Geschichte der alten Kirche: Band 3 Die Reichskirche bis zum Tode Julians [Reprint 2019 ed.] 9783111585727, 9783111212333

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Table of contents :
Inhalt
1. Zusammenbruch und Neubau des Reiches
2. Der Endkampf des Christentums
3. Der Donatistenstreit
4. Der arianische Streit bis zum Tode Konstantins
5. Konstantin
6. Der Geist der konstantinischen Zeit
7. Die Epigonen
8. Konstantins als Alleinherrscher
9. Der Geist der Epigonenzeit
10. Julian
11. Der Kultus
Literatur
Register
Zeittafel
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Geschichte der alten Kirche: Band 3 Die Reichskirche bis zum Tode Julians [Reprint 2019 ed.]
 9783111585727, 9783111212333

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Geschichte der Alten Kirche von

Hans Lietzmann 3

Die Relchökirche bis zum Tobe Julians

Berlin

Verlag Walter de Gruyter & Co. 1938

Archiv,Nr. 320338 Druck von Walter de Gruyter 1853. Dazu Polaschek bei PaulyWissowa 17, 1077—iii6. 6) Not. dign., Or. 11, Oc. 9.

Reichs- und HofLutter. Heeresreform

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Gnade, also als Spendung, angesehen wurde, so erschien die Staats­ tasse als das „Spendungsamt" (Largitio) schlechthin \ Selbstver­

ständlich unterstanden diesem Ministerium auch die Münzstätten2. Der Comes rerum priüatarum3 verwaltet das kaiserliche Privat­ vermögen, dessen Hauptquelle die Einkünfte aus den über das ganze Reich vetteilten riesenhaften Domänen darstellen. Diese beiden Finanzminister bilden mit dem Quaestor und dem Magister officiorum die ständigen Mitglieder des Konsistoriums. Zu den obersten Hofämtern gehört ferner der kommandierende General des Gardekorps, der Comes domesticorum, und der all­ mählich zu immer höherer Würde aufsteigende Oberstkämmerer, der Praepositus sacri cubiculi — nach orientalischer Sitte stets ein

Eunucher in der uns erhaltenen Notitia dignitatum rangiert er unter den höchsten Exzellenzen, den Diri inlustres, gleich nach den Reichskanzlern und den Generalobersten vor den vier Konsistorialministern. Ihm untersteht der Chef der Kammerherren (Primicerius sacri cubiculi) mit seinen Hofbeamten, darunter den Zeremonien­ meistern (Silentiarii) und der Garderobeverwaltung (Sacra vestis). Zugleich mit diesem für die nächsten Jahrhunderte grundlegenden Ausbau der Regierungszentrale erfolgte eine Reform -es Heer­ wesens, in welcher sich die von Diokletian begonnene Entwickelung4 konsequent fortsetzte. Die obersten Spitzen Les Heeres sind die beiden Generalobersten (Magistri militum), von denen einer die In­ fanterie, der andere die Kavallerie befehligt. Nach Konstantin sind diese Stellen vermehrt worden und nicht mehr nach den Waffen­ gattungen, sondern nach dem geographischen Kommandobereich unterschieden. Ihnen unterstehen direkt die mobilen Feldarmeen, die „Comitatenses", und die Elitetruppen der „Palatini", die nach

Bedarf an jede Front geworfen werden können und die eigent­ lichen Träger der Kriegführung sind. Diese Formationen von erst­ klassigen Soldaten werden mit allem Nachdruck an Zahl und Güte *) Enßlln bei Pauly-Wiffowa 12, 835 s. 2) Not. dign. Or. 13, Oc. 11. Seeck bet Pauly-Wissowa 4,671—675. *) Slot dign. Or. 14, Oc. 12. Seeck bei PaulyrWissowa 4, 664—670. 4) s. 0. S. 12 und Bd. 2, iof. Lietzmana, Gesch. d. Alten Kirche z.

9

izo

5. Konstantin

verstärkt und nehmen auch die besten Elemente der Grenztmppen in sich auf, die aus dem Grenzschutz herausgezogen und in städtischen Garnisonen des inneren Landes konzentriert werden *. Die boden­ ständigen Truppenkörper des Heimatschutzes unterstehen den Gene­ ralen (Duces) der einzelnen Provinzen, sichern die Städte und vor allem die Grenzkastelle, in denen sie mit Weib und Kind angesiedelt

wohnen. 3n beide Klassen von Soldaten dringen in steigendem Maße „Barbaren" ein, und das germanische Element erweist sich schon unter Konstantin als unentbehrlich für die Feldschlacht. Mit

ehrlichem Ingrimm klagt der Historiker Ammianus?, daß dieser Kaiser meist Barbaren zu höchsten Reichswürden habe aufsteigen lassen. Es war eine unausweichliche Notwendigkeit geworden. An eine Verminderung der Geldaustvendungen für das Heer war natürlich weniger als je zu denken. Dem stand die Unmöglich­ keit einer ernstlichen Erhöhung der Steuerlasten gegenüber. Kon­ stantin hat die Senatoren mit einer nach ihrem Grundbesitz ab­ gestuften Standessteuer belegt*3,* die * nicht in Naturalien, sondern in Gold entrichtet werden mußte. Und von allen Gewerbetreibenden bis herab zu den Dirnen und bettelnden Hausierern wurde alle fünf Jahre — und zuweilen noch öfter — eine nach der Höhe des Betriebskapitals bemessene Geldzahlung erhoben*. Aber damit waren auch die letzten Möglichkeiten einer direkten Besteuerung erschöpft. Das von Diokletian bereits in unsicheren Versuchen angewandte Mittel einer wirtschaftlichen Besserung durch Stabilisierung der Währung hat Konstantin mit einem in gewissem Sinne dauernden Erfolg angewendet. Er schuf eine Goldwährung, deren Träger der Goldsolidus von 4V2 Gramm Feinmetall war6, also einen

Goldwert von etwa 11 Reichsmark besaß; und diese Münze hat während der ganzen byzantinischen Zeit, also rund tausend Jahre *) Zostm. 2,34,2. Stein, Gesch. i, 189. -) Ammiaa. Marcell. 21, io, 8. 3) Die Collatio glebalis s. Seeck bei PanlyMissowa 4, 365. *) Die Collatio lnstralis bei PanlyMissowa 4, 370. •) Regling bei PanlyMissowa 2. Reihe 3, 920. Jetzt Walther Giesecke Antikes Geldwesen 1938 S. 239 s.

Heer. Geld. Wirtschaft. Korruption

izr

lang, den Weltverkehr beherrscht. Die Silbermünze des Miliarense in neuer Wertung und eine neue Kupfermünze an Stelle des Follis1 wurden in ein angemessenes Verhältnis zum Gold ge­

bracht, aber gerieten doch schnell ins Schwanken, und die anläß­ lich der Stadtgründung von Konstantinopel geprägten Kupfer­ münzen sind schon wieder erheblich geringer an Gewicht3. Aber das reichlich ausgegebene Goldgeld blieb gut und förderte die auf­

keimenden Ansätze zu einer Verstärkung der Geldwirtschaft, in die sich die Scheidemünze immer wieder neu eingliederte3. Von einem Aufschwung der Wirtschaft kann schlechterdings nicht gesprochen werden. Der Steuerdruck, den die militärpolitische Lage mit Notwendigkeit hervorrief und der nur gelegentlich durch kaiser­ liche Prunksucht noch gesteigert wurde, ließ keine ehrliche Arbeit zu Gewinn kommen und vergiftete somit das ganze Wirtschaftsleben. Die allgemeine Rechtsunsicherheit begünstigte Gewaltakte der Großen und Besitzenden, und die Korruption war ein normaler Weg zum Reichtum, der viele minderwertige Menschen zu mächtigen Grund-

herren erhob. Die Unbedingtheit des kaiserlichen Absolutismus drückte mit eiserner Gewalt die Gesamtheit der Untertanen und machte sich infolge des traditionellen Spionagesystems der Geheimpolizei auch den mittleren und unteren Klassen zuweilen direkt fühlbar. Wer als Herr dazu in der Lage war, gab diesen Druck an seine Untergebenen weiter und genoß wenigstens die schale Lust, ein unbedingter Herrscher im kleinen zu sein. Daß eine solche Gesamt­

atmosphäre den Mut und die frische Kraft ertöten mußte, ohne die schöpferische Wirtschaftstätigkeit nicht möglich ist, versteht sich

von selbst *. Es kam nur darauf an, nach Kräften Vorhandenes zu erraffen und zu behalten, nicht Neues zu schaffen. Der neue Geist, den das Christentum in diese kranke Welt brachte, vermochte wohl innerhalb der Kirche und der unter ihrem

l) s. o. S. ii. 2) Beinhalt, Handbuch i, 24s. 3) Rosiovtzeff, Gesell­ schaft u. Wirtschaft 2, 230. 4) Rosiovtzeff, Gesellschaft u. Wirtschaft 2, 233—238. 351s.

IZ2

$♦ Konstanün

Einfluß stehenden Volkskreise gesunde Wirkungen ausjulösen, nicht aber das gesamte öffentliche Leben aus einem nun schon seit mehreren Menschenaltem bestehenden Zustand der Unproduktivität herauszu­ reißen. Vor allem, dazu war eine längere Zeit erforderlich: und

wir werden später Gelegenheit haben, die Frage zu beantworten, ob das Christentum sich als neubelebende Kraft für die Gesamtheit

des Römerreichs erwiesen hat. Hier können wir nur untersuchen, ob von der Regierung aus Schritte zur Besserung der Zustände unternommen worden sind. Da muß zunächst festgestellt werden, daß bei Konstantin die betonte Treue zum überliefetten römischen Recht durchaus fehlt,

die für Diokletians Gesetzgebung bezeichnend ist. Konstantin war bewußt revolutionär und wollte dem Volksrecht des Ostens, das heißt aber häufig dem Billigkeitsempfinden des gesunden Menschenverstandes gegenüber der gelehrten Konstruktion, zur Geltung verhelfen \ Das allein schon mußte ermunternd auf das Volk wirken und Vertrauen wecken. Und der Inhalt zahlreicher Ge­ setze bedeutete Milderung bisheriger Härten, Förderung der Hu­ manität und ernsthafter Sittlichkeit, gepaart mit einer Stärkung des kirchlichen Einflusses auf das öffentliche Leben2.

Bereits im Jahre 321 wurde ein Gesetz über Sonntagsruhe für die Städte erlassen3. Das konnte noch als „neutrale" Maßnahme erscheinen, da der „Tag der Sonne" ja auch dem alten Reichsgott heilig war. Beim Militär wurde an diesem Tag den Christen der Kirchgang anheimgegeben, den Heiden die gemeinsame Rezitation eines allgemein monotheistischen Gebets vorgeschrieben. Aber die

Zeit der Einführung wird uns nicht genauer bezeichnet. Bedeut­ sam ist aber, daß spätestens seit 317 das christliche Panier des

Labarum dem Heer voranweht4. Mit ähnlicher Zurückhaltung wird in stillschweigender Anknüpfung an die griechische Sitte der Frei­ lassung im Tempel auch der entsprechende Akt in den christlichen

*) t- B. beim Testament, vgl. Cuseb, vita Const. 4,26,5—6. 2) Stein Geschichte 1,190—193. ’) Cod. Just. 3,12, 2, vgl. Cod. Theod. 2, 8, 1. *) Cuseb, vita Sonst. 2,7—9, Briefe ebba. 2, 55,1 4,9. vita Const. 4,18—20.

Rechtsreform. Gesetzgebung

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Kirchen als voll rechtsgültig anerkannt *. Wenn rechtliche Benach­ teiligung unverheirateter und kinderloser Personen aufgehoben oder gemildert wurde2, so ist darin eine Rücksichtnahme auf die kirch­ liche Hochschätzung der Ehelosigkeit nicht ju verkennen. Die Heilig­ keit der Ehe wird durch schärfste Beschränkung der Ehescheidungen zu fördern gesucht, die sogar die Strafe der Verbannung vor­ sehen 3. 3n die gleiche Richtung zielen Gesetze zum Nachteil un­ ehelicher Kinder4, zur Erleichterung ihrer Legitimierung durch Ehe­ schließung mit der freigeborenen Mutter6 und zur Beseitigung des Konkubinats für Ehemänner6. Die Verbindung einer Dame mit ihrem Sklaven, die einst der römische Bischof Callisius kirchlich gestattet hatte, wurde von dem strengen Konstantin sogar mit Todesstrafe für beide Teile belegt7, Noch grausamer lauteten die Drohungen gegen Entführer und ihre Mitschuldigen8. Andererseits wurde durch staatliche Unterstützungen dafür ge­ sorgt, daß mittellose Eltern ihre Kinder nicht mehr verkauften oder gar nach antiker Sitte aussetzten und damit dem Tode preisgaben 9: das war eine alte christliche Forderung und entsprach zugleich den Grundsätzen einer gesunden Bevölkerungspolitik. Aber wenn er, vielleicht den nicänischen Vätern zu Ehren, am i. Oktober 325 die blutigen Schauspiele verbot und die Gladiatoren abschaffte, so war das nur eine schöne Geste, denn das ungestörte Fortbestehen dieser Volksbelustigung ist uns ausreichend bezeugt10. So weit waren die Volksmassen der großen Städte noch nicht christianisiert, daß sie das Hauptvergnügen des Amphitheaters sich hätten nehmen lassen. Aber der Ansatz zu einem Vorgehen in dieser Richtung muß an­ erkannt werden. Der Wille des Kaisers, Gesichtspunkte der christlichen Religion x) Cod. Theod. 4,7, i; vgl. L. Mittels, Reichsrecht u. Dolksrecht S. 375 und dazu S. $48—552. 2) Cod. Theod. 8,16,1. 3) Cod. Theod. 3, 16, 1. 4) Cod. Theod. 4, 6,2.3. 5) Zitiert in Cod. Inst. 5,27,5 pr. •) Cod. Inst. 5,26,1. ’) Cod.Theod. 9, 9, 1, vgl. Bd. 2, 254. •) Cod. Theob. 9,24,1. *) Cod. Theod- n, 27, 1.2: Gothofredns vergleicht dazu Lactanj dtv. inst. 6,20,18—25. 10) Cod. Theod. 15,12,1 mit dem Kommentar des Gothofredns.

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5« Konstantin

auch für den Staat verbindlich zu machen, zeigt sich in den er­ haltenen Resten seiner Gesetzgebung mit hinreichender Deutlich­ keit; und das bedeutete mehr als eine gelegentliche Laune. Konstantin erfaßte mit klarem Bewußtsein seine weltgeschicht­ liche Aufgabe, das aus den Fugen gegangene römische Reich für kommende Jahrhunderte neu zu begründen. Er wußte, daß ihm, wenn auch unter völlig veränderten Verhältnissen, dieselbe For­ derung gestellt war, der einst Augustus so glänzend entsprochen hatte. So ist es nicht verwunderlich, wenn wir ihm auf gleichen Gedankengängen begegnen. Schon Augustus war es in seinen ersten Anfängen fraglich ge­

wesen, ob das neue Imperium an die mit übermächtigen Traditionen beschwerte Stadt Rom gebunden werden könne, und er hatte daran gedacht, eine neue Reichshauptstadt im Osten zu bauen: ja es war schon unter dem Eindruck der Aeneassage die legendäre Stammheimat des Julischen Hauses, die Stätte von Troja, als künftige Residenz in Erwägung gezogen worden. Wir haben noch den leidenschaftlichen Protest des Horaz1 gegen solche Absichten er­ halten, die er mit mythologischen Gründen bekämpft. Andere werden realere Bedenken vorgebracht haben, und so wurde der Plan fallen­ gelassen. Wenn Konstantin ihn wieder aufnahm, so bestimmte ihn natür­ lich in erster Linie die Tatsache, daß der Schwerpunkt des Reiches nach Osten verlagert war — schon Diokletian hatte daraus seine Folgerungen gezogen. Eine Erweiterung der nikomedischen An­ lagen hätte den Absichten Konstantins nicht Genüge getan. Wie er sein monarchisches Reich als eine Neugründung empfand, so sollte auch die geplante Kaiserstadt etwas Neues sein, das aber durch Anknüpfung an augusteische Gedanken mit dem ehrwürdigen Ur­

sprung des Imperiums verbunden war. So entschied er sich für die Ebene von Troja als Ort der neuen Stadt, und bald wuchsen

auch schon die Mauern und Tortürme aus dem Boden2.

*) Horaz, Od. z, z, 17ff. Siretoa, Caesar 79. 2, 3, 2.

2) Zosim. 2,30,1. Sozom.

Gründung von Konstantinopel (330)

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Da erschien ihm Gott im Traum und hieß ihn einen andern Ort wählen, nämlich Byjanj am Eingang des Bosporus \ dessen hervorragend günstige Lage Konstantin auch im wachen Zustand eingeleuchtet haben wird. Und so wurden die Mauerzüge bei Troja verlassen — man konnte sie noch im fünften Jahrhundert liegen sehn — und die Erweiterung und Verschönerung von Byzanz in Angriff genommen. Nachdem schon einige Jahre lang gebaut war, wurde am ii. Mai 330 die feierliche Gründung der Stadt vorgenommen; zugleich wurde eine vergoldete Statue des Kaisers auf­ gestellt, die in der rechten. Hand die Tyche der Stadt trug. Der Kaiser ließ sie Anthusa nennen und brachte Gott bei diesem Anlaß ein „unblutiges Opfer" dar: das heißt wohl, daß er die alther­ gebrachte Zeremonie durch den Rahmen einer christlichen Messe un­ schädlich machen und heiligen ließ. Wir hören nicht wenige Einzelheiten über die Anlage der Stadt2, darunter auch, daß er die für den gewaltig ausgedehnten Raum erforderlichen Einwohner aus andern Städten mit mehr oder minder sanftem Zwang heranholte. Aus römischen und anderen Honoratiorenfamilien, die er sich kommen ließ, bildete er einen „Senat" und stellte auch den Pöbel der neuen Stadt durch Für­ sorge für Brot und Spiele dem römischen gleich. Eine Fülle von öffentlichen Bauten, Plätzen, Säulenhallen, Bädern, Hippodrom, Palästen entstand und wurde mit Kunstwerken geschmückt, die von allen Seiten her zusammengeräubert wurden — einige Reste sind heute noch zu sehen. Am Marmarameer zog sich die Front der kaiserlichen Residenz hin. Auf ihrem Seetor trug sie eine Inschrift des Inhalts, daß Konstantin die Gottheit ständig verehrt habe und darum das von seinen Gegnern entzündete Feuer habe löschen können. So habe ihm Christus die Herrschaft der ganzen Welt ver­ liehen, und darum gebühre ihm Lob aus Herzensgründe2. *) Sozomenos 2,3,3; vgl. Cod. Theod. 13,5,7 die Stadt ist „auf Gottes Geheiß" gegründet. 2) Besonders Malalas 13 p. 319—322. Sozorn. 2,3, 1—7. goflm. 2, 30—31. 3) Mamboury ». Wiegand, Kaiserpaläste von Kon­ stantinopel (1934) S. 6—9.

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Konstantin

Es kann nicht bezweifelt werden, daß der Kaiser diese seine Stadt als eine chrWche gründen wollte, und die kirchlichen Schriftsteller

werden im großen und ganzen recht haben, wenn sie behaupten, er habe keine heidnischen Opfer in Konstantinopel geduldet, dafür aber zahlreiche Bethäuser und Märtyrerkapellen gebaut. Öffent­ liche Brunnenanlagen waren mit Bronzestatuen des Guten Hirten und Daniels in der Löwengrube geschmückt. Ein heidnischer Kritiker

Konstantins beklagt sich bitter über die Veränderung einer Kybelestatue, wodurch diese zu einer betenden Frau geworden fei \ Zwei große Kirchen hat der Kaiser, seiner Stadt gestiftet. Die eine zu Ehren der heiligen Apostel, in deren Mitte er beigesetzt zu werden wünschte2, die andere Hat er „dem heiligen Frieden" — Irene — geweiht. Augustus hatte in Rom dem „Kaiserfrieden" den berühmten Altar (Ara pacis) gewidmet: das wird das Vorbild für die Namengebung dieser christlichen Stiftung Konstantins ge­ wesen sein. Beide Herrscher wußten, daß sie einer zerrissenen Welt den Frieden erkämpft hatten und wollten das sinnenfällig auch dem Volk zum Bewußtsein bringen. Außer den genannten beiden Kirchen wurden in und außerhalb der Stadt noch mehrere Märtyrer­ kapellen errichtet, auch der Erzengel Michael erhielt ein Heiligtum

am Ausgang des Bosporus2. Eine prachtvolle Kirche wurde auch in Nikomedia gebaut, und in Antiochia entstand ein eigenartiger Zentralbau in achteckiger Form, der als Wunder von Schönheit gepriesen wird **. Man hat jüngst erst eine kleine Anlage von ähnlicher Gestalt ausgegraben, und die Einwirkung dieser Bauweise auf das berühmte Symeonkloster des Djebel Sem'an ist nicht zu verkennen6. Eine besonders reiche Bautätigkeit wurde im heiligen Lande entfaltet. Nicht genug, daß der Comes Josephus von Tiberias Erlaubnis erhielt, in seiner Heimatstadt eine Kirche zu bauen und dasselbe auch an andern

*) Suseb, vita (Sonst 3, 48. 49. 54. Sotom. 2, 3, 7. Zosim. 2, 31, 3. *) Suseb, Vita Sonst. 4, 58—60. *) Suseb, vita Sonst. 3,48. ®040m. 2,3,8. L. ©eubner, de iumbatione p. 65. 4) Suseb, vita Sonst. 3,50; vgl. Tri, ceunatsrede 9,14.15. 6) Leclercq, Dictionnaire 1, 2381 nach Dogüt.

Kirchmbautea

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Orten Palästinas ju bewirken1 — der Kaiser griff auch selbst ein und schmückte hervorragende Stätten christlicher Verehrung mit Basiliken. Der allgemeinen Anweisung an alle Bischöfe aller Provinjen, sich um die würdige Wiederherstellung zerstörter und die Errichtung fehlender Kirchen zu bemühen und die nötigen Mittel bei der Regierung zu beantragen, folgte ein besonderes Schreiben an Makarius von Jerusalem mit genauen Anweisungen zum Bau einer prunkvollen Kirche über der Stelle des heiligen Grabes. Dort war ein Aphroditeheiligtum zerstört und Las darunter gelegene Höhlengrab Christi freigelegt worden. Jetzt wurde über der heiligen Stätte eine Rotunde errichtet, die durch eine Hofanlage mit dem Golgathafelsen und der Basilika verbunden wurde. Euseb gibt uns eine genaue Beschreibung des Ganzen, dessen Spuren in dem un­ übersichtlichen Gewirr der heutigen Grabeskirche nur noch mit größter Mühe gefunden werden können2. Während dieser Bau unmittelbar auf die Anregung Konstantins zurückgeht, haben zu andern die Damen des Kaiserlichen Hauses den Anstoß gegeben. Die Kaiserin-Mutter Helena hat als hohe Siebzigerin das heilige Land bereist und den Bau einer Kirche über der Geburtsgrotte in Bethlehem veranlaßt: ihre Grund­ mauern sind kürzlich unter dem heutigen auf Justinian zurück­ gehenden Gebäude zutage getreten3. Auf dem Olberg ließ Helena gleichfalls eine Kirche bauen. Es war eine Basilika mit recht­ eckigem, säulenumrahmtem Vorhof, wie die aufgefundenen Reste beweisen4.S. Die Eiche Mamre, an der Gott einst von Abraham bewirtet war6, wurde auch von den Heiden als Heiligtum hoch­ gehalten, und als Konstantins Schwiegermutter Eutropia sie be­ suchte, mußte sie entsetzt feststellen, daß dort Götterbilder standen und blutige Opfer geschlachtet wurden. Auf ihren Bericht hin ordnete x) Epiphan. haer. 30,4, i. 2) Euseb, vtta Const. 2,46 3,30—32; Bau, beschreibung 3,33—40; vgl. Heisenberg, Grabeskirche u. Apostelkirche, und dazu G. Oalman, Palästinajahrbuch 9 (1913), 98—123. Leclercq, Dictionnaire 7, 2312—2320. 3) P. Vincent in Revue Biblique 45 (1936), 544—574 46 (1937), 93—i2i. A. Rücker in Das Heilige Land 81 (1937), 41—52. s. u. S. 322 A. 2. 4) Leclercq, Dictionnaire 7,2321. 6) i. Mose 18,1.

138

$♦ Konstantin

-er Kaiser die Zerstörung der Kultanlage und die Errichtung einer christlichen Kirche an: und auch von diesen beiden Gebäuden sind neuerlich beträchtliche Überreste zutage getretenx.

Eusebs Liste konstantinischer Kirchenbauten ist von Vollständig­ keit weit entfernt. Das lernen wir nicht nur aus der gelegent­

lichen Bemerkung, daß auch in Heliopolis-Baalbek eine christliche Kirche samt zugehörigem Klerus vom Kaiser eingerichtet worden sei, sondern wir hören auch von diesem selbst, daß der massenhafte

Zustrom neuer Gläubigen in Konstantinopel den Bau einer größeren Zahl von Kirchen notwendig mache: für diese bestellt er bei Euseb fünfzig Bibelhandschriften*2. Wenn auch diese Neubauten nicht sämt­ lich von der kaiserlichen Kasse bezahlt sein mögen, so ist doch die aktive Teilnahme des Monarchen an ihrer Entstehung unbezweifel­

bar. Hätten wir bessere Quellen über die abendländische Kirchen­ geschichte dieser Zeit, so würden wir vermutlich auch im Westen Konstantin als Förderer des Kirchenbaus reichlich bezeugt finden. Jedenfalls ist in Rom die Peterskirche von ihm begründet, wenn auch erst von seinem Sohne Konstans vollendet worden, und es besteht einige Wahrscheinlichkeit, daß auch die älteste Paulskirche zu gleicher Zeit entstanden ist2. Das römische Papstbuch schreibt noch anderen Basiliken Roms konstantinischen Ursprung zu: der Laterankirche und der benachbarten S. Croce, S. Agnese fuori, S. Lorenzo fuori und schließlich der nur noch in Resten erhaltenen Kirche der Märtyrer Petrus und Marcellinus mit dem Mausoleum der Helena an der Via Labicana, bei Tor Pignattara in der Cam­

pagna. Es fügt sogleich einige außerrömische Kirchen an: in Ostia, Albano, Capua und Neapel*. Der archäologische Befund hat mehrere dieser Angaben als zux) Euseb, vita Const. 3,51—53; vgl. P. Mader in Revue Biblique 39 (1930), 84—117. 199—225. Rivista di archeologia cristiana 6 (1929), 249—312. 2) Euseb, vita Const. 3,58 4,36. 3) Diehl, Jnscr. lat. christ. vet. 1 n. 1752. 1753 und dazu Lietzmann, Petrus u. Paulus2 S. 190. 218. 4) Lib. pont. 34,9. 11. 21. 22—26. 28. 30. 31. 32; vgl. Duchesnes Kommentar.

Kirchenbauten. Verfall der Tempel

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verlässig erscheinen lassen, bei manchen steht eine Prüfung mit modernen Mitteln noch aus. Aber auch wenn hie und La Abstriche sich als nötig erweisen sollten: soviel steht unbezweifelbar fest, daß Konstantin mit seinem Eifer um die innere Festigung und Einigung der Kirche die Fürsorge für monumentale Kirchenbauten zu ver­ binden gewußt hat: die Einweihung der Jerusalemer Grabeskirche als prächtige Feier seines dreißigjährigen Regierungsjubiläums und gleichzeitig als Gelegenheit zur großen Bischofssynode, welche Nicaea wiederholen soll, bringt die Bedeutung seiner kirchlichen Bestre­ bungen für die Reichspolitik symbolhaft zum Ausdruck. Die Schwäche des unterlegenen Heidentums brauchte nicht mit besonderen Mitteln zur Schau gestellt zu werden: wenn der Staat seine Hilfe nicht mehr darbot, beschleunigte sich der Zusammenbruch von selbst. Die Tempel werden nicht zerstört, aber der Staat hindert ihren Verfall nicht \ Und wo es angeht, greift die Regierung zu und holt sich das wertvolle Metall der Bronzetüren oder Dach­ ziegel; sie schmilzt auch das Gold oder Silber kostbarer Statuen ein, und die Götterbilder aus der Provinz werden nach Konstan­ tinopel gebracht, um als Kunstwerke die öffentlichen Plätze der neuen Hauptstadt zu schmücken. Das war durchaus keine unerhörte Neuerung, und manche Kaiser hatten es in dieser Hinsicht schon arg getriebenAber jetzt wurde ein solches Verfahren von den Christen beifällig vermerkt und mit erbaulichen Anmerkungen be­ gleitet^. Nur einige Heiligtümer, die Schlupfwinkel unsittlicher Kulte geworden waren, wurden polizeilich geschlossen oder zerstört: so in Jerusalem, Mamre, Aphaka in Phönizien und in Baalbek. Warum der Asklepiostempel im kilikischen Aegaeae dem Erdboden gleichgemacht wurde, wissen wir nicht4. Jeder Haruspex, der zum Zweck der Zukunftsdeutung durch

x) Cod. Theod. iS, i, 3 darf aber nicht dafür zitiert werden, da dies Gesetz von Julian ist: s. Mommsen z. St. 2) z. B. Nero; vgl. Dio Chrys. 31, 148, Pausanias 10,7,1. Rostovtzeff, Gesellschaft u. Wirtschaft 2,161.164. 3) Euseb, vita Sonst. 3, 54. 4) Euseb, vita Sonst. 3,25. 52. 55. 56. 58; vgl. 4,25 die Nilweihe.

140

Konstantin

Opfer ein Privathaus betritt, wird mit dem Feuertode bedroht, doch ist es erlaubt, ihn in seinem Amtshaus ju befragen, und eine solche Konsultation wird sogar für den Fall des Blitzschlages in ein Staatsgebäude „nach alter Sitte" ausdrücklich angeordnet x. Aber sonst haben wir keine glaubhaften Zeugnisse dafür, daß der heidnische Kult allgemein verhindert worden sei. Die Behauptung des Euseb, der Kaiser habe Opfer überhaupt verboten, wird eine unberechtigte Verallgemeinerung sein: nur daß er aller Mantik und den damit verbundenen Opfern abgeneigt war, ist sicher, und gelegentllch hat er sich nicht gescheut, altgeheiligte Bräuche ju unter­ lassen *2. Sein Bild durfte in heidnischen Tempeln nicht aufgestellt werden3. Als die Stadt Hispellum — nahe bei Assisi — den Wunsch ausspricht, als Hauptstadt von Umbrien anerkannt zu werden und eigene Spiele veranstalten ju dürfen, genehmigt Konstantin dies Gesuch und verleiht ihr zugleich den Namen Flavia Constans. Aber zur Veranstaltung von Spielen ist ein Tempel und die Feier seines Weihkages erforderlich: das ist nun einmal eingewurzelte Sitte. Und darum gestattet der Kaiser die Errichtung und Weihung eines Tempels für seine, d. h. die Flavische Familie. Soweit alles dem üblichen Gang der Dinge entsprechend. Aber dann fügt er die Bedingung hinzu, daß dieser seinem Namen gewidmete Tempel „mit keinerlei abergläubischem Schwindel befleckt" werden dürfe — das heißt, er verbietet die gewohnten priesterlichen Zeremonien und Opfer. 3n Afrika scheint er ähnliche Anordnungen bei der Um­ nennung der Stadt Cirta in Constantine getroffen zu haben4. Hier wird aufs neue deutlich — und die Urkunde auf Stein bestätigt, was uns die literarisch überlieferten Kaiserbriefe lehren —, daß Konstantin bei aller Schonung traditioneller Sitten des Heiden*) Cod. Theod. 9,16,1.2 (v. 3. 319) 16, io, i (v. 1.320) vgl. 16,10.2. 2) S. vorige Sinnt, und Euseb, vita Const. 4,25,1. Zostmos 2,29,5. Mehr bei 3« Geffcken, Ausgang d. Heidentums S. 94 s. 3) Euseb, vita Const. 4,16. 4) Dessau, Jnscr. lat. fei. n. 705. Aurelius Victor Caes. 40,28 und bat» Momm­ sen, Ges. Schriften 8,24 ff.

Die alten Kulte

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tums die Mißachtung dieser überwundenen Religion mit rücksichts­ loser Schärfe auch amtlich jum Ausdruck bringt. Und umgekehrt konnten Städte mit ausgesprochen christlicher Bevölkerung auf öffentliche Anerkennung eben wegen dieses Vorjuges rechnen \ Gewiß, er hat bei der Weihe von Konstantinopel sein Bild mit dem

Strahlenkranz des Sonnengottes um das Haupt auf einer Porphyr­ säule aufstellev lassen: aber diese Statue war schon vorher in Ilion gewesen, stammte also aus früherer Zeit. Und die Feier zu Ehren der Tyche von Konstantinopel war freilich eine Konzession an die alte Sitte, die aber durch den christlichen Weiheakt abgeschwächt

wurde*2. Euseb berichtet von einer in Rom stehenden Konstantin­ statue 3 mit dem Kreuz an der Lanze und einer Inschrift des In­ halts: unter diesem heilbringenden Zeichen habe er die Stadt vom Tyrannen befreit. Wir können die Angaben des Kirchenhistorikers von Caesarea über solche Dinge in weitem Umfang nachprüfen, und sie haben sich stets als zuverlässig erwiesen; aber in diesem Fall redet Euseb nicht aus eigener Kenntnis, da er nie in Rom gewesen

ist, und wir müssen mit einem Irrtum rechnen. Aber diese Nachricht mag uns ein Anlaß sein, die Frage nach den öffentlichen Äußerungen des Kaisers über seine Stellung zur Religion auszusprechen. Die ältesten Lobredner lassen noch ganz unbefangen die alten Götter als segnende Freunde Konstantins erscheinen. Apollo kränzt ihn mit Lorbeer, der ihm lange Regierungs­ dauer verheißt, und als er Autun besucht, werden ihm alle Götterbllder in Prozession entgegengetragen4. Das war in den letzten Jahren vor der Schlacht an der Milvischen Brücke: damals durfte man ihm also noch unbefangen in heidnischen Formen huldigen. Dann kam die große Entscheidung über die Herrschaft im Abend­

land, die von Heiden und Christen auf göttliche Hilfe zurückgeführt wurde, wie wir bereits gesehen haben3. Liegt diesen Legenden 4) Dessau, Jnscr. lat. sel. 6091: Orcistus in Phrygien. Euseb, vita Const. 4, 37—38. Sozomenos 2, 5, 7—8 MaiumaS in Palästina. 2) Malalas 13 p. 320 Dindorf; f.o.S. 135. 3) Euseb, vita Const. 1,40, KG 9, 9,10—11. 4) Panegyrlci 6 (7), 21,4 und 5 (8), 8,4. 6) s. 0. S. 60.

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5. Konstantin

etwas Wahres zugrunde, ist vor allem die Behauptung rich­ tig, daß Konstantin auf den Schilden seiner Soldaten bereits vor der Schlacht am Ponte Molle das Christusmonogramm hat anbringen lassen?

3m Jahre 315 stiftete der römische Senat anläßlich des zehn­ jährigen Regierungsjubiläums den Konstantinbogen. Die Inschrift1

schreibt den Sieg über Maxentius der „Inspiration der Gottheit" zu, und die Reliefbilder lassen den Feldzug unter dem Schutz -es Sonnengottes, des Sol invictus, vor sich gehen, der seit Aurelian des Reiches Schirmherr ist. Ein Chrisiusmonogramm erscheint nirgends, auch nicht in den Schlachtszenen am Ponte Molle, auf den Schilden der SoldatenDieser Triumphbogen ist ein offi­ zielles Denkmal, aber er ist nicht von Konstantin errichtet, sondern vom Senat und gibt deshalb die heidnische Auffassung des er­ lebten Wunders wieder. Er bringt in der Sprache der Kunst das­ selbe zum Ausdruck, was die offiziösen Lobredner — in den Jahren 312 und 321 — in klingenden Phrasen ausströmen lassen, aber während diese im Einklang mit der Inschrift nur im allge­ meinen von der „Gottheit", also dem Gott des verschwom­ menen spätantiken Monotheismus, reden, lassen die Bildner ruhig den Sonnengott erscheinen, den wir auch auf den gleich­ zeitigen Münzen der in Konstantins Bereich arbeitenden Werk­ stätten finden. Man hat daraus geschlossen, daß der Kaiser über den Parteien stand und es mit Gleichmut ansah, ob man die Gottheit, an die

er glaubte, mit dem Namen des heidnischen Sonnengottes oder des Christengottes anrief: er hütete sich vor einem öffentlichen Ein­ treten für eine Seite4. Dann wäre die Nachricht des Laktanz über das Chrisiusmonogramm auf den Schilden eine Legende, die durch klare Tatsachen widerlegt wird. Aber die eigenen Äußerungen KonJ) Dessau, Jnscr. lat. fei. 694. 2) L'Orange, Spätantike Reliefs des Konstantinsbogens (Studien j. spätantiken Kunstgeschichte 10) 1938. ’) s. 0. S. 61. *) M. Schiller, Gesch. d. tim. Kaiserjeit 2, 204ff. Vorsichtiger Geffcken, Ausgang des Heidentums S. 92.96.

Stellung zum Christentum

143

stantins aus dieser kritischen Zeit zerstören die Vorstellungen von seiner religiösen Neutralität vollständig \ Gewiß, in den gemeinsam mit Licinms vereinbarten Mailänder

Abmachungen ist nur von Toleranz gegen die Christen und gleich­ mäßiger Freiheit für alle die Rede, damit „auf ihrem himmlischen Thron" „die höchste Gottheit, deren Verehrung wir mit freier Seele uns widmen", uns gnädig sei und die „göttliche Gunst, die wir

bei so hohen Dingen erfahren haben", auch fernerhin uns zum Heile des Staates verbleibez. Aber schon vorher redet er in einem

Schreiben an den karthagischen Bischof von dem „gesetzmäßigen und heiligsten katholischen Kult" und preist ihn im Namen „der Gottheit des großen Gottes". Dem Prokonsul von Afrika legt er (312/313) dar, daß „der Kult, in dem die höchste Ehrfurcht vor der heiligsten Himmelsmacht bewiesen wird", gesetzmäßig gepflegt werden müsse, denn er habe dem ganzen römischen Reiche auserlesenes Glück durch göttliche Wohltaten beschert: und als die Hüter dieses Kultes werden die katholischen Kleriker genannt3.

Wer noch größere Deutlichkeit wünscht, muß den Brief an den afrikanischen Statthalter Ablabius vom Jahre 314 lesen, in welchem die Anweisungen für die Synode von Arles gegeben werden3. Er schließt mit den Worten: Denn da ich überzeugt bin, baß auch du ein Verehrer des höchsten Gottes bist (der Adressat war in der Tat Christ), so bekenne ich deiner Exzellenz offen, daß ich es für ein Unrecht halte, derartige (d. h. die donatistischen) Zänkereien und Streitigkeiten leicht zu nehmen, denn durch diese Dinge könnte

sonst die höchste Gottheit nicht nur gegen die Menschen im all­ gemeinen, sondern auch gegen mich zornig werden, dessen Sorge sie nach ihrem göttlichen Willen die Regierung der ganzen Welt

(also auch des einstweilen noch von Licinius beherrschten Ostens!) l) Dgl. Lietzmann, Der Glaube Konstantins d. Gr. in Berl. Sitzungsber. 1937, 263—275. F. Stähelin, Konst, d. Gr. u. d. Christent. in Zeitschr. f. schweij. Gesch. 1937, 385—417. 2l ) Laktanz mort. 48,2.3.11. a) Euseb, KG 10, 6,1.5 7, i—2. Brief an Aelafius (— Aflafius = Ablabius) bei Optat Anhang p.204—206 Ziwsa. v. Soden, Donatismus n. 8.9.14. Pauly-Wissorva i, 103.

144

Konstantin

übertragen hat: und sie wird Unheil über uns verhängen, wenn sie dazu gereizt wird. Nein, ich werde erst dann wirklich und voll­ kommen sicher sein und mich immer auf die Glück und Heil bereit­ willig spendende Güte des allmächtigen Gottes verlassen können, wenn ich sehe, daß alle in den vorgeschriebenen Formen der ka­ tholischen Religion den allerheiligsten Gott mit einträchtig brüder­

lichem Kultus verehren. Amen." Das ist völlig unzweideutig. Konstantin bekennt sich dem christ­ lichen Beamten als Christ: er weiß, daß es der Christengott ist, der ihm den Triumph über Maxentius geschenkt hat und ihm auch den Sieg über Licinius in Aussicht stellt: aber er verlangt dafür

auch Sorge für das Wohl der katholischen Kirche. In einem andern Schreiben1 bedauert er, daß diese Streitigkeiten „den Menschen, deren Seelen diesem allerheiligsten Kult fremd gegenüberstehn" (d. h. den Heiden) Anlaß zum Spott geben, und im August 314 hält er den an das Kaisergericht appellierenden Donatisten entgegen *: „Meinen Urteilsspruch fordern sie, der ich doch selbst den Urteils­ spruch Christi erwatte!" Das sind klare Bekenntnisse zum Christen­ tum, die zeitlich ganz nahe an die Maxentiusschlacht heranreichen und diese selbst als Huldbeweis des Christengottes werten. Und angesichts dieser Aussagen des Kaisers wird man die von Laktanz berichtete Geschichte für nicht unmöglich halten müssens. Etwas ist an der Sache gewesen. Wir wissen jetzt, wie Konstantin selbst dachte. Verwunderlich ist das nicht, denn seinem väterlichen Hause war das Christentum jedenfalls nicht fremd: eine der Halbschwestern führte den unzweideutig christlichen Namen Anastasia. So mag er schon früh dem neuen Glauben geneigt gewesen sein, und seine Er­ folge lehrten ihn, in Christus einen Schützer zu verehren.

Aber er zwang diese Form seines Gottes- und Vorsehungs­ glaubens den andern nicht auf und duldete auch die Auffassung des römischen Senates. Diese Toleranz hat er bis zu seinem Ende

durchgeführt. Diesen Geist atmet das große Rundschreiben an alle *) Euseb, KG 10,5,22 Opiat Anhang p. 209,22 Ziwsa (v. Soden, n. 15.18).

Konstantin als Christ. Die Münjen

Provinzen

MS

das er nach der Besiegung des Licinius erließ und

in dem er seine eigene religiöse Entwickelung schildert, sich selbst zum Christentum bekennt, auch allen Menschen diesen Glauben an­ rät, aber kräftig betont, daß niemand gezwungen werden solle und jeder ungekränkt seiner Überzeugung leben dürfe. 3n dieser Ge­

sinnung liegt der Schlüssel zum Verständnis seines zuweilen wider­

spruchsvoll erscheinenden Handelns. Von hier aus muß auch der Bilderschmuck der Münzen be­ urteilt werden, den man ost falsch gewertet hat?. Das Geld bleibt zunächst in den gewohnten Formen, und die Bilder des Sol invictus so gut wie das des Juppiter Conservator erscheinen immer wieder, und sogar noch 317 tragen die anläßlich der Caesarenernennung des Crispus und des jungen Konstantin geprägten Münzen den Sonnengott in Bild und Umschrift. Wenn um 315

ein Stempelschneider in Pavia neben die Figur des Gottes ein

Kreuz setzt3, so ist das sein persönliches Bekenntnis, dem er im Ver­ trauen auf die Stimmung Konstantins Ausdruck zu geben wagt.

Er hat es aber auf den nächsten Emissionen der gleichen Münze nicht wiederholt. Mehr bedeutet es schon, wenn in Konstantins Reich seit 319 gleichzeitig an mehreren Münzorten Stücke geprägt werden, auf denen statt der üblichen Zeichen ein Kreuz den Sieges­ altar schmückt oder (321—327) das Christusmonogramm neben das militärische Feldzeichen gesetzt wird4. Ganz vereinzelt begegnet auch das Christuszeichen am Helm des Kaisers: Euseb erzählt, er habe es in Wirklichkeit so getragen6.

Das alles beweist noch keine positive Anordnung von höch­ ster Stelle, sondern nur eine von oben her gebilligte Anregung

der Zentrale, der die Münzmeister nach eigenem Ermessen und in sehr verschiedenem Umfang Folge leisten. Die Darstellungen selbst *) Euseb, vita Const. 2,48—60, vgl. besonders 56 und 60. 2) Näheres s. Berl. Sttzungsber. 1937, 271. 3) I. Maurice, Numismatique Constantinienne 2, 248 s. Taf. 7,17. 4) Z. B. Maurice 2 Taf. 8, 2 (p. 259) 8,7—10 (p. 264). 6) Euseb, vita Const. 1, 31. Maurice 2 Taf. 10, 4. 5 (p. 287. 336). Delbrück, Kaiserporträts Taf. i, 11. 12 S. 72. Ltetzmann, Gesch. d. Alten Kirche Z.

146

$. Konstantin

sind in dieser Periode religiös neutral; die alten Götter sind ver§ schwunden. Nur im Reich des Licinius finden wir auch nach 319 noch den Juppiter Conservator und sogar eine Opferdarstellung

aus dem Jahre 322, wogegen die bekannten Serien des Westens ohne christliche Beizeichen auftreten\ Der immer schärfer werdende Gegensatz zwischen den beiden Herrschern kommt auf den Münzen weniger durch religiöse Symbole zum Ausdruck als dadurch, daß Konstantin wieder wie einst vor dem Krieg gegen Maxentius seine legitimistische Ahnengalerie Konstantins, Maximianus Herculius und den Gothensieger Claudius aufmarschieren läßt Nach dem

Sieg werden dann zum zwanzigsten Regierungsjubiläum die Münzen ausgegeben, welche den idealisierten Kopf des Kaisers (und der Prinzen) mit betend zum Himmel erhobenen Augen zeigen: da ist das Vorbild des von den Diadochen vergötterten Alexander 3

maßgebend gewesen. Euseb beschreibt diese „betende Haltung" und berichtet, auch über manchen Stadttoren habe sich Konstantin mit aufgehobenen Augen und Händen darstellen lassen4. Natürlich betet

er zum Christengott — aber das ist äußerlich nicht zu merken, und der heidnische Beschauer konnte das Bild nach seiner Art deute«.

Konstantin ist bei der Münzprägung nur ein einziges Mal aus seiner Zurückhaltung herausgetreten: im Jahre 326/327 hat er ein an seinem Palast angebrachtes Triumphbild in verkürzter Form auf Münzen prägen lassen, die in der Hauptstadt geschlagen wurden. Das mit dem Christuszeichen und den Bildern des Kaisers und der

beiden Caesaren geschmückte Labarum steht siegreich über einem auf der Erde sich krümmenden Drachen5. Aber diese Prägung ist nicht von den übrigen Münzstätten ausgenommen, und die nächsten Jahre hindurch finden wir nur wieder Kreuze und Monogramme als freiwillige Zutaten der Münzmeister. Nicht einmal die Gründung *) H. v. Schoenebeck, Beiheft der Klio (1938) gibt das Material. 2) Maurice 1, p. aiiff. 313 ff. 325. 406. 444. 3) K. Regling, Die antiken Münjea (1922) S. 39. *) Maurice Bd. 2 Taf. 17, 18 (p. 599). Bd. 3 Taf. 3, 3.10.11. 21. 23. 24 (p. 59—77). Euseb, vita Const. 4,15. •) Mau­ rice 2, Taf. 15, 7 p. 506. Euseb, vita Const. 3,3.

Die Münzen

147

von Konstantinopel hat Anlaß jtt einer christlichen Gestaltung des

Münzbildes gegeben. Erst als der Kaiser seine Augen geschlossen hatte, wurde das anders. Die Söhne ließen chn, wie es die Sitte forderte, „konsekrieren", d. h. zum Himmel erheben. Auf den anläßlich dieses Aktes

geprägten „Konsekrationsmüvzen" finden wir sein Haupt ver­ schleiert, und die Rückseite zeigt chn auf einem Viergespann zum Himmel fahrend, aus dessen Wolken ihm die Hand Gottes ent­ gegenkommt. Das ist Heiden und Christen verständlich und ist bald

danach auf christlichen Sarkophagen als Himmelfahrt des Elias nachgebildet \ Um dieselbe Zeit, d. h. kurz vor oder nach dem Tode

des Kaisers, erscheinen Münzen mit dem Monogramm auf dem Feldzeichen, die von den Söhnen dann bevorzugt werden und einen der späteren Normaltypen darstellend. Dies Aufgeben der kovstantinischen Zurückhaltung geht mit einer Änderung der gesamten Religionspolitik Hand in Hand.

Aus alledem ist klar, daß die Münzen zwar wertvollen Aufschluß über die Politik Konstantins geben, aber nicht als Zeugen für seine persönliche Gesinnung angerufen werden können. Wer diese er­ forschen will, muß fich an die schriftlichen Äußerungen des Kaisers

halten, die mit erfteulicher Deutlichkeit reden. Die Zeit ist vorüber, in der man diese wichtigen Urkunden als Fälschungen beiseite schob: kritische Prüfung der Form und des Inhalts hat ihre vollkommene Echtheit erwiesen und dem Treuhänder Euseb, der fie uns zum größten Teil aufbewahrt hat, das Zeugnis der Zuverlässigkeit aus­

gestellt. Er erzählt uns, Konstantin habe in seinen späteren Jahren zu­ weilen in schlaflosen Nächten Mahnreden theologischen Inhalts aus­ gearbeitet, und zwar in lateinischer Sprache, die von geschulten Übersetzern ins Griechische übertragen worden seien. Diese habe er *) Maurice 2 Taf. 17, 26 (p. 607s.), 3 Taf. 3, 26 (p. 82), 8, 27 (p. 217), 10,28 (p. 282). Euseb, vita Sonst. 4,73. 2) Maurice 2 Taf. 6,26 (p. 193 ff.), vgl. Gnecchi, Medagltoni romani Bd. 1 Taf. 9,12 13,11 14,1.9 19,8.12 30, 9—ii 32,12 33,2. 3 u. -.

148

$. Konstantin

dann teils in großen Versammlungen, teils im engeren Kreise der Hofleute vorgelesen und von seiner Umgebung dafür pflichtmäßigen,

aber wenig ehrlichen Beifall geerntet \ Als Muster dieser Schrift­ stellerei legt er seinem Lebensbilde Konstantins die an einem Kar­ freitag gehaltene „Rede an die Versammlung der Heiligen" bei. An anderer Stelle*2 ist uns eine Ansprache an die nicänische Synode überliefert, die gleichfalls den Stempel der Echtheit trägt3. Fügen wir dazu noch die zahlreichen Äußerungen religiöser und theo­ logischer Art in seinen Briefen und Erlassen, so ergibt sich ein statt­

liches Material für die Erkenntnis seiner Gedanken über Gott und Christus, Welt und Kirche. Entscheidend für die Gesamthaltung dieses Mannes ist von früh an das Bewußtsein gewesen, von Gott zu hohen Dingen bestimmt zu sein und deshalb unter seinem besonderen Schutz zu stehen. Es ist kaum glaublich, daß ihm als dieser wegweisende und helfende Gott in jungen Jahren Apollo oder der Sonnengott des Reiches galt4,5 an den die heidnischen Festredner und die Künstler des Konstantinbogens denken. 3hm selbst waren diese Namen schon damals schwerlich etwas anderes als Bezeichnungen des einen gött­ lichen Wesens, das er in seinem Vaterhause als den Gott der Christen kennengelernt hatte. Denn daß dort christliche Luft wehte, wird, wie schon gesagt, dadurch bewiesen, daß eine seiner Halb­ schwestern von den Eltern den christlichen Namen Anastasia erhielt6. Aber er ist sich bewußt, daß eine wirkliche christliche Einsicht ihm nicht von Jugend auf mitgegeben und nicht durch Erziehung bei­

gebracht, sondern dem reifen Mann von Gott selbst geschenkt ist3: das heißt doch wohl nichts anderes, als daß er eine Offenbarung erlebt hat. Als er sich anschickte, die ganze römische Welt zu er-

x) Euseb, vita Const. 4,29.32. 55. 2) Gelasius, KG 2, 7. S. 46—53 Heinemann. 3) Loeschcke im Rhein. Museum f. Philologie 61 (1906) 57—61. E. Schwartz bei Pauly-Wissowa 6, 1412. 1427. 4) A. Piganiol, L'empereur Constantin p. 50 und dazu H. GrLgoire in Byzantion 7 (1932), 645—652. 5) Amm. Marc. 26, 6,14. Chron. mitt, i, 8, 29 Mommsen. 6) Karfreitags­ rede iiz i. 2 p. 166,10—15 Heikel.

Konstantins Theologie

149

obern, fühlte er sich bereits als den Vorkämpfer des Christengottes und ist diesem Glauben bis an sein Lebensende treu geblieben.

In den Kundgebungen seiner späteren Jahre führt er genau aus, wie der polytheistische Irrtum die Völker in Finsternis und sittliche Verwilderung führt und den Gedanken einer gerechten Ver­ geltung zum dichterischen Mythus verflüchtigt. Daraus erwachsen Untaten der Fürsten und Unheil für die ganze Welt. Christi Er­ scheinung brachte Recht und Frieden auf die Erde, da er die Kirche als Tempel der hehren Tugend gründete. Aber die Welt bäumte sich dawider auf, es kam zu Bürgerkrieg und Christenverfolgung1 —

bis Konstantin von Gott den Auftrag erhielt, Gottes Gericht2 zu vollziehen, die Völker aus der Knechtschaft des bösen Feindes zu befreien, in der Verehrung des Christengottes zu einigen, die ganze Welt von den schweren Wunden vergangener Leiden zu heilens

ja, sie zu erneuern.

Wenn er gegen die Vielgötterei zu Felde zieht und die Sibylle als Zeugin der christlichen Wahrheit aufruft, so spürt man gelegent­ lich, daß er in dem ihm gewidmeten theologischen Hauptwerk des Laktantius* wirklich gelesen hat, und sein Gottesbeweis aus der zweckmäßigen Einrichtung der Welt und des menschlichen Orga­

nismus 5 läuft ebenso wie sein Kampf gegen den Begriff des Schick­ sals und Zufalls6 in den bekannten Bahnen stoischer Gedanken­ gänge. Sein immer wiederkehrendes Bekenntnis ist der unerschütter­ liche Glaube an die göttliche „Vorsehung" (Pronoia), die über allem waltet und ihn sich zum Werkzeug ausersehen hat: er weiß sich als den „Knecht Gottes" — eine Bezeichnung, die er selbst zu gebrauchen nicht müde wird, und die deshalb auch Euseb in seiner Jubiläumsrede7 ihm entgegenbringen darf. ') Karfreitagsrede 1, 3 3, 2—4 4, 1—3 10, 1—2 22—26. 2) Karfr. 25,5 p. 191, 28 Heikel. 3) Rede bei Gelasius 2, 7, 38. Urkunde 17,1 (Athanas. 3,32 Opitz). Urk. 27, 6.7 (Athan. 3,59). Brief bei Euseb, vita Const. 4,9 (p. 121 Heikel). 4) kart. Jostit. 1,1,13 7,27,11. ’) Karfrettagsrede 8. Brief bei Euseb, vita Const. 2, 48. 58. Rede bei Gelasius 2,7, 33. 6) Karfreit. 6—7. ’) Euseb, Tricennatsrebe 7,12 p. 215,17 Heikel.

