegenüber aber trägt er durch die Güte und Wohlfeilheit ſeiner freien Arbeit am meiſten dazu bei , ſte nach und nach zu verdrängen .
Auch hat er dort gegen geiſtige Sklaverei zu
fämpfen , hat doch die römiſdie Hierarchie mit flugem Lokalfinn St. Louis zum Mittelpunct im freieſten Lande der Welt genommen !
Gar viele ges
bildete Deutſche hat unſer Duden zur Wonne des Urwalds am Miſſuri ver lodt , nidit minder haben fich unſere Landsleute am ſchönen flaren Illinois und in dem einſt von Indianern durdſtreiften 3ndiana niedergelaſſen. Ganz beſonders aber hat fich in dem leßten Jahrzehent das deutſche Leben nach dem Nordweſten dieſes Herzlands gewandt , nach dem von vier Seen umges benen meerumichlungenen fupferreichen Michigan und vorzüglich dem Lande des Wiskonſtnfluſſes – forthin zu gelangen , hat der von New -Yorf fom mende Deutſche auch die fürchterlichen Stürme nidit geſcheut, die da in den engen Reſſeln der canadiſchen Seen weit gefährlicher tojen als auf dem offenen atlantiſchen Ocean.
Wie dort die Städte Chicago und Milwaukie
innerhalb eines halben Menſchenalters aus dem Nichts emporgeblüht, habe ich ſchon oben erzählt , desgleidhen wie der neu hinkommende Deutſche dort gar viel vaterländiſche Sprache auf den Straßen vernimmt - ich will nur
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hinzufügen , daß nach neuen Berichten die teßige Reaction namentlich nach Milwaufie eine große Zahl ſolcher Deutſcher geſandt hat, die wie dazu ber rufen waren, den dortigen Materialismus und Egoismus etwas aufzurütteln und deren nachhaltiger Einfluß ſich ſchon bei der nächſten Generation zeigen wird . Wenn ich dort die Seelenzahl Milwaukies auf dreißigtauſend anges geben , fo füge ich noch hinzu , daß die nicht etwa nach Art einer fertigen deutſchen Stadt dicht zuſammenwohnen , vielmehr iſt der Stadtplan mit rechtwinklig fich durchkreuzenden Straßen von vorn herein ſo geſteckt, daß bis 200,000 darin Plaß finden ſollen , und hier und da erſt erheben ftdy auf den einzeln abgeſteckten Wohnplägen die Häuſer, zum Theil Holzhäuſer, die fich fammt Adem , was darin ift , von einem Plaß zum andern trans portiren laſſen , wenn man umziehen will — fo fehr iſt dort Alles im fri ſcheften Werben in dieſem freien Weſten , während im Dften die Cultur fchon mehr das Gepräge der Fertigkeit hat . Hoffen wir , daß dort der Deutſche fich wahrhaft verjüngt
falls er bergißt ſeiner Uneinigkeit !
Wie Viele freuen fich dort ſchon als friſche Acerbauer ! Auf ſolchem Boden ein Ackrer ſein , O Freud' , o Luſt, o Segen ! Da muß fürwahr das Korn gedeih'n, Das hoffend wir niederlegen .
Da ſchläft der ſchlafende Reim ſo gut, Da treibt er die vollſten Aehren . Noch tranf die Erde kein Menſchenblut Und keine Menſchenzähren . Des Himmels Thränen , des Himmels Thau, Die Bächlein klar in den Schluchten, Das ſind die Tropfen , die Feld und Au Mit zeugender Kraft befruchten. Da muß fürwahr das Korn gedeihn, Das hoffend wir niederlegen . Auf ſolchem Boden ein Adrer ſein , D Freud', o Luſt, o Segen ! Wie Viele , die hier im Elend ſchmachten und höchſtens zur Bettelet gefüttert werden , könnten dort Lebens die Fülle finden ! wie Vielen fönnte Dort mit einem ſehr geringen Theil der Gelded , das hier mitten im Frieden
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der Krieg verzehrt , ein neues Vaterland gegründet werden ! wir von dort den Dichter rufen : Hände, tauſend und aber tauſend Sind zum Feiern daheim verdammt ; O daß fte hier im Urwald hauſend Schwängen die Aerte alleſammt! Tauſend und aber tauſend Wangen Färbt der Hunger daheim ſo bleich ; Hier, wie würden ſie balde prangen Einer blühenden Roſe gleich ! Tauſend und aber tauſend Herzen Hat verfinſtert daheim die Qual ; Hier, hier lernten fie fröhlich ſcherzen, Lernten leben zum erſten Mal ! Sklaven , tauſend und aber tauſend Sind zum Frohndienſt daheim verdammt D daß fie hier im Urwald hauſend Fänden die Freiheit alleſammt! Doch hören wir auch ſeine Warnung : Schwächling, wähneſt du hier entgegen Einem ewigen Lenz zu ſehn ? D , dann magſt du andern Wegen Heute noch entgegengehn ! Träumer, wähnft du hier gebreitet Einen Pfühl für träge Rul,'! O dann hemm' den Schritt, er ſchreitet Einer argen Täuſchung zu . Wucherer, wähnſt du auszubeuten Neue Minen Goldes hier, O dann laſſe dich bedeuten, Daß dein Geiz gelogen dir. Mann von echtem Schrot und Korne, Willſt du Freiheit, Friſche, Muth ? Willſt du Roſen troß dem Dorne ? du wählteſt gut . D dann komm
