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German Pages 356 Year 2019
Geschichte auf YouTube
Medien der Geschichte
Herausgegeben von Thorsten Logge, Andreas Körber und Andreas Weber
Band 2
Geschichte auf YouTube Neue Herausforderungen für Geschichtsvermittlung und historische Bildung Herausgegeben von Christian Bunnenberg und Nils Steffen
ISBN 978-3-11-059682-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-059949-7 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-059698-4 Library of Congress Control Number: 2019946392 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Umschlagabbildung: Man_Half-tube / DigitalVision Vectors / gettyimages.de Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Inhalt Einleitung Christian Bunnenberg und Nils Steffen Broadcast yourself: history stories! Geschichte auf YouTube – eine 3 Bestandsaufnahme
Kontexte Cord Arendes Sesamstraße und Telekolleg als Vorbilder? Erklärvideos auf YouTube als Fortsetzung des traditionellen Schul- und Bildungsfernsehens „mit anderen 27 Mitteln“ Nils Steffen Doing History auf YouTube – Erklärvideos als Form performativer 61 Historiografie Judith Uebing Geschichte in 10 Minuten – Wie geht das? Ein Vorschlag zur Analyse von 71 historischen Erklärvideos auf der Plattform YouTube
Narration und Authentizität Hannes Burkhardt DDR-Geschichte auf YouTube. Alltag und Diktatur in digitalen 97 Geschichtserzählungen des DDR-Museums (Berlin) Christian Bunnenberg Digital Storytelling im Museum – Besucher(innen) erzählen 125 Stadtgeschichte(n) Benjamin Roers „Herrlich unprofessionell“ – Zur Authentifizierung von Geschichte(n) auf 145 YouTube am Beispiel MrWissen2go (2012 – 2013)
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Inhalt
Produktion und Praxis Mirko Drotschmann „YouTube bietet ganz andere Möglichkeiten…“ – Interview mit dem YouTuber 163 Mirko Drotschmann (MrWissen2go) Florian Wittig Digital Story Telling auf YouTube – Werkstattbericht von „The Great 177 War“
Partizipation Henrike Rehders Partizipation für alle? Partizipative Geschichtskultur auf YouTube
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Moritz Hoffmann Die dunkle Seite der Partizipation: Überlegungen zur Historischen 211 Hassrede Christopher Friedburg Zwischen „Wahrheit“ und „08/15 Hitlerscheisse“ – Beiträge auf YouTube 227 mithilfe der Nutzerrollen analysierbar machen
YouTube und historische Bildung Anja Neubert „Ist auf jeden Fall ein geiles Thema!“ – TheSimpleClub als Herausforderung 261 historischer Nonsensbildung Bernhard Linke und Marie Föllen „Rom in 3 Minuten“ – Ein Werkstattbericht über den Einsatz von Erklärvideos 283 für Studierende der Geschichtswissenschaft
Inhalt
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Diskussion und Ausblick Jens Crueger Digital Native History: Überlegungen zum Kulturellen Gedächtnis im digitalen 295 Zeitalter Nils Steffen und Christian Bunnenberg Geschichte auf YouTube – ein Ausblick Literaturverzeichnis Autorinnen und Autoren
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Einleitung
Christian Bunnenberg und Nils Steffen
Broadcast yourself: history stories! Geschichte auf YouTube – eine Bestandsaufnahme 1 YouTube kills the TV-Star? Im April 2011 eröffnete der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) die Internationale Konferenz „httpast://digitalmemoryonthenet“ mit einigen kurzen „Gedanken zu Erinnerungskulturen online als Herausforderung für die politische Bildung“.¹ Anlass zur Tagung war der Befund, dass die klassischen Akteure der historisch-politischen Bildung wie etwa Schulen, Hochschulen, Museen, Archive, Gedenkstätten, Rundfunk- und Medienanstalten Konkurrenz bei der Erstellung und Verbreitung von Angeboten zur Vermittlung von Geschichte erhalten hatten. Eine Konkurrenz, die keiner Institution und keiner Profession verpflichtet zu sein schien, die aber trotzdem eines verband: die Nutzung der virtuellen Angebote und Kanäle des sogenannten Social Web oder Web 2.0. ² Wenn es bereits seit den späten 1970er Jahren durch die Gründung von Geschichtswerkstätten auch in Deutschland eine Gegenbewegung zu den etablierten Formen und Formaten der akademischen und medialen Geschichtsschreibung gab, waren diese gemäß des Mottos „Grabe, wo Du stehst“ vor allem in der Lokalund Regionalgeschichtsschreibung stark vertreten und mussten entweder klassische Verbreitungswege für ihre Forschungsergebnisse nutzen oder alternative Publikationsformen entwickeln, die dann allerdings häufig nur über eine geringe
Krüger, Thomas: Längst Teil der virtuellen Welt, http://www.bpb.de/mediathek/882/laengstteil-der-virtuellen-welt (25.11. 2018). Friedburg, Christopher: Was heißt hier „Web 2.0“? Überlegungen zu einem Grundbegriff in der geschichtsdidaktischen Diskussion um den „digitalen Wandel“. In: Medien machen Geschichte. Neue Anforderungen an den geschichtsdidaktischen Medienbegriff im digitalen Wandel. Hrsg. von Christoph Pallaske. Berlin 2015. S. 85 – 97. Hamann, Götz: Die Medien und das Medium. Web 2.0 verändert die Kommunikation der Gesellschaft. In: Web 2.0 die nächste Generation Internet. Hrsg. von Miriam Meckel u. Katarina Stanoesvska-Slabeva. Baden-Baden 2008. S. 213 – 227. Bernhardt, Markus u. Christopher Friedburg: „Digital“ vs. „Analog“? Eine Kritik an Grundbegriffen in der Diskussion um den „digitalen Wandel“ in der Geschichtsdidaktik und ein Versuch der Synthese von „Altem“ und „Neuen“. In: Zeitschrift für Geschichtsdidaktik 13 (2014). S. 117– 133. https://doi.org/10.1515/9783110599497-001
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Reichweite verfügten.³ Die Hoheit über die mediale und logistische Distribution von Inhalten lag weiterhin fast ausschließlich in den Händen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Journalistinnen und Journalisten sowie Verlegerinnen und Verlegern, die als „Medienschaffende“ die Funktionen der Gatekeeper und Agenda Setter wahrnahmen und so den Zugang zu den Medien sowie die Auswahl der verbreiteten Inhalte weitgehend kontrollierten. Erst die Öffnung des World Wide Web für die Öffentlichkeit ermöglichte – wenn auch zunächst nur mit entsprechendem informatischem Know-How – die Etablierung neuer Verbreitungs- und Rezeptionswege.⁴ Diese sollten durch das verstärkte Aufkommen der sozialen Medien im Web 2.0 Mitte der 2000er Jahre von einer bis in die Gegenwart andauernden Dynamik erfasst werden, in ihren Möglichkeiten und Reichweiten bisher ungeahnte Erweiterungen erfahren und dadurch die traditionellen Massenmedien und im Bereich der historisch-politischen Bildung die etablierten Akteure und Institutionen zunehmend unter Druck setzen.⁵ Die Veränderung der Medienlandschaft durch Social Media gründete vor allem auf den neuen Rahmenbedingungen der vernetzten Kommunikation, mit denen die klassischen Dichotomien zwischen Sender und Empfänger, zwischen Produzent und Konsument, zwischen Medienschaffenden und Publikum aufgehoben wurden. Erstmals war es möglich, das jede und jeder durch die Nutzung der digitalen Kanäle und Angebote der Sozialen Medien mit anderen Userinnen und Usern Verbindung aufnehmen, sich dauerhaft vernetzen, mediale Inhalte austauschen, für die Öffentlichkeit bereitstellen oder eben solche rezipieren, kommentieren, verändern und weiterverbreiten konnte.⁶
Gundermann, Christine: Öffentliche Geschichte – Public History an der Universität zu Köln. In: Geschichte in Köln 63 (2016). S. 259 – 270. Hier: S. 260 f. Knoch, Habbo: Wem gehört die Geschichte? Aufgaben der „Public History“ als wissenschaftliche Disziplin. In: Geschichtsdidaktik in der Diskussion. Grundlagen und Perspektiven. Hrsg. von Wolfgang Hasberg und Holger Thünemann. Frankfurt a.M. 2016. S. 303 – 346. S. 208. Lücke, Martin u. Irmgard Zündorf: Einführung in die Public History. Göttingen 2018. S. 17. Das Zitat „Grabe, wo Du stehst“ geht auf den schwedischen Titel des Buches „Gräv där du står“ von Sven Lindqvist aus dem Jahr 1978 zurück, das als theoretische Grundlage der Geschichtswerkstattbewegung gilt. Die Übersetzung ins Deutsche erfolgt 1989. Lindqvist, Sven: Grabe, wo Du stehst. Handbuch zur Erforschung der eigenen Geschichte. Bonn 1989. Marek, Roman: Unstanding YouTube. Über die Faszination eines Medium. Bielefeld 2013. S. 27 f. Machill, Marcel u. Martin Zenker: Youtube, Clipfish und das Ende des Fernsehens? Problemfelder und Nutzung von Videoportalen. Berlin 2007. Die Werbeagentur ethority global network GmbH mit dem Schwerpunkt Digitales Marketing und Marktforschung veröffentlicht regelmäßig ein „Social Media Prisma“ in dem um die 250 für den deutschsprachigen Raum relevanten Social-Media-Plattformen, -Tools und Anbieter in 25
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Die dazu notwendigen Plattformen und Ressourcen stellten Anbieter wie Facebook, Twitter oder YouTube in Form von Blogs, Wikis, sozialen Netzwerken, Foren, Mikroblogs, Sharing-Plattformen, Videoportalen oder ähnlichen technischen Lösungen zur Verfügung.⁷ Den Nutzerinnen und Nutzer eröffneten sich durch einen niedrigschwelligen Zugang und die unkomplizierte Nutzung der Anwendungen (Stichwort: Usability) die unterschiedlichsten Optionen zur Interaktion mit anderen Nutzerinnen und Nutzer oder Inhalten. Die zentrale Neuerung war aber die Möglichkeit, selbst produzierte Inhalte – user generated content – in das Netz einspeisen und verbreiten zu können.⁸ Vor allem schnell wachsende Plattformen wie das Videoportal YouTube entwickelten sich innerhalb weniger Jahre zu neuen massenmedialen Playern, von denen die bisherigen Produzenten-Nutzer-Abhängigkeiten und etablierte Rezeptionsmuster in Frage gestellt wurden. Das Fernsehen verlor (wie zuvor das Kino) den vorherrschenden Zugriff auf die Produktion und Verbreitung von Bewegtbildern.⁹ Während Fernsehsender und Medienanstalten mit einem redaktionell betreuten und linear aufgebauten Programm zu festen Sendezeiten nur bestimmte Zielgruppen erreichen konnten, bieten Videoportale wie YouTube, MyVideo oder ClipFish als riesige Videodatenbanken Inhalte, die von den Nutzerinnen und Nutzer individuell über Suchfunktionen gefunden und jederzeit konsumiert werden können.¹⁰ Die Zusammenstellung des Contents erfolgt allerdings nicht zielgerichtet, sondern war und ist davon abhängig, was die Netz-Community an selbst produzierten, (illegal) übernommenen, kompilierten oder geschnittenen digitalisierten Bewegtbildern auf die Plattform hochgeladen hat. Wem aber der Sinn nach einem Video zu einem bestimmten Inhalt steht, der kann hier fündig
Kategorien (z. B. Music, Travel, Food, Video) aufgelistet sind. Ein Vergleich der Prismen zeigt deutlich die Dynamik des Social Web mit dem Prinzip einer Verdrängung durch Innovation. Janner, Karin: Blog, Facebook, Twitter, YouTube – was soll ich nutzen? Orientierung im Dschungel der Tools. In: Social Media im Kulturmanagement. Grundlagen, Fallbeispiele, Geschäftsmodelle, Studien. Hrsg. von Karin Janner, Christian Holst u. Axel Kopp. Heidelberg 2011. S. 25 – 56. Stanoesvska-Slabeva, Katarina: Web 2.0 – Grundlagen, Auswirkungen und zukünftige Trends. In: Web 2.0 (wie Anm. 2), S. 13 – 38. Bernhardt/Friedburg, Kritik (wie Anm. 2), S. 123. Beißwenger, Achim: Audiovisuelle Kommunikation in der globalen Netzwerkgesellschaft. In: YouTube und seine Kinder. Wie Online-TV, Web TV und Social Media die Kommunikation von Marken, Medien und Menschen revolutionieren. Hrsg. von Achim Beißwenger. Baden-Baden 2010. S. 13 – 36. S. 17. Allgemein: Gräßer, Lars u. Aycha Riffi (Hrsg.): Einfach fernsehen? Zur Zukunft des Bewegtbildes. München 2013. Graf, Joachim: Aufmerksamkeitsökonomie und Bewegtbild. In: YouTube und seine Kinder (wie Anm. 9), S. 37– 43. S. 40.
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werden und bei Interesse auch mehrere Videos zum selben Thema schauen – im klassischen Fernsehformat undenkbar.¹¹ Bereits zwei Jahre nach der Gründung von YouTube war die Videoplattform Thema in der seit 1997 jährlich durchgeführten ARD/ZDF-Onlinestudie. Die Studienreihe versucht die „Internetentwicklung […] im deutschsprachigen Raum […] nicht nur quantitativ abzubilden, sondern gleichzeitig die dahinterliegenden Mechanismen zu betrachten“.¹² Während die Studie 2007 innerhalb der bundesdeutschen Gesellschaft noch in Onliner und Offliner trennte, um den Grad der Digitalisierung zu beschreiben, kommt sie an anderer Stelle zu folgendem Ergebnis: Dem Unterhaltungsbedürfnis der Jüngeren kommen die aktuellen Entwicklungen von Audiound Videoportalen und Communitys unter dem Schlagwort Web 2.0 entgegen. Vor allem bei jüngeren Anwendern hat deren regelmäßige Nutzung zugenommen. Insgesamt 14 Prozent aller Internetnutzer schauen einmal wöchentlich Videos im Internet an. Dies sind bereits doppelt so viele wie 2006. Bei den jüngeren Onlinern ist der Nutzungsanstieg gegenüber dem Vorjahr noch beeindruckender. 46 gegenüber 22 Prozent der 14- bis 19-Jährigen und 24 gegenüber 10 Prozent der 20- bis 29-Jährigen nutzen Videodateien mindestens einmal wöchentlich.¹³
Geschaut wurden laut Studie vor allem Musik-Clips aber auch Videos zur Unterhaltung, die „als Kurzschnipsel auf den neuen Videoportalen wie YouTube“ zur Verfügungen standen.¹⁴ Wissens- und Bildungsthemen kamen zusammen mit Beiträgen zum Sport gleichauf an vierter Stelle nach Videos mit Nachrichten. Insgesamt legte die Erhebung aber den Schluss nahe, dass „Videoportale […] ein Treiber des Anstiegs bei der Videonutzung sind“.¹⁵
2 Geschichte im Social Web An dieser Stelle soll ein Blick zurück zu der eingangs genannten Tagung der bpb geworfen werden, die mit dem Jahr 2011 ungefähr mittig auf der Entwicklungslinie zwischen dem Aufkommen des Web 2.0 und der Gegenwart des Jahres 2019 steht und sich mit den skizzierten veränderten digitalen Rahmenbedingungen zu be-
Machill/Zenker, YouTube (wie Anm. 5), S. 9 – 11. von Eimeren, Birgit u. Beate Frees: Internetnutzung zwischen Pragmatismus und YouTubeEuphorie. In: Media Perspektiven 8 (2007). S. 362– 378, S. 362. von Eimeren/Frees, Internetnutzung (wie Anm. 9), S. 369 f. von Eimeren/Frees, Internetnutzung (wie Anm. 9), S. 369 f. von Eimeren/Frees, Internetnutzung (wie Anm. 9), S. 369 f.
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schäftigen suchte. Auch seinerzeit wurden die Sozialen Medien als Orte und Wege einer neuen medialen Verbreitung von historisch-politischen Inhalten wahrgenommen. Eine Wahrnehmung, die vornehmlich die marktführenden Social Media-Angebote und -Kanäle in den Blick nahm – „Auschwitz auf Facebook. Anne Frank auf YouTube. Ein Tweet aus dem Holocaust Museum.“¹⁶ Die Tagung fragte daher nach den „Veränderungen der Erinnerungskultur im Zeitalter von Google und Facebook“, der Zukunft der Erinnerung und den Folgen für die historischpolitische Bildung.¹⁷ Interessant ist in der Retrospektive allerdings, dass dabei nicht nur eine kulturpessimistische Perspektive eingenommen, sondern die neuen Kommunikationsformen vielmehr auch als Chance begriffen wurden, vor allem Jugendlichen wieder an die Auseinandersetzung mit Vergangenheit und Geschichte heranzuführen. Und während die Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmer diskutierten, machten die Nutzerinnen und Nutzer in den sozialen Medien Geschichte; es wurden zu historischen Themen Blogs aufgesetzt, wikipedia-Artikel geschrieben, Twitter-Accounts angelegt und YouTube-Videos erstellt und geteilt. Diese medialen Formate und Produkte erregten seit den 2000er Jahren auch zunehmend das Interesse der geschichtswissenschaftlichen, geschichtsdidaktischen und medienpädagogischen Forschung, die sich mit unterschiedlichen methodischen Zugriffen den im Social Web vorhandenen Inhalten, deren gängigen Erscheinungsformen, dem Nutzungsverhalten sowie den pädagogischen und didaktischen Potenzialen auseinandersetzten.¹⁸ Augenfällig ist, dass sich die wenigsten Texte Videoplattformen wie YouTube als Untersuchungsgegenstand
Krüger, Virtuelle Welt (wie Anm. 1). Krüger, Virtuelle Welt (wie Anm. 1). Eine Auswahl für die Social Media Plattformen Wikipedia, Twitter und Facebook: Lorenz, Maren: Geschichtsdarstellung und Geschichtsverhandlung in Wikipedia oder die Sehnsucht nach Beständigkeit im Unbeständigen. In: History goes Pop. Zur Repräsentation von Geschichte in populären Medien und Genres. Hrsg. von Barbara Korte u. Sylvia Paletschek. Bielefeld 2009. S. 289 – 312. Lorenz, Maren: Wikipedia als Wissensspeicher der Menschheit – genial, gefährlich oder banal? In: Erinnerungskultur 2.0 – Kommemorative Kommunikation in digitalen Medien. Hrsg. von Erik Meyer. Frankfurt am Main 2009. S. 207– 236. Hodel, Jan: Wikipedia und Geschichtslernen. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 63 (2012) 5/6. S. 271– 284. Burkhardt, Hannes: Mythosmaschine Twitter? Fakten und Fiktionen im Social Web zu Rudolf Heß und der Bombardierung Dresdens 1945. In: Zeitschrift für Geschichtsdidaktik 17 (2018). S. 42– 56. Burkhardt, Hannes: Geschichts im Social Web. Geschichtsnarrative und Erinnerungsdiskurse auf Facebook und Twitter mit dem kulturwissenschaftlichen Medienbegriff „Medium des kollektiven Gedächtnisses“ analysieren. In: Medien machen Geschichte, (wie Anm. 2), S. 99 – 114. Aßmann, Sandra u. Bardo Herzig: Integrative Medienbildung in der Geschichtsdidaktik am Beispiel von TwHistory-Projekten. In: Medien machen Geschichte, (wie Anm. 2), S. 67– 84. Bernhardt/Friedburg, Kritik (wie Anm. 2), S. 124.
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annehmen, sondern sich vielmehr text- und bildbasierten Social Media Angeboten wie der Online-Enzyklopädie wikipedia, dem Social-Network Facebook oder dem Mikrobloggingdienst Twitter zuwenden, obwohl gerade den audiovisuellen Medien im Netz das größte Verbreitungspotenzial zugesprochen wird.¹⁹ Laut der aktuellen vom Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest (mfps) zum 20. Male in Folge jährlich durchgeführten JIM-Studie (Jugend, Information, (Multi‐)Media) haben die befragten Zwölf- bis 19-Jährigen Jugendlichen in ihrem Haushalt gegenwärtig zu 99 % Zugang zu einem Smartphone und zu 98 % einen Computer oder Laptop mit Internetanschluss. Erst danach folgen die klassischen Medien Fernsehgerät (96 %) und Radio (87 %). Bei 97 % der Jugendlichen befindet sich das genutzte Smartphone zudem in ihrem Besitz, der Computer oder Laptop bei 69 % – hier mit deutlich fallender Tendenz gegenüber den Vorjahren – und das Fernsehgerät bei 53 %.²⁰ Über die Hälfte der Haushalte nutzen über die Fernseher zusätzlich Streaming-Dienste, Mediatheken oder Pay-TV-Angebote, so dass auch hier nicht nur das Programm der Medien- und Rundfunkanstalten, sondern ebenfalls digitale Formate rezipiert werden.²¹ Das Smartphone ist und bleibt aber das Gerät der Wahl und konnte auch in der letzten Befragung seine unangefochtene Stellung als „Weltaneignungsassistent“ einer ganzen Generation noch weiter ausbauen, unabhängig vom Bildungshintergrund der Jugendlichen.²²
John, Anke: Wissen2go – Frontalunterricht auf YouTube. In: Public History Weekly 5/25 (2017), DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2017-9584 (25.11. 2018). Wehen, Britta: Geschichtsvideos im Netz. In: Praxishandbuch Historischen Lernen und Medienbildung im digitalen Zeitalter. Hrsg. von Daniel Bernsen u. Ulf Kerber. Opladen 2017. S. 237– 248. Kemper, Joachim: Interview „YouTube macht Geschichte“. ttps://archive20.hypotheses.org/788 (25.11. 2018). Lange, Britta: Ein „Archiv der Erinnerungen“ zwischen Geschichte und Fiktion. Zeitzeugenvideos auf www.gedaechtnis-der-nati on.de. In: Geschichte erzählen. Medienarchive zwischen Historiographie und Fiktion. Hrsg. von Thomas Ballhausen, Valerie Strunz u. Günter Krenn. Wien 2014 (Medien Archive Austria). S. 15 – 34. An der Universität Duisburg-Essen entsteht derzeit eine geschichtsdidaktische Promotion zum Thema Geschichte auf YouTube: Christopher Friedburg: Die Praxis der Geschichtskultur 2.0 – eine Untersuchung der von Nutzern eingebrachten Inhalte und Überzeugungen auf der Videoplattform YouTube. URL: https://www.uni-due.de/graduiertenkolleg_1919/friedburg_ christopher.php (25.11. 2018). Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs): JIM-Studie 2017. S. 6 u. 8. Reuter, Theresa: Überall mit dem Smartphone online. Die JIM-Studie 2017 zur Mediennutzung der 12- bis 19-Jährigen. In: Gemeinsam Lernen. Zeitschrift für Schule, Pädagogik und Gesellschaft 4 (2018) 4. S. 8 – 13. Mpfs, JIM-Sudie (wie Anm. 20), S. 7. Albrecht-Hermanns, Marc: „Weltaneignungs-Assistent“ – immer in der (Hosen‐)Tasche. In: Gemeinsam Lernen. Zeitschrift für Schule, Pädagogik und Gesellschaft 4/4 (2018). S. 38 – 44. Der Begriff „Weltanschauungsassistent“ geht zurück auf den baden-württembergischen Lehrer Bob Blume (Twitter: @blume_bob).
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Gemäß einer Selbsteinschätzung sind die Jugendlichen täglich durchschnittlich 221 Minuten online und verwenden diese Zeit – in Mittelwerten für alle Altersgruppen, beide Geschlechter sowie die unterschiedlichen Bildungshintergründe – auf Kommunikation (38 %), Spiele (20 %), Unterhaltung (30 %) und Informationssuche (11 %). Das Ansehen von Online-Videos hat für Jungen dabei eine deutlich höhere Relevanz (92 %) als für gleichaltrige Mädchen (80 %) – die Entscheidung für das liebste Internetangebot fiel bei beiden Geschlechtern letztlich dann allerdings doch auf die Videoplattform YouTube, die aber weniger über die Smartphone-App als vielmehr über Computer oder Laptop genutzt wird.²³ Auch die aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Die untersuchte Gruppe der 14- bis 24-Jährigen ist, so ein zentrales Ergebnis der Studie, die erste Generation ohne sogenannte „Offliner“ und wird als „Generation Internet“ bezeichnet.²⁴ Trotzdem weisen die Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Zuschreibung „Digital Natives“ von sich und äußern – in Abstufungen je nach Zuordnung zu den in der Studie definierten „Internet-Milieus“ – im Umgang mit digitalen Angeboten nicht nur Euphorie, sondern auch Unsicherheit, Misstrauen und sogar Angst.²⁵ Aber auch in dieser Studie zeigt sich die Relevanz von YouTube in der Lebenswelt der Befragten, die zudem Angaben zu ihrem Nutzungsverhalten machen. Neben dem Aspekt der Unterhaltung dient die Videoplattform als Anlaufpunkt für OnlineRecherchen im Zusammenhang mit Schule und Hochschule. Mehr als 85 % der Jugendlichen und jungen Erwachsenen nutzen das Internet zum Lernen; auf YouTube suchen sie in diesem Zusammenhang gezielt nach „Lernvideos“.²⁶
Mpfs, JIM-Sudie (wie Anm. 20), S. 33. DIVSI U15-Studie, Euphorie war gestern. Die „Generation Internet“ zwischen Glück und Abhängigkeit, https://www.divsi.de/wp-content/uploads/2018/11/DIVSI-U25-Studie-euphorie.pdf (29.11. 2018). Die Studie identifiziert die Probanden je nach „Einstellungen, Wertvorstellungen und Verhaltensweisen“ als Vertreter von Internet-Milieus (Verantwortungsbedachte, Skeptiker, Pragmatische, Unbekümmerte, Enthusiasten und Souveräne). DIVSI U15-Studie, Euphorie war gestern (wie Anm. 24), S. 30. DIVSI U15-Studie, Euphorie war gestern (wie Anm. 24), S. 102. Ähnliche Tendenzen weist auch eine empirische Studie auf, in der die Schülerinnen und Schüler angeben, sich mit YouTube-Videos auf schulische Prüfungen vorzubereiten. Rummler, Klaus u. Karsten D. Wolf: Lernen mit geteilten Videos: aktuelle Ergebnisse zur Nutzung, Produktion und Publikation von online-Videos durch Jugendliche. In: Media, Knowledge and Education: Cultures and Ethics of Sharing/Medien – Wissen – Bildung: Kulturen und Ethiken des Teilens. Hrsg. von Wolfgang Sützl, Felix Stalder, Ronald Maier u. Theo Hug. Innsbruck 2012. S. 253 – 266.
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3 Geschichte als „user generated content“ auf YouTube Lern- oder Erklärvideos stellen nur einen kleinen Ausschnitt aus dem breiten Angebot menschlichen Filmschaffens dar, das bei YouTube hochgeladen wurde und weiterhin hochgeladen wird. Die Videoplattform YouTube wurde 2005 von den drei ehemaligen PayPal-Mitarbeitern Chad Hurley, Steve Chen und Jawed Karim gestartet.²⁷ Das erste am 23. April 2005 hochgeladene Video „Me at the Zoo“ zeigt in einer 18-sekündigen Aufnahme den Mitgründer Jawed Karim während eines Zoobesuchs vor dem Elefantengehege und steht dabei stellvertretend für die Funktion der Plattform. YouTube stellt die Technik für die Speicherung von Videos, die von den Nutzerinnen und Nutzern jederzeit gestreamt werden können – d. h. die Inhalte des Videos können abgerufen werden, ohne dass große Datenmengen übertragen werden oder eine Speicherung auf dem Ausgabegerät zu erfolgen hat. Die Abgrenzung zu Mediatheken oder Video-on-Demand-Angeboten besteht einerseits in der kostenlosen Nutzung und andererseits darin, dass vor allem user generated content auf die Plattform geladen werden kann. Weiterhin besteht die Möglichkeit zur Partizipation, indem Videos durch die Nutzerinnen und Nutzer kommentiert und bewertet werden können.²⁸ Die Resonanz auf die Videoplattform war unmittelbar nach ihrem Start bereits so stark, dass Google die YouTube 2006 nach kaum mehr als einem Jahr Laufzeit für über eine Milliarde USDollar übernommen hat.²⁹ Mittlerweile ist YouTube zu einer werbefinanzierten Plattform herangewachsen, deren Videos nicht nur von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, sondern von Nutzerinnen und Nutzer (fast) jeden Alters weltweit nachgefragt werden. Die über ein Konto angemeldeten YouTube-Benutzerinnen und Benutzer nutzen individualisierbare Kanäle, über die Videos veröffentlicht, bewertet, empfohlen oder verknüpft werden können – aber nicht müssen, denn eine eingeschränkte Nutzung der Website ist auch ohne Konto möglich. Im Juli 2015 gab das Management bekannt, dass jede Minute über 400 Stunden neues Videomaterial auf die Plattform hochgeladen würden und im Februar 2017 verwies man
Eine biographische Darstellung bietet Duffield, Katy: Chad Hurley, Steve Chen, Jawed Karim. YouTube Creators. Farmington Hills, 2008. Rudolph, Dominik: YouTube und Fernsehen: Konkurrenz oder Ergänzung? Eine mehrstufige, vergleichende Analyse aus Nutzersicht unter besonderer Berücksichtigung der Digital Natives. Münster 2014. Hier: S. 55 – 57. Bernhardt/Friedburg, Kritik (wie Anm. 2), S. 126. Marek, Unstanding YouTube (wie Anm. 4), S. 16.
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darauf, dass jeden Tag mehr als 1 Milliarde Stunden an YouTube-Videos abgerufen werden.³⁰ Das filmische Angebot ist in seinen Erscheinungsformen dabei schwer zu beschreiben, da es neben den selbst erstellten Videos mittlerweile auch speziell für YouTube professionell produzierte Bewegtbild-Formate und zahllose Mitschnitte oder Kopie von Fernseh- und Kinoproduktionen gibt. Eine abschließende Liste der vorhandenen Formate scheint kaum möglich: Beliebte Genres selbst erstellter Videos sind überwiegend unterhaltsame Formate. Neben den aus dem Fernsehen bekannten Genres wie Comedy, Parodien, Testberichte und Epic Fails (Pleiten, Pech und Pannen) sind das originäre Genres wie Let’s-Plays-, Sport- und andere Performance-Videos (herausragende und teilweise gefährliche Demonstrationen des eigene und fremden Könnens), Produkt-kaufen-und-auspacken-Videos (Haul- und UnpackVideos), Lifestyle-, Beauty- und Fashion-Videoblogs, Mashups (das sinnverändernde Kombinieren und Zusammenschneiden unterschiedlicher Quellen), sowie Internet-Memes.³¹
Neben diesen Unterhaltungsformaten konnte sich im Bereich der Wissensvermittlung auf YouTube vor allem das Erklärvideo als ein von den Nutzerinnen und Nutzer stark nachgefragtes Genre etablieren. Der Mediendidaktiker Karsten Wolf definiert Erklärvideos als „eigenproduzierte Filme, in denen erläutert wird, wie man etwas macht oder wie etwas funktioniert, bzw. in [denen] abstrakte Konzepte und Zusammenhänge erklärt werden“.³² Dieser Ansatz hilft, Erklärvideos von ähnlichen Formaten wie dem Lehrfilm, dem Performanzvideo oder dem Videotutorial abzugrenzen. Lehrfilme sind im Gegensatz zu Erklärvideos professionell erstellte Produktionen, bei denen die Schwerpunkte auf der didaktischen und medialen Gestaltung liegen. Sie orientieren sich konzeptionell und ästhetisch an Angeboten des Bildungs- oder (populären) Wissenschaftsfernsehens.³³ Einen
Die Uploadzahlen sind diesem Artikel entnommen: https://www.tubefilter.com/2015/07/26/ youtube-400-hours-content-every-minute/ (29.11. 2018). Der Hinweis auf die Zugriffzeiten finden sich im YouTube-Blog: https://youtube.googleblog.com/2017/02/you-know-whats-cool-billionhours.html (29.11. 2018). Wolf, Karsten D.: Produzieren Jugendliche und junge Erwachsene ihr eigenes Bildungsfernsehen? Erklärvideos auf YouTube. In: TeleVZIon 18/1 (2015). S. 35 – 39. Hier: S. 35. Eine ähnliche Liste – allerdings ohne Verweis auf Erklärvideos – bieten die Medienpädagogen Eike Rösch und Daniel Seitz. Eike Rösch u. Daniel Seitz: YouTube als Teil der Jugendkultur – eine kleine Genrekunde. In: Einfach Fernsehen? Zur Zukunft des Bewegtbildes. Hrsg.von Lars Gräßer u. Aycha Riffi. Marl 2013. S. 45 – 52. Seitz, YouTube als Jugendkultur (wie Anm. 31), S. 36. Karsten D. Wolf: Bildungspotenziale von Erklärvideos auf YouTube. Audiovisuelle Enzyklopädie, adressatengerechtes Bildungsfernsehen, Lehr-Lern-Strategie oder partizipative Peer Education? In: merz medien + erziehung, zeitschrift für medienpädagogik 59/1 (2015). S. 30 – 36.
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Gegenpol bilden die sogenannten Performanzvideos, die einen Vorgang dokumentieren, allerdings ohne didaktische Absichten. Eine Nachahmung des Gezeigten durch die Nutzerinnen und Nutzer ist zwar möglich, von den Produzierenden aber nicht intendiert.³⁴ Videotutorials wiederum verfügen zwar über eine didaktische Herangehensweise, widmen sich aber der Visualisierung von konkreten Handlungen oder Abläufen, die auf eine Wiederholung durch die Zuschauerinnen und Zuschauer abzielt – in Abgrenzung zu Erklärvideos haben sie aber keine komplexen Sachverhalte zum Inhalt und gelten daher als Subgenre.³⁵ Erklärvideos hingegen zeichnen sich vor allem durch vier Merkmale aus, die eng mit den Spezifika der Videoplattform YouTube verknüpft sind: thematische sowie gestalterische Vielfalt, einen informellen Kommunikationsstil und eine Diversität in der Autoreninnen- und Autorenschaft.³⁶ Während sich die Produktionen klassischer Bildungsangebote in Bewegtbildformaten auch an wirtschaftlichen Rahmenbedingungen orientieren müssen und daher auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Thema und Nachfrage zu achten haben, bietet YouTube die Möglichkeit unter Ausschluss von wirtschaftlichen Erwägungen auch Spezialthemen zum Inhalt von Erklärvideos zu machen, die dann nur von einem kleinen Kreis an Rezipientinnen und Rezipienten geschaut werden. Gleiches gilt grundsätzlich auch für die Gestaltung der Beiträge, die ebenfalls keinen Formatspezifika unterworfen sind. Es besteht eine Freiheit bei der Wahl des Drehortes, der Laufzeit oder dem Grad der Professionalität einer Produktion.³⁷ Inwiefern diese Beliebigkeit mit den von YouTube für Kanalbetreibenden eröffneten Monetarisierungsmöglichkeiten durch Werbeeinnahmen, den Erwartungen von Zuschauerinnen und Zuschauer an feste Veröffentlichungsrhythmen oder ästhetische Mindestanforderungen bei größeren Kanälen noch gegeben ist, sei dahingestellt – Karsten Wolf spricht in diesem Zusammenhang von einer „Selbstprofessionalisierung“ der als „YouTuber“ bezeichneten Produzentinnen und Produzenten.³⁸
Wolf, Bildungsfernsehen (wie Anm. 31), S. 36. Karsten D. Wolf: Video-Tutorials und Erklärvideos als Gegenstand, Methode und Ziel der Medien- und Filmbildung. In: Filmbildung im Wandel. Hrsg. von Anja Hartung, Thomas Ballhausen, Christine Trültzsch-Wijnen, Alessandro Barberi u. Katharina Kaiser-Müller. Wien 2015. S. 121– 131. Hier: S. 124. Wolf, Bildungsfernsehen (wie Anm. 31), S. 36. Wolf, Bildungspotenziale (wie Anm. 33), S. 31 f. Wolf, Bildungsfernsehen (wie Anm. 31), S. 35. Wir haben uns entschieden, die Selbstbezeichnung „YouTuber“ in ihrer Form als Kunstbegriff und Anglizismus auch im Sinne einer höheren Lesefreundlichkeit hier und im Folgenden nicht zu gendern. Nach unserem Verständnis sind selbstverständlich alle Geschlechter explizit mit eingeschlossen. Bernhardt/Friedburg, Kritik (wie Anm. 2), S. 126 – 129.
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Ein unausgesprochener Konsens besteht allerdings bezüglich des Kommunikationsstils in Erklärvideos. Das Ziel ist eine Kommunikation auf Augenhöhe zwischen den Produzierenden und den Zuschauenden. Werden Abweichungen festgestellt, kann dies von den Nutzerinnen und Nutzern als nachteilig ausgelegt werden und zum Ablehnen bzw. Ignorieren des Angebotes führen.³⁹ Die Diversität in der Autorenschaft ist das größte Potenzial, das YouTube im Zusammenhang mit Erklärvideos zu bieten hat. Dieses äußert sich zum einen in der bereits erwähnten und von den klassischen Medien nicht abzubildenden thematischen Vielfalt, aber auch in dem Phänomen von Parallelproduktionen zu einzelnen Inhalten – so ergibt allein die Suchanfrage „Erklärvideo Französische Revolution“ bei YouTube Dutzende Treffer zu Videos, die sich alle dem Genre „Erklärvideo“ zuordnen lassen und damit zunächst gewissermaßen ein Überangebot abbilden. Mediendidaktiker sprechen in diesem Zusammenhang aber von den Vorteilen einer „selbst selektierenden Adressatenschaft“.⁴⁰ Die „Heterogenität in Bildungshintergrund, Milieu,Vorwissen, Sprache und anderen für die Gestaltung relevanten Eigenschaften der YouTube-Erklärenden“ eröffnet den Nutzerinnen und Nutzer die Möglichkeit, das für sie passende Angebot herauszufiltern.⁴¹ Damit bildet die erst Vielfalt der eingestellten Videos die eigentliche Grundlage für den Erfolg der Erklärformate auf YouTube.
4 Erklärvideos – die geschichtsdidaktische Perspektive Auch für den Bereich der Geschichtsvermittlung lassen sich Erklärformate auf YouTube identifizieren, die von den zumeist jugendlichen Nutzerinnen und Nutzer als Bildungsangebote ergänzend zum schulischen Unterricht nachgefragt werden. Als ersten Treffer zu der Suchanfrage „Erklärvideo Französische Revolution“ ist den Autoren dieses Beitrages das Erklärvideo „Die französische Revolution – Die Anfänge!“ des YouTube-Kanals „Geschichte – simpleclub“ angezeigt worden.⁴² Das Video wurde am 15. September 2016 veröffentlicht, ist bis zum 30. November 2018 mehr als 500.000 aufgerufen worden und hat im selben Zeitraum 8.058 positive und 136 negative Bewertungen erhalten. In der Kommentarspalte haben Zuschauerinnen und Zuschauer Bemerkungen hinterlassen,
Vgl. den Beitrag von Anja Neubert in diesem Band. Wolf, Bildungsfernsehen (wie Anm. 31), S. 38. Wolf, Bildungsfernsehen (wie Anm. 31), S. 38. Geschichte – simpleclub, https://www.youtube.com/watch?v=B1 J24_81uIc (30.11. 2018).
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die vor allem positiv ausfallen: „Um sowas einfaches zu erklären verschwenden manche Lehrer mehrere Schulstunden…“ [Alien]; „Ich finde das richtigggg gut, dass ich auch genau die Sachen in eure Videos packt, die man auch im Unterricht immer anspricht“ [Pokeballqueen]; „Unser Geschichtslehrer war ein ‚fran. Revolutions-Fan“… Das heißt, dass wir ein Jahr lang nur dieses Thema behandelt haben ._. Cool, dass ihr den Inhalt in knapp 6 min. erklären konntet. […]“ [Joker]; „Lernen mit Euch macht soooo viel Spaß.“ [Downchill]. Einige Hinweise auf die Nutzung des Videos lassen sich ebenfalls aus den Kommentaren ableiten, so wurde es sowohl zur häuslichen Prüfungsvorbereitung („Danke. Danke. Schreib morgen eine Arbeit drüber“ [Unbekannt xD]) oder in unterrichtlichen Kontexten („Wie wir das heute einfach in Geschichte geguckt haben…“ [Stefan Eisen]) genutzt. Inhaltlich entspricht es vor allem dem Merkmal des informellen Kommunikationsstils und bedient dabei genretypischer Formulierungen, die auf die Komplexität des Themas verweisen („Das ist eine etwas komplizierte Sache…“ [Tonspur ab 0:08]), den Zuschauerinnen und Zuschauern aber zeitgleich eine gemeinsame Auseinandersetzung mit dem Thema auf Augenhöhe („… richtig spannendes Thema. Deswegen erklären wir auch in dieser Videoreihe, um was es eigentlich dabei geht.“ [Tonspur ab 0:10]) ankündigen und damit „eine nicht-bedrohliche, fehlertolerante, positive Lernatmosphäre“ schaffen.⁴³ Aus geschichtsdidaktischer Perspektive können die Erfolgsfaktoren der Erklärvideos zu geschichtlichen Inhalten aber nicht ohne weiteres auch als solche für einen gelungenen Lehrervortrag gelten. Während von den zumeist jugendlichen Zuschauerinnen und Zuschauern die Stärken der Videos – Verständlichkeit, Eingängigkeit, Anschaulichkeit o. ä. – vor allem in Abgrenzung zu von ihnen wahrgenommenen (vermeintlichen?) Schwächen des Geschichtsunterrichts betont werden, bewerten geschichtsdidaktische Analysen die in ausgewählten Videos vermittelten historischen Erzählungen und Urteile bislang im Gegenzug als „faktisch, vereinfachend und mitunter sogar plump“.⁴⁴ Die Gestaltung der Beiträge auf Videoplattformen wie YouTube ist immer einer Aufmerksamkeitsökonomie verpflichtet. Die konsequente Umsetzung geschichtsdidaktischer Prinzipien zur Unterrichtsgestaltung wie ein problemorientierter Zugriff auf den Inhalt über die Formulierung historischer Fragen, die Einbindung von Lebenswelt- und Gegenwartsbezügen, eine klare Strukturierung bei der Erklärung der historischen Sachverhalte sowie die durch die Plattform gegebene Möglichkeit zum Austausch gelten bei Produzenten und Konsumenten letztlich als Gegenstück zu einem
Wolf, Bildungspotenziale (wie Anm. 33), S. 32 f. John, Wissen2go (wie Anm. 19).
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schulischen Geschichtsunterricht, in dem „sachliche Präzision und mediale Präsentation oft durch Weitschweifigkeit und Redundanz ersetzt werden“.⁴⁵ Ein empirischer Nachweis über die Wirkung von Erklärvideos bei YouTube wurde allerdings für den Geschichtsunterricht noch nicht erbracht. So besteht Klärungsbedarf hinsichtlich der Frage, ob und wie Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Erklärvideos und Geschichtsunterricht zu beschreiben sind. Handelt es sich bei den Videos tatsächlich um ein wirksames Format zur Vermittlung historischer Sachverhalte? Oder entsteht dieser von den Betrachterinnen und Betrachtern kolportierte Eindruck, weil die Machart der Videos gängige Vorstellungen von und Erwartungen an die Vermittlung von Geschichte bedienen? Ausgangspunkt für eine geschichtsdidaktische Untersuchung von Erklärvideos bei YouTube kann eine Fokussierung der Denkoperationen „Verstehen“ und „Erklären“ sein, die in der Geschichtswissenschaft seit dem späten 19. Jahrhundert zunächst als Gegensätze aufgefasst, in der modernen Geschichtswissenschaft als Zusammenspiel von „hermeneutische[m] Verstehen und kausale[m] Erklären“ aber wieder aufgegriffen wurde.⁴⁶ Hans-Jürgen Pandel verweist auf die Trivialität des Begriffes „Erklären“ in pädagogisch-didaktischen Zusammenhängen, in denen sich die geschichtstheoretischen und historiografischen Implikationen nicht abbilden lassen.⁴⁷ Er kennzeichnet das „narrative Erklären“ als den „spezifischen Typ der Erklärung in der Geschichtswissenschaft“ und grenzt es damit vom „kausalen Erklären“ anhand von Ursache-Wirkungs-Ketten, dem „nomologischen Erklären“ unter Anwendung von Gesetzmäßigkeiten sowie dem „probabilitischen Erklären“ beruhend auf statistischen Wahrscheinlichkeitsgesetzen ab.⁴⁸ Obwohl alle genannten Formen im Geschichtsunterricht genutzt werden, könne nur durch das „narrative Erklären“ historische Ereignisse und Phänomen in beschreibenden Sinnzusammenhänge gebracht werden, „die erzählenden Aussagen sind gleichzeitig die erklärenden“.⁴⁹ Im Kontext internationaler Forschung wurden Erklären und Erklärungen im Geschichtsunterrichts ebenfalls unter ähnlichen Gesichtspunkten diskutiert, die Ermittlung und Beschreibung von Gütekriterien für eine als qualitätiv hochwertig empfundene und gleichermaßen wirkmächtige Erklä-
Ebd. Anke John verweist auf die Studie zu „gutem“ Geschichtsunterricht von Johannes MeyerHamme, Holger Thünemann u. Meik Zülsdorf-Kersting: Was heißt guter Geschichtsunterricht? Perspektiven im Vergleich. Schwalbach/Ts. 2012. Pandel, Hans-Jürgen: Geschichtstheorie. Eine Historik für Schülerinnen und Schüler und Schüler – aber auch für ihre Lehrer. Schwalbach/Ts. 2017. Hier: S.116. Pandel, Hans-Jürgen: Geschichtsdidaktik. Eine Theorie für die Praxis. Schwalbach/Ts. 2013. Hier: S.408. Pandel, Geschichtsdidaktik (wie Anm. 47), S. 408. Pandel, Geschichtsdidaktik (wie Anm. 47), S. 410.
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rung aus der Perspektive des Erklärenden wie des Rezipienten stellt aber weiterhin ein geschichtsdidaktische Desiderat dar.⁵⁰ Die im Zusammenhang mit Erklärvideos auf YouTube zu stellende Frage, welche Ausprägungen des Erklärens und Darstellens von historischen Zusammenhängen zum Zuge kommen und welche Auswirkungen und welchen Anteil diese letztlich auf eine nachhaltige Verstehensleistung bei den Nutzerinnen und Nutzer haben, kann in diesem Band daher nicht beantwortet werden. Es lassen sich in den einzelnen Beiträgen aber Hinweise darauf finden, unter welchen Rahmenbedingungen es für YouTuber und die Nutzerinnen und Nutzer der Plattform zu einer gelungenen Erklär- und Verstehenssituation durch Erklärvideos kommen kann.
5 Konzept und Struktur des Bandes Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt: Videoplattformen wie YouTube sind jung, dynamisch und werden viel genutzt: Für über 60 % der unter 18jährigen Digital Natives ist YouTube laut JIM-Studie 2017 „ein probates Mittel, um sich regelmäßig über Themen zu informieren“ und nach Google bzw. Suchmaschinen zweite Anlaufstelle für Suchen im Internet.⁵¹ Damit wird dieses Web 2.0-Angebot häufig genutzt – sowohl zur Unterhaltung als auch zur Bildung.⁵² Medienkonsum, Sehverhalten, Aufnahmevermögen und Partizipationswillen von jungen Menschen sind an die Gegebenheiten digitaler Medien angepasst. Audiovisuell-partizipative Medien eröffnen damit ein enormes Potential für die historisch-politische Bildung. In den Kulturwissenschaften hat man diese Plattformen bereits als Vgl. bspw. Chapman, Arthur: Camels, Diamonds and Counterfactuals: A Model for Teaching Causal Reasoning. In: Teaching History 112 (2013), S. 46 – 53. Lee, Peter u. Denis Shemilt: Is any explanation better then none? Over-determined narratives, senseless agencies and one-way streets in students’ learning about cause and consequence in history. In: Teaching history 137 (2009), S. 42– 49. Montanero, Manuel u. Manuel Lucero: Causal discourse and the teaching of history. How do teachers explain historical causality? In: Instructional Science 2 (2011) 39, S. 109 – 136. An der Universität Regensburg entsteht im Bereich der Geschichtsdidaktik derzeit eine Dissertation mit dem Arbeitstitel „Propaganda im Ersten Weltkrieg – Eine Studie zum (multi‐)kausalen Erklären im Geschichtsunterricht“ (Anna-Maria Ruck). Die Arbeit ist Teil des Projektes FALKE (Fachspezifische Lehrerkompetenz im Erklären), in dem neun Fachdidaktiken sowie die Sprach- und Sprechwissenschaft an der Universität Regensburg kooperieren: https://www.uniregensburg.de/koleg/massnahmen/erklaeren-im-unterricht-falke/index.html (03.01. 2019). Mpfs, JIM-Sudie (wie Anm. 20), S. 46. Mpfs, JIM-Sudie (wie Anm. 20), S. 43: „88 Prozent der Jugendlichen nutzen YouTube mindestens mehrmals pro Woche, 63 Prozent täglich.“ S. 32: „Sollen die Jugendlichen aus dem Kosmos des Internets spontan die drei liebsten Angebote benennen, so steht YouTube mit weitem Abstand an erster Stelle und wird von fast zwei Drittel angeführt.“
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partizipative Wissensräume digitaler Netzkultur erkannt, die es ermöglichen, formelles und informelles Wissen ohne (Hemm‐)Schwelle zu übermitteln. Akteurinnen und Akteure der Geschichtswissenschaft nutzen YouTube hingegen zwar als Marketinginstrument, um eigene Formate bekannter zu machen, eine Verwendung als Instrument der historischen Bildung ergibt sich bisher aber kaum. Die Anzahl der deutschsprachigen YouTube-Channels, die sich mit Geschichte befassen, ist im Gegensatz zu englischsprachigen Formaten sehr überschaubar. Den Vorlieben einer jungen Zuschauerschaft entsprechend sind die dort veröffentlichten Filme schnell, bunt, unterhaltsam und laden zum Kommentieren ein. Sie gehören in den Bereich des Dokutainments, wobei der Aspekt des Entertainments auf den ersten Blick im Vordergrund zu stehen scheint. Die erwähnten Medienresonanzanalysen hingegen zeigen, dass Jugendliche und junge Erwachsene den Inhalten dieser Filme Vertrauen schenken und mit ihnen beispielsweise für Prüfungen lernen. Ausgehend von diesen Beobachtungen und Untersuchungen verschiedener Disziplinen entstand 2016 in Heidelberg zunächst die Idee zu einem Workshop, aus dem nun dieser Band hervorgegangen ist. Initialisiert von den beiden Herausgebern des Bandes haben die Studierenden und Young Professionals (SYP) in der AG Angewandte Geschichte/Public History im Verband der Historikerinnen und Historiker Deutschlands (VHD) einen Nachwuchsworkshop konzipiert und organisiert: „Digital Native (Hi)stories. Neue Herausforderungen audiovisuellpartizipativer Medien für die historische Bildung und Forschung“⁵³. Dieser fand am 10. und 11. Juni 2016 an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg statt. Der Nachwuchsworkshop in Heidelberg hat allen Teilnehmenden deutlich vor Augen geführt, dass das Thema in der Forschung bis dahin kaum wahrgenommen wurde. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, eine Bestandsaufnahme aktueller Tätigkeiten und Bestrebungen in Forschung und Praxis zusammenzustellen. Die fortgeschrittenen Studierenden und Promovierenden, die auf dem Workshop vorgetragen haben, haben sich bereit erklärt, ihre Erkenntnisse zu veröffentlichen und damit einen Beitrag zum Diskurs zu leisten. Im Rahmen der Konzeption des Bandes entstand das Bedürfnis, weitere YouTuber, Historikerinnen und Historiker sowie Didaktikerinnen und Didaktiker zu gewinnen, um die komplexen Sachverhalten aus möglichst vielfältigen Perspektiven in den Blick nehmen zu können. So vereint der Band Autorinnen und Autoren mit unterschiedlichen Professionen und Forschungsinteressen. Das ex-
Workshopankündigung auf H-Soz-Kult, https://www.hsozkult.de/searching/id/termine-31156 (30.11. 2018)
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plizite Ziel des Buchprojektes ist die Veröffentlichung von Beiträgen aus verschiedenen „Statusgruppen“ und Kontexten: Dabei geht es auch darum, sehr gute Forschungsarbeiten des Nachwuchses zu Aspekten des Umgangs mit Geschichte auf YouTube und anderen sozialen Medien sichtbar und gemeinsam mit Beiträgen von etablierten Praktikerinnen und Praktikern sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dem Diskurs der Scientific Community und der interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Perspektive der Praktikerinnen und Praktiker soll durch die Auswahl der Beiträge ebenso abgedeckt werden, wie schul- und hochschuldidaktische Aspekte einer Verwendung von YouTube in Bildungszusammenhängen mit (dem Fach) Geschichte. Im Zentrum dieses Bandes steht die Untersuchung historischer Vermittlung auf YouTube. Den Orientierungsrahmen bilden drei grundlegende Leitfragen der Public History nach der Narration, Performativität und Authentizität von Geschichte. – Narration: Wie wird Vergangenheit in diesen Medien erzählt, um einen Beitrag zur historischen Bildung zu leisten? Inwiefern lassen sich trotz notwendiger didaktischer Reduktion Ergebnisse geschichtswissenschaftlicher Forschung vermitteln? – Performativität: Mit welchen Formen der Inszenierung wird Geschichte in diesen digital native (hi)stories erzählt? Wie werden Erzähler, historische Quellen und Kommentare eingebunden? – Authentizität: Welche Faktoren lassen Erzählung und Inszenierung bei der Zielgruppe authentisch wirken? Welchen Beitrag leisten eingebundene historische Quellen in diesem Zusammenhang? Ein weiterer Fragenkomplex umfasst die Möglichkeiten und Grenzen der durch die sozialen Medien eröffneten Formate der Partizipation: Unter welchen Bedingungen partizipieren junge Menschen in Medienangeboten wie YouTube? Welche Bildungschancen ermöglicht die Beteiligung für Nutzerinnen und Nutzer? Inwiefern beeinflusst die Partizipation Dritter die Medienrezeption von Nutzerinnen und Nutzer? Und vice versa: Wie lassen sich Nutzerinnen und Nutzer über partizipative Elemente in geschichtswissenschaftliche Forschung einbinden? Der Band greift diese Überlegungen auf, fokussiert allerdings vornehmlich das Erklären von Geschichte auf YouTube und kreist dieses Phänomen durch die Beiträge aus unterschiedlichen Forschungszusammenhängen und -perspektiven ein. Die Relevanz von Erklärfilmen zu historischen Themen auf dem Videoportal YouTube als Forschungsthema zeigt sich angesichts des dargestellten Befundes mehr als deutlich und ist Ausdruck eines durch die Digitalisierung hervorgerufenen Medienwandels, dessen maßgeblichen Merkmale darin bestehen, etablierte
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Formen und Formate der Vermittlung historischer Inhalte in audiovisuellen Medien durch neue Angebote abzulösen, zu ergänzen und zu erweitern. Die partizipativen Möglichkeiten von Videoplattformen wie YouTube als Teil des „social webs“ eröffnen vielfältige Möglichkeiten der Produktion, Distribution und Rezeption dieser Angebote. Die von der Entwicklung zunächst unter Druck gesetzten klassischen Produzenten audiovisueller Produkte der Geschichtsvermittlung aus Journalismus und Medienanstalten reagieren angesichts der mit diesem Medienwandel einhergehende veränderten Rezeptions- und Sehgewohnheiten großer Teile der relevanten Zielgruppen durch eine Anpassung der eigenen Angebote an die neuen Rahmenbedingungen. Nennenswert sind die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen wie privaten Fernseh- und Rundfunkanstalten sowie das Online-Medienangebot ‚funk’ von ARD und ZDF, das sich an Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 29 Jahren richtet. Letzteres nutzt gezielt Social-Media-Plattformen wie YouTube für die Verbreitung der Inhalte. Die Beiträge des Bandes sind in thematischen Blöcken zusammengefasst, die unterschiedliche Aspekte in den Blick nehmen. Unter Kontexte skizziert Cord Arendes die Mediengeschichte des traditionellen Schul- und Bildungsfernsehens und untersucht, inwiefern sich die Erklärvideos auf YouTube in eine Kontinuitätslinie stellen lassen und markiert dadurch gleichzeitig die zentralen Unterschiede zu den klassischen Formaten. Nils Steffen nimmt in seinem Beitrag die performative Dimension der Geschichtsvermittlung auf YouTube in den Blick, während Judith Uebing ausgehend von medienanalytischen Studien ein detailliertes Raster für die Analyse von Beiträgen zur Geschichte auf YouTube aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive entwickelt. Die Kategorien Narration und Authentizität sind Grundlage für die Beiträge von Hannes Burkhardt, Benjamin Roers und Christian Bunnenberg. Hannes Burkhardt wirft in seinem Aufsatz einen analytischen Blick auf die Strategien und Inhalte, mit denen das DDR-Museum in Berlin Geschichte auf YouTube erzählt. Im Zentrum seiner Betrachtung stehen dabei die Fragen nach den historischen Perspektiven und gegenwärtigen Deutungen in der Darstellung von Alltag und Diktatur in der DDR sowie nach der Bedeutung von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen als authentisch wahrgenommene Vermittlungsinstanzen für Geschichtserzählungen auf YouTube. Benjamin Roers wählt mit der Netzpersönlichkeit MrWissen2Go einen der bekanntesten deutschsprachigen YouTuber im Bereich der Geschichtsvermittlung auf YouTube als Untersuchungsgegenstand, an dem er den Zusammenhang von Präsentation und Authentizität als zentrale Faktoren für ein erfolgreiches YouTube-Format beschreibt. In dem Aufsatz von Christian Bunnenberg steht ein museales Projekt im Mittelpunkt der Betrachtung, das Bürge-
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rinnen und Bürger mit der Produktion von authentischen „Stadtgeschichte(n)“ für einen YouTube-Kanal die Partizipation an der Museumsarbeit ermöglicht. Einblicke in die Praxis und Produktion von Erklärfilmen zu geschichtlichen Inhalten geben Florian Wittig und Mirko Drotschmann. Florian Wittig führt am Beispiel des YouTube-Kanals „The Great War“ in die Bereiche der Content-Planung, Social Media-Monitoring, Script-Erstellung und -Abnahme, Kanal-Management und die Planung von Drehs ein, während Mirko Drotschmann in einem Interview auf zentrale Fragen antwortet, die sich aus den anderen Beiträgen zu seinen Kanälen und der Internetpersönlichkeit MrWissen2go ergeben haben. Den Möglichkeiten und Herausforderungen der Partizipation auf YouTube widmen sich Henrike Rehders, Moritz Hoffmann und Christopher Friedburg. Eine Einführung in die Aspekte einer partizipativen Geschichtskultur gibt Henrike Rehders, die vor allem Partizipationsformen in den Blick und bewertet kritisch deren Nutzen für eine reflektierte Auseinandersetzung mit den auf YouTube präsentierten Inhalten. Mit der „historischen Hassrede“ beschreibt Moritz Hoffmann eine spezifische Form der Partizipation, die sich in Form geschichtsrevisionistischer, geschichtsverfälschender und holocaustleugnender Beiträge äußert und diskutiert Strategien, mit denen diesen begegnet werden kann. Daran anschließend fokussiert und analysiert Christopher Friedburg unter Verwendung des Nutzerrollenmodells Partizipationsmechanismen bei YouTube und veranschaulicht seine Thesen durch eine Social-Media-Analyse von Kommentaren zu einer historischen Dokumentation. Den Potentialen der Nutzung von YouTube in Schule und Hochschule gehen die Beiträge von Anja Neubert, Bernhard Linke und Marie Föllen nach. Auf Grundlage einer empirischen Untersuchung kann Anja Neubert die Erwartungen und das Rezeptionsverhalten von Schülerinnen und Schüler nachzeichnen, deren Daten im Rahmen eines Geschichtsunterrichts mit Erklärvideos des YouTube-Kanals „TheSimpleClub“ erhoben wurden. Erklärvideos auf YouTube, so ein Ergebnis der Untersuchung, gehören zur geschichtskulturellen Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler, die dieses Medium sehr diffus wahrnehmen und sehr heterogen bewerten. Bernhard Linke und Marie Föllen reflektieren aus hochschuldidaktischer Perspektive über die Einbindung von YouTube-Videos in eine fachwissenschaftliche Veranstaltung an der Universität, stellen ein Analyseraster vor und kommen zu dem Befund, dass die Studierenden über ein hohes Maß an kritischer Distanz in der Auseinandersetzung mit den Angeboten auf YouTube verfügen. Im abschließenden Abschnitt des Bandes entwickelt Jens Crueger in Erweiterung der Konzepte von Jan und Aleida Assmann Überlegungen zu einem kulturellen Gedächtnis im digitalen Zeitalter, an dem YouTube als Erinnerungsspeicher
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einen hohen Anteil hat. In einem Ausblick diskutieren die Herausgeber abschließend die Ergebnisse und benennen die zentralen Ergebnisse des Bandes.
6 Dank Ein solches Buchprojekt kann nur gelingen, wenn viele fleißige Hände daran mitwirken. Wir danken daher an erster Stelle unseren Autorinnen und Autoren, die sich mit viel Engagement ihren Beiträgen gewidmet haben und die trotz des langwierigen Prozesses stets ansprechbar und offen gegenüber unseren Fragen und Anregungen waren. Ein besonderer Dank gilt Theresa Sisnaiske und Jörg Maack für ihre umsichtige und gewissenhafte Unterstützung bei der Zusammenführung des Manuskripts. Wir freuen uns sehr, dass Thorsten Logge, Andreas Körber und Thomas Weber mit diesem Band die von ihnen herausgegebene Reihe „Medien der Geschichte“ bei De Gruyter Oldenbourg eröffnen. Ihnen gilt unser Dank ebenso wie Rabea Rittgerodt, die das Projekt von Seiten des Verlags mit Interesse, Wohlwollen und Flexibilität begleitete. Bochum/Hamburg im November 2018 Christian Bunnenberg & Nils Steffen
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Kontexte
Cord Arendes
Sesamstraße und Telekolleg als Vorbilder? Erklärvideos auf YouTube als Fortsetzung des traditionellen Schul- und Bildungsfernsehens „mit anderen Mitteln“ 1 Vom „Lernen durch Funk und Fernsehen“ zum „Lernen durch YouTube“? Der Topos „lebenslanges Lernen“ ist, trotz eines sich immer rascher vollziehenden gesellschaftlichen Wandels, keine Erfindung des frühen 21. Jahrhunderts. Schon vor 50 Jahren betrachtete man eine „stetige Lernbereitschaft“ der Menschen als gesellschaftliche Notwendigkeit. Und selbst die große Bedeutung der Medien für Lehr- und Lernprozesse wurde bereits umfassend thematisiert und reflektiert. Die Frage, „ob Lernen möglich ist durch Teilnahme an der allgemeinen Massenkommunikation“ wurde dabei grundsätzlich mit „ja“ beantwortet. Zumindest für die Fälle, in denen erfahrene Lehrende beteiligt waren und/oder bei den Lernenden ausreichende Vorerfahrungen bestanden.¹ Diskussionswürdig weil „neu“ erschien dagegen die Frage, ob eine positive Antwort auch für das nicht angeleitete bzw. das informelle Lernen gegeben werden konnte: Kaum begangenes Neuland betreten wir jedoch, wenn wir herauszufinden versuchen, ob die allgemeinen tagtäglichen Angebote der Massenkommunikationsmittel und die damit alltägliche, unspezifische Kommunikation über diese Angebote, verbunden sind mit gleichzeitigen oder nachfolgenden Lernprozessen. ²
Zu den angesprochenen Massenkommunikationsmitteln zählten nicht in erster Linie Presseerzeugnisse, sondern vor allem das Fernsehen als neues, die gesamte Bevölkerung integrierendes „Leitmedium“.³ Buhlten in den 1960er Jahren nur Rundfunk und Fernsehen um die Gunst des Publikums, so sind heute unzählige
Vgl. Sturm, Hertha: Masse – Bildung – Kommunikation. Stuttgart 1968. S. 105. Sturm, Masse (wie Anm. 1), S. 106 (Hervorhebung im Original). Zeitgleich positionierte sich das Radio als „Hintergrundmedium“ neu. Vgl. Baar, Fabian: Von der Abendunterhaltung zum Leitmedium – vom Familienzentrum zur Geräuschkulisse. Funktionswandel der Medien Fernsehen und Radio. In: Die Kultur der 60er Jahre. Hrsg. von Werner Faulstich. München 2003 (Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts). S. 231– 240. https://doi.org/10.1515/9783110599497-002
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mit dem Internet verbundene mediale Angebote hinzugetreten und haben die Vormachtstellung der traditionellen Angebote in Frage gestellt. Nicht nur die Zahl der Anbieter, auch die Produktionsbedingungen der Angebote haben sich grundlegend geändert. Stammten bis zum Ende der 1980er Jahre beinahe sämtliche Formate des medialen Bildungsangebotes in Radio und Fernsehen von öffentlich-rechtlichen Sendern, so teilen diese sich heute den Markt mit kommerziellen und/oder privaten Anbietern. Die zeitgenössische Frage „Lernen durch Funk und Fernsehen?“⁴ lässt sich vor dem Hintergrund dieses Wandels heute leicht durch die Frage „Lernen durch YouTube?“ ersetzen. In beiden Fällen stehen zudem die Partizipationsmöglichkeiten der Nutzerinnen und Nutzer – an den Inhalten wie an deren Herstellung – zur Debatte. Schon diese wenigen Bemerkungen zeigen, dass die Herausforderungen, die heute der Einsatz von YouTube in der Geschichtsvermittlung und der historischen Bildung mit sich bringt, am Ende doch so „neu“ nicht sind. Um der Bedeutung von Videoportalen⁵ und speziell von YouTube für die Wissensvermittlung nachgehen zu können, scheint deshalb ein Rückblick auf die Entstehungs- und Nutzungsgeschichte ausgewählter Vorbilder aus dem öffentlichen Schul- und Bildungsfernsehen mehr als nur vielversprechend. Im ersten Teil des Beitrages wird das betreffende Angebot des öffentlichrechtlichen Fernsehens in der Bundesrepublik eingehender betrachtet. Hierzu zählen zum einen Bildungsprogramme, die sich speziell an Kinder (und jüngere Jugendliche) richten, zum anderen Weiterbildungsangebote für Schülerinnen und Schüler sowie junge Erwachsene. Dieser Rückblick soll nicht die Entwicklungsgeschichte des Bildungsfernsehens in allen ihren Facetten nachzeichnen. Er dient vor allem dazu, auf die historische Perspektive ausgewählter Inhalte, Formate und Ziele zu verweisen, die in aktuellen Debatten um die mit YouTube verbundenen Chancen und Risiken bei der vor allem außerschulischen Wissensvermittlung diskutiert werden. Im Fokus steht dabei die Rezeptionsforschung, weniger die Programmleitlinien der Rundfunk- und Fernsehanstalten oder (bildungs‐)politische Vorgaben. Als Materialgrundlage dienen historische Untersuchungen zur Fernsehgeschichte sowie mediensoziologische und -psychologische Analysen zum Sehverhalten vor allem jugendlicher Nutzerinnen und Nutzer von Schul- und
Sturm, Masse (wie Anm. 1), S. 105. Videoportale sind „Plattformen, die Videos on Demand zum jederzeitigen Abruf bereithalten und mittels Streaming, d. h. durch flüchtige Übertragung ohne Speicherung auf Nutzerseite, zumeist kostenlos an internetfähige Endgeräte ausliefern“. Rudolph, Dominik: YouTube und Fernsehen: Konkurrenz oder Ergänzung? Eine mehrstufige, vergleichende Analyse aus Nutzersicht unter besonderer Berücksichtigung der Digital Natives. Baden-Baden 2014 (Reihe Rezeptionsforschung 34). S. 56.
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Bildungsprogrammen in der Bundesrepublik und der DDR.⁶ Diese Studien entstammen überwiegend aus der umfangreichen Begleitforschung des „Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen“ (IZI) in München.⁷ Im zweiten Teil des Beitrages rückt dann die Vermittlung von (Geschichts‐) Wissen via Videoplattformen und Geschichtsvideos in den Blick. Im Mittelpunkt stehen hierbei Erklärvideos im Internet. Das World Wide Web (WWW) schließt – im Gegensatz zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Fernsehen der 1960er bis 1980er Jahre – öffentliche und private sowie gemeinnützige und kommerzielle Anbieter gleichermaßen ein. Wie schon in den 1960er und 1970er Jahren an das Fernsehen, so werden heute an die neuen medialen Vermittlungsformate hinsichtlich der Partizipationsmöglichkeiten der Nutzerinnen und Nutzer an Bildung hohe Erwartungen herangetragen. Abschließend wird diskutiert, ob und inwieweit sich die Herausforderungen durch YouTube mit denen durch traditionelle Angebote der medialen Bildung vergleichen lassen und welche Konsequenzen sich aus einem solchen Vergleich für den Umgang mit YouTube aus Sicht von Geschichtswissenschaft und -didaktik ergeben (können).
2 Eine (sehr) kurze Geschichte des deutschen Bildungsfernsehens Öffentliche Rundfunksendungen gibt es in Deutschland seit dem Jahr 1924.⁸ Rund vierzig Jahre später avancierten Schulfunk und Schulfernsehen zu einem Thema mit internationaler Reichweite: Im Dezember 1961 fand in Rom die erste „Internationale Konferenz für Schulfunk und Schulfernsehen“ statt, im April 1964 sollte in Tokyo ein zweites Zusammentreffen folgen. Und schon zu diesem frühen Zeitpunkt unterschied man in der Diskussion den Einsatz von Medien entweder
Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Bundesrepublik. Großangelegte Untersuchungen für die DDR, wie z. B. im Rahmen der DFG-Forschungsgruppe „Programmgeschichte des DDR-Fernsehens – komparativ“ (Leipzig, Halle, Berlin und Potsdam) gehen nur am Rande auf das Bildungsprogramm ein; vgl. u. a. Meyen, Michael: Einschalten, Umschalten, Ausschalten? Das Fernsehen im DDR-Alltag. Leipzig 2003 (Materialien – Analysen – Zusammenhänge. Programmgeschichte des DDR-Fernsehens – Komparativ 11); zur Zuschauerforschung in der DDR und zum Quellenwert der „Sofortresonanzen“ ebd., S. 18 – 25. Für die Recherche in den umfangreichen Beständen des IZI danke ich Jasper Theodor Kauth. Vgl. zum Hörfunk in der Weimarer Republik Dussel, Konrad: Deutsche Rundfunkgeschichte. 3. überarb. Aufl. Konstanz 2010 (Kommunikationswissenschaft). S. 19 – 72.
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als Direkt-Unterricht („direct teaching“) oder als Unterrichtsbereicherung („enrichment“).⁹ Der erste Ansatz schien zeitgenössischen Betrachterinnen und Betrachtern vor allem für den naturwissenschaftlichen Unterricht geeignet. Im September 1966 fand in Berlin ein weiterer internationaler Kongress zum Thema „Schul- und Studienfernsehen – Modelle, Analysen, Probleme“ statt. Aus heutiger Sicht interessant erscheint vor allem die Vielfalt der zeitgenössischen Ansätze, Fernsehen als Medium für Bildungsaufgaben zu untersuchen: So wurde hier zwischen den Formaten „Unterrichts-Mitschau“, „Studienfernsehen“ und „Studienprogramme der öffentlichen Fernsehanstalten: die sog. 3. Programme“ unterschieden.¹⁰ Die international wie auch interdisziplinär ausgerichtete wissenschaftliche Begleitforschung stand in Deutschland bis Mitte der 1960er Jahre noch in einem starken Kontrast zu der geringen Zahl an ausgestrahlten Sendungen. Bildungsangebote unterschiedlichster Art gehörten seit den 1950er Jahren zwar zum öffentlich-rechtlichen Sendeauftrag,¹¹ ein „öffentliches Schulfernsehen“ strahlte seit 1964 als damals einzige westdeutsche Fernsehanstalt der Bayerische Rundfunk (BR) aus.¹² Getragen von der Stiftung „Prix Jeunesse“, dem BR, dem Freistaat Bayern, der Stadt München und der VW-Stiftung¹³ wurde zum 1. April 1965 schließlich das „Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen“ (IZI) mit Sitz in München ins Leben gerufen.¹⁴ Seiner Vorreiterrolle sollte der BR 1967 mit der Gründung des „Telekolleg“, einer neuen Form des Zweiten Bildungsweges im Fernsehen, ein weiteres Mal gerecht werden.
Vgl. Sturm, Masse (wie Anm. 1), S. 183. Zielinski, Johannes: Schul- und Studienfernsehen. Bericht über einen Kongress. In: Paedagogica Europaea 3 (1967), S. 305 – 315, S. 305 – 307 u. Überblickskarte S. 308. Arbeitsgruppen wurden zum klassen- bzw. schulinternen sowie zum öffentlichen Schulfernsehen, zum Telekolleg, zur Unterrichtsmitschau und zum Fernsehen in der Hochschule abgehalten ebd., S. 310 – 314. Einen Überblick über frühe internationale Studien zu „Verwendung und Wirkungsweisen von Rundfunk und Fernsehen im Erziehungsraum“ gibt Sturm, Masse (wie Anm. 1), S. 161– 182. Winter, Helmut: Ein Institut dokumentiert das Schul- und Studienfernsehen in aller Welt. In: Internationale Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 13/1 (1967). S. 81– 83. „Arbeitskreis zur Förderung und Pflege wissenschaftlicher Methoden des Lehrens und Lernens e.V.“ der „Stiftung Volkswagenwerk“. Zu den Zielen und Aufgabenbereichen des IZI vgl. die Angaben unter der URL http://www.bronline.de/jugend/izi/deutsch/ueber_uns.htm (letzter Zugriff 31.3. 2018).
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2.1 Wissensvermittlung im Kinder- und Jugendfernsehen Bildungssendungen unterscheiden sich von anderen Programmformaten dadurch, dass sie nicht nur Elemente beinhalten, die direkt oder indirekt dem Erwerb von Wissen dienen können, sondern bewusst didaktische Lernräume eröffnen. Sowohl die Inhalte und Formen als auch die eröffneten Lernräume wurden in den letzten Jahrzehnten zum Teil drastischen Veränderungen unterworfen.¹⁵ Mit Blick auf aktuelle Formen der Wissensvermittlung via Videoplattformen konstatiert die Medienwissenschaftlerin und Medienpädagogin Elke Schlote aber weiterhin die Gültigkeit der Unterscheidung von – Vorschulfernsehen und Sendungen für Kinder, in denen Inhalte speziell aufbereitet werden, um Erklärungen und Einordnungen zu liefern. – Programme[n] mit explizit didaktischen Konzeptionen, die Lernen und Weiterbildung für ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene gestalten.¹⁶
In die erste Gruppe fallen vor allem Angebote für die Gruppe der 3 bis 13-Jährigen.¹⁷ Formate für diese Altersgruppe sendete das öffentlich-rechtliche Fernsehen seit seinen Anfängen im Nachmittagsprogramm. Das Gemeinschaftsprogramm der „Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland“ (ARD) startete sein Angebot auf diesem Feld Ende 1954. Ein zusätzliches Kinderprogramm im Angebot des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) kam 1966 hinzu. Kindersendungen waren auch im DDR-Fernsehen seit seiner Gründung ein fester Bestandteil des Programmes.¹⁸ Insbesondere ARD und ZDF hatten dabei die Aufgabe zu lösen, die Erwartungen des Publikums hinsichtlich eines Kinderprogrammes mit den vorhandenen allgemeinen Programmrichtlinien abzugleichen.¹⁹ Anfangs standen deshalb Sendungen im Vordergrund, in denen Kinder unter der Anleitung von Erwachsenen Alltags- bzw. Freizeitaktivitäten wie basteln, singen etc. lernten.²⁰ Diese „Mixtur aus Bewahr-
Vgl. Schlote, Elke: Bildungsfernsehen historisch. In: TelevIZIon 28/2 (2015). S. 16 – 23. Schlote, Bildungsfernsehen (wie Anm. 15), S. 16. Oft zusätzlich unterteilt in Kleinkinderprogramme (3 bis 6-Jährige) und Kinderprogramme (7 bis 13-Jährige). Vgl. Kübler, Hans-Dieter [u. a.]: Kinderfernsehsendungen in der Bundesrepublik und der DDR. Eine vergleichende Analyse. Tübingen 1981 (Medien in Forschung + Unterricht A/3). S. 223 – 250. Vgl. Schmidbauer, Michael: Die Geschichte des Kinderfernsehens in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Dokumentation. München [u.a] (Schriften Internationales Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen 21), S. 13. Vgl. Schmidbauer, Geschichte (wie Anm. 19), S. 24– 30.
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pädagogik, Handlungshilfe und Unterhaltung“²¹ sollte noch in der ersten Hälfte der 1960er Jahre das Programm bestimmen. Vor allem das neue gesellschaftspolitische Klima der 1960er Jahre trug entscheidend dazu bei, dass diese Phase hauptsächlich von Diskussionen um die Wirkungen des Fernsehens auf Kinder geprägt war.²² Ab Beginn der 1970er Jahre rückten dann pädagogisch ambitionierte(re) Formen und Sendeformate in das Programm. Hier zeigten bei den verantwortlichen Planerinnen und Planern die bildungsreformatorischen Bestrebungen in Politik und Wissenschaft Wirkung. So wurde gerade für die Vorschulerziehung die Frage diskutiert, mit welchen speziellen Angeboten die Sender zur Bildung beitragen könnten.²³ Insbesondere die US-amerikanische Produktion „Sesamstraße“ verfügte über höhere schulvorbereitende Anteile, ab 1973 auch in einer eigens produzierten deutschen Fassung in Verantwortung des Norddeutschen Rundfunks (NDR). Diese Nachmittagsangebote für ältere Kinder verstanden sich aber nicht explizit als Schulfernsehen: Durch genaues Hinschauen sollte Kindern in diesem Format vor allem ein alltagsgetreues Bild der Welt vermittelt werden, dass diese auch kritisch hinterfragen können sollten. Zu den bekannten wie beliebten Sendeformaten gehörten unter anderem „Das feuerrote Spielmobil“ (BR), die „Rappelkiste“ (ZDF) oder „Die Sendung mit der Maus“ im Westdeutschen Rundfunk (WDR).²⁴ In den genannten Sendungen wurde Wissen weiterhin durch Expertinnen und Experten vermittelt, erste Ansätze entdeckenden Lernens traten aber bald hinzu. Für den Zeitraum zwischen 1959 und 1999 sind von Michael Schmidbauer und Paul Löhr eine Vielzahl von Studien dokumentiert worden, die sich am Beispiel der Bundesrepublik mit dem Thema „Kinder und Fernsehen“ beschäftigen.²⁵ Eine
Schmidbauer, Geschichte (wie Anm. 19), S. 49. Vgl. Schmidbauer, Geschichte (wie Anm. 19), S. 62– 68. Vgl. Schmidbauer, Geschichte (wie Anm. 19), S. 116 – 118 u. S. 163 – 170. „Das feuerrote Spielmobil“ wurde vom BR bewusst in Abgrenzung zur US-amerikanischen „Sesamstraße“ produziert. Die „Sendung mit der Maus“ erhielt u. a. 1988 den Grimme-Preis in Gold für das Redaktionsteam. Der Preis wurde für die Folge Nr. 50 vergeben. Handlungsgegenstand war ein Aspekt des Geschichtsunterrichts – der Umgang mit dem Denkmal des Erbauers der Cheopspyramide; vgl. Müller, Werner: Qualität & Professionalität – Das Geheimnis der Rezeptur oder Gutes Kinderprogramm erreicht die Bedürfnisse von Kindern. In: TelevIZIon 2/1 (1989). S. 17– 22, S. 17. Vgl. Schmidbauer, Michael u. Paul Löhr: Kinderfernsehen in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Dokumentation von Forschungsergebnissen 1959 – 1988. München 1988 (Schriftenreihe Internationales Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen 22); Schmidbauer, Michael u. Paul Löhr: Kinder und Fernsehen in Deutschland. Eine Dokumentation empirischer Forschungsergebnisse 1989 – 1999. München 2000 (Edition TelevIZIon).
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Auswertung der Sehgewohnheiten ostdeutscher Kinder findet sich bei Falk Tennert und Ingelore König.²⁶ Der Trend zur Kombination von Bildung mit Unterhaltung bzw. die Erkenntnis, „pädagogisch wertvolle Informationen attraktiv und publikumswirksam vermitteln zu lassen“ findet sich auch für das DDR-Fernsehen.²⁷ Allein an der großen Anzahl der in den 1970er Jahren veröffentlichten Studien dürfte sich die enorme Bedeutung ablesen lassen, die dem Medium Fernsehen in einer sich rasch wandelnden Gesellschaft – unter anderem auch als Bildungsfaktor – zugemessen wurde.²⁸ Eingebettet waren diese medienspezifischen Analysen in eine breitere gesellschaftliche Entwicklung, „nämlich die synoptische Wahrnehmung und analytische Betrachtung eines wachsenden, allerdings heterogenen, aber aufeinander rekurrierenden Marktes von Kindermedien, Spielwaren und anderen Konsumartikeln“.²⁹ In den 1980er und 1990er Jahren traten in den Vorschulsendungen dann eigene „Kinderrepräsentanten“, zumeist Puppen, auf.³⁰ In Wissenssendungen führten engagierte Moderatorinnen und Moderatoren durch das Programm (so zum Beispiel Peter Lustig in „Löwenzahn“³¹). Letztere fungierten für ihr junges Publikum als Lernbegleiterinnen und -begleiter. In der Begleitforschung wird diesbezüglich auch vom „Kumpeltyp“ oder, allgemeiner, von einer Anschlussfigur,
Vgl. Tennert, Falk u. Ingelore König: Flimmerstunden. Daten zum Fernsehgebrauch ostdeutscher Kinder bis 1989. Leipzig 2003 (Materialien – Analysen – Zusammenhänge. Programmgeschichte des DDR-Fernsehens – Komparativ 5). Tennert [u.a], Flimmerstunden (wie Anm. 26), S. 48. Zeitlich wird diese Entwicklung bereits früher als in der Bundesrepublik angesetzt; vgl. ebd. Zur diesbezüglichen Rolle der Jugendpolitik der SED vgl. Bauhaus, Andreas: Jugendpresse, -hörfunk und -fernsehen in der DDR. Ein Spagat zwischen FDJ-Interessen und Rezipientenbedürfnissen. Dissertation Münster 1994; zum Fernsehen ebd., S. 162– 177. Reuss, Werner: Vom Telekolleg zum Großen Pisatest. Bildungsoffensive und der Beitrag des Fernsehens. In: epd medien 13/22 (2009). S. 11– 18; zu den Liberalisierungstendenzen in der Bundesrepublik vgl. Herbert, Ulrich: Liberalisierung als Lernprozess. Die Bundesrepublik in der deutschen Geschichte – eine Skizze. In: Wandlungsprozesse in Westdeutschland. Belastung, Integration, Liberalisierung 1945 – 1980. Hrsg. von Ulrich Herbert. Göttingen 2002 (Moderne Zeit 1). S. 7– 49. Kübler, Hans-Dieter: Die eigene Welt der Kinder. Zur Entstehung von Kinderkultur und Kindermedien in den siebziger Jahren. In: Die Kultur der 70er Jahre. Hrsg. von Werner Faulstich. München 2004 (Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts). S. 65 – 80, S. 65. Im DDR-Kinderfernsehen begleitete ein vertrautes Puppenpersonal über Jahre hinweg die jüngeren Zuschauerinnen und Zuschauer, vgl. Kübler [u. a.], Kinderfernsehsendungen (wie Anm. 18), S. 151– 157; siehe auch Mayen, Einschalten (wie Anm. 6), S. 142– 143. Vgl. Lenssen, Margrit: Neugierig und entdeckungsfreudig: Peter Lustig. Zur Rolle und Funktion des Moderators von Löwenzahn. In: TelevIZIon 17/1 (2004). S. 51– 53.
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deren Erlebnisse in Geschichten dargestellt werden, gesprochen.³² Für die 10 bis 13-Jährigen sind in diesem Rahmen „Lehrer als professionelle Vermittler […] nicht notwendig. Wichtig ist vielmehr das kompetente Engagement, das in der gemeinsamen Aktivität weitergegeben wird.“³³ Seit der Jahrtausendwende wurden vielfach Formate entwickelt und gesendet, in denen die jungen Zuschauerinnen und Zuschauer selbst aktiv in die Wissenskonstruktion und -vermittlung eingebunden sind. Zum einen werden auf diesem Wege neue Lehrräume geschaffen, zum anderen können die Jugendlichen so selbständig eigene Handlungserfahrungen machen, indem sie entweder direkt zu Aktivitäten aufgefordert (in der Sendung) oder zu eigenen Anschlussaktivitäten im Sinne des „Do it yourself“ ermutigt werden (nach der Sendung). So rücken Strategien und Prozesse für eigene Lernprojekte von Kindern und Teenagern in den Programmfokus. In einer im Vergleich zu den vorangegangenen Jahrzehnten deutlich höheren Zahl an Sendungen konnte durch entsprechende Diversität und verschiedene Zugangsweisen auch den didaktischen Anforderungen an eine Mehr- bzw. Multiperspektivität in höherem Maße als zuvor Rechnung getragen werden.
2.2 Wissensvermittlung durch Schulfernsehen und Weiterbildungsangebote Zu der in Kapitel 2.1. von Schlote unterschiedenen zweiten Gruppe der Programme mit explizit didaktischen Konzepten zählen die verschiedenen Schulfunksendungen, die ihrerseits auf „Breitenwirkung“ setzten. Ab 1964 wurden Studienprogramme – verstanden als „Volkshochschule im Wohnzimmer“ – im neuen „Dritten Programm“ des BR gesendet. Hessen und Nordrhein-Westfalen sollten 1969 folgen, Berlin 1970. Ab diesem Jahr gab es auch ein übergreifendes Schulfernsehen in Südwest- und Norddeutschland.³⁴ Versuche, ein flächendeckendes gemeinsames Schulfernsehen einzuführen, „kollidierten“ immer wieder mit der föderalen Struktur der Bundesrepublik: Bildung und Kultur sind Ländersache, auch wenn entsprechende Angebote der großen Sender wie dem BR, dem Hessischen Rundfunk (HR) oder dem WDR bestanden. Eine länderübergreifende
Vgl. den Forschungsüberblick über Programme mit „Lernorientierung“ für unterschiedliche Altersstufen bei Bachmair, Ben u. Ole Hofmann: Lernen mit Kinderfernsehen: Wunsch oder Wirklichkeit? In: TelevIZIon 11/2 (1998). S. 4– 20. Bachmair [u.a], Lernen (wie Anm. 32), S. 19. Vgl. Meyer, Manfred: Schulfernsehen in Europa. Anfang vom Ende oder erfolgreich wie eh und je? In: TelevIZIon 3/1 (1990). S. 29 – 32, S. 32.
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Ausstrahlung ist bis heute nur nach Abschluss entsprechender Staatsverträge möglich. Als Folge wurde bzw. wird kein Schulfernsehprogramm bundesweit ausgestrahlt.³⁵ Seit Beginn der 1990er Jahre – der NDR war bereits 1989 wegen stark sinkender Quoten bei der Sehbeteiligung aus den gemeinsamen Schulfunkprogrammen „ausgestiegen“ – mehrten sich kritische Stimmen, die einen Niedergang des Schulfernsehens konstatierten. Das Interesse an diesem Unterrichtsmedium hatte sowohl bei Lehrerinnen und Lehrern als auch bei Schülerinnen und Schülern nachgelassen. Diskutiert wurde in diesem Rahmen vor allem, wie es mit der „Pädagogik mittels bewegter Bilder“ weiter gehen könne.³⁶ Aber bereits in den vorangegangenen Jahrzehnten war es zu langanhaltenden Diskussionen um die Ausrichtung der Sendungen, ihre Inhalte und vor allem auch um die Formen der Ansprache der Schülerinnen und Schüler gekommen. Wie die beiden Rollenzuschreibungen „Kumpeltyp“ und „Lernbegleiter“ für das Kinderfernsehen gezeigt haben, ist mit der Form der Ansprache ein wichtiger Aspekt beschrieben, der über Erfolg oder Misserfolg eines Bildungsformats mitentscheidet. Anders gesagt, es geht um die Frage, ob und inwieweit sich das jeweils neue Angebot vom klassischen Schulunterricht zu unterscheiden bzw. positiv abzusetzen vermag. Die Formate des Schulfernsehens lieferten, nicht zuletzt aus Kostengründen, in der Regel nur ein sogenanntes „Brustbildprogramm“: Expertinnen und Experten vermittelten in einfachen Kulissen frontal Wissen. Gleichwohl sollte diese Kopie des täglichen Unterrichts als Baustein – neben Textarbeit, Arbeitsblättern und Diskussionen – „innovativ“ in ebendiesen eingebaut werden („enrichment“). Formen des „direct teaching“ spielten dagegen eine untergeordnete Rolle. Und dies, obwohl der Anspruch, Schulfernsehen zu senden, das ohne zusätzliche Lernmaterialien rezipiert und verstanden werden konnte, durchgängig formuliert wurde. Aktuell produzieren der BR, der HR, der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), der Südwestrundfunk (SWR) und der WDR Schulfernsehprogramme. Bei diesen Sendern handelt es sich durchweg um Programmangebote der ARD. Die Formate entstehen in enger Anbindung an die Lehrpläne der Länder bzw. der jeweiligen Kultusministerien. Diese enge Kooperation ist mit einem rechtlichen Vorteil verbunden: Sendungen dürfen aufgezeichnet und auf Internetportalen der Sender öffentlich zur Verfügung gestellt werden. So stellt zum Beispiel die gemeinsam betriebene Bildungsplattform „Planet Schule“ des SWR/WDR unter dem Vgl. Meyer, Schulfernsehen (wie Anm. 34), S. 29 – 30; siehe auch Meyer, Manfred (Hrsg.): Aspekte des Schulfernsehens in Europa. Eine Dokumentation. München [u. a.] 1992. Dichanz, Horst: Medien in der Schule. Lernen leicht und locker? In: TelevIZIon 3/1 (1990). S. 6 – 9, S. 6.
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Stichwort „Schulfernsehen multimedial“ unterschiedliche Film und Medienangebote sowie didaktische Materialien für den Einsatz im Unterricht oder zum privaten Selbstlernen zur Verfügung.³⁷ „Planet Schule“ soll „modernes, mediengestütztes Lernen und Unterrichten – für Lehrer, für Schüler und Bildungsinteressierte“ bieten.³⁸ Beide Sender verfügen mit der gleichnamigen Plattform zum Dokumentations- und Wissenschaftsmagazin „Planet Wissen“ seit September 2002 zudem über ein vergleichbares Angebot, das sich aber nicht ausschließlich an Schülerinnen und Schüler bzw. Jugendliche richtet.³⁹ Neben das Schulfernsehen, welches in erster Linie für die Nutzung im Rahmen des „normalen“ Schulunterrichts und nur in zweiter Linie für die Nachbereitung von Inhalten bzw. das Selbstlernen gedacht war, traten noch zwei weitere bis heute genutzte Angebote aus dem Bereich der Weiterbildung, das „FunkKolleg“ und das „Telekolleg“: Das Funk-Kolleg startete sein Programm im Mai 1966 im Zweiten Hörfunkprogramm des HR.⁴⁰ Es richtete sich übergreifend an Studentinnen und Studenten (der Hessischen Hochschulen und Universitäten) an Lehrerinnen und Lehrer sowie gebildete Laien. Die erste Sendereihe unter dem Titel „Funk-Kolleg zum Verständnis der modernen Gesellschaft“ war auf sechs Semester angelegt und umfasste neben einer Einführungsphase fünf Vorlesungsreihen (WS 1966/67 bis SS 69).⁴¹ Unterrichtsthemen waren die Volkswirtschaft, die Politikwissenschaft, die Rechtswissenschaft, die Neuere Geschichte und die Soziologie. Die Gesamtzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurde auf ca. 3.250 geschätzt. Davon
Vgl. Buscher. Monika: Die Bildungsplattform Planet Schule. Ein öffentlich-rechtliches Lehrund Lernangebot. In: TelevIZIon 20/1 (2017). S. 59 – 62; das aktuelle Programmangebot unter der URL http://www.planet-schule.de/ (letzter Zugriff 31.3. 2018). Eigendarstellung der Redaktion; vgl. http://www.planet-schule.de/sf/service-ueber-uns.php (letzter Zugriff 31.3. 2018). Die Sendungen werden in Zusammenarbeit mit ARD-alpha produziert. Seit Mai 2016 beteiligt sich auch der BR an der Produktion des Formats; das aktuelle Programmangebot unter der URL https://www.planet-wissen.de/index.html (letzter Zugriff 31.3. 2018). 1967 traten der Saarländische Rundfunk (SR), der Süddeutsche Rundfunk (SDR) und der Südwestfunk (SWF) hinzu. Zur Geschichte des Funkkollegs vgl. Greven, Jochen (Hrsg.): Das Funkkolleg 1966 – 1998. Ein Modell wissenschaftlicher Weiterbildung im Medienverbund. Weinheim 1998. Vgl. Scheuerl, Hans: Sinn und Zielbestimmung des Funk-Kollegs. In: Wissenschaft und Gesellschaft. Einführung in das Studium von Politikwissenschaft, Neuere Geschichte, Volkswirtschaft, Recht und Soziologie. Hrsg. von Gerd Kadelbach. Frankfurt a.M. 1967 (Funk-Kolleg 1). S. 27– 68.
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entfielen ca. 620 auf die Reihe „Neuere Geschichte“.⁴² Die Vorlesungen erschienen im Anschluss als Taschenbuch.⁴³ Das Themengebiet Geschichte sollte unter Verantwortung des Süddeutschen Rundfunks (SDR) in den Jahren 1979/80 noch einmal Gegenstand des Funkkollegs sein – mit der Resonanz von 34.222 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.⁴⁴ In den 1980er Jahren war das Funkkolleg bundesweit und in den 1990er Jahren durch Übertragung im Deutschland Radio (DR) auch in den neuen Bundesländern zu empfangen. Stark rückläufiges Interesse führte 1997/98 zum Auslaufen dieses Modells. Seit 1998 ist der HR wieder allein für das Angebot zuständig. Das Kolleg ist seitdem vornehmlich auf „Hörerlebnisse“ ausgelegt (u. a. Originaltöne, Reportagen und Hörspielszenen).⁴⁵ Die Sendungen im Live-Audiostream bzw. Podcast wurden von 1998 bis 2013/14 durch begleitende Reader und Abschlussbände ergänzt. Seitdem finden sich die Zusatzinformationen des jeweils aktuellen Readers ebenfalls auf der Internetplattform. Als Sendung des BR hat das Telekolleg unlängst sein 50-jähriges Bestehen gefeiert. Es ging im Januar 1967 erstmals auf Sendung und konnte zum Programmstart 14.455 angemeldete Teilnehmerinnen und Teilnehmer verzeichnen. Das Format wurde bereits in den 1970er Jahren als ein „Innovationsmodell des Zweiten Bildungsweges“ betrachtet und von seinen Befürworterinnen und Befürwortern eng mit dem Bürgerrecht auf Bildung verknüpft.⁴⁶ Zu den nicht-berufsspezifischen Fächern zählten Deutsch, Englisch, Geschichte, Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, Erdkunde und Sozialkunde. Das aktuelle Angebot im Fach Geschichte umfasst 13 Lehrsendungen, die sich mit der Rolle Deutschlands im 20. Jahrhundert sowie den grundlegenden Entwicklungslinien vom Ende des Ersten Weltkrieges bis heute befassen: Die erste Sendung widmet sich dem „Versailler Vertrag und seine[n] Folgen für Europa“, die beiden letzten Sendungen
Vgl. Kadelbach, Wissenschaft (wie Anm. 41). Ziel von Modell 1 des „Funk-Kolleg“ war darüber hinaus, hessischen Studienträten eine Zusatzbefähigung in den Fächern Sozial- und/oder Gemeinschaftskunde zu ermöglichen. Vgl. für die Vorlesung zur Geschichte Kluke, Paul: Neuere Geschichte. Deutsche Außenpolitik im Zeitalter des Nationalstaates. Frankfurt a.M. 1969 (Funk-Kolleg zum Verständnis der modernen Gesellschaft 5). Vgl. Conze, Werner, Karl-Georg Faber u. August Nitschke (Hrsg.): Funk-Kolleg Geschichte, 2 Bde., Frankfurt a.M. 1981 sowie Deutsches Institut für Fernstudien (Hrsg.): Funkkolleg Geschichte (Studienbegleitbrief). 13 Bde. Weinheim u. Basel 1979 – 1980, Studienbegleitbrief 1. Vgl. das aktuelle Programmangebot unter der URL http://www.hr-inforadio.de/programm/ funkkolleg/index.html (letzter Zugriff 31.3. 2018). Eine zeitgenössische Einschätzung bei Hahn, Walter: Upward Academic Mobility for the NonSecondary School Graduate: Some Avenues Open to Young Adults in West Germany. In: Higher Education 9/1 (1980). S. 7– 20, S. 14– 16.
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behandeln die „Globalisierung: Weltmarkt zwischen Arm und Reich“ sowie die Umweltgeschichte: „Der „geschundene Planet“: Ökologische Gefahren des 21. Jahrhunderts“.⁴⁷ In seiner Wirkung als Lehr-Lernsystem wurde das „Telekolleg“ seit seiner Einführung auch wissenschaftlich begleitet.⁴⁸ Vor allem auf Basis und als Ergebnis der Begleitstudien professionalisierte sich sowohl die Lernumgebung als auch die Lehrenden. Letztgenannte wurden zu Moderatoreninnen und Moderatoren bzw. tauschten die Rolle von Expertinnen und Experten gegen die der Lehrbegleiterinnen und -begleiter. Das aktuelle Angebot des Telekollegs besteht aus einer Mischung von Selbstlernen, schriftlichem Studienmaterial und regelmäßigen Unterrichtsveranstaltungen mit dem Ziel der „Mittleren Reife“ oder eines Fachhochschulabschlusses. Zum Angebot im Bereich des Selbstlernens zählen sowohl traditionelle Fernsehsendungen – zum Teil „vor der Tafel“ – als auch Lernangebote im Internet, zumeist Einspielfilme.⁴⁹ Gerade letztgenannte Angebote verweisen darauf, das Erklärvideos ein Phänomen darstellen, welches nicht nur im WWW omnipräsent ist, sondern rasch auch Einzug in die Angebote der öffentlich-rechtlichen Medien gefunden hat.
2.3 Zusammenfassung: Audiovisuelle Vermittlungsformate im Fernsehen Die 1960er und 1970er Jahre waren von einer allgemeinen Bildungseuphorie geprägt. Diese brachte hohe Erwartungen an die neuen Massenmedien, namentlich das Fernsehen, mit sich. Bildungssendungen und -formate erlebten eine Hochkonjunktur. Das Fernsehen konnte dieser Erwartungshaltung insgesamt aber nur bedingt Rechnung tragen. Der Medienpädagoge und Erziehungswissenschaftler Bernd Schorb resümierte bereits Mitte der 1990er Jahre vor dem Hintergrund der
Das aktuelle Angebot für das Fach Geschichte findet sich auf den Seiten des BR unter der URL http://www.br.de/telekolleg/faecher/geschichte/index.html (letzter Zugriff 31.3. 2018). Vgl. u. a. Bedall, Fritz K.: Telekolleg und Gruppendynamik. Eine empirische Untersuchung zum Problem des unmittelbaren Feedback im Bildungsfernsehen für Erwachsene. München 1970 (Telekolleg im Studienprogramm des Bayerischen Rundfunks. Wissenschaftliche Begleituntersuchung 3) u. Grimm, Susanne: Fernstudium und Studienabbruch. Eine soziologische Untersuchung des Medienverbundsystems Telekolleg mit systemtheoretischem Ansatz. München 1976 (Pädagogisch-psychologische Forschungen). Das aktuelle BR-Angebot unter dem Titel „Telekolleg Multimedial“ findet sich auf den Seiten des BR unter der URL http://www.br.de/telekolleg/index.html (letzter Zugriff 31.3. 2018).