150

5. Konstantin

Aus diesem göttlichen Auftrag erwächst für ihn die Verpflichtung

jur Sorge für die Kirche, deren Kräftigung und Befriedung ihm als notwendige Ergänzung seiner militärisch und politisch er­ kämpften Sicherung und Einigung des römischen Reiches erscheint. Dadurch fühlt er sich jur aktiven Teilnahme an den Beratungen der vicänischen Synode legitimiert \ daraus zieht er die Be­ rechtigung zum weiteren Eingreifen in die kirchlichen Kämpfe, daher begreift sich aber auch das uns so seltsam anmutende Schreiben *2 an den Perserkönig Schapur II, in dem er diesem die Vorzüge des

Christentums anpreist und ihm die in Persien lebenden Christen dringend empfiehlt. Die Kirchenpolitik ist ihm ein unabtrennbarer Teil der Staatspolitik und diese hinwiederum eine göttliche Auf­

gabe. Bei einem Festessen hat er einmal zu den eingeladenen Bischöfen gesagt3: „Ihr seid für die inneren Angelegenheiten der Kirche, und ich bin für ihre äußeren Angelegenheiten von Gott bestellter Bischof." Das trifft genau seine Meinung, und er hat sich nicht ängstlich den Kopf zerbrochen, um die Grenze zwischen Innen und Außen ganz scharf zu ermitteln.

Der kaiserliche Bischof geht über diese allgemeinen Erörterungen nicht ungern hinaus. Er preist die Herrlichkeit der Kirche mit be­ redten Worten, belehrt den Arms über die Einheit des göttlichen Wesens (Usia) und setzt genauer auseinander, daß die Zeugung des Sohnes keine Wesensminderung des Vaters bedeute. Vater und Sohn verhalten sich wie Ursache und Wirkung: aber es läuft ihm doch dabei die verpönte Bezeichnung des Sohnes als eines „zweiten Gottes" unter4. Dieser aus dem Vater nach dem Willen seiner Vor­ sehung hervorgegangene Logos ist der Monarch der Welt, die Ur­ sache alles Seins und Lebens in ihr. Um vnsretwillen hat er „von einer Jungfrau die Behausung eines reinen Leibes angenommen" *) Rede bet Euseb, vita Const. 3,12. Rede bei Gelaflus 2,7, 37—41. Ur, künde 27, 7 (bei Athan. 3, 59 Opitz). 2) Euseb vita Const. 4, 9—13. 3) Euseb, vita Const. 4, 24, vgl. 1,44,1. *) Kirche: Rede bei Gelaflus 2,7, 6, Karst. 1,4, Euseb, vita Const. 2, 55,2. Urkunde 27,3.8 34, 14 (Athan. 3, 58.59.71 Opitz). Karsteitagsrede 9,3 11,8 (p. 163,20 168,17 Heikel).

Konstantins Theologie

und ist Mensch geworden, hat die „weisesten aller Menschen", nämlich -die jwölf Apostel, um sich geschart und das Gesetz der göttlichen Ge­

rechtigkeit gepredigt, dessen himmlische Autorität er durch Wunder erhärtete. Dieses Gesetz hütet die Kirche, und seine Befolgung schließt Las Heil der Menschheit in sich \ Christentum ist Leben im Glauben an Gott, Mitleid mit Unglücklichen, schlichte Ehrlichkeit, Reinheit

und Heiligkeit, kurz Ausübung aller Tugend, deren Lehrer und Vorbild Christus gewesen ist. Christus ist unser Heiland durch seine Lehre*2,* Christentum 4 ist moralischer Lebenswandel im steten Hinblick auf Gottes vergeltende Gerechtigkeit2. Das ist eine Theologie von ziemlich primitiver Art *, und man könnte sie eine verdünnte Apologetenweisheit nennen. Ihre Grundzöge stammen aus der spätantiken Geistigkeit, und ihr christlicher Charakter besteht hauptsächlich in der äußeren Einkleidung. Es mag richtig sein, daß Konstantin in der Bibel gelesen hats: aber er las sie

mit der Brille des allgemeinen Moralismus seiner Zeit und verstand sie nicht. Und wenn er erzählt, Jesus habe den Lazarus „mit einem kleinen Stabe" auferweckt5, so merken wir, daß seine Kunde nicht aus dem Wortlaut des Evangeliums, sondern aus den bildlichen

Darstellungen der Geschichte stammt, bei denen der wunderwirkende Stab in der Hand des Herrn nie fehlt. Aber er selbst freut sich seiner theologischen Kenntnisse und ist augenscheinlich stolz darauf. Und es ist nicht zu bezweifeln, daß es ihm mit diesen Dingen ganz ernst war, denn sie enthüllen ihm das Geheimnis seines eigenen Lebens, den göttlichen Urgrund seiner Mission. Es ist durchaus glaubhaft, daß er in seinem Palast Gottesdienst veranstaltete und täglich zu be­ stimmten Stunden betete, wie er schon früher im Felde Gottes *) Karfreitagsrebe 11, 3—5. Rede bei Gelasius 2,7,13. 2) Karst. 15. 23. Rede bei Gelasius 2,7,4. 13. 21.25. Briefe bei Euseb, vita Consi. 2,59 4,10,2—3. Urkunde 27,5 (Athan. 3, 59 Opitz). •) Karst. 23,3. Rede bei Gelasius 2, 7,1. 2i. 25 ‘) Oie Einheitlichkeit der theologischen Haltung in allen Äußerungen Konstantins beweist, daß die Schriftstücke wirklich auf ihn und nicht auf theologische Sekretäre jurückgehen. Dgl. auch Anm. 5 Lajarus. 4) Euseb, vita Sonst. 1,32,3 4,17. Rede bei Gelasius 2,7,41. Lajarus «bd. 2,7,15.

152

5. Konstantin

Hilfe im Gebet zu erflehen gewohnt war, ehe er vor das Zelt trat und den Befehl zum Angriff gab. Seine Karfreitagspredigt schließt mit einem begeisterten Hymnus auf das glaubensstarke Gebets Gewiß, er war ein Despot, ein Politiker, der keine Rücksicht kannte, wenn es um die Erreichung seiner Ziele ging. Er scheute auch nicht

vor harten Bluturteilen zurück: Maximianus Herculius

und

Licinius machten ihm die Hinrichtung unvermeidlich, der von Licinius im Endkampf mit einer Caesarenrolle bedachte Valens mußte

ebenso wie sein Nachfolger Martinian beim Zusammenbruch seines Meisters sterben, sinnlos erscheint uns die Tötung des vorher bereits zum Sklaven degradierten Sohnes des Licinius3, voll furchtbarer Tragik der Tod des Crispus und der Fausta. Und diesen blutigen Schemen folgt eine lange Reihe namenloser Gestalten, die kaiserliches Gebot aus dem Leben riß3. Kann ein Christ so

handeln? Man braucht nicht bis zu Philipp dem Spanier oder Calvin zu gehen, um die bejahende Antwort der Geschichte auf diese und ähn­ liche Fragen zu finden. Ein hochstrebender Geist, der sich an eine von Gott gestellte Aufgabe gebunden weiß, sieht gut und böse im Lichte seines Zieles und wird leicht von einer Dämonie erfaßt, die sein Gewissen aus der geraden Bahn reißt. Das ist zu allen Zeiten so gewesen, und auch andere Verstöße gegen kirchliche Zucht und Sitte beweisen nichts gegen die Ehrlichkeit einer christlichen Über­ zeugung: Werke und Glauben sind auch bei frömmeren Christen auseinandergefallen, und Konstantin konnte mit der damals in der Kirche schon um sich greifenden Entschuldigung rechnen, daß er ja

die Taufe und damit die Vergebung aller seiner Sünden noch vor sich habe. Seine Gegner haben ihm jedenfalls nicht Heuchelei, sondern wirkliche Sündenangst vorgeworfen 4: das läßt darauf schließen, daß man, wenn auch widerwillig, seine religiöse Persön­ lichkeit als echt anerkennen mußte. *) Euseb, vila Const. 4,14.17.22. 2,12. Karfr. 26. 2) Seeck In PaulyWissorva, Realenc. 13,231. 3) Eutrop. 10,6, 3 „und zahlreiche Freunde". 4) Zosimos 2,29,3. Sozomenos 1,5. Julian Caesares p. 336 a b.

Charakter und Stimmungen

153

Ein schneller Wechsel der Stimmung ist für seine menschliche Art bezeichnend und tritt uns auch in seiner Politik als irrationales Element entgegen: die Quellen reden gelegentlich offen von seinem

auflodernden Jähzorn \ So mußte der noch eben huldreich emp­ fangene Athanasius von heut auf morgen ungehört in die Ver­ bannung, so fanden Crispus und gleich nach ihm Fausta den Tod. Aber ein blutdürstiger Wüterich war er nicht. Es ist schon gut denkbar, daß ihm nachher seine Urteile wieder leid wurden, und sicher hat er in seiner letzten Lebenszeit eine betonte Abneigung gegen Todes­ urteile gehabt. Euseb wagt es sogar, hierüber einen leisen Tadel aus-

zusprechen2. Er meint, die Statthalter hätten es aus diesem Grunde nicht mehr gewagt, scharf gegen Verbrecher vorzugehen, und das habe zu mancherlei Mißständen geführt. Und im gleichen Zusammen­

hang hören wir die Klage, der Kaiser sei dem sich an ihn drängenden Schwarm von Konjunkturchristen nicht immer mit dem nötigen Miß­ trauen begegnet und deshalb zu mancher falschen Maßregel ver­ leitet worden. All das mag richtig sein, so gut wie die erbaulichen Dinge, die derselbe Euseb aus seinem persönlichen Verkehr mit der Majestät zu erzählen weiß und die zum mindesten ahnen lassen, wie der Kaiser seinen christlichen Untertanen erscheinen wollte. An sein Wesen rührt das alles nicht heran: viel näher kommt ihm das wie unwürdige Schmeichelei klingende und doch das Selbstbewußtsein dieses Lebens klar erfassende Wort am Ende der eusebianischen Jubiläumsrede3, das die ganze Welt auffordert zum einhelligen Preise des allmächtigen Gottes, des eingebornen Sohnes und Heilandes, und des Kaisers als seines Statthalters auf Erden. Ja, den Frieden auf Erden, den in den Tagen des Augustus Jesus vom Himmel gebracht hatte4, wollte er in seinem Römerreich zur vollen Wirklichkeit machen. *) Athan. apol. 87,2. 2) Euseb, vita Const. 4, 31. 54. 3) Euseb, Triceunatsrede 10 p. 223, 9—n Heikel. 4) Euseb, Praepar. evang. 1,4,3. 4 5,1,5/ Dem. evang. 7,2,22 8,4,13 9,17,18.

Der Geist der Konstantinischen Zeit. Konstantin ist Abendländer von Herkunft und hat die politisch und militärisch für ihn entscheidenden Jahre im Rheinland zugebracht: die mächtige Basilika in Trier steht heut noch als lebendige Erinnerung an seine erste Schaffenszeit. Aber die Entfaltung zum weltgeschichtlichen Imperator hat ihm doch erst der Osten beschert, den er als Prinz bereits in den Jahren des Heranwachsens kennen­ gelernt hatte und den er als siegreicher Monarch zur neuen Heimat erwählte. Und während ihm das Abendland nur zu festlichen Ge­ legenheiten Lobreden bescherte, hat die griechische Welt des Christen­ tums ihm einen Biographen gestellt, der über der schon durch die Stilform auferlegten Lobespflicht doch nicht vergaß, daß er Hi­ storiker war. Dieser Mann war Bischof Eusebius von Caesarea, und er darf in gewissem Sinne als der geistige Repräsentant des konstantinischen Zeitalters gelten. In seinem Lebenswerk spiegelt sich mit urkund­ licher Treue der Umbruch der Zeiten, aus seinen Worten klingt uns

die Siegesfreude entgegen, mit der man die Gegenwart genoß, und die stolze Hoffnung, mit der dies Geschlecht in die Zukunft blickte. Von dieser seiner Gesamteinstellung muß man ausgehen, um ihn richtig zu würdigen: dann wird man leicht der Versuchung ent­ gehen, ihn nach dem Vorgang eines genialen, aber nicht un­ parteiischen Richters*2 „den ersten durch und durch unredlichen Ge­ schichtschreiber des Altertums" zu nennen. Man kann dem ehrlichen

Mann kein schwereres Unrecht antun2. Er stammte aus bescheidenen Verhältnissen und ist in und mit der Bibliothek herangewachsen, die sein reicher Gönner Pamphilvs *) I. Durckhardt, Die Zeit Konstantins d. Großen (KrönerscheAusg.) S. 362. 2) Grundlegend der Artikel von E. Schwartz bet PaulyMissowa, Realeac. 6, 1370—1439-

Eusebius

155

in Caesarea ans den Trümmern der von Origenes angelegten und in der Decianischen Verfolgung zerstörten Büchersammlung auf­

gebaut hatte. Hier wurde er für philologische Arbeit geschult und hat mit seinem Meister zusammen Bibelhandschriften verglichen und durchkorrigiert: wir haben noch Zeugnisse für diese seine Tätig­ keit erhalten \ Und hier lernte er als Bibliothekar den Wert des

altkirchlichen Schrifttums kennen, der ihn zu seinen eigenen Arbeiten anregte. Hier lebte er auch in ständiger Berührung mit dem Geist des Origenes, dessen Lob und Verteidigung sein erstes mit Pamphilus gemeinsam verfaßtes Werk gilt, die „Apologie" des großen Meisters. Als sein geistiger Vater, nach dem er sich „Sohn des Pamphilus" nannte, am 16. Februar 310 den Märtyrertod erlitten hatte, wurde er der Erbe der in ihm verkörperten Tradition solider Gelehrsam­ keit. Er gab eine Sammlung der Origenesbriefe heraus und schrieb eine Biographie des Pamphilus. Gleichzeitig veröffentlichte er das erste der beiden Werke, die seinen Namen weltberühmt gemacht haben, die Chronik. Eine chronistische Übersicht über die Welt­ geschichte hatte im Jahre 234 schon Hippolyt von Rom aufgestellt2, und vor diesem war der Alexandriner Julius Afrikanus im Jahre 221 mit einem gleichartigen Buch auf den Plan getreten, das allen ähnlichen Arbeiten der Folgezeit als Muster und in weitem Um­ fange auch als Grundlage gedient hat. Leider ist es verloren und kann nur mühselig durch Zitate und Vergleiche erschlossen werden ’. Aber so viel läßt sich doch schon erkennen, daß es die mannigfachen

Geschichtsdaten der verschiedenen Völker in eine fortlaufende Jahres­ reihe einhävgte, die mit der Erschaffung der Welt begann, Christi

Menschwerdung ins Jahr 5500 dieser Weltära ansetzte und daher den Jüngsten Tag nach Daniel 9,24 ff. im Jahre 6000 der Welt, d. h. 500 n. Chr. erwartete4. So wurde die apokalyptische Hoffnung *) Unterschriften der Kodizes Q, des Sinaiticns, des Patmensis und des he,'aplarischen Syrers: vgl. Harnack, altchristl. Litt, i, 543—545. 2) Bd. 2 251. ’) Reste bei Routh, Reltqniae sacrae2 2, 238—309. 4) Dgl. Ronth p. 306, Georgios Syncellns p. 614 ed. Bonn.

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6. Der Geist der Konstantinischen Zeit

festgehalten, aber in einer Form, die der kirchlichen Entwicklung der Gegenwart nicht mehr lästig werden konnte. Das war schon ein Gewinn gegenüber der Chronographie eines sonst unbekannten Judas \ der nach derselben Danielstelle das Kommen des Anti­ christs und damit den Anbruch der Endzeit auf die Zeit gleich nach 202 berechnet hatte. Euseb hat das Verdienst, die christliche Chronographie aus diesen apokalyptischen Fesseln gelöst und auf rein wissenschaftlichen Boden überführt zu haben. Er will von Berechnungen mit willkürlicher Tendenz nichts wissen und stellt auch fest, daß man die Erschaffung der Welt nicht aufs Jahr festlegen kann. Er kritisiert die weiteren An­ sätze des Afrikanus2 und legt seinem System eine mit Abraham (2016 v. Chr.) beginnende Ära zugrunde, weil erst von diesem Patriarchen an die biblische Chronologie gesichert und frei von zwiespältiger Textüberlieferung ist, und die verhängnisvolle Daniel­ stelle macht er in ausgesprochenem Gegensatz zu Afrikanus un­ schädlich. Die Berechnung des Jüngsten Tages hat in seiner Chrono­ graphie keine Stätte2. Eine theologische Abzweckung fehlt natür­ lich trotzdem nicht, aber sie erschöpft sich in dem an die rechnende Vernunft des kritischen Lesers appellierenden Weissaguvgsbeweis, der ihm durch Vergleich mit bekannten Größen der profanen Überliefemng das Alter der von Moses und den Propheten aus­ gesprochenen Weissagungen anschaulich machen soll. In der Ausführung hat Euseb mit gutem Blick sich die besten Quellen ausgesucht und sich vor allem peinlich gehütet, unbekannte Dinge willkürlich zu gestalten und zu datieren. So hat er der kommenden Forschung bis in die Gegenwart hinein wertvollsten Stoff in zuverlässiger Form überliefert. Aber auch dies Werk ist in seiner Urform verschwunden. Wir besitzen nur eine armenische und eine — von Hieronymus gefertigte — lateinische Übersetzung, die beide auf eine wohl nach Eusebs Tode veranstaltete Umarbeitung zurückgehen: da ist der Stoff unverändert gelassen, aber durch J) Euseb -KG 6, 7. 2) Euseb, Chron. arme». S. 36. 3) Euseb, Dem. evang. 8,2, 55—66, Chron. armen. S. 2,3 Karst.

47 Karst.

Eusebius

157

schematisches Einspannen in Regententabelle» mit einer falschen Genauigkeit ansgestattet worden, die dem Verfasser durchaus fern­ lag. Jedoch, wir müssen auch so noch den Übersetzern dankbar sein. Der Weissagungsbeweis hat Euseb immer am Herzen gelegen: er lebte in einer Zeit, die sich gegen die Kritik des Porphyrius wehren mußte und auf dem Boden philologischer Textdeutung in Verbindung mit wissenschaftlicher Chronologie Siege zu erringen hoffen durfte. Zu diesem Behufe hat Euseb eine „Allgemeine Elementareinführung" geschrieben, deren zweiter Teil uns erhalten ip1: da sehen wir, wie in Auseinandersetzung mit jüdischer Aus­ legung die christliche Deutung der Prophetevworte aus dem Text herausgeholt wird. Später ist aus diesen Vorstudien das große Doppelwerk der „evangelischen Vorschule" (Praeparatio) und der „evangelischen Beweisführung" (Demonstratio) entstanden. 3n ihm erreicht die Apologetik der griechischen Kirche ihren Gipfel. Was an lebenskräftigen Gedanken in der Vergangenheit hervor­ getreten war, finden wir hier von einem klugen und gelehrten Mann zu einem wirkungsvollen Ganzen vereinigt und durch ein schon allein durch seine Fülle überwältigendes Material wissen­ schaftlich begründet: auf jeder Seite spürt man, daß der Verfasser dieses Buches über eine unvergleichliche Bibliothek verfügt, die er mit hervorragendem Geschick auszunutzen weiß. Hier ist das Gegenstück zu dem antichristlichen Werk des Porphyrius in Form einer positiven Darlegung gegeben, und es ist zuweilen ganz belustigend zu sehen, wie Euseb die Ausführungen seines Gegners zum eigenen Vorteil zu benutzen weiß. Hier finden wir nach der Selbstwiderlegung des Polytheismus die theologische Ausführung des in der Chronik fundamentierten Planes, nämlich den Nachweis, daß die besten griechischen Philosophen und vor­ nehmlich Plato ihre tiefsten Gedanken von Moses und den Pro­ pheten entlehnt haben. Die „Demonstratio" wendet sich gegen jüdische Einwände, indem er den Juden das Alte Testament ent!) Die sog. Eclogae propheticae ed. Gaisford 1842. Zum Folgenden vgl. H. G. Opitz, Euseb v. Caesarea als Theologe, ZNW 1935, 1—19.

i?8

6. Der Geist der Konstantinischen Zeil

windet und seine universale Bedeutung feststellt, woraus stch dann der Weissagungsbeweis für die Hauptpunkte der christlichen Lehre und die irdischen Geschicke des menschgewordenen Logos ergibt. Euseb entwickelt aus -em Alten Testament das Idealbild einer vormosaischen Weltreligion, welche von den Juden verkannt, aber durch das Christentum jur vollen Entfaltung gebracht ist. Sie be­

steht in der durch den Logos gewirkten rechten Gottesverehrung, entweder in einer Lebensführung, die in asketischer Selbstjucht den Menschen von der Tyrannei der Leidenschaften befreit, ihn im Überschwang himmlischer Liebe aus der Welt und allen ihren Bindungen herausnimmt und ihn zu dem gottgeweihten Über­

menschentum christlicher Vollkommenheit erhebt oder auf der zweiten Stufe — bei der großen Masse der Christen — in einer Durchdringung aller irdischen Verhältnisse und Geschäfte mit dem Geist der Frömmigkeit, wobei ju gegebenen Tagen und Stunden auch Askese und Hören des Gotteswortes ihre Wirkung tim1. Wenn man dieses christliche Lebensideal mit dem philosophischen

der Zeit vergleicht, so sind zwar die Grundgedanken weithin die­ selben, aber was bei Plotin und Porphyrius Vorrecht eines kleinen Kreises geistiger Aristokraten ist2, finden wir bei den Christen als Lebensform für die breiten Massen, ja als Forderung für die Umgestaltung der ganjen Welt. Denn selbst die Vollkommenh'eit des weltentrückten Asketen ist nicht einer geistigen Elite vorbehalten, sondern kann von dem schlichtesten Menschen erreicht werden — wie die Tatsachen beweisen. Schon die alten Apologeten haben auf diesen Unterschied hingewiesen3. Eine apologetische Streitschrift

des Euseb ist uns erhalten, in der er die Verherrlichung des Apollo­ nius von Tyana durch den christenfeindlichen Statthalter Hierokles von Bithynien abwehrt. Wichtiger wäre uns die große Kampf­ schrift gegen Porphyrius, aber fie ist wie alle anderen chres Titels4 verloren. Spuren der Auseinandersetzung mit diesem Kritiker verraten die 4) Euseb, Dem. «vang. i,8,i—4. 4) s.o.S.28.

2) s. 0. S. 22 f. 27.

3) s. Bd. 2,184.

Eusebius

159

erhaltenen Bruchstücke von Erörterungen über die Differenjen der Evangelisten, insbesondere bei den Stammbäumen Jesu und der Auferstehuvgsgeschichte. Hier beginnt die mit allen Mitteln des Scharfsinnes und der Gelehrsamkeit sämtliche Widersprüche be­ seitigende Harmonistik, die im vierten Jahrhundert mit einem ge­ wissen Recht Triumphe erlebte, auf die sie im neunzehnten besser getan hätte, freiwillig zu verzichten. Ein fortlaufender Kommentar zu einem Evangelium ist uns nicht erhalten, und es ist auch nicht wahrscheinlich, daß Euseb irgendein neutestamentliches Buch erklärt hat. Wohl aber hat er die Psalmen und Jesaias, vielleicht auch Jeremias und Ezechiel mit umfangreichen Auslegungen bedacht, die freilich nur trümmerhaft vorhanden sind und noch der wissenschaftlichen Bearbeitung harren. Dagegen haben wir ein biblisches Ortslexikon, das auf bester Kenntnis beruht und uns sehr wichtige Dienste leistet. Der Schreiber­ schule in Caesarea verdankt eine sinnreiche Kapitelteilung der Evangelien ihre Verbreitung, die in Verbindung mit Übersichts­

tabellen die leichte Auffindung der evangelischen Parallelstellen er­ laubt; sie ist aus den griechischen in die syrischen und lateinischen Handschriften übergegangen, und die künstlerische Ausstattung dieser „eusebianischen Kanonestafeln" hat in der allgemeinen Kunst­ geschichte ihre eigene Bedeutung gewonnen. Aber das sind alles

nur Nebenarbeiten. Das zweite Hauptwerk von Weltruf entstand neben und aus der Arbeit an der Chronik. Es ist die „Kirchengeschichte", keine Geschichte im Sinne der literarisch durchgebildeten Kunst der großen und kleinen Historiker der Antike, sondern ein neuer Typ, der seine nächsten Verwandten in den gelehrten und weitverbreiteten Sammel­ werken zur Geschichte der Naturkunde oder der Philosophie findet, die wir von Plinius, Aelian und Diogenes LaertiuS besitzend

Euseb sagt auch am Eingang seines Werkes ganz deutlich, was er will: die Nachfolgerschaft der Apostel will er in den Reihen der *) E. Schwartz, über Klrchengeschlchte, GStt. Nachr. 1908, ins. = Ges. Schriften i, n6.

l6o

6. Der. Geist der Konstantiuischen Zeit

Bischöfe vorführen und mit chronologischen und historischen Notijen begleiten, die Verkündiger der christlichen Lehre in der Folge der Generationen und daneben die von ihnen bekämpften Häretiker sollen dargestellt werden, dann wird die Schilderung der göttlichen Bestrafung des Judenvolkes kommen und schließlich ein Überblick über die Christenverfolgungen, die Martyrien und die endliche Rettung durch des Heilands Hilfe gegeben werdend Dies Pro­ gramm wird bis auf den letzten Punkt in den sieben ersten Büchern durchgeführt, und zwar in der Weise, daß die Ergebnisse seiner Forschung in weitem Umfang durch wörtliche Mitteilungen aus seinen Quellen ergänzt werden, die ihm seine Bibliothek in einzig­ artiger Weise zur Verfügung stellte. Das achte Buch berichtet von der diokletianischen Verfolgung und ihrem gottgefügten Ende: es schließt mit dem Toleranzedikt des Galerius vom Jahre 311. Im Jahre 312 ist diese erste Auflage erschienen. Aber schon drei Jahre später (315) gab Euseb eine neue Be­ arbeitung heraus: darin wurde Buch 8 um die Schilderung der Tyranneien des Maxentius und des Maximin erweitert2 und in einem neuen, neunten Buch der Untergang der beiden Christen­ verfolger erzählt. An das Ende trat eine Urkundensammlung2. Eine dritte Bearbeitung erschien 317 und bereicherte das Werk um einige Ergänzungen und um die Festrede, die der Verfasser bei der Einweihung der Basilika in Tyrus gehalten hatte2. Endlich kam zur Zeit des nicänischen Konzils 325 die Ausgabe letzter Hand heraus. In ihr wurden die Erwähnungen des 324 geächteten Licinius gestrichen und dafür die Geschichte seines Untergangs an­ gehängt (10,8—9). Die Urkundensammlung der zweiten Auflage und einige Ergänzungen der dritten mußten wieder verschwinden5. Das Werk hat sofort einen derartigen Erfolg gehabt und ist so oft abgeschrieben worden, daß die uns erhaltenen Kodizes noch die Spuren seiner frühesten Schicksale tragen und dem Scharfsinn eines *) Euseb, KG 1, 1, 1. ’) KG 8, 13, 12—15,2. 3)4KG 10,5—7. 4) KG 8 p. 796—797 Schwartz und KG 10,1—4, wonach 5—7 folgten. 5) Ge­ tilgt wird also Buch 8 p. 796—797 und 10,5—7.

161

Eusebius

genialen Kritikers die Geschichte der verschiedenen Ausgaben ent­

hüllt haben \ Es versteht sich von selbst, daß auch diese eindrucks­ volle Zusammenfassung geschichtlichen Stoffes eine theologische Ab­ sicht verfolgt: sie soll den Beweis der Tatsachen für die göttliche

Führung der Kirche erbringen und mündet deshalb auch trium­ phierend in den von den Märtyrern der jüngsten Gegenwart ge­ lieferten und mit Erfolg gekrönten Kampf aus. Und die mit be­

sonderer Liebe gezeichneten Bilder des alexandrinischen Dionys und vor allem des Origenes bringen dem Leser zum Bewußtsein, daß der Sieg des Christentums keinen Sieg der Unblldung bedeutet, sondern einer Veredelung des gesamten geistigen Lebens die Wege ebnet. Die ganze Persönlichkeit des Euseb ist eine Verkörperung dieses Gedankens einer welterobernden christlichen Kultur: darum erscheint ihm auch die Politik Konstantins als die Erfüllung seiner höchsten Hoffnungen. Und folgerecht stellt er sich und seine Feder bedingungs­ los in den Dienst dieses Kaisers, der ihm wirklich und wahrhaftig als von Gott beauftragt erscheint. Konstantins Monarchie ist das irdische Abbild der göttlichen Weltregierung, die Widerlegung alles polytheistischen Irrtums, die Ausbreitung und Verteidigung der Herrschaft des Logos auf Erden gegen alle Widerstände der Barbaren und DämonenSo preist er ihn feiernd zum dreißigjährigen

Regierungsfest, so hat er des Toten Lebenswerk in vier Büchern beschrieben, die ein einziges leidenschaftliches Bekenntnis zu dem Idealbild einer christlichen Weltmonarchie sind. Diesem großen Gedanken gegenüber erscheint alles Kleinere gleichgültig. So werden die arianischen Kämpfe nur im Dorüber­ gehen berührt: er sieht in ihnen keine innere Notwendigkeit, keinen Zusammenstoß echter Gegensätze — wie er so manchen Kampf der Vergangenheit beurteilt hat —, sondern ohnmächtige Versuche des Teufels und seiner Dämonen, noch im letzten Augenblick Haß und

x) Ed. Schwartz in seiner großen Ausgabe Dd. z S. Xl.vn-l.xi. 2) Euseb, Trtennatsrede i. 2.5. 7. 10. N. H. Baynes in Mslanges Bibel (1933), 13—18. Ltetzmann, Gesch. d. Alten Kirche 3.

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IÖ2

6. Der Geist der Konstantinischen Zeit

gleit)1 in die sich vollendende Einheit von Staat und Kirche zu

säen und das Friedenswerk des großen Kaisers zu stören. Literarisch ist er in diese Streitigkeiten mit jwei Schriften ein­ getreten, die sich gegen Marcell von Ankyra richten, einen Mann, von dem noch später ju reden sein wird. Euseb vertritt, wie es sich für einen Origenisten jiemt, die Lehre von zwei Hypostasen gegen­ über dem „Sabellianer", obwohl er gelegentlich auch von der Un­ begreiflichkeit des Sohnesgeheimnisses ju reden weiß2. Er hat auch

gegen Eustathios von Antiochia geschrieben3, was schnell vergessen worden ist. Stärkeren Eindruck hat seine „Theophanie" gemacht, obwohl darin das Nachlassen der theologischen Produktionskraft deutlich zu spüren ist. In fünf Büchern stellt er ein Kompendium christlicher Theologie als Werbeschrift für die gebildeten Laien zu­ sammen. Den Stoff entlehnt er vornehmlich seinem großen Doppel­ werk, das Ziel ist letztlich^ Verständnis für das in Konstantin

offenbarte Gotteswerk der Welterneuerung zu wecken4 und dadurch die Unschlüssigen zur Kirche zu führen. 3n einer kleinen, Konstantin,

gewidmeten Schrift aus dem Jahre 335 sind die Grundgedanken noch einmal wirkungsvoll zusammengestellt und die Bauten der Jerusalemer Grabeskirche als Symbol der von Gott eingegebenen kaiserlichen Missionsaufgabe gewertet. Alle Altersschriften des Euseb haben denselben Mittelpunkte Konstantin. Er hat seinen Kaiser höchstens um drei Jahre über­ lebt, immerhin lange genug, um zu spüren, daß den Söhnen das Erbe des Vaters schwer auflag. Mit ihm schied der geistliche und geistige Herold der konstantinischen Zeit aus der Welt, zugleich ihre bedeutendste theologische Persönlichkeit. Euseb ist in dieser Periode der Verwalter des origenistischen Erbes, und er hat dieser Pflicht in anständiger Weise genügt. An ihm gemessen sind die älteren Schüler des großen Alexandriners nur kleine Leute. Das gilt auch-

für den „Wundertäter" Gregor, den Bischof von Neocaesarea am x) Euseb, vita Const. 2, 61,3 2,73 3,1,1 3,4 4,41, i. eccl. theol. i, 20 2,7 (S. 85s. 104 Klostermann). 3) s. 0. S. 113. Theophanie S. 134s. Greßmann.

2) Euseb,. 4) z.

Eusebius. Gregor der Wundertäter. Methodios

16z

Schwarten Meer, dessen literarischer Nachlaß, abgesehen von der Dankrede an Origenes*, nnbedentend und unsicher ist, der aber

als tatkräftiger Bischof und menschenkundiger Seelsorger2 seiner Diözese großen Segen gebracht hat. Und der Bischof Methodios vom lybischen Olympos hat zwar eine ziemlich große Zahl von Schriften verfaßt, die teils im Ur­ text, teils in slawischer Übersetzung erhalten sind, aber ihr literarischer und theologischer Wert ist bescheiden3. „Gastmähler" sind seit Plato eine beliebte Form literarischer Einkleidung, und so läßt denn auch Methodios zehn Jungfrauen ein Gastmahl mit Gesprächen über

die Keuschheit würzen. Warum nicht? Wenn Plato seine Gäste über den Eros reden läßt, können christliche Mädchen auch über die Keuschheit reden. Aber leider ahmt Methodios den Plato so sichtlich nach, daß der kundige Leser das Gegenstück immer vor sich sieht, und verbessert das Original durch allegorische Spielereien:

die Mädchen müssen erst den aus der Stoa bekannten stellen Berg

hinanklimmen, um in den Garten ihrer Gastgeberin, der Arete

(d. h. der Tugend), Tochter der Philosophia, zu gelangen: und dann setzen sie sich zum Mahle ausgerechnet unter einen Keuschlammbaum. Was nun folgt, ist natürlich kein Gespräch mit Rede und echter Gegenrede, sondern alle sind einer Meinung und singen den Preis der Jungfräulichkeit mit reicher biblischer Begründung, bei der

Allegorie nicht gespart wird, bis sie sich am Ende zu einem Hymnus

vereinigen, der uns mehr um seiner Form als um seines Inhalts willen von Bedeutung ist. Auch in anderen Schriften kehrt die platonische Einkleidung

wieder, am besten in dem Dialog von der Auferstehung des Fleisches, der sich gegen den Spiritualismus des Origenes wendet und für die realistische Auffassung des Gemeindeglaubens biblische und philo­ sophische Gründe beibringt. Die Hexe von Endor hat Methodios !) s. Bd. 2,315. 2) Vgl. seine Epistula canonica bei Lagarde, Reliq. iur. eccl. ant. graece p. 60—63. a) N. Donwetsch, Die Theologie des Methodius (Gött. Abh. NF Bd. 7 Nr. 1). Ausgabe der Schriften von Donwetsch 1917. 11*

i64

6. Der Geist der Konstantmischen Zeil

auch gegen die Deutung des Origenes beschworen und damit dem Eustathius* vorgearbeitet. Aber trotzdem lebt er von dem Reichtum

des Meisters, auch wenn er ihn bekämpft. Er will nur der kirch­ lichen Tradition zu ihrem Recht verhelfen und sucht unter diesem Gesichtspunkt die alexandrinische Theologie dem Durchschnitts­ glauben anzupassen: was doch nicht ohne Verstümmelung abgehen konnte. Aber die meisten Bischöfe jener Generation, soweit sie über­ haupt wissenschaftlichen Denkens fähig waren, werden dasselbe Be­

dürfnis verspürt haben, und Methodios ist uns eben darum der wertvolle Repräsentant einer Zeitströmung, in der bei genauerem Zusehen auch Eusebius steht. Die Vereinigung des Christentums mit der von Plato befruchteten Geistigkeit ist beiden Männern in gleicher Weise Herzenssache. Methodios ist aber den meisten seiner Zeitgenossen dadurch voraus, daß er seinen Plato wirklich durch eigenes Studium kennt. Seine schriftstellerische Tätigkeit — er starb zu als Märtyrer — wird durch die des Euseb abgelöst, der allein die griechische Literatur der konstantinischen Zeit repräsentiert. Porphyrins war schon 304 gestorben, und sein Nachfolger Jam-

blichos3 ist erst den Männern der kommenden Generation ein geistiger Führer und Seelsorger geworden. Und in dieser nachkonstantinischen Periode steigt das außerchristliche Schrifttum der Griechen wieder zu beachtlicher Höhe empor, freilich unter scharfem Wettbewerb des nun breit ausladenden Schaffens der Christen. Auf lateinischem Sprachgebiet ist die führende Stellung der Christen nicht weniger deutlich. Eine Reihe von Biographien römischer Kaiser von Hadrian bis Nvmerianus (117—284) will unter Dio­ kletian und Konstantin nach dem hochberühmten Vorbild Suetons geschrieben sein: aber in Wirklichkeit tragen die mehr oder minder braven Verfasser Masken, und ihre kläglichen Erzeugnisse dürften der Zeit Julians aufs Schuldkonto zu setzen sein3. Erheblich höher

stehen die „Panegyriker", deren uns aufbewahrten Festreden zu Ehren der Kaiser wir manche wertvolle Mitteilung entnommen haben; *) f. 0. S. 113. (1926).

*) s. S. 243f.

3) N. H. Baynes, The historia Augusta

Arnobius

165

aber wie klein sie in Wirklichkeit sind, bemerkt man beim Vergleich ihres Schrifttums mit dem großen Stil, in dem Cuseb seinen Kaiser geschildert und gefeiert hat. Eine sehr charakteristische Erscheinung der Zett ist der Afrikaner Arnobius, der als Lehrer der Beredsamkeit einen guten Ruf hatte und eiftiger Heide war, bis er durch ein Traumerlebnis bekehrt wurde. Aber der Bischof mißtraute dieser plötzlichen Wandlung des bekannten Christenfeindes \ und so schrieb der Bittsteller als Zeugnis seiner guten Gesinnung in aller Eile sieben Bücher „gegen die

Heiden". Da kommen nun freilich nur sehr unklare Vorstellungen vom Christentum jutage. Die Bibel ist ihm noch ganj unbekannt, und von Christus weiß er nur nach dem Hörensagen Wunder aufjujählen. Aber eben diese Wunder sind ihm der Beweis für die Göttlichkett des Herrn: er wirkte sie ohne materielle Hilfsmittel, während die heidnischen Götter ihre Wunderheilungen unter An­ wendung von Medijin verrichten, also im Grunde nicht anders wie menschliche Arztes Darüber hinaus hat Christus aber seine Wunderkraft sogar an seine Jünger weitergegeben. Arnobius blickt

mit Beschämung auf die Zeit seines heidnischen Irrtums zurück, «0 er noch göttliches Wesen in Bildern und Statuen, in heiligen Bäumen und gesalbten Steinen verehrte, und huldigt voll Dankbar­ keit dem großen Lehrer Christus, der ihn auf die Pfade der Wahr­ heit geführt hat. Selbstverständlich wird dem Leser die Skandal­ chronik der Mythologie nicht erspart, und der heutige Religions­ forscher freut sich, aus Arnobius die gelehrte Weishett des Platonikers Cornelius Labeo über römische und etruskische Religion entnehmen zu können.

Wir spüren durch all die grobe Polemik hindurch die Dankbar­ keit des Arnobius, daß er von dem lastenden Druck der mit alle-

gorisierender Philosophie seltsam gekoppelten primitiven Natur­ religiosität erlöst ist und sich in reinere Lust gerettet weiß. Die

Unsterblichkeit, das „Heil der Seele", welches die Menschhett auf *) Hieronymus, Chronik Olymp. 276,3 p. 231 Helm. genteS 1,48—50 1,39,

2) Arnobius abv.

i66

6. Der Geist der Koostantinischen Zeit

so vielen wunderlichen Pfaden sucht, findet er in der Hoffnung

auf Christi erwiesene Macht sicherer begründet als in den Speku­ lationen der Philosophen und den Operationen der Theurgen. Die Schrift des Arnobius ist uns ein wertvolles Zeugnis für die innere Verfassung eines Menschen, der eben erst den Übergang zum Christentum vollzogen hat. In ihm ist noch die Fragestellung der alten Religiosität lebendig, die nur unbefriedigender Antwort

begegnete, und wir erfahren genau, warum er Christ geworden ifl1. Der Wunderbeweis überzeugt ihn, daß Christus wirklicher Gott ist; vom höchsten Gott in die Welt gesandt hat er ein mensch­ liches Äußeres angenommen und in Menschengestalt die Unsterblich­ keit verheißen allen, die seiner Weisung folgen2. Das ist die ganze Theologie des Arnobius. Gleichzeitig mit ihm wirkte und schrieb der etwas jüngere Laktantius, der sogar seinen rhetorischen Unterricht genossen hat, aber weit über den Lehrer hinausgewachsen ist. Ein hungriger Schul­ meister ist er freilich sein Leben lang gewesen3, aber seinen Cicero hatte er in Kopf und Herz, und Latein schreiben konnte er besser

als irgendeiner der Literaten der Kaiserzeit. Diokletian hat ihn zur Übersiedelung nach Nikomedia veranlaßt, aber auch dort war sein

Verdienst kümmerlich, da man in der griechischen Stadt nur wenig Sehnsucht nach lateinischem Unterricht verspürte. Die diokletianische Verfolgung trieb ihn schließlich doch wieder nach Westen, wo ihm endlich ein spätes Glück blühte. Konstantin, dem er sein Haupt­ werk gewidmet hatte, übertrug dem Laktanz die Ausbildung seines jungen Sohnes Crispus im Lateinischen — es ist zu vermuten, daß er dadurch zugleich seinen Lebensunterhalt sicherte. Auch dieser Mann ist erst in späteren Jahren Christ geworden, und das Erlebnis des inneren Umschwungs gibt seiner Schrift­ stellerei ihre Kraft. Er ist nicht weniger als Arnobius ein Typus der Geistigkeit seiner Zeit, aber ein sehr viel kultivierterer, sowohl *) A. D. Nock, Conversion (Oxford, 1933) p. 257—259. 2) Arnob. I, 42. 53.60. 62. 2, 32—34, 60.65.66. 78. 3) Hieron. vir. inl. 80, chron. Olymp. 274, 2 p. 230 Helm.

Laktantius

167

an sprachlicher Form wie an gedanklichem Inhalt. Auch er ist Christ

geworden, weil diese Religion ihm das höchste Gut, die Unsterblich­ keit verbürgt, die keineswegs eine natürliche Eigenschaft der Seele

ist, sondern als Lohn für tugendhaftes Leben verdient werden »iß1. Zwei Wege stehen dem Menschen frei: der eine führt durch irdische Freuden und Bequemlichkeit aller Art in die Hölle, der andere durch ständigen Kampf und viel Entsagung zum Himmel2. Man kann die Pflege der Tugenden als den einzigen wahren Gottes­

dienst dem Opferkult der Heiden gegenüberstellen und besser als die Philosophen die christlichen Tugenden bestimmen. Das erste Gebot

Heißt Gott recht erkennen, ihm allein gehorchen, ihn allein verehren. Das andere richtet unsern Blick auf die Menschen und fordert Barm­ herzigkeit oder „Humanität", d. h. diejenige Weise der Gerechtigkeit, welche die menschliche Gesellschaft erhält3. Sie tritt vornehmlich in die Erscheinung als Gastfreundlichkeit, Loskauf von Gefangenen, Unterstützung der Witwen und Waisen, Krankenpflege und Sorge für die Bestattung fremder und mittelloser Toten4. Auch Almosen­ geben ist nützlich und dient zur Tilgung -er Sünden, denn niemand kann frei von Sünde sein, solange er das Kleid des Fleisches trägt. So gibt es eine dreifache Stufenreihe der Gerechtigkeit: die „aus­ reichende" ist frei von bösen Taten, die „vollendete" auch von bösen Worten, wer aber auch der bösen Gedanken stch zu enthalten weiß, hat den höchsten Gipfel, die Ebenbildlichkeit Gottes, erreicht3. Niemand möge sich durch so hohe Anforderungen abschrecken lassen: es ist im Grunde ganz leicht, ein guter Mensch zu sein und das Ziel der Gerechtigkeit zu erfassen, man muß nur wollen. Aber freilich, eine Voraussetzung ist unerläßlich, das ist die Lossagung vom Polytheismus. Solange der Mensch im Banne des Un­ glaubens und damit des Teufels und seiner Dämonen bleibt, kann et echte Tugend nicht gewinnen ®. Die Gesamthaltung des Tugend­

haften gegenüber der Welt ist eine negative, Verzicht auf dieses zeit-

*) Lact. inst. 7, 5,20 7,6,1 7, 8, 1. 2) Lact. inst. 6, 3—4. 3) eb. 6,9, i 6,10, i—2 6,12,1. 4) ebb. 6, i2,5.15. 21.24.25. 6) ebb. 6,13. ’) ebb. 5,8, i—6.

168

6. Der Geist der Konstanliaischen Zeit

liche Leben in Erwartung des ewigen, Verachtung des Leibes zu­

gunsten der Seele, freudige Hingabe irdischen Gutes, das doch nur das Herz mit Fesseln belastet. Und aus eigener Lebenserfahrung

schreibt er, daß Armut und Entbehrung den Menschen stählen und für die Tugendübung empfänglich machen x. Der Mensch ist nun einmal wie Adam ein Gemisch von Gut und Böse, und wenn das nicht so wäre, so gäbe es gar keine wirkliche Tugend, die doch nur im

Kampf bewährt werden kann2. So hat einst Gott vor der Weltschöpfung „einen ihm ähnlichen Geist" als seinen Sohn von sich ausgehen lassen und danach einen andern, der die göttliche Anlage nicht bewahrte und zum Bösen sich

wendend der Teufel wurde: der eine Gottes rechte, der andere seine linke Hand. Dasselbe Auseinandertreten von Gut und Böse wieder­ holte sich bei den Engelscharen und Dämonen2. Dann schuf Gott durch seinen erstgeborenen Sohn die Welt aus dem Nichts, in deren Gegensätze dieser Sohn, der Logos, berufen war, als Lehrer und Künder des göttlichen Geheimnisses einzugreifen3. Zu diesem Behufe wurde er noch einmal geboren, diesmal im Fleische und in Menschen­ gestalt, aber von einer Jungfrau, und doch mit sündigem Fleisch behaftet, das er erst unter den Händen des Johannes im Jordan rein wusch4. So trat er unter die Menschen als „Lehrer der Tugend und Gerechtigkeit — immer wieder3 gibt Laktanz ihm diesen Namen — äußerlich ihnen gleich, als sterblicher Mensch die Sünde überwindend, damit an seinem Beispiel die Menschen lernen sollten, daß die Sünde überwindlich sei. Er hat der Menschheit, als Gott und Mensch zugleich, den Weg zur Tugend und durch sie zur Unsterblich­ keit eröffnet und gewiesen4. Laktanz sieht das Wesen des Christentums in der moralischen Erlösung durch den gottgesandten Lehrer, und in breitester Aus­ führung legt er den heidnischen Lesern, für die er schreibt, diese Dinge

*) Lact., Inst. 4,28,1 6,12,36 7, $, 25 7,27,1 7,1,17. 2) ebb. 7,5 Anhang p. 602s. Brandt 2,8 Anhang p. 130s. s) ebb. 2,8,3—8 4,8,7—8. 4) 4,11,14 12,1 15,2. *) t- B. 4,8,8 4,11,14 4,i3,i 4,i6,4 4,24, 12.15. •) Inst. 4,24,10—25,10.

kaktarttius

169

dar. Er beweist ihnen seine Thesen mit Vorliebe ans antiken Autoren,

Cicero steht an der Spitze, Vergil ihm zur Seite, aber auch die Sibylle und Hermes Trismegistos werden gern als Zeugen an­ gerufen, und mit rhetorischer Eleganz reiht er seine Zitate aus Römern und Griechen aneinander und stellt sie neben die Zeugnisse der biblischen Propheten, deren Weissagungen einen breiten Raum

einnehmen. Er weiß wohl, daß Minucius Felix, Tertullian und Cyprian zugunsten des Christentums geschrieben haben, und kritisiert sie mit geschickt formuliertem Lob: es drückt ihn doch schmerzlich, daß ein gebildeter Heide über Cyprian spotten konnte, es sei schade, daß ein so feiner Geist sich an solche Ammenmärchen verloren habe. Aber das erscheint ihm als unausweichliche Folge davon, daß die ge­ nannten Männer eigentlich doch nur für Christen verständlich ge­ schrieben haben. Er will das anders machen und den beiden soeben beim Beginn der diokletianischen Verfolgung aufgetretenen anti­ christlichen Schriftstellern, einem unbekannten Philosophen und dem uns bekannten Statthalter Hierokles, so erwidern, daß zugleich alle anderen Christengegner mitgetroffen werden, weil die Antwort nicht negative Abwehr, sondern positive Darstellung auf Grund klarer

verstandesmäßiger Beweise ist2. Wir könnten hier Haltmachen und würden das uns nicht eben

fremde Bild eines Christen vor uns haben, der in dem neuen Glauben die Verwirklichung seines antiken Bilbungsideals gefunden hat — wenn nicht der Abschluß seines Hauptwerkes uns eine Tür zu einer verborgenen Seelenkammer öffnete. Eben hat er noch in gewohnter Weise den Unsterblichkeitsglauben mit Cicero und Hermes Tris­ megistos gegen Lukrez erwiesen, da fährt er fort: nun müsse er auch darlegen, wie und wann diese Unsterblichkeit dem Menschen zuteil

werde2. Und nun hebt ein Bild der Endzeit an, das mit allen Farben der johanneischen Apokalypse ausgemalt und um einzelne Züge aus sibyllinischen Orakeln, Daniel, Hysiaspes8 und sonstige Apokalyptik

*) 3nfl. 5,1, 22—28. $, 2,1—3, 26 5, 4, 1—7. ') s. Bd. i S. 76.

*) Inst. 7,14, iss.

170

6. Der Geist der Konstantinischen Zeit

bereichert ist. Da haben wir die Berechnung der danielischen Jahr­ woche auf 6000 Jahre wieder, das tausendjährige Sabbathjahr mit der Herrschaft Christi auf der ju einem paradiesischen Wundergarten erblühenden Erde, und dann den letzten Endkampf mit der Vernich­ tung alles Bösen und der Neuschöpfung von Himmel und Erde. Und all diese Dinge werden den heidnischen Lesern als klares, aber den Christen vorbehaltenes Wissen mitgeteilt. Laktanz knüpft ganz nüchtern an die geschichtliche Erfahrung an: er weist auf die Gegenwart hin, in der Unrecht und Bosheit schon

die höchsten Gipfel erreicht haben \ und rechnet dann aus, daß nach etwa 200 Jahren? der Zeitpunkt gekommen sein wird, wo die sittliche Verkommenheit der Menschheit noch darüber hinaus bis zur absoluten Vollendung fortgeschritten ist. Dann wird das

römische Reich — entsetzlich zu denken — von der Erde verschwinden und ein asiatischer Tyrann die Herrschaft des Orients über das versklavte Abendland mit barbarischer Grausamkeit ausüben. Man braucht nur die Geschichtsbetrachtung des Seneca fortzusetzen 8, um zu begreifen, daß das römische Reich mit dem Aufkommen der Monarchie ins Greisenalter eingetreten ist: was Wunder, wenn dem Greisenalter eines Tages der Tod ein Ende macht? Es ist die Weltuntergangsstimmung des Apokalyptikers, die uns aus dem Munde des bisher so klaren, so verständigen Laktanz entgegeaklingt: und sie belehrt uns, daß dieser Mann doch nicht bloß der kühle Verstandesmensch war, als der er sich bisher gegeben

hat. Die Schrecken der Verfolgungszeit zittern in seiner Seele nach und öffnen sie den Bildern einer grenzenlosen Sehnsucht nach einer lichten Zukunft, die nicht von dieser Welt ist. Es hat sich ihm doch

noch eine freundliche Gegenwart aufgetan, und als Konstantin dem Christentum des Westens Frieden brachte, hat Laktanz eine Neu­ bearbeitung seiner Institutionen ihm als dem berufenen „Diener" des höchsten Gottes gewidmet4. Und dann ist er in seiner Schrift vom Sterben der Christenverfolger zum Geschichtschreiber des Um#

*) Inst. 7,15, 7. 2) ebb. 7, 25,5. 3) ebb. 7,15,16—17. *) ebb. p. 4 ttnb p. 668 9lnm. (eb. Sranbt); b«ju p. 95,13 177,3 274,3 485,6.

LaktantmS

171

bruchs der Zeiten geworden. Hier wächst die Leidenschaftlichkeit seiner Sprache mit der Erhabenheit des Gegenstandes. Denn Laktanz ist sich bewußt, zum Zeugen eines welterschütternden Gottes­ gerichtes berufen zu sein: und er ist seiner Aufgabe, so wie er sie erfaßte, auch wirklich gerecht geworden.

Die Spekulationen über das tausendjährige Reich am Ende der Geschichte, wie wir sie im letzten Buch der Institutionen finden, sind nun aber keineswegs eine wunderliche Seltsamkeit des Laktanz, sondern gehören zu den charakteristischen Zügen des abendländischen Christentums, welche aus dem Dorstellungsgut der Frühzeit treulich in spätere Jahrhunderte hinübergerettet sind, während der Osten unter dem Einfluß einer aufklärenden Wissenschaft und im Kampf gegen den Montanismus diesen „Chiliasmus" früh überwunden hat. Dementsprechend ist auch die johanneische Apokalypse bei den orien­ talischen Theologen unbeliebt und weithin aus dem Kanon der Kirche verschwunden, während sie im Abendland allenthalben be­ gegnet. Es ist ganz bezeichnend, daß uns von dem ganzen Schrifttum des ersten lateinischen Bibelerklärers, des 304 als Märtyrer ge­

storbenen Bischofs Viktorin von Pettau in der Steiermark, nur ein in chiliastische Gedanken ausmündender Kommentar zur Apo­ kalypse erhalten ist, übrigens ein dürftiges Buch, das uns den Verlust der übrigen Werke dieses Autors erträglich finden läßt. Sein positiver Wert besteht nicht in dem Reichtum theologischer Ge­ danken, sondern in der altertümlichen Gestalt des hier zu Worte

kommenden Christentums. Wenn wir bei Laktanz * und noch lange nach ihm die Klage hören, daß die biblischen Bücher wegen ihrer uneleganten Sprache

so schwer Eingang bei den Gebildeten fänden, so gewinnen wir Ver­ ständnis für die Versuche, diesem Übelstand durch Verbesserung der Form abzuhelfen. Es gehört zu den Charakteristika der konstantinischen Zeit, daß der spanische Presbyter Juvencus die evangelische

Geschichte nach Lukas und Matthäus in Verse brachte: wer daran

*) Lact. Inst. 5,1,15.

172

6. Der Geist der Konstanüntschen Zeit

Geschmack fand, konnte nnn die Botschaft von Jesus in gut ge­ formten virgilischen Hexametern genießen — und es haben viele Leser von einem Jahrhundert zum andern sich an dieser erste» größeren Leistung lateinischer Christenpoesie erfreut, wie durch Alter und Zahl der erhaltenen Handschriften anschaulich bezeugt wird. Einen Homer hat Konstantin so wenig gefunden wie der große Alexander: dafür hat ihm aber das Schicksal einen poetischen Hof­

narren beschert, den er selbst freilich dem Geschmack der Zeit ent­ sprechend ziemlich ernst genommen hat. Wir haben noch das gnädige Schreiben, in dem sich der Kaiser für die Widmung von Gedichten bedankt, die ihm aus der Feder des Optatianus Porphyrius zu­ gegangen sind \ Das muß ein vornehmer Mann von hohem Rang gewesen sein, da ihn der Kaiser mit der ungewöhnlich vertraulichen Anrede

„lieber Bruder" beehrt, und wir finden ihn wirklich auch 329 und 333 im Amt eines Stadtpräfekten von Rom. Aber in der Mitte der zwanziger Jahre ist er einmal in Ungnade gefallen und verbannt

worden, und nur seine jetzt in der Bitte um Begnadigung gipfelnde2 Dichtkunst scheint ihn gerettet zu haben: und das mit Recht, denn was er konnte, hat kein Dichter vor ihm geleistet. Er verstand es, Verse mit gleicher Buchstabenzahl zu machen, die

man in Form eines Quadrates oder Rechtecks untereinander setzen konnte: aber dann ergaben die durch rote Tinte hervorgehobene» Anfangs- und Endbuchstaben der Zeilen auch wieder einen Vers, oder man konnte die Worte jeder Zeile mit gleicher Wirkung von rückwärts lesen. Aber noch mehr: die Gedichte wurden auf Purpur geschrieben, wohl mit silberner Tinte; und manche Buchstaben wurden durch Gold ausgezeichnet: wenn der Leser die so ent­ stehende» Goldreihen für sich las, klang ihm wieder ein Vers oder ein ganzes Gedicht entgegen, und diese Goldlinien blldeten unter sich Figuren wie Teppichmuster, aber auch ein Christusmonogramm, *) R. Optatiani Porfyrii carmina ed. E. Klage 1926. 1,15 2, ZI.

2) Vgl. carm.

Porphyrins Optatianus

173

ein Schiff, oder gar eine Hnldignngsformel; ja wenn es ganz hoch kam, so ergaben die Goldbuchfiaben ein griechisches Gedicht. Einst hatten alexandrinische Poeten in spielerischer Laune Hirten­ flöten und Erosflügel aus Versen gebildet: jetzt waren sie weit über­ troffen von einem Derskünstler, der unmöglich Scheinendes zur Wirklichkeit machte. Die Dichtung war zum raffinierten Kunst­

handwerk geworden und hatte den Geist aufgegeben. Man ist ehrlich erstaunt, daß diese Gedichte überhaupt noch einen Sinn enthalten, wenn es auch freilich nur wottreiche Huldigung für den Kaiser, den Caesar Crispus und einen unbekannten Gönner Bassus ist. Und diese haben mit dem vorlieb genommen, was die Muse des vietten Jahrhunderts ihnen zu bieten noch fähig war. Die Nachwelt hat den Optatian noch lange bewundert, und wer es sich zutraute, hat ihn mit heißem Bemühen nachgeahmt: auch das muß in Rechnung stellen, wer dies Zeitalter werten will.

Die Epigonen. Konstantin hat das diokletianische Regierungssystem jerschlagen, weil er Alleinherrscher des ganzen Imperiums werden wollte: und

er hat sein Ziel erreicht, weil ihm zu dem eisernen Willen auch geniales Können und Glück und abermals Glück beschert worden ist. Das hat ihn zu einem der Großen in der Geschichte der Menschheit gemacht. Er ist sich einer göttlichen Führung auf seinem stolzen Lebenswege zu allen Zeiten bewußt gewesen und hat danach sich und andere beurteilt. Und darum ist ihm auch niemals zweifelhaft gewesen, daß seine Ausnahmestellung sich nicht vererben lasse, und daß es geraten sei, die Nachfolge im Regiment wieder nach Grundsätzen des klugen

Diokletian zu regeln.

Aber er zog aus den gemachten Erfahrungen die Lehre, daß die

Festigkeit des Systems und die notwendige Einheitlichkeit der Reichsführung nur durch die blutmäßige Einheit einer Dynastie gewährleistet werde, und so bestimmte er am i. März 317 zunächst ausschließlich seine Söhne zu Caesaren: den zehnjährigen Crispus und den einen Monat alten Konstantin, beide von Konkubinen geboren. Seine rechtmäßige Gattin Fausta schenkte ihm erst im Spätsommer dieses Jahres nach zehnjähriger Ehe einen Sohn Konstantius, der 324 die Caesarenwürde erhielt, und sechs Jahre später als letzten in der Reihe der Söhne den Konstans. Dieser wurde 333 zum Caesar ernannt, und dieselbe Rangerhöhung widerfuhr 335 dem Neffen des Kaisers, Dalmatius, dem Sohn des uns bereits bekannt­

gewordenen „Censors" von Antiochia; Crispus war 326 aus der Reihe der Lebendigen gestrichen Die Caesaren wurden, auch wenn sie noch Knaben waren, mit militärischen Kommandos betraut und zu Regenten eines Reichs*) S. 120.

2) Seeck, Untergang 4, 1—7 mit den Anmerkungen.

Erbteilung und Derwandtenmord

175

teiles ernannt, so daß ihre militärische vnd zivile Herrscherstellvng

den Untertanen von früh an eine Selbstverständlichkeit wurde, von der sich mit Recht eine Gewohnheitswirkung auch für die Zukunft erhoffen ließ. Und diese Erwartung trog nicht, ja es entwickelte sich ein dynastisches Gefühl, welches ungeahnt schroffe Wirkungen auslöste. Als Konstantin starb, sollte das Reich in vier Teile gehen: jv den

drei überlebenden Söhnen hatte der Kaiser noch Dalmatius als Regenten der Balkanhalbinsel gefügt \ und ein anderer Reffe, Hannibalianus, sollte im kappadokischen Caesarea als König von Armenien regieren. Die militärischen Kreise wollten von dieser Ausdehnung des dynastischen Gedankens nichts wissen und erkannten nur die Söhne des Kaisers als erbberechtigt an. Sie wurden am 9. September 337 als Augusti ausgerufen und vom römischen Senat feierlich bestätigt.

Die übrigen Thronanwärter wurden nach orientalischer Sitte un­ schädlich gemacht, indem man sie ermordete: ein anständiges Geleit angesehener Persönlichkeiten wurde ihnen im Tode mitgegeben. So kamen alle Brüder und Neffen Konstantins um, mit Ausnahme jweier Knaben, des zwölfjährigen Gallus und des siebenjährigen Julian, deren Vater, der Kaiserbruder Julius Konstantius, er­ mordet wurde. Konstantius hat das alles mit angesehen, ohne es hindern zu können, vielleicht auch zu wollen, und obwohl er den augenblicklichen Vorteil weidlich ausnutzte, hat er später schwere Gewissensbisse empfunden2. So ging das Reich in drei Teile: im Westen regierte Kon­ stantin II., Italien, Afrika und Griechenland bekam der fünfzehn­

jährige Konstans, den Osten samt dem Donaugebiet beherrschte Konstantius3. Dieser erbte mit der Krone des Orients auch den Perserkrieg, den Konstantin in den Monaten vor seinem Tode vor­ bereitet hatte, und wurde von dieser schweren Aufgabe die folgenden dreizehn Jahre hindurch dauernd in Atem gehalten, übrigens auch Anon. Dales. 35 in Chron. min. 1 p. n, Vict. epit. 41, 20, Consularia Cpolitana Chron. min. i, 235. 2) Seeck, Untergang 4, 29. Julian, epist. ad Athen, p. 27m (1, 349 ed. Hertlein). 3) Zonaras 13,5 p. 11 b c

176

7. Oie Epigone»

später immer wieder aufs neue gefesselt. So mußte er untätig zu­

sehen, wie die Dinge im Westen liefen. Dort hatte sich nämlich der junge Konstans keineswegs dem älteren Halbbruder in der erwarteten Weise untergeordnet und diesen schließlich so gereizt, daß er in die Pqebene einfiel und bis Aquileia

vordrang. Konstans war völlig überrascht und zog aus serbischem Gebiet dem feindlichen Bruder entgegen. Aber der Krieg war schnell entschieden. Konstantin geriet bei dem Versuch, einen gesperrten Alpenpaß zu stürmen, in einen Hinterhalt und fiel an einem Früh­ lingstage des Jahres 340. Sein Reich fügte Konstans dem seinen hinzu. Der von den älteren Brüdern nicht für voll gerechnete Junge war zu einem Jüngling herangewachsen, der wußte was er wollte, und der jetzt als der weitaus Mächtigere neben dem an der Euphrat­ grenze sich abmühenden Konstantins stand. Sein militärisches Können war in Kämpfen mit den Sarmaten erprobt und erwies sich in den nächsten Jahren auch am Rhein, an der Donau und in Bri­ tannien erfolgreich. Aber er blieb nicht in der Gunst der Soldaten, und die Zivil­ bevölkerung hatte unter seinem harten Regiment je länger je mehr zu leiden. Seine homosexuelle Leidenschaft, der er freien Lauf ließ, machte ihn verächtlich und brachte eine üble Gesellschaft in seine

Nähe. So welkten die Hoffnungen schnell, die man anfangs mit Recht an diesen jungen Fürsten hatte knüpfen können: er hat das reiche väterliche Erbe an dynastischer Autorität in einem Jahrzehnt

vertan. Um die gleiche Zeit ging der Krieg an der Ostgrenze unaufhörlich hin und her. Dreimal wurde Niflbis von den Persern monatelang, aber doch vergeblich belagert, einmal der Feind bei Singara im nördlichen Mesopotamien schwer geschlagen, Armenien kam wieder unter römischen Einfluß, und endlich hatten die Perser so viel eigene Sorgen an ihrer Nordgrenze, daß sie für eine längere Reihe von Jahren Ruhe gaben. Dadurch bekam Konstantius die Arme frei und konnte fich um die innere Not des Reiches kümmern. Er ist der einzige von den kaiserlichen Brüdern, den wir auch

Konstantia II. stirbt. Konstans und Konstantins

177

Persönlich genauer kennen, weil nicht wenige Zeitgenossen aus eigener Erfahrung von ihm berichten \ Er hatte vom Vater das

Eewußtsein übernommen, unter besonderem göttlichen Schutz zu -stehen, und dankte diesem glückhaften Geschick seine Erfolge: ja zu­

weilen bekam er auch seinen Schutzengel, wenn auch nur undeutlich, mir Augen zu sehen. Aber da weder seine geistigen noch seine körper-

Achen Mittel ausreichten, um dem Vater gleich die Hoheit der Kaiser­ würde ungezwungen von seiner Person ausstrahlen zu lassen, so brachte er in Haltung und Verkehrsformen eine steife und feierliche Unnahbarkeit zum Ausdruck, die von den gebildeten Zeitgenossen mit Behagen ironisiert wurde. Die Folge war aber zugleich eine Absperrung der kaiserlichen Person durch einen Ring von dienst­ baren Höflingen,- die seine Vertrauten waren und ihre Günstlings­ stellung rücksichtslos ausnutzten: einhellig tönt die Klage über die verhängnisvolle Cunuchenwirtschaft an seinem Hofe. Dabei war er selbst durchaus wohlmeinend und machte in seiner Weise Ernst mit den Geboten der christlichen Kirche, zu der er sich bekannte. Auch seine Kritiker2 bezeugen ihm, daß er die Sittlichkeit und die eheliche Treue gewissenhaft wahrte, eine schlichte Lebens­ haltung und strenge Körperzucht durchführte. Und er legte Wert darauf, als ein gerechter und milder Regent zu erscheinen, auch wenn sein Despotismus zu Grausamkeit und blutigen Gewalttaten fort­ schritt. Er besaß einigen rhetorischen und literarischen Ehrgeiz, und wenn auch seine eigenen Leistungen schwach waren, so hat doch diese Neigung den begabten Zeitgenossen ihre Wege geebnet und freundlich geschmückt. Aber den großen Aufgaben, die ihm sein kaiserliches Amt je länger desto mehr stellte, war er nicht gewachsen: weder im Osten, seinem ursprünglichen Reichsteil, noch gar in späterer Zeit, als ihm das Schicksal das Weltregiment seines Vaters auf die Schultern legte. *) Zeugnisse bei Seeck, Untergang 4,393 s. Dgl. sonst ebd. S. 29—39. H. Schiller, rSm. Kaiserzeit 2,245—249. Am. Marc. 21,16 gibt eine ausführ­ liche Charakteristik des Konstantins. 2) Am. Marc. 21,16, 5—7. 18. Aur. Siet. epit. 42,18. 19. Lteymann, Gesch.d. Alten Kirche 3»

178

7. Die Epigonen

Solange der große Konstantin die Zügel in der Hand hielt, konnten die aus der neuen Rechtsstellung der Reichskirche und dem erstarkten Machtbewußtsein der Kirchenhäupter hervorgehenden

Spannungen nicht jur ernsthaften Auswirkung kommen. Die un­ bequemen Bischöfe, an ihrer Spitze Athanasius, wurden vom welt­ lichen Arm in die Verbannung geschickt und dadurch unschädlich ge­ macht. Der Tod des Kaisers ändette die Lage sofort und löste den auf der Kirche lastenden Druck: das Reich zerfiel in drei Teile, deren Herrscher nur die Sorge für ihr eigenes Drittel als dringlich emp­

fanden und die Probleme des Gesamtreiches daher auch unter verengtem Gesichtspunkt betrachteten. Daraus ergab sich für die Kirche die gefährliche Möglichkeit, innere Gegensätze mit den politi­ schen Sonderinteressen der einzelnen Reichstelle gleichzuschalten und das Element der staatlichen Gewalt zur Lösung kirchlicher Fragen, zu benutzen. Die Kaiser und die Bischöfe sind dieser verführerischen Lockung gleichmäßig unterlegen. Kaum war die Nachricht von dem Tode des Kaisers in Trier angelangt, da hob auch schon der Kronprinz Konstantin die Ver­ bannung des Athanasius auf und entließ ihn mit einem amtlichen Schreiben1 vom 17. Juni 337 zu seiner Gemeinde. Wenn er darin erklärt, nur auszuführen, was sein Vater bereits beabsichtigt habe, so kann das richtig sein. Die Wendigkeit der konstantinischen Personal­ politik ist uns bekannt genug. Aber unter dem Regiment der drei. Söhne mußte die Wirkung dieses Gnadenaktes eine ganz andere sein, als sie es zu Lebzeiten des Vaters gewesen wäre. Und nicht nur Athanasius durfte zurückkehren, sondern auch die übrigen von Kon­ stantin verbannten Bischöfe: Maximin von Trier scheint dem Prinzen dazu geraten zu haben2, und Athanasius hatte Ursache, sich an der Großzügigkeit dieser Amnestie zu freuen. Konstantius mußte es einstweilen dulden, daß ihm von seinem Bruder die Rückkehr dieser Oppositionsmänner zugemutet wurde.

Vielleicht hoffte er auch, mit ihnen Frieden machen zu können. *) Athao. «pol. 87, 4—7. 2) Athan. hist. Ar. 8, vgl. Philostorg. 2,18^ epiff. synod. Orient. Sardic. 27,7 bei Hilarius 4,66 Feder.

Rückkehr der Verbannten

179

Jedenfalls hat er den heimreisenden Athanasius zweimal in Audienz empfangen, in Viminacium (Drastolatz bei Semendria) und — im kappadokischen Caesarea*. Wir sind erstaunt, daß Athanasius das mittlere Kleinasien be­ rührt, wenn er von Trier nach Alexandria reisen will. Aber wir er­ fahren auch, daß er erst am 23. November in seiner Heimat einge­ troffen, also volle fünf Monate unterwegs gewesen ist. Daraus

dürfte der Schluß zu ziehen sein, daß er die Reise benutzt hat, um an verschiedenen Orten persönliche Verbindungen anzuknüpfen, und die Richtigkeit dieser Annahme wird uns durch spätere Klagen seiner Gegner bestätigt *. Der Weg nach Kappadokien mag ihn über Ankyra geführt haben, wohin der abgesetzte Bischof Marcell nun auch hatte zurückkehren dürfen. So war in aller Stille, aber mit kluger Emsigkeit eine athanasianlsche Partei im Orient geblldet worden, ohne daß Konstantins es zu hindern vermochte. Und bald zeigten sich auch die Folgen der kaiserlichen Nachgiebigkeit. An allen Orten brachte die Rückkehr der Verbannten lebhafte Unruhe unter der Bevölkerung hervor2, es kam zu Gegenwirkungen von der andern Seite, und der alte Widerpart des Athanasius, Euseb von Nikodemia, übernahm sofort die Führung im Kampfe. Paulus von Konstantinopel wurde auf einer Synode abgesetzt: es müssen doch sehr schwerwiegende Anklagen gegen ihn vorgelegen haben, denn er wurde in Ketten abgeführt und nach Singara in Mesopotamien (westlich von Niniveh) verbannt ®. Sein Nachfolger wurde Euseb, der nun endlich den ihm gebührenden Herrschersitz er­ hielt und nicht ungern das bedeutungslos gewordene Nikomedia verließ4. Auch Marcell von Ankyra, Lucius von Adrianopel und Asklepas von Gaza wurden wieder des Landes verwiesen, und zwar ohne kirchliches Urteil durch kaiserliches Dekret. Die athanasianische

Partei des Orients war ihrer Führer beraubt, ehe sie überhaupt zum Bewußtsein ihrer Existenz hatte kommen können.

*) Ach. apol. ad Coust. 5. epist. syn. or. Sardic. 8 bet Hllarius 4, 54f. Feter. *) epist. syn. or. Sardic. 9 bei Hilarius 4,55 s. Feder. ’) Äthan, hist. Ar. 7; vgl. Schwartz, Gött. Nachr. 1911, 476s. 4) Socrates 2, 7. 12*

i8o

7. Die Epigonen

Gegen Athanasius selbst wurde der Angriff in größerem Umfang vorbereitet. Er hatte selbstverständlich in Alexandria sofort das

Kirchenregiment wieder fest in die Hand genommen und sich nicht erst um kirchliche Restitution durch eine Synode bemüht, da er ja das Absetzungsurteil von Tyrus nicht anerkannt, sondern durch Ap­ pellation an den Kaiser beantwortet hatte. Dies machte sich Euseb zunutze, indem er die kirchliche Verurteilung des Athanasius als

noch zu Recht bestehend avsah und daraus nun die lange auf­ geschobene Folgerung zog, daß man den erledigten Thron der ägyptischen Hauptstadt endlich besetzen müsse. Die „Eusebianer" erwählten einen gewissen Pistos für diese Stelle1, einen Mann, der einst zu den Anhängern des Arms gehört hatte und deshalb mit ihm von Bischof Alexander exkommuniziert worden war, und den später Sekundus von Ptolemars irgendwo als Bischof hingesetzt hattet Natürlich scharten sich um diesen alle oppositionellen Elemente, und die Kirchenspaltung in Alexandria war richtig or­ ganisiert.

Die unter der geistigen Führung des Euseb stehenden Bischöfe trafen sich von nun an mit einer gewissen Regelmäßigkeit in Antiochia, wo kein Metropolit mit eigenen Machtansprüchen die Führerstellung des Euseb bedrohte und andrerseits die häufige An­ wesenheit des Kaisers, der von hier schneller als von Konstantinopel aus an die stets bedrängte Persergrenze gelangen konnte, die für kirchliche Machtpolitik erforderlichen Voraussetzungen schuf. Hier ent­ stand im Winter 337/338 eine Anklageschrift gegen Athanasius, die allen drei Kaisern zugeleitet wurde, um den gefährlichen Mann

im Westen nicht minder wie im Osten unmöglich zu machen. Sie wies auf die unleugbaren Unruhen hin, die seine Rückkehr in Alexandria hervorgerufen hatte, klagten über die Verachtung der kirchlichen Normen, die sich der doch rechtmäßig abgesetzte Athanasius durch eigenmächtige Wiederaufnahme der Amtsgeschäfte habe T) Äg. Synodalschreiben bei Athao. apol. 19,2, Äulii epist. ebd. 24,1—3. Athan. enrycl. 6. 2) Urk.4a beiAthan. Zp.6,12 ed. Opitz, Urk.6ebd.p. 13,23.

Anklagen gegen Athanasius

181

zuschulden kommen lassen, und rückte schließlich auch mit einer

Anklage wegen Unregelmäßigkeiten bei Verteilung der kaiserlichen

Getreidespenden heraus1. Cs war den Bischöfen in Antiochia nicht unbekannt geblieben, wie großes Ansehn sich Athanasius während seiner Verbannung

im Westen erworben hatte, und daß zwischen Alexandria und Rom ein althergebrachtes Pietätsverhältnis bestand. So schrieben sie denn auch an Bischof Julius von Rom2, teilten ihm mit, daß der rechtmäßige Bischof von Alexandria jener Pisios sei, und daß Athanasius aus guten kirchlichen Gründen seine Stellung verloren habe. Dies Schreiben wurde durch eine besondere Gesandtschaft, einen Presbyter Makarios mit den Diakonen Martyrios und Hesychios, nach Rom gebracht. Zum Beweis-wurden die Akten der Synode von Tyrus und eine Kundgebung oppositioneller Bischöfe Ägyptens beigelegt. Aber Athanasius hatte davon erfahren. Er berief eine Synode nach Alexandria: achtzig Bischöfe kamen dort zusammen und legten

für ihren Führer Zeugnis ab. Das Synodalschreiben ist eine mit gewaltiger Rhetorik ausgestattete Rechtfertigung gegenüber allen Anklagen und wird unterstützt durch eine stattliche Reihe von bei­ gefügten Urkunden3. Und auch dieses Material hat eine Gesandt­ schaft von alexandrinischen Presbytern nach Rom gebracht: sie fand dort die Boten der Cusebianer bereits vor.

Und nun kam es zu einer dramatischen Szene, in der die eusebianischen Leute eine sehr schlechte Rolle spielten und den Athanasianern zu einem eindrucksvollen Sieg verhalfen. Als sie daraufhin bei Nacht und Nebel Rom verließen, um wettere peinliche Auseinander­ setzungen zu vermeiden, machten sie ihre diplomatische Niederlage vollständig4. Offenbar haben sie, in die Enge getrieben, irgendetwas T) Die Anklageschrift ist i» rekonstruieren aus Athan. apol. 3—19 und Sojvm. 3, 2, 8. Dgl. Schwartz, Gölt.Nachr. 1911, 480s. 2) Zu erschließen aus Julii epifi. bei Alhan. apol. 22—27. ’) Synodalschreiben erhalten bei Athan. «pol. 3—19; über die Urkunden vgl. Schwartz, GStt.Nachr.19n, 482s. 4) 2ulii epifi. bei Athan. apol. 22,3 24,1—3.

182

7. Die Epigonen

von Nachprüfung durch eine Synode vorgebracht, was dem Julius eine willkommene Handhabe für die Fortsetzung der Aktion bot. Er forderte beide Parteien auf, die Angelegenheit auf einer neuen Synode entscheiden zu lassen und einen geeigneten Ort dafür zu wählend

Aber die Orientalen hatten inzwischen Konsiantius völlig auf

ihre Seite gebracht und gingen nun mit Gewalt auf ihr Ziel los. Sie einigten sich in Antiochia darauf, den alexandrinischen Poste» neu zu besetzen: Pistos war offenbar unmöglich geworden und ver­ schwindet für uns spurlos*2. Nachdem Euseb von Emesa vorsichtig abgelehnt hatte3, wählte man einen Kappadokier namens Gregor, der von seiner Studienzeit her Alexandria kannte4. Zum Präfekten von Ägypten wurde der schon früher in dieser Stellung bewährte Philagrios wiederernannt3, und nun konnte sich Gregor unter militärischer Bedeckung nach Alexandria begeben. Es kam schon Wochen vorher zu wilden Szenen, als sich die Anhänger des Atha­ nasius gegen die Übergabe der Kirchen wehtten und mit blutiger Gewalt auseinandergesprengt werden mußten: die Kirche des Dionysios ist dabei samt dem anstoßenden Baptisterium in Brand geraten ®. Athanasius gelang es, sich eine Weile verborgen zu halten und so der Verhaftung zu entgehen, aber am 18. März entdeckte man seinen Schlupfwinkel in der Kirche des Theonas, und am nächsten Tage mußte er fliehen. Vier Tage später, also am 22. März 339, zog Gregor feierlich in Alexandria ein: und nun folgte noch bis hin zum Osterfest (15. April) eine weitere Reihe von Gewalttaten. Athanasius blieb in der Nähe verborgen und ließ sich alles getreulich berichten. Dann faßte er alle diese Dinge wirkungsvoll in einem leidenschaftlichen Rundschreiben zusammen, das er als x) Athan. hist. Ar. 9. encycl. 7. Julii epist. bei Athan. apol. 30,1. 2) Äthan, encycl. 6. s) Socr. 2,9. 4) Gregor Naz. or. 21,15 (1 p. 394 b Bened.). B) Schwartz, Gött. Nachr. 1904, 347. 6) Julii epist. bei Athan. apol. 29,3 30, i vgl. Socr. 2,8 (der die antioch. Synode aber falsch datiert). Athan. encycl. 2 f. hist. Ar. io. Dorbericht zu d. syr. Festbriefen 11 p. 30 Larsow.

Athanasius vertrieben (339). Gregor in Alexandria

183

flammenden Protest gegen solche unerhörten Greuel in die Welt schickte. Diese „Enzyklika" ist der Anfang seiner kirchenpolitischen Schriften, die von nun an die Ereignisse begleiten und mit einem Licht über­

gießen, das bis auf den heutigen Tag die um Aufdeckung des schlichten Tatbestandes bemühten Forscher zu blenden vermocht hat: ein kräftiges Zeugnis für die Macht der überragenden Persön­ lichkeit, die solche Wirkung auszuüben verstand. Bereits diese erste Broschüre ist auf den Grundton gestimmt, der von da an durch seine ganze Schriftstellerei vernehmlich hindurchklingt: Athanasius ist der Verfechter des reinen Glaubens, und seine Gegner sind vom Gift des Arius angefressen und kämpfen als blinde Ketzer gegen die christliche Wahrheit. Die Sache des alexandrinischen Pa­ triarchats ist Gottes Sache und muß deshalb den bösen Arianern ein Gegenstand des Hasses sein. Das bedeutet für die Praxis des Athanasius, baß er jeden Gegner, mögen seine Motive sein, welche sie wollen, als Arianer brandmarkt und auf diese Weise von vorn­ herein ins Unrecht setzt. Wir haben früher bereits gesehen, wie weit die Cusebianer da­ von entfernt waren, der Theologie des Arius beizustimmen, und welche guten theologischen Gründe ihre Abneigung gegen das nicänische Homousios hatte. Wir können auch in diesem Stadium -es Kampfes feststellen, daß ihre Vorwürfe gegen Athanasius auf rein kirchenpolitischem Gebiet liegen und jedes Übergreifen auf

theologische Erörterungen sorgfältig vermeiden. Und bei jedem Schritt vorwärts wird es deutlicher, daß das Ringen zwischen Euseb und Athanasius um ein letztes hierarchisches Ziel geht, näm­ lich darum, ob der Bischof von Alexandria oder der von Kon­ stantinopel Papst der orientalischen Kirche sein soll. Einstweilen war es Euseb gelungen, seinen Kaiser Konstantins vor seinen Wagen zu spannen — was bei dem großen Konstantin

undenkbar gewesen wäre. Wenn dieser unbequeme Bischöfe von ihren Sitzen entfernte, so geschah das im Interesse seiner Friedens­ politik, die zu allen hierarchischen Ansprüchen in vollem Gegensatz

184

7. Die Epigone«

stand. Sein Sohn Konstantins ließ sich, ohne es j» merken, zum

ausführenden Organ der eusebianischen Wünsche machen und be­ kam die Folgen nach einiger Zeit zu verspüren. Athanasius beschloß, nach Rom jv fahren, wo er auf treue

Unterstützung hoffen durfte: aber er hatte keine Eile und reiste auf mancherlei Umwegen, die ihm erwünschte Gelegenheit zu kirchen­

politischer Agitation bescherten \ Gegen Ende des Jahres mag er an seinem Ziele eingetroffen sein, wo er einen andern Verbannten, Marcell von Ankyra, als Leidensgenossen vorfand. Dieser gehörte zu den seltenen Leuten, die sich rühmen durften, in Nicaea als Schützer des Glaubens aufgetreten zu sein2, und das hatte ihn naturgemäß den übrigen Theologen des Orients verdächtig ge­

macht. Als er gar in einer Streitschrift des Jahres 335 dem euse­ bianischen Theologenkreis den Krieg erklärte und die origenisiische Denkweise angriff, trat nicht nur der caesareensische Euseb als lite­ rarischer Verteidiger auf den Plan, sondern die beleidigten Bischöfe stellten auch auf einer Konstantinopeler Synode fest, daß Mar-

cells Lehre ketzerisch sei, und entsetzten ihn seines Amtes3; die Amnestie des jungen Konstantin brachte ihn nur für kurje Zeit in die Heimat jurück. Er tadelte an den Gegnern die Lehre von zwei oder drei Göttern, d. h.die Verselbständigung des Logos und des Heiligen Geistes, die beide als eigene Persönlichkeiten neben Gott den Vater gesetzt wurden. Demgegenüber betonte er immer wieder die Einheit Gottes, die sich im Laufe der Heilsgeschichte, also in zeitlicher Be­ grenzung, zur Dreiheit entfalte, um dann wieder in den Zustand

der ursprünglichen Einheit zurückzukehren, wie denn auch Paulus bezeuge (1. Kor. 15,25), daß Christi Herrschaft ein Ende haben werde *. Diese Dreiheit sei aber keine wesenhafte, man dürfe nicht

von drei Hypostasen oder Wesen oder Personen reden, sondern *) Epist. synod. or. Sardic. 10 bei Hilarius 4,55s. Feder. Athan., hist. Ar. 11 apol. Const. 4. 2) Fragm. 129. Julii epist. bei Athan. apol. 23, 3 32,2. a) Sozom. 2,33. Fragmente des Marcell bei Euseb gegen Marcell ed. E. Kloster­ mann ©.185—215. 4) Fragm. 66. 67. 69. 76. 77. 80. 81; 112—114. 121.

Athanasius und Marcell in Rom

185

müsse sich bewußt bleiben, daß absolut gesprochen der Logos und Gott ein und dasselbe seien. Sohn und Geist sind ihm Wirkungs­ formen der einen Gottheit, die allein existiert und zumeist Vater genannt wird *x. Er führt wirklich das Beispiel an, das gelegent­ lich auch dem Paul von Samosata und dem Sabellius zugeschrieben

wird, daß nämlich Gott und der Logos sich verhalten wie ein Mensch und sein Logos, d. h. seine Vernunft oder Rede: der Logos ist nur eine Funktion des Menschen, und ebenso ist es bei Gott2. Dagegen kann man das vom Logos aus Maria angenommene Menschenwesen mit dem Apostel (Kol. 1,15) als „Abbild des un­

sichtbaren Gottes" bezeichnen, denn eben durch diesen Jesusleih wurde die Gottheit den Menschen sichtbar und andrerseits der Menschheit die Möglichkeit der Vergottung geboten3. Wenn wir von allen gelehrten Einzelheiten seiner Beweisführung absehn und nach der Grundhaltung seiner Lehre fragen, so ist deut­ lich, daß er den alten traditionellen Monarchianismus vertritt: es war ganz folgerichtig, wenn die Eusebianer ihn als Jrrlehrer ver­ urteilten, denn er stand auf gleicher Linie mit Sabellius und Paul von Samosata in der Bestreitung der Eigenperflnlichkeit des Logos. Darum vermochte er auch so leicht dem nicänischen HomousioS zuzustimmen — obwohl er in den erhaltenen Fragmenten das Wort nie gebraucht. Und andererseits war seine Verurteilung eine willkommene Gelegenheit, die Bedenklichkeit der nicänischen Formel wirksam zu demonstrieren. Julius von Rom nahm sofort eindeutig Stellung, indem er die beiden Flüchtlinge keineswegs als rechtskräftig Verurteilte be­

handelte, sondern in einem neuen Schreiben an die Orientalen

seine Aufforderung zur Nachprüfung der Anklagen auf einer Synode wiederholte: nur wurde diesmal Rom als Tagungsort genannt und ein bestimmter Termin für das Erscheinen der Geladenen an­ gesetzt. Die Behandlung der beiden Vertriebenen wurde als un­ gerecht getadelt und ganz im Sinne des Athanasius als eine nicht *) Fragm. 81—84. 67; 71. 73. 2) Fragm. 61, vgl. Epiph. harr. 62, x, 4 65, i, 5. 3) Fragm. 94. ui; vgl. 96.

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7. Die Epigonen

zu duldende Bekämpfung des Nicaenums gewertet. Zwei römische Presbyter, Elpidius und Philoxenus, reisten in den ersten Monate«

des Jahres 340 mit dem Brief nach Antiochia \ Aber hier wartete ihrer eine schmerzliche Prüfungszeit, Len«

sie mußten bis in den Januar 341 hinein auf Antwort warten. Euseb hatte keinen Anlaß zur Eile. Der Ton des römischen Schreibens eröffnete keine Aussichten auf ersprießliche Verhandlungen, und im Osten war ja einstweilen alles auf dem Wege zu der Ordnung, die seiner Partei als erwünscht gelten mußte. Kaiser Konstantins lag noch immer gegen die Perser zu Felde, und die Orientale« konnten mit einigem Schein des Rechtes behaupten, die Unsicher­ heit der Lage an der Grenze verböte ihnen, ihre Gemeinden zu

verlassen und weite Seereisen zu unternehmen. Auch mochte es zweckmäßig sein, den Ausgang des eben ausgebrochenen Bruder­

krieges im Westen3 abzuwarten und nachher in aller Ruhe sich zu vergewissern, ob der Sieg des Konstans und seine gewaltige Machterweiterung auch kirchenpolitische Folgen haben würde. Endlich entschloß sich Euseb zu einer Antwort, die in Form und Inhalt genau den der Lage angemessenen Ton traf3. Die äußere Ge­ staltung der Adresse wird als ungehörig bemängelt und die für eine Antwort gestellte Frist als zu kurz bezeichnet. Bei aller schuldigen Ehrerbietung vor dem apostolischen Ursprung der römischen Ge­ meinde wird doch daran erinnert, daß ihre Apostel aus dem Osten gekommen seien, und daß man den Rang einer Kirche nicht nach der Größe der Stadt und der Kopfzahl ihrer Gemeinde bestimmen dürfe: vielmehr seien alle Bischöfe von gleicher Würde. Julius aber

habe sogar bas Urteil der Synoden, die Athanasius und Marcell abgesetzt hätten, mißachtet und beide in seine kirchliche Gemein­ schaft ausgenommen: das sei ein Verstoß gegen die Grundsätze des Kirchenrechts. Athanasius sei ein notorischer Unruhestifter gewesen, und jetzt nach seiner Entfernung herrsche großer Friede in Alexandria und *) Sozom. 3,8,3. Äthan, apol.20 hist. Ar. 11. 2) s. 0. S. 176. 3) Die Fragmente des Briefes jusammengestellt bei Schwartz, Gött. Nachr. 1911,494—496.

Antwort der Cusebianer. Römische Synode

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Ägypten; die Absetzung des Marcell sei durch seine unerträg­

liche und unfromme Lehre von Christus wohl begründet. Und dann kommt die scharf zugespitzte Schlußfrage. Als seinerzeit der

römische Bischof den Novatian exkommuniziert habe, sei dies vom Orient (bei aller Sympathie für den Gemaßregelten) ohne weiteres anerkannt worden. Man verlange jetzt von Rom die gleiche Zurück­ haltung gegenüber einem orientalischen Urteil. Julius habe zu wählen zwischen der Gemeinschaft mit dem Osten oder der An­ erkennung der beiden Flüchtlinge — und damit dem Schisma zwischen Ost und West. Die Anklage auf Gegnerschaft gegen das nicänische Bekenntnis wird als keiner Erörterung wert bezeichnet. Die bedeutsame Verschiebung der Machtverhältnisse zwischen dem zu gewaltiger Größe angewachsenen Reich des Konstans und dem orientalischen Mertel des Konstantins werden dem Julius die von ihm geforderte Entscheidung über Krieg oder Frieden mit den Euseblanern erleichtert haben. Er berief an die fünfzig italienische Bischöfe, die in der Titelkirche des Presbyters Dito zusammen­ traten und den Darlegungen des Julius zustimmten \ Athanasius und Marcell wurden für unschuldig erklärt und die Kirchengemein­ schaft mit ihnen bestätigt. Julius teilte mit Zustimmung der Synode dies Ergebnis den Orientalen mit in einem denkwürdigen Schreiben, das uns Athanasius2 in vollem Wortlaut aufbewahrt hat. Er beklagt die Überheblichkeit der Antwort, die ihm auf seinen

liebevollen Brief zuteil geworden sei, und beruft sich gegenüber dem Grundsatz der Unantastbarkeit synodaler Urteile auf den fünften nicänischen Kanon — was wenig einleuchtend ist. Dann vetteidigt er den Athanasius unter ständigem Hinweis auf die ihm über­ sandten Akten, tadelt die Einsetzung des Gregor und nimmt Marcell als in Nicäa bereits bewährten Kämpfer für den wahren Glauben in Schutz. Wirkungsvoll ist der Hinweis auf die steigende Zahl der aus dem Orient nach Rom flüchtenden abgesetzten Bischöfe *) Gerwin Roethe, Röm. Synoden Im 3. und 4. Jahrhundert S. 85 (= Forschungen jttt Kirchen, und Geistesgeschichte 11,1937, 2). Athan. apol. 20. hist. Ar. 15. s) Athan. apol. 21—35.

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7. Die Epigonen

und die mannigfachen, mit ihrer Entfernung verbundenen Gewalt­

taten. Und dann gibt er den Adressaten scharf den Vorwurf der Friedensstörung jurück. Er handle gerecht und den Kanones ent­ sprechend, während auf der Gegenseite auf die Kirchenspaltung hin­ gearbeitet werde — nicht von allen, wohl aber von einigen Ränke­

schmieden, die an all diesem Unheil die Schuld trügen. Und gegen die Drohung dieser Männer mit dem Schisma protestiert er mit Schärfe und warnt vor solchem Schritt im Ton der Beschwörung um Christi willen. Noch einmal lädt er zu erneuter Untersuchung der vorgebrachten Anschuldigungen ein und weist darauf hin, daß bei derartigen Anklagen gegen Bischöfe apostolischer Urgemeinden nach dem kirchlichen Kanon das Urteil „von uns allen", d. h. also unter Zuziehung des Abendlandes, hätte gefällt werden müssen.

Apostolische Gründung konnte von der galatischen Metropole Ankyra behauptet werden, aber für Alexandria doch nur auf dem Umweg über Markus. So wird für diesen Bischofsthron noch .ein zweites Argument * geltend gemacht, nämlich -aß für Angelegen­ heiten der alexandrinischen Kirche Rom seit alters her in besonderer Weise zuständig sei und bei einer Klage gegen ihren Bischof zu­ gezogen werden müsse: womit zweifellos auf die schon mehrfach betonten2 engen Beziehungen zwischen beiden Kirchen angespielt wird. Julius ist sich bewußt, daß er die Anweisungen des Paulus und die Tradition des Petms vertritt, wenn er nochmals von den Orientalen eine Revision ihrer Haltung fordert: denn dies und nichts Geringeres ist der Wille des Briefschreibers, von dem er nichts abzulassen gesonnen ist. Der etwas schwächlich beginnende Brief wird zusehends kräftiger und endet im hohen Tone. Und die grundsätzlichen Ausführungen am Ende bedeuten eine Ver­ stärkung der römischen Ansprüche, die sich unter der Berufung auf den praktisch nicht faßbaren „kirchlichen Kanon" verbirgt. Die Cusebianer hatten von ihrem Standpunkt aus ganz richtig, daraufhingewiesen, daß man in Rom den Novatian und in Antiochia. *) Epist. IM bei Ath. apol. 35,4.

2) Bd. 2, 57.

Brief des Julius von Rom an die Eusebianer

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den Paul von Samosata abgesetzt habe, und Laß diese Urteile von der anderen Seite ohne weitere Erörterungen anerkannt worden seien: das war also „kirchlicher Kanon", d. h. Gewohnheitsrecht. Aber Rom faßte die Sache grundsätzlich und konnte erwidern, daß diese Anerkennungen nur deshalb so ohne weiteres erfolgt seien, weil die Urteile richtig gewesen seien. An sich hätte man im Abend­ lande durchaus das Recht gehabt, die Angelegenheit Les Paul von Samosata nachzuprüfen, denn keine Synode stehe über der anderen; jede entscheide selbständig, wie der Geist es ihr eingebe. Das war soweit gut altkirchlich gedacht

Aber nun meldet sich die neue Zeit mit der Forderung einer Einheitlichkeit wichtiger kirchlicher Entscheidungen, die ein Ja und Nein in derselben Frage nicht dulden kann: die Reichskirche ist an­ spruchsvoller als die freie Kirche der Vorzeit, welche Differenzen auch in erheblichen Dingen duldete und sich mit unausgetragenen Gegen­ sätzen abzufinden wußte. Konstantin hatte der Kirche in der von ihm geschaffenen Reichssynode ein Zentralorgan gegeben, dessen Beschlüsse mit staatlicher Gewalt durchgeführt wurden. Der Osten hatte die Folgen dieser erzwungenen Einheit schon so kräftig ge­ spürt, daß er zum mindesten die Selbständigkeit orientalischer Synoden aufrechtzuerhalten wünschte. Aber altkirchlich dachte man auch im Lager der Eusebianer nicht mehr. Zu süß schmeckte der Trunk aus dem Becher der staatlichen Macht, als daß man auf ihn hätte verzichten mögen, und so kämpfte man gegen Westen unter altkirchlichem Panier für die Selbständigkeit orientalischer Synoden, während man gleichzeitig im Osten die antiochenischen Beschlüsse der doch völlig selbständigen ägyptischen Kirche mit Hilfe der Staatsgewalt aufzwang. Julius von Rom war in der günstigen Lage, seine Forderungen auf weiteren Ausbau des Kirchenrechts den alten Traditionen besser anpassen zu können. Er erklärte, daß im vorliegenden Falle zu­ nächst einmal die römische Synode ihre Zustimmung zu den orien*) s. Bd.2,58.

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7. Die Epigone«

talischen Urtellen verweigere — was ihr gutes Recht nach altkirch­ licher Anschauung war. Er zog aber aus -e.m Tatbestand und der neuen Stellung der Kirche im Reich den Schluß, daß in so wichtigen Dingen Einigkeit erzielt werden müsse, und daß die Kirche dem­ nach durch Heranziehung von Bischöfen aus allen Gegenden eine Appellationsinstanz schaffen, also ein von den Kirchen selbst und

nicht vom Kaiser berufenes Konzil freiwillig anerkennen müsse. Klüger wäre es frellich gewesen, bei einer so großen Sache schon von

vornherein an alle führenden Bischöfe zu schreiben und so zu einem einhelligen Spruch zu kommen. Und in Angelegenhellen der alex­ andrinischen Kirche machte Rom auf Grund alter Beziehungen

noch ein besonderes Recht auf Betelligung an allen Prozessen gegen ihren Bischof geltend. Das alles war klug abgewogen, gut kirchlich gedacht und außer­ dem unter den obwaltenden Umständen wohl geeignet, dem rö­

mischen Bischof eine Stärkung seiner Autorität auch im Osten zu verschaffen. Und eben dies letztere wünschten die Orientalen zu ver­ hindern. Theologisch war es ferner nicht bedeutungslos, daß die römische Synode den Marcell für rechtgläubig erklärte und daß Julius dies auch in seinem Schreiben zum Ausdruck brachte, frei­ lich nur unter Hinweis auf die eigenen Aussagen des Verklagten \ Wir können die Unterlagen dieses Urtells noch nachprüfen. Sie

bestehen in einem Schreiben2, das Marcell an Julius gerichtet hat, als er vor dem Entscheid der Synode Rom verließ. Er betont darin seine altbewährte Kampfstellung gegen arianische Lehren und zitiert dann klugerweise das altrömische Symbol, das er mit theologischen Sätzen umrahmt, die wohl seine antiarianische Haltung, nicht aber

die Besonderheiten seiner Trinitätslehre, wegen deren er verurteilt war, erkennen lassen. Julius war damit zufrieden und verspürte

kein Bedürfnis, weiter nachzuforschen, denn er hatte sich von Athanastus überzeugen lassen, daß die Gesamthaltung der Eusebianer und alle ihre einzelnen Aktionen durch ihre Abneigung gegen *) Salti eptst. bei Ath. apol. 32,1—3. 2) Erhalten bei Epiphanias harr. 72,2, i—3,5 = Marcell, Fragm. 129 Klostermann.

Kirchweihsynode ju Antiochia (341)

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das nicänische Bekenntnis und ihre heimliche Liebe zvm Arianis­ mus bedingt sei. Die Orientalen haben ihm auf seinen Brief geantwortet, als sie im Sommer 341 in Antiochia zur Einweihung der vor jehn Jahren von Konstantin gestifteten1 „Großen Kirche" zusammenkamen. Zu dieser Feier waren 97 Bischöfe erschienen, und auch Kaiser Konstantius war anwesend 3; ob er freilich nach dem Vorbild seines Vaters an der Synode teilgenommen hat, ist nicht unbedingt sicher. Auch sonst sind die Nachrichten über diese Synode ganz dürftig, so daß wir nicht sagen können, was eigentlich das Ziel der Verhandlungen gewesen ist. Jedenfalls haben die Versammelten sich gegen den Vorwurf des Arianismus gewehrt und ihren orthodoxen Glauben in einem Schreiben verteidigt, von dem Athanasius uns ein Bruch­ stück mit der Symbolformel erhalten hat. Diese Formel hat nichts Auffälliges, sondern entspricht dem uns wohlbekannten orienta­ lischen Typ: nur eine Wendung gegen Marcells Lehre ist eingefügt. Aber es ist noch weiter über Lehrfragen auf dieser Synode ver­ handelt worden. Bischof Theophronios von Tyana (in Kappa­ dokien) war in den Verdacht der Irrlehre gekommen und legte daraufhin ein Bekenntnis vor3, in dem er vom Sohne aussagt, er sei bei Gott als Person (also nicht bloß als Funttion) und bleibe in Ewigkeit: das leugneten Paul von Samosata und Marcell, die denn auch beide am Ende zugleich mit Sabellius verflucht werden. Und im Zusammenhang damit stellte die Synode auch ein eigenes Glaubensbekenntnis auf3, das in eine breit ausgeführte Formel des üblichen Typs theologische Sätze einfügt, welche Christus als das unwandelbare Ebenbild der göttlichen Wesenheit (Usia) bezeichnen und von drei durch willensmäßige Übereinstimmung zur Einheit ver­ bundenen Wesen (Hypostasen) reden, von denen jedes seine eigene x) Theodore:, KG 3, 12,1. Malalas 13 p. 326,7 Dinborf. 2) Athan. de sy«od. 25. Socrateö 2, 8—10. Sozomenos 3, 5. Hilarius de synodis 28 ff. Die Formeln gibt Athanasius de synod. 22—25: Abdruck bei kietzmann Symbole (Kl. Texte Nr. 17/18). 3) Die sog. 3. Formel. 4) Die sog. „zweite" Formel bet Athan. de synod. 23 Hilarius de syn. 29 (Lietzmann, Symbole S. 28 ff.). Sozomenos 3, 5, 9.

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7. Die Epigonen

Persönlichkeit (Hypostase), Rangstufe und Herrlichkeit hat. Damit ist also deutlich die Vorstellung einer göttlichen Dreiheil gegeben, deren Einzelpersonen im Verhältnis der Über- und Unterordnung zu einander stehen —demnach das strikte Gegenteil des von Marcell vertretenen und soeben in Rom gebilligten Monarchianismus.

Die Synode stellte sich also, ohne es ausdrücklich zu sagen, auf Len von Origenes erarbeiteten Boden, und wenn Christus als „Abbild" der göttlichen Usia bezeichnet wurde, so stand das der Theologie des Arius erheblich näher als jeder möglichen Auslegung des nicänischen Homousios. Cs ist für die Kontroversen dieser Periode bezeichnend, daß dies nicänische Schlagwort überhaupt nicht er­ scheint, und das bestätigt das früher (S. 107) ausgesprochene Urteil über seine theologische Unbrauchbarkeit. Niemand, auch Julius oder Athanasius nicht, benutzt es zur Probe der Rechtgläubigkeit und niemand zitiert das nicänische Bekenntnis oder fordert vom Gegner seine Unterzeichnung. Der Inhalt deS nicänischen Glaubensurteils erschöpft sich in der Verurteilung des Arianismus, und die hierauf bezüglichen Derdammvngssätze werden regelmäßig wiederholt. Auch unsere antiochenische Formel schließt mit der Anathematisierung derjenigen, die den Logos zeitlich begrenzen, ihn als Geschöpf bezeichnen oder sonstwie dem übrigen Gewordenen gleichsetzen: aber von diesen Sätzen war inzwischen auch Arius mit den Seinen deutlich abgerückt \ Die Synode versicherte übrigens, daß dies ihr Bekenntnis auf den Märtyrer Lukian zurückgehe, was zugleich eine Huldigung für den gefeierten Lehrer und eine Bürgschaft für die theologische Korrektheit des Symbols bedeutete.

Die „Eusebianer" behaupteten also ruhig ihre alte vornicänische Position, machten der nicänischen Synode durch Anerkennung ihrer Derdammungssprüche pflichtschuldige Reverenz, lehnten es aber ab, sich durch das Homousios in neue und fremde Bahnen drängen zu lassen. Athanasius konnte aber mit diesem schwerwiegenden Wort ebensowenig etwas anfangen, und wenn er nicht müde wurde, die l) Urkunde 6 bei Athan. 3,12s. Opitz.

Kirchweihsynode in Antiochia (341). Tod des Euseb

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Evsebianer als Arianer anzuprangern, so begründete er das nicht durch theologische Diskussion des Homoustos, sondern durch Hinweis auf ihre kirchenpolitischen Handlungen. Selbst Marcell von Ankyra, der es gar nicht nötig hatte, ging dem Homonsios aus dem Wege und berief sich gegenüber Julius lieber auf das römische als auf das nicänische Bekenntnis. Mit der Anerkennung des Marcell in Rom und die dagegen gesetzten Symbole von Antiochia war nun aber der bisher nur kirchenpolitische Gegensatz zwischen den Orientalen und den für Athanasius eintretenden Römern auf das theologische Gebiet hinübergeleitet und damit vertieft worden. Es war ein schwerer Schlag für den um Antiochia gesammelten Kreis, daß gerade jetzt sein Führer ihm entrissen wurde: Euseb, der Bischof von Konstantinopel, starb nicht lange nach der Kirchweih­ synode. Die Ostkirche wurde dadurch der einzigen wirklich über­ ragenden Persönlichkeit beraubt, die sie taktisch geschickt zu leiten vermochte und zugleich durch ihre guten, sogar verwandtschaftlichen Verbindungen mit der Dynastie1 der geborene Mittelsmann zwischen Kirchenregiment und Staatsregierung war. Jetzt hielt der abgesetzte Paulus seine Zeit für gekommen und kehrte, begleitet von Asklepas von Gaza, nach Konstantinopel zurück, wo er eine beträcht­ liche Zahl von Anhängern in der Volksmasse besaß. Aber die „eusebianischen" Bischöfe wählten den Makedonios zum Bischof der Hauptstadt, und die Folge dieser Gegensätzlichkeiten zeigten sich schnell in blutigen Straßenkämpfen der Parteigänger. Der General­ oberst der Kavallerie Hermogenes erhielt den Auftrag, Ruhe zu stiften, konnte sich aber des Pöbels nicht erwehren. Sein Haus wurde gestürmt, in Brand gesteckt, und er selbst von den rasenden Massen durch die Straßen geschleift und getötet. Konsiantius mußte selbst eingreifen: er rückte in Eile von Antiochia heran, und sein plötzliches Erscheinen machte dem Tumult sofort ein Ende. Den Paulus jagte er sofort von dannen, aber auch den Makedonios bestätigte er nicht, weil er ihm auch einige Schuld x) Amm. Marc. 22,9,4. Äthan. Hifi. Arian. 5. 6. Lietzrn ann, Gesch. d. Alten Kirche 3.

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7. Die Epigonen

an dem Krawall zuschrieb. Doch ließ er ihn in einer Kirche der Stadt ungehindert Gottesdienst halten. 3m übrigen strafte er sehr milde, am ärgsten dadurch, daß er dem übermütigen PSbel den Brotkorb höher hängte und die von Konstantin für die öffentlichen Speisungen bestimmte Getreideration von 80000 auf 40000 Scheffel Weizen herabsetzte. Das ist im Jahre 342 geschehen \ vermutlich im Frühling. Um dieselbe Zeit überreichte eine orientalische Deputation, be­ stehend aus den Bischöfen Narkissos von Neronias-Irenopolis (in Kilikien), Maris von Chalkedon, Theodoros von Herakles und Marcus vom syrischen Arethnsa (Restan bei Hama), dem Kaiser Konstans in Trier ein Glaubensbekenntnis der antiochenischen Synode, das wiederum die Sätze des alten Typus bringt und nur durch eine leicht angedeutete Ablehnung des Marcell und die Miß­

billigung der arianischen Schlagworte zu den Gegenwattsfragen Stellung nimmt*2.3Diese * sogenannte vierte antiochenische Formel hat in der Folgezeit eine bedeutsame Rolle gespielt. Welches die Veranlassung zu ihrer Überreichung und überhaupt der befremdlichen Reise östlicher Bischöfe an das Hoflager im Westen war, können wir nicht mit Bestimmtheit sagen. Ein Gewährsmann8 behauptet, Konstans habe eine persönliche Berichterstattung über die Kirchenfragen des Ostens selbst verlangt. Und stcher ist, daß der Bischof von Trier ungestraft den Gästen seines Kaisers die kirchliche Gemeinschaft versagen konnte *, und daß Athanasius bald danach in Malland vom Kaiser huldvoll empfangen wurde und sich nach Trier begab, um dott den alten Ossins von Cordoba zu treffen °. Es gelang nicht, die von Rom geforderte und von Euseb gmndsätzlich abgelehnte Synode zu verhindern. Der alte Führer war tot, und die beiden Kaiser einigten sich jetzt auf Wunsch des Konstans dahin, eine für das gesamte Reich maßgebende Synode an der *) ©oct. 2, i2.13. Sozom. 3,7. Manius or. 59,94—98. Schreiben der or. Synode v. Sardica 20 bei Hilarius 4, 61, 23 ff. Feder. Das Datum nach Chron. min. 1,236. *) Athan. de synod. 25 (Lietzmann, Symbole S. 30s.). 3) Socrates 2, 18. *) Brief der or. Synode zu Sardika 27,7 bei HllarinS 4,66,30 Feder. 6) Athan. apol. ad Const. 4.

Synode von Serdika (342)

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gemeinsamen Grenze, aber auf okzidentalischem Boden, in Serdica (Sofia) zusammentreten zu lassen: und das geschah im Herbst des­ selben Jahres1342, freilich in anderer Weise, als Konstans erwartet hatte. Denn die Orientalen dachten im Ernst nicht daran, sich dem ihnen drohenden Richterspruch Roms zu unterwerfen. Sm ganzen nahmen überhaupt nur 76 von ihnen an der Synode teil, während das Abendland beinahe 300 Teilnehmer entsandte. Beide Parteien find zur vorgeschriebenen Zeit in Serdica ein­ getroffen, aber haben fich nicht zur gemeinsamen Verhandlung zusammengefunden. Die Orientalen verlangten Anerkennung ihrer ftüheren Synodalurteile, und zwar in der sichtbaren Form, daß den abgesetzten Bischöfen Athanasius, Marcell und Genossen die Teil­ nahme an den Sitzungen nicht gestattet würde; dann seien sie bereit, ihr Material der Synode zu unterbreiten. Die Abendländer lehnten das ab, es gab Verhandlungen hin und her, und schließlich verließen die Morgenländer Serdika und veröffentlichten von Philippopel aus ihre Protestschreiben2. Die andern tagten unter dem Vorsitz des Ossius von Cordoba und des Ortsbischofs Protogenes ungestört weiter. Sie erließen ein Rundschreiben, in dem sie die völlige Unschuld und Rechtgläubigkeit aller Angeklagten feststellten, die „Flucht" der Orientalen als Beweis ihres schlechten Gewissens verwerteten und die Führer der Gegenpartei wegen arianischer Ketzerei und tatsächlicher Verbrechen absetzten und exkommunizierten: es werden genannt Gregor von Alexandria, Basilius von Ankyra, Quintianus von Gaza, Theodoros von Heraklea, Narcissus von Neronias, Acacius von Caesarea in Palästina, Stephanos von Antiochia, Ursacius von Singidunum (Belgrad), Valens von Mursa (Esseg an der Draumündung), Menophantos von Ephesus und Georg von Laodicea in Syrien; x) Das Datum gesichert durch Athan. apol. ad Const. 4 uud die Samm­ lung des Theodosius Diaconus bei Schwartz Gött. Nachr. 1911, 516. Athan. Festbrtefe, Dorbericht (S. 31 Larsow) datiert auf 343, Socrates 2,20,4 auf 347. 2) Brief der Orientalen 14 s. bei Hilarius 4,58 s. Feder, der Okzidentaleu ebd. p. 107. Socrates 2,20, 7—9. Athan., Festbriefe, Dorbericht zu 343 P< 31 Larsow.

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7. Die Epigonen

und auch der inzwischen verstorbenen „beiden Eusebius" wird mit

Bitterkeit gedachtx. Cs folgt eine theologische Begründung2 der Anklage auf Arianis­ mus, die seltsamerweise keine urkundlichen Äußerungen einzelner Gegner, noch weniger ihre Synodalbekenntnisse zugrunde legt, nur einmal ohne Namensnennung Marcells Feind Asterius bekämpft, aber im übrigen ganz allgemein die Lehre von drei gesonderten Hypo­

stasen der Trinität, die von Valens und Ursacius vertreten werde, als arianisches Schlangengift bezeichnet und ihr die Lehre von der einen Substanz, „welche jene Usta nennen", entgegensetzt. Es gibt nur einen Gott, eine Gottheit von Vater und Sohn, eine göttliche Sub­ stanz (Hypostasts), und der Sohn ist als Logos die Kraft (Dynamis, nach 1. Kor. 1,24) des Vaters; freilich ist der Vater größer als der Sohn (Joh. 14,28), aber nicht im Sinne eines wesenhaften Unter­ schiedes, sondern weil der Vatersname einen Vorrang zum Aus­ druck bringt. Darunter kann man sich in Wirklichkeit nichts Klares vorstellen. Die Thesen dieses Schriftstückes lassen sich nicht zu einer anschau­ lichen Gesamtvorstellung verbinden, sondern pendeln hin und her zwischen einer Logos- und Trinitätslehre, die von mehreren Bibel­ stellen gefordert wird, und dem traditionellen Monarchianismus, der Lehre von dem einen fleischgewordenen Gott. Aber man scheut sich doch, die unangenehm deutlichen Formeln des Marcell aufzu­ nehmen, so nahe man ihnen inhaltlich auch steht, und verbirgt lieber die Unsicherheit der eigenen Stellung hinter starken Worten. Die Bedeutung dieses Gutachtens der Theologen von Serdika besteht darin, daß hier zum erstenmal klar zum Ausdruck gebracht ist, was von ihnen mit dem Schimpfwort „Arianismus" gemeint ist. Keineswegs etwa die Lehre des Arius allein, sondern überhaupt jede Theologie, welche drei Hypostasen in der Gottheit anerkennt

oder — anders ausgedrückt — dem Logos als Gottessohn eine *)p. I2zf. und p. 119 Feder. 2) (Erhalten bei Theodoret, KG 2, 8, 37—52; vgl. F. Loofs, Das Glaubensbekenntnis d. Homöusianer von Sardika (Berl. Akad. Abh. 1909).

Theologie der Synode von Serdika

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eigene persönliche Existenz neben dem Vater zuschreibt: das heißt, daß allen der Krieg erklärt wird, die auf dem von Origenes gelegten

Grunde stehen. Die ganze Entwicklung des griechischen spekulativen Denkens seit den Tagen der Apologeten wird verneint. Aber auch was im Abend­ land durch Tertullian und Novatian an weniger durchdachten,' aber geschickt formulierten Lehren vorgebracht worden ist, bleibt außer

Betracht. Dagegen verrät sich deutlich die Einwirkung der Thesen des Marcell, den man für rechtgläubig erklärt hatte und deshalb zu decken bemüht war. Der göttlichen Dreiheit wird mit aller Schärfe das Bekenntnis zu einer Hypostase d. h. zur Einheit des göttlichen Wesens entgegengesetzt und damit der alte Monarchianismus be­ jaht, nur daß man ihn mit biblischen Begleitsätzen ausschmückt, die

ihn unangreifbar machen sollen. Ob das so entstehende Gebilde überhaupt noch vorstellbar ist, kümmert diese Theologen nicht: ihr

Interesse haftet an der Grundthese von der einen Hypostase. So sind nun die aus kirchenpolitischen Grundsätzen heraus ge­ bildeten Fronten auch durch theologische Schlagworte gekennzeichnet und geschieden. Es ist keineswegs Zufall, daß weder in dieser En­ zyklika noch in irgendeinem andern amtlichen Schriftstück der Synode das Wort Homousios auftaucht oder das Bekenntnis von Nicaea erwähnt wird. Man hat darüber verhandelt und mußte das auch: war ja doch in der Person des Vorsitzenden Ossius der ehrwürdigste Vertreter jenes Konzils gegenwärtig, und sein begreiflicher Wunsch war, die Synode möge jene Glaubensurkunde als Panier auf­ stellen: aber das wurde als nicht ausreichend abgelehnt. Und zwar mit Recht, denn an dem Nicaenum schieden sich damals die Geister nicht: es war nicht Gegenstand der Kontroverse, und mit dem Homousios wußte keine von beiden Parteien etwas Rechtes an­

zufangen. Ossius hat in einem privaten Schreiben1 an Julius von Rom, dem sich Protogenes von Serdika anschloß, diese ihm selbst una) Jik Leo Magn. opera 3,597f. ed. Dalleriai. 12, 6.

Vgl. dazu Soiomenos 3,

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7. Die Epigonen

erfreuliche Haltung der Synode erklärt und versichert, daß im übrigen alle Bischöfe dem nicänischen Bekenntnis zugestimmt hätten: das war ja selbstverständlich. Dieser Brief ist zusammen mit einigen andern Schreiben erhalten, die damals von Serdika ausgegangen und später im Archiv des alexandrinischen Patriarchats gesammelt sind \ Sie alle verkünden den Sieg des wahren Glaubens über die Ketzer und machen Mitteilung von der Absetzung der Rädelsführer. Wichtiger sind zwei weitere Schreiben der Synode, die an anderen Stellen erhalten sind. Das erste ist ein offizieller und mit den Unterschriften der Teilnehmer versehener Brief an Julius von Rom, in dem eine kurze Zusammenfassung der Beschlüsse gegeben wird. 3n dem (unvollständig erhaltenen) Anfang geben sie ihrer Freude über das Erlebnis Ausdruck, daß der heilige Geist sich der Synode als seines körperlichen Offenbarungsorganes bedient habe, und begrüßen den Julius als einen zwar leiblich abwesenden, aber im Geist anwesenden Teilnehmer. Am Schluß bitten sie ihn — ähnlich wie die Synodalen von Arles2 — ihre Beschlüsse in Sizilien, Sardinien und Italien zu publizieren. Am Anfang des Briefes steht ohne Zusammenhang der Satz, daß es höchst angemessen sei, wenn aus den einzelnen Provinzen die Herren Bischöfe an ihr Haupt, nämlich den Stuhl des Apostels Petrus, berichteten. Ob er später interpoliert ist oder — mir wahrscheinlicher — ein echtes Bruch­ stück des zertrümmerteu Briefeinganges, ist hart umstritten2. Der zweite Brief ist an Kaiser Konstantius gerichtet und fordert eine Anweisung an alle Provinzialstatthalter, sich auf ihre politischen Geschäfte zu beschränken und keine Eingriffe in das kirchliche Wesen vorzunehmen, insbesondere sich keine Gerichtsbarkeit gegen Kleriker anzumaßen. Konstantius wird vermutlich mit lebhaftem Interesse weiterhin gelesen haben, daß es sein höchstes Regierungsprinzip sein müsse, allen Untertanen den süßen Genuß der Freiheit zu ver*) In dir Sammlung des Theodosius Diaconus, gedruckt bei Leo opera 3,597—614. Dai« E. Schwartz, Gött. Nachr. 1904, 379—381. 2) s. 0. S. 75. 3) Bei Hilarius 4, 126—139. E. Caspar, Gesch. d. Papsttums 1, 587 ist für Interpolation.

Synodalschreiben und Kanones von Serbika

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schaffen, und daß die Gewährung freier Selbstbestimmung das beste Mittel zur Beseitigung aller Unruhe sei. Jedenfalls müsse er den Rechtgläubigen die Möglichkeit geben, Bischöfen ihres Glaubens zu folgen, und die Ortsbehörden an der Begünstigung häretischer Umtriebe hindern. Dann erst werde die arianische Pest verschwinden und wahrer Friede einkehren. Sodann wird für die bisher ver­ bannten Bischöfe die Erlaubnis jur Heimkehr erbeten und schließlich den Freunden der verutteilten und namentlich genannten arianischen Ketzer mit den ewigen Strafen der Hölle gedroht \ Die Synode hat sich aber nicht nur diesen Problemen der hohen Kirchen-- und Staatspolitik gewidmet, sondern auch die Gelegenheit einer so eindrucksvollen Zusammenkunft des abendländischen Episkopats jur Regelung schwebender Fragen des innerkirchlichen Lebens benutzt. Das Ergebnis liegt in 13 Kanones vor. Sie sind in der Weise abgefaßt, die im Abendland bereits üblich geworden und auch später noch vielfach angewandt ist, daß nämlich der Antrag des Referenten samt den etwa noch in der Debatte vorgebrachten Zusatzanträgen und die abschließende Zustimmung der Synode in der Form eines Auszuges aus dem Sitzungsprotokoll mitgeteilt werden. Wir haben die Texte sowohl in lateinischer wie in griechischer Fassung, und es hat seit alter Zeit viel Streit darüber gegeben, welche Sprache die ursprüngliche sei. Nachdem nun aber endlich die handschriftliche Über­ lieferung vollständig vorgelegt und dadurch eine sichere Grundlage für den Vergleich der Texte geschaffen ist, kann kein Zweifel mehr obwalten: die Kanones sind ebenso wie die meisten übrigen amt­ lichen Äußerungen der Synode lateinisch abgefaßt2. Latein ist die Verhandlungssprache dieser Versammlnng der Abendländer ge­ wesen. Wir werden in anderem Zusammenhang von dem Inhalt dieser Beschlüsse zu sprechen haben. Hier ist nur eins von Bedeutung. x) Hilar. 4, 181—184. 2) Ausgabe von C. H. Turner, Ecclesiae occidentalis Monumenta Juris Antiquissima tont* 1, fase. 2, pars 3 (1930), Seite 452—486; Lat. und Griech. S. 490—531. Alle früheren Ausgaben sind veraltet. Dazu E. Schwartz, ZNW 1931,1—35.

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7. Die Epigonen

Im Einklang mit den Bemühungen der Synode, auch im Abendland die staatliche Provinj als eine kirchliche Verwaltungs­ einheit auszubauen — der Osten war damit schon viel weiter voran­

geschritten — werden die Bedingungen erörtert, unter denen das im allgemeinen verbotene Eingreifen von Bischöfen in Angelegenheiten einer Nachbarprovinz statthaft sein solle. Der Vorsitzende Ossius legt dar, daß ein solcher Schritt nur auf besonderes Ansuchen zur Be­ hebung eines Notstandes erlaubt sein solle, nicht aber schon dann, wenn ein Bischof im Streit mit seinen Provinzialkollegen liegt und sich Hilfe aus der benachbarten Provinj holen will. Solche Gegen­ sätze müssen innerhalb der Provinz ausgetragen werden, nötigen­ falls von der Provinzialsynode durch Absetzung des schuldigen Teils. Gibt sich der Verurteilte nicht zufrieden und glaubt ungerecht behandelt zu sein, so darf er nicht ohne weiteres die Nachbarn jen­

seits der Grenze anrufen, sondern kann verlangen, daß die richtende Synode — und wenn diese es nicht tut, Kollegen aus der Nachbar­ provinz — an den Bischof von Rom schreiben und solchergestalt das Andenken des heiligsten Apostels Petrus ehren. Dieser soll darüber entscheiden, ob das Urteil zu Recht besteht oder ob eine Nachprüfung nötig ist. 3m letzteren Falle bestellt er einen neuen Gerichtshof aus Bischöfen der Nachbarprovinz und kann, wenn es gewünscht wird und er es für nötig hält, einen römischen Presbyter zu diesem Gericht abordnen. Das bedeutet nichts Geringeres, als daß dem römischen Bischof höchstrichterliche Befugnisse für das ganze Abendland zugesprochen

werden, und zwar darum, weil er der Nachfolger des Apostels Petrus ist: daran ist nicht zu rütteln. Der griechische Übersetzer der serdicenischen Kanones, der wohl in Thessalonich im Auftrag seines Bischofs arbeitete, hat diese Allgemeinvorschrift zu einem persön­ lichen Vorrecht des Julius zu machen versucht, um ihre ihm un­

bequeme Tragweite zu mindern *. *) Der Name des Julius sieht nur im griechischen, nicht im lateinischen Text: bas hat erst Turner gezeigt.

Huldigung für Rom. Protest der Orientalen

201

Die Synode selbst hat dem Antrag des Ossins einhellig jngestimmt — und mit derselben Einhelligkeit sich im stillen vor­ genommen, von dieser Bestimmung keinen Gebrauch zu machen: und dabei ist es das ganze vierte Jahrhundert hindurch geblieben. Die Zeit für den rechtlich festgelegten Primat des römischen Papstes war noch nicht gekommen. Der beschlossene Kanon war im Jahre 342 nicht mehr als eine Demonstration der abendländischen Geschlossen­ heit gegenüber dem Orient und eine Huldigung für Julius, der als Führer in diesem Kampf erschien. Die Partei des Athanasius, also vornehmlich die Masse des ägyptischen Episkopats ging selbstver­ ständlich mit Rom. Eine aus alexandrinischen Akten stammende Notiz1 teilt uns noch mit, daß in Serdika auch eine Vereinbarung über die Osierdaten zwischen Rom und Alexandria zustande­ gekommen sei. Die Orientalen legten in ihrem Schreiben2 nochmals aus­ führlich die Gründe für die Absetzung des Marcell und des Atha­ nasius dar, zählten die Übeltaten des Paul von Konstantinopel, Asklepas von Gaza und Lucius von Adrianopel auf und wiesen mit Entrüstung darauf hin, daß Protogenes von Serdika und Cyriacus von Naissus (Nisch) vormals an der Absetzung des Marcell durch ihre Unterschrift beteiligt gewesen seien und daß ebenso Athanasius den Asklepas, Paul den Athanasius einst verdammt hätten. Und sie erheben gegenüber dem Bescheid von Serdika den alten Wider­ spruch, daß ein Urteil abendländischer Bischöfe über die rechtskräftigen Beschlüsse orientalischer Konzilien eine unerhörte Neuerung sei. Und so fügen sie denn der Liste der von ihnen verdammten neu hinzu die Namen Julius, Ossius, Protogenes, Maximin von Trier und Gaudentius, den pietätlosen Nachfolger des Cyriacus im Bistum von Nisch. Ebenso wie die Abendländer legen auch sie ihrem Rundschreiben ein Glaubensbekenntnis bei. Dies ist kein anderes als die vor kurzem *) Ath., Festbriefe Dorbericht p. 31 Larsow. 2) bei Hilarius 4, 48—67: wir haben daS nach Afrika geschickte Exemplar in lateinischer Übersetzung er­ halten.

202

7. Die Epigonen

dem Konstans überreichte vierte antiochenische Formel1 mit ihren

gegen Marcell gerichteten Thesen, aber am Schluß ist sie durch einige weiterführende Sätze bereichert. Verflucht werden die, welche „drei Götter lehren" — das tut natürlich kein Christ, sondern es ist eine tendenziöse Folgerung der Gegner aus der origenisiischen Lehre von drei Hypostasen —, und die, welche, Vater, Sohn und Geist für identisch erklären — das ist die zugespitzte „sabellianische" Form der Lehre von einer Hypostase, die jetzt das Abendland in Verteidi­ gung Marcells ausgenommen hat —, und die, welche die Geburt des

Sohnes zeitlich begrenzen — das geht gegen den Arianismus — oder leugnen, daß sie auf einen Willenöakt des Vaters zurückzu­

führen sei — das hatte Marcell2 gegenüber Asterius getan. Schließlich hat auch diese Synode noch zur besseren Durchführung der nicänischen Osterbeschlüsse einen Zyklus aufgestellt, der auf der jüdischen Passahberechnung fußt, aber sich doch davon unabhängig zu machen sucht2. So war die geplante Reichssynode vom ersten Anfang an ge­ scheitert und in zwei Hälften auseinandergefallen, von denen jede die Führer der anderen verdammte und absetzte. Danach gingen beide Parteien nach Hause, und es kam nun darauf an, wer seinen Willen durchsetzen würde. Das kirchliche Schisma war Tatsache geworden. Zum erstenmal in der Kirchengeschichte schieden sich Osten und Westen durch feierliche Beschlüsse voneinander, und es waren nicht bloß kirchenpolitische Gegensätze, die in dieser Spaltung ihren Ausdruck fanden, sondern auch die in Formeln sich unklar aus­ drückende Verschiedenheit des theologischen Denkens, und in mancher Beziehung auch des religiösen Empfindens, der abend- und der morgenländischen Christenheit. Von Serdika bis zu dem Trennungs­ akt des Jahres 1054 läuft eine gerade Linie.

Sm Osten sah es zunächst so aus, als ob Konstantius zu den Be­ schlüssen seiner Bischöfe stünde. Einen gegen die durchreisenden *) f. 0. S. 194. 2) Vgl. das Marcellfcagment Nr. 34 bei Euseb p. 190,18 Klostermann. Als Kommentar ist die Formula makrostichos wertvoll Athan. de synod. 26 c. 8. s) E. Schwartz, Jüdische u. christl. Ostertafeln S. 122s.

Bekenntnis der Orientalen. Konstantins umgestimmt

203

Synodalen gerichteten Krawall in Adrianopel ahndete er blutig und schickte -en jur abendländischen Opposition haltenden Bischof der Stadt in die Verbannung. Es ergingen noch einige andere Derbannungsdekrete, und auf unbefugte Heimkehr von epilierten Per­ sonen wurde Todesstrafe gesetzt *. Aber Kaiser Konstans gab die von ihm jum mindesten gewünschte Partie trotz des Mißerfolges von Serdika keineswegs verloren. Er schickte Ostern 343 einen seiner Generale an das Hoflager seines Bruders nach Antiochia und gab ihm die Bischöfe Dincentius von Capua und Euphrates von Köln als Sachberater mit. Diese Gesandtschaft überbrachte ein Hand­ schreiben des Konstans, über dessen Inhalt unsere Berichterstatter nur allerlei mutmaßenl2, das aber sicherlich so eindrucksvoll war, daß sich die Kirchenpolitik des Konstantius von nun an allmählich änderte. Das wurde ihm äußerlich dadurch erleichtert, daß Bischof Stefan von Antiochia einen ebenso gemeinen wie törichten Skandal ins Werk setzte. Er ließ dem alten Bischof von Köln eine öffentliche Dirne ins Schlafzimmer schicken, um ihn dadurch moralisch vernichten zu können. Das nicht genügend instruierte Mädchen machte aber zur Unzeit Lärm und die Falle schlug nicht zu. Der General fühlte sich mitbeleidigt und forderte strenge Untersuchung. Es kam zu einer Gerichtsverhandlung, deren Ergebnis die Absetzung des antiochenischen Bischofs unvermeidlich machte3. Das erste Anzeichen einer Sinnesänderung des Konstantius war die im Herbst 344 verordnete Begnadigung einiger aus Alexandria verbannter Kleriker und eine Anweisung an die dortigen Beamten, die dem Athanasius treuen Kleriker nicht weiter zu behelligen. Dann faßte er ernstlich die Rückberufung des Athanasius ins Auge, wozu der am 26. Juni 345 erfolgte Tod Gregors die Bahn freimachte. Er schrieb darüber an Konstans und lud Athanasius ein, sich an seinem Hof einzufinden. Aber dieser war mißtrauisch und blieb in seinem bisherigen Zufluchtsort Aquileia. Ein zweiter Brief des l) Athan. hist. Ar. 18.19. 2) Socrates 2,22. Theodoret, KG 2, 8, 54—57. ’) Athan., hist. Ar. 20. Theodoret, KG 2, 9, 1—10,1.

204

7. Die Epigonen

Kaisers hatte nur den Erfolg, daß Athanasius einige Vertrauens­ männer ans seinem Klerus an den Hof nach Edessa schickte und Ver­ handlungen eröffnete. Erst ein drittes kaiserliches Schreiben setzte ihn in Bewegung Er reiste von Aquileia nach Rom, um sich von Julius geziemend zu verabschieden, und bekam von diesem noch ein schönes Schreiben an die alexandrinische Gemeinde mit auf den Weg. Dann erst traf er zur Audienz in Antiochia2 ein und bekam dort die kaiserlichen Schreiben eingehändigt, welche seine Rückkehr der Gemeinde gegenüber legitimierten und alle gegen seine Anhänger angeordneten Rechtsnachteile wieder aufhoben. Bei der Durchreise begrüßte ihn in Jerusalem eine Synode von 16 palästinensischen Bischöfen, und dann zog er als Sieger in einem schweren Kampf am 2i. Oktober 346 wieder in Alexandria ein. Auch andere Verbannte, deren sich das serdicenische Konzil angenommen hatte, sind um diese Zeit von Konstantius seinem Bruder zu Gefallen wieder in ihre Heimat zurückgerufen worden, am Ende sogar der schwer belastete3 Paulus nach Konstantinopel4. S. Die im Laufe des Jahres 344 deutlich ans Tageslicht tretende Umstimmung des Konstantius war natürlich den führenden Bischöfen des Orients schnell zum Bewußtsein gebracht worden und ließ es ihnen ratsam erscheinen, die Schroffheit ihrer Haltung gegen­ über der abendländischen Kirche zu mildern. Sie sahen darüber hin­ weg, daß durch die Urteile von Serdika die diplomatischen Be­ ziehungen eigentlich abgebrochen waren, und schickten eine Gesandt­ schaft von drei Bischöfen nach Italien, damit „alle Abendländer die Schamlosigkeit der häretischen Verleumdungen und die recht­ gläubige Gesinnung der Morgenländer erkennen könnten". Es scheint, als ob von den Okzidentalen Fragepunkte im einzelnen aufgesetzt und Ostern 343 nach Antiochia geschickt waren6. Zu ihrer Beantwortung legten die Deputierten eine in Antiochia *) Die Schreiben samt der Erzählung bei Athan. Apol. 51—52, vgl. auch hist. Ar. 2i, apol. ad Sonst. 4. 2) Athan. apol. ad Const. 5. 3) s. 0. S. 179.193. 4) Socrates 2,23,39—43. Schwartz, ZNW1935,148. 6) Sy­ node v. Ankyra bei Epiph. 73,2,3 p. 269,10 Holl.

Athanasius' Heimkehr. Fornmla makrostichos

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zusammengesiellte lange Formel (Formvla makrostichos) vor, welche sich nicht nach den gegnerischen Fragen richtete, sondern das eigene Symbol von Serdika mit einem ausführlichen Kommentar begleitete. Darin wird ganr geschickt der im okjidentalischen Be­ kenntnis von Serdika erhobene Vorwurf des Arianismus ab­ gewehrt und festgestellt, daß die Annahme von drei Wesen oder Personen in der Trinität keineswegs eine Lehre von drei Göttern sei. Dabei wird vorsichtig vermieden, die dem Abendland so anstößige Formel „drei Hypostasen" anzuwenden, und auch das Wort Usia kommt nirgends vor. Um so nachdrücklicher werden aber die Lehren des Paul von Samosata und des Marcell von Ankyra abgelehnt und gegen den Sabellianismus Front gemacht. Zu dem Namen Marcells tritt hier zuerst der seines ehemaligen Diakons Photinus, der inzwischen zum Bischof von Sirmium (Mitrovitza) aufgerückt war und die Lehren seines Meisters mit naiver Derbheit zum Aus­ druck brachtet Die Gesandtschaft wurde in Mailand von einer Synode emp­ fangen, an der auch Legaten des römischen Papstes teilnahmen2, und sie hatte zunächst die Genugtuung, daß Photin als Ketzer verurteilt wurde. Sodann meldeten sich bei der Synode als reuige Sünder die beiden pannonischen Bischöfe Ursacius und Valens, die in Serdika mit den Orientalen gegangen waren und dafür in dem Bekenntnis der Abendländer unter Namensnennung das Brandmal des Arianismus aufgedrückt bekommen hatten2. Wie die Dinge nun einmal gelaufen waren, konnten sie sich im Reich des Konstans in dieser Lage nicht mehr halten und reichten der Mailänder Synode einen Widerruf mit Verdammung des Arms und seiner Genossen ein. Aber das genügte den versammelten Bischöfen nicht. Und auch die Deputation aus dem Osten mußte die schmerzliche Erfahrung machen, daß ihre sorgfältig formulierten Sätze vor den Augen der Mailänder Richter keine Gnade fanden. Diese forderten Verdam-

*) Athan. de synod. 26. Hahn, Dibl. d. Symbole § 159. Arlm. bei Hilarius 4,80,9. 3) s. 0. S. 195.

2) Synod.

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7. Die Epigonen

mutig der Lehre von drei Hypostasen, die ihnen alS der grund­ legende Irrtum erschien. Wer sich daju bekannte, war ihnen ein

Arianer: das hatten sie in ihrem Bekenntnis von Serdika un­ mißverständlich jum Ausdruck gebracht. Dies Zugeständnis war und blieb für die Orientalen eine Unmöglichkeit. So reiste die Ge­ sandtschaft unverrichteter Sache ab, und die Kirchenspaltung wurde

nicht behoben. Durch die Verteidigung des Marcell von Ankyra und die Über­

nahme der von Athanasius befolgten Taktik, die Eusebianer für Arianer ju erklären, hatte die Synode von Serdika den Streit auf das theologische Gebiet übertragen. Das erwies sich jetzt als schweres Hindernis für einen Frieden, der kirchenpolitisch möglich gewesen wäre, nachdem Konstantins sich jur Rückberufung des Athanasius entschlossen hatte und seine Bischöfe bereit waren, sich damit abjufinden. Photin wurde das Opfer der neuen Wendung des Kampfes, und Athanasius benutzte eine Verteidigungsschrift, die Marcell für seinen Schüler ausgehen ließ, als willkommene Gelegenheit, um auch diesen seinen alten Leidensgefährten von sich zu lösen. Er kündigte dem Marcell die Kirchengemeinschastx, und dieser verschwindet seitdem aus der Geschichte. Vielleicht hat er sich in Ankyra still gehalten. Jedenfalls weiß Cpiphanius, daß er 374 gestorben ist, und sagt nichts von seinem Verbannungsort; aber als er einmal den Athanasius nach Marcell fragte, hatte dieser für den erledigten Mann nur ein ironisches Lächeln2. Also war auch diese Quelle theologischer Gegensätze beseitigt, und es hätte einer Verständigung nichts mehr im Wege gestanden, wenn nicht die neue These vom Arianismus der Drei-HypostasenLehre unvermutet eine Scheidewand aufgerichtet hätte, die ihren

Schatten drohend in die Zukunft warf. Photin war nun zwar als Ketzer verdammt, blieb aber ruhig in Sirmium, von der Anhäng­ lichkeit seiner Gemeinde gestützt, und der Kaiser ließ ihn gewähren.

Da kamen im Jahre 347 seine Richter nochmals jusammen, dies*) Hilarius 4,146,8—15.

2) Epiph. harr. 72,4,4.

Synode }tt Sirmlum (347)

207

mal in seiner eigenen Stadt, und sprachen aufs neue das Anathema über den Häretiker1: gegangen ist er aber auch da noch nicht. Es wird einem Wunsch des Kaisers entsprochen haben, wenn diese Synode ihr Derdammungsurteil in einem amtlichen Schreiben den orientalischen Bischöfen mitteilte. Das sollte eine versöhnliche Geste sein, und es war unfreundlich, wenn die Orientalen in ihrer Antwort auf Photins Lehrer, den bösen Marcell, Hinwiesen, mit dem Athanasius jetzt gebrochen habe2. Ursacius und Valens hatten

sich in der Zwischenzeit an Julius von Rom gewandt und ihr früheres Auftreten gegen Athanasius in aller Form zurückgenommen: sie seien durch gefälschte Angaben getäuscht worden. Und Arius wird von ihnen unter Bezugnahme auf ein schon in Mailand vorgelegtes Glaubensbekenntnis verdammt. Julius nahm sie wieder in seine Gemeinschaft auf, und sie schrieben nun auch dem Athanasius von Aquileia aus einen ent­ sprechenden Brief2. Damit war hier der Friede hergestellt. Aber die Verhandlungen mit der Ostkirche stockten völlig, drei weitere Jahre gingen hin, und es geschah nichts. Da brachte die große

Geschichte plötzlich einen Umschwung, wie ihn niemand erwartet hatte. *) Hilarius 4, 142,17ff. 146, 5—8. 22 147, 6—9. 26 147,10. ’) Hilarius 4,143—145.

*) Hilarius 4,146

Konstantes als Alleinherrscher. Am 18. Januar 350 warf sich der aus germanischem Blut stammende General Magnentius in Autun zum Kaiser auf und wurde mit erstaunlicher Schnelligkeit im ganzen Westen anerkannt. Konstans floh und wurde in einem Pyrenäendorf ermordet. Seine Schwester Konstantia, die Witwe des Hannibalianus, rettete Jllyricum vor dem Usurpator dadurch, daß sie den dortigen Kom­ mandierenden General Detranio veranlaßte, sich selbst zum Kaiser auszurufen und dadurch Schlimmeres zu verhüten. Ein legitimistischer Putsch in Rom wurde schnell erstickt. Magnentius ver­ suchte sich mit Detranio zu verständigen und schaffte ihm dadurch den erwünschten Zeitgewinn. Als Konstantius dann heranrückte, vereinigte Detranio seine Truppen mit denen des orientalischen Reichsteiles und legte am 25. Dezember 350 in Risch seine nur zum Schein getragene Krone in die Hände des Konstantius. Inzwischen hatte Magnentius seine Stellung befestigt. Konstans war im Volk und beim Heer verhaßt gewesen, und so erschien der neue Herr wirklich vielen als der „Befreier des römischen Reiches, Neubegründer von Freiheit und Staat, Schützer der Soldaten und Untertanen", als der er auf Inschriften gepriesen wird \ Obwohl er selbst Heide war und auch sofort einen Opfererlaß2 herausgab, ließ er Münzen mit dem Christussymbol schlagen3, vor allem aber versuchte er, mit Athanasius als dem mächtigsten Mann in Ägypten Verbindung zu bekommen. Dazu bot ihm eine Gesandtschaft Gelegenheit, die er über Alexandria an Konstantius schickte. Und Athanasius hat in der Tat an den Usurpator einen x) Dessau, Jnscr. lat. sel. n. 742. 2) Cod. Theod. 16,10,5. Philostorgius 3,26 p. 52, 7 Bidez. 8) Gnecchi, Medaglioni romani 1 Taf. 14, 1. H. Cohen, Descript. hist, des monnaies de l'empire rom. vol. 6 (1862) p. 333.

335» 337»

Magnentius

209

eigenhändigen Brief geschrieben, den er später, als er Konstantins in die Hände gespielt war, mit vielen Worten abgeleugnet und als

Fälschung bezeichnet hat1. Aber damals war er umworben, und

Konstantins versicherte ihn auch in einem Schreiben seiner un­ veränderlichen kaiserlichen Huld und Sicherung seiner Stellung2.

Magnentius mußte sich an der Rheingrenje gegen die von Konstantius aufgehetzten Alemannen wehren und übertrug diese Auf­ gabe seinem Bruder Decentius, den er Anfang 351 zum Caesar ernannte. Aber auch Konstantius sorgte nun für die bedrohte dynastische Nachfolge und machte seinen Vetter Gallus im März 351 zum

Caesar, verheiratete ihn mit seiner soeben politisch treu erfundenen Schwester Konstantia und wies ihm Antiochia als Residenz an. Seine politische Aufgabe war also Grenzsicherung gegen die Perser: daß dabei nicht gefährlich viel Ruhm zu holen war, wußte der Kaiser aus langjähriger Erfahrung. Inzwischen bereitete sich die Entscheidung des Hauptkampfes vor, da Konstantius alle Vorschläge des Usurpators beharrlich zu­ rückwies. Sein Heer rückte aus der rumänischen Tiefebene die Donau entlang nach Westen. Die Vorhut erlitt in der Gegend von Laibach eine Schlappe, aber dann kam es am 28. September bei Mursa (Esseg) in der Nähe der Draumündung zu einer schweren Schlacht, die mit der Niederlage des Magnentius endete. Aber dieser gab sich nicht verloren, auch nicht, als der Sieger wiederum Friedensverhandlungen ablehnte: er verließ Italien und ging nach Gallien, das noch zu ihm hielt, während Sizllien, Afrika und Spanien von den Flotten des Konstantius gewonnen wurden. 3m Hochsommer 353 Sffnete sich das kaiserliche Heer durch eine Schlacht den Durchmarsch auf Arles durch das Tal der Durance. Da wankte die Standhaftigkeit auch der gallischen Truppen, und Magnentius gab sich selbst in Lyon den Tod: das geschah am *) Athan. apol. ad Sonst. 6—11. 2) Athan. «pol. ad Const. 23 und hist. Ar. 24 in twei verschiedenen Übersetzungen. Dai« Festbriefe, Dorbericht |u 350 (p. 33 karsow) und die Klage hist. Ar. 51. Li etzmann, Gesch.

Alieu Kirche 3.

210

8. Konstantins als Alleinherrscher

io. August 353. Sein Bruder Decentius, der eben die Alemannen geschlagen hatte, folgte seinem Beispiel. Der Sohn des großen

Konstantin erbte das Glück seines Vaters. Er, der anfangs Zurück­ gesetzte und Schwächste unter den drei Caesaren, überlebte seine Brüder und wurde Alleinherrscher des ganzen Imperiums. Der Tag der Entscheidung brachte auch einem Kirchenmann seine große Stunde. Als die Heere bei Mursa miteinander rangen, sprengte Konstantius nicht nach seines Vaters Vorbild an der Spitze seiner Reiter unter die Feinde, sondern erwartete in einer Kirche vor der Stadt unter dem seelsorgerlichen Zuspruch des Bischofs ValenS den Ausgang des Kampfes. Der kluge Priester hatte gut vorgesorgt und erhielt als erster die Siegesnachricht. Er

brachte sie dem Kaiser und nannte als seinen Gewährsmann einen Engel vom Himmel. Das hat ihm Konstantius nie vergessen, und von Stund an war Valens sein Vertrauterx: die Kirchengeschichte der nächsten zehn Jahre weiß davon zu melden, wie er und sein unzertrennlicher Freund Ursacius von Belgrad ihren Einfluß be­ nutzt haben. Zunächst wurde dem Greuel ein Ende gemacht, daß in Sirmium der Ketzer Photinus noch immer unangefochten als Bischof saß. Eine vom Kaiser angeordnete Synode, an der nun auch Orientalen teilnahmen, verurteilte ihn, nachdem er in regelrechter theologischer Disputation durch Basilius von Ankyra überwunden war2. Das bei dieser Gelegenheit aufgestellte Symbol2 ist nur eine andere Ausführung dessen, was schon die lange Formel von Antiochia gebracht hatte. Diesmal, wo der Kaiser selbst in der Stadt residierte, wurde der hartnäckige Bischof wirklich von seinem Sitz entfernt und ist zu Konstantius'- Lebzeiten auch nicht wiedergekehrt.

Und nun zogen sich die Gewitterwolken über dem Haupt deS Athanasius zusammen. Denn seine Rückberufung war doch nur auf den Druck des Konstans hin erfolgt, und das ebenso miß­ trauische wie unehrerbietige Zaudern des selbstbewußten Papstes x) Snlpicius Severus Chron. 2, 38,5—7. 2) Socrates 2,29, 1—2 30, 44« Epiph. harr. 71,1,4—8. *) Athan. be synod. 27. Hahn, Bibl. § 160.

Photin beseitigt. Athanasius angeklagt

211

von Ägypten blieb ihm unvergessen. Dazu kamen jetzt die Beweise

für seine mehr als zweideutige Haltung gegenüber Magnentius. Es

wurde beschlossen, ihn an den Hof zu zitieren, der seit Herbst 352 nach Mailand übergesiedelt war. Athanasius hörte davon und ver­ suchte, dem Sturm zu begegnen, indem er im Mai 353 eine Gesandt­ schaft ägyptischer Bischöfe und Presbyter nach Mailand schickte und der gleich danach eintreffenden Aufforderung zum persönlichen Er­ scheinen nicht Folge leistete. Er behauptet später, ein gefälschter Brief habe dabei eine wichtige Rolle gespieltx. Schon ein Jahr zuvor war aber auch der kirchliche Feldzug gegen ihn von den Orientalen wieder eröffnet worden: hatten diese doch nur unter politischem Druck es schweigend geduldet, daß der von ihrer

Synode zu Tyrus rechtskräftig abgesetzte Bischof wieder nach Alex­ andria zurückgekehrt war. Nach dem Tode des Konstans bot sich die Gelegenheit, das in Serdika vergeblich verteidigte Urteil von Tyrus

aufs neue geltend zu machen. Aber diesmal gingen die Orientalen klüger vor und redeten nicht von Eigenständigkeit des Ostens, denn angesichts des außenpolitischen Umschwungs war mit partikularistischen Empfindungen des Konstantins nicht mehr zu rechnen. Wohl aber war es möglich, durch geschicktes Einlenken den römischen Bischof zum Bundesgenossen zu gewinnen. So schrieb man an Julius, wiederholte die alten Klagen und deutete an, er möge eine neue Prüfung des Falles Athanafius in die

Wege leiten. Damit kam man dem von ihm seinerzeit ausge­ sprochenen^ Wunsch nach Anerkennung eines besonderen Rechtes von Rom gegenüber Alexandria entgegen, und die Wirkung zeigte sich

auch überraschend schnell. Papst Julius hat den Brief nicht mehr be­ antworten können, da er am 12. April 352 starb. Sein Nachfolger Liberins schickte aber sofort eine Gesandtschaft nach Alexandria, zitierte Athanasius schroff vor seinen Richterstuhl und drohte ihm im Weige­ rungsfälle mit Exkommunikation^. Athanasius lehnte natürlich x) Hist. Athanasii 3 (p. 70s. Fromm) = Sozom. 4,9,6—7. Festbriefe Vor­ bericht p. 34 Larsow. Atha». apol. ad Const. 19—21. 2) s. 0. S. 188. 3) Liberias ep. 18 findens paci (Hilarius 4, 155).

212

8. Konstantins als Alleinherrscher

diese Zumutung ab. Sie war in dieser Form sicherlich ein Regie­

fehler, der die ungeschickte Zügelführung der neuen Hand erkennen ließ und Liberins merkte bald, daß er seinen Platz zwischen zwei Stühlen gewählt hatte. Er schickte Legaten an das kaiserliche Hoflager

nach Arles mit der Bitte, ein Konzil nach Aquileia zu berufen, und gab ihnen alle diesbezüglichen Akten mit \ Aber der Kaiser war jetzt nach dem Tode des Magnentius in

Siegessiimmung und wünschte keine langen Verhandlungen. Schon hatte sich eine Anzahl italienischer Bischöfe dem kaiserlichen Zwang gefügt und der Verdammung des Athanasius zugestimmt. Nun wurde auch an die päpstlichen Legaten dasselbe Ansinnen gestellt, und

sie willigten ein. Zur Sicherheit bedangen sie sich noch die Verdam­ mung des Arianismus aus, aber davon war nachher nicht mehr die Rede 2. Liberius war entrüstet über diese Eigenmächtigkeit, die ihm die

Aussicht auf das erwünschte Konzil verdarb, und schickte den Bischof Lucifer von Cagliari (in Sardinien) mit einem Schreiben anKonstantius, um doch noch die Einberufung einer kirchlichen Versammlung zu erreichen. Er betonte, daß auch er den allgemeinen Frieden wünsche, aber der hänge nicht bloß von einer korrekten Erledigung der Athanasiussache ab, sondern es stehe auch die Frage des rechten Glaubens noch ungeklärt zwischen ihm und den Orientalen: und nun weist er auf das unter dem kaiserlichen Vater einmütig beschlossene nicänische Bekenntnis hin, welches als Vorbild für die Nachwelt bewahrt werden müsse. Dann werde der Heiland selbst seine Freude daran haben, daß

der Herrscher politische Notwendigkeiten hinter der Sache des Glaubens und des kirchlichen Friedens zurückstelle3. Die Gesamtlage erschien für die Absichten des Konstantius nicht

ungünstig, und auch ihm mußte eine synodale Entscheidung als Deckung erwünscht sein. So wurde denn im Sommer 355 nach der Residenzstadt Mailand ein Konzil von mehr als dreihundert überx) Liberius ep. 4, 2 obsecro (Hil. 4, 90 vgl. p. 167, 7). 2. 5 obsecro und 1, 1—2 intet haec (Hil. 4, 90. 92. 167).

(Hil. 4z 89—93).

*2) Liberius ep. 4, 3) Liberius ep. 4

Synode in Mailand (355)

2IZ

wiegend abendländischen Bischöfen berufen. Aber von der Glaubens­ frage war auch jetzt nicht die Rede, und als Euseb von Vercelli die Unterzeichnung des Nicaenums verlangte, trat -er kaiserliche Ver­ trauensmann Valens hindernd dazwischen. Die Sitzungen wurden aus der Kirche in den Palast verlegt \ und der Kaiser hörte hinter einem Vorhang verborgen den Reden zu2. Er verstärkte den Druck auf die Bischöfe, um sein Ziel, die Verdammung des Athanasius, zu erreichen. Die Verquickung dieses Urteils mit der Glaubensfrage lehnte er rundweg ab3. Er setzte im großen und ganzen seinen Willen durch: die meisten unterwarfen sich. Nur die wirklichen Führer des Abendlandes widerstrebten, allen voran Paulinus von Trier, dann Euseb von Vercelli, Dionys von Alba, Lucifer von Cagliari, aber auch Dionys von Mailand und Rhodanus von Toulouse, die erst halb zugestimmt hatten. Sie alle wurden in die Verbannung geschickt**. Mit Liberius wurde lange verhandelt, aber schließlich mußte auch er in Mailand erscheinen und, da er den Wünschen des Kaisers nicht nachgeben konnte, in die Verbannung gehen. Beroea in Thrakien (Derria) wurde ihm als Wohnsitz angewiesen. Von seinen dramati­ schen Unterredungen mit den Beamten und dem Monarchen selbst liefen eindrucksvolle Berichte im Volke um5. Athanasius legt ihm sogar die Forderung nach einem rein kirchlichen, von staatlichen Ein­ flüssen unabhängigen Konzil in den Mund6. Den beinahe hundert­ jährigen Ossius bearbeitete man fleißig mit Briefen, aber ohne Er­ folg. Schließlich ließ ihn der Kaiser nach Sirmium kommen und hielt ihn dort ein ganzes Jahr fest, bis er mürbe wurde und die Kirchen­ gemeinschaft mit Ursacius und Valens anerkannte. Aber die Ver­ dammung des Athanasius verweigerte er nach wie vor7. In Gallien organisierte Hilarius von Poitiers den Widerstand gegen die Kirchen­ politik des Konstantins und wurde daraufhin von einer Synode zu *) Hilar. 4, 186f. 2) Lucifer moriendum esse pro bei filio 1.4 (p. 28$, 29 291, 20 Härtel). 3) Bezeichnend Sulpicius Severus Chron. 2, 39, 7. *) Berichte bei Socrates 2, 36 Sozom. 4,9,1—4 Hilar. 4, 186s. Sulp. Eev. 2, 39 Äthan, hist. Ar. 31, 76. Briefe an Euseb. Derr, bei Labbe Conc. 2, 773 s. *) Athan. hist. Ar. 35—39. Theodoret, KG 2,16 Ammianus Marc. 15,7,6—10. Sozom. 4, n. ') Athan. hist. Ar. 36. ’) Athan. hist. Ar. 42—45. f. S.217A.1.

214

8. Konstantins als Alleinherrscher

Biterrae (Böziers) abgesetzt und verbannt. Er mußte nach Phrygien

gehen und blieb dort vier Jahre \ Konstantius hatte seinen Willen der gesamten Kirche aufgezwungen und er konnte sich selbst als würdiger Nachfolger seines Vaters vorkommen. Nur hatte der Sieg einen erheblich längeren Kampf erfordert und war sehr teuer erkauft. Und noch eins: alle ab­ gesetzten Bischöfe hatte der Kaiser ohne weiteres in die Verbannung zu schicken vermocht, nur Athanasius, um den das Ganje ging, saß unangefochten in Alexandria und hatte den kaiserlichen Kommissar unverrichteter Dinge nach Hause gehen heißen. Das jeigte dem Kon­ stantius peinlich die Grenzen seiner Macht, lehrt uns aber auch die Berechtigung des staatlichen Kampfes gegen diesen Papst verstehen.

Sobald die Mailänder Synode die nötige kirchliche Deckung ge­

liefert hatte, erschien Ende August 355 ein neuer Kommissar in Alex­ andria und versuchte, den Athanasius zu entfernen. Er nahm die Polizei zu Hilfe und brach einmal sogar in die Kirche ein, aber das Volk leistete nachhaltigen Widerstand, und nach vier Monaten mußte auch er rühmlos abziehen. Da griff der Kaiser zum letzten Mittel. Die in Ägypten und Libyen stehenden Legionen marschierten unter dem Kommando des Dux Syrianus in Alexandria ein; die Theonas-

kirche wurde einen Monat später in der Nacht vom 8. zum 9. Februar 356 militärisch besetzt, und Athanasius verschwand spurlos.

Aus sicherem Versteck schrieb er dann die „Apologie an Konstantius", in der er den Kaiser davon benachrichtigt, daß er, doch wohl

ganz im Sinne der kaiserlichen Majestät, geflohen sei und sich ver­ borgen halte. Er habe zum Hoflager reisen wollen, aber unterwegs so schreckliche Nachrichten über die in Ägypten und anderwärts ge­

schehenen Gewalttaten vernommen, daß er wieder umgekehrt sei. Denn diesen eigenmächtigen Beamten sei ja alles zuzutrauen, und da müsse er sich hüten. Denn es würde dem Kaiser doch unzweifelhaft sehr leid

tun, wenn ihm auf dem Wege zur Residenz etwas Böses widerführe. In Alexandria wurde ein Protokoll über die Vorgänge jener Sturmx) Hilar. c. Const. 2 (2,562s. Ben.) Hieron. vir. inl. 100.

Athanasius flieht (356). Georg in Alexandria

215

nacht aufgesetzt, und das Volk ließ die Kirchen nicht mehr leer, weil es

für ihren Besitz fürchtete. Vier Monate dauerte dieser Zustand, dann kam wieder Militär, räumte die Kirchen und übergab sie der Gegenpartei, die freilich erst acht Monate später ein Haupt erhielt: einen Kappadokier namens Georg, von dem nicht nur Athanasius viel Übles sagt, sondern den auch Ammianus Marcellinus als Schädling des gemeinen Wesens bezeichnet \ Sein Einzug in Alexandria war von allerlei Gewalt­

taten begleitet. In der Pfingstwoche 356 kam es zu grausamen Miß­ handlungen einer athanasianischen Gemeinde, die auf dem Friedhof einen abgesonderten Gottesdienst hielt. Es gab schwere Verwun­ dungen und Todesfälle, und die nun einsetzende Verfolgung der ägyptischen Bischöfe und Kleriker, die dem neuen Herrn die Gemein­ schaft weigerten, rief die Erinnerung an diokletianische Zeiten wach2. Neun Monate hielt die Stadt diese Plagen aus, dann stürmte das Volk die Dionysioskirche. Es gelang, den Bischof der wütenden

Menge zu entreißen, aber nach einem weiteren Monat mußte er fliehen: das war am 2. Oktober 358. Athanasius war während dieser Zeit in Alexandria versteckt, und er wird schwerlich dem allen untätig zugeschaut haben2. Konstantins hatte auch abgesehen von den kirchlichen Fragen seine neugewonnene Alleinherrschaft nicht ohne Sorgen genießen können. Sein Cäsar Gallus4 tat in Antiochia nicht gut und fand in seiner Gemahlin Konstantia eine nur allzu gleichgesinnte Genossin seiner grausamen Neigungen und eines durch widerliche Spionage sich stützenden Willkürregiments. Militärisch versagte er völlig, und die Jsaurier plünderten ungehindert im südlichen Kleinasien: er konnte von Glück sagen, daß die Perser anderweitig beschäftigt waren und ihn nicht belästigten. Schließlich nahm Konstantius dem völlig un­

möglich gewordenen Mann das militärische Oberkommando, und als er auch dann noch blutige Ausschreitungen selbst gegen höchste x) Athan. hist. Ar. 75. Amm. Marc. 22, 11,4. 2) Athan. hist. Ar. 59—72 «pol. de fuga 6—7. s) Hist. Athan. 5. 6 (p. 72s. Fromm). Festbriefe Vor­ bericht p. 36 iarsow. *) s. S. 209 und Seeck, Gesch. d. Untergangs 4, rar ff.

216

8. Konstantius als Alleinherrscher

Würdenträger verübte, zwang er ihn, zur Rechenschaftsablegung an den Hof zu kommen. Konstantia reiste voraus, um den Sturm abzu­ fangen, aber sie starb unterwegs. Er selbst gelangte nur bis Istrien, wo er vor Gericht gestellt und (354) enthauptet wurde. Daß die Ge­

nossen seiner Taten ihm folgten, versteht sich von selbst. Sein Bruder Julian hatte seit 351 in Pergamon und Ephesus seinen Bildungs­ hunger ungestört befriedigen können. Jetzt wurde er auch bearg­

wohnt und einer Untersuchung unterworfen, kam aber dank der warmen Fürsprache der Kaiserin Eusebia frei und durfte sein Stu­

dium in Athen fortsetzen. Nach diesen Sorgen im Osten folgte ein Unglück am Rhein. Der Oberstkommandierende Magister militum Silvanus empörte sich in Köln (August 355). Zwar wurde er schon vier Wochen später er­ schlagen, aber bald danach eroberten die Franken Köln und brachen gemeinsam mit den Alemannen weit in das Reichsgebiet ein. Und auch am Oberrhein «ar trotz des Frühlingsfeldzuges dieses Jahres keineswegs alles in Ordnung. Da faßte Konstantius den schweren Entschluß, den letzten überlebenden der Dynastie zu seinem Kronprinzen zu machen und an den Rhein zu senden. Julian wurde aus Athen abgerufen, am 6. November 355 in Mailand zum Cäsar ernannt und mit Helena, der Schwester des Kaisers, verheiratet. Am 1. Dezember reiste er bereits zum Heere ab und enttäuschte dort alle Welt. Der philosophische Träumer und Stubenhocker ent­ wickelte sich zu einem vorbildlichen Feldsoldaten, und alle Obstruktion der ihm beigegebenen Generäle konnte es nicht verhindern, daß er erstaunliche Erfolge errang, bei Straßburg die Alemannen schlug und in den nächsten Jahren mehrfach über den Rhein ging, auch die Franken zurückdrängte und Gallien von den Eindringlingen befreite. Je größer seine Erfolge wurden, desto schwerer lastete sein junger Ruhm auf der Seele des Konstantius. Aber einstweilen zeigte sich noch keine Gefahr, und er konnte im April 357 die Feier seines zwanzigjährigen Regierungsjubiläums mit einem prächtigen Einzug

in Rom eröffnen.

Gallus. Julian. Formel von Sirmium (357)

217

Im Herbst desselben Jahres war er in Sirmium, und hier legten

ihm seine theologischen Berater Valens und Ursacius jusammen mit dem Stadtbischof Germinius, also dem Nachfolger des abgesetzten Photin, eine theologische Formel vor, welche im Sinne des Kaisers alle Zwistigkeiten zu beseitigen und den Reichsfrieden herzu­

stellen versprach \ Da war denn nun allerdings der Stier bei den Hörnern gepackt und deutlich gesprochen. Es gibt nur einen Gott und nicht zwei Götter. Von Substanz, was die Griechen Usia nennen, soll überhaupt nicht geredet oder gepredigt werden, weder von Homousios noch von Homoiusios, denn davon steht nichts in der Bibel

und es geht über Menschenwissen hinaus. Vater und Sohn sind zwei Personen, und zwar ist der Vater der übergeordnete und der Sohn

untersteht ihm, wie Joh. 14,28 klar gesagt ist. Der heilige Geist ist durch den Sohn den Gläubigen gesandt, und die Trinität ist durch Matth. 28,19 gewährleistet. Daß diese Formel dem Kaiser gefiel, ist begreiflich. Daß man den hundertjährigen Ossius nach einjähriger Haft soweit bringen konnte, daß er fie unterzeichnete2, während er die Verdammung des Athanasius hartnäckig ablehnte, bedarf einer andern Erklärung als des Hinweises auf seine Gebrechlichkeit. Wir werden bald bei Liberins vor derselben Frage stehn. Die Formel wurde zur Unterzeichnung umhergeschickt und Hilarius mahnte aus dem Exil die gallischen Bischöfe zur standhaften Ablehnung3. 3m Orient hatte während all dieser kirchlichen Kämpfe die Theo­

logie nicht stillgestanden, sondern es war von mehreren Seiten an einer Klärung der in das machtpolitische Ringen hineingeworfenen

Schlagworte der Spekulation gearbeitet worden. Antiochia wurde zum Zentrum einer Bewegung, als der kluge und ehrgeizige Eudoxios sein kleines Provinzialbistum verließ und sich im Jahre 358 zum Nachfolger des plötzlich verstorbenen Bischofs Leontius machte: T) Hahn, Bibl. § 161 nach Hilarius de synod. n (2, 464 Bened.) 3. Gummerus, Oie homöuflanische Partei S. 52—57. Über das Datum s. Loofs in Herjog-Hauck Realeuc. 2, 33, 27ff. 2) Athau. «pol. de fuga $ hist. Ar. 45 Socr. 2, 31 Sozom. 4, 12, 6 Marcell. et Faust, liber precum 32 in Coll. Avell. i p. 15 Günther. Hilarius de synod. 87 (2, 513 Ben.). 3) Hilar. de synod. 2 (2,459).

218

8. Konstantins als Alleinherrscher

übrigens ohne Verständigung mit den maßgebenden orientalischen

Bischöfe», aber im Einvernehmen mit den Kammerherrn am Hof

von Konstantinopel. Er hatte bereits an mehreren bedeutsamen Synoden teilgenommen, darunter der antiochenischen von 341 und der von Serdika, war auch jüngst in Sirmium und Mailand hervor­ getreten *, so daß der Hof ihn als brauchbares Werkzeug gern auf dem wichtigen Thron der syrischen Hauptstadt sehen mochte. Er zog den als scharfsinnigen Denker bereits bekanntgewordenen Aetios wieder nach Antiochia, wo er vor Jahren von Bischof Leontios zum Diakon geweiht war und seine ersten Studien getrieben hatte, und mit ihm seine Schüler, unter denen Eunomios der bedeutendste war. Diesen hat er auch zum Diakon ordiniert2. Wir haben eine Thesen­ reihe des Mtios erhalten, in der er mit logischer Schärfe die Begriffe der zeitgenössischen Theologen zergliedert und nachweist, daß sie innere Widersprüche enthalten. Gott der Vater ist ungezeugt, das wird von allen Seiten feierlich bekannt, und das ist auch zutreffend. Der Gottesbegriff ist sogar so weit über aller Kausalität erhaben, daß man nicht einmal sagen kann, er sei selbst die Ursache seines Seins. Wenn also alle und jede kausale Beziehung innerhalb der göttlichen Wesenheit ausscheiden muß, so kann auch nicht von Zeugung in Gottes Wesen gesprochen werden. Demnach bleibt in alle Ewigkeit Gott in seinem Wesen ungezeugt, und ebenso ist in alle Ewigkeit ein gezeugtes Wesen etwas vom Gott substantiell verschiedenes, und alles Gerede von Homousios oder Homoiusios des Sohnes Gottes geht fehl2. Das war eine unerbittliche Kritik an all den wohl­ meinenden Experimenten, die rundum gemacht wurden, aber bei Licht besehen auch eine Kritik an Origenes selbst. Dieser Aetios sah schärfer als der fast vergessene Arius, und sein Radikalismus be­ deutete mehr als eine einfache Neubelebung jener alten Ketzerei. Er traf die ganze spekulative Christologie im Namen des philosophischen Gottesbegriffs an die Wurzel. Und sein Schüler und Freund, der *) Hilar. 4,170,5 Labbe Gotte. 2,77z d. 2) Brief des Georg. Laodic. bei Svjom. 4,13,2 Philostorglos 4, 8 p. 62, 17 Bidez. 3) Thesen des A-tios bei Epiph. haer. 76, n—12: grundlegend These 1—5.

Der NeuarianlsmuS. Synode j« Ankyra (358)

21Y

kappadokifche Cunomios, nahm seine Gedanken auf und baute sie in wirkungsvollen Flugschriften aus. Es ist leicht einzusehen, daß diese Neuarianer mit ihrer theoretisch und spekulativ begründeteu Ab­ lehnung der Formeln Homousios oder Homoiusios sich schnell mit den Kirchenpolitikern Valens und Ursacius zusammenfinden konnten, denen dieselben Schlagworte als Symbole kirchlicher Machtgruppen unerwünscht waren. 3m Frühjahr 358 versammelte der neue Bischof von Antiochia, Eudoxius, seine Freunde um sich — darunter waren Acacius von Caesarea und Uranios von Tyrus — und ließ den Männern von Sirmium Dank sagen für ihre klare Ablehnung der ganzen Substanzspekulationen. Jetzt, aber auch wirklich erst jetzt, tritt das Nicaenische Bekenntnis mit seinem Stichwort Homousios in den Vordergrund des Kampfes. Hilarius von Poitiers bezeugt uns mit klaren Worten, daß er während seiner schon eine ganze Weile dauernden bischöflichen Wirksamkeit nie etwas von dem nicänischen Symbol gehört habe. Erst als es sich um seine Verbannung handelte, also nach 355, sei ihm diese Formel zuerst bekanntgeworden \ Die Mailänder Oppo­ sition hat sich die Einstellung des Athanasius zu eigen gemacht, den politischen Machtkampf zwischen Alexandria und Konstantinopel zu einem Glaubevskampf gestempelt und ihn dadurch vertieft, aber auch furchtbar verschärft. Unter diesen Umständen erschien die antiochenische Zustimmung zu der vom Kaiser ausgegebenen und von Valens verkündeten Friedensparole als ein Bekenntnis zum neu aufgelebten Arianismus und somit als theologische Kampfansage gegen die ganze origenistische Schule. Georg von Laodicea gab sofort dieser Meinung Ausdruck, und forderte zu einem Protestschritt auf2, und Basilius von Ankyra lud auch wirklich zur Feier einer Kirchweih die Bischöfe seiner Richtung zusammen. Hier in Ankyra wurde Ostern 358 das theologische Programm dieser Partei ausgezeichnet. Die ziemlich ausführliche Denkschrift ist uns erhalten3 und gibt eine klare Antwort auf die umstrittene Frage. J) Hilar. de synob. 91 (2, 518 Ben.). 2) Brief bei Sozom. 4,13,2—3. 3) Epiph. haer. 73, 2—11. Dgl. Sozom. 4, 13.

220

8. Konstantins als Alleinherrscher

Vater und Sohn sind „von gleicher Substanz" (Homoiustoi oder

homoioi kat' Usian), so wie ein menschlicher Vater und sein Sohn

auch von gleicher Substanz sind. Es ist falsch, mit den Arianern diese Gleichheit zu leugnen, aber ebenso falsch, mit Marcell von Ankyra oder Sabellius Vater und Sohn als identisch zu bezeichnen: und diesen letzteren Fehler begeht auch die Formel Homousios, welche demnach als verdammlich abzulehnen ist. Das war im Grunde nichts anderes als eine erneute Umgrenzung der alten eusebianischen An­ sicht: so hatte man in den Kreisen der führenden orientalischen Theo­ logen immer gedacht. Aber jetzt zum erstenmal wagte man, das nicänische Stichwort rundweg abzulehnen, das man bisher nur durch völliges Totschweigen unschädlich gemacht hatte. Und da die Gegner auch gute Gründe gehabt hatten, es nicht zu zitieren, so war diese Taktik durchführbar gewesen. Damit war es seit Mailand zu Ende. Athanasius gilt in der traditionellen Geschichtsschreibung als der Mann, der von Anfang an ein glühender Verteidiger und Ausleger des nicänischen Bekenntnisses gewesen sei. Die Urkunden ergeben ein wesentlich anderes Bild. In seinen frühen theologischen Schriften „gegen die Heiden" und „über die Menschwerdung" wird Nicäa und Homousios überhaupt nicht erwähnt, obwohl diese Traktate im stillen Wettbewerb mit Eusebs Theophanie geschrieben sind. Die drei großen Reden „gegen die Arianer" sind bereits in der vollen Hitze des Kamp­ fes entstanden, und wir stellen mit Erstaunen fest, daß zwar im Be­ ginn des Werkes einmal von der Verdammung des Arius durch die oekumenische Synode gesprochen und das Homousios zitiert wird, im weiteren Verlauf der Erörterungen die Formel aber nie mehr er­ scheint. Dagegen finden wir immer wieder den Sohn als dem Vater „gleich" (homoios) oder „in allem gleich" oder „wesensgleich" (homoios kat' Usian) bezeichnet \ Alle die Schlagworte, die später als Kennzeichen arianischer oder halbarianischer Ketzerei gebrandmarkt werden, reichen sich hier noch friedlich die Hand und werden von *) Athan. or. c. Ar. i, 7. 9. Loofs, Dogmengeschichte* S. 239s. Rede ist unecht.

Die vierte

Kampf um das Homousios

221

Athanasius unter bewußter Umgehung des gefährlichen Homousios

jur Kennzeichnung des wahren Glaubens verwendet. Das ändert sich mit einem Schlage in den fünfjiger Jahren. Um

dieselbe Zeit, in der Papst Liberius den Kaiser auf die Bedeutung des Symbols von Nicäa hinweist, schreibt Athanasius seine Schrift „von den nicänischen Beschlüssen", in der gegenüber den Eusebianern und Acacius von Caesarea das Panier des Homousios entfaltet wird. Und in Abwehr eines gegnerischen Hinweises auf die Haltung des alexandrinischen Dionys in der Homousiosfrage1 untersucht er in einem kleinen Traktat „die Meinung des Dionysios"; und auch hier dreht sich alles um das nicänische Stichwort. Athanasius läßt keinen Zweifel, daß diese Formel ihm den entscheidenden Gegensatz der Fronten gut herausstellt. Das gewöhnliche „der Sohn ist dem Vater gleich" (homoios) ge­ nügt ihm jetzt nicht mehr, denn das kann auch von einem mensch­ lichen Sohnesverhältnis ausgesagt werden. Gott Vater bleibt aber mit seinem Sohne stets untrennbar verbunden — da hört die mensch­ liche Analogie auf —, Vater und Sohn sind eins, wie Joh. io, 30 zu lesen steht, und zur Bezeichnung dieser Einheit ist ein stärkerer Aus­ druck nötig, also „wesenseins", homousios: das bedeutet nichts Geringeres als Identität der Substanz. Gott ist die Substanz alles Seienden. Während aber alles Seiende aus dem Nichts geschaffen wurde, ist der Sohn allein aus der Substanz des Vaters geboren, und zwar in Totalität, nicht etwa nach materieller Analogie als ein

Teil der Substanz vom Vater abgetrennt zu denken. Die Schrift nennt ihn (Hebe. 1,3) den Abglanz des Lichtes: so ist wirklich das Licht und der Glanz eins, und der Glanz ist in der Sonne, und wer

das eine sieht, sieht auch das andere2. Der Wunsch nach Sicherstellung der vollen Göttlichkeit des Sohnes ist klar erkennbar, und gleichzeitig die Abneigung gegen jeden Versuch, ihn in irgendeiner faßbaren Weise dem Vater unterzuordnen. Aber Athanasius begibt sich mit seiner Konstruktion einer substantiellen Identität, die andrerseits

*) s. 0. S. 83. 3°, 3-

2) Athaa. de beer. 20, 2—5 22, 4 23, 1—3 24, 1—2

222

8. Konstantlus als Alleinherrscher

ohne Teilung gedacht werden soll, außerhalb des Bezirkes vorstell­

barer Gedankengebtlde. Damit verläßt er den Boden, auf dem allein theologische Wissenschaft möglich ist, und schreitet in das geheimnis­

volle Dunkel des logischen Mysteriums, in dem Wort und Begriff auseinanderfallen. Einstweilen merkt er das aber noch nicht: den Gegnern ist es nicht entgangen. Die antiochenische Kundgebung für die Neutralitätsformel von ©trmtttm1 hätte eigentlich den Kaiser erfreuen müssen. Aber die eigenmächtige Thronbesteigung des Eudoxios hatte ihm nicht ge­ fallen. Eine Deputation der Ankyraner Synode mit Basilius an der Spitze lieferte einen hochpolitischen Kommentar dazu und machte ferner auf die neuarianischen Umtriebe in Antiochia aufmerksam. Es erfolgte ein kaiserliches Schreiben3 an die antiochenische Ge­ meinde, in welchem Eudoxios hart getadelt und die Entfernung des Aetios und seines Anhangs gefordert wurde. Dem leistete man Folge. Aetios und Eunomios mußten in die Verbannung, und die Bischöfe der ankyranischen Partei scheinen dabei eine neuartige Rolle als Mitarbeiter der Polizei gespielt zu haben. Aber auch Eudoxios konnte sich bald nicht mehr halten und kehrte in seine armenische Heimat zurück; noch andere Kleriker, an die siebzig, wurden aus ihren Stellen entfernt3. Basilius von Ankyra beherrschte die Lage und durfte den Erfolg buchen, daß der Kaiser in seinem Schreiben sich zu der homoiusianischen Formel bekannt hattet Aber das war trügerischer Schein. Als der Kaiser im Juni 358 von einem kurzen Feldzug gegen die Sarmaten nach Sirmium zu­ rückkehrte, nahm eine große Einigungsaktion ihren Anfang. Es wurde eine Denkschrift5 aufgesetzt, welche die kirchlichen Urteile gegen Paul von Samosata und Photin von Sirmium mit der vierten antiochenische» Formel vereinigte — wobei es klar war, daß man sich des samosatenischen Ketzers nur darum erinnert hatte, weil man mit seiner Verwerfung die Ablehnung des Homousios schön begründen konnte. Konstantins ließ den Liberins aus seinem Verbannungsort

") s. 0. S. 219. 2) Sozom. 4,14. 4,14,46) Sojom. 4,15,2.

3) Philostorgios 4,8.

*) Svjvm.

Liberius unterwirft sich

22Z

Beroea nach Sirmium kommen. Der römische Papst war längst von Fortunatian von Aquileia1 und seinem Ortsbischof Demophilus fleißig bearbeitet worden und wurde nach jwei Jahren des Exils endlich mürbe. Er brach vollständig zusammen. An die Orientalen

schrieb er einen kläglichen Brief, in dem zu lesen stand, daß er den Athanasius als exkommuniziert ansehe und das eigentlich schon seit 352 getan habe2. Und dann schickte er einen zweiten Brief hinterher, in dem er seiner Verdammung des Athanasius und der Anerkennung des orientalischen Standpunktes nochmals Ausdruck gab und hinzu­ fügte, daß er auch der ersten sirmischen Formel', die ihm Demophilus theologisch gedeutet habe, mit freudigem Herzen zustimme4. Auch Ursacius, Valens und Germinius von Sirmium erhielten ein Schreiben, in dem das ganze römische Presbyterium zum Zeugen für die Verdammung des Athanasius aufgerufen und mit einer ver­ legenen Wendung das späte Erscheinen dieser Erklärung bedauert wurde. Eine entsprechende Mitteilung für den Kaiser gelangte durch Fortunatian in die Hände des Kammerherrn Hilariuss. Selbst an seinen einst ungnädig gescholtenen Legaten Vincentius von Capua schrieb Liberius in gleichem Sinne6. Und in jedem dieser Briefe stand die flehentliche Ditte, für die Heimkehr des Briefschreibers ein­ treten zu wollen. Nun war es so weit. Der Kaiser ließ ihn noch die Denkschrift unter­ zeichnen, welche in der Verdammung des samosatenischen Homousios doch auch eine Bitternis für ihn enthielt. Dann bekam er die Er­

laubnis zur Heimreise. Ein schwacher Trost war ihm die Möglichkeit, ein homoiusianisches Bekenntnis der Ankyraner Theologen unter­ zeichnen zu dürfen: aber das hat ihm nicht erst die Nachwelt Übel ver­

merkt ’. Auch eine Gesandtschaft afrikanischer Bischöfe, die sich für Liberius einsetzten, mußte die sirmische Formel unterzeichnen. Das wird den vier Männern nicht schwer geworden sein, denn alle diese

Fragen waren ihnen völlig fremd. *) Hieron. vir. inl. 97. 2) Liberius ep. 18 findens pari (Hilarius 4, 155) vgl. 0. S. 211. 3) s. 0. S. 2io. **) Liber, ep. 10 pro deifico (Hil. 4,168). •) Liber, ep. 11, 2 quia scio (Hil. 4,171). •) s. 0. 6. 212. Liber, ep. 12 non boceo (Hil. 4,172). ’) 6040m. 4,15.

224

8. Konstantins als Alleinherrscher

Die sirmische Synode schrieb nun den Römern, sie möchten den

Liberins als Bischof wieder anfnehmen, aber den bisher zu seinem

Ersatz amtierenden Felix in seiner Würde belassen, so daß also zwei Bischöfe gemeinsam in Rom regieren sollten \ Diese Unmöglichkeit war kaiserlicher Befehl und mußte also einstweilen geduldet werden. Natürlich gab es Unruhen und handgreifliche Widerstände. Felix hatte ohnehin nicht viel Anhang in der Gemeinde, und so mußte er

bald weichen; er verließ die Stadt und begab sich auf sein Landgut in der südwestlichen Campagna, wo er nach einigen Jahren gestorben ist. Liberins hat ein Jahr länger gelebt: als sein Todestag wird der 24. September 366 notiert2. In der Stadt war und blieb er beliebt, aber politisch war er erledigt. Als Gegenspieler des Kaisers und Führer des Abendlandes kam er nicht mehr in Betracht: diese Rolle nahmen jetzt andere dem römischen Papst aus der Hand. Im Osten erscheint noch immer Basilius von Ankyra als der führende Mann und berät den Kaiser schriftlich und mündlich über den Fortgang des Friedenswerkes. Es soll nun eine große Reichs­ synode einberufen werden: aber wohin? Der Name Nicaea wird ge­ nannt, aber findet Bedenken wegen der an ihn sich knüpfenden Er­ innerungen. Man nimmt Nikomedia in Aussicht, aber mitten unter die Vorbereitungen schlägt die Nachricht von der Zerstörung der Stadt durch ein Erdbeben mit nachfolgender Feuersbrunst am 24. August 358. Die Synode muß verschoben werden und soll nun im Frühjahr 359 fiattfinden und zwar als Doppeltagung: die Abend­ länder werden nach Rimini eingeladen, die Orientalen sollen nach

dem isaurischen Seleukia kommen. Am kaiserlichen Hoflager zu Sirmium findet eine Vorbesprechung statt, und der Monarch gibt die Parole aus. Mit Schrecken merkt jetzt Basilius, daß seine Führer­ stellung zwar äußerlich anerkannt wird, daß aber die Entschlüsse des Kaisers inhaltlich durch die Ratschläge seiner alten Vertrauten Valens

und Ursacius bestimmt werden. Am Sonnabend vor Pfingsten, dem 22. Mai 359 wird in Gegenwart des allerhöchsten Herrn in Sirmium *) Sozom. 4,15. 2) Theodore:, KG 2,17. Liber pontif. 37,5 Coll. Avell. 1,3—4 (1 p. 2 Günther) Mommsen, Ges. Schriften 6,570—581.

Das „Homotos" von Slrmium (359)

225

ein Glaubensbekenntnis1 festgesetzt, welches sich in den altgewohnten Bahnen des Orients bewegt und am Ende ausdrücklich jede Er­ wähnung des Begriffs Usia künftighin untersagt. Am Schluß heißt es: „wir nennen den Sohn dem Vater gleich (homoios) in allem, wie auch die heiligen Schriften sagen und lehren". Markus von Arethusa, der schon die erste sirmische Formel2 entworfen hatte, wird als Redaktor des Textes genannt3. Die Hofbischöfe hatten ihre Absicht erreicht, das Wort Usia war beseitigt, und es war ein kümmerlicher Trost für die Ankyraner, daß sie wenigstens „gleich in allem" statt des von Valens gewünschten mageren „gleich" durchgedrückt hatten4.* Sie setzten denn auch bald danach eine Denkschrift6 auf, in der sie dies „gleich in allem" als Abwehr des Neuarianismus deuten, dem die Hofbischöfe den Weg in die Kirche öffnen wollen, und eine Trinitätslehre entwickeln, die genau dem in Ankyra aufgestellten

Programm3 entspricht: eine Gottheit in drei Personen d. h. Hypo­ stasen. Und die Absicht ist, ju zeigen, daß man das auch ohne An­ wendung des Wortes Usia in Einklang mit der Formel „gleich in allem" jum Ausdruck bringen könne. Das ist richtig, aber die Formel

selbst sagt es nicht. Für die Dreiheit haben sie das Wort Hyposiasis — aber für die Einheit fehlt eben die in Ankyra aufgestellte Bezeich­ nung Usia, weil sie verboten ist. Der Nachweis, daß sie der Schrift entspricht, nützt in dieser Lage nichts. Inzwischen sammelten sich die Bischöfe in den auserwählten Städten. Nach Rimini ging am 28. Mai eine kaiserliche Instruktion7 ab, welche als Aufgabe der Synode Verhandlungen über Glauben und Einheit sowie Ordnung der kirchlichen Angelegenheiten bezeichnet: dabei wird aber in schroffem Ton den hochwürdigen Männern eiageschärft, daß sie sich ja nicht herausnehmen sollen, irgend etwas über orientalische Bischöfe zu beschließen. Nach Beendigung der Tagung haben zehn Bischöfe über das Ergebnis im kaiserlichen Hoflager zu *) Athan. de synod. 8 Hahn, Bibl. § 163. Lietzmann, Symbole- S. 31. 2) s. 0. S. 2io. 3) Germlnlus bei Htlar. 4,163,18. 4) Epiph. harr. 73, 22, 5—8. e) Epiph. harr. 73,12—22. Dazu Gummerus, D. homöasian. Partei S. 121—133. •) s. 0. S. 219 f. ’) Bei Hilar. 4,93. Lietzmann, Gesch.-.alten Kirche z.

15

226

8. Konstantins als Alleinherrscher

berichten und mögen da mit der entsprechenden orientalischen Depu­ tation verhandeln. Wir müssen bedauern, daß das parallele Schreiben1 nach Seleukia nicht erhalten ist: der Vergleich würde lehrreich sein. In Rimini kamen über 400 Abendländer zusammen 2 und lebten, wie es der amtliche Charakter dieser Reichssynode mit sich brachte, als Gäste des Kaisers. Nur die Bischöfe aus Gallien und Britannien lehnten diese Gunst ab und lebten auf eigene Kosten, weil ihnen das würdiger schien. Als Regierungskommissar waltete der Praefectus Praetorio Taurus, der angewiesen war, die Bischöfe nicht eher nach Hause reisen zu lassen, bis sie sich geeinigt hätten. Als Be­ lohnung für erfolgreiche Tätigkeit war ihm das Consulat des nächsten Jahres in Aussicht gestellt: und er hat den Preis verdient. Zuerst sah die Sache freilich recht ungünstig für die kaiserlichen Pläne aus. Die Gegensätze traten kräftig hervor, als Valens und Ürsacius mit der in Sirmium vorbereiteten Formel erschienen und

über ihre Unterzeichnung zu verhandeln begannen. Die große Mehr­ zahl der Bischöfe erklärte, von dem altüberlieferten nicänischen Be­ kenntnis nicht abgehen zu können und auch an Wort und Begriff der Substanz als einem unveräußerlichen Bestandteil der Glaubens­ formeln festhalten zu müssen3. Es kam schnell zur Scheidung der Parteien, und die dem Valens zustimmende Minderheit von 80 Bischöfen verließ die große Kirche und verlegte ihre gesonderten Sitzungen in einen leerstehenden Saal. Am 21. Juli 359 wurden Valens, Ürsacius, Germinius von Sirmium und ein nicht weiter bekannter Gaius als Häretiker und Feinde des nicänischen Glaubens verdammt4. An den Kaiser sandte man die anbefohlene Gesandt­ schaft von 10 Bischöfen, aber auch die gegnerische Partei ordnete 10 Deputierte ab. Ürsacius und Valens waren schon voraufgereist, um die nötigen Vorbereitungen zu treffen. Das Schreiben der Syn­ ode an den Kaiser enthielt ein klares Bekenntnis zum Nicaenum, lehnte jede Erörterung der von Valens gemachten Vorschläge ab und forderte Erlaubnis zur Heimreise3. ") Dgl. Sozom. 4,17,1. 2) Bester Bericht bei Sulp. Severus Chroa. 2,41.43-44. 3) Hilar. 4,95—96. «) Hilar.4,96—97. 6) Hilar.4,78—«5*

Synode j« Rimini (359). Nike

227

Die kaiserliche Antwort1 bestand in der kurzen Mitteilung, daß der Monarch zur Zeit nicht in der Lage sei, die Deputation zu emp­ fangen, da er zur Vorbereitung eines Perserfeldzuges habe verreisen müssen. Er habe aber angeordnet, daß die Herren in Adrianopel

warten sollten, bis er zurückkehre: dann werde er ihnen seine Antwort an die Synode mitgeben. Das war hart für die immer ungeduldiger

werdenden Männer in Rimini. Sie schrieben zurück \ Seine Majestät möge doch von ihrem Schreiben Kenntnis nehmen und fich über­ zeugen, daß sie niemals von ihrer Meinung abgehen würden. Und

deshalb möge er ste doch noch vor dem Winter zu ihren Sitzen heim­ kehren lassen, wo sie dringend ermattet würden. Die Deputierten saßen inzwischen in Nike, einem kleinen Nest bei Adrianopel, fest und mußten die orientalische Eigenschaft des geduldigen Wartens lernend

Dazu bekamen sie fleißig Unterricht über die theologischen An­ schauungen des Valens, bis sie endlich am 10. Oktober bereit waren, ihren Auftrag zu verleugnen, die Absetzung des Valens und Genossen zu widerrufen, in Kirchengemeinschast mit ihnen zu treten und das vorgelegte Symbol^ zu unterzeichnen. Das Aktenstück enthält vierzehn Namen. Jetzt durften sie nach Rimini zurückreisen und von ihren theo­ logischen und höfischen Erfahrungen berichten. Dort war auch durch­ gesickert, der hohe Staatskommissar habe Auftrag, die Synode zu­ sammenzuhalten, bis alle unterschrieben hätten. Ein hartnäckig opponierender Rest könne in die Verbannung geschickt werden, es

dürften aber nicht mehr als fünfzehn Bischöfe sein. Man merkte den bitteren Ernst der Lage und einer nach dem andern sah ein, daß er eigentlich gar keine Ursache habe, zum Märtyrer des nicänischen Be­ kenntnisses zu werden. Es war ja freilich als Parole ausgegeben worden, aber doch erst seit wenigen Jahren und nur zum kirchen­ politischen Gebrauch. Im kirchlichen Leben des Abendlandes spielte es gar keine Rolle, und wer konnte denn überhaupt diese griechischen Spekulationen verstehn? Ossius und Liberins hatten schließlich

*) Athan. de synod. 55. 2) Hilar. 4, 85 s. *) Theodore:, KG 2, 21. kietzman«, Symbole2 p. 33. Haha, Bibliothek § 164.

228

8. KonstantiuS als Alleinherrscher

ja auch mit sich reden lassen, nnd es wurde allmählich immer kälter

und der Heimweg war weit. Die Majorität der Nicaener bröckelte

erst langsam, dann immer schneller ab, scharenweise wechselten die milde Gewordenen hinüber; schließlich blieb eine Schar von 20 Auf­ rechten über, aber auch sie erlagen am Ende dem Zureden des Valens.

Das Resultat wurde demKaiser in einem Schreiben gemeldet, welches ihm den Dank der Synode für die theologische Belehrung mit der Versicherung des Gehorsams ausspricht, vom Homousios kräftig abrückt und ohne irgendwelche Ahnung von dem wirklichen Tat­ bestand ftöhlich behauptet, mit „den Orientalen" im Glauben völlig

einig zu sein — aber nun möchte der Kaiser sie auch nach Hause lassen.

Würdeloser konnte der Umfall der großen Synode kaum ausgedrückt werden \ Die orientalische Parallelsynode trat erst am 27. September in

Seleukia zusammen2: ihr Regierungskommissar war ein Comes Leonas, dem der Kommandant des isaurischen Müitärs beigegeben war, für den Fall, daß „die Bischöfe es nötig hätten", wie unsere Quelle sich zart ausdrückt. Am ersten Tage gab es lange Geschästsordnungsdebatten und die Synode trat schon sichtbar in zwei Par­ teien auseinander: die eine wurde von Acacius von CaesareaPalästina geführt und zählte 37 Köpfe, darunter Eudoxios von Antiochia und Georg von Alexandria, die andere umfaßte die große

Mehrheit, über hundert Bischöfe, und scharte sich um Georg von Laodicea und die übrigen Häupter der Homoiusianer: auch Basilius

von Ankyra gehörte dazu und Makedonios von Konstantinopel, die sich aus guten Gründen stark zurückhielten. Auch der in diese Gegen­ den verbannte Hilarius von Poitiers war anwesend3 und stand bei

den Männern von Ankyra. Das Homousios hatte keine ernsthafte Vertretung, denn die große Partei lehnte es ab und die paar Ägypter, die dafür zu haben gewesen wären, spielten keine Rolle. Aber von einer Verkündigung der ankyranischen Theologie des Homoiusios war auch keine Rede, sondern man begnügte sich auf dieser Seite mit *) Hilar. 4,87s. 2) Auszug aus den Protokollen bei Socrates 2,39—40 = Sozom. 4,22. 3) Hilar. c. Sonst. 12—15.

Synode t» Seleukia (359)

229

der feierlichen Unterzeichnung der alten Formel der antiochenischen

Kirchweihsynode, um das sich der eusebianische Kreis einst geschart

hatte. Bereits an diesem ersten Tag gab es schwere Unruhen und die Acacianer verließen die Sitzung. Am zweiten blieb die Mehrheit unter sich, während die Opposition mit den Regierungskommissaren verhandelte. Am dritten, dem 29. September, legte der Comes Leonas1 eine Erklärung der Acacianer3 vor, in der sie ihre Zu­ stimmung zu jenem antiochenischen Bekenntnis aussprachen, aber

ihre Stellung zu den Streitfragen der Gegenwart genauer be­ stimmten: Homousios und Homoiusios lehnen wir als schristwidrig ab, Anhomoios verdammen wir. Unsere Formel lautet „der Sohn ist dem Vater gleich" (homoios). Es folgt dann ein Symbol, das mit dem antiochenischen verwandt ist. Das war also im wesentlichen das­ selbe, was als vierte sirmische Formel durch Valens in Rimini vor­ gelegt worden war, und es war auch in derselben Weise durch Strei­ chung der Worte3 „in allem" (kata panta) hinter „gleich" ver­ dünnt worden. Run gab es heftiges Hin- und Herreben, das sich auch am nächsten Tage fortsetzte, da die Homoiusianer durch Wieder­ einfügung von „in allem" (kata panta) doch wenigstens andeutungs­ weise ihre Auffassung, daß der Sohn substanzgleich mit dem Vater sei, anerkannt wissen wollten. Man konnte sich nicht einigen und am Ende erhob sich der Kommissar und erklärte die Synode für ge­ schlossen. Am 1. Oktober wünschte die Mehrzahl noch eine gemeinsame Sitzung mit der Opposition, um die Rechtslage des abgesetzten Kyrill von Jerusalem zu klären, aber die Acacianer spielten die staatlich Korrekten und kamen nicht. So hielten die andern allein eine rein kirchliche Synode ab, erledigten die schwebenden Verfahren — was ihnen ja auch vom Kaiser anbefohlen war — und setzten nebenbei die Häupter der Acacianerpartei ab; andere wurden bis

auf weitere Untersuchung vorläufig vom Amt suspendiert. Für die *) £>. Seeck, Die Briefe des Abanins S. 194. Epiph. haer. 73, 25—26 mit den Unterschriften.

2) ©oct. 2, 40, 8—17 und ’) Dgl. 0. S. 225.

LZ0

8. Konstantins als Alleinherrscher

Stelle des entsetzten Eudoxios von Antiochia bestimmten sie einen ge­ wissen Anianos, der aber sein Bistum gar nicht übernehmen konnte, da der Comes Leonas ihn sofort über die Grenze abschob. Ganz

wie in Rimini schickten auch hier beide Parteien ihre Zehnergesandt­ schaften an das Hoflager, um das Ergebnis der Verhandlungen zu melden, aber die übrigen Mitglieder der Synode waren glücklicher als ihre abendländischen Brüder: sie durften ungehindert nach Hause

reisen. Der Kaiser war in Konstantinopel, und hier prallten nun die Gegner im Endkampf aufeinander. Es hat den Homoiusianern nichts genutzt, daß sie den Neuarianismus des Aetios und Eunomios dem Kaiser in so schwarzen Farben malten, daß dieser eine Untersuchung durch den neu ernannten (n. Dezember 359) Stadtpräfekten Hono­ lulus anordnete und die Anhomöer in einer Sitzung des Staats­ rates verurteilen lieg1. Der Kaiser wollte von dem Homoiusios, das Silvanus von Tarsus zu verteidigen suchte, auch nichts wissen und bestand auf der Annahme des homöischen Bekenntnisses, dem soeben die Synode von Rimini sich gebeugt hatte; und was ihm dort gelungen war, wurde auch hier erreicht. Nach einigem Sträuben unterzeichneten die Vertreter von Seleukia in der Neujahrsnacht 360 die gewünschte Formel2. Daneben aber ging der Kampf um die Bischofsstühle erbittert weiter und es wurde bald klar, daß Acacius und seine Leute in der Gunst des Kaisers standen und ihre Antwort auf die theoretischen Absetzungsdekrete von Seleukia mit der ganzen Wucht des staat­ lichen Armes zu erteilen vermochten. Sie hielten eine eigene Synode, und auf dieser wurden sämtliche Führer der Homoiusianerpartei, an ihrer Spitze Basilius von Ankyra, Kyrill von Jerusalem und Makedonios von Konstantinopel abgesetzt: den Thron der Hauptstadt bestieg der antiochenische Bischof Eudoxios3 und feierte seinen Amts*) Brief bei Hilar. 4, 174s. Sojom. 4,23, 3. 4. Theodoret, KG 2, 27, 4—18, wo die falsche Lesart homousios stets in homoiusioS iu verbessern ist: ebenso Philost. 4, 12 p. 64,21 Bidet. ä) Sojvm. 4,23,8. ’) s. 0. S. 222.

Atatius. Cudoxios. Der Sieg des Homoios

231

antritt durch die Weihung der großen Sophienkirche1 am 15. Fe­ bruar 360. Auch Eustachius von Sebaste, dem wir als Förderer

asketischer Bestrebungen noch später begegnen werden, verfiel dem Urteil dieser Acacianersynode2. Der Sieg war auf der ganzen Linie erfochten. Die Hofbischöfe hatten die Anweisungen des Kaisers mit glänzendem Geschick in die Tat umgesetzt und in vollkommenem Zusammenspiel mit den Staats­ kommissaren und den Hofbeamten die Unterwerfung des gesamten Episkopats im Morgen- und Abendlands unter die Homoiosformel erreicht. Sie durften triumphieren, und Konstantins mochte sich dem Vater ebenbürtig dünken. Als kirchlichen Führer betrachtete sich Acacius, der mit dem Thron von Caesarea nicht nur die Metro­ politenstellung, sondern auch die von seinem Vorgänger Euseb auf­ gebaute Bibliothek geerbt hatte und beides zu benutzen wußte. Er war klug und beredt, aber er wußte auch mit Tatkraft zu handeln3. Da Athanasius ausgeschaltet war, stand kein ebenbürtiger Gegen­ spieler auf der andern Seite, und die kaiserliche Gunst war wohl­ verdient. Man durfte sich schmeicheln, den nicänischen Fehler Kon­ stantins wieder gutgemacht zu haben: das Homousios mit seinen Schwierigkeiten war beseitigt, die ganze origenistische Spekulation über Usia verboten, und aus all dem Streit hatte man eine für alle annehmbare neutrale Formel in dem Bekenntnis des Homoios ge­ funden. War nicht so der Friede aufs beste und in rein sachlicher Weise gesichert? Nein, die Rechnung war falsch. Seit Nicäa waren 35 Jahre ver­ flossen, und selbst damals wäre wohl eine neutrale Formel, nicht aber ein Spekulationsverbot möglich gewesen. Der eigentliche Fehler Konstantins war ja die staatliche Befürwortung einer bestimmten theologischen Formel gewesen, die keine Aussicht hatte, von sich aus die Herzen der Kirchenmänner zu gewinnen. Inzwischen war die *) Spuren ihrer Vorhalle find jüngst aufgedeckt worden, s.A.M. Schneider in Forschungen u. Fortschritte 1935, Nr. 22, S. 282s. Byjant. Zeitschr. 1936, 85. 2) ©ott. 2,40,48—43,16; Synodalschreiben bei Theoboret, KG 2,28. *) So­ lo«. 4,23,2.

8. Konstantins als Alleinherrscher

2Z2

theologische Wissenschaft weiter entwickelt, und hatte in den Kreisen der Homoiusianer zu einer fruchtbaren Weiterbildung der origenisti, schen Traditionen geführt, während im Abendlande entweder die Gedanken Tertullians und Rovatians oder naiver Monarchianismus

unbehelligt ihr Eigenleben führten. Alles das war durch die Politik der Zwangseinheit in Unruhe gebracht und durcheinandergewirrt worden, und die kaiserliche Einheitsformel wurde auch jetzt wieder ab­

gelehnt \ aber mit viel größerer Leidenschaftlichkeit als damals die nicänische. Was man einst dem Konstantin aus ehrlicher Anhänglich, feit verziehen hatte, das wurde dem Sohne böse angerechnet, und die Vergewaltigung so vieler Gewissen, die Verbannung so zahlreicher und angesehener Bischöfe erzeugten in allen Landen eine Summe von bitterem Haß, wie ihn die konstantinische Zeit nicht gekannt hatte. Der kirchliche Triumphbogen des Konstantins stand auf sumpfigem Grunde—aber fürerst stand er. Und der Kaiser mußte froh sein, diesen Sorgen für den Augenblick enthoben zu sein; denn an der Ostgrenze sah es bös aus.

Die Perser hatten nach einigen Jahren der Ruhe plötzlich wieder Lust zu kriegerischen Unternehmungen bekommen und waren im Sommer 359 in Mesopotamien eingefallen. Das Land um Nisibts war in Flammen aufgegangen, und im Oktober war auch die Stadt Amida an der armenischen Grenze nach langer Gegenwehr erobert und zerstört worden. Zwar war König Schapur nach dieser seine Kräfte merklich schwächenden Leistung wieder heimgekehrt, aber es stand außer Zweifel, daß der nächste Frühling neue Angriffe bescheren würde. Konstantins mußte die Ostarmee verstärken, wenn er vor schlimmeren Überraschungen gesichert sein wollte, und so ließ er denn an seinen Caesar Julian den Befehl abgehen, eine beträchtliche Zahl ausgewählter Mannschaften zur Verfügung des Kaisers zu

stellen.

Es waren nicht bloß militärische Erwägungen, die diesen Auftrag

veranlaßten. Konstantius war in der letzten Zeit wieder durch allerlei

l) Dgl. Hilar. 4,43—47.

Perserkrieg. Julians Erhebung

2ZZ

Ängste vor Empörern beunruhigt worden, und die vorsorglich voll­ zogenen Hinrichtungen hatten ihm die innere Sicherheit nicht wieder­

gegeben. Die soldatischen Erfolge Julians mußten unter diesen Um­ ständen sein natürliches Mißtrauen gegen den Kronprinzen noch steigern: und da war ihm die Gelegenheit hoch willkommen, die ihm unauffällig erlaubte, dem gefährlichen Mann einen Teil seiner

Truppen aus der Hand zu nehmen. Julian war arglos genug, dem Befehl zu gehorchen, aber die Soldaten wurden unwillig. Sie waren nur zum rheinischen Grenz­ schutz verpflichtet und mochten nicht nach dem Osten, fürchteten auch nicht ohne Grund, daß die Verminderung der Truppen die Ale­ mannen zu einem Einfall reizen und alles Kriegselend über ihre

Heimat und ihre Angehörigen bringen könnte. So meuterten zwei Bataillone beim Durchmarsch durch das Hauptquartier in Paris,

und zwar in der Form, daß sie den Julian zum Augustus ausriefen. Die Losung wurde von andern ausgenommen, und der anfangs ehrlich widerstrebende Prinz mußte sich fügen. In der Nacht vorher

war ihm überdies im Traum der Genius des Reiches erschienen und hatte ihn auf eine Lebensentscheidung vorbereitet*. So fiel der Würfel und Julian mußte das Spiel um die Krone wagen. Er schrieb an Konstantins, verlangte nur Anerkennung seiner Augustuswürde für den Bereich der gallischen Präfektur2 und zeigte fich in allen Formen so bescheiden wie möglich. Die Botschaft erreichte

den Kaiser in Kappadokien (Frühjahr 360) und löste bei ihm rasenden Zorn aus. Er lehnte jede Verhandlung ab und ordnete einen Wechsel in den höchsten Beamtenposten Galliens an'. Dann zog er nach

einigem Schwanken weiter gegen die Perser, die ihm aber zuvor­ kamen und dann geschickt auswichen, so baß fie zwar Singara und Bezabde (am Oberlauf des Tigris) zerstörten, aber vom römischen Heere nicht gestellt werden konnten.

Julian blieb seinerseits auch auf seinem Posten und kämpfte gegen die wieder unruhig gewordenen Alemannen. Er erfuhr bei dieser *) Amm. Marc. 20, 5,10. Marc. 20,9,3—5.

2) Julia«, epist. ad Athen, p. 285b.

3) Am.

8. Konstantins als Alleinherrscher

234

Gelegenheit1, daß Konstantins selbst sie gegen ihn gehetzt hatte. Das befreite ihn von den letzten Hemmungen, und er zog nun im Sommer 361 vom Oberrhein an die Donau und dann stromabwärts in die Gegend von Nisch, wo er sein Winterquartier aufschlug. Italien war

ihm zugefallen und auch die Balkanhalbinsel huldigte ihm. Dagegen blieb Afrika mit seinen Kornfeldern dem Konstantins treu und in

Aquileia verschanzten sich auch ein paar tausend Mann, die dem Usurpator nicht dienen wollten. Leicht schien ihm der Sieg nicht ge­ lingen zu sollen. Konstantins hatte den Winter 360/361 in Antiochia zugebracht und sich dort zum drittenmal verheiratet, nachdem ihm seine zweite Frau Eusebia im Februar 360 gestorben war. Im Frühjahr war er nach Edessa gegangen, um den Perserkrieg zu betreiben. Dann kamen die Nachrichten über Julians Zug und zugleich erhielt er die Gewißheit, daß die Perser dieses Jahr Ruhe halten würden. So konnte er denn seine Truppen gegen den unbotmäßigen Prinzen führen, und diese marschierten nicht ungern. Aber den Kaiser schreckten nächtliche Gesichte und böse Vorzeichen am hellen Tag. Als er am Fuß des Taurusgebirges anlangte, packte ihn ein Fieber. Er kam noch bis Mopsukrene und starb dort am 3. November 361 im Alter von 44 Jahren. Der antiochenische Bischof Euzoios hat ihn auf dem Totenbett getauft2. *) Seeck, Gesch. d. Untergangs 4, 491.

2,47,4-

2) Philostorg. 6, 5. Socrates

Der Geist der Epigonenzeit. Konstantins politische Meisterschaft zeigt sich nicht nur in den militärischen und kulturellen Eroberungen, die er gemacht hat, sondern auch in denen, die zu vermeiden er für zweckmäßig hielt.

Niemand hätte ihn an schärferem Vorgehen gegen den heidnischen Kult hindern können: aber er wußte sehr wohl, daß eine solche Politik ihm zahllose Herzen entfremdet hätte, auf deren Zuneigung er Wert legte, und daß eine abwartende Haltung zwar langsamer, aber auch viel sicherer zu dem erwünschten Ziel der Christianisierung des Reiches führen würde. Ein solcher Umschwung konnte ohnehin nur im

Laufe von Generationen durchgeführt werden: also ging er be­ hutsam vor. Seine Söhne waren weniger bedenklich. Im Jahre 341 erschien ein Gesetz, das in schroffem Ton „den Wahnsinn der Opfer abzu­ schaffen" befahl \ übrigens auf ein Opferverbot des Vaters Kon­ stantin Bezug nahm. Das wird ein auf bestimmte Fälle begrenztes Vorgehen gewesen sein2, während jetzt dem gesamten Opferkult der Garaus gemacht werden sollte. Wir haben keine Quellen, die uns erlauben würden, die Wirkung dieses Gesetzes zu studieren. Aber wir erfahren, daß zehn Jahre später Magnentius sich durch Gestattung nächtlicher Opfer beliebt zu machen versuchte, und daß Konstantins im November 353 dieses Zugeständnis des Usurpators aufhob2. Sm nächsten Jahre wurde ganz allgemein die Schließung der Tempel „an allen Orten und in sämtlichen Städten" angeordnet, jegliches Opfer verboten und etwaigen Übertretern die Todesstrafe mit nach­

folgender Konfiskation des Vermögens angedroht. Die Provinzial­ statthalter haben Maßregelung zu erwarten, falls sie sich in der

Ahndung solcher Verbrechen nachlässig zeigen. Und im Februar 356

*) Cod. Theod. i6, io, 2.

2) s. 0. S. 140.

3) Cod. Theo-. 16, 10, 5.

2Z6

y. Der Geist der Epigonenrelt

wird nochmals kurz die Todesdrohung für Opfern wiederholt und ausdrücklich auf alles „Verehren von Götterbildern" ausgedehnt

Das muß doch ein furchtbarer Schlag gegen das alte Kultleben ge­ wesen sein, und an manchen Orten, wo die Christen in großer Überzahl waren oder fich gut geschützt wußten, mag es ju Gewalttaten ge­ kommen sein. Wir haben einige Nachrichten der Art erhalten. In Baalbek hat ein Diakon namens Kyrill zahlreiche Götterbilder zer­ schlagen lassen, in Arethusa (Rastan bei Homs) in Syrien ließ der uns wohl bekannte *2 Bischof Markus eine Kirche auf den Trümmern eines Tempels errichten, im kappadokischen Caesarea wurde ein Tempel des Zeus und des Apollo zerstört. In Ägypten hat der Gene­ ral Artemios sich besonders durch solche Gewaltakte hervorgetan, und der Comes Heraklius benutzte die Androhung ähnlichen Tuns als Druckmittel gegen die widerspenstigen Massen3. Die klägliche Schil­ derung, die Libanius4 *von den Zuständen unter Konstantins später gibt, mag in erheblichem Maße zutreffen. Aber ebenso flcher ist, daß abseits vom Blick der eifrigen Beamten der Kult in aller Stille weiterging und sogar Geistliche der Christen nichts dabei fanden, den Heroen ihre Verehrung zu beweisen — wenn es nützlich war. Julian6 erzählt in einem Briefe ganz beglückt von einem solchen Erlebnis seiner Prinzenzeit. Im April 357 hat Konstantins die Stadt Rom zum ersten Male besucht und von ihrer alten Herrlichkeit einen ganz tiefen Eindruck empfangen. Die wunder­ vollen Baudenkmäler erschienen ihm eins immer schöner als das andere, und die gigantische Anlage des Trajansforums deuchte ihn der unüberbietbare Gipfel menschlichen Könnens. Auch der Senat der Stadt begrüßte ihn in der Kuria in festlicher Sitzung, und die unbefangene Geschwätzigkeit des Volkes gefiel ihm so sehr, daß auch er fich mit ungewohnter Freundlichkeit betrug. Zum Dank ließ er den *) Cod. Theob. 16,10,4 (vom Jahre 354 oder 346?). 16,10,6 (v. I. 356). 2) s. 0. S. 225. 3) Theodoret, KG 3,6,3 3,7,6—10; Kappadokien: Sojom. 5,4,2. Ägypten: Theodoret 3,18 Athaa. hist. Ar. 54. 4) Libanius or. 17,7 (2, 209 Förster) or. 18,23 (2,246) «. ö. Dgl. Am. Marc. 22,4,3. *) Julian ep-74 (P. 85 ff. Biber).

Die alten Kulte. Kalender des Philokalus

2Z7

schon von seinem Vater für Rom bestimmten Obelisken aus Ägypten verfrachten und im Circus Maximus aufstellen. Es ist derselbe, der heute auf dem Lateranplatz steht \ Und die gute Laune des Herr­ schers erwies sich auch den heiligen Traditionen der Stadt gnädig: die Privilegien der Vestalinnen blieben ungeschmälert, die Priester­ fiellen wurden der Sitte gemäß mit Mitgliedern der alten Familien besetzt, die Beiträge für den Tempelkult wurden weitergezahlt. Nur ein Opfer forderte die Christlichkeit des Kaisers: der Altar der Victoria mußte aus dem Sitzungssaal der Kuria verschwinden — wenigstens für eine Weile. Unter Julian ist er natürlich wieder her­ eingekommen l2. Die Opferverbote sind um diese Zeit in Vergessenheit geraten, denn nun erscheinen wieder literarische und inschriftliche Zeugnisse, die von Opfern, Tempelstiftungen und auflebendem Mithraskult melden3. Ein wertvolles Zeugnis für das Nebeneinander von Christentum und Heidentum im damaligen Rom liefert uns der Kalender des Jahres 354, der mit amtlicher Unterstützung von dem päpstlichen Hofbuchhändler Furius Dionysius Filocalus herausgegeben ist, und der für uns eine Quelle spätantiker Kulturgeschichte von höchstem Range darstellt4.* Es * ist ein Gemisch von profan-heidnischer und christlicher Amtlichkeit. Vier Großstädte des Reiches, Rom, Konstanti­ nopel, Alexandria durch Frauengestalten, Trier durch einen gewappneten Mann in Siegerpose symbolisiert, eröffnen das Buch. Dann kommt eine Liste der amtlich gefeierten Geburtstage der konsekrierten Herrscher von Augustus bis zu Konstantin dem Großen und des regierenden Konstantius. Der nun folgende Tageskalender bringt die sieben Planeten im Bilde und mit tabellarischer Übersicht über die von ihnen beherrschten Tage und Stunden der Nacht und des Tages: Saturn und Mars l) Am. Marc. 16, io, 13—1717,4,12—23. 8) Symmachus relat. 3,4—7 p. 281 cd. Seeck. s) I. Geffcken, Ausgang d. Heidentums S. 101. 281s. Am. Marc. 19,10,4 Dessau Jnscr. lat. fei. 3222.4267. 4) Ausgabe von Mommsen in Chroo. Otto, i, 39—148, der Monatskalender CIL l8 254 ff., die Bilder von Strtygowski im 1. Ergänjungshest zum Jahrbuch d. arch. Instituts 1888. Dazu Mommsen, Ges. Schriften 7, 536—579.

2z8

9. Der Geist der Epigonenzeit

sind schädlich, Merkur, Mond und Sonne wohlwollend, Juppiter und Venus ausgesprochen günstig. Das Nähere wird für jeden Planeten auf seiner Tafel notiert, z. B. „der Tag der Sonne und ihre Stunde bei Nacht oder Tag ist nützlich jum Antritt einer Reise ju Lande oder zu Wasser. Wer geboren wird, ist lebenskräftig, wer verschwindet, wird gefunden, wer sich legen muß, wird gesund, ein begangener Diebstahl wird entdeckt". Der angehängte Tierkreis ist mit den An­ gaben über Arbeiten versehen, die man mit Erfolg angreifen darf, wenn der Mond in dem betreffenden Zeichen steht. Nachdem so die Astrologie in ihrer überragenden Bedeutung für das tägliche Leben eindrucksvoll zur Geltung gebracht ist, wird uns der Monatskalender vorgelegt. Ähnlich wie bei den Planeten wird

auch hier jeder Monat durch ein Bild geschmückt, welches in der Regel einen nackten Jungen in einer für die betreffende Zeit charakteristischen Tätigkeit darstellt. Die Reihe der Tage ist begleitet von den Buch­ staben der achttägigen römischen Woche und daneben den Zeichen der siebentägigen Planetenwoche, was übrigens schon seit auguste­ ischer Zeit üblich ist und weder mit Christentum noch mit Judentum etwas zu tun hat \ Die alte sakralrechtliche Einteilung der Tage in Fasii, an denen bürgerliche und staatliche Geschäfte erlaubt sind, und Nefasti, welche dem Götterkult bestimmt sind2, ist jetzt verschwunden, und amtliche Opfer sind nicht mehr notiert. Wohl aber wird bei den zahlreichen Spielen ganz gewissenhaft angegeben, zu Ehren welcher Götter oder Tempelweihen sie stattfinden. Und auch altheidnische Feste finden sich in beträchtlicher Zahl: so die Carmentalia, Lupercalia, Qnirinalia, Feralia, Caristia, Terminalia; das Offnen und Schließen des Vestatempels im Juni ist gebucht, und sogar die Kybeletage im März und die Jstsfeste im März und Oktober sowie ein Serapisfest am 25. April finden wir angemerkt. Der 25. Dezember gilt als der durch Zirkusspiele gefeierte „Geburtstag des unbesiegbaren Sonnen­ gottes" (Natalis Solls Jnvicti), ganz wie in vorkonstantinischer Zeit. *) Schürer in ZNW 6 (1905), 26. ©.435.

2) Wissowa, Religion u. Kultus2

Der Aalender des Philokalus

239

Auf ein Schmuckblatt mit den Bildern des Kaisers Konstantius und seines Caesars Gallus folgen dann die für die Zeitrechnung des

praktischen Lebens unentbehrliche Liste der Jahreskonsuln von 510 v. Chr. bis 354 n. Chr. und ein Derjeichnis der Stadtpräfekten von 254—354: aber zwischen diese beiden Listen ist etwas Christliches eingeschoben, nämlich eine Tabelle der Ostersonntage von 312—354, die nach einem 84jährigen Zyklus berechnet stnd. Und daß d»eser Einschub keine Zufälligkeit ist, ergibt stch daraus, daß jedem Jahr der Konsulliste beigeschrieben ist, auf welchen Wochentag der 1. Januar fiel und wie alt der Mond an diesem Tage war: das find aber die zur Osterberechnung notwendigen Angaben. Aus dem päpstlichen Sekre­ tariat stammen auch die nächsten Tabellen: der Kalender der Mär­ tyrerfeste und Todestage der römischen Bischöfe und das durch ge­ legentliche Notizen erweiterte Verzeichnis der römischen Bischöfe von Petrus bis Liberius, die Urform des späteren Papstbuches (Liber pontificalis). Soweit ging der Kalender des Philocalus vom Jahre 354. In einem anderen Exemplar des Werkes finden wir noch eine lateinische Bearbeitung der hippolytischen Weltchronik1 und eine römische Stadtchronik nebst Regionenverzeichnis aus dem Jahre 334 beigegeben, und auch in diesen Texten spiegelt flch das Verhältnis des fiegreichen Christentums zu römischem Wesen eindrucksvoll

wider. Rom war die Verkörperung der Tradition und hat eben dadurch auf Konstantius so überwältigend gewirkt. Aber Konstantinopel, das

„Neue Rom" war als Quellort neuen Lebens gedacht, und Kon­ stantius hat flch redlich bemüht, dies Ziel zu erreichen, freilich ohne rechten Erfolg2. Themistios wird unter ihm der beherrschende Geist,

ein Mann von guter philosophischer Schulbildung, der den Stu­ denten der Nachwelt durch nützliche Paraphrasen aristotelischer Schriften wert geworden ist. Sein Vater, ein feingebildeter Guts­ herr im nördlichen Kleinasien, hat ihm diesen Weg gewiesen, und in seiner Gedächtnisrede auf den trefflichen Mann steht der Sohn ihn *) Bd. 2, 251. 2) F. Schemmel in Neue Jahrbücher f. b. klaff. Altertum Hrsg. v. Jlberg u. Gerlh 11 (1908), 147—168.

240

y. Der Geist der Epigonenzeit

im Jenseits seinen Platz neben Sokrates und Plato einnehmen und seinen Liebling Aristoteles begrüßen \ Aber der junge Themistios

fühlte fich auch durch das öffentliche Leben angezogen, bildete sich zum Rhetor aus und ergriff eine günstige Gelegenheit, fich vor dem Kaiser hören zu lassen. Das entschied seine Lebensbahn.

Er wurde der erklärte Liebling des KonstantiuS und von ihm einige Jahre später in den Senat berufe». Von da an war er

der repräsentative Sprecher dieser Körperschaft bei feierlichen Ge­ legenheiten. Daneben setzte er seinen Unterricht in dem eigens dazu gebauten „Kapitol" mit steigendem Zulauf von Schülern fort und focht gegen die rhetorischen Nebenbuhler einen erbitterten Kampf für seinen Anspruch, Philosoph und Rhetor in einer Person zu sein. Und daß er als reicher Grandseigneur leben und mit vornehmer

Geste auf die ihm zustehenden großen Gehälter verzichten konnte, erhob sein Ansehen weit über das der übrigen Redner und Pro­ fessoren. Für diese war ja doch die Beamten- und Soldatensiadt

Konstantinopel mit ihrem höfischen Luxus und ihrer bunt zusam­ mengewürfelten, wurzellosen Oberschicht kein günstiger Boden. Da war Antiochia besser, wo aus der Schar der Mittel­ mäßigen das überragende Talent des Libanios emporstieg. Zwar

hat es auch ihn anfangs nach Konstantinopel gezogen, aber er spürte bald die Widerstände und Unleidlichkeiten der Hauptstadt, die durch das kühle Wohlwollen des großen Themistius nicht ausgeglichen werden konnten. Schließlich wurde er sogar polizeilich ausgewiesen.

Ein zweiter Aufenthalt machte ihn nicht heimischer am Bosporus, und so zog er 354 glücklich wieder in seine Heimat, um in ihr eine ftuchtbare und auch ihn selbst befriedigende Wirksamkeit zu eröffnen. Der Kaiser, der ihn mannigfach auszeichnete, hätte ihn gern in seine Hauptstadt zurückgerufen, fand fich schließlich aber mit seiner Übersiedlung ab und blieb ihm gewogen. Antiochia war stolz auf

diesen Mitbürger, dessen Ruhm immer höher stieg. Alexandria hatte dem nichts entgegenzusetzen, obwohl der Betrieb der Wissenschaften *) Themist. or. 20 p. 287,5 Dindorf.

Konstantinopel. Antiochia. Athen

241

dort keineswegs ruhte, allen kirchlichen Kämpfen und sonstigen Un­ ruhen zum Trotzt. Athen behauptete seine Ausnahmestellung. Es war zur politisch und wirtschaftlich bedeutungslosen Kleinstadt herabgesunken und

lebte von den Besuchern seiner Sehenswürdigkeiten und den Stu­ denten seiner Universität. Dafür war sein Name aber von dem Glanz ruhmvoller Vergangenheit geheiligt und zugleich für Tausende mit

dem goldenen Schimmer fröhlicher Jugenderinnerungen bekränzt, so daß er in griechischen Ohren mit demselben romantischen Grund­ ton klang, den Jena, Heidelberg, Tübingen einst für die deutschen Studenten des ig. Jahrhunderts besaßen.

Hier gab es landsmannschaftliche Verbindungen, die sich an einzelne Lehrer anschlossen und ihnen unwandelbar treue Zuhörer­ scharen verschafften. Hier gab es aber auch scharfe Gegensätze zwischen den Professoren, die von den Zuhörern mit jugendlichem Eifer aus­ genommen und in wilden Raufereien ausgefochten wurden. Und wenn im Spätherbst das Studienjahr begann, dann schickten alle Verbindungen ihre Werbetrupps aus, um weit vor den Toren jeden anmarschierenden „Fuchs" mit Beschlag zu belegen. Jedes anlegende Schiff wurde gestürmt und seiner wissensdurstigen Ladung von Füchsen entledigt, die dann in geschlossenem Zuge von der siegreichen Landsmannschaft in sichere Quartiere geleitet und damit für den einen von dieser bevorzugten Lehrer verpflichtet wurden. Und nicht selten mußte die kostbare Beute auch unterwegs noch gegen die An­

griffe unternehmender Nebenbuhler verteidigt werden. Wer einmal auf diese Art „gekeilt war, hatte keine Selbstbe­ stimmung mehr und mußte sich dem Lehrer anschließen, den ihm die Verbindung bestimmte. Er war eben ein Fuchs, der noch nichts galt und wurde von allen gehänselt und mit feinen oder groben Mitteln eingeschüchtert, schließlich in feierlichem Zuge zu einem Bade geleitet und dort durch eine Fuchsentaufe in den Kreis der Burschen als

gleichberechtigtes Mitglied ausgenommen. Dann fing das Studentenl) Am. Mark. 22,16,17. Ltetzmann, Gesch. Alten Kirche z.

242

y. Der Geist der Epigonenjeit

leben an mit all seinen geistigen und leiblichen Anforderungen, Freuden, Leiden und Gefahren. Wir haben noch die Aufjeichnungen alter athenischer Studenten, die uns von ihren Universitätsjahren mit dem sonnigen Lächeln berichten, das solch eine närrische Jugend

trotz allem.für Gewinn erachtet 3n Athen war jur Zeit des Konstantins der Kappadokier Prohaeresios die große Berühmtheit: er war einige Jahre nach Kon­

stantins Tode Nachfolger seines gefeierten Landsmannes Julianos auf dem kaiserlichen Lehrstuhl geworden und ist trotz verlockender Angebote anderer Städte und einem mehrjährigen Aufenthalt in Rom und dem weiteren Westen Athen treu geblieben. Noch im höchsten Greisenalter rüstig hat er den Ruf eines glänzenden Rhetors bis über sein neunzigstes Lebensjahr hinaus bewahrt: 376 ist er ge­ storben. Daß er Christ war und dies auch kräftig zum Ausdruck brachte, hat die Bewunderung seiner heidnischen Zuhörer so wenig gemindert, wie das heidnische Bekenntnis seiner Kollegen Himerios und Epiphanios die Christen verscheuchtel2. Die Rhetorik — und in weitem Umfang auch die Philosophie — war neutraler Boden.

Die Redekunst erlebt im vierten Jahrhundert einen neuen Auf­ schwung, auf den die Zeitgenossen stolz sind, und es ist ein Zeichen des Selbstbewußtseins dieser Periode, daß um 4Eunapios ein Büchlein mit Lebensbeschreibungen ihrer bedeutenden Sophisten verfaßt, so­ weit sie vor seinen neuplatonisch-kritischen Augen Gnade finden — wobei dann freilich ein Mann wie Themistios ausfällt. Wir hören bei ihm und bei anderen Zeitgenossen eine Menge Namen berühmter Redner, und die Zahl der Städte ist nicht gering, die solche Männer zu gewinnen streben und in hohen Ehren halten. 3m ganzen Osten treibt diese Sophistik eine üppige Nachblüte bis tief ins innere Klein­

asien hinein und die ganze syrische Meeresküste entlang. Aber der Masse ihrer Früchte entspricht kein innerer Wert. l) Libanius or. 1, 16—22 Greg. Naz. or. 43,15—16 Eunapius p. 74—77. Daju F. Schemmel in Neue Jahrbücher f. d. klass. Altertum Hrsg. Jlberg-Gerth ii (1908), 494—513. 2) tzieron. Chron. Ol. 285,3 p. 242,24 Helm. Socrates 4,26,6 SozomenoS 6,25,9—10.

Prohaeresios. Themistios. Libanios. Jamblichos

243

Selbst die Reden eines Themistios stehen an geistigem Gehalt weit unter den Leistungen des Aristides oder gar des Dion von Prusa, und seine höfischen Lobreden weichen geflissentlich jeder schär­ feren Bezugnahme auf Tatsachen des Lebens aus und weilen mit

Behagen im Bereich allgemeiner Betrachtungen, die durch Um­ schreibungen und andeutende Hinweise mit dem persönlichen Gegen­ stand der Ansprache verknüpft werden. Wenn man von ihm zu Libanius kommt, fühlt man sich förmlich erfrischt durch die kräftige Lebensnähe, die bei ihm durch alle rhetorischen Floskeln hindurch zu spüren ist, und wer die Lobrede auf Antiochia oder die Klage über das zerstörte Nikomedia liest, der hört deutlich den Herzschlag einer tiefen Liebe. Und daß er dies zum Ausdruck bringen kann, das hebt den Libanius hoch über die redenden Handwerker seiner Umgebung, auch über die, welche als Größen gelten. Die Philosophen dieser Zeit sind in erster Linie Schulmeister und tragen im Kolleg ihre zweckmäßig verdünnten Kompendien über Leben und Meinungen der Alten vor. Daneben wird fleißig Aristoteles und Plato erklärt, und nicht wenige Kommentare der nachkonstantinischen Periode haben sich durch die Jahrhunderte er­ halten. Eigenes Leben ist nur noch in der platonischen Schule vor­ handen, wo Plotins Vermächtnis gehütet und weitergebildet wird. Aber es sind fremde Männer mit östlicher Seele, die mit dem letzten Pfunde des hellenischen Geistes wuchern. Wir haben bereits den Phönizier Malchos, genannt Porphyrins, kennen gelernt1, bet in den Bahnen plotinischen Denkens getreulich fortschreitet, aber da­ neben Mantik und Magie als den niederen Weg zur Befreiung der Seele nicht missen will. Dessen Schüler ist der Syrer Jamlicha2, den die Griechen Jam­ blichos nennen, gebürtig aus dem Städtlein Chalkis — Halbwegs zwischen Beirut und Damaskus zwischen Libanon und Antllibanon.

Nach seiner in Rom gipfelnden Studienzeit ist er in die Heimat zurückgekehrt, wo wir ihn als gefeierten Lehrer in Apamea3 wiederl) 0. S. 24—32. ’) Liban. or. 52,21.

2) E. Zeller, Philosophie der Griechen 3 b°, 735—773.

-44

y. Der Geist der Epigonenjeit

finden. Er gehört ganz der konsiantinischen Zeit an und ist noch vor dem Tode des Kaisers (337) gestorben. Das plotinische System hat er mit einer uns spielerisch erscheinenden Scholastik ausgebaut, indem er die obere Welt und ihre Fülle von göttlichen und dämonischen Wesen nach pythagoreischen Grundsätzen in Dreiheiten, Fünfheiten, Siebenheiten gliedert und diese dann wieder in größere Zahlen­ gruppen zusammenfaßt, bis hinauf zum höchsten Einen, das noch durch ein weiteres ganz unsagbares Wesen überhöht wird \ Und eine planmäßig durchgeführte Methode befähigt ihn, aus den Dialogen Platos mit dem Anschein echter Wissenschaft alles herauszulesen, was er zur Ausstattung seiner Phantafiewelt bedarf. Letzten Endes aber ist die Wissenschaft nicht der zur Gottheit führende Weg der Erlösung. Gewiß ist unser Heil in der Erkenntnis, also „Gnosis", begriffen, aber dies Wort darf nicht im Sinne einer verstandesmäßigen Tätigkeit verengt werden. Die wahre Gnosis entspringt aus dem Kern unserer Seele, der Usia, die uns mit allen dämonischen und göttlichen Wesen über uns verbindet und allein die als höchstes Gut ersehnte Vereinigung mit Gott herbeiführen kann. Das ist in der Schrift über die Mysterien breit ausgeführt, und je mehr wir darin lesen, desto deutlicher wird uns, daß hier der Neu­ platonismus Abschied nimmt vom Geiste der griechischen Philo­ sophie und seine Arme den uns wohlbekannten Nebelgestalten der orientalischen Gnosis entgegenstreckt. Träume, Weissagungen, Opfer aller Art einschließlich der blutigen Schlächtereien des traditionellen Kultes, nicht philosophisches Denken oder vergeistigende Jnnenschau, sind die Mittel des Aufstiegs der Seele aus ihrer Gefangenschaft zum höchsten Glück der Einheit mit Gott. Neben, aber in Wirklichkeit vor

die Schriften Platos treten die Bücher des Hermes Trismegistos als die Quellen der wahren Erkenntnis2 und der geistliche Führer Jamblich erscheint nicht mehr im Philosophenmantel, sondern in der *) Damaskus de princ. 43 Procl. in Tim. 3, 197 cd. Diehl. 2) Jambl. de myst. p. 7—10 p. 218—219. 233—234. 289—291. 292—293 Parthey, über die Echtheit der Schrift jetzt Biber in den MÄanges Desrousseaux (1937)

p. ii—18.

JamblichsS. Didymos

M5

phantastischen Vermummung eines ägyptischen Mysterienpriesters, dem alle Mittel der orientalischen Hexenküche ju Gebote stehenx. Dieser schauerliche Abstieg der Philosophie ist aber nicht die Wunderlichkeit eines Einzelnen, sondern sie kennzeichnet den Geist der Zeit. Unter den Söhnen Konstantins trug diese Lehre reiche Frucht, und der „göttliche" Jamblich strahlte seinen begeisterten Ver­

ehrern in einem schlechthin überwältigenden Licht. Sein Wirken be­ stimmt die weitere Bahn der platonischen Schule, sein ergebener

Jünger ist der philosophierende Prinz Julian. Oie christliche Literatur hat die Höhe der konstantinischen Periode nicht halten können: sie ist ebenso wie das kirchliche Innenleben in einem Übergang von vergangenem Alter zu völlig Neuem begriffen und sieht in den Jahrzehnten um die Mitte des vierten Jahrhunderts die Generation heranwachsen, der es beschieden war, die Hochblüte des kirchlichen Schrifttums zu entfalten. In Alexandria schrieb der als Kind schon erblindete Didymos gegen Arius einen Traktat2, der in zögernder Weiterbildung von Gedanken, die bereits Bischof Alexander2 angedeutet hatte, der später von den großen Kappadokiern gefundenen Lösung des Trinitätsproblems zustrebte. Und nicht nur hier macht sich sein

Origenismus geltend, sondern auch und vor allem in seinen zahl­ reichen Bibelerklärungen, die freilich nur in Bruchstücken erhalten sind, aber doch ein deutliches Bild von der auf eindringender Bibel­ kenntnis fußenden Allegoristik vermitteln, die den viel besuchten Vor­ lesungen des blinden Gelehrten ihre echt alexandrinische Note gab. Er hat auch gegen die Manichäer geschrieben: das war im vierten

Jahrhundert ein zeitgemäßer Stoff, durch den vor allem Titus, der Bischof von Bostra4 berühmt geworden ist. Die Schrift des Didymos ist verloren, aber das Werk des Titus ist in weitem Umfang erhalten und läßt uns seinen Verfasser als einen gut gebildeten Apologeten *) Lebendige Schilderung bei I. Didej, Me de l'empereur Julien (1930), p. 73—81. -)K. Holl, Ges. Schriften, 2, 298—309. I. Lelpoldt, Oidymus d. Blinde (TU NF 14, 3) 1905. 8) s. 0. S. 98. 4) R. P. Casey bei Paulys Wiffowa 2. Reihe 6, 1586—1591.

246

Der Geist der Epigonenjeit

schätzen, der nicht an Nebensachen hängen bleibt, sondern das Grund­ problem vom Wesen des Bösen ernsthaft anfaßt und seine Lösung in

der göttlichen Vorsehung als den Ausgleich zwischen den notwendigen Begleiterscheinungen der Willensfreiheit und den letzten Zielen der

Gottheit erblickt. Das hat er von Origenes gelernt, während er in seinen Bibelkommentaren der in Antiochia heimischen Weise nahe steht und allegorischen Deutungen aus dem Wege geht. Übrigens gehören die erhaltenen Reste seiner Schriftstellerei der Zeit nach

Julians Tode an. Um 350 hat der Bischof Kyrill von Jerusalem seine Katechesen herausgegeben, die als ein ganz einzigartiges Denkmal theologischen Schrifttums zu werten sind. Stenographen haben die Lehrpredigten ausgezeichnet, die er seinen Katechumenen während der Wochen vor Ostern in der Grabeskirche der heiligen Stadt gehalten hat, und diese Nachschriften sind ohne wesentliche Veränderungen der Öffentlichkeit übergeben worden. Gewiß, es sind „Kanzelreden" und die Rhetorik ist unverkennbar. Aber sie bleibt wirklich in bescheidenen Grenzen und hindert den Bischof nicht, klar und verständlich seine Gedanken zum Ausdruck zu bringen; nirgends überwuchert die Form den Inhalt, und das ist für jene Zeit ein seltenes Lob. Wir hören einen unter­ richteten Theologen und kundigen Seelsorger hinter verschlossenen Türen zu einer nicht ungebildeten Zuhörerschaft von den tiefsten

Dingen reden und bekommen dadurch endlich ein Bild von dem, was in der Gemeinde als Christentum lebendig war, und können er­ messen, wieviel von der theologischen Gelehrsamkeit über die Grenze des Schlagwortes hinaus in das Verständnis der Laien überzugehen vermochte. Das gibt diesen so liebenswürdigen Schriftstücken ihren unvergleichlichen Wert, der sich uns an anderer Stelle noch erschließen wird. Sie spiegeln das Christentum der Zeit vortrefflich wider, aber sie drücken ihm nicht ihren Stempel auf. Dazu fehlte es dem braven Verfasser an schöpferischer Kraft und Tiefe des Denkens, auch an religiöser Leidenschaft, obwohl er auch am eignenen Leibe die Härten des Kirchenkampfes in dreimaliger Verbannung gespürt hat. Aber er ist keine Kampfnatur, und seine Christenlehre läuft friedlich in tra-

Kyrill von Jerusalem. Athanasius

247

ditionellen Bahnen. Man empfindet das besonders deutlich, wenn

man aus seinem stillen Bezirk in den Bannkreis des Athanafius tritt. Der gewaltige Papst von Ägypten hat in Trier angefangen, theologisch zu schriftstellern, wie andere auch. Aber dann hat er als kämpfender Bischof Flugschriften ausgehen lassen, die wie Peitschen­ hiebe im Kirchenkampf wirkten und auch die kaiserliche Majestät nicht schonten. Hier wird die alle Waffe* der mit Urkunden arbeitenden

Streitschrift meisterlich gehandhabt, und der Verfasser schlägt zielficher auf den Gegner los, ohne fich um kunstgerechte Gliederung und stilistische Formung der Sprache zu kümmern: und darin liegt ein

nicht geringer Reiz dieser Schriften begründet. Sie atmen die heiße Luft des Kampfes aus, in dem fie geboren find.

Die sogenannten dogmatischen Traktate des Athanafius, selbst die berühmten Reden gegen die Arianer, treten demgegenüber an schriftstellerischer Wirkung stark zurück. Sie sind unendlich wortreich und voll Wiederholungen, ermüden durch die Breite der Erörte­ rungen, die immer wieder um dieselben Gedanken kreisen, und lassen auch jeden rhetorischen Reiz vermissen, den der zellgenössische Leser auch in theologischen Schriften zu suchen berechtigt war. Und doch ist ihre Wirkung auf Gegenwart und Folgezeit eine sehr beträchtliche gewesen. Das liegt zum ersten im Thema selbst begründet. Der Arianismus in allen seinen Formulierungen wird hier mit einer

unerhörten Gründlichkeit bekämpft, und zwar hauptsächlich mit bibli­ schen Beweisen. Athanasius verfügt über eine ausgebreitete Bibel­ kenntnis und weiß mit großem Geschick die seiner Auffassung günstigen

Beweisstellen beizubringen. Er verfehlt auch nicht, darauf hinzu­ weisen, daß der Ausleger den Zusammenhang und die Absicht des Autors erwägen und sich nicht starr an den Wortlaut klammern müsse2. In Wirklichkeit liegt die Streitfrage ja doch so, daß jede Partei Aussagen anführen kann, die nach dem Wortlaut für sie

sprechen, weil diese ganze Problematik des vierten Jahrhunderts den neutestamentlichen und vollends den alttestamentlichen Autoren

*) Ed. Schwartz, Ges. Schriften 1, 123—125.

2) or. 1 c. Arian. 54.55.

248

y. Der Geist der Epigonenzeit

völlig fremd ist, die biblische Beweisführung also keine durchschlagende

Kraft besitzen kann. Hier liegt demnach trotz alles Fleißes nicht die Stärke der Arianerreden. Was ihnen die besondere Note verleiht, ist die wuchtige Tatsache, daß Athanasius über eine wirkliche und eigene Theologie verfügt.

Er denkt nicht bloß in den Bahnen des origenistischen Epigonen­ tums, wie seine halben und ganjen Gegner, sondern sieht bas Pro­ blem in seinem gesamten Umfang von der Erlösungsfrage aus. Diese war ihm schon in seiner Schrift „von der Fleischwerdung" als der Kern des Christentums erschienen und wies ihm jetzt den Weg zu seiner Logostheologie. Für ihn hat der Streit «m die Usia nicht die Bedeutung eines Kampfes um abstrakte Gotteserkenntnis, sondern ist ein Ringen um die letzte Einsicht in die Möglichkeit und Wirklichkeit unserer Erlösung. Die Menschwerdung des Logos ist nicht ein unbegreifliches Handeln Gottes, sondern eine aus seinem Wesen hervorgehende Notwendigkeit. Der Menschheit ist nun einmal durch göttliches Gesetz der Tod als Strafe für Adams Sünde auf­ erlegt, und keine Reue und Buße kann den unwandelbaren Gottes­ spruch aufheben: Gott kann nicht unwahrhaftig werden. Aber seine Güte duldet es auch nicht, sein Geschöpf, das er nach seinem Bilde vernunftbegabt geschaffen hatte, dem Trug des Teufels hilflos zu überlassen und aufzvgeben.

So geht der Logos Gottes, der einst die Welt und den Menschen aus dem Nichts ins Leben rief, ans Werk, das verlorengegangene göttliche Ebenbild wiederzugewinnen und den Todgeweihten die Unsterblichkeit neu zu bescheren \ Zu diesem Zweck bedarf er eines menschlichen Leibes, der unsern Leibern in allem, auch in der Sub­ stanz (Usia) gleich, ihm die Möglichkeit gibt, als Mensch unter Men­

schen zu wandeln und menschliches Schicksal auf sich zu nehmend Und wenn Athanasius von „Leib" oder „Fleisch" redet, so meint er damit die volle Menschlichkeit mit Leib und Seele und Verstand. Das ist ihm selbstverständlich3 und ist erst in späteren Jahren, als es *) de incarn. 6. 7.

2) de ine. B.

a) de tot. 14,2.4.6 vgl. 57,1.

Athanasius' ErlSsungSlehre

-49

jum Problem wurde, von ihm betont worden. In diesem von der Jungfrau Maria angenommenen Leibe hat der Logos nun zunächst lehrend und predigend gewirkt, und zugleich durch seine Wunder die

Menschen von seiner Göttlichkeit überzeugt und den Vater erkennen

lassen \ Sodann aber ist er in diesem Leibe — und nur durch das Instru­ ment des Leibes war das möglich — gestorben. Und weil es sub­ stantiell echter Menschenleib war, konnte dieser Tod als ein Sterben der gesamten Menschheit gelten und von Gott als stellvertretendes Opfer entgegengenommen werden: so sind wir alle in ihm den über uns Sünder verhängten Tod gestorben2. Aber dieser Leib war in­ zwischen durch seine Vereinigung mit dem Logos gereinigt, geheiligt und zu neuem Leben erweckt worden3. So wurde er auch im Grabe von der Verwesung nicht berührt und erstand wieder auf zum Zeichen, daß nun der Tod seine Macht endgültig verloren habe4. Da nun der Leib des Herrn substantiell gleich dem unseren ist, so geht die vom Logos auf ihn ausgeübte Heilswirkung auch in der­ selben Weise auf uns über, wie die Gnadentat des Sühnetodes. Auch unser Fleisch wird geheiligt, von bösen Trieben gereinigt und zu neuem Leben geweckt, das nicht mehr von der Derführungskunst des Teufels, sondern vom Logos gelenkt wird. Die Verwandlung, welche der Logos an seinem Leibe vollzog, erfaßt von da aus uns alle, und die Einwohnung des Logos in den Christen gibt ihnen die sichere Gewißheit der Unsterblichkeit, die sie wie ein Asbestüberzug nicht nur vor der Flamme des Todes, sondern sogar schon vor der Todesfurcht

schützt, wie zahllose Beispiele beweisen3. Das hätte ein einfacher Befehl Gottes nicht erzielen können; es bedurfte dazu der Mensch­ werdung, das heißt der innigsten Berührung mit der menschlichen Natur6. Soweit die Erlösungslehre des ersten Werkes. Wir erkennen die überraschende Stärke der paulinischen Gedankenwelt, aber auch schon die echt griechische Weiterbildung des Erkenntnisstrebens. Athal) de inc. 14—16. *) de ine. 8,4 9, i—2 20,6. 4) de ine. 22, 4 30,2 44,5. °) de ine. 28, 3 44,7.

3) de ine. 17,5.7. *) de ine. 44, *•

250

y. Der Geist der Epigonenjeit

nasius glaubt bereits ernstlich, aus den Eigenschaften Gottes die

unausweichliche Notwendigkeit seiner Menschwerdung nachweisen zu können: er weist den Weg, den Anselm von Canterbury j» Ende gegangen ist. Und er weiß auch, daß die Erlösung nur durch Substanz­ veredlung der Menschheit erreicht werden konnte, daß die göttliche Natur die abgesunkene menschliche Natur durchdringen und gleichsam mit einem gegen Sünde und Tod schützenden Heilstoff tränken mußte,

wenn das Ziel einer nicht bloß vorübergehenden, sondern dauernden Rettung erreicht werden sollte. Die Sünde hatte die menschliche Sub­

stanz geschädigt, also mußte auch die Heilung die Substanz ergreifen *. Die Arianerreden bringen diese Erlösungslehre mit dem Logos­ problem in Verbindung. Wir finden überall dieselben Vorstellungen

und sehen Einzelheiten genauer ausgeführt. Vor allem wird jetzt die Erlösung mit Vorliebe als „Vergottung" des Menschen be­ zeichnet und der befreite Mensch ein „Tempel Gottes" genannt, weil der Logos in ihm wohnt, wie er im Leibe Jesu gewohnt hat2. Die

Befreiung der Menschheit von der Sündenmacht wird in engem An­ schluß an die richtig verstandene paulinische Vorstellung vom zweiten Adam3 dargelegt, und es wird ausführlich gezeigt, wie der Logos die Mängel des Fleisches durch seine Einwohnung zu seinen eigenen macht und dadurch aufzehrt, so daß die Christen nun nicht mehr sünd-

lich und sterblich sind, sondern auferstehen und ewig leben4. In diesem Zusammenhang wird auch endlich die lange ersehnte Aufilärung darüber gegeben, in welcher Weise der übrigen Mensch­

heit das innerhalb der Person Christi vollzogene Wandlungswunder

übermittelt wird. Entsprechend der Lehre des Paulus wird die Taufe als der Akt der Wiedergeburt bezeichnet, durch welchen „das Fleisch mit dem Logos begabt" wird. Das Vorbild dazu gibt die Jordan­

taufe des Herrn, bei welcher „unser, von ihm getragenes, Fleisch" die Einwohnung des herabsteigenden Heiligen Geistes erfuhr: der Vor­

gang wiederholt sich immer wieder für jeden einzelnen bei seiner z) de i«c. 7,3 44,4—8 vgl. or. c. Aria». 2,70 3,33. or. c. Arian. i, 39.42.45 2,47 3,23.33.34; Tempel: 1,43. 1,51 s. Bd. 1,119. 127. 4) or. c. Arian. 3,33.34.

2) Vergottung: 3) or. c. Ar.

Athanasius^ Arianerreben

251

Taufe. Wir sind etwas verwundert, das Abendmahl hier nicht erwähnt zu finden, das er sonst natürlich auch aU Heilmittel

zum ewigen Leben kennt \ Soweit geht die einfache Weiterführung der aus der früheren

Schrift übernommenen, d. h. zum festen theologischen Bestand der athanasianischen Gedankenwelt gehörenden Stücke der Erlösungs­ lehre. Oie Verbindung mit dem Problem des arianischen Streites liefert der jetzt erst klar herausgestellte Grundsatz: Wir wären nicht von der Sünde und dem Fluche befreit, wenn nicht das, was der Logos anzog, Fleisch von unserer Natur gewesen wäre: wir hätten ja sonst mit dem fremden Stoff keine Gemeinschaft. So wäre aber andrerseits der Mensch auch nicht wirklich vergottet worden, wenn nicht der Logos, der Fleisch wurde, „von Natur aus dem Vater", also wirklicher und wahrhaftiger Gott gewesen wäre2. Damit ist von der Erlösungstheologie aus klar die Notwendigkeit erwiesen, den Logos als wirklichen Gott im vollen Umfang des Wortes anzu­ erkennen. Das wird nun im einzelnen durchgeführt und an Gleichnissen er­ läutert. Besonders beliebt ist das von Origenes stammende Bild vom Licht und seinem Abglanz, der ewig aus ihm quillt und dabei doch keine Minderung des Lichtes verursacht. Aber es wird betont, daß der Glanz eben auch Licht ist und nicht ein geringeres gegenüber der Sonne. So ist auch der Logos zwar vom Vater verschieden als Sohn,

aber mit ihm nicht nur gleich (homoios), sondern geradezu identisch als Gott3: er und der Vater sind „eins in der Identität der einen Gottheit". Mit anderen Worten: Sohn und Vater werden soweit wie möglich in eins gesehen und darum die Einheit der Substanz (Usia) mit Nachdruck verkündet, ja die Notwendigkeit der Anbetung des Sohnes wird eben daraus gefolgert, daß es nur einen Gott gibt, der in dem Sohn nicht weniger verehrt wird wie in dem Vater4. Wenn also für die Einheit Gottes die Bezeichnungen „eine Gott­ heit", „eine Substanz", „eine Natur" vorhanden ist, so kommt Atha-

x) or. c. Arian, i, 47. ep. 4 ad Serap. 19. 2) or. c. Arian. 2, 70. 3) or. c. Arian. 2,31.33.35. 3,4.9. *) or. c. Arian. 3,6.

Der Geist der Eplgonenjeit

2Z2

nasius in Verlegenheit, wenn er ein Wort für die Verschiedenheit -er göttlichen Personen finden soll: und das ist der Punkt, an dem die Gegner begreiflicherweise ansetzen, da fie über die Lehre von drei

Hypostasen verfügen. Athanafius hat an diesen Spekulationen kein Interesse, da er nur seine Erlösungslehre ju sichern bemüht ist.

Andrerseits steht er doch soweit in der Tradition der origenistischen Schule, daß er die primitive Lösung des Monarchianismus, selbst in der von Marcell gebotenen Form1, ablehnen muß. Die Folge von beidem ist die verärgerte Unficherheit seiner Stel­ lung gegenüber dem neu erwachenden theologischen Leben des übrigen Orients. Wie wir noch sehen werden ist die Entwicklung der amtlichen Reichsorthodoxie auch wirklich nicht in der von ihm vorgezeichneten Bahn gegangen. Dagegen hat seine Art zu denken den stärksten Ein­ fluß auf die künftige Theologie des alexandrinischen Patriarchats geübt, das aussprießende Mönchtum befruchtet und durch beides der späteren Großmacht des Monophyfltismus den Weg geebnet. Es kann kein Zweifel darüber sein, daß Athanafius zwar kein schulgerechter Theolog ist und auch nur bedingt als wirkungsvoller Schriftsteller bezeichnet werden darf, daß er aber nicht nur als un­ beugsamer Politiker, sondern auch als starke religiöse Persönlichkeit der überragende Geist dieser nachkonstantinischen Epoche ist. Die Spur seines Wirkens ist der politischen und theologischen Entwicklung der Folgezeit unvertilgbar ausgeprägt. *

Auch im Abendland treten unter den Söhnen Konstantins wieder einige heidnische Schriftsteller stärker hervor, wenngleich fie an Be­

deutung mit ihren griechischen Zeitgenossen nicht wetteifern können. Die Kaisergeschichte des Aurelius Victor ist nur ein dürftiges Schul­ buch und die Überarbeitungen seiner übrigen Schriften lassen nichts

Besseres erschließen. Der Afrikaner Nonius Marcellus schreibt ziem­ lich stumpfsinnig ein Mittelding zwischen Sprach- und Sachlexikon, l) f. S. I84f.

Donatrrs. Marius Mctocinus

253

das uns aber wegen seiner reichen Zitate aus altlateinischen Schrift­ stellern von hohem Werte ist. Der berühmte Mann der Zeit ist der Grammatiker Aelius Donatus, der als städtischer Professor, hoch­ geehrt und mit dem senatorischen Rangtitel geschmückt, in Rom lebt.

Hieronymus hat ihn 354 gehört und ist stolj darauf *. Seine er­ klärenden Vorlesungen über Terenz und Vergil sind in den späteren Schulbetrieb übergegangen und dadurch, wenn auch in stark über­ arbeiteter Form, erhalten. Aber den größten Beifall fanden seine lateinischen Schulgrammatiken, für Anfänger und für Fortge­ schrittene, die fortan mit Vorliebe dem Lateinunterricht jugrunde gelegt wurden und ihre beherrschende Stellung noch in der Reformationsieit behaupteten.

Neben ihm stand in Rom, von gleichem Ruhme umstrahlt, der Rhetor Marius Victorinus2, dem sogar die Ehre einer Porträt­ statue auf dem Trajansforum juteil wurde \ Wenn Donatus der Philologe Roms war, so durfte Victorin auf den Namen des Philo­ sophen Anspruch machen. Er hat nicht nur Ciceros philosophische Schriften ausgelegt, sondern auch des Aristoteles Kategorien und Satzlehre ins Lateinische übersetzt. Dor allem ist er aber für sein Sprachgebiet der Vermittler des Neuplatonismus geworden. Wir haben in ansehnlichen Bruchstücken seine Übersetzung der von Por-

phyrios verfaßten Einleitung in die fünf Grundbegriffe erhalten3, die im Morgen- und Abendland das klassische Lehrbuch der Logik ge­ worden ist. Aber er hat noch mehr neuplatonische Schriften übersetzt, die uns verloren gegangen sind. Augustin hat sie mit Begeisterung gelesen und sich an dem vorbildlichen Schicksal des Übersetzers er­ baut 4:S. aber er verrät uns leider mit keiner Silbe, ob ihm Plotin oder Porphyrins durch Victorin vermittelt sind6. x) Hieron. Chron. Olymp. 283,2 p. 239 Helm. 2) Weßner bei PaulyWissowa 14, 1840—1848. s) Bet Boethius in Jsagogen Porphyr» com. ed. S. Brandt (Wiener Korpus Bd. 48) p. XIVf. Vgl. Monceaux, Mlanges Havet (1909)/ 291 ff. 4) Aug. conf. 8, 2, 3—5 vgl. 7, 9, 13. 6) E. Benz, Marius Victorinus (1932): Plotin, W. Theiler im Gnomon 10 (1934), 493—499 tritt für Porphyrios ein.

254

9. Der Geist der Epigoaenjeit

Jedenfalls ist beim Studium des Neuplatonismus dem Victorin die nahe Verwandtschaft dieser Gedankenwelt mit der spekulativen Theologie des Christentums ausgefallen, er hat sich allmählich auch mit den kirchlichen Formen abgefunden und schließlich — wohl bald nach 354 — den entscheidenden Schritt getan und sich jum Schrecken der römischen Gesellschaft und jur Freude der Christengemeinde in aller Öffentlichkeit taufen lassen \ Nun begann er aber auch in die theologischen Kämpfe der Gegenwart einjugreifen: erst mit einem

kleinen Traktat über die Zeugung des Logos, dann — unmittelbar nach2 der Synode von Rimini 359 — mit vier Büchern gegen Arms und dann mit einem kurjen Aufruf jur Einigung unter der Fahne des Homousios. Später hat er Kommentare zu den Paulusbriefen geschrieben, von denen die zum Galater-, Philipper- und Epheserbrief erhalten sind. Die drei uns überlieferten Hymnen auf die Trinität liefern eine wertvolle Ergänzung zu den theologischen Schriften: ihre akzentuierende Rhythmik ist uns einstweilen noch ein völliges Rätsel, dessen Lösung nach mehr als einer Richtung aufklärend wirken dürfte. Cs ist kein Wunder, daß Marius Victorinus weder heilig ge­ sprochen noch Kirchenvater geworden ist. Trotz seiner Taufe und der betonten Christlichkeit seiner Schriften spürt man doch auf jeder Seite den Philosophen, der sich biblischer und theologischer Formeln be­ dient, um seine neuplatonische Lehre vom Wesen Gottes vorzutragen. Er lebt in einer anderen Welt wie die Bischöfe des Ostens und

Westens, die auf dem kirchenpolitischen Schlachtfeld ihre Haut zum Markte tragen. Sein verehrter arianischer Freund Candidus hat ihm in einer eleganten kleinen Abhandlung vom platonischen Gottes­ begriff aus bewiesen, daß die unwandelbare Gottheit nicht als zeugend gedacht werden könne, weil mit dieser Vorstellung auch die einer Wandlung gegeben sei. Und Gott, der als erste Ursache über der

Substanz siehe, also „unsubstantiell" sei, könne nicht selbst Substanz

sein und etwas „Konsirbstantielles" (homousion) erzeugen. Dem­ nach sei der Logossohn aus dem Nichts erschaffen zu denken. *) s. S. 253 Anm. 4.

2) Benj S. 32.

Marius Mctormus

255

Dieser reinen Denkoperation stellt Victorin zunächst als guter

Katholik einige Bibelsprüche entgegen, aber nur um fich dann sofort in die gleichen Regionen abstrakter Philosophie zu begeben. Er nimmt den von seinem Gegner vertretenen Gottesbegriff auf und führt nun aus, daß Gott allerdings als letzte Ursache auch über dem Sein stehe,

aber doch potentiell das Sein in sich trage und aktuell erzeuge, so daß die Behauptung zu Recht bestehe, daß dies aktuell in die Erscheinung

tretende Sein aus Gottes Willen entsprungen sei. Dieser Wille sei aber nichts anderes als das Denken, Leben, Handeln oder mit andern Worten der Logos Gottes, sein wesenhaftes Sein. Also sei der Logos in Gott und seines Wesens, homousios mit ihm. Wenn man von Zeugung des Logos spreche, so sei damit nicht ein zeitliches Geschehen, sondern ein logisches Verhältnis bezeichnet \ Diese Gedanken werden nun durch feinste Begriffsspaltungen bis in die letzten Tiefen ver­ folgt und dann immer wieder einmal durch einige Bibelsprüche mit christlicher Theologie verbunden. Von derselben Art ist die Beweisführung in den vier Büchern gegen Arms, in denen vor allem bemerkenswert ist, daß nicht bloß das Verhältnis des Sohnes zum Vater, sondern grundsätzlich und ausführlich das Trinitätsproblem behandelt wird. Vater Sohn und Geist sind eine Substanz, sind homoustoi, und die von der mensch­ lichen Seele aus erschlossene*2 3wesenhafte Identität von Sein, Leben und Denken liefert den Schlüssel zum Verständnis der Trinität. Das alles wird in nicht enden wollenden Wiederholungen, mit immer neuen Ansätzen, in peinlichster syllogistischer Kleinarbeit und mit er­ müdender Ausführlichkeit durch vier Bücher hin vorgetragen8.

Man kann es verstehen, daß den zeitgenössischen Theologen diese Kost nicht behagte, zumal es in dem weiten Meer der Thesen nicht an Formulierungen fehlt, die mißtrauisch machen mußten. Es ist wirklich erstaunlich, baß Handschriften dieser für die Geschichte der neuplatonischen Schulphilosophie mehr als für die Theologie x) Mar. Dict. de gener. div. verb. 2.3.16.21—27 (Migne Patr. lat. 8,1021. 1029—1033.) 2) Mar. Dict. adv. Arium 1,52—64 (Migne lat. 8,1080—1088). 3) Ausführliche Darstellung bei Benz S. 39—188.

s;6

y. Der Geist der Epigouenzeit

ihrer Zeit charakteristischen Werke erhalten sind, und man wird die Erklärung in der Tatsache finden dürfen, daß Augustin dem Lehrgebäude Victorins nicht wenige Steine ju eigenem Gebrauche entnommen hat und vor allem seinen Übersetzungen die Einführung in die Welt des Neuplatonismus verdankt: schmerjlich, daß diese

Texte verloren sind. Mehr Glück hat da ein sonst unbekannter Chalcidius gehabt, der Platos Timaeus jur größeren Hälfte übersetzte und mit einem aus neuplatonischen Autoren jusammengesetzten Kommentar versah. Der Verfasser war Christ und ist durch Ossius von Cordoba ju der

Arbeit veranlaßt worden, die viel Beifall gefunden und dem abend­ ländischen Mittelalter eine Vorstellung von platonischer Philosophie verschafft hat. Ein beträchtlich dunklerer Ehrenmann war Firmicus Maternus, von dem wir zwei Werke erhalten habenT. Das erste ist ein umfang­ reiches Lehrbuch der Astrologie, das mit recht mangelhafter Sach­

kenntnis aus ungenannten Quellen zusammengeschrieben ist, die ihrer­ seits wieder eine ältere und mannigfaltige Literatur ausschlachten.

Aber Firmicus wußte, was er tat, wenn er dem gebildeten Publikum des vierten Jahrhunderts ein solches Modebuch vorsetzte. Etwa zehn Jahre später, gegen 347, ist er Christ geworden2 und hat, wiederum auf reichhaltige Auszüge guter Quellen gestützt, eine Schrift „gegen den Irrtum der heidnischen Religionen" geschrieben, die sich vor­ nehmlich über die noch zu seiner Zeit lebendigen Mysterienkulte ver­ breitet und uns so noch in letzter Stunde wertvollstes Material gerettet hat. Seine Polemik hat den etwas faulen Beigeschmack eines Rene-

gatenzorns und mündet aus in die dringende Aufforderung an die

kaiserlichen Majestäten, die Pracht der heidnischen Tempel mit dem Beil in Trümmer zu schlagen und nach dem göttlichen Gebot des Alten Testaments dem Götzendienst mit blutigem Schwert ein Ende zu machen und wenn auch ganze Städte darüber zugrunde gehen x) F. Boll bei Pauly-Wissowa 6, 2365—2379. 2) Wendland in Göt­ tinger Nachr. 1910, 330s. Vgl. Firm, de errore 8,4 p. 25,2 Ziegler.

Chalcidius. FirmicrrS Matemus. Hilarius

257

müßten. Man kommt ans den Verdacht, ob vielleicht der Senator aus Syrakus durch diesen übertriebenen Eifer vor den christlichen Kaisern für sein astrologisches Heidentum Buße tun wollte? Das war angesichts der damaligen Kultur schwerlich nötig, und so kann man nur über den Fanatismus staunen, der hier jur Schau getragen wird, und leise an seiner Echtheit zweifeln.

Hilarius war in Poitiers von vornehmen Eltern geboren, hatte sich auch dort verheiratet, und ist als reifer Mann Christ und Bischof seiner Vaterstadt geworden. Dann hat ihn aber auch sein literarischer Eifer schnell zu theologischer Schriftstellerei getrieben, die von seinen Zeitgenossen mit Beifall ausgenommen wurde und ihm den Ehren­ namen eines heiligen Kirchenvaters eingetragen hat: von manchen seiner Werke haben wir Handschriften, die bis zum Anfang des sechsten Jahrhunderts hinaufreichen. Seine Bedeutung besteht darin, daß er zum erstenmal das Abendland mit der im Osten lebendigen Theologie bekannt machte, und daß er dies in einer stilistisch vor­ züglich gepflegten und elegante Perioden bauenden Sprache tat. Seit Lattanz hatte man solches Latein nicht zu hören bekommen, und so las man es mit Genuß, wenn es auch nicht immer leicht zu ver­ stehen war. Das lag aber daran, daß Hilarius mehr ein Mann des geformten Wortes als des scharfen Gedankens war und auch trotz guter Vorsätze nicht zu einer straffen Gliederung des Stoffes gelangen konnte. Diese Schwäche macht besonders das Studium seines theo­ logischen Hauptwerkes von der Trinität zu einer sauren Arbeit, während das älteste uns erhaltene Werk seiner Feder, ein Matthäus­ kommentar, sehr viel einfacher gehalten ist und dem biblischen Text Vers um Vers folgt. Wir wüßten gern, durch welche Quellen Hilarius bei dieser Auslegung des Matthäus bestimmt ist, aber einstweilen müssen wir uns da noch bescheiden. Daß er fleißig allegorisiert, ver­ steht sich von selbst. Die zwölf Bücher vom Glauben, die seit dem 6. Jahrhundert

„von der Trinität" überschrieben werden, obwohl das Wort Trinitas in ihnen nicht begegnet, haben seinen theologischen Ruhm begründet. Sie sind in der Verbannung geschrieben, die ihn von 356 bis 360 Ltetzmann, Gesch. Men Kirche 3. 17

Der Geist der Epigonenjeit

25«

im westlichen Kleinasien festhieltx, und zeigen sein Bestreben, sich mit

den theologischen Fragen auseinanderjusetzen, welche in der neuen Umgebung auf ihn eindrangen. Das Werk ist von Anbeginn an breit angelegt und führt den aus den Schranken des bloß sinnlichen Daseins heraussirebenden Leser zu den Quellen echter, das heißt aber christlicher Gotteserkenatnis, deren Grundlage der Prolog des jo-

hanneischen Evangeliums darbietet. Don hier aus ergibt sich die Notwendigkeit, die beiden gegensätzlichen Irrlehren des Sabellius und des Arius von der evangelischen Wahrheit abzugrenzen: der Plan dazu wird nun vor dem Leser schon in der Verteilung auf zwölf Bücher dargelegt und läßt ihn allerdings ahnen, daß er mannigfach gewundene Wege gehen muß. Klar treten allenthalben die Ab­ lehnungen heraus, aber die positiven Darlegungen schillern noch in unsicheren Farben.

Daß die Zeugung des Sohnes ein dem menschlichen Verstand un­ begreifliches Geheimnis sei, wird oft und nachdrücklich betont und

eine Häufung von biblischen Aussagen wird den Lehren der Häretiker lieber entgegengestellt als eine eigene durchgedachte Theologie. Häufig begegnen Formeln, die schon bei Tertullian und Novatian zu finden sind, auch das Homousios erscheint einmal, wird ausgiebig mit Bibelsprüchen gegen die Arianer verteidigt und schließlich dahin erläutert, daß Gott Vater und Gott Sohn eins sind, nicht in der Einheit einer Person, sondern in der Einheitlichkeit der Substanz3. Die eine und unteilbare göttliche Natur hat den einen Namen, Gott. Aber die Geburt aus dem ewigen Vater entftemdet den Sohn nicht von der wahrhaftigen Natur der väterlichen Substanz, sondern gibt ihm nur eine besondere Existenz, die mit Namen wie Logos, Weisheit u. a. bezeichnet wird — Namen, die aber zugleich auch der inneren Wesenheit des Vaters ängehören3. Und gegenüber der arianischen Lehre von der Geburt des Logos in der Zeit wird mit Schärfe die

Anwendung des Zeitbegriffes auf die Gottheit abgelehnt und die ewige Zeugung des Sohnes bewiesen. *) s. o. S. 213 f.

2) Hilar. de tritt. 4,4.41.

3) de tritt. 7,11.

HilariuS von Poitiers

259

Hilarius versucht auch, eine Lehre vom Heiligen Geist avfzu-

stellen, den er gern nach Apg. 2,38 mit dem Kennwort der „Gabe" (Oonum) bezeichnet. Er wird sowohl Geist Gottes wie Geist Christi in der Schrift genannt und dadurch deutlich der einen Gottesnatur zugeschrieben \ Er geht nach Joh. 15,26 vom Vater aus und wird vom Sohne entsandt. Aber zu. einer klaren Vorstellung gelangt Hilarius nicht und noch weniger ist etwa von einer gesonderten Perfinlichkeit des Geistes die Rede. Diese ganze Schriftstellerei ruht auf angelernter Gelehrsamkeit und wird von ihm pflichtmäßig betrieben. Aber der ganze Hilarius kommt hier nicht zu Wort. Den lernt man erst kennen, wenn man die prachtvollen Streitschriften liest, in denen seine lateinische Eleganz

einem nach Taten verlangenden Temperament die den Leser und Hörer mitreißende Form gibt. So fordert er sein Recht vom Kaiser Konstantins, so legt er gegenüber den Ränken der Ursacius und Valens den Standpunkt seiner neuen nicänischen Rechtgläubigkeit an der Hand von Urkunden dar — wie er es an dem Beispiel

des Athanasius gelernt hat — und packt damit die Seelen seiner Abendländer nicht minder, wie sein Vorbild die der östlichen Gläubigen. Wie eindringlich weiß er seinen Landsleuten zu beweisen, daß die von Basilius von Ankyra und Genossen verfochtene Parole „Homoiusios" völlig einwandfrei sei und in nichts hinter dem nicänischen „tzomousios" zurückstehe. Es ist ihm Herzenssache, diesem geistig führenden Theologenkreis des Ostens Freunde im lateinischen Westen zu gewinnen. Aber er redet auch seinen griechischen Freunden zu, daß sie den Widerstand gegen das Homousios aufgeben und das nicänische Bekenntnis zur gemeinsamen Grundlage der rechtgläubigen

Christenheit machen möchten. Er hatte die richtige kirchenpolitische Einsicht für das, was notwendig war, aber nicht die wissenschaftliche Durchbildung, die den theologisch gangbaren Weg zu diesem Ziel

hätte weisen können. *) de trin. 8,26 vgl. 2,29—35.

ä6o

9. Der Geist der EpigonenzeiL

Auf der Synode zu Rimini erschien er ungeladen und verlangte vom Kaiser, seinem Ankläger Saturninus von Arles persönlich

gegenübertreten zu dürfen. Das wurde verhindert und der gefährliche Mann als Verstörer des Orients nun wieder nach Gallien zurück

ausgewiesen \ Und sofort kündigte er dem Kaiser verschärften Kampf an2, indem er die Bischöfe seiner Heimat zum unermüdlichen Wider­ stand gegen die Christenverfolgung aufrust, die der „Antichrist" Konstantius mit heuchlerischer Miene als Wolf im Schafskleide betreibt.

Es ist die einzige Schrift, in der er nach langem, wohlerwogenen Schweigen seinen Tadel mit rücksichtsloser Schärfe auch gegen die

kaiserliche Person richtet, und man liest sie mit Bangen um den kühnen Sprecher. Er setzte seinen Kopf aufs Spiel. Aber Konstantins hatte keine Lust, der opponierenden Kirche blutige Märtyrer zu verschaffen. Sonst hätte er schon längst den Bischof Lucifer von Cagliari (in Sardinien) hinrichten lassen, der eine noch viel gröbere Sprache ihm gegenüber gebrauchte. Der war ein wilder Fanatiker und richtete eine Anzahl Streitschriften an den Kaiser, in denen er die Zumutung eines Verkehrs mit Häretikern ebenso energisch ablehnte, wie er sich dagegen verwahrte, einen Ange­ klagten — nämlich Athanasius — ungehört und abwesend zu ver­ urteilen. Er bewies mit einer überwältigenden Fülle von Zitaten, daß solche Forderungen den göttlichen Geboten zuwider seien und warnte den Kaiser vor falschem Vertrauen auf die in politischen Er­ folgen sich angeblich erweisende göttliche Gnade: er hält ihm lehr­ reiche Beispiele aus der israelitischen Königsgeschichte vor und fordert ihn auf, Buße zu tun. Das alles aber in einem Ton, den wohl selten ein Monarch zu hören bekommen hat. Beständig wird der Kaiser als Arianer und Häretiker bezeichnet, der den Antichrist an Christi Statt erwählt hat, sein Unverstand und seine Verkehrtheit werden gegeißelt und biblische Scheltworts des Judasbriefes auf ihn bezogen. Konstantius hat diesen Kritiker zwar verbannt — die Traktate sind im Exil geschrieben — aber ihm trotz seiner Grobheit weiter kein *) Hilar. ad Const. 2,3 (4,198 Feder) Sulp. Severus Chron. 2, 4$, 3—4 Hieran. Chron. Ol. 284,3. 2) Contra Constantlum (2,561—583 ed. Beneb.).

Lucifer von Cagliari

261

Leid angetan. Der streitbare Bischof hat die Unbefangenheit gehabt, einen Kodex mit seinen Schriften dem Kaiser überreichen jn lassen,

und dieser ließ nur durch einen Kammerherrn höflich bei Lucifer an­ fragen, ob die Sendung wirklich von Seiner Heiligkeit stamme. Die

Antwort lautete bejahend, und der Verfasser betonte, daß er mit

Freuden bereit sei, -en ihm bevorstehenden Tod zu erleiden \ Er schrieb über dies Thema sofort noch einen Traktat mit verstärkter Ton­ art gegen den „Dummkopf von Kaiser", in dem die Beschimpfungen sich häufen und sogar Cicero mit „Quonsque tandem" zitiert wird2 — aber der Kaiser strafte ihn nicht dafür. Er scheint ihn nicht ganz ernst

genommen zu haben. Der Kirche wäre es auch besser gewesen, wenn ste sich dieser kaiser­ lichen Einschätzung angeschlossen hätte. Wir werden noch sehen, wieviel Unheil der blinde Polterer später angerichtet hat, der in allem das Gegenstück zu dem kultivierten und politisch klugen Hilarius war. Lucifer ist stolz auf seine Unbekanntschaft mit heidnischer Weisheit und betont auch, daß er die Sprache des Volkes schreibe3: und eben dies hat ihn den Philologen der Gegenwart wertvoller gemacht als den Gebildeten seiner Zeit. Als Theologe bedeutet er nichts, da er aller Problematik — und nicht bloß der seiner Gegenwart — fern­ steht und nur von den Schlagworten Nicaea und Arianismus ge­ lenkt wird. Sein Beweismaterial entnimmt er der lateinischen Bibel, die zu zitieren er nicht müde wird: und das ist uns eine bedeutsame Tatsache, weil sie uns vor Augen führt, wie lebendig die Schrift auch in den Kreisen der Kirche ist, die von theologischer Gelehrsamkeit un­ berührt sind. *) Lucifer epist. 3. 4 p. 321s. cd. Härtel. 2) Lucifer moriendum esse 4. i2 p. 292, 20 310, ii. 3) Lucifer moriendum esse 11 p. 306,19 und de non parcendo 21 p. 256,7.

Julian. Der unerwartete Tod des Konstantins entschied die Thronfolge ohne Weiterungen und vielleicht hat der sterbende Kaiser wirklich seinen Gegner zum Erben der Krone bestimmt. Julian marschierte von Nisch nach Konstantinopel und wurde dort am u. Dezember 361 festlich begrüßt. Dort empfing er auch die Huldigungen der von allen Seiten dem neuen Weltherrscher nahenden Gesandtschaften fremder Völker. Als der Leichnam des Konstantius von seinen Truppen zur Hauptstadt geleitet worden war, stieg Julian mit großem Gefolge

zum Hafen hinab und führte den Toten zu seiner Ruhestätte in der Apostelkirche, neben dem großen Vater. Er ließ ihm auch die Ehre der Konsekration zuteil werden. Dann aber hob das Strafgericht über die Männer an, denen die Schuld an den Mißgriffen des Kon,

stantius und den gegen Julian gesponnenen Ränken zugeschrieben wurde. Unter dem Vorsitz des zum Praefectus Praetorio erhobenen Sallustius1, seines treuen Helfers in bedrängten Zeiten, wurde in Chalkedon ein außerordentlicher Gerichtshof aus hohen Staats, beamten und Militärs errichtet, der eine Reihe von Todesurteilen fällte und Verbannungen verhängte. Die schlimmsten Wüteriche wurden lebendig verbrannt. Das gab ein großes Aufatmen der Be, freiung, und nun lag die Welt offen vor dem Bringer einer neuen Zeit. Die Schnelligkeit und Größe der letzten Ereignisse hatten Julian fast betroffen gemacht, und die Briefe aus diesen ersten Tagen seiner Alleinherrschaft lassen das den Leser spüren. Er fühlt die Schwere der Last, die ihm die Götter auf die Schultern gelegt haben: seine Götter, an die er glaubt und denen sein Leben geweiht ist2. Seine Mutter 9 Seeck bei Pauly-Wissowa 2.Reihe i,2072—2075. 2) Für dieses Kapitel ist durchweg die mit vollendeter Darstellungskunst geschriebene und von grundlegender Forschung unterbaute Julianbiographie von Joseph Bidez, Die de l^empereurJulien (1930) zu vergleichen. Ferner v. Borries bei Pauly-Wissowa 10, 26—91.

Jugendjahre

263

Basilina hatte er schon als ganz kleines Kind verloren, sein Vater war dem siebenjährigen Knaben durch den dynastischen Mord von 337

entrissen. So wuchs er in stiller Verborgenheit in Nikomedia heran, erzogen von einem treuen Sklaven, der einst seiner Mutter Homer

und Hesiod vorgelesen hatte, und von dem Ortsbischof Eusebius, der mit ihm entfernt verwandt war, betreut*. Drei Jahre später wurde er mit seinem Bruder Gallus ins innere

Kappadokien verschickt, wo er sechs Jahre auf der kaiserlichen Domäne Macellum, nicht weit von Caesarea, in Einsamkeit verlebte. Hier er­ hielt er Unterricht in der christlichen Religion und lernte mit Eifer biblische Texte auswendig: die Lehrer bestaunten die Fortschritte ihres Zöglings. Er besuchte nicht nur den Gottesdienst der Gemeinde,

sondern trat als Lektor in den niederen Klerus ein und las auch wirk­ lich die liturgischen Bibelabschnitte in der Kirche vor2. In dieser Zeit lernte er auch den späteren alexandrinischen Bischof Gregor kennen, der damals noch in seiner kappadokischen Heimat lebte und eine gute Bibliothek besaß. Aus ihr hat der wissensdurstige Junge mehrfach Bücher entliehen und sie sich abgeschrieben, übrigens auch gründlich in dem ganzen Bestand herumstöbern dürfen, denn nach dem Tode des Besitzers schreibt er: „ich kenne die Bücher Gregors, wenn nicht alle, so doch viele" — und gibt Anweisung, sie nach Antiochia zu

schaffen. Sie enthielt wertvolle christliche Literatur, aber auch Philo­ sophen und Redner3, und sie hat dem frühreifen Prinzen wohl die erste Bekanntschaft mit dem Griechentum vermittelt. Als im Jahre 347 Gallus an den Hof berufen wurde, verließ auch Julian das Exil in Macellum und begab sich nach Konstanti­

nopel. Hier studierte er mit großem Fleiß, aber nur eingeschränkter Freude Grammatik und Rhetorik nach hergebrachter Art, bis er nach Nikomedia verwiesen wurde: und in dieser Stadt erfüllte sich sein Schicksal. Obwohl es ihm streng verboten war, den hier lehrenden

Libanius zu hören, gelang es ihm, sich heimlich Nachschriften seiner *) Julian MIsopogon p. 352 a b. Am. Marc. 22,9,4. 8) Julian ad Athen, p. 2711 d. Sojvm. 5,2,9—10. Eunapius vltae soph.: Maximus p. 47. 3) Ju­ lian epist. 106.107 p. i84ff.

264

io. Julia«

Vorlesungen zu verschaffen \ Das gab ihm mehr als der trockene Unterricht der hauptstädtischen Schulmeister. Am Geist des Manius entzündete sich seine Begeisterung für echtes Griechentum und im Kreis seiner Schüler lernte er das kennen, was fortab sein Leben

bestimmte: den geheimnisvollen Verkehr mit den Göttern. Bis dahin war er überzeugter Christ gewesen und hatte die Götzen gehaßt.

Jetzt hörte er ihre weissagenden Stimmen, und das wurde seine religiöse Erfahrung2, die der Christenlehre den Garaus machte und sich in seiner Seele mit der Romantik des Griechentums zur Einheit zusammenschloß. Als der Bruder Gallup im März 351 zum Caesar ernannt wurde, bekam Julian noch größere Freiheit zur Fortführung seiner Studien

bewilligt. Es zeigte sich schnell, daß die mystischen Umtriebe der philo­

sophierenden Freunde stärkeren Eindruck auf seine Seele gemacht hatten, als die griechische Klarheit des Libanius. Julian ging nach Pergamon, um den greisen Aidesios zu hören, der die priesterliche Weisheit des Jamblichos hütete. Der empfahl ihn mit dunkeln Worten an seine Jünger Eusebios und Chrysanthios und die wiesen ihn schließlich mit noch geheimnisvolleren Andeutungen an Maximos von Ephesus. Julian reiste zu ihm und „hing sich an ihn und biß sich fest in seine Weisheit ein"3, bis er schließlich die Einweihung in die Mysterien erlangte, die in unterirdischer Grotte mit Geisterstimmen

und Gespenstererscheinungen, Donner, Blitz und Feuerzauber ge­ feiert wurde4.

Von nun an fühlte er sich vom Sonnengott zur Rettung des Reiches durch Wiederherstellung des alten Götterkultes berufen, das Christentum erschien ihm als der zu überwindende Feind. Aber nie­

mand außer den wenigen Vertrauten durfte davon etwas merken. Äußerlich spielte er den treuen Christen, solange seine abhängige Stellung und auch die Rücksicht auf die christlichen Soldaten es er­

forderte; noch am 6. Januar 361 nahm er an der Feier des Epi-

*) Liban. or. 18,14.15. 2) Man. or. 13,11. 3) Eimapius sitae soph. p. 48—51. 4) Bidej, Die p. 79ff. Greg. Raj. or. 4, $5 (1,102 Bened.).

Der Ruf der Götter. Reform des HofeS

265

phanienfesies in Paris teilx. Aber seit dem Entschluß jnm Kampf um die Krone fühlt er sich frei. Seinen Truppen gestattet er jeden Kult nach ihrem Willen, und in der Proklamation an die Athener bekennt er sich zum Glauben an Athena und ihre aus Sonne und Mond her­ absteigenden Schutzengel2. Der durch immer erneute Orakelsprüche und eine Fülle von Mysterienweihen dauernd sich verstärkende Ruf der Götter nach einem Wiederaufstieg in alter Pracht und Herrlichkeit gibt ihm die innere Sicherheit, mit der er seine natürliche Zaghaftigkeit überwindet und das große Reformwerk beginnt.

Den Anfang macht eine Neugestaltung des Hoflebens. Der ganze Apparat der Hosschranzen und Eunuchen bis hinab zum Mundkoch und Hofbarbier verschwindet, desgleichen die Fülle der Büros mit ihren Akten, aber auch die Agenten und der ganze Spionagedienst des Konstantius3. Beseitigt wird auch das persische Zeremoniell und die Unnahbarkeit der allerhöchsten Person, ja der Kaiser erscheint so­ gar zu Fuß unter den übrigen Würdenträgern, um den Konsuln von 362 zum Amtsantritt zu gratulieren — was denn doch als unpassend empfunden wurde. Der Konstantinopeler Senat kam zu ungeahnten Ehren und wurde mit allerlei Vorrechten beschenkt, und, was ganz unerhört war, der Kaiser erschien mehrfach im Sitzungssaal und nahm an den Verhandlungen teil: das hatte angeblich sein Vorbild Mark Aurel auch schon getane

Sein Bemühen war, die leitenden Kreise der Gesellschaft in ihrem Selbstgefühl zu heben, bei ihnen so etwas wie Stolz auf ihr Hellenen­ tum zu erwecken und sie aus dem Sklavensinn der vorangegangenen Zeit zu dem Bewußtsein sittlicher Freiheit zu führen. Er wollte nicht engherzig sein und zog deshalb nicht nur seine alten philosophischen Freunde, sondern auch Männer aus dem gegnerischen Lager, sogar Christen, in seine Nähe und stellte sie auf verantwortliche Posten. ") Am. Marc. 21,2,5 Ionaras 13,11,6. 2) Zonaras 13,11,6 Julian ad Ache», p. 275 a b vgl. d. 3) Am. Marc. 22, 4, 9 22, 7, 5 Socrates 3,1,50, 51. kiban. or. 2,58. 4) Cod. Theod. 9,2,1 11, 23, 2 Liban. or. 18, 154 Script, hist. Aug. M. Ant. 10,7 und dazu N. H. Baynes, The historia Augusta (1926).

266

io. Julian

„Wir verkehren untereinander nicht mit der höfischen Heuchelei, die

du wohl allein bisher kennen gelernt hast — bei der man Len Leuten Komplimente sagt, die man grimmiger haßt als die schlimmsten

Feinde — nein, mit allem schuldigen Freimut tadeln wir einander, wenn es nötig ist, und schelten uns, und haben uns dabei nicht weniger lieb als die besten Freunde": so schreibt Julian an einen ehe­ maligen Hofmann des Konstantius, um ihn für fich zu gewinnen \ Er will wirklich und aus aufrichtiger Überzeugung ein aufgeklärter

Monarch sein, der freie Leute um sich hat: sein Reich soll nach Platos Ideal ausgerichtet sein und von Philosophen regiert werden. Er ist mit Zagen und schweren Sorgen an seine große Aufgabe heran­ gegangen 2, hat sie aber dann mit wachsendem Mut kräftig angefaßt,

je mehr er sich nicht nur von dem Zuspruch der Freunde, sondern vor allem von den Göttern selbst gefördert sah, die mit ihren Offen­ barungen seine Schritte begleiteten. Was in der Hauptstadt geschah, fand seine Nachbildung im Lande. Auch hier sollte das griechische Stadtwesen wieder aufstehn und die Ratsherrn ein Kollegium würdiger Senatoren bilden. Julian schränkte die Befreiungen von munizipalen Ämtern ein, nahm sie vor allem den christlichen Klerikern und Mönchen, und stärkte da­ durch die Zahl und die finanzielle Leistungsfähigkeit der städtischen

Behörden, erleichterte auch ihre Verpflichtungen und schuf so neue Möglichkeiten für diese absterbenden Gebilde. Da er zugleich größere Ordnung in das Steuerwesen brachte und auf verschiedenen Ge­ bieten sparsamere Wirtschaft einführte, auch die mißbräuchliche Be­ nutzung der kaiserlichen Post ganz erheblich einschränkte, so kam es

wirklich zu einer spürbaren Besserung einzelner Zweige des öffent­ lichen Lebens. Der entscheidende Umschwung setzte aber auf dem religiösen Feld ein. Die Wiederherstellung der alten Kulte in vollem Umfang wurde angeordnet. Das bedeutete Öffnung der geschlossenen und Neubau der zerstörten Tempel, Auszahlung der eingezogenen Tempelver*) Juliall ep. Z2 p. 60. Dazu Bidez, Die p. 217s. Themistium p. 2536—2676.

2) Dgl. feine epist. ad

Dettvaltungsreformen. Kultische Restaoratioa

267

mögen und Gehälter an die Priester und das sonstige Kultpersonal, Anweisung der für die Opfer erforderlichen Summen, Wiederbe­ lebung der öffentlich gefeierten Feste und vieles andere dazu \

Als Konstantin einst ein Wiederherstellungsgesetz jugunsten der Christen erlassen hatte, verursachte die Rückerstattung des ent­ fremdeten Gutes nicht wenige Schwierigkeiten, obwohl die Kon­

fiskationen der Derfolgungsreit höchstens um 10 Jahre zurücklagen. Jetzt sollte um 50 Jahre zurückgegriffen werden: das war völlig un­ durchführbar und konnte tatsächlich nur in einer Minderzahl von

Fällen und bei gutem Willen aller Beteiligten verwirklicht werden. Die kurze Regierungszeit Julians reichte nicht aus, um auch nur alle Verwickelungen dieses Geschäftes zum Bewußtsein zu bringen, ge­ schweige denn an die Lösung heranzutreten. Libanius mag noch so stolz von den entwendeten Säulen reden, die zu Schiff oder auf Lastwagen zurückgebracht und an ihren alten Plätzen wieder ein­ gefügt wurden2 — die meisten blieben doch stehen, wo fie jetzt standen, und wer hatte denn große Lust, Geld und Mühe an Tempelbauten zu wenden, die dem Volk gleichgültig geworden waren?

An einzelnen Orten freilich war es anders. Namentlich in syri­

schen Städten hat die heidnische Bevölkerung die Gelegenheit wahr­ genommen, fich mit blutigen Greueln für die Zerstörung ihrer alten Heiligtümer zu rächen, und wir haben über die Ereignisse in Baalbek ) Julian epist. 110 p. 187, 19s. epist. 46 p. 65 f. epiff. 114 p. 193,11. ') Am. Marc. 22, 5, 4. 3) Julian epist. 46 p. 65 f. Philostorg. 9,4 p. 117 7,6 p. 84 Bidej. *) s. 0. S. 230s. 6) Julian epist. 60 p. 69ff. — SocrateS 3, 3, 5—25.

Rückkehr der verbannten Bischöfe

269

Athanasius besprach mit Euseb die Lage und berief eine Synode, um für den Zusammenschluß aller nicänisch Gesinnten eine breite Grundlage zu schaffen. Das war besonders im Hinblick auf Antiochia

notwendig, wo die Dinge ganz unübersichtlich waren und eine ord­ nende Hand dringend erforderten. Lucifer glaubte diese zu besitzen und reiste dorthin: wir werden sehen, was er ausgerichtet hat. In

Alexandria gesellte sich zu Eusebios noch ein weiterer Heimkehrer, Asterios von Petra, und aus Antiochia sandte Lucifer zwei seiner Diakonen, und die Stadtgemeinde tat das gleiche. Aus dem syrischen

Laodicea kamen im Auftrag des Bischofs Apollinaris einige Mönche. Das Ergebnis der Beratung war ein sorgfältig durchdachter Friedensvorschlag von einer programmatischen Bedeutung, die weit über den besonderen örtlichen Anlaß hinausging: er war in einem Synodalschreiben1 2niedergelegt, das einer fünftöpfigen Bischofs­ kommission mit Euseb, Lucifer und Asterios an der Spitze die Ord­ nung der avtiochenischen Kirche anvertraute. Die vom Unheil verfolgte Kirche der anatolischen Hauptstadt hatte nach dem Scheiden des Eudoxius erst 360 in dem Armenier Meletios wieder einen Bischof bekommen3. Er hatte sich dem Hof durch Unterzeichnung der Formel von Seleukia empfohlen, und in einer uns erhaltenen Predigt3, die vor dem Kaiser über die be­ rühmte Stelle der Proverbien (8,22) „der Herr hat mich geschaffen als Anfang seiner Wege" gehalten ist, bleibt er auch ganz korrekt in den Grenzen des Bekenntnisses zum Homoios, ohne sich um Sub­ stanz und Hypostase zu kümmern, wenn auch bei näherem Zusehn die Ansatzpunkte für eine homoiusianische Theologie unverkennbar sind. Und da er sofort seinen Frieden mit den von Eudoxios gemaßregelten Klerikern machte, mit andern aber in Konflikt kam, wurde er seinen bisherigen Gönnern so verdächtig, daß er schon nach einem Monat seiner Stelle enthoben und nach Armenien zurückgeschickt wurde4. *) Tomus ad Alttiochenos bei Äthan, op. 1, 2 p. 770—775 Montf. 2) s. 0. S. 222. Dgl. E. Schwartz, ZNW 34 (1935), 162s. F. Cavallera, $e schiSme d'Antioche (1905) p. 71 ff. 3) Epiphan. haer. 73,29—33. *) Epiphan. 73,35 Hieron. Chron. Ol. 284,4.

2/0

io. Julian

An seinen Platz trat Enzoios, den wir als Freund des Arins aus

dessen erster Zeit kennen1 und der bisher in Alexandria unter Gregor gewirkt hatte. Sein Name genügte, um weite Kreise abzuschrecken, und so trennte fich denn ein großer Teil der Gemeinde von ihm ab und betrachtete den verjagten Meletios nach wie vor als ihren recht­

mäßigen Bischof. Diese „Meletianer" hielten ihre Gottesdienste an­ fänglich außerhalb der Stadt, später jogen sie in die nach der Ver­ folgung wiederhergesiellte2 Kirche „in der Altstadt". Da sie theo­ logisch den Homöusianern zuneigten, so lag es nahe, sie mit der anderen Sondergemeinde zu vereinigen, die als „Eustathianer" schon auf eine dreißigjährige Geschichte zurückblicken konnten3 und das Nicänum als ihr Panier betrachteten: ihr geistlicher Führer war

damals ein Presbyter namens Paulinos. Es muß der alexandrinischen Synode, also in erster Linie dem Athanasius und wohl auch dem Einfluß des Abendländers Euseb von Vercelli hoch angerechnet werden, daß sie die Zeichen der Zeit verstanden und die Engherzigkeit der jüngsten Vergangenheit über­

wanden. Es wurde Friede und Kirchengemeinschaft allen Gutwilligen in Aussicht gestellt, die sich von den Arianern fernhielten und drei Bedingungen erfüllten. Sie mußten die arianische Häresie ver­ fluchen, das nicänische Bekenntnis annehmen und drittens diejenigen verfluchen, welche den Heiligen Geist für ein Geschöpf erklärten und ihn von der Wesenheit (Usia) Christi sonderten. Weitere Forderungen sollten nicht gestellt werden, insbesondere wird der „Wisch von Serdika"4 scharf abgelehnt. Das Bekenntnis zu drei Hypostasen, wenn es nicht in arianischem Sinne gemeint werde, sei ebensowenig zu beanstanden wie das zu einer Hypostase oder — was dasselbe sei — Usia, wofern dies nicht als Deckmantel für Sabellianismus diene. Das war ein gewaltiger Fortschritt, und auf dieser Grundlage

hätte der Friede zwischen Meletianern und Eustathianern in Antiochia

hergestellt werden und damit die Kirchengeschichte des Orients ent*) s. o. S. in ©oct. 2,44 3,9,4 Sozom. 4,28 5,13,3 Theodore:, KG 2,31, 10—11. 2) Theodoret, KG 1, 3,12,31,11 3,4,3. Vgl. Socr. 3, 9,4 Chron. pasch, p. 548 Dindorf. 3) s. 0. S. 114. 4) Tomus 5 p. 772 e s. 0. S. 196.

Die Kirchenspaltung in Antiochia

27i

scheidend beeinflußt werden können. Aber als die Kommission mit dem Schriftstück am Bestimmungsort anlangte, war es bereits ju spät. Lucifer von Calaris, der Mann des unentwegten Radikalismus, hatte den Führer der Eustathianer, Paulinus, zum Bischof geweiht und damit diesen alten Freunden des Athanasius zwar einen Ge­

fallen getan, zugleich aber auch jede Verhandlungsmöglichkeit mit den viel zahlreicheren und bedeutenderen Anhängern des Meletios ab­

geschnitten: und eben das wollte er. Nun gab es also drei Gemeinden in Antiochia, und eine vierte war schon im Entstehen. Das waren die Anhänger des Apollinaris von Laodicea, der in enger theologischer und kirchenpolitischer Ver­ bindung mit Athanasius stand und mit Konsequenz eine Christo­ logie ausgearbeitet hatte, die neue Fragen stellte und neue Kämpfe heraufbeschwor. Für ihn war die Homousie von Gott Vater und Sohn selbstver­ ständlich und die gleiche Aussage galt auch für den Heiligen Geist. Die Gottheit ist eine Einheit, die sich im Vater darstellt, dessen Sohn und nicht Bruder der Logos ist, der seinerseits wieder den Geist sendetx. Eine Gottheit in drei Personen (Prosopa) ist die Formel des Apolli­ naris, obwohl er auch gelegentlich von einer Usta oder Natur (Physis) und von Hypostasen statt Personen spricht3. Aber sein ganzes Interesse ist der Frage der Menschwerdung zugewandt. Wie kann man sich vorstellen, daß die zweite Person der göttlichen Trias Mensch wurde? Jedenfalls nicht so, meint er, daß die ihrem Wesen nach vollkommene und unwandelbare Gottheit einen vollständigen Menschen mit sich vereinigte, denn zwei Vollkommene können feine Einheit ergeben, sondern nur ein Zwitterding darstellen. Sobald zwei selbständige Wesenheiten sich vereinigen zu einem Mischwesen, muß irgendeine Minderung eintreten, um die Einheit des Neuen zu ermöglichen3. Und da die Gottheit unwandelbar ist,

kann die Verkürzung nur auf feiten der Menschheit liegen. Die l) Texte nach Lietzmann, Apollinaris 1 p. 173,1.24 175,24 s. l2) Apoll, p-167,19 172, 3.13. Ufla 170,27 177, i 180,14 Physis 172,6 Hypostase p. 171,22173,6. s) p. 234 fr. 113 p. 224 fr. 81 p. 214 fr. 42 vgl. p. 228 fr. 91.92.

272

io. Julian

Schrift gibt den zur rechten Erkenntnis weisenden Fingerzeig mit den Worten „das Wort ward Fleisch". Damit ist gesagt, daß die

Göttlichkeit des Logos sich nur mit der Körperlichkeit der Menschheit verband oder anders ausgedrückt, daß der Logos als Seele in dem von Maria genommenen Leibe Wohnung nahm. Die Einheit jeder menschlichen Person entsteht durch das Zusammenwirken von Leib und Seele. In Christus war an die Stelle der Seele der Logos getreten und von der Erzeugung an sein Lebensprinzip geworden. Nicht ein göttliches Denken und Wollen hat sich mit einem mensch­ lichen verbunden — das ergäbe zwei Wesen und nimmermehr eine Einheit —sondern die Gottheit des Logos bildet mit der menschlichen Körperlichkeit „eine Natur", ein wollendes und handelndes Wesenx.

Da nun solchergestalt die volle dem Vater „wesenseine" Logos­ natur mit menschlichem Fleisch vereinigt ist, findet eine wahre Vergot­ tung dieses Fleisches statt, dadurch daß es die göttlichen Eigenschaften annimmt. Und durch diese „Heiligung" des menschlichen Bestandteils Jesu wird unsere Erlösung bewirkt, denn sein Fleisch ist Fleisch von unserm Fleisch, mit uns Menschen „wesenseins", und die Ver­ gottung, die sich an ihm vollzieht, und Leidenschaften, Sünde und Tod substantiell beseitigt, geht auf uns über, wenn wir es als Nah­ rung im Abendmahl genießen2: denn dies letztere ist tatsächlich unter

der „Aneignung im Glauben" zu verstehen. Das ist also eine genauere Ausführung der uns schon von Atha­ nasius her bekannten Erlösungslehre3, nur daß hier mit scharfer Logik eine wirklich vorstellbare Konstruktion der gottmenschlichen Persönlichkeit Christi vor uns aufgebaut wird: Gott wohnt in einem

menschlichen Leibe, der das Organ einer physisch gedachten Erlösung wird. Christus hatte keine „menschliche Seele" — so lautet die nega­ tive Formulierung einer Haupteinstcht, das Vorbild seines Leibes war der Salomonische Tempel, der auch keine Seele, keine Vernunft, keinen Willen besaß t.

*) P. 181, 1. yf. 185, 5. ii 191, 7f. 204 fr. 2. 206, 26s. 207, 2.12.27. •a) p. 168,10—16 vgl. 235 fr. 116 (Abendmahl). 178,13—17 179,7—9 188, 9—18. 3) s. 0. S. 249. **) p. 204 fr. 2.

Apollinaris von Laodicea

27Z

Eben diese These war das Neue an der Lehre des Apollinaris,

das was seinen Darlegungen die klare Anschaulichkeit gab und den

vom Meister ausgehenden Flugblättern zu großer Verbreitung ver­ half. Und es war auch etwas Neues gegenüber den bisher verhan­

delten und sich auf das Logosproblem mit einer gewissen Einseitig­ keit richtenden Fragen. Das nicänische Homousios wurde als unbe­ stritten feststehende Voraussetzung anerkannt, und nun erfolgte ein Schritt in ein noch fast unbetretenes Gebiet, das die kirchliche Fröm­ migkeit wissenschaftlich zu bereichern versprach. Die apollinaristischen Sendboten predigten mit Eifer und Erfolg die neue Lehre und warben damit zugleich für die Anerkennung des Nicänums, auf dessen Boden allein so schöne Früchte wachsen konnten.

Aber schnell kamen auch die Bedenken. Athanasius hatte ja einst Ähnliches vorgetragen, aber vor den letzten Folgerungen der Logik, die Apollinaris tapfer und zuversichtlich zog, halt gemacht. Für ihn war es eine volle Menschlichkeit, mit der sich der Logos verbunden hattex. Jetzt klang ihm das Wort von dem „Leib ohne Seele" an­ stößig ins Ohr — obwohl es eben der Kern der Lösung war — und andere Leute ärgerten sich nicht minder an der kühnen Formulierung. Die Folge dieser Bedenken war eine Verhandlung mit Abgesandten des Apollinaris auf der alexandrinischen Synode und die im Send­ schreiben formulierte These, „der Heiland habe keinen Leib ohne Seele, Sinnesempfindung und Verstand gehabt, denn es war unmöglich, da der Herr um unseretwillen Mensch wurde, daß sein Leib ohne Verstand (Nus) war, und nicht nur der Leib, sondern auch die Seele

ist durch den Logos erlöst worden". Die Apollinaristen stimmten dem zu, aber dachten sich etwas

anderes dabei als Athanasius. Dieser meinte, wie der zweite Satz deutlich zeigt, in Christus müsse auch eine aus der Menschheitsreihe' stammende Seele gewesen sein, damit sie durch Berührung mit der

Gottheit erlöst und vergottet werden und dadurch das Heil nicht nur auf die Leiber, sondern auch auf die Seelen der übrigen Menschheit x) s. 0. S. 248. Ltetzmann, Gesch. b. Alten Kirche 3.

-74

io. Julian

übertragen werden konnte. Die Apollinaristen1 ließen den letzten

Satz in ihrem Bewußtsein verschwinden und stimmten mit 95c# tonung der Behauptung zu, Christus habe keinen federt# und eer# nunftlosen Leib gehabt — weil nämlich (aber das sagten sie nicht laut) der Logos Seele und Vernunft dieses Leibes gewesen sei. Man hätte, um sie festzulegen, deutlicher von einer „menschlichen" Seele und Vernunft in Christus reden müssen: aber das tat man

nicht, und zwar wohl mit kluger Absicht, denn zu den führenden Männern der antiochenischen Meletiospartei gehörte ein gewisser Vitalis, der eifriger Verehrer des Apollinaris war2. Und da es sich bei diesen alexandrinischen Verhandlungen um die Beseitigung von Gegensätzen innerhalb der zu Nicäa neigenden Christenheit Anti# ochias handelte, war man zu möglichster Nachgiebigkeit geneigt. Es hat damals schon nichts geholfen und wir werden noch sehen, welch mächtiger Brand mit der Zeit aus diesen ersten Funken ent# standen ist. Das Synodalschreiben hat zu der Forderung auf Anerkennung des Nicänums hinzugefügt, daß auch der Heilige Geist in die göttliche Usia miteinbezogen werden müsse, daß also auch für ihn die Formel

des Homousios gelte. Diese These hatte Athanasius vor nicht langer Zeit in seinen aus der Wüste datierten Briefen an Serapion von Thmuis verteidigt, und sie war damals gerade zu höherer Be# deutung gelangt, weil in den Kreisen der Homoiusianer die An# Näherung an die nicänische Lehre vom Sohn zu einer schärferen

Unterordnung des Geistes geführt hatte3. Das hatte seinen Grund darin, daß die in origenistischen Traditionen der theologischen Wissen# schäft lebenden Kreise die Logoslehre auszubauen strebten und dem# entsprechend fast nur dem Verhältnis des Sohnes zum Vater nach# gingen; dabei wurde die Frage nach der Wesenheit des Heiligen Geistes gar nicht oder nur nebenbei berührt. Die im Gemeinde#

glauben wurzelnden Theologen dachten aber von vornherein trini#

tarisch und wurden zur stärkeren Hervorhebung der zweiten Person *) Apollinaris p. 256,7—15. 2) Chron. pasch, p. 548 Dindorf. Loofs in Haucks Realencycl. 12,46s.

’) Dgl.

Synode ju Alexandria (362)

275

in der Dreieinigkeit nur durch die Gegner gedrängt. So ist es leicht verständlich, daß ihnen der Ausbau der Dreiheitslehre und somit die richtige Einordnung des Heiligen Geistes sehr am Herjen lag und

bei guter Gelegenheit mit Betonung in den Vordergrund gerückt wurde. Wir können das bei Athanasius, aber ebensogut auch bei Apollinaris beobachten, und die Abendländer haben diesen Stand­

punkt schon seit den Tagen Tertullians eingenommen und fest­ gehalten. Aber erst jetzt, gegen 360, tritt dieser Gegensatz scharf

hervor, und die These der alexandrinischen Synode ist das erste Grollen eines kommenden Gewitters. Dieses Konzil des Athanasius vom Sommer 362 hat zwar seine nächstliegende Aufgabe, die Einigung der antiochenischen Gemeinde unter dem Nicänum, nicht gelöst, aber es hat kirchengeschichtlich eine viel größere Bedeutung, als die Teilnehmer damals ahnen konnten. Es bezeichnet den Abschluß der mit Nicäa beginnenden Periode theo­ logischer Kämpfe und eröffnet einen neuen Abschnitt, dessen Pro­ gramm klar herausgestellt wird: In der Zukunft gilt die Arbeit erstens der Einigung unter dem Nicänum, zweitens dem Ausbau der Trinitätslehre, drittens der Lehre von der Person Christi, d. h. von der Fleischwerdung Gottes. Die Regierungszeit Julians gab allen Beteiligten Zeit, über diese Dinge nachzudenken.

* Es war begreiflich, daß der Kaiser an seinen Hof vor allem die Männer zu ziehen wünschte, die ihm Führer zur Erkenntnis der Wahr­ heit gewesen waren und die er also für die rechten Wegweiser seiner

Zeit halten mußte. Das war vor allem der große Maximus von Ephesus, der »ach einigem Zögern sich zur Zusage entschloß. Wie ein Triumphator zog er durch Kleinasien und wurde in Konstantinopel vom Kaiser sofort in den Senat geleitet und dort begrüßt. Auch Priscus aus Athen ließ sich bereden, während Chrysanthios in

Sardes Hieb1. Ob es der Einfluß dieser Männer oder die Frucht *) Cunapius, Vitae p. 55 f. Am. Marc. 22,7,3.

276

io. Julian

eigener Erfahrungen war, was Julian von seinem ursprünglichen

Toleranzprogramm abdrängte, läßt sich nicht sagen. Der Sonnenkult als Reichsreligion war bis auf Diokletian eine politische Notwendigkeit gewesen, das Christentum war seit Kon­ stantin der ideologische Einheitsfaktor des Reiches geworden. Jetzt konnten nicht diese beiden Religionen samt den alten Götterkulten unter dem Schlagwort der Toleranz friedlich nebeneinandergestellt werden. Das hätte einen Verzicht auf den religiösen Unterbau der Reichseinheit bedeutet, den das Imperium jetzt so wenig wie früher entbehren konnte. Und die Religionen waren nicht im geringsten zu friedlichen Gefühlen geneigt, sondern rangen im Kampf um Tod und Leben ohne jede Bereitwilligkeit zum Waffenstillstand. Wenn also Julian einmal entschlossen war, sich vom Christentum zu lösen, so mußte er es auch bekämpfen und den Sonnenkult wieder zur Staats­

religion machen: und seit Anfang 362 hat er diesen Weg, wenn auch sehr zaghaft, beschritten. Er hatte keine Lust, eine diokletianische Verfolgung einzuleiten,

wußte auch, daß so etwas bei der fortgeschrittenen Chrisiianisiierung des Reiches gar nicht in Betracht kommen konnte. Aber er vertraute auf die geistige Überlegenheit seiner Sache und hoffte, dem Christen­ tum den Zugang zu höherer Bildung und damit die Wurzeln seiner Anziehungskraft abschneiden zu können. Das wurde sehr geschickt ins Werk gesetzt. Am 17. Juni 362 erschien ein Gesetz, welches die Er­ teilung alles Schulunterrichts von der Erlaubnis der städtischen Be­

hörde abhängig machte: und diese wurde angewiesen, den Charakter des Kandidaten in erster Linie zu prüfen \ Die Erlaubnis sei dann dem Kaiser zur Bestätigung vorzulegen. Wir stellen zunächst fest, daß sich in diesem Erlaß die wichtige Erkenntnis auszusprechen

scheint, daß aller Unterricht volkserzieherische Bedeutung hat und deshalb die Aufmerksamkeit des Staates verdient. Das war etwas ganz Neues, und wenn auch schon seit langem die Philosophen er­ klärt hatten, daß Charaktererziehung wichtiger als gelehrte Schulung sei, so wurde das doch jetzt zum erstenmal in gesetzliche Form gekleidet. *) Cod. Theod. 13,3,5. Julian epiff. 61 p. 72.

Das Unterrichtsgesetz gegen die Christen

277

Die städtischen Behörden rings im Reich werden den kaiserlichen Erlaß mit einigem Kopfschütteln gelesen haben, denn — was heißt Charakter? Und wie soll man feststellen, ob ein Kandidat das Er­ fordernis besitzt? Da müßte man wohl gar Philosophen j«r Prüfung heranziehen? Denn welcher Stadtvater konnte auch nur von sich selbst

behaupten, diese seltsame Eigenschaft in ausreichendem Maße ju be­ sitzen. Aber bald erfuhr die Öffentlichkeit, daß die Sache gar nicht so schwierig sei. In einer ausführlichen Kundgebung1 setzte Julian aus­ einander, daß die entscheidende Charaktereigenschaft des Lehrers in der Übereinstimmung seiner Lehre mit seiner wahren Meinung liege

und daß es eine verächtliche Krämerseele verrate, etwas zu loben, was

man für schlecht halte. Dies sei aber der Fall bei den Lehrern der Galiläer, die sich anmaßten, Homer und Hesiod, Demosthenes, Herodot, Thukydides, Jsokrates und Lysias ju unterrichten. Denn die Weltanschauung dieser Klassiker beruhe auf ihrem Glauben an die Götter — und eben diesen beschimpften die Christen. Dann müßten

sie aber auch ehrlich darauf verzichten, die Alten zu erklären und sollten sich an ihren Matthäus und Lukas halten. Der Jugend solle der Zu­ gang zur Wahrheit unbehindert sein: unterrichten dürften aber in klassischer Literatur keine Christen. Nun war alles klar und die Dekurionen aller Städte wußten, woran sie waren. Der vom Lehramt ausschließende Charakterfehler bestand ganz einfach im christlichen Bekenntnis. Das Gesetz verursachte ungeheure Aufregung, es war ein schwerer und als niederträchtig empfundener Schlag gegen die Christen, und diese haben Julian den Angriff auf ihre geistigen Waffen als seine schlimmste Schandtat angerechnet. Aber auch die

Nichtchristen waren befremdet und Ammian2 nennt das Gesetz „un­ duldsam und wert, mit ewigem Schweigen zugedeckt zu werden". Charakterfeste Christen wie Marius Dictorinus und Prohaeresios

traten vom Lehramt zurück, obwohl der Kaiser geneigt war, bei be­ rühmten Männern Ausnahmen zu gestatten3. Der vorhin genannte *) Julian epiff. 61 c p. 73—75. conf. 8,5,10 Hieran. Chron. DL 285,3.

2) Am. Marc. 22, 10,7.

3) Aug.

278

io. Julian

Apollinaris und sein Vater aber taten noch ein übriges: sie produ­ zierten antike Literatur mit christlichem Inhalt, will sagen machten

aus biblischen Stoffen menandrische Komödien, euripideische Tra­ gödien, pindarische Oden und homerische Epen, sogar platonische

Dialoge wurden aus Evangelienstoffen fabriziert1. Diese von den Zeitgenossen bewunderten, aber dann doch schnell wieder beiseite gelegten Erzeugnisse sind glücklicherweise zumeist untergegangen: nur ein Psalter in Hexametern hat sich bis auf unsere Zeit gerettet. Aber Julian blieb nicht bei dieser negativen Aktion stehen: er schritt nun zu planmäßiger Förderung, zu einem wohldurchdachten Wiederaufbau der alten Religion. Sein Selbstbewußtsein stieg auch durch die göttlichen Offenbarungen, die ihm sein Lehrer Maximus vermittelte und die ihn überzeugten, Alexander der Große in neuer Verkörperung zu sein2. Das mag auch dazu beigetragen haben, daß er im Frühjahr 362 den Plan zu einem groß angelegten Perserfeldzug entwarf und zu dessen weiterer Vorbereitung nach Antiochia reiste, nicht ohne unterwegs der Großen Mutter Kybele von Pessinus seine Verehrung erwiesen zu haben. Welche Wünsche und Hoffnungen die gebildeten „Hellenen" ihm in Antiochia entgegenbrachten, kann man in der Rede lesen3, mit der sein alter Lehrer Libanius ihn dort bei seinem ersten Auftreten begrüßte. Der Kaiser hat sich redlich bemüht, sie zu erfüllen. In Antiochia hat Julian seine wertvollsten Erfahrungen über das religiöse Leben seiner Zeit gemacht und danach seine Pläne ent­

worfen. Als er bald nach Mitte Juli einzog, konnte er bemerken, daß das Adonisfest für die Bevölkerung der orientalischen Hauptstadt

noch lebendige Sitte war, denn die Klagen um den Tod des Ge­ liebten der Aphrodite tönten ihm von allen Seiten ins Ohr. Aber als er bald danach im August nach Daphne eilte, um dort das große Jahresfest des Apollo mitzufeiern, mußte er mit schmerzlicher Ent­

täuschung feststellen, daß gar nichts vorbereitet war und statt der Hekatombe von Stieren nur eine Gans geopfert wurde. Er führte das *) Vorrates 3,16,1—5. Sojvmenos 5,18, 3—4. s) Liban. or. 13 vgl. besonders § 47.

2) Socr. 3, 21, 6—7.

Neubelebimg der alten Kulte

279

darauf zurück, daß die städtische Verwaltung in christlichen Händen lagl, aber konnte sich nicht verhehlen, daß an freiwilligen Spenden niemand gehindert war. Er tat selbst nun, was ihm möglich war, und soweit sein Arm reichte, blühte der Opferkult auf.

Aber er arbeitete mit einer unruhigen Hast und einer Geflissentlichkeit, die auf das solcher Dinge längst entwöhnte Volk lächerlich wirkte. Wenn er des guten Beispiels halber in feierlicher Prozession irgendein heiliges Gerät zum Tempel trug und dabei ein Gefolge von niederer Weiblichkeit freundlich duldete, so erschien das den Antiochenern als eine Szene von würdeloser Komik. Und die maßlose Ver­ schwendung, mit der Hunderte von Stieren abgeschlachtet, unge­ zählte Mengen von Kleinvieh und Vögeln ans Messer geliefert wurden, konnte einer Zeit, die dessen völlig entwöhnt war, nur als unsinnig erscheinen. Den Soldaten lag die angenehme Pflicht ob, all dies Opferfleisch aufzuessen, und wenn sie dann nach getaner Arbeit einen guten Trunk draufsetzten und schließlich sinnlos betrunken in die Kaserne getragen werden mußten, so wirkten sie nicht gerade werbend für die vom Kaiser gepredigte Religion2. Das alles entging Julian nicht, aber er biß die Zähne zusammen und blickte unverwandt auf sein hohes Ziel. Er weiß wohl, daß seine Religion nicht einfach die der Alten ist, aber er hält sie für im Wesen mit ihr identisch. Er sieht die Mythen und Kultformen mit den Augen des Neuplatonikers, und hat von Porphyrins, mehr noch von Jamblich und Maximus gelernt, die heiligen Texte allegorisch zu deuten und in der Theurgie der modernen Propheten die Geheim­ nisse alten Mysterientums zu erfassen. Wenn man seine Reden auf die Göttermutter Kybele oder auf den König Helios liest, so erhält man einen anschaulichen Unterricht in dieser philosophischen Theo­ logie des Mythus, die schließlich nur eine Verkleidung des in platonisterende Formen gepreßten spätantiken Monotheismus ist. Der König Helios ist der in die Welt der Ideen erhobene Reichsgott x) Am. Marc. 22,9,15. Julian Misopegon p. z6id—363 0. Marc. 22,14,3. 22,12,6—7.

2) Am.

280

io« Julian

Aurelians, dessen gnädigem Schutz Julian sein Leben und seine Pläne empfiehlt. Aber diese Spekulationen find nur für den kleinen Kreis der Ge­

bildeten: für das Volk sind die sichtbaren Symbole und die the-

urgisch wirksamen Riten der altüberlieferten Kulte, und diese gilt es dem Empfinden der Massen wieder nahezubringen. Daß es mit ein­ fachem Wiederherstellen der Formen nicht getan war, ja selbst diese

erste Aufgabe nicht leicht erfüllt werden konnte, zeigte sich nur zu bald. Ein neuer Weg mußte betreten werden, und Julian fand ihn. Wir haben zwei Schreiben1 von ihm erhalten, in denen er ein Programm für die Neubelebung der väterlichen Religion entwickelt, in dem einen mit kurzen Vorschriften, in dem andern in Form einer predigtmäßigen Darlegung. Beide Schriftstücke sind Entwürfe für eine amtlich aus­ zugebende Denkschrift. Julian macht Ernst mit seiner Würde des Reichsoberpriesters, des Pontifex Maximus, und ordnet eine Neugestaltung des Priester­ wesens an. Die Provinzen erhalten Oberpriester, denen das ganze Kultwesen der Provinz unterstellt ist und denen vor allem die Visita­ tion des Kultpersonals obliegt. Wer den Anforderungen nicht ent­ spricht, die die Würde seines Amtes an ihn stellt, soll abgesetzt werden. Es ist zu verlangen, daß die ganze Familie des Priesters am Kult der Götter teilnimmt und nicht etwa einzelne ihrer Glieder oder Dienst­ boten dem Christentum huldigen. Verboten ist ihm und den Seinen der Besuch des Theaters oder der Kneipen und ebenso der Betrieb eines nicht ehrbaren Gewerbes2. Der Priester soll keusch sein, nicht

nur in Werken, sondern auch in Worten und Gedanken. Das soll man in seinem Gespräch merken, aber auch an dem, was er liest. Ausge­ schlossen sind für ihn ebensogut die Verse der alten Jambendichter und

Komiker wie moderne erotische Romane. Philosophen soll er lesen — außer Epikur und dem Skeptiker Pyrrhon — die Götterhymnen auswendig lernen und dreimal des Tags zu den Göttern beten3. *) Julian epiff. 84 an Arsakios, Oberprieffer von Galatien und epiff. 89 ar Oberprieffer Theodoros. 2) Julian epiff. 89 p. 153,6ff. ep. 84 p. 144,18ff. ep. 89 p. 170,20ff. 173,3. 3) ep. 89 p. 168, ioff. 169,6ff. 170,2ff.

Ethische Vorschriften für die Priester

281

Dementsprechend soll der Nachwuchs für dies hohe Amt aus den

Besten und Frömmsten der Städte genommen werden ohne Rück­ sicht auf Armut oder Reichtum \ Der Priester soll innerhalb seines Tempels von der Würde seiner Stellung erfüllt sein und auch außer­ halb gegenüber den Beamten bas Ansehen seines Amtes wahren2. Darüber hinaus aber ist ihm eine große Aufgabe vorgezeichnet, nämlich mit Wort und Tat die Menschenliebe zu fördern. „Die Juden lassen keinen der Ihrigen zum Bettler werden und die Christen füttern

außer ihren eigenen auch noch unsere Armen durch, aber wir lassen die unsrigen ohne Hilfe". Jetzt gilt es, die griechisch Gesinnten zu solchen Leistungen zu erziehen und auch auf diesem Gebiet den Göttern Opfer zu bringen. „Gerade diese Dinge haben ja das meiste zur Ver­ breitung des Christentums beigetragen: Barmherzigkeit gegen die Fremden, Sorge für die Bestattung der Toten, und die scheinbare Ehrbarkeit ihrer Lebensführung." Darum sollen in allen Städten zahlreiche Pilgerherbergen eingerichtet und aus staatlichen Mitteln Fremde und Bettler gespeist werden. Für die Provinz Galatia stellt der Kaiser jährlich 30000 Scheffel Getreide und 24000 Liter Wein zur Verfügung, und ein Fünftel davon wird den Priestern für ihre Armenpflege überwiesen3. „Und die Leute sollen lernen von ihrer Habe allen Menschen etwas abzugeben, den Bessergestellten groß­ zügig, den Mittellosen und Armen zur Abwehr der Not, und, so wunderlich es klingt, selbst den Feinden Kleidung und Nahrung zu geben ist fromme Pflicht, denn wir geben dem Menschen als solchem, nicht der Person" — sagt Julian4. Er will die Galiläer mit ihren eigenen Waffen schlagen, will eine Organisation des heidnischen Klerus nach christlichem Muster auf­ bauen, will seine Priester nach Grundsätzen und zu Aufgaben er­ ziehen, die er bei den Christen gelernt hat — aber die Menschen starrten ihn befremdet an, denn in ihren Seelen fanden solche Töne keinen Widerhall3. Er war und blieb dem Volke unverständlich. Was er da brachte, war etwas völlig Neues, kein Wiederbeleben alter ') ep. 89 p. 173, 5ff. 2) ep. 89 p. 146,12—20. 3) ep. 84 p> -44, 13—16. 145,17—20. 4) ep. 89 p. 158. 6) Sozom. 5, i6,2.

28s

io. Julian

Kutte und volkstümlicher Bräuche, sondern eine philosophische Humamtätsreligion mit moralischen Vorschriften und unbequemen Zumutungen ohne ein die Herzen gewinnendes Ziel. Hier fehlte der letzte Ernst, der im Christentum auch die schlichteste Seele anpackte und bezwang. Das konnte Julian nicht verstehen. Er glaubte, durch neue Maß­ regeln gegen die Christen weiter zu kommen. So wurden ste aus den Offijiersstellen und den höheren Verwaltungs- und Richterposten entfernt1 und amtlich in jeder Weise zurückgesetzt. Das ging soweit, daß er der von den Persern bedrohten Stadt Nistbis, die überwiegend christlich geworden war und den Tempelkult abgelehnt hatte, mit­ teilen ließ, er werde ihr nicht eher zu Hilfe kommen, bis sie sich zum „Griechentum" bekehrt habe2. Der Stadt Konstantia in Palästina wurde aus dem gleichen Grunde die von Konstantin verliehene Selbstverwaltung genommen und Gaza ihr übergeordnet3. Caesa­ rea, die Hauptstadt von Kappadokien wurde aus der Liste der Städte gestrichen, das Kirchenvermögen eingezogen, die Kleriker der Militär­ behörde unterstellt, die übrigen christlichen Einwohner mit Steuer­ schikanen bedrückt. Das kam daher, daß hier nach Julians Regie­ rungsantritt auch der letzte noch vorhandene Tempel, der der Tyche, zerstört worden war: die unmittelbaren Täter waren sofort mitsamt dem Bischof Eupsychios hingerichtet worden4. Besonders verhaßt war ihm auch Edessa wegen seiner christlichen Einwohnerschaft. Als es in dieser Stadt einen in Krawall aus­ artenden Streit zwischen der Arianerkirche und den gnostischen Valentinianern gegeben hatte, verfügte er Einziehung des gesamten Kirchengutes, damit die Kirchenleute durch Armut zur Mäßigung erzogen würden und in Befolgung des christlichen Gebotes (Matth. iy, 2i ff.) leichter in den Himmel kämen — wozu er gerne *) Socrat. 3,13,1—2 vgl. Julian epistulae et leges ed. Bidez et Cumont (1922) n. 50 p. 57. Julian epist. 83 p. 143 s. ep. 88 p. 150, 12. 2) Sozom. 5, 3,5 vgl. Julian epist. et leges n. 91. 3) Sozom. 5,3,6.7 Julian ep. et leges n. 56 vgl. 0. S. 141 Anm. 1. 4) Sozom. 5, 4, 1—6 5, 11, 8. Julian ep. et leges n. 125.

Maßregeln gegen die Christen

28z

mithelfen wolle. Der Erlaß fängt, wie es Julian liebt, mit der Ver­ sicherung an, daß er grundsätzlich den Galiläern gegenüber jegliche Milde walten lasse und niemanden gegen seinen Willen zwingen wolle x: es ist schwer zu sagen, ob das ehrliche Selbsttäuschung oder

haßerfüllter Hohn ist. Die Christen haben ihm nachgesagt, daß er

zwar milde rede, aber es nicht ungern sehe, wenn seine Anweisungen durch Gewalttaten überschritten würden2. Nur durften sie nicht zu weit gehen, und die blutigen Martyrien, die uns aufgezählt werden, schreiben auch die christlichen Berichterstatter nicht auf das Konto des Kaisers. Seiner Art entsprach mehr die harmlos aussehende, aber schmerzlich wirkende Schikane. Die zerstörten Tempel sollten wieder aufgebaut werden. Das war vielfach praktisch unmöglich und sinnlos: dann mußte der entsprechende Wert in Geld entrichtet werden — und das traf immer3. Unter Konstantin war es Sitte gewesen, die dem christlichen Klerus aus den städtischen Einkünften zustehenden Verpflegungsgelder auch an die Witwen und heiligen Jungfrauen zu zahlen. Julian hob das Gesetz auf und verlangte Rückzahlung der Beträge, sogar von den hilflosen Weiblein: das gab natürlich ein lautes Klagen4. Bischof Eleusios von Kyzikos mußte sogar eine von ihm zerstörte Novatianerkirche aus seinen Mitteln aufbauen, obwohl der Kaiser an dieser Sekte doch kein anderes Wohlgefallen haben konnte, als daß sie den Katholiken feindlich waren. Und später mußte derselbe Eleusios sogar die Stadt verlassen, weil seine Tätigkeit auf­ reizend wirke und mit ihm wurde ausgewiesen, was an fremden Christen zugezogen wars. Es war leicht, bei ausbrechenden Unruhen die Schuld auf die Christen zu schieben, und der Bischof Titus von Bostra hat sich dar­ aufhin einmal mit einer Eingabe an den Kaiser gewendet und auf die gespannte Lage hingewiesen, die nur infolge der bischöflichen Er­ mahnungen noch friedlich geblieben sei. Man wird es nicht als staats-

') Julian ep. 115 p. 196. Sozom. 6,1,1. Zur Toleranz vgl. die.Aam. von Bidez zu epist. p. 196,1. ä) Sozom. 5,15,13 vgl. 5,9,13. ») Sozom. 5, 5,5 5,10,9. 4) Sozom. 5,5,2—3. °) Sozom. 5, 5,10 5,1$, 5—7.

284

io. Julian

männisch klug bezeichnen können, wenn Julian darauf mit einer Kundgebung an die Einwohner von Bostra antwortet, in der er sie

auffordert, den Bischof aus der Stadt hinauszuwerfen, weil er so Böses von ihnen rede**. Und es ist wirklicher Hohn, wenn dies Schreiben mit der Versicherung beginnt, die Bischöfe müßten dem Kaiser eigentlich dankbar sei», denn er habe sie nicht in die Ver­ bannung geschickt, wie sein Vorgänger, sondern sie zurückkehren lassen. Statt dessen seien sie über das Ende ihrer Tyrannei entrüstet

und hetzten das Volk zum Widerstand gegen die humanen Gesetze des Kaisers auf. Und dabei werde keinerlei Zwang zur Bekehrung geübt,

im Gegenteil fordere man von denen, die mit freiem Willen zum Opfer kämen, erst formelle Entsühnung, ehe man sie zulasse. Aber es war doch eine seltsame Art der Freiwilligkeit. Die Sol­ daten zum Beispiel erhielten ihre übliche Geldspende vor dem von

den Köpfen des Zeus, Ares und Hermes umgebenen Kaiserbild erst, nachdem sie Weihrauch in eine Altarflamme geworfen hatten. Gewiß, der Soldat konnte auf diese heidnische Kulthandlung — und damit natürlich auch auf die Geldspende — verzichten, er wurde nicht be­ straft und konnte nach freiem Willen handeln, aber wenn er das Geld nahm, später aber Reue empfand und das Geld zurückgeben wollte, wurde er entlassenz. War das ehrliche Toleranz, wie Julian behauptete? Dabei machte der Kaiser aus seinem Haß gegen die Galiläer kein Hehl, schalt auf sie, wo er Gelegenheit hatte, und schrieb sogar eine Kampfschrift gegen sie, in der er die Gelehrsam­ keit des Celsus und des Porphyrios mit ziemlich trivialen eigenen Gedanken mischt: wir haben noch Reste davon in der Gegenschrift des alexandrinischen Kyrill enthalten3. Aber er wollte nicht nur mit dem Wort, sondern mit einer monu­ mentalen Tat das Christentum widerlegen. Der Tempel zu Jeru­ salem, dessen Zerstörung zu den grundlegenden Beweisen für die Wahrheit des Christentums gehörte*, sollte wieder aufgebaut *) Sojvm. 5,15, ii. i2 Julian epist. 114 p. 193—195. 2) Sozom. 5,17, 3. 8—12. '*) Julian! Imp. libri c. Christianas rec. C. 3. Neumann 1880. *) s. Bb. 1, 190. 232s. Svjom. 5, 22,6 Philostorg. 7,9 und p. 235s.

Schikane. Tempelbau in Jerusalem. Daphne

285

werden. Er hatte für die Juden, schon wegen ihres Christenhasses, eine gewisse Vorliebe, achtete sie auch ihres Opferkultes und Rituals halber, und ihr Gott mit seiner nationalen Bestimmtheit fügte sich in sein System \ Jetzt ließ er die Häupter der Judenschaft vor sich kommen und kündigte ihnen seine Absicht an. Er beauftragte einen ihm nahestehenden Beamten, den Antiochener Alypios, mit der Aufsicht über den Bau und stellte bedeutende Summen dafür zur Verfügung. Auch die Juden sammelten mit größtem Eifer für das Werk und legten selbst Hand an. Als man an den Fundamenten

arbeitete, zerstörte ein Erdbeben das bisher Gefertigte und begrub eine Anzahl Bauleute unter den Trümmern. Ein Brand kam hinzu und vollendete die Vernichtung2. Der Plan wurde nicht wieder auf­

genommen. Am wenigsten Glück hatte Julian bei seinen Antiochenern: sie mochten ihn alle nicht leiden, ohne Unterschied der Konfession. Bei den Christen ist das begreiflich: und sie zeigten ihm ihre Abneigung in wirkungsvoller Art. Sn dem paradiesischen Vorort Daphne lag der bereits erwähnte Apollotemprl an einem der noch heute lustig sprudelnden Wasserfälle, der als „kastalischer Quell" bezeichnet einst Orakel gespendet hatte. Aber Julian gelang es nicht, den Quell zum Reden zu bringen, und seine Theurgen erklärten ihm, daran sei der Leichnam des Märtyrers Babylas schuld, den der Caesar Gallus kürzlich dort hatte in einer Kapelle beisetzen lassen. Sofort ordnete

Julian die Entfernung des Sarges an. Das war für die christliche Volksmenge von Antiochia eine große Sache: man bemächtigte sich des Heiligtums und ftrh- den schweren Steinsarkophag in großer Prozession mit Psalmengesang über neun Kilometer weit zum christ­ lichen Friedhof. Sn einer der nächsten Nächte (am 22. Oktober 362) „fiel Feuer vomHimmel" und fraß den Apollotempel bis auf die nackten Mauern. Julian vermutete natürlich Brandstiftung durch Christen und ließ zur Strafe die „Große Kirche" schließen, aber Gewißheit wurde nicht *) Julian epist. 89 p. 160 Note 2. c. Galilaeos p. 115 d 306b. 2)9hifiit hist. eccl. io, 38—40. Am. Marc. 23,1,2—3. Julian epist. et leges n. 134.

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io. Julian

erzielt, auch nicht durch Folterung des Apollopriesters. In der Stadt erhielt sich hartnäckig das Gerücht, ein zerstreuter Philosophie­ professor habe im Tempel noch nächtlich geweilt und beim Heim­

gehn vergessen, die Kerzen auszulöschen: da sei durch Funkenflug der Brand entfanben *. Das Ansehen des Kaisers wurde durch diese ganze Geschichte nicht gemehrt. Er hatte überhaupt bei allem guten Willen keine glückliche Hand im Verkehr mit den Antiochenern. Mochte es sich um Verteilung

brachliegenden Geländes handeln oder um Maßregeln zur Abwehr einer Hungersnot, immer griff er daneben und wurde bitter ge­ scholten. Seine Preisfestsetzung vertrieb die Waren vom Markt, und als er große Mengen Korn aus andern Orten kommen ließ, schoben stch die Zwischenhändler ein und machten ihr Geschäft. Die Antiochener aber waren mit Brot allein nicht zufrieden und jammerten über Mangel an Fleisch, Fisch und Geflügel2. So etwas wäre auch einem beliebten Fürsten übelgenommen worden. Julian aber war ausge­ sprochen unbeliebt, ja er war den Antiochenern eine komische Figur. Jedes Laster hätte ihm die leichtfertige Stadt gerne verziehen, aber seine Tugendhaftigkeit weckte Abneigung und Spott. Wenn Zirkusrennen war, blieb er zu Hause, kam höchstens einmal bei einem Götterfest hin und ging nach ein paar Läufen wieder heim. 3ns Theater kam er auch nicht und hatte keine Hofbühne. Weder Athleten noch Sänger oder Tänzer erfreuten sein Herz und den Weibern

gegenüber blieb er kühl, er hatte weder einen Harem noch Mätressen — aber auch keine Lustknaben. Er gab keine üppigen Festessen und betrank sich nicht. Ja, er hatte, was das allerschlimmste war, auch kein Verständnis dafür, daß seine lieben Antiochener in all diesen Dingen den Reiz des Lebens sahen und ihnen bei Tag und Nacht bis zum Übermaß huldigten: er hielt ihnen statt dessen philosophische Moralpredigten und ermahnte sie, die Tempel der Götter fleißig zu besuchen. Wenn sie ihm aber diesen letztgenannten Wunsch einmal er-

*) Am. Marc. 22, 12, 8—13,3. 6010m. 5,20,5—6. Philostorg. 7,8 p. 86—Y4, wo auch die audern Zeugnisse. 8) Julian Misopogon P. 350a—c 368c—370a d. epist. et leges n. 100.101.

Der Kaiser unbeliebt

287

füllten und sich mit heiterem Getümmel in den Hof des Heiligtums

drängten, so wars ihm auch wieder nicht recht und er klagte über Un­ ordnung. Und wie sah der Mann aus! Sein Haupthaar war struppig und wurde so selten geschnitten wie seine Nägel, die Finger waren mit Tinte bekleckst, und Rasieren war ihm unbekannt. Auf Wangen und Kinn wuchs ein flatterndes Gebilde, welches er einen Philosophen­

bart nach dem Vorbild Mark Aurels nannte, das aber in Wirklichkeit wie ein Ziegenbart aussah und ihm den Spitznamen der Ziegenbock verschaffte \ So höhnte ihn das Volk, und er hörte es und ärgerte sich darüber und vergaß schließlich, daß er Kaiser war. Er setzte sich an seinen Lisch und schrieb, wie ein beliebiger Literat, eine Schrift gegen die „bart­ hassenden" Antiochener (den „Misopogon"), hielt ihnen ihre Frech­ heit und Undankbarkeit vor, erklärte und verteidigte sein Verhalten und kündigte schließlich an, daß er die Stadt verlassen und nicht mehr zurückkommen werdet Die Antiochener werden sich beim Lesen dieser Schrift unter großer Heiterkeit seines Entschlusses gefreut haben. Julian stand nicht über -en kleinen und großen Gegensätzen der Menschen und hatte kein Gefühl für Würde. Das bewies der Miso­ pogon, und nicht weniger eine zweite Schrift, die er ohne äußere Veranlassung schrieb, die „Caesares". Hier reden bei einem himm­ lischen Gastmahl die verstorbenen römischen Kaiser an der Tafel der Götter miteinander und schließlich auch mit -em hinzutretenden großen Alexander. Sie werden fast alle mit höhnischer Kritik durch­ gehechelt bis auf den einen Mark Aurel, in dem Julian sein Idealbild zeichnet. Während Konstantin zu dem sündenvergebenden Jesus flüchtet, bekennt sich Julian stolz zu den Geboten des Mithra, seines Führers im Leben und Sterben. Er empfindet aber auch hier nicht

das Unwürdige der Verspottung seiner eigenen Vorgänger und vergißt, daß einem Kaiser nicht erlaubt ist, was einem Lukian Beifall verschaffen mag.

*

') Julian Misopogon p. 3380—3406. 342b—344c. 345c—346b. 364b 370b.

2) p.

288

io. Julian

Nach Abschluß aller Vorbereitungen verließ Julian am 5. März 363 Antiochia: der ihn geleitenden Menge, die ihm glückliche Kriegs­ fahrt und ruhmvolle Heimkehr wünschte, gab er die ungnädige Ant­ wort, sie würden ihn nicht Wiedersehen; nach beendetem Kriege ge­ denke er sich nach Tarsus zu begeben. Er hat Wort gehalten, aber anders als er meinte. Das Heer marschierte nach Hierapolis (Membidj) und ging dann über den Euphrat bei Carrhae (Harran), wo er die letzten Anordnungen traf. Eine Armee von 30000 Mann Elitetruppen unter dem Befehl der Generäle Prokopius und Sebastian zweigte er als Flankenschutz ab und hieß sie im nördlichen Mesopotamien, diesseits des Tigris operieren. Sie sollte sich mit den armenischen Truppen des ver­ bündeten Königs Arsakes vereinigen und dann das Land verwüstend nach Süden ziehen, um zur Entscheidung verfügbar zu sein.

Er selbst mit der Hauptarmee zog nach Süden und erreichte am 27. März bei Kallinikum (Rakka) den Euphrat wieder, auf dessen linkem Ufer er nun weitermarschierte, während auf dem Fluß eine große Transportflotte den Zug begleitete. Als man am 6. April sich dem verlassenen Dura (Salihiye)^ näherte, erblickte man zum ersten­ mal in weiter Ferne persische Truppen. Am nächsten Tag waren sie verschwunden, aber das Heer marschierte jetzt in Kampfformatiov. Die Festung Anatha (Anah) ergab sich ohne Gegenwehr, andere leichte Eroberungen folgten, und kurz hinter Diacira (Hit) kam es zum ersten Zusammenstoß mit feindlichen Truppen, der einen glück­ lichen Ausgang nahm. Aber man spürte bald, daß es nun Ernst wurde. Die Festung Pirisabora (Ambar?) erforderte die Anwendung größter Belagerungsmaschinen, und auch die Einnahme des stark be­ festigten Maiozamalcha verlangte schwere Kämpfe.

Das Heer befand sich jetzt in dem von zahlreichen Kanälen durch­ zogenen Gartenland zwischen Euphrat und Tigris, dem heutigen Bagdad gegenüber, und näherte sich der feindlichen Hauptstadt Ktestphon, die am linken Tigrisufer 42 Kilometer südöstlich von Bagdad ‘) s. Bd. 2, 35.140.

liegt. Die Flotte wurde auf einem Kanal in den Tigris übergeleitet,

und von den Ruinen des alten Seleucia aus versuchte das Heer den Übergang über den Strom zu erzwingen. Das gelang in heißem

Kampf, und die Perser wurden unter schweren Verlusten in ihre Hauptstadt zurückgeworfen. Von einer Belagerung dieser mit allen Mitteln befestigten Großstadt konnte keine Rede sein, und so beschloß man, dem Tigrislauf entgegen, auf dem linken Flußufer nach Norden zu ziehen. Die Flotte, die ja nicht stromaufwärts fahren konnte und von mindestens 20 000 Mann hätte gezogen werden müssen, wurde verbrannt. Aber nun stellten sich die Sorgen ein. Der Feind hemmte die Ver­ pflegung, indem er Feuer an die auf den Feldern stehende Ernte legte. Und weder die Armee des Prokop und Sebastian noch die

armenischen Hilfstruppen ließen sich sehen. Dazu drückte die Sommer­ hitze und quälte die Truppen durch alles erfüllende Schwärme von

Fliegen und Mücken. Man opferte und befragte die Götter, aber es kam keine hoffnungsvolle Antwort. Am 16. Juni wurde der Ab­ marsch endgültig beschlossen, und am nächsten Morgen nahm man bereits mit' der Vorhut des Perserkönigs Fühlung, nach einigen Tagen kam es zum Kampf mit der Hauptmacht. Die römischen Legionen bewährten ihren Ruf und zwangen die herrlich gepanzerten Reihen der persischen Lanzenträger, Bogenschützen, Reiter und Elefantenkämpfer zum Rückzug. Ein dreitägiger Waffenstillstand folgte. Da ist in einer Nacht dem Julian wiederum — wie einst in Gallien — der Genius des römischen Volkes erschienen, hat aber diesmal traurig mit verhülltem Haupt das Zelt verlassen. Und als der Kaiser in die Nacht hinaustrat, fiel ein Stern mit leuchtender Bahn vom Himmel. Am Morgen ging der Marsch weiter: es war der 26. Juni. Die Perser hüteten sich, die römische Schlachtreihe noch einmal herauszufordern, aber sie begleiteten das Heer mit einem Schleier von Reiterschwärmen, die hie und da vorbrachen und es

nicht zur Ruhe kommen ließen. Die Nachhut wurde angegriffen, es gab Verwirrung. Ltetzmann, Gesch.b.AUea Kirche z.

19

290

io. Julian

Julian eilt hin, ohne Panzer, nur mit einem Schilde gedeckt, er springt unter die Kämpfenden, ordnet die Reihen. Da kommt Mel­

dung von der Vorhut: dasselbe Bild, und nun auch hier der Kaiser im Getümmel ohne Rücksicht auf seine Person. Jetzt werfen sich persische

Panzerreiter, von Elefanten unterstützt auf den linken Flügel des Mitteltreffens und bringen ihn zum Weichen. Julian fliegt an die bedrohte Stelle und reißt seine Truppen vorwärts. Da trifft ihn ein

Reiterspeer in die Seite. Er wird ins Zelt gebracht, verbunden, will wieder in den Kampf. Vom Blutverlust entkräftet sinkt er zurück.

Er weiß, daß es zu Ende geht, als er erfährt, daß er sich an einem Ort namens Phrygia befindet: so sollte die Stelle seines Todes nach einer alten Weissagung heißen. Die Freunde stehen um ihn, und er

nimmt von ihnen und vom Leben Abschied. Die Nachricht vom Tode eines Freundes beschert ihm den letzten Schmerz. Nun bleibt er mit seinen Vertrauten Maximus und Priskus allein und spricht mit ihnen von der Erhabenheit der Seele. Wieder öffnet sich die Wunde für einen Blutstrom. Das Atmen wird ihm schwer. Es ist Mitter­ nacht. Ein Trunk Wasser gibt ihm Labung, dann scheidet er vom Leben. Am nächsten Morgen wurde nach einigem Schwanken der General der Gardetruppen Jovian zum Kaiser ausgerufen, derselbe, der vor zwei Jahren dem Leichnam des Konstantins das Ehrengeleit gegeben hatte. Er führte die Armee weiter stromaufwärts, ging hinter Dura (Dor) über den Tigris und erreichte über Hatra, Ur und Nisibis das römische Gebiet. Mit den Persern schloß er vor dem Tigrisübergang einen schmachvollen Frieden, der ihnen die östlichen

Provinzen am Oberlauf des Tigris, aber auch Singara und Nisibis auslieferte: und es war ein jämmerliches Zugeständnis, daß die

römischen Einwohner dieser Städte auswandern durften — oder vielmehr mußten. Ammian, der die Geschichte dieses Feldzuges mit­ erlebt und ausgezeichnet hat \ redet davon mit tiefer Entrüstung. *) Er ist die Hauptquelle für alles oben Ertählte: 23,2—5 24 und 25. Über eine Legende vom Tobe Julians s. Norma» H. Baynes im Journal of Roman Studies 27 (1937), 22—29.

Julians Tod

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Auch den verbündeten König von Armenien mußte Jovian der persischen Rache preisgeben. Die Nordarmee fand man in der Nähe von Singara, und der eine ihrer Kommandanten brachte den toten Kaiser nach Tarsus: dort wurde er seinem Wunsch gemäß bestattet. Seine Freunde hätten ihm und seinem Ruhme lieber ein Denkmal in der ewigen Stadt erbaut.

Der Kultus. In den vorangegangenen Kapiteln ist vom letzten Kampf und Sieg des Christentums in der römischen Welt erzählt und von viel Kirchenpolitik und gelehrter Theologie berichtet worden, so viel, daß der Leser in Gefahr kommt zu glauben, in diesen Dingen erschöpfe sich das Wesen und Wirken der Kirche des vierten Jahrhunderts.

Darum ist es Zeit, daß wir uns dem inneren Leben der Christenheit zuwenden und nach dem Geist fragen, der für diesen weltumspan­ nenden Organismus Seele und Kraftquelle war: und dieser muß im Gottesdienst der Gemeinde am reinsten zu erfassen sein. Während uns für den Beginn des dritten Jahrhunderts in der Hippolytischen Kirchenordnung ein römisches Formular überliefert ist, haben wir für Mitte und zweite Hälfte des eierten Jahrhunderts mehrere griechische Quellen, die uns reichen Stoff darbieten, während unser Wissen um die Kultformen des Abendlandes mühsam aus kleinen Bruchstücken zusammengesetzt werden muß. Aus Jerusalem haben wir eine genaue Beschreibung des Abendmahlsgottesdienstes durch die Katechesen des Bischofs Kyrill \ die gegen 350 in der Kon­ stantinischen Grabeskirche gehalten worden sind. Und die „apostoli­ schen Konstitutionen" geben nicht nur im zweiten Buch eine kurze Be­ schreibung der Sonntagsfeier, sondern bringen im achten ein voll­ ständiges Formular mit allen Gebeten. Nehmen wir dazu noch ge­ legentliche Äußerungen der Kirchenväter2, so haben wir allen Grund,

von reichlichem Quellenmaterial zu sprechen. Die „Konstitutionen" sind ein auf älteren Texten aufgebautes Sammelwerk von Kirchen­

ordnungen und lassen sich mit Sicherheit in die Jahre um 380 da­ tieren: daß sie in Antiochia verfaßt seien, ist nicht so sicher, wie man bisher angenommen hat, und es mehren sich die Zeichen, die auf Kon*) s. 0. S. 246. 2) Diese Zeugnisse gesammelt bei F. E. Drightman, Liturgies eastern and Western i, 467—481 506—509 518—534.

Der Hauptgottesdienst

293

stantinopel, jum mindesten als Ort der Redaktion, hindeuten *. Aus Ägypten sind uns Gebetstexte aus der Mitte des vierten Jahr­ hunderts überliefert, die mit dem Namen des Serapion von Thmuis, des Freundes des Athanasius, verbunden sind, und die durch Papyrusfunde ergänzt werden*2. Für das Kirchgebäude hat sich um diese Zeit schon ein Jdealtypus ausgebildet, der mit mancherlei örtlich und provinziell bedingten Abwandlungen überall im Osten und Westen in die Erscheinung tritt: es ist ein langer, rechteckiger Saal, der aus der einen, östlichen, Schmalwand den Raum für den Klerus und das von ihm betreute Kultmysterium, meist in Gestalt einer halbkreisförmigen Apsis, her­ auswachsen läßt. Hier sitzt in der Mitte des Halbrundes der Bischof auf seinem Thron, zu beiden Seiten von den Presbytern umgeben, an den Enden stehen die Diakonen als Hüter der Ordnung. Die Gemeinde füllt den Saal, aber nicht als Masse, sondern als gegliederter Organismus: Männer und Frauen sitzen getrennt, und innerhalb der Geschlechter sollen auch die Jungen eigene Gruppen bilden, während die Kinder bei den Eltern stehen. Ein Diakon hält die Ordnung im Raum aufrecht und verhindert störendes Schwatzen oder Lachen. Auch die Eingänge in den Saal sind gesondert für Männer und Frauen, und Türhüter und Diakonissen sorgen für Be­ achtung der Vorschriften. Nicht jedem Gemeindemitglied ist der Ein­ tritt gestattet: wer mit Kirchenbuße belegt ist, muß vor der Türe bleiben und in manchen Fällen gar die Eintretenden mit reuiger Geste um ihr fürbittendes Gebet angehn: so will es die strenge Bußzucht. Der erste Teil des Gottesdienstes hat zum wesentlichen Inhalt Schriftverlesung und Predigt. Die Konstitutionen schreiben eine statt­ liche Reihe von Bibellesungen vor. Den Anfang machen zwei alttestamentliche Lektionen, eine aus den geschichtlichen Büchern, die andere aus den Propheten oder den Lehrschriften. Dann tritt ein *) E. Schwartz, Die pseuöapostolischen Kircheaorkmungen (1910) S. 27. 2) Wilcken, Mitteil. a. d. Würzburger Papyrussammluug (Abh. Berl. Akad. 1933 Nr. 6) p. 31—36.

294

ii. Der Kultus

Sänger auf und stimmt einen Psalm an: die Gemeinde lauscht an­

dächtig und antwortet mit dem Kehrvers, wenn ein solcher vor­ handen ist, oder dem endenden Halleluja; auch andere Formen bis jum vollen Wechselgesang zwischen Psalmsänger und Gemeinde find denkbar und gelegentlich auch nachzuweisen Es folgt eine Lesung aus den Paulusbriefen oder der Apostelgeschichte, dann aber erhebt sich die Gemeinde, und statt des Vorlesers (Anagnostes) tritt jetzt ein Diakon oder gar ein Presbyter an das Lesepult, um das Evangelium mit verstärkter Feierlichkeit zu rezitieren. Wir wüßten gerne, in

welchem Umfange schon damals die Auswahl der Texte durch das Kirchenjahr bestimmt gewesen ist, aber die Forschung steht hier noch in den Anfängen*2, und unsere Kenntnisse sind für das fünfte Jahr­ hundert ausgiebiger als für das vierte, in dem diese Dinge offenbar erst begonnen haben, sich in festere Formen zu fügen. Jedenfalls sind für die Kirchenfeste und die Wochentage der Fastenzeiten zuerst be­ stimmte biblische Lesungen festgestellt worden, während an gewöhn­ lichen Sonn- und Wochentagen die Lektionen nach dem Belieben des Bischofs wechseln. Und zweifellos ist auch anfänglich nur an großen kirchlichen Zentren ein derartiges System der Lesungen aus­ gebaut worden, und die Provinz hat erst allmählich das Vorbild von der Hauptstadt übernommen. Wir werden noch genauer davon zu reden haben.

Den Lesungen folgt die Predigt oder vielmehr die Predigten, denn „die Presbyter sollen das Volk ermahnen, einer nach dem andern,

aber nicht alle, und als letzter von allen der Bischof". So lautet die Vorschrift der Konstitutionen, und wir können feststellen, daß ihr die Wirklichkeit entsprach. Denn in den Predigten des antiochenischen Presbyters Johannes Chrysostomus wird mehrfach auf folgende

Predigten anderer Presbyter und vor allem des Bischofs hinge’) Sonst, apost. 2,57,6 vgl. Suseb, KG 2,17, 22. Phil» vita contempl. 80 (6, 68):Kehrversj.D.Ps.42,6.12 4z,5 46,8.12 57,6.12 80,4.8.20anders 136. 2) A. Rahlfs, Die alttest. Lektionen d. griech. Kirche. Götting. Nachr. 1915, 28—136. A. Baumstark, Nichtevang. syr. Perikopenordnnngea 1921 (Liturgiegesch. Forschungen Hrsg. v. DSlger u. a. Heft z).

Der Hauptgottesdienst: Predigt

295

wiesen, und um dieselbe Zeit wird uns die gleiche Sitte auch für Jemsalem bezeugt \ Die griechische Gemeinde war von Hause aus jum Anhören kunstvoller Reden geneigt — das war das Ergebnis einer jahrhundettelangen Erjiehung zur Rhetorik — und so durfte man ihr unbedenklich eine Predigtmenge zumuten, die unter anderen Umständen abschreckend gewirkt hätte. Es wird nicht selten vorge­ kommen sein, daß die begeisterten Redner die für den Wortgottesdienst übliche Zeit von zwei Stunden2 überschritten, und sie dursten auf die Verzeihung ihrer Hörer zählen, wenn sie den Reiz künstlerischer Gestaltung mit fesselndem Inhalt zu verbinden wußten. Sie konnten sogar auf Äußerungen des Beifalls und laute Zurufe aus der Ge­ meinde rechnen, obwohl das verpönt war und von ernsten Predigern gerügt wurdet Mit dem Ende der Predigten schloß der öffentliche, jedermann zugängliche Teil des Gottesdienstes, und die Ungelausten wurden gruppenweise vom Diakon zu einem Schlußgebet aufgerufen und über ihnen ein Segensgebet gesprochen, dessen einzelne Sätze durch das Kyrie eleison der Gemeinde ausgenommen wurden: so verließen die Katechumenen und nach ihnen die zur Taufe Angemeldeten (Photizomenoi), dann die Kranken und endlich die in der Halle vor der Tür wartenden Büßer die Kirche. Die Türen schließen sich und die „Gläubigen", d. h. die Gemeinde der Getauften, knien nieder zum Gebet. Der Diakon rezitiert die Sätze des allgemeinen Kirchengebets, und die Gemeinde antwortet auf jede Bitte mit dem Kyrie eleison. Dann betet der Bischof für die Gemeinde und entbietet ihr den Friedensgruß. Der Diakon ruft „Grüßet einander mit dem heiligen Kuß", und der Klerus küßt den Bischof, die Gemeinde folgt dem Beispiel, die Männer küssen einander und ebenso die Frauen: die christliche Liebesgemeinschaft tritt in die Erscheinung, bereit, das Mysterium zu feiern. Mahnend klingt der Ruf des Diakonen: Kein *) Joh. Chrys. 2 p. 531b 316c 362b 622a: weitere Stellen bei Diogham, Origiaes 6, i-r/ff. Aetheriae peregrinatio 43,2 p.93,24 Geyer. 2) Joh. Chrys. 2,368 b 3,53 b 73 c. 3) Joh. Chrys. 2,25 a 7,232b 10,33 a 239 e.

2y6

ii. Der Kultus

Katechumen! Keil» Ungetaufter! Kein Ungläubiger! Kein Falsch­ gläubiger! Keiner in Haß gegen einen! Keiner in Heuchelei! Aufrecht

laßt uns vor dem Herrn mit Furcht und Zittern stehn jum Opfern! Inzwischen hat ein Subdiakon dem Bischof und dem Presby­ terium ein Wasserbecken gereicht und die Zeremonie der symbolischen Händewaschung ist vollzogen. Schweigend steht die Gemeinde zu, wie die Opfergaben, das Brot und der Wein, von Diakonen zum Altar gebracht und dort vom Bischof im Kreis der Presbyter in Empfang genommen werden. Dieser spricht ein stilles Gebet und wird dann mit einem Prachtgewand für die nun folgende hochfeierliche Hand­ lung geschmückt. Und nun klingt vom Altar her der Dreieinigkeits­ gruß der Gnade Gottes, der Liebe Christi und der Gemeinschaft des Heiligen Geistes. Die Gemeinde antwortet mit dem alten Wunsche „Und mit deinem Geiste". „Empor den Sinn" — „Wir haben ihn beim Herrn". „Laßt uns dem Herrn danken" — „Würdig ist es und

recht". Das „eucharistische Hochgebet" hebt an mit der altüberlieferten Wiederholung der Antwort: „Würdig ist es wahrlich und recht, dir vor allem Lob zu singen, dem wahrhaftig seienden Gott" — und nun dämpft er seine Stimme zur halblauten Rezitation des langen

Dankgebets, welches mit dem Preise Gottes und seines eingebornen

Sohnes anhebt, die Schöpfung und wunderbar zweckmäßige Ord­ nung der Welt feiert und des Menschen gedenkt, der als Bürger dieser Welt (Kosmopolites) und Mikrokosmos nach Gottes Eben­ bild ins Leben trat. In seiner Seele trug er die Samenkörner der Gotteserkenntnis und die Macht zur Unsterblichkeit, aber durch den Trug der Schlange und des Weibes fiel er, verlor das Paradies, aber nicht die barmherzige Fürsorge Gottes, der ihm die Herrschaft über die Natur verlieh und ihm Wiedergeburt und Auferstehung verhieß. Der Beter durchwandert die ganze alttestamentliche Heilsgeschichte bis auf Josua und den Mauerfall von Jericho, dann bricht er plötzlich ab und seine Stimme schwillt nun allmählich wieder zu voller Stärke: „Für all das sei dir Ehre, Herr, Allmächtiger. Dich beten zahllose Engelscharen an, Erzengel, Throne, Herrschaften, Mächte, Ge-

Der Hauptgottesdienst: Eucharistiegebet

2Y7

walten, Kräfte ewiger Heerscharen, die Cherubim und die sechs­ flügeligen Seraphim, die mit jwei Flügeln ihre Füße bedecken, mit jweien ihr Haupt, mit zweien fliegen und stimmen ein mit tausend mal tausend Erzengeln und zehntausend mal zehntausend Engeln, die unaufhörlich und nimmer schweigend rufen": ergriffen fällt die Gemeinde ein in den Triumphgesang der Engel und singt das „Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, Himmel und Erde sind seiner Ehre voll, gelobt sei er in Ewigkeit, Amen". Der Himmel ist offen und die Gemeinde schreitet über die

Schranken von Raum und Zeit in die Lebensgemeinschaft der oberen Welt. In ehrfürchtiger Stille blickt sie zum Altar, wo die Lippen des

Bischofs leise des heiligen Gottes erlösenden Ratschluß preisen, daß der Schöpfer des Menschen Mensch ward, geboren von der Jungfrau, und wunderwirkend unter dem Volk wandelte und Gottes Namen denen offenbarte, die nichts von ihm wußten. Und als er das alles recht getan, vollendete er des Vaters Willen, gab sich in die Hände der Ungerechten und litt unter Pontius Pilatus den Tod am Kreuz und ward begraben, auf daß er die Seinen vom Leid erlöse und dem Tod entreiße und die Bande des Teufels sprenge und die Menschen von seinem Trug befreie. Er stand auf am dritten Tage und fuhr gen Himmel und setzte sich zur Rechten Gottes, seines Vaters. Wir ge­ denken alles dessen, was er für uns erduldet und danken dir, all­ mächtiger Gott, nicht wie wir sollen, aber doch so gut wir es ver­ mögen, und erfüllen sein Vermächtnis: denn in der Nacht, da er ver­ raten ward, nahm er das Brot — und nun schweben die geheimnis­

vollen Stistungsworte über dem Teller mit dem Brot und über dem Becher mit dem Wein und laut klingen die Sprüche vom Leib und vom Blut samt dem Amen der Gemeinde. Des Leidens, des Todes, der Auferstehung Gedächtnis wird ver­ kündet, und zum Himmel schwingt stch das Gebet, Gott möge seinen heiligen Geist auf dies Opfer senden und das Brot zum Leibe, den Kelch zum Blut seines Christus machen, auf daß alle, die davon ge­ nießen, gestärkt werden in der Frömmigkeit, Vergebung der Sünden erlangen, vom Teufel und seinem Blendwerk erlöst, mit heiligem

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ii. Der Kultus

Geiste erfüllt, Christi würdig gemacht werden und das ewige Leben gewinnen, da der allmächtige Vater ihnen versöhnt ist. Das Wunder geschieht, der Gottesgeisi steigt aus Himmelshöhen herab in die Ele­

mente — in späteren Jahrhunderten haben besonders Begnadete das mit Augen zu sehen vermocht* — und wandelt sie zur lebenwirkenden

geistlichen Speise. Das „unblutige Opfer" der Christenheit ist aufs neue vollzogen, denn im Mysterium ist wiederum Christi Leib für uns im Tode ge­

brochen, sein Blut vergossen zur Vergebung der Sünden, das Opfer von Golgatha ist durch göttliches Wunder erneute Wirklichkeit ge­ worden. 3n dem Augenblick, da die Einsetzungsworte über Brot und Wein gesprochen wurden, geschah aufs neue, was sie aussagen, aufs neue ist der allmächtige Herrscher mit der Menschheit durch seines Sohnes Hingabe versöhnta. Das christliche Opfer der Eucharistie ist ein echtes Mysterium, göttliches Handeln in irdischen Symbolen — und die Gemeinde fühlt das Grauen des Todes und die Schauer der Ewigkeit und die sieghafte Gewalt des unbegreiflichen Lebens­ wunders, das Christus den Seinen spendet. Das Opfer ist vollbracht, Christus, das Gotteslamm, ist wieder­ um geschlachtet3 — aber es ist auch ein Opfer der Gemeinde, das sie Gott darbringt und das sie, wie alle Opfer, mit Bitten begleiten darf. In langer Reihe bringt der Bischof die Fürbitten der Kirche vor Gottes Angesicht und der Diakon rezitiert eine kürzere Fassung laut mit dem Kyrie eleison der Gemeinde. Dann öffnen sich die Vorhänge, die bis dahin den Blick auf den Altar versperrt hatten, und der Bischof trägt das Opfer der Ge­ meinde entgegen *, die Austeilung des Abendmahls beginnt. „Das Heilige den Heiligen" ruft der Bischof und die Gemeinde antwortet mit dem Gesang: „Einer ist heilig, einer der Herr, Jesus Christus

zur Ehre des Vaters bist du gepriesen in Ewigkeit. Ehre sei Gott in *) Johannes Moschos, Pratum spirituale c. 25. 2) Lietzmann, Messe u. Herrenmahl S. 191s. O. Casel im Jahrb. f. Liturgiewiss. 6 (1926), ii4ff. 13 (1936), 99—T7i3) Joh. Chrys. 11,23 b. *) Joh. Chrys. 11,23 b 577s. 10,340 e.

Der Hauptgottesdienst: Opfer und Abendmahl

299

der Höhe und Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen. Hosianna dem Sohne Davids. Gelobt sei, der da kommt im Namen Les Herrn, Gott ist der Herr und unter uns erschienen. Hosianna in der Höhe!" Dann genießt der Bischof die heiligen Elemente, spendet sie dem Klerus und dann der in langer Reihe zum Altar hintretenden Gemeinde. Der Bischof reicht Las Brot mit den Worten „Leib Christi", der Diakon den Kelch und spricht dazu „Blut Christi", der Kommunikant antwortet jedesmal mit Amen. Während der ganzen Kommunion wird der 34. Psalm gesungen, dessen Stichwort der neunte Vers ist: „Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist; wohl dem, der auf ihn traut". Am Ende der Feier sprechen Diakon und Bischof ein Dankgebet, und mit dem Segen des Bischofs wird die Gemeinde entlassen. Schon unsere Quellen des vierten Jahrhunderts lassen uns mancherlei Verschiedenheiten der Kirchenprovinzen erkennen, und bei genauerer Prüfung vermögen wir sogar den Austausch von Gebets­ formeln und die gegenseitige Beeinflussung zu erkennen. Sn Syrien bildet sich ein eigener Typus aus, der mit der soeben geschilderten großen Liturgie der Konstitutionen nächst verwandt ist, und in Byzanz sind aus dieser Wurzel die maßgebenden Liturgien des Mittelalters, die nach den Heiligen Basilius und Chrysostomus ge­ nannt sind, erwachsen. Sn Jerusalem ist die sogenannte Jakobus­ liturgie geformt worden, die aber auch nur eine Variante der gleichen Urform ist und mancherlei nähere Berührungen mit der Basiliusliturgie aufweisi. Auf ihr haben die syrischen Nationalkirchen ihre Liturgien aufgebaut. Dagegen ist in Ägypten, wie zu erwarten steht, eine ursprünglich große Selbständigkeit und wurzelhafte Eigenart zu spüren, die aber schon im vierten Jahrhundert weithin von syrischen Einflüssen er­ schüttert wird. Die später dort herrschende Markusliturgie läßt nur bei eindringlicher Befragung noch die Spuren altägyptischer Be­ sonderheit erkennen. Die ganz eigenartige Liturgie des Serapion bringt den Charakter des Kultes als eines Mysteriums, bei dem das Opfer von Golgatha sich wiederholt, mit großer Klarheit zum Aus-

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ii. Der Kultus

druck. Weniger deutlich, aber alt und weit verbreitet, ist die in den Konstitutionen1 ausgesprochene Vorstellung, daß Christus seinem

Gott und Vater vor seinem Leiden ein geistliches Opfer dargebracht habe: und dieses wird nun jeweils im Kultus wiederholt, so daß also die Messe eine Nachahmung des Stiftungsaktes ist: der Priester tut, was Christus tat. Aber man sieht nicht recht ein, wieso Christi Tun am Gründonnerstag Abend ein Opfer sein kann: da muß man auch

hier schon eine mystische Vorwegnahme des Karfreitags zu Hilfe

nehmen. Dem Reichtum morgenländischer Quellen steht ein betrüblicher Mangel an westlichen Zeugen für die Ausgestaltung der Liturgie des Hauptgottesdienstes entgegen. Wir sind da fast völlig auf Rückschlüsse aus späteren Tatbeständen angewiesen und können für das vierte Jahrhundert nur die Vermutung aufstellen, daß sowohl die äußere Form wie der religiöse Inhalt im ganjen dieselben gewesen sein werden. Unter dem Namen des Ambrosius läuft eine kleine Schrift um, die gerade die jentrale Handlung der Konsekration mit einer ver­ blüffenden Offenheit behandelt: sie ist von der literarischen Kritik mit unsicheren Händen hin- und hergeschoben worden, bis sie neuerdings mit starken Gründen für die stenographische Nachschrift einer Kat­ echese des Ambrosius erklärt und damit nach Mailand und in die Zeit zwischen 374 und 397 festgelegt ist. Der Redner betont die Überein­ stimmung seines Ritus mit dem römischen, und in der Tat stimmen die im Wortlaut mitgeteilten Gebete weithin mit den heute noch üb­ lichen Texten des römischen Kanons überein. Eine vergleichende Prüfung3 zeigt, daß die uns aus Hippolyts Kirchenordnung be­ kannte Urgestalt4 starke Veränderungen durch Übernahme ägyptischer Formeln erlitten hat, die ihrerseits wieder unter der Einwirkurg syrischer Einflüsse gestanden haben: So strömen liturgische Anregua*) Const. apost. 8,46,14. 2) G. Morin im Jahrb. f. Liturgiewiss. 8, 86—106. Text der Schrift „de sacraurcntis" bei Rauschen, Florileg. patrist. Nr.7 Mooum. eqcharistica. 3) Lietzmann, Messe u. Hcrrenmahl S. 43—47.58—6d. 117—iss, vgl. 97. *) s. Bd. 2,124.

Liturgie des Abendlandes

301

gen des Ostens über Alexandria nach Rom, und wir werden nicht fehlgehen, wenn wir Athanasius als den Vermittler betrachten.

Eigenartig ist nun aber, daß in Rom die bei Hippolyt noch deutlich ausgeprägte Epiklese mit der Bitte um Herabkunst des Heiligen

Geistes, die im ganzen Orient lebendig ist, verloren geht. An ihre Stelle tritt ein Gebet um freundliche Aufnahme dieses fleckenlosen, geistigen, unblutigen Opfers, das von den Engeln auf den himm­ lischen Altar getragen werden möge. Dafür finden wir aber vor den Einsetzungswotten eine neue und sehr bedeutsame Formel: „Mach

uns dies Opfer zugerechnet, gültig, geistig, annehmbar, weil es das Abbild des Leibes und Blutes unseres Herrn Jesu Christi ist." Die Wortwahl ist nicht allzu geschickt und verrät die Mischung von älteren

Elementen verschiedener Herkunft, aber soviel ist klar, daß der Beter in der Eucharistie nicht einfach ein Opfer der Gemeinde sieht, sondern die wirkliche Opferung von Leib und Blut Christi, deren sühnende

Wirkung der Gemeinde angerechnet werden mag: eben darum bittet er.

Diese Vorstellung verdrängt die ältere, wonach Brot und Wein durch die Konsekration zur Himmelsspeise für die Gläubigen werden, jetzt in den Hintergrund, und damit erlischt im Abendland die zu dieser Vorstellung gehörige Epiklese. Die Messe als Kultopfer Christi

entwickelt das Opfergebet, während die Messe als das Abendmahl der Gemeinde die Epiklese schafft. Beide Vorstellungen leben nun nebeneinander durch die Jahrhunderte bis auf die Gegenwart, aber ihre Einwirkung auf die Ausgestaltung der liturgischen Formen

wechselt nach Ort und Zeit. Es haben sich gewichtige Stimmen dafür erhoben, die An­ schauung von dem Opferakt Christi im Mysterium als die ältere

gelten zu lassen und dementsprechend auch die abendländischen Opfer­ gebete, die sich in großer Zahl und Mannigfaltigkeit in den liturgi­ schen Dokumenten des frühen Mittelalters finden, als Zeugen der Urzeit auzurufen *. Diese Auffassung wird vor allen Dingen den *) O. Casel im Jahrb. f. Liturgiewiss. 6 (1926), 113—204, 209—217.

302

ii. Der KulwS

Forschern einleuchten, die vom Studium antiken Mysterienwesens

herkommend, an die christlichen Liturgien herantreten, und sie hat von hier aus gesehen eine gewisse innere Wahrscheinlichkeit für sich. Aber wenn man sich an die vorhandenen Texte hält und ihre zeitliche Abfolge beachtet, wird man zwangsläufig zu dem entgegengesetzten Ergebnis geführt \ Es muß doch der Grundsatz gelten, daß die Ge­ bete im Zeitpunkt ihrer Entstehung den Gedanken des Beters rein zum Ausdruck bringen: erst spätere Generationen legen in über­ liefertes liturgisches Gut ihre neuen Anliegen hinein. Das äußere Bild des Gottesdienstes erfuhr im Laufe des vierten Jahrhunderts eine reichere Ausgestaltung. Die Gunst der Zeiten machte die Kirche reich und erlaubte ihr prachtvolle Kirchenbauten, die von selbst auf die Ausschmückung der Kultgeräte bis hin zu Stoff,

Schriftform und Einband der Bibeln einwirkten, vor allem aber die Kleidung des amtierenden Klerus zu einer angemessenen Prunk­ entfaltung nötigten und sie auch in der Form von der Gewandung des Alltags schieden. Während in den ersten Jahrhunderten die

Kleriker beim Gottesdienst die allgemein üblichen Festkleider trugen, bildete sich nunmehr eine besondere liturgische Tracht aus, die zu­ gleich die Rangstufen des Klerus zum sichtbaren Ausdruck brachte. Aber erst die folgenden Jahrhunderte lassen uns in diese Entwickelung einen Einblick tun und für die konstantinische Periode und die ihr folgenden Zeiten sind wir fast ausschließlich auf reine Vermutung angewiesen. Auch die einzelnen Akte der Messe werden nun mit größerer, ja theatralischer Feierlichkeit ausgestaltet. Zwei Gelegenheiten boten sich zu einer solchen Weiterbildung von selbst an, nämlich das Lesen les Evangeliums und das Hintragen der Opfergaben zum Altar. Beide

Handlungen wurden zu Prozessionen ausgestaltet, die wirkungsvoll

den Gang des Gottesdienstes belebten. Rechts und links von dem Kultranm der Apsis befanden sich meist die beiden Sakristeien, deren Türöffnungen auf die Seitenschiffe gerichtet waren. Die eine hieß das

*) Lietzmann, Messe u. Herrenmahl S. 116 Sinnt. 1.

Liturgische Gewänder. Die Einzüge

303

„Diakonikon" und enthielt die Kleider und Kultgeräte: sie war ge­ legentlich mit der Apsis durch eine kleine Nebentür verbunden. Die

andere war die „Prothesis" und diente zur Vorbereitung der heiligen Handlung: und aus ihr trat nun bei der Katechumenenmesse der Klerus in festlichem Aufjug mit brennenden Kerjen heraus und trug die biblischen Dorlesebücher jum Lesepult oder Ambon. Und wieder­ um bewegte sich bei der Gläubigenmesse der Zug der Geistlichen aus

dieser Tür in das Mittelschiff und trug die Opfergaben feierlich jum

Altar. Dies sind die beiden „Einzüge", die bis auf den heutigen Tag für alle orientalischen Liturgien charakteristisch sind. Die großen Kirchenväter des vierten Jahrhunderts erwähnen sie noch nicht aus­

drücklich, aber eine archäologische Beobachtung macht uns die Ent­ stehung dieser Sitte für das Ende des vierten Jahrhunderts wahr­ scheinlich: wir begegnen im fünften, und jwar bereits seit dem Jahre 401, einer Reihe von Kirchen, in denen eine der beiden Sa­ kristeien durch eine weitgeöffnete und vielfach auch durch Rundbogen und Ornamentierung ausgezeichnete Tür als besonders bedeutungs­ voll bezeichnet ist. Das spricht dafür, daß aus dieser Pforte die Pro­

zession des Klerus herausschrittx. Der bisher geschilderte Meßgottesdienst fand selbstverständlich an allen Sonntagen statt, wurde aber auch an anderen Tagen abge­ halten. In der Häufigkeit der Meßfeier begegnen wir seit früher Zeit und noch bis in späte Jahrhundette einer verwirrenden Mannig­ faltigkeit, auf die auch von den Kirchenvätern mit Betonung hinge­ wiesen wird2. Sm Abendland ist es schon seit Cyprian3 üblich, das Meßopfer täglich darzubringen und das Abendmahl zu nehmen, und diese Sitte wird mit einigem Stolz gegenüber dem Orient her­ vorgehoben: die Eucharistie sei ja gerade das „tägliche Brot", um das im Vaterunser gebetet werde2. Aber auch Euseb redet davon, daß „täglich" das Gedächtnis des Leibes und Blutes Christi gefeiert

*) H. W. Beyer, Der syrische Kirchenbau (1925) S. 34.40.43. 2) Augustin epist. 54,2 tract. 26,15 in Joh. de serm.ia monte 2,7, 25.26. Ambros.de sacr. 5,4,25. 3) Cypr. »rat. dom. 18.

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ii. Der Kultus

werde, und Johannes Chrysostomus klagt in den achtziger Jahren in Antiochia, daß beim täglichen Opfer kein Kommunikant sich ein­

finde und die Kirche leer fei1. Aber vielleicht ist das im Osten doch nur rhetorische Formel, denn an anderer Stelle spricht derselbe Prediger davon, daß „sozusagen" an jedem Tage die heiligen My­

sterien gefeiert werden2 und nennt einmal ausdrücklich drei Tage, nämlich Freitag, Samstag und Sonntag als liturgisch durch Meß­ feier ausgezeichnet2. 3m ganzen finden wir eine große Verschiedenheit der östlichen Kirchen in dieser Hinsicht. Manche halten an der einmaligen Cucharistiefeier des Sonntags fest, so Alexandria und Jerusalem. In Cypern sind nach dem Zeugnis des Epiphanius die beiden Wochen­ fasttage Mittwoch und Freitag auch durch Abendmahlsgottesdienste ausgezeichnet, die aber erst nach Abschluß des Tagesfastens zur neunten Stunde (Non), also nachmittags um 3 Uhr, abgehalten werden, während die Sonntagsmesse frühmorgens liegt. In Alex­ andria findet an den beiden Fasttagen Predigtgottesdienst ohne Abendmahl statt4. Sn Kappadokien ist zu Sonntag, Mittwoch und Freitag auch noch der Samstag hinzugetreten, vermutlich «eil auch an ihm dort, wie vielfach und besonders im Abendland, gefastet wurde: es wurde also viermal in der Woche Vollgottesdienst ab­ gehalten 6. Antiochia begeht, wie wir bereits gehört haben, die Meßfeier drei­

mal, am Freitag, Sonnabend und Sonntag: dort scheint also der Mittwoch als pflichtmäßiger Fasttag bereits im Schwinden zu sein. Die apostolischen Konstitutionen6 berücksichtigen dagegen die Fast­ tage überhaupt nicht, sondern folgen einer anderen Tendenz, welche

den Samstag als biblischen Sabbat und Ruhetag dem Sonntag an­ gleichen, also wohl nur an diesen beiden Tagen Meßfeiern ansetzen. *) Euseb dem. ev. 1,10 (p. 46,13) Joh. Chrys. Hom. 3,4 in Eph. (11,23 a Montf.) Hom. 3,6 de incompreh. (1, 469 a). 2) Hom. 50, 3 in Matth. (7,517b). s) Hom. 5,3 In 1. Timoth. (11,577e) vgl. Hom. 3,4 adv. Jod. (1, 611a). *) Socrates 5,22, 45. 55 Epiph. de fide 22,1 (3,522s. Holl). Carl Schmidt in Neutest. Studien f. G. Heinrici (1914), 66—78. 8) Basil, epist. 93 (3,186s.). •) Sonst, ap. 8,33.

GotteSdieuWche Zelte«

305

Nehmen wir nun dazu noch die Gedenktage der Märtyrer, die selbst­ verständlich eine Darbringung des eucharistischen Opfers erfordern und in jeder Provinz, ja in jeder Stadt, nach örtlichem Herkommen verschieden begangen werden, so ergibt sich eine erhebliche Mannig­ faltigkeit und auch bei einer geringen Zahl regelmäßiger Wochentags­ feiern doch sehr reichliche Übung der eucharistischen Liturgie. Es wird leicht verständlich, warum Johannes Chrysostomus von „sozusagen" täglicher Feier sprechen kann. Wenn wir aber von täglicher Kom­

munion der Gemeindeglieder hören, so ist nicht immer an den Empfang der Eucharistie in der Kirche zu denken. Schon Basilius1 kennt um 370 die Sitte, mehrere Hostien mit nach Hause zu nehmen und dort täglich für sich allein zu kommunizieren.

* Außer diesen Hauptgottesdiensten sind aber fast allgemein im vierten Jahrhundert noch zwei andere Feiern in den Kirchen Sitte geworden, nämlich rein liturgische Andachten, eine am frühen Morgen bei Sonnenaufgang und eine entsprechende Abendfeier. 3n der heutigen liturgischen Sprache der abendländischen Kirche heißen diese Feiern Landes und Vesper. Die erste beginnt mit dem Morgen­ psalm 63 wie die zweite mit dem „Abendopfer" Psalm 141, dann folgt jedesmal die Entlassung der Katechumenen und der übrigen nicht Vollberechtigten unter Gebet — wie in der Messe —, danach das übliche allgemeine Kirchengebet der „Gläubigen" d. h. der Getauften nebst Fürbitte und Segen des Bischofs2.

Wenn diese Andachten schon eine Übertragung der ursprünglich als Pflicht des Einzelnen gebräuchlichen Morgen- und Abendgebete in die Kirche sind, so trifft das nicht minder für die übrigen „kanoni­ schen Stunden" zu: diese sind dmch den sich stetig verstärkenden Ein­

fluß des Mönchtums auch auf die Gemeinschaft der an den Kirchen amtierenden „Weltgeistlichen" übergegangen. ') Basil, epist. 93 (3,186 s.). ") Sonst Apost. 2,59 8,35—39. Hila­ rius statt, in Ps. 64,12 (p. 244 Zingerle). Dgl. S. Bäumer, Geschichte des Bre­ viers (1895) S. 91—94 über Joh. Chrys. Ltetzmann, Gesch.d. Alten Kirche 3.

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ii. Der Kultus

Dreimal am Tage, nämlich morgens, nachmittags und abends, pflegten die Juden1 ihr „Achtzehnbittengebet" zu sprechen. Die Christen haben diese Sitte mit angemessener Änderung beibehaltev und so schreibt die Didache (8, 3) dreimal am Tage ein Vaterunser

vor. Um 200 empfiehlt Tertullian2 bereits zwei weitere Gebets­ jetten, die dritte, sechste und neunte Stunde (Terj um 9 Uhr, Sext um i2 Uhr, Non um 15 Uhr), so daß der Tag durch fünf Gebete ge­

gliedert ist, die sich in Abständen von 3 Stunden folgen. Sein Zeit­ genosse, der Alexandriner Klemens kennt dieselbe Gebetsordnung, fügt aber auch für den christlichen Gnostiker noch die Empfehlung häufigen Betens während der Nacht hinzu, und der römische Hippolyt

schreibt gegen 220 außer den fünf Tagesgebeten noch um Mitter­ nacht und beim ersten Hahnenschrei (d.h. um o Uhr und 3 Uhr) Gebet vor3, so daß also die Siebenzahl der kanonischen Stunden bereits im ftühen dritten Jahrhundert erreicht ist. Man muß auch diese Weisung zum Gebet in Betracht ziehen, wenn man die Geistesart der hippolytischen Separatifiengemeinde würdigen will. Und die Bekanntschaft mit den Sttten des alexandrinischen Lehrers zeigt aufs neue, wie dieser Kreis die traditionellen Beziehungen zu Ägypten pflegt. Andrerseits ist es klar, daß diese auch die Nacht in den Gebetskreis einschließende Leistung nur einer stark asketisch gestimmten Gemeinde zusagt und nicht als allgemeine Regel für die Christenheit schlechthin gelten kann. Origenes4 erklärt ein dreimaliges Gebet am Tage, früh, mittags und abends, für pflichtmäßig und fügt ein viertes um Mitter­ nacht als unerläßlich hinzu.

Für die große Masse der Christen bleibt das dreimalige Gebet am Tage die Regel auch im vierten Jahrhundert, aber mit dem er­ starkenden Einfluß des Heranwachsenden Mönchtums mehren sich

auch die Bestrebungen, die Laien zu fleißigerem privaten Gebet — alle drei Stunden — zu veranlassen und sie an den regelmäßigen ') E. Schürer, Gesch. b. jüb. Volkes a‘, 539. Mischna Berachot 4,1. 2) Tert. orat. 25 (p. 197s. Wissowa). 3) Clem. Strom. 7,40,3 49,4 Paed. 2,79,2. Hippol. SO 32 (p. 116—118 Funk). 4) Orig, de orat. 12,2.

Gebetftrrnben

307

Besuch der Landes und Vespern in der Kirche zu gewöhnen \ Diese Feiern werden vielfach weiter ausgebauk und mit Gebeten und Hymnen, die Vespern auch mit Predigten, ausgestattet2. Obwohl wir in bezug auf Kirchenpoeste von der Überlieferung

weithin in Stich gelassen werden, stnd uns doch ein paar solcher Hym­

nen des vierten Jahrhunderts erhalten: vor allem ist der bis heute in der griechischen Kirche gebräuchliche Abendhymnus „Freundliches Licht" bereits um diese Zeit als ein altes Lied bezeugt und in Ge­ brauch2. Im Abendlande entstehen die mächtigen Hymnen des AmbrostuS und in Syrien entfaltet sich die Poesie des mönchischen

Dichters Ephrem von Edessa. Wo aber das Mönchtum in der Lage ist, direkten Einfluß auf bas kirchliche Leben auszuüben, da dringen auch die übrigen kanonischen Stunden in die tägliche Liturgie ein und rufen bald auch zur Nacht­ zeit den Klerus ins Gotteshaus: und die Gemeinde folgt in dem Maße, wie sie den immer kräftiger hervortretenden Einwirkungen mönchischer Frömmigkeit gehorcht. In dem von Basilius beherrschten kappadokischen Caesarea und in -er Pilgerstadt Jerusalem läßt sich

das besonders anschaulich studieren4. Hier können wir auch beob­ achten, wie gegen Ende des Jahrhunderts die mönchische Sitte des Durchwachens der ganzen Nacht zu einer Vorbereitung auf Kirchen­ feste, insbesondere auch Heiligentage, ausgebaut wird, und wie sich die Laien an diesen „Vigilien" oder „Pannychien" des Klerus mit steigendem Eifer beteiligen und am Psalmodieren teilnehmen2. Das liturgische Leben der Kirche und des hinter ihr stehenden Mönch­

tums erfaßt die Gemeinde in einem bisher nie gekannten Ausmaße. _____________

*

*) Joh. Chrys. Hom. 4, $ de S. Anna (4,737c) Hom. i8,5 in Acta (9,150t)) Hom. 6, i in 1. Tim. (11, 579ab). 2) Epiph. de fide 23,1. Socrates 5,22,55. 3) Basil, sptr. sanct. 29,73 (3,62b). Smothers in Recherches de seience relig. 19 (1929X 266—283. Andere Hymnen Const. ap. 7,47—49. Greg. Naz. Carm. ia n. 32 (2,290). 4) Über Basilius s. Bäumer, Gesch. d. Breviers S. 79—84, Jerusalem schildert Aetheria (vgl. ebenda S. 105—119). 8) Athan.apol.be fuga 24,3 Hifi. Arian. 81. Basilius Hom. in Ps. 114,1 (i, 199b). Greg. Naz. or. 5,25 (1,163a). carm. ib, 10,920 (2,460) 2a, 50,41 (2,944). Hilar. traet. in Ps. 118 lit. 7,6 (1,322 a). Aetheriae peregr. 27,7 29, 2 36 38. Am. Marcelt. 28,6,27. 20*

3

Westen 293 Konstantins. Maximian. 305 Severus 306 Konstantin 306 Maxentius

Diokletian 305 Maximin

Licinius 311 Maximin

312 Konstantin

313 Licinius 324 Konstantin 323—337 Konstantin Alleinherrscher

303 311 313 315 325 328 335

Beginn der Christenverfolgung Toleranzedikt des Galerius Mailänder Toleranzverordnung Kaisergericht in Mailand über die Donatisten Konzil zu Nicaea Atbanasius Bischof von Alexandria Athanasius nach Trier verbannt

337—340 Konstantin II.

Konstans

Konstantius

340 Konstans 350 Konstantius

350—361 Konstantius Alleinherrscher 339 341 342 346 350 355 356 358 359

Athanasius flieht nach Rom: Gregor in Alexandria Kirchweihsynode zu Antiochia Synode zu Serdika Heimkehr des Athanasius Katechesen des Kyrill von Jerusalem Synode zu Mailand Athanasius vertrieben: Georg in Alexandria Synode der Homoiusianer in Ankyra Doppelsynode zu Rimini und Seleucia

361—363 Julian 362 Synode des Athanasius zu Alexandria

Hans Lietzmann

Geschichte der Alten Kirche 1. Die Anfänge.

1937.

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VIII, 326 Seiten.

2. Auflage.

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2. Ecclesia catholica. Oktav.VIII,339S. 1936. Geb.RM4.80 3. Die Reichskirche. Oktav. VIII, 346S. 1938. Geb.RM 4.80 Jeder Band ist in sich abgeschlossen und einzeln käuflich

Aus den Urteilen:

„... Die meisterhafte Darstellung ist so gestaltet, daß sie auch ohne alle Vorkenntnisse gelesen und verstanden werden kann und doch auch dem Sachkenner neue Perspektiven aufweist und in dem gewissenhaft nach­ gewiesenen religionsgeschichtlichen und archäologischen Material sowie in der Betrachtung und Auswertung der christlichen Quellen eine Fülle neuer Erkenntnisse und Belehrungen vermittelt." Christentum u. Wissenschaft, Nr. 5, Mai 1935 „Ein Buch nicht nur für Gelehrte, sondern für alle, die gerade heute eine nähere Kenntnis, ein Wissen um die geistigen und tatsächlichen Grund­ lagen des umkämpften christlichen Glaubens suchen ... eine Arbeit, die geeignet ist, wieder einmal aus den Bereichen der Universität hinüberzu­ greisen in die Bezirke der gesamten lebendigen Bildung der Zeit." Deutsche Rundschau. Berlin

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Von Alfred Dedo Müller, Profefsor an der Universität Leipzig. Oktav. XIV, 468 Seiten. 1937. RM. 7.50, geb. RM. 8.50 ,,Wer christliche Ethik — Ethik nicht als Störung — überdenken will und gerne etwas liest, was warm und lebendig, aus christlichen Grundgedanken und doch mit anregender Weitschaft geschrieben ist, ... der wird von dem Buche von Mütter großen Gewinn haben." Korrespondenzblatt f. d. ev.-luth. Geists, in Bayern. 21. 9. 37

Geschichte der evangelischen Theologie feit dem Deutschen Idealismus Von v. Horst Stephan, Professor in Leipzig. Oktav. XV, 343 Seiten. 1938. RM 6.80, geb. 7.80 (Sammlung Töpelmann, Die Theologie im Abriß, Band 9.) Die Krisis, die den christlichen Glauben heute durchwogt und umbrandet, ist das Ergebnis einer langen Entwicklung. Sn der Geschichte der neueren Theologie findet diese Entwicklung ihren deutlichsten Ausdruck und die Krisis selbst ihre lehrreichste Beleuchtung. Mer auch abgesehen davon ist es notwendig, einer allzu rasch vergessenden Gegenwart den Gang der neueren Theologie vor Augen zu führen. Schon durch Pietismus und Aufklärung vorbereitet, hat er im Zusammenhang mit dem Deutschen Sdealismus eine solche Höhe erreicht, so lehrreiche Schicksale gehabt, bis in unsere Tage hinein eine solche Fülle bedeutender Lei­ stungen hervorgebracht, daß er dem Bewußtsein nicht wieder entschwinden darf. Die theo­ logische Gegenwart ist ohne Rückblick auf ihn unmöglich zu verstehen. Auch die Kritik kann nur dann fruchtbar werden, wenn sie von wirklicher Kenntnis getragen und von der Achtung erfüllt ist, die allem echten Kampf um die Wahrheit gebührt. DaS Buch toill mehr als jede ältere Behandlung des Gegenstandes geschichtlich sein. ES ist auS der Liebe zu seinem Stoff geboren, bemüht sich daher überall um wirkliches Verständnis und — auch in aller Kritik — um positive Würdigung. Es leitet durch Skizzen der attgemeingeschichtlichen und der kirchlichen Entwicklung dazu an, die theologischen Bewegungen in ihren großen Zusammenhängen zu verstehen. Es zeichnet schon daS religiöse Ringen deS Deutschen Sdealismus und seine theologischen Auswirkungen als spannungsreichen geschicht­ lichen Verlauf und führt dann in gleichem Sinn durch das 19. Sahrh. bis zur NachkriegStheologie (auch der »dialektischen"), die es erstmals geschichtlich einzuordnen versucht. So möchte eS durch geschichtl. Besinnung die Wirrnis der theologisch-kirchlichen Lage klären helfen.

VERLAG ALFRED TÖPELMANN / BERLIN W 35