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German Pages 304 [307] Year 2020
Tomáš Černušák, Pavel Marek Gesandte und Klienten Päpstliche und spanische Diplomaten im Umfeld von Kaiser Rudolf II.
Tomáš Černušák, Pavel Marek
Gesandte und Klienten
Päpstliche und spanische Diplomaten im Umfeld von Kaiser Rudolf II.
Das Buch enstand im Rahmen des Projekts GA ČR 17-06049S „Vztahová síť papežských nunciů a španělských vyslanců v prostředí císařského dvora na přelomu 16. a 17. století“ [Relational networks of Apostolic nuncios and Spanish envoys in the milieu of the imperial court at the turn of the 16th and 17th century]
Durchgesehen und begutachtet von Friedrich Edelmayer und Dorothée Goetze. Übersetzung: Eliška Boková
ISBN 978-3-11-061383-4 e-ISBN (PDF) 978-3-11-061669-9 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-061389-6 Library of Congress Control Number: 2020938013 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Abbildung auf dem Cover: "Fest des Goldenen Vlieses in Prag", Österreichische Nationalbibliothek Wien, Cod. 7906, fol. 16v-17r
Inhalt Abkürzungsverzeichnis
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3 Einleitung Die frühneuzeitliche Diplomatie und das Thema Beziehungsnetzwerke aus der Sicht der Historiografie 3 Päpstliche Nuntien und spanische Gesandte am Kaiserhof Rudolfs II. – aktueller Kenntnisstand 13 18 Charakteristik der verwendeten Quellen I I. I. I. I. I. II II.
II.
III III. III. III.. III.. III.. III..
Die päpstliche und die spanische Politik am Kaiserhof. Die Gesandten als Protagonisten makropolitischer Ereignisse 30 Dramatis personae – die päpstlichen Nuntien und die spanischen 30 Gesandten am Kaiserhof Die Anfänge der Zusammenarbeit 57 Die Besetzung der höchsten böhmischen Landesämter im Jahre 69 1599 Die spanische und die päpstliche Politik am Prager Hof in den 95 Zeiten der persönlichen Krise des Kaisers Der Niedergang Rudolfs II. 122 144 Beziehungsnetzwerke „Seiner Heiligkeit und dem katholischen Glauben dienen“ – Merkmale und Wandel des päpstlichen Beziehungsnetzwerks am Kaiserhof 144 Partei, Fraktion oder Beziehungsnetzwerk? Die mitteleuropäischen Klienten des spanischen Königs 167 Klientenstrategien der päpstlichen und spanischen Diplomaten – 189 Räume und Belohnungen 189 Begegnungsorte Belohnungen 217 Finanzielle Bestechung, Pensionen und Geschenke 224 231 Spanische Ritterorden Der Orden vom Goldenen Vlies 238 Benefizien, Ämter und geistliche Gnaden 246
Schlusswort
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Inhalt
Quellen- und Literaturverzeichnis 259 Ungedruckte Quellen 259 264 Gedruckte Quellen 267 Literaturverzeichnis Personenregister
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Über die Autoren
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Abkürzungsverzeichnis AAV ADB AFT AGCS AGS AHN ANM ASFi ASMa ASTo Barb. lat. BAV CODOIN ČČH ČNM E EAAC EACS EAJSF FB FHB HHStA IAP LA LRRA MIÖG NAP NBD OSN ÖStA QFIAB
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https://doi.org/10.1515/9783110616699-001
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RLK SHK Sp-It Sp-S SS ZfHB
Abkürzungsverzeichnis
Roudnická lobkowická knihovna – zámek Nelahozeves Sborník historického kroužku Sbírka přepisů z domácích a zahraničních archivů. Italské a vatikánské archivy Sbírka přepisů z domácích a zahraničních archivů. Simancas Segretaría di Stato Zeitschrift für Historische Forschung
Einleitung 1 Die frühneuzeitliche Diplomatie und das Thema Beziehungsnetzwerke aus der Sicht der Historiografie Die Fragen, mit denen wir uns befassen werden, gehen von den Ergebnissen der historischen Forschung insbesondere der letzten Jahrzehnte aus, in denen sich allmählich neue Formen des Studiums und der Interpretation historischer Quellen durchsetzten. Einen großen Einfluss auf diese Entwicklung hatten insbesondere die Sozialwissenschaften und die Verwendung von Methoden der historischen Anthropologie, durch die sich die Aufmerksamkeit der Historiker von der „abstrakt“ bzw. „faktografisch“ präsentierten Geschichte zur Erforschung des Individuums, seiner Mentalität, seines Platzes in der es umgebenden Gesellschaft, seines Verhaltens und Empfindens seiner Umgebung hinwandte. Zu den neu akzentuierten Forschungsthemen gehört auch das Studium von Beziehungsnetzwerken, die um frühneuzeitliche Diplomaten konzentriert waren. Ihnen wird sich das vorliegende Buch widmen. Die Diplomatiegeschichte stand bereits zu Beginn der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung im Vordergrund des Forschungsinteresses. Insbesondere dank der Pionierarbeit des großen deutschen Historikers Leopold von Ranke Geschichte der romanischen und germanischen Völker von 1494 bis 1514 wurde im 19. Jahrhundert das Studium der staatlichen Außenpolitik ein zentrales Thema der historiografischen Forschung und blieb es mindestens bis zur Mitte des darauffolgenden Jahrhunderts. Historiker aus ganz Europa konzentrierten sich damals vor allem auf die Beschreibung von Friedens- und Kriegskontakten, wobei sie zumeist nicht die Tatsache berücksichtigten, dass die Staaten der Frühen Neuzeit nur schwer den Vorstellungen vom Nationalstaat, wie ihn das 19. Jahrhundert kannte, entsprachen.¹ Die Auffassung vom Staat als einheitlichem Organismus, an dessen Spitze der Herrscher stand, bot nicht viel Raum für die Untersuchung von individuellen Interessen innerhalb eines Landes oder Hofes, geschweige denn, dass man hierbei die Tatsache in Betracht gezogen hätte, dass die Außenpolitik oft mehrere widersprüchliche Gesichter haben konnte. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg be-
Vgl. Hochedlinger, Michael: Die Frühneuzeitforschung und die „Geschichte der internationalen Beziehungen“. Oder: Was ist aus dem „Primat der Außenpolitik“ geworden? In: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung (MIÖG) 106 (1998). S. 167– 179. Zu Leopold von Ranke vgl. Muhlack, Ulrich: Leopold von Ranke. Die großen Mächte. Politisches Gespräch. Frankfurt a. M. – Leipzig 1995. https://doi.org/10.1515/9783110616699-002
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Einleitung
gann man daher die frühneuzeitliche Diplomatie anders als Geschichte der institutionellen Entfaltung diplomatischer Vertretungen bzw. als Geschichte internationaler Verträge zu betrachten. Die stärker werdende Kritik an der Entwicklung von Nationalstaaten führte damals dazu, dass die Historiker ihre Aufmerksamkeit weg von überpersönlichen Komplexen und hin zu konkreten Akteuren wandten, oft zu Diplomaten bzw. Hofleuten, während sie die Außenpolitik des Landes neu als einen Komplex von Interessen verschiedenster Gruppierungen, die sich vor allem bei Hofe und in Ständeversammlungen konzentrierten, darstellten. Die klassische Diplomatiegeschichte der Frühen Neuzeit wurde somit in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch das Studium von „Außenbeziehungen“ ersetzt, das bei der Betrachtung der sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen das Thema in einem breiteren und komplexeren Ansatz analysiert.² Es war sicherlich kein Zufall, dass der neue Ansatz in der Diplomatiegeschichte eng mit der Entwicklung des Studiums der höfischen Gesellschaft zusammenhing. In dieser Hinsicht war das Werk von Geoffrey R. Elton grundlegend. Gerade dieser britische Historiker war einer der ersten, die verstanden haben, dass man die Außenpolitik des frühneuzeitlichen Staates nicht ohne eine detaillierte Analyse des Hofes erforschen kann. Der Hof wurde jedoch bei Elton rein institutionell aufgefasst.³ Von ausgesprochen zentraler Bedeutung für die Geschichte des Hofes und der spezifischen höfischen Kultur war das heute bereits klassische Werk von Norbert Elias Die höfische Gesellschaft. Untersuchungen zur Soziologie des Königtums und der höfischen Aristokratie, in dem die Geschichte der höfischen Gesellschaft behandelt wird.⁴ Auch hier wurden die frühneuzeitlichen Höfe als spezifische und bedeutende Macht- und Kommunikationszentren gezeigt, die ein breites Spektrum an Karrieremöglichkeiten für Angehörige der frühneuzeitlichen Eliten boten. Das Werk regte intensiv den großen Aufmarsch höfischer Studien an, den die europäische und amerikanische Historiografie in den darauffolgenden Jahrzehnten verzeichnete.⁵ Zugleich war es gewissermaßen
Vgl. insbesondere Mattingly, Garret: Renaissance Diplomacy. London 1955; Horn, David B.: The British Diplomatic Service 1689 – 1789. Oxford 1961. Elton, Geoffrey Rudolph: The Tudor Revolution in Government. Cambridge 1953. Elias, Norbert: Die höfische Gesellschaft. Untersuchungen zur Soziologie des Königtums und der höfischen Aristokratie. Darmstadt 1969. Z. B. Asch, Ronald G.: Der Hof Karls I. von England. Politik. Provinz und Patronage 1625 – 1640. Köln – Weimar – Wien 1996; Bauer,Volker: Die höfische Gesellschaft in Deutschland von der Mitte des 17. bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. Versuch einer Typologie. Tübingen 1993; Duindam, Jeroen: Vienna and Versailles: The Courts of Europeʼs Dynastic Rivals, 1550 – 1780. Cambridge 2003; Ehalt, Hubert Christian: Ausdrucksformen absolutistischer Herrschaft. Der Wiener Hof im 17. und 18. Jahrhundert. München 1980; Hengerer, Mark: Kaiserhof und Adel des 17. Jahrhunderts. Eine Kommunikationsgeschichte der Macht in der Vormoderne. Konstanz 2004; Signorotto,
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auch ein Vorbote der neuen Betrachtungsweise der frühneuzeitlichen Diplomatiegeschichte im darauffolgenden Jahrzehnt. Die Tendenz, die Diplomatie als eine zeitlich bedingte Ausprägung der breit aufgefassten Kultur zu sehen, setzte sich bereits Ende der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts mit definitiver Gültigkeit durch. In hohem Maße trugen hierzu die Arbeiten von William J. Roosen und Klaus Müller bei. Roosens Werk The Age of Louis XIV: The Rise of Modern Diplomacy war lange Zeit die einzige moderne Synthese, in der eine Übersicht der europäischen Diplomatie (insbesondere Englands, Frankreichs, Venedigs, der Niederlande) während der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts geboten wurde.⁶ Der zweitgenannte deutsche Historiker, Klaus Müller, versuchte hingegen in seinem Werk Das kaiserliche Gesandtschaftswesen im Jahrhundert nach dem Westfälischen Frieden 1648–1740 ein detailliertes, sozial-historisch verankertes Bild der kaiserlichen Diplomatie zu skizzieren.⁷ Obwohl jeder der beiden Autoren von unterschiedlichen Quellen ausging und die Diplomatiegeschichte in unterschiedlichen geografischen Räumen studierte, war die Herangehensweise ans Thema in vielem übereinstimmend und inspirierte methodologisch viele weitere Historiker und deren Texte.⁸ Besonders in der angelsächsischen Historiografie kam in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts eine neue Forschungsrichtung auf, die sich auf die
Gianvittorio u. Visceglia, Maria Antonietta (Hrsg.): La corte di Roma. Tra cinque et seicento, „Teatro“ della politica europea. Roma 1998. Roosen, William J.: The Age of Louis XIV: The Rise of Modern Diplomacy. Cambridge 1976. Müller, Klaus: Das kaiserliche Gesandtschaftswesen im Jahrhundert nach dem Westfälischen Frieden 1648 – 1740. Bonn 1976. Von den zahlreichen Studien vgl. Russell, Joycelyne G.: Diplomats at Work. Three Renaissance Studies. Stroud 1992; Duchhardt, Heinz: Balance of Power und Pentarchie. Internationale Beziehungen 1700 – 1785. Paderborn 1997; Frigo, Daniela (Hrsg.): Politics and diplomacy in early modern Italy. The structure of diplomatic practice 1450 – 1800. Cambridge 2000; Siegelberg, Jens u. Schlichte, Klaus (Hrsg.): Strukturwandel internationaler Beziehungen. Zum Verhältnis von Staat und internationalem System seit dem Westfälischen Frieden.Wiesbaden 2000; Externbrink, Sven u. Ulbert, Jörg (Hrsg.): Formen internationaler Beziehungen in der Frühen Neuzeit. Frankreich und das Alte Reich im europäischen Staatensystem. Berlin 2006; Koller, Alexander (Hrsg.): Die Außenbeziehungen der römischen Kurie unter Paul V. Borghese (1605 – 1621). Tübingen 2008; Adams, Robyn u. Cox, Rosanna (Hrsg.): Diplomacy and Early Modern Culture. London 2011; Visceglia, Maria Antonietta (Hrsg.): Papato e politica internazionale nella prima età moderna. Roma 2013; Anderson, Matthew Smith: The Rise of the Modern Diplomacy 1450 – 1919. London – New York 2013; Cummins, Stephen u. Kounine, Laura (Hrsg.): Cultures of Conflict Resolution in Early Modern Europe. London – New York 2016; Fedele, Dante: Naissance de la diplomatie moderne (XIIIe-XVIIe siècles): L’ambassadeur au croisement du droit, de l’éthique et de la politique. Baden Baden – Zürich 2017; Kubeš, Jiří [u. a.]: V zastoupení císaře. Česká a moravská aristokracie v habsburské diplomacii 1640 – 1740. Praha 2018.
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Einleitung
Thematik der nichtinstitutionellen politischen Kommunikation konzentrierte. Zentrales Phänomen in diesem Konzept war der Begriff der Macht, der zumeist als die Möglichkeit, aus verschiedenen sozialen Beziehungsformen gewisse strategische Situationen zu schaffen und darin auf Andere einzuwirken, gesehen wurde. Weil die geläufigste Art der in solchen Situationen angewandten sozialen Beziehungen die Patronage und der Klientelismus waren, haben sich einige Historiker dazu entschlossen, vergleichbare Machtstrukturen, die auf persönlichen Beziehungen gründeten, mit dem Terminus „Bastard Feudalism“ zu bezeichnen.⁹ Der Klientelismus bzw. der Fraktionalismus wurden in jener Zeit zu eigenständigen und vollwertigen Kategorien der historischen Forschung.¹⁰ Um das allmähliche Abgehen von der institutionellen Auffassung des Hofes machten sich paradoxerweise zwei einstige Schüler von Geoffrey Elton verdient, unter denen sich David Starkey hervortat. In Starkeys Konzeption war der Hof vor allem ein Ort der Begegnung herrschender Eliten mit den Beherrschten: „The history of the court is the history of those who enjoyed that access.“¹¹ Starkey setzte richtig voraus, dass das frühneuzeitliche politische Handeln, zu dessen Bühne der Hof wurde, viel intensiver von nichtinstitutionellen Klientenbeziehungen Gebrauch machte, als von solchen Beziehungen, die eine institutionelle Grundlage hatten, wodurch er indirekt das Fundament für das Entstehen von Studien legte, die sich gerade dem Klientelismus widmen und die in der europäischen Geschichtswissenschaft in größerem Maße in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts zu erscheinen begannen.¹² Von zentraler Bedeutung für die weitere Forschung in diesem Bereich war jedoch vor allem das Werk von Linda Levy Peck Court, Patronage and Corruption in Early Stuart England, in dem die Autorin die Machtmechanismen am englischen Königshof der Frühen Neuzeit
Vgl. McFarlane, Kenneth Bruce: England in the Fifteenth Century: Collected Essays of K. B. McFarlane. London 1981. S. 27– 64; Bellamy, John G.: Bastard Feudalism and the Law. London 1989; Hicks, Michael: Bastard Feudalism. London 1995. Von den bedeutendsten Arbeiten z. B.: Sharpe, Kevin (Hrsg.): Faction and Parliament. Essays on Early Stuart History. Oxford 1978; Asch, Ronald G. u. Birke, Adolf M. (Hrsg.): Princes, Patronage and the Nobility. The Court at the Beginning of the Modern Age c. 1450 – 1650. Oxford 1991; Shephard, Robert: Court factions in Early Modern England. In: The Journal of Modern History 64 (1992). S. 721– 745. Starkey, David: The English Court from the Wars of the Roses to the Civil War. London – New York 1987. S. 5. In den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts entflammte in der britischen Historiografie eine lebhafte Diskussion zwischen den Anhängern des traditionellen institutionellen Ansatzes bei der Betrachtung des Hofs und zwischen den Anhängern von Starkeys Konzeption. Als Plattform für die Austragung dieser Diskussion diente die Zeitschrift Historical Journal.
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verfolgte.¹³ Gerade dieses Buch war ein ausschlaggebender Impuls für das Studium der Geschichte des politischen Klientelismus in weiteren Ländern Europas, insbesondere in Spanien¹⁴ und in Italien.¹⁵ Dass die Erforschung von Patronage und Klientelismus zum respektablen Bestandteil der historiografischen Forschung der jüngsten Jahre geworden ist, war neben den bereits erwähnten Forschern auch ein Verdienst des bedeutenden deutschen Historikers Wolfgang Reinhard. In seinem Werk Freunde und Kreaturen. „Verflechtung“ als Konzept zur Erforschung historischer Führungsgruppen. Römische Oligarchie um 1600 beschrieb er anhand des spezifischen Beispiels der römischen Oligarchie um 1600 vier grundlegende Arten von Beziehungsnetzwerken, die in der nichtinstitutionellen Kommunikation der Frühen Neuzeit verwendet wurden, nämlich Verwandtschaft, Landsmannschaft, Freundschaft und Patronage.¹⁶ Von allen angeführten Arten haben die Historiker wohl am meisten der Patronage Aufmerksamkeit geschenkt, die sich innerhalb von durch Grenzen definierter Staaten bzw. anderer territorialer Einheiten der Frühen Neuzeit sowie im Bereich der Außenbeziehungen als eines der konstruktiven Elemente der frühneuzeitlichen Gesellschaft erwies. Besonders durch Reinhards Zutun hat sich dann in der Geschichtswissenschaft auch der soziologische Terminus „Bezie Levy Peck, Linda: Court, Patronage and Corruption in Early Stuart England. London 1993. In die spanische Historiografie wurde diese Thematik vor allem von den Historikern von der Universidad Autónoma de Madrid eingeführt. Eine zentrale Rolle spielte dabei vor allem José Martínez Millán. Vgl. insbesondere Martínez Millán, José (Hrsg.): Instituciones y Élites del Poder en la Monarquía Hispana durante el Siglo XVI. Madrid 1992; ders.: La Corte de Felipe II. Madrid 1994. Eine Übersicht über das Vordringen der erwähnten methodologischen Strömungen in die spanische Geschichtsschreibung bieten Vázquez Gestal, Pablo: El espacio del poder. La corte en la historiografía modernista española y europea. Valladolid 2005; Martínez Millán, José: La corte de La Monarquía hispánica. In: Studia historica – Historia moderna 28 (2006). S. 17– 61. Unter den Verfassern, die sich am meisten darum verdient machten, dass solche methodologischen Ausgangspunkte in der italienischen Historiografie Fuß fassten, taten sich hervor Maria Antonietta Visceglia, Renata Ago u. Irene Fosi. Vgl z. B. Visceglia, Maria Antonietta: Burocrazia, mobilità sociale e patronage alla Corte di Roma tra Cinque e Seicento. Alcuni aspetti del recente dibattito storiografico e prospettive di ricerca. In: Roma Moderna e Contemporanea 3 (1995). S. 11– 55; dies.: Fazioni e lotta politica nel Sacro Collegio nella prima metà del Seicento. In: La Corte di Roma tra Cinque e Seicento. „Teatro“ della politica europea. Hrsg. von Gianvittorio Signorotto u. Maria Antonietta Visceglia. Roma 1998. S. 37– 91; Ago, Renata: Carriere e clientele nella Roma barocca. Roma – Bari 1990; Fosi, Irene: All′ombra dei Barberini. Fedeltà e servizio nella Roma barocca. Roma 1997. Zur grundlegenden Typologie der Beziehungsnetzwerke vgl. insbesondere Reinhard, Wolfgang: Freunde und Kreaturen, „Verflechtung“ als Konzept zur Erforschung historischer Führungsgruppen. Römische Oligarchie um 1600. München 1979; ders.: Freunde und Kreaturen. Historische Anthropologie von Patronage – Klientel – Beziehungen. In: Freiburger Universitätsblätter 139 (1998). S. 127– 141.
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Einleitung
hungsnetzwerk“ (bzw. das soziale Netzwerk, social network, vztahová síť) durchgesetzt, der alle möglichen Beziehungen mit einbezieht, die aufgrund der oben erwähnten Interaktionen entstanden sind.¹⁷ Reinhards Konzept der „Mikropolitik“, die auf einem „mehr oder weniger planmäßigen Einsatz eines Netzes […] zu politischen Zwecken, wobei die Besetzung einer Stelle und der Rang ihres Inhabers sehr viel wichtiger ist, als das, was diese Person anschließend treibt“ beruht, ¹⁸ wurde zu einem wichtigen methodologischen Ausgangspunkt für das Studium des frühneuzeitlichen Papsttums und von dessen Außenbeziehungen. Durch das Anwenden dieses Konzepts auf die Beziehungen des Päpstlichen Stuhls zu verschiedenen Ländern und durch die Verfolgung auf Gegenseitigkeit beruhender Beziehungsnetzwerke und der darin integrierten Personen entstanden zahlreiche interessante Arbeiten. Indem man sich systematisch auf das Pontifikat Pauls V. konzentrierte, gelang es, sehr eingehend den Einfluss, das Funktionieren sowie die Struktur dieser Netzwerke einschließlich ihrer internationalen Aspekte während eines genau abgesteckten Zeitraums zu identifizieren.¹⁹ Die oben erwähnten historisch-anthropologischen Themenkreise wurden auch anhand von päpstlichen Diplomaten, vor allem von Nuntien als einer spe-
Aus der unerschöpflichen Menge an Literatur vgl. z. B. Mącząk, Antoni (Hrsg.): Klientelsysteme im Europa der Frühen Neuzeit. München 1988; Mącząk, Antoni: Klientela. Nieformałne systemy władzy w Polsce i Europie XVI–XVIII w. Warszawa 1994; Nolte, Hans Heinrich (Hrsg.): Patronage und Klientel. Ergebnisse einer polnisch-deutschen Konferenz. Köln – Wien 1989; Droste, Heiko: Patronage in der Frühen Neuzeit – Institution und Kulturform. In: Zeitschrift für Historische Forschung (ZfHF) 30 (2003) Heft 4, S. 555 – 590; Brakensiek, Stefan u. Wunder, Heide (Hrsg.): Ergebene Diener ihrer Herren? Herrschaftsvermittlung im alten Europa. Köln –Weimar – Wien 2005; McLean, Paul: The Art of the Network. Strategic Interaction and Patronage in Renaissance Florence. Durham – London 2007; González Cuerva, Rubén u. Koller, Alexander (Hrsg.): A Europe of Courts, a Europe of Factions. Political Groups at Early Modern Centres of Power (1550 – 1700). Leiden – Boston 2017. Reinhard, Wolfgang: Amici e creature. Politische Mikrogeschichte der römischen Kurie im 17. Jahrhundert. In: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken (QFIAB) 76 (1996). S. 312. Mörschel, Tobias: Buona amicitia? Die römisch-savoyischen Beziehungen unter Paul V. (1605 – 1621). Studien zur frühneuzeitlichen Mikropolitik in Italien. Mainz 2002; Wieland, Christian: Fürsten, Freunde, Diplomaten. Die römisch-florentinischen Beziehungen unter Paul V. (1605 – 1621). Köln – Weimar – Wien 2004; Reinhard, Wolfgang (Hrsg.): Römische Mikropolitik unter Papst Paul V. Borghese (1605 – 1621) zwischen Spanien, Neapel, Mailand und Genua. Tübingen 2004; Metzler, Guido: Französische Mikropolitik in Rom unter Paul V. Borghese (1605 – 1621). Heidelberg 2008; Reinhard, Wolfgang: Paul V. Borghese (1605 – 1621). Mikropolitische Papstgeschichte. Stuttgart 2009.
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zifischen Form ständiger Diplomaten, untersucht.²⁰ Diese mussten die Integration sowohl in den „heimischen“ Beziehungsnetzwerken des Kirchenstaates, als auch in den Netzwerken der auswärtigen Höfe, an denen sie agierten, gut meistern.²¹ Grundlegende Werke wurden unlängst vor allem von italienischen bzw. deutschen und österreichischen Historikern verfasst. Ähnlich wie bei anderen Diplomaten wurde auch bei den päpstlichen Nuntien deren Wahrnehmung ihrer Umgebung²² sowie die Funktion und der Wandel des Zeremoniells untersucht.²³ Die Forschung der letzten Jahrzehnte konzentrierte sich nicht nur auf Nuntien als Akteure, die an auswärtigen Höfen im Auftrag und im Interesse einzelner Päpste Aufgaben erfüllten, sondern versuchte sie ebenfalls als Einzelpersonen zu präsentieren, die auch rein persönliche Eigeninteressen bzw. Interessen anderer
Inspirative methodische Anregungen zur Anwendung der historischen Anthropologie auf päpstliche Diplomaten und ihre Korrespondenz in der Frühen Neuzeit bieten folgende Werke: Reinhard, Wolfgang: Makropolitik und Mikropolitik in den Außenbeziehungen Roms. In: Die Außenbeziehungen der römischen Kurie unter Paul V. Borghese (1605 – 1621). Hrsg. von Alexander Koller. Tübingen 2008. S. 67– 80; Reinhard, Wolfgang: Historische Anthropologie frühneuzeitlicher Diplomatie: Ein Versuch über Nuntiaturberichte 1592– 1622. In: Wahrnehmungen des Fremden. Differenzerfahrungen von Diplomaten im 16. und 17. Jahrhundert. Hrsg. von Michael Rohrschneider u. Arno Strohmeyer. Münster 2007. S. 53 – 72. Liggenstorfer, Roger: Netzwerke, Strategien und Risiken der Nuntien – das Beispiel Domenico Passionei. In: Die Kreise der Nepoten. Neue Forschungen zu alten und neuen Eliten Roms in der Frühen Neuzeit. Hrsg. von Daniel Büchel u. Volker Reinhardt. Bern 2001. S. 43. Eine interessante Studie hierzu ist ebenfalls: Filipazzi, Antonio: Sul rapporto fra Carlo Borromeo e gli ecclesiastici della diplomazia pontificia: il caso di Giovanni Francesco Bonomi. In: Diplomatie im Dienst der Seelsorge. Festschrift zum 75. Geburtstag von Nuntius Erzbischof Donato Squicciarini. Hrsg. von Egon Kappelari u. Herbert Schambeck. Wien – Köln – Graz 2002. S. 444– 465. Braun, Guido: Imagines Imperii. Die Wahrnehmung des Reiches und der Deutschen durch die römische Kurie im Reformationsjahrhundert (1523 – 1585). Münster 2014; Reinhardt, Volker: Nuntien und Nationalcharakter. Prolegomena zu einer Geschichte nationaler Wahrnehmungsstereotypen am Beispiel der Schweiz. In: Kurie und Politik. Stand und Perspektive der Nuntiaturberichtsforschung. Hrsg. von Alexander Koller. Tübingen 1998. S. 285 – 300; Samerski, Stefan: Römische Ordnung und kirchenrechtliches Chaos in Deutschland: Attilio Amalteo als Nuntius in Köln (1606 – 1610). In: Wahrnehmungen des Fremden. Differenzerfahrungen von Diplomaten im 16. und 17. Jahrhundert. Hrsg. von Michael Rohrschneider u. Arno Strohmeyer. Münster 2007. S. 73 – 90. Andretta, Stefano: Cerimoniale e diplomazia pontificia nel XVII secolo. In: Cérémonial et rituel à Roma. Réunies par Maria Antonietta Visceglia u. Catherine Brice. Rome 1997. S. 201– 222; Garms-Cornides, Elisabeth: „Per sostenere il decoro“. Beobachtungen zum Zeremoniell des päpstlichen Nuntius in Wien im Spannungsfeld von Diplomatie und Liturgie. In: Diplomatisches Zeremoniell in Europa und im Mittleren Osten in der Frühen Neuzeit. Hrsg.von Ralph Kautz [u. a.]. Wien 2009. S. 97– 129; Černušák, Tomáš: Forme e conflitti dei cerimoniali come comunicazione simbolica nella corrispondenza del nunzio apostolico a Praga Antonio Caetani (1607– 1611). In: Bollettino dell’Istituto Storico Ceco di Roma 10 (2016). S. 33 – 50.
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Einleitung
Personen, Fraktionen und Entitäten verfolgten. Am häufigsten handelte es sich dabei um ihre Verwandten, Landesgenossen oder Angehörige päpstlicher oder auch eigener klientelistischer Netzwerke. Die Nuntien mussten somit auch private, sehr variierte,²⁴ oft einander widersprechende Rollen und Aufgaben erfüllen.²⁵ Die erwähnten Themen wurden bislang nur in Teilstudien oder in Teilen von Monografien behandelt, jedoch zeigt es sich in deren Lichte, dass sich die Nuntien, trotz ihrer abweichenden diplomatischen Position, die durch die Sonderstellung des Papstes als absolutistischer Herrscher und Oberhaupt der katholischen Kirche gegeben war, in den erwähnten Kommunikations-, Beziehungs-, Handlungs- und Denkmodellen nicht allzu sehr von ihren „weltlichen“ Kollegen unterschieden. Die Geschichtswissenschaft der letzten Jahrzehnte widmete sich nur begrenzt den Fragen, wie die Beziehungsnetzwerke einzelner Nuntien an jenen Höfen, wo sie tätig waren, entstanden und funktionierten. Sehr kurz wird dieses Thema in der Monografie von Tobias Mörschel angerissen, die sich mit dem Verhältnis zwischen dem Kirchenstaat und Savoyen während des Pontifikats Pauls V. befasst.²⁶ Etwas detaillierter wurde von Urban Fink das Netzwerk externer Mitarbeiter der Nuntiatur in Luzern analysiert. Er identifizierte hier die Beziehungen des päpstlichen Diplomaten zu den Angehörigen des örtlichen Diözesan- und
Visceglia, Maria Antonietta: „Non si ha da equipare lʼutile quando vi fosse lʼhonore“. Scelte economiche e reputazione: intorno alla vendita dello stato feudale dei Caetani (1627). In: La nobiltà romana in età moderna. Profili istituzionali e pratiche sociali. Hrsg. von Maria Antonietta Visceglia. Roma 2001. S. 203 – 223; Zingerle, Elisabeth: Graz – Florenz. Der Grazer Nuntius als Informant für den Großherzog der Toskana. In: Le corti come luogo di comunicazione. Gli Asburgo e lʼItalia (secoli XVI–XIX) / Höfe als Orte der Kommunikation. Die Habsburger und Italien (16. bis 19. Jahrhundert). Hrsg. von Marco Bellabarba u. Jan Paul Niederkorn. Bologna – Berlin 2010. S. 61– 74; Belardini, Manuela: Alberto Bolognetti, nunzio di Gregorio XIII. Riflessioni e spunti di ricerca sulla diplomazia pontificia in età post-tridentina. In: Ambasciatori e nunzi. Figure della diplomazia in età moderna. Hrsg. von Daniela Frigo. Roma 1999 (Quaderni di Cheiron 30). S. 171– 200; Reinhard, Makropolitik und Mikropolitik (wie Anm. 20), S. 72– 78; Černušák, Tomáš: Služba papeži versus služba vlastní rodině: příklad pražského nuncia Antonia Caetaniho. In: Folia Historica Bohemica (FHB) 32/1 (2017). S. 129 – 141; Periati, Paolo: The Pope, the King and the Family. Triple loyalty and diplomatic negotiations of the Apostolic Nuncio Antonio Caetani at the Court of Madrid (1611– 1618). In: Librosdelacorte.es 12, Jahrgang 8, primavera-verano (2016). S. 7– 24. Thiessen, Hillard von: Korrupte Gesandte? Konkurrierende Normen in der Diplomatie der Frühen Neuzeit. In: Korruption. Historische Annäherungen an eine Grundfigur politischer Kommunikation. Hrsg. von Niels Grüne u. Simona Slanicka. Göttingen 2010. S. 205 – 220; ders.: Diplomatie und Patronage. Die spanisch-römischen Beziehungen 1605 – 1621 in akteurszentrierter Perspektive. Epfendorf/Neckar 2010. S. 172– 177. Mörschel, Buona amicitia (wie Anm. 19), S. 69 – 70.
1 Die frühneuzeitliche Diplomatie und das Thema Beziehungsnetzwerke
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Ordensklerus sowie zu den Mitgliedern voranstehender katholischer Familien als wichtig.²⁷ Für den Zeitraum der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts derselben Nuntiatur stellte Roger Liggenstorfer Modelle der Netzwerkbeziehungen von Domenico Passionei dar, die er in Beziehungen zur römischen Kurie und ihren Ämtern und ferner in Beziehungen im Wirkungsbereich der Nuntiatur einteilte, die auch solche Beziehungen beinhalteten, die Eigeninteressen betrafen.²⁸ Der Umkreis von Personen am spanischen königlichen Hof, auf die in den Jahren 1611– 1618 der päpstlichen Nuntius Antonio Caetani zur Unterstützung der päpstlichen Interessen zurückgriff sowie die Art der Kommunikation mit ihnen, wurden vom italienischen Forscher Paolo Periati analysiert.²⁹ Eine komplexe bzw. komparative Herangehensweise an diese Thematik und eine Analyse der Struktur von Beziehungsnetzwerken einer bedeutenden Nuntiatur der Frühen Neuzeit ist aber bislang ein Desiderat der Geschichtswissenschaft. Die Diplomaten im Dienst des katholischen Königs erfreuten sich in den letzten Jahren ebenfalls eines bedeutenden Interesses von Historikern. Ein grundlegendes Werk, das die Entwicklung der spanischen Diplomatie ab dem Mittelalter bis zur französischen Revolution erfasst, ist die zwölfbändige Publikation von Miguel-Ángel Ochoa Brun.³⁰ Obwohl seine umfangreiche Synthese zahlreiche wertvolle Informationen anführt, konnte sie angesichts des gewählten Ansatzes nicht mehr als eine bloße Skizzierung grundlegender Fragen und Themen sein. Einzelne diplomatische Missionen wurden detaillierter in Werken weiterer spanischer und ausländischer Verfasser aufgearbeitet, wobei man logischerweise primär die Aufmerksamkeit Ambassadeuren an großen europäischen Höfen in Paris, London, Rom, Wien und Prag widmete.³¹ Einen bedeutenden Platz
Fink, Urban: Die Luzerner Nuntiatur 1586 – 1873. Zur Behördengeschichte und Quellenkunde der päpstlichen Diplomatie in der Schweiz. Luzern – Stuttgart 1997. S. 136 – 144. Liggenstorfer, Netzwerke (wie Anm. 21), S. 43 – 60. Periati, Paolo: Approcio, metodi e canali di reperimento delle informazioni del nunzio Antonio Caetani alla corte di Filippo III – Appunti sul caso della spia Giulio Cesare Santamaura. In: Un mar de noticias. Comunicación, redes de información y espías en el Mediterráneo (ss. XVI– XVIII). Hrsg. von Álvaro Casillas Pérez. Madrid 2017. S. 16 – 29; ders.: Behind the negotiations: Nuncio Antonio Caetani’s experience at the court of Madrid (1611– 1618). In: Theatrum historiae (TH) 23 (2018). S. 75 – 96. Ochoa Brun, Miguel-Ángel: Historia de la diplomacia española. Bde. I–XII. Madrid 1990 – 2017; ders.: Embajadores y embajadas en la Historia de España. Madrid 2002. Zur spanischen Politik im untersuchten Zeitraum vgl. insbesondere Martínez Millán, José (Hrsg.): Felipe II (1527– 1598): Europa y la monarquía católica. Bde. I–IV. Madrid 1998; García García, Bernardo José: La pax hispánica: Política exterior del Duque de Lerma. Leuven 1996; Martínez Millán, José u. Visceglia, Maria Antonietta (Hrsg.): La monarquía de Felipe III. Bd. IV. Madrid 2008. Mit der Tätigkeit spanischer Gesandter an ausländischen Höfen befassten sich u. a.
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in der Erforschung der frühneuzeitlichen spanischen Diplomatie nehmen Arbeiten ein, in denen sich ihre Verfasser mit dem Prozess der Konstituierung der Beziehungsnetzwerke an ausländischen Höfen befassen. Sehr reichhaltig ist diesbezüglich insbesondere die Literatur zur Durchsetzung des spanischen Einflusses in Italien.³² In die mitteleuropäische Historiografie wurde das Thema in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts vom österreichischen Historiker Friedrich Edelmayer eingeführt,³³ dessen Werke eine methodologische Stütze für Studien weiterer Verfasser wurden.³⁴
Hugon, Alain: Au service du Roi catholique. „Honorables ambassadeurs“ et „divins espions“. Représentation diplomatique et service secret dans les relations hispano-françaises de 1598 à 1635. Madrid 2004; ders.: Las relaciones con Francia. In: La monarquía de Felipe III. Hrsg. von José Martínez Millán u. Maria Antonietta Visceglia. Bd. IV. Madrid 2008. S. 1408 – 1446;Visceglia, Maria Antonietta (Hrsg.): Diplomazia e politica della Spagna a Roma. Figure di ambasciatori. Roma 2008; dies.: Roma papale e Spagna. Diplomatici, nobili e religiosi tra due corti. Roma 2010. Die Literatur zu Gesandtenmissionen am Kaiserhof wird weiter unten präsentiert. Aus der unerschöpflichen Menge an Literatur vgl. zumindest Spagnoletti, Angelantonio: Principi italiani e Spagna nell′età barocca. Milano 1996; Visceglia, Roma papale (wie Anm. 31); Herrero Sánchez, Manuel [u. a.] (Hrsg.): Génova y la monarquía hispánica (1528 – 1713) Bde. I–II. Genova 2011; Bravo Lozano, Cristina u. Quirós Rosado, Roberto (Hrsg.): En tierra de confluencias. Italia y la Monarquía de España Siglos XVI–XVIII. Valencia 2013. Edelmayer, Friedrich: Das soziale Netzwerk der kaiserlichen Gesandten am Hof Philipps II. In: Die Epoche Philipps II. (1556 – 1598) / La época de Felipe II (1556 – 1598). Hrsg. von Friedrich Edelmayer. Wien – München 1999 (Hispania – Austria 2). S. 89 – 107; ders.: Söldner und Pensionäre. Das Netzwerk Philipps II. im Heiligen Römischen Reich. Wien – München 2002. Vgl. insbesondere die Arbeiten von Historikern der jüngeren und mittleren Generation – Marek, Pavel: La embajada española en la corte imperial 1558 – 1641. Figuras de los embajadores y estrategias clientelares. Praha 2013; ders.: La red clientelar en Praga. In: La monarquía de Felipe III. Hrsg. von José Martínez Millán u. Maria Antonietta Visceglia. Bd. IV (Los Reinos). Madrid 2008. S. 1349 – 1373; Tercero Casado, Luis: Infelix Austria: Relaciones entre Madrid y Viena desde la Paz de Westfalia hasta la Paz de los Pirineos (1648 – 1659). Dissertation. Wien 2017; ders.: A Fluctuating Ascendancy: The „Spanish Party“ at the Imperial Court of Vienna (1631– 1659). In: Los secretos mecanismos de las cortes. Facciones en la Europa Moderna. Hrsg. von Rubén González Cuerva u.Valentina Caldari. Librosdelacorte.es. Monográfico 2, Jahrgang 7 (2015). S. 39 – 53; Martí, Tibor: Datos sobre las relaciones entre la nobleza hispana y los estados húngaros en la época de la Guerra de los Treinta Años. In: Nobleza hispana, nobleza cristiana: la Orden de San Juan. Actas del congreso internacional Alcázar de San Juan, 1– 4 de octubre de 2008. Hrsg. von Manuel Rivero Rodríguez. Madrid 2009. S. 473 – 526; Urjasz-Raczko, Matylda: Rzeczpospolita wyobrażona dyplomacji Filipa II. Studium spotkania kultur politycznych. Dissertation. Warszawa 2016.
2 Päpstliche Nuntien und spanische Gesandte am Kaiserhof
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2 Päpstliche Nuntien und spanische Gesandte am Kaiserhof Rudolfs II. – aktueller Kenntnisstand Ein interessantes Feld für die Erforschung der Position, der Kommunikation und der Beziehungsnetzwerke von päpstlichen Nuntien und spanischen Gesandten ist zweifellos der Kaiserhof Rudolfs II. (1576 – 1612) während seiner Zeit der Residenz in Prag, die – mit einer kurzen Unterbrechung – von 1578 bis zum Tod des Herrschers dauerte. Der Charakter dieses Hofes wurde auf wesentliche Weise vom Kaiser selbst geprägt, der in der traditionellen Geschichtsschreibung üblicherweise als sehr komplizierte Persönlichkeit präsentiert wird, und dessen Herrschaft durch eine inkonsistente Innen- und Außenpolitik gekennzeichnet war.³⁵ Neben dem politischen Stil Rudolfs II. waren es jedoch auch viele weitere Aspekte seiner Herrschaftszeit, insbesondere künstlerischer und konfessioneller Art, die die Aufmerksamkeit von Wissenschaftlern verschiedener Länder und Fachbereiche auf sich zogen.³⁶ Es hat sich gezeigt, dass ein wichtiges Thema für die Erforschung des Wandels der konfessionellen Situation während der Herrschaftszeit Rudolfs II. und des Kampfes zwischen dem Katholizismus und evangelischen christlichen Strömungen in den böhmischen Ländern sowie im Heiligen Römischen Reich die päpstliche Nuntiatur am Kaiserhof ist. Ihrer Bedeutung im Zusammenhang mit den gegenreformatorischen Phänomenen waren sich auch die tschechischen Historiker bewusst. Als erste waren dies die Verfasser des (unvollendeten) Editionsvorhabens Sněmy české, die an der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert den Zeitraum Anfang des 17. Jahrhunderts auch unter Verwendung der Berichte von päpstlichen Nuntien aufarbeiteten.³⁷ Als 1923 in Rom das Tschechoslowakische Historische Institut (Československý historický ústav) entstand und nach Absprache mit weiteren Instituten in Rom die Herausgabe von Editionen der Kor-
Von den grundlegenden Werken vgl. Gindely, Anton: Rudolf II. und seine Zeit. 1600−1612. Bde. I−II. Prag 1863−1865; Novák, Jan Bedřich: Rudolf II. a jeho pád. Praha 1935; Evans, Robert J. W.: Rudolf II and His World. A Study in Intellectual History 1576−1612. Oxford 1973; Vocelka, Karl: Die politische Propaganda Kaiser Rudolfs II. Wien 1981; Janáček, Josef: Rudolf II. a jeho doba. Praha 1987. Fučíková, Eliška (Hrsg.): Prag um 1600: Beiträ ge zur Kunst und Kultur am Hofe Rudolfs II. Essen – Wien 1988; Hausenblasová, Jaroslava u. Šroněk, Michal: Urbs aurea. Praha císaře Rudolfa II. Praha 1997; Konečný, Lubomír [u. a.]: Rudolf II, Prague and the World. Papers from the international Conference. Prague 1998; Purš, Ivo u. Karpenko, Vladimír (Hrsg.): Alchymie a Rudolf II. Hledání tajemství přírody ve střední Evropě v 16. a 17. století. Praha 2011; Hausenblasová, Jaroslava [u. a.] (Hrsg.): Religion und Politik im frühneuzeitlichen Böhmen. Der Majestätsbrief Kaiser Rudolfs II. von 1609. Stuttgart 2014. Vgl. insbesondere Sněmy české. Bde. X–XI. Praha 1900 – 1910.
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respondenz der Nuntien am Kaiserhof für den Zeitraum 1592– 1628 in seine Zuständigkeit übernahm,³⁸ verlieh dieses Projekt in der Zwischenkriegszeit auch Impulse für die Erforschung der politischen und religiösen Rolle der Nuntiatur am Kaiserhof, insbesondere unter Berücksichtigung ihrer langzeitigen Übersiedlung nach Prag. Diese hatte nämlich zur Folge, dass ein eindeutiges Programm der Rekatholisierung formuliert wurde, welches mehr oder weniger erfolgreich durch die einzelnen päpstlichen Diplomaten umgesetzt wurde. Die ausdauernde und systematische Tätigkeit der Nuntien wurde von den Historikern zu Recht als einer der grundlegenden Schritte der Rekatholisierungsbestrebungen in den böhmischen Ländern jener Zeit gewertet, dessen Ergebnis eine Reihe von normativen und personellen Maßnahmen kirchenreformerischer sowie gegenreformatorischer Art war.³⁹ In den letzten Jahrzehnten wird dieses Thema im Zusammenhang mit der Editionstätigkeit österreichischer, deutscher und tschechischer Historiker auf eine neue Art und Weise verfolgt, man konzentriert sich nicht nur auf Politikbzw. Religionsgeschichte, sondern erforscht auch die Tätigkeit der Nuntien unter dem Aspekt der historischen Anthropologie.⁴⁰ Die Thematik von Personen, die Ende des 16. Jahrhunderts wichtige Stützen für die Nuntien am Kaiserhof waren,
In der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, in dem das Institut aufgelöst wurde, gelang es nur einen kleinen Teil dieser Aufgabe zu erfüllen. Jüngst zu den Ergebnissen des Tschechoslowakischen Historischen Instituts im Zusammenhang mit den Editionen der Nuntiaturkorrespondenz vgl. Černušák, Tomáš: Edice nunciaturních zpráv a česká účast na jejich zpracování. In: Ad fontes. Český historický ústav v Římě (1994– 2014) v kontextu českého bádání v Itálii a Vatikánu v 19.– 21. století. Hrsg. von Jaroslav Pánek [u. a.]. Praha 2014. S. 73 – 80. Novák, Johann Friedrich: Über die Bedeutung der Nuntiaturberichte für „Die böhmischen Landtagsverhandlungen“. In: Mitteilungen aus dem Landesarchive des Königreichs Böhmen 1 (1906). S. 75 – 116; Stloukal, Karel: Počátky nunciatury v Praze. Bonhomini v Čechách v l. 1581– 1584. In: Český časopis historický (ČČH) 34 (1928). S. 1– 24, 237– 279; Matoušek, Josef: Kurie a boj o konsistoř pod obojí za administrátora Rezka. In: ČČH 37 (1931). S. 16 – 41, 252– 292; Stloukal, Karel: Papežská politika a císařský dvůr český na předělu XVI. a XVII. věku. Praha 1925; Borovička, Josef: Pád Želinského. Obsazení zemských úřadů v Čechách v letech 1597– 1599. In: ČČH 28 (1922). S. 277– 304. Zu den zahlreichen Studien zählen: Niederkorn, Jan Paul: Papst, Kaiser und Reich während der letzten Regierungsjahre Kaiser Rudolfs II. (1605 – 1612). In: Die Außenbeziehungen der römischen Kurie unter Paul V. Borghese (1605 – 1621). Hrsg. von Alexander Koller. Tübingen 2008. S. 83 – 99; Pazderová, Alena: La Boemia multiconfessionale e la nunziatura di Cesare Speciano a Praga. In: Kaiserhof – Papsthof (16.–18. Jahrhundert). Hrsg. von Richard Bösel [u. a.]. Wien 2006. S. 25 – 32; Černušák, Tomáš: La nunziatura apostolica presso la Corte imperiale nei primi anni del regno di Rodolfo II e le Terre ceche. In: Bollettino dell′Istituto Storico Ceco di Roma 9 (2014). S. 41– 59; ders.: Die Papstpolitik und die Entwicklung des Bruderzwistes in der Korrespondenz des Nuntius Antonio Caetani. In: Ein Bruderzwist im Hause Habsburg (1608 – 1611). Hrsg. von Václav Bůžek. České Budějovice 2010 (Opera historica 14). S. 211– 224; Černušák, Tomáš [u. a.]: The Papacy and the Czech Lands. A History of Mutual Relations. Rome – Prague 2016. S. 164– 179.
2 Päpstliche Nuntien und spanische Gesandte am Kaiserhof
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streifte der bedeutende deutsche Forscher auf dem Gebiet der päpstlichen Diplomatie der Frühen Neuzeit, Alexander Koller, in seiner Monografie Imperator und Pontifex. Forschungen zum Verhältnis von Kaiserhof und römischer Kurie im Zeitalter der Konfessionalisierung (1555–1648), in der er die grundlegenden Ergebnisse seiner langjährigen Forschungstätigkeit zusammenfasste, die mit der Editionsreihe der Nuntiaturberichte aus Deutschland verbunden war.⁴¹ Von den tschechischen Wissenschaftlern behandelte das Thema der Beziehungsnetzwerke, welche die Nuntien umgaben, zuletzt Alena Pazderová im Zusammenhang mit Umfeld und Zielen der Nuntiatur von Cesare Speciano in den Jahren 1592– 1594.⁴² Die laufende Forschung zeigt anhand von stets neuen Beispielen und unter verschiedenen Aspekten die Prager Nuntiatur während der Herrschaftszeit Rudolfs II. als ein wichtiges Einflusszentrum, obgleich seine Verhandlungsgrenzen durch die Fähigkeiten der einzelnen päpstlichen Diplomaten, durch die politische bzw. konfessionelle Situation im Heiligen Römischen Reich sowie durch die wechselnden Standpunkte des Herrschers selbst geprägt waren. Bei der Durchsetzung der konfessionellen und politischen Vorhaben des Heiligen Stuhls stützten sich die päpstlichen Nuntien am Kaiserhof Rudolfs II. häufig auf die Zusammenarbeit mit den spanischen Gesandten. Obwohl durch die Abdankung Karls V. in Brüssel 1556 das habsburgische Imperium zwischen seinem Sohn Philipp II. und dessen Bruder Ferdinand I. aufgeteilt worden war, sollte zwischen der spanischen und der österreichischen Linie des Hauses Habsburg ein gewisses Einvernehmen in außenpolitischen Fragen gelten. Dies wurde auch dadurch verstärkt, dass die österreichischen Habsburger angesichts der wirtschaftlichen und machtpolitischen Überlegenheit Spaniens gezwungen waren, den Interessen ihrer Verwandten auf der iberischen Halbinsel entgegenzukommen. Philipp II. beanspruchte nach seiner Thronbesteigung, ähnlich wie sein Vater, die führende Rolle im ganzen Hause und versuchte, die Politik der mitteleuropäischen Habsburgermonarchie zu beeinflussen. Aus diesem Grunde wurde bereits 1558 die Institution der ständigen spanischen Botschaft am Kaiserhof eingerichtet. Die Aufgabe, die die spanischen Gesandten erfüllen sollten, blieb zumindest bis Mitte des 17. Jahrhunderts unverändert. Ihre Anwesenheit in Wien und Prag sollte vor allem die Repräsentanten der österreichischen Linie des
Koller, Alexander: Imperator und Pontifex. Forschungen zum Verhältnis von Kaiserhof und römischer Kurie im Zeitalter der Konfessionalisierung (1555 – 1648). Münster 2012. S. 48 – 60, 82– 83. Pazderová, Alena: Zázemí Specianovy nunciatury u císařského dvora v Praze v letech 1592– 1594. In: Paginae historiae 23/1 (2015). S. 7– 54.
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Hauses Habsburg davon überzeugen, die Großmachtpolitik des spanischen Imperiums so entschlossen wie möglich zu unterstützen.⁴³ Die spanischen Gesandten sollten auch Religionsangelegenheiten große Aufmerksamkeit widmen. Philipp II. und seine Nachfolger waren stolz auf ihren Ruf als verlässliche Beschützer der katholischen Kirche. Ihre Diplomaten sollten ihnen dabei behilflich sein, dieses Bild zu prägen. Der Gesandte des katholischen Königs wurde daher am Kaiserhof als einer der bedeutendsten Ratgeber in Glaubenssachen angesehen. Katholiken aus ganz Mitteleuropa wandten sich an ihn mit ihren Bitten und Beschwerden. Der spanische Gesandte sollte sich Kraft seiner Autorität dafür einsetzen, dass keine Entscheidung gefällt wird, die im Widerspruch zu den Interessen der römischen Kirche wäre. In den Weisungen, die die Gesandten üblicherweise vor ihrer Reise nach Mitteleuropa erhielten, wurden sie in der Regel dazu aufgefordert, in diesen Angelegenheiten im Einklang mit dem päpstlichen Nuntius vorzugehen und ihm in allem behilflich zu sein.⁴⁴ Der politische Einfluss, den die spanischen Diplomaten am Wiener und später am Prager Hof erlangten, hing insbesondere von der Unterstützung ab, die ihnen die Hofleute des Kaisers gewährten. Eine der Hauptaufgaben ihrer Mission bestand daher darin, eine umfangreiche Gruppe von Vertrauten zu schaffen und aufrechtzuerhalten.⁴⁵ Der Gesandte des katholischen Königs kam mittels dieser
Auf die Bedeutung der spanischen Botschaft am Kaiserhof wurde in zahlreichen Publikationen hingewiesen. Vgl. z. B. Lasso de la Vega y López de Tejada, Miguel: La embajada en Alemania del Conde de Oñate y la elección de Fernando II Rey de Romanos (1616 – 1620). Madrid 1929; Chudoba, Bohdan: Španělé na Bílé hoře. Tři kapitoly z evropských politických dějin. Praha 1945; ders.: Spain and the Empire 1519 – 1652. Chicago 1952; Ernst, Hildegard: Madrid und Wien 1632– 1637. Politik und Finanzen in den Beziehungen zwischen Philipp IV. und Ferdinand II. Münster 1991; González Cuerva, Rubén: Baltasar de Zúñiga. Una encrucijada de la Monarquía Hispana (1599 – 1622). Madrid 2012; Nagel, Ulrich: Zwischen Dynastie und Staatsräson. Die habsburgischen Botschafter in Wien und Madrid am Beginn des Dreißigjährigen Krieges. Göttingen 2018. Eine komplexe Betrachtung dessen, wie die spanische Botschaft im untersuchten Zeitraum funktionierte, bietet vor allem Marek, La embajada (wie Anm. 34). Auf die Zusammenarbeit zwischen den Gesandten Spaniens und des Kirchenstaats wird neben den oben angeführten Studien ebenfalls hingewiesen in z. B.: Marek, Pavel: La diplomacia española y la papal en la corte imperial de Fernando II. In: Studia historica. Historia moderna 30 (2008). S. 109 – 143; Koller, Alexander: La facción española y los nuncios en la corte de Maximiliano II y de Rodolfo II. María de Austria y la confesionalización católica del Imperio. In: La dinastía de los Austrias. Las relaciones entre la Monarquía Católica y el Imperio. Hrsg. von José Martínez Millán u. Rubén González Cuerva. Bd. I. Madrid 2011. S. 109 – 125. Als 1622 Antonio de Tordesillas anlässlich des Begräbnisses des ehemaligen spanischen Gesandten Baltasar de Zúñiga eine Laudatio verfasste, vergaß er nicht zu erwähnen, dass der Verstorbene deutlich zur Erweiterung der Reihen der Anhänger des spanischen Königs in der mitteleuropäischen Habsburgermonarchie beigetragen hatte. – Antonio de Herrera y Tordesillas,
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Personen an wichtige Informationen über die Vorhaben und Entscheidungen des Kaisers. Seine Kontakte zu den Geheimräten, höfischen Würdenträgern, den obersten Landesbeamten sowie weiteren Personen boten ihm zugleich die Möglichkeit, ins Geschehen am Hof sowie in der ganzen Habsburgermonarchie einzugreifen.⁴⁶ Obwohl in der heutigen Geschichtswissenschaft die päpstliche Nuntiatur und auch die spanische Gesandtschaft am Prager Hof an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert als bedeutende Machtzentren gesehen werden, blieben zahlreiche Aspekte ihres Funktionierens von den Forschern bislang unbeachtet. Eine große Unbekannte ist die Art und Weise, wie beide diplomatischen Vertretungen ihren Einfluss zur Geltung brachten. Dabei handelt es sich hierbei um eine geradezu zentrale Frage. Denn die Möglichkeiten eines direkten Kontakts der Diplomaten mit dem Herrscher waren sehr beschränkt, und die Vertreter beider Mächte mussten sich in einem Milieu bewegen, das sich sprachlich, kulturell und insbesondere religiös deutlich von jenem Umfeld unterschied, dem sie entstammten und das sie vertraten. Ein wichtiges Mittel, das für die Klärung und Interpretation dieser Frage herangezogen werden kann, sind Beziehungsnetzwerke. Diese definieren wir als Gruppierungen von Personen, die mit einzelnen Diplomaten mittels eines breiten Spektrums der von ihnen gelenkten, jedoch nicht determinierten, sozialen Interaktionen verknüpft waren, wobei das Funktionieren und Entstehen dieser Gruppierungen systematisch und einer gewissen Strategie folgend verlief.⁴⁷ Das vorliegende Werk soll nicht nur nähere Kenntnisse zu jenen Beziehungsnetzwerken bieten, die am Kaiserhof tätige spanische Gesandte und päpstliche Nuntien um sich konzentrierten, sondern auch enthüllen, wie diese Netzwerke entstanden, wie sie zur Lösung konkreter politischer und religiöser Fragen genutzt wurden, und aus welchen Gründen sie sich transformierten. Im Vordergrund unseres Interesses werden daher nicht nur die Diplomaten selbst stehen, welche verschiedenste Strategien nutzten, um sich die Unterstützung aus den Reihen der Hofleute und des Adels zu sichern, sondern auch deren Klienten, insbesondere Inhaber von hohen Landesämtern und höfische Würdenträger. Diesbezüglich werden wir uns insbesondere für ihre Motivation interessieren, die sie dazu führte, dem spanischen König bzw. dem Papst zu dienen. Da im untersuchten Zeitraum sowohl der Kirchenstaat als auch die spanische Monarchie ihr
Elogio de Baltasar de Zúñiga, Com[endad]or M[ay]or de León, del Consejo de Estado y presidente del Supremo de Italia, RAH, Col. Salazar y Castro, M-26, fols. 108v–109v. Marek, La red (wie Anm. 34), S. 1349 – 1373. Zur Definition des Beziehungsnetzwerks vgl. McLean, The Art (wie Anm. 17), S. 1– 16; Reinhard, Freunde und Kreaturen (wie Anm. 16), S. 19 – 41; Reinhard, Amici (wie Anm. 18), S. 312; Reinhard, Paul V. Borghese (wie Anm. 19), S. 8 – 9.
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Interesse bekundeten, in konfessionell-politischen Fragen gemeinsam vorzugehen, werden wir versuchen, an konkreten historischen Ereignissen und Phänomenen nachzuverfolgen, inwieweit sich diese Zusammenarbeit im Funktionieren der Beziehungsnetzwerke, von denen die Gesandten am Kaiserhof umgeben waren, widerspiegelte. Gerade der Prager Hof Rudolfs II. bildet für diesen Zweck dank einer gut überlieferten Quellenbasis und zahlreicher Quelleneditionen einen idealen und gut abgrenzbaren Forschungsbereich.
3 Charakteristik der verwendeten Quellen Nachdem sich im italienischen geografischen Raum an der Schwelle zur Frühen Neuzeit ein neuer Typus der Diplomatie herausgebildet hatte, wurden der europäische Kontinent und seine Herrscherhöfe durch ein Netzwerk ständiger diplomatischer Vertretungen überzogen, deren Hauptaufgabe die langfristige und systematische Mitteilung von Informationen war. Etwas Wichtiges im Voraus oder früher als die Anderen zu wissen, bedeutete einen wesentlichen Vorteil für die politische Entscheidungsfindung, für die Verteidigung, die effiziente Führung eines modernen Staates und die Steuerung seiner Außenbeziehungen.⁴⁸ Zusammen mit der Entstehung diplomatischer Ämter blühte daher auch ein neues Phänomen auf – die diplomatische Korrespondenz. Als diplomatische Korrespondenz werden allgemein sämtliche schriftlichen Kontakte, die es zwischen einem Diplomaten bzw. einem anderen Vertreter eines konkreten Staates und der Regierung jenes Staates oder der für dessen Außenpolitik zuständigen Person oder Institution gab, bezeichnet. Es handelt sich also um Nachrichten, die die Diplomaten versandten bzw. um Weisungen, die sie empfingen, wobei ein Teil dieser Korrespondenz auch chiffriert sein konnte.⁴⁹ Inhaltlich können die Briefe von Diplomaten im Prinzip als „beschreibende Nachrichten“ (narrative reports) interpretiert werden, deren Hauptfunktion der Informationstransfer war. Die Interaktionen zwischen Diplomaten und anderen Personen im Umfeld der Gastgeberhöfe spielten sich sehr häufig direkt ab und wurden erst nachträglich in schriftliche Form mit gewisser formaler Struktur ge-
Zur Bedeutung von Informationen und diplomatischen Berichten vgl. Mattingly, Renaissance Diplomacy (wie Anm. 2), S. 96 – 100; Anderson, The Rise (wie Anm. 8), S. 5 – 15; Braun, Imagines (wie Anm. 22), S. 122. Calvo, Charles: Dictionnaire manuel de diplomatie et de droit international public et privé. New Jersey 2009. S. 127– 128.
3 Charakteristik der verwendeten Quellen
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bracht.⁵⁰ Der Charakter der Korrespondenz päpstlicher Diplomaten wurde sehr zutreffend von Wolfgang Reinhard dargestellt, nämlich als „gesamter Schriftverkehr zwischen ordentlichen Nuntien sowie außerordentlichen Gesandten (unter anderen Legaten) und dem Staatssekretariat sowie anderen römischen Behörden (besonders Kongregationen), einschließlich der anfangs erteilten Hauptinstruktion und Jurisdiktionsvollmacht sowie gegebenenfalls des Abschlussberichts (Finalrelation)“.⁵¹ Reinhards Definition lässt sich dabei nicht nur auf die päpstliche Diplomatie beziehen, sondern auch auf die diplomatische Praxis, die sich an anderen europäischen Herrscherhöfen, einschließlich des Hofes des katholischen Königs, entwickelte.⁵² Adressat der Briefe spanischer Diplomaten war formal der spanische König, real war aber der Staatssekretär der Empfänger. Ab der Herrschaftszeit König Philipps II. gab es zwei Sekretäre, der eine war für italienische Angelegenheiten zuständig, der andere für den Rest Europas (Secretaria del Norte). Einige Briefe gingen jedoch direkt an den Herrscher.⁵³ Die Nuntien wandten sich in ihrer Korrespondenz an den Kardinalnepoten, der für die Außenpolitik des Päpstlichen Stuhls zuständig war. Seine Funktion bei der Abwicklung konkreter Angelegenheiten war aber oft bloß formal, und als die wahren, direkt für die Korrespondenz mit den einzelnen Nuntien verantwortlichen Spezialisten, traten Staatssekretäre auf. Diese Position führte bei ihnen allmählich dazu, dass sie ab dem 17. Jahrhundert häufig parallel auch die Kardinalswürde innehatten, was nach und nach
Okulska, Urszula: Textual Strategies in the Diplomatic Correspondence of the Middle and Early Modern English Periods: The Narrative Report Letter as a Genre. In: Business and Official Correspondence: Historical Investigations. Hrsg. von Marina Dossena u. Susan M. Fitzmaurice. Bern – Berlin – Bruxelles 2006. (Linguistic Insights 32). S. 47– 76. Reinhard, Wolfgang: Nuntiaturberichte. In: Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Aufl. Bd. VII. Freiburg i. Br. 1998. Spalte 948. Zur formalen Charakterisierung der Nuntiaturkorrespondenz vgl. Šusta, Josef: Die römische Kurie und das Concil von Trient unter Pius IV. Actenstücke zur Geschichte des Concils von Trient. Bd. I. Wien 1904. S. XXXV–XXXVII; Pieper, Anton: Zur Entstehungsgeschichte der ständigen Nuntiaturen. Freiburg i. Br. 1894. S. 15 – 24; Reinhard, Wolfgang (Hrsg.): Nuntius Antonio Albergati. 1. Halbband. München – Paderborn – Wien 1972. (NBD, Die Kölner Nuntiatur, Bd. V/1). S. XLII–LII. Zur spanischen Diplomatie vgl. insbesondere Ochoa Brun, Historia (wie Anm. 30); Rivero Rodríguez, Manuel: Diplomacia y relaciones exteriores en la Edad Moderna. Madrid 2000. Niederkorn, Jan Paul: Die Berichte der päpstlichen Nuntien und der Gesandten Spaniens und Venedigs am kaiserlichen Hof aus dem 16. und 17. Jahrhundert. In: Quellenkunde der Habsburgermonarchie (16.–18. Jahrhundert). Ein exemplarisches Handbuch. Hrsg. von Josef Pauser [u. a.]. Wien – München 2004. S. 99 – 100.
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ein Fundament für ihre Stellung im Staatssekretariat legte, wie wir sie im Wesentlichen bis in die heutige Zeit kennen.⁵⁴ Die Diplomatenkorrespondenz ist inhaltlich durch den Auftrag geprägt, den die jeweilige Mission am Zielhof erfüllen sollte. Weil in dessen Zentrum der Herrscher stand, wurde alles verfolgt, was mit dieser Person irgendwie zusammenhing: Gesundheit, Reisen, Familie und Familienbeziehungen, Entscheidungen und Handlungen. Es wurden auch regelmäßig Nachrichten über Inhaber bedeutender Hof- und Regierungsämter verschickt, über deren Eigenschaften oder auch persönliche Schwächen und Klientenbeziehungen. Weitere Informationen betrafen selbstverständlich wichtige Ereignisse auf dem gesamten beobachteten Territorium, die real oder potenziell für die Außenbeziehungen zum jeweiligen Land von Bedeutung sein konnten. Ihre Auswahl bzw. Reflexion konnte jedoch bei den aus verschiedenen Ländern stammenden und am selben Hof tätigen Diplomaten unterschiedlich sein. Dies war zum einen durch unterschiedliche Aufträge und Aufgaben, zum anderen durch Differenzen, die durch Herkunft, Bildungsgrad und soziale Stellung der einzelnen Diplomaten sowie durch ihr persönliches Talent und durch die Qualität ihrer jeweiligen Beziehungsnetzwerke gegeben waren.⁵⁵ Daher müssen bei der Nutzung dieser Art von historischen Quellen ebenfalls gewisse Risiken und Einschränkungen berücksichtigt werden, die diesen „amtlichen“ Dokumenten inhärent sind. Typisch kann beispielsweise eine gewisse Inhomogenität und innere Spannung in den Texten sein, also der Unterschied zwischen den vorausgesetzten programmatischen Aktivitäten einzelner Diplomaten und der Realität in ihren Wirkungsstätten, ferner Einschränkungen, die durch Denkweisen verursacht waren, die zu einer spezifischen bzw. verzerrten Projektion der Umgebung führten, oder die Anwesenheit von Stereotypen, die von den Diplomaten bei ihrem Auftreten bzw. in ihrer schriftlichen Kommunikation angewandt wurden.⁵⁶ Die Aussagekraft
Niederkorn, Die Berichte (wie Anm. 53), S. 100. Zum Wandel im Staatssekretariat des Kirchenstaats im 16. und 17. Jahrhundert vgl. Hammermayer, Ludwig: Grundlinien der Entwicklung des päpstlichen Staatssekretariats von Paul V. bis Innozenz X. (1603 – 1655). In: Römische Quartalschrift 55, (1960). S. 157– 202. Niederkorn, Berichte (wie Anm. 53), S. 97– 105. Lutz, Heinrich: Die Bedeutung der Nuntiaturberichte für die europäische Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung. In: QFIAB 53 (1973). S. 165; Reinhard, Wolfgang: Nuntiaturberichte für die deutsche Geschichtswissenschaft? In: Kurie und Politik. Stand und Perspektive der Nuntiaturberichtsforschung. Hrsg. von Alexander Koller. Tübingen 1998. S. 221– 222; Reinhardt, Nuntien (wie Anm. 22), S. 285 – 300; Samerski, Römische Ordnung (wie Anm. 22), S. 73 – 90; Braun, Imagines (wie Anm. 22), S. 431– 638.
3 Charakteristik der verwendeten Quellen
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kann auch durch spezifische oder zeitbedingte Formulierungen eingeschränkt sein.⁵⁷ Im Zusammenhang mit der Erforschung von Beziehungsnetzwerken besteht eine sehr bedeutende Einschränkung vor allem im eigentlichen Zweck der diplomatischen Berichte. Diese verfolgten zwar in ihrem Inhalt detailliert das Geschehen am jeweiligen Herrscherhof oder auf dem gesamten Interessengebiet bzw. die Erfolge und Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der Interessen jenes Staates, den der jeweilige Diplomat vertrat, sie befassten sich jedoch oft nur wenig mit der Frage, wie oder von wem diese Informationen eingeholt wurden, welche Personen wie zur Erlangung konkreter Ziele genutzt wurden und welche Motivation hierzu notwendig war. Die Analyse von Strukturen der Beziehungsnetzwerke, die Untersuchung der Stellung und Bedeutung ihrer Mitglieder sowie ihre Transformation wird daher in der Regel anhand von feinen Andeutungen und Erwähnungen im Text ermöglicht, die im Kontext einer größeren Anzahl von diplomatischen Briefen verfolgt werden müssen. Im Falle der Nuntiaturenkorrespondenz und der Berichte spanischer Gesandter am Kaiserhof kann jedoch festgestellt werden, dass es trotz Mängeln und Einschränkungen, die diese Art von Quellen mit sich bringt, zweifellos möglich ist, diese Quellen für die Erforschung der Beziehungsnetzwerke zu nutzen. Die Analyse konkreter Vorgehensweisen in einzelnen beschriebenen Angelegenheiten ermöglicht es, nicht nur konkrete Personen zu identifizieren, die von den Nuntien und Gesandten des katholischen Königs zur einfacheren Umsetzung der Machtziele ihrer Herrscher genutzt wurden, sondern auch ihre genaue Rolle, die angewandten Strategien, Motivationen und Formen der Belohnung kennenzulernen.⁵⁸ Angesichts ihres Charakters, Inhalts sowie langfristiger Kontinuität wurden Nuntiaturberichte bereits ab dem 19. Jahrhundert als eine grundlegende historische Quelle betrachtet, die damals primär als bedeutendes ergänzendes Material zur Erforschung der National- und der Religionsgeschichte diente.⁵⁹ Sie wurden
Reinhard, Amici (wie Anm. 18), S. 314– 317; Hengerer, Mark: Amtsträger als Klienten und Patrone? Anmerkungen zu einem Forschungskonzept. In: Ergebene Diener ihrer Herren? Herrschaftsvermittlung im alten Europa. Hrsg. von Stefan Brakensiek. Köln 2005. S. 62– 78; Droste, Heiko: Im Dienst der Krone. Schwedische Diplomaten im 17. Jahrhundert. Berlin 2006. S. 99 – 109; Nagel, Zwischen Dynastie (wie Anm. 43), S. 167– 176. Tischer, Anuschka: Diplomaten als Patrone und Klienten. Der Einfluss personaler Verflechtungen in der französischen Diplomatie auf dem Westfälischen Friedenskongress. In: Le diplomate au travail. Entscheidungsprozesse, Information und Kommunikation im Umkreis des Westfälischen Friedenskongresses. Hrsg. von Rainer Babel. München 2005. S. 176 – 177. Lutz, Die Bedeutung (wie Anm. 56), S. 152– 155.
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auch Gegenstand zahlreicher umfangreicher oder partieller Editionsvorhaben.⁶⁰ Die Korrespondenz der Nuntiatur am Kaiserhof wurde allmählich von mehreren historischen Instituten in Rom herausgegeben, und diese Aktivität dauert bis heute an.⁶¹ Die Anfangsetappe der Herrschaftszeit Rudolfs II. gehört in die Zuständigkeit des Deutschen Historischen Instituts in Rom, das die Dokumente aus den Jahren 1576 – 1581 erschlossen hat und dessen namhafter Experte Alexander Koller nun einen Band für die Folgejahre vorbereitet. Der Zeitraum 1584– 1592 wurde bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch die Göress-Gesellschaft aufgearbeitet. Die Etappe ab 1592 wurde für das Tschechoslowakische bzw. Tschechische Historische Institut in Rom vorbehalten. In der Zwischenkriegszeit gelang es den tschechischen Wissenschaftlern, nur einen Teil der Korrespondenz aus dem Jahr 1604 und ferner aus den Jahren 1607– 1608 aufzuarbeiten.⁶² Erst in den letzten Jahren wurden neue Bände veröffentlicht, in denen die Korrespondenz der Prager Nuntien aus den Jahren 1592– 1594 und 1608 – 1611 erschlossen wird, wobei auch derzeit kontinuierlich an weiteren Bänden gearbeitet wird.⁶³ Eine gewisse Orientierung in den Quellen ermöglichen jedoch auch Editionen, die im Laufe des 20. Jahrhunderts außerhalb der erwähnten Haupteditionen entstanden waren (Arbeiten von Arnold O. Meyer und Natale Mosconi). Diese erscheinen jedoch in der heutigen Zeit als nicht ausreichend.⁶⁴ Trotz relativ imposanter Ergebnisse der Editionstätigkeit, wenngleich sie bereits seit langem und auf unterschiedlichem fachlichen und methodischen Niveau verläuft, wurde zu Beginn der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts die Nutzung dieser Quellen für die historische Forschung als unzulänglich bzw. einseitig betrachtet. Die Ursache dieses unbefriedigenden Zustands wurde in den Verände Für eine Übersicht über Editionen aller in Rom tätiger historischer Institute bis 1998 vgl. Koller, Alexander (Hrsg.): Kurie und Politik. Stand und Perspektive der Nuntiaturberichtsforschung. Tübingen 1998. S. 421– 435. Lutz, Heinrich: Nuntiaturberichte aus Deutschland. Vergangenheit und Zukunft einer „klassischen“ Editionreihe. In: QFIAB 45 (1965). S. 274– 324; Koller, Alexander: Le nunziature di Germania e la loro edizione. In: Gli archivi della Santa Sede come fonte per la storia moderna e contemporanea. Hrsg. von Matteo Sanfilippo u. Giovanni Pizzorusso. Viterbo 2001. S. 109 – 131. Linhartová, Milena (Hrsg.): Epistulae et acta Antonii Caetani 1607– 1611. Bde. I–III. Pragae 1932– 1946 (EAAC I–III); Kristen, Zdeněk (Hrsg.): Epistulae et acta Johannis Stephani Ferrerrii 1604– 1607. Bd. I/1. Pragae 1944 (EAJSF I). Pazderová, Alena (Hrsg.): Epistulae et acta Caesaris Speciani 1592– 1598. Bde. I–III. Pragae 2016 (EACS I–III); Černušák, Tomáš (Hrsg.): Epistulae et acta Antonii Caetani 1607– 1611. Bde. IV– V. Pragae 2013 – 2017 (EAAC IV–V). Meyer, Arnold Oskar (Hrsg.): Die Prager Nuntiatur des Giovanni Stefano Ferreri und die Wiener Nuntiatur des Giacomo Serra (1603 – 1606). Berlin 1913 (NBD IV/3); Mosconi, Natale (Hrsg.): La nunziatura di Praga di Cesare Speciano (1592– 1598) nelle carte inedite vaticane e ambrosiane. Brescia 1966 – 1967. (Studi e documenti di storia religiosa 1– 5).
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rungen des methodischen Rahmens und der Interpretationsmuster der Historiografie gesehen, was einige moderne Historiker zu einer erheblichen Relativierung der Bedeutung von Nuntiaturberichten für das Geschichtsstudium führte.⁶⁵ Bereits in jener Zeit und in den darauffolgenden Jahren wurde aber erklärt, dass das Aufnehmen neuer Themen bzw. die Anwendung moderner Methoden, die eng positivistische oder apologetische Konzepte übersteigen würden, diesen Quellen neue Möglichkeiten eröffnen könnten.Vielversprechend erschien die komparative Erforschung der Diplomatie oder der Bedeutung des Papsttums im europäischen Kontext, verschiedener Fragen der Konfessionalisierung oder der historischen Anthropologie.⁶⁶ Aus der Gruppe der Nuntiaturberichte haben für die Erforschung der Herausbildung und des Funktionierens der Beziehungsnetzwerke im Umfeld der Nuntien neben der eigentlichen kontinuierlichen Korrespondenz zweifellos auch die Hauptinstruktionen und die Finalrelationen, die für den Zeitraum an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert editorisch erschlossen sind, ihre Bedeutung.⁶⁷ Als eine der grundlegenden Informationen für antretende Diplomaten wurden in ihnen die Namen von geeigneten Personen am Kaiserhof erwähnt, an die man sich vertrauensvoll wenden konnte.⁶⁸ Die Widerspiegelung der Beziehungsnetzwerke am Hof kann auch anhand der Empfehlungsbreven identifiziert werden, die am Anfang, aber auch im Verlauf jeder Mission namentlich an diese konkreten, den päpstlichen Vorhaben gewogenen Personen, gesandt wurden.⁶⁹ Eine weitere Quelle für das Erlangen von Teilkenntnissen zum Funktionieren der Netzwerke ist die Korrespondenz des Kardinalprotektors mit dem Kaiser und mit dessen Mi-
Lutz, Die Bedeutung (wie Anm. 56), S. 152– 162; Reinhard, Nuntiaturberichte (wie Anm. 56), S. 208 – 214. Lutz, Die Bedeutung (wie Anm. 56), S. 162– 164; Reinhard, Nuntiaturberichte (wie Anm. 56), S. 217– 225; Burschel, Peter: Das Eigene und das Fremde. Zur anthropologischen Entzifferung diplomatischer Texte. In: Kurie und Politik. Stand und Perspektiven der Nuntiaturberichtsforschung. Hrsg. von Alexander Koller. Tübingen 2008. S. 260 – 271; Reinhard, Historische Anthropologie (wie Anm. 20). Diese betreffen das Pontifikat von Clemens VIII. (1592– 1605), Paul V. (1605 – 1621) und Gregor XV. (1621– 1623) – Jaitner, Klaus (Hrsg.): Die Hauptinstruktionen Clemens VIII. für die Nuntien und Legaten an den europäischen Fürstenhöfen (1592– 1605). Tübingen 1984; Giordano, Silvano (Hrsg.): Le istruzioni generali di Paolo V ai diplomatici pontifici, 1605 – 1621. Tübingen 2003; Jaitner, Klaus (Hrsg.): Die Hauptinstruktionen Gregors XV. für die Nuntien und Gesandten an den europäischen Fürstenhöfen 1621– 1623. Tübingen 1997. Z. B. für Nuntius Cesare Speciano vgl. Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), Nr. 1.VI.3, S. 25 – 26; für Nuntius Antonio Caetani vgl. Linhartová, EAAC I (wie Anm. 62), Nr. 4,17, S. 16. Im Falle von Nuntius Speciano im Jahre 1592 vgl. Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), S. XLIV– XLV; Nr. 2, S. 27.
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nistern.⁷⁰ Ihre Bedeutung haben auch die eigentlichen Registraturen der einzelnen Nuntien. Im Falle des Kaiserhofes zu Zeiten Rudolfs II. wurde jedoch nur ein solcher Komplex identifiziert, der über ausreichend aussagekräftigen Umfang und Inhalt verfügt. Es handelt sich um Schriftstücke des Nuntius Giovanni Stefano Ferreri aus den Jahren 1604 – 1607, die neben der üblichen Nuntiaturkorrespondenz sämtliche weitere Briefe enthalten, die Ferreri in jener Zeit von einem breiten Spektrum an Absendern erhalten hat. Neben Schriftstücken von Personen und Institutionen aus verschiedenen Teilen des Heiligen Römischen Reiches, der böhmischen Länder, Österreichs und Ungarns, die sich an ihn als Vertreter des Papstes wandten, gehören zu diesem Komplex auch zahlreiche Briefe aus dem Kardinalskollegium von Klienten des Adelsgeschlechts Aldobrandini sowie Briefe verschiedener italienischer Herrscher. Die Originale werden im Archivio di Stato im norditalienischen Biella aufbewahrt.⁷¹ Als 1923 das Tschechoslowakische Historische Institut in Rom gegründet wurde, wurde die ganze Registratur von den damaligen Eigentümern aus dem Hause Ferreri langfristig an die tschechischen Wissenschaftler zu Forschungszwecken ausgeliehen.⁷² Die kompletten Abschriften, wahrscheinlich von allen Dokumenten aus dieser Registratur, die im Laufe mehrerer Jahre erstellt worden sind, können somit heute ebenfalls im Nationalarchiv in Prag eingesehen werden.⁷³ Im Prager Nationalarchiv befinden sich ebenfalls Abschriften von Nachrichten spanischer Gesandter am Kaiserhof, die im 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts von den Historikern Anton Gindely, Josef Borovička, Vlastimil Kybal und Bohdan Chudoba angefertigt wurden.⁷⁴ Die Originale dieser Handschriften werden zumeist in den Beständen des Generalarchivs in Simancas (Archivo General de Simancas) aufbewahrt, das 1540 auf Anordnung Karls V. als zentrale Stelle für die Aufbewahrung sämtlicher Dokumente, die aus der Tätigkeit der Herrschaftsorgane der kastilischen Krone und später der ganzen spanischen
Für den Zeitraum 1597– 1612 vgl. Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA), Abteilung Haus-, Hofund Staatsarchiv (HHStA), Handschrift W 290, Bde. 9 – 12. Cassetti, Maurizio: L’archivio della nunziatura a Praga di Giovanni Stefano II Ferrero, vescovo di Vercelli (1604– 1607). In: Studii in onore di Leopoldo Sandri I. Roma 1983. S. 261– 264. Rauchová, Jitka: Československý historický ústav v Římě. České Budějovice 2014. S. 209 – 211. Národní archiv Praha (NAP), Sbírka přepisů z domácích a zahraničních archivů. Italské a vatikánské archivy (SP-It), Inv. Nr. 440 – 552. NAP, Sbírka přepisů z domácích a zahraničních archivů. Simancas (SP-S), Kart. 1– 4. Vgl. Polišenská, Milada: 120 Años de Estudios Checos en el Archivo General de Simancas. In: IberoAmericana Pragensia (IAP) 16 (1982). S. 211– 225; Culková, Dagmar: Výzkum bohemik v zahraničí do roku 1939 organizovaný našimi archivy. In: Sborník archivních prací 39 (1979). S. 160 – 181.
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Monarchie hervorgingen, eingerichtet wurde.⁷⁵ Nur ein kleiner Teil der Gesandtenberichte wird in anderen spanischen bzw. ausländischen Institutionen aufbewahrt, beispielsweise in Biblioteca Nacional de España, British Library und Bibliothèque de Genève.⁷⁶ Obwohl die Berichte der Gesandten am Kaiserhof durch ihre große Aussagekraft sowie die Art der Überlieferung eine erstklassige Quelle für das Kennenlernen der politischen Geschichte beider habsburgischer Imperien sind, wurden diese Berichte, im Unterschied zu den päpstlichen Nuntiaturen, bislang nicht systematisch editorisch aufgearbeitet. Ein Teil der diplomatischen Korrespondenz ist vor über hundert Jahren in den Editionsreihen Colección de documentos inéditos para la historia de España sowie Briefe und Acten zur Geschichte des Dreissigjährigen Krieges in den Zeiten des Vorwaltenden Einflusses der Wittelsbacher veröffentlicht worden, diese Werke entsprechen aber zumeist nicht den heutigen editorischen Ansprüchen.⁷⁷ Unter den neueren Unterfangen heben sich insbesondere die Arbeiten der polnischen Historiker Pater Walerian Meysztowicz und Professor Ryszard Skowron aus Katowice hervor. Obwohl es sich bei diesen Editionen um eine auf die Geschichte Polen-Litauens konzentrierte Auswahl
Mehr zur Bedeutung des Generalarchivs in Simancas und der darin aufbewahrten Bestände vgl. Kybal, Vlastimil: Über die Bedeutung des General-Archivs zu Simancas für die neuere Geschichte Österreichs. Wien 1910; Paz, Julián: Catalogo II. Secretaria de Estado (Capitulaciones con la casa de Austria y papeles de las negociaciones de Alemania, Sajonia, Polonia, Prusia y Hamburgo). In: Archiv für österreichische Geschichte 103 (1913). S. 163 – 432; Archivo General de Simancas. Catálogo II. Secretaria de Estado. Madrid 1942. Für den von uns untersuchten Zeitraum ist in dieser Hinsicht am wichtigsten die Bibliothèque de Genève, Col. Ed. Favre, 14, wo die Korrespondenz des spanischen Gesandten Juan de Borja aufbewahrt wird. Micheli, Léopold: Inventaire de la collection Edouard Favre (Archives de la maison dʼAltamira). Bordeaux 1914 (Bulletin hispanique). http://doc.rero.ch/record/260935 (29. 8. 2019).Vgl. ferner British Library, Add. Ms 28707. Zur Bedeutung einiger Madrider Archive für das Kennenlernen der Geschichte Mitteleuropas vgl. zumindest Weiss, Brigitta: Archivalien zur Geschichte der Casa de Austria in Madrider Archiven und Bibliotheken. In: Mitteilungen des österreichischen Staatsarchivs 34 (1981). S. 401– 410. de Fuensanta del Valle, José (Hrsg.): Correspondencia de los Príncipes de Alemania, Sajonia, Polonia, Prusia y Hamburgo. In: Colección de documentos inéditos para la historia de España (CODOIN). Bde. XCVIII (1556 – 1563), CI (1563 – 1568), CIII (1568 – 1570), CX (1570 – 1572), CXI (1572– 1574). Madrid 1891– 1895; de Ayerbe, Marqués (Hrsg.): Correspondencia inédita de don Guillén de San Clemente, embajador en Alemania de los Reyes don Felipe II y III, sobre la intervención de España en los sucesos de Polonia y Hungría 1581– 1608. Zaragoza 1892; Mayr, Karl u. Chroust, Anton (Hrsg.): Briefe und Acten zur Geschichte des Dreissigjährigen Krieges in den Zeiten des vorwaltenden Einflusses der Wittelsbacher. Bde. I–XI. München 1870 – 1909; Günter, Heinrich: Die Habsburger-Liga 1625 – 1635. Briefe und Akten aus dem General-Archiv zu Simancas. Berlin 1908.
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handelt, spiegelt sich darin auch in nicht geringem Maße das Geschehen in der Habsburgermonarchie und am Kaiserhof wider.⁷⁸ Neben Diplomatenberichten können für das Kennenlernen des spanischen klientelistischen Netzwerks in Mitteleuropa ebenfalls Instruktionen genutzt werden, die die Gesandten auf ihre Reise zum Kaiserhof mitnahmen. Diese Dokumente wurden zwar von den Mitgliedern des Staatsrats (Consejo de Estado) verfasst, der Inhalt der Weisungen gründete jedoch auf dem Gutachten des Amtsvorgängers des neuen Ambassadeurs.⁷⁹ Zusammen mit den Instruktionen brachten die neu ernannten Diplomaten auch Empfehlungsschreiben von ihrem Herrscher mit, die für die Angehörigen der herrschenden Dynastie, die Reichsfürsten sowie für die bedeutendsten Personen am Kaiserhof bestimmt waren.⁸⁰ Der spanische König fertigte diese Briefe anhand eines Verzeichnisses aus, das ihm vom Sekretär des Staatsrats vorgelegt wurde. Gerade diese Register sind eine hervorragende Quelle für das Kennenlernen der betrachteten Beziehungen, denn neben Namen stehen darin auch kurze Charakteristiken der Adressaten sowie eine Begründung, warum gerade sie durch einen Brief des Königs beehrt werden sollten.⁸¹ Neben Diplomatenberichten und Instruktionen sind auch in Dokumenten, die mit Ersuchen um königliche Gunst (merced) für den Gesandten selbst oder für eine andere Person aus dessen Umfeld zusammenhängen, bemerkenswerte Informationen vorhanden. Es konnte sich dabei um Bittschriften handeln, die das
Meysztowicz, Walerian (Hrsg.): Elementa ad Fontium. Documenta polonica ex Archivo Generali Hispaniae in Simancas. Bde. VIII (1514– 1575), XI (1567– 1579), XII (1571– 1576), XV (1575 – 1587), XVI (1587– 1590), XIX (1556 – 1620) – Negociación de Alemania, XXI (1528 – 1626) – Negociación de Nápoles, (1491– 1612) – España y Norte. Negocios extraordinarios, (1498 – 1581) Patronato Real. Romae 1963 – 1970; Skowron, Ryszard [u. a.] (Hrsg.): Documenta Polonica ex Archivo Generali Hispaniae in Simancas. Nova series. Bd. I. Kraków 2015. Archivo General de Simancas (AGS), Secretaría de Estado (E) 2862; NAP, SP-S, Kart. 1, sine fol. (Madrid, 31.5.1607): Instrucción secreta de lo que Vos don Baltasar de Cúñiga aveis de hazer en Alemania donde os embio por mi Embaxador; AGS, E, 2452, Nr. 117: Advertimientos de Guillén de San Clemente a Baltasar de Zúñiga. Beispielsweise wurde der spanische Gesandte Baltasar de Zúñiga mit einer Instruktion versehen, die nahezu lückenlos den Notizen und Kommentaren entsprach, die Guillén de San Clemente für seinen Amtsnachfolger vorbereitet hatte. Dank dieser Instruktion erfuhr der Gesandte noch vor seiner Abreise aus Spanien u. a. Informationen über einzelne Personen, mit denen er am Hof zusammenkommen wird. – NAP, SP-S, Kart. 2, sine fol.: La sustancia de las cartas que habrá de mandar escribir Su Majestad para que traiga a Alemaña don Baltasar de Zúñiga (vor 1608); AGS, E, 2507, fol. 244: Memoria de las personas para quienes convendrá trayga cartas el s[eño]r conde de Ossona (Wien, 31. 10. 1623). NAP, SP-S, Kart. 2, sine fol.: La sustancia de las cartas que habrá de mandar escribir Su Majestad para que traiga a Alemaña don Baltasar de Zúñiga (vor 1608).
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Gehalt oder eine andere Art finanzieller Entlohnung (z. B. den sogenannten entretenimiento) betrafen. Der größte Mehrwert dieser Schriftstücke, die im Archiv in Simancas zusammenfassend unter der Bezeichnung negocios de partes aufbewahrt werden, beruht darin, dass sie Informationen ähnlicher Art wie die bereits erwähnten Listen von Adressaten der königlichen Empfehlungsschreiben enthalten und wir darin also Begründungen nachlesen können, warum die jeweilige Person die Gunst des Königs verdient.⁸² Zu den hochgeschätzten Gunstbeweisen, die vom spanischen König erteilt wurden, gehörten während des untersuchten Zeitraums Gewänder der spanischen militärischen Kirchenorden Santiago, Alcántara und Calatrava. Obwohl diese Orden in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts der Krone unterstanden, wurde über die Aufnahme oder Nichtaufnahme eines neuen Mitglieds durch den Rat Consejo de Órdenes entschieden. Sämtliche Dokumente zu diesem Prozess werden üblicherweise im Archivo Histórico Nacional in Madrid aufbewahrt.⁸³ Überlieferte Verhörprotokolle und Entscheide des Rates ergänzen sehr passend die Aussagen der Diplomatenkorrespondenz und gehören zu Recht zu den grundlegenden Mitteln, die es dem Forscher ermöglichen, das Aussehen des Beziehungsnetzwerks zu rekonstruieren, das von den spanischen Königen während der Frühen Neuzeit in der mitteleuropäischen Habsburgermonarchie aufrechterhalten wurde.⁸⁴ Daher wird von ihnen auch in diesem Buch Gebrauch gemacht werden. Nicht weniger interessant für das Kennenlernen der von den spanischen Gesandten angewandten Klientelstrategien sind Rechnungsdokumente. Im Rahmen dieses Begriffs können wir verschiedene Arten von Dokumenten identifizieren, die im Zusammenhang mit der Finanzierung der Diplomatenmission entstanden sind. Es handelt sich beispielsweise um sogenannte libros de cargos bzw. asientos, die es ermöglichen, die Finanzströme zwischen dem spanischen Hof und den spanischen Gesandten zu verfolgen.⁸⁵ Von viel größerer Relevanz für die Erforschung der spanischen klientelistischen Netzwerke sind aber die finan-
Bardoňová, Martina: Španělská ambasáda v Praze za působení Baltasara de Zúñiga (1608 – 1617). Dissertation. Praha 2015. S. 23. Grundlegende Informationen zu diesem Archiv bietet http://pares.mcu.es (10. 7. 2019). Mur i Raurell, Anna: „La mancha roja“ y „La montaña blanca“. Las órdenes militares de Santiago, Calatrava y Alcántara en Centroeuropa antes y después de 1620 (sec. XVI–XVII). Praha 2018. S. 40 – 51. Bardoňová, Martina: „Por tener tantos y tan diversos gastos forçosos …“. La embajada y sus finanzas (La embajada española en Praga 1608 – 1617). In: II Encuentro de Jóvenes Investigadores. Líneas recientes de investigación en Historia Moderna. Hrsg. von Félix Labrador Arroyo. Madrid 2015. S. 205 – 222.
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ziellen Abschlussberichte, welche die spanischen Gesandten vor ihrem Verlassen des Kaiserhofs niederschrieben. In diesen Abrechnungen widerspiegelt sich nicht nur die Struktur der Ausgaben der diplomatischen Vertretung, sondern es werden darin ebenfalls Informationen über Personen geboten, von denen die spanischen Gesandten in ihrer Tätigkeit unterstützt wurden.⁸⁶ Zu den Rechnungsdokumenten gehören schließlich auch Memoria de pensiones in denen Informationen über Personen, denen eine spanische Pension zuerkannt wurde, stehen, sowie Verzeichnisse außerordentlicher Ausgaben, die im Zusammenhang mit der Teilnahme des Gesandten an der Feier von Übergangsriten seiner mitteleuropäischen Klienten getätigt wurden.⁸⁷ Obwohl für das vorliegende Werk die Aussagen der Schriftstücke, die durch die Tätigkeit spanischer und päpstlicher Diplomaten entstanden sind, von vorrangiger Bedeutung waren und ihre gegenseitige Konfrontation viele neue Kenntnisse hervorbrachten, ist das Bild des Funktionierens der Beziehungsnetzwerke, wie es uns von diesen Dokumenten vermittelt wird, in gewissem Maße einseitig. Aus diesem Grunde haben wir uns entschlossen, dieses Bild ebenfalls durch die Aussagen von Quellen zu ergänzen, die in den Familienarchiven der Klienten selbst aufbewahrt werden, sowie durch Schriftstücke, die durch die Tätigkeit von Dritten entstanden sind. Es wurde die Korrespondenz der Gesandten von Venedig, Mantua, Savoyen und der Toskana konsultiert, die es uns ermöglichte, die Tätigkeit der am Kaiserhof agierenden spanischen und päpstlichen Diplomaten mit einem Blick von außen zu betrachten. Viele Vertreter der italienischen Staaten verließen sich nämlich bei der Durchsetzung ihrer politischen Ziele in hohem Maße gerade auf die Zusammenarbeit mit den Gesandten des Heiligen Stuhls und des katholischen Königs, die sich während des gesamten untersuchten Zeitraums einer privilegierten Stellung im diplomatischen Corps des Kaiserhofs erfreuten und deren Machteinfluss deutlich die Möglichkeiten der übrigen Ambassadeure überstieg.⁸⁸
Dazu insbesondere AGS, Contaduría Mayor de Cuentas, Tercera época, 669, sine fol.: Cargo y relación jurada que se hace de todo el dinero que ha entrado en su poder en el tiempo que fue embajador por su Md en Alemania para gastos ordinarios y extraordinarios della contando desde 25 de julio 1608 que llego a Praga corte del emperador hasta último de hebrero 1617 que partió para venirse a España. AGS, E, 2327: Memoria de las pensiones que se pagan en la embajada de Alemania en 1620; Günter, Die Habsburger-Liga (wie Anm. 77), S. 231– 233; de Ayerbe, Correspondencia (wie Anm. 77), S. 315 – 399. Nur im Falle der venezianischen Botschafter konnten wir diese Informationen aus den zugänglichen Editionen schöpfen – Alberi, Eugenio (Hrsg.): Relazioni degli ambasciatori veneti al Senato durante il secolo decimosesto. Bde. I–VI. Firenze 1839 – 1869; Fiedler, Joseph (Hrsg.): Relationen venetianischer Botschafter über Deutschland und Österreich im sechzehnten Jahr-
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Von nicht zu vernachlässigender Bedeutung für unsere Forschungstätigkeit war auch das Studium von Familienarchiven solcher Adelsfamilien, deren Angehörige traditionsgemäß die spanischen und päpstlichen Interessen in der mitteleuropäischen Habsburgermonarchie und im Heiligen Römischen Reich unterstützten. Systematische Aufmerksamkeit wurde vor allem Schriftstücken aus dem Familienarchiv der Dietrichsteiner, das im Mährischen Landesarchiv (Moravský zemský archiv) in Brünn (Brno) aufbewahrt wird, und dem Archiv der Familie Lobkowitz in Nelahozeves gewidmet. In Brünn konzentrierten wir uns vor allem auf den Briefwechsel zwischen Kardinal Franz von Dietrichstein, dem spanischen Gesandten und den päpstlichen Nuntien am Kaiserhof sowie auf Dietrichsteins Korrespondenz mit seinen zahlreichen Agenten, die ihn über das Geschehen an den bedeutendsten europäischen Herrscherhöfen informierten.⁸⁹ In Nelahozeves studierten wir vor allem Dokumente, die das Leben von Zdenco Adalbert Popel von Lobkowitz, eines weiteren bedeutenden Klienten des spanischen Königs und des Papstes, betrafen.⁹⁰ Schließlich wurden auch Teilforschungen in vielen weiteren Adelsarchiven in der Tschechischen Republik und im Ausland unternommen, deren Verzeichnis sich am Ende des Buches befindet.
hundert. Wien 1870; ders.: Die Relationen der Botschafter Venedigs über Deutschland und Österreich im 17. Jahrhundert. Bde. I–II. Wien 1866 – 1867. Obršlík, Jindřich [u. a.]: Rodinný archiv Ditrichštejnů. Inventáře a katalogy fondů Státního oblastního archivu v Brně. Bde. I–III. Brno 1979. Auch das Kopialbuch des Franz Dietrichstein wurde nicht ausgelassen. – Zemský archiv Opava, pobočka Olomouc, Arcibiskupství Olomouc, Sign. B1415, Inv. Nr. 125. Lobkovický archiv Nelahozeves (LA), Lobkowiczové roudničtí – Rodinný archiv (LRRA), A/114, B/19, B/209-B/223, B/228-B/231, D/162, D/163, D/165-D/166. Da das Lobkowitz-Archiv langfristig für Forscher geschlossen ist, machten wir von dem freundlichen Angebot von Herrn Prof. Jaroslav Čechura Gebrauch, uns Fotografien der Korrespondenz, aufbewahrt unter den Signaturen B/209B/223, zur Verfügung zu stellen.
