Geschichte Indiens: Von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart [Reprint 2019 ed.] 9783486770490, 9783486770483

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Table of contents :
VORWORT
INHALT
I. Kapitel: Frühzeit
II. Kapitel: Das Reich der Mauryas
III. Kapitel: Die frühen Hindu-reiche
IV. Kapitel: Mohammedanische Herrschaft vor der Mogulzeit
V. Kapitel: Indien vor der Mogulzeit
VI. Kapitel: Die Mogulzeit
VII. Kapitel: Akbar
VIII. Kapitel: Akbars Regierung
IX. Kapitel: Die europäischen Handelskompanien
X. Kapitel: Jahangir und Shah Jahan
XI. Kapitel: Aurangzeb
XII. Kapitel: Die späteren Moguls und Marathas
XIII. Kapitel: Franzosen und Engländer im Carnatic
XIV. Kapitel: Die Engländer in Bengalen
XV. Kapitel: Ausbreitung der Ostindischen Kompanie
XVI. Kapitel: Ausbreitung der britischen Beziehungen
XVII. Kapitel: Britische Vorherrschaft
XVIII. Kapitel: Festigung der britischen Herrschaft
XIX. Kapitel: Indien unter der Krone
XX. Kapitel: Der Weg zu verantwortlicher Selbstverwaltung
Bibliograph
Zeittafel
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Geschichte Indiens: Von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart [Reprint 2019 ed.]
 9783486770490, 9783486770483

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SIR GEORGE DUNBAR • GESCHICHTE INDIENS

GESCHICHTE INDIENS VON DEN ÄLTESTEN ZEITEN BIS ZUR GEGENWART VON

SIR GEORGE DUNBAR

Mit 16 Karten

MÜNCHEN UND BERLIN 1937

VERLAG VON R. OLDENBOURG

Das englische Originalwerk „History of India from the earliest times to the present day” von Sir George Dunbar, Verlag Ivor Nicholson & Watson Ltd., London 19z6, wurde für die deutsche Ausgabe vom Verfasser überarbeitet und von Prof. Dr. Heinrich Zimmer, Heidelberg, übersetzt.

Copyright 1937 by R. Oldenbourg, München-Berlin Druck R. Oldenbourg, München

VORWORT Eine Geschichte Indiens entspricht an Umfang der Geschichte Europas ausschließlich Rußlands etwa vom 4. Jahrhundert v. Chr. an. Vom ersten Morgengrauen greifbaren Beginns indischer Geschichte mit dem Einbruch der makedonischen Phalanx unter Alexander dem Großen geht das ver­ wickelte und oft schattenhafte Spiel von Einwanderungen, vom Aufstieg und Zerfall von Königreichen und Kämpfen kriegerischer Hindustaaten. Als die Heere des Islam im 11. Jahrhundert durch die drohenden Tore der Pässe im Nordwesten hereinzufluten begannen, trat die religiöse Frage zum allgemeinen politischen Durcheinander hinzu. Das 18. Jahrhundert brachte eine weitere Verwicklung, als die beiden führenden europäischen Handelsgesellschaften, die französische und die englische, mit ihren Schach­ zügen gegeneinander sich in die indische Politik stürzten. Bis zu diesem Zeitpunkt war es nur zwei indischen Herrschafts­ perioden gelungen, dem vorderindischen Halbkontinent eine Art politischer Einheit und Sicherheit gegen Einbrüche von außen zu geben: der Herr­ schaft der Mauryas und der Moguls auf der Höhe ihrer Macht. Die Guptadynastie und das Reich Harshas — das goldene Zeitalter Hindu-Indiens (4. bis 7. Jahrh. n. Chr.) — umspannten nicht ganz Indien. Die kurzlebige, fast allumfassende Vorherrschaft des Afghanensultanats von Delhi zu Anfang des 14. Jahrhunderts war von Mongolenstürmen bedroht, indes die Gewalt der Zentralregierung von entlegeneren Teilen des Großreichs in Frage gestellt blieb. Aber die britische Herrschaft erhob sich zu unbedingter Gewalt über ganz Indien, als das Reich der Sikhs im Panjab — die letzte unabhängige indische Macht — in der Mitte des 19. Jahrhunderts erlag. Anfangs herrschte die englische Ostindienkompanie, nach ihr Krone und Parlament von England mittels der Regierung Britisch-Indiens und der anerkannten Oberhoheit der Krone über die Staaten indischer Fürsten. In den gemein­ samen Zielen von Frieden und Sicherheit fand sich das Indien der indischen Fürsten mit dem britischen Indien. Im Schutze geordneter Verhältnisse wandten sich die politischen Köpfe der gebildeten Oberschichten Britisch-Indiens unterm Einfluß west­ licher demokratischer Ideen in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts mählich

VI

Vorwort.

nationalen Zielen zu. Das 20. Jahrhundert brachte Indien auf den Weg zur verantwortlichen Selbstverwaltung. Es ist natürlich unmöglich, die gesamte Geschichte Indiens in einem einzigen Bande zusammenzufassen und jede ihrer Perioden gleich ausführ­ lich zu behandeln. Man kann von einer Darstellung wie der vorliegenden nur hoffen, daß sie ohne empfindliche perspektivische Mängel einen Begriff von der indischen Geschichte vermittelt und die Stadien an ihr heraus­ arbeitet, die zur politischen Situation von 1935 geführt haben. Die Religion, die — alles in allem — das Land beherrscht, die Ursachen für den Zerfall der großen indischen Reiche in Nichts, die Formen ihrer Regierung und ihre Bedeutung für die Volksmassen, Literatur und Kunst, Handel und Industrie, der Einfluß der Vormacht zur See auf Indiens Schicksale, die Entstehung der britischen Oberhoheit, die Wirkung westlicher Ideen auf die politischen Kreise Indiens — das sind die Grund­ züge, auf die hier Nachdruck gelegt worden ist. Einzelheiten über die unzähligen Kriege von Alexanders Indienzug bis zu den letzten Grenz­ kriegen bietet die kriegsgeschichtliche Literatur. Ebenso blieben Geologie und Geographie Indiens der einschlägigen Spezialliteratur überlassen. Die Wiedergabe indischer Namen, für die es die verschiedensten Um­ schriften gibt, folgt der geläufigsten Schreibung und dem maßgeblichen „Imperial Gazetteer of India". Die Bibliographie am Ende des Buches ist keineswegs erschöpfend, gibt aber zusammen mit den in den Anmerkungen angeführten Werken die Literatur für ein genaueres Studium einzelner Perioden und Gegenstände, die eine allgemeine Geschichte Indiens nicht im einzelnen abhandeln kann. Nach Möglichkeit ist auf leicht zugäng­ liche Werke verwiesen. G. D.

INHALT Seite

I. Kapitel: Frühzeit.............................................................................

i

Älteste Induskultur ca. 3000 v. Chr. — Einwanderung der Arier. — Vedische Literatur, Religion und Kultur. — Fortschreitende Einwanderung der Indo­ arier, ältere Einwohner Indiens: Dravidas und Ureinwohner. — Geschichte und Wesen des Kastensystems. — Die Arier nach der Zeit des Rigveda. — Religiöse Bewegungen des 6. Jahrhunderts v. Chr.: Jainismus und Buddhis­ mus. — Die Perser in Nordindien. — Indische Literatur 600—200 v. Chr. — Die beiden indischen Epen. — Aufstieg des Reiches Magadha.

II. Kapitel: Das Reich der Mauryas..............................................

27

Einbruch Alexanders des Großen. — Das Großreich der Mauryas. Ver­ waltung und Heer. Recht, Steuerwesen, Wirtschaft, Gesellschaft und Reli­ gion. — Kaiser Ashoka. Förderung des Buddhismus. Ashokas Leben und Verwaltung, seine Edikte. — Beginn der Schrift. — Künste und Baukunst der Mauryazeit. — Einbruch der Baktrer. Untergang des Mauryareichs.

III. Kapitel: Die frühen Hindureiche.............................................

46

Herrschaft der Baktrer in Nordindien. — Einfälle der Skythen. — Dravidische Reiche im Süden, ihre Kultur. Überseehandel mit Europa. — Aufstieg des Andhrareichs. — Gondopharnes. — Das Kuschanreich; Kunst und Reli­ gion. Sein Zerfall. — Aufstieg des zweiten Magadhareichs unter Chandragupta ca. 318 n. Chr. — Samudragupta und seine Feldzüge. — Verwaltung des Guptareichs nach Fa-hien und Yajnavalkya. — Einbruch der Hunnen, Unter­ gang des Guptareiches ca. 470 n. Chr. — Harshas Großreich. Seine Feldzüge, Verwaltung, Grundsteuerwesen und Strafrecht. — Besiedlung Hinterindiens — das goldene Zeitalter indischer Literatur. Kalidasa. Das indische Drama. Wissenschaften, Baukunst und Bildhauerei. — Untergang des Reiches Har­ shas, die Folgen. — Die Reiche des Dekkan von 550 bis zum ersten Auftreten der Mohammedaner in Indien. Kriege. Baukunst. — Herkunft, Entwicklung und Wesen der Rajputenclans.

IV. Kapitel: Mohammedanische Herrschaft vor der Mogul­ zeit.......................................................................................................... Einbruch der Araber in Sind. — Expeditionen Mahmuds von Ghazni, An­ nexion des Panjab. — Die Ghaznaviden. — Die Ghoridynastie in Nordindien, Eroberung Bengalens; Zusammenbruch des Buddhismus in Indien. — Das moslimische Indien wird nach 1206 unter Qutb-ud-din-Aibak unabhängig. — Die Könige aus der Sklavendynastie; Beginn der moslimischen Baukunst in Indien. — Sozialverhältnisse in Nordindien. — Die Khaljidynastie; Ala-uddin, seine Feldzüge. Einbrüche der Mongolen. — Das Tughlakreich; Muhamad Tughlak, die verheerende Wirkung seiner Politik. — Das Reich erholt sich unter Firoz Tughlak; seine Verwaltungspolitik, seine Feldzüge.

74

VIII

Inhalt. Seite

V. Kapitel: Indien vor der Mogulzeit.........................................

105

Das Reich Bengalen 1356—1533. — Das Bahmanireich im Dekkan 1347 bis 1518; sein Regierungssystem; Kriege mit Vijayanagar; Humayuns Ty­ rannei; Verwaltungsreform; Muhammad Shah und sein Minister Mahmud Gavan. Zerfall des Bahmanireichs. — Die Dekkanreiche 1490—1687: Bijapur, Ahmadnagar, Berar, Golconda. — Das Hindureich Orissa. — Gondwana — Malwa — Gujarat und Ahmad Shah 1411—1442. — Khandcsh. — Das Hindureich von Vijayanagar, sein Aufstieg um 1350. Europäische Reisende. Schlacht von Talikota. Sein Untergang 1565. — Ergebnisse der Einbrüche von Ariern und Moslems in Indien. — Ankunft der Portugiesen 1498. Ihr Handel, ihre Seemacht, ihre Politik. Gründe des Rückgangs der Portugiesen. — Das Delhireich nach Firoz’ Tod. Einbruch Timurs 1398/99. Die Sayyiden. Die Lodis. Die Eroberung Jaunpurs durch die Lodis i486. Die Tyrannei Ibrahim Lodis 1517—1526.

VI. Kapitel: Die Mogulzeit.................................................................

136

Religiöse Bewegungen im Hinduismus. Babars Einbruch in Indien, sein Sieg bei Panipat 1526. Niederlage des Hindufürstenbundes bei Khanu 1527, Be­ gründung der Mogulherrschaft. Babars Tod. Sein Wesen. — Humayun, seine Feldzüge und Niederlage. Regierung des Usurpators Sher Shah 1540—1545. Seine Reformen. — Humayun im Exil, seine Rückkehr 1555, sein Tod 1556.

VII. Kapitel: Akbar.................................................................................

148

Die Lage bei Akbars Thronbesteigung. — Zweite Schlacht bei Panipat, Niederlage Hemus 1556. — Regentschaft Bairam Khans bis 1560. — Akbars Erziehung. — Weiberregiment bis 1562. Feldzug gegen Malwa. — Akbar ergreift die Macht. — Finanzreformen. — Eroberung von Gondwana. — Aufstand der Uzbegen. — Einbruch der Afghanen. — Rajputenkrieg 1567. Er­ oberung von Chitor. — Annexion von Gujarat. — Eroberung von Bengalen 1576. — Spätere Eroberungen. Eroberungen im Nord-Dekkan. — Akbars Religion. Ibadat Khana. Die Jesuiten. Seine Stellung zum Islam. Religiöser Aufstand in Bengalen, 1580. — Feldzug nach Afghanistan 1581. — Din Ilahi. — Akbars Minister und Freunde. Todar Mal und seine Reformen. — Akbars Tod 1605. — Sein Wesen.

VIII. Kapitel: Akbars Regierung.........................................................166 Ihr Wesen; ihre Schwächen unter einem schwachen Herrscher. — Verwaltung und Kontrolle — Beamtenschaft — Heer — Regierung und Volk — Armut und Nothilfe gegen Hungersnot — Ackerbau — Die indischen Bauern einst und heut — Das Dorf, seine Selbstverwaltung. — Lebensbedingungen im 16. Jahrhundert und im 20. Jahrhundert. — Grundsteuer — Salzsteuer in Hindu- und Mogulindien. — Ideale indischer Reichseinheit. — Die Künste. Geschichtschreibung, Dichtung, Malerei, Architektur.

IX. Kapitel: Die europäischen Handelskompanien................ 177 Der Indienhandel im 16. und 17. Jahrhundert. — Die Lage der ersten euro­ päischen Handelskompanien. — Indisches Baumwoll-Stückgut und die eng­ lische Industrie. — Das Verhältnis der europäischen Handelsgesellschaften zueinander und die Rolle der Vorherrschaft zur See. — Die Holländer in Indien, die dänische und die französische Handelskompanie; Anfänge und

Inhalt.

IX Seite

Wachstum der englischen Ostindienkompanie; ihre Krise; Verwaltung ihrer Niederlassungen, ihre drei Hauptquartiere in den presidencys. Lord Godolphins Schiedsspruch. — Anfänge britischer Rechtsprechung in Indien.

X. Kapitel: Jahangir und Shah Jahan..........................................

193

Jahangir; innerer Krieg. Kaiserin Nur Jahan. Krieg im Dekkan. Unruhen. Aufstand Shah Jahans. Mahabat Khans Verschwörung. Tod Jahangirs 1627. Sein Charakter. Seine Zeit. Seine Politik gegenüber den europäischen Handels­ gesellschaften. Seine Verwaltung. Soziale Verhältnisse. — Shah Jahan; Mumtaz Mahal; ihr guter Einfluß. Der Glanz des Hofes. Baukunst; die Er­ bauer des Taj Mahal. Aufstände, Hungersnöte und ihre Bekämpfung. Krieg mit den Portugiesen. Kämpfe an der Nordwestfront. Der Dekkan unter Aurangzebs Verwaltung. Der Kampf um die Thronfolge. Aurangzeb zer­ malmt seine Brüder und entthront den Vater.

XL Kapitel: Aurangzeb............................................................................ 211 Steuererleichterungen. Feldzüge an der Nordost- und Nord westgrenze. — Aurangzebs Religionspolitik und ihre Folgen. — Der Aufstieg der Sikhs. — Aurangzeb und die Rajputen. — Der Aufstieg der Marathen unter Shivaji. — Geschichte und Literatur der Marathen. — Shivaji und die Reiche im Dekkan. Aurangzeb und Shivaji. — Das Verwaltungssystem der Marathas und ihr Tributsystem in indischen ,,Fremd4‘Staaten. — Die Annexion der Shiareiche Bijapur und Golconda durch das Mogulreich. — Aurangzebs Feldzüge gegen die Marathen 1689—1707. — Aurangzebs Charakter. Rückgang der Künste und Wissenschaften unter seiner Regierung. — Anhang: Shivajis Brief an Aurangzeb.

XII. Kapitel: Die späteren Moguls und Marathas..................... 237 Bahadur Shah; Aufstände der Rajputen und Sikhs. — Schwächliche Nach­ folger; schneller Verfall der kaiserlichen Zentralgewalt. — Aufstieg Haiderabads. — Wiederaufstieg der Marathen unter den Peshwas. Die Angriapiraten. — Einbruch Nadir Shahs; Schlacht bei Karnal, Plünderung Delhis, 1739; Folgen des Afghaneneinbruchs. — Kampf der Marathen um die Vorherr­ schaft; Niederlage des Marathenbundes bei Panipat, 1761.

XIII. Kapitel: Franzosen und Engländer im Carnatic

....

Die politischen Verhältnisse im Carnatic und Dekkan, 1724—1742. — Die europäischen Handelskompanien. — Die Stellung der Franzosen, Gründe ihres Wachstums seit 1713. — Die Militärmacht der Franzosen in Indien zur See und zu Lande um 1744. — Die Stellung der Engländer in Indien. — Dupleix wird Gouverneur der französischen Niederlassungen. — Sein Zugriff in die politischen Verhältnisse Indiens und seine Mißachtung der Vorherrschaft zur See. — Admiral de la Bourdonnais. — Flottenpolitik der Franzosen und Engländer: ein Vergleich. — Der österreichische Erbfolgekrieg; Feindselig­ keiten in Indien zwischen der englischen und französischen Handelskompanie. — Stringer Lawrence, der ,,Vater der indischen Armee“; ihre ursprüngliche Gliederung. — Englisch-französische Beziehungen nach dem Frieden zu Aachen; erste Einmischungen in die indische Politik. — Freibeuterkrieg zwischen den Handelskompanien. Dupleix auf dem Gipfel der Macht in Südindien, und de Bussy im Dekkan. — Clive erobert Arcot. — Sturz

254

X

Inhalt.

Seite Dupleix’ ? — Der Siebenjährige Krieg; Lallys Feldzug und die Wirkung der englischen Vorherrschaft zur See. Fall Pondicherrys und Erlöschen des fran­ zösischen Einflusses in Indien.

XIV. Kapitel: Die Engländer in Bengalen.......................................270 Die politischen Verhältnisse Indiens 1578—1751. — Die Engländer in Calcutta und die indischen Gouverneure in Bengalen. Wirtschaftliche Verhältnisse. — Siraj-ud-daula und Calcutta. — Clive und die Expedition nach Bengalen. — Wiedereroberung Calcuttas, Annexion der französischen Siedlungen. — Verschwörung des Moslemadels, der Hindubankiers und der Ostindienkom­ panie zum Sturze Siraj-ud-daulas. — Clive und Omichand. — Plassey. — Mir Jafar Gouverneur von Bengalen unter Bedingungen, die der englischen Ostindienkompanie weitreichende Macht über die Provinz geben. — Das Verhältnis zwischen Mir Jafar und Clive während Clives erster Verwaltungs­ periode. — Scheitern der holländischen Expedition nach Bengalen. — Wirt­ schaftliche Lage Bengalens und Mißwirtschaft während Clives Abwesenheit von Indien, 1760—1765. — Politische Geschichte und die Kompanie. — Die Schlacht bei Buxar, 1764. — Die Gründe für die anfängliche schnelle Aus­ breitung des englischen Einflusses in Indien.

XV. Kapitel: Ausbreitung der Ostindischen Kompanie . . .

288

Parlament und Kompanie. — Warren Hastings. Mißbräuche und Reformen. — Indisches Recht und Sanskritforschung. — Oudh. — Der Regulating Act von 1773. — Warren Hastings und sein Rat. — Nuncomar-Exekutive und oberster Gerichtshof. — Pitts India Act. — Der I. Marathenkrieg. — Haidar Ali und der II.Krieg mit Maisur. — Die französische Expedition. — Frieden von Salbai. — Tipu Sultan. — Chait Singh und die Begams von Oudh. — Rücktritt und Prozeß Warren Hastings’. — Politik Lord Cornwallis’. — Steuerreform und Grundsteuerveranlagung in Bengalen. — Handel. — Die politische Lage. — Der Sikhbund. — III. Krieg mit Maisur. — Die Marathas und Sindia. — Sir John Shore und die politische Lage.

XVI. Kapitel: Ausbreitung der britischen Beziehungen . . .

308

Lord Wellesley und seine Politik gegenüber den indischen Staaten. — IV.Krieg mit Maisur. — Annexionen und Hilfsverträge. — Vertrag von Bassein. — Krieg mit den Marathen; Assaye; Feldzug gegen Holkar. — Fort Williams College. — II. Verwaltungsperiode Lord Cornwallis’ und Reaktion. — Auf­ stand in Vellore. — Lord Mintos Politik. — Überseeunternehmungen. — Charter Act von 1813. — Handel und Industrie. — Ende der Mogulhoheit. — Lord Hastings und die politische Lage. — Krieg mit Nepal. — Die Pindaris. — Der III. Marathenkrieg. — Innere Wirren. — Ranjit Singh und der Aufstieg der Sikhs.

XVII. Kapitel: Britische Vorherrschaft.............................................. 324 Lord Amherst und der I. Krieg mit Birma. — Lehensoberhoheit. — Lord William Bentinck; Frieden, Sparpolitik, Reformen. — Das Offizierskorps der Ostindienkompanie. — Opium. — Verwaltungsreformen. — Charter Act von 1833. — Westliche Bildung. — Abschaffung der Sati. — Die Thugs.

Inhalt.

XI Seite

XVIII. Kapitel: Festigung der britischen Herrschaft............... 334 Lord Auckland; seine Verwaltung, seine Afghanenpolitik; der I. Afghanen­ krieg. — Lord Ellenborough und Afghanistan; seine Reformen. — Lord Hardinge und die Sikhs; der I. Sikhkrieg, 1845/46. — Lord Dalhousie; II. Sikh­ krieg, Annexion des Panjab, 1849. — Außenpolitik. Beziehungen zu den indischen Staaten, Annexion bei Lehnsheimfall. — Eisenbahnen. Charter Act von 1853. — Charakter Lord Dalhousies. — Lord Canning. Die Lage in Indien; Ursachen des Sepoyaufstandes. — Ende der Ostindienkompanie; Government of India Act von 1858.

XIX. Kapitel: Indien unter der Krone.......................................... 1. Von Canning bis Ripon.............................................................

363 363

Parlamentarische Gesetzgebung: Indian Councils Act von 1861. — Die in­ dischen Staaten. — Lord Cannings Politik; Oudh. — Hungersnot und Lage der Landwirtschaft; Pachtgesetze. — Recht und Ordnung. — Die Nord­ westgrenze: Feldzug gegen Ambela. — Sir John Lawrence und seine Afgha­ nenpolitik. — Hungersnot in Orissa 1865/66. — Lord Mayo. — Die indische Regierung und Afghanistan; II. Afghanenkrieg. — Queen Victoria Kaiserin von Indien, 1877. — Lord Lytton und der Freihandel. — Salzsteuer und Zölle. — Die Inder und der Staatsdienst, örtliche Selbstverwaltung.

2. Von Dufferin bis Curzon..........................................................379 Belutchistan. — Die Pathanfrage. — Sozialgesetzgebung. — Tirahfeldzug 1897/98. — Pest, Hungersnot; wirtschaftliche Folgen. — Lord Curzon. — Hungersnotkommission von 1901. — Grenzpolitik und Persischer Golf. — Tibet. — Lord Curzon und die indischen Staaten. — Denkmäler des Alter­ tums. — Erziehungswesen. — Teilung Bengalens; Unruhen. — Streit um die Funktionen des Oberstkommandierenden.

XX. Kapitel: Der Weg zu verantwortlicher Selbstverwaltung

387

Orientalischer Despotismus, Ostindienkompanie und wachsende Kontrolle durch das Parlament. — Politische Ziele des indischen Nationalismus. — Die Morley-Minto-Reformen von 1909. — Kaiserlicher Durbar Georg V. — Der Weltkrieg und seine Wirkung auf die indischen Moslems. — Die Montagu-Chelmsford-Reformen von 1919. — Unruhen; Gandhi und der Na­ tionalkongreß. — Simon-Commission. — Government of India Bill von 1935. — Zollpolitik. — Die indische Wehrmacht. — Epochen indischer Geschichte.

Bibliographie......................................................................................... Zeittafel.................................................................................................... Register....................................................................................................

399 404 407

VERZEICHNIS DER KARTEN Seite

Karte i „ 2 „ 3 „ 4 ,, 5 „ 6 „ 7 ,, 8 ,, 9 ,, 10 ,, ii ,, 12 ,, 13 ,, 14 ,, 15 ,, 16

Das Alte Indien............................................... 29 Das Reich Ashokas 250 v. Chr.......................... 55 Kushan-Reich 2. Jahrh. n. Chr........................... 57 Gupta-Reich 350 n. Chr..................................... 63 Reich der Weißen Hunnen 500 n. Chr. ... 67 Das Reich Harshas 612 n. Chr........................... 71 Indien um 1236............................................... 93 Indien um 1312...................................................101 Indien um 1400...................................................115 Indien um 1525 141 Mogul-Reich um 1605........................................ 159 Indien um 1752...................................................263 Indien um 1795 289 Indien um 1823 321 Indien um 1857...................................................361 Indien 1935.......................................... nach 392

I. KAPITEL

FRUHZEIT Indien leitet seinen Namen vom Flusse Indus her, und dieser be­ zeichnete ursprünglich den Landstrich, der jetzt Sind heißt, und einen Teil des Panjab1); im Tale des Indus sind auch die ältesten Spuren indischer Kultur ans Licht gekommen. Was ihrer Entdeckung an Zeugnissen der Vorzeit in Indien vorausliegt, ist leicht zusammengefaßt; es beschränkt sich auf Geräte aus Quarz und anderem harten Gestein, die den frühesten Einwohnern (im Paläolithikum) gehören und auf Steinwerkzeuge und Ton­ gefäße, die spätere Fortschritte des neolithischen Menschen bezeichnen. Sie finden sich vornehmlich an der Ostküste; daneben gibt es die Schächte der Goldbergwerke einer spätneolithischen Siedlung in Maski — die tiefsten der Welt — ferner prähistorische Begräbnisstätten, darunter die im Gebiete von Tinnevelly mit Graburnen vermutlich ausländischer Perlenund Perlmutterhändler, und aus der Morgendämmerung der geschicht­ lichen Ära Indiens die Kyklopenmauern von Girivraja im Lande Bihar. Aber die Ausgrabungen von Mohenjo Daro und Harappa im Indus­ tale erweisen eine hohe Kultur im Westen Indiens, die ihren Höhepunkt zwischen 3250 und 2750 v. Chr. erreicht haben muß, also zu einer Zeit, als berühmte Städte an den Ufern des Nils und des Euphrat, des Karun und des Helmund erst anfingen, aus der frühen Steinzeit heraus eine Kultur zu entwickeln. In Alt-Ägypten und Mesopotamien wurde Geld und Arbeit auf prachtvolle Tempel, Paläste und Gräber verschwendet, während die Masse der Bevölkerung in Lehmhütten hauste. Aber in Mohenjo Daro2), das heute mit seinen roten Ziegeltrümmern wie die Ruinen einer Arbeiter­ stadt in Lancashire wirkt, hat man nur ein einziges öffentliches Gebäude entdeckt: das prachtvolle öffentliche Bad. Sonst sind die schönsten Ge­ bäude zweistöckige Privathäuser gewöhnlicher Bürger. Keine Spuren von Tempeln oder Palästen. Die Häuser hatten Röhrenleitungen von ihren Badezimmern und Klosetts zu Abflußkanälen in den Straßen, Gleitschächte *) Inschriften des Königs Dareios (521—485 v. Chr.). „Sindhu“ ist das Sanskritwort und „Hindu“ das persische Wort für „Fluß“. „Hindustan“ bedeutet „das Land des Flusses“. 2) Sir John Marshall, „Mohenjo Daro and the Indus Civilization“, dem diese Darstellung entnommen ist. Dunbar, Indien.

I

leiteten den Kehricht in den Hauswänden zu Abfallbehältern draußen. Die Einwohner waren Kaufleute und Bauern. Die Kaufleute scheinen Handel bis in ferne Länder betrieben zu haben, fünf Siegel im typischen Stil dieser Induskultur haben sich in Elam und Mesopotamien gefunden; unter ihnen ist eines aus Ur und ein anderes aus Kisch bestimmt aus der Zeit vor Sargon. Die Bauern kannten Weizen und Gerste, ihre Viehzucht versorgte sie mit Rindvieh, Schafen, Schweinen und Geflügel. Auch Fische und Schaltiere spielten eine Rolle in der Ernährung. Zweirädrige Karren wurden von Ochsen gezogen, man hielt Elefanten und Kamele, aber keine Pferde. Eine Hauptunterhaltung der Einwohner war das Spiel. Es ist gut möglich, daß längliche Kupferbarren unter den Funden eine Metallwährung darstellen, die weit älter wäre als die aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. stammenden lydischen Münzen — die ältesten, die uns bekannt sind. Die Juweliere arbeiteten kunstfertig in Gold, Silber und Elfenbein. Geschnittene Siegel und Kupfertäfelchen zeigen, daß es eine Bilderschrift gab. Da sich aber bisher keine zweisprachigen Inschriften gefunden haben, sind alle Versuche, sie zu entziffern einstweilen ergebnislos geblieben. Die Frauen spannen Wolle und Baumwolle, die Kinder spielten mit Murmeln und hatten kleine Spielzeugkarren aus gebranntem Ton, ja auch aus Kupfer. Die Krieger zogen mit Bogen, Speer, Streitaxt und Dolch ins Feld, kannten aber keine Schwerter und anscheinend auch keine Rüstungen. Über die Religion weiß man wenig. Es gab einen Stierkult; einen wichtigen Platz nahm die Muttergöttin ein und alle Anzeichen weisen auf phallische Riten1). Sir John Marshall hält einige kleine Figuren für Bilder der Muttergöttin, wie sie ähnlich von Persien bis zum Balkan gefunden worden sind. Der spätere Shivakult Indiens ist aus verschiedenen Ele­ menten zusammengeflossen, manches an ihm mag vom Volk der Indus­ kultur stammen, oder ihm von einem anderen Volke überkommen sein, dem auch die Arier später dieses Erbe verdankten. Anderseits ist die heilige Feuerstätte, die in jedem arischen Haushalt zu finden ist, der Induskultur unbekannt. Leichenverbrennung war das Übliche, aber in Harappa fanden sich auch Gräber, und in manchen von ihnen Spuren von Lebensrnitteln und Gebrauchsgegenstände, wie die Primitiven sie von den frühesten Zeiten an den Toten mitgegeben haben. Man weiß nicht, wie weit die Induskultur nach Osten reichte, wo sie herkam und wie sie zugrunde ging, doch gehörte dieses Staatswesen an den Ufern des großen Flusses, des „Meeres von Sind", augenscheinlich schon der Vergangenheit an, als die Kriegerscharen arischer Einwanderer ins Panjab einfielen. In Mohenjo Dato wurden drei übereinanderliegende *) ,,Mohenjo Daro“, Vol. I, S. 49—51.

Die Arier.

3 Städte ausgegraben, im Staate Khaipur am alten Lauf des Indus hat man x 93 5 Spuren einer weniger weit fortgeschrittenen Kultur gefunden. Das nächste, was wir vom alten Indien erfahren, steht in den heiligen Strophen der Arier1); die Arier sind vom gleichen Stamme wie die Perser und ihre Sprache ist dem Persischen, Griechischen, Lateinischen, Ger­ manischen, Keltischen und Slavischen verwandt. Ihre älteste Literatur gewährt uns einen bemerkenswerten Einblick in ihre Lebensweise; geschichtliche Ereignisse kommen in ihr zwar kaum zur Sprache, es findet sich kein Hinweis auf den Einbruch der Arier in Indien. Erhellender sind geographische Angaben, die fünf Ströme, nach denen das Panj ab heißt, sind alle wiederzuerkennen. Jahrhundertelang durch Wälle von Hochgebirgen an allen Land­ grenzen abgeschlossen konnten die Indo-Arier eine Zivilisation und Kultur ganz eigener Art aufbauen. Sie schufen zwei große Religionen, den auf Indien beschränkten Brahmanismus und den weltweiten Buddhismus. Kein Einbruch, keine Eroberung durch Perser oder Griechen, Skythen oder Mohammedaner konnte die Entfaltung ihrer originalen Kultur hemmen. Der Bauer von heute bestellt seinen Boden gerade so wie seine ältesten Ahnen, das Feuer wird bei heiligen Gelegenheiten mit zwei Quirlhölzern erzeugt, wie vor Jahrtausenden — ebenso gingen Leben und Schrifttum der arischen Kultur in Treue zum Altüberkommenen ihren Weg durch die Zeiten bis zu den Tagen der britischen Herrschaft. Die älteste arische Literatur sind die vier Veden, die in der altertüm­ lichsten Form des Sanskrit überliefert sind. „Veda“ heißt „heiliges Wissen“, der Hindu sieht die vier Veden als göttliche Offenbarung an, indes alle späteren „Samhitas“ (Textsammlungen) nur als heilige Überlieferung gelten. Auch nach Einführung der Schrift, wahrscheinlich gegen Ende der vedischen Zeit, wurden die Veden weiter auswendig gelernt und durch die Schultraditionen vedischer Überlieferung mit unverminderter Genauig­ keit bis auf den heutigen Tag mündlich überliefert. An Umfang kommen die Hymnen des Rigveda allein den Dichtungen Homers gleich. Zur Zeit, als die Arier sich in Indien niederließen, scheint das vedische Sanskrit schon nicht mehr Volkssprache gewesen zu sein, vielmehr eine besondere Sprache, die durch Generationen priesterlicher Sänger über­ liefert worden war. Aus ihm entwickelte sich, was man nachmals Sanskrit genannt hat, d. i. „das Zusammengetane“; der große Grammatiker Panini faßte um ca. 300 v. Chr. seinen Gebrauch in Regeln. Das älteste uns über­ kommene theoretische Werk in diesem streng klassischen Sanskrit ist Yaskas „Nirukta“, ein Kommentar zu den Veden aus dem 5. Jahrhundert v. Chr.2); zweifellos wurde Sanskrit im 2. Jahrhundert v. Chr. in ganz x) „Arier“ bedeutet „Verwandte“. Eine andere Ethymologie ist „Pflüger“ (arare). 2) Macdonell, „Sanskrit Literature“ S. 269—270.

4

I. Frühzeit. 3000—327 v. Chr.

Aryavarta, dem „Land der Arier“, von den Brahmanen und dem arischen Fürstenadel gesprochen. Die unteren Schichten sprachen Dialekte, die als Prakrit bekannt sind, ihre älteste erhaltene Form ist das Pali. Das Sanskrit und die Prakrits liefen in Indien nebeneinander her etwa wie das Normannisch-Fränkische und das Angelsächsische in England in der Zeit nach Wilhelm dem Er­ oberer. Das Sanskrit hat sich als Sprache der höheren Bildung Indiens über mehr als zwei Jahrtausende unverändert erhalten, die Volkssprache aber hat sich zu den 22z modernen indischen Dialekten entwickelt. Sie beruhen auf fünf verschiedenen Sprachstämmen. Der älteste, der austrische, ist in Indien durch die Mundagruppe in Chota Nagpur und im Norden der Präsidentschaft Madras vertreten; es ist die Sprache primitiver Stämme, z. B. der Gonds. Kein Sprachstamm ist so weit über die Welt verbreitet, wie das Austrische. Es reicht von der Osterinsel bis nach Ma­ dagaskar und von Neuseeland bis zum Panjab1). Trotzdem besteht kein hinreichender Anlaß, Halevys These beizustimmen und einen Zusammen­ hang zwischen den Schriftsystemen des Industales und der Osterinsel an­ zunehmen; die Zeichen beider sind ganz verschieden2). Das Dravidische ist die wichtigste der nichtarischen Sprachgruppen im heutigen Indien. Seine Hauptzweige sind das Tamil und das Telugu, mehr als 79 Millionen in Mittel- und Südindien sprechen dravidisch und sieben ihm verwandte Sprachen3). Das Indo-Arische wird durch Hindi (die Sprache eines Drittels der indischen Bevölkerung), Bengali, Marathi, Gujarati und Panjabi ver­ treten. Die späteren mohammedanischen Eroberer führten semitische Sprachen ein; die fünfte Gruppe ist die Tibetisch-Chinesische. Die Veden wurden in der unten angegebenen zeitlichen Folge ab­ gefaßt; die Daten ihrer Entstehung sind freilich hypothetisch, sie beruhen auf der inneren Wahrscheinlichkeit des Entwicklungsganges der arischen Kultur und Literatur. Aus inneren Gründen glaubt man einen ältesten Hymnus an Ushas, die Morgenröte, auf etwa 1200 v. Chr.4) datieren zu können. Anderseits berechnete B. G. Tilak die Zeit der ältesten Veden nach astronomischen Gegebenheiten auf ungefähr 4500 v. Chr.5). Der Rigveda: 1028 Hymnen, um die den Göttern dargebrachten Opfer zu begleiten. Der Samaveda: eine Sammlung von Gesängen aus dem Rigveda. x) ,,Indian Census Report“ 1911, Vol. I, S. 524. 2) , ,Authority Department of Oriental Antiquities, British Museum.“ 3) ,,Indian Census Report“ 1931. 4) ,,Camb. Hist. India“ Vol. I, S. 112—113. 6) Vgl. die Vorrede zu „The Arctic Home in the Vedas“ (Poona 1903), wo europäische Stimmen zustimmend zitiert sind. Tilaks Beweisführung für das sehr hohe Alter der arischen Kultur, deren Anfänge zwischen 6000 und 4000 v. Chr. liegen sollen, findet sich in „Orion, or Researches into the Antiquity of the Vedas“ (Poona, 1916).

Die Arier.

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Der Yajurveda: 1. der schwarze: Opfersprüche in Versen und die älteste vedische Prosa mit eingestreuten Erläuterungen. 2. der weiße: in ihm ist die erläuternde Prosa von den Opfersprüchen geschieden. Der Atharvaveda enthält den Volksglauben an böse Geister, Zauber­ formeln und Verwünschungen aus drei Jahrtausenden, er galt eine Zeitlang nicht als kanonisch und ist auch heute bei den Brahmanen Südindiens nicht allgemein anerkannt. Man kann keinen scharfen Trennungsstrich zwischen Opferkult und Zauberei in der vedischen Religion ziehen, Zauberkräfte gehören wesen­ haft zu ihrem Bestand1). Es bleibt unklar, ob Totemismus in ihr herrschte; auf Fetischismus stößt man bei einem Bilde Indras, des Sturmgotts, das in der Schlacht Verwendung fand. Möglich, daß die Götter als Tiere vor­ gestellt werden konnten, aber von ihrer Verehrung in dieser Form ist kaum etwas im Rigveda zu finden. Schlangenverehrung läßt sich aller­ dings bis ins 3. Jahrhundert v. Chr. hinauf verfolgen, dank der Aus­ grabungen in Rajagriha, und herrscht noch heute im Volksglauben, haupt­ sächlich Ostindiens, mit der weitverbreiteten Verehrung der Schlangen­ gottheit Manasa. Zwischen 800 und 600 v. Chr. entstanden religiöse Lehrtexte in Prosa, die den Priestern den Sinn der Opfer deuteten: die „Brahmanas". An diese reihten sich theosophische Betrachtungen zum Gebrauch für Einsiedler in den Waldeinsiedeleien: die „Aranyakas" oder „Waldtexte". Es gibt ihrer drei und jeder enthält eine „Upanishad", so genannt, weil sie Gegen­ stand geheimer Belehrung war. Eine lange Reihe von Upanishads, deren älteste wohl dem 6. Jahr­ hundert entstammt, schließt die zweite Periode der vedischen Literatur. Die Upanishads enthalten ein Gemisch halb poetischer, halb philoso­ phischer Betrachtungen und metaphysischer Dialoge; ihre Bedeutung liegt darin, daß sie eigentlich eine neue Religion lehren. Der Rigveda, mit Ausnahme einiger Teile seines zehnten und letzten Buches, war ausgesprochen polytheistisch, aber die Upanishads handeln von einer Gottheit, die alle übrigen Götter und Kräfte der Natur in sich begreift: Brahma, „die heilige Kraft" oder Atma, „das Selbst, die einzige Wirklichkeit". Ihr Ziel ist nicht irdischer Gewinn oder himmlische Selig­ keit, die durch Opfer erworben werden kann, sondern Freiheit von den Leiden der sichtbaren Welt durch Versenkung der Seele in die Weltseele kraft wahrer Erkenntnis. Diese Lehre bildet die philosophische Seite des Hinduismus von damals bis heute. Es gibt über hundert Upanishads, die Macdonell, „History of Sanskrit Literature“ S. 191.

beiden wichtigsten und wohl ältesten sind die Chandogya-Upanishad des Samaveda und die Brihadaranyaka-Upanishad; aber der eine Satz „das bist du" (tat tvam asi) soll als die Summe all ihrer Weisheit das ganze sog. System des Vedanta in sich begreifen, das aus ihnen entwickelt worden ist. Die dritte Periode der vedischen Literatur beginnt etwa um 600 v. Chr. mit den ersten „Sutra"-Texten: sie enthalten Vorschriften über den Voll­ zug der Opferriten und vermitteln das Gewohnheitsrecht und die recht­ liche Praxis. Äußerst wortkarg abgefaßt bedürfen sie zu ihrem Verständ­ nis der Kommentare. Ein altes Hindu-Witzwort bemerkt dazu, daß die Verfasser von Sutras über Grammatik sich über die Einsparung eines ein­ zigen kurzen Vokals ebensosehr gefreut hätten wie über die Geburt eines Sohnes; man muß dazu wissen, daß die Brahmanen glaubten, sie könnten nicht in den Himmel gelangen, wenn kein Sohn da wäre, der für den Vater die Totenbräuche vollzöge. Diese vedische Literatur, dazu Epen, Prosa, Gesetzbücher und Le­ gendenliteratur der folgenden Zeit sind unsere einzige Quelle über die Arier für viele Jahrhunderte. Geschichtliche Tatsachen lassen sich aus ihnen nur erschließen; erst wenn wir zu Berichten über Nordwest-Indien kommen, die wir persischen und griechischen Eroberern verdanken, er­ gibt sich etwas wie Chronologie, Geschichte und Einzelheiten über Land und Leute. Inmitten dieses Dämmerlichts steht nur das ungefähre Datum von Geburt und Tod Buddhas fest. Fremde, persische Angreifer sind es, die uns das erste sichere Datum überliefern, das sich auf das nordwest­ liche Grenzgebiet bezieht. Griechen haben seit der Zeit des Perserkönigs Artaxerxes Mnemon Berichte über Indien verfaßt, die z. T. sehr bunt sind, aber die verläßliche Geschichte beginnt für uns erst mit dem Feld­ zug Alexanders des Großen und der Ankunft von Megasthenes als Ge­ sandten des Seleukos Nikator am Hof des ersten indischen Kaisers. Geographische und ethnologische Gründe1) sprechen dafür, daß die indo-arische Rasse aus den fruchtbaren Ebenen Österreich-Ungarns und von den Hochländern Böhmens gekommen ist. Das Volk, das um 2500 v. Chr. dort lebte, wird die „Wiros" genannt. Man nimmt an, einige ihrer Stämme seien von Europa nach Asien gewandert, hätten Baktrien (Balkh) um 2000—1500 v. Chr. erreicht und seien dann durch die Austrocknung Zentralsiens, die schon begonnen hatte, südwärts abgedrängt über die Pässe des Hindukusch nach Afghanistan gelangt. Von dort strömten die Arier abwärts ins Flachland als die erste einer langen Reihe von Eroberer­ wellen durch die Einfallstore der Flüsse Kabul, Kurram und Gumal. Jedenfalls war die Einwanderung der Arier nach Indien das Vor­ dringen eines Volkes aus fünf Stämmen, die in sich aus kleineren Ver­ bänden bestanden und bei denen das Vaterrecht herrschte. *) Vgl. „Carnb. Hist. India“, Vol. I, S. 66—76.

Soziale Verhältnisse.

7 Man darf sich ihre Lebens Verhältnisse ungefähr vorstellen wie die der angelsächsischen Einwanderer, die nach dem Abzug der römischen Gar­ nisonen England besiedelten. Die Gesellschaft der Angelsachsen bestand aus den „Thans“ („Degen“) und Priestern adligen Bluts, aus unfreien Bauern, weiblicher Dienerschaft und Knechten, die Sklaven waren und wie Vieh verhandelt wurden. Die Königswürde war bei den Angelsachsen erblich, die Könige führten im Kriege das Heer an und hatten eine Leib­ garde aus Lehnsmännern. Sie hatten den Vorsitz bei großen Festen und Opfern und sprachen Recht; aber was sie taten, mußte durch die Volks­ versammlung bestätigt werden. Das Land wurde Gruppen von Bluts­ verwandten zugesprochen; die Häuser waren aus Balken gezimmert, Scheunen, Speicher und Schuppen lagen dicht um sie herum. Die Felder wurden mit Ochsen gepflügt und gedüngt. Ehe die Arier Nordindien südöstlich vom heutigen Ambala durch­ drungen hatten, war ihr Leben einfach. Die Eindringenden erkämpften sich den Weg ins Innere, gründeten dörfliche Siedlungen auf Lichtungen, die sie für sich rodeten. Ihre Dörfer bestanden wohl in Häusergruppen und Schuppen aus Bambus und Holz und das heilige Hausfeuer brannte auf jedem Herd. Die Wohnhäuser der Familien waren zumeist eng um eine Befestigungsanlage geschart. Die Familien pflügten ihre Landlose mit Gespannen von sechs, acht oder zwölf Ochsen und bauten wahrscheinlich Gerste auf ihren gedüngten und durch Kanäle bewässerten Feldern. Hirten trieben das Vieh in die nahe Wildnis, man molk die Kühe, buk Kuchen aus Mehl und Butter, und damals wie heute waren Gemüse und Früchte die Hauptnahrung. Butter wurde so viel verwendet wie heute. Man schlachtete Rinder, Schafe und Ziegen zur Nahrung und brachte sie als Opfer den Göttern dar. Pferdefleisch wurde wohl nur beim Roßopfer gegessen, das von Königen zum Ausdruck ihrer Vorherrschaft über andere Könige ringsum dar­ gebracht wurde; es wurde verzehrt, um die Stärke und Schnelligkeit des Tieres zu erlangen. Ein gebräuchliches Getränk war „sura“, ein aus Korn gebrauter Rauschtrank. Die Kleidung der vedischen Inder bestand gewöhnlich aus zwei oder drei Gewändern, die im allgemeinen aus Wolle waren, manchmal auch aus Fell. Sie kämmten und ölten ihre Haare, die Frauen trugen sie geflochten; manchmal rollten auch die Männer ihr Haar in Flechten auf. In ihren Anfängen befanden sich Handel und Wirtschaft der Arier auf dem „Kuh-Standard“ wenn man so sagen darf. Aber Gold hatte großen Wert und wurde von allen, die es sich leisten konnten, als Brust-, Hals- und Ohrschmuck getragen. Dieses Gold wurde großenteils in den Flußbetten gefunden; der Indus hieß davon „der goldene Fluß“, Die Arier waren große Jäger; der Rigveda spricht davon, daß Löwen in Schlingen, Antilopen in Gruben gefangen wurden, er erwähnt Eber-

jagden mit Hunden. Die vedischen Arier waren keine Fischer; begaben sie sich auf das Wasser des Indus, so vertrauten sie sich anscheinend einem Einbaum mit Paddel an, ohne Steuerruder oder Segel zu gebrauchen. In diesem frühen Stadium ihrer Kultur wurde das übliche Tagewerk von den freien Männern des Dorfes geleistet, die zusammen die Gemeinschaft des „Vish", d. i. des „Dorfes" bildeten. Wer Zimmermann, Schreiner und Wagner zugleich war, nahm einen Ehrenplatz ein, da er die Räder für die Streitwagen herstellte. Gleich nach ihm kam der Schmied, der die kupfernen Geräte für den Haushalt hämmerte. Die Frauen nähten, woben Tuch und flochten Matten aus Gras oder Schilf. Bemerkenswert ist, daß keine der im Rigveda erwähnten Beschäfti­ gungen damals für unehrenhaft galt. Die Zeit war noch fern, in der manche von ihnen als entwürdigend gebrandmarkt werden sollten. Tanz im Freien, unter Mädchen wie Männern, war ein Volksvergnügen; man liebte Ge­ sang. Die Musikinstrumente waren Lauten, Flöten und Trommeln. Der Lieblingssport der Arier, die ein pferdeliebendes ritterliches Volk waren, bestand in Wagenrennen und gleich danach kam das Würfelspiel, bei dem eine Anzahl brauner Nüsse als Würfel dienten. Die Arier waren leiden­ schaftliche Spieler, sie setzten sogar ihre Frauen und ihre persönliche Freiheit auf einen Wurf. In der „Klage des Spielers", dem ältesten welt­ lichen Gedicht der Veden heißt es: „Mein Weib verstößt mich, ihre Mutter haßt mich. Der Spieler findet kein Mitleid für seine Sorgen; Keine bessere Verwendung seh ich für einen Spieler, als für ein kostbares Pferd, das ausgedient und alt ist1)." Zur Zeit des Rigveda war die Religion ziemlich einfach, trotz der Scharen von Göttern, denen die Priester Opfer darbrachten. Sie bestand in der Verehrung der Natur unter mannigfachen personhaften Gestal­ tungen der Naturkräfte. Aus den Opferbräuchen entwickelte sich die indo­ arische Theologie. Ursprünglich stand Dyaus, der Gott des Himmels, mit seiner Gattin Prithivi, der Erde, zuhöchst; später nahm Varuna seinen Platz ein, er stellt die kosmische und moralische Ordnung dar; die erhaben­ sten Hymnen des Rigveda sind an ihn gerichtet. Aber er wurde wiederum als volkstümliche Gottheit von Indra abgelöst. Es gab fünf Gestalten der Sonnengottheit, eine unter ihnen ist Vishnu als Personifikation der schnelleilenden Sonne; er wurde später einer der beiden großen Götter Indiens. Shiva, sein späterer Rivale, hieß damals noch Rudra und war der Sturmgott. In rigvedischer Zeit waren die wichtigsten Gottheiten nach Indra der Feuergott Agni, und Soma, der Gott des heiligen Rausch­ tranks, der wichtigsten Darbringung im vedischen Opferkult. Die Pflanze, x) Rigveda X, 34.

Heirat und Ehe.

9 aus der er bereitet wurde, ist noch nicht festgestellt. Agni wurde als Sonne am Himmel, als Lichtstrahl und als häusliches Herdfeuer verehrt. Menschen­ opfer gab es nicht; beim sog. „purushamedha“ (d. i. „Menschenopfer“) behalf man sich statt des Menschen mit einem Ersatz. Die Darbringungen bestanden aus Fleisch und Soma, Milch, Korn und Schmelzbutter. Der Rigveda spricht zwar davon, daß Rinder getötet und Rindfleisch verzehrt wurde (was im späteren Hindu-Indien während der letzten 2000 Jahre verabscheuenswürdig war), aber die Anfänge des späteren Hinduismus sind doch schon im Rigveda sichtbar. Sein spätes X. Buch schildert den Schöpfungsprozeß als die Entfaltung des „Seienden“ aus dem „NichtSeienden“, es lehrt die Einheit des Alls und setzt hinter die Vielheit der Götter ein Fragezeichen. Die Anschauung der Arier bevölkerte ihre Um­ welt mit Scharen von Geisterkräften: obenan die mächtigen Götter, deren Gunst die Priester gewannen — sie allein wußten um die nötigen Bräuche —, unten Elfen und Kobolde in Wald und Fluß; sie spiegeln sich noch heute im Animismus primitiver Stämme, wie sie in den Bergketten von Assam und Tibet leben. Die Stellung der Brahmanen als Priesterklasse war schon damals in ihrer Würde und Wichtigkeit gesichert; die Stammeskönige hatten an­ scheinend früher von ihnen ausgeübte sakrale Funktionen den Brahmanen als Priestern fast völlig überlassen, indes war ihre Macht auf weltlichem Gebiet durch die enge persönliche Beziehung des Herrschers zu seinem „purohita“, dem Hauspriester der herrschenden Klasse, wohlbegründet. Brahmanen konnten heiraten, die Bezeichnung „brahmana“1) („Abkömm­ ling eines Brahmanen“) ist der einzige Hinweis, wie weit etwa damals Priestertum erblich war oder nicht. In frühvedischer Zeit gab es keine Kinderehe, anscheinend auch keine Eheverbote innerhalb des „gotra“ (Großfamilie oder Klan), außer zwischen nahen Verwandten (wie Bruder und Schwester). Damals war es für eine Witwe üblich, den Bruder oder nächsten Verwandten ihres verstorbenen Mannes2) zu heiraten, wenn sie dem Verstorbenen keinen Sohn geboren hatte. Wahrscheinlich hatten Frauen auch die Freiheit, wiederzuheiraten, wenn ihr Mann völlig verschollen war3). Vielmännerei war unbekannt, aber ein Inder der vedischen Zeit konnte mehrere Frauen haben; Hinweise auf die Einehe im Rigveda zeigen frei­ lich, daß ein höheres sittliches Ideal im Werden war. Im ganzen hatten Männer wie Frauen beträchtliche Freiheit in der Wahl des Ehegatten. Zu den Hochzeitsfeierlichkeiten gehörte es, daß im Hause der Braut Kühe zur Bewirtung der Gäste geschlachtet wurden. Die Hochzeitsfeier 2) Rigveda I, 164, 45; VI, 75, 10 usw. 2) Rigveda X, 18, 8, durch Zeugnisse der Sutras gestützt, 3) Rigveda VI, 49, 8.

IO

I. Frühzeit. 3000—327

V.

Chr.

gipfelte in dem Brauch, daß der Bräutigam die Braut bei der Hand nahm und sie um den Altar des Feuergottes in ihrem Elternhause herumführte, dann brachte das Brautgeleit die Neuvermählten ins künftige Heim der Braut. Ein langes Lied1), das die Feier begleitete, bezeugt welch hoher Wert der Ehe beigemessen wurde; ihr Band war unlöslich. Durch die Heirat erhielt die Frau in der vedischen Zeit eine angesehene Stellung in der Fa­ milie, sie nahm auch an den Opferfeiern ihres Gatten teil. Der Brauch, den wir als „sati" kennen: daß die Witwe beim Tode des Gatten verbrannt wird, bestand noch nicht. Vielleicht ist es aber — eine Stelle im Atharvaveda deutet darauf hin — doch ein alter Brauch, der nur aus der Übung gekommen war2). Die Toten wurden begraben oder verbrannt und die Asche bestattet; im Lauf der Zeit wurde das Begraben seltener. In rigvedischer Zeit finden sich nur unbestimmte Vorstellungen über das Leben nach dem Tode. Man glaubte an Wohnstätten der Seelen bei den Göttern in der Welt Varnas, des ersten aller Toten, der ihr König geworden war, oder glaubte, daß die abgeschiedenen Geister in Gewässer und Pflanzen ein­ gegangen seien. Die Vorstellung einer Strafe nach dem Tode findet sich im Rigveda nicht. Als die Arier Indien eroberten, verstand man unter einem arischen Krieger ohne Unterschied des Standes einen Mann, der die Waffen zu führen wußte. Die Heerführung lag beim König selbst und bei Mitgliedern der Adelsfamilien (Kshatriyas), sie trugen Helme und Panzerhemden und kämpften auf Wagen. Das gemeine Volk (vish) focht zu Fuß. Die Haupt­ waffe war der Bogen. Von Taktik ist noch keine Rede; das Heer rückte unter Kriegsgeschrei, wehenden Fahnen und Trommellärm als bunte Masse in den Kampf. Ein indo-arischer Stamm bestand aus drei Schichten: Brahmanen, Kshatriyas und Vish (Vaishyas) mit einem König (rajan) an der Spitze. Die Königswürde war wohl erblich, doch wurde der König manchmal aus dem Kreise der Kshatriyas gewählt. Seine Stellung war nicht sehr stark, seine Handlungen mußten von der Männerversammlung des Stammes gut­ geheißen werden. Er war der Schirmherr des Volks und sein oberster Richter. Für diese Leistungen empfing er den Gehorsam seiner Untertanen, die auch zum Unterhalt seines Hofes beisteuerten. In der Frühzeit galt der König noch nicht als Eigentümer des Landes, die Abgaben, die er empfing, waren anfangs mehr oder weniger freiwillig. In den Regierungs geschälten wurde der König von seinem Hauspriester, dem Purohita, be­ raten. x) Rigveda X, 85. 2) Atharvaveda XVIII, 3, 1.