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Dominanz kommerzieller Sender und einer kaum noch zu überblickenden Heterogenität der Sendformate⁵⁰: Betrachtet man in der Gegenüberstellung diese Kluft zwischen Gestern und Heute, so könnte es einem erscheinen, das Bildungsfernsehen habe in ehemals goldenen Zeiten prosperiert und sei nun dem Kommerz zum Opfer gebracht worden. Dem ist aber nicht so. Bildung war schon immer mehr Auftrag als Realität des Rundfunks. Sie war selbst in der kurzen Dekade der Bildungseuphorie eine Aufgabe, die man nur halbherzig und unter Einsatz geringer finanzieller Mittel wahrnahm.⁵¹
Bildung als Fernsehprogramm und -format hat auch heute noch einen festen Platz im Angebot vor allem der öffentlich-rechtlichen Sender. De facto fristet sie im Rahmen der Dritten Programmen der ARD aber weiter ein Nischendasein: Dieses lässt sich „ablesen an ihrem Ansehen innerhalb der Hierarchie der Anstalten, ihrer finanziellen Ausstattung, ihren Sendeplätzen und damit eng verbunden ihrer mangelnden Akzeptanz durch die Zuschauer.“⁵² Gemäß Rundfunkstaatsvertrag besteht im Rahmen des „Vollprogramms“ die Verpflichtung, neben der Unterhaltung auch Information, Bildung und Beratung anzubieten.⁵³ So wird von den Sendeverantwortlichen gerne auf die Unterscheidung zwischen „Bildungssendungen im engeren“ und im „weiteren Sinn“ sowie auf die „inzidentellen Wirkungen von Sendungen“ verwiesen.⁵⁴ (Weiter‐)Bildung muss also nicht in eigens für diesen Zusammenhang geschaffenen Sendungen erfolgen; sie kann quasi auch als eine Art Nebenprodukt in anderen Formaten „versteckt“ werden. TVMagazine oder fiktionale Sendeformate können ebenfalls der öffentlichen Wissenskommunikation dienen.⁵⁵ Es sollte aber bis hierhin deutlich geworden sein, dass die Debatten, die heute um die Bedeutung von YouTube als Medium in der Wissensvermittlung nicht nur in der Geschichtsdidaktik geführt werden, bereits über eine längere Vorgeschichte verfügen: Diese umfasst von Anfang an die grundlegende Unterscheidung zwischen formellen Angeboten und Formen des Lernens (in der Schule, mit spezi Vgl. Hickethier, Knut: Die Fernsehkultur der 1990er Jahre. In: Die Kultur der 90er Jahre. Hrsg. von Werner Faulstich. München 2010 (Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts). S. 253 – 263. Schorb, Bernd: Bildungsfernsehen. In: Informations- und Dokumentarsendungen. Hrsg. von Peter Ludes, Heidemarie Schuhmacher u. Peter Zimmermann. München 1994 (Geschichte des Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland 3), S. 203 – 212, S. 206. Schorb. Bildungsfernsehen (wie Anm. 51), S. 205. Vgl. Schlote, Elke: Im Auftrag der Bildung. Ein Überblick zum Bildungsfernsehen. In: TelevIZIon 13/2 (2008). S. 4– 9, S. 4. Schlote, Auftrag (wie Anm. 53), S. 5 – 6, S. 6. Vgl. Milde, Jutta: Vermitteln und Verstehen. Zur Verständlichkeit von Wissenschaftsfilmen im Fernsehen. Wiesbaden 2009.
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ellen Unterrichtsmaterialien) und eher informellen Angeboten und Formen des Lernens (zu Hause, selektive Auswahl der „Materialien“ aus dem massenmedialen Angebot). Selbstbestimmtes Lernen findet aber nicht nur außerhalb der Schule statt. Insgesamt lässt sich in den letzten Jahren ein stärkerer Einfluss dieses Aspektes auf den Schulunterricht feststellen. Eine weitere wichtige Perspektive betrifft den Zeitpunkt („wann“), die Bereiche („wo“) und den Umfang („wieviel“), in denen bzw. in dem eine Partizipation der Nutzerinnen und Nutzer an den Bildungsangeboten möglich ist. Hier geht es sowohl um Fragen der Chancengleichheit beim Zugang zum (Weiter‐)Bildungssystem und seinen Inhalten als auch um Alltagserfahrungen für Kinder und Jugendliche in einer sich verändernden Lebenswelt – außerhalb der traditionellen Rollenstrukturen in Schule und Familie. Die seit den 1960er Jahren wiederholt eingeforderten und zu größeren Teilen auch umgesetzten Partizipationsmöglichkeiten (inklusive des Selbstlernens und des DIY-Prinzips) spiegeln sich nicht zuletzt in den Rollen wider, die den Präsentatorinnen und Moderatoren – als Lernbegleiterinnen und -begleitern – in Wissenssendung zugeschrieben werden.⁵⁶
3 YouTube: Wissensvermittlung über Videoplattformen Beim Thema Vermittlung von (Geschichts‐)Wissen via Videoplattformen wird unser Blick zuerst einmal auf die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung einzelner aktueller Phänomene gelenkt. So ist es aus einer Alltagsperspektive heraus sicher verständlich, dass Videoplattformen – auf denen Nutzerinnen und Nutzer Videos als „user-generated content“ ins Netz stellen – zumeist mit der erfolgreichen Plattform YouTube gleichgesetzt werden. Von Beginn an hat YouTube⁵⁷ polari-
Vgl. beispielsweise die vorliegenden Untersuchungen für Kinder zwischen 7 und 10 Jahren Holler, Andrea [u. a.]: „This is the TV presenter I’d like to have“, in: TelevIZIon 25/E (2012). S. 30 – 31; Holler, Andrea, Anne Egerer u. Judith Schwarz: Das ist mein/e Wunschmoderator/in! Wenn Mädchen und Jungen ihren eigenen Lernbegleiter entwerfen könnten. In: TelevIZIon 26/2 (2013). S. 48 – 50. Vgl. die knappen ‚Biografien‘ der Plattform bei Burgess, Jean u. Green, Joshua: YouTube. Online Video and Participatory Culture. Cambridge 2009 (Digital Media and Society Series). S. 1– 6; Snickars, Pelle u. Patrick Vonderau: Introduction. In: The YouTube Reader. Hrsg. von Pelle Snickars u. Patrick Vonderau. Stockholm 2009. S. 9 – 21; Rowell, Rebecca: YouTube: The Company and its Founders. Edina 2011.
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siert:⁵⁸ Verstehen die einen YouTube als unverzichtbaren Bestandteil einer neuen netzbasierten Partizipationskultur,⁵⁹ so charakterisieren die anderen Videoportale generell als „Bühnen des Mobs und der Wichtigtuer“⁶⁰. Pauschaler Enthusiasmus und pauschale Verdammung halten sich dabei die Waage. Der Umgang mit dem Phänomen YouTube in unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen ist deshalb nicht ohne Grund als Mischung aus „Kritik, Ratlosigkeit, aber auch Faszination“⁶¹ beschrieben worden: YouTube kann je nach Herangehensweise als „subject, form, method, problem, and solution“⁶² charakterisiert werden. Aus geschichtswissenschaftlicher bzw. -didaktischer Sicht müssen aber genauere Unterscheidungen getroffen werden, um das Phänomen in seiner Bedeutung für Forschung und Lehre und vor allem den Geschichtsunterricht genauer erfassen und einordnen zu können: „YouTube.com – a free, public, online video archive with built-in social networking features – has created a platform for countless virtual communities, many of which are focused on transmitting knowledge in userʼs areas of interest and expertise.“⁶³ In dieser Arbeitsdefinition wird zum einen deutlich, dass es sich bei YouTube um eine kommerzielle Videopattform handelt. Das „Dotcom“, die Zuordnung zur Domain „.com“, wird in der Regel nicht mitgedacht und auch nicht explizit „ausgesprochen“. In diesem Punkt unterscheidet sich YouTube aber bereits deutlich von den staatlich finanzierten Rundfunk- und Fernsehangeboten aus dem vorangegangenen Kapitel. Zum anderen findet sich in dieser Definition bereits ein deutlicher Hinweis auf die Rolle der Plattform bei der Wissensvermittlung in eher spezialisierten Fach- und Interessensgebieten („special interest“). Damit tritt ein zweites Unterscheidungsmerkmal hinzu: Die öffentlich-
Vgl. Roman, Marek: Understanding YouTube. Über die Faszination eines Mediums. Bielefeld 2013, S. 16 – 19. Vgl. Jenkins, Henry: Fans, Bloggers, and Gamers: Exploring Participatory Culture. New York 2006; Jenkins, Henry, Katie Clinton, Ravi Purushotma , Alice J. Robison u. Margaret Weigel: Confronting the Challenges of Participatory Culture: Media Education for the 21st Century. Cambridge [o.J.] (The John D. and Catherine T. MacArthur Foundation Reports on Digital Media and Learning). Maresch, Rudolf: Die Bühnen des Mobs und der Wichtigtuer. Die digitale Revolution entlässt ihre Kinder ins Mitmach-Web. In Telepolis 21. 2. 2007 http://www.heise.de/-3409816 (letzter Zugriff 31.3. 2018); siehe auch Lanier, Jaron: You are not a Gadget. A Manifesto. New York 2010; Lanier, Jaron: Who Owns the Future? New York 2013. Marek, Understanding (wie Anm. 58), S. 18. Juhasz, Alexandra: Learning from YouTube. Cambridge 2011 https://mitpress.mit.edu/books/ learning-youtube (letzer Zugriff 31.3. 2018). Miller, Kiri: Playing along: Digital Games, YouTube, and virtual performance. Oxford u. New York 2012. S. 17.
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rechtlichen Rundfunk- und Fernsehangebote zielten nicht auf ein spezialisiertes Nischenpublikum, sondern auf die Vermittlung von Allgemeinbildung bzw. kanonisierten und damit (ab‐)prüfbaren Schulwissen.
3.1 YouTube als Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen Die öffentliche Beschäftigung mit YouTube findet bisher hauptsächlich in Zeitungen und Magazinen bzw. in Blogs und Foren, weniger in der wissenschaftlichen Literatur statt.⁶⁴ Diese Aussage ist aber von Disziplin zu Disziplin anders zu gewichten: In den Kommunikationswissenschaften ist YouTube ein beliebter Gegenstand der Forschung.⁶⁵ Viele der hier vorliegenden Untersuchungen, die in der Regel weniger als ein Jahrzehnt alt sind, zeigen aber gleichzeitig, wie schwer es ist, zu treffenden oder zu längerfristig gültigen Einschätzungen zu gelangen. Analysen widmen sich der Definition und Entstehungsgeschichte von Videoplattformen⁶⁶, andere untersuchen unterschiedliche wissenschaftliche Zugänge zum Medium⁶⁷, studieren verschiedene Nutzungsmöglichkeiten⁶⁸ oder aber haben YouTube als Quelle wissenschaftlicher Analysen⁶⁹ zu ihrem Gegenstand. Auch in der Medienbildung ist YouTube Thema: Der Begriff Medienbildung wird heute in der (Bildungs‐)Politik genauso selbstverständlich genutzt (u. a. mit Blick auf Themen wie Digitalisierung, Mobilität oder Teilhabechancen) wie in der Medienpädagogik (Alltagspraxis) oder in wissenschaftlich-theoretischen Analysen (Bildungskonzepte unter medialen Bedingungen).⁷⁰ Zum einen geht es dabei
Als kritische Ausnahmen Lovink, Geert u. Sabine Niederer (Hrsg.): Video Vortex Reader. Responses to YouTube. Amsterdam 2008 (INC Reader 4); Lovink, Geert u. Rachel Somers Miles (Hrsg.): Video Vortex Reader II. Moving Images beyond YouTube. Amsterdam 2010 (INC Reader 6). Ein umfassender Literaturbericht findet sich bei Soukup, Paul A.: Looking at, with, and through YouTube. In: Communication research trends 33 (2014). S. 3 – 34. Soukup, Looking (wie Anm. 65), S. 3 – 4. Medien, Medialität, Profile von Nutzerinnen und Nutzern, Rolle als Soziales Netzwerk, wirtschaftliche, rechtliche und technische Aspekte, Kritik am Medium; vgl. Soukup, Looking (wie Anm. 65), S. 5 – 11. Werbung, Archiv, Bildung, Unterhaltung, Journalismus, Politische Kommunikation; vgl. Soukup, Looking (wie Anm. 68), S. 11– 23; zur Bildungsfunktion ebd., S. 14– 15. Sprachen, Kinder, soziale Gruppen, Gesundheit, Regierung, NGOs, Proteste, Information und Nachrichten, Kommerzielles; vgl. Soukup, Looking (wie Anm. 65), S. 23 – 25. Vgl. Verständig, Dan, Jens Holze u. Ralf Biermann: Einleitung. In: Von der Bildung zur Medienbildung. Festschrift für Wilfried Marotzki. Hrsg. von Dan Verständig, Jens Holze u. Ralf Biermann. Wiesbaden 2016 (Medienbildung und Gesellschaft 31). S. 1– 14, S. 5 – 7.
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um das „Lernen mittels Medien“ im Sinne von Medienerziehung, also den alltäglichen Umgang mit neuen bzw. digitalen Medien im Bildungssystem. Zum anderen geht es um Ansätze, von denen man sich empirisch valide Ergebnisse zur Bedeutung medialer Strukturen für die Herstellung von Orientierungsleistung verspricht.⁷¹ Darüber hinaus wird zwischen dem Einsatz von „Hardware“ und der Nutzung von „Diensten“ oder „Applikationen“ unterschieden.⁷² Zu den digitalen Bildungsmedien zählen neben den bereits mehrfach angesprochenen Webvideos und Lernplattformen auch Social Software, die Seiten sozialer Netzwerke, Mobile Medien, Computerspiele oder auch digital-basierte Zukunftstechnologien wie der 3D-Druck.⁷³ Werden digitale Medien in der Medienbildungsforschung als integraler Bestandteil informeller Lernprozesse gesehen, so wird ihre Bedeutung für formelle Prozesse des Lernens, vor allem in Schulen, weiter diskutiert.⁷⁴ Die in der Einleitung für die späten 1960er Jahre angestellte Überlegung zur Wirkung von Medien der Massenkommunikation im Alltag ist somit in ihr Gegenteil verkehrt worden. Damit lässt sich zumindest ein Partizipationsgewinn seitens der Nutzerinnen und Nutzer ausmachen. Die aktuell geäußerten Erwartungen hinsichtlich einer Verbesserung von sowohl Lernprozessen als auch Lernergebnissen beziehen sich unter anderem auf – die Veränderung der Lernkultur hin zu einem stärker selbstgesteuerten, motivierten Lernen, zum Teil in kooperativen Lerngemeinschaften, – die Veränderung der Unterrichtskultur von einem stark lehrerzentrierten Unterricht hin zu offeneren Formen oder – die Nutzung medialer Funktionen, die über das Präsentieren hinausgehen, z. B. Selektieren, Speichern, Produzieren und Kommunizieren.⁷⁵
Im Raum steht dabei nicht zuletzt die Frage nach dem konkreten „Ort“ an dem digitale Medien im Unterricht ihre positive Wirkung entfalten sollen: Im Bereich der fachlichen Leistungen oder der überfachliche Kompetenzen, hinsichtlich der Unterrichtskultur oder der Schule als Gesamtsystem?⁷⁶ Auf den Ergebnissen der
Verständig [u. a.], Einleitung (wie Anm. 70), S. 5 – 7. Vgl. Wimmer, Jeffrey: Potenziale digitaler Bildungsmedien. Ein Überblick über Forschung, Lernformen und Trends. In: TelevIZIon 30/1 (2017). S. 9 – 15. Vgl. Wimmer, Potenziale (wie Anm. 72). Herzig, Bardo u. Silke Graf: Digitale Medien in Schule und Alltagswelt. Zur Verbindung von formellen und informellen Lernprozessen. In: Medienbildung in neuen Kulturräumen. Die deutschsprachige und britische Diskussion. Hrsg.von Ben Bachmair.Wiesbaden 2010. S. 183 – 195. Herzig [u.a], Medien (wie Anm. 74), S. 184. Vgl. Herzig [u. a.], Medien (wie Anm. 74), S. 189 – 190.
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Forschung aus Medienbildung und Kommunikationswissenschaft lässt sich für die Geschichtswissenschaft aufbauen. Gleichwohl ist angesichts der Befunde dieser Fächer wie auch der stetig steigenden Zahl an Analysen im Bereich „audiovisueller Geschichte“ sowohl in Geschichtswissenschaft als auch in der Geschichtsdidaktik mit Blick auf die Vermittlungsangebote und -formate von Geschichte bzw. historischem Wissens via Videoplattformen eine Leerstelle zu konstatieren. Diese wird mit dem vorliegenden Band zwar nicht geschlossen werden können, aber zumindest reflektiert.
3.2 YouTube als Beispiel für Erklärvideos Webvideos bilden einen wichtigen Bestandteil der digitalen Alltagskultur heutiger Jugendlicher. Statt von YouTube ist bereits vom Signum „You(th)Tube“⁷⁷ gesprochen worden. Zu den Videos, die auf der Plattform hochgeladen und gestreamt werden, zählen neben Musikclips vor allem auch Tutorials und Ratgeberformate. Zu letzteren sind neben professionellen Lehrvideos und privat produzierten Filme auch Mischformen jeglicher Art zu rechnen. Die Plattform bietet insgesamt ein „enormes Archiv an klassischem Wissen, das von Filmkritiken über Koch- und Walzertanzkursen bis hin zu Informationen über Autoreparaturen reicht“⁷⁸. YouTube verfügt nach Ansicht einiger Forscherinnen und Forscher bereits über den Status „einer Art audiovisueller Enzyklopädie, in der man sich alles zeigen, vormachen und erklären lassen kann“.⁷⁹ Neben diesen auf Unterhaltung, Freizeitinteressen und -gestaltung ausgerichteten Angeboten zählen aber auch Kanäle, die sich dem sozialen Lernen oder der Aufbereitung und Präsentation von (Schul‐)Wissen widmen, zum umfangreichen YouTube-Portfolio. Folgt man den Kriterien in aktuellen Studien zum Jugend- und Bildungsfernsehen, so wird YouTube zumeist der Lernform bzw. dem Lernkonzept „Web- und Erklärvideos“ zugeordnet: Erklärvideos auf YouTube werden „für die Schule, die berufliche Ausund Weiterbildung oder die Universität als kostenlose Nachhilfe, alternativer
Würfel, Maren, Matthias Kießling u. Jan Keilhauer: You(th)Tube – Die Rezeption von Onlinevideos durch Jugendliche. In: Medien und Erziehung 52 (2008). S. 54– 60. Schuegraf, Martina u. Claudia Wegener: Faszination YouTube. Social Media zwischen Bildung und Selbstbildung. In: TelevIZIon 30/1 (2017). S. 36 – 40, S. 36. Wolf, Karsten D: Produzieren Jugendliche und junge Erwachsene ihr eigenes Bildungsfernsehen? Erklärvideos auf YouTube. In: TelevIZIon 28/1 (2015). S. 35 – 39, S. 39.
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Lehrvortrag oder weitergehende Vertiefung genutzt.“⁸⁰ Der Medienpädagoge und -didaktiker Karsten Wolf definiert Erklärvideos als selbstproduzierte Filme, in denen erläutert wird, wie man etwas macht oder wie etwas funktioniert bzw. in denen abstrakte Konzepte und Zusammenhänge erklärt werden. Als Sub-Genre von Erklärvideos zu verstehen sind Videotutorials, in denen eine beobachtbare Fertigkeit oder Fähigkeit im Sinne einer vollständigen Handlung explizit zum Nachmachen vorgemacht wird. Erklärvideos sind abzugrenzen auf der einen Seite von reinen Performanzvideos, in denen eine Fertigkeit im Sinne einer Dokumentation oder einer Selbstdarstellung ohne weitere didaktische Aufarbeitung gezeigt werden, und auf der anderen Seite von Lehrfilmen, die mit einem hohen didaktischen und medialen Gestaltungsaufwand in professionellen Kontexten produziert werden.⁸¹
Erklärvideos zeichnen sich nach Wolf durch vier Merkmale aus:⁸² Sie verfügen erstens über eine thematische und zweitens eine gestalterische Vielfalt. Diese beiden Aspekte allein würden sie für den Einsatz im Unterricht bzw. im Bildungsund Weiterbildungsbereich noch nicht interessant machen. Für den Einsatz auch im klassischen Schulunterricht dürfte vielmehr von Bedeutung sein, dass sie drittens ihre Inhalte im informellen Kommunikationsstil transportieren und sich viertens die Autorschaft durch eine erkennbare Diversität der Autorinnen und Autoren auszeichnet. Der informelle Kommunikationsstil schließt die Interaktion mit den Rezipientinnen und Rezipienten, sei es in Form von Kommentaren, sei es in Form von persönlich geäußerten Programmwünschen, ein. Das „Kommentieren“ und „Liken“ lässt sich so leicht auch als Teilhabe an einer „Ko-Konstruktion des kollektiven Wissensraumes“ verstehen.⁸³ In Studien ist neben der Nutzung von Onlinevideos zum Lernen auch nach der Produktion von solchen Videos gefragt worden.⁸⁴ Im ersten Fall steht dabei das Lernen am Modell bzw. durch Reflexion, im zweiten Fall das Lernen durch Lehren im Mittelpunkt.
Wolf, Karsten D.: Bildungspotenziale von Erklärvideos und Tutorials auf YouTube: AudioVisuelle Enzyklopädie, adressatengerechtes Bildungsfernsehen, Lehr-Lern-Strategie oder partizipative Peer Education? In: Medien und Erziehung 59/1 (2015). S. 30 – 36. Hier und im Folgenden zitiert nach der Kurzfassung unter der URL https://stiftungbrandenburgertor.de/wp-content/uplo ads/2015/07/Bilderbilden_Wolf_Bildungspotenziale-von-Erkl%C3 %A4rvideos-und-Tutorials-aufYouTube.pdf (letzter Zugriff 31.3. 2018), S. 1; vgl. Schuegraf u. Wegener, Faszination (wie Anm. 78), S. 36. Wolf, Bildungspotenziale (wie Anm. 80), S. 1. Vgl. Wolf, Produzieren (wie Anm. 79), S. 36; Wolf, Bildungspotenziale (wie Anm. 80), S. 2. Wolf, Bildungspotenziale (wie Anm. 80), S. 6. Hier wird auch von einer „Meta-Kommunikationsebene mit Peers“ gesprochen; ebd., S. 5. Vgl. Rummler, Klaus u. Karsten D. Wolf: Lernen mit geteilten Videos: aktuelle Ergebnisse zur Nutzung, Produktion und Publikation von online-Videos durch Jugendliche. In: Medien – Wis-
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Aber: Nicht allein das große Angebot an Videos oder ihre Verfügbarkeit – es ist keine Bindung an einen festen Lernort notwendig – lenken das allgemeine Interesse der Nutzerinnen und Nutzer: Im Vordergrund steht immer auch das Ziel, „etwas wissen zu wollen“, also das genuine Interesse an einem selbstgewählten Thema. Hierzu zählt beispielsweise auch die Beschäftigung mit der „Französischen Revolution“, wenn sie Gegenstand einer Klausur oder der Abiturprüfung ist. Auch bei der Wissensvermittlung via YouTube geht es am Ende doch wieder um die bekannten „W-Fragen“ aus der Kindersendung der 1970er Jahre, der „Sesamstraße“.⁸⁵ Erklärvideos ermöglichen eine aktive bzw. selbst leicht herzustellende Anpassung der Inhalte an eigene inhaltliche Vorkenntnisse oder die Präferenzen für den einen oder anderen Erklärstil bei der (Wissens‐)Vermittlung. Sie lassen sich sowohl in formellen als auch in informellen Bildungskontexten gleichermaßen nutzen. Wie die Begleitforschung zeigt, sind Erklärvideos in ihrer medialen Form als „Einspielfilme“ besonders gut dazu geeignet mittels ihrer audiovisuellen Elemente emotionale Anschlussfähigkeit herzustellen und somit geeignete Erfahrungsräume für Schülerinnen und Schüler zu schaffen, „die für die Motivation und den Prozess der Aneignung von zentraler Bedeutung sein können.“⁸⁶ In einer groß angelegten Studie wurde vor wenigen Jahren die Bedeutung der Schule für die Rezeption von Onlinevideos hervorgehoben: Ziel der Befragung von Schülerinnen und Schülern in Bremen war es, für diese Gruppe Daten zur Nutzung, Produktion und Publikation von Onlinevideos zu erheben. Besonders betont wird durch die beiden Autoren die Öffnung des Unterrichts für Alltag und Alltagsverhalten der Schülerinnen und Schüler durch das „Zulassen außerschulischer Kontexte für schulisches Lernen“⁸⁷ – konkret die Nutzung von YouTube zur Vorbereitung von Unterrichtsthemen. Als interessant erweist sich in dieser Studie aber auch die Zuordnung der YouTube-Videos zu einzelnen Lerninhalten bzw. Unterrichtsfächern: Die Befragten berichten, dass sie Onlinevideos speziell für die Fächer Biologie, Physik, Wirtschaft, Politik, Englisch, Geographie, Chemie und Mathematik verwenden. In Zahlen verwenden etwa 62 % der Schüler Videos zur Vorbereitung für Klausuren oder um Präsen-
sen – Bildung: Kulturen und Ethiken des Teilens. Hrsg. von Wolfgang Sützl [u. a.]. Innsbruck 2012. S. 253 – 266. Vgl. den Text des „Sesamstraßenliedes“: „Der, die, das, / wer, wie, was, / wieso, weshalb, warum, / wer nicht fragt, bleibt dumm!“. Götz, Maya [u. a.]: „Hat aus langweiligem Thema was rausgeholt“. Lernen mit der Neuauflage des Telekollegs. In: TelevIZIon 30/2 (2017). S. 63 – 65, S. 65. Rummler [u. a.], Lernen (wie Anm. 84), S. 262.
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tationen und Referate zu Themen wie Photosynthese, Stickstoffkreislauf, Chromosomen, Immunbiologie oder Atomkraft vorzubereiten.⁸⁸
YouTube scheint also dem „duale(n) Bildungscharakter digitaler Medien als Bildungsinhalt und Bildungsvermittler“⁸⁹ durchaus gerecht zu werden. Auch wenn das Schulfach Geschichte nicht in der Aufzählung der Bremer Schülerinnen und Schüler auftaucht, so zählen auf historisches Wissen ausgerichtete Erklärvideos ebenfalls zum Angebot der Plattform und sind als solche von Geschichtswissenschaft und -didaktik mittlerweile auch wahrgenommen worden.⁹⁰ Geschichtsvideos bzw. Videos, in denen historische Inhalte behandelt werden, können ebenfalls alle bekannten Formate vom Spiel- bis zum Unterrichtsfilm oder privaten Lehrvideo umfassen.⁹¹ Im WWW sind Geschichtsvideos zudem häufig mit weiteren Angeboten in multimedialen Lernräumen verknüpft. Auch diese Präsentationsumgebungen gilt es zu unterscheiden: An die Seite „reiner“ Videoportale wie YouTube treten Mediatheken vor allem öffentlich-rechtlicher Sender,⁹² spezielle Themenportale⁹³ oder didaktisch aufbereitete Angebote der „normalen“ Bildungsarbeit.⁹⁴ Betrachtet man typische Erklärvideos auf YouTube, so entsprechen diese sowohl vom Stil als auch vom Format (Clip-Länge) ziemlich genau der Definition von Lehrvideos im Bereich des Historischen Lernens. Diese werden von der Studienreferendarin Britta Wehen als Videos definiert, die „speziell für die Verwendung in Bildungskontexten angefertigt werden und an methodischen und psychologischen Regeln der Vermittlungstätigkeit orientiert sind. Typischerweise
Rummler [u. a.], Lernen (wie Anm. 84), S. 259. Vgl. Wimmer, Potenziale (wie Anm. 72), S. 12. Vgl. Wehen, Britta: Geschichtsvideos im Netz. In: Praxishandbuch Historisches Lernen und Medienbildung im digitalen Zeitalter. Hrsg. von Daniel Bernsen u. Ulf Kerber. Opladen [u. a.] 2017, S. 237– 248; siehe auch das Tagungsprogramm zu Digital Native (Hi)Stories – Neue Herausforderungen audiovisuell-partizipativer Medien für die historische Bildung, 10.-11.06. 2016 Heidelberg, in: H-Soz-Kult, 23.05. 2016, (letzter Zugriff 31.3. 2018). Vgl. Wehen, Geschichtsvideos (wie Anm. 90), S. 237. Vgl. z. B. den ARD-Bildungskanal „alpha“ unter der URL http://www.br.de/fernsehen/ard-al pha/index.html oder das Format „Planet Wissen“ (SWR/WDR) unter der URL https://www.planetwissen.de/index.html (letzter Zugriff 31.3. 2018). Vgl. z. B. die europäische Kulturplattform „EUROPENA“ https://pro.europeana.eu/ (letzter Zugriff 31.3. 2018). Vgl. Wehen, Geschichtsvideos (wie Anm. 90), S. 242– 244.
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sind sie im Stil einer Unterrichtslektion aufgebaut und umfassen selten mehr als 20 Minuten“.⁹⁵ Was macht nun das Lernen mit YouTube für Schülerinnen und Schüler so interessant? Um sich einer Antwort auf diese Frage anzunähern, gilt es den Blick noch einmal auf die mit dem Ausbau des Bildungsfernsehens verknüpften gesellschafts- und bildungspolitischen Ziele zu lenken: Hier stand vor allem auch der Versuch im Mittelpunkt, beim Publikum tatsächlich vorhandene oder auch nur vermutete Unterschiede hinsichtlich des Bildungsgrades zu überwinden: Bildungsfernsehen war bzw. ist somit ein niedrigschwelliges Angebot – unterbreitet in einem Medium, das normalerweise mit Unterhaltungsaspekten in Verbindung gebracht wird. Diese Diagnose lässt sich leicht übertragen: Bei einem (Groß‐)Teil der aktuellen Angebote im WWW dürfte es sich im weitesten Sinne um Formen kommerzieller Unterhaltung handeln. Dass es sich diesbezüglich nicht um einen Widerspruch handeln muss, zeigt erneut der Rückblick: Seit den 1970er wurde wiederholt der Frage nachgegangen ob und wenn ja, welche Auswirkungen der „Werberahmen“, in den die Kindersendungen vor allem im ZDF eingebettet waren, auf die Rezeption des Programmes hatte.⁹⁶ Weder die massive Nutzung eines Mediums noch die ästhetische Qualität vieler Videos können bzw. dürfen als entscheidender Indikator für dessen Bedeutung oder eben auch Bedeutungslosigkeit angesehen werden.⁹⁷ Eher gilt das Gegenteil: Das „Amateurhafte“ der Erklärvideos stellt für die YouTuberinnen und YouTuber eine wichtige Strategie in den sozialen Medien dar. Und diese unabhängig davon, ob das Format dilettantisch ist und der Inhalt professionell oder umgekehrt: die dilettantische Anmutung bewahrt den Glauben an das Authentische, Private und Spontane, sie rechtfertigt zudem die Tatsache, dass zwar mit bildnerischen Mitteln – im Medium des Films – gearbeitet wird, aber kein Werk entstanden ist, das der eingehenden Analyse oder Betrachtung bedürfe.⁹⁸
Zu den Gründen für die Produktion eigener Videos werden in der Forschung auf Basis der Befragung von YouTuberinnen und YouTubern neben dem Ziel der
Wehen, Geschichtsvideos (wie Anm. 90), S. 240. Vgl. Schmidbauer, Geschichte (wie Anm. 19), S. 62– 68. Zu den Schwächen der ästhetischen Anmutung der Clips auf einer Plattform, die nicht „a hotbed for innovative aesthetics“ ist, vgl. Lovink, Geert: Engage in Destiny Design: Online Video Beyond Hypergrowth. Introduction to the Vortex Reader II. Lovink u. Somers, Reader II (wie Anm. 64), S. 9 – 12, S. 9. Kohout, Annekathrin: YouTube-Formate zwischen Professionalität und Dilettantismus. In: POP. Kultur und Kritik 6/11 (2017). S. 66 – 71, S. 70.
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Selbstdarstellung auch Aspekte wie Selbstlernunterstützung, ein Peer-BasedLearning durch gegenseitiges, konstruktives Kommentieren sowie der gezielte Wunsch, selbst eigene Bildungsangebote/-ressourcen anzubieten, angeführt.⁹⁹ Sowohl die Produzentinnen und Produzenten als auch die Moderatorinnen und Moderatoren der Videos werden – im Gegensatz zu den Lehrerinnen und Lehrern im Schulunterricht – von ihrem Publikum als „echt“ bzw. „authentisch“ eingestuft. Anbieterinnen und Anbieter sowie Nutzerinnen und Nutzer begegnen sich vermeintlich als „Peers“ und damit auf Augenhöhe. Zur Authentizität der Webvideos trägt auch ihr „Live-Charakter“ bei: Sie suggerieren erfolgreich persönliche Kommunikation – live bedeutet hier, dass keine weitere „kuratierende“ Instanz eingegriffen hat: „Livestream und Echtzeit-Kommunikation stehen im Dienst einer neuen Mündlichkeit. Besser gesagt einer Pseudo-Oralität, denn selbstverständlich werden die Daten im Netz nicht endgültig gelöscht, sondern währen ewig.“¹⁰⁰ Die Auseinandersetzung mit YouTube-Kanalbetreiberinnen und -betreibern¹⁰¹ steckt in der bildungs- und sozialwissenschaftlichen Forschung aber noch in den Kinderschuhen.¹⁰² Betreiberinnen und Betreiber von Geschichtskanälen sind aber auch in der Geschichtswissenschaft bisher kaum bzw. gar nicht Gegenstand von entsprechenden Analysen gewesen. Dieses Desiderat gilt auch für die Public History (YouTube als Phänomen) und die Geschichtsdidaktik (Erklärvideos und Unterricht).¹⁰³ Wenn YouTube wissenschaftliches Interesse weckt, dann vor allem wenn es um Politik, Nachrichten oder die zunehmende Abstinenz vom Medium Fernsehen geht.¹⁰⁴
Vgl. Wolf, Produzieren (wie Anm. 79), S. 37. Kohout, Annekathrin: Livestreaming is life. In: POP. Kultur und Kritik 6/10 (2017). S. 74– 77, S. 77. Bezüglich des Betreibens eigener Kanäle als auch bei der Videoproduktion lässt sich zudem ein deutlicher Gender Gap feststellen; vgl. Döring, Nicola: Die YouTube-Kultur im Gender-Check. In: Medien und Erziehung 59/1 (2015). S. 17– 24, S. 18. Als eine der wenigen übergreifenden Studien Zabel, Christian u. Sven Pagel: Wer sind die Creators auf Youtube? Quantitativ-qualitative Befragung deutscher Online-Video-Produzenten. Düsseldorf 2016; siehe auch Zabel, Christian, Sven Pagel u. Christian Seemann: Youtube-Creators in Deutschland – Motive, Produktionsroutinen und Finanzierung von deutschen Online-VideoProduzenten. In: Media Economics revisited. (Wie) Verändert das Internet die Ökonomie der Medien? Hrsg. von Wolfgang Seufert. Baden-Baden 2017 (Reihe Medienökonomie11). S. 125 – 146. Vgl. einführend in den Umgang mit ‚neuen Medien‘ beispielsweise Kattmann, Martin, Tobias Nehls u. Lajos Speck: Web 2.0 in der Praxis – Blogging, Flickr, YouTube und Co. In: Berühmt im Netz? Hrsg. von Jürgen Lauffer u. Renate Röllecke. Bielefeld 2008. S. 112– 157, zu YouTube ebd., S. 124– 132; siehe auch Wehen, Geschichtsvideos (wie Anm. 90). Vgl. Krasser, Senta: YouTuber als Politikvermittler. Die Generation Y schaut kein Fernsehen und findet Politik uncool – mit ungewöhnlichen Formaten versuchen einige YouTuber, sie für das
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Zudem konstatieren Untersuchungen, dass YouTube auf inhaltlicher Ebene authentische Angebote für alle möglichen oder gerade auch die Rollenbilder Jugendlicher liefert, die in den klassischen Massenmedien kaum berücksichtigt werden oder gänzlich fehlen.¹⁰⁵ Die hohe Anzahl von Videos zu ähnlichen Themen – eine solche Parallelproduktion lässt sich auch für Geschichtsvideos feststellen – wird in der Forschung durch eine sich „selbst selektierenden Adressatenschaft“ erklärt: „Gerade die Heterogenität in Bildungshintergrund, Milieu, Vorwissen, Sprache und anderen für die Gestaltung relevanten Eigenschaften der YouTube-Erklärenden schafft eine Vielfalt, in der sich die RezipientInnen passende Erklärende aussuchen können.“¹⁰⁶ Der Befund hinsichtlich der bereits in Untersuchungen zum Kinderbildungsprogramm herausgearbeiteten Rollenzuschreibungen „Kumpeltyp“ und „Lernbegleiter“ lässt sich auch für die „YouTube-Peers“ bestätigen: Die gezielte und/oder geglückte Ansprache, die auf den ersten Blick ohne jegliche Hierarchien erfolgt und sich deutlich von der Situation in den Klassenzimmern abhebt, entscheidet in erheblichen Maße mit über Erfolg oder Misserfolg eines Bildungsformats. „Wissen ist cool“¹⁰⁷ oder kann es zumindest sein. Diese Tendenz bestätigt auch der Report „Medienkonvergenz Monitoring Videoplattformen“ aus dem Jahr 2009.¹⁰⁸ Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass Jugendliche bzw. alle Nutzerinnen und Nutzer auf ein vielfältiges Angebot zugreifen um sich gemäß ihrer individuellen Bedürfnisse jeweils ein eigenes Programm zusammenstellen. Durch die Funktion des Kommentars bzw. der Bewertung setzen sie sich mit den Inhalten der Videos in Beziehung. Vor allem das „Sharing“, das Teilen von Videos, gehört zur Kontaktpflege (Kommunikation mit „Peers“) im sozialen Umfeld der Jugendlichen.¹⁰⁹ In der Form der vielfältigen Aufbereitung sowie durch die Sympathie der
Weltgeschehen zu begeistern. In: Jahrbuch Fernsehen 2017. Hrsg. von Dieter Anschlag [u. a.]. Köln 2017, S. 24– 34. Vgl. u. a. Döring, YouTube-Kultur (wie Anm. 101). Wolf, Produzieren (wie Anm. 79), S. 38. Vgl. den Forschungsüberblick über Programme mit „Lernorientierung“ für unterschiedliche Altersstufen bei Bachmair, Ben u. Ole Hofmann: Lernen mit Kinderfernsehen: Wunsch oder Wirklichkeit? In: TelevIZIon 11/2 (1998). S. 4– 20. Gegenstand der Untersuchung waren hier Videoplattformen, nicht Lernvideos; vgl. Bernd Schorb [u. a.] (Hrsg.): Medienkonvergenz Monitoring Videoplattformen-Report 2009.YouTube und Co. – neue Medienräume Jugendlicher. Leipzig 2009; siehe auch Schorb, Bernd [u. a.]: YouTube und Co. – neue Medienräume Jugendlicher. In: Die Aneignung konvergenter Medienwelten durch Jugendliche. Das Medienkonvergenz Monitoring. Hrsg. von Bernd Schorb, Nadine Jünger u. Thomas Rakebrand. Berlin 2013 (Schriftenreihe der SLM 24). S. 73 – 104. Vgl. Schorb [u. a.], Medienkonvergenz (wie Anm. 108), S. 36 – 38 sowie Schorb [u. a.], YouTube (wie Anm. 109), S. 82– 99.
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Rezipientinnen und Rezipienten gegenüber den Moderatorinnen und Moderatoren werden durch YouTube Brücken zum „Lernstoff“ geschlagen: Es kann auf Vorwissen aus dem Unterricht zurückgegriffen werden, die Präsentation der Inhalte durch moderierte Erklärvideos sorgt (zusätzlich) für eine Aktivierung und Emotionalisierung des Lernstoffes. Man kann sogar darüber spekulieren, ob mit YouTube nun endlich so etwas wie „ein adressatengerechtes Bildungsfernsehen“ erreicht ist.¹¹⁰ Steht YouTube also letzten Endes als Synonym für eine Verschiebung „von traditionellen Konzepten des institutionellen und curricularen Lernens hin zu interaktiven und partizipativen (Selbst‐)Bildungsprozessen“?¹¹¹ Bei der Frage nach dem Bildungspotenzial eines Mediums – in diesem Fall YouTube – gilt es zwischen dem Bildungsstand (formale Bildung der Nutzerinnen und Nutzer) sowie dem Bildungsprozess, der unabhängig von formaler (Vor‐)Bildung durch das Medium erfolgt, zu unterscheiden. Vor allem selbstgesteuerte Bildungsprozesse erfolgen heute in der Mehrheit mit und durch Medien, das heißt als Eigenaktivität von Nutzerinnen und Nutzern und teilweise als Wechselspiel zwischen Entertainment und Education im Rahmen der Inszenierungsmechanismen der Videoplattformen.¹¹² Darüber hinaus gilt es pädagogisch-didaktisches Konzepte, die Medien der Vermittlung sowie die Rolle der Rezipientinnen und Rezipienten zu unterscheiden und zu analysieren. Bezüglich der Aneignungsweisen lassen sich ein eher aktivpartizipatives (individuelle Nutzung) und ein eher passives Verhalten (Nutzung in der Gruppe) unterscheiden. Die Bedeutung der Videoplattformen im Alltag von Jugendlichen bemisst sich auch an ihrem Beitrag zur eigenen Identitätsfindung, zur sozialen Verortung und zur Partizipation. Neben die Partizipation an Bildungsinhalten tritt unter den heute stark veränderten medialen, technologischen, soziokulturellen und politischen Rahmenbedingungen aber auch die Partizipation im Sinne kultureller Teilhabe. Partizipation besitzt in der Regel eine dezidiert normative Komponente und ist deshalb prinzipiell positiv konnotiert – diese Lesart wiederum führt nicht selten zu einem strategischen (ökonomischen) Einsatz des Begriffes. Der „partizipatorische Pakt“,¹¹³ das Einlassen auf das Versprechen kultureller Teilhabe ist mit Blick auf das Beispiel YouTube vor allem
Wolf, Produzieren (wie Anm. 79), S. 38. Schuegraf [u. a.], Faszination (wie Anm. 78), S. 36. Zur Wechselwirkung von Medien in Bildungsprozessen vgl. Marotzki, Winfried u. Norbert Meder (Hrsg.): Perspektiven der Medienbildung. Wiesbaden 2014 (Medienbildung und Gesellschaft 27). Butler, Martin: ‚Partizipation‘ – Zum Einsatz eines Begriffs. In: POP. Kultur und Kritik 4/6 (2015). S. 162– 172, S. 165 – 168.
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dann (wieder) gefährdet, wenn er als Bestandteil einer Marketingstrategie oder Grundlage einer kommerziellen „Sharing Economy“¹¹⁴ erkannt wird.¹¹⁵ Abschließend gilt es, die diskutierten Aspekte hinsichtlich des Lernens mit YouTube kurz zusammenzufassen: Der Schwerpunkt hat hier ganz allgemein auf Videoplattformen und Erklärvideos auf YouTube gelegen. Der Frage, ob sich Lernanstöße durch YouTube-Videos mit historischen Inhalten auch in entsprechende Lernprozesse oder persönliche Lernmuster umsetzen lassen – ob also das geweckte Interesse verfestigt werden kann, konnte dabei nicht nachgegangen werden. Hierzu müssten für einzelne Videos oder Kanäle auch gezielt die Erklärstrukturen analysiert werden: Anhand von Fallbeispielen ließ sich dann klären, ob die aus der schulischen Vermittlung bekannten Formen und Muster wie Lehrvortrag und „Tafel“ dominieren oder sich bestimmte informelle Erklärstile oder didaktische Momente erkennen und benennen lassen.¹¹⁶ Der klassische Schulunterricht bildet aber immer die Kontrastfolie, von der man sich „abheben“ möchte. Informationsgewinnung quasi „on demand“ und „just in time“ unterscheidet sich deutlich vom geplanten und an Lehrplänen ausgerichteten Unterricht mit seinen teilweise inflexiblen Lehrformaten. Die Wissensvermittlung durch YouTube – im privaten Umfeld (Selbstlernen, „direct teaching“) oder auch als Ergänzung und/oder Öffnung des Unterrichts („enrichment“)¹¹⁷ unterstützt die Dezentralisierung/-regulierung von Lernorten bzw. begünstigt das Lernen in sanktionsfreien Räumen.¹¹⁸ Die Kontrastierung Formate „als Mittel in der Hand des Lehrers“ vs. „Lehrerersatz“, „Integration der Formate in den Unterricht“ vs. „Selbstlernen“, „vertiefen“ vs. „simplifizieren“ und „dialogischer Charakter des Unterrichts“ vs. „Kommentarfunktion“ bringt die aktuellen Diskussion auf den Punkt: Einerseits begünstigen Erklärvideos überfachliche Kompetenzen wie Lernen, Kommunikation und Partizipation und tragen zur Ausbildung medialer Metakompetenzen im
Stoltenberg, Luise u. Thomas Frisch: ‚Gemeinschaft‘ als Unternehmensaufgabe. Konsequenzen der Sharing Economy. In: POP. Kultur und Kritik 6/11 (2017). S. 45 – 52. Vgl. Butler, Martin: Net-Works: Collaborative Modes of Cultural Production in Web 2.0Contexts. In: Precarious Alliances: Cultures of Participation in Print and Other Media. Hrsg. von Martin Butler, Albrecht Hausmann u. Anton Kirchhofer. Bielefeld 2016. S. 19 – 32. Vgl. hierzu Wolf, Produzieren (wie Anm. 79), S. 37– 38. Bezüglich der Bildungsprogramme im Fernsehen ist ebenfalls zwischen Enrichmentprogrammen (Einzelthemen/-aspekte in einer Serie), Kontextprogrammen (Schulfunk und Schulfernsehen), eigenständigen Kursprogrammen (Sprachkurse) sowie vollständigen Lehr- bzw. Lernprogrammen (Funkkolleg und Telekolleg) unterschieden worden; vgl. u. a. Schorb, Bildungsfernsehen (wie Anm. 51), S. 207– 211. Vgl. Herzig [u. a.], Digitale Medien (wie Anm. 74), S. 184– 185.
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Bereich der Nutzung digitaler Bildungsmedien bei.¹¹⁹ Andererseits wird den (hohen) didaktischen Ansprüchen, die in die Unterrichtsgestaltung einfließen bei der Videoproduktion gar keine oder nur am Rande Beachtung geschenkt. Der Grat zwischen Bildung und Unterhaltung dürfte sich in vielen Fällen als schmal erweisen, unter anderem auch deshalb, weil YouTube über keinerlei (wissenschaftlichen) Kontrollinstanzen außerhalb des „Peer Review“ mittels Kommentarfunktion verfügt, das heißt der Bildungsprozess weitgehend selbst organisiert bleibt.¹²⁰ Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik sollten genau diese selbstorganisierten Prozesse auf der einen Seite kritisch analysieren, auf der anderen Seite aber auch überlegen, in wieweit diese Prozesse nicht auch durch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler begleitet oder auch in künftige Studienprogramme, beispielsweise der Public History, aufgenommen werden sollten.¹²¹
4 YouTube als Schul- und Bildungsfernsehen „mit anderen Mitteln“? Augenfällig ähnlich erscheinen die Tendenzen, die sich aus den zwei im Beitrag angesprochenen technisch-medialen Entwicklungsschüben ablesen lassen: Die 1960er Jahre können als Hochphase des Schulfernsehens bezeichnet werden: Zwischen 1960 und 1969 wurden in 18 europäischen Ländern entsprechende Programme im Rahmen der staatlichen Grundversorgung durch Fernsehen eingerichtet.¹²² Die intensive „Beforschung“ des Schulfernsehen setzte ebenfalls in der Mitte der 1960er Jahre ein.¹²³ Eine vergleichbare Entwicklung lässt sich auch
Vgl. Wimmer, Potenziale (wie Anm. 72), 14. Vgl. Wolf, Produzieren (wie Anm. 79), S. 37. Siehe zum „Web 2.0“ u. a. Friedburg, Christopher: Was heißt hier „Web 2.0“? Überlegungen zu einem Grundbegriff in der geschichtsdidaktischen Diskussion um den digitalen Wandel. In: Medien machen Geschichte. Neue Anforderungen an den geschichtsdidaktischen Medienbegriff im digitalen Wandel. Hrsg. von Christoph Pallaske. Berlin 2015 (Geschichtsdidaktische Studien 2). S. 85 – 97 u. derselbe: „Digital“ vs. „Analog“? Eine Kritik an Grundbegriffen in der Diskussion um den „digitalen Wandel“ in der Geschichtsdidaktik und ein Versuch der Synthese von „Altem“ und „Neuen“. In: Zeitschrift für Geschichtsdidaktik 13 (2014). S. 19 – 136. Vgl. die entsprechende Auflistung bei Meyer, Schulfernsehen (wie Anm. 34), S. 32. Zu unterscheiden wären hier neben den Senderstrukturen (öffentlich/privat) vor allem auch die Produktionsbedingungen (u. a. Herstellung und Vermarktung der Materialien durch die Sender oder durch Bildungseinrichtungen). Vgl. Orde, Heike vom: Glossar des digitalen Lernens. Eine Übersicht zu ausgewählten Lernformen und Konzepten. In: TelevIZIon 30/1 (2017). S. 18 – 22, S. 22.
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für die 2010er Jahre feststellen: Allerdings ist YouTube von Anfang an ein offenes und rein privatwirtschaftliches Medium, auf dem alle Interessierten, beinahe ohne Einschränkung, Inhalte bereitstellen oder eigene Kanäle betreiben können. Und ein wissenschaftliches Interesse lässt sich heute ebenfalls ausmachen. Handelte es sich in den 1960er Jahren zumeist um psychologische und pädagogische Studien, die sich vor allem der Rezeption und weniger der Produktion von Inhalten und Formaten zuwandten, so schließen heute vor allem die kultur- und medienwissenschaftlichen, aber auch die pädagogisch-psychologischen Ansätze die Produzentinnen und Produzenten der Videos mit ein. Im Medium YouTube sind Rezeption und Produktion allenfalls noch analytisch voneinander zu trennen, ermöglicht doch die rasante technische Entwicklung die notwendigen Voraussetzungen für ein „gleichzeitiges“ Agieren vor und hinter der Kamera. Geht man vergleichend vor, so geht es nicht nur um Gemeinsamkeiten und Unterschiede, sondern auch um Kontinuitäten und Brüche. In diesem Zusammenhang ist die Frage aufgeworfen worden, ob YouTube-Videos bzw. YouTubeErklärvideos als audiovisuelle Bildungsmedien „in der Tradition des Bildungsfernsehens verstanden werden können“.¹²⁴ Oder anders gefragt: Hat YouTube das Fernsehen abgelöst?¹²⁵ Diese Frage bzw. die Frage nach der Konvergenz von Fernsehen und Videokanälen/-portalen ist nicht neu. Noch im Jahr 2007 fassten Marcel Machill und Martin Zenker im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung die Ergebnisse ihrer Untersuchung wie folgt zusammen: Ein Ende des Fernsehens ist nicht in Sicht. Zwar werden sich für die Verbreitung von Inhalten verstärkt neue Vertriebswege wie Videoportale auftun; diese werden aber, zumindest auf absehbare Zeit, die traditionellen Medien nicht ersetzen. Im Gegenteil: Wie das Beispiel Clipfish zeigt, ist eine Konvergenz beider Bereiche auf lange Sicht die wahrscheinliche Entwicklungstendenz. Denn die Passivität des Fernsehens ist auch ein Aspekt, der von manchen Nutzern geschätzt wird.¹²⁶
2014 kam Dominik Rudolph zu einem vergleichbaren Ergebnis, auch wenn in der Zwischenzeit eine Reihe von Video-on-Demand bzw. Streaming Diensten (unter anderem Netflix und Amazon Prime) auf den Markt gedrängt waren. Rudolph sah
Wolf, Produzieren (wie Anm. 79), S. 35; vgl. auch Wolf, Bildungspotenziale (wie Anm. 80). Zur Ablösung statischer Massenmedien durch „ein partizipatives Mitmach-Web“ im Bereich der Wissenschaft vgl. Peters, Isabella: Science 2.0. Was hat die Wissenschaft vom Social MediaPrinzip? In: Forschung und Lehre 25/1 (2018). S. 10 – 13, S. 10. Nutzen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Social Media, so stehen zumeist die Aspekte Agenda Setting und Vernetzung im Vordergrund; ebd., S. 11. Machill, Marcel u. Martin Zenker (Hrsg.): YouTube, Clipfish und das Ende des Fernsehens? Problemfelder und Nutzung von Videoportalen. Berlin 2007. S. 27.
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beide Medien weniger als konkurrierend denn als sich ergänzend an. So seien insbesondere bei „Ratgeberinformationen, Comedy und Unterhaltung deutliche Themenüberschneidungen festzustellen“. Als „funktionale Äquivalente“ stünden beide Medien diesbezüglich aber auch in einer Konkurrenz zueinander.¹²⁷ Vielleicht lässt sich dieser Befund des „ergänzenden Nebeneinanders“ unterschiedlicher medialer oder medial unterstützter Bildungsformate auch auf anderen Untersuchungsbereiche und Forschungsfragen übertragen: Bezüglich der Formen und Formate der Wissensvermittlung ginge es nicht um eine striktes „entweder x oder y“, sondern um die Versuche, Ansätze des „direct teaching“ bzw. des Selbstlernens, unterschiedliche Formen des „enrichment“ sowohl in formellen wie auch in informellen Lernumgebungen und -zusammenhängen produktiv miteinander zu verbinden. Nicht zuletzt wird YouTube mittlerweile auch im öffentlich-rechtlichen Bereich genutzt.¹²⁸ Ein weiterer Aspekt, der wissenschaftlich untersucht werden müsste, wären die Inhalte der Erklärvideos – auch in diesem Fall gilt es, die Vorläufer nicht aus den Augen zu verlieren. Insgesamt zeigt sich im Rückblick deutlich, dass die wissenschaftliche Beschäftigung mit YouTube ein Forschungsfeld darstellt, auf dem Geschichtswissenschaft, Geschichtsdidaktik und Public History noch gleichermaßen ihre Stärken ausspielen können und dabei möglichst kooperieren sollten.
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Doing History auf YouTube – Erklärvideos als Form performativer Historiografie If theater staged science, science also staged itself as theater.¹ Sue-Ellen Case
YouTube-Videos als Form der Geschichtsschreibung darstellen zu wollen, mag auf den ersten Blick vermessen wirken, stellt die Historiografie im akademisch geprägten Verständnis doch eine „sprachliche Vermittlung historischer Erkenntnis“² dar. Solche historische Erkenntnis wird in unseren westlichen Gesellschaften, in denen der Glaube an das geschriebene Wort und an die materielle Überlieferung besonders groß ist, von Historikerinnen und Historikern durch fundiertes Quellenstudium und theoretisch-methodische Ordnung ihrer Analysen gewonnen, dargestellt und tradiert. Wissenschaftliche Bücher und Aufsätze sind die typischen Produkte dieses Erkenntnisprozesses. Und so gelten diese als typische Produkte der Historiografie. Doch drehen wir die Perspektive um und fragen nicht nach den Produzierenden, sondern stattdessen nach den Rezipierenden, schwindet die Bedeutung dieser Produkte: Historische Erkenntnisse gewinnen die meisten Menschen eben nicht aus Fachpublikationen, sondern aus unterhaltsamen Sachbüchern, Fernsehdokumentationen, historischen Spielfilmen, Romanen, Theaterstücken, Computerspielen oder eben aus Onlinevideos. Diese können auf den Ergebnissen der Forschung beruhen, müssen es aber nicht. Als sich die Videoproduktion „von unten“ bis in die 1980er Jahre hinein immerhin zu einer wahrgenommenen Nische der Filmproduktion entwickelte, blieb sie dennoch „der Katzentisch unter den Medien“³: „Szene sagen die einen; Getto wissen die meisten.“⁴ An der Wahrnehmung selbstproduzierter und im ursprünglichen Sinne des Wortes dilettantischer Videos hat sich bis heute kaum etwas geändert. Sie gelten als unprofessionell und unverlässlich – und werden dennoch angesehen.
Case, Sue-Ellen: Performing Science and the Virtual. New York 2006. S. 2. Muhlack, Ulrich: Theorie und Praxis der Geschichtsschreibung. In: Formen der Geschichtsschreibung. Hrsg. von Reinhart Koselleck, Heinrich Lutz, Jörn Rüsen. München 1982 (Traditionen der Geschichtsschreibung und ihrer Reflexion. Fallstudien. Systematische Rekonstruktionen. Diskussion und Kritik). S. 607– 620. S. 607. Uka, Walter: Video. In: Geschichte entdecken. Erfahrungen und Projekte der neuen Geschichtsbewegung. Hrsg. von Hannes Heer u. Volker Ullrich. Reinbek bei Hamburg 1985. S. 310 – 316. S. 310. Uka, Video (wie Anm. 3), S. 310. https://doi.org/10.1515/9783110599497-003
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Erklärvideos mit historischen Inhalten mögen weiterhin ein Nischenprodukt sein; das Medium an sich ist es sicher nicht mehr. Das liegt auch daran, dass das Erklärvideo zwei wichtige Eigenschaften vereint: Zum einen vermittelt es Wissen in sehr kompakter Form. Wer wenig Zeit hat und sich einen Überblick verschaffen möchte, kann sich hier schnell informieren. Zum anderen entsprechen die kurzen und innovativen Videos den Medienkonsumgewohnheiten jüngerer Generationen. Die Clips sind in der Regel kurz, schnell und bunt. Sie sind ohne großen Aufwand zu finden und zu konsumieren sowie meistens kostenlos. Erklärvideos mit historischen Inhalten sind eine von vielen Geschichtssorten. Geschichtssorten bezeichnen laut Thorsten Logge „unterschiedliche Formen historischer Narrative oder Narrativierungen, einschließlich der mit ihrer Produktion verbundenen Praktiken und unter expliziter Beachtung ihrer medialen Form.“⁵ Vielen Produzierenden und Zuschauenden ist hingegen (1) nicht bewusst, dass diese Form der Geschichtspräsentation keine bloße Vermittlung ist, sondern Geschichtsbilder formt, festigt oder neujustiert. Geschichte wird gemacht. Daher möchte ich (2) die Perspektive aufwerfen, dass YouTuber die Rolle von Historikerinnen und Historikern übernehmen und durch ihr Handeln gleichsam zu „Hyper-Historikern“ (Rokem) werden. Ihre Produktionen sind eine performative Form der Historiografie: YouTube ist eine Bühne der Selbst-, Meinungs- und Wissensdarstellung; das Agieren auf ihr eine Performance. Über den Zugang der Performance Studies lässt sich neuer Raum für die Produktion von Geschichtsbildern erschließen. Abschließend versuche ich (3) den scheinbaren Dualismus von Fakten und Fiktion im Spannungsfeld von Authentizität, Unterhaltung und Wissenstransfer kurz zu umreißen.
1 YouTube als Form von Doing History Hinter dem Begriff Doing History stehen die Konzepte vom Auf- und Ausführen von Geschichte. Im Zuge einer kulturwissenschaftlich orientierten Geschichtswissenschaft rücken seit den 1980er Jahren sukzessive mehr sinnlich-emotionale Geschichtspraktiken in den Fokus der Fachaufmerksamkeit. Um diese im Sinne des Doing History analytisch fassbar zu machen, haben Stefanie Samida, Sarah Willner und Georg Koch dazu drei Kategorienpaare entwickelt: Körper und
Logge, Thorsten: Geschichtssorten als Gegenstand einer forschungsorientierten Public History. In: Public History Weekly 6 (2018) 24, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2018 – 12328. (01.02. 2019).
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Emotion, Erlebnis und Raum sowie Ding und Bedeutung.⁶ Doch inwiefern lassen sich diese Kategorien auf Erklärvideos übertragen? Das Ausführen von Geschichte durch ihre Verkörperung nimmt eine zentrale Stellung im Doing History ein: Es betont „die Körperlichkeit der Praktiken, die Machtbeziehungen, das ‚Performen’ praktischen Wissens und des historischen Wandels, ohne sich auf die Frage nach Intentionalität zu beschränken.“⁷ In Bezug auf Erklärvideos fungiert der Körper des YouTubers als Zeichenträger und/oder als Medium der Selbstdarstellung.⁸ Mit der performativen Darstellung öffnen sich Räume des sinnlichen Erlebens, die entsprechend geformt und gestaltet werden. Der Historiker Valentin Groebner weist darauf hin, dass es hier die dahinterstehenden „Emotionalisierungsregimes“ zu beachtet und zu untersuchen gilt.⁹ Nach zahlreichen doku-fiktionalen TV-Formaten mit inszenierten historischen Szenen scheint es als konsequenter Schritt medialer Entwicklung, dass solche medialen Angebote historischen Erlebens Einzug in Erklärvideos erhalten. Die Videos werden damit zugleich zu Erlebnisräumen, die von den Produzierenden inhaltlich, atmosphärisch und narrativ gestaltet werden. Hinzu kommt der Umgang mit der materiellen Kultur: Auch die Einbindung von und Interaktion mit historischen Quellen aller Art hat für das Doing History eine Bedeutung: Sie nehmen eine Brückenfunktion ein und ermöglichen es, aufgrund ihrer authentifizierenden Funktion mit „einer wie auch immer gearteten bzw. imaginierten Vergangenheit in Berührung zu kommen“¹⁰. Folgt man dem Konzept von Doing History lässt sich nicht mehr von Geschichtsvermittlung, sondern nur noch von Geschichtsdarstellung und -aneignung sprechen. Es werden auf der Grundlage von eigenen Vorerfahrungen, Recherchen und des spezifischen Zeichensystems des gewählten Mediums Geschichtsbilder kreiert, geformt oder tradiert.
Samida, Stefanie, Sarah Willner u. Georg Koch: Doing History – Geschichte als Praxis. Programmatische Annäherungen. In: Doing History. Performative Praktiken in der Geschichtskultur. Hrsg. von Stefanie Samida, Sarah Willner u. Georg Koch. Münster/New York 2016. S. 1– 25. Ausgangspunkt des Sammelbandes sind unterschiedliche performative Praktiken in der Geschichtskultur, die vom Reenactment über TV-Dokumentationen bis zum touristischen Erleben historischer Orte reichen. Samida [u. a.], Doing History (wie Anm. 6), S. 5. Samida [u. a.], Doing History (wie Anm. 6), S. 9. Im Gegensatz dazu nimmt der Körper im Reenactment die Funktion eines Ortes von Leiberfahrungen ein. Damit inhärentes sensorischemotionales Erleben ist für YouTuber zwar präsent, jedoch funktional nachrangig, da die Geschichtsmächtigkeit von eigenen Emotionen nicht direkt vermittelbar ist. Groebner, Valentin: Das Mittelalter hört nicht auf: Über historisches Erzählen. München 2008. S. 410. Samida [u. a.], Doing History, S. 15.
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2 Hyper-Historikerinnen und Hyper-Historiker „History – the past transformed into words or paint or play – is always a performance“¹¹, schrieb der Historiker Greg Dening 2002. Geschichte ist immer eine Performance, auch wenn sie von Historikerinnen und Historikern häufig nicht als solche wahrgenommen wird. Der Objektivitätsanspruch der Wissenschaft scheint für manche im Widerspruch zu den Unterhaltungsmöglichkeiten performativer Aufführungspraxen zu stehen. Dabei stehen beide Bereiche nicht in Konkurrenz zueinander: Die Geschichtswissenschaft sucht seit Jahren nach neuen Formaten der Wissenschaftskommunikation, die inzwischen selbst von großen Förderinstitutionen wie der DFG unterstützt werden. Ziel ist die breite Bekanntmachung aktueller Forschungsergebnisse über die eigene Scientific Community hinaus, um das eigene Handeln und die staatliche Finanzierung zu legitimieren. Fälschlicherweise fällt in diesem Zusammenhang häufig der Begriff der Angewandten Geschichte als vermeintliches Gegenmodell zur klassischen Historiografie, dabei hatte und hat jede Form der Geschichtsschreibung seit jeher eine Anwendungskomponente. Zugleich suchen Akteurinnen und Akteure anderer Geschichtssorten – vor allem aus künstlerischen Bereichen – nach (wissenschaftlicher) Fundierung. Das Dokumentarische boomt, sei es im Theater, in TV-Dokumentationen oder auf YouTube. Wissenschaft und Performance sind untrennbar miteinander verbunden. Ihnen gemein ist die Schaffung neuer bzw. Tradierung bestehender historischer Geschichtsbilder als narrative Akte. Die Geschichtsdidaktik kennt seit den 1980er Jahren das Paradigma, dass Geschichte nur narrativ, also in Form von sinnverbindenden, sinnbildenden und deutenden Geschichten, vorliegen kann.¹² Nur eine kritisch-reflexive Narrationskompetenz ermöglicht es den Produzierenden (wie den Rezipierenden), die narrativen Strukturen und Strategien zu erkennen und einzusetzen. Macherinnen und Macher von Erklärvideos müssen sich bewusst werden, dass sie ebenso wie Historikerinnen und Historiker aktiv Geschichte machen und sie nicht nur vermitteln. Selbst wenn dies nicht ihre genuine Intention ist. Zudem nehmen die YouTuberinnen und YouTuber Expertenrollen ein; sie werden vom Publikum als Wissensautoritäten wahrgenommen.
Dening, Greg: Performing on the Beaches of the Mind. An Essay. In: History and Theory 41/1 (February 2002). S. 1– 24. S. 1. Vgl. Kerber, Ulf: Historische Medienbildung – ein transdisziplinäres Modell für den Geschichtsunterricht. In: Praxishandbuch Historisches Lernen und Medienbildung im digitalen Zeitalter. Hrsg. von Daniel Bernsen u. Ulf Kerber. Bonn 2017. S. 45 – 82. S. 61.
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Der vom Theaterwissenschaftler und Dramaturg Freddie Rokem geprägte Begriff des „Hyper-Historikers“ vermag diesen Zusammenhang besonders gut zu illustrieren. Am Beispiel der Auseinandersetzung des Theaterschauspielers mit Geschichte auf der Bühne macht Rokem deutlich: „[…] they become a kind of historian, what I call a ‚hyper-historian’, who makes it possible for us – even in cases where the reenacted events are not fully acceptable for the academic historian as a ‚scientific’ representation of that past – to recognize that the actor is ‚redoing’ or ‚reappearing’ as something/somebody that has actually existed in the past.“¹³ Auch wenn man Rokem nicht folgen kann, wenn er davon ausgeht, dass die Vergangenheit („past“) wiederaufgeführt werden kann, denn Vergangenheit kann nur durch gegenwärtige Verkörperung als Geschichte zur Aufführung kommen, so ist der Leitgedanke des Autors überzeugend: Die Ausführung und Aufführung von Geschichte als Reenactment durch die Schauspielerinnen und Schauspieler wird erkennbar; der Konstruktcharakter von Geschichte durch die Kunstform grundsätzlich transparent. Als Geschichtsproduzierende werden Schauspielerinnen und Schauspieler vom Publikum in einen Zusammenhang mit der verkörperten Geschichte gebracht. Aus ihrer Rolle entsteht eine Wissensautorität gegenüber den Zuschauerinnen und Zuschauern. Die Vergangenheit wirkt nahbar; die Darstellung authentisch. David Dean, Yana Meerzon und Kathryn Prince schlugen 2015 vor, den Begriff des Hyper-Historikers auf weitere performative Geschichtssorten zu übertragen: Costumed living history interpreters and guides, participants in reconstructions of military engagements, and of course actors (professional or amateur) participating in filmed, televised, or digitalized historical performances are also Rokem’s hyper-historians. Their embodiments of the past, their adoption of first-, second-, or third-person voices, of gestures, movements, and emotions, and, just as importantly, the spaces in which they perform, shape the real that is presented to the public and that is energized by the public’s engagement with the re-presented past.¹⁴
Verkörperung, Handlung, Emotionalität und bespielte Räume der Akteurinnen und Akteure haben maßgeblichen Einfluss auf die Remedialisierung von Geschichte und deren Aneignung. Diese vier Kategorien prägen die Geschichtsbilder genauso, wie die zugrundeliegende historische Erzählung. Rokem, Freddie: Performing History. Theatrical Representations of the Past in Contemporary Theatre. Iowa City 2000. S. 13. Dean, David, Yana Meerzon u. Kathryn Prince: Introduction. In: History, Memory, Performance. Hrsg. von Dean David, Yana Meerzon u. Kathryn Prince. Basingstoke 2015. S. 1– 18. S. 4.
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3 Fakten oder Fiktion? Eine Frage der Authentizität Aleida Assmann hebt in ihrem Aufsatz „Wem gehört die Geschichte?“ drei überdurchschnittlich ausgeprägte Kompetenzen von Schriftstellerinnen und Schriftstellern der Neuen Erinnerungsliteratur hervor, die sich auf erfolgreiche YouTuberinnen und YouTuber übertragen lassen: Sie generieren erstens eine unkonventionelle Aufmerksamkeit. Sie verfügen zweitens über eine außergewöhnliche Sprachfähigkeit. Außerdem haben sie drittens eine gesteigerte Imaginations- bzw. Erfindungskraft. Sie entdecken und kreieren Geschichtsbilder mithilfe von Worten, Bildern und Klängen, die ihre Zuschauerinnen und Zuschauer betreten, besichtigen und bewohnen können. Sie schaffen ein authentisches Erlebnis, das der Erwartungshaltung der Nutzerinnen und Nutzer entspricht.¹⁵ Im Gegensatz zu der von Assmann untersuchten Neuen Erinnerungsliteratur, die das literarische Schreiben mit einer persönlichen wie gesellschaftlichen Memorialfunktion auflädt, steht bei Erklärvideos nicht die eigene Erinnerung bzw. das autobiografische Erleben im Mittelpunkt des Schaffens. Vielmehr präsentieren und übersetzen YouTuberinnen und YouTuber historisches Wissen. Persönliche Bezüge spielen mit Blick auf den Inhalt nur selten eine Rolle. Dass die Persönlichkeit der Videoschaffenden dennoch von Bedeutung für die Reichweite der Kanäle ist, zeigen die zahlreichen Angebote, in denen auch persönliche Einblicke in das eigene Leben gewährt und der enge Austausch mit den Nutzerinnen und Nutzern gesucht wird. Dieses partizipative Element gehört zu den Erfolgsfaktoren von Plattformen wie YouTube. Die Videoschaffenden wirken dadurch nahbar und authentisch. Authentizität ist ein Ankerbegriff für die Untersuchung von Erklärvideos.¹⁶ In diesem Zusammenhang lässt sich von einer doppelten Authentifizierungstrategie bei erfolgreichen Erklärformaten sprechen: Zum einen setzen diese Formate auf „authentische“ Persönlichkeiten und Settings (Authentizität historischer Darstel-
Assmann, Aleida: Wem gehört die Geschichte? Fakten und Fiktionen in der neueren deutschen Erinnerungsliteratur. In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur (IASL) 36/1 (2011) S. 213 – 225. S. 214. Hinter dem Begriff der Authentizität steht eine umfangreiche Diskussion der Forschung. Einen aktuellen Überblick bietet: Saupe, Achim: Authentizität, Version: 3.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 25.08. 2015. DOI: http://dx.doi.org/10.14765/zzf.dok.2.705.v3 (13.03. 2019). Saupe unterscheidet unter anderem die historische Authentizität der Quellen von der Authentizität historischer Darstellungen.
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lung). Zum anderen gilt es das historische Wissen und die Botschaft beispielsweise durch Einblendung historischer Quellen glaubhaft zu machen (historische Authentizität). Dabei geht es um die Wahrnehmung der Rezipientinnen und Rezipienten: „Glaubwürdig ist jemand, ein ’Urheber’, der den Eindruck hinterlässt, in Bezug auf einen erhobenen Geltungsanspruch ehrlich und kompetent zu sein.“¹⁷ Aktuelle Videokanäle mit Erklärvideos haben sich in Konzept und Produktionsweise innerhalb der letzten Jahre deutlich professionalisiert. Galt vor rund zehn Jahren auf YouTube noch als authentisch, wer amateurhaftes Bild- und Tonmaterial anbot und über Privates sprach,¹⁸ so gilt es heute trotz professioneller Produktion und Kommerzialisierung als Person nahbar sowie inhaltlich glaubwürdig zu sein. Die Produktionen setzen heute auf vielfältige Authentizitätsanker. Diese seien hier kurz und beispielhaft am Kanal The Great War¹⁹ verdeutlicht. Dieser Kanal, der wochenweise chronologisch die Entwicklungen des Ersten Weltkriegs in globaler Perspektive vorstellt, arbeitet mit Indiana „Indy“ Neidell zusammen, Historiker und YouTuber, der – passend zum Namen – als Indiana Jones inszeniert wird: Weißes, ungebügeltes Hemd, weit geöffnet, aufgeschlagene Ärmel, Weste, zupackende Art. Er wird eingebettet in ein Setting, das dieses Stereotyp bedient und zugleich Verbindungen zum Ersten Weltkrieg erkennen lässt. Als Tisch dient ein liegender Überseekoffer; im Hintergrund ist eine historische Karte erkennbar; das dunkle Interieur ist mit zeitgenössischen Details ausgestattet, wie bspw. Büchern, Zeitungen, einem Sessel, einer Schreibmaschine oder einer Konstruktionsskizze eines Flugzeugs. Im Laufe des vierjährigen Projekts mit wöchentlichen Videos ändert sich das Setting gelegentlich. So sind in späteren Episoden auch moderne Gegenstände Teil des Settings, wie aktuelle Bücher über den Ersten Weltkrieg, ein Monitor und ein „The Great War“-Kaffeebecher. Die grundsätzliche Ästhetik bleibt erhalten und vereint stereotype Vorstellungen von einem Wohnzimmer mit einem Gelehrtenbüro. Indy Neidell doziert in einem ihm scheinbar vertrauten Umfeld und richtet sich direkt an die Zuschauenden. Er wird in Analogie zu Indiana Jones als unkonventioneller, anpackender Wissenschaftler inszeniert. Neben einer Unterhaltungskomponente wohnt dieser Rolle zugleich die stereotype Seriosität und Autorität der historischen Disziplinen
Willems, Herbert: Glaubwürdigkeit und Überzeugung als dramatische Probleme und Aufgaben der Werbung. In: Inszenierung von Authentizität. Hrsg. von Erika Fischer-Lichte u. Isabel Pflug. Tübingen 2000. S. 209 – 232. S. 212. Vgl. Näser, Thorsten: Authentizität 2.0: kulturanthropologische Überlegungen zur Suche nach ‚Echtheit’ im Videoportal YouTube. In: kommunikation @ gesellschaft 9 (2008). S. 1– 17. Vgl. dazu auch den Beitrag von Florian Wittig in diesem Band.
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inne. Damit zielt die Rolle jedoch auf ein nicht-akademisches Publikum, da sie im Kreis der Scientific Community als realitätsfernes Stereotyp wahrgenommen werden muss. Gleichzeitig erhöht diese Darstellung die Glaubwürdigkeit bei den Zuschauerinnen und Zuschauern, denn diese erhalten den Eindruck, von einem Fachmann durch die Episode geführt zu werden. Neidell übernimmt dabei die Rolle des Wissenden: Er moderiert und zeigt auf, erklärt und deutet. Dahinter stehen Recherchen, Auswertungen und Deutungen eines Produktionsteams, die für die Zuschauerinnen und Zuschauer über Neidells Präsentation gebündelt und visualisiert werden. Dieser kollektive Aneignungsprozess im Hintergrund wird für die Videos linear, reduziert und damit auch vereinfacht dargestellt. Einblendungen von historischen Dokumenten, Fotos und Bewegtbildern sowie an historischen Orten gedreht Filmszenen aus der Gegenwart dienen der Illustration des Gesagten und damit ebenfalls als Authentifizierungsanker. Kurz: Historische Quellen und ergänzende Visualisierungen erhöhen die Glaubwürdigkeit. Es gilt hier zu hinterfragen, ob und inwiefern die Einblendungen zudem inhaltliche Funktionen einnehmen bzw. zur Auseinandersetzung mit dem Material einladen. Eine umfangreiche Communityarbeit rundet die Tätigkeiten des Kanals ab: Nutzerinnen und Nutzer können mit den Kanalbetreibern über die Kommentarfunktion kommunizieren und so Inhalte bewerten oder hinterfragen sowie Kritik und Anregungen teilen. Verschiedene audiovisuelle Strategien und Kommunikationspraktiken bedingen somit den Erfolg dieses Kanals. Auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage nach einem Dualismus zwischen Fakten oder Fiktion in Erklärvideos hebt sich dieser scheinbare Dualismus auf ²⁰: Wichtig ist allein die Glaubwürdigkeit von Person, Material und Aussage. Überzeugend inszenierte Authentizität vermag auch sachlich falsche Informationen oder bedenkliche Werturteile glaubhaft zu vermitteln. Dies ist kein Spezifikum von Erklärvideos, sondern ließe sich auf jede andere Geschichtssorte – insbesondere auf die akademische Historiografie – übertragen.
4 Fazit Erklärvideos mit historischen Inhalten sind aufgrund ihrer medialen Form, ihrer Intention und ihrer Wirkung als Form performativer Historiografie zu werten.
Vgl. mit gleichem Ergebnis für das Theater: Fischer-Lichte, Erika: Reality and Fiction in Contemporary Theatre. In: Theatre Research International 33/1 (2008). S. 84– 96.
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Geschichte als Performance im Video entspricht den Sehgewohnheiten der jüngeren Generation und ermöglicht Wissensvermittlung in einem Format, das viele Nutzerinnen und Nutzer mit Unterhaltung assoziieren und daher verstärkt nutzen. Eine Erzählerin bzw. ein Erzähler führt in der Regel durch das Video und tritt als nahbare Wissensautorität auf, die bzw. der möglichst leicht verständlich z.T. komplexe Sachverhalte vermitteln. Als Hyper-Historikerinnen und Historiker fungieren auch Videoschaffende, indem sie Geschichte verkörpern, in Handlung bringen sowie emotional und räumlich erlebbar machen. Ihre Geschichtsdarstellung wird häufig durch Visualisierungen, insbesondere durch historisches Foto- und Bewegtbildmaterial, archivalische Quelle, Zeitungsartikel oder Zitate ergänzt. Diese dienen selten der historisch-kritischen Auseinandersetzung, sondern in der Regel als Authentizitätsanker für die präsentierten Geschichtsbilder. Diese Geschichtsbilder finden zahlreiche Zuschauerinnen und Zuschauen und haben damit Einfluss auf ihre historische Bildung, die sie ggf. an Dritte weitergeben. Die Performance-Wissenschaftlerin Diana Taylor hat diesen Prozess der Wissensweitergabe durch performative Formate und seine Wirkung treffend beschrieben: The process of selection, memorization, or internalization, and transmission takes place within (and in turn helps constitute) specific systems of re-presentation. Multiple forms of embodied acts are always present, though in a constant state of againness. They reconstitute themselves, transmitting communal memories, histories, and values from one group/generation to the next. Embodied and performed acts generate, record, and transmit knowledge.²¹
Vergleicht man Geschichtswissenschaft und Erklärvideos auf Grundlage ihrer performativen Strukturen, lassen sich Gemeinsamkeiten festhalten, die die Theaterwissenschaftlerin Sue-Ellen Case anhand der Parallele zwischen „laboratory and stage“ bereits beschrieben hat: „Both […] construct a space that is organized as alternative to the ubiquitous, pedestrian realm. Acting within that space requires particular codes of behavior, tradition of constuming, and training in specialized gestures or functions.“ ²² Sowohl Wissenschaft als auch Performance bedienen sich spezifischer Methoden und Zeichensysteme. Als performative Akte sind sie einander nah.
Taylor, Diana: The Archive and the Repertoire. Performing Cultural Memory in the Americas, Durham 2003. S. 20 – 21. Case, Sue-Ellen: Performing Science and the Virtual. New York 2006. S. 2.
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Literaturverzeichnis Assmann, Aleida: Wem gehört die Geschichte? Fakten und Fiktionen in der neueren deutschen Erinnerungsliteratur. In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur (IASL) 36/1 (2011). S. 213 – 225. Case, Sue-Ellen: Performing Science and the Virtual. New York 2006. Dean, David, Yana Meerzon u. Kathryn Prince: Introduction. In: History, Memory, Performance. Hrsg. von Dean David, Yana Meerzon u. Kathryn Prince. Basingstoke 2015. S. 1 – 18. Dean, David, Yana Meerzon u. Kathryn Prince (Hrsg.): History, Memory, Performance. Basingstoke 2015. Dening, Greg: Performing on the Beaches of the Mind. An Essay. In: History and Theory 41/1 (February 2002). S. 1 – 24. Fischer-Lichte, Erika: Reality and Fiction in Contemporary Theatre. In: Theatre Research International 33/1 (2008). S. 84 – 96. Groebner, Valentin: Das Mittelalter hört nicht auf: Über historisches Erzählen. München 2008. Kerber, Ulf: Historische Medienbildung – ein transdisziplinäres Modell für den Geschichtsunterricht. In: Praxishandbuch Historisches Lernen und Medienbildung im digitalen Zeitalter. Hrsg. von Daniel Bernsen u. Ulf Kerber. Bonn 2017. S. 45 – 82. Logge, Thorsten: Geschichtssorten als Gegenstand einer forschungsorientierten Public History. In: Public History Weekly 6/24 (2018). DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2018 – 12328 (12. 03. 2019). Muhlack, Ulrich: Theorie und Praxis der Geschichtsschreibung. In: Formen der Geschichtsschreibung. Hrsg. von Reinhart Koselleck, Heinrich Lutz, Jörn Rüsen. München 1982 (Traditionen der Geschichtsschreibung und ihrer Reflexion. Fallstudien. Systematische Rekonstruktionen. Diskussion und Kritik). S. 607 – 620. Näser, Thorsten: Authentizität 2.0: kulturanthropologische Überlegungen zur Suche nach ‚Echtheit’ im Videoportal YouTube. In: kommunikation @ gesellschaft 9 (2008). S. 1 – 17. Rokem, Freddie: Performing History. Theatrical Representations of the Past in Contemporary Theatre. Iowa City 2000. Samida, Stefanie, Sarah Willner u. Georg Koch: Doing History – Geschichte als Praxis. Programmatische Annäherungen. In: Doing History. Performative Praktiken in der Geschichtskultur. Hrsg. von Stefanie Samida, Sarah Willner u. Georg Koch. Münster/New York 2016. S. 1 – 25. Samida, Stefanie, Sarah Willner u. Georg Koch (Hrsg.): Doing History. Performative Praktiken in der Geschichtskultur. Münster/New York 2016. Saupe, Achim: Authentizität, Version: 3.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 25. 08. 2015. DOI: http://dx.doi.org/10.14765/zzf.dok.2.705.v3 (13. 03. 2019). Taylor, Diana: The Archive and the Repertoire. Performing Cultural Memory in the Americas, Durham 2003. Uka, Walter: Video. In: Geschichte entdecken. Erfahrungen und Projekte der neuen Geschichtsbewegung. Hrsg. von Hannes Heer u. Volker Ullrich. Reinbek bei Hamburg 1985. S. 310 – 316. Willems, Herbert: Glaubwürdigkeit und Überzeugung als dramatische Probleme und Aufgaben der Werbung. In: Inszenierung von Authentizität. Hrsg. von Erika Fischer-Lichte u. Isabel Pflug. Tübingen 2000. S. 209 – 232.
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Geschichte in 10 Minuten – Wie geht das? Ein Vorschlag zur Analyse von historischen Erklärvideos auf der Plattform YouTube 1 Einleitung Das Genre des Erklärvideos ist bisher kaum zu einem Forschungsgegenstand geworden, und weder in der Geschichtswissenschaft noch in anderen Fachdisziplinen abgegrenzt definiert worden.¹ Dies macht die Ausarbeitung einer Methodik zur Beschreibung und Analyse dieser Videos als Untersuchungsgegenstand für die Geschichtswissenschaft erforderlich. Erklärvideos mit historischem Inhalt werden als Form der Wissenschaftskommunikation im weiten Sinne verstanden und unter Rückgriff auf ein medienwissenschaftliches Modell zur WebformatAnalyse, welches um spezielle historische Dimensionen erweitert wird, analysiert. Diese Dimensionen ergeben sich aus den Kriterien der wissenschaftlichen Darstellung, wie sie im Forschungsfeld der Wissenschaftskommunikation postuliert werden², sowie Überlegungen zur Zuschreibung von Authentizität als Grundlage einer als „wahr“ empfundenen Darstellung, die verschiedenen, kontinuierlich verhandelten Beglaubigungsstrategien unterliegt. Die Videoplattform YouTube, auf der eine Vielzahl von Erklärvideos erscheinen, wird zunehmend von professionellen Netzwerken gestaltet; auch die öffentlich-rechtlichen Medien eignen sich das Sendeformat des Videos an, was die gesellschaftliche Relevanz des Mediums unterstreicht. Sie suchen sich YouTuberinnen und YouTuber, denen sie eine Relevanz, Reichweite und die Fähigkeit, Themen zielgruppenangepasst darzustellen zuschreiben und produzieren damit eigene Videoangebote. Doch was in diesem Format eigentlich dargestellt und „vermittelt“ wird, ist bisher nicht untersucht worden. Auf die Frage nach der
Erste Arbeiten finden sich bei Andrea Geipel, vgl. Geipel, Andrea: Wissenschaft@YouTube. In: Knowledge in Action. Neue Formen der Kommunikation in der Wissensgesellschaft. Hrsg. von Erik Lettkemann, René Wilke und Hubert Knoblauch. Wiesbaden 2018. S. 137– 164. Zu nennen sind hier insbesondere die Arbeiten des Soziologen Peter Weingart; vgl. Weingart, Peter: Wissenschaftskommunikation unter digitalen Bedingungen. Funktionen, Akteure und Probleme des Vertrauens. In: Perspektiven der Wissenschaftskommunikation im digitalen Zeitalter. Hrsg. von Peter Weingart, Holger Wormer, Andreas Wenninger u. Reinhard F. Hüttl. Weilerswist 2017. S. 31– 59; und Weingart, Peter: Zwischen Euphorie und erster Ernüchterung. Social Media in der Wissenschaftskommunikation. In: Weingart, Perspektiven (wie Anm. 2), S. 19 – 27. https://doi.org/10.1515/9783110599497-004
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strukturierten Analyse geschichtswissenschaftlicher Erklärvideos wird in diesem Beitrag ein Vorschlag zur Methodik unterbreitet und anhand eines Beispiels vorgestellt. Zur Untersuchung der Gattung des Erklärvideos auf YouTube und der diese Videos produzierenden Kanäle, wird die Methodik der von Schuegraf und Janssen³ entwickelten Webformat-Analyse adaptiert und um geschichtswissenschaftliche Aspekte spezifiziert. Diese erstreckt sich über drei Untersuchungsebenen, um der Komplexität der Plattform YouTube mit ihren vielfältigen Nutzungs- und Interaktionsmöglichkeiten Rechnung zu tragen. Auf der deskriptiven Ebene wird durch eine Strukturanalyse der Aufbau des YouTube-Kanals skizziert. Nachdem eine Übersicht über die auf dem Kanal vorhandenen Themen und Videos erstellt worden ist, fokussiert sich die interpretative Analyse auf einzelne Videos. Die dritte Ebene bildet eine diskursive Analyse, die durch die Untersuchung des wissenschaftlichen Kontextes der Videos anhand der zuvor erarbeiteten Kategorien von Wissenschaftskommunikation, Authentizität/Authentisierungsformen und Markenkommunikation in den sozialen Netzwerken erfolgt. Anhand eines Videobeispiels werden die Charakteristika eines Erklärvideos auf YouTube in deutscher Sprache mit historischem Inhalt herausgearbeitet und das Medium als solches für die Geschichtswissenschaft beschrieben. Daran wird die entwickelte Methode zur Analyse audio-visueller Formate mit historischem Inhalt auf der Plattform YouTube eingeführt und zur Diskussion gestellt.
2 Kriterien geschichtswissenschaftlicher Darstellungen 2.1 Wissenschaftskommunikation Wissenschaftskommunikation wird von Schäfer als „alle Formen von auf wissenschaftlichem Wissen oder wissenschaftlicher Arbeit fokussierter Kommunikation, sowohl innerhalb als auch außerhalb der institutionalisierten Wissenschaft inklusive ihrer Produktion, Inhalte, Nutzung und Wirkungen“⁴ begriffen.
Schuegraf, Martina u. Anna Janssen: Webformat-Anaylse. In: Qualitative Medienforschung Ein Handbuch. Hrsg. von Lothar Mikos u. Claudia Wegener. 2.völlig überarbeitete und erweiterte Aufl. Konstanz u. München 2017. S. 555 – 561. Schäfer, Mike S., Silje Kristiansen u. Heinz Bonfadelli: Wissenschaftskommunikation im Wandel: Relevanz, Entwicklung und Herausforderungen des Forschungsfeldes. In: Wissen-
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Auf Grundlage dieses weiten Verständnisses lassen sich auch YouTube-Videos mit historischem Inhalt und dem Anspruch diesen als Wissen zu vermitteln als Genre, Medium und Format von Wissenschaftskommunikation einordnen. Im engeren Sinne ist es passender von Wissenskommunikation zu sprechen. Es braucht immer einen Intermediär zwischen den Erkenntnissen, Abläufen und Positionen der Wissenschaft und der Gesellschaft, dem Vertrauen und Akzeptanz entgegengebracht werden, um den Prozess der Information, Reflexion und Bildung als eine der tragenden Säulen einer demokratischen Gesellschaft aufrecht zu erhalten. In den sozialen Netzwerken werden Personen, die aufgrund ihrer Präsenz in den sozialen Medien andere Personen zu einem bestimmten Verhalten, zu Überzeugungen und zu Entscheidungen beeinflussen, als „Influencer“⁵ bezeichnet. Diese Rollenzuschreibungen diffundieren zunehmend und machen die Gruppe der Akteure vielfältig und nicht eindeutig abgrenzbar. Angesichts dessen werden die Sichtbarkeit des Erkenntnisprozesses, Multiperspektivität und Diskursivität bedeutsam für die Erzeugung von Glaubwürdigkeit und als Abgrenzung, dass in einer Darstellung Wissenschaft verhandelt wird, das heißt auf institutionalisierten Methoden beruhend und mit sachlicher Triftigkeit argumentiert, und keine beliebigen Aussagen getätigt werden.⁶ Diese Kriterien bilden wesentliche Elemente der Methodik zur empirischen Analyse für die spezifische Anwendung auf historische Inhalte. Die Standards der Wissenschaftskommunikation sind Konsens in der akademischen Geschichte, doch auf YouTube passiert etwas deutlich anderes, was mit der vorgestellten Methode analysierbar gemacht werden soll.
schaftskommunikation im Wandel. Hrsg. von Mike S. Schäfer, Silje Kristiansen u. Heinz Bonfadelli. Köln 2015. S.10 – 43. Cialdini, Robert B.: Die Psychologie des Überzeugens. Ein Lehrbuch für alle, die ihren Mitmenschen und sich selbst auf die Schliche kommen wollen, 6. erweiterte und ergänzte Aufl. Bern 2010. S. 17. Vgl. Weingart, Wissenschaftskommunikation (wie Anm. 2), S. 32 ff; Kretschmann, Carsten: Wissenspopularisierung – ein altes neues Forschungsfeld. In: Wissenspopularisierung. Konzepte der Wissensverbreitung im Wandel. Hrsg. von Carsten Kretschmann. Berlin 2003 (Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel 4). S.7– 22. S.7 ff; weitere Beiträge zur aktuellen Debatte bei Critchley, Christine R.: Public opinion and trust in scientists. The role of research context and the percieved motivation of stem cell researchers. In: Public Understanding of Science 17 (2008). S. 309 – 327. Oder Gauchat, Gordon: The cultural authority of science. Public trust and acceptance of organized science. In: Public Understanding of Science 20/6 (2011). S.755 – 770.
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2.2 Authentizität Authentizität – die zuweilen als Charakteristikum einen „Mehrwehrt gegenüber dem Echten oder Originalen“⁷ zu besitzen scheint – ist immer das Ergebnis eines Zuschreibungsprozesses, der als konkrete Eigenschaft oder Abstraktum an mediale (Selbst‐)Repräsentation gebunden ist. Daher ist in jeder Untersuchung einer als authentisch empfunden oder bezeichneten Darstellung die Frage nach dem Zuschreibungsprozess zu analysieren und zu fragen „wem und was wann, wie und weshalb Authentizität“⁸ und damit eine Form von Autorität zugesprochen wird und wem gegenüber dieser Anspruch vertreten werden kann oder soll. Dies gilt auch für YouTube-Videos. Es geht nicht um eine natürlich existierende Authentizität, sondern um eine als authentisch empfundene Zuschreibung, die über die Erzählung hervorgerufen werden muss.⁹ Die Vermittlung einer historischen „Wirklichkeit“ ist geknüpft an die Authentizität der Darstellung, erzeugt durch die Brücke zwischen Privatheit und Öffentlichkeit, eng verbunden mit einer als authentisch empfundenen vermittelnden Instanz. Auf YouTube ist dabei weniger die faktengebundene Authentizität des historischen Artefakts oder der bewiesenen Erzählung, sondern vielmehr die der Position des Presenters zugeschriebene, subjektgebundene Authentizität ausschlaggebend für die Akzeptanz der Inhalte als Wahrheit.
2.3. Markenkommunikation Das sogenannte „Web 2.0“ hat sich von einer Technologie zu einer eigenständigen Medienform entwickelt, deren Inhalte von den Nutzerinnen und Nutzern geprägt, generiert und gesteuert werden. Die traditionellen Gatekeeper bisheriger massenmedialer Kommunikations- und Informationsmittel (Unternehmen, Verlagshäuser, Redaktionen in Presse, Rundfunk und Fernsehen) verlieren ihre filternde Funktion und Auswahl. Konsum der Inhalte ist tendenziell Aufgabe der Nutzerinnen und Nutzer. Hierbei ist nicht zu vergessen, dass die Meinungen der Nutzerinnen und Nutzer jedoch beeinflusst, geformt und auch durch nicht sichtbare Steuerungsimpulse nicht so selbstbestimmt entstehen, wie es in vielen Darstel-
Saupe, Achim: Authentizität, Version: 3.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 25.08. 2015 http://do cupedia.de/zg/saupe_authentizitaet_v3_de_2015 (22.05. 2018). Saupe: Authentizität (wie Anm. 7). vgl Lethen, Helmut: Versionen des Authentischen. Sechs Gemeinplätze. In: Literatur und Kulturwissenschaften. Positionen, Theorien, Modelle. Hrsg. von Helmut Bohme u. Klaus R. Scherpe. Reinbek 1996. S. 205 – 231.
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lungen den Anschein hat. Die Verbreitung von Inhalten – Bild, Text, Audio,Video, Bewertungen, Kommentare und Empfehlungen – folgt den „sozialen Mustern von Interessens- und Lebensgemeinschaften, die unvermittelt und kaum beeinflussbar danach entscheiden, was ihnen wertvoll oder aus sonstigen Gründen empfehlenswert erscheint“¹⁰. Nutzerinnen und Nutzer vertrauen anderen Nutzerinnen und Nutzer und werden durch die Weiterleitung zu Multiplikatorinnen und Multiplikatoren für Produkte, Dienstleistungen aber auch Ansichten, Wertvorstellungen und gesellschaftliche Überlegungen, wozu sich auch Geschichtswissen bzw. Geschichtsdeutungen und Geschichtsbilder zählen lassen. Oftmals ist den Nutzerinnen und Nutzern dabei kaum bewusst, wie sehr die emotionale Zuschreibung von Authentizität der oder des Darstellenden die eigene Entscheidung, die Inhalte als wahr zu akzeptieren, beeinflusst. Um in diesem dichten Kommunikationsnetz eine Entscheidung über Glaubwürdigkeit und Vertrauen zu treffen, sammeln Konsumentinnen und Konsumenten weitere Informationen zur Person aus verschiedenen Plattformen zur Bildung eines persönlichen Images des Gegenübers, um dieses in die emotionale Entscheidungsfindung mit einzubeziehen. Dazu gehören sowohl kommunizierte Fakten, Motive und Einstellungen als auch Habitus, Darstellung und Sprache, weshalb eine umfassende Präsenz in den hauptsächlich genutzten Plattformen von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Akzeptanz einer Aussage im Internet sein kann.
3 Die Analyse von Erklärvideos – Ein Vorschlag zur Methodik Nach den Kennzeichen von Kretschmann sind YouTube-Videos, sofern sie einen wissenschaftlichen Inhalt haben, als Medien eines wissenschaftskommunikativen Vorganges, unter weit gefasstem Verständnis der Wissenschaftskommunikation, zu begreifen. Dazu hat sich auf der Plattform YouTube ein eigenes Format, das des Erklärvideos, entwickelt und ausdifferenziert und – wie Geipel zeigte – für die Kommunikation naturwissenschaftlicher Forschungsergebnisse und Inhalte bereits auch in der Forschung etabliert.¹¹ Für die Geschichtswissenschaft sind
Schmiegelow, Axel u. Marc Mielau: Markenführung in sozialen Medien – Neue Wege zum Konsumentenherz. In: YouTube und seine Kinder. Wie Online-Video, WebTV und Social Media die Kommunikation von Marken, Menschen und Medien revolutionieren. Hrsg. von Achim Beißwenger. Baden-Baden 2010. S. 105 – 120. S. 107. Vgl. Geipel: Wissenschaft@YouTube (wie Anm. 1).
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derartige Untersuchungen bisher nicht vorgenommen worden, da sich das Medium als Novum nicht unter die bisherigen etablierten Quellengattungen einordnen lässt. Aufgrund der aufgezeigten lebensweltlichen Relevanz der Kommunikation und Information mittels sozialer Medien wird diese Quelle jedoch zunehmend wichtiger. Daher bedarf es einer Methodik und einer Beschreibung von Erklärvideos mit historischem Inhalt auf YouTube, die dahinterliegenden Strukturen, Geschichtsbilder und Authentifizierungsstrategien aufzeigen können. Das von Schuegraf und Janssen skizzierte Verfahren erstreckt sich auf drei Untersuchungsebenen, um der Komplexität der Plattform YouTube mit ihren vielfältigen Nutzungs- und Interaktionsmöglichkeiten Rechnung zu tragen.¹² Hierzu werden Elemente der skizzierten Methode ausgewählt und um weitere Aspekte, die sich aus den theoretischen Überlegungen zu einem wissenschaftlichen Produkt mit historischem Inhalt ergeben, ergänzt. Auf der deskriptiven Ebene wird durch eine Strukturanalyse der Aufbau des YouTube-Kanals in der Absicht aufgerissen, „Aufmachung, Verlinkungs- und Interaktionsstrukturen zu beschreiben, sowie Daten und Nutzerzahlen festzuhalten“¹³. Diese Kategorien sind aus dem kommunikationswissenschaftlichen Ansatz unverändert übernommen worden. Nachdem eine Übersicht über die auf dem Kanal vorhandenen Themen und Videos mittels der strukturellen Analyse erstellt worden ist, fokussiert sich die interpretative Analyse auf einzelne Videos. Sie erfolgt wiederum in Unterkategorien, zuerst der Videoanalyse, der Charakteranalyse des YouTubers¹⁴ und der Interaktionsanalyse. Hierzu gehört auch die auf einer interpretierenden Perspektive beruhende Analyse des jeweiligen YouTubers als Content-Creator, um die Besonderheiten des Kanals und die für YouTube zentrale Personalisierung aufzuzeigen. Dies zeigt auch die Einbettung des Kanals in das größere Netzwerk der Plattform. Hinzu tritt als vierte Kategorie die Untersuchung der sachlichen Triftigkeit der getroffenen Aussagen, die insbesondere für das Genre der Erklärvideos mit wissenschaftlichem Bezug von großer Bedeutung ist. Die dritte Ebene bildet eine diskursive Analyse des gesellschaftlich-kulturellen Kontextes des Kanals bzw. der dort eingestellten Videos. Schuegraf/Janssen betrachten dabei die zuvor herausgearbeiteten, kanalspezifischen Elemente im Vergleich mit anderen YouTube-Kanälen, um auf diese Weise Genres mit spezi-
Für eine ausführliche Beschreibung der Methodik vgl. Schuegraf (u. a.): Webformat (wie Anm. 3). Schuegraf (u. a.): Webformat (wie Anm. 3), S. 556. Die maskuline Form ist bewusst gewählt, da es sich ausschließlich um männliche YouTuber im Rahmen dieser Analyse handelt. Die Frage nach Gender und Geschlecht bei der geschichtswissenschaftlichen Präsentation auf YouTube wäre ein spannender, anknüpfender Forschungsgegenstand.
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fischen Eigenschaften, Formaten und verbindenden Elementen herauszustellen. Dabei stehen auch andere soziale Medien und Plattformen im Fokus sowie die durch Produktplatzierungen und Werbung erfolgende Setzung von Trends, die wiederum Teil der sozialen, kulturellen, politischen und ökonomischen Aushandlungsebenen sind. Der Fokus auf Produktplatzierungen und finanzierende Aspekte wird nicht übernommen, da er für die ausgewählten Kanäle nicht zutreffend ist. Ergänzt wird diese bereits bestehende Methode um die auf historische Darstellungen bezogenen Kennzeichen von Wissenschaftlichkeit und die damit verknüpften Erzähl- und Authentisierungsmuster, um die spezifische Darstellung historischer Inhalte auf YouTube untersuchen zu können. Die diskursive Analyse erfolgt durch die Untersuchung des wissenschaftlichen Kontextes der Videos anhand der zuvor erarbeiteten Kategorien von Wissenschaftskommunikation, Authentizität/Authentisierungsformen und der durch das Fernsehen geformten Darstellungsgewohnheiten. Insbesondere auf dieser Ebene erfolgt die geschichtswissenschaftliche Wendung der Methode durch die Einführung eigens erarbeiteter Kategorien.
4 „musstewissen Geschichte“ – Ein Beispiel für Erklärvideos auf YouTube Die Plattform YouTube bietet ein großes Angebot an Kanälen, die sich in der Form von Erklärvideos mit historischen Zusammenhängen auseinandersetzen. In der folgenden Analyse wird einer der beiden¹⁵ größten ausschließlich zu historischen Themen produzierenden YouTube-Kanäle aus Deutschland, die Erklärvideos mit historischem Inhalt veröffentlichen untersucht: Der Kanal ‚musstewissen geschichte‘ mit 68.005 Abonnentinnen und Abonennten¹⁶. Das Kriterium der Abonnentinnen- und Abonnentenzahl ist für diese Fragestellung relevanter als die Zugriffszahlen eines einzelnen Videos, da sie den regelmäßigen Konsum des Kanals widerspiegeln. Die Zielgruppe sind Schülerinnen und Schüler. Die große Zahl der Abonnentinnen und Abonnenten erhöht die Wahrscheinlichkeit eines repräsentativen Querschnitts der gewünschten Zielgruppe und damit die allgemeine Gültigkeit der Auswertungsergebnisse, da sich die Kanäle dadurch als „populär“ ausweisen. Ein weiteres Auswahlkriterium war das regelmäßige
Die beiden größten sind „ThesimpleHistory“ und „musstewissen geschichte“; der Beitrag von Anja Neubert befasst sich mit „thesimpleclub“, daher ist hier „musstewissen geschichte“ gewählt worden. Stand 20.05. 2018, 12:00 Uhr.
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Hochladen eines Videos im Presenterformat zur Gewährleistung von Kontinuität in der Darstellung und Aktivität des Kanals. In der Analyse wird die Methodik ausschnitthaft an Aspekten vorgestellt; eine vollständige Ausführung wäre im Rahmen dieses Beitrages nicht möglich. Die umfassende Methodik mit allen Analysefragen zur Anwendung und Diskussion findet sich im Anhang des Beitrags.
4.1 Deskriptive Ebene Der YouTube-Kanal „musstewissen geschichte“ wurde am 23. September 2016 auf der Plattform gegründet und seitdem 2.782.637 Mal [Stand 20.05. 2018; 12:00 Uhr] aufgerufen. Der dahinterstehende YouTuber/Content-Creator ist Mirko Drotschmann, der selber einen YouTube Kanal mit dem Namen „MrWissen2go“ betreibt, der auch seine Netzpersönlichkeit¹⁷ darstellt. Der Kanal ‚musstewissen geschichte‘ ist Teil des Angebotes der funk-Mediengruppe von ARD und ZDF, die weitere Kanäle, unter anderem zu Mathematik und Deutsch, in der gleichen Weise führen und wird nicht von dem sichtbaren Presenter alleine geführt¹⁸. Mit den insgesamt 68.005 Abonnentinnen und Abonnenten weist der Kanal eine mittlere Größe auf.¹⁹ Auf der Startseite des Kanals wird automatisch ein Kanaltrailer abgespielt, der von einem Vorstellungstext ergänzt wird und den ersten Eindruck des Kanals bei den Zuschauerinnen und Zuschauern generiert. Nach eigener Darstellung ist der Inhaber des Kanals Mirko²⁰, der „Weltgeschichte so erklärt, dass du sie verstehst“²¹. Des Weiteren sind im Verlauf der Übersichtsseite Playlists und weitere Kanäle verlinkt, auf die jeweils mit einem Titel verwiesen wird, unter anderem der funkKanal, seine eigenen Playlists und der Kanal „MrWissen2go“. Es ist kein Verweis auf die eigene Online-Präsenz des YouTubers über den eigenen Kanal hinaus zu
Das heißt, eine Rolle, die er sich im sozialen Netz geschaffen hat und über die er wahrgenommen wird. Gleichzeitig ist es aber kein öffentlich-rechtliches Medienangebot, sondern an die Plattform YouTube und ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen gebunden. Darüber hinaus sind nahezu alle größeren Kanäle Teil professionalisierter Netzwerke, sodass Inhalte tendenziell professionell generiert werden. Zum Vergleich: Mr.wissen2go hat 693.758 Abonnent*innen; LeFloid als bekanntester deutscher YouTuber 3.105.108 und BibisBeautyPalace, führend im Bereich Lifestyle und Beauty 5.065.345 (22.05. 2018) Bzw. die Figur „Mr. Wissen2go“. Trailer, https://www.youtube.com/channel/UCsVWpmoRsNAWZb59b6Pt9Kg (22.05. 2018).
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finden, obschon dieser dort auf seine Profile in sozialen Medien wie Facebook und Instagram hinweist und als Person des öffentlichen Lebens in Erscheinung tritt. Überspannt wird die Startseite von einem Titelbild oder Kanalbanner. Für den Kanal ‚musstewissen geschichte‘ ist es aktuell ein grau unterlegter Hintergrund mit steinartiger Textur, auf dem sich abstrahierte Zeichnungen eindeutig identifizierbarer, historischer (Monumental)Bauten (Colosseum, Akropolis, Freiheitsstatue, Brandenburger Tor, Eiffelturm, Taj Mahal) in einem helleren Grau befinden, verbunden durch eine kantige, einen Zeitstrahl symbolisierende Linie mit beigeordneten Sprechblasen. Weitere Elemente sind ein Kreis mit dem Titel des Kanals ‘musstewissen‘ mit einem stilisierten Kapitell und ein Banner in Gelb auf dem in weißer Schrift ‚Geschichte jeden Donnerstag‘ steht. Das Kanaltitelbild hat eine klare Farbstruktur in grau, gelb und weiß, die immer wieder auf dem Kanal zu finden ist und ein Corporate Design festlegt, welches als eher ruhig aber nicht zu monochrom einzuschätzen ist. Dadurch dominiert das ebenfalls eingebundene, farbige Portraitfoto des YouTubers selbst den Titel deutlich. Die Zielgruppe des Kanals sind, nach eigener Aussage, Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 8 bis zum Abitur, unabhängig vom Bundesland²², die jeden Donnerstag mit einem Video rechnen können, in dem sie wichtige²³ historische Themen so erklärt bekommen, dass sie ihnen verständlich sind. Angelegt sind 20 Playlisten mit jeweils 2 bis 32 Videos, entweder zu einzelnen Themenkomplexen (Renaissance/Mittelalter) oder einem großen Überblick (Abiturvorbereitung 2018²⁴), die den Nutzerinnen und Nutzern die Auswahl erleichtern und mehrere Videos zu einem inhaltlichen Horizont gruppieren können, sodass sie nicht danach suchen müssen, was zum einen nutzerfreundlich ist und diese zum anderen auch an den Kanal bindet, weil es die Notwendigkeit einer weiteren Suche verringert. Zugleich erhöht dies die Klickzahlen und damit die Reichweite des Kanals. Die hochgeladenen Videos sind zwischen drei und zwölf Minuten lang und behandeln verschiedene Inhalte der Geschichte, sowie einige Querschnittsthemen und Begriffe, beispielsweise Regierungsformen. Teilweise sind sie mit Un-
Die jeweiligen Unterrichtsinhalte sind aufgrund der bildungspolitischen Hoheit der Bundesländer verschieden. Die Kriterien zur Bildung von Wichtigkeit sind nicht ersichtlich. Anzunehmen ist eine Orientierung an schulischen Lehrplänen. Diese stellt nur die Videos zusammen, ihre Inhalte können auch von anderen Jahrgansstufen rezipiert werden.
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tertiteln in deutscher Sprache versehen. Die Thumbnails²⁵ visualisieren den Titel des Videos und sollen zum Aufrufen desselben animieren. Diese Vorschaubilder der neueren Videos zeigen Mirko Drotschmann vor dem schwarz-weißen Hintergrund eines Bildes bzw. einer Bildercollage entsprechend des Videothemas; ältere Videos haben farbige Filter über dem Hintergrund. Es sind überwiegend Zeichnungen und Bilder bekannter historischer Persönlichkeiten wie Luther und Bismarck, die als Bildikonen an mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits bekannte Darstellungen anknüpfen. Bei Videos zu Begriffen oder Querschnittsthemen bildet eine Tapete in grau oder gelb mit einem ältlich anmutenden Muster den Hintergrund. Darüber steht der Titel in weißen Blockbuchstaben verschiedener Größe. Der Moderator selber ist ebenfalls abgebildet, in einem unifarbenen Shirt, meist in sprechender Haltung den Zuschauerinnen und Zuschauern direkt zugewandt. Der Kanaltrailer, der eine Länge von 1:02 Minuten hat, ist die audio-visuelle Selbstvorstellung des Kanals bzw. seines Creators und soll das Interesse der Zuschauerinnen und Zuschauer wecken und fesseln, indem er kurz und dabei möglichst spannend die Themen des Kanals umreißt. Gleichzeitig spiegelt die Machart des Trailers die zu erwartende filmische Präsentation des gesamten Kanals wider. Bei ‚musstewissen geschichte‘ beginnt der Einblick mit einer knappen Begrüßung in direkter Ansprache, die informell in Sprache und Gestus gehalten ist und in eine Suggestivfrage übergeht, die dann auf den Zweck des Kanals verweist „hier gibt es Geschichte so, dass man sie versteht und dass ihr vor allem auch Spaß habt beim Zuschauen“²⁶. Dies reproduziert sowohl ein gängiges Stereotyp von Geschichte bzw. der Beschäftigung mit Geschichte als langweiligem, eher unzugänglichem Lernstoff, als auch das Gefühl einer sich davon abhebenden Gemeinschaft, die sich auf diesem Kanal einfindet und eine Form der Geschichte spannend und nützlich vermittelt bekommt. Das Evozieren des Gemeinschaftsgefühls ist wiederkehrender Teil der Ansprache, Videos, Info-Boxen und Kommentare. Es folgt ein schneller Zusammenschnitt einzelner Clips aus unterschiedlichen, sich auf dem Kanal befindlichen Videos, die zahlreiche Elemente audio-visueller Darstellungsmöglichkeiten enthalten (Zeichnungen, Grafiken, dreidimensionale Objekte und Animationen). Schon im Trailer werden alle visuellen Darstellungsvarianten, die auf YouTube möglich sind, genutzt. Anhand der Szenen werden die auf dem Kanal behandelten Inhalte kurz aufgerissen: große Themen der Geschichte, wichtige Erfindungen, Persönlichkeiten und Ereignisse. Auch hierzu gibt es erweiterte Diskurse, die sich vor allem auf die werbende Funktion und Suggestion sensationeller Bilder (sog. Click-Baiting) beziehen, dazu vgl. http://www.schau-hin.in fo/news/artikel/kinder-vor-clickbaiting-warnen.html (22.05. 2018). https://www.youtube.com/channel/UCsVWpmoRsNAWZb59b6Pt9Kg (0:20 min) (22.05. 2018).
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Den Schluss bildet das Angebot eines kostenlosen Abonnements²⁷ und die persönliche Vorstellung des Sprechers als „Mirko vom Kanal wissen2go“²⁸, der die Persönlichkeit des Kanals bildet und damit identifiziert wird. Er verspricht, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer den Überblick haben, wenn sie die Videos konsumieren und blendet zum Schlussbild, den Logos von ZDF und funk, aus.
4.2 Interpretative Ebene Eines der zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Aufsatzes neuesten Videos auf dem Kanal, hochgeladen am 26.04. 2018, befasst sich mit dem Thema „Antisemitismus in Deutschland“²⁹ und dauert 6:43 Minuten. Es bietet die Möglichkeit Untertitel in deutscher Sprache einzuschalten. Das Video hat 13.300 Aufrufe [Stand 23.05. 2018], 992 positive und 26 negative Bewertungen. Das Thumbnail zeigt Mirko Drotschmann vor der grauen Tapete mit Damastmuster, die auch den Hintergrund des Videos bildet, in stehender Haltung mit einer Geste des Sprechens in einem dunkelroten Shirt. Dazu befindet sich in der rechten oberen Ecke das weiße Logo des Kanals sowie zentral in weißen Blockbuchstaben der Titel „Judenhass in Deutschland“. Die Infobox unter dem Video formuliert noch einmal knapp den Anlass des Videos, ist in der dritten Person verfasst und enthält darüber hinaus Links zu weiteren Kanälen des „musstewissen“-Spektrums und Angeboten des funk-Netzwerks. Das Video beginnt mit einer persönlichen Ansprache „ihr habt sicher alle mitbekommen“ an die Zuschauerinnen und Zuschauer und verweist auf den aktuellen Anlass der infolge der Echoverleihung auftretenden Diskussion um heutigen Antisemitismus in Deutschland, die in allen Medien geführt wird. Zu dieser Debatte möchte der YouTuber mit diesem Video einen grundsätzlichen Beitrag leisten, da er den Judenhass als ein Problem, „das wir kennen und das wir noch nicht überwunden haben“³⁰ auffasst. Nach dieser Einleitung (0:20 min) wird das neue Intro des Kanals eingeblendet, welches aus dem Logo des Kanals – eine weiße Säule in einem knallgelben Quadrat mit abgerundeten Ecken – vor einem dunkelgrauen Hintergrund und die Schrift „musstewissen geschichte“ besteht. Dazu ertönt ein klingender Ton.
Was allerdings ein google/google+ Konto voraussetzt und damit eine virtuelle Bezahlung in Daten erfolgt, was die Bezeichnung kostenlos nicht unumstritten diskutabel werden lässt. https://www.youtube.com/user/MrWissen2go (23.05. 2018). https://www.youtube.com/watch?v=ZbTA36HlV3 A (22.05. 2018). (0:15 min).
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Der inhaltliche Hauptteil skizziert noch einmal den Auslöser und die Intention des Videos, verortet es auf diese Weise im direkten lebensweltlichen Geschehen der Zuschauerinnen und Zuschauer und evoziert so eine persönliche Betroffenheit und Relevanz. Im folgenden Abschnitt des Videos möchte er die Frage beantworten „Wie war und ist das mit dem Antisemitismus in Deutschland?“³¹, der seine Wurzeln in der Vergangenheit hat. Dazu beginnt er mit der Judenfeindlichkeit im Mittelalter, die in der fortschreitenden Modernisierung Europas (hier wird ein gelber Kasten mit dem Hinweis auf die Französische Revolution als konkretes Schlagwort für Modernisierung eingeblendet) ebenfalls eine moderne Ausrichtung erfuhr, quasi im Zuge der Aufklärung neu erfunden wurde und die Deutungsmacht der Religion brach. Neue Begründungen für judenfeindliche Haltungen und Theorien wurden gesucht, die sich in der aufblühenden Wissenschaft der Volkskunde, die die Eigenschaften bestimmter Völker beschrieb, fanden. Der Begriff des Volkes wird als „Gruppe von Menschen, die in einem Gebiet leben und gewisse gemeinsame Eigenschaften, vor allem aber Bräuche und Traditionen haben“³², definiert aber nicht weiter dekonstruiert oder als Konstrukt sichtbar gemacht. Im weiteren Verlauf des Videos wird eine Schwierigkeit der Zuordnung der Gruppen erwähnt, aber der Begriff als solcher nicht als Entität in Frage gestellt. Im Zuge des Aufkommens der „Rassenlehre“, die eine Zuschreibung von Merkmalen für eine Gruppe Menschen adaptiert, wird eine sog. ‚jüdische Rasse‘ erfunden und aus kulturellen Eigenheiten wurden rassischbiologische Eigenheiten. Der Begriff der Rasse wird an dieser Stelle weder aus seinen Ursprüngen noch in seiner Problematik thematisiert, obgleich er sogar in seinem Entstehungskontext, der Biologie, nicht eindeutig definiert und damit deutungsspezifisch und diskutabel ist. Dies wird jedoch in den Kommentaren weder nachgefragt noch hinterfragt. Im Hintergrund wird ein Bild der körperlichen Vermessung einer männlichen Person dazu eingefügt³³, aber nicht näher erläutert. Hier erfolgen ein Schnitt und eine Zoomeinstellung auf den Presenter, was die Betonung der folgenden Aussagen unterstreicht. Er erläutert die Verbindung körperlicher Eigenschaften mit einer Bewertung dieser, woraus verschiedenwertige ‚Rassen der Menschen‘ entstehen: Arier (deutsche/germanische/nordische Rasse) sollen gute Eigenschaften besitzen und andere Rassen schlechte. Der Begriff des Ariers wird dabei als gegebene Größe eingeführt und nicht als Konstrukt der Nationalsozialisten dekonstruiert. Der Presenter betont noch einmal
(0:30 min). (1:25 min). https://www.akg-images.de/archive/-2UMDHUW0DUYH.html (23.05. 2018).
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den Übergang von „Verschiedenartigkeit zu Verschiedenwertigkeit“³⁴. Ein dezenter Hinweis auf den künstlichen Charakter des Begriffs erfolgt durch die Nutzung des Wortes „hinbasteln“³⁵. Um die Menschenrechte auszuhebeln wurde ‚den Juden‘ das Menschsein abgesprochen und sie von den Antisemiten für alles, was deren Meinung nach in Gesellschaft und Politik falsch läuft, als „Sündenbock“ verantwortlich gemacht. Diese Gruppe war vor dem Ersten Weltkrieg eine kleine, aber laute Minderheit, die in der Weimarer Republik massiv anwuchs. Insbesondere mit Aufsteigen des Nationalsozialismus änderte sich auch die Einstellung und Sprache anderer Gruppen und Beschimpfungen wie „Du lügst wie ein Saujude“³⁶ wurden salonfähig. Das Beispiel aus der Geschichte zeigt die Relevanz der heutigen Debatte auf, weil diese Weise zu sprechen un(ter)bewusst in Gedanken und Gefühlen manifestiert wird, wenn sie täglich ohne Gegenstimmen im alltäglichen Umgang benutzt wird. Hier werden die Zuschauerinnen und Zuschauer deutlich vom Presenter auf die Wirkung und die Bedeutung von Sprache hingewiesen und für deren Effekte sensibilisiert. Der Nationalsozialismus, so die referierte Geschichte, nutzte nun diese verbreiteten Einstellungen und Vorurteile zu einer antisemitischen Politik aus der letztendlich die Vernichtung von circa. sechs Millionen Menschen resultierte, was durch entsprechende, in Geschichtsdarstellungen häufig genutzten Bildern illustriert wird³⁷. In einem Fazit (ab 6:15 min) weist der Presenter darauf hin, dass Antisemitismus und Anfeindungen aufgrund von Vorurteilen gegenüber anderen Gruppen eben nicht verschwunden sind, sondern immer noch aktuell bestehen und benennt als Gegenpunkt den ersten Artikel des Grundgesetztes der Bundesrepublik Deutschland „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Darüber hinaus zeige dieses Beispiel die Relevanz einer Auseinandersetzung mit der Vergangenheit für Diskussionen in der Gegenwart. Den Abschluss des Videos bildet die Aufforderung an die Zuschauerinnen und Zuschauer, die eigene Meinung in die Kommentare zu schreiben, den Kanal zu abonnieren und blendet zu der Endcard mit weiteren Videos und den Logos von ZDF und funk aus.
(2:35 min) (2:40 min) (5:10 min) https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_102 – 14468,_Berlin,_NS-Boy kott_gegen_j%C3 %BCdische_Gesch%C3 %A4fte.jpg (23.05. 2018)
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4.2.1 Der Presenter Der Presenter Mirko Drotschmann, Mitte dreißig, weiß, männlich, dunkle Haare, leichter Bart, steht im Mittelpunkt des Kanals und bestimmt durch seine Präsenz Aufbau und inhaltliche Kommunikation der Videos. Er ist in der Regel frontal der Kamera zugewandt, sitzend oder stehend, und nimmt über die Kamera „direkten“ Blickkontakt mit den Zuschauerinnen und Zuschauern auf. Er trägt einfarbige Shirts in gedeckten Farben, eine unauffällige Frisur und achtet auf einen gepflegten aber nicht ausgefallenen oder zu konservativen Eindruck. Die Narration des Presenters führt durch das Video, und bildet den roten Faden sowohl als verbaler sichtbarer Erzähler, als auch durch Voice-Over, sofern die visuelle Darstellung in den Vordergrund rückt. Die ruhige und gewählte Erzählweise suggeriert Selbstsicherheit und Überzeugung der präsentierten Inhalte, die durch Gründlichkeit und Wissen begründet scheinen. Gestik und Mimik sind passend und unterstreichend eingesetzt, aber nicht ausladend.
4.2.2 Kommentare Für angemeldete Nutzerinnen und Nutzer, die somit Inhaberinnen oder Inhaber eines Google- Kontos sind, gibt es die Möglichkeit Videos zu bewerten und zu kommentieren, wozu der Presenter auch auffordert. Die Kommentare erscheinen unter dem Video nach Bewertung oder nach Datum geordnet wie auf einer großen Pinnwand und können vom Betreiber des Kanals nach verwendeten Stichworten, die als Hashtags gekennzeichnet sind, gefiltert werden. Außerdem kann er einzelne Beiträge löschen oder in der Reihenfolge verschieben, indem er sie als „TopKommentare“ zu Beginn der Pinnwand fixiert, was die Augenfälligkeit dieses Kommentares erhöht. Die Nutzerinnen und Nutzer können sich auch gegenseitig kommentieren, antworten und ggf. auch eine schriftliche Diskussion führen. Die Kommentare unter diesem Video belaufen sich auf rund 220 (in der Zeitspanne von der Veröffentlichung bis zum letzten Aufruf), was in Relation zu anderen Themenbereichen wie Lifestyle, Beauty oder Spiele recht wenig ist. Überwiegend bestehen sie aus Lob für das Video und bezeichnen seine Darstellung als dem Schulunterricht aufgrund der leichteren Verständlichkeit und höheren Anschaulichkeit vorzuziehen. Außerdem werden Themenwünsche geäußert. Hinzu kommen Nonsens-Bemerkungen, Grüße und bezugslose Äußerungen. Der Kanal selber moderiert sichtbar wenig und reagiert in sehr geringem Maße auf
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die in den Kommentaren befindlichen Themen³⁸, nur Lob und Themenwünsche werden mit einer Antwort quittiert. Bei diesem Beispiel entsteht eine Diskussion einiger Zuschauerinnen und Zuschauer untereinander, ohne Beitrag des Presenters, die sich auf die Frage des Antisemitismus im Islam bezieht. Es nehmen verschiedene Personen daran teil, deren Identität nicht weiter zu erkennen ist, sodass für die ebenfalls dort mitlesenden Konsumentinnen und Komsumenten weder Hintergründe, noch Vorwissen oder Position einschätzbar sind. Es zeigen sich verschiedene Argumentationsansätze, die von sachlich bis polemisch reichen und mal den Eindruck eines Interesses am Austausch erwecken, mal den Wunsch zu stören und zu polarisieren ausdrücken.
4.2.3 Präsentation und Narration Die von Mirko Drotschmann genutzte Sprache ist gewählt, aber nicht formell. Er erzeugt den Eindruck eines wissenden Freundes, der seine Kenntnisse an das Gegenüber vermittelt und dennoch auf Augenhöhe mit den Zuschauerinnen und Zuschauern bleibt. Die Ansprache ist direkt und offen, sodass bei den Nutzerinnen und Nutzern der Eindruck entstehen kann, dass eine persönliche, auf sie und ihre Bedürfnisse und Fragen zugeschnittene Wissensvermittlung erfolgt. Er redet deutlich, fließend und mit einer angemessenen Betonung, ohne dabei zu dozieren. Dass der Text vorher verfasst und entsprechend einer konzipierten Aufnahme geschnitten wird, ist am fehlerlosen und pausenfreien Textfluss zu erkennen. Selten eingefügte Bemerkungen bleiben unter der Polemisierungs- und Polarisierungsgrenze und weisen maximal auf die moralische Ebene der dargestellten Erzählung hin. Er ist als Figur sichtbar und nahbar für seine Zuschauerinnen und Zuschauer, mehr als das reguläre Verhältnis zum schulischen Pädagogen/zur schulischen Pädagogin, aber nicht der beste Freund, der an seinem Leben teilhaben lässt. Die Videos sind flüssig, aber nicht schnell oder mit starken Effekten gestaltet. Es gibt einige Schnitte, die insbesondere ihn ein- bzw. auszoomen oder auf Einstellungen wechseln, in denen er sich nicht im Bild befindet. Animierte Collagen oder Toneffekte sowie Hintergrundmusik werden nicht eingesetzt. Auch Zeitzeuginnen und Zeitzeugen oder filmische Originalaufnahmen sind nicht Teil der Videos. Die Narration des sichtbaren verbalen Erzählers führt inhaltlich durch das Video und signalisiert den Zuschauerinnen und Zuschauer die Struktur, die sich in
Soweit dies öffentlich zu erkennen ist. Private Nachrichten entziehen sich der Analyse.
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drei Abschnitte gliedert. Die kurze Einleitung wird durch das knappe Kanalintro in den Hauptteil übergeleitet, der von der Schlusssequenz, die aus dem Hinweis auf weitere Videos, sowie die Aufforderung zu kommentieren besteht, beendet wird. Ein Spannungsbogen analog zum Spielfilmschema oder eine szenisch erzählte Geschichte werden nicht aufgebaut
4.3 Diskursive Ebene Der Kanal ‚musstewissen geschichte‘ ist Teil des online Angebotes des funkNetzwerkes als Gemeinschaftsangebot von ARD und ZDF, wie auf seiner Informationsseite zu lesen ist.³⁹ Die Rollen und Zuständigkeiten im Rahmen der Produktion werden jedoch nicht deutlich, so dass für die Zuschauerinnen und Zuschauer nicht ersichtlich ist, welche Rolle Mirko Drotschmann einnimmt und welche weiteren Akteure an der Produktion beteiligt sind. Ob er nur der Presenter eines von einem Team oder einer Einzelperson verfassten inhaltlichen Konzeptes ist, oder ob er selber Texte und Inhalt verfasst hat, die daraufhin von der ZDF Digital Medienproduktion GMBH umgesetzt werden, ist für die Nutzerinnen und Nutzer nicht ersichtlich.⁴⁰ Welche Anteile er an der GMBH hat, bleibt ebenfalls offen. Bei seiner Moderation redet er aus der Ich-Perspektive und auch die Selbstvorstellung⁴¹ ist aus dieser verfasst, die Info-Boxen unter den Videos jedoch über ihn in der dritten Person. Es handelt sich hierbei um professional-generatedcontent, keinen user-generated-content. Die Unsichtbarkeit anderer Akteurinnen und Akteure erweckt dennoch den Eindruck, er selber sei nicht nur der Presenter sondern auch der Produzent des Inhaltes, und nimmt auf diese Weise die durch das Format der historischen Dokumentation etablierte Rolle als persönlicher Garant der Wahrheit des Inhaltes ein, die eine zentrale Rolle in der von den Zuschauerinnen und Zuschauern zugeschriebenen Authentizität des Formates spielt. Der selbstformulierte Anspruch ist, alles zu erklären, was die Schülerinnen und Schüler in den verschiedenen Themenbereichen von der 8. Klasse bis zum Abitur wissen müssen, was schon aufgrund der großen Alters- und Wissensspanne fraglich ist. Die verwendeten Quellen auf deren Analyse der präsentierte Inhalt beruht, werden weder aufgeführt, obschon die Nutzung der Infobox gerade für diese Zwecke dienlich sein kann, wie die intensive Auflistung genutzter Pro-
https://www.youtube.com/channel/UCsVWpmoRsNAWZb59b6Pt9Kg/about (26.05. 2018). Allenfalls durch Auskunft der Verantwortlichen in Erfahrung zu bringen. „Ich, Mirko Drotschmann, erkläre dir jeden Donnerstag, ein Thema aus dem Fach Geschichte von der 8. Klasse bis zum Abitur.“ https://www.youtube.com/channel/UCsVWpmoRs NAWZb59b6Pt9Kg/about (26.05. 2018).
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dukte anderer YouTuberinnen und Youtuber⁴² zeigt, noch wird erklärt, woher das eigene Wissen stammt und welcher Vorgang dahinter erfolgt ist. Die Quellenkritik als eine essentielle Methode der Geschichtswissenschaft wird nicht sichtbar, was den Eindruck evoziert, es gebe eine fertige Geschichte, die man „nehmen“ und vermitteln kann. Es werden nur historische Bilder und Bilder von Dokumenten eingesetzt, jedoch keine weiteren Elemente, wie es etwa in der historischen Dokumentation der Fall ist.Weder Berichte von Zeitzeuginnen oder Zeitzeugen, noch historische audio-visuelle Elemente werden eingefügt, um die Authentizitätsansprüche der Narration zu untermauern. Es wird weder auf Strategien zur Authentifizierung zurückgegriffen, noch der Eindruck wissenschaftlicher Kommunikation mit Fakten unterlegt, die nachprüfbar sind. Der fehlende Hinweis auf Geschichte als Wissenschaft und Institution mit Methodik und Grundsätzen der Arbeit und die Verschleierung der Wege der Wissensgenerierung evozieren den Eindruck von Geschichte als gegebenem Faktum, das existiert und das man lernen muss. Die Narration ist an den Stellen, an denen es den Erzählfluss nicht stört, differenziert und um eine präzise Ausdrucksweise bemüht und das Niveau der gegebenen Erklärungen angemessen, wie die Nennung der lateinischen Schlagworte zum Augsburger Religionsfrieden zeigt. Verschiedene Perspektiven werden jedoch nicht aktiv aufgezeigt. Die Geschichte erscheint als eine von großen, mächtigen Männern und einheitlichen Gruppen gesteuerte Ereignisabfolge, deren Beschreibung zeigt, wie es gewesen ist. Antisemitismus wird als sowohl aktuelles als auch historisches komplexes System von Ideologie und Politik, Vorurteilen und vermeintlicher Wissenschaft dargelegt und damit differenziert erzählt. Die Wertung als Unrecht wird deutlich ausgedrückt und an dieser Stelle wird auf die Relevanz der Beschäftigung mit Geschichte hingewiesen, die zur Führung von aktuellen Debatten notwendig ist. Hier wird Geschichte als Verknüpfung von Vergangenheit und Gegenwart mit Aktualisierungen und Bezügen deutlich, was dem Selbstverständnis der Geschichtswissenschaft im aktuellen Diskurs entspricht.
5 Fazit Die hier entwickelte und angewandte Methode dient der Analyse von Webvideos auf der Plattform YouTube mit historischem Inhalt und macht damit das Genre des Erklärvideos als Quellengattung für geschichtswissenschaftliche Fragestel-
Vgl. Wolf, Maren: meine Beauty Favoriten https://www.youtube.com/watch?v=rih-a64lPLw (26.05. 2018).
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lungen erfassbar. Das zuvor in der Forschung kaum behandelte Medium ist aufgrund der steigenden Relevanz von sozialen Medien und der Nutzung von YouTube in der Alltagskommunikation und Informationsbeschaffung für zukünftige Kontexte geschichtskultureller Fragestellungen von großer Bedeutung. Das Beispiel zeigt, dass auf YouTube eigene Regeln der Wissensvermittlung gelten, die sich den Standards der Wissenschaftskommunikation entziehen und dies auch intendieren. Der theoretische Konsens der geschichtswissenschaftlichen Forschung zur fachlich abgesicherten Darstellung von Inhalten wird nicht auf die Videos übertragen. Diese funktionieren zum einen über alte Sehgewohnheiten des Fernsehens und zum anderen deutlich über die der Person des YouTubers zugeschriebene Authentizität, die auf ganz anderen Aspekten rekurriert als die Authentizität der geschichtswissenschaftlichen Darstellung. YouTube Videos sind in ihrer Eigenlogik zu betrachten, da sie weder den Anspruch vertreten Wissenschaft zu kommunizieren noch dieser für die Akteure, die sich außerhalb der Forschung befinden, zutreffend ist. Die hier elaborierte Analysemethode hat zum Zweck, die Beschreibung der Charakteristika eines Webvideoformates zu ermöglichen und verbindet dabei genuine Ansätze der geschichtswissenschaftlichen Methodik zur Quellenerschließung mit medienwissenschaftlichen Konzepten der audio-visuellen Darstellung. Auf einer deskriptiven Ebene wird zunächst der Kanal als Ganzes erfasst, dessen Struktur, Ästhetik und Formate beschrieben und in den Gesamtkontext der Plattform YouTube eingeordnet, wie es auch der basalen Ebene der historischen Quellenkritik entspricht. Anschließend werden, nach der individuellen Fragestellung entsprechend gewählten Parametern, einzelne Videos auf der interpretativen Ebene untersucht. Dabei stehen die Erzählung des Videos, die Figur des YouTubers bzw. des Presenters und die Interaktion mit den Zuschauerinnen und Zuschauer im Fokus. Insbesondere die inhaltliche Triftigkeit ist bei der Erforschung historischer Videos und Erklärvideos mit historischem Inhalt von großer Bedeutung, was bei anderen Formaten von geringerer Evidenz sein kann. Die einzelnen Elemente sind in der Narration verwoben und daher auch in der Analyse nicht trennscharf voneinander abzugrenzen. Im Rahmen der Kontextanalyse auf der diskursiven Ebene steht der wissenschaftliche Kontext der Videos anhand der zuvor entwickelten Kennzeichen geschichtswissenschaftlicher Darstellungen im Fokus. Als Auswertung ergibt sich eine Beschreibung des auf der Plattform YouTube geschaffenen historischen Produktes, des darin zum Ausdruck kommenden Geschichtsbildes und seiner Darstellungselemente. Dabei ist festzuhalten, dass die Wahrnehmung dieser Elemente durch die Zuschauerinnen und Zuschauer nicht mit der Methode erfasst werden kann und soll, sondern Aufgabe empirischer Erhebungen bleiben muss. Sie bleibt auf der Oberfläche und kann die tatsächlich stattfindende Rezeption nur indirekt über die Analyse der veröffent-
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lichten Kommentare beschreiben. Darüber hinaus ist der Zugriff auf die hinter den Kulissen ablaufenden Prozesse der Produktion nicht möglich. Die Methode kann weder aufzeigen welche Rollen, Zuständigkeiten und Aufgaben dort zusammenkommen, noch welche Personen letztendlich den dargestellten Inhalt verfasst, geschrieben und ausgewählt haben. Die Leistung der Methode ist die Beschreibung und Zugänglichmachung des Mediums „Online-Video mit historischem Inhalt im Presenterformat“ als Quelle für geschichtswissenschaftliche Fragestellungen. Ihre Stärke ist der strukturierte Zugriff auf ein Format, welches bisher außerhalb der Analyse gestanden hat. Dabei ist zu reflektieren, dass die Untersuchung von YouTube-Videos anhand dieser Methode aus rein wissenschaftlichen Maßstäben heraus erfolgt. Diese Perspektive kann zu einem einseitigen Methodeneffekt bei der Beschäftigung mit dem Genre führen, der Wissenschaftlichkeit zum Standard macht. Der Anspruch, die Videos mit wissenschaftlichen Methoden zu gestalten bzw. die Inhalte dementsprechend aufzubereiten und zu präsentieren, wird von den Kanalbetreibern gar nicht unbedingt vertreten. Auf YouTube gelten eigene Logiken der Wissensvermittlung (nicht Wissenschaftsvermittlung) und Authentizitätszuschreibung, deren Eigen-Sinn aus dem Blick geraten kann und zu einer Defizitanalyse führen, die für die Akteure nicht gegeben ist. Da YouTube eine sehr komplexe Plattform ist, die von hoher Schnelllebigkeit und großem Wandel der Formate geprägt ist, kann die Analyse immer nur eine zeitlich begrenzte Aussage ermöglichen, die je nach Forschungsfrage auch weitere Analyseschritte und Kategorien mit einbeziehen muss. Dafür kann die Methode angepasst und auch für andere Plattformen in Grenzen operationalisierbar gemacht werden, da eine Determinante der Anwendung immer der historische Inhalt ist. Sie bietet die Grundlage für zahlreiche anknüpfende Fragestellungen, die das Genre des Erklärvideos spezifischer erforschen wollen.
6 Anhang: Die Analyse- Methode in der Übersicht 6.1 Deskriptive Ebene: Beschreibung des Kanals zur Erstellung einer Übersicht der inneren Struktur, der Interaktionsmöglichkeiten und der Nutzungsdaten: – Angebote und Formate – Beschreibung der Übersicht und Startseite – Auf welche Art von Format und welche Themen verweist die Startseite/ Videoübersicht?
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Sind Playlists zusammengestellt? Wie sind diese betitelt und auf welche Inhalte/Formate weisen sie hin? Ästhetik und Design – Welche Farben dominieren die Übersicht? – Verwendete Schriftform und-farbe – Wie konsequent ist das Design; gibt es ein Corporate Design? Popularität des Kanals – Beitrittsdatum – Wie viele Abonnent*innen, Aufrufe durch diese und Aufrufe allgemein hat der Kanal? – Gibt es Kommentare auf der allgemeinen Diskussionsseite? Professionalität des Kanals – Erscheinungstermine für nächste Videos/Regelmäßigkeit? – Gibt es weitere Kanäle derselben Person? – Gibt es neben dem zentralen Video Verlinkungen zu anderen Webseiten die relevant sind für die Promotion des YouTubers/der YouTuberin? – Lassen sich Produktplatzierungen/Werbungen erkennen; zur Finanzierung des Kanals?
6.2 Interpretative Ebene Nachdem eine Übersicht über die auf dem Kanal vorhandenen Themen und Videos mittels der deskriptiven Analyse erstellt worden ist, fokussiert die interpretative Analyse auf einzelne Videos. Sie erfolgt wiederum in drei Unterkategorien; der Videoanalyse, der Charakteranalyse des YouTubers und der Interaktionsanalyse.
6.2.1. Videoanalyse In der Videoanalyse werden die Merkmale, Symbole und Techniken herausgearbeitet, die Typisch für diesen Kanal sind und die Inszenierungsstrategien des jeweiligen YouTubers ausmachen. – Analyse der Narration – Was wir erzählt? Thema, Inhalt – Welche intertextuellen Verweise/Bezüge zeigen sich? – Wie wird die Erzählung über dramaturgische Mittel inszeniert (Einstieg, Hauptteil, Ausstieg)? – Gibt es eine Form der inneren Gestaltung?
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Wie wird durch das Video hindurchgeführt, ist der YouTuber zu sehen; gibt es ein Voice-Over? Analyse der Gestaltungsmittel – Was ist im Bild zu sehen und wie ist es aufgebaut? – Welche Kameraeinstellungen werden genutzt? – Welche Mittel der Montage? – Welche ästhetischen Mittel kommen zum Einsatz? – Hintergrundsetting – Welche Inserts, Einblendungen und Verweise gibt es? – Wie ist die Tonebene gestaltet?
6.2.2 Charakteranalyse –
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Äußeres Auftreten – Körperliche Merkmale (Geschlecht, Haar- und Hautfarbe; Alter) – Art der Kleidung – Sind Charakterzüge erkennbar? – Nonverbale Kommunikation; Körperhaltung, Mimik, Gestik Wie wirkt der YouTuber in seinem gesamten Auftreten? Art der Moderation – Ist die Person im Bild zu sehen; auf welche Weise? – Sind weitere Personen im Bild – Gibt es typische Begrüßungs- oder Abschiedsformeln? – verwendete Sprache – Wie werden die Zuschauenden angesprochen? Aufforderungen zum Schauen weiterer Videos? – Gezielter Einsatz von Gestik und Mimik zur Moderation?
6.2.3 Interaktionsanalyse –
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Kommunikationswege – Direkte Aufforderung zur Interaktion – Kommunikation mit den Zuschauenden in den Kommentaren? Interaktionsformen – Beantwortung von Fragen – Anschlusskommunikation zum Thema des Videos
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6.3 Diskursive Kontextanalyse Die dritte Ebene ist die diskursive Kontextanalyse, bei der Schuegraf/Janssen insbesondere die zuvor herausgearbeiteten kanalspezifischen Elemente im Vergleich mit anderen YouTube-Kanälen betrachten, um auf diese Weise Genres mit spezifischen Eigenschaften, Formate und verbindende Elemente herauszustellen. Dabei stehen auch andere soziale Medien und Plattformen im Fokus sowie die durch Produktplatzierungen und Werbung erfolgende Setzung von Trends, die Teil der sozialen, kulturellen, politischen und ökonomischen Aushandlungsebenen sind. Die Untersuchung von Produktplatzierungen und Werbung ist für die hier untersuchten Erklärvideos mit historischem Inhalt weniger wichtig. Die diskursive Analyse erfolgt durch die Untersuchung des wissenschaftlichen Kontextes der Videos anhand der zuvor erarbeiteten Kategorien von Wissenschaftskommunikation, Authentizität/Authentisierungsformen und der durch das Fernsehen geformten Darstellungsgewohnheiten. – Hintergrund und Verantwortlichkeit – Wer ist für den konkreten Inhalt verantwortlich, wer bestimmt die grafische Darstellung? – Wer ist der leitende und wer der ausführende Produzent, wie hoch ist der Anteil des Presenters – oder anderer HistorikerInnen? – Woher kommt das Bildmaterial und wie variabel ist es? Wie wird es eingesetzt? – Eigener Anspruch, formuliert im Vorstellungstext/Video – Ist Geschichtswissenschaft als erkenntnisgenerierende Institution sichtbar? Wird generell auf Wissenschaft als Institution verwiesen? – Auf welche Quellen wird zurückgegriffen um zu einer Erkenntnis zu gelangen und werden diese kritisch reflektiert? – Werden verschiedene Perspektiven einbezogen? Ist Multiperspektivität als Kennzeichen historischer Wissenschaft sichtbar? – Wird auf die im Format der historischen Dokumentation etablierten Authentifizierungsstrategien zurückgegriffen (Andere Medien; Archivmaterial, Zeitzeuginnen und Zeitzeugen)? – Aufforderung zur Interaktion – kritische Reflexion der Darstellung, der Hinweis, dass man über bestimmte Aspekte aus einer anderen Perspektive nachdenken kann, bzw. Geschichte generell Ergebnis einer Konstruktion aus der Gegenwart ist – Aufforderung zur kritischen Reflexion der Darstellung? – Differenz zwischen der Darstellung verschiedener Kanäle
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Literatur- und Quellenverzeichnis Literatur Cialdini, Robert B.: Die Psychologie des Überzeugens. Ein Lehrbuch für alle, die ihren Mitmenschen und sich selbst auf die Schliche kommen wollen, 6.erweiterte und ergänzte Aufl. Bern 2010. Critchley, Christine R.: Public opinion and trust in scientists. The role of research context and the percieved motivation of stem cell researchers. In: Public Understanding of Science 17 (2008). S. 309 – 327. Gauchat, Gordon: The cultural authority of science. Public trust and acceptance of organized science. In: Public Understanding of Science 20/6 (2011). S.755 – 770. Geipel, Andrea: Wissenschaft@YouTube. In: Knowledge in Action. Neue Formen der Kommunikation in der Wissensgesellschaft. Hrsg. von Erik Lettkemann, René Wilke und Hubert Knoblauch. Wiesbaden 2018. S. 137 – 164. Kretschmann, Carsten: Wissenspopularisierung – ein altes neues Forschungsfeld. In: Wissenspopularisierung. Konzepte der Wissensverbreitung im Wandel. Hrsg. von Carsten Kretschmann. Berlin 2003 (Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel 4). S.7 – 22. Lethen, Helmut: Versionen des Authentischen. Sechs Gemeinplätze. In: Literatur und Kulturwissenschaften. Positionen, Theorien, Modelle. Hrsg. von Helmut Bohme u. Klaus R. Scherpe. Reinbek 1996. S. 205 – 231. Saupe, Achim: Authentizität,Version: 3.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 25. 08. 2015 http:// docupedia.de/zg/saupe_authentizitaet_v3_de_2015 (22. 05. 2018). Schäfer, Mike S., Silje Kristiansen u. Heinz Bonfadelli: Wissenschaftskommunikation im Wandel: Relevanz, Entwicklung und Herausforderungen des Forschungsfeldes. In: Wissenschaftskommunikation im Wandel. Hrsg. von Mike S. Schäfer, Silje Kristiansen u. Heinz Bonfadelli. Köln 2015. S.10 – 43. Schmiegelow, Axel u. Marc Mielau: Markenführung in sozialen Medien – Neue Wege zum Konsumentenherz. In: YouTube und seine Kinder. Wie Online-Video, WebTV und Social Media die Kommunikation von Marken, Menschen und Medien revolutionieren. Hrsg. von Achim Beißwenger. Baden-Baden 2010. S. 105 – 120. Schuegraf, Martina u. Anna Janssen: Webformat-Anaylse, in: Qualitative Medienforschung Ein Handbuch. Hrsg. von Lothar Mikos u. Claudia Wegener. 2.völlig überarbeitete und erweiterte Aufl. Konstanz u. München 2017. S. 555 – 561. Weingart, Peter: Zwischen Euphorie und erster Ernüchterung. Social Media in der Wissenschaftskommunikation. In: Perspektiven der Wissenschaftskommunikation im digitalen Zeitalter. Hrsg. von Peter Weingart, Holger Wormer, Andreas Wenninger u. Reinhard F. Hüttl. Weilerswist 2017. S. 19 – 27. Weingart, Peter: Wissenschaftskommunikation unter digitalen Bedingungen. Funktionen, Akteure und Probleme des Vertrauens Perspektiven der Wissenschaftskommunikation im digitalen Zeitalter. Hrsg. von Peter Weingart, Holger Wormer, Andreas Wenninger u. Reinhard F. Hüttl. Weilerswist 2017. S. 31 – 59. http://www.schau-hin.info/news/artikel/kinder-vor-clickbaiting-warnen.html (22. 05. 2018)
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Bildquellen https://www.akg-images.de/archive/-2UMDHUW0DUYH.html [23. 05. 2018]. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_102 – 14468,_Berlin,_NSBoykott_gegen_j%C3 %BCdische_Gesch%C3 %A4fte.jpg [23. 05. 2018].
Videoquellen Maren Wolf, meine Beauty Favoriten https://www.youtube.com/watch?v=rih-a64lPLw (26. 05. 2018]. Der Kanal ‚musstewissen geschichte‘ https://www.youtube.com/channel/UCsVWpmoRsNAW Zb59b6Pt9Kg/about (26. 05. 2018). Kanal-Trailer ‚musstewissen geschichte‘ https://www.youtube.com/channel/UCsVWpmoRsN AWZb59b6Pt9Kg (22. 05. 2018). Video „Antisemitismus“: https://www.youtube.com/watch?v=ZbTA36HlV3 A (22. 05. 2018). Der Kanal Mr.Wissen2go: https://www.youtube.com/user/MrWissen2go (23. 05. 2018).
Narration und Authentizität
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DDR-Geschichte auf YouTube. Alltag und Diktatur in digitalen Geschichtserzählungen des DDR-Museums (Berlin) 1 Einleitung YouTube prägt als Massenmedium gegenwärtige gesellschaftliche Kommunikationsprozesse in erheblichem Maße und ist nicht nur für Jugendliche ein Raum für individuelle und kollektive Sozialkonstruktionen.¹ In der einschlägigen Literatur zum Kultur- und Museumsmanagement herrscht Konsens darüber, dass heute keine Institution der Geschichtskultur, egal ob sie regionale, nationale oder internationale Relevanz anstrebt, ohne eigene Social-Media-Kanäle auskommen kann, inklusive einer eigenen Präsenz auf YouTube.² Als Medium des kollektiven Gedächtnisses oder als Ort für Geschichtserzählungen ist YouTube allerdings bisher kaum wissenschaftlich beschrieben worden.³ Studien zur Erinnerung an
Vgl. Burgess, Jean [u.a]: YouTube. Online video and participatory culture. Cambridge, England 2009 (Digital media and society series); Eisemann, Christoph: C Walk auf YouTube. Sozialraumkonstruktion, Aneignung und Entwicklung in einer digitalen Jugendkultur. Wiesbaden 2015 (Digitale Kultur und Kommunikation 3). Vgl. u. a. Bocatius, Bianca: Museale Vermittlung mit Social Media. Theorie – Praxis – Perspektiven. Düsseldorf 2016; Gesser, Susanne, Martin Handschin u. a. (Hrsg.): Das partizipative Museum. Zwischen Teilhabe und User Generated Content. Neue Anforderungen an kulturhistorische Ausstellungen. Bielefeld 2014 (Schriften zum Kultur- und Museumsmanagement); Hausmann, Andrea u. Linda Frenzel (Hrsg.): Kunstvermittlung 2.0. Neue Medien und ihre Potenziale. Wiesbaden 2014; Janner, Karin: Blog, Facebook, Twitter, YouTube – was soll ich nutzen? Orientierung im Dschungel der Tools. In: Social Media im Kulturmanagement. Grundlagen, Fallbeispiele, Geschäftsmodelle, Studien. Hrsg. von Karin Janner, Christian Holst u. Axel Kopp. Heidelberg 2011. S. 25 – 56; Scheurer, Hans u. Ralf Spiller (Hrsg.): Kultur 2.0. Neue Web-Strategien für das Kulturmanagement im Zeitalter von Social Media. Bielefeld 2015 (Schriften zum Kultur- und Museumsmanagement). Als sehr vielversprechend erscheint das Promotionsprojekt von Christopher Friedburg: Die Praxis der Geschichtskultur 2.0 – eine Untersuchung der von Nutzern eingebrachten Inhalte und Überzeugungen auf der Videoplattform YouTube. URL: https://www.uni-due.de/graduiertenkol leg_1919/friedburg_christopher.php (01.05. 2018); Vgl. auch Clay, Andrew: Blocking, Tracking, Monetizing: YouTube Copyright Control and the Downfall Parodies. In: Video Vortex reader II. Moving images beyond YouTube. Hrsg.von Geert Lovink u. Rachel Somers Miles. Amsterdam 2011. S. 219 – 233; Jost, Christofer: Gedächtnisproduktion als webbasierte Aneignungspraxis. Populäre Songs und ihre Neuinterpretation auf Youtube. In: (Digitale) Medien und soziale Gedächtnisse. https://doi.org/10.1515/9783110599497-005
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die DDR in Online-Medien sind ebenfalls sehr rar,⁴ während einschlägige Arbeiten zu Erinnerungskulturen zur DDR in Social Media allgemein oder konkret auf YouTube bisher nicht vorliegen. Dieser Beitrag wirft aus geschichtsdidaktischer Perspektive einen analytischen Blick auf die Art und Weise, wie das DDR-Museum (Berlin) Geschichte auf seinem YouTube-Kanal erzählt.⁵ Analytischer Ausgangspunkt der Untersuchung dieses Kanals ist die Geschichte der deutsch-deutschen DDR-Erinnerung seit den 1990er Jahren. Die zentralen Fragestellungen dieses Beitrages beinhalten zwei Fragekomplexe zu den vermittelten Geschichtsnarrationen einerseits und zu den auf YouTube aktiven Akteurinnen und Akteure andererseits: 1. Geschichtsnarrationen: Welche historischen Perspektiven und gegenwärtigen Deutungen werden vom DDR-Museum (Berlin) auf YouTube in den Geschichtserzählungen präsentiert? Welche Rolle nehmen Alltag und Diktatur dabei ein und in welches Verhältnis werden diese zueinander diskursiv gesetzt? 2. Akteurinnen und Akteure: Welche Bedeutung kommt der Geschichtswissenschaft einerseits und Zeitzeuginnen und Zeitzeugen andererseits als Vermittlungsinstanzen für Geschichtserzählungen auf dem YouTube-Kanal des DDR-Museums (Berlin) zu? Wie reagieren Nutzerinnen und Nutzer auf die angebotenen Geschichtsnarrationen? Führen sie mit dem Museum oder gegenseitig Debatten über Geschichtsdeutungen oder über Fragen der Erinnerungspolitik?
Hrsg. von Gerd Sebald u. Marie-Kristin Döbler. Wiesbaden 2018 (Soziales Gedächtnis, Erinnern und Vergessen – Memory Studies). S. 83 – 104; Kemper, Joachim: Interview „YouTube macht Geschichte“. https://archive20.hypotheses.org/788 (1.5. 2018); Lange, Britta: Ein „Archiv der Erinnerungen“ zwischen Geschichte und Fiktion. Zeitzeugenvideos auf www.gedaechtnis-der-nati on.de. In: Geschichte erzählen. Medienarchive zwischen Historiographie und Fiktion. Hrsg. von Thomas Ballhausen, Valerie Strunz u. Günter Krenn. Wien 2014 (Medien Archive Austria). S. 15 – 34. Cooke, Paul: Surfing for Eastern Difference: Ostalgie, Identity, and Cyberspace. In: Seminar. A Journal of Germanic Studies 40/3 (2004). S. 207– 220; Zündorf, Irmgard, Lena Eggers [u. a.]: Die Präsenz der DDR im Internet – Zwischen Ostalgie und kritischer Aufarbeitung. In: Das Bild der DDR in Literatur, Film und Internet. 25 Jahre Erinnerung und Deutung. Hrsg. von Hans-Joachim Veen. Köln 2015 (Europäische Diktaturen und ihre Überwindung. Schriften der Stiftung Ettersberg 21). S. 117– 152 (wenige Anmerkungen zu Facebook und Twitter auf S. 146 – 148). Die Wahl fiel auf den YouTube-Kanal des DDR-Museums (Berlin), da heute kein weiterer etablierter und museal institutionalisierter Erinnerungsort zur DDR-Alltagsgeschichte über einen eigenen YouTube-Kanal verfügt. Von den zentralen Erinnerungsorten des Diktaturgedächtnisses hat die Gedenkstätte Hohenschönhausen einen eigenen Kanal, der allerdings nur sechs Filme für 90 Abonnentinnen und Abonennten bereithält. https://www.youtube.com/user/StiftungHSH (01.06. 2018)
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2 Die Analysemethode: Social-Media-Monitoring als Diskursanalyse Als methodische Rahmung vollzieht dieser Beitrag ein Social-Media-Monitoring nach dem Analyseschema des Fünf-Phasenmodells von Oliver Plauschinat und Florian Klaus in leicht veränderter Form.⁶ Das Modell dient vor allem dazu, den Forschungsprozess zu strukturieren und ihn transparent und nachvollziehbar zu gestalten und umfasst die Phasen Planung, Datenerhebung, Datenanalyse, Dateninterpretation und Reaktionen. In der Planungsphase werden die konkreten Fragestellungen und Ziele des Monitorings definiert und der Untersuchungszeitraum festgelegt. In der Phase der Datenerhebung werden die Social-Media-Quellen hinsichtlich Relevanz und Reichweite eingeschränkt, also der zu analysierende Datenpool letztendlich bestimmt. Die Auswertung der Daten erfolgt in der Phase der Datenanalyse. Diese wird für diesen Beitrag in einem rein manuellen Monitoring vollzogen, in dem alle YouTube-Beiträge (Videos) des Kanals des DDR-Museums (Berlin) und die Nutzerkommentare manuell, das heißt ohne automatisierte Datenauslesung gesichtet werden.⁷ Für die Analyse werden die inhaltsanalytischen Analysekriterien von Plauschinat und Klaus zugunsten des diskursanalytischen DIMEAN-Modells keine Anwendung finden, da DIMEAN insgesamt als geeigneter erscheint, um Diskurse, Diskurspositionen, Akteurinnen und Akteure und eventuelle diskursive Aushandlungsprozesse in Social Media zu erfassen.⁸ Die vierte Phase stellt bei Plauschinat und Klaus die Dateninterpretation dar. Hier werden die Ergebnisse der Analysephase noch einmal zusammenfassend kommentiert, interpretiert und diskutiert, was in diesem Beitrag im letzten Kapitel vollzogen wird. Die letzte Phase ist bei Plauschinat und Klaus die der Reaktionen, in der „die Erkenntnisse des Social Media Monitorings unternehmensintern genutzt und umgesetzt werden“⁹ sollen. Diese Phase wird ausschließlich implizit Vgl. Plauschinat, Oliver u. Florian Klaus: Web Monitoring – Methodik zur Beobachtung von Social Media für die Meinungsanalyse. In: Methoden der Webwissenschaft. Hrsg. von Konrad Scherfer u. Helmut Volpers. Berlin 2013 (Schriftenreihe Webwissenschaft 2). S. 43 – 63. Vgl. Güldenring, Marco: Webmonitoring. Public Relations im Online-Zeitalter. Saarbrücken 2007. S. 33 – 43; Sen, Evrim: Social Media Monitoring für Unternehmen. Anforderungen an das Web-Monitoring verstehen & die richtigen Fragen stellen. Köln 2011 (Social Web 4). S. 15 – 17. Vgl. Warnke, Ingo u. Jürgen Spitzmüller: Methoden und Methodologie der Diskurslinguistik – Grundlagen und Verfahren einer Sprachwissenschaft jenseits textueller Grenzen. In: Methoden der Diskurslinguistik. Sprachwissenschaftliche Zugänge zur transtextuellen Ebene. Hrsg. von Ingo Warnke u. Jürgen Spitzmüller. Berlin, New York 2008. S. 3 – 54. Vgl. Plauschinat [u. a.], Web Monitoring (wie Anm. 6), S. 53.
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vollzogen, da dieser Beitrag einen deskriptiven Ansatz verfolgt, der explizit keine konkreten normativen Handlungsanweisungen formulieren will.
3 Deutsch-Deutsche Erinnerungen an die DDR seit 1990 Zur inhaltlichen Strukturierung der deutsch-deutschen Erinnerungsgeschichte an die DDR sollen die drei von Martin Sabrow definierten Erinnerungsmuster des Diktatur-, Arrangement- und Fortschrittsgedächtnisses dienen.¹⁰ Das Diktaturgedächtnis stellt ins Zentrum seiner Erzählung den Unterdrückungscharakter der SED-Herrschaft in Kombination mit dem Narrativ der mutigen Überwindung in der friedlich gebliebenen Revolution von 1989/90 und betont in seiner diktaturzentrierten Erinnerung den Macht- und Repressionsapparat des kommunistischen DDR-Regimes, um an die DDR als „negatives Kontrastbild vor der Folie rechtsstaatlicher Normen und Freiheitstraditionen“¹¹ zu erinnern. Geschichtspolitisch dominierte das Diktaturgedächtnis nach der Wiedervereinigung 1990. Deutlich wird dies an den Forderungen der Enquête-Kommissionen „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur“¹² und „Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozeß der deutschen Einheit“¹³ ebenso, wie am ersten Gedenkstättenkonzept des Bundes, das Gedenkstätten förderte, die den Repressionscharakter der SED-Diktatur verdeutlichten können.¹⁴ Das vor allem bei ehemaligen Bürgerinnen und Bürger der DDR dominante Arrangementgedächtnis verknüpft hingegen Machtsphäre und Lebenswelt, indem es die strikte Trennung von Biografie und Herrschaftssystem des Diktaturgedächtnisses und die westdeutsche Perspektive auf die DDR verweigert, die
Vgl. Sabrow, Martin: Die DDR erinnern. In: Erinnerungsorte der DDR. Hrsg. von Ders. Bonn 2010 (Schriftenreihe / Bundeszentrale für politische Bildung 1116). S. 9 – 25, hier S. 16 – 18; Sabrow, Martin: „Fußnote der Geschichte“, „Kuscheldiktatur“ oder „Unrechtsstaat“? Die Geschichte der DDR zwischen Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit. In: Die Musealisierung der DDR. Wege, Möglichkeiten und Grenzen der Darstellung von Zeitgeschichte in stadt- und regionalgeschichtlichen Museen. Hrsg. von Katrin Hammerstein. Berlin 2011. S. 13 – 24, hier S. 18 – 20. Sabrow, DDR erinnern (wie Anm. 10), S. 16. Bundestag Drucksache 12/7820. http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/12/078/1207820.pdf (01.05. 2018). Bundestag Drucksache 13/11000. http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/13/110/1311000.pdf (01.05. 2018). Vgl. Rudnick, Carola S.: Die andere Hälfte der Erinnerung. Die DDR in der deutschen Geschichtspolitik nach 1989. Bielefeld 2011 (Histoire 25). S. 82– 89.
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„zwischen ironischer Anrufung und ostalgischer Verehrung der ostdeutschen Lebensvergangenheit oszilliert.“¹⁵ Das am wenigsten dominante Fortschrittsgedächtnis beruht auf der Vorstellung einer vermeintlichen moralischen und politischen Gleichrangigkeit von DDR und BRD und sieht die Gründe für die Niederlage des sozialistischen Zukunftsentwurfs in der Unfähigkeit der politischen Führung der DDR und in intriganten Machinationen des Westblocks.¹⁶ Dominant war das Fortschrittsgedächtnis in den Jahren 1989/90 als einige ostdeutsche Intellektuelle und Künstlerinnen und Künstler eine Erneuerung reformsozialistischer Ideen versuchten.¹⁷ Heute existiert das Fortschrittsgedächtnis noch stärker als das Arrangementgedächtnis im Schatten der öffentlichen Wahrnehmung und wird vor allem von früheren DDREliten und jüngeren linkspolitischen Akivistinnen und Aktivisten wach gehalten, die an der sozialistischen Utopie festhalten.¹⁸ Sabrows drei Erinnerungsmuster können verdeutlichen, dass (öffentliche) kollektive Erinnerungen an die DDR in der Bundesrepublik lange vom historischen Ost-West-Gegensatz geprägt waren. Ursächlich hierfür ist auch die Art der politisch-staatsrechtlichen Herstellung der deutschen Einheit, da nach Artikel 23 des Grundgesetzes zwei politisch-ideologisch bipolare Gesellschaftssysteme zusammengeführt worden waren, um eine einheitliche Ordnung nach bundesrepublikanischem Vorbild zu etablieren.¹⁹ Damit einher ging zwangsläufig eine universelle „Entwertung und Umdeutung DDR-spezifischer Wissensbestände […].“²⁰ Eine starke ostdeutsche Reaktion darauf war die Erinnerung an die DDR in Form einer Ostalgie²¹, die sich nach Gries in Form einer Symbol-, v. a. aber als Sabrow, Fußnote (wie Anm. 10), S. 19. Sabrow, DDR erinnern (wie Anm. 10), S. 17. Dietze, Antje: Ambivalenzen des Übergangs. Die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin in den neunziger Jahren. Göttingen 2015 (Transnationale Geschichte 4). S. 151. Ahbe, Thomas: Die ostdeutsche Erinnerung als Eisberg. Soziologische und diskursanalytische Befunde nach 20 Jahren staatlicher Einheit. In: Ostdeutsche Erinnerungsdiskurse nach 1989. Narrative kultureller Identität. Hrsg. von Elisa Goudin-Steinmann u. Carola Hähnel-Mesnard. Berlin 2013 (DDR-Diskurse 1). S. 27– 58. S. 45. Leonhard, Nina, u. Hanna Haag [u. a.]: Volkseigenes Erinnern. Die DDR als Gegenstand sozialer Erinnerungs- und Vergessensprozesse. In: Volkseigenes Erinnern. Die DDR im sozialen Gedächtnis. Hrsg. von Hanna Haag, Pamela Heß u. Nina Leonhard. Wiesbaden 2017 (Soziales Gedächtnis, Erinnern und Vergessen – Memory Studies). S. 1– 9, hier S. 4– 5. Leonhard [u. a.], Volkseigenes Erinnern (wie Anm. 19), S. 5. Vgl. Ahbe, Thomas: Ostalgie. Zum Umgang mit der DDR-Vergangenheit in den 1990er Jahren. Erfurt 2005; Ahbe, Thomas: Ostalgie. Zu ostdeutschen Erfahrungen und Reaktionen nach dem Umbruch. Erfurt: 2016; Fritze, Lothar: „Ostalgie“ – Das Phänomen der rückwirkenden Verklärung der DDR-
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Produktkultur etabliert hat.²² Im Zentrum dieser Ostalgie steht nicht zuallererst eine verklärende Rückerinnerung, sondern eine Reflexion der Vor- und Nachteile zweier unterschiedlicher Systeme, die hier allerdings aus der Alltagsperspektive bewertete werden, sodass Ostalgie zumindest teilweise als reflektierte Kommunikation „ostdeutscher Laien“ über ihre spezifische ostdeutsche Identität zu verstehen ist, die sich an Alltagsprodukte rückbindet.²³ Ostalgie in diesem Sinne definiert als „produktive Selbstermächtigung der Ostdeutschen nach der Transformationskrise“²⁴ wird von Thomas Ahbe als Versuch der Rückgewinnung der Deutungshoheit über die eigene Geschichte verstanden, um ostdeutsche Kulturen positiv in eine bundesdeutsche Identität zu integrieren.²⁵ Westdeutsche Gegenreaktionen waren Stereotypenkonstruktionen der ostdeutschen Bevölkerung bezogen auf Prägungen, Sozialisationen, seelische Deformationen, Mentalitäten, Verhaltensweisen und auf Alltagskulturen.²⁶ Ostdeutschland wird dabei massenmedial zum ökonomisch und politisch „verlorenen Raum“ degradiert,²⁷ während dessen Bevölkerung im Begriff der „Ossis“ zu symbolischen Migrantinnen und Migranten herabwürdigt wird. ²⁸
Wirklichkeit und seine Ursachen. In: Materialien der Enquete-Kommission „Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozess der deutschen Einheit“ (13. Wahlperiode des deutschen Bundestages). Hrsg. von Grussendorf u. Martin Georg Goerner. Baden-Baden, Frankfurt am Main 1999. S. 479 – 510; Neller, Katja: DDR-Nostalgie. Dimensionen der Orientierungen der Ostdeutschen gegenüber der ehemaligen DDR, ihre Ursachen und politischen Konnotationen. Wiesbaden 2006. Gries, Rainer: Der Geschmack der Heimat. Bausteine zu einer Mentalitätsgeschichte der Ostprodukte nach der Wende. In: Deutschland Archiv 27/10 (1994). S. 1041– 1058. S. 1042. Ahbe, Thomas: ‚Ostalgie‘ als eine Laien-Praxis in Ostdeutschland. Ursachen, psychische und politische Dimensionen. In: Die DDR in Deutschland. Ein Rückblick auf 50 Jahre. Hrsg. von Heiner Timmermann. Berlin (Dokumente und Schriften der Europäischen Akademie Otzenhausen 93). S. 781– 802. S. 788. Ahbe, Thomas: Ostalgie als Selbstermächtigung. Zur produktiven Stabilisierung ostdeutscher Identität. In: Deutschland Archiv 30/1 (1997). S. 614– 619. S. 619 Ahbe, Selbstermächtigung (wie Anm. 24), S. 619. Ahbe, Thomas: Die Konstruktion der Ostdeutschen. Diskursive Spannungen, Stereotype und Identitäten seit 1989. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 54/41– 42 (2004). S. 12– 22, S. 19 – 20; Ahbe, Thomas (Hrsg.): Die Ostdeutschen in den Medien. Das Bild von den Anderen nach 1990. Leipzig 2009; Watkins, Vanessa: Ostalgieshows – Erinnerungskonzepte der Massenmedien. Über die Unmöglichkeit eines objektiven Erinnerns. In: Diskursive Kulturwissenschaft. Analytische Zugänge zu symbolischen Formationen der pOst-Westlichen Identität in Deutschland. Hrsg. von Elize Bisanz. Münster 2005 (Methoden der Kulturwissenschaft 2). S. 77– 87. Vgl. Kollmorgen, Raj u. Torsten Hans: Der verlorene Osten. Massenmediale Diskurse über Ostdeutschland und die deutsche Einheit. In: Diskurse der deutschen Einheit. Kritik und Alter-
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Im tripolaren Kräftefeld der von Sabrow definierten DDR-Gedächtnisse vollzieht sich seit den 1990er Jahren ebenfalls die Musealisierung der DDR.²⁹ Geschichtspolitisch wurde das Diktaturgedächtnis in den 2000er Jahren dadurch aufgebrochen, dass im Frühjahr 2005 auf Bundesebene eine zehnköpfige Expertenkommission unter der Leitung Sabrows beauftragt worden war, einen dezentral organisierten „Geschichtsverbund zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“ zu konzipieren.³⁰ Diese „Sabrow-Kommisson“ kam zu dem Schluss, dass die öffentliche Erinnerung die Themenfelder „Widerstand und Anpassung, Ideologie und Parteiherrschaft sowie […] Alltag in der Diktatur“³¹ nicht ausreichend abbilde und empfahl daher das Thema „Alltag in der durchherrschten Gesellschaft“³² öffentlich erheblich stärker aufzuarbeiten. Diese Empfehlung hatte in der 2008 veröffentlichten neuen Gedenkstättenkonzeption des Bundes einen direkten Niederschlag gefunden, da hier „Gesellschaft und Alltag“ als neuer Schwerpunkt für Erinnerungsorte zur DDR definiert worden war.³³ Allerdings wurde unmissverständlich gefordert, „jeder Ostalgie entschieden entgegenzuwirken […, indem] das alltägliche Leben notwendigerweise im Kontext der Diktatur“³⁴ dargestellt werden sollte.
nativen. Hrsg. von Raj Kollmorgen, Frank Thomas Koch u. Hans-Liudger Dienel. Wiesbaden 2011. S. 107– 166. S. 125 – 131. Vgl. Pates, Rebecca u. Maximilian Schochow (Hrsg.): Der „Ossi“. Mikropolitische Studien über einen symbolischen Ausländer. Wiesbaden 2013. Während dieser Beitrag im Folgenden stark die öffentliche museale Erinnerung an die DDR fokussiert, bietet Regina Göschl ihr ihrer Dissertationsschrift einen aktuellen Überblick über die Rolle des DDR-Alltag in der Geschichtskultur nach 1990 insgesamt. Vgl. Göschl, Regina: DDRAlltag im Museum – Geschichtskulturelle Diskurse, Funktionen und Fallbeispiele im vereinten Deutschland. Dissertation. Münster 2017. S. 84– 97 (Prüfungsfassung, nicht Druckfassung); Vgl. Göschl, Regina: Re-Präsentationen des DDR-Alltags im Museum. In: Geschichtsunterricht – Geschichtsschulbücher – Geschichtskultur. Aktuelle geschichtsdidaktische Forschungen des wissenschaftlichen Nachwuchses. Hrsg. von Uwe Danker. Göttingen (Beihefte zur Zeitschrift für Geschichtsdidaktik 015). S. 197– 211. S. 201. Vgl. Christoph, Klaus: „Aufarbeitung der SED-Diktatur“ – heute so wie gestern? – Essay. In: Aus Politik und Zeitgeschichte (ApuZ) 60/42– 43 (2013). S. 27– 33. S. 30. Sabrow, Martin: Die „Empfehlungen der Expertenkommission zur Schaffung eines Geschichtsverbundes Aufarbeitung der SED-Diktatur“. In: Wohin treibt die DDR-Erinnerung? Dokumentation einer Debatte. Hrsg. von Martin Sabrow, Irmgard Zündorf u. a. Göttingen 2007. S. 17– 45. S. 21. Sabrow, Empfehlungen (wie Anm. 31), S. 33. Bundestags-Drucksache 16/9875: Fortschreibung der Gedenkstättenkonzeption des Bundes „Verantwortung wahrnehmen, Aufarbeitung verstärken, Gedenken vertiefen“. S. 9 – 10. http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/098/1609875.pdf (01.05. 2018). Bundestags-Drucksache 16/9875 (wie Anm. 33), S. 9.
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Explizit als zentrale Erinnerungsorte genannt wurden das „Deutsche Historische Museum“ (DHM) in Berlin, das „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ (HdG) in Bonn, das „Zeitgeschichtliche Forum Leipzig“ (ZFL) und das „Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR“ in Eisenhüttenstadt.³⁵ Die drei erstgenannten und vom Bund finanziell geförderten Museen widmen sich der Alltagswelt der DDR jedoch kaum.³⁶ Stattdessen vermitteln sie stark politik- und herrschaftsgeschichtliche Perspektiven des Diktaturgedächtnisses, sodass dieses geschichtspolitisch weiterhin dominiert, auch wenn das Arrangementgedächtnis seit Ende der 2000er Jahre im öffentlichen, staatlich geförderten Erinnern miteinbezogen worden ist.³⁷ Die Musealisierung der alltäglichen DDR wird damit bis heute fast ausschließlich privaten Einrichtungen überlassen,³⁸ die sich alle vor allem durch eine umfassende Sammlung an Konsumgegenständen aus der DDR auszeichnen, während differenzierte politik-, gesellschafts- oder kulturgeschichtliche Perspektiven nicht erkennbar sind.³⁹ Drei private Einrichtungen wollen nach eigenen Angaben explizit Leben und Alltag im totalitären System der DDR ausstellen: das „DDR-Geschichtsmuseum“ im Dokumentationszentrum Perleberg, die „Sammlung Gegen das Vergessen“ in Pforzheim sowie das „DDR Museum“ in Berlin; allerdings sind die Ausstellungen dieser Häuser alle auf einer oberflächlichen historischen Ebene angesiedelt, auch wenn das Bestreben zur Einordnung des alltäglichen Lebens in die Struktur des diktatorischen SED-Regimes prinzipiell erkennbar ist.⁴⁰
Bundestags-Drucksache 16/9875 (wie Anm. 33), S. 9; Vgl. Ludwig, Andreas: Alltagskultur als Zugang zur DDR-Geschichte? Sammlungs- und Ausstellungskonzepte des Dokumentationszentrums Alltagskultur der DDR. In: Asymmetrisch verflochtene Parallelgeschichte? Die Geschichte der Bundesrepublik und der DDR in Ausstellungen, Museen und Gedenkstätten. Hrsg. von Bernd Faulenbach u. Franz-Josef Jelich. Essen 2005 (Geschichte und Erwachsenenbildung 19). S. 169 – 180. Zündorf, Irmgard: Vitrine oder Wühltisch? DDR-Alltagsgeschichte im Museum. In: Die Musealisierung der DDR. Wege, Möglichkeiten und Grenzen der Darstellung von Zeitgeschichte in stadt- und regionalgeschichtlichen Museen. Hrsg. von Katrin Hammerstein. Berlin 2011. S. 96 – 109. S. 98. Zündorf, Irmgard: DDR-Geschichte – ausgestellt in Berlin. In: Jahrbuch für Politik und Geschichte 4 (2013). S. 139 – 156. S. 143. Einen Überblick über alle privaten Museen bieten Scheunemann, Jan: Gehört die DDR ins Museum? Beobachtungen zur Musealisierung der sozialistischen Vergangenheit. In: Gerbergasse 18. Thüringer Vierteljahresschrift für Zeitgeschichte und Politik 13 (2009). S. 34– 37; Zündorf, Irmgard: DDR-Museen als Teil der Gedenkkultur in der Bundesrepublik Deutschland. In: Jahrbuch für Kulturpolitik 9 (2009). S. 139 – 145. Zündorf, Vitrine (wie Anm. 36), S. 99. Zündorf, Vitrine (wie Anm. 36), S. 99 – 100; Gaubert, Christian: Der DDR-Alltag im Kontext der Diktatur. Eine vergleichende Analyse der Dauerausstellungen des DDR-Museums Berlin und des
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4 Das DDR-Museum (Berlin) auf YouTube Gegründet wurde das DDR-Museum in Berlin ohne geschichtswissenschaftliche Begleitung als ein privates Unternehmen und wurde sofort nach seiner Eröffnung 2006 wegen Verharmlosung der DDR-Diktatur von Rudolf Trabold (DHM), Hubertus Knabe (Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen) und Gabriele Camphausen (Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes, BstU) scharf kritisiert.⁴¹ Die wissenschaftliche Leitung übernahm dann Stefan Wolle, der der Institution damit als etablierter Wissenschaftler fachliche Autorität und Legitimität verschaffte.⁴² Das Museum hatte im November 2017 die Marke von fünf Mio. Besucherinnen und Besucher überschritten und hat heute jährlich ca. 500.000 Gäste.⁴³ Auf YouTube ist das DDR-Museum (Berlin) seit dem 15. August 2010 mit seinem Kanal DDR Museum aktiv, den 601 Personen abonniert haben und der bis heute 187.293 Aufrufe erhalten hat.⁴⁴ Hochgeladen worden sind hier insgesamt 61 Videos, davon 41 gelistet⁴⁵ und 20 nicht gelistet (Tabelle 1). Die 61 Videos werden nur teilweise Playlisten des Kanals DDR-Museum zugeordnet. Insgesamt sind neun Playlisten erstellt worden, sieben mit gelisteten Videos und zwei mit nicht gelisteten. Die Datenerhebung erfolgte am 1. Juni 2018.
Deutschen Historischen Museums. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (ZfG) 59 (2011). S. 1008 – 1024. Vgl. Göschl, DDR-Alltag (wie Anm. 29), S. 207– 210. Zum beruflichen Werdegang Stefan Wolles vgl. Bundesstiftung Aufarbeitung: Wolle, Stefan. https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/wer-war-wer-in-der-ddr-%2363;-1424.html?ID=3885 ( 1. 5. 2018); Vgl. Göschl, DDR-Alltag (wie Anm. 29), S. 214. https://www.ddr-museum.de/de/blog/2017/das-jahr-2017-im-ddr-museum-teil-2; https:// www.ddr-museum.de/de/museum/presse/535000-menschen-besuchten-2016-das-ddr-museum (01.06. 2018). https://www.youtube.com/user/TheDDRMuseum/about (01.06. 2018). Die nicht gelisteten Videos können nur direkt über den YouTube-Kanal des Museums oder per Link aufgerufen werden und werden sonst (z. B. bei einer Suche auf YouTube) nicht angezeigt. Die Zuordnungen zu Playlisten sind davon unabhängig, auch wenn der Begriff dies irreführend nahelegt.
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Videos insgesamt
gelistet nicht in Playlisten in Playlisten Frag Dr. Wolle #unboxingDDR #DDRobjekt Favoriten DDR Medien im Wandel
(+)
nicht gelistet (in Playlisten) BÜROKRATOPOLY – Dr. Martin Böttger BÜROKRATOPOLY – Dr. Stefan Wolle
Von den 41 gelisteten Videos sind sieben nicht in Playlisten einsortiert. Dies gilt auch für die beiden Videos mit der größten Reichweite. Die gleichnamigen Filme DDR Museum – Berlins interaktives Museum wurden am 17. März 2011 (94.738 A⁴⁶, 13 K)⁴⁷ bzw. 25. März 2015 (38.040 A, 3 K)⁴⁸ veröffentlicht. Beide Clips sind Imagefilme ohne Kommentar aus dem Off, die mit jazziger Muzak unterlegt Szenen mit Museumsbesucherinnen und -besucher zeigen. Die Präsentation der interaktiven Ausstellungsarchitektur ist hier das zentrale Anliegen. Nutzerinnen und Nutzer bewerten in ihren Kommentaren⁴⁹ das Museum hier ausschließlich positiv⁵⁰ und auch das Museum selbst scheut kein Eigenlob⁵¹. Daneben werden von Nutzerinnen und Nutzer auch diskurssemantische Grundfiguren transportiert, die die DDR positiv⁵² konnotieren. Außerdem äußern sich Nutzerinnen und Nutzer kritisch zu erinnerungspolitischen Debatten, indem der Abriss des „Palasts der Republik“ und der Wiederaufbau des „Berliner Schlosses“ kritisiert⁵³ werden. Debatten selbst finden allerdings in den Kommentaren nicht statt.
(A)ufrufe und (K)ommentare durch Nutzerinnen und Nutzer. https://bit.ly/2JkiEOK (01.06. 2018). https://bit.ly/2Jr5kvf (01.06. 2018). Im gesamten Beitrag werden die Nutzerkommentare in nicht korrigierter Form wiedergegeben. Alle Texte werden in der originalen Orthografie und Grammatik zitiert. Aufgrund der Vielzahl der Fehler wird auf das sonst übliche „[sic!]“ verzichtet. „Interessant“; „Great museum and historically very interesting.“; „guter überblick was man so alles zusehen bekommt in diesem museum“. „Oh yes, it’s definitely a must-do, when you are in Berlin!“. „schade um die DDR, die Zeiten waren viel besser, ich glaube die Nostalgiker von Montags verstehen mich gut“. Das schönste ˏDDR-Museumˊ wäre der PALAST DER REPUBLIK gewesen – in seinem traditionellem Angebotsspektrum. Doch dieser ˏZeitzeugeˊ mußte eliminiert werden! Der ˏLangweilerˊ
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Die anderen gelisteten fünf Videos, die nicht in Playlisten einsortiert sind, haben eine weitaus geringere Reichweite und sind nicht von Nutzerinnen und Nutzer kommentiert worden. Vier dieser Clips sind ebenfalls Imagefilme. Das Video Lenin, Engels und Marx im DDR Museum (566 A, 0 K)⁵⁴ zeigt Ausstellungsobjekte in Form von Animationen der titelgebenden Personen. Die Eröffnung eines neuen Ausstellungsabschnittes wird im Clip Eröffnung der neuen Dauerausstellung des DDR Museum (1.445 A, 0 K)⁵⁵ gezeigt, während in den Filmen DJ Albi in Aktion (1.099 A, 0 K)⁵⁶ oder Ein Arbeitstag im DDR Museum (531 A, 0 K)⁵⁷ Szenen aus Veranstaltungen und aus dem Alltag des Museumsbetriebs präsentiert werden. Ein weiterer Film BÜROKRATOPOLY – Spielanleitung (1.832 A, 2 K)⁵⁸ erklärt das titelgebende und an Monopoly angelehnte Gesellschaftsspiel, auf das an späterer Stelle noch eingegangen wird. Insgesamt 34 der gelisteten Videos des Kanals sind in fünf eigene Playlisten einsortiert. Die Playlist, dessen Clips am häufigsten abgerufen werden, trägt den Titel Frag Dr. Wolle. In den 15 vom Museum produzierten ca. dreiminütigen Filmen beantwortet der wissenschaftliche Leiter des Museums Wolle in betont einfacher Sprache die von Nutzerinnen und Nutzer in einem Social-Media-Kanal des Museums gestellten Fragen. Die meisten vom Museum ausgewählten Fragen betreffen Themen der Alltags-, Gesellschafts- und Sozialgeschichte, wie die Titel der Filme Viel und fettig: Die Küche der DDR (1.946 A, 3 K)⁵⁹, Jugendweihe in der DDR (1.762 A, 10 K)⁶⁰ oder Leben in der Platte (144 A, 1 K)⁶¹ illustrieren können. Auch Themen, die stärker politisch aufgeladen sind, haben immer einen starken Bezug zur DDR-Alltagskultur, wie der Film Wandlitz: Luxusghetto des SED-Politbüros (3.119 A, 16 K)⁶² zeigen kann, oder historisch unpassende Gegenwartsbezüge verhindern angemessene Betrachtungen, wie im Clip Was die NSA von der Stasi lernen kann (2.300 A, 5 K)⁶³. Geschichtswissenschaftlich und -didaktisch problematisch ist, dass Wolle als Hybrid von Historiker und Zeitzeuge auftritt, ohne dass die Grenze zwischen
HUMBOLDT-FORUM wird nicht annähernd diese Besucherzahlen erreichen können – auch wenn alle greifbaren Schulklassen und Rentner-Bustouren ˏdurchgejagdˊ werden https://bit.ly/2JaESq5 (01.06. 2018). https://bit.ly/2kOy1Ek (01.06. 2018). https://bit.ly/2JyNtmd (01.06. 2018). https://bit.ly/2Lon7R4 (01.06. 2018). https://bit.ly/2sHDW1 A (01.06. 2018). https://bit.ly/2sEXKmd (01.06. 2018). https://bit.ly/2kPLJqn (01.06. 2018). https://bit.ly/2Hoi4xp (01.06. 2018). https://bit.ly/2LYzRyK (01.06. 2018). https://bit.ly/2kO6Mtq (01.06. 2018).
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diesen Äußerungsinstanzen deutlich gemacht werden würde. Beispielsweise kommt Wolle im Film Alkohol: Volksdroge der DDR (3.726 A 12K) zu folgender Bewertung: „Drogenprobleme im eigentlichen Sinne hat es nicht gegeben. Man hat auch selten gehört, dass Westbesuch so etwas mitgebracht hätte.“⁶⁴ Im Clip Warum Ostdeutsche besser rechnen (2.818 A, 4 K)⁶⁵ äußert Wolle diese Einschätzung: Physik, Chemie auch Biologie wurden in der DDR-Schule sehr, sehr wichtig genommen; übrigens zu meinem großen Leidwesen; es waren nie meine Lieblingsfächer. Mich befällt heute noch ein gewisses Grauen, wenn ich in diesen Büchern blättere. Ich träume manchmal davon, dass ich noch Mathematikprüfungen ablegen muss. Aber Gott sei Dank muss ich es nicht mehr. Ich würde also gnadenlos scheitern heute. Aber es herrschte eben da ein sehr, sehr strenges Leistungsprinzip.
Für den historischen Laien ist bei Wolles Ausführungen nie erkennbar, ob er Werturteile referiert, die vor allem von seinen eigenen, individuellen Erfahrungen geprägt sind, oder ob durch fundierte geschichtswissenschaftliche Forschung begründbare Sachurteile vermittelt werden. Ebenfalls aus geschichtswissenschaftlicher, vor allem aber aus geschichtsdidaktischer Perspektive problematisch ist, dass die Filme der Playlist Frag Dr. Wolle Themen nie multiperspektivisch oder kontrovers darstellen. Wolle präsentiert im Clip Republik der Nackten (2.041 A, 3 K) beispielsweise folgende These: „Der Umgang mit der Körperlichkeit, mit Liebe und Sexualität war in der DDR relativ tolerant.“ Belegt werden soll dies mit der ausgeprägten Freikörperkultur der DDR. Diese These einschränkende Aspekte, wie die Kriminalisierung von Homosexualität oder das gesetzliche Verbot und die staatliche Instrumentalisierung von Prostitution,⁶⁶ bleiben unerwähnt. Die Filme der Rubrik Frag Dr. Wolle präsentieren geschlossene Masternarrationen, die weder der Kontroversität, noch der (Multi‐)Perspektivität oder dem Konstruktcharaker von Geschichte Rechnung tragen. Die Nutzerkommentare zu den Videos der Playlist Frag Dr. Wolle drücken überwiegend Lob⁶⁷ für das Format aus oder berichten über eigene Erfahrungen⁶⁸
https://bit.ly/2M31F5 g (01.06. 2018). https://bit.ly/2HlkMnD (01.06. 2018). Vgl. Könne, Christian: Schwule und Lesben in der DDR und der Umgang des SED-Staates mit Homosexualität. https://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/deutschlandarchiv/265466/ schwule-und-lesben-in-der-ddr (1.6. 2018); Vgl. Falck, Uta: VEB Bordell. Geschichte der Prostitution in der DDR. 1. Aufl. Berlin 1998 (Forschungen zur DDR-Gesellschaft). „Tolles Format!“; „Herzlichen Dank!“; „Tolles Format! Danke! :-D“.
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der Nutzerinnen und Nutzer. Reaktionen von anderen Nutzerinnen und Nutzer sind ebenso die Ausnahme, wie Kritik⁶⁹ an der vom Museum präsentierten Geschichtserzählung. Ebenfalls nur in Ausnahmefällen reagiert das DDR-Museum auf Nutzerkommentare.⁷⁰ Debatten zwischen Nutzerinnen und Nutzer sind ebenfalls marginale Randerscheinungen.⁷¹ Die Playlist #DDRobjekt zeigt im Film Wohnzimmermöbel von Wilhelm Pieck (118 A, 0 K)⁷² im Zeitraffer die Montage einer Schrankwand, die dem Vernehmen nach dem titelgebenden einzigen Präsidenten der DDR gehörte, während im Clip Selbstgebastelte „Heimorgel“ (138 A, 0 K)⁷³ der Zeitzeuge Sören Marotz über den Eigenbau einer kleinen Heimorgel berichtet. Beide Filme sind kaum aufgerufen und nicht kommentiert worden und daher für die Nutzerinnen und Nutzer offenbar nur von geringem Interesse. Etwas anders stellt sich dies bei den Videos der Playlist #unboxingDDR dar. Das Internet-Phänomen Unboxing, bei dem sich Nutzerinnen und Nutzer filmen, während sie kommentierend ein Produkt aus der (Original‐)Verpackung entnehmen,⁷⁴ ist für die Clips der Playlist das mediale Vorbild. Die vom Museum produzierten ca. einminütigen Filme zeigen, wie zwei Arme mit weißen Handschuhen vor einem neutralen weißen Hintergrund DDR-Produkte aus ihren Original-Verpackung entnehmen. Im Off gibt ein Kommentator einige historische Informa-
„[…] Aber zur Jugendweihe bekam ich auch das Buch ˏWeltall – Erde – Menschˊ und die Jugendfeier im Rahmen der Familie mit Musik von Schallplatten und für mich Kinderbowle – also nix alkoholisches für mich zur Jugendweihe und Zigarette rauchen auch nicht. Trotzdem eine schöne Erinnerung!“; „Achja….das Kofferradio ˏSternˊ hatte ich auch gehabt. Cooles Ding in der damaligen Zeit. Übrigens bekam ich auch kein Westfernsehen oder Westradiosender und ich war nicht aus Dresden und nicht aus Greifswald. […]“; „[…]Aber zum Tag der Befreiung – 8. Mai – mussten wir immer von der Oberschule (EOS) aus zum Kino (Pflichtveranstaltung). Etliche Schulklassen mit Blauhemden waren dann unterwegs von der Schule zum Kino um Sowjetische Filme wie ˏKrieg und Friedenˊ, ˏIm Morgengrauen war es noch stillˊ oder andere Filme der Art anzusehen.“; „Stimmt der Schulalttag war streng. Strenge Ordnung der Sitzreihen und Lehrer mit komischen Angewohnheiten“. „Hauptsache ausgewogen, immer schoen an der Oberflaeche bleiben und bloss nichts im Westen kritisieren. Weiter so, Wolle.“; „Hier irrt aber der Herr Dr. WOLLE gewaltig! […]“. https://bit.ly/2sxMvwA (01.06. 2018). https://bit.ly/2JbFJXz (01.06. 2018). https://bit.ly/2Hn4HNW (01.06. 2018). https://bit.ly/2Jd7iQj (01.06. 2018). Vgl. Blythe, Mark u. Paul Cairns: Tenori-on stage: YouTube as performance space. In: Proceeding (2010). S. 72– 81; Burroughs, Benjamin: YouTube Kids: The App Economy and Mobile Parenting. In: Social Media + Society (2017) April–June. S. 1– 8; Ramos-Serrano, Marina u. Paula Herrero-Diz: Unboxing and brands: youtubers phenomenon through the case study of EvanTubeHD. In: prismasocial (2016) Mai. S. 90 – 120.
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tionen zu Produktion, Funktion, Preis, Beliebtheit etc. des Objekts. Die Videos tragen jeweils den Namen des Produktes: Kleinmikroskop C (125 A, 0 K), Handrührund Mixgerät „Komet RG 5“ (190 A, 0 K), Schreibmaschine „Erika“ (472 A, 1 K), Radio „Stern Sport“ (143 A, 1 K), Fotoapparate „Beroquick KB135“ und „Beirette vsn“ (493 A, 0 K), Wärmeschuh „Sandalon“ (182 A, 0 K), Macholdt’s „Patent-Inhalator“ (651 A, 0 K), Taschenrechner „konkret 200“ (694 A, 1 K) und Schachcomputer „Chess Master“ (242 A, 1K). Die historischen Objekte zeichnen sich nicht durch ihre Kuriosität, Rarität oder Innovativität aus. Stattdessen werden Objekte präsentiert, die aufgrund ihrer Gewöhnlichkeit und Profanität den meisten ehemaligen DDR-Bürgerinnen und -Bürgern bekannt sein und einen nostalgischen Wiedererkennungseffekt provozieren dürften. Letztlich ist die Gewöhnlichkeit der Produkte auch Teil des Internet-Phänomens Unboxing, da hier die Exklusivität der auszupackenden Produkte ebenfalls kein Kriterium ist. Die historischen Gegenstände werden in den Videos der Playlist #unboxingDDR vom DDR-Museum allerdings nur dem äußeren Anschein nach als museale Objekte in Anlehnung an die Methodik einer professionellen musealen Inventarisierung präsentiert. Denn der Kommentar entspricht mehr einem populärkulturellen Unboxing, wenn vielfach die „robuste Bauweise“ oder die „hohe Qualität“ der Gebrauchsgegenstände betont werden. Die Playlist DDR Medien im Wandel enthält sieben ca. fünfminütige vom DDRMuseum in Kooperation mit der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig produzierte Filme, die überwiegend Zeitzeugenberichte zu verschiedenen DDR-Medien enthalten: Plattenlabel AMIGA (1.204 A, 5 K)⁷⁵, Herr Fuchs und Frau Elster (3.094 A, 2 K)⁷⁶, Computertechnik (1.503 A, 4 K)⁷⁷, Journalismus Studium und Arbeiten (684 A, 0 K)⁷⁸, Technik des Zeitungsdrucks (518 A, 0 K)⁷⁹, Printmedien und Zeitungsnutzung (870 A, 0 K)⁸⁰ und Erinnerungen eines Musikers (1.069 A, 0 K)⁸¹. Ebenfalls aus geschichtswissenschaftlicher und geschichtsdidaktischer Perspektive ist bei allen diesen Clips zu kritisieren, dass alle gezeigten Ausschnitte aus den Zeitzeugeninterviews keine⁸² Bezüge zu den strengen Reglementierungen⁸³
https://bit.ly/2sAMecm (01.06. 2018). https://bit.ly/2HoIdfL (01.06. 2018). https://bit.ly/2JlzkW5 (01.06. 2018). https://bit.ly/2JdyjTH (01.06. 2018). https://bit.ly/2JbxGdo (01.06. 2018). https://bit.ly/2Lu7HuH (01.06. 2018). https://bit.ly/2kVMzSt (01.06. 2018). Nur Jürgen Schlimper stellt im Film Journalismus Studium und Arbeiten Bezüge zur Zensur her. Allerdings müssen die ausgewählten Szenen in der Gesamtdarstellung als verharmlosende Verkürzung bewertet werden.
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und der kontroversen Kulturpolitik der SED⁸⁴ oder zur strikten Lenkung⁸⁵ journalistischer Print⁸⁶ und audiovisueller⁸⁷ Medien enthalten. Die Autorin Gerdamarie Preuße betont im gezeigten Ausschnitt sogar mehrmals, dass ihr künstlerisches Arbeiten für „Herr Fuchs und Frau Elster“ von großer Freiheit geprägt gewesen sei. Überwiegend berichten die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen in den gezeigten Szenen in technokratischem Duktus von Drucktechniken in der Zeitungsproduktion, von Programmiersprachen der Informationstechnik oder von Klangqualitäten von Vinylschallplatten. Die Instrumentalisierungen von Medien als Propagandainstrumente oder die strenge Zensur für Kunst- und Kulturschaffende wird in pädagogisch und geschichtswissenschaftlich unverantwortbarer Weise vom DDR-Museum in den Filmen nicht vermittelt.⁸⁸ Wenn Nutzerinnen und Nutzer die Filme der Playlist DDR Medien im Wandel kommentieren, dann berichten ihre Beiträge häufig von eigenen historischen Erfahrungen.⁸⁹ Anstoß an der impliziten Bagatellisierung der Rolle der Medien für die Ausübung von Macht und Kontrolle der SED in den Clips nehmen die Nut-
Vgl. Wicke, Peter: Zwischen Förderung und Reglementierung – Rockmusik im System der DDR- Kulturbürokratie. In: Rockmusik und Politik. Analysen, Interviews und Dokumente. Hrsg. von Ders. Berlin 1996 (Forschungen zur DDR-Geschichte 7). S. 11– 27. Vgl. Thomas, Rüdiger: Kulturpolitik und Künstlerbewußtsein seit dem VIII. Parteitag der DDR. In: Die DDR in der Ära Honecker. Politik – Kultur – Gesellschaft. Hrsg.von Gert-Joachim Glaessner. Wiesbaden 1988 (Schriften des Zentralinstituts für sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin). S. 589 – 608. Vgl. Fiedler, Anke: Medienlenkung in der DDR. Köln 2014 (Zeithistorische Studien 52). Vgl. Bobsin, Katrin: Das Presseamt der DDR. Staatliche Öffentlichkeitsarbeit für die SED. Köln, Weimar, Wien 2013 (Medien in Geschichte und Gegenwart 29); Wilke, Jürgen (Hrsg.): Journalisten und Journalismus in der DDR. Berufsorganisation – Westkorrespondenten – „Der Schwarze Kanal“. Köln, Weimar, Wien 2007 (Medien in Geschichte und Gegenwart 23); Wilke, Jürgen: Presseanweisungen im zwanzigsten Jahrhundert. Erster Weltkrieg – Drittes Reich – DDR. Köln, Weimar, Wien 2007 (Medien in Geschichte und Gegenwart 24). S. 256 – 309. Vgl. Staadt, Jochen, Tobias Voigt u. Stefan Wolle: Operation Fernsehen. Die Stasi und die Medien in Ost und West. Göttingen 2008. Vgl. Otto, Astrid: Sozialistische Öffentlichkeitsarbeit in der DDR. Eine empirische Studie am Fallbeispiel des Leipziger Messeamts. Wiesbaden 2015 (Research); Handro, Saskia: Alltagsgeschichte. Alltag, Arbeit, Politik und Kultur in SBZ und DDR. Schwalbach/Ts. 2006 (Wochenschau Geschichte). S. 222– 250; Barck, Simone, Langermann Martina u. Siegfried Lokatis: Jedes Buch ein Abenteuer. Zensursystem und literarische Öffentlichkeiten in der DDR bis Ende der sechziger Jahre. Berlin 1997; Bradley, Laura J. R.: Cooperation and conflict. GDR theatre censorship, 1961– 1989. Oxford 2010; Lokatis, Siegfried (Hrsg.): Heimliche Leser in der DDR. Kontrolle und Verbreitung unerlaubter Literatur. Berlin 2008. „Ich habe die beiden [Herr Fuchs und Frau Elster] geliebt. […]“; „In den 70ziger Jahren hatte ich im Studium keinen Computer …..erst später auf der Arbeit in den 80ziger Jahren […]“.
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zerinnen und Nutzer nicht. Debatten oder andere gegenseitige Bezugnahmen zwischen Nutzerinnen und Nutzer oder dem Museum finden ebenfalls nicht statt. Die fünfte Playlist des YouTube-Kanals des DDR-Museums (Berlin) mit gelisteten Videos trägt den Titel Favoriten. Allerdings ist hier nur einer der acht enthaltenen Filme vom Museum selbst produziert worden. Dieser trägt den Namen Kommt ein Volvo geflogen (1.382 A, 1 K)⁹⁰ und zeigt, wie ein Volvo 264 TE aus der Fahrbereitschaft des DDR-Ministerrates für die Dauerausstellung angeliefert worden war. Die anderen sieben Clips sind von anderen touristisch orientierten YouTube-Kanälen entnommen und enthalten positive Beiträge über die Institution. Neben diesen fünf Playlisten mit gelisteten Filmen hat das DDR-Museum auch zwei Playlisten mit jeweils zehn nicht gelisteten Videos erstellt. In den Clips der Playlist BÜROKRATOPOLY – Dr. Martin Böttger erläutert Martin Böttger, der während der DDR-Zeit als Bürgerrechtlicher und nach 1990 als Mandatspolitiker für Bündnis 90/Die Grünen tätig war,⁹¹ ausgehend von dem von ihm in den Jahren 1983/84 entwickelten Gesellschaftsspiel Bürokratopoly⁹² über persönliche Erfahrungen und Lebensstationen während der DDR-Zeit; insbesondere in den Filmen Spiel mit der Stasi (160 A, 0 K)⁹³, Wege in die Opposition (119 A, 0 K)⁹⁴, Friedensbewegung (95 A, 0 K)⁹⁵, Jugend in der DDR (117 A, 0 K)⁹⁶ und Karriere (107 A, 0 K)⁹⁷. Vor allem der Clip Spiel mit der Stasi gibt einen kleinen Eindruck vom Unrechtscharakter der DDR-Diktatur. Allerdings werden die Filme kaum von Nutzerinnen und Nutzer wahrgenommen, was die geringen Aufrufstatistiken und das ausnahmslose Fehlen von Nutzerkommentaren belegen. Ursächlich hierfür ist sicherlich nicht zuletzt die Entscheidung des DDR-Museums diese Filme nicht zu
https://bit.ly/2xXoJPZ (01.06. 2018). Vgl. Wielgohs, Jan u. Helmut Müller-Enbergs: Böttger, Martin. In: Wer war wer in der DDR? Hrsg. von Jan Wielgohs u. Helmut Müller-Enbergs. 5. Aufl. Berlin 2010. S. 158 – 159. Vgl. Geithner, Michael u. Martin Thiele-Schwez: Playing History Wie wird Geschichte durch Spiele vermittelt? Best-Practice-Beispiel: Bürokratopoly. In: Diktatur und Demokratie im Unterricht. Der Fall DDR. Hrsg. von Jens Hüttmann. Berlin 2017. S. 247– 252; Hauptmann, Christoph u. Gabriele Victoria Schaffner: Bürokratopoly (1983/2014). Warum die Stasi ein Spiel verfolgte*. https://zeitgeschichte-online.de/thema/buerokratopoly (01.6. 2018); Wenzel, Sebastian: Monopoly. In: Nachgemacht. Spielekopien aus der DDR. Hrsg. von Martin Thiele u. Michael Geithner. Berlin 2013. S. 30 – 47. https://bit.ly/2M5dUxX (01.06. 2018). https://bit.ly/2JoBjJ0 (01.06. 2018). https://bit.ly/2HrMTBl (01.06. 2018). https://bit.ly/2swTINx (01.06. 2018). https://bit.ly/2JoBjJ0 (01.06. 2018).