I Die päpstliche und die spanische Politik am Kaiserhof. Die Gesandten als Protagonisten makropolitischer Ereignisse I.1 Dramatis personae – die päpstlichen Nuntien und die spanischen Gesandten am Kaiserhof Die Diplomaten der Frühen Neuzeit unterschieden sich in vielerlei Hinsicht von ihren Kollegen aus späteren Zeiten. Ein wesentlicher Unterschied beruhte auf der Tatsache, dass man sie nicht als in speziellen Bildungseinrichtungen geschulte professionelle Beamte, die ihrem Land als einer abstrakten Entität dienen, betrachten kann. Im Zusammenhang mit dem behandelten Zeitraum kann man eher von Diplomaten vom type ancien sprechen, was ausdrücken soll, dass es sich zumeist um Edelmänner handelte, die im Gastland verschiedene Aufgaben erfüllten und in verschiedenen Rollen auftraten. Wenngleich sie primär ihren Herrscher vertraten, konnten sie auf ähnliche Weise zugleich weiteren Personen, Familien oder Fraktionen dienen, ohne dabei zwangsmäßig in einen Interessenkonflikt zu geraten. Dies wurde auch durch die vage Trennlinie zwischen der Privatsphäre und der öffentlichen Sphäre begünstigt, die für die Frühe Neuzeit kennzeichnend ist. Die Aufgabe eines Gesandten ermöglichte es den Diplomaten, an der Ausübung der öffentlichen Macht teilzuhaben, die sie zudem im Ausland als öffentliche Personen (personae publicae) mittels des sich allmählich entwickelnden Zeremoniells und anderer Formen symbolischer Kommunikation repräsentierten. Ihr Gesandtenposten bedeutete für sie eine außerordentliche Chance, das gesellschaftliche bzw. auch wirtschaftliche Kapital ihrer selbst und ihrer Familien zu stärken.⁹¹ Allgemein unterschied sich jedoch ihr Status nicht deutlich von der Stellung anderer Hofleute, und ihr Verhalten folgte denselben Lehren und Modellen, die in der damaligen Literatur über höfisches Verhalten präsentiert wurden.⁹²
Thiessen, Diplomatie (wie Anm. 25), S. 483 – 493; Krischer, André: Souveränität als sozialer Status. Zur Funktion des diplomatischen Zeremoniells in der Frühen Neuzeit. In: Diplomatisches Zeremoniell in Europa und im mittleren Osten in der frühen Neuzeit. Hrsg. von Ralph Kauz [u. a.]. Wien 2009. S. 1– 32. Rivero Rodríguez, Diplomacia (wie Anm. 52), S. 28 – 29. Es ist erwähnenswert, dass, als Conde de Luna, der spanische Gesandte am Kaiserhof, während des Konzils von Trient verstarb, sich unter den in seinem Nachlass vorgefundenen Büchern auch das berühmte Werk von Baldassare Castiglione, Il libro del Corteggiano, befand. https://doi.org/10.1515/9783110616699-003
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In den Zeiten vor dem Westfälischen Frieden existierte noch keine deutliche Grenze zwischen Botschaftern und Gesandten. Wie Garett Mattingly in seinem Werk Renaissance Diplomacy überzeugend darstellte, wurde bis 1600 zur Bezeichnung von Diplomaten, die an den Höfen die Interessen ausländischer Mächte vertraten, eine breite Skala von Termini verwendet, wie z. B. orator, legatus, nuncius, missus, messagiero. ⁹³ Es wurde jedoch strikt zwischen der Würde eines Ambassadeurs, auf die ausschließlich Vertreter gekrönter Häupter (also von Kaisern und Königen) und der Republik Venedig Anspruch hatten, und bloßen Residenten (Agenten und Informatoren), die verschiedene italienische Stadtstaaten und fürstliche Souveräne an ausländischen Höfen unterhielten, unterschieden.⁹⁴ Die Stellung der Diplomaten war jedoch ebenfalls von den außenpolitischen Beziehungen geprägt, die zwischen dem entsendenden und empfangenden Land bzw. zwischen deren Herrschern bestanden und von Fall zu Fall unterschiedlich waren. Am Kaiserhof Rudolfs II. konnten somit neben dem apostolischen Nuntius nur Diplomaten aus Spanien, Venedig und Florenz den Ambassadeurposten beanspruchen, während der französische König bloß einen Residenten in Prag unterhielt. Grund hierfür war, zeremoniellen Konflikten mit dem Gesandten Spaniens vorzubeugen. Es war nämlich klar, dass der letztgenannte Diplomat angesichts der familiären Bande zwischen den österreichischen und spanischen Habsburgern seinen Vorrang am Kaiserhof behaupten würde.⁹⁵ Einen privilegierten Platz hatten unter den Gesandten des frühneuzeitlichen Europas die Diplomaten des Heiligen Stuhls, deren spezifische Position sich aus der Tatsache ergab, dass sie den Papst in zweierlei Bedeutung seines Amtes vertraten – zum einen als souveränen Herrscher des Kirchenstaats und zum anderen als Oberhaupt der katholischen Kirche.⁹⁶ In der Frühen Neuzeit existierte diese Vertretung in zwei fundamentalen Ausprägungen – Legaten de latere und ständige Nuntien (nuntii ordinarii), die später noch durch weitere Typen außer-
Mattingly, Renaissance Diplomacy (wie Anm. 2), S. 23 – 29; Rivero Rodríguez, Diplomacia (wie Anm. 52), S. 28 – 29. Kubeš, V zastoupení (wie Anm. 8), S. 26 – 27. Vgl. dazu insbesondere die Aussage im Bericht des florentinischen Gesandten Rodrigo Alidosi und den Abschlussbericht von Antonio Caetani. – Campori, Cesare u. Campori, Giuseppe (Hrsg.): Relazione di Germania e della corte di Rodolfo II. Imperatore negli anni 1605 – 1607 fatta da Roderico Alidosi ambasciatore del granduca di Toscana Ferdinando I. Modena 1872. S. 16; Černušák, EAAC V (wie Anm. 63), Nr. 640,77– 82, S. 551– 553. Zur Stellung der französischen Diplomaten vgl. Stloukal, Karel: Z diplomatických styků mezi Francií a Čechami před Bílou horou. In: ČČH 32 (1926). S. 473 – 496. Zu diesem Spezifikum vgl. Prodi, Paolo: Il sovrano pontifice. Bologna 2006.
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ordentlicher Diplomaten ergänzt wurden.⁹⁷ Legaten de latere waren in der Neuzeit in den allermeisten Fällen geistliche Würdenträger mit Kardinalswürde. Sie wurden daher als Kardinallegaten bezeichnet. Der Papst sandte sie aus, um konkrete, grundsätzliche Fragen der zwischenstaatlichen Beziehungen zu behandeln, z. B. zum Abschluss von Friedensverträgen und Pakten. Diese Sondergesandten hatten eine exzellente Stellung inne, in der sie als Alter Ego des Papstes auftraten, was durch die erteilten Kompetenzen bestätigt wurde und auch auf zeremonieller Ebene Ausdruck fand.⁹⁸ Von den gezielten Legationen in die Habsburgermonarchie während der Herrschaftszeit Rudolfs II. können mehrere Reisen des Bischofs von Trient Ludovico Madruzzo zu den Reichstagen (1582, 1594) und zum Kaiserhof (1578, 1593) genannt werden⁹⁹ sowie die Legation von Kardinal Franz von Dietrichstein zur Hochzeit von Erzherzog Ferdinand von Innerösterreich im Jahre 1600.¹⁰⁰ Während des Pontifikats von Paul V. führte neben der Legation von Franz von Dietrichstein zur Vermählung von König Matthias in Wien im Jahre 1611 insbesondere die Mission von Giovanni Garzia Millini im Jahre 1608 hierher, die zur Versöhnung zwischen Rudolf II. und seinem Bruder Matthias beitragen und zudem versuchen sollte, dem älter werdenden Kaiser erneut die Frage seiner Nachfolge vorzule-
Für eine Übersicht vgl.Walf, Knut: Die Entwicklung des päpstlichen Gesandtschaftswesens in dem Zeitabschnitt zwischen Dekretalenrecht und Wiener Kongress (1159 – 1815). München 1966. S. 187– 210; Barbiche, Bernard: Bulla, legatus, nuntius. Études de diplomatique et de diplomatie pontificales (XIIIe–XVIIe siècle). Paris 2007. S. 159 – 344. Knut, Die Entwicklung (wie Anm. 97), S. 192– 196; Barbiche, Bernard u. Dainville-Barbiche, Ségolene de: La diplomatie pontificale de la paix de Vervins aux traités de Westphalie (1598 – 1648). Permanences et ruptures. In: L’Europe des traités de Westphalie: esprit de la diplomatie et diplomatie d’esprit. Hrsg. von Lucien Bély. Paris 2000. S. 555 – 566; Parma, Tomáš: František kardinál Dietrichstein a jeho vztahy k římské kurii: prostředky a metody politické komunikace ve službách moravské církve. Brno 2011. S. 176 – 185; Giordano, Silvano: La legazione del cardinale Franz von Dietrichstein per le nozze di Mattia, re d′Ungheria e di Boemia (1611). In: Kaiserhof – Papsthof (16.–18. Jahrhundert). Hrsg von Richard Bösel [u. a.]. Wien 2006. S. 45 – 57. Zu seiner Tätigkeit vgl. Jaitner (Hrsg.), Hauptinstruktionen Clemens VIII. Bd. I (wie Anm. 67), S. CCVIII–CCX; Vareschi, Severino: La legazione del cardinale Ludovico Madruzzo alla dieta imperiale di Augusta 1582. Chiese, Papato e Impero nella seconda metà del secolo XVI. Trento 1990; Steinhauf, Bernhard: Giovanni Ludovico Madruzzo (1532– 1600). Katholische Reformation zwischen Kaiser und Papst – das Konzept zur praktischen Gestaltung der Kirche der Neuzeit im Anschluß an das Konzil von Trient. Münster 1993; Koller, Alexander: La dieta di Augusta del 1582 come spazio di esperienza diplomatica. L’esempio dei rappresentanti della curia romana. In: Diplomatische Wissenskulturen der Frühen Neuzeit. Erfahrungen und Orte der Wissensproduktion. Hrsg. von Guido Braun. Berlin – Boston 2018. S. 113 – 134. Parma, František kardinál (wie Anm. 98), S. 176 – 181.
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gen.¹⁰¹ Gerade am letztgenannten Beispiel lassen sich die Schwachstellen des repräsentativen Systems der päpstlichen Legaten recht gut vor Augen führen. Das Problem bestand nicht nur in ihrer hohen Stellung, sondern auch in der langen Vorbereitung einer jeden solchen Gesandtschaft, was dazu führen konnte, dass sie zu spät oder erst nach Veränderung der Ausgangslage zur Behandlung der vorgegebenen Aufgabe eintreffen konnte. Im Laufe der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts trat hierin ein Wandel ein, bei dem unter anderem der allmähliche Niedergang des internationalen Einflusses der Päpste eine Rolle spielte. Während der wichtige Friedensvertrag, der zwischen Frankreich und Spanien in Vervins (1598) geschlossen wurde, unter Aufsicht der Diplomaten von Papst Clemens VIII. entstand, war fünfzig Jahre später während der Verhandlungen in Münster und Osnabrück kein päpstlicher Legat mehr anwesend. Obwohl Legationen auch in späteren Jahrhunderten existierten, wurden ihre diplomatischen Aufgaben von Nuntien übernommen, die sich als ein flexibleres „Instrument“ der Außenpolitik erwiesen.¹⁰² Primäre Aufgabe der ständigen päpstlichen Nuntien der Frühen Neuzeit war die Aufrechterhaltung dauerhafter Bande zwischen Regierungen bzw. Herrschern einzelner Länder und dem Pontifex als Oberhaupt der katholischen Kirche und Herrscher des Kirchenstaates. Zugleich sollten die Nuntien jedoch auf die Durchsetzung der Interessen der Kurie in den jeweiligen Ländern achten. Neben dieser rein diplomatischen Aufgabe übten sie auch spezifische Aufsicht über lokale Kirchen aus,¹⁰³ die deutlich vom Streben nach Durchsetzung der Dekrete des Konzils von Trient geprägt war.¹⁰⁴ Wenn wir uns die einzelnen Hauptinstruktionen der Nuntien aus der Zeit nach dem Ende des Konzils von Trient anschauen, stellen wir fest, dass sich darin in verschiedenem Maße vier Hauptthemen wiederholen: die Verteidigung des katholischen Glaubens, die Erneuerung der Autorität des
Giordano, Le istruzioni (wie Anm. 67), S. 123 – 124, 178 – 179, 206 – 209; Braun, Imagines (wie Anm. 22), S. 385 – 428; Niederkorn, Papst (wie Anm. 40), S. 88 – 91; Parma, František kardinál (wie Anm. 98), S. 181– 183. Barbiche, La diplomatie (wie Anm. 98), S. 558 – 559. Walf, Die Entwicklung (wie Anm. 97), S. 91; Feldkamp, Michael F.: La diplomazia pontificia. Milano 1998. S. 46 – 55. Koller, Alexander: Nuntiaturberichte aus Deutschland als Quellen zur Landesgeschichte. In: Blätter für deutsche Landesgeschichte 133 (1997). S. 37– 53; Koller, Imperator (wie Anm. 41), S. 61– 71, 277– 279; Koller, Alexander: Die Nuntien und das Konzil von Trient. In: Das Konzil von Trient und die katholische Konfessionskultur (1563 – 2013). Hrsg. von Peter Walter u. Günther Wassilowsky. Münster 2016. S. 273; Jedin, Hubert: Nuntiaturberichte und Durchführung des Konzils von Trient. In: QFIAB 53 (1973). S. 180 – 213.
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I Die päpstliche und die spanische Politik am Kaiserhof
Heiligen Stuhls, die Wiedergewinnung der Immunität der Kirche und die innere Reform katholischer Institutionen.¹⁰⁵ Ähnlich wie auf die Kardinallegaten bezogen sich auch auf die Nuntien gewisse rechtliche Spezifika, die einen bedeutenden Unterschied im Vergleich zu Diplomaten säkularer Mächte ausmachten.¹⁰⁶ Um ihre primär kirchliche Mission einfacher zu machen, wurden sie in der Regel für ihre Aufgaben im Zielland mit relativ weitgehenden kanonisch-rechtlichen Vollmachten, sogenannten Fakultäten, ausgestattet. Vom Inhalt her konnten sich diese leicht unterscheiden und sie machten in der Zeit nach dem Konzil von Trient eine gewisse Entwicklung durch. Mitte des 16. Jahrhunderts waren somit die Nuntien befugt, Maßnahmen zur Einhaltung der Kirchendisziplin und der Kirchengesetze zu verabschieden und einzufordern, Visitationen in Diözesen, Pfarreien und Klöstern durchzuführen, Verstöße gegen Kirchenvorschriften zu untersuchen und zu bestrafen, Beichtvätern auch in Fällen, die dem Ordinarius vorbehalten waren, Befugnisse zu erteilen, Dispense von Fastenvorschriften, Ablässe und niedere Benefizien zu erteilen, das Lesen von verbotenen Büchern zu erlauben, Häretikern und Schismatikern Absolution zu erteilen und die Dispensgewalt zur Behebung der Irregularitäten bei der Ordination eines Geistlichen auszuüben. Wohl am deutlichsten sind ihre Befugnisse aus jenen Fakultätsbestimmungen ersichtlich, denen zufolge Nuntien einige Rechte ausüben konnten, die nur Päpsten vorbehalten waren. Sie hatten also das Recht, uneheliche Kinder zu legitimieren, Notare zu ernennen, Doktorwürden zu verleihen, oder die Erlaubnis zur Verwendung von Tragaltären zu erteilen.¹⁰⁷ Die gesellschaftliche und rechtliche Stellung der ständigen Nuntien machte zu Beginn der Neuzeit einen wichtigen Wandel durch. Während man noch Mitte des 16. Jahrhunderts auch Laien unter den Nuntien finden konnte, entwickelte sich der Trend eindeutig zu Klerikern. Ende des 16. Jahrhunderts hatten schon die allermeisten Nuntien die Bischofsweihe. Der letzte Nuntius am Kaiserhof, der sie nicht hatte, war 1589 Alfonso Visconti.¹⁰⁸ Der angedeutete Trend hing mit dem Koller, Imperator (wie Anm. 41), S. 281– 284. Steinherz, Samuel: Die Facultäten eines päpstlichen Nuntius im 16. Jahrhunderte. In: MIÖG 19 (1898). S. 328; Walf, Die Entwicklung (wie Anm. 97), S. 91– 97, 223 – 243. Steinherz, Die Facultäten (wie Anm. 106), S. 330 – 333; Mergentheim, Leo: Die quinquennalfakultäten pro foro externo. Ihre Entstehung und Einführung in deutschen Bistümern. Bd. I. Stuttgart 1908. S. 250 – 263. Koller, Imperator (wie Anm. 41), S. 278; Biaudet, Henry: Les nonciatures apostoliques permanentes jusqu’en 1648. Helsinki 1910. S. 41– 47. Unter dem Pontifikat von Clemens VIII. sind fünf Fälle belegt, in denen Personen ohne Bischofsweihe Nuntien wurden, drei davon wurden dann jedoch während ihrer Amtszeit geweiht. – Jaitner, Hauptinstruktionen Clemens VIII. Bd. I (wie Anm. 67), S. CXLVI.
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Prozess der Klerikalisierung und Italienisierung der Behörden-, Gerichts- und Verwaltungsstrukturen des Heiligen Stuhls zusammen und betraf im Prinzip jeden, der im Kirchenstaat eine Karriere verfolgte.¹⁰⁹ Die spezifische Stellung der Nuntien, die sich aus ihrer direkten Verbindung zum römischen Bischof ergab, spiegelte sich ebenfalls auf symbolischer und zeremonieller Ebene wider. Wie bereits weiter oben angedeutet, hatten Nuntien als Vertreter des „Oberhaupts der Christenheit“ an ausländischen Höfen im Vergleich zu den übrigen Diplomaten souveräner königlicher Herrscher in der Regel eine vorrangige Stellung. Nicht selten jedoch wurden ihre Ansprüche in Zweifel gezogen, und so gerieten sie an ihren Wirkungsstätten in Präzedenzkonflikte. Diese Konflikte blieben auch dem Hof Rudolfs II. nicht erspart.¹¹⁰ Ein interessantes Zeugnis davon, dass im Rahmen des Corps diplomatique am Kaiserhof „die erste Stelle der apostolische Nuntius innehat“,¹¹¹ bietet bereits ein Bericht von Pompeo Vizani, der 1581 im Gefolge von Nuntius Ottavio Santacroce Prag besuchte.¹¹² Die Vorrangstellung des Nuntius geht ebenfalls aus dem Bericht des Sondergesandten des savoyischen Herzogs Carlo Francesco Manfredi di Luserna hervor, der nach seiner Ankunft in Prag im Jahre 1604 einen Bericht nach Turin schickte, in dem er über seine bisherigen Gäste informierte. Als erster besuchte der päpstliche Nuntius Ferreri den neu angekommenen Diplomaten, etwas später folgte dann der spanische Gesandte Guillén de San Clemente. Erst nach ihnen durften auch der Obersthofmeister des Kaiserhofs, Friedrich von Fürstenberg, der venezianische Gesandte und weitere ausländische Diplomaten, Agenten und Residenten Conde Manfredi di Luserna begrüßen.¹¹³ In gleicher Reihenfolge sollen dann diese Personen einige Tage später Manfredi di Luserna bei seiner ersten Audienz beim Kaiser begleitet haben: „Um zwei Uhr nach Mittag kamen in ihren Kutschen der Nuntius, der spanische Botschafter, Herr Pietro Paulo della Grangia und weitere, um mich in meiner Residenz abzuholen.“¹¹⁴
Koller, Imperator (wie Anm. 41), S. 278 – 281; Prodi, Il sovrano (wie Anm. 96), S. 219 – 224; Braun, Imagines (wie Anm. 22), S. 168 – 171. Andretta, Cerimoniale (wie Anm. 23); Garms-Cornides, Per sostenere il decoro (wie Anm. 23), S. 125 – 129. Zur Situation am Hofe Rudolfs II. vgl. in diesem Zusammenhang Černušák, Forme (wie Anm. 23), S. 33 – 50. „[…] fra questi tieni il primo posto noncio apostolico […]“ – Koller, Imperator (wie Anm. 41), S. 374. Für eine Teiledition von Vizanis Text vgl. Koller, Imperator (wie Anm. 41), S. 365 – 377. Archivio di Stato di Torino (ASTo), Corte, Lettere ministri, Austria, mazzo 7, fasc. 2, Carlo Francesco Manfredi di Luserna an Karl Emanuel von Savoyen (Prag, 17. 6. 1604). „Due ore dopo mezzogiorno vennero le carozza del nunzio, quelle dellʼImbasciatore di Spagna, del signor Pietro Paulo della Grangia, e altre levarmi dallʼalloggiamento.“ – zitiert nach
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I Die päpstliche und die spanische Politik am Kaiserhof
Während der außerordentlich langen Herrschaftszeit von Rudolf II. (1576 – 1612) lösten insgesamt 16 ständige Vertreter des Papstes einander an seinem Hof ab, wobei der erste von ihnen, Giovanni Delfino, dieses Amt bereits lange zuvor während der Herrschaft von Rudolfs Vater Maximilian II. bekleidet hatte. Tabelle 1 Verzeichnis der Nuntien am Kaiserhof Rudolfs II. und ihre Amtszeit Giovanni Delfino
–
Bartolomeo Portia
Orazio Malaspina
–
Ottavio Santacroce
Giovanni Francesco Bonomi
–
Germanico Malaspina
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Filippo Sega
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Antonio Puteo
–
Alfonso Visconti
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Camillo Caetani
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Cesare Speciano
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Ferrante Farnese
Filippo Spinelli
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Giovanni Stefano Ferreri
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Antonio Caetani
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Giovanni Salvago
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Tabelle 2 Verzeichnis der Spanischen Gesandten am Kaiserhof Rudolfs II. und ihre Amtszeit Francisco Hurtado de Mendoza, Conde de Monteagudo
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Juan de Borja y Castro
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Guillén de San Clemente
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Baltasar de Zúñiga y Fonseca
–
Pennini, Andrea: „Con la massima diligentia possibile“. Diplomazia e politica estera sabauda nel primo Seicento. Roma 2015. S. 97.
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Auf den ersten Blick fällt auf, dass sich die päpstlichen Nuntien am Kaiserhof in relativ kurzen Intervallen abwechselten. Eine einfache Hochrechnung ergibt, dass die durchschnittliche Zeit der Tätigkeit eines jeden von ihnen am Hof in Wien bzw. in Prag nur 2,25 Jahre betrug. Eine wichtige Rolle spielte hierbei, dass der Papst gewählt wurde und somit mit jedem neuen Pontifex auch ein neuer Herrscher an die Spitze des Kirchenstaats trat und dabei keine dynastische Kontinuität, wie sie in den meisten Monarchien bestand, gewährleistet war. Der allgemein gültige Trend, dass die ständigen päpstlichen Diplomaten häufig wechselten,¹¹⁵ entwickelte sich nicht nur wegen der Eigeninteressen einzelner Päpste, die nach ihrem Amtsantritt wichtige Ämter mit Mitgliedern ihrer Beziehungsnetzwerke besetzen wollten, sondern auch wegen der Diplomaten selbst. Ein allzu langer Aufenthalt außerhalb der römischen Kurie bedeutete für ihre eigene Karriere kein geringes Risiko, zudem, wenn währenddessen ein neuer Papst antrat, was oft der Fall war. Ein weiteres Problem bestand darin, dass durch einen längeren Aufenthalt am ausländischen Hof wichtige gesellschaftliche Kontakte in Rom unterbrochen wurden, auf die jeder Nuntius bei seinen weiteren Karrierevorhaben zählen musste.¹¹⁶ Obwohl der Posten des Nuntius am Kaiserhof äußerst prestigeträchtig war, hatte er nur geringe positive finanzielle Auswirkungen. Der Betrieb des Amtes, die Repräsentanz, der Lebensunterhalt der „Familie“ (famiglia) von Helfern und Dienern des Diplomaten, die sogar über 30 Mitglieder zählen konnte¹¹⁷ – all das waren sehr kostspielige Posten im Haushalt des Nuntius. Die Apostolische Kammer stellte zwar einen fixen Betrag für den Betrieb der diplomatischen Vertretung zur Verfügung – für eine Nuntiatur wie jene in Prag waren es im 16. Jahrhundert 230 Gulden monatlich.¹¹⁸ Verglichen mit den realen Ausgaben reichte diese Summe jedoch nicht aus. Es war gang und gäbe, dass die Nuntien ebenso wie ihre „weltlichen Kollegen“ ihren diplomatischen Dienst für den Papst aus eigenen Mitteln dotierten in der Hoffnung, dies werde sich eines Tages durch einen Aufstieg in ihrer Kirchenkarriere auszahlen.¹¹⁹ Für einige von ihnen war das kein
Vgl. die Übersicht von Nuntien in Biaudet, Les nonciatures (wie Anm. 107). Für die Nuntiatur am Kaiserhof in den Jahren 1560 – 1655 wurde eine detaillierte Analyse von Alexander Koller erstellt. – Koller, Imperator (wie Anm. 41), S. 287– 301. Koller, Imperator (wie Anm. 41), S. 294. Koller, Imperator (wie Anm. 41), S. 394. Biaudet, Les nonciatures (wie Anm. 107), S. 62– 92. Anderson, The Rise (wie Anm. 8), S. 33 – 36; Frigo, Daniela: Corte, onore e ragion di stato. Il ruolo dell’ambasciatore in età moderna. In: Ambasciatori e nunzi. Figure della diplomazia in età moderna. Hrsg. von Daniela Frigo. Roma 1999. S. 31– 32.
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I Die päpstliche und die spanische Politik am Kaiserhof
Problem, da sie aus reichen Adelskreisen stammten und während ihrer Mission von ihren Familien finanziell unterstützt wurden. Zu solchen Nuntien gehörte beispielsweise Antonio Caetani, dessen Prager Mission zum Großteil aus dem Familienbudget bezahlt wurde.¹²⁰ Cesare Speciano hingegen stammte aus bescheidenen Verhältnissen und beschwerte sich in seiner Korrespondenz sehr oft über die späte Zustellung von Finanzen aus Rom und auch darüber, dass er wegen seines diplomatischen Dienstes stark verschuldet sei. Im Juni 1593 schrieb er wörtlich nach Rom: „Falls diese Nuntiatur noch allzu lange dauert, wird sie mich in den Bankrott führen, schon jetzt habe ich so viele Schulden, dass es eine Schande ist.“ Es wird geschätzt, dass Speciano während seiner Prager Amtszeit in den Jahren 1592– 1598 die Nuntiatur mit insgesamt 50.000 Scudi aus seinen eigenen Mitteln dotieren musste.¹²¹ Ähnliche Probleme haben aber auch andere Nuntien gehabt, wie z. B. Filippo Spinelli oder Giovanni Stefano Ferreri.¹²² Die Kandidaten für einzelne diplomatische Posten wurden vor Anfang ihrer Mission nicht besonders geschult. Die allermeisten Nuntien hatten zuvor Jura an einer italienischen Universität studiert. Danach waren sie während ihrer weiteren Karrieren auf verschiedenen Posten aktiv. Den Erkenntnissen von Alexander Koller zufolge hatten mehr als die Hälfte aller Nuntien am Kaiserhof aus den Jahren 1560 – 1655 in der Gerichtsverwaltung als Referendare angefangen (referendarius utriusque signaturae)¹²³ und eine weitere große Gruppe war an der Verwaltung des Kirchenstaats beteiligt gewesen. Relativ viele hatten bereits vor ihrer Abreise an den Kaiserhof diplomatische Erfahrungen gesammelt. Einige waren als ständige Nuntien an ausländischen Höfen tätig gewesen, andere hatten an außerordentlichen diplomatischen Missionen teilgenommen.¹²⁴ Neben den während des Studiums erworbenen Kenntnissen und bisherigen Erfahrungen spielte für das Erlangen des Nuntiuspostens zweifellos auch die
Hiermit steigerte Antonio Caetani zwar das Ansehen seiner Familie, trug aber auch in nicht geringem Maße zu ihrer Verschuldung bei. – Visceglia, Non si ha da equipare lʼutile (wie Anm. 24), S. 210 – 211. Pazderová, Zázemí (wie Anm. 42), S. 38 – 39. Stloukal, Papežská politika (wie Anm. 39), S. 95 – 96; Kristen, EAJSF I (wie Anm. 62), Nr. 64, S. 196 – 198. Zu den Referendaren und ihrer Einordnung in die Gerichtsverwaltung des Kirchenstaats vgl. insbesondere Weber, Christoph: Die päpstlichen Referendare 1566 – 1809. Chronologie und Prosopographie. Bde. 1– 3. Stuttgart 2003 – 2004. Zu den Erstgenannten gehörten z. B. Ottavio Santacroce in Turin, Germanico Malaspina und Giovanni Salvago in Graz. In die zweite Gruppe gehörten z. B. Cesare Speciano, der 1571 an der Legation von Kardinal Michele Bonelli nach Spanien teilnahm, und Camillo Caetani, der seinen Bruder, Kardinal Enrico Caetani, bei der Legation nach Frankreich im Jahre 1589 begleitete. – Koller, Imperator (wie Anm. 41), S. 291– 293.
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Verankerung der Familie im Geflecht der Gesellschafts- und Machtbeziehungen eine gewisse Rolle. Die Besetzung eines konkreten diplomatischen Postens war eng mit Familienstrategien verwoben, die auf die Stärkung ihrer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung abzielten. Dies kann man sehr gut am Beispiel von Antonio Caetani zeigen. Als sein Bruder Bonifacio mit dem Amtsantritt von Papst Paul V. die Kardinalswürde bekam, wurde für Antonio von der Familie die Nuntiatur in Spanien als wichtiges Ziel ausgesucht. Dies war Teil einer Langzeitstrategie, die nach einer engeren Verknüpfung der klientelistischen Beziehungen zu den dortigen Herrschern strebte.¹²⁵ Dieser Plan ging zunächst nicht auf, und so wurde die Prager Nuntiatur von der Familie als zeitweilige Lösung gesehen, bis sich wieder eine neue Chance zur Umsetzung des ursprünglichen Vorhabens bieten würde. Angesichts der allgemeinen Orientierung der Familie Caetani auf Spanien war diese Tendenz einleuchtend. Sie hing jedoch auch mit einer weiteren Tatsache zusammen: im Unterschied zur kaiserlichen Nuntiatur konnte die spanische Nuntiatur einen viel besseren Zugang zu Gunstbezeugungen, Privilegien und Gaben bedeuten, während die Möglichkeiten des Kaisers in dieser Hinsicht nur marginal waren. Die ersehnte Nuntiatur in Spanien bekam Antonio Caetani erst 1611, also nach seiner Rückkehr von der Prager Mission.¹²⁶ Sie zahlte für die Familie in der Tat aus. Im Jahre 1616 bekam die Familie Caetani den spanischen Granden-Titel, was zweifellos auch Antonios Einfluss zu verdanken war. Dieser Titel wurde italienischen Adelsfamilien nur selten verliehen, und die Familie Caetani kam darin sogar der Familie Borghese zuvor, was wahrscheinlich zur Ursache eines Konflikts mit dem Papst und seiner Ungnade wurde.¹²⁷ Die künftigen Nuntien am Kaiserhof sollten daneben aber auch gewisse persönliche Eigenschaften haben, die für die richtige Ausübung ihres bedeutenden Amtes als wichtig erachtet wurden. Im Jahre 1576 wurden diese von Petrus Canisius,¹²⁸ einem berühmten Jesuiten, der reiche Erfahrungen aus Mitteleuropa hatte, in seinem Memorandum an Giovanni Morone, den damals am Reichstag in Regensburg teilnehmenden päpstlichen Legaten, aufgezählt. Das Ideal von Canisius, das in Zukunft jeder Nuntius im Heiligen Römischen Reich erfüllen sollte, umfasste theologische Kenntnisse, ausgezeichnete Beherrschung von Latein, Weisheit, Eifer und ein vorbildliches Leben. Ähnliche Begriffe tauchen kontinu-
Vgl. insbesondere Visceglia, Non si ha da equipare lʼutile (wie Anm. 24). Černušák, Služba (wie Anm. 24), S. 145 – 147. Zur Tätigkeit von Antonio Caetani in Spanien vgl. Periati, Behind the negotiations (wie Anm. 29). Thiessen, Diplomatie (wie Anm. 25), S. 176. Zu Canisius jüngst Foresta, Patrizio: „Wie ein Apostel Deutschlands“. Apostolat, Obrigkeit und jesuitisches Selbstverständnis am Beispiel des Petrus Canisius (1543 – 1570). Göttingen 2016.
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I Die päpstliche und die spanische Politik am Kaiserhof
ierlich auch in späteren Zeiten auf, wie sich aus einer Analyse der Texte der Hauptinstruktionen aus den Jahren 1592– 1623 ergibt, in denen als wichtigste Züge eines päpstlichen Gesandten wiederholt Besonnenheit (prudenza), Geschick (destrezza), tugendhaftes bzw. vorbildliches Leben (integrità; buona vita; virtù) und Eifer in Glaubenssachen (zelo; fede; pietà) hervorgehoben wurden. Weitere, weniger häufig vorkommende Ausdrücke in den Hauptinstruktionen betonen ebenfalls die Notwendigkeit von Bildung, diplomatischen Erfahrungen, Fleiß, Gewissenhaftigkeit und Wachsamkeit.¹²⁹ Sprachkenntnisse waren für die päpstlichen Diplomaten bei ihrer Mission in Mitteleuropa kein so großes Problem, wie man auf den ersten Blick meinen könnte. Nur selten beherrschte jemand von ihnen die in diesem geografischen Raum üblichen Vernakularsprachen, also Deutsch bzw. Tschechisch. Einer der wenigen Vertreter der Kurie, der als Diplomat gut auf Deutsch kommunizierte, war der bereits erwähnte Kardinal Madruzzo. Primäre Kommunikationssprache der Nuntien am Kaiserhof in Prag war Italienisch.¹³⁰ Wenn jemand unter den Hofleuten dieser Sprache mächtig war, konnte dies zweifellos ein gewisser Vorteil sein. An die Nuntien wandten sich in italienisch geschriebenen Briefen beispielsweise der in der Krain geborene Rudolf Coraduz,¹³¹ Karl von Liechtenstein,¹³² Ernst von Mollart¹³³ und Johann Barvitius, der sich übrigens auch bei seiner gewöhnlichen Amtstätigkeit der italienischen Sprache bediente.¹³⁴ Die
Koller, Imperator (wie Anm. 41), S. 273 – 276. Zu den Sprachkenntnissen der päpstlichen Diplomaten im Heiligen Römischen Reich vgl. Braun, Imagines (wie Anm. 22), S. 199 – 205. Vgl. seinen Brief an Nuntius Spinelli aus dem Jahr 1600. – Archivio Apostolico Vaticano (AAV), Fondo Borghese (FB) III, 87c, fol. 166r. Zu seiner Zusammenarbeit mit Speciano vgl. Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), S. XXXI–XXXII. Zu seinem Lebensschicksal kurz Schwarz, Henry Frederick: The Imperial Privy Council in the seventeenth century. Cambridge 1943. S. 219 – 219; Ehrenpreis, Stefan: Kaiserliche Gerichtsbarkeit und Konfessionskonflikt. Der Reichshofrat unter Rudolf II. 1576 – 1612. Göttingen 2006. S. 293. Coraduz war in den Jahren 1595 – 1596 als kaiserlicher Diplomat in Rom tätig gewesen und die Nuntien griffen in unterschiedlichem Maße bereits ab dem Ende des 16. Jahrhunderts auf ihn zurück. Für Briefe an Nuntius Ferreri aus den Jahren 1605 – 1607 vgl. AAV, FB II, 171, fol. 101r, 103r; NAP, SP-It, Kart. 94, Inv. Nr. 513. Vgl. die Abschriften aus der Registratur von Nuntius Ferreri, die aufbewahrt werden im Archivio di Stato Biella. – NAP, SP-It, Kart. 94, Inv. Nr. 513. AAV, FB III, 67b, fol. 274r–v. In den achtziger Jahren des 16. Jahrhunderts war Barvitius eine gewisse Zeit lang in Rom tätig, von wo aus er in regelmäßigem Briefwechsel mit dem spanischen Gesandten Guillén de San Clemente stand. Die Abschriften ihrer Briefe befinden sich in der Prager Nationalbibliothek. Národní knihovna Praha, Oddělení rukopisů a starých tisků, Rukopisy ze sbírek Tomáše Antonína Putzlachera ve fondu pražské lobkowiczké knihovny, XXIII D 61/1– 3, hier Bd 1.
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sprachliche Bevorzugung von Italienisch kann jedoch nicht als grundlegender Faktor der Strategie der Nuntien beim Formen des päpstlichen Netzwerks bzw. bei der Kommunikation mit seinen Mitgliedern gesehen werden. Angesichts der allgemeinen Lateinkenntnisse bei gebildeten kaiserlichen Beamten und Aristokraten wurde auch Latein häufig als entsprechender Ersatz genutzt.¹³⁵ Vereinzelt ist jedoch auch das Verwenden von Spanisch belegt.¹³⁶ Wenn wir uns die geografische Herkunft der Nuntien am Kaiserhof während der Herrschaftszeit Rudolfs II. genauer ansehen, wird deutlich, dass knapp ein Drittel von ihnen aus dem Kirchenstaat selbst kam. Dies waren die Nuntien Santacroce, Sega, Camillo und Antonio Caetani sowie Ferrante Farnese. Vier weitere stammten aus italienischen Gebieten, die unter die spanische Krone gehörten, konkret aus dem Herzogtum Mailand (Bonomi, Visconti und Speciano) und aus dem Königreich Neapel (Spinelli). Dass die meisten Nuntien von dort stammten, war eigentlich logisch, handelte es sich doch um die bedeutendsten Regionen des frühneuzeitlichen Katholizismus. Die übrigen Nuntien stammten aus weiteren italienischen Staaten – dem Herzogtum Savoyen (Puteo, Ferreri), der Republik Venedig (Delfino, Portia), der Republik Genua (Salvago), dem Herzogtum Parma (Germanico Malaspina) und dem Reichslehen Monti (Orazio Malaspina).¹³⁷ Nach Vollendung ihrer Prager Mission entwickelten sich die Karrieren der Nuntien in verschiedene Richtungen. Das hohe Prestige der Nuntiatur am Kaiserhof, die neben der Nuntiatur in Spanien und Frankreich als bedeutendste Destination angesehen war, half den Diplomaten dabei, nach ihrer Rückkehr nach Rom hohe Posten zu beanspruchen.¹³⁸ Nuntien, die ihr Amt in Prag ausgeübt hatten, hatten daher bei günstiger Konstellation weiterer Umstände gute Chancen, bei einer anderen bedeutenden Nuntiatur Karriere zu machen oder nach den höchsten Kirchenämtern zu greifen. Die Analyse von Alexander Koller zeigt, dass von den 29 Amtsträgern dieser Nuntiatur in den Jahren 1559 – 1655 später insgesamt elf Kardinal wurden.¹³⁹ Unter den von uns dokumentierten 16 Männern ge-
Lateinisch kommunizierte mit Nuntius Malaspina der Reichsvizekanzler Sigmund Viehäuser. – AAV, Segretaria di Stato (SS), Germania 101, fol. 291r. Vgl. den Brief von Wolf Rumpf an Spinelli aus dem Jahr 1599. – AAV, FB III, 67b, fol. 283r. Spanisch konnte beispielsweise Nuntius Ottavio Santacroce – Braun, Imagines (wie Anm. 22), S. 201. Koller, Imperator (wie Anm. 41), S. 290 – 291. Biaudet, Les nonciatures (wie Anm. 108), S. 52, 77; Walf, Die Entwicklung (wie Anm. 97), S. 121– 122; Koller, Imperator (wie Anm. 41), S. 287– 301; Belardini, Alberto Bolognetti (wie Anm. 24), S. 174– 175. Koller, Imperator (wie Anm. 41), S. 297– 301.
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lang dies jedoch bloß einem Viertel – Filippo Sega wurde Kardinal während des kurzen Pontifikats von Innozenz IX. im Jahre 1591, Alfonso Visconti und Filippo Spinelli während des Pontifikats von Clemens VIII. und Antonio Caetani erst zu Zeiten Gregors XV. im Jahre 1621. Nicht einmal schriftliche Interventionen von Kaiser Rudolf II. oder persönliche Verhandlungen seines Gesandten in Rom garantierten automatisch Erfolg.¹⁴⁰ Zwei Nuntien verstarben während ihrer Amtszeit – Bartolomeo Portia im Jahre 1578 und Ottavio Santacroce 1581. Beide fanden ihre letzte Ruhestätte in Prag. Portia ist in der Allerheiligenkapelle auf der Prager Burg begraben, Santacroce sogar im Veitsdom.¹⁴¹ Ferrante Farnese wurde zwar 1597 ordentlich zum Nuntius am Kaiserhof ernannt, übernahm aber wegen Erkrankung sein Amt nicht und wurde in den darauffolgenden Jahren mit keiner weiteren wichtigen Aufgabe betraut. Viele Diplomaten waren später auf weiteren diplomatischen Posten tätig – Antonio und Camillo Caetani wurden Nuntien in Spanien, Orazio Malaspina in Frankreich, Germanico Malaspina absolvierte sogar noch drei Missionen (Neapel, Polen und Siebenbürgen), Giovanni Bonomi wurde später Nuntius in Köln. Viele andere übernahmen jedoch später keine diplomatischen Aufgaben mehr. Giovanni Delfino kehrte nach seiner langen Nuntiatur nach Italien zurück, wo er später Bischof in Brescia wurde. Antonio Puteo starb drei Jahre nach seiner Rückkehr aus Prag. Cesare Speciano war noch lange nach Ende seiner Nuntiatur als Bischof in Cremona tätig. Seine Promotion zum Kardinal wurde 1607 durch seinen Tod verhindert. Vergeblich waren die Hoffnungen und das Streben nach dem Kardinalspurpur von Giovanni Stefano Ferreri, dessen Ambition vom Papstwechsel durchkreuzt wurde, und der in seine Diözese in Vercelli zurückkehrte. Giovanni Salvago verbrachte seinen Lebensabend als Bischof in LuniSarzana.¹⁴² Die am Kaiserhof Rudolfs II. aktiven spanischen Gesandten können ebenfalls in zwei grundlegende Gruppen eingeteilt werden, nämlich in ordentliche Gesandte (embajador ordinario), die mit der dauerhaften Leitung der Botschaft betraut waren, und außerordentliche Gesandte (embajador extraordinario), die mit einer konkreten, spezifischen Aufgabe nach Prag geschickt wurden.¹⁴³ Die Gründe für die Ernennung eines außerordentlichen Gesandten konnten dabei sehr vielfältig sein, von Höflichkeitsbesuchen zur Äußerung von Gratulation oder Bei-
Fürsprachen des Kaisers für einige Nuntien z. B. – AAV, FB II, 79, f. 4– 5, 16, 19. Detailreicher zu beiden Nuntien und ihrem Tod vgl. Koller, Imperator (wie Anm. 41), S. 331– 334, 345 – 347. Koller, Imperator (wie Anm. 41), S. 297– 299. Ochoa Brun, Historia Bd. VIII (wie Anm. 30), S. 198.
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leid¹⁴⁴ bis hin zum Lösen von besonders drängenden und delikaten Problemen in zwischenstaatlichen Beziehungen. Dies galt beispielsweise für die Mission von Pedro Fajardo Fernández de Córdoba, III. Marqués de los Vélez, der im März 1572 nach Wien gesandt wurde, um dort die spanische Intervention in der Markgrafschaft Finale zu verteidigen. Dieses Beispiel zeugt davon, dass es sich beim außerordentlichen diplomatischen Amt nicht immer nur um kurzfristige Angelegenheiten handeln musste. Der Marqués de los Vélez verbrachte nahezu zwei Jahre in der Habsburgermonarchie und arbeitete die ganze Zeit eng mit dem ständigen spanischen Gesandten, Conde de Monteagudo, zusammen, in dessen Residenz er zeitweilig Unterkunft fand.¹⁴⁵ Gerade Francisco Hurtado de Mendoza, Conde de Monteagudo, Marqués de Almazán, war (1570 – 1577) erster von den vier ständigen Gesandten, die die spanischen Interessen am Kaiserhof Rudolfs II. vertraten. Der Sohn von Juan Hurtado de Mendoza und Luisa Fajardo y Chacón hatte keinerlei diplomatische Erfahrungen, und die einzigen Vorzüge, die ihn dazu vorbestimmten, Gesandter am Kaiserhof zu werden, waren seine edle Herkunft und die Unterstützung, die er von Maximilian II. und seiner Frau Maria von Spanien erfuhr.¹⁴⁶ Diese versicherte ihrem Bruder, dem spanischen König Philipp II., bereits im November 1570, dass „der Kaiser den neuen Gesandten sehr schätzt und mit ihm gut auskommen wird“.¹⁴⁷ Obwohl dies aus dem Zitat nicht ersichtlich ist, war die Auswahl des Gesandten auch stark von dessen Familienstand beeinflusst. Bislang haben sich die Historiker nur im Zusammenhang mit den Höfen der spanischen Könige Philipp IV. und Karl II. den Frauen von Gesandten (den sogenannten embajadoras) So traf beispielsweise im Jahre 1577 Luis Enrique de Cabrera, duque de Medina de Rioseco, am Kaiserhof ein, um im Namen des spanischen Königs Philipp II. Kaiserin Maria zum Tode ihres Mannes Maximilian II. zu kondolieren – Chudoba, Španělé (wie Anm. 43), S. 151. Marek, La embajada (wie Anm. 34), S. 66 – 74; vgl. ebenfalls Rodríguez Pérez, Raimundo: El camino hacia la corte. Los marqueses de los Vélez en el siglo XVI. Madrid 2011. Einen vergleichbar langfristigen Charakter nahm ebenfalls die Sondermission des Gesandten Luis Vanegas de Figueroa an, der am Kaiserhof in Wien sogar drei Jahre verbrachte (1567– 1570). – Marek, La embajada (wie Anm. 34), S. 56 – 61. Vgl. zu ihm Abad, Camilo María: Un embajador español en la Corte de Maximiliano II. Don Francisco Hurtado de Mendoza (1570 – 1576). In: Miscelánea Comillas 23 – 43 (1965). S. 21– 94; Bouza Álvarez, Fernando: Docto y devoto. La biblioteca del Marqués de Almazán y Conde de Monteagudo (Madrid, 1591). In: Hispania-Austria II. Die Epoche Philipps II (1556 – 1598). La época de Felipe II (1556 – 1598). Hrsg. von Friedrich Edelmayer. Wien – München 1999. S. 247– 308. „[…] el Emperador serviere arto bien y le tiene por muy hombre de bien.“ – Kaiserin Maria an König Philipp II. (29.11.1570). – Galende Díaz, Juan Carlos u. Salamanca López, Manuel (Hrsg.): Epistolario de la emperatriz María de Austria: textos inéditos del Archivo de la casa de Alba. Sevilla 2004. S. 195 – 206, insbesondere S. 200. Ähnlich vgl. den Brief der Kaiserin Maria an denselben Adressaten, verschickt im Mai 1570 aus Prag. – ebd., S. 180 – 189, insbesondere S. 183.
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gewidmet.¹⁴⁸ Eine nicht weniger bedeutende Rolle kam offensichtlich auch den Ehefrauen von Gesandten am Hofe Maximilians II. und in den ersten Herrschaftsjahren Rudolfs II. zu, da sie dort zur Aufgabe hatten, den Kreis der weiblichen Vertrauten der Kaiserin Maria zu erweitern.¹⁴⁹ Dies wurde indirekt gerade von Conde de Monteagudo bestätigt. In seiner abschließenden Memorialschrift, die er kurz vor seiner Rückkehr in die Heimat niederschrieb, erwähnt er nämlich nicht nur seine eigenen Verdienste, sondern auch den Einsatz und Eifer, mit dem sich in den vergangenen Jahren seine Frau María de Cárdenas und die Kinder der neuen Aufgabe angenommen haben: Meine Frau, die Gräfin, die Kinder und ich, haben uns jeden Tag voll und ganz der Aufgabe gewidmet, die uns anvertraut worden war. Ich widmete mich meinem Amt und der Kaiserin, der auch meine Gattin Gesellschaft leistete. Sie kümmerte sich nach allen Kräften um Ihre Majestät, ohne sich durch etwas anderes davon abhalten zu lassen. Mein Sohn diente den Prinzen und meine Tochter den Infantinnen und deren Mutter, und zwar mit einer Sorgfalt, wie sie von den Dienern Ihrer Majestät erwartet wird.¹⁵⁰
Die Position von Conde de Monteagudo war sehr dadurch erleichtert, dass er seine Mission in Zeiten aufnahm, zu denen sich die Beziehungen zwischen beiden Li-
Vgl. insbesondere Oliván Santaliestra, Laura: Gender, Work and Diplomacy in Baroque Spain. The Ambassadorial Couples of the Holy Roman Empire as Arbeitspaare. In: Gender and History 29 (2017) Nr. 2. S. 423 – 445; dies.: Amazonas del secreto en la embajada madrileña del Graf von Pötting (1663 – 1674). Memoria y civilización 19 (2016). S. 221– 254. Es war wohl kein Zufall, dass Juan de Borja, der Nachfolger von Conde de Monteagudo im Amt des spanischen Gesandten am Kaiserhof, kurz vor seiner Abreise nach Prag zum zweiten Mal heiratete. Seine Auserwählte war zudem Francisca de Aragón y Barreto, eine Hofdame der aus dem Hause Habsburg stammenden portugiesischen Königin Katharina von Kastilien. Baďura, Bohumil: Los Borja y el Reino de Bohemia. In: IAP 39 (2005). S. 43 – 72, hier S. 44. Nach der Rückkehr Marias von Spanien nach Spanien, verlor diese Bedingung an Bedeutung. Guillén de San Clemente blieb daher, ähnlich wie Kaiser Rudolf II., Junggeselle, Baltasar de Zúñiga heiratete erst nach dem Antritt von Kaiser Matthias. – González Cuerva, Baltasar de Zúñiga, (wie Anm. 43), S. 303 – 306. „La Condesa mi muger, hyjos y yo nos hemos empleado todos los días que en su Corte hemos estado yo haziendo mi officio por una parte y por otra acompañando a Su md. y esto mismo ha hecho la Condesa sirviendo y regalando la Emperatriz con todas sus fuerzas y yndustria sin desvelarse en otra cosa, mi hyjo sirviendo a los Príncipes como si llevara sus gajes y mi hyja a las Infantas y a su madre tan cuydadosamente como quantas Criadas Su Md. Tiene.“ – NAP, SP-S, Kart. 1, sine folio: Copia del Memorial y recuerdo para Su Md. sobre las cosas del conde de Monteagudo. Die Worte des Grafen bestätigte übrigens auch die Aussage der Kaiserin Maria selbst. – „La Condesa de Monteagudo me ayuda mucho a tener más compañía, que es muy buena la suya.“ Kaiserin Maria an König Philipp II. (Wien, 31. 7. 1571). Veröffentlicht in Galende Díaz u. Salamanca López (Hrsg.), Epistolario (wie Anm. 147), S. 222.
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nien des Hauses Habsburg durch außerordentliches gegenseitiges Verständnis auszeichneten.¹⁵¹ Der deklarierte Bund zwischen Kaiser und spanischem König war jedoch kein Bündnis von zwei Gleichwertigen, sondern eine Allianz, in der der Sohn von Karl V. eindeutig die Zügel in der Hand hielt.¹⁵² Die Hegemonialstellung der spanischen Monarchie spiegelte auch die Position der spanischen Gesandten am Kaiserhof wider. Conde de Monteagudo hatte hier während des Großteils seiner Amtszeit bedeutenden politischen Einfluss und beeinflusste erfolgreich all jene Entscheidungen des Kaisers, die für den älter werdenden katholischen König wichtig waren. Hiervon zeugen nicht nur die vielen Berichte, die Gesandte weiterer Länder aus Wien bzw. aus Prag verschickten, sondern auch die Worte des spanischen Diplomaten selbst: „Weder der Kaiser noch seine Minister greifen je in die Angelegenheiten unseres Herrschers ein, ohne mich zuvor nach meiner Meinung zu fragen. Sie geben mir also alle Berichte, Verordnungen und kaiserlichen Mandate zur Einsicht, noch bevor sie ihre Reinfassung veröffentlichen“, schrieb er 1573 an Staatssekretär Gabriel de Zayas.¹⁵³ Aus Sicht des spanischen Diplomaten war jedoch nicht alles optimal. In seinen Berichten beschwerte sich Monteagudo wiederholt vor allem über man-
Darauf verweist auch die für Conde de Monteagudo bestimmte Instruktion: „Ha venido á crescer tanto con este tan estrecho vinculo el deseo y obligación que yo tengo para los complacer, agradar y dar contentamiento, que ha de ser vuestro principal cuidado el representarles esto y servirlos y agradarlos de la misma manera que á mí, y en especial á la Emperatriz, mi hermana, á quien yo en todas razones y consideraciones tengo particular voluntad y amor.“ AGS, E, 666, fol. 1: Minuta de la instrucción que se dio al conde de Monteagudo fechada en Madrid à 12 de enero de 1570. Vgl. CODOIN Bd. CX (wie Anm. 77), S. 1– 14, insbesondere S. 2. Zur Stellung von Philipp II. als mächstigster Herrscher des damaligen christlichen Abendlandes vgl. Parker, Geoffrey: Felipe II. La biografía definitiva. Barcelona 2011. Die bislang beste Abhandlung über die Beziehungen zwischen beiden Linien des Hauses Habsburg ist das Buch Chudoba, Španělé (wie Anm. 43). Eine interessante Analyse des Verhältnisses zwischen Philipp II. und seinem Neffen Rudolf II. enthält die Studie Rodríguez Salgado, María José: „I loved him as a father loves a son […]. Europe damn me then, but I deserve his thanks.“ Philip II’s relations with Rudolf II. In: La Dinastía de los Austria. Las relaciones entre la Monarquía Católica y el Imperio. Bd. I. Hrsg. von José Martínez Millán u. Rubén González Cuerva. Madrid 2011. S. 335 – 391. „Ny al Emperador ny a sus Ministros, los quales no proveen jamás cosa en negoçio de n[uest]ro amo, que no sea con intervençión mía y monstrándome las minutas de las provisiones, autos y mandatos imperiales antes que se pongan en lympio.“ – AGS, E 670, fol. 31: Conde de Monteagudo an Staatssekretär Gabriel de Zayas (Wien, 15. 5. 1573). Es ist erwähnenswert, dass sich zu jener Zeit der kaiserliche Gesandte in Madrid, Adam von Dietrichstein, bei König Philipp II. darüber beschwerte, dass er an dessen Hofe bei weitem nicht solch eine privilegierte und vertrauensvolle Stellung habe wie der spanische Gesandte in Wien: „Yo no suplico a V. Magd por otra merced si no que mande usar aqua el proceder conmigo que hace su Ces.a con su embajador alla.“ – Archivio Fondazione Trivulzio Milano (AFT), Cod. 2088: Lo que he hablado con el rey a los 27 de ottubre al Pardo de palabra a palabra.
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gelnde Finanzen. Obwohl er während seiner Mission zahlreiche Gunstbezeugungen des katholischen Königs genoss, waren seine Ausgaben deutlich höher als die Einnahmen. Schuld daran war unter anderem die Tatsache, dass Monteagudo ungefähr ein Drittel seiner Dienstzeit am Kaiserhof auf Reisen verbrachte.¹⁵⁴ Die Teilnahme an den Reichstagen in Speyer und Regensburg, an Landtagen in Prag und Pressburg (Prešpurk, heute Bratislava), oder aber der Besuch beim sächsischen Kurfürsten in Dresden belasteten das Budget des Gesandten sehr. Grund dafür waren nicht nur die Reisekosten an sich, sondern auch die Tatsache, dass der Bedarf an Repräsentanz während dieser Reisen unverhältnismäßig anstieg.¹⁵⁵ Finanzmangel plagte jedoch auch Monteagudos Amtsnachfolger. Klagen über das kostspielige Leben am Kaiserhof und die Überzeugung, dass genügend Geld eben das A und O des Erfolgs der Gesandtenmission sei, zieht sich wie ein roter Faden durch die Berichte der Gesandten Juan de Borja, Guillén de San Clemente und Baltasar de Zúñiga.¹⁵⁶ Dies kann aber in hohem Maße auch als Druckmittel betrachtet werden, das den Gesandten dazu verhelfen sollte, nach ihrer Rückkehr vom katholischen König ausreichend belohnt zu werden.¹⁵⁷ Zum Aufenthalt in Mitteleuropa selbst stellten sich die meisten spanischen Gesandten negativ und sahen ihn als ein notwendiges Übel. Es frustrierte sie das kalte Klima, die andere Kultur, potenziert durch Sprachbarrieren und die Mentalität der dortigen Bevölkerung. Am meisten störten sie sich aber offensichtlich an der religiösen Lage dort, die sie für verdorben und verachtenswert hielten.¹⁵⁸ Alle Männer, die während der Herrschaftszeit Rudolfs II. das Amt des spanischen Gesandten am Kaiserhof innehatten, waren überzeugte Katholiken. Durch seinen religiösen Eifer wurde insbesondere Francisco Hurtado de Mendoza berühmt, von dem bekannt ist, dass er sich üblicherweise vor der Kommunion der Selbstgeißelung unterzog. Schon der bloße Kontakt mit Protestanten erfüllte ihn mit Abscheu, umso mehr, weil er vielen von ihnen gebührenden Respekt zeigen musste. Wegen seines rigiden Katholizismus war er zudem in Wien vielen Provokationen
NAP, SP-S, Kart. 1, sine folio: Copia del Memorial y recuerdo para Su Md. sobre las cosas del conde de Monteagudo. Das aktive und kostspielige gesellschaftliche Leben des Hofes auf Reisen wird beispielsweise im umfangreichen Bericht über die Reise nach Sachsen an den Dresdner Hof beschrieben, der aufbewahrt wird in der Biblioteca Nacional de España, MSS 18768, fol. 134– 144. Vgl. z. B. NAP, SP-S, Kart. 1: Guillén de San Clemente an Sekretär Andrés Prada (Prag, 20. 9. 1603). Marek, La embajada (wie Anm. 34), S. 84– 85. Das Bild Mitteleuropas und seiner Bewohner gesehen mit den Augen spanischer Diplomaten wurde anhand von zahlreichen Beispielen nähergebracht von Edelmayer, Söldner (wie Anm. 33), S. 38 – 61. Die Meinung von Francisco Hurtado de Mendoza widerspiegelt sich in seinem Brief an König Philipp II. (Prag, 18. 3. 1575). – NAP, SP-S, Kart. 1, sine folio.
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ausgesetzt. So beschwerte er sich beispielsweise 1573 beim Kaiser, dass ein nicht näher genannter protestantischer Prediger mehrmals am Tag seine flammenden Predigten direkt gegenüber dem Gesandtschaftsgebäude halte.¹⁵⁹ Monteagudos radikaler Katholizismus erregte nicht nur negative Reaktionen der Protestanten am Kaiserhof, sondern blieb auch vielen dortigen Katholiken unbegreiflich. Die Mitteleuropäer stellten sich sehr kritisch zur Gegenreformationspolitik, die von Philipp II. forciert wurde, und ihre Haltung zur spanischen Monarchie und zu den Spaniern allgemein war äußerst feindselig. „Von dem Moment an, da ich Deutschland betrat, bin ich stark durch die Erkenntnis beunruhigt, wie verhasst und schlecht akzeptiert wir hier als Spanier sind.“¹⁶⁰ Daher überrascht nicht, dass Monteagudo die hiesigen Einwohner für „verblendet“, „verwirrt“ und „wenig scharfsinnig“ hielt.¹⁶¹ Seinen Aufenthalt am Kaiserhof verglich er mit „Verbannung“ und bat während der letzten Jahre seiner Mission den spanischen König unaufhörlich um Entlassung aus seinem Amt.¹⁶² „Ich bitte Euer Gnaden, für mich beim König für eine Antwort und für einen finanziellen Beitrag zu sorgen, damit ich nun endlich den Ort dieser Gefangenschaft verlassen kann“, bedrängte Monteagudo 1575 verzweifelt den Staatssekretär Zayas.¹⁶³ Zugleich äußerte er volles Verständnis für den neu ernannten außerordentlichen Gesandten, Conde de Galve, der versuchte, seine Abreise aus Spanien so weit wie möglich hinauszuzögern. „Die Edelleute, die so sehr mit ihrer Abreise aus Spanien zögern, tun Recht daran. Wenn sie noch dazu wüssten, was sie hier erwartet, würden sie lieber erst überhaupt nicht hierherkommen.“¹⁶⁴ Monteagudos Verlangen nach Rückkehr in die Heimat erhielt einen wichtigen Impuls nach dem Tod von Kaiser Maximilian II. im Jahre 1576. Obwohl die spanische Erziehung Rudolfs II. und sein streng katholischer Glaube hoffen ließen, dass der Antritt des neuen Kaisers die Bande zwischen beiden Linien des Hauses
Edelmayer, Friedrich: Aspectos del Trabajo de los Embajadores de la Casa de Austria en la Segunda mitad del siglo XVI. In: Pedralbes – Revista d’História moderna 9 (1989). S. 37– 56, hier S. 45 – 46. „Lo que a my me da mucho cuydado desde que entré en Alemania es ver quan mal admitidos y odiados somos los españoles, en estas partes.“ AGS, E 668, fol. 30, Conde de Monteagudo an König Philipp II. (Pressburg, 12. 10. 1572). „ciegos y desatinados“, „dotados de miserable razón“. – Ochoa Brun, Embajadores (wie Anm. 30), S. 183. „Salí sin licencia y sin dineros, que son dos cosas que las suelen merescer los que sirven a sus amos siete años en un destierro y tal como el de Alemaña […].“ – AGS, E 1406, fol. 68, Conde de Monteagudo an den Sekretär Gabriel de Zayas (Genua, 29. 5.1577). „Suplico a V.M. me procure respuesta y ayuda para salir deste cautiverio“ – NAP, SP-S, Kart. 1, sine folio, Conde de Monteagudo an den Sekretär Gabriel de Zayas (Regensburg, 16. 10. 1576). Edelmayer, Söldner (wie Anm. 33), S. 47.
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Habsburg festigen würde, sollte sich bald eine ganz andere Realität zeigen. Rudolf II. war zwar deutlich von der spanischen Kultur geprägt, zugleich aber auch felsenfest von der außerordentlichen Bedeutung der kaiserlichen Autorität überzeugt, und er weigerte sich sein Leben lang hartnäckig zu akzeptieren, dass der spanische König das tatsächliche Oberhaupt der Habsburgerdynastie war.¹⁶⁵ Dies sollte auch Conde de Monteagudo zu spüren bekommen, dessen Einfluss auf das Geschehen am Kaiserhof in seinem letzten Amtsjahr an der Spitze der Botschaft deutlich sank: „Ich beteure Euch, dass ich sehr unzufrieden vom Kaiserhof zurückkehrte, und zwar vor allem deshalb, weil die Beziehung des neuen Kaisers zu den Spaniern bei weitem nicht der Gunst und den Gnadenbezeugungen entspricht, mit denen sie sein verstorbener Vater versah“, beschwerte er sich kurz nach seiner Rückkehr nach Madrid beim kaiserlichen Gesandten Hans Khevenhüller.¹⁶⁶ Der schwierige Charakter Rudolfs II. bereitete aber vor allem Monteagudos Nachfolgern Sorgen. Juan de Borja y Castro (1577– 1581), der zweitgeborene Sohn des heiligen Francisco de Borja und dessen Frau Leonor de Castro, war wohl eine noch markantere Figur als sein Vorgänger. Seine Familie, aus der neben dem jesuitischen Heiligen auch die Päpste Calixt III. und Alexander VI. hervorgingen, gehörte zu den bedeutendsten Geschlechtern Europas.¹⁶⁷ Juan de Borja konnte sich zudem einer hervorragenden Bildung und nicht zu vernachlässigender diplomatischer Erfahrungen rühmen, die er während seiner vorherigen Mission als spanischer Gesandter in Portugal (1569 – 1575) gesammelt hatte.¹⁶⁸ Seine persönlichen Qualitäten trugen zweifellos dazu bei, dass er bereits bald nach seiner Ankunft am Hof das Vertrauen von Rudolf II. und dessen Mutter Maria von Spanien gewann und zur wichtigsten Informationsquelle für weitere ausländische Diplomaten und den mitteleuropäischen Adel, sowie zu einem willkommenen Vermittler bei Verhandlungen mit dem Kaiser wurde. Der außerordentliche päpstliche Nuntius Giambattista Castagna schrieb sogar über Borja, dieser sei so häufig in Kontakt
Vgl. Rodríguez Salgado, I loved him as a father (wie Anm. 152). „Yo confiesso llanamente que vine descontento de la Corte del Emperador, lo primero porque el Emperador en la demostración y afición a los españoles no correspondía a su padre ya difunto […] avía introduzido en Alemania muy diuerso modo de tratar a los españoles del que avía tenido su padre.“ – Labrador Arroyo, Félix u.Veronelli, Sara (Hrsg.): Diario de Hans Khevenhüller, embajador imperial en la corte de Felipe II. Madrid 2001. S. 162. Zur Geschichte dieses Geschlechts vgl. Batllori, Miguel: La familia de los Borjas. Madrid 1999. Vgl. ebenfalls die für eine breite Leserschaft konzipierte Publikation Villarroel González, Óscar: Los Borgia. Iglesia y poder entre los siglos XV y XVI. Madrid 2005. Zu Juan de Borja vergleiche insbesondere Baďura, Los Borja (wie Anm. 149); Marek, La embajada (wie Anm. 34), S. 75 – 81.
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mit der Kaiserin und ihrem Sohn, als ob er zu deren eigenem Hof gehören würde.¹⁶⁹ Aber auch Borjas Mission war nicht frei von Hindernissen. Vor allem der Gesundheitszustand des Kaisers beunruhigte ihn sehr. Bereits im Mai 1579, nur einige Monate nach seiner Ankunft am Kaiserhof, schrieb er dem spanischen König Philipp II. besorgt, dass Rudolf II. stets wichtige politische Entscheidungen aufschiebe und sich stattdessen Ballspielen widme. Als Hauptgrund für die Gleichgültigkeit und das geringe Interesse fürs politische Geschehen betrachtete der gebildete spanische Gesandte Rudolfs Melancholie, die Juan de Borja zufolge zu häufigen psychischen Problemen und krankhafter Schlaflosigkeit des mitteleuropäischen Herrschers führte.¹⁷⁰ Zu Beginn seines Aufenthalts am Hof musste Borja zudem mit der Abwesenheit von Kaiserin Maria zurechtkommen, deren Unterstützung in den vorherigen Jahrzehnten ein zentraler, für den Erfolg der spanischen diplomatischen Mission entscheidender Faktor gewesen war. Nachdem Maria von Spanien verwitwet war, verließ sie Wien und lebte mit ihren Töchtern Elisabeth (der einstigen Königin Frankreichs und Witwe von Karl IX. aus dem Hause Valois) und Margarete zurückgezogen auf der Prager Burg. Borja begegnete der Kaiserin wahrscheinlich bereits im Januar 1578, als er angeblich kurz den Sitz der böhmischen Könige besuchte. Ansonsten war er aber während seiner ersten Monate im Amt bezüglich der Kontakte mit der Kaiserin auf Briefwechsel angewiesen.¹⁷¹ Borjas unkomfortable Situation wandte sich erst zum Besseren, als der Kaiser im August 1578 mit seinem Hof nach Prag zum Landtag aufbrach. Rudolf II. blieb danach bis 1581 in der Moldaustadt.¹⁷² Während der drei Jahre in Prag tat sich Juan de Borja vor allem durch sein Mäzenatentum im kulturellen und religiösen Bereich hervor.¹⁷³ Er förderte na-
„A me conviene di trattarse con assai confidenza col signor ambasciatore di Spagna, che è quì, perche altramente io saperei dell’intrinseco assai poco, non havendo nessun’ altro l’adito come S. S. [Sua Signoria, sc. Legatus] di star tutto il giorno hora con l’imperatore hora con l’imperatrice domesticamente et come di loro Corte“ – García Mahíques, Rafael: Empresas Morales de Juan de Borja: imagen y palabra para una iconología. Valencia 1998. S. 30. Vgl. Bůžek, Václav u. Marek, Pavel: Krankheiten, Sterben und Tod Kaiser Rudolfs II. in Prag. In: MIÖG 125 (2017). S. 54– 81. Zur Wahrnehmung der Melancholie in verschiedenen Zeitaltern: Burton, Robert: Anatomie melancholie. Praha 2006; Földényi, László F.: Melancholie – její formy a proměny od starověku po současnost. Praha 2013. Baďura, Los Borja (wie Anm. 149), S. 57. Baďura, Los Borja (wie Anm. 149), S. 57– 58. Jiménez Díaz, Pablo: El coleccionismo manierista de los Austrias entre Felipe II y Rodolfo II. Madrid 2001. S. 119 – 120; Escrivà-Llorca, Ferran: Conversaçiones de Música a finals del segle XVI.
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türlich vor allem die Gesellschaft Jesu. Diesem Orden waren zwar auch weitere spanische Gesandte stark zugetan, im Falle von Borja handelte es sich jedoch nicht nur um finanzielle Förderung. Soweit bekannt, dozierte der spanische Diplomat zumindest 1580 Poetik am Prager Jesuitenkolleg St. Clemens.¹⁷⁴ Er initiierte in Prag die Herausgabe von vielen spanischen Literatur- und Musikwerken, zudem schrieb und veröffentlichte er selbst das Buch Empresas morales, das erste auf Spanisch geschriebene Werk der später so beliebten Kunstform der Embleme.¹⁷⁵ Eine der größten diplomatischen Aufgaben, die Borja während seines Aufenthalts am Prager Hof beschäftigten, waren die komplizierten Verhandlungen über die geplante Rückkehr der Kaiserin in ihre Heimat.¹⁷⁶ Die Abreise Marias von Spanien setzte auch einen definitiven Schlusspunkt hinter die Mission von Juan de Borja, der neu ins Amt des Obersthofmeisters am Hofe der Kaiserin ernannt wurde. Noch bevor er mit der Witwe von Maximilian II. nach Spanien aufbrach, begrüßte er im Juli 1581 in Prag seinen Nachfolger Guillén de San Clemente und machte ihn im Einklang mit den damals üblichen Abläufen mit dem Betrieb der Botschaft, ihren Aufgaben sowie mit den bedeutendsten Mitarbeitern und Klienten vertraut.¹⁷⁷ Guillén de San Clemente y de Centellas (1581– 1608) reichte in Erhabenheit und Bildung bei weitem nicht an seinen Vorgänger heran. Als Vertreter eines weniger bedeutenden katalanischen Geschlechts hatte er seine Karriere zunächst beim Militär begonnen, wo er den Rang eines Kapitäns des italienischen Tercios in Flandern erlangte. Später trat er in die diplomatischen Dienste des Vizekönigs von Neapel, Juan de Zúñiga y Requeséns, was für ihn zum Sprungbrett seiner späteren Ernennung an die Spitze der spanischen Botschaft am Hofe der Herzöge von
El cas de l’acadèmia de Joan de Borja i Castro. In: SCRIPTA. Revista internacional de literatura i cultura medieval i moderna 9 (2017). S. 312– 323. Truc, Miroslav (Hrsg.): Album Academiae Pragensis Societatis Iesu 1573 – 1617 (1565 – 1624). Praha 1968. S. 31. Vgl. García Mahíques, Empresas (wie Anm. 169); Kašparová, Jaroslava: Los impresos españoles del siglo XVI procedentes de la tipografía praguense de Jorge Nigrin. In: IAP 22 (1988). S. 147– 154; Jiménez Díaz, El coleccionismo (wie Anm. 173), S. 120 – 124. Schoder, Elisabeth: Die Reise der Kaiserin Maria nach Spanien (1581/82). In: Die Epoche Philipps II. (1556 – 1598) / La época de Felipe II (1556 – 1598). Hrsg. von Friedrich Edelmayer. Wien – München 1999 (Hispania-Austria 2). S. 151– 180. „También le he introducido con los ministros del Emperador dejándole los papeles que me pareció que eran necesarios para su información.“ – NAP, SP-S, Kart. 1, sine folio, Juan de Borja an König Philipp II. (Polen, 6. 8. 1581).
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Savoyen wurde. Erst 1581 brach er von Turin nach Prag auf.¹⁷⁸ Gerade die Prager Botschaft stellte den Höhepunkt von San Clementes beachtlicher Karriere dar, und der katalanische Hidalgo hat auch der Botschaft seinen unauslöschlichen Stempel aufgeprägt. San Clementes Prager Mission zeichnete sich durch ihre Länge aus. Obwohl Don Guillén sein Amt noch im Jahre 1586 als provisorisch betrachtete und hoffte, bald nach Italien zurückkehren zu können, verbrachte er siebenundzwanzig Jahre an der Spitze der spanischen Botschaft am Kaiserhof. Darum machte sich unter anderem auch Kaiser Rudolf II. verdient, der diesen spanischen Diplomaten dermaßen liebgewann, dass er ohne Weiteres dem katholischen König Philipp II. zuredete, er möge die geplante Ernennung von San Clemente zum Oberhaupt der Botschaft in Venedig aufgeben und ihn an Rudolfs Hof belassen.¹⁷⁹ Guillén de San Clemente verließ also die Residenzstadt des Kaisers nur selten und fast immer nur für sehr kurze Zeit. Einzige Ausnahme war seine diplomatische Mission nach Polen 1586 und seine Mitgliedschaft im Gefolge von Königin Margarete von Österreich, die er in den Jahren 1598 – 1599 auf ihrer Reise nach Spanien begleitete.¹⁸⁰ Im Laufe der Jahre am Kaiserhof wurde Guillén de San Clemente zum größten spanischen Kenner der dortigen Verhältnisse, und es wurde ihm daher weitgehende Autonomie gewährt. Der spanische Gesandte musste zwar den Staatssekretär in Madrid bzw. in Valladolid über all seine angedachten Schritte informieren, dieser griff jedoch in der Regel nicht in San Clementes Tätigkeit ein.¹⁸¹ Während der Herrschaftszeit Philipps III. kam San Clementes unabhängiger Stellung deutlich die politische Kräfteverteilung am spanischen Hof zugute. Alle Personen, die damals die spezifischen Verhältnisse im Heiligen Römischen Reich und in der mitteleuropäischen Habsburgermonarchie kannten, gehörten nämlich der kaiserlich-päpstlichen Partei an, also der unerwünschten Opposition gegen Duque de Lerma, den Valido des Königs. Dem Staatssekretär Juan de Idiáquez
Grundlegende Angaben zum Leben von Guillén de San Clemente beinhalten folgende Arbeiten: de Ayerbe, Correspondencia (wie Anm. 77); Marek, La embajada (wie Anm. 34), S. 82– 96; Kroužil,Vojtěch: Juan de Borja, Guillén de San Clemente a formování „španělské strany“ na dvoře Rudolfa II. In: Časopis Národního muzea. Řada historická (ČNM) 179 (2010). Nr. 1– 2. S. 3 – 41. Jiménez Díaz, El coleccionismo (wie Anm. 173), S. 125. Die Reise des Gesandten von Graz nach Brixen wird in seinen Briefen an Erzherzog Albrecht dokumentiert, die aufbewahrt werden in den Archives Générales du Royaume Bruxelles, Archives de la Secrétairerie d’Etat et de Guerre T 100, Sign. 509. Der italienische Teil der Reise wurde näher gebracht von du Faing, Gilles: Voyage de l’archiduc Albert en Espagne en 1598. In: Collection des voyages des souverains des Pays-Bas. Hrsg. von Louis Prosperé Gachard. Bd. IV. Brüssel 1882. S. 457– 562. San Clemente kehrte erst Mitte des Jahres 1600 nach Prag zurück. Marek, La embajada (wie Anm. 34), S. 82– 96.
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blieb somit eigentlich nichts anderes übrig, als die Zuständigkeiten des Gesandten auszuweiten und sich auf dessen Urteil zu verlassen.¹⁸² Dies bestätigt auch die Instruktion, die 1608 der neue spanische Gesandte Zúñiga erhielt. Sie ging nämlich wortwörtlich von den Notizen aus, die Guillén de San Clemente für diesen Zweck dem spanischen Staatsrat im Voraus geschickt hatte. Mit ein wenig Übertreibung könnte man also sagen, dass die am Kaiserhof Rudolfs II. betriebene spanische Politik vor allem ein Werk dieses Mannes gewesen war.¹⁸³ Baltasar de Zúñiga war der letzte der spanischen Diplomaten, die als Gesandte am Hofe von Rudolf II. tätig waren. Seine Ernennung kann als Rückkehr zur früheren Praxis gesehen werden, dass die spanische Botschaft am Kaiserhof von Männern aus den höchsten Adelskreisen der spanischen Monarchie geleitet wurde. Auf diese Weise vorzugehen, empfahl übrigens auch Guillén de San Clemente, als er im Jahre 1608 Philipp III. seine Vorstellungen darüber, wie sein Amtsnachfolger aussehen sollte, anvertraute. Er riet damals dem König, einen Mann an die Spitze der Mission zu stellen, der sich eines bedeutenden weltlichen Titels bzw. kirchlicher Würden sowie großer Verdienste seiner selbst und seiner Vorfahren rühmen könne. Nur solch eine Persönlichkeit habe eine Chance, sich am Prager Hof zu behaupten und dort Prestige und Macht zu erlangen.¹⁸⁴ Es war aber nicht nur das Maß an Erhabenheit, das Baltasar de Zúñiga von seinem Amtsvorgänger unterschied. Dank seiner vorherigen diplomatischen Missionen in Brüssel und Paris war er im Stande, das Geschehen am Prager Hof in einem viel breiteren Rahmen als Don Guillén zu betrachten.¹⁸⁵ Die beiden Männer vertraten zudem unterschiedliche ideologische Standpunkte. Während der Gesandte San Clemente der pragmatischen Politik der Anhänger der sogenannten kastilischen Partei am spanischen Hof nahestand und dadurch auch gut mit Lerma auskam, war Zúñiga vom Neostoizismus geprägt und inklinierte politisch zur kaiserlich-päpstlichen Partei. Ebenso wie weitere Anhänger von Justus Lipsius lehnte auch er die Prinzipien der von Niccolo Macchiavelli formulierten Staats-
Martínez Millán, José: La emperatriz María y las pugnas cortesanas en tiempos de Felipe II. In: Felipe II y el Mediterráneo. Hrsg. von Ernest Belenguer Cebrià. Madrid 1999. S. 143 – 162. AGS, E 2452, Nr. 117: Advertimientos de Guillén de San Clemente a Baltasar de Zúñiga. Vgl. ebenfalls AGS, E 2862, sine folio: Instrucción secreta de lo que Vos don Baltasar de Cúñiga aveis de hazer en Alemania donde os embio por mi Embax[ad]or. NAP, SP-S, Kart. 1, Guillén de San Clemente an König Philipp III. (Prag, 2. 8. 1608). Für eine allgemeine Bestätigung hiervon vgl. ebenfalls Martínez Millán, José: Introducción: La investigación sobre las élites del poder. In: Instituciones y élites de poder en la Monarquía Hispana durante el siglo XVI. Hrsg. von José Martínez Millán. Madrid 1992. S. 22. González Cuerva, Baltasar de Zúñiga (wie Anm. 43), S. 249 – 250; ders.: La embajada de Praga de Baltasar de Zúñiga (1608 – 1612). In: Relaciones checo-españolas: viajeros y testimonios. Hrsg. von Josef Opatrný. Praga 2009 (IAP, Supplementum 22). S. 59 – 81.
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räson (ragione di stato) ab und stellte Weisheit, Dissimulation, Zurückhaltung und vor allem strenge Moral vor die politische Durchtriebenheit.¹⁸⁶ Ebenso wie alle anderen spanischen Gesandten war auch Zúñiga ein überzeugter Katholik. Obwohl er seinen Glauben nicht so protzig wie Conde de Monteagudo zur Schau stellte, war auch Zúñiga stark von der jesuitischen Spiritualität geprägt und unterstützte sein Leben lang kirchliche Orden, die für den nachtridentinischen Katholizismus so typisch waren. Dieser Aspekt seiner Persönlichkeit widerspiegelte sich ebenfalls in der Art und Weise, wie er sein anvertrautes Amt ausübte.Während seiner ganzen Amtszeit in Prag arbeitete Zúñiga eng mit Vertretern des Kirchenstaats zusammen und strebte – in krassem Widerspruch zu den Standpunkten des Herzogs von Lerma und seiner Machtgruppe, die die Ausrichtung der Politik Philipps III. bestimmten – nach einer möglichst engen Zusammenarbeit zwischen dem König von Spanien, dem Kaiser und dem Papst.¹⁸⁷ Nicht einmal die ideologischen Widersprüche zwischen Zúñiga und den höchsten Vertretern des Königshofs vermochten das Ausmaß an Autonomie zu schmälern, dessen sich der spanische Gesandte in Prag erfreute. Während seines Aufenthalts in Mitteleuropa wurde Baltasar de Zúñiga zu einem wahren Architekten der spanischen Imperialpolitik in der Habsburgermonarchie und im Heiligen Römischen Reich. Dabei war auch die Unterstützung förderlich, die er vom Staatssekretär Juan de Idiáquez erfuhr. Eine Fürsprecherin fand er ebenfalls in Königin Margarete von Österreich.¹⁸⁸ Baltasar de Zúñiga verdiente sich aber auch an seinem Wirkungsort großen Respekt.¹⁸⁹ Dabei stützte er sich auf ein umfangreiches Netzwerk von Klienten, das er von seinem Vorgänger geerbt hatte. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Zúñigas Beitrag auf diesem Gebiet marginal gewesen wäre. Auch er musste viel
Vgl. Cuerva, Baltasar de Zúñiga (wie Anm. 43), S. 38 – 48. Zum Neostoizismus vgl. ebenfalls Oestreich, Gerhard: Neostoicism and the Early Modern State. Cambridge 1982; Corbett, Theodore G.: The Cult of Lipsius. A Leading Source of Early Modern Spanish Statecraft. In: Journal of the History of Ideas 36 (1975). S. 139 – 152; Lagree, Jacqueline: Juste Lipse et la restauration du stoïcisme, étude et traduction des traités stoïciens De la constance, Manuel de philosophie stoïcienne, Physique des stoïciens (extraits). Paris 1994. González Cuerva, Baltasar de Zúñiga (wie Anm. 43), S. 48 – 50. González Cuerva, Baltasar de Zúñiga (wie Anm. 43), S. 251– 252. Zum politischen Einfluss der Margarete von Österreich vgl. insbesondere Sánchez, Magdalena S.: Confession and complicity: Margarita de Austria, Richard Haller, S.J., and the Court of Philip III. In: Cuadernos de Historia Moderna 14 (1993). S. 133 – 149; dies.: The Empress, the Queen, and the Nun: Women and Power at the Court of Philip III of Spain. Baltimore 1998. Auf die Tatsache, dass Zúñiga am Prager Hof außerordentliche Autorität hatte, wird z. B. aufmerksam gemacht von Gindely, Rudolf II. (wie Anm. 35); Novák, Rudolf II. (wie Anm. 35); Chudoba, Španělé (wie Anm. 43).
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Kraft aufbieten, um diesen Organismus am Leben und bei voller Effektivität zu erhalten. Da der politische Einfluss der einzelnen Personen unmittelbar von den aktuellen Präferenzen des launischen Kaisers abhing, war es notwendig, parallel dazu auch das Beziehungsnetzwerk, das den spanischen Gesandten umgab, zu ändern. Daher handelte es sich hierbei nie um eine geschlossene und unveränderliche Gruppe, und jeder Diplomat entschied selbst, welche Teile des Netzwerks er hervorhebt, und welche er hingegen in den Hintergrund treten lässt.¹⁹⁰ Das Amt des spanischen Gesandten erforderte von jenen, die es bekleideten, keine einschlägige Ausbildung, ja nicht einmal spezifische Sprachkenntnisse. Wenngleich man annehmen kann, dass zumindest Guillén de San Clemente während seines Aufenthalts am Kaiserhof passiv Deutsch lernte, reichte den spanischen Diplomaten im Grunde ihre Muttersprache. Spanisch war nämlich nicht nur die Muttersprache von Kaiser Rudolf II., sondern auch ein distinktives Mittel, dessen sich Hofeliten gern für ihre Kommunikation bedienten.¹⁹¹ Spanisch war vor allem in jener Personengruppe verbreitet, die von der Notwendigkeit einer einheitlichen dynastischen Politik überzeugt war.¹⁹² Die Tatsache, dass die kastilische Sprache am Kaiserhof in Prag eine spezifische Stellung hatte, wird übrigens auch in Berichten weiterer ausländischer Diplomaten bestätigt. Wir erfahren daraus, dass sich der Kaiser bei Audienzen gerade in dieser Sprache an seine ausländischen Besucher wandte.¹⁹³ Ein weiteres in Frage kommendes Kommunikationsmittel der spanischen Gesandten war Italienisch. Dank den norditalienischen Reichslehen handelte es sich hierbei um eine der „heimischen“ Sprachen des Kaiserhofs, ja Italienischkenntnisse waren unter den Hofleuten noch viel stärker verbreitet als Spanisch-
Vgl. Marek, La red (wie Anm. 34). Maťa, Petr: Svět české aristokracie (1500 – 1700). Praha 2004. S. 309 – 310; Binková, Simona: Spanish in the Czech Lands at the Time of J. A. Comenius. In: Acta Comeniana: archiv pro bádání o životě a díle Jana Amose Komenského 20 – 21 (XLIV–XLV) (2007). S. 107– 132. Zur Herrschaftszeit Rudolfs II. war in den Familien Pernstein und Dietrichstein Spanisch die zur Verständigung dienende Hauptsprache. Auf Spanisch wurde auch in den Familien von Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz und beispielsweise bei Wolf Rumpf zum Wielroß kommuniziert. Zu den Geschlechtern Pernstein und Lobkowitz vgl. Marek, Pavel (Hrsg.): Svědectví o ztrátě starého světa. Manželská korespondence Zdeňka Vojtěcha Popela z Lobkovic a Polyxeny Lobkovické z Pernštejna. České Budějovice 2005; ders.: Pernštejnské ženy. Marie Manrique de Lara a její dcery ve službách habsburské dynastie. Praha 2018. Zur Familie Dietrichstein Baďura, Bohumil: La casa de Dietrichstein y España. In: IAP 33 (1999). S. 47– 67. Zu Rumpf vgl. Edelmayer, Friedrich: „Manus manum lavat“. Freiherr Wolf Rumpf zum Wielroß und Spanien. In: Die Fürstenberger. 800 Jahre Herrschaft und Kultur in Mitteleuropa. Hrsg. von Erwein H. Eltz u. Arno Strohmeyer. Korneuburg 1994. S. 235 – 252. Campori u. Campori, Relazione (wie Anm. 95), S. 6.
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kenntnisse.¹⁹⁴ Im 16. Jahrhundert setzte sich im Bildungsprozess der Eliten Mitteleuropas das Phänomen von Kavalierstouren durch, bei denen junge Männer aus Adelskreisen die Welt außerhalb der Grenzen ihres Landes kennenlernten und sich an berühmten europäischen Universitäten inskribierten. Da gerade Italien die beliebteste Destination war, kehrten viele um die Fähigkeit bereichert, die Sprache Dantes in Wort und Schrift zu beherrschen, nach Hause zurück.¹⁹⁵ Dies bestätigen auch die Protokolle von Zeugenvernehmungen, die vor der Aufnahme mitteleuropäischer Edelleute in spanische Ritterorden erfolgten.¹⁹⁶ Den Ordensstatuten zufolge sollte die Vernehmung auf Spanisch stattfinden, aber am Kaiserhof war den Kommissaren gestattet, sich zu diesem Zweck auch der lateinischen und italienischen Sprache zu bedienen. Aus den Unterschriften der Zeugen, die dem Protokoll angefügt wurden, geht deutlich hervor, dass viele von ihnen diesen Vorgang gerade in der letztgenannten Sprache absolvierten, denn ihre Namen stehen dort vor allem in italienisierter Form.¹⁹⁷ Um bei vergleichbaren Zeremonien assistieren zu dürfen, war es erforderlich, dass die spanischen Botschafter Mitglieder eines Ritterordens waren. Francisco Hurtado de Mendoza, Conde de Monteagudo, Juan de Borja, Guillén de San Clemente sowie Baltasar de Zúñiga waren Mitglieder des Santiagoordens und machten sich deutlich um seine Verbreitung in Mitteleuropa verdient.¹⁹⁸ Ihre Ordenszugehörigkeit ergab sich jedoch nicht nur aus dem Bedarf, bei den Aufnahmezeremonien neuer Mitglieder zu assistieren. Die spanischen Könige hatten bereits zu Beginn des 16. Jahrhunderts sich die reichen spanischen Ritterorden Alcántara, Calatrava und Santiago untertan gemacht. Seitdem nutzten sie erfolgreich Ordensgewänder und Encomiendas (Komturei) als geeignete Instru Die Bibliografie zur Verbreitung der italienischen Sprache und Kultur im mitteleuropäischen Raum wird zusammengefasst in der Studie Catalano, Alessandro: L’italiano lingua di cultura dellʼEuropa centrale nell’età moderna. In: Humanitas Latina in Bohemis. Convegno Internazionale. Castello di Brandýs nad Labem, 3. giugno 2006. Hrsg. von Giorgio Cadorini u. Jiří Spička. Kolín – Treviso 2007. S. 117– 143. Vgl. Leibetseder, Matthis: Die Kavalierstour. Adelige Erziehungsreisen im 17. und 18. Jahrhundert. Köln 2004; Stannek, Antje: Telemachs Brüder. Die höfische Bildungsreise des 17. Jahrhunderts. Frankfurt – New York 2001; Kubeš, Jiří: Náročné dospívání urozených. Kavalírské cesty české a rakouské šlechty (1620 – 1750). Pelhřimov 2013. Zu den spanischen Ritterorden Postigo Castellanos, Elena: Honor y privilegio en la Corona de Castilla: El consejo de las Órdenes y los caballeros de hábito en el siglo XVII. Valladolid 1988. Zu ihrer Ausbreitung in den mitteleuropäischen Raum vgl. insbesondere Mur i Raurell, La mancha roja (wie Anm. 84). Es wird ausgegangen von der Analyse der Protokolle, welche aufbewahrt werden im Archivo Histórico Nacional Madrid (AHN), Órdenes Militares z. B.: Caballeros-Santiago Exp. 1417, Exp. 1794, Exp. 2011, Exp. 6594, etc. Mur i Raurell, La mancha (wie Anm. 84), S. 93 – 156.
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I Die päpstliche und die spanische Politik am Kaiserhof
mente für die Belohnung loyaler Diener, denn durch einen solchen Gunstbeweis wurde die königliche Kasse nicht belastet. Gerade die Erträge aus den anvertrauten Encomiendas des Santiagoordens sollten den spanischen Gesandten zum Großteil ihre eigenen Ausgaben kompensieren, die der Dienst für den Herrscher erforderte.¹⁹⁹ Die Tätigkeit an der Spitze der spanischen Gesandtschaft am Kaiserhof spendete jedoch den Diplomaten vor allem Hoffnung auf einen weiteren Karriereaufstieg. Francisco Hurtado de Mendoza, Conde de Monteagudo, wurde noch während seiner Amtszeit am Kaiserhof gesellschaftlich hoch geehrt, indem ihm 1576 der Titel Marqués de Almazán verliehen wurde.²⁰⁰ Nach seiner Rückkehr nach Spanien konnte er zudem seine angesammelten Erfahrungen in führenden Verwaltungsämtern der spanischen Monarchie anwenden. 1577 wurde er Mitglied des Staatsrats (Consejo de Estado), aber sein Ruf wurde durch die unrühmliche Causa von Antonio Pérez in Mitleidenschaft gezogen, und er musste nach knapp einem Jahr im Amt den Hof verlassen.²⁰¹ Auch seine Tätigkeit im Amt des Vizekönigs von Navarra (1579 – 1586) war vor allem das Werk seiner ideologischen Feinde gewesen, die versuchten, Marqués de Almazán vom Königshof fernzuhalten. Als einen tatsächlichen Erfolg kann man somit erst seine Ernennung in das prestigeträchtige und einflussreiche Präsidentenamt des Rates für Ritterorden (Consejo de las Órdenes) im Jahre 1588 werten.²⁰² Eine geradlinige Karriere eröffnete sich nach seiner Rückkehr aus Prag für Juan de Borja, der bis zum Tode der Kaiserin im Jahre 1603 das Amt des Obersthofmeisters an ihrem Hof innehatte.²⁰³ In Madrid wurde er zudem einer der engsten Mitarbeiter von Francisco Gómez de Sandoval y Rojas, Marqués de Denia, Duque de Lerma, mit dem er blutsverwandt war. Dank der Unterstützung durch diesen Valido des Königs stieg Borja auf der höfischen Karriereleiter steil auf.
Es ist kein Zufall, dass die spanischen Könige dieses Mittel auch zur Belohnung ihrer eigenen Klienten nutzten: Baďura, Bohumil: Los intereses económicos de los Dietrichstein en España en los siglos XVI–XVIII. In: Las relaciones checo-españolas. Hrsg.von Josef Opatrný. Praga 2007 (IAP, Supplementum 20). S. 47– 93. Allgemeiner bei Marek, La red (wie Anm. 34), S. 164– 169. Marek, La embajada (wie Anm. 34), S. 74; Martínez Millán, José u. de Carlos Morales, Carlos Javier: Felipe II (1527– 1598). La configuración de la Monarquía Hispana. Salamanca 1998. S. 401– 403. Zum Prozess mit Pérez vgl. z. B. Parker, Felipe II (wie Anm. 152), S. 659 – 704. Martínez Hernández, Santiago: Francisco Hurtado de Mendoza y Fajardo, http://dbe.rah.es/ biografias/20224/francisco-hurtado-de-mendoza-y-fajardo (5. 6. 2019). Baďura, Los Borja (wie Anm. 149), S. 62– 63.
I.2 Die Anfänge der Zusammenarbeit
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Seine außerordentliche Karriere krönte er mit dem Amt des Präsidenten des Obersten Rats von Portugal (Consejo Supremo de Portugal) von 1599 bis 1605.²⁰⁴ Die Tatsache, dass die Tätigkeit im Amt des spanischen Botschafters am Kaiserhof dazu prädestinierte, sich nach Ende der Mission für die höchsten Posten in der spanischen Monarchie zu bewerben, wurde auch im Falle Baltasars de Zúñiga bestätigt. Bald nachdem er Prag verlassen hatte, wurde Zúñiga Mitglied des spanischen Staatsrats (Consejo de Estado), wo er als Hauptexperte für die Themen der mitteleuropäischen Habsburgermonarchie und des Heiligen Römischen Reichs agierte. Zugleich wurde er aber auch zum Mitglied des Kriegsrats (Consejo de Guerra) ernannt. Dank seiner außerordentlichen Fähigkeiten festigte Zúñiga nach und nach seine Stellung unter den Ministern Philipps III. und erfreute sich auch wachsendem Vertrauen beim Nachfolger des Königs. Als 1621 Philipp IV. den spanischen Thron bestieg, wählte er Zúñiga zu seinem ersten Berater, dem sogenannten Valido, aus. Der einstige spanische Gesandte am Kaiserhof war somit bis zu seinem Tode im Jahre 1622 gleich nach dem König die zweitwichtigste Person im Lande.²⁰⁵
I.2 Die Anfänge der Zusammenarbeit Die bilateralen Beziehungen zwischen dem Kirchenstaat und dem Königreich Spanien waren im 16. Jahrhundert und Anfang des 17. Jahrhunderts von einer Reihe unübersehbarer Konfliktthemen geprägt. Obwohl die Interessen beider Großmächte am intensivsten im italienischen Raum aufeinanderstießen, schien ihr gegenseitiges Verhältnis auch andernorts nicht problemlos zu sein, und das Heilige Römische Reich sowie die Habsburgermonarchie bildeten dabei keine Ausnahme.²⁰⁶ Wenn man sich jedoch in diesem Zeitraum detaillierter auf die
Zu seiner Verbindung mit Lerma vgl.Williams, Patrick: El Gran valido. El duque de Lerma, la Corte y el gobierno de Felipe III 1598 – 1621.Valladolid 2010. S. 165 und 294. Ein sehr interessanter Nachweis von Borjas damaliger Stellung ist seine Korrespondenz mit dem kaiserlichen Gesandten Khevenhüller, welche aufbewahrt wird in AFT, Cod. 2088. González Cuerva, Baltasar de Zúñiga (wie Anm. 43), S. 459 – 554; Bolaños Mejías, Carmen: Baltasar de Zúñiga, un válido en la transición. In: Los válidos. Hrsg. von José Antonio Escudero. Madrid 2004. S. 243 – 276. Aus der unerschöpflichen Menge an Literatur vgl. Visceglia, Roma papale (wie Anm. 31); Rivero Rodríguez, Manuel (coord.): Centros de poder italianos en la Monarquía Hispánica (siglos XV–XVIII). Bde. I–III. Madrid 2010. Eine bibliografische Zusammenfassung bietet Visceglia, Maria Antonietta: Roma e la Monarchia Cattolica nell’età dell’egemonia spagnola in Italia: un bilancio storiografico. In: Roma y España un crisol de la cultura europea en la Edad Moderna. Hrsg. von Carlos José Hernando Sánchez. Bd. I. Madrid 2007. S. 49 – 78. Von den neueren Arbeiten
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I Die päpstliche und die spanische Politik am Kaiserhof
päpstlichen und spanischen Diplomaten am Kaiserhof fokussiert, entsteht ein ganz anderes Bild. Ihnen war es gelungen, in Wien und später auch in Prag einen integralen Interessensblock zu schaffen, der ähnliche, oder sogar identische Ziele verfolgte: die Wahrung der Einheit unter den Habsburgern und die Aufrechthaltung bzw. Stärkung des Katholizismus im gesamten mitteleuropäischen Raum. Diese diplomatische Allianz ist jedoch nicht auf einmal entstanden, im Gegenteil, man ist in dieser Sache Zeuge einer recht bemerkenswerten Evolution. Zu Beginn der Herrschaftszeit Maximilians II. (1564 – 1576) waren die Beziehungen zwischen den Gesandten, die am Kaiserhof den Papst und den spanischen König vertraten, stark durch gegenseitiges Misstrauen belastet. Der apostolische Nuntius Zaccaria Delfino (1561– 1565) erfreute sich zwar außergewöhnlicher Gunst des Kaisers, sein Verhältnis zum spanischen Botschafter war aber nicht gerade freundschaftlich.²⁰⁷ Während seiner Tätigkeit in Wien nutzte Delfino Maximilians Schutz für seine persönlichen Vorhaben und versuchte, mit Hilfe von Fürsprachen des Kaisers die Würde des Kardinals zu erlangen. Als eine Art Gegenleistung des Nuntius kann die Tatsache gesehen werden, dass dieser in seinen Berichten bewusst Informationen über das Entgegenkommen und die begünstigenden Schritte des Herrschers gegenüber Nichtkatholiken verschwieg. Hierzu gehörte beispielsweise das Dekret Maximilians vom 5. September 1564, welches die Wiener Universität auch für Protestanten zugänglich machte, indem es den Wortlaut des Promotionseides an allen Fakultäten veränderte.²⁰⁸ Es war daher wenig überraschend, dass viele Zeitgenossen dem Nuntius vorwarfen, dass er eher den Interessen des Kaisers als dem Papst diene.²⁰⁹ Zaccaria Delfino blieb auch nach seiner Rückkehr nach Rom mit Maximilian II. in engem Kontakt. Nachdem er bei Papst Pius V. kein Glück gehabt hatte,
vgl. Di Stefano, Giuseppe [u. a.] (Hrsg.): Italia non spagnola e monarchia spagnola tra ’500 e ’600. Politica, cultura e letteratura. Firenze 2009; Bravo Lozano, En tiera (wie Anm. 32). Zur Person des Nuntius Delfino vgl. Biaudet, Les nonciatures (wie Anm. 107), S. 263 – 264; Benzoni, Gino: Dolfin, Zaccaria. In: Dizionario Biografico degli Italiani (DBI). Bd. XL. Roma 1991. http://www.treccani.it/enciclopedia/zaccaria-dolfin_(Dizionario-Biografico) (1. 8. 2019). Das Verhältnis des Nuntius zum Kaiser Maximilian wurde detailliert analysiert von Steinherz, Samuel (Hrsg.): Nuntius Delfino 1564– 1565. Wien 1914 (NBD II/4). S. XXVIII–LXV. Steinherz, NBD II/4 (wie Anm. 207), S. XLIX–L. In diesem Sinne äußerte sich kritisch über Delfinos Tätigkeit Kardinal Giovanni Francesco Commendone, der 1566 als päpstlicher Legat zum Reichstag nach Augsburg geschickt wurde: „Questa maledetta ambitione di crescere per qualunque via et il vedere, che può più una raccomandatione d’un principe, che la molta et fedel servitù fatta a la sede apostolica, ha rovinata la chiesa et la rovinarà più, mentre che durera questa pernitiosa usanza.“ – Dengel, Ignaz Philipp (Hrsg.): Nuntius Biglia 1565 – 1566 (Juni), Commendone als Legat auf dem Reichstag zu Augsburg 1566. Wien 1926 (NBD II/5). Nr. 11, S. 39.
I.2 Die Anfänge der Zusammenarbeit
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war er mit seinem Ansuchen bei dessen Nachfolger Gregor XIII. erfolgreich und wurde 1573 Kardinal-Vizeprotektor Germaniens. Von diesem Posten aus informierte er dann regelmäßig den habsburgischen Herrscher über das Geschehen am Papsthof.²¹⁰ Außerordentlich negativ war die Beziehung des Nuntius Delfino zum Gesandten der spanischen Krone, Tomás Perrenot de Granvelle, Herr von Chantonnay (1565 – 1570). Dieser verdächtigte den Nuntius einer zu großen Gewogenheit dem Protestantismus gegenüber und schlug in seinen Briefen sowie bei seinen Gesprächen mit weiteren päpstlichen Diplomaten wiederholt vor, Delfino aus Wien abzuberufen.²¹¹ Seine feindliche Haltung gegenüber dem Nuntius wurde wahrscheinlich ebenfalls durch das Bewusstsein gestärkt, dass ihm selbst seitens des Kaisers keine vergleichbare Gunst zuteilwurde. Maximilian II. konnte nicht vergessen, mit welcher Entschlossenheit dieser burgundische Edelmann die Nachfolge Phillips II. im Heiligen Römischen Reich unterstützt hatte. Möglicherweise versuchte Maximilian gerade deshalb, den spanischen König von dessen Vorhaben abzubringen, gerade den Herren von Chantonnay nach Wien zu senden. Als dann Phillip II. trotz Maximilians abweisender Haltung seinen Willen durchsetzte und Tomás Perrenot de Granvelle zum ständigen Ambassadeur am Kaiserhof ernannte, ignorierte der habsburgische Herrscher diesen Diplomaten höflich und kommunizierte mit dem spanischen König nahezu ausschließlich über seinen Gesandten Adam von Dietrichstein.²¹² Das Verhältnis zwischen den Diplomaten des Papstes und des spanischen Königs veränderte sich erst nach dem Ende von Delfinos Mission und dem Antritt des neuen Nuntius Melchiorre Biglia im Jahre 1565.²¹³ Dies belegen bereits die ersten Reaktionen des Gesandten Chantonnay. In seinen Berichten vom 20. Oktober und 10. November 1565 führte er an, dass er Biglia gegenüber zunächst habe
ÖStA, HHStA, Rom, Hofkorrespondenz, Kart. 5 und 6. Steinherz, NBD II/4 (wie Anm. 207), Nr. 109, S. 405 – 409; Nr. 114, S. 428 – 429. Es scheint, dass Chantonnays abweisende Haltung zu Delfino auch von einigen mitteleuropäischen Klienten des katholischen Königs übernommen wurde. Der Nuntius geriet am Hof auch in einen Konflikt mit Wratislaw von Pernstein, dessen enge Bindung an die spanische Linie des Hauses Habsburg bekannt war. – ebd., S. 405. Die Korrespondenz des Herren de Chantonnay wird aufbewahrt in Bibliothèque municipale de Besançon, Collection Granvelle, LII-LXII, Ambassades de Monsieur de Chantonnay, I–XI. Dostupné na http://memoirevive.besancon.fr. Die Probleme der spanischen Botschaft zu Zeiten, als Tomás Perrenot, Herr de Chantonnay, an ihrer Spitze stand, wurden nähergebracht von Marek, La embajada (wie Anm. 34), S. 53 – 61. Näheres zur Rolle Dietrichsteins Edelmayer, Friedrich u. Strohmeyer, Arno (Hrsg.): Die Korrespondenz der Kaiser mit ihren Gesandten in Spanien. Briefwechsel 1563 – 1565. Wien – München 1997. Zu seiner Person vgl. Biaudet, Les nonciatures (wie Anm. 108), S. 254.