Doch hören
128 Die dann mit ſolchem
Sinn hinwandern , denen rufen wir mit dem
Dichter zum Abſchiedsgruß nach :
Ich fann den Blick nicht von euch wenden, Ich muß euch anſchaun immerdar ; Wie reicht ihr mit geſchäft'gen Händen Dem Schiffer eure Habe dar ! Ihr Männer , die ihr von dem Nacken Die Rörbe langt, mit Brot beſchwert, Das ihr aus deutſchem Korn gebacken, Geröſtet habt auf deutſchem Herd ! Und ihr, im Schmuck der langen Zöpfe, Ihr Schwarzwaldmädchen, braun und ſchlank, Wie ſorgſam ſtellt ihr Krüg’und Töpfe Auf der Schaluppe grüne Bank! Das ſind dieſelben Töpf' und Krüge, Oft an der Heimath Born gefüllt; Wenn am Miſſuri Alles ſchwiege, Sie malten euch der Heimath Bild ; Des Dorfes ſteingefaßte Quelle, Zu der ihr ſchöpfend euch gebücft, Des Herdes traute Feuerſtelle, Das Wandgeſims , das ſie geſchmückt. Bald zieren ſie im fernen Weſten Des leichten Breterhauſes Wand, Bald reicht ſte müden braunen Gäſten, Voll friſchen Trunkes, eure Hand. Es trinkt daraus der Tſcherofeſe, Ermattet, von der Jagd beftaubt; Nicht mehr von deutſcher Rebenleſe Tragt ihr fte heim , mit Grün belaubt. O ſprecht! warum zugt ihr von dannen ? Das Nedfarthal hat Wein und Rorn ; Der Schwarzwald ſteht voll finſtrer Tannen, Im Speſſart klingt des Aelplers Horn.
.
Wie wird es in den fremden Wäldern Guch nach der Heimathberge Grün , Nach Deutſchlands gelben Weizenfeldern , Nach ſeinen Rebenhügeln ziehn !
129 Wie wird das Bild der alten Tage Durch eure Träume glänzend wehu ! Gleich einer ſtillen frommen Sage Wird es euch vor der Seele ſtehn . Der Bootsmann winft ! Zieht hin in Frieden ! Gott ſchük’ euch , Mann und Kind und Greis ! Sei Freude eurer Bruſt beſchieden , Und euren Feldern Reis und Mais ! Denen aber , die nur der Golddurft nach dem neuen Babel in Califors nien treibt, mag iinmer wohl noch das Lied jenes Mädchens erklingen : Das Waſſer rauſcht, ein Segel weht, Auswandrer ziehn vom Rhein ; An hoher Burg ein Mädchen geht Und ſingt im Abendſchein : Was ſoll ich in die Fremde ziehn ? Die Heimath ift ſo ſchön , Wenn grün der Berg, wo Neben blühn Und linde Lüfte wehn .
Zieht hin, zicht hin ! ſucht fern das Glück, Wo reich're Länder find ! Ich bleib' an meinem Nhein zurück, Obſchon ein armes Kind. Wenn hoch am ſtillen Himmelsblau Das Gold der Traube reift, Durch Morgenduft und hellen Shau Zur Burg der Wandrer ſtreift. Fern, ſagt ihr, liegt des Glückes Bahn, Mein ftilles Herz ſpricht: Nein ! laßt mir dieſen ſchönen Wahn, Trübt nicht mein Glück am Rhein ! Zieht hin , zicht hin, ſucht fern das Glüc, Wo reich're Länder find! Ich bleib' an meinem Rhein zurück, Dbſchon ein armes Kind . Wo liegen Städtchen Perlen gleich, Wie hier am Ufer grün ? Wo zieht ein Strom ſo regelreich Durch Blumenborde hin ? Nagel, Vorleſungen.
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130 Liebſt du denn nicht des Rheines Fluth, Die Berg' und Schlöſſer malt, Weit mehr als alles Gold und Gut ? Iſt denn dein Herz ſo kalt ? Zieht hin, zieht hin, ſucht fern das Glück, Wo reich're Länder ſind! Ich bleib' an meinem Rhein zurück, Obſchon ein armes Rind.
Nicht in die Fremde zög' ich gern , Ich lieb' mein Heimathland, Wo mich der deutſche Junge gern , Wo ich die Liebe fand. Hier wuchs ich auf der Rebe gleich, Mit manchem ſüßen Traum, Sie blickt bei Nacht zum Sternenreich, Bei Tag in heitern Raum . Zieht hin , zieht hin, ſucht fern das Glück, Wo reich're Länder find! Ich bleib' an meinem Rhein zurück, Duſchon ein armes Rind .
8 MA CO
Druck vou Otto Wigand in Leipzig.