Die Dravidas. — Gesellschaftsordnung.

II

Das Dorf war noch keine anerkannte rechtliche Größe; es bleibt ungewiß, ob das Amt des Dorfältesten1) erblich war, vermutlich hatte er zivile und militärische Gewalt über seine Gemeinde. Der Yajurveda spricht von einem Dorfrichter, aber in der Frühzeit oblag die Ahndung eines Ver­ brechens, etwa eines Diebstahls, dem Geschädigten. Der Rigveda erwähnt die Todesstrafe nicht. Als die Arier nach Indien einbrachen, war der größere Teil des Landes von den Dravidas bewohnt; die Eroberer nannten sie „Dasa" oder „Dasyu". Dravida ist der alte Name für den tamilischen Teil Südindiens. „Dasyu" bedeutet der „Eingeborene" im Gegensatz zum Arier und umfaßt im weitesten Sinn vielerlei Rassen und Kulturstufen. Die vedische Be­ schreibung — ein schwarzhäutiges Volk mit breiten Nasen — paßt auf die heutigen Dravidas. Die Dravidas lebten in befestigten Dörfern, besaßen große Viehherden und haben vielleicht die künstliche Bewässerung der Reisfelder in der Gangesniederung eingeführt. Ihre Religion war phallisch. Will man der „anatolischen" Hypothese2) Glauben schenken, so haben sie etwa gegen Ende des 4. Jahrtausends v. Chr. Neu-Guinea besiedelt und bildeten ein­ mal die Hauptbevölkerung Vorderindiens und Chinas. Ihre früheren Wan­ derungen bleiben einstweilen im Dunkeln. Nach den heute noch in Indien lebenden Sprachen zu schließen ist das austrische Element älter; in den primitiven Stämmen des Djungeis und der Berglande, den Bhils und den Minas, sind wohl die Nachkommen der neolithischen Bevölkerung Indiens zu suchen. Vielleicht haben die Dravidas die isolierte Gruppe der Brahui sprechenden Stämme im Norden zurückgelassen, falls sie über Beluchistan nach Indien eingedrungen sind. Die Einwohner des Landes konnten sich gegen den Ansturm der Arier nicht behaupten. Die Dravidas waren tapfer, aber ihre Siedlungen wurden von den Feinden überwältigt, die wie eine Sturmflut über sie hereinbrachen. Es war ein Kampf zwischen Steinzeit und Bronzezeit; die Arier erstürmten Erdwälle und Pfahlringe der Dasas, nahmen ihr Land weg und machten sie haufenweis zu Sklaven. Nur im Süden wurde die arische Einwanderung jahrhundertelang von den un­ durchdringlichen Wäldern des Vindhyagebirges aufgehalten. Als die Arier über das Panj ab vordrangen, ging ihnen ihr ursprüng­ liches Wesen lose gefügter Gemeinschaften verloren. Der Druck der feind­ lichen Rasse, deren Land sie eroberten, deren Hautfarbe sie verachteten und deren Glauben sie haßten, umschloß sie rings und festigte die arischen Stämme zu kleinen Königtümern und freien Gemeinwesen. Die kleineren Häuptlinge verloren ihre Unabhängigkeit und wurden Heerführer, indes der Kshatriyastand als Ganzes sich stetig zu starker, x) Rigveda X, 62, 11 und 107, 5. 2) Vgl. T. S. Foster, „The Travels and Settlements of Early Man“ 1929, S. 243—276 usf.

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I. Frühzeit. 3000—327 v. Chr.

ausgesprochener Überlegenheit über das gemeine Volk, die Vaishyas, erhob. Die Kshatriyas waren Krieger, aber nicht alle Krieger waren Kshatriyas. Ihr Rang war erblich, doch scheint es damals für einen Vaishya nicht unmöglich gewesen zu sein, ein Kshatriya zu werden1). Später wurde das fürstliche Kampfgefolge zu den Kshatriyas gezählt; mit dem Wachsen der Staaten wuchs ihre Zahl. Später gab dieser Stand Indien ein groß­ artiges Vorbild hohen Mutes und romantischen Geistes in den Rajputen. Der Wirrwarr und Druck der Eroberungskriege fesselte die krie­ gerischen Führer des Volks an den Kampf, indes ergriffen die Brahmanen die Gelegenheit, um ihre Stellung uneinnehmbar zu machen. Sie allein konnten als Priester für den richtigen Vollzug der Opfer einstehen, deren Bräuche das Lebenselement völkischen Daseins waren, aber immer kom­ plizierter wurden. Bald ergab sich, daß die Verbindung der kriegerischen Kshatriyas mit den geistigen Brahmanen für einen geordneten Bestand der Herrschaft unerläßlich war, während die Macht des Königs vom Volk in der Stammesversammlung der „sabha“2) getragen war. Gleichzeitig wuchs die Bedeutung der Priester dank der Vertrauensstellung des könig­ lichen Hauspriesters (purohita), der den König in die Schlacht begleitete, um für den Erfolg seiner Waffen zu beten und die Feinde zu verzaubern. Hinter den Lanzenspitzen der Eroberer beschäftigte sich die Masse des Volkes, die Vaishyas, mehr und mehr mit Landbau und Handel. Indes kam zu den drei Schichten der Arier eine vierte: die „Shudras“. Shudra war der Name, den die vedischen Inder schließlich den eingeborenen Dasas, ihren Feinden, gaben; die Shudras wurden der Volksgemeinschaft zuerst als gefangene Sklaven eingegliedert. Später wurden die Dravidas friedlich und ohne Verlust ihrer persönlichen Freiheit aufgesogen, und Shudra bezeichnete auch freie Männer, die bescheidene Tätigkeiten ausübten. Brahmanen und Kshatriyas bildeten die beiden Oberklassen, aber die Kluft zwischen ihnen und den Vaishyas war nichts, verglichen mit dem Abgrund, der die Vaishyas von den dravidischen Shudras trennte. Die Arier waren hochgewachsen und hell, die Dravidas dunkelhäutig; „varna“, das Sanskritwort für „Farbe“, bezeichnete die unübersteigbare Schranke zwischen den beiden Rassen. Beide bildeten nach dem Rigveda ursprüng­ liche Gegensätze; im Unterschied zu den Sachsen, Dänen und Normannen, die England eroberten, vermieden die Arier Mischehen, die ihr Aufgehen in der unterworfenen Rasse zur unausbleiblichen Folge gehabt hätten. An Stelle der ursprünglichen Gepflogenheit, nach der ein Dravida sofort ge­ tötet oder zum Sklaven gemacht wurde, wenn er sich blicken ließ, trat die soziale Ächtung. Die Brahmanatexte nennen vier Farben: weiß für die Brahmanen, rot für die Kshatriyas, gelb für die Vaishyas und schwarz x) Vedic Index Vol. I, S. 207, wo Rigveda VII, 104, 13 zitiert wird, 2) Atharvaveda III, 4, 6,

Kastenwesen.

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für die Shudras; vielleicht bezog ihre Folge sich auf die Farben der Kleider der vier Kasten1). Außer der chinesischen gibt es heute keine Kultur, die so weit zurück­ reicht wie die indische, das Kastensystem ist ihr augenfälligstes Merkmal. Es existiert nur in Indien; hier hat der Brahmanismus vom Farbenunter­ schied zwischen Indo-Ariern und Dravidas ausgehend diese komplizierte soziale Struktur entwickelt, die mit unzähligen Kasten und Unterkasten bis heute besteht. Zum Unterschied von den anderen großen Religionen Indiens beruht der Brahmanismus auf der Familie als religiöser Einheit; aus den Gebäuden der Familie mit dem Brahmanen als Hauspriester, der darin den Schluß­ stein bildet, türmt sich das Gebäude der Kasten auf. Seine Grundidee ist: das Individuum lebt nicht für sich selbst; nach diesem Grundsatz werden Macht und Geltung, Vorrechte und Güter, entsprechend den Funktionen des einzelnen verteilt2). Eine Kaste ist eine Gruppe von Familien, die durch besondere rituelle Reinheitsvorschriften, besonders hinsichtlich Nahrung und Eheschließung, untereinander verbunden sind. Die Heiratsvorschriften sind sehr streng, da die Zugehörigkeit zur Kaste erblich ist. Man muß außerhalb der Fa­ milie aber innerhalb der Kaste heiraten. Bezüglich Nahrung, Trinken und Umgang herrschen nicht ganz so strenge Vorschriften. Ein Vorstand, „Panchayat“ genannt, regiert die Kasten außer der höchsten. Er befaßt sich mit Verstößen gegen ihre Vorschriften. Ursprüng­ lich ging es dabei nicht nur um Verstöße gegen die Kastenordnung, son­ dern um Fehltritte aller Art, z. B. Bruch des Eheversprechens, Schulden oder Vergewaltigung von Minderjährigen. So wurde jede Kaste, was ihre inneren Angelegenheiten betrifft, zu einer kleinen sich selbst regierenden Gesellschaft. Kaste läßt sich nicht durch Rasse definieren, auch nicht durch reli­ giöses Bekenntnis — mit einigen Einschränkungen —, auch nicht durch Berufe, außer wenn die Beschäftigung eine Verunreinigung der angeborenen Kaste in sich schließt. Die in der Kaste herkömmliche Beschäftigung genießt den Vorzug. Ein Brahmane, als Angehöriger der obersten Kaste, wird für gewöhnlich davon leben, daß er seinen Beruf als Priester ausübt, der sein auschließliches Vorrecht ist, oder daß er unterrichtet; aber er könnte, wenn schwierige Lebensumstände es fordern, auch Soldat, Maurer, ja Lohnarbeiter werden. Heute kann man Brahmanen fast in jedem Berufe finden, außer unter den Gelegenheitsarbeitern und Straßenkehrern. Aber der Angehörige einer Kaste muß die herkömmlichen Vorschriften, die für sie gelten, befolgen, und vermeiden, anderen Ärgernis zu geben. x) Vgl. Shamasastry, „The Evolution of Gaste“ S. 44. 2) Vgl. B. Prasad, „Theory of Government in Ancient India“ S. 338.

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Nur durch Geburt kommt man in eine bestehende Kaste, und die so­ ziale Stellung des Hindu hängt ganz von der herkömmlichen Bedeutung der Kaste ab, in die er hineingeboren wurde. Ein regierender Fürst kann einer niederen Kaste angehören, und seine Hand würde die Nahrung eines Bettlers verunreinigen, wenn dieser ein Brahmane wäre. Man kann in keine höhere Kaste steigen oder in eine niedrigere sinken, aber eine ernst­ liche Verletzung der Kastenvorschriften kann auf Beschluß der Kasten­ versammlung mit Ausschluß aus der Kaste bestraft werden. Solch ein Urteil bedeutet ein Scherbengericht durch die Mitglieder; mitunter von der kleinsten Unterkaste ausgesprochen, besagt es sozial ein Todesurteil, wenn es aufrechterhalten bleibt. Im allgemeinen, außer bei ganz schwerer Verletzung der Kastenvorschriften, wird eine Art Buße auferlegt. Die Lebensregeln des Hindu heißen „dharma". Dharma bedeutet im Rigveda Gesetz oder Sitte, später hat es einen weiteren Sinn und umfaßt, vom Willen des Schöpfers ausgehend, Wahrhaftigkeit, Tugend und Mild­ tätigkeit. Dharma ist das Gebot für alle Menschen. Wer die Lebensregeln des Hindu nicht befolgt, steht für ihre Anhänger außerhalb der gott­ gewollten Ordnung; das gilt für alle Europäer, mag ihre amtliche Stellung in Indien und ihr Rang in der europäischen Gesellschaft noch so hoch sein. Für den strenggläubigen Hindu ist das Kastenwesen göttlichen Ur­ sprungs. Das „Purusha-sukta"1), die „Hymne vom Urwesen", teilt die Menschen in Brahmanen, Rajanyas, Vaishyas und Shudras. Diese vier Kasten, heißt es, sind aus dem Mund, den Armen, den Schenkeln und den Füßen des Schöpfers hervorgegangen; das erklärt den Vorrang der Brah­ manen, die Stärke der Rajanyas (oder Kshatriyas) die Begabung der Vai­ shyas für nutzbringende Berufe und die niedrige Stellung der Shudras. Die Taittiriya-Samhita des Schwarzen Yajurveda erläutert diesen Ursprung näher; z. B. soll der Shudra, weil er aus den Füßen erschaffen ist, die anderen Kasten tragen und vom Gebrauch seiner Füße leben. Aber es gibt keinen Beweis dafür, daß die Arier bereits das Kasten­ system besaßen, als sie noch im Panjab ansässig waren, wo der Rigveda verfaßt wurde2). Der Yajurveda gibt einen abweichenden Bericht. Zu seiner Zeit hatte sich das Zentrum arischer Kultur vom Indus und seinen Neben­ flüssen nach Kurukshetra (in Mittelindien) verschoben; hier bildete sich, unter dem Einfluß des neuentwickelten Brahmanismus, das Kastensystem aus den vier ursprünglichen Schichten zu vier großen verschiedenen x) Rigveda X, 90, 12. 2) Der Name „Panchanada“, d. i. ,,Land der fünf Ströme“ zur Bezeichnung des Panjab begegnet erst in der epischen Literatur. Zu der Ansicht, daß große Teile des Rigveda weiter östlich als im Panjab entstanden, vgl. Macdonell & Keith, ,,Vedic Index“ (London 1912) Vol.I, S. 468.

Ursprung des Kastenwesens.

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Gruppen weiter. Neue Kasten entstanden durch Mischehen oder durch eine Reihe von Vorgängen, die sich auch heute noch abspielen: 1. ein Stamm oder Klan von Ureinwohnern wird zu Hindus, er behält dabei seinen Stammesnamen oder nimmt einen neuen an; 2. eine Gruppe Menschen wechselt ihre angestammte Beschäftigung; 3. Sekten bilden eigene Kasten; 4. Wanderungen; 5. Wechsel in den Gebräuchen durch Verfall der alten oder Annehmen von neuen. Durch all das wird die Verwirrung in bezug auf die Rangordnung der Kasten erhöht; Abkunft erweist sich als ein Hauptfaktor, aber nicht als der einzige bei der Ausbildung einer Kaste. Die Geschichte Indiens bis zur Zeit der britischen Herrschaft ist eine lange Folge von Kriegen und Wirrsal, unterbrochen durch Friedenszeiten unter einer starken, zentralen Regierung. Immer neue Eroberer strömten ins Land, Reiche erhoben sich und fielen, aber über all diese Wechselund Glücksfälle hinweg hat das Kastensystem den Hindu fest bei seinen sozialen Pflichten, seinen religiösen Bindungen und seinen wirtschaftlichen und bürgerlichen Aufgaben gehalten. Ihm verdanken Witwen und Waisen, Alte und Gebrechliche ihren Schutz, denn es gibt in Indien keine gesetzlich geregelte Armenfürsorge. Dieser sozialen Gliederung verdankt das HinduIndien sein hochstehendes Handwerk, das sich über zahllose Generationen weiterbilden konnte; ihr verdankt es die Stetigkeit der Überlieferung in Wissenschaften und Bildung innerhalb der Schichten, die auserlesen waren, sie zu lehren und zu studieren. Man kann das Kastenwesen nicht mit euro­ päischen Maßstäben messen; was es für Indien bedeutet, hat Monnier Wil­ liams treffend zusammengefaßt: „Der Nutzen des Kastenwesens bestand darin, die Opferbereitschaft zu fördern, die Unterordnung des einzelnen in ein Gemeinwesen zu sichern, Laster zu bekämpfen und Elend zu ver­ hüten.“ Anderseits zeigt der traurige Zustand der niedrigsten Kaste in vielen Gegenden die Kehrseite der Medaille; diese „Unberührbaren“ zählen dabei 20% der Gesamtbevölkerung. Aber wirtschaftliche und politische Kräfte sind am Werk, die eisernen Klammern des Kastenwesens endgültig zu lockern, und diese Entwicklung erfreut sich der tätigen Unterstützung Mahatma Gandhis und der erklärten Sympathie weiter Kreise der recht­ gläubigen Hindus. Nach der Landnahme wurden die allgemeinen Lebensumstände ver­ wickelter. Der königliche Haushalt zählte viele Hofbeamte; die örtliche Verwaltung bestand wie früher aus den Dorfältesten (gramani), aber die Verhältnisse der arbeitenden Schichten und der Frauen im ganzen waren im Absinken. Kein Shudra konnte als Arier, als „zweimal geboren“ gelten, d. h. durch Beleihung mit der heiligen Schnur in die arische Religionsgemein-

schaft aufgenommen werden; aber die Shudras näherten sich sozial der Stellung an, in die sich die bescheideneren unter den Vaishyas gedrängt sahen, die Vaishyas wiederum zerfielen mit der Entfaltung des Kasten­ systems in viele Einzelgruppen. Die Landwirtschaft verblieb beim System der Dorfgemeinschaft mit kleineren Pachtungen, indes weist die handwerkliche Industrie in der Zeit der jüngeren Samhitas (ca. 800—600 v. Chr.) bemerkenswerte Fortschritte auf. Die Häuser wurden weiterhin aus Holz gebaut, wie das auch in England bei den Nachfahren der großen Sachsenfamilien bis in die Zeit König Johanns geschah, aber die arische Kultur entwickelte eine Menge von Gewerben, von Juwelieren, Geldverleihern und Webern bis zu Händ­ lern mit Dörrfischen und Berufsakrobaten. Jetzt tauchen auch zwei im dörflichen Leben bedeutsame Figuren erstmals auf: der Astrolog und der Barbier. Noch gab es kein Münzwesen, aber Gold in Form von Schmuck oder nach Gewicht begann wohl, das bisherige Zahlungsmittel, nämlich Vieh, zu ergänzen; auch Silber war in Gebrauch. Unter den vedischen Indern aß man weiterhin Fleisch, die Lehre der „ahimsa", die irgendein Tier zu verletzen verbietet, entwickelte sich erst später. Doch findet sich schon ein Hinweis auf diese Entwicklung, die später ein ganzes Volk zum Verzicht auf Fleischgenuß anleitete1). Die Heilkunde war anscheinend schon in rigvedischer Zeit recht ent­ wickelt; zur Zeit des Atharvaveda war sie zum Gebrauch von Zauber­ sprüchen herabgesunken, aber die Astronomie hatte als Zweig der Medizin ziemliche Fortschritte gemacht2). Religion und Philosophie haben sich entscheidend weiterentwickelt. Das Familienoberhaupt übte zwar weiter die häuslichen Bräuche aus, aber öffentliche Tier- und Soma-Opfer waren zu umständlichen Handlungen geworden, die 16 oder 17 Priester benötigten und in einigen Ritualen ein Jahr und noch länger dauerten. Der auffälligste Zug in der Entwicklung religiösen Denkens war die Lehre von der Seelenwanderung. Die Brahmanatexte hatten auf sie voraufgedeutet, wenn sie den Menschen warnten, er könne im Jenseits mehr als einmal den Tod erleiden; die Upanishads lehrten sie ausdrücklich. Die neue Lehre versprach Asketen den Frieden des Himmels und eine Art Fegefeuer im Monde denen, die der rettenden Gnade des Brahman er­ mangelten, dazu die Aussicht, als Pflanze oder Mensch wiedergeboren zu werden. Die Bösen erwartete eine Wiedergeburt als Paria, Hund, Schwein oder Reptil. Brahman, „die heilige Kraft" oder Atman, „das Selbst" wer*) Atharvaveda VI, 70, 1, wo Fleischgenuß neben dem Genuß berauschender Getränke als Sünde bezeichnet wird. 2) Betr. Einfügung von Schalttagen, um das altertümliche Jahr von 12 Monaten zu 30 Tagen zu verbessern, vgl. ,,Camb. Hist. India“ Vol. I, S. 139/140.

Religion.

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den in den Upanishads als die eine, allem zugrunde liegende Wirklichkeit gelehrt. Der Hinduismus vertritt die Ansicht, das „Absolute“ des ratio­ nalen Denkens wie der mystischen Versenkung sei unfaßbar; ihm wird Geistigkeit ohne Gedanken zugeschrieben. Die Lehre von der Maya, wie Shankara sie nachmals lehrte, daß alles Bestehende im Rahmen gewisser Bestimmungen reine Illusion sei, taucht erst im 9. Jahrhundert n. Chr. auf und ist nicht Allgemeingut des Hinduismus1). Die animistischen Vorstellungen der Ureinwohner (die noch heute bei den primitiven Stämmen fortleben) beeinflußten die Lehre von der Seelenwanderung, die mit den Upanishads etwa im 6. Jahrhundert v. Chr. allgemeines Glaubensgut wurde. Später wurde ihr als Entsprechung die Lehre vom Karma („Tun“) eingebaut, die angesichts des Todes eines Men­ schen die Art seiner Wiedergeburt festsetzt. Neben diesem Wandel im philosophischen Denken vollzog sich die Entwicklung der Religion in Richtung auf die heute noch herrschende Form des Hinduismus. Der Gott Rudra, aus dravidischen Quellen, nament­ lich sexuellen Kulten, angereichert, wurde zu Shiva, dem „Gnädigen“, dem vorherrschenden Volksgott; ein Überbleibsel primitiver Vergangen­ heit lebte in der mit Menschenschädeln bekränzten Kali weiter. Vishnu gewann einen bedeutenden Platz im Opferritual; seine Verehrung hielt im Gegensatz zu Shiva, dem Zerstörer, die Idee eines persönlichen Gottes der Liebe aufrecht, der mit seinen Verkörperungen (avataras) unter den Menschen geweilt hat. Als Gott des Lachens, Singens und der Lebensfreude erschien Krishna. Aber bei aller Vielfalt und Entwicklung, die dem umfassenden Wesen des Hinduismus eignen, sind die Hindus eine klar umschriebene Einheit mit gemeinsamer Geschichte, Literatur und Kultur geblieben2). Der Wesensgrund des Hinduismus ist zu allen Zeiten der gleiche, seine heiligen Bräuche herkömmlichen Familien- und Kastenlebens, die der Sitten­ ordnung in anderen Ländern entsprechen, sind alle Jahrhunderte hindurch mit heiligem Eifer als unverletzlich geachtet worden. Nimmt man zum ge­ heiligten Herkommen die Anschauung, daß jeder Gott verehrt werden muß, wie es seinen mutmaßlichen Sonderwünschen entspricht, so begreift man die tantrische Epoche des Hinduismus mit ihren Sexualriten, dem jahrhundertelangen Fortbestand der Kinderheiraten, des weiblichen Kindsmordes und der WitwenVerbrennung — lauter Bräuche, die nicht als unbedingter Bestand des Hinduismus gelten können. Die Stellung des Vaters als Familienhaupt gewann im Lauf der Zeit noch an Würde. Wahrscheinlich kam schon im 8. Jahrhundert v. Chr. die 1) Vgl. zu Einzelheiten der Mayalehre S. Radhakrishnan, „The Hindu View of Life“ (London 1927) S. 61/71. 2) Vgl. „The Hindu View of Life“ passim. Dunbar, Indien.

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Vorschrift auf, daß ein Mann nicht mit seiner Frau zusammen essen solle; das Shatapatha-Brahmana sagt, „von dem, der es nicht tut, kommen starke Söhne“. Etwa 150 Jahre später war es für Knaben der drei oberen Schich­ ten üblich, mehrere Jahre in einer Brahmanenschule zu verbringen, wo sie eine vorwiegend religiöse Erziehung erhielten. Nur Brahmanen durften unterrichten, nur Knaben aus den „zweimal geborenen“ Kasten waren zu­ gelassen. Mädchen erhielten keine Erziehung1), auch heute „hat Schul­ bildung die weibliche Bevölkerung kaum gestreift“2), trotz amtlicher und privater Bemühungen. Die Hindureligion, wie hier beschrieben, geht nur die schmale ge­ bildete Schicht ihrer Anhänger im heutigen Indien an. Die Religion der großen Mehrheit des Volkes besteht in Kastenbräuchen, Familienriten und der Gewinnung guter und böser Geister der unsichtbaren Welt rings­ um. Die Jenseitshoffnungen der Masse sind den Dorfpriestern anvertraut, und wenn sie überhaupt an ein höchstes Wesen denkt, so gilt seine Güte als selbstverständlich. Als die arischen Stämme ihrer Eroberungen in Nordindien sicher waren, begann ihr Kampf untereinander. Eine Zeitlang erscheinen die Kurus am Westufer des Ganges und ihre Verbündeten, die Panchalas an seinem linken Ufer als die herrschenden Völker. Doch bedeuten diese Kämpfe und die Dynastien von Stammeskönigen, deren Namenreihen überliefert sind, nichts Entscheidendes für Indiens Geschichte. Immerhin begab sich viel Wichtiges zwischen dem 6. Jahrhundert v. Chr. und dem Einbruch Alexanders d. Gr. ins Panjab: zwei Religionen wurden begründet, das Industal und ein Teil des Panj ab kam unter Fremdherrschaft, die beiden berühmten indischen Epen nahmen Gestalt an; schließlich stieg damals das Reich von Magadha empor, aus dem zwei mächtige Kaiserreiche hervor­ gehen sollten. Die zweite Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. war voll geistiger Reg­ samkeit. Eine Reihe religiöser Geistesrichtungen spaltete sich vom an­ erkannten pantheistischen Vedanta ab, der heute noch die gültige Philo­ sophie des Brahmanismus ist. Zwei unter ihnen entwickelten sich zu eige­ nen Religionen: Jainismus und Buddhismus. Beide bewegten sich in den Bahnen des Sankhya-Systems, einer der bedeutendsten Lehren Indiens. Sie verkündete die völlige Unabhängigkeit des Geistes im Menschen und versuchte seine Fragen durch reines Denken zu lösen. Beiden Religionen ist mit dem Sankhya gemein, daß sie das Da­ sein eines höchsten göttlichen Wesens verneinen, aber die niederen Gott­ heiten des Brahmanismus anerkennen. Nie hat außer der materialistischen Philosophie eine indische Lehre die Anschauung geleugnet, die allen in1) Vgl. J. N. Farquhar, ,,A Primer of Hinduism“. 2) ,,Indian Statutory Commission“ (Simon Report) Vol. I, p. 392.

Mahavira. — Lehre der Jainas.

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dischen Glauben beherrscht, daß jedes Lebewesen nach seinem Tode viele neue Leben erfahren muß, in Himmeln oder Höllen, als Mensch, Tier oder Pflanze, zu Lohn oder Strafe1). Vardhamana Mahavira, der große Reformator der Jainareligion und Gautama Buddha hatten beide viele Vorläufer, der Jainismus verweist auf 23 ältere Verkünder und 24 frühere „Buddhas“ (Erleuchtete) hatten das Kommen Siddhartha Gautamas, des Buddha, vorhergesagt. Vardhamana, der künftige Mahavira, war der Sohn des Ältesten einer Kriegerfamilie, der Jnatrikas, die bei Videha lebten, der Hauptstadt eines freien Gemeinwesens, einer der größten Städte Indiens. Durch seine Mutter war Vardhamana nahe verwandt mit Bimbisara, dem König von Magadha, der Buddhas Beschützer und der mächtigste Herrscher im öst­ lichen Indien war. Vardhamana wurde um 540 v. Chr. geboren und führte bis zu seinem 30. Jahre etwa, das übliche Leben seines Standes, er gründete einen Haus­ stand und heiratete. Aber als seine Eltern starben, gab er Heim und Besitz auf und wurde wandernder Bettelasket. 13 Jahre lang zog er durchs Land und ertrug geduldig die widrigsten Entbehrungen, lebte in Versenkung und Keuschheit und bezwang seine Sinne. In dieser äußersten Askese errang er unendliches Erkennen und Wissen — so berichten die Jainas — und ward dann berühmt als „Mahavira“ (der Große Held) oder „Jina“ (Sieger). Seine Eltern waren vermutlich Anhänger des Parshva, und Parshvas Lehre war es, die Mahavira mit einigen Zusätzen lehrte. Parshva, der wohl im 8. Jahrhundert v. Chr. gelebt hat, bestand auf vier Gelübden: Leben in keiner Form zu verletzen (dabei glauben die Jainas, daß auch Materie, die im allgemeinen für leblos gilt, belebt ist), die Wahrheit zu sprechen, nicht zu stehlen und das Gelübde der Armut zu halten. Mahavira fügte das Gebot der Keuschheit hinzu und verlangte Nacktheit für seine asketischen Anhänger. Seine Laienanhänger sollten diese Gebote beachten, soweit ihr Beruf es ihnen erlaubte. Die Jainalehre kennt zweierlei Arten Askese: eine äußere besteht aus Fasten, das bis zum heiligen Selbstmord getrieben werden kann, und aus Yogaübungen mit langer einsamer Versenkung in bestimmten Körper­ haltungen. Die innere Askese fordert völlige innere Sammlung, in deren Endstadien das Karma zunichte wird und die Seele den Körper verläßt, um für immer frei zu sein. Karma ist die Fessel der Handlungen, deren Wert oder Unwert in einem früheren Leben den Charakter des gegenwärti­ gen bestimmt hat. Die Jainalehre ist pessimistisch, das Leben gilt ihr als ein Übel, das durch die Seelenwanderung verewigt wird; nur das Erlangen der richtigen Erkenntnis kann die Reihe der Wiedergeburten beendigen. 2) Vgl. Macdonell, „Sanskrit Literature“ Ch. XV.

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Mahavira brachte den Rest seines Lebens damit zu, seine Lehre in Magadha und Videha zu verbreiten. Einige Jahre lang störte ihn dabei ein Rivale, Gosala, dessen farbenfreudige Nachahmung der Lehre Mahaviras andere Anziehungskräfte besaß, als dessen starrer Asketismus. Mahavira starb gegen 468 v. Chr. in Pava1) bei Girivraja, das noch heute ein Wall­ fahrtsziel der Jainas ist. Wahrscheinlich hat er seinen großen Rivalen, Gautama Buddha, um mehr als zehn Jahre überlebt. Die kanonischen heiligen Schriften der Jainas, aus Versen und Prosa bestehend, heißen „Agama" und wurden bis 454 n. Chr. mündlich über­ liefert. Ihr nicht-kanonisches Schrifttum besteht zumeist in Kommentaren, Gedichten, Heiligenlegenden und der Geschichte ihrer Sekte. Diese Lite­ ratur ist teils in einem Prakrit, der Jaina-Maharashtri, teils in Sanskrit abgefaßt; vielleicht stammen die ältesten Lehrsätze, Parabeln, Dialoge und Balladen noch von den ersten Jüngern Mahaviras. Die Jainas ver­ ehren ihre 24 Jinas und bringen den drei „Juwelen" der Jainalehre: Rech­ ter Glaube, rechtes Handeln und rechte Gesinnung ihre Verehrung dar. Die weitere Geschichte dieser bemerkenswert asketischen Lehre, die sich 20 Jahrhunderte lang gleichblieb, ihre Gemeinden selbst erhielt und sich nie an weitausgebreiteter Mission versucht hat, ist schnell erzählt. Der Jainismus gewann Boden im Osten in den Reichen Magadha und Kaiinga; Ujjain in Mittelindien wurde ein weiteres Zentrum, aber um 300 v. Chr. büßte er seine Stellung im östlichen Indien ein, die Jainas wanderten mählich westwärts und begründeten ihre Niederlassungen in Ajmer und Merwara, wo sie mit langsam abnehmender Zahl heute noch leben2). Damals bereitete sich eine Glaubensspaltung vor, die gegen 80 v. Chr. zum Ausbruch kam: der Jainismus zerfiel in die beiden Sekten der Shvetambaras (der „Weißgewandeten") und der Digambaras (der „Luftgewandeten" oder Nackten). Die erstere der beiden Sekten kannte auch Nonnen, die andere nur Mönche. Anfänglich war der Jainismus als eine Art Protestantismus gegen die Autorität brahmanischer Überlieferung aufgetreten, mit der Zeit aber gab er dem Druck der Umwelt nach und nahm das Kastensystem an. Das Gelübde, kein Leben zu vernichten, ver­ hinderte die Jainas Bauern zu sein; sie wandten sich dem Geschäftsleben zu und sind heute wohlhabende Geldverleiher. Die Baukunst des Jainas entwickelte sich erst spät; Zeugnisse ihres frühesten Stils finden sich in Felsenhöhlen von Orissa, einige sind kunst­ voll skulpiert. Sie stammen etwa aus der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. Erst um 900 n. Chr. schufen die Jainas in Anlehnung an Hindutempel Bauten eigenen Stils; hochgewölbte Kuppeln reich mit Figuren und Mustern Camb. Hist. India Vol. I, S. 155, 156, 163. 2) Indian Census Report 1931, Vol. I.

Buddha, Leben und Lehre.

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verziert, hohe Türme, verschwenderisch mit Ornament beladen, geben ihnen ihr Gepräge — am deutlichsten in Khajuraho, wo Jaina- und Brahmanentempel in verwandten Stilen nebeneinander stehen. Die Jainas haben wertvolle Sanskrittraktate über Grammatik und Astronomie verfaßt und mit ihrem Einfluß auf die Entwicklung der süd­ indischen Sprachen Tamil, Telugu und Kanaresisch eine wichtige Rolle in Literatur und Kultur gespielt. Jainismus und Buddhismus zeigen in ihren Anfängen manche ober­ flächliche Ähnlichkeiten. Mahavira und Buddha waren Zeitgenossen, beide entstammten vornehmen Familien und haben jeder eine lange Reihe von Vorläufern. Beide verzichteten auf das Wohlleben ihres Hauses, als sie etwa 30 Jahre alt waren, und suchten die wahre Erkenntnis in angestrengter Versenkung unter Entsagungen und Leiden. Beider Lehren leugnen das Dasein eines allmächtigen Gottes und sind pessimistisch. Das Leben gilt ihnen als Leiden. Beide bestreiten die Heiligkeit der Veden und des Opfer­ rituals und das Privileg der Brahmanen auf geistige Vorherrschaft. Aber sie übernahmen asketische Lebensformen und allgemeine Lebensregeln, die der Brahmanismus guthieß. Beider Ordensgemeinschaften kennen Mönche und Nonnen; bei den Jainas war freilich die Laiengemeinde zu allen Zeiten das überwiegende Element, indes im Buddhismus die Ordens­ gemeinschaften die beherrschende Größe darstellten. In allen anderen Hin­ sichten, vor allem in ihren Hauptlehren, stehen Jainismus und Buddhis­ mus polar zueinander. Gautama wurde um 563 v. Chr. in Lumbini bei Kapilavastu, der Hauptstadt des Shakya-Gemeinwesens geboren. Sein Vater war ein Mann von großem Ansehen und zu Zeiten der gewählte Vorstand der Staats­ versammlung. Als Gautama 29 Jahre alt war, widerte ihn das Wohlleben zu Hause an. Er vollzog den Großen Verzicht auf die Welt und ihre Güter und begab sich nach Gaya; dort lebte er etwa 6 Jahre in strengster Askese. Dort kam ihm, als er in Versenkung unter dem heiligen Baume saß, die Erleuchtung. Er hatte den „Mittleren Weg" und den „Achtfachen Pfad" gefunden. Der „Mittlere Weg" vermeidet ein Übermaß von Selbstliebe in Weltfreuden einerseits, wie anderseits Selbstqual in Askese. Letztere hatte Buddha erprobt und unzulänglich befunden. Der „Achtfache Pfad" zielte auf das Rechte innerhalb von acht Gebieten des Denkens, Redens und Handelns. Buddha verwarf die allgemeingültigen Vorstellungen von den Hindugöttern nie ausdrücklich; er übernahm die Lehren von der Seelenwande­ rung und vom Karma, aber er leugnete die Existenz der Seele und lehrte, das Karma wirke ohne das Bindeglied der Seele von einer Ge­ burt zur nächsten. Von einem höchsten Wesen fand sich nichts in seiner Lehre.

Es kam ihm darauf an, einen Lebensstil zu lehren, für seine Mönchs­ gemeinde wie für Laien. Er lehrte die Vier Großen Wahrheiten: das Leben ist Leiden, und Verlangen ist seine Ursache, Erlösung vom Leiden wird durch Sieg über das Verlangen errungen, und dieser Sieg erringt sich, wenn man den Achtfachen Pfad beschreitet. Er war kein sozialer Re­ former, er trat nicht gegen das Kastenwesen auf, aber die Kaste spielte bei der Aufnahme von Anhängern keine Rolle; die Verkünder seiner Lehre hatten auf die Welt als nichtig verzichtet. Die neue Lehre des „Rechten Wandels" um das Leiden zu enden, verbreitete sich geschwind; in wenigen Jahren entstand der „Sangha", der Mönchsorden pilgernder Bettelbrüder. Bald folgte der Nonnenorden mit seinen acht Regeln des Gehorsams gegen die Brüder. Buddha verbrachte den Rest seines Lebens auf der Wanderschaft durch Magadha und Kosala und bei seinen Landsleuten, den Shakyas; er lehrte in der Volkssprache und starb zu Kushinagara nahe der Grenze Nepals um 483 v. Chr. Buddhas eigene Lehre soll in den „Drei Körben" (Tripitaka) ent­ halten sein. Diese sind in Pali abgefaßt, der Kirchensprache des Buddhis­ mus in Ceylon, Siam und Birma. Nepal bewahrt Stücke einer Sanskrit­ fassung dieses Kanons, auf einer solchen beruhte die Übersetzungsliteratur des mongolischen Asiens bis nach Japan hin. Der Buddhismus eignete sich das Sanskrit nur langsam an, vom 6. Jahrhundert n. Chr. bedient er sich seiner ausschließlich. In Gestalt des „Hinayana", des „Kleinen Fahrzeugs" zur Erlösung, blieb der Buddhismus bis etwa ins 1. Jahrhundert n. Chr. unverändert; dann entstand das „Große Fahrzeug" (Mahayana). Der Buddhismus be­ gann, Gautama als Gottheit zu verehren und die Vorstellung von künf­ tigen Buddhas und ihren weiblichen Kräften (shakti) zu entwickeln. Die Jatakas (Erzählungen von früheren Geburten des Buddha) sind innerhalb der buddhistischen Literatur und Kunst berühmt. Eine Samm­ lung von Jatakas bestand schon 380 v. Chr.1) und die Tore des großen Stupas von Sanchi sind mit Reliefdarstellungen dieser Legenden ge­ schmückt. Auf buddhistischen Skulpturen sind uns die ältesten Bilder von Hindugöttern erhalten, z. B. die Göttin Shri aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. auf dem Stupa von Barhut. Die frühesten wirklichen Buddha­ figuren an Stelle abstrakter Sinnbilder finden sich erst um 100 n. Chr. in Gandhara. Das „Große Fahrzeug" ist die Religion von Nepal und Tibet; in Vorderindien selbst erwies sich der Brahmanismus schließlich als über­ mächtig, und mit dem Einbruch der Mohammedaner in Indien verschwand der Buddhismus schließlich ganz aus seinem Ursprungsland. Heute sind *) Macdonell, „Sanskrit Literature“ S. 369.

Buddha, Leben und Lebte.

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von ihm in Indien selbst nur mehr Reste seiner Kunst und Klöster übrig: Felsgrotten und Stupas, d. h. Kuppelbauten aus Ziegeln oder Stein, um­ rahmt von wuchtigen Steinkopien hölzerner Gitterzäune. Ihr Inneres birgt einen Reliquienbehälter. Die kleinsten Stupas sind Votivgaben in Miniaturform, der größte in Anuradhapura (Ceylon) überragt alle Pyra­ miden Ägyptens außer den beiden größten1). — Es gibt auch Stupas der Jainas2). Der Buddhismus hat auf die ganze Welt in Ost und West gewirkt. Spuren seiner Ausbreitung nach China lassen sich bis 67 n. Chr. hinauf verfolgen, um das 5. Jahrhundert ist er in China heimisch. Etwa 100 Jahre später öffnet sich der Handelsweg durch Zentralasien, eine blühende indische Niederlassung entstand in Loyang (China) und die indo­ buddhistische Kunst begann ihre tiefe Wirkung auf China, Korea und Japan3). Auch Europa ist dem Buddhismus auf immer verpflichtet; Die Nischenform buddhistischer Architektur des 4. Jahrhunderts v. Chr. wurde von den Persern übernommen und zum Spitzbogen entwickelt, mit dem persischen Rippengewölbe und seinen Strebepfeilern wurde sie zum Vorbild für die gotische Baukunst der westlichen Kathedralen. Als Jainismus und Buddhismus sich im Gangeslande ausbreiteten, hatte eine fremde Macht von gleichem Stamm wie die Indo-Arier am Indusufer Fuß gefaßt. Der Perserkönig Kyros war bis ins heutige Afghani­ stan und Belutschistan gedrungen. Dareios I. aber hatte um 518 v. Chr. Gandhara (die heutigen Distrikte Peshawar und Rawalpindi) annektiert und aus dem unteren Industal die 20., reichste Satrapie. des Perserreichs gemacht. Der Tribut dieser indischen Satrapie an den Schatz des Groß­ königs betrug 360 Talente Goldstaub4), was über einer Million Pfund Sterling entspricht und ungefähr einem Drittel des Gesamteinkommens aus den asiatischen Provinzen gleichkam. Etwa ein Jahr später sandte Dareios den Griechen Skylax mit einer Expedition vom Zusammenfluß des Indus mit dem Kabul zur Indus­ mündung. Die Flotte fuhr weiter und gelangte nach Ägypten, sie erreichte Arsinoe (Suez) zwei und ein halbes Jahr nach Antritt der Fahrt. Skylax schrieb später ein indisches Reisebuch, das leider verlorenging; darin war die Rede von Menschen, die ihre riesigen Füße als Sonnenschirme benutzten, andere wickelten sich statt in Bettdecken in ihre Ohren, wenn sie sich schlafen legten. Frühe griechische Schriftsteller, z. B. Herodot A. Coomaraswamy, ,,Arts u. Crafts of India and Ceylon“. 2) V. Smith, ,,History of Fine Art in India and Ceylon" and Ed. revised by K. de B. Codrington. 3) A. Coomaraswamy, ,,History of Indian and Indonesian Art“ (1927), S. i4iff. 4) Herodot III, 94.

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und Ktesias haben daraus zitiert1). Ktesias war ein griechischer Arzt am Hof des Perserkönigs Artaxerxes Mnemon (415—397 v. Chr.), dort hatte er Gelegenheit, Reisenden aus Indien zu begegnen. Es haben sich nur Fragmente seiner Schriften erhalten, aber seinen „Indika" entnahmen die Griechen ihre Ansichten vom östlichen Wunderlande. Leider kannte seine Phantasie keine Grenzen. Die persische Macht scheint nicht* tiefer nach Indien hineingereicht zu haben, aber die Satrapie wurde bis zur Er­ oberung durch Alexander den Großen behauptet. Ein indisches Kon­ tingent aus Kampfwagen und Bogenschützen zu Pferd und zu Fuß zog unter Xerxes mit nach Griechenland; bei Arbela, wo Dareios III. sich zum letzten Male Alexander stellte, kämpften im Perserheere Inder mit einer Elefantenabteilung. Zwischen 600—200 v. Chr. beginnt für uns in Indien, was man im eigentlichen Sinne Geschichte nennen kann. Literarisch ist es die Periode der Sutras, die das sakrale und rechtliche Überlieferungsgut aufzeichnen, auf ihnen beruhen auch die späteren Gesetzbücher. Gegen Ende dieser Zeit schälten sich die Epen aus den Liedern der Sänger alter Zeiten heraus. Der Stil der Sutras hielt sich als Form klassischer Literatur über 1000 Jahre, eigentlich lebt er heute noch in der Kommentarliteratur indischer Juristen zum älteren Schrifttum. Die Sutras bezeichnen das dritte und letzte Stadium der vedischen Literatur. Sie bestehen aus: 1. Ritualliteratur: die Shrauta-Sutras, die sich auf die Offenbarung (shruti, d. h. die ältere vedische Überlieferung) beziehen, daneben die Grihya-Sutras, die sich mit den häuslichen Bräuchen befassen. 2. Rechtsbücher: die Dharma-Sutras, älteste Rechtsquellen und, wie ihr Name besagt, religiös gebunden. 3. Literatur sakraler Hilfswissenschaften, Grammatik und theologische Kommentare. In seinen Epen „Ramayana“ und „Mahabharata" besitzt Indien ein Gegenstück zur Ilias. In die Volkssprachen übersetzt und in Volksausgaben verbreitet sind beide — was der Sanskritliteratur sonst nicht beschieden ist — in jeder Hindufamilie zu Hause, öffentlich und in den Häusern wer­ den sie überall im Lande rezitiert. Ihre Gestalten, Männer wie Frauen, lebten, abgesehen von ihren romantischen Abenteuern und den Kriegen kämpfender Stämme, ziemlich das gleiche Leben wie die Hindus von heute. Manches hat sich freilich verändert, z. B. die freie Gattenwahl, die den Mädchen damals zustand, existiert nicht mehr; oder die Vermählung der Draupadi im Mahabharata mit fünf Brüdern auf einmal, eine Form des Inzests, die dem späteren Hinduismus anstößig ist, doch in Tibet z. B. *) Mc. Crindle, „Ancient India as described by Ktesias“ S. 60.

Ramayana. — Mahabharata.

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heute noch Sitte ist. Und als die Epen ihre endgültige Form fanden, gehörte das Schlachten von Kühen und das Pferdeopfer der Vergangen­ heit an. Das Ramayana ist von seinen brahmanischen Bearbeitern (wie V. Smith gezeigt hat) zu einem religiösen Buche umgestaltet und der Ver­ ehrung Vishnus geweiht worden. Rama, die Verkörperung des Gottes, wurde zum Gott-Mann und Retter der Menschheit für Millionen frommer Gläubiger, die seinen Namen mit dem Ruf „Ram Ram" dauernd auf den Lippen führen. Er wird als Ideal edler Männlichkeit verehrt, indes seine Gattin Sita das Vorbild wahrer Weiblichkeit ist1). Die Hindus unterscheiden bei ihrer epischen Dichtung „ItihasaPurana" (Erzählung und Legende) und „Kavya“ (Gedicht); das Maha­ bharata ist das beste und älteste Beispiel der Gattung Itihasa-Purana, ent­ hält aber auch Gedichte, indes das Ramayana mit seinen glatten Versen der Kavyagattung angehört. Das Ramayana ist (mit Ausnahme seines ersten und letzten Buches, die wohl erst etwa im 2. Jahrhundert v. Chr. und später hinzugekommen sind) das Werk eines einzigen Dichters, des Einsiedlers Valmiki, der in Kosala vermutlich vor Buddhas Zeit lebte. Es erzählt in 7 Büchern, die 48000 Verse umfassen, die Geschichte von Rama, dem Sohn des Königs von Ayodhya. Rama und seine Gattin Sita werden durch eine Intrige vom Hofe vertrieben und bestehen viele Abenteuer unter Ungeheuern und Dämonen; schließlich kehren beide glücklich heim, um ruhmvoll zu herrschen. Das Mahabharata ist dagegen das Werk vieler Verfasser. In seiner heutigen Gestalt, aufgeschwemmt von Legenden, Lehrtexten über Recht, Philosophie, Religion und die Pflichten der Kriegerkaste, umfaßt es rund 200000 Verse. Es ist die Schöpfung vieler Jahrhunderte, wahrscheinlich aus viel älterem Legendengut etwa zwischen dem 4. Jahrhundert v. Chr. und dem 3. oder 4. Jahrhundert n. Chr. aufgebaut. Es ist die erste klare, ziemlich bündige Quelle politischen Denkens in Indien. Den Hauptinhalt bildet — wie in der Ilias — die Geschichte eines gro­ ßen Krieges, der alle Völker Indiens in die Fehde zwischen den Kurus und den Pandus verwickelt. Die 18 Tage währende Entscheidungsschlacht wird nahe beim heutigen Delhi ausgekochten, beide Parteien werden fast völlig aufgerieben. Dieser Krieg kann als geschichtliches Ereignis gelten, das sich im Lande Kurukshetra, dem „Feld der Kurus“ abspielte, dem Zen­ trum, von dem die indo-arische Kultur ihre schließliche Verbreitung nahm. Die Überlieferung verlegt diesen Krieg in das Jahr 3102 v. Chr., aber Rapson hat ca. 1000 v. Chr. als Datum dafür errechnet2). V. Smith, ,,Oxford History of India“ S. 27, 28. 2) „Camb. Hist. India“ Vol. I, Ch. XIII.



I. Frühzeit. 3000—327 v. Chr.

In einer Eingangsszene wird der König der Pandus herausgefordert, mit dem besten Würfelspieler am Hof der Kurus zu spielen; er verspielt nacheinander Schatz, Heer, Reich, seine vier Brüder und schließlich seine Frau Draupadi (mit der auch die Brüder verheiratet sind). Sein letzter Wurf schickt ihn mit den Seinen für zwölf Jahre in die Verbannung. Nach seiner Rückkehr aus dem Exil beginnt der Pandukönig den Vergeltungs­ krieg, der mit der völligen Vernichtung der Kurus endet1). Zu den ältesten und volkstümlichsten Geschichten im Mahabharata gehört die von Nala und der schönen Prinzessin Damayanti, die Nala auf lange verläßt. Auch in ihr spielen die Würfel eine Rolle, aber hier führen sie auch das gute Ende herbei. Das Königreich Magadha tritt mit Bimbisara, dem fünften König seines Herrscherhauses der Shishunaga ins helle Licht der Geschichte. Diese Dynastie war von einem Heerführer begründet worden, der Girivraja zu seiner Hauptstadt machte; als Bimbisara, 15 Jahre alt, 543 v. Chr. den Thron bestieg, war sein Reich etwa nur ein Siebentel so groß wie Kosala, das damals als Haupt eines Bundes von Klans und freien Gemein­ schaften die Hauptmacht Nordindiens darstellte. Bimbisara, zwar selbst ein Anhänger des Jainismus, war ein Freund des Buddha und den neuen Zeitströmungen offen. Er baute eine neue, größere Hauptstadt, Rajagriha, und tat mit der Eroberung des Nachbar­ landes Anga den ersten Schritt zur künftigen Größe seines Reiches. Sein Sohn und Nachfolger Ajatashatru, auf dem der Verdacht liegt, er habe seinen Vater ermordet, fügte dem Reiche Kashi, Kosala und Videha hinzu und erbaute eine feste Stadt, die sich zu der berühmten Residenz Pataliputra entwickelte (heute Patna). Von den Kshatriyakönigen aus dem Shishunagageschlecht, die ihm folgten, sind uns nur die Namen erhalten. Der letzte heiratete eine Shudrafrau und gründete die Shudradynastie der Neun Nandas, von denen man wenig weiß. Einer von ihnen, wahrscheinlich ein Jaina namens Dhanananda, regierte 326 v. Chr., als Alexanders Makedonen sich weigerten, den Bias zu überschreiten und er sich zum Indus zurückwandte. Der Oberbefehlshaber des Heeres von Magadha war unter Dhanananda ein junger Mann, namens Chandragupta; er wurde in eine Ver­ schwörung gegen den Thron verstrickt, mußte fliehen und wurde der Begründer des ersten indischen Kaiserreichs. x) Eine ausführlichere Darstellung der Epen findet sich in Macdonell, „History of Sanskrit Literature“; vgl. auch ,,Camb. Hist. India“ Vol.I, Ch. XI, für den lebendigen Bericht der Spielszene, in der die alten Männer, die dem Spiel zuschauen, den Chor bilden.

II. KAPITEL

DAS REICH DER MAURYAS Im Winter 327 v. Chr. sicherte Alexander der Große seine Ver­ bindungslinien in Afghanistan1). Sein Heer von 30000 Mann umfaßte so viel verschiedene Völker, als Napoleons Grande Armee aus Ländern, die einander so fremd waren, wie Thrakien und der Hindukush; die schwere, makedonische Phalanx und die glänzende griechische Reiterei bildeten sein Rückgrat. Er hatte das arische Großreich der Perser niedergeworfen; im Früh­ jahr 326 v. Chr. begann er seinen Zug nach Indien, das aus einander feind­ lichen Königreichen und kleineren Staaten bestand, die unter sich um ihre Unabhängigkeit kämpften. Kaum hatte er den Indus überschritten, als Ambhi, der König von Taxila — damals ein Hauptsitz brahmanischer Gelehrsamkeit — ihm Elefanten, Silber, Schaf- und Ochsenherden als Geschenk übersandte und ihn als seinen Oberherrn in seine Hauptstadt einlud. Ambhi sah sich von den Purus bedroht, er begriff, das unbesiegbare Heer der „Yavanas“2) ließe sich gegen seine angriffsbereiten Nachbarn einsetzen, ohne ihn selbst zu vernichten. Von Taxila rückte Alexander gegen die Purus vor, die unter ihrem König — von den Griechen Poros genannt — die Linie des Hydaspes (Jhelum) halten wollten; Ambhi selbst schickte 5000 Mann eigener Truppen gegen die eigenen Landsleute ins Feld; er gab damit das Beispiel eines Verhaltens, das Fremdmächten in kommenden Jahrhunderten immer wie­ der zur Macht über Indien verhelfen sollte. Im Gefecht bei Jalalpura3) am Jhelum war Alexanders Taktik bei dem schwierigen Unternehmen, angesichts eines starken Gegners den Fluß zu überschreiten, erfolgreich. In der nächsten Schlacht war die Front 2) Zu Alexanders Marschroute vgl. Robinsons , ,Ephemerides“ und McCrindle, ,,Ancient India as described in Classical Literature“. 2) „Yavana“ wörtlich ,,Ionier“: so heißen die Griechen in indischen Berichten und In­ schriften vom 3. Jahrhundert v. Chr. bis zum 2. Jahrhundert n. Chr. (z. B. bei Fachausdrücken griechischer Astronomie und bei Erwähnung griechischer Mädchen im Hofstaat indischer Fürsten). 3) Vgl. Sir Aurel Stein, „The Times“, London 15. IV. 32, aber vgl. auch V. Smith, „Early History of India S. 71—78.

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II. Das Reich der Mauryas. 327—184

V.

Chr.

König Poros 4 Meilen breit mit 200 Elefanten im Zentrum und ZOO Kampf­ wagen auf den Flügeln der ersten Schlachtreihe, dahinter standen 30000 Mann Fußvolk mit 4000 Reitern auf den Flügeln in Reserve. Die make­ donische Phalanx hielt dem Ansturm der Elefanten stand, Alexanders Reiterei überflügelte die feindliche Linie und Poros wurde völlig geschlagen. Aber Würde und Mut des Besiegten machten einen tiefen Eindruck auf Alexander; in weiser Großmut ließ er ihm sein Königreich, indes Poros die griechische Oberhoheit anerkannte. Es gelang Alexander teils in Kämpfen, bei denen seine indischen Ver­ bündeten ihm beistanden, teils durch diplomatisches Geschick bis zum Hyphasis (Bias) vorzudringen. Es war ihm aber nicht beschieden, sich jenseits des Sutlej mit dem mächtigen Reiche Magadha zu messen, in jener großen Ebene, die Indiens geschichtlicher Mittelpunkt ist, deren Boden immer wieder ein Delhi getragen hat und mehr als einmal Indiens Schick­ sal sich entscheiden sah. Seine Makedonen weigerten sich, ihm in weitere Fernen zu folgen; Alexander mußte umkehren. Er kam nach Bukephala1), der Stadt, die er jüngst begründet hatte, um hier und in Nicaea griechische Siedler am Rande seines Reiches an­ zusetzen, und segelte 325 v. Chr. den Indus hinab zur Küste des Persischen Golfes. Nearchos, sein Admiral, schrieb später einen Bericht über die indische Expedition, den Arrian viel zitiert. Zwanzig griechische Chro­ nisten schrieben Geschichtswerke über den Feldzug, aber wir haben nur Zitate aus ihnen in den Werken späterer Autoren2). Zwei Jahre später lag Alexander tot in Babylon, sechs Jahre später war die kurzlebige europäische Herrschaft seiner Satrapen dahingeschwun­ den. Aber es blieb die Verbindung zwischen Indien und Europa, sie wurde durch griechische Reiche aufrechterhalten, die aus dem Zerfall der Herr­ schaft Alexanders hervorgingen. Mit dem Vorstoß Europas nach Indien war es zu Ende, bis Vasco da Gama das Arabische Meer überquerte und 1498 seinen Gedenkpfeiler in Calicut aufrichtete. Bald nach Alexanders Rückzug bemächtigte sich Chandragupta mit Hilfe seines fähigen Rat­ gebers, des Brahmanen Chanakya (Kautalya) des Thrones von Magadha und begründete die Maurya-Dynastie in Pataliputra. Vielleicht gehörte er selbst der Nanda-Familie an, aber er ließ, um sich die Macht zu sichern Dhanananda und seine ganze Familie umbringen. Mitleidslos verfolgte er sein ehrgeiziges Ziel, seine Herrschaft über ganz Indien nördlich der Narbada auszudehnen. Ein Staat nach dem ande­ ren wurde ihm untertan, bis er seine eigene Herrschaft durch einen An­ griff von außen bedroht sah. x) So benannt nach Alexanders Schlachtroß Bukephalos, das dort bestattet wurde. Vermut­ lich an der Stelle des heutigen Jalalpur gelegen. 2) McCrindle, „The Invasion of India by Alexander the Great“.