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I Die päpstliche und die spanische Politik am Kaiserhof
Vorsicht walten lassen, bis ihm dessen Standpunkte gezeigt haben, dass dieser Nuntius andere Wege als sein unmittelbarer Vorgänger beschreiten werde. Er schätzte insbesondere Biglias Eifer in Fragen der Religion.²¹⁴ Von nun an wurde die Zusammenarbeit zwischen den päpstlichen und spanischen Diplomaten ein ständiges Phänomen am Kaiserhof. Als 1570 in Madrid die Instruktion für den neuen spanischen Gesandten Francisco Hurtado de Mendoza, Conde de Monteagudo, vorbereitet wurde, stand darin auch eine umfangreiche Passage, in der betont wurde, dass es wichtig sei, gut mit dem Nuntius zu kommunizieren. Monteagudo sollte Melchiorre Biglia davon überzeugen, dass der spanische König um nichts anderes als um einen treuen und zuverlässigen Dienst für den Papst und die katholische Kirche bemüht sei.²¹⁵ Die Nachrichten, die der kastilische Adelige während seiner diplomatischen Mission verschickte, belegen, dass es nicht bei leeren Proklamationen blieb.²¹⁶ Davon, wie die Zusammenarbeit zwischen den Diplomaten beider katholischen Großmächte funktionierte, zeugen die Ereignisse, die den böhmischen Landtag 1575 begleiteten, bei dessen Verhandlungen eines der wichtigsten Themen das Annehmen der sogenannten Böhmischen Konfession war. Sie war als eine Form der Verteidigung gegen den vorausgesetzten zukünftigen Rekatholisierungsdruck entstanden und sollte allen drei bisherigen nichtkatholischen Religionsströmungen in den böhmischen Ländern Religionsfreiheit garantieren: den Neuutraquisten, die dem philippistischen Luthertum nahe standen, den Anhängern der Brüderunität, deren Anschauungen in Richtung Calvinismus
Dengel, NBD II/5 (wie Anm. 209), S. XXV. „De los negocios que allí ocurrieren, la principal cuenta y atención que habéis de tener ha de ser con los que tocaren al beneficio y aumento de las cosas de nuestra Santa fé católica y obediencia de la Santa Sede Apostólica Romana, y de la paz y sosiego público de la cristiandad, haciendo respecto de esto todos los Buenos oficios y diligencias que fueren necesarios, y teniendo sobre ello y sobre cualesquier otras cosas concernientes á estas tales materias, la inteligencia que juzgáredes ser conveniente con el Nuncio de Su Santidad que allí reside, de tal manera que él se pueda dar noticia dello, y Su Beatitud entienda que por todas las vias y medios posibles hago lo que en mí es, como obediente y católico hijo de aquella Santa Sede para procurar la conservación y aumento de ella y de nuestra verdadera religión, con el estudio y vigilancia que puedo y debo. Y porque en esto podáis proceder más acertadamente, será bien que entendáis de Chantone de la manera que él se había con el Nuncio, y lo que le paresce y se le ofresce cerca de esto, á fin de que vos conforme á aquello y á lo que aquí se os ha dicho, hagáis lo que más convenga.“ – AGS, E 666, fol. 1. Vgl. ebenfalls CODOIN Bd. CX (wie Anm. 77), S. 10. Vgl. z. B. die Berichte von Conde de Monteagudo, veröffentlicht in CODOIN Bd. CX. Eine umfangreiche Beschreibung von Monteagudos erster Begegnung mit dem Nuntius bietet der Brief des spanischen Gesandten an den spanischen König Philipp II. adressiert in Speyer am 30. 8. 1570. – CODOIN Bd. CX (wie Anm. 77), S. 59.
I.2 Die Anfänge der Zusammenarbeit
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gingen und dem Altutraquismus, der an der Schwelle des Verschmelzens mit dem Katholizismus stand.²¹⁷ Während die nichtkatholische Mehrheit der böhmischen Stände sämtliche Verhandlungen über die Proposition des Herrschers, einschließlich der lebenswichtigen Frage der Steuern und der Nachfolge von Erzherzog Rudolf auf dem böhmischen Königsthron mit der Anerkennung der Böhmischen Konfession bedingte, strebte eine kleine, aber machtvolle Gruppe böhmischer Katholiken unter der Leitung des Oberstburggrafen Wilhelm von Rosenberg und des Oberstkanzlers Wratislaw von Pernstein genau nach dem Gegenteil. In ihrem Vorhaben, das Annehmen des neuen Religionsgesetzes zu verhindern, wurden sie intensiv vom päpstlichen Nuntius Giovanni Delfino und vom spanischen Gesandten Conde de Monteagudo bestärkt, deren Tätigkeit sich während des Landtags durch ungewöhnliche Einigkeit und Koordination auszeichnete. So schrieb der spanische Diplomat kurz nach Beginn des Landtags im März 1575 dem katholischen König Philipp II.: Vor drei Tagen bin ich und der Nuntius vor Seine Majestät getreten und wir bekamen von ihm eine zufriedenstellende Antwort. Im Bestreben, den Katholiken Mut zuzusprechen und sie in ihrem Kampf gegen die Ketzer zu ermuntern, übergab zudem der Nuntius den bedeutendsten Adeligen des Königreichs Böhmen päpstliche Breve und ich Briefe von Ihrer Majestät.²¹⁸
Neben der Hilfe der erwähnten Adeligen konnten sich beide Diplomaten ebenfalls auf die Unterstützung durch den Prager Erzbischof Anton Brus von Müglitz verlassen, in dessen Residenz die ganze katholische Gruppe in den darauffolgenden Wochen regelmäßig zusammenkam, um das gemeinsame Vorgehen gegen die Nichtkatholiken zu besprechen.²¹⁹ Kaiser Maximilian II. konnte sich also während der Sitzung des Landtags wie in einer Zwickmühle vorkommen. Einerseits war er dem Druck des nichtkatholischen Teils der Ständeopposition ausgesetzt, der
Hrejsa, Ferdinand: Česká konfese, její vznik, podstata a dějiny. Praha 1912; David, Zdeněk V.: Utraquists, Lutherans, and the Bohemian Confession of 1575. In: Church History 68 (1999). Nr. 2. S. 294– 336. „El nuncio y yo havíamos hablado a Su Majestad cada uno por sí tres días antes que esto pasase y nos había respondido lo que podíamos desear. También havíamos hecho oficios dando algunos breves de su santidad a los principales caballeros y barones de Bohemia y yo en el real nombre de Vuestra Majestad con los mismos barones para esforzarlos a que estuviessen muy conformes firmes y animados contra los herejes.“ – NAP, SP-S, Kart. 1, sine folio, Francisco Hurtado de Mendoza, Conde de Monteagudo an König Philipp II. (Prag, 18. 3.1575). „Es este prelado persona muy catholica y de día en día va dando mayor exemplo.“ – NAP, SPS, Kart. 1, sine folio, Francisco Hurtado de Mendoza, Conde de Monteagudo an König Philipp II. (Prag, 18. 3.1575).
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versuchte, ihn zur Legalisierung der Böhmischen Konfession zu bringen, andererseits wurde er von Männern, die bislang zu den Hauptstützen der Dynastie im Königreich Böhmen gehörten, aufgefordert, genau das Gegenteil zu tun. Ähnlich hin- und hergerissen musste sich wohl der Herrscher auch im Inneren fühlen. Die auf Religionstoleranz gründende Böhmische Konfession war wahrscheinlich dem Naturell Maximilians nahe, bedeutete aber zugleich eine beträchtliche politische Komplikation für ihn. Er war sich sehr wohl bewusst, dass ein entgegenkommender Schritt in Richtung Forderungen der böhmischen Nichtkatholiken seinem Ruf in Rom und in Madrid deutlichen Schaden zufügen würde, denn Gregor XIII. und Philipp II. empfanden die Verabschiedung der Böhmischen Konfession als Verletzung der Grundsätze des Augsburger Religionsfriedens, demzufolge die böhmischen Länder in die Interessensphäre der katholischen Welt gehörten. Aus diesem Grunde entschied sich der Kaiser schließlich für eine relativ ungewöhnliche Lösung: durch eine mündliche Zusage gestattete er ein Bekenntnis gemäß der Böhmischen Konfession und verpflichtete sich, diese persönlich und durch seinen Sohn Erzherzog Rudolf II. zu respektieren, weigerte sich aber, sie schriftlich zu bestätigen.²²⁰ Das Entstehen der päpstlich-spanischen diplomatischen Allianz am Kaiserhof wurde entscheidend durch Kaiserin Maria von Spanien beeinflusst.²²¹ Seit ihrer Ankunft in Wien 1552 prägte die Tochter Karls V. auf bedeutende Weise die Beziehungen zwischen beiden Linien des Hauses Habsburg. Ihr Vater und auch ihr Bruder Philipp II. erwarteten, dass Maria am Kaiserhof die politischen Interessen der spanischen Monarchie und der katholischen Kirche verteidigen werde. Man legte ihr besonders ans Herz, durch ihre eigene Religiosität ein Beispiel für ihren Mann zu sein und somit seine definitive Hinwendung zur Reformation zu verhindern. Obwohl die Bemühungen Marias, Maximilian II. für eine offene Unterstützung der katholischen Kirche zu gewinnen, letztendlich leer ausgingen, war ihre Aktivität nicht völlig vergebens. Trotz seiner Sympathien für das Luthertum hielt sich Maximilian II. sein Leben lang an die Grundsätze der Familienpolitik und zeigte sich nach außen hin als gemäßigter Katholik. Die Erziehung der
Vorel, Petr: Velké dějiny zemí Koruny české Bd. VII. Praha – Litomyšl 2005. S. 301– 302. Die Persönlichkeit Marias von Spanien wird in der methodologisch veralteten Arbeit Ceñal Lorente, Rafael: La emperatriz María de Austria. Su personalidad política y religiosa. Bde. I–II. Dissertation. Madrid 1990 vorgestellt. Ferner vgl. Sánchez, Magdalena S.: Los vínculos de sangre: La Emperatriz María, Felipe II y las relaciones entre España y Europa Central. In: Felipe II (1527– 1598): Europa y la monarquía católica. Hrsg. von José Martínez Millán. Madrid 1998. S. 777– 793; Millán, La emperatriz (wie Anm. 182); Koller, Alexander: Maria von Spanien, die katholische Kaiserin. In: Nur die Frau des Kaisers? Kaiserinnen in der Frühen Neuzeit. Hrsg. von Bettina Braun [u. a.]. Wien 2016. S. 85 – 97.
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Nachkommen Marias, einschließlich des künftigen Kaisers Rudolf II., spielte sich dann völlig im Geiste des kompromisslosen posttridentinischen Katholizismus ab.²²² Maria von Spanien äußerte aber ihre Unterstützung für die spanische gegenreformatorische Politik auch auf andere Art und Weise. Im Laufe der Jahre, die sie in Mitteleuropa verbrachte, erfüllte sie ebenfalls wichtige diplomatische Aufgaben für ihren Vater, Karl V., und für ihren Bruder Philipp II. Marias politische Bedeutung wuchs deutlich, nachdem sich ihr Mann an die Spitze des Heiligen Römischen Reiches gestellt hatte. Wenngleich auch sie nicht vermochte, das Misstrauen zwischen Maximilian II. und Philipp II. zu beseitigen, gelang es ihr durch vermittelnde Tätigkeit, ihren Mann zu einem gewissen Entgegenkommen bezüglich der politischen Wünsche des spanischen Königs zu bewegen.²²³ Philipp II. fand in seiner Schwester nicht nur eine mächtige Fürsprecherin, sondern auch eine unschätzbare Quelle von Informationen über die politischen Vorhaben des Kaisers und über die Verhältnisse im Heiligen Römischen Reich. Maria von Spanien arbeitete eng mit den spanischen Gesandten am Kaiserhof zusammen, ja sie stellte diese während ihres Aufenthalts in Mitteleuropa sogar völlig in den Schatten. Die spanischen Diplomaten besuchten die Kaiserin regelmäßig, um mit ihr über verschiedene politische Fragen zu diskutieren. Philipp II. selbst forderte übrigens die Diplomaten in seinen Instruktionen dazu auf, Maria über ihre Vorhaben zu informieren, und überließ viele Angelegenheiten ihrem Urteil. Es war vor allem seine Schwester, die ihm dabei half, seine politischen Pläne zu realisieren und ebenfalls zu formulieren. Der Anteil der Gesandten selbst an der Durchsetzung der spanischen Großmachtinteressen in Mitteleuropa blieb bis zum Anfang der achtziger Jahre des 16. Jahrhunderts viel bescheidener.²²⁴ Die Kaiserin versuchte auch, einige mitteleuropäische Adelige für den Dienst für Philipp II. zu gewinnen, und legte somit das Fundament des klientelistischen Netzwerks, von dem sowohl Philipp II. als auch dessen Nachfolger stark profitierten. Sie machte dabei von verschiedenen Strategien Gebrauch, unter denen Heiratsallianzen zwischen Adelseliten aus Ländern, die durch die eine und auch die andere Linie des Hauses Habsburg beherrscht wurden, besonders hervorstachen. Hierdurch gelang es ihr, einen übernationalen, den Habsburgern völlig er-
Bibl, Viktor: Maximilian II. Der rätselhafte Kaiser. Ein Zeitbild. Hellerau bei Dresden 1929. Sánchez, Los vínculos (wie Anm. 221). González Cuerva, Rubén u. Marek, Pavel: The Dynastic Network between the Imperial and Spanish Courts (1556 – 1619). In: A Europe of Courts, a Europe of Factions. Political Groups at Early Modern Centres of Power (1550 – 1700). Hrsg. von Rubén González Cuerva u. Alexander Koller. Leiden – Boston 2017. S. 136 – 137; Marek, La embajada (wie Anm. 34), S. 37– 82.
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gebenen Adel zu schaffen, der nicht zögerte, seinen Dienst fürs Herrscherhaus über die Partikularinteressen einzelner Ständegemeinden zu stellen. Vertreter der Familien Dietrichstein, Pernstein und später auch Lobkowitz waren ähnlich wie sie von der Notwendigkeit einer einheitlichen Habsburgerpolitik überzeugt und machten keinen Unterschied zwischen Diensten für den Kaiser und für den spanischen König.²²⁵ Der Hof der Kaiserin Maria wurde jedoch nicht zuletzt als ein bedeutendes Zentrum der spanischen Kultur gesehen. Viele Vertreter des mitteleuropäischen katholischen Adels schickten ihre Töchter zur Erziehung und Bildung dorthin. Edelfrauen aus vornehmsten Adelsgeschlechtern der Habsburgermonarchie lernten dort die spanischen Hofetikette, die spanische Sprache, Literatur und Kunst kennen. Dank Maria von Spanien wurde Spanisch nicht nur Muttersprache des künftigen Kaisers, sondern auch der Hofeliten. Zusammen mit der spanischen Sprache verbreiteten sich vom Hof der Kaiserin aus auch die Grundsätze des kompromisslosen Katholizismus posttridentinischer Prägung. Religionstoleranz hatte am Hofe Marias von Spanien keinerlei Platz.²²⁶ Es überrascht daher wenig, dass man auch in Rom seine Aufmerksamkeit auf Maria von Spanien richtete und mit ihr Hoffnungen auf die Stärkung des Katholizismus in der Habsburgermonarchie und im Heiligen Römischen Reich verband.²²⁷ Unter der Herrschaft Ferdinands I. wurde Maria in den Nuntiaturberichten nur selten reflektiert und wenn, dann nicht in ihrer politischen oder religiösen Rolle. Dies veränderte sich mit der Thronbesteigung ihres Gatten, von der an ein deutliches Steigen ihres direkten und indirekten Einflusses in beiden erwähnten Bereichen zu verzeichnen ist. Einer der ersten Berichte, die von der gegenseitigen Zusammenarbeit zwischen Kaiserin Maria und den Diplomaten Spaniens und des Kirchenstaats zeugen, stammt aus dem Jahr 1568. Maximilian II. erteilte damals dem lutherischen Adel in Niederösterreich eine Religionskonzession, in deren Kern es um das Recht, unter bestimmten Bedingungen die eigene Religion unterrichten zu dürfen, ging.²²⁸ Dieser Beschluss des Kaisers stieß
Marek, Pavel: Las damas de la emperatriz Maria y su papel en el sistema clientelar de los reyes españoles. El caso de María Manrique de Lara y sus hijas. In: Las Relaciones Discretas entre las Monarquías Hispana y Portuguesa: Las Casas de las Reinas (siglos XV–XIX). Hrsg. von José Martínez Millán u. María Paula Lourenço Marçal. Bd. II. Madrid 2008. S. 1003 – 1037; ders., Pernštejnské ženy (wie Anm. 192). Marek, Pernštejnské ženy (wie Anm. 192). S. 37– 48. Koller, La facción (wie Anm. 44). Dengel, Ignaz Phillip (Hrsg.): Nuntius Biglia 1566 (Juni) – 1569 (Dezember). Commendone als Legat bei Kaiser Maximilian II. 1658 (Oktober) – 1569 (Jänner).Wien 1939. (NBD II/6). S. XIX–LXVII. Zur Religionskonzession aus dem Jahre 1568 vgl. Bibl, Viktor: Die Vorgeschichte der Religions-
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natürlich bei Papst Pius V. auf heftigen Widerstand, der daraufhin den außerordentlichen Legat Kardinal Commendone nach Wien schickte.²²⁹ Dieser sollte sich zusammen mit Nuntius Biglia dafür einsetzen, dass kein solcher Schritt in weiteren österreichischen Ländern stattfinden würde. Ihr Engagement wurde jedoch auch intensiv durch den spanischen Gesandten, den Herren de Chantonnay, und insbesondere durch Maria von Spanien unterstützt, die sich in dieser Sache kraft ihres ganzen Amtes einsetzte.²³⁰ Auch in den nachfolgenden Jahren nutzten die Nuntien den Einfluss der Kaiserin und konsultierten mit ihr regelmäßig ihre Schritte. Im Jahre 1570 förderte Maria im Einklang mit dem Wunsch Roms die Kandidatur Ernsts von Bayern als Kurfürst von Köln sowie die Restitution des Abtes in Fulda.²³¹ Die Zusage der Kaiserin, den Katholizismus zu unterstützen, erhielt 1571 auch der neue Nuntius Giovanni Delfino: „[…] sie antwortete mir, sie habe nicht so viel getan, wie sie es sich gewünscht hätte, […] und dass sie nicht nachlassen werde, alles in ihren Möglichkeiten Stehende zu tun zur Ehre Gottes und zur Zufriedenheit des Papstes“, schrieb der päpstliche Diplomat kurz nach seiner Ankunft in Wien.²³² Die Interessen des Apostolischen Stuhls in der Habsburgermonarchie und im Heiligen Römischen Reich verteidigte Maria von Spanien auch nach dem Tod ihres Gatten Maximilian II. und nach der Besteigung des Kaiserthrons durch Rudolf II. Im Jahre 1577 beteiligte sie sich intensiv an den Diskussionen zur Obedienz Rudolfs II. gegenüber dem Papst.²³³ Orazio Malaspina, der erste Nuntius, der seine ganze Amtszeit in den Jahren 1578 – 1581 mit dem Kaiserhof in Prag verbrachte, nutzte Marias Unterstützung bei der Durchsetzung der gegenreformatorischen Politik in den böhmischen Ländern.²³⁴ Für ihre Tätigkeit zugunsten der katholischen Kirche erfuhr Maria von Spanien nicht nur die Dankbarkeit der Päpste, sondern auch verschiedene geistliche
konzession Kaiser Maximilians II. In: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich 13/14 (1914/ 1915). S. 400 – 431. von Pastor, Ludwig: Geschichte der Päpste im Zeitalter der katholischen Reformation und Restauration. Bd. VIII. Freiburg i. Br. 1920. S. 470 – 476. Dengel, NBD II/6 (wie Anm. 228), Nr. 91, S. 188 – 189; Nr. 92a, S. 191; Nr. 96, S. 220; Nr. 104a, S. 259; Nr. 106a, S. 266 – 267; Nr. 135, S. 345. Koller, Imperator (wie Anm. 41), S. 53. „[…] mi rispose non haver fatto cosa alcuna rispetto al desiderio suo, […] et che non mancherà mai di fare tutto quello che potrà ad honor di Dio et satisfattione di Sua Beatitudine.“ – zitiert nach Koller, Imperator (wie Anm. 41), S. 52– 53. Koller, Imperator (wie Anm. 41), S. 53. Koller, Alexander (Hrsg.): Nuntiaturen des Orazio Malaspina und des Ottavio Santacroce, interim des Cesare dell’Arena (1578 – 1581). Berlin – Boston 2012. (NBD III/10), Nr. 20,5, S. 49; Nr. 233,1, S. 381.
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Gunst. Diese war primär für die Kaiserin persönlich bestimmt und umfasste unter anderem Privilegien und materielle Gaben, zum Beispiel eine goldene Rose, die sie 1561 erhielt, oder einen geweihten Rosenkranz, den Papst Gregor XIII. der Kaiserin 1573 auf ihre persönliche Bitte hin schickte.²³⁵ Die Gunst des Papstes betraf oft auch die Vertrauten oder aber sogar die Verwandten der Kaiserin. Im Jahre 1577 erreichte Maria von Spanien, dass ihr Sohn Albrecht ins Kollegium der Kardinäle aufgenommen wurde. Obwohl der Wunsch der Kaiserin, der junge Erzherzog möge ebenfalls an die Spitze des freigewordenen Erzbistums Toledo berufen werden, bis 1594 nicht erhört wurde, wurde Albrecht bereits ab 1578 aus der dortigen reichen Erzdiözese eine päpstliche Rente in Höhe von 20.000 Dukaten jährlich ausgezahlt.²³⁶ Ein interessanter Fall, der auf die Grenzen von Marias Machteinfluss hindeutet, war eine unangenehme Angelegenheit, der Juan Manrique und seine Schwester, Maria Manrique de Lara, eine Vertraute der Kaiserin, ausgesetzt waren. Als 1569 Juan Manrique aufgefordert wurde, vor dem Inquisitionstribunal zu beweisen, dass er nicht vom ketzerischen Irrglauben „infiziert“ sei, zu dem sich seine verstorbene Mutter Isabel Briceño bekannte, stellte sich Maria von Spanien sehr rasant dagegen, dass er von Inquisitoren verhört werden sollte. Sie teilte Protonotar Biglia, der zwecks Untersuchung des Falles nach Wien gesandt worden war, mit, dass sie zwar als fromme Katholikin die Häresie von Isabel Briceño zutiefst verachte, dem Verhör aber nicht zustimmen könne, denn es hindere sie die Rücksicht auf Juan Manrique, der ein ihr naher Diener und treuer Hofmann Kaiser Maximilians II. sei, daran. Die Ermittlungen würden zudem der Herrscherin zufolge auch den Ruf von Maria Manrique de Lara und ihres Ehemanns Wratislaw von Pernstein gefährden. Dieses Ehepaar gehörte dabei zu den hartnäckigsten Verfechtern der Positionen der katholischen Kirche in der mitteleuropäischen Habsburgermonarchie und verdiente für seine Förderung des katholischen Glaubens eher eine Belohnung als einen harten Schlag in Form von Inquisitionsermittlungen. Nicht einmal die ablehnende Haltung Marias von Spanien hinderte jedoch die Inquisitoren daran, weitere Schritte gegen Juan Manrique zu unternehmen. Am 1. Dezember 1569 verfassten sie eine offizielle Vorladung Manriques vors Inquisitionstribunal und hängten sie am Tor des Petersdoms, der Tür des Palasts des Heiligen Offiziums sowie auf dem Platz Campo dei Fiori aus.²³⁷
Koller, La facción (wie Anm. 44), S. 121. Diesen sowie weitere Fälle zeigt ders., La facción (wie Anm. 44), S. 119 – 123. Zu Erzherzog Albrecht von Habsburg vgl. Duerloo, Luc: Dynasty and Piety: Archduke Albert (1598 – 1621) and Habsburg Political Culture in an Age of Religious Wars. Farnham 2012. Marek, Pernštejnské ženy (wie Anm. 192), S. 69 – 77.
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Die Unzufriedenheit mit der Entwicklung der Religionsfrage in Mitteleuropa war einer der Gründe, warum sich die fromme Kaiserin nach dem Tod ihres Mannes entschloss, in ihre spanische Heimat zurückzukehren. Als sie im August 1581 Prag verließ, tat sie dies mit der Überzeugung, den Rest ihres Lebens innerhalb der Mauern des Madrider Klosters der unbeschuhten Franziskanerinnen Descalzas Reales zu verbringen. Ihre Entscheidung, sich aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen, konnte nicht einmal Philipp II. kippen, der seiner Schwester die Verwaltung des neu erlangten Königreichs Portugal anvertrauen wollte.²³⁸ Maria von Spanien gab aber ihre politische Tätigkeit eigentlich nie auf. Das Kloster Descalzas Reales wurde bereits bald nach seiner Gründung 1559 eines der geistlichen und gesellschaftlichen Mittelpunkte des Lebens am spanischen Königshof und mit der Ankunft Marias wurde diese Rolle noch bedeutender.²³⁹ Am Papsthof in Rom führte Marias Entschluss, die Habsburgermonarchie zu verlassen und in ihre kastilische Heimat zurückzukehren, zu starker Beunruhigung. Gregor XIII. bat die Kaiserin damals mittels Nuntius Malaspina, „ihr Vorhaben gut zu überlegen, denn ihr Weggehen könnte den Diensten für Gott, dem allgemeinen Wohl sowie ihrem Sohn schaden, der in seiner frommen und besonnenen Mutter eine wichtige Ratgeberin verlieren wird“.²⁴⁰ Um ihren Entschluss rückgängig zu machen, bot er ihr auch wiederholt finanzielle Hilfe an, die die wirtschaftlichen Probleme der Kaiserin lindern sollte.²⁴¹ Ähnliche Verlegenheit löste der Plan der Kaiserin wegzugehen beim spanischen Gesandten Guillén de San Clemente aus, der gerade 1581 mit seiner Prager Mission begann: „Ich fühle mich völlig verlassen. Ich ahne gar nicht, wie ich es hier ohne die Kaiserin, die an diesem Hof ein wahrhaftiges Heilmittel gegen alle Schwierigkeiten und Sorgen war, schaffen soll. Jetzt stehe ich allein da.“²⁴²
Zur Reise der Kaiserin und zu den Beweggründen, die sie zu dieser Entscheidung führten vgl. die Studie Schoder, Die Reise (wie Anm. 176). Zur politischen Rolle des Klosters wurde erstmals aufmerksam gemacht von Sánchez, The Empress (wie Anm. 188); dies.: Empress María and the Making of Political Policy in the Early Years of Philip III′s Reign. In: Religion, Body and Gender in Early Modern Spain. Hrsg. von Alain SaintSaens. San Francisco 1991. S. 138 – 147. Näheres zur päpstlich-kaiserlichen Fraktion Martínez Millán, La emperatriz (wie Anm. 182). „[…] acciò consideri bene che questo pensiero d’absentarsi dal figliuolo non può esser se non di gran pregiuditio al servitio di Dio, a le cose publiche et al figliuolo istesso, per i buoni ricordi et consigli che l’Imperatore può sempre ricevere da una si pia et si prudente madre […].“ – Koller, NBD III/10 (wie Anm. 234), Nr. 161,2, S. 266. Koller, Imperator (wie Anm. 41), S. 57– 59. „Me hallo el más confuso hombre del mundo, porque no sé cómo me ha de suceder esto, por verme tan sólo como me veo con la ausencia que hará la Emperatriz, la qual era aquí el verdadero
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Während sich San Clementes Vorgänger bei ihrer Tätigkeit auf die Autorität von Kaiserin Maria von Spanien stützen konnten, musste der katalanische Edelmann ohne ihre Hilfe auskommen. Das Klientennetzwerk, das die Kaiserin in den vorherigen Jahrzehnten emsig aufgebaut hatte, war nach ihrer Abreise fundamental erschüttert. Guillén de San Clemente vermochte das Netzwerk trotzdem zu stabilisieren, und er befolgte in den darauffolgenden Jahren konsequent den von Maria von Spanien angegebenen Kurs. Dank seiner zähen Arbeit und allgemeinen Autorität gelang es ihm nicht nur, jene Kontakte aufrechtzuerhalten, die er von seinen Vorgängern „geerbt hatte“, sondern auch den Kreis seiner Mitarbeiter deutlich zu erweitern. Am Ende von San Clementes Mission stand dem spanischen König somit ein dermaßen umfangreiches Klientennetzwerk am Kaiserhof zur Verfügung, dass es dort die mächtigste aktive Gruppe darstellte. Sehr zutreffend wird dies in einem Zeugnis von Conde Carlo Francesco Manfredi di Luserna ausgedrückt, der im Oktober 1604 dem Herzog von Savoyen nach Turin schrieb, der Kaiser sei „völlig von Anhängern Spaniens umgeben; ich kenne niemanden, der nicht zu ihnen gehören würde.“²⁴³ Die Abreise der Kaiserin beeinträchtigte nicht einmal die bisherige Zusammenarbeit zwischen den päpstlichen und spanischen Diplomaten, die auch weiterhin bei bedeutenden politisch-religiösen Problemen in der Habsburgermonarchie und im Heiligen Römischen Reich einen koordinierten Ansatz wählten. In ihren Instruktionen, die die Gesandten beider Länder zum Kaiserhof mitbrachten, wurden sie regelmäßig aufgefordert, sich zu bemühen, die gegenseitigen guten Beziehungen mit ihrem diplomatischen Gegenüber aufrechtzuerhalten und alle Schritte zur Einführung des posttridentinischen Katholizismus in Mitteleuropa miteinander zu konsultieren.²⁴⁴ Mit Hilfe von Hofleuten und Adeligen, die der Politik des Heiligen Stuhls und der spanischen Monarchie zugetan waren, versuchten die Gesandten nicht nur, glaubwürdige Informationen einzuholen, sondern auch die Ansichten des neuen Kaisers Rudolf II. zu beeinflussen, der trotz proklamiertem Katholizismus, Familienbanden und spanischer Erziehung tiefes Misstrauen gegenüber den politischen und religiösen Vorhaben
medio para todas las dificultades que aquí se podían ofrecer.“ – Guillén de San Clemente an Juan de Zúñiga (Prag, 25.7.1581) – de Ayerbe, Correspondencia (wie Anm. 77), S. 292. „[…] attorniato tutto da dipendenti di Spagna; né ve ne conozco uno che non dipenda da quella parte.“ – ASTo, Corte, Lettere Ministri – Austria, mazzo 7, (Prag, 15. 10. 1604), Conde Manfredi di Luserna an den Herzog von Savoyen. „[…] conferir col Signor Ambasciator Catholico, ivi residente, tenendo seco buona intelligenza et valendosi de l’opera et officii suoi secondo il bisogno.“ – Koller, NBD III/10 (wie Anm. 234), Nr. 1,8, S. 6.
I.3 Die Besetzung der höchsten böhmischen Landesämter im Jahre 1599
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der beiden Großmächte und ihrer Herrscher hegte.²⁴⁵ Konkrete Angelegenheiten veränderten sich zwar im Laufe seiner Herrschaftszeit, es kamen jedoch historische Momente vor, in denen es den Diplomaten durch direkte und indirekte Einflussnahme gelang, auch in Entscheidungen einzugreifen, die weitreichende politische bzw. religiöse Folgen hatten und oft auf entscheidende Weise das Machtsystem in der Habsburgermonarchie wandelten. Dies ist am deutlichsten im Falle der radikalen Auswechslung der böhmischen Landesbeamten 1599, der Ereignisse im Zusammenhang mit dem Streit Rudolfs II. mit seinem Bruder Matthias (1608 – 1609) sowie in den letzten Monaten von Rudolfs Herrschaft (1610 – 1612) sichtbar.
I.3 Die Besetzung der höchsten böhmischen Landesämter im Jahre 1599 Als der kaiserliche Hof dauerhaft nach Prag umgezogen war, konzentrierte sich das Hauptinteresse der römischen Kurie auf zwei grundlegende Ziele – auf die Stärkung der Gegenreformation in den böhmischen Ländern und auf eine parallel dazu verlaufende innere Reform der dortigen katholischen Institutionen.²⁴⁶ Die Zentralität dieser Region in den historischen Prozessen der Wende des 16. zum 17. Jahrhundert war jedoch nicht nur durch die Tatsache gegeben, dass hier langfristig der Kaiser und sein Hof residierten. Von Bedeutung war ebenfalls die hier vorherrschende spezifische konfessionelle und politische Situation, die in jener Zeit besonders von der wachsenden religiösen Polarisierung zwischen dem neu erstarkenden Katholizismus und dem Protestantismus geprägt war. Obwohl die Anzahl der böhmischen und mährischen Katholiken infolge der bisherigen historischen Entwicklung eher gering war und viele kirchliche Institutionen in einem wirtschaftlich bzw. personell schlechten Zustand waren, stellte die konfessionelle Entwicklung keinen abgeschlossenen Prozess dar. Die ersten Schritte zur Stärkung der Positionen der katholischen Kirche im Königreich Böhmen wurden bereits von Kaiser Ferdinand I. unternommen. Bereits vom Anfang seiner Herrschaftszeit an gehörte zum langfristigen Programm der Konfessionspolitik dieses Herrschers die Legalisierung des böhmischen Utraqu-
Evans, Rudolf II. (wie Anm. 35), S. 86 – 87. Für eine Zusammenfassung der Verhältnisse zwischen den einzelnen Päpsten und Kaiser Rudolf II. vgl. Vocelka, Die politische Propaganda (wie Anm. 35), S. 113 – 119. Die Haltung Rudolfs II. zum spanischen König Philipp II. wurde analysiert von Salgado, I loved him as a father (wie Anm. 152). Vergleiche auch Jiménez Díaz, El coleccionismo (wie Anm. 173). Černušák [u. a.], The Papacy (wie Anm. 40), S. 161– 162.
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I Die päpstliche und die spanische Politik am Kaiserhof
ismus, also vor allem die Anerkennung der Kommunion in beiderlei Gestalt durch das Papsttum. Dabei sollte auch die Erneuerung des Prager Erzbistums 1561 behilflich sein, das Ferdinands ursprünglichen Plänen zufolge beiden Konfessionsrichtungen dienen sollte. Durch die Entwicklung der katholischen Kirche nach dem Konzil von Trient, das es nicht nur vermocht hatte, die nötigen Reformschritte zu starten, sondern auch theologisch eindeutig die Trennlinien gegenüber den übrigen Richtungen des Christentums zu definieren, kam alles jedoch letztendlich ganz anders. Das Prager Erzbistum wurde daher zusammen mit dem einflussreichen Bistum Olmütz (Olomouc), das die Unruhen der Hussitenkriege überstanden hatte, an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert ein bedeutendes Zentrum der Gegenreformation und der Reformen.²⁴⁷ In den böhmischen Ländern wurden auch Vertreter der Kirchenorden zu bedeutenden Trägern dieser beiden grundlegenden Tendenzen in der katholischen Kirche, also der inneren Reform sowie der Gegenreformation. Unter ihnen taten sich die neu angekommenen Jesuiten und Kapuziner hervor. Die Angehörigen der Gesellschaft Jesu ließen sich zunächst 1556 in Prag nieder, von wo aus sie sich bis zum Ende des 16. Jahrhunderts in weitere fünf Orte des Königreichs Böhmen ausbreiteten, wo sie sich tatkräftig der Missionsarbeit und der pädagogischen Tätigkeit widmeten.²⁴⁸ Die Kapuziner wurden erst ganz am Ende des 16. Jahrhunderts dank dem Prager Erzbischof Zbynko Berka von Dubá in Böhmen präsentiert. Auch ihnen gelang es bald, die Gunst des örtlichen katholischen Adels zu erlangen und wie wir noch sehen werden, zur wichtigen Stütze der päpstlichen und spanischen Diplomaten zu werden.²⁴⁹ Angesichts der Landesgesetze, die seit dem 15. Jahrhundert den Katholizismus und auch den Utraquismus anerkannten, behielt der Landadel weiterhin den größten Einfluss auf die Religion seiner Untertanen und somit auch auf die Durchsetzung der Konfessionalisierungskonzepte der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert.²⁵⁰ Somit war die konfessionelle Situation jener Zeit in den ein-
Kavka, František u. Skýbová, Anna: Husitský epilog na koncilu tridentském a původní koncepce habsburské rekatolizace Čech. Počátky obnoveného pražského biskupství. Praha 1969; Mikulec, Jiří [u. a.]: Církev a společnost raného novověku v Čechách a na Moravě. Praha 2013. S. 329 – 338. Čornejová, Ivana: Tovaryšstvo Ježíšovo. Jezuité v Čechách. Praha 1995; Gui, Francesco: I gesuiti e la rivoluzione boema. Alle origini della guerra dei trent’anni. Milano 1989. Rabas, Vavřinec: Řád kapucínský a jeho působení v Čechách v 17. století. In: Časopis katolického duchovenstva 77 (1936). S. 217– 238, 329 – 349; 78 (1937), S. 25 – 41, 393 – 406. Winkelbauer, Thomas: Grundherrschaft, Sozialdisziplinierung und Konfessionalisierung in Böhmen, Mähren und Österreich unter der Enns im 16. und 17. Jahrhundert. In: Konfessionalisierung in Ostmitteleuropa. Wirkung des religiösen Wandels im 16. und 17. Jahrhundert in Staat,
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zelnen Herrschaften stark von der Konversionswelle des Adels zum Katholizismus geprägt, die sich an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert aus verschiedenen inneren und äußeren Gründen ereignet hatte.²⁵¹ Die Mehrheit der Bevölkerung war nicht katholisch und hielt zum Großteil an der ursprünglichen Richtung der böhmischen Reformation – dem Utraquismus – fest. Obwohl in dessen Rahmen verschiedene Ideenrichtungen bestanden, schien er unter vielerlei Aspekten weiterhin lebensfähig zu sein.²⁵² Eine gewisse Komplikation seiner Entwicklung stellte vor allem die Tatsache dar, dass sich der Utraquismus zunehmend mit den steigenden Anhängerzahlen anderer nichtkatholischer Glaubensrichtungen auseinandersetzen musste, insbesondere mit der Brüderunität und den Lutheranern.²⁵³ Einige Utraquisten tendierten jedoch auch zum Zusammenschluss mit der katholischen Kirche, und die päpstlichen Nuntien scheuten sich nicht, dies auszunutzen.²⁵⁴ Nicht einmal diese komplizierte konfessionelle Lage hinderte die päpstlichen Diplomaten daran, gerade mit den böhmischen Ländern die Hoffnung auf Rekatholisierung der ganzen Region zu verbinden. Die gegenreformatorische Kampagne im Königreich Böhmen sollte sich ihrer Idealvorstellung zufolge in ein Modell verwandeln, das man danach auch im Heiligen Römischen Reich nutzen würde. In diesem Sinne äußerte sich beispielsweise die Finalrelation des Nuntius Camillo Caetani aus dem Jahr 1592, wo explizit angeführt wurde, dass „jenes, was dort verordnet und ausgeübt wird, wo der Kaiser residiert, ein Vorbild für alle weiteren Teile des Reiches ist und es wäre notwendig, das Gute dort entspringen zu lassen, wo das Böse seinen Anfang genommen hatte.“²⁵⁵ Einen detaillierten, Gesellschaft und Kultur. Hrsg. von Joachim Bahlcke u. Arno Strohmeyer. Stuttgart 1999. S. 307– 338. Winkelbauer, Thomas: Fürst und Fürstendiener. Gundaker von Liechtenstein, ein österreichischer Aristokrat des konfessionellen Zeitalters. Wien – München 1999. S. 66 – 158. David, Zdeněk V.: Finding the Middle Way. The Utraquists’ Liberal Challenge to Rome and Luther. Washington – Baltimore 2003. Just, Jiří [u. a.]: Luteráni v českých zemích v proměnách staletí. Praha 2009. S. 23 – 123; Říčan, Rudolf: The History of the Unity of Brethern. A Protestant Hussite Church in Bohemia and Moravia. Bethlehem 1992. Černušák [u. a.], The Papacy (wie Anm. 40), S. 171– 173. „Ma perché è difficile a Nuntio d′Alemagna abbraciar la cura di tutte le provincie, comprese in essa in tempi così difficili, et è stato così cononassato dopo haver usate quelle diligenze che si possano in generale, è forza di restringer di pensieri ad aiutar li regni et stati proprii et hereditarii dell’Imperatore, et principalmente attender alla salute delle anime poste nel Regno di Bohemia dove Sua Maestà fa la sua residenza. Quel che si ordina et esseguisce dove sta l′Imperatore, si tira in essempio per tutte l’altre parti in Germania, et saria il dovere, che dove ha havuto principio il male, comminciasse derivar il bene.“ – Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), Nr. 198. VI.1, S. 452. Vergleiche auch dies.: L’edizione della nunziatura di Cesare Speciano (1592– 1598). Origini, stato
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auch Aspekte der katholischen Reform in Böhmen beinhaltenden Plan der Gegenreformation, dessen einzelnen Schritte in den darauffolgenden Jahren zur Schwerpunktachse des Auftretens der päpstlichen Nuntien am Kaiserhof wurden, hat Nuntius Giovanni Francesco Bonomi geschaffen. Er machte darin von den Erfahrungen und Aktivitäten seiner unmittelbaren Vorgänger Gebrauch und verlieh der bisherigen sowie zukünftigen Aktivität päpstlicher Diplomaten in den böhmischen Ländern einen wahrhaftig programmatischen Charakter.²⁵⁶ Die Konturen des Programms werden bereits in einem Dokument deutlich, in dem er im Juni 1584 dem Kaiser Rudolf II. konkrete Veränderungen zur Stärkung des Katholizismus und Schwächung der übrigen Konfessionen vorgeschlagen hatte. Die programmatische Deklaration entstand dann erst ganz am Ende von Bonomis Wirken im Amt des päpstlichen Nuntius in Prag. Am 9. Dezember 1584 kam er im Rosenberger Palast auf der Prager Burg mit dem Oberstburggrafen Wilhelm von Rosenberg, dem Oberstlandrichter Georg Popel von Lobkowitz, dem Erzbischof Martin Medek und dem Rektor des Prager Jesuitenkollegs Alexander Voit zusammen. Aus der gemeinsamen Diskussion ging ein besonderes Memorandum hervor, in dem die wichtigsten Punkte der katholischen Erneuerung skizziert wurden. Die römische Kirche sollte durch die Errichtung und finanzielle Absicherung von drei neuen Pfarreien direkt in Prag gestärkt werden. Ferner wurde empfohlen, genügend für das Jesuitenkolleg zu sorgen, das sich nicht nur in der Erziehung zukünftiger Priester, sondern auch weltlicher Beamter, Notare, Schreiber, Lehrer und Schulverwalter engagieren sollte. Im Memorandum wurde großer Nachdruck darauf gelegt, die Prager Universität in katholische Hände zu gewinnen. Zu weiteren angedachten Schritten gehörten die konsequente Anwendung des gegen Nichtkatholiken gerichteten kaiserlichen Mandats vom Juli 1584, die Verbreitung von katholischen Drucken sowie Visitationen des Diözesanund Ordensklerus. Da es angesichts ihrer mehrheitlichen Vertretung und der Anerkennung der utraquistischen Kirche durch Landesgesetze nicht möglich war, alle „Ketzer“ aus den böhmischen Ländern auszuweisen, war es dem Memorandum zufolge zumindest notwendig, sorgfältig darauf zu achten, dass die Kommunion nur nach katholischem Ritus gespendet wurde. Alle Angehörigen übriger Denominationen und religiöser Gruppierungen sollten völlig aus dem Königreich verbannt werden. Als absolut zentral wurde vom päpstlichen Diplomaten und von
attuale, problemi e prospettive. In: Kurie und Politik. Stand und Perspektiven der Nuntiaturberichtforschung. Hrsg. von Alexander Koller. Tübingen 1998. S. 166. Näheres zum gegenreformatorischen Plan von Nuntius Bonomi und von seinen Vorgängern Stloukal, Počátky (wie Anm. 39); Černušák, La nunziatura (wie Anm. 40). Näheres zu seiner Persönlichkeit Rill, Gerhard: Bonomi, Giovanni Francesco. DBI Bd. XII Roma 1971. http://www. treccani.it/enciclopedia/giovanni-francesco-bonomi_(Dizionario-Biografico) (27. 2. 2019).
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seinen Mitarbeitern die Beherrschung wichtiger Landes- und Hofämter durch Katholiken erachtet.²⁵⁷ Obwohl Rudolf II. im Unterschied zu seinem Vater Maximilian II. sein Leben lang der römischen Kirche treu blieb, war die Durchsetzung von Bonomis gegenreformatorischem Plan keineswegs einfach. So erschien insbesondere die letzte Forderung regelmäßig in Instruktionen, die die päpstlichen Nuntien an den Kaiserhof mitbrachten, ja sie nahm darin einen zentralen Platz ein. Als sich 1592 Cesare Speciano auf seine Pragreise vorbereitete, wurde ihm ans Herz gelegt, mit allen Mitteln den Einfluss der Nichtkatholiken auf den Kaiser zu schwächen zu versuchen: „Es ist sehr wichtig, dass die Minister Seiner Majestät gute und treue Katholiken sind. Immer, wenn man Gespräche über den Austausch eines von ihnen oder über die Besetzung der Posten Verstorbener führen wird, muss mit aller Kraft danach gestrebt werden, dass ihre Nachfolger Katholiken sind.“²⁵⁸ Zu den wichtigsten Stützen der päpstlichen Diplomaten im Königreich Böhmen gehörten Wilhelm von Rosenberg und Georg Popel von Lobkowitz. Wilhelm von Rosenberg stützte seine Machtposition auf den Titel des Herrschers des Hauses Rosenberg, das aufgrund des Privilegs von König Wladislaw Jagiello Vorrang vor allen Adelshäusern des Königreichs hatte, und Wilhelm hatte zudem seit 1570 das politisch einflussreichste Amt des Oberstburggrafen inne. Georg Popel von Lobkowitz kam erst 1582 in ein hohes Landesamt, als er zum Oberstlandrichter ernannt wurde. Drei Jahre später wurde er sogar Obersthofmeister des Königreichs Böhmen. Damals wurde er auch definitiv zur Stütze der katholischen Kirche in Böhmen: colonna et refugio nelle cose della religione catholica. In den darauffolgenden Jahren wurde Lobkowitzs Rolle im gegenreformatorischen Programm der päpstlichen Nuntien am Kaiserhof deutlich stärker, vor allem dank dem Vertrauen, das ihm der Kaiser schenkte.²⁵⁹ In diesem Sinne überschattete Georg Popel von Lobkowitz sogar zunehmend Wilhelm von Rosenberg selbst.
Stloukal, Počátky (wie Anm. 39), S. 270 – 275. „Importa molto per questi rispetti che sieno presso Sua Maestà ministri buoni et sinceramente catolici; però ogni volta che si tratti o di mutare alcuno o d’empire luoco de’morti, è bene usare ogni studio, perché quei che succedono sieno catolici.“ – Jaitner, Die Hauptinstruktionen Clemens VIII. Bd. I (wie Anm. 67), S. 55. Vgl. ebenfalls die Instruktion für Ferrante Farnese vom September 1597 – ders., Die Hauptinstruktionen Clemens VIII. Bd. II (wie Anm. 67), S. 490 – 492. Bislang fehlt eine Biografie von Georg Popel von Lobkowitz. Grundlegende bigorafische Daten bietet zumindest Dvořák, Max: Proces Jiřího z Lobkovic. In: ČČH 2 (1896). S. 271– 292; Janáček, Rudolf II. (wie Anm. 35), S. 296 – 310; Brandon, Mark A.: The Counter Reformation of Jiří Popel z Lobkovic. In: Porta bohemica 3 (2005). S. 28 – 45; Hrubá, Michaela: Jiří Popel z Lobkovic a prostředky rekatolizace na sklonku 16. století. (Příspěvek k dějinám rekatolizace v severozápadních Čechách). In: Ústecký sborník historický. Hrsg. von Michaela Hrubá. Ústí nad Labem 2000. S. 132– 144. Näheres zu seiner Zusammenarbeit mit den päpstlichen Gesandten Stloukal,
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Während der alternde Oberstburggraf seine letzten Lebensjahre vor allem auf seinen südböhmischen Gütern verbrachte, war Georg Popel von Lobkowitz dem Kaiser stets nahe und konnte ihm somit viel schneller und effizienter die Vorhaben der Vertreter des Heiligen Stuhls übermitteln. Für Lobkowitz sprach schließlich auch die Tatsache, dass er sich im Unterschied zu Wilhelm von Rosenberg bei seinen Aktivitäten auf ein verzweigtes Netzwerk seiner Familienangehörigen stützen konnte.²⁶⁰ Diese unterstützten den Obersthofmeister ganz und gar in seinem Vorhaben, jene Posten, die der Oberstburggraf aus dem Hause Rosenberg langsam räumte, einzunehmen. Der Ehrgeiz Georg Popels von Lobkowitz trat dermaßen zutage, dass er negative Reaktionen bei einem Teil der Gesellschaft hervorrief, der offen seinen Widerwillen gegenüber diesem reichen Protz kundtat und weiterhin Wilhelm von Rosenberg als einziges Oberhaupt des böhmischen katholischen Adels betrachtete. Aus den einstigen Kollegen Georg Popel von Lobkowitz und Wilhelm von Rosenberg wurden somit zum wachsenden Unmut der päpstlichen Kurie unversöhnliche Rivalen.²⁶¹ Ein sehr herzliches Band hingegen verband Georg Popel von Lobkowitz mit Paul Sixt von Trautson. Dieser war ab 1582 Präsident des Reichshofrats und war Ende des 16. Jahrhunderts zusammen mit Obersthofkämmerer Wolf Rumpf zum Wielroß die einflussreichste Person am Prager Hof.²⁶² Trautson und Rumpf
Papežská politika (wie Anm. 39), S. 153 – 210; Pazderová, Alena: Lobkovická aféra a papežský nuncius Cesare Speciano. In: Inter laurum et olivam. Hrsg. von Jiří Šouša u. Ivana Ebelová. Praha 2007. S. 731– 743. Als Pfeiler und Zufluchtsort für den katholischen Glauben wurde Lobkowitz vom Nuntius Cesare Speciano in dessen Brief an Papst Clemens VIII. vom 13. September 1592 bezeichnet, vgl. Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), Nr. 92,1, S. 206. Eine kommentierte Genealogie der Familie Lobkowitz wurde veröffentlicht von Kasík, Stanislav [u. a.]: Lobkowiczové. Dějiny a genealogie rodu. České Budějovice 2002. Für grundlegende Informationen vgl. ebenfalls Kopička, Petr u. Marek, Pavel: Lobkowitz. In: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Grafen und Herren. Hrsg. von Werner Paravicini. Bd. I. Ostfildern 2012. S. 898 – 933. Zu den Rosenbergern vgl. insbesondere Pánek, Jaroslav: Poslední Rožmberkové. Velmoži české renesance. Praha 1989; Bůžek, Václav [u. a.]: Světy posledních Rožmberků. Praha 2011. Von der Aufteilung der böhmischen Adelsgesellschaft in eine Lobkowitz- und eine Rosenberggruppe spricht beispielsweise Dvořák, Proces (wie Anm. 259), S. 271– 292; Pánek, Poslední Rožmberkové (wie Anm. 260), S. 212– 229. Vom Unmut der Kurie zeugt die Instruktion für Cesare Speciano – Jaitner, Die Hauptinstruktionen Clemens VIII. Bd. I (wie Anm. 67), S 59. Zur Bedeutung der höfischen Gruppe von Wolf Rumpf und Paul Sixt von Trautson vgl. z. B. Noflatscher, Heinz: Regiment aus der Kammer? Einflußreiche Kleingruppen am Hof Rudolfs II. In: Der Fall des Günstlings. Hofparteien in Europa vom 13. bis zum 17. Jahrhunderts. Hrsg. von Jan Hirschbiegel u. Werner Paravicini. Ostfildern 2004. S. 209 – 234; ders.: Monarchische Willkür? Zur Demission des Wolf Rumpf und Paul Sixt Trautson am Hof Kaiser Rudolfs II. (1600). In: Tirol –
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wussten hervorragend die Schwachstellen Rudolfs II. zu nutzen und wurden bald nach dessen Thronbesteigung entscheidende Akteure des öffentlichen Geschehens in der Habsburgermonarchie.²⁶³ Das Auftreten beider Vertrauten des Kaisers wurde von den spanischen und päpstlichen Diplomaten überwiegend positiv aufgenommen, für die diese beiden Adeligen willkommene Mitarbeiter und aktive Stützen ihrer Beziehungsnetzwerke darstellten.²⁶⁴ Rumpf und Trautson unterstützten wiederum auf unterschiedliche Art und Weise Lobkowitz, mit dessen Hilfe sie ihren Einfluss im Königreich Böhmen anwenden konnten. Die politische Verbindung von Georg Popel von Lobkowitz mit Paul Sixt von Trautson fand übrigens auch auf persönlicher Ebene ihre Ausprägung, als Trautson 1591 Anna, die Nichte Georg Popels von Lobkowitz, heiratete.²⁶⁵ Es ist sicher, dass die Ambitionen Georg Popels von Lobkowitz sowie seine Aussichten auf das Erlangen der führenden Rolle unter dem böhmischen Adel infolge der neu geschaffenen Verschwägerung noch mehr wuchsen. Das einzige größere Hindernis bei dem Aufstieg des Obersthofmeisters auf der Leiter der böhmischen Adelshierarchie blieb der älter werdende Herrscher des Hauses Rosenberg. Als dann Wilhelm von Rosenberg im August 1592 starb, zweifelte niemand daran, dass gerade Georg Popel von Lobkowitz das frei gewordene Amt des Oberstburggrafen übernehmen wird. Die langjährigen Auseinandersetzungen zwischen der Partei der Lobkowitzer und der Rosenberger nahmen nun endlich ein Ende, und das ganze Haus Lobkowitz konnte zusammen mit Georg Popel auf eine Stärkung seiner bisherigen Position hoffen. Der Tod Wilhelms von Rosenberg sollte somit paradoxerweise auch der von den päpstlichen und spanischen Gesandten propagierten gegenreformatorischen Kampagne zugutekommen, denn es wurde erwartet, dass er eine Wiedervereinigung des zersplitterten katholischen Lagers im Königreich Böhmen zur Folge haben würde. Es sollte sich jedoch bald
Österreich – Italien, Festschrift für Josef Riedmann zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Klaus Brandstätter u. Julia Hörmann. Innsbruck 2005. S. 493 – 516. Zu seiner Person vgl. Edelmayer, Friedrich: Wolf Rumpf de Wielroß y la España de Felipe II y Felipe III. In: Revista Pedrables 16 (1996). S. 133 – 163; ders.: Manus (wie Anm. 192). Zu Trautson vgl. zumindest von Krones, Franz: Trautson, Paul Sixt Freiherr. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB) Bd. XXXVIII. Leipzig 1894. S. 522– 524. http://www.deutsche-biographie.de/ pnd115540040.html?anchor=adb (13. 2. 2013). Erste Berichte über ihre aktive Einbindung in die Umsetzung der päpstlichen Vorhaben am Hof Rudolfs II., wie sie von den Nuntien in Prag präsentiert wurden, finden wir bereits während der Amtszeit von Orazio Malaspina (1578 – 1581). – Koller, NBD III/10 (wie Anm. 234), Nr. 131,4, S. 216; Nr. 139,2, S. 227; Nr. 145,1, S. 241– 242; Nr. 150,1, S. 249 – 250; Nr. 172,3, S. 283. Zur Verbindung von Rumpf und Trautson mit Lobkowitz vgl. Dvořák, Proces (wie Anm. 259), S. 285; Kasík [u. a.], Lobkowiczové (wie Anm. 260), S. 116.
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zeigen, wie haltlos solche Überlegungen waren und wie ephemer der scheinbare Triumph von Lobkowitz war.²⁶⁶ Bereits einige Monate nach dem Tod Wilhelms von Rosenberg geriet nämlich Georg Popel von Lobkowitz in einen heftigen Streit mit dem Kaiser, der mit der Verurteilung des Oberhaupts der Familie Lobkowitz zu lebenslanger Haft endete. Als sich Rudolf II. weigerte, Lobkowitz in das frei gewordene Amt des Oberstburggrafen zu ernennen, versuchte dieser ihn während der Sitzung des Landtags im März 1593 hierzu zu zwingen. Er überredete damals seinen Bruder Ladislaus, einen gegen den König gerichteten Beschwerdebrief zu schreiben, den er danach durch Sebastian Vřesovec von Vřesovice unter den böhmischen Ständen verbreiten ließ. Mit Hilfe dieses Schriftstücks wollte er sie dazu provozieren, die Proposition des Kaisers abzulehnen, und seine eigenen politischen Forderungen zu unterstützen. Selbst wollte er die Rolle des Vermittlers zwischen König und Ständen übernehmen und somit die Dankbarkeit des Kaisers gewinnen, die sich in der erhofften Beförderung manifestieren würde. Der Text des Memorandums stieß in der Ständegemeinschaft auf positive Reaktionen, da er zum Teil ihren eigenen Anforderungen entgegenkam. Obwohl er keine grundlegenden Veränderungen mit sich brachte, konnte das Vorgeschlagene die Position der Landesämter zu Lasten der Macht des Herrschers stärken. Die Vertreter der Stände nutzten daher die entstandene Situation und weigerten sich, über die königliche Proposition zu diskutieren, bevor die Punkte aus dem Beschwerdebrief erfüllt sind. Rudolf II. geriet somit in eine sehr schwere Lage, denn er erwartete vom Landtag, dass er ihm finanzielle und materielle Hilfe für den Krieg gegen die Türken leisten würde. Er wollte jedoch nicht dem lobkowitzschen Druck weichen, und der Landtag ging daher ohne jegliche Schlussfolgerungen auseinander.²⁶⁷ Bald darauf begann der Kaiser den ganzen Vorfall zu untersuchen. Die systematische und bedachtsame Vorgehensweise, die Rudolf II. für die Lösung dieser unheilsamen Landtagscausa wählte, stand dabei im völligen Widerspruch zum impulsiven Charakter des Kaisers, der ihn in vergleichbaren Situationen zu ex-
Der Machtaufstieg von Georg Popel von Lobkowitz sowie seine unverhohlenen Befürchtungen, wie Kaiser Rudolf II. eventuell reagieren könnte, werden sehr schön vom Brief des Nuntius Cesare Speciano an Papst Clemens VIII. Vom 13. September 1592 widergespiegelt. – Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), Nr. 92, S. 206 – 210. Die erwähnten Ereignisse und der darauffolgende Prozess mit Georg Popel von Lobkowitz werden in der tschechischen Literatur häufig reflektiert. Tomek, Václav Vladivoj: Spiknutí Jiřího z Lobkovic. In: Časopis Českého musea 27 (1853). S. 216 – 245; Dvořák, Proces (wie Anm. 259); Pešák, Václav: Správní vlivy v prvním procesu Jiřího z Lobkovic. In: ČNM 90 (1936). S. 50 – 62, 208 – 235; Janáček, Rudolf II. (wie Anm. 35), S. 296 – 310; Vybíral, Zdeněk: Politická komunikace aristokratické společnosti českých zemí na počátku novověku. České Budějovice 2005. S. 82– 187.
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altierten und voreiligen Taten verführte. Es ist daher mehr als wahrscheinlich, dass die Schritte des Herrschers damals von jemandem aus den Reihen der zahlreichen Feinde Georg Popels von Lobkowitz gelenkt wurden. In Betracht kommt vor allem der böhmische Vizekanzler Christoph Želinský von Sebuzín, der in den darauffolgenden Jahren nahezu uneingeschränkt die innenpolitischen Angelegenheiten des Königreichs Böhmen verwaltete. Es kann aber auch der Einfluss des Erzherzogs Ferdinand II. von Tirol nicht ausgeschlossen werden, dessen Verhältnis zu Georg Popel von Lobkowitz äußerst problematisch war, und der den Kaiser mehrmals eindringlich dazu aufforderte, die Sache der Landtagsverschwörung sorgfältig zu untersuchen.²⁶⁸ Erzherzog Ferdinand kann aber dennoch schwerlich als Hauptanstifter der Vergeltung des Kaisers bezeichnet werden. Es gab nämlich allzu viele Personen, denen der Niedergang des Lobkowitz zupassgekommen wäre, als dass man nur einen einzigen Anstifter des darauffolgenden Prozesses nennen könnte.²⁶⁹ Vor dem Gerichtstribunal erschien zunächst Sebastian Vřesovec. In seiner Bemühung, den Zorn des Kaisers abzuwenden, erklärte Vřesovec, dass der tatsächliche Verfasser des Beschwerdebriefes Ladislaus Popel von Lobkowitz auf Zbiroh gewesen sei, der kurz nach seiner Beschuldigung aus dem Land geflohen war. Durch seine Flucht gab Ladislaus Popel im Prinzip zu, dass er an der Verschwörung beteiligt gewesen war, und wurde daher am 26. Januar 1594 beim Landgericht zum Verlust von Leben, Ehre und Vermögen verurteilt. Obwohl die bisherige Untersuchung des Falls ganz offensichtlich zeigte, dass die Landtagsverschwörung durch den Bruder von Ladislaus, den Obersthofmeister Georg Popel von Lobkowitz, angezettelt worden war, blieb dieser auch nach Ladislaus’ Emigration von jeglicher Strafe verschont. Er geriet jedoch, ebenso wie weitere Angehörige seiner Familie, in eine nicht beneidenswerte Lage. Dank Feinden des Hofmeisters begannen sich in der Faschingszeit 1594 abgeschmackte Verleumdungen zu verbreiten, deren Ziel es war, erneut die Aufmerksamkeit auf die Landtagsaffäre zu richten und mit dem unbeliebten Popel definitiv abzurechnen. Vor allem in den Prager Städten tauchten zahlreiche gedruckte Pamphlete und Verleumdungen auf, die den Lobkowitzer moralischer Verstöße und auch Verbrechen bezichtigten, die er angeblich in der Vergangenheit begangen haben sollte. Viele sprachen von einem vorbereiteten antikaiserlichen Komplott, dessen
Die Kontakte Ferdinands II. von Tirol mit Böhmen wurden dargestellt von Bůžek, Václav: Ferdinand von Tirol zwischen Prag und Innsbruck. Wien – Köln – Weimar 2008. Vybíral, Politická komunikace (wie Anm. 267), S. 178 – 182. Vgl. Sněmy české. Bd. VIII. Praha 1895. S. 139 – 206. Die angebliche Aspiration des Lobkowitz auf die böhmische Krone widerspiegelt der Brief Rudolfs II. an Erzherzog Ferdinand II. von Tirol, der in der folgenden Studie zitiert wird – Dvořák, Proces (wie Anm. 259); Janáček, Rudolf II. (wie Anm. 35), S. 298.
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Ziel es gewesen sei, Rudolf II. vom böhmischen Königsthron abzusetzen, den dann eben gerade Georg Popel von Lobkowitz besteigen sollte. Manche dieser Gerüchte stützten sich wahrscheinlich auf eine reelle Grundlage, einige weitere waren aber bloß frei erfunden. Jedenfalls schadete diese Kampagne nicht nur dem Obersthofmeister selbst, sondern auch seiner ganzen Familie, beträchtlich.²⁷⁰ Daher überreichten am 15. Februar 1594 acht Vertreter des Geschlechts Lobkowitz, unter ihnen auch Georg Popel selbst, dem Kaiser einen Brief, in dem sie sich scharf gegen alle bisherigen Bezichtigungen verwahrten und eine nachweisbare Nennung jener, die sie verbreiteten, forderten, da die ganze Angelegenheit die Ehre ihres Geschlechts gefährdete.²⁷¹ Der Versuch der Lobkowitzer verfehlte aber offensichtlich sein Ziel. Rudolf II. reagierte auf ihre Erklärung, indem er Georg Popel gleich am nächsten Tag aus Prag auswies und ihn einige Tage später vors Landgericht zitierte, wo über den Obersthofmeister wegen Verrats, Betrugs und Beleidigung der kaiserlichen Majestät gerichtet werden sollte. Im Zusammenhang mit dem Bestreben, den Ruf der Familie Lobkowitz vor weiteren Unannehmlichkeiten zu schützen, fand jedoch die Gerichtsverhandlung schließlich nicht statt. Stattdessen gestand Georg Popel auf Anregung des Herrschers seine Taten und lieferte sich dem Habsburger auf Gnade und Ungnade aus. Falls er damals die Nachsicht Rudolfs erwartet hatte, so irrte er sich schwer. Am 31. März 1594 wurde ihm mitgeteilt, dass er aufgrund der Entscheidung des Kaisers sein Leben, seine Ehre und sein Vermögen verwirkt hat, und noch am selben Tag wurde er in seinem Haus verhaftet und dort gefangengesetzt. Nach einigen Tagen milderte jedoch der Kaiser angesichts seines Rufes als gütiger Herrschers und angesichts der Unterstützung, die der beschuldigte Popel bei den päpstlichen
Der Verlauf der Kampagne gegen Lobkowitz wird nähergebracht von Janáček, Rudolf II. (wie Anm. 35), S. 307– 308. Satiren zum Landtag vom März 1593 und zum Prozess mit Georg Popel von Lobkowitz wurden veröffentlicht von Kolár, Jaroslav (Hrsg.): Zrcadlo rozděleného království. Z politických satir předbělohorského století v Čechách. Praha 1963. S. 151– 154; Bok, Václav: K německé satirické hře na pád Jiřího Popela z Lobkovic roku 1593. In: Humanismus v rozmanitosti pohledů: farrago festiva Iosepho Hejnic nonagenario oblata. Hrsg. von Anežka Baďurová. Praha 2014. S. 227– 243. Der ganze Text des Lobkowitzschen Protestmemorandums ist veröffentlicht in Sněmy české. Bd. VIII (wie Anm. 269), Nr. 176, S. 466 – 468. Zum Thema der Adelsehre in der Frühen Neuzeit vgl. Dinges, Martin: Die Ehre als Thema der historischen Anthropologie. Bemerkungen zur Wissenschaftsgeschichte und zur Konzeptualisierung. In: Verletzte Ehre. Ehrkonflikte in der Gesellschaft des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Hrsg von Klaus Schreiner u. Gerd Schwerhoff. Köln – Weimar – Wien 1995. S. 29 – 62; Lentz, Matthias: Konflikt, Ehre, Ordnung. Untersuchungen zu den Schmähbriefen und Schandbildern des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit (ca. 1350 bis 1600). Mit einem illustrierten Katalog der Überlieferung. Hannover 2004; Pečar, Andreas: Die Ökonomie der Ehre. Höfischer Adel am Kaiserhof Karls VI. Darmstadt 2003.
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und spanischen Diplomaten genoss, Georgs Strafe und veränderte das Todesurteil zu lebenslanger Haft. Georg Popel verbrachte somit den Rest seines Lebens als Gefangener des Kaisers.²⁷² Das ruhmlose Ende Georg Popels von Lobkowitz bedeutete nicht nur ein definitives Scheitern der Machtambitionen dieses führenden katholischen Politikers. Unter seinem Niedergang litt auch das gegenreformatorische Programm, das ab Anfang der achtziger Jahre des 16. Jahrhunderts von den päpstlichen Nuntien umgesetzt wurde. Die neue machtpolitische Kräfteverteilung manifestierte sich beispielsweise bei der Besetzung frei gewordener Landesämter. Bereits im Juni 1593 ernannte der Herrscher einen neuen Oberstburggrafen. Die Würde, nach der Georg Popel so sehr getrachtet hatte, kam schließlich seinem Rivalen, dem ehemaligen Oberstkanzler Adam II. von Neuhaus, zu. Adams Posten in der Böhmischen Hofkanzlei blieb hingegen unbesetzt. Eine der wichtigsten Institutionen des Königreichs wurde somit in den darauffolgenden Jahren von einem der mutmaßlichen Drahtzieher der Erniedrigung Georg Popels von Lobkowitz, nämlich vom böhmischen Vizekanzler, dem Protestanten Christoph Želinský von Sebuzín, verwaltet. Auch das Amt des Obersthofmeisters, von dem Georg Popel 1594 abgesetzt worden war, wurde danach von dessen Erzfeind Johann von Říčany bekleidet. Das Amt des Präsidenten der Böhmischen Kammer blieb schließlich auch nicht in den Händen der Lobkowitzer Gruppe. Angesichts der Vergehen von Ladislaus Popel von Lobkowitz auf Zbiroh und seiner Flucht aus dem Land, wurde auf diesen Posten der halbherzige Katholik und Popels Opponent Joachim Novohradský von Kolowrat ernannt.²⁷³ In Anbetracht der angeführten Tatsachen überrascht es kaum, dass die päpstlichen Diplomaten die Beseitigung Georg Popels von Lobkowitz als schicksalhafte Zäsur in der Entwicklung der Gegenreformation in den böhmischen Ländern bezeichneten. Die Nuntien am Kaiserhof versuchten daher in den darauffolgenden Jahren in Zusammenarbeit mit den spanischen Gesandten mit allen
Das endgültige Urteil über Georg Popel von Lobkowitz ist veröffentlicht in Sněmy české. Bd. VIII (wie Anm. 269), Nr. 221, S. 545 – 548. Das weitere Schicksal von Georg Popel von Lobkowitz wurde zum Teil dargestellt von Janáček, Josef: Ženy české renesance. 2. Aufl. Praha 1987. S. 137– 156. Über die Besetzung der Ämter, nachdem Georg Popel beseitigt worden war, kann man sich ein Bild machen anhand von Palacký, František: Přehled současný nejvyšších důstojníků a úředníků. In: Dílo Františka Palackého. Hrsg. von Jaroslav Charvát. Bd I. Praha 1941. S. 321– 417. Mit der Persönlichkeit von Christoph Želinský von Sebuzín befasste sich Borovička, Pád (wie Anm. 39).
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Mitteln Rudolf II. zur Rehabilitierung Georg Popels von Lobkowitz zu bewegen.²⁷⁴ Falls dies nicht möglich wäre, sollten sie sich zumindest dafür einsetzen, dass ihn der Kaiser aus der Gefangenschaft entlässt. Aber weder ihre Interventionen, noch die Fürsprache der Jesuiten und der Anhänger des Lobkowitz brachten eine grundlegende Veränderung. Die gegenreformatorische Tätigkeit im Königreich Böhmen war festgefahren. Den böhmischen Katholiken und den päpstlichen Politikern stand somit eine lange Zeit der Suche nach einem neuen Anführer bevor, der ihnen helfen würde, die verlorenen Posten zurückzuerobern, und der an die Tätigkeit des einstigen Obersthofmeisters anknüpfen würde.²⁷⁵ Die Nuntien unterstellten daher in den Jahren nach dem Fall von Lobkowitz ihre sämtliche Tätigkeit der Erneuerung ihres einstigen Einflusses im Königreich Böhmen und halfen dabei, solche Personen auf bedeutende Posten in der Landesverwaltung einzusetzen, deren Engagement für die Glaubenssachen völlig dem radikalen katholischen Kurs entsprach. Als zentral zeigte sich dabei vor allem die Besetzung der Böhmischen Hofkanzlei, die ab 1593 in den Händen des eingefleischten Gegners von Rom, des nichtkatholischen Vizekanzlers Christoph Želinský von Sebuzín, und seines Gehilfen Johann Müllner von Mühlhausen war.²⁷⁶ Vizekanzler Christoph Želinský hatte für die päpstliche Politik am Kaiserhof bereits während der Amtszeit des katholischen Kanzlers Adam II. von Neuhaus ein Hindernis dargestellt, nach dem Freiwerden des Kanzleramtes durch Adams Beförderung zum Oberstburggrafen 1593 wurde Christophs Bedeutung beim Konterkarieren der gegenreformatorischen Bemühungen des Heiligen Stuhls noch stärker. Dank seiner Stellung als tatsächlicher Verwalters der Böhmischen Hofkanzlei und dank seiner persönlichen Fähigkeiten wurde Christoph Želinský mächtigster Akteur in der Verwaltung des Königreichs Böhmen. Aus Sicht der Katholiken war die Situation umso ernster, da Želinský nicht nur durch nichtkatholische Repräsentanten der Landesregierung und der Stände wirksam unterstützt wurde, sondern ebenfalls großes Vertrauen bei Kaiser Rudolf II. genoss.²⁷⁷
NAP, SP-S, Kart. 1, Guillén de San Clemente an König Philipp III. (Prag, 13. 8. 1607). Vgl. auch den Brief von Cesare Speciano an Kardinal Cinzio Aldobrandini (13. 12. 1594). – Pazderová, EACS III (wie Anm. 63), Nr. 847, S. 1903 – 1906. Vgl. z. B. Stloukal, Papežská politika (wie Anm. 39), S. 164– 209. Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), S. LXXII–LXXV. Zur Bedeutung der Böhmischen Hofkanzlei vgl. Stloukal, Karel: Česká kancelář dvorská 1599 – 1608. Pokus z moderní diplomatiky. Praha 1931; Vojtíšek, Václav: Vývoj královské české kanceláře. In: Výbor rozprav a studií. Praha 1953. S. 501– 517. Das Bestreben der päpstlichen Diplomaten, die verlorenen Posten in der Landesverwaltung des Königreichs Böhmen nach dem Fall Georg Popels von Lobkowitz zurückzuerobern, beschreibt Stloukal, Papežská politika (wie Anm. 39), S. 164– 196. Zur Bedeutung des Vizekanzlers Christoph Želinský von Sebuzín vgl. ebenfalls Borovička, Pád (wie Anm. 39).
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Die päpstlichen Diplomaten suchten vergeblich in den Reihen des böhmischen katholischen Adels nach jemandem, der Želinskýs Macht Einhalt gebieten könnte. Der Oberstburggraf Adam II. von Neuhaus war nur ein halbherziger Anhänger der römischen Kirche. An einem intensiveren Eingreifen in öffentliche Angelegenheiten hinderte ihn zudem sein schlechter Gesundheitszustand.²⁷⁸ Nuntius Camillo Caetani hielt ihn daher in seiner Finalrelation für eine Person, die die Durchsetzung der päpstlichen gegenreformatorischen Politik in Böhmen eher behindere, als dass sie ihr behilflich sei.²⁷⁹ Nach Adams Tod im Dezember 1596 war Georg Borzita von Martinitz, der Anfang des Folgejahres ins Amt des Oberstkanzlers ernannt wurde, hochrangigster Katholik. Martinitz war ein eifriger Anhänger des römischen Glaubens (catholico zelantissimo), dessen Einfluss auf den Kaiser in den Augen der päpstlichen Diplomaten aus ihm einen sehr willkommenen Mitarbeiter machte. Camillo Caetani empfahl bereits 1592 seinem Amtsnachfolger Cesare Speciano, neben Wilhelm von Rosenberg und Georg Popel von Lobkowitz auch diesen Mann zur Konsultierung all seiner Schritte heranzuziehen.²⁸⁰ Es überrascht daher nicht, dass man in Rom im Zusammenhang mit der Ernennung von Martinitz ins Amt des Oberstkanzlers eine deutliche Stärkung des eigenen politischen Einflusses und der ganzen katholischen Partei erwartete: „Hoffentlich werden große Veränderungen im Königreich zugunsten unseres heiligen Glaubens zu sehen sein, denn dieser Kanzler wird alles in seinen Händen haben und die Macht aus den Händen der Ketzer entreißen“, schrieb kurz nach der Designierung des neuen Kanzlers der päpstliche Gesandte Cesare Speciano begeistert. Die Hoffnungen, die vom Nuntius auf die Amtsbesetzung durch Martinitz gesetzt wurden, erwiesen sich aber bald als vergeblich. Obwohl Georg Borzita von Martinitz mit aller Macht versuchte, den Wünschen des Kurialdiplomaten entgegenzukommen, gelang es ihm nicht, den Einfluss des allmächtigen
Zur Person Adams II. von Neuhaus vgl. Stloukal, Karel: Konec rodu pánů z Hradce. In: Jihočeský sborník historický 33 (1964). S. 121– 130; Ledvinka, Václav: Adam II. Z Hradce a poslední páni z Hradce v ekonomice, kultuře a politice 16. století. In: Poslední páni z Hradce. Hrsg. von Václav Bůžek. České Budějovice 1998 (Opera historica 6). S. 7– 32. „Il S. Adamo di Noiaios, Supremo Cancelliero, Signor cattolico ma gottoso, occupato assai nel bere secondo l’usanza del paese, del quale si può havere poco construtto per li sopradetti rispetti, et perché non si riscalda come converebbe nelle cose della religione, cosa che è di molto disturbo nelli negotii occorenti.“ – Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), Nr. 198.VI.6, S. 466. „L’Imperatore non vuole far cosa alcuna senza il conseglio di questi cinque officiali, et principalmente del Prefetto [= Georg Popel von Lobkowitz] et del Giudice [= Georg Borzita von Martinitz], quando non vi è il Signor di Rosemberg. Et ogni cosa è necessario di communicare con loro et tenerne conto.“ – Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), S. 465 – 467.
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Vizekanzlers zu brechen, und die Verhältnisse in der Böhmischen Hofkanzlei blieben auch nach seinem Antritt praktisch unverändert.²⁸¹ Trotzdem schien es ab Anfang des Jahres 1597, als nähmen nach mehreren Jahren Ungewissheit die Aussichten der päpstlichen Diplomaten und radikalen Katholiken auf eine Wiederaufnahme der gegenreformatorischen Kampagne in den böhmischen Ländern allmählich erneut konkrete Züge an. Neben Georg Borzita von Martinitz hatten nämlich auch weitere katholische Adelige bedeutende Landesämter besetzt. Zeitgleich mit Martinitz wurde Adam von Sternberg in das Amt des Obersten Hofrichters ernannt. Wenzel Berka von Dubá wurde Oberstlandrichter und Ende des Jahres wurde Johann von Klenová und Janovice ins Amt des Oberstlandschreibers ernannt.²⁸² Diese Erfolge konnten aber praktisch nur schwer die Tatsache ausgleichen, dass die ganze Landesverwaltung weiterhin vom nichtkatholischen Vizekanzler Želinský beherrscht wurde, der nach dem plötzlichen Tod von Martinitz im Januar 1598 erneut uneingeschränkter Herr der Böhmischen Hofkanzlei wurde. Nuntius Speciano konnte sich nur damit trösten, dass der Kaiser, geführt durch göttliche Eingebung, „diese Pest an böhmischem Vizekanzler, der die Ursache allen Übels ist, denn Seine Majestät glaubt ihm mehr als dem ganzen Königreich zusammen und mehr als seinen Geheimräten“²⁸³ eines Tages beseitigen würde. Zur Schwächung von Želinskýs Macht sollte aber erst die Veränderung auf dem Posten des päpstlichen Nuntius am Kaiserlichen Hof bedeutend beitragen, auf dem Anfang 1599 Cesare Speciano durch den viel geschickteren Diplomaten Filippo Spinelli abgelöst wurde.²⁸⁴ Der neue päpstliche Nuntius vermochte es viel besser als sein Vorgänger, im Bereich des Kaiserhofs zu manövrieren, und erreichte bereits einige Wochen nach seiner Ankunft solch einen Einfluss auf Rudolf II., wie ihn Speciano während der ganzen sechs Jahre seines Pragaufenthalts nicht zu erlangen vermocht hatte. Das Geheimnis von Spinellis Erfolg beruhte vor allem darauf, dass er eine völlig andere Strategie für die Verhandlungen mit dem Kaiser wählte. Während Speciano bei Rudolf II. hartnäckig die Einlösung von dessen früheren Versprechen, die Gegenreformation zu unterstützen, forderte und sich fortwährend über vermeintliches Unrecht beschwerte, dem die Anhänger des katholischen Glaubens in der Habsburgermonarchie ausgesetzt seien, ging Spinelli von dieser Politik der passiven Defensive zu einem entschlossenen Angriff
Zur Tätigkeit von Martinitz in der Böhmischen Hofkanzlei vgl. zumindest Stloukal, Papežská politika (wie Anm. 39), S. 168 – 169. Borovička, Pád (wie Anm. 39), S. 288 – 291. Stloukal, Papežská politika (wie Anm. 39), S. 169. Zu Spinelli vgl. zumindest Fiorelli, Vittoria: Spinelli, Filippo. DBI Bd. XCIII. Roma 2018. http://www.treccani.it/enciclopedia/filippo-spinelli_(Dizionario-Biografico) (22. 2. 2019).
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auf die Gegner des katholischen Glaubens über. Als Diplomat handelte er sehr hart und machte vor nichts Halt. Er scheute kein Mittel, das ihm dabei behilflich sein konnte, seinen Willen beim Kaiser durchzusetzen. Obwohl er die positiven Ergebnisse seiner Aktivitäten oft als Wunder bezeichnete, war klar, dass er seine Erfolge vor allem dem geschickten Intrigenspiel verdankte, das sich unter anderem durch die Erzeugung von falschen Beweisen für Vergehen seiner Erzfeinde auszeichnete.²⁸⁵ Der durch und durch weltliche Charakter von Spinellis Vorgehen widerspiegelte sich auch in der Auswahl seiner Vertrauensleute aus den Reihen des böhmischen Adels. Rechte Hand des päpstlichen Nuntius wurde nämlich bereits bald nach dessen Ankunft in Prag Christoph Popel von Lobkowitz.²⁸⁶ Gerade mit diesem Mann beratschlagte Spinelli während der ersten Monate seines Aufenthalts am häufigsten über das Vorgehen gegen die Ketzer und holte bei ihm Informationen über die Situation und die aktuellen Stimmungen am Kaiserhof ein. Der Präsident des Appellationsgerichts Christoph Popel von Lobkowitz, der ab dem Frühjahr 1598 auch das Amt des Oberstkämmerers des Königreichs Böhmen innehatte, erfreute sich dabei bislang keiner besonderen Gewogenheit der römi-
Auf die Fehler, die Nuntius Speciano während seiner Amtszeit in Prag begangen hatte, wurde Spinelli bereits in der Instruktion hingewiesen, die im September 1597 entstand und ursprünglich für Ferrante Farnese bestimmt war: „Et perché Mons. di Cremona dalla delicatezza di alcuni di quella Corte è stato tenuto per huomo duro et severo, essendo però la verità che essi non si sentono volentieri rimproverare i loro errori, né turbare la quiete, nella quale dormono, anco quando conveneria più vigilare, conviene che con qualche soave maniera si tenti di farli aprire gl’occhi.“ – Jaitner, Die Hauptinstruktionen Clemens VIII. Bd. II (wie Anm. 67), S. 490. Für den Gesandten Guillén de San Clemente, und für die spanischen Diplomaten allgemein, war Cesare Speciano ein willkommener und vertraulicher Mitarbeiter. Vgl. z. B. den Brief von Guillén de San Clemente an Juan de Idiáquez (23. 12. 1595), in dem der spanische Botschafter folgendes schreibt: „Entiendo que el Papa embiara por nuncio aquí al obispo de Parma. Desseo saber si el Rey Nuestro Sr. le tiene por confidente, el de Cremona era muy afiçionado a su servicio y me pesa mucho se vaya.“ – AGS, E 703, s. n., fol. 2. Der enge Kontakt von Speciano mit den spanischen Diplomaten wird ebenfalls im Bericht des spanischen Staatsrats vom 7. Oktober 1600 belegt, der ihn folgendermaßen charakterisiert: „un hombre muy plático, de grandes partes y muy afiçionado al servicio de Vuestra Majestad.“ – Skowron, Documenta Polonica (wie Anm. 78), S. 167. Die bislang detailreichste Aufarbeitung der Nuntiatur von Cesare Speciano bietet die Arbeit von Alena Pazderová, vgl. Pazderová, La Boemia (wie Anm. 40); Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), S. XI– CXLI. Zu Spinellis Nuntiatur ebenfalls Stloukal, Papežská politika (wie Anm. 39), S. 174– 210. Christoph Popel von Lobkowitz entzieht sich bislang einer größeren Aufmerksamkeit der Historiker. Grundlegende biografische Daten bietet Chlíbec, Jan: Umělci a umělecká díla v denících Kryštofa Popela z Lobkovic. In: Studia Rudolphina 2 (2002). S. 40 – 44. Neue Möglichkeiten der Interpretation bietet die Erforschung der Tagebücher Christoph Popels von Lobkowitz. Vgl. dazu Tůmová, Ludmila: Svět Kryštofa Popela mladšího z Lobkowicz optikou jeho deníků. Diplomarbeit. Praha 2014.
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schen Kurie. 1596 war er sogar in einen scharfen Konflikt mit dem Nuntius Cesare Speciano und dem Prager Erzbischof Zbynko Berka von Dubá geraten, da sich diese geweigert hatten, ihm die Erlaubnis zur Vermählung seiner Tochter Maria mit dem reichen Lutheraner Henyk von Waldstein zu erteilen. Der Lobkowitzer ließ trotz Warnung der Vertreter der Kirche seine Tochter den Waldsteiner heiraten und wurde sogar für eine Zeit lang zum leidenschaftlichen Gegner kanonischer Vorschriften. Später bereute er zwar seine Tat öffentlich und bat den Nuntius um Vergebung, dennoch zeigte das ganze Ereignis die Schwachstellen seines Katholizismus und entzog ihm Specianos Vertrauen. Filippo Spinelli teilte jedoch die Vorurteile seines Vorgängers nicht. Er wusste sehr wohl von Popels feindseligem Verhältnis zu Želinský sowie von seinem alten Verlangen nach dem Amt des Oberstkanzlers und er entschloss sich, dies zugunsten seiner eigenen gegenreformatorischen Ziele zu nutzen.²⁸⁷ Ähnlich wichtig war auch die Unterstützung, die Spinelli vom Prager Erzbischof Zbynko Berka von Dubá bekam. Während sich Nuntius Speciano in seinen nach Rom geschickten Berichten ständig über Berkas Verhalten beschwerte und ihm Vorwürfe wegen unzulänglichen Eifers in Sachen der Gegenreformation machte, zeigte Spinelli Berka von Anfang an seine Gunst. Der Prager Erzbischof, der früher nicht gezögert hatte, sich mit Želinský gegen Speciano zu verbünden, wurde somit bald nach Spinellis Ankunft in Prag Hauptverbündeter des neuen päpstlichen Diplomaten und arbeitete mit ihm intensiv an der Beseitigung des böhmischen Vizekanzlers zusammen. Im Bestreben, die Positionen der Katholiken zu stärken, war Berka sogar bereit, seinen neulichen Streit mit Christoph Popel von Lobkowitz zu vergessen, und er half, ihn zum Referenten ernennen zu lassen, der anstatt des Nichtkatholiken Želinský bei der Böhmischen Hofkanzlei eingereichte religiöse Angelegenheiten verwalten sollte.²⁸⁸ Neben diesen böhmischen Adeligen nutzte Spinelli für sein Vorhaben ebenfalls den Sekretär der lateinischen Expedition des Reichshofrats Johann Barvitius. Dieser war seit 1589 am
Den Kontakt Spinellis mit Christoph Popel von Lobkowitz behandelt beispielsweise Stloukal, Papežská politika (wie Anm. 39), S. 176. Zur Auseinandersetzung von Lobkowitz mit Nuntius Speciano und dem Prager Erzbischof vgl. Nováček, Vojtěch Jaromír: Spor o nářek cti mezi Marií Valdštejnskou z Lobkovic a pražským arcibiskupem 1596 – 1600. Praha 1905. Vgl. den Bericht von Nuntius Spinelli (5. 7. 1599): „Nella seconda audienza si è oprato che Sua Maestà si resolse allora a quello, che mai ha voluto far ad instantia de Mons. Spetiano, de levar li negotii ecclesiastici dal Vicecancelliero, quale dominava assolutamente et nominò Christophoro Poppel et il Berga, […].“ – AAV, FB III, 67b, fol. 35r–39r. Zu Berka von Dubá vgl. Podlaha, Antonín: Z prvých let činnosti arcibiskupa pražského Zbyňka Berky z Dubé. In: Sborník historického kroužku (SHK) 6 (1905). S. 1– 5, 108 – 113. Mit dem Verhältnis von Zbynko Berka von Dubá zu beiden Nuntien befasst sich in seiner Arbeit Stloukal, Papežská politika (wie Anm. 39), S. 171– 179, 182, 188; Borovička, Pád (wie Anm. 39), S. 292, 299.
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Kaiserhof aktiv, profilierte sich mit der Zeit zu einer wichtigen Person im Bereich der Beziehungen des Reiches zum italienischen Raum und wurde eine der bedeutendsten Stützen des Papsttums und dessen Prager Vertreter.²⁸⁹ In Zusammenarbeit mit Christoph Popel von Lobkowitz, Erzbischof Zbynko Berka und Barvitius, mit dem die Angelegenheit kontinuierlich konsultiert wurde, bereitete Spinelli den entscheidenden Schlag gegen Vizekanzler Želinský vor.²⁹⁰ Bei der Audienz, die ihm am 8. Juni 1599 erteilt wurde, legte Spinelli dem Kaiser nicht nur die üblichen Beschwerden über die Unterdrückung vor, der die Anhänger der römischen Kirche durch die Protestanten unter Anführung des böhmischen Vizekanzlers ausgesetzt waren, sondern zögerte nicht, Želinský der Teilnahme an der Vorbereitung einer umfangreichen Verschwörung zu bezichtigen, die angeblich von nichtkatholischen Ständen gegen das Haus Habsburg geplant wurde, und deren Ziel die Ersetzung Rudolfs II. durch den Kurfürsten von der Pfalz Friedrich IV. sein sollte. Beim Konstruieren dieser Bezichtigung machte Spinelli von einer Nachricht Gebrauch, in der der Oberstkämmerer der Markgrafschaft Mähren, Ladislaus Berka von Dubá, seinen Bruder, den Erzbischof Zbynko Berka, über die Verbindung Želinskýs mit mährischen Ketzern und mit deren Anführer Karl dem Älteren von Zierotin informierte.²⁹¹ Gerade gegen Zierotin wurde dabei zur selben Zeit eine Verleumdungskampagne in Mähren geführt, die ihn unter anderem bezichtigte, insgeheim mit dem Kurfürsten Friedrich IV. von der Pfalz und mit dem französischen König Heinrich IV. von Navarra Verhandlungen zu führen. Hauptvorwand der Anklage, die einem dezidierten Angriff gegen Zierotin dienen sollte, war jedoch die Tatsache, dass dieser aus nicht näher bekanntem Grunde den Italiener Gianbattista Pieri einkerkern ließ, der durch einen kaiserlichen Schutzbrief geschützt war. Obwohl Rudolf II. kein größeres Interesse am Prozess mit Zierotin zeigte und offenbar nicht an einen Verstoß des Adeligen gegen seine Herrscherautorität und -ehre glaubte, erschütterte dieses Ereignis Zierotins Stellung in der mährischen Gesellschaft beträchtlich, denn im Falle nachgewiesener Schuld drohten ihm nicht nur Konfiskation des Vermögens und langjährige Haft, sondern auch Hinrich-
Ehrenpreis, Kaiserliche Gerichtsbarkeit (wie Anm. 131), S. 291; Gross, Lothar: Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei. Wien 1933. S. 414– 418. Zur Bedeutung von Barvitius im Rahmen des Reichshofrates vgl. Auer, Leopold: Reichshofrat und Reichsitalien. In: L’Impero e l’Italia nella prima età moderna / Das Reich und Italien in der Frühen Neuzeit. Hrsg. von Matthias Schnettger u. Marcello Verga. Bologna – Berlin 2006. S. 37. AAV, FB III, 15a1, fol. 53r–57v. Stloukal, Papežská politika (wie Anm. 39), S. 178 – 180.
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tung.²⁹² Der radikale katholische Flügel verzeichnete hingegen in den letzten Jahren des 16. Jahrhunderts mehrere bedeutende Erfolge in Mähren. Zu den wichtigsten gehörte die Ernennung Sigismunds von Dietrichstein zum mährischen Unterkämmerer im Jahre 1597 und von Ladislaus Berka von Dubá ins Amt des Oberstkämmerers der Markgrafschaft Mähren im darauffolgenden Jahr. Beide Männer identifizierten sich völlig mit den Prinzipien des kompromisslosen nachtridentinischen Katholizismus und brachten somit ein gewisses Element konfessioneller Spannung in die bislang tolerante mährische Ständegemeinde hinein. Die allmähliche Stärkung der Positionen der mährischen Katholiken wurde auch durch die Einführung von Joachim Haugvic von Biskupice ins Amt des mährischen Landeshauptmanns im Jahre 1599 bestätigt. Noch größere Bedeutung für das Schicksal der Gegenreformation in der Markgrafschaft Mähren hatte jedoch die Einsetzung von Kardinal Franz von Dietrichstein ins Amt des Bischofs von Olmütz.²⁹³ Es erscheint als sehr wahrscheinlich, dass es einen engen Zusammenhang zwischen Zierotins Prozess in Mähren und dem Angriff auf Želinský, den in Böhmen Nuntius Spinelli unterstützt vom böhmischen katholischen Adel gestartet hatte, gab. Beide Ereignisse hatten zum Ziel, die böhmischen Vertreter der evangelischen Stände zu diskreditieren und bedienten sich dabei sogar zum Teil der gleichen Methoden. Für eine Verknüpfung des gegenreformatorischen Vorgehens in der Markgrafschaft Mähren und im Königreich Böhmen spricht auch die Tatsache, dass seine Hauptakteure aus den Reihen des katholischen Adels miteinander durch feste Freundes-, ja sogar Verwandtschaftsbande verbunden waren. Die gegen Zierotin gerichtete Verleumdungskampagne wurde ja vom Bruder des Prager Erzbischofs Ladislaus Berka von Dubá zusammen mit dem mährischen
Zu Karl von Zierotin vgl. Odložilík, Otakar: Karel starší ze Žerotína 1564– 1636. Praha 1936; Rejchrtová, Noemi (Hrsg.): Karel starší ze Žerotína. Z korespondence. Praha 1982; Knoz, Tomáš: Karel starší ze Žerotína. Don Quijote v labyrintu světa. Praha 2008. Der Prozess mit Zierotin wurde neu nähergebracht von Vybíral, Politická komunikace (wie Anm. 267), S. 187– 192. Für Näheres zur Einsetzung katholischer Herren in mährische Landesämter vgl.Válka, Josef: Dějiny Moravy II. Morava reformace, renesance a baroka. Brno 1995. S. 84. Die Persönlichkeit des Kardinals von Dietrichstein ist in der Historiografie wohlbekannt. Vgl. z. B. Balcárek, Pavel: Kardinál František Ditrichštejn 1570 – 1636. Gubernátor Moravy. České Budějovice 2007; Parma, František kardinál (wie Anm. 98). Über seine intensiven Kontakte mit spanischen und päpstlichen Diplomaten spricht beispielsweise das Dokument Relacion de los cardinales que han salido en la promoción que hizo el papa à 3 de março 1599, aufbewahrt in AGS, E 970: „El cardenal don Francisco de Dietristan es persona tan conocida que no hai para que informar de sus partes, mas que decir que por su virtud i buen ingenio el Papa ha gustado siempre del i hechole más mercedes que a ninguno de los camareros secretos i aora continua lo mismo tratando con el con mucha familiaridad y confiança.“
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Unterkämmerer Sigismund von Dietrichstein geführt, dessen Bruder, Franz von Dietrichstein, Nuntius Spinelli davor zum Olmützer Bischofsamt verholfen hatte. In den Prozess mit Zierotin hatte sich zudem im Mai 1599 während seines Aufenthaltes in Mähren Christoph Popel von Lobkowitz aktiv eingebracht, eine führende Figur der politischen Intrigen, die die Katholiken gegen Želinský schmiedeten.²⁹⁴ Im Fall von Želinský verfehlte die gewählte Strategie ihren Effekt nicht. Kaiser Rudolf II. hatte zwar trotz der umfangreichen Anschuldigungen, die Nuntius Spinelli während seiner Audienz im Juni gegen den böhmischen Vizekanzler vorgebracht hatte, seinen einstigen Günstling im Amt behalten, jedoch das Vertrauen, das er ihm in der Vergangenheit entgegengebracht hatte, war nun unwiederbringlich verloren. Nach Jahren im Sonnenlicht der Herrschergunst geriet Želinský im Sommer 1599 beim Kaiser in Ungnade. Die katholische Partei hingegen gewann dank des geschickten diplomatischen Vorgehens des päpstlichen Diplomaten entscheidenden Einfluss auf den misstrauischen Kaiser. Das Übergewicht der Anhänger Roms zeigte sich bereits bald, nachdem Želinský angeschwärzt worden war. Ende Juni 1599 wurde der Nichtkatholik Humprecht Czernin von Chudenitz des Burggrafenamtes der Prager Burg enthoben, und an seiner statt wurde der Komtur des Malteserordens Šťastný Mošovský von Moravčín ernannt. Die Offensive der Katholiken bewährte sich danach auch beim Besetzen der Stadtämter in Prag und bei der Ernennung neuer Mitglieder der böhmischen Kammer. Schließlich entschied sich auch der Kaiser am 24. August 1599, dem Jahrestag des Massakers an den französischen Hugenotten, die Besetzung der obersten Landesämter im Königreich Böhmen auf eine grundlegende Art und Weise zu verändern und vertraute die lange Zeit leerstehenden Ämter Katholiken an. Der Schützling des Nuntius, Christoph Popel von Lobkowitz, wurde Obersthofmeister, der Bruder des Erzbischofs Wenzel Berka von Dubá wurde Oberstkämmerer, Adam von Sternberg wurde Oberstlandrichter, Wolf Novohradský von Kolowrat wurde Oberster Hofrichter und ins Amt des Oberstkanzlers wurde Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz eingesetzt.²⁹⁵
Spinellis Eingriff in die Bischofswahl in Olmütz wird dargelegt von Stloukal, Papežská politika (wie Anm. 39), S. 129 – 150. Über die Teilnahme Christoph Popels von Lobkowitz an der Kampagne gegen Zierotin schreibt beispielsweise Odložilík, Karel starší ze Žerotína (wie Anm. 292), S. 96. Vgl. Stloukal, Papežská politika (wie Anm. 39), S. 180 – 191; Borovička, Josef: Počátky kancléřování Zdeňka z Lobkovic. Diplomatický rozbor roudnických rukopisů. In: Sborník prací věnovaných prof. dr. Gustavu Friedrichovi k 60. narozeninám. Praha 1931. S. 435 – 455; ders., Pád (wie Anm. 39), S. 299 – 304.
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Die Einträge im Tagebuch des Kanzlers legen die Annahme nahe, dass im Hintergrund seiner Ernennung neben dem päpstlichen Nuntius Spinelli ebenfalls die allmächtigen Vertrauten des Kaisers Wolf Rumpf zum Wielroß und Paul Sixt von Trautson standen. Lobkowitz traf die beiden Minister im Laufe des Sommers 1599 viel häufiger als in den vorherigen Jahren. Kurz vor seiner Ernennung ins Amt notierte er stolz in sein Diarium: „Herr Rumpf und Trautson haben mir nach dem Mittagessen um 2 Uhr auf Geheiß des Kaisers mitgeteilt, dass seine Majestät geruht, mir das Amt der Obersten böhmischen Hofkanzlei zu geben.“²⁹⁶ Rumpf und Trautson hatten übrigens keinerlei Grund, nicht die Präsentierung von Lobkowitz ins Amt des Oberstkanzlers zu unterstützen. Ähnlich wie sie gehörte auch Zdenko Adalbert von Lobkowitz zu Klienten des spanischen Königs. Er hatte zudem enge Beziehungen zu Trautsons einstigem engen Mitarbeiter Georg Popel von Lobkowitz, dem er seine bisherige Karriere verdankte, und dessen Familie er auch nach der Verhaftung des Hofmeisters unterstützte.²⁹⁷ Obwohl das Hauptverdienst um die Ernennung katholischer Adeliger in die höchsten Landesämter 1599 zweifellos dem geschickten diplomatischen Vorgehen des päpstlichen Nuntius Filippo Spinelli zugeschrieben werden kann, ist offensichtlich, dass die Entscheidung des Herrschers in nicht geringem Maße auch durch weitere Tatsachen beeinflusst wurde. Denn zur Besetzung der lange Zeit vakanten Ämter war ja der Kaiser ebenfalls von den Vertretern der böhmischen Stände aufgefordert worden. Beim Landtag im Frühjahr 1599 gaben die böhmischen Stände durch ihr spätes Eintreffen ihre Erbitterung darüber, dass die wichtigsten Landesämter so lange unbesetzt blieben, deutlich kund. Die drohende Opposition wurde damals zwar mit Hilfe von Peter Wok von Rosenberg abgewandt, dem Kaiser musste aber klar gewesen sein, dass die Situation langsam unhaltbar wird. Seine Entscheidung darüber, ob in die Landesregierung Katholiken oder Protestanten zu ernennen sind, war umso schwieriger, als dass keine der beiden Varianten frei von Unannehmlichkeiten war. Während die meisten Stände evangelische Würdenträger begrüßt hätten, wurde Rudolf II. vom spanischen König und vom Papst dazu gedrängt, die Gelegenheit zu nutzen und
„Pan Rumpf a Trautson po vobědě ve 2 hodině oznámili mi z poručení císařského, že mně jeho milost ráčí nejvyššího kancléřství království českého ouřad dávati.“ – Roudnická lobkowiczká knihovna – zámek Nelahozeves (RLK), Tagebuch des Zdenko Adalbert von Lobkowitz, Sign. VII. Ad. 118, Tagebuch aus dem Jahr 1599. Janáček, Ženy (wie Anm. 272), S. 137– 156.Vgl. ebenfalls den Brief von Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz an seine Frau Polyxena, der aufbewahrt wird im Lobkovický archiv Nelahozeves (LA), Lobkowiczové roudničtí – Rodinný archiv (LRRA), Sign. D/163, fol. 80 (Praha, cca 1608), veröffentlicht in der Arbeit – Marek, Svědectví (wie Anm. 192), S. 562– 563.