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listen, da die Clips vermutlich nur im Zusammenhang mit dem Spielen von Bürokratopoly genutzt werden sollen. Ohne Frage ist Böttger ein Opfer der SED-Diktatur. Allerdings hat das DDRMuseum für die Opferperspektive mit Böttger eine Person ausgewählt, die im Vergleich zu anderen Opfer der DDR-Diktatur nur relativ wenig wirtschaftliche, berufliche oder soziale Nachteile hatte erleiden müssen.⁹⁸ Böttger ist damit als in diesem Zusammenhang einziger vom DDR-Museum auf YouTube präsentierter Zeitzeuge der Opferperspektive nicht hinreichend geeignet, das menschverachtenden Welt- und Menschenbild und den Missbrauch durch das kollektivistische Machtsystem⁹⁹ des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR zu verdeutlichen. Geschichtskulturellen Tendenzen eines „Schönreden[s] der SED-Diktatur“¹⁰⁰ werden dadurch implizit Vorschub geleistet. Verstärkt wird dieser Effekt durch die Verknüpfung der Opferperspektive mit der Kuriosität des Gesellschaftsspiel Bürokratopoly auf YouTube durch das DDR-Museum. Auch wenn Bürokratopoly in die Akte des MfS aufgenommen worden war,¹⁰¹ so ist Böttger − zumindest offiziell − nie wegen des Spiels, sondern wegen der Teilnahme an Demonstrationen als Bürgerrechtler mehrmals kurzzeitig inhaftiert worden.¹⁰² Der Eindruck der Bagatellisierung der DDR-Diktatur verstärkt sich durch die ebenfalls nicht gelisteten zehn Filme der Playlist BÜROKRATOPOLY–Dr. Stefan Wolle, die − wie die Filme der Playlist BÜROKRATOPOLY–Dr. Martin Böttger − teil sind der Neuauflage des Spiels. Die Filme lassen mit ihren Titeln Wahlen und Willkür (81 A, 0 K), Pressefreiheit (43 A, 0 K) oder Opposition und Stasi (207 A, 0 K) erwarten, dass zumindest hier der Unrechtscharakter der SED-Diktatur thematisiert werden würde. Zwar verweist Wolle an einer Stelle im Clip Pressefreiheit darauf, dass es „in der DDR grundsätzlich keine freien Medien“ gab, aber eine klare Benennung der menschverachtenden Methoden des MfS bleibt im Video
Vgl. Neubert, Ehrhart: Politische Verbrechen in der DDR. In: Unterdrückung, Verbrechen und Terror. Hrsg. von Irmela Arnsperger u. Stéphane Courtois. 2004. Aufl. München 2004 (Das Schwarzbuch des Kommunismus / Stéphane Courtois 1). S. 839 – 884; Pingel-Schliemann, Sandra: Zersetzen, Strategie einer Diktatur. Berlin 2002 (Schriftenreihe des Robert-Havemann-Archivs 8). Vgl. Wanitschke, Matthias: Methoden und Menschenbild des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. Köln, Weimar, Wien 2001. Vgl. Knabe, Hubertus: Die Täter sind unter uns. Über das Schönreden der SED-Diktatur. 4. Aufl. Berlin 2007. Die Akte des MfS von Martin Böttger. http://www.buerokratopoly.de/wp-content/uploads/ 2014/09/Stasi_Akte_Boettger.pdf (01.06. 2018) Vgl. Böttger, Martin: „Das sage ich Ihnen nicht“. In: Friedliche Revolution und deutsche Einheit. Sächsische Bürgerrechtler ziehen Bilanz. Hrsg. von Eckhard Jesse. Berlin 2006. S. 21– 33; Kowalczuk, Ilko-Sascha u. Tom Sello (Hrsg.): Für ein freies Land mit freien Menschen. Opposition und Widerstand in Biographien und Fotos. Berlin 2006. S. 318 – 320.
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Opposition und Stasi völlig aus. Stattdessen spricht Wolle im Film über die Zurückhaltung des MfS in Bezug auf die Kirchen und über Strategien der Friedensbewegung dem „Knast“ − so Wolle − zu entgehen.
5 Fazit: Das DDR-Museum (Berlin) auf YouTube Die auf dem YouTube-Kanal des DDR-Museums (Berlin) präsentierten Geschichtserzählungen sind stark an Themen der Alltags-, Gesellschafts- und Sozialgeschichte gebunden. Eine eindeutige mediale Umsetzung einer Ostalgie als Produktkultur zeigen Clips in Anlehnung an das Internet-Phänomen Unboxing, wenn nur dem äußeren Anschein nach eine professionelle museale Inventarisierung vollzogen wird, tatsächlich aber profane Alltagsgegenstände der DDR euphorisch positiv beschrieben werden, um nostalgische Wiedererkennungseffekte zu provozieren. Politisch aufgeladene Themen sind ebenfalls stark an die DDR-Alltagskultur gebunden. Wenn Themenkomplexe behandelt werden, die unmittelbar mit dem diktatorischen Charakter der DDR in Beziehung stehen, verhindern historisch unpassende Gegenwartsbezüge, monoperspektivische, unterkomplexe oder nicht kontroverse Behandlungen geschichtswissenschaftlich und -didaktisch angemessene Betrachtungen. Die Lebensbereiche Liebe und Sexualität werden ausschließlich positiv konnotiert, während die Kriminalisierung von Homosexualität und die staatliche Instrumentalisierung von Prostitution unerwähnt bleiben. Die Darstellung der DDR-Medien ist überwiegend auf technokratische Beschreibungen von Zeitzeugen begrenzt und stellt kaum diskursive Bezüge zu den strengen Reglementierungen und der kontroversen Kulturpolitik der SED oder zur strikten Lenkung journalistischer Print- und audiovisueller Medien her. Die Instrumentalisierungen von Medien als Propagandainstrumente und die strenge Zensur für Kunst- und Kulturschaffende wird in pädagogisch und geschichtswissenschaftlich unverantwortbarer Weise bagatellisiert. Das menschverachtenden Welt- und Menschenbild und der Missbrauch durch das kollektivistische Machtsystem MfS wird auch dann nicht annähernd ausreichend vermittelt, wenn dies wissenschaftlich und didaktisch dringend geboten wäre. Damit bewegen sich die auf dem YouTube-Kanal des DDR-Museums präsentierten Geschichtsnarrationen insgesamt an der Grenze zur Verschleierung. Flächendeckend dominieren geschlossene Masternarrationen, die weder der Kontroversität, noch der (Multi‐) Perspektivität oder dem Konstruktcharaker von Geschichte Rechnung tragen. Diese Befunde können durch die Ergebnisse der Analyse der Dauerausstellung des DDR-Museums in der Dissertationsschrift von Regina Göschl in der Gesamtbewertung der Institution etwas relativiert werden. Denn am Beginn der
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Dauerausstellung wird mit der Ausstellungseinheit Alltag eines vergangenen Staates in „unmissverständlicher Weise eine Einordnung der DDR als Unrechtsstaat“¹⁰³ vollzogen. Das MfS wurde bis 2016 im räumlichen Abseits der mittlerweile aus dem ersten Ausstellungsteil entfernten Einheit zur Staatssicherheit noch als ultimatives Böses und Ungetüm dargestellt, dem die Bürgerinnen und Bürger hilflos ausgesetzt gewesen seien.¹⁰⁴ In dem im August 2016 eröffneten Ausstellungsteil Alltag im Plattenbau wird hingegen nach Göschl der Überwachungsstaat DDR durch das erlebnisorientierte Konzept des Museums trivialisiert.¹⁰⁵ Ebenfalls im Ergebnis ähnlich wie auf dem hauseigenen YouTube-Kanal des Museums, bleibt auch in der Dauerausstellung die Propagandafunktion von DDR-Medien in großen Teilen unterbeleuchtet.¹⁰⁶ Zensur als erhebliches Merkmal der DDR-Kulturpolitik wird in der Dauerausstellung nur sporadisch thematisiert.¹⁰⁷ Auch die Lebensbereiche Liebe und Sexualität werden in der Ausstellung ausschließlich positiv konnotiert und an die Freikörperkultur der DDR rückgebunden.¹⁰⁸ In Bezug auf die Vermittlungsinstanzen auf dem YouTube-Kanal des DDRMuseums muss es aus geschichtswissenschaftlicher, vor allem aber aus geschichtsdidaktischer Perspektive als außerordentlich problematisch bewertet werden, dass der wissenschaftliche Leiter des Museums Wolle auf dem YouTubeKanal des Museums gleichzeitig in der Rolle des Historikers und des Zeitzeugen auftritt. Diese beiden Rollen erfahren eine permanente Vermengung, sodass als Vermittlungsinstanz ein Hybrid erscheint, bei dem nicht zu erkennen ist, ob aus eigenen individuellen subjektiven Erfahrungen gespeiste Werturteile referiert oder fundierte geschichtswissenschaftlich begründbare Sachurteile vermittelt werden. Erste Prognosen zu Erinnerungskulturen in den Social Media haben vor einer Dekade Befürchtungen geäußert, dass Historikerinnen und Historiker in diesem digitalen Erinnerungsraum an Relevanz einbüßen könnten.¹⁰⁹ Andere Stimmen befürchteten, dass die Geschichtswissenschaft in Social Media ihre In-
Göschl, DDR-Alltag (wie Anm. 29), S. 240. Göschl, DDR-Alltag (wie Anm. 29), S. 254– 255. Göschl, DDR-Alltag (wie Anm. 29), S. 277. Göschl, DDR-Alltag (wie Anm. 29), S. 264– 665. Göschl, DDR-Alltag (wie Anm. 29), S. 268 – 669. Göschl, DDR-Alltag (wie Anm. 29), S. 272. Meyer, Erik: Erinnerungskultur 2.0? Zur Transformation kommemorativer Kommunikation in digitalen, interaktiven Medien. In: Erinnerungskultur 2.0. Kommemorative Kommunikation in digitalen Medien. Hrsg. von Erik Meyer. Frankfurt am Main, New York 2009. S. 175 – 206.
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terpretations- und Darstellungsautorität verlieren könnte.¹¹⁰ Ambitionierte Projekte,¹¹¹ die den Social Media elaborierte, in der Tendenz an die Quellen- und Forschungslage rückgebundenen und didaktischen Prinzipien verpflichtete Geschichtsnarrationen präsentieren, widerlegen diese Ängste ebenso, wie nachweisliche Bezugnahmen von Nutzerinnen und Nutzer zur geschichtswissenschaftlichen Forschung, um historisch-politische Mythen in den Social Media zu dekonstruieren.¹¹² Allerdings müssen die Auftritte von Wolle auf YouTube als negative Gegenbeispiele bewertet werden. Wenn Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu verschiedensten Themen auf dem YouTube-Kanal des DDR-Museums (Berlin) auftreten, dann bleibt es häufig bei ausschließlich einer historischen Perspektive, die den Missbrauch durch das kollektivistische Machtsystem der DDR-Diktatur auch dann nicht beleuchtet, wenn dies geschichtswissenschaftlich und -didaktisch unbedingt geboten ist. Die Nutzerreaktionen auf die vom DDR-Museum auf seinem YouTube-Kanal veröffentlichten Filme fallen insgesamt sehr verhalten aus. Debatten finden zudem defacto nicht statt. Eine umfassende Untersuchung einer Vielzahl von SocialMedia-Seiten im Rahmen meines eigenen Promotionsprojektes konnte eine kaum vorhandene Debattenkultur für Erinnerungskulturen in den Social Media ebenfalls nachweisen, da die für Web 2.0 und Social Media postulierten medialen und kommunikativen Potenziale des gemeinsamen Austausches und der kollaborativen Zusammenarbeit auch bei anderen historischen Kontexten (Zeit des Nationalsozialismus) und auf anderen Plattformen (Facebook, Twitter, Pinterest und Instagram) Erinnerungskulturen in Social Media nicht in entscheidendem Maße prägen.¹¹³ Stattdessen greifen entgegengesetzte Mechanismen, die in der Kom-
Beier, Rosmarie: Geschichte, Erinnerung und Neue Medien Überlegungen am Beispiel des Holocaust. In: Geschichtskultur in der zweiten Moderne. Hrsg. von Rosmarie Beier. Frankfurt 2000. S. 299 – 323, S. 315. Vgl. Bühl-Gramer, Charlotte: Twitter – Medium der Geschichtskultur, z. B. @9Nov38 (Außenperspektive). dx.doi.org/10.1515/phw-2013 – 798 (01.05. 2018); Roiu, Cristina Ioana: Something Old, Something New: Engaging People in Making History with Twitter. In: Studii de biblioteconomie și științele comunicării / Library and information Science Research 20 (2016). S. 85 – 90. Vgl. Burkhardt, Hannes: Mythosmaschine Twitter? Fakten und Fiktionen im Social Web zu Rudolf Heß und der Bombardierung Dresdens 1945. In: Zeitschrift für Geschichtsdidaktik 17 (2018). S. 42– 56. Vgl. die Ergebnisse des eigenen Promotionsprojektes: Geschichte im Social Web. Historische Orte, Personen und Ereignisse der Zeit des Nationalsozialismus auf Facebook, Twitter, Pinterest und Instagram (Verfahren eröffnet im Mai 2018).
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munikationswissenschaft als Echokammern- und Filterblasen-Effekte beschrieben worden sind.¹¹⁴ Am Ende steht der Befund, dass der YouTube-Kanal des DDR-Museums (Berlin) ebenso wie dessen Dauerausstellung kein kritisches Verständnis von Gesellschaft und Alltag in der DDR ermöglicht.¹¹⁵ Während allerdings das Museum vor Ort noch den Versuch erkennen lässt, in Ansätzen einen multiperspektivischen und kontroversen Blick auf DDR-Geschichte zu ermöglichen, so präsentiert die Institution auf YouTube monoperspektivische und unterkomplexe Geschichtserzählungen als geschlossene Masternarrationen, die weder der Kontroversität, noch der (Multi‐)Perspektivität oder dem Konstruktcharaker von Geschichte entsprechen.
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Vgl. DiFonzo, Nicholas: Watercooler Effect. New York 2008; Jamieson, Kathleen Hall u. Joseph N. Cappella: Echo chamber. Rush Limbaugh and the conservative media establishment. Oxford 2010; Pariser, Eli: The filter bubble. What the Internet is hiding from you. New York 2011. Vgl. Göschl, DDR-Alltag (wie Anm. 29), S. 288.
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Hannes Burkhardt
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Christian Bunnenberg
Digital Storytelling im Museum – Besucher(innen) erzählen Stadtgeschichte(n) „Endlich offen! Für Euch!“ lautete der Slogan auf den Plakaten und Flyern, mit denen das Stuttgarter Stadtmuseum im April 2018 für sein mehrtätiges Eröffnungsfestival warb.¹ Die Eigenbezeichnung StadtPalais – Museum für Stuttgart verwies auf den neuen und zugleich prominenten Standort in der Stuttgarter Innenstadt, denn für einen Besuch in der neuen städtischen Kultureinrichtung müssen interessierte Besucherinnen und Besucher seitdem das zwischen 1834 und 1840 im klassizistischen Stil erbaute Wilhelmspalais am Charlottenplatz aufsuchen. Die Idee, dort ein Museum zur Stadtgeschichte Stuttgarts einzurichten, entstand in den 2000er Jahren im Zusammenhang mit den Planungen für eine Zentralbibliothek und der damit anstehenden Räumung des Palais durch die Stuttgarter Stadtbücherei, die seit 1965 an diesem Ort untergebracht war. 2013 wurden schließlich die seit 2007 projektierten Umbaumaßnahmen für eine zukünftige Nutzung der ehemaligen Residenz als Museum begonnen, die 2018 ihren Abschluss fanden. Das Museum im Wilhelmspalais bietet nun auf mehreren Ebenen Platz für eine 900qm umfassende Dauerausstellung mit dem Titel „Stuttgarter Stadtgeschichten“ und einem inhaltlichen Schwerpunkt auf der Lokalgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts sowie Bereiche für Sonderausstellungen, einen Veranstaltungssaal und ein als „Stadtlabor“ bezeichnetes museumspädagogisches Angebot für Kinder und Jugendliche.² Trotz dieser vermeintlich klassischen Aufteilung verfolgte das Museum seit Beginn der Planungsphase das Ziel für möglichst viele Besucherinnen und Besucher ein attraktives Angebot bereitstellen zu können. In diesem Konzept waren von Anfang an auch die Herausforderungen einer diversifizierten Stadtgesellschaft mit einer der deutschlandweit höchsten Quoten von Einwohnerinnen und Einwohnern mit Migrationshintergrund als grundlegende Herausforderung für
Programm zur Eröffnung des Stuttgarter Stadtmuseums: http://www.stadtpalais-stuttgart.de/ assets/files/aktuell/2018/stadtpalais-eroeffnungsfestival-programm.pdf (3.4. 2019). Speidel, Markus u. Anja Dauschek: Stadtmuseum Stuttgart. Partizipation als Chance, einer sich verändernden Stadtgesellschaft gerecht zu werden. In: Das partizipative Museum. Zwischen Teilhabe und User Generated Content. Neue Anforderungen an kulturhistorische Ausstellungen. Hrsg. von Susanne Gesser, Martin Handschin, Angela Jannelli u. Sibylle Lichtensteiger. Bielefeld 2012. S. 41– 45. S. 41. https://doi.org/10.1515/9783110599497-006
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die Frage nach den Narrativen der musealen Inszenierungen und der dahinterstehenden Konzepte von städtischer Identität mitgedacht.³ In einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung verwies der seit Februar 2017 mit der Leitung des Hauses beauftragte Direktor darauf, dass das Museum bereits erfolgreich mit Schülerinnen und Schülern arbeiten und die ständige Ausstellung auf „ein klassisches Museumspublikum“ zielen würde. Durch aktuelle Themen in den Sonderausstellungen wolle das Museum zudem die „Zielgruppen zwischen den Kindern und den klassischen Museumsbesuchern“ erreichen.⁴ Ein wesentliches Standbein der Museumsarbeit und der damit verbundenen Sichtbarkeit des Museums im städtischen Raum vor (aber auch nach) der Eröffnung der Ausstellungsbereiche stellte die digitale Strategie der „virtuellen Präsenz“ dar.⁵ Das Stadtmuseum Stuttgart präsentiert sich seit 2013 unter der offiziellen Bezeichnung Planungsstab Stadtmuseum auf der Homepage stadtmuseum-stuttgart.de und betreibt seitdem aktiv einen Blog, der durch verschiedene Social-Media-Kanäle, u. a. auf den Plattformen YouTube, Facebook, Twitter, Instagram und Flickr, flankiert wird.⁶ Ausgangspunkt der medialen Präsenz des Stadtmuseums war die Entwicklung eines Marketingkonzeptes für das zukünftige Museum im Rahmen einer am Planungsstab Stadtmuseum entstandenen Masterarbeit, in deren Kontext die Ac Speidel [u. a.], Stadtmuseum (wie Anm. 2), S. 41. Ein durchaus vergleichbares Konzept liegt aus ähnlichen Erwägungen dem Historischen Museum der Stadt Frankfurt zugrunde. Vgl. Thiemeyer, Thomas: Geschichte im Museum. Theorie – Praxis – Berufsfeld. Tübingen 2018. S. 97– 100. Gerchow, Jan, Susanne Gesser u. Angela Jannelli: Nicht von gestern! Das historische museum frankfurt wird zum Stadtmuseum für das 21. Jahrhundert. In: Gesser [u. a.], Das partizipative Museum. (wie Anm. 2), S. 22– 32. Schunder, Josef: Eröffnung Stadtmuseum in Stuttgart. „Ich möchte nicht immer diese Wohlfühldinge“. In: Stuttgarter Zeitung, 11.04. 2018. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.eroeff nung-stadtmuseum-in-stuttgart-ich-moechte-nicht-immer-diese-wohlfuehldinge.c9ea39ab0439 - 4f7 f-956d-e513bb938aa9.html (3.4. 2019). Stadtmuseum Stuttgart: Museums- und Ausstellungskonzeption (April 2016). http://www.stadt palais-stuttgart.de/assets/files/museum/sms_stadtmuseum_museumskonzeption_2016.pdf (3.4. 2019). Die virtuelle Strategie des Planungstabes Stadtmuseum in Stuttgart wird in einem Handbuch zu Social Media in Museen als Beispiel angeführt: Der digital erweiterte Erzählraum. Ein Leitfaden zum Einstieg ins Erzählen und Entwickeln von Online-Offline-Projekten im Museum. Hrsg. von Axel Vogelsang, Barbara Kummler u. Bettina Mindern. Luzern 2016. S. 30. „Bei uns schreiben alle in den sozialen Medien, von der Chefin bis zum Volontär“, Interview mit Markus Speidel, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Stadtmuseum Stuttgart. In: Der digital erweiterte Erzählraum. Ein Leitfaden zum Einstieg ins Erzählen und Entwickeln von Online-Offline-Projekten im Museum. Hrsg. von Axel Vogelsang, Barbara Kummler u. Bettina Mindern. Luzern 2016. S. 112– 118. Der Blog: http://www.stadtpalais-stuttgart.de/blog/stadtmuseum/ (3.4. 2019). Die Auftritte bei Twitter (@PalaisStuttgart), Facebook (www.facebook.com/StadtpalaisStuttgart) und Instagram (www.instagram.com/StadtpalaisStuttgart/) haben jeweils um die 5.000 Followerinnen und Follower (3.4. 2019).
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counts bei Twitter und Facebook eingerichtet wurden. Mit den Social-Media-Kanälen und dem Blog bot das Museum der Öffentlichkeit ein Schaufenster der Museumsarbeit, öffnete das Museum damit für und in den Stadtraum hinein und gab beispielsweise mit 360°-Panorama-Rundgängen Einblicke in die Fortschritte der Bautätigkeiten. Gleichzeitig liefen die ersten experimentellen „Online-Mitmachangebote“, die zu einer Auseinandersetzung mit stadtgeschichtlichen Themen, der Suche nach Exponaten oder dem Erzählen von Stadtgeschichte(n) anregen sollten.⁷ Mit diesen partizipativen Projekten setzte das Museum einen zentralen Aspekt seines Leitbildes um: „Menschen stehen im Mittelpunkt des Stadtmuseums – inhaltlich als Handelnde im Sinne der historischen Stadtentwicklung und als Besucher, die heute und zukünftig die Stadt gestalten.“⁸ Das partizipative Projekt unter dem Titel Stuttgart neu erzählt – Pulsierende Stadtgeschichten, das vom Planungsstab Stadtmuseum in Kooperation mit der MFG Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg zwischen April 2016 und Oktober 2017 durchgeführt wurde, nutzte die Methode des Digital Storytelling, um „Stuttgarterinnen und Stuttgarter zu motivieren, eigene digitale Geschichten zu Stuttgart aus den letzten 70 Jahren zu erstellen und zu teilen, um damit auch die Deutungshoheit über die Stadtgeschichte an die Bürgerschaft abzugeben.“⁹ Die durch das Crowdsourcing gesammelten individuellen Erzählungen zur Geschichte Stuttgarts wurden als Texte, Fotos oder Videos auf der multimedialen Onlineplattform www.stuttgart-neu-erzaehlt.de eingestellt und für die Öffentlichkeit sichtbar gemacht.¹⁰ Weiterhin war eine Integration von „besonders gelungenen Geschichten“ in die Ausstellung des Stadtmuseums angekündigt.¹¹ Ergänzend dokumentierte das Team Digitale Kultur der MFG Baden-Württemberg das Projekt
Stadtmuseum Stuttgart, Museum- und Ausstellungskonzeption (wie Anm. 5), S. 5 – 6. Stadtmuseum Stuttgart, Museum- und Ausstellungskonzeption (wie Anm. 5), S. 3. Stuttgart neu erzählt: Über Stuttgart neu erzählt. www.stuttgart-neu-erzaehlt.de/ueber-stutt gart-neu-erzaehlt/ (3.4. 2019). John, Anke: From A to Z. Crowdscourcing Historical City Lexika. In: Public History Weekly 7/5 (2019), DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2019 – 13369 (3.4. 2019). John, Anke: Lokal- und Regionalgeschichte. Frankfurt am Main 2018. Zur Partizipation an lokaler Geschichtskultur, S. 99 – 102. Der digital erweiterte Erzählraum. Ein Leitfaden zum Einstieg ins Erzählen und Entwickeln von Online-Offline-Projekten im Museum. Hrsg. von Axel Vogelsang, Barbara Kummler u. Bettina Mindern. Luzern 2016. S. 39 – 40. www.stuttgart-neu-erzaehlt.de (3.4. 2019). Der Autor war an dem Projekt als Leiter des Workshops „Digital Storytelling“ für das Projektteam (27.7. 2016) und als teilnehmender Beobachter am Story Jam (13./14.1. 2017) beteiligt.
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in einem digitalen Logbuch, das Anregungen zur Planung und Durchführung ähnlicher Vorhaben für andere Museen und Kulturinstitutionen geben soll.¹² Dieser Beitrag nimmt die partizipative Ebene des Projekts in den Blick und versucht sich dabei an einem Perspektivwechsel vom Museum zu den Teilnehmenden. Ausgehend von der Projektidee sollen ihre Motivation zur Teilnahme und die gemachten Erfahrungen mit der Methode des Digital Storytellings bei der Produktion von Videobeiträgen auf Grundlage kurzer Gespräche skizziert werden, die im Kontext eines Story Jam im Januar 2017 entstanden sind. Mit Partizipation im Museum und der digitalen Erweiterung von musealen Erzählformen griff das Projekt zwei zentrale Aspekte gegenwärtiger Museumsarbeit auf, deren Potentiale und Herausforderungen derzeit nicht nur von historischen Museen diskutiert werden.¹³ Wie das Projekt selbst, handelt es sich bei der nachfolgenden Betrachtung ebenfalls um einen experimentellen Zugriff, der, ergänzend zum Blog des Museums, zur Homepage des Projektes und zum Logbuch, im besten Fall Schlaglichter auf den Verlauf des partizipativen Vorhabens werfen kann und zu einer intensiveren Beforschung ähnlicher Projekte anregen möchte.
1 Partizipation im Museum Partizipation gilt in Fachkreisen als einer „der am meisten strapazierten Begriffe der Museumsdebatte“.¹⁴ Die Diskussionen um die inhaltliche und methodische Ausgestaltung und Füllung von Partizipation dauern seit mehreren Jahrzehnten in unterschiedlicher Intensität an und sind zudem im ebenso offenen Kontext des Begriffs und Konzepts der „kulturellen Bildung“ zu verorten.¹⁵ Erste Ideen einer Öffnung von Museen für Themen und Perspektiven der Öffentlichkeit in Form bürgernaher Foren und der damit verbundenen Abkehr von den im 19. Jahrhundert entwickelten bildungsbürgerlichen Idealvorstellungen des Museums als elitärem Musentempel entstanden in Nordamerika und Europa im Zuge der „Neuen
Stuttgart neu erzählt: Projekt-Logbuch. www.stuttgart-neu-erzaehlt.de/ueber-stuttgart-neuerzaehlt/projekt-logbuch (3.4. 2019). Thiemeyer, Geschichte (wie Anm. 3), S. 97– 118 (Kapitel „Das Museum im 21. Jahrhundert: Themen der Gegenwart“). Thiemeyer, Geschichte (wie Anm. 3), S. 98. Einführend: Maedler, Jens u. Kirsten Witt: Gelingensbedigungen Kultureller Teilhabe. In: Kulturvermittlung. Inspiration und Reflexionen zur Kulturellen Bildung bei Kindern und Jugendlichen. Hrsg. von Veronika Hammer. Weinheim 2014. S. 58 – 67.
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Kulturpolitik“ in den 1970ern.¹⁶ Diese ersten partizipatorischen Projekte in Museen griffen reformpädagogische Ansätze der 1920er Jahre auf oder waren institutionelle Reaktionen auf die Entstehung der sogenannten „Geschichtsschreibung von unten“.¹⁷ Seitdem entzünden sich im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Veränderungsprozessen immer wieder Auseinandersetzungen um die Definition und Ausgestaltung partizipativer Formate.¹⁸ Gängige Definitionsversuche bewegen sich zwischen einem Verständnis von Partizipation als „passive[r] ’Teil-Habe’“ und „handelnd-aktive[r] ’Teil-Nahme’“.¹⁹ Für den deutschsprachigen Raum wurde darauf hingewiesen, partizipative Formate von interaktiven musealen Angeboten und freiwilliger Mitarbeit abzugrenzen, da hier entweder nur eine zeitlich begrenzte Auswirkung auf das museale Angebot bzw. die museale Darstellung oder eine Beschränkung der Partizipation auf die Erledigung vorgegebener Arbeitsaufträge vorlägen.²⁰ Nach diesem Verständnis werden mit Partizipation (Vermittlungs‐)Ansätze [beschrieben], bei denen sich (potentielle) BesucherInnen einzeln oder zusammengeschlossen als Arbeitsgruppe aktiv in Ausstellungen oder andere Felder der Museumsarbeit einbringen und Einfluss auf diese nehmen können. Im Vordergrund steht dabei nicht primär die Vermittlung von Wissen oder Fertigkeiten von Seiten des Museums an
Als Beispiel für den deutschsprachigen Raum sei das historische museum in Frankfurt angeführt, das bereits Mitte der 1970er partizipative Formen der Museumsarbeit erprobte. Gesser, Stadtmuseum (wie Anm. 3), S. 24. Ebenfalls in den 1970ern entstanden die ersten Geschichtswerkstätten und Oral–HistoryProjekte. Engagierte Laien erarbeiteten zumeist lokalgeschichtliche Themen. Als einschlägiger zeitgenössischer Titel gilt: Lindqvist, Sven: Grabe, wo du stehst. Handbuch zur Erforschung der eigenen Geschichte. Bonn 1989. Einen Überblick bietet: Grotrian, Etta: Geschichtswerkstätten und alternative Geschichtspraxis in den achtziger Jahren. In: History Sells! Angewandte Geschichte als Wissenschaft und Markt. Hrsg. von Wolfgang Hardtwig u. Alexander Schug. Stuttgart 2009. S. 243 – 253. Thiemeyer, Geschichte (wie Anm. 3), S. 99. Die Forschung hat drei zentrale Positionen im wissenschaftlichen Diskurs markieren können: klare Befürwortung, eingeschränkte und an Bedingungen geknüpfte Befürwortung und Partizipationskritik. Vgl. Piontek, Anja: Museum und Partizipation. Theorie und Praxis kooperativer Ausstellungsprojekte und Beteiligungsangebote. Bielefeld 2017. S. 94– 152. Vgl. dazu die für den deutschsprachigen Raum einschlägigen Arbeiten der Museologin, Kunstund Kulturvermittlerin und Pädagogin Anja Piontek. Piontek, Museum (wie Anm. 19). Piontek, Anja: Partizipative Ansätze in Museen und deren Bildungsarbeit. In: Kulturelle Bildung Online. www.kubi-online.de/artikel/partizipative-ansaetze-museen-deren-bildungsarbeit (3.4. 2019). Der Text liegt in ähnlicher Form auch als Druckfassung vor: Piontek, Anja: Partizipative Ansätze in Museen und deren Bildungsarbeit. In: Handbuch Museumspädagogik. Kulturelle Bildung in Museen. Hrsg. von Beatrix Commandeur, Hannelore Kunz-Ott u. Karin Schad. München 2016. S. 198 – 205.
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die Partizipierenden nach dem top-down-Prinzip, sondern die Idee eines reziproken Austausches, bei dem sich beide Seiten wechselseitig befruchten und bereichern. Ein Kennzeichen von Partizipation ist daher, dass sich beide ’Parteien’ gegenseitig Handlungsspielräume als ’KulturproduzentInnen’ zugestehen, wodurch das Agieren aller Beteiligten wirkliche und dauerhafte Veränderungen des ’Endprodukts’ nach sich zieht: So etwa, weil ein Text anders formuliert oder gewichtet ist, eine Ausstellung bestimmte Objekte integriert, oder weil durch Teilnehmerkommentare weitere, alternative, manchmal sogar widerstreitende Perspektiven dauerhaft in eine Kuratorenausstellung Eingang finden.²¹
Die gegenwärtig hohe Aufmerksamkeit, die Partizipation im musealen Feld seit einigen Jahren erfährt, wird mit den aktuellen Rahmenbedingungen postfaktischer Gesellschaften, dem Erodieren eines bildungsbürgerlichen Stammpublikums und den damit sinkenden Besucherzahlen, den Anforderungen einer multikulturellen Einwanderungsgesellschaft sowie den sich stetig verändernden Rezeptionsgewohnheiten und Erwartungen einer in der Transformation zum digitalen Zeitalter befindlichen Informations- und Bildungsgesellschaft begründet.²² Mit partizipativen Projekten erhoffen sich Museen neue Zielgruppen erschließen, institutionellen Ausschlussmechanismen begegnen und entgegenwirken, Gegenwartsthemen wie beispielsweise Migration erarbeiten, Interesse an musealen Themen wecken oder gemeinsam mit den Mitwirkenden neue Formen und Formate in der Vermittlungsarbeit, der Ausstellungskonzeption sowie -gestaltung entwickeln und umsetzen zu können. Als Ideale gelten dabei die Auflösung von institutionell bedingten Hierarchien zwischen dem Museum als non-formaler Bildungseinrichtung und den Besuchenden als auch das Akzeptieren einer Ergebnisoffenheit, die sowohl das Scheitern von Projekten wie auch den Kontrollverlust der Institution Museum über den Projektverlauf mitdenken (müssen).²³
Piontek, Ansätze (wie Anm. 20). International werden auch die Arbeiten von Nina Simon, Geschäftsführende Direktorin am Santa Cruz Museum of Arts & History rezipiert. Simon, Nina: The Partizipatory Museum. Santa Cruz 2010. Vgl. Definitionsvorschlag in: Simon, Nina: Das partizipative Museum. In: Gesser [u. a.], Das partizipative Museum. (wie Anm. 2), S. 95 – 108, S. 96. Vgl. u. a. Simon, Museum (wie Anm. 21). Crueger, Jens u. Nils Steffen: Das Museum in postfaktischer Zeit – ein Appell, in: Museumskunde 86/2 (2017). S. 50 – 52. Piontek, Ansätze (wie Anm. 20). Mandel, Birgit: Kontemplativer Musentempel, Bildungsstätte und populäres Entertainment-Center. Ansprüche an das Museum und (neue) Strategien der Museumsvermittlung. In: Museen neu denken. Perspektiven der Kulturvermittlung und Zielgruppenarbeit. Hrsg. von Hartmut John u. Anja Dauschek. Bielefeld 2008. S. 75 – 87. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes lassen sich nur 1,5 % der in Deutschland lebenden Menschen als „Stammbenutzerschaft“ von Museen einstufen. Piontek, Ansätze (wie Anm. 20), S. 18. Piontek, Anja: Partizipation in Museum und Ausstellung. Versuch einer Präzisierung. Gesser [u. a.], Das partizipative Museum. (wie Anm. 2), S. 221– 230, S. 226.
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Die mit partizipativen Ansätzen einhergehende Öffnung des musealen Betriebes bedarf eines Wandels im Selbstverständnis der Kulturinstitutionen. Lagen die Schwerpunkte herkömmlicher Museumsarbeit auf der Aufbereitung und Präsentation von Themen für ein antizipiertes Publikum und damit in der Schaffung eines möglichst vergleichbaren Erlebnisses beim Besuch der Ausstellungen, hebt sich dieser normierende Faktor bei partizipativ gestalteten Angebot zugunsten einer vielschichtigen und vielfältigen Erfahrung der Partizipierenden und Rezeptierenden auf. Vielmehr müssen Museen Alternativen zum traditionellen und eindimensionalen Kommunikationsweg zwischen Kulturinstitution und Öffentlichkeit entwickeln. So verweist Nina Simon auf die Notwendigkeit der Entwicklung und Einrichtung von Plattformen, auf denen „die von Laien geschaffene und mitgeteilte Inhalte nach außen attraktiv vermittelt“ werden können. Damit wird sichergestellt, dass durch Partizipation nicht nur zusätzliche Kommunikationswege, nämlich aus der Öffentlichkeit in das Museum zurück, entstehen, sondern die dort entstandenen und mitgeteilten Inhalte als Bestandteile musealer Arbeit wiederum für Dritte sichtbar gemacht werden.²⁴ Bei der Planung partizipativer Vorhaben sind daher Fragen nach einem attraktiven Format und sinnvoller Einbindung der entstehenden Produkte in den musealen Gesamtkontext zu stellen. Partizipative „Teil-Nahme“ versteht sich als Mitarbeit an musealen Aufgaben, als Mit-Forschen, Mit-Sammeln, Mit-Bewahren, Mit-Ausstellen und Mit-Vermitteln, und schließt damit rein selbstreferentielle oder triviale, nur auf Beschäftigung oder Unterhaltung abzielende Projekte aus.²⁵ Die Ergebnisse eines partizipativen Vorhabens sollen immer einen Eigenwert aufweisen, indem die Ergebnisse nur durch das Handeln der Partizipierenden hervorgebracht werden können. Beim dem Versuch, Partizipationsangebote im musealen Kontext theoretisch erfassen zu können, kristallisieren sich nach Anja Piontek eine Anzahl zu berücksichtigender Dimension heraus, die nur bedingt einzeln, sondern viel mehr in einer gegenseitigen Beziehung stehend betrachtet und beschrieben werden können.²⁶ Die Dimension der Beteiligung fokussiert die Intensität der Partizipation, die Beteiligungstypen und -ebenen. Das aktive Einbringen in Ausstellungen und/ oder andere Felder der Museumsarbeit sowie die durch das Museum gewährten
Simon, Museum (wie Anm. 21), S. 97. Vgl. Deutscher Museumsbund: Museumsaufgaben. www.museumsbund.de/museumsaufga ben/ (3.4. 2019). Piontek, Anja: Partizipation und Museum. Spannend und spannungsreich zugleich. In: Museum heute 53 (2018), S. 58 – 61. S. 59. Ausführlich dazu: Piontek, Partizipation (wie Anm. 25), S. 222– 225.Vgl. v. a. das Schaubild auf S. 223. Die folgenden Abschnitte fassen die zentralen Merkmale der Dimensionen pointiert zusammen.
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oder eröffneten Möglichkeiten zur Einflussnahme auf Entscheidungsprozesse und die Wirksamkeit des partizipativen Handelns werden durch die Intensität der Beteiligung beschrieben.²⁷ Die Beteiligungstypen umreißen Formen der Zuarbeit, Mitarbeit und (kuratorische) Ausarbeitung in offenen, halb-offenen oder geschlossenen Formaten. Die Beteiligungsebenen fokussieren die Einbindung in die museale Arbeit, die zwischen der institutionsunabhängigen Nutzung eines Onlineangebotes, der Nutzung eines partizipativen Angebotes als Besucherin oder Besucher im Rahmen einer Ausstellung oder als Projektbeteiligter an einem partizipativen Vorhaben aufgefächert sein kann. Mit der Dimension der Akteure werden nicht nur die als Einzelpersonen oder in Gruppen, freiwillig oder verpflichtend Partizipierenden in den Blick genommen, sondern auch die Initiatoren, Organisatoren, Projektdurchführenden und externe Experten. Das Ausstellungs- und Projektthema ergibt sich aus der jeweiligen inhaltlichen Ausrichtung des Museums und kann einzelne Objekte, Ausstellungen oder auch gesellschaftliche Themen zum Ausgangspunkt haben, die zum Gegenstand des partizipativen Vorhabens avancieren. Die Dimension des Raumes definiert den Ort des Projektes sowie die Beteiligungsradien, die sich von einem lokalen bis zu einem internationalen Zugriff erstrecken können. Neben dem Raum spielt auch die zeitliche Dimension des partizipativen Projekts eine zentrale Rolle. Der von den Initiatoren anvisierte Zeitrahmen und der konkrete Zeitpunkt der Beteiligung sind für partizipative Projekte ebenso von Bedeutung wie die projektabhängige Wahl der Kommunikationsmittel und -wege und die konkrete Zielsetzung. Die oben angeführte Definition verweist in diesem Zusammenhang auf die „wirkliche[n] und dauerhafte[n] Veränderungen“ durch das gemeinsame Agieren aller Beteiligten.²⁸ In allen Dimensionen spiegelt sich der Stellenwert der Partizipation im Selbstverständnis des Museums. Sieht eine Bildungsinstitution partizipative Vorhaben als immanenten Bestandteil ihrer musealen Arbeit und liegen dazu auch Umsetzungsstrategien vor, sind günstigere Ausgangspositionen geschaffen als in Häusern, die Partizipation vielleicht nur als Modeerscheinung wahrnehmen und entsprechende Projekte nicht als Teilaufgabe musealen Handelns konzipieren und durchführen.
Den Begriff Partizipationsintensität prägt Ehmayer, Cornelia: Kulturvermittlung und Partizipation, Bewertung von fünf Kulturvermittlungsprojekten unter dem Aspekt der Partizipation. Abschlussbericht einer Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Wien 2002. S. 38. Piontek, Ansätze (wie Anm. 20).
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2 Partizipatives digital Storytelling im Museum – Pulsierende Stadtgeschichten Erzählungen und das Erzählen im Kontext musealer Darstellungen erhalten seit mehreren Jahren eine stetig steigende Aufmerksamkeit. Museen als narrative Orte setzen zunehmend weniger auf die Vermittlung großer Narrative, sondern sind sich den Problematiken von Erzählungen durchaus bewusst. Die Einbindung und das Sichtbarmachen von vergessenen, verdrängten, ausgegrenzten und konträren Narrativen bieten Potentiale für partizipative Vorhaben. In diesen Zusammenhängen fällt häufig der Begriff des (Digital) Storytelling. In sogenannten OnlineOffline-Projekten werden der reale Museumsraum und virtuelle Präsentationsräume – beispielsweise in den sozialen Medien – zusammengedacht und sollen zum Storytelling anregen.²⁹ Als zentrale Gelingensbedingung für partizipative Storytelling-Projekte gilt eine Strategie zur gezielten Einbindung der Partizipierenden durch eine adressatengerechte Auswahl des Projektthemas. An dieser Stelle entscheiden aber letztlich wieder die von den Museen oder museumsnahen Akteuren gestellten Initiatoren der Projekte über die Bedürfnisse der Teilnehmenden. Um partizipatives Erzählen erfolgreich gestalten zu können, bedarf es laut eines Leifadens für digitales Erzählen in und durch Museen weniger einer kognitiven als vielmehr einer emotionalen Ansprache der Zielgruppen: Partizipatives Erzählen gelingt vor allem bei solchen Themen, die beim Publikum ein starkes Gefühl der Identifikation hervorrufen, der persönlichen emotionalen Betroffenheit. Auch die Tatsache, dass man sich persönlich ernst genommen und ermächtigt fühlt, seine persönliche Meinung, seine eigene Geschichte kundzutun ist ein wichtiger Faktor.³⁰
Auf einen lokalgeschichtlichen Ansatz mit Identifikationsangebot setzte auch das Projekt Stuttgart neu erzählt – Pulsierende Stadtgeschichten. Ausgehend von dem Selbstverständnis des Museums als „Ort für die Auseinandersetzung mit Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Stadt“ und dem damit verbundenen Ziel „Wissen über Stuttgart und seine Geschichte zu vermitteln [und] eine kritische Auseinandersetzung mit der städtischen Identität an[zu]regen“ sind partizipative Vorhaben in Online-Offline-Settings ein integraler Bestandteil der Museumskonzeption: „Der Dialog mit den zukünftigen Besuchern wurde in der Planung mit partizipativen Projekten begonnen und auf www.stadtmuseum-stuttgart.de und
Vogelsang [u. a.], Erzählraum (wie Anm. 5). Vogelsang [u. a.], Erzählraum (wie Anm. 5), S. 38.
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in den sozialen Medien fortgesetzt“.³¹ An der Durchführung des Projekts Stuttgart neu erzählt war eine Vielzahl von Akteuren beteiligt. Im Kern gründete sich das Projektteam auf einer Kooperation des Planungsstabes Stadtmuseum Stuttgart und des Teams Digitale Kultur in der MFG Medien- und Filmgesellschaft BadenWürttemberg. Von letztgenannter Institution war ab Sommer 2015 die zehnmonatige Fortbildungs- und Workshopreihe Open Up! Museum mit dem Ziel, Museen in Baden-Württemberg im Bereich digitale Medien zu stärken, organisiert und durchgeführt worden.³² Als Ergebnis der Veranstaltungsreihe erschien 2016 ein Leitfaden für Museen, u. a. auch mit einem Beitrag zu Digital Storytelling in der Museumsarbeit.³³ Die Idee zu Stuttgart neu erzählt entstand im Kontext der Workshopreihe und war als Folgeprojekt geplant. Die Kooperationspartner traten dazu in einen engen Austausch über ihre individuellen Ziele. Das Museum suchte nach neuen Möglichkeiten, um mit partizipativen Formaten in einen Dialog mit der Öffentlichkeit treten und zugleich individuelle Stadtgeschichte(n) der Bürgerinnen und Bürger generieren und in Ausstellungskontexten integrieren zu können. Die MFG Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg unterstützte durch koordinierendes Projektmanagement bei der Einwerbung von Mitteln, der Etablierung und Umsetzung der Methode des Digital Storytelling im Museum, bei der Organisation von Veranstaltungen im Projektverlauf und bei der Erstellung der Plattform www.stuttgart-neu-erzaehlt.de. Für einzelne Arbeitspakete des Projekts – u. a.Workshop Digital Storytelling und Story Jam – wurden Expertinnen und Experten hinzugezogen. Die Gesamtlaufzeit des Projektes war mit 18 Monaten veranschlagt. Davon entfiel bereits ein großer Anteil auf die Vorbereitungen, Workshops und Planungen. Das Team musste zunächst eigene Erfahrungen mit der Methode des Digital Storytelling sammeln und entwickelte und produzierte dann auf Grundlage der Erkenntnisse Tutorials mit Kurzeinführungen in die Projektidee und ins Digital Storytelling, Hinweisen zur Erstellung von Videos für die geplante Plattform und zur Nutzung der Plattform.³⁴ Das Top-Down-Prinzip brach der Planungsstab Stadtmuseum dadurch auf, dass auf der Plattform auch die von Museumsmitarbeitern im Verlauf der Workshops erstellten ersten Versuche im Digital Storytelling gezeigt und damit der eigene Lernprozess sowie die dabei gemachten typi-
Stadtmuseum Stuttgart, Museum- und Ausstellungskonzeption (wie Anm. 5), S. 3. Vgl. Blog zum Projekt: openupmuseum.blogspot.com (3.4. 2019). Open Up! Museum. Wie sich Museen den neuen digitalen Herausforderungen stellen. Ein Leitfaden aus Baden-Württemberg. https://kreativ.mfg.de/files-Mit freundlichen Grüßen/ user_upload/OpenUp-Museum-Leitfaden.pdf (3.4. 2019). Stuttgart neu erzählt: Wie mache ich meine Story. www.stuttgart-neu-erzaehlt.de/wie-macheich-meine-story/tutorials (3.4. 2019).
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schen Fehler bei der Erstellung kurzer Erzählvideos transparent gemacht wurden.³⁵ In der Vorbereitungsphase konkretisierten sich die Ziele des Vorhabens, die über den von den Kooperationspartnern formulierten Kern des Projektes, nämlich die „Herausforderung, Stuttgarterinnen und Stuttgarter zu motivieren, eigene digitale Geschichten zu Stuttgart aus den letzten 70 Jahren zu erstellen und zu teilen, um damit auch die Deutungshoheit über die Stadtgeschichte an die Bürgerschaft abzugeben“, hinausgingen und sowohl auf den Pilotcharakter, den begleitend durchgeführten Reflexionsprozess und die Dokumentation im Logbuch verwiesen: – Erarbeitung und Umsetzung einer digitalen Projektstrategie – Entwicklung einer interaktiven Online-Plattform für die digitalen Geschichten – Erprobung des neuen Formats „Story Jam“ – Fachkundige Integration ausgewählter digitaler Geschichten in die Dauerausstellung des Stadtmuseums Stuttgart – Erstellung eines multimedialen Projekt-Logbuchs auf der Online-Plattform³⁶ – Stärkung des digitalen Engagements und des Dialogs zwischen Museen und Zielgruppen mittels des verstärkten Einsatzes von Digital Storytelling – Stärkere Einbindung potentieller Zielgruppen über User Generated Content – Entwicklung einer gemeinsamen Erinnerungskultur³⁷ Der partizipative Teil des Projektes setzte bei der Umsetzung dieser Ziele auf eine Beteiligung der Öffentlichkeit in einem halb-offenen Setting mit den Schwerpunkten auf einer Mit- und Zuarbeit und eingeschränkter Einflussmöglichkeit auf Entscheidungsprozesse. Die Zugänge zum Projekt waren breit und niedrigschwellig angelegt. Die Partizipierenden konnten unabhängig von Zeit und Ort ihre Beiträge erstellen und auf der Plattform einstellen oder an Veranstaltungen wie dem Story Jam teilnehmen. Da das Stadtmuseum während der Projektlaufzeit noch nicht eröffnet war, gab es keinen räumlichen Bezug zu dessen Räumlichkeiten, Ausstellungen oder Exponaten. Verbindliche inhaltliche Vorgaben für die Erstellung von Beiträgen wurden nicht erstellt oder kommuniziert, das Projektteam gab auf der Plattform lediglich Impulse für Erzählanlässe. Anders stellte sich die methodische Seite dar. Damit vor allem die Videos für eine Verwendung im Mediaguide und den Mediensta-
Stuttgart neu erzählt: Meine Stadtgeschichte. www.stuttgart-neu-erzaehlt.de/2016/11/meinestadt-geschichte/ (03.04. 2019). Das Video ist auf YouTube abgelegt: www.youtube.com/watch?v= mz45oGqxYlo (3.4. 2019). Stuttgart neu erzählt, Stuttgart (wie Anm. 9). Stuttgart neu erzählt, Projektmanagement (wie Anm. 34).
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tionen in den Ausstellungen des Stadtmuseums vorgesehen waren, wurden in den Tutorials konkrete Hinweise zur technischen und formalen Realisierung der Beiträge gegeben. Die Einbindung von im Projektrahmen entstandener Produkte in die Ausstellung hing also nicht zuletzt von methodischen und kuratorischen Gesichtspunkten ab. Zusammenfassend stellte das partizipative Vorhaben durch den Fokus auf das Digital Storytelling sowohl für die Initiatoren wie auch die Partizipierenden eine Auseinandersetzung mit einer neuen Methode dar, die zum einen das individuelle und kreative Erzählen von Geschichte(n) unterstützte und diese auf der Plattform auch öffentlich als Beiträge von Projektteilnehmerinnen und -teilnehmern sichtbar machte, zum anderen aber den Partizipierenden außer der Produktion ihrer Beiträge wenige bis keine Möglichkeiten eines Mitwirkens in kuratorischen Fragen eröffnete. Diese Einschätzung zeigt deutliche Überschneidungen mit der von den Initiatoren des Projekts Stuttgart neu erzählt formulierten abschließenden Bewertung. In einem mit Lessons Learned überschriebenen Abschnitt des projektbegleitend geführten Logbuchs markieren die beteiligten Akteure nicht nur kritisch und reflektiert die das Vorhaben begrenzenden Faktoren, sondern entwickeln auf Grundlage dieser Bestandsaufnahme in einer erfahrungsbasierten Projektstrategie „Bausteine zur Aktivierung und Verstetigung von StorytellingProjekten im musealen Betrieb“.³⁸
3 Stadtgeschichte(n) digital erzählen – Versuch eines Perspektivwechsels Im Januar 2017 fand im Rahmen des Projektes ein zweitägiger Story Jam statt. Interessierte Bürgerinnen und Bürger Stuttgarts waren eingeladen, während dieser sehr offen konzipierten zweitägigen Veranstaltung in Workshops methodische und technische Kenntnisse und Hilfestellungen für die Gestaltung von kurzen Videobeiträgen zu erhalten.³⁹ Zwei Impulsvorträge führten zu Beginn der Veranstaltung in die inhaltlichen Ziele des Projektes sowie in die Methode des Storytellings ein. Im Anschluss fanden die kreative Arbeit und die Produktion der Storys in Kleingruppen statt. Die fertigen Produkte konnten über die Plattform auf
www.stuttgart-neu-erzählt.de/ueber-stuttgart-neu-erzaehlt/projekt-logbuch/ausblick/ (3.4. 2019). Das Programm und der Ablauf des Story Jam sind im Logbuch des Projektes dokumentiert. Stuttgart neu erzählt: Story Jam. www.stuttgart-neu-erzählt.de/ueber-stuttgart-neu-erzaehlt/pro jekt-logbuch/story-jam/ (3.4. 2019).
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den YouTube-Kanal des Stadtmuseums hochgeladen und damit der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Begleitend zu dem Programm des Story Jam wurde den Teilnehmerinnen und Teilnehmern Gelegenheit gegeben, in kurzen Gesprächen ihre Erfahrungen mit der Methode des Digital Storytelling darlegen und reflektieren zu können. Abgeleitet von den Zielen des Vorhabens standen dabei als Gesprächsthemen a) die Darstellung der Motivation zur Teilnahme, b) die individuelle Einstellung zu partizipativen Formaten in der musealen Arbeit, c) eine kritische Bewertung der Methode des Digital Storytelling zur Produktion von Filmen sowie d) eine Einschätzung der Potentiale von digital erstellten und auf Social-Media-Kanälen geteilten Filmen zur Stadtgeschichte. Die dokumentierten Gespräche sollten einen Perspektivwechsel ermöglichen und Einblicke in die Erfahrungen und Wahrnehmungen der Partizipierenden bieten. Das Gesprächsangebot nutzten vier Teilnehmer, davon zwei (Teilnehmer 1 und 2) aus der Altersgruppe 20 – 30 und jeweils einer aus den Gruppen 60 – 70 (Teilnehmer 3) und ab 80 (Teilnehmer 4). Alle Gesprächspartner waren gebürtige Stuttgarter mit Wohnsitz in und um Stuttgart und nahmen zum ersten Mal an einem partizipativen Format im Museumsbereich teil. Die Gespräche wurden nach den beiden Impulsbeiträgen im Verlauf der Produktionsphasen am ersten und zweiten Veranstaltungstag als leitfragenorientierte Interviews geführt und als Audio-Files dokumentiert.⁴⁰ a) Darstellung der Motivation zur Teilnahme: Die Motivation zur Teilnahme erwuchs bei den jüngeren Teilnehmern aus einem großen Interesse an der Methodik des Digital Storytelling und dem Workshopcharakter der Veranstaltung. Beide Teilnehmer verfügten bereits über technische Vorkenntnisse in der Filmproduktion, hatten aber keine Erfahrungen mit Digital Storytelling und versprachen sich mit der Teilnahme eine „Horizonterweiterung“ durch Einblicke in die Methode des „visuellen Storytelling“.⁴¹ Obwohl ein reges Interesse an der Stadtgeschichte Stuttgarts bekundet wurde, war der historische Ansatz der Veranstaltung nur ein sekundärer Grund zur Teilnahme. Begründet wurde dies mit dem
Gespräch Teilnehmer 1 und 2, 12.01. 2018, 11:29 Minuten. Gespräch Teilnehmer 3, 12.01. 2018, 5:56 Minuten. Gespräch Teilnehmer 4, 13.01. 2018, 7:39 Minuten. Die Anlage der Gespräche folgt der Methodik des problemzentrierten Interviews mit einer leitfragenorientierten Gestaltung. Hopf, Christel: Qualitative Interviews in der Sozialforschung. Ein Überblick. In: Handbuch Qualitative Sozialforschung. Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendungen. Hrsg. von Uwe Flick, Ernst von Kardorff, Heiner Keupp, Lutz Rosenstiel u. Stephan Wolff. Weinheim 1995. S. 177– 181. S. 178. Mayring, Philipp: Eine Einführung in die qualitative Sozialforschung. Eine Anleitung zum qualitativen Denken. Weinheim 2016. S. 67. Gespräch Teilnehmer 1 und 2.
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eigenen Lebensalter und einem daraus resultierenden Fokus auf Gegenwartsfragen der Stuttgarter Stadtgesellschaft – genannt wurden u. a. der stetige Zuzug in die Stadt und der u. a. daraus resultierende angespannte Wohnungsmarkt. Eine gegensätzliche Motivationslage äußerte der älteste befragte Teilnehmer, der durch einen Zeitungsbericht auf die Veranstaltung aufmerksam geworden war und seine eigene Erwerbsbiographie in einem verschwindenden Berufsfeld als erzählenswerten Aspekt für die Stuttgarter Stadtgeschichte einschätzte.⁴² Betont wurde die Wahrnehmung von Veränderungen in der Zeit als Anlass einen individuellen Beitrag zur Stadtgeschichte leisten zu wollen. Das Veranstaltungsformat des Story Jam mit den technischen und methodischen Bedingungen und Inhalten wurde als Ermöglichungsraum gesehen, in dem durch Dritte die eigene Geschichte als Video festgehalten werden konnte, ohne eigene Kenntnisse oder Interessen in diesen Feldern mitbringen zu müssen. Für den vierten Teilnehmer begründete sich die Motivation der Teilnahme aus einer grundsätzlichen Technikaffinität und einem großen Interesse an lokaler Geschichte. In dem partizipativen Konzept der Veranstaltung wurde eine Gelegenheit gesehen, das als „künstlerische Tätigkeit“ wahrgenommene Storytelling mit den technischen Aspekten der Filmproduktion zu verknüpfen und ein Video zur Stadtgeschichte produzieren zu können.⁴³ b) Individuelle Einstellung zu partizipativen Formaten in der musealen Arbeit: Das partizipative Projekt wurde von allen Gesprächspartnern aus ihrer Rolle als Teilnehmer heraus als positive Erfahrung bewertet. Die Möglichkeit, unter Anwendung der Methode des Digital Storytelling Videos mit lokalhistorischen Geschichten produzieren und auf der durch das Museum verantworteten Plattform einer Öffentlichkeit präsentieren zu können, nahmen die Teilnehmer als moderne Form der Beteiligung der Öffentlichkeit beim Sammeln und Bewahren alltags- und mentalitätsgeschichtlicher Narrative wahr. Das Projekt als museales Angebot der Zu- und Mitarbeit stand aus der Sicht der Teilnehmer stellvertretend für eine generelle Modernisierung der Museumslandschaft und einer Abkehr von traditionellen Formen der musealen Arbeit, die vor allem als „verstaubte Museen“ beschrieben wurden, mit deren Besuch eine gefühlte Hierarchisierung zwischen Museumsmitarbeitern und -besuchern und ein Desinteresse an den Erwartungen der Besucherinnen und Besucher verbunden wurde.⁴⁴ Ebenfalls positiv wahrgenommen wurden das Gefühl der Zugehörigkeit zur städtischen Erinnerungsge-
Gespräch Teilnehmer 4. Gespräch Teilnehmer 3. Gespräch Teilnehmer 3.
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meinschaft und die durch das Projekt gewährte Transparenz in die Arbeit von Kulturinstitutionen. c) Bewertung der Methode des Digital Storytelling zur Produktion von Filmen: Die Methode des Digital Storytelling schätzten alle Teilnehmer als kreative Form der Auseinandersetzung mit Stadtgeschichte, sowohl für die Produzenten als auch für die Rezipienten. Bedauert wurde, dass es für vergangene Zeiten keine entsprechenden medialen Produkte gäbe, die Einblicke in frühere alltagsgeschichtliche Stuttgarter Lebenswelten gewähren würden. Positiv bewertet wurde auch der Umstand, dass sich Bürgerinnen und Bürger mit eigenen Geschichten an der Stadtgeschichte Stuttgarts beteiligen konnten, die bei der Gestaltung keinerlei inhaltlichen Vorgaben oder „Zensur“ unterworfen waren. Ein wiederholt genanntes Beispiel zur Abgrenzung des Digital Storytelling von als etabliert wahrgenommenen Methoden der Geschichtserzählung stellte der Dokumentarfilm dar, bei dem der Dokumentarfilmer als Filter zwischen Vergangenheit und Öffentlichkeit charakterisiert wurde. Die Methode des Digital Storytelling in partizipativen Formaten wurde dagegen als Möglichkeit gesehen, diesen professionellen Filter vermeiden und authentische Geschichten generieren zu können, „die für spätere Generationen interessanter sind“.⁴⁵ Ein weiteres Potential der Methode wurde im Sichtbarwerden unterschiedlicher Vorlieben und dem Kennenlernen anderer Perspektiven gesehen. Die als authentisch beschriebenen Geschichten stellten aus der Sicht eines Teilnehmers Möglichkeiten dar, Vergangenheit und Geschichte „durch“ die erzählende Person wahrnehmen zu können.⁴⁶ d) Einschätzung der Potentiale von digital erstellten und auf Social-MediaKanälen geteilten Filmen zur Stadtgeschichte: Den auf der Onlineplattform des Museums präsentierten Videos mit lokalhistorischen Geschichten wurde eine hohe Authentizität zugesprochen.⁴⁷ Ebenso wurden sie als attraktives Angebot wahrgenommen, das durch die Präsentationsform im Internet einen direkten Zugang zur Stadtgeschichte und den Abbau von Schwellenängsten gegenüber Museen ermöglichen würde. Online verfügbare Angebote seien, so ein Teilnehmer, eine gute Option zur Gewinnung neuer Zielgruppen, die „ihr Smartphone oder ihren Computer einschalten und sich plötzlich mitten im Museum befin-
Gespräch Teilnehmer 1 und 2. Gespräch Teilnehmer 4. Zu den verschiedenen Modi von Authentizität und geschichtskultureller Authentifizierungsstrategien einführend: Pirker, Eva Ulrike u. Mark Rüdiger: Authentifizierungsfiktionen in populären Geschichtskulturen: Annäherungen. In: Echte Geschichte. Authentifizierungsfiktionen in populären Geschichtskulturen. Hrsg. von Eva Ulrike Pirker, Mark Rüdiger, Christa Klein, Thorsten Leiendecker, Carolyn Oesterle, Miriam Sénécheau u. Michiko Uike-Bormann. Bielefeld 2010. S. 11– 30.
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den“.⁴⁸ In dieser Form entstehende und vermittelte Stadtgeschichte wurde zudem als Beitrag zur Demokratiebildung gesehen, vor allem durch eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit als Moment der Aufklärung über die Historizität der gegenwärtigen sozialen und politischen Bedingungen.⁴⁹ Trotz der genannten positiven Wahrnehmung der partizipativen Dimension des Projekts gab es auch Vorbehalte gegenüber einem unkontrollierten Einstellen von Inhalten auf der Plattform des Museums. Ein Teilnehmer sprach sich daher für eine kuratorische Überprüfung aller hochgeladenen Inhalte durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Museums aus und markierte dies als aus seiner Sicht wichtiges Moment der Qualitätssicherung.⁵⁰
4 Abschließenden Betrachtungen Mit Stuttgart neu erzählt entwickelte das Stadtmuseum Stuttgart zusammen mit seinen Partnern ein Projekt, in dem Digital Storytelling in einem partizipativen Vorhaben zur Gewinnung von Videos mit individuellen Stadtgeschichten als digitale Methode im musealen Handlungsfeld erprobt wurde. Die von Bürgerinnen und Bürgern erstellten Erzählungen sollten einerseits als Content auf der OnlinePlattform oder für die Medienstationen der Dauerausstellung genutzt werden, andererseits aber auch durch die beobachtende Begleitung des Entstehungsprozesses Rückschlüsse über den Projektablauf und die notwendigen Rahmenbedingungen für eine gelungene Umsetzung einer digitalen Projektstrategie erbringen. Die Ziele, Vorbereitung und Durchführung des Projektes sind durch die Projektbeteiligten in einem multimedialen Projekt-Logbuch für die Öffentlichkeit transparent dokumentiert und bieten vor allem durch die Lessons Learned eine Grundlage für die Umsetzung ähnlicher Formate in Museen.⁵¹ Bezogen auf die an dem Projekt beteiligten Bürgerinnen und Bürger waren von den Initiatoren und Veranstaltern mehrere Ziele formuliert worden. So sollte das Projekt zum Erstellen und Teilen von digitalen Erzählungen zur Geschichte Stuttgarts der vergangenen 70 Jahre motivieren, durch eine Einführung in die Methode des Digital Storytelling das digitale Engagement und den Dialog zwi-
Gespräch Teilnehmer 3. Gespräch Teilnehmer 3. Gespräch Teilnehmer 3. Stuttgart neu erzählt, Lessons Learned (wie Anm. 39).
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schen Museum und Stadtgesellschaft stärken sowie die Deutungshoheit über die Stadtgeschichte an die Bürgerinnen und Bürger abgeben.⁵² Anhand einer an der aktuellen Forschung zu Partizipation im Museum ausgerichteten Analyse des Projekts konnte aufgezeigt werden, dass das Vorhaben in vielen Dimensionen den theoretischen Annahmen entsprach. Trotzdem zeigt sich deutlich, dass, obwohl partizipativen Vorhaben innerhalb der Strategie des Museums eine zentrale Funktion für die Museumsarbeit zugewiesen wurden, das Projekt einer der Grundideen von Partizipation, nämlich den Partizipierenden eine möglichst große Handlungsfreiheit zuzugestehen, nicht im vollen Umfang genügen konnte.⁵³ Durch die vorgegebene Methode und die inhaltliche Ausrichtung des Themas eröffnete sich den Teilnehmerinnen und Teilnehmern nur ein sehr begrenzter partizipatorischer Spielraum, der durch kuratorische Filter vor der Präsentation des Produktes auf der Plattform und bei der Auswahl von Filmbeträgen für die Dauerausstellung zusätzlich eingeschränkt war. Die vor diesem Hintergrund im Kontext des Story Jam mit Teilnehmern geführten Gespräche konnten allerdings belegen, dass die Partizipierenden das Vorhaben insgesamt positiv bewerteten und die genannten Einschränkungen nicht als solche empfunden haben.Vielmehr nahmen sie das Projekt, wie von den Initiatoren beabsichtigt, als eine Einladung des Museums wahr, sich in die städtische Erinnerungskultur aktiv einbringen und zusammen mit den Akteuren der Kulturinstitutionen Alltagsgeschichte aus der Perspektive der Bürgerinnen und Bürger Stuttgarts „schreiben“ zu können. Die Methode des Digital Storytelling und die multimedial angelegte Plattform, die sowohl die während des Story Jam entstandenen Filme auf dem museumseigenen YouTube-Kanal einbindet wie auch die Einsendungen einer Postkartenaktion oder Textbeiträge präsentiert, standen bei den Teilnehmern für eine zeitgemäß moderne Museumsarbeit. Der Ansatz, die Öffentlichkeit über eine Verknüpfung von partizipativen Projekten und Social-Media-Kanälen anzusprechen und in die museale Arbeit einzubeziehen, stieß bei den Teilnehmenden auf großes Interesse und motivierte zur Zu- und Mitarbeit an der Stadtgeschichte Stuttgarts. Offen bleibt aber die Frage, welche Zielgruppe(n) die befragten Teilnehmer vertraten und ob durch das partizipative Format überhaupt neue Interessenten für das Museum gewonnen werden konnten. Letztlich konnte aber aufgezeigt werden, dass die Teilnehmer über altersgruppenabhängige Motivation Zugänge zu dem Projekt fanden und durch dieses mit der Kombination aus technischen,
Stuttgart neu erzählt, Stuttgart (wie Anm. 9); Stuttgart neu erzählt, Projektmanagement (wie Anm. 34). Piontek, Ansätze (wie Anm. 20).
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methodischen und inhaltlichen Aspekten ein breites Angebot bereiten konnte, das Bürgerinnen und Bürger mit unterschiedlichen Ansätzen, Kenntnissen und Erzählungen zusammenbrachte und gemeinsam an der stadtgeschichtlichen Erinnerung arbeiten ließ. Obwohl der Aufsatz nur begrenzte Einblicke in die Perspektive der Teilnehmenden bieten kann, lässt sich aus dem durchgeführten Perspektivwechsel durchaus Potential für weitere Forschung zu Partizipation im musealen Bereich ableiten. Insbesondere die Nutzung von Social-Media-Kanälen bieten vielfältige Möglichkeiten, partizipative Vorhaben, die Produkterstellung, -präsentation und -verbreitung sowohl aus der Perspektive der Initiatoren, Teilnehmenden sowie – das wäre noch zu ergänzen – Rezipienten in den Blick zu nehmen.
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„Herrlich unprofessionell“ – Zur Authentifizierung von Geschichte(n) auf YouTube am Beispiel MrWissen2go (2012 – 2013) „Ihr seid schlecht in Geschichte? Von Politik habt ihr keine Ahnung? Und was in der Zeitung steht, habt ihr noch nie verstanden? Macht nichts, dafür habt ihr jetzt ja mich: garantiert mehr auf den Punkt als jede Dokumentation im Fernsehen und verständlicher als das, was eure Lehrer euch so erzählen.“¹ Mit diesen Worten begrüßt der Anfang 30-jährige Journalist Mirko Drotschmann alias MrWissen2go Besuchende auf seinem gleichnamigen YouTube-Kanal, auf dem er sowohl über (tages‐)politische als auch über geschichtliche Inhalte informiert.² Mit derzeit etwa 790.000 Follower*innen insgesamt mehr als 86.000.000 Videoaufrufen (Stand Oktober 2018) ist „MrWissen2go“ damit im deutschsprachigen Raum einer der bekanntesten und erfolgreichsten Kanäle zu diesen Themen. In der Annahme, dass Geschichte aus sich selbst heraus keine Allgemeingültigkeit beanspruchen kann, möchte ich hier fragen: Wie wird historisches Wissen auf „MrWissen2go“ durch die Figur MrWissen2go in Erscheinung gebracht und authentifiziert, d. h. beglaubigt? Wie lässt sich der Zusammenhang zwischen der Art der Präsentation und der Authentizität, d. h. der Glaubwürdigkeit der Inhalte auf „MrWissen2go“ näher bestimmen? Der analytische Fokus liegt dabei auf der Wissenspräsentation, um abschließend auf den Stellenwert der Rezeptionsforschung für die Frage nach der Authentizität dieses Wissens einzugehen.
1 Das Phänomen „MrWissen2go“ Nach dem Zivildienst 2006 war Mirko Drotschmann unter anderem als Moderator, Autor und Redakteur im Zeitungswesen und beim Rundfunk tätig. Von 2007 bis 2010 absolvierte er am Karlsruher Institut für Technologie parallel ein Bachelor-
MrWissen2go: Gestatten: Wissen2Go – Herzlich willkommen! https://www.youtube.com/ watch?v=OvtzcveUTY8 (25.05. 2018). Wenn im Folgenden der Kanal gemeint ist, spreche ich – in Anführungszeichen – von „MrWissen2go“. Auf die von Drotschmann verkörperte Rolle MrWissen2go beziehe ich mich ohne Anführungszeichen. https://doi.org/10.1515/9783110599497-007
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studium der Kulturwissenschaften und Geschichte. Anschließend moderierte er unter anderem für den Radiosender „N-Joy“, war von 2013 bis 2014 journalistischer Volontär beim SWR und außerdem Autor für die Kindernachrichten „logo“.³ Heute arbeitet Drotschmann als Autor, Produzent, Reporter und Moderator z. B. für die ARD, das ZDF, den MDR und die Bundeszentrale für politische Bildung. Parallel hierzu ist er vielen, zumeist jungen Menschen als Gesicht und Macher des Kanals „MrWissen2go“ bekannt, den er seit 2012, wie er sagt, als freizeitliche „Spielwiese“ betreibt.⁴ Sein gesellschaftlicher Einfluss äußerte sich auch daran, dass er 2017 zusammen mit drei anderen YouTubern im Vorfeld der Bundestagswahl die Kanzlerkandidierenden Angela Merkel und Martin Schulz interviewte.⁵ Im selben Jahr war Drotschmann mit „MrWissen2go“ in der Kategorie „Education & Science“⁶ für den Webvideopreis nominiert. Wie das einleitende Zitat verdeutlicht, richtet sich „MrWissen2go“ vornehmlich an Schüler*innen, die Probleme haben, dem Schulunterricht oder der massenmedialen Presseberichterstattung zu folgen bzw. hierfür eine kompakte Alternative suchen. In diesem Sinne besteht der Selbstanspruch des Kanals darin, historisch und politisch relevantes Wissen in seiner Komplexität zu reduzieren und der Zielgruppe verständlich zu vermitteln. Das auf dem Kanal als solches präsentierte „Allgemeinwissen zu aktuellen und historischen Themen“⁷ umfasst mittlerweile über 600 Videos und ist in unterschiedlichen Playlisten gruppiert.⁸ Auffällig ist, dass die Gestaltung der Videos seit etwa 2014 zunehmend professioneller geworden ist. Insbesondere die aktuelleren Beiträge unterscheiden sich in Video- und Bildqualität stark von jenen aus den Anfangsjahren des Kanals. Eine Erklärung hierfür mag sein, dass „MrWissen2go“ mittlerweile von Drotschmanns Firma „objektiv Media“ produziert wird und seit September 2017 Teil des
Mirko Drotschmann. https://www.xing.com/profile/Mirko_Drotschmann (08.05. 2018). Focusonline: MrWissen2Go: Intelligenz in Geld verwandeln – MrWissen2Go im Video. https:// www.youtube.com/watch?v=aA2gqqAsbcc (25.05. 2018). Die Interviews wurden unter dem Hashtag #DeineWahl auf YouTube live gestreamt und sind auch weiterhin verfügbar, s. Deine Wahl: #DeineWahl – YouTuber fragen Angela Merkel | Mit Ischtar Isik, AlexiBexi, MrWissen2go, ItsColeslaw. https://www.youtube.com/watch?v=Uq2zI zscPgY (25.05. 2018); Deine Wahl: #DeineWahl – YouTuber fragen Martin Schulz | Mit Marcel Scorpion, Nihan, MrWissen2go, ItsColeslaw. https://www.youtube.com/watch?v=Uc-_qYUELww (25.05. 2018). Education & Science 2017. Nominiert für den Kanal als Gesamtwerk: MRWISSEN2GO. https:// webvideopreis.de/de/2017/education-and-science/mrwissen2go (25.05. 2018). MrWissen2go: [Kanalbeschreibung]. https://www.youtube.com/user/MrWissen2go/about (25.05. 2018). Weitere Playlists sind z. B. „Faktenchecks“ und die Reihe „Die Wahrheit über…“, in der z. B. Missstände in großen Unternehmen oder anderen gesellschaftlichen Bereichen aufzeigt werden.
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Online-Medienangebots „funk“ von ARD und ZDF ist, das sich vornehmlich an Jugendliche und junge Erwachsene richtet.⁹ Zudem verlagerte sich der anfangs noch stärker geschichtliche Fokus des Kanals über die Zeit zunehmend auf andere von Drotschmann produzierte und moderierte Onlineformate: seit September 2015 auf „MDR ZEITREISE2go“¹⁰, den YouTube-Kanal von „MDR ZEITREISE“ und seit September 2016 auch auf „musstewissen Geschichte“ – ebenfalls ein Angebot von „funk“.¹¹ Gegenstand dieses Aufsatzes sind die Geschichtsvideos, die zwischen 2012 – also seit der Gründung des Kanals – und 2013 produziert wurden. Sie sind auf „MrWissen2go“ in den Playlisten „Geschichte“, „18. und 19. Jahrhundert“ sowie „20. Jahrhundert“ gruppiert und ergeben zusammen eine größere Gesamterzählung der Neuzeit. Im Mittelpunkt dieser 8 – 22-minütigen, teils konsekutiven Videos steht die Wissensvermittlung durch den als kumpelhaften Fachmann inszenierten Moderator, der frontal zu klassischen Lehrplanthemen wie der Französischen Revolution oder dem Kalten Krieg referiert. Daneben finden sich auch einige epochenübergreifende Videos zu Clickbait-Themen wie „fünf historische Sätze“, „fünf historische Geheimnisse“ oder auch „Die fünf größten Lügen der Geschichte“. Diese Videos sollen nicht nur Schüler*innen oder Student*innen ansprechen, also – wie Drotschmann selbst sagt – Leute, die sich mit Geschichte zwangsläufig auseinandersetzen müssen, sondern auch […] Leute, die sagen: Ich will mal unbedingt auf ’ner Party angeben, oder bei meinen Kumpels zeigen, was ich doch alles weiß. Und deswegen bietet sich eigentlich dieses Video ganz gut an. Ihr müsst euch nur so’n bisschen was merken und das demnächst erzählen und alle denken: wow, ist derjenige gebildet!¹²
Historisches Wissen wird in den einzelnen Videos strukturiert, größtenteils chronologisch und meist nach dem „‘Wie–es–gewesen–ist-‘ bzw. ‘So-war-esPrinzip‘“¹³ erzählt. Vielfach wird dabei die Überblickshaftigkeit der Darstellung
MrWissen2go: [Kanalbeschreibung]; Objektiv Media: Über uns. https://www.objektiv-media. de/ueber-uns/ (25.05. 2018). MDR ZEITREISE2go. https://www.youtube.com/channel/UCFxgCHRLXmaW3YUyDsikoSw (09.09. 2018). Mussstewissen Geschichte. https://www.youtube.com/channel/UCsVWpmoRsNAWZb59b6Pt 9Kg/featured (01.10. 2018). Zu einer genaueren Analyse des Kanals siehe den Beitrag von Judith Übing in diesem Band. MrWissen2go: wissen2go: Die fünf größten Lügen der Geschichte. https://www.youtube.com/ watch?v=vMmqCgWC1ks (25.05. 2018). John, Anke: Wissen2go – Teacher-Centered Instruction on YouTube/ Wissen2go – Frontalunterricht auf YouTube. In: Public Histroy Weekly 5 (2017) 25. https://public-history-weekly.de gruyter.com/5-2017-25/wissen2go-teacher-centered-instruction-on-youtube/ (25.05. 2018).
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betont, verbunden mit der Einladung, sich über die in der Infobox bereitgestellten Links weiter einzulesen. Diese führen etwa zu entsprechenden Beiträgen von „Planet Wissen“, „Geo Epoche“ oder „SPIEGEL TV“; teilweise werden darüber hinaus auch Spielfilme empfohlen.¹⁴ Der Vorstellung eines konstativen Allgemeinwissens zu historischen Themen, wie es MrWissen2go vermitteln will, möchte ich im Folgenden mit einer konstruktivistischen Lesart von Geschichte begegnen, um vor diesem Hintergrund zu fragen, wie Wissen auf „MrWissen2go“ präsentiert und beglaubigt wird.
2 Geschichte(n) erzählen auf YouTube Historisches Denken ist nicht identisch mit Vergangenheit, sondern nachgeordnet auf diese bezogen. Es lässt sich fassen als eine retrospektive Deutungsleistung, der in aller Regel ein Orientierungsbedürfnis – auch für die Zukunft – zugrunde liegt.¹⁵ In diesem Sinne ist Geschichte immer eine gegenwartsbezogene Konstruktion der Vergangenheit bzw. eine vergangenheitsbezogene Konstruktion in der Gegenwart. Durch Geschichte wird Vergangenes sinnvoll gemacht und nicht selten ist damit auch die (öffentliche) Kommunikation von entsprechenden Vergangenheitsdeutungen verbunden.¹⁶ Dies lenkt den Blick auf den performativen Charakter von Geschichte, deren soziale Bedeutung im Rahmen einer Geschichtskultur erst dadurch entsteht, dass sie von Akteur*innen in unterschiedlichen Praxen hervorgebracht und von anderen wahrgenommen wird. Um vor diesem Hintergrund in verschiedensten Kommunikationsprozessen überhaupt präsentier-, rezipier- und verhandelbar zu sein, ist Geschichte darauf angewiesen, „erzählt“, d. h. medialisiert zu werden¹⁷ –
MrWissen2go: wissen2go: Der Erste Weltkrieg (Zusammenfassung). https://www.youtube. com/watch?v=uQRjLh1Mrqc (02.06. 2018). In diesem Video wird z. B. Delbert Manns Verfilmung von Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues von 1979 empfohlen, in der man „quasi am Schicksal eines Einzelnen [sieht], wie der Erste Weltkrieg abgelaufen ist.“ Rü sen, Jörn: Grundzüge einer Historik, Bd. 1: Historische Vernunft. Die Grundlagen der Geschichtswissenschaft. Gö ttingen 1983, S. 53 f. Jaeger, Friedrich: Geschichtstheorie. In: Geschichte. Ein Grundkurs. Hrsg. von Hans-Jürgen Goertz. 3. Aufl., Reinbek bei Hamburg 2007, S. 796 – 827, hier S. 803 – 807; Norden, Jörn van: Was machst du für Geschichten? Didaktik eines narrativen Konstruktivismus. Freiburg 2011, S. 263. Logge: Public History, S. 145, 151 f.; Crivellari, Fabio [u. a.]: Einleitung: Die Medialität der Geschichte und die Historizität der Medien. In: Die Medien der Geschichte. Historizität und Medialität in interdisziplinärer Perspektive. Hrsg. von Dies. Konstanz 2004, S. 9 – 45, hier S. 20 f.; Barricelli, Michele: Narrativität. In: Handbuch Praxis des Geschichtsunterrichts, Bd. 1. Hrsg. von Ders. u. Martin Lücke. Schwalbach/Ts. 2012, S. 255 – 280, hier insbesondere S. 257; Pandel, Hans-
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sei es in gesprochen-sprachlicher, schriftlicher, audiovisueller oder auch monumentaler Form: „Die erinnerungskulturell wirk- und bedeutsamen Vergangenheiten [gemeint sind die Narrative über Vergangenheit, Anm. BR] sind damit den Medien nicht äußerlich. Sie sind mediale Konstrukte. Deshalb sind sie nicht falsch oder unwirklich; Medialität stellt vielmehr die Bedingung der Möglichkeit des kollektiven Bezugs auf zeitliche Prozesse dar.“¹⁸ Die unterschiedlichen „Geschichtssorten“¹⁹, d. h. die in Medien präsentierten historischen Narrative und Narrativierungen sind soziokulturell gerahmt und arbeiten in der Regel mit Formen von Authentifizierungen, um ihre Inhalte zu beglaubigen.²⁰ So kommen z. B. historiografische Abhandlungen kaum ohne Fußnoten oder ähnliche Belegsysteme aus, die das Geschriebene glaubwürdig, aber auch überprüfbar machen sollen.²¹ Das „Bauprinzip des dokumentarischen Kompilationsfilms“²² etwa setzt hingegen vorrangig auf den Einsatz von Originalquellen und -schauplätzen sowie die Inszenierung von Zeitzeug*innen, um das jeweilige Narrativ zu authentifizieren.²³ Authentisch zu sein ist also keine Evidenz, die bestimmten Phänomenen bereits inhärent wäre, sondern eine, die ihnen in sozialen Praxen zu- bzw. abgesprochen wird. Authentizität selbst wird dabei idealtypisch in zweierlei Hinsicht gedeutet: zunächst, als eine materielle bzw. Objektauthentizität, was auch
Jürgen: Geschichtskultur. In: Handbuch Praxis des Geschichtsunterrichts, Bd. 1. Hrsg. von Barricelli, Michele u. Martin Lücke. Schwalbach/Ts. 2012, S. 147– 159; s. auch: Brandis, Rüdiger: Tagungsbericht: HT 2016: Wie es wirklich war – Repräsentationen von Geschichte im öffentlichen Raum. Wege zu einem geschichtswissenschaftlichen Forschungsprogramm in der Public History, 20.09. 2016 – 23.09. 2016 Hamburg. www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-6773 (25.05. 2018). Erll, Astrid: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Eine Einführung. 2. Aufl., Stuttgart/Weimar 2011, S. 138. Logge, Thorsten: „History Types“ and Public History/„Geschichtssorten“ und Public History. In: Public History Weekly 6 (2018) 24. https://public-history-weekly.degruyter.com/6 – 2018 – 24/hi story-types-and-public-history/ (09.10. 2018). Vgl. Arendes, Cord: Public History und die Inszenierung von Quellen mit Mitteln des Theaters. In: Geflüchtet – Unerwünscht – Abgeschoben. Osteuropäische Juden in der Republik Baden (1918 – 1923). Hrsg. von Nils Steffen u. Cord Arendes. Heidelberg 2016, S. 13 – 24, hier S. 17; Sabrow, Martin u. Saupe, Achim [u. a.]: Historische Authentizität. Zur Kartierung eines Forschungsfeldes. In: Historische Authentizität. Hrsg. von Dies. Göttingen 2016, S. 7– 28. S. hierzu etwa: Grafton, Anthony: Die tragischen Ursprünge der deutschen Fußnote. München 1998. Schlanstein, Beate: Echt wahr! Annäherungen an das Authentische. In: Alles authentisch? Popularisierung der Geschichte im Fernsehen. Hrsg. von Thomas Fischer u. Rainer Wirtz. Konstanz 2008, S. 205 – 225, hier S. 208. Schlanstein: Echt wahr! (wie Anm. 22), S. 208.
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die damit verbundenen Authentifizierungs-Techniken miteinschließt.²⁴ Mit diesem Fokus lässt sich z. B. untersuchen, inwiefern die „Echtheit“ von musealen Exponaten auf deren Präsentation und Inszenierung als vermeintlich authentische Objekte gründet(e).²⁵ Neben seiner materiellen Implikation wird aber auch die Subjektbezogenheit des Authentizitätsbegriffs betont, „die nicht nur die Treue zum Selbst, sondern darüber hinaus auch die autoritative Deutung und Interpretation eines Autors oder einer Autorität umfassen kann“.²⁶ Authentisch in diesem Sinne ist, wer als unverfälschte Persönlichkeit bzw. wessen Erzählung (daher) als glaubwürdig wahrgenommen wird. Obwohl auch „MrWissen2go“ gelegentlich mit Materialbezug arbeitet oder seine Videos an historischen Orten produziert,²⁷ ist die Wissensvermittlung in den Videos maßgeblich personenbezogen: Der darin größte „Authentizitätsanker“²⁸ ist der Moderator selbst. Er bringt die Geschichte(n) in Erscheinung und wirbt durch die Inszenierung seiner Person für deren Glaubwürdigkeit – eine Strategie, die auf YouTube nicht ungewöhnlich ist. Das Online-Video-Archiv YouTube zeichnet sich wesentlich durch zwei Funktionen aus: Erstens erlaubt es angemeldeten User*innen prinzipiell, audiovisuelle Inhalte kostenlos und dauerhaft auf dem eigenen Kanal zu veröffentlichen.²⁹ Diese können anschließend auch ohne Anmeldung über ein (mobiles) Endgerät aufgerufen werden. Angemeldeten User*innen bietet YouTube zweitens die Möglichkeit, sich durch „Likes“ oder Kommentare (öffentlich) zu den bereitgestellten Inhalten zu verhalten und sich mit anderen darüber auszutauschen. Zudem können sie auch Kanäle abonnieren, um deren Inhalten dauerhaft zu folgen. Auf diese Weise entstehen Netzwerke, in denen die Glaubwürdigkeit der veröffentlichten Inhalte stark von der wahrgenommenen (Subjekt‐)Authentizität ihrer Produzent*innen abhängt.
Sabrow [u. a.], Authentizität (wie Anm. 20), S. 8. Siehe hierzu z. B. Gröpl, Myriam: Echte Objekte? Die Sammlung des Hamburger Museums für Völkerkunde und die Frage nach Authentizität 1904 bis 1919. München 2016 (Beiträge zur Geschichtswissenschaft; Reihe Hamburger postkoloniale Studien 4). Sabrow [u. a.], Authentizität (wie Anm. 20), S. 8. So z. B. im Video zur Russischen Revolution. MrWissen2go: wissen2go: Die Russische (Oktober‐) Revolution 1917. https://www.youtube.com/watch?v=2VivDHskgm4 (02.06. 2018). Keller, Kathrin: Der Star und seine Nutzer. Starkult und Identität in der Mediengesellschaft. Bielefeld 2008 (Cultural Studies 8), S. 230. S. auch: Hägele, Ulrich: Video-Wissen. Audio-visuelle Praxen auf YouTube. In: Berliner Blätter | Ethnographische und ethnologische Beiträge 67 (2014) (Themenheft: Objekt, Bild und Performance. Repräsentationen ethnographischen Wissens), S. 41– 54, hier S. 50 f.
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Um dem „Leitbild der Authentizität“³⁰ gerecht zu werden und dadurch möglichst viele Menschen aus der Zielgruppe zu erreichen, ist die Präsentation einer eigenen „echten“ Persönlichkeit und das Offenlegen von persönlichen Informationen daher von großer Bedeutung³¹: „Nur wer etwas von sich (mit‐)teilt, wird sichtbar und erlaubt es anderen, darauf zu reagieren und in eine Konversation einzutreten.“³² Auch Mirko Drotschmann ist als MrWissen2go bestrebt, sich auf persönlicher Ebene und so „authentisch“ wie möglich zu präsentieren, um seiner Zielgruppe die Inhalte in einer vertrauenswürdigen Atmosphäre zu vermitteln. Ein bentoArtikel zitiert ihn: „Ich versuche eine authentische Sprache zu benutzen; also so zu sprechen, wie ich es sonst auch tun würde. Menschen mögen es, wenn etwas echt wirkt.“³³ An anderer Stelle betont er: „Youtuber sind oft Vorbilder, sind bester Kumpel, großer Bruder und Ersatzelternteil in einem.“³⁴ Wie findet eine derart gerahmte Wissenspräsentation auf „MrWissen2go“ im Einzelnen statt?
3 „Herrlich unprofessionell“ – Wissen in Erscheinung bringen In seinem ersten Video, das er im Mai 2012 veröffentlichte, tritt MrWissen2go in lockerer Sprache als sympathischer, selbstironischer und vor allem kostenloser Nachhilfelehrer auf ³⁵: „Ich werde euch bei dem helfen, auf das ihr keinen Bock habt, nämlich beim Müllrausbringen! – Nee, das könnt ihr selber. Ich werde euch in der Schule helfen!“³⁶ Seine Motivation liegt nach eigenen Angaben darin, dass er ein solches Angebot zu seiner Schulzeit selbst gebraucht hätte, weil er „eben kein Streber war“³⁷. Das Angebot des Kanals begründet Drotschmann also mit seiner eigenen Betroffenheitsgeschichte und adressiert es primär an ein schulisch überfordertes
Schmidt, Jan-Hinrik: Social Media. 2. Aufl., Wiesbaden 2018, S. 31. Schmidt, Social Media (wie Anm. 30), S. 31– 34. Schmidt, Social Media (wie Anm. 30), S. 31. Mayer, Bianca Xenia: Hauptsache authentisch? Social-Media-Stars verraten ihre Erfolgsstrategie. http://www.bento.de/gadgets/erfolg-auf-snapchat-instagram-youtube-mrwissen2go-undduygu-gezen-verraten-ihre-strategie-544685/ (25.05. 2018). 10 Jahre Youtube. https://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/computer_nt/arti cle137435654/10-Jahre-Youtube.html (25.05. 2018). MrWissen2go: Los geht’s! https://www.youtube.com/watch?v=yvWybc_O1Ms (25.05. 2018). MrWissen2go, Los geht’s! (wie Anm. 35). MrWissen2go, Los geht’s! (wie Anm. 35).
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und daher demotiviertes Publikum. Dabei bemüht er gängige Klischees: Geschichte sei eines der Fächer, „die eigentlich immer nur stören“, in dem man „leider immer lauter Jahreszahlen auswendig können muss“ und das bei allem Lernaufwand für die „wichtigen“ Fächer wie Mathematik, Englisch oder Französisch häufig zu kurz komme.³⁸ Aber, so MrWissen2go: „Man muss es halt machen“ und „es gibt nichts Einfacheres, als ’ne gute Note zu bekommen in den sogenannten geisteswissenschaftlichen Fächern.“³⁹ Die Themen seien gar nicht so schwer zu lernen, sofern man die Zusammenhänge kenne. Eben diese sollen in seinen Videos vereinfacht und pointiert geliefert werden, was wohl auch der hauptsächliche Grund für den Erfolg des Kanals ist: „Das heißt, ihr schaut ein Video von mir, bevor ihr ’ne Arbeit schreibt und schon müsst ihr weniger lernen – das verspreche ich euch auf jeden Fall.“⁴⁰ Zu diesem Zweck sollen die Videos in Kombination mit den in den Infoboxen der jeweiligen Videos bereitgestellten schriftlichen Zusammenfassungen „das Wesentliche“⁴¹ zum jeweiligen Thema liefern. In aller Regel zeigen die Videos auf „MrWissen2go“ allein den Moderator in heimischer Kulisse, z. B. in seinem Wohnzimmer, am Schreibtisch oder vor einer Bücherwand. Dabei wird immer wieder die Dürftigkeit der personellen und technischen Produktionsbedingungen thematisiert. Diese reichen von einem müden Moderator⁴² über ungünstige Lichtverhältnisse⁴³ bis hin zum Fehlen einer ansprechenden Bild- und Tonästhetik: „Das liegt daran, dass ich zu faul bin, mich einzuarbeiten, wie man irgendwelche grafischen Dinge gestaltet […] und ich muss mich entschuldigen dafür, dass die Akustik hier nicht so gut ist.“⁴⁴ Und so wird die Erklärung des politischen Systems des Kaiserreichs um 1871 anstelle von aufwändig produzierten Grafiken stattdessen mit Figuren der Schlümpfe visualisiert – mit Papa Schlumpf als Kaiser Wilhelm I.,⁴⁵ der dann im Video zur Weimarer Republik als Reichspräsident Hindenburg erneut herhalten muss. Diese kreative Art der behelfsmäßigen Präsentation ist teilweise schon zu einer Art
MrWissen2go, Los geht’s! (wie Anm. 35). MrWissen2go, Los geht’s! (wie Anm. 35). MrWissen2go, Los geht’s! (wie Anm. 35). MrWissen2go, Los geht’s! (wie Anm. 35). MrWissen2go: wissen2go: Zweiter Weltkrieg – Die „Machtergreifung“. https://www.youtube. com/watch?v=9iZyfMzUW7I (25.05. 2018). MrWissen2go: wissen2go: Fünf historische Sätze 2 go. https://www.youtube.com/watch?v= z63EudDfM08 (25.05. 2018). MrWissen2go, Los geht’s! (wie Anm. 35). MrWissen2go: Otto von Bismarcks Innenpolitik/ Das Kaiserreich erklärt. https://www.youtu be.com/watch?v=5xoP-9TPIEw (25.05. 2018).
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Markenzeichen geworden. Von Stern.de wurde „MrWissen2go“ im Juli 2015 z. B. wohlmeinend mit dem Prädikat „[h]errlich unprofessionell“ versehen.⁴⁶ Neben den vermeintlichen technischen Defiziten hebt der Moderator (vor seinem Bücherregal sitzend) aber auch die eigene persönliche Kompetenz hervor: „[D]as kann ich voller Stolz sagen: Ich bin auch ein studierter Mensch! Ich habe Geschichte studiert, bin zwar jetzt nicht […] vom Beruf her Historiker – ich bin Journalist – aber ich weiß trotzdem ein bisschen […] [über] Geschichte Bescheid, und was ich nicht weiß, das steht dahinten unter anderem in diesem Bücherregal. […] Also, ich werde euch nicht einfach irgendwas erfinden, sondern das hat alles Hand und Fuß – hoffentlich… Also, ihr könnt euch sicher sein, wenn ich etwas erzähle, stimmt das auch – sage ich jetzt einfach mal so. Wenn nicht, dann Asche auf mein Haupt!“⁴⁷
Trotz Betonung der eigenen akademischen Qualifikation wird hier verdeutlicht: Auch studierte Menschen sind fehlbar. Auf diese Weise grenzt sich MrWissen2go von der Vorstellung einer akademisch und didaktisch verbürgten Allwissenheit ab, um die eigene Wissensvermittlung und das Verhältnis zum Publikum trotz Wissensvorsprüngen zu enthierarchisieren. Um dies auch optisch abzubilden, werden mit Autorität verbundene Kleidungsstücke persifliert: „[W]ie ihr seht: Ich bin sehr seriös gekleidet, ich trage ein Sakko, wie es euer Lehrer auch tut und sitze nicht mehr vor einer Bücherwand, sondern auf der Couch.“⁴⁸ Kleidung dient MrWissen2go auch dazu, seine Rolle als Nachhilfelehrer von der Vorstellung des autoritären Lehrers abzugrenzen, z. B. wenn er in Sportjacke („mein Studiendress“) von seinem Studium erzählt⁴⁹ oder am Schreibtisch sitzend darauf hinweist, dass er unter dem Sakko eine kurze Hose trägt.⁵⁰ Der jugendlichen Zielgruppe wird kommuniziert: ‚Ich bin einer von euch!‘ und damit der Anspruch einer Wissensvermittlung auf Augenhöhe formuliert. Die suggerierte persönliche Nähe zum Moderator wird verstärkt durch Videos, die einen Blick hinter die Kulissen versprechen bzw. in denen MrWissen2go etwas über sich selbst erzählt. In einem Video z. B. begrüßt der noch verschlafene MrWissen2go seine User*innen, um sie anschließend einen Tag lang an seiner
Jauch, Matthias u. Beke Detlefsen: Wie Youtube Politik serviert. https://www.stern.de/digital/ youtube-so-informieren-sich-jugendliche-ueber-politik-6341710.html (25.05. 2018). MrWissen2go, Los geht’s! (wie Anm. 35). MrWissen2go: wissen2go: Absolutismus/ Ludwig XIV. von Frankreich. https://www.youtube. com/watch?v=sXoni7ozwlQ (25.05. 2018). MrWissen2go: wissen2go: Mein Studium (Geschichte) https://www.youtube.com/watch?v= 8ctQVH-r1 l8 (25.05. 2018). MrWissen2go, wissen2go: Fünf historische Sätze 2 go (wie Anm. 43).
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journalistischen Arbeit im heimischen Büro teilhaben zu lassen.⁵¹ In anderen erläutert er, was er bei der Arbeit außer Haus in seiner Tasche mit sich trägt,⁵² wie er überhaupt zum freien Journalist wurde,⁵³ wie er sich selbst zum Arbeiten motiviert⁵⁴ und dass er zwar gerne zur Schule ging, bei den Lehrpersonen jedoch eher unbeliebt war.⁵⁵ All diese Videos, so wird gesagt, sind als Reaktion auf entsprechende Anfragen von User*innen entstanden. Dies lenkt den Blick auf die Funktionen, die YouTube MrWissen2go bietet, um sich mit seinem Publikum auszutauschen und es z. B. aufzufordern, sich zu den von ihm präsentierten Inhalten zu äußern. Es bleibt also nicht bei einer einseitigen Präsentation von Vergangenheitsdeutungen, die ihre Rezipierenden, wie z. B. eine Geschichtsdokumentation im Fernsehen, zunächst „allein“ lässt. Als responsives Medium ermöglicht es YouTube den Zuschauer*innen unmittelbar auf der Plattform selbst auf das jeweils Gesehene und Gehörte zu reagieren, d. h. dazu zustimmend, fragend, ergänzend oder auch kritisch Stellung zu beziehen. In puncto Reichweite und Sichtbarkeit lässt sich hier allerdings einwenden, dass einem einzelnen geschriebenen Kommentar, der sich zwischen teilweise über 1.000 anderen Kommentaren im Bereich unter den Videos einreihen muss, kaum eine ähnliche visuelle Präsenz zukommt wie den sehr viel stärker dominierenden Videos selbst.⁵⁶ Wenn MrWissen2go aber wiederholt Interesse an der Reaktion auf die von ihm präsentierten Inhalt bekundet, gibt er damit nichtsdestotrotz zu verstehen, dass er den persönlichen Austausch und das Gespräch mit den User*innen sucht. Er präsentiert seine Vergangenheitsdeutungen nicht nur, sondern stellt diese gleichzeitig aktiv zur Disposition und eröffnet Diskussionsräume. Wenn er dann auch öffentlich auf die Nachrichten und Kommentare antwortet und Videos zu
MrWissen2go: Follow Me Around: Mein Job. https://www.youtube.com/watch?v=nLF0mRew-U (25.05. 2018). MrWissen2go: wissen2go: Das Taschen-Geheimnis. https://www.youtube.com/watch?v=LOUj78Gay0&index=14&list=PL2 A74 A79B28E60F32 (25.05. 2018). MrWissen2go: wissen2go: Wie wird man eigentlich Journalist? https://www.youtube.com/ watch?v=VKdqkKzedfU (25.05. 2018). MrWissen2go: Hintern hoch! – Fünf Tricks, um sich zu motivieren. https://www.youtube.com/ watch?v=J9KuZhTMDP4 (25.05. 2018). MrWissen2go: wissen2go: Meine Schulgeschichten. https://www.youtube.com/watch?v= dju2DDLNcdE (25.05. 2018). Auf seinen anderen offiziellen Social-Media-Kanälen (Facebook, Instagram, Twitter) postet MrWissen2go zudem auch aktuelle Informationen und Bilder aus seinem beruflichen und privaten Alltag. Außerdem gibt es auch Videos, bei denen die Kommentarfunktion gesperrt wurde. Dies betrifft die Videos zum Ersten und Zweiten Weltkrieg. Der Schluss liegt nahe, dass durch diesen Schritt hate spreech vorgebeugt werden soll.
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eingereichten Themenvorschlägen produziert, signalisiert er damit, dass er seine User*innen ernst nimmt. Er zeigt, dass ihm etwas an der Interaktion und an der Pflege seines persönlichen Netzwerkes liegt. Auf „MrWissen2go“ ist es maßgeblich die Inszenierung des Moderators als unverfälschte und private Person und die persönliche Kommunikation mit dem Publikum, die eine Authentifizierung des präsentieren Wissens sicherstellen sollen. Das Ziel im folgenden Abschnitt ist es, den Zusammenhang zwischen dieser Art der Präsentation und der damit verbundenen Authentifizierung der Inhalte näher zu bestimmen, indem MrWissen2go als ein Zeuge seiner eigenen Erzählung(en) hergeleitet wird.
4 „Dafür bürge ich mit meinem Namen“ – MrWissen2go als Zeuge seiner Erzählung(en) Bei der Kulturtechnik des Zeugnisablegens handelt es sich grundsätzlich um einen performativen Akt, um eine sozial gerahmte Hervorbringung von Erinnerung, die „nach außen gerichtet und auf Adressaten angewiesen ist.“⁵⁷ Ein wesentliches Kriterium für Zeug*innenschaft im engeren Sinne ist, dass die jeweilige Person das Geschehen, von dem sie anderen berichtet, selbst erlebt hat.⁵⁸ In der Geschichtswissenschaft gilt dies z. B. für (Zeit‐)Zeug*innen. Es gibt aber auch ein erweiteres Verständnis des Zeugen,⁵⁹ das sich ableitet aus den „zahllosen informellen oder natürlichen Zeugnisse[n], die wir tagtäglich geben und empfangen; dazu gehören banale Zeit- und Wegauskünfte ebenso wie elaborierte Expertenurteile, vor allem aber die allgegenwärtigen medialen Berichte in Massenmedien wie Presse, Rundfunk, Fernsehen und Internet.“⁶⁰ Diese „schwache Version des
Assmann, Aleida: Vier Grundtypen von Zeugenschaft. In: Zeugenschaft des Holocaust. Zwischen Trauma, Tradierung und Ermittlung. Hrsg. von Michael Elm u. Gottfried Kößler. Frankfurt am Main/New York 2007, S. 33 – 51, S. 34. Gooskens, Geert: Das Jahrhundert des Zeugen? Fernsehen und Zeugenschaft. In: Politik der Zeugenschaft. Zur Kritik einer Wissenspraxis. Hrsg. von Sibylle Schmidt, Sybille Krämer u. Ramon Voges. Bielefeld 2011, S. 141– 155, hier S. 154 f.; Krämer, Sybille: Medium, Bote, Übertragung. Kleine Metaphysik der Medialität. Frankfurt am Main 2008, S. 269 f.; s. auch: Assmann, Grundtypen (wie Anm. 57), S. 39 – 41. Im Laufe der Argumentation wird MrWissen2go als Zeuge seiner eigenen Erzählung(en) hergeleitet. Die Benennung von Zeug*innenschaft beschränkt sich deshalb im Folgenden auf die maskuline Form. Scholz, Oliver R.: Das Zeugnis anderer – Sozialer Akt und Erkenntnisquelle. In: Politik. Hrsg. von Sybille Schmidt [u. a.] (wie oben), S. 23 – 45, hier S. 27 [Hervorhebungen im Original].
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Zeugnisgebens“⁶¹ legt nahe, dass der Zeuge bei dem, was er bezeugt, gar nicht selbst dabei gewesen sein muss: Er muss zunächst nur über ein Wissen verfügen, dass sein Publikum nicht hat und ihm dieses glaubwürdig machen. Dies kann insofern schwieriger sein, als dass dem Zeugen ein bestimmter Dualismus anhaftet, der in der potentiellen Fehlbarkeit seiner Aussagen begründet ist: Einerseits soll er ein wahres und unverzerrtes Bild dessen wiedergeben, was er bezeugt. Andererseits können seine Aussagen aber auch nie vollends depersonalisiert und damit letztgültig verifiziert werden.⁶² Dies betont auch MrWissen2go in einem Video vom Juli 2016: „Niemand ist objektiv, ich auch nicht. Kein Mensch ist objektiv! Wir sind von Anfang an, von unserer Kindheit an geprägt, durch unsere Kultur, durch verschiedene Einflüsse, durch Menschen, und diese Prägung, die ist immer in unserem Kopf, und egal, was wir machen, was wir denken, was wir tun, das bestimmt unser Handeln.“⁶³ Wie Sybille Krämer und Ramon Voges hervorheben, ist es dieses „epidemische […] Dilemma“, das den Zeugen zwingt, für das von ihm und durch ihn Bezeugte mit seiner eigenen Person einzustehen.⁶⁴ Die selbstreferenzielle Bürgschaft steht dabei für die Glaubwürdigkeit des Bezeugten und proklamiert dessen Wahrheitsanspruch. Eine besondere Rolle spielt dabei wiederum die mediale Inszenierung von Subjektauthentizität, verstanden als verkörperte (Selbst‐)Darstellung eines vermeintlich echten, unverstellt natürlichen und daher puren Selbst.⁶⁵ Je authentischer die Präsentation der Person des Zeugen ist, desto glaubwürdiger wirkt das, was er von sich gibt. Worin aber äußert sich letzten Endes die authentische Darstellung und wie trägt die Medialität von YouTube dazu bei? Krämer betont, dass die erfolgreiche Wissensübertragung zwischen Zeuge und Zuhörenden grundsätzlich auf zwei Bedingungen angewiesen ist: „auf die Übertragung von Wahrnehmung und/oder Wissen seitens des Zeugen einerseits und auf das Schenken von Vertrauen und Glauben seitens der Hörer andererseits.“⁶⁶ Die Bedingung der Möglichkeit einer Übertragung von Wissen durch den Zeugen, so Krämer, liegt in dem Umstand,
Krämer, Sybille: Vertrauenschenken. Über Ambivalenzen der Zeugenschaft. In: Politik. Hrsg. von Sybille Schmidt [u. a.] (wie oben), S. 117– 149, hier S. 138. Krämer, Medium (wie Anm. 58), S. 237–240. MrWissen2go: Die Wahrheit über MrWissen2go. https://www.youtube.com/watch?v=TmAjpSt EtyQ (25.05. 2018). Krämer, Sybille u. Voges, Ramon: Einleitung. In: Politik. Hrsg. von Sybille Schmidt [u. a.] (wie oben), S. 7– 20, hier S. 17. Saupe, Achim: Authentizität, Version 3.0. http://docupedia.de/zg/saupe_authentizitaet_v3_ de_2015 (02.06. 2018). Krämer, Medium (wie Anm. 58), S. 260 [Hervorhebungen im Original].
Zur Authentifizierung von Geschichte(n) auf YouTube
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dass ihm geglaubt und vertraut wird: „Nur weil und insofern Hörer einem Zeugen Vertrauen schenken, kann das, was er sagt, als eine wahre Aussage gelten, die den Hörern ein Wissen ›gibt‹, das sie zuvor nicht besessen haben.“⁶⁷ Für die Glaubwürdigkeit des von ihm präsentierten Wissens wirbt MrWissen2go explizit, wenn er z. B. angibt: „Diese Informationen […] sind vertrauenswürdig. Dafür bürge ich mit meinem Namen.“⁶⁸ Deutet man ihn vor diesem Hintergrund nun als Zeugen seiner eigenen Erzählung, wäre das, was sie beglaubigen soll, die Darstellung der eigenen Person als eine, auf deren Aussage man sich verlassen kann. Hieran wird nun eines deutlich: MrWissen2go kann seine eigene Glaubwürdigkeit niemals selbst herstellen. Er kann diese höchstens durch strategische, d. h. in erster Linie zielgruppenspezifische Darstellung seiner Inhalte und seiner Person begünstigen. Ob das von ihm hervorgebrachte Wissen letztlich glaubwürdig ist, hängt jedoch von der (bewussten oder unbewussten) Überzeugung des Publikums in die Vertrauenswürdigkeit seiner Person ab. Die Adressat*innen sind somit integraler Bestandteil des Bezeugens, sie bestimmen letztlich über die Authentizität der Darstellung, die MrWissen2go selbst immer bloß authentifizieren kann.⁶⁹
5 Schlussbetrachtung Eine amateurhaft anmutende Videoproduktion, das Bemühen um eine hierarchiefreie Vermittlung und Verhandlung der Inhalte sowie die persönliche Kommunikationsebene bei gleichzeitiger Betonung der eigenen fachlichen Kompetenz: Dies macht die Authentifizierung der Geschichtsvideos des medienkompetenten und journalistisch geschulten Moderators Mirko Drotschmann auf „MrWissen2go“ aus. Als MrWissen2go präsentiert er sich als problembewusste und lösungsorientierte One-Man-Show, in der Schüler*innen Nachhilfe in Geschichte (und Politik) in Form von eines Frontalvorträgen auf Augenhöhe gegeben wird. Das in den untersuchten Videos als solches präsentierte Allgemeinwissen zu historischen Themen zeichnet sich dadurch aus, dass es kompakt, scheinbar unkontrovers und leicht affirmierbar ist, um in schulischen und anderen gesellschaftlichen Kontexten gewinnbringend nacherzählt werden zu können. Der Erfolg des Kanals deutet darauf hin, dass dieses Konzept einer kostenlosen Krämer, Medium (wie Anm. 58), S. 226 f. MrWissen2go: wissen2go: Richtig googlen. https://www.youtube.com/watch?v= m5X9bMWdvhY&list=PL2 A74 A79B28E60F32&index=19 (25.05. 2018). Krämer, Medium (wie Anm. 58), S. 252.
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Dienstleistung für Komplexitätsreduktion aufgeht. Es wäre insbesondere nach Rückschlüssen zu fragen, die sich diesbezüglich auf schulischen Geschichtsunterricht ziehen lassen: Begegnet MrWissen2go einem Bedürfnis nach einfachen und authentisch(er) vermittelten Geschichtsbildern, das im Schulunterricht nicht ausreichend befriedigt wird? Oder reproduziert der Kanal bloß ein Verständnis von Geschichte, das dem in schulischen Kontexten entspricht, um es dann lediglich pointierter und „authentischer“ zu vermitteln? Was bedeutete dies in Bezug auf den Anspruch von Geschichtsunterricht, Schüler*innen zu eigenem Denken zu befähigen? In diesem Zusammenhang stellte sich zudem noch eine allgemeinere Frage: Welche Art der Darstellung ist letztlich überhaupt für wen und unter welchen Umständen authentisch? Wie deutlich wurde, ist eine Antwort auf diese Frage nur durch empirische Untersuchungen, d. h. durch Rezeptionsforschungen zu klären. Vor diesem Hintergrund wäre auch zu diskutieren, ob es sich bei den sogenannten Authentizitätsankern nicht eher um Authentizitätsankerplätze handelt. Denn, – um in der Metapher zu bleiben – ein Platz zum Ankern kann das MrWissen2go jeweils nur anbieten, ob letztlich geankert wird, entscheidet sich auf Seiten des Publikums.
Literatur 10 Jahre Youtube. https://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/computer_nt/ article137435654/10-Jahre-Youtube.html (25. 05. 2018). Arendes, Cord: Public History und die Inszenierung von Quellen mit Mitteln des Theaters. In: Geflüchtet – Unerwünscht – Abgeschoben. Osteuropäische Juden in der Republik Baden (1918 – 1923). Hrsg. von Nils Steffen u. Cord Arendes. Heidelberg 2016, S. 13 – 24. Assmann, Aleida: Vier Grundtypen von Zeugenschaft. In: Zeugenschaft des Holocaust. Zwischen Trauma, Tradierung und Ermittlung. Hrsg. von Michael Elm u. Gottfried Kößler. Frankfurt am Main/New York 2007, S. 33 – 51. Barricelli, Michele: Narrativität. In: Handbuch Praxis des Geschichtsunterrichts, Bd. 1. Hrsg. von Ders. u. Martin Lücke. Schwalbach/Ts. 2012, S. 255 – 280. Brandis, Rüdiger: Tagungsbericht: HT 2016: Wie es wirklich war – Repräsentationen von Geschichte im öffentlichen Raum. Wege zu einem geschichtswissenschaftlichen Forschungsprogramm in der Public History, 20. 09. 2016 – 23. 09. 2016 Hamburg. www. hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-6773 (25. 05. 2018). Crivellari, Fabio, Kay Kirchmann, Marcus Sandl u. Rudolf Schlögl: Einleitung: Die Medialität der Geschichte und die Historizität der Medien. In: Die Medien der Geschichte. Historizität und Medialität in interdisziplinärer Perspektive. Hrsg. von Dies. Konstanz 2004, S. 9 – 45. Deine Wahl: #DeineWahl – YouTuber fragen Angela Merkel | Mit Ischtar Isik, AlexiBexi, MrWissen2go, ItsColeslaw. https://www.youtube.com/watch?v=Uq2zIzscPgY (25. 05. 2018) Deine Wahl: #DeineWahl – YouTuber fragen Martin Schulz | Mit Marcel Scorpion, Nihan, MrWissen2go, ItsColeslaw. https://www.youtube.com/watch?v=Uc-_qYUELww (25. 05. 2018).
Zur Authentifizierung von Geschichte(n) auf YouTube
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Education & Science 2017. Nominiert für den Kanal als Gesamtwerk: MRWISSEN2GO. https:// webvideopreis.de/de/2017/education-and-science/mrwissen2go (25. 05. 2018). Erll, Astrid: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Eine Einführung. 2. Aufl., Stuttgart/Weimar 2011. Focusonline: MrWissen2Go: Intelligenz in Geld verwandeln – MrWissen2Go im Video. https:// www.youtube.com/watch?v=aA2gqqAsbcc (25. 05. 2018). Gooskens, Geert: Das Jahrhundert des Zeugen? Fernsehen und Zeugenschaft. In: Politik der Zeugenschaft. Zur Kritik einer Wissenspraxis. Hrsg. von Sibylle Schmidt, Sybille Krämer u. Ramon Voges. Bielefeld 2011, S. 141 – 155. Hägele, Ulrich: Video-Wissen. Audio-visuelle Praxen auf YouTube. In: Berliner Blätter | Ethnographische und ethnologische Beiträge 67 (2014) (Themenheft: Objekt, Bild und Performance. Repräsentationen ethnographischen Wissens), S. 41 – 54. Jaeger, Friedrich: Geschichtstheorie. In: Geschichte. Ein Grundkurs. Hrsg. von Hans-Jürgen Goertz. 3. Aufl., Reinbek bei Hamburg 2007, S. 796 – 827. Jauch, Matthias u. Beke Detlefsen: Wie Youtube Politik serviert. https://www.stern.de/digital/ youtube-so-informieren-sich-jugendliche-ueber-politik-6341710.html (25. 05. 2018). John, Anke: Wissen2go – Teacher-Centered Instruction on YouTube/ Wissen2go – Frontalunterricht auf YouTube. In: Public Histroy Weekly 5 (2017) 25. https://public-historyweekly.degruyter.com/5 – 2017 – 25/wissen2go-teacher-centered-instruction-on-youtube/ (25. 05. 2018). Keller, Kathrin: Der Star und seine Nutzer. Starkult und Identität in der Mediengesellschaft. Bielefeld 2008 (Cultural Studies 8), S. 230. Krämer, Sybille u. Voges, Ramon: Einleitung. In: Politik der Zeugenschaft. Zur Kritik einer Wissenspraxis. Hrsg. von Sibylle Schmidt, Sybille Krämer u. Ramon Voges. Bielefeld 2011, S. 7 – 20. Krämer, Sybille: Medium, Bote, Übertragung. Kleine Metaphysik der Medialität. Frankfurt am Main 2008. Krämer, Sybille: Vertrauenschenken. Über Ambivalenzen der Zeugenschaft. In: Politik der Zeugenschaft. Zur Kritik einer Wissenspraxis. Hrsg. von Sibylle Schmidt, Sybille Krämer u. Ramon Voges. Bielefeld 2011, S. 117 – 149. Logge, Thorsten: „Public History in Germany: Challenges and Opportunities“. In: German Studies Review 39/1 (2016), S. 141 – 153. Mayer, Bianca Xenia: Hauptsache authentisch? Social-Media-Stars verraten ihre Erfolgsstrategie. http://www.bento.de/gadgets/erfolg-auf-snapchat-instagram-youtubemrwissen2go-und-duygu-gezen-verraten-ihre-strategie-544685/ (25. 05. 2018). MDR ZEITREISE2go. https://www.youtube.com/channel/UCFxgCHRLXmaW3YUyDsikoSw (09. 09. 2018). Mirko Drotschmann. https://www.xing.com/profile/Mirko_Drotschmann (08. 05. 2018). MrWissen2go: [Kanalbeschreibung]. https://www.youtube.com/user/MrWissen2go/about (25. 05. 2018). MrWissen2go: Die Wahrheit über MrWissen2go. https://www.youtube.com/watch?v= TmAjpStEtyQ (25. 05. 2018). MrWissen2go: Follow Me Around: Mein Job. https://www.youtube.com/watch?v=n-LF0mRew-U (25. 05. 2018). MrWissen2go: Gestatten: Wissen2Go – Herzlich willkommen! https://www.youtube.com/ watch?v=OvtzcveUTY8 (25. 05. 2018).
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MrWissen2go: Hintern hoch! – Fünf Tricks, um sich zu motivieren https://www.youtube.com/ watch?v=J9KuZhTMDP4 (25. 05. 2018). MrWissen2go: Los geht’s! https://www.youtube.com/watch?v=yvWybc_O1Ms (25. 05. 2018). MrWissen2go: wissen2go: Absolutismus/ Ludwig XIV. von Frankreich. https://www.youtube. com/watch?v=sXoni7ozwlQ (25. 05. 2018). MrWissen2go: wissen2go: Das Taschen-Geheimnis. https://www.youtube.com/watch?v=LOUj78Gay0&index=14&list=PL2 A74 A79B28E60F32 (25. 05. 2018). MrWissen2go: wissen2go: Der Erste Weltkrieg (Zusammenfassung). https://www.youtube.com/ watch?v=uQRjLh1Mrqc (02. 06. 2018). MrWissen2go: wissen2go: Die fünf größten Lügen der Geschichte. https://www.youtube.com/ watch?v=vMmqCgWC1ks (25. 05. 2018). MrWissen2go: wissen2go: Die Russische (Oktober‐) Revolution 1917. https://www.youtube. com/watch?v=2VivDHskgm4 (02. 06. 2018). MrWissen2go: wissen2go: Fünf historische Sätze 2 go. https://www.youtube.com/watch?v= z63EudDfM08 (25. 05. 2018). MrWissen2go: wissen2go: Mein Studium (Geschichte). https://www.youtube.com/watch?v= 8ctQVH-r1 l8 (25. 05. 2018). MrWissen2go: wissen2go: Meine Schulgeschichten. https://www.youtube.com/watch?v= dju2DDLNcdE (25. 05. 2018). MrWissen2go: wissen2go: Richtig googlen. https://www.youtube.com/watch?v= m5X9bMWdvhY&list=PL2 A74 A79B28E60F32&index=19 (25. 05. 2018). MrWissen2go: wissen2go: Wie wird man eigentlich Journalist? https://www.youtube.com/ watch?v=VKdqkKzedfU (25. 05. 2018). MrWissen2go: wissen2go: Zweiter Weltkrieg – Die „Machtergreifung“. https://www.youtube. com/watch?v=9iZyfMzUW7I (25. 05. 2018). Mussstewissen Geschichte. https://www.youtube.com/channel/UCsVWpmoRs NAWZb59b6Pt9Kg/featured (01. 10. 2018). Norden, Jörn van: Was machst du für Geschichten? Didaktik eines narrativen Konstruktivismus. Freiburg 2011. Objektiv Media: Über uns. https://www.objektiv-media.de/ueber-uns/ (25. 05. 2018). Pandel, Hans-Jürgen: Geschichtskultur. In: Handbuch Praxis des Geschichtsunterrichts, Bd. 1. Hrsg. von Michele Barricelli u. Martin Lücke. Schwalbach/Ts. 2012, S. 147 – 159. Rü sen, Jörn: Grundzüge einer Historik, Bd. 1: Historische Vernunft. Die Grundlagen der Geschichtswissenschaft. Gö ttingen 1983. Sabrow, Martin u. Saupe, Achim: Historische Authentizität. Zur kartierung eines Forschungsfeldes. In: Historische Authentizität. Hrsg. von Dies. Göttingen 2016, S. 7 – 28. Saupe, Achim: Authentizität, Version 3.0. http://docupedia.de/zg/saupe_authentizitaet_v3_ de_2015 (02. 06. 2018). Schlanstein, Beate: Echt wahr! Annäherungen an das Authentische. In: Alles authentisch? Popularisierung der Geschichte im Fernsehen. Hrsg. von Thomas Fischer u. Rainer Wirtz. Konstanz 2008, S. 205 – 225. Schmidt, Jan-Hinrik: Social Media. 2. Aufl., Wiesbaden 2018. Scholz, Oliver R.: Das Zeugnis anderer – Sozialer Akt und Erkenntnisquelle. In: Politik der Zeugenschaft. Zur Kritik einer Wissenspraxis. Hrsg. von Sibylle Schmidt, Sybille Krämer u. Ramon Voges. Bielefeld 2011, S. 23 – 45.
Produktion und Praxis
Mirko Drotschmann
„YouTube bietet ganz andere Möglichkeiten…“ – Interview mit dem YouTuber Mirko Drotschmann (MrWissen2go) Mirko Drotschmann, Jahrgang 1986, studierte vor seinem journalistischen Volontariat beim SWR Geschichte und Kulturwissenschaften an der Universität Karlsruhe. Er arbeitet als Journalist für Fernseh-, Rundfunk- und Printmedien. Seit 2012 betreibt und moderiert als „MrWissen2go“ den gleichnamigen YouTube-Kanal. Grundlegende Idee war die Erstellung von Erklärvideos als Nachhilfeangebot für den Geschichtsunterricht. Die Videos mit dem „Wissen zum Mitnehmen“ etablierten sich schnell als ein erfolgreiches und gleichzeitig seriöses deutschsprachiges Format der Wissenskommunikation.Von 2015 bis Ende 2018 war Mirko Drotschmann im Auftrag des MDR das Gesicht des YouTube-Kanals „MDR ZEITREISE2go“. Im Jahr 2017 startete der vom ZDF verantwortete Kanal „musstewissen Geschichte“ in dem Online-Medienangebot „funk“. Ab Januar 2019 trägt das Projekt den neuen Titel „MrWissen2go Geschichte“. Für das ZDF moderiert Mirko Drotschmann Sendungen in der Reihe „Terra X“. Die Fragen des nachstehenden Interviews stehen in einem engen Zusammenhang mit den anderen Beiträgen dieses Bandes, die sich vornehmlich analytisch mit Facetten von Erklärvideos auf YouTube auseinandergesetzt haben. Die Antworten sollen Einblicke in die Perspektive der produzierenden Akteure ermöglichen. Alle Fragen wurden mündlich beantwortet und für die vorliegende Druckfassung – Stichwort: Authentizität – nur geringfügig redaktionell überarbeitet.
Themenfeld 1: YouTube-Kanal Bildungsfernsehen für Kinder und Jugendliche kann aus mediengeschichtlicher Perspektive bereits auf eine lange Entwicklung und ein breites Angebot zurückgreifen. Grenzen sich die Erklärvideos des Kanals „MrWissen2Go“ von diesen Angeboten ab oder gibt es Anknüpfungspunkte und Kontinuitätslinien? Was die inhaltliche Aufbereitung, die Gestaltung, die didaktische Herangehensweise angeht, gibt es gar nicht so viele große Unterschiede. Und was grundsätzhttps://doi.org/10.1515/9783110599497-008
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Interview mit dem YouTuber Mirko Drotschmann (MrWissen2go)
liche Dramaturgie, Erzählsatz und andere gestalterische Elemente angeht, gibt es durchaus Parallelen. Der große Unterschied liegt in der Aufbereitung.Während im Bildungsfernsehen oder anderen klassischen Formen von Medienbildung oder Bildung auf Medienwegen meistens längere Formate eine Rolle spielen, ist es bei Erklärvideos so, dass man auf eine eher kurze Zeit kapriziert ist – fünf, acht, maximal 15 Minuten sind da gefragt – und das setzt natürlich ganz andere Anforderungen an die Aufbereitung und Gestaltung der Videos, vor allem was das Technische angeht. Aber auch die Ansprache des Publikums ist eine andere. Gerade auf einer Plattform wie YouTube, mit einem sehr jungen Publikum, sollte diese nicht zu distanziert sein. Man sollte eher der große Bruder, der gute Kumpel oder die große Schwester sein und auf Augenhöhe mit den Zuschauerinnen und Zuschauern kommunizieren. Im Bildungsfernsehen ist es dann doch eher klassisch der nette Onkel von Nebenan, der jetzt mal was erzählt – ob es Armin von der „Sendung mit der Maus“ oder Willi von „Willi wills wissen“ ist. Da gibt es bei YouTube dann doch eher ein anderes Verhältnis zwischen den Zuschauenden und den Protagonisten bzw. den Presentern. Welche Potenziale bietet ein YouTube-Kanal für die Vermittlung von Wissen, die über vergleichbare Angebote von Rundfunk- und Medienanstalten hinausgehen? Das ganz große Potenzial bei YouTube ist neben den vielfältigen technischen Möglichkeiten die Community. Man ist nicht nur Sender, sondern gleichzeitig auch Empfänger: Man bekommt Kommentare, Rückmeldungen, E-Mails und andere Formen des Feedbacks auf das, was man publiziert und das hilft einem sehr. Zum einen, um mehr über sein Zielpublikum zu erfahren – auch sehr wichtig – und zum anderen hilft es einem dabei, die Videos zu optimieren. Zu sehen: Wo drückt vielleicht der Schuh, was kommt nicht so gut an, wo muss man in der Gestaltung noch nachhelfen. Man hat bei YouTube natürlich auch die Möglichkeit, ausführliche und umfangreiche Analysetools zu nutzen. Da kann man beispielsweise sehen, wie lange die Zuschauerinnen und Zuschauer bei einem Video drangeblieben sind und kann davon ausgehend dann auch Rückschlüsse auf das Video ziehen. Wenn man z. B. sieht, die Leute steigen aus, wenn man zu viele Zahlen einblendet, dann blendet man beim nächsten Mal eben weniger Zahlen ein oder versucht sie anders aufzubereiten. Das ist durchaus hilfreich und das sind Potenziale, die man so im Fernsehen mit den GfK-Hochrechnungen¹ nicht hat.
Gemeint sind hier die Fernsehnutzungsdaten (umgangssprachlich „Einschaltquoten“), die seit 1985 von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) erhoben werden.
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Bieten die YouTube-Kanäle „MDR Zeitreise2go“ (MDR) oder „musstewissen Geschichte“ des von der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) und des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) produzierten Onlinemedienangebotes „funk“ noch die Vorteile von „user generated content“ oder handelt es sich dabei nicht um öffentlich-rechtliches Bildungsfernsehen 2.0? Tatsächlich ist es eher öffentlich-rechtliches Bildungsfernsehen 2.0, denn „user generated content“ in der klassischen Form, dass Nutzerinnen und Nutzer Videos einreichen, die dann auch veröffentlicht werden, gibt es nicht. Aber es gibt, wie bereits erwähnt, die Möglichkeit, aktiv an der Gestaltung der Videos mitzuwirken. Das geht über das Feedback-Tool der Kommentare und das würde ich dann doch als eine Form des „user generated content“ ansehen, genauso wie die Themenvorschläge. Während es im klassischen Bildungsfernsehen nur bedingt Möglichkeiten gab und gibt, Themen einzureichen, ist es auf YouTube viel einfacher bzw. viel niedrigschwelliger und die Chance ist auch viel höher, dass ein Themenvorschlag aufgegriffen wird. Auf meinem eigenen YouTube-Kanal, „MrWissen2Go“, sind inzwischen 70 bis 80 % der Themen, die ich umsetze, Zuschauerwünsche. Soll der YouTube-Kanal eine bestimmte Zielgruppe ansprechen oder hat sich der Kreis der Zuschauerinnen und Zuschauer interessengeleitet zusammengefunden? Sowohl als auch. Auf meinem eigenen Kanal bin ich mit einem Angebot für Schülerinnen und Schüler gestartet. Ich habe dann aber ziemlich schnell gemerkt, dass sich auch andere Altersgruppen die Videos anschauen und dementsprechend konzentriere ich mich jetzt nicht mehr nur auf eine enggefasste Zielgruppe, sondern auf eine eher weiter gefasste Zielgruppe zwischen vielleicht 16 und 35 Jahren. Aber es gibt natürlich auch Leute, die unter 16 oder über 35 Jahren sind, die sich die Videos anschauen und das sollte man auch immer im Hinterkopf haben. Man sollte die Zielgruppe nicht zu eng halten, denn das schließt viele aus und sorgt im Endeffekt dafür, dass man niemanden erreicht. Nicht die, die man erreichen will und auch nicht die, für die es vielleicht potenziell interessant wäre. Der Kreis hat sich also tatsächlich zusammengefunden und das ist in der Regel immer so. Liegen strategischen Entscheidungen empirische Daten zum Nutzungsverhalten der Zuschauerinnen und Zuschauer zu Grunde?
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Teilweise schon. Zentral ist zunächst ein Analysetool – das sind die „Google analytics“, also statistischen Daten, die Google zu dem jeweiligen YouTube-Kanal automatisch erhebt und ausspielt. In diese Datensätze kann man nur als Kanalbetreiber Einsicht nehmen, zumindest größtenteils. Die Statistiken geben beispielsweise Auskunft über die „watchtime“, also die Wiedergabedauer eines Videos. Man kann aber auch demographische Daten abrufen, also wie alt die Leute sind, wie viele männlich und wie viele weiblich sind, aus welchen Ländern die Zuschauerinnen und Zuschauer kommen, über welche Endgeräte sie die Videos geschaut haben. Die Datensätze lassen aber nur allgemeine Aussagen zu. Es ist beispielsweise nicht ersichtlich, welche Wohnorte die Zuschauerinnen und Zuschauer haben. Es werden nur Daten auf der nationalen Ebene präsentiert. Es bleibt auch unklar, welche Nutzerin und welcher Nutzer was angeschaut haben. Auch das wird immer nur in der Gesamtheit dargestellt. Neben diesem Analysetool gibt es noch einige andere, aber Google verhindert, dass sich noch weitere Dienste etablieren können, die ihre eigenen Daten nutzen. Eine Alternative oder besser Ergänzung ist „Socialblade“. Dieses Tool visualisiert ganz gut Entwicklungen über einen längeren Zeitraum und zeigt wesentliche Schwankungen in den Nutzerzugriffen. Darüber hinaus gibt es aber eigentlich keine Analysetools, es sei denn, man entwickelt eigene Erhebungsverfahren wie beispielsweise Umfragen. Ich habe auch schon einmal die Möglichkeit genutzt, eine Online-Umfrage zu starten, um die Leute nach ihren Interessen zu fragen und sie einfach mal nach ihrem Bildungsgrad gefragt. Da haben über 1.000 Menschen mitgemacht. Auch das hat mir geholfen, meine Zuschauerinnen und Zuschauer besser einordnen zu können. Das eröffnet Möglichkeiten, über die man im Fernsehen natürlich nicht so einfach verfügt. Da muss man in die Medienforschung gehen, was wiederum sehr aufwendig ist und zum Teil zu nicht aussagekräftigen Ergebnissen führt. Da bietet YouTube ganz andere Möglichkeiten. YouTube sortiert und priorisiert Inhalte auf Grundlage seines Algorithmus’. Welchen Einfluss hat dieser Algorithmus auf die Contentproduktion? Das hat einen großen Einfluss, vor allem was die Rhythmisierung des Angebots angeht. Der Algorithmus zwingt den Kanalbetreiber förmlich dazu, regelmäßig Inhalte zu veröffentlichen. Regelmäßig heißt im besten Fall zwei- bis dreimal pro Woche, aber mindestens einmal im Monat, wobei das nur bei den ganz großen Kanälen möglich ist. Bei kleineren bis mittelgroßen Kanälen sollte es schon so sein, dass im Monat zwei- bis dreimal was erscheint und das auch immer in einem festen Rhythmus sowie in einer verlässlichen Planung, denn nur so geht der Algorithmus davon aus, dass man YouTube auch so nutzt, wie es vorgesehen ist.
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Außerdem bestimmt der Algorithmus natürlich, welche Videos häufig vorgeschlagen werden, welche Videos auf der Startseite stehen und vieles mehr. Man kämpft anhaltend um Aufmerksamkeit und das hat dann wieder Auswirkungen auf die Gestaltung der Videos. Ich habe beispielsweise extra jemanden eingestellt, der nur Thumbnails erstellt, also die Vorschaubilder der einzelnen Videos. Denn das ist eines der wichtigsten Kriterien: Ob Menschen auf ein Video klicken oder nicht. Auch die Wahl des Videos muss immer sehr gut durchdacht sein. Insofern hat das alles dann sehr viel Auswirkung auf die Content-Produktion. Anders als z. B. im Fernsehen gibt es nicht dieses Grundrauschen, dass eine bestimmte Anzahl an Zuschauern sowieso immer dabei ist, sondern man muss die Zuschauer immer wieder aufs Neue für sich gewinnen und das ist nicht so einfach.
Themenfeld 2: YouTuber Wie viel Mirko Drotschmann enthält „MrWissen2go“ (und andersherum)? Inwiefern handelt es sich bei der Netzpersönlichkeit „MrWissen2go“ um eine Rolle oder eine Kunstfigur? Ich versuche so authentisch, so natürlich und so wenig Rolle wie möglich zu sein. Ich finde es schwierig, eine Person zu erzeugen, die ich selbst nicht wirklich bin. Wenn mich dann jemand auf der Straße anspricht und dann merkt: „Oh, der ist ja ganz anders drauf“, dann wäre das schon seltsam. Natürlich weiß ich, dass man ein gewisses Image aufbaut. Allein dadurch, welche Themen man anspricht, wie man sich gibt und wie man in der Öffentlichkeit präsent ist. Vermutlich denken manche Zuschauer, dass ich jeden Abend mit einem Glas Rotwein im Schaukelstuhl sitze und die FAZ lese – was nicht der Fall ist. Aber das ist vielleicht ein Bild von mir, was durch die Arbeit entsteht. In eine Rolle begebe ich mich aber nicht, weil das zu dem was ich mache nicht passen würde. Es gibt Kunstfiguren bei YouTube, die aber oft dann auch sozusagen „enttarnt“ werden, und das kommt dann schlecht in der Community an. Also Authentizität ist nach wie vor das Zauberwort und man sollte sich daran halten. Gibt es Bemühungen, dem Wunsch der Zuschauerinnen und Zuschauer nach „Authentizität“ zu entsprechen? Wodurch soll Authentizität gesichert werden? Es gibt keine gewollten Bemühungen, denn das fällt natürlich sofort auf. Wenn man sich gekünstelt natürlich gibt, dann wirkt es unnatürlich. Man sollte sich einfach nicht verstellen. Ich bin über 30 Jahre alt. Das heißt, ich bin nicht unbedingt in dem Alter des Großteils der Menschen, die auf YouTube aktiv sind und
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Interview mit dem YouTuber Mirko Drotschmann (MrWissen2go)
das ist okay für mich. Ich gebe mich deshalb nicht anders, ich versuche nicht Jugendslang zu verwenden oder mich anzubiedern, sondern ich versuche so zu sein wie ich bin und das ist das Geheimnis. Wir produzieren z. B. einen YouTubeKanal mit Harald Lesch,² einem Astrophysiker über 50 Jahren und Professor an einer Universität. Eigentlich weit weg von der Lebensrealität und der Lebenswelt der jungen Zuschauerinnen und Zuschauer, aber durch seine authentische Art schafft er es trotzdem bei ihnen durchzukommen und das ist das Wichtige, das ist der Schlüssel. Im klassischen Bildungsfernsehen werden die sichtbaren Akteure der Wissensvermittlung als „Anschlussfiguren“, „Kumpeltypen“ oder „Lernbegleiter“ bezeichnet. Lassen sich diese Konzepte auf moderierte Erklärvideos bei YouTube übertragen? Ja. Punkt. Da gibt es gewisse Parallelen. Man muss die Zuschauerinnen und Zuschauer an die Hand nehmen, man sollte nicht von oben herab Dinge an sie heranschmeißen, man sollte auch nicht den Neunmalklugen geben, der alles weiß, sondern man sollte ihnen zeigen: „Okay, ich habe hier ein Wissen und das würde ich gerne an dich weitergeben und so schwierig ist es auch gar nicht. Pass auf, wir setzen uns mal zusammen hin und dann zeige ich dir das.“ So ein bisschen wie ein Nachhilfelehrer und da gibt es tatsächlich schon Parallelen. Welche Kompetenzen muss ein YouTuber für die Erstellung von Erklärvideos zu historischen Themen und Inhalten mitbringen? Ich würde sagen, gerade in diesem Bereich sollte man inhaltliche Kompetenzen mitbringen. Ich habe Geschichte studiert und ich könnte mir gar nicht vorstellen, wie man solche Videos präsentieren und erstellen sollte, wenn man sich nicht damit eingehend beschäftigt hat, z. B. in einem Studium. Ich möchte nicht ausschließen, dass jemand, der sich seit zehn Jahren im Selbststudium mit historischen Themen beschäftigt hat, das auch gut machen könnte, aber jemanden Fachfremden das machen zu lassen, ist, glaube ich, für beide Seiten nicht gut. Für denjenigen, der das macht, nicht und auch für die Zuschauerinnen und Zuschauer nicht. Ich merke das selbst, wenn ich mich auf ungewohntes Terrain begebe, wenn ich z. B. über naturwissenschaftliche Themen spreche. Da komme ich ganz schnell an meine Grenzen und hatte schon das ein oder andere Mal eine Unsauberkeit in den Videos. Das möchte ich natürlich nicht und deshalb versuche
YouTube-Kanal: Terra X Lesch & Co.
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ich es immer zu vermeiden, Themen anzugehen, in denen ich inhaltlich nicht gut aufgestellt bin und wähle lieber die Themen, in denen ich mich auskenne. Spielen Kriterien wie rhetorische Fertigkeiten, Ausstrahlung und Aussehen eine Rolle für die Wahrnehmung und damit den Erfolg eines YouTube-Kanals? Ausstrahlung ist, glaube ich, das Wichtige. Man sollte eine Persönlichkeit darstellen. „Personality“ sagen wir dazu immer im Radio. Man sollte einfach ein interessanter Mensch sein. Man muss dafür nicht unbedingt gut aussehen und man muss auch nicht rhetorisch geschliffen formulieren können. Man sollte einfach jemand sein, bei dem die Leute sagen: „Das schaue ich mir gerne an, weil ich mir von dem auch gerne was erzählen lasse.“ Dann funktioniert das. Klar, wenn jemand vor der Kamera was macht, dann wird auch immer auf das Aussehen geschaut und natürlich ist die Stimme auch sehr wichtig, aber das sind eher zweitrangige Faktoren. Wichtig ist tatsächlich die Ausstrahlung.
Themenfeld 3: Inhaltliche und formale Gestaltung der Videos Lassen sich Qualitätskriterien für ein „gutes“ Erklärvideo zu geschichtlichen Themen benennen? Ich würde sagen, die wesentlichen Kriterien unterscheiden sich gar nicht so sehr von denen für Erklärvideos anderer Themenbereiche. Für Geschichte gibt es natürlich noch einige spezifische Dinge, die man beachten sollte, aber ganz grundsätzlich gilt für ein gutes Erklärvideo das, was ich auch eingangs schon gesagt habe: Die Videos sollten eine gute Dramaturgie haben, sie sollten klare Erzählstrukturen bzw. Erklärstrukturen haben, sie sollten erkenntnisgewinnbringend sein, sie sollten ansprechend gestaltet sein, vielleicht sogar unterhaltsam – soweit das je nach Thema möglich ist – und sie sollten die Leute auf eine authentische Art und Weise mitnehmen. Was in Geschichte natürlich noch dazu kommt, ist, dass sie im besten Fall immer auch eine Quellenkritik mittransportieren, dass sie die Dinge nicht als absolut darstellen – „so war’s“ – sondern auch einmal etwas zur Diskussion stellen und, dass die Fakten natürlich stimmen. So banal das klingt, aber da gibt es etliche Beispiele, die zeigen, dass es eben nicht so ist.
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Werden die Videos für ein spezifisches Publikum produziert? Lassen sich konkrete Gestaltungsmerkmale der Videos aus der Wahl der Zielgruppe ableiten? Das kommt auf das Angebot an. Ich nehme als Beispiel das Angebot des YouTubeKanals „musstewissen Geschichte“. Das ist etwas für Schülerinnen und Schüler ab der Mittelstufe aller Schularten, aber auch für Erst- oder Zweitsemester im Studium. Dementsprechend sind die Videos auch inhaltlich gestaltet. Sie gehen teilweise schon in die Tiefe, sind aber trotzdem so, dass man es auch verstehen kann, wenn man sich mit den jeweiligen Themen noch nicht so sehr befasst hat. Auch die Gestaltung, die Art und Weise, wie Grafiken und Animationen eingeblendet werden, sind eher an ein jüngeres Publikum gerichtet und an einen jüngeren Sehverhalten orientiert. Da hängt es natürlich immer auch davon ab, welche Zielgruppe man hat. Wenn ich meinen Kanal anschaue, dann ist die Zielgruppe ein bisschen älter. Da gibt es auch nicht mehr ganz so viele historische Videos, aber die, die ich hin und wieder mal mache, die gehen schon von mehr Grundwissen aus. Sie nehmen bestimmte Dinge einfach als gegeben war und bauen dann darauf auf. Die sind also nicht mehr ganz basisorientiert. Weisen die Erklärvideos eine typische Struktur auf? Ja, sie starten immer mit einer kurzen Einführung, die das Thema möglichst interessant machen soll, sodass die Zuschauerinnen und Zuschauer dranbleiben. Es wird immer in wenigen Sätzen erklärt, worum es geht, darauf folgt ein Grafikintro und dann wird meist chronologisch aufbauend das Thema beschrieben, wenn es sich denn chronologisch machen lässt. Ansonsten ist aber die Gestaltung variabel, also es ist nicht immer so, dass bei Minute 3:30 eine Grafik kommt und bei Minute 4:50 ein Archivmaterial, ein Foto oder ähnliches. Das variiert vielmehr je nach Inhalt. Der grundsätzliche Aufbau, Einführung, Grafikintro und Hauptteil, ist aber immer gleich. Oft kommt auch am Ende eine Frage zur Interaktion – „call to action“ wird das im „Internetdeutsch“ genannt. Das gehört auch noch dazu. Welche wesentlichen Unterschiede in der Gestaltung lassen sich zwischen Erklärvideos bei YouTube und klassischem Bildungsfernsehen benennen? Der wichtigste Unterschied ist sicherlich das Verhältnis zwischen demjenigen, der sich die Videos anschaut und demjenigen, der sie macht. Im Fernsehen ist dazwischen eine große Distanz. Da steht jemand vor einer Kamera mit einem Teleprompter, liest etwas ab und man hat nicht den Eindruck von Nähe. Das ist bei den Erklärvideos anders und wirkt sich direkt auf die Gestaltung der Videos aus.
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Im Fernsehen hat man ein ganzes Sammelsurium an Bildern. Da gibt es großartige Archivaufnahmen oder vieles mehr, während es bei Erklärvideos oft so ist, dass nur eine Person vor der Kamera steht und redet, ohne dass sonst etwas eingeblendet wird. Frontalunterricht sozusagen. Das funktioniert bei YouTube, weil viele die Videos auch nebenbei anschauen oder sogar nur anhören. Bei dem klassischen Fernsehprogramm ist so ein Nutzungsverhalten schwierig bis gar nicht umzusetzen. Entsprechende Formate gibt es nur noch bei ARD-alpha. Bei YouTube funktioniert das, weil eben das Zuschauerverhalten ein anderes ist und das ist meiner Meinung nach der wesentliche Grund für die Unterschiede in der Gestaltung. In welcher Form werden die Erklärvideos vorbereitet? Wie läuft der Produktionsprozess von der Themenfindung über die Recherche und Aufarbeitungen bis hin zum Hochladen des Erklärvideos konkret ab? Das ist so unspektakulär wie naheliegend. Der wichtigste Abschnitt bei der Produktion der Videos ist tatsächlich die Recherche. In Geschichte liegt es natürlich nahe, Literatur zu verwenden. Das geht bei tagesaktuellen Themen jedoch meistens nicht. Wichtig aber ist, dass man immer den aktuellen Forschungsstand miteinfließen lässt, gerade bei Themen, die in der Diskussion sind. Deshalb ist die Recherche durchaus immer ein großer Aufwand. Das kann auch mal mehrere Tage dauern, je nach Thema. Anschließend wird ein Skript geschrieben, letztendlich eine Art Drehbuch und dies schon mit ersten Bildideen. Dann erfolgt ein Dreh – in aller Regel vor einem Greenscreen – der ziemlich unspektakulär abläuft. Danach wird das vor dem Greenscreen gedrehte Material geschnitten: Es werden ausgehend vom Drehbuch ein Hintergrund, Grafiken und Animationen ausgewählt. Letztendlich, wenn alles fertig ist, werden die Videos zu einem festen Zeitpunkt in einem festen Rhythmus hochgeladen. Der Themenimpuls kommt von den Zuschauerinnen und Zuschauern. Das, was sie sich wünschen, versuchen wir umzusetzen. Bei „musstewissen Geschichte“ gibt allerdings eine inhaltliche Struktur. Es wurden inhaltliche und thematische Schnittmengen zwischen den Lehrplänen für das Fach Geschichte in aller 16 Bundesländer in Deutschland ermittelt und dann eine chronologisch gegliederte Agenda festgelegt. Angefangen haben wir mit der Sendereihe im Mittelalter, aktuell sind wir in der Zeit des Nationalsozialismus. Bei diesem YouTube-Kanal haben wir uns sozusagen Schritt für Schritt vorgearbeitet, wobei zwischendurch auf Zuschauerwunsch auch andere Themen kamen, beispielsweise der Untergang des Osmanischen oder des Römischen Reiches, asiatische
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Geschichte und vieles mehr. Das versuchen wir dann immer auch abzubilden, weil sich die Zuschauerinnen und Zuschauer das eben wünschen. Folgen alle Aufzeichnungen einem vorbereiteten Skript gibt es auch spontane Produktionen? Wie gesagt, die folgen alle einem vorbereiteten Skript. Es gibt nur ganz wenige Ausnahmen, bei denen mal etwas spontan gemacht wird und das aber auch nur dann, wenn es auch möglich ist. Einfach deshalb, um möglichst keine Fehlerquellen zu öffnen, denn je spontaner etwas ist, desto höher ist natürlich die Gefahr, dass mal etwas nicht korrekt ist, weil man nicht mehr nachgeschaut hat. Bei einem vorbereiteten Skript ist das natürlich anders und deshalb sind in aller Regel die Geschichtsvideos vorbereitete Produktionen. Es gibt, aber eben auch zwischendurch immer mal wieder ein spontanes Video, beispielsweise zu der Debatte um die beiden Rapper Kollegah und Farid Bang und die Echo-Verleihung zu Beginn dieses Jahres. Das konnte man natürlich wunderbar geschichtlich im Kontext des Holocausts einordnen und da gab es dann bei „musstewissen Geschichte“ ein Meinungsvideo. So etwas bietet sich auch immer an und wurde auch sehr häufig von den Zuschauerinnen und Zuschauern gewünscht. Inwiefern fließt methodisches und didaktisches Wissen (Multiperspektivität, Quellenkritik, etc.) in die Gestaltung der Videos ein? Bei „musstewissen Geschichte“ inzwischen sehr stark, auch bei „MDR Zeitreise2Go“. Auf meinem eigenen Kanal „MrWissen2Go“ am Anfang eher weniger. Da war es mein Anspruch, lediglich das, was die Schüler wissen müssen, ohne große Schnörkel auch an sie weiterzugeben. Aber ich finde es natürlich auch wichtig, den aktuellen Forschungsstand zu berücksichtigen und zu schauen, wie es mit verschiedenen Perspektiven aussieht. Gerade das Thema „Kalter Krieg“ ist eines, das man auch aus heutigen Gesichtspunkten durchaus vielseitig beleuchten kann. Auch vielleicht ein bisschen mehrdimensionaler als es in der Schule passiert. Es ist auch wichtig, dass man das auch so macht und den Leuten nicht erzählt: „Geschichte war exakt so und nur, wenn man es so aufschreibt, ist es exakt richtig!“ Quellenkritik spielt natürlich immer eine Rolle und gerade in Zeiten von Falschmeldungen eine immer größere. Genau das versuchen wir zu vermitteln, dass wir, wenn die Quellenlage nicht ganz klar ist, das dann auch deutlich so sagen oder ansprechen, dass zu früheren Zeiten andere Darstellungen gab, die sich geirrt haben und es heute einen ganz neuen Forschungstand gibt.
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Themenfeld 4: Zuschauerinnen und Zuschauer Lässt sich der durchschnittliche Zuschauer oder die durchschnittliche Zuschauerin des Kanals „MrWissen2go“ detailliert beschreiben? Das kann man schon anhand der Statistiken machen, die sich einem bieten. Ungefähr 80 % der Zuschauer sind männlich und zwischen 16 und 35 Jahren alt, mit einem Durchschnittsalter von ungefähr 21 bis 23 Jahren. Er interessiert sich sehr stark für das politische Geschehen, für das was auf der Welt passiert, für ethische Fragestellungen, teilweise aber auch für die Wirtschaft und ist grundsätzlich an spannenden, gesellschaftshistorischen Themen interessiert. Er ist auch überdurchschnittlich gut gebildet, muss ich tatsächlich zugeben, auch wenn das gar nicht mein Fokus ist, aber die meisten der Zuschauer haben entweder das Abitur schon gemacht oder erwerben es gerade. Die wenigsten haben einen Hauptschulabschluss oder sind Schulabbrecher. Fließen Erkenntnisse aus den Rückmeldungen der Zuschauerinnen und Zuschauer in den Produktionsprozess ein bzw. haben sie Potenzial diesen zu verändern? Absolut. Da hat YouTube den großen Vorteil, dass es unmittelbar ist. Man bekommt direkt Rückmeldungen. Sobald ein Video online ist, gibt es schon die ersten Kommentare. Die beziehen sich noch nicht auf den Inhalt, weil so schnell können die Leute natürlich nicht gucken, aber nach und nach entwickelt sich dann oft eine lebhafte Diskussion und das sind natürlich auch Erkenntnisse, die man gewinnen kann, beispielsweise über den Kenntnisstand der Zuschauerinnen und Zuschauer. Man kann aber auch Dinge über ihre Lebenswelt erfahren und natürlich auch über ihre Interessen. Diese Rückschlüsse sind sehr wichtig für den Produktionsprozess. Gibt es ein Wissen über die Vorlieben und Abneigungen von Zuschauerinnen und Zuschauern (z. B. Länge der Videos, Aufmerksamkeitsspannen, Niveaustufen, usw.)? Das ist ganz schwierig zu sagen. Ich würde mal behaupten, das war vor einigen Jahren noch ein bisschen einfacher. Da konnte man sagen: Ein Video sollte, wenn möglich, nicht länger als zehn Minuten sein. Heute würde ich das gar nicht mehr festmachen, weder Kriterien nennen, was die Länge noch was die Gestaltung angeht. Es gibt Videos, die sind objektiv betrachtet von ihrer äußeren Form sehr unspektakulär. Da sitzt dann einer eine halbe Stunde auf dem Sofa und erzählt
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was, aber die sind teilweise inhaltlich so dicht und so spannend, dass man dann doch bis zum Ende dranbleibt und genau da ist das zentrale Moment: Es gibt eigentlich keine Regeln mehr. Wichtig ist, dass der Inhalt trägt. So sagen wir das immer im Medienbereich und ich finde, das trifft auch auf die Videos zu. Es muss sich tragen, man muss sich das gerne anschauen, man muss dranbleiben und dann kann man eigentlich machen, was man möchte.
Themenfeld 5: Partizipation auf YouTube Sind die YouTube-Kanäle „MrWissen2go“ oder „musstewissen Geschichte“ auf eine Partizipation der Zuschauerinnen und Zuschauer ausgerichtet und falls ja welche Möglichkeiten zur Partizipation werden ermöglicht? Die wichtigste Partizipation ist die der Themenvorschläge. Man kann den Inhalt der Kanäle aktiv bestimmen, indem man in den Kommentaren oder auch per Mail schreibt, was man denn gerne hätte. Daran versuchen wir uns schon zu orientieren. Das zweite wichtige Instrument sind grundsätzlich die Kommentare unter den Videos. Denn darüber kann man seine Meinung sagen, man kann Kritik äußern, man kann Dinge benennen, die einem nicht so gut gefallen oder die man ändern würde und damit dann direkt oder indirekt Einfluss auf die Gestaltung der Videos nehmen. Insofern sind dies die beiden wichtigsten Partizipationsformen. Natürlich gibt es auch noch die Möglichkeit, selbst Videos zu drehen und sie einzureichen, in der Hoffnung, dass sie in irgendeiner Form geteilt werden. Aber das passiert relativ selten. Über die Kommentarfunktion können Zuschauerinnen und Zuschauer in einen Dialog mit dem Kanalbetreibenden als auch mit anderen Rezipierenden treten. Welche Herausforderungen ergeben sich durch die gewährte Möglichkeit zur Kommentierung? Was spricht für eine „sichtbare“ und was für eine „unsichtbare“ Moderation der Kommentierungen? Es spricht eigentlich nichts für eine „unsichtbare“ Form der Moderation der Kommentierung, das muss ich ganz ehrlich sagen. Wenn man aktiv bei YouTube ist, sollte man auch in diesen Kosmos eintauchen. Man sollte Teil des Ganzen werden und das auch sichtbar. Man sollte den Nutzerinnen und Nutzern schon zeigen: Ich bin an eurer Meinung interessiert und das was ihr schreibt, will ich unbedingt mitbekommen. Dazu gehört auch, dass Kommentare moderiert werden und dass man auf das eingeht, was dort geschrieben wird. Natürlich muss man
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nicht alles beantworten. Das geht bei 3.000 Kommentaren auch irgendwann nicht mehr. Aber man sollte schon punktuell dabei sein und auch mit den Nutzerinnen und Nutzern im Gespräch bleiben, denn das sind die Zuschauerinnen und Zuschauer, das sind diejenigen für die man das macht. Deshalb lohnt es sich sehr, da den Draht beizubehalten und das auch offen zu machen, sodass andere auch sehen: Derjenige interessiert sich wirklich für das, was da passiert. Welche Möglichkeiten des Umgangs mit unerwünschten Formen der Kommentierung oder Partizipation (z. B. Hatespeech) gibt es und welche werden genutzt bzw. nicht genutzt? Die plakativste Form, die man wählen kann, ist die des Sperrens oder des Löschens oder sogar beides. Dass man sagt: „Okay, der Kommentar gefällt mir nicht, den lösche ich und den entsprechenden Nutzer sperre ich.“ Das ist allerdings immer die schlechteste Lösung, es sei denn, es geht um eine Straftat. Zum einen, weil es provoziert. Die Leute erstellen dann zehn Fake-Accounts und machen genauso weiter. Zum anderen ist es auch kontraproduktiv, weil es oft gut ist, in einen Dialog einzusteigen. Gerade auch für andere Nutzerinnen und Nutzer, die diese Kommentare sehen. Mein persönlicher Ansatz ist der, dass ich nur das lösche, was einen Straftatbestand darstellt. Ich kläre das auch immer vorher mit einem befreundeten Juristen ab. Wenn es keinen Straftatbestand hat, dann bleibt der Kommentar zunächst auch stehen. Ist es beispielsweise eine Falschmeldung, versuche ich das in einem Antwortkommentar richtig zu stellen, damit das auch die Nutzerinnen und Nutzer sehen, die sich diesen Kommentar durchlesen. Denjenigen, der diesen Kommentar geschrieben hat, kann man vermutlich sowieso nicht mehr umstimmen. Dann gibt es noch, neben der Gegenrede und des Löschens, die Möglichkeit, dass man das Ganze der Community und der Schwarmintelligenz überlässt. Dass man also eine Beleidigung gegen sich selbst einfach stehen lässt und dann wartet, was passiert. Sehr schnell kommen dann Nutzerinnen und Nutzer, die schreiben, dass sie über diesen Kommentar den Kopf schütteln, damit nicht einverstanden sind und mir das auch melden. Das ist sehr schön zu sehen und darauf kann man immer wieder setzen. Unterstützen oder behindern partizipative Formate bei der inhaltlichen Weiterentwicklung des YouTube-Kanals? Sie unterstützen vor allem. Wie bereits erwähnt, helfen sie dabei, die Videos zu optimieren, sie an die Zuschauerinteressen anzupassen und auch die Videos
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ständig auf der Höhe der Zeit zu halten. Denn die Trends verändern sich schnell, was den Look angeht oder auch, was die Art und Weise angeht, wie gedreht wird und vieles mehr. Da ist es immer gut, am Puls der Zeit zu bleiben. Insofern würde ich nicht sagen, dass partizipative Formate bei der inhaltlichen Weiterentwicklung des YouTube-Kanals behindern. Das einzige was natürlich immer wieder problematisch werden kann, ist, wenn man zu einem Thema sehr viele böse Kommentare bekommen hat, denn dann geht so ein bisschen die Schere im Kopf auf und man denkt sich: „Wenn ich das Thema noch einmal mache, dann geht es wieder so heftig her. Will ich das überhaupt?“ Dann muss man sich aber immer wieder sagen: „Ja, das ist ein wichtiges Thema und deshalb mache ich es!“ Aber die Schere im Kopf ist durchaus vorhanden und nicht wegzudiskutieren. Die muss man auch immer besiegen. Und jedes Mal aufs Neue. Gibt es partizipative Formate, in denen die Zuschauerinnen und Zuschauer Einfluss auf die Gestaltung des Kanals erhalten? Die gibt es sicher. Es gibt Kanäle, die gute Erfahrungen gemacht haben mit „user generated content“, beispielsweise ein Projekt des ZDF mit dem Titel „ZDI“, „Zweites Deutsches Internet“. Die haben mal einen Wettbewerb ins Leben gerufen, bei dem sich YouTuberinnen und YouTuber mit ihren Videos bewerben konnten. Dann wurden diese Videos auf dem „ZDI“-Kanal hochgeladen und zur Abstimmung freigegeben. Letztendlich hat ein Format gewonnen, das dann – glaube ich – für das Fernsehen umgesetzt wurde. So kann man natürlich arbeiten. Was für mich aber das partizipative Format der Wahl ist, ist die Form des Livestreams. Dass man also mit seinen Zuschauerinnen und Zuschauern zusammen über Themen diskutiert. Leider mache ich das heute nicht mehr so häufig, aber früher habe ich das regelmäßig oder fast regelmäßig gemacht, dass ich gesagt habe: „Heute Abend ist der Livestream, kommt doch alle rein und dann diskutieren wir!“ Dann waren immer vier bis fünf Zuschauer mit dabei und wir sind in ein Gespräch über ein bestimmtes Thema eingestiegen. Das ist wirklich eine schöne Möglichkeit der Partizipation und das hilft dann natürlich auch der Kanalgestaltung, weil es den Menschen zeigt: Die Community ist wichtig und man versucht auf sie einzugehen.
Florian Wittig
Digital Story Telling auf YouTube – Werkstattbericht von „The Great War“ Digital Storytelling kann verschiedene Formen annehmen. Eine durchaus gängige Variante ist das Online-Video und dabei kommt man an der größten Videoplattform der Welt schwer vorbei: YouTube. Aber wie bewegt man sich eigentlich auf dieser Plattform als sogenannter „Creator“? Das Aufgabenspektrum ist vielfältig und umfasst für mich als einen der Produzenten des YouTube-Kanals „The Great War“ unter anderem: Content-Planung, Social Media Monitoring, Script-Abnahme, Kanal-Management und Planung von Drehs. Im folgenden Werkstattbericht (Stand Juli 2018) wird aus dieser spezifischen Perspektive exemplarisch ein Überblick zu unserem YouTube-Kanal gegeben.
1 „The Great War“ auf YouTube „The Great War“ erzählt die Geschichte des Ersten Weltkriegs Woche für Woche 100 Jahre später. Seit 4 Jahren erscheint jeden Donnerstag auf dem YouTubeKanal eine Folge, die das Geschehen der vergangenen sieben Tage zusammenfasst. Zusätzlich erscheinen montags und samstags ergänzende Videos, die in verschiedenen Formaten weitere Informationen für die Zuschauerinnen und Zuschauer bieten: „Who Did What in WW1“ beleuchtet für den Krieg relevante Persönlichkeiten näher, in „Out Of The Trenches“ beantwortet der Moderator Fragen aus der Community, „Specials“ widmen sich Themen außerhalb der Wochenchronologie, um Zusammenhänge besser darzustellen. Das können z. B. Episoden über Staaten, Taktiken oder Kultur im Ersten Weltkrieg sein. Das Projekt startete offiziell am 28. Juli 2014 und wird seiner jetzigen Form wahrscheinlich Ende 2018 zum Abschluss kommen.¹ Bis dahin werden auf dem Kanal um die 600 Videos mit einer Durchschnittsdauer von 10 Minuten veröffentlicht worden sein. Wer den Kanal also Anfang 2019 neu entdeckt, kann sich auf mehr als 100 Stunden Content zum Ersten Weltkrieg freuen. Ende Juli 2018 hatten knapp 900.000 User den Kanal abonniert und die existierenden Videos wurden insgesamt mehr als 140 Millionen mal aufgerufen. Im Durchschnitt wird jedes Video zu 66 % fertig geschaut; im YouTube-Durchschnitt ein relativ hoher
Inwiefern 1918 der Krieg wirklich vorbei war und sich der Kanal auch der Nachkriegszeit widmen könnte, wird zur Zeit (Stand März 2018) noch intern diskutiert. https://doi.org/10.1515/9783110599497-009
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Wert. Am Projekt sind derzeit fünf Mitarbeiter in Vollzeit beschäftigt. Die Hauptfinanzierungsquelle ist die monatliche Crowdfunding-Website Patreon, auf der bis jetzt $ 500.000 gesammelt wurden – wieso dieser Aspekt relevant ist, wird im letzten Unterkapitel deutlich werden. Weitere Finanzierungsmodelle sind Werbung, die auf YouTube eingeblendet wird, Sponsorings, Events und Merchandise. Der Kanal wird von der Firma Mediakraft betrieben, die zum Start des Projekts ein sogenanntes Multi Channel Network war, sich mittlerweile auf Influencer Marketing konzentriert.
2 Binge Watching History – Der Spagat zwischen Storytelling und Integrität „The Great War“ war und ist ein größerer Erfolg, als sich die am Anfang Beteiligten jemals erhofft haben. Nach quantitativer Analyse durch die Zahlen, die YouTube bereitstellt und fortlaufender qualitativer Analyse der Nutzerkommentare als Teil meiner täglichen Arbeit lassen sich drei Faktoren identifizieren, die zum Erfolg beigetragen haben.
2.1 Serialität „The Great War“ lässt sich als Serie wie auf Video-on-Demand-Plattformen à la Netflix oder Amazon Prime konsumieren. Seit 2016 ist sie sogar in Seasons eingeteilt, wobei eine Season einem Kalenderjahr des Krieges entspricht.Von Anfang an war klar, dass jedes Video für sich selber stehen muss, so dass Zuschauerinnen und Zuschauer, die etwa über die YouTube-Funktion „Empfohlene Videos“ auf den Kanal stoßen, nicht direkt erschlagen und auch Gelegenheitszuschauerinnen und -zuschauer nicht abgeschreckt werden. Im narrativen Sinne bietet jedes Video also auch eine gewisse Vertikalität. 2014 bestand im Produktionsteam kurzzeitig die Sorge, dass Zuschauerinnen und -zuschauer, die den Kanal erst nach mehreren Jahren finden, von der schieren Anzahl von Videos überfordert sein werden. Das Gegenteil war der Fall. Es stellte sich schnell heraus, dass das kulturelle Phänomen „binge watching“, also das Konsumieren mehrerer Serien-Folgen am Stück, auch für dokumentarischen Content funktioniert. Geschichtsinteressierte Fans freuten sich sogar über den vielen Content, wenn sie den Kanal erst später entdeckten. Endlich mal wieder ein YouTube-Kanal, der sie in den nächsten Wochen oder sogar Monaten in ihren Pausen oder vor dem Einschlafen begleiten würde! Ein weiterer Vorteil war, dass der YouTube-Algorithmus die Qualität eines
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Kanals unter anderem daran bemisst, ob die Zuschauer mehrere Videos des gleichen Kanals am Stück konsumieren, so dass dadurch die Stellung von „The Great War“ etwa in Suchergebnissen verbessert wurde. Es war trotzdem wichtig und richtig, den Content in Playlists bzw. Seasons zu ordnen, um den neuen Zuschauerinnen und -zuschauern den Einstieg so leicht wie möglich zu machen.
2.2 Production Value Im Zeitraum 2012 bis 2014 gab es einen Umbruch bei YouTube, der Fokus verlagerte sich von kurzen Clips und lustigen Katzen-Videos zu hochqualitativen Shows, die zum Teil von YouTube selber finanziert wurden. Die Abrufzahlen und damit verbundenen Werbeeinnahmen erlaubten den sogenannten „Creators“ bei gleichzeitig sinkenden Produktionskosten immer besseren Content zu produzieren. Zwar ist YouTube immer noch die weltweit größte Videodatenbank von Katzenvideos, aber die Nutzererwartungen an Qualität und Form von Content änderten sich. Für „The Great War“ war von daher von Anfang an klar, dass wir auf den ersten Blick zumindest dieselbe Qualität wie Fernsehdokumentationen erreichen mussten. Gerade im Hinblick auf die Langlebigkeit des Contents war dies unabdingbar. Das Team bestand durchweg aus Kolleginnen und Kollegen, die ihre Ausbildung und Laufbahn beim Fernsehen oder Film gestartet hatten und durch die Anschubfinanzierung von Mediakraft stand uns ein vergleichsweise hohes Budget zur Verfügung. Einer der Kernpunkte für den Production Value war eine Lizenzvereinbarung mit British Pathé, einem der größten Anbieter von historischem Film- und Wochenschaumaterial, dessen Bestände teilweise bis ins späte 19. Jahrhundert zurückreichen². Während des Ersten Weltkrieges gab es an der sogenannten „Heimatfront“ einen enormen Bedarf nach Kriegsberichten.³ British Pathé produzierte mehrere hundert inzwischen digitalisierter Filmrollen. Dieses Material stand uns als Team des YouTube-Kanals zur Verfügung und war einer der Eckpfeiler für die visuelle Qualität unserer Videos.
British Pathé. www.britishpathe.com/ (15.08. 2018) Kleinhans, Bernd: Medienkrieg: Film und Propaganda zwischen 1914 und 1918. In: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ) 16 – 17 (2014). www.bpb.de/apuz/182564/medienkrieg-film-und-propa ganda-zwischen-1914-und-1918 (15.08. 2018).
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2.3 History als Globales Nischenthema Auch wenn der Geschichtsunterricht in der Populärkultur nicht unbedingt zu den beliebtesten Fächern gehört, ist das Thema Geschichte, und hier vor allem das 19. und 20. Jahrhundert sowie der Zweite Weltkrieg immer relevant für eine Zielgruppe, die zwar insgesamt deutlich kleiner ist als der Unterhaltungsmainstream, aber global gesehen doch so relevant, dass sich darauf eben z. B. ein YouTubeKanal betreiben lässt. Die sogenannten History Buffs sind mit den üblichen Fernsehdokumentationen auf-, deren Anspruch aber längst entwachsen. Heute verlangen sie wesentlich mehr Tiefe und die Konsumgewohnheiten haben sich auch in Richtung serieller Formate entwickelt (siehe 2.1.). Nach eingehender Analyse der Kommentare auf YouTube und unseren Social-Media-Seiten sowie der YouTube-Analytics gestützten Erkenntnis, dass auch längere Videos gerne und viel geschaut werden, ist uns klar geworden: Ein serieller YouTube-Kanal, der nicht den Limitierungen des linearen Fernseh- oder Radioangebotes unterworfen ist, kann gegenüber den „alten Medien“ bei dieser Zielgruppe auftrumpfen. Allerdings ergeben sich hieraus auch einzigartige Herausforderungen, auf die ich im nächsten Kapitel noch genauer eingehen werde.
3 Storytelling vs. Integrität? Wenn man also die drei Erfolgsfaktoren für „The Great War“ – Serialität, Production Value und den globalen Bedarf nach History Content – betrachtet, die sich mit einer gewissen Abstraktion so auch auf andere Kanäle übertragen lassen, ergeben sich umgehend auch Richtlinien für das Storytelling, die ein Creator beachten sollte. Diese Ansätze stehen zum Teil im Gegensatz zu geschichtswissenschaftlichen Methoden und ergeben für den Creator in diesem Bereich ganz eigene Spannungsfelder auf die im nächsten Abschnitt eingegangen wird. Zuvor sollten wir uns aber verdeutlichen, welche Chancen und Stärken diese Erzählweise bietet, gerade in Abgrenzung zum linearen Fernsehen. Der größte, wichtigste, aber auch teilweise schwer zu fassende Faktor ist Zeit. Das lineare Fernsehen arbeitet normalerweise in festen Sendeeinheiten wie 22,5, 45 oder 90 Minuten, die sich in der Regel nicht durchbrechen lassen. Das führt schon dazu, dass gewisse Themen narrativ gar nicht erst abgebildet werden, weil sie z. B. „zu klein“ oder „zu groß“ für dieses zeitliche Korsett sind. Eine häufige Falle für Fernsehschaffende ist der Versuch, ein solches Thema dann doch in so eine Sendeeinheit zu pressen, wobei entweder ein kleineres Thema gestreckt wird – zu spezifisch für die meisten Zuschauer – oder wichtige Details ausgelassen werden müssen – zu oberflächlich für die oben beschriebenen History Buffs.
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Als illustrierendes Beispiel sei hier einmal unsere Zusammenarbeit mit Historikerinnen und Historikern und Museen über die vergangenen Jahre erwähnt. In der Regel hatten alle schon einmal mit dem Fernsehen zu tun und sich daran gewöhnt, dass von einem zweistündigen Interview in der fertigen Sendung dann 30 Sekunden zu sehen waren bzw. von ihrer Recherche letztendlich nur ein kleiner Aspekt erwähnt wurde. Bei der Produktion von „The Great War“ können wir uns in der Regel erlauben, von einem Experteninterview im Museum 25 von 30 Minuten für das Video zu nutzen oder doch noch einen interessanten Nebenaspekt im fertigen Video zu erwähnen. Denn YouTube hat dieses Zeit-Problem erstmal grundsätzlich nicht. Bei „The Great War“ können wir einer Folge über Norwegen, eher einem Nebenschauplatz im Ersten Weltkrieg, sieben Minuten widmen, aber in der nächsten Woche um die 25 Minuten über die Entwicklung des deutschen Panzerprogramms reden. Natürlich wird nicht jede Zuschauerin und jeder Zuschauer mit dieser teilweise subjektiven Zuweisung von Zeit zufrieden sein, aber insgesamt ist man bei der Recherche und der Ausformulierung der Skripte wesentlich freier als die Redakteure von Fernsehsendern. Der Auswahlprozess bedarf einer gewissen Übung und Erfahrung durch die Produktionsverantwortlichen, lässt sich aber z. B. im Zusammenspiel mit den Historikerinnen und Historikern meistens gut und schnell klären. Gerade im angloamerikanischen Universitätsbereich sind wir oft auf Historikerinnen und Historiker gestoßen, die bereits darin geübt waren, ihren Fachbereich in sendefähige Segmente zu zerlegen, also diesen Auswahlprozess schon getroffen hatten. Eine weitere Stärke von Digital Storytelling ist das potentielle Engagement. Viele jüngere Zuschauerinnen und Zuschauer schreiben uns Kommentare wie: „Ich wünschte, mein Geschichtsunterricht wäre so.“ – ein gut produziertes zehn minütiges Video kann ein Thema für jemanden zugänglich machen, der üblicherweise davon ausgeht, dass Geschichte mit dem Auswendiglernen von Jahreszahlen zu tun hat. Das bietet natürlich für jede passionierten Historikerin bzw. jeden Historiker grundsätzlich die Möglichkeit, sein Thema doch endlich aus dem Elfenbeinturm der Geschichtswissenschaft in die Öffentlichkeit zu tragen. Im Idealfall natürlich sogar so, dass die Produktion die weitere Recherche finanziert. Dieses Engagement ist durch die von YouTube bereitgestellten Analyse-Tools sogar quantifizierbar. Diese Quantifizierbarkeit ist Fluch und Segen zu gleich. Als Creator kann ich folgende Dinge nachvollziehen: 1. Wo kommen meine Zuschauer her? 2. Wie viele Aufrufe haben meine Videos? 3. Wie viele Kommentare, Likes und Dislikes haben meine Videos? 4. Wie viel Prozent meines Videos werden durchschnittlich geschaut? 5. Wie alt sind meine Zuschauer? 6. Auf welchen Geräten schauen sie meine Videos?
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7.
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… und noch einiges mehr.
Nach der Veröffentlichung mehrerer Videos wird sich herauskristallisieren, das bestimmte (Unter‐)Themen beim Publikum besser ankommen als andere. Daraus resultiert die stetige Frage, ob man die erfolgreichen Themen noch ausführlicher behandeln sollte oder weiterhin versucht, breit aufgestellt zu bleiben. Am Beispiel von „The Great War“ lässt sich das im Spannungsfeld von Militärgeschichte und Kulturgeschichte anschaulich machen. Das Video über Scharfschützen hat in eineinhalb Jahren mehr als 1,3 Millionen Aufrufe erzielt. Das Video über den Maler Otto Dix hat in knapp drei Jahren über 100.000 Aufrufe erzielt. Die ökonomische Schlussfolgerung würde hier vielleicht lauten, mehr Videos über Scharfschützen zu machen. Aus historischer Sicht kann man den Ersten Weltkrieg jedoch nicht nur auf Soldaten und Waffen beschränken. Dieses Spannungsfeld bedarf sicher noch einer weiteren Debatte innerhalb der Public History.
4 Herausforderungen des Digitalen Storytelling auf YouTube Wie jede Darstellungsform und jedes Medium hat YouTube natürlich auch Schwächen und stellt den Produzenten vor besondere Herausforderungen.
4.1 Pics Or It Didn’t Happen! YouTube ist eine Videoplattform, setzt also eine audiovisuelle Darstellung des Content voraus. Generell leben wir in einer Zeit in der Fotos und Videos als zeithistorische Dokumente nicht einmal mehr durch den Speicherplatz begrenzt sind. Diese Omnipräsenz von Bildern und Film führt zu einer interessanten und für YouTube-Historikerinnen und -Historiker relevanten Problematik: Eigentlich muss schon vor der Recherche klar sein, wie das Video bebildert wird. Daraus ergeben sich noch einige Unterprobleme, die dem Verständnis halber im Folgenden noch mal in Unterkapiteln dargelegt werden.
4.2 Quellenkunde Grundsätzlich erwarten die Zuschauerinnen und Zuschauer, dass von jedem relevanten Ereignis seit der Erfindung der Fotografie authentische Bilddokumente
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erstellt wurden. Am Beispiel des Ersten Weltkrieges ist sich nur ein Bruchteil der Zuschauerinnen und Zuschauer des Kontexts von Kriegsfotografie, Bildberichterstattung, Propaganda und technischen Limitierungen der Epoche bewusst. Das heißt, dass üblicherweise passende Fotos zur Illustration von Ereignissen wie bestimmten Schlachten gefunden werden müssen. Gleichzeitig wäre es narrativ extrem komplex oder sogar unmöglich, auf diesen Kontext jederzeit hinzuweisen.⁴ Die Zugriffszahlen der Videos von „The Great War“ zum Thema „Film und Propaganda“ oder Propaganda im allgemeinen, deuten auch darauf hin, dass diese Themen für viele Zuschauerinnen und Zuschauer nicht interessant zu sein scheinen. Dementsprechend muss bei der Bildauswahl eine gewisse Vorsicht und Fachkunde gezeigt werden, denn gerade ab 1916 und natürlich besonders im Zweiten Weltkrieg muss man sich bewusst sein, Quellen zu reproduzieren, die mitunter für Propaganda produziert wurden. Ein Großteil der Zuschauerinnen und Zuschauer hält diese aber für authentisch. Gleiches gilt im übrigen nicht nur für Fotos, sondern auch für offizielle Kriegskunst oder Plakate. Diese komplexe Thematik bedarf sicher einer breiteren Debatte innerhalb der Public History, aber im Folgenden sei noch ein absurdes Beispiel zur Illustration erwähnt: In einigen der ersten Videos auf „The Great War“ ging es natürlich darum, die deutsche Mobilmachung und den Schlieffenplan zu bebildern. Bilder und Filmaufnahmen von marschierenden Soldaten gibt es zu genüge und so schien dies keine große Herausforderung zu sein. Die ersten Videos illustrierten also den deutschen Einmarsch in Belgien mit Aufnahmen von eben marschierenden deutschen Soldaten. Die Filmrolle war im Online-Archiv von British Pathé mit dem Zeitstempel „1914– 1918“ versehen und auch der genaue Ort der Aufnahme war nicht bekannt. Nach der Veröffentlichung wurde von den Zuschauerinnen und Zuschauern kritisiert, dass diese Aufnahme nicht authentisch sei, denn die deutschen Soldaten trugen gut zu erkennen einen Stahlhelm, der erst ab 1916 schrittweise eingeführt wurde. Die Schlussfolgerung für das Produktionsteam war die Durchführung eines Crashkurses in deutscher Uniformkunde und zum anderen die Erkenntnis, dass es ein subjektives Authentizitätsgefühl gibt. Wären deutsche Soldaten mit der 1914 üblichen Pickelhaube gezeigt worden, wäre der Ausschnitt wahrscheinlich nicht weiter aufgefallen, selbst wenn er in Ostpreußen statt in Belgien aufgenommen worden war.
Es stellt sich auch die Frage des Produktions-Workflows: Weiß der Historiker schon während der Recherche welches Bildmaterial in der Folge verwendet wird? Kann diese Meta-Ebene der Kontextualisierung in ein lineares und nicht unmittelbar interaktives Medium eingebettet werden?
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4.3 Lizenzierung und Zusammenarbeit mit Archiven Je detaillierter man sich mit einem geschichtlichen Thema auseinandersetzt, desto spezifischer werden die Anforderungen und Ansprüche an das Bildmaterial. 2018 ist das Angebot an Digitalisaten in Archiven rund um die Welt schon geradezu paradiesisch im Vergleich zum fernen Jahr 2014. Insgesamt gibt es aber aus der Sicht einer (digitalen) Video-Produktion noch immer viel Luft nach oben. Große Archive gerade westlicher Länder sind heutzutage problemlos zugänglich und die meisten Lizenzabteilungen wissen auch, was YouTube ist. Wer jedoch schon einmal versucht hat, weniger bekannte Schauplätze des Ersten Weltkrieges zu bebildern, der kennt die großen Lücken abseits der europäischen Hauptfronten, gerade wenn es darum geht, nicht nur eine Seite visuell abzubilden. Als Beispiele wären hier z. B. Serbien, das Osmanische Reich, Russland (und die Nachfolgestaaten ab 1918) genannt. Es gibt von diesen Fronten tausende und abertausende Fotos und teilweise auch Filmaufnahmen, jedoch sind sie z. B. nicht digitalisiert, nicht lizenzierbar oder schlicht in einer uns fremden Sprache verschlagwortet. Die Archivpolitik kann einem die Arbeit zusätzlich erschweren. Seit dem russischen Einmarsch auf der Krim ist es z. B. für Ausländer schwierig bis unmöglich geworden an russische Archive zu gelangen. Die Workflows und Gebührenordnung des deutschen Bundesarchivs ist noch auf Filmproduktion eingestellt, jedoch nicht auf serielle, digitale Produktion wie YouTube.
4.4. Karten Eine beliebte visuelle Hilfe für die Illustration von Militärgeschichte sind Karten. Gerade für ein globales Publikum bieten sie hilfreiche Informationen zum Verständnis der historischen Ereignisse, denn das Wissen um z. B. osteuropäische Geografie ist nicht immer im notwendigen Umfang vorhanden. Diese Karten haben in ihrer Wahrnehmung aber noch ganz eigene Probleme. Als erstes muss man an Kartenmaterial kommen und sich überlegen, welchen Detailgrad und welche Darstellung das eigene Kartenmaterial haben soll. Militärkarten mit NATO-Symbolik sind für den Laien nur schwer verständlich und für den Ersten Weltkrieg auch nur bedingt geeignet. Doch selbst wenn man digitale Karten erstellt oder erworben hat, stößt man auf ein Wahrnehmungsproblem: das „Armchair General“-Syndrome. Ansehnliche Karten mit Frontverläufen und Divisionszeichen, die sich dynamisch bewegen, sind schön anzusehen und sprechen den Bürostuhlgeneral in uns an. Sie bieten klare und absolute Zustände und zeigen z. B. (vermeintlich) deutlich, von wem ein Gebiet kontrolliert wurde. Jede Karte ist aber notwendigerweise nur eine Abstraktion, so dass sie im Digital Storytelling den
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gegenteiligen Effekt haben kann. Als Beispiel sei hier der russische Bürgerkrieg mit seinen vielen Akteuren und teilweise unklaren Frontverläufen genannt. Die Zuschauerinnen und Zuschauer wünschen sich eine klare Darstellung der Gebietskontrolle, mitunter bieten die Quellen diese gar nicht erst oder diese lässt sich gar nicht schnell und abstrakt darstellen. Zusätzlich birgt die Abstraktion auch eine Gefahr für das eigene Narrativ. Eine Karte kann mitunter klinisch wirken und Dinge wie Kampfhandlungen oder Kriegsverbrechen zu bloßem Zeichen- und Zahlenspiel verkommen lassen.
4.5 Bildsprache „nicht-visueller“ Geschichte Eine ganz eigene Herausforderung zeigt sich beim Digital Storytelling für Zeiträume vor der Erfindung der Fotografie oder bei Ereignissen, die ausschließlich in schriftlichen Quellen oder via Oral History dokumentiert sind. Das unbefriedigende Resultat dieser Situationen ist in der Regel, dass es nicht erwähnt werden kann. „The Great War“ wird in einem Studio mit einem Moderator gedreht, so dass kürzere Segmente auch durch eben diesen Moderator überbrückt werden können. Es wäre jedoch nicht möglich bzw. nicht ideal, ein ganzes Video nur mit dem Moderator zu drehen, sei das Thema auch noch so relevant. Natürlich gibt es YouTuberinnen und YouTuber, die keine weiteren Bilder benutzen und ausschließlich im Video zu sehen sind. Es ist möglich, einen Kanal in diesem „Vlog“Format zu führen, wie aber oben aufgeführt, geht der Trend und die Erwartung der Zuschauerinnen und Zuschauer in eine andere Richtung (siehe Abschnitt 2.2). Wenn man diese Gestaltungsform wählt, sollte man sich auch grundsätzlich fragen, warum man überhaupt Videos macht und nicht z. B. Podcasts, die wesentlich einfacher zu produzieren sind und sich ebenfalls großer Popularität erfreuen.
5 Historiker, Produzent oder beides? Spätestens jetzt sollte klar sein, dass Geschichts-YouTuber Wesen sind, die es im akademischen Sinne höchstens in der Public History gibt. Sollte der Creator eine Historikerin oder ein Historiker sein, der technisch so bewandert ist, dass er neben seiner fachlichen Kompetenz auch noch Script-Author, Kameramann, SoundExperte, Cutter, Motion Designer, Moderator und Social Media-Experte ist? Oder sollte sich das Multimedia-Talent nicht einfach auch noch einen Geschichts-Abschluss besorgen? Für „The Great War“ ist die Antwort, dass ein solches Projekt nur im Team umgesetzt werden kann, wobei jeder im Team Fachmann in einer
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gewissen Disziplin ist, aber auch ein wenig Ahnung von den anderen Bereichen hat. Anders wäre ein Pensum von drei Videos pro Woche mit einer entsprechenden fachlichen und technischen Qualität nicht zu bewältigen. Wer alleine Creator werden will, muss Kompromisse eingehen und sich auf eine steile Lernkurve einstellen, je nachdem aus welcher Fachrichtung er kommt.
6 (Aufmerksamkeits‐)Ökonomie Pro Minute wird auf YouTube Videocontent im Umfang mehrerer Tage hochgeladen. In einem Monat ergibt das mehr Content als ein Mensch zu seinen Lebzeiten konsumieren kann. Und der voller Ideale gestartete neue Geschichts-Kanal ist mitten drin. Unter diesen Rahmenbedingungen findet das mitunter hässliche Spiel der Aufmerksamkeitsökonomie statt. Diese Spiel hat zwei Dimensionen: Eine menschliche und eine algorithmische, die sich teilweise überschneiden. Jedes YouTube-Video wird in einer Liste von anderen Videos dargestellt und muss sich visuell behaupten können. Es hilft also, ein eigenes Branding zu haben und z. B.Vorschaubilder („Thumbnails“) zu erstellen, die in einer Liste herausstechen. Welche Motive und Gestaltung hier erfolgreich sind, hängt vom Thema ab. Bei „The Great War“ hat sich gezeigt, dass Bilder von Soldaten oder Kriegsgerät mehr geklickt werden als etwa die mit Zivilisten.⁵ Der algorithmische Teil der Aufmerksamkeitsökonomie bezieht sich auf die YouTube-Suche. Durch die vielen Videos auf YouTube ist die Suchfunktion eines der wichtigsten Navigationsmittel. Die YouTube-Datenbank kann den Inhalt eines Videos jedoch nicht semantisch erfassen, so dass verschiedene Hilfsmittel benutzt werden, um relevante Ergebnisse anzuzeigen. Dazu gehören etwa der Titel des Videos, der Beschreibungstext, Schlagworte und die Untertitel. Jeder YouTube-Creator muss also auch lernen, wie die YouTube-Suche funktioniert und mitunter Änderungen des Such-Algorithmus durch Änderungen an den Videos begegnen. Aufmerksamkeit auf YouTube bedeutet Videoaufrufe, Videoaufrufe bedeuten direkt (Werbeeinblendungen) und indirekt (Sichtbarkeit für potentielle Crowdfunding-Spender) Geld und Geld bedeutet aller Wahrscheinlichkeit nach, wie viel Zeit und Aufwand in die Arbeit investiert werden kann. Und hier ist der große Haken für Digital Storytelling auf YouTube im Bereich Geschichte: Gutes historisches Storytelling kostet mehr Zeit als eigentlich alle anderen Formate. Mehr Zeit für Recherche, mehr Zeit für das In Episoden, in denen es unter anderem um Kriegsflüchtlinge geht, hatten wir Flüchtlingstreks auf dem Vorschaubild und diese Folge wurde weniger oft aufgerufen als andere Videos aus dem gleichen Zeitraum. Nachdem das Vorschau-Bild geändert geändert wurde und jetzt mehrere Soldaten zeigt, hat sich der Abstand zu den anderen Videos verringert.
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Drehbuch, mehr Zeit für die Produktion. Potentiell kann jedes historische Nischenthema ein vielfach größeres Publikum erreichen, als es beispielsweise eine Ausstellung oder ein Fachbuch könnte. Aber der Weg dahin ist mitunter steinig und langwierig und muss irgendwie überbrückt werden. „The Great War“ hat nach einigen Monaten ein starkes Wachstum erreicht und glücklicherweise ist die Crowdfunding-Kampagne sehr gut angekommen – aber nicht jeder Creator hat dieses Glück. Und somit muss auch das Herzensprojekt vielleicht noch ein paar Jahre warten oder wird letztendlich auch nie realisiert werden können.
7 Trends und Fazit für Geschichte auf YouTube Es gibt also eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute Nachricht ist, noch nie war es so einfach mit Digital Storytelling ein Millionenpublikum zu erreichen. Die schlechte Nachricht ist, dass es immer noch schwer sein kann wahrgenommen zu werden. Natürlich entwickelt sich auch YouTube immer weiter, und einige dieser Entwicklungen werden auch für Digital Storytellung von Bedeutung sein
7.1 #Adpocalypse – Monetarisierung von Inhalten Ausgelöst durch einen YouTube-Skandal im Zusammenhang von Werbeeinblendungen neben rassistischen Videos hatten große Werbefirmen angedroht, ihr YouTube-Werbebudget einzubehalten. Daraufhin hat YouTube anhand von Werberichtlinien teilweise algorithmisch, teilweise durch menschliche Reviewprozesse bestimmt, in welchen Videos Werbung eingeblendet wird und in welchen nicht. Die Darstellung von Gewalt und Krieg führt laut Werberichtlinien dazu, dass Werbung nicht eingeblendet wird. Gleichzeitig ist Militärgeschichte bzw. die Geschichte von menschlichen Konflikten genau der beliebteste Aspekt bei der Zielgruppe. Insofern werden teilweise – und bis jetzt noch ohne erkennbares Muster – Videos von „The Great War“ demonitarisiert. Daraus folgt natürlich ein narrativer Balanceakt, der dadurch erschwert wird, dass nicht ersichtlich ist, wie viel historische Gewalt gezeigt werden darf und wie viel nicht. Im Kontext der Geschichte des frühen und mittleren 20. Jahrhunderts kommen noch Probleme wie das Zeigen von unerwünschten bzw. gesetzlich verbotenen Symbolen hinzu. Generell ist die Monetarisierungsproblematik auch in Zukunft einer der wesentlichen Faktoren für Digital Storytelling. Jeder Creator muss sich bewusst sein, was die Community will, um entsprechende Reichweite zu erzielen.
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7.2. Mut zur Nische in der Nische Aber auf der anderen Seite sind die Möglichkeiten für neue Creator günstig, völlig neue Formen des Digital Storytelling auszuprobieren und den Nerv der Zeit zu treffen. Auf den ersten Blick obskure YouTube-Projekte wie „Primitive Technology“ oder „bill wurtz“ erreichen Millionen von Menschen und sind virale Hits. Die Hype-Mechanismen des Internets belohnen Creator mit enormen Wachstumsraten und ermuntern zum Experimentieren. Wer eine ganz eigene Art des Storytelling ausprobieren will, selbst in historischen Epochen, die schon in vielen Kanälen abgedeckt sind, der findet potentiell auf YouTube immer noch seine Fans.
7.3 Mehr Expertise wagen Die nächste gute Nachricht für Fachhistorikerinnen und -historiker ist, dass sich auf YouTube zum Großteil noch enthusiastische Hobbyhistorikerinnen und -historiker finden. Gerade abseits des Zweiten Weltkrieges gibt es kaum nennenswerte Creator, die mit besonderer Fachkenntnis brillieren können. Es gibt definitiv eine Zielgruppe für alle möglichen historischen Epochen und wer sich hier schon fachlich eingearbeitet hat, der hat schon eine gute Grundlage für ein erfolgreiches YouTube-Projekt und kann sich ausschließlich auf die visuelle Komponente konzentrieren oder vielleicht jemanden finden, der diese Seite des Produktionsprozesses auch beherrscht.
7.4 Fazit Digital Storytelling auf YouTube bietet enorme Potentiale in der Reichweite, neue Möglichkeiten der Finanzierung und ein Experimentierfeld für neue Formate. Gleichzeitig befindet sich digital Storytelling immer noch im Spannungsfeld von Vermarktbarkeit und akademischer Integrität. Die neuen Möglichkeiten und Potentiale sollten im akademischen Feld der Public History weiter untersucht und debattiert werden. Generell ist hierfür eine breitere Vernetzung von Creatorn und Historikerinnen und Historikern wünschenswert. Denn das Feld ist so breit und umfassend, das keine Einzelperson den gesamten Überblick behalten kann. Genauso wie die Produktion eines historischen YouTube-Kanals eine Team-Leistung ist, so sollte es auch die Untersuchung und Weiterentwicklung des Digital Storytelling auf YouTube sein.
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Literatur British Pathé https://www.britishpathe.com/ (15. 08. 2018). Kleinhans, Bernd: Medienkrieg: Film und Propaganda zwischen 1914 und 1918. In: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ) 16 – 17 (2014). http://www.bpb.de/apuz/182564/medienkriegfilm-und-propaganda-zwischen-1914-und-1918 (15. 08. 2018).
Partizipation
Henrike Rehders
Partizipation für alle? Partizipative Geschichtskultur auf YouTube 1 YouTube – Partizipation für alle? Die Nutzung von Medien bestimmt heute in Beruf und Freizeit unseren Alltag. Jeden Tag, rund um die Uhr wenden wir Medien zur Unterhaltung, zur Kommunikation sowie zum Informations- und Wissensaustausch und -erwerb an. Dabei entwickelte sich das Internet innerhalb kurzer Zeit von einem eher textgebundenen Medium Anfang des Jahrtausends zu einem dynamisch-partizipativen Medium.¹ Damit einhergehend wird die Produktion, Distribution und Veröffentlichung eigener Inhalte über Kommentare, Bewertungen oder Teilen vereinfacht. Partizipation ist dabei die grundlegende Produktionsbedingung und das Formativ in sozialen Netzwerken.² Partizipation im Internet ist vielfältig und ein durchaus umstrittener Begriff, der vor allem der Gefahr der Unschärfe ausgesetzt ist.³ Schmidt definiert Partizipation als „Teilnehmen, Teilhaben, Seinen-Teil-Geben und innere Anteilnahme am Schicksal eines Gemeinwesens.“⁴ Diese recht breite Definition wird im Folgenden praktisch auf YouTube angewendet. Partizipation auf YouTube und den damit verbundenen Auswirkungen auf Geschichtskultur wird in diesem Aufsatz auf vier Ebenen verhandelt: zum einen wird Partizipation als Bereitstellung von Content diskutiert. Zweitens wird die Dimension von Partizipation als Beteiligung an Diskussionen aufgegriffen. Drittens werden die technischen Partizipationsmöglichkeiten auf YouTube beleuchtet. Abschließend wird auf die gesellschaftliche Dimension Bezug genommen. Dabei ist die bloße Anwesenheit sein des Nutzenden in Social-Media-Strukturen an sich noch keine Partizipation, bietet aber erste partizipative Hand-
Vgl. Gerhards, Martina, Walter Klingler u. Thilo Trump: Das Social Web aus Rezipientensicht. Motivation, Nutzung und Nutzertypen. In: Kommunikation, Partizipation und Wirkungen im Social Web. Grundlagen und Methoden. Von der Gesellschaft zum Individuum. Hrsg. von Ansgar Zerfaß, Martin Welker u. Jan Schmidt. Köln 2008. S. 129 – 148. Vgl. Thimm, Caja: Soziale Medien und Partizipation. In: Handbuch der Sozialen Medien. Hrsg. von Jan-Hinnerk Schmidt u. Monika Taddicken. Wiesbaden 2017. S. 191– 210. Vgl. dazu ausführlicher Thimm, Soziale Medien (wie Anm. 2). Schmidt, Manfred G.: Demokratietheorien. Eine Einführung. 4. Aufl. Wiesbaden 2008. S. 236. https://doi.org/10.1515/9783110599497-010
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lungsoptionen.⁵ Erst durch die Kontextualisierung des Handelns ergibt sich Partizipation: Wie werden Entscheidungsprozesse ausgehandelt und Willensbildung begleitet? Der partizipative Charakter vom Web 2.0 und die hohe Relevanz von YouTube in der Gesellschaft wirft die Frage nach Partizipationsmöglichkeiten auf YouTube auf. Welche Möglichkeiten und Grenzen ergeben sich aus der Plattform und dem gesellschaftlichen Umgang mit ihr? Wer kontrolliert die Strukturen? Worauf beruht die Teilhabe? Wie zeigt sich Geschichtskultur, die aktuell stark durch veränderte mediale Gewohnheiten geprägt ist, auf YouTube? Was macht sie besonders und was grenzt sie von anderen Zugängen ab?
2 Medienrelevanz Sollen Jugendliche spontan ihre drei liebsten Angebote im Internet aufzählen, steht die Video-Plattform YouTube mit großem Abstand auf Platz eins.⁶ Auf Platz zwei und drei folgen der Kommunikationsdienstleister WhatsApp und die FotoSharing-Plattform Instagram.⁷ Plattformen wie YouTube sind bei Jugendlichen nicht nur aus Unterhaltungszwecken beliebt, sie nutzen sie auch, um sich zu bilden.⁸ In der aktuellen JIM-Studie aus dem Jahr 2017 des medienpädagogischen Forschungsverband Südwest gaben 88 Prozent der befragten Jugendlichen an, regelmäßig, d. h. mehrmals die Woche, Online-Videos z. B. bei YouTube zu schauen.⁹ Dabei werden vor allem Musikvideos, „humorvolle Beiträge wie Comedy von YouTubern oder lustige Clips“¹⁰ sowie Let’s-Play-Videos (35 %) geschaut. Erklärvideos für die Schule schauen sich 13 Prozent regelmäßig an.¹¹ YouTube gehört damit zu einer der zentralen Quellen, wenn sich Jugendliche über gesellschaftlich relevante Themen informieren möchten.¹² Auch Lehrende moti-
Vgl. zur Diskussion um Technikdeterminismus: Schmidt, Jan-Hinnerk: Social Media. 2. Aufl. Wiesbaden 2018. Medienpädagogischer Forschungsverband Südwest (mpfs) (Hrsg.): JIM 2017. Jugend, Information, (Multi‐) Media. Basisstudie zum Medienumgang 12- bis 19- Jähriger in Deutschland. Stuttgart 2017. https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2017/JIM_2017.pdf (20.04. 2018). S. 32. Mpfs, JIM 2017, S. 32 (wie Anm. 6). Muuß-Merholz, Jöran: YouTube als Bildungsquelle Nr. 1. Wie und von wem lernen Jugendliche auf YouTube?,http://pb21.de/2014/06/pb21-webtalk-YouTube-shwerpunkt/ (30.05. 2018). Mpfs, JIM 2017 (wie Anm. 6), S. 43. Mpfs, JIM 2017 (wie Anm. 6), S. 44. Mpfs, JIM 2017 (wie Anm. 6), S. 44. Vgl. Wagner, Ulrike u. Christian Gebel (Hrsg.): Jugendliche und die Aneignung politischer Informationen in Online-Medien. Wiesbaden 2014.
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vieren ihre Schülerinnen und Schüler YouTube-Videos zur Vorbereitung auf bestimmte, zum Teil selbst gewählten Themen zu verwenden.¹³ Die Videos werden zur Vorbereitung von Klausuren, Präsentationen und Referaten genutzt.¹⁴ Diese Lernumgebung bedienen die YouTube-Kanäle mit ihren Videos. Der Kanal „TheSimpleHistory“ bietet zum Beispiel einen Lernplan zur Vorbereitung für das Abitur im Fach Geschichte an.¹⁵ Folgt man dem Link in der Infobox unter dem Video, wird man zur Seite von „TheSimpleHistory“ geleitet, auf der der Lernplan zunächst kostenlos als PDF heruntergeladen werden kann.¹⁶ Er bietet eine Übersicht über Titel und Inhalt des Videos sowie Kästchen zum Abhaken, eins für das erste Schauen des Kurses und ein weiteres für die Wiederholung des Lernvideos. Wenn man Mitglied im „TheSimpleClub Abo“ ist, kann man aus dem PDF direkt über einen Link auf das Video zugreifen. Um auf Übungsaufgaben Zugriff zu erhalten und aktiv eine eigene Playlist mit dem Content von „TheSimpleHistory“ zu erstellen, muss man das „TheSimpleClub Abo“ erwerben. Weder der Lernplan noch die Website informieren die Nutzenden darüber, dass sich der Lernplan vornehmlich auf die Prüfungsschwerpunkte der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft bezieht.¹⁷ Die vier Themenfelder des Senats finden sich fast eins zu eins in der Playlist von „TheSimpleHistory“: Für das geforderte Wissen zur „Grundlegung der modernen Welt in Antike und Mittelalter“ bietet „TheSimpleHistory“ zwei Videos zur Attischen Demokratie an. Das zweite Themenfeld „Die Herausbildung moderner Strukturen in Gesellschaft und Staat von der frühen Neuzeit bis in 19. Jahrhundert“ wird auf YouTube mit Videos zur Französischen Revolution abgedeckt. Für das dritte Thema „Die moderne Welt und ihre Krisen: Demokratie und Diktatur“ bietet der
Vgl. Rummler, Klaus u. Karsten D. Wolf: Lernen mit geteilten Videos. Aktuelle Ergebnisse zur Nutzung, Produktion und Publikation von Online-Videos durch Jugendliche. In: Media, Knowledge and Education. Cultures and Ethics of Sharing. Hrsg. von Sützl, Wolfgang, Felix Stalder, Ronald Maier u. Theo Hug. Insbruck 2012. S. 253 – 266. https://books.openedition.org/iup/1492? lang=de (letzter Zugriff: 22.08. 2018). Vgl. Rummler, Klaus: Lernen mit YouTube-Videos. Dimensionen einer vielfältigen Lernumgebung. In: Lernen in virtuellen Räumen. Perspektiven des mobilen Lernens. Hrsg. von Frank Thissen. Berlin 2017. S. 170 – 189. Giesecke, Alexander und Nicolai Schork: YouTube Kanal TheSimpleHistory, https://www.you tube.com/user/TheSimpleHistory (29.05. 2018). Giesecke, Alexander und Nicolai Schork: Dein Geschichte Abi Lernplan, https://thesimple club.com/d/Abilernplan2018-Geschichte.pdf (13.08. 2018). Vgl. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport (Hrsg.): Rahmenlehrplan für die gymnasiale Oberstufe. Geschichte. Berlin 2006. https://www.berlin.de/sen/bildung/unterricht/fae cher-rahmenlehrplaene/rahmenlehrplaene/mdb-sen-bildung-unterricht-lehrplaene-sek2_ge schichte.pdf (15.08. 2018).
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Kanal eine Playlist unter dem Titel „Diktatur des Nationalsozialismus“ an. Für das vierte Themenfeld „Die bipolare Welt nach 1945“ finden sich verschieden Videos unter dem Titel „Deutschland und die Welt nach 1945“ wieder.¹⁸ Wer nutzt Angebote wie z. B. von „TheSimpleHistory“? Die Userinnen und User recherchieren, nutzen und entscheiden sich für die Videos aufgrund ihrer persönlichen Hintergründe, Motivationen und Interessen. „Diese Muster der Aneignung und Rezeption sind eingebunden in kulturelle Praktiken z. B. des schulischen Lernens oder der Handlungspraktiken innerhalb der Peer-Group.“¹⁹ Innerhalb dieser Gefüge entfalten Menschen Handlungs- und Wirksamkeitskompetenzen, indem sie z. B. über Videos Kommunikation erzeugen, daran teilhaben, bis hin zum Upload selbst produzierter Videos auf YouTube. Wer beteiligt sich? Nur ein Prozent der befragten Jugendlichen in der JIM-Studie beteiligen sich aktiv als Produzierende auf YouTube.²⁰ Viele Angebote im Internet werden hauptsächlich rezeptiv genutzt. Zudem gibt es einen Geschlechterunterschied. Jungen bzw. Männer produzieren häufiger eigene Inhalte als Mädchen bzw. Frauen und nutzen Online-Medien eher für partizipative Zwecke.²¹ Dabei haben das Alter der Jugendlichen als auch der Bildungshintergrund Auswirkungen auf die Art und Weise, wie das Internet genutzt wird. Der Bildungsstand der Eltern, das Alter, das Geschlecht, die Zufriedenheit mit der Lebenssituation und das soziale Milieu haben ebenfalls einen Einfluss auf das politische Interesse, das Informationsverhalten und damit auf das Partizipationsverhalten.²² Das höchste Ausmaß an konsumierenden und partizipativen Aktivitäten zeigten Nutzerinnen und Nutzer, die selbst Inhalte bereitstellten, also z. B. ihre eigenen YouTube-Videos produzierten.²³
Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Hrsg.): Hinweise zur Vorbereitung auf die schriftliche Abiturprüfung 2018. Berlin 2018. https://www.berlin.de/sen/bildung/schule/ pruefungen-und-abschluesse/abitur/geschichte_gk_2018.pdf und Giesecke [u. a.]: Dein Geschichte Abi (wie Anm. 16). Rummler: Lernen mit YouTube-Videos. (wie Anm. 14), S. 172. Mpfs, JIM 2017, S. 44 (wie Anm. 6). Vgl. Correa, Teresa, Amber Willard Hinsley u. Homero Gil de Zúñiga: Who interacts on the Web? The intersection of users’ personality and social media use. In: Computers in Human Behaviour 26 (2010). S. 247– 253. Vgl. Albert, Mathias, Klaus Hurrelmann, Gudrun Quenzel [u.a]: Jugend 2015. Eine pragmatische Jugend im Aufbruch. Frankfurt am Main 2015. Vgl. Jers, Cornelia: Konsumieren, partizipieren und produzieren im Web 2.0. Ein sozial-kognitives Modell zur Erklärung der Nutzungsaktivität. Köln 2012.
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3 Partizipationsparadoxon Das Internet und mit ihm auch die sozialen Medien stellen Kommunikationsstrukturen zur Verfügung, die vielfältige Formen von Öffentlichkeit hervorbringen.²⁴ Einerseits fördern die sozialen Medien wie YouTube durch verschiedene Öffentlichkeiten Partizipation, indem sie einen öffentlichen Raum des Austausches bieten, der für Beteiligung und Positionierung in politische und gesellschaftliche Debatten genutzt werden kann. Jugendliche nutzen diese Möglichkeiten mit einer eigenen Dynamik. Ihr politisches und gesellschaftliches Engagement ist an Themen sowie Projekte gebunden und eher von kurzer Dauer.²⁵ Sie stehen der Politik gleichgültiger gegenüber, erkennen sich aber in der Demokratie als politischem System wieder und engagieren sich für bestimmte politische Themen wie Soziales, Kultur und Umweltschutz.²⁶ Andererseits verhindern kommerziell betriebene Dienste Partizipation, weil sie den Nutzenden wenig oder überhaupt keine Mitbestimmung erlauben. Die global agierenden Social-Media-Unternehmen verfolgen kommerzielle Ziele und Interessen. Um an der Partizipation teilhaben zu können, müssen persönliche Daten angegeben werden. Häufig werden auch Daten aus dem individuellen Nutzungsverhalten ausgewertet. Die so generierten Daten sind nicht einsehbar und stehen einer partizipativen Entwicklung entgegen. Die Limitierungen durch die Plattform über z. B. die allgemeinen Geschäftsbestimmungen oder die Abgabe von Rechten an Inhalten sowie persönlicher Daten wird kaum gesehen, da der Fokus zumeist auf den erstellten Inhalten der Nutzenden liegt. Doch wie genau diese Inhalte verteilt werden, ist nicht immer klar, obwohl die „freie Rezipientenselektion“ etwas anderes suggeriert: Wer „Follower“ (Twitter) oder „Abonnent“ (YouTube) ist, ist ebenso potenzieller Empfänger als auch Verteiler von Content.²⁷ Die spezifischen Verteilerprozesse folgen intransparenten Regeln und fördern eine rein algorithmusgesteuerte Partizipation, die Inhalte eben auch zensiert oder verhindert.²⁸ Der Schritt, bestimmte Plattformen aufgrund ihres Umgangs mit Daten oder veränderten Geschäftsbestimmungen zu verlassen, ist groß, folgen doch häufig soziale Isolation und fehlende „Interoperalität“²⁹, da Daten nicht einfach von einem sozialen Netzwerk in ein anders mitgenommen werden kön-
Vgl. zu Öffentlichkeiten Schmidt, Social Media (wie Anm. 5). Vgl. Albert [u.a], Jugend 2015 (wie Anm. 22). Vgl. Albert [u.a], Jugend 2015 (wie Anm. 22). Vgl. Thimm, Soziale Medien (wie Anm. 2). Vgl. Thimm, Soziale Medien (wie Anm. 2). Schmidt, Social Media (wie Anm. 5), S. 107.
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nen. Dies ist gerade für Jugendliche ein starker Einschnitt, da ihre soziale Orientierung stark an der Peer-Group ausgerichtet ist. Das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gemeinschaft und soziale Kontakte sind neben Information und Unterhaltung, Motivatoren um unterschiedliche Internetangebote zu nutzen.³⁰
4 Partizipationsformen Partizipation braucht Regeln.³¹ Auf Plattformen wie YouTube legen Nutzungsrichtlinien die Form der Partizipation fest. Die Community-Richtlinien³² von YouTube verbieten Nacktheit und pornografische, gewalttätige, grausame und hasserfüllte Inhalte. Darunter fallen auch Spam, irreführende Metadaten und Betrug, schädliche oder gefährliche Inhalte sowie Urheberrechtsverletzungen und Drohungen.³³ Manche dieser Contentkategorien unterliegen in einigen Ländern dem Gesetz der Meinungsfreiheit, trotzdem verbietet YouTube diese.³⁴ Die Differenzierung der Inhalte ist schwierig, da täglich Videos mit einer Gesamtdauer von einer Milliarde Stunden auf YouTube abgespielt und Milliarden Aufrufe generiert werden.³⁵ Bei dieser Menge an Daten können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Plattform wie YouTube die hochgeladenen Inhalte nicht mehr selbstständig prüfen. Neben technischen Filtersystemen ist die Plattform auf die Hilfe aus der Community angewiesen. Diese soll extremistische, gewaltverherrlichende oder anderweitig problematische Inhalte melden.³⁶ „Vermutlich werden dir nicht alle Inhalte auf YouTube gefallen. Wenn du der Meinung bist, auf vermeintlich unangemessene Inhalte gestoßen zu sein, kannst du die Meldefunktion nutzen, um
Ji Won Kim: Scan and Click. The uses and gratifications of social recommendation systems. In: Computers in Human Behavior 33 (2014). S. 184– 191. Vgl. Simon, Nina: Das partizipative Museum. In: Das partizipative Museum. Zwischen Teilhabe und User Generated Content. Neue Anforderungen an kulturhistorische Ausstellungen. Hrsg. von Susanne Gesser, Martin Handschin, Angela Jannelli u. Sibylle Lichtensteiger. Bielefeld 2012. S. 95 – 108. YouTube: Community-Richtlinien. https://www.YouTube.com/yt/policyandsafety/de/commu nityguidelines.html (02.06. 2016). YouTube: Community-Richtlinien. https://www.youtube.com/intl/de/yt/about/policies/#com munity-guidelines (30.05. 2018). Stein, Laura: Policy and Participation on Social Media. The Cases of YouTube, Facebook, and Wikipedia. In: Communication, Culture and Critique 6 (2013). S. 353 – 371. In einem Werbevideo heißt es, dass auf YouTube jede Sekunden eine Stunde Videomaterial auf der Plattform hochgeladen wird.YouTube: Eine Stunde jede Sekunde. http://www.onehourper second.com/ (14.05. 2018). Schmidt, Social Media (wie Anm. 5).
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diese Inhalte von uns überprüfen zu lassen. Gemeldete Inhalte werden von unseren Mitarbeitern rund um die Uhr auf Verstöße gegen die Community-Richtlinien geprüft.“³⁷ Eine aus der Gemeinschaft ausgehandelte Gestaltung von Strukturen und Regeln ist bei YouTube nicht vorgesehen. Dieser Umgang widerspricht einer der wichtigsten Arbeiten zur Definition von politischer Partizipation von Sherry Arnstein, in der sie eine Dreiteilung vornimmt und zwischen Nichtpartizipation, Quasi-Beteiligung und Partizipation unterscheidet.³⁸ Arnstein definiert Partizipation als Teilhabe an Entscheidungsmacht. Das Informieren oder das Erklären von Entscheidungen erfüllt dieses Kriterium nicht. Partizipation betrifft das Verhältnis von Akteurinnen und Akteuren zueinander und die Verteilung von Entscheidungsmacht zwischen ihnen. Diese wird nicht sichtbar, solange Einigkeit zwischen den Beteiligten herrscht. Erst wenn Differenzen zwischen ihnen auftauchen, Aushandlungsprozesse gestaltet und Entscheidungen getroffen werden müssen, wird deutlich, wie die Macht verteilt ist und wie mit ihr umgegangen wird. Erst durch Konflikte zeigen sich die Partizipationsmöglichkeiten. Auf YouTube angewendet wird dabei Folgendes deutlich: Wenn dort etwas veröffentlicht wird, was gegen die Richtlinien der Plattform verstößt, wird der Inhalt oder die Userin/der User ohne Diskussion gelöscht, anstatt in einen Aushandlungsprozess zu treten. Richtlinien und technische Voraussetzungen haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf Partizipation. Laura Stein hat Arnsteins Partizipationsleiter weiterentwickelt und auf Web 2.0-Anwendungen wie YouTube, Wikipedia und Facebook angewendet. Stein erweiterte Arnsteins Konzept um den Begriff der „Choice“ und kommt zu dem Ergebnis, dass im Vergleich zu anderen Plattformen wie Facebook und Wikipedia die Nutzungsbedingungen auf YouTube wenig Freiheit für Nutzende vorsieht und damit minimale Partizipationsmöglichkeiten gegeben sind.³⁹ In den Richtlinien von YouTube und Facebook werden vor allem Benutzerverbote und Unternehmensrechte definiert. Bei Wikipedia wurde zusammen mit den Userinnen und Usern eine Kollaborationslösung entwickelt, die es den Beteiligten ermöglicht, den Inhalt und die Steuerung von Websites gemeinsam zu verwalten oder zu kontrollieren.⁴⁰ Richtlinien sind jedoch nur eine Dimension von soziotechnischen Systemen.⁴¹
YouTube: Richtlinien und Sicherheit. https://www.YouTube.com/intl/de/yt/about/policies/ #community-guidelines (14.05. 2018). Arnstein, Sherry R.: A Ladder of Citizen Participation. In: Journal of the American Planning Assocication 35 (1969). S. 216 – 224. Stein, Policy and Participation (wie Anm. 34). Stein, Policy and Participation (wie Anm. 34). Stein, Policy and Participation (wie Anm. 34).
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5 Reaktionsformen Verschiedene Reaktionsmöglichkeiten auf Inhalte sind eine weitere Ebene der Partizipation. In früheren Ansätzen der Partizipationsformen standen nicht die Motive, sondern der Aktivitätsgrad im Fokus.⁴² Partizipation in den sozialen Medien differenziert sich auf unterschiedlichen Ebenen, sodass manchmal schon ein Klick als partizipativer Akt gesehen werden kann.⁴³ Zumal die zentrale Aktivität der größten Gruppe der Internetnutzenden das Lesen von Texten ist.⁴⁴ Die Relevanz von Klicks zeigt sich auch auf YouTube. Dort werden den Nutzenden vier Reaktionsmöglichkeiten auf Videobeiträge geboten. Die Videos lassen sich positiv mit „Daumen hoch“ oder negativ mit „Daumen runter“ bewerten. Dies ist mit einem Klick schnell getan und gibt den Videomachenden eine direkte Rückmeldung.⁴⁵ Jeder Klick auf ein Video verändert sichtbar die Nutzungsstatistik und hat unsichtbar Einfluss auf die Suchalgorithmen. Beiträge erscheinen bei vielen Klicks auf der Startseite in der Kategorie „meist gesehen“. Damit wird ein Prozess in Gang gesetzt, der die Nutzungsaktivität anderer Userinnen und User beeinflusst und auch Auswirkungen auf die Selektions- und Produktionsprozesse hat.⁴⁶ Videos lassen sich mit einem „Teilen-Button“ an andere Personen weiterleiten. Sharing ist ein wichtiger Typus des partizipativen Handelns in den Sozialen Medien.⁴⁷ Die Nutzenden positionieren sich, indem sie sich den Inhalten zuordnen oder sich von ihnen abgrenzen. Über die geteilten Videos wird zu kulturellen Phänomenen oder auch zu gesellschaftlichen Diskursen eine Stellung bezogen.⁴⁸ Um bei YouTube ein Video kommentieren zu können, muss man sich mit Klaroder Aliasnamen anmelden. Der Kommentar erscheint dann öffentlich sichtbar unter dem Video. Bewertungen von Kommentaren sind bei YouTube ebenfalls möglich. Es besteht die Möglichkeit, Kommentare positiv oder negativ zu bewerten. Doch dieses Verfahren, in der Informatik Aggregation genannt, hat auch
Nielsen, Jacob: Participation inequality: Encouraging more users to contribute. https://www. nngroup.com/articles/participation-inequality/ (15.08. 2018). Ob ein Klick schon als Partizipation gewertet werden kann, wird in der Forschung kontrovers diskutiert. Vgl. dazu ausführlicher Thimm, Soziale Medien (wie Anm. 2). Vgl. Thimm, Soziale Medien (wie Anm. 2). Vgl. Schmidt, Social Media (wie Anm. 5). Vgl. Thimm, Soziale Medien (wie Anm. 2). Das Prinzip des „Sharing“ als Typus des partizipativen Handelns hat sich aus den Sozialen Netzwerken auch in den Alltag verschoben. Gerade der Wirtschaftszweig um Reisen und Mobilität treibt eine ökonomische Veränderung an, die auf dem Grundsatz des Teilens entstanden ist. So kann man sich Autos, Fahrräder oder Wohnungen leihen bzw. teilen. Vgl. Wagner [u.a], Jugendliche und die Aneignung (wie Anm. 12).
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seine Grenzen.⁴⁹ Zum einen wird das gezeigt, was viele Menschen als empfehlenswert betrachten, doch diese Einschätzung muss sich nicht mit individuellen Präferenzen überschneiden. Zum anderen ist die verbale und nonverbale Kommunikation wesentlich komplexer, als dass sie auf ein positives oder negatives Urteil herunter gebrochen werden kann. Bis 2013 gab es auch noch die Möglichkeit, eine Videoantwort zu produzieren. Diese Art der Antwort benötigte aber eigenes Filmequipment wie eine Kamera, eigene Überlegungen über den Aufbau des Videos und was deren Inhalt sein soll. Aufgrund der geringen Klickrate wurden die Videoantworten von YouTube 2013 eingestellt.⁵⁰ An diesen Möglichkeiten zeigt sich, wie stark der Begriff der Partizipation im Sinne einer formativen Bedingung von sozialen Medien von Unschärfe geprägt ist. Schon ein einfacher Klick, der Beiträge oder Produkte bewertet, kann eine Reichweite und Geltungskraft generieren. Der Begriff Partizipation deckt darüber hinaus auch das Kommentieren einzelner Beiträge bis hin zur Gestaltung kompletter Online-Auftritte ab.⁵¹ Die angebotenen Beteiligungsformen auf YouTube bauen vor allem auf eine alltägliche Kommunikations- und Interaktionsstruktur auf, die von dem Individuum selbst organisiert wird. Doch auch diese kann zur politischen Motivation genutzt werden, indem zusammen mit anderen Userinnen und Usern an Aktionen mitgewirkt werden kann, um eigene Anliegen verfolgen zu können.⁵² Eine handlungsbezogene Weiterentwicklung von Nutzeraktivitäten bieten Wagner und Gebel.⁵³ Sie haben vier Dimensionen partizipativen Medienhandels herausgearbeitet: als erster Schritt wird „sich orientiert“, die Userin oder der User bildet sich eine Meinung auf Basis verschiedener Informationen. Im zweiten Schritt wird „sich positioniert“, über Anschluss an Positionen anderer wird eine Stellung bezogen. Die dritte Dimension beschreibt den Meinungsaustausch und das „sich einbringen“ in Diskussionen. Die vierte und letzte Bedingung ist „andere [zu] aktivieren“, wobei andere zur Partizipation animiert werden sollen. Verschiedene Studien kommen zu dem Ergebnis, dass der sogenannte „Slacktivism“, das passive Nutzen des Internets, nicht immer auch in der realen
Vgl. Schmidt, Social Media (wie Anm. 5). Laut YouTube lag die Klickrate zuletzt bei 0,0004 %. 2013 wurden die Video-Antworten eingestellt. Creator Blog: So long, video responses…Next up: better ways to connect. https://youtubecreators.googleblog.com/2013/08/so-long-video-responsesnext-up-better.html (02.06. 2016). Vgl. Thimm, Soziale Medien (wie Anm. 2). Vgl. Wagner, Ulrike: Heranwachsen in der Teilhabe-Kultur. In: Merz. Medien+Erziehung. Zeitschrift für Medienpädagogik 59 (2015). S. 11– 18. Vgl. Wagner [u.a], Jugendliche und die Aneignung (wie Anm. 12).
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Welt zu politischer Partizipation führt.⁵⁴ Niedrigschwellige Angebote werden jedoch häufig von politisch interessierten Jugendlichen als Einstieg in ein weiterführendes Engagement genutzt.⁵⁵
6 Geschichtskultur Eine Sucheingabe bei YouTube mit dem Begriff „Geschichte“ ergibt vor allem Fernsehdokumentationen oder Lernvideos von „musstewissen Geschichte“ bzw. „Mr.Wissen2go“ alias Mirko Drotschmann⁵⁶ oder „TheSimpleHistory“⁵⁷. Diese Lernvideos zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie innerhalb von etwa zehn Minuten ein historisches Thema wie z. B. die Weimarer Republik in einem umgangssprachlichen Ton, mit Humor und popkulturellen Referenzen erklären.⁵⁸ Auf YouTube werden Geschichten zwar nicht wissenschaftlich-systematisch aber auch nicht ohne Methode erzählt.⁵⁹ Diese Lernvideos sind so beliebt, weil sie das informelle Lernen unterstützen. Die Recherche wird mit einem konkreten Ziel wie dem Lernen für das Abitur begonnen, trägt zur Motivation bei und ist auch Auslöser des Lernens.⁶⁰ Die Lernergebnisse beim informellen Lernen werden in der Praxis gemessen, mit der bestandenen Abiturprüfung ist im besten Fall der Lernerfolg eingetreten.⁶¹ Gerade durch das Verhalten der Userinnen und User in sozialen Netzwerken, das sich von dem in der Schule unterscheidet, entsteht die Möglichkeit des voneinander Lernens.⁶² Die Lernvideos bedienen andere Herangehensweisen als Gedenk- und Erinnerungsorte, Museen, Mahnmale sowie Gedenkstätten oder Dokumentati-
Vgl. Thimm, Soziale Medien (wie Anm. 2). Vgl. Wagner [u.a], Jugendliche und die Aneignung (wie Anm. 12). Siehe Beiträge von Drotschmann und Roers in diesem Band. Ein von Alexander Giesecke und Nicolai Schork gegründete Nachhilfeplattform, die neben Geschichte auch andere Bereiche wie Mathematik, Biologie und Chemie abdeckt. YouTube Kanal TheSimpleHistory, https://www.youtube.com/user/TheSimpleHistory (29.05. 2018). Mirko Drotschmann: Mr.Wissen2go. Die Weimarer Republik. https://www.YouTube.com/ watch?v=7WXxDy31Ygk (20.05. 2018). Vgl. Deile, Lars: Didaktik der Geschichte. Version: 1.0. In Dokupedia-Zeitgeschichte. 27.01. 2014. https://zeitgeschichte-digital.de/doks/frontdoor/deliver/index/docId/232/file/docupedia_ deile_didaktik_v1_de_2014.pdf (20.05. 2018). Vgl. Wampfler, Philippe: Lernen mit Social Media. Lernszenarien und Lernumgebungen. In: Lernen in virtuellen Räumen. Perspektiven des mobilen Lernens. Hrsg. von Frank Thissen. Berlin 2017. S. 157– 169. Vgl Wampfler, Lernen in Social Media (wie Anm. 60). Vgl. Wampfler, Lernen in Social Media (wie Anm. 60).
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onszentren, die sich erst langsam partizpativen Möglichkeiten der Ausstellungsgestaltung zuwenden und sich darüber vom Top-Down-Verfahren lösen.⁶³ Auch in ihrem außerschulischen Alltag sind Schülerinnen und Schüler immer wieder Geschichte ausgesetzt: sei es beim Fernsehen, beim Computerspielen oder beim Lesen von Comics. „Der reflektierte und reflexive Umgang mit diesen Formen braucht aber professionelle Ausbildung.“⁶⁴ Diese YouTube-Videos fokussieren sich häufig auf ein spezielles Ereignis. Der sozialgeschichtliche Blick auf Strukturen verliert an Relevanz und es findet eine Rückbesinnung auf eine ereignisgeprägte Geschichtskultur statt.⁶⁵ Doch Geschichte ist mehr als die Abfolge von Ereignissen, sie braucht historischen Kontext, der die Vor-und Nachgeschichte einbezieht. Hier greifen jedoch medienspezifische Merkmale. „Jedes Medium bestimmt über seine Charakteristika, welche Inhalte selegiert und in welcher Form sie präsentiert werden. Mit anderen Worten, Inhalte sind keineswegs medienneutral.“⁶⁶ Nach dieser Definition von Schmidt zeigt sich, dass der Zweck dieser Videos, z. B. zum Lernen für das Abitur und der subjektive Erlebniswert im Vordergrund stehen.⁶⁷ Gerade in Videos und Kommentaren auf YouTube zeigt sich eine andere, vielleicht lebendigere, ungerichtete, unkontrolliertere Erinnerung bzw. Geschichtskultur. Diese YouTube-Videos können also eine neue Perspektive in die Erinnerungsmuster bringen. Auf YouTube findet ein spezifisch akteurszentrierter Umgang mit historischem Wissen statt. Dies zeigt sich vor allem in den Lernvideos, die gezielt auf die Vorbereitung von Abiturklausuren zugeschnitten sind.⁶⁸ Obwohl in der Geschichtsdidaktik schon mit dem Konstruktcharakter von Geschichte gearbeitet wird, zeigt sich dieser aktuelle Forschungsstand bzw. die Diskussionen in der Wissenschaft nicht in den Videos bzw. in den vorbereitenden didaktischen Überlegungen zu diesen. Zwar wird in den YouTube-Videos Bezüge zu den Lebenswelten der Lernenden hergestellt, ein „individuelle[s] historische[s] Erzählen einer jeden Schülerin und eines jeden Schülers als Ausdruck individu-
Vgl. Simon, Das partizipative Museum (wie Anm. 31). Vgl. Deile, Didaktik der Geschichte (wie Anm. 59). Vgl. Bösch, Frank: Ereignisse, Performanz und Medien in historischer Perspektive. In: Medialisierte Ereignisse. Performanz, Inszenierung und Medien seit dem 18. Jahrhundert. Hrsg. von Frank Bösch und Patrick Schmidt. Frankfurt/New York 2010. S. 7– 29, hier S. 8. Schmidt, Siegfried: Kalte Faszination. Medien–Kultur–Wissenschaft in der Mediengesellschaft. Weilerswist 2000. S. 99. Meyer, Erik: Erinnerungskultur 2.0? Zur Transformation kommemorativer Kommunikation in digitalen, interaktiven Medien. In: Erinnerungskultur 2.0. Kommemorative Kommunikation in digitalen Medien. Hrsg. von Ders. Frankfurt am Main 2009. S. 175 – 206. Vgl. u. a.YouTube Kanal TheSimpleHistory, https://www.youtube.com/user/TheSimpleHistory (29.05. 2018).
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eller historischer Sinnbildung“⁶⁹ findet aber nicht statt. Dabei fordern Geschichtsdidaktiker wie Barricelli, Gautschi und Körber unter Bezug auf Rüsen genau das: „Erst durch die Erzählung wird vergangene Wirklichkeit vergegenwärtigt. Wer Geschichte lehren möchte, muss daher den Lernenden im besonderen ermöglichen, dass sie das spezifische Strukturmerkmal ‚Narrativität‘ und die dazugehörenden methodischen Regularien verstehen.“⁷⁰ Um die Narrativität von Geschichte zu verdeutlichen, bietet YouTube eine optimale Lernumgebung, da diese vielfältig, multiperspektivisch und kontrovers sein muss, damit individuelle Vergangenheitsbilder entstehen können.⁷¹ YouTube bietet Jugendlichen mehrere Möglichkeiten um Autonomieerfahrungen zu sammeln, eigene Kompetenzen erlebbar zu machen und die soziale Einbettung „als Grundlage für Partizipation.“⁷² Partizipatives Medienhandeln verfolgt das Hamburger Schülerprojekt Geschichtomat. Hier erstellen die teilnehmenden Jugendlichen den Content zum Themenfeld der jüdischen Geschichte selber.⁷³ Während einer Projektwoche recherchieren die Schülerinnen und Schüler der Mittelstufe (7.–10. Klasse) in ihrem Stadtteil, indem sie Museen und Archive besuchen sowie Zeitzeuginnen und Zeitzeugen sowie Expertinnen und Experten treffen.⁷⁴ Ihre Erkenntnisse halten sie in Videos, Fotos und selbst geschriebenen Texten fest. Das Projekt fördert zum einen die Auseinandersetzung mit der eigenen lokalen Stadtteilgeschichte, zum anderen erhöht es die Medienkompetenz der Schülerinnen und Schüler,⁷⁵ da sie mit verschiedensten Problemen konfrontiert werden. Sie müssen entscheiden, ob sie selber im Video zu sehen sein wollen, ihre Rechercheergebnisse in ein Drehbuch umwandeln und wie sie dabei ihre Zielgruppe im Blick behalten. In ihren Arbeiten erzählen sie eine Geschichte, werden selber zu Produzierenden und stehen vor dem Problem, dass jede Narration einer Deutung unterliegt. Die Schülerinnen und Schüler konstruieren aus einer bestimmten standortgebundenen Perspektive eine Geschichte. Zudem selektieren sie, was in ihrem Beitrag erzählt werden soll und was
Vgl. Deile, Didaktik der Geschichte (wie Anm. 59). Barricelli, Michele, Peter Gautschi u. Andreas Körber: Historische Kompetenzen und Kompetenzmodelle. In: Handbuch Praxis im Geschichtsunterricht. Hrsg. von Michele Barricelli u. Martin Lücke. Schwalbach/Ts. 2012. S. 207– 235. S. 211. Vgl. Deile, Didaktik der Geschichte (wie Anm. 59). Vgl. Wagner, Heranwachsen (wie Anm. 52). Kowitz-Harms, Stephanie u. Anna Menny: Schülerprojekt Geschichtomat. Zur Vermittlung jüdischer Geschichte im Internet. In: Demokratische Geschichte 25 (2014). S. 329 – 344. Vgl. Kowitz-Harms [u. a.], Schülerprojekt (wie Anm. 73). Vgl. Schwabe, Astrid: Suchen, flanieren oder forschen? Empirische Erkundungen zur Nutzung historischer Angebote im World Wide Web am konkreten Beispiel. In: Zeitschrift für Geschichtsdidaktik 12 (2013). S. 156 – 175.
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nicht.⁷⁶ Bei der Produktion müssen die Schülerinnen und Schüler auch immer den Blick auf die intendierte Öffentlichkeit behalten, sodass auch hier eine Auseinandersetzung mit dem Konstrukt Geschichte stattfindet.⁷⁷ Das Projekt thematisiert auch Persönlichkeitsrechte und das unweigerliche Nicht-Vergessen des Internets. Wenn die fertig produzierten Beiträge erst einmal veröffentlicht wurden, haben sie eine gewisse Deutungshoheit, indem sie einen Beitrag zu dem Diskurs leisten. Die Sensibilisierung um Persönlichkeitsrechte ist ein wichtiger Bestandteil der vermittelten Medienpädagogik.⁷⁸ Zum Schutz der Schülerinnen und Schüler werden die Videos jedoch auf einem Nicht-Öffentlichen YouTube Kanal hochgeladen, was eine Weiterverbreitung und Verlinkung erschweren soll. Die Beiträge werden auf der Internetseite des Geschichtomat verlinkt und sind dort auch abrufbar.⁷⁹
7 Chancen und Risiken Ohne Partizipation wäre das Web 2.0 nicht denkbar, doch worauf beruht diese Teilhabe? Zunächst einmal unterliegt die Partizipation im Internet einer technischen Strukturierung, aus der sich ein Partizipationsparadoxon ergibt. Einerseits entscheiden nicht transparente und gelenkte Algorithmen, welche Videos die meisten Klicks haben und üben darüber Einfluss auf partizipative Handlungen aus. Andererseits bietet YouTube die klassischen Möglichkeiten der sozialen Medien Inhalte zu teilen, zu liken oder zu kommentieren. In der Regel können alle Userinnen und User in einem hierarchiefreien Raum unter gleichen Voraussetzungen veröffentlichen, ein sehr demokratischer, partizipativer Ansatz. Jede Person mit einem internetfähigen Gerät und Zugang zum Internet kann YouTube nutzen und an den Diskursen in den sozialen Medien teilhaben. In den Kommentarspalten kann über die dargestellten Videoinhalte diskutiert werden, es ist wesentlich einfacher Menschen mit ähnlichen Interessen zu finden und sich zusammen mit
Barricelli, Michele: Narrativität. In: Handbuch Praxis im Geschichtsunterricht (wie Anm. 70). S. 255 – 280. S. 261. Vgl. Röll, Franz Josef: Methoden der Medienpädagogik. In: Methoden und Konzepte medienpädagogischer Projekte. Hrsg. von Jürgen Lauffer u. Renate Röllecke. Bielefeld 2006. S. 10 – 28. Vgl. Danker, Uwe u. Astrid Schwabe: Historisches Lernen im Internet. Zur normativen Aufgabe der Geschichtsdidaktik. In: Geschichte und Wissenschaft in Unterricht (GWU) 58 (2007), S. 4– 19. S. 4. Institut für die Geschichte der deutschen Juden: Geschichtomat. https://www.geschichtomat. de/ (30.05. 2018).
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ihnen zu engagieren. Die Lernvideos bieten z. B. virtuelle Arbeitsgruppen in denen zusammen für das Abitur gelernt werden kann. Sie bieten die Möglichkeit, sich mit anderen über ein Thema oder Problem auszutauschen und sind eine neue Art der Nachhilfe geworden. Grundlage für diese Partizipation bilden Autonomieerfahrung, das eigene Kompetenzerleben und die soziale Einbettung.⁸⁰ Die Rahmenbedingungen der Kommunikationsmöglichkeiten auf der Plattform werden von dem Unternehmen vorgegeben und lassen nur wenig Handlungsspielraum für die Nutzenden. Entscheidungsprozesse und Willensbildung über user generated content werden nicht ausgehandelt, sondern vom Konzern YouTube bestimmt. Die inhaltlichen Strukturen werden auch durch die Mitarbeit der Userinnen und User kontrolliert, indem sie Content, der gegen die Richtlinien verstößt, melden. Unbequeme Kommentare werden eher gelöscht, statt sie moderiert zu diskutieren. Trotzdem wirken die partizipativen Strukturen der sozialen Medien auf die Gesellschaft. YouTube als Leitmedium biete einen „neue[n] Kulturraum, der mit seiner Bildungsfunktion vielfältig in die dynamischen kulturellen Entwicklungen verflochten ist.“⁸¹ Es entsteht eine neue Öffentlichkeit, die nicht mehr nur von Akteur*innen aus dem Journalismus sowie von Publizistinnen und Publizisten bedient wird, sondern jedem die Möglichkeit gibt, sich an Diskursen zu beteiligen und Geschichtskultur zu beeinflussen.⁸² Es wird nicht mehr nur von Institution wie Museen und Gedenkstätten sowie der Wissenschaft vorgegeben, wie und an was erinnert werden soll, sondern es besteht die Möglichkeit, eine eigene Perspektive auf Geschichte zu veröffentlichen und so einen Teil zu einem multiperspektivischen Geschichtsbild beizutragen.⁸³ Der partizipative Wandel, der durch das Web 2.0 initiiert wurde, verändert auch kulturelle Räume wie Museen. Es werden zusammen mit Besuchenden Ausstellungskonzepte erarbeitet, um die Perspektiven der Besuchenden in Ausstellungen abbilden zu können und Museumsbesuche interaktiv zu gestalten.⁸⁴ Es muss Raum für andere Sichtweisen geschaffen werden, sodass multiperspektivische Deutungen und Narrationen möglich werden. Dafür muss die Medienkompetenz der Nutzenden gestärkt werden, um Aussagen und Bilder in ihren entsprechenden Kontext einordnen zu können oder auch Geschichte zu dekon-
Wagner, Heranwachsen (wie Anm. 52). Rummler, Lernen mit YouTube-Videos (wie Anm. 14). Vgl. Schmidt, Social Media (wie Anm. 5). Vgl. Simon, Das partizipative Museum (wie Anm. 31). Vgl. Simon, Das partizipative Museum (wie Anm. 31).
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struieren.⁸⁵ In Projekten wie dem Geschichtomat lernen Schülerinnen und Schüler praktische Medienkompetenzen, indem sie ihren eigenen Content erstellen und veröffentlichen. Das Medium Video setzt eine planerische Herangehensweise voraus, um Inhalte ansprechend zu erklären und darzustellen. Darüber hinaus muss auf einer Metaebene der Inhalt verstanden sein, um ihn erklären zu können.⁸⁶ Kompetenzen wie das Verarbeiten und sinnvolle Nutzen von Informationen sowie das kritische Hinterfragen werden erworben und vertieft. Soziale Medien haben ihr eigenes Narrativ. Die Chancen von Geschichtskultur auf YouTube liegen im kreativen Umgang historische Ereignisse in dieses Medium einzubetten. Es gibt YouTube-Kanäle, wie den englischsprachigen „crashcourse history“ von Hank und John Green, die es in ihren Beiträgen schaffen, den Konstruktcharakter von Geschichte als feststehende Wahrheit zu hinterfragen.⁸⁷ Mit der einfachen Frage, wann der Zweite Weltkrieg begann, wird das gängige Datum zur Diskussion gestellt. Ein festes Datum lässt sich gut auswendig lernen, aber warum fing der Krieg erst mit dem Überfall der Deutschen auf Polen am 01. September 1939 an und nicht schon 1931 als japanische Truppen die Mandschurei besetzten? Die japanische Expansion führte 1937 zum Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg. Mit dem Blick auf asiatische Geschichte lösen die Machenden zudem die eurozentrierte Perspektive auf und lenken den Blick auf breitere historische Kontexte. In einer Kurzzusammenfassung vor dem eigentlichen Video wechselt der Erzähler in die Rolle des Schülers, der offensichtliche Fragen stellt. Auf eine spielerische Art und Weise wird auch hier ein Perspektivwechsel vorgenommen. Außerdem werden verschiedene Wissensquellen wie Filme, Bücher, Geschichtsfernsehen oder die Großeltern als Zeitzeugen, die das eigene Geschichtsbild prägen, angesprochen. Am Ende der Folge wird offengelegt, welche Personen an der Folge mitgearbeitet und ihr Wissen eingebracht haben, sodass den Zuschauenden ein transparenter Umgang mit Wissen vermittelt wird. Zusammen mit ihrem ehemaligen Geschichtslehrer Raoul Meyer schreiben und
Vgl. Andreas Körber, der dafür plädiert das Sinnbildungsmuster nach Rüsen und Pandel weiterhin wichtige Funktionen im Bezug auf den Konstruktcharakter und Narration haben und sie transparent zu machen. Körber, Andreas: Noch einmal Sinnbildungsmuster: „traditional“ vs. * „traditionell“. https://historischdenkenlernen.userblogs.uni-hamburg.de/index.php/tag/sinnbil dungsmuster/ (29.05. 2018). Rummler, Lernen mit YouTube-Videos (wie Anm. 14). Green, Hank u. John: Crashcourse history, Zweiter Weltkrieg: Crashkurs Weltgeschichte #38. https://www.youtube.com/watch?v=Q78COTwT7nE&list=PLBDA2E52FB1EF80C9&index=38 (30.05. 2018).
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konzipieren Green und Green die Videos.⁸⁸ Zuschauende lernen eine neue Perspektive auf das Wissen, werden dazu angeregt über diese neuen Zusammenhänge zu reflektieren, sich selber neue Informationen zu sammeln und sich zu positionieren und sind so in den ersten Schritten des partizipativen Medienhandelns nach Wagner.⁸⁹ Also Partizipation für alle? Es ist kompliziert aber möglich. Partizipation auf YouTube ist, wenn die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, machbar und eröffnet andere partizipative Zugänge zu Geschichte.
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Moritz Hoffmann
Die dunkle Seite der Partizipation: Überlegungen zur Historischen Hassrede Die Geschichte des sozialen, kommunikativen und partizipativen Web 2.0 ist auch eine Geschichte der Enttäuschung: 2006 hatte das „TIME Magazine“ in der Erwartung des sozialen Internet uns alle, bezeichnet als „You“, zur Person des Jahres gekürt und diese Wahl so begründet: It’s a story about community and collaboration on a scale never seen before. It’s about the cosmic compendium of knowledge Wikipedia and the million-channel people’s network YouTube and the online metropolis MySpace. It’s about the many wresting power from the few and helping one another for nothing and how that will not only change the world but also change the way the world changes.¹
Autor Lev Grossmann fasste damit die technische Entwicklung eines statischen, mit verhältnismäßig großen Initialkosten verbundenen Web 1.0 hin zu einem leicht zu bedienenden, kostengünstig zu betreibenden und über viele Grenzen verbindenden Web 2.0 in eine kulturoptimistische Gesamterzählung: Nicht nur sollte das Web 2.0 leichteren Zugang zu Wissen und Unterhaltung bieten, es sollte die Welt auch gleich demokratischer machen, indem es „den Wenigen“ zugunsten breiterer Gesellschaftsteile Macht entziehe. Schon zu diesem Zeitpunkt kritische Stimmen², die konkrete Bezüge zwischen virtueller Informations- und Agitationsmöglichkeit und konkreten Gewaltausbrüchen herstellten, wurden dabei in einem bemerkenswerten Maße ignoriert. Zwölf Jahre später ist die Hoffnung auf eine digitale Weltverbesserung einer gewissen Ernüchterung gewichen: Die politische Polarisierung der westlichen Welt lässt sich nicht nur an der Kommunikation im Internet ablesen, sie wird auch auf das Internet zurückgeführt.³ Kernbestandteil der Debatte über den sozialen Einfluss von partizipativen Webformen ist dabei der Begriff „Hate Speech“ oder
Grossmann, Lev: Time’s Person of the Year:You, in: TIME Magazine Vol. 26 No. 168. S. 1– 3, hier: S. 1. Exemplarisch: Schafer Joseph A.: Spinning the Web of Hate. Web–Based Hate Propagation by Extremist Organizations, in: Journal of Criminal Justice and Popular Culture 9 (2002). S. 69 – 88. van Dijk, Jan A.G.M [u. a.]: Internet and Democracy in the Network Society. New York 2018. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass diese These zumindest für die USA 2017 empirisch widerlegt wurde: Boxell, Levi [u. a.]: Is the Internet Causing Political Polarization? Evidence from Demographics. Providence 2017. https://www.brown.edu/Research/Shapiro/pdfs/age-polars.pdf (07.10. 2018). https://doi.org/10.1515/9783110599497-011
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„Hassrede“, der sich einer stringenten und allgemeingültigen Definition insbesondere deshalb entzieht, weil er weder juristischen noch wissenschaftlichen⁴, sondern genuin politischen Ursprungs ist⁵, was insbesondere daran liegen dürfte, dass er aus den USA kommt, in denen die Meinungsäußerungsfreiheit eines der wichtigsten Grundrechte darstellt. Eine juristische Definition von Hassrede ist daher dort praktisch irrelevant, weil es keine juristische Sanktion solcher Meinungsäußerung geben kann.⁶ Hate Speech hat grundlegend zwei Dimensionen: Eine persönlich-diffamierende, die große Überschneidungen mit (Cyber‐)Mobbing aufweist⁷, sowie eine weltanschaulich-politische. Während die Erstgenannte Relevanz für die Betrachtung durch Psychologie und Soziologie hat, ist die zweite gerade auch für die Geschichtswissenschaft von großer Bedeutung: Wer politischweltanschaulich argumentiert, ganz gleich ob im ernsthaften Diskurs oder in Formen von Hassrede, verwendet häufig Vorerfahrungen und Narrative der lokalen, nationalen oder globalen Vergangenheit. Darüber hinaus kann die Demonstration von historischer Sachkenntnis als nichtinhaltliches Mittel zur Beeinflussung einer Debatte im Sinne einer Überwältigung verwendet werden. Ausgehend von diesen Vorüberlegungen soll daher an dieser Stelle für die Einführung der analytischen Kategorie „Historische Hassrede“⁸ in der wissenschaftlichen Public History plädiert werden. Am Beispiel der Partizipation bei YouTube soll gezeigt werden, dass
Mitunter wird unter dem Verweis auf die Häufigkeit des Begriffes in der juristischen Literatur konstatiert, dass es ein juristischer Begriff sei, vgl. Sponholz, Liriam: Hate Speech in den Massenmedien. Theoretische Grundlagen und empirische Umsetzung. Wiesbaden 2018. S. 40 – 41. Eine solche rein quantitative Auslegung übergeht allerdings, dass „Hassrede“ juristisch schlicht als Sammelbegriff für in verschiedenen Ländern höchst unterschiedliche, Äußerungen sanktionierende, Tatbestände verwendet wird. Stefanowitsch, Anatol: Was ist überhaupt Hatespeech? In: „Geh sterben!“ Umgang mit Hate Speech und Kommentaren im Internet. Hrsg. von Amadeu Antonio Stiftung. Berlin 2015. S. 11– 14, hier S. 11. Vgl. Marker, Karl: Know Your Enemy. Zur Funktionalität der Hassrede für wehrhafte Demokratien. In: Hassrede/Hate Speech. Interdisziplinäre Beiträge zu einer aktuellen Diskussion. Hrsg. von Jörg Meibauer. Gießen 2013. (Linguistische Untersuchungen 6). S. 59 – 94, hier S. 61. Hierzu ausführlich Marx, Konstanze: Diskursphänomen Cybermobbing. Ein internetlinguistischer Zugang zu [digitaler] Gewalt. Berlin 2017. Der Begriff entstammt ursprünglich dem Vortrag „‚Meine Oma ist kein Mythos‘ – warum die Facebook-Kommentarspalte die Geisteswissenschaften rettet“, den der Autor gemeinsam mit Charlotte Jahnz am 3. Mai 2016 bei der re:publica in Berlin hielt. Der Gedanke wurde daraufhin in das von der Bundeszentrale für politische Bildung geförderte Projekt GeschichtsCheck des Open History e.V. weitergetragen. Näheres hierzu sowie der Abschlussbericht von Projektteam und wissenschaftlichem Beirat unter https://www.openhistory.de/was-wir-machen/geschichtscheck/. (07.10. 2018).
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historische Hassrede ein in der Internetkultur tief verwurzeltes und gleichzeitig hochgradig volatiles Phänomen ist, historische Hassrede eine für die wissenschaftliche Public History spezifische, analytische Kategorie für Phänomene wie „Revisionismus“, Holocaustleugnung etc. darstellt, diese historische Hassrede gleichzeitig zur Verbreitung von politisch-weltanschaulichen Überzeugungen, zur Herabwürdigung eines Gegenübers sowie zur Formationsbildung in asynchronen Communitys eingesetzt wird und Historikerinnen und Historiker, Zivilgesellschaft und auch YouTube selbst äußerst unzureichend auf die Herausforderungen dieses Phänomens vorbereitet sind.
1 Historische Hassrede als Kommunikation Dass Hassrede ein politischer Begriff ist, erschwert die Definitionsfrage grundsätzlich. Versteht man Politik als Bemühen um allgemeinen Ausgleich, besteht einerseits die Gefahr, mit einer solchen Definition einen zu weiten Begriff zu fassen, der selten anwendbar ist, oder aber den Begriff so eng zu sehen, dass die Meinungsäußerungsfreiheit in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt wird.⁹ Dabei spielt die gesetzgebende bzw. rechtsprechende Gewalt nur eine untergeordnete Rolle, weil sie nur die minimal notwendige Sicherstellung eines Gemeinwesens gestaltet, während soziale Fragen weit über Strafbewehrung und Legalisierung hinaus zu wirken haben. Abseits solcher Einschränkungen soll die Definition von Liriam Sponholz als Arbeitsgrundlage dienen. Sie lautet: „Hate Speech [ist] eine Form der kommunikativen Herstellung menschlicher Minderwertigkeit. Dabei werden bewusst und/oder intentional Antinomien aktiviert, in denen unterschiedliche Gruppen von Menschen als ungleichwertige und exklusive Gegensätze definiert werden.“¹⁰ Diese Formulierung hebt sich insofern von anderen weitverbreiteten wie der es EU-Ministerkomitees¹¹ ab, dass sie keine konkreten, das Blickfeld womöglich
Hier sei als Beispiel „Dangerous Speech“ genannt, also Hassrede in offenen Konflikten, die einen direkten Bezug oder eine Aufforderung zum Genozid beinhaltet, vgl. Sponholz: Hate Speech (wie Anm. 4), S. 42. Sponholz: Hate Speech (wie Anm. 4), S. 48. „alle Ausdrucksformen, die Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus oder andere Formen auf Intoleranz beruhendem Hass verbreiten, dazu anstiften, sie fördern oder rechtfertigen; einschließlich von Intoleranz, die sich in aggressivem Nationalismus und Ethnozentrismus, der Diskriminierung und Feindseligkeit gegenüber Minderheiten, Migrant/innen und Menschen mit Migrationshintergrund äußert“, zitiert nach Stefanowitsch: Hate Speech (wie Anm. 5), S. 11.
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einengenden Beispiele (wie etwa Antisemitismus, Homophobie) enthält und den Begriff „Hassrede“, dem Emotionalität inhärent ist, soweit es geht entemotionalisiert. Dabei ist Emotionalität zwar in der Hassrede mitunter anzutreffen, aber keinesfalls ein konstituierendes Element. Zu einer Definition von historischer Hassrede muss die Definition von Sponholz lediglich um eine argumentative und intentionale Metaebene ergänzt werden: Die argumentative Ebene schränkt dabei den Inhalt der Kommunikation auf Themen der Vergangenheit bzw. der Vergangenheitsrezeption ein, während die intentionale Ebene die (verfälschende) Änderung historischer Narrative zur Simplifizierung der vorstehenden Argumentation betrifft. Als Arbeitsdefinition historischer Hassrede sei daher vorgeschlagen: Historische Hassrede ist ein kommunikativer Akt zur Konstruktion menschlicher Minderwertigkeit. Durch Zuhilfenahme historischer Argumente, die etablierten Narrativen entnommen oder durch leichte bis grobe Verfälschung des allgemeinen Kenntnisstandes erzeugt werden, werden bewusst und/oder intentional Antinomien aktiviert, in denen unterschiedliche Gruppen von Menschen als ungleichwertige und exklusive Gegensätze definiert werden.
Keines der genannten Elemente muss offen kommuniziert werden: Als historische Hassrede kann der persönliche Angriff auf eine Person aufgrund ihrer Herkunft ebenso gewertet werden wie die unpersönliche Leugnung der Shoah, die Verherrlichung Pol Pots ebenso wie die Rechtfertigung der Verfolg von Sinti und Roma. Historische Hassrede wirkt mit der Vergangenheit als Werkzeug in der Gegenwart, sei es im Vier-Augen-Gespräch oder mit einer theoretisch unbegrenzten Öffentlichkeit in den Sozialen Medien. Zusammengefasst bedeutet dies, dass historische Hassrede als eigene analytische Kategorie von wissenschaftlicher Public History zu begreifen sein soll, die aus anderen Betrachtungsrahmen als „Revisionismus“, Holocaustleugnung, Antisemitismus, Rassismus, LGBT-Feindlichkeit etc. bezeichnet wird. Um aber die Gesamtheit dieser Abwertungsmechanismen in ihrer Ausdrucksform und Rezeption über Soziale Medien – also schnell, häufig anonym, meist unsanktioniert und global abrufbar – fassen zu können, ist aber ein für die Public History spezifischer Begriff notwendig. Historische Hassrede als Kategorie knüpft insofern an die etablierten soziologischen und kommunikationswissenschaftlichen Forschungsdiskurse zu Hate Speech an und gibt ihnen eine spezifisch geschichtswissenschaftliche Dimension im Sinne von Public History als einer „history about the public“¹². Sie ist daher ausdrücklich weder ein politischer Begriff, weil sie
Cole Jr., Charles C.: Public History. What Difference Has it Made? In: The Public Historian 16
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nicht zur Änderung oder geänderten Anwendung bestehender Gesetze führt, und auch kein juristischer Begriff, weil sie deutlich weiter gefasst ist als, für den deutschsprachigen Raum, die einschlägigen Strafgesetze zum Schutz der persönlichen Ehre und zum Verbot von Volksverhetzung, Holocaustleugnung etc.
2 Historische Hassrede als Formationswerkzeug Während die kommunikative Dimension von Hassrede und folglich auch historischer Hassrede Gegenstand ausführlicher Debatten und Forschung wurde und ist, ist die Dimension des Formationswerkzeuges größtenteils unbeachtet. Wo das Thema im Bereich von Rekontextualisierung berührt wird, ist damit eher der Umgang von Opferseite im Sinne eines kollektiven Umgangs gemeint.¹³ Gerade im Hinblick auf Soziale Medien, die nicht (wie etwa Facebook) bestehende soziale Beziehungen abzubilden versuchen und aufgrund der unüberschaubar hohen Anzahl von NutzerInnen keine strukturelle Möglichkeit bieten, Subcommunitys unter Gleichgesinnten zu bilden, kommt der Hassrede bei von der demokratischen Mitte devianten Personenkreisen die Rolle zu, sich sichtbar zu machen und so für die entsprechen Subcommunitys als verfügbar zu markieren. Die unterschiedlichen Aufgaben der historischen Hassrede lassen sich leicht an zwei exemplarischen, ungekürzten Kommentaren unter einer bei YouTube urheberrechtswidrig hochgeladenen ZDFinfo-Dokumentation namens „Das Tagebuch der Anne Frank“¹⁴ verdeutlichen: „Faszinierend, daß Anne Frank zwei komplett unterschiedliche Handschriften hat.Faszinierend,“¹⁵; „aber Anna Frank ist doch nur eine Erfindung , eine erfundene Geschichte für viel Geld“¹⁶. Grundsätzlich dienen beide Kommentare dem Angriff auf die Authentizität der Schilderung und Überlieferung von Anne Franks Tagebüchern, die im deutschen Schulunterricht über die Shoah immer noch eine wichtige Rolle einneh-
(1994). S. 9 – 35, hier S. 11, zitiert nach Zündorf, Irmgard: Zeitgeschichte und Public History Version 2.0. In: Docupedia-Zeitgeschichte 6. September 2016, dx.doi.org/10.14765/zzf.dok.2.699.v2. (07.10. 2018) Marx, Konstanze: Rekontextualisierung von Hate Speech als Aneignungs- und Positionierungsverfahren in Sozialen Medien, in: Aptum 2 (2017). S. 132– 147. https://www.youtube.com/watch?v=1 L-iEGvzT8k. (27. Juni 2018). https://www.youtube.com/watch?v=1L-iEGvzT8k&lc=UgwF1rKvUfvVInuMn_x4AaABAg. (27. Juni 2018). Sämtliche Schreibweisen wurden unverändert aus dem Original übernommen. https://www.youtube.com/watch?v=1L-iEGvzT8k&lc=UgzVimQT3auA6kOpJOJ4AaABAg. (27. Juni 2018).
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men. Wenn man jedoch davon ausgeht, dass YouTube-Kommentare die Individuen der Zielgruppe selten dazu anregen, weiterführende Recherche anzustrengen, haben die Beiträge doch unterschiedliche Ziele: Während der zweite Beitrag ohne weitere Umschweife eine Fälschung von „Anna Frank“ in Verbindung mit dem antisemitischen Topos der „jüdischen Geldgier“ behauptet und so die Gesamtheit des ganz offenbar minderjährigen Hauptpublikums des Videos anspricht, ist der erste Kommentar deutlich subtiler: Er nimmt Rekurs auf eine in rechtsextremen Kreisen beliebte und längst widerlegte Verschwörungstheorie, nach der Teile des Tagebuchs mit einem vor 1945 nicht erhältlichen Kugelschreiber in einer vom restlichen Text klar unterscheidbaren Handschrift geschrieben worden seien.¹⁷ Da diese Erzählung aber keine sonderlich große Verbreitung genießt, ist sie nur für jene Rezipientinnen und Rezipienten verständlich, die bereits Teil von Subcommunitys sind, die die Authentizität von Anne Franks Tagebüchern leugnen. Während also wahrscheinlich ein Großteil der Leserinnen und Leser der Kommentarspalte über diesen einen Eintrag eher achtlos hinweglesen, bietet er als „revisionistischer“ Code denen einen Ankerpunkt, die Anschluss an die entsprechende Subcommunity erlangen möchten. Dadurch, dass die Userinnen und User von YouTube mit nur einem Profil Kommentatoren und Kommentatorinnen, Filmproduzenten und -produzentinnen und, durch Playlists, auch kuratorische Rollen einnehmen können, bilden sich so volatile Netzwerke von gegenseitigen Empfehlungen, kommunikativer Unterstützung bei Diskussionen in den Kommentarspalten und auch neu produzierten Filmen, die wiederum die „revisionistischen“ Thesen und Argumente leicht und allgemein zugänglich aufbereiten und so, im für die Produzenten und Produzentinnen idealen Fall, neue Mitglieder für die entsprechenden Subcommunitys gewinnen.
3 Historische Hassrede im System YouTube Das Potenzial partizipativer Onlinemedien, die beabsichtigten Effekte von Botschaften (im Falle von YouTube: Videoinhalten) durch die direkt angehängten Kommentare abzuschwächen oder gar umzukehren, ist bereits beschrieben worden, als YouTube gerade einmal fünf Jahre alt war.¹⁸ Auch wenn die Studie den
Zur Genese dieses Topos siehe Prose, Francine: Anne Frank. The Book. The Life. The Afterlife, New York 2010. (eBook) Pos. 437,4– 438,8. Walter, Joseph B. [u. a.]: The Influence of Online Comments on Perceptions of Antimarijuana Public Service Announcements on YouTube. In: Human Communication Research 36 (2010). S. 469 – 492.
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Bereich der Public-Health-Videos bei YouTube untersucht, dürften ihre Ergebnisse durchaus auf Videos zur Geschichte übertragbar sein, zumal sich die erzielten Ergebnisse für Kommentarspalten zu aktuellen Nachrichten bestätigen ließen.¹⁹ Beide Studien kamen zu dem Ergebnis, dass unter jenen Leserinnen und Lesern, die in geringem Maße analytisch denken, eine starke Beeinflussung der persönlichen Meinung durch dissentierende Meinungsäußerungen in den Kommentaren feststellbar war. Diese Erkenntnis ist für die öffentliche Vermittlung von Geschichte bei YouTube von elementarer Bedeutung: Da viele Schülerinnen und Schüler YouTube als eine Art außerschulische Vor- und Nachbereitung von vermittelten Inhalten verwenden²⁰ und Geschichtsinteressierte nach der Schulzeit die dortigen Angebote ebenfalls intensiv verwenden, kommt den dortigen Videos und damit auch den Kommentaren eine große Bedeutung zu. Verwendet man ein weiteres Mal das Beispiel „Anne Frank“, könnte der Befund der Suchergebnisse zu diesem Begriff zunächst einmal wenige Auffälligkeiten zeigen: Von den ersten zehn Treffern sind vier öffentlich-rechtliche Fernsehproduktionen, fünf Kinofilme bzw. Trailer sowie eine nachvertonte Aufzeichnung des 3D-Rundgangs durch das Versteck der Familie, den das Anne Frank Haus Amsterdam auf seiner Homepage anbietet²¹. Von diesen zehn Videos sind allerdings nur drei von verifizierten Urhebern, nämlich ein Kinofilm als kostenpflichtiger YouTube-Stream, ein Trailer von einem Kinotrailer-Profil sowie ein Ausschnitt aus der Talk-Sendung 3nach9 von Radio Bremen. Die übrigen Videos, darunter auch drei weitere öffentlich-rechtliche Produktionen, sind von pseudonymen Profilen ohne redaktionelle Kontrolle und Achtung der Urheber- und Veröffentlichungsrechte hochgeladen worden, weshalb die redaktionelle Betreuung der Kommentarspalte oder gar deren vollständige Deaktivierung nicht stattfindet. Das bedeutet in der Folge, dass mit den aufwändig und optisch attraktiv produzierten öffentlich-rechtlichen Geschichtsproduktionen eine einflussreiche Kommentarspalte einhergeht, die keinerlei inhaltlicher Kontrolle oder Moderation unterliegt. Inhalten zu begegnen, die in die Kategorie Historische Hassrede fallen, bleibt damit alleine der Selbstregulierung der Zuschauerinnen und Zuschauer bzw. Leserinnen und Leser durch das Be-
Lee, Eun-Ju [u. a.]: What Do Others’ Reactions to News on Internet Portal Sites Tell Us? Effects of Presentation Format and Readers’ Need for Cognition on Reality Perception, in: Communication Research 37 (2010). S. 825 – 846. Becher, Alexander: Lernvideos auf YouTube. MA-Arbeit. Dresden 2012. https://www3.sachsen. schule/fileadmin/_special/gruppen/40/MASTERARBEIT.pdf. S. 47. http://www.annefrank.org/de/Subsites/Home/Betritt-das-3D-Haus/#/house/20/. (28. Juni 2018).
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werten der Kommentare (Daumen hoch bzw. Daumen herunter) oder durch das Posten von Gegenrede überlassen. Diese Faktoren begünstigen also die Verbreitung historischer Hassrede über die Kommentarsektion großer Teile der bei YouTube verfügbaren Videos. Hinzu kommt, dass YouTube-Kommentare generell im Ruf stehen, zu den niveauärmsten im Internet zu gehören²²; der „Guardian“ beschrieb diese bereits 2009 zusammenfassend: „Juvenile, aggressive, misspelled, sexist, homophobic, swinging from raging at the contents of a video to providing a pointlessly detailed description followed by a LOL, YouTube comments are a hotbed of infantile debate and unashamed ignorance – with the occasional burst of wit shining through.“²³ Die Gründe dafür liegen u. a. 1) im Sortieralgorithmus, der zumindest lange Zeit Interaktion, also Antworten und die Gesamtzahl der Stimmen, vor positive Bewertungen stellte, also die kontroversesten statt der beliebtesten Kommentare oben sichtbar machte, 2) der geringen sozialen Kontrolle dadurch, dass Kommentare pseudonym abgegeben werden können und nirgendwo, auch nicht auf dem eigenen Nutzerprofil, in ihrer Gesamtheit zentral eingesehen werden können – das Risiko einer „Entdeckung“ der eigenen Kommentartätigkeit durch Personen, denen man außerhalb von YouTube verbunden ist, ist also gering – sowie 3) der Abwesenheit von Anreizen für konstruktives Kommunikationsverhalten wie beispielsweise bei Reddit, wo die Summe der positiven Abstimmungen zu allen Kommentaren eines Benutzerkontos gewissermaßen als Auszeichnung auf deren Profil als „Karma“ verzeichnet wird. Zusammengefasst ergibt sich aus dem Publikations- und Diskussionssystem YouTube ein idealer Nährboden für historische Hassrede: Attraktive Inhalte ziehen große Zahlen von Interessierten an, die in der Folge auf vollkommen unmoderierte Kommentarspalten treffen, die kontroverse, sozial unerwünschte und abwertende Textbeiträge systematisch begünstigen bzw. zumindest nicht erschweren.
Schultes, Peter [u. a.]: Leave a Comment! An In-Depth Analysis of User Comments on YouTube. In: Wirtschaftsinformatik 42 (2013). S. 659 – 673, hier: S. 659 – 660 und Tait, Amelia: Why are YouTube comments the worst on the internet? In: New Statesman 26 October 2016. https://www. newstatesman.com/science-tech/internet/2016/10/why-are-youtube-comments-worst-internet. (28. Juni 2018). Owen, Paul [u. a.]: Out top 10 funniest YouTube Comments, in: The Guardian Online 3. November 2009, https://www.theguardian.com/technology/blog/2009/nov/03/youtube-funniestcomments. (28. Juni 2018).
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4 Themen der historischen Hassrede In Anbetracht der Tatsache, dass schon 2015 jede Minute über 400 Stunden Videomaterial auf YouTube hochgeladen wurden²⁴, ist die Zahl der für eine Betrachtung in Frage kommenden Videos und daraus folgend auch der entsprechenden Kommentare zu groß für eine vollständige oder auch nur annähernd repräsentative Untersuchung: Allein zum Suchbegriff „Anne Frank“ finden sich im Sommer 2018 ca. 232.000 Videos bei YouTube, zu „Holocaust“ etwa 1,2 Millionen. Für verwandte Fragen in unterschiedlichen Fachrichtungen verwendete Forschungsdesigns, die mit Profile-Samplings oder großen Korpora an Metadaten²⁵ arbeiten, kommen aufgrund der großen Spannweite an möglichen Themen nicht in Frage. Um einen ersten quantitativen Überblick über das Phänomen im deutschsprachigen Raum zu finden, wird daher eine Stichprobe der ersten zehn deutschsprachigen Treffer bei einer Suche nach „Anne Frank“ genommen, also in etwa das Angebot, das oberflächlich interessierte Nutzerinnen und Nutzer von YouTube üblicherweise wahrnehmen würden.²⁶ Der kostenpflichtige Stream eines Spielfilms sowie ein weiteres Video beinhalten keine Kommentare, die übrigen acht Filme zwischen 7 und 794 Textbeiträgen auf der ersten und zweiten (Antworten) Ebene. Diese Textbeiträge wurden daraufhin auf Elemente historischer Hassrede geprüft, im konkreten Fall den deduktiv generierten Kategorien Holocaustleugnung, Antisemitismus, Leugnung der Authentizität des Tagebuchs, Leugnung der historischen Existenz der Figur Anne Frank, „revisionistische“ Behauptungen zu Ausbruch, Verlauf oder Ende des Zweiten Weltkriegs oder Verherrlichung der NS-Diktatur. Bei den untersuchten Beiträgen handelt es sich um fünf öffentlich-rechtliche Informationsangebote, davon drei Dokumentationen, eine Kinderinformationssendung sowie ein Talkshow-Ausschnitt, von denen nur der Letztgenannte vom rechtmäßigen Inhaber hochgeladen wurde. Die übrigen drei Beiträge sind ein
https://www.statista.com/statistics/259477/hours-of-video-uploaded-to-youtube-every-minu te/. (28. Juni 2018). Siersdorfer, Stefan [u. a.]: How Useful are Your Comments? Analyzing and Predicting YouTube Comments and Comment Ratings. In: Proceedings of the 17th International Conference on World Wide Web 2010. Raleigh 2010. S. 891– 900. Zu beachten ist, dass diese Suchergebnisse stetigen, nicht von außen nachvollziehbaren Änderungen unterworfen sind, die sich durch von Google gesammelte Nutzerdaten, den Standort des abrufenden Computers etc. beeinflussen lassen. Im konkreten Fall wurde eine neue Browserinstanz verwendet, um die Suchergebnisse möglichst wenig durch zuvor gesammelte Nutzerdaten beeinflussen zu lassen.
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rechtmäßig angebotener Kinofilm-Trailer sowie zwei nicht rechtmäßig angebotene Spielfilme.²⁷ Insgesamt ließen sich in der Stichprobe 192 von 2380 Kommentaren und damit 8,11 % der Beiträge der Kategorie Historische Hassrede zuordnen:
Das Tagebuch Der Anne Frank ZDFinfo Doku - Das Tagebuch der Anne Frank (1) Anne Frank - Die wahre Geschichte (2001) DAS TAGEBUCH DER ANNE FRANK Trailer (2016) 3nach9 Eva Schloss - Stiefschwester von Anne Frank Anne Frank Willi wills wissen ZDF History - Anne Frank und die Kinder des Krieges 2015 Das Tagebuch Der Anne Frank 1 Doku Hd… 0 Hassrede
100 200 300 400 500 600 700 800 900 Kommentare
Abb.
Den weitaus größten Anteil bei der kleinsten Samplegröße, nämlich vier von sieben Kommentaren (57,14 %), beinhaltete die Kommentarsektion der Dokumentation „ZDF History – Anne Frank und die Kinder des Krieges“, während die geringsten Anteile die Kinderinformationssendung „Willi wills wissen“ (9 von 206, 4,37 %) und der Spielfilm „Das Tagebuch der Anne Frank“ (5 von 387, 1,29 %) zu verzeichnen hatten:
https://www.youtube.com/watch?v=7wCibPqc-jM, https://www.youtube.com/watch?v=BT wyy5BRWaU, https://www.youtube.com/watch?v=n1ZQh1CYom8, https://www.youtube.com/ watch?v=b4CohvKEe-w, https://www.youtube.com/watch?v=a1kxh1i9U2o, https://www.youtube. com/watch?v=bQgcZIoHb3o, https://www.youtube.com/watch?v=1L-iEGvzT8k&t=13s, https:// www.youtube.com/watch?v=vpG5WOL_AEo&t=149s. (29. Juni 2018).
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Anteil von Hassrede an den Kommentaren Das Tagebuch Der Anne Frank ZDFinfo Doku - Das Tagebuch der Anne Frank (1) Anne Frank - Die wahre Geschichte (2001) DAS TAGEBUCH DER ANNE FRANK Trailer (2016) 3nach9 Eva Schloss - Stiefschwester von Anne Frank Anne Frank Willi wills wissen ZDF History - Anne Frank und die Kinder des Krieges 2015 Das Tagebuch Der Anne Frank 1 Doku Hd… 0%
10%
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Abb.
Die meisten der Kategorie Historische Hassrede zugeordneten Kommentare beschäftigten sich mit der angeblichen Fälschung der Tagebücher, wobei als Täter meist Anne Franks Vater, seltener „die Juden“ oder Anne Frank selbst, die angeblich 1945 nach Palästina ausgewandert sei, genannt wurden. Exemplarisch hierfür steht dieser Kommentar unter dem Video „DAS TAGEBUCH DER ANNE FRANK Trailer (2016)“: „Das BKA schreibt unter Paragraph StGB 130 nur politisch korrekten Unsinn. Der FBI ist nicht besser. Das Anne Frank Werk ist politischer Schund eines Judenrabenvaters, der dickes Geld machen wollte. Die Propaganda Zionwaffe funktioniert immer noch, und das seit ueber 70 Jahren Abzockerfolg. Solche Perversitaet kann man nur bestaunen.“²⁸ Das zweithäufigste Thema nimmt Anne Frank zum Anlass, um einschlägige Topoi des Antisemitismus aufzugreifen: dann musst du Dich mal mit Geschichte beschäftigen. Ohne Juden hätte es wahrscheinlich seit Napoleon keine Kriege gegeben. Das Thema andere Relegion ist eine Sache für sich. Am besten wird das klar wenn man den babylonischen Talmud liest.Denn dort steht geschrieben warum die Juden sich für die einzig wahre „Herrenrasse“ halten ! Hitler oder sonstwer hat das niemals erwähnt, das waren die Juden immer allein. Sie waren es auch die uns als Volk den Mord an „ihrem“ Volk angelastet haben. Sie waren es selbst die ihre Glaubensbrüder verraten und verkauft haben ! O-Ton Chaim Weizman(1. Staatspräsident von Israel) „90 % derer Ostjuden sind nur unbrauchbarer Menschenmüll. Die sollen ruhig in den deutschen Lagern verrotten. Die restlichen 10 % (Reiche, Unternehmer, Intellektuelle) sind jene die wir zum Aufbau Israels brauchen“ ! Also verschont die Wissenden mit solch unqualifizierten
https://www.youtube.com/watch?v=a1kxh1i9U2o&lc=UgjSvwtO8uKQO3gCoAEC.8At5 b04Abtg8B9ewP0FaOl. (30. Juni 2018).
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Kommentaren.Ausserdem sollte der Film lieber „ Das Mädchen mit dem Wunderkugelschreiber „ heissen !“²⁹
Zudem bietet sich Akteurinnen und Akteuren historischer Hassrede so die Gelegenheit, „revisionistische“ Thesen zum Zweiten Weltkrieg unter dem etablierten Topos des die Geschichte schreibenden Siegers zu publizieren: Auf einen Film, in welchem klar die Fakten der Siegerjustiz und die Lügen der Alliierten nach dem 2.Weltkrieg, als auch die bis heute erfolgreiche „Gehirnwäsche/Umerziehung“ behandelt wird, werden wir wohl noch lange warten können. Großer Titel für einen „kleinen Film“. Der Sieger schreibt die Geschichte – DAS sollte jedem einleuchten, der jemals auch nur 3 Seiten gelesen hat – oder ist einem von euch beispielsweise eine überlieferte historische Darstellung des gallisch-römischen Krieges, respektive der Unterwerfung Galliens durch die Römer / Cäsar bekannt, welche NICHT von einem Römer geschrieben wurde? SO war es immer, SO wird es IMMER sein – und da bilden der 2.Weltkrieg bzw. „Hitlerdeutschland“ KEINE AUSNAHME. Das sollte jedem einleuchten, bei dem zumindest noch ein kleines Lichtchen in Form von selbständigem Denken brennt…… Aber gegen 70 Jahre Umerziehung, tägliche Berieselung und unzählige Hollywoodproduktionen, ist mit „selbstständigem Denken“ eben für die Meisten BRD-Lemminge schwer anzukommen……³⁰
All diese Schilderungen und Argumentationsmuster sind nicht neu, teilweise gehören sie seit Jahrzehnten zum Repertoire rechtsextremer Geschichtsnarrative. In der prädigitalen Ära hatten sie aber insofern ein massenmediales Verbreitungsproblem, dass es eines Grundkontaktes zu den entsprechenden Netzwerken bedurfte: Die Wenigsten bekamen zufällig eine Ausgabe von „Nation Europa“ oder ein Buch Alfred Schickels in die Hände, erst recht nicht im Schulalter. In den hier untersuchten Stichproben stoßen die Akteurinnen und Akteure historischer Hassrede allerdings ohne besondere Mühe auf die nach Eigenaussage meist im schulpflichtigen Alter befindlichen Kommentierenden: Eine Moderation der Kommentare durch die Videoanbietenden, erkennbar durch Antworten auf nicht mehr existierende Kommentare, lässt sich nur für den Beitrag „Das Tagebuch Der Anne Frank“ feststellen, also den urheberrechtswidrig angebotenen Spielfilm, der prozentual die geringsten Anteile an historischer Hassrede verzeichnete. Mit 13 als historische Hassrede kategorisierten Kommentaren von insgesamt 100 lag die Stichprobe bei dem direkt von Radio Bremen angebotenen Video sogar leicht über dem Median. Die dort vollkommen fehlende Kommentarmoderation lässt sich daran erkennen, dass mindestens ein Kommentar zumindest Annäherungen zum https://www.youtube.com/watch?v=a1kxh1i9U2o&lc=Ugjnm9t1W1Y1dHgCoAEC.89d9gxzU gu-8CYa0OmX0uf. (30. Juni 2018). https://www.youtube.com/watch?v=a1kxh1i9U2o&lc=UgiIN8-Fy_te6XgCoAEC. (30. Juni 2018).
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Bereich der Holocaustleugnung zeigt: „Evtl. würde es weit weniger ‚Leugner‘ geben, wenn man gewissen ‚Ungereimtheiten‘ mal nachgehen dürfte…Da man aber schon für ‚kritische Fragen‘ im Knast landet, bleibt halt ein ‚Geschmäckle‘.Und warum redet keiner über den Deutschen Holocaust von Dresden?“³¹ Ein weiterer Kommentar hingegen ist offenkundig eine persönliche Beleidigung der im Video interviewten Person: „Matratzen Königin für die Familie und der Bäcker durfte auch mal drauf- sorry euer Schulbuchwissen ist erbärmlich!!!“³² Der zum Zeitpunkt des letzten Abrufs fünf Wochen alte Kommentar würde, fortlaufende Moderation durch Radio Bremen vorausgesetzt, nicht mehr lesbar sein.
5 Historische Hassrede als Herausforderung und Chance Zum Zeitpunkt des Workshops „Digital Native (Hi)stories: Neue Herausforderungen audiovisuell-partizipativer Medien für die historische Bildung und Forschung“ im Sommer 2016 war Hassrede im Internet ein vor allem politisches Problem inmitten der Debatte um eine juristische Lösung. Produkt dieser Debatte ist das „Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken“, kurz Netzwerkdurchsetzungsgesetz bzw. NetzDG, das am 1. Oktober 2017 in Kraft trat.³³ Betroffen von den Pflichten zur zeitnahen Löschung gemeldeter offensichtlich rechtswidriger Inhalte sollen nur Anbieter sein, die über zwei Millionen registrierte Benutzerinnen und Benutzer in Deutschland haben, was zum Inkrafttreten auf acht Anbieter zutraf, darunter auch YouTube.³⁴ Ein Rückgang der strafrechtlich relevanten Kommentare bei YouTube lässt sich bislang kaum feststellen, wenn auch valide Daten in angemessenem Umfang noch fehlen. Da aber, wie eingangs konstatiert, historische Hassrede nicht nur den strafrechtlich bewehrten Teil der Meinungsäußerungen betrifft, stellt sich die Frage der Verantwortung oder Aufgabe für die Geschichtswissenschaft, insbesondere
https://www.youtube.com/watch?v=b4CohvKEe-w&lc=Ugw_S-8JaXel0SzcdaV4AaABAg. (30. Juni 2018). https://www.youtube.com/watch?v=b4CohvKEe-w&lc=Ugz51ThypewomOnP-5R4AaABAg. (30. Juni 2018). Zur Anwendung des Gesetzes in der Praxis siehe Guggenberger, Nikolas: Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz in der Anwendung, in: Neue juristische Wochenschrift (2017). S. 2577. Die Anbieter sind Facebook, YouTube, Google+, Instagram, Pinterest, SoundCloud, Twitter und Google, vgl. Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Uwe Kamann, Uwe Schulz, Joana Eleonora Cotar, Marcus Bühl und der Fraktion der AfD. 29. Dezember 2017. Drucksache 19/355.
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Public Historians, mit diesem Phänomen umzugehen. Eine Präsenz von Historikerinnen oder Historikern in den Kommentarspalten war nicht feststellbar. Tatsächlich aber bietet historische Hassrede der Public History einige Herausforderungen, die durchaus als Chancen zu begreifen sind: Zum einen bietet sie die Möglichkeit, aktuelle Diskurse und Argumentationsmuster politischer Randgruppen sowie der „revisionistischen“ Subkultur in ihrer Entstehung, Vernetzung und Verbreitung in einer Vollständigkeit zu beobachten wie zuvor kaum möglich: Die Verbindung mit Digital Humanities wie der Sprachlichen Informationsverarbeitung bietet hier Stoff für zahlreiche Forschungsdesiderate. Angesichts der Omnipräsenz sozialer Medien in der Diskurs- und Erfahrungswelt insbesondere jüngerer Menschen kann diese Beobachtung für Lehrpersonen in Schule oder außerschulischen Lernorten (etwa Gedenkstätten) wertvolle Hinweise darauf bieten, welche Provokationen bei entsprechenden Themen zu erwarten und entkräften sind. Zum anderen bietet sich die Chance, den gesamtgesellschaftlichen Nutzen des Faches Geschichte in der Praxis zu demonstrieren, indem Historikerinnen und Historiker beispielsweise Gegenrede betreiben oder sich als kompetente Ansprechpartnerinnen und -partner für die oft durchaus interessanten Fragen in den Kommentarspalten zur Verfügung stellen.³⁵ Inwieweit dies konzeptionell geschehen kann, ohne zur von Thorsten Logge befürchteten „Geschichtspolizei“³⁶ zu werden, gälte es im einzelnen Projektfall zu gestalten³⁷ – in keinem Fall wird sich das Thema von selbst auflösen, es wird sich weiterentwickeln und die Public History muss ebenso neue Fragen wie neue Antworten dazu finden: Einen Schritt weiter gegen die Unentschiedenheit.
Literatur Becher, Alexander: Lernvideos auf YouTube. MA-Arbeit. Dresden 2012. https://www3.sachsen.schule/fileadmin/_special/gruppen/40/MASTERARBEIT.pdf. S. 47. Boxell, Levi, Matthew Gentzkow u. Jesse M. Shapiro: Is the Internet Causing Political Polarization? Evidence from Demographics. Providence 2017. https://www.brown.edu/ Research/Shapiro/pdfs/age-polars.pdf (07. 10. 2018).
Das in Anm. 8 erwähnte Projekt GeschichtsCheck hat Gegenrede als Mittel der Public History eingesetzt und in der Evaluation als probates Mittel bewertet, soweit dies messbar war. Meßner, Daniel: „Public History ist keine Geschichtspolizei“. Prof. Dr. Thorsten Logge im Interview, in: UHH Newsroom 6. Dezember 2017. https://www.uni-hamburg.de/newsroom/intern/ 2017/1206-professor-thorsten-logge.html. (30. Juni 2018). Die praktische Durchführung einer solchen aktiven Rolle von Historikern und Historikerinnen im Netz wird allerdings schon grundsätzlich durch die Frage der Finanzierung solcher zeitaufwändigen Tätigkeiten fraglich.
Die dunkle Seite der Partizipation: Überlegungen zur Historischen Hassrede
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Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Uwe Kamann, Uwe Schulz, Joana Eleonora Cotar, Marcus Bühl und der Fraktion der AfD. 29. Dezember 2017. Drucksache 19/355. Cole Jr., Charles C.: Public History. What Difference Has it Made? In: The Public Historian 16 (1994). S. 9 – 35 dx.doi.org/10.14765/zzf.dok.2.699.v2. (07. 10. 2018) Ernst, Julian, Josephine B. Schmitt, Diana Rieger, Ann Kristin Beier, Peter Vorderer, Gary Bente u. Hans-Joachim Roth: Hate Beneath the Counter Speech? A Qualitative Content Analysis of User Comments on YouTube Related to Counter Speech Videos. In: Journal for Deradicalization 10 (2017). S. 1 – 49. Grossmann, Lev: Time’s Person of the Year: You. In: TIME Magazine 26 168. S. 1 – 3 Guggenberger, Nikolas: Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz in der Anwendung. In: Neue juristische Wochenschrift (2017). S. 2577. Lee, Eun-Ju u. Yoon Jae Jang: What Do Others’ Reactions to News on Internet Portal Sites Tell Us? Effects of Presentation Format and Readers’ Need for Cognition on Reality Perception. In: Communication Research 37 (2010). S. 825 – 846. Marker, Karl: Know Your Enemy. Zur Funktionalität der Hassrede für wehrhafte Demokratien. In: Hassrede/Hate Speech. Interdisziplinäre Beiträge zu einer aktuellen Diskussion. Hrsg. von Jörg Meibauer. Gießen 2013. (Linguistische Untersuchungen 6). S. 59 – 94 Marx, Konstanze: Diskursphänomen Cybermobbing. Ein internetlinguistischer Zugang zu [digitaler] Gewalt. Berlin 2017. Marx, Konstanze: Rekontextualisierung von Hate Speech als Aneignungs- und Positionierungsverfahren in Sozialen Medien. In: Aptum 2 (2017). S. 132 – 147. Owen, Paul u. Christopher Wright: Out top 10 funniest YouTube Comments, in: The Guardian Online 3. November 2009, https://www.theguardian.com/technology/blog/2009/nov/03/ youtube-funniest-comments. (28. Juni 2018). Prose, Francine: Anne Frank. The Book. The Life. The Afterlife, New York 2010. (eBook) Pos. 437,4 – 438,8. Schultes, Peter, Verena Dauner u. Franz Lehner: Leave a Comment! An In-Depth Analysis of User Comments on YouTube. In: Wirtschaftsinformatik 42 (2013). S. 659 – 673. Siersdorfer, Stefan, Sergiu Chelaru, Wolfgang Nejdl u. Jose San Pedro: How Useful are Your Comments? Analyzing and Predicting YouTube Comments and Comment Ratings. In: Proceedings of the 17th International Conference on World Wide Web 2010. Raleigh 2010. S. 891 – 900. Sponholz, Liriam: Hate Speech in den Massenmedien. Theoretische Grundlagen und empirische Umsetzung. Wiesbaden 2018. S. 40 – 41 Stefanowitsch, Anatol: Was ist überhaupt Hatespeech? In: „Geh sterben!“ Umgang mit Hate Speech und Kommentaren im Internet. Hrsg. von Amadeu Antonio Stiftung. Berlin 2015. S. 11 – 14. Tait, Amelia: Why are YouTube comments the worst on the internet? In: New Statesman 26 October 2016. https://www.newstatesman.com/science-tech/internet/2016/10/why-areyoutube-comments-worst-internet. (28. Juni 2018). van Dijk, Jan A.G.M. u. Kennet L. Hacker: Internet and Democracy in the Network Society. New York 2018 Schafer Joseph A.: Spinning the Web of Hate. Web-Based Hate Propagation by Extremist Organizations, in: Journal of Criminal Justice and Popular Culture 9 (2002). S. 69 – 88
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Christopher Friedburg
Zwischen „Wahrheit“ und „08/15 Hitlerscheisse“ – Beiträge auf YouTube mithilfe der Nutzerrollen analysierbar machen Für eine Analyse von Partizipation rund um YouTube-Videos erscheint es sinnvoll, zu überlegen, wie sich Nutzerinnen und Nutzer überhaupt an den Inhalten der Plattform beteiligen können. Eine Definition dieser möglichen Nutzerrollen zeigt, welchen Einfluss unterschiedliche Akteure auf die Präsentation und Deutung eines Videos haben und wie diese beschrieben werden können. Dies hilft bei der Erarbeitung der spezifischen Medialität der Angebote und der Erschließung der dadurch transportierten Narrationen. Der Aufsatz stellt drei verschiedene Nutzerrollen vor und leitet daraus ein analytisches Vorgehen ab, das anhand eines Beispiels und mittels geschichtskultureller Analysekriterien durchgeführt wird. Die für diesen Versuch gewählte Beitrags-Gattung – eine Dokumentation – bietet sich in besonderem Maße für dieses Vorgehen an, da hier die Ausprägungen von partizipativen Elementen deutlich zu beobachten sind.¹ Mit Dokumentationen sind hier solche audiovisuellen Beiträge gemeint, die originär für das Fernsehen produziert und nun bei YouTube hochgeladen wurden oder mit Gestaltung, Aufbau, Ästhetik und Authentizitätsankern von TV-Dokumentationen arbeiten, um den Sehgewohnheiten des Publikums zu entsprechen. Auf YouTube sind Beiträge dieser Gattung geradezu „Partizipations-Maschinen“, die vor allem im Kommentarbereich Userinnen und User zu verschiedensten Äußerungen herauszufordern scheinen.² Vorausgesetzt, der Kommentarbereich ist überhaupt
Der Beitrag greift dabei auf Erkenntnisse eines laufenden Dissertationsprojekts des Autors zurück. Es kategorisiert anhand eines explorativen Querschnitts von YouTube-Beiträgen Gattungen, Kommentare und Mechanismen der Rezeption zur historischen Person Adolf Hitler auf der Videoplattform mit dem Ziel einer qualitativen Thesenbildung. Ein Beispiel: BBC Two sendete im Februar 2014 zwei Dokumentationen zum Ersten Weltkrieg. Niall Ferguson erklärte in „The Pity of War“, dass erst Großbritanniens Eingreifen einen regionalen Konflikt zu einem Weltkrieg gemacht habe, während Sir Max Hastings in „The Necessary War“ betonte, dass dieses Eingreifen nötig war, um Europa vor der Übermacht des Deutschen Reiches zu schützen. Die Debatte verlagerte sich auch auf YouTube. Mehrere User luden Hastings Dokumentation illegal hoch, ein Upload des Users „The Fog of War“ vom 7. Mai 2014 generierte bis zum 31. Juli 2014 dabei 224.705 Views und 1.424 Kommentare. Im Kommentarbereich diskutierten Nutzer aus aller Welt über die Dokumentation. Vor allem Briten, Deutsche und Amerikaner https://doi.org/10.1515/9783110599497-012
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freigeschaltet, denn nicht immer wollen die Uploaderinnen und Uploader eines Beitrages auch Raum für eine Auseinandersetzung mit dem Dargestellten lassen.³ Das Beispiel-Video „Adolf Hitler – Wie er wirklich war (Dokumentation | deutsch)“⁴ ruft neben Zustimmung auch Widerspruch hervor und generiert eine breite Teilnahme am Rezeptionsprozess, wie noch aufzuzeigen ist. Wie und warum dies geschieht, welche Folgen das hat und welche Schlussfolgerungen daraus verallgemeinernd für die historisch-politische Bildung gezogen werden können, fasst der Beitrag abschließend kurz im Fazit zusammen.
1 Einleitung Wer jungen Menschen Geschichte nahebringen will, möchte sie dort abholen, wo sie stehen und ihnen aufzeigen, wie präsent die Vergangenheit in ihrer Lebenswelt ist. Dass Kinder und Jugendliche aber auch selbst tätig werden und sich historische Narrationen ganz aktiv oder nebenbei aneignen, ist ebenfalls unbestritten. Gelegenheiten dazu gibt es viele, besonders mit Rückgriff auf die ausdifferenzierte und vielfältige Medienwelt: Neben Fernsehen, Radio, Kino oder Zeitschriften hat
tauschten Gründe für oder gegen Hastings Thesen aus, wobei sie mitunter geschichtswissenschaftliche Publikationen, Schulbücher und Quelleneditionen als Argumentationshilfen nutzten. Unterschiedliche Perspektiven, Standpunkte und variierende Narrationen zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurden hier greifbar, verdichteten sich auf engstem Raum und machten sichtbar, dass die Deutung von Geschichte ein Aushandlungsprozess ist. Das betreffende Video ist – genauso wie das Nutzerkonto – inzwischen aufgrund mehrerer Meldungen Dritter über Urheberrechtsverletzungen von YouTube gekündigt worden. (Vgl. Friedburg, Christopher: Was heißt hier „Web 2.0“? Überlegungen zu einem Grundbegriff in der geschichtsdidaktischen Diskussion um den „digitalen Wandel“. In: Medien machen Geschichte. Neue Anforderungen an den geschichtsdidaktischen Medienbegriff im digitalen Wandel. Hrsg. von Christoph Pallaske. Berlin 2015 (Geschichtsdidaktische Studien 2), S. 85 – 95, hier S. 85 f.) Sind bei einer Dokumentation – beispielsweise zum Zweiten Weltkrieg – die Revisions-Tendenzen zu offensichtlich, scheinen solche Werke Fremdkörper innerhalb der YouTube-Gemeinschaft zu bleiben. So hatte das – inzwischen wegen Urheberrechtsverletzungen gelöschte – Video „2.WK – DEUTSCHE STÄDTE IN FLAMMEN – Luftangriff auf Berlin“ mit dem Untertitel „Doku …: BOMBENHOLOCAUST in BERLIN“ am 18. Juni 2013 gerade einmal knapp 800 Aufrufe zu verzeichnen. Zudem wurde die Kommentarfunktion unter dem Video deaktiviert. Die Uploader schienen die Auseinandersetzung mit anderen Nutzern zu scheuen. (Vgl. Friedburg, Christopher u. Markus Bernhardt: „Digital“ vs. „Analog“? Eine Kritik an Grundbegriffen in der Diskussion um den „digitalen Wandel“ in der Geschichtsdidaktik und ein Versuch der Synthese von „Altem“ und „Neuem“. In: Zeitschrift für Geschichtsdidaktik 13 (2014), S. 119 – 136, hier S. 127.) weloadtv: „Adolf Hitler – Wie er wirklich war (Dokumentation | deutsch)“. Seit dem 16.10. 2013 online. https://www.youtube.com/watch?v=-pMjdW2DGV0 (12.06. 2018)
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sich das Angebot durch die online-gestützten Medien noch einmal vervielfacht. Das hat nicht nur eine erhebliche Steigerung der potenziellen Möglichkeiten in unserer mediatisierten Welt zur Folge, sondern damit einhergehend findet auch eine Transformation von Kulturprozessen statt: Der Zugriff auf mediale Inhalte kann für den Einzelnen gesteuerter, zielgerichteter und unabhängiger denn je erfolgen, was anhand des Beispiels der audiovisuellen Angebote offensichtlich wird.Wo bis vor wenigen Jahren Fernsehsender als Distributoren, Gatekeeper und Gestalter noch unentbehrlich für den Empfang von Serien, Dokumentationen und Filmen waren, wo Programmplaner mit der Macht der Massenmedien den gesellschaftlichen Informationsfluss und Unterhaltungsbedarf entscheidend mitbestimmen konnten, wo sie gar den Tagesablauf der Konsumenten orchestrierten (wer hat nicht für seine Lieblingsserie schon einmal alles stehen und liegen gelassen?), da hat das „Lagerfeuer der Nation“ längst an Glut und Wärme verloren und auch die festen Sende-Termine sind inzwischen mehr Empfehlungen als Regeln. Plattformen wie YouTube bieten ihre Inhalte 24 Stunden an jedem Tag der Woche größtenteils frei zugänglich an, wobei ihre Verbreitungskanäle jeder Nutzerin und jedem Nutzer für alle erdenklichen Inhalte offenstehen. Auch kostenpflichtige Angebote wie Netflix oder Maxdome haben sich als erfolgreiche Alternativen zum regulierten Fernsehen etabliert. Die JIM-Studie 2015 hat gezeigt, dass YouTube als eines der einflussreichsten und meistrezipiertesten Angebote des Social Web in der Lebenswelt vieler Menschen – vor allem der unter 20-Jährigen – sehr präsent ist.⁵ Die Plattform hat sich zu einem wichtigen Medium einer wachsenden internationalen Unterhaltungsund Selbstbildungskultur entwickelt, das vom unkomplizierten Teilen und Publizieren der Inhalte lebt, die außerdem bewertet und diskutiert werden können. YouTube ist zudem ein häufig genutztes Archiv für audiovisuelle Angebote, das nicht (nur) von Expertinnen und Experten, sondern vor allem von einer ausgeprägten „Amateur“-Kultur verwaltet und gepflegt wird – wobei sich die erfolgreichen Content-Produzenten in den letzten Jahren spürbar professionalisiert haben.
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hrsg.): JIM-Studie 2015. Jugend, Information, (Multi‐) Media Basisstudie zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland. https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2015/JIM_Studie_2015.pdf (12.06. 2018): Mit 94 Prozent zählen fast alle Zwölf-bis 19-Jährigen zu den Nutzern von YouTube, vier von fünf Jugendlichen (81 %) sehen sich mehrmals pro Woche Videoclips auf YouTube an, jeder Zweite nutzt die Videoplattform nach eigenen Angaben sogar täglich (52 %). Auch bei der Informationsbeschaffung spielt YouTube eine wichtige Rolle: „Demnach nutzen 82 Prozent der Jugendlichen regelmäßig eine Suchmaschine (täglich: 55 %), 59 Prozent sehen sich auf YouTube Videos an, um sich über ein bestimmtes Thema zu informieren (täglich: 31 %)“ (S. 33).
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2 Erwartungen an Partizipation im Social Web „Das Internet bietet seit vielen Jahren eine ideale Projektionsfläche für Hoffnungen auf transparentere Öffentlichkeitsstrukturen, welche die vielkritisierte Dominanz der Massenmedien in der allgemeinen Gegenwartsbeschreibung durchbrechen könnten“.⁶ Das schrieb der Sozialwissenschaftler Jan-Felix Schrape schon 2011 in einem Aufsatz über „Social Media, Massenmedien und gesellschaftliche Wirklichkeitskonstruktion“. In der anhaltenden Debatte über den „digitalen Wandel“ und die damit angesprochenen medialen Transformationsprozesse scheint die anfängliche Faszination und utopisch aufgeladene Begeisterung für die neuen und offeneren Kommunikationskanäle inzwischen jedoch gedämpft zu sein. Der Begriff „Web 2.0“⁷ implizierte als „ideological and technological foundation“⁸ des „neuen Netzes“ mit seiner an eine überarbeitete Software-Versionsnummer erinnernde Endung „2.0“, dass mediale Transformationen hier als etwas Verbessertes gedacht und beschrieben werden sollten. So manifestierte sich dieses Fortschritts-Narrativ – bewusst oder unbewusst – auch im Diskurs um den digitalen Wandel in der historisch-politischen Bildung als ein Deutungsmuster. Die Netzöffentlichkeit als Raum herrschaftsfreier Diskurse galt dabei ebenso als Möglichkeit, Strukturschwächen der „herkömmlichen“ Demokratie zu überwinden, wie die Erwartung einer „gut informierten, aktiven, motivierten und mitgestaltenden Gesellschaft“,⁹ die sich ganz automatisch aus der Nutzung der bereitgestellten Online-Partizipationsmöglichkeiten ergeben sollte. Stefan Münker verglich die „vernetzten Öffentlichkeiten im Web 2.0“ im Jahr 2009 mit dem „Entwurf der aufklärerischen Öffentlichkeit“ nach Jürgen Habermas und stellte in einer Denkschrift zur Emergenz eben dieser Öffentlichkeiten „die real gewordene Utopie einer demokrati-
Schrape, Jan-Felix: Social Media, Massenmedien und gesellschaftliche Wirklichkeitskonstruktion. In: Berliner Journal für Soziologie 3 (2011). https://gedankenstrich.org/wp-content/up loads/2011/09/schrape_social-media-massenmedien_preprint.pdf; hier S. 1 (12.06. 2018). Gemeint ist „das veränderte Internet nach dem Platzen der Dotcom-Blase im Herbst 2001“, wie die Online-Journalistin Melanie Huber erklärt. Huber, Melanie: Kommunikation im Web 2.0. Konstanz 2008. S. 10; siehe auch: Friedburg: Was heißt hier „Web 2.0“? (wie Anm. 3). Kaplan, Andreas M. u. Michael Haenlein: Users of the world, unite! The challenges and opportunities of Social Media. In: Business Horizons 53/1 (2010). S. 59 – 68, hier S. 61. Zitiert aus einer Präsentation von Christoph Meißelbach mit dem Titel: „Web 2.0 – Demokratie 3.0? Demokratische Potentiale des Internets“. http://www.ev-akademie-meissen.de/fileadmin/ studienbereich/Religion/texte/Web_Meisselbach_-_demokratische_potentiale_des_internets_01. pdf (12.06. 2018); vgl auch: Meißelbach, Christoph: Web 2.0 – Demokratie 3.0? Demokratische Potentiale des Internets. Baden-Baden 2009.
Beiträge auf YouTube mithilfe der Nutzerrollen analysierbar machen
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schen Umnutzung der Massenmedien“ in Aussicht.¹⁰ Und wer will es verneinen – Partizipation im Sinne einer transparent-offenen Teilhabe und diskursiven Mitgestaltungsmöglichkeit im Prozess der Meinungs- und Willensbildung in einer mediatisierten Gesellschaft erscheint erst einmal als ein wünschenswertes Gut.¹¹ Dass Partizipation und offene Strukturen aber auch Nachteile haben können, wissen wir nicht erst seit den Diskussionen um den Missbrauch von Daten auf Facebook, der Debatte um Hass im Internet (siehe den Beitrag von Moritz Hoffmann), oder die durch gezielte Social-Media-Kampagnen und Fake News befeuerten Wahlkämpfe für den Brexit oder Donald Trump. Partizipation – so scheint es – erzeugt Heterogenität, die ausgehalten werden muss und Herausforderungen mit sich bringt. Wie eine solche Heterogenität im Falle YouTubes aussieht und wie diese Vielfalt von den Bedingungen der Plattform prädisponiert wird, versucht der Beitrag anhand eines thematischen Schwerpunkts zu zeigen, der trotz (oder gerade wegen?) seines schwierigen Charakters ein populärer Gegenstand der sogenannten „Neuen Medien“ ist – der historischen Person Adolf Hitler und der damit verbundenen Personalisierung der Geschichte des „Dritten Reiches“.¹²
3 Partizipationsmöglichkeiten auf YouTube – die verschiedenen Nutzerrollen Die hier vorgestellten Überlegungen basieren auf einer informationswissenschaftlichen Theoretisierung. Das Konzept des „Social Web“ von Anja Ebersbach, Markus Glaser und Richard Heigl „fokussiert auf die Bereiche des Web 2.0, bei denen es nicht um neue Formate oder Programmarchitekturen, sondern um die Unterstützung sozialer Strukturen und Interaktionen über das Netz geht.“¹³ Im Social Web sind es die Nutzerinnen und Nutzer der Plattformen, die für den Inhalt und durch ihr Verhalten auch für die Organisation der Inhalte sorgen: Die Kern-
Münker, Stefan: Emergenz digitaler Öffentlichkeiten – Die Sozialen Medien im Web 2.0. Frankfurt am Main 2009. Hinsichtlich unterschiedlicher Definitionen von Partizipation vgl. z. B. Hebestreit, Ray: Partizipation in der Wissensgesellschaft. Funktion und Bedeutung diskursiver Beteiligungsverfahren. Wiesbaden 2013, S. 23 – 25. Eine kritische theoretische Diskussion des Partizipationsbegriffs bietet der Beitrag von Henrike Rehders in diesem Sammelband. Vgl. z. B. Kühberger, Christoph: Hitler: Personalisierung in der historischen Darstellung und kein Ende. In: Public History Weekly 3 (2015) 10. https://public-history-weekly.degruyter.com/3 – 2015 – 10/hitler-personalisation-in-historical-representation-and-no-end/ (12.06. 2018). Ebersbach, Anja, Markus Glaser u. Richard Heigl: Social Web. 2. Auflage, Konstanz 2011. S. 32 f.
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funktion der Social Media besteht darin, dass sie die (zeitnahe) Veröffentlichung des so genannten User Generated Contents¹⁴ ermöglichen. Je mehr Menschen Inhalte schaffen, hochladen, rezipieren, bewerten, teilen und kommentieren, desto erfolgreicher ist eine Plattform und desto relevanter ist sie sowohl in der öffentlichen Wahrnehmung als auch für die Werbekunden. Ebersbach, Glaser und Heigl klassifizieren YouTube als eine Plattform des Social Sharing. Diese Plattformen sehen ihre Kernaufgabe in „der Bereitstellung und dem Tausch von digitalen Inhalten“.¹⁵ Darunter fallen beispielsweise Fotos, Videos, Bookmarks oder Musikdateien. Social-Sharing-Plattformen sind aufgrund ihres Nutzfaktors sehr beliebt und können einen stark vernetzenden Charakter haben. Auch im Bereich des Social Sharing hängt der Wert der jeweiligen Plattform von den Nutzern ab, die ihre Inhalte möglichst einfach publizieren können, und vom Publikum, das eine Community um eben diese Inhalte herum bildet und damit schnell und unkompliziert interagieren kann. Die Medienwissenschaftler Jean Burgess und Joshua Green identifizieren in diesem Zusammenhang eine ganz spezifische YouTube-Kultur, die von Offenheit, Kreativität und Dynamik gekennzeichnet wird und ganz verschiedene Akteure anzieht: The contributers are a diverse group of participants – from large media producers and rightowners such as television stations, sports companies, and major advertisers, to small-tomedium enterprises looking for a cheap distribution or alternatives to mainstream broadcast systems, cultural institutions, artists, activists, media literate fans, non-professional and amateur media producers. Each of these participants approaches YouTube as a dynamic cultural system: YouTube is a site of participatory culture.¹⁶
Die Plattform selbst beschreibt ihren Charakter wie folgt: YouTube […] ermöglicht es Millionen von Nutzern, Originalvideos zu entdecken, anzusehen und zu teilen. YouTube bietet ein Forum, in dem Menschen miteinander in Kontakt treten, sich informieren und andere Nutzer auf der ganzen Welt inspirieren können. Ersteller von Originalinhalten sowie große und kleine Werbetreibende können über diese Plattform ihre Videos weitergeben.¹⁷
Vgl. Kaplan [u. a.], Users of the world, unite! (wie Anm. 8). Auf Seite 61 erklären die Autoren: „User Generated Content (UGC) can be seen as the sum of all ways in which people make use of Social Media.“ Ebersbach [u. a.], Social Web (wie Anm. 13), S. 37. Burgess, Jean u. Joshua Green: YouTube. Digital Media and Society Series. 2. Aufl., Cambridge 2010. S. 7. YouTube: Über YouTube. http://www.youtube.com/yt/about/de/ (12.06. 2018).
Beiträge auf YouTube mithilfe der Nutzerrollen analysierbar machen
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Ebersbach, Glaser und Heigl teilen die Besucher von Social-Sharing-Plattformen in drei Rollen ein – eine Klassifizierung, die für YouTube adaptiert werden kann. Jeder Typus erfüllt, jeweils auf seine ihm eigene Weise, eine wichtige Funktion, wobei nur angemeldete Nutzerinnen und Nutzer mit einem Google-Konto die vollen Partizipations-Möglichkeiten bei YouTube besitzen.¹⁸
3.1 Die Rezipienten Die Rezipienten suchen nach Inhalten und konsumieren diese. Dennoch leisten sie ihren Teil zur Ordnung der Beiträge, indem sie surfen. Ihr Verhalten wird protokolliert und daraus generiert YouTube Beliebtheitslisten, Trends und ähnliche Auflistungen, die wiederum anderen Userinnen und Usern Orientierung geben und von den Algorithmen als Angebote verarbeitet und platziert werden. Die Rezipienten machen den Großteil der Besucherinnen und Besucher der Plattform aus. Sie sind zwar nicht aktiv an der Pflege der Community beteiligt, aber sie sorgen für die nötige Frequentierung der Plattform, die es wiederum für Produzenten attraktiv macht, Beiträge bereitzustellen. Eine Sonderform der Rezipienten sind diejenigen, die Inhalte wiederverwerten, indem sie beispielsweise YouTube-Videos in die eigene Homepage einbinden oder in anderen Bereichen des Social Web, wie zum Beispiel dem Facebook-Profil, teilen.¹⁹ Nicht zuletzt stellen die Rezipienten durch ihre abrufende Tätigkeit eines der wichtigsten Gütekriterien für YouTube-Beiträge zur Verfügung: Die Anzahl der Abrufe bürgt in der Logik des Social Sharing für die Qualität eines Beitrags – je mehr Aufrufe ein Beitrag aufweisen kann, desto attraktiver muss der Inhalt sein bzw. desto erfolgreicher ist er. YouTube lässt nicht angemeldeten Mitgliedern zwar einen großen Freiraum, stellt aber alle Inhalte und Dienste nur denjenigen zur Verfügung, die sich mit einem Google-Account anmelden. Dies dient dem Ziel, eine große und aktive, aber auch messbare Community zu erzeugen.²⁰
3.2 Die Bewertenden/Rezensenten Bewerter beteiligen sich aktiv an der Organisation der Inhalte. Sie kategorisieren und kommentieren Beiträge und sorgen so dafür, dass der Wust an Informatio-
Vgl. Ebersbach [u. a.], Social Web (wie Anm. 13), S. 124. Vgl. Ebersbach [u. a.], Social Web (wie Anm. 13), S. 124 f. Vgl. Ebersbach [u. a.], Social Web (wie Anm. 13), S. 124.
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nen, der sich in Social-Sharing-Plattformen ansammelt, halbwegs überschaubar bleibt. Dieser Nutzer-Typus hat einen Account bei der jeweiligen Plattform und stellt einen wesentlichen Teil der Community dar, entsprechende Userinnen und User interagieren miteinander über Foren, Messaging-Systeme und KommentarFunktionen. Dies geschieht meistens personalisiert, sodass Selbstinszenierungen und Vorlieben zum Beispiel über den jeweiligen User-Kanal erkennbar werden.²¹ Bewertungen können bei YouTube durch die binären Bewertungsmöglichkeiten „Daumen hoch“ oder „Daumen runter“ ausgedrückt werden. Eine differenziertere Form der Einordnung ist nicht möglich. Aus allen abgegebenen Bewertungen bildet sich ein Mittelwert, der als weiteres Kriterium für die Beitrags-Güte gilt²² – YouTube macht diesen Mittelwert bei jedem Video durch einen dunkelgrauen Balken unter den beiden Bewertungsdaumen sichtbar, der umso länger ist, je mehr die positiven Bewertungen die negativen überwiegen. Je mehr negative Beurteilungen gefällt werden, desto mehr wächst ein hellgrauer Bereich von rechts nach links. Die Schwelle für die Bewertungs-Beteiligung ist sehr niedrig, sie kann „im Vorbeisurfen“²³ mit einem Klick vorgenommen werden. Beurteilungen dieser Art sind in der Logik der Plattform dann besonders aussagekräftig, wenn sie von einer Reihe von Nutzern abgegeben wurden; je mehr Menschen am Bewertungsprozess teilnehmen, desto besser und differenzierter soll das Urteil der „Schwarm-Intelligenz“ sein. Der Kommentarbereich kann zudem Einblicke in die Bewertungskriterien geben. Hier ist Raum für Reaktionen wie Zuspruch oder Kritik, aber auch für alternative oder ergänzende Darlegungen und Deutungen. Viele Bewertende kommen, da sie sich als Teil der Gemeinschaft fühlen, immer wieder auf die Seite, um im Kommentar-Bereich über die Videos anderer Nutzer zu sprechen oder – falls sie gleichzeitig auch Produzenten sind – die Statistiken und Kommentare ihrer eigenen Uploads zu prüfen und die Diskussionen ihrer Community zu moderieren.²⁴
3.3 Die Produzenten/die Hochladenden Die Produzenten stellen schließlich die wichtigste Ressource der Plattform zur Verfügung, indem sie audiovisuellen Content selbst erstellen oder aber bereits vorhandenes Material einspielen. Sie haben den größten Aufwand, dafür be-
Vgl. Ebersbach [u. a.], Social Web (wie Anm. 13), S. 125. Vgl. Ebersbach [u. a.], Social Web (wie Anm. 13), S. 121. Vgl. Ebersbach [u. a.], Social Web (wie Anm. 13), S. 121. Vgl. Davies, Julia u. Guy Merchant: Web 2.0 for Schools. Learning and Social Participation. New York 2009. S. 54.
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kommen sie auch die größte Reputation.²⁵ Allerdings ist es sinnvoll, für eine Analyse auf der Plattform YouTube Produzenten von Hochladern (abgeleitet von dem englischen Wort Upload) zu unterscheiden, denn in den meisten Fällen laden Nutzer Inhalte hoch, die sie nicht selbst erstellt haben. Urheberrechtsverletzungen sind daher ein großes Problem der Plattform. Ein Produzent, der Material auf einer Sharing-Plattform zur Verfügung stellt, erwartet in der Regel ein spezifisches Publikum, das seine Inhalte abruft und damit interagiert. Daher nutzen Produzentinnen und Produzenten verschiedene Hilfsmittel und das Besucherverhalten analysierende Monitoring-Tools, um ihre Beiträge möglichst effektiv dem Zuschauergeschmack anzupassen und dadurch hohe Abrufzahlen und Reichweite zu generieren.²⁶ Auch für YouTube gilt die Regel: Je mehr Menschen ein Video anklicken, desto besser. Zusätzlich geben die Bewertungen und Kommentare unter den Videos einen Hinweis darauf, wie zufrieden die Zuschauerinnen und Zuschauer sind. Sind die Rezipienten bei der Plattform angemeldet, sodass man das Nutzerverhalten aufgrund der Personalisierung in vollem Umfang statistisch auswerten kann, ist die Chance groß, dass Produzenten und die Plattform-Betreiber diese Daten gezielt für sich nutzen und vermarkten können. Viele SocialSharing-Plattformen versuchen daher, möglichst viele Inhalte und Dienste personalisieren zu lassen.
4 Der Beitrag – eine Dokumentation als „Partizipations-Maschine“ Die drei definierten Nutzerrollen helfen bei der sich nun anschließenden Analyse des ausgewählten Beitrags, der angesichts seines klar formulierten Wahrheitsanspruchs hinsichtlich der Kriterien der empirischen, normativen und narrativen Triftigkeit nach Jörn Rüsen untersucht werden soll. Die Nutzerrollen bieten dabei mehrere Ebenen an, um die in ihrer Medialität durchaus komplexe und voraussetzungsreiche geschichtskulturelle Quelle erarbeitbar zu machen. Schritt für Schritt gelingt so eine Einordnung und Kontextualisierung.
Vgl. Ebersbach [u. a.], Social Web (wie Anm. 13), S. 125. Vgl. z. B. Kritzelblog: YouTube Statistiken auswerten. Seit dem 11.12. 2014 online. https://www. kritzelblog.de/seo-sem/youtube-statistiken-auswerten/ (12.08. 2018).
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4.1 Die Dokumentation Die Dokumentation ist 58:49 Minuten lang. In der Video-Beschreibung hat der Nutzer weloadtv, der das Video hochgeladen hat, den Inhalt folgendermaßen zusammengefasst: Als er am 20. April 1889 in Braunau am Inn geboren wurde, ahnte noch niemand, dass aus diesem Kind einer der gefürchtetsten Diktatoren der Weltgeschichte werden würde: Adolf Hitler. In den Wirren der Weimarer Republik gelang es Hitler 1933 zum Reichkanzler aufzusteigen und seine kompromisslose Politik in Deutschland durchzusetzen und politische Gegner zu verfolgen. Mit dem Beginn des 2. Weltkriegs 1939 strebte der Diktator eine Eroberung ganz Europas an. Ein Krieg, der Millionen Menschenleben forderte und in einem Fiasko enden musste. Wer war Hitler wirklich? Wie lebte und wie dachte er? Wie war sein Verhältnis mit Eva Braun? – Dieser Dokumentarfilm gibt die Antworten!
Damit gibt die Zusammenfassung wesentliche Elemente der Darstellung und Interpretation vor. Doch wie wird diese Geschichte erzählt? Die Dokumentation nutzt nicht alle bekannten Bausteine des Genres, wie man es sonst aus dem Fernsehen kennt und wie es zum Beispiel Oliver Näpel anhand der Sendereihen Guido Knopps aufgezeigt hat.²⁷ Sie verzichtet beispielsweise auf Zeitzeugeninterviews, Historiker-Aussagen, nachgestellte Szenen oder heutige Aufnahmen an Originalschauplätzen.²⁸ Sie beschränkt sich auf visueller Ebene vielmehr auf eine Aneinanderreihung von bekanntem historischen Filmmaterial aus der Zeit des Nationalsozialismus. So entsteht eine Kompilation, die ihre Sinnbildung vor allem mit Hilfe des Tons vornimmt.²⁹ Ein unsichtbarer Sprecher legt hierfür einerseits die Biographie Hitlers dar und erklärt andererseits damit verknüpft die chronologische Ereignisgeschichte des „Dritten Reiches“ und des Zweiten Weltkriegs. Dazu wird eine wechselnde Hintergrundmusik eingespielt. Näpel, Oliver: Historisches Lernen durch „Dokutainment“? – Ein geschichtsdidaktischer Aufriss. Chancen und Grenzen einer neuen Ästhetik populärer Geschichtsdokumentation analysiert am Beispiel der Sendereihen Guido Knopps. In: Zeitschrift für Geschichtsdidaktik 2 (2003). S. 213 – 244. Vgl. auch Frank Böschs Analyse der von Guido Knopp produzierten Serie Holokaust: Bösch, Frank: Holokaust mit „K“. Audiovisuelle Narrative in neueren Fernsehdokumentationen. In: Visual History. Die Historiker und die Bilder. Hrsg. von Gerhard Paul. Göttingen 2006. S. 326 – 342. Vgl. z. B. Kühberger, Christoph u. Elfriede Windischbauer: Individualisierung und Differenzierung im Geschichtsunterricht. Offenes Lernen in Theorie und Praxis. Schwalbach/Ts. 2012. S. 70 f. Eine geschichtsdidaktisch reflektierte Übersicht dieser und anderer Bestandteile von Dokumentationen und weiterer Formen audiovisueller Narrationen bietet Näpel, Oliver: Film und Geschichte. „Histotainment“ im Geschichtsunterricht. In: Handbuch Praxis Geschichtsunterricht. Hrsg. von Michele Barricelli u. Martin Lücke. Schwalbach/Ts. 2011. S. 146 – 171.
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Die Erzählerstimme wechselt im Verlauf der Dokumentation mehrere Male, und zwar immer dann, wenn der Verlauf eines der deutschen Feldzüge des Weltkriegs detailreich erläutert wird. Die Bewegtbilder zeigen derweil Hitler in allen Lebenslagen: privat auf dem Obersalzberg, an der Front, am Rednerpult, bei den Riefenstahl‘schen Inszenierungen der Reichsparteitage. Ergänzt wird dieses Repertoire durch Aufnahmen der nationalsozialistischen Masseninszenierungen und Filmmaterial von den Fronten des Zweiten Weltkriegs. Was auf den ersten Blick keine klar erkennbare Dramatik zu haben scheint, ist mehr als nur das deskriptive und sich wiederholende Abspielen von schwarz-weißen und farbigen Bildsequenzen, wie eine kurze Analyse des Beginns der Dokumentation aufzeigen kann. Die erste Einstellung der Dokumentation zeigt Hitler in einer Farbaufnahme auf dem Obersalzberg, die aus den Privatfilmbeständen Eva Brauns stammt. Hitler trägt eine Schirmmütze sowie einen dunkelblauen Militär-Mantel und spricht mit einem Offizier, der auf der linken Seite des Bildes nicht identifizierbar im Halbprofil gezeigt wird. Hitler dagegen nimmt zwei Drittel der Einstellung auf der rechten Seite des Bildes ein. Dass hier der Fokus eindeutig auf seine Person gelegt wird, belegt auch der Umstand, dass auf dem Hinterkopf des Gesprächspartners – genau zwischen dessen Schirmmütze und Nacken – ein Werbebanner eingeblendet wird, auf dem steht: „Jetzt weloadtv abonnieren und mehr Filme kostenlos sehen“. Dieses Werbebanner bleibt während der nachfolgenden Einstellungen bestehen und wird erst nach einer Minute ausgeblendet. Den ganzen Beitrag über ist zudem rechts unten der Schriftzug „weloadtv“ zu sehen. Eine Klaviermusik setzt sofort mit Beginn der Dokumentation ein, die – dramatischmelancholisch, aber auch monoton anmutend – eine Einführung der Tonspur gibt. Eine Schriftspur rollt von rechts nach links über die Szene (ab 0:04 Min.): „ADOLF HITLER“ heißt es in Großbuchstaben, die von weißen Linien gebildet werden und innen transparent sind. Schon beim Wort „ADOLF“ wechselt die Szenerie mit einer weichen, kaum wahrnehmbaren Überblendung (0:08 Min.) in eine Einstellung vor dem Berghof. Hitler trägt nun einen grauen Anzug mit weißem Hemd, schwarz-grau-gestreifter Krawatte und dunkelbraunem Hut und wendet sich – mit einem Spazierstock in der Hand – einem Gespräch von zwei ebenfalls in Zivil gekleideten Männern zu. Wer hier zu sehen ist, wird nicht erläutert oder kontextualisiert – ein Umstand, der auch für die nachfolgenden Szenen der Dokumentation gilt. Alle Personen lächeln in die Kamera – erst in der totalen, dann in der halbnahen Einstellung.³⁰
Zu den verschiedenen Analysebegriffen zur Erfassung von filmischen Mitteln siehe z. B. Ge-
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Wieder folgt eine weiche Überblendung (0:16 Min.). Der weiter rollende Schriftzug HITLER endet in einer halbtotalen Einstellung, die Hitler auf einer Sonnenliege sitzend zeigt, noch immer in Zivil mit Anzug und Hut gekleidet, einen hechelnden Schäferhund kraulend. Hier stoppt der Film kurz und friert die Szene ein (0:20 Min.). Hitlers Gesicht liegt im Schatten des Hutes – eine Hand auf den Knien, die andere auf dem hechelnden Hund, der vor ihm sitzt.Wieder blendet sich langsam ein Schriftzug ein, der sich genau in der Mitte des Bildes manifestiert – entlang der Bildachse, die die Schnauze des Hundes mit dem Oberkörper und dem rechten Arm Adolf Hitlers verbindet. HITLER steht da in Versalien – außen schwarz umrandet, innen weiß (0:23 Min. bis 0:27 Min.). Der Schriftzug blendet sich aus und wieder in der Mitte des Bildes erscheint die neue Frage: „Wer war er wirklich?“ (0:31 Min. bis 0:38 Min.). Nun folgt ein harter Schnitt (0:41 Min.) und ein Standbild Hitlers erscheint, wieder in Farbe, wieder im Anzug. Er verschränkt seine Arme und blickt – mit hängenden Mundwinkeln – in die Ferne. Im Hintergrund sind der Himmel, Bäume und rechts unten ein Balkon aus Stein zu sehen, eine bekannte Szenerie aus anderen Aufnahmen auf dem Obersalzberg. Ab Minute 0:44 setzt nun zum ersten Mal das gesprochene Wort ein, das sich über die Klaviermusik blendet. Es ist ein Ausschnitt aus einer Rede im Berliner Sportpalast am 10. Februar 1933, die Hitler in seiner bekannten Rhetorik zitiert: „In uns selbst allein liegt die Zukunft des deutschen Volkes.“ Kurz ist wieder die Musik laut. Dann folgt – ganz unvermittelt – eine weitere Stimme und ein unsichtbarer Sprecher beginnt zu erzählen (ab 0:52 Min.): „Adolf Hitler ist als das Grauen des 20. Jahrhunderts in die Geschichte eingegangen.“ Während der Erzähler diesen Satz sagt, wechselt das bunte Standbild in schwarz-weiße Bewegtbilder (ab 0:54 Min.): uniformierte Massen, die den rechten Arm heben; SS-Truppen im Vorbeimarsch; Panzer rollen durch schneebedeckte Landschaft; verschiedene Einstellungen von toten Soldaten. Ein Haus, das von einem Sprenggeschoss getroffen wird und explodiert; kämpfende Soldaten schießen unterstützt von einer Haubitze im Straßenkampf von links nach rechts, während im Hintergrund zerschossene Ruinen und dichte Rauchschwaden die Sichtweite beschränken; es folgen weitere Einstellungen mit feuernden Haubitzen und Flak-Kanonen im Straßenkampf; ein Flammenwerfer, der ein Haus inklusive des davorstehenden Baumes in Brand setzt, während Infanteristen von rechts kommend auf das brennende Gebäude vorrücken. Raketen, wahrscheinlich einer
schichte lernen 158: Spielfilme (2014); hier besonders: Crivellari, Fabio: Die erzählende Kamera. Stilmittel für die Filmanalyse im Geschichtsunterricht. S. 10 – 15.
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sowjetischen Katjuscha, zucken von rechts nach links in den dunklen Nachthimmel und erleuchten kurz eine gespenstische Ruinenlandschaft, wobei es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um Bilder der letzten Gefechte in Berlin 1945 handelt. Dann wird das Bild ganz schwarz (1:41 Min.). Die Stimme erzählt über diese Bilder, an den ersten Satz anknüpfend: „Als ein Diktator, der Völker unterdrückte und den Zweiten Weltkrieg entfachte. Als ein Mann, der ohne Skrupel Millionen in den Tod schickte und am Ende das Volk, das für ihn sein Leben gab, verachtete. Adolf Hitler steht für einen Menschen, der diktatorisch und skrupellos seine Macht ausnutzte und in die Perversion trieb. Ihm und seiner Politik ist unendliches Leid zu verdanken und auch das deutsche Volk litt unter einer Diktatur, die gnadenlos war. Dennoch nähert sich diese Dokumentation so neutral wie eben möglich dem Phänomen Adolf Hitler.“ Der Sprecher beendet diese Ausführung synchron zu dem schwarzen Bild bei 1:41 Min. Die historischen Filmaufnahmen und das Tondokument aus der Sportpalastrede wurden – mit professionellem Können – so zusammengeschnitten und montiert, dass sie zu der Narration des Sprechers passen. Sie illustrieren und unterstützen die Ausführungen und verstärken die zentralen Botschaften. Die in der einführenden Sequenz aufgebaute Erzählung wird im Verlauf der Dokumentation dann auch stringent durchgehalten: Die auffallend starke Zentrierung auf die Person Adolf Hitler bleibt das bestimmende Element. Der stetige kontrastierende Wechsel zwischen privater Idylle auf dem Obersalzberg und apokalyptisch anmutender Vernichtung im Weltkrieg ist eines der Hauptmotive der Inszenierung und wird immer wieder aufgegriffen. Ebenfalls deutlich sind die klare Distanzierung und die Ablehnung der historischen Person Adolf Hitler sowie das Erzählen einer linearen Lebensgeschichte, die – so die Deutung des Sprechers – zwangsläufig im Scheitern enden musste.³¹ Aus geschichtsdidaktischer Sicht ließe sich hier vielerlei problematisieren, denn grundlegende Gebote der historisch-politischen Bildung werden nicht beachtet. Zum Beispiel fehlen gänzlich unterschiedliche Perspektiven auf den Gegenstand, eine transparente Offenlegung von Quellen oder eine kontextualisierende Erläuterung und Einordnung des Filmmaterials. Allerdings ist es auch nicht die erklärte Absicht der Dokumentation, diese Gebote zu beachten. Vielmehr liegt der postulierte Anspruch darin, zu erklären, wie Hitler „wirklich war“. Die tat-
So heißt es ab 47:20 Min. hinsichtlich der Landung der Alliierten in der Normandie: „Die Alliierten hatten Hitler und seinen Krieg nicht mehr länger gewähren wollen. Mit dem Tagesanbruch des 6. Juni 1944, der als D-Day in die Geschichte einging, begann das Ende der HitlerDiktatur. Die meisten der Soldaten kamen aus den USA und aus Kanada. Europa war ein ferner Kontinent für sie. Und nun sollten sie hier kämpfen, in einem fremden Land gegen die Truppen eines fanatischen und grausamen Diktators namens Adolf Hitler“.
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sächliche Realisierung dieses Wahrheitsanspruchs lässt sich mit Jörn Rüsens Kriterien zur Triftigkeit bzw. Plausibilität von Erzählungen analysieren.³² Auf der Ebene der empirischen Triftigkeit richtet sich der Blick dabei auf die „zugrunde liegenden Tatsachen/Beweise“³³, denn „Behauptungen darüber, was, wann, wo, wie und warum in der Vergangenheit der Fall war, müssen sich durch Bekundungen dieser Vergangenheit in der Gegenwart belegen lassen“.³⁴ Dies versucht die Dokumentation vor allem über die Kompilation des historischen Filmmaterials zu gewährleisten. Sie gibt dem Zuschauer das Gefühl, durch den dokumentarischen Charakter des visuellen Materials einen Einblick in die Vergangenheit zu erhalten. Auch der Einbau des kurzen Ausschnitts einer Hitler-Rede in die Tonspur lässt sich als Versuch werten, Authentizität herzustellen. Gleichzeitig unterstützen diese historischen Aufnahmen und das kontrastive Zusammenschneiden der Bilder die Argumentation des Erzählers. Die Werte, Normen und Perspektiven „im Hinblick auf die Beurteilung von historischen Sachverhalten in einer Erzählung über die Vergangenheit“³⁵ aufzudecken ist Gegenstand der Prüfung der normativen Triftigkeit. Den Beitrag dominiert diesbezüglich eine klare Meinung, die intransparent eine audiovisuelle Meistererzählung als Wahrheit anbietet. Ebenfalls bedenklich ist, dass die Dokumentation Hitler in der Narration des Sprechers zu einem Antipoden aufbaut, der auch gegen die deutsche Bevölkerung agierte, sie instrumentalisierte und ausnutzte. Das wird beispielsweise deutlich hinsichtlich der Rolle der Wehrmacht: „Die Männer, die an der Front kämpfen mussten, taten ihre Pflicht. Niemand hatte sie gefragt, ob sie hinter der Ideologie standen, oder nicht. Erst im Laufe des Krieges wurde den meisten Deutschen ganz bewusst, mit wem sie es zu tun hatten. Es wurde klar, dass Hitler das deutsche Volk brauchte, um seine Ziele umzusetzen. Und deutlich wurde dies, als er sich in seinen letzten Tagen ganz klar gegen das Volk wendete, das ihm seine Herrschaft erst ermöglichte und ihm folgte. Doch es gab keinen Weg zurück. Man hatte sich verrannt in einen Krieg mit
Vgl. Rüsen, Jörn: Historische Vernunft. Grundzüge einer Historik. Die Grundlagen der Geschichtswissenschaft. Göttingen 1983. S. 78 – 83; vgl. auch Rüsen, Jörn: Historik. Theorie der Geschichtswissenschaft. Köln/Weimar/Wien 2013. S. 57– 63. Bernhardt, Markus: Geschichte von rechts. Populismus, Revisionismus, Holocaustleugnung. In: Geschichte lernen 185: Geschichte von rechts (2018). S.2– 11, hier S. 7. Rüsen, Historik (wie Anm. 32), S. 61. Kühberger, Christoph: Normative Triftigkeit. In: Inventing the EU. Zur De-Konstruktion von „fertigen Geschichten“ über die EU in deutschen, polnischen und österreichischen Schulgeschichtsbüchern. Hrsg. von Christoph Kühberger u. Dirk Mellies. Schwalbach/Ts. 2009. S. 154.
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völlig ungewissem Ausgang. In einen Krieg, der Millionen Leben forderte, auf allen Seiten.“³⁶ Eine solche Argumentation reproduziert Deutungsmuster, wie sie zum Beispiel in populären Illustrierten der 1950er-Jahre entfaltet wurden und die historisch nicht haltbar sind.³⁷ Die Schuld am Holocaust wird ebenfalls monokausal thematisiert. So erklärt der Sprecher mit Blick auf die Eroberung der Konzentrationslager durch die Alliierten, unterlegt von entsprechenden historischen Filmaufnahmen: „Der Anblick, der sich ihnen bot, war entsetzlich. Menschliche Leichen gestapelt, halbverbrannt und teilweise verwest. Das Grauen bekam einen Namen – Adolf Hitler.“³⁸ Welche Rolle die große Masse der Täter, Mittäter und -helfer spielte und wie viele willige Erfüllungshelfer die organisierten Massenmorde möglich machten, bleibt unerwähnt. Damit knüpft der Beitrag an ein bestehendes Narrativ an: Hitler, das Böse in Person, schuf das Dritte Reich, führte es mit Hilfe von Indoktrination und Grausamkeit und hat die in dieser Zeit verübten Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verantworten. Ein Deutungsmuster, das im Nachkriegsdeutschland Verbreitung fand und eine psychologisch entlastende Funktion hat. Es schiebt die Erklärung des Völkermordes und die Entfesselung des verheerenden Weltkriegs Hitler zu und kann sowohl für das Kollektiv als auch für die Individuen das Gefühl der Schuld und Scham gewissermaßen „auslagern“. So kann in letzter Konsequenz aus einem Volk der Täter ein unterdrücktes Volk der Opfer gemacht werden, das von einem skrupellosen Diktator verführt, verheizt und am Ende sogar verachtet und fast vernichtet wurde.³⁹ Die Betonung dieser Elemente ist stark in der Narration der Dokumentation ausgeprägt. Hinzu kommt eine diffuse Begeisterung für Frontbilder und die dezidierten Erläuterungen von Schlachten und Truppenbewegungen. Damit orientiert sich der Beitrag nicht nur an den Sehgewohnheiten des Publikums, die eine ähnliche ästhetische Inszenierung aus Dokumentationen im öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehen kennen. Er liefert auf der Ebene der
Weloadtv, „Adolf Hitler (wie Anm. 4). Ab 43:00 Min. bis 43:45 Min. Vgl. z. B.: Müller, Rolf-Dieter u. Hans-Erich Volkmann (Hrsg.): Die Wehrmacht. Mythos und Realität. München 1999. Hierin zum Bild der Wehrmacht im Nachkriegsdeutschland vgl. z. B.: Echternkamp, Jörg: Wut auf die Wehrmacht? Vom Bild der deutschen Soldaten in der unmittelbaren Nachkriegszeit. S. 1058 – 1080. Weloadtv, „Adolf Hitler (wie Anm. 4), 52:18 Min. bis 52:32 Min. Die Existenz und Funktion solcher psychisch entlastender Narrative ist ausreichend erforscht. Vgl. z. B. Assmann, Aleida: Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik, 2. Aufl., München 2014. Darin zum Beispiel die Kapitel „Fünf Strategien der Verdrängung“, S. 169 – 182 und „Deutsche Opfernarrative“, S. 183 – 204.
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narrativen Triftigkeit – also bei „dem durch die Geschichte vermittelten Erzählsinn“⁴⁰ – eine Erzählung, die als „zustimmungsfähigen Sinngehalt“⁴¹ eine letztlich Schuld verdrängende und psychisch entlastende Deutung vermitteln will, die seit Beginn der Nachkriegszeit tradiert wird, aber nicht den historischen Fakten entspricht. Dennoch ist sie an eine bestehende Wertebasis anknüpfbar, da sie den Holocaust weder leugnet noch verschweigt und die Politik Hitlers klar negativ einordnet.
4.2 Der Produzent/Hochladende In dem gewählten Beispiel ist der Hochladende nicht der Produzent des Beitrags. „Adolf Hitler – Wie er wirklich war“ ist auf dem Kanal von weloadtv erschienen. Wer die Kanalseite des Nutzers aufruft, wird von einem großen Banner empfangen, auf dem geschrieben steht: „Filme, Dokus, Serien. Alles für lau. Und jeden Tag neu. weloadtv spar dir die Kohle.“⁴² Der Kanal hat 177.770 Abonnenten⁴³ und organisiert seine Inhalte über unterschiedliche Wiedergabelisten, die auf der Übersichtsseite des Kanals vorgestellt werden: – NEU BEI WELOADTV – Auf einen Blick kannst du hier alle unsere neuen Filme sehen. – TOP MOVIES – Top Movies bei weloadtv – ZOMBIES (ganze Filme | deutsch) – Alle unsere Zombie-Filme auf einen Blick! Hier gibt es Untote der verschiedensten Arten, alles was das Herz eines eingefleischten Zombie Fans begehrt! – KATASTROPHEN (ganze Filme | deutsch) – Verheerende Unwetter, Tornados, Erdbeben, Bedrohungen aus dem Weltall, Flugzeugabstürze und und und […] hier findet ihr Katastrophenfilme der verschiedensten Arten! – HORROR-FILME, HD CINEMA-FILME, ABENTEUER-FILME, ACTION-FILME etc.⁴⁴
Der Fokus des Angebots liegt – so lässt diese Selbstinszenierung vermuten – auf unterhaltenden Filmangeboten. Dies lässt erste Rückschlüsse auf die Funktion des Beitrags im Kontext des Gesamtangebotes zu. Auf der Seite „KANALINFO“ beschreibt sich weloadtv folgendermaßen: „100 % legal. Mit über 3.000 Filmen online. Auf dem weloadtv Youtube Channel können kostenlos und legal Spielfilme, TV-Filme, Serien, Trailer in voller
Bernhardt, Geschichte von rechts (wie Anm. 33), S. 7. Rüsen, Historik (wie Anm. 32), S. 62. Weloadtv, Kanal-Übersicht. https://www.youtube.com/user/weloadtv/featured (12.06. 2018). Stand 09.06. 2018. Weloadtv, Kanal-Übersicht (wie Anm. 42).
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Länge angeschaut werden. Alle Titel im Channel wurden ordnungsgemäß von den Rechteinhabern lizenziert. Finanziert wird weloadtv durch Werbung.“⁴⁵ In der weiteren Selbstbeschreibung wird deutlich, dass der Betreiber des Kanals professioneller Anbieter und Ersteller von audiovisuellen Medienprodukten ist und handfeste ökonomische Interessen die Triebfeder des unternehmerischen Handelns sind. weloadtv ist ein Angebot der Arenico Productions GmbH,⁴⁶ einer Produktionsfirma mit Sitz in Berlin und München, die mit Großkunden wie Adidas, Google, Pro Sieben, RTL und MyVideo zusammenarbeitet. Den Besucher der Firmen-Website empfängt das in Versalien geschriebene Motto „BESTE UNTERHALTUNG. GANZ EINFACH“.⁴⁷ Die Beschreibung „Was wir tun“ fasst das Tätigkeitsfeld Arenicos wie folgt zusammen: „Vom Drehbuch bis auf DVD oder Leinwand: Filme & Serien entwickeln, realisieren und produzieren wir für den nationalen und internationalen Markt“⁴⁸; „Reportagen & Dokus rund um Lifestyle und Life-Enhancement sind unser Ding. Von der Idee über Realisation und Post-Produktion haben wir alles im Griff.“⁴⁹ Der Kanal weloadtv ist dem Internetauftritt nach zu urteilen nur ein Standbein des Unternehmens. Arenico zeigt dort „über 3200 Spielfilme, Dokus und Serien“⁵⁰ und das mit großem Erfolg – seit der Erstellung des Accounts am 14.01. 2013 haben bereits 99.592.104 Nutzer den Kanal aufgerufen.⁵¹ Die Dokumentation „Adolf Hitler – Wie er wirklich war“ ist also nur ein kleinerer Baustein eines Kanals, der sich als Unterhaltungsportal auf der Videoplattform YouTube positioniert und vor allem lizensierte Fremdproduktionen zeigt. Dabei steht eine Monetarisierung über Werbung im Vordergrund. Dafür muss jeder Beitrag möglichst viel Aufmerksamkeit generieren. Die Rechte für die Publikation der Dokumentation hat Arenico bei der Mainzer Great Movies GmbH eingeholt.⁵² Dieses Label vertreibt die Dokumentation und schützt ihre Lizenz.⁵³ 2014 erschien zudem
Weloadtv, Kanalinfo. https://www.youtube.com/user/weloadtv/about (12.06. 2018). Arenico Productions GmbH: ARENICO. WIR PRODUZIEREN GUTE LAUNE. www.arenico.com (12.06. 2018). Arenico Productions GmbH: BESTE UNTERHALTUNG. GANZ EINFACH. http://www.arenico. com/#latest-work (12.06. 2018). Arenico Productions GmbH: WAS WIR TUN. http://www.arenico.com/#services (12.06. 2018). Arenico, WAS WIR TUN (wie Anm. 48). Arenico Productions GmbH: WELOADTV. http://www.arenico.com/weloadtv/ (12.06. 2018). Weloadtv, Kanalinfo (wie Anm. 44). So steht es in der Beschreibung des Beitrags: „The licence for the publication of this film on YouTube was acquired by Great Movie“. weloadtv: „Adolf Hitler (wie Anm. 4). Eine Kurzbeschreibung des Unternehmens bietet die folgende Seite: firmenwissen.de: Great Movies GmbH. https://www.firmenwissen.de/az/firmeneintrag/55130/6190235403/GREAT_MO VIES_GMBH.html (12.06. 2018).
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eine DVD beim Studio „Delta Music & Entertainment“. Erstellt hat das Werk verschiedenen Angaben zufolge der Regisseur Frederick Forrell im Jahr 2010.⁵⁴
4.3 Der Zuspruch der Rezipienten und der Bewertenden Der Beitrag „Adolf Hitler – Wie er wirklich war (Dokumentation | deutsch)“ hat seit dem 16.10. 2013 am Stichtag 9. Juni 2018 insgesamt 614.231 Aufrufe verzeichnet. Das ist ein guter Wert für eine Dokumentation, sie gehört auch mit Blick auf den gesamten Kanal von weloadtv zu den meist abgerufenen Beiträgen. Dies könnte für die Qualität des Beitrags sprechen oder aber zumindest dafür, dass er durch seinen „Wahrheit“-versprechenden Titel und seine professionelle Aufmachung Interesse weckt. Es ist jedoch auffällig, wie kontrovers das Video bewertet und kommentiert wird, obwohl der Beitrag in seinem Aufbau eigentlich keine Angebote zur kontroversen Meinungsbildung anbietet. Das Pro- und Contra-Votum liegt ungefähr im Verhältnis zwei zu eins vor: 1.980 Daumen hoch stehen 1.045 Daumen runter gegenüber.⁵⁵ Um mehr über die Beweggründe und die Kriterien der Bewertenden zu erfahren, lohnt ein Blick auf die Kommentare unter dem Video. Dabei lassen sich verschiedene Formen von Nutzer-Kommentaren identifizieren, die hier aufgrund des eingeschränkten Platzes nicht umfänglich und nur kurz anhand von einzelnen Beispielen skizziert werden können.
5 Die Kommentare Insgesamt finden sich unter der Dokumentation 1.633 Kommentare,⁵⁶ was ein verhältnismäßig hoher Wert ist. Solche Beiträge reichen von kurzen Einträgen bis hin zu längeren Diskussionen, in denen Userinnen und User sich über eine ganze Reihe von Posts hinweg austauschen oder zumindest aufeinander Bezug nehmen. Die gewählte Stichprobe zeigt exemplarisch den Versuch einer Kategorisierung vor allem derjenigen Beiträge auf, die sich kritisch über die Dokumentation äußern.
Vgl. z. B.: Amazon: Hitler – Wie er wirklich war. https://www.amazon.de/Hitler-Wie-er-wirk lich-war/dp/B00JMSW4O6 (12.06. 2018). Stand 09.06. 2018. Stand 09.06. 2018.
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5.1 Impulse bei der Aktivierung der Community Der Nutzer weloadtv ist selbst im Kommentarbereich aktiv. Allerdings greift der Uploader hier nicht in klassisch moderierender Art in Diskussionen ein und löscht oder kommentiert Beiträge. Vielmehr setzt der Kanalbetreiber immer wieder neue Impulse für weitere Posts und lädt die Nutzer so offensiv dazu ein, die eigene Meinung unter dem Video zu hinterlassen. So gelingt es weloadtv mit kurzen Posts, viele Reaktionen zu generieren (Abb. 1 und 2). ⁵⁷
Abb. 1
Abb. 2
Doch nicht immer verlaufen die Versuche erfolgreich, was zu Spott aus der Community – die hier ganz spezifisch als „weloader“ angesprochen wird – führen kann (Abb. 3).
Abb. 3
Die hier abgebildeten Kommentare wurden im Dezember 2015 erhoben.
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5.2 Kritik an der Dokumentation Die von den Nutzerinnen und Nutzern geäußerte Kritik an der Dokumentation ist vielfältig. So wird zum Beispiel die Wahl des Titels in Frage gestellt, zumal die versprochene „Wahrheit über Hitler“ augenscheinlich wenig Neues bietet (Abb. 4):
Abb. 4
Ironisierend wird auch die Machart des Films kritisiert (Abb. 5):
Abb. 5
Manchen ist die Deutung des Beitrags dagegen noch nicht deutlich genug (Abb. 6):
Abb. 6
Andere wiederum wollen gerade diese Deutung des „Dritten Reiches“ als „alliierte Propaganda“ anfechten und fordern offen einen Revisionismus, den „wirkliche“ – nicht näher definierte – Historiker längst belegt hätten (Abb. 7):
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Abb. 7
5.3 Revisionismus, Antisemitismus, Holocaustleugnung und Verschwörungstheorien Das Bedürfnis nach einer anderen, der Dokumentation zuwiderlaufenden Interpretation der historischen Ereignisse wird in verschiedenen Facetten gefordert. Vor allem das Wort „Wahrheit“ scheint die Nutzerinnen und Nutzer zu animieren – doch sind viele der Kommentatoren eben nicht mit der von der Dokumentation angebotenen „Wahrheit“ zufrieden. Sie legen daher in den Kommentaren offensiv eine andere Deutung der Geschichte nahe, ohne dass es von Seiten des Kanalbetreibers hier Widerspruch gibt. Verschiedene Userinnen und User nutzen das Video als Ausgangspunkt für die Darlegung einer ganz eigenen Darstellung der Weltgeschichte, die klar antiwestlich und antisemitisch gefärbt ist und starke Züge von Verschwörungstheorien aufweist. Dabei lassen sich unterschiedliche argumentative Strategien identifizieren, die verwendet werden, um die Erzählung der Dokumentation und ganz generell die in der Geschichtswissenschaft etablierte Deutung der Zeit des Nationalsozialismus und des Holocaust in Zweifel zu ziehen (Abb. 8):
Abb. 8
Hier findet eine klassische Schuldumkehr statt – unter Ausblendung der deutschen Aggression, Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen wird einerseits darauf verwiesen, dass Unrecht und Unterdrückung keine Erfindung des „Dritten Reichs“ waren, und andererseits nahegelegt, dass letztlich das deutsche Volk unter dem Kriege und einer Verschwörung der Alliierten gelitten habe und noch heute leide. Dies gipfelt in der Forderung, diese „Unterdrückung“ endlich zu beenden (Abb. 9):
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Abb. 9
Mit diesem Revisionismus gehen offener Antisemitismus und Holocaustleugnung einher, die einen geradezu plakativen Grad erreichen können – vor allem, wenn die Nutzerinnen und Nutzer sich gegenseitig in ihrer Weltsicht bestätigen. So dankt der User M Hannemann dem Nutzer Martin Greiner für vorangegangene Kommentare mit einer offenen Anspielung auf den Hitlergruß, indem er betont, er habe die Texte „88 mal“ gelesen (Abb. 10). Schlagworte wie Haverbeck, Finkelstein, „Holoco$t Industrie“ oder Ehrenburg verweisen dabei auf gängige rechtsextremistische Diskurse. So ist Ursula Haverbeck eine verurteilte Holocaust-Leugnerin und „gilt unter Rechtsextremisten als die Ikone des Geschichtsrevisionismus“⁵⁸. Allerdings ist die Aussage „Juden wie Haverbeck haben mal vorgetestet“ nur schwer verständlich. Es scheint, als würde der Nutzer auch Haverbeck zu „den Juden“ zählen, die nun von sich aus dazu übergehen würden, den Holocaust zu leugnen, was allerdings für Außenstehende eine kaum nachvollziehbare Deutung ist. Norman Finkelstein verursachte in den Jahren 2000/2001 heftige Debatten mit seinem Buch „Holocaust-Industrie“, in dem er die These aufstellte, dass „eine vermeintliche amerikanisch-jüdische Elite das Leiden der Juden finanziell ausbeute“ und „der Holocaust heute keine Quelle für moralische und historische Aufklärung, sondern vielmehr ein Mittel wirtschaftlicher Erpressung sei“.⁵⁹ Ilja Ehrenburg galt zu Lebzeiten als einer der wichtigsten sowjetrussischen Literaten, der während des Zweiten Weltkriegs Propaganda gegen das nationalsozialistische Deutschland betrieb und dem bis in die Nachkriegszeit hinein daher ein Ruf als „Deutschenhasser“ anhing, wie der Spiegel am 5. September 1962 berichtete: „Der Sowjet-Autor ist deutschen Lesern […] bekannt, […] als angeblicher Urheber eines Aufrufs zur Schändung deutscher Frauen.“⁶⁰ Dieser angebliche Aufruf und Ehrenburgs pro Bongen, Robert: Plattform für Holocaust-Leugner?. In: panorama.de. Seit dem 29.07. 2015 online. https://daserste.ndr.de/panorama/Plattform-fuer-Holocaust-Leugner,holocaustleug ner100.html (12.08. 2018). Bendikowski, Tillmann: Holocaust-Diskussion. Finkelstein nimmt nichts zurück. In: Spiegel Online. Seit dem 07.02. 2001 online. http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/holocaust-diskus sion-finkelstein-nimmt-nichts-zurueck-a-116354.html (12.08. 2018). DER SPIEGEL 36/1962: EHRENBURG. Tötet, tötet, tötet. S. 71– 76, hier S. 72.
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pagandistische Arbeit dienen bis heute rechtsradikalen Kreisen als Beleg dafür, dass „die Juden“ Deutschland schaden wollen.⁶¹
Abb. 10
Die verschwörungstheoretischen Deutungen werden auch mit der aktuellen Flüchtlings- und Migrationsdebatte verwoben und knüpfen so direkt an Gegenwartsdiskurse an (Abb. 11):
Abb. 11
Es fällt auf, dass solche Aussagen sprachlich sehr eindeutig gehalten und in ihrem Geltungsanspruch geradezu totalitär sind. Betroffen sind von den erklärten „Missständen“ immer alle – niemand hat etwas zu sagen, alle Ausländer können
Vgl. Langowski, Jürgen: Erhard Sanio über Ilja Ehrenburg. „… konnte er … nichts anderes als eine Hassfigur sein.“ In: Holocaust-Referenz. Argumente gegen Auschwitzleugner. https://www. h-ref.de/personen/ehrenburg-ilja/ehrenburg-es.php (12.08. 2018).
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machen, was auch immer sie wollen, kein Polizist schreitet ein, weil er sonst grundsätzlich als Nazi gilt. Dieses Schwarz-Weiß-Denken mag – zumal im gehäuften Auftreten – meinungsstark wirken, ist aber letztlich völlig undifferenziert. Gerade diese Ausblendung der Komplexität der Realität scheint aber bei dem anvisierten Publikum auf fruchtbaren Boden zu fallen, wie die zehn positiven Bewertungen des Kommentars beweisen. Genauso funktionieren viele der Argumentationen aus der Perspektive der Revisionisten und Verschwörungstheoretiker. Es werden beliebig anmutende Ursache-Folge-Ketten geschmiedet, ohne die Argumente reflexiv zu gewichten oder zu graduieren. Die Vergangenheit wird so zu einem Baukasten, aus dem beliebig Versatzsteine für eine gewünschte Interpretation genommen werden können, um daraus ein ausgedachtes Modell der Wirklichkeit zu fertigen. So wird der selektive Zugriff auf die Vergangenheit zur gruppendynamisch selbsterklärten und sich gegenseitig bestärkenden eigenen „Wahrheit“, die im Kommentarbereich unter dem ursprünglichen Video als angeblich „verbotene Meinung“ und identitätsstiftendes Deutungsmuster für die Gegenwart angeboten wird. Wenn sich – wie z. B. in Abb. 11 – Widerspruch regt, greifen revisionistische Kommentare auf eine weitere Argumentationsstrategie zurück. Immer wieder werden in den Posts Literaturverweise und (vermeintliche) Zitate als empirische „Beweise“ angebracht, die allerdings weder nachvollzogen noch belegt werden können und vielmehr dazu dienen, kritische Nachfragen zu entkräften oder ganz zum Verstummen zu bringen. So auch in dem Beispiel in Abb. 12, das den antifreimaurerischen Verschwörungsmythos⁶² bedient.Was dabei auf den ersten Blick nicht klar wird: Bei dem „sehr wichtigen“ Buch handelt es sich um eine Publikation von Dieter Schwarz, der als Autor verschiedene weltanschauliche Schriften in der Zeit des Nationalsozialismus verfasste.⁶³ Im Vorwort der auf der Webseite archive.org abrufbaren Ausgabe lobt Reinhard Heydrich, Leiter des Reichssicherheitshauptamts und später einer der Hauptorganisatoren des Holocaust, dass das Werk „wesentliche Probleme des Freimaurertums“ behandele und „den unüberbrückbaren Gegensatz zwischen freimaurerischer Ideologie und Nationalsozialismus“ darlege.⁶⁴
Zu diesem Mythos vgl. z. B. Pfahl-Traughber, Armin: Der antisemitisch-antifreimaurerische Verschwörungsmythos in der Weimarer Republik und im NS-Staat. Wien 1993. Z. B. Schwarz, Dieter: Das Weltjudentum. Organisation, Macht und Politik. Berlin 1939. Schwarz, Dieter: Die Freimaurerei. Weltanschauung, Organisation und Politik. Berlin 1938. https://archive.org/details/Schwarz-Dieter-Die-Freimaurerei (12.08. 2018).
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Abb. 12
5.4 Misstrauen gegenüber „Indoktrination“ Andere Stimmen argumentieren eher erkenntnistheoretisch, um den Wahrheitsanspruch der Dokumentation anzuzweifeln. So kritisiert der User in Abb. 13 das Urteil des Beitrags hinsichtlich einer möglichen Geisteskrankheit Hitlers und vermutet vielmehr eine Übertragung der Alleinschuld Deutschlands am Zweiten Weltkrieg durch die siegreichen Alliierten:
Abb. 13
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Die Nutzerin in Abb. 14 gibt zu bedenken, dass – entgegen der Erklärung der Dokumentation – niemand von seiner Geburt an Mörder sei. Sie empfiehlt daraus ableitend ein Misstrauen gegenüber allen vorgefertigten Meinungen:
Abb. 14
Noch deutlicher warnt der User in Abb. 15 vor „linksideologisierter Indoktrination“ und nutzt dabei die – in revisionistischen Kreisen weit verbreitete – argumentative Strategie des Aufwiegens von Opferzahlen im Vergleich mit anderen Diktatoren:
Abb. 15
6 Fazit Die kurze Analyse des Beitrags anhand der verschiedenen Nutzerrollen legt das Zusammenspiel der daraus resultierenden Gütekriterien und Partizipationsmechanismen für YouTube-Videos offen, die sich aus der Teilhabe der Nutzerinnen und Nutzer ergeben. Der Uploader weloadtv hat das Video als Teil eines großen Unterhaltungsangebots online gestellt und dafür die Rechte von dem Filmvertrieb Great Movies GmbH erworben, die die Lizenz für den eigentlichen Produzenten der Dokumentation vergibt. Da sich der Kanal über Werbung finanziert, muss er genügend Klicks und Aufmerksamkeit generieren, um von der Reichweite her für Werbekunden möglichst interessant zu sein. Die Rezipienten honorieren mit überdurchschnittlich hohen Abrufzahlen die ansprechende Machart des Beitrags und den attraktiven Titel – wer will schließlich nicht die „Wahrheit“ über eine der (negativen) Schlüsselpersonen der jüngeren Weltgeschichte wissen? Die Bewer-
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tenden dagegen sind sich uneins: Das Video wird kontrovers bewertet und in den Kommentaren noch kontroverser diskutiert. Dabei fällt auf, dass der Hochlader sich an der Aktivierung der Community beteiligt und offen zur Kommentierung auffordert. Doch weloadtv moderiert den Kommentarbereich nicht im klassischen Sinne. So können vor allem diejenigen Nutzer-Gruppen die offenen partizipativen Strukturen nutzen, die sich von der gesamtgesellschaftlich akzeptierten Geschichtsdeutung ebenso wenig repräsentiert fühlen wie von den Sach- und Werturteilen der Dokumentation. Gerade durch das aktive Infragestellen des postulierten Wahrheitsanspruchs des Beitrags übernehmen Revisionisten, Antisemiten, Holocaustleugner und Verschwörungstheoretiker die Deutungshoheit unter dem Video, indem sie ungestört eigene empirische „Beweise“ und Werturteile einbringen und sich in ihrer Weltsicht gegenseitig bestätigen. Dadurch streuen sie einerseits Zweifel an der narrativen Triftigkeit der Dokumentation und stellen damit andererseits im gleichen Atemzug die Geschichtswissenschaft in Frage, die sie als „linksideologisch“ oder „Westpropaganda“ aburteilen. Gemeinsames Ziel dieser Argumentation ist eine Negierung deutscher Schuld und das vermeintliche „Aufdecken“ einer (jüdisch-westlichen) Verschwörung, die eine Unterdrückung Deutschlands vorantreibe. Damit richten sie sich gegen wesentliche und für die Bundesrepublik zentrale Geschichtsdeutungen, beispielsweise hinsichtlich der auf dem „langen Weg nach Westen“ historisch gewachsenen Verantwortung Deutschlands, sich für ein friedvolles Miteinander und die Wahrung von Menschenrechten einzusetzen.⁶⁵ Diese „klassischen“ Bestrebungen des Revisionismus werden durch Rückgriff auf die Flüchtlingsdebatte argumentativ aktualisiert. Der Umstand, dass es keine institutionalisierte Kontrolle der Inhalte auf YouTube gibt, führt mit Blick auf die ursprünglichen Erwartungen an Partizipation im Social Web zu großen Verwerfungen, wie das Beispiel aufzeigt. Die Dokumentation selbst bedient sich einer einseitigen Meistererzählung, die an problematische Narrative anknüpft und durch einen selbsterklärten Wahrheitsanspruch den Widerspruch der Zuschauer weckt. Die Aufmerksamkeit, die gerade durch die kontroverse Bewertung entsteht, wird wiederum gezielt von revisionistischen Kräften genutzt, um im Kommentarbereich auf eigene Agenden und Deutungsmuster hinzuweisen und argumentative Strategien zu entfalten. Die Verantwortung für diese Entwicklung trägt letztlich der Kanalbetreiber. Im vorliegenden Fall nimmt weloadtv diese aber gar nicht wahr: Welche Qualität die Kommentare haben, scheint nicht wichtig zu sein. Damit bleibt Raum für die Verbreitung von Verschwörungstheorien, offensichtliche Lügen und Verweise auf höchst fragwürdige Literatur.
Vgl. Bernhardt, Geschichte von rechts (wie Anm. 33), S. 2– 11.
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So wird aus dem erhofften „Entwurf der aufklärerischen Öffentlichkeit“ eine Diskursarena der Teilöffentlichkeiten und Splittergruppen. Denn die „real gewordene Utopie einer demokratischen Umnutzung der Massenmedien“ führt eben auch dazu, dass jeder Nutzer seine Meinung vertreten kann und darf. Dabei macht man die Erfahrung, dass sich ein großer Teil der Userinnen und User eben nicht an akademische oder auch journalistische Diskursregeln hält. Vielmehr tritt hier in geballter Kommentierung zutage, was vielleicht schon lange existiert, aber bislang kaum eine Chance hatte, eine gewisse Aufmerksamkeit zu erhalten. Diese Vielfalt auszuhalten, auch wenn es weh tut, ist die andere Seite der Medaille der Partizipation – gerade, wenn diejenigen diese Plattformen nutzen, die der freiheitlich-demokratischen Ordnung eher feindlich gegenüberstehen. Dies gilt im Übrigen nicht nur für die Kommentare dieses Beitrags, sondern für die Angebotsstruktur der Plattform insgesamt. Ganz unterschiedlich sind die Formate der audiovisuellen Präsentationen, die wir auf YouTube zu einem historischen Thema finden können: von Comedy- und Musikvideos über Zeitzeugenberichte bis hin zu Dokumentationen und Filmdokumenten. Das erforderliche methodische Handwerkszeug, um mit diesen verschiedenen audiovisuellen Darstellungen und Quellen kompetent umgehen zu können, ist beachtenswert groß. Damit wird die Heterogenität der Plattform auch eine Herausforderung für die schulische Ausbildung, wollen wir Kinder und Jugendliche dazu befähigen, in ihrer medialen Lebenswelt adäquat mit einer schier grenzenlosen Auswahl von Angeboten und Deutungen reflektiert umzugehen – mit einfachen Antworten und Rezepten kommen wir hier nicht weiter. Gleichwohl muss man auch sagen, dass ein angemessener Umgang mit vereinfachenden und verfälschenden Kommentaren noch nicht gefunden wurde. Solange es im Social Web keine Gatekeeper gibt, die zur Einhaltung von qualitativen Standards anregen, müssen wir uns mit der Janusköpfigkeit partizipativer Angebote arrangieren. Dies ist wohl eine der größten Herausforderung für die historisch-politische Bildung in der nächsten Zeit. Der Vorschlag zur Unterscheidung von Nutzerrollen bei der Analyse von Videos zielt zumindest auf eine bessere Verortung von Verantwortlichkeiten und Darstellungs- und Argumentationsstrategien ab, die es bei der Erarbeitung der kreativ-partizipatorischen Kultur YouTubes zu beachten gilt. So gelingt es, die vielschichtige Medialität einzelner Beiträge aufzubrechen und für übergeordnete Fragestellungen – zum Beispiel mit Blick auf geschichtskulturelle Phänomene wie Strategien der Inszenierung und Argumentationen von Revisionisten – nachvollziehbar zu machen. So kann auch eine adäquate Einordnung und Analyse dieser komplexen geschichtskulturellen Quellengattung gelingen.
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weloadtv: Adolf Hitler – Wie er wirklich war (Dokumentation | deutsch). Seit dem 16. 10. 2013 online. https://www.youtube.com/watch?v=-pMjdW2DGV0 (12. 06. 2018). weloadtv: Kanal-Übersicht. https://www.youtube.com/user/weloadtv/featured (12. 06. 2018). YouTube: Über YouTube. http://www.youtube.com/yt/about/de/ (12. 06. 2018).
YouTube und historische Bildung
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„Ist auf jeden Fall ein geiles Thema!“ – TheSimpleClub als Herausforderung historischer Nonsensbildung 1 Einleitung „Wat richtisch geil ist, wie dieser 2. Punische Krieg abgelaufen ist. (…) Hannibal dieser kranke motherfucker, überquert 218 direkt die Alpen. (…) Und die Römer dachten sich nur ,Oh holy shit′!“¹ Zugegeben ein provokanter Einstieg, der nicht nur bildungssprachlich orientierte Geschichtsdidaktikerinnen und -didaktiker schockieren dürfte. Das Zitat stammt aus einem Video des YouTube Kanals TheSimpleHistory² und markiert zugleich die Erstbegegnung einer Mutter, die das Video zufällig zur gemeinsamen Vorbereitung einer Klassenarbeit mit ihrer elfjährigen Tochter entdeckte. Dem ca. 8-minütigen Clip schloss sich nach Überwinden erster Schockstarre ein Urteilsgespräch zwischen Tochter und Mutter an. Dekonstruktionskompetenz, worauf die Erziehungsberechtigte mit beruflich geschichtsdidaktischem Hintergrund zielte, nannte sie es der Elfjährigen gegenüber nicht. Was blieb auf Seiten der Mutter, war ein Gefühl der Überforderung im spontanen Umgang mit einem Format, das wie die Tochter knapp erklärte, ein Lehrer kürzlich schon gezeigt habe. Was blieb auf Seiten der Geschichtsdidaktikerin, war aber auch die Herausforderung, sich bei aller Abneigung und Skepsis gegenüber der sprachlichen Darstellung von Geschichte genauer mit dem Format auseinanderzusetzen. Anschlussfähig ist eine Beschäftigung mit derartigen Videos aus geschichtsdidaktischer Perspektive beispielsweise an die Themenfelder Sprache und Geschichtslernen, historisches Lernen in digitalen Kontexten sowie Kompetenzorientierung im Sinne der Dekonstruktion aktueller Geschichtskultur oder der Förderung von Narrationskompetenz. Vielmehr aber noch erscheint eine Beschäftigung mit dem derzeit ca. 144.000 Abonnentinnen und Abonnenten zählenden und somit reichweitenstärksten deutschsprachigen Lernkanal für Geschichte geboten, weil dieser sich so explizit
TheSimpleHistory: Hannibal an die Macht – Die Expansion von Rom. https://www.youtube. com/watch?v=5O6kjLK3JKI (18.06. 2018). TheSimpleHistory: Kanalinfo. https://www.youtube.com/user/TheSimpleHistory/about (18.06. 2018). https://doi.org/10.1515/9783110599497-013
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wie aktuell wohl kein anderes populäres Geschichtsformat auf historisches Lernen im Geschichtsunterricht bezieht: „Mit TheSimpleClub sparst du dir Stress und Angst vor JEDER Klausur. Hol dir bessere Noten in weniger Zeit!“³ Der Beitrag fokussiert zunächst die Produzentenperspektive. Anschließend steht im Sinne eines kursorischen Überblicks über exemplarische Videos eine Beschreibung ihrer narrativen Struktur im Mittelpunkt. Drittens thematisieren die Ausführungen die Ebene der Rezeption und geben Einblick in eine erste Felderkundung mit 232 Schülerinnen und Schülern. Abschließend versucht der Beitrag geschichtsdidaktische Implikationen im Umgang mit derartigen Erklärvideos zu skizzieren. Vorab geschickt sei der Hinweis, dass selbstverständlich ein Bewusstsein für die spezifische mediale Eigenlogik der Videos von TheSimpleHistory angenommen werden darf. Hans-Jürgen Pandel hat dazu in seinen Ausführungen zur Geschichtskultur das Wandern durch verschiedene Gattungen als mediale Refiguration historischen Wissens skizziert.⁴ Gerade aber weil der Untersuchungsgegenstand explizit auf Unterricht referiert, folgt der Beitrag konsequent geschichtsdidaktischen Prämissen.
2 Bildungsfernsehen 2.0 von den Kumpels aus dem Internet Hinter TheSimpleClub stehen Alexander Giesecke und Nicolai Schork, die ihren Kanal seit 2014 betreiben und aktuell neben Geschichte auch Erklärvideos für Mathematik, Biologie, Physik, Chemie, Wirtschaft, Erdkunde, Informatik und Maschinenbau anbieten. Derzeit sind 113 Videos im Geschichtskanal TheSimpleHistory verfügbar, der seit seinem Start 2014 insgesamt ca. 8,5 Mio. Aufrufe und 149.446 Abonnenten verzeichnet.⁵ Die Skripte der Videos werden nach eigener Aussage von Studierenden höherer Fachsemester geschrieben und in ca. 12– 20 Stunden produziert.⁶ Das didaktische Konzept „Erklärt wird, wie man es einem Kumpel erklären würde“⁷, findet dabei fachübergreifend Anwendung. Die Videos
TheSimpleHistory, Kanalinfo (wie Anm. 2). Vgl. Pandel, Hans-Jürgen: Geschichtsdidaktik. Eine Theorie für die Praxis. Schwalbach/Ts. 2017. S. 171. Vgl. TheSimpleHistory, Kanalinfo (wie Anm. 2). Vgl. Becker, Lisa: Nachhilfe von den Kumpels aus dem Internet. https://www.faz.net/aktuell/be ruf-chance/beruf/youtube-stars-bieten-erfolgreiche-nachhilfevideos-14569699.html (18.06. 2018). Becker, Nachhilfe (wie Anm. 6).
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unterscheiden sich strukturell, sprachlich und in der Länge von zwischen 3 bis 8 Minuten nicht fachspezifisch. Mit ihren Kanälen gehören TheSimpleClub zu einem Format, das seit ca. 2012 zunehmend an Öffentlichkeit gewinnt. Dabei ist TheSimpleClub der einzige Kanal, der über das Geschäftsmodell YouTube hinaus eine kostenfreie App und ein Onlineangebot bereitstellt. Für 9,99 Euro im Monat bietet die TheSimpleClub GmbH nutzerspezifische Playlists, werbefreie Videos, Tafelbilder, einen Download der Videotexte, „Spickzettel“ im pdf-Format sowie Übungsaufgaben.⁸ TheSimpleClub referiert im Vergleich mit anderen Kanälen am stärksten auf das System Schule. So hätten laut Aussage der Betreiber mehr als 75 % in einer Fragebogenerhebung geantwortet, dank TheSimpleClub ihre Note verbessert zu haben.⁹ Die beiden Macher profilieren sich mit einem Kumpelimage und lautstarker Systemkritik unter dem Motto „Schule ist scheiße!“, was mit mangelnder Differenzierung und Kompetenzorientierung im derzeitigen Bildungswesen argumentiert wird.¹⁰ Das ökonomische Interesse dahinter ist nicht zu übersehen und wird in der Selbstdarstellung als Antipoden aktuellen Geschichtsunterrichts kultiviert. Jene marketingrelevante Frontstellung wirkt mit Blick auf die Inhalte des Kanals jedoch nicht plausibel. Das Verhältnis der Kanalbetreiber zu schulischer Geschichtsvermittlung ist als ambivalent zu bezeichnen und bewegt sich zwischen Abgrenzung und Abwertung einerseits und ausdrücklicher curricularer Orientierung und Optimierung schulischer Leistung andererseits. Die aktuell 113 verfügbaren Videos haben allesamt direkten Bezug zu deutschen Lehrplänen und lassen sich inhaltlich gemäß bekannter Epocheneinteilungen zuordnen. Dabei sind sie vorwiegend ereignisgeschichtlich geprägt oder stellen lehrplanrelevante Begriffe und Konzepte in den Mittelpunkt. Alltags-, Global-, Lokal-, Kulturgeschichte haben in dem vorwiegend nationalgeschichtlich geprägten Kanon ebenso keinen Platz wie beispielsweise Videos zu Methoden historischen Lernens und Denkens. Die Kanalbetreiber legen mit dieser Inhaltsauswahl eigene Vorstellungen von aktuellem Geschichtsunterricht offen und bedienen somit gleichzeitig die Annahme eines „Paukfaches“ Geschichte. Eine Option historischer Sinnbildung, welche „die Isoliertheit von Ereignissen (…) in zeitlicher Perspektive zu einer sinnvollen Einheit verbindet“¹¹ erschließt sich mit Blick auf die Playlist von TheSimpleHistory nicht. Es zeigen sich
TheSimpleClub: Onlineangebot. thesimpleclub.com/login (18.06. 2018). Vgl. Becker, Nachhilfe (wie Anm. 6). TheSimpleClub: Warum Schule scheiße ist (TINCON 2017 Berlin). https://www.youtube.com/ watch?v=plPBeHzv5mc (18.06. 2018). Pandel, Hans-Jürgen: Sinnbildung. In: Wörterbuch Geschichtsdidaktik. Hrsg. von Ulrich Mayer (u. a.). Schwalbach. 2009. S. 176 – 177, hier S. 176.
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Abbildung 1: Thematische Übersicht der Videos des Kanals TheSimpleHistory
„bloße Additionsketten von Ereignissen“¹², die stets unter inhalts- jedoch nie unter problemorientierten Titeln firmieren. Die Herstellung historischer Zusammenhänge und das Verbinden zeitdifferenter Ereignisse als Wesenselement historischer Narration werden an digitale Algorithmen des Systems YouTube abgegeben. Anschlussvideos schlägt ein virtueller Erzähler vor bzw. spielt sie
Pandel, Sinnbildung (wie Anm. 11), S. 176.
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praktischerweise automatisch ab – ein aktiver Prozess historischen Lernens wird dabei nicht gefordert.
3 Narrationsstruktur der Videos von TheSimpleClub Die Videos von TheSimpleHistory folgen einer Oberflächenstruktur von Einstieg, Erarbeitung und abschließender Sicherung und entsprechen somit schulischer Vermittlungspraxis. Anhand dieses wiederkehrenden Bauplans soll im Folgenden eine deskriptive Fokussierung auf die narrativen Tiefenstruktur der Videos erfolgen. Ziel ist es, einzelne Elemente näher zu charakterisieren und mögliche Optionen historischer Sinnbildung freizulegen. Merkmale historischen Erzählens geraten hier ebenso in den Blick wie kompetenzorientierte Überlegungen, die an schulische Vermittlungspraxis anschlussfähig sind.¹³
3.1 Einstieg: „Heute ein sehr krasses Thema!“ Die Videos beginnen stets mit einer umgangssprachlichen Begrüßung „Servus Leute. Nice, dass ihr am Start seid.“¹⁴ und einer Zielorientierung „Wir schauen uns heute die griechische Polis an. Abfahrt!“¹⁵ Es ist sowohl ein geschichtsmethodischer als auch geschichtsdidaktischer Gemeinplatz, dass ohne historische Fragen keine Geschichte zu machen ist.¹⁶ Die Auswahl und Formulierung einer historischen Fragestellung, die nur als solche gelten kann, insofern sie auf „Zeitdifferenzen, auf Entwicklungen und Veränderungen“¹⁷ zielt, bestimmt wesentlich die folgende Narration bzw. deren Konstruktivität. Nur in wenigen Fällen sind Fra-
Vgl. Pandel, Hans-Jürgen: Historisches Erzählen. Narrativität im Geschichtsunterricht. Schwalbach 2010. S. 75 – 93. TheSimpleClub: Die Französische Revolution. https://www.youtube.com/watch?v=B1 J24_ 81uIc&t=2s https://www.youtube.com/watch?v=B1 J24_81uIc&list=PLcBNXSpBVXR6 l9-RiLRVy0 DiqzUZqQOKe (18.06. 2018). TheSimpleClub: Die Griechische Polis. https://www.youtube.com/watch?v=b5ks727N_6c (18.06. 2018) Schreiber, Waltraud: Kompetenzbereich historische Fragekompetenzen. In: Kompetenzen historischen Denkens: ein Strukturmodell als Beitrag zur Kompetenzorientierung in der Geschichtsdidaktik. Hrsg. von Andreas Körber [u.a.]. Neuried 2007. S. 155-193, hier S. 156. Schreiber, Waltraud: Ein Kompetenz-Strukturmodell historischen Denkens. In: Zeitschrift für Pädagogik (Z.f.Päd) 2 (2008). S. 198 – 212, hier S. 201.
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gestellungen am Beginn der Videos von TheSimpleHistory zu identifizieren. Diese sind zumeist inhaltsbezogen im Sinne eines „Was ist das?“ und lassen entgegen eines „Was war das?“ ein weniger historisches Narrationskonstrukt erwarten. Nicht immer steht überhaupt eine Frage im Zentrum des maximal 10 Sekunden langen Einstiegs. Zur Strategie von TheSimpleHistory gehört die für historisches Lernen sträfliche Einebnung von Zeitdifferenz: „Moin Leute und willkommen bei der Industrialisierung!“¹⁸ Vergangenheit, Gegenwart und Zukunftserwartung fallen in dieser Begrüßung zusammen. Ein anschließendes Angebot historischer „Sinnbildung über Zeiterfahrung“ ist schwer vorstellbar. Die Einleitung zum gleichen Thema gestaltet Mirko Drotschmann bei musstewissen folgendermaßen: „In diesem Video schauen wir uns eine Entwicklung an, die unsere Welt bis heute prägt: die Industrialisierung. Ich erkläre euch, warum es zur Industrialisierung oder industriellen Revolution kommt, wie sie die Welt verändert und was sie mit den Menschen macht.“¹⁹ Der studierte Historiker und Journalist Drotschmann thematisiert die Prozesshaftigkeit von Geschichte, historischen Wandel sowie Gegenwarts- und Subjektorientierung im Vergleich stärker als die beiden Initiatoren von TheSimpleClub, deren beruflicher Hintergrund im Bereich Maschinenbau bzw. Medieninformatik liegt. Auffällig ist, dass TheSimpleHistory fast konsequent auf die Verwendung des Präteritum verzichtet. Was von Pandel als Merkmal kompetenten historischen Erzählens benannt wird, scheint zumindest für die Erklärvideos von TheSimpleHistory nicht zu gelten.²⁰ Im Gegenteil! Zu Gunsten der Nähe zum potentiellen Abonnenten und somit auch marketingrelevanten Gründen scheint zu gelten: Präsens ist das neue Präteritum! In den kurzen Einstiegssequenzen liefern TheSimpleClub darüber hinaus gewohnt umgangssprachliche und vor allem unreflektierte Urteile: „Das ist eine etwas komplizierte Sache, aber auch ein richtig spannendes Thema.“²¹, „Richtig deeper Mittelaltershit also.“²² Ein Sinnhorizont kann hier bei sehr gutem Willen im Bereich der Motivation gesucht werden. Historischer Sinn allerdings ist nicht zu entnehmen. Bestenfalls können die angebotenen Urteile durch Prüfung nor-
TheSimpleClub: Industrialisierung aka die Industrielle Revolution. https://www.youtube. com/watch?v=Y_XWBoawttw&t=53s (18.06. 2018). musstewissen Geschichte: Wie verlief die Industrielle Revolution? https://www.youtube.com/ watch?v=QRjH3bxsRao (18.06. 2018). Vgl. Pandel, Erzählen (wie Anm. 14), S. 128. TheSimpleClub, Französische Revolution (wie Anm. 15). TheSimpleClub: Lehenswesen, Grundherrschaft und Feudalismus. https://www.youtube. com/watch?v=biNXjHIM_mk&t=57s (18.06. 2018).
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mativer Triftigkeit in historischen Lernprozessen als Narrationskonstrukte historischen (Un)Sinns dekonstruiert werden. Die Begründungszusammenhänge, die TheSimpleClub für die Nutzung ihrer Videos in der Einstiegssequenz liefern, zielen auf leistungsorientierte Bewältigung von Geschichtsunterricht. So könne man „in der Arbeit mal ein paar Dinge abspulen“ oder bräuchte keine Angst vor dem Abi zu haben. Dies entspricht dem Selbstbild der Macher als Kumpel und Helfer in der Not, verkehrt jedoch den Anspruch einer Problemformulierung oder gegenwärtiger „Verunsicherung“ als Auslöser historischen Denkens.²³ Nachdenklich mit Blick auf gegenwärtigen Geschichtsunterricht stimmt dabei, dass nach Aussage von TheSimpleClub dennoch eine signifikante Zahl der Userinnen und Usern ihre Note verbessern konnten.
3.2 „Richtig viel Zeug!“: Erzähler, Begriffe, Sprache und Umgang mit Quellen Dem Corporate Design der Marke TheSimpleClub entsprechend endet der Einstieg mit der Einblendung des Kanal Logos und einem Foto der beiden Betreiber. Der potentielle Erzähler, der nach intensiver Recherche als einer der beiden Kanalbetreiber auszumachen ist, bleibt anschließend für den Rest des Videos konsequent als Stimme aus dem Off im Hintergrund. Die für historisches Lernen und Denken relevante Wahrnehmung von Standortgebundenheit ist kaum fassbar; im Gegensatz zu Mirko Drotschmann, der in seinen Erklärvideos als Talking Head MrWissen2go stets präsent und als Erzähler im Stile eines Lehrervortrags wahrnehmbar ist.²⁴ Bei TheSimpleHistory verschwimmt der vermeintliche Erzähler zum kumpelhaften akustischen Signal, das zum Beitritt in den SimpleClub animieren möchte. Die nur indirekt wahrnehmbare Präsenz des Sprechers aus dem Hintergrund dürfte als distanzmindernde Strategie der Macher zur vermeintlichen Zielgruppe funktionieren, erschwert allerdings eine reflektierte Dekonstruktion der Narration. Für die Hauptsequenz der Videos gilt mit Blick auf verwendete Begriffskonzepte, dass diese entsprechend der ereignisgeschichtlichen Priorisierung des Kanals vornehmlich inhalts- und subjektbezogen sind. Ebenso wie die mangelnde
Vgl. hierzu Trautwein, Ulrich [u. a.] (Hrsg.); Kompetenzen historischen Denkens erfassen. Konzeption, Operationalisierung und Befunde des Projekts „Historical Thinking – Competencies in History“ (HiTCH). Münster 2017. S. 32. John, Anke: Wissen2go – Frontalunterricht auf YouTube. In: Public History Weekly 5 (2017). https://public-history-weekly.degruyter.com/5-2017-25/wissen2go-teacher-centered-instructionon-youtube/ (18.06. 2018).
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Fassbarkeit der Sprecherinstanz bleibt jedoch auch das Sinnbildungsangebot an Begriffen und Konzepten sowie deren Bedeutung äußerst ungenau. So werden zur Erklärung der Französischen Revolution wenig historische Begriffskonzepte wie „Finanzsachen“, „Dinge“, „richtig viel Zeug“, „die Kirchentypen“, „die Leute aus dem Dritten Stand“, „ein paar Jahre vor der Revolution“ genutzt.²⁵ Diese Vagheit der zum Konstruktionsrepertoire historischer Narration gehörenden Begriffskonzepte tangiert mit Blick auf historisches Lernen nicht nur die Möglichkeit Perspektiven der Narration überhaupt erst zu erfassen, sondern auch die für historische Orientierung nötige Kommunikation darüber. Ein sinnbildender kommunikativer Austausch auf Basis der von TheSimpleHistory angebotenen Begriffskonzepte muss, so mag man vorhersagen, in vager Beliebigkeit münden. Vielmehr bietet sich auch hier an, die von TheSimpleHistory offerierten Begriffe und Konzepte explizit zu machen. Einen Spezialfall im Umgang mit Begriffskonzepten stellen die von TheSimpleHistory bemühten Vergleiche dar. So wird beispielsweise das Verhältnis von Monarchie und Absolutismus mit dem des Audi A8 als spezielle Form von Audi erklärt.²⁶ Dies ist allgemeindidaktisch durchaus zu legitimieren. Für historisches Lernen wären jedoch prototypische Merkmale ebenso zu fassen wie deren Zeitspezifik.²⁷ Der Vergleich einer Herrschaftsform mit einer Automarke macht dies schlicht unmöglich. Die Erklärung ist somit zwar gegenwartsorientiert, allerdings nicht im Sinne eines Sinnzusammenhangs für historisches Lernen zu begründen.²⁸ Gleichzeitig werden tradierte Epochenkonzepte von TheSimpleHistory stets als gesetzt übernommen und auf einem Zeitstrahl klar eingegrenzt ohne zumindest in Ansätzen deren Konstruiertheit zu thematisieren. Selbst wenn ein Videotitel wie „Industrialisierung aka die Industrielle Revolution“²⁹ jene Reflektionsoptionen böte, entbehrt das folgende Narrativ jener Problematisierung und TheSimpleClub ziehen sich mit einem Verweis auf die Lehrperson zurück: „Dann benutzt ihr einfach den Begriff, den euer Lehrer auch benutzt. Macht euch da keinen Stress, folgt einfach eurem Lehrer und sackt euch die Sympathiepunkte ein.“³⁰
TheSimpleClub, Französische Revolution (wie Anm. 15). TheSimpleClub: Absolutismus und der Sonnenkönig Ludwig XIV. https://www.youtube.com/ watch?v=objvWMJtdW4 (18.06. 2018). Vgl. Trautwein, Kompetenzen (wie Anm. 23). Vgl. Bergmann, Klaus: Der Gegenwartsbezug im Geschichtsunterricht. Schwalbach/Ts. 2002. TheSimpleClub: Industrialisierung aka die Industrielle Revolution. https://www.youtube. com/watch?v=Y_XWBoawttw&t=2s (18.06. 2018). TheSimpleClub, Industrialisierung (wie Anm. 30).
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Sprachlich kennzeichnen die Videos von TheSimpleHistory, das haben bisher angeführte Beispiele gezeigt, eine konsequente Nutzung von Umgangssprache, die der Ansprache von Jugendlichen dient, allerdings für historische Begriffsbildung und bildungssprachliche Förderung gänzlich ungeeignet ist. Die konsequente Verwendung des Dativ mag verstören, fällt allerdings weniger ins Gewicht geschichtsdidaktischer Überlegungen als die durchgehende Nutzung des Präsens, nicht vorhandene Konjunktive sowie kaum verwendete Adverbien zur Orientierung in der Zeit. TheSimpleHistory bieten keine Erklärvideos zu methodisch anleitender Quellenarbeit. Dabei wäre dies aus Perspektive der Kanalbetreiber sicher ein lohnender, weil unterrichts- und nachfrageorientierter Kanalinhalt. Oder spielt Methodenkompetenz im aktuellen Unterrichtsgeschehen eine derart untergeordnete Rolle, dass der Marktakteur hier keine Nachfrage zu „befürchten“ hat und der Kanal eben gerade als Spiegel aktuellen Geschichtsunterrichts gelten kann? Der Blick auf den Umgang mit Quellen und Darstellungen in den existierenden Videos lohnt dennoch. Auffallend ist ein visueller Teppich, gewebt aus comicartigen Animationen und collagenhaftem Wildwuchs, der nicht zwischen Darstellungen und Quellen unterscheidet. Als Beispiel sei hier auf ein Video zum „Führerprinzip“ verwiesen. Darstellende Grafiken von Panzern, dem Körper Hitlers und einer Gedankenblase werden mit Ausschnitten des historischen Gemäldes „Die letzte Handgranate“ von Elk Eber aus dem Jahre 1936 und dem einem historischen Foto entnommenen Kopf Hitlers vermischt.³¹ Vergleichend signalisiert Mirko Drotschmann die Differenz von Quellen und Darstellungen insofern, dass er einer Schnittlogik im Aufbau seiner Videos folgend Quellen stets als separaten Screen oder einzigen Screeninhalt klar von Darstellungen zur Erklärung von Begriffen, Gesellschaftsstrukturen oder Verfassungsschemata abgegrenzt. Auch kontextualisiert Drotschmann einzelne Quellen mit Hilfe dieser Fokussierung als Element einer sinnbildenden historischen Erzählung und ermöglicht so zumindest in Ansätzen die Erschließung von Quellen als Träger historischer Bedeutung. Hierfür werden im Video zur Industrialisierung drei Bildquellen zum Gerüst der Narration über die technische Entwicklung vom Spinnrad, zur Spinning Jenny zum mechanischen Webstuhl, wodurch historischer Wandel greifbar wird.³²
Vgl. TheSimpleClub: Führerprinzip am Beispiel Adolf Hitler. https://www.youtube.com/ watch?v=fyfn5EAfRR0 (18.06. 2018). musstewissen Geschichte: Wie verlief die Industrielle Revolution? https://www.youtube.com/ watch?v=QRjH3bxsRao&t=21s (18.06. 2018).
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Abbildung 2: Screenshot TheSimpleClub aus dem Video zum „Führerprinzip“
Diese Optionen lassen TheSimpleClub zu Gunsten schneller Schnitte und eines hohen Erklärtempos verstreichen – der Wert von Quellen als Träger historischer Information und Ausgangspunkt empirisch triftigen Erzählens geht zu Gunsten der Anpassung an vermeintliche Sehgewohnheiten Jugendlicher effektreich unter. Während sowohl TheSimpleClub als auch Mirko Drotschmann auf das für historisches Lernen relevante editorische Kennzeichnen von Quellen im Sinne einer Datierung verzichten, bleibt festzuhalten, dass vor allem das Berliner Duo um Giesecke und Schork als Blaupause für die von Pandel formulierten „Todsünden“ im Umgang mit Quellen gelten kann.³³ Die Differenz von Quelle und Darstellung wird getilgt, die Benennung von Entstehungszeit und Quellengattung erfolgt nicht, Quellen fungieren lediglich zur Bekräftigung von Aussagen und werden als bloße Illustration nicht in einen Erzählzusammenhang eingeordnet.
Vgl. Pandel, Hans-Jürgen: Quelleninterpretation. Die schriftliche Quelle im Geschichtsunterricht. Schwalbach 2006. S. 190.
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Abbildung 3: Screenshot musstewissen (Mirko Drotschmann) zur „NS-Ideologie“ (musstewissen Geschichte: NS-Ideologie I Nationalsozialismus; https://youtube.com/watch?v=nyzCwtXqR v0&t=84s, 18. 06. 2018).
3.3 „Erklär es deiner Tür!“: Das Finale historischer Nonsensstiftung? Die Videos von TheSimpleHistory enden stets mit einer Ergebnissicherung in Form von Zusammenfassungen ähnlich einem Tafelbild. Diese beschließt eine durchaus anzuerkennende Struktur der Videos, die Lernenden einen orientierenden Überblick verschafft. Allein es handelt sich hier um ein allgemeindidaktisches Kriterium, welches nicht genügt, um im besten Falle kompetenzorientiertes historisches Lernen zu initiieren. Unter dem Motto „Was müsst ihr aus dem Video mitnehmen?“ werden Begriffe, Definitionen, Jahreszahlen, Orte, Ereignisse und deren Bezeichnung wiederholt, was ob mangelnder Transferierbarkeit auf neue, andere Sachverhalte, allein eben kein Teil historischer Sachkompetenz ist.³⁴
Vgl. Trautwein, Kompetenzen (wie Anm. 23), S. 24.
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Abbildung 4: Screenshots musstewissen (Mirko Drotschmann) zur Industrialisierung
Damit unterstreicht auch die Schlusssequenz der Videos erneut eine Sinnbildung, die keineswegs als historisch, sondern vielmehr als abfrage- und leistungsorientierte Sinnstiftung bezeichnet werden kann. Besonders problematisch, weil Momente potentiellen Diskurses über Geschichte ungenutzt verstreichen, ist der Umgang von TheSimpleHistory mit inhaltlichen Problemlagen und Nachfragen. Gemäß dem Charakter des sogenannten Web 2.0 haben Nutzerinnen und Nutzer beispielsweise über die Kommentarfunktion die Chance zur Beteiligung. Derartige Nutzerpartizipation, die aus geschichtsdidaktischer Sicht als Lernmomente zu begrüßen wäre, läuft bei TheSimpleClub allerdings ins Leere, da man inhaltlichen Austausch sowie eine Nachbearbeitung oder Korrektur der Videos kategorisch ablehnt. Wenn ein Video am Ende nicht „professorenkorrekt“ sei, so äußern Giesecke und Schork, wäre das auch in Ordnung. „Den Ansatz haben wir nicht und den müssen wir auch nicht haben. Am Ende muss es der Schüler verstehen.“³⁵ Offensiv antizipiert man eine „Schwarmintelligenz“ und gibt die Qualitätskontrolle an eine wenig fassbare Online Community ab. Eine inhaltlich fundierte Betreuung der Nutzeinnen und Nutzer scheint aus personellen und ökonomischen Gesichtspunkten nicht machbar. Geschichtsdidaktisch gesehen kommt
Zitiert nach Munzinger, Paul: Erwachsene müssen draußen bleiben. https://sueddeutsche.de/ bildung/nachhilfe-im-internet-erwachsene-muessen-draussen-bleiben-1.3598283-2 (18.06. 2018).
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es hier zwar zur Abbildung von Pluralität und Kontroversität, dies jedoch unstrukturiert und ohne eine zumindest moderierende Instanz der Triftigkeitsprüfung. Zudem passt der Rückzug aus dem Feld des Diskurses und der Kontroverse dann, wenn es mal nicht so einfach ist wie der Kanaltitel suggeriert, nicht zur von den Produzenten propagierten Nutzerorientierung und Berücksichtigung individuellen Lernens. Der Schwerpunkt liegt auf einem möglichst erfolgreichen Geschäftsmodell, das die Zuschauer stattdessen final animiert, das Onlineportal oder die App von TheSimpleClub zu nutzen. Die dort angebotenen Übungsaufgaben gleichen einer Abfrage von Namen, Daten, Zahlen und Fakten und entsprechen somit einerseits dem Anforderungsbereich I (Reproduktion). Andererseits fordern auch diese Angebote ebenso wenig wie die als reine ToDo-Listen angelegten „Abispickzettel“ eine Auseinandersetzung der Lernerinnen und Leser im Sinne historischen Denkens. Im Gegensatz zu den Kommentaren im Netz, die TheSimpleClub vorwiegend als Retter der letzten Klausur stilisieren, wird der Ton im Onlineangebot zunehmend rauer. Hier gelten sichtbar andere Ansprüche – schließlich habe man ja bezahlt und darf daher Forderungen nach benötigten Inhalten artikulieren. Geschichte wird spätestens hier auch auf Seiten der Nutzerinnen und Nutzer zum Geschäft. Die Ausführungen zur narrativen Struktur der Videos von TheSimpleHistory haben in einem ersten kursorischen Überblick kaum fassbare inhalts- und subjektbezogene Begriffskonzepte, die Vernachlässigung von Temporalität als strukturgebendes Merkmal von Geschichte, die Uneindeutigkeit von Erzähl- und Konstruktionsperspektiven, einen ungenügenden Umgang mit historischen Quellen als Träger historischer Information sowie eine wenig narrationskompetente sprachliche Gestaltung offengelegt. All jene Befunde tangieren die Konstruktivität der angebotenen Narration und lassen zum vorläufigen Befund kommen, dass es sich bei den Videos von TheSimpleHistory viel weniger um historisches Erzählen als um schülerorientiertes und unterrichtsrelevantes Erklären handelt. Zwar gilt die Erkenntnis „Jede Erzählung ist eine Erklärung.“³⁶ Doch die besprochenen Videos stellen in Frage, ob diese Formel auch umgekehrt zutrifft. Erklären ist eben nicht gleich historisches Erzählen. Dazu bedarf es weit mehr. „Wir sind herablassend“, sagt der Kanalbetreiber Giesecke, „aber nicht gegenüber dem Schüler, sondern gegenüber dem Stoff.“³⁷ Das kann die Geschichtsdidaktik nicht kalt lassen. Freilich, Geschichtskultur zeichnet sich durch
Pandel, Erzählen (wie Anm. 21), S. 88. Zitiert nach Munzinger, Erwachsene (wie Anm. 37).
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ein mediales „Wandern“ von Geschichte aus, mit dem auch Veränderungen der Konstruktionsprinzipien historischer Erzählung einhergehen. Das muss und sollte nicht per se zu Abwehrhaltungen führen. Doch zum originären „Geschäftsmodell“ der geschichtsdidaktischen Disziplin zählt die Existenzannahme eines historischen Sinns, der aus heutiger Sicht der Vergangenheit Bedeutung verleiht.³⁸ Diesen Sinn negiert TheSimpleClub offensiv nicht nur in der Herablassung gegenüber Vergangenheit und Geschichte, sondern auch gegenüber dem potentiell historisch Lernenden, der im Onlineangebot Aufgaben wie „Erklär es Deiner Tür!“ erhält. TheSimpleHistory offeriert spätestens hier bedenkliche Angebote historischer Nonsensstiftung.
4 Was sagen SchülerInnen zu TheSimpleClub? Geschichtsdidaktische Forschungen zur Rezeption von Erklärvideos auf YouTube existieren bis dato nicht, sind aber dringend nötig, um deren Chancen und Grenzen in formellen und informellen Kontexten historischen Lernens fassbar zu machen. Im Rahmen einer ersten explorativen Felderkundung wurde daher von der Autorin eine Fragebogenerhebung in 11 Klassen mit insgesamt 232 Schülerinnen und Schülern sächsischer Oberschulen und Gymnasien sowie einem Gymnasium aus Mecklenburg-Vorpommern durchgeführt.³⁹ Leitend dabei war die Frage nach Hinweisen zur Nutzung sowie Wahrnehmung von TheSimpleHistory durch im Kontext Schule formell Lernende. Den zufällig ausgewählten Klassen wurde hierbei durch die Lehrkraft zu Beginn einer Unterrichtsstunde ein Video im Zusammenhang des aktuell behandelten Themas vorgespielt. Anschließend waren die Schülerinnen und Schüler ohne vorherige Aussprache aufgefordert, den Fragebogen mit geschlossenen und offenen Fragen zu beantworten. In der Folge seien wesentliche Ergebnisse der quantitativen Auswertung (v. a. Sehgewohnheiten) und qualitativen Inhaltsanalyse (v. a. Bewertung des Videos) vorgestellt. Zur Nutzung von YouTube als Lernhilfe allgemein ergab sich, dass die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler als Wenignutzerinnen und -nutzer zu charakterisieren sind. So äußerten insgesamt 45 %, diese Möglichkeit „gar nicht“
Vgl. Pandel, Sinnbildung (wie Anm. 12), S. 177. Die Gesamtzahl von 232 Schülerinnen und Schüler schlüsselt sich wie folgt auf: 81 Schülerinnen und Schüler der 6. Klasse (Gymnasium), 38 Schülerinnen und Schüler der 7. Klasse (Oberschule), 40 Schülerinnen und Schüler der 8. Klasse (Oberschule), 46 Schülerinnen und Schüler 8. Klasse (Gymnasium), 18 Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse (Gymnasium) sowie 9 Schülerinnen und Schüler (Leistungskurs Geschichte).
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oder „kaum“ zu nutzen. Dagegen stehen lediglich 17 % der Schülerinnen und Schüler, die ihre Nutzung als „oft“ bzw. „sehr oft“ charakterisierten. Die fachspezifische Frage zur Nutzung von YouTube für den Geschichtsunterricht ergab sogar ein Absinken der Nutzungsintensität: 74 % der Schülerinnen und Schüler gaben an, die Option von Lernkanälen für Geschichte „gar nicht“ oder „kaum“ zu nutzen. Der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die Erklärvideos laut eigener Aussage „oft“ oder „sehr oft“ im Zusammenhang mit Geschichte nutzen, sank auf 8 %.
Abbildung 5: Häufigkeit der Nutzung von YouTube als Lernhilfe (n=232)
Für immerhin ein Drittel der Schülerinnen und Schüler war TheSimpleClub unbekannt. Diese Zahlen sensibilisieren für einen differenzierten Blick auf die Rezeption (historischer) Inhalte auf YouTube durch eine Lerngruppe, die pauschal gern als Digital Natives charakterisiert wird. Hier sollte, wie bei anderen Medienformaten selbstverständlich, die Annahme einer Heterogenität von Lerntypen, Nutzungsvorlieben und Zugängen gelten. Nur 30 % der Befragten gab an, andere Lernkanäle auf YouTube zu kennen und wiederum nur 30 % dieser Schülerinnen und Schüler konnten weitere Kanäle namentlich benennen. Konkretes Medienwissen scheint fernab der reinen Rezeption nur vage ausgeprägt. Die Mehrheit der SchülerInnen (55 %) war überdies nicht in der Lage, das gesehene Video eindeutig als „Darstellung“ zu identifizieren. Ein geringer Teil (5 %) klassifizierte es gar als „Quelle“, der Rest konnte keine Zuordnung treffen. Die Vermittlung fundierter Kenntnisse um Produzenten, deren Umfeld, Zielstellungen etc. aber auch die Identifikation der Gattung sind
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demnach grundlegende Herausforderungen für eine weitere Auseinandersetzung im Geschichtsunterricht. Einen tieferen Einblick in die Wahrnehmung der Videos, die überwiegend positiv bewertet wurden, liefert die qualitative Inhaltsanalyse der Beurteilungen auf die offene Frage danach, was den Lernern am gezeigten Video gefallen bzw. nicht gefallen hat.⁴⁰ In der Gesamtschau der Beurteilungen fällt auf, dass sich die Schülerinnen und Schüler insgesamt ausführlicher und differenzierter zu positiv wahrgenommenen Aspekten äußerten. Induktiv konnten aus den Antworten folgende Kategorien als Kriterien der positiven bzw. negativen Beurteilung generiert werden:
Abbildung 6: Induktiv generierte Kategorien zu positiv wahrgenommenen Aspekten
Über die exemplarischen Fallbeispiele hinaus benannten Schülerinnen und Schüler in ihren Antworten die Sprechhandlung und die Erzählperspektive auffällig unspezifisch und äußerst vage „Sie haben erklärt“, „Die Menschen hinter den Bildern beschreiben“, „der Typ stellt dar“ die „Leute bringen herüber“. Wer
Vgl. Mayring, Philipp: Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken.Weinheim 2010.
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Abbildung 7: Induktiv generierte Kategorien zu negativ wahrgenommenen Aspekten
spricht also? Und welche Sprechhandlung liegt hier vor? Lediglich vier Schülerinnen und Schüler betitelten das Gesehene als Erzählen, der überwiegende Teil sprach von Erklären. In keinem Fall wurde TheSimpleClub bzw. Nicolai Schork als Erzählinstanz ausgemacht bzw. benannt. Diese Befunde verweisen einerseits auf die Notwendigkeit der Fokussierung auf Perspektivität historischer Darstellung im Zuge historischen Lernens. Andererseits unterstreicht dies Vermutungen, dass es sich bei den Videos nicht um historisches Erzählen handelt bzw. das zumindest aus Sicht der Schülerinnen und Schüler nicht so wahrgenommen, vielmehr sehr diffus erfasst wird. Lohnenswert als Ausgangspunkt für eine Auseinandersetzung scheinen auch ambivalente Befunde der Antworten zur abgeleiteten Kategorie „Informationsgehalt“. Zum einen, weil dies bei einer Vielzahl der Antworten als positiv konnotiert wurde, gleichzeitig aber auf die Frage nach negativ bemerkten Eigenschaften der Videos zu den am häufig genannten Kritikpunkten gehörte. Ein Diskurs im Geschichtsunterricht, der die Frage nach dem tatsächlichen Informationsgehalt ins Zentrum stellt, scheint hier lohnenswert. Zum anderen weil Schülerinnen und Schüler zwar besonders häufig die Geschwindigkeit der Informationsvermittlung als Vorzug benannten, dies aber gleichzeitig klar als Problem artikuliert wurde. Immerhin ein Drittel der Schülerinnen und Schüler formulierte, dass das gesehene Video zu schnell sei. Bilder, Animationen und damit verbundene Anschaulichkeit artikulierte ebenfalls eine Mehrheit als Vorzug der Videos. In den Aussagen, die zur Kategorie „Visualisierung“ zusammengefasst wurden, fällt auf, dass methodenbezogene Begriffskonzepte in den Antworten der SchülerInnen kaum kompetent bzw. korrekt formuliert wurden: „Bildmaterial“, „Figuren“, „Animationen“ – hier scheint alles im bereits erwähnten visuellen Flickenteppich zu verschwimmen und es ist ein Zusammenhang zwischen der methodisch kaum reflektierten Verwendung
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von Quellen in den Videos und der diffusen Wahrnehmung der Schülerinnen und Schüler zu vermuten. Auch zu Sprache und Humor haben die Ausführungen der Schülerinnen und Schüler Hinweise zur Wahrnehmung ergeben. In 20 % der Schülerantworten konnte der Humor der Videos als positiv wahrgenommen kodiert werden. Aber auch hier zeigt sich wiederum ein sehr ambivalentes Bild: Während die Sprache insbesondere als „locker“, „jugendsprachlich“, „anders als im textlastigen Unterricht“ wahrgenommen wurde, stieß das, wenn auch weniger häufig auf deutliche Kritik. Zu „derb“, „zu gewollt“ und „ungeeignet“ und „ohne große Fachbegriffe“ sei im Video erklärt worden. Die erste Felderkundung zur Bewertung der Videos durch Schülerinnen und Schüler lässt vermuten, dass sich die Narrationsangebote von TheSimpleClub auf Lernende übertragen.
5 Implikationen für den Geschichtsunterricht Immerhin 8 der befragten 11 Lehrerinnen und Lehrer gaben an, die Videos von TheSimpleClub bereits im Unterricht eingesetzt zu haben! Die hierfür vor allem benannten methodisch denkbaren Einsatzszenarien waren der Einstieg in ein Themenfeld bzw. dessen wiederholende Zusammenfassung. Die Ausführungen zur narrativen Struktur haben jedoch mit Blick auf mangelnde Fragestellungen (Einstieg) und ungenaue Begriffskonzepte (Ergebnissicherung) gezeigt, dass gerade diese Optionen wenig geeignet für historisches Lernen mit TheSimpleHistory sind. Die Praxis eines Abspielens der Videos im Unterricht, um schnell (fragwürdiges) Wissen einführend oder zusammenfassend zu vermitteln, steht dem Anspruch der Kompetenzorientierung entgegen. Es ergeben sich im Wesentlichen zwei Einsatzszenarien, wenn man die geschichtskulturelle Relevanz des Formates fruchtbar für Lernprozesse machen möchte: Erstens bietet sich an, die Videos im Sinne von Inverted Classroom als vorbereitende Auseinandersetzung außerhalb des Unterrichts zu nutzen.⁴¹ Die Clips sind heute leicht mit interaktiven Fragestellungen und Arbeitsaufträgen zu versehen und können online für zu Hause bereitgestellt werden – sogar die Einsicht in Schülerantworten ist via Mausklick möglich.⁴² Zudem können Schülerinnen und Schüler in der Vorbereitung dabei individualisiert Geschwindigkeit, Zeit-
Handke, Jürgen u. Alexander Sperl (Hrsg.): Das Inverted Classroom Model. Begleitband zur ersten deutschen ICM-Konferenz. München 2012. Zu empfehlen wären hier die Plattformen VIZIA vizia.co sowie die Anwendung H5P https:// www.h5p.org/interactive-video, die jeweils auch in LMS-Systeme wie moodle integriert werden können.
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punkt, Anhalten der Videos bestimmen. Im Anschluss wären die Antworten der Schülerinnen und Schüler zu historischen Fragestellungen zu verdichten und als Einstieg für die weitere unterrichtliche Beschäftigung und Analyse nutzbar zu machen. Ein Vorzug liegt hier in einem individualisierten Zugriff der Schülerinnen und Schüler außerhalb des Unterrichts, in dem dann mehr Zeit für eine stärker kompetenzorientierte Auseinandersetzung verbliebe. Ein zweites Einsatzszenario wäre in der Auseinandersetzung im Sinne der Vermittlung geschichtskultureller und narrativer Kompetenz vorstellbar, die mit der expliziten Dekonstruktion im Rahmen schulischen Geschichtsunterrichts stattfinden kann. Auch hier bieten die Möglichkeiten des Web 2.0 Handwerkszeug, das für eine weitere Beschäftigung aber auch Differenzierung nutzbar gemacht werden kann. Via Mausklick besteht auf YouTube die Möglichkeit, die Geschwindigkeit der Videos zu regulieren, Untertitel einzublenden oder auch problemlos das Textscript der Videos zu generieren. Damit werden Narrationsstrukturen offengelegt, die auf der visuellen Oberfläche auf den ersten Blick oft nur schwer zugänglich sind. Es bieten sich Optionen einer fokussierten Auseinandersetzung mit Sprache und Begriffskonzepten oder dem Umgang mit Quellen und Darstellungen. Auch die Kommentare der Nutzerinnen und Nutzer sind einsehbar und für eine Analyse fruchtbar zu machen. Die folgende Auflistung methodischer Vorschläge versteht sich als exemplarische Skizze und orientiert sich an Merkmalen historischen Erzählens sowie lehrplanorientierten Kompetenzen historischen Lernens. ⁴³ Sie erhebt ebenso keinen Anspruch auf Vollständigkeit wie auf die Trennung von vorbereitenden und unterrichtlichen Methoden.
6 Resümee und Ausblick Der deskriptive Zugang zu den Videos des Kanals TheSimpleHistory konnte aufzeigen, dass es sich hierbei sehr wohl um ein aktuelles Format der Geschichtskultur, aber eben nicht um ein Medium zeitgemäßen historischen Erzählens und Lernens handelt. Die Clips liefern keine historisch sinnbildenden Narrationen, sondern, und insofern liegt kein Etikettenschwindel der Macher vor, sie sind simple Erklärvideos. Dennoch hat Geschichtsunterricht einen Umgang mit allen Gattungen des Narrativen, die sich mit Geschichte beschäftigen, einzuüben. Selbst wenn man leicht der Aussage einer Schülerin zustimmen möchte, die erklärt „Ich finde diese
Vgl. Pandel, Erzählen (wie Anm. 14). S. 75 – 93.; Trautwein, Kompetenzen (wie Anm. 23).
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Abbildung 8: Mögliche methodische Zugänge zu historischen Erklärvideos auf YouTube im Rahmen des Geschichtsunterrichts
Videos besser für andere Fächer.“ Erklärvideos auf YouTube gehören zur geschichtskulturellen Lebenswirklichkeit von Schülerinnen und Schülern, die dieses Medium teilweise sehr diffus wahrnehmen gleichzeitig aber auch sehr heterogen bewerten. Dies scheint ein lohnenswerter Ausgangspunkt für eine weitere geschichtsdidaktische Auseinandersetzung. Denkbar sind hier einerseits sowohl visuell als auch sprachlich orientierte Analysen der narrativen Konstruktionsprinzipien dieser Videos. Andererseits sollten Rezeptionsprozesse sowohl in for-
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mellen als auch informellen Lernkontexten Gegenstand empirischer Beschäftigung sein. Auf die Relevanz gerade im Kontext von Geschichtsunterricht sei abschließend mit einem Hinweis auf den Zusammenhang zwischen dem Erfolg von TheSimpleHistory und einer sich aus schulischer Vermittlungspraxis speisenden Nachfrage verwiesen. Bewusst provokant auch am Ende des Beitrages ist zu festzustellen: Jedes Bildungssystem, jedes Curriculum und jedes Schulfach bekommt den YouTube Kanal, den es verdient. Solange Prüfungen als „Reproduktionswissenserhebung“⁴⁴ und nicht nur Schulbücher auf „Ereignisverständlichkeit statt Erzählfähigkeit“⁴⁵ ausgelegt sind, ist es nicht verwunderlich, dass genau hierauf zielende Erklärvideos eine immense Nachfrage erfahren. Der Geschichtsdidaktik ist demnach ins Pflichtenheft zu schreiben, durch eine konsequente Umsetzung eigener Ansprüche an zeitgemäßes historisches Lernen dem Kanal TheSimpleHistory die Geschäftsgrundlage zu entziehen oder eine tatsächlich historisch sinnbildende Modifikation der Videos zu initiieren.
Literatur Becker, Lisa: Nachhilfe von den Kumpels aus dem Internet. http://faz.net/aktuell/berufchance/beruf/youtube-stars-bieten-erfolgreiche-nachhilfevideos-14569699.html (18. 06. 2018). Bergmann, Klaus: Der Gegenwartsbezug im Geschichtsunterricht. Schwalbach/Ts. 2002. Handke, Jürgen u. Alexander Sperl (Hrsg.): Das Inverted Classroom Model. Begleitband zur ersten deutschen ICM-Konferenz. München 2012. Mayring, Philipp: Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim 2010. John, Anke: Wissen2go – Frontalunterricht auf YouTube. In: Public History Weekly 5 (2017). https://public-history-weekly.degruyter.com/5-2017-25/wissen2go-teacher-centeredinstruction-on-youtube/ (18. 06. 2018). Munzinger, Paul: Erwachsene müssen draußen bleiben. sueddeutsche.de/bildung/nachhilfeim-internet-erwachsene-muessen-draussen-bleiben-1.3598283-2 (18. 06. 2018). musstewissen Geschichte: NS-Ideologie I Nationalsozialismus. youtube.com/watch?v= nyzCwtXqRv0&t=84s (18. 06. 2018). musstewissen Geschichte: Wie verlief die Industrielle Revolution? https://www.youtube.com/ watch?v=QRjH3bxsRao&t=21s (18. 06. 2018). musstewissen Geschichte: Wie verlief die Industrielle Revolution? https://www.youtube.com/ watch?v=QRjH3bxsRao (18. 06. 2018).
Pandel, Hans-Jürgen: Geschichtskultur. In: Handbuch Praxis des Geschichtsunterrichts. Hrsg. von Michele Barricelli u. Martin Lücke. Schwalbach 2012. S. 147– 159, hier S. 158. Pandel, Hans-Jürgen: Erzählen. In: Handbuch Methoden des Geschichtsunterrichts. Hrsg. von Ulrich Mayer [u. a.] Schwalbach 2014. S. 408 – 424. S. 412.
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Pandel, Hans-Jürgen: Geschichtsdidaktik. Eine Theorie für die Praxis. Schwalbach/Ts. 2017. Pandel, Hans-Jürgen: Historisches Erzählen. Narrativität im Geschichtsunterricht. Schwalbach 2010. Pandel, Hans-Jürgen: Quelleninterpretation. Die schriftliche Quelle im Geschichtsunterricht. Schwalbach 2006. Schreiber, Waltraud: Ein Kompetenz-Strukturmodell historischen Denkens. In: Zeitschrift für Pädagogik (Z.f.Päd) 2 (2008). S. 198 – 212, hier S. 201. Schreiber, Waltraud: Kompetenzbereich historische Fragekompetenzen. In: Kompetenzen historischen Denkens: ein Strukturmodell als Beitrag zur Kompetenzorientierung in der Geschichtsdidaktik. Hrsg. von Andreas Körber [u. a.]. Neuried 2007. S. 155 – 193. TheSimpleClub: Absolutismus und der Sonnenkönig Ludwig XIV. https://www.youtube.com/ watch?v=objvWMJtdW4 (18. 06. 2018). TheSimpleClub: Die Französische Revolution. https://www.youtube.com/watch?v=B1 J24_ 81uIc&t=2shttps://www.youtube.com/watch?v=B1 J24_81uIc&list=PLcBNXSpBVXR6 l9RiLRVy0DiqzUZqQOKe (18. 06. 2018). TheSimpleClub: Die Griechische Polis. https://www.youtube.com/watch?v=b5ks727N_6c (18. 06. 2018) TheSimpleClub: Führerprinzip am Beispiel Adolf Hitler. https://www.youtube.com/watch?v=fyf n5EAfRR0 (18. 06. 2018). TheSimpleClub: Industrialisierung aka die Industrielle Revolution. https://www.youtube.com/ watch?v=Y_XWBoawttw&t=53s (18. 06. 2018). TheSimpleClub: Industrialisierung aka die Industrielle Revolution. https://www.youtube.com/ watch?v=Y_XWBoawttw&t=2s (18. 06. 2018). TheSimpleClub: Lehenswesen, Grundherrschaft und Feudalismus. https://www.youtube.com/ watch?v=biNXjHIM_mk&t=57s (18. 06. 2018). TheSimpleClub: Onlineangebot. thesimpleclub.com/login (18. 06. 2018). TheSimpleClub: Warum Schule scheiße ist (TINCON 2017 Berlin). https://www.youtube.com/ watch?v=plPBeHzv5mc (18. 06. 2018). TheSimpleHistory: Hannibal an die Macht – Die Expansion von Rom. https://www.youtube. com/watch?v=5O6kjLK3JKI (18. 06. 2018). TheSimpleHistory: Kanalinfo. https://www.youtube.com/user/TheSimpleHistory/about (18. 06. 2018). Trautwein, Ulrich [u. a.] (Hrsg.); Kompetenzen historischen Denkens erfassen. Konzeption, Operationalisierung und Befunde des Projekts „Historical Thinking – Competencies in History“ (HiTCH). Münster 2017.
Bernhard Linke und Marie Föllen
„Rom in 3 Minuten“ – Ein Werkstattbericht über den Einsatz von Erklärvideos für Studierende der Geschichtswissenschaft 1 Die Hintergründe: Idee und Planung des Projekts Wissensaneignung – sowohl im schulischen als auch im universitären Alltag – erfolgt bei jungen Erwachsenen in zunehmendem Maße nicht nur über die klassische Lektüre, sondern vor allem über die Rezeption von Inhalten in audiovisuellen Medien. Gerade kurze, im Internet frei verfügbare Videos sind ein beliebtes Mittel, sich innerhalb kürzester Zeit einen thematischen Überblick über ein bestimmtes Thema zu verschaffen und aus umfangreichen Inhalten die „wesentlichen“ Informationen vorgefiltert und anschaulich präsentiert zu bekommen. Die weit verbreitete Skepsis gegenüber dem Informationswert dieser digitalen Lern- und Informationsangebote führt zu einer eher geringen Beachtung im universitären Kontext. Daraus ergibt sich eine zunehmende Kluft zwischen der alltäglichen Informationsaneignung und der Vermittlung und Aneignung der Maßstäbe für wissenschaftliches Arbeiten. In der hier vorgestellten Übung sollten die Probleme dieses Gegensatzes aufgegriffen und gemeinsam mit den Studierenden thematisiert werden. Auf diese Weise sollten notwendige Divergenzen aber auch potentielle Konvergenzen geprüft werden. Als Lehrveranstaltungsform bot sich eine „Übung zu speziellen Methoden und Theorien“ des Bachelor-Studiengangs Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum an, die sich generell an Studierende des 3. und 4. Fachsemesters richtet und etwa 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben sollte. Die Übung in diesem Umfang und in diesem Stadium des Studiums stattfinden zu lassen, erschien vor allem deshalb sinnvoll, da die Studierenden zu diesem Zeitpunkt erst recht frisch den Übergang von der Schule zur Hochschule gemeistert haben und daher um die verschiedenen Umfelder dieser Institutionen wissen.
https://doi.org/10.1515/9783110599497-014
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2 Ablauf Der Aufbau der Übung gliederte sich in drei Blöcke. Zu Beginn der Übung erfolgte eine Einstiegsphase, in der verschiedene Zugänge zur inhaltlichen Annäherung (Erklärvideo, Fernsehdokumentation, Quellenlektüre) im Kontext ihrer gattungsspezifischen Problematik anhand eines historischen Beispiels verdeutlicht wurden. Ausgewählt wurde die Agrarreform des jungen römischen Aristokraten Tiberius Gracchus von 133 v.Chr., deren Bedeutung und Zielsetzung bis heute höchst kontrovers diskutiert werden, da es nur ein sehr begrenztes Quellencorpus zu diesen höchst folgenschweren Ereignissen gibt. Zunächst wurde den Studierenden ein 11minütiges Erklärvideo zu den Reformen des Tiberius Gracchus auf dem Kanal einer Geschichtslehrerin aus Oldenburg auf YouTube präsentiert, das lediglich mit Hilfe von Tafelzeichnungen die Strukturprobleme Roms nach dem Aufstieg zum Imperium und die politischen Abläufe des konfliktintensiven Reformprozesses erläutert. In einem zweiten Schritt wurde eine vom ZDF überarbeitete BBC-Dokumentation zu dem Thema mit längeren Spielszenen und zahlreichen Statements von Kommentatoren gezeigt, denen im Setting der Dokumentation Expertencharakter zugewiesen wurde.¹ In einem dritten Schritt erfolgte die Lektüre einer zentralen Quelle, der Vita des Tiberius Gracchus des griechischen Schriftstellers Plutarch. Ziel dieser ersten Phase war es, eine grundsätzliche Diskussion über die Formen der Rezeption und Rekonstruktion historischer Abläufe sowie die spezifischen Aspekte deren medialer Adaption in der Gruppe zu initiieren. Parallel zu dem ersten Block sollten die Studierenden in Arbeitsgruppen von je 7– 8 Personen damit beginnen, eigenständig im Internet nach frei verfügbaren Erklärvideos zur römischen Geschichte zu suchen und Kriterien für die kritische Beurteilung des Inhalts und der Präsentationsform zu entwickeln, kurz: auf was muss bei der Erstellung solcher historisch-didaktischer Medien (auch für den Schulunterricht) geachtet werden und welche Rolle spielt der jeweilige didaktische Verwendungsrahmen für die Gestaltung des Materials? Als Orientierung und Unterstützung bei der Formulierung dieser Kriterien dienten Aufsätze von Ulf Kerber und Britta Wehen, die in einer begleitenden Lektüre bearbeitet werden sollten.² Zudem sollte in jeder Gruppe ein Abgleich der historischen Angaben in
Erklärvideo: Jule Sommersberg: Tiberius Gracchus und seine Reformen: https://www.youtube. com/watch?v=xBKpA1wQul8 (28.08. 2018). BBC-Dokumentation: „Rom und seine großen Herrscher“, Folge 3 „Kampf des Tiberius“ 2007. Kerber, Ulf: Narration und Digital Storytelling im Geschichtsunterricht. In: Praxishandbuch Historisches Lernen und Medienbildung im digitalen Zeitalter. Hrsg. von Daniel Bernsen u. Ulf Kerber. Bonn 2017 (bpb-Schriftenreihe; 10045). S. 181– 192.; Wehen, Britta: Geschichtsvideos im
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den Videos mit einschlägigen Quellen und der einführenden Fachliteratur erfolgen. Als Themenschwerpunkte zur römischen Republik kristallisierten sich durch die Interessenlage der Studierenden folgende heraus: „Die Gründung Roms zwischen Sage und Wirklichkeit“, „Der Dictator Caesar“ und „Die Schlacht von Cannae im zweiten Punischen Krieg“. Im Anschluss ging es im dritten Block darum, die ausgewählten und beurteilten Videos mithilfe der erarbeiteten Beurteilungskriterien entweder neu zu erstellen oder zu überarbeiten. Durch einen solchen Perspektivwechsel hin zu einer aktiven Produzentenrolle konnte die realistische Anwendbarkeit der erarbeiteten Kriterien überprüft und ggf. ergänzt werden. Nach einem Vorbereitungstreffen unter Leitung der eScouts³ der Ruhr-Universität wurde in der vorletzten Übungssitzung die Arbeit mit den Gruppen koordiniert und innerhalb der Gruppe Aufgabenbereiche verteilt, erste Ideen für die didaktische Umsetzung der Gruppenthematik gesammelt und diese intensiv mit den Lehrenden sowie den eScouts besprochen. Nach einem weitgehend eigenverantwortlich zu gestaltenden Zeitraum, in dem das Projektprodukt erstellt werden sollte, wurden alle Präsentationen zum Abschluss in einer gemeinsamen Sitzung vorgestellt, reflektiert und diskutiert. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die methodischen Ansätze, Ideen und das entstandene Material dazu dienen sollten, sowohl die inhaltlichen und methodischen Kompetenzen der Studierenden besonders in Hinblick auf das weitere (Lehramts‐)Studium zu stärken als auch die Lehre der Alten Geschichte an der RUB zu bereichern, beispielsweise indem die Videos für weitere Veranstaltungen nutzbar gemacht werden können. Die Unterschiede zu bisherigen Veranstaltungen lagen vor allem darin, dass die Studierenden mit dem Vorwissen, das sie methodisch in Bezug auf die Medien mitbrachten, und durch einen deutlich höheren Eigenanteil die Möglichkeit hatten, die Inhalte der Übung aktiv mitzugestalten. Als spezielles methodisches Element bzw. Ansatz diente in der Übung das Medium des Erklärvideos, da es sich stetig wachsender Beliebtheit erfreut und in der vorherigen Geschichtslehre an der Ruhr-Universität noch wenig bis keine Beachtung gefunden hat.
Netz. In: Praxishandbuch Historisches Lernen und Medienbildung im digitalen Zeitalter. Hrsg. von Daniel Bernsen u. Ulf Kerber. Bonn 2017 (bpb-Schriftenreihe; 10045). S. 237– 248. Die RUB eScouts sind ein Team von Spezialistinnen und Spezialisten für eLearning und den Einsatz von modernen Medien und Methoden in der universitären Lehre, die beratend und fortbildend an der Ruhr-Universität tätig sind.
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3 Konkrete Umsetzung und Verlauf der Übung Die Umsetzung der Übung in diesem Format mit diesen Inhalten stellte am Lehrstuhl ein Novum dar – entsprechend gespannt waren wir auf den Verlauf der Übung.
3.1 Erster Block: Erklärvideo, Dokumentation und Quellenabgleich Video: Im Rahmen des ersten Blocks wurde deutlich, dass die Studierenden mit einem sehr kritischen Blick auf das vorgestellte Erklärvideo eingingen. Moniert wurde sowohl die inhaltliche und fachliche Komponente als auch die äußere Form der Präsentation. In Bezug auf die äußere Form wurde lebhaft darüber diskutiert, ob der Verzicht auf ausgefeilte technische Mittel und akustische Untermalung nun ein Vor- oder Nachteil sei. Daraus ergab sich eine Grundsatzdebatte über den Spagat zwischen Nutzerfreundlichkeit bzw. -orientierung und der möglichst genauen Darstellung der historischen Inhalte. Dieser zweiten Komponenten wollten die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Vorrang geben. Sie störte u. a., dass es keine Quellenangaben und keine Hinweise auf weiterführende Fachliteratur in dem Video gab. Auch der fehlende Verweis auf alternative Interpretationsoptionen sei auffällig. Zügig wurde die fachliche Autorität der Autorin und deren Berechtigung zur Abgabe eindeutiger historischer Urteile in Frage gestellt. So mündeten die Diskussionen in eine grundsätzliche Debatte über das Problem der Kompetenz von Beiträgen, die ohne externe Prüfung ins Netz gestellt werden könnten. Einmütig wurde die Meinung vertreten, dass hier zusätzliche Recherchen nötig seien, um die Glaubwürdigkeit der Autorinnen und Autoren zu prüfen. Dokumentation: Die Dokumentation der BBC – vom ZDF für das deutsche Publikum überarbeitet – wurde zunächst positiver aufgenommen, da sie den Gegenstand differenzierter präsentiere und ihn in seinen zeitgenössischen Rahmenbedingungen besser nachzeichne. Allerdings wurde auch darauf hingewiesen, dass die Länge von 45 Minuten dafür andere Möglichkeiten böte, diese aber für ein Video bei YouTube nicht akzeptabel sei. Auf Nachfrage wurden allerdings auch kritische Stimmen zu einzelnen Elementen in der Dokumentation laut. So wurde kritisiert, dass der Hauptgegner des Reformers in der deutschen Synchronisation eine besonders unangenehme, krächzend klinge Stimme hatte, obwohl es – wie auf Nachfrage deutlich wurde – keine Hinweise aus den Quellen dazu gibt. Hier wurde dann intensiv über die Nachteile der akustischen Mög-
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lichkeiten bei Filmen und Videos zur Vormoderne diskutiert, aus deren Bereich nur sehr begrenzte Möglichkeiten zur Rekonstruktion akustischer Komponenten bestünden. Die Lenkung durch filmtechnische Mittel wurde hierbei als relativ hoch eingeschätzt. Im weiteren Verlauf wurde dann die Forderung nach Prüfung der fachlichen Kompetenz der eingeblendeten Sprecher laut, die an die Diskussion zur fachlichen Grundlage des YouTube-Videos anschloss. Einigen Studierenden war aufgefallen, dass neben einem Professor für Alte Geschichte auch ein Kommentator zu Wort kam, der wahlweise auch als ‚General a.D.‘ betitelt wurde, dessen fachlicher Hintergrund sich nicht von selbst erschlösse. Die Frage, ob man der Auswahl durch die Fachredaktion der BBC und des ZDF vertrauen dürfe oder selbst eine Pflicht zur Hinterfragung hätte und ob in diesem Falle eine Prüfung im Internet während des Ansehens der Dokumentation überhaupt realistisch sei, wurde intensiv diskutiert. Dabei wurde auch die Frage aufgeworfen, ob nicht auch ausgewiesene Fachleute ihre persönliche Interpretation der Ereignisse zu sehr in den Vordergrund stellen könnten und und dies von den Zuschauerinnen und Zuschauern kaum hinterfragt werden könne. Wie solle aber eine angemessene Berücksichtigung dieser Kritik bei gleichzeitiger Erhaltung einer angemessenen Attraktivität für ein breiteres Publikum überhaupt aussehen? Quellen: Diese Frage wurde noch intensiver nach der Lektüre einer der entscheidenden Quellen geführt: Nach der Lektüre der Gracchus-Biographie von Plutarch wurde deutlich, dass wesentliche Elemente und Spielszenen in der Dokumentation sich in dieser Form in der antiken Quelle nicht wieder finden lassen und offensichtlich primär den dramaturgischen Zwängen einer flüssigen Erzählung in der Dokumentation und dem Bestreben eines möglichst stimmigen Gesamtentwurfes der Entwicklung geschuldet waren. Daraus ergab sich eine Debatte über den legitimen Einfluss des medialen Formats auf den Inhalt, wobei deutlich wurde, dass die Länge des Films, die die normaler YouTube-Videos weit überschritt, nicht nur von Vorteil sein muss, dementsprechend Kürze auch nicht unbedingt mit einem defizitären Charakter verbunden sein muss.
3.2 Eigenrecherche und Kriterienentwicklung Bei der konkreten Umsetzung entschieden sich alle Gruppen dafür, zwei Videos zu präsentieren, die bei der Ausrichtung der inhaltlichen wie auch der medialen Vermittlung unterschiedliche Ansätze gewählt hatten. Das Spektrum reichte dabei von bewusst kurz angelegten Lernvideos (z. B. „Gaius Julius Caesar in 100 Sekunden“) bis zu relativ ausführlichen Darstellungen römischer Mythologie, von durch Amateure ins Netz gestellten Darstellungen von Hannibals Sieg bei Cannae bis zu professionellen Produktionen im Rahmen öffentlich-rechtlicher Medien-
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anstalten. Alle Ausführungen wurden von ausführlichen und feingliedrigen PowerPoint-Präsentationen begleitet, die intensiv auf die Fragen nach den Rahmungen (große/kleine Kanäle, Nutzerzahlen, kommerziell/von Amateuren produziert etc.) eingingen, die Probleme der technischen Umsetzung (guter Ton, sinnvolle Gestaltung der zeitlichen Abläufe der Einblendungen etc.) erörterten und die Nutzung spezifischer Formen des Genres wie optische Simplifizierungen (z. B. ein Smiley über gezeichneten Legionären als Zeichen ihrer Loyalität zu Caesar) problematisierten. Insgesamt waren das Niveau der kritischen Reflexion und das Bestreben, den Inhalt, seine Herkunft und sein intellektuelles Potential auf der Basis eines klaren Kriterienkatalogs zu analysieren, für Studierende des 3. Fachsemesters bemerkenswert hoch. Zudem wurden auch differierende Bewertungen innerhalb der Arbeitsgruppen genauso klar benannt wie mögliche Varianzbreiten bei der Einschätzung unterschiedlicher Nutzergruppen. Aus den Diskussionen zu den drei Präsentationen und in einer abschließenden Sitzung zu diesem Block wurde eine erhebliche Zahl von grundsätzlichen Problem- und Fragestellungen konturiert, die sich bei der Bewertung der Videos ergaben:
Inhalt und Zielgruppen:
Gibt es unterschiedliche Positionen aus der Sicht der Erstellenden und derjenigen der Nutzenden? Welche Auswirkung hat die Auswahl der Zielgruppe auf Form und Inhalt der Videos? Welche Kontrolle über die Rezeption haben die Erstellenden? Gibt es Priorität bei dem Spannungsfeld von Inhalt und Zielgruppenreichweite? Sollte der Inhalt gegebenenfalls der Zielgruppe anpasst werden? Wo verlaufen die Grenzen zur nutzerorientierten Verfälschung? Ist ein hoch informatives Video ohne Nutzerinnen und Nutzer besser als ein inhaltlich flaches mit hohen Nutzerquoten? Ist der Gegensatz überhaupt richtig oder kann die Qualität auch die Nutzerinnen und Nutzer anziehen? Gibt es sinnvolle Maßstäbe für ein richtiges Mischverhältnis? Wenn ja, gelten sie für alle Bereiche oder sind sie situationsbedingt? Soll sich die Länge des Videos an den inhaltlichen Notwendigkeiten oder an dem zu erwartenden Nutzerverhalten orientieren?
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Informationsniveau (u. a. Fachausdrücke, Sprache/Symbolik, wissenschaftliche Verweise):
Gibt es inhaltliche Grenzen, also YouTube geeignete und nicht-geeignete Sujets? Wenn ja, welche Kriterien gäbe es dafür? Sollten Fachausdrücke, Eigennamen etc. verwendet werden und wenn ja, müssen sie dann immer erklärt werden oder kann man sich darauf verlassen, dass die Nutzerinnen und Nutzer im Bedarfsfall eigenständig z. B. bei Wikipedia recherchieren können? Ist angesichts dieser Option eine selbsterklärende Präsentation notwendig oder ist eine Entschlackung der Darstellung nicht auch eine Möglichkeit der Prägnanzsteigerung bei knapper Zeit? Ist ein gehobenes wissenschaftliches Sprachniveau notwendig oder wäre eine leicht verständliche Alltagssprache für die Verständlichkeit besser? Welche Einschränkungen gibt es bei Rezeption englischsprachiger Videos? In welchem Verhältnis steht der erschwerte sprachliche Zugang zur Ausweitung des Angebots möglicher Videos? Ist es sinnvoll, Verweise auf weiterführende wissenschaftliche Arbeiten einzufügen, an welche Stelle sollten diese platziert werden oder sollte primär auf Rechercheoptionen verwiesen werden? Können Originalquellen bei ihrer Verwendung angemessen kritisch gerahmt werden oder sprengt das den Umfang eines Videos?
Akustik:
Ist die akustische Gestaltung sinnvoll, störend oder neutral? Sollte nur Sprache verwendet werden oder auch Musik bzw. Geräusche? Wie können die emotionalisierenden Effekte der nicht-sprachlichen Elemente (Dramatisierung oder Verharmlosung) eingeschätzt und kontrolliert werden? Andererseits: Ist ein Video ohne Akustik überhaupt akzeptabel?
Professionalität:
Sind professionelle Videos generell besser und vertrauenswürdiger oder beinhaltet die oft mit der Professionalität verbundene höhere Glaubwürdigkeitsvermutung nicht eher Probleme? Ist höhere Professionalität zumeist auch mit einer stärkeren Ökonomisierung verbunden, deren Zwänge auf die inhaltliche Gestaltung zurückschlagen? Andererseits: Wie prüft man bei Amateurvideos die fachliche Kompetenz?
3.3 Praxisphase unter Mithilfe der eScouts der Ruhr-Universität Bochum Nach der Beendigung des Einführungs- und reflektierenden Teils der Übung wollten wir den Studierenden die Möglichkeit geben, die erarbeiteten Erkenntnisse – Kriterien zur Bewertung und Erstellung von Erklärvideos – in der bereits beschriebenen Praxisphase konkret anzuwenden.
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In dieser letzen Phase der Übung war vorgesehen, dass die Arbeitsgruppen ein von ihnen vorgestelltes Video eigenständig modifizieren, um so eine bessere Adaption an den von ihnen entwickelten Qualitätsmaßstäben zu erreichen. Auf diese Weise sollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der reinen Nutzerperspektive herausgenommen und mit den Zwängen der Autorinnen und Autoren konfrontiert werden (z. B. begrenzte Zeit und materielle Ressourcen, Abwägung bei konkurrierenden Zielhorizonten). Für die vor allem technische Unterstützung und Begleitung dieser Phase nahmen wir Kontakt zu den eScouts der Ruhr-Universität Bochum auf, die sich bereiterklärten, neben einer generellen Einführung für die Studierenden zum Thema Erklärvideo auch Tools zur Bearbeitung von Videos in zwei Sitzungen vorsowie technisches Equipment bereitzustellten und beratende und technische Hilfestellung bei der konkreten Arbeit an den Projekten der Studierenden zu leisten. Um dies ermöglichen zu können, wurden die Ideen und Entwürfe der Studierenden gemeinsam besprochen und die notwendigen Voraussetzungen und Arbeitsteilungen festgelegt. In einer abschließenden Sitzung wurden die vorgenommenen Modifikationen schließlich präsentiert und diskutiert. Es zeigte sich eine Vielfalt von Ansätzen, die zuvor bewerteten Videos praktisch zu verbessern: Während die einen optische Verbesserungen (z. B. das Einfügen einer mitlaufenden Zeigers auf einem Zeitstrahl, der die zeitliche Verortung der genannten Ereignisse erleichtern sollte) vorgenommen oder eine Tonspur zu einem vorhandenen Video ohne Ton selbst angelegt und eingefügt hatten, hatte sich eine Gruppe durch die Neuaufnahme einer eigenen Moderation zum Thema der Entstehung Roms in Mythologie und Archäologie dazu entschieden, ein eigenständig produziertes Video als Gegenentwurf zu präsentieren. Die Ergebnisse wurden von der jeweiligen Gruppe im Anschluss an die Präsentation erläutert, d. h. die vorherige Version kurz in Erinnerung gerufen und die Absichten ihrer Modifikation verdeutlicht, und im Anschluss der Übungsgruppe zur Diskussion gestellt. Die Schlussdiskussion war dann von der Frage geprägt, ob sich komplexe Themenstellungen so weit herunterbrechen lassen, dass eine Verarbeitung im Rahmen eines relativ kurzen YouTube-Videos sinnvoll ist. Den Skeptikern standen dabei diejenigen gegenüber, die die Auffassung vertraten, dass der Kern von Problemen sehr wohl in knapper Form thematisiert werden könne, ohne damit den Anspruch zu vertreten, alle seine Facetten angemessen zu erfassen. Aus dieser Sicht böten die Rahmenbedingungen bei YouTube sogar die Chance, sich produktiven Zwängen zur Konzentration auf das Wesentliche auszusetzen.
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4 Reflexion und Ausblick Resümierend lässt sich zusammenfassen, dass die Übung anders verlaufen ist, als dies bei der Planung angenommen wurde. Ausgangspunkt war die Überlegung, den Studierenden bei der Einstiegsphase ins wissenschaftliche Arbeiten insofern entgegenzukommen, als zunächst die veränderten Rezeptionsrealitäten historischer Inhalte nicht simpel verurteilt, sondern durchaus in ihren positiven Aspekten gewürdigt werden sollten, diese aber danach durch den Erwerb neuer Formen und Methoden kritischer Auseinandersetzung hinter sich gelassen werden müssten. Im Verlauf der Übung wurde aber deutlich, dass die Studierenden von sich aus eine bemerkenswert kritische Distanz sowohl zu den Inhalten als auch zu der didaktischen Umsetzung des jeweiligen Themas und den medialen Präsentationsweisen besaßen, auch wenn alle es nutzten. Zudem war diese kritische Distanz nicht nur latent vorhanden, sondern offensichtlich schon länger während der eigenen Nutzung intensiv reflektiert worden. Auf dieser Grundlage konnten die Studierenden von Anfang an strukturiert in die Diskussionen der Grundsatzfragen einsteigen, woraus sich ein für diese Studienstufe erstaunliches Diskussionsniveau ergab, das sich auch in den sehr reflektierten Präsentationen niederschlug. So ergibt sich nach der Veranstaltung ein neues Bild über Chancen und Risiken des Rezeptionsverhaltens im Rahmen elektronischer Medien: Selbstverständlich bleibt zunächst die Tatsache bestehen, dass die Videos komplexe Texte nicht ersetzen können und dies den Studierenden sehr wohl bewusst ist. Vielleicht sind aber im inhaltlichen Bereich bei genauer Auswahl die Chancen für einen guten, ersten komprimierten Einstieg auch größer, als die Studierenden selbst glauben und Lehrende sind gut beraten, dies zu akzeptieren. Interessanter ist jedoch die Tatsache, dass die Studierenden bei der Nutzung von YouTube ein hohes methodisches Reflexionspotential zeigten, das sich in einer kritischen Hinterfragung von Inhalten, Darstellungsformen und Kompetenzpotential sowie Eigeninteressen der Autoren niederschlug. All diese Fragestellungen – so gaben die Studierenden selbst an – würden sie bei gedruckten Fachtexten nur sehr bedingt oder gar nicht reflektieren, da sie bei gedruckten Texten per se von einer hohen Kompetenzprüfung vor der Veröffentlichung ausgingen und deshalb unwillkürlich eine gravierende Asymmetrie der Kompetenz zwischen ihnen und den jeweiligen Autorinnen und Autoren annähmen, die eine kritische Prüfung – z. B. durch googeln der Autorinnen und Autoren – nicht notwendig erscheinen lasse. Das kritische Bewusstsein und das sich danach richtende De- und Re-Konstruieren von digital dargestellter Geschichte steht also in auffälligem Gegensatz zum Umgang mit Forschungsliteratur, die generell als tendenziell glaubwürdiger sowie
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seriöser eingestuft und dadurch häufig unreflektierter rezipiert wird. Dieses Verhalten bedeutet aber, dass die Studierenden bei gedruckten Texten methodisch deutlich unterkomplexer herangingen als dies bei den Videos der Fall war, eine Tatsache, die sich im Universitätsalltag in vielen Hausarbeiten sofort nachvollziehen lässt. Die Frage ist nun, ob nicht das methodische Potential, das die Studierenden sich selbst schon durch die langjährige Rezeption elektronischer Inhalte erworben haben, unterschätzt wird. Vielleicht ergeben sich erhebliche Chance in den frühen Studienjahren, wenn man an diese methodischen Potentiale, die den Studierenden selbst nicht unbedingt bewusst sein müssen, anknüpft, um so die kritische Lektüre von Fachtexten einzuüben. Eine Botschaft der Übung an die Studierenden bestand demnach darin, sie dazu zu ermutigen, das kritische Bewusstsein, das sie im Umgang mit modernen Medien wie den hier behandelten Erklärvideos bereits mitbringen, auf die Lektüre von Fachliteratur zu übertragen und nicht vor begründeter Kritik an den Fachautorinnen und Fachautoren zurückzuschrecken. Die unerwartet positiven Resultate der Übung führten zu Planungen weiterer Kurse und Projekte zu dieser Thematik, um die Perspektiven und den Nutzen des skizzierten Potentials für die schulische und universitäre Lehre klarer einschätzen und ausbauen zu können. Die soll unter anderem durch eine periodische Verstetigung derartiger Übungen zu digitalen Lernangeboten, z. B. in Form von Videos, erfolgen. Auf diese Weise sollen sowohl Perspektiven für eine Neuformierung der Einstiegsphase ins Studium als auch eine Übertragung auf die schulische Ebene (u. a. durch Projekte am Alfried Krupp-Schülerlabor der Ruhr-Universität Bochum) geprüft werden.
Literaturverzeichnis Erklärvideo: Jule Sommersberg: Tiberius Gracchus und seine Reformen: https://www.youtube. com/watch?v=xBKpA1wQul8 (28. 08. 2018). BBC-Dokumentation: „Rom und seine großen Herrscher“, Folge 3 „Kampf des Tiberius“ 2007. Kerber, Ulf: Narration und Digital Storytelling im Geschichtsunterricht. In: Praxishandbuch Historisches Lernen und Medienbildung im digitalen Zeitalter. Hrsg. von Daniel Bernsen u. Ulf Kerber. Bonn 2017 (bpb-Schriftenreihe; 10045). S. 181 – 192. Wehen, Britta: Geschichtsvideos im Netz. In: Praxishandbuch Historisches Lernen und Medienbildung im digitalen Zeitalter. Hrsg. von Daniel Bernsen u. Ulf Kerber. Bonn 2017 (bpb-Schriftenreihe; 10045). S. 237 – 248.
Diskussion und Ausblick
Jens Crueger
Digital Native History: Überlegungen zum Kulturellen Gedächtnis im digitalen Zeitalter Nach Jan Assmann besteht die Sphäre des kollektiven Gedächtnisses aus kommunikativem und kulturellem Gedächtnis. Das kommunikative Gedächtnis ist dabei jener Teil der wachgehaltenen geteilten Erinnerung, der durch „durch persönlich verbürgte und kommunizierte Erfahrung“ konstituiert wird und daher an die Träger dieser Erfahrung gebunden ist, sie „entsteht in der Zeit und vergeht mit ihr“¹. Etwa 40 Jahre nach einem erlebten Ereignis, so konzeptionalisiert es Assmann, wachse der „Wunsch nach Fixierung und Weitergabe“ des persönlich Erlebten, denn „was heute noch lebendige Erinnerung ist, wird morgen nur noch über Medien vermittelt“ werden können.² Assmann modelliert hier also den Übergang aus dem an einen personalen Träger gebundenen Stadium von Erinnerung in die nächste Phase, die Erinnerungen an Medien bindet. Für Assmann markiert dieser Trägerwechsel der Erinnerung von der Person zum Medium die Abgrenzung zwischen kommunikativem und kulturellem Gedächtnis. Er sieht die Trennlinie also beim Übergang von den unmittel- und mittelbar betroffenen Zeitzeugen, die ihre Erinnerungen durch Kommunikation weiterreichen, zu beauftragten Gedächtnisinstitutionen (Archive, Museen, Bibliotheken u. a.), die den Fortbestand der Erinnerung dauerhaft sicherstellen sollen. Mit der Popularisierung der Schriftlichkeit wurden Schriftzeugnisse zum maßgeblichen Träger von kultureller Erinnerung. Bei Beherrschung des Schriftsystems ist der Zugang zu schriftgebundener Erinnerung leicht, und im Vergleich zu Kunstwerken als Erinnerungsträger ist zugleich auch der Interpretationsspielraum eingeschränkter, was die Weitergabe von Erinnerung im Sinne einer dominant-hegemonialen Lesart erleichtert. Dabei dürfen indes Machtverhältnisse nicht aus dem Blickfeld geraten, die etwa darüber entscheiden, was als bewahrenswert gilt und wer Zugang zu den Archivalien erlangt. Die Möglichkeit, dass schriftliche Texte durch Verweis, Zitat, Kritik, Adaption und weitere denkbare Modulationen in intertextuelle Netze eingebunden werden, erhöht einerseits ihre Bedeutung, Reichweite und Wirkmacht als Träger von geteilter Erinnerung und
Assmann, Jan: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. 2. Aufl. München 1997. S. 50. Assmann, kulturelles Gedächtnis (s. Anm. 1), S. 51. https://doi.org/10.1515/9783110599497-015
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Jens Crueger
zugleich steigert es deutlich die Dauer und Wahrscheinlichkeit ihres Fortbestandes.³ Sind Assmanns Überlegungen zum kulturellen Gedächtnis aus den Verhältnissen und Erfahrungen des analogen Zeitalters entwickelt, so drängt die Frage nach den Auswirkungen des digitalen Medienwandels auf diese Gedächtniskonzeption. Ein geschichtswissenschaftlich ausgerichteter Blick auf das kulturelle Gedächtnis im digitalen Zeitalter ist heute keineswegs verfrüht. Die Digitalisierung hat spätestens seit den 1960er Jahren eine immer wichtigere Rolle insbesondere in der Verwaltung von Staaten und Unternehmen eingenommen, und mit der raschen und breiten Etablierung des World Wide Web in den vergangenen gut 25 Jahren ist das Digitale in nahezu jeden gesellschaftlichen und privaten Bereich eingedrungen. Die Frage, ob das Web Teil einer historiographischen Betrachtung sein solle oder nicht, ist angesichts der Bedeutung dieses Phänomens mithin längst beantwortet. So erzwingt etwa ein bedeutendes politisches Ereignis wie der Präsidentschaftswahlkampf 2008 in den USA für seine historiographische Untersuchung geradezu die Einbeziehung des Videoportals YouTube, das seinerzeit mit „You Choose ’08“ gar eine eigene Webseite für wahlkampfbezogene Videos gestartet hatte.⁴ Ralph Schroeder und Niels Brügger prognostizieren längst, dass für „a researcher in the twenty-second century, it will seem unimaginable that someone studying the twenty-first century would do anything but draw heavily on the online world to tell them about peoples’ changing lives.“⁵ Gegenwärtig jedoch sei das Web noch „an almost untapped source for research.“⁶ Eine Fehlannahme jedoch verleitet die allgemeine Öffentlichkeit wie auch die Geschichtswissenschaft dazu, dem Umstand der Quellensicherung beim Web zu wenig Bedeutung zu schenken. Im populären Diskurs lautet die Annahme, das Netz vergesse nichts. Diffuse Sorgen über die individuellen Hinterlassenschaften im Web, insbesondere in den Sozialen Netzwerken, und deren etwaige oder auch tatsächliche soziale und auch juristische Konsequenzen dominieren diesen Diskurs schon seit Jahren.⁷ Aus dieser Situation heraus klingen Forderungen nach Vgl. dazu Fraas, Claudia: Begriffe – Konzepte – kulturelles Gedächtnis. Ansätze zur Beschreibung kollektiver Wissenssysteme. In: Sprache und Kultur. Hrsg. von Horst Dieter Schlosser. Frankfurt 2000. S. 31– 45. Machill, Marcel u. Martin Zenker: YouTube, Clipfish und das Ende des Fernsehens? Problemfelder und Nutzung von Videoportalen. Berlin 2007. S. 18. Schroeder, Ralph u. Niels Brügger: Introduction: The web as history. In: The Web as History. Using Web Archives to Understand the Past and the Present. Hrsg. von Dies. London 2017. S. 1– 19. S. 1. Schroeder [u. a.], Introduction (s. Anm. 5), S. 1. Vgl. Crueger, Jens: Privatheit und Öffentlichkeit im digitalen Raum: Konflikt um die Reichweite sozialer Normen. In: Aus Politik und Zeitgeschichte (ApuZ) 15 – 16 (2013). S. 20 – 24.
Digital Native History: Überlegungen zum Kulturellen Gedächtnis im digitalen Zeitalter
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einem „Recht auf Vergessen“ und dem „digitalen Radiergummi“ vollkommen folgerichtig. Auch im wissenschaftlichen Diskurs trifft man auf die Annahme, derzufolge im digitalen Zeitalter „this default of forgetting has changed into a default of remembering“.⁸ Eine Annahme, die vor allem aus der Perspektive des betroffenen Individuums gedacht ist, deren „digital memories make possible a comprehensive reconstruction of our words and deeds even if they are long past“, was wiederum „may constrain our willingness to engage in and further our open society“.⁹ Elena Esposito beschreibt die Situation folgendermaßen: „Especially since the spread of the Web 2.0, with its virtually unlimited capacity to store and process data, the web seems to allow for a form of perfect remembering.“¹⁰ Im Folgenden soll die Rolle des Web als kulturelles Gedächtnis im Sinne Assmanns näher untersucht werden, wobei die technischen Spezifika und Archivierungspraktiken von Webressourcen besondere Beachtung finden werden. Inwiefern das World Wide Web tatsächlich einem Speichergedächtnis entspricht, und inwieweit Suchfunktionen und andere Selektionsmechanismen – etwa im Nutzungskontext sozialer Medien – mit einem Funktionsgedächtnis gleichgesetzt werden können, wird hier nachfolgend erörtert. Die Leitfrage dabei lautet, ob das Web per se ein kulturelles Gedächtnis unserer digitalen Welt darstellt oder es zumindest unter den Bedingungen von Webarchivierung ein solches darzustellen vermag.
1 Das Web als kulturelles Gedächtnis? Aus der Prämisse, das Netz vergesse nichts, folgt mitunter die Ansprache des Web als ein digitales kulturelles Gedächtnis. Claudia Fraas etwa entwickelte diese Perspektive bereits im Jahr 2004, dies geschah mithin in der Ären-Rechnung des World Wide Web gerade auf der zeitlichen Schwelle zwischen dem Web 1.0, dem Web der Dokumente, und dem Web 2.0, dem Web der Services. Sie argumentiert in ihrem Text „Vom kollektiven Wissen zum vernetzten Vergessen?“, wenn bei „Internet-Anwendungen die Informationsfunktion“ dominiere, so stünden „Nutzer in der Tat potentiell dem globalen gesammelten Wissen des Internet gegenüber, also
Mayer-Schönberger, Viktor: Useful Void. The Art of Forgetting in the Age of Ubiquitous Computing. John F. Kennedy School of Government – Harvard University, Faculty Research Working Papers Series. April 2007. https://research.hks.harvard.edu/publications/getFile.aspx?Id=255 (12.05. 2018). S. 1– 24. S. 23. Mayer-Schönberger, Void (wie Anm. 7), S. 23. Esposito, Elena: Algorithmic memory and the right to be forgotten on the web. In: Big Data & Society January–June 2017. S. 1– 11. S. 5.
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in gewisser Weise dem Speichergedächtnis nicht nur einer Gesellschaft, sondern der gesamten vernetzten Welt.“¹¹ In einer Fußnote schränkt sie jedoch umgehend ein, Ulla Fix verdanke sie den Hinweis, „dass die Archivfunktion des Internet im Gegensatz zur Funktionsweise von traditionellen Archiven die Eigenschaft hat, nicht durchgängig dauerhaft und zuverlässig zu sein“, denn im Netz gespeicherte Daten könnten „jederzeit entfernt werden“.¹² Dies habe zur Folge, dass „internetbasierte Archive also – soweit sie nicht als solche sorgfältig gepflegt weden [sic], prinzipiell veränderlich sind“.¹³ Sowohl der Verweis auf das Speichergedächtnis als auch der Archivbegriff scheinen bezogen auf das Web hier zu wenig substantiell durchdacht. Oliver Dimbath argumentiert in eine ähnliche Richtung, die „unübersehbare Zahl der im Internet hinterlegten Texte und Bilder“ bilde „ein unter neuen technologischen Möglichkeiten erweitertes Speichergedächtnis“.¹⁴ Die „durch zwischenmenschliche Kommunikationsprozesse hervorgebrachten Selektionen“ begreift Dimbath als „Auswahl im Sinne des Funktionsgedächtnisses“, wodurch in seinem Verständnis das Internet „ein moderner Aspekt des kulturellen Gedächtnisses“ ist, dessen „Angebote […] als Speicher- und Funktionsgedächtnis“ erscheinen.¹⁵ Den Nutzerinnen und Nutzern des Internet schreibt Dimbath in seinem Gleichnis die Rolle eines „Archivbildners“ zu, „ihm obliegt die Entscheidung über die Archivwürdigkeit eines (Wissens‐) Gegenstands“.¹⁶ Indes erfüllten „Suchmaschinen und Internet-Enzyklopädien eine neue Selektionsfunktion zwischen kanonisierender Museums- und konjunkturbezogener Präsentationsarbeit“.¹⁷ Dimbath selbst schränkt bereits ein, dass im Internet „nichts vergessen, sondern bestenfalls verloren, vernichtet oder gelöscht“ werde, von dieser Warte her erklärt auch er den Satz „Das Internet erinnert sich ewig“ für im präzisen Wortsinne „unzutreffend“.¹⁸ Indes sieht er den permanenten tatsächlichen wie drohenden materiellen Verlust digitaler Dokumente lediglich als ein
Hervorhebung im Orginal; Fraas, Claudia: Vom kollektiven Wissen zum vernetzten Vergessen? Neue Medien zwischen kultureller Reproduktion und kultureller Dynamik. In: Neue Medien Neue Kompetenzen. Hrsg.Von Franc Wagner u. Ulla Kleinberger-Günther. Frankfurt u. a. 2004. S. 6 – 32. zitiert nach Preprint: www.tu-chemnitz.de/phil/imf/mk/docs/fraas/KollWissen_Vergessen_2004. pdf (13.06. 2018). S. 1– 18. S.12. Fraas, Wissen (wie Anm. 10), S. 12, Fußnote 50. Fraas, Wissen (wie Anm. 10), S. 12, Fußnote 50. Dimbath, Oliver: Vom automatisierten Vergessen und von vergesslichen Automaten. In: FifFKommunikation 01 (2008). S. 38 – 41. S. 39. Dimbath, Vergessen (wie Anm. 12), S. 39. Dimbath, Vergessen (wie Anm. 12), S. 39. Dimbath, Vergessen (wie Anm. 12), S. 39. Dimbath, Vergessen (wie Anm. 12), S. 40.
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„Verfallsproblem des kulturellen Speichergedächtnisses“.¹⁹ Reicht eine solche Einschränkung, um das Verhältnis von Bestand und Verlust der Webressourcen angemessen zu würdigen und zugleich die These des Webs als kulturelles Gedächtnis zu verteidigen? Ein Speichergedächtnis im Sinne Aleida Assmanns sei das Internet bzw. das World Wide Web also. Auf individueller Ebene beschreibt Assmann das Speichergedächtnis als eine „amorphe Masse“, einen „Hof ungebrauchter, nichtamalgamierter Erinnerungen“,²⁰ auf kollektiver Ebene umfasse das Speichergedächtnis das „unbrauchbar, obsolet und fremd Gewordene“, das „neutrale, identitäts-abstrakte Sachwissen“, sowie ein „Repertoire verpaßter Möglichkeiten, alternativer Optionen und ungenutzter Chancen.“²¹ Es stehe in Verbindung und Austausch mit dem Funktionsgedächtnis, jenem „angeeignete[n] Gedächtnis, das aus einem Prozeß der Auswahl, der Verknüpfung, der Sinnkonstruktion“ hervorgehe.²² Das Speichergedächtnis bilde dabei gewissermaßen den Hintergrund zum Funktionsgedächtnis, das Verhältnis beider zueinander sei perspektivisch und die Zuordnung von Elementen wandelbar, wie in einem „Binnenverkehr zwischen aktualisierten und nichtaktualisierten Elementen“.²³
2 Problem: „Dark Ages of Internet History“ Im Diskurs um das Recht auf Vergessen im Web wird die Resilienz von Webressourcen als großes Problem herausgearbeitet. So argumentiert Esposito: „Then we remember everything, recording it in the spaces (in the cloud) of a web which by itself does not have any procedure to forget.²⁴ Doch auch Esposito gesteht ein, dass Webinhalte „ephemeral on many dimensions“ seien.²⁵ Das Web lässt sich als „—elementally— ethereal, ephemeral, unstable, and unreliable“ charakterisieren, es befindet sich gewissermaßen in einem Zustand von „never-ending present“.²⁶ Der Verlust von Dokumenten aus dem World Wide Web hat längst ein Ausmaß
Dimbath, Vergessen (wie Anm. 12), S. 40. Assmann, Aleida: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses. 5.Aufl. München 2010. S. 136. Assmann, Erinnerungsräume (wie Anm. 18), S. 137. Assmann, Erinnerungsräume (wie Anm. 18), S. 137. Assmann, Erinnerungsräume (wie Anm. 18), S. 136. Esposito, Memory (wie Anm. 9), S. 5. Esposito, Memory (wie Anm. 9), S. 9, Endnote 14. Lepore, Jill: The Cobweb. Can the Internet be archived. In: The New Yorker. 26.01. 2015. www. newyorker.com/magazine/2015/01/26/cobweb (01.08. 2018).
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erreicht, dass die Rede von den „Dark Ages of Internet History“ gerechtfertigt erscheinen lässt.²⁷ Selbst wem dieser Begriff zu pathetisch erscheint, sei die Feststellung an die Hand gegeben, dass „it is likely that much information from the beginnings of the Web has already inevitably been lost.“²⁸ Die Gründe dafür sind vielfältig. Einerseits bedingen die steten und raschen technologischen Innovationen der Webformate, dass die Archivierung solcher digitaler Phänomene ihrer Produktion kontinuierlich hinterherhinkt, sei es konzeptionell wie auch technologisch. Die sozialen Medien mit ihren hinter User Interfaces operierenden Algorithmen, eine Chiffre für „complex socio-technical systems (…) that centrally involve some mixture of personalization, opaque rules, and machine learning components“,²⁹ stellen ebenfalls für die Theorie wie auch für die Praxis der digitalen Bewahrung eine große Herausforderung dar. Denn Abfragen aus Datenbanken oder individualisierte Anpassungen auf Basis von Cookies und Algorithmen lassen sich technisch kaum archivieren. Alexis C. Madrigal spitzte diesen Befund kürzlich mit der Aussage „Future Historians Probably Won’t Understand Our Internet, and That’s Okay“ zu, und führte dies dann weiter aus: „For a while it seemed exciting and smart to archive everything that happened online because it seemed possible. But now that it might not actually be possible, maybe that’s okay.“³⁰ Clifford A. Lynch konstatiert das Scheitern eines „Thinking rooted in traditional archival methodology“, worunter er die Fokussierung auf „preservation of physical and digital objects, and perhaps the accompanying preservation of their environments to permit subsequent interpretation or performance of the objects“ versteht. Ein solcher Zugang zur Webarchivierung „has been a total failure for many reasons, and we must address this problem.“³¹
Crueger, Jens: Die Dark Ages des Internet? In: Was bleibt? Nachhaltigkeit in der digitalen Welt. Hrsg. von Paul Klimpel u. Jürgen Kneiper. Berlin 2013. S. 191– 197. Weller, Katrin: The digital traces of user-generated content: How social media data may become the historical sources of the future. In: Managing Digital Cultural Objects: Analysis, Discovery, Retrieval. Hrsg. von Pauline M. Rafferty u. Allen Forster. London 2016. S. 61– 86. S. 78. Lynch, Clifford A.: Stewardship in the ‚Age of Algorithms‘. In: First Monday. 22,12 (2017). http://firstmonday.org/article/view/8097/6583 (20.05. 2018). Madrigal, Alexis C.: Future Historians Probably Won’t Understand Our Internet, and That’s Okay. In: The Atlantic. 06.12. 2017. www.theatlantic.com/technology/archive/2017/12/it-might-beimpossible-for-future-historians-to-understand-our-internet/547463/ (18.05. 2018). Lynch, Stewardship (wie Anm. 27).
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3 Problem: Technologische Determinierung Die Technologiegetriebenheit der Webarchivierung ist dabei zugleich eine doppelte, einerseits durch die regelmäßige Etablierung neuer technologischer Formate für das potentielle Sammlungsgut, was vielfach auch einen Bruch mit dem bisherigen Technologiepfad bedeutet. Aktuell lässt sich dies sehr deutlich beim Umbruch vom auf PC und Browser basierten Web zum auf Smartphone und Apps basierten Web beobachten. Andererseits sind aber auch die Instrumente, mittels derer Archivare das Sammlungsgut „harvesten“, also gleich einem Landwirt mittels geeigneter Technik in großen Mengen vom Feld in die Scheune einholen können, zwingend auf geeignete Technologien angewiesen, denn ein händisches Vorgehen wäre in der Masse ein aussichtsloses Unterfangen und ist daher nur im begrenzten Umfang für gewisse Sonderformen von Webseiten leistbar. Rührend erscheint aus heutiger Perspektive die öffentliche Diskussion um eine Regelung zur Pflichtabgabe von Webseiten durch den jeweiligen Seitenbetreiber an die Deutsche Nationalbibliothek, die 2008 als „bizarre Verordnung“ medialen Widerhall fand, und auf die schon damals kuriose Kurzformel „Nationalbibliothek will das deutsche Internet kopieren“ gebracht wurde.³² Für die technische Umsetzung des Harvesting benötigen die Archive geradezu zwingend die Unterstützung durch private Unternehmen, denn für eigene Entwicklungen fehlen den Archiven schlicht die Ressourcen. Dies hat zur Folge, dass der Modus der Webarchivierung nicht von den Archiven, sondern von den Technologieunternehmen bestimmt wird, weshalb sich auch hierbei eine klare Technologiegetriebenheit feststellen lässt. Diese Abhängigkeit davon, was mit technologischen Mitteln mit welchem Aufwand und auf welche Art greifbar ist, limitiert zugleich den Horizont dessen, was überhaupt aus den gigantischen und vielfältigen Datenmengen des Web archiviert werden kann und für spätere Zeiten erhalten bleiben wird. Mithin bedeutet diese technologische Determinierung zugleich eine epistemische Limitierung. Für Webinformationen, die mit den gängigen technischen Verfahren nicht greifbar sind, etwa im Falle des Deep Web, wo Webseiten nicht statisch, sondern individuell aus Datenbanken heraus generiert werden, kommt wie bereits erwähnt tatsächlich nur ein händischer Zugriff in Frage. Andreas Rauber und Hans Liegmann nennen als Beispiele für archivalisch relevante Webressourcen aus dem
Cis: Nationalbibliothek will das deutsche Internet kopieren. In: Spiegel online. 23.10. 2008. http://www.spiegel.de/netzwelt/web/bizarre-verordnung-nationalbibliothek-will-das-deutscheinternet-kopieren-a-586036.html (23.05. 2018).
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Deep Web Telefonbücher, Kataloge und geographische Informationssysteme.³³ Bei diesen Webseiten ist ähnlich wie bei den algorithmisierten Social Media ein automatischer Zugriff zwangsläufig ungenügend, und der naheliegende Versuch, mit Hilfe des Providers Zugriff auf die jeweilige Datenbank zu erlangen, zumindest sehr ungewiss. Aus dieser Notlage heraus bieten händische Zugriffe zumindest einen wertvollen Eindruck einer ansonsten aufgrund ihrer Komplexität nicht archivierbaren Webseite, wenn beispielsweise im Zuge des sogenannten Session Filming ein Probant bei der Interaktion der jeweiligen Webseite gefilmt wird, wodurch sich immerhin ein visueller Eindruck von der Funktionalität der Webseite gewinnen und bewahren lässt.
4 Problem: Modifikation und Verlust Das Web als Speichergedächtnis zu begreifen, geht also fehl. Denn diesem Verständnis steht der hohe Grad an anthropogener wie automatischer Dynamik von Modifikation und Verlust entgegen, dem Webinhalte unterworfen sind. Es gibt verschiedene Angaben darüber, wie lang die durchschnittliche Bestandsdauer einer Webressource sei, jedoch unterstreichen sie stets die geringe „Lebensdauer“ von Elemente[n] des sogenannten „Live-Web“, denn sie bewegen sich zwischen „wenigen Tagen und Wochen“.³⁴ Alexis Rossi nennt die Zahl von 100 Tagen Bestandsdauer einer Webseite „bevor sie sich ä ndert oder verschwindet.“³⁵ Ein Speicher, dessen Speichergut derart rasanter Modifikation unterworfen ist, lässt sich schwerlich als „hinfälliger Speicher“ entschuldigen, der mit „Verfallsproblem[en]“ zu kämpfen hat.³⁶ Angesichts der hohen Veränderungsdynamik von Webressourcen handelt sich beim Web schlichtweg um keinen Speicher, weil das Web nicht dauerhaft speichert, sondern kontinuierlich aktualisiert und somit versioniert.
Rauber, Andreas u. Hans Liegmann: Kapitel 17.9 Web-Archivierung zur Langzeiterhaltung von Internet-Dokumenten. In: nestor Handbuch: Eine kleine Enzyklopädie der digitalen Langzeitarchivierung. Version 2.0. Hrsg. von Heike Neuroth et al.. Boizenburg 2009. S. 88 – 103. S. 94. Rauber [u.a], Web-Archivierung (wie Anm. 31), S. 88. Rossi, Alexis: Internet Archive. In: Fö derale Vielfalt – Globale Vernetzung. Strategien der Bundeslä nder fü r das kulturelle Erbe in der digitalen Welt. Hrsg. von Ellen Euler u. Paul Klimpel. Hamburg 2016 (Schriftenreihe Kulturelles Erbe in der digitalen Welt 2). S. 224– 237. S. 225. Dimbath, Vergessen (wie Anm. 12), S. 40.
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Ein Videoportal wie YouTube stellt zwar vermeintlich ein „großes Archiv“ audiovisueller Inhalte dar,³⁷ jedoch wie[s]t Meike Wagner zurecht auf die „Strategien der Aufmerksamkeits-Ökonomie“ bei YouTube hin, hinter der sie eine Verlagerung von Macht in die „Politik der Aufmerksamkeit“ sieht.³⁸ Dieser Übergewichtung der „Populärkultur“, die in „performativ offen gehalten[en]“ Prozessen von Selektion und Ordnung wirkmächtig werden kann,³⁹ stehen andererseits intransparente algorithmische Prozesse gegenüber, die nur unternehmensseitig gesteuert werden können. Deren konkrete Auswirkungen auf den Videobestand sind unklar, zumindest wurde kürzlich bekannt, dass in jeder Sekunde auf Basis automatisierter Entscheidungen offenbar ein Video gelöscht wird.⁴⁰ Ein Verlass auf künftige Unternehmensentscheidungen fehlt überdies, ebenso eine Garantie des dauerhaften Fortbestandes von YouTube. Ein Archiv im eigentlichen Sinne ist YouTube mithin nicht, eher im Gegenteil eine jener sozialen Plattformen, die durch die hohe Dynamik ihrer Interaktionen die Veränderungsgeschwindigkeit des Web beschleunigen. Denn deren hohes Tempo liegt u. a. an dynamischen Webangeboten wie etwa Nachrichtenwebseiten sowie Shopping-, Video- und sonstigen Portalen, die sich sich innerhalb weniger Minuten verändern, etwa weil bei Nachrichtenseiten neue Meldungen hinzukommen, oder durch Algorithmen beeinflusst die Hierarchie der Meldungen entsprechend dem Nutzerinteresse verändert wird, Überschriften oder Teile von Artikeln verändert werden. Diese nachträglichen Modifikationen können bis hin zur etwaigen Löschung ganzer Artikel gehen, etwa im Falle von ad hoc Meldungen, die sich als falsch erweisen, oder aufgrund gerichtlicher Maßnahmen. Im Vergleich zur funktionalen Entsprechung dieser Nachrichtenseiten im Analogen, namentlich Zeitungen und Zeitschriften, bedeutet das eine rasante Beschleunigung und Responsivität. Gleichzeitig diskreditiert es den Speichergedanken, denn der Informationsverlust ist hier geradezu ein Teil des Konstitutionsprozesses. Im Falle solcher Nachrichtenseiten, die vielfältige Elemente der Userinteraktion aufweisen (angefangen bei der Kommentarfunktion, über Abstimmungstools bis hin zur Möglichkeit, Artikel in den Sozialen Medien zu teilen) und die gleichzeitig auf
Kohout, Annekathrin: YouTube-Formate zwischen Professionalität und Dilettantismus. In: POP. Kultur und Kritik 11 (2017). S. 66 – 71. S. 66. Wagner, Meike: Populärkultur und Archiv. Social Networking als Archivpraxis. In: map – media archive performance. (2009). http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:14-qucosa-37799 (02.08. 2018). S. 3 f. Wagner, Populärkultur (wie Anm. 37), S. 7. Hurtz, Simon: Youtube löscht mehr als ein Video pro Sekunde. 24.04. 2018. https://www.sued deutsche.de/digital/youtube-wenn-maschinen-verschwoerungstheorien-loeschen-1.3956744 (02.08. 2018).
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Basis der gemessenen Vorlieben ihrer Nutzer redaktionelle Entscheidungen beeinflussen lassen, könnte man statt des Speichergedächtnisses auch das Funktionsgedächtnis für gegeben argumentieren. Denn die „durch zwischenmenschliche Kommunikationsprozesse hervorgebrachten Selektionen können als Auswahl im Sinne des Funktionsgedächtnisses verstanden werden“, so fasst es Dimbath zusammen.⁴¹ Der Newsfeed in den Social Media wäre ein ganz klassisches Beispiel für ein solches Funktionsgedächtnis im Web, weil dort jene Webressourcen verhandelt werden, die von den Nutzern in einem Akt von Kommunikation eingebracht, sprich geteilt, wurden. Selbst durch automatisierte Prozesse, ausgeführt von Programmen, in die Social Media eingetragene Ressourcen werden erst dann weithin wahrnehmbarer Teil des dortigen Geschehens, wenn sie durch kommunikative Interaktionen von Nutzern, durch Gefallensbekundungen, Kommentare und Teilungen, zum Gegenstand der sozialen Kommunikation werden. Nachrichtenseiten und Portale wie YouTube verfügen über viele Elemente sozialer Kommunikation und verhalten sich zu dieser sehr responsibel, um dadurch ihre Reichweite zu maximieren. Dennoch geht für diese Art von Webseiten die Gleichsetzung mit einem Funktionsgedächtnis ebenso fehl wie jene mit einem Speichergedächtnis, denn die Einpreisung des vollständigen Verlustes von Information im Zuge des sozialen Aushandlungsprozesses ist nicht mit der von Assmann gedachten Vordergrund-Hintergrund-Relation zwischen Funktionsgedächtnis und Speichergedächtnis kongruent. In den Sozialen Medien, wo aus externen Webquellen eingetragene Informationen durch Nutzerkommunikation mehr oder weniger Relevanz erlangen können, sie aber schlimmstenfalls der Nichtwahrnehmung anheim fallen, ohne dadurch in ihrer materiellen Existenz bedroht zu werden, entspricht daher dem Gedanken des Funktionsgedächtnisses viel eher. Dynamische Webinhalte, wie Nachrichtenseiten aber auch hochgradig partizipative Portale wie YouTube, sind mithin einerseits Treiber einer im quantitativen Umfang hohen Veränderungsdynamik im Web, wobei diese Veränderungen durch ihre existentielle Finalität dem Speichergedanken ebenso wie dem Funktionsgedanken des kulturellen Gedächtnisses entgegenstehen. Sind dynamischen Webinhalte, die mit der Phase des Web 2.0 weitgehend das Bild des Web prägen, schon für die organisierte Webarchivierung ein großes Problem, so werden sie sich ohne eine systematische Bewahrungsstrategie durch Dritte aber der Überlieferung in großen Teilen entziehen. Jedoch sind nicht nur dynamische Webinhalte von steter Veränderung und Verlust betroffen, sondern ebenso statische Webseiten. Problematisch im Sinne einer Gedächtnisfunktion sind dabei einerseits die leichte Modifizierbarkeit von
Dimbath, Vergessen (wie Anm. 12), S. 39.
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Webseiten, ohne dass dies extern nachvollziehbar wäre. Bieten datenbankgestützte Webressourcen wie etwa die Wikipedia den Vorteil, jede Veränderung zu speichern und jede vergangene Version vollständig zu dokumentieren, so ist dies bei html-basierten Webseiten nicht der Fall. Solche einfachen Webseiten können mithin jederzeit inhaltlich modifiziert werden, ohne dass dies nachvollziehbar wäre, falls nicht parallel eine gezielte Webarchivierung stattgefunden hat. Sind solche statischen Webseiten also ständig in ihrem materiellen Charakter veränderbar, so ist darüberhinaus auch ihre materielle Existenz nicht gesichert. Webseiten, die nur auf einem einzigen Server gespeichert sind und von denen keinerlei Kopien oder archivierte Versionen vorliegen, können jederzeit durch Löschung vom Server oder Abschaltung des Servers vollständig aus dem Web verschwinden. Dass solche Szenarien nicht nur einzelne Webseiten, sondern auch ganze Ökosysteme des Web betreffen können, hat die Geschichte es Freehosters GeoCities gezeigt. 1994 gegründet, hatten im Oktober 1995 die ersten 10.000 Nutzer ihre Webseite dort eingerichtet.⁴² Als Yahoo den Dienst 1999 übernahm, war er mit 3,5 Millionen Webseiten die weltweit größte Online-Community.⁴³ 2009 bei mittlerweile 7 Millionen Nutzern endete dann die rasante Erfolgsgeschichte von GeoCities, denn Yahoo nahm den englischsprachigen Dienst vom Netz.⁴⁴ Obwohl Aktivisten und auch das Internet Archive noch Teile davon retten konnten, ist ein Großteil der Millionen von Geocities-Webseiten unwiederbringlich verloren gegangen, und damit wichtige Dokumente für das frühe World Wide Web.⁴⁵ Dem Gedanken eines Speichergedächtnisses stehen mithin auch für statische Webseiten die Grundprinzipien von Modifikation und Verlust entgegen, die für Webressourcen gleichsam wesensimmanent sind. Obschon die Veränderungsdynamik statischer Webressourcen im Vergleich zu den besprochenen dynamischen deutlich langsamer ist, kann jedes Webdokument jederzeit in seinem materiellen Charakter verändert werden, ohne dass dies dem Dokument anzumerken wäre. Auch ein gänzliches Verschwinden, etwa durch den Einfluss Dritter wie bei Yahoo’s Abschaltung von GeoCities, ist jederzeit möglich. Daher ist das Web weder in Generation 1.0 noch in 2.0 ein tatsächlicher Speicher, vielmehr ist eine systematische Archivierung das einzige verlässliche Instrument, um Webressourcen dauerhaft um sichern.
Milligan. Ian: The Problem of History in the Age of Abundance. 11.12. 2016. www.chronicle. com/article/The-Problem-of-History-in-the/238600 (03.05. 2018). Gill, Kathy E.: How can we measure the influence of the blogosphere? 2004. www.uvm.edu/ pdodds/files/papers/others/everything/gill2004a.pdf (23.05. 2018). Milligan, Problem (wie Anm. 40). Vgl. Internet Archive: GeoCities Special Collection 2009. http://archive.org/web/geocities.php (01.05. 2018).
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5 Problem: Deep Web Das Deep Web stellt ebenfalls die Vorstellung eines Speichergedächtnisses in Frage, denn der Zugriff auf die dort in Datenbanken gespeicherten Informationen ist kein freier, sondern wird von den jeweiligen Providern kontrolliert und reguliert. Ohne vorhandene und offen zugängliche Schnittstellen zu den Datenbanken lassen sich die darin enthaltenen Informationen nicht frei auslesen und an andere Orte kopieren. Es handelt sich bei solch abgeschotteten Datenbanken schlichtweg um Black Boxes mit streng regulierten Zugriffsmöglichkeiten. Gewähr über die Zuverlässigkeit in solch einer Datenbank verwahrter Informationen, über die daran eventuell getätigten Veränderungen bzw. Manipulationen sowie über die Modalitäten des Zugriffs und der Auswahl von Ergebnissen für den Nutzer gibt es nicht. Ein Speichergedächtnis, dessen sich die Nutzer nicht frei bemächtigen können, um daraus für das Funktionsgedächtnis zu speisen, ist kein Speichergedächtnis. Denn die beschriebenen Bedingungen des Deep Web als Black Box halten die dort verwahrten Informationen gerade nicht als „neutrale[s]“ und „identitäts-abstrakte[s] Sachwissen“ vor,⁴⁶ sondern setzen sie zumindest potentiell der Möglichkeit von produzentenseitiger Standortgebundenheit, Perspektivverzerrung, ideologischer Färbung oder sonstiger Manipulation aus. Auch wird die Abfrage von Informationen aus einer Datenbank mittels eines vorgegebenen User Interfaces beeinflusst durch die Gestaltung der Eingabemaske, die dafür zur Verfügung steht, etwa die Felder zur Eingabe und Auswahl von Suchbegriffen, Suchfiltern und weiterer Faktoren der Auswahl und Vorstrukturierung des Ergebnisses. Auf diesem Wege werden abhängig vom jeweiligen Interface die Ergebnisse der Datenbankabfrage perspektivisch gebunden. Ein tatsächliches „Repertoire verpaßter Möglichkeiten, alternativer Optionen und ungenutzter Chancen“,⁴⁷ wie Assmann es für das Speichergedächtnis beschreibt, kann eine Datenbank daher nur im Modus von Open Data sein, wenn der Zugriff auf die Rohbzw. Ausgangsdaten für jeden möglich ist. In einem solchen Fall wäre dann eine Datenbank tatsächlich als Speichergedächtnis ansprechbar. Das Web in seiner Gänze ist jedoch überwiegend geprägt von den Black Boxes des Deep Web, deren Ausschlusskriterien aus einem Speichergedächtnis soeben aufgeführt wurden. Das Deep Web umfasste bereits um die Jahrtausendwende das 400- bis 550fache des seinerzeit frei zugänglichen Surface Web, gegen Ende der ersten Dekade dann
Assmann, Erinnerungsräume (wie Anm. 18), S. 137. Assmann, Erinnerungsräume (wie Anm. 18), S. 137.
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gar das tausendfache.⁴⁸ Auch wenn aktuellere Zahlen fehlen und die Frage bleibt, inwieweit sich die Größenverhältnisse überhaupt näherungsweise bestimmen lassen, ist in jedem Fall als sicher anzunehmen, dass das Deep Web in seinem Umfang das Surface Web bei weitem übersteigt. In der Konsequenz kann das nur bedeuten, dass das Web mit seinen Ebenen Deep und Surface Web aufgrund der Zugangsrestriktionen, dem damit einhergehendem Neutralitätsverlust und der Widerlegung des Repertoire-Gedankens im Falle des Deep Web, kein Speichergedächtnis im Sinne Assmanns darstellt.
6 Das kulturelle Gedächtnis des Web? Wenn also die Frage nach der Funktion des Web als kulturelles Gedächtnis, bestehend aus Speichergedächtnis und Funktionsgedächtnis, verneint werden muss, so bleibt die Frage nach dem kulturellen Gedächtnis des Web. Hier ist zuallererst die mittlerweile deutlich gewachsene Landschaft an Projekten zur Webarchivierung zu nennen. Vor allem das Internet Archive mit seiner Wayback Machine prägt dieses Feld aus mehreren Gründen. 1996 von Brewster Kahle gegründet und als gemeinnützige Institution regierungsunabhängig, ist es das dienstälteste weltweite Webarchiv.⁴⁹ Die Finanzierung des Projektes stammt im Rahmen ihres steuerlichen Status als „501(c)(3) nonprofit organization“ aus „inkind and financial donations from a variety of sources“,⁵⁰ wohl überwiegend aus den USA, doch auch hinsichtlich dieser US-Zentriertheit kritische Stimmen loben, dass „it remains open and freely available to anyone with Web access“.⁵¹ Wurde die Notwendigkeit des Projektes zum Zeitpunkt der Gründung mancherseits in Frage gestellt, so bietet es heute den einzigen öffentlichen Zugriff auf die frühe Zeit des Web.⁵² Verglichen mit den Webseiten, die die Deutsche Nationalbibliothek bei einem flächendeckenden Crawl der Domain „.de“ im Jahr 2014 eingesammelt hat, archiviert das Internet Archive rund 38 Prozent dieses „deutschen“ White Paper: The Deep Web. Surfacing Hidden Value. In: The Journal of Electronic Publishing. 7,1 (2001). http://dx.doi.org/10.3998/3336451.0007.104 (11.05. 2018); Burkhardt, Marcus: Archive des Digitalen. Medienphilosophische Überlegungen zu Utopie, Dystopie und Realität digitaler Archivierung. In: SPIEL, Siegener Periodicum zur Internationalen Empirischen Literaturwissenschaft. 29.1+2 (2010). S. 21– 36. S. 31. Rossi, Internet, S. 224. The Internet Archive: Frequently Asked Questions. o.J. https://archive.org/about/faqs.php. (30.07. 2018). Thelwalla, Mike u. Liwen Vaughan: A fair history of the Web? Examining country balance in the Internet Archive. In: Library & Information Science Research 26 (2004). S. 162– 176. S. 163. Rossi, Internet (wie Anm. 33), S. 225.
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Web.⁵³ Jedoch liegt der Vorteil auch bezüglich des .de-Web eindeutig beim Internet Archive, denn die Nationalbibliothek konnte erst einen einzigen solchen Crawl des ganzen deutschen Webs durchführen, während des Internet Archive kontinuierlich weite Teile deutscher bzw. deutschsprachiger Webseiten sammelt. Mit Stand von 2016 sammelt das Internet Archive wöchentlich „etwa eine Milliarde Web-Captures“, und umfasst ingesamt auf etwa 470 Milliarden Webressourcen.⁵⁴ Hinsichtlich der Zugänglichkeit der archivierten Webseiten zeigt sich ein weiterer Pluspunkt des Internet Archive, denn seit dem Jahr 2001 ist ein Abruf der archivierten Webseiten für jedermann über die Wayback Machine möglich, was zuvor nur Forschern mit „fortgeschrittene[n] technische[n] Fähigkeiten“ vorbehalten war.⁵⁵ Eine Einsichtnahme in die archivierten Webseiten der Deutschen Nationalbibliothek hingegen ist nach wie vor nur in deren Lesesälen in Frankfurt bzw. Leipzig möglich, denn rechtliche Bedenken verhindern andere Lösungen.⁵⁶ Gerade der offene Zugang zu den einzelnen gespeicherten Webseitenversionen ist ein hinsichtlich der Frage nach dem kulturellen Gedächtnis des Web ein wichtiger Aspekt. Bestand die Mission des Internet Archive anfänglich darin, die von der Suchmaschine Alexa indizierten HTML-Seiten zu archivieren, so wurden alsbald auch Bilder und andere Dateiformate mit in die Archivierung aufgenommen, um dadurch einen adäquaten Eindruck der archivierten Webseiten zu gewährleisten.⁵⁷ Die heutige Wayback Machine erlaubt einen unkomplizierten Zugriff auf die gespeicherten Webseiten mittels eines Zeitstrahls und verknüpft mit einer kalendarisch strukturierten Auswahloberfläche. Damit lassen sich die vorhandenen Versionen einer archivierten Webseite problemlos in ihrem zeitlichen Kontext einordnen. Hinzu kommt die Möglichkeit, von einer dargestellten Webseitenversion auf die vorherige sowie die nachfolgende Version zu wechseln, so dass auch diese genetische Zugang zum Erschließen einer Webseite und deren Historie einfach möglich ist. Wer nicht von vorneherein weiß, welche Webseite er sich in der Wayback Machine anschauen möchte, kann sich auch mittels Suchfunktion über frei wählbare Suchbegriffe orientieren. Diese Kombination aus Umfang, Zugänglichkeit und Benutzerfreundlichkeit führt zu einer starken Markenbildung des Internet Archives mit der Wayback Machine als weltweit einmaliges Angebot,
Deutsche Nationalbibliothek: Zum Sammelauftrag der Deutschen Nationalbibliothek. Stand 2017. http://www.dnb.de/SharedDocs/Downloads/DE/DNB/wir/zumsSammelauftrag.pdf? __blob=publicationFile (10.05. 2018). S. 1– 18. S. 7. Rossi, Internet (wie Anm. 33), S. 226. Rossi, Internet (wie Anm. 33), S. 225. Deutsche Nationalbibliothek: Webarchiv. ww.dnb.de/DE/Netzpublikationen/Webarchiv/ webarchiv_node.html (18.05. 2018). Vgl. Rauber [u.a], Web-Archivierung (wie Anm. 31), S. 89.
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sich in der Historie des Webs zu orientieren. Ablesbar ist die Bedeutung dieses Onlinedienstes an den Nutzungszahlen, nach eigener Auskunft nutzen jeden Tag zwei bis drei Millionen Menschen dieses Angebot.⁵⁸ Die Seite zählt sich deshalb zu „one of the top-250 websites in the world“.⁵⁹
7 Das Internet Archive als kulturelles Gedächtnis des Web? Angesichts dieser Rahmendaten ist es eine Überlegung wert, inwieweit sich die Wayback Machine als Speichergedächtnis des Web, zumindest des Surface Web, begreifen lässt. Dies entspricht zumindest dem angedeuteten Selbstverständnis des Internet Archive, wenn es auf der Suche nach Spendern mit dem Slogan „The Web Needs a Memory“ wirbt.⁶⁰ Die systematische Archivierung digitaler Artefakte mit einem Gesamtumfang von mit Stand 2016 ingesamt „25 Petabytes an unikalen Daten“ erfolgt in einem Modus und mit einer Infrastruktur, die auf bestmögliche Sicherung ausgelegt ist.⁶¹ Sämtliche Daten des Internet Archives werden deshalb auf eigenen Servern gespeichert, „es gibt mindestens zwei Sicherungskopien an verschiedenen real existierenden Orten“,⁶² und zu Beginn der Präsidentschaft von Donald Trump wurde aus politischen Überlegungen heraus sogar eine weitere Sicherungskopie auf Servern in Kanada angelegt. Als Grund dafür nannte Brewster Kahle den Vorsatz des Internet Archives „cultural materials safe, private and perpetually accessible“ zu halten und Vorkehrungen zu treffen „for a Web that may face greater restrictions.“⁶³ Marlene Manoff sieht in diesem aufwendigen und kostspieligen Unterfangen „an unprecedented move to preemptively secure documentation from threats of a U.S. presidential administration intent on
Rossi, Internet (wie Anm. 33), S. 224. Kahle, Brewster: Help Us Keep the Archive Free, Accessible, and Reader Private. In: Internet Archive Blogs. 29.11. 2016. https://blog.archive.org/2016/11/29/help-us-keep-the-archive-free-ac cessible-and-private/ (02.05. 2018). Etwa anlässlich des „Giving Tuesday“ 2017 auf Twitter; Internet Archive. @internetarchive. 30.11. 2017. [Tweet] As @Project_Veritas „stings“ @washingtonpost re Roy Moore, solid reporters everywhere rely on the Wayback Machine—the fact-checker’s best friend. If you need the facts, support this free service. The Web Needs a Memory. Help us do more. (link: https://archive.org/do nate/) archive.org/donate/. https://twitter.com/internetarchive/status/936035119755706368?s=21 (03.06. 2018). Rossi, Internet (wie Anm. 33), S. 233. Rossi, Internet (wie Anm. 33), S. 233. Kahle, Archive (wie Anm. 57).
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wrapping itself and the rest of us in archival silence.“⁶⁴ So erfüllt der Datenbestand des Internet Archives tatsächlich die technische Zuverlässigkeit eines Speichers, und hinsichtlich der thematischen Breite an bewahrten Webressourcen und ihrer leichten Zugänglichkeit ebenso den Charakter eines Repertoires, und schließlich sprechen die Bemühungen um politische Unabhängigkeit auch für den Neutralitätsaspekt dieser gemeinnützigen Institution. Drei Faktoren also, die das Speichergedächtnis auszeichnen, aber beim Live Web zumindest ernsthaft in Zweifel gezogen werden müssen, treffen für den Bestand archivierter Webressourcen des Internet Archive zu. Die große Nutzerzahl und die hohe Relevanz, die die im Internet Archive bewahrten Webdokumente etwa für den Journalismus und insbesondere für das sogenannte Fact Checking besitzen,⁶⁵ spricht auch dafür, dass hier sowohl das Speichergedächtnis im Hintergrund als auch ein Funktionsgedächtnis im Vordergrund existieren. Zwar umfasst dieses Speichergedächtnis nur einen Teil des Surface Web und insbesondere das Deep Web ist weitestgehend ausgeklammert, jedoch sprechen die übrigen Faktoren dafür, das Internet Archive mit der Wayback Machine als ein kulturelles Gedächtnis des World Wide Web anzusprechen. Fraglich bleibt indes, wie gut es angesichts der riesigen und stetig wachsenden Menge archivierter Webressourcen gelingen kann, den individuellen Zugriff im Sinne einer Nutzung des kulturellen Gedächtnisses zu gewährleisten. Marcus Burkhardt fragte völlig berechtigt schon 2010, wie „man den Zugriff zu den bereits heute unüberschaubaren Archiven unserer digitalen Vergangenheit gewährleisten“ könne. Eine Antwort darauf steht bis heute aus.⁶⁶
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Geschichte auf YouTube – ein Ausblick Ein Tagungsband, wie der vorliegende, kann ein neues Forschungsthema bestenfalls umreißen, Akteurinnen und Akteure zusammenbringen, Austausch anregen und thematische sowie methodische Zugänge sondieren. Dieser Band kann und will keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, sondern mit der Fokussierung auf Erklärvideos ein insbesondere von jungen Menschen häufig genutztes Medium in den Mittelpunkt rücken und dazu anregen, verstärkt über Produktion, Repräsentation und Rezeption dieses Mediums und der damit verbundenen Inhalte zu diskutieren. Dieser Band setzt auf einzelne Beispiele und ist damit lückenhaft. Doch wünschen wir uns, dass die Beispiele und Lücken von heute die Forschungsthemen von morgen sein werden. Ausgehend von diesem Gedanken haben wir während des gesamten Entstehungsprozesses dieses Bandes offene Fragen und künftige Herausforderungen zusammengetragen. Es ist gleichsam der Versuch, einen Ideenspeicher für neue Arbeiten anzulegen. Geschichte wird gemacht – auch auf YouTube. Themensetzungen, Aufbereitung und Gestaltung liegen in den Händen der YouTuber. Diese haben unterschiedliche Hintergründe, nicht alle haben Geschichte studiert; viele haben aber ein Interesse daran, Geschichte unterhaltsam und auf Augenhöhe zu vermitteln. Alle YouTuber sind an die technischen Voraussetzungen und die Herausforderungen des YouTube-Algorithmus’ gebunden. Dies hat zur Folge, dass sich das Format der Erklärvideos zunehmend professionalisiert, um erfolgreich im Sinne der Aufmerksamkeitsökonomie sein zu können. Die so erfolgreiche Ansprache von Jugendlichen und jungen Erwachsenen durch Erklärvideos wurde auch von den öffentlich-rechtlichen Sendern als zeitgemäße Form der Wissensvermittlung erkannt und zur konzeptionellen Grundlage eigener Online-Medienangebote. Private Medienmacher entdeckten zudem Monetarisierungsmöglichkeiten und Werbekraft. User generated content, wie sie dem ursprünglichen Konzept der Videoplattform entsprechen, ist zwar nach wie vor vorhanden, erreicht aber nur in Ausnahmefällen nennenswerten Reichweiten, denn für diese sind häufig neben einer professionellen Ästhetik auch flankierende Werbebudgets nötig. Das Beispiel von MrWissen2Go hat gezeigt, dass sich auch privat gestartete Kanäle zunehmend professionalisieren können: Der Kanal, der nach seiner Gründung 2012 noch als „herrlich unprofessionell“ galt, ist inzwischen Teil eines Medienunternehmens des Betreibers Mirko Drotschmann. Eine systematische Untersuchung der Akteurinnen und Akteure vor und hinter der Kamera steht noch aus: Wer produziert Erklärvideos und warum? https://doi.org/10.1515/9783110599497-016
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Welche Interessen sind damit verbunden? Welche Zielgruppen möchte man ansprechen? Die Beiträge des Bandes zeigen an den Beispielen MrWissen2Go und TheSimpleClub, dass im deutschsprachigen Raum Schülerinnen und Schüler bzw. junge Menschen in Prüfungssituationen als primäre Zielgruppe identifiziert wurden. Der Kanal „The Great War“ richtet sich nicht explizit an diese Zielgruppe, sondern spricht mit seiner zeitzeugnisbasierten Ästhetik auch – und möglicherweise vor allem – andere Alterskohorten an. Als ein wesentliches Merkmal von Videoplattformen wie YouTube gilt die gestalterische und thematische Vielfalt, die sich in den hochgeladenen Filmen widerspiegelt. Im Rahmen der jeweiligen Richtlinien gilt generell: anything goes. Damit unterscheidet sich das Angebot von den geplanten Programmen der Rundfunk- und Medienanstalten und bietet den Nutzerinnen und Nutzern die unterschiedlichsten Zugänge zu einzelnen Inhalten und Themen. Durch die Struktur der Videoplattformen lassen sich über die Suchparameter und den Algorithmus individuelle Playlists zusammenstellen, die selbst sogenannten „special-special-interest“-Themen Aufmerksamkeit garantieren, da sich – entsprechend dem Gedanken des Social Web – Menschen mit Interessen abseits des Mainstreams über die Inhalte vernetzen und austauschen können. Wenn sich für die deutschsprachigen Erklärvideos allerdings eine Orientierung an Lehrplänen oder den (aus dem schulischen Unterricht und damit wiederum aus den Lehrplänen erwachsenen) Wünschen der Zuschauerinnen und Zuschauer nachweisen lässt, stellt sich die Frage nach den informellen Formen des Agenda Setting. Lassen sich für den Bereich der deutschsprachigen Erklärvideos zur Geschichte Themen mit einer hohen Nachfrage identifizieren? Welche Gründe kann es einerseits für die Themenauswahl durch die YouTuber und andererseits für die durch die Nutzerinnen und Nutzer entgegengebrachte Aufmerksamkeit geben? Lassen sich Einflüsse auf die Themensetzung nachweisen, die sowohl aus der inneren Logik der Videoplattform wie aus äußeren gesellschaftlichen Gegebenheiten herrühren? Ein wesentlicher Punkt in diesem Zusammenhang ist auch der Stellenwert der Erklärvideos als Bildungsformat. Inwiefern stellen diese Filme eine Weiterentwicklung der Wissenskommunikation dar? Auch die über die Erklärvideos verbreiteten Inhalte bedürfen einer näheren Betrachtung. Lässt sich eine Orientierung an aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen nachweisen oder dienen die Kanäle zur Verbreitung etablierter Geschichtsbilder und Basisnarrative. Wird in den Erklärvideos der Konstruktcharakter von Geschichte transparent gemacht und zu einer reflektierten und kritischen Auseinandersetzung mit den Inhalten eingeladen? Werden möglicherweise sogar weiterführende Informationen und historische Quellen zur Vertiefung verlinkt?
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Mit der Professionalisierung der Produktion scheint auch eine Professionalisierung des Storytellings einherzugehen. Alle beispielhaft untersuchten Kanäle arbeiten mit Skripten, die an medienspezifischen Sehgewohnheiten der Nutzerinnen und Nutzer ausgerichtet sind. Zentrale Kriterien dabei scheinen die Ansprache auf Augenhöhe sowie eine möglichst kompakte und unterhaltende Darstellung zu sein. Digital Storytelling wird in einer Zeit unüberschaubarer Medienproduktion immer wichtiger, um Zielgruppen zu erreichen, Inhalte zu vermitteln und gegebenenfalls Interaktion anzuregen. Die spannende Frage nach dem Zusammenspiel medienspezifischer Produktionsbedingungen, Erzählstrategien und Narrativen konnte in diesem Band nur gestreift werden. Die Beiträge zeigen jedoch, dass Authentizität – oder besser: der Eindruck von Authentizität – ein wichtiges Kriterium sowohl für Produzierende als auch für Zuschauende ist: Wie glaubwürdig sind die Gesichter vor der Kamera? Und wie glaubwürdig sind die Inhalte des Erklärvideos? Für letztere gilt es die Authentifizierungsstrategien zu untersuchen und dabei insbesondere den Umgang mit Zeitzeugnissen in den Blick zu nehmen. Erklärvideos auf YouTube bieten anders als ihre Vorgänger im Schul- und Bildungsfernsehen die Möglichkeit zur Partizipation. Diese Möglichkeit wird von den Kanalbetreibenden unterschiedlich intensiv genutzt. Häufig dienen Kommentarfunktion und die Möglichkeit zur Kommunikation über Nachrichten gewissermaßen als Seismograph für das Rezeptionsverhalten der Zuschauerinnen und Zuschauer. Fraglich ist aber, ob im Ringen um Aufmerksamkeit Themenwünschen und Rückmeldungen zur ästhetischen und inhaltlichen Gestaltung einen anderen Stellenwert erhalten als ein Leserbrief an die Tageszeitung oder die Rundfunk- und Medienanstalten – und zwar sowohl hinsichtlich ihrer Relevanz für die Kanalbetreibenden als auch für das Selbstverständnis der Nutzerinnen und Nutzer, die sich eine Wirkung ihrer Eingaben erhoffen oder diese sogar erwarten. Gänzlich neu ist allerdings die Möglichkeit zur direkten Kommunikation zwischen YouTubern und Kommentierenden. Über Methoden der Social-MediaAnalyse ließen sich Effekte dieser Kommunikation in den Blick nehmen. Hat die Präsenz von YouTubern in den Kommentarspalten einen Einfluss auf die Wahrnehmung durch die Nutzerinnen und Nutzer? Gelten Diskussionsfreudigkeit und die konstruktive Auseinandersetzung mit den Wünschen, Kommentaren, Fragen und Rückmeldungen der Zuschauerinnen und Zuschauer als Qualitätsmerkmal eines YouTube-Kanals? Etwas anders gelagert sind Formate auf YouTube, die gezielt zur Partizipation auf der inhaltlichen Ebene aufrufen, indem beispielsweise Nutzerinnen und Nutzer Videos zu einem vorgegebenen Themenkomplex auf einem Kanal einstellen. Letztlich übernehmen die Kanalbetreibenden in solchen Szenarien die
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Rolle von Kuratorinnen und Kuratoren, was dem Gedanken eines freien Hochladens zuwiderläuft, für Bildungs- und Kunstprojekte aus der Kultur- und Kreativwirtschaft aber attraktive Optionen eröffnet, ihre Themen und Inhalte im Social Web zu platzieren und damit ausgetretene Pfade der Vermittlung und Präsentation zu verlassen und möglicherweise neue Zielgruppen für sich erschließen zu können. Im Bereich der Geschichtsvermittlung wären hier weiterführende Studien interessant, die nach der Wirkmächtigkeit, Reichweite und Nachhaltigkeit solcher Projekte fragen. Die Beiträge dieses Bandes beschäftigen sich mit der Produktion und Gestaltung der Erklärvideos, nicht jedoch mit ihrer Nutzung. Die Einblicke der YouTuber Mirko Drotschmann und Florian Wittig zeigen, dass die Kanalbetreibenden aus der Datenanalyse Rückschlüsse auf das Nutzungsverhalten der Zuschauenden ziehen können: Wie viele haben sich ein Video angesehen? Haben sie es in Gänze gesehen oder an welcher Stelle haben sie abgebrochen? Interagieren sie mit den Kanalbetreibenden durch einen Like oder Kommentar des Videos? Oder bleiben sie stille Beobachterinnen und Beobachter? Auch werden in den Kommentaren der Nutzerinnen und Nutzer Zustimmung und Ablehnung, Nachfragen und Anmerkungen, Fragen und Wünsche erkennbar. Empirische Arbeiten zu den Nutzergruppen, ihren Anforderungen und Wünschen sowie ihrer Medienkompetenz liegen bislang nicht vor. YouTube ist ein globales Medienphänomen. Erklärvideos gibt es nicht nur im deutschsprachigen Raum, den wir für diesen Band in den Blick genommen haben. Die gewonnenen Erkenntnisse sollten mit den zahlreichen Angeboten in anderen Sprachen verglichen werden. Hierbei ist insbesondere von Interesse, ob gleiche oder divergierende Zielgruppen adressiert werden, Produktionsweisen Verwendung finden und Partizipationsprozesse stattfinden. Ebenso gilt es künftig verstärkt die Kategorie Geschlecht/Gender zu berücksichtigen – sowohl im Hinblick auf geschlechtsspezifische Angebote als auch Produktions- und Rezeptionsweisen. Die langfristigen Entwicklungen und Veränderungen, die YouTube für Medienproduktion und -rezeption bedeuten mag, sind heute erst teilweise zu erkennen. Last but not least ist die gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Medienphänomens YouTube und seine Wirkungen einerseits auf den Prozess der Wissensaneignung und andererseits auf das kulturelle Gedächtnis ein ergiebiges Feld für künftige Forscherinnen und Forscher.
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Autorinnen und Autoren Cord Arendes, studierte an der FU Berlin und promovierte 2004 an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Bis zur Habilitation 2010 war er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Akademischer Rat im Bereich der deutschen und westeuropäischen Zeitgeschichte an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg tätig. Seit 2012 ist er dort Inhaber der Professur für Angewandte Geschichtswissenschaft – Public History. Seine Forschungsschwerpunkte liegen u. a. in den Bereichen Angewandte Geschichte – Public History, (audio‐)visuelle Aspekte der Geschichtswissenschaft, historische Ausstellungen und andere Formen der Präsentation kulturellen Erbes, dem Forschenden Lernen im Geschichtsstudium sowie der Geschichtstheorie und den Methoden historischen Arbeitens. Christian Bunnenberg, studierte Geschichte und Germanistik an der Westfälischen WilhelmsUniversität in Münster. 2005 Erstes Staatsexamen und Magister Artium, 2008 Zweites Staatsexamen, im Anschluss Gymnasiallehrer. Seit 2009 als Geschichtsdidaktiker an den Universitäten Köln und Duisburg-Essen sowie an der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg. Seit 2016 Juniorprofessor für Didaktik der Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum. Seine Forschungsschwerpunkte sind die mediale Vermittlung von Geschichte, Geschichtsunterricht unter digitalen Bedingungen sowie Public History. Hannes Burkhardt, studierte Geschichte und Germanistik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Von 2015 bis 2018 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am dortigen Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte und reichte im Mai 2018 seine Dissertationsschrift mit dem Titel „Geschichte im Social Web. Historische Orte, Personen und Ereignisse der Zeit des Nationalsozialismus auf Facebook, Twitter, Pinterest und Instagram“ ein. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Geschichts- und Erinnerungskulturen zum Zweiten Weltkrieg, zum Holocaust und zum Nationalsozialismus in Online- und Offline-Medien, historisches Lernen mit digitalen Medien und Gender in Geschichtsdidaktik und Geschichtsunterricht. Seit September 2018 ist er Lehrbeauftragter der FAU und im gymnasialen Schuldienst. Jens Crueger, studierte Geschichte und Soziologie an der Universität Bremen. Spezialisierung auf Wissenschaftsgeschichte, Geschichte des Digitalen und das digitale Kulturerbe. Tätig als Digital-Historiker (http://digital-historiker.de), Beratung u. a. für Archive, Museen, Bibliotheken. Fachgruppensprecher Langzeitarchivierung und Emulation der Gesellschaft für Informatik, Mitglied im Think Tank 30 des Club of Rome, bis 2019 Landtagsabgeordneter und Mitglied der Kulturdeputation des Landes Bremen. Mirko Drotschmann, studierte Geschichte und Kulturwissenschaften an der Universität Karlsruhe. Journalistisches Volontariat beim SWR. Heute arbeitet er als Journalist für Fernseh-, Rundfunk- und Printmedien. Seit 2012 betreibt und moderiert als „MrWissen2go“ den gleichnamigen YouTube-Kanal. Von 2015 bis Ende 2018 war Mirko Drotschmann im Auftrag des MDR das Gesicht des YouTube-Kanals „MDR ZEITREISE2go“. Im Jahr 2017 startete der vom ZDF verantwortete Kanal „musstewissen Geschichte“ in dem Online-Medienangebot „funk“. Ab Januar 2019 trägt das Projekt den neuen Titel „MrWissen2go Geschichte“. Für das ZDF moderiert Mirko Drotschmann Sendungen in der Reihe „Terra X“.
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Autorinnen und Autoren
Marie Föllen, studiert im M.Ed. und M.A. Geschichte und Klassische Philologie an der RuhrUniversität Bochum. Seit 2014 ist sie Wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Alte Geschichte (Schwerpunkt Römische Geschichte) an der Ruhr-Universität Bochum. Christopher Friedburg, studierte Geschichte, Germanistik sowie Literatur und Medienpraxis an der Universität Duisburg-Essen. Regierungsbeschäftigter in den Bereichen Hochschulentwicklung, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen. Davor Redakteur der Zeitschriften Geschichte lernen und Unterricht Wirtschaft+Politik beim Friedrich Verlag in Seelze-Velber, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Abteilung für Didaktik der Geschichte an der Universität Duisburg-Essen und assoziiertes Mitglied des DFG-Graduiertenkollegs 1919: „Vorsorge, Voraussicht, Vorhersage. Kontingenzbewältigung durch Zukunftshandeln“. Arbeitsschwerpunkte: Medien historisch-politischen Lernens, Kommunikation und Geschichtsvermittlung sowie Geschichtskultur im digitalen Wandel. Moritz Hoffmann, studierte Geschichte und Musikwissenschaft in Bonn und Heidelberg. Seit 2016 freiberuflicher Historiker (www.moritz-hoffmann.de). Er beschäftigt sich mit der Vermittlung von Geschichte für breite Öffentlichkeiten insbesondere in Sozialen Medien sowie mit rechtsextremen Geschichtsbildern. Gründer verschiedene Twitterprojekte und der Webportale „Geflüchtet“ und „GeschichtsCheck“. Bernhard Linke, studierte an der FU Berlin Alte und Neuere Geschichte, Französisch und Latein. 1993 Promotion an der FU Berlin. Nach verschiedenen Stationen in Dresden und Chemnitz ist er seit 2009 Professor für Alte Geschichte (Schwerpunkt Römische Geschichte) an der Ruhr-Universität Bochum und seit 2015 Mitherausgeber der Historia. Anja Neubert, studierte Geschichte, Germanistik und Erziehungswissenschaften an der Universität Leipzig. Das Zweite Staatsexamen schloss sie 2012 ab. Seitdem ist sie Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Professur für Geschichtsdidaktik an der Universität Leipzig. Neben der Ausbildung angehender Geschichtslehrer*innen liegt ihr Schwerpunkt auf historischem Lernen in digitalen Kontexten. Die von ihr konzipierte, umgesetzte und wissenschaftlich begleitete Augmented Reality-App ZEITFENSTER. Friedliche Revolution Leipzig erhielt sie 2016 den bitcom d-elina Award. Henrike Rehders, studierte Neuere und Neueste Geschichte mit dem Nebenfach Erziehungswissenschaften an der Universität Hamburg. Währenddessen war sie Mitarbeiterin in der Werkstatt der Erinnerung der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg und beim Geschichtomat – Projekt zur Vermittlung jüdischer Geschichte und Kultur. Ihre Masterarbeit hat sie über die Geschichtswerkstättenbewegung geschrieben. Sie arbeitet als freie Historikerin für verschiedene Projekte. Benjamin Roers, studierte Geschichte und Philosophie an der Universität Hamburg und war dort als studentische Hilfskraft am Arbeitsfeld Public History tätig. Seit 2019 ist er Promotionsstudent, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Assistent der Juniorprofessur für Kulturgeschichte am International Graduate Centre for the Study of Culture (GCSC) an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Tier- und Geschlechtergeschichte, Public History sowie geschichtswissenschaftliche Theorien.
Autorinnen und Autoren
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Nils Steffen, studierte in Bremen und Vechta Geschichte und Germanistik, im M.A. mit dem Schwerpunkt Geschichte in der Öffentlichkeit. 2015 – 2017 Akademischer Mitarbeiter an der Professur für Angewandte Geschichtswissenschaft – Public History an der Universität Heidelberg. 2017 – 2018 Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg und seit 2018 Geschäftsführender Gesellschafter bei „anders & wissen. das projektlabor“ (www.andersundwissen.de). Judith Uebing, studierte Geschichte und Biologie an der Ruhr-Universität Bochum und den Master mit Schwerpunkt Public History an der Universität zu Köln. Ihre Schwerpunkte sind Erinnerungskultur und Geschichte in den sozialen Medien. Seit 2016 ist sie wissenschaftliche Referentin der Akademie Vogelsang IP sowie Mitarbeiterin in unterschiedlichen Projekten zur Erinnerungskultur bzw. der historisch-politischen Bildung. Florian Wittig, studierte den B.A. Online-Redaktion an der FH Köln und den M.A. Film und Creative Producing in Zürich. Seit 2014 ist er Producer & Social Media Manager für den YouTube-Kanal „The Great War“. Anfang 2019 gründete er die Produktionsfirma RTH – Real Time History GmbH, die sich auf historische Online-Produktionen spezialisiert hat.