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II. Das Reich der Mauryas. 327—184 v. Chr.

Seleukos Nikator, Satrap von Babylon, König von Syrien und Er­ oberer Bektriens 20g auf der Höhe seiner abenteuerlichen Laufbahn gegen 305 v. Chr. über den Indus, um Hindustan zu erobern. Chandragupta rückte ihm entgegen, es heißt1), er konnte 9000 Elefanten, eine Menge Kampfwagen, 30000 Reiter und 600000 Mann Fußvolk ins Feld führen. Kein Bericht vermeldet, was geschah. Aber im Friedensvertrage zwischen beiden Herrschern überließ Seleukos Nikator für 500 Elefanten Chandra­ gupta, dem Sandrakottos der Griechen ein Gebiet, das die Grenzen seines Reiches bis an den Hindukush im Norden und westwärts bis ins Hoch­ land oberhalb von Herat verschob. In Indien selbst fielen die Westprovinzen (heute Sind, Kathiawar, Gujarat und Malwa) unter die Oberherrschaft von Pataliputra; damit war das erste indische Kaiserreich, die Herrschaft der Mauryakönige von Magadha, begründet. Diese Provinzen wurden wahrscheinlich unter Chandraguptas Herrschaft einverleibt, jedenfalls besaß sie sein Enkel Ashoka. Seleukos behandelte Chandragupta als ebenbürtig und schickte einen Gesandten an seinen Hof. Dieser Gesandte war Megasthenes, dem wir eine wunderbar lebendige Schilderung Indiens von vor 2200 Jahren verdanken. Seine Schriften sind zwar verloren gegangen, aber sie werden ausführlich von Arrian (einem griechischen Beamten des römischen Kaiser­ reichs im 2. Jahrhundert n. Chr.) und von andern Autoren zitiert2). Pataliputra war eine Stadt aus Holz, auf einer Landzunge an der Mündung des Son in den Ganges; die Stadtanlage bildete ein Rechteck, fast 12 km lang und über 5 km breit. Eine ringsum laufende Palisaden­ mauer aus wuchtigen Stämmen mit 570 Türmen und 64 Ausfalltoren bildete ihre Wehr. Vor dieser Befestigung lief ein tiefer Graben, 180 m breit, den der Son mit seinem Wasser speiste. Den königlichen Palast fand Megasthenes so großartig wie die Residenz in Susa und Ekbatana; er stand in einem prachtvollen Park voll Fischteichen, Pfauen und Fasanen. Es heißt, der König lebte mit etwas barbarischem Prunk in diesem Holz­ bau von Palast mit vergoldeten Säulen, an seiner Tafel wurde auf goldenen Schüsseln von 6 Fuß Durchmesser serviert. Dem Volke zeigte er sich in einer goldenen Sänfte oder auf einem Elefanten. Der König besaß Kronländer, die z. T. von Sklaven bestellt wurden, aber seine Einkünfte, aus denen er die Hofhaltung bestritt, kamen größten­ teils aus der Besteuerung der Bauern, die zu allen Zeiten die Grundlage indischer Staatsfinanzen gebildet hat. Eigentlich gehörte alles Land dem König; wer es bebaute, leistete ihm eine Grundsteuer, außerdem ein Viertel des Ernteertrags. Die Leistung erfolgte teils in Naturalien, teils in Arbeit. *) Bei Plinius; vgl. McCrindlc, „Ancient India as described by Megasthenes and Arrian“. 2) Vgl. McCrindle, „Ancient India, Megasthenes and Arrian“.

Verwaltung. — Zentralregierung.

Zi

Als Mcgasthenes am Hofe von Pataliputra weilte, umfaßte der Re­ gierungsapparat ein großes Personal: Staatsbeamte, Magistrate, örtliche Verwaltung und königliche Räte. Es ist schwer zu sagen, wie weit dieser Organismus schon unter den Nandakönigen ausgebildet war; sicher be­ saßen sie ein starkes Heer, um ihrer Herrschaft Nachdruck zu verleihen. Während der Mauryazeit und in der ganzen indischen Geschichte ist Landwirtschaft die überwiegende Erwerbsquelle des Landes. Die praktische kleinere Verwaltungseinheit war daher das Dorf unter seinem Ältesten (gramani), der damals von der Regierung ernannt wurde. Er verfügte über den Ertrag und überwachte den Anbau, ein Rat von Älte­ sten (panchayat) stand ihm zur Seite. Die Politik der Mauryas bestand darin, durch planmäßige Besiedelung dünn bevölkerter Gegenden für eine gleichmäßige Verteilung der Landbevölkerung zu sorgen. Beamte zur Hebung der Landwirtschaft sollten „das Bewässerungsnetz der Flüsse überwachen, das Land vermessen (wie in Ägypten) und die Schleusen kontrollieren, die das Wasser aus den Hauptkanälen ableiteten, um allen den gleichen Anteil zukommen zu lassen“1). Der staatliche Wasserzins war freilich eine starke Belastung, er schwankte zwischen einem Drittel und einem Fünftel des Bodenertrages2). Die Dörfer unterstanden (in Gruppen bis zu zwölf) einem „gopa“, der höheren Beamten unterstellt war; zur Zeit Ashokas finden wir „rajukas“, die für mehrere iooooo Menschen verantwortlich waren. Die Distriktbeamten bilden die erste der drei Gruppen von Staats­ beamten, die Megasthenes erwähnt; sie verwalteten Bewässerung, Ver­ messung, Jagd, Landwirtschaft und Forstwesen, Gießereien, Bergwerke und das Straßennetz mit seiner Meilenmarkierung. Chandragupta unterstellte die Verwaltung seiner Hauptstadt 6 Be­ hörden zu je 5 Personen; diese Magistratspersonen bildeten die zweite Gruppe der Staatsbeamten. Ihre sechs Bereiche umfaßten: 1. Verwaltung der staatlichen Werkstätten. 2. Das Fremdenwesen (mit Herbergskontrolle, Krankenfürsorge und Bestattungswesen). 3. Geburts- und Sterberegister zwecks Steuerveranlagung und Aus­ stellung von Urkunden. 4. Handel und Gewerbe, Kontrolle von Maßen und Gewichten und Marktordnung. 5. Abschätzung handwerklicher Erzeugnisse und ihre Bezeichnung, ob neu oder aus zweiter Hand. 6. Erhebung einer Umsatzsteuer von 10% aus jedem Verkauf. *) Strabo, der Megasthenes zitiert (siehe S. 86—89). 2) Vgl. Arthashastra des Kautalya Buch II, Kap. 24, S. 140 der Übersetzung von Shamasastry.

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II. Das Reich der Mauryas. 327—184 v. Chr.

Diese sechs Ämter überwachten zusammen Preisgestaltung und öffent­ liche Arbeiten, Tempel und Häfen. In Stadt und Land gab es Besitz- und Personenstandsregister1). Ein Paßamt verabfolgte gegen Zahlung Pässe zur Ein- und Ausreise2). Die Staatsmaschine war wunderbar organisiert, aber ein Heer von Strafen konnte die Korruption, die in den Ämtern blühte, nicht eindämmen. Kautalya bemerkt, „so wenig man feststellen kann, ob Fische, im Wasser schwimmend, davon trinken oder nicht, kann man Beamte die sich an Staatsgeldern vergreifen, dabei erwischen“. Er zählt über 40 Arten von Unterschlagung auf, die im Schwange waren3). Das Kriegsamt stellte die dritte Beamtengruppe; es bestand gleichfalls aus 6 Behörden zu je 5 Mitgliedern, deren jede ein großes Sekretariat besaß: 1. Flotte, 4. Reiterei, 2. Generalquartiermeister, 5. Kampfwagen, 3. Fußvolk, 6. Elefanten. Die Wehrmacht bestand aus Berufssoldaten — ein erblicher Stand, der die alte Kshatriyaschicht darstellt —, aus Lehnsleuten, die z. T. wohl nicht der Kriegerkaste angehörten, und aus zum Kriegsdienst Einberufenen aus den Gilden der Berufe, schließlich aus wilden Hilfsvölkern des Djungeis, die wohl bei kleineren Unternehmungen Verwendung fanden4). Die vier Waffengattungen warenElefanten, vierspännige Kriegswagen, Reiterei und Fußvolk. Zur Ausrüstung eines Heeres gehörten feste und beweg­ liche Kriegsmaschinen, darunter die „Hundert-Töter“. Man kannte Vor­ hut und Reserve, die Entfaltung eines Heeres zur Schlacht kann man an den Anordnungen, die Poros vor der Schlacht am Jhelum gab, ersehen. Die Schlacht war nicht mehr ein Gemenge wilder Horden, an ihre Stelle waren disziplinierte Formationen getreten. Die Kriegskunst wurde syste­ matisch erlernt, das Leben verwundeter Gefangener sollte geschont wer­ den. Kautalyas Lehrbuch der Staatskunst (Arthashastra) enthält neben Kapiteln über Heer- und Pionierwesen fünf Bücher ausführlicher Grund­ lehren der Kriegsführung mit einer Felddienstordnung. Die Hauptstadt wurde kunstgerecht verteidigt; sie hatte vorspringende Festungswerke, gedeckte Wehrgänge und einen breiten Ring weg im Rücken der Stadtmauer. Die Landesgrenzen waren durch Festungswerke gesichert, an strategisch wichtigen Punkten des Inneren erhoben sich feste Plätze. Zu den höchsten Ministern gehörten der Schatzmeister, der Arbeits­ minister (dessen Aufsicht von den öffentlichen Gebäuden bis zu den Arthashastra Buch II, Kap. 36 (S. 175). 2) Arthashastra Buch II, Kap. 34, S. 171—172. 3) Arthashastra Buch II, Kap. 9, S. 77, 72. 4) „Camb. Hist. India“ Vol. I, S. 489.

Der König.

33 Regenmessern reichte), der höchste Justizbeamte, der Minister der kgl. Kanzlei, der die Dekrete ausfertigte, der Hofmarschall und der Komman­ dant der Leibgarde. Diesen Ämtern war das „Innere Kabinett der Vier“ übergeordnet, es bestand aus dem „Diwan“ (Kanzler), dem „Purohita“ (Hofpriester und geistlicher Berater), dem „Senapati“ (Chef der Wehrmacht) und dem „Yuvaraja“ (Thronfolger)1). Das alte Wahlkönigtum war damals endgültig dahin, aber die Erb­ folge nach dem Alter hatte sich noch nicht herausgebildet. Der König wählte unter Beteiligung des Volkes den Thronfolger unter seinen Söhnen. Für den gewählten Prinzen war eine sehr strenge geistige und moralische Ausbildung vorgeschrieben. Eine Reihe hoher Staatsämter war erblich, der Purohita war selbst­ verständlich ein Brahmane; auch sonst hätte es nahe gelegen, die hohen Beamten den oberen Kasten zu entnehmen, aber die Nandas und Mauryas, selbst von niedriger Herkunft, nahmen einen Standpunkt ein, der früher undenkbar war: Geburt blieb ein großes Vorrecht, aber es war möglich, es durch Fähigkeiten zu überflügeln. Der Aufstieg niedrig geborener Männer zur Macht ist in der indischen Geschichte nicht selten. Indiens Eroberer, Fremde wie Einheimische, haben seit Alexanders kurzer, räum­ lich begrenzter Herrschaft die Fürsten, die sie unterwarfen, nicht wirklich abgesetzt. Zur Zeit Chandraguptas wurde die Form der Zentralregierung entschieden nur flüchtig über das System der Stammeskönige gelegt, das noch im Panjab bestand. Aber die Sendschreiben des Herrschers ergingen bis an die äußersten Grenzen des Großreiches und wurden befolgt; es war ein Kaiserreich, das sich aus einem Staatenbund erhob. Das Splitter­ wesen adliger Fürstentümer und oligarchischer Gemeinwesen, die einander befehdeten, hatte der hochorganisierten Bürokratie einer oberen Zentral­ gewalt Platz gemacht, die sich auf ein starkes stehendes Heer und Scharen von Spitzeln und Agenten beiderlei Geschlechts stützte, wie sie die Polizei im heutigen Rußland aufzuweisen hat. Über diesem Regierungsapparat schwebte der König; neben Kautalyas Grundlehren über Außenpolitik und Tageseinteilung des Herrschers2) erscheinen Machiavellis Ratschläge zur Staatskunst und v. Stockmars Lehren über die Pflichten des Königs eher schwächlich. x) B. Prasad, ,,Theory of Government in Ancient India“ S. 124. 2) Im „Arthashastra“ (Handbuch der Staatskunst), das Chanakya (Kautalya) dem großen Staatsmann der Mauryadynastie zu geschrieben und um 300 datiert wird. Selbst wenn dieses herkömmliche Datum zu hoch angesetzt sein sollte, bleibt das Arthashastra eine hervorragende Quelle indischer Staatsweisheit jener Zeit, es hat die folgenden Epochen aufs stärkste beein­ flußt. (Camb. Hist. India Vol. I, Chap. XIX und Prasad, „Theory of Government in Ancient India“ Chap. V.) Dunbar, Indien.

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Nach seinem „Arthashastra“ steht das Staatswohl über allen Gesetzen und jedes Mittel ist ihm recht. Die Außenpolitik besteht, soweit es sich um Nachbarmächte handelt, in den vier „Verfahren“: Krieg, Versöhnung, Bestechung und Entzweiung des Gegners. Allesamt bieten Gelegenheit zur Entfaltung äußerster Feinheiten an Verräterei, Propaganda und diplo­ matischen Schachzügen. Die Tageseinteilung ließ dem König 4% Stunden für den Schlaf, 3 Stunden für Bäder, Mahlzeiten und private Arbeiten, 1 % für die Er­ füllung religiöser Pflichten, ebensoviel waren ihm zur Erholung frei­ gestellt. 13 2 Stunden waren den Staatsgeschäften gewidmet, anfangend mit der Begrüßung durch den Purohita vor Morgengrauen, bis zu den abendlichen Berichten der Geheimagenten und der letzten Audienz spät nachts für Asketen und Leibärzte im Raum des heiligen Hausfeuers1). Im weiten Palast des Herrschers mit Geheimgängen und -treppen und hohlen Säulen, mit den Gemächern der Königinnen und Konkubinen hinter hohen Mauern war jede erdenkliche Vorkehrung für die Sicherheit des Königs getroffen; zog er sich unter Musik zum Schlafen zurück, so wechselte er ständig sein Schlafgemach, aus Angst vor Anschlägen2). Man weiß nicht, wie weit Chandragupta die Lehren seines Mentors befolgt hat; Megasthenes berichtet, daß der König täglich, während er massiert wurde, Anliegen seiner Untertanen anzuhören pflegte — das deutet auf eine persönliche Nähe zum Volk, wie sie für indische Herrscher von je bezeichnend war. In der Rechtsprechung kannte die Theorie wohl Maß und Billigkeit, aber Kastenbegünstigung setzte beide in der Praxis außer Kraft. Ein Shudra verlor z. B. das Glied, mit dem er einen Brahmanen angegriffen hatte, das Umgekehrte fand nicht statt. Hatte ein Krieger einen Brah­ manen beleidigt, so wurde er zu einer Geldstrafe von 150 Panas verurteilt; beleidigte ein Brahmane einen Krieger, so betrug die Strafe nur 50 Panas, bei einem Sklaven nur 12. Die Grundlage der Gesetze waren heilige Lehren (dharma), Überein­ kunft, Sitten der Dörfer, Gilden und Familien sowie Erlasse des Königs. Das bürgerliche Recht befaßte sich mit Heirat und Mitgift, Erbschaft, Versorgung und Todesfällen, mit Schulden, Sklaven, Arbeit, Verträgen und Verkäufen. Ehescheidung war mit beiderseitiger Einwilligung mög­ lich, Witwen konnten wieder heiraten. Das Strafgesetz war sehr streng und anscheinend auch wirksam, denn Strabo3) zitiert aus Megasthenes, daß bei einem Heer von 400000 Mann im Lager des Sandrakottos die an irgendeinem Tage zur Meldung gelangten

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Vgl. Kautalyas, „Arthashastra“. 2) „Ancient India, Megasthenes and Arrian“ p. 70. 3) ,,Ancient India, Megasthenes and Arrian“ S. 68.

Rechtswesen.

35 Diebstähle zusammen den Wert von 200 Drachmen nicht überstiegen. Außer den üblichen Anklagepunkten umfaßte das Strafgesetz Ehebruch, Verleumdung, Falschmünzerei, schwere Verletzung der Kastenvorschrif­ ten, Boykott und andere Vergehen von Angestellten, Preistreiberei und Betrug mit Maß und Gewicht, ferner politische Vergehen und Amts­ mißbrauch. Die Rechtsfälle konnten vor den örtlichen Instanzen oder vor Rich­ tern in den Städten entschieden werden, wenn nötig aber durch Berufung über höhere Gerichtshöfe bis zum König selbst gelangen. Drei Brah­ manen waren der Bank der drei Richter zugeteilt, um das heilige Recht auszulegen. Die Zeugen mußten ihren Eid vor den Brahmanen oder vor einem Gefäß mit Wasser oder Feuer ablegen und wurden einem strengen Kreuzverhör unterzogen. Sie bekamen Reisegelder, die beim Zivilprozeß von der verlierenden Partei zu zahlen waren, bei Meineid wurden sie fest­ genommen. Im Strafprozeß konnte der Angeklagte, sofern er kein Brahmane war, gefoltert werden, um ihm ein Geständnis abzupressen. Auf Hochverrat stand unbedingt die Todesstrafe, sonst richtete sich die Strafe nach dem Stande des Schuldigen und seines Opfers. Sie ging bis zum Tod durch Pfählen, aber Brahmanen wurden, statt zum Tode verurteilt zu werden, aus der Kaste gestoßen oder lebenslänglich ins Berg­ werk verschickt. Immerhin gewährte das Gesetz auch Schwachen einigen Schutz. Die Ehre der Frauen genoß unter dem Gesichtspunkt der Mutter­ schaft besonderen Schutz; Entführung, Mißhandlung oder Vergewaltigung einer Dirne, ihrer Mutter, Tochter oder Dienerin wurden streng bestraft. Die Prostitution stand nämlich unter Staatsaufsicht, Honorare und Spesen der Prostituierten wurden von einem Aufseher geprüft, der ein Fünf­ zehntel ihres Einkommens als Steuer behielt. Es gibt eine einzige Aus­ nahme von der Regel, daß die Strafbemessung steigt, je tiefer die soziale Stufe des Schuldigen ist: wo ein Mann aus dem Volke nur den Gegenwert von einem Penny als Buße zu erlegen brauchte, sollte der König, weil er es besser hätte wissen müssen, das Tausendfache zahlen1). Das Gericht durch Gottesurteil, das in alter Zeit nur mit Feuer oder Wasser vollzogen wurde, hatte sich zu neunerlei Formen, entsprechend verschiedenen Anklagen, entwickelt. Eine andere Art, sich Recht zu ver­ schaffen, hauptsächlich um eine Schuld einzutreiben, ist bis auf den heuti­ gen Tag als „dharna" bekannt: einer, dem Unrecht geschehen ist, setzt sich auf die Schwelle seines Gegners und fastet, bis er stirbt, oder der Gegner nachgibt. Die Residenz Pataliputra war in vier Distrikte geteilt, diese wieder in Bezirke unterteilt; ihre polizeiliche Kontrolle reichte von Vorkehrungen *) Vgl. Manus Gesetzbuch: ,,Institutes of Manu“ (ed. by G. C. Haughton London 1825) transl. by Sir W. Jones Ch. VIII, 336.

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gegen Feuersgefahr bis auf Berichte über verlorene und gefundene Gegen­ stände. Das Handwerk, besonders Goldschmiedekunst und Weberei, war hoch entwickelt. In den großen Handelszentren bestanden Klubs und Gilden, ähnlich den Handelsgesellschaften der Londoner City; die reichen Kaufleute an ihrer Spitze genossen staatliche Anerkennung. Es gab ein Register für Binnenhandel und Ausfuhr, das vom kgl. Handelsamt hinsichtlich Verteilung und Preisgestaltung kontrolliert wurde. Vorzugstarife unterstützten die Einfuhr, aber alle Waren, ob Felle aus Innerasien oder Musselin aus China, unterlagen einem Einfuhrzoll an der Grenze und einer Abgabe am Stadttor. Die Höhe der Zollsätze für Ein- und Ausfuhr variierte von 1/25 bis zu 1/5 des Wertes der Ware. Re­ ligiöse Gebrauchsgegenstände waren zollfrei. Auch die ländlichen Produkte unterlagen einer Abgabe auf dem Weg zu den Märkten, und um deren Hinterziehung zu verhindern, war der unmittelbare Einkauf bei den Land­ wirten untersagt. Schmuggel wurde damals wie heute bestraft. Der König selbst war ein großer Kaufherr und Unternehmer; das Arthashastra warnt ihn, seine Stellung auszunützen. Seine Vorratshäuser rings im Lande waren voll von den Erzeugnissen seiner Betriebe und Werk­ stätten und der Gefängnisse und vom Ertrag seiner Ländereien, Forste und Bergwerke. Die Oberklassen im Staat hatten im Gegensatz zum Feudal­ adel Europas staatlich zuerkannte Einkünfte: der Ertrag aus einem Land­ gut oder gar einer Stadt war zu ihrem Unterhalt bestimmt. Befand sich der König in argen Geldnöten, so hatte er noch die Mög­ lichkeit, mit Hilfe seiner Angeber von jedermann freiwillige Zwangs­ anleihen zu erpressen, ausgenommen bei Brahmanen und Leuten, die in besonderen Staatsdiensten wie Urbarmachung oder Straßenbau standen. Kautalya erwähnt, wer freiwillig oder um Gutes zu tun dem König sein Vermögen anbot, sollte dafür eine Stellung bei Hof oder eine andere Ehrung erhalten — ein frühes Beispiel für Titel- und Ämterkauf. Die Steuerlast unter den Mauryas war sehr drückend. Alles wurde geschickt erfaßt, die Kosten des Regierungsapparats waren enorm, dazu kam das große Heer, das den furchtbaren Angreifer abgewehrt hatte. Zwangsanleihen waren ehedem auch in England nichts Unbekanntes; will man die Finanzgebarung der Hindus und später der Mogulkaiser mit dem modernen Steuersystem vergleichen, so muß man bedenken, daß solche Auswege wie Staatsschuld oder langfristige Staatsanleihen in Indien unbekannt waren. Das Münzwesen war Staatsmonopol; die kgl. Münze gab kleine, ge­ bogene punzierte Barren aus Silber und Kupfer aus — die erste rein in­ dische Währung. Im Nordwesten prägte ein indischer Fürst, Saubhuti, der sich mit Alexander angefreundet hatte, Silbermünzen mit griechischer

Gesellschaft.

37 Schrift. Saubhuti (Sophytes) ist der bei Arrian und Strabo erwähnte So peithes. Goldmünzen wurden erst im i. Jahrhundert v. Chr. in Indien geprägt. Mit dem Aufstieg des Mauryareichs wuchs der Luxus, hauptsächlich in Kleidern; Stein und Ziegel traten als Baumaterial allmählich an die Stelle des Holzes. Aber der eigentliche Maßstab für die Kultur eines Volkes ist die Stellung der Frau. Die Ehe konnte in ihren anerkannteren wie loseren Formen mit beiderseitigem Einverständnis gelöst werden, oder löste sich von selbst, falls ein Partner den anderen auf länger verließ. Die Frau besaß Privateigen­ tum in Form von Mitgift und Schmuck und durfte als Witwe in gewissem Ausmaß darüber verfügen. Der Brauch der „sati" war in Geltung, scheint sich aber noch für lange auf Fürstenhäuser beschränkt zu haben. Miß­ handlung von Mann und Frau war strafbar, Beleidigung der Frau wurde streng geahndet. Die Zeit, wo fremde Eroberer den Hindus zum Schutz ihrer eigenen Frauen die fremde Sitte des „purdah“ (haremhafte Abschließung der Frau ins Hausinnere) aufzwingen sollten, war noch fern. Das Kastenwesen war inzwischen voll entwickelt. Megasthenes Be­ merkungen über die indische Bevölkerung sind in diesem Punkte irre­ führend, aber die sieben Volksklassen, die er aufführt, bezeichnen wohl die Berufe der Einwohner, die er in seiner Umgebung beobachtet hat. Kautalya teilt die Bevölkerung in die vier ursprünglichen Kasten ein, ob­ wohl damals schon sehr viele Untergruppen bestanden haben müssen. Megasthenes sagt, die zweite Kaste, die Landwirte, seien weitaus am zahl­ reichsten, und bemerkt, „da sie vom Kriegsdienst befreit sind, widmen sie ihre ganze Zeit dem Ackerbau; es würde auch kein Feind, wenn er auf einen im Felde arbeitenden Bauern stößt, ihm ein Leid tun“1). Nach Me­ gasthenes „ist die 5. Kaste die Militärkaste. Gut organisiert und aus­ gerüstet ist sie die zweitstärkste. Die ganze Wehrmacht wird durch den König erhalten“2). Sie bestand aus vier Waffengattungen; man hat Alexan­ der dem Großen berichtet, die Wehrmacht von Magadha zähle insgesamt 3000—4000 Elefanten, 2000 Kampfwagen, 20000 Mann Reiterei und 200 000 Mann Fußvolk. Das Landleben war, bis auf den Steuerdruck, behaglich; allerwärts gab es Gasthöfe, Speisehäuser und zugelassene Spielsäle (der Staat zog 5 % aller Gewinste ein) und im großen Gemeindesaal gaben Wander­ ensembles von Schauspielern, Sängern und Tänzern ihre Gastvorstellungen; das Arthashastra mißbilligt freilich diese Unterhaltungen, weil sie die Bevölkerung von ihrer Häuslichkeit und der Feldarbeit ablenkten. ,,Ancient India, Megasthenes and Arrian“ S. 39. 2) Ebendort S. 40/41.

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Die Hauptnahrung der Landbevölkerung (außer im Nordwesten) war Reis. Fleischlose Kost hatte sich noch nicht durchgesetzt; es heißt, die Brahmanen waren- an Fleischnahrung gewöhnt, nur Hornvieh wurde nicht geschlachtet1). Ein Volksgetränk war Reisbier, es wurde aber nur an Feier­ tagen getrunken, an denen viel Essen und Trinken eine große Rolle spielte. Über die königliche Tafel erfährt man einiges aus dem ersten Felsen­ edikt des Kaisers Ashoka. In diesem verbot er das Schlachten von Tieren bei Opfern, da es seinen Überzeugungen widerspreche. Er fährt dann fort, „ehemals wurden in der Küche des Königs Priyadarshin, den die Götter lieben, mehrere 100000 Tiere täglich geschlachtet, um curry zu bereiten. Aber jetzt . . . werden nur mehr drei Tiere dafür geschlachtet: zwei Pfauen und ein Eber, aber auch die nicht immer. Künftig sollen nicht einmal mehr diese drei getötet werden“2). Begab sich der König auf die Jagd in den königlichen Revieren, so ritt er in glänzendem Zuge auf einem Elefanten. Trabanten mit Trommeln und Gong eilten vorauf, Speerträger bildeten die Eskorte, und längs des Wegs wurden Stricke gespannt, die zu durchbrechen den Kopf kostete. Eine Leibgarde von Frauen umgab den Herrscher, sie trugen den könig­ lichen Sonnenschirm, Fächer und goldenen Wasserkrug, einige von ihnen waren bewaffnet. Andere Schauspiele zur Unterhaltung des Königs waren Ringkämpfe und Tierkämpfe, wie sie noch heute in einigen Teilen Indiens stattfinden. Die drei Religionen Brahmanismus, Jainismus und Buddhismus be­ standen nebeneinander. Der Brahmanismus vertrat die überlieferte Sozial­ ordnung, seine beiden großen Volksgötter waren Shiva und Vishnu in seiner Erscheinung als Krishna. Man war der komplizierten Rituale müde und der Buddhismus drängte den Brahmanismus zurück. Die Brahmanen waren nicht mehr vornehmlich Opferpriester, wenn auch der Hausgeistliche des Königs einer der höchsten Staatsbeamten war; ihr häufigster Beruf war die Lehrtätigkeit geworden, viele von ihnen wohnten in Waldeinsiede­ leien. Ihre Person war heilig und über Steuern, Enteignung und Folter er­ haben3). Das Arthashastra ist das einzige Stück Literatur, das sich mit Bestimmt­ heit der Zeit Chandraguptas und seines Sohnes Bindusara zuweisen läßt. Die Jainas berichten, Chandragupta habe der Herrschaft entsagt und sei ein Jaina geworden, nachdem er ganz Indien nördlich der Narbada J) V. Smith, „Oxford History of India“ S. 70, Zitat aus Quintus Curtius (ca. 1. Jahr­ hundert n. Chr.). 2) R. Bhandakar, „Asoka“ S. 297. Priyardarshin bedeutet wörtlich „der freundlich Blickende“ und ist der Name mit dem der König in seinen Edikten sich selbst zumeist bezeich­ net. Ashoka nennt sich immer Raja, die Titel Maharaja und Rajadhiraja waren zu seiner Zeit noch nicht in Gebrauch. 3) Vgl. Arthashastra Buch IV, Kap. 8, S. 270.

Ashoka. — Der Kaiingakrieg. — Ashoka, der Buddhist. — Staat und Religion.

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überwältigt hatte. Sein Sohn Bindusara folgte ihm auf dem Throne; es gelang ihm, die neuerworbenen Gebiete zu erhalten, sonst weiß man wenig von ihm. Er schrieb an Antiochos L, um süßen Wein, Feigen und einen Sophisten von ihm zu kaufen, der ihn das Disputieren lehren sollte, aber er bekam die Antwort, Sophisten seien keine Ware; er sandte seinen Sohn Ashoka nach Taxila, um einen Aufstand zu unterdrücken. Sonst ist nur noch von ihm überliefert, daß ein Abgesandter des Königs von Sy­ rien, namens Deimachos, an seinem Hofe weilte. Bindusara starb um 274 v. Chr., die Herrschaft ging an Ashoka Vardhana, einen seiner 100 Söhne über. Er erbte das oben geschilderte Staats­ wesen und führte einige Jahre lang das übliche Leben eines Hindukönigs mit Festen und Jagden, bei denen er sich von der Last seiner Staats­ geschäfte erholte. Dann aber geschah ein Wandel mit ihm: dramatisch und folgenschwer wie Sauls Bekehrung auf dem Wege nach Damaskus. Ashoka führte, um sein Reich nach Süden zu vergrößern, einen Krieg gegen das dravidische Reich der Kaiingas und eroberte es. Aber der Feldzug, in dem „150000 erschlagen wurden und ein Vielfaches davon starb“1), erfüllte ihn mit Grauen und Reue, er wandelte Ashokas Verhält­ nis zum Leben und wurde von schicksalsvoller Bedeutung für die große Religion, der sich Ashoka in seinem Grame zuwandte. Der Krieg gegen die Kaiingas fand gegen 262 v. Chr. statt, gleich darauf erfolgte Ashokas Bekehrung zum Buddhismus. Zweiundeinhalb Jahre später hatte er als Laienschüler sein Noviziat beendet, trat in den Mönchsorden (sangha) ein und begab sich im Mönchsgewand, wie er selbst sagt, auf die rastlose Wanderung durch sein Land. Seine Stellung als buddhistischer Mönch, indes sein Beruf im Welt­ leben lag, findet ihr christliches Gegenstück in zwei Königen des 13. Jahr­ hunderts: im hl. Ludwig von Frankreich und im hl. Ferdinand von Ka­ stilien, der Spanien von den Mauren befreite: beide waren Mitglieder des Dritten Ordens der Franziskaner. Über das Verhältnis zwischen geistlicher und weltlicher Macht in Indien bemerkt Beni Prasad2), daß die Sozial­ ordnung des Hinduismus als Einheit in sich begriff, was sich im Westen gesondert als Staat und Kirche ausgeprägt hat; der Zusammenstoß zwi­ schen geistlicher und weltlicher Macht ist ohne Gegenstück im alten Indien. Die brahmanischen Priester hatten zu Chandraguptas Zeit den alten Einfluß auf das Staatswesen eingebüßt, da dieses sich ein großes weltliches Beamtentum geschaffen hatte. Ashoka erfüllte nun seine Regierung mit dem Geist des Buddhismus. Er hatte die königliche Jagd abgeschafft und die prächtigen Staats­ reisen seiner Vorgänger in fromme Pilgerfahrten verwandelt; im 14. Jahr Feldedikt XIII, vgl. Bhandarkar, ,,Asoka“ S. 329—334. 2) B. Prasad, ,,Theory of Government in Ancient India“ S. 8, 9.

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II. Das Reich der Mauryas. 327—184 v. Chr.

seiner Herrschaft legte er seinen Beamten zu ihren übrigen Geschäften die Pflicht auf, Religion und Moral zu lehren; ein Jahr später setzte er hohe Beamte ein, deren einzige Aufgabe darin bestand, den Untertanen, Männern wie Frauen ohne Unterschied ihres Glaubens in Palast und Hütte das Ge­ bot des Mitleids zu predigen; ihr Amt war daneben, Unrecht wieder gut­ zumachen und wohltätige Stiftungen ins Leben zu rufen. Der Buddhismus war seit dem Tod seines Begründers vor 300 Jahren ruhig auf seiner Bahn weitergeschritten, jetzt wurde er zu einer kämpfenden Kirche umgeformt, die ihre Marschbefehle vom Kaiser empfing. Es ge­ nügte Ashoka nicht, die Lehre rings über sein indisches Großreich ver­ breitet zu sehen, er entwickelte dazu eine höchst wirksame Auslandsmission. Etwa zur Zeit des 3. buddhistischen Konzils, das um 253 v. Chr. in Pataliputra stattfand und 9 Monate dauerte, wurden Missionare in die Ferne entsandt: nach Kashmir, wo Srinagar gegründet wurde, in die Berge des Himalaya und nach Ceylon, wo Ashokas Sohn, der Mönch Mahendra und seine Tochter, die Nonne Sanghamitra, die Bevölkerung der Insel bekehrten. Ja bis in die Länder des Königs von Syrien und Kleinasien, Antiochos Theos, des Königs von Ägypten Ptolemaios Philadelphos, des Magas, Königs von Kyrene in Nordafrika, des Antigonos Gonatas von Makedonien und König Alexanders von Epirus reichte diese Mission — ein Zeugnis staunenswerter Unternehmungskraft1). Dareios hinterließ die in Keilschrift geschriebenen Inschriften, die Persiens Waffensiege ostwärts bis ins Sind und westliche Panjab feiern; Ashoka verkündete, der größte aller Siege sei der sittliche Sieg und sein Wunsch sei, allem was lebt, Sicherheit, Selbstbeherrschung, Seelenfrieden und Glück zu verleihen. Von Yusafzai im Norden bis Siddapura im Süden, von Kathiawar im Westen bis nach Cuttack an der Küste von Orissa zeugen Granitfelsen und Sandsteinpfeiler mit seinen Inschriften von seiner Fröm­ migkeit und Tugend. Die Persermacht zerfiel zu Staub vor der make­ donischen Phalanx und dem militärischen Genie Alexanders, aber der Bud­ dhismus von Ceylon, Birma, Siam und Cambodja, von China, Korea und Japan, von der Mongolei und Tibet ist die Ernte jener Saat, die Ashokas Glaube in sein Volk gesät hat. Zugleich bewies Ashoka im Geist der aufgeklärteren Herrscher In­ diens völlige Duldung gegenüber anderen Bekenntnissen. Wie er selbst sagte, „verdienen die Bekenntnisse anderer Menschen gleiche Achtung". Der Glaube an den Buddha als Führer zum rechten Leben, an die Lehre und an den Orden war alles, was Ashoka von seinen Untertanen ver­ langte. Er grübelte nicht über das Nirwana und kümmerte sich nicht um x) Felsedikt XIII (Bhandarkar, ,,Asoka“ S. 329—334); 258 v. Chr. ist der späteste Zeit­ punkt, an dem alle diese griechischen Könige zugleich am Leben waren (V. Smith, ,,Asoka“ S. 43).

Ashokas Charakter.

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dogmatische Streitfragen der Sekten; das Wesen seiner Religiosität war der dharma. Das Königtum ist die vorherrschende Staatsform in der indischen Geschichte; wenn auch in vedischen Zeiten durch den Willen der Volks­ versammlung eingeschränkt, war es doch als von göttlicher Ordnung gesetzt, feierlich anerkannt. Die Hauptpflicht des Königs war, sein Volk zu schützen und das Recht zu wahren; Ashokas Edikte zeigen seine außer­ ordentliche Gewissenhaftigkeit gegenüber seinem Herrscheramt. Er war jederzeit für seine Untertanen zugänglich und hatte doch immer das Gefühl, nicht genug zu leisten. Sein Wahlspruch war, „Große und Kleine sollen sich bemühen" und er lebte selbst danach. Seine Missionstätigkeit im Inund Ausland war eine religiöse Großtat und wirkte Gutes nah und fern. Als ihre praktische Ergänzung gründete er Spitäler für Menschen und Tiere in seinem ganzen Reich, ja sogar in Syrien und veranlaßte den planmäßigen Anbau von Heilpflanzen und Kräutern. Die königliche Küche wurde bald nach Ashokas Bekehrung zum Buddhismus vegetarisch und während der 37 Jahre seiner Herrschaft erließ er eine Reihe einschneidender Verordnungen, die das Schlachten und Kastrieren von Tieren einschränkten und für 56 Tage im Jahre den Fisch­ fang verboten1). Es war damals in Indien keineswegs üblich, tierisches Leben zu schonen, die Durchsetzung dieser Gesetzgebung muß als drükkende Neuerung empfunden worden sein. Aber sie bereitete entschieden der Vorstellung von der Heiligkeit alles kreatürlichen Lebens den Weg, die später Allgemeingut des Hinduismus wurde. Ashokas Fürsorge für die Armen und Alten2), seine Gesetze zur Milderung der Todesstrafe und kleinerer Strafen3), die Einführung einer Gnadenfrist von 3 Tagen für zum Tode Verurteilte, um Begnadigung zu erbitten oder, wenn diese abgelehnt wurde, sich auf den Tod vorzubereiten4) — all dies spricht zu uns aus seinen Edikten, wirft ein helles Licht auf seinen Charakter und zeigt, wie sich bei Ashoka Herzensgüte mit der unverkennbaren Strenge des Systems der Mauryas verband. Ashoka regierte die Länder rings um Pataliputra unmittelbar, Taxila, Ujjayina und Kaiinga ließ er als Oberherr durch Vizekönige verwalten, für die übrigen Reichsteile war er das Haupt eines Bundes von Staaten mit innerer Selbstverwaltung. Er befriedete die primitiven Stämme im Inneren und brachte ihnen den brahmanischen Götterkult; die wilden Stämme an der Süd- und Nordwestgrenze suchte er durch Güte zu gewinnen und befolgte ihnen gegenüber eine Politik der Nichteinx) 2) 3) 4)

Säulencdikt V (Bhandarkar, ,,Asoka“ S. 347—350). Fclscdikt V (ebendort S. 308—315). Felsedikt V (ebendort S. 308—315). Säulenedikt IV (ebendort S. 341—346).

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II. Das Reich der Mauryas. 327—184 v. Chr.

mischung1). Es ist bemerkenswert, daß beinah 2200 Jahre später der „Gazetteer of India" folgende Erklärung über Politik gebracht hat: „Die Politik der Indischen Regierung wird keinerlei jähe Einschränkungen, die den gewohnten Lebensstil dieser Stämme verändern könnten, erlauben, sie wird vielmehr deren Vertrauen durch Güte zu erwerben trachten." Abgesehen von der Unterbrechung durch den Krieg gegen die Ka­ iingas scheinen die 37 Regierungs jähre Ashokas eine Zeit tiefen Friedens gewesen zu sein, „statt des Klangs der Kriegstrommeln hörte man den Klang der geistlichen Trommeln"2). Es heißt von Ashoka, er habe während seiner Regierungszeit eine gewaltige Menge buddhistischer Heiligtümer gestiftet; als er mit einer seiner Königinnen zum Geburtsort des Buddha pilgerte, hat er eine Säule im Haine Lumbini errichtet lassen. Ashoka starb etwa 237 v. Chr.3), und alsbald nach dem Tode eines der größten Herrscher aller Zeiten zerriß Indien und stürzte in innere Kriege und Fremdherrschaft. Das jüngste Buch der „Drei Pitakas", das Katha-Vatthu, ist wohl sicher von Tissa Upagupta (Moggaliputta) während des großen buddhisti­ schen Konzils in Pataliputra verfaßt worden, auf dem er die Hauptfigur war. Aber der gefeiertste Schriftsteller der Ashokazeit war der Kaiser selbst, seine Edikte geben seine Autobiographie auf den weißen Quarz- und Gra­ nitflächen an den Felsen der fernen Grenzprovinzen und auf den Sand­ steinmonolithen längs den vielbegangenen Straßen im Herzen des Reiches. Diese Inschriften — älteste Zeugnisse einer indischen Schrift, die nicht mehr Bilderschrift ist — sind nicht in Sanskrit verfaßt, sondern in drei verschiedenen Prakrits, unter denen das Magadha-Prakrit das Ge­ bräuchlichste ist; noch Jahrhunderte nach Ashokas Tod wurden amtliche Erlasse und Dokumente im mittelindischen Dialekt verfaßt. Das Sanskrit blieb freilich die Sprache der höheren Bildung. Ashoka gebrauchte zwei verschiedene Alphabete in seinen Inschriften. In Shahbazgarhi sind alle seine 14 Felsedikte in Kharoshthischrift aufgezeichnet, die auch bei der In­ schrift von Manshera Verwendung fand; alle übrigen Inschriften Ashokas sind in der Brahmischrift aufgezeichnet. Die indische Literatur enthält bis zum 4. Jahrhundert v. Chr. keinen Hinweis auf Schrift und Schreiben, aber Strabo irrt, wenn er Megasthenes behaupten läßt, Indien habe vor dieser Zeit keine Schrift besessen; es gibt Anzeichen dafür, daß die Schrift in Indien nichts neu Eingeführtes war; zur Zeit Ashokas muß sie im Geschäftsleben, bei Gericht und in BuchKaiingaedikt I (ebendort 8. 361—366). 2) Felsedikt IV, übersetzt von V. Smith, ,,Edicts of Asoka“ (Essex House Press 1909). 3) ,,Camb. Hist. India“ Vol. I, S. 503; F. W. Thomas gibt 237—236 v. Chr. als Todesjahr, V. Smith, 231 v. Chr.

Schrift. — Kunst.

43 führung und Registratur der Ämter allgemein gebräuchlich gewesen sein. Hinzu kommt, daß die Entwicklung des vollen Brahmialphabets, mit seinen 46 Buchstaben aus den 22 semitischen Zeichen, denen es entlehnt ist, eine ziemliche Zeit beansprucht haben muß1). Die Zeichen, die in der Brahmischrift gebraucht werden, um Vokale zu bezeichnen, wenn diese auf Konsonanten folgen, sind nicht semitischen Ursprungs, sie stammen vielleicht aus älteren indischen Schriftarten. Es ist immerhin möglich, daß sie sich auf die noch unentzifferte Schrift von Mohenjo Dam zurück­ führen lassen; in dieser haben einige Schriftzeichen Anhängsel, die den Vokalzeichen in der Brahmischrift ähnlich sehen2). Die beiden alten Schriftarten sind Kharoshthi und Brahmi; die se­ mitischen Zeichen3), von denen sie wie das europäische Alphabet abgeleitet sind, können schon gegen 800—700 v. Chr. durch Kaufleute eingeführt worden sein, die zwischen Babylon und den Häfen der Westküste Indiens verkehrten. Die linksläufige Kharoshthischrift ist eine Variante der ara­ mäischen Schrift, wie sie im 5. Jahrhundert v. Chr. bei den Persern ge­ bräuchlich war. Indien kennt keine Kharoshthi-Inschriften, die älter als das 5. Jahrhundert v. Chr. sind. Die Brahmischrift, aus der alle späteren indischen Alphabete abgeleitet sind, wurde ursprünglich auch von rechts nach links geschrieben, später aber von links nach rechts, und das wurde der allgemeine Gebrauch. Die ältesten bekannten Schreibmaterialien sind Birkenrinde oder Palmblätter, Tinte, Rohrfeder oder Griffel; die Tinte wurde nachträglich in die Schriftzüge eingerieben, wie das noch heute in Ceylon geschieht. Strabo (f ca. 24 v. Chr.) zitiert im 15. Buch seiner Geo­ graphie den Nearchos, der berichtet haben soll, die Brahmanen schrieben ihre Briefe auf ein sehr dichtes Gewebe, aber er fügt hinzu, andere Schrift­ steller bestritten, daß sie sich der Schrift bedient hätten4). Der Gebrauch von Tinte ist für das 2. Jahrhundert v. Chr. durch eine Inschrift aus einem buddhistischen Reliquiengrab erwiesen5). Ehe die Mauryakunst Einflüsse aus Persien und dem Zweistromlande erfuhr, brachte sie rohe Terracottareliefs hervor (Porzellan ist in Indien niemals hergestellt worden). Die Arbeiten der Juweliere und Steinschneider stehen technisch auf hoher Stufe: ein Beweis dafür ist das vollkommen ge­ schliffene Reliquienkästchen aus Bergkristall, das sich im Stupa von Piprahwa gefunden hat. Die älteste uns bekannte indische Elfenbeinarbeit *) A. Macdonell, ,,Sanskrit Literaturc“ S. 16/17. 2) Brief vom Departement of Oriental Printed Books & MSS, British Museum 14. Nov. 1954.

3) Sie beruhen auf dem ältesten nordsemitischen oder phönikischen Typ, wie er sich auf dem moabitischen Stein König Mesas findet (ca. 890—850 v. Chr.). 4) McCrindle, ,,Ancient India“ S. 72. 5) A. Macdonell, ,,Sanskrit Literaturc“ S. 19.

II. Das Reich der Mauryas. 327—184 v. Chr. 44 ist eine Inschrift von Sanchi von ca. 200—150 v. Chr.1). Die gepunzte Währung mit konventionellen Zeichen besitzt keinen künstlerischen Wert. Ziegel kamen erst mählich in Gebrauch, sie sind z. B. bei den Ruinen der buddhistischen Hochschule von Sarnath noch roh und plump. Trotz Ashokas Ruhm als Bauherr finden sich nur mehr wenige Baudenkmäler, die ihm zugeschrieben werden können, darunter freilich die große Pfeiler­ halle in Patna und in den Fels gehauene buddhistische Höhlenklöster (chaitya). Historisch, künstlerisch und technisch sind die Säulenmonolithen aus spiegelnd geschliffenem Sandstein die bezeichnendsten Denkmäler des Kaisers. Ihre Würde und schlichte Wucht bezeugen den Baustil jener Zeit — möglich, daß persischer Einfluß bei ihnen mitspricht und sie letztlich auf assyrische Vorbilder zurückgehen. Mit Ashokas Zeit beginnt in Indien die Verwendung des Steins zu Bauten, Skulpturen und architektonischem Schmuck — der Steinzaun von Sarnath und der Thron in Buddhagaya sind Monolithen. Die Mauryadynastie überdauerte den Tod ihres großen Kaisers nicht lange. Herrscherlisten in brahmanischer und buddhistischer Literatur, einander widersprechend, scheiden als eigentliche Geschichtsquellen aus. Etwa in der dritten Generation nach Ashoka brach das Großreich in ein östliches und ein westliches Königreich auseinander — das war der An­ fang vom Ende. Im Jahre 250 v. Chr. hatten die Satrapien Parthien und Baktrien sich gegen Antiochos I. erhoben; Baktrien ward eine ehrgeizige und angriffs­ bereite Macht im Nordwesten. Indes Ashokas Heere wohl fähig waren, sein Reich zu schützen, war die geteilte Herrschaft der späteren Mauryas zu schwach, um dem Angriff zu widerstehen: Baktrien eroberte den größten Teil Afghanistans. Parthien und Baktrien erhielten ihre Unabhängigkeit bis gegen 212—206 v. Chr., damals stellte Antiochos III., teils durch Waffengewalt, teils durch Diplomatie, zeitweilig die Oberherrschaft der Seleukiden wieder her. Die Parther wurden geschlagen, Euthydemos von Baktrien schloß einen ehrenvollen Frieden. Antiochos zog weiter und machte einen flüch­ tigen Vorstoß nach Indien hinein, ehe er westwärts nach Mesopotamien weitereilte, wo sich sein Schicksal in der Begegnung mit der aufsteigenden Macht Roms erfüllte. Jetzt war der Weg nach Nordindien den Baktrern offen, und nach Euthydemos' Tode um 190 v. Chr. vollendete sein Sohn Demetrios I. die Eroberung der Staaten an den Indusufern. Sein Triumph währte nur kurz; während er fern von Baktrien weilte, machte Eukratides, ein fähiger und entschlossener Soldat einen erfolgreichen Aufstand und Demetrios x) A. Coomaraswamy, ,,The Arts and Crafts of India and Ceylon“ p. 175.

Ende der Mauiyadynastie.

45 sah, daß er nur sein eigenes Reich gegen das von „Indien" eingetauscht hatte. Auch sein neuerworbenes Land behielt er nicht lange, er starb wohl gegen 160 v. Chr., aber schon vorher war ihm Eukratides in die Ebene hinab gefolgt und hatte sich der alten indischen Provinzen des Perserreichs bemächtigt; Demetrios behielt nur das östliche Panjab. So wurden die letzten Spuren der Mauryaherrschaft in NordwestIndien ausgelöscht. Im östlichen Reich endete die Mauryadynastie gegen 184 v. Chr. in einer dramatischen Wiederkehr historischer Ereignisse: Das Indusgebiet lag unter dem Schatten der „Yavana"-Herrschaft, wie schon einmal vor 137 Jahren, und wieder einmal erschlug ein Oberbefehlshaber der Wehr­ macht von Magadha seinen Herrscher und begründete eine neue Dynastie. Brihadratha war der letzte Mauryakönig; mit seinem Mörder Pushyamitra, dem ersten Herrscher der Shungadynastie verschwand das Königreich Magadha im Dunkel. 500 Jahre später sollte es neu als Kaiserreich wieder­ erstehen, und der Begründer seiner neuen Größe trug den geschichtlichen Namen Chandragupta.

III. KAPITEL

DIE FRÜHEN HINDU-REICHE Eine starke Zentralgewalt und die buddhistische Mission sind die Hauptwesenszüge der Regierung Ashokas. Die erstere vereinte einen Staatenbund in Frieden und Sicherheit zu einem Großreich; sie war er­ erbt, aber der Kaiser besaß auch die Eigenschaften, sie aufrecht zu erhalten. Die buddhistische Mission entsprang seinem persönlichen Glaubenseifer. Die Vorherrschaft des Buddhismus überdauerte Ashoka nur kurz, bald nach seinem Tode erhob sich eine Reaktion des Brahmanismus; Pushyamitra, der Begründer der Shungadynastie erscheint in der buddhistischen Literatur als unbarmherziger Verfolger des Buddhismus. Als die Zentralgewalt gegenüber ihrer elementarsten Pflicht, zu re­ gieren, versagte, schwanden Frieden und Sicherheit rings in Indien schnell dahin. Pataliputra blieb etwa 300 Jahre lang die Hauptstadt eines immer­ hin bedeutenden Reiches1), zunächst unter den späteren Mauryas, dann unter den Shungas; aber das Großreich zerfiel in die Stücke, aus denen es einst aufgebaut worden war. Eine Reihe von Staaten kämpfte um die Vorherrschaft und um ihre Unabhängigkeit. Im dravidischen Süden machte sich Kaiinga bald nach Ashokas Tod unabhängig, und die Andhras, die anscheinend seine Oberherrschaft anerkannt hatten, gründeten (wohl vor 200 v. Chr.) ein Reich, das vom Golf von Bengalen bis zu den West-Ghats und nordwärts bis zur Narbada reichte. Ein uneiniges Indien war ohnmächtig und unfähig, einem Angriff von außen standzuhalten. Die Eroberungen der Yavanas zeigten das als­ bald. Der Niedergang der Mauryamacht war das verhängnisvolle Vorspiel für die aufeinanderfolgenden Wellen fremder Eroberer. Diese Invasionen kamen alle auf denselben Straßen. Die Wand des Himalaya mit dem öden Hochland von Tibet dahinter stellte ein unüber­ windliches Hindernis dar; der einzige Einbruch direkt von Norden nach Indien hinein ist über die Südhänge der Hauptkette in Nepal erfolgt. Aber längs der Nordwestgrenze öffnen sich die Pässe, durch die ein Eroberer nach dem andern seine Heere nach Indien geführt hat. *) Zum wahrscheinlichen Umfang des Königreichs Magadha unter den Shungas vgl. „Camb. Hist. India" Vol. I, S. 527.

Folgen d. Niedergangs d. Maurya. — Menander. — Münzen d. baktrischen Herrscher.

Sehr lange gewährte der Ozean ebensoviel Schutz wie der Himalaya. Ägyptische Könige seit den Tagen Sesostris* im 20. Jahrhundert v. Chr. hatten umsonst versucht, den Suezkanal zu durchstechen; die indische Küste blieb unberührt, bis europäische Abenteurer das Kap der Guten Hoffnung umschifften. Als Seleukiden- und Mauryareich in Blüte standen, herrschte freier Verkehr und Handel zwischen Pataliputra und dem Westen, aber die er­ folgreichen Aufstände in Baktrien und Parthien und was ihnen folgte, veränderten die Lage in Westasien völlig und wirkten auch auf Indien selbst entscheidend. Nun lagen zwei feindliche Staaten am großen Wasser­ weg des Oxus und an den wichtigsten Handelsstraßen Zentralasiens, die alle in Baktrien zusammenliefen; Nordwestindien war durch eine Reihe von Eroberern überwältigt und das übrige Indien vom Westen abge­ schnitten worden. Der einzige Verkehr mit dem Westen erfolgte über See durch den Handel mit Mesopotamien und Ägypten. Die beiden einander feindlichen baktrischen Dynastien des Eukratides (in Gandhara und Taxila) und des Euthydemos (bis östlich des Jhelum) hielten sich unter wechselnden Schicksalen die Waage, bis sie im 1. Jahr­ hundert v. Chr. äußeren Anstürmen erlagen. Neben Eukratides, Euthyde­ mos I. und seinem Sohn Demetrios I. ist Menander der einzige Herrscher von geschichtlichem Rang und der einzige Yavana, der in der indischen Literatur gefeiert wird. Er ist der Milinda des „Milindapanha" („Fragen des Milinda") und war vermutlich Buddhist. In diesem Palitraktat über buddhistische Philosophie wird berichtet, daß „ihm in einem Streitgespräch kaum einer gleichkam, geschweige denn ihn zu überwinden vermochte; er war allen Gründern der vielen philosophischen Schulen entschieden überlegen. In Indien gab es niemand, der ihm an Weisheit, Körperkraft, Schnelligkeit und Mut gleichkam. Außerdem war er groß an Glück und Reichtum und die Zahl seiner Kriegerscharen war ohne Ende"1). Sein Ruhm reichte über seinen Tod und die Grenzen seines Landes hinaus; noch zwei Jahrhunderte später weist Plutarch darauf hin, wie hoch in Ehren sein Andenken in Indien stand. Nach seinen Münzen zu schließen, beherrschte Menander eine Reihe von Königreichen vom heutigen Kabul bis zum Panj ab und zu den West­ distrikten der „Vereinigten Provinzen". Er führte endlose Kriege gegen seinen Rivalen Eukratides; wahrscheinlich war er jener Yavana, der in einem abenteuerlichen Zug gen Osten Pataliputra, wenn auch nicht er­ oberte, doch ernsthaft bedrohte. Aber er entriß dem Shungakönige Pushyamitra Sakala und behielt es als seine Hauptstadt. Von den übrigen baktrischen Herrschern hat man nur die Aufschriften ihrer mannigfachen, zahlreich erhaltenen Münzen. Diese Münzen sind in i) Vgl. Sacred Books of the East Vol. XXXV; T. W. Rhys Davids S. 6, 7.