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im Einklang mit seiner Pflicht als katholischer Herrscher ihre gegenreformatorische Kampagne zu unterstützen.²⁹⁸ Vor allem der Bedarf an finanzieller und zum Teil auch militärischer Unterstützung für den Kampf gegen die Türken brachte den Kaiser schließlich dazu, sich an die Seite seiner katholischen Verbündeten zu stellen. Denn nicht einmal nach der Wiedereroberung von Raab (Győr) durch die kaiserlichen Truppen im Jahre 1598 veränderten sich das Verhältnis der Kampfkräfte und der Charakter des Krieges, der die kaiserliche Kasse stark belastete, wesentlich. Als im Juni 1599 Rudolf II. den Papst um weitere Unterstützung im Kriegskonflikt in Ungarn bat, zeigte er sich daher bereit, sein altes Versprechen einzulösen und auf führende Verwaltungsposten des Königreichs Böhmen entschlossene Katholiken zu setzen.²⁹⁹ Sein freundliches Gesicht wollte Rudolf II. zweifellos auch dem neuen spanischen König Philipp III. zeigen, dessen Thronbesteigung am Kaiserhof Erwartungen weckte, dass die gegenseitigen Beziehungen beider Linien der Habsburgerdynastie gefestigt würden. Die Hoffnungen jener, die an die Stärkung der Einheit des österreichischen Hauses glaubten, wurden nicht nur durch die Vermählung des Königs mit Margarete von Österreich bestärkt, sondern auch durch die Trauung Albrechts, des Bruders des Kaisers, mit der Infantin Isabella Clara Eugenia von Spanien.³⁰⁰ Die deutlich prokatholische Haltung des Kaisers löste dennoch bei der ganzen Prager Gesellschaft große Verwunderung aus. „Heute waren, Heiliger Vater, die Ketzer dermaßen bestürzt, dass es nicht glaubt, wer es nicht sieht,“ schrieb Nuntius Spinelli noch am selben Tag an Papst Clemens VIII.³⁰¹ Nur wenige zweifelten dabei an der Bedeutung der Ereignisse des Sankt-Bartholomäustags
Die Unzufriedenheit der Stände damit, dass die Landesämter unbesetzt blieben, erwähnt Borovička, Pád (wie Anm. 39), S. 301. Finanzielle, militärische und politische Probleme der Zeit des Langen Türkenkriegs werden widerspiegelt in Niederkorn, Jan Paul: Die europäischen Mächte und der „Lange Türkenkrieg“ Kaiser Rudolfs II. (1593 – 1606). Wien 1993; Winkelbauer, Thomas: Ständefreiheit und Fürstenmacht. Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter. Bde. I–II.Wien 2003. Über das Versprechen des Kaisers an den Papst vom Juni 1599 Borovička, Pád (wie Anm. 39), S. 302. González Cuerva u. Marek, The Dynastic Network (wie Anm. 224), S. 144– 146. Zur Rolle von Königin Margarete von Österreich vgl. Sánchez, The Empress (wie Anm. 188); García Prieto, Elisa: ¿Quién escribe las cartas del Rey? Nuevas perspectivas sobre la correspondencia familiar de los Habsburgo. In: Hispania 76 (2016). S. 669 – 692. „Hora, Padre Santo, sono restati di maniera sbigottiti gli heretici, che non si può credere, da chi non lo vede.“ Das Zitat entstammt dem Brief Filippo Spinellis an Papst Clemens VIII. vom 28. August 1599 – AAV, FB III, 15a1, fol. 53 – 57. Die Abschrift des Briefes wurde veröffentlicht von Stloukal, Papežská politika (wie Anm. 39), S. 221– 226.
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I Die päpstliche und die spanische Politik am Kaiserhof
1599 für die weitere Entwicklung der Gegenreformation im Königreich Böhmen. Wilhelm Slawata von Chlum und Koschumberg bezeichnete einige Jahre später in seinen Memoiren diesen Tag sogar als den tatsächlichen Anfang der Rekatholisierung des Landes.³⁰² Durch das Einsetzen entschlossener Katholiken in die höchsten Landesämter endete das lange Zeitalter des toleranten Zusammenlebens von Anhängern der römischen Kirche und der Protestanten, und es entzündete sich ein wahrer konfessioneller Konflikt. Auf symbolischer Ebene wurde diese Veränderung bereits durch den Verlauf der feierlichen Ernennung der neuen Mitglieder der Landesregierung signalisiert. Bevor die Namen der designierten Beamten öffentlich verkündet wurden, ließ der Kaiser die Anwesenden mit den Memorialschriften des Nuntius zu Religionsfragen vertraut machen. Gleich am nächsten Tag bat der böhmische Vizekanzler Christoph Želinský von Sebuzín den Kaiser um Amtsenthebung. Die evangelische Partei verlor hiermit die letzte Hoffnung, weiterhin die Landesverwaltung beeinflussen zu können.³⁰³ Auch wegen der Abdikation Želinskýs bedeutete das Ernennen der katholischen Adeligen in die höchsten Landesämter des Königreichs Böhmen im August 1599 einen großen Sieg der Lobkowitzschen Gruppe.³⁰⁴ Denn es waren ja gerade die geschickten Intrigen dieses Vizekanzlers gewesen, die 1594 zum Niedergang von Georg Popel von Lobkowitz beigetragen hatten und das ganze Geschlecht Lobkowitz in Ungnade des Kaisers fallen ließen.³⁰⁵ Nun, nach mehr als fünf ziemlich im Abseits verbrachten Jahren, wurden die Popels von Lobkowitz erneut entscheidende Akteure der Landespolitik. Davon zeugt nicht nur die Ernennung von Christoph und Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz in die sehr prestigeträchtigen und einflussreichen Ämter des Obersthofmeisters und des Oberstkanzlers des Königreichs Böhmen, sondern auch die Auswahl der übrigen Mitglieder der Landesregierung. Denn auch Wenzel Berka und Adam von Sternberg waren ja mit der Familie Lobkowitz blutsverwandt. Adam von Sternberg war mit Eva Popel von Lobkowitz, der Tochter von Johann Popel von Lobkowitz auf Točník, verheiratet, während der Oberstlandrichter Wenzel Berka von Dubá ebenso
Jireček, Josef (Hrsg.): Paměti nejvyššího kancléře Království českého Viléma hraběte Slavaty. Bd. I. Praha 1866. S. 40 – 41. Stloukal, Papežská politika (wie Anm. 39), S. 225; Borovička, Pád (wie Anm. 39), S. 303 – 304. Über die Partei der Popels („Popelii“) spricht beispielsweise Cesare Speciano in seinem Brief an Kardinal Cinzio Aldobrandini vom 7. 3. 1594 – AAV, FB III, 111ab, fol. 292– 294. Zitiert nach Stloukal, Papežská politika (wie Anm. 39), S. 165. Diese Tatsache erwähnte in seinem Brief an Papst Clemens VIII. vom 28. 8. 1599 Filippo Spinelli selbst – AAV, FB III, 15a1, fol. 53 – 57. Die Abschrift wurde veröffentlicht von Stloukal, Papežská politika (wie Anm. 39), S. 221– 226 (hier S. 222).
I.3 Die Besetzung der höchsten böhmischen Landesämter im Jahre 1599
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wie der Prager Erzbischof Zbynko Berka Brüder von Johanna Berka von Dubá, der Mutter des Oberstkanzlers Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz, waren.³⁰⁶ Selbst Filippo Spinelli räumte übrigens ein, dass ein großer Anteil am katholischen Putsch vom Sankt-Bartholomäustag 1599 Christoph Popel von Lobkowitz zukam, der in den vorherigen Wochen zusammen mit Johann Barvitius, dem Sekretär des Kaisers, die rechte Hand des Nuntius gewesen war. Beide Männer wurden übrigens auch durch den Heiligen Stuhl für ihre Hilfe geehrt. Filippo Spinelli bat bereits Ende August 1599 den Papst, sie symbolisch mit einem eigenen Breve zu belohnen.³⁰⁷ Es war sicherlich kein Zufall, dass sich Barvitius nur einige Tage nach der erfolgreichen Aktion an den Nuntius mit der Bitte wandte, dabei behilflich zu sein, für seinen Neffen Gerhard Ecker, einen Alumnen des päpstlichen Kollegs Germanicum, das freigewordenen Kanonikat in Breslau (Wrocław) zu erlangen. Der Nuntius kam Barvitius nicht nur entgegen und schrieb in Sachen des Breslauer Kanonikats nach Rom, sondern ergänzte sein Ersuchen beim Papst noch mit einer Wertschätzung von Barvitius, den er als einen Mann bezeichnete, der „stark die Sache der Religion unterstützt und […] es als Minister und Diener des Papstes wert ist, erhört zu werden“. ³⁰⁸ Spinelli konnte Barvitius
Ähnlich wie das Geschlecht Lobkowitz gehörten auch die Berkas von Dubá zu den führenden katholischen Adelsgeschlechtern des Königreichs. Wenngleich sie nicht allzu reich waren, besetzten sie machtpolitisch bedeutende Posten in Landes- und Kirchenämtern und unterstützten intensiv gegenreformatorische Schritte. Eine führende Rolle fiel dabei gerade dieser Familie zu, aus der Johanna Berka von Dubá, die Mutter von Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz, stammte. Ende des 16. Jahrhunderts gehörte dieser „Berka-Clan“ zu den aktivsten politischen Gruppierungen im Lande. In nicht geringem Maße war dabei sicherlich die Ernennung von Johannas Bruder Zbynko Berka von Dubá zum Prager Erzbischof behilflich, zu dem es im Dezember 1592 kam. Zur Bedeutung der Familie Berka von Dubá vgl. Letošník, Václav: Poselství Václava Berky z Dubé na Rychmburce k polskému dvoru 1593. In: Sborník k 60. narozeninám Jaroslava Bidla. Z dějin východní Evropy a Slovanstva. Hrsg. von Miloš Weingart [u. a.]. Praha 1928. S. 293 – 314; Tenora, Jan: Účast kardinála z Dietrichštejna za boje mezi arciknížetem Matyášem a Rudolfem II. roku 1608. In: Hlídka 31 (1914). S. 104– 108; ders.: Poměry na Moravě r. 1607. Časopis Českého musea 80 (1906). S. 31– 56, 409 – 431. „Sono questo opere di Dio benedetto et effetti dei santi sacrificii et ferventi orationi di Vostra Santità, la quale supplico non solo a mostrare di havere à grado quanto ha fatto Sua Maestà et ad animirla con un breve, ma a farne anche dimostratione con cotesti ambasciadori, come anco a voler fare scrivere brevi particolari a questi nuovi offitiali et particolarmente a Christoforo Poppel et al secretario Barvitio, che hanno fatigato assai et meritano se ne tenga conto, et se anche à questi due facesse Vostra Santità mandare in suo nome un reliquiario ò altra cosa di devotione per ciascuno, sarebbe al parer mio molto bene impiegato.“ – Filippo Spinelli an Clemens VIII. (Prag, 28. 8. 1599); AAV, FB III, 15a1, fol. 53 – 57. Für die Abschrift des Briefes vgl. Stloukal, Papežská politika (wie Anm. 39), S. 225 – 226. „[…] promove gagliardamente le cose della religione et […] come a ministro et servitore de Nostro Signore tale che dignus est ut exaudiatur.“ – AAV, FB III, 67b, fol. 166v.
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I Die päpstliche und die spanische Politik am Kaiserhof
dann im November 1599 darüber informieren, dass seine Supplik positiv erledigt worden ist.³⁰⁹ Unbeantwortet bleibt hingegen die Frage, welche Rolle in der ganzen Angelegenheit die spanischen Diplomaten gespielt hatten. Schuld daran ist vor allem der Zustand der Quellenbasis, denn gerade die Relationen von 1599 gehören nicht zu den am besten überlieferten.³¹⁰ Die einzige bislang bekannte spanische Reflexion des katholischen Putsches vom Sankt-Bartholomäustag 1599 stammt aus der Feder des Sekretärs der spanischen Botschaft Arnoldo van der Boye, der am 30. August König Philipp III. trocken mitteilte, dass der Kaiser die höchsten Würdenträger des Landes in die bislang leerstehenden Ämter ernannt habe, weil er aus dem Königreich nach Österreich oder ins Reich umziehen wolle.³¹¹ Obwohl Arnoldo van der Boye offensichtlich die Bedeutung der Ereignisse vom Sommer 1599 desinterpretierte, scheint es unwahrscheinlich, dass der päpstliche Nuntius völlig unabhängig von der spanischen Diplomatie gehandelt hätte. Es sei daran erinnert, dass die Gesandten des katholischen Königs in ihren Instruktionen dazu aufgefordert wurden, in Glaubenssachen die apostolischen Nuntien völlig zu unterstützen und ihnen in allem behilflich zu sein. Im September 1599, nur einige Tage nachdem der katholische Adel mit Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz an der Spitze seine Ämter übernommen hatte, schrieb Philipp III. seinem Gesandten Guillén de San Clemente, er solle mit allen Mitteln die Schritte des Nuntius Spinelli unterstützen, deren Ziel es sein sollte, den Kaiser von den angestrebten Friedensverhandlungen mit den Türken abzubringen.³¹² Die überlieferten Quellen lassen erahnen, dass diese Unterstützung nicht einseitig war. Bereits im März 1596 hatte Guillén de San Clemente den Staatssekretär Juan de Idiáquez informiert, dass sich Nuntius Cesare Speciano während
AAV, FB III, 67b, fol. 332v. Die Korrespondenz des Kaiserhofs aus den Jahren 1590 – 1599 wird aufbewahrt in AGS, E 696 u. 706. Die Reaktion Philipps II., die sog. minutas befindet sich ebd., E 2449 u. 2450. Bislang ist es jedoch nicht gelungen, die entsprechenden Reaktionen des Staatsrats, die sogenannten consultas del Consejo, zu finden. „Dicha Majestad Cesárea a proveído estos días a los oficios principales deste reyno que vacavan que quieren tener por señal que querrá salir en breve deste reyno y retirarse en Austria o en el imperio.“ – AGS, E 706, s. n., Arnoldo van der Boye an König Philipp III. (Prag, 30. 8. 1599). „He os querido avisar luego al punto en que queda este negoçio para que alentéys y animéys al Nuncio de Su Santidad que en essa Corte reside para que sustente al Emperador en lo que tal le está y que por este y los otros medios que os paresçiere de ministros y personas zelosas y que tengan allá crédito se esfuerze este negoçio interponiéndoos Vos también en la forma que conoçiéredes que más puede aprovechar para el intento que se lleva por esta vía en general sin entrar en particularidade […]“. – AGS, E 2450, sine folio, (Zaragoza, 13. 9. 1599), Philipp III. an Guillén de San Clemente, veröffentlicht in Skowron, Documenta polonica (wie Anm. 78), S. 162.
I.3 Die Besetzung der höchsten böhmischen Landesämter im Jahre 1599
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seiner Audienz beim Kaiser scharf und beherzt gegen die Saumseligkeit verwahrte, mit der Rudolf II. die Interessen des katholischen Königs Philipp II. verfolgte.³¹³ Es war aber nicht nur Speciano, der sich am Kaiserhof zugunsten der spanischen Linie der Habsburgerdynastie einbrachte. Ähnliche Unterstützung fanden die spanischen Diplomaten ebenfalls bei Specianos Nachfolger Filippo Spinelli, der von Guillén de San Clemente als ein dem Dienst für den katholischen König sehr gewogener Mensch (muy afiçionado a su Real servicio) bezeichnet wurde.³¹⁴ Es scheint sogar, dass die Notwendigkeit der guten Zusammenarbeit mit den spanischen Diplomaten dauerhaft die eigentliche Auswahl jener Personen, die vom Papst an den Kaiserhof geschickt wurden, prägte. Denn ähnlich wie der in der Lombardei geborene Bischof von Cremona Speciano war auch Filippo Spinelli ein Vasall des spanischen Königs. Er stammte nämlich aus der Familie der Herzöge von Seminara im Königreich Neapel.³¹⁵ Es sind aber vor allem die Namen der neuen Landesbeamten, die davon zeugen, dass neben dem päpstlichen Nuntius Filippo Spinelli und seinen Vertrauten aus den Reihen der Hofleute des Kaisers bzw. des böhmischen katholischen Adels bei der Vorbereitung des Umsturzes vom Sankt-Bartholomäustag 1599 auch spanische Diplomaten eine wichtige Rolle spielten. Dem spanischen Gesandten Guillén de San Clemente stand der neue Oberstkanzler Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz besonders nahe, der die hispanische Welt sehr bewunderte, hervorragend die kastilische Sprache beherrschte und mindestens zweimal den spanischen Königshof in Madrid besucht hatte.³¹⁶ Zuletzt war dies 1595 geschehen, als er als außerordentlicher Gesandter des Kaisers mit Philipp II.
„Haseme olvidado de decir en el original deste duplicado como el nuncio me ha dicho que por orden del Papa ha dicho al Emperador como Su Santidad estaba muy escandalizado de que Su Majestad Cesárea no correspondiesse con la amistad que por la sangre y amor devía a las cosas del Rey, su tío, porque le havían dicho que con mucha flojedad y remisión acudía a todas las cosas que le tocavan y que le exortava que considerasse los daños que a la propia Majestad Cesárea le venían deste proceder y en esta materia se estendió con más palabras. Dice que el Emperador se puso colorado y le respondió que havían engañado a Su Santidad los que tal le havían dicho porque las cosas del Rey su tío las tenía y estimava por propias […]“ – NAP, SP-S, Kart. 1, Guillén de San Clemente an Juan de Idiáquez (Prag, 5. 3. 1595). „Monseñor Espinel hermano del Duque de Seminara es nuncio en esta Corte, vasallo de V Md. y muy afiçionado a su Real servicio y dice que siempre encaminara las cosas que a él le tocavan al dicho servicio.“ – NAP, SP-S, Kart. 1, Guillén de San Clemente an Philipp III. (Prag, 21. 10. 1600). Fiorelli, Spinelli (wie Anm. 284); Koller, Imperator (wie Anm. 41), S. 291. Marek, Pavel: Zdenco Adalbert Popel von Lobkowitz: die Laufbahn eines spanischen Klienten am Kaiserhof. In: Adel in Südwestdeutschland und Böhmen 1450 – 1850. Hrsg. von Ronald G. Asch [u. a.]. Stuttgart 2013. S. 37– 57.
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I Die päpstliche und die spanische Politik am Kaiserhof
finanzielle Hilfe für den Krieg gegen die Türken aushandeln sollte.³¹⁷ Aber auch der Obersthofmeister Christoph Popel von Lobkowitz hatte wahrscheinlich Spanien kennengelernt. Er gehörte angeblich zum Gefolge, das 1570 Anna von Österreich, die letzte Ehefrau des katholischen Königs, auf die iberische Halbinsel begleitete.³¹⁸ Kontakte zu Spanien hatten nicht zuletzt auch die Berkas. Davon zeugt beispielsweise ein Bericht von 1596, in dem der Gesandte Guillén de San Clemente für König Philipp II. aufzählte, welche Frauen aus Mitteleuropa geeignete Hofdamen der zukünftigen spanischen Königin Margarete von Österreich werden könnten. Ein wichtiges Auswahlkriterium, das er damals ansetzte, war nicht nur ein hoher gesellschaftlicher Status und der katholische Glaube, sondern vor allem die Kenntnis der spanischen Sprache. Solche Bedingungen erfüllten jedoch Guillén de San Clemente zufolge in der mitteleuropäischen Habsburgermonarchie nur einige wenige Damen, wobei der spanische Gesandte neben den Frauen aus dem Hause Pernstein explizit auch zwei Angehörige der Familie Berka von Dubá nannte.³¹⁹ Gerade die vorbereitete Vermählung Margaretes von Österreich mit dem spanischen Thronfolger Philipp III. prägte deutlich die Beteiligung der spanischen Diplomatie an der Besetzung der höchsten Landesämter im Königreich Böhmen 1599. Der langjährige spanische Botschafter Guillén de San Clemente wurde nämlich damit betraut, Margarete von Österreich auf ihrer Reise nach Spanien zu begleiten, und war somit ab dem 2. September 1598 bis Mitte des Jahres 1600 vom Kaiserhof abwesend.³²⁰ In Sachen Besetzung der höchsten Landesämter im Königreich Böhmen konnte er nur indirekt, mittels Korrespondenz, eingreifen. Die Verhandlungen selbst, die dem katholischen Putsch vorangingen, lagen somit auf den Schultern des Sekretärs der Botschaft Arnoldo Van der Boye. Obwohl auch er ein erfahrener Diplomat war, musste die Abwesenheit des durchtriebenen Gesandten, der zu den einflussreichsten Personen des Prager Kaiserhofes gehörte, zweifellos eine spürbare Komplikation dargestellt haben.³²¹
Marek, Pavel: Los viajes al sur. Sdenco Adalberto Popel de Lobkowicz y sus primeros encuentros con el mundo hispano. In: Las relaciones checo-españolas. Hrsg. von Josef Opatrný. Praga 2007. S. 119 – 136. Maťa, Svět (wie Anm. 191), S. 316 – 317 u. 801– 802. NAP, SP-S, Kart. 2, Guillén de San Clemente an König Philip II. (Prag, 20. 3. 1596) Vgl. Marek, La embajada (wie Anm. 34), S. 82– 97. Die italienische Etappe der Reise wurde detailliert beschrieben von Du Faing, Gilles: Voyage de l’archiduc Albert en Espagne, en 1598. In: Collection des voyages des souverains des Pays-Bas. Bd. IV. Hrsg. von Louis Prosperé Gachard. Bruxelles 1882. S. 457– 562. Arnoldo Van der Boye war bereits ab 1580 am Kaiserhof in Prag tätig, als er bei San Clementes Vorgänger, Juan de Borja, in den Dienst getreten war. – Bardoňová, Španělská ambasáda (wie Anm. 82), S 132– 133.
I.4 Die spanische und die päpstliche Politik am Prager Hof
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Trotzdem kann man nur schwer der Ansicht von Karel Stloukal zustimmen, der die Besetzung der obersten Landesämter des Königreichs Böhmen durch katholische Adlige ausschließlich dem Verdienst des päpstlichen Nuntius Spinelli zuschrieb.³²² Die spanische Botschaft stellte nämlich langfristig gesehen – unter dem Aspekt der Machtverhältnisse – eine einflussreichere Institution dar als die Nuntiatur. Grund dafür war die Blutsverwandtschaft der spanischen und der österreichischen Habsburger sowie die Unterstützung, die die Diplomaten des katholischen Königs seitens der Hofleute des Kaisers und des katholischen Landesadels genossen.³²³ Während des untersuchten Zeitraums arbeitete der Kaiserhof offensichtlich eng mit der spanischen und der päpstlichen Diplomatie zusammen. Ende des 16. Jahrhunderts schien diese Zusammenarbeit auf dem Hintergrund der Vorbereitung der antitürkischen Liga und vor allem der Überzeugung beider katholischen Mächte von der Notwendigkeit, bald einen Nachfolger des Kaisers zu ernennen, stärker als je zuvor.
I.4 Die spanische und die päpstliche Politik am Prager Hof in den Zeiten der persönlichen Krise des Kaisers Bereits einige Monate nach dem außerordentlichen Erfolg, den Nuntius Spinelli zu erreichen vermochte, sah die Situation ganz anders aus. An der Jahreswende 1599/1600 brach bei Rudolf II. eine schwere gesundheitliche Krise aus, die sein Desinteresse an der Führung von Staatsangelegenheiten noch erhöhte. Der unsichere Gesundheitszustand des Kaisers weckte am päpstlichen Hof ebenso wie am spanischen Königshof berechtigte Befürchtungen bezüglich des Schicksals der Herrschaft über das Heilige Römische Reich. Die Vertreter beider katholischen Mächte verstärkten daher kurz darauf ihren Druck auf den Kaiser und versuchten ihn dazu zu bewegen, sich eingehender mit der Frage seines Nachfolgers zu befassen. Dementsprechend wuchs aber auch Rudolfs Misstrauen gegenüber den Vorhaben seiner engsten Verbündeten: des Heiligen Stuhls und des katholischen Königs. Der Verfolgungswahn des Kaisers hatte auch Auswirkungen auf deren Gesandte, für die nun der direkte Kontakt zum Kaiser sehr stark eingeschränkt war. Ihre Tätigkeit wurde insbesondere durch den Niedergang von Paul Sixt von Trautson und Wolf Rumpf zum Wielroß, die bislang eine zentrale Rolle bei der
Stloukal, Papežská politika (wie Anm. 39). Zur Bedeutung der spanischen Botschaft Marek, La embajada (wie Anm. 34).
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I Die päpstliche und die spanische Politik am Kaiserhof
Durchsetzung der spanischen und der päpstlichen Interessen am Kaiserhof gespielt hatten, außerordentlich beeinträchtigt.³²⁴ Rumpf und Trautson hatten bereits mit Orazio Malaspina eng zusammengearbeitet, dem überhaupt ersten dauerhaft in Prag weilenden Nuntius.³²⁵ Wohl noch bessere Beziehungen hatten sie jedoch zur spanischen Monarchie. Wolf Rumpf begleitete 1563 – 1571 die Erzherzöge Rudolf und Ernst während ihres Aufenthalts auf der iberischen Halbinsel, wo er die bedeutendsten Persönlichkeiten des Madrider Hofes kennenlernte.³²⁶ Nach der Rückkehr aus Spanien trieb er systematisch seine Karriere am Hof des zukünftigen Kaisers voran. Zugleich festigte er aber auch seine Stellung im klientelistischen Netzwerk des spanischen Königs Philipp II., wo er zu Beginn der achtziger Jahre den Platz des verstorbenen Wratislaw von Pernstein einnehmen sollte. Rumpfs Dienste wurden damals sowohl am Prager Hof als auch in Madrid dankbar angenommen, und die Vertreter beider Linien des Hauses Habsburg sparten daher gegenüber diesem österreichischen Adeligen nicht an Gunst. Seitens Rudolfs II. handelte es sich vor allem um das Überlassen der Herrschaft Weitra in Niederösterreich, die Rumpf 1581 erhielt. Der spanische König Philipp II. hatte Rumpf bereits zwei Jahre zuvor eine Rente in Höhe von 1.882 Gulden zuerkannt, die aus den Einkünften im Herzogtum Mailand ausgezahlt wurde, er erhob seinen Klienten 1592 zum Ritter des prestigeträchtigen Santiagoordens und erteilte ihm die Encomienda Paracuellos mit Jahreseinkünften von über 2.300 Gulden.³²⁷ Zur selben Zeit erreichte auch Rumpfs höfische Karriere ihren Höhepunkt, als er nach dem Tode Adams von Dietrichstein ins Amt des Obersthofmeisters berufen wurde und ebenfalls Mitglied des Geheimrates wurde.³²⁸ Obwohl Rumpfs Position unerschütterlich erscheinen mochte, wies der spanische Gesandte Guillén de San Clemente bereits zu Beginn der neunziger Jahre des 16. Jahrhunderts darauf hin, wie kurzsichtig es sei, sich in allem nur auf diesen österreichischen Adeligen zu verlassen, und schlug dem katholischen König vor, seine Gunst auch weiteren hochrangigen Hofleuten, insbesondere Paul Sixt von
Detaillierte Informationen über diesen Zeitabschnitt während der Herrschaft Rudolfs II. bietet Janáček, Rudolf II. (wie Anm. 35), S. 329 – 345. Zur Krankheit des Kaisers vgl. ebenfalls Bůžek u. Marek, Krankheiten (wie Anm. 170). Zum Beispiel Koller, NBD III/10 (wie Anm. 234), Nr. 131,4, S. 216; Nr. 145,1, S. 241– 242; Nr. 172,3, S. 283. Edelmayer, Wolf Rumpf (wie Anm. 263), S. 133. Edelmayer, Wolf Rumpf (wie Anm. 263), S. 146. Edelmayer, Wolf Rumpf (wie Anm. 263), S. 148. Zum Amt des Obersthofmeisters vgl. Hausenblasová, Jaroslava (Hrsg.): Der Hof Kaiser Rudolfs II. Eine Edition der Hofstaatsverzeichnisse 1576 – 1612. Prag 2002. S. 207.
I.4 Die spanische und die päpstliche Politik am Prager Hof
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Trautson und Johann Barvitius, zukommen zu lassen.³²⁹ Trautson war ab 1590 Obersthofmarschall und Präsident des Reichshofrats.³³⁰ Johann Barvitius war zwar erst 1589 am Hof angetreten, aber auch er gewann bald nicht geringen Einfluss auf den Kaiser.³³¹ Nicht nur unter diesem Aspekt erschienen die Schritte, die Guillén de San Clemente empfahl, richtig. Philipp II. vertraute dem Urteil seines langjährigen Gesandten dermaßen, dass er seinem Vorschlag tatsächlich folgte und in den darauffolgenden Jahren beiden erwähnten Adeligen auf verschiedentliche Art und Weise seine Gunst erwies.³³² Die Art und Weise, wie er dies tat, sagt viel darüber aus, wie tiefgehend sich Ende der neunziger Jahre des 16. Jahrhunderts die Situation am Prager Hof verändert hatte und wie kompliziert die Beziehungen zwischen den österreichischen und den spanischen Habsburgern waren. Rumpfs Investitur zum Ritter und Komtur des Santiagoordens fand 1592 noch öffentlich und unter Teilnahme von Spitzenvertretern des Kaiserhofs statt.³³³ Paul Sixt von Trautson erhielt zwar drei Jahre später eine spanische Rente, und zwar in Höhe von 1.200 Dukaten pro Jahr, diese Information sollte aber bereits vor den Augen Rudolfs II. und seiner Hofleute verborgen bleiben. Grund der Heimlichtuerei war die Überzeugung, dass die Kontakte zu den spanischen Habsburgern am Kaiserhof Rumpf eher schaden würden.Während an anderen Habsburger Höfen ein Gewand mit dem Symbol des Jakobskreuzes eher als Merkmal der Loyalität zur katholischen Kirche und zum Herrscherhaus angesehen wurde, brachte es Rumpf in Prag statt Anerkennung und Prestige vielmehr Misstrauen des argwöhnischen Kaisers. Dessen war sich auch Paul Sixt von Trautson sehr wohl bewusst, als er dem spanischen Gesandten für die vom katholischen König verliehene Gunst dankte: „Er äußerte seinen Dank für Ihre großartige Gunst und versprach, alles zu tun, was in seinen Kräften steht. Zugleich bittet er aber, alles äußerst geheim zu halten, denn nur so wird er seinen Dienst gut tun können“, berichtete damals Guillén de San Clemente dem katholischen König.³³⁴ Nicht einmal solche Vorsicht vermochte es, den Niedergang von Rumpf und Trautson zu verhindern. Als die gesundheitliche Krise des Herrschers im Herbst
NAP, SP-S, Kart. 1, Guillén de San Clemente an König Philipp II. (Prag, 7. 2. 1595). von Krones, Paul Sixt Freiherr (wie Anm. 263). Duch, Arno: Barvitius, Johann Anton. In: Neue Deutsche Biographie. Bd. 1. Berlin 1953. S. 615. http://www.deutsche-biographie.de/pnd133258947.html (24. 5. 2019). Marek, La embajada (wie Anm. 34), S. 88. Edelmayer, Wolf Rumpf (wie Anm. 263), S. 146. „La ha aceptado por muy grande merced y dice que hara maravillas y encarga mucho el secreto porque con el dice que podra servir mejor.“ – AGS, E 702, Guillén de San Clemente an König Philipp II. (Prag, 7. 2. 1595).
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1600 kulminierte, wurden beide einflussreichen Hofleute aus ihren Ämtern abberufen und mussten den Kaiserhof verlassen. Obwohl die genauen Ursachen ihres Niedergangs nicht bekannt sind, erscheint es als sehr wahrscheinlich, dass im Hintergrund der unerwarteten Reaktion des Kaisers ihre intensiven Beziehungen zu Spanien standen.³³⁵ Dies bezeugen auch indirekt die Worte des Gesandten Guillén de San Clemente, der sich noch im Jahre 1606 darüber beschwerte, wie stark ihm Trautson und Rumpf am Hof fehlen, und sich daran erinnerte, wie der letztgenannte Edelmann wegen seines treuen und ergebenen Dienstes für den spanischen König vielen Verfolgungen ausgesetzt gewesen war.³³⁶ Auch der Gesandte selbst soll in jener Zeit Rudolfs Ungnade verspürt haben. Nach seiner Rückkehr von der iberischen Halbinsel, wohin er 1599 Margarete von Österreich, die Braut Philipps III., begleitete hatte, wartete er monatelang auf eine Audienz beim Kaiser.³³⁷ In den darauffolgenden Monaten war Guillén de San Clemente mit der schweren Aufgabe konfrontiert, die Lücken, die nach dem Fall von Wolf Rumpf und Paul Sixt von Trautson im klientelistischen Netzwerk der spanischen Könige klafften, wieder zu schließen. Für den katalonischen Diplomaten war dies umso schwieriger, da er von Anfang seiner Tätigkeit am Kaiserhof an mit beiden Adeligen zusammengearbeitet hatte und es nicht möglich war, von einem Tag auf den anderen ein vergleichbar vertrauensvolles Band zu knüpfen. Die Männer, die die beiden abberufenen Hofleute im spanischen klientelistischen Netzwerk ersetzen sollten, mussten zudem nicht nur bereit sein, dem katholischen König zu dienen, sondern vor allem einen entsprechenden Einfluss auf den launenhaften Kaiser haben. „Die Verhältnisse an diesem Hofe sind weiterhin gleichermaßen unbeständig. Der eine fällt, der andere wird unmittelbar danach erhoben“, schrieb 1607 der Sekretär der savoyischen Botschaft Gieronimo Lovencito.³³⁸ Weil sich Rudolfs persönliche Präferenzen gerade in jener Zeit durch extreme Unbeständigkeit auszeichneten, blieb Guillén de San Clemente nichts anderes übrig, als sich an diese Veränderungen anzupassen und den Umkreis der Personen, die er Vgl. Edelmayer, Manus (wie Anm. 192); Noflatscher, Monarchische Willkür (wie Anm. 262). Edelmayer, Wolf Rumpf (wie Anm. 263), S. 153 – 154; NAP, SP-S, Kart. 1, Guillén de San Clemente an König Philipp III. (Prag, 18.1.1606). Ein Zeugnis hierüber hinterließ der Gesandte des Herzogs von Savoyen Gieronimo Lovencito: „Lo ambasciatore cattolico dopuo che e di ritorno di Spagna non ha possuto haver una audienza, salvo il primo besamanos che li fece senza tratare d‘altro, et e mezzo disperato,“ – ASTo, Lettere ministri, Austria, mazzo 6, il segretaro Gieronimo Lovencito, Praga 1601– 1617, sine folio, Gieronimo Lovencito an den Herzog von Savoyen (Prag, 5. 2. 1601). „Questa corte passa sempre nel modo usato hoggi cade uno et leva un’altro […].“ – ASTo, Lettere ministri, Austria, mazzo 6, il segretaro Gieronimo Lovencito, Praga 1601– 1617, sine folio, Gieronimo Lovencito an den Herzog von Savoyen (Prag, 23. 7. 1607).
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für die Umsetzung der spanischen Machtinteressen in Mitteleuropa nutzte, beträchtlich auszuweiten. Es scheint, dass sich San Clemente in den ersten Jahren des 17. Jahrhunderts vor allem auf den Obersthofmeister des Kaiserhofs Friedrich von Fürstenberg, den Obersthofmarschall Jakob Breuner und auf den Oberstkämmerer Peter von Mollart verließ.³³⁹ Insbesondere der letztgenannte Mann weckte beim spanischen Gesandten große Hoffnungen, denn er war ein Vasall des katholischen Königs (seine Familie stammte aus Burgund) und seine Schwester Anna war zusammen mit der Kaiserwitwe Maria von Spanien im Kloster Descalzas Reales in Madrid aktiv. Keiner von ihnen jedoch vermochte es schließlich,Wolf Rumpf und Paul Sixt Trautson im klientelistischen Netzwerk völlig zu ersetzen. Friedrich von Fürstenberg versuchte zwar, sich Rumpfs symbolischen Nachlasses zu bemächtigen, indem er 1606 dessen Witwe Anna Maria d’Arco heiratete.³⁴⁰ Bald darauf war jedoch auch er gezwungen, seine Karriere am Hof aufzugeben.³⁴¹ Im Falle der übrigen Hofleute griff der Tod ein. Peter von Mollart starb bereits im Februar 1604 und Jakob Breuner zwei Jahre später.³⁴² Aus Aussagen aus jener Zeit geht zudem deutlich hervor, dass der Charakter der Beziehungen, die diese Hofleute zum spanischen Gesandten und zur spanischen Monarchie aufrechterhielten, nicht die Qualität jenes Verhältnisses hatte, das Guillén de San Clemente mit Rumpf und Trautson verband. Obwohl auch Fürstenberg, Mollart und Breuner auf dem Gipfel ihrer Karriere die Gunst des spanischen Königs erfuhren, wurden sie nicht als tatsächliche Vertraute des Gesandten, sogenannte servidores confidentes, betrachtet. Dies bezeugt sehr prägnant der Bericht des savoyischen Gesandten Conde Carlo Francesco Manfredi di Luserna, der nach seiner Ankunft am Prager Hof von San Clemente den Rat bekam, nie völlig „diesen deutschen Herren, die in Erwartung einer Goldkette oder eines anderen Geschenks alles versprechen“ zu
Dazu vgl. z. B. NAP, SP-S, Kart. 1, Guillén de San Clemente an König Philip III. (Prag, 23. 11. 1602); ebd., Guillén de San Clemente an König Philipp III. (Prag, 14. 2. 1604); AGS, E 709, fol. 25, El consejo de Estado a 14. 7. 1607, sobre lo que escribe Guillén de San Clemente (22. 5.1607) en lo de las bodas del baron de Molart. Zur Heirat Edelmayer, Wolf Rumpf (wie Anm. 263), S. 154. Ferner vgl. ASTo, Lettere ministri, Austria, mazzo 6, Il segretaro Gieronimo Lovencito, Praga 1601– 1617, sine folio, Gieronimo Lovencito an Herzog von Savoyen (Prag, 9. 10. 1606). Bereits im Frühjahr 1607 stand Friedrich von Fürstenberg in des Kaisers Ungnade. – ASTo, Lettere ministri, Austria, mazzo 6, Il segretaro Gieronimo Lovencito, Praga 1601– 1617, sine folio, Gieronimo Lovencito an Herzog von Savoyen (Prag, 2. 4. 1607). Hausenblasová, Der Hof (wie Anm. 328), S. 207, 394. Zu Fürstenberg: Ottův slovník naučný (OSN). Bd. IX Praha 1893. S. 783.
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trauen.³⁴³ Die Worte San Clementes wurden übrigens von der Tatsache bestätigt, dass sich auch weitere Gesandte in Prag auf die Zusammenarbeit mit diesen Hofleuten verließen, wenngleich sie oft diametral abweichende Interessen verfolgten.³⁴⁴ Die größten Probleme für das vom Gesandten San Clemente allmählich aufgebaute Netzwerk verursachte jedoch zweifellos der Kaiser selbst, dessen Abneigung gegenüber seinen spanischen Verwandten zu Beginn des 17. Jahrhunderts noch um ein Vielfaches zunahm. Grund dafür waren zum einen die diplomatischen Schritte, die die Spanier in Sachen Thronfolge im Heiligen Römischen Reich unternahmen, sowie die Tatsache, dass Rudolf II. von Phillip III. keine genügende Unterstützung im andauernden Krieg gegen die Türken erfuhr. Obwohl sich Guillén de San Clemente selbst am Prager Hof weiterhin gebührenden Respekts erfreute, liefen Edelleuten, die sein Bestreben, die Interessen des katholischen Königs zu verteidigen, offen unterstützen würden, Gefahr beim Kaiser in Ungnade zu fallen: „Das größte Verbrechen, das man an diesem Hofe begehen kann, ist dem Dienst Ihrer Majestät gewogen zu sein“, schrieb 1606 der verzweifelte spanische Gesandte.³⁴⁵ Die Verschlechterung der Beziehungen zwischen beiden Linien des Hauses Habsburg wurde zu jener Zeit auch am päpstlichen Hof in Rom verzeichnet. Als im Jahre 1604 die Hauptinstruktion für den neuen Nuntius Ferreri vorbereitet wurde, entging ihrem Verfasser nicht, dass Rudolf II. in den letzten Jahren in eine gewisse Isolierung geraten war, die nicht nur ihm selbst, sondern auch den Interessen der Christenheit schadete.³⁴⁶
„[…] mi disse desiderava Dio mi dase prospero evento nella negotiatione mia ma che io […] a non fidarmi di questi tedeschi li quali per disegno di una catena o pressente dano speranze.“ – ASTo, Lettere ministri, Austria, mazzo 7, Il conde Carlo Francesco Manfredi di Luserna, Praga 1604 in 1608, sine folio, Carlo Francesco Manfredi di Luserna an Herzog von Savoyen (Prag, 17. 6. 1604). Neben dem savoyischen Gesandten beispielsweise ebenfalls der florentinische Ambassadeur Rodrigo Alidosi sowie der Resident des Herzogs von Mantua Aderbale Manerbio. – Archivio di Stato di Firenze (ASFi), Mediceo del Principato, 4362; Archivio di Stato di Mantova (ASMa), Archivio di Gonzaga di Mantova, busta 482, E.II. Dipartimento degli affari esteri. Carteggio degl’Inviati ed altri in Corte Cesarea (1603); Venturini, Elena (Hrsg.): Le Collezioni Gonzaga. Il carteggio tra la Corte Cesarea e Mantova (1559 – 1636). Milano 2002; Campori u. Campori, Relazione di Germania (wie Anm. 95). „El mayor crimen que ay agora en esta Corte es ser afficionados al servicio de V[uestra] M[ajesta]d.“ – NAP, SP-S, Kart. 1, Guillén de San Clemente an König Philipp III. (Prag, 18. 1. 1606). Die Hauptinstruktion für Nuntius Ferreri vom 20. Januar 1604: „All’Imperatore non è stato di poco pregiuditio in questi tempi la poca intelligenza havuta con altri principi grandi, et massime col Re di Spagna, il quale gli ha somministrati per tal causa così deboli aiuti nei bisogni della guerra di Ongheria […].“– Jaitner, Die Hauptinstruktionen Clemens VIII. Bd. II (wie Anm. 67), S. 723.
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Auch Giovanni Stefano Ferreri musste sich nach seiner Ankunft am Prager Hof erst daran gewöhnen, dass das Funktionieren dieser Institution deutlich vom schwierigen Charakter des Kaisers und von seinem komplizierten Gesundheitszustand geprägt war. Während seiner Gesandtenmission verließ er sich, ähnlich wie Guillén de San Clemente und weitere Diplomaten, vor allem auf die Unterstützung durch jene Hofleute, die sich momentan der Gunst des Kaisers erfreuten. Dazu gehörte beispielsweise Karl von Liechtenstein,³⁴⁷ der zu Beginn des 17. Jahrhunderts an der Spitze des Geheimrates stand und nicht nur für Ferreri ein exzellenter Informator und wichtiger Mitarbeiter wurde.³⁴⁸ Dem wohlhabenden und einflussreichen mährischen Magnaten schadete es dabei in den Augen der päpstlichen Kurie nicht, dass er erst kürzlich zum Katholizismus konvertiert war,³⁴⁹ ja nicht einmal die Tatsache, dass er noch zuvor im Jahre 1599 im Widerspruch zu kanonischen Vorschriften dem Kaiser Besitzungen abgekauft hatte, die eigentlich zwei mährischen Klöstern gehörten.³⁵⁰ Noch überraschender war jedoch der Aufstieg des getauften Juden und kaiserlichen Kammerdieners Philipp Lang, der zu Beginn des 17. Jahrhunderts zu einer der einflussreichsten Personen am Hof avancierte.³⁵¹ Daher versuchten sowohl der päpstliche Nuntius Ferreri als auch Guillén de San Clemente Lang für
Kurz über ihn vgl. Schwarz, The Imperial Privy Council (wie Anm. 131), S. 281– 288. Vgl. z. B. AAV, FB II, 171, fol. 5r–6r, 50r–51v, 72r–73r, 101r, 103r, 120r, 135r, 138r–139v. Als ungenau erscheint somit die entgegengesetzte Meinung von Arnold Oskar Meyer, demzufolge Liechtenstein für Ferreri nur von geringer Bedeutung war. – Meyer, NBD IV/3 (wie Anm. 64), S. LXXIII–LXXIV. Auf Karl von Liechtenstein verließen sich aber zu jener Zeit auch andere Personen. Seine Gunst bekundeten ihm ebenfalls der spanische König Philipp III., der Herzog von Mantua Vincenzo I. Gonzaga sowie der toskanische Großherzog Ferdinando I. de’ Medici. Guillén de San Clemente charakterisierte ihn im Jahre 1600 mit folgenden Worten: „Ha nombrado el Emperador por su consejero de estado a Carlos de Liequistain que es un varon de Moravia muy rico y ha menos de un año que se boluio catolico y agora lo es mucho. Es hombre cuerdo y de buen entendimiento y hombre dado por muy servidor y creo acudera bien a las cosas del servir de Vuestra Majestad.“ – AGS, E 706, Guillén de San Clemente an König Philipp III. (Prag, 10. 6. 1600). Vgl. ebenfalls ASFi, Mediceo del Principato, 4362; ASMa, L′Archivio di Gonzaga di Mantova, busta 482, E.II. Dipartimento degli affari esteri. Carteggio degl′Inviati ed altri in Corte Cesarea (1603). Winkelbauer, Fürst (wie Anm. 251), S. 89 – 93. Stloukal, Karel: Karel z Lichtenštejna a jeho účast na vládě Rudolfa II. (1596 – 1607). In: ČČH 18 (1912). S. 29 – 33. Ein interessantes Zeugnis von Langs unerwartetem Aufstieg hinterließ der florentinische Gesandte Alidosi: „Ha Sua Maestà dieci servitori di camera fra i quali Adam di Norimberg, Gasparino Rubrich Alamanno, il Chinichi Veneziano, Filippo Longo nato ebreo in Praga ed ora fatto cristiano, che già maneggiava il tutto, ed è fatto ricco di seicentomila fiorini, in ott’anni in circa, che serve. Hanno li sopradetti Servittori di camera venti fiorini il mese per uno di provvisione.“ – Campori u. Campori, Relazione di Germania (wie Anm. 95), S. 8.
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ihre Interessen zu gewinnen. Der einfachste Weg, wie man dies erreichen konnte, führte über verschiedene Bestechungen und gesellschaftliche Ehrungen. Im Jahre 1606 nahm San Clemente als Trauzeuge an der Hochzeit von Langs Sohn teil, dem er namens des spanischen Königs eine silberne, mit Gold beschlagene Schüssel und einen Krug im Wert von 185 Gulden überreichte.³⁵² Um Langs Unterstützung zu gewinnen, zögerte er aber auch nicht, die Fürsprache von Carlo Ardesi aus Cremona, einem italienischen Freund des Kammerdieners, zu nutzen.³⁵³ Das Bestreben, das Verhalten einer anderen Person durch sogenannte „Herren und Freunde“ indirekt zu beeinflussen, gehörte zu den üblichen klientelistischen Strategien, die von den spanischen Gesandten am Kaiserhof angewandt wurden.³⁵⁴ Das Bedürfnis, Lang für die Dienste für den spanischen König anzuwerben, erschien San Clemente dermaßen dringlich zu sein, dass er sich auch über gesellschaftliche Barrieren hinwegsetzte, die die beiden Männer voneinander trennten: „Auf jeden Fall muss man ihn gewinnen. Sollte es schwierig sein, ihn als Freund auf offenem Wege zu gewinnen, können wir ihn indirekt beeinflussen und zumindest erreichen, dass er nicht schadet“, schrieb er über Lang an den Sekretär des spanischen Staatsrats, Andrés Prada.³⁵⁵ Auch Antonio Caetani, der 1607 Ferreri an der Spitze der päpstlichen Nuntiatur ersetzte, sollte seine Aufmerksamkeit Lang und Liechtenstein widmen.³⁵⁶ Das Staatssekretariat empfahl ihm in der Hauptinstruktion vom Mai 1607 geeignete Personen, die sich des Vertrauens des Herrschers erfreuen; diese waren Karl von Liechtenstein, der als „diesem Heiligen Stuhl wohlgesonnen“ erschien,³⁵⁷ Philipp Lang, Andreas Hannewaldt von Eckersdorf und Johann Barvitius. Caetani stellte jedoch nach seiner Ankunft in Prag fest, dass die Situation vor Ort etwas de Ayerbe, Correspondencia (wie Anm. 77), S. 362. NAP, SP-S, Kart. 1, Guillén de San Clemente an den Staatssekretär Andrés de Prada (Prag, 18. 1. 1606). Vgl. z. B. Marek, La red (wie Anm. 34). Mit der Rolle der „guten Freundschaft“ in machtpolitischen Angelegenheiten befasst sich Bůžek, Václav: „Páni a přátelé“ v myšlení a každodenním životě české a moravské šlechty na prahu novověku. In: ČČH 100 (2002). S. 229 – 264, hier S. 258 – 262. „Éste se ha de granjear de todas maneras y aunque sería dificultoso granjearle por amigo a la descubierta, por indirectas se va entreteniendo a lo menos para que no haga mal.“ – NAP, SP-S, Kart. 1, Guillén de San Clemente an den Staatssekretär Andrés de Prada (Prag, 18. 1. 1606). Zu seiner Tätigkeit in den böhmischen Ländern vgl. Černušák, Die Papstpolitik (wie Anm. 40); ders.: Papežská politika v českých zemích za nunciatury Antonia Caetaniho (1607– 1609). In: FHB 25 (2010). Nr. 1. S 7– 22; ders.: Die Böhmische Kammer als Thema der Prager Nuntiatur zu Beginn des 17. Jahrhunderts. In: Römische Historische Mitteilungen 55 (2013). S. 219 – 230; ders., Služba (wie Anm. 24); ders., Forme (wie Anm. 23). „[…] il quale si mostra bene affetto a questa Santa Sede […].“ – Linhartová, EAAC I (wie Anm. 62), Nr. 4, S. 16.
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anders aussah. Liechtenstein war zwar gut mit Caetanis Vorgänger Giovanni Stefano Ferreri ausgekommen, der neue Prager Nuntius vertraute ihm aber nach einer gewissen Zeit nicht mehr, und aus seinen Berichten scheint hervorzugehen, dass es sich hierbei nicht um eine einseitige Einstellung handelte.³⁵⁸ Im Hintergrund von Caetanis Abneigung hinsichtlich einer Zusammenarbeit mit Karl von Liechtenstein spielte aber wohl auch die Tatsache eine Rolle, dass zu jener Zeit auch Liechtenstein langsam das Vertrauen des Herrschers abhandenkam. Bereits im Sommer 1607 beendete er seine mehrjährige Tätigkeit am Kaiserhof und reiste aus Prag ab.³⁵⁹ Ein schlimmeres Ende erwartete den Kammerdiener Philipp Lang, der über mehrere Jahre hinweg einen außerordentlichen Einfluss auf den Herrscher ausgeübt hatte, den er entsprechend für sein persönliches Wohl zu nutzen wusste. Bereits im Mai 1608 fiel Lang beim Kaiser in Ungnade und wurde in den Kerker geworfen, wo er auch später starb.³⁶⁰ Caetani konzentrierte sich daher logischerweise vor allem auf die Zusammenarbeit mit dem Reichshofrat und Geheimrat Hannewaldt, den er sehr schätzte, insbesondere deswegen, weil dieser 1607 das Vertrauen des Kaisers genoss und häufig zu ihm Zutritt hatte. Mit der Zeit musste der Nuntius jedoch feststellen, dass man von Hannewaldt „weniger erwarten kann […] als was er verspricht“,³⁶¹ und dass er nicht bereit sei, dem Kaiser Sachen vorzutragen, mit denen er ihn verstimmen könnte.³⁶² Caetanis Enttäuschung über Hannewaldts Verhalten steigerte sich mit der Zeit dermaßen, dass er im Mai 1609 nicht zögerte, ihn als einen Mann zu charakterisieren, der das Regieren am Kaiserhof auf grundlegende Art und Weise deformiere.³⁶³ Der einzige aus der Reihe der ursprünglich empfohlenen Personen, auf die sich Caetani während seiner Tätigkeit am Prager Hof tatsächlich stützen konnte, war Johann Barvitius. Seine Bedeutung beruhte vor allem darin, dass er es als einer von wenigen schaffte, die Gewogenheit des Herrschers während der ganzen
Linhartová, EAAC I (wie Anm. 62), Nr. 36, S. 55; Nr. 41, S. 61; Nr. 103, S. 138 – 139. Die erste Begegnung Caetanis mit Liechtenstein ist detailliert im Bericht vom 17. Juni 1607 dokumentiert. – Linhartová, EAAC I (wie Anm. 62), Nr. 8, S. 24– 27. Stloukal, Karel z Lichtenštejna (wie Anm. 350), S. 428 – 434. Die Abreise Liechtensteins wurde bereits im Juni 1607 von Gieronimo Lovencito notiert. – ASTo, Lettere ministri, Austria, mazzo 6, Il segretaro Gieronimo Lovencito, Praga 1601– 1617, sine folio, Gieronimo Lovencito an den Herzog von Savoyen (Prag, 23. 7. 1607). Zu seinem Leben vgl. Hurter, Friedrich E.: Philipp Lang. Kammerdiener Kaiser Rudolfs II. Schaffhausen 1851. „[…] da lui si può sperar meno che faccia gli uffitii, che promette.“ – Linhartová, EAAC I (wie Anm. 62), Nr. 39, S. 60. Linhartová, EAAC I (wie Anm. 62), Nr. 67, S. 98; Nr. 86, S. 117; Nr. 90, S. 123. Linhartová, EAAC I (wie Anm. 62), Nr. 433,4, S. 365.
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ersten Dekade des 17. Jahrhunderts für sich aufrecht zu erhalten. Die Dienste von Barvitius hatte bereits Nuntius Spinelli genutzt, als er sich um die Besetzung der höchsten Landesämter im Königreich Böhmen durch Katholiken bemühte. Nicht weniger verließen sich auf ihn auch der Auditor Sebastiano Lambert dei Fornari,³⁶⁴ der, nachdem Spinelli 1603 Prag verlassen hatte,³⁶⁵ die Nuntiatur in Vertretung leitete, und der päpstliche Generalkommissar für Ungarn, Giacomo Serra,³⁶⁶ der am Kaiserhof vor Antritt des Nuntius Ferreri einige diplomatische Aufgaben erfüllt hatte. Dabei handelte es sich häufig um die Übergabe von päpstlichen Breven direkt in die Hände des Kaisers,³⁶⁷ aber auch um das Einholen von vertraulichen Informationen außenpolitischer Art, beispielsweise über die Friedensverhandlungen in den Niederlanden.³⁶⁸ Barvitius wurde schließlich auch vom neuen Nuntius Ferreri aktiv genutzt, der mit ihm 1605 einige Fragen bezüglich des Heiligen Römischen Reiches diskutierte.³⁶⁹ Als Klient hatte Barvitius jedoch seine Grenzen und vermochte relativ gut zu unterscheiden, inwieweit er den Ersuchen der päpstlichen Diplomaten entgegenkommen konnte und wann er den Interessen seines Herrschers den Vorrang geben musste. So weigerte er sich, Ferreri nähere Details zur Entwicklung des Streits um das Bistum Straßburg mitzuteilen, obwohl der Nuntius ihm gegenüber betonte, dass er ein Vertreter des Papstes sei.³⁷⁰ Es scheint, dass die größte Schwachstelle der päpstlichen Zusammenarbeit mit Barvitius in dessen Opportunismus bestand. Barvitius war, ähnlich wie weitere Hofleute Rudolfs II., bereit, die Interessen von wem auch immer zu unterstützen, wenn er für solch eine Tätigkeit entsprechend belohnt wurde. Das aus heutiger Sicht gesellschaftlich absolut inakzeptable Verhalten von Barvitius wurde in der Korrespondenz von Camillo Cattaneo, dem Gesandten von Marchese Francesco Gonzaga di Castiglione delle Stiviere festgehalten: Barvitius hat mich gefragt, warum Sie ihm aus Spanien keine Handschuhe geschickt haben. Ich habe geantwortet, dass sie möglicherweise mit weiteren Galanteriewaren eintreffen werden. Daraufhin teilte er mir mit, dass bis dahin seine Finger so frieren werden, dass er
Über ihn kurz Kristen, EAJSF I (wie Anm. 62), Nr. 2, S. 26, Anm. 90. Vgl. Jaitner, Hauptinstruktionen Clemens VIII. Bd I. (wie Anm. 67), S. CCLIV. Zu seiner Person vgl. Jaitner, Hauptinstruktionen Clemens VIII. Bd I. (wie Anm. 67), S. CCXLVIII–CCXLIX. Meyer, NBD IV/3 (wie Anm. 64), Nr. 52, S. 28 – 29; Nr. 58, S. 33; Nr. 117, S. 80; Nr. 124, S. 87. Meyer, NBD IV/3 (wie Anm. 64), Nr. 124, S. 87; Nr. 138, S. 95 – 96; Nr. 190, S. 149. Meyer, NBD IV/3 (wie Anm. 64), Nr. 580c, S. 530; Nr. 627e, S. 572. Meyer, NBD IV/3 (wie Anm. 64), Nr. 301a, S. 225.
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nicht schreiben können wird. Er würde sich auch ein wenig guten Wein aus Castiglione und zwei Fass Öl wünschen.³⁷¹
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass er einen Teil des Vermögens, das er auf diese Weise angehäuft hatte, ostentativ Prager katholischen Institutionen zukommen ließ, die den posttridentinischen Katholizismus vertraten. Seine umfangreiche Förderung konzentrierte sich insbesondere auf die Kapuziner. Er setzte sich nicht nur für die Gründung ihres Prager Klosters ein, sondern widmete ihnen ebenfalls eine Gnadenstatue der sogenannten Rothenburger Madonna.³⁷² Während Barvitius unter den Mitarbeitern des päpstlichen Nuntius ein Fixpunkt war, wurde anderen Männern erst nach Ankunft Antonio Caetanis größere Aufmerksamkeit seitens der päpstlichen Diplomatie geschenkt. Dies waren vor allem Leopold von Stralendorf und Hermann Attems. Während der Amtszeit von Nuntius Ferreri hatte Stralendorf für die päpstliche Diplomatie keine besondere Rolle gespielt.³⁷³ Seine Bedeutung wuchs erst, als er 1607 Reichsvizekanzler wurde und außerordentliche Beliebtheit beim Herrscher erlangte.³⁷⁴ Spätestens ab September 1607 bekam der Nuntius auch vom Geheimrat Hermann Attems oft sehr vertrauliche Informationen über die Ansichten, Äußerungen oder den momentanen Gemütszustand des Kaisers.³⁷⁵ Attems erschien ungefähr zur selben Zeit wie Stralendorf im engeren Kreis der Hofleute des Kaisers, und zwar zu Beginn des Jahres 1607, als er in den Geheimrat eingeführt wurde. Bereits ein Jahr später wurde er zudem zum Obersthofmeister ernannt und blieb bis zu seinem Tode 1611 in dieser Funktion.Während seiner Tätigkeit am Hof unterstützte Attems die ganze Zeit den radikalen katholischen Flügel und arbeitete nicht nur mit den „Il Signor Barvitio mi domandò, per che causa Vostra Eccelenza non gli haveva mandato per me un paro di guanti di Spagna, et havendogli risposto, che stessa venendo, gli haverebbe portati, o non venendo mandati, con altre galanterie, mi replicò, in tanto gli miei dita gelaranno di freddo, e non potranno scrivere, mi ha detto anco, che più vorebbe un puoco di vino così buono di Castiglione, e duoi barili di oglio del lago.“ –ASMa, L’archivio dei Gonzaga di Castiglione delle Stiviere (AGCS), busta 225, Camillo Cattaneo 1610 – 1616, fol. 348 – 357, Camillo Cattaneo an Francesco Gonzaga (Prag, 22.10.1612). Šroněk, Michal: Johann Barvitius als Mäzen im rudolfinischen Prag. In: Studia Rudolphina 8 (2008). S. 51– 52; ders.: De sacris imaginibus. Patroni, malíři a obrazy předbělohorské Prahy. Praha 2013; da Carmignano di Brenta, Arturo M.: San Lorenzo da Brindisi. Dottore della chiesa (1559 – 1619). Bd. II. Venezia-Mestre 1960. S. 42– 57. Zu seinem Leben vgl. Gross, Die Geschichte (wie Anm. 289), S. 326 – 328; Ehrenpreis, Kaiserliche Gerichtsbarkeit (wie Anm. 131), S. 310 – 311; Meyer, NBD IV/3 (wie Anm. 64), S. LXXII– LXXIII. Schwarz, The Imperial Privy Council (wie Anm. 131), S. 360. Vgl. z. B. Linhartová, EAAC I (wie Anm. 62), Nr. 152, S. 193; Nr. 172, S. 213; Nr. 204, S. 250; Nr. 285, S. 372.
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päpstlichen Nuntien, sondern auch mit den spanischen Gesandten eng zusammen.³⁷⁶ Der Bedarf, enge Kontakte mit den Hofleuten des Kaisers zu unterhalten, erschien im untersuchten Zeitraum den päpstlichen sowie den spanischen Diplomaten umso dringender, da sie Rudolf II. selbst nicht sehr oft begegneten. Das Misstrauen des Kaisers und sein Widerwille, den Vertretern des Papstes Audienzen zu gewähren, führten dazu, dass Caetani dem Kaiser im Laufe der Jahre 1607– 1609 nur dreimal persönlich begegnen konnte, worüber er sich im Juni 1609 etwas verbittert beim Kanzler des bayerischen Herzogs Joachim Donnersberg beschwerte.³⁷⁷ Auf die Tatsache, dass die direkte Kommunikation mit dem Herrscher des Heiligen Römischen Reiches – gelinde gesagt – problematisch sei, wurde Caetani bereits vor Anfang seiner Mission in der Hauptinstruktion aufmerksam gemacht: „Mit Seiner Majestät werden Sie nur selten verhandeln, denn es ist sehr schwer, bei ihm eine Audienz zu bekommen, und es wird notwendig sein, die Anliegen dem Geheimrat mitzuteilen und Seiner Majestät Zettel zu schreiben.“³⁷⁸ Der versierte spanische Gesandte Guillén de San Clemente versuchte die entstandene Situation sogar zu überbrücken, indem er auch mit solchen Personen Kontakte knüpfte, die zwar zu niedrigeren Schichten des Kaiserhofes gehörten, aber im Unterschied zu bedeutenden Würdenträgern von Hof und Land bzw. ausländischen Diplomaten direkten Zugang zum Kaiser hatten, als Rudolf II. unter den Attacken seiner Krankheit litt und sämtliche offizielle Begegnungen mied. Dazu gehörten beispielsweise die Ärzte des Kaisers, Wilhelm Maior von Großenau und Hector Moscaglia, der Barbier des Kaisers, Johann Althauz, sein Garderobier Hans Jakob König, der Kellner Kaspar Zeller von Rosenthal, der Bildhauer Adrian de Vries und der Organist Liberalis Zangius.³⁷⁹ Es ist interessant, dass in den päpstlichen diplomatischen Relationen von 1607 weder Oberstkanzler Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz noch der Olmützer Bischof Kardinal Franz von Dietrichstein prominent erscheinen, die ansonsten zu den wichtigsten Vertrauten der päpstlichen Nuntien und des spanischen Gesandten gehörten. Im Falle von Dietrichstein war eine gewisse Distanz zu Nuntius Caetani und der von ihm vertretenen Politik von Papst Paul V. Borghese zweifellos durch die Tatsache beeinflusst, dass dieser eine sogenannte Kreatur der
Schwarz, The Imperial Privy Council (wie Anm. 131), S. 199 – 201. Stieve, Felix: Vom Reichstag 1608 bis zur Gründung der Liga. München 1895 (Briefe und Acten zur Geschichte des Dreissigjährigen Krieges, Bd. VI). S. 695. „Con Sua Maestà tratterà Vostria Signoria poche volte, essendo l’udienze difficilissime, et sarà necessitata communicar li negotii col consiglio segreto et scriver biglietti a Sua Maestà.“ – Linhartová, EAAC I (wie Anm. 62), Nr. 4, S. 15. de Ayerbe, Correspondencia (wie Anm. 77), S. 315 – 399.
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Familie Aldobrandini war, aus der der Vorgänger des Papstes, Clemens VIII., stammte.³⁸⁰ Eine gewisse Rolle kann aber auch der Charakter der behandelten Angelegenheiten gespielt haben. Es darf auch nicht vergessen werden, dass Franz von Dietrichstein erst 1607 eine bedeutende Position am Kaiserhof erlangte, während Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz auch damals „bloß“ ein hoher Würdenträger des Königreichs Böhmen blieb.³⁸¹ Es dauerte jedoch nicht lange und gerade diese beiden Männer wurden zentrale Akteure politischer Verhandlungen, auf die ganz Europa ihren Blick richtete. Sie griffen nämlich bedeutend in den Verlauf des großen Zwistes zwischen Kaiser Rudolf II. und seinem Bruder Erzherzog Matthias ein. Der Frieden von Wien und der Frieden von Zsitvatorok, den Matthias 1606 mit den Vertretern des Osmanischen Reiches und mit Stefan Bocskai unterzeichnet hatte, schuf zwar Bedingungen für die Beendigung eines Kriegskonflikts, der nicht nur Ungarn, sondern auch die Grenzgebiete Mährens und Österreichs jahrelang geplagt hatte, Rudolf II. weigerte sich jedoch, diese Friedensverträge zu ratifizieren. Grund seines scheinbar unbegreiflichen Handelns war dabei vor allem die persönliche Rivalität gegenüber Matthias, der kurz zuvor in Wien durch eine geheime Vereinbarung zwischen ausgesuchten Mitgliedern der österreichischen Linie des Hauses Habsburgs zum Nachfolger des kränkelnden und des Herrschens untüchtigen Kaisers vorbestimmt worden war. Obwohl diese Familienvereinbarung streng geheim gehalten werden sollte, erfuhr Rudolf II. doch sehr bald davon. Trotzdem fasste er zunächst nicht genug Mut, um gegen seinen Bruder öffentlich aufzutreten, und nutzte als Vorwand, um seine Unzufriedenheit mit Matthias’ Verhalten auszudrücken, die erwähnten Friedensverträge mit Bocskai und den Türken, deren Bedingungen er als erniedrigend bezeichnete. Die Verträge blieben somit monatelang unbestätigt, was den zarten Frieden in Ungarn ernsthaft gefährdete.³⁸² Die hartnäckige Weigerung des Kaisers, die Friedensverträge zu ratifizieren, bestärkte zunehmend die Unzufriedenheit mit seiner Herrschaft, die ein Großteil der Ständevertretungen Ungarns, Nieder- und Oberösterreichs äußerten. Im Fe-
Reinhard, Paul V. Borghese (wie Anm. 19), S. 262. Zum Verhältnis Dietrichsteins zu Clemens VIII. und zur Familie Aldobrandini vgl. Parma, František kardinál (wie Anm. 98), S. 78 – 90, 539 – 542. Der Vater von Franz von Dietrichstein war Adam von Dietrichstein, ein bedeutender Klient des spanischen Königs Philipps II. – Edelmayer, Friedrich: Honor y dinero Adam de Dietrichstein al servicio de la Casa de Austria. In: Studia Historica. Historia Moderna 11 (1993). S. 89 – 116. Mehr über das Verhältnis Dietrichsteins zu Rom Parma, František kardinál (wie Anm. 98). Zu Lobkowitz vgl. Marek, Zdenco Adalbert (wie Anm. 316). Janáček, Rudolf II. (wie Anm. 35), S. 388 – 405.
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bruar 1608 verpflichteten sich die Vertreter beider Länder in einer gemeinsamen Deklaration, Erzherzog Matthias die notwendige militärische Unterstützung zu leisten und ihm allseitig bei seinem Bestreben, beim Herrscher sein Nachfolgerecht zu erzwingen, behilflich zu sein. Die Zwietracht zwischen Rudolf II. und seinem Bruder nahm damals den Charakter einer tiefen Staats- und Dynastiekrise an. Als sich dann im Frühjahr auch Mähren der ungarisch-österreichischen Konföderation anschloss und Matthias mit seinem Heer gen Prag zog, geriet das Fundament von Rudolfs Herrschaft stark ins Wanken.³⁸³ Während der sich entfaltenden innenpolitischen Krise traten in Caetanis Korrespondenz Berichte über den Einsatz der Glieder des päpstlichen Beziehungsnetzwerks in den Hintergrund.³⁸⁴ An Bedeutung gewannen aber in jener Zeit die Kontakte des Nuntius zum spanischen Gesandten San Clemente. Wenngleich die Zusammenarbeit beider Diplomaten bereits zuvor zuverlässig und problemlos gewesen war, gewann sie 1608 den Charakter einer engen und intensiven, durch gemeinsames Interesse verbundenen Partnerschaft.³⁸⁵ Dieses Interesse bestand in der „Versöhnung“ zwischen Rudolf II. und Matthias: zum einen das Erreichen eines politischen Kompromisses, der für beide Seiten akzeptabel wäre, und zum anderen auch die persönliche Aussöhnung der beiden Brüder. Daran änderte auch die Tatsache, dass sich die Motivation des päpstlichen Nuntius stark von der des spanischen Botschafters unterschied, nichts. Während das Verhalten von Guillén de San Clemente zum Großteil vom Bedürfnis dynastischer Politik determiniert war, stand im Hintergrund der damaligen Aktivitäten von Nuntius Caetani vor allem das Bestreben, der weiteren Schwächung
Aus der zahlreichen Literatur vgl. z. B. Janáček, Rudolf II. (wie Anm. 35), S. 409 – 428; Bahlcke, Joachim: Regionalismus und Staatsintegration im Widerspruch. Die Länder der Böhmischen Krone im ersten Jahrhundert der Habsburgerherrschaft (1526 – 1619). München 1994. S. 324– 342; Bůžek, Václav (Hrsg.): Ein Bruderzwist im Hause Habsburg (1608 – 1611). České Budějovice 2010 (Opera historica 14); Rill, Bernd: Kaiser Matthias. Bruderzwist und Glaubenskampf. Graz 1999; Vocelka, Karl: Matthias contra Rudolf. Zur politische Propaganda in der Zeit des Bruderzwistes. In: ZfHF 10 (1983). S. 341– 351. Aus einigen dieser Berichte geht nichtsdestotrotz hervor, dass sie auch weiterhin zugunsten der päpstlichen Pläne aktiv waren. – Linhartová, EAAC II (wie Anm. 62), Nr. 123, S. 229; Nr. 146, S. 276; Nr. 159, S. 328. Die Zusammenarbeit beider Gesandten blieb von weiteren in Prag tätigen Diplomaten nicht unbemerkt, vgl. z. B. ASFi, Mediceo del Principato, 4363, fol. 323 – 329, Avvisi vom 28. April 1608; fol. 383, Francesco Guidi da Volterra an Ferdinand dei Medici (Prag, 2. 6. 1608).
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der Macht des Herrschers im Heiligen Römischen Reich und der damit verbundenen Gefährdung der dortigen Position des Katholizismus Einhalt zu gebieten.³⁸⁶ Dieses Ziel, das übrigens der allgemeinen Orientierung der Politik von Papst Paul V. auf die „Wahrung des allgemeinen Friedens“ entsprach,³⁸⁷ legte Caetani bereits in den ersten Berichten vom Frühjahr 1608 fest, in denen er Rom über Entstehung und Verlauf der Krise informierte.³⁸⁸ Gerade ihre gefährliche Entwicklung, die mit einem militärischen Konflikt, der Schwächung der Macht beider zerstrittenen Habsburger und mit schwer abschätzbaren Folgen für die Religion drohte, führte sowohl den Nuntius als auch den spanischen Gesandten dazu, als Schlichter direkt in die Verhandlungen zwischen den beiden Habsburgern einzutreten. Während sie bei Rudolf II. stets auf Misstrauen stießen und nur mit seinen Vertrauten, vor allem Kardinal Franz von Dietrichstein und Zdenko Adalbert Popel Lobkowitz, kommunizierten, war dies bei Matthias anders. Während mehrerer persönlicher Verhandlungen, die sie mit dem Erzherzog in dieser Sache führten, versuchten sie ihn davon zu überzeugen, milde gegen seinen Bruder vorzugehen.³⁸⁹ Ihre Unzufriedenheit mit der Herrschaft Rudolfs II. ließ sie jedoch in gewissem Maße innere Zweifel unterdrücken, die das Bündnis von Matthias mit überwiegend nichtkatholischen Ständen in ihnen weckte. Obwohl sich sowohl Paul V. als auch Philipp III. weiterhin weigerten, die Ambitionen des Erzherzogs offen zu unterstützen, stellten sie sich ihnen aber auch nicht deutlich in den Weg.³⁹⁰ Im Unterschied zum päpstlichen Gesandten, in dessen Berichten ähnliche Tendenzen nicht vorkommen, sahen die Spanier im ganzen Zwist auch eine Chance, den Kaiser dazu zu zwingen, sich endlich mit der Frage seiner Nachfolge zu befassen. Wenngleich sie sich völlig dessen bewusst waren, welche Gefahr die Zugeständnisse von Matthias gegenüber den Protestanten für die Gegenreformation bedeuteten, unterstützten sie von Anfang an seine Ambition, Nachfolger des Kaisers im Heiligen Römischen Reich zu werden. Bereits 1606 versprach Phil-
Zu dieser Frage unter dem Aspekt der päpstlichen Politik vgl. Černušák, Die Papstpolitik (wie Anm. 40). Zur vielseitigen Zusammenarbeit beider Diplomaten vgl. z. B. Linhartová, EAAC II (wie Anm. 62), Nr. 104, 113, 134, 146, 149, 155, 159. Giordano, Le istruzioni (wie Anm. 67), S. 38 – 39. Linhartová, EAAC II (wie Anm. 62), Nr. 85, S. 142; Nr. 97, S. 163 – 164. Linhartová, EAAC II (wie Anm. 62), Nr. 159, S. 320 – 328; Nr. 160, S. 328 – 335; Nr. 165, S. 359 – 360; Linhartová, EAAC III/1 (wie Anm. 62), Nr. 25, S. 81– 87. Anstatt des kranken Guillén de San Clemente verhandelte mit Erzherzog Matthias in Tschaslau (Čáslav) der Sekretär der Botschaft Pedro de Montañana. Seine Reflexion der Verhandlungen widerspiegeln seine Briefe, die er am 12. und 13. 5. 1608 gerade an San Clemente schickte. – de Ayerbe, Correspondencia (wie Anm. 77), S. 237– 245. Linhartová, EAAC II (wie Anm. 62), Nr. 53, S. 82– 83; Nr. 159, S. 322– 323.
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ipp III. durch seines Gesandten Guillén de San Clemente Matthias seine Hilfe und verpflichtete sich, ihm Subsidien in Höhe von 30.000 Dukaten zu leisten.³⁹¹ Als aber Matthias Anfang 1608 seinen Gesandten Alessandro Ridolfi nach Madrid schickte, um Philipps offene Unterstützung in Fragen der Wahl zum römischen König einzufordern, wies der spanische Staatsrat unter Leitung von Juan de Idiáquez seinen Antrag mit dem Argument zurück, dass die Zeit für solche radikalen Schritte noch nicht reif sei.³⁹² Die nachsichtige Haltung der spanischen und päpstlichen Diplomatie zu Matthias’ Auftreten wurde von den wichtigsten Vertrauten des Gesandten San Clemente und Nuntius Caetani aus den Reihen der kaiserlichen Hofleute bei weitem nicht geteilt. Kardinal Franz von Dietrichstein sowie Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz lehnten Matthias’ Auflehnung schärfstens ab und standen fest auf der Seite ihres Herrschers. Beide hatten übrigens viele Gründe dafür, sich streng an den Treueeid zu halten, durch den sie Rudolf II. verbunden waren. Kardinal Franz von Dietrichstein trat gerade in der Zeit des entstehenden Zwistes zwischen dem Kaiser und seinem Bruder seine höfische Karriere an. Bereits im Januar 1607 wurde er in den kaiserlichen Geheimrat eingeführt und im Herbst sogar dessen Präsident, wodurch Dietrichstein die mächtigste Person am Prager Hof wurde. Wollte der Kardinal diesen einflussreichen Posten behalten, musste er sich entschlossen von jeglicher Zusammenarbeit mit Erzherzog Matthias distanzieren.³⁹³ Der Oberstkanzler des Königreichs Böhmen, Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz, war im Unterschied zu Kardinal Dietrichstein kein Mitglied des Geheimrats. Trotzdem bedeutete sein Amt ein beträchtliches Sozial- und Machtkapital. Somit hatte er ebenso wie Dietrichstein keinerlei Anlass, sich während des Bruderzwistes an die Seite von Matthias zu stellen und dadurch den Verlust des erlangten Status zu riskieren.³⁹⁴ Neben persönlichen Gründen können bei der prokaiserlichen Haltung beider Adeligen auch ihre Familientradition, die auf Loyalität zum Herrscher gründete, sowie Bedenken bezüglich des Schicksals der Gegenreformation im Königreich Böhmen, eine gewisse Rolle gespielt haben.³⁹⁵
Tenora, Účast (wie Anm. 306). Der Standpunkt Spaniens zum Bruderzwist im Hause Habsburg wurde zuletzt nähergebracht von González Cuerva, La embajada (wie Anm. 185). Näheres zu diesem Thema Marek, Pavel: Die Rolle der spanischen Klienten aus den Reihen des böhmischen und mährischen Adels bei der Lösung des Bruderzwistes. In: Ein Bruderzwist im Hause Habsburg (1608 – 1611). Hrsg. von Václav Bůžek. České Budějovice 2010 (Opera historica 14). S. 179 – 209. Zu Lobkowitz vgl. Marek, Zdenco Adalbert (wie Anm. 316). Zur gegenreformatorischen Tätigkeit von Dietrichstein und Lobkowitz vgl. insbesondere Balcárek, Kardinál (wie Anm. 293); Parma, František kardinál (wie Anm. 98); Glücklich, Julius:
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Die ablehnende Haltung von Lobkowitz gegenüber Matthias hing schließlich zweifellos auch mit seinem böhmischen Landespatriotismus zusammen. Ebenso wie weitere Vertreter der Landesregierung und der Ständeopposition war er davon überzeugt, dass das Akzeptieren von Matthias’ Forderungen das Prestige des Königreichs und seine bedeutende Stellung in der gesamten Habsburgermonarchie beeinträchtigen würde. Gerade dieser Aspekt führte dazu, dass die politischen Schritte des Oberstkanzlers Lobkowitz schließlich andere waren, als die Vorgehensweise, die von Kardinal Dietrichstein vorgeschlagen wurde. Als das Konföderationsheer die nahe Umgebung der böhmischen Hauptstadt bedrohte, war der Olmützer Bischof, im Unterschied zu Zdenko Adalbert, bereit, dem Erzherzog große Zugeständnisse zu machen, die eng die staatsrechtliche Verfassung der Böhmischen Krone betrafen. Dieses Verhalten brachte ihm jedoch die Feindschaft der böhmischen Stände und die Ungnade des Kaisers ein. Dietrichstein, den der spanische Gesandte Guillén de San Clemente als „reinste, mit wahrhaftiger und großer Liebe dem Kaiser dienende Taube“ bezeichnete, wurde im Mai 1608 seines hohen Postens im Geheimrat enthoben und musste sich auf seine mährischen Güter zurückziehen.³⁹⁶ Rudolf II. wandte sich von jenem Moment an der Vorgehensweise zu, die von den Vertretern der böhmischen Landesregierung mit Lobkowitz an der Spitze vorgeschlagen wurde.³⁹⁷ Der Kompromissvertrag zwischen dem Kaiser und seinem Bruder Erzherzog Matthias, der im Juni 1608 im Feldlager unweit von Lieben (Libeň) geschlossen wurde, vermochte die Krise in der Habsburgermonarchie nicht abzuwenden. Die Friedensbedingungen sicherten Rudolf II. zwar den Kaisertitel sowie die Herrschaft über Böhmen, Schlesien, die Ober- und die Niederlausitz, es fand aber keine persönliche Versöhnung beider Brüder statt, da der Kaiser das Königreich Ungarn sowie Österreich und Mähren an Matthias abtreten musste. Matthias konnte sich zudem nicht nur des ungarischen Königstitels rühmen, sondern wurde auch zum böhmischen Thronanwärter ernannt – designatus in futurum Rex Bohemiae. ³⁹⁸ Mandát proti bratřím z 2. září 1602 a jeho provádění v letech 1602– 1604. In: Věstník Královské české společnosti nauk. Třída historická 10 (1904). S. 1– 28; Borovička, Počátky (wie Anm. 39). „Cardenal Dietrichstain que es una paloma en limpieza de entrañas y le sirve con grandes veras y amor y a mucha costa de su Hacienda…“ – de Ayerbe, Correspondencia (wie Anm. 77), S. 279. Über den Verlust an politischem Einfluss, den Dietrichstein im Zusammenhang mit dem Bruderzwist erlitt, spricht Tenora, Účast (wie Anm. 306). Marek, Die Rolle (wie Anm. 393). Über die Rolle, die bei den damaligen Ereignissen Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz spielte, spricht auch der Bericht des Sekretärs des toskanischen Großherzogs Francesco Guidi – ASFi, Mediceo del Principato, 4363, fol. 372– 380, Francesco Guidi an Sekretär Vinta (Prag, 26. 5. 1608). Zum sogenannten Frieden von Lieben Vorel, Velké dějiny (wie Anm. 220), S. 433 – 435.
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Die Unterstützung, die Rudolf II. im entscheidenden Zeitpunkt des Streites von den böhmischen Ständen erfuhr, war zudem nicht kostenlos. Um sich ihre Loyalität zu sichern, musste ihnen Rudolf II. versprechen, während des nächsten Landtags ihren Antrag in Sachen der Böhmischen Konfession zu behandeln, was dem päpstlichen Nuntius und dem spanischen Gesandten deutlich missfiel. Die Befürchtungen der Gesandten der katholischen Mächte wurden auch nicht durch den Umstand beschwichtigt, dass der Kaiser das Versprechen der Religionsfreiheit, das er seinen protestantischen Untertanen gegeben hatte, nicht ernst meinte. Er glaubte damals, dass er, sobald es gelungen sein werde, der Kriegsdrohung ein Ende zu setzen und die Ordnung im Lande wiederherzustellen, Mittel finden würde, sich seiner Verpflichtung zu entziehen. Die Bedeutung des bevorstehenden böhmischen Landtags war dermaßen offensichtlich, dass auch die Abreise des langjährigen spanischen Gesandten Guillén de San Clemente davon aufgehalten wurde, der 1608 nach vielen Dienstjahren endlich die Erlaubnis erhielt, in seine Heimat zurückzukehren. Obwohl sein Nachfolger, der erfahrene Diplomat Baltasar de Zúñiga y Fonseca, bereits im Juli am Kaiserhof angetreten war, sollten die stürmischen Landtagsereignisse von beiden Diplomaten gemeinsam verfolgt werden.³⁹⁹ Für Prager Verhältnisse erhielt Zúñiga seine erste Audienz relativ zeitig. Dennoch musste die Nachricht von seiner Begegnung mit dem Kaiser, die er dem spanischen König am 9. August 1608 sandte, in Madrid starke Beunruhigung hervorrufen. In seiner Relation schilderte Zúñiga Rudolf II. als ein menschliches Wrack. Obwohl das Gespräch auf Spanisch geführt wurde, hatte der Diplomat die Worte des Herrschers kaum verstanden, da der Kaiser mit ungewöhnlich schwacher und leiser Stimme gesprochen hatte. Noch größere Sorgen erregte beim Gesandten die Apathie des seelisch und körperlich erschöpften Herrschers, der keinerlei Interesse an Berichten aus Madrid zeigte.⁴⁰⁰ Baltasar de Zúñiga wurde von San Clemente äußerst geschätzt. Der erfahrene spanische Diplomat begrüßte
González Cuerva, Baltasar de Zúñiga (wie Anm. 43), S. 226. Es ist sicher nicht uninteressant, dass Zúñiga selbst in Madrid um das Verbleiben von Guillén de San Clemente bis zum Landtag bat. – NAP, SP-S, Kart. 1, Philipp III. an Guillén de San Clemente (Prag, 1. 9. 1608); Kart. 1, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 30. 8. 1608) „Respondiome con poquísimas palabras y con tono de habla tan débil que con ser su lenguaje muy castellano y estar yo muy cerca de Su Majestad casi no las percivía. La sustancia fue mostrar satisfacción de mi venida que el concierto se avía echo pero muy mal […]. No preguntó por la salud de Vuestra Majestad ni de ninguna otra cosa aunque le di la carta de la Reina Nuestra Señora. Parecióme persona tan acabada que ninguna que no esté deshauciada he visto en semejante estado y así me parece que anuque dure algún tiempo tiene manera de estar presto imposibilitado del todo para gobernar.“ – NAP, SP-S, Kart. 1, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 9. 8. 1608).
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es sehr, dass ein Mann aus einer der bedeutendsten spanischen Adelsfamilien sein Nachfolger geworden war, der sich außerordentlicher Fähigkeiten und reicher Erfahrungen aus seinen vorherigen diplomatischen Missionen in Brüssel und Paris rühmen konnte.⁴⁰¹ Obwohl sich die politische Lage in Prag von Tag zu Tag zuspitzte, und „der Kaiserhof voll von Hofleuten, die nicht nur einander nicht mögen, sondern wahrscheinlich nicht einmal ihren Herren liebhaben“,⁴⁰² war, war Guillén de San Clemente davon überzeugt, dass Baltasar de Zúñiga „dank seiner Behutsamkeit und seiner Weisheit dieses Meer voll von Klippen sicher zu befahren vermag“.⁴⁰³ Wenngleich Zúñiga stark hoffte, dass sein Vorgänger in den nächsten Monaten für ihn ein entschlossener Begleiter durch das verworrene Labyrinth des Kaiserhofes sein werde, wurde sein Wunsch nicht erhört. Noch bevor Guillén de San Clemente den Brief empfangen konnte, in dem ihn der spanische König darum bat, bis zum nächsten Landtag in Prag zu bleiben, verstarb er ganz plötzlich am 3. September 1608.⁴⁰⁴ Mit San Clemente verlor die spanische Diplomatie einen Mann, der sich deutlich um den Aufbau eines voll funktionsfähigen Klientensystems verdient gemacht hatte, und dies zudem in Verhältnissen, die wegen der emotionalen Instabilität des Kaisers solch einem Unterfangen nicht besonders gewogen waren. Die Verdienste von Guillén de San Clemente waren dermaßen evident, dass sich seine Amtsnachfolger noch viele Jahre später an ihn erinnerten.⁴⁰⁵ Auch der neue spanische Gesandte Baltasar de Zúñiga sparte nicht mit Worten des Lobes: „Es endete das Leben eines der edelmütigsten Ritter und Minister, die Spanien je hervorgebracht hat, eines Menschen, der mit den allerbesten Eigenschaften begabt war“, schrieb er zwei Tage nach San Clementes Tod an den katholischen König Philipp III.⁴⁰⁶
NAP, SP-S, Kart. 1, Guillén de San Clemente an König Philipp III. (Prag, 2. 8. 1608). Zu Zúñiga vgl. González Cuerva, Baltasar de Zúñiga (wie Anm. 43). „[…] la corte è piena di ministri che non si amano fra di loro e non so se amano il signor loro al quale servono.“ Mit diesen Worten beschrieb die Situation am Kaiserhof der Sekretär des savoyischen Herzogs Gieronimo Lovencito. – ASTo, Lettere ministri, Austria, mazzo 6, il segretaro Gieronimo Lovencito, Praga 1601– 1617, sine folio, Gieronimo Lovencito an den Herzog von Savoyen (Prag, 27. 8. 1607). „Con su blandura y prudencia podrá navegar por este mar tan lleno de escollos.“ – NAP, SPS, Kart. 1, Guillén de San Clemente an König Philipp III. (Prag, 2. 8. 1608). Marek, La embajada (wie Anm. 34), S. 94– 96. AGS, E 711, fol. 110, Las cartas del conde de Oñate del primo, trece y catorce del pasado: 1617; AGS, E 2507, fol. 346, (Wien, 21. 6. 1623), Conde de Oñate an König Philipp IV. „[…] ha se acavado en él a mi juizio uno de los más honrados caballeros y ministros que a salido de España y en quien mayores partes concurrieron porque fue grande su paciencia en tan gravissima y tan larga enfermedad, su charidad y largueza con los religiosos y pobres catholicos
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San Clementes Tod bedeutete einen harten Schlag nicht nur für Baltasar de Zúñiga und die spanische Diplomatie, sondern für alle Katholiken in der Habsburgermonarchie. Die damaligen Beobachter waren sich, unabhängig von ihrer Konfession, in ihren Zeugnissen einig, dass der Prager Hof mit dem Ableben San Clementes eine der bedeutendsten Persönlichkeiten verloren hat, die dank ihrer diplomatischen Fähigkeiten, ihrer Besonnenheit und Weisheit quer durch die konfessionell gespaltene Gesellschaft respektiert wurde.⁴⁰⁷ Auch Baltasar de Zúñiga meisterte seine Mission am Kaiserhof erfolgreich und trug intensiv dazu bei, dass die Spanier in Prag einen nachhaltigen und stabilen politischen Einfluss behielten. Obwohl sich das von den spanischen Gesandten am Kaiserhof genutzte Klientensystem bereits in den Zeiten seines Amtsvorgägers stabilisiert hatte, musste auch Zúñiga bei seiner Arbeit genügend Scharfsinn zeigen und tapfer vielen Problemen und Hindernissen trotzen. Die erste Schwierigkeit hing eng mit den Ergebnissen des Friedens von Lieben zusammen, als sich die bislang einheitliche Herrschaft über die mitteleuropäische Habsburgermonarchie in zwei Machtzentren teilte: den Prager Kaiserhof Rudolfs II. und den Wiener Hof seines Bruders Matthias. Baltasar de Zúñiga residierte auch nach 1608 weiterhin in Prag, zu Kaiser Rudolf II. nahm er jedoch eine deutlich kritischere Haltung ein als Guillén de San Clemente.⁴⁰⁸ Vom ersten Moment an der Spitze der Botschaft an hielt er es aber für notwendig, Kontakte mit Wien zu knüpfen, weil immer offensichtlicher wurde, dass gerade der dortige Hof die Zukunft der habsburgischen Besitzungen in Mitteleuropa darstellte. Die Aufrechterhaltung des spanischen Einflusses in diesem bipolaren System war jedoch keineswegs einfach. Die meisten Klienten des katholischen Königs blieben fest am de esta tierra su celo entrañable del servicio de Nuestro Señor y de la conservación y aumento de su santa fee y en su lugar no menor el amor al servicio de Vuestra Majestad y el deseo de ensalzamiento de su Corona.“ – NAP, SP-S, Kart. 1, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 5. 9. 1608). Vgl. z. B. das Zeugnis des toskanischen Residenten Francesco Guidi: „Il signor Don Guglielmo San Clemente Ambasciatore di Spagna in questa corte sendo lunedi passato stato a vedere la rinnovazione di questi senati et al banchetto che fece il giudice cesareo di questa Città a tutti gli offitiali supremi di questo Regno da quali si licenziò et il martedì per il medessimo effetto dall′ ambasciatore di Venezia sendo la sera sull’imbrunino assalito di catarro il quale crescendo di maniera che a mezza notte lo privò della favella et della vista. Mercoledì mezz’hora avanti mezzo giorno rese lo spirito alla Maestà di Dio. Sendo concorso al avviso dell’accidente tutta questa città a vederlo come feci anch’io non solo la mattina subito che lo seppi ma il venerdi sera ancora al reposito che si fece del suo corpo et il sabato mattina alla messa cantata che se li celebrò potendo dir a Vostra Altezza che questa nobiltà ha dato segno di portarle grande amore poiche anche heretici hanno fatto a gara a portarlo et intervenire a suoi funerali.“ – ASFi, Mediceo del Principato, 4363, fol. 525 – 529, Francesco Guidi an Ferdinando dei Medici (Prag, 8. 9. 1608). González Cuerva, La embajada (wie Anm. 185), S. 69.
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rudolfinischen Hof integriert, und wenngleich sich Zúñiga auch großen Respekts bei König Matthias erfreute, war es für ihn nicht einfach, Mitarbeiter aus den Kreisen von Matthias’ Hofleuten für sich zu gewinnen. Schuld daran war vor allem Kaiser Rudolf II., der alle Personen aus dem Umkreis von Matthias als illoyale Überläufer betrachtete und den spanischen Gesandten stur an jedweden Kontakten mit ihnen hinderte. Sämtliche Gunstbezeugungen, die der spanische König in den Jahren 1608 – 1612 den Dienern von Matthias erwies, mussten somit unter absoluter Geheimhaltung erfolgen.⁴⁰⁹ Obwohl Zúñiga seinem König mitteilte, er werde „unter allen Umständen im Einklang mit den Wünschen der päpstlichen Diplomaten“ handeln, waren die von den Diplomaten in Madrid und Rom eingenommenen Standpunkte zum sich entfaltenden Bruderzwist nicht völlig identisch.⁴¹⁰ Für Papst Paul V. blieb Matthias auch nach seiner Krönung zum ungarischen König im November 1608 eine äußerst unglaubwürdige Person, da er seine Position mit Hilfe einer aktiven Revolte gegen den Kaiser erlangt hatte, während der er sich zudem auf die Hilfe nichtkatholischer Stände gestützt hatte. In den Augen der päpstlichen Diplomaten schadete es Matthias jedoch möglicherweise noch mehr, dass er sich auch weiterhin mit protestantischen Beratern umgab und vor seiner ungarischen Krönung seinen neuen Untertanen Religionsfreiheit garantiert hatte. Als er später auch den Österreichern und den Mährern diese Privilegien erteilte, begann man sich in Rom ernsthaft mit der Frage einer eventuellen Exkommunikation von Matthias zu befassen.⁴¹¹ Obwohl sich Papst Paul V. schließlich zu keinem solchen Schritt entschloss, strebten er und auch die geistlichen Kurfürsten lange Zeit danach, zu Rudolfs Nachfolger dessen jüngeren Bruder, den Statthalter in den Spanischen Niederlanden, Albrecht, oder den Erzherzog Ferdinand von Steiermark zu machen.⁴¹²
González Cuerva, Baltasar de Zúñiga (wie Anm. 43), S. 315 – 317; Marek, La embajada (wie Anm. 34), S. 103 – 105. „[…] andará siempre muy conforme con los ministros del papa por que entiende que su Sd procede muy sinceramente en estar unido con Vuestra Merced.“ – AGS, E 709, n. 196, fol. 1v, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 25. 12. 1610). Giordano, Silvano: Dignitas et salus tua nobis summopere cordi est. Mattia II, re d’Ungheria (1608 – 1611) e Paolo V nelle carte vaticane. In: Gli archivi della S. Sede e il Regno d’Ungheria (secc. XV–XX). Studi in memoriam di Lajos Pásztor archivista ungherese dell’Archivio Segreto Vaticano. Hrsg. von Gaetano Platania [u. a.]. Budapest – Roma 2008. S. 104– 108. Niederkorn, Papst (wie Anm. 40). Die Aussichten Albrechts auf den römischen Thron wurden nähergebracht von Duerloo, Luc: For Dynasty, Church and Empire: Archduke Albert and the Coming of the Bruderzwist. In: Ein Bruderzwist im Hause Habsburg (1608 – 1611). Hrsg. von Václav Bůžek. České Budějovice 2010 (Opera historica 14). S. 131– 153.
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Obwohl man auch am spanischen Königshof Matthias’ Zugeständnisse den protestantischen Ständen gegenüber misstrauisch beäugte, maß man dort ein größeres Gewicht den dynastischen Bedürfnissen als den religiösen Fragen zu. Baltasar de Zúñiga sollte Matthias aufgrund des Wunsches des spanischen Staatsrats zu erkennen geben, dass Philipp III. seine Nachfolgeansprüche im Heiligen Römischen Reich völlig unterstützt. Die Art und Wiese, wie er dies tat, sollte aber dem Kaiser nicht den geringsten Anlass zum Misstrauen geben.⁴¹³ Die Tatsache, dass man in jener Zeit in Madrid mit keiner anderen Variante ernsthaft rechnete als mit der Nachfolge durch Erzherzog Matthias, sollte sich nach dessen ungarischer Krönung im Herbst 1608 noch mehr bestätigen. Der spanische König erkannte nicht nur umgehend den neuen Status von Matthias an, sondern sprach ihm auf Anregung Baltasars de Zúñiga ebenfalls ein Subsidium in Höhe von 200.000 Dukaten zu. Er glaubte nämlich, dass er nur so eine noch tiefere Abhängigkeit des neuen ungarischen Königs von dessen nichtkatholischen Untertanen verhindern könne.⁴¹⁴ Am Kaiserhof selbst dagegen kamen diese Unstimmigkeiten zwischen den päpstlichen und spanischen Interessen nicht deutlich zum Vorschein, eher im Gegenteil. Hatte bereits der Feldzug von Matthias im Frühjahr 1608 die Zusammenarbeit zwischen Antonio Caetani und Guillén de San Clemente vertieft, so galt das für die Ereignisse, die sich während des böhmischen Landtags 1609 abspielten, in doppeltem Maße.⁴¹⁵ Auch in diesem Fall traten der neue spanische Gesandte Zúñiga und der apostolische Nuntius Caetani sowohl direkt als auch indirekt in die politischen Verhandlungen mittels ihrer Vertrauten aus den Reihen der kaiserlichen Hofleute und des böhmischen Adels ein.⁴¹⁶
„Procurando encaminar las cosas a ese fin, pero por tal termino que el Emperador no tenga justas causas de quexarse y Mathias conozca que V Md desea y procura que se haga en el la election de Rey de Romanos.“ – AGS, E 709, n. 44, fol. 1v. González Cuerva, La embajada (wie Anm. 185), S. 70. Vgl. Vávra, Josef: Katolíci a sněm český r. 1608 a 1609. In: SHK 1 (1893). S. 3 – 28. Die darauffolgenden Verhandlungen des böhmischen Landtags wurden jüngst geschildert von Čechura, Jaroslav: 5. 5. 1609. Zlom v nejdelším sněmu českých dějin. Generální zkouška stavovského povstání. Praha 2009. Vgl. z. B. Marek, Pavel: Die Rezeption des rudolfinischen Majestätsbriefs im Milieu des böhmischen katholischen Adels. In: Religion und Politik im frühneuzeitlichen Böhmen. Der Majestätsbrief Kaiser Rudolfs II. von 1609. Hrsg. von Jaroslava Hausenblasová [u. a.]. Stuttgart 2014. S. 117– 133; Černušák, Tomáš: Die päpstliche Politik in Mitteleuropa vor und nach dem Majestätsbrief – Wandel oder Kontinuität? In: Religion und Politik im frühneuzeitlichen Böhmen. Der Majestätsbrief Kaiser Rudolfs II. von 1609. Hrsg. von Jaroslava Hausenblasová [u. a.]. Stuttgart 2014. S. 55 – 61.