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III. Die frühen Hindu-Reiche. 200 v. Chr.—ca. 1200 n. Chr.

zweierlei Hinsicht bemerkenswert; einige, in Baktrien vor 200 v. Chr. ge­ schlagen, sind aus Nickel, der in Europa bis zu seiner Entdeckung durch schwedische Gelehrte um die Mitte des 18. Jahrhunderts n. Chr. unbekannt war. Interessant sind ferner Reihen zweisprachiger Münzen, wie sie zuerst Demetrios I. oder ein anderer König gleichen Namens bald nach ihm zu Anfang des 2. Jahrhunderts v. Chr. prägen ließ. Die Münzen dieser eurasischen Griechen waren anfangs streng hel­ lenistisch und künstlerisch ungemein schön, später werden sie schlechter. Die zweisprachigen Münzen zum Gebrauch für die Eroberer und die in­ dische Bevölkerung sind nicht nur durch die Namen der Könige, die sich auf ihnen finden, und weil man aus ihren Fundorten auf den Umfang ihrer Reiche schließen kann, von Wichtigkeit; ihre Vorderseite trägt eine grie­ chische Aufschrift, die Rückseite deren Übersetzung in Prakrit mit Kharoshthizeichen. Diese Zweisprachigkeit lieferte den Schlüssel, um um­ fangreiche Inschriften auf Stein und Kupferplatten, die sich in verschiedenen Gegenden Indiens fanden, zu entziffern. Die Herrschaft der Yavanas in Indien blieb nicht lange unangefochten. Die Skythen, auch als Shakas bekannt, bewegten sich unter dem Druck chinesischer Nomaden in ihrem Rücken, die Yueh-Chi genannt wurden, ständig durch Zentralasien nach Westen und eroberten Baktrien. Die Yavanakönige wurden durch die Shakas um 13 5 v. Chr. vertrieben, und ihre unkriegerische eingeborene Bevölkerung — mit Handel beschäftigt — vertauschte eine Herrschaft mit der anderen. Die Shakas zogen auf dem Wege, wo sie den geringsten Widerstand fanden, durch das heutige west­ liche und südliche Afghanistan und Belutchistan weiter und brachen in das untere Industal ein. Eng mit ihnen verbündet, ja kaum von ihnen zu schei­ den waren die Pahlavas (Parther aus der Gegend von Seistan und Kan­ dahar). Die Dynastie des Eukratides rettete ihren Besitz südlich des Hindukush und des Kabultales, bis sie von den Pahlavas um 25 v. Chr. besiegt wurde. Die Eroberungen der Shakas und Pahlavas reichten ostwärts bis in das Gebiet der Jumna und trieben einen Keil zwischen die feindlichen Yavanakönige. Diese Gebiete der Skythen wurden von Satrapen regiert — ein Regierungssystem, das die Perser eingeführt hatten und das von Alexan­ der und später auch von den Mauryas übernommen worden war. Shakawie Pahlavafürsten erhoben ganz wie die Partherkönige mit ihren Münzen Anspruch auf den Herrschertitel „König der Könige“. Das Haus des Euthydemos herrschte noch im Ost-Panjab, bis der König der Shakas, Azes I., im Jahre 5 8 v. Chr. auch dieses Gebiet eroberte. Diese Einbrüche und die weite Ausbreitung einer halb barbarischen Macht, wie sie die Parther unter Mithradates I. waren, bis zum Hindukush im Osten und zum Euphrat in Westen, isolierten Indien zu Lande vom

Folgen der Invasion. — Dravidische Gesellschaft. — Überseehandel.

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Westen; so kehrten seine Blicke sich ostwärts gen China. Diese Wendung erfolgte durch das Nahen der Yueh-Chi, die den Shakas auf dem Fuße folgten; Schilderungen Indiens durch Fremde — einst das Vorrecht grie­ chischer Gesandter und Abenteurer — finden sich von nun an jahrhunderte­ lang in den Berichten eines Gesandten vom chinesischen Kaiserhofe oder in den Reisetagebüchern der vielen chinesischen Pilger, die zu den heiligen Stätten des Buddhismus nach Indien kamen. Indes ein Eroberer nach dem andern durch die Pässe kam und NordWestindien verwüstete, entwickelten sich im Süden langsam die stärkeren unter den dravidischen Staaten zu bedeutenden Königreichen. Vor der Mauryazeit besaßen die Dravidas eine ausgesprochen eigene Kultur, ganz unabhängig vom Brahmanismus und Kastensystem. Diese Kultur und ihre Volkssprachen geben noch heute Südindien sein eigenes Gesicht; zweifellos hat diese dravidische Kultur die arische im Norden samt ihrer Religion stark beeinflußt. Dank der Arbeit der Jainamönche konnte diese Kultur sich entfalten und einige Jahrhunderte nach Beginn unserer Zeitrechnung eine Literatur in Kanaresisch und Tamil hervorbringen1). Zur Mauryazeit war ein dravidischer König dem Rat der „Fünf großen Versammlungen" unterworfen, die wie es heißt, aus Ministern, Geistlichen, Generälen, Bevollmächtigten und Geheimagenten bestanden. Vielleicht läßt sich das dravidische System örtlicher Selbstverwaltung in den Dörfern mit dem angelsächsischen „shire moot" (Grafschaftsgericht) vergleichen und bestand schon damals. Die oberste soziale Schicht einer Tamil-Gemeinde2) waren die „Weisen", ihnen folgten die Grundbesitzer. Hirten, Jäger, Handwerker und Soldaten folgten diesen im Range; Fischer und Straßenkehrer bildeten die unterste Sprosse dieser Stufenleiter3). Lange, ehe Ashoka zur Herrschaft kam, trieben dravidische Länder Außenhandel über See nach Westasien, Griechenland und Ägypten; sie exportierten Pfeffer4), Ingwer, Zimt und Reis, dazu Luxuswaren wie Spe­ zereien, Edelsteine und Schildpatt. Dieser Handel schwoll riesig an, als Rom im Orient allmächtig wurde und erreichte seine Höhe zu Neros Zeit. Goldene Aurei, römische Silber- und Kupfermünzen, flössen in solcher Menge nach Indien ab, daß nach Plinius Roms Finanzen darunter litten. Eine der zahlreich in Südindien gefundenen römischen Münzen machte erstmals die Inder mit den britischen Inseln bekannt: es ist eine Gold­ münze, die Kaiser Claudius (41—54 n. Chr.) anläßlich seines Sieges über Britannien prägen ließ. x) a) s) 4) dische

Rapson, „Ancient India“ S. 9, 29, 66. „Dravida“ ist im Pali „Damila“. Vgl. Camb. Hist. India Vol. I, Ch. XXIV. Das Wort „Pfeffer“ ist über griech. „peperi“ aus tamil „pippali“ entlehnt, andere in­ Artikel wie Ingwer haben eine ähnliche Herleitung ihrer Bezeichnung.

Dunbar, Indien.

III. Die frühen Hindu-Reiche. 200 v. Chr.—ca. 1200 n. Chr.

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Ein Kapitän namens Hippalos gilt als Entdecker der Monsunwinde im Jahre 45 n. Chr.; an die Stelle der langwierigen Küstenfahrt der Grie­ chenschiffe trat die gerade Überquerung des Meeres. Den Rekord1) bei dieser Fahrt über das Arabische Meer scheint ein Schiff aufgestellt zu haben, das, an der arabischen Küste vom Monsun erfaßt, in 15 Tagen nach Ceylon getrieben wurde; Skylax hatte zu Dareios’ Zeiten zweieinhalb Jahre ge­ braucht, um vom heutigen Attock am Indus nach Suez zu segeln. Die Andhras oder Telugu, wie sie heute heißen, hatten nach Ashokas Tod sich völlig unabhängig erklärt. Plinius2) berichtet, sie hätten 30 feste Städte besessen und ein Heer von 1000 Elefanten, 3000 Reitern und 100000 Mann Fußvolk unterhalten. Ihr Gebiet reichte um die Mitte des 2. Jahr­ hunderts v. Chr. bis nach Ujjayina (Ujjain) — damals wie heute eine der sieben heiligen Stätten des Hinduismus —, später, nach dem Ende der Shungadynastie, bis Vidisha. Aber dies war nicht der einzige Schlag des dravidischen Volkes im Süden gegen das Mauryareich; auch die Macht der Kaiingas war, seit sie wieder unabhängig waren, gewachsen, ihr König Kharavela um 150 v. Chr. zählte in seiner Hauptstadt 350000 Einwohner. Er fiel immer wieder nach Nordindien ein und einmal — das Datum ist unbekannt — brachte das Heer von Kaiinga dem Könige von Pataliputra eine schwere Nieder­ lage bei. Zur Zeit des Shungakönigs Pushyamitra (178—142 v. Chr.) lebte höchstwahrscheinlich Patanjali, der Verfasser des „Mahabhashya". Dieser große Kommentar zu Paninis Grammatik, die etwa drei Jahrhunderte älter ist, spricht beiläufig zum erstenmal auch von der Aufführung in­ discher Theaterstücke, der „Tötung Kamsas" und der „Fesselung Palis", zwei Episoden aus dem Vishnu-Krishnamythos3). Gegen 72 v. Chr. war es mit den Shungas zu Ende. Sie waren ursprünglich Vasallen der Mauryas, ihr Hauptsitz war Vidisha, und es blieb auch ihre westliche Haupt­ stadt, nachdem Pushyamitra als erster von ihnen sich des Thrones be­ mächtigt hatte. Sie waren schließlich zu willenlosen Puppen in den Händen der Brahmanen geworden, die ihre Minister waren, und der letzte, der ausschweifende Devabhuti, wurde auf Anstiften seines Palastkomman­ danten, eines Brahmanen aus der Kanvafamilie, ermordet. Nach den Puranas, wie sie heute vorliegen, begründete dieser Minister Vasudeva eine Dynastie von Kanvakönigen, die später mit den Resten der Shungamacht von den Andhras vernichtet wurde4). Rawlinson, ,,India and the Western World“ S. 109—in. 2) Plinius, Historia naturalis VI, 19 (22). 3) A. Macdonell, ,,Sanskrit Literature“ S. 347. Zu Patanjalis Datum vgl. R. G. Bhan­ darkar, ,,Collected Works“ Vol. I, S. 81. 4) ,,Camb. Hist. India“ Vol. I, S. 522 gibt Gründe gegen das Bestehen der Kanvadynastie. R. G. Bhandarkar bemerkt, die Shungas könnten gleichzeitig mit den Kanvas geherrscht x)

Eroberungen der Andhras.

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Unter vielen unabhängigen Reichen, die, damals über ganz Indien ver­ streut, für uns nicht geschichtlich greifbar werden, gab es zwei Gruppen von Klans, teils von Königen, zum größeren Teil aber von Stammesoligar­ chien beherrscht; sie sollten später eine bedeutende Rolle in der Geschichte Nordindiens spielen. Diese Gemeinwesen lagen im nördlichen Panjab, östlich des Ravi und am Zusammenfluß von Indus und Sutlej; sie waren Kshatriyas und die Vorfahren der Rajputen, die so nach ihrer Heimatlandschaft Rajputana heißen. Zwei von diesen Staatswesen prägten schon im 1. Jahrhundert v. Chr. Münzen1). Dieser kurze Überblick über Indien nach dem Untergang des Mauryareiches führt, von Süden nach Norden gleitend, an die nordwestliche Grenze zurück, wo schon wieder eine neue Invasion das Land zu überschwemmen und Yavanas, Shakas und Pahlavas miteinander zu verschlingen drohte. Die Yueh-Chi mit ihrem Vorrücken durch Zentralasien sind schon erwähnt worden; um 165 v. Chr. wurden sie, zwischen den Bergen der Provinz Kan-su und der großen chinesischen Mauer sitzend, von den Hunnen be­ siegt und aus ihrem Lande vertrieben. Sie zählten wohl mehr als eine halbe Million Menschen und trieben andere Nomadenstämme, auf die sie bei ihrem Zuge westwärts stießen, vor sich her. Der chinesische Gesandte Changk’ien suchte die Yueh-Chi 126 v. Chr. auf und fand sie noch nördlich des Oxus; von da aber wird es unmöglich, ihre Wanderungen zeitlich genauer zu bestimmen. Wohl gegen 70 v. Chr. besiedelten die 5 Stämme der Yueh-Chi Baktrien und etwas nach 25 n. Chr. gewann der Häupt­ ling der Kushanas die Oberherrschaft über sie alle und vereinigte ihre Horden in ein Königreich unter dem Namen seines eigenen Stammes. Wieder einmal wurde Baktrien zur Basis einer Invasion nach Indien; die Kushanas bemächtigten sich schnell des heutigen Süd-Afghanistan, das damals unter der Oberhoheit des Pahlavaherrschers stand — wahrschein­ lich war es Gondopharnes. Diese Eroberung vollzog sich um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. Gondopharnes regierte seit 19 n. Chr., er war Oberherr über Ost- und Nordwestindien; während seiner Herrschaft, die sicher bis 45 n. Chr. dauerte2), war die Macht der Pahlavas auf ihrer Höhe. Aber nicht wegen der Größe seines Reiches oder seiner Macht ist sein Name für die Christen­ heit besonders bemerkenswert: „Gondopharnes“ ist der „Gudnaphar, König von Indien“, an dessen Hof der Apostel Thomas auf seiner berühm­ ten Missionsreise durch Indien gekommen sein soll, ehe er in Mylapore bei Madras den Martertod erlitt. Alles Verbürgte über den hl. Thomas steht haben, so wie die Rajas von Satara Könige waren, während die Peshwas die wirkliche Macht besaßen („Collected Works“ Vol. I, S. 513). *) ,,Camb. Hist. India“ Vol. I, S. 528 und plate V (13). 2) Denkmal von Takht-i-Bahi (Peshawar-Distrikt) aus dem 26. Jahr seiner Regierung.

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im 4. Evangelium. Zur Legende vom hl. Thomas ist zu sagen: die „acta Thomae" (auf Syrisch und Griechisch erhalten), auf denen die Legende beruht, sind zu Beginn des z. Jahrhunderts n. Chr. verfaßt; ein Granitkreuz mit Inschrift aus dem 7. Jahrhundert bezeichnet die Stelle, wo nach einer sicheren örtlichen Überlieferung der Apostel gemartert worden ist; ein Bischof „aus Indien und Persien“ hat dem Konzil von Nicaea 325 n. Chr. beigewohnt, eine christliche Gemeinde an der Malabarküste bedient sich noch heute einer Art Syrisch als liturgischer Sprache, schließlich ist das Datum historisch durchaus wahrscheinlich1). Auf Gondopharnes folgte Pasores, aber um 79 n. Chr. herrschten schon die Kushanas in Taxila. Auf ihren siegreichen Führer, V’ima Kadphises, der sich „Großer König, höchster König aller Könige, Sohn der Götter, der Kushana“ nannte, war wohl schon Kanishka, der dritte ihrer Könige, gefolgt. Um 89 n. Chr. scheint die Oberherrschaft der Ku­ shanas bis ins untere Industal gereicht zu haben, die Macht der neuen Er­ oberer über Nordindien war gesichert. Aber der Wirrwarr dieser Zeit wird noch verworrener durch den Umstand, daß eine neue Ära, die Ka­ nishka 78 n. Chr. begründet hat, den Namen Shaka-ära trägt. Die Shakas und Pahlavas herrschten weiter im unteren Industal unter der Oberhoheit der Kushanas2), die sie übrigens nicht hinderten, untereinander Krieg zu führen. Unter diesen Satrapen reichte das Kushanreich bis Surashtra und Malwa im Westen; vom 2. Jahrhundert bis zum Ende des 4. wurde dieses Gebiet von Shakafürsten beherrscht, bis es die Guptas mehr als 150 Jahre nach dem Untergange des Kushanreiches er­ oberten. So wurde der Name Shaka in Literatur und Inschriften3) zur Be­ zeichnung der Ära, die von Rechts wegen die Ära Kanishkas heißen müßte. Die Shakas haben sich schnell hinduisiert, schon in der zweiten Generation trugen die meisten indische Namen. Eine Inschrift, in der einer von ihnen seine Taten feiert, ist in einer Mischung von Sanskrit und Prakrit abgefaßt4), obwohl keines von beiden die Sprache seiner Vorfahren war. Gegen 19 n. Chr. stieß die Kushanmacht mit China zusammen, aber das berührte das übrige Indien nicht. Während Kanishkas Regierungszeit fand der Buddhismus begeisterte Förderung; Kanishkas Großreich schlug geographisch die Brücke von Indien nach China, so kam der Bud­ dhismus nach China und dem fernen Osten und Indiens Kultur, Alphabet und Sprachen fanden ihren Weg nach Chinesisch-Turkestan. Kanishka x) Pater H. Thurston S. J. wendet sich mit scharfer Kritik gegen die Thomasüberlieferung, vgl. Catholic Encyclopedia Vol. XIV, S. 658/59. 2) Vgl. Sue Vihara, Inschrift (im Staate Bahawalpur) aus dem 11. Jahr König Kanishkas (89 n. Chr.) 3) ,,Camb. Hist. India“ Vol. I, S. 585. 4) A. Macdonell, ,,Sanskrit Literature“ S. 322/23.

Ende des Kushanteiches.

53 selbst scheint andere Kulte mit seiner Verehrung für den Buddhismus in seiner ursprünglichen Form vereinigt zu haben; indes entwickelte sich gleichzeitig die Mahayana-Lehre, die viel dem Hinduismus Verwandtes aufzuweisen hat. Während der Shakaherrschaft im Norden entwickelte sich in der indischen Kunst der Gandharastil; von den Kushans begeistert gefördert, entstehen jene Typen buddhistischer Plastik, die in die Kunst des ganzen Ostens eingegangen sind. In der Frühzeit wurde die Gestalt des Buddha nicht bildlich dargestellt, jetzt wurde sie zum Hauptinhalt buddhistischer Skulptur. Kanishka erbaute in seiner Hauptstadt Purushapura (Peshawar) ein großes Kloster, das bis ins 9. oder 10. Jahrhundert ein berühmter Sitz buddhistischer Gelehrsamkeit geblieben ist. Er hat 25—30 Jahre regiert, sein Nachfolger wurde Huvishka. Huvishka scheint das Kushanreich in Indien und die chinesischen Gebiete von Kashgar, Yarkand und Khotan, die sein Vorgänger erobert hatte, unversehrt bewahrt zu haben. Auch er war Buddhist und begründete ein prachtvolles Kloster in Mathura. Ihm folgte Vasudeva; sein hinduistiseher Name und die Tatsache, daß seine Münzen fast immer den indischen Gott Shiva, dessen Stier und Symbole (Wurfschlinge und Dreizack) zeigen, erweist, daß er Kultur und Religion der Unterworfenen ange­ nommen hatte. Gegen Ende der langen Regierung Vasudevas (ca. 226 n. Chr.) zer­ brach das Großreich, aber Kushankönige herrschten weiter in Kabul, bis zum Einbruch der Hunnen im 5. Jahrhundert. Der Nordwesten Indiens zerfiel wieder, wie das übrige Indien in eine Reihe unabhängiger Staaten. Im Dekkan war die Macht der Andhras gegen Ende des 2. Jahrhunderts im Abstieg, nachdem Rudradaman, der Kushansatrap im Westen, Surashtra, Malwa und andere Gebiete sich angeeignet hatte; gegen Mitte des 3. Jahrhunderts verschwand das Andhrareich der Satavahanadynastie voll­ ständig. Die Chronologie der Kushanzeit gehört zum Unsichersten in der indischen Zeitrechnung. Unser Bericht folgt der Cambridge History of India; doch muß vermerkt werden, daß V. Smith1) die Thronbesteigung Kanischkas 120—125 ansetzt, während nach R. G. Bhandarkar Kanishkas Herrschaft um 260 n. Chr. begonnen und seinen Nachfolgern Nordwest Indien bis Mathura gehört haben soll, bis Chandragupta II. es ihnen entriß2). V. Smith,,,Early History of India“ und ,,Oxford History of India" (rev. by S. M. Ed wardes) 1928. In dieser Ausgabe letzter Hand nimmt Smith an, Kadphises I. sei um 77—78 n. Chr. gestorben, und die Ära datiere von der Thronbesteigung seines Sohnes Kadphises II. (S. 127/28). 2) R. G. Bhandarkar, ,,Collected Works“ Vol. I, S. 40, 520.

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Mit dem Zerfall des Mauryareiches versank Indien in ein wirres Dunkel, das erst zu Beginn des 4. Jahrhunderts durch den Aufstieg eines neuen indischen Großreiches — wieder mit Pataliputra als Hauptstadt — zer­ teilt wird. Chandragupta Maurya war über die Leiche seines ermordeten Herrn hinweg auf den Thron von Magadha gestiegen und sicherte seine Stellung, indem er die ganze königliche Familie ausrottete. Chandragupta, der erste Herrscher der Guptadynastie, begründete sein Glück durch seine Heirat und gab dies auch offen zu; er ließ Münzen prägen, die neben seinem Namen die Namen der Königin und des ge­ schichtlich alten Klans der Lichchhavis trugen, dem die Königin ent­ stammte. Die Lichchhavis scheinen Pataliputra beim Untergang der Shungaherrschaft erobert zu haben und Chandragupta trat nun die Nach­ folge der Familie seiner Frau an. Seine Heirat mit der Prinzessin Kumara Devi war das Sprungbrett aus der unbedeutenden Situation eines Klein­ fürsten zur Höhe eines allmächtigen Oberherrn und Begründers einer neuen Zeitrechnung. Das Jahr I der Gupta-Ära, das Jahr der Krönung Chandraguptas als Erben der kaiserlichen Macht von Pataliputra wird um 318—320 n. Chr. angesetzt. Diese Zeitrechnung — eine unter mehr als 30 verschiedenen, die indische Herrscher sich schufen — war über mehrere Jahrhunderte im Gebrauch und war von größtem Wert für die wissen­ schaftlich genaue Bestimmung mutmaßlicher Daten. Chandragupta I. vergrößerte sein Reich durch die Eroberung der Gangesniederung bis zur Einmündung der Jumna, er herrschte über das heutige Tirhut, Bihar und Oudh. Nach ungefähr sechs Jahren folgte ihm Samudragupta auf dem Throne, der größte König der Dynastie, den er selbst unter seinen Söhnen zum Herrscher ausersehen hatte. Gleich nach seiner Thronbesteigung bemächtigte sich Samudragupta Hindustans. Sein Hofdichter Harishena hat die Reihe erfolgreicher Feld­ züge beschrieben, die das Land zwischen Jumna und Chambal im Westen, zwischen dem Hugli im Osten, den Vorbergen des Himalaya im Norden und der Narbada im Süden ihm untertan machten. Elf Könige im Süden, neun Könige von Aryavarta (dem fruchtbarsten und dichtest besiedelten Teile Nordindiens), die Häuptlinge der wilden Stämme im Djungel, Könige der Grenzreiche und freie Gemeinwesen mußten seine Macht anerkennen. Allein der Weg, den seine Soldaten auf dem Feldzug nach Süden zurück­ legten, beträgt mehr als 3000 engl. Meilen Fußmarsch in mindestens drei Jahren. Dieses große Unternehmen fand wohl um 340 n. Chr. statt1). Samudragupta machte keinen Versuch, die südlichen Königreiche seinem Großreich einzuverleiben. Er kämpfte sich seinen Weg durch das südliche Kosala, schlug die Pallavakönige von Kanchi (Conjeeveram) und Palakha 1) V. Smith, ,,Early History of India“ S. 248—250; S. 245 gibt Smith 326 als Jahr der Thronbesteigung Samudraguptas an.

Karte 2.

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DAS REICH ASHOKAS

KASi

MAGADHA

0 L F

B CHOLA

CEYLON

E N

G

VON

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III. Die frühen Hindu-Reiche. 200 v. Chr.—ca. 1200 n. Chr.

(Palghatcherry), erzwang die zeitweilige Unterwerfung der Besiegten und kehrte durch den westlichen Dekkan heim. Samudragupta war der fähigste Soldat aus einer Familie kriegerischer Könige. Seine Oberherrschaft reichte zwar nicht bis ins Fanjab, und immer noch herrschte der Shaka-Satrap Rudrasimha in Ujjain über das Land von Malwa bis Sind, aber Samudragupta war doch Oberherr über das erste indische Großreich seit mehr als 500 Jahren. Die Könige östlich des Ganges und an den Südhängen des Himalaya standen unter seinem Schutz, und er unterhielt gute Beziehungen zum Kushankönig von Kabul und zum König von Ceylon. Als seine Kampfjahre vorüber waren, ließ er Harishenas Preisgedichte in Stein graben und wählte dazu mit zynischem Humor einen von Ashokas Pfeilern (der jetzt im Fort von Allahabad steht), um darauf seine kriege­ rischen Erfolge zu verewigen. Diese Inschrift samt der von Eran (im Di­ strikt Sagar) und seinen Münzen haben die Forschung der letzten 100 Jahre instand gesetzt, Samudragupta völliger Vergessenheit zu entreißen1): 30 Zeilen Verse und etwa ebensoviel Prosa sind das einzige Zeugnis der Kriege Samudraguptas. Um einen seiner Triumphe zu feiern und seine Oberherrschaft zu verkünden, belebte der Kaiser, der ein streng recht­ gläubiger Hindu war, das Pferdeopfer, das wohl seit Pushyamitra seine Oberhoheit nach der Niederlage des Vidarbhakönigs erklärte, nicht mehr dargebracht worden war. Die späteren Jahre der langen Regierung Samudraguptas scheinen in friedlicher Förderung der schönen Künste vergangen zu sein. Der Kaiser war selbst Dichter und ein Förderer von Dichtern; in Harishena fand er seinen poeta laureatus. Die Guptazeit und die Regierungszeit Harshas sind das goldene Zeitalter der Hinduliteratur (vgl. den Überblick am Ende des Kapitels). Wann Samudragupta starb, ist ungewiß2). Sein Nachfolger war sein Sohn, den er selbst ausersehen hatte; er nahm nach Hindusitte den Namen seines Großvaters an und fügte ihm den Titel Vikramaditya („Sonne des Heldenmuts") hinzu. Chandragupta II. war wie sein Vater ein ehrgeiziger Soldat und dehnte sein Reich nach allen Richtungen außer nach Süden aus. Die berühmte Eisensäule in Delhi, die von seinen Feldzügen in Bengalen berichtet, ist ein Muster älterer Metallverarbeitungskunst in Indien und an sich schon ein Denkmal. Nicht nur, daß ihre Eisenmasse größer ist, als irgendeine europäische Gießerei sie vor dem Ende des 19. Jahrhunderts hätte verarbeiten können, die Säule hat auch, obwohl sie schutzlos dem Wetter preisgegeben war, keinerlei Rost angesetzt und ihre Inschrift ist x) V. Smith, ,,Early History of India“ S. 253. 2) V. Smith setzt ihn um 375 an (Early Hist, of India S. 254).

Karte z.

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III. Die frühen Hindu-Reiche. 200 v. Chr.—ca. 1200 n. Chr.

heute so lesbar wie einst, als sie eingraviert1) wurde. Sie feiert den Krieg des Königs gegen das Vangaland und einen Feldzug, in dem er die „Sieben Mündungen des Indus" überschritt und ein Volk, die Vahlikas, besiegte, das sich nicht näher indentifizieren läßt. In Dhar steht eine andere noch größere Eisensäule, über 42 Fuß hoch, die gegen 320 n. Chr. gegossen worden ist. Aber die weitaus wichtigsten Feldzüge Chandraguptäs II. gingen gegen den Westen. Sie liegen um 388—401 n. Chr.2) und endeten mit der Unter­ werfung der westlichen Satrapen. Malwa, Gujarat und die Halbinsel Surashtra (Kathiawar) wurden einverleibt, und die Häfen der Westküste Indiens brachten Chandraguptas Reich in unmittelbaren Handelsverkehr zur See mit Ägypten. Während der Regierungszeit Chandragupta II. kam ein buddhistischer Mönch aus China namens Fa-Hien durch Zentralasien 399—414 nach Indien. Er überschritt den Indus auf einer Hängebrücke, wie Reisende in Kashmir und Südtibet sich noch heute über die Flüsse helfen und kam schließlich bis zum Hugli. Der einzige Zweck seiner Reise, den er in Pataliputra erreichte, war, die Ordensregeln der Mönche, die im zweiten Teil des Tripitaka stehen, sich zu beschaffen. Fa-Hien sah alles mit den Augen eines frommen Pilgers an, sein Bericht besteht fast nur aus bud­ dhistischen Legenden und Beschreibung heiliger Stätten. Es entging ihm, daß trotz der vielen Klöster mit Tausenden von Mönchen, deren Gast­ freundschaft er genoß, der Buddhismus seine Macht über Indien zu ver­ lieren begann. In seinen beiläufigen Bemerkungen über die Welt ringsum hat er der Nachwelt eine wertvolle Schilderung indischen Lebens in der Guptazeit, wie er es sah, gegeben3). Sein Buch ist lesenswert, schon wegen des unerheblichen Schlußkapitels, in dem er äußerst lebendig den Sturm beschreibt, den er auf der Meerfahrt heimwärts mit seinen kostbaren Ma­ nuskripten erlebte — er wirkt wie ein zweiter Jonas. Fa-Hien sagt vom „Mittleren Reich" (womit er das Gangesland meint): „Die Bevölkerung ist zahlreich und glücklich. Die Leute brauchen ihre Haushalte nicht registrieren zu lassen oder auf irgendwelche Beamte und deren Vorschriften zu hören, nur wer königliches Land bebaut, hat einen Teil der Ernte abzuliefern. Wenn sie anderswohin ziehen wollen, so gehen sie. Wollen sie weiter bleiben, so bleiben sie. Der König regiert ohne Todes­ strafe oder andere Körperstrafen; Verbrecher werden bloß mit Geldbußen belegt, leichter oder schwerer, je nach Umständen. Selbst in Fällen wieder­ holten böswilligen Aufruhrs wird ihnen nur die rechte Hand abgehauen. Des Königs Leibgarde und Gefolge empfängt Sold. Im ganzen Lande A. Coomaraswamy, „The Arts and Crafts of India and Ceylon“ S. 137. 2) V. Smith, „Early Hist, of India“ S. 255. 3) „Fa-Hiens Record of Buddhist Kingdoms“ tr. J. Legge, Oxford j886.

Fa-Hien. — Yajnavalkya.

59 töten die Leute kein Lebewesen und trinken keine berauschenden Getränke. Eine Ausnahme bilden die Fleischer (Chandala)1), sie sind böse Menschen und leben abseits. In diesem Lande hält man keine Schweine und kein Geflügel und verkauft kein lebendes Vieh, auf den Märkten gibt es keine Fleischerstände. Bei Kauf und Verkauf von Waren benützen sie als Zah­ lungsmittel Kaurimuscheln.“2) In Pataliputra machte Ashokas steinerner Palast mit seinem plastischen Schmuck auf Fa-Hien einen großen Eindruck, ebenso die beiden großen Klöster, die dem Mahayana- und dem Hinayana-Buddhismus geweiht waren und jedes 600—700 Mönche umfaßten3). In seinem Bericht über das Königreich Magadha sagt er u. a.: „Die Häupter der Vaishyafamilien richten in ihren Städten Häuser ein, in denen milde Gaben und Heilmittel verabfolgt werden. Arme und Be­ dürftige, Waisen, Witwer und kinderlose Greise, Krüppel und Kranke begeben sich dorthin und werden dort mit jeder Art Hilfe bedacht und von Ärzten untersucht. Sie erhalten die ihrem Fall entsprechende Kost und Medizin und gehen, wenn sie sich erholt haben, von selbst wieder fort.“4) Die einzige Gefahr für Reisende bestand nach Fa-Hien in einer großen Zahl von Löwen, Tigern und Wölfen5); der Leser wird an einen Vers in Fitzgeralds „Omar Khayam“ erinnert, wenn Fa-Hien erwähnt, daß Gaya damals völlig verlassen war, und die ehedem mächtige und reiche Stadt Shravasti damals kaum 200 Familien beherbergte und Budh-Gaya, Kapilavastu und Kushinagara, lauter heilige Stätten des Buddhismus, ver­ ödet waren6). Das flache Land nahm an dem Wohlstand, den Fa-Hien während seiner Reise in den Städten bemerkte, nicht teil. Vergleicht man die hauptsächlichsten Stellen in Fa-Hiens Reisetage­ buch über die sozialen Verhältnisse mit den Zuständen der Mauryazeit, so muß man bedenken, daß Kautalya ein Minister war, der seine Theorie und Technik des Regierens aufgezeichnet hat, indes Fa-Hien ein Pilger aus China war, der mehr den glatten Gang einer reibungslosen Verwaltung erblickte. Die offizielle Ansicht über das Regierungswesen unter den Guptas kann man dem Dharmashastra des Yajnavalkya entnehmen (des einflußreichsten indischen Rechtslehrers neben Manu, der wohl um 350 n. Chr. in Videha lebte)7). Yajnavalkya sagt, „Strafen oder Todesurteile zu verhängen, wo sie verdient sind, ist ebenso verdienstlich, wie große x) Legge verweist S. 43 Anm. hiezu auf Eitels ,,Handbook for the Student of Chinese Buddhism“ (S. 145/46). 2) Vgl. Fa-Hien Chap. XVI. 3) Fa-Hien Chap. XXVII. 4) Fa-Hien Chap. XXVII. 6) Fa-Hien Chap. XXXIII. 6) Fa-Hien Chap. XX, XXII, XXIV, XXXI. 7) A. Macdonell, ,,Sanskrit Literature“ S. 428, 429,

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Opfer darbringen und die reichsten Gaben verteilen“. Aber Strafe darf nie von Willkür diktiert sein1). Yajnavalkya ist im ganzen derselben Mei­ nung wie Kautalya, doch scheint die Anwendung des Strafkodex viel weniger streng gehandhabt worden zu sein, als im Mauryareich. Auf Chandragupta Vikramaditya folgte gegen 411—414 sein Sohn Kumaragupta I., der einige inzwischen lang vergessene Siege durch ein Pferdeopfer feierte. Sein Sohn Skandagupta folgte ihm um 454; er unterwarf irgendwann einen Stamm, der Pushyamitra hieß. Aber zu Beginn seiner Regierung sah er sich derselben Katastrophe gegenüber, die damals auch Europa bedrohte: dem Einbruch der Hunnen. Diese alle Zivilisation vernichtende Gefahr nahte in zwei Strömen aus den Steppen Zentralasiens; der eine Haufe wandte sich westwärts und bahnte sich seinen Weg durch das ost­ römische Reich und über den Rhein bis nach Gallien; die übrigen Horden, die sog. „Weißen Hunnen“, wandten sich südwärts und brachen durch die Pässe im Nordwesten nach Indien ein. Westeuropa wurde in der Schlacht bei Chälons 451 durch die vereinigten Heere der Römer und Westgoten gerettet; wenige Jahre später wandte Skandagupta durch einen großen Sieg über die einbrechenden Hunnen diese drohende Gefahr einstweilen von Indien ab. Nach Inschriften zu schließen2), genoß sein Land etwa 15 Jahre lang Frieden, die Wertverminderung seiner Münzen in späteren Jahren deutet freilich auf finanzielle Schwierigkeiten der Regierung. Um 465 kehrten die Hunnen wieder, vertrieben die Kushans aus Kabul und besetzten Gandhara. Fünf Jahre später brachen sie wieder in Indien ein und warfen das Guptareich über den Haufen. Was vom Besitz der Guptas übrig blieb, zerfiel in unbedeutende Königreiche, der letzte ihrer Dynastie regierte zu Beginn des 8. Jahrhunderts in Magadha. Der Führer der Hunnen in Indien war Toramana; mit großer Schnellig­ keit errichtete er seine Herrschaft in Nord- und Westindien3), starb aber schon um 510. Sein Sohn Mihiragula — für die indische Überlieferung ein abstoßender und blutdürstiger Tyrann — folgte ihm und machte Sakala (Chuniot oder Sialkot) zu seiner indischen Hauptstadt. Aber die Herr­ schaft der Hunnen mit ihrer wilden Grausamkeit war von kurzer Dauer. Gegen 528 wurde Mihiragula durch einen Bund von Hindufürsten unter Baladitya (wohl Narasimhagupta), König von Magadha, und Yashodharman, einem Raja aus Mittelindien, besiegt, und das Land wurde von den *) Vgl. B. Prasad, , ,Theory of Government in Ancient India" S. 174—176, wo Yajnavalkyas Grundsätze zusammengefaßt sind. 2) Vgl. „Early History of India" S. 268/269. 8) Vgl. ,,Early History of India" S. 274 Anm. 1 und 2 betr. Inschriften, die das Fort­ schreiten des Hunneneinbruches zeigen.

Thronbesteigung Harshas. — Harshas Eroberungen.

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Fremden gesäubert, mit Ausnahme einiger Siedlungen im Norden, die später von den Königen von Kanauj und Thanesar erledigt wurden1). Auch in Zentralasien dauerte die Herrschaft der Weißen Hunnen nicht lange; zwischen 560—570 verbündete sich der Perserkönig Khusrav Anushirvan mit türkischen Stämmen und machte dieser Gefahr für alle Zivili­ sation auch im Osten den Garaus. Der Rest des 6. Jahrhunderts liegt geschichtlich völlig im Dunkeln, aber das Jahr 606 wurde sehr bedeutungsvoll: ein 16jähriger Jüngling, Harsha-vardhana, wurde Herrscher im Staate Thanesar. Harsha begann alsbald vorsätzlich und planvoll, sich Nordindiens zu bemächtigen. Sein Vater Prabhakara-vardhana — wahrscheinlich ein Vaishya-rajput2) und mütterlicherseits vom Blut der Guptas — hatte seinen Staat durch erfolgreiche Kriege gegen die Hunnen und benachbarte Fürsten zu einer ansehnlichen Macht erhoben. So verfügte Harsha über eine stattliche Armee von 5000 Elefanten, 20000 Reitern und 50000 Mann Fußvolk, mit der er daran gehen konnte, sich den üblichen Traum eines Kshatriya zu erfüllen, nämlich möglichst ganz Indien „unter einen Sonnenschirm“ zu bringen. Mit diesem Heer aus drei Waffengattungen — Kampfwagen galten als veraltet — machte Harsha sich die „Fünf Indien“ untertan: Svarashtra (Panjab), Kanyakubja, Gauda (Bengalen), Mithila (Dharbanga) und Orissa. In sechs Jahren, in denen „die Elefanten nie ihren Harnisch und die Soldaten nie ihre Helme ablegten“ eroberte er die nordindische Ebene vom Sutlej bis zum Hugli, und Innerindien bis an die Ufer des Chambal und der Narbada, und fern im Osten erkannte Kamarupa (Assam) seine Oberhoheit an3). Im Norden war Kashmir der mächtigste Staat, sein König war Oberherr über große Teile des west­ lichen Panjab; er war Buddhist und die einzige Begegnung zwischen ihm und Harsha, von der berichtet wird, ist die gewaltsame Mitnahme eines Buddhazahns durch Harsha, der nach Kashmir gepilgert kam, um ihn zu sehen. Die Reliquie wanderte nach Kanauj. Harsha unterhielt freund­ schaftliche Beziehungen mit China, er sandte 641 einen Brahmanen als Gesandten an den Hof des chinesischen Kaisers, um den Austausch von Gesandtschaften zu eröffnen. Yuan-Chwang, der Harsha in seiner Resi­ denz Kanauj während seinen Reisen in Indien 629—645 besuchte, berichtet, x) Vgl. Aphsad-Inschrift bei R. Mookerji, „Harsha“ S. 13 (Anm.) und 51. 2) Dies ist Cunninghams Ansicht, bei Walters zitiert, der darauf hinweist, daß der chine­ sisch-buddhistische Pilger Yuan-Chwang reichlich Gelegenheit hatte, die Herkunft der könig­ lichen Familie zu kennen; dieser sagt, Harsha gehöre zur Vaishyakaste (vgl. Walters, „YuanChwang“ Vol. I, 8. 343—345). 3) Vgl. Mookerji, „Harsha“ S. 36—37 Anm. für die Annahme, daß Harshas fortgesetzte Eroberungskriege 612 ihren Abschluß fanden; aber vgl. dagegen „Early Hist, of India“ S. 286, 289, dafür, daß Harsha 37 Jahre lang Kriege geführt haben soll und der Krieg gegen Pulikeshin gegen 620 anzusetzen sei. Der Ganjam-Feldzug wird einstimmig auf 643 datiert.

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daß Harsha nach der Vergrößerung seines Reiches sein Heer vermehrte, das Elefantenkorps auf 60000 und die Reiterei auf 100000 erhöhte, — dann habe er 30 Jahre friedlich ohne die Waffen zu erheben geherrscht; eine Art, sein Heer auf einem Friedensstandard zu halten, die an das römische Sprichwort und die Methoden König Salomos erinnert. In seiner siegreichen Laufbahn widerfuhr Harsha ein einziger Miß­ erfolg: seine Vasallen hatten ihm zuversichtlich vorgehalten, „die Shakaregierung sei nur ein Kaninchenbau und der Dekkan um den Preis der Tapferkeit leicht zu erobern". Aber das mächtige Reich im Süden, das Pulikeshin II., der größte der Chalukyakönige beherrschte, war zu stark für ihn. Die Schlacht zwischen den Großkönigen des Nordens und Südens fand an der Grenze ihrer beiden Länder statt, am Ufer der Narbada, und Harsha wurde völlig geschlagen. Diesen Ausgang entschied augenschein­ lich Pulikeshins große Überlegenheit an Elefanten1), trotzdem Harsha Truppen aus allen „Fünf Indien zusammengezogen hatte und die besten Generäle aller Länder besaß". Yuan-Chwang berichtet, daß man den Ele­ fanten Pulikeshins vor der Schlacht Rum zu trinken gab und auch die Soldaten mit einer Rumration in die Schlacht geschickt wurden, was sie unbesiegbar machte. Das einzige Ergebnis dieser Schlacht, das uns überliefert ist, war, außer daß Harsha den Süden zu erobern aufgab, daß der Sieger einen zweiten Titel annahm. Harsha führte seinen letzten Feldzug 643 gegen Kongoda (Ganjam) und eroberte es. Etwa fünf Jahre danach starb er. Die Hausgottheiten Harshas waren Shiva und der Sonnengott, aber wie der größte Mauryaherrscher trat auch er zum Buddhismus über. Ashokas Glaube war einfach gewesen; Harsha war ein begeisterter Anhänger der Mahayanalehre, er betrieb Mission im eigenen Lande, drängte aber auch seinen chinesischen Gast Yuan-Chwang in den Dienst der Glaubenspropaganda. Dieser buddhistische Mönch berichtete über Harsha2): „er war ge­ recht in seiner Verwaltung und genau in der Erledigung seiner Pflichten, ... er war unermüdlich und der Tag war ihm zu kurz. Sein Tag zerfiel in drei Teile: einer für Staatsgeschäfte und zwei für fromme Werke, ... er brachte es dahin, daß keine Fleischnahrung mehr in den Fünf Indien ge­ gessen wurde und stellte das Töten von Tieren unter strenge Strafe. Er errichtete Tausende von Stupas . . . schuf Rasthäuser für Reisende rings im Land, die mit Speise und Trank versehen waren und Ärzte besaßen, die den Armen Medizinen verabfolgten. Er baute auch buddhistische 1)

Vgl. Walters Vol. II, S. 239. 2) Vgl. Walters Vol. I, S. 343, 345.

Karte 4.

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III. Die frühen Hindu-Reiche. 200 v. Chr.—ca. 1200 n. Chr.

Klöster an heiligen Stätten1). Er hielt regelmäßig die alle fünf Jahre üb­ liche geistliche Versammlung ab und schenkte alles Erdenkliche außer Kriegsmaterial als Almosen. Im königlichen Palast wurde täglich Speise für 1000 buddhistische Mönche und 500 Brahmanen ausgegeben." Harsha hielt, selbst auf seinen Staats- und Inspektionsreisen, bei denen er oft in einer Laubhütte kampieren mußte, einen beachtlichen Hofstaat und war wie Chandragupta Maurya von einer weiblichen Leibwache begleitet. Das „Harsha-Charita"2) seines Hofdichters und Biographen Bana er­ zählt, daß er „mit seinem Perlenhalsband und anderem Schmuck wie ein Juwelenberg aussah, der Flügel von Juwelen nach beiden Seiten breitete". Die Ämter der höchsten Staatsräte waren wohl die gleichen wie in der Mauryaverwaltung, nur hatten die Minister den Rang von Fürsten und Vasallenkönigen. Die Staatseinkünfte kamen vornehmlich aus einem Sechstel der Produkte der Kronländer, andere Quellen waren Lichtsteuer, Fährgebühren und Umsatzsteuer. Yuan-Chwang bemerkt, daß die Familien nicht registriert wurden und die Steuerlast sehr leicht war. Landbesitz war genau umschrieben, staatliche Aufseher und Treuhänder schätzten seine Einkünfte ab. Alle Staatsbeamten wurden mit Schenkungen von Land entlohnt, nicht in bar. Öffentliche Arbeiten wurden durch staatlich ausgehobene Arbeiter ausgeführt, die bezahlt wurden3). Auf Hochverrat stand lebenslänglicher Kerker, was für die damalige Zeit den Hungertod bedeuten konnte; kleinere Vergehen wurden mit Verstümmelung oder Verbannung bestraft und bei geringeren Anlässen wurden Geldbußen verhängt. Zu den gewöhnlichen Gerichtsverfahren trat nach Yuan-Chwang das Gottesurteil4). Der Buddhismus verlor an Boden, war aber doch noch eine bedeutende Macht. Die Hochschule Nalanda mit ihren sechsstöckigen Klöstern und Tausenden von Insassen gewährte den Studierenden freies Lernen, Essen, Wohnen und Schlafen, dazu Medikamente aus den Einkünften ihrer Ländereien5). Eine Hochburg des Buddhismus war damals die Landschaft Sind unter einem Shudrakönig, aber viele große Klöster Zentral- und Nordindiens, sogar die prachtvollen Bauten in Sanchi waren verlassen und zerfielen. Der Brahmanismus war die Religion der Massen; in gelehrten Wald­ einsiedeleien wurde der Vedanta studiert. Die volkstümlichsten Gottheiten *) Mookerji, „Harsha“ S. 124—127, der in seiner Berechnung Rhys Davids folgt, schätzt die buddhistischen Klöster Indiens zur Zeit Harshas auf insgesamt 5000, die Mönche aller Sekten zusammen auf 212130. So ungenau Yuan-Chwangs Zahlen sein mögen, erweisen sie, wie stark zu seiner Zeit der Buddhismus noch in Indien war. 2) Aus dem der vorstehende Bericht schöpft. 8) Vgl. Walters Vol. I, S. 176—177. 4) Walters Vol. I, S. 171/172. 6) Mookerji, „Harsha“ S. 129—132.

Indiens Überseebeziehungen. — Literatur. — Kalidasa und das Drama.

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waren Vishnu, Shiva und der Sonnengott. Yuan-Chwang bemerkte in Kanyakubja — damals ein Zentrum für Brahmanismus wie Buddhismus — Tempel, die allen dreien geweiht waren. Benares war damals wie heute der Hauptort des Shivakults; anderwärts im Lande gab es viele Hindu­ tempel. Die Ausbreitung Indiens nach Übersee beginnt mit der Kolonisie­ rung Cambodjas durch die Pallavas; indische Kultur war dort 400 n. Chr. allgemein verbreitet, der Brahmanismus beginnt dort den Buddhismus ungefähr ein Jahrhundert später zu verdrängen. Um 600 nimmt die Grün­ dung selbständiger Kolonien auf Java ihren Anfang von den Häfen Gujarats her; zur Zeit Harshas verkehrten Segelschiffe, die 200 Reisende fassen konnten, regelmäßig über Ceylon zwischen Tamralipti und Java. Indische Kunst, hauptsächlich Skulptur blühte in Cambodja und Java bis zum Einbruch des Islam im 12. und 14. Jahrhundert1). Die Zeiten der Guptas und Harsha-vardhanas — vom 5. zum 7. Jahr­ hundert — umfassen die bedeutendste Epoche der Hindukultur. In der Fachliteratur hat das wichtigste aller Rechtsbücher in Sanskrit, das „Gesetzbuch des Manu“ (in Versen) seine heutige Gestalt wohl nicht viel später als 200 n. Chr. angenommen2). Das Mahabharata, das „Manus Gesetzbuch“ nahesteht, war gewiß um die Mitte des 5. Jahrhunderts fertig3), vielleicht schon mehr als 100 Jahre früher, zu Beginn der Guptazeit. Die älteren Puranas, die von der Weltschöpfung, den Taten der Götter und Helden, den Königsfamilien des Sonnen- und Mondgeschlechts und von den religiösen Pflichten handeln, nahmen damals ihre heutige Gestalt an. Banas „Harsha-Charita“ gibt einen flüssigen poetischen Be­ richt über Harshas Leben, ist aber keine historische Biographie. Die Sanskritliteratur kennt kein rein historisches Werk bis zur Chronik der Könige von Kashmir, die 1148 entstand. Diese Fachliteratur, durchgehend von höchster Bedeutung, ist Wachs­ tum und Ernte früherer Jahrhunderte, aber für das Bereich der Dichtung und des Dramas kann diese Zeit den größten aller indischen Dichter für sich beanspruchen. Das indische Drama entwickelte sich aus den „Gesang- und Tanz“vorführungen wandernder Mimen zu religiösem Theater, das die Ge­ schichte Krishnas und Vishnus darstellte; sicherlich wurden schon Stücke gespielt, als Patanjali sein Mahabhashya schrieb. Zur Guptazeit war das Theater eine Unterhaltung der Fürsten und Vornehmen geworden. Die Vorstellungen wurden in den Palästen einem *) Vgl. A. Coomaraswamy, „The Arts and Grafts of India and Ceylon“ and. Ed., S. 66—72. 2) A. Macdonell, „Sanskrit Literature“ S. 248; G. C. Haughton’s edition (1825) in 2 vols. — Vol. I, the Sanskrit Version, Vol. II the English translation by. Sir W. Jones. 3) Vgl. R. G. Bhandarkar, „Coli. Works“ Vol. I, S. 79—93. Dunbar, Indien.

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HI. Die frühen Hindu-Reiche. 200 v. Chr.—ca. 1200 n. Chr.

aristokratischen Publikum von sehr begabten Schauspielern geboten, die keinerlei Bühnenausstattung bedurften, sich vielmehr mit den unentbehr­ lichsten Requisiten begnügten. Nach einer Ouvertüre, die ein Orchester von Flöten und anderen Instrumenten spielte, eröffnete der Spielleiter als Compere und die erste Schauspielerin die Aufführung mit einer Ein­ gangsszene als Prolog, die einem Sketch in einer modernen Revue ähn­ lich sieht. Dann kam das eigentliche Stück; sein Dialog war mit Gesang und Tänzen durchsetzt. Die schönsten indischen Theaterstücke sind alle zwischen Beginn des 5. und Ende des 8. Jahrhunderts geschrieben; der weitaus berühmteste Dramatiker ist Kalidasa, der wahrscheinlich in Malwa zu Anfang des 8. Jahrhunderts n. Chr. lebte. Drei seiner Stücke sind uns erhalten, „Shakuntala“ oder „Der Schicksalsvolle Ring“, „Vikramorvashi“ („Urvashi durch Mut gewonnen“) und „Malavikagnimitra“ („Malavika und Agnimitra“); sie geben Kalidasa einen Platz unter den größten Dramatikern aller Zeiten. Diese Stücke sind voll lyrischer Schönheiten; in seinen Ge­ dichten „Der Wolkenbote“ und der „Kreis der Jahreszeiten“ hat Kalidasa die vollkommensten lyrischen Gedichte in Sanskrit geschaffen. In der epischen Kunstdichtung Indiens (kavya oder höfische Epik), die in ihrem Aufbau starren Regeln folgt, hat Kalidasa die beiden berühmtesten Werke der Gattung verfaßt1). Indes Kalidasa im romantischen Drama unerreicht ist, mit seiner Zartheit und Tiefe des Gefühls, kennt schon das 6. Jahr­ hundert ein Stück, das mit dem kraftvoll dramatischen Schwung seiner Handlung Erwähnung verdient: „das irdene Wägelchen“2), das, einem königlichen Schutzpatron zugeschrieben, vielleicht von Dandin, einem gefeierten Dichter des 6. Jahrhunderts stammt. Der Monolog eines unter­ nehmungslustigen Einbrechers im 3. Akt, der fühlt, es muß etwas ge­ schehen, „damit die Leute staunen“, ist von glänzendem Humor, das Stück weiß komische Situationen mit ernster Dramatik zu verbinden. Das indische Theater läßt keine wirkliche Tragödie und keine Sterbe­ szenen zu. Diese höchste Form dramatischer Kunst verfiel mit dem Einbruch der Mohammedaner; sie sank ab zu Mysterienspielen auf den Dorfwiesen und zu den Tänzen der Tempelmädchen, die man noch heute bei Hochzeiten und ähnlichen Gelegenheiten oder in den Tempeln sehen kann. Im 4. Jahrhundert n. Chr. entstand eines der bedeutendsten astrono­ mischen Werke; dieses erhielt eine knappe praktische Gestalt durch x) Zu Kalidasas Werken vgl. Macdonell,,,Sanskrit Literat.“ XI, XII; zu seiner Einwirkung auf Goethe vgl. J. G. Robertson, ,,Life of Goethe“ S. 214. 2) Eine Beschreibung des älteren indischen Dramas und seiner Entwicklung zum modernen indischen Theater unter europäischem Einfluß vgl. R. K. Yajnik, „The Indian Theatre“ 1933.

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III. Die frühen Hindu-Reiche. 200 v. Chr.—ca. 1200 n. Chr.

Aryabhata, der, wie er selbst sagt, 476 in Pataliputra geboren wurde. Er lehrte die Drehung der Erde um ihre Achse und erklärte die Ursachen für Sonnen- und Mondfinsternisse. Die älteren indischen Astronomen er­ reichen in ihren Kapiteln über Algebra eine viel höhere Stufe als es den Griechen je möglich war1). Die Kushan- und spätere Andhrazeit (50—320 n. Chr.) hat eine schwerfällige und rohe Skulptur; danach verleiht die Guptazeit dem Stil seine endgültige Reife, jetzt gewinnen Typen und Szenen ihre klassische Gestalt, die ihre Wirkung weit über das Gangestal hinaustrug. Der Ein­ fluß der Guptakunst breitete sich nicht nur über Indien und Ceylon, ja über die Grenzen des eigentlichen Indien hinaus und währt bis zum heutigen Tag2). Aus dem Beginn der Guptazeit haben wir die ältesten Beispiele von hinduistischen Tempeln mit plastisch bearbeiteten Ziegeln. Diese frühen Steintempel nach dem Vorbild von Chaitya-Höhlen hatten Tonnengewölbe und eine Apsis. Die Eingänge zu den Mahayana-Hallen (gegen 500 n. Chr.) sind reich mit Buddhafiguren und Lotus Ornamenten geschmückt, ihr Inneres ist ausgemalt. In der großen Universität von Nalanda in Süd-Bihar, die gegen 470 gegründet wurde, waren Klosterbauten sechs Stock hoch, der große Ziegel­ tempel erhob sich über 300 Fuß hoch mit seinen reichgeschmückten Tür­ men und Türmchen. Yuan-chwang hat ihn beschrieben „mit seinen drachengleichen Vorsprüngen, bunten Dachtraufen, geschnitzten und ver­ zierten roten Pfeilern und seinen reichgeschmückten Balustraden und Dächern aus glasierten Ziegeln“. Aber mit Harshas Tod war das goldene Zeitalter zu Ende. Sein Minister Arjuna riß den Thron an sich, war aber völlig unfähig, das Reich zusammenzuhalten. Seine erste Regierungstat war, die Eskorte der chine­ sischen Gesandtschaft unter Wang-hiuen-tse, die gerade an den Hof kam, ermorden zu lassen. Die Gesandten selbst entkamen nach Nepal. Wanghiuen-tse kehrte mit vereinigten Streitkräften von Nepalesen und Tibetern zurück und es gelang ihm, mit Hilfe von Kumara, dem König von Assam, der Vasall und ein persönlicher Freund des verstorbenen Kaisers gewesen war, Arjuna völlig zu schlagen; er wurde gefangen nach China geschickt3). Das Land, das Harsha mit fester Hand glücklich regiert hatte, stürzte aufs neue in ein Chaos endloser Kriege unter Kleinstaaten. Aus dem hoffnungslosen Wirrwarr der nächsten 500 Jahre erhoben sich wohl zeitweilig Reiche unter starken und entschlossenen Herrschern, x) Vgl. A. Macdonell, ,,Sanskrit Literature" S. 434, 435. 2) Vgl. A. K. Coomaraswamy, ,,History of Indian and Indonesian Art" S. 71, 72; und V. A. Smith, ,,History of Fine Art in India and Ceylon" rev. by K. de B. Codrington. 3) Vgl. V. Smith, ,,Early History of India" S. 298—99, wo diese Ereignisse ausführlich berichtet sind.

Die Künste. — Der Dekkan.

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aber keiner von ihnen war stark genug, ein Großreich zu begründen und das Chaos in einen folgerichtigen Geschichtsablauf zu wandeln. Die Künste erfreuten sich weiterhin der Gunst vieler Höfe, besonders die Tempelbaukunst. Tempel wurden zu Ehren aller drei Religionen erbaut, aber alle im gleichen Hindustil ihrer Zeit. Die Plastik blieb auf ihrer Höhe; die spätesten und besten Malereien in Ajanta gehören dem 8. Jahrhundert an1). Zu Beginn dieser mittelalterlichen Kunstperiode wurde um das 9. Jahrhundert der Ziegeltempel des Lakshmana in Sirpur er­ richtet, unübertroffen an Reichtum und Feinheit des Ornaments; die herr­ lichen Tempel von Orissa und in Khajuraho entstanden gegen 1000. Hindi, Bengali, Gujarati und andere moderne Sprachen waren im Werden und bereiteten das Entstehen einer Literatur in der Volkssprache vor. Die Geschichte des Dekkans2) dreht sich etwa 550—750 um das wechselnde Glück der Chalukyas, einer Königsfamilie vielleicht hunni­ schen Ursprungs, die, in Gujarat angesiedelt, zu den Rajputen rechnete. Ihre großartigste Figur war Pulikeshin II., der sein Königreich Vatapi auf Kosten seiner Nachbarn vergrößerte, bis er der mächtigste Herrscher südlich der Narbada war und Harshas Heere bei ihrem Angriff zurück­ schlug. Auf seiner Siegeslaufbahn vertrieb Pulikeshin den Pallavakönig von Kanchi aus seinem Lande zwischen den Flüssen Kistna und Godavari; so fing eine Feindschaft an, die nach wechselndem Kriegsglück für ihn 64z mit Niederlage und Tod endete. Mit der Herrschaft der Chalukyas ist es um die Mitte des 8. Jahrhunderts vorüber: Dantidurga aus der altindischen Familie der Rashtrakutas kam aus dem Maharashtralande heruntergezogen und überwältigte Kirtivarman II. Damit ging die Ober­ hoheit über den Dekkan für mehr als zwei Jahrhunderte auf die Rash­ trakutas über. Der berühmte in den Fels gemeißelte Kailasatempel in Ellora stammt aus der Zeit Krishna I., des zweiten ihrer Könige. Aber 973 gelangten die Chalukyas wieder in ihr Erbe, der letzte Rashtrakuta wurde von Tailapa II. dem Gründer der jüngeren Chalukyadynastie entthront. Tailapa brachte den Landbesitz seiner Ahnen größten­ teils wieder zusammen und seine Nachkommen herrschten in Kalyani für mehr als 200 Jahre. Aber gleichzeitig mit dem Sturz der Rashtrakutas und der Rückkehr der Chalukyadynastie erwuchs südlich der Kistna ein starker, angriffsbereiter Staat, das Reich der Cholas. Diese versuchten, die Oberherrschaft in Süd- und Westdekkan an sich zu reißen. Unter Rajaraja dem Großen, dem bedeutendsten König der Cholas, begann eine Reihe von Grenzkriegen zwischen den gleichstarken Mächten der Chalux) Siehe „Ajanta“ (published under the special authority of H. E. H. The Nizam, Oxford University Press, 1931—1934) eine prachtvolle Veröffentlichung mit vielen farbigen Tafeln. 2) Vgl. V. Smith, ,,Early History of India“ Chap. XV für weitere Einzelheiten.

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III. Die frühen Hindu-Reiche. 200 v. Chr.—ca. 1200 n. Chr.

kyas und Cholas; um 1000 brach Rajaraja ins Chalukyareich ein und ent­ riß ihm einen großen Teil des heutigen Maisur. Rajaraja hatte bereits be­ trächtliche Eroberungen im Süden gemacht; später dehnte er seine Herr­ schaft auf Kaiinga und Ceylon aus. Aber um 1080 entriß der erleuchtete König Vikramaditya Chalukya den Cholas wieder die Eroberungen Raja­ rajas in Maisur. Die Chalukyas von Kalyani behielten weiter die Oberherrschaft, bis sie in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts zwischen ihren früheren Vasallen, den Hoysalas von Dvaravatipura und den Yadavas von Deogir zermalmt wurden. Die Cholas wurden um 1220 durch die Pandyas von Madura geschlagen; von da an war es mit ihrer Oberhoheit zu Ende, denn die Feindseligkeiten zwischen Cholas und Pandyas hatten u. a. zur Folge, daß die Hoysalamacht sich unter ihrem größten Herrscher Vira Ballala II. über die streitenden Staaten erhob. Die Hoysalas hatten es in zoo Jahren von Häuptlingen eines kleinen Bergstammes in den WestGhats zur alles beherrschenden Stellung im Dekkan gebracht. Eine Reihe Eroberungen, die mit der Niederlage der Yadavas schloß, führte sie 1192 auf den Gipfel, aber ihre Oberherrschaft war von kurzer Dauer. Der Ein­ bruch der Mohammedaner zerschlug sie 1310 und ihre Hauptstadt Dvara­ vatipura wurde geplündert, und als die Eroberer nach 16 Jahren wieder­ kamen, verschwand das Königreich. Zwischen Narbada und Jumna erfreuten sich die Chandelkönige von Jijhoti etwa 300 Jahre lang einer weniger bedrohten Existenz als ihre Nachbarn in Nord und Süd. Zu Anfang des 9. Jahrhunderts waren sie eine Macht geworden, mit der man südlich der Jumna rechnen mußte; 950—1050 bauten sie die großartigen Hindu- und Jainatempel in ihrer Hauptstadt Khajuraho. Nach dem Einbruch der Moslim blieb die Chandeldynastie als Vasallen der Ghaznaviden an der Macht, bis nach einem erfolg­ losen Aufstand ihr Reich 1203 von den Mohammedanern einverleibt wurde. Weiter nördlich hatte das Land Kanauj wieder einmal einen starken Herrscher in Bhoja (Mihira Parihar) gefunden, einem Rajputenhäuptling, der sich des Throns bemächtigte und ein starkes Reich begründete. Er regierte fast 50 Jahre bis zu seinem Tod um 890. Seine Nachfahren waren noch Könige von Kanauj als Mahmud von Ghazni nach Nordindien hinabzog. Das heutige Bengalen verspürte die Anarchie, die nach dem Zerfall von Harshas Großreich über Nordindien hinfegte, am gründlichsten. Aber um 750 wählte das Volk aus reiner Verzweiflung einen König, der Frieden und Sicherheit wiederherstellen sollte. Es tat einen guten Griff, als es den Buddhisten Gopala wählte, denn sein Sohn Dharmapala, der zweite König der Paladynastie, war ein starker Herrscher und erfolg-

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III. Die frühen Hindu-Reiche. 200 v. Chr.—ca. 1200 n. Chr.

reicher Krieger; zu Beginn des 9. Jahrhunderts machte er sich weite Teile Nordindiens untertan. Das Glück der Dynastie war wechselnd, aber sie hielt sich, bis auch sie vom unabwendbaren Ende aller Reiche nördlich des Dekkan ereilt wurde: dem Einbruch der Mohammedaner vor der Mitte des 13. Jahrhunderts zu erliegen. Aber das wechselnde Glück machtfroher Fürsten in Hindustan und Dekkan beim Durcheinander dieser Staaten und der Not des Volkes ist von geringer geschichtlicher Bedeutung. Der Schwerpunkt geschichtlichen Geschehens hat sich schon lange von Pataliputra und Ayodhya, der späte­ ren Guptaresidenz, nach Kanauj verlagert; nun aber rückt er noch weiter westwärts, nach Rajputana, Sind und dem Panjab. Dieser breite Landgürtel bedeutet für Indien was Ost-England und Teile von Schottland für das übrige Großbritannien bedeuten: den Be­ reich, der in vergangenen Zeiten den Einfällen fremder Völker und lang andauernden Einwanderungen ausgesetzt war. Die Einwohner dieser Zone sind ihrer Abstammung nach gemischt; die Bevölkerung Südindiens stellt ihnen gegenüber, wie die Einwohner von West-England und Wales, die Nachkommen der Ureinwohner dar. Im ganzen stellen die Rajputenklans den alten Kshatriyastand der indo-arischen Gesellschaft dar, mit dem sich in geringem Ausmaß Brahma­ nen verheiratet haben. Die Rajputen leiten ihre Abstammung von den halbmythischen Königsfamilien des Sonnen- und Mondgeschlechts (Suryaund Chandravamsha) und von der Familie des Feuergotts (Agnikula) her. In ihren Bergen und Tälern, fern von den reichen Ebenen hausend, sind sie für Indien, was die Hochländer für Schottland sind: ein stolzes Volk, das sich gleicher Abkunft mit seinen Häuptlingen rühmt, jäh und schnell zum Streit, in Klans zersplittert, die sich niemals einigen konnten, um ein Königreich zu gründen. Der kleinere Rajputenadel „mit einem Stammbaum lang wie sein Schwert und einem Schwert lang wie die Dorf­ straße" besaß sein Landlehen als kriegerischer Lehnsgefolgsmann. Die Rajputen erwiesen ihren Frauen eine im Orient ungewöhnliche Ehrfurcht und waren gegen ihre Feinde von unübertroffener Ritterlichkeit. Ihre Frauen hüteten eifersüchtig eine Tradition, die dem Heldenmut der Männer ebenbürtig war; angesichts des unabwendbaren Unheils konnten sie, wie in Manaich, als Mahmud von Ghazni die Stadt belagerte, zeigen, daß mindestens ihr Geist unbezwinglich war: sie vollzogen den furchtbaren Brauch des „jauhar" — Frauen und Kinder warfen sich selbst ins Feuer, indes die Männer in safranfarbenen Gewändern (d. i. die Farbe der Tod­ geweihten : der Mönche, die dem Weltleben entsagt haben, und der zur Hinrichtung Verurteilten) aus der belagerten Stadt brachen und sich mit dem Schwert in der Hand auf den Feind stürzten um als Helden zu Sterben,

Die Rajputen.

73 Aber nicht alle Rajputenklans sind indo-arischen Ursprungs; eine Anzahl der vornehmsten Klankasten von Rajputana stammt von späteren Eroberern Indiens, z. B. den Gurjaras und Weißen Hunnen, die ebenfalls von blonder hochgewachsener Rasse waren, unähnlich der schlechten Art, die Europa bezwingen wollte. Diese Fremdstämme wurden vom Lande, das sie unterwarfen, aufgesogen und ließen sich unter den echten Kshatriyas im heutigen Rajputana und Gujarat nieder, in der Gegend, die nach dem mächtigsten Klan von Shakaherkunft benannt ist. Aus einem von diesen, dem Pariharzweig der Gurjaras, entsprang die Königsfamilie, die Kanauj um 840 eroberte und ihren Sitz von Bhilmal nach Harshas kaiser­ licher Residenz verlegte, indes andere Rajputendynastien in Malwa und Bundelkhand zur Macht kamen.

IV. KAPITEL

MOHAMMEDANISCHE HERRSCHAFT VOR DER MOGULZEIT Frühere Einbrüche fremder Völker waren aus Nordwesten gekommen, aber das erste Anzeichen des Sturms, der Asien, Nordafrika und Südeuropa durchfegte, traf das Land Sind. Der überwältigende Erfolg der mohammedanischen Eroberer in In­ dien wird begreiflich, wenn man sich die entsprechenden Ereignisse im Westen vergegenwärtigt; der Aufstieg des Islam ist, wie Sir Wolsely Haig sagt1), eines der weltgeschichtlichen Wunder; seiner erbarmungslosen Ausbreitung durch das Schwert hielt kaum etwas stand. 622 n. Chr. floh ein Prophet, der nicht mehr als ein Dutzend Anhänger um sich zu sammeln vermochte, aus seiner Vaterstadt Mekka nach dem heutigen Medina; reich­ lich ein Jahrhundert später herrschten die Nachfolger und Anhänger dieses Flüchtlings über ein Reich, das vom Atlantischen Ozean bis nach Afghani­ stan und vom Kaspischen See bis zu den Nilfällen reichte. Zu Beginn des 8. Jahrhunderts hatten die Araber die Fahne des Pro­ pheten nach Gedrosien (dem heutigen Belutschistan) getragen; ein seeräube­ rischer Akt, von Leuten begangen, die nur dem Namen nach Dahir, dem brahmanischen König von Sind, unterstanden, der seinerseits den Shakaherrscher des Landes vertrieben hatte, führte 711 zum Einbruch der Araber unter dem jungen Muhammad Quasim. Muhammad hatte schwere Belagerungsmaschinen, um seine ausge­ wählte Truppe zu unterstützen; er nahm eine feste Stadt nach der anderen. 712 war er bis in das Herz von Sind gedrungen, wo er mit Dahir in einer regelrechten Schlacht zusammenstieß. Der Hindukönig wurde getötet, sein Heer in die Flucht geschlagen; der Sieger begründete seine Herrschaft über das untere Sind mit Hilfe lokaler Verwalter. 713 rückte er auf Multan vor und eroberte es. Jetzt hatten die Araber Sind und das untere Panjab; mit diesen Er­ oberungen tritt die mohammedanische Politik in ein neues Stadium. Der Koran ordnet an, daß Christen und Juden auf Grund ihrer religiösen Offenbarungsschriften eine bevorzugte Klasse gegenüber anderen „Un*) „Camb. Hist. India“ Vol. III, p. 1.

Die Araber in Sind. — Der Aufstieg der Ghaznaviden.

75 gläubigen“ bilden. Wenn sie besiegt werden, soll ihr Leben geschont und ihr Glaube geduldet werden, solange sie sich unterwerfen und eine Kopf­ steuer zahlen, indes die ältere Auslegung des Korans den übrigen Un­ gläubigen nur die Wahl ließ, zum Islam überzutreten oder zu sterben. Aber die Eroberung von Sind war kein heiliger Krieg. Muhammads Politik war, möglichst wenig allgemeine Feindseligkeit zu erregen. Sie brachte ihn dazu, in Damaskus um eine Amnestie für die Hindus einzukommen, nach der ihre Tempel erhalten blieben und ihnen freie Religionsausübung ge­ stattet wurde. Auf seine einfachsten Begriffe gebracht, läuft der Islam auf die Glau­ bensformel hinaus, „es ist nur ein Gott und Mohammed ist sein Prophet“. Im übrigen ist sein Glaubensgehalt durch die Shari’at begrenzt, dem In­ begriff natürlicher, ethischer und sozialer Verordnungen, die sein Begründer gelehrt hat. Die muslimischen Sekten unterscheiden sich nur in der Aus­ legung dieser Verordnungen, die für die ganze mohammedanische Welt bindend sind. Die Aufsicht, die von den Kalifen zu Bagdad über das von Ihnen abhängige Indien ausgeübt wurde, ließ mählich nach; 871 war es damit zu Ende, in Multan und Mansurah erstanden zwei unabhängige Staaten unter Herrschern aus des Propheten eigenem Stamm, den Koreish. Die Araber machten keinen ernstlichen Versuch, die Macht der Rajputenkönige im Norden und Osten zu brechen; trotzdem sie Sind und das untere Panjab erobert hatten, ließen sie das übrige Indien unberührt. Ihre Macht wurde durch arabische Soldaten gestützt, die sich als Kolo­ nisten ansiedelten und in die ansässige Bevölkerung einheirateten; die eigentliche Verwaltung blieb großenteils in Händen der Eingeborenen und die Besteuerung der Hindubevölkerung war keineswegs drückend. Aber mit Mahmud von Ghazni und seinen türkischen Heeren sollte eine ganz andere Art von Eroberern über Indien kommen. Wie die Türken zur Macht kamen, ist eine merkwürdige Geschichte. Die Kalifen von Bagdad hatten, um ihre eigene Stellung gegen den wachsen­ den persischen Einfluß einerseits und vor der Gefahr einer arabischen Revolte anderseits zu sichern, sich eine Leibgarde von kriegsgefangenen türkischen Sklaven herangezogen. Allmählich stiegen Männer aus dieser türkischen Garde zu den höchsten Staatsämtern auf; sie erlangten die Aufsicht über die Provinzen und machten, nachdem sie so zu Herren der Kalifen geworden waren, die türkische Bevölkerung zur herrschenden innerhalb der muslimischen Welt. In der Geschichte des muslimischen Indien begegnet man immer wieder dem Zuge, daß Sklaven die höchsten Staatsämter innehaben. Ver­ sklavung war damals für die im Kriege Besiegten der einzige Ausweg an­ gesichts des Todes in massenhafter Abschlachtung; der Koran lehrte, daß

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IV. Mohammedanische Herrschaft vor der Mogulzeit. 711—1388 n. Chr.

Sklaven, die ihre Gebete verrichten (d. h. den Islam annehmen), Brüder sind und wie ihre Herren bekleidet und gespeist werden müssen. Sie haben das Recht, sich freizukaufen, wenn sie dazu in der Lage sind; ja, wenn eine Sklavin ihrem Herrn ein Kind gebar, war das Kind frei und die Mutter erhielt die Freiheit (ein Zug, der sich vorteilhaft von den Bedingungen abhebt, die viele Jahrhunderte später auf amerikanischen Plantagen herrschten). Gegen Ende des 10. Jahrhunderts hatte der Islam seine politische Einheit eingebüßt. Die Macht war den Händen der arabischen Nachfolger des Propheten entglitten, sie verteilte sich auf eine Reihe unabhängiger Dynastien, für die der Kalif in Bagdad nur mehr das geistige Oberhaupt bedeutete. Einer dieser unabhängigen Staaten war Ghazni; auf seinen Thron kam 977 ein Sklave namens Sabuktigin. Er vergrößerte das Reich rasch bis an den Oxus im Norden und bis zur heutigen persischen Grenze im Westen. Nach zwei siegreichen Feldzügen entriß er dem König Jaipal vom Panjab ein Gebiet, das Kabul in sich schloß. Sechs Jahre später über­ gab ihm der Herrscher von Bokhara die Verwaltung von Khorasan (Ost­ persien). Sabuktigin starb 997; ein Jahr später wurde sein jüngerer Sohn Ismail, der ihm auf dem Throne gefolgt war, von seinem älteren Bruder Mahmud entthront. Mahmud war 27 Jahre alt, als er das Reich übernahm, das sein Vater geschaffen hatte. Im Jahr darauf fügte er die Provinz Scistan hinzu. Der Kalif al-Qadir Billah erkannte seine Unabhängigkeit feierlich an, indem er ihm den Titel Yamin-ud-Daula übertrug, von dem die Nachfolger Mahmuds im Osten als die Yaminidynastie bekannt sind. Es heißt, damals habe Mah­ mud ein Gelübde abgelegt, alljährlich einen Feldzug zu unternehmen, um den Halbmond in einem heiligen Kriege nach Indien hineinzutragen. Diese Feldzüge lassen sich nicht genau verfolgen, es waren im ganzeh 12 bis 17. Mahmud sah sich nicht einem geeinigten nordindischen Großreich gegenüber, vielmehr einer Reihe von Staaten, die untereinander viel zu mißtrauisch ja feindlich waren, um ihm mehr Widerstand zu bieten, als kurzlebige und halbernste Bündnisse vermocht hätten. Der kleine brahmanische Staat Und am Indus ward als erster ausgelöscht, dann fiel die ganze Wut des muslimischen Sturms über das Königreich des Panjab her, dessen Hauptstadt Bhatinda war. Seine Könige, Jaipal I., Anandpal, Jaipal II. und Bhimpal, der „Furchtlose", widerstanden Mahmuds Einbruch tapfer aber erfolglos. 1021 kam es zum Ende, Bhimpal mußte sich nach Ajmer flüchten. Der erste Einbruch erfolgte 1001; Mahmud zog mit 15000 Reitern nach Peshawar, wo er Ende November auf Jaipal stieß, der ihm mit 12000

Einbrüche Mahmuds von Ghazni.

77 Reitern, 30000 Mann Fußvolk und 300 Elefanten den Weg versperrte. Die indischen Truppen wurden in die Flucht gejagt, 15 000 wurden getötet, Jaipal gefangen genommen. Gegen Lösegeld freigelassen, dankte er zu­ gunsten seines Sohnes Anandpal ab; überwältigt von der Schmach seiner Niederlage bestieg er den Scheiterhaufen. Die nächsten Jahre füllte Mahmud mit kleineren Unternehmungen aus, er schlug einen Aufstand am Oxus nieder, wobei sich — bemerkens­ wert genug — eine Truppe Inder in seinem Heer befand. Aber 1008 zog er wieder nach Indien hinab um Anandpal zu zermalmen. Dieser hatte mit seinen Verbündeten, den Herrschern von Ujjain, Gwalior, Kalinjar, Kanauj, Delhi und Ajmer die indischen Streitkräfte westlich von Und versammelt. Statt seine bisherige Taktik stürmischer Angriffe anzuwenden, bezog Mahmud eine Verteidigungsstellung, er sicherte seine Flanke mit Gräben und wartete 40 Tage lang auf einen Angriff der Feinde. Dieser erfolgte denn auch am letzten Tage des Jahres. Als Eröffnung griffen 30000 Mann Bergvölker Mahmuds Flanken an und nahmen die Feldbefestigungen. Mahmuds Niederlage schien besiegelt, da ward Anandpals Kriegselefant von plötzlichem Schrecken erfaßt und stürmte aus der Schlacht davon. Als die indischen Truppen ihren Führer fliehen sahen, löste sich ihre Ordnung auf und die Mohammedaner errangen einen voll­ ständigen Sieg. Mahmud drängte bis Kangra, der Schatzkammer Nordwest­ indiens, nach, plünderte es und kehrte mit ungeheurer Beute nach Ghazni zurück. Jahraus jahrein erfolgte während der kühlen Jahreszeit ein Einbruch nach dem anderen; Mahmud kehrte jedesmal beutebeladen in seine Berg­ festungen zurück und führte mit seinem Heere riesige Mengen Gefangener fort, die in Ghazni als Sklaven verkauft wurden. Thanesar, die heilige Stadt von Muttra, und Kanauj, der Mittelpunkt Hindu-Indiens, fielen in die Hände der Mohammedaner; nach dem Feldzug 1018—19, bei dem 53000 Gefangene, 380 Elefanten und ungeheure Schätze erbeutet wurden, er­ richtete Mahmud in Ghazni die Moschee aus Marmor und Granit, die „Braut des Himmels" hieß, und die mit ihr verbundene geistliche Schule. Außer dem Feldzug 1021, durch den Bhimpal vernichtet und das Fanjab einverleibt wurde, hatten alle kriegerischen Unternehmungen Mahmuds der Stärkung seiner Herrschaft am Oxus und in Multan gegolten oder waren durch Nordindien hingestürmt, um zu plündern und Tempel zu zerstören. Aber 1024 setzte er zu seinem berühmtesten Feldzug an; mit 30000 Kamelen, die Wasser für die Truppen führten, durchquerte er die große indische Wüste und eroberte Somnath. Die Hindus leisteten zähen Widerstand und machten ihm mit größtem Heldenmut jeden Fuß­ breit streitig, der zu dem großen Tempel führte, in dessen Heiligtum tau­ send Brahmanen amtierten und seine geradezu unermeßlichen Schätze

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hüteten. 50000 Inder lagen erschlagen vor Somnath, ehe der Tempel er­ obert und seines Goldes und seiner Juwelen beraubt ward, ehe sein großes steinernes Linga in Stücke zerschlagen wurde. Erst im Frühjahr 1026 kehrte Mahmuds Armee mit ihrer Beute nach Ghazni heim. Im Herbst des gleichen Jahres unternahm Mahmud seinen letzten Zug nach Indien gegen die Jats des Sind-Sagar Doab, die seinen Rückmarsch aus Somnath gestört hatten. Er schlug sie in einer Schiffsschlacht auf dem Indus, bei der er 1400 Boote benützte, die mit Eisenspitzen bewehrt waren; ihre Mannschaft hatte er mit Pfeil und Bogen und Naphtahandgranaten be­ waffnet. — Mahmud starb 1030 in Ghazni. Mahmud kann nicht als ein indischer König gelten, wenngleich er eine Dynastie begründete, die anderthalb Jahrhunderte lang das Panjab beherrschte, denn das Panjab wurde erst zu Ende seiner Regierungszeit einverleibt und sein ganzes Interesse galt seiner Hauptstadt Ghazni. Durch Schändung und Zerstörung von Hindutempeln säte er Haß und religiöse Verbitterung zwischen Hindus und Moslems; noch die gegenwärtigen Streitigkeiten zwischen den feindlichen Gemeinden haben ihre Wurzeln in seinem Verhalten1). Mahmuds unablässige Einbrüche in Indien und die grausigen Men­ schenschlächtereien in ihrem Gefolge erklären sich aus seinem religiösen Fanatismus. Er war ein eifernder, bilderstürmerischer Frommer, aber er sah in Indien mehr einen unerschöpflichen Quell für reiche Beute, als eine neue Welt, die es zu erobern und zu beherrschen gälte; seine Banner zogen aus den Steppen Innerasiens Tausende von Freiwilligen an, die beutegierig am Raube teilhaben wollten. Mahmud war der erste unter den großen muslimischen Führern, der den Halbmond bis ins Herz von Hindustan vorwärtstrug. Er war ein äußerst fähiger Soldat, aber auch ein Schirmherr der Künste, die seine Haupt­ stadt mit vielen edlen Bauten zierten; er zog eine Reihe von Dichtern an seinen Hof nach Ghazni; ihr größter war Firdausi, der Verfasser des ShahNama. Der bedeutendste unter den Gelehrten und Schriftstellern an Mahmuds Hof war Abu-Rihan Muhammad, bekannt unter dem Namen Al-Beruni (d. i. „Der Fremde“). Dieser hochbegabte Gelehrte und Schriftsteller war als Geisel oder Gefangener von Mahmud aus seiner Heimat Khiva nach Ghazni gebracht worden. Nach der Einverleibung des Panjab verbrachte er daselbst einige Zeit, lernte Sanskrit, studierte gründlich Hinduphilo­ sophie und -Wissenschaften und schrieb ein Werk über Geschichte und Sitten der Hindus. Es wird allgemein „Al-Berunis Indien“ genannt; nach V. Smith steht es einzigartig in der muslimischen Literatur dar. Nach dem zu urteilen, was von anderen seiner Schriften übrig geblieben ist, die von *) Vgl. „The Indian Horizon“ vom Maharajadhiraja von Burdwan, S. 13.

Mas’ud.

79 den verschiedensten Gegenständen handeln, darunter Astronomie und Physik, war Al-Beruni ein Gelehrter ersten Ranges. 75 Jahre alt starb er 1048. Mahmud galt als geizig, aber er gründete eine Hochschule und eine Bibliothek und verwendete viel Geld an Pensionen für Gelehrte; ja, wo es seine Religion betraf, war er verschwenderisch. Mit starker Hand regierte er sein großes Reich und hielt auf Ordnung und Sicherheit; doch dauernd mit Kriegsfahrten beschäftigt, versäumte er, seine Macht zu or­ ganisieren und zu festigen. Bald nach seinem Tode begann sein Reich mählich auseinanderzufallen. 1030 wiederholte sich bei Mahmuds Nachfolge, daß der ältere Bruder — wie seinerzeit Mahmud selbst — den jüngeren entrechtete. Nach kurzem Kampf entriß Mas’ud, der ältere und fähigere von Mahmuds Söhnen, die Herrschaft dem jüngeren Muhammad, dem sie vermacht worden war, und schaffte seinen unseligen Bruder geblendet und gefangen nach der damaligen Hauptstadt von Balkh. Mahmud hatte zum Gouverneur des Panjab einen türkischen Offizier, namens Ariyaruq eingesetzt, der sich fast unabhängige Macht beimaß, die meisten Einkünfte für sich behielt, das Volk bedrückte und ihm verwehrte, sich mit seinen Beschwerden an den König zu wenden. Mas’uds erste Tat war, diesen Gouverneur abzusetzen und hinrichten zu lassen; freilich tat er in der Wahl seines Nachfolgers, indem er seines Vaters Schatzkanzler Ahmad Niyaltigin ernannte, einen ebenso unglücklichen Griff wie sein Vater. Immerhin gab er den Beamten des Panjab genaue Anweisungen, um eine Wiederholung der Zustände unter Ariyaruqs Verwaltung zu ver­ hindern; es sollten keine kriegerischen Unternehmungen über das Panjab hinaus stattfinden, türkische Beamte sollten nicht trinken, Polo spielen, oder gesellschaftlich mit den Hindubeamten von Lahore verkehren und sollten vermeiden, unnötigen religiösen Eifer an den Tag zu legen. Ahmad brauchte sich nicht lange mit Abu-’l-Hasan zu streiten, der als Untersuchungskommissar wegen Ariyaruqs Verhalten und um die Steuern einzuziehen gesandt worden war. Dieser Kommissar erklärte ihm rund heraus, Ahmad solle sich auf die Zivilverwaltung beschränken und das Kommando der Armee einem Offizier überlassen. Aber Mas’ud stützte seinen Governeuer, der als Antwort 1034 eine kriegerische Expedition nach Benares unternahm, die Stadt plünderte und mit ungeheurer Beute nach Lahore heimkehrte. Abu-’l-Hasan meldete an Mas’ud, Ahmad bringe in seiner Provinz ein großes Heer auf und sei im Begriff, seine Lehenspflicht abzuschütteln; Mas’ud aber war außerstande, selbst nach Indien zu ziehen, um seine Hoheit wiederherzustellen. Balkh war durch die Saljuqs bedroht, die Lage in Iraq war kritisch, der stündlich zu erwartende Tod des Kalifen al-Qadir

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Billah mußte neue Wirren hervorrufen. Die Frage war, wer sollte der Katze die Schelle umhängen ? — Die mohammedanischen Edlen an Mas’uds Hofe zeigten sich höchst unlustig, den Versuch zu wagen; da sprang der Hindu Tilak in die Bresche. Sohn eines Barbiers, durch eigene Tüchtigkeit in Mahmuds Diensten emporgestiegen, war er nach Mas’uds Thronbesteigung zum Befehlshaber der Hindutruppen ernannt und geadelt worden. Tilak schlug zunächst erbarmungslos zu, nahm Lahore, besiegte und tötete Ahmad und seinen Sohn; danach gewährte er den Jats, die den Fahnen des verflossenen Gouverneurs gefolgt waren, völlige Amnestie. 1036 machte Mas’ud seinen zweiten Sohn Majdud zum Gouverneur des Fanjab, im Jahr darauf zog er, trotzdem die Saljuq in seine Nord- und Westprovinzen einzubrechen drohten, nach Indien, um die fortschwelen­ den Reste des Aufstandes auszutreten. Hierin war er zwar erfolgreich, aber inzwischen hatten die Saljuqs Persien überrannt und brachen nach Khurasan ein. Mas’ud zog nach einem Aufenthalt in seiner Hauptstadt, der ihm zum Verhängnis wurde, dem Feinde entgegen, wurde 1040 bei Taliqan nahe Merv völlig geschlagen und mußte sich nach Ghazni zurückziehen. Khurasan und Persien gingen den Ghaznaviden verloren, Mas’ud floh fassungslos aus der Residenz mit seinem Harem nach Indien; den geblendeten Bruder und was er an Schätzen zusammenraffen konnte, nahm er mit sich. Aber noch lange ehe er Lahore erreichte, meuterte seine Leibwache und rief seinen Bruder Muhammad zum König aus. Wenige Monate darauf wurde Mas’ud von einem Neffen ermordet; sein Sohn Maudud eilte aus Ghazni herbei, schlug Muhammads Truppen, marterte diesen unglücklichen Fürsten zu Tode und bemächtigte sich des Panjab um die Mitte des Jahres 1042. Doch er sowenig wie die ihm nach­ folgenden Ghaznaviden hatten die Kraft und Geschicklichkeit des Be­ gründers der Dynastie. Schon 1044 brach Mahipal, der Raja von Delhi, das 50 Jahre früher von seinem Vorgänger aus dem Tomarahause an der Stätte von Indrapat erbaut worden war, im Panjab ein. Er nahm Hansi, Thanesar und Kangra, belagerte Lahore, konnte es aber nicht nehmen, sondern mußte sich zurückziehen. Aber das Panjab zu behaupten war das Äußerste, was die Ghaznaviden noch leisten konnten. Die arabischen Kolonien in Sind hatten sowenig Einfluß auf das übrige Indien wie die persische Satrapie im Industal 1200 Jahre vorher. Die Einbrüche Mahmuds von seinen Bergfestungen herab führten zwar zur Eroberung des Panjab, waren aber doch nur eine Reihe von Beute­ zügen mit den dazugehörigen Greueln von Massenabschlachtungen, Ver­ sklavung und Verwüstung. Diese Katastrophen berührten das übrige In­ dien nicht. Aber jetzt sollte eine neue Epoche der Fremdherrschaft an­ heben, mit Fremdlingen aus Zentralasien, dazu die weitere Ausbreitung

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Die Ghoris. — Muhammad Ghoris Eroberungen.

des Islam. Diese mohammedanische Eroberung erwuchs wie die er­ staunliche Entfaltung des Glaubens selbst aus den bescheidensten An­ fängen. Mahmud war 1010, von der Plünderung Kangras heimgekehrt, gegen den unbedeutenden aber unabhängigen Bergstaat Ghor1) gezogen, 200 engl. Meilen nördlich seiner Hauptstadt. Er hatte seinen Häuptling, den Perser Muhammad bin Suri gezwungen, die Oberhoheit von Ghazni anzuerkennen. Aber die Königsmacht der Ghaznaviden verfiel, indes die Fürsten von Ghor ihre Macht durch erfolgreiche Kriege mehrten, bis das Heer des Vasallen­ staates ii51 gen Ghazni hinabzog, seine Verteidiger über die Klinge springen ließ und die Stadt bis auf den Grund einäscherte. Ihr Brand währte 7 Tage und trug dem Fürsten von Ghor Ala-ud-din Hussain den Bei­ namen Jahansuz, „der Weltverbrenner“ ein; von allen herrlichen Bauten Ghaznis blieben nur Mahmuds Grab und zwei Minarets übrig. Jahansuz genoß die Früchte seines Siegs und die Rache für den Tod seines Bruders, die ihn zum Kriege getrieben hatte, nicht lange. Bald danach fiel er über Sanjar, den Sultan der Saljuq, her und wurde geschlagen. Darauf eroberte Bahram, der damals herrschende Ghaznavide, die alte Hauptstadt der Familie wieder, aber schon sein Nachfolger Khusru Shah verlor sie 1160 an den Turkmenenstamm der Ghuzz, die Sultan Sanjar besiegt hatten. Den Nachfahren Mahmuds blieb jetzt nur mehr das Panjab. Aber indes die Ghaznaviden in dem kleinen Reich, das ihnen geblieben war, ihre Macht in die Hände ihrer Distriktgouverneure gleiten ließen, wurden die Fürsten von Ghor wieder gefährlich. Jahansuz’ Neffe Ghiyas-uddin Muhammad beherrschte jetzt das Land und entriß 1173 Ghazni den Ghuzz-Turkmenen und machte seinen jüngeren Bruder Mu’izz-ud-din Muhammad Shihab-ud-din zum Gouverneur der Provinz. Die beiden Brüder übten, so loyal wie es in moslimischen Herrscher­ häusern selten ist, eine Art gemeinsamer Herrschaft aus: Ghiyas-ud-din war es zufrieden, das alte Erbreich der Familie zu regieren, indes sein jüngerer Bruder Muhammad Ghori, der Herrscher von Ghazni seinem Ehr­ geiz keine Grenzen setzte, nicht ostwärts bis zu den fernsten Grenzen Hindustans, noch nordwestwärts gegen den Oxus. Muhammad Ghoris Hauptziel war, die mohammedanischen Provinzen Indiens in seinen Besitz zu bringen; 1175 zog er von Ghazni hinab und nahm Multan, die Hauptstadt der arabischen Kolonie, die damals in der Gewalt Isma’ilischer Häretiker war. Ein Kriegszug folgte dem anderen; 1182 war ganz Sind unterworfen, 4 Jahre später war das Panj ab bis zum Sutlej in seiner Macht, Khusru Malik war sein Gefangener, mit der Dynastie der Ghaznaviden war es zu Ende. 1) ,,Camb. Hist. India“ Vol. III, p. 16 Anm. gibt Ghur als die richtige Schreibart, aber Ghor ist üblicher. Dunbar, Indien.

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Nun ging Muhammad daran, die Hindustaaten Nordindiens zu er­ obern. Im Winter 1190—91 fiel er über das Königreich Delhi her, nahm Bhatinda und setzte einen Gouverneuer über diesen Bezirk. Doch der Chauhankönig Prithvi Raj war nicht bereit, sich kampflos zu beugen. Das Land war in höchster Aufregung über die neuerlich drohende Invasion; der Rajputenkönig mit seinem Heer, das durch Hilfskontingente aller führenden Hindustaaten verstärkt war, begegnete Muhammad auf dem Schlachtfeld von Taraori, etwa 30 engl. Meilen vom historischen Schlacht­ feld von Panipat. Die mohammedanische Reiterei ritt mehrere Attacken, aber die Hindutruppen wankten nicht, schließlich wich das Moslemheer, arg gelichtet, und wandte sich zur Flucht. Es wurde nicht verfolgt; Prithvi Raj ließ es sich genügen, Bhatinda zu belagern, es ergab sich nach 13 Monaten. Die Schlacht bei Taraori war nicht Muhammads erste Niederlage in Indien. Während seiner Unternehmungen in Sind hatte er Gujarat ange­ griffen, war aber von Bhim, dem Vagheia, Raja von Anhilvara, geschlagen worden. 1180 nahm Muhammad zwar Anhilvara, doch Bhims Sieg zwei Jahre vorher bewahrte Gujarat für über 200 Jahre vor einem ernsteren mohammedanischen Einbruch. 1192 brach Muhammad abermals über Indien herein, er wollte die Scharte auswetzen. Wieder traf er bei Taraori mit Prithvi Raj zusammen, diesmal aber übertraf er ihn als Feldherr gründlich. Er täuschte Angriffe auf die Flanken und die Nachhut des Hinduheeres vor, bis er den Augen­ blick gekommen sah, seine Reiterei gegen die Mitte des feindlichen Heeres zu werfen. Dieser Stoß entschied, die Hindus wurden völlig in die Flucht geschlagen, Prithvi Raj wurde getötet. Dieser Sieg schenkte Muhammad Nordindien bis an die Tore von Delhi, das er zu Beginn des neuen Jahres einnahm. Der Sieger brach nach der Schlacht von Taraori gen Süden auf, plünderte Ajmer und führte viele Einwohner als Sklaven fort. Aber Ajmer lag zu isoliert um einem mohammedanischen Gouverneuer Sicherheit zu bieten; daher setzte Muhammad einen Sohn von Prithvi Raj ein, der es auf sich nahm, ihm Tribut zu zahlen, eine bemerkenswerte, aber nicht sehr glanzvolle Lösung. Viel wichtiger war, daß Qutb-ud-din als Vizekönig über den nördlichen Landgewinn eingesetzt wurde. Qutb-ud-din Aibak war in seiner Jugend als Sklave aus Turkestan eingeführt worden und schließlich in Muhammad Ghoris Hände gelangt. Stark und entschlossen, ein guter Reiter und Bogenschütze, gebildet und von verschwenderischer Großmut, war er im Dienste seines Herrn zum höchsten Range aufgestiegen. Muhammad vertraute ihm so völlig, wie sein älterer Bruder ihm selbst vertraute. Das war der Mann, der einst als Sklave an den örtlichen Gouverneur von Nishapur verkauft worden war und der berufen war, der wirkliche Begründer der mohammedanischen Herrschaft über Indien zu werden.

Ikhtiyar-ud-din. — Ende des indischen Buddhismus. — Eroberung von Bengalen.

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Aibak, bemüht, die Herrschaft in seinem Vizekönigreich zu festigen, unternahm wenig Feldzüge. Immerhin schlug er 1193, ein Jahr nachdem er Vizekönig von Delhi geworden war, das Heer Jaichands, des RathorRajputkönigs von Kanauj, vernichtend bei Chandwar (Firozabad). Jaichand fiel in dem Augenblick, als die Moslemtruppen schon zu wanken begannen — da floh das Hinduheer in voller Auflösung. Die höchsten Spitzen der Verwaltung, wie sie nunmehr eingerichtet war, bildeten die mohammedanischen Lehensträger militärischer Lehen; in unteren Beamtenstellen fanden auch Hindus Verwendung. Noch immer standen große Teile des Landes unter Hinduherrschern, die Tribut oder Steuern an die Zentralregierung leisteten. Wo die moslimische Regierung schwach war, gewannen die Hindus viel von ihrer alten Macht zurück; anderseits hatten sie allemal schwer zu leiden, wenn die neuen lokalen Herren despotisch waren und ihrem Fanatismus die Zügel schießen ließen. Dieser Stand der Dinge währte bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts. Aibaks indische Eroberungen griffen nicht weiter nach Osten aus; der Feldherr, der die Mohammedaner zu Herren Bengalens machte, war Ikhtiyar-ud-din Muhammad, der Sohn des Bakhtiar aus dem Türkenstamme der Khalj. Sein Land lag zwischen Seistan und Ghazni; 100 Jahre später sollte sein Volk Indien eine Königsfamilie schenken und später als die Ghilzais von Afghanistan in die Geschichte eingehen. Er war ein abenteuer­ lustiger Soldat, aber plump und von wenig einnehmendem Äußeren; mit seinen überlangen Armen konnte er aufrechtstehend seine Waden be­ rühren, er wirkte wie eine Mißgeburt. Aber er war entschlossen und energisch. Er fegte ostwärts mit seinem Heer, Verwüstung bezeichnete seine Spuren. Etwa um 1193 fiel er in Bihar ein, plünderte die Hauptstadt Odantapuri, vernichtete das große Kloster daselbst und versetzte dem Buddhis­ mus in einer seiner letzten Hochburgen einen Schlag, von dem er sich nicht mehr zu erholen vermochte. Von Stund an war es mit dem Buddhismus in Nordindien zu Ende; die Mönche, die dem Blutbad entkamen, verstreuten sich über Nepal, Tibet und den Süden. 1202 folgte die Eroberung von Nieder-Bengalen. Die Hauptstadt Nadia war von den wohlhabenden Einwohnern schon fast ganz verlassen, die von den Greuelnachrichten über die Grausamkeit und Raubgier der Moslems verschreckt waren; nur Lakshman, der alte brahmanische König des Landes befand sich noch in ihr. Ikhtiyar-ud-din verließ Bihar mit einem starken Reiterkorps, drängte aber so eilig vorwärts, daß er selbst in Nadia mit nur 18 Mann eintraf. Er gab sich als Pferdehändler aus; der mohamme­ danische Feldherr und seine Begleiter gelangten in die Stadt, sie kamen zum Palast, machten die Wachen nieder und drangen hinein. Der König, der, wie unter Hindus hoher Kaste üblich, in leichter Hauskleidung beim

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Essen saß, rettete noch eben auf einem Boot das nackte Leben. Ikhtiyarud-din hielt den Palast, bis seine Truppen eintrafen, dann wurde die Stadt geplündert und zerstört. So berichten wenigstens die Mohammedaner. Nach der Zerstörung von Nadia zog sich Ikhtiyar-ud-din nach Lakhnawati (Gaur) zurück, machte sich daselbst zum Gouverneur von Bengalen und gründete Moscheen und Schulen. Zu Beginn des Jahres 1203 starb Ghiyas-ud-din; sein jüngerer Bruder Mu’izz-ud-din Muhammad bin Sam, der Oberherr Nordindiens, wurde Alleinherrscher der Ghuribesitzungen. Sein indisches Reich erstreckte sich nun von Sind bis Ostbengalen, fast ganz Nordindien erkannte seine Ober­ herrschaft an. Aber das genügte ihm nicht, er wollte ein Reich in Zentral­ asien begründen. Gegen 1203 fiel er in Khvarasm (dem heutigen Khiva) ein. Sein Einbruch mißglückte; seine Niederlage war so gründlich, daß sein indisches Großreich bis in die Grundfesten erbebte. Multan streifte die Lehenspflicht ab, die wilden Stämme nördlich der Salt-Rangcberge erhoben sich und diese Aufrührer plünderten Lahore. So sehr es Muham­ mad verlangte, für seine Niederlage bei Andkhui Revanche zu nehmen, zog er doch südwärts, um den Aufruhr zu ersticken. Mit Aibaks Hilfe stellte er zu Anfang des Jahres 1206 seine Herrschaft glücklich wieder her; aber gleich darauf wurde er auf dem Rückweg nach Ghazni in seinem Zelt er­ mordet, als er grade eine zweite Expedition nach Khvarasm unternehmen wollte. Muhammad war ein fähiger und erfolgreicher Soldat, seine Eroberun­ gen waren ausgedehnter und solider als die Mahmuds, der ihn in der Ge­ schichtsschreibung ganz in Schatten drängt; sein indischer Vizekönig Aibak leistete ihm treffliche Dienste. Ikhtiyar-ud-din, der Eroberer von Bihar und Bengalen, wurde früh im selben Jahr vom Schicksal seines Herrn ereilt — nach einer schreck­ lichen Niederlage. Als Gouverneuer Bengalens entwickelte er den Ehr­ geiz, seine Macht über den Himalaya hinaus zu entfalten; in der Mitte des Jahres 1205 zog er mit einem Heer, das — unglaublich zu sagen — aus 10000 Reitern bestand, nach Tibet. Der Raja von Kamrup gab dem mo­ hammedanischen General den wunderbaren Rat, doch wenigstens bis zum Frühjahr zu warten, aber Ikhtiyar-ud-din wollte auf keinen vernünftigen Rat hören. Er führte seine Truppen 15 Tagemärsche weit in die Vorberge hinauf, dann mußte er, von den Bergstämmen übel zugerichtet, sich zurück­ ziehen. Als seine Truppen wieder das Flachland erreichten, fiel der Raja von Kamrup über sie her und verwandelte die mißglückte Expedition in völligen Untergang. Ikhtiyar-ud-din erreichte Lakhnawati mit nur mehr 100 Überlebenden und wurde kurz darauf ermordet. Nach Muhammad Ghoris Tod wurde Aibak unabhängig und herrschte über Nordindien bis zu seinem Tode im Jahre 1210 (er verunglückte beim

Iltutmish. — Die „Vierzig“. — Frühe Moslemarchitektur.

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Polo). Das Herrscherhaus, das er auf einen ungemütlichen Thron gebracht hatte, ist nach der Herkunft seines Begründers die „Sklavenkönige“ be­ nannt worden. In damaliger Zeit war dieser Weg zur höchsten Macht nichts Ungewöhnliches, wie ein Blick auf die Sklaven am Hof der Kalifen, auf die Mameluken in Ägypten und den Aufstieg der Ghaznaviden lehrt. Die Moslemherrscher fanden in ihren fähigen Dienern ausgezeichnete Rat­ geber und verliehen ihnen die höchsten Stellen, ja belohnten sie zuweilen mit der Hand ihrer eigenen Töchter. Auf Aibaks Tod folgten Wirren und Aufstände unter Mohammedanern und Hindus; 1211 bot der moslimische Adel Aibaks Schwiegersohn Shamsud-din Iltutmish den Thron an. Er war der hervorragendste unter seinen Sklaven gewesen und stammte aus einer der herrschenden Familien im Stamm der Ilbari-Turkmenen. Es dauerte 17 Jahre, bis Iltutmish das völlige Wirrsal seines Reiches mit Hindustan, Multan und Sind in offenem Aufruhr wieder in geordnete Verhältnisse übergeführt hatte. Überdies, um seine Nöte zu mehren, brach 1221 der fürchterliche Chingiz Khan mit der Hochflut seiner erbarmungs­ losen Eroberungszüge durch Zentralasien einherfahrend ins westliche Panjab ein. Zum Glück für die nordindische Bevölkerung drangen die mongolischen Horden nicht tiefer ins Land hinein, sondern zogen sich nach Afghanistan zurück. Indes Iltutmish seine Herrschaft vom Indus bis zur Gangesmündung festigte, erstand in seiner eigenen Hauptstadt eine Macht, die seine Nach­ folger meistern sollte. Die türkischen Sklaven am Hofe vereinigten sich zu einem Geheimbund, den „Vierzig“. Sie drängten den freien Adel aus den wichtigeren Ämtern und bekamen nach und nach die Zügel der Herr­ schaft in die Hände. Die mohammedanische Herrschaft war zwar mit dem weitreichenden Bildersturm Mahmuds von Ghazni in Indien eingeführt worden, aber dieser Kriegsheld war auch ein Schirmherr der Künste, und der Islam hat die Welt von Granada bis Agra um herrliche Perlen der Baukunst bereichert. Die Mohammedaner haßten nicht die Kunst an sich, aber die Hindureligion und ihren Ausdruck in erotischen Bildern und Skulpturen. Die Anfänge islamischer Baukunst fallen in die Zeiten der ersten Könige aus der „Sklavendynastie“. Aibak und Iltutmish ließen in der Festung Delhi die prachtvollen Bauten der Jami-Moschee und des Kutb Minar erstehen. Die Moschee wurde 1191 nach Eroberung der Haupt­ stadt begonnen, der Siegesturm 1232 vollendet. Bauten in Delhi und Ajmer feiern das Andenken an Iltutmish. Beim Bau dieser frühen Moscheen fanden Hindubaumeister Ver Wendung, sie verwerteten verstreute Bauglieder zerstörter Jaina- und Hindutempel und hauchten ihren Werken die Kraft und Anmut ein, die

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das Lebcnselemcnt altindischer Baukunst sind. Dazu kamen islamische Formelemente; Kuppel und Spitzbogen und der schlanke Turm, dazu ferner eine kühne Großzügigkeit im Entwurf des Ganzen und reiche Flächenschnitzereien und verschlungenes geometrisches Ornament als schmückendes Detail. Als Iltutmish, der größte der „Sklavenkönige66 1236 im Sterben lag, ernannte er seine Tochter Raziyya zur Thronfolgerin; mit prophetischem Blick sah er, daß sie mannhafter sei, als alle ihre Brüder. Aber das Reich mußte erst sechs Monate lang Rukn-ud-din Firoz ertragen samt einem Auf­ stand im Innern und einem Einbruch von außen, der von Ghazni nach Multan vorstieß, bis dieser schwache und ausschweifende Herrscher er­ mordet und Raziyya zum Sultan in Delhi ausgerufen wurde. Ein Chronist jener Tage berichtet von ihr1), „sie war eine große Herrscherin: scharf­ sinnig, gerecht, wohltätig und unbestechlich im Richteramt; sie war eine fähige Heerführerin und überhaupt mit allen wunderbaren Tugenden und Eigenschaften begabt, deren ein König bedarf". Aber, so fügt er hin­ zu, die schicksalsvolle Grenze lag darin: sie war ein Weib. Immerhin herrschte im gleichen Jahrhundert eine ehemalige Sklavin als Gattin des Großneffen Saladins über Ägypten und besiegte den hl. Ludwig, König von Frankreich, auf seinem Kreuzzuge, und eine andere Frau, die letzte Fürstin aus dem Hause der Salghars herrschte fast 25 Jahre lang in Fars. Drei Jahre lang behauptete sich Raziyya: durch diplomatisches Ge­ schick z. B. am Anfang ihrer Regierung, als ein überwältigender Bund von Feinden, zu dem auch Multan und Lahore zählten, sie bedrohte, aber auch im Felde — sie rückte unverschieiert in Männerkleidern, auf einem Ele­ fanten reitend mit ihren Truppen aus. Aber sie beging einen verhängnis­ vollen Fehler, der ihr Thron und Leben kosten sollte: statt sich völlig auf die „Vierzig66 zu verlassen, zog sie als einen ihrer Hauptberater einen Abessinier, namens Yaqut heran. Rasend vor Eifersucht zettelten die „Vierzig66 einen Aufruhr an, sein Anführer Ikhtiyar-ud-din Altunya schlug die königlichen Truppen, nahm die Königin gefangen und machte ihren Halbbruder Bahram 1240 zum König. Doch Raziyya war mit ihren Mit­ teln doch nicht zu Ende. Sie heiratete Altunya, der sie gefangen genommen hatte und zog an der Spitze einer großen Armee gen Delhi, um ihren Thron wiederzugewinnen. Aber das Geschick war gegen sie. Bahram schlug ihr Heer, und Raziyya wurde von einem Bauern um ihrer reichen Kleider willen ermordet, als sie erschöpft im Walde schlief. Bahram spielte zwei Jahre lang den Schattenkönig über den „Vierzig66, dann fing er mit ihnen Streit an und wurde getötet. Das Hauptereignis 2) Minhaj-ud-din, der seine Chronik das Tabaqat-i-Nasiri während der Herrschaft Nasirud-dins (1246—1266) schrieb. Übersetzt von Major H. G. Raverty, Bibliotheca Indica Series, Asiatic Society of Bengal, Calcutta 1880.

Die Zustände in Nordindien.

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während seiner Herrschaft war ein Mongoleneinfall 1241, bei dem Lahore genommen und zerstört wurde. Ala-ud-din Mas’ud, der Enkel Iltutmish’, bestieg 124z den Thron. Er übernahm ein Reich, das in rascher Folge Sind, Multan, das obere Panjab, Bengalen und Bihar durch Aufstände einbüßte. Da er träge war, ein Trinker und völlig unausgeglichen dann wieder in Strenge ausbrach, beschlossen die „Vierzig" 1246, seinen Onkel Nasir-ud-din an seiner Stelle zum König zu machen. Mas’ud wurde ermordet und Nasir-ud-din ein 17 jähriger Jüngling folgte ihm auf dem Thron. Der neue Herrscher war beflissen, enthaltsam und tief religiös; er besaß in Baiban einen Minister von unermüdlicher Tatkraft und einen Feldherrn von unbeugsamer Entschlossenheit. Baiban war einer der „Vier­ zig" und kam aus Zentralasien, wo sein Vater ein Stammeshäuptling war, aber er sollte vom Sklaven zu anderen Höhen aufsteigen als zur Würde eines Stammeshäuptlings über einen unbekannten Turkmenenstamm. In zwei Jahren brachte Baiban die unbotmäßigen Hindustämme im Panjab zur Ruhe, warf einen Mongoleneinfall zurück, und stellte die Ober­ gewalt der Zentralregierung unter den unruhigen Hindus des Doab wieder her. 1249 nach der Vermählung seiner Tochter mit Nasir-ud-din wurde Baiban Reichsverweser und damit der mächtigste Mann Nordindiens — schon begannen die „Vierzig" auf seinen Sturz zu sinnen. 1253 wurde Baiban auf sein Lehen Nagaur verbannt, 18 Monate später aber zurückgerufen und in seine frühere Stellung in Delhi wieder eingesetzt. Von da an hielt er das Reich mit der Gewalt und Erbarmungs­ losigkeit seiner Feldzüge zusammen; als Nasir-ud-din, der letzte männ­ liche Sproß vom Hause des Iltutmish 1266 starb, wurde er unter dem Namen Ghiyas-ud-din Baiban König. Sein Thron war alles andere als ein sicherer Platz; als Beherrscher Nordindiens war er der Mongolengefahr ausgesetzt, und im Inneren von Verschwörungen und Aufständen islami­ scher Edler und ehrgeiziger Provinzgouverneure bedroht. Die Mohammedaner, unnennbar in der Minderzahl gegenüber der keineswegs kriegsuntüchtigen Hindubevölkerung, hielten sich mit Hilfe weitverstreuter Garnisonen und großer Lehen, die, rings über das Land verteilt, örtlichen Gouverneuren Unterhalt gewährten und die Raj puten und nordwestlichen Grenzgebiete kontrollieren sollten. Was die Masse des Volks anlangt, so ist die Haltung der indischen Bauern gegenüber der Landesregierung und der Religion der Herrscher stets völlige Gleich­ gültigkeit gewesen, solange man sie ihr Land in Frieden und ohne Be­ drückung bebauen ließ. Die „Sklavenkönige" waren eigentlich nur gegen Aufrührer und Räuber grausam und unduldsam. Alle bescheideneren Ämter, z. B. die sich mit Landeinschätzung und Einkünften befaßten, waren in Händen von Hindus; es war bei der Zentralregierung üblich,

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die eingeborenen indischen Fürsten und Grundherren als Vasallen in ihrem ererbten Besitz zu bestätigen. Diese Hindus der Oberschicht wurden mitunter rebellisch, aber eine allgemeine Erhebung gegen das Joch einer Fremdherrschaft war in Indien, wo nie ein allumfassendes Nationalgefühl sich zu einheitlichem Vorgehen auskristallisiert hat, ein Ding der Un­ möglichkeit. Während seiner ganzen Regierung hatte Baiban die Unzufriedenheit der Hindus und Aufstände ehrgeiziger mohammedanischer Edler nieder­ zukämpfen — er tat es in einer wahren Schreckensherrschaft. Schon unter dem sanften Mahmud hatte er einmal die Meos, einen Räuberstamm, mit furchtbarer Grausamkeit zermalmt: die glücklicheren unter ihnen wurden samt Frauen und Kindern zu Tausenden abgeschlachtet, 250 ihrer Führer ließ er öffentlich von Elefanten zertrampeln, in Stücke schneiden oder lebendig schinden. Als König war er schnell bei der Hand, einen erfolglosen General aufhängen zu lassen, um die übrigen zu ermutigen, und verhängte unverweilt zur Abschreckung für seine Feinde die gräß­ lichsten Strafen. Sein Leben oder ihres: so stand das Spiel; und es gelang ihm, das widerspenstige Land zu halten bis er, 82 Jahre alt, starb. Er ver­ ließ sich auf die Schnelligkeit seiner Eilmärsche um Aufstände nieder­ zuschlagen, errichtete Festungen an wichtigen Punkten um die Ordnung aufrechtzuerhalten, und rechnete bei seiner Verwaltung mit einer Eigen­ tümlichkeit aller mohammedanischen Herrschaft in Indien: einem Heer von Spitzeln, das von den örtlichen Machthabern unabhängig war. Eine seiner ersten Regierungstaten war, den „Vierzig" die Giftzähne zu ziehen, eine andere, den Grenzschutz gegen die unmittelbare Gefahr eines Mongolensturms zu organisieren. Er gab seinem Vetter Sher Khan den Oberbefehl über ein gut ausgerüstetes Heer und errichtete Forts an strategisch wichtigen Punkten, um den Weg nach Delhi zu sperren. Er baute auch Straßen durch den Djungel, um die wilden Bergstämme zu bändigen. 1270 setzte Baiban wieder eine Provinzregierung in Lahore ein. 1280 erstickte er einen furchtbaren Aufstand in Bengalen. Der Gouverneur Tughril wurde getötet und seine Familie und Anhänger gepfählt; die Reihen der Pfähle liefen zwei engl. Meilen weit längs der Hauptstraße von Lakhnawati. Baiban machte einen seiner Söhne Bughra Khan zum Gouverneur von Bengalen. Die Mongoleneinfälle während seiner Herrschaft blieben ziemlich erfolglos, aber 1285 traf Baiban der größte Schmerz seines Lebens: sein vielversprechender Sohn und Erbe Muhammad Khan fiel im Kampf gegen einbrechende Mongolen bei Multan. Baiban starb 1287. Der kleine unansehnliche Sklave, der es vom Wasserträger zum Jäger, vom Jäger zum Feldherrn und Staatsmann und

Baibans Charakter. — Firoz.

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weiter zur höchsten Macht gebracht hatte, wußte sein Reich zusammen zu halten und vor Einbrüchen von außen zu bewahren. Enthaltsam in seiner Lebensführung — er trank und spielte nicht mehr, seit er den Thron bestiegen hatte —, war sich Baiban über die Wichtigkeit des höfi­ schen Zeremoniells und Prunks, die er walten ließ, im klaren. Von fürch­ terlicher Grausamkeit gegen Unzufriedene war er anderseits gerecht und tolerant und trotz seiner Strenge gewiß bei seinen Hindu-Untertanen beliebt. Nach seinem Tode setzten die Moslemminister Kaiqubad, Bughra Khans Sohn, auf den Thron — eine unglückliche Wahl. Der junge König, von den Fesseln einer strengen Erziehung befreit, stürzte sich in die niedrigsten Tiefen der Ausschweifung, in drei Jahren hatte er sich in den Zustand heilloser Paralyse getrunken. Es bedurfte nicht des Schwertes, das zu jenen Zeiten überm Haupte jedes unwerten und unfähigen Herr­ schers schwebte; sein Mörder erledigte Kaiqubad mit einem verächtlichen Hieb auf den Kopf. Die antitürkische Gruppe des Moslemadels machte Jalal-ud-din Firoz zum König von Delhi. Er war 70 Jahre alt, seine Wahl war nicht volks­ tümlich. Er gehörte zum Stamme Khalji, dem Ikhtiyar-ud-din, der ehr­ geizige Gouverneur von Bengalen, entstammte; man sah in ihm einen Fremden, Eindringling und Barbar. Der neue König wagte nicht, sich in Delhi zu zeigen, er baute sich eine Residenz in Kilokhri, kurz vor den Toren der Stadt. Dort regierte er sechs Jahre lang mit einer Milde und un­ angebrachten Güte gegen besiegte Rebellen, Banditen und Mörder, über die sich die hohen Beamten seines Hofes — Khaljis wie er — empörten. Baiban war zwar, als er die Meos bekämpfte, unmenschlich grausam ge­ wesen, aber 1000 Thugs zu fangen, sie zu Schiff flußab zu schaffen um sie dann in Bengalen laufen zu lassen, war Wahnsinn und unverzeihliche Ungerechtigkeit. 1292, zwei Jahre nachdem Firoz die Herrschaft angetreten hatte, brach eine Horde von über 100000 Mongolen ins Land. Teils in Verfolg einer glücklichen Schlacht, teils durch Verhandeln brachte Firoz sie zum Rückzug. Manche blieben, sie traten zum Islam über und siedelten sich rings um Delhi an. Etwa fünf Jahre später machten sie einen Aufstand; damals herrschte Ala-ud-din, er erledigte sie, indem er an einem Tage alle Männer unter ihnen — man schätzt 15 000 bis 30000 — hinschlachten ließ. Das einzige sonst bemerkenswerte Ereignis seiner Regierung war der erstaunliche Kriegszug, den Ala-ud-din, Gouverneur von Kara, der Neffe und Schwiegersohn des Königs 1294—1295 in den Dekkan unternahm. Um höheren Ortes keinerlei Verdacht zu erregen, er führe etwas Un­ gewöhnliches im Schilde, verabredete Ala-ud-din mit seinem Bevoll-

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mächtigten, daß die üblichen Berichte wie gewöhnlich weiter nach Delhi gingen und unternahm indessen mit etwa 8000 Reitern einen zweimonat­ lichen Marsch durch das unbekannte feindliche Berar. Er schlug weit überlegene Streitkräfte, die ihm vereint entgegentraten, zwang Ramachandra, den König von Deogir und Westdekkan, um Frieden zu bitten und kehrte heil nach Kara zurück mit Beute und Kriegsentschädigung, die insgesamt etwa 20000 Pfund in purem Gold, 200 Pfund Perlen und eine große Menge Silber betrug. Als Firoz hörte, sein liebster Verwandter sei mit ungeheurer Beute aus dem Süden heimgekehrt, eilte er nach Kara, Ala-ud-din zu sehen — gegen Rat und Warnung seiner Räte: als er seinen verräterischen Neffen begrüßte, wurde er ermordet. Ala-ud-din marschierte sogleich gen Delhi, das Haupt seines Oheims auf eine Pike gespießt; unterwegs streute er Geschenke um sich, er be­ stach das Heer von 120000 Mann, das ihm entgegengeschickt war, um ihn aufzuhalten, und wurde Anfang Oktober 1296 auf den Thron gesetzt. Er hatte sich das Reich durch eine Tat gemeinsten Verrats und Undanks gewonnen, alsbald verstärkte er seine Stellung, indem er die beiden Söhne des ermordeten Königs blenden ließ. Einige Monate später schlug sein Feldherr Zafar Khan eine große Mongolenhorde, die eingebrochen war, bei Jullundur völlig, und Ala-ud-dins Thron war gesichert. Nun begann Ala-ud-din mit den Unterdrückungsmaßnahmen, die seine Regierung bezeichnen. Sein erstes Opfer war der Moslemadel, den er durch Bestechung für sich gewonnen hatte. Er sagte sich, da er die höchste Macht durch Geld erlangt hatte, könne großer Reichtum in den Händen seiner Untertanen leicht ihm selbst gefährlich werden. Er be­ gegnete dieser Gefahr, indem er den Adel ausplünderte; manche ließ er blenden oder gefangen setzen, andere töten, ihre Familien kamen an den Bettelstab. Gelegentlich eines Aufstands, der aus Unzufriedenheit über die Ver­ teilung der Beute aufflammte, als Gujarat 1197 einverleibt wurde, führte er den barbarischen Grundsatz ein, schuldlose Frauen und Angehörige der Rebellen für deren Schuld büßen zu lassen. Daß er so leicht emporgekommen war, raubte ihm das Augenmaß. Ala-ud-din träumte überm Weine davon, eine neue allumfassende Religion zu begründen, die den Islam überschatten sollte, er wollte ein Weltreich aufrichten, das Alexanders Eroberungen überträfe. Doch Ala-ul-Mulk, sein Jugendfreund — damals als beleibter oberster Beamter von Delhi auf der Höhe seiner Aufgabe — konnte ihn zur Vernunft bringen, indem er ihm taktvoll zu verstehen gab, Predigen sei Sache der Propheten, und wenn es neue Welten zu erobern gälte, so sei ja ganz Südindien noch nicht

Zafar Khan. — Ala-ud-dins innere Politik.

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unterworfen und räuberische Mongolenhorden bildeten eine ständige Grenzgefahr. Er hatte den Mut, hinzuzufügen, daß weniger Trinken und mehr Sinn für Staatsgeschäfte Herrscher wie Untertanen gut bekommen würde. Ala-ud-din, anstatt über diesen ehrlichen Rat gekränkt zu sein, versprach, ihn zu beherzigen, und belohnte seinen Ratgeber ansehnlich. Bald darauf kam es zu einem neuen Mongolensturm. Einen ersten Einbruch 1297 bewältigte Zafar Khan leicht, aber zwei Jahre später brach eine neue Horde von 200000 Mongolen in Indien ein, die es nicht auf Plündern, sondern Erobern abgesehen hatten. Sie zogen bis vor die Mauern von Delhi. Es kam zur Schlacht; Zafar Khan griff die Front der Mongolen mit wütendem Ungestüm an, schlug den linken Flügel und verfolgte hitzig den fliehenden Feind. Aber durch seine andauernden Siege im Feld hatte der General die Eifersucht seines Herrn erregt; obwohl sein Reich auf dem Spiel stand, ließ Ala-ud-din seinen treuen Diener in den sicheren Tod gehen, ohne einen Versuch, ihm durch einen Angriff auf die ge­ schwächten mongolischen Streitkräfte beizuspringen. Es wurde Nacht über einer Schlacht, die sich unentschieden hinzuziehen schien, aber am Morgen waren die Mongolen, verschreckt durch Zafar Khans Mut der Verzweiflung, verschwunden; die Gefahr war beseitigt. Ala-ud-dins innere und äußere Politik läßt sich in zwei Worten als Unterdrückung und Annexion bezeichnen. Er war überzeugt, daß die ununterbrochene Reihe von Aufständen gegen seine Herrschaft vom all­ gemeinen Wohlstand herrühre, der zu vielen Menschen ein reiches und faules Dasein gestatte. Er beschloß dem abzuhelfen. Der Moslemadel wurde von Spitzeln überwacht und durch die Ein­ schränkung von Zusammenkünften und ein Gesetz, das für seine Ehe­ schließungen die königliche Einwilligung vorschrieb, in Abhängigkeit ge­ halten. Zugleich griff Ala-ud-din den Privatbesitz an; er zog alle frommen Stiftungen ein und hob die Privilegien steuerfreien Landbesitzes auf, außerdem verfügte er eine allgemeine Beschlagnahme von Gold. Eine andere Verordnung verbot den Genuß berauschender Getränke und Dro­ gen; er befolgte diese Verfügung auch für seine eigene Person, mußte aber mitansehen wie Schwarzbrennerei und Schmuggel sich ausbreiteten. Das Trinken war zu sehr im Schwange, und dieses Gesetz mußte gemildert werden. Diese Verordnungen bedrückten seine mohammedanischen Unter­ tanen schwer, aber verglichen mit den Maßnahmen zur Unterdrückung der Hindus waren sie nichts. Viele Hindus waren reich und mißvergnügt und Ala-ud-din haßte ihre Religion. Kein Hindu durfte zu Pferd steigen oder Waffen tragen, und die Verordnungen gegen Luxus waren sehr streng. Die Besteuerung der Hindus wurde vom üblichen Sechstel alles Bodenertrages auf die Hälfte gesteigert, und auch von allem Hornvieh, Ziegen und Schafen wurden Abgaben erhoben. Die mohammedanischen

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Steuerbeamten waren allgemein verhaßt und die armseligen Hindus, die als erbliches Amt Steuern schätzten und eintrieben, wurden zu wider­ willigen Sklaven herabgedrückt. Immerhin blieben das mit Ausnahme der „jizya" (Kopfsteuer) die einzigen Sondergesetze für Hindus innerhalb der mohammedanischen Gesetzgebung1). Neben seinem Bestreben, seine Untertanen ins Joch zu beugen, leitete Ala-ud-din ein großes Geldbedürfnis; er brauchte große Summen für ein schlagkräftiges und zufriedenes ständiges Heer und um die Festungen zum Schutz gegen einbrechende Mongolen in Stand zu halten. Er soll seine Maßnahmen mit den Worten gerechtfertigt haben: „was ich für den Staat als gut oder in Notfällen für angezeigt befinde, ordne ich an." Ala-ud-dins Außenpolitik, soweit sie nicht von Mongoleneinbrüchen durchkreuzt wurde, war: so viel von Indien zu erobern, als er von Delhi aus beherrschen konnte. Entferntere Staaten, die er unterwerfen konnte, wurden tributpflichtig gemacht; zugleich machte er seine Gewalt über die Vereinigung von Delhi abhängiger Lehensländer unumschränkt. Die ständige Gefahr war ein Mongolensturm; sechsmal gelang es den Mongolen, 1297—13082) die Grenzgarnisonen zu überschwemmen und ein Stück weit nach Indien einzudringen. Der furchtbarste Angriff erfolgte 1303; die Mongolen benützten die Gelegenheit, daß Ala-ud-din durch die Belagerung von Chitor festgehalten war. Eine Schar von 120000 Mann brach ein und belagerte Delhi; nur die Schwierigkeit, ein so großes Heer in einem verwüsteten Land zu ernähren, im Verein mit dem wach­ senden Druck der Streitkräfte Ala-ud-dins, der von seinen großen Lehens­ trägern unterstützt wurde, zwang die Mongolen zum Rückzug, ehe sie die Hauptstadt erobern konnten. Ala-ud-dins indische Eroberungszüge begannen 1297; er warf den Rajputenstaat Gujarat nieder, das reichste Königreich Indiens, und setzte an Stelle des letzten Herrschers aus dem Vagheiahause einen Moslem­ gouverneur ein. Damals gelangte der Eunuch Kafur als Hindusklave in des Königs Dienst und wurde sein Günstling und Geliebter; später wurde er unter dem Namen Malik Naib Reichsverweser und schließlich auf fünf Wochen Beherrscher Indiens. 1301 wurde Ranthambhor erobert — nach hartnäckigem Widerstand, der mit dem Brauche des „jauhar" endete, und mit der Herrschaft der Chauhan in Hindustan war es vorüber. Alaud-dins nächster Feldzug richtete sich gegen Chitor, das 1303 erobert und vernichtet wurde; aber ehe die Stadt fiel, brachten die Rajputen, die !) „Camb. Hist. India“ Vol. III, S. 107. 2) „Camb. Hist. India“ Vol. III, S. in, 112, erwähnt einen Einbruch 1306 und einen zweiten 1307—1308 (beide über den Indus), bei dem Gefangene in der üblichen Weise von Elefanten tot getrampelt wurden. Aber vgl. „Oxf. Hist, of India“ S. 232, wo 1305 als sicheres Datum des letzten Ansturms gegeben wird.

Karte 7.

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IV. Mohammedanische Herrschaft vor der Mogulzeit. 711—1388 n. Chr. 94 sie verteidigten, dem Moslemheere so schwere Verluste bei, daß Ala-uddin beinahe Delhi an die Mongolen verloren hätte, die in Indien einge­ brochen waren. 1305 wurde Malwa erobert, 1307 Marwar. — Nun zogen Ala-ud-dins Heere ins Weite. 1308 wurde das Telinganaland unterworfen; 1310 wurde Kafur „Hasar­ dinari“1), jetzt Malik Naib genannt, da er die mohammedanische Ober­ herrschaft im Dekkan aufgerichtet hatte, mit Khvaya Haji auf einen großen Kriegszug gen Süden geschickt. Sie sollten das Hoysalareich plündern und sich den Weg bis zur Südspitze Indiens bahnen. Ihre Unternehmung hatte vollen Erfolg; die Hauptstadt Dvaravatipura wurde genommen und zerstört, Vira Ballala III. gefangen. Das siegreiche mohammedanische Heer zog weiter ins Pandyareich, nahm seine Hauptstadt Madura, zer­ störte daselbst den großen Tempel und errichtete, ostwärts weiterziehend bei den heutigen Palk Straits eine Moschee, die Malik Naib nach seinem Herrn benannte. Am 24. April 1311 verließen die Sieger auf ihrem Rück­ marsch Madura und erreichten Delhi am 18. Oktober, mit ungeheurer Beute, darunter 312 Elefanten, 20000 Pferde und. 2750 Pfund Gold. Jetzt stand Ala-ud-din auf der Höhe seiner Macht. Der Schrecken der Mongoleneinbrüche war vorüber, Aufstände waren unterdrückt, Geld gab es reichlich dank der ungeheuren Beute, die aus dem Süden ins Land geströmt war, und Ala-ud-din konnte seine Heere leicht unterhalten. Marktkontrolle hielt die Lebenskosten niedrig, Räuber wagten nicht, die Karawanenstraßen zu beunruhigen und der Bauer konnte sein Feld in Frieden bestellen. Aber nach 1311 begann Ala-ud-dins Macht rasch zu sinken. Ausschweifungen hatten seine Gesundheit unterhöhlt, sein leiden­ schaftliches Naturell artete in völlige Zügellosigkeit aus, und die Gewalt­ samkeit, zu der ihn Malik Naib anstachelte, erregte weithin Mißvergnügen und offenen Aufruhr. Schließlich bekam er die Wassersucht und starb Anfang Januar 1316; man vermutete allgemein, Malik Naib habe sein Ende beschleunigt. Ala-ud-din hat im Alai Darwaza seiner Herrschaft ein Denkmal ge­ setzt, das (wie Sir John Marshall bemerkt2)) zu den Perlen islamischer Baukunst gehört. Etwa 1303 erbaute er in der befestigten Residenz Siri die zweite unter den sieben Stadtanlagen von Delhi. Bildung sagte ihm persönlich nichts, aber es gab Gelehrte an seinem Hofe. Sein Hofdichter war Amir Khusru, der gefeiertste aller indischen Poeten, die in persischer Sprache geschrieben haben. Er hatte seine Dichterlaufbahn am Hofe Baibans begonnen, blieb unter der Regierung Ala-ud-dins in Delhi und starb 72 Jahre alt 1325, nachdem er über 400000 Zweizeiler verfaßt hatte. Aber kein noch so begabter Hofpoet konnte das Blut von den Händen x) „Der Tausend-Dinar-Sklave“, der Beiname Kafurs von seinem Kaufpreis. 2) „Camb. Hist. India“ Vol. III, S. 583.

Qutb-ud-din Mubarak. — Ende der Khaljis. — Ghiyas-ud-din Tughlak.

95 des Königs waschen, der sich selbst auf seinen Münzen den „Zweiten Alexander66 nannte und davon träumte, eine Weltreligion zu begründen. Nach Ala-ud-dins Tod stellte sich Malik Naib dem moslemischen Adel Delhis als Reichsregent für einen unmündigen Sohn des verstorbenen Königs vor; mit dem Ziel, den Thron an sich zu reißen benützte er die kurze Frist seiner Macht, alle übrigen Mitglieder der Königsfamilie, die er in seine Gewalt bekam, blenden, einkerkern oder ermorden zu lassen. Nach 35 Tagen Regentschaft wurde er von der Palastgarde ermordet. Mubarak, der dritte Sohn Ala-ud-dins, ein Jüngling von etwa 18 Jahren wurde als Regent für seinen kleinen Bruder anerkannt. Zwei Monate später ließ Mubarak den sechsjährigen König blenden und bestieg als Qutb-ud-din Mubarak Shah den Thron. Er begann seine Regierung damit, daß er 17000 Gefangene freiließ und alle Abgaben und Geldbußen wieder abschaffte, die sein Vater eingeführt hatte. Danach begann der neue König seine eigene Religion zu verspotten und versank während der vier Jahre seiner Herrschaft in übelste Aus­ schweifungen mit einem Paria aus Gujarat, der als Favorit unter dem Namen Khusru Khan bekannt war. Mit seiner Schändlichkeit vereinte er das heftige Naturell und die unmenschliche Grausamkeit seines Vaters. Verschwörungen wurden unter Massenabschlachtungen unschuldiger Kinder unterdrückt; als Harpal Deo, der Raja von Deogir, 1317 einen schwächlichen Aufstand im Dekkan machte, ließ Mubarak ihn lebendigen Leibes schinden. 1320 ermordete Khusru Khan seinen Herrn und rief sich selbst zum König aus, als Nasir-ud-din Khusru Shah, „Helfer des Glaubens“. Er regierte nicht ganz fünf Monate. Der Usurpator und seine Spieß­ gesellen hatten die Ermordung Mubaraks gefeiert, indem sie in den Harem einbrachen, die Kinder der Königsfamilie abschlachteten und die Frauen schändeten; jetzt verunreinigten sie die Moscheen und beleidigten öffent­ lich den Glauben der herrschenden Schichten. Dann war das Ende da; Ghazi Malik, der die Grenzwacht im Nordwesten hielt, ein treuer Unter­ tan der letzten Dynastie und ein strenger Mohammedaner, zog aus dem Panjab herab gegen Delhi. Er schlug Khusru, ließ ihn nach der Schlacht hinrichten, und da das Haus Khalji erloschen war, wurde er als Ghiyasud-din Tughlak Shah zum König ausgerufen. Der Begründer der neuen Dynastie war der Sohn eines türkischen Sklaven im Hause Baibans, der eine Jatfrau geheiratet hatte. Trotz hoher Jahre war er kraftvoll und entschlossen. Sogleich begann er, soweit wie möglich Ungerechtigkeiten und Tollheiten der letzten Monate wieder gutzumachen. Trotzdem es ihn unbeliebt machen mußte, brachte Tughlak den königlichen Schatz, den Khusru geplündert und vergeudet hatte,

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wieder an sich und begütigte die Mißvergnügten durch seine Maßnahmen für das Wohl der Untertanen. Er stützte die Landwirtschaft, indem er die Steuer für den Rohertrag auf ein Zehntel herabsetzte und übernahm das Bewässerungswesen in die Reihe öffentlicher Arbeiten. Tughlak richtete auch einen Postdienst ein, der jeden früheren in Indien übertraf. Die Nachricht, daß der maurische Reisende Ihn Batuta), der Verfasser des berühmten Berichts über die ersten Könige aus Tughlaks Hause an der Indusmündung gelandet sei, erreichte Delhi 1333 über eine Strecke von 800—900 engl. Meilen mit Post in fünf Tagen. Dieser Postdienst spricht Bände dafür, wie groß die Sicherheit damals im Lande war. 1321 brach in Telingana ein Aufruhr aus; der Hinduraja von Warangal leugnete seine Lehenspflicht gegenüber der neuen Dynastie. Erst 1323 gelang es dem ältesten Sohn des Königs, Ulugh Khan, ihn zu unter­ drücken; damals wurde Telingana erobert, zu einer Provinz gemacht und in Lehen und Distrikte unter moslemischen Adligen und Beamten auf­ geteilt. Während dieser Feldzug seinen Fortgang nahm, schlug Tughlak selbst einen Mongoleneinfall zurück und unternahm einen Zug gegen Bengalen. Er nutzte die inneren Wirren, die dort gerade wüteten, aus und machte Ostbengalen, das 13 Jahre lang unabhängig gewesen war, zur Provinz. Zugleich stellte er seine Oberherrschaft über das Königreich Westbengalen wieder her, wo er als seinen Lehensträger Nasir-ud-din, einen Nachfahren Bughra Khans aus dem Hause Baibans zurückließ. Auf diesem Feldzug wurde Tirhut erobert. Als er nach Tughlakabad, der Residenz, die er für sich und sein großes Schatzhaus südlich von Delhi erbaut hatte, heimkehrte, wurde er von einem einstürzenden Dach erschlagen — eine Verräterei Ulugh Khans, der schon (während des Feldzuges gegen Warangal) offenbare Beweise seiner Untreue gegen den Vater gegeben hatte. Tughlak hatte sich über die unerwünschte Freundschaft seines ältesten Sohnes mit Shaikh Nijamud-din Auliya erregt und hatte diesen gewarnt, Delhi werde für sie beide zu klein sein. Der Shaikh soll ihm die Antwort gegeben haben: „Hanuz Dilhi dur äst", die später berühmt wurde, „Noch ist Delhi fern" — ein Gegenstück zu der Redensart der schottischen Hochländer, „It is a far cry to Loch Awe". Ulugh Khan stieg über die Leiche des ermordeten Vaters hinweg 1325 als Muhammad Shah auf den Thron zu Delhi; es war der unheilver­ kündende Beginn einer Regierung voller Aufstände und Blutvergießen. 1327, im zweiten Jahr von Muhammads Herrschaft, erhob sich des Königs Vetter, Baha-ud-din Gurshasp, und sein Aufruhr ergriff den ganzen Dekkan, bevor er unterdrückt werden konnte. Gurshasp mußte zum Raja von Kampli fliehen, der den ersten Angriff der Truppen Muhammads ab-

Aufstände in Sind und im Dekkan. — Die Räumung Delhis.

97 schlug; aber als Verstärkungen eintrafen, war der Fall seiner Stadt gewiß. Der Raja, der seinen Gast nicht länger schützen konnte, sandte ihn zu Vira Ballala III., dem Hoysala, um Zuflucht und führte dann, nachdem alle Frauen im „jauhar"-Brauch umgekommen waren, seine Krieger in den Rajputentod. Vira Ballala lieferte schwächlich Gurshasp den Feinden aus; man brachte ihn nach Deogir, wo Muhammad ihn lebendig schinden und rösten ließ. Er sandte sein Fleisch an seine Familie, ließ seine Haut mit Stroh ausstopfen und stellte diese grauenhafte Trophäe in den Hauptstädten des Reiches zur Schau. Während er in Deogir weilte, beschloß Muhammad an Stelle Delhis einen zentraler gelegenen Ort zum Sitz der Regierung zu machen und er­ klärte Deogir, das er Daulatabad taufte1) zur neuen Hauptstadt. Eine große weiträumige Stadtanlage mit prächtigen Bauten wurde als Regierungssitz und Handelsplatz großzügig entworfen. Von Daulatabad aus stellte Mu­ hammad bald im ganzen Dekkan die Ruhe wieder her; dafür brach ein Aufstand in Multan und Sind aus; er unterdrückte aber auch diesen erfolg­ reich. Im Spätjahr 1328 fielen die Mongolen wieder ein und drangen bis zum Ganges vor, ehe sie zurückgeworfen wurden. In den ersten vier Jahren seiner Herrschaft hatte Muhammads mitleids­ lose Grausamkeit vornehmlich einzelne getroffen, von denen manche schuldlos waren; aber schon bei der Einnahme von Multan hatten ihn nur die Bitten Shaikh Rukn-ud-dins von der Massenschlachtung aller Ein­ wohner abgehalten. 1329 verhängte Muhammad erstmals über sein Volk eines dieser Massenstrafgerichte, die schließlich zum Zerfall des Reiches führten. Muhammad kehrte nach dem Rückzug der Mongolen nach Delhi heim, sah aber, daß er dort bei der Bevölkerung sehr unbeliebt geworden war; sie war durch die Verlegung des Hofes nach Daulatabad beinahe zu­ grunde gerichtet. Die Bürger machten ihrer Unzufriedenheit durch anonyme Schmähbriefe Luft, die sie nachts in die Audienzhalle warfen. Der König antwortete ihnen mit einem Dekret, das befahl, jedermann habe Delhi zu verlassen, eine Stadt, die mit ihren Vorstädten im Durchmesser 10 engl. Meilen maß, und habe sich nach Daulatabad zu begeben. Daulatabad lag über 600 engl. Meilen entfernt, und die erbärmlich unzulänglichen An­ stalten für diese Übersiedlung erlaubten niemandem, seine Habe mitzu­ nehmen. Die Einwohner zögerten, dem Befehl zu folgen, da setzte ihnen Muhammad noch drei Tage Frist, den Ort zu räumen. Dann ging er selbst durch die verlassenen Straßen und als er einen Krüppel und einen Blinden noch innerhalb der Stadtmauern fand, ließ er sie zu Tode martern. Daulatabad: „Stätte des Reichtums“. Uber die Wunderwerke der Ingenieurkunst in den Befestigungen der Burg von Deogir vgl. „Camb. Hist. India" Vol. III, S. 141. Dunbar, Indien.

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Im ersten Jahr seiner Herrschaft hatte Muhammad angeordnet, daß alle Provinzregierungen Einkommen- und Ausgabenregister führen soll­ ten, wohl um eine gleichmäßige Veranlagung ihrer Abgaben vorzubereiten; aber 1330 führte er im Doab neue drückende Steuern ein, teils um seinen erschöpften Schatz aufzufüllen, vor allem aber um die unruhigen und ihm abgeneigten Hindus einer seiner reichsten und fruchtbarsten Provinzen zu bestrafen. Die Steuerlast wurde mindestens verdoppelt und die Bauern, außerstande den Forderungen zu entsprechen, flohen in den Djungel und bildeten Räuberbanden. Die ganze Landwirtschaft ging zugrunde, die Landbevölkerung trat dem König in offener Feindschaft entgegen, 1333 herrschte im Doab und in Kanauj Kriegszustand. 1329 versuchte Muhammad, um Geld zu beschaffen, sich mit dem Ausweg einer Notwährung in Kupfer. Der Gedanke, Gold durch Papier zu ersetzen, war nicht neu: in China und auch in Persien hatte man ihn unter angebrachten Vorsichtsmaßnahmen ausgeführt. Aber Muhammad glaubte, eine Verordnung genüge, daß Kupfermünzen an Stelle von Gold und Silber in Zahlung genommen würden. Er hatte nicht bedacht, wie leicht seine neuen Münzen gefälscht werden konnten; in vier Jahren brach sein „Plan" unter „Bergen" von Falschgeld zusammen. Zu Muhammads Rechtfertigung muß gesagt werden: er ließ seine kostspielige Währung einziehen, und da es unmöglich war, die falschen von den echten Stücken zu unterscheiden, ließ er für alle in den Schatz zurückfließenden Münzen gutes Geld auszahlen. Der Gold,,tanga" war auf den Wert von 100 Kupfer­ münzen gestiegen; wenigstens einmal machten die Untertanen des Königs ein gutes Geschäft mit der Regierung, deren Steuerpächterbetrieb in Provinzen und Distrikten längst zum Himmel schrie und sich zu einem Herd immer neuer Aufstände entwickelte. Muhammad hatte inzwischen sein Dekret gegen die Einwohner von Delhi widerrufen, und manche von ihnen waren wieder in ihre Häuser und in ein von Hungersnot geschlagenes Land zurückgekehrt. Der König traf schleunige Maßnahmen, die Not zu lindern; er ließ täglich Getreide und Essen ausgeben und lieh den Bauern große Summen zum Ankauf von Saatgut, Vorräten und für nötige Verbesserungen. Aber diese Dar­ lehen blieben — teils wegen der Unredlichkeit der Beamten — ergebnislos, und Muhammad suchte wegen dieses Mißerfolgs seine verhungernden Untertanen mit einer Orgie barbarischer Hinrichtungen heim. Es mußte aber etwas für die Bevölkerung von Delhi geschehen; da ordnete Muham­ mad zum zweiten Male die Räumung Delhis an, diesmal zum Wohle seiner Untertanen. 1336 erbaute er eine Stadt aus Bretterhütten 160 Meilen weit weg in Sargadwari und im Jahre darauf wurden diese Hütten durch dauer­ haftere Bauten ersetzt. Dort verblieben die aus Delhi Abgewanderten sechs Jahre lang und empfingen ihren Unterhalt aus der fruchtbaren Provinz

Expedition nach Tibet. — Innere Wirren. — Hungersnot. — Zerfall des Reiches.

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Oudh, die dank der weisen und milden Regierung ihres Gouverneurs ’Ain-ul-Mulk in Blüte stand. Die weitere Regierung Muhammads war eine Kette ununterbrochenen heillosen Unglücks. Trunken von seinem Welteroberertraum beschloß Muhammad über Tibet hinweg China zu erobern; er sandte 1337 ein Heer von 100000 Reitern und ein starkes Infanteriekorps unter Malik Nikpai (der den Ehrenposten eines Obersten der Schreibzeugträger inne hatte) in ihren Untergang in den Wäldern und Pässen des Himalaya. Nach einem Jahr kehrte der General, zwei Offiziere und etwa 10 Mann als ein­ zige Überlebende der Expedition nach Indien zurück. Diese Katastrophe, in der ein großes Heer und ein gewaltiger Aufwand des Staatsschatzes verloren gingen, erschütterte das Kaiserreich bis in seine Grundfesten und in allen 23 Provinzen brach ein Aufstand gegen Muhammads tyran­ nisches Regiment aus. Muhammad mochte sich wenden wohin er wollte, um seine rebellischen Untertanen zu unterwerfen, immer brach gerade am anderen Ende seines Reiches ein neuer Aufstand aus; 1339 war es so weit, daß Ost- und West­ bengalen ihre Unabhängigkeit erlangt hatten. Später — 1352 — vereinte Malik Iliyas beide zu einem Königreich. Zu den Leiden des Kriegs, die Muhammad umsonst durch Grausam­ keit zu enden suchte, kamen die Schrecken einer Hungersnot, die Nord­ indiens Bevölkerung dahin brachte, Menschenfleisch zu essen. Wären Mu­ hammads Maßnahmen von praktischem Wert gewesen, so hätten sie nach den Worten seines Chronisten Barani die Landwirtschaft so verbessern müssen, daß „Überfluß auf der ganzen Erde geherrscht haben würde und so viel Geld in den Schatz geströmt wäre, daß der König imstande ge­ wesen wäre, die ganze Welt zu erobern“. In Wirklichkeit aber versagten das Ackerbauministerium und die Unternehmer in den Distrikten, die mehr als 70 Millionen Tangas erhalten hatten als Anreiz, um eine theore­ tische Fruchtwechselwirtschaft praktisch in Gang zu bringen, völlig. Inzwischen hatte Südindien die Oberherrschaft seines Tughlakherrschers abgeworfen, es war zu Hindukönigen zurückgekehrt. Vira Ballala III. machte sich in Dvaravatipura unabhängig, ein Sohn des helden­ haften Raja, der Gurshasp mit seinem eigenen Leben beschützt hatte, herrschte in Kampli, und Krishna Naik vertrieb die Moslembeamten aus Telingana und machte sich zum König von Warangal. Aber der ärgste Schlag traf Muhammad 1347; ein Steuereinnehmer, Hassan Zafar Khan, brachte einen großen Haufen Aufständischer zusammen und fügte den königlichen Streitkräften eine solche Niederlage bei, daß der Dekkan dem Königreich von Delhi verloren ging. Der siegreiche Anführer bestieg den Thron, den er sich selbst erobert hatte, als Abu’l-Muzaffar Ala-ud-din Bahman Shah und wurde der Begründer der Bahmanidynastie.

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Die Nachricht von diesem Unglück erreichte Muhammad, als er eben dabei war einen Aufstand in Gujarat und Kathiawar niederzukämpfen. Er gab jede Hoffnung auf, den Dekkan wiederzuerobern und ging daran, in seinen westlichen Provinzen die Ordnung wiederherzustellen. Aber im März 1351 starb er in Sind am Fieber und „der König war von seinem Volk befreit und das Volk von seinem König“1). Es war ein König, der unsäglichen Reichtum an Fremde verschwendete, die sein Land besuchten, der aber, wie er selbst zu Barani sagte, „seine Untertanen als seine natür­ lichen Feinde ansah und die Strafgesetze als Mittel, um sie mit seinem per­ sönlichen Mißfallen heimzusuchen“. Sein Vetter Firoz, der ältliche Sohn von Siparsalar Rajab und einer Rajputenprinzessin folgte Muhammad Tughlak Ende August 1351 auf dem Throne. Der neue König war bequem, leichtfertig und gutmütig, außer in Glaubensfragen, aber er hatte eine unschätzbare Eigenschaft: er war unfehlbar in seinem Urteil über andere. Hätten seine Minister und Vize­ könige, denen er so freizügig seine Macht überließ, ihm nicht so treu ge­ dient, das Reich von Delhi wäre unter seiner Herrschaft zerfallen. Vom Tag seiner Thronbesteigung an hatte Firoz den tüchtigen Malik Maqbul zum Hauptberater, einen Brahmanen aus Telingana, der zum Islam übergetreten war; die Verwaltung ruhte auf einer Gruppe treuer Beamter. Aber die völlige Dezentralisation der Macht und die Rückkehr zu dem System, Staatsbeamte durch Zuweisung von Landbesitz und dessen Einkünften zu entlohnen, anstatt in Bargeld, führte zweifellos später zum Sturz der Dynastie. Ala-ud-din hatte das System dieser Landschenkungen („jagir“) abgeschafft, da sie geeignet waren, Unbotmäßigkeit und Aufruhr zu fördern. Die erste Sorge des Königs war, die Landwirtschaft von den drücken­ den Lasten, die Muhammad ihr auferlegt hatte, zu befreien. Er senkte die Steuern so weit, daß dem Bauern eine ermutigende Gewinnspanne übrig­ blieb, und schaffte die jährlichen Zwangsanleihen ab, die von den Provinz­ gouverneuren ausgingen. Auf Malik Maqbuls Rat zog er die Schuldscheine der Landwirtschaftsanleihe, die Muhammad ausgegeben hatte, ein, da die Bauern sich völlig außerstande erwiesen hatten, sie zurückzuzahlen. Firoz gab der Industrie des Landes durch ausgebreitete Bewässerungs­ arbeiten und Brunnenbohrungen (für die ein Wasserzins von 10% zu zahlen war) neuen Aufschwung. Eine Reihe von Talsperren und Staubecken wurde erbaut, fünf große Kanäle gezogen, um die Wasser des Jhelum und Sutlej zu verteilen; eigene Ingenieure wurden zur Inspektion der Flußufer Vgl. Muntakhab-ut-Tawarikh Vol. I, S. 317 von Ibn-i-Mulk Shah (bekannt als Abd-ulQadir al Badaoni oder Budauni), der sein Geschichtswerk unter Akbar schrieb, zu den grauen­ haften Anklagen, auf die das Urteil über Muhammad Tughlaks Charakter in diesem Kapitel begründet ist, bes. Bd. 1, S. 315—317.

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in Hochwasserzeiten angestellt. Einer dieser Kanäle — noch heute als der „Alte-Jhelum-Kanal“ in Gebrauch — maß mehr als 150 engl. Meilen und bewässerte die Wüste bis zu der Stadt, die Firoz begründete und Hisari-Firoza nannte. Das bebaute Ackerland des Reiches wuchs mächtig; allein in der Umgebung Delhis entstanden 1200 Obst- und Weingärten; die Einkünfte aus dem Doab, das Muhammad verwüstet und fast entvölkert hatte, stiegen auf 8 Millionen Tangas (etwa 670000 Sterling). Nach Shams-i-Siraj Afif, dessen „Tarikh-i-Firoz Shahi" die Regierung Firoz’ preist, betrugen die Einkünfte des Reichs etwa 6850000 Pfund. Gegen 1375, vier Jahre nach dem Tod Malik Maqbuls, schaffte Firoz die hohen Einfuhrzölle ab, die den Handel sehr behinderten, obwohl er dadurch etwa 250000 Pfund an Einkommen einbüßte. Soweit es sich nicht um die Religion der Mehrheit seiner Untertanen, der Hindus, handelte, war Firoz ein milder Herrscher. Er schaffte Folter und Verstümmelung ab, und zwar im ganzen Reiche, gründete ein Spital, ein Stellenvermittlungsbüro für Schreibkräfte und eine Heiratsvermittlung für den muhammedanischen Mittelstand und Familien von Staatsbeamten. Seine Nachsicht konnte strafbare Schwäche werden, wenn es sich um Kor­ ruption in seinen 36 Staatsverwaltungskörpern handelte; — aber er war erbarmungslos gegen ketzerische Moslemsekten und Hindus. Firoz unter­ drückte die Shiasekte ebenso streng wie die ausschweifenden HinduShaktas. Er zerstörte keine Hindutempel, aber verbot neue zu errichten; auf diesem Vergehen stand der Tod. Firoz erregte einen Sturm ohnmäch­ tigen Widerspruchs bei den Brahmanen, als er die Kopfsteuer für die Hin­ dus (jizya) auch auf sie ausdehnte; sie gingen so weit, „dharna" zu begehen, indem sie sich lebendig verbrannten, denn sie waren bislang davon befreit gewesen und wurden nun zur niedrigsten Abgabe von 10 Tangas (etwa 10 Rupien) im Jahr eingeschätzt (die anderen Stufen betrugen 20 und 40 Tangas). Nur einmal in den 37 Jahren seiner Herrschaft vergaß sich Firoz in einem Racheakt so weit wie sein Vorgänger. 1379 wurde Sayyid Muham­ mad, Gouverneur von Budaun, und seine beiden Brüder, als sie den Raja von Katehr besuchten, von ihrem Gastgeber ermordet. Ein Jahr darauf rückte Firoz in das Land ein, ließ viele Tausende von der Hindu­ bevölkerung abschlachten, nahm 23000 als Sklaven gefangen und führte für die folgenden fünf Jahre ein alljährliches Massenmorden und Ver­ wüsten in ganz Katehr ein. Firoz meinte in seinem frommen Sinn, Gott zu dienen, wenn er die öffentliche Ausübung der Hindureligion, der die gewaltige Mehrheit seiner Untertanen anhing, für ein todeswürdiges Verbrechen hielt; man berichtet, er habe einen Brahmanen deswegen lebendig verbrennen lassen.

Sklavenjagd. — Feldzüge.

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Er bemühte sich, das Volk vom Hinduismus zum Islam zu bekehren; — um ihm selbst das Wort zu geben: „Ich habe verkündet, wer das Glaubensbekenntnis nachspricht und ein Moslem wird, soll von der ,jizya‘ befreit sein . . . und eine große Menge Hindus traten zum Islam über und wurden mit Geschenken und Ehren ausgezeichnet/6 Auf diesem Wege entstand ein Teil der mohammedanischen Bevölkerung Indiens. Eine Eigentümlichkeit seiner Regierung war der Sklavenfang, den der König durch seine Lehenspflichtigen auf deren Feldzügen systematisch förderte. Siya-ud-din Barani berichtet, es habe rund 180000 Sklaven im Reiche gegeben. Sie wurden alle Mohammedaner und sind anscheinend zu Lebzeiten Firoz gut behandelt worden; allerdings wurde der größte Teil seiner persönlichen Umgebung von seinem Enkel Abu Bakr um­ gebracht. Firoz machte keinen Versuch, den Dekkan wiederzugewinnen, da dies Muhammad — als Soldat unvergleichlich fähiger und energischer — auch nicht versucht hatte. Firoz nährte keinen kriegerischen Ehrgeiz und war eigentlich ein unentschlossener und unfähiger General. Aber November 1353 wurde er gezwungen, mit 70000 Reitern ins Feld zu ziehen, da Shams-ud-din Ilyas Shah, der unabhängige Herrscher Bengalens, einen Einfall nach Tirhut gemacht hatte. Ilyas wurde zurückgeschlagen, aber Firoz’ Versuch, Bengalen wiederzuerobern, mißlang. Als er von diesem Feldzug heimkehrte, gründete er eine neue Hauptstadt, Firozabad, und ver­ band sie über 10 engl. Meilen mit Delhi durch einen regelmäßigen Verkehrs­ dienst mit Mietwagen zu festen Preisen. Nach einem zweiten, ebenfalls erfolglosen Einfall nach Bengalen gründete Firoz — einer der unermüdlich­ sten Bauherren indischer Geschichte und ein begeisterter Erneuerer alter Bauwerke — 1359 die Palaststadt Jaunpur. Im Winter 1360 fiel er mit Erfolg in Orissa ein. Aber auf dem Rück­ marsch verlor das Heer den Weg und irrte volle 6 Monate im Djungelund Bergland von Chota Nagpur herum, indes Maqbul als Reichsverweser rechte Schwierigkeiten mit den Unruhen hatte, die in Delhi ausgebrochen waren. Als Firoz 1362 von einem unglücklich verlaufenen Feldzug nach Sind heimkehrte, geschah ihm ein ähnliches Mißgeschick; monatelang blieb Delhi ohne Nachricht, und Maqbul war, um die Ordnung aufrechtzu­ erhalten, gezwungen, mit einem erfundenen Heeresbericht aus dem Felde aufzuwarten. Im Jahr darauf mußte der Jam Mali von Sind um Frieden bitten und erhielt ihn unter der günstigen Bedingung einer jährlichen Tributzahlung. Die Unterdrückung eines Aufstandes in Ethawah 1377 war eine andere Unternehmung, bei der Firoz Erfolg hatte; 1380 begann er seine fürchterliche Rache an Katehr zu nehmen.

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Firoz war indes 75 Jahre alt geworden, und sein Verstand nahm ab. Khanjahan, der Sohn Maqbul Khans, ergriff die Zügel der Herrschaft, aber er nützte seine Stellung als Regent zu sehr aus und stürzte bald. Ihm folgte ein Sohn, dann ein Enkel des sterbenden Königs. Firoz starb im Sep­ tember 1388; er hatte das Reich durch die Beliebtheit der Maßnahmen, die das Los seiner Untertanen verbesserten, zusammengehalten, hatte aber anderseits die Gewalt der Krone durch systematische Dezentralisierung der Macht heillos geschwächt. So kam „nach ihm die Sintflut“.

V. KAPITEL

INDIEN VOR DER MOGULZEIT Durch Ala-ud-din Khalji hatte das Reich von Delhi auf kurze Zeit die Oberherrschaft über fast ganz Indien erlangt; aber nach Firoz’ Tod hörte Delhi im Grunde auf, als souveräner Staat zu bestehen; eine Zeitlang wer­ den einzelne Königreiche, ehemals Provinzen des Delhireiches, die gegen die Unterdrückung durch Muhammad Tughlak rebellierten, neben dem großen Hindureich, das sich im Süden bildet, zu Trägern indischer Ge­ schichte. Keines dieser Reiche ward durch den schrecklichen Einbruch Timur Lenks am Ende des 14. Jahrhunderts berührt. Ihre Schicksale bis zu den folgenschweren Ereignissen der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts bilden den Gegenstand dieses Kapitels. Die launenhafte und unbeständige Oberherrschaft, die Delhi auch auf der Höhe seiner kaiserlichen Macht über die beiden Ostprovinzen aus­ zuüben vermochte, endete praktisch 1339, als Muhammad Tughlak durch den heillosen Ausgang seines Feldzugs nach Tibet ins Wanken kam und eine fürchterliche Hungersnot Nordindien heimsuchte. Doch erst 1356 erkannte sein Vetter Firoz förmlich Shams-ud-din Ilyas Shah als unab­ hängigen Herrscher des vereinigten Königreichs von Ost- und West­ bengalen an. Ilyas starb 1357; sein Haus herrschte ungefähr 50 Jahre; gegen Ende dieses Zeitraums wurde das Land freilich im Grunde vom Raja Ganesh von Dinajpur beherrscht, der Hamza, der als sein König galt, 1404 besiegt hatte. Falls die sehr ausführliche Chronik verläßlich ist, war Ganesh ein Fanatiker, der eine in der indischen Geschichte seltene Gelegenheit wahr­ nahm und die Mohammedaner in Bengalen bis zu seinem Tode 1414 ver­ folgte. Seine anerkannte Herrschaft dauerte nur ein Jahr lang; ihm folgte sein Sohn Jatmal oder Jadu, der zum Islam bekehrt war und den Titel Jalal-ud-din Muhammad annahm. Die mohammedanischen Beherrscher Bengalens waren im ganzen tolerant gegen ihre Hinduuntertanen, aber Jalal-ud-din bildete eine Aus­ nahme. Er war selbst aus politischen Gründen übergetreten, als der moslimische Fürst von Jaunpur in das Reich seines Vaters eingebrochen war; er wurde später, als er sich weigerte, zum Hinduismus zurückzukehren, wegen seines Starrsinns gefangengesetzt. Sein Eifer für seinen neuen

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Glauben und die Erbitterung über die ihm zuteil gewordene Behandlung veranlaßte ihn, die Anhänger seines früheren Glaubens während der 17 Jahre seiner Herrschaft hartnäckig zu verfolgen. Wenn die Mohamme­ daner noch heute in Bengalen in der Überzahl sind1), rührt das vielleicht von seinem Bekehrungseifer her. 1442 endete das Herrscherhaus von Dinajpur mit der Ermordung von Shams-ud-din Ahmad; ein Minister, Nasir Khan, ein Abkömmling des Ilyas, bestieg den Thron. Sein Sohn Rukn-ud-din Barbak ebnete einem Blutbad im Königshause, das 1474 nach seinem Tod stattfand, den Weg, indem er afrikanische Sklaven — er hatte etwa 8000 — zu hohen Staats­ stellen aufsteigen ließ. Drei afrikanische Sklavenkönige und ein jugend­ liches Glied des Hauses Ilyas’ regierten i486—1493, dann wurde Alaud-din Hussein vom Adel zum König gewählt. Seine Familie stammte aus Tirmiz am Oxus; er hatte sich als Minister sehr bewährt. Diese Wahl erwies sich als ausgezeichnet. Husseins erste Tat war, die gefährliche Macht der Hindu-Hausgarde zu zerstören. Er ersetzte sie durch Mohammedaner und vertrieb alle Afrikaner aus seinem Reiche. Damit wurde die Möglichkeit, daß eine herrschende Negerkaste in Ben­ galen entstände, beseitigt; mit drei afrikanischen Königen auf dem Thron innerhalb 17 Jahren hatte sie eine ernste Gefahr bedeutet. Nachdem Hussein seine Herrschaft in den Provinzen, die unter den sechs letzten Herrschern von ihrer Lehenspflicht abgefallen waren, wieder­ hergestellt hatte, wandte er sich auswärtigen Eroberungen zu und überfiel 1498 Assam. Die Hauptstadt Ahorn wurde eingenommen, aber das schlimme Klima und die Unmöglichkeit, während der Regenzeit Verstärkungen nach­ zusenden, ließen sein Unternehmen scheitern. Hussein versuchte keine weiteren Eroberungen und begnügte sich bis zu seinem Tod 1518 damit, seine Grenzen zu behaupten, Moscheen zu erbauen und Armenhäuser zu stiften. Ihm folgte sein ältester Sohn Nasir-ud-din Nusrat Shah auf dem Thron; er erlebte die Eroberung Nordwestindiens durch die Mogul und das Erscheinen der Portugiesen in seinem eigenen Reich Bengalen. Er war anfangs ein starker Herrscher, später versank er in Ausschweifungen und wurde bei einer Palastverschwörung 1533 ermordet. Ala-ud-din Hasan hatte den Dekkan 1347 von der Schreckensherr­ schaft Muhammad Tughlaks befreit und wurde als Ala-ud-din Bahman Shah zum König gewählt. Er leitete seine Abkunft von dem halbmythi­ schen Helden Bahman, dem Sohn des Isfandiyar2), her; nach diesem heißt Sie bilden etwa 35% der Gesamtbevölkerung. Die Moslems überwiegen noch in zwei anderen Provinzen: im Panjab etwa im Verhältnis 12:7 Hindus, 12:3 Sikhs, ihre Mehrheit in den North-Western Provinces ist überwältigend. Die neue Provinz Sind wird 75% Mohammedaner (arabischer Herkunft) enthalten. 2) ,,Camb. Hist. India“ Vol. III, S. 170 und Anmerkung und S. 372/373.

Der Dekkan. — Muhammad I.

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auch seine Dynastie. Die elf Jahre seiner Regierung gliedern sich in drei Perioden: zuerst mußte Lahman seine Macht festigen, die kleineren Hindu­ rajas des Dekkan zwingen, seine Oberherrschaft anzuerkennen und Auf­ stände einiger seiner moslimischen Offiziere unterdrücken; dies geschah mit kluger Milde, die sich lohnte: fortan konnte er ungestört von Auf­ ständen regieren. Lahman erhob die Stadt Gulbarga (Ahsanabad benannt) zu seiner Hauptstadt und teilte, sobald seine Macht gefestigt war, sein Reich in vier Provinzen: Gulbarga, Daulatabad, Berar und das mohammedanische Telingana. In der dritten Periode seiner Regierung erweiterte er seinen Besitz durch Eroberungen westwärts bis Goa und Dabhol und ostwärts bis in das Hindu-Telingana hinein. Während eines Einbruchs nach Gujarat er­ krankte er 1357 an unmäßigem Genuß von Wein und Wildpret, kehrte in seine Hauptstadt heim und starb dort 1358. Bahmans Nachfolger war sein ältester Sohn Muhammad I. — gleich ungewöhnlich durch seine große Fähigkeit als Herrscher wie durch seine maßlose Grausamkeit auf seinen unablässigen Kriegszügen gegen seine mächtigen Hindunachbarn. Der Regierungsapparat, den er schuf, überdauerte seine Nachfolger und wurde von den Herrschern der fünf Staaten, in die das Dekkanreich schließlich zerfiel, übernommen. Muhammad regierte durch acht Staats­ minister, nämlich: Reichsverweser, Erster Minister, Finanzminister, Minister des Äußeren, Staatssekretär der Finanzen, Peshwa (der schließ­ lich das Amt des Reichsverwesers aufsog), Kotwal (Chef der Polizei und der Verwaltung der Hauptstadt) und der oberste Richter, der auch Minister für religiöse Angelegenheiten und Stiftungen war. Die vier Provinzgouverneure erhoben Steuern, brachten die Wehr­ macht auf und befehligten sie und besetzten alle Zivil- und Militärstellen in ihrem Bereich. Der König hielt seine Obergewalt durch alljährliche Reisen aufrecht — eine Einrichtung Muhammads, die seine Nachfolger übernahmen. Diese automatische Regierungsform hing völlig von der Person des Königs und der Treue seiner Gouverneure ab; die Dezentrali­ sation der Macht ließ schließlich das Reich auseinanderfallen. Aufstände in den Provinzen wurden schließlich immer häufiger; noch zu Lebzeiten Muhammads unternahm der Gouverneur von Daulatabad einen Aufstand, der nur mühsam erstickt werden konnte. Räuberunwesen, das eine ernste Plage zu werden drohte, wurde durch blindes Niedermetzeln unter­ drückt. Die Regierung Muhammads bedeutet den Beginn nahezu ununter­ brochener Kriege zwischen den Bahmanikönigen und den Rajas von Vijayanagar.

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Eine ganz interne Finanzmaßnahme Muhammads war die Ursache der ersten Feindseligkeiten, die schnell zum Hinmorden von 400000 Hindus beiderlei Geschlechts führten. Lahman hatte so gut wie gar kein Gold­ geld ausgegeben; Muhammad ersetzte aus religiösen und politischen Grün­ den die Hinduwährung, die bisher im Dekkan in Umlauf gewesen war, durch Gold aus seiner eigenen Münze. Lukka I. von Vijayanagar und Kanhayya von Warangal wurden durch diesen Schritt verstimmt und hetzten trotz wiederholter Warnungen die Hindubankiers des Dekkan auf, das neue Gold einzuschmelzen und zu horten. Muhammad verordnete hierauf, an einem bestimmten Tag des Sommers 1360 sollten alle Hindu­ bankiers und Geldwechsler in seinem Reiche hingerichtet werden. Darauf erklärten Lukka und Kanhayya ihm den Krieg. Nicht wegen der grauenerregenden Massenmorde, die auf Muhammads Sieg 1366—1367 in Vijayanagar folgten, sind diese Feldzüge bemerkens­ wert, vielmehr weil bei ihnen zum erstenmal in der indischen Geschichte von Artillerie die Rede ist: der König des Dekkan nahm die Kanonen seiner Festungen und formierte aus ihnen Elefantenbatterien, die mit europäischen und ottomanisch-türkischen Artilleristen bemannt waren1). Unmenschlichkeiten wurden mit Repressalien vergolten; schließlich kam es zu einem Vertrag zwischen Muhammad und Lukka: Nichtkämpfer sollten künftig verschont bleiben. Dieser Vertrag wurde zwar manchmal verletzt, doch blieb er lange in Geltung und milderte die Schrecken des Krieges, bis er mehr als 50 Jahre später von den Hindus gebrochen wurde. 1367 vollendete Muhammad die große Moschee von Gulbarga, die einzige in Indien, die einen überdachten Innenhof besitzt. Aber der be­ zeichnendste Zug der Bahmani-Baukunst sind die Befestigungen militä­ rischer Stützpunkte2). Das Reich war rings von mächtigen Feinden, den Rajas von Vijayanagar, Telingana und Orissa, den Gonds, den Sultanen von Khandesh, Malwa und Gujarat umgeben. Ganz Nordindien besitzt keine Festung, die sich an Stärke und technischer Vervollkommnung der Befestigungen mit Daulatabad messen kann. Die äußere Mauer war z3/4 engl. Meilen lang, ihr einziger Eingang war ein in den Fels gehauener Tunnel, der durch den Rauch von Kohlenfeuern geschützt wurde. Im ganzen ähneln die Festungen des Dekkan unseren mittelalterlichen Burgen; vielleicht wurden sie von türkischen und anderen ausländischen Söldnern entworfen, die in den Heeren der Dekkankönige dienten. Muhammad I. starb 1377, ihm folgte sein Sohn Mujahid, der die Feindseligkeiten gegen Vijayanagar bis zu seiner Ermordung im Jahre darauf fortführte. Ihm folgte Muhammad II., ein Enkel Bahman Shahs; x) ,,Camb. Hist. India“ Vol. III, S. 381 und Anmerkung. 2) Für ausführliche Beschreibungen des Befestigungswesens im Dekkan in dieser Zeit vgl. ,,Camb. Hist. India" Vol. III, Kap. XXIII, S. 631—633 von Sir John Marshall.

Muhammad II. — Firofc Shah. — Ahmad Shah.

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er liebte den Frieden und die Literatur und war ein Verehrer des großen persischen Dichters Hafiz. Die 19 Jahre seiner Herrschaft blieben nach außen ohne Krieg, der innere Friede seines Reiches wurde nur einmal durch einen erfolglosen Aufstand des Gouverneurs von Sagar gestört. Zwischen 1387 und 1395 suchte eine schwere Hungersnot den Dekkan heim: Muhammad sorgte für schnelle und wirksame Abhilfe. Er schuf ein eigenes Transportwesen zur Verteilung von Getreide aus Malwa und Gujarat und gab es zu niedrigen Preisen ausschließlich an die mohammeda­ nische Bevölkerung ab. Er gründete kostenlose Schulen für Waisen und eine Reihe von Kinderheimen, die auf Staatskosten Unterkunft, Kost und Unterricht gewährten. Einen Tag nach seinem Tode folgte ihm 1397 Saif-ud-din Ghori, der treue Minister des Begründers der Bahmanidynastie und seiner Nachfolger, mehr als 100 Jahre alt, ins Grab. Sechs Monate des Jahres 1397 herrschte Wirrwarr und das Land hatte zwei Könige nacheinander, bis im November Firoz Shah, ein Vetter Mu­ hammads II. den Thron bestieg. Als junger Mann besaß Firoz glänzende Anlagen und einen feinen Kopf, aber Trunksucht und Haremsfreuden hatten ihn untergraben. Gütig und großzügig wie er war, erhob er Brah­ manen zu hohen Stellen, aber sein Fanatismus, die ,, Ungläubigkeit" außer­ halb seines Landes ausrotten zu wollen, verwickelte ihn dauernd in unkluge Kriegshändel mit seinen Hindunachbarn. Der Chronist Firishta berichtet, unter ihm habe die Macht des Bahmanireiches ihren Höhepunkt erreicht. Firoz war — erst 40 Jahre alt — durch seine Ausschweifungen verbraucht; er ließ die Macht in die Hände zweier türkischer Freigelassener gleiten. Mit 42 Jahren dankte er 1422 zugunsten seines jüngeren Bruders Ahmad ab, überwältigt vom heillosen Ausgang seines letzten Feldzuges gegen Vijayanagar, und fand ein schnelles gewaltsames Ende. Ahmad Shah hatte sich 1399 bei Ellichpur gegen die Gonds und auch auf dem unglücklichen Feldzug gegen Pangul, kurz bevor er zur Herr­ schaft kam, als Feldherr bewährt. Bald sollten der Raja von Vijayanagar und seine unglücklichen Untertanen den Bruch des humanen Abkommens von 1367 bitter beklagen, denn, erbittert durch die Grausamkeiten der Hindus, deren Zeuge er gewesen war, zog Ahmad Shah durch das Hindu­ reich und mordete an 20000 Menschen hin; alle Frauen und Kinder wurden als Sklaven weggeführt. Er zwang dem Raja Vira Vijaya unter anderen als demütigende Friedensbedingungen auf, eine ungeheure Summe Tribut zu entrichten, die sein Sohn „mit allen Anzeichen größter Freude" auf den königlichen Elefanten in Ahmads Feldlager bringen mußte, und daß eine ungeheure Zahl von Hindugefangenen bei den Moslems zurückbehalten wurden. Unter diesen Gefangenen befanden sich zwei Brahmanen, die zum Islam übertraten und dann zu hohen Stellungen gelangten. Der eine,

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Fathullah, wurde Gouverneuer von Berar und begründete dort eine un­ abhängige Dynastie, als das Dekkanreich auseinanderfiel; der andere, als Hassan bekannt, stieg durch Intrigen zum Reichsverweser auf. Er hatte einen Sohn Ahmad, der um 1490 die Nizam-Shahi-Dynastie von Ahmadnagar begründete — eines der fünf Königreiche des Dekkan; es erhielt sich genau 100 Jahre lang unabhängig. Ahmad Shahs Außenpolitik war allzeit angreiferisch und zumeist schlecht beraten. 1424 schuf er durch die Annexion von Telingana einen Herd dauernder Unruhe; seine unglücklichen Versuche, vier Jahre später Gujarat zu erobern, führten zu einem demütigenden Frieden. Innerpolitisch war die Verlegung der Residenz von Gulbarga nach Bidar ein wichtiges Ereignis. Bidar war Sitz einer Provinzregierung; diese alte Hauptstadt des Vidarbhalandes — jetzt Ahmadabad Bidar benannt — lag auf einer Hochfläche 2500 Fuß überm Meer in der schönsten und gesündesten Lage des Dekkan. 1432 war die neue Burg vollendet, noch vor dem Ende der Bahmanidynastie waren viele eindrucksvolle Bauten in der Stadt entstanden, darunter Ahmads eigenes Grabmal mit persi­ schen Malereien und Goldinschriften auf tiefblauem und scharlachrotem Grunde. Der bemerkenswerteste Zug an Ahmads Innenpolitik war die über­ triebene Verwendung landfremder Truppen. Das indische Klima ist Ein­ wanderern aus kühleren Ländern sehr unbekömmlich und Mischehen, die nicht ausbleiben, beschleunigen den Niedergang ihrer Rasse. Der dauernde Zustrom neuer Einwanderer aus Zentralasien konnte den Typus der Er­ oberer im Norden noch auf der Höhe seiner Kraft halten, aber der Dekkan lag abseits und die*herrschende Klasse, die in ihm heimisch geworden war, mußte immer für den Zustrom frischen Blutes sorgen, das die besten Soldaten und Beamten stellen sollte. Bahmans Hauptminister waren ein Afghane und ein Perser; Ahmad Shah war der erste Dekkankönig, der Fremde in Menge für sein Heer anwerben ließ; damit begann ein langer, bitterer Streit zwischen Ansässigen und Fremden im Dekkan. Ahmads Macht war im Niedergang, als er 64 Jahre alt um 1435 starb. Ihm folgte sein Sohn Ala-ud-din Ahmad. Die Herrschaft Ala-ud-dins dauerte 22 Jahre und sah die üblichen Feindseligkeiten gegen Vijayanagar, indes der Dekkan durch die wachsen­ den Streitigkeiten erschüttert wurde, die zwischen angesessenen Moham­ medanern und abessinischen Siedlern einerseits, die meist Sunniten waren, und fremd zugewanderten Elementen, Arabern, Türken, Persern und Mo­ guls anderseits spielten, die meist Shiiten waren. Dies artete zum Bürger­ kriege aus; dabei töteten die Ansässigen durch Verrat 1200 Sayyiden, 1000 andere Fremde, 5000—6000 Kinder und raubten die Frauen, Töchter und Habe ihrer Opfer. Schließlich siegten aber doch die Fremden, denn

Ala-ud-din Ahmad. — Humayun. — Muhammad III.

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der König tauchte plötzlich aus seiner Abgeschlossenheit in Trunk und Harem auf und entließ alle seine eingesessenen Beamten. Der Krieg gegen Vijayanagar 1443 nahm einen wechselnden Verlauf, wenn er auch zugunsten des Dekkanreiches endete. Devaraja II. hatte die Volksmasse von 200000 Reitern und 800000 Mann Fußvolk, die das Heer von Vijayanagar bildete, reorganisiert, indem er eine große Zahl Moslems anwarb und eine Gruppe von 10000 fremdländischen Bogenschützen zu Pferd aufstellte, neben 60000 Hindureitern und 300000 Mann vergleichs­ weise gut ausgebildetem Fußvolk. Ala-ud-din starb 1458; sein ältester Sohn Humayun übernahm die Herrschaft — einer der grausamsten Unholde, die je einen Thron be­ stiegen. Nur ein Beispiel der abscheulichen Martern, die Humayun wahl­ los über Schuldige und Unschuldige verhängte: als er mit der Nieder­ werfung eines Hinduaufstandes in Telingana beschäftigt war, fand in Ahmadabad ein Aufstand statt; der Kotwal unterdrückte ihn nach Kräften. Hu­ mayun kehrte in Eilmärschen in seine Residenz zurück, um die Ordnung wiederherzustellen; er ließ die ganze Garnison von 3000 Mann zu Tode foltern, weil sie versagt hätte und den Kotwal öffentlich in einen Eisen­ käfig sperren und mit Stücken seines eigenen Fleisches, die ihm täglich vom Leibe geschnitten wurden, füttern, bis er starb. Vom Los der Auf­ rührer selbst, ihrer Frauen und Angehörigen spricht man besser gar nicht. Während Humayuns ganzer Regierung schlugen die „Krallen seiner Folterwerkzeuge“ Hindus und Moslem in gleicher Weise; um dem König ein Fest zu bieten, wurden Frauen hingeschlachtet; Frauen und Kinder seiner Untertanen wurden gewaltsam entführt, um seiner Lust zu dienen. Aber endlich „erbarmte sich Gott der Allerhöchste, der Allerbarmer, die Zuflucht der Hilfesuchenden und erhörte das Flehen und Jammern seines Volkes“ — 1461 fand Humayun den Tod; es heißt, eine afrikanische Die­ nerin erstach ihn, als er wehrlos im Rausche lag. Nach Humayuns Tod öffneten sich die Schleusen der Einbrüche in das Dekkanreich. Dem Namen nach war ein unmündiger Sohn, Nizam Shah auf dem Thron gefolgt. Die Hinduheere von Orissa und Telingana drangen bis etwa 20 engl. Meilen gegen die Hauptstadt vor, wurden zurückgeschlagen, fanden aber neuerlich Verstärkung an einer Heerschar, die aus Malwa einbrach. Das Dekkanreich wurde gerettet, Mahmud Gavan, ein Fremder, vertrieb die Feinde; er war der fähigste Staatsmann der Bahmanidynastie und ein bemerkenswerter Feldherr. Nizam Shah starb plötzlich 1463; sein neunjähriger Bruder bestieg als Muhammad III. den Thron. Die Königinmutter führte bis zum 16. Jahre ihres Sohnes die Regent­ schaft; ihr erster Minister war Mahmud Gavan. Die Partei der Ausländer

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war an der Macht, aber Mahmud war großzügig gegen die Eingesessenen, die großen Staatsämter waren gerecht verteilt. 1469 beschloß Mahmud, die Seeräuber an der Malabarküste1) zu er­ ledigen, sie bildeten eine ernste Gefahr für den Moslemhandel und die Pilgerschiffe. Er annektierte die in Frage kommenden Gebiete der Rajas von Konkan und nahm Goa durch eine vereinte Expedition zu See und Land ein. Goa war damals ein Haupthafen des Reichs von Vijayanagar. Erst 1472 kehrte er triumphierend heim. Im selben Jahr annektierte er Beigaum. Im Jahr darauf wütete eine Hungersnot mit Cholera im Dekkan, eine Menge Menschen erlag ihr, und eine allgemeine Auswanderung nach Gujarat und Malwa entvölkerte das Land. Ein Aufstand in Telingana gegen Ende 1477, den Muhammad per­ sönlich bekämpfte, führte zu einem Reiterstück, das in seiner Kühnheit so bemerkenswert war, wie die Einnahme Nadiyas durch Ikhtiyar-ud-din. Der König befand sich in Kondapalli und erfuhr dort von den unerhörten Schätzen des Tempels von Kanchi (Conjeveram), einer der sieben heiligen Stätten der Hindus, die noch kein Mohammedaner gesehen hatte. Muham­ mad beschloß, mit Hilfe von 6000 erlesenen Reitern den Ort zu überfallen, obwohl er zehn Tagreisen entfernt war. Das letzte Stück ritt er so schnell, daß er nur mit 40 Mann an den Tempelpforten anlangte. Aber diese ge­ nügten. Der König tötete den riesenhaften Anführer der Hindus im Zwei­ kampf zu Pferde, seine Leute erledigten die Tempelwache von Brahmanen und der Tempel wurde geplündert. Das Dekkanreich erstreckte sich jetzt westwärts bis zur Küste, indes im Osten die alten Provinzen Gulbarga und Daulatabad sehr gewachsen waren und Telingana an Umfang über das Doppelte gewonnen hatte. Die Provinzen, wie Bahman Shah sie gegliedert hatte, waren nicht mehr zu bewältigen, daher teilte Muhammad sie 1480. Zugleich wurde die Macht der Provinzsatrapen stark beschnitten, alle militärischen Stellen (mit Aus­ nahme des Kommandos der größten Festung der Provinz) wurden vom König besetzt und ein Aufsichtssystem eingeführt. Diese Reformen waren beim älteren Adel sehr unbeliebt, Reichtum und Einfluß der Gouverneure wurden durch sie vermindert und die Gelegenheiten zu Unterschleif sehr eingeschränkt. Die acht Posten der Provinzgouverneure wurden gerecht zwischen Eingesessenen und Fremden verteilt. Zwei kamen an Afrikaner. Im ganzen war es diese Dezentralisation, die zum Zerfall des Bahmanireiches führte, aber der unmittelbare Anlaß seines Unterganges waren die abstoßenden Verbrechen, mit denen Muhammad das Ende seiner Herr2) Athanasius Nikitin, ein russischer Kaufmann, der um diese Zeit von Ormuz über See nach Indien kam, erwähnt diese Plage, die seit den Zeiten der Römer bestand, bis die East India Company schließlich mit ihr fertig wurde. Zu Nikitins Reisetagebuch vgl. ,,India in the Fifteenth Century“, Hakluyt Society London 1857.

Muhammad III. — Ende der Bahmanidynastie. — Bijapur.

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Schaft befleckte. Er hatte sie unter günstigsten Sternen angetreten: eine weise Mutter und einer der größten muslimischen Staatsmänner standen ihm zur Seite; aber er verfiel dem Trunk. Die Partei der Dekkanileute, die den persischen Führer der Fremdenpartei haßte, nützte eine Gelegenheit, als der König berauscht war, um ihm einen hochverräterischen Brief mit dem Siegel Mahmud Gavans an den Raja von Orissa zu zeigen. Der Brief war eine offenkundige Fälschung, aber Muhammad befahl, seinen Minister augenblicks ohne Verhör hinzurichten und weigerte sich, ihn anzuhören. Mahmud Gavan hatte den Bahmanikönigen in unerschütterlicher Er­ gebenheit 35 Jahre lang gedient, er war 78 Jahre alt, als er 1481 hinge­ mordet wurde. Er hatte das höchste Amt im geheimen Rat weise und gerecht versehen und im Felde Mut und hohe Geschicklichkeit gezeigt. Sein Privat­ leben als frommer Sunnit war voller Güte und Großmut; als der König nach seinem Tode den Schatzmeister des Ministers kommen ließ, stellte sich heraus, daß Mahmud Gavan kein Vermögen hinterließ, bei allen Gelegenheiten, die er dazu gehabt hatte, sich eins zu machen. Sein großes Einkommen war ganz in Wohltätigkeit aufgegangen. Eine seiner vielen Stiftungen war die prachtvolle Schule, die er 9 Jahre vor seinem Tod in persischem Stil zu Bidar erbauen ließ, mit einer großen Moschee und Bibliothek, Lesezimmern, Lehrerwohnungen und Schlaf­ räumen für die Studierenden um einen offenen Hof herum; alles zur größten Annehmlichkeit und Bequemlichkeit entworfen und voller Licht und Luft1). Die Vergeltung ereilte den König bald; die Fremden und die anstän­ digeren Mitglieder der Dekkanpartei wollten nichts mehr mit ihm zu tun haben; von Reue und Kummer überwältigt, trank er sich binnen eines Jahres zu Tode. Er war eben erst 28 Jahre alt. Ihm folgte 1482 sein Sohn Mahmud, der noch ein Knabe war. Ver­ gnügungssüchtig wuchs er in Ausschweifungen auf; die Regierung be­ sorgte Qasim Barid-ul-Mamalik, ein Türke auf seiten der Dekkanpartei. Das Land ward durch Anschläge der beiden feindlichen Parteien zerrissen, die Provinzgouverneure erklärten einer nach dem anderen ihre Unabhängig­ keit. Als Mahmud von seinen Ausschweifungen zermürbt 1518 starb, war das Land von der Bahmanidynastie abgefallen, nur mehr die Umgebung der Hauptstadt verblieb ihr. Kalimullah, der letzte der Dynastie, die zu einer Reihe von Scheinkönigen herabgesunken war, floh; Amir Abi Barid setzte sich auf den Thron von Bidar; damit nahm die Geschichte der fünf unruhigen ehrgeizigen und ränkevollen Königreiche des Dekkan ihren Anfang. Bijapur, das bedeutendste der fünf Reiche im Dekkan, wurde durch Adil Shah begründet. Firishta berichtet, er sei ein Sohn des türkischen *) ,,Camb. Hist. India“ Vol. III, S. 63 5—636. Sir John Marshall erörtert die Dekkanarchitektur im einzelnen S. 629—636. Dunbar, Indien.

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Sultans Murad II., der aus einem Hinschlachten der königlichen Kinder gerettet und geheim außer Landes gebracht worden sei1). Sicher ist, daß er als Sklave an Khvaja Mahmud Gavan, den großen Minister des Dekkanreichs verkauft wurde und dann bis zum Provinzgouverneur aufstieg. 1490 schloß er sich den Gouverneuren von Ahmadnagar und Berar an, als sie die Unabhängigkeit ihrer Provinzen ausriefen — nach dem Wort des Koran, das so vieles in der indischen Geschichte erklärt, „das Schwert gebührt dem, der es schwingen kann, die Herrschaft dem, der sie ersiegt“. Nach diesem Wahlspruch führte Adil Shah viele Kriege mit seinen Moslem- und Hindunachbarn, bis er 1510 an der Wassersucht starb. Ein bemerkenswertes Ereignis, das ihm fast den Thron kostete, war sein Ver­ such, den sunnitischen Untertanen die shiitische Glaubensform aufzu­ drängen. Zu Beginn seiner Herrschaft heiratete der König die Tochter eines Marathafürsten; er ließ viele Hindus zu hohen Stellen gelangen. Adil Shah war anscheinend reich begabt, ein guter Musiker und Freund der Literatur; er war weise, gerecht und gewissenhaft. Aber gegen Ende seines Lebens glitt die Macht in die Hände seines verräterischen Ministers Kamal Khan Dekkani und das Land wurde von den Portugiesen erobert. Sie bemächtigten sich im Februar 1510 seines eben gewonnenen Hafens Goa. Dieser wechselte im Lauf des Jahres dreimal den Besitzer; Adil Shah starb, ehe de Albuquerque Goa endgültig im November einnahm und erbittert über seine Verluste die moslimische Bevölkerung niedermetzeln ließ. Bündnisse wurden im Dekkan so schnell geschlossen wie gebrochen. 1515 und erneut 1520 griff Adil Shahs Sohn Isma’il die Portugiesen an, wurde zwar im ersten Feldzug schwer geschlagen, konnte aber im zweiten die Küste von Goa, freilich ohne die Insel zurückgewinnen. Indessen fochten, als Krishna von Vijayanagar Bijapur angriff, Portugiesen auf seiten der Mohammedaner. Die Hindus blieben Sieger und erbeuteten 400 Kanonen, 100 Elefanten und 4000 Pferde. Isma’il Adil Shahs Regierung begann mit dem portugiesischen Krieg und einer mißglückten Verschwö­ rung des Reichsverwesers Kamal Khan und verlief, wie damals üblich, in dauernden Kämpfen. Er starb 37 Jahre alt 1534. Mallu, sein ausschweifender Sohn, wurde nach sechs Monaten Herr­ schaft von seinen gekränkten Adligen abgesetzt und geblendet; 1535 wurde sein Bruder Ibrahim Adil Shah I. König. Sein Hauptratgeber war der Türke Khusru Lari, ein Fremder von überragender Begabung; er erhielt den Titel Asad Khan und das große Lehen von Beigaum. Eine der ersten Taten des Königs war aber doch, fast alle Fremden zu vertreiben x) Vgl. „Mahomedan Power in India“ (Muhammad Qasim Firishta) transl. Colonel J. Briggs, London 1829 Vol. III, Section II, Chap. III, S. 4—8, wo diese Geschichte mit ,,stark erhärteten Umständen“ im einzelnen berichtet ist.

Karte 9.

HZ

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und sie in Verwaltung und Heer durch Dekkanis und Abessinier zu er­ setzen. Ibrahims Außenpolitik bestand in einem Staatsbesuch in Vijayanagar 1535 und in Kriegen gegen dieses Reich und die Nachbarn. Er starb 1557 infolge Trunksucht und Ausschweifungen1). Sein Sohn Ali — anders als sein Vater — war Shiit und ein Fanatiker. Immerhin schloß er 1558 ein Bündnis mit dem Hindureich Vijayanagar gegen den moslimischen Nachbarstaat Ahmadnagar, der von den Heeren der Verbündeten verwüstet wurde; dabei „blieb keine Grausamkeit unverübt“. Sechs Jahre später vereinten sich die vier Königreiche des Dekkan, Bijapur, Ahmadnagar, Bidar und Golconda, um die bedrohliche Hindugroß­ macht Vijayanagar, die den Süden beherrschte, zu brechen. Am 23. Januar 1565 wurde die Schlacht bei Talikota, eine der entscheidendsten der in­ dischen Geschichte geschlagen: das blühende Vijayanagar ward vom Geschick Karthagos ereilt; mit dem Zusammenbruch des großen Hindu­ reichs war die mohammedanische Vorherrschaft im Dekkan gesichert. 1570 verbündete Ali sich mit Murtaza Nizam, dem Shah von Ahmad­ nagar, und dem Hindu Zamorin von Calicut, um die Portugiesen zu ver­ treiben. Der Versuch scheiterte am Mut und der Zähigkeit des Vizekönigs Dom Luiz de Atayde, den die Uneinigkeit seiner Feinde begünstigte. Chaul mit einer Garnison von 3000 Mann wurde neun Monate lang von 150000 Mann belagert; gegen Goa war eine noch größere Macht auf­ geboten, doch seine Verteidiger, anfangs 1600, die dann auf 4000 an­ wuchsen, zwangen schließlich die Angreifer, die Belagerung aufzugeben, nachdem sie 12000 Mann und 300 Elefanten verloren hatten. Dom Luiz schickte nicht nur während dieser kritischen Zeit Verstärkungen an iso­ lierte Plätze, die angegriffen wurden, er sandte auch die jährliche Kauf­ fahrteiflotte nach Portugal und trug schließlich den Krieg erfolgreich ins Gebiet des Feindes. Ali Adil Shah wurde 1579 gelegentlich widerlicher Ausschweifungen ermordet. — 1686 ging Bijapur im Mogulreich auf. Die Adil Shahi-Dynastie hat ihr Andenken mit herrlichen Bauten in Bijapur verewigt; in ihnen erhebt sich die einheimische Kunst des Dekkan, wie indische Künstler und Handwerker sie ausgebildet haben, über den persischen Einfluß, der noch an der Baukunst der Bahmaniherrscher unverkennbar ist2). Ahmadnagar wurde 1490 unter Ahmad Nizam-ul-Malik eines der fünf Dekkanreiche. Ahmad war der Sohn eines Brahmanen aus Vijayanagar. 1508—1553 herrschte Burhan Nizam Shah I., der mit sieben Jahren auf den Thron kam. Während seiner Minderjährigkeit regierte der fähige Minister Muhammad Khan Dekkani. 1521 erlaubte Burhan den Portu­ giesen in Chaul eine Handelsniederlassung zu errichten, sechs Jahre später x) 1557 laut Firishta; „Camb. Hist. India“ Vol. III, 8. 444, gibt 1558 als sein Todesjahr. 2) Vgl. „Camb. Hist. India“ Vol. III, S. 637.

Berar. — Golconda. — Orissa.

ii 7 verbündete er sich mit ihnen gegen Gujarat. Im Laufe dieses Feldzuges wurde die Flotte von Gujarat völlig vernichtet. Firishta berichtet von durchaus nicht immer erfolgreichen Kriegen unter Burhan Nizam Shah und seinen Nachfolgern, und von dem wenig erbaulichen Ende, das die meisten der frühen Könige dieser Dynastie gefunden haben. — Das Mogul­ reich verleibte sich Ahmadnagar erst 1637 unter Shahjahan ein. 14901) riß sich Berar vom Bahmanireich unter seinem Provinz­ gouverneur Fathullah Imad-ul-Mulk Dekkani los, der als Hindu zum Islam übergetreten war. Seine Nachfolger, die Imad Shahi-Könige be­ herrschten Berar, bis es 1547 von Ahmadnagar einverleibt wurde. Die Provinz Golconda befreite sich 1512—1518 von ihrer Lehens­ pflicht gegen die Bahmanis. Sie umfaßte das ehemalige Königreich Telingana, das bis zu Beginn des 14. Jahrhunderts von Hindukönigen der Narupatidynastie beherrscht wurde. 1346 hatte Ala-ud-din Khalji es unter die Oberhoheit von Delhi gebracht; 1365 geriet es nach dem Einbruch Muhammad I. in den Dekkan abermals unter moslimische Oberhoheit. Später kam es unter der Qutb Shahi-Dynastie als unabhängiges König­ reich zu bemerkenswerter Blüte. Die alten Bewässerungsanlagen der Hindu­ zeit waren wieder instand gesetzt, das Land war fruchtbar, Hindus ge­ langten zu hohen Regierungsstellen. Die Verwaltung war im ganzen gut, vom ersten unabhängigen Herrscher Quli Qutb Shah bis zum achten und letzten, Abu’l Hassan, der 1672 auf den Thron kam. Inzwischen waren aber die übrigen Dekkanreiche schon lange — infolge ihrer Eifer­ sucht unfähig eine gemeinsame Front zu bilden — nacheinander der stän­ digen Ausbreitung des Mogulreichs zum Opfer gefallen; Golconda wurde schließlich 1687 von Aurangzeb einverleibt. Während der Herrschaft Ibrahims (1550—1580) befand sich der Hof, der durch Quli Qutb von Warangal nach Golconda verlegt worden war, in Bhagnagar, das den Namen Haiderabad erhielt — heute die Hauptstadt der Länder des Nizam, mit einer halben Million Einwohner die viertgrößte Stadt Indiens. Außer den Reichen des Dekkan gab es quer von Ost nach West durch Mittelindien noch andere unabhängige Staaten, die Erwähnung verdienen. Am Golf von Bengalen lag Orissa, ein Vorposten der Hindus gegen die moslimischen Gouverneure Bengalens. Firoz Thughlak eroberte es 1360 und machte es Delhi tributpflichtig. Orissa erhielt sich trotz bedroh­ licher Moslemeinbrüche unabhängig; 1435 bestieg ein unternehmender und ehrgeiziger Herrscher, Kapileshvaradeva den Thron. Er dehnte seine Machtsphäre südwärts an der Küste aus und bedrohte sogar Vijayanagar, das durch dauernde Feindseligkeiten mit dem Dekkanreich in Atem ge­ halten war. Erst 1516 gelang es Krishna, dem bedeutendsten Herrscher von Vijayanagar, die verlorenen Gebiete wiederzuerobern und den Kistna*) Oder 1484; vgl. V. A. Smith, „Oxford Hist, of India“ S. 286.

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fluß zur Grenze zwischen beiden Reichen zu machen. Orissa blieb unab­ hängig, bis Akbar es 1592 eroberte. Die Waldwildnis zwischen Orissa und Berar, von den primitiven Stämmen der Gonds bewohnt, damals Gondwana geheißen, zerfiel in vier Reiche. Das nördlichste, Garha-Mandla war das reichste; es vergrößerte sich gegen Ende des 15. Jahrhunderts auf Kosten seiner Nachbarn im Tal der Narbada. Deogarh und Khula waren die angriffslustigsten dieser Reiche; letzterem entstammte Narsingh, der eine Reihe von Gondstämmen vereinte und 1398 in Berar einfiel; dies gab den Auftakt zu den späteren muslimischen Expeditionen. Das größte der Gondreiche war das weise regierte Chanda im Süden mit einer langen Reihe von Herrschern, deren oberste Politik es war, Kriege zu vermeiden. Akbars Gouverneur von Kara, Asaf Khan, eroberte und plünderte Gondwana und annektierte es; damals herrschte die berühmte und mutige Königin Rani Durgavati über Garha. Malwa war der südlichste Zipfel von Harshas Reich gewesen: in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts herrschte dort der berühmte König Bhoja Paramara. 1234 überflutete Iltutmish das Land, plünderte Ujjain und zerstörte den berühmten Hindutempel von Mahakali. Andere moslimische Einbrüche folgten, doch wurde Malwa erst 1305 annektiert, als Ain-ul-Mulk es für seinen Herrn Ala-ud-din unterwarf. Als der Einbruch Timur Lenks die Zentralgewalt von Delhi ver­ nichtet hatte, schüttelte Dilawar Khan Ghori, der afghanische Gouverneur von Malwa, seine Lehenspflicht gegen Delhi ab. Die Dynastien der Ghori und Khalji herrschten etwa 130 Jahre; dann besiegte Bahadur von Gujarat 1531 Mahmud II. den letzten der Khaljis und nahm Malwa in Besitz. Mahmud hatte sich dieses Ende selbst zu verdanken; seine unehrliche und angreiferische Politik hatte die alte Freundschaft zwischen den beiden Ländern zerstört. Hushang Shah Ghori (1405—1435) und Mahmud I. Khalji errich­ teten die prachtvolle Jami Masjid und die mächtige Durbarhalle1) in der alten Hauptstadt Mandu, die mit ihren grauen, zinnenbewehrten Mauern 25 engl. Meilen weit den Steilhang eines Ausläufers der Vindhyaberge krönt. Innerhalb dieser Mauern ist heute ein Urwald aus Pipal-, Banyan-, Baobul- und Teakbäumen, dazwischen tauchen große Moscheen, Paläste und Gräber aus Sandstein und Marmor auf — Reste der heute noch ein­ drucksvollsten Festungsstadt Indiens. Zafar Khan (Muzaffar I.) ein zum Islam bekehrter Rajputensohn wurde 1391 durch Muhammad Tughlak ausgesandt, um einen Aufstand in der Provinz Gujarat niederzuwerfen; er machte sich 1396 daselbst zum König und schenkte Gujarat die staatliche Unabhängigkeit. Der weitere Aufstieg des Reiches war seinem Enkel Ahmad Shah (1411—1442) zu 1

) Vgl. „Camb. Hist. India“ Vol. III, S. 617—622.

Gujarat.

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danken, einem entschlossenen, kraftvollen Herrscher, der in viele erfolg­ reiche Kriege mit seinen Nachbarn verwickelt war. Kurz nach seiner Thronbesteigung erbaute er Ahmadabad — noch heute die Hauptstadt von Gujarat. Der größte Herrscher der Dynastie war Mahmud I. Begarha1). Er bewies seinen Charakter durch den persönlichen Mut und die Ent­ schiedenheit, mit denen er eine gefährliche Verschwörung erstickte, als er 13 Jahre alt 1458 zur Herrschaft kam. Mahmud ist ein Meister der Kriegskunst in der indischen Geschichte; die Siege, die sein Gebiet ver­ größerten, umfaßten Feldzüge nach Cutch und Kathiawar und die Er­ oberung des Hindustaates Champancr. Gujarat mit alteingesessenem blühenden Handel und vielen Häfen war stark zur See; nach der Ankunft der Portugiesen war ein Zusammen­ stoß mit ihnen unvermeidlich. Als die vereinigte moslemische Flotte 1509 durch Almeida vor Diu vernichtet worden war, schloß Mahmud mit den Portugiesen Frieden. Er starb 1511. Er war in jeder Hinsicht ein geborner Herrscher: groß und schön, mit einem Bart, der ihm bis zur Leibesmitte hinabreichte, lieh er Einflüsterungen des Harems nie sein Ohr, und sein Wort war seinen Ministern Gesetz. MuzaffarIL, der ihm folgte, regierte bis 1526; er starb am 7. April, 13 Tage ehe Babar die Schlacht von Panipat gewann. Mit seiner Flotte konnte er die Versuche der Portugiesen Diu zu nehmen, vereiteln; neben anderen Feldzügen eilte er auch Mahmud II. von Malwa zu Hilfe, als dessen Herrschaft in die Hände rajputischer Offiziere gefallen war. 1518 wurde Mandu erstürmt, seine Verteidiger, Rajputen, opferten sich im „jauhar"-Brauch; die überlebenden rajputischen Einwohner der Stadt — 19000 — wurden hingemetzelt. Nach Muzaffars Tode zerfiel der Adel in drei Parteien; diese unter­ stützten jeweils die Thronansprüche der drei ältesten Söhne des verstorbe­ nen Königs, Sikandar, Bahadur und Latif Khan. Sikandar, als Ältester vom Vater zum Erben ersehen, war schwach und unfähig; er wurde bald ermordet. Mahmud, ein unmündiger Sohn Muzaffars wurde am 12. April 1526 dem Namen nach zum König aus­ gerufen. Aber Bahadur, von dem es heißt, er habe der Schlacht bei Panipat als Zuschauer beigewohnt2), kehrte nach Gujarat heim und riß am 11. Juli die Macht an sich. Sein kleiner Bruder wurde insgeheim noch im selben Jahre ermordet, ein Aufstand Latif Khans endete mit dem Tode dieses Anwärters, und Bahadur war unbestritten König von Gujarat. x) Der Spitzname Begarha kommt von ,,be garha“, d. i. „Zwei Festungen“ und bezieht sich auf die Eroberung der beiden großen Hindufestungen von Girnar und Champaner durch Mahmud I.; vgl. ,,Camb. Hist. India“ Vol. III, S. 316. 2) So berichtet Abu Turab, ein zeitgenössischer Autor (Camb. Hist. India Vol. III, S. 322); Firishta berichtet nur „Bahadur Khan befand sich bei Delhi“.

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Fast ununterbrochene Kriege brachten Bahadur beachtliche Erfolge: 1531 eroberte er Malwa, 1534 erstürmte er die Rajputenfeste Chitor. Die Festung wurde von der Königin-Mutter Jawahir Bai mutig verteidigt, aber sie selbst fiel bei einem Ausfall, den sie anführte; der Thronfolger Udai Singh — noch ein Kind — wurde in Sicherheit gebracht, die über­ lebenden Rajputen begingen „jauhar". 13000 Frauen gingen, so sagt die Legende, in Flammen unter, indes die Männer, angeführt von Baghji, dem Fürsten von Deola, durch die große Bresche herniederbrachen, um mit dem Schwert in der Hand zu sterben. Die Einnahme von Chitor bezeichnet die Wende in Bahadurs Ge­ schick. In Delhi war 1530 Humayun auf Babar gefolgt; eine Zeitlang be­ standen freundschaftliche Beziehungen zwischen den beiden moslemischen Reichen. Aber ein Streit um einen Timuriden, der nach Gujarat geflohen war, führte 1553 zum Angriff Humayuns. Bahadur ließ sein Heer im Stich und floh, er rettete sich zu Schiff nach Diu. Indes brach in Bengalen ein Aufstand aus, Humayun mußte umkehren und Bahadur erhielt sein Reich wieder. Vor diesem Einfall hatte Bahadur 1534 die Insel Bassein den Portugiesen abgetreten, in seiner Not bot er ihnen einen Platz für eine Faktorei in Diu an, wenn sie ihm mit 500 Mann europäischer Truppen zu Hilfe kämen. Die Truppen blieben aus und Bahadur begann mit dem Vizekönig Nuno da Cunha über den Rückzug der Portugiesen aus Diu zu verhandeln. Schließlich war er bereit, da Cunha auf seinem Flaggschiff zu besuchen; das einzige, was man mit Sicherheit zwei widerstreitenden Berichten entnehmen kann, ist, daß Bahadur im Hafen von Diu am 13. Fe­ bruar 1537 ertrunken ist. Über die fürchterliche Verwirrung, die bei seiner Nachfolge und dann unter den weiteren Herrschern von Gujarat und im Lande selbst herrschte, mag man Firishta nachlesen. 1572 eroberte Akbar Gujarat, während der chaotischen Regierung von Muzaffar Shah III. Die Architektur der großen Moslembauten in Gujarat führt die beste Überlieferung der Khaljischule aus der Zeit, als Gujarat von Delhi abfiel, weiter. Ein Beleg dafür ist die Jami Masjid in Ahmadabad, die Sir John Marshall „eines der prächtigsten und eindrucksvollsten Gebäude seiner Art in der ganzen Welt" nennt1). Während der Regierung von Mahmud Begarha erreichte die Baukunst von Gujarat ihren Höhepunkt. Mahmud begründete drei neue Städte und schmückte seine Residenz Ahmadabad mit vielen neuen Bauten. Das kleine Königreich Khandesh im Tal der Tapti verdankte seine Bedeutung der Stärke seiner Festung Asirgarh. Khandesh errang seine Unabhängigkeit um 1380 im Widerstand Malik Ahmad Khans gegen x) Vgl. ,,Camb. Hist. India“ Vol. III, Ch. XXIII, wo die Baukunst von Gujarat S. 608—616 besprochen ist.

Khandesh. — Vijayanagat. — Ursprung des Reiches.

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die Bahmanimacht im Dekkan. Malik begründete die Faruqidynastie; der Name Khandesh leitet sich vom Titel „Khan“ her, den ihre Herrscher führten. Die Hauptstadt war Burhanpur. Zuweilen vom mächtigen Nach­ barlande Gujarat abhängig, erhielt sich Khandesh, bis Akbar 1601 Asirgarh eroberte. Im Süden von all diesen Reichen, die ganze Südspitze Indiens ein­ nehmend, erhielt sich eine Hindumacht — die größte seit Harshas Zeiten — von der Mitte des 14. Jahrhunderts über 200 Jahre lang. Muhammad Tughlak hatte sogar den bloßen Fortbestand der Hindu­ religion und -kultur im Süden bedroht, bis seine blinde angriffswütige Politik 1334 an dem erfolgreichen Aufstand in Madura zerbrach. Aus der Provinz wurde ein rebellisches Königreich. Der dritte König, dem es gelang, sich den Thron von Madura zu erkämpfen, war Ghiyas-ud-din Damaghani (Damaghan Shah). Er hatte als gemeiner Soldat im Heer von Delhi gedient und war ein wüster Tyrann. Es gehörte zu seinen Freuden, gefangene Hindus — auch Frauen und Kinder — hinschlachten und mar­ tern zu lassen. Er setzte den Krieg gegen Vira Balalla III., den letzten großen Hoysalakönig, das letzte Bollwerk Südindiens gegen die Erobe­ rung durch die Mohammedaner, fort. Vira Ballala wurde 1342 bei Trichinopoly geschlagen, der 80jährige Mann wurde gefangen genommen, vom Sieger erdrosselt und sein aus­ gestopfter Leichnam — nach dem Brauch von Delhi — auf den Wällen von Madura aufgehängt. Auch Vira Balallas Sohn blieb anscheinend auf dem Schlachtfelde, aber der Geist des alten Königs lebte in fünf Brüdern, den Söhnen Sangamas von Anagundi fort, die Offiziere an der Nordgrenze des Hindureiches waren. Die Hindus Südindiens, unter Fremdherrschaft und religiöser Bedrückung murrend, fanden in diesen Söhnen Sangamas ihre Führer; die Bewegung war durch den brahmanischen Weisen Vidyaranya angefeuert — so entstand das Reich Vijayanagar. 1347, nicht ganz zehn Jahre nach der Begründung der Bahmanidynastie im Dekkan, war diese Hindumacht im Süden so gewaltig, daß Bahman Shahs vertrauenswürdiger Minister Saif-ud-din Ghori seinem Herrn abriet, sie anzugreifen. Als Bahman Shah 1358 starb, lebte nur mehr Bukka von den Söhnen des Sangama und die Herrlichkeit der Hoysalas war auf ihn übergegangen. Vijayanagar, seine Hauptstadt, war eine Festungsstadt auf den Höhen über der Tungabhadra. Vira Balalla III. hatte sie erbaut; ihre siebenfachen Mauern leisteten 200 Jahre lang jedem Angriff des Dekkanreiches Wider­ stand. Abdur Razzaq, der als Gesandter aus Samarkand 1442 die Stadt betrat, hat sie mit der Pracht ihrer Hofhaltung geschildert; mit ihren Tänzerinnen, Kurtisanen, Gauklern und dressierten Elefanten scheint sie 1001 Nacht entstiegen. Ihre Paläste zeigen islamischen Einfluß, aber die

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Tempel mit ihren hohen Torbauten und weiten Säulenhallen sind rein dravidischen Stils1). Der blutige Kampf der Hindumacht mit Moslemstaaten, der andauerte, solange Vijayanagar bestand, fing an, als Firoz Shah Tughlak erklärte, sich in die Angelegenheiten des Südens nicht einmischen zu wollen; da­ mit fiel die Bedrohung von Norden für Vijayanagar und das Dekkanreich dahin. Die Geschichte Vijayanagars besteht fast nur aus Kriegen mit dem Dekkan; 1371 besiegte Bukkal, die Moslemdynastie von Madura und löschte sie aus. Sieben Jahre später starb er, ihm folgte Hari-Hara II.2), der erste der Familie, der den Königstitel trug. Dann folgten zwei Könige namens Devaraya; bei der Thronbesteigung Devarayas II. (1421—1448) hatte das Reich die Höhe des Wohlstandes unter den Hoysalas wiedererreicht. Nicolo Conti, ein vornehmer Venezianer, der kurz vor 1440 Indien bereiste, schildert den Eindruck, den Vijayanagara (das er Bizenegalia nennt) auf ihn machte3): „Der Umfang der Stadt beträgt 60 Meilen; die Mauern ziehen sich über die Berge hinauf und schließen die Täler zu ihren Füßen ein, . . . man schätzt die waffenfähigen Männer der Stadt auf 90000. Die Bewohner des Landes heiraten so viel Frauen, wie sie mögen, diese werden mit ihren gestorbenen Gatten verbrannt. Ihr König ist mäch­ tiger als alle übrigen Könige Indiens. Er hat 12000 Frauen, von denen 4000 ihm zu Fuß folgen . . . und in der Küche beschäftigt sind; ebenso viele . . . reiten zu Pferde, der Rest wird von Männern in Sänften getragen; von diesen sind 2000—3000 zu seinen Gattinnen erwählt, mit der Be­ dingung, daß sie sich freiwillig mit ihm verbrennen lassen, was als eine große Ehre für sie gilt." Das Opfer unterschiedsloser Witwenverbrennung (sati) erreichte in Indien bei der Totenfeier der Telugukönige von Vijaya­ nagar seinen Höhepunkt. Devarayas II. Nachfolger war Mallikarjuna, er wies einen vereinten Angriff der Reiche Dekkan und Orissa zurück. Der nächste König, sein Bruder Virupaksha, war hoffnungslos unfähig, Vijayanagar drohte aus­ einander zu fallen; da entthronte ihn Saluva Narasimha 1487 mit Hilfe seines Generals Narasa und übernahm die Regierung. Dieser Thronwechsel gilt als die „Erste Usurpation"; es gelang Narasimha, in den sechs Jahren seiner Herrschaft den größten Teil der abgefallenen Provinzen zurück­ zugewinnen. Eine zweite Usurpation, etwa um 1505, führte zu völligem Wirrwarr; aus ihm arbeitete sich schließlich Krishnadevaraya, Narasas Sohn, hervor, x) Vgl. V. A. Smith, „History of fine Arts in India and Ceylon“znd and revised Edition by K. de B. Codrington. 2) Hari Hara I. war einer der Gouverneure der Grenzmarken, ehe sein Bruder Bukka zur Macht kam. 3) Vgl. „India in the Fifteenth Century“ Part. II.

Kriege mit dem Dekkan.

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der größte König von Vijayanagar. Er bestieg den Thron 1509. Sein eigenes Land war in Aufruhr, ein mächtiger Vasall stand in offenem Ab­ fall, vor der Küste von Bijapur waren die Geschütze der portugiesischen und mohammedanischen Flotten in Tätigkeit; die erste europäische Macht, die in Indien Fuß gefaßt hatte, stellte damals das erste Regiment Inder auf, das gegen seine Landsleute fechten sollte. Weit weg im Norden neigte sich die Lodidynastie von Delhi trotz Kraft und Entschlossenheit ihres größten Königs Sikandar, dem Ende zu, das Babars eroberndes Heer ihr bringen sollte. Die einzige Berührung, die zwischen den Portugiesen und Vijaya­ nagar während Krishnas Regierung stattfand, war eine Gesandtschaft de Albuquerques, um bald nach Krishnas Thronbesteigung einen Handels­ vertrag und ein Bündnis gegen den Zamorin von Calicut abzuschließen. Krishnas Außenpolitik richtete sich vor allem darauf, die an Orissa ver­ lorenen Provinzen wiederzuerlangen; das gelang ihm teilweis bis 1516. Vier Jahre später, begünstigt durch Uneinigkeiten unter den fünf Reichen des Dekkan, annektierte er das Raichur Doab, das seit den Tagen Mu­ hammad I. vor 160 Jahren der Anlaß schwerer Kämpfe mit dem Dekkanreich gewesen war. Krishna war ein fähiger Feldherr; im Laufe seiner Feldzüge besetzte er zeitweilig Bijapur und zerstörte die große Feste Gulbarga, die frühere Hauptstadt des Bahmanireiches. Aber ganz im Gegensatz zu den meisten Heerführern des indischen Mittelalters war er gegen die Besiegten gnädig. Als eifriger, dem Vishnuismus ergebener Hindu machte er reiche Stif­ tungen an Tempel und Brahmanen. Man muß wissen, daß damals im Mittelalter die Untertanen eines Reiches, einerlei ob Moslem oder Hindu, nur zum Nutzen ihrer Herrscher da waren, und daß die indischen Bauern zumeist elend und vernachlässigt dahinlebten. Es war im Süden üblich, daß die Regierung den Bauern die Hälfte der Ernte ließ. Athanasius Nikitin1), ein Kaufmann aus Tver, der Teile Indiens, darunter Bidar und Vijayanagar um 1470 bereiste, vermerkt in seinem Tagebuch: „Das Land wimmelt von Menschen, aber die Bauern leben im größten Elend, indes der Adel ein üppiges Leben führt und sich am Luxus freut. Er läßt sich auf silbernen Sänften tragen mit 20 goldgezäum­ ten Schlachtrossen vorauf, gefolgt von 300 Reitern und 500 Mann Fuß­ volk, von Hornbläsern, 10 Fackelträgern und 10 Musikanten.“ Die grausame Härte, mit der Eigentumsvergehen bestraft wurden, diente dazu, die Reichen vor den Armen zu schützen; es heißt, es gab wenig Diebe im Lande. Der König von Vijayanagar war ein völliger Autokrat mit einer ungeheuren Armee zu seiner ständigen Verfügung; Vgl. ,,India in the Fifteenth Century“ Part, III,

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die Provinzgouverneure waren in ihrem Bereich allmächtig, nur daß sie die Hälfte ihrer Gesamteinnahme an den königlichen Schatz abführen mußten. Prostitution blühte; die Kurtisanen waren zuweilen sehr reich, der Staat zog beachtlichen Gewinn aus den Bordellen. Das Duell war in den Oberschichten häufig und wurde schließlich (zum Grauen Firishtas) von den Mohammedanern im Dekkan übernommen1). Gegen Ende seiner Herrschaft kränkelte Krishna; es brachen Auf­ stände aus, die unterdrückt werden mußten. Er starb 1530. Weder sein Bruder Achyuta noch sein Neffe Sadashivaraya waren starke Herrscher; unter der Regierung des letzteren ging Vijayanagar 1565 zugrunde. Die Heere der Reiche von Bijapur, Ahmadnagar, Golconda und Bidar planten die Vernichtung der großen Hindustreitmacht, die in Talikota, einer kleinen Grenzstadt von Bijapur, zusammengezogen war. Die Armee der Verbündeten wurde von Hussain Nizam Shah I. geführt, dessen Reich Ahmadnagar alle Art Grausamkeiten von seiten der Hindus während der letzten Einbrüche aus Bijapur und Vijayanagar erlebt hatte. Die Stärke der mohammedanischen Streitkräfte lag in ihrer weitüberlegenen Aus­ bildung und Mannszucht, in der Schlagkraft ihrer Reiterei und berittenen Bogenschützen und der überwältigenden Überlegenheit ihrer 600 Ge­ schütze, die der tüchtige und erfahrene Chalabi Rumi Khan kommandierte, der in Europa gedient hatte. Sadashivaraya führte persönlich die Hinduarmee von 82000 Reitern, 900000 Mann Fußvolk, 2000 Elefanten und etwas Artillerie. Aber diese Menschenmasse war schlecht bewaffnet und undiszipliniert; wenn man Caesar Frederick (der zwei Jahre später Vijayanagar besuchte) glauben darf, entschied der Abfall von 140000 mohammedanischen Söldnern der Hinduarmee den Ausgang der Schlacht. Zwischen beiden Heeren floß die Kistna; durch ein geschicktes Manöver überschritt Hussain sie ohne Verluste und lieferte am 5. Januar 1565, den Fluß im Rücken, die Schlacht, die später nach Talikota benannt worden ist. Die Taktik auf beiden Seiten war einfach2). Chalabi Khan hatte seine Artillerie in drei Gliedern nach dem Kaliber formiert und verschleierte sie durch 2000 ausländische Bogenschützen; sie hatten Befehl, wenn der Feind sich genähert hatte, zurückzuweichen. Die Hindus eröffneten das Feuer mit Musketen und Raketen und gingen gegen die Artilleriefront los. Sie wurden zurückgeworfen, griffen aber nochmals an; da ließ Chalabi Khan seine schweren Geschütze mit Säcken voll Kupfermünzen laden, die im Dekkan Metallklümpchen waren und wie Schrapnells wirkten. Vgl. Firishta Vol. III, S. 208/209. 2) Für Einzelheiten der Schlacht vgl. Firishta Vol. III, S. 126—130 und 246—249.

Folgen des moslimischen Einbruchs.

I2Z

Der Erfolg in Kernschußweite war entscheidend; die Reiterei von Bijapur, unterstützt von Elefanten, warf sich durch die Lücken der Geschützfront auf die erschütterten Reihen der Angreifer. Die Hindus wichen, Sadashivaraya wurde gefangen und augenblicks enthauptet; als die Hindus das Haupt ihres Führers auf einer moslimischen Pike sahen, gaben sie den Widerstand auf. An iooooo Hindus wurden in der Schlacht und auf der Flucht getötet. Die Beute der Sieger war ungeheuer, die Stadt Vijayanagar wurde völlig zerstört, das Land sechs Monate lang geplündert. Das große Hindureich des Südens zerbrach in eine Reihe Kleinstaaten; von ihnen war Madura unter den Nayaks der wichtigste. Einbrüche von Eroberern durch die Pässe im Nordwesten sind in der indischen Geschichte häufig. Perser und Griechen, Skythen, Kushanas und Hunnen strömten in die Ebenen und wurden aufgesogen; nur zwei Einbrüche, oder Reihen von Einbrüchen, haben für die Dauer Indien ihr Wesen aufgeprägt. Die Arier bewahrten sich selbst davor, in der Masse der dravidischen Bevölkerung aufzugehen, indem sie die Schranke der Hautfarbe auf­ richteten, aus der sich das Kastenwesen entwickelte. Die dravidische Kultur und ihr Geistesgut blieben im Süden lebendig; der Anteil rein arischen Blutes im ganzen heutigen Indien ist gering, in manchen Gegen­ den fehlt er ganz. Aber es gelang den Ariern, die Dravidas in die unteren Kasten des Hinduismus einzugliedern, einschließlich der sog. unter­ drückten Kasten, der „Unberührbaren“, die heute etwa 30% der gesam­ ten Hindubevölkerung Indiens ausmachen. Sie üben erniedrigende Be­ schäftigungen aus oder gehören Eingeborenenstämmen an. Der Islam kennt kein Kompromiß, wie ein Schwert brach er sich durch die streitenden Staaten Indiens Bahn. Die Mohammedaner traten die Bilder der verhaßten Hindureligion, die sie doch nicht vernichten konnten, unter ihre Füße, und im Lauf der Zeit wuchs die Zahl der Mos­ lems bedeutend. Den ersten Eroberern drängte ein endloser Strom Ein­ wanderer nach; es gab zahllose Bekehrungen, teils erzwungen, teils durch die Mission großer islamischer Heiliger und Lehrer; ein ständiger Zu­ wachs entsprang den Ehen zwischen alten und neubekehrten Mohamme­ danern. Aber die Hindus besaßen an ihrem Kastensystem einen unübersteigbaren Wall; es verwirft die Gleichheit der Menschen, die Christen­ tum und Islam zwar auch nicht immer üben, aber doch lehren. Sir Theodore Morrison sagt von den 77 Millionen Mohammedanern des heutigen Indien1): „Ein Teil stammt von Arabern, Afghanen und Türken ab, die vom zentralasiatischen Hochland in mehreren Eroberungs*) Vgl. „Political India“ (ed. by Sir John Cumming) 1932, Ch. V. „Muhammadan Movements“.

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wellen herabgeströmt sind, aber die Mehrzahl sind dem Blut nach An­ sässige, edelgeborene Rajputen, schwerarbeitende Shudras oder niedere Parias, . . . waren diese Inder erst einmal Mitglieder der weltweiten islami­ schen Brüderschaft, so nahmen sie die Kultur von Bagdad und Shiraz an und schöpften ihre Ideen aus arabischer und persischer Literatur, . . . diese moslimischen Eroberer und Konvertiten gingen nicht in der übrigen Bevölkerung auf, sie blieben ein eigenes Volk . . . stolz auf ihre politische Herkunft und ihre überlegene Zivilisation.“ Dies war das Ergebnis der Einbrüche durch die Nordwestpässe. Nie in 3000 Jahren war Indien bisher über See angegriffen worden, aber 27 Jahre ehe Babar sein Heer durch den Khaibarpaß führte, brach an der Westküste ein neues Zeitalter an: die Epoche europäischer Durchdringung und schließlichen Oberherrschaft. Entschlossen, das indische Handelsmonopol Venedigs über die Levante mit Goa zu brechen, umschiffte ein portugiesischer Kapitän Bartolomeu Diaz de Novaes 1487 das Kap der Guten Hoffnung; am 17. Mai 1498 landete Vasco da Gama mit drei Schiffen, von denen keines über 150 Tonnen faßte, bei Calicut und wurde durch den Hindu Zamorin freundlich empfangen. Die Entdeckung des direkten Seeweges nach Indien machte auf die zivilisierte Welt den tiefsten Eindruck; ihre unmittelbare Folge war, daß Portugal im 16. Jahrhundert das reichste Land Europas wurde. Am 13. September 1500 erschien Pedro Alvarez Cabral mit seiner Flotte vor Calicut. Er war am 9. März von Lissabon abgefahren, kurz nach da Gamas Rückkehr, und hatte auf seinem Weg nach Indien zufällig Brasilien und Sansibar entdeckt. Cabral kam bald mit dem Zamorin in Streit, da er eine Niederlassung begründen wollte, aber vor seiner Rück­ kehr nach Europa fand er in Cochin einen geeigneteren Hafen als Calicut; der dortige Hinduraja war ein feind des Zamorin und sollte Cabral ein wertvoller Bundesgenosse werden. Die Suche nach einem Seeweg um die Erde nach Indien hatte zur Entdeckung Amerikas geführt. Der Reichtum, der mit der Ausbeutung der neuen Länder nach Europa floß, revolutionierte die westliche Zivili­ sation. Die wirtschaftliche Umwandlung, die sich aus veränderten Kapitalanhäufungen und einer neuen Form des Handels ergab, erschütterte die Gesamthaltung des mittelalterlichen Europa gegenüber dem Heiligen Stuhl. Hierin lag ein wichtiges Element der religiösen Umwälzung des 16. Jahrhunderts. Der lockende Zauber Indiens mit den wirtschaftlichen Folgen der geographischen Entdeckungen hat eine Wirkung auf Europa ausgeübt, die man kaum genügend unterstreichen kann. 1507 hatten die Portugiesen Cochin befestigt und sich auf der Insel Socotra eingerichtet. Der indische Handel mit dem Westen war an der

Die Portugiesen.

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Quelle erfaßt, und reiche Waren gingen auf portugiesischen Schiffen um das Kap nach Europa. Der direkte Verkehr zwischen Indien und der westlichen Welt im Altertum hatte im 7. Jahrhundert mit der Einnahme Ägyptens und Per­ siens durch die Araber sein Ende gefunden. Fortan mußte die indische Ausfuhr durch die Hände der Mohammedaner gehen, die über die Levante herrschten und damit in Wahrheit über den Osten verfügten. Die neue Verlagerung des Handels aus dem bisherigen Wege — von moslimischen Faktoreien in Calicut über die Kauffahrtei von Jidda durch das Rote Meer, über Suez, Kairo und Alexandria nach Europa — ruinierte nicht nur die Kaufherren in Venedig und Genua, sie war auch ein schwerer Schlag für den Mameluckensultan von Ägypten, der die großen Einkünfte aus dem Zoll der Transitgüter einbüßte. Dank seiner Handhabung des Pfeffer­ handels erntete der Sultan ein Drittel des Gewinns an jeder Fahrt, dazu noch Ein- und Ausfuhrgebühren bis zu 20% des Wertes. Zu diesem Schaden belästigten die Portugiesen dauernd die moslimischen Handels­ schiffe, die zwischen Jidda und den Häfen von Gujarat verkehrten, und bewiesen gegen die mohammedanische Bevölkerung eine Feindseligkeit, die vielleicht durch die europäische Vergangenheit gerechtfertigt scheinen könnte, wäre sie nicht von höchst unchristlichen Greueln begleitet ge­ wesen. Pilgerschiffe wurden erbarmungslos versenkt, auch wenn Frauen und Kinder sich auf ihnen befanden. In zehn Jahren hatten die Portugiesen sich die erbitterte Feindschaft aller mohammedanischen Staaten der arabischen Küste zugezogen. Die moslimische Herrschaft der östlichen Meere stand auf dem Spiel; der Sultan von Ägypten und Mahmud I. von Gujarat schlossen ein Bündnis, der Hindu Zamorin von Calicut trat ihm bei, um der Herausforderung der Portugiesen zu begegnen. Die verbündete Flotte unter dem Befehl Amir Hussains, des kur­ dischen Gouverneurs von Jidda, griff im Januar 1508 ein portugiesisches Geschwader im Hafen von Chaul an und überwältigte es. Aber ein Jahr später segelte der portugiesische Vizekönig Francesco de Almeida mit seiner ganzen Flotte die Küste bis Diu hinauf und gewann einen ent­ scheidenden Seesieg im Februar 1509. Die moslimische Flotte wurde so gut wie vernichtet und die Herrschaft über das Arabische Meer fiel den Portugiesen zu. Reichtum und Übergewicht der Portugiesen beruhte auf ihrer Seemacht, sie versuchten nie, ein Reich in Indien zu gründen; sie festigten ihre Vormacht zur See durch eine Reihe von Stützpunkten ent­ lang der Küstenlinie vom Kap der Guten Hoffnung bis nach China. Kein Schiff konnte in diesen Gewässern ohne einen portugiesischen Freipaß fahren; der ganze Handel mit Indien und China war ihnen fast ein Jahr­ hundert lang sicher.

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Im November 1510 ließen sich die Portugiesen in Goa nieder — zum erstenmal seit den Tagen der Generäle Alexanders unterstand indisches Gebiet unmittelbar europäischer Herrschaft; in Goa sind die Portugiesen noch heute. Alfonso de Albuquerque — Vizekönig seit 1509 — setzte portugiesische Distriktsbeamte mit einem geistlichen Stab von Hindus ein und behielt das indische System dörflicher Selbstverwaltung bei. Mohammedaner waren von Staatsstellen ausgeschlossen. Albuquerque stellte Hinduregimenter mit eigenen Offizieren auf; diese ersten europäisch ausgebildeten indischen Truppen wurden gegen die Mohammedaner bei Dabhol und gegen die Hindus bei Calicut eingesetzt. Ein anderer Schritt de Albuquerques war die Abschaffung der „sati", des Todes der Hindu­ witwen auf dem Scheiterhaufen des Gatten, der sehr oft nur theoretisch freiwillig war. Herrscher verschiedener Hindustaaten hatten von Zeit zu Zeit den Brauch verboten; im Gebiet der Ostindischen Kompanie wurde er 1829 für strafbar erklärt. Aber in einer Hinsicht ließ sich der Vizekönig auf eine Politik ein, die viel zum Niedergang der portugiesischen Macht in Indien beitrug: er sah voraus, welche Ansprüche diese östlichen Kolonien an den Bevölkerungsbestand eines so kleinen Landes wie Portugal stellen würden und suchte ihnen durch Förderung von Mischehen zu begegnen. Auch die englische Ostindische Kompanie verfolgte 70 Jahre nach Be­ gründung ihrer ersten Faktorei in Surat eine ähnliche Politik1). In ihren Anfängen wurden Kinder aus solchen Mischehen häufig in England er­ zogen, kehrten nach Indien heim und fanden dort gute Stellungen. Für die Engländer blieb diese Politik ohne verhängnisvolle Folgen, aber sie hat zur heutigen Wirtschaftsproblematik Anglo-Indiens geführt. Albuquerque wurde 1514 abberufen, starb aber in Goa ehe er ab­ fahren konnte. Der große Vizekönig war tapfer, entschlossen und klaren Blicks; der einzige Makel an ihm war seine Grausamkeit gegen die Mo­ hammedaner. Er hatte erfaßt, die drei Schlüsselstellungen für den Handel im Osten seien Malacca, Ormuz und Aden. Die beiden ersten eroberte er, konnte aber mit seinen 20 Schiffen, 1700 Portugiesen und 800 Mann Indern Aden nicht nehmen. In seinem Abschiedsbrief an König Manuel sagt er: „Ich hinterlasse den wichtigsten Punkt Indiens in der Macht Eurer Maje­ stät. Es bleibt nur noch übrig, die Tore der Straits zu sperren." Die meisten Gouverneure und Vizekönige, die nachfolgten, machten weder sich noch ihrem Vater lande besondere Ehre. Sein Nachfolger Lopo Soares verpaßte eine einzigartige Gelegenheit, Aden ohne Widerstand zu besetzen; der portugiesische Geschichtschreiber Faria y Sousa, der damals in Indien war, berichtet, Soares habe den Niedergang der portugiesischen Macht daselbst herbeigeführt, indem er seinen europäischen Offizieren *) Vgl. Surat General Letter vom Governor an die Direktoren in London vom 14. Juli 1686 (India Office MS. Records).

Die Portugiesen.

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erlaubte, Handel zu treiben. Die Folge davon war schließlich, daß die Einkünfte der Kommandanten der verschiedenen Plätze nach ihren un­ erlaubten Gewinsten geschätzt wurden. Außer bei der „sati“ hatte de Albuquerque sich nicht in die Volks­ gebräuche von Goa eingemischt; aber 1540 befahl der König von Portugal, alle Hindutempel auf der Insel zu zerstören; diese örtliche Intoleranz — damals leider in der Christenheit allgemein üblich — gilt bei den Histo­ rikern1) als ein Grund für den Niedergang der portugiesischen Macht in Indien. Die erzwungene Vereinigung Portugals mit Spanien 1580 nach der Schlacht von Alcantara beschleunigte gewiß diesen Niedergang, wenngleich der Handel mit dem Osten vornehmlich in Händen portu­ giesischer Kaufleute und Seefahrer verblieb. Das entscheidende Ereignis, das die portugiesische Aufsicht über den indischen Handel beendete, war der Verlust ihrer Vormacht zur See im Osten — beschleunigt durch den Untergang der Armada, an dem die portugiesische Flotte beteiligt war. Diese Vormacht war auf Gewalt gegründet, auf das einzige Recht, das damals faktisch in ganz Indien galt, und war dank päpstlichen Mandats durch die römisch-katholische Christenheit anerkannt worden. Aber Holländer und Engländer, die zu Beginn des 17. Jahrhunderts auftauchten, ließen dieses Vorrecht nicht gelten. Affonso da Sousa, an sich als Gouverneur ohne Verdienst, genießt immerhin den Ruhm, 1542 Franz Xaver, eins der ersten Glieder der Ge­ sellschaft Jesu, nach Goa gebracht zu haben. Nach zwölf Jahren hingebungs­ voller und aufopfernder Missionstätigkeit in Indien und im Fernen Osten starb der große Heilige 1552 vor der chinesischen Küste und wurde zu Goa in einem herrlichen Schrein beigesetzt. Von Zeit zu Zeit wird seine Reliquie noch heute zur Verehrung ausgestellt und von Hindus wie Christen in Scharen besucht. Zur Zeit des Vizekönigs da Sousa kam auch der bedeutendste portu­ giesische Dichter Luis Vaz de Camoens, der Verfasser der „Lusiaden“, nach Indien. Camoens, aus dem Geschlecht Vasco da Gamas, war als gemeiner Soldat nach Indien verbannt worden, weil er einen Hofbeamten verwundet hatte. Es heißt, er habe an der Eroberung der Alagada-Inseln einen beträchtlichen Anteil gehabt. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts erstreckte sich das portugiesische Vizekönigreich Indien über Mozambique, Ormuz, Muscat, Ceylon und Malakka, von denen jedes seinen eigenen Gouverneur hatte. Das Haupt­ quartier des Vizekönigs war in Goa, er hatte die oberste Gewalt über Zivil-, Flotten- und Militärverwaltung; ein Staatsrat und der Rat der x) Vgl. „Camb. Hist. India“ Vol. IV, Ch. I. v. Sir E. Denison Ross S. 17—18. Die Arbeit der katholischen Missionare des 17. und 18. Jahrhunderts in Indien wird abweichend im folgen­ den Kapitel von Prof. Geyl dargestellt. Dunbar, Indien.

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„Drei Staaten“ stand ihm zur Seite. 1557, nach dem Tode Königs Juan III. sank Portugals Macht in Europa und im Osten. Dom Luiz de Atayde, der 1568—1571 Vizekönig war, stellte für einige Zeit das portugiesische Ansehen in Indien wieder her. Von glänzendem Mut, unbeugsamer Pflicht­ treue und ein geschickter Feldherr, zermalmte er das gefährliche Bündnis der Könige von Ahmadnagar und Bijapur und des Zamorin von Calicut, das die portugiesischen Niederlassungen vom Lande her überwältigen sollte. Die Zerstörung von Vijayanagar 1565, mit der eine blühende Handelsbeziehung erlosch, war ein Schlag gegen Goas Wohlstand, von dem die Portugiesen sich nicht wieder erholen konnten. So stand es bis 1573, als der Vizekönig und Kaiser Akbar freundschaftliche Verhand­ lungen miteinander begannen. Die Geschichte der indischen Reiche dieser Epoche ist jetzt mit Aus­ nahme des Delhireiches bei ihrer Berührung mit den Nachfahren Babars, den Timuriden, angelangt. Im Delhireich befreiten sich die Provinzgouverneure nach Firoz’ Tode von ihrer Lehnspflicht. Die Hindus hörten auf, die „jizya“ zu zahlen und lehnten sich gegen die mohammedanische Herrschaft auf. Revolten in Koil, Etawah und Kanauj wurden 1394 recht gefährlich; der Eunuch Malik Sarvar stellte die Ordnung wieder her, nahm Jaunpur ein und er­ klärte sich als König des Ostens für unabhängig. Fünf Könige in zehn Jahren: die Enkel und der jüngste Sohn Firoz’ folgten einander auf dem Thron, wie eilige und verlegene Gespenster. Ein Zustand, der einen Eroberer einladen mußte. Zu Firoz’ Zeiten hatte ein geeintes Reich, ein starkes Heer 1379 den drohenden mongolischen Einfall abgewehrt, aber als Pir Muhammad, der Enkel des Emir Timur Lenk den Vortrab der kommenden Invasion 1397 über den Indus führte, war alle Hoffnung auf Abwehr nach außen wie auf Sicherheit innen dahin. Die Lehnsfürsten im Nordwesten vergeudeten ihre Kräfte in Kämpfen untereinander und boten nur geringen Widerstand; im Mai 1398 besetzte Pir Muhammad Multan. Das eigentliche Delhireich unter seinem Schattenkönig Nasir-ud-din Mahmud, einem Enkel Firoz’, und seinem Palastkommandanten Mallu, war ebenso ohnmächtig. Schon vier Jahre vorher reichte Mahmuds Herr­ schaft nur bis an die Mauern seiner Residenz, indes sein Vetter, der Usur­ pator Nusrat Shah (inzwischen ein Flüchtling im Doab) Firozabad und Umgebung nach den Befehlen seiner Minister regierte. Timurs Eroberungen waren fast so grenzenlos wie seine fürchter­ liche Grausamkeit. Er brach April 1398 aus Samarkand mit 90000 Reitern auf, durchzog Kabul Mitte August und querte den Indus gegen Ende Dezember. Den Vorwand für die Eroberung Indiens lieferte ihm die Toleranz der mohammedanischen Herrscher gegenüber dem Hinduismus;

Der Einbruch Timurs.

I3I

Timur — ein Barlas-Türke — war fanatischer Vorkämpfer des Islam. Den Anreiz bot, daß die Delhiregierung nach dem Tode Firoz’ sich selbst aufhob und sich selber aller Abwehrkräfte entblößt hatte. Der wahre Zweck seiner Expedition war, zu plündern. Trümmer und Verwüstung, Leichen von ungezählten tausenden Hindus zu Bergen getürmt, bezeichneten Timurs Vordringen; am 7. De­ zember lagerte sein Heer an dem berühmten Rücken, der Delhi überblickt. Drei Tage darauf versuchte Mallu einen wirkungslosen Ausfall aus der Stadt, Timur beantwortete ihn mit dem Hinschlachten von 100000 er­ wachsenen männlichen Hindukriegsgefangenen. Am 17. Dezember querte Timur die Jumna und stieß vor Delhis Mauern auf die Streitmacht, die Mahmud und Mallu mühsam aufgebracht hatten. Das Heer des Königs von Delhi bestand aus 10000 Reitern, 120 ge­ panzerten Elefanten, die Granatwerfer und Bogenschützen trugen und 40000 Mann zu Fuß; der Feind war an Zahl weit überlegen. Timur wandte gegen die Elefanten verdeckte Fallgruben und eine Reihe an den Vorder­ füßen gefesselter Büffel an und streute Glasscherben aus — diese Mittel erfüllten ihren Zweck vollauf. Der Ausgang war keinen Augenblick zweifelhaft. Der indische Angriff auf Timurs rechten Flügel wurde überflügelt und abgeschlagen, indes war Timurs Angriff mit dem linken Flügel von vollem Erfolg gekrönt, Mahmuds Armee stürzte sich in die Flucht. Der besiegte König fand demütigende Zuflucht in Gujarat bei Zafar Khan, dem Sohn eines Rajputen, der zum Islam übergetreten war und sich seit zwei Jahren seiner Lehnspflicht gegen Mahmud entledigt hatte. Timur zog in Delhi ein; nach dem flüchtigen Hoffnungsschimmer, die Stadt werde auf Betreiben ihrer Mullahs Gnade finden, fiel sie vollständiger Plünderung und einem allgemeinen Massaker anheim, die fünf Tage dauerten. Nur das Stadtviertel, das von den Spitzen der Moslems bewohnt war, wurde geschont; die Beute an Edelsteinen, Gold und Silber war ungeheuer. Meerut wurde Anfang Januar 1399 erstürmt, gegen Ende Februar ergoß sich Zerstörungswut und Mordlust über Hardwar, Kangra und Jammu. Am 19. März kehrte Timur über den Indus heim und zog sich das Tochital aufwärts aus dem Lande zurück, das er in den schauerlichsten Abgrund von Elend, Verzweiflung, Hunger und Seuche gestürzt hatte. Eine meisterhafte Schilderung nennt ihn „einen weißhaarigen alten Krüppel aus dem Fernen Osten, ein meisterliches Hirn für Schach, Theologie und Siege und vielleicht den größten Künstler im Zerstören, den die blutigen Annalen der Menschengeschichte aufzuweisen haben1). *) Vgl. H. A. L. Fisher, ,,A History of Europa“ Vol. I.

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Der rechtmäßige König Mahmud war noch flüchtig, Nusrat Shah tauchte aus seinem Versteck im Doab auf und ließ sich in Delhi nieder — es war eine Totenstadt, in der zwei ganze Monate lang „nicht ein Vogel seine Schwingen regte". Nusrats Herrschaft war von kurzer Dauer, Mallu stellte bei den Hindus des Doab ein Heer auf und hatte den Usurpator im Frühjahr 1401 aus Delhi vertrieben; er zwang die aufsässigen Hindus von Etawah sich zu unterwerfen und Tribut zu leisten. Dann überredete er Mahmud Shah, der in Malwa lebte, zurückzukehren und dem Namen nach seine Stelle als Oberhaupt der Reste des Delhireiches wieder ein­ zunehmen. In den nächsten vier Jahren versuchte Mallu, der eigentliche Herr­ scher des Reichs, seine Hoheit über Kanauj, Gwalior und Etawah wieder­ herzustellen — ohne greifbaren Erfolg. Im November 1405 wurde er im Kampf gegen Khizr Khan, dem „Sayyiden"1), den Timur zum Vize­ könig über Panjab und Oberes Sind bestellt hatte, getötet. Mahmud lebte noch bis zum Februar 1413, indes eine Gruppe von Adligen, an deren Spitze Daulat Khan Lodi stand, die Regierung führte. Der Letzte aus dem Hause Tughlaks hat dem Namen nach 20 Jahre lang geherrscht, indes das Reich auf Rohtak Sambhal und das Doab eingeschrumpft war, und Nordindien eine der schrecklichsten Invasionen der Weltgeschichte zu erleiden hatte. Daulat Khan regierte bis Ende Mai 1414, bis Khizr Khan einen siegreichen Feldzug ins Doab mit der Einnahme von Delhi abschloß und hier die Sayyidenherrschaft begründete; anfangs als Timurs Vizekönig. Khizr Khan und seine drei Nachfahren hielten das Reich 37 Jahre in Händen. Der Begründer des Sayyidenhauses war kraftvoll und entschlossen; sein Sohn Mubarak Shah, der ihm 1421 nachfolgte, raffte sich während einer Krise zu tatkräftigem Handeln auf, aber die letzten zwei Könige der Dynastie waren schwächlich und unsicher. Khizr Khan Mubarak mußte manche Expedition unternehmen, um rückständige Tribute der Hindustaaten Katehr, Gwalior und Mewat2) einzutreiben — letzteres stand unter moslimischer Herrschaft —. Unter der Herrschaft von Mubaraks unwürdigem Neffen Muhammad Shah sagten sich Gwalior und das Doab von Delhi los, das Heer von Jaunpur eroberte Teile des Reichs und die Mewatistämme unternahmen Raubzüge fast bis unter die Stadtmauern. Kommende Ereignisse warfen ihren Schatten voraus: die Macht Malik Buhlul Lodis, des Gouverneurs von Sirhind, wuchs im ganzen Panjab, *) „Sayyiden“ sind Nachfahren Mohammeds. Es ist äußerst zweifelhaft, ob Khizr Khan ein Recht auf diesen Titel hatte, unter dem er und seine Nachfahren allgemein benannt sind. Al Badaonis „Beweisstücke“ dafür sind äußerst fadenscheinig; Firishta hielt wenig von „seinen Ansprüchen“. 2) Ein nicht genau bestimmbarer Landstrich südlich von Delhi.

Buhlul Lodi. — Die Eroberung von Jaunpur.

133 er lieferte die Einkünfte, die er dem königlichen Schatze schuldete, nicht mehr ab. 1451, sieben Jahre nach seinem Regierungsantritt, dankte der ver­ ächtliche und genußfrohe Alam Shah zugunsten Buhluls ab; so endete das Sayyidenhaus mit einem vergnügungssüchtigen Pensionsempfänger, der zurückgezogen in Budaun lebte. Die Familie der Lodi waren Khaljis türkischer Herkunft, die lange in Afghanistan gesessen waren; Buhlul kam mit seinen derben afghanischen Verwandten an den weichlichen Hof von Delhi und begründete die Dy­ nastie der Pathan- (oder Afghanischen) Könige. Unter der schwachen Herr­ schaft des letzten Sayyiden war das Reich bis auf die Stadt und einen Um­ kreis von Dörfern eingeschrumpft; der afghanische Kriegsmann, ver­ schlagen, entschlossen und tatbereit, war ganz der Mann, die schier ver­ gessene Oberhoheit Delhis wiederherzustellen. Die dringendste Gefahr war das angriffslustige Jaunpur; der neue König traf alsbald Maßnahmen, der kritischen Situation zu begegnen, die er bei seinem Regierungsantritt vorfand. Er befreite die Lehnsträger des Doab und von Etawah von ihrer Lehnspflicht gegen Hussain, den König von Jaunpur; dann begann er den Krieg mit Jaunpur, der sich mit Unter­ brechungen über ein Vierteljahrhundert hinzog. Das Kriegsglück wech­ selte, bis 1479 Hussain endgültig geschlagen und Jaunpur genommen wurde. Jaunpur war 85 Jahre lang von Königen aus dem Sharqihause be­ herrscht worden. Diese Dynastie stammt wahrscheinlich von Negern ab1). Khvaja Jahan, Minister Nasir-ud-din Mahmuds von Delhi, begründete sie 1394; die Nachfolge fiel an seine adoptierte Familie. Bezeichnend für die Sharqiherrschaft war eine agressive Außenpolitik — anfangs erfolgreich führte sie schließlich zum Zusammenbruch des Reiches; bezeichnend waren aber auch großartige Bauten. Ibrahim, der dritte Herrscher, war ein großer Beschützer von Kunst und Wissenschaft, er errichtete 1408 in Erweiterung der Atala Devi Moschee in Jaunpur ein Gebäude, dessen ungeheure Fassade sich mit den riesigen Säulenvorhallen ägyptischer Tempel messen kann. Seine beiden Nachfolger bauten prachtvolle Moscheen, die noch heute stehen; freilich die schönen Paläste Jaunpurs wurden von Barbak, Buhluls Sohn, zerstört, als er i486 König des eroberten Landes wurde. Nach der Einnahme von Jaunpur erzwang Buhlul die Unterwerfung des Raja von Dholpur, des mohammedanischen Gouverneurs von Bari und des Raja von Gwalior, dann erkrankte er plötzlich und starb im Juli 1489. Ihm folgte sein Sohn Sikandar Shah, der jüngere Bruder Barbaks. !) Vgl. „Camb, Hist. India“ VoL III, 8.259,

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V. Indien vor der Mogulzcit. 1385—1525.

Sikandar Shah war ein entschlossener und fähiger Herrscher; er reor­ ganisierte die Verwaltung der Provinzen, unterdrückte schnell jeden Auf­ stand, behandelte aber die besiegten Rebellen — unter ihnen auch seinen älteren Bruder Barbak — mit Milde. Jaunpur blieb ein Dorn in seiner Seite. Die Hindulandherren empörten sich und stellten ein Heer von 100000 Mann auf; Barbak verriet Sikandar abermals und intrigierte mit den Rebellen wie mit dem entthronten Sharqikönig Hussain; Sikandar mußte ihn aus Jaunpur vertreiben und dieses mit dem Delhireich ver­ einigen. Er ließ keine Gelegenheit vorüber, seinen Besitz zu vergrößern; sein Reich wuchs durch diplomatisches Geschick wie durch Waffengewalt, bis es Panj ab und Doab, Jaunpur, Oudh, Bihar, Tirhut und das Land zwi­ schen Sutlej und Bundelkhand in sich schloß. Aber Sikandars Macht war mehr Schein als wirklich. Tatsächlich blieb seine Herrschaft über die ab­ hängigen Staaten, die Provinzen und Lehen unwirksam; die fast unab­ hängigen örtlichen Herrscher waren durchaus nicht zu einem in sich ge­ festigten Reich vereint. Buhlul wie Sikandar vergaben aus Neigung wie unterm Druck der Verhältnisse die höchsten Ämter an ihre Verwandten und Landsleute. Die wichtigsten Posten waren in Händen von Afghanen, einem allzeit stolzen, schwer beherrschbaren und jeder Autorität feindlichem Menschenschlag. Wie sein Vater wagte Sikandar es niemals, seine unsichere Hoheit über das Panjab aufs Spiel zu setzen, indem er es ausbeutete; — das hätte auch Hindustan nur noch viel schneller zugrunde gerichtet; die Lodikönige begnügten sich mit den Einkünften, die das Panj ab freiwillig nach Delhi entrichtete. Sikandar starb im November 1517. Er war der bedeutendste der Lodi­ könige; der einzige Makel an dem starken und sonst gütigen Herrscher war sein wilder Fanatismus, der zur völligen Zerstörung der Hindutempel unter seiner Regierung führte. Die muslimische Baukunst blühte indessen nicht. Sayyiden und Lodikönige hatten nicht die Mittel großer Reiche, um eindrucksvolle Bauten zu errichten, die sich mit der Palastfestung von Firozabad hätten messen können. Aber indes Firoz als Neuerer der erste war, der bei indischen Befestigungen Verteidigungserker einführte, wirkte die Baukunst der Sayyiden bedeutend auf die spätere dekorative Kunst durch die Einführung der blauen Emailkachel und des farbigen Stucks. Nach Sikandars Tod wählten die Lodi-Edlcn seinen ältesten Sohn Ibrahim zum König. Seine Thronfolge wurde bestritten, aber der tatkräftige neue König vernichtete die Gegner. 1518 führte er einen Vorsatz seines Vaters aus und nahm Gwalior. Aber seine Erfolge im Felde wurden durch die unsinnigen Taten seiner eigensinnigen Tyrannei zunichte gemacht; auf den Sieg folgte eine Revolte afghanischer Edelleute unter Jalal Khan

Sikandar Shah.

135 Lodi. Der Aufstand wurde unterdrückt, aber die allgemeine Unzufrieden­ heit wuchs; Bahadur stellte sich an die Spitze eines Aufstandes und rief sich selbst zum König von Bihar aus. Die Lage war ernst genug, aber aus Nordwesten drohte Schlimmeres. Daulat Khan Lodi, der mächtige Gouverneur von Lahore, durch Ibrahims tyrannische Politik gewarnt, überzeugte sich davon, daß ein Sieg des Königs über die Rebellen in Hindustan und Bihar einen Krieg gegen ihn selber nach sich ziehen würde. Um dieser Gefahr zu begegnen, stärkte er seine Stellung im Panjab so weit, daß er eigentlich unabhängig war. Zu­ gleich aber forderte er Babar, den König von Kabul auf, ihm zu Hilfe zu kommen. Damit tat er den ersten Schritt zur Begründung des Mogul­ reiches.

VI. KAPITEL

DIE MOGULZEIT Zur Zeit des Moguleinbruchs war Indien in sich zerrissen; das Khaljireich war durch Muhammad Tughlaks Tyrannenwahn in eine Anzahl klei­ nerer Reiche zerfallen und hatte sich inzwischen weiter zersplittert. Im Norden reichte die Machtsphäre des afghanischen Sultanats von Delhi kaum über die Stadtmauern hinaus. In Rajputana herrschte ungefähr gerade so viel Einigkeit — nämlich keine — wie im schottischen Hochland zur gleichen Zeit. Fern gen Süden war der Hindukönig von Vijayanagar all­ mächtig jenseits der Kistna und bedrohte seine uneinigen Nachbarn im Dekkan. Der politische Zustand des Landes war geradezu eine Einladung für solch einen wagemutigen Soldaten Fortunas wie Babar es war; unter der Oberfläche aber regten sich Kräfte, die schließlich auch dem Reich der Großmoguls zu stark werden sollten. Die Glut religiöser Gegensätze hatte die Lehre von der wesentlichen Einheit der Gottheit immer reiner heraus­ geläutert; diese Lehre schließt die Erkenntnis in sich1), daß „jede Gottheit, die der Hinduismus annimmt, zur höchsten Wirklichkeit erhoben und schließlich ihr gleichgesetzt wird, die eins ist mit dem tiefsten Selbst innen im Menschen. Der Zuwachs neuer Gottheiten bringt dem Hindupantheon keine Gefahr“. Aus dieser Lehre entsprang ein Jahrhundert vor Babars Auftreten eine religiöse Wiedergeburt: die Bhaktibewegung. Ohne diese sind Marathas und Sikhs als die mächtigen politischen Bünde, die sie später werden sollten, nicht denkbar2). Über die Weltalter hin haben die Führer der Hindureligion, dem Wandel der Welt ringsum sich schmiegend, immer neue Formen für ihre Lehre und deren Übung gefunden. Man hat den Hinduismus immer als eine Bewegung, nicht als eine starre Haltung begriffen, als Prozeß, nicht als Ergebnis; dabei sind seine Wesenszüge seit vedischen Zeiten die glei­ chen3). Die Berührung mit der Dravidakultur im Süden verwandelte die *) Vgl. Prof. S. Radhakrishnan (Calcutta University), „The Hindu View of Life" London 1927, S. 46. 2) Vgl. Edwardes and Garrett, „Mughal Rule in India" S. 2. 3) Vgl. hiezu die ausführlichen Darlegungen vom Hindustandpunkt in „The Hindu View of Life",

Babar.

137

vedische in eine theistische Religion. Der Islam gab den Anstoß zu einer neuen Auffassung der Gottheit; sie wurde im 15. Jahrhundert in ganz Nordindien allen, die hören wollten, von Ramananda und seinen seltsam zusammengewürfelten Schülern gepredigt; — ein Rajpute, ein Gerber, ein Barbier und der moslimische Weber und Dichter Kabir waren dar­ unter1). Westliche Ideen, den oberen Kasten durch den Umgang mit den Engländern seit dem 19. Jahrhundert geläufig, brachten einen neuen Aufschwung; er drückt sich teils in religiösen Reformen und einem offeneren Blick für soziale Fragen, auffälliger noch in politischen Ziel­ setzungen aus. Zahir-ud-din Muhammad, mit dem Beinamen Babar („Tiger“) wurde am 14. Februar 1483 in Ferghana geboren, dem Khanat seines Vaters im Jaxartestale (heute Khokand). Er vereinigte in sich die türkische und die mongolische Rasse der Tartaren und zählte zwei große Eroberer zu seinen Vorfahren: väterlicherseits stammte er in gerader Linie von Timur ab, durch seine Mutter von Chingiskhan. Fast von dem Tage an, da er zwölfjährig seinem Vater nachfolgte, war sein Leben von Abenteuern übervoll. Er wurde aus Ferghana ver­ trieben, versuchte mehrmals umsonst das verlorene Reich seiner Väter, Samarkand, wiederzugewinnen, eroberte schließlich 1504 mit 21 Jahren Kabul und setzte sich dort als König fest. 15 Jahre später erschien er zum erstenmal in Indien und kam bis zum Jhelum. Da Timur Flindustan er­ obert hatte, sah Babar die Bevölkerung als seine Untertanen an. Er erhob Tribut, verbot aber, in merklichem Gegensatz zu seinem Ahnen, jede Miß­ handlung und Plünderung der Einwohner durch seine Soldaten. Er vermerkt 1519 in seinem Tagebuch2), „das Volk von Flindustan und besonders die Afghanen sind merkwürdig töricht und einsichtslos, mit wenig Nachdenken und noch weniger Voraussicht begabt. Sie können weder in einem Kriege ausharren und ihn männlich durchkämpfen, noch vermögen sie, in Frieden und Freundschaft untereinander zu leben“. In einer weiteren Kritik des Landes und seiner Bewohner hält sich Babar über das Fehlen von Eis und Bädern auf und findet, daß eine „Bande schmutziger Kerle“ mit winzigen Öllämpchen ein kümmerlicher Ersatz für Kerzen und Leuchter sei. Babars erstem Einfall nach Indien folgten drei weitere; Unterhand­ lungen mit Daulat Khan, dem Gouverneur von Lahore, wurden aufge­ nommen. Dieser benahm sich gegen Babar ebenso verräterisch wie gegen seinen rechtmäßigen Herrscher Ibrahim Lodi, den König von Delhi. Am 17. November 1525, „als die Sonne im Zeichen des Schützen stand“, *) Kabirs Werke sind von Rabindranath Tagore übersetzt: „One Hundred Poems of Kabir“ Macmillan 1921. 2) „Memoirs of Babur, written by himself in Turki“ 2 vols., tr. Leyden and Erskine,

138

VI. Die Mogulzeit. 1525—1556.

führte Babar sein Heer von 10000 Reitern1) den Weg von Jalalabad nieder­ wärts gen Hindustan. Als er Sialkot erreichte, erfuhr er, daß Daulat Khan an der Spitze eines Heeres Unzufriedener von Ibrahim Lodi geschlagen worden sei. Von berechtigtem Mißtrauen gegen seinen angeblichen Ver­ bündeten erfüllt, versicherte Babar sich zuerst der Unterwerfung des Gouverneurs von Lahore, ehe er sich mit dem König von Delhi einließ. Dann „setzte Babar seinen Fuß in den Steigbügel der Entschlossenheit, legte seine Hand an die Zügel des Gottvertrauens und zog gegen Sultan Ibrahim". Am 12. April 1526 begegneten Babars 10000 Mann den 100000 Mann und 100 Elefanten der afghanischen Armee in der Ebene von Panipat2). Die ungeheuerliche Ungleichheit der Zahl wurde auf seiten der Moguls einigermaßen durch die Stärke ihrer Artillerie ausgeglichen; seinen größ­ ten Vorteil schildert Babar selbst mit den Worten3): „Ibrahim war jung und ohne Erfahrung; er war nachlässig in allen seinen Truppenbewegungen, marschierte ohne Ordnung, zog sich planlos zurück oder blieb stehen und ließ sich unbedacht in eine Schlacht ein, ... er war zu geizig, Ver­ stärkungen aufzustellen, ja sogar zu geizig, seine Truppen im Feld zu be­ solden." Babar nützte die Zeit vor der Schlacht und verschanzte sich mit Brust­ wehren aus Reisig und Karren. Im Morgengrauen des 21. April meldeten Babars Patrouillen, der Feind gehe zum Angriff vor. Babar hielt sich auf seinen Feldzügen an die Taktik der ottomanischen Türken, die damals die gefährlichste Militärmacht der Welt waren. Ibrahims Heer rückte in großer Masse vor, doch unter Schauern von Pfeilen, ständigem Musketenfeuer und wohlgezielter Kanonade vermochte die afghanische Armee nicht die Reihen der Moguls zu durchbrechen. Sie begann zu wanken, und Babar befahl seinen Reitern, die Flanken des Feindes zu umgehen und ihn im Rücken anzugreifen, zugleich ließ er seine ganze Schlachtreihe vorgehen. „Die Sonne stand eine Speerlänge hoch, als die Schlacht begann, es währte bis Mittag, dann war der Feind völlig geschlagen und in die Flucht ge­ trieben. Dank der Gnade und dem Erbarmen des Allmächtigen Gottes wurde dieses mächtige Heer im Laufe eines halben Tages in den Staub geworfen." 16000 Afghanen fielen nach Firishtas Bericht; 5000 Tote lagen um Ibrahim Lodi herum. Babar sandte seine Reiterei sofort zur Verfolgung aus und ließ dem geschlagenen Heer keine Zeit, sich wieder zu sammeln. Babar nutzte seinen Sieg aus; eine fliegende Kolonne mußte sogleich Agra besetzen, indes er selbst Militär- und Zivilverwaltung von Delhi J) Vgl. Firishta Vol. II, S. 41. Babar gibt („Memoirs“ Vol. II, S. 194), 12000 als Gesamt­ zahl seines Heeres einschl. Marketender und Bagage an. 2) Vgl. Firishta Vol. II, S. 44. 8) Vgl. die Beschreibung der Schlacht in „Memoirs of Babur“ Vol. II, S. 181—188.

Die Hindugefahr.

139

neu ordnete und sich der Schatzes bemächtigte. Bevor er Anfang Mai triumphal in Agra, seiner neuen Hauptstadt, einzog, verbrachte er einige stille Tage in Delhi, mit dem Besuch der Grabstätten, Paläste und Gärten in Stadt und Umgebung. Mit den großen Städten Agra und Delhi in der Hand des Siegers war die Afghanendynastie erledigt, aber noch war die Mogulherrschaft in Nordindien keineswegs gesichert. Babar sah sich einer Gefahr von innen gegenüber, die sein ganzes Unternehmen mit Untergang bedrohte. Der glühenden Hitze des indischen Mai erlag eine Menge Soldaten, die aus den nördlichen Hochländern stammten, die Generäle protestierten gegen Babars weitere Pläne, die Mannschaft rüstete sich indessen ganz offen nach Kabul zurückzukehren. Ein Schauspiel wie zu Beginn von Alexanders Rückzug — aber diesmal lief es anders aus. Babar sah in der Krise nichts als Meuterei, eine Ansprache an seine Offiziere stellte die Haltung der Armee wieder her; wer immer noch heim wollte, erhielt die Erlaubnis und wurde mit Großmut behandelt. Nun konnte Babar sich an die äußeren Probleme wagen. Die großen afghanischen Lehnsinhaber waren natürlich der Aussicht auf eine Mogul­ herrschaft feindlich, doch gelang es Babar nach und nach unter der ihm eigentümlichen Anwendung von Milde und Takt, die Mehrheit zur Unter­ werfung zu bringen. Eine größere Gefahr drohte von seiten des Hindustaatenbundes, dessen Haupt der tapfere alte Soldat Rana Sangrama Singh von Mewar war, einer der bedeutendsten unter den Fürsten von Chitor. Er hatte Mah­ mud II. von Malwa besiegt und war viel gefährlicher als Ibrahim Lodi. Sangrama hatte den Wunsch, die Hinduherrschaft in Nordindien wieder herzustellen und sich selber ein Großreich zu erobern; er zog mit 7 großen Rajas, 113 kleineren Fürsten, 80000 Reitern und 500 Kriegselefanten ins Feld1). Anfang Februar 1527 marschierte Babar ihm mit einem weit unter­ legenen Heer entgegen. Diese Ungleichheit der Zahl entmutigte die Mogul­ truppen, aber Babar zeigte sich mit Mut und Anschlägigkeit der schwierigen Lage gewachsen: er verschwor sich für seine Person, dem Wein zu ent­ sagen, „dem er ehedem sehr ergeben war" und sprach so zündend zu seinem Heer, daß alle ihm einen Eid auf den Koran nachsprachen, „daß keiner nur daran denken wolle, in diesem Kampfe sein Gesicht abzuwenden oder aus der Schlacht zu fliehen, bis sich seine Seele von seinem Körper trenne". Die Heere stießen am 16. März 1527 bei Khanua (nahe von Sikri) aufeinander2) — wiederum lag Nordindiens Schicksal auf der Wagschale. Die Schlacht wurde durch die verheerende Wirkung der Mogulkanonen *) Vgl. „Annals and Antiquities of Rajasthan“ ed. Lieut.-Colonel James Tod, 1920, I, S. 348. 2) „Memoirs of Babur“ Vol. II, S. 204.

I40

VI. Die Mogulzeit. 1525—1556.

gewonnen, der Rajputenbund wurde völlig geschlagen. Sangrama kehrte in sein Land zurück, bemühte sich, ein neues Heer aufzustellen, wurde aber von seinen Ministern vergiftet. Die militärische Kraft der Rajputen war gebrochen, Babar rückte weiter ins Land und nahm die Feste Chandari trotz zäher Verteidigung. Die nächsten zwei Jahre verbrachte er damit, die Ostgrenze militärisch gegen die afghanischen Herrscher von Bihar und Bengalen zu sichern. Babar hatte ein Reich begründet, das vom Oxus bis an die Grenze Bengalens reichte und vom Fuß des Himalaya bis nach Gwalior; es war ihm nicht mehr beschieden, auch Bengalen, Gujarat und den Dekkan zu erobern. Er starb am 24. Dezember 15301), noch nicht 47 Jahre alt; ein hartes Leben und das indische Klima hatten seine Gesundheit untergraben. Er war von unermüdlicher Kraft und pflegte in jedem Flusse zu schwimmen, an den er kam. Der Bericht, wie er starb, den seine Tochter Gul-badan Begam — Prin­ zessin Rosenleib — gibt, ist wohlbekannt2): Sein Sohn Humayun war schwer krank, und Babar beschloß, ihn durch den östlichen Ritus der „feierlichen Umschreitung BUND

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^ RA ß/ 311» Zi6, 318/19, 359 Singapore 328 Singh 219 Sind-Sagar-Doab 78 Siparsalar Rajah 100 Siraj-ud-daula 272/77 Sirdar Mahan Singh 320 Sirhind 132, 147, 231, 238, 252, 303 Siri 94 Sirpur 69 Sisodia 221 Sita 25 Sitabaldi 318 Siya-ud-din Barani 99/100, 103 Skandagupta 60

Sklavenkönige 85/87, 106 Skylax 23, 50 Skythen 48 Sleeman 332, 352/53 Soares, Lopo 128 Sobraon 347/48 Socotra 126 Soma 8 Somnath 77/78, 217 Sopeithes 37 Sophytes 37 Sousa, AfFonso da 129 Sousa, Paria y 128 Srinagar 40 Sripur 178 Sriput Rao 244 Srirangam 265 standard-rupie 290 Statutory Commission Report 313, 377 Stewart 371 Stoletoff 370 Strabo 34, 37, 42/43 Straits 128 Stuart 299 Stupa 22/23 subah 167 subordinate Cooperation 352 Südafrika 393 Suez 50, 127 Suffren 298 Sukarchakia 320 Sulaiman Kararani 156 Sulaiman Shikoh 208/09 Suliman (Badakshan) 154 Sumatra 183/85, 293 Sunderbands 156 Superintendent 343 sura 7 Surashtra 52/53, 58 Surat 128, 155, 178, 180, 183/87, 189, 203 225/26, 297, 309, 311 Surman 271, 275 Surya Prakash Rao 228 Suryavamsha 72 Sutanati 189 Sutlej 28, 51, 61, 81, 100, 134, 147, 231, 238 3°3> 313, 322, 347/48 „Sutra" 6, 24 Sutyinpha 213 Suvarndrug 227, 243 svaraj 227

Register. Svarashtra 61 Sylhet 325 syrisch 52 Tagore 387 Tahavvur Khan 221 Tahmasp Shah 146 Tailapa II. 69 „Taittiriya Samhita“ 14 Taj Bibi 201 Taj Mahal 201/02, 357 Talikota 116, 124 Taliqar 80 taluqdar 365 Talwandi 218 Tamil, tamilisch 11, 21, 49 Tamralipti 65 tanga 98 Tanjore 229/30, 254, 260/61, 267, 298, 309 Tansen 151 tantrisch 17 Tapti 120, 185 Tara Bai 230, 241 Tarai 315 Taraori 82 Tardi Begh Khan 148, 151 Tarifs Board 396 , ,Tarikh-i-Firoz-Shahi“ 102 Tatar Khan 147 Tata(werke) 396 tat tvam asi 6 „Tausend und eine Nacht“ 175 Tavemier 200 Taxila 27, 39, 41, 47, 52, 385 Tegh Bahadur 219 Teignmouth, Lord 307/08 Tej Singh 347 Telingana 94, 96, 99, 107/08, 110/12, 117, 204 Telugu 21, 50 Tenasserim 324, 326 Terry 197 Thanesar 61, 77, 80 Thomas, hl. 51/52 St. Thome 183, 262 Thornton 351 Thugs 89, 531/52 Tibet 9, 22,24, 83/84, 99, 195, 384 tibetisch-chinesisch 4 Tilak 80 Tilak, B. G. 4, 389 Timur Lenk 105, 118, 130/32, 137, 247/48

425

Timur Shah (Durrani) 303 Tinnevelly 1 Tipu Sultan 298/300, 302/05, 308/09 Tirahfeldzug 381/82 Tirhut 54, 96, 103, 134 Tirmiz 106 Tissa Upagupta 42 Tochi(tal) 131, 381, 384 Tod, James 175 Todar Mal 153, 161, 163, 172, 206 Tomara 80 Tonk 316 Topassen 189, 277 Toramana 60 Tranquebar 184 transferred 392 Travancore 303, 312, 358 Trichinopoly 121, 229, 254/55, 264/65, 267 Trimbakji Danglia 317 Trincomalee 298 „Tripitaka“ 22, 58 Türkei 308, 390, 394 Türken 75, 125 Tughlakabad 96 Tughril 88 Tukaram 223 Tulaji Angria 243/44 Tulsi Das 175 Tungabhadra 121, 226 Turkestan 82 Turkmenen 81 van Twist 202/03 Udai Singh 120, 154 Udaipur 155, 195, 198, 221/22, 237 Ujjain, Ujjayina 41, 50, 56, 77, 118 Ulugh Khan 96 Umarkot 146 Umdat-al-Umara 310 , ,Unberührbaren“, Die 15 Und 76/77 „Upanishad“ 5/6, 16/17 Ur 2 Ushas 4 Uzbeg 154 Vagheia 82, 92 Vahlika 58 vaishya 10, 12, 14, 16, 59, 61 Valmiki 25 Vanga 58

426

Register.

Vans Agnew 349 Vansittart 281/84, 310 vama 12 Varuna 8 Vasco da Gama 28, 126, 129 Vasudeva 50 Vatapi 69 Vazir Ali 306/07 Vedanta 6, 18 Veden 3/6 Vellore 226, 327 Venedig 126/27 Ventura 320 Vidarbha 110 Videha 19/20, 26, 59 Vidisha 50 Vidyaranya 121 „Vierzig“, Die 85/88 Vijayanagar 107/09, 111/12, 116/17, 121/25, 130, 178, 186, 226, 254 Vikramaditya 56, 60 Vikramaditya Chalukya 70 „Vikramorvashi“ 66 Vilnier 262 V’ima Kadphises 52 Vindhyagebirge 11 Vira Ballala II. 70 Vira Ballala III. 94, 97, 99, 121 Vira Vijaya 109 Virji Vora 200 Virupaksha 122 vish 8, 10 Vishnu 8, 17, 25, 38, 65 Vishnu-Krishna 50 Vishvanath 217 Vishwas Rao 251/52 Viziadrug 243 Wade 337, 346 Wadgaon 296/97 Wali Shir Ali Khan 371 Walpole 256 Wana(tal) 384 Wandiswash 267/68, 280 Wang-hiuen-tse 68 Warangal 96, 99, 117 Watson 243, 275/77 Waziristan 379, 382, 397 Wazir Muhammad Bhopal 316

Wellesley, A. General 311 Wellesley, Lord 282 Wellesley, Marques of 308/12, 336 Wellington, Herzog von 311, 344 Wheeler 360 Whish 350 Wilhelm IH. 189/90 Willingdon, Lord 395 „Winchester“ 255 Wiros 6 Wodehaouse 373 Wood 331, 355/56, 368 Xerxes 24 Yadava 70 Yajnavalkya 59, 60 „Yajurveda1* 5, 11, 14 Yakub Khan 371 Yamin-ud-daula 76 Yaminidynastie 76 Yandabo 326 Yaqut 86 Yarkand 53 Yar Muhammad 323 Yashodharman 60 Yaska 3 Yavana 27, 45, 47, 48, 51 Yoga 19 Younghusband 384 Yuan-Chwang 61/62, 64/65, Yueh-Chi 48/49, 51 Yusafzai 40 Yusufzai 214, 248, 323 Yuvaraja 33 Zafar Jang Bahadur 234 Zafar Khan 90/91 Zafar Khan (Gujarat) 131 Zafar Khan (Muzaffar I.) 118 Zahir-ud-din-Muhammad 137 Zaman Shah 307, 322 zamindar 169, 191, 271/72, 278, 284, 301, 365 Zamorin 116, 123, 126/27, 130, 169 Zentralasien 23, 58, 61, 84/85, 87, 205, 215 Zetland, Lord 383 zimmi 219 Zoroaster 150 Zulfiquar Khan 238

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Elefanten Ein Buch von indischer Natur. Aus dem Sanskrit ins Deutsche gebracht von HEINRICH ZIMMER. 190 Seiten, 6 Tafeln. 8°. 1929. RM. 3.50 Hier soll Indien selbst, als Heimat des Elephas maximus, zu Wort kommen: Mit einer kleinen Sonderschrift der Elefantenkunde, dem ,,Spiel um den Ele­ fanten“ (Matangalila des Nilakantha) und mit Auszügen aus dem großen Corpus der Elefantenmedizin, dem ,,Wissen vom langen Leben des Elefanten“ (Hastyayurveda). In einem umfangreichen Vor- und Nachspiel gibt Zimmer eine aus­ gezeichnete Darstellung der Stellung des Elefanten im indischen Leben.

Indische Offenbarungsworte. Aus dem Sanskrit ins Deutsche gebracht von HEINRICH ZIMMER 56 Seiten. 8°. 1929. RM. 2.— Die hier übersetzte Aschtavakra-Gitä ist eine wunderbare Zusammenfassung der Gedankenwelt höchster brahmanistischer Geisteskultur. „Die Wiedergabe des Textes selbst ist eine neue Probe der seltenen, in ihrer Eigen­ art noch nie erreichten Übersetzungskunst Zimmers.“ Orientalische Literaturzeitung

Oliver CromwelL Ein Kampf um Freiheit und Diktatur. Von Heinrich Bauer. 3. Auflage. 417 Seiten, 17 Tafeln. 8°. 1933. In Leinen RM. 9.50

Die Spanier in Nordamerika von 1513-1824. Von Ernst Daenell. 262 Seiten. 8°. 1911. RM. 4.50

Verfassungsgeschichte der australischen Kolonien und des „Common wealth of Australia". Von Doerkes-Boppard. 351 Seiten. 8°. 1903. RM. 5.80

Im weltfernen Orient. Ein Reisebericht. Von Alfons Gabriel. 380 Seiten, 116 Abb., 6 Karten. Gr.-8°. 1929. In Leinen RM. 10.50

Oliver CromwelL Von S. R. Gardiner. 235 Seiten. 8°. 1903. RM. 4.50 England und der Aufstieg Rußlands. Von Dietrich Gerhard. 444 Seiten. Gr.-8°. 1933 . RM. 16.80

Das wirtschaftliche System der niederländisch-ostindischen Kompagnie am Kap der guten Hoffnung 1785-95. Von X. L. Geyer. 123 Seiten. 8°. 1923. RM. 2.20

Englische Verfassungsgeschichte bis zum Regierungsantritt der Königin Viktoria. Von J. Hatschek. 771 Seiten. Gr.-8°. 1913. In Leinen RM. 17.—

Britisches und römisches Weltreich. Von J. Hatschek. 377 S. 8°. 1921. Geb. RM. 7.50 Die erste deutsche Handelsfahrt nach Indien 1505/06. Von Franz Hümmerich. 156 Seiten. 8°. 1922. RM. 2.—

Edmund Burke und sein politisches Arbeitsfeld in den Jahren 1760 bis 1790. Von R. Lennox. 316 Seiten. Gr.-8°. 1923. Geb. RM. 4.—

Demokratie und Diktatur in der englischen Revolution 1640-1660. Von Georg Lenz. 220 Seiten. 8°. 1933. RM. 7.50

Heeresaufbau und Heerespolitik Englands vom Burenkrieg bis zum Weltkrieg. Von Paul Kluke. 213 Seiten. 8°. 1932. RM. 8.50

Englands Stellung zur deutschen Einheit 1848-1850. Von Hans Brecht. 192 S., 8°. 1925. RM. 4.50

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