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Vom Kern des päpstlichen Beziehungsnetzwerks, so wie sich dieses im Jahr 1607 herausgebildet hatte, blieben nur Barvitius und Attems aktiv. Der Nuntius erkundete am Hof vor allem mit Hilfe von Barvitius aktuelle Informationen über das Geschehen im Heiligen Römischen Reich und versuchte über ihn den Kaiser dazu zu bewegen, sich mit Erzherzog Matthias zu versöhnen und die katholischen Interessen gegen die religiösen Forderungen der böhmischen Stände zu verteidigen.⁴¹⁷ Caetani, der die Möglichkeit, eine Audienz beim Kaiser zu bekommen, eigentlich schon aufgegeben hatte, nutzte Barvitius wiederholt zur Übergabe päpstlicher Breve an den Kaiser.⁴¹⁸ Aber die Möglichkeiten und die Bereitschaft, die Barvitius dem Nuntius entgegenbrachte, waren nicht immer grenzenlos.⁴¹⁹ Hermann Attems erfreute sich ebenfalls keiner besonderen Gunst bei Caetani.⁴²⁰ Im Oktober 1608 bekam Caetani zwar eine wichtige Information zu Reichsangelegenheiten von ihm, fügte aber gleich hinzu, dass er, „wenn die Nachricht von jemand anderem als von Attems gestammt hätte, ihr eher glauben würde“, da er schon mehrmals Erfahrung mit „dem Leichtsinn dieses Autors“ gemacht habe.⁴²¹ Einer noch größeren Kritik wird in der Korrespondenz des Nuntius vom Herbst 1608 und vom ersten Halbjahr 1609 der Vizekanzler Stralendorf ausgesetzt, und zwar vor allem, weil er den Antrag des Protestanten Johann Friedrich von Schleswig-Holstein-Gottorp unterstützte, der sich darum bemühte, Administrator des Erzbistums Bremen zu werden.⁴²² Als starker Verbündeter der Politik Caetanis, vor allem im Zusammenhang mit den Forderungen der böhmischen und schlesischen nichtkatholischen Stände, trat der bereits erwähnte Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz in den Vordergrund. Lobkowitz wurde dank seiner Stellung beim Kaiser, am Hof sowie unter den Landesbeamten aktiv zur Verteidigung katholischer Interessen und zur Verhinderung der Umsetzung der Forderungen der böhmischen Stände genutzt, indem er während des Landtags 1609 Stellungnahmen präsentierte, die jenen Po-
Vgl. Černušák, EAAC IV (wie Anm. 63), Nr. 5,4, S. 9; Nr. 16,2, S. 20; Nr. 41,3, S. 40; Nr. 70,1, S. 66; Nr. 192,2, S. 162; Nr. 257,4, S. 220; Nr. 291,2– 3, S. 251. Černušák, EAAC IV (wie Anm. 63), Nr. 256,5, S. 216; Nr. 388,2, S. 326. So schrieb beispielsweise am 22. September 1608 Caetani nach Rom, er werde zusammen mit Barvitius mittels eines gemeinsamen Auftretens der Mitglieder des Geheimrats und böhmischer Landesbeamter versuchen, den Kaiser dazu zu ermuntern, die Frage der Versöhnung mit Matthias zu behandeln. Bereits zwei Wochen später teilte jedoch der Diplomat mit, dass das Interesse von Barvitius abgekühlt sei. – Černušák, EAAC IV (wie Anm. 63), Nr. 31,2, S. 32; Nr. 49,2, S. 47. Černušák, EAAC IV (wie Anm. 63), Nr. 16,3, S. 20; Nr. 191,1, S. 162. „[…] ma l’esperienza mi ha fatto più volte conoscere, quanto poco posso fondarmi sopra la leggierezza di questo autore.“ – Černušák, EAAC IV (wie Anm. 63), Nr. 72, S. 68. Černušák, EAAC IV (wie Anm. 63), Nr. 5,3, S. 9; Nr. 41,3, S. 40.
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I Die päpstliche und die spanische Politik am Kaiserhof
sitionen nahe waren, die Nuntius Caetani am Hof durchzusetzen versuchte.⁴²³ Auf den Oberstkanzler des Königreichs Böhmen stützte sich aber zur selben Zeit auch der neue spanische Gesandte Baltasar de Zúñiga. In seinen nach Madrid gesandten Relationen stellte er Lobkowitz als führende Persönlichkeit der böhmischen Katholiken und einen ergebenen Anhänger der Herrscherdynastie und gegenreformatorischer Gedanken dar. Die Bedeutung von Lobkowitz für die Durchsetzung der spanischen Imperialpolitik in Mitteleuropa schätzte er als dermaßen groß ein, dass er nicht zögerte, den katholischen König Philipp III. dazu aufzufordern, die Dienste von Lobkowitz, die er dieser Dynastie und der römischen Kirche erwiesen hat, mit dem höchsten habsburgischen Orden – dem Orden vom Goldenen Vlies – zu ehren.⁴²⁴ Die Tatsache, dass gerade Lobkowitz in jener Zeit für die spanische und für die päpstliche Politik zur zentralen Figur am Kaiserhof wurde, war vor allem durch den aktuellen Bedarf und Charakter der behandelten Angelegenheiten gegeben, die eben das Königreich Böhmen eng berührten. Das spanische und das päpstliche Beziehungsnetzwerk umfasste damals zwar auch viele weitere Personen aus den Reihen der kaiserlichen Hofleute und des Landesadels, keine von ihnen aber hatte solch einen Einfluss und solch einen Überblick über das Geschehen in den böhmischen Kronländern wie Lobkowitz. Mindestens seit seiner Ernennung zum Oberstkanzler 1599 wurde Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz am spanischen Königshof als Hauptexperte für die „böhmischen Angelegenheiten“ angesehen und als solcher auch bis zu seinem Tode 1628 genutzt.⁴²⁵ Die erhöhte Aufmerksamkeit, die die spanische Diplomatie in jener Zeit gerade der Zusammenarbeit mit Lobkowitz widmete, kann daher nicht als Folge der Transformation des klientelistischen Netzwerks gesehen werden. Das Netzwerk hatte sich nämlich gegenüber den vorherigen Jahren nicht stark verändert. Was sich jedoch sehr wohl verändert hatte, waren die aktuellen Bedürfnisse der spanischen Diplomatie, in der die sogenannte böhmische Frage in den Vordergrund trat. Das Vertrauen, das der spanische Gesandte in die Fähigkeiten Lobkowitz’ setzte, war berechtigt. Denn es war gerade der Oberstkanzler gewesen, der den Kaiser davon überzeugt hatte, den Landtag am 1. April 1609 erneut auflösen zu lassen, ohne dabei irgendetwas zugunsten der nichtkatholischen Opposition zu beschließen. Die Auflösung des Landtags war die letzte resolute Antwort Rudolfs II. auf das Auftreten der böhmischen protestantischen Stände. Jedoch Z. B. Černušák, EAAC IV (wie Anm. 63), Nr. 226,1, S. 189; Nr. 257,4– 8, S. 220 – 221.Vgl. Marek, Die Rezeption (wie Anm. 416). NAP, SP-S, Kart. 1, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 14. 2. 1609). Über die Zusammenarbeit zwischen Lobkowitz und Zúñiga vgl. Marek, Zdenco Adalbert (wie Anm. 316). Marek, Zdenco Adalbert (wie Anm. 316).
I.4 Die spanische und die päpstliche Politik am Prager Hof
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brachte sie keine Beruhigung im Lande mit sich. Ermuntert durch die Ergebnisse des Widerstands der Stände in den umliegenden Ländern beriefen die Nichtkatholiken gleich nach Auflösung des Landtags einen neuen Landtag ein. Dieser sollte am 4. Mai im Rathaus der Prager Neustadt zusammenkommen. Zugleich begannen sie eigene bewaffnete Streitkräfte zu organisieren, was den bisherigen Machtdiskurs auf eine völlig neue Basis stellte. Von nun an bekam der Kampf der Stände für Religionsfreiheit ganz offensichtliche Züge einer Rebellion. Während die böhmische Ständeopposition weiterhin fest an ihren Forderungen festhielt und entschlossen war, ihren Konflikt bis zum Ende zu führen, wuchsen im katholischen Lager Auseinandersetzungen zwischen den Befürwortern der traditionellen konservativen Politik und den Angehörigen der „jungen“ bzw. „neuen“ katholischen Generation, an deren Spitze Lobkowitz stand.⁴²⁶ Die Vertreter der gemäßigten Katholiken, geführt von Oberstburggraf Adam von Sternberg, waren bereits damals bereit, den Rebellen gewisse Zugeständnisse zu machen, denn nur auf diese Weise konnte der Kaiser ihrer Meinung nach die böhmische Königskrone für sich retten. Entgegengesetzter Meinung war der Oberstkanzler Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz, der zusammen mit Hermann Attems, dem Obersthofmeister am Kaiserhof, den Kaiser aufforderte, die Rebellion der böhmischen nichtkatholischen Stände militärisch niederzuschlagen. Es war sicherlich kein Zufall, dass auch der spanische Gesandte Baltasar de Zúñiga nach einer solchen Lösung des Konflikts strebte.⁴²⁷ Bereits im April informierte Zúñigas Sekretär Francisco de Losu den spanischen Staatssekretär Andrés de Prada darüber, dass es höchst angebracht wäre, gegen die Rebellen militärische Kraft einzusetzen. Zugleich kritisierte er Rudolf II. scharf, dass er sich weigere, 200.000 Gulden aus seiner Kasse auszugeben, die ausreichen würden, ein Heer von 20.000 Mann anzuwerben. Mit solch einem Heer könne, seinen Worten zufolge, Rudolf II. die böhmischen Aufständischen leicht bestrafen und zudem deren Sympathisanten im Reich Furcht einjagen. In den darauffolgenden Wochen steigerte sich die Entschlossenheit der spanischen Diplomaten, das Militär zur Bezwingung der Opposition einzusetzen, noch mehr.⁴²⁸ Als Anfang Mai das Ständeheer langsam in der Prager Neustadt zusammenkam und die Vertreter der Opposition im Neustädter Rathaus zu tagen begannen, bot Baltasar de Zúñiga dem Kaiser an, bei örtlichen italienischen Kaufleuten genügend finanzielle Mittel zu leihen, um mit der Aufrüstung anfangen zu können. Weiteres Geld sowie militärische Hilfe sagte er ihm dann im Namen des spani-
Marek, Die Rezeption (wie Anm. 416). NAP, SP-S, Kart. 1, Francisco de Losu an Andrés de Prada (Prag, 11. 4. 1609). NAP, SP-S, Kart. 1, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 16. 5. 1609).
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I Die päpstliche und die spanische Politik am Kaiserhof
schen Königs Philipp III. zu. Zúñiga schickte seinem Monarchen einen Brief, in dem er ihn darum bat, sich so schnell wie möglich an den Mailänder Statthalter Pedro Enríquez de Acevedo, Conde de Fuentes und an den Statthalter der habsburgischen Niederlande Erzherzog Albrecht zu wenden und diese aufzufordern, ein Heer zusammenzutrommeln und es nach Böhmen zu schicken. Zúñigas Worten zufolge wäre es gut, einen schnellen Krieg gegen das ungeübte und schlecht bewaffnete Heer der böhmischen Stände anzufangen und „das Feuer zu löschen, bevor es irreparable Schäden anrichtet“.⁴²⁹ Während Zúñigas Kriegsplan bei einem Teil des mitteleuropäischen Adels auf lebhafte Resonanz stieß, und auch die Einstellung von Nuntius Caetani dazu positiv zu sein schien,⁴³⁰ fand er weder beim katholischen König noch beim Kaiser selbst Unterstützung. Philipp III. setzte unter Einfluss seines Validos, Duque de Lerma, auch weiterhin seine bisherige Friedenspolitik fort (sogenannte Pax Hispanica) und hatte keinerlei Absichten, Spanien in ein weiteres Kriegsabenteuer zu verwickeln.⁴³¹ Der angstvolle Rudolf II. äußerte zwar zunächst Zufriedenheit über Zúñigas Angebot militärischer und finanzieller Hilfe, bald darauf kamen in ihm jedoch wieder Zweifel über die Richtigkeit solchen Vorgehens auf, und er machte einen Rückzieher. Eine bedeutende Rolle in der Entwicklung von Rudolfs Haltung zur Lösung des Konflikts spielte die Veränderung, zu der es während der entscheidenden Momente im Geheimrat des Kaisers gekommen war. An seine Spitze wurde anstelle von Hermann Attems ein Verfechter der versöhnlichen Politik, Landgraf Georg Ludwig von Leuchtenberg, ernannt, der intensiv von Andreas Hannewald von Eckersdorf, einem neuen Günstling Rudolfs II., unterstützt wurde.⁴³² Obwohl Leuchtenberg ebenfalls zum klientelistischen Netzwerk des spanischen Königs gehörte und 1612 für seine Dienste für die Dynastie den Orden vom
Zúñiga schreibt wörtlich: „Bien veo que el empeñar a Vuestra Majestad en una guerra auxiliaria como podría ser esta tiene mucha consideración y que no se deve entrar en ella sin mucho tiento, pero si llegase el agua a la boca y se viese la perdición manifiesta y urgentísima la necesidad mucho se ganaría en acudir al remedio con presteza como se podría hacer teniendo dispuestas y trazadas las ayudas y con poco quizá se apagaría un fuego que después sería inremediable.“ – NAP, SP-S, Kart. 1. Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 16. 5. 1609) – Dies geht aus seinen Aussagen in den Briefen an Kardinal Borghese vom Mai 1609 hervor. – Černušák, EAAC IV (wie Anm. 63), Nr. 400,5, S. 337; Nr. 19,4, S. 353 – 354. Zur Politik des sogenannten Spanischen Friedens vgl. García García, La pax (wie Anm. 31); Allen, Paul C.: Felipe III y la Pax Hispánica, 1598 – 1621: el fracaso de la gran estrategia. Madrid 2001. Zu Rudolfs Haltung und zum Einfluss Hannewalds vgl. NAP, SP-S, Kart. 1, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 16. 5. 1609; 21. 5. 1609). Zum Einfluss von Andreas Hannewald und Georg Ludwig von Leuchtenberg ebenfalls Janáček, Rudolf II. (wie Anm. 35), S. 446.
I.4 Die spanische und die päpstliche Politik am Prager Hof
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Goldenen Vlies erhielt, war seine Haltung deutlich anders als die von Baltasar de Zúñiga und jene des Vertrauten des Gesandten Lobkowitz, die sich weiterhin unversöhnlich gegenüber Zugeständnissen für die nichtkatholische Opposition zeigten. Lobkowitz war dermaßen fest von der Richtigkeit eines solchen Vorgehens überzeugt, dass er sich nach dem Erlass des Majestätsbriefes Rudolfs II. über die Religionsfreiheit (am 9. Juli 1609) weigerte, dieses Dokument mit seiner Unterschrift zu bekräftigen.⁴³³ Weder das Drängen des Kaisers noch Drohungen der nichtkatholischen Stände vermochten ihn damals zu überzeugen. Beim entschlossenen Beharren auf seinen Prinzipien halfen ihm möglicherweise auch Konsultationen mit dem päpstlichen Nuntius, dem spanischen Gesandten sowie mit Prager Theologen, die ihm versicherten, dass ihm Gott sowie dessen Vertreter auf Erden weiterhin gewogen bleiben würden. Ihre Unterstützung spielte aber wohl bei der Entscheidung von Lobkowitz nur eine nebensächliche Rolle. Eine viel wahrscheinlichere Erklärung für die Haltung des Kanzlers bieten die Zeugnisse Wilhelm Slawatas von Chlum und Koschumberg sowie von Baltasar de Zúñiga, die beide die Hauptursache von Lobkowitzs unerschrockener Haltung in dessen eigenem religiösem Eifer sahen.⁴³⁴ Der Majestätsbrief über die Religionsfreiheit musste daher anstelle vom Kanzler schließlich vom Oberstburggrafen Adam von Sternberg kontrasigniert werden.⁴³⁵ Aber selbst die tapfere Tat von Lobkowitz vermochte nicht den Schlag zu lindern, welchen die von den päpstlichen Nuntien und spanischen Gesandten am Kaiserhof jahrelang verfolgte gegenreformatorische Politik durch den Erlass des Majestätsbriefes erlitt. Während die Katholiken in Prag vor nur zehn Jahren einen großen Sieg gefeiert hatten, lagen nun ihre Pläne zur Rückkehr des Königreichs Böhmen in den Schoß der römischen Kirche in Trümmern.⁴³⁶
Aus der neueren Literatur zum Majestätsbrief Rudolfs II. vgl. insbesondere Janáček, Rudolf II. (wie Anm. 35), S. 429 – 448; Just, Jiří: 9. 7. 1609, Rudolfův Majestát, Světla a stíny náboženské svobody. Praha 2009; Hausenblasová, Religion (wie Anm. 36). Zum Verhalten von Lobkowitz vgl. insbesondere Marek, Die Rezeption (wie Anm. 416). Jireček, Josef (Hrsg.): Paměti nejvyššího kancléře Království českého Viléma hraběte Slavaty. Bd. II. Praha 1868. S. 147. Ähnlich informierte über die ganze Angelegenheit auch der spanische Gesandte Zúñiga: „Mandó al baron Popel Gran Canciller que lo subscriviese y por tres o cuatro veces siempre se escusó de hacerlo diciendo que su conciencia le dictava que no lo podía hacer y los teologos con quien lo avía comunicado se lo decían así.“ – NAP, SP-S, Kart. 1, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 18. 7. 1609). Krofta, Kamil: Majestát Rudolfa II. Praha 1909. S. 20. Hierzu beispielsweise das Zeugnis des spanischen Gesandten Baltasar de Zúñiga. – NAP, SPS, Kart. 1, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 18. 7. 1609); AGS, E 709, fol. 78 – 79, der Spanische Staatsrat an König Philipp III. (Madrid, 23. 8. 1609).
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I Die päpstliche und die spanische Politik am Kaiserhof
I.5 Der Niedergang Rudolfs II. Nach dem Erlass des Majestätsbriefes über die Religionsfreiheit verlor Rudolf II. in den Augen der katholischen Welt die letzten Reste des Vertrauens, ja möglicherweise auch des Respekts. Die entgegenkommende Haltung des Kaisers zu den Forderungen der nichtkatholischen Stände wurde vom Heiligen Stuhl und von der spanischen Monarchie als schweres Versagen gewertet. Bereits Anfang Juli 1609, einige Tage vor der Veröffentlichung des bereits vereinbarten Dokuments, besprach Baltasar de Zúñiga die weitere Vorgehensweise mit Nuntius Caetani, und man kam überein, dass die Zeit reif sei, einen Nachfolger für den Kaiser zu ernennen. Auf Rudolf II. sollte in dieser Hinsicht auch der Kölner Kurfürst Ernst von Bayern einwirken, den Caetani mittels seines Emissärs Henot aufforderte, sich schleunigst nach Prag zu begeben.⁴³⁷ Die beiden Diplomaten ließen auch dann nicht nach, als sie von Johann Barvitius erfuhren, dass der Kaiser selbst gar nicht mit einer solchen Lösung der Krise rechnete.⁴³⁸ Mitte Juli machte Zúñiga Madrid den Vorschlag, es sei günstig, Rudolf II. auf dem böhmischen Königsthron durch seinen Bruder Matthias zu ersetzen, der aufgrund der Bedingungen des Friedens von Lieben als Nachfolger des Kaisers vorgesehen war – designatus in futurum Rex Bohemiae. Zu diesem radikalen Schritt rief er vor allem deshalb auf, weil er davon überzeugt war, dass der Gesundheitszustand und der Autoritätsverlust Rudolf II. völlig daran hinderten, sich erfolgreich der Verwaltung des Königreichs und der Ausübung des Kurfürstenamtes zu widmen. Zúñiga schilderte dem spanischen König damals ausführlich den Verlauf der Zusammenkunft mit Hermann Attems und Peter Heinrich von Stralendorf, die auf Anweisung des Kaisers hin Caetani den Erlass des Majestätsbriefs erklären sollten. In seiner Relation verschwieg Zúñiga auch nicht, dass der verbitterte päpstliche Diplomat während des Gesprächs sogar so weit ging, dem Kaiser mit Exkommunikation zu drohen, und dass er diese Drohung auch an all jene richtete, die an der Entstehung des Dokuments beteiligt waren.⁴³⁹ Als die Nachrichten des Nuntius über den Erlass des Majestätsbriefs in Rom ankamen, überdachte der Apostolische Stuhl radikal seine bisherige Haltung zum Kaiser. Bis dahin wurde er am Papsthof – bis auf einige Vorbehalte zu seiner Person und Politik – als souveräner Herrscher des Heiligen Römischen Reiches
Černušák, EAAC V (wie Anm. 63), Nr. 10, S. 14– 15. Černušák, EAAC V (wie Anm. 63), Nr. 11,2, S. 15 – 16. Dazu insbesondere – NAP, SP-S, Kart. 1, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 18. 7. 1609). Vgl. ebenfalls Černušák, EAAC V (wie Anm. 63), Nr. 11,1, S. 15. Zum Wandel des Verhältnisses des Heiligen Stuhls zu Kaiser Rudolf II. nach dem Erlass des Majestätsbriefs 1609 vgl. Černušák, Die päpstliche Politik (wie Anm. 416).
I.5 Der Niedergang Rudolfs II.
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und Stütze der katholischen Kirche respektiert. Nun aber hatte Rudolf II. seinen Kredit definitiv verspielt. Aus der Korrespondenz vom Sommer und Herbst 1609 zwischen Nuntius Caetani und dem Kardinalnepoten Scipione Borghese geht deutlich hervor, dass man in Rom die ganze Angelegenheit als persönliches Versagen des Kaisers wertete.⁴⁴⁰ Der bereits erwähnte Kardinal Scipione Borghese drückte dies folgendermaßen aus: „Keine Entschuldigung kann Schritte rechtfertigen, die die Kirche beeinträchtigen und dem katholischen Glauben schaden, für den der Kaiser aufgrund seiner Herrscherpflicht und seines Versprechens bis zum eigenen Blutvergießen kämpfen sollte.“⁴⁴¹ Aber es blieb nicht nur bei Worten der Entrüstung. Am Papsthof in Rom befasste man sich in jener Zeit auch intensiv mit der Frage der Absetzung des Kaisers. Als Präzedenzfall sollte das Eingreifen von Papst Innozenz IV. dienen, der beim ersten Konzil von Lyon 1245 nicht gezögert hatte, Friedrich II. des Throns zu entheben. Obwohl die Probleme, in die die katholische Kirche im Königreich Böhmen geraten war, nicht der bösen Absicht Rudolfs II. sondern eher seiner Torheit und seinem verstörten Geist („mente emota“) zugeschrieben wurden, befürchtete man, dass der Erlass des Majestätsbriefes nur der Anfang einer viel tieferen Krise sein könnte. Aus diesem Grunde war es erforderlich, dass ein absolut zuverlässiger Herrscher an der Spitze des Königreichs und des Heiligen Römischen Reiches stand. Wenn solch eine Lösung nicht genug Unterstützung erführe, so wollte man weitere unvorhersehbare Schritte des geisteskranken Herrschers zumindest durch das Ernennen eines Mitherrschers verhindern, der all seine Entscheidungen in die rechten Bahnen lenken würde.⁴⁴² Die Frage des Absetzens des Kaisers war natürlich von der Unterstützung der Kurfürsten abhängig. Während bei den Kurfürsten von Köln, Trier und Mainz zu erwarten war, dass sie den Vorschlag aus Rom begrüßen würden, war es bei den weltlichen Kurfürsten genau umgekehrt. Kardinal Borghese informierte daher in seiner Instruktion vom 1. August Antonio Caetani über das Vorhaben des Papstes, einen weltlichen Kurfürsten zu bestechen und mithilfe seiner Stimme im Kur-
„La risposta piena di lagrime, né queste bastano a rappresentar l’afflictione di Nostro Signore, tanto è stimata perniciosa la rovina.“ – Černušák, EAAC V (wie Anm. 63), Nr. 25,1, S. 26; „La determinatione così indegnamente fatta, […], si vede apertamente, che Sua Maestà ha la spada pendente di sopra al capo et non muove la mano per scanzarla.“ – Černušák, EAAC V (wie Anm. 63), Nr. 40,1, S. 37. „[…] veramente niuna scusa può difendere quello, che si fa con dimunutione et danno della religione cattolica per la quale S. M. tà dovrebbe pugnare conforme al debito et al giuramento, che ne tiene sino all’effussione del proprio sangue.“ – Černušák, EAAC V (wie Anm. 63), Nr. 41, S. 38. Abschriften dieser Erwägungen befinden sich im – NAP, SP-It, Kart. 8, Sign. 2 a–c (vgl. Sign. 2a, De imperatore deponendo vel coadiutore ei dando, sine dato).
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kollegium die Absetzung Rudolfs durchzusetzen. Zuvor sollte der erwähnte Plan jedoch noch mit dem spanischen König Philipp III. besprochen werden. Nuntius Caetani sollte daher die ganze Angelegenheit zunächst mit Zúñiga diskutieren und versuchen, mit dessen Hilfe Unterstützung aus Madrid zu finden.⁴⁴³ Obwohl der spanische Gesandte bald nachdem die Instruktion in Prag angekommen war, den katholischen König über das Vorhaben des Papstes informierte, ging aus seinem Schreiben deutlich hervor, dass er zur Sache eine äußerst zurückhaltende Haltung einnahm. Große Zweifel weckte bei ihm nicht nur die Frage, ob es überhaupt gelingen würde, eine Kurstimme zu kaufen, sondern vor allem die Grundlage des Plans an sich. Dieser konnte seiner Meinung nach nur dann erfolgreich sein, wenn sich alle weltlichen Kurfürsten, also samt Rudolf II. selbst, auf eine Abberufung des Kaisers einigen würden. Solch ein Szenario hielt er jedoch für äußerst unrealistisch.⁴⁴⁴ Wie der spanische Königshof reagierte, ist nicht bekannt. Man kann aber annehmen, dass sich der spanische Staatsrat, ähnlich wie in anderen Fällen, eher dem Standpunkt des Prager Diplomaten anschloss. Während am päpstlichen und am spanischen Hof Pläne geschmiedet wurden, wie man Rudolf II. am besten des Throns entheben könnte, starteten in Prag die Vertreter der protestantischen Opposition eine umfangreiche Kampagne gegen ihre Meinungsgegner aus den Reihen der radikalen Katholiken. Ihre bedeutendste Äußerung war eine über zwanzig Seiten lange Memorialschrift, in der Anschuldigungen gegen den Oberstkanzler Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz standen. Als sie dem Herrscher dieses Dokument am 24. Juli 1609 vorlegten, forderten sie, er solle Lobkowitz unverzüglich des Amtes entheben und ihm nie wieder ein anderes Landesamt anvertrauen.⁴⁴⁵ Um ihrer Bittschrift genügend Gewicht zu verleihen, drohten sie damit, dass ein weiteres Verbleiben von Lobkowitz in der böhmischen Hofkanzlei dem Land und der Autorität Rudolfs nur schaden würde und dass es den erneuerten Dialog zwischen der Ständegemeinde und dem König schwer beeinträchtigen könnte. Da Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz seine Unterschrift weder unter den Majestätsbrief über die Religionsfreiheit noch unter den Vergleich zwischen den katholischen und protestantischen Ständen gesetzt
Černušák, EAAC V (wie Anm. 63), Nr. 39,3, S. 36. Mayr, Karl (Hrsg.): Von der Abreise Erzherzog Leopolds nach Jülich bis zu den Werbungen Herzog Maximilians von Bayern im März 1610. München 1905 (Briefe und Acten zur Geschichte des Dreissigjährigen Krieges, Bd. VII). Nr. 61, S. 57– 58. Für den vollständigen Wortlaut der Beschwerde vgl. Archiv Národního muzea (ANM), Handschrift 280, fol. 661r–673r. Eine Edition dieser Quelle veröffentlichten Čechura Jaroslav u. Černá, Alena M.: Stavy kontra Popel z Lobkovic – letní spor v roce 1609. In: ČNM 176 (2007). S. 194– 216.
I.5 Der Niedergang Rudolfs II.
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hatte, befürchteten sie zu Recht, dass er sich nicht an ihre Bestimmungen halten und sein Amt weiterhin im kompromisslosen Sinne der katholischen Gegenreformation ausüben würde.⁴⁴⁶ Die gegen Lobkowitz gerichtete Beschwerde der Stände konnte jedoch noch viel schwerer wiegende Folgen als die Amtsenthebung des Kanzlers haben.Würde Rudolf II. die Legitimität der einzelnen Artikel anerkennen, dann drohten Lobkowitz im äußersten Fall auch die Konfiskation seines Vermögens, ja möglicherweise auch Kerker und Hinrichtung, weil der Tatbestand der Beleidigung des Herrschers (crimen laesae majestatis) erfüllt sein könnte.⁴⁴⁷ Die protestantischen Stände waren zudem zu jenem Zeitpunkt militärisch deutlich stärker als der böhmische König und konnten ihren Willen auch mit Gewalt erzwingen. Obwohl Lobkowitz selbst umgehend seine Apologie verfasste, in der er die meisten Anschuldigungen entkräftete, gaben die Vertreter der Opposition nicht auf und traten im August erneut gegen Zdenko Adalbert auf. Der habsburgische Herrscher widerstand jedoch auch diesmal – zur großen Überraschung vieler Beobachter – dem Druck der Stände, blieb Lobkowitz gewogen und erkannte dessen Verteidigung als genügend an. Durch Landgraf Georg von Leuchtenberg ließ er den Ständen bloß sein Versprechen ausrichten, darauf zu achten, dass die Tätigkeit des Kanzlers in Zukunft nicht die Ruhe in der Ständegemeinde stören werde. Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz, der sich kurz zuvor gegen Rudolfs Befehl, den Majestätsbrief zu unterzeichnen, auflehnte und hierdurch ganz eindeutig dem Herrscher seinen Gehorsam verweigert hatte, konnte somit auch in den darauffolgenden Jahren in seinem Amt bleiben.⁴⁴⁸ Obwohl Rudolfs nachsichtiges Verhalten Lobkowitz gegenüber viele uneingeweihte Beobachter wohl eher überraschte, kann man es schwerlich nur für eine bloße Bekundung der kaiserlichen Sympathie zu einem Mann halten, der ihm bereits mehr als fünfzehn Jahre lang treu gedient hatte. Es scheint, als habe Rudolf II. während seiner ganzen Herrschaftszeit zu keinem seiner Hofleute je irgendeine persönliche Beziehung entwickelt. Der Kaiser war dazu imstande, auch seine größten Günstlinge von einem Augenblick zum anderen völlig zu verdammen. Möglicherweise verglich auch deshalb Baltasar de Zúñiga den alten Monarchen mit einem Labyrinth, in das zwar viele eingetreten sind, in dem sich jedoch
ANM, Handschrift 280, fol. 661r–673r. Davon, dass sich Lobkowitz auf diese Möglichkeit tatsächlich vorbereitete, zeugt die Tatsache, dass er bereits 1608 seine Herrschaft Hoch Chlumetz (Vysoký Chlumec) auf seine Frau Polyxena übertrug. Mehr dazu Marek, Svědectví (wie Anm. 192), S. 63 – 64. Čechura, 5. 5. 1609. Zlom (wie Anm. 415), S. 170 – 171.
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keiner zu orientieren vermochte.⁴⁴⁹ Das Unstete im Verhalten des Kaisers verwirrte dabei auch sehr erfahrene Diplomaten. Keiner der Hofleute konnte sich unter diesen Umständen seiner Stellung sicher sein, und Rudolfs gelegentliche Anfälle von Ungnade blieben niemandem erspart. Mit dem Wankelmut des Herrschers musste sich natürlich auch Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz auseinandersetzen. Noch im Juli 1607 hatte ihn Rudolf II. scharf dafür kritisiert, dass er in der Böhmischen Kanzlei nicht mit genügendem Eifer die gegenreformatorische Politik forcierte. Der päpstliche Nuntius Caetani spekulierte in diesem Zusammenhang sogar darüber, dass der Kaiser Lobkowitz nicht mag und ihn des Amtes entheben möchte. Zwanzig Monate später meldete derselbe Nuntius begeistert nach Rom, der Kaiser habe den Oberstkanzler Lobkowitz öffentlich vor allen Landesbeamten dafür gelobt, wie unerschrocken er den heiligen katholischen Glauben verteidige.⁴⁵⁰ Man kann daher annehmen, dass Rudolfs Zurückweisung des Beschwerdebriefs als gegenstandslos eher durch die politische Lage als durch persönliche Sympathien oder Rücksichten gegeben war. Nach dem Erlass des Majestätsbriefes konnte sich der Kaiser einfach keinen weiteren Schritt gegen die Politik seiner katholischen Verbündeten leisten. Hätte Rudolf II. die Forderungen der protestantischen Stände erhört und Lobkowitz für schuldig befunden, so hätte er sich in den Augen des spanischen Königs und des Papstes noch mehr diskreditiert und riskiert, dass sich die beiden Herrscher offen hinter das Streben des ungarischen Königs Matthias stellen und dessen Thronfolge im Heiligen Römischen Reich unterstützen. Denn Philipp III. und auch Paul V. schätzten den Eifer sehr, mit dem der böhmische Oberstkanzler in den vorherigen Monaten die Interessen des katholischen Glaubens durchgesetzt hatte, und sahen sein Verweilen im Amt als Hoffnungszeichen für die Wiederaufnahme der gegenreformatorischen Politik im Königreich Böhmen.⁴⁵¹ Während sich die Standpunkte des Kaisers durch Wechselhaftigkeit und Instabilität auszeichneten, wussten der Papst und der spanische König die treuen Dienste ihrer Klienten gebührend zu schätzen. Sie bedachten Lobkowitz nicht nur mit verschiedenen materiellen Belohnungen und gesellschaftlichen Ehrungen,
„Este señor es un laverinto en que he visto entrar muchos a discurrir y ninguno a cierto a salir.“ – NAP, SP-S, Kart. 1, Baltasar de Zúñiga an Erzherzog Albert (Prag, 26. 9. 1609). Vgl. ebenfalls Linhartová, EAAC I (wie Anm. 62), S. 75; Černušák, EAAC IV (wie Anm. 63), Nr. 181,4, S. 154. Näheres über das Verhältnis von Lobkowitz zu beiden katholischen Großmächten Marek, Pavel: Politický vliv Španělska a papežského státu na císařském dvoře Ferdinanda II. In: Časopis Matice moravské 126 (2007). S. 310 – 312; ders., La diplomacia (wie Anm. 44), S. 136 – 138.
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sondern konnten ihm bei Bedarf auch ihren Schutz anbieten.⁴⁵² Vor allem zeigte sich der spanische König Philipp III. als wahrhaftiger Schutzherr. Noch bevor Rudolf II. Lobkowitz von den Anschuldigungen freisprach, hatte Philipp dem böhmischen Kanzler für den Fall, dass er verbannt werden sollte, Zuflucht im Herzogtum Mailand angeboten.⁴⁵³ Obwohl Lobkowitz schließlich nicht von diesem großzügigen Angebot Gebrauch machen musste, ist sicher, dass ihn die Einstellung des katholischen Herrschers noch mehr in seinen bisherigen Ansichten bestärkte und fest an den Dienst für die spanischen Linien der Habsburgerdynastie band. Das Bestreben von Kaiser Rudolf II., sein Ansehen beim spanischen König und beim Papst aufzubessern, äußerte sich in den Monaten nach dem Erlass des Majestätsbriefes ebenfalls darin, dass er auch weiterhin überzeugte Katholiken in die obersten Landesämter berief. Bereits am 8. August 1609 wurde Ferdinand von Dohna, der sich in den vorherigen Monaten einen Namen als einer der Hauptunterhändler der katholischen Seite gemacht hatte, Obersthofrichter des Königreichs Böhmen. Für die Ständeopposition stellte dabei dieser eingefleischte Gegner der Protestanten keine allzu akzeptable Wahl dar. Einem nicht näher genannten deutschen lutherischen Prediger in Prag zufolge soll Ferdinand von Dohna sogar einst gesagt haben, dass er „den Mantel von seinem Leib verkaufen will, um die Lutheraner vertreiben zu helfen“. Dohna nahm zudem einige Wochen später, nach dem Tod Christophs des Jüngeren Popels von Lobkowitz, das Amt des Obersthofmeisters an.⁴⁵⁴ Da das von Dohna geräumte Amt des Appellationspräsidenten von einem weiteren Katholiken besetzt wurde, dem aus einem altehrwürdigen und zu den Habsburgern loyalen Geschlecht stammenden Johann Zbinco von Hasenburg auf Budin, blieb die Oberhand der Katholiken in den Landesämtern weiterhin mehr als deutlich.⁴⁵⁵ Es waren jedoch nicht nur die Ereignisse im Königreich Böhmen, die im Herbst 1609 die Aufmerksamkeit des Kaiserhofs auf sich zogen. Auch im Heiligen Römischen Reich herrschte bereits seit einigen Monaten eine höchst brisante
Vgl. z. B. das Lob, das der Papst Lobkowitz spendete, erwähnt in Černušák, EAAC IV (wie Anm. 63), Nr. 114, S. 100. Philipp III. reagierte hiermit auf die Bittschrift, die der spanische Gesandte Baltasar de Zúñiga nach Madrid geschickt hatte – NAP, SP-S, Kart. 1, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 18. 7. 1609). Philipps Zustimmung zu diesem Schritt ist hinzugeschrieben im Beschluss des spanischen Staatsrats AGS, E 709, fol. 78 – 79, der Spanische Staatsrat an König Philipp III. (Madrid, 23. 8. 1609). Näheres zu Ferdinand von Dohna – OSN Bd. VII. Praha 1893. S. 835. Das Zitat ist übernommen aus Novák, Rudolf II. (wie Anm. 35), S. 164. Palacký, Přehled (wie Anm. 273), S. 371– 374.
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Atmosphäre, und zwar im Zusammenhang mit dem Besitz des Herzogtums JülichKleve-Berg. Als im März 1609 Herzog Johann Wilhelm von Jülich-Kleve-Berg gestorben war und mit ihm das ganze Geschlecht in männlicher Linie ausstarb, war das kleine, aber strategisch bedeutende Herzogtum in der Nähe der niederländischen Grenze plötzlich herrscherlos. Den gültigen Reichsgesetzen zufolge sollte Kaiser Rudolf II. zusammen mit den Reichsständen den neuen Herrscher ernennen. Bevor sich jedoch der zögerliche Kaiser für irgendeinen Schritt entschied, hatten die protestantischen Fürsten Johann Sigismund von Brandenburg und Wolfgang Wilhelm von Neuburg diese Lehen unter ihre Herrschaft gebracht. Ihr willkürliches Handeln bedeutete einen harten Schlag sowohl für den Kaiser, dessen Autorität erneut stark in Zweifel gezogen wurde, als auch für die unlängst entstandene Katholische Liga, deren Ziel es war, die katholischen Interessen im Heiligen Römischen Reich zu schützen. Der neue Konflikt spitzte daher die konfessionellen Auseinandersetzungen in Westeuropa noch mehr zu und trug zur Radikalisierung beider verfeindeten Lager bei. Während die Vertreter der Protestantischen Union auf die Nachfolgerechte Johann Sigismunds von Brandenburg und Wolfgang Wilhelms von Neuburg hinwiesen, beharrten die Katholiken darauf, dass der neue Herrscher von Jülich durch den Kaiser zu ernennen sei.⁴⁵⁶ Rudolf II. entschloss sich, die ganze Angelegenheit durch seines Cousins Erzherzog Leopold klären zu lassen, der sich angeboten hatte, das Herzogtum Jülich-Kleve militärisch zurückzuerobern. Von Anfang an verband Erzherzog Leopold mit den Plänen zur militärischen Beseitigung der Protestanten aus der Habsburgermonarchie, und vor allem aus Böhmen, auch die Rehabilitierung von Rudolfs Position gegenüber König Matthias. Möglicherweise gab Kaiser Rudolf II. gerade deshalb seinem ambitionierten Cousin seinen Segen. Bereits im Juli 1609, nur einige Tage nach dem Erlass des Majestätsbriefes über die Religionsfreiheit, wurde Erzherzog Leopold durch Rudolf II. zum kaiserlichen Kommissar in JülichKleve ernannt.⁴⁵⁷ Im Sommer 1609 brach Leopold an der Spitze eines in aller Eile angeworbenen Heeres in den Nordwesten des Reichs auf und eroberte einen Teil des strittigen Gebiets einschließlich der Festung Jülich. Zugleich begann er mit dem französischen König Heinrich IV. zu verhandeln, den er zur Neutralität zu bewegen versuchte, sowie mit dem spanischen König Philipp III. und dem Vizekönig der spanischen Niederlande, Albrecht, die er wiederum zur Zusammenarbeit Zu den Fragen der Erbfolge in Jülich-Kleve vgl. Ollmann-Kösling, Heinz: Der Erbfolgestreit um Jülich-Kleve (1609 – 1614). Ein Vorspiel zum Dreißigjährigen Krieg. Regensburg 1996; Ritter, Moritz (Hrsg.): Der Jülicher Erbfolgekrieg. München 1877 (Briefe und Acten zur Geschichte des Dreissigjährigen Krieges, Bd. III). Janáček, Rudolf II. (wie Anm. 35), S. 456.
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gewinnen wollte. Dieses Bestreben Leopolds, der auch Bischof von Passau war, ging jedoch leer aus. Spanien hatte gewiss nicht vor, den zwölfjährigen Waffenstillstand zu gefährden, den es kürzlich (am 9. April 1609) mit den niederländischen Aufständischen geschlossen hatte, und zeigte für Leopolds Vorhaben keinerlei Verständnis. Davon, das törichte Unterfangen Leopolds zu unterstützen, riet dem katholischen König übrigens auch dessen Gesandter am Kaiserhof, Baltasar de Zúñiga, ab. Der französische König Heinrich IV. verstand hingegen Leopolds Feldzug nach Jülich-Kleve als Beweis der habsburgischen Expansion und stellte sich an die Spitze der neu entstehenden Koalition protestantischer Fürsten, die nicht nur von Frankreich, sondern ebenfalls von England und den nördlichen Niederlanden unterstützt wurde. Auch die Katholische Liga enttäuschte Leopold. Obwohl er zu ihren Gründungsmitgliedern gehörte, waren sich die Vertreter der Katholischen Liga in der Frage, wie die Problematik von Jülich zu lösen sei, nicht einig. Vor allem ihr Anführer Maximilian von Bayern identifizierte sich nicht mit Leopolds eigensinnigem Vorgehen und forderte zu einer friedlichen Lösung des Konflikts auf.⁴⁵⁸ Obwohl die Kräfteverteilung erahnen ließ, dass es nur eine Frage der Zeit war, wann Leopold aus Jülich-Kleve mit militärischer Kraft der gegenhabsburgischen Koalition verdrängt werden würde, wollte der ambitionierte Erzherzog nicht freiwillig Jülich verlassen. In seiner Hartnäckigkeit wurde er von der Überzeugung bestärkt, dass der Besitz des Herzogtums Jülich-Kleve-Berg für ihn ein wichtiges Sprungbrett für das Erlangen der Kaiserkrone sein werde. Als zweitgeborener Sohn Karls von Innerösterreich war er zwar für eine kirchliche Laufbahn vorbestimmt, sein Ehrgeiz und sein Machthunger brachten ihn jedoch dazu, sich gegen sein Schicksal aufzulehnen. Dank seinem engen Bündnis mit Kaiser Rudolf II., der in Leopold seinen einzigen Vertrauten aus den Reihen seiner Verwandtschaft sah, schien sich ihm die Möglichkeit, auch das höchste Ziel zu erreichen, zu eröffnen.⁴⁵⁹ Es sollte sich zeigen, dass die Hoffnungen, die Leopold in Rudolf II. setzte, berechtig waren. Vor allem der schwer zu verhehlende Hass gegenüber Matthias brachte den Kaiser dazu, die Ambitionen seines Cousins Leopold mit allen verfügbaren Mitteln zu unterstützen. In seinem Bestreben, seine Kandidatur für das Amt des römischen Königs durchzusetzen, rief er für April 1610 einen Konvent in Prag ein, der neben der Frage der Nachfolge im Heiligen Römischen Reich auch das Thema Herzogtum Jülich-Kleve besprechen und die definitive Schlichtung des Außenpolitische Hintergründe des Konflikts wurden jüngst dargestellt von González Cuerva, Baltasar de Zúñiga (wie Anm. 43), S. 276 – 289.Vgl. ebenfalls Kybal,Vlastimil: Jindřich IV. a Evropa v letech 1609 – 1610. Praha 1911. Zur Person Leopolds vgl. Pecho, Carolin: Fürstbischof, Putschist, Landesherr: Erzherzog Leopolds Herrschaftsentwürfe im Zeitalter des Dreissigjährigen Krieges. Berlin 2017.
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Konflikts zwischen den beiden zerstrittenen Geschwistern, also eine Art Revision des Friedens von Lieben, vorbereiten sollte.⁴⁶⁰ Während die vom Kaiser angedachten Schritte bei den radikalen böhmischen Katholiken mit Lobkowitz an der Spitze die notwendige Unterstützung fanden, nahm der spanische Gesandte Baltasar de Zúñiga in den Angelegenheiten, die Gegenstand des Prager Konvents sein sollten, eine andere Haltung ein, als es sich Rudolf II. und Erzherzog Leopold wünschten. Zúñiga äußerte sich sehr kritisch über Leopolds Feldzug nach Jülich-Kleve. Er hatte zwar dem jungen Erzherzog insgeheim aus den Mitteln der Botschaft einen kleinen finanziellen Betrag zur Verfügung gestellt, tat aber zugleich alles dafür, seinen Herrscher von einer direkten Teilnahme am Konflikt abzubringen. Während Leopold und Rudolf II. entschlossen waren, die Autorität des Kaisers im Heiligen Römischen Reich mit militärischer Kraft durchzusetzen, fürchtete die spanische Diplomatie unter Leitung von Zúñiga einen eventuellen Krieg gegen Frankreich sehr und versuchte, einen bewaffneten Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten um jeden Preis zu verhindern.⁴⁶¹ Obwohl auch der Heilige Stuhl dieselbe Haltung zu Leopolds Abenteuer wie Spanien eingenommen hatte, blieb der Erzherzog trotz eines drohenden Religionskrieges im Heiligen Römischen Reich hart. Die Gefahr eines offenen Konflikts wurde somit erst durch den französischen Attentäter François Ravaillac gebannt, der am 14. Mai 1610, am helllichten Tag, inmitten einer Menschenmenge den französischen König Heinrich IV. ermordete.⁴⁶² Aber nicht einmal der Tod des französischen Königs brachte eine Wende in der Frage von Jülich mit sich. Da Erzherzog Leopold für den Großteil des Reichsadels als Herrscher der erwähnten rheinischen Herzogtümer weiterhin inakzeptabel blieb, entschloss sich der Kaiser, seine Taktik zu ändern, und erteilte – nach Absprache mit dem jungen Erzherzog und mit öffentlicher Unterstützung des ganzen Prager Konvents – Anfang Juli 1610 alle von Johann Wilhelm von Jülich hinterlassenen Lehen dem sächsischen Kurfürsten Christian II. Dieser Schritt des Kaisers war nicht nur eine logische Folge des Patts in Jülich, sondern auch ein wohlbedachter politischer Schachzug. Rudolf II. versuchte, indem er die strittigen Gebiete dem sächsischen Kurfürsten überließ, sich dessen Unterstützung in den beiden übrigen Fragen zu sichern, mit denen sich der Konvent noch befassen sollte. Dem Zeugnis Baltasars de Zúñiga zufolge gewährte der sächsische Herzog dem Kaiser zudem für seine
Zum Prager Konvent vgl. insbesondere Gindely, Rudolf II. Bd. II (wie Anm. 35), S. 91– 163. González Cuerva, Baltasar de Zúñiga (wie Anm. 43), S. 276 – 289. Mousnier, Roland: 14 Mai 1610. L’Assassinat d’Henri IV. Paris 1964.
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Einsetzung in Jülich beträchtliche finanzielle Beträge, die Rudolf II. in seinem zu erwartenden Kampf gegen König Matthias einsetzen wollte.⁴⁶³ Falls Kaiser Rudolf II. geglaubt hatte, durch Vergabe des Herzogtums JülichKleve an den sächsischen Kurfürsten die Unterstützung des Prager Konvents in Sachen Nachfolge durch Erzherzog Leopold und eine Rehabilitierung seiner eigenen Position gegenüber Matthias erlangen zu können, so sollte er enttäuscht werden. Die kaiserliche Delegation, an deren Spitze Erzherzog Ferdinand von Innerösterreich, der Kölner Kurfürst Ernst und Fürst Julius von BraunschweigWolfenbüttel standen, und die Ende Juni nach Wien gesandt wurde, um dem ungarischen König Matthias Rudolfs maximalistische Anforderungen auf Entschädigung für das erlittene Unrecht vorzulegen, erreichte nach knapp zwei Monaten intensiven Verhandelns nur geringfügige Zugeständnisse. Matthias verpflichtete sich schließlich, dem Kaiser für den Schaden, den er ihm zugefügt hatte, öffentlich Abbitte zu leisten, ferner die Abtretung der österreichischen Länder, Ungarns und Mährens als Akt besonderer kaiserlicher Gunst anzuerkennen und seine Lehenspflichten gegenüber seinem älteren Bruder zu respektieren. Zugleich sagte er zu, alle gegen den Kaiser gerichteten Bündnisse aufzulösen und nie wieder auf eigene Faust mit fremden Mächten, insbesondere nicht mit den Türken, zu verhandeln. Rudolfs Wunsch, sein Bruder möge ihm alle Länder zurückgeben, die er in den vorherigen Jahren erlangt hatte, wurde aber keineswegs erhört, und im Vertrag, dessen definitiven Wortlaut Matthias am 30. September 1610 durch seine Unterschrift bestätigte, wurde dies mit keinem einzigen Wort erwähnt.⁴⁶⁴ Um die Nachfolge durch Erzherzog Leopold war es im Herbst 1610 auch schlimm bestellt. Gegen Leopolds Anwartschaft auf den Kaiserthron stellten sich nicht nur alle übrigen Habsburger Mitteleuropas, einschließlich Maximilian und Ferdinand, sondern auch der spanische König Philipp III. und der Papst. Die Frage, wer Nachfolger Rudolfs II. werden sollte, ließ Papst Paul V. auch in den Zeiten der Tagung des Prager Konvents weiterhin offen und schloss keinen Habsburger von der Kandidatur aus.⁴⁶⁵ In ähnlichem Sinne sprechen zumindest die Nachrichten, die er nach Prag an Antonio Caetani schickte,⁴⁶⁶ sowie die Instruktionen, mit denen der neue Nuntius Giovanni Salvago vor seiner Reise an den Kaiserhof ausgestattet wurde.⁴⁶⁷ Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich alle Thronanwärter der Unterstützung Roms erfreuten. Der ungarische König Matthias
AGS, E 2868, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 21. 5. 1610). Janáček, Rudolf II. (wie Anm. 35), S. 463 – 465. von Pastor, Ludwig: Geschichte der Päpste im Zeitalter der katholischen Reformation und Restauration. Bd. XII. Freiburg i. Br. 1927, S. 518 – 520. Černušák, EAAC V (wie Anm. 63), Nr. 407,2, S. 334; Nr. 486, S. 391– 392. Niederkorn, Papst (wie Anm. 40), S. 94.
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war in den Augen der römischen Diplomatie stark durch seinen toleranten Ansatz gegenüber Nichtkatholiken diskreditiert, und er vermochte das Misstrauen der Kurie nicht einmal dadurch zu zerstreuen, dass er Kardinal Melchior Khlesl in seinen Dienst aufnahm.⁴⁶⁸ Etwas überraschend lehnte man in Rom auch Erzherzog Leopold ab. Während ein Teil des Kurfürstenkollegiums für Rudolfs Vorhaben, die Kandidatur Leopolds zu unterstützen,Verständnis zeigte,⁴⁶⁹ war dieser jüngere Bruder der spanischen Königin Margarete für den Papst eine nur schwer vorstellbare Wahl. In den Augen der spanischen Diplomaten schadeten Leopold seine zweifelhaften persönlichen Eigenschaften. Die Diplomaten warfen ihm übertriebene Ambitionen vor, die Art, wie er hohe Kirchenämter missachtete, und vor allem die Tatsache, dass er seine eigenen politischen Ziele vor die Bedürfnissen der katholischen gegenreformatorischen Politik stellte.⁴⁷⁰ Auch der spanische Gesandte Baltasar de Zúñiga erachtete eine eventuelle Kandidatur Leopolds als problematisch und machte darauf aufmerksam, dass dieser – als Bischof von Passau – keine eigenen Grundstücke habe.⁴⁷¹ Im Unterschied zu den päpstlichen Diplomaten war er jedoch davon überzeugt, dass es Leopold nicht an religiösem Eifer sowie an weiteren Eigenschaften fehlte, mit denen sich den damaligen Vorstellungen der Frühen Neuzeit zufolge jeder gute christliche Herrscher schmücken sollte. Er schlug daher dem spanischen König vor, nicht zu zögern und Leopolds Ehrgeiz für die Durchsetzung seiner eigenen politischen Ziele im Heiligen Römischen Reich zu verwenden.⁴⁷² In Fragen der Nachfolge auf dem Kaiserthron unterstützte der Gesandte vom Beginn seines Prager Engagements an jedoch Matthias’ Kandidatur. Zúñigas Überzeugung brachten auch die mit dem Bruderzwist verbundenen Ereignisse nicht ins Wanken. Dass Matthias der Majestätsbeleidigung bezichtigt wurde, wies er als gegenstandslos zurück und betrachtete auch dessen Zugeständnisse den Protestanten gegenüber äußerst nachsichtig. In seinem Bemühen, die religiösen Konzessionen von Matthias zu entschuldigen, wies Zúñiga darauf hin, dass auch solch ein mächtiger und frommer Herrscher, wie es Karl V. gewesen war, von Giordano, Dignitas (wie Anm. 411), S. 105 – 106. Litzenburger, Andrea: Kurfürst Johann Schweikard von Kronberg als Erzkanzler. Mainzer Reichspolitik am Vorabend des Dreissigjährigen Krieges (1604– 1619). Stuttgart 1985. S. 96 – 97, 100 – 103. Ähnliche Ansichten vertrat ebenfalls der Kurfürst von Sachsen Christian II. – AGS, E 709, n. 123, Consulta de consejo de estado de 13 de noviembre de 1610. Černušák, EAAC V (wie Anm. 63), Nr. 640,42, S. 533 – 534; Nr. 652,1, S. 562; Nr. 701, S. 603. González Cuerva, La embajada (wie Anm. 185), S. 71. „[…] me parece que puede hazer V Md grandissimo fundamento de este Principe para las cosas de estas partes por que sin duda muestra mucha bondad y mucha sufiçiencia acompañada de gran persona y de grandes brios.“ – AGS, E 2494, Nr. 72, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 5. 12. 1608).
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schweren Umständen zum Erlass des Augsburger Religionsfriedens gezwungen worden sei.⁴⁷³ Zúñigas Protegieren des ungarischen Königs Matthias stieß im spanischen Staatsrat nicht auf allgemeine Zustimmung, ja im Gegenteil. Der einflussreiche Valido, Duque de Lerma, bevorzugte den Erzherzog Ferdinand von Innerösterreich, da sich dieser durch tiefe Frömmigkeit und außergewöhnliche Loyalität gegenüber dem katholischen König auszeichnete. Auch fehlte es nicht an Stimmen, die zur Kandidatur von Philipp III. persönlich oder eines seiner Nachkommen aufforderten.⁴⁷⁴ Während seiner Amtszeit in Madrid forcierte auch der kaiserliche Gesandte Francesco Gonzaga di Castiglione delle Stiviere solch eine Möglichkeit, der die Wahl des Infanten Don Carlos als ideale Lösung der Nachfolgekrise betrachtete. Wenngleich diese Haltung bei einigen Hofleuten auf Verständnis stieß, entschloss sich der spanische Staatsrat schließlich, mit dem Plan fortzufahren, den einst Guillén de San Clemente aufgestellt hatte und der in den letzten Jahren auch unerschütterlich durch den Gesandten Zúñiga verteidigt wurde.⁴⁷⁵ Den Vertretern des böhmischen katholischen Adels erschien trotzdem die Wahl von Matthias als äußerst problematisch, und zwar gleich aus mehreren Gründen. Erstens war es das Alter von Matthias. Als man in Prag tagte, war er dreiundfünfzig Jahre alt (er war also nur fünf Jahre jünger als der damalige Kaiser Rudolf II.) und nur wenige glaubten daran, dass er noch einen Nachkommen zeugen würde. Seine eventuelle Herrschaft erschien also gewissermaßen provisorisch und seine Unterstützer mussten damit rechnen, dass sie einige Jahre später wieder die Frage der Nachfolge behandeln müssten. Angesichts der unsicheren konfessionellen und politischen Lage im Heiligen Römischen Reich, bedeutete aber jede Veränderung auf dem Kaiserthron das Risiko eventueller Unruhen, im äußersten Fall drohte sogar die Ersetzung des Herrscherhauses Habsburg durch die französische Königsdynastie oder durch einen der mächtigen protestantischen Fürsten.⁴⁷⁶ Ein zweiter Grund, der deutlich gegen die Wahl von Matthias sprach, waren seine bereits erwähnten Zugeständnisse den Protestanten gegenüber.Während sie der spanischen Gesandte Zúñiga völlig im Sinne von Machiavellis „Fürst“ als notwendiges Übel betrachtete, das Matthias dazu verhelfen sollte, was ihm zu
AGS, E 709, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 10. 2. 1611). González Cuerva, La embajada (wie Anm. 185), S. 72– 73. González Cuerva, La embajada (wie Anm. 185), S. 74. Auf Matthias’ Alter wurde auch im spanisch geschriebenen Dokument „Razones por las cuales conviene que a ninguno otro se haga Rey de Romanos sino al archiduque Ferdinando“ hingewiesen. – NAP, SP-S, Kart. 1, (November 1610).
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Unrecht von Rudolf II. verwehrt wurde, wurden sie von den radikalen Katholiken aus den Reihen des böhmischen Adels für ein großes Versagen des ungarischen Königs gehalten. Anstatt von Zúñigas betont politischen Argumenten legten sie das Hauptaugenmerk auf das Gewissen des katholischen Herrschers und auf seine Verantwortung für die Seelen seiner Untertanen. Ihre Haltung wurde sehr zutreffend vom Oberstkanzler Lobkowitz ausgedrückt, als Rudolf II. von diesem ein Gutachten zum Erlass des Majestätsbriefes über die Religionsfreiheit und zum sogenannten Vergleich zwischen den katholischen und nichtkatholischen Ständen verlangte. Ohne die komplizierte Lage zu berücksichtigen, in der sich damals der Habsburger befand, riet ihm Lobkowitz, den Antrag der Ständeopposition abzulehnen und die Zugeständnisse von Matthias gegenüber den Protestanten in Ungarn, Österreich und Mähren scharf zu verurteilen. Der Aussage eines direkten Zeugen des Geschehnisses, Wilhelm Slawatas von Chlum und Koschumberg, zufolge soll Lobkowitz angeblich gesagt haben: „Falls der Herr Bruder Seiner Kaiserlichen Majestät durch sein Zugeständnis in die Hölle gelangen möchte, wird ihm Seine Kaiserliche Majestät auch unversehens folgen.“⁴⁷⁷ Die Vertreter des böhmischen katholischen Adels hinderten jedoch auch Befürchtungen um ihre eigene Position, den Nachfolgeanspruch von Matthias im Heiligen Römischen Reich zu unterstützen. Nachdem sie sich im Frühjahr 1608 geweigert hatten, sich der ungarisch-österreichisch-mährischen Konföderation anzuschließen und somit indirekt die Krönung von Matthias zum böhmischen König verhinderten, konnten sie nicht besonders viel Sympathie von Rudolfs Bruder erwarten. Der ungarische König hatte zudem ein eigenes umfangreiches Netzwerk von Vertrauten, an dessen Spitze der Bischof von Wien Melchior Khlesl, sowie Karl von Liechtenstein und Karl der Ältere von Zierotin standen, die keinen Hehl daraus machten, dass sie diese Stellung auch weiterhin beibehalten wollten. Den Inhabern wichtiger Ämter am Kaiserhof und in der Landesverwaltung musste also klar sein, dass sie im Falle eines Herrscherwechsels ihre Würden nur schwer verteidigen könnten.⁴⁷⁸ Ihre persönlichen Interessen gerieten somit 1610 in di-
„Jestliže Jeho Milosti Císařské pan bratr svým povolením bude se chtíti do pekla dostati, tehdy že on nenaděje se, že Jeho Milost Císařská ráčí jej v tom následovati.“ – NAP, Gindelyho sbírka, Kart. 6., Auszüge aus dem Brief von Slawata an den Kanzler Martinitz, diktiert auf dem Schiff nach Wien (24. 9. 1640), fol. 33 – 36. Zu berechtigten Befürchtungen führte der Aufstieg von König Matthias beispielsweise beim Oberstkanzler Lobkowitz, vgl. den Brief von Francisco de Losu, an den Sekretär des spanischen Gesandten Zúñiga – NAP, SP-S, Kart. 1, Francisco de Losu an Andrés de Prada (Prag, 11. 4. 1609). Matthias machte übrigens vom Anfang des Konflikts an kein Geheimnis aus seinem Wunsch, die obersten Hof- und Landesämter mit seinen eigenen Leuten zu besetzen. – Tenora, Účast (wie Anm. 306), Hlídka 32, 1915, S. 322.
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rekten Widerspruch zur Politik, die am Kaiserhof von den Vertretern Spaniens und des Heiligen Stuhls propagiert wurde.Wie der Fall von Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz andeutet, der während des Prager Konvents seine Kontakte mit dem Gesandten Zúñiga minimalisierte, mussten sogar langfristige klientelistische Verbindungen in den Hintergrund treten. Für Lobkowitz, Barvitius und beispielsweise Attems war Leopold als Anwärter auf den böhmischen Thron und auch auf den Kaiserthron viel akzeptabler, da man in seinem Fall eine gewisse Kontinuität im Sinne der Herrschaft Rudolfs II. erwarten konnte.⁴⁷⁹ Obwohl der Prager Konvent mehrere Monate lang tagte, konnte keines der festgelegten Ziele erreicht werden. Der Vereinbarung zufolge, die von Matthias am 30. September ratifiziert wurde, sollte der ungarische König während einer festlichen Versammlung auf der Prager Burg Kaiser Rudolf II. öffentlich Abbitte leisten für das Unrecht, das er an ihm begangen hatte, damit ihr langjähriger Streit mit definitiver Gültigkeit abgeschlossen werden konnte. Matthias reiste jedoch nicht nach Prag und betraute die Erzherzöge Maximilian und Ferdinand damit, die Abbitteformel in seinem Namen vorzutragen. Rudolf II. war jedoch von solch einer Lösung offensichtlich nicht begeistert. Er wollte Zeuge einer öffentlichen Unterwerfung seines gehassten Bruders sein, und dies war ihm nicht vergönnt. Daher entband er beide Erzherzöge am 9. Oktober ihrer Pflicht. Was ein Triumph des Kaisers sein sollte, war erneut ein Fiasko.⁴⁸⁰ Auch der Konflikt um die Reichsherrschaften Jülich-Kleve war nur scheinbar gelöst. Beide Herzogtümer, die Kaiser Rudolf II. sehr pompös dem sächsischen Kurfürsten in Verwaltung gegeben hatte, wurden im September durch Truppen von Johann Sigismund von Brandenburg und Wolfgang Wilhelm von Neuburg annektiert. Weder der Prager Konvent noch die Katholische Liga vermochten zu reagieren. Die Vertreter der katholischen Welt gaben sich damit zufrieden, dass ihnen von der Protestantischen Union zugesichert wurde, dass keine weiteren Angriffe stattfinden würden. Im
Interessant sind unter diesem Aspekt die Einträge im Tagebuch des Kanzlers Lobkowitz. Während seine Zusammenkünfte mit Zúñiga während der Tagung des Prager Konvents aufhörten, traf er sich regelmäßig mit den Erzbischöfen von Köln und Mainz, und als am 25. Juni der Bischof von Passau in Prag eintraf, ebenfalls mit Erzherzog Leopold. Dieser wurde bereits im Januar 1609 sogar Pate von Lobkowitz’ Sohn Wenzel Eusebius. – RLK, Tagebuch des Zdenko Adalbert von Lobkowitz, Sign. VII. Ad. 118, Tagebuch aus dem Jahr 1610. Zur Rolle Leopolds als Pate des Kanzlersohns vgl. z. B. den Bericht von Nuntius Caetani – Černušák, EAAC V (wie Anm. 63), Nr. 245,2, S. 203. Janáček, Rudolf II. (wie Anm. 35), S. 456.Vgl. ebenfalls den Eintrag im Tagebuch von Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz. – RLK, Tagebuch des Zdenko Adalbert von Lobkowitz, Sign. VII. Ad. 118, Tagebuch aus dem Jahr 1610.
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Heiligen Römischen Reich herrschte somit relative Ruhe.⁴⁸¹ Bald darauf sollten jedoch erneut Spannungen in Böhmen aufkommen. Eine der Fragen, die nach dem Ende des Prager Konvents offen geblieben waren, war auch das Schicksal des Heeres, das bereits ab Januar 1610 von Erzherzog Leopold mit Zustimmung des Kaisers angeheuert wurde und das sich im April auf dem Gebiet des Bistums Passau sammelte. Es bestand aus ungefähr zehntausend Mann: zwei Fußregimenter angeführt durch Karl Ludwig von Sulz und Adam von Trauttmannsdorf sowie zwei Kavallerieregimenter unter den Befehlshabern Feldmarschall Michael Adolph von Althan und Oberst Laurenz Ramée. Die Menge an Söldnern reichte zwar für größere Kriegshandlungen nicht aus, trotzdem weckte es zu Recht Befürchtungen. Am meisten bedroht fühlte sich wohl Matthias. Angesichts der Entwicklung der Situation im Rheinland war nämlich klar, dass es nicht möglich sein würde, das Heer, das ursprünglich für den Schutz der habsburgischen Interessen in Jülich-Kleve angeheuert wurde, für den ursprünglichen Zweck zu nutzen. Jeder, der von Rudolfs Hass gegenüber seinem Bruder sowie von den übertriebenen Ambitionen Erzherzog Leopolds, Kaiser zu werden, wusste, war sich dessen bewusst, dass gerade dem ungarischen König die größte Gefahr drohte. Bereits im Sommer 1610 während der Verhandlungen mit der kaiserlichen Delegation in Wien, drängte Matthias daher stark darauf, die Passauer Truppen aufzulösen. Rudolf II. und Leopold täuschten nach außen hin dasselbe Interesse vor, redeten sich jedoch mit dem Argument heraus, sie könnten die Truppen nicht auflösen, bevor den angeheuerten Soldaten nicht der geschuldete Sold vollständig ausgezahlt worden war. Das Aushalten des Heers auf dem kleinen Gebiet des Bistums Passau wurde zudem von Tag zu Tag komplizierter. Bereits während weniger Wochen hatten die Soldaten sämtliche Vorräte der Untertanen des Passauer Bischofs aufgezehrt und hatten kein Geld, um in anderen Gebieten Lebensmittel einzukaufen. Erzherzog Leopold ging bald das Geld aus, und Kaiser Rudolf II. war nicht bereit, dem Heer auch nur einen einzigen Groschen für dessen Abdankung zu opfern.⁴⁸² Obwohl die Auszahlung des Heeres die beste machbare Lösung der komplizierten Lage gewesen wäre, dachten eigentlich weder Kaiser Rudolf II. noch Erzherzog Leopold an diese Möglichkeit. Die gesammelten Truppen waren für sie eine wichtige Waffe, mit deren Hilfe sie jenes umsetzten wollten, worum sie sich mit diplomatischen Mitteln vergebens bemühten. Der erste Schritt zur Rehabilitierung Rudolfs II. sollte dabei in Böhmen passieren. In der Nacht vom 21. zum 22. Dezember 1610 verließen die Truppen ihr Lager auf dem Gebiet des Bistums
Novák, Rudolf II. (wie Anm. 35), S. 74– 75. Janáček, Rudolf II. (wie Anm. 35), S. 467– 470.
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Passau, überquerten die Donau und brachen auf Umwegen über Oberösterreich nach Böhmen auf. Die Landesgrenze überschritten sie Anfang Januar 1611. Die böhmischen Stände waren auf diese unerwartete Operation nicht vorbereitet. Wenngleich die militärische Stärke der Passauer unter normalen Umständen keine größere Gefahr darstellen musste, forderten die Stände den Herrscher auf, sofort einen Landtag einzuberufen und das Landesaufgebot zu mobilisieren. Der Kaiser weigerte sich jedoch zunächst, ihre Anforderungen zu akzeptieren. Ohne dies effektiv verhindern zu können, wurde von den schnell marschierenden Passauer Truppen Budweis (České Budějovice) besetzt, kurz darauf, am 3. Februar, Tabor (Tábor), am 11. Februar Beraun (Beroun), und zwei Tage später standen die Truppen bereits vor den Stadtmauern von Prag. Das schließlich von den böhmischen Ständen zusammengetrommelte Heer sammelte sich nur sehr langsam und war nicht imstande, aktiv auf die Gewalttaten der Angreifer entlang ihrer Marschroute zu reagieren. In den frühen Morgenstunden des 15. Februar 1611 besetzten die Passauer nach einem plötzlichen Angriff und einem darauffolgenden kurzen, aber erbitterten Kampf die ganze Kleinseite (Malá Strana) und den Hradschin (Hradčany) mit Ausnahme der Prager Burg, deren Garnison sich erst einige Tage später ergab.⁴⁸³ Obwohl in der Zeit der Eroberung der Kleinseite die obersten Beamten des Königreichs Böhmen und weitere ausgewählte Vertreter des Herren- und des Ritterstandes vor den kaiserlichen Gemächern Wache standen, um bei Bedarf ihren Herrscher vor den Passauer Eindringlingen zu schützen,⁴⁸⁴ zweifelte wohl keiner von ihnen damals daran, dass gerade der Kaiser hinter dem Einfall der Passauer Truppen stand. Als Erzherzog Leopold noch am selben Tag Rudolf II. einen Besuch abstattete, um ihn über seinen großen Sieg zu informieren und ihm weitere Schritte gegen die böhmischen Stände vorzuschlagen, hörte sich der Kaiser den Bericht über die Eroberung der Kleinseite mit großer Genugtuung an. In einer Nachricht der Lüneburger Gesandten wurde sogar erwähnt, dass der
Zu den Ereignissen im Zusammenhang mit dem Einfall der Passauer Truppen vgl. Kurz, Franz: Der Einfall des von Kaiser Rudolf II. in Passau angeworbenen Kriegsvolkes in Oberösterreich und Böhmen (1610 – 1611). Linz 1897; Novák, Rudolf II. (wie Anm. 35); Janáček, Rudolf II. (wie Anm. 35), S. 465 – 485. Ein recht amüsantes Zeugnis darüber steht in den Memoiren des Wilhelm Slawata von Chlum und Koschumberg. Slawata, der damals ebenfalls in Rudolfs Vorzimmern anwesend gewesen war, schreibt darüber: „V place před pokojem Jeho Milosti Císařské na koních stáli, všelijakými zbraněmi dobře opatřeni byli, hotovi jsouce k službám Jeho Milosti proti těm neposlušným vojákům pasovským hrdla svá vynaložiti.“ [Sie waren zu Ross am Platze vor dem Gemach Seiner Kaiserlichen Majestät, gut versehen mit verschiedensten Waffen zu Diensten Ihrer Majestät, diesen ungehorsamen Passauer Soldaten gegenüber ihren Hals zu riskieren.] – Jireček, Paměti Bd. II (wie Anm. 434), S. 7.
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I Die päpstliche und die spanische Politik am Kaiserhof
Kaiser noch nie so fröhlich wie an jenem Tag gewesen sei; in ähnlichem Sinne sprach auch die Relation des spanischen Gesandten Zúñiga.⁴⁸⁵ Der Kaiser freute sich jedoch zu früh, denn den Passauer Soldaten gelang es nicht, das rechte Moldauufer in Prag unter ihre Kontrolle zu bringen. Auch die Zeit spielte gegen ihre Pläne – von Mähren aus begann der ungarischen König Matthias mit seinem Heer den Ständen zu Hilfe zu eilen.⁴⁸⁶ Der unüberlegte politische und militärische Plan von Rudolf II. und Erzherzog Leopold stieß nicht nur auf Ablehnung bei den mehrheitlich nichtkatholischen böhmischen Ständen, sondern etwas unerwartet ebenfalls bei den diplomatischen Vertretern des Apostolischen Stuhls und Spaniens.⁴⁸⁷ Beunruhigende Berichte über die gefährliche Entwicklung der Situation wurden aus Prag bereits vor dem eigentlichen Einmarsch der Passauer Truppen in Böhmen versandt. Mitte Dezember 1610, kurz vor Beendung seiner Mission am Kaiserhof, schrieb Nuntius Caetani nach Rom über mögliche Gefahren, die dem Königreich Böhmen drohten.⁴⁸⁸ Eine Woche später wies er auf die verdächtige Haltung des Kaisers hin. Wenngleich er keine Details kannte, befürchtete er, dass Rudolf II. durch sein unbesonnenes Handeln die Interessen des Hauses Habsburg und der katholischen Kirche noch mehr gefährden könne.⁴⁸⁹ Obwohl sich der päpstliche Nuntius und sein spanisches Gegenüber Zúñiga offen von den Taten der Passauer Truppen distanzierten, konnten sie es nicht verhindern, dass sie von den böhmischen Nichtkatholiken als Mitschuldige, oder sogar Hintermänner des ganzen Unterfangens gesehen wurden.⁴⁹⁰ Antonio Caetani versuchte daher intensiv, Rudolf II. dazu zu bewegen, das Passauer Heer aufzulösen und eine absolut eindeutige Haltung zu dessen Aktivitäten einzunehmen. Weil er keinen direkten Zugang zum Kaiser hatte, nutzte er die vermittelnden Dienste von Johann Barvitius, der sich schon seit langem einer privilegierten Stellung unter den Mitarbeitern des Nuntius erfreute.⁴⁹¹ Erzherzog Leopold wusste sehr wohl um die negative Haltung Caetanis, und dies wurde zur Ursache eines radikalen Bruchs zwischen beiden Männern.⁴⁹²
Sněmy české. Bd. XV. Praha 1917. Nr. 143, S. 180 – 181; Nr. 321, S. 414– 415. Vgl. Janáček, Rudolf II. (wie Anm. 35), S. 465 – 485. Janáček, Rudolf II. (wie Anm. 35), S. 481. Černušák, EAAC V (wie Anm. 63), Nr. 656, S. 564– 565. Černušák, EAAC V (wie Anm. 63), Nr. 672, S. 577– 580. Vgl. z. B. ASMa, AGCS, busta 225, Camillo Cattaneo 1610 – 1616, fol. 109 – 124, Camillo Cattaneo an Francesco Gonzaga (Prag, 1. 1. 1611); Černušák, EAAC V (wie Anm. 63), Nr. 672, S. 577– 580. Černušák, EAAC V (wie Anm. 63), Nr. 693,5, S. 596. Černušák, EAAC V (wie Anm. 63), Nr. 689, S. 591– 592.
I.5 Der Niedergang Rudolfs II.
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Leopold begrüßte daher die Ankunft des neuen apostolischen Nuntius Giovanni Salvago sehr, der Anfang Januar 1611 inmitten der Krise in der Stadt eintraf. Noch bevor der päpstliche Diplomat seine Antrittsaudienz beim Kaiser absolvieren konnte, versuchte ihn der Erzherzog auf seine Seite zu ziehen. Während der Gespräche teilte ihm Leopold vertraulich mit, dass im Hintergrund des kaiserlichen Unmuts, Caetani eine Audienz zu erteilen, vor allem die Antipathie des Herrschers gegenüber dem früheren Nuntius stehe. Er deutete hiermit an, dass beide Habsburger von Salvago viel größeres Verständnis für ihre politischen Schritte erwarteten.⁴⁹³ Aber Leopolds Druck vermochte Salvago nicht einzuschüchtern. Anstatt sich mit Erzherzog Leopold zu verbünden, knüpfte der neue Nuntius an die in der Vergangenheit von Antonio Caetani verfolgte Linie an und entschloss sich, auch weiterhin in enger Zusammenarbeit mit dem spanischen Gesandten Baltasar de Zúñiga zu handeln.⁴⁹⁴ Dieser hielt Leopolds Unterfangen von Anfang an für unsinnig, verantwortungslos, ja für die katholische Politik regelrecht schädlich. Noch bevor das Passauer Heer überhaupt in Richtung Böhmen aufbrach, hatte Zúñiga dem Kaiser ein Darlehen in Höhe von 40.000 Gulden gewährt, um einen Teil der Truppen auszubezahlen. Später riet er seinem Landsmann Baltasar de Marradas von dessen Entscheidung ab, sich den Passauern anzuschließen, und forderte Matthias auf, nach Prag zu reisen und die aktuelle Anarchie im Königreich zu beenden.⁴⁹⁵ Am 7. Februar kamen Zúñiga und Salvago mit Erzherzog Leopold im Kapuzinerkloster auf dem Hradschin zusammen, wo sie versuchten, den jungen Habsburger dazu zu bewegen, den Vormarsch der Passauer zu stoppen und das Heer sofort aufzulösen. Wenngleich ihr entschlossenes Handeln Leopold nicht von weiteren Schritten abhielt, konnte er die Ansichten der Vertreter der katholischen Großmächte nicht einfach außer Acht lassen. Umso mehr, als das Heer, mit dem Ramée bis vor Prag vordrang, zahlenmäßig kleiner war als die Anzahl der Verteidiger der Stadt. Obwohl die Verteidigung Prags neben einigen Tausend angeworbenen Soldaten vor allem eine schlecht ausgerüstete und unzulänglich organisierte Bürgermiliz und Stadtgesinde bildete, wusste Erzherzog Leopold, dass er bei weitem noch nicht gewonnen hatte.⁴⁹⁶
Černušák, EAAC V (wie Anm. 63), Nr. 698,3, S. 598. Sněmy české. Bd. XV (wie Anm. 485), Nr. 110, S. 137. Über die Zusammenarbeit zwischen Zúñiga und Salvago spricht auch Camillo Cattaneo, der Gesandte von Francesco Gonzaga di Castiglione. Vgl. dazu z. B. ASMa, AGCS, busta 225, Camillo Cattaneo 1610 – 1616, fol. 137– 149, Camillo Cattaneo an Francesco Gonzaga (Prag, 8. 1. 1611). González Cuerva, La embajada (wie Anm. 185), S. 78. Janáček, Rudolf II. (wie Anm. 35), S. 473 – 474; Novák, Rudolf II. (wie Anm. 35), S. 140.
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I Die päpstliche und die spanische Politik am Kaiserhof
Noch vor dem Angriff der Passauer auf die Stadt sandte Leopold daher einen Boten zu Salvago und Zúñiga mit einer Nachricht, in der er sich an beide Diplomaten mit der Bitte wandte, bei den Ständen die Verbindung von Ramées Regimentern mit dem böhmischen Heer auszuhandeln. Wenngleich er behauptete, dass die hierdurch entstehende Armee dem Kaiser dienen würde, zweifelte damals wohl niemand daran, dass er sie in Wirklichkeit zur Durchsetzung eigener politischer Ziele einsetzen wollte. Der päpstliche Nuntius gab Leopold daher die ausweichende Antwort, er sei wegen Gicht bettlägerig und wisse zudem nicht, an wen unter den Ständen er sich wenden solle, denn er sei erst vor kurzem in Prag angekommen und kenne sich daher noch nicht so gut in den hiesigen Angelegenheiten aus. Der erfahrene und selbstbewusste Baltasar de Zúñiga nahm aber kein Blatt vor den Mund. Er antwortete Leopold, dass er nicht vorhabe, durch Unterstützung von dessen abenteuerlichem Unterfangen den Ruf des spanischen Königs sowie seinen eigenen Ruf zu gefährden.⁴⁹⁷ Diese Worte aus dem Munde eines der bedeutendsten Beschützer der römischen Kirche in Mitteleuropa säten offenen Zweifel an der These, Leopold handele im Interesse des katholischen Glaubens, und degradierten seine Tat auf das Niveau eines bloßen machtpolitischen Komplotts. Zúñigas Kritik, deren Inhalt sich unmittelbar danach durch diplomatische Depeschen in ganz Europa verbreitete, schmerzte den habsburgischen Erzherzog umso mehr, weil sie nicht nur ein Affront gegen seine Autorität, sondern auch gegen seine Würde war. Man konnte erwarten, dass der ehrgeizige Leopold diese Geringschätzung seiner Autorität nicht ohne Reaktion belassen würde. Baltasar de Zúñiga konnte somit zu Recht die Rache des Habsburgers fürchten. Möglicherweise war auch dies einer der Gründe, warum der spanische Gesandte nichts dem Zufall überließ. Seinen Sitz in der heutigen Gasse Kanovnická auf dem Hradschin versah er Anfang Februar mit zahlreichen Wachen und ließ alle Wertsachen und wichtigen Dokumente auf die Prager Burg ins Haus des Oberstkanzler Lobkowitz verfrachten. Die Tatsache, dass er gerade das Palais Lobkowitz als Versteck dieser Gegenstände wählte, zeugt davon, dass sich der Oberstkanzler bei Baltasar de Zúñiga außerordentlichen Vertrauens erfreute. Zugleich handelt es sich um einen weiteren Beweis von Lobkowitzs Verbindung mit Erzherzog Leopold.⁴⁹⁸ Während der spanische Botschafter seine eigene Residenz, trotz zahlreicher Wachen, nicht als völlig sicheren Ort betrachtete, war er davon
Sněmy české. Bd. XV (wie Anm. 485), Nr. 132– 133, S. 160 – 166. Sehr prägnant zeugen hiervon die Berichte in der Korrespondenz von Camillo Cattaneo, z. B. – ASMa, AGCS, busta 225, Camillo Cattaneo 1610 – 1616, fol. 150 – 159, Camillo Cattaneo an Francesco Gonzaga (Prag, 15. 1. 1611).
I.5 Der Niedergang Rudolfs II.
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überzeugt, dass das Palais Lobkowitz im Falle eines Vordringens der Passauer auf den Hradschin vom Wüten der Truppen verschont werde.⁴⁹⁹ Obwohl Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz zu den größten Verfechtern einer einheitlichen habsburgischen Politik gehörte, überwog seine Loyalität zum böhmischen König und Kaiser Rudolf II. zumindest in diesen Augenblicken seine Verpflichtungen gegenüber dem spanischen Herrscher Philipp III., in dessen klientelistischem Netzwerk er Jahre lang eine wichtige Rolle spielte. Auch Giovanni Salvago konnte zu jener Zeit nur begrenzt auf seine Vertrauten aus den Reihen der Hofleute des Kaisers zurückgreifen. Im Unterschied zu seinem Vorgänger, dem in der Instruktion von 1607 gleich vier höfische Würdenträger empfohlen wurden, war Salvago Caetanis Finalrelation zufolge im Prinzip nur auf Johann Barvitius angewiesen.⁵⁰⁰ Obwohl diese Tatsache in hohem Maße widerspiegelte, dass sich Rudolf II. in den letzten Monaten seiner Herrschaft vor seiner Umwelt abkapselte, hing dies zweifellos auch mit der außerordentlich kritischen Haltung zusammen, die der päpstliche Nuntius zum abenteuerlichen Unterfangen des Kaisers eingenommen hatte.⁵⁰¹ In Salvagos Berichten aus dem ersten Quartal des Jahres 1611 fungiert somit tatsächlich nur Johann Barvitius als Hauptinformator über das Geschehen am Kaiserhof und außerhalb.⁵⁰² Als Anfang März klar wurde, dass es den Passauer Truppen nicht gelingen würde, ganz Prag zu besetzen, und zudem der ungarische König Matthias mit seinen Truppen aus Mähren gen Prag zog, wurde nicht nur dem Nuntius Salvago und dem Gesandten Zúñiga klar, dass Kaiser Rudolf II. dabei war, seinen Thron zu verlieren und dass die Machtambitionen von Erzherzog Leopold nicht in Erfüllung gehen würden. Dies begriffen auch die Befehlshaber der Passauer, als sie am 8. März heimlich Prag verließen und als ihnen einige Tage danach der Rest ihres Heeres samt Erzherzog Leopold folgte.⁵⁰³ In eine nicht beneidenswerte Lage geriet damals nicht nur Kaiser Rudolf II. sondern auch die Männer, die ihm in den vorherigen Wochen treu gedient hatten und nun dem Hass der meisten böhmischen Stände ausgesetzt waren und zu Recht die Reaktion des siegreichen Matthias fürchteten.
Sněmy české. Bd. XV (wie Anm. 485), Nr. 132– 133, S. 160 – 166. Černušák, EAAC V (wie Anm. 63), Nr. 640,76, S. 551. Über das Misstrauen des Kaisers gegenüber seiner Umgebung vgl. z. B. ASMa, AGCS, busta 225, Camillo Cattaneo 1610 – 1616, fol. 296 – 304, Camillo Cattaneo an Francesco Gonzaga (Prag, 27. 5. 1611). Sněmy české. Bd. XV (wie Anm. 485), Nr. 195, S. 239 – 240; Nr. 318, S. 408. Biblioteca Apostolica Vaticana (BAV), Barberiniani Latini (Barb. Lat), 6911, fol. 22r, 47v, 65r, 85r, 109r. Novák, Rudolf II. (wie Anm. 35), S. 280 – 292; Janáček, Rudolf II. (wie Anm. 35), S. 485 – 486.
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I Die päpstliche und die spanische Politik am Kaiserhof
Die feste und unnachgiebige Haltung, die der päpstliche Nuntius Salvago zusammen mit dem spanischen Gesandten Zúñiga während des Einfalls der Passauer Truppen eingenommen hatten, prädestinierte beide Männer dazu, sich nun der Rolle der Vermittler zwischen dem Kaiser und Matthias anzunehmen.⁵⁰⁴ Die Ehre, einziger Unterhändler zwischen den verfeindeten Brüdern zu werden, fiel aber schließlich nur dem spanischen Botschafter Zúñiga zu. Salvagos Engagement in weiteren diplomatischen Verhandlungen wurde vor allem durch die Rücksicht auf die böhmischen nichtkatholischen Stände verhindert, zu seinen Ungunsten sprach aber auch das Bestreben der Habsburger, die dynastische Krise im Rahmen ihrer Familie zu lösen, also ohne jedwede Einmischung fremder Mächte. Ein unbestrittener Vorteil im Falle des erfahrenen Gesandten Zúñiga waren auch seine außerordentlich guten Beziehungen zum ungarischen König, den er seit seiner Ankunft in Prag 1608 unerschütterlich und kontinuierlich unterstützte. Falls überhaupt jemand eine Chance hatte, Matthias davon zu überzeugen, sich gegenüber dem Kaiser und dessen Hofleuten als sanftmütiger und freundlicher Herrscher zu zeigen, war es dieser spanische Diplomat.⁵⁰⁵ Daher war es auch Zúñiga zu verdanken, dass sich die Machtübergabe von Rudolf II. auf Matthias in den folgenden Wochen ohne größere Komplikationen abspielte. Am 24. März fand der triumphale Einzug des ungarischen Königs Matthias in Prag statt, beim Generallandtag der Länder der Böhmischen Krone enthoben dann einzelne Ständevertreter Rudolf II. der Herrschaft in Böhmen, Schlesien sowie in den beiden Lausitzen, und bereits am 23. Mai wurde Matthias in Prag zum König von Böhmen gekrönt. Noch bevor dies geschah, wirkte Zúñiga intensiv auf den neuen böhmischen König ein, jene Würdenträger in den Landesämtern zu belassen, die in Vergangenheit Rudolf II. treu gedient hatten und überzeugte Katholiken waren.⁵⁰⁶ Besonders hitzige Debatten konnten im Falle des Oberstkanzlers Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz erwartet werden, der in der Vergangenheit einer der Erzfeinde von König Matthias gewesen war, während er für die Vertreter der katholischen Großmächte ein unentbehrlicher Helfer beim Durchsetzen der Gegenreformation in den böhmischen Ländern war. Als der neue böhmische König im Juni 1611 Zúñigas Drängen definitiv erhörte und die von
Sněmy české. Bd. XV (wie Anm. 485), Nr. 321, S. 415. Sněmy české. Bd. XV (wie Anm. 485), Nr. 545, S. 674– 675. Die päpstliche Diplomatie brachte sich in den ganzen Prozess vor allem mittels Placido Marra ein, ihres Nuntius am Hofe von Matthias. – Sněmy české. Bd. XV (wie Anm. 485), Nr. 43, S. 563. „Il detto signor Ambasciattore (di Spagna) ha fatto con il Re ogni sorte di buon ufficcio a favore del signor Gran Cancilliere.“ – ASMa, AGCS, busta 225, fol. 225 – 234, Camillo Cattaneo an Francesco Gonzaga (Prag, 28. 3. 1611). Vgl. ebenfalls ASMa, AGCS, busta 225, Camillo Cattaneo 1610 – 1616, fol. 296 – 304, Camillo Cattaneo an Francesco Gonzaga (Prag, 27. 5. 1611).
I.5 Der Niedergang Rudolfs II.
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Rudolf II. ernannten böhmischen Landesbeamten in ihren Ämtern bestätigte, wurde dies daher nicht nur in Madrid, sondern auch am päpstlichen Hof in Rom freudig begrüßt.⁵⁰⁷
Novák, Über die Bedeutung (wie Anm. 39), S. 102– 104.
II Beziehungsnetzwerke II.1 „Seiner Heiligkeit und dem katholischen Glauben dienen“ – Merkmale und Wandel des päpstlichen Beziehungsnetzwerks am Kaiserhof Obwohl sich die moderne Geschichtswissenschaft intensiv dem Thema verschiedener Interessensgruppierungen an frühneuzeitlichen Herrscherhöfen widmet, wurden jene Personen, die die Aktivitäten von päpstlichen Nuntien und Prag unterstützten, bislang nicht als eine organisierte, innerlich strukturierte und nach außen hin einheitliche Gruppe betrachtet.⁵⁰⁸ In den Briefen der Nuntien selbst können zwar Termini wie „katholische Partei“ (parte cattolica),⁵⁰⁹ bzw. „unsere Partei“ (parte nostra) gefunden werden,⁵¹⁰ mit beiden Begriffen wurden jedoch anstatt der Klienten des Papstes alle „guten“ und „eifrigen“ Katholiken als konfessionelle Gruppierung bezeichnet, die in einer Region tätig war, bzw. auf die beim Behandeln eines konkreten Problems zurückgegriffen wurde. Diese derartig weit verstandene katholische Partei erschien in den Quellen oft als Gegenpol zur „häretischen“, also der protestantischen, Partei.⁵¹¹ Es handelte sich jedoch um keine Partei oder Fraktion im heutigen Sinne des Wortes, sondern vielmehr um ein Beziehungsnetzwerk, dessen Mitglieder mit dem Vertreter der Kurie durch ein breites Spektrum an sozialen Interaktionen verwoben waren und von ihm gesteuert bzw. koordiniert wurden. Die Mitglieder dieses Netzwerks bildeten bei diesen Interaktionen keineswegs nur ein passives Element. Wenngleich sich ihr Verhältnis zum Papst und zu seinem Vertreter durch Loyalität auszeichnete, war es auch deutlich durch zahlreiche weitere Sachverhalte geprägt, einschließlich eines von Historikern oft unterschätzten Pragmatismus und Utilitarismus. Die
Zu politischen Fraktionen vgl. Visceglia, Fazioni (wie Anm. 15); González Cuerva u. Koller, A Europe (wie Anm. 17). Aus der jüngsten Literatur zur Tätigkeit der päpstlichen Nuntien in Prag vgl. z. B. Koller, Imperator (wie Anm. 41), S. 80 – 84; Bůžek, Václav: Der Heilige Stuhl und die böhmischen Länder während des Pontifikats Pauls V. In: Die Außenbeziehungen der römischen Kurie unter Paul V. Borghese (1605 – 1621). Hrsg. von Alexander Koller. Tübingen 2008. S. 121– 141. Vereinzelt erscheint die terminologische Bezeichnung „Netzwerk“ für eine Gruppe von Mitarbeitern des Nuntius in Studien zu anderen Nuntiaturen. Z. B. Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), Nr. 1.IV.2, S. 12; Nr. 77,2, S. 172; II, Nr. 362,5, S. 777; II, Nr. 433,6, S. 937; III, Nr. 575,9, S. 1264; Černušák, EAAC IV (wie Anm. 63), Nr. 131,5, S. 114. Vgl. z. B. Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), Nr. 78,3, S. 177; III, Nr. 826,1, S. 1845. Z. B. Černušák, EAAC IV (wie Anm. 63), Nr. 257,1, S. 219; Nr. 258,7, S. 221; Nr. 281,1, S. 244. https://doi.org/10.1515/9783110616699-004
II.1 „Seiner Heiligkeit und dem katholischen Glauben dienen“
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Herausbildung und das Funktionieren des Netzwerks gingen systematisch voran und folgten einer gewissen Strategie.⁵¹² Die Personen aus dem Umkreis des Prager Hofs von Rudolf II., die eng mit den päpstlichen Nuntien zusammenarbeiten und ihnen bei der Umsetzung ihrer politischen und religiösen Ziele behilflich sein sollten, wurden in der Regel aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu diesem oder jenem wichtigen Machtzentrum des Hofes ausgewählt. Es handelte sich hierbei um beratende und exekutive Behörden wie den Geheimrat, den Reichshofrat, den Hofkriegsrat und die Reichshofkammer. Diese Behörden wurden von den Habsburgern im Laufe des 16. Jahrhunderts als zentrale Einrichtungen für die Verwaltung ihres Reiches geschaffen, mit dem Ziel, die Integration der verwalteten Länder und die Stellung des Herrschers darin zu stärken. Aus diesem Grunde waren sie direkt dem Herrscher unterstellt, und ihr Betrieb und ihre Zuständigkeiten bei der Verwaltung der einzelnen Länder überschnitten sich mit den ursprünglichen ständischen Institutionen und übertrafen sogar manchmal deren Bedeutung.⁵¹³ Die päpstlichen Diplomaten waren sich dessen bewusst, dass gerade die in solchen Behörden tätigen Personen auf bedeutende Weise über Erfolg oder Misserfolg ihrer Mission entscheiden konnten.Während die Diplomaten Rudolf II. selbst nur selten während Audienzen begegneten und später eher nur mittels Korrespondenz mit ihm kommunizierten, hatten Geheimräte, Kämmerer und weitere höfische Würdenträger einen viel leichteren Zugang zum Kaiser und konnten die Nuntien daher mit vertraulichen Informationen versehen, oder sogar einige Entscheidungen des Herrschers beeinflussen. Davon, dass die Pflege solcher Kontakte für den Nuntius am Kaiserhof eine zentrale Aufgabe darstellte, war auch Kardinal Ottavio Paravicini überzeugt, der als Protektor Germaniens die Interessen des Heiligen Römischen Reiches beim Kardinalskollegium und beim Papst vertrat.⁵¹⁴ Als ihn im September 1603 der neue Nuntius Ferreri besuchte, um ihn um Rat zu fragen, wie er in seinem Amt vorgehen solle, erwiderte Paravicini, dass es seine Pflicht sei, nicht nur für gute Beziehungen zwischen dem Papst und
Zur Definition des Beziehungsnetzwerks vgl. Anm. 47. Zur Geschichte dieser Institutionen vgl. Gross, Die Geschichte (wie Anm. 289); Schwarz, The Imperial Privy Council (wie Anm. 131); Ehrenpreis, Kaiserliche Gerichtsbarkeit (wie Anm. 131); Fellner, Thomas u. Kretschmayr, Heinrich: Die österreichische Zentralverwaltung. I. Abteilung. Bd. I. Wien 1907. Zur Funktion „Protector Germaniae“ vgl. Wodka, Josef: Das Kardinalsprotektorat deutscher Nation und die Protektorate der deutschen nationalen Stiftungen in Rom. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Kanonische Abteilung 64 (1944). S. 301– 322; ders.: Zur Geschichte der nationalen Protektorate der Kardinäle an der Römischen Kurie. Leipzig 1938. Für spätere Zeitabschnitte vgl. ebenfalls Kubeš, V zastoupení (wie Anm. 8), S. 208 – 245.
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II Beziehungsnetzwerke
dem Kaiser zu sorgen, das Weiterleiten von nebensächlichen Informationen und von „Geschwafel im neapolitanischen Stil“ zu vermeiden, sondern auch gut mit den „vertrautesten Ministern“ des Kaisers auszukommen und nicht zu versuchen, irgendwelche „neuen Sachen“ zu machen, ohne sie zuvor darüber informiert zu haben.⁵¹⁵ Es überrascht daher nicht, dass die personelle Zusammensetzung der einzelnen Räte und die Wertung ihrer Macht bereits in den einführenden Informationen erscheinen, die die Nuntien bei ihrem Amtsantritt erhielten. Für die Anfangszeit der Herrschaft Rudolfs II. spiegelt dies der Bericht über den Kaiserhof sehr gut wider, den der bereits erwähnte Pompeo Vizani 1581 für Nuntius Ottavio Santacroce erstellte.⁵¹⁶ Vergleichbar detaillierte Beschreibungen wie in Vizanis Bericht, in denen ebenfalls Namen der Mitglieder der einzelnen Räte, ihre Bedeutung bzw. persönliche Charakteristiken angeführt sind, können auch in den Finalberichten gefunden werden, die die Nuntien Antonio Puteo im Jahre 1589, Camillo Caetani 1592 und sein Verwandter Antonio Caetani im Jahre 1610 für ihre Amtsnachfolger ausarbeiteten.⁵¹⁷ Nicht nur hieraus, sondern auch aus der Korrespondenz der Nuntiatur geht hervor, dass für die päpstlichen Diplomaten der Geheimrat eine zentrale Rolle spielte und dass mit seinen Mitgliedern regelmäßig die wichtigsten politischen und religiösen Angelegenheiten des Heiligen Römischen Reiches besprochen wurden. „Mit den Ministern des ersten Rates [also des Geheimrats – Anm. d.Verf.] werden Sie wegen den notwendigen Sachen oft zusammenkommen“, schrieb Camillo Caetani in seinem Abschlussbericht für Nuntius Speciano.⁵¹⁸ Von den übrigen Räten war für die päpstlichen Diplomaten noch der Reichshofrat von Bedeutung, der unter anderem Angelegenheiten der Reichslehen in Italien verwaltete. Gerade in diesen Territorien kreuzten die Interessen des Kaisers die des
„Venne poi Monsignor di Vercelli da me et temendo, che non gli occorresse quelche al suo antecessore della poca gratia, che ha havuto, per quelche si dice con Vostra Maestà, si affatigava in dirmi, che gl’insegnassi, che cosa haveva da fare, li dissi presto, che mettesse sempre bene fra il Prencipe a chi serviva, et quello dove assisteva, che non scrivesse bagattelle e ciancie alla napolitana, attendesse al negotio seriamente, s’intendesse bene con li Ministri più intrinsici di Vostra Maestà, non tentasse cose nuove senza farle sapere per il mezzo di quei Ministri, […].“ – ÖStA, HHStA, Rom, Hofkorrespondenz, Kart. 7, fol. 91r–92r. Koller, Imperator (wie Anm. 41), S. 369 – 375. Schweizer, Josef (Hrsg.): Die Nuntiatur am Kaiserhofe. Antonio Puteo in Prag 1587– 1589. Paderborn 1912 (Quellen und Forschungen aus dem Gebiete der Geschichte 14), Nr. 262, S. 482, 524– 525; Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), Nr. 198.V.1– 3, S. 445 – 447; Giordano, Le istruzioni (wie Anm. 67), Nr. 51.IX, S. 765 – 770. „Con li ministri del primo Consiglio converrà spesso a Vostra Signoria di trattare per li negotii occorrenti.“ – Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), Nr. 198.V.4, S. 447.
II.1 „Seiner Heiligkeit und dem katholischen Glauben dienen“
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Papstes am meisten, und zwar nicht nur in dessen Amt als Oberhaupt der katholischen Kirche, sondern vor allem als Herrscher des Kirchenstaats. Die übrigen Zentralbehörden, also der Hofkriegsrat und die Reichshofkammer, wurden von den Diplomaten nur begrenzt als Kommunikationspartner angesehen.⁵¹⁹ Neben ausgewählten Mitgliedern des Geheimrats wurden angesichts der langfristigen Ansiedlung des Kaiserhofs in Prag und der spezifischen Bedeutung der böhmischen Länder auch bedeutende Vertreter des örtlichen katholischen Adels, die machtpolitisch wichtige Landesämter innehatten, in das päpstliche Beziehungsnetzwerk einbezogen.⁵²⁰ Auch sie konnten im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und ihres Einflusses den Nuntien wertvolle Dienste leisten. Obwohl die böhmischen Edelleute in vielen Fällen auch einer der erwähnten Zentralbehörden, vor allem dem Geheimrat, angehörten, wurden sie von den Diplomaten als spezifische Gruppe reflektiert. Dies lässt sich nicht nur an dem erwähnten Erfolg bei der Besetzung der wichtigsten Landesämter durch radikale Katholiken im Jahre 1599 gut belegen, bei dem Christoph Popel von Lobkowitz eine bedeutende Rolle spielte, sondern auch anhand weiterer Beispiele.⁵²¹ In den Anfangsjahren der Herrschaft Rudolfs II. handelte es sich beispielsweise um den Plan zur Rekatholisierung der Prager Universität, der vom Staatssekretariat in Rom vorgeschlagen und ab 1580 von Orazio Malaspina in Zusammenarbeit mit Wratislaw von Pernstein forciert, aber dennoch letztendlich nicht realisiert wurde,⁵²² und um das ebenfalls erfolglose Vorhaben einer Generalvisitation der böhmischen Länder, um die sich Germanico Malaspina, vor allem unterstützt durch den böhmischen Magnaten Wilhelm von Rosenberg, 1585 bemühte.⁵²³ Ab Anfang des 17. Jahrhunderts spielte der Oberstkanzler Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz eine vergleichbare Rolle, den Nuntius Ferreri in einem seiner Berichte zutreffend
Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), Nr. 198.V.4, S. 447; Giordano, Le istruzioni (wie Anm. 67), Nr. 51.IX.4– 5, S. 768 – 769. Für grundlegende Informationen zur böhmischen Landesverwaltung in der Frühen Neuzeit vgl. Janák, Jan [u. a.]: Dějiny správy v českých zemích. Od počátků státu do současnosti. Praha 2005. S. 85 – 109. Zu seiner Bedeutung im Zusammenhang mit dieser Angelegenheit äußerte sich explizit Nuntius Spinelli. – „È tornato Christophoro Poppel, al quale furono rimessi i negotii proposti da me intorno al regno di Boemia e con esso negotiarò per l’avvenire.“ – AAV, FB III, 87c, fol. 92v. Černušák, La nunziatura (wie Anm. 40), S. 45 – 46. Černušák, Tomáš: Pražský nuncius Germanico Malaspina a jeho strategie v českých zemích. In: Alis volat propriis. Sborník příspěvků k životnímu jubileu Ludmily Sulitkové. Hrsg. von Hana Jordánková. Brno 2016. S. 238 – 246.
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II Beziehungsnetzwerke
als einen Mann charakterisierte, dem man „die Angelegenheiten der Religion in Böhmen anvertraut“.⁵²⁴ Erste Erkenntnisse über potenzielle personelle Stützen am Hof gewannen die päpstlichen Diplomaten auf verschiedenen Wegen. Elementare Empfehlungen bezüglich geeigneter Personen bekamen sie bereits vor Antritt ihrer Mission in der Hauptinstruktion, in der die prinzipiellen Bereiche ihrer Mission festgelegt wurden. Orazio Malaspina und Ottavio Santacroce nutzten als Hauptstütze Kaiserin Maria,⁵²⁵ und es überrascht daher nicht, dass gerade sie in der Hauptinstruktion des zweitgenannten Diplomaten von 1581 explizit als zentrale Person im Zusammenhang mit der Unterstützung von päpstlichen und allgemein katholischen Interessen beim Kaiser genannt wird.⁵²⁶ Die Abreise der Kaiserin nach Spanien brachte später vielmehr bedeutende Hofleute und den katholischen Adel in den Vordergrund, wenngleich die Nuntien auch bereits früher auf sie zurückgegriffen hatten.⁵²⁷ Namen potentieller Vertrauter des Nuntius standen beispielsweise in der Hauptinstruktion für Cesare Speciano vom 5. Mai 1592, in der auch ihre Ämter bzw. Zuständigkeiten und manchmal auch eine persönliche Charakteristik vermerkt waren. Speciano sollte sich somit in seinem Streben nach Förderung von katholischen und päpstlichen Interessen auf den ungarischen Kanzler Johann Kuthassy, den böhmischen „Vizekönig“ (vicerè) Wilhelm von Rosenberg und den böhmischen Obersthofmeister Georg Popel von Lobkowitz stützen, aber als „Vertrauteste“ (più intimi) wurden Wolf Rumpf, Paul Sixt von Trautson und der Reichsvizekanzler Jakob Kurz von Senftenau bezeichnet. Ferner wurden in jenem Dokument noch die Kämmerer Ottavio Spinola, Lodovico Colloredo und die Reichshofräte Andreas Erstenberger von Freyenthurm und Johann Barvitius erwähnt. Beim Letztgenannten wurden in der Instruktion zudem nicht nur dessen religiöser Eifer und Intelligenz hervorgehoben, sondern es wurde vor allem vermerkt, dass man über ihn Angelegenheiten, die die italienischen Länder betreffen, erledige. Speciano sollte also der Instruktion zufolge, die er vom Staatssekretariat erhalten hatte, mit Barvitius „eine enge Beziehung anknüpfen und ihn auch des Vertrauens seitens Seiner Heiligkeit versichern, wenn er die Angele-
„[…] a lui si rimettono le cose concernenti la religione di Bohemia, […].“ – AAV, FB II, 158, fol. 47. Koller, NBD III/10 (wie Anm. 234), S. XLI. Koller, NBD III/10 (wie Anm. 234), Nr. 282,4, S. 445. Für den Zeitraum der erwähnten Nuntien Malaspina und Santacroce vgl. Koller, NBD III/10 (wie Anm. 234), S. XLV–XLVII.
II.1 „Seiner Heiligkeit und dem katholischen Glauben dienen“
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genheiten der katholischen Religion auch weiterhin erledigt“.⁵²⁸ Nicht alle Hauptinstruktionen waren jedoch vergleichbar detailliert wie jene für Cesare Speciano. In einigen Weisungen fehlen konkrete Namen von Vertrauten des Nuntius völlig.⁵²⁹ Eine weitere wichtige Quelle von Informationen über Personen, mit deren Hilfe der neue Nuntius möglicherweise rechnen konnte, sind Finalrelationen, die in der Regel von seinem Amtsvorgänger ausgefertigt wurden. Auch hier erschien ab und zu eine persönliche Charakteristik, die anders als die Hauptinstruktionen den Vorteil hatte, dass sie auf unmittelbaren Erfahrungen des Verfassers gründete. So empfahl beispielsweise Filippo Sega 1587 seinem Nachfolger Antonio Puteo neben Adam von Dietrichstein hauptsächlich Wolf Rumpf, „den diskretesten und freundlichsten Herrn, […] der stets bereit sein wird, Euch mit Liebe und Besonnenheit zu raten“.⁵³⁰ Die personelle Zusammensetzung des Beziehungsnetzwerks der päpstlichen Diplomaten in Prag lässt sich ebenfalls mit Hilfe der Empfehlungsbreve rekonstruieren. Jeder Nuntius bekam vor Anfang seiner Mission eine größere oder kleinere Anzahl davon. Einerseits handelte es sich um Breve, die ohne konkreten Adressaten, also in bianco, ausgestellt waren, die der Nuntius selbst nach eigenem Ermessen verwenden und mit einem konkreten Namen versehen konnte.⁵³¹ Aus unserer Sicht ist jedoch die Gruppe von Breve mit vorab bestimmten Adressaten wichtiger. Neben Mitgliedern des Hauses Habsburg, Reichsfürsten und führenden kirchlichen Würdenträgern waren dies auch bedeutende Hofleute. Die Struktur der Namen und ihre Anzahl erlauben es, sich bezüglich der potenziellen personellen Stützen der Nuntien am Kaiserhof grob zu orientieren. Sie widerspiegeln sehr gut den Unterschied zwischen dem Beziehungsnetzwerk der Nuntien, wie es sich am Anfang der Herrschaftszeit von Kaiser Rudolf II. profilierte und wie es am Ende seiner Herrschaftszeit aussah. Im Rahmen der gesellschaftlichen Gruppe
„[…] stringere in particolare confidenza, testificandoli anco il conto, che tenerà Nostro Signore di quanto egli andarà portando innanzi le cose della religione cattolica.“ – Jaitner, Die Hauptinstruktionen Clemens VIII. Bd. I (wie Anm. 67), Nr. 10, S. 78 – 79. Vgl. z. B. die Hauptinstruktion für Nuntius Spinelli aus dem Jahr 1598 bzw. jene für Ferreri aus dem Jahr 1604. – Jaitner, Die Hauptinstruktionen Clemens VIII. Bd. I (wie Anm. 67), Nr. 71, S. 565 – 570; Nr. 95, S. 708 – 724. „[…] discretissimo e amorevolissimo signore, […] la sarà sempre avertita et consigliata con carità et prudenza, […].“ – Reichenberger, Robert (Hrsg.): Die Nuntiaturberichte am Kaiserhofe. Germanico Malaspina und Filippo Sega. Paderborn 1905 (Quellen und Forschungen aus dem Gebiet der Geschichte 10). Nr. 174, S. 413 – 414. Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), S. XLIV–XLV. So brachte beispielsweise Giovanni Salvago u. a. neun Breve für deutsche Bischöfe, sechs Breve für Sekretäre des Kaisers und drei Breve für Ratgeber des Kaisers nach Prag mit. – AAV, Arm. XLV, 6, fol. 88r–89v.
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von Hofleuten und Landesbeamten hatte Germanico Malaspina im Jahre 1584 Breve für die führenden katholischen Edelleute Adam von Neuhaus, Wilhelm von Rosenberg und Adam von Dietrichstein, ferner für die Geheimräte Johann Trautson, Leonhard von Harrach und den Reichsvizekanzler Sigmund Viehäuser zur Verfügung.⁵³² Am Ende der Herrschaftszeit Rudolfs II. hatte die personelle Reduktion des Beziehungsnetzwerks der Nuntien offenbar auch in der Anzahl der bereitstehenden Breve ihren Niederschlag gefunden. Nuntius Giovanni Salvago brachte daher 1610 für den Umkreis der kaiserlichen Hofleute und böhmischen Landesbeamten bloß ein Breve für Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz nach Prag mit, was in diesem Fall damit zusammenhängen konnte, dass Lobkowitz seiner religiösen Überzeugung den Vorrang vor seiner Amtspflicht gegeben hatte, als er sich weigerte, den berühmten Majestätsbrief Rudolfs II. zu kontrasignieren. Etwas paradox fehlte somit unter den namentlich genannten Adressaten Johann Barvitius, der anderen Berichten zufolge die Hauptstütze der päpstlichen Diplomatie in Prag gewesen war.⁵³³ Weitere Erkenntnisse über wichtige Personen am Kaiserhof gewannen die neuen Diplomaten zweifellos direkt von ihren Vorgängern, wenn sie von ihnen das Amt übernahmen. Der vorherige Nuntius übergab seinem Nachfolger die Nuntiatur nämlich in der Regel persönlich. Nur in Ausnahmefällen, beispielsweise beim plötzlichen Tod des päpstlichen Diplomaten, war dem nicht so, und so wurde die unmittelbare Kontinuität unterbrochen, wenngleich sie in gewissem Maße beispielsweise durch den Auditor des Nuntius aufrechterhalten werden konnte. Die Dauer des gemeinsamen Aufenthalts beider Diplomaten konnte unterschiedlich sein. Er währte zweifellos so lange, bis der Kaiser dem neuen Vertreter des Papstes die erste, mit der Übergabe des Beglaubigungsbreve verbundene Audienz erteilte, nach der sich der neue Nuntius vollberechtigt seines Amtes annahm.⁵³⁴ Jedenfalls verbrachten der alte und der neue Nuntius miteinander mindestens einige Tage, häufiger jedoch mehrere Wochen, während derer nicht nur die laufenden Sachen übergeben wurden, sondern auch wichtige Empfehlungen und Informationen über die Eigenarten des Kaiserhofs und über dortige potenzielle Kontaktpersonen ausgetauscht wurden.⁵³⁵ Auf die außerordentliche Bedeutung dieser Art von interner Kommunikation zwischen den Diplomaten
Reichenberger, Die Nuntiaturberichte (wie Anm. 530), Nr. 1, S. 5, Anm. 4. Für das Verzeichnis der Adressaten der Breve vgl. AAV, Arm. XLV, 6, fol. 87r. Zu zeremoniellen Fragen der päpstlichen Nuntien vgl. Garms-Cornides, Per sostenere il decoro (wie Anm. 23). Der ausdienende Nuntius Ferreri und sein Nachfolger Caetani verbrachten 1607 mehr als vier Monate zusammen. – Linhartová, EAAC I (wie Anm. 62), Nr. 9, S. 28; Nr. 188, S. 233.
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wies beispielsweise der Generalkommissar für Ungarn, Giacomo Serra, prägnant in seinem Bericht an den Kardinalnepoten Aldobrandini hin. Mit dem neuen Nuntius Ferreri besprach er 1604 seinen Worten zufolge alles, „was nicht nur für die öffentlichen Angelegenheiten notwendig war, sondern auch für die spezifischen, die den Dienst Eurer hochverehrten Herrschaft betreffen könnten“.⁵³⁶ Ferreris Dienst lobte wiederum drei Jahre später Antonio Caetani, der die Zeit des Wartens auf die Antrittsaudienz zum Einholen von Informationen bei seinem Vorgänger bezüglich „offener Angelegenheiten, bei denen, ebenso wie bei allen anderen, die den Dienst für unseren Herren [also den Papst – Anm. d. Verf.] und für den Heiligen Stuhl betreffen, mir dieser Prälat größere Genugtuung bietet, als ich je hoffen konnte“ nutzte.⁵³⁷ Wie aus dem oben Angeführten hervorgeht, hatten die Nuntien vor und zu Beginn ihrer Tätigkeit in Prag zumeist ausreichende Informationen über die wichtigsten Machtgruppen, die mit der Bekleidung bedeutender Reichs- Landes bzw. Hofämter verbunden waren, welche ihnen ausreichende Möglichkeiten zur Herausbildung ihres Beziehungsnetzwerks bieten konnten. Eine wichtige Frage in diesem Zusammenhang lautet, auf welche Art und Weise sie aus dieser relativ umfangreichen Gruppe von Hofleuten konkrete Einzelpersonen auswählten, die tatsächlich Mitglieder jenes Netzwerks wurden und somit den Diplomaten der Kurie bei der Umsetzung der päpstlichen Politik behilflich waren. Aus der Analyse der Diplomatenkorrespondenz geht hervor, dass eine zentrale Rolle im Zusammenhang mit der Bedeutung eines Höflings dem Vertrauen in den Augen des Nuntius zukam. Dieses lässt sich mit den Worten Wolfgang Reinhards charakterisieren als eine „gewohnheitsmäßige Erwartung, dass die Gegenseite die Interessen des Betreffenden in einer Beziehung berücksichtigen wird, möglicherweise, weil es in ihrem eigenen Interesse liegt“.⁵³⁸ In den frühneuzeitlichen Beziehungsnetzwerken, die sich auf den gegenseitigen Austausch von Informationen und Erkenntnissen stützten, war Vertrauen ein integratives Element bei der Herausbildung, Aufrechterhaltung und Ausbreitung dieser Netzwerke.⁵³⁹ Mit den
„Ho ragionato seco di quanto m’è occorso non solo delle materie publiche, ma anco d’altri particolari, che potessero concerner il servitio di Vostra Signoria Illustrissima.“ – Kristen, EAJSF I (wie Anm. 62), Nr. 36, S. 87, Anm. 4. „[…] nel prendere informatione da Monsignor di Vercelli de’negotii pendenti, ne’quali et in tutto quello, che può concernere il servitio di Nostro Signore et della Santa Sede ho da questo prelato quella maggior sodisfattione, che potrei desiderare.“ – Linhartová, EAAC I (wie Anm. 62), Nr. 9, S. 28. Reinhard, Paul V. Borghese (wie Anm. 19), S. 14. Mauelshagen, Franz: Netzwerke des Vertrauens. Gelehrtenkorrespondenz und wissenschaftlicher Austausch in der Frühen Neuzeit. In:Vertrauen. Historische Annäherungen. Hrsg. von
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Worten von Niklas Luhmann ist das Vertrauen „ein elementarer Tatbestand des sozialen Lebens“.⁵⁴⁰ Indem es „die soziale Komplexität“ reduziert, erleichtert es das Funktionieren und Leben des Einzelnen in der Gesellschaft, wenn ein gewisses Maß an Risiko akzeptiert wird.⁵⁴¹ In den Hauptinstruktionen, Abschlussberichten und einzelnen Depeschen wird es üblicherweise durch den Begriff confidenza in seinen verschiedenen Formen ausgedrückt. Dies belegt sehr gut die zitierte Hauptinstruktion für Nuntius Speciano, in der er zur Aufrechterhaltung des Vertrauens zu Barvitius aufgefordert wird,⁵⁴² sowie die Finalrelation seines Vorgängers Camillo Caetani aus demselben Jahr, in der die Bedeutung eines vertrauensvollen Verhältnisses zu den Mitgliedern des Geheimrats unterstrichen wird.⁵⁴³ Eher eine Rarität stellt die Verwendung verschiedener Formen des Begriffs intimo dar, der auf Vertrauen auf einem höheren Niveau hinweist, das nur einem engen und genau definierten Personenkreis vorbehalten war.⁵⁴⁴ Nicht nur aufgrund der verwendeten Terminologie, sondern auch dank der Analyse relevanter Quellen, kann auch die innere Struktur des päpstlichen Beziehungsnetzwerks identifiziert werden. Während jeder der Herrschaftsphasen Rudolfs II. profilierten sich Einzelpersonen, die als Informationsquellen bzw. aktive Akteure beim Behandeln oder Durchsetzen konkreter Angelegenheiten wichtiger bzw. vertrauensvoller erschienen, und zwar nicht nur, was die Häufigkeit ihres Vorkommens in der Korrespondenz der Nuntiatur anbelangt, sondern vor allem unter dem Aspekt der von ihnen behandelten Probleme. Bis zu ihrem Fall im Jahre 1600 waren dies eindeutig Wolf Rumpf, Paul Sixt Trautson und später auch Jakob Kurz von Senftenau.Von den böhmischen Edelleuten hatten vor allem Wratislaw von Pernstein, Wilhelm von Rosenberg und Christoph Popel von Lobkowitz eine privilegierte Stellung im Beziehungsnetzwerk der Nuntien. Nach 1600 veränderte sich die Struktur des Netzwerks mehrmals relativ schnell im Zuge des sich verschlechternden Gesundheitszustands des Kaisers und seines wachsenden Misstrauens gegenüber der päpstlichen Politik und ihren Prager Vertre-
Ute Frevert. Göttingen 2003. S. 119 – 151. Zum Aspekt des Vertrauens in der diplomatischen Kommunikation vgl. ebenfalls Droste, Im Dienst (wie Anm. 57), S. 135– 138. Luhmann Niklas: Vertrauen. Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität. 5. Aufl. Konstanz – München 2014. S. 8. Zum Konzept des Vertrauens vgl. ebenfalls Misztal, Barbara A.: Trust in Modern Societies. The Search for the Bases of Social Order. Cambridge 1996; Hartmann, Martin u. Offe, Claus (Hrsg.): Vertrauen. Die Grundlage des sozialen Zusammenhalts. Frankfurt a. M. – New York 2001. Luhmann, Vertrauen (wie Anm. 540), S. 82. Vgl. Anm. 68. Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), Nr. 198.IV.4, S. 447. Für ähnliche Formulierungen vgl. Pazderová, EACS II (wie Anm. 63), Nr. 415,10, S. 901. Vgl. wiederum die Instruktion für Speciano in Anm. 68.
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tern. Die päpstlichen Nuntien verließen sich damals vorwiegend auf Karl von Liechtenstein, Philipp Lang, Andreas Hannewaldt von Eckersdorf, Jakob Breuner, Hermann Attems und Ernst von Mollart. Zumeist aber leuchtete ihr Stern nur kurz auf und erlosch mit der Zeit völlig. Wechselhaft war auch die Stellung von Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz. Die Rolle der langfristigen Stützen Rumpf, Trautson und Kurz ersetzte nach 1600 auf außerordentliche Weise Johann Barvitius. Nuntius Spinelli schrieb über ihn in seinem Brief vom 9. Mai 1599, dass er der einzige am Hofe sei, der bereit sei, „Seiner Heiligkeit und dem katholischen Glauben zu dienen“, wenngleich nur insgeheim.⁵⁴⁵ In den Quellen wird seine Klientenstellung gegenüber den Päpsten explizit seit jenem Jahr hervorgehoben, in dem ihn derselbe Diplomat als servitore di Nostro Signore bezeichnete.⁵⁴⁶ Darauf deutet auch der einzige überlieferte Brief von Barvitius an Spinelli vom 12. Oktober 1599 hin. Der Absender informiert darin den Diplomaten der Kurie über erfüllte Aufgaben, dankt ihm für die Empfehlung für seinen Neffen Ecker wegen der Kanonikatsstelle in Breslau (vgl. Kapitel I.3.) und versichert dem Nuntius zugleich, dass er versuchen werde, „seine Dankbarkeit mit allen Arten von Dienstleistungen zu beweisen, wie dies nur möglich sein wird“.⁵⁴⁷ Auf ähnliche Weise wird Barvitius in der Korrespondenz von Camillo Cattaneo, dem Agenten des kaiserlichen Gesandten in Rom Francesco Gonzaga di Castiglione, aus dem Jahr 1611 in Bezug auf die Päpste als devotissimo servitore geschildert.⁵⁴⁸ Aus der Sicht der Nuntien erschien die Stellung von Barvitius am Hof als außerordentlich attraktiv, unter anderem auch zweifellos dank der Tatsache, dass sämtliche Korrespondenz zwischen dem Herrscher und seinen Vertretern beim Heiligen Stuhl, zu denen der kaiserliche Gesandte sowie der Kardinalprotektor Germaniens gehörten, durch seine Hände ging. Ottavio Paravicini schickte beispielsweise in den Jahren 1608 – 1609 seine Berichte vom römischen Hof regelmäßig an den Kaiser sowie parallel auch an den Sekretär Barvitius, der somit Zugang zu sehr wichtigen Informationen hatte.⁵⁴⁹ Obwohl sich die päpstliche Diplomatie primär auf Vertreter bedeutender exekutiver Ämter und Verwaltungsbehörden der Monarchie konzentrierte, war unter dem bereits erwähnten Aspekt des Vertrauens deren leidenschaftlicher katholischer Glaube in Kombination mit der Bereitschaft, den Interessen des
„[…] Barvicio, il quale mostra volontà di servire la Santità di Nostro Signore et la religion cattolica, ma secretamente.“ – AAV, FB III, 84a, fol. 412r. AAV, FB III, 67b, fol. 166v. „[…] sforzarò a mostrarmeli grato con ogni sorte di servitù mi sarà possibile.“ – AAV, FB III, 67b, fol. 274r–v. BAV, Barb. lat. 7045, fol. 62r–63r, 63Ar–v, 64r–67r, 73r–74v Vgl. z. B. ÖStA, HHStA, Handschrift W 290, Bd. 12, fol. 27r–v, 28r, 39r–v, 40r, 45r–47v.
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Papstes zu dienen, die ausschlaggebende Voraussetzung für ihre eventuelle Aufnahme ins Beziehungsnetzwerk. Zu den Aufgaben der Diplomaten gehörte, darauf zu achten, dass die Würdenträger am Hof stets „aufrichtige Katholiken“ waren.⁵⁵⁰ Den Nuntien wurde bereits vor ihrer Abreise zur Mission nachdrücklich empfohlen, bald nach ihrer Ankunft in Prag Informationen über den religiösen Eifer der Personen, die den Kaiser umgaben, einzuholen.⁵⁵¹ Daher finden wir in den Nuntiaturberichten bei den einzelnen Hofleuten in der Regel auch Angaben über die Intensität ihres Verhältnisses zum Glauben und zur Kirche. Diejenigen, die aktiv mit den päpstlichen Diplomaten zusammenarbeiteten, wurden als ben disposti verso la religione cattolica et ben affetti verso questa Santa Sede (gegenüber dem katholischen Glauben bereitwillig und dem Heiligen Stuhl wohlgesonnen),⁵⁵² molto favorevoli al cattolicesimo (sich sehr positiv zum Katholizismus stellend),⁵⁵³ zelanti (eifrig)⁵⁵⁴ bzw. als buoni cattolici (gute Katholiken) gesehen und beschrieben.⁵⁵⁵ Dieser Eifer in Sachen Katholizismus und Papsttreue stellte keine leere Phrase dar. Um Vertrauen beim Diplomaten zu wecken und aufrechtzuerhalten, mussten die religiöse Einstellung und konfessionelle Zugehörigkeit auf konkrete Taten gestützt sein. Dies wird sehr gut durch die Kritik von Nuntius Caetani gegenüber Karl von Liechtenstein dokumentiert, der unter Caetanis Vorgänger Ferreri eine bedeutende Stütze der Interessen der Kurie am Hof gewesen war. Dem Nuntius missfiel Liechtensteins eher formalistische Herangehensweise an die Behandlung katholischer Forderungen. Der mährische Edelmann täte vieles angeblich nur, um in seiner Umgebung einen guten Eindruck zu erwecken. Einerseits empfange er alle acht Tage die Eucharistie und ahme das strenge Leben der Kapuziner nach, indem er stundenlang kniend meditiere und bete. Andererseits aber, wenn es sich um „eine Religionssache handelte, wo seine Hilfe sehr nützlich sein könnte, erscheint er eher faul und kalt wie Eis“, schrieb Antonio Caetani wortwörtlich.⁵⁵⁶ Die Bedeutung von tatsächlich aktiven Schritten zugunsten des Katholizismus und
„[…] sinceramente Catolici […]“ – Jaitner, Die Hauptinstruktionen Clemens VIII. Bd. I (wie Anm. 67), Nr. 10.I.3, S. 55. Koller, NBD III/10 (wie Anm. 234), Nr. 1,10, S. 7. Z. B. in der Hauptinstruktion für Nuntius Speciano. – Jaitner, Die Hauptinstruktionen Clemens VIII. Bd. I (wie Anm. 67), Nr. 10.VI.3, S. 78. Vgl. z. B. Reichenberger, Die Nuntiaturberichte (wie Anm. 530), Nr. 13, S. 15. Vgl. z. B. AAV, FB II, 170, fol. 137r–v. Z. B. im Abschlussbericht von Camillo Caetani Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), Nr. 198.V.1, S. 445. „[…] nondimeno trattandosi qualche causa di religione, dove il suo aiuto potrebbe esser molto di profitto, si ritrovi per lo più pigro e freddo come un ghiaccio.“ – Linhartová, EAAC I (wie Anm. 62), Nr. 103, S. 138 – 139.
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des Papsttums als wichtiges Element des Vertrauens ist in zahlreichen Fällen konkreter Aktivitäten der Hauptstützen der päpstlichen Politik am Hof, wie dies beispielsweise Rumpf, Trautson, Kurz, Breuner und Barvitius waren, gut sichtbar,⁵⁵⁷ wenngleich sie zweifellos ihrerseits auch durch ausschließlich eigennützige Interessen motiviert sein konnten und waren. Die Bedeutung der aktiven Tätigkeit im Interesse des Katholizismus und des Papsttums als dem zentralen Aspekt, um das Vertrauen des Nuntius zu erlangen und somit ins Kurialnetzwerk am Kaiserhof aufgenommen zu werden, wird auch indirekt vom Umgang der päpstlichen Diplomaten mit jenen Personen bestätigt, die nicht dieses Niveau erreichten. Die Nuntien setzten geringes Vertrauen nicht nur in die Vertreter anderer Konfessionen, sondern auch in „laue“ (tiepidi) Katholiken. Als gutes Beispiel kann Adam von Sternberg dienen, den Antonio Caetani scharf für dessen versöhnliche Haltung gegenüber Nichtkatholiken während der angespannten Zeit vor dem Erlass des Majestätsbriefs Rudolfs II. kritisierte. Im Mai 1609 schrieb er über ihn nach Rom, dass er durch sein Bemühen, „Gott mit dem Teufel zu versöhnen […], ein Feind des einen und des anderen geworden ist“.⁵⁵⁸ Die Nuntien kamen verständlicherweise nicht nur mit Katholiken zusammen, im multikonfessionellen Umfeld des frühneuzeitlichen Prags und des Kaiserhofs war dies übrigens auch gar nicht möglich. Jedoch suchten sie nicht gezielt Kontakte mit Nichtkatholiken.⁵⁵⁹ Die Fakultäten, mit denen sie von Rom aus ausgestattet waren, ermöglichten es den Nuntien, wenn dies notwendig war, Gespräche mit Häretikern und Schismatikern zu führen oder mit ihnen zu speisen.⁵⁶⁰ Daher gehörte es zu den wesentlichen Bestandteilen der Selbstrepräsentanz der Nuntien als Vertreter des Hauptes der katholischen Kirche, die Verhaltens- und Auftretensnormen bei verschiedenen Begegnungen mit Angehörigen anderer Konfes-
Von den zahlreichen Beispielen einer aktiven Herangehensweise der erwähnten Mitglieder des Netzwerks vgl. Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), Nr. 34, S. 84; Nr. 93,3, S. 211; Nr. 216,1– 3, S. 507; Meyer, NBD IV/3 (wie Anm. 64) Nr. 768d, S. 749 – 750; AAV, FB II, 171, fol. 60r–61r; II, 158, fol. 2r–3v; III, 67b, fol. 148r–150r; Koller, NBD III/10 (wie Anm. 234), Nr. 131,4, S. 216; Nr. 145,1, S. 241– 242. „[…] il Burgravio, che per voler’accordar Dio con il diavolo s’è fatto (come si suol dire) nemico l’uno e l’altro.“ – Černušák, EAAC IV (wie Anm. 63), Nr. 466,6, S. 366. Dies hielt 1604 Nuntius Ferreri in seinen vorbereitenden Notizen vor seiner anstehenden diplomatischen Mission relativ genau fest: „Deve far tavola ad ambasciatori, camera e ministri, e domesticarsi con tutti; non invitare heretici, ma non riffiutarli venendo da essi.“ – Kristen, EAJSF I (wie Anm. 62), Nr. *1, S. 365. Vgl. z. B. die Fakultäten für Nuntius Speciano: „[…] ubi necessitas suaserit seu expedire iudicaveris, cum quibusvis haereticis et schismaticis colloqui conversari et etiam cibum sumere. […]“ – Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), Nr. 7, S. 38.
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II Beziehungsnetzwerke
sionen zu definieren. Einen geeigneten Modus Vivendi zu finden war nicht einfach, und jeder der Nuntien konnte damit umgehen, wie er wollte. Dies widerspiegelt sehr gut die bereits erwähnte Finalrelation von Camillo Caetani vom Dezember 1592. Ihr Verfasser war sich dessen bewusst, dass der neue Nuntius nicht unter allen Umständen Begegnungen mit Nichtkatholiken ausweichen könnte, ja dass dies aus vielen Gründen gar nicht angebracht wäre. Er schlug daher seinem Nachfolger vor, einen eher gemäßigten, nicht rigorosen Ansatz zu wählen. Eine vergleichbare Haltung sollen – Caetanis Worten zufolge – in Bezug auf Nichtkatholiken auch seine Vorgänger gewählt haben: „Einige waren in ähnlichen Fällen sehr zurückhaltend, andere sehr nachsichtig, andere hielten sich an den Mittelweg, mit den Umständen entsprechender Vorsicht.“⁵⁶¹ Begegnungen des Nuntius mit Angehörigen nichtkatholischer Konfessionen fanden dem Quellenzeugnis zufolge tatsächlich statt, wenngleich nicht sehr häufig. Cesare Speciano traf kurz nach dem Tod des führenden böhmischen katholischen Adeligen Wilhelm von Rosenberg († 1592) mehrmals dessen Bruder und Erben, Peter Wok, der Mitglied der Brüderunität war. Specianos Agieren war damals nicht nur durch Befürchtungen um die Stellung der Katholiken auf den rosenbergischen Herrschaften bestimmt.⁵⁶² Das Interesse des Nuntius für Peter Wok wurde ebenfalls von der Rosenbergwitwe Polyxena von Pernstein und deren Mutter, Maria Manrique de Lara, angefacht, die beteuerten, dass es möglich sei, Peter Wok und seine Frau Katharina von Ludanitz davon zu überzeugen, zum Katholizismus zu konvertieren.⁵⁶³ Obwohl der päpstliche Diplomat damals wiederholt mit dem neuen rosenbergischen Herrscher zusammenkam, liefen seine Anstrengungen schließlich ins Leere.⁵⁶⁴ Eine andere interessante Begegnung erlebte Giovanni Ferreri im Jahre 1605, als ihn Herzog Johann Friedrich von Württemberg auf seine eigene Bitte hin besuchte. Der Herzog führte mit dem Nuntius in Anwesenheit des böhmischen Kanzlers Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz Gespräche über das schöne Rom und Italien, das er kurz zuvor besucht hatte.⁵⁶⁵ Trotz diesen sowie weiteren angenommenen Kontakten mit dem nichtkatholischen Milieu ist es bislang nicht gelungen, in den Quellen Informationen
„Delli nuntii precendenti alcuni sono stati in simil materia molto ritrosi, alcuni molto indulgenti, altri hanno tenuta la via di mezzo, con la cautela che meritano le circostanze.“ – Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), Nr. 198.V.17, S. 451– 452. Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), Nr. 101,5, S. 234– 235. Die Gründe dieses Verhaltens wurden skizziert in Marek, Pavel: Cardinal Purple for Maximilian of Pernstein. A Contribution to Aristocratic Women’s Political Communication. In: Theatrum historiae 23 (2018). S. 108 – 109. Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), Nr. 133, S. 300 – 301; Nr. 174,3, S. 382. AAV, FB II, 152, fol. 189r–190r.
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darüber zu finden, ob außerhalb der katholischen Konfession stehende Personen auf irgendeine Art und Weise, wenn auch nur kurzfristig und zweckgebunden, in das päpstliche Beziehungsnetz aufgenommen wurden. Eine gewisse Rolle bei dieser vorausgesetzten gesellschaftlichen und konfessionell bedingten Distanz zu Nichtkatholiken spielte der bedeutende Vertrauensfaktor. Im Unterschied zu den Katholiken wurden die Anhänger der übrigen christlichen Konfessionen von den päpstlichen Diplomaten als nicht vertrauenswürdig und als gefährlich empfunden. In seinen persönlichen Notizen, in denen Giovanni Ferreri, der neu ernannte Vertreter des Papstes in Prag, im Jahre 1604 die Erfahrungen und Empfehlungen seiner Vorgänger zusammenfasste, schrieb er, dass „die Häresie aus Hochmut und Habsucht eingeführt wurde, und dort, wo sie nicht mit Gewalt eingeführt worden war, durch geheimes Handeln durchgesetzt wurde“.⁵⁶⁶ Sein Vorgänger Camillo Caetani vergaß nicht, am Ende des weiter oben zitierten Berichts, in dem er empfahl, bei Kontakten mit „Häretikern“ eher nicht rigoros vorzugehen, zu betonen, dass, „wer jeden Tag Gäste zu Tisch lädt, sich an die Pflicht halten sollte, niemanden auszuschließen, aber der Nuntius jedes Mal, wenn er in seinem Beruf und Eifer beobachtet wird, es nicht wagt, einem Häretiker näherzukommen“.⁵⁶⁷ Einen nicht geringen Vorteil konnte für den betreffenden Höfling bzw. Aristokraten neben der konfessionellen Zugehörigkeit zur katholischen Kirche und der Bereitschaft, am Kaiserhof aktiv die Kurialinteressen umzusetzen bzw. zu unterstützen, noch die Tatsache bedeuten, dass er sich des Vertrauens des Herrschers höchstpersönlich erfreute, Einfluss auf ihn, oder zumindest leichten Zugang zu ihm hatte.⁵⁶⁸ Beide Aspekte gewannen insbesondere nach 1600 an Bedeutung, als die Möglichkeiten der päpstlichen Diplomaten, mit Rudolf II. mittels der bislang relativ häufigen Audienzen direkt in Kontakt zu treten, rapide abnahmen. Dies wird sehr gut durch Berichte über Johann Barvitius dokumentiert, der in jener Zeit nicht nur wegen seines katholischen Glaubens und seiner Stellung am Hof, aber zweifellos auch dank seiner Verhandlungsfähigkeiten eine der dauerhaften Hauptstützen des päpstlichen Beziehungsnetzwerks war. Den Zeugnissen der päpstlichen Diplomaten vom Anfang des 17. Jahrhunderts zufolge
„L’heresia è stata introdutta dalla superbia et avaritia e dove non è arrivata con la violenza, è arrivata con le occulte trattationi.“ – Kristen, EAJSF I (wie Anm. 62), Nr. *1, S. 377. „Chi fa tavola ogni giorno, si mette in obligo di non escludere alcuno, ma ogni volta che il Nuntio sia tenuto osservante della sua professione et zelante, non ardirà l’heretico di domesticarsi.“ – Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), Nr. 198.V.17, S. 451– 452. Zur Problematik des Zugangs zum Herrscher und zum Aspekt des Vertrauens im höfischen Milieu vgl. z. B. Hengerer, Kaiserhof (wie Anm. 5), S. 215 – 218; Asch, Ronald G.: „The Politics of Access“. Hofstruktur und Herrschaft in England unter den frühen Stuarts 1603 – 1642. In: Alltag bei Hofe. Hrsg. von Werner Paravicini. Sigmaringen 1995. S. 243 – 265.
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II Beziehungsnetzwerke
gehörte Barvitius zu den wenigen Personen, die stets mit dem Kaiser in Kontakt treten konnten, manchmal hörte Rudolf II. angeblich nur auf ihn.⁵⁶⁹ Im November 1606 fiel er zwar zeitweilig beim Kaiser in Ungnade und wurde seines Sekretärsamtes enthoben,⁵⁷⁰ einige Monate später jedoch wandte sich seine Stellung allmählich wieder zum Besseren, und Nuntius Ferreri vergaß nicht, dies in seinen Briefen zu vermerken. Anfang März 1607 schrieb er, dass der Kaiser „bereits viermal insgeheim Barvitius zu sich rufen ließ“ und dem Diplomaten zufolge Hoffnung bestehe, dass er möglicherweise bald in Rudolfs Dienste zurückkehren werde.⁵⁷¹ Eine Woche später schrieb der Nuntius bereits, dass der Kaiser Barvitius über eine Geheimtreppe in seine Gemächer habe rufen lassen und ihm dort viele vertrauliche Sachen anvertraut habe.⁵⁷² Der neue Prager Nuntius Antonio Caetani bestätigte 1608 die außerordentliche Bedeutung und Stellung von Barvitius gegenüber dem Kaiser: „Ich verlasse mich sehr auf Barvitius, der als einziger […] Zugang zu Seiner Majestät hat.“⁵⁷³ Der regelmäßige Kontakt mit dem Kaiser war ein äußerst wichtiger Mehrwert, den die höfischen Amtsträger den Nuntien bieten konnten. Im Jahre 1607 schätzte Caetani in dieser Hinsicht neben Barvitius auch Andreas Hannewaldt, Leopold Stralendorf und Hermann Attems.⁵⁷⁴ Als er jedoch im August jenes Jahres erfuhr, dass Stralendorf bereits seit acht Tagen keine Audienz bekommen hatte und daher den Verlust der kaiserlichen Gunst fürchte, erwähnte er dies in seinem Bericht nach Rom.⁵⁷⁵ Struktur und Anzahl der Personen im Beziehungsnetzwerk der einzelnen päpstlichen Diplomaten veränderten sich mit der Zeit verschiedentlich. Es ist ein gewisses Paradox, dass dieses Netzwerk im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts zahlenmäßig am stärksten war, als der direkte Kontakt zwischen den Nuntien und dem Kaiser noch kein großes Problem darstellte. Nuntius Orazio Malaspina kam
Meyer, NBD IV/3 (wie Anm. 64), S. LXX–LXXI; Nr. 159a, S. 124; Nr. 407, S. 336; Nr. 492d, S. 448; Nr. 691b, S. 638 – 639. AAV, FB II, 155, fol. 228r–v. „Ha Sua Maestà fatto chiamar a se per via secreta già quattro volte il Barvitio, onde spero che ritornarà in servitio.“ – AAV, FB II, 155, fol. 152r. „Questa settimana è stato secretamente chiamato diverse volte il Barvitio per scala secreta da Sua Maestà e conferitoli molti negotii di quali esso non ne ha dato parte né al Consiglio Segreto, né a nissun’altro.“ – AAV, FB II, 155, fol. 175r. „Nel Barvitio confido molto, il quale e non altri al presente ha accesso appresso Sua Maestà.“ – Černušák, EAAC IV (wie Anm. 63), Nr. 31,2, S. 32. Vgl. z. B. AAV, FB II, 155, fol. 192r–v; Linhartová, EAAC I (wie Anm. 62), Nr. 39, S. 60; Nr. 57, S. 82; Nr. 67, S. 98; Nr. 69, S. 100; Nr. 77, S. 109; Nr. 78, S. 109 – 110; Nr. 90, S. 123; Nr. 120, S. 159; Nr. 165, S. 209; Nr. 188, S. 233; Nr. 198, S. 245; Nr. 251, S. 329. Linhartová, EAAC I (wie Anm. 62), Nr. 67, S. 98.
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1578 ungefähr alle zwei Wochen mit dem Herrscher zusammen,⁵⁷⁶ und eine häufige Frequenz der Gespräche mit dem Kaiser ist auch noch in den neunziger Jahren des 16. Jahrhunderts unter Nuntius Cesare Speciano sichtbar.⁵⁷⁷ Wie wir jedoch bereits gesehen haben, verfügten ihre Nachfolger im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts nicht mehr über solche Möglichkeiten und mussten zudem mit dem Verlust der bedeutendsten Stützen der päpstlichen bzw. katholischen Interessen rechnen. Die personelle Unbeständigkeit des päpstlichen Netzwerks zu Beginn des 17. Jahrhunderts ist dabei durchaus nicht überraschend, wenn wir sie im Kontext des ganzen Kaiserhofs betrachten. Nuntius Antonio Caetani beschwerte sich mit gewisser Ironie: „Der Hof schwankt, um sich nicht unähnlich zu sein.“⁵⁷⁸ Der erste wichtige Grund für die Transformation des Netzwerks war der Tod seiner Mitglieder. Bereits die ersten Nuntien, die in Prag tätig waren, hatten bedeutende Angehörige böhmischer katholischer Adelsgeschlechter, die durch ihre Ämter und ihr Vermögen zu den führenden Akteuren der böhmischen Gesellschaft und des Hofes gehörten, für eine Zusammenarbeit bei der Umsetzung ihrer Vorhaben gewonnen.⁵⁷⁹ Wratislaw von Pernstein starb jedoch 1582, und zehn Jahre danach verlor die katholische Partei auf dieselbe Art und Weise auch den böhmischen „Vizekönig“ Wilhelm von Rosenberg.⁵⁸⁰ Einen spürbaren Verlust in den Reihen führender höfischer Würdenträger bedeutete für Cesare Speciano 1594 der Tod von Reichsvizekanzler Jakob Kurz von Senftenau, der während der ersten Amtsjahre des Nuntius in Prag seine wichtigste Stütze gewesen war⁵⁸¹ und auf den auch seine unmittelbaren Amtsvorgänger Antonio Puteo, Alfonso Visconte und Camillo Caetani häufig zurückgegriffen hatten.⁵⁸² Giovanni Stefano Ferreri trauerte später, im September 1606, um den Tod von Jakob von Breuner,⁵⁸³ der ihn von Anfang seines Aufenthalts in Prag an nicht nur mit wertvollen Informationen über
Koller, NBD III/10 (wie Anm. 234), Nr. 5,5 – 6, S. 19 – 20; Nr. 7,3 – 11, S. 23 – 27; Nr. 15,1, S. 39; Nr. 19,3, S. 46; Nr. 20,5, S. 49; Nr. 28,6, S. 60; Nr. 33, S. 66 – 68. Pazderová, EACS (wie Anm. 63), ad indicem. „La corte per non esser dissimile a se stessa fluttua.“ – Linhartová, EAAC I (wie Anm. 62), Nr. 67, S. 98. Vgl. dazu Stloukal, Počátky (wie Anm. 39); Matoušek, Kurie (wie Anm. 39); Borovička, Pád (wie Anm. 39); Černušák, La nunziatura (wie Anm. 40). Stloukal, Papežská politika (wie Anm. 39), S. 162– 163. Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), S. XXX–XXXI. Schweizer, Die Nuntiatur (wie Anm. 517), ad indicem; ders.: Die Nuntiatur am Kaiserhofe. Die Nuntien in Prag: Alfonso Visconte 1589 – 1591, Camillo Caetano 1591– 1592. Paderborn 1919 (Quellen und Forschungen aus dem Gebiete der Geschichte 18), ad indicem. „Questa morte mi è dispiaciuta in estremo e per la qualità del Ministro, che s’è perso, e per la congiontura in che cade.“ – AAV, FB II, 158, fol. 112r.
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II Beziehungsnetzwerke
politische und religionsbezogene Entscheidungen und über das Geschehen am Hof versah, sondern ihm auch dabei half, beim Kaiser einige Kurialvorhaben durchzusetzen.⁵⁸⁴ Zu Veränderungen führte auch ein Verlust der kaiserlichen Gunst, der vor allem im letzten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts wichtige Stützen der Papstvertreter in Prag betraf. Neben dem mächtigen böhmischen Adeligen Georg Popel von Lobkowitz (vgl. Kapitel I.3.) fielen, wie wir bereits gesehen haben, auch Paul Sixt von Trautson und Wolf Rumpf, bedeutende Würdenträger des Prager Hofes und einstige Günstlinge des Kaisers, in Ungnade, etwas später auch der mächtige Kammerdiener Philipp Lang (vgl. Kapitel I.4.).⁵⁸⁵ Zur Transformation des Beziehungsnetzwerks der päpstlichen Nuntien am Kaiserhof konnte aber auch der gegenseitige Vertrauensverlust zwischen dem Diplomaten und einem konkreten Klienten führen. Dies geht übrigens aus dem Wesen des Vertrauens an sich hervor, das als Bestandteil einer beiderseitigen Beziehung die Erwartung weckt, erfüllt zu werden, aber auch in Enttäuschung münden kann, also ein gewisses Risiko in sich birgt.⁵⁸⁶ Oft kam es beim Wechsel auf dem Nuntiusposten zum Vertrauensverlust, der nicht nur einen anderen Ansatz beim Lösen von Problemen oder die Widerspiegelung eines veränderten Kurses der Kurialpolitik mit sich bringen konnte, sondern häufig auch interpersonelle Unstimmigkeiten, die verschiedene Ursachen haben konnten. Zu den wichtigen Personen, auf die Nuntius Germanico Malaspina bei der Durchsetzung der päpstlichen Interessen am Kaiserhof zurückgriff, gehörte der Reichsvizekanzler Sigmund Viehäuser.⁵⁸⁷ Bei Malaspinas Amtsnachfolger, Nuntius Sega, war das nicht mehr so. Bereits zu Beginn seiner Amtszeit in Prag, im Mai 1586, charakterisierte er Viehäuser als einen „intelligenten Mann, der jedoch voreingenommen ist und wegen zu großem Weinkonsum unwillig“.⁵⁸⁸ Andererseits erfreute sich auch Sega nicht Viehäusers Sympathie. Als sich Papst Sixtus V. weigerte, den Kaiser im Zusammenhang mit der militärischen Absicherung Un-
Vgl. z. B. Meyer, NBD IV/3 (wie Anm. 64), Nr. 246a, S. 176; Nr. 399c, S. 332; Nr. 403, S. 333; Nr. 567 f, S. 516. Zu Breuners Leben und zu seiner Laufbahn am Hof vgl. Schwarz, The Imperial Privy Council (wie Anm. 131), S. 208 – 209. Zu dessen Einfluss am Hofe Kaiser Rudolfs II. vgl. Janáček, Rudolf II. (wie Anm. 35), S. 392– 393. Luhmann, Niklas: Vertrautheit, Zuversicht, Vertrauen: Probleme und Alternativen. In: Vertrauen. Die Grundlage des sozialen Zusammenhalts. Hrsg. von Martin Hartmann u. Claus Offe. Frankfurt a. M. – New York 2001. S. 147– 148; Luhmann, Vertrauen (wie Anm. 540), S. 30 – 31. Vgl. z. B. Reichenberger, Die Nuntiaturberichte (wie Anm. 530), Nr. 25, S. 39; Nr. 30, S. 47; Nr. 78, S. 151. „[…] huomo d’intelligenza, ma interessato et molte volte per il troppo vino intrattabile […].“ – Reichenberger, Die Nuntiaturberichte (wie Anm. 530), Nr. 116, S. 240.
II.1 „Seiner Heiligkeit und dem katholischen Glauben dienen“
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garns gegen die Türken finanziell zu unterstützen, berichtete gerade Viehäuser dem Geheimrat anhand von Briefen kaiserlicher Diplomaten in Rom darüber. Er meinte damals, dass im Hintergrund der Entscheidung des Papstes falsche Berichte von Sega gestanden hätten, der seiner Meinung nach nicht die Qualität seines Amtsvorgängers Malaspina hatte. Sega blieb Viehäuser in dieser Hinsicht nichts schuldig und beschrieb ihn in seinen Relationen als jemanden, der „alles tut, was er kann, um den Kaiser gegen mich aufzubringen“.⁵⁸⁹ Eine ähnliche Veränderung im Verhältnis zwischen Diplomat und Höfling zeigt das bereits vorgestellte Beispiel Karls von Liechtenstein, der sehr gut mit Nuntius Ferreri auskam und ihm regelmäßig viele, oft auch vertrauliche Informationen zuspielte, beispielsweise über den Inhalt seiner Gespräche mit dem Kaiser, über dessen Haltung und Entscheidungen, oder aber über Gespräche, die er mit dem Gesandten von Venedig geführt hatte.⁵⁹⁰ Das war unter Ferreris Nachfolger Antonio Caetani nicht mehr so. Von dem neuen Diplomaten wurde er für seine Passivität bei der Behandlung konkreter Probleme kritisiert, wie bereits weiter oben aufgezeigt wurde; zweifellos war das auch durch die Tatsache bedingt, dass Liechtenstein zu jener Zeit das Vertrauen des Herrschers verloren hatte und somit seine Bedeutung für die Umsetzung der päpstlichen Vorhaben verschwindend gering war. Der Vertrauensverlust beim Nuntius konnte auch im Zusammenhang mit der geringen Zuverlässigkeit der gelieferten Informationen gestanden haben, was übrigens auch im Falle von Hermann Attems der Fall gewesen war (vgl. Kapitel I.4). Die Nuntien nutzten ihre Kontakte zu Hofleuten des Kaisers und zu böhmischen Aristokraten für einige grundlegende Ziele, die sich fortlaufend und mit verschiedener Intensität durch all ihre Korrespondenz aus dem untersuchten Zeitraum ziehen. Zu den wichtigsten gehörte das Einholen von Informationen über verschiedene Aspekte der Herrschaft des Kaisers, über seine Entscheidungen und Vorhaben, seinen Gesundheitszustand sowie über die Verhältnisse am Kaiserhof. Die Korrespondenz beinhaltete regelmäßig auch viele weitere Angaben, insbesondere zu Fragen der Religion und zu Ereignissen auf dem Territorium des ganzen Heiligen Römischen Reiches, der böhmischen Länder und Ungarns. Eine weitere wichtige Aufgabe war, vor allem nach 1600, die Übergabe diverser schriftlicher Stellungnahmen und Anträge des Nuntius zu verschiedenen Religionssachen sowie das Zustellen von an den Kaiser adressierten päpstlichen Breven. In jener Zeit wurde vor allem Johann Barvitius als geeigneter Vermittler ge „[…] quest’huomo fa tutto quello che può per irritarmi contro l’imperatore.“ – Reichenberger, Die Nuntiaturberichte (wie Anm. 530), Nr. 127, S. 279 – 280. AAV, FB II, 170, fol. 27r; II, 171, fol. 72r–73r; 138r–139v; 181r–v; II, 155, fol. 218r–220v; Stloukal, Karel z Lichtenštejna (wie Anm. 350), S. 426.
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II Beziehungsnetzwerke
nutzt.⁵⁹¹ Der dritte bedeutende Bereich, in dem auf das Beziehungsnetzwerk zurückgegriffen wurde, war die direkte und indirekte Durchsetzung der Vorhaben der Kurie mit dem Ziel, die Entscheidungsfindung des Kaisers bzw. die Stellungnahme wichtiger Behörden zu beeinflussen. Ihr konkreter Inhalt veränderte sich je nach der aktuellen Lage im Heiligen Römischen Reich oder wurde vorab in den einzelnen Hauptinstruktionen definiert. In der Regel griff die Nuntiatur ein, um die Stellung und die Rechte der katholischen Kirche sowie des Papstes selbst, vor allem in seiner Rolle als Kirchenoberhaupt aber auch als Herrscher des Kirchenstaats, zu schützen. In einigen Fällen konnte das Prager Beziehungsnetzwerk auch in die Behandlung von Privatangelegenheiten von Personen, vor allem von Kardinälen, die mit der Familie des aktuellen Papstes verbunden waren, einbezogen werden. In der Regel geschah dies zumindest unter Kenntnisnahme, aber auch auf direkte Anweisung des Pontifex.⁵⁹² Dies wird sehr gut durch den Schriftverkehr zwischen Giovanni Ferreri und Kardinal Carlo Emanuele Pio di Savoia über die Herrschaft Sassuolo belegt.⁵⁹³ Die Familie Pio di Savoia herrschte hier seit Ende des 15. Jahrhunderts. Als 1599 jedoch der kinderlose Herrschaftsbesitzer Marco III. Pio di Savoia infolge eines Anschlags starb, entstand ein Problem. Duca Cesare d’Este, auf dessen Anweisung hin der Anschlag wahrscheinlich verübt worden war, besetzte Sassuolo danach militärisch und schloss es seinem Herzogtum Modena an, ohne das Erbrecht des erwähnten Kardinals zu respektieren,⁵⁹⁴ der sich auf die Schirmherrschaft seines Patrons Clemens VIII. sowie auf die Hilfe des Prager Nuntius berief, der zu den Klienten der Familie Aldobrandini gehörte.⁵⁹⁵ Ferreri nutzte zur Erfüllung der Aufgabe seine Kontaktpersonen am Hof, vor allem
Aus der großen Menge an Beispielen vgl. Meyer, NBD IV/3 (wie Anm. 64), Nr. 52, S. 28 – 29; Nr. 58, S. 33; Nr. 117, S. 80; AAV, FB II, 171, fol. 60r–61r; III, 67b, fol. 340r–341v; BAV, Barb. lat. 6912, fol. 34r–34v; Barb. lat. 6913, fol. 83r. Vgl. z. B. Girolamo Bernerio an Nuntius Ferreri (Rom, 13. 8. 1605; 15. 10. 1605) oder Bonifacio Bevilacqua an Nuntius Ferreri (Perugia, 8. 7. 1604). – NAP, Sb-It, Kart. 92, Nr. 498. NAP, Sb-It, Kart. 92, Nr. 501. Campori, Giuseppe: Memorie storiche di Marco Pio di Savoia signore di Sassuolo. Modena 1871. S. 90 – 116; Belardini, Manuela: Il Pio e i Farnese. Osservazioni sul governo dello ‚Stato‘ di Sassuolo durante la seconda metà del Cinquecento. In: I Pio e lo Stato di Sassuolo. Hrsg. von Vincenzo Vandelli u. Francesco Genitoni. Sassuolo 2000 (Quaderni della biblioteca 4). S. 33 – 46; Rotelli, Elena u. Piacentini, Rosana: Storia di Sassuolo dalle origini alla fine della Signoria Pio. Bologna 1989. S. 109 – 114. Die Aufgabe, Kardinal Carlo Emanuele Pio di Savoia bei der Verteidigung seiner Ansprüche zu unterstützen, wurde ebenfalls in Ferreris Hauptinstruktion aufgenommen. – Kristen, EAJSF I (wie Anm. 62), Nr. 2,19, S. 22– 24.
II.1 „Seiner Heiligkeit und dem katholischen Glauben dienen“
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Jakob von Breuner und Philipp Lang.⁵⁹⁶ Die Sache nahm jedoch trotz Bemühungen des Nuntius für die Familie Pio di Savoia keinen guten Verlauf. Gegen die Ansprüche des Kardinals stellte sich der Reichsvizekanzler Rudolf Coraduz,⁵⁹⁷ und auch einige Mitglieder des Geheimrats wiesen sie zurück.⁵⁹⁸ Bei Amtsantritt des neuen Nuntius Antonio Caetani war bereits ein Vertreter des Hauses Borghese, Paul V., Papst und wünschte nicht, dass Caetani sich irgendwie in dieser Angelegenheit engagiere.⁵⁹⁹ Kaiser Rudolf II. entschloss sich, den Streit von ihm benannten Schlichtern anzuvertrauen, die die Causa an Herzog Karl Emanuel von Savoyen weitergaben. Dieser bestimmte schließlich im April 1609, dass Sassuolo weiterhin Bestandteil des Herzogtums Modena bleiben solle, sein Herrscher jedoch der Familie Pio di Savoia eine finanzielle Kompensation auszahlen müsse.⁶⁰⁰ Die Prager Nuntien betrauten mit der Behandlung bzw. Durchsetzung einer gewissen Sache in der Regel ein konkretes Mitglied des Beziehungsnetzwerks, wobei dessen Stellung und Einfluss berücksichtigt wurde. Dies zeigen die bereits erwähnten Versuche, die Prager Universität zu rekatholisieren und eine Generalvisitation der böhmischen Länder durchzuführen, um die sich konkrete böhmische Edelleute kümmerten, sowie die Frage der neuen, und aus der Sicht der Kurie strittigen Administratoren in den Reichsbistümern, der sich in den Jahren 1579 – 1580 am Hof und beim Kaiser Wolf Rumpf widmete, wozu er durch Orazio Malaspina beauftragt worden war.⁶⁰¹ Einige besonders wichtige und komplizierte Fälle behandelten die Nuntien parallel mit mehreren Hofleuten zugleich und traten bei Bedarf als deren Koordinatoren auf. Ein interessanter Beleg für die Koordinierung im Beziehungsnetzwerk durch den päpstlichen Diplomaten ist eine Causa, die das Vorhaben des Kaisers betraf, dem Großmeister des Malteserordens den Titel „Illustrissimus“ zu verleihen, worüber Nuntius Ferreri in seinem Brief vom 11. Juni 1607 berichtete. Er äußerte darin seine Ansicht, dass, falls Rudolf II. diesen Schritt tatsächlich tun würde, ein gewisses Missverhältnis entstünde, da dann der Großmeister einen bedeutenderen Titel verwenden könnte, NAP, Sb–It, Kart. 92, Nr. 501, Carlo Emanuele Pio di Savoia an Nuntius Ferreri (Rom, 26. 2. 1605; 1. 7. 1605; 9. 7. 1605; 6. 5. 1606; 23. 9. 1606); Meyer, NBD IV/3 (wie Anm. 64), Nr. 246a, S. 176. NAP, Sb–It, Kart. 92, Nr. 501, Carlo Emanuele Pio di Savoia an Nuntius Ferreri (Rom, 29. 7. 1606; 23. 9. 1606). Meyer, NBD IV/3 (wie Anm. 64), Nr. 246a, S. 176. Linhartová, EAAC I (wie Anm. 62), Nr. 88e, S. 120; Nr. 114, S. 153 – 155. Campori, Memorie (wie Anm. 594), S. 120 – 121; Rotelli u. Piacentini, Storia (wie Anm. 594), S. 117. Koller, NBD III/10 (wie Anm. 234), Nr. 131, 4, S. 216; Nr. 145,1, S. 241– 242; Nr. 147,3, S. 245 – 246; Nr. 192,4, S. 318; Nr. 229,2, S. 374.
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II Beziehungsnetzwerke
als jenen, der dem Kardinalskollegium zusteht. Dem Papst gefiel das Vorgehen des Kaisers nicht, und er erteilte seinem neuen Prager Diplomaten Antonio Caetani diesbezügliche Instruktionen.⁶⁰² Dieser versuchte, den Erlass und die Expedition des problematischen Privilegs mit Hilfe von Barvitius und Stralendorf zu verhindern, über die er dem Kaiser seine kritische schriftliche Stellungnahme schicken ließ. Stralendorf überredete jedoch den Nuntius, seine eindeutig negative Stellungnahme in dem Sinne zu verändern und zu mildern, dass es passender wäre, ein vergleichbares Privileg zugleich auch für das Kardinalskollegium zu erlassen.⁶⁰³ Den auf diese Weise abgeänderten Vorschlag des Nuntius nahm der Kaiser an. Caetani war jedoch nicht mit dem Ergebnis zufrieden, denn sein Ziel war es gewesen, die Erteilung des Privilegs an den Großmeister des Malteserordens völlig zu verhindern. Barvitius zögerte dann als Sekretär die Erledigung und das Abschicken des Privilegs hinaus und versprach dem Nuntius, dies auch weiterhin zu tun.⁶⁰⁴ Das gelang im Laufe des Monats Oktober 1607.⁶⁰⁵ Noch im März 1608, als der Konflikt zwischen Rudolf II. und seinem Bruder Matthias bereits im vollen Ausmaß ausgebrochen war, blieb die diesbezügliche Urkunde weiterhin vom Herrscher unbestätigt,⁶⁰⁶ und die ganze Angelegenheit ist wahrscheinlich im Sand verlaufen. Es existieren jedoch auch aus früheren Zeiten zahlreiche Belege für die Koordinierung des Netzwerks durch päpstliche Diplomaten. Camillo Caetani stellte im August 1591 fest, dass in Prag öffentliche Predigten von Lutheranern stattfinden, zu denen größere Anzahlen von Zuhörern kommen. Zunächst informierte er Wolf Rumpf, der ihm versicherte, der Kaiser wisse bereits von der Sache und werde sich mit ihr befassen. Der Nuntius zögerte aber nicht, wiederholt auch weitere Mitglieder des Geheimrats und böhmische Edelleute aufzufordern, gegen solche „Unangemessenheiten“ vorzugehen, was letztendlich geschah.⁶⁰⁷ Filippo Spinelli engagierte im Jahre 1599 auf ähnliche Art und Weise die böhmischen Adeligen und Landesbeamten Christoph Popel von Lobkowitz und Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz sowie Johann Barvitius, um die Beamten der Böhmischen Kammer daran zu hindern, einige Besitztümer der Klöster Chotieschau (Chotěšov) und Tepl (Teplá) an den Nichtkatholiken Peter von Schwanberg zu verkaufen. Der Nuntius schlug zudem vor, auch in Rom diesbezüglich Druck
Linhartová, EAAC I (wie Anm. 62), Nr. 16b, S. 34, Anm. 1. Linhartová, EAAC I (wie Anm. 62), Nr. 40, S. 60 – 61; Nr. 55, S. 80 – 81. Linhartová, EAAC I (wie Anm. 62), Nr. 86, S. 116 – 118. Linhartová, EAAC I (wie Anm. 62), Nr. 188, S. 234. Linhartová, EAAC II (wie Anm. 62), Nr. 90, S. 151– 152. Schweizer, Die Nuntiatur (wie Anm. 582), Nr. 186, S. 355.
II.1 „Seiner Heiligkeit und dem katholischen Glauben dienen“
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auszuüben, indem der Papst über diese Angelegenheit mit dem Gesandten des Kaisers sprechen solle.⁶⁰⁸ Wenngleich viele konkrete Probleme zur Zufriedenheit der päpstlichen Diplomatie gelöst wurden, war die Wirkungskraft des Beziehungsnetzwerks oft durch den Widerwillen eingeschränkt, auf den der Nuntius beim Durchsetzen solcher Sachen stieß, bei denen sich die Interessen des Papstes mit jenen des Kaisers kreuzten. Grund dafür musste nicht immer bloß die Loyalität gegenüber dem Kaiser als eigenem „Patron“ und Herrscher gewesen sein, wie bereits weiter oben aufgezeigt wurde. Im Agieren der einzelnen mitteleuropäischen Helfer des Nuntius spiegelten sich zweifellos auch die komplizierten Beziehungen Rudolfs II. zum Papsttum wider. Bereits in den Anfängen von Rudolfs Herrschaftszeit stellte sich heraus, dass er in politischen, aber auch religiösen Fragen, bei denen er die Tendenzen der römischen Kurie als Eingriffe in seine eigenen Rechte und die Zuständigkeiten des römischen Kaisers bzw. Herrschers über weitere Länder der Habsburgermonarchie empfand, oft einen kompromisslosen und abweisenden Standpunkt einnehmen konnte.⁶⁰⁹ Das Misstrauen gegenüber den Päpsten und ihrer Politik war vor allem nach 1600 deutlich sichtbar, als es zudem mit dem sich verschlechternden Gesundheitszustand des Kaisers und seinem abnehmenden Interesse für Herrschaftsangelegenheiten einherging.⁶¹⁰ Das verhängnisvolle Beispiel der führenden und langjährigen kaiserlichen Minister Rumpf und Trautson, die bei Rudolf in Ungnade fielen und den Hof verlassen mussten, war eine ständige Mahnung für all ihre Nachfolger. Ihre Befürchtungen und die sich daraus ergebende geringe Bereitschaft, strittige päpstliche Eingriffe vorzunehmen, wurden auch in den Nuntiaturberichten jener Zeit festgehalten. Die begrenzte Zuverlässigkeit der höfischen Würdenträger wurde zutreffend vom letzten Nuntius am Hofe Rudolfs II., Giovanni Salvago, Anfang 1611, also kurz vor dem Einfall der Passauer Truppen in Prag, geschildert, als dieser schrieb, dass man sich in der gegenwärtigen Situation kaum etwas von ihrer Treue zur Kirche und zum Papst versprechen kann.⁶¹¹ Über die Unbeständigkeit der Mitarbeiter aus den Reihen der kaiserlichen Hofleute hatte sich aber bereits sein Vorgänger beschwert. In der erwähnten Angelegenheit des Privilegs für den Großmeister des Malteserordens weigerten sich sowohl Leopold Stralen-
AAV, FB III, 67b, fol. 372r. Černušák, La nunziatura (wie Anm. 40), S. 49 – 53; Koller, Imperator (wie Anm. 41), S. 88 – 102. Evans, Rudolf II. (wie Anm. 35), S. 86 – 87; Vocelka, Die Politische Propaganda (wie Anm. 35), S. 116 – 119. „Commincio a distribuir i brevi per introdurre la prattica con questi Ministri, se bene poco si può promettere della fede loro et della instabilità di questo clima.“ – BAV, Barb. lat. 6911, fol. 22r.
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II Beziehungsnetzwerke
dorf als auch Andreas Hannewaldt, Caetani zu unterstützen, da sie den Kaiser nicht verärgern wollten. Rudolf II. betrachtete nämlich die ganze Causa als päpstlichen Eingriff in seine eigenen Zuständigkeiten.⁶¹² Unter Berücksichtigung der Beziehung einzelner Personen zu den Prager Nuntien kann zweifellos vom Bestehen eines Beziehungsnetzwerks gesprochen werden, das auf wohldurchdachte Weise langfristig aufgebaut und aufrechterhalten wurde. Sein Hauptziel war es, die Vorhaben des Papstes im Raum des Heiligen Römischen Reiches sowie in weiteren Ländern der Habsburgischen Monarchie zu fördern, wobei angesichts der sich polarisierenden Religionssituation und der Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanten die Stellung des römischen Bischofs als Haupt der katholischen Kirche akzentuiert wurde. Die päpstlichen Interessen waren somit in diesem Bereich eigentlich mit den katholischen Interessen identisch. Eine Ausnahme stellte Reichsitalien dar, wo der römische Bischof eine wichtige Rolle als souveräner Herrscher des Kirchenstaats mit eigenen Lehensansprüchen spielte. Die italienischen Angelegenheiten waren jedoch verglichen mit den konfessionellen Fragen deutlich in der Minderheit. Im Falle des Beziehungsnetzwerks, das die Nuntien am Prager Hof aufbauten, kann somit von einem Netzwerk konfessioneller Art gesprochen werden. Diese Tatsache war durch politische und konfessionelle Ansprüche des Papsttums determiniert, so wie sich diese Institution insbesondere während der Pontifikate Ende des 16. Jahrhunderts profilierte, wobei die neu interpretierte Bedeutung des Papstprimats akzentuiert wurde.⁶¹³ Ein weiterer Faktor, der den konfessionellen Charakter des Beziehungsnetzwerks im Umfeld der Nuntien prägte, war das Prinzip der Papstwahl und der damit relativ rasche Wechsel der jeweils herrschenden Dynastie. Obwohl die dynastische Treue für die Mitglieder des Beziehungsnetzwerks eine gewisse Bedeutung hatte, war sie kein ausschlaggebendes Element. Nur in einer geringen Anzahl der verfolgten Fälle wurden Privatinteressen dieser oder jener päpstlichen Familie bevorzugt; eine dominante Rolle spielten Aufgaben zur Stärkung des Katholizismus und der Stellung des Papsttums in Gebieten, wo ihr Einfluss geschwächt war. Die Loyalität zu einem mit einer Dynastie zusammenhängenden Herrscher wurde somit durch konfessionelle Loyalität ersetzt. Dem entsprach auch das entscheidende Kriteri-
Linhartová, EAAC I (wie Anm. 62), Nr. 165, S. 208 – 209. Bireley, Robert: Ripensare il cattolicesimo 1450 – 1700. Nuove interpretazioni della Controriforma. Genova – Milano 2010. S. 82– 93; Visceglia, Maria Antonietta: The International Policy of the Papacy: Critical Approches to the Concepts of Universalism and Italianità, Peace and War. In: Papato e politica internazionale nella prima età moderna. Hrsg. von Maria Antonietta Visceglia. Roma 2013. S. 39 – 57.
II.2 Partei, Fraktion oder Beziehungsnetzwerk?
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um für die Auswahl der Mitglieder des Netzwerks, nämlich die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche und die Bereitschaft, aktiv den Interessen ihres Oberhauptes, des Papstes, zu dienen. Der Nuntius erfüllte in diesem Netzwerk eine „BrokerRolle“, wie sie in der heutigen Historiografie üblicherweise aufgefasst wird, also die Rolle einer Person, die den Patron und die einzelnen Klienten miteinander verbindet.⁶¹⁴ Anstelle des Papstes betraute der Nuntius die Netzwerkmitglieder mit notwendigen Aufgaben, koordinierte ihre Tätigkeit, sorgte für ihren Schutz und belohnte sie für die geleisteten Dienste mittels spezifischer Kurialressourcen, wie wir übrigens noch sehen werden. Obwohl die Mitglieder des von ihm gesteuerten Beziehungsnetzwerks in den Quellen – bis auf Ausnahmen – nicht eindeutig mit damaligen geläufigen Termini aus dem Umfeld der Kurie, mit denen die Beziehung Patron-Klient ausgedrückt wurde, benannt sind,⁶¹⁵ erfüllten sie unter anderem die Rolle tatsächlicher Klienten des Papstes, wie sie üblicherweise gesehen wird.⁶¹⁶ Das von den Prager Nuntien koordinierte Beziehungsnetzwerk kann somit als päpstliches Netzwerk bezeichnet werden.
II.2 Partei, Fraktion oder Beziehungsnetzwerk? Die mitteleuropäischen Klienten des spanischen Königs In der Fachliteratur werden mitteleuropäische Adelige, die am Kaiserhof die Politik des spanischen Königs unterstützten, als spanische Partei, manchmal auch als spanische Fraktion bezeichnet. Beide Begriffe werden dabei von den Historikern üblicherweise als Synonyme angesehen und somit nach Belieben vertauscht. Den Terminus „spanische Partei“ finden wir erstmals bereits in Werken aus dem 19. Jahrhundert. Beispielsweise im monumentalen Werk des deutschen Kulturhistorikers Karl Eduard Vehse Geschichte des österreichischen Hofs und
Zur Funktion der sog. Broker im Rahmen von Beziehungsnetzwerken vgl. Kettering, Sharon: Patrons, Brokers, and Clients in Seventeenth-Century France. New York – Oxford 1986. S. 4; Reinhard, Paul V. Borghese (wie Anm. 19), S. 17; Asch, Ronald G. [u. a.] (Hrsg.): Integration, Legitimation, Korruption. Politische Patronage in Früher Neuzeit und Moderne. Frankfurt a. M. 2011. S. 9. Zu den Termini in kurialen Quellen und zur Problematik ihrer Interpretation vgl. Reinhard, Amici (wie Anm. 18), S. 314– 317; Reinhard, Paul V. Borghese (wie Anm. 19), S. 116 – 136. Zur terminologischen Abgrenzung vgl. Stearns, Peter N. (Hrsg.): Encyclopedia of Social History. New York – London 1994. S. 714– 716; Reinhard, Freunde (wie Anm. 16), S. 38 – 39; Reinhard, Paul V. Borghese (wie Anm. 19), S. 16 – 19; Kettering, Patrons (wie Anm. 614), S. 3 – 4.
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II Beziehungsnetzwerke
Adels und der österreichischen Diplomatie. ⁶¹⁷ Als Vertreter des deutschen Nationalismus des 19. Jahrhunderts stellte Vehse die Politik der allmächtigen spanischen Partei in Opposition zu deutschen Nationalinteressen und verurteilte sie daher eindeutig. Die sogenannte spanische Partei erfreute sich aber auch bei weiteren deutschsprachigen Historikern, die sich mit der leopoldinischen Zeit befassten, z. B. bei Alfred Pribram oder Adam Wolf, keiner großen Sympathie. All diese Autoren sahen die spanische Partei vor allem als eine Lobbygruppe, die unter Führung des spanischen Gesandten auf einen Krieg mit Frankreich abzielte.⁶¹⁸ Die Existenz der sogenannten spanischen Partei wurde natürlich auch an Höfen der Vorgänger Leopolds vorausgesetzt. Bohdan Chudoba, dessen Bücher Španělé na Bílé hoře [Die Spanier in der Schlacht am Weißen Berg] und Spain and the Empire heute als grundlegende Werke für das Kennenlernen der Beziehungen zwischen beiden Linien des Hauses Habsburg im 16. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts angesehen werden, verwendete zwar die Bezeichnung „spanische Partei“ (španělská strana), häufiger wählte er jedoch die Bezeichnung „spanische Gruppe“ (španělská skupina, in der spanischen Fassung seines Buches grupo español).⁶¹⁹ Mit diesen beiden Begriffen ging er locker um. In Chudobas Werk Španělé na Bílé hoře kann man erstmals den Terminus „spanische Fraktion“ (fación [sic!] española) finden, der dem Autor zufolge jene Gesellschaft bezeichnen sollte, die an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert im Palais Pernstein auf der Prager Burg zusammenkam und in der María Manrique de Lara, die Witwe Wratislaws von Pernstein, eine dominierende Rolle spielte.⁶²⁰ Chudoba selbst ging jedoch auf die tatsächliche Bedeutung dieses Begriffs, den er als Zitat aus einem Brief des spanischen Gesandten Guillén de San Clemente übernommen hatte, nicht tiefer ein und betrachtete ihn als ein Synonym zum bereits erwähnten Begriff „spanische Gruppe“.⁶²¹
Vehse, Karl Eduard: Geschichte des österreichischen Hofs und Adels und der österreichischen Diplomatie. Section II. Bde. V–VI. Hamburg 1852 (Geschichte der deutschen Höfe seit der Reformation 11– 12). Vergleiche z. B. Wolf, Adam: Fürst Wenzel Lobkowitz, erster geheimer Rath Kaiser Leopold’s I. 1609 – 1677. Sein Leben und Wirken.Wien 1869. Das Bild der sog. spanischen Partei in der klassischen österreichischen Geschichtsforschung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts wurde skizziert in der Studie Cerman, Ivo: Raimundo Montecuccoli a „válečná strana“ na dvoře Leopolda I. In: Historie a vojenství 51 (2002). S. 569 – 571. Chudoba, Španělé (wie Anm. 43); ders., Spain (wie Anm. 43); ders., España y el Imperio (1519 – 1643). 2. Aufl. Madrid 1986. Zu ihr jüngst Marek, Pernštejnské ženy (wie Anm. 192). Chudoba schreibt wörtlich: „Paní Polyxena převzala také vedení společnosti, kterou její matka shromažďovala a které St. Clemente říkal fación española, španělská skupina.“ [Frau
II.2 Partei, Fraktion oder Beziehungsnetzwerk?
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Eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Inhalt beider Begriffe brachten erst die Arbeiten von Josef Polišenský, der den tschechischen Begriff „španělská strana“ (spanische Partei) zumeist begleitet von den spanischen Termini „partido español“ und „facción española“ verwendete.⁶²² Ähnlich wie seine Vorgänger, betrachtete auch Polišenský sie als synonym. In seiner Auffassung stellte die spanische Partei den radikalen Flügel des katholischen Lagers am Kaiserhof dar. An der Spitze dieses Machtbündnisses stand der spanische Gesandte, der mithilfe seiner aus den Reihen des mitteleuropäischen Adels stammenden Vertrauten versuchte, einen Beitrag zum Erfolg der spanischen gegenreformatorischen Politik in der mitteleuropäischen Habsburgermonarchie und im Heiligen Römischen Reich zu leisten. Die spanische Partei am Kaiserhof sollte Polišenský zufolge jedoch ebenfalls den Boden für die Umsetzung des Gedankens der sogenannten Universalmonarchie vorbereiten, in der dem spanischen König die führende Rolle zukommen sollte.⁶²³
Polyxena übernahm auch die Leitung der Gesellschaft, die ihre Mutter versammelte und die von St. Clemente fación española, die spanische Gruppe, genannt wurde] – Chudoba, Španělé (wie Anm. 43), S. 177– 178. Polišenský, Josef: Nizozemská politika a Bílá hora. Praha 1958. S. 105 – 106; ders.: Třicetiletá válka a český národ. Praha 1960. S. 53 – 57; ders.: Třicetiletá válka a evropská krize XVII. století. Praha 1970. In seinen englisch geschriebenen Werken verwendete Polišenský den Terminus Spanish Party bzw. den spanischen Ausdruck facción española. – ders.: Tragic Triangle: The Netherlands, Spain and Bohemia 1617– 1621. Praha 1991. Polišenský schreibt: „Katolická strana ‚římská‘ měla vedle papežského nuncia podporu španělského vyslance, který si ovšem vytvářel z obdivovatelů španělského zdaleka ne obecně sdíleného ideálu ‚univerzální monarchie‘ drobnou ‚španělskou stranu‘ (facción española); ta se však dostala k moci teprve roku 1599, kdy její předák, ‚dlouhý Hišpán‘ Zdeněk Vojtěch Popel z Lobkovic, se stal nejvyšším kancléřem, tj. ne-li nejvyšším, pak určitě nejvlivnějším hodnostářem celého českého státu.“ [„Die ‚römische‘ katholische Partei hatte neben dem päpstlichen Nuntius die Unterstützung des spanischen Gesandten, der jedoch aus den Bewunderern des spanischen, bei weitem nicht allgemein geteilten Ideals der ‚Universalmonarchie‘ eine kleine ‚spanische Partei‘ (facción española) schuf; diese kam jedoch erst 1599 an die Macht, als ihr Anführer, ‚der lange Hispanier‘ Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz, Oberstkanzler wurde, also sofern nicht höchster, dann gewiss einflussreichster Würdenträger des ganzen böhmischen Staates.] – ders., Třicetiletá válka (wie Anm. 622), S. 24. Der Definition von Polišenský entspricht zum Teil auch die Differenzierung der böhmischen Katholiken, wie sie in den Memoiren von Wilhelm Slawata von Chlum und Koschumberg festgehalten wurden. Slawata spricht davon, dass römische Katholiken existieren, „kteří je [tj. protestanty] a jich náboženství nepersequitírují, nýbrž vedle tehdejšího zřízení zemského i potom vedle majestátu a porovnání jich o náboženstvím učiněného za jednoho člověka s nimi jsou,“ [die sie [also die Protestanten] und ihre Religion nicht persequieren, sondern sich an die damalige Landesordnung und auch danach an den Majestätsbrief und den Religionsvergleich halten,“] und spanische Katholiken, „kteří je a jich náboženství pod obojí persequitírují.“ [„die sie und ihre Religion unter beiderlei Gestalt persequieren.“] – Jireček, Paměti Bd. I
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II Beziehungsnetzwerke
Wenngleich Josef Polišenský dem Thema der spanischen Partei keine eigenständige Studie gewidmet hat, und es seiner Darstellung dieses Machtbündnisses nicht an Vereinfachung fehlte, wurden die Termini „španělská strana“, „spanische Partei“, „facción española“ und „partido español“ auch von weiteren marxistisch orientierten Historikern übernommen. Diese Begriffe werden in der tschechischen Geschichtsschreibung bis heute verwendet und erscheinen auch in Werken österreichischer und spanischer Historiografen.⁶²⁴ In keinem dieser Werke wurde diesem Zusammenschluss jedoch gebührende Aufmerksamkeit gewidmet. Ihre Autoren gaben sich zumeist mit der Behauptung zufrieden, dass die spanische Partei eine zwar nicht allzu zahlreiche, dafür aber von der Macht her bedeutende Gruppe von eifrigen Katholiken war, die den spanischen Gesandten am Kaiserhof umgab und unterstützte. Trotz dieser sehr freien Definition wurde der Terminus „španělská strana/spanische Partei“ (oft ungenau als facción española übersetzt) von den Historikern nahezu einstimmig angenommen, und kritische Äußerungen zu seiner Verwendung erschienen nur sehr selten.⁶²⁵ Wenn wir das Auftreten der erwähnten Termini in überlieferten Quellen von der Wende des 16. zum 17. Jahrhundert untersuchen, merken wir, dass in spanisch
(wie Anm. 302), S. 143. So wie Josef Polišenský sah die spanische Partei ebenfalls Jiří Dvorský, der Autor der Diplomarbeit Španělská strana v Čechách na počátku 17. století [Die Spanische Partei in Böhmen zu Beginn des 17. Jahrhunderts]. Trotz vielversprechendem Titel enthält diese Arbeit keine tieferen Überlegungen zum Inhalt des Begriffes „spanische Partei“. Jiří Dvorský befasste sich anstatt dessen in seiner Arbeit mit den Aktivitäten des böhmischen katholischen Adels in der Zeit um die Schlacht am Weißen Berg (1620) mit Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz, Wilhelm Slawata von Chlum und Koschumberg und Jaroslaw Borzita von Martinitz an der Spitze. – Dvorský, Jiří: Španělská strana v Čechách na počátku 17. století. Diplomarbeit. Praha 1960. Insbesondere in der Historiografie vor 1989 überwog eindeutig die negative Wahrnehmung dieser Machtgruppe, und dem entsprach auch die häufige Verwendung des Terminus Fraktion. Alois Míka spricht sogar von einer spanischen Clique („španělská klika“). – Míka, Alois: Stoletý zápas o charakter českého státu 1526 – 1627. Praha 1974. S. 136 – 137. Vgl. ferner Kavka, František: Bílá hora a české dějiny. Praha 1962. S. 59. Die meisten Verfasser übernahmen damals eindeutig die Urteile aus den Werken des Pavel Skála von Zhoř und weiterer Exulanten, die Böhmen nach der Schlacht am Weißen Berg verlassen hatten. Erst nach 1989 wurde der Blick der Historiker auf die spanische Partei von ähnlichen religiösen bzw. ideologischen Einflüssen befreit. – Bůžek, Václav [u. a.]: Věk urozených. Šlechta v českých zemích na prahu novověku. Praha – Litomyšl 2002. S. 104; Winkelbauer, Ständefreiheit Bd. I (wie Anm. 299), S. 87– 88; Jiménez Díaz, El coleccionismo (wie Anm. 173), S. 83. Zu den wenigen Ausnahmen gehörte Duindam, Vienna (wie Anm. 5), S. 248– 249. Für den Zeitraum der Herrschaft Leopolds I. waren und sind weiterhin folgende Studien inspirativ und richtungsweisend – Cerman, Ivo: Pojmy „frakce“, „strana“ a „kabala“ v komunikativní praxi dvořanů Leopolda I. In: ČČH 100 (2002). S. 33 – 54; ders.: „Kabal“, „Parthey“, „Faction“ am Hofe Kaiser Leopolds I. In: Der Fall des Günstlings. Hofparteien in Europa vom 13. bis zum 17. Jahrhundert. Hrsg. von Jan Hirschbiegel u. Werner Paravicini. Stuttgart 2004. S. 235 – 247.
II.2 Partei, Fraktion oder Beziehungsnetzwerk?
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geschriebenen Quellen aus dem Umfeld des Prager Hofs jener Zeit die Wortgruppen partido español und facción española praktisch nicht vorkommen. Die spanischen Gesandten in Prag und die Personen aus ihrer Umgebung verwendeten übrigens die Worte partido und facción nur sehr selten. In den versandten bzw. empfangenen Schriftstücken der spanischen Botschaft erscheint der Begriff partido nur vereinzelt. Zumeist ist er mit dem Attribut católico versehen. Die Wortgruppe partido católico diente dabei aber nicht zur Bezeichnung von Edelleuten, die eindeutig die Interessen der spanischen Monarchie unterstützten, sondern zur Bezeichnung aller katholischen Stände im Lande, die in Opposition zur protestantischen Partei standen, die wiederum mit der Wortgruppe partido protestante bezeichnet wurden.⁶²⁶ Das Wort facción kam in den Schriftstücken der spanischen Gesandten am Kaiserhof wahrscheinlich noch seltener vor. Es erscheint aber im Brief von Guillén de San Clemente an Maria Manrique de Lara.⁶²⁷ Anscheinend handelt es sich um dieselbe Quelle, aus der auch das bereits erwähnte Zitat aus dem Buch von Bohdan Chudoba stammt. Da dies ein Einzelfall ist, muss auf das erwähnte Dokument etwas näher eingegangen und der Kontext erläutert werden, in dem es entstand. Als im Sommer des Jahres 1600 eine Gesandtschaft des französischen Königs Heinrich IV., angeführt von Marschall Urbain de Laval de Boisdauphin, am Hof von Kaiser Rudolf II. eintraf, erregten die französischen Diplomaten zu Recht die Aufmerksamkeit der Prager Adelsgesellschaft. Die Hofeliten veranstalteten zu Ehren der französischen Gäste zahlreiche Feste, Banketts und weitere Vergnügungen. Auch Maria Manrique de Lara und ihre Töchter bildeten dabei keine Ausnahme.⁶²⁸ Der wiederholte freundliche Empfang der französischen Gesandtschaft im Hause der Pernsteiner missfiel jedoch dem spanischen Gesandten Guillén de San Clemente. In dem erwähnten Brief beschwerte er sich bei Maria Manrique de Lara, dass insbesondere Polyxena, die Witwe des Oberstburggrafen Wilhelm von Rosenberg und zukünftige Frau von Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz, Marschall Boisdauphin größere Gewogenheit zeigte als ihm, San Clemente, selbst. Die ganze Angelegenheit war umso heikler, weil die spanischen
NAP, SP-S, Kart. 1, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 9. 8. 1608); Kart. 2, Instrucción secreta al conde de Oñate para la Embajada en Alemania (San Lorenzo de El Escorial, 16. 7. 1616); AGS, E 2502, Nr. 164. LA, LRRA, Sign. B/232, fol. 61– 62, Guillén de San Clemente an Maria Manrique de Lara (Prag, 21. 9. 1600). Vom herzlichen Empfang der französischen Gesandtschaft in Prag spricht das Zeugnis von Pierre Bergeron. Fučíková, Eliška (Hrsg.): Tři francouzští kavalíři v rudolfínské Praze. Praha 1989. S. 38 – 77.
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II Beziehungsnetzwerke
Diplomaten schon seit Jahren gerade mit den Franzosen Präzedenzkonflikte bei öffentlichen Zeremonien hatten.⁶²⁹ Guillén de San Clemente zögerte in seiner mahnenden Kritik nicht, mit der Familientradition der Herren von Pernstein und der Herren von Rosenberg zu argumentieren. Er betonte, dass Polyxena also gegen die Tradition beider Geschlechter verstoße, denn deren Vertreter hätten sich stets als treue Anhänger der spanischen Monarchie verhalten.⁶³⁰ Der in die Jahre gekommene spanische Gesandte, der zugleich ein enger Familienfreund von Maria Manrique und ihren Töchtern war, schrieb damals wörtlich: Die Gebeine der Eltern und Ehemänner mussten sich im Grab umdrehen, als sie sahen, dass ihre Töchter und Ehefrauen dem französischen Gesandten größere Anerkennung als dem spanischen erweisen, denn sie haben stets ihre Zugehörigkeit zu Spanien betont [Hervorhebung d. Verf.], das ein zentraler Bestandteil des Hauses Habsburg ist, und diese ihre Gewogenheit zeigten sie nicht nur mit Worten, sondern – wenn dies notwendig war – auch mit Taten.⁶³¹
Die Formulierung „ser de facción españoles“ in San Clementes Brief kann aber auch in diesem Fall nicht als Beleg der Existenz einer koordinierten Gruppe von Personen gesehen werden, die unter Führung des spanischen Gesandten Machtinteressen des katholischen Königs am Kaiserhof durchsetzte. Als gewisser Anhaltspunkt zur Erklärung dessen kann vor allem der zweite Teil des Satzes genutzt werden, aus dem hervorgeht, dass es sich eher um ein informelles Bündnis handelte, wobei eine konkrete Person dauerhafte Unterstützung und Gewogenheit der spanischen Monarchie gegenüber zeigte, die als zentraler Bestandteil des
Präzedenzkonflikte zwischen französischen und spanischen Diplomaten spielten sich bereits während der Tagungen des Konzils von Trient ab. – Po-chia Hsia, Ronnie: La Controriforma. Il mondo del rinnovamento cattolico (1540 – 1770). Bologna 2009. S. 36; Chudoba, Bohdan: Las relaciones de las dos cortes habsburguesas en la tercera asamblea del concilio tridentino. In: Boletín de la Real Academia de la Historia 103 (1933). S. 315. Neu Fedele, Naissance (wie Anm. 8), S. 482– 504. Diese Konflikte wurden später auch auf den Prager Hof übertragen. – Chudoba, Španělé (wie Anm. 43), S. 104. Mehr dazu Marek, Pavel: Úloha rodové paměti v životě prvních lobkovických knížat. In: Paměť urozenosti. Hrsg. von Václav Bůžek u. Pavel Král. Praha 2007. S. 134– 157. „Los huesos de los padres de los que abitan en ellas y también de los maridos se deven de haver alterado en la sepultura donde están de que sus hijas y mujeres haian hecho diferencia del embajador de Francia al de España en el tratamiento ni en ninguna otra cosa pues ellos se han preciado siempre mucho de ser de facción españoles siendo España miembro tal principal de la casa de Austria y que así lo han mostrado siempre en palabras y hechos quando ha sido menester.“ – LA, LRRA, Sign. B/232, fol. 61– 62, Guillén de San Clemente an Maria Manrique de Lara (Prag, 21. 9. 1600).
II.2 Partei, Fraktion oder Beziehungsnetzwerk?
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ganzen Hauses Habsburg dargestellt wird. Zugleich muss auf die Tatsache hingewiesen werden, dass der Ausdruck facción in diesem Falle nicht vom Adjektiv española, sondern vom Substantiv españoles (die Spanier) begleitet wird. Man kann ihn also nicht als „spanische Fraktion“ übersetzen. Als San Clemente schrieb, dass die Pernsteiner und Rosenberger „se han preciado siempre mucho de ser de facción españoles“, versuchte er die Tatsache auszudrücken, dass die Angehörigen beider Geschlechter stolz darauf waren, zu jenen Personen zu gehören, die am Hof den Spitznamen „Spanier“ hatten. Das sehr seltene Vorkommen der Worte facción und partido in der Korrespondenz der spanischen Gesandten am Kaiserhof bzw. in weiteren Schriftstücken, die mit dem Funktionieren der spanischen Botschaft als Institution zusammenhingen, entspricht nicht der Häufigkeit, mit der vergleichbare Ausdrücke in Dokumenten verwendet wurden, die die Realität des Papsthofes präsentierten.⁶³² Aber auch hierfür gibt es eine Erklärung. Die Tatsache, dass die Spanier in Rom diesen Ausdruck viel häufiger verwendeten, deutet darauf hin, dass seine Verwendung in der Politik gerade über die italienische Sprache in das spanischsprachige Milieu geraten ist. In dem Fall ist es logisch, dass vor allem auf der Apenninenhalbinsel aktive Personen die Ausdrücke facción/partido im Sinne einer Machtgruppe benutzten. Es muss hinzugefügt werden, dass beide Begriffe vor allem zur Bezeichnung von Meinungsgegnern verwendet wurden und nur ausnahmsweise auch der Selbstidentifizierung dienen konnten.⁶³³ In die Sprachen Mitteleuropas gingen die Begriffe „Partei/Fraktion“ gerade mittels romanischer Sprachen über, also mit gewissem Verzug. Während man im Deutschen bereits im 16. Jahrhundert mit dem Wort „Parthey“ verschiedene politische und konfessionelle Gruppen bezeichnete, setzte sich das Wort „Fraktion“ erst Mitte des 17. Jahrhunderts durch.⁶³⁴
Vgl. z. B. Visceglia, Fazioni (wie Anm. 15). Die Ausdrücke wurden dort offen sowohl in ihrer italienischen sprachlichen Form fattione, parte sowie in ihrer spanischen Mutation facción und partido verwendet, und zwar in Berichten der Gesandten des katholischen Königs und auch der prospanischen Kardinäle. Vgl. Alonso de la Higuera, Gloria: Facciones y partidos en la corte de Roma: un concepto explícito, veröffentlich am 5. 1. 2015 auf http://faccion.hypotheses.org/ (13. 2. 2015). Zum Beispiel AGS, E 3147, Minuta de carta a Albornoz de Madrid, (Madrid, 26. 4. 1630) – „que yo justamente espero de vuestra ida allí el qual consiste en que la faction mia este tan unida que se restarure la reputación y haya que todo el colegio le tenga el respeto que por tantas causas.“ Zahlreiche Beispiele für das Vorkommen des Begriffs Fraktion in damaligen Schriftstücken bietet Hrušková, Monika: Každodenní život císařských vyslanců v Polsku v druhé polovině 17. století. Diplomarbeit. České Budějovice 2012. S. 41– 45. In der spezialisierten Literatur wird jedoch zumeist angeführt, dass dieser Terminus erst Ende des 17. Jahrhunderts vollständig Fuß fasste. Vgl. Das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache http://www.dwds.de/?view=1&qu=
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II Beziehungsnetzwerke
Eine gewisse Erklärung bietet sich auch im Zusammenhang mit dem politischen Klima vor Ort an. Während am frühneuzeitlichen Papsthof in Rom Partikularinteressen verschiedener europäischer Mächte sowie einzelner Familienclans, die versuchten, ihren Einfluss im Kardinalskollegium durchzusetzen, einander kreuzten, sah die Situation am Kaiserhof in Wien bzw. in Prag lange Zeit ganz anders aus. Die Machtkämpfe an den Höfen der Habsburger in Mitteleuropa konzentrierten sich zumindest bis 1620 vor allem auf die Bereiche Innenpolitik und Religion, die einander überlappten. Dadurch standen sich Personen gegenüber, die auf der einen Seite das österreichische Haus als ein Ganzes empfanden, sich mit den dynastischen Interessen der Habsburger und der katholischen Kirche identifizierten, und auf der anderen Seite Vertreter einzelner Ständegemeinden, die das Konzept der sogenannten gemischten Monarchie (monarchia mixta) verteidigten und Religionsfreiheit forderten.⁶³⁵ Das System der Hofparteien selbst erscheint in größerem Maße erst nach der definitiven Niederlage des Ständetums und dem Sieg des Absolutismus.⁶³⁶ Zur Bezeichnung jener Machtgruppe, die zu den Habsburgern loyal war, und jener Gruppe, die entgegengesetzte Ansichten und die Forderungen der Stände vertrat, verwendeten die spanischen Gesandten in der Regel die bereits erwähnten Termini partido católico und partido protestante. Die antihabsburgische Opposition setzten sie zuweilen mit den Ständen einzelner Länder gleich und bezeichneten sie mit Ausdrücken wie z. B.: los señores de Bohemia, los Húngaros, los de Austria etc. Auch in Schriftstücken aus dem Oppositionslager finden wir die Wendungen „Spanische Parthey/Fraktion“ nicht. Stattdessen erscheinen dort jedoch Worte wie Španihelé (Spanier) bzw. Hišpáni (Hispanier),⁶³⁷ also Ausdrücke, die gewissermaßen der Wendung „ser de facción españoles“ in dem erwähnten
Fraktion (13. 2. 2015); Köbler, Gerhard: Deutsches Etymologisches Wörterbuch. Wassertrüdingen 1995. S. 134, 298; von Beyme, Klaus: „Partei, Faktion“ In: Geschichtliche Grundbegriffe: historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Band IV. Hrsg. von Otto Brunner [u. a.]. Stuttgart 2004. S. 677– 733. Pánek, Jaroslav: Stavovská opozice a její zápas s Habsburky 1547– 1577. K politické krizi feudální třídy v předbělohorském českém státě. Praha 1982; Bahlcke, Regionalismus (wie Anm. 383); Winkelbauer, Ständefreiheit Bde. I–II (wie Anm. 299); Vorel, Velké dějiny (wie Anm. 220). Kunisch, Johannes: Absolutismus. Europäische Geschichte vom Westfälischen Frieden bis zur Krise des Ancien Régime. Göttingen 1986. S. 179 – 202. Vgl. das Zeugnis Wilhelm Slawatas von Chlum und Koschumberg, der Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz als „pána velice horlivého v víře katolické, kterého strana podobojí za předního katolíka Španihele držela“ [„einen im katholischen Glauben sehr eifrigen Herren, den die Partei unter beiderlei Gestalt für einen führenden Katholiken-Spanier hielt“] beschrieb – zitiert nach Chudoba, Španělé (wie Anm. 43), S. 158.
II.2 Partei, Fraktion oder Beziehungsnetzwerk?
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Brief des Gesandten San Clemente entsprachen. Der Begriff „Spanier“ bezeichnete jedoch keine außenpolitische Orientierung, sondern vor allem eine Haltung zur Dynastie und ihrer Zentralisierungs- und Integrationspolitik.⁶³⁸ Als Spanier wurden jene Adeligen bezeichnet, die in Wien bzw. in Prag eine einheitliche habsburgische Politik förderten und der katholischen Kirche treu blieben. Wie die Forschungsarbeit von Ivo Cerman aufzeigte, wurde dieser Terminus sogar in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, als sich die Situation am Kaiserhof bereits in vielen Aspekten verändert hatte, noch genauso empfunden.⁶³⁹ Die spanischen Diplomaten nannten diese Personen in der Regel servidor (Diener), und auch die Hofleute selbst bezeichneten sich in spanischen Schriftstücken so. Der Begriff servidor war jedoch für die Charakterisierung der Beziehung zwischen dem spanischen Herrscher und den Personen, die sein Beziehungsnetzwerk in Mitteleuropa bildeten, nicht ausreichend. Das breite Spektrum von Männern und Frauen, die am Kaiserhof mit dem Gesandten des katholischen Königs zusammenarbeiteten, erforderte eine feinere Differenzierung. Anhand von Berichten der spanischen Diplomaten, Gesandteninstruktionen und weiteren Schriftstücken können die mitteleuropäischen Diener – servidores – des katholischen Königs zumindest in zwei Untergruppen eingeteilt werden, die in den Quellen jener Zeit mit den Adjektiven inclinados und confidentes ausgedrückt wurden. Diese Begriffe waren nicht synonym. Durch sie wurde im Gegenteil die Qualität der Beziehung jener Personen zur spanischen Monarchie, zum katholischen König sowie zum ganzen Haus Habsburg ausgedrückt. Als servidores inclinados (zuweilen auch servidores aficionados) wurden Personen bezeichnet, die dem Dienst für das Haus Habsburg ergeben waren. Wenngleich sie auch dem spanischen König kostbare Dienste leisteten, wurden die servidores inclinados jedoch nicht als absolut zuverlässig und unter allen Umständen loyal angesehen. Es handelte sich auch um keine fest geschlossene Gruppe. Mit der Zeit kamen neue Klienten hinzu, viele andere verließen sie hingegen.⁶⁴⁰ Es scheint, dass den Großteil der Personen des spanischen Beziehungsnetzwerks nur die Aussicht auf reiche Belohnung in den Dienst für den katholischen
Hiervon zeugt unter anderem auch die Tatsache, dass die größten Rivalen der spanischen Habsburger, also Frankreich und England, in der Zeit vor der Schlacht am Weißen Berg keine entsprechende diplomatische Vertretung am Kaiserhof hatten und dass der politische Einfluss und Handlungsspielraum ihrer hiesigen Residenten bei weitem nicht an die Möglichkeiten der spanischen Gesandten heranreichten. – Polišenský, Josef: Anglie a Bílá hora. Praha 1949; ders.: Nizozemská politika (wie Anm. 622); Babeau, Albert: Une ambassade en Allemagne sous Henri IV. In: Revue Historique 21 (1896). S. 28 – 49; Stloukal, Z diplomatických styků (wie Anm. 95). Cerman, Pojmy (wie Anm. 625), S. 40. Marek, La red (wie Anm. 34), S. 1353 – 1356.
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II Beziehungsnetzwerke
König führte. Bei solchen Klienten war es recht üblich, dass sie mit der Zeit ihren politischen Kurs wechselten. Grund dafür konnten unerfüllte persönliche Vorstellungen, das Gefühl, nicht genügend durch den spanischen König gewürdigt zu werden, oder aber eine Veränderung der machtpolitischen Situation am Kaiserhof sein. Es darf jedoch auch nicht vergessen werden, dass der Dienst für den spanischen König unter gewissen Umständen als sehr riskant empfunden werden konnte, und zwar auch trotz der Tatsache, dass sich diese Klienten häufig als Diener des ganzen österreichischen Hauses präsentierten. Wir haben bereits gesehen, wie unrühmlich die höfischen Karrieren von Wolf Rumpf und Paul Sixt von Trautson ausgegangen sind.⁶⁴¹ Das Verhalten der einzelnen Klienten war jedoch nicht zuletzt auch von ihren Pflichten in Bezug auf ihr eigenes Geschlecht bzw. auf weitere Akteure und Institutionen beeinflusst, also von der sogenannten mehrfachen Loyalität.⁶⁴² Ähnliche Widersprüche entstanden oft auch bei Vertretern der Kirche, die neben ihrem Dienst gegenüber dem Herrscherhaus zugleich durch ihre Papsttreue gebunden waren.⁶⁴³ Eine gewisse Unbeständigkeit der Klienten zeigt sehr gut das Beispiel der spanischen Pensionäre, deren unregelmäßige Bezahlung Grund zu vielen Beschwerden war, die mitteleuropäische Edelleute dem spanischen Botschafter schickten, und in vielen Fällen sogar dazu führte, dass sich solch ein Edelmann offen gegen die Interessen der spanischen Monarchie stellte. Im Jahre 1628 bat Fürst Johann Ulrich von Eggenberg den spanischen Gesandten Marqués de Aytona, er möge für die Auszahlung der längst fälligen Pension an Maximilian von Trauttmansdorff und Leonhard Helfried von Meggau sorgen, denn deren Unmut über das Ausbleiben der Belohnung habe sich sogar bereits während der Tagung des Geheimrates gezeigt.⁶⁴⁴ Anders war das bei den sogenannten servidores confidentes, die sich des nahezu vollkommenen Vertrauens des spanischen Botschafters erfreuten und sowohl vom katholischen König als auch häufig von Vertretern der österreichischen Linie des Hauses Habsburg die bedeutendsten Gunstbekundungen emp Noflatscher, Regiment (wie Anm. 262). Von Thiessen, Hillard: Switching Roles in Negotiation, Levels of Diplomatic Communication Between Pope Paul V Borghese (1605 – 1621) and the Ambassadors of Philip III. In: Paroles de négociateurs. L’entretien dans la pratique diplomatique de la fin du Moyen Âge à la fin du XIXe siècle. Hrsg. von Stefano Andretta [u. a.]. Roma 2010. S. 151– 172, hier S. 156 – 157 (=Collection de l’École Française de Rome 433). Zur mehrfachen Loyalität vgl. z. B. Martínez Millán, José (Hrsg.) [u. a.]: La doble lealtad: entre el servicio al rey y la obligación a la iglesia. In: Librosdelacorte es 6, 2014 (= Monográfico 1). Z. B. Periati, The Pope (wie Anm. 24). AGS, E 2510, Marqués de Aytona an König Philipp IV. (Prag, 4. 3. 1628); E 2328, fol. 31– 33, der Staatsrat an König Philipp IV. (Madrid, 18. 7. 1626).
II.2 Partei, Fraktion oder Beziehungsnetzwerk?
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fingen.⁶⁴⁵ Die confidentes wurden viel intensiver in die Geheimnisse der spanischen Politik eingeweiht. Aber auch ihnen sollten manche allzu kompromittierende Informationen verborgen bleiben, deren Preisgabe die Beziehungen zwischen beiden Linien des Hauses Habsburgs hätte deutlich beeinträchtigen können. Diese Vorsicht seitens Spaniens musste aber kein Zeichen des Zweifels an der Loyalität jener Personen gewesen sein. Obwohl sie wahre Stützen der spanischen Politik in Mitteleuropa waren und oft mit der Aristokratie der iberischen Halbinsel durch Verwandtschaft verbunden waren, musste man berücksichtigen, dass der Kaiser weiterhin ihr natürlicher Herrscher war.⁶⁴⁶ Anhand der Ergebnisse der bisherigen Forschung kann festgestellt werden, welche Adeligen in Mitteleuropa zum Beziehungsnetzwerk der spanischen Könige Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts gehörten und wo sie in der Hierarchie der Klienten standen. Die meisten dieser Männer gehörten zur Gruppe der servidores inclinados, in der Personen unterschiedlichen gesellschaftlichen Ranges und verschiedener geografischer Herkunft waren. Allgemein kann gesagt werden, dass die spanischen Gesandten ebenso wie die päpstlichen Nuntien versuchten, vor allem die Unterstützung der Geheimräte und weiterer bedeutender Amtsträger des Hofes und des Landes zu gewinnen. Beziehungen zu Spanien hatten beispielsweise der Präsident des Geheimrats Georg Ludwig von Leuchtenberg, Johann Barvitius sowie der Obersthofmeister Friedrich von Fürstenberg. ⁶⁴⁷ Da zu den Zuständigkeiten der Prager Botschaft auch die Durchsetzung der spanischen Interessen im Heiligen Römischen Reich und in Reichsitalien gehörte, war es sehr wünschenswert, dortige Edelleute dafür zu gewinnen, dem katholi-
Näheres hierzu Marek, La embajada (wie Anm. 34), S. 39 – 52; ders., La red (wie Anm. 34). Mit dem Thema Vertrauen in klientelistischen Beziehungen befasste sich Haug, Tilman: Vertrauen und Patronage in den diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und den geistlichen Kurfürsten nach dem Westfälischen Frieden (1648 – 1679). In: ZfHF 39 (2012). S. 215 – 254. Vgl. ebenfalls Luhman, Vertrauen (wie Anm. 540). de Ayerbe, Correspondencia (wie Anm. 77), S. 292. Vgl. ähnliche Vorsicht, zu der die spanischen Gesandten in Rom bei Verhandlungen mit aus Neapel und Milan stammenden prospanischen Kardinälen in ihren Instruktionen ermahnt wurden. – Visceglia, Fazioni (wie Anm. 15), S. 61. Zu Leuchtenberg vgl. z. B. NAP, SP-S, Kart. 2, Baltasar de Zúñiga an den spanischen Staatsrat (Prag, 23. 4. 1611). Leuchtenberg leistete dem Gesandten des katholischen Königs häufig Gesellschaft bei Banketten, die im Gebäude der spanischen Botschaft und in Adelsresidenzen veranstaltet wurden. – Koldinská, Marie u. Petr Maťa (Hrsg.): Deník rudolfínského dvořana. Adam mladší z Valdštejna 1602– 1633. Praha 1997. S. 53, 68, 153, 192. Auf die Dienste, die Johann Barvitius und Friedrich von Fürstenberg dem spanischen König leisteten, wird näher in Kapitel I.4. eingegangen.
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II Beziehungsnetzwerke
schen König zu dienen. Ein enger Mitarbeiter von Guillén de San Clemente und Baltasar de Zúñiga war beispielsweise Francesco Gonzaga di Castiglione delle Stiviere, dessen Familie zu überzeugten Verteidigern der habsburgischen dynastischen Politik gehörte.⁶⁴⁸ Francesco Gonzaga selbst war als Gesandter von Kaiser Rudolf II. tätig, hatte aber auch kein Problem damit, mit vergleichbarem Enthusiasmus die Interessen des katholischen Königs zu verteidigen, wofür er 1610 mit dem Orden vom Goldenen Vlies belohnt wurde. Diesen Orden bekam 1615 auch Wolfgang Wilhelm von Neuburg, der sich noch 1609 gegen die Interessen von Kaiser Rudolf II. in der Frage des Herzogtums Jülich-Kleve-Berg gestellt hatte. Bereits damals unterhielt jedoch Wolfgang Wilhelm ein sehr herzliches Verhältnis zur spanischen Monarchie, obgleich er, ähnlich wie sein Vater, Pfalzgraf Philipp Ludwig von Pfalz-Neuburg, bis zu seiner Konversion 1613 ein Anhänger des Luthertums gewesen war.⁶⁴⁹ Da Wolfgang mit dem Hause Habsburg blutsverwandt und zugleich ein Reichssouverän war, muss aber seine Position als eine äußerst spezifische betrachtet werden. Obwohl die spanischen Gesandten während ihrer Mission auch notgedrungen Kontakte mit Nichtkatholiken unterhalten mussten, war ihr Beziehungsnetzwerk in hohem Maße auf konfessionellen Fundamenten aufgebaut. Die spanischen Gesandten strebten danach, ihr aus Klienten des katholischen Königs bestehendes Netzwerk bis in alle Winkel der Habsburgermonarchie reichen zu lassen. Große Aufmerksamkeit sollte vor allem dem Königreich Böhmen gewidmet werden, denn hier residierte während der Herrschaftszeit Rudolfs II. der Kaiserhof. Eine gewisse Rolle spielte auch das wirtschaftliche und strategische Potenzial der Länder der Wenzelskrone. Ihre Bedeutung wurde in den Augen der spanischen Diplomaten nicht zuletzt auch durch die vermeintlichen Ansprüche Philipps III. auf den hiesigen Thron gestärkt.⁶⁵⁰ Daher kann man unter den servidores des spanischen Königs sowohl Edelleute aus Böhmen als auch Magnaten
Zu seiner Person vgl. Marocchi, Massimo: I Gonzaga di Castiglione delle Stiviere. Vicende pubbliche e private del casato di San Luigi. Mantova 1990. S. 345 – 444; ders.: Principi, Santi, Assassini. Intrighi gonzagheschi tra Cinque e Seicento. Mantova 2015. S. 113 – 155. Vgl. ebenfalls die Aussagen in der Korrespondenz, aufbewahrt in ASMa, AGCS, Busta 253, lettere di Baldassare di Zúñiga. Breitenbach, Josef: Wolfgang Wilhelm. In: ADB. Bd. XLIV. Leipzig 1898. S. 87– 116. Zu den Beziehungen Wolfgang Wilhelms von Neuburg zu Spanien – AGS, E 702, Nr. 39, Guillén de San Clemente an König Philipp II. (Prag, 23. 5. 1595); NAP, SP-S, Kart. 2, sine folio, La sustancia de las cartas que habrá de mandar escribir Su Majestad para que traiga a Alemaña don Baltasar de Zúñiga (vor 1608); AGS, E 2502, fol. 48, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 7. 10. 1616). Vgl. hierzu z. B. die umfangreiche Korrespondenz, die aufbewahrt wird in AGS, E 710, 711, 2326, 2327, 2500, 2501, 2502. Vgl. ferner Lasso de la Vega y López de Tejada, La embajada (wie Anm. 43).
II.2 Partei, Fraktion oder Beziehungsnetzwerk?
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aus den sogenannten Nebenländern finden. Neben den böhmischen Adeligen Adam von Sternberg,⁶⁵¹ Heinrich von Kolowrat-Liebsteinsky oder Wolf Novohradský von Kolowrat⁶⁵² gehörten zum klientelistischen Netzwerk der spanischen Könige auch Magnaten, die in der Markgrafschaft Mähren bzw. in Schlesien Güter besaßen. Stellvertretend für alle können wir Karl von Liechtenstein und seine Brüder Maximilian und Gundaker nennen,⁶⁵³ Georg Pruskovský von Pruskov⁶⁵⁴ und dessen Sohn Ulrich Desiderius,⁶⁵⁵ Abraham von Dohna⁶⁵⁶ sowie den Herzog Adam Wenzel von Teschen.⁶⁵⁷
AGS, E 2500, fol. 15, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Wien, 2. 12. 1614); E 2500, fol. 2– 11, Sumario de lo que contienen las cartas de Baltasar de Zúñiga vom 27. 10., 18. 11., 1. 12. und 2. 12. 1614; NAP, SP-S, Kart. 2, sine folio, der spanische Staatsrat an Conde von Oñate (Madrid, 21. 6. 1617). NAP, SP-S, Kart. 1, sine folio, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 25. 10. 1608); Kart. 1, sine folio, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 14. 5. 1609); Kart. 1, sine folio, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 25. 7. 1609). NAP, SP-S, Kart. 2, sine folio, La sustancia de las cartas que habrá de mandar escribir Su Majestad para que traiga a Alemaña don Baltasar de Zúñiga (vor 1608); Kart. 2, sine folio, Lo que parece convendrá advertir al Conde de Oñate en su instrucción de Embajador ordinario en la corte del Rey de Ungría, Baltasar de Zúñiga an den spanischen Staatsrat (Prag, 4. 9. 1610); Kart. 2, sine folio, Karl von Liechtenstein an König Philipp III. (Prag, 11. 10. 1612); Kart. 2, sine folio, Baltasar de Zúñiga an den spanischen Staatsrat (Prag, 15. 7. 1616); Kart. 4, sine folio, Karl von Liechtenstein an König Philipp III. (Prag, 3. 4. 1618). Von den Arbeiten zur Persönlichkeit Karls von Liechtenstein vgl. Stloukal, Karel z Lichtenštejna (wie Anm. 350); Haupt, Herbert: Fürst Karl I. von Liechtenstein, Oberhofmeister Kaiser Rudolfs II. und Vizekönig von Böhmen. Hofstaat Sammeltätigkeit. Wien – Köln – Graz 1983. Zu Gundakar von Liechtenstein vgl. Winkelbauer, Fürst (wie Anm. 251). AGS, E 2500, fol. 102, Ambrosius Spinola an König Philipp III. (Brüssel, 14. 2. 1614); fol. 103, Isabella Clara Eugenia von Habsburg an König Philipp III. (Brusel, 14. 3. 1614); Mur i Raurell, Anna: Austríacos en las Órdenes Militares españolas en el siglo XVI. In: Spanien und Österreich in der Renaissance. Hrsg. von Wolfram Kromer. Innsbruck 1989. S. 90 – 94. AGS, E 2500, fol. 102, Ambrosius Spinola an König Philipp III. (Brüssel, 14. 2. 1614); fol. 100, Albrecht von Habsburg an König Philipp III. (Brüssel, 15. 2. 1614); fol. 103, Isabella Clara Eugenia von Habsburg an König Philipp III. (Brüssel, 14. 3. 1614); NAP, SP-S, Kart. 2, sine folio, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Wels, 6. 3. 1614); Kart. 2, sine folio, Resolution des spanischen Staatsrats (Madrid, 21. 5. 1614).Vgl. ebenfalls Vignau,Vicente u. de Uhagón, Francisco R.: Índice de pruebas de los caballeros que han vestido el hábito de Santiago desde el año 1501 hasta la fecha. Madrid 1901. S. 283. AGS, E 709, fol. 174, Der Staatsrat an König Philipp III. (Madrid, 6. 10. 1611); NAP, SP-S, Kart. 2, sine folio, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Mainz, 6. 7. 1612); Kart. 2, sine folio, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Wels, 12. 4. 1614). Zu Abraham von Dohna vgl. Chroust, Anton: Abraham von Dohna. Sein Leben und sein Gedicht auf den Reichstag von 1613. München 1896. AGS, E 2500, fol. 35, Adam Wenzel von Teschen an König Philipp III. (Teschen, 18. 12. 1613); NAP, SP-S, Kart. 2, sine folio, Franz von Dietrichstein an König Philipp III. (Prag, 8. 10. 1612); Kart. 2, sine folio, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 4. 9. 1615).
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II Beziehungsnetzwerke
Die Anzahl der Personen, die in die zweite Gruppe der Klienten gehörten, war viel kleiner. Im Jahre 1581 schrieb der spanische Gesandte Guillén de San Clemente nach Madrid, dass die einzigen Vertrauten servidores confidentes des katholischen Königs am Kaiserhof Wratislaw von Pernstein, Wolf Rumpf zum Wielroß und Adam von Dietrichstein seien.⁶⁵⁸ Später wurde noch Paul Sixt von Trautson aufgenommen.Wie bereits gezeigt, erlitt Anfang des 17. Jahrhunderts das spanische klientelistische Netzwerk durch den Fall von Rumpf und Trautson einen spürbaren Verlust. San Clemente versuchte damals, bedeutende Landes- und Hofbeamte auf seine Seite zu bekommen. Des größten Vertrauens des spanischen Diplomaten erfreuten sich jedoch Maria Manrique de Lara und ihre Familienmitglieder, zudem möglicherweise auch die Nachkommen des einstigen kaiserlichen Gesandten in Spanien, Adam von Dietrichstein.⁶⁵⁹ Die Adelsgeschlechter Pernstein und Dietrichstein waren somit auch Anfang des 17. Jahrhunderts die wichtigsten Stützen der spanischen Politik in der Habsburgermonarchie.⁶⁶⁰ Ne-
de Ayerbe, Correspondencia (wie Anm. 77), S. 292. Diese Männer wurden bereits 1579 vom außerordentlichen Gesandten Carlos de Aragón, ersten Duque de Terranova hervorgehoben: „También he hablado sobre todas estas cosas con Diatristan y Rumflo [sic], y ambos me asseguran que han hecho con el emperador todo el buen oficio que les ha sido possible, y aunque he hallado aquí muchos que muestran gran affición al servicio de Vuestra Majestad, los dos que arriba digo y Pernistain me pareçe que son los que más de coraçón se muestran apassionados por él y assi los tengo por dignos de que Vuestra Majestad mande tener cuenta con sus personas y hazerles en las occassiones que ocurrieren las mercedes y favor que suele y se debe a los que tan descubiertamente acuden por acá al servicio de Vuestra Majestad.“ AGS, E 2844 (Prag, 23. 2. 1579). Zitiert nach Mur i Raurell, La mancha roja (wie Anm. 84), S. 114. Adam von Dietrichstein hatte drei männliche Nachkommen: Maximilian, Sigismund und Franz. Wratislaw von Pernstein hatte die Söhne Johann und Maximilian. Während Johann von Pernstein und Sigismund von Dietrichstein im Dienste Spaniens in den Niederlanden kämpften, halfen Maximilian von Dietrichstein und insbesondere sein Bruder Franz bei der Durchsetzung der spanischen politischen Interessen am Kaiserhof. Zu beiden Adelsgeschlechtern und ihren Beziehungen zu Spanien vgl. z. B. Baďura, Bohumil: Hispanica de los siglos XVI y XVII conservada en los archivos de Bohemia y Moravia. Praga 1990; ders., La casa (wie Anm. 192). Zu Kardinal Franz von Dietrichstein vgl. Balcárek, Kardinál (wie Anm. 293); Parma, František kardinál (wie Anm. 98). Zu den Herren von Pernstein vgl.Vorel, Petr: Páni z Pernštejna.Vzestup a pád rodu zubří hlavy v dějinách Čech a Moravy. 2. Aufl. Praha 2012; Marek, Pernštejnské ženy (wie Anm. 192). Selbst der spanische Staatsrat erwähnt in einer seiner Mitteilungen die Pernsteiner als Stützen der böhmischen katholischen Familien. AGS, E 709, fol. 170 – 171, der Staatsrat an König Philipp III. (Madrid, 4. 8. 1611). Zur bedeutenden Stellung der Familien Dietrichstein und Pernstein im Beziehungsnetzwerk der spanischen Herrscher vgl. folgende Studien – de Cruz Medina, Vanessa: Margarita de Cardona y sus hijas, damas entre Madrid y el Imperio. In: Las Relaciones Discretas entre las Monarquías Hispana y Portuguesa: Las Casas de las Reinas (siglos XV–XIX). Hrsg. von José Martínez Millán u. María Paula Marçal Lourenço. Bd. II. Madrid 2008. S. 1267– 1301; Marek, Las damas (wie Anm. 225).
II.2 Partei, Fraktion oder Beziehungsnetzwerk?
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ben den Angehörigen dieser Geschlechter war ebenfalls mit der weitverzweigten Verwandtschaft der Popel von Lobkowitz zu rechnen, die sich bereits seit vielen Jahren durch festen katholischen Glauben, ungewöhnliche Loyalität zur Herrscherdynastie sowie durch eine starke kulturelle und politische Orientierung auf Spanien auszeichnete.⁶⁶¹ Vor allem Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz, der 1603 Polyxena – die Tochter Wratislaws von Pernstein – heiratete, erwies der spanischen Krone in späteren Jahren unschätzbare Dienste. Kein Wunder, dass gerade seine Familie mit der Zeit jene Position im spanischen klientelistischen Netzwerk einnahm, die einst den Pernsteinern zustand.⁶⁶² Das Verhalten der traditionell prospanischen Adelsfamilien, wie z. B. der Familie Pernstein, Dietrichstein und Lobkowitz, war in hohem Maße von ihrer Überzeugung geprägt, dass die Einheit der habsburgischen Politik gewahrt werden müsse. Es waren vor allem die Angehörigen dieser Familien, die nicht zögerten, den Dienst für die spanischen Habsburger dem Dienst für den eigenen Herrscher gleichzustellen.Was für eine Linie des Hauses Habsburg förderlich war, war ihrer Ansicht nach natürlich auch für die andere Linie nutzbringend.⁶⁶³ Dies wurde sehr zutreffend vom kaiserlichen Gesandten in Madrid und ebenfalls führendem Angehörigen des dynastischen Netzwerks, Hans Khevenhüller, ausgedrückt, als er sich im Dezember 1603 darüber empörte, dass der Duque de Lerma offenkundig die Interessen des Kaisers vernachlässige. Für Khevenhüller war solches Verhalten unbegreiflich und inakzeptabel: „Mein Ziel ist es, solch eine Lösung zu finden, die beiden Majestäten zugutekäme, denn einer von ihnen zu dienen bedeutet auch der anderen zu dienen.“⁶⁶⁴ Diese Edelleute wurden in ihrer Überzeugung von der Notwendigkeit einer einheitlichen Habsburger Politik häufig und vor allem durch die Tatsache bestärkt, dass auch sie durch enge Blutsverwandtschaft mit der Aristokratie der spanischen Monarchie verbunden waren und dass einige, wie zum Beispiel Kardinal Franz von Dietrichstein und sein Bruder Sigmund, in Spanien geboren wurden und sich somit sogar für Va-
Näheres dazu Marek, Svědectví (wie Anm. 192), S. 29 – 30. Marek, Zdenco Adalbert (wie Anm. 316); ders., Úloha (wie Anm. 630). „No quiero hacer de esta casa dos aunque la una es allá del mar y la otra acá del mar.“ [„Obwohl ein Teil dieses Hauses auf dieser Seite des Meeres und der andere Teil auf seiner anderen Seite ist, möchte ich aus dieser Dynastie nicht zwei machen“], schrieb Polyxena, geborene von Pernstein, in ihrem Brief an Ottilie de Clärhout, Baronin von Maldegem, die Frau des spanischen Gesandten Baltasar de Zúñiga. – LA, LRRA, Sign. D/165, fol. 41– 42, (s. l., s. d.) Polyxena von Lobkowitz an Ottilie de Clärhout. „Qué mi fin es acertar en el servicio de sus Majestades que para mí es todo uno.“ – AFT, Milano, Cod. 2088, Hans Khevenhüller an den Beichtvater des spanischen Königs Philipp III. (Madrid, 11. 12. 1603).Vgl. ebd., Hans Khevenhüller an den Duque de Lerma (Madrid, 10. 12. 1603).
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II Beziehungsnetzwerke
sallen Spaniens halten konnten.⁶⁶⁵ Es ist sicher nicht uninteressant, dass sie, während der spanische Gesandte diese Personen als servidores confidentes bezeichnete, von den böhmischen Ständen „Spanier“ (Španělé) genannt wurden. Da die wichtigsten Charakterzüge der sogenannten servidores confidentes ihr katholischer Glaube und ihre Treue zur Dynastie waren, kann nicht beiseitegelassen werden, dass auch am Königshof in Madrid eine Machtgruppe existierte, die sich für dieselben Werte einsetzte. In der Literatur wird in diesem Sinne von der sogenannten Reichspartei bzw. kaiserlichen Partei (partido imperial) gesprochen, zuweilen auch von der kaiserlich-päpstlichen Partei (partido imperial papista). Sie sollte eine Opposition zur sogenannten kastilischen Fraktion bilden und nach einer möglichst engen Zusammenarbeit zwischen dem spanischen König, dem Kaiser und dem Papst streben.⁶⁶⁶ Die führende Rolle in dieser Gruppierung hatte nach 1581 Kaiserin Maria inne, in den späteren Jahren auch ihre Tochter Margarete von Österreich.⁶⁶⁷ Diese Damen, die im Kloster Descalzas Reales in Madrid residierten, umgaben sich mit zahlreichen erfahrenen Diplomaten und bedeutenden Persönlichkeiten, unter denen sich neben dem kaiserlichen Gesandten Angehörige von Adelsgeschlechtern, die mit den Geschlechtern Pernstein, Dietrichstein und anderen blutsverwandt waren, hervortaten. Wenngleich der politische Einfluss dieser Gruppe am Hof in Madrid nicht so dominant wie am Kaiserhof war, erscheint als unzweifelhaft, dass die kaiserliche Partei in Madrid und jene Gruppe, die in der älteren Literatur als spanische Partei am Kaiserhof bezeichnet wird, zwei Seiten einer Münze waren: ein dynastisches Netzwerk, das verschiedene habsburgische Höfe verband, ungeachtet dessen, ob an deren Spitze Vertreter der einen oder der anderen Linie des Hauses Habsburg standen.⁶⁶⁸ Es ist sehr wahrscheinlich, dass viele Adelige aus der Gruppe der servidores inclinados gerade mittels der servidores confidentes zu Klienten des katholischen
Kardinal von Dietrichstein unterschrieb seine Briefe an den spanischen König beispielsweise als „el menor y más humilde criado y vasallo de Vuestra Majestad“. – AGS, E 2504, fol. 75, Franz von Dietrichstein an König Philipp III. (Brünn, 26. 5. 1619); oder „Su menor criado, vasallo y capellan“ – AGS, E 2508, fol. 60, Franz von Dietrichstein an König Philipp IV. (Wien, 17. 7. 1624). Ähnlich sah sich auch Sigismund, der Bruder des Kardinals, als Vasall des Königs. – AGS, E 706, Sigismund von Dietrichstein an König Philipp III. (Prag, 19. 8. 1600) Vgl. dazu insbesondere Martínez Millán, La emperatriz (wie Anm. 182). Sánchez, The Empress (wie Anm. 188); dies., Empress María (wie Anm. 239); Patrouch, Joseph F.: Queen’s Apprentice. Archduchess Elizabeth, Empress Maria, the Habsburgs, and the Holy Roman Empire, 1554– 1569. Leiden 2010. González Cuerva u. Marek, The Dynastic Network (wie Anm. 224).
II.2 Partei, Fraktion oder Beziehungsnetzwerk?
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Königs geworden waren. ⁶⁶⁹ Denn das Adelsgeschlecht Dietrichstein verbanden enge Verwandtschaftsbeziehungen mit dem Geschlecht Liechtenstein, den Herzögen von Teschen und den Herren von Dohna.⁶⁷⁰ Ähnliche Bande verknüpften das Geschlecht Pernstein und Lobkowitz mit den Geschlechtern Fürstenberg, Pruskovský von Pruskov sowie mit dem Geschlecht Kolowrat.⁶⁷¹ Dennoch scheint es nicht so zu sein, dass diese Personen eine Partei oder Fraktion gebildet hätten. Von einer kompakten und innerlich geeinten höfischen Gruppe, deren Mitglieder miteinander kommunizierten und gemeinsame Strategien überlegten, kann nicht die Rede sein. Neben den erwähnten Verwandtschaftsbanden, die zwischen einigen Klienten belegt sind, wies das Beziehungsnetzwerk der spanischen Herrscher in Mitteleuropa Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts keine Anzeichen auf, die darauf hindeuten würden, dass die als servidores bezeichneten Personen untereinander enge Kontakte gepflegt, gewisse soziale Normen geteilt bzw. sich als Mitglieder einer Gruppe gesehen hätten oder so von den damaligen Beobachtern empfunden worden wären.⁶⁷² Dass unter den einzelnen konkreten Klienten des katholischen Königs keine Einigkeit herrschte, dessen waren sich auch die spanischen Gesandten bewusst. Als Philipp III. 1619 seine Zustimmung zur Verleihung des Ordens vom Goldenen Vlies an Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz und Johann Ulrich von Eggenberg erteilen sollte, empfahl der spanische Gesandte Oñate, man solle den beiden
Die politische Bedeutung von Heiratsallianzen behandelt z. B. Vocelka, Karl: Habsburgische Hochzeiten 1550 – 1600. Kulturgeschichtliche Studien zum manieristischen Repräsentationsfest. Wien – Köln – Graz 1976; Bůžek, Václav u. Maťa, Petr: Wandlungen des Adels in Böhmen und Mähren im Zeitalter des „Absolutismus“ (1620 – 1740). In: Der europäische Adel im Ancien Régime. Von der Krise der ständischen Monarchien bis zur Revolution (ca. 1600 – 1789). Hrsg. von Ronald G. Asch. Köln – Weimar – Wien 2001. S. 295 – 296. Vgl. ebenfalls beispielhaft Franz von Dietrichstein, der sich sogar mit der Bitte an den spanischen König wandte, zu erlauben, dass Dietrichsteins Neffe Maximilian die Tochter des Fürsten Karl von Liechtenstein heiratet. – NAP, SP-S, Kart. 2, sine folio, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Wels, 19. 3. 1614). Vgl. z. B. OSN. Bd. VII. Praha 1893. S. 834– 836; Bd. VIII. S. 834– 836; Bd. XV. S. 1055 – 1058; Winkelbauer, Fürst (wie Anm. 251), S. 511– 540. Vgl. ebenfalls die Reaktion der spanischen Politiker auf die Vermählung Maximilians von Dietrichstein mit Anna Maria von Liechtenstein. – NAP, SP-S, Kart. 2, sine folio, Resolution des spanischen Staatsrats (Madrid, 21. 5. 1614). Vgl. ebenfalls die Information über die Vermählung von Wenzel Wilhelm Popel von Lobkowitz mit Margarete Franziska von Dietrichstein, die Baltasar de Zúñiga nach Madrid schickte. – NAP, SP-S, Kart. 2, sine folio, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 2. 11. 1616). Neben den üblichen genealogischen Handbüchern vgl. z. B. Vorel, Páni (wie Anm. 659); Kasík [u. a.], Lobkowiczové (wie Anm. 260). Auf diese Weise wird eine gesellschaftliche Gruppe bzw. Partei definiert von Merton, Robert K.: Social Theory and Social Structure. Glencoe 1957. S. 195 – 206; ders.: Studie ze sociologické teorie. Praha 2000.
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II Beziehungsnetzwerke
Adeligen den Orden zusagen, aber mit der eigentlichen Einführung in den Orden warten, bis dies die Lage am Hof ermöglichen würde. Er befürchtete nämlich, dass er durch diesen Schritt Leonhard Helfried von Meggau und Johann Eusebius Khuen von Belasy gegen sich aufbringen würde, die ebenfalls Klienten Spaniens waren und zudem an der Spitze der beiden mächtigsten Fraktionen am Hof standen: „Son cabezas de dos facciones q aora goviernan la corte.“⁶⁷³ Dieses Beispiel ist gleich aus mehreren Gründen interessant. Erstens muss die Tatsache erwähnt werden, dass wir von der Existenz von Meggaus und Khuens Gruppe auch aus einem weiteren Schriftstück aus dem Umfeld des Madrider Hofes wissen, in dem aber anstatt des Begriffs facción die Bezeichnung bando steht.⁶⁷⁴ Es handelt sich also um einen weiteren Beweis dafür, dass während des untersuchten Zeitraums, die Bedeutung der einzelnen Begriffe noch nicht ganz eindeutig definiert war und dass mit ihnen sehr frei umgegangen wurde. Eine sehr viel schwerer wiegende Feststellung ist jedoch die Tatsache, dass das spanische klientelistische Netzwerk eigentlich aus vielen Machtgruppen zusammengesetzt war, deren Mitglieder miteinander entweder durch Verwandtschaft, Freundschaft oder gemeinsame regionale Herkunft verbunden waren. Diese Machtgruppen traten oft in gegenseitiger Opposition auf, und das Einzige, was sie verband, waren Gunstbekundungen, die sie vom spanischen König erhielten, sowie ihr Dienst für das Haus Habsburg. Das spanische Beziehungsnetzwerk reichte zudem nicht nur in die obersten Schichten des Kaiserhofs. Neben Angehörigen altehrwürdiger Adelsgeschlechter können wir unter den Klienten des spanischen Königs sogar Personen ohne vornehme Herkunft finden. Zumindest während der Herrschaftszeit Rudolfs II. wurden unschätzbare Dienste für die spanische Krone auch von Angehörigen der kaiserlichen Kammer sowie von Rudolfs beliebten Künstlern und Wissenschaftlern geleistet, die in Zeiten, zu denen Rudolf II. an Anfällen seiner Krankheit litt und Begegnungen mit den obersten Würdenträgern des Landes, Hofräten und ausländischen Diplomaten mied, als einzige Zugang zum Kaiser hatten.⁶⁷⁵ Die Zugehörigkeit zum Netzwerk der Klienten der spanischen Könige hinderte einen Adeligen nicht daran, vergleichbare Beziehungen auch zu weiteren souveränen Herrschern Europas zu unterhalten. Der Oberstkanzler Lobkowitz, den Josef Polišenský für den führenden Vertreter der spanischen Fraktion am Kaiserhof hielt, ist ein leuchtendes Beispiel dafür, dass die meisten Personen, die während der Zeit Rudolfs II. und auch in späteren Jahren zum Beziehungsnetzwerk der
AHN, Estado, 1638, sine folio, Conde de Oñate an Philipp III. (Wien, 24. 9. 1618). AGS, E, 2504, fol. 130 – 131, Conde y duque de Benavente an Philipp III. (Madrid, 17. 7. 1619). Dazu ausführlicher Marek, La red (wie Anm. 34).
II.2 Partei, Fraktion oder Beziehungsnetzwerk?
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spanischen Könige in Mitteleuropa gehörten, zur selben Zeit auch mit dem Kirchenstaat durch identische klientelistische Bande verbunden waren. Davon sprechen sowohl die Berichte der apostolischen Gesandten als auch die Instruktionen, die den Nuntien auf ihre Reise nach Mitteleuropa mitgegeben wurden. In einem dieser Dokumente wird Lobkowitz folgendermaßen charakterisiert: „Herr Popel, der Oberstkanzler des Königreichs Böhmen, ist völlig italienisiert und unserem Volk sehr wohlgesonnen. In Sachen der Moral ist er ein Seneca, in Sachen der Frömmigkeit ein Hiob.“⁶⁷⁶ Lobkowitz behielt seine ausgewogene Haltung beiden katholischen Mächten gegenüber auch nach 1620 bei, als die politischen Ziele der spanischen Monarchie und des Kirchenstaats bereits anfingen auseinanderzugehen. Obwohl die Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der spanischen Monarchie damals zahlreiche Risse aufwiesen, kann Zdenko Popel als Vertrauter des apostolischen Nuntius Carlo Caraffa sowie weiterer päpstlicher Diplomaten gesehen werden.⁶⁷⁷ Die Verknüpfung des päpstlichen Beziehungsnetzwerks mit dem klientelistischen Netzwerk der spanischen Könige wird übrigens auch durch die Fälle des bereits erwähnten Franz von Dietrichstein, des Kardinals und Erzbischofs von Gran (Esztergom) Peter Pázmány und Maximilian von Trauttmansdorff belegt.⁶⁷⁸ Die Tatsache, dass diese Personen durch vergleichbare Bande an den Kirchenstaat gebunden waren, führt zwangsläufig zur Frage, ob es überhaupt möglich und richtig ist, von Fraktionen zu sprechen, wenn sich diese nicht gerade selten überlappten. Aus den oben angerissenen Gründen sind wir der Meinung, dass die Realität des Kaiserhofs viel besser durch den Begriff Beziehungsnetzwerk wiedergegeben wird, dessen wichtigsten Baustein klientelistische Beziehungen darstellten. Das Beziehungsnetzwerk verband alle Personen, die am Prager Hof die Arbeit des spanischen Gesandten unterstützten und die durch eine beiderseitig vorteilhafte
Das Zitat steht in der Instruktion für den päpstlichen Nuntius Verospi aus dem Jahr 1619: „Il signor Popel, gran cancelliero di Bohemia, è tutto italianato et affettissimo alla nostra natione. Nella moralità è un Seneca et nella pietà un Giob.“ – Giordano, Le istruzioni (wie Anm. 67), S. 1152. Mit der Beziehung von Lobkowitz zum Heiligen Stuhl befasste sich Marek, Pavel ¿Aliados o rivales? Apuntes sobre la colaboración política entre los embajadores españoles y los nuncios apostólicos en la corte imperial en la primera mitad del siglo XVII. In: Relaciones checo-españolas: viajeros y testimonios. Hrsg. von Josef Opatrný. Praga 2009. (IAP Supplementum, 22). S. 27– 43; ders.: La diplomacia (wie Anm. 44). Von den damaligen konfliktgeladenen Situationen können z. B. Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Übertragung der Kurfürstenwürde auf Maximilian I. von Bayern oder der Mantuanische Erbfolgekrieg genannt werden. Zu Pázmány vgl. Monostori, Tibor u. Martí, Tibor: Olivares gróf-herceg külpolitikai koncepciója és Pázmány Péter 1632. Évi római követségének előzményei (1629 – 1632). In: Történelmi Szemle 51 (2009). S. 275 – 294. Zu Trauttmansdorff vgl. Lernet, Brigitte: Maximilian von Trauttmansdorff. Hofmann und Patron im 17. Jahrhundert. Dissertation. Wien 2004.
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Beziehung an den katholischen König gebunden waren, der die Funktion eines Patrons erfüllte. Das Band war sehr flexibel. Die Güter und Dienstleistungen, die Patron und Klient untereinander austauschten, waren nämlich nicht fest bestimmt. Sie veränderten sich vielmehr mit der Zeit und in Abhängigkeit davon, wie sich die Bedürfnisse und Mittel beider Teilnehmer entwickelten. Der spanische König bot seinen mitteleuropäischen Dienern vor allem Schutz und verschiedene Gunstbekundungen. Pflicht des Klienten war es hingegen, den Ruf seines Patrons zu verteidigen, ihn über alles zu informieren, was er erfahren hat, und vor allem seine Möglichkeiten und Fähigkeiten für die Ausbreitung der Macht des Patrons einzusetzen.⁶⁷⁹ Da der spanische König als Patron nur relativ begrenzte Möglichkeiten hatte, auf seine mitteleuropäischen Klienten einzuwirken, nutzte er die Vermittlungsrolle seiner Gesandten. In der modernen Geschichtswissenschaft hat man sich angewöhnt, diese Rolle mit dem englischen Wort „Broker“ zu bezeichnen. ⁶⁸⁰ Die Tätigkeit der Broker war für die Anwendung der klientelistischen Beziehungen in der hohen Politik zentral. Es war gerade der Broker, der den Einfluss des Patrons verbreitete und sein Beziehungsnetzwerk erweiterte, da er in direktem Kontakt zu beiden Seiten stand. Der Broker war aber mehr als nur ein bloßer Vermittler. An seinem Wirkungsort verhielt er sich wie ein wahrhafter Patron – er bot seinen Klienten Schutz und Hilfe, belohnte ihre Dienste und leitete vor allem ihr Agieren so, wie es die Person, die er vertrat, forderte. Der spanische Gesandte am Kaiserhof gehörte zu den wichtigsten Brokern des katholischen Königs.⁶⁸¹ Bei der Bewertung seiner Tätigkeit muss berücksichtigt werden, dass er sich in einem Milieu bewegte, in dem es, angesichts der geografischen Entfernung zwischen den Höfen der spanischen und österreichischen Linie des Hauses Habsburg sowie der unterschiedlichen konfessionellen, sozialen und kulturellen Bedingungen, sehr aufwendig war, den Einfluss von Madrid aufrechtzuerhalten. Dennoch vermochten die spanischen Gesandten ein umfangreiches Netzwerk von Klienten zu schaffen, mit deren Hilfe sie die Politik ihres Königs verbreiteten.⁶⁸²
Bei der Bestimmung von klientelistischen Beziehungen stützen wir uns auf die Definition bei Scott, James: ¿Patronazgo, o explotación? In: Patrones y clientes en las sociedades mediterráneas. Hrsg. von Ernst Gellner [u. a.]. Madrid 1986. S. 37. Die Rolle der Broker erfasste Kettering, Patrons (wie Anm. 614), S. 42. Vgl. ebenfalls Martínez Millán, Introducción (wie Anm. 184), S. 22– 23; ders.: Las investigaciones sobre Patronazgo y clientelismo en la administración. In: Studia Historica – Historia Moderna 15 (1996). S. 94. Neu z. B. Keblusek, Marika u. Noldus, Badeloch (Hrsg.): Double Agents. Cultural and Political Brokerage in Early Modern Europe, Boston – Leiden 2011. Martínez Millán, Introducción (wie Anm. 184), S. 22. Edelmayer, Söldner (wie Anm. 33); Marek, La embajada (wie Anm. 34).
II.2 Partei, Fraktion oder Beziehungsnetzwerk?
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Schließlich darf auch nicht vergessen werden, dass das Beziehungsnetzwerk der spanischen Herrscher am Kaiserhof neben mitteleuropäischen Edelleuten auch Personen umfasste, die in einem der Länder der spanischen Monarchie geboren und Vasallen (vasallos) des Königs waren. ⁶⁸³ Dem damaligen Recht zufolge war daher der Dienst für Spanien ihre vorrangige Pflicht. Ergebenheit für die spanische Monarchie wurde automatisch nicht nur bei diesen natürlichen Untertanen vorausgesetzt, sondern auch bei deren Kindern, die in einem anderen kulturellen Umfeld erzogen wurden.⁶⁸⁴ So konnte beispielsweise Peter von Mollart, dessen Vater aus Burgund stammte, als spanischer Vasall gesehen werden. Neben Spaniern, Italienern, Flamen und Angehörigen weiterer Völker, die unter der spanischen Krone vereint waren, gaben sich bisweilen aber auch Personen, die diese Kriterien nur zum Teil erfüllten, für Untertanen des katholischen Königs aus. Als typisches Beispiel können, wie bereits aufgezeigt, die Nachkommen des kaiserlichen Gesandten am spanischen Hof, Adam von Dietrichstein, gesehen werden. Adams Sohn, der in Madrid geborene Franz von Dietrichstein, unterzeichnete somit seine an Philipp III. adressierten Briefe als „el menor y más humilde criado y vasallo de Vuestra Majestad.“⁶⁸⁵ Die Zugehörigkeit zum Netzwerk der spanischen Herrscher war erblich. Die Pension, die mitteleuropäischen Klienten ausgezahlt wurde, ging nach deren Tode sehr häufig auf ihre Frau oder Kinder über.⁶⁸⁶ In den Händen der Familie blieben zuweilen sogar Dominien, die in Spanien von Mitgliedern der Ritterorden verwaltet wurden.⁶⁸⁷ Auf solche Art und Weise drückte der spanische Herrscher
Neben den Gesandten selbst müssen ihre Sekretäre genannt werden, z. B. Lope Díaz de Pangua, Pedro de Montañana, Cristóbal de Mercadillo und Francisco de Albiz. Eine bedeutende Rolle in der Botschaft hatten auch Sprachsekretäre, sog. secretarios de lenguas inne. Wir finden unter ihnen beispielsweise Arnoldo van der Boye und Jacques Bruneau. Es dürfen aber auch nicht die zahlreichen Offiziere vergessen werden, die im Rahmen der spanischen Hilfe im Kampf gegen die Türken hierhin geschickt wurden. Zu den bekanntesten unter ihnen gehörte der valencianische Adlige Baltasar de Marradas y Vique, der von seiner Ankunft am Kaiserhof 1599 bis zu seinem Tode 1638 das Geschehen in Böhmen prägte. Die Sekretäre der spanischen Botschaft werden am detailliertesten präsentiert in der Arbeit Bardoňová, Španělská ambasáda (wie Anm. 82). Zum Schicksal von Marradas jüngst Forbelský, Josef: Španělé, Říše a Čechy v 16. a 17. století. Osudy generála Baltasara Marradase. Praha 2006. NAP, SP-S, Kart. 1, Guillén de San Clemente an König Philipp III. (Prag, 14. 2. 1604). AGS, E 2504, fol. 75, Franz von Dietrichstein an König Philipp III. (Brünn, 26. 5. 1619). Vgl. den Fall der Witwe Rumpfs zum Wielross, des Fürsten Luigi Gonzaga di Castiglione delle Stiviere sowie der Familie Pernstein. – Edelmayer, Wolf Rumpf (wie Anm. 263), S. 159 – 162; NAP, SP-S, Kart. 2, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 12. 11. 1616); Kart. 1, Guillén de San Clemente an König Philipp III. (Prag, 28. 2. 1608). Vgl. den Fall der andalusischen Herrschaft Cañaveral, die die Familie Dietrichstein drei Generationen lang behielt. – Baďura, La casa (wie Anm. 192), S. 52.
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II Beziehungsnetzwerke
seine Dankbarkeit für die Dienste aus, die der verstorbene Klient für ihn geleistet hatte. In der Belohnung, die er den Hinterbliebenen zahlte, widerspiegelte sich aber zugleich die Erwartung, dass sie das Vermächtnis ihres Vorfahren fortsetzen und falls sie dies noch nicht getan hätten, in Zukunft die Reihen der spanischen Klienten vermehren würden.⁶⁸⁸ Da die Söhne hochrangiger Hofleute üblicherweise den Spuren ihrer Väter folgten und viele von ihnen eine erfolgreiche Laufbahn am Kaiserhof einschlugen, sorgte diese Strategie dafür, dass die spanischen Herrscher das Geschehen in der Habsburgermonarchie nachhaltig beeinflussen konnten.
Vgl. z. B. NAP, SP-S, Kart. 2, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 12. 11. 1616).
III Klientenstrategien der päpstlichen und spanischen Diplomaten – Räume und Belohnungen III.1 Begegnungsorte Sowohl in der Korrespondenz von Diplomaten als auch in verschiedenen Handbüchern jener Zeit mit beispielhaften Charakteristiken idealer Diplomaten werden persönliche Verhandlungen und direkte Kommunikation von Angesicht zu Angesicht als grundlegendes Element der diplomatischen Praxis an den einzelnen Höfen erwähnt. Diese Verhandlungen liefen nach gewissen Regeln ab und hatten ein klar definiertes Ziel. In damaligen französischen Lexiken wurde bei der Definition der persönlichen Verhandlungen von Diplomaten das gewissermaßen höhere Niveau dieser sozialen Interaktion betont. Unter dem Terminus „Verhandlung“ (négociation) verstanden sie die „Kunst und Tätigkeit“ (art et action), eine gewisse „Angelegenheit“ (affaire) auszuhandeln, entweder „zwischen Privatpersonen“ (entre les particuliers) oder „im Namen des Fürsten“ (au nom des Princes).⁶⁸⁹ Eine interpretatorisch interessante Dimension erhält das persönliche Verhandeln in jenem Moment, wenn es nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit dem Raum, in dem es sich abspielte, reflektiert wird.⁶⁹⁰ In dieser Hinsicht spielten im Leben der frühneuzeitlichen Gesandten Residenzen von Herrschern und Aristokraten, Tagungsorte von Landtagen sowie von Friedenskongressen eine wichtige Rolle. Hier überall konnten Kontakte mit anderen Diplomaten, Hofleuten und Vertretern weiterer gesellschaftlicher Gruppen geknüpft werden, und man konnte von ihnen neue Informationen und Erfahrungen sammeln. Diese Hand-
Waquet, Jean-Claude: Verhandeln in der Frühen Neuzeit: Vom Orator zum Diplomaten. In: Akteure der Außenbeziehungen. Netzwerke und Interkulturalität im historischen Wandel. Hrsg. von Hillard von Thiessen u. Christian Windler. Köln – Weimar – Wien 2010. S. 114– 117. Zum soziologischen Konzept des Verhandelns vgl. Bourdieu, Pierre: Raisons pratiques. Sur la théorie de l’action. Paris 1994. Im Zusammenhang mit dem Verhandeln wird dieser Raum zum „Erfahrungsraum“ bzw. zum „Handlungsraum“. Für den Zeitraum der Frühen Neuzeit vgl. Dürr, Renate u. Schwerhoff, Gerd (Hrsg.): Kirchen, Märkte und Tavernen. Erfahrungs- und Handlungsräume in der Frühen Neuzeit. Frankfurt a. M. 2005. Für das soziologische Konzept „Erfahrungsraum“ vgl. Löw, Martina: Raumsoziologie. Frankfurt a. M. 2001. https://doi.org/10.1515/9783110616699-005
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III Klientenstrategien der päpstlichen und spanischen Diplomaten
lungsräume boten die Möglichkeit zur Umsetzung der eigentlichen „Kunst zu verhandeln“.⁶⁹¹ Die ersten Kontakte zwischen dem neuen Gesandten und weiteren Diplomaten in Prag wurden bereits vor den Toren der Residenzstadt des Kaisers geknüpft. Hiervon spricht beispielsweise der Bericht von Pierre Bergeron, der 1600 an der französischen Mission unter Führung von Marschall Urbain de Laval de Boisdauphin teilnahm,⁶⁹² sowie Beschreibungen des florentinischen Gesandten Giuliano dei Medici über seine Ankunft am Kaiserhof. Als sich dieser am 1. Oktober 1608 Prag näherte, fuhr ihm erst der Sekretär der Botschaft Giovanni Francesco Guidi entgegen, der ihn über den weiteren Ablauf der Zeremonie unterrichtete. Gemäß den örtlichen Gepflogenheiten sollte der neue florentinische Gesandte unverzüglich aufbrechen. Auf seinem Weg wurde er von Guidi, der in einer Kutsche, die „nach böhmischem Brauch“ von sechs Pferden gezogen wurde, reiste, und auch von zahlreichen toskanischen Soldaten, die vor einiger Zeit von den ungarischen Schlachtfeldern zurückgekehrt waren, begleitet. Ungefähr eine Meile von den Stadttoren entfernt schlossen sich ihnen ebenfalls die Sekretäre der bedeutendsten in Prag vertretenen diplomatischen Missionen, also der Nuntiatur sowie der spanischen und der venezianischen Botschaft, an. Zusammen mit ihnen wurde der Gesandte wahrscheinlich auch von weiteren Agenten und Residenten begrüßt, wodurch die ganze Gruppe auf zehn, jeweils von sechs Pferden gezogene Kutschen anwuchs, die den Gesandten bis in seine Residenz begleiteten.⁶⁹³ Viel feierlicher verliefen Ankünfte von Diplomaten am Kaiserhof, wenn es sich um Gesandtschaften mit besonders wichtigen Aufgaben handelte.⁶⁹⁴ In sol Braun, Guido (Hrsg.): Diplomatische Wissenskulturen der Frühen Neuzeit. Erfahrungsräume und Orte der Wissensproduktion. Berlin – Boston 2018. Zu verschiedenen Aspekten diplomatischer Verhandlungen in der Frühen Neuzeit vgl. Andretta, Stefano [u. a.]: Paroles de négociateurs: l’entretien dans la pratique diplomatique de la fin du Moyen âge à la fin du XIXe siècle. Rome 2010 (Collection de l’École française de Rome 433). Zu den Zielen der französischen Gesandtschaft vgl. Fučíková, Tři francouzští kavalíři (wie Anm. 628), S. 38 – 41. Beschreibung der Ankunft in Prag. – ebd., S. 43. ASFi, Mediceo del Principato, 4364, fol. 5, Giuliano dei Medici an den Großherzog von Toskana (Prag, 1. 10. 1608); fol. 6, Giovanni Francesco Guidi an den Großherzog von Toskana (Prag, 1. 10. 1608); fol. 20 f., Giuliano dei Medici an den Großherzog von Toskana (Prag, 6. 10. 1608). Dies war beispielsweise bei der Ankunft der Persischen Gesandtschaft in den Jahren 1600 und 1604 oder des Kardinals Millini 1608 der Fall. – Niederkorn, Jan Paul: Das Zeremoniell der Einzüge und Antrittsaudienzen der venezianischen Botschafter am Kaiserhof. In: Diplomatisches Zeremoniell in Europa und im mittleren Osten in der frühen Neuzeit. Hrsg. von Ralph Kauz [u. a.]. Wien 2009. S. 79 – 96; Koldinská u. Maťa, Deník (wie Anm. 647), S. 352– 353; Linhartová, EAAC III/1 (wie Anm. 62), Nr. 51, S. 132– 133.
III.1 Begegnungsorte
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chen Fällen fuhren dem Gesandten auch Männer entgegen, die dazu direkt vom Kaiser betraut worden waren. Den päpstlichen Legaten Kardinal Millini sollen im Juli 1608 im Namen von Rudolf II. zunächst Kardinal und Präsident des Geheimrats Franz von Dietrichstein, der Prager Erzbischof Karl von Lamberg und der Oberstkanzler des Königreichs Böhmen, Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz, vor den Stadttoren begrüßt haben. Millini wurde von ihnen sowie von weiteren Adeligen und Diplomaten, die in dreißig Kutschen fuhren, und von hundertfünfzig Soldaten hoch zu Ross begleitet. Im Unterschied zu weltlichen Diplomaten, die sich vor ihrer Residenz vom Gefolge verabschiedeten, führten Millinis Schritte erst in den Veitsdom und danach in die Residenz des Prager Erzbischofs, wo der päpstliche Legat auf Anweisung Rudolfs II. während seiner ganzen Mission untergebracht und auf kaiserliche Kosten bewirtet werden sollte.⁶⁹⁵ Obwohl wahrscheinlich bereits während dieser einfachen Begrüßungszeremonien erste persönliche Kontakte geknüpft wurden, waren sie für den Diplomaten selbst vor allem eine willkommene Gelegenheit, seinen hohen gesellschaftlichen Status und seinen Reichtum zu präsentieren. Der Sekretär der florentinischen Botschaft Francesco Guidi hob 1608 nicht nur die Fähigkeiten und die Weisheit des neu angekommenen Gesandten Giuliano dei Medici hervor, sondern auch die Tatsache, dass er „sehr gut und reichlich mit Möbeln, Silbergeschirr und weiteren Gegenständen ausgestattet angereist war“.⁶⁹⁶ Wenngleich erst die Antrittsaudienz beim Kaiser bestätigte, dass der Diplomat öffentlich seine Mission ausüben und die Interessen seines Herrschers vertreten kann, nutzten die Gesandten schon die ersten Tage ihres Aufenthalts in Prag dazu, ihre diplomatischen Gegenüber und kaiserliche Hofleute kennenzulernen. Diese Begegnungen fanden jedoch ausschließlich in der Residenz des neu angekommenen Diplomaten bzw. in Prager Kirchen statt.⁶⁹⁷ Den Informationen des Nuntiaturauditors Sebastiano Lambert dei Fornari vom 3. Mai 1604 zufolge hat der neue Nuntius Ferreri auf diese Art und Weise bereits die erste Woche seines Pragaufenthalts lebhaft genutzt. Obwohl er vorerst nicht vom Kaiser zur ersten
ASFi, Mediceo del Principato, 4363, fol. 461– 466, Giovanni Francesco Guidi an Sekretär Vinta (Prag, Juli 1608). „[…] si può dire entrata honorevolissima et Sua Signoria illustrissima è così savia et prudente et è comparsa così bene e ricamente fornita d’addobbamenti, argenterie et altri mobili che non si ha da dubitare che non faccia honore a se con reputatione della carica ne con vantaggio del servizio del Padrone serenissimo.“ – ASFi, Mediceo del Principato, 4364, fol. 6, Giovanni Francesco Guidi an den Großherzog von Toskana (Prag, 1. 10. 1608). Vgl. z. B. die Angaben über die ersten Tage des Aufenthalts der französischen Gesandtschaft von Marschall Urbain de Laval de Boisdauphin – Fučíková, Tři francouzští kavalíři (wie Anm. 628), S. 43 – 48.
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III Klientenstrategien der päpstlichen und spanischen Diplomaten
Audienz eingeladen war, wurde er in seiner Residenz „durch den Besuch von Gesandten und führenden Hofleuten geehrt“.⁶⁹⁸ Eine vergleichbare Vorgehensweise belegt auch der Bericht von Nuntius Antonio Caetani vom 18. Juni 1607, ebenso wie zahlreiche Berichte weiterer Diplomaten.⁶⁹⁹ Eine weitere Gelegenheit, persönliche Kontakte zu knüpfen, bot die Antrittsaudienz im kaiserlichen Palast. Obwohl es sich um einen zentralen Meilenstein jeder diplomatischen Mission handelte, sind die Zeugnisse von ihrem Verlauf in der Regel viel knapper, als es sich die Historiker wünschen würden. Die meisten Berichte päpstlicher Nuntien aus der Herrschaftszeit Rudolfs II. informieren lediglich über den Inhalt des ersten Gesprächs mit dem Herrscher, während eine Beschreibung des begleitenden Zeremoniells oder eine Aufzählung der anwesenden Personen in den Quellen fehlen.⁷⁰⁰ Dies war unter anderem der Tatsache geschuldet, dass die Hauptzeremonien, die mit dem Antritt neuer Nuntien am Kaiserhof in späteren Zeiten verbunden waren, also der feierliche Einzug (ingresso) und die feierliche Einholung (incontro), sich in jener Zeit noch nicht so herausgebildet hatten, wie wir sie insbesondere aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts kennen.⁷⁰¹ An der Wende des 16. zum 17. Jahrhundert handelte es sich hierbei offenbar bloß um einen einfachen Akt, wobei von den beiden erwähnten Elementen in der Regel nur incontro stattfand. Diese zeremonielle Ehrung erfuhr beispielsweise Nuntius Ferreri, zu dem der Kaiser im Mai 1604 seine Kutsche sandte. Zugleich betraute er Adam den Jüngeren von Waldstein damit, den päpstlichen Diplomaten in den Palast zu begleiten, und gleich danach wurde Ferreri vom Herrscher empfangen.⁷⁰² Dass der Diplomat in seiner Residenz mit der Kutsche des Kaisers und von einer betrauten Person abgeholt wurde, ist auch im Falle von Nuntius Antonio Caetani am 2. Juli 1607 belegt.⁷⁰³ Nur vereinzelt spielte
„Ancora non è stato ascoltato da Sua Maestà, ma si ben visitato et honorato dalli ambasciatori et signori principali di corte.“ – Kristen, EAJSF I (wie Anm. 62), Nr. 33, S. 77, Anm. 6. Linhartová, EAAC I (wie Anm. 62), Nr. 9, S. 28.Vgl. z. B. ASTo, Lettere ministri, Austria, mazzo 7, Carlo Francesco Manfredi di Luserna an den Herzog von Savoyen (Prag, 17. 6. 1604). Vgl. z. B. Koller, NBD III/10 (wie Anm. 234), Nr. 5,4, S. 19; Reichenberger, Die Nuntiaturberichte (wie Anm. 530), Nr. 9, S. 9; Nr. 110, S. 224– 225; Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), Nr. 25, S. 67. Garms-Cornides, Per sostenere il decoro (wie Anm. 23), S. 118 – 129. Zur Stellung der Nuntien am Kaiserhof vgl. ebenfalls dies.: Liturgie und Diplomatie. Zum Zeremoniell des Nuntius am Wiener Kaiserhof im 17. und 18. Jahrhundert. In: Kaiserhof – Papsthof (16.–18. Jahrhundert). Hrsg. von Richard Bösel [u. a.].Wien 2006. S. 125 – 146. Zu den Hauptzeremonien anlässlich des Beginns diplomatischer Missionen von Gesandten aus dem Hause Habsburg in der Frühen Neuzeit vgl. Kubeš, V zastoupení (wie Anm. 8), S. 42– 70. Kristen, EAJSF I (wie Anm. 62), Nr. 35, S. 81. Dies erwähnte auch Adam der Jüngere von Waldstein in seinem Tagebuch. – Koldinská u. Maťa, Deník (wie Anm. 647), S. 84. Linhartová, EAAC I (wie Anm. 62), Nr. 23, S. 39.
III.1 Begegnungsorte
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sich die erste Audienz etwas festlicher ab. Dies war beispielsweise bei Ferreri der Fall. Auditor Fornari, der beim ganzen Akt anwesend war, notierte hierzu, dass der Kaiser die Mitglieder des Geheimrats und des Hofrats sowie zahlreiche „edle Personen vom Hof mit einem Großteil seiner Garde“ zur Zeremonie rufen ließ.⁷⁰⁴ Aus Ferreris Mitteilung geht hervor, dass dies ansonsten nicht üblich war. Zuletzt wurde ein Nuntius auf vergleichbare Weise begrüßt als Lotario (1594) und Carlo Conti (1597) an der Spitze außerordentlicher vom Papst Clemens VIII. gesandter Missionen in Prag ankamen.⁷⁰⁵ Dass die erste Audienz von Ferreri sehr feierlich verlief, hatte wahrscheinlich einen politischen Hintergrund. Der Kaiser versuchte auf diese Weise die Gunst des Papstes zu gewinnen, von dem er im Gegenzug die positive Behandlung seines Antrags auf finanzielle Unterstützung im Kampf gegen die Türken erwartete.⁷⁰⁶ Die Gesandten sollten aber auch während des Alltags den Kaiserpalast besuchen. Gerade hier konnten sie – Zeugnissen aus jener Zeit zufolge – am häufigsten ihren Klienten sowie weiteren Personen begegnen.⁷⁰⁷ Verhandlungen und Gespräche, bei denen Informationen eingeholt wurden, fanden in der Regel entweder in den Speisesälen während der vom Kaiser veranstalteten Feste oder noch häufiger in den Vorzimmern des Herrschers statt, die in den Quellen als anticamera bezeichnet werden.⁷⁰⁸ Im Palast Rudolfs II. existierten zwei solche Vorzimmer und sie standen jenen Personen zur Verfügung, die auf ihre Audienz warteten.⁷⁰⁹ Von der Nutzung dieses Raumes durch päpstliche Nuntien zeugt beispielsweise eine Begebenheit vom Juli 1593. Cesare Speciano überzeugte
„[…] fece venir a corte per questo effetto li suoi conseglii secreto et aolico et molti gentilhuomini principali di corte con la maggior parte della sua guardia.“ – Kristen, EAJSF I (wie Anm. 62), Nr. 35, S. 81, Anm. 3. Kristen, EAJSF I (wie Anm. 62), Nr. 33, S. 77. Zur Mission beider Diplomaten vgl. Jaitner, Die Hauptinstruktionen Clemens VIII. Bd. I (wie Anm. 67), S. CLXXXVII–CXC. Kristen, EAJSF I (wie Anm. 62), Nr. 30, S. 60; Nr. 34, S. 79. Vgl. z. B. für Nuntius Speciano vom Ende des 16. Jahrhunderts Pazderová, EACS II (wie Anm. 63), Nr. 440,9, S. 956; EACS III (wie Anm. 63), Nr. 619,7, S. 1388; Nr. 690,2, S. 1549; Nr. 832,1, S. 1860. Von den zahlreichen Beispielen vgl. dies., EACS II (wie Anm. 63), Nr. 226,5, S. 521; Nr. 250,12, S. 576. Zur Struktur der Räumlichkeiten und zu ihrer Funktion während der Herrschaftszeit Rudolfs II. vgl. Muchka, Ivan: Die Prager Burg zur Zeit Rudolfs II. Neue Forschungsergebnisse. In: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen in Wien 85/86 (1989 – 1990). S. 95 – 98. Für spätere Zeiten Hengerer, Kaiserhof (wie Anm. 5), S. 215 – 225; Karner, Herbert: Raum und Zeremoniell in der Wiener Hofburg des 17. Jahrhunderts. In: Diplomatisches Zeremoniell in Europa und im mittleren Osten in der frühen Neuzeit. Hrsg. von Ralph Kauz [u. a.]. Wien 2009. S. 55 – 78. Die Existenz von zwei Vorzimmern wird auch im bereits zitierten Bericht von Pierre Bergeron aus dem Jahr 1600 belegt. – Fučíková, Tři francouzští kavalíři (wie Anm. 628), S. 51.
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III Klientenstrategien der päpstlichen und spanischen Diplomaten
während seiner Audienz den Herrscher, dass er versuchen solle, den Streit zwischen dem bayerischen Herzog und dem Salzburger Erzbischof wegen der Propstei in Berchtesgaden durch persönliche Briefe an beide Reichsfürsten zu schlichten. Unmittelbar nach dem Verlassen des Kaisergemachs traf Speciano gerade im Vorzimmer Wolf Rumpf an, mit dem er den Inhalt der Audienz besprach, und der ihm danach zusagte, die Vorbereitung der Briefe voranzutreiben.⁷¹⁰ Erst nach seiner Antrittsaudienz durfte der neue Gesandte Residenzen bedeutender Hofleute und ausländischer Diplomaten besuchen, wobei sich auch in solchen Fällen die Besuche in der Regel nach vorab genau festgelegten hierarchischen Kriterien richteten. Der toskanische Gesandte Giuliano dei Medici machte sich nach seiner ersten Audienz beim Kaiser noch am selben Tag in das Haus des Sekretärs Barvitius auf, dem er ein Empfehlungsschreiben von Großherzog Ferdinand I. de’ Medici überreichte. Danach führten seine Schritte in den Palast des apostolischen Nuntius, des spanischen Gesandten, des venezianischen Gesandten, des Vizekanzlers Stralendorf und weiterer Persönlichkeiten des Kaiserhofs.⁷¹¹ Neben der höfischen Hierarchie konnten auch weitere Tatsachen die Abfolge der Besuche beeinflussen. Der französische Gesandte Marschall Laval de Boisdauphin besuchte im Jahr 1600 zunächst die Residenzen des Nuntius sowie des venezianischen und des toskanischen Gesandten, und erst ganz am Schluss auch den spanischen Gesandten Guillén de San Clemente. Grund dafür waren zweifellos die angespannten Beziehungen zwischen Frankreich und Spanien sowie die jahrelangen Präzedenzkonflikte zwischen den Diplomaten beider Länder.⁷¹² Raum für Verhandlungen boten aber auch die Residenzen von Diplomaten. Wo genau die Nuntiatur während der Herrschaftszeit Rudolfs II. lag, wurde von der Forschung bislang nicht eindeutig bestimmt. Aus den Nuntiaturberichten geht zudem hervor, dass sich der Sitz im Laufe der Zeit mehrmals veränderte. Ottavio Santacroce wohnte 1581 in einem Haus in der Pfarrei St. Thomas auf der Kleinseite, also im selben Stadtteil, in dem sich zu jener Zeit ebenfalls das Gebäude der spanischen Botschaft befand. Nuntius Spinelli wohnte offenbar eine gewisse Zeit lang in der Altstadt (Staré město), von wo er im Jahre 1600 aus Angst vor Über-
Pazderová, EACS II (wie Anm. 63), Nr. 371, S. 793 – 794. Zum erwähnten Streit vgl. dies., EACS I (wie Anm. 63), S. CXL–CXLII. ASFi, Mediceo del Principato, 4364, fol. 64– 69, Giuliano dei Medici an den Großherzog von Toskana (Prag, 12. 11. 1608). Fučíková, Tři francouzští kavalíři (wie Anm. 628), S. 51.
III.1 Begegnungsorte
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fällen durch Nichtkatholiken wieder auf die Kleinseite umzog.⁷¹³ Im selben Stadtviertel, also in einem Raum, der von vielen Italienern bewohnt war,⁷¹⁴ befand sich auch die Residenz von Antonio Caetani, und zwar in einem nicht näher bekannten Haus in der Nähe des sogenannten Wälschen Spitals (Vlašský špitál) auf der Kleinseite.⁷¹⁵ Im Herbst 1608 verhandelte er hier mit Otto Forstenheuser, dem Agenten des bayerischen Herzogs, über das Vorhaben, die Katholische Liga zu gründen,⁷¹⁶ zwei Jahre später führte er am selben Ort direkt mit dem herzoglichen Großkanzler Joachim von Donnersberg Gespräche über einen anderen bayerischen Vorschlag.⁷¹⁷ Auch Caetanis Nachfolger Salvago lebte offenbar im selben Gebäude.⁷¹⁸ Gesandte des katholischen Königs nutzten zum Anknüpfen von Kontakten mit den kaiserlichen Hofleuten vor allem opulente Festmahle, die im Gebäude der spanischen Botschaft veranstaltet wurden. Schon die Lage der Botschaft an sich musste der gesellschaftlichen Stellung des Gesandten und seiner politischen Mission entsprechen. Nachdem der Kaiserhof nach Prag umgezogen war, residierte die spanische Botschaft zunächst auf der Kleinseite, in einem Palast unweit der Augustinerkirche zu St. Thomas.⁷¹⁹ Für dieses Viertel sprach nicht nur seine Nähe zur Prager Burg, sondern und vor allem die Tatsache, dass sich hier ebenfalls Residenzen einiger Klienten des katholischen Königs sowie Häuser zahlreicher italienischer Künstler, Kaufleute und Handwerker befanden. Ihre Gegenwart konnte den spanischen Diplomaten in gewissem Maße dabei behilflich sein, sich besser in der ansonsten unbekannten und etwas unwirtlichen Hauptstadt des Königreichs Böhmen einzuleben. ⁷²⁰ Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), S. XLVIII–XLIX; Stloukal, Papežská politika (wie Anm. 39), S. 90. Janáček, Josef: Italové v předbělohorské Praze (1526 – 1620). In: Pražský sborník historický 16 (1983). S. 102– 104; Buňatová, Marie: Hedvábí, sklo a koření. Obchod mezi Prahou a Itálií (1500 – 1620). Praha 2019. S. 103 – 142. Černušák, EAAC V (wie Anm. 63), Nr. 668, S. 574. Zum Wälschen Spital Buňatová, Hedvábí (wie Anm. 714), S. 133 – 136. Černušák, EAAC IV (wie Anm. 63), Nr. 51, S. 49 – 40; Nr. 59, S. 57; Nr. 122,1, S. 106. Černušák, EAAC V (wie Anm. 63), Nr. 491,1, S. 397– 398. Janáček, Italové (wie Anm. 714), S. 104, Anm. 105. Chudoba, Španělé (wie Anm. 43), S. 155. Sehr kritisch über Prag äußerte sich 1567 der Gesandte Tomás Perrenot de Granvelle, Herr de Chantonnay: „Todavía creo que holgará más de estar en Viena, y asimismo toda la Corte, por ser esta tierra carísima y muy falta de bastimentos y regalos en comparación de la de Austria, y es trabajoso para todos los cortesanos subir á cada paso esta cuesta del castillo, que es harto desabrida, y las salidas desiguales y montuosas, de suerte que no hay ningún placer, sólo hay la vista del castillo, que por ser en alto descubre toda la ciudad y el río; pero el mal es que aunque sea ancho no es navegable ni trae consigo otra comodidad que de algunas maderas que vienen
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III Klientenstrategien der päpstlichen und spanischen Diplomaten
Schon allein die Tatsache, dass sie durch ihre Mission mitten ins ketzerische Mitteleuropa gerieten, erfüllte die Gesandten des katholischen Königs mit unangenehmen Gefühlen. „Ich würde mir wünschen, dass mir Eure Majestät ermöglicht, außerhalb Deutschlands zu sterben. Wenngleich ich den Großteil meines Lebens unter Ketzern verbracht habe, würde ich nur bei dem Gedanken, dass meine Gebeine mit den ihren vermischt sein werden, sehr trübselig sterben“, schrieb kurz vor seinem Tod Guillén de San Clemente.⁷²¹ Der Kontakt mit Angehörigen nichtkatholischer Religionen belastete das Gewissen der spanischen Diplomaten deutlich. Der Aufenthalt im mehrheitlich nichtkatholischen Prag konnte sie im Extremfall auch mit Angst ums eigene Leben erfüllen.⁷²² In der Zeit der Radikalisierung der böhmischen ständischen Opposition, wie zum Beispiel während des Einfalls der Passauer Truppen 1611, mochten solche Befürchtungen mehr als berechtigt erscheinen.⁷²³ Im Jahre 1590 verlegte Guillén de San Clemente den Sitz der Botschaft in das sogenannte Tuchar-Haus (Tucharovský dům) in der Kanonikergasse (Kanovnická ulice) auf dem Hradschin.⁷²⁴ Es war ein sehr geräumiges Gebäude mit zwei Türmen und zwei dahinter gelegenen Gärten. Wenngleich wir das Aussehen des ursprünglichen Sitzes der spanischen Botschaft auf der Kleinseite nicht näher kennen, kann angenommen werden, dass dieses Haus von seiner Pracht und Lage in unmittelbarer Nähe der Prager Burg her die außerordentliche Stellung der Gesandten des katholischen Königs am Kaiserhof viel besser widerspiegelte, als dies das frühere Gebäude tat.⁷²⁵ Das Botschaftsgebäude beherbergte nicht nur den spanischen Botschafter, sondern auch seinen Hofstaat. Auch diese Institution musste bis ins letzte Detail der prestigeträchtigen Stellung des Diplomaten in der Hierarchie der edlen Prager
por él con leña cuando está crecido.“ Vgl. seinen Brief an König Philipp II. vom 9. April 1567. – CODOIN Bd. CI (wie Anm. 77), S. 194. „Deseo que Vuestra Majestad me haga merced de que pueda yr a morir fuera de Alemaña que aunque la mayor parte de mi vida he estado entre herejes moriría muy desconsolado si pensaré dejar mis huesos mezclados con los suyos.“ – NAP, SP-S, Kart. 1, Guillén de San Clemente an König Philipp III. (Prag, 26. 1. 1608). Während der nichtkatholischen Unruhen 1605 wurde beispielsweise ein Page des Gesandten Guillén de San Clemente ermordet. – NAP, SP-S, Kart. 1, Guillén de San Clemente an den Staatssekretär Andrés de Prada (Prag, 17. 6. 1605). Davon zeugt auch das Massaker von vierzehn Franziskanermönchen in der Prager Kirche Maria Schnee. Vgl. dazu Minařík, František Klement u. Beneš, Petr Regalát: Pražští mučedníci. Čtrnáct pražských mučedníků v malé antologii nejen z pramenů. Praha 2012. Kroužil, Juan de Borja (wie Anm. 178), S. 22. Damals hieß jedoch diese Gasse Neuweltgasse (Novosvětská). Jiménez Díaz, El coleccionismo (wie Anm. 173), S. 126.
III.1 Begegnungsorte
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Gesellschaft entsprechen.⁷²⁶ Der Junggeselle Guillén de San Clemente unterhielt in Prag eine achtzig Personen zählende familia, und in den Stallungen standen stets um die zwanzig Pferde bereit.⁷²⁷ Die Residenzen seines Amtsvorgängers Juan de Borja und auch seines Amtsnachfolgers Baltasar de Zúñiga waren jedoch viel pompöser und standen von ihrer Größe her den Höfen der wohlhabendsten böhmischen und mährischen Adeligen nicht nach. Am Hof von Baltasar de Zúñiga waren in den Jahren 1608 – 1617 an die 100 Personen tätig, was z. B. dem Hof von Kardinal Franz von Dietrichstein in Nikolsburg (Mikulov) entsprach. Verglichen mit Guillén de San Clemente hatte Zúñiga auch viel mehr Pferde zur Verfügung. In seinen Stallungen waren in der Regel um die fünfzig untergebracht.⁷²⁸ Zum Schutz der Botschaft diente eine kleine Soldatentruppe, deren Befehlshaber zu Beginn des 17. Jahrhunderts der valencianische Adlige und später berühmte Krieger Baltasar de Marradas y Vique war.⁷²⁹ Das Gefühl der relativen Sicherheit entstand bei den spanischen Diplomaten aber wohl vor allem durch die Tatsache, dass sie auch auf dem Hradschin von ihren Klienten umgeben lebten. Denn in der nahen Umgebung der Prager Burg besaßen vor allem Vertreter der bedeutendsten böhmischen katholischen Adelsfamilien – z. B. der Geschlechter Rosenberg,⁷³⁰ Pernstein⁷³¹ und Lobkowitz⁷³² – Paläste. Unweit von hier, an der Ochoa Brun, Historia Bd. IV (wie Anm. 30), S. 497; de Ayerbe, Correspondencia (wie Anm. 77), S. 293; Borovička, Josef: Archiv v Simancasu – příspěvek ke kritice zpráv španělských vyslanců. In: Zprávy zemského archivu Království českého 3 (1910). S. 149 – 150. Borovička, Archiv (wie Anm. 726), S. 149 – 150. NAP, SP-S, Kart. 2, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Regensburg, 2. 9. 1613); Borovička, Archiv (wie Anm. 726), S. 149 – 150. Die Angabe über die Größe des Hofes von Kardinal Franz von Dietrichstein stammt aus der Arbeit Bůžek, Václav u. Hrdlička, Josef [u. a.]: Dvory velmožů s erbem růže.Všední a sváteční dny posledních Rožmberků a pánů z Hradce. Praha 1997. S. 61. Eine partielle Vorstellung von der Zusammensetzung des Hofes von Zúñigas Nachfolger Oñate präsentiert Nagel, Zwischen Dynastie (wie Anm. 43), S. 136 – 144. Es ist darauf hinzuweisen, dass sich nicht einmal die sog. Familia, die der spanischen Gesandtschaft in Prag Glanz verlieh, bezüglich der Anzahl der Personen mit dem Hofstaat der spanischen Ambassadeure in Rom messen konnte. Den Feststellungen von M. A.Visceglia zufolge hatten die spanischen Diplomaten in Rom im 17. Jahrhundert einen Hofstaat von 150 – 200 Personen. – Visceglia, Maria Antonietta: L’ambasciatore spagnolo alla corte di Roma: linee di lettura di una figura politica. In: Roma moderna e contemporanea 15 (2007). S. 10. Forbelský, Španělé (wie Anm. 683), S. 60. Das Palais Rosenberg behandelt beispielsweise Bůžek u. Hrdlička, Dvory (wie Anm. 728), S. 43 – 51. Zum Palais Lobkowitz (früher Pernstein) vgl. z. B. Poche, Emanuel u. Preiss, Pavel: Pražské paláce. Praha 1977. S. 24; Vilímková, Milada: Dějiny Lobkovického paláce na Pražském hradě. In: Umění 43 (1995). S. 395 – 410. Vgl. z. B. Vlček, Pavel u. Havlová, Ester: Praha 1610 – 1700. Kapitoly o architektuře raného baroka. Praha 1998. S. 274.
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Neuen Schlossstiege (Novozámecké schody), stand das Haus der Herren von Neuhaus, das 1602 Wilhelm Slawata von Chlum und Koschumberg, ein weiterer prohabsburgisch orientierter Magnat, kaufte.⁷³³ Der Palast des Geschlechts Borzita von Martinitz befand sich direkt in der Kanonikergasse.⁷³⁴ Die spanischen Gesandten konnten somit bei Bedarf sehr schnell Kontakt zu Personen aufnehmen, die dem Dienst für den katholischen König wohlgesonnen waren. Diese Personen waren auch regelmäßig zu Gast bei Banketten und Empfängen, die vom spanischen Ambassadeur veranstaltet wurden. Gerade das gemeinsame Tafeln wurde als Mittel zum Kontakteknüpfen zwischen den Vertretern des katholischen Königs und seinen potenziellen Klienten aus den Reihen des mitteleuropäischen Adels gesehen.Wollte der Diplomat am Prager Hof erfolgreich sein, musste er sich den örtlichen Sitten anpassen. Autorität in der Adelsgesellschaft am Kaiserhof erlangte er erst durch Freigebigkeit und regelmäßige Teilnahme an ausgelassenen Gelagen. Davon spricht nachweislich folgendes Zeugnis von Guillén de San Clemente: Es ist undenkbar, dass ich alleine speisen würde. Das ist ausgeschlossen. Wenn ich guten Ruf, Autorität sowie Mittel zum Verhandeln und zur Freundschaft haben will, muss dies genutzt werden. Es gibt keinen anderen Weg. Sparsamkeit oder Ähnliches ist hier nämlich keine Tugend. Alles muss von Fülle an Speis und Trank begleitet sein.⁷³⁵
Obwohl diese Schilderung der Verhältnisse am Prager Hof aus einem Brief stammt, in dem Guillén de San Clemente beim neapolitanischen Vizekönig Juan de Zúñiga seine hohen Ausgaben rechtfertigte, besteht kein Grund dazu, an deren Wahrheitsgehalt zu zweifeln. Im gleichen Sinne sprechen nämlich auch weitere Quellen aus jener Zeit.⁷³⁶
Vgl. z. B. Bůžek u. Hrdlička, Dvory (wie Anm. 728), S. 43 – 51, hier S. 48. Vgl. z. B. Vlček, Pavel [u. a.]: Umělecké památky Prahy. Pražský hrad a Hradčany. Praha 2000. S. 273 – 275. „Pensar que he de poder comer solo, es escusado; y es de manera que si quiero tener crédito y autoridad para los negocios, medios y amistades, que todo esto es necesario, ha de ser por este camino, que no hay ningún otro; que aquí no es uirtud la parsimonia ni ninguna otra cosa que lo sea, si no es acompañada con ueuer y comer espléndidamente.“ – de Ayerbe, Correspondencia (wie Anm. 77), S. 294. Die Beobachtungen des spanischen Gesandten werden ebenfalls durch die Aussagen der Tagebücher Adams des Jüngeren von Waldstein und Christoph Popels von Lobkowitz bestätigt, in denen Einträge über das Tafeln überwiegen. – Koldinská u. Maťa, Deník (wie Anm. 647); Tůmová, Svět (wie Anm. 286). Vgl. z. B. Zeugnisse weiterer spanischer Diplomaten. – NAP, SP-S, Kart. 2, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Regensburg, 2. 9. 1613); Edelmayer, Söldner (wie Anm. 33), S. 53.
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Zu den Besuchern von Empfängen in der spanischen Botschaft gehörte auch der Obersthofmeister des Königreichs Böhmen, Adam der Jüngere von Waldstein. Anhand seines überlieferten Tagebuchs kann man sich eine ungefähre Vorstellung darüber verschaffen, wie häufig diese gesellschaftlichen Veranstaltungen stattfanden. Zwischen 1602 und 1607 bewirtete Guillén de San Clemente diesen böhmischen Adeligen insgesamt sechzehnmal.⁷³⁷ Die tatsächliche Anzahl der in jener Zeit in der spanischen Botschaft stattfindenden Festmahle war jedoch zweifellos viel höher. Waldstein, der nicht gut in Fremdsprachen war, gehörte nie zum engen Mitarbeiterkreis des spanischen Botschafters. Sein Machteinfluss blieb zudem vor allem auf die Verwaltung des Königreichs Böhmen beschränkt, und somit war er für die Umsetzung der spanischen Imperialinteressen in Mitteleuropa eher zweitrangig. Wirkliche Vertraute und Freunde lud der spanische Gesandte San Clemente wahrscheinlich viel häufiger in seine Residenz ein.⁷³⁸ Bei den Banketten in der Residenz des spanischen Gesandten kam eine illustre internationale Gesellschaft zusammen. Neben den kaiserlichen Hofleuten und höchsten Landesbeamten nahmen daran auch regelmäßig der päpstliche Nuntius sowie weitere ausländische Gesandte und auch verschiedene Reisenden teil.⁷³⁹ Während seines Aufenthalts in Prag im Sommer 1600 besuchte auch der französische Adelige Pierre Bergeron einen Empfang im Tuchar-Haus und schilderte seine Erlebnisse plastisch in seinem Tagebuch: Am Mittwoch, dem 26. Juli, gingen wir zum spanischen Gesandten zu Mittag essen, der uns alle als Begleitung des Herrn Marschall eingeladen hatte. Es kamen ebenfalls der päpstliche, der venezianische und der florentinische Gesandte. Der Hausherr saß am unteren Ende der Tafel, neben ihm sein Neffe, der Gesandte von Malta [Baltasar de Marradas – Anm. d. Verf.], und einige weitere spanische Adelige. Er trank selbst aus verschiedenen Bechern all seinen Gästen zu; die Speisen ließ er sich jedoch auf einer Gabel reichen, da er nach einer schweren Lähmung seine Hände nicht gut beherrschen kann. […] Gemäß den Sitten dieses Landes stand hier eine große Kredenz mit vier Fächern, gänzlich mit Gefäßen aus vergoldetem Silber gefüllt, aus der man Getränke holte. Diese wurden dann auf einem großen Silbertablett zusammen mit einer kleinen Glasphiole mit äußerst kaltem Wasser gebracht. Es war mit sehr viel Eis gekühlt, das sich auf der Kredenz befand sowie auf allem gereichten Obst. Als wir uns
Koldinská u. Maťa, Deník (wie Anm. 647), S. 39 – 150. Zu dieser Annahme führen uns vor allem die Aussagen im Tagebuch von Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz. Da jedoch das Lobkowitz-Archiv und die Lobkowitz-Bibliothek für Forscher geschlossen wurden, konnte keine vergleichbar tiefgehende Analyse dieser Quelle vorgenommen werden, wie es bei Waldsteins Tagebuch der Fall gewesen war. – RLK, Tagebuch von Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz, Sign. VII. Ad. 118. Vgl. z. B. de Ayerbe, Correspondencia (wie Anm. 77), S. 292– 296.
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dann vom Tisch erhoben, gingen wir durch viele Vorzimmer ins Kabinett des Hausherren, wie es hier üblich ist.⁷⁴⁰
Auch Baltasar de Zúñiga folgte San Clementes Beispiel. Im Herbst 1608 veranstaltete er in der Botschaft ein pompöses Festmahl für die bedeutendsten Vertreter des Kaiserhofs und des böhmischen Adels, um ihre Unterstützung während der anstehenden Sitzungen des böhmischen Landtags zu gewinnen. Einem Zeugnis des toskanischen Gesandten Giuliano Medici zufolge nahmen an dem Festmahl 22 Personen teil, denen der Gesandte nach örtlicher Sitte zutrank.⁷⁴¹ Wenngleich die Quellen über den Inhalt solcher Zusammenkünfte zumeist schweigen, kann angenommen werden, dass hier regelmäßig aktuelle Probleme der katholischen Welt besprochen wurden.⁷⁴² Die spanischen Ambassadeure wurden zusammen mit den päpstlichen Nuntien am Kaiserhof als wichtigste Protektoren der römischen Kirche gesehen. Es wandten sich daher Katholiken aus ganz Mitteleuropa mit ihren Bitten und Beschwerden an sie.⁷⁴³ Festmahle und weitere Formen informeller Zusammenkünfte zu politischen Zwecken gehörten zu völlig geläufigen diplomatischen Methoden.⁷⁴⁴ Dennoch kann nicht angenommen werden, dass solche gesellschaftliche Veranstaltungen ausschließlich ernsten Themen und politischen Diskussionen vorbehalten waren. Eine besonders erhabene Atmosphäre hatten Bankette in der Botschaft, wenn an bedeutende Jubiläen erinnert werden sollte, die mit Übergangsriten der Angehörigen der spanischen Linie des Herrscherhauses zusammenhingen, oder aber bei den Festtagen spanischer Schutzheiliger. Conde de Monteagudo veranstaltete 1572 in seinem Palast in Wien ein pompöses Festmahl, um in erlesener Gesellschaft die Geburt des Prinzen und künftigen Königs Philipp III. zu feiern. Die Innen- und Außenräume der Botschaft ließ er mit hunderten
Fučíková, Tři francouzští kavalíři (wie Anm. 628), S. 57. „Il signor ambasciatore di Spagna seguitando l’orme di Don Guglielmo de San Clemente per guadagnare l’animo di questi Principali dette giovedì un suntuosissimo banchetto con solennissimo Brindis alla tedesca a tutti i primi della corte et a principali signori Bohemi che furono in tutto ventidua a tavola.“ – ASFi, Mediceo del Principato, 4364, fol. 59, Giuliano Medici an den Großherzog von Toskana (Prag, 27. 10. 1608). Dies bestätigt beispielsweise der Bericht des spanischen Staatsrats über ein Festmahl, das Baltasar de Zúñiga, der spanische Gesandte in Prag, für den Gesandten des Kurfürsten von Sachsen veranstaltete. – AGS, E 709, fol. 78 – 79, der spanische Staatsrat an König Philipp III. (Madrid, 23. 8. 1609). NAP, SP-S, Kart. 1, Lo que parece convendrá advertir al Conde de Oñate en su instrucción de Embajador ordinario en la corte del Rey de Ungría (Prag, 4. 10. 1610); Kart. 2, Instrucción secreta al conde de Oñate para la Embajada en Alemania (San Lorenzo del Escorial, 16. 7. 1616). Ochoa Brun, Historia Bd. IV (wie Anm. 30), S. 505 – 506.
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Kerzen beleuchten und engagierte unter anderem das kaiserliche Orchester zur Unterhaltung der edlen Gäste. Alles war so hergerichtet, dass sich nicht nur die edlen Gäste, sondern auch Massen an Zuschauern, die vor der Botschaft standen, daran ergötzten. Wenngleich der Gesandte seinen Gästen spannende akustische und optische Effekte bot, machte – zu Monteagudos Enttäuschung – das Festmahl an sich wohl den größeren Eindruck: „Die Menschen tranken, so gut sie nur konnten, denn gerade das Trinken ist hier die größte Vergnügung“, schrieb er damals recht abfällig an Staatssekretär Gabriel de Zayas.⁷⁴⁵ Informelle Gespräche führten nicht nur zur Stärkung gegenseitiger gesellschaftlicher Beziehungen, sondern konnten auch zur Beauftragung von Netzwerkmitgliedern und zum Einholen von Informationen dienen, an die man ansonsten kaum gekommen wäre. Auf die Wichtigkeit dieses Kommunikationsmittels machte Nuntius Camillo Caetani in seinem Abschlussbericht von 1592 seinen Nachfolger Cesare Speciano aufmerksam, wo er Folgendes schrieb: Nach dem Brauch dieses Landes gibt es keine bessere Art und Weise, geeignete Personen als Vertrauensleute zu gewinnen, als das Tafeln. Daher wird es gut sein, sie alle zu bewirten, zunächst die Gesandten, dann die Minister der Kammer und Seiner Majestät, und sie danach kontinuierlich zu gemeinsamen Essen einzuladen, denn Sie werden dann im Gegenzug leicht dorthin gehen können, wohin man Sie einlädt.⁷⁴⁶
Erwähnungen individueller Verhandlungen beim Essen erscheinen kontinuierlich in der Korrespondenz der Nuntiatur. Nuntius Caetani versuchte gleich am Anfang seiner Mission, nähere Kontakte zu Karl von Liechtenstein zu knüpfen und besprach mit ihm zahlreiche Angelegenheiten während des Mittagessens in der Nuntiatur.⁷⁴⁷ Vom gemeinsamen Tafeln mit dem Nuntius zeugen auch Tagebucheinträge Adams des Jüngeren von Waldstein. Am 30. März 1602 notierte er, dass er mit Nuntius Spinelli zu Mittag gegessen habe. Dies war auch am 24. November 1606 der Fall, als er mit Giovanni Stefano Ferreri in Altbunzlau (Stará
„[…] y la gente bevía lo mejor que podía, que es la mayor fiesta de esta tierra“ – zitiert nach Edelmayer, Friedrich: La Corte imperial: de Fernando I a Rodolfo II (1558 – 1583). In: Torre de los Lujanes 44 (2001). S. 56. „Secondo l’usanza di questo paese non ci é maniera piú commoda di cattivare et rendersi confidenti le persone, che la tavola. Et percio, cominciando prima dagli ambasciatori et poi dalla Camera et ministri di Sua Maestà, sarà bene banchettarli tutti et poi nel progresso del tempo invitarli spesso a mangar seco, sì come lei anchora si dovrà render facile di andar dove sarà invitata.“ – Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), Nr. 198.V.16, S. 451. Linhartová, EAAC I (wie Anm. 62), Nr. 8, S. 24– 28.
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Boleslav) speiste.⁷⁴⁸ Ein gemeinsames Mittagessen mit diesem Diplomaten sowie mit weiteren Personen in der Nuntiatur am 17. Dezember 1604 notierte auch Christoph Popel von Lobkowitz in seinem Tagebuch, dem dabei auch ein päpstliches Breve überreicht worden war.⁷⁴⁹ Es handelte sich aber nicht immer nur um individuelle Zusammenkünfte. Eine vergleichbare Gelegenheit boten auch gesellschaftliche Bankette, die zu verschiedenen Anlässen veranstaltet wurden. Nuntius Cesare Speciano nutzte im Herbst 1594 das vom Kölner Kurfürsten Ernst von Bayern veranstaltete Bankett, um über die Förderung des Prager Jesuitenkollegs zu diskutieren.⁷⁵⁰ Für denselben Kurfürsten und weitere Aristokraten veranstaltete wiederum Antonio Caetani im Dezember 1609 ein Bankett in der Nuntiatur, als Ernst den Kaiserhof erneut besuchte.⁷⁵¹ Zur Stärkung der Bande des Nuntius mit seinen Mitarbeitern aus den Reihen des mitteleuropäischen Adels diente auch die Teilnahme des Diplomaten an Festen, die anlässlich von Übergangsriten von Hofleuten oder von Angehörigen der Stände veranstaltet wurden. Die päpstlichen Diplomaten nahmen daran nicht nur als Gäste teil, sondern betätigten sich dort auch sehr oft als Geistliche und beim Spenden der Sakramente. Die Anwesenheit des Vertreters des Papstes war mit Sicherheit nicht üblich, sondern offensichtlich nur den bedeutendsten Mitgliedern des päpstlichen Netzwerks aus den Reihen des Hochadels und der Hofleute des Kaisers vorbehalten. Das Assistieren des Nuntius bei solchen Festen sollte als symbolische Wertschätzung und Ehrung der Adeligen für ihre bislang geleisteten Dienste für die Kirche gesehen werden. Es war aber auch von Bedeutung wegen der Stärkung der Selbstidentifikation und eigenen Repräsentation der „katholischen Partei“ als einflussreicher Gruppe, die eng mit dem Vertreter Christi auf Erden, den vor Ort sein Diplomat repräsentierte, verbunden war.⁷⁵² Die Nuntien nahmen somit an Verlobungen von Mitgliedern bedeutender Adelsfamilien teil, auf die sie sich oft bei ihrer Tätigkeit stützten. Im Jahre 1597 leitete Nuntius Spinelli die Trauzeremonie von Francesco Gonzaga di Castiglione und Bibiana von Pernstein.⁷⁵³ Sein Nachfolger Ferreri erteilte am Ende seiner Amtszeit in Prag, im Mai 1607, den Segen bei der Verlobung der unehelichen
Koldinská u. Maťa, Deník (wie Anm. 647), S. 41, 130. Tůmová, Svět (wie Anm. 286), S. 272. Pazderová, EACS III (wie Anm. 63), Nr. 828,3, S. 1852. Černušák, EAAC V (wie Anm. 63), Nr. 216,7, S. 188. Eine interessante Reflexion der eigenen Bedeutung und Stellung im Rahmen der höfischen Gesellschaft und gegenüber dem Herrscher ist das Zeugnis aus einer anderen, nämlich der spanischen, Nuntiatur, die im Jahre 1600 Nuntius Camillo Caetani schrieb. – Visceglia, Roma papale (wie Anm. 31), S. 52. Marek, Pernštejnské ženy (wie Anm. 192), S. 249.
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Tochter des Kaisers, Carolina d’Austria, mit Graf François Thomas Perrenot de Granvelle, die im Palast Adams des Jüngeren von Waldstein stattfand.⁷⁵⁴ Im Juli 1607 übernahm er diese Aufgabe bei der Verlobung von Andrea Matteo Acquaviva, Principe di Caserta, mit Franziska, einer weiteren Angehörigen des Geschlechts Pernstein, die im Pernstein-Palast auf der Hradschin stattfand.⁷⁵⁵ Neben Verlobungen waren die Gesandten des Papstes auch bei Taufen der Nachkommen bedeutender katholischer Aristokraten zugegen. Nuntius Ferreri folgte Ende des Jahres 1606 der Einladung des führenden Vertreters des böhmischen katholischen Adels Jaroslaw Borzita von Martinitz in sein Schloss Smetschno (Smečno), wo er Borzitas neugeborenen Sohn Johann Zdenko taufte. In seinem Bericht betonte er, dass er der Bitte des böhmischen Adeligen vor allem wegen dessen Verdienstes um die Verbreitung des katholischen Glaubens auf den Herrschaften des Adelsgeschlechts und wegen dessen persönlicher Frömmigkeit entgegengekommen war.⁷⁵⁶ Ferreris Nachfolger Caetani war wiederum Ende Januar, Anfang Februar 1609 der Taufe des erstgeborenen Sohns des böhmischen Kanzlers Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz und dem darauffolgenden nobilissimo banchetto zugegen. Der spanische Gesandte Zúñiga war als einer der Paten des Neugeborenen dort.⁷⁵⁷ Die Teilnahme der Vertreter des spanischen Königs an vergleichbaren Veranstaltungen ist mehrmals belegt. Als Ende 1608 die Sekretäre der spanischen Botschaft Lope Díaz de Pangua und Pedro de Montañana den Wirtschaftsbericht der Botschaft für die letzten Missionsjahren von Guillén de San Clemente verfassten, gehörten zu den regelmäßig wiederkehrenden Rechnungsposten Ausgaben für Taufen und Hochzeiten der Diener des Kaisers: „de lo gastado en bauptismos y casamientos de algunos criados del Emperador“.⁷⁵⁸ Allein für das Jahr 1605 wurden darin 23 Teilnahmen des Gesandten an Zeremonien, die mit der Feier von Übergangsriten zusammenhingen, verzeichnet. Im erwähnten Dokument steht aber auch, dass der Diplomat anlässlich dieser Feiern Geschenke im Gesamtwert von 711 Gulden kaufte.⁷⁵⁹
Koldinská u. Maťa, Deník (wie Anm. 647), S. 140, 360. Marek, Pernštejnské ženy (wie Anm. 192), S. 277. AAV, FB II, 171, fol. 5r. Für die Identifizierung des Namens von Martinitz’ Sohn danken die Verfasser Dr. Petr Maťa. Černušák, EAAC IV (wie Anm. 63), Nr. 245,2, S. 203. de Ayerbe, Correspondencia (wie Anm. 77), S. 315 – 399. de Ayerbe, Correspondencia (wie Anm. 77), S. 353 – 360. Solche Ausgaben spielten ebenfalls im Budget von San Clementes Nachfolger Baltasar de Zúñiga eine wichtige Rolle, vgl. Bardoňová, Španělská ambasáda (wie Anm. 82).
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Die oben erwähnten Berichte sind eine wertvolle, jedoch bislang von der Wissenschaft nur sehr wenig ausgeschöpfte Quelle. Auf ihrer Grundlage kann genau bestimmt werden, wie weit die Fäden des Beziehungsnetzwerks der spanischen Herrscher reichten. Der jeweils unterschiedliche Wert der überreichten Geschenke zeugt deutlich von der Bedeutung der jeweiligen Person für die spanische Politik am Kaiserhof. Das Spektrum von Personen, die durch die Anwesenheit des Gesandten während der Taufen und Hochzeiten geehrt wurden, war sehr breit. In den erwähnten Verzeichnissen erscheinen neben den allerbedeutendsten Hofleuten und Geheimräten auch beispielsweise der Barbier des Kaisers Johann Althauz,⁷⁶⁰ der Leibarzt des Kaisers,⁷⁶¹ sein Garderobier Hans Jakob König,⁷⁶² der Bildhauer Adrian de Vries⁷⁶³ sowie der Organist Liberalis Zangius.⁷⁶⁴ Unter den Festen, an denen der spanische Gesandte teilnahm, überwiegen deutlich solche, die von Personen mit geringerem gesellschaftlichem Status veranstaltet wurden.⁷⁶⁵ Dies hatte mehrere Gründe. Erstens muss erwähnt werden, dass diese Personengruppe die größte am Kaiserhof war.⁷⁶⁶ Während Feste von hochadeligen Hofmitgliedern nur ein paar Mal im Jahr stattfanden, kamen Taufen, Hochzeiten und Begräbnisse von Hofdienern nahezu täglich vor. Dabei leisteten vor allem die Angehörigen der sogenannten Leibkammer des Kaisers und seine Künstler unschätzbare Dienste für die spanische Krone. Denn gerade diese Dienstleute blieben auch in Zeiten, in denen Rudolf II. an Anfällen seiner Krankheit litt und jedwede Begegnung mit den obersten Würdenträgern des Landes, Hofräten und ausländischen Diplomaten mied, als einzige in unmittel-
Davon, dass es sich offenbar gerade um Johann Althauz handelte, der diese Funktion bereits 1601 ausübte, zeugt Hausenblasová, Der Hof (wie Anm. 328), S. 406. Verzeichnisse der Leibärzte des Kaisers sind veröffentlicht in Hausenblasová, Der Hof (wie Anm. 328), S. 404– 405. Hausenblasová, Der Hof (wie Anm. 328), S. 403. Hausenblasová, Der Hof (wie Anm. 328), S. 417. Da Adrian de Vries zu den bedeutendsten Repräsentanten der manieristischen Kunst gehört, weckt er zu Recht das Interesse von Kunsthistorikern. Vgl. z. B. Fučíková, Eliška [u. a.]: Rudolf II. und Prag. Kaiserlicher Hof und Residenzstadt als kulturelles Zentrum Mitteleuropas. Prag – London – Milan 1997. S. 39 – 43. Liberalis Zangius war ab 1. 1. 1598 Hauptorganist des Kaisers. – Hausenblasová, Der Hof (wie Anm. 328), S. 391. Von den 23 Feiern, die Guillén de San Clemente 1605 besuchte, handelte es sich in 17 Fällen um Taufen bzw. Hochzeiten von Hellebardenträgern, Lakaien und weiteren Dienern am Kaiserhof. Eine ähnliche Bilanz ergibt sich auch für die übrigen Jahre, die San Clemente im Gesandtenamt verbrachte. – de Ayerbe, Correspondencia (wie Anm. 77), S. 315 – 399. Die Struktur des Kaiserhofs Rudolfs II. behandelt insbesondere Hausenblasová, Der Hof (wie Anm. 328), S. 63 – 126 (dort werden auch weitere Arbeiten der Verfasserin zitiert). Ferner Janáček, Rudolf II. (wie Anm. 35), S. 221– 231.
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barem Kontakt mit dem Kaiser.⁷⁶⁷ Vor allem ihnen war es zu verdanken, dass spanische Gesandte regelmäßig etwas über den Verlauf der Erkrankung des Kaisers erfuhren. Zugleich konnten sie versuchen, über sie Rudolfs Schwäche auszunutzen und einige seiner Entscheidungen zu beeinflussen.⁷⁶⁸ Es scheint sehr wahrscheinlich zu sein, dass diese Vorgehensweise nach dem Tod Rudolfs II. aufhörte. Während der Herrschaftszeit von Matthias und seinen Nachfolgern konnten die spanischen Diplomaten bereits auf die üblichen Formen des Zugangs zum Kaiser zurückgreifen, und die Pflege der Beziehungen zu niederen Hofbeamten war bei weitem nicht mehr so wünschenswert. Die Geschenke, die der spanische Gesandte den Jubilaren brachte, hatten eine fest vorgegebene Form.⁷⁶⁹ Sie hing von der gesellschaftlichen Stellung des Beschenkten und der Bedeutung der Dienste, die er der spanischen Krone erwies, ab.⁷⁷⁰ Während sich Personen auf den niederen Stufen der höfischen Hierarchie (z. B. Hellebardenträger) mit einem Geldbetrag von nicht mehr als 15 Rheinischen Gulden zufrieden geben mussten,⁷⁷¹ bekamen Personen, die in der unmittelbaren Nähe des Kaisers tätig waren, Silberkelche im Wert zwischen 20 und 80 Gulden.⁷⁷² Für die höchsten Landes- und Hofbeamten war eine silberne, mit Gold beschlagene Schüssel vorbehalten, deren Preis zwischen 150 und 500 Rheinischen Gulden lag.⁷⁷³ Noch wertvoller waren Geschenke, die besorgt wurden, wenn der spanische Gesandte im Namen des katholischen Königs auftreten sollte.⁷⁷⁴ In solchen Fällen sollte der Gesandte dem Klienten Schmuck überreichen. Das war z. B. im Jahre 1600 bei der Taufe der Tochter Sigmunds von Dietrichstein der Fall, für die ein
AGS, E 706, Guillén de San Clemente an König Philipp III. (Prag, 1. 4. 1600). NAP, SP-S, Kart. 1, Guillén de San Clemente an König Philipp III. (Prag, 19. 4. 1603). Ochoa Brun, Historia Bd. IV (wie Anm. 30), S. 469 – 478. Vgl. ähnlich variabler Wert der Geschenke der Kaiser Ferdinand II. und Ferdinand III. an ihre Hofleute – Hengerer, Kaiserhof (wie Anm. 5), S. 577– 581. de Ayerbe, Correspondencia (wie Anm. 77), S. 315 – 399. Einen Silberkelch im Wert von 28 Gulden bekam beispielsweise 1605 der kaiserliche Kellner Kaspar Zeller von Rosenthal. Der Wert des Kelches, den im selben Jahr ein nicht näher bestimmter Arzt erhielt, betrug sogar 40 Gulden. – de Ayerbe, Correspondencia (wie Anm. 77), S. 364. Zu Kaspar Zeller von Rosenthal vgl. Hausenblasová, Der Hof (wie Anm. 328), S. 336. Eine silberne, mit Gold beschlagene Schüssel mit Krug im Wert von 400 Gulden erhielt beispielsweise der Hofrat Ernst von Mollart. Der gleiche Gegenstand, der anlässlich der Hochzeit von Philipp Lang gekauft wurde, hatte einen Wert von 185 Gulden. – de Ayerbe, Correspondencia (wie Anm. 77), S. 362, 365. Vergleichbare Arten von Geschenken wurden ebenfalls während der Gesandtenmission Baltasars de Zúñiga verwendet. Vgl. Bardoňová, Španělská ambasáda (wie Anm. 82), S. 84– 96. NAP, SP-S, Kart. 1, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 20. 7. 1609).
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Schmuckstück im Wert von 1.000 Rheinischen Gulden gekauft wurde.⁷⁷⁵ Als Maßstab für das Bestimmen der anzuschaffenden Gegenstände diente der Wert der Geschenke, die bei vergleichbaren Gelegenheiten der Kaiser überreichte. Folgenden Ratschlag gaben Mitglieder des Staatsrats im Jahre 1607 an Philipp III.: Don Guillén de San Clemente schreibt in einem Brief vom 22. Mai, dass der Kämmerer und Staatsratsmitglied Baron Mollart Eure Majestät zur Hochzeit einlädt. Das ist in Deutschland üblich. Mollart ist eine Person, die dem Dienst für Eure Majestät sehr gewogen ist. Er und sein Vater haben zudem Kaiser Maximilian gedient. Don Guillén schreibt, dass man ihm ein Geschenk geben sollte, das ähnlich wie jenes sein wird, das er vom Kaiser bekommen wird. Das ist in solchen Fällen üblich.⁷⁷⁶
Wenngleich der Gesandte während der Feste nur seinen Herrscher vertrat und die Geschenke aus den Mitteln der königlichen Kasse gezahlt werden sollten, belasteten diese Posten de facto deutlich das Budget der Botschaft. Sie wurden nämlich in der Regel mit mehrmonatigem Verzug erstattet.⁷⁷⁷ Dabei handelte es sich durchaus nicht um geringfügige Beträge. So wurden beispielsweise 1610 für Geschenke, die anlässlich von Hochzeiten und Taufen gekauft wurden, 1.610 Gulden bezahlt.⁷⁷⁸ Für die Klienten selbst bedeutete die Anwesenheit des Gesandten beim Fest neben materiellem Nutzen auch erheblichen gesellschaftlichen Profit, denn sie zeugte von der Bedeutung der Dienste des Edelmanns für die habsburgische Dynastie und war auch ein untrüglicher Beweis dessen, dass sie vom Herrscherhaus dankbar angenommen wurden.⁷⁷⁹ Eine besonders wichtige Rolle bei de Ayerbe, Correspondencia (wie Anm. 77), S. 323. „Don Guillén de San Clemente en carta de 22 de mayo dice que el varon de Molart del consejo de estado y gentilhombre de la camara del Emperador escrive a Vuestra M[ajesta]d combidándole a sus bodas como es costumbre de Alemaña. Que es muy aficionado al servir de Vuestra Majestad y su padre y él sirvieron al Emperador Maximiliano que se acostumbra en semejantes casos darles un presente como le diere el Emperador.“ – AGS, E 709, fol. 25, Staatsrat an König Philipp III. (Madrid, 14. 7. 1607). AGS, E 709, fol. 42, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 27. 9. 1608); E 2328, fol. 251, Staatsrat an König Philipp IV. (Madrid, 17.10.1628). Bardoňová, Španělská ambasáda (wie Anm. 82), S. 86. „Aunque los muchos servicios que mis padres han hecho a Vuestra Majestad y a la serenísima casa de Austria y los pocos que yo asimismo he hecho en Flandes me pudieran dar animo para suplicar muy humildemente a Vuestra Majestad la merced que en esta diré me la da mucho mayor el imaginar la mucha grandeza y magnanimidad de animo de Vuestra Majestad […]. Suplico muy humildemente a entrambas Vuestras Majestades quieran ser servidos de onrarme con ser compadres de lo que pariere la dicha mi mujer que con el favor de Dios espero será dentro un mes y yo esta merced de Vuestras Majestades que sabiéndolo de la Reina Nuestra Señora cuanto se estima esto en Alemania espero me será buena intercesora para convencer Vuestra
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der Stärkung der klientelistischen Beziehungen zwischen katholischem König und mitteleuropäischem Adel spielten Taufen. Im Generalarchiv in Simancas befinden sich bis heute Dutzende von Briefen, in denen die Hofleute des Kaisers, Vertreter der Landesregierungen sowie Reichsfürsten den spanischen König darum baten, ihnen durch seine Gegenwart bei diesen Festen die Ehre zu erweisen.⁷⁸⁰ Wenngleich der katholische König nur in Vertretung an solchen Zeremonien teilnahm, hatte das Annehmen der Einladung große gesellschaftliche Folgen für die Familie des Getauften. Durch seine „Teilnahme“ übernahm er gewissermaßen Mitverantwortung für das Leben des Neugeborenen, verpflichtete sich, bei seiner Erziehung behilflich zu sein und es in seinem Bestreben, einen entsprechenden Status zu erreichen, zu unterstützen. Die Taufe war somit einer der wichtigsten Momente, in denen das Kind in das komplizierte Netzwerk der gesellschaftlichen Beziehungen eingebunden wurde, und sie stand oft am Anfang einer langfristigen Beziehung zwischen dem Patron und seinem Klienten.⁷⁸¹ Die Diplomaten beider katholischen Mächte besuchten aber auch während des Alltags Adelsresidenzen. Von außerordentlicher Bedeutung war für sie in dieser Hinsicht vor allem der Pernstein-Palast auf der Prager Burg, wo nach dem Tode ihres Mannes Wratislaw († 1582) Maria Manrique de Lara mit ihren Töchtern waltete.⁷⁸² Für Guillén de San Clemente war diese Adelsresidenz regelrecht ein zweites Zuhause, und die Gesellschaft der Pernsteinʼschen Damen tröstete ihn über die Abwesenheit seiner eigenen Familie hinweg. Während seiner Mission setzte er sich daher mit seiner ganzen Autorität für die Interessen des Adelsgeschlechts Pernstein ein, und die Witwe Wratislaws von Pernstein und ihre Nachkommen sahen somit den spanischen Diplomaten zu Recht als eine ihrer
Majestad quedando yo siempre fiel vasallo de Vuestra Majestad y prompto para emplearme en todas las cosas que fueran de su real servicio […].“– AGS, E 706, Sigismund von Dietrichstein an König Philipp III. (Prag, 19. 8. 1600); Guillén de San Clemente an König Philipp III. (Prag, 20. 8. 1600). Vgl. z. B. AGS, E 706, Sigismund von Dietrichstein an König Philipp III. (Prag, 19. 8. 1600); E 2502, fol. 126, Albrecht von Wittelsbach an König Philipp III. (München, 10. 5. 1616); E 2340, fol. 27, Staatsrat an König Philipp IV. (Madrid, 20. 12. 1639). Král, Pavel: Křtiny, svatby a pohřby. K vzájemné reflexi panovnických a šlechtických přechodových rituálů ve druhé polovině 16. a první polovině 17. století. In: Šlechta v habsburské monarchii a císařský dvůr (1526 – 1740). Hrsg. von Václav Bůžek u. Pavel Král. České Budějovice 2003 (Opera historica 10). S. 439 – 456. Hiervon spricht nachweislich das Zeugnis des florentinischen Gesandten Alidosi – ASFi, Mediceo del Principato, 4362, fol. 579 – 582, Roderico Alidosi an den Großherzog von Toskana (Prag, 7. 8. 1606).
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wichtigsten männlichen Stützen an.⁷⁸³ Aber auch Maria Manrique de Lara und ihre Familie hatten dem Gesandten etwas zu bieten. Guillén de San Clemente nutzte die Pernsteinʼschen Frauen gern als Vermittler bei Verhandlungen mit Maria von Spanien und weiteren Mitgliedern des Herrscherhauses sowie als wichtige Verbündete aus den Reihen des böhmischen Adels.⁷⁸⁴ Die vielen Affären von Anna Maria de Mendoza, der Witwe Johanns von Pernstein, belegen, dass schöne und intelligente Edelfrauen ihre Vorzüge ebenfalls geschickt dazu zu nutzen wussten, um mittels raffinierter Strategien Informationen aus den Hinterzimmern des Hofes zu erlangen. Für den spanischen Gesandten waren sie somit auch eine wichtige Auskunftsquelle.⁷⁸⁵ Noch im Jahre 1619 wurde darauf übrigens in der Instruktion für Nuntius Fabrizio Verospi hingewiesen: Auf dem Kaiserhof sind zwei einzigartige Damen: die Gräfin von Mansfeld [Anna Maria de Mendoza – Anm. d. Verf.] und die Oberstkanzlerin [Polyxena von Pernstein – Anm. d. Verf.]. Es ist notwendig, sie regelmäßig zur Konversation zu besuchen. Diese Damen kennen alle Neuheiten und Geheimnisse des Hofes. Bei Gesprächen mit ihnen müssen Sie vorsichtig sein. Passen Sie auf, was Sie vor ihnen sagen.⁷⁸⁶
Das Haus der Pernsteiner wurde neben dem Kaiserhof und der Botschaft ein Brennpunkt, von wo aus sich spanische und italienische kulturelle Einflüsse, die neueste Mode sowie Spezialitäten der mediterranen Gastronomie ins Umfeld des böhmischen Adels verbreiteten. Spanische Waren wurden im 16. Jahrhundert zum Synonym für Exklusivität, Luxus und Exotik. Maria Manrique de Lara und ihre Töchter versuchten hierdurch ihre außerordentliche Stellung in den Reihen des böhmischen Adels zu demonstrieren. Dieses Mittel diente ihnen jedoch auch zum Ausdruck ihrer eigenen politischen und religiösen Ansichten.⁷⁸⁷ Diese entsprachen völlig dem Konzept der einheitlichen habsburgischen Politik, das in der
Vgl. insbesondere den Brief, in dem Guillén de San Clemente den spanischen König Philipp III. über den Tod von Maria Manrique de Lara informierte. – NAP, SP-S, Kart. 1, Guillén de San Clemente an Philipp III. (Prag, 28. 2. 1608). Weitere Belege des engen Verhältnisses zwischen dem spanischen Gesandten und der Familie des böhmischen Oberstkanzlers Wratislaw von Pernstein bietet die Arbeit Marek, Pernštejnské ženy (wie Anm. 192). Darin befinden sich auch weitere Verweise auf deren gegenseitigen Briefwechsel. Marek, Pernštejnské ženy (wie Anm. 192). Janáček, Ženy (wie Anm. 272), S. 120 – 137. „Sono due dame singolari alla corte Cesarea, cioè la contessa di Mansfelt et Grancancelliera di [Regno] [di] Boemi[a], dove bisogna lasciarsi vedere anco spesso per conversatione. Queste signore sanno tutte le nuove et tutti li secreti, et però meglio è di pescare che di seminare.“ – Giordano, Le istruzioni (wie Anm. 67), S. 1146. Mit der Frage, wie spanische Ware am Kaiserhof gesehen wurde, befasste sich in seiner Arbeit Jiménez Díaz, El coleccionismo (wie Anm. 173), S. 83 – 117.
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zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts am Hof der Kaiserin Maria von Spanien forciert wurde, und das in großem Maße auch von den Gesandten Guillén de San Clemente und Baltasar de Zúñiga übernommen wurde.⁷⁸⁸ Nach dem Tod von Maria Manrique de Lara († 1608) übernahm das Zepter im Pernstein-Palast ihre Tochter Polyxena, die seit 1603 mit dem Oberstkanzler Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz verheiratet war. Gerade diese Familie übernahm das symbolische Erbe der Pernsteiner und nahm im klientelistischen Netzwerk der spanischen Könige eine ebenso bevorrechtigte Stellung wie die Pernsteiner ein.⁷⁸⁹ Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz und seine Frau Polyxena bewirteten nicht nur regelmäßig spanische Gesandte und päpstliche Nuntien in ihrer Prager Residenz, sondern luden sie auch auf ihren Landsitz nach Raudnitz an der Elbe (Roudnice nad Labem) ein.⁷⁹⁰ 1610 nahm dort Antonio Caetani, begleitet von Baltasar de Zúñiga und einer Gruppe von katholischen Adeligen, an einer Reh- und Hasenjagd teil. In dem Brief, den er aus Raudnitz an seinen Bruder, Duca Pietro Caetani, schickte, versäumte er nicht, seine Bewunderung für die außerordentlich starken böhmischen Jagdhunde zu äußern.⁷⁹¹ Obwohl Jagden und Ähnliches vor allem dem Zeitvertreib dienten, hatten auch sie einen Sozialisierungsaspekt. Gelegenheit zu Begegnungen mit Mitgliedern des päpstlichen bzw. des spanischen Netzwerks am Kaiserhof boten auch verschiedene Arten von Gottesdiensten, sowohl in sakralen als auch in öffentlichen Räumen. Die Teilnahme konnte zur Selbstrepräsentanz sowie zur Präsentierung in der Rolle der direkten Vertreter beider katholischen Großmächte dienen, was aber manchmal nicht ohne
Vgl. dazu González Cuerva u. Marek, The Dynastic Network (wie Anm. 224). Mehr dazu Marek, Úloha (wie Anm. 630). Während des Aufenthalts des Kaiserhofs in Leitmeritz (Litoměřice) 1606 quartierte sich der spanische Gesandte Guillén de San Clemente im Lobkowitz-Schloss im unweit gelegenen Raudnitz an der Elbe ein. – ASFi, Mediceo del Principato, 4362, fol. 706 – 710, Roderico Alidosi an den Großherzog von Toskana (Prag, 30. 10. 1606). Zu jener Zeit veranstaltete hier Lobkowitz auch ein Bankett, an dem der Prager Nuntius sowie weitere ausländische Diplomaten teilnahmen. – ebd., fol. 732, Roderico Alidosi an den Großherzog von Toskana (Prag, 20. 11. 1606). Archivio Fondazione Caetani Roma, Fondo Cronologico, Nr. 55133 (8. 11. 1610). Ein Zeugnis davon, dass die Hasenjagd in Raudnitz stattfand, bietet der Briefwechsel von Camillo Cattaneo, der es nicht versäumte, das Ereignis in seinem Brief an Francesco Gonzaga zu erwähnen: „Monsignor Nuntio, et il Signor Ambasciattore Cattolico andarono martedi passo a Ravonitz, alla caccia, ove sono statti molto regalati dal Signor Gran Cancelliere, che colà andò à posta, ove si sono trattenuti sino questa sera, che sono ritornati.“ ASMa, AGCS, busta 225, fol. 52– 58, Camillo Cattaneo an Francesco Gonzaga (Prag, 30. 10. 1610).
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zeremonielle Konflikte ablief.⁷⁹² Diese wirkten zum einen als desintegrierendes Element für die direkt betroffenen Personen, andererseits boten sie Gelegenheit, die hochrangige Stellung in der Hierarchie des Kaiserhofs bzw. im Corps diplomatique symbolisch zu stärken oder zu bestätigen. Im Falle der päpstlichen Nuntien, die in der Regel die Bischofsweihe hatten, stehen bezüglich ihrer Teilnahme an verschiedenen Gottesdiensten und der damit zusammenhängenden Konflikte mehr Belege zur Verfügung. Orazio Malaspina hinterließ eine interessante Beschreibung der Gottesdienste in der Karwoche 1579, die unter Anwesenheit des Kaisers, der Hofleute und der Gesandten stattfanden. Im Laufe der Feier vom Leiden und Sterben Christi kam es zwischen dem Nuntius, dem spanischen Gesandten Juan de Borja und dem ebenfalls anwesenden Herzog Ferdinand von Bayern zu einem Präzedenzkonflikt während der Kreuzverehrung.⁷⁹³ Nuntius Caetani nahm 1607 unter Anwesenheit vieler Hofleute an der Weihe des neuen Prager Erzbischofs Karl von Lamberg teil, wo ihm die zentrale Rolle, die Weihe zu erteilen, zukam. Am darauffolgenden Bankett nahm er jedoch – ebenso wie der spanische und der venezianische Gesandte – nicht mehr teil, da der abwesende Kaiser seinen Ehrenrang an alle Mitglieder des Geheimrats delegiert hatte, was diese Diplomaten kollektiv als Beeinträchtigung ihrer Präzedenzrechte betrachteten.⁷⁹⁴ Auch bei zeremoniellen Konflikten kam in der Regel das Bündnis der spanischen und päpstlichen Diplomaten zum Tragen. Im Sommer 1608 brach ein Präzedenzkonflikt zwischen Baltasar de Zúñiga und dem Gesandten der Republik Venedig ausbrach, da sich dieser hartnäckig weigerte, den Exzellenztitel des spanischen Gesandten anzuerkennen. Der Nuntius stellte sich auf die Seite des kastilischen Adeligen, und der venezianische Gesandte erhielt nicht nur keine Einladung zum Bankett, das in der Nuntiatur veranstaltet wurde, sondern wurde
Den Fragen der zeremoniellen Praxis in der frühneuzeitlichen Diplomatie und in der höfischen Gesellschaft allgemein sind zahlreiche Studien und Monografien gewidmet. Vgl. insbesondere Kauz, Ralph [u. a.] (Hrsg.): Diplomatisches Zeremoniell in Europa und im mittleren Osten in der Frühen Neuzeit. Wien 2009; Ragotsky, Hedda u. Horst, Wenzel (Hrsg.): Höfische Repräsentation. Das Zeremoniell und die Zeichen. Tübingen 1990; Vec, Miloš: Zeremonialwissenschaft im Fürstenstaat. Studien zur juristischen und politischen Theorie absolutistischer Herrschaftsrepräsentation. Frankfurt a. M. 1998; Visceglia, Maria Antonietta: Cérémonial et rituel à Rome (XVIe–XIXe siècle). Rome 1997; dies., La città rituale. Roma e le sue cerimonie in età moderna. Roma 2002. Koller, NBD III/10 (wie Anm. 234), Nr. 70,8, S. 126 – 127. Linhartová, EAAC I (wie Anm. 62), Nr. 177, S: 218 – 220. Detaillierter zu diesem Konflikt vgl. Černušák, Forme (wie Anm. 23), S. 43 – 45.
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auch von allen weiteren gesellschaftlichen Aktivitäten ausgeschlossen, die in den darauffolgenden Wochen am Kaiserhof und in der Residenzstadt stattfanden.⁷⁹⁵ Zeremonielle Konflikte spielten sich aber zuweilen auch zwischen den Diplomaten und ihren Klienten ab. Zu solch einer Auseinandersetzung kam es dem Zeugnis des venezianischen Gesandten Cavalli zufolge zwischen Kanzler Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz und dem päpstlichen Nuntius während der Predigt, die im Dezember 1608 der berühmte Laurentius von Brindisi in der Kapuzinerkirche auf dem Hradschin hielt. Der Oberstkanzler beanspruchte einen Platz in der Kirchenbank, die ausschließlich Diplomaten vorbehalten war, wogegen sich Nuntius Antonio Caetani verwahrte. Wenngleich er dies – angesichts der Position Popels und dessen Bedeutung für die katholische Partei in Böhmen – äußerst gemäßigt tat, und zwar durch sensibles Zureden über einen geeigneten Vermittler,⁷⁹⁶ war Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz wegen dieser abweisenden Haltung zutiefst gekränkt. Auf die Seite des Kanzlers stellte sich zudem auch der spanische Gesandte Baltasar de Zúñiga, der den Vorfall mit der Unerfahrenheit des Nuntius zu erklären versuchte. Obwohl sich gerade in jener Zeit das Vorgehen der spanischen und päpstlichen Diplomaten am Kaiserhof durch außerordentliche Einigkeit auszeichnete, wollte der kastilische Adelige nicht den Verlust der Unterstützung eines seiner bedeutendsten Klienten riskieren.⁷⁹⁷ Gerade die Kapuzinerkirche und das Kapuzinerkloster auf dem Hradschin, wo sich der erwähnte Konflikt abspielte, wurden Anfang des 17. Jahrhunderts eines der beliebtesten geistlichen Zentren Prags, in denen sich sowohl spanische Diplomaten als auch päpstliche Nuntien mit ihren Klienten trafen. Die ersten Kapuziner waren 1599 nach Prag gekommen. Zunächst hatten sie ihren Sitz im Kloster der Kreuzherren mit dem Roten Stern in der Nähe der Karlsbrücke und danach im Haus des Goldschmieds Ottavio Miseroni unweit der Prager Burg. Bereits im Mai des darauffolgenden Jahres legten sie aber den Grundstein für den Bau eines Klosters auf dem heutigen Lorettoplatz (Loretánské náměstí) auf dem Hradschin. Die Kapuziner wurden vor allem durch ihre asketische Lebensweise
„Hieri Mattina il nuntio banchetto l’ambasciatore di Spagna senza chiamare Venetia il quale per la differenza col Zuniga resta privo de congressi et delle conversationi.“ – ASFi, Mediceo del Principato, 4363, fol. 517– 519, Francesco Guidi an Sekretär Vinta (Prag, 1. 9. 1608). Zu diesem Konflikt vgl. ebenfalls ebd., fol. 508 – 511, Francesco Guidi an den Großherzog von Toskana (Prag, 25. 8. 1608). Näheres zu diesem Vorfall Černušák, Forme (wie Anm. 23), S. 41– 42. ASFi, Mediceo del Principato, 4364, fol. 113 – 114, Giuliano dei Medici an den Großherzog von Toskana (Prag, 29. 12. 1608).
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und begeisternde Predigten berühmt.⁷⁹⁸ Großer Beliebtheit unter den Katholiken erfreuten sich auch die Flagellantenprozessionen, die das Kapuzinerkloster mit der St.-Thomaskirche auf der Kleinseite verbanden.⁷⁹⁹ Als 1606 in den Reihen der Kapuziner eine Bruderschaft der Flagellanten entstand, gehörte auch Guillén de San Clemente zu den Gründungsmitgliedern.⁸⁰⁰ Für den spanischen Botschafter stellten die Kapuziner vor allem geeignete Verbündete dar, die, ähnlich wie die Jesuiten, völlig die spanische Imperialpolitik und die Politik der Gegenreformation in Mitteleuropa unterstützten.⁸⁰¹ Das Vertrauen, das Guillén de San Clemente sowie sein Nachfolger Baltasar de Zúñiga in die Kapuziner setzten, war höchstwahrscheinlich auch durch die Persönlichkeit des Laurentius von Brindisi begründet, der erster Vorsteher des Kapuzinerordens in Böhmen war.⁸⁰² Es ist nicht uninteressant, dass, als Baltasar de Zúñiga 1609 eine Gesandtschaft losschickte, die Papst Paul V. sowie den spanischen König Philipp III. über die kritische Situation in Böhmen und im Heiligen Römischen Reich informieren sollte, er an die Spitze der Gesandtschaft gerade den erwähnten Guardian des Prager Kapuzinerklosters stellte.⁸⁰³ Auch beim mitteleuropäischen Adel gewannen die Kapuziner Respekt und Sympathie. Das Kapuzinerkloster auf dem Hradschin wurde kurz nach seiner Entstehung ein bedeutendes geistliches Zentrum des Kaiserhofs, das nicht nur der
Evans, Robert J. W.: Vznik habsburské monarchie 1550 – 1700. Praha 2003. S. 154– 155; Krásl, František: Arnošt hrabě Harrach kardinál sv. církve římské a kníže arcibiskup pražský. Historickokritické vypsání náboženských poměrů v Čechách od roku 1623 – 1667. Praha 1886. S. 267– 274; Rabas, Řád (wie Anm. 249). Vgl. beispielsweise die Angaben, die in seinem Tagebuch Adam der Jüngere von Waldstein niederschrieb. – Koldinská u. Maťa, Deník (wie Anm. 647), S. 105, 124, u. a. Im Prager Nationalarchiv befindet sich die Handschrift El libro de los fundadores de la confraternitas flagellantium, don Guillén de San Clemente y don Baltasar de Marradas. Mehr dazu – Kašparová, Jaroslava: Knižní dary španělské šlechtičny Maríe Manrique de Lara y Mendoza a španělského vyslance Guilléna de San Clemente jezuitské klementinské koleji v Praze. In: K výzkumu zámeckých, církevních a měšťanských knihoven. Čtenář a jeho knihovna. Hrsg.von Jitka Radimská. České Budějovice 2003 (Opera romanica 4). S. 144. Die Bedeutung der Jesuiten wird sogar in der Instruktion von Baltasar de Zúñiga für seinen Amtsnachfolger Conde de Oñate erwähnt. – AGS, E 2502, fol. 164, Baltasar de Zúñiga an den spanischen Staatsrat (Prag, 18. 2. 1616). Zu den Jesuiten vgl. ebenfalls Gui, I gesuiti (wie Anm. 248); de Lozano Navarro, Julián J.: La compañía de Jesús y el poder en la España de los Austrias. Madrid 2005. NAP, SP-S, Kart. 1, Guillén de San Clemente an König Philipp III. (Prag, 28. 7. 1607); AGS, E 709, fol. 38, der spanische Staatsrat an König Philipp III. (Madrid, 12. 11. 1608). AGS, E 709, fol. 96, Instruktion von Baltasar de Zúñiga für Laurentius von Brindisi; fol. 78 – 79, der spanische Staatsrat an König Philipp III. (Madrid, 23. 8. 1609). Vgl. dazu ebenfalls Černušák, Tomáš: Pražská nunciatura a počátky Katolické ligy. In: ČČH 108 (2010). S. 114– 126.
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böhmische katholische Adel und ausländische Gesandte, sondern auch Angehörige des Herrscherhauses selbst gerne aufsuchten. Neben dem Erzbischof Zbynko Berka von Dubá, der den Kapuzinerorden in Böhmen repräsentierte, gehörten zu seinen bedeutendsten Förderern z. B. Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz, Gerhard von Questenberg und Maximilian von Trauttmannsdorf. Auch der Obersthofmeister Christoph Popel von Lobkowitz kam gern zu Gottesdiensten in das Kapuzinerkloster.⁸⁰⁴ Viel geringer war jedoch die Begeisterung für die Tätigkeit des jüngsten Zweiges des Franziskanerordens bei Kaiser Rudolf II. selbst, der während seiner großen gesundheitlichen Krise versuchte, die Kapuziner aus Prag zu vertreiben. Nicht ganz ohne Grund bezichtigte er sie damals, zugunsten des Papstes und des katholischen Königs politisch zu intrigieren.⁸⁰⁵ Die diplomatischen Berichte der spanischen Gesandten und päpstlichen Nuntien belegen, dass das Kapuzinerkloster auf dem Hradschin tatsächlich oft als Ort geheimer politischer Verhandlungen diente. Neben der nahen Lage beider Botschaften war dies auch durch die Tatsache gegeben, dass sich das Kloster Anfang des 17. Jahrhunderts abseits des städtischen Treibens befand. Teilnehmer geheimer Zusammenkünfte konnten individuell und unauffällig eintreffen, ohne unerwünscht Aufmerksamkeit und Verdacht zu wecken. Als sich im Mai 1606 der venezianischen Gesandte Francesco Soranzo mit der Bitte an Giovanni Stefano Ferreri wandte, sich in der Nuntiatur zu treffen, lehnte der Nuntius seinen Vorschlag höflich ab, weil er angesichts der aktuellen politischen Spannungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Venedig nicht öffentlich kompromittiert werden wollte. Als einen besser passenden Ort für ein diskretes Gespräch schlug er Soranzo eben die Räumlichkeiten des Kapuzinerklosters vor.⁸⁰⁶ In den stürmischen Zeiten vor dem Erlass des Majestätsbriefs Rudolfs II. kam dort der spanische Gesandte mit dem päpstlichen Nuntius und dem katholischen Adel zusammen, um darüber zu beraten, wie man den Erfolg des protestantischen Lagers verhindern könnte.⁸⁰⁷ Ebenfalls bei den Kapuzinern besprach dann 1610 Antonio Caetani mit dem bereits erwähnten bayerischen Großkanzler Donnersberg strittige Fragen bezüglich der Leitung der unlängst gegründeten Katholi-
RLK, Tagebuch des Zdenko Adalbert von Lobkowitz, Sign. VII. Ad. 118. Im Tagebuch von Christoph Popel von Lobkowitz ist seine Teilnahme am Gottesdienst bei den Kapuzinern in den Jahren 1602– 1604 mehrmals vermerkt. – Tůmová, Svět (wie Anm. 286), S. 175, 176, 182, 188, 217. Janáček, Rudolf II. (wie Anm. 35), S. 341. AAV, FB II, 170, fol. 296r. NAP, SP-S, Kart. 1, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 16. 5. 1609).
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schen Liga.⁸⁰⁸ Giovanni Salvago und der spanische Gesandte Zúñiga versuchten wiederum im Februar 1611 am selben Ort Erzherzog Leopold davon zu überzeugen, die Passauer Truppen aufzulösen.⁸⁰⁹ Ein gemeinsames bescheidenes Mittagsmahl bei den Kapuzinerbrüdern mit diesem oder jenem ausgewählten Adeligen bedeutete auch eine Gelegenheit, die Identität der Netzwerkmitglieder im Rahmen ihrer Einbindung in die Dienste für die Kurie zu stärken. Der Geheimrat Jakob Breuner bekam solch eine Einladung im Juni 1606, als er in einem Gespräch mit dem venezianischen Gesandten über den Streit der Republik Venedig mit dem Heiligen Stuhl offen die Interessen der Kurie unterstützte.⁸¹⁰ Es kann dabei angenommen werden, dass es sich um keine Ausnahme handelte. Die Tagebucheinträge von Adam dem Jüngeren von Waldstein und Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz belegen, dass das Kapuzinerkloster auch in späteren Jahren für ähnliche Zwecke diente.⁸¹¹ Neben dem Kapuzinerkloster existierten auch viele weitere christliche Orte, die von den Diplomaten zu persönlichen Treffen mit Hofleuten, Landadel, Geistlichen und ausländischen Diplomaten genutzt wurden. Sie spielten vor allem im Falle der Nuntien eine wichtige Rolle, weil sie es ermöglichten, deren sakrale Stellung zu unterstreichen sowie die Identität, die Macht und den Einfluss der katholischen Partei öffentlich zu proklamieren. Dies galt insbesondere für bedeutende religiöse Feste. Das Jahr 1600 stand im Zeichen von gleich zwei solchen Veranstaltungen anlässlich der Entstehung neuer Sakralbauten in Prag. Nuntius Spinelli nahm am 23. Mai 1600 an der Zeremonie zur Grundsteinlegung für das Kapuzinerkloster teil und zelebrierte auf der künftigen Baustelle, die er segnete, eine Festmesse, an der Adel, Hofleute und eine große Anzahl von Gläubigen teilnahmen.⁸¹² Im selben Jahr weihte er am 9. August die sogenannte Wälsche Kapelle (Vlašská kaple) in der Prager Altstadt,⁸¹³ die die italienische Kongregation Mariä Himmelfahrt bauen ließ und die dann für religiöse Versammlungen von in der Hauptstadt des Königreichs Böhmen lebenden Italienern diente.⁸¹⁴
Černušák, EAAC V (wie Anm. 63), Nr. 499,3, S. 405; Mayr, Karl (Hrsg.): Von den Rüstungen Herzog Maximilians von Bayern bis zum Aufbruch der Passauer. München 1908 (Briefe und Akten zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges VIII.). S. 488 – 489. Sněmy české. Bd. XV/1 (wie Anm. 485), Nr. 93, S. 119. AAV, FB II, 158, fol. 3v. Koldinská u. Maťa, Deník (wie Anm. 647), S. 174 u. 232; RLK, Tagebuch des Zdenko Adalbert von Lobkowitz, Sign. VII. Ad. 118. Rabas, Řád (wie Anm. 249), 77 (1936), S. 229 – 230; Tischer, František: Uvedení řádu Kapucínů do Čech okolo roku 1600. In: Věstník Královské české společnosti nauk. Třída filosoficko-historicko-filologická 8 (1907). S. 8. Kristen, EAJSF I (wie Anm. 62), Nr. 59, S. 166, Anm. 3. Janáček, Italové (wie Anm. 714), S. 101– 102, 105.
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Eine außerordentliche Gelegenheit, öffentlich seine Autorität zu präsentieren und die Stärke des katholischen Lagers zu bekunden, bot dem Nuntius die Teilnahme an Prozessionen. Cesare Speciano nahm mehrmals an Festprozessionen für Erfolge des kaiserlichen Heeres im Kampf gegen die Türken teil.⁸¹⁵ Die höchste Form der Manifestierung des Katholizismus im öffentlichen Raum stellte zweifellos die Fronleichnamsprozession mit Eucharistie dar. Wenngleich die seine Tradition bis ins Mittelalter zurückreicht, gewann dieses katholische Festes vor allem ab dem 16. Jahrhundert an Bedeutung, als es vom Konzil von Trient bestätigt wurde und seine Akzeptanz zu einem Kriterium der Abgrenzung gegenüber dem Protestantismus wurde.⁸¹⁶ Dass Nuntien an der Fronleichnamsprozession teilnahmen, belegt beispielsweise der Tagebucheintrag von Christoph Popel von Lobkowitz vom 22. Juni 1604. Ihm zufolge trug damals Giovanni Stefano Ferreri persönlich die Monstranz mit der Eucharistie in der Prozession auf der Kleinseite. Der Verfasser des Eintrags notierte zudem, dass er sich an keine schönere Prozession erinnern könne.⁸¹⁷ Ein Jahr später wurde der Gottesdienst wieder vom selben Nuntius geleitet. Bei seinem Anfang in der Minoritenkirche St. Jakob kam es jedoch zu einem Streit zwischen zwei Adeligen aus Genua, Giovanni Ambrogio Doria und Antonio Spinola, über das Recht, den Baldachin zu tragen. Der Streit beschränkte sich nicht nur auf Worte, die Edelmänner griffen sich gegenseitig an und verletzten einander.⁸¹⁸ Vom Anführen der Fronleichnamsprozession zeugt auch der Bericht von Antonio Caetani aus dem Jahr 1608.⁸¹⁹ Einen spezifischen Charakter hatte eine andere Veranstaltung, an der Nuntius Ferreri aktiv teilnahm. Im März 1606 wurde er von Herzog Karl Emanuel von Savoyen, dem Ferreri als Bischof von Vercelli und savoyischer Vasall zweifellos Informationen vom Gesandten am Kaiserhof lieferte,⁸²⁰ damit betraut, Andreas,⁸²¹
Pazderová, EACS II (wie Anm. 63), Nr. 506,2, S. 1108; EACS III (wie Anm. 63), Nr. 727,2, S. 1636; Nr. 798,12, S. 1790 – 1791. Scheutz, Martin: Kaiser und Fleischhackerknecht. Städtische Fronleichnamsprozessionen und öffentlicher Raum in Niederösterreich/Wien während der Frühen Neuzeit. In: Aspekte der Religiosität in der frühen Neuzeit. Hrsg. von Thomas Aigner. St. Pölten 2003. S. 62– 125. Zur Rolle der päpstlichen Nuntien bei diesen Prozessionen am Kaiserhof in Prag Ende des 16. Jahrhunderts vgl. Garms-Cornides, Liturgie (wie Anm. 701), S. 130 – 131. Tůmová, Svět (wie Anm. 286), S. 230. Meyer, NBD IV/3 (wie Anm. 64), Nr. 434d–e, S. 384– 385. Für interessante Quellen zu diesem Inzident vgl. ÖStA, HHStA, Handschrift W 290, Bd. 11. Den Vorfall hat auch Adam der Jüngere von Waldstein in seinem Tagebuch notiert. – Koldinská u. Maťa, Deník (wie Anm. 647), S. 108. Linhartová, EAAC III/1 (wie Anm. 62), Nr. 20, S. 74. Davon zeugen Briefe des Herzogs Karl Emanuel von Savoyen (1603 – 1607) und seines Sekretärs Annibale Boschi an Nuntius Ferreri aus den Jahren 1603 – 1607. – NAP, SP-It, Kart. 94, Nr. 509, 512.
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III Klientenstrategien der päpstlichen und spanischen Diplomaten
dem Sohn des kaiserlichen Kammerdieners Philipp Lang, in Vertretung des Herzogs den äußerst prestigeträchtigen Orden des heiligen Mauritius und Lazarus zu verleihen.⁸²² Die Ordensinsignien wurden Ende März von einem Sonderkurier aus Savoyen gebracht.⁸²³ Ferreri überreichte sie dann am 6. April während des Festgottesdienstes in der St.-Thomaskirche auf der Kleinseite, bei dem auch zahlreiche Hofleute und Vertreter der Aristokratie anwesend waren, an Andreas Lang, der eine gewisse Zeit zuvor Page am Hofe der Herzöge von Savoyen gewesen war.⁸²⁴ Der Herzog wollte sich auf diese Art und Weise zweifellos den einflussreichen Vater von Andreas geneigt machen. Gerade die St.-Thomaskirche auf der Kleinseite, neben der sich ein Augustinerkloster befand, war ein weiterer bedeutender sakraler Raum, der insbesondere bei den spanischen Diplomaten und ihrem Gefolge beliebt war. Seit den Zeiten der Verlegung des Kaiserhofs in die Hauptstadt des Königreichs Böhmen wurde sie als Pfarrkirche der spanischen Botschaft betrachtet. Es verwundert daher nicht, dass die spanischen Gesandten die St.-Thomaskirche ebenso wie das bereits erwähnte Kapuzinerkloster auf verschiedene Art und Weise unterstützten. Guillén de San Clemente ließ sogar einen kleinen Votivaltar in der Sakristei installieren mit einem Bild, auf dem der Gesandte zusammen mit der heiligen Katharina vor einem Kruzifix kniend abgebildet war. Er ließ in der Kirche auch eine Krypta bauen, die als letzte Ruhestätte der dortigen Vasallen des katholischen Königs dienen sollte.⁸²⁵ Die St.-Thomaskirche war bei den spanischen Diplomaten nicht nur deshalb beliebt, weil sie unweit des ursprünglichen Botschaftsgebäudes lag, es gab auch noch andere Gründe. Vor allem muss erwähnt werden, dass die Augustiner auch bei Angehörigen des Hauses Habsburg, einschließlich Kaiser Rudolf II., große Sympathien weckten. In den Augen der spanischen Gesandten half ihnen zweifellos auch die Tatsache, dass sie, ähnlich wie die Kapuziner, ein Orden waren, dessen Tätigkeit eng mit der Gegenreformation verbunden war. In Mitteleuropa wurden sie unter anderem durch ihre pädagogische Tätigkeit berühmt.⁸²⁶ Es war zudem gerade die Augustinusregel, nach der sich die Ritter des Santiagoordens richteten. Die St.-Thomaskirche wurde somit auf natürliche Art und Weise zu einem Ort, wo regelmäßig den neu ernannten Mitgliedern dieses spanischen Rit-
Kurz zu seiner Person vgl. Hurter, Philipp Lang (wie Anm. 360), S. 12– 16. NAP, SP-It, Kart. 94, Nr. 512, Brief des Annibale Boschi (16. 3. 1606). Meyer, NBD IV/3 (wie Anm. 64), Nr. 739 f, S. 701. Meyer, NBD IV/3 (wie Anm. 64), Nr. 748c, S. 713. Jiménez Díaz, El coleccionismo (wie Anm. 173), S. 126. Evans, Vznik (wie Anm. 798), S. 155.
III.2 Belohnungen
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terordens das Ordensgewand überreicht wurde.⁸²⁷ Der spanische Gesandte begegnete seinen Klienten in der Kirche nicht nur während dieser Zeremonien. Adam der Jüngere von Waldstein und Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz zum Beispiel besuchten sie regelmäßig zum Gottesdienst und zur Beichte.⁸²⁸ Wie in diesen Zeilen angerissen wurde, haben die päpstlichen und spanischen Diplomaten für ihre „Kunst des Verhandelns“ an der Wende des 16. zum 17. Jahrhundert in der kaiserlichen Residenzstadt im Prinzip identische Räume genutzt. Neben dem Hof des Herrschers haben in dieser Hinsicht die Residenzen der Gesandten, der Hofleute sowie der Vertreter des Landadels, aber auch verschiedene sakrale Räumlichkeiten eine wichtige Rolle gespielt. Obwohl beide Diplomaten ihren Klienten und auch einander an denselben Orten begegneten, kann man in ihrem Agieren gewisse Unterschiede beobachten. Die beruhten vor allem auf ihrer Herangehensweise an diese Räume und der Art und Weise, wie sie sich dort präsentierten. Bei den Vertretern der „Allerkatholischsten Majestät“ wurde in der Regel Wert darauf gelegt, Macht und Reichtum des Herrschers zu zeigen. Die Nuntien hingegen akzentuierten eher ihre geistliche Stellung und präsentierten in ausgewählten Räumen bei sakralen Handlungen gerne die Tatsache, dass sie den römischen Bischof als „Vikar Christi“ vertraten.
III.2 Belohnungen Das Einbinden einzelner Klienten in das päpstliche sowie das spanische Beziehungsnetzwerk war nicht nur mit einem bestimmten Raum oder Ereignis verbunden. Das Patronatsverhältnis war im Prinzip asymmetrisch: Der Patron stellte seinen Klienten Mittel zur Verfügung, um sie an sich zu binden. Diese wiederum boten ihm dafür ihre Dienste an.⁸²⁹ Die Herrscher beider katholischen Mächte konnten somit die Worte damaliger Traktate erfüllen, die sie metaphorisch mit einer Quelle verglichen, der man nahestehen muss, um in den Genuss der Freu-
Mur y Raurell, Ana: „Ex Hispaniis sequuti.“ La Corte de Fernando I y las Órdenes Militares españolas. In: Fernando I. Un infante español Emperador. Hrsg. von Teófanes Egidio López [u. a.]. Valladolid 2004. S. 93 – 100. Waldsteins Besuche der St.-Thomaskirche werden in seinem Tagebuch erwähnt. – Koldinská u. Maťa, Deník (wie Anm. 647), S. 149, 158, 181 u. a. Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz besuchte diese Kirche nicht nur, sondern gehörte zusammen mit seiner Frau Polyxena auch zu ihren bedeutendsten Mäzenen. – Marek, Svědectví (wie Anm. 192), S. 99. Vgl. z. B. Hengerer, Amtsträger (wie Anm. 57), S. 58 – 60.
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III Klientenstrategien der päpstlichen und spanischen Diplomaten
den zu kommen, die aus ihr hervorsprudeln.⁸³⁰ Wenngleich solch ein Verhalten aus heutiger Sicht als unmoralische Korrumpierung und unwirtschaftliche Verschwendung erscheinen mag, stieß es in der Frühen Neuzeit häufig auf Verständnis. Dem kamen zum Teil auch die gemäßigten Ansichten zugute, die von den Vertretern des Neostoizismus verkündet wurden.⁸³¹ Senecas Werke, die sich im 16. Jahrhundert über Justus Lipsius verbreiteten, verteidigten nämlich den Austausch von materiellen Gütern zwischen Angehörigen einer Gesellschaftsgruppe. Praktisch rechtfertigten diese Prinzipien das verschwenderische Verhalten der spanischen Könige und der Päpste vollkommen, und sie sorgten dafür, dass Bestechung und Korruption im Denken der Menschen des 16. und 17. Jahrhunderts mit viel größerem Verständnis angenommen wurde als in der heutigen Zeit.⁸³² Aber auch die Korruption hatte ihre Grenzen. Sie wurde beispielsweise in jenem Moment zum Delikt, wenn sie im machtpolitischen Kampf genutzt wurde, oder wenn sie sich gegen die Interessen des Herrschers selbst stellte.⁸³³ In Prag wurden am Kaiserhof die Interessen der spanischen und päpstlichen Herrscher auch in dieser Hinsicht von Diplomaten vertreten, die als „Broker“ vermittelten und einzelnen Klienten den Zugang zu den entsprechenden Res-
Diese Metapher, die in Werken zahlreicher Verfasser des 16. und 17. Jahrhunderts erscheint, wurde analysiert von Levy Peck, Court (wie Anm. 13), S. 12– 14. Zum Neostoizismus vgl. Oestreich, Neostoicism (wie Anm. 186); Lagrée, Jacqueline: Juste Lipse et la restauration du stoïcisme: étude et traductions des traités stoïciens De la constance, Manuel de philosophie stoïcienne, Physique des stoïciens (extraits). Paris 1994.Vgl. ebenfalls Mout, Nicolette: Die politische Theorie in der Bildung der Eliten. Die Lipsius Rezeption in Böhmen und in Ungarn. In: Ständefreiheit und Staatgestaltung in Ostmitteleuropa. Übernationale Gemenisamkeiten in der politischen Kultur vom 16.–18. Jahrhundert. Hrsg. von Joachim Bahlcke [u. a.]. Leipzig 1996. S. 243 – 265. Martínez Millán, Las investigaciones (wie Anm. 680), S. 97– 98.Vgl. ebenfalls Ago, Renata: Il gusto delle cose. Una storia degli oggetti nella Roma del Seicento. Roma 2006. S. 131– 132. Das Bild der Korruption in historischen Traktaten wurde neulich nähergebracht von Fedele, Naissance (wie Anm. 8). S. 724– 726. Thiessen, Hillard von: Korrupte Gesandte? Konkurrierende Normen in der Diplomatie der Frühen Neuzeit. In: Korruption. Historische Annäherungen an eine Grundfigur politischer Kommunikation. Hrsg. von Niels Grüne u. Simona Slanička. Göttingen 2010. S. 205 – 220; ders.: Der entkleidete Favorit. Legitimation von Günstlings-Herrschaft und politische Dynamik im Spanien des Conde-Duque de Olivares. In: Integration – Legitimation – Korruption. Politische Patronage in Früher Neuzeit und Moderne. Hrsg. von Ronald G. Asch, Birgit Emich u. Jens Ivo Engels. Frankfurt a. M. [u. a.] 2011. S. 131– 147. Das Thema der Korruption während der Frühen Neuzeit wird sehr häufig in der heutigen historiografischen Forschung behandelt. Vgl. z. B. Asch, Ronald [u. a.] (Hrsg.): Integration, Legitimation, Korruption. Frankfurt a. M. [u. a.] 2011. Zur Auffassung der Korruption im spanischen Milieu vgl. Andújar Castillo, Francisco [u. a.]: A Sick Body. Corruption and Antocorruption in Early Modern Spain. In: Anti-corruption in History: From Antiquity to the Modern Era. Hrsg. von Ronald Kroeze [u. a.]. Oxford 2017. S. 139 – 153.
III.2 Belohnungen
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sourcen ermöglichten. Während sich die Vertreter beider katholischen Mächte bei der Raumnutzung ähnlicher Strategien bedienten, war die Art und Weise der Belohnung von verdienten Klienten sehr unterschiedlich. Den spanischen Königen stand eine breite Skala an Gunstbezeugungen zur Verfügung, die sie zur Belohnung und zur Motivierung ihrer treuen Diener aus den Reihen des mitteleuropäischen Adels nutzten.⁸³⁴ Höhe und Art der Belohnung für die mitteleuropäischen Klienten wurden in der Regel von den Gesandten selbst bestimmt.⁸³⁵ Im Generalarchiv in Simancas werden bis heute Briefe aufbewahrt, in denen diese ihren Herrscher dazu aufforderten, ihre Helfer und Vertrauten aus den Reihen der kaiserlichen Hofleute und weiterer Magnaten zu würdigen. In ihren Anträgen wiesen die Diplomaten in der Regel darauf hin, wie wichtig die Dienste des jeweiligen Adeligen waren, welchen politischen Einfluss er hatte, und sie betonten vor allem seine tiefe Frömmigkeit.⁸³⁶ Das letzte Argument, das deutlich zur positiven Erledigung solch eines Antrags verhelfen konnte, war die Verschwägerung bzw. Verwandtschaft des Adligen mit Geschlechtern aus den Ländern der spanischen Monarchie bzw. seine Verwandtschaft mit weiteren Klienten des katholischen Königs.⁸³⁷ Weniger häufig setzte sich der Kaiser selbst bzw. ein anderer Angehöriger der herrschenden Dynastie durch Fürsprache für seine Untertanen ein. In solchen Fällen konnten die Angehörigen des österreichischen Hauses Habsburg ihren Wunsch entweder direkt – mithilfe einer Bittschrift, die an den katholischen König adressiert war – oder indirekt – über den spanischen Gesandten – am Kaiserhof vorbringen.⁸³⁸ Die Methode, die sie wählten, sagte dabei höchstwahrscheinlich etwas darüber aus, inwieweit ihnen die positive Erledigung jener Angelegenheit am Herzen lag. Wenn sich die Habsburger für die Würdigung ihrer
Von der motivierenden Rolle solcher Ehrungen zeugen beispielsweise die Briefe von Baltasar de Zúñiga. Vgl. NAP, SP-S, Kart. 1, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 25. 7. 1609). Zum Beispiel NAP, SP-S, Kart. 1, Guillén de San Clemente an den Sekretär des spanischen Staatsrats Andrés de Prada (Prag, 18. 1. 1606); Kart. 2, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 2. 11. 1616); Kart. 2, Conde de Oñate an König Philipp III. (Prag, 6. 5. 1617). Vgl. z. B. AGS, E 2502, fol. 58, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 18. 7. 1616); fol. 64, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 22. 10. 1616); NAP, SP-S, Kart. 1, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 28. 8. 1610); Kart. 1, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 19. 6. 1610); Kart. 2, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 2. 11. 1616). Als Baltasar de Zúñiga 1616 versuchte, die Ernennung von Wenzel Wilhelm Popel von Lobkowitz in den Santiagoorden zu erreichen, begründete er seinen Vorschlag unter anderem damit, dass „sich dies Kardinal von Dietrichstein sehr stark wünsche, dessen Nichte Lobkowitz geheiratet habe [y desearlo mucho el Cardenal Dietristein con cuya sobrina está casado].“ – NAP, SP-S, Kart. 2, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 2. 11. 1616). Marek, La red (wie Anm. 34).
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III Klientenstrategien der päpstlichen und spanischen Diplomaten
Untertanen wirklich einsetzten und ihre Fürsprache nicht nur rein formell war, sollte ihr schriftlicher Antrag (der bestenfalls eigenhändig geschrieben war) noch vom kaiserlichen Gesandten in Madrid mündlich unterstützt werden.⁸³⁹ Wichtig waren aber auch die bei der Formulierung der Bittschrift verwendeten Ausdrücke. Als 1592 Kaiser Rudolf II. auf Anregung von Maria Manrique de Lara hin beim Papst für die Aufnahme ihres Sohnes Maximilian von Pernstein ins Kardinalskollegium plädierte, tat er dies angeblich sehr gern und mit bestmöglichem Willen, verwendete dabei aber äußerst allgemeine Formulierungen, was die Erfolgsaussichten sehr stark verminderte.⁸⁴⁰ Einen Vorschlag zur Entlohnung ihrer Dienste konnten aber manchmal auch die Hofleute selbst machen. Im April 1611 baten die Geheimräte Georg Ludwig von Leuchtenberg und Ernst von Mollart den Gesandten Baltasar de Zúñiga, in Spanien für die Belohnung ihrer bisherigen Unterstützung des katholischen Königs zu sorgen.⁸⁴¹ Als wichtigsten Grund für ihre Ansprüche führten sie an, dass sie während der jüngsten politischen Wirrungen auf Kaiser Rudolf II. eingewirkt hatten, um ihn davon zu überzeugen, dass es notwendig sei, sich mit seinem Bruder Matthias zu versöhnen. Die Gunstbekundungen, die sie hierdurch erbitten wollten, waren keineswegs marginal. Ernst von Mollart wollte seine Pension auf 1.000 Rheinische Gulden jährlich aufstocken, Landgraf von Leuchtenberg verlangte sogar den Orden vom Goldenen Vlies.⁸⁴² Es muss dazu gesagt werden, dass zumindest dieser Antrag des Präsidenten des Reichshofrates in Madrid Anklang fand. Georg Ludwig von Leuchtenberg erhielt die höchste habsburgische Ehrung aus den Händen des Herolds des Ordens vom Goldenen Vlies während einer Festzeremonie am 5. September 1612 auf der Prager Burg.⁸⁴³ Die Zugehörigkeit zum Beziehungsnetzwerk von Philipp II. und Philipp III. eröffnete den mitteleuropäischen Adeligen nicht nur einen Weg zu Gunstbekundungen des spanischen Königs, sondern konnte ihnen letztlich auch zu Titeln und Ämtern, die in der Macht des Kaisers standen, verhelfen. Während der Herr-
Ders., La embajada (wie Anm. 34), S. 178 – 179. „Lo que su majestad a hecho y con mucho calor aunque generalmente y lo ha hecho su majestad con tan buena gana y voluntad que es de agradecer mucho.“ – Fürstlich Fürstenbergisches Archiv, Donaueschingen, OB19, Vol. XXVI/4. Abschriften von Urkunden aus dem Raudnitzer Archiv, fol. 1– 18, Elisabeth von Pernstein an ihre Schwester Polyxena ([Prag], Februar 1592). Mehr dazu Marek, Cardinal Purple (wie Anm. 563). NAP, SP-S, Kart. 2, Baltasar de Zúñiga an den spanischen Staatsrat (Prag, 23. 4. 1611). NAP, SP-S, Kart. 2, Baltasar de Zúñiga an den spanischen Staatsrat (Prag, 23. 4. 1611). García García, Bernardo José: El diario de viajes del rey de armas Jean Hervart (1605 – 1633). Un registro particular del ceremonial de los toisones. In: El legado de Borgoña. Fiesta y ceremonia cortesana en la Europa de los Austrias (1454– 1648). Hrsg. von Krista de Jonge [u. a.]. Madrid 2010. S. 488.
III.2 Belohnungen
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schaftszeit des argwöhnischen Rudolf II. ging so etwas jedoch nicht ohne Weiteres, und wenn der katholische König für einen seiner Klienten ein gutes Wort einlegen wollte, musste er dies mit äußerster Umsicht tun.⁸⁴⁴ Dennoch stärkte die spanische Diplomatie mithilfe von Intrigen und politischem Druck auf den Kaiser erfolgreich den Machteinfluss jener Männer, die Diensten für Philipp II. bzw. für seine Nachfolger gewogen waren. Davon zeugt die Besetzung der böhmischen Landesämter 1599 (vgl. Kapitel I.3.). Ein viel einfacherer Weg für die Belohnung ihrer Klienten eröffnete sich den spanischen Herrschern nach dem Tod Rudolfs II. Vor allem nach Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges konnte der König getrost seinen Wunsch mittels einer direkten Bittschrift an die österreichischen Habsburger äußern. Hiervon zeugt beispielsweise die Art und Weise, wie sich 1624 Philipp IV. – über den Staatsratssekretär Juan de Ciriza – bei Ferdinand II. für die Erhebung von Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz in den Stand eines Reichsfürsten einsetzte: Es werde an meinen Onkel, den Kaiser, von den vielen Diensten und löblichen Eigenschaften des Zdenko Adalbert Popel, Kanzler des Königreichs Böhmen, geschrieben, dass er erwäge, ihn mit dem Titel eines Reichsfürsten auszuzeichnen, denn derlei Gnade wird außer für diesen selber auch für mich von großem Wert sein.⁸⁴⁵
Einige Monate später ging sein Wunsch in Erfüllung.⁸⁴⁶ Der Heilige Stuhl verwendete zwar zum Teil ebenfalls Ressourcen, wie sie auch von anderen Ländern genutzt wurden, er behielt aber gewisse Spezifika bei, die wir anderenorts nicht finden. Die von Wolfgang Reinhard zum Pontifikat von Paul V. durchgeführte Analyse hat gezeigt, dass im Prinzip vier Arten von Ressourcen existierten, die der Papst zur Belohnung seiner Klienten nutzte.⁸⁴⁷ Den ersten Typus stellten direkte finanzielle Subventionen dar, beispielsweise Renten oder einmalige Geschenke. Ihre Herkunft war direkt mit der Wirtschaft der Kurie
NAP, SP-S, Kart. 1, Guillén de San Clemente an König Philipp III. (Prag, 18. 1. 1606). „Escrívase al Emperador mi tio que pues tiene noticia de los muchos seruicios y calidad de Sdenco Adalberto Poppel Canciller del Reyno de Bohemia, tenga por bien de honrarle con titulo de Príncipe del Imperio que demas de que en su persona se empleara bien esta m[e]r[ce]d para mi sera de estimacion.“ – AGS, E 2327, König Philipp IV. an Staatsratssekretär Juan de Ciriza (Cádiz, 24. 3. 1624). Die Ernennungsurkunde befindet sich im NAP, Česká dvorská kancelář, Sign. IV. D1, 458. Reinhard, Paul V. Borghese (wie Anm. 19), S. 23 – 47. Detaillierter ders.: Papstfinanz, Benefizienwesen und Staatsfinanz im konfessionellen Zeitalter. In: Fiskus, Kirche und Staat im konfessionellen Zeitalter. Hrsg. von Hermann Kellenbenz u. Paolo Prodi. Berlin 1994. S. 337– 371. Zu dieser Thematik mit Rücksicht auf die Beziehung zu Spanien ebenfalls kurz Thiessen, Diplomatie (wie Anm. 25), S. 51– 53.
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III Klientenstrategien der päpstlichen und spanischen Diplomaten
verbunden. Der Kirchenstaat der Frühen Neuzeit war bei weitem keine finanzielle Großmacht mehr, wie dies während des Hochmittelalters der Fall gewesen war. Viele der ehemaligen finanziellen Einkünfte, die aus verschiedenen europäischen Ländern stammten, waren durch Eingriffe von deren Herrschern eingeschränkt worden. Neben den Erträgen, die direkt vom Territorium des Kirchenstaats stammten, konnte sich die Kurie nur auf einige weitere Abgaben, vor allem aus Italien, stützen, beispielsweise auf Lehenszinse aus dem Königreich Neapel oder außerordentliche Zehnte (decimen). Auch in diesen Fällen behielten jedoch die einzelnen Länder, auf deren Territorium die Abgaben ausgeschrieben waren, einen Teil der Finanzen ein.⁸⁴⁸ Eine weitere, nicht weniger bedeutende Ressource waren Benefizien, also feste Einkünfte, die mit einem Kirchenamt verbunden waren. Es existierten verschiedene Arten von Benefizien. Die sogenannten beneficia maiora betrafen Personen, die die Bischofsweihe hatten, die übrigen waren sogenannte beneficia minora, die noch in weitere Arten untergliedert waren. Während des Mittelalters hatten die Päpste unter Verweis auf ihre plenitudo potestatis relativ breite Kompetenzen bezüglich der Kirchenbenefizien genutzt. In der Frühen Neuzeit galt dies nur noch theoretisch. Ähnlich wie bei den erstgenannten Ressourcen verminderte sich nämlich der Einfluss der Kurie stark zugunsten weltlicher Herrscher. Die Besetzung der Bischofsstühle war beispielsweise im Heiligen Römischen Reich durch das Wahlrecht einzelner Kapitel mit der Möglichkeit, im Falle von kirchenrechtlichen Hindernissen diese Person zu postulieren, eingeschränkt. Eine weitere Einschränkung bedeutete das Nominierungsrecht der Herrscher. Völlig freie Hand hatte der Papst nur in seinem Staat und in den meisten Diözesen im Herzogtum Mailand sowie im Königreich Neapel.⁸⁴⁹ Bei kleineren Benefizien waren all jene Pfründen reserviert, die auf gewisse Weise direkt mit der Kurie verbunden waren, in den übrigen Fällen wurde dies nur dann angewandt, wenn sie in konkreten Kalendermonaten freigeworden waren. In vielen Ländern war der Einfluss des Papstes durch das Nominierungsrecht der Patrone oder aber direkt der Herrscher eingeschränkt.⁸⁵⁰ So hatten beispielsweise die römischen Bischöfe die Vollmacht, im Herzogtum Mailand die meisten Kanonikate zu besetzen, sie war jedoch durch die Zustimmung des spanischen Königs bedingt.⁸⁵¹
Reinhard, Paul V. Borghese (wie Anm. 19), S. 25 – 28. Reinhard, Paul V. Borghese (wie Anm. 19), S. 32– 33. Hier handelte es sich konkret um 12 von 20 Erzbistümern und um 91 von 107 Bistümern, die restlichen unterlagen der Zuständigkeit des spanischen Königs. – Thiessen, Diplomatie (wie Anm. 25), S. 52. Reinhard, Paul V. Borghese (wie Anm. 19), S. 35 – 36. Thiessen, Diplomatie (wie Anm. 25), S. 52.
III.2 Belohnungen
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Den dritten Typus von Kurialressourcen bildete eine große Gruppe an Ämtern der römischen Kurie, deren Besetzung unter die Zuständigkeit des Papstes fiel. Solch ein Amt konnte für seine Inhaber eine nicht zu vernachlässigende langfristige Finanzquelle bedeuten. Zugleich brachte es auch immaterielle Vorteile in Form von beruflichem Aufstieg mit sich.⁸⁵² Die letzte Ressourcengruppe umfasst ein breites Spektrum an verschiedenen Gunstbekundungen. Es konnte sich im Prinzip um sämtliche päpstliche Privilegien handeln, die Einzelpersonen oder Gruppen zu Sonderrechten verhalfen, wobei nur einige davon den Empfängern direkten finanziellen Gewinn in Aussicht stellten. Die wahrscheinlich höchste Gunstbekundung des Papstes war die Promotion zum Kardinal. Der Papst konnte Aristokraten Titel bis zum Niveau des Herzogs (duca) bzw. Fürsten (principe) erteilen. Sein Einfluss war ein wichtiger Faktor bei der Aufnahme in einen prestigeträchtigen Ritterorden. Personen und Körperschaften, einschließlich Kirchenorden, konnten vom Papst Exemtionen erhalten, die sie der Zuständigkeit der gewöhnlichen Kirchenverwaltung entzogen. Eine große Vielfalt wiesen päpstliche Gunstbekundungen in Form von verschiedenen Dispensen auf. Hierzu gehörte die Legitimierung von unehelichen Kindern, die nicht nur unter dem Aspekt des weltlichen Rechts von Bedeutung war, sondern beispielsweise auch für das Erlangen einer Pfründe wichtig war. Häufig wurde das Kanonische Alter [Regel, dass ein Kandidat zur Erlangung des priesterlichen Weihesakraments das 25. Lebensjahr vollendet haben muss – Anm. d. Verf.] dispensiert, Ehedispense bei Verwandtschaft der Verlobten oder bei anderen kanonischen Hindernissen verliehen, das Privileg der Verwendung eines Tragaltars, das es den Inhabern ermöglichte, Messen in ihren Residenzen zu feiern, erteilt und dergleichen mehr.⁸⁵³ Von den erwähnten Ressourcen nutzten die in Prag tätigen päpstlichen Diplomaten für ihre Klienten bzw. für mit ihnen verbundene Personen Benefizien auf dem Niveau des Kanonikats sowie ein breites Spektrum an Gunstbekundungen. Direkte finanzielle Provisionen, Renten oder die Erteilung von Ämtern, die mit der römischen Kurie verbunden wären, erscheinen in den Quellen nur am Rande. Sie wurden entweder auf direkten Antrag des jeweiligen Klienten oder aufgrund der Fürsprache des Nuntius erteilt, und beides musste natürlich mit triftigen Gründen untermauert sein, unter denen Verdienste um die Verbreitung bzw. um den Schutz des katholischen Glaubens und der Autorität des Papstes dominierten.
Reinhard, Paul V. Borghese (wie Anm. 19), S. 40 – 44. Reinhard, Paul V. Borghese (wie Anm. 19), S. 44– 46.
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III Klientenstrategien der päpstlichen und spanischen Diplomaten
III.2.1 Finanzielle Bestechung, Pensionen und Geschenke Das einfachste Mittel, mit dem die Gesandten des katholischen Königs während der Herrschaftszeit Rudolfs II. für Unterstützung durch kaiserliche Hofleute sorgten, waren zweifellos Bestechungsgelder. In den Briefen, die sie nach Spanien schrieben, ertönt häufig die Bitte, weitere Finanzen zu schicken.⁸⁵⁴ Geld sollte über Erfolg oder Misserfolg der spanischen Politik am Kaiserhof entscheiden. Wenn der Gesandte keine ausreichenden Mittel für die Bestechung der kaiserlichen Hofleute zur Verfügung hatte, kam er sich absolut hilflos vor. Davon sollte sich Guillén de San Clemente schon kurz nach Beginn seines Aufenthalts in Prag überzeugen. In einem Brief an den neapolitanischen Vizekönig Juan de Zúñiga bat San Clemente diesen, ihm ausreichende Einkünfte zu verschaffen. Falls man seiner Bitte nicht entsprechen könne, möge der Vizekönig sich für seine Amtsenthebung einzusetzen: Ich sage Ihnen all das, weil es mich freuen würde, wenn Sie ein Wort für mich einlegen würden, man möge mich entweder von hier abberufen oder mir schicken, was notwendig ist, damit ich mich hier behaupten kann. Versichern Sie sie, dass ich dies nicht für meine eigene Bereicherung tue, dem ist nämlich wirklich nicht so. Grund hierfür ist, dass ich mich hier unter den aktuellen Umständen absolut nutzlos fühle.⁸⁵⁵
Die Erledigung solcher Anträge oblag den Mitgliedern des spanischen Staatsrats (Consejo de estado).⁸⁵⁶ Obwohl sich die königlichen Minister sehr wohl bewusst waren, wie wichtig Bestechungsgelder als Verhandlungsmittel waren, konnten sie den Bitten der Gesandten nicht immer entsprechen. Diese mussten somit oft monatelang auf eine Geldsendung warten. Ursache dafür war nicht nur die bekanntliche Saumseligkeit der spanischen Behörden und der sich verschlech-
„Le beso las manos del dinero que se me ha hecho de enviar para gastos extraordinarios que en todos cabos los ay y en esta corte no se puede negociar sin dinero.“ [„Ich küsse Ihre Hände für das Geld, das mir Seine Majestät zur Deckung außerordentlicher Kosten geschickt hat. Ich habe Ausgaben, wo ich nur hinschaue. An diesem Hof kann man nicht ohne Geld verhandeln.“] – NAP, SP-S, Kart. 1, Guillén de San Clemente an Staatssekretär Andrés Prada (Prag, 20. 9. 1603). „Yo digo a V. E. todo lo que pasa para que haga instancia que me saquen de aquí o me den con que pueda pasar, asegurándoles que la que yo hago no es por granjería, como no lo es, sino por uerme hombre inútil para el seruicio del Rey.“ – de Ayerbe, Correspondencia (wie Anm. 77), S. 296. Zum spanischen Staatsrat vgl. z. B. Escudero, José Antonio: Los secretarios de Estado y del Despacho (1474– 1724). Bde. I–IV. 2. Aufl. Madrid 1976; Barrios, Feliciano (Hrsg.): El Consejo de Estado de la Monarquía española 1521– 1812. Madrid 1984. Zur Verabschiedung solcher Anträge vgl. z. B. den Beschluss AGS, E 711, fol. 168, Consejo de estado a los 16 de junio de 1618, sobre lo mucho que conviene proveer a Alemania una buena suma de dinero.
III.2 Belohnungen
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ternden Zustand der königlichen Finanzen, sondern auch die Tatsache, dass die Ausgaben, die für die spanische Botschaft am Kaiserhof getätigt wurden, von Jahr zu Jahr stiegen. Gerade während der Amtszeit von Guillén de San Clemente verzeichnete man einen spürbaren Anstieg der Ausgaben. Dies hing vor allem mit der verschlechterten politischen Situation in der Habsburgermonarchie sowie in Europa allgemein zusammen. Hand in Hand mit der wachsenden Agenda der spanischen Gesandten stieg der Bedarf, jene mitteleuropäischen Edelleute zu belohnen, die dem Dienst für den spanischen König gewogen waren. In den Jahren vor dem Dreißigjährigen Krieg stiegen Betriebskosten der Botschaft kontinuierlich.⁸⁵⁷ Bestechungsgelder sollten die Hofleute des Kaisers vor allem dazu motivieren, die Interessen des katholischen Königs in der mitteleuropäischen Habsburgermonarchie und im Heiligen Römischen Reich aktiver durchzusetzen. Sie konnten hierzu direkt oder indirekt bewogen werden. Der direkte Weg bedeutete ein offenes Tauschgeschäft: der spanische Gesandte bot dem Adeligen einen gewissen Betrag dafür an, dass sich dieser um die positive Abwicklung der vereinbarten Angelegenheiten kümmerte.⁸⁵⁸ Es konnte aber auch indirekt Einfluss auf den Adeligen genommen werden, und zwar mittels seiner „Herren und Freunde“.⁸⁵⁹ Im Falle einiger besonders einflussreicher Hofleute, bei denen nicht vorausgesetzt wurde, dass man sie für die Unterstützung der spanischen Imperialund Gegenreformationspolitik gewinnen könnte, sollten Bestechungsgelder zumindest dafür sorgen, dass sie sich nicht gegen diese Politik auflehnten.⁸⁶⁰ Adelige, die spanisches Geld aus letztgenanntem Grunde entgegennahmen, kann man aber kaum als tatsächliche Klienten des katholischen Königs betrachten.Wie bereits weiter oben gesagt, sind unter diesem Begriff nur jene Männer zu verste-
NAP, SP-S, Kart. 1, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 3. 7. 1610). NAP, SP-S, Kart. 1, Guillén de San Clemente an Staatssekretär Andrés de Prada (Prag, 18. 1. 1606). Hiervon zeugt ein Brief von Guillén de San Clemente, in dem der spanische Botschafter vorschlägt, auf das Verhalten des kaiserlichen Kammerdieners mit Hilfe von dessen Freund Carlo Ardesi aus Cremona Einfluss zu nehmen. – NAP, SP-S, Kart. 1, Guillén de San Clemente an Staatssekretär Andrés de Prada (Prag, 18. 1. 1606). Mit der Rolle der „guten Freundschaft“ in machtpolitischen Angelegenheiten befasste sich beispielsweise Bůžek, Páni a přátelé (wie Anm. 354), S. 258 – 262. Z. B. Guillén de San Clemente über Lang: NAP, SP-S, Kart. 1, Guillén de San Clemente an Staatssekretär Andrés de Prada (Prag, 18. 1. 1606).
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hen, die den spanischen König als ihren Patron ansahen und an ihn langfristig durch Loyalität gebunden waren.⁸⁶¹ Neben einmaliger finanzieller Entlohnung nutzten die spanischen Diplomaten zur Belohnung mitteleuropäischer Adeliger und zu ihrer Bindung an die Politik des katholischen Königs ebenfalls sogenannte Pensionen (pensiones). Diese sollten im Unterschied zu gewöhnlichen Bestechungsgeldern mit einer gewissen Regelmäßigkeit und zudem langfristig ausgezahlt werden. Daher überrascht nicht, dass sie nur für die einflussreichsten und hochrangigsten Persönlichkeiten aus den Reihen der Hofleute, des Landadels oder noch häufiger aus der Gruppe der souveränen Herrscher im Heiligen Römischen Reich vorbehalten waren.⁸⁶² Pensionen stellten eines der ältesten klientelistischen Mittel überhaupt dar. Sie wurden bereits vom ersten spanischen Gesandten am Kaiserhof, Claudio Fernández Vigil de Quiñones, Conde de Luna, genutzt, als er 1562 Philipp II. bat, den Reichsvizekanzler Georg Sigmund Seld durch diese Gunstbekundung zu ehren.⁸⁶³ In späteren Jahren erfuhren diese Ehre auch beispielsweise Johann Ulrich Zasius, Johann Baptist Weber, Adam von Dietrichstein und Wolf Rumpf zum Wielroß.⁸⁶⁴ Ähnlich, wie es bei der einmaligen finanziellen Entlohnung der Fall war, konnten Pensionen auch Personen, die außerhalb des Netzwerks der spanischen Herrscher standen, zuerkannt werden. Die Spanier mussten die Gunst vieler Reichsfürsten und kaiserlichen Ratgeber zu gewinnen versuchen, auch wenn diese ihren Interessen nicht gewogen waren. Als Beispiel kann die Pension in Höhe von 3.000 Dukaten angeführt werden, die Melchior Khlesl, dem Ratgeber von Matthias, ausgezahlt wurde.⁸⁶⁵ Im Jahre 1608 zog man in Madrid sogar in Treue wird als Grundstein der klientelistischen Beziehung betrachtet vor allem von Mousnier, Roland: Les fidelités et les clientèles en France aux XVIe, XVIIe et XVIIIe siècles. In: Social History 15 (1982). S. 35 – 46. Vgl. ebenfalls Droste, Patronage (wie Anm. 17), S. 583 – 584. Zum Begriff pensionarios (Pensionäre) vgl. Edelmayer, Söldner (wie Anm. 33), S. 27– 29; Marek, La embajada (wie Anm. 34), S. 161– 169. Chudoba, Las relaciones (wie Anm. 629), S. 315. Beispiele werden angeführt von Edelmayer, Söldner (wie Anm. 33), S. 61– 110. NAP, SP-S, Kart. 2, sine folio, Instrucción secreta al conde de Oñate para la Embajada en Alemania (San Lorenzo del Escorial, 16. 7. 1616). Baltasar de Zúñiga beschrieb Khlesls komplizierten Charakter mit folgenden Worten: „Es difficultoso el definir su persona porque es diferente de todas las otras. Ay que sufrir en él mucho pero le tengo todavía por persona que no tiene malos fines sino buenos en lo que toca al bien y prosperidad de la Casa de Austria y de la religión.“ – AGS, E, 2502, Nr. 164, Baltasar de Zúñiga an Juan de Ciriza (Prag, 18. 2. 1616). Der manchmal erwähnte Dukat oder Ducado ist eine Recheneinheit, keine Münze. Ist eine Münze gemeint, spricht man von Escudos. Im Untersuchungszeitraum waren der Escudo und der Ducado, von Währungsschwankungen abgesehen, im Wert nahezu identisch. Zum Gulden wurde der Dukat im Verhältnis 1:1,5 umgerechnet, das heißt 2 Dukaten = 3 Gulden. Der Gulden hatte 60 Kreuzer, der Taler, der ebenfalls vorkommt, 68 Kreuzer. Vgl. dazu Edelmayer, Söldner (wie Anm. 33), S. 28.
III.2 Belohnungen
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Erwägung, dem Anführer der Reichsprotestanten, Christian von Anhalt-Bernburg, eine Pension zu geben.⁸⁶⁶ Die Höhe der ausgezahlten Beträge war nicht einheitlich. Die mit Abstand höchste Pension empfingen traditionsgemäß Kurfürsten und Reichsfürsten. Eine gewisse Vorstellung von konkreten Summen kann man sich anhand der Rechnungen von Baltasar de Zúñiga machen. Ihnen zufolge wurden ab 1610 jedes Jahr 10.000 Florin an den Kurfürsten von Mainz, Johann Schweikhard von Kronberg, ausgezahlt, und einen ungefähr gleichen Betrag bekam auch der Kurfürst von Köln, Ernst von Bayern.⁸⁶⁷ Die Pensionen, die kaiserliche Hofleute erhielten, waren aber bei weitem nicht so hoch. Wolf Rumpf und Paul Sixt von Trautson mussten sich auf dem Höhepunkt ihrer Karrieren mit einer Pension von 1.200 Dukaten zufriedengeben. Rumpf erhielt aber diese Summe dreißig Jahre lang, und als Komtur des Santiagoordens stand ihm noch der Ertrag in Höhe von 2.000 Dukaten zur Verfügung, den ihm seine Encomienda einbrachte. ⁸⁶⁸ Die Auszahlung von Pensionen bildete einen der größten Posten in den Ausgaben der spanischen Botschaft.⁸⁶⁹ Weil die spanischen Gesandten fortwährend mit Geldmangel zu kämpfen hatten, mussten viele Pensionäre jahrelang auf ihr Geld warten.⁸⁷⁰ Solch ein Verzug konnte oft einen negativen Einfluss auf die Haltung der mitteleuropäischen Adeligen gegenüber Spanien und der spanischen Politik haben. Baltasar de Zúñiga war sich dessen sehr wohl bewusst und erinnerte daher in seinen Briefen Philipp III. stets daran, ihm eine entsprechende
AGS, E, 2494, Nr. 94, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 27. 9. 1608) Bardoňová, Španělská ambasáda (wie Anm. 82), S. 98 – 99. „Agora que faltan dos personas en el Consejo que el uno dellos ha más de 30 años que gana una pensión de 1200 ducados del Rey muerto y una encomienda de nuestro ábito que vale unos 2 mil y el otro asimismo, otra pensión de 1200 ducados y entreambos han recibido muchos millares de presentes sin los que se solían dar a muchos otros y agora después que he buelto no puedo granjear ninguna voluntad porque no tengo con que.“ – NAP, SP-S, Kart. 1, sine folio, Guillén de San Clemente an König Philipp III. (Prag, 20. 9. 1603). Zu Rumpf vgl. ebenfalls Edelmayer, Manus (wie Anm. 192). Martina Bardoňová hat ausgerechnet, dass während der Amtszeit von Baltasar de Zúñiga die Ausgaben für Pensionen, Entgelte und sogenannte entretenimientos ungefähr 45 % der Gesamtkosten der spanischen Botschaft ausmachten. – Bardoňová, Španělská ambasáda (wie Anm. 82), S. 105. Vgl. ebenfalls NAP, SP-S, Kart. 3, sine folio, Relación del dinero que se proveyó al conde de Oñate para la Embajada en Alemania desde el año 1617 hasta el 22 que son 5 870 763 florines. Im Jahre 1629 schuldete die spanische Botschaft an Pensionen bereits über 440.000 Gulden. – Günter, Die Habsburger-Liga (wie Anm. 77), S. 231– 233. Davon, dass Pensionsschulden auch während der Herrschaftszeit Philipps III. ein großes Problem für die Botschaft darstellten, spricht beispielsweise AGS, E 711, fol. 168, Staatsrat an König Philipp III. (Madrid, 16. 6. 1618).
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III Klientenstrategien der päpstlichen und spanischen Diplomaten
Summe Geldes zu schicken.⁸⁷¹ „Weil sich der Sankt-Johannistag nähert, wird es notwendig sein, die Pensionäre zu bezahlen, die ihre Bezüge fordern. Wenn mich bis dahin Eure Majestät nicht versorgt, weiß ich nicht, was ich tun soll“, schrieb er dem katholischen König.⁸⁷² Im Jahre 1615 sandte Zúñiga sogar seinen Sekretär Cristóbal de Mercadillo nach Madrid, um die Pensionen einzufordern.⁸⁷³ Angesichts der Probleme, die mit der regelmäßigen Auszahlung der Pensionen verbunden waren, überrascht es nicht, dass die spanischen Diplomaten selbst zumeist keine weiteren Pensionszusagen befürworteten und eher andere Formen der Belohnung bevorzugten. Conde de Oñate versuchte 1623, Philipp IV. von dessen Vorhaben abzubringen, weiteren mitteleuropäischen Klienten eine Pension zuzusprechen. Er schlug daher vor, ihre Tätigkeit lieber mittels einer einmaligen Zahlung oder eines Geschenks zu belohnen, denn solche Belohnungen belasteten das Budget der Botschaft nicht so sehr, ja sie erfreuten sich sogar größerer Beliebtheit bei den Klienten selbst.⁸⁷⁴ Die Ausgaben für Pensionen, die der spanische König Klienten am Kaiserhof zuerkannte, stiegen dennoch von Jahr zu Jahr. Betrugen sie während der Amtszeit von Baltasar de Zúñiga ungefähr 50.000 Gulden jährlich, so waren es in den zwanziger Jahren des 17. Jahrhunderts bereits knapp 80.000.⁸⁷⁵ Eine weitere Möglichkeit, Zufriedenheit mit der Tätigkeit eines konkreten Adeligen zu äußern und ihn zu weiterem Dienst zu motivieren bzw. zu verpflichten, stellten für die spanischen Gesandten Geschenke dar. Ihre Bedeutung wurde bereits im Zusammenhang mit der Teilnahme des Diplomaten an Festen, die anlässlich von Übergangsriten mitteleuropäischer Klienten veranstaltet wurden, angedeutet. Geschenke wurden aber auch bei anderen Gelegenheiten ge AGS, E 709, fol. 42, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 27. 9. 1608); E 2500, fol. 9, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Wien, 28. 10. 1614); E 711, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 27. 10. 1616). „También hay de pagar a los pensionarios que claman y para San Juan se junta otro plazo mas con que yo no sé cierto que hacerme si V. Md. no se sirve de proveerme.“ – AGS, E 710, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 16. 4. 1616). González Cuerva, Baltasar de Zúñiga (wie Anm. 43), S. 315 – 317. AGS, E 2507, fol. 418, Conde Oñate an König Philipp IV. (Regensburg, 22. 2. 1623); E 711, fol. 148, der spanische Staatsrat an König Philipp III. (Madrid, 28. 6. 1618) Angaben aus den Jahren 1617– 1622 sprechen davon, dass die spanische Botschaft in jenem Zeitraum 349.442 Gulden an Pensionen auszahlte, was 58.000 Gulden pro Jahr entspricht. In den Jahren 1625 – 1629 stieg diese Summe sogar auf 79.660 Gulden pro Jahr an. – NAP, SP-S, Kart. 2, Gutachten des spanischen Staatsrats zum Brief von Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Madrid, 22. 12. 1612); Kart. 3, Relación del dinero que se proveyó al conde de Oñate para la Embajada en Alemania desde el año 1617 hasta el 22 que son 5 870 763 florines; AGS, E 2327, Memoria de las pensiones que se pagan en la embajada de Alemania en 1620; Günter, Die Habsburger-Liga (wie Anm. 77), S. 231– 233.
III.2 Belohnungen
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nutzt. Einen regelmäßig erscheinenden Kostenpunkt der spanischen Botschaft bildeten auch sogenannte aguinaldos, also Geschenke, die Freunden in der Weihnachtszeit überreicht wurden.⁸⁷⁶ Zur Form dieser Präsente stehen keine näheren Angaben zur Verfügung. Es ist aber wahrscheinlich, dass die spanischen Diplomaten ihren Klienten Kleidung oder Lebensmittel schenkten.⁸⁷⁷ Davon zeugt auch die Tatsache, dass die Kosten dieser Geschenke nicht gerade schwindelerregend hoch waren und in der Regel um die 200 Florin pro Jahr betrugen.⁸⁷⁸ Nicht alle diese Geschenke mussten notwendigerweise ausschließlich Personen bekommen, die zum Beziehungsnetzwerk der spanischen Könige gehörten. Ein Geschenk sah man nämlich in der Frühen Neuzeit als eine Form des Ausdrucks von Respekt und als Bekundung von Höflichkeit an.⁸⁷⁹ Die meisten der Beschenkten waren aber dennoch wahrscheinlich Klienten des spanischen Königs. Zu den Personen, für die aus den Mitteln der Botschaft ein Geschenk gekauft wurde, gehörten zumeist Pensionäre sowie Personen, die auch weitere spanische Gunstbekundungen bekommen hatten.⁸⁸⁰ Der spanische Gesandte belohnte sie für ihre Dienste mit verschiedensten Gegenständen, mit denen er sich üblicherweise bereits vor seiner Reise an den Kaiserhof versorgt hat. Als Baltasar de Zúñiga 1608 die iberische Halbinsel verließ, nahm er beispielsweise 200 goldene emaillierte Knöpfe, 280 große Perlen im Wert von 5.200 Dukaten, Teller, Schüsseln, Trinkgefäße und weitere Bestandteile eines Services, zwölf Dutzend parfümierte Handschuhe, zwei Kästchen mit Pastillen und weitere zwei Kästchen mit aromatischen Pasten mit.⁸⁸¹ In allen Fällen handelte es sich um
de Ayerbe, Correspondencia (wie Anm. 77), S. 325 – 327. de Covarrubias, Sebastián: Tesoro de la lengua castellana o española. Madrid 1611. Bardoňová, Španělská ambasáda (wie Anm. 82), S. 88. Hatton, Ragnhild: Presents and Pensions: A Methodological Search and the Case Study of Count Nils Bielke’s Prosecution for Treason in Connection With Gratifications from France. In: Politics and Culture in Early Modern Europe: Essays in Honour of H. G. Koenigsberger. Hrsg. von Phyllis Mack u. Margaret C. Jacobin. Cambridge 2002. S. 102– 103. Bardoňová, Španělská ambasáda (wie Anm. 82), S. 89 – 90. „200 botones de oro esmaltados de valor de 3000 reales; 6 cadenas de oro esmaltadas y sin esmalte y una venera con el avijo de San Juan de valor todo de 1000 ducados; 6 cintillos de oro para sombreros de valor de 2000 reales; una pluma de diamantes con 244 diamantes grandes y pequeños de valor de 3500 ducados; 280 perlas gordas de valor de 5200 ducados; un vaso de cristal de valor 100 ducados; 200 marcos de plata dorada y palanca labrada emplatos escudillas fuente jarros picas de vever y otras piecas de serv.o; doce docenas de pares de guantes de ambar y cuatro de almizcle y cuatro de flores y cuatro de polvillo; dos cordobanes aderezados de flores para coletos; dos cajas de pastillas y otras dos alcorzas de olor q pesan 20 libras; 4 cofres de vestidos usados; 6 aderezos de espadas doradas, plateadas y negras; un cofre de ropa blanca; 8 acemilas de litera y carga; 24 mulas de silla.“ – Bardoňová, Španělská ambasáda (wie Anm. 82), S. 60 – 61.
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III Klientenstrategien der päpstlichen und spanischen Diplomaten
Luxusware, nach der am Kaiserhof sowie anderenorts in Europa eine große Nachfrage herrschte.⁸⁸² Es besteht kein Zweifel daran, dass beim Aufbau des spanischen Beziehungsnetzwerks in Mitteleuropa gerade Geschenken eine entscheidende Rolle zukam. Wenn wir die allgemein bekannte Schwäche von mitteleuropäischen Magnaten für materielle Belohnungen einmal beiseitelassen,⁸⁸³ so hatten die spanischen Gesandten auch noch viele weitere Gründe, an solchen Ausgaben nicht zu sparen. Das Beschenken wurde in der damaligen Gesellschaft als Ausdruck der Erinnerung an gegenseitige Beziehungen gesehen. Zugleich bedeutete es auch eine gewisse Form der symbolischen Materialisierung der Beziehung. Die Konsumierung des Geschenks sollte den Adeligen einerseits an den Schenkenden erinnern, andererseits ihn auch dazu bringen, weiterhin die Haltung einzunehmen, die man von ihm erwartete.⁸⁸⁴ In den Quellen, die päpstliche Nuntien betreffen, widerspiegelt sich nur sehr wenig die Nutzung von direkten finanziellen Provisionen. Explizit werden sie von Kardinal Ottavio Bandini in seinem Brief an Giovanni Stefano Ferreri vom November 1604 erwähnt, in dem er sich jedoch in einer rein privaten Angelegenheit bezüglich einer nicht näher spezifizierten Hilfe für seinen „allernächsten Freund“ Cosimo Strozzi an den Diplomaten wandte. Er empfiehlt dabei dem Nuntius, für diesen Zweck jenes Geld zu nutzen, das er „auf Geheiß Seiner Heiligkeit den Ministern Seiner Majestät auszahlen soll“.⁸⁸⁵ Leider kennen wir nicht den Kontext, in dem sich diese Auszahlung abspielen sollte, und wissen ebenso wenig, ob es sich um eine einmalige Angelegenheit oder gar um gängige Praxis handelte. Das Fehlen der Erwähnung von Geldprovisionen kann auch durch das System der Nuntiaturfinanzierung erklärt werden. Wie wir bereits gesehen haben (vgl. Kapi-
García García, El diario (wie Anm. 843), S. 465. Vgl. ebenfalls Marek, Pernštejnské ženy (wie Anm. 192), S. 110. Vgl. z. B. die Instruktion von Kardinal Ludovico Ludovisi an den päpstlichen Gesandten am Kaiserhof Carlo Caraffa, in der er den Nuntius auf die unterschiedliche „deutsche“ Mentalität hinweist. Unter anderem erwähnt er darin die besondere Vorliebe, mit der die Mitteleuropäer prunkvolle Geschenke annehmen. – AAV, SS, Nunziature diverse 250, fol. 42. Der Text der Instruktion wurde ebenfalls herausgegeben von Jaitner, Die Hauptinstruktionen Gregors XV. Bd. II (wie Anm. 67), Nr. 6, S. 602– 642. Kettering, Sharon: Gift-giving and patronage in Early Modern France. In: French History 2 (1988). S. 131– 151; Bastl, Beatrix: Gabentausch. Wiener Adelshochzeiten und ihre Bedeutung für die interkulturelle Kommunikation. In: Wiener Geschichtsblätter 54 (1999). S. 257– 271; Bůžek, Páni a přátelé (wie Anm. 354), S. 242. „[…] perché non solo Vostra Signoria potrà aiutarlo con la sua molta autorità, ma anco con la commodità del denaro, che lei deve sborsare per ordine di Nostro Signore alli ministri di Sua Maestà.“ – NAP, SP-It, Kart. 92, Nr. 498, Ottavio Bandini an Nuntius Ferreri (20. 11. 1604).
III.2 Belohnungen
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tel I.1.), war der feste Tarif, der von der Apostolischen Kammer monatlich zur Verfügung gestellt wurde, relativ niedrig und deckte kaum die Eigenausgaben der Diplomaten bzw. die Ausgaben ihrer famiglia. Man kann bezweifeln, dass die einzelnen Nuntien, die für den Betrieb der Nuntiatur aus eigenen Mitteln oder aus dem Familienhaushalt zuschießen mussten, diese Finanzen auf gleiche Art und Weise verwendeten wie die spanischen Diplomaten. Nur selten finden wir in Quellen aus dem Umfeld der Nuntiatur ebenfalls Informationen über Geschenke. Eine Ausnahme bildet der Brief von Kardinal Franz Dietrichstein vom 10. Juni 1604 an Giovanni Stefano Ferreri. Der Olmützer Bischof dankt darin für die Lieferung eines Bildes vom Maler Il Giuseppino. Es handelte sich damals jedoch um ein rein freundschaftliches Höflichkeitsgeschenk.⁸⁸⁶ Das Bestreben, mit Hilfe eines Geschenks die Unterstützung eines Klienten zu gewinnen, ist aber im Falle eines nicht näher bestimmten „schönen Geschenks“ sichtbar, mit dem derselbe Nuntius versuchte, sich Philipp Lang im Streit um die Herrschaft Sassuolo geneigt zu machen.⁸⁸⁷ Die geringe Häufigkeit des Vorkommens von vergleichbaren Aussagen in den Nuntiaturquellen deutet darauf hin, dass diese Form von Ressourcen für die Diplomaten des Heiligen Stuhls kein grundsätzliches Element darstellte, wenngleich sie zweifellos gelegentlich genutzt wurde.
III.2.2 Spanische Ritterorden Zu den vielfältigen Gunstbekundungen, derer sich die mitteleuropäischen Klienten des katholischen Königs erfreuen konnten, gehörten ebenfalls die Ordensgewänder der spanischen Ritterorden Santiago, Alcántara und Calatrava.⁸⁸⁸ Diese „Militias Christi“ wurden im 12. Jahrhundert auf Anregung der kastilischen Herrscher gegründet und waren eine Art spanisches Pendant zum Templerorden. Zu ihren wichtigsten Aufgaben gehörte es, Gott zu dienen und vor allem den
NAP, SP-It, Kart. 92, Nr. 499, Franz von Dietrichstein an Nuntius Ferreri (10. 6. 1604). Meyer, NBD IV/3 (wie Anm. 64), Nr. 346b, S. 266. Zur Geschichte der erwähnten Orden in der Frühen Neuzeit vgl. Postigo Castellanos, Honor (wie Anm. 196); Fernández Izquierdo, Francisco: La Orden militar de Calatrava en el siglo XVI. Infraestructura institucional. Sociología y prosopografía de sus caballeros. Madrid 1994 (Biblioteca de Historia 15); Ruiz Rodríguez, José Ignacio: Las Órdenes Militares Castellanas en la Edad Moderna. Madrid 2001. Eine aktuelle bibliografische Übersicht zur Geschichte der Ritterorden ist zu finden unter http://www.moderna1.ih.csic.es/oomm/default.htm (19. 8. 2019).
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III Klientenstrategien der päpstlichen und spanischen Diplomaten
katholischen Glauben zu verbreiten sowie die christliche Kirche zu verteidigen.⁸⁸⁹ In diesem Sinne waren sie die ganze Zeit bis zu ihrer Aufhebung im 19. Jahrhundert aktiv.⁸⁹⁰ Ende des Mittelalters waren sie dank ihres Reichtums, der strategischen Lage ihrer Herrschaften und nicht zuletzt dank ihrer militärischen Kraft zu einer der mächtigsten Institutionen auf der iberischen Halbinsel geworden. Ihre Stärke weckte somit berechtigte Befürchtungen bei der Krone von Kastilien, die von Anfang an bemüht war, diese Orden ihrer Autorität zu unterwerfen. Dies gelang erst 1523 unter Karl V. dank der Papstbulle des einstigen kaiserlichen Ratgebers und Präzeptors Hadrian VI.Von nun an waren diese Ritterorden fest mit der Krone von Kastilien verbunden, und der spanische König hatte darin dieselbe Rolle inne, die früher den Großmeistern zukam.⁸⁹¹ Im 16. Jahrhundert war die militärische Rolle dieser Orden fast verschwunden. Die Gewänder, geschmückt mit dem Santiago-, Calatrava- bzw. Alcántarakreuz, sollten nun stattdessen ein gewisses Mittel sozialer Distinktion werden. Sie wurden eine Art Erhabenheitssiegel, das belegte, dass ihr Träger zur Adelselite gehört.⁸⁹² Der Adelige, der sich um solch eine Ehrung bemühte, musste die Altehrwürdigkeit seines Geschlechts, die Reinheit des Bluts, Legitimität und tiefe religiöse Überzeugung im Sinne des radikalen Katholizismus belegen. Zugleich durften weder er, noch seine Vorfahren Handel oder anderen Berufen nachgegangen sein, die als unvereinbar mit ihrem Adelsstatus galten.⁸⁹³ Die Erfüllung dieser Bedingungen wurde vom königlichen Rat für Ritterorden (Real Consejo de las Órdenes Militares) überwacht.⁸⁹⁴ Sein Interesse, den elitären Charakter der Ritterorden aufrechtzuerhalten und zu verhindern, dass Personen, die nach gesellschaftlichem Aufstieg strebten, unter die Ordensritter eindringen würden, geriet aber mit der Zeit zunehmend in Konflikt mit den Interessen des Herrschers selbst. Karl V. und seine Nachfolger empfanden nämlich die Ritterorden vor allem als politisches Mittel, mit dessen Hilfe sie die Unterstützung einflussreicher Per-
Die beste Synthese zur Entwicklung dieser Orden im Mittelalter bietet de Ayala Martínez, Carlos: Las Órdenes Militares hispánicas en la Edad Media (siglos XII–XIV). Madrid 2003. Postigo Castellanos, Elena: Las tres ilustres órdenes y religiosas cavallerías instituidas por los reyes de Castilla y León: Santiago, Calatrava y Alcántara. In: Studia Historica – Historia Moderna 24 (2002). S. 57. Postigo Castellanos: Las tres ilustres órdenes (wie Anm. 890), S. 66. Postigo Castellanos, Honor (wie Anm. 196), S. 111– 112; Fernández Izquierdo, Francisco: ¿Qué era ser caballero de una Orden Militar en los siglos XVI y XVII? In: Torre de los Lujanes 49 (2003). S. 144. Postigo Castellanos, Las tres ilustres órdenes (wie Anm. 890), S. 70. Álvarez-Coca González, María Jesús: El Consejo de las Órdenes Militares. In: Cuadernos de Historia Moderna 15 (1994). S. 297– 323.
III.2 Belohnungen
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sonen gewinnen bzw. deren Loyalität belohnen konnten.⁸⁹⁵ Die strengen Regeln wurden somit nach und nach an die Bedürfnisse der Krone angepasst, und es wurden auch Männer in die Orden aufgenommen, die eine der festgelegten Regeln nicht erfüllten.⁸⁹⁶ Die allmähliche Unterstellung der Ritterorden unter die Bedürfnisse der spanischen Großmachtpolitik kam während der Frühen Neuzeit unter anderem durch den Zuwachs von Rittern, die aus Ländern außerhalb Spaniens stammten, zum Ausdruck. Zahlreiche Ordensgewänder der spanischen Ritterorden wurden damals vor allem Adeligen in den Nebenländern der spanischen Monarchie verliehen: in den spanischen Vizekönigreichen in der Neuen Welt und in Italien, in Portugal und in Flandern.⁸⁹⁷ In den Verzeichnissen der Ordensritter, die von Vicente Vignau und Francisco Uhagón niedergeschrieben wurden, erscheinen aber auch eine nicht zu vernachlässigende Menge an Schweizern, Iren, Engländern und Adeligen aus dem Heiligen Römischen Reich und der mitteleuropäischen Habsburgermonarchie.⁸⁹⁸ Hierher waren die spanischen Ritterorden erstmals schon unter Ferdinand I. deutlicher vorgedrungen.⁸⁹⁹ Ganz offensichtlich führte die Übertragung der Ritterorden in ein kulturell und historisch völlig unterschiedliches Umfeld zu einem deutlichen Wandel der Wahrnehmung dieser Institution. Die gesellschaftliche Rolle der Ordensgewänder war nicht konstant und passte sich den lokalen Bedürfnissen an. So war beispielsweise der Begriff des „reinen Blutes“, der zu den grundlegenden Kriterien bei der Stratifizierung der spanischen Gesellschaft gehörte und einer der Grundsteine der Ritterorden der Frühen Neuzeit war, den meisten ungarischen, österreichischen, deutschen und böhmischen Adeligen unbekannt. In Mitteleu-
Fernández Izquierdo, Francisco: Honra y prestigio por la gracia del Rey de España: los caballeros de hábito militar en el inicio del reinado del tercer Felipe. In: La monarquía hispánica en tiempos del Quijote. Hrsg. von Porfirio Sanz Camañes. Madrid 2005. S. 196. Für weitere Beispiele vgl. Mur i Raurell, La mancha roja (wie Anm. 84). Als bahnbrechend erscheint in dieser Hinsicht auch die Herrschaft Philipps IV., während derer – den Hochrechnungen von Elena Postigo Castellanos zufolge – 468 italienische Adelige, 187 Adelige aus dem spanischen Amerika, 74 Adelige aus Flandern und 25 Portugiesen mit einem Ordensgewand belohnt wurden. – Postigo Castellanos, Honor (wie Anm. 196), S. 205 – 206. Vignau u. Uhagón, Índice (wie Anm. 655); dies.: Índice de pruebas de los caballeros que han vestido el hábito de Calatrava, Alcántara y Montesa desde el siglo XVI hasta la fecha. Madrid 1903. Zu den Iren vgl. ebenfalls Bravo Lozano, Cristina: La fidelidad viste de hábito. Irlandeses en las Órdenes Militares castellanas (1665 – 1727). In: Los hilos de Penélope. Lealtad y fidelidades en la Monarquía de España (1648 – 1714). Hrsg. von Roberto Quirós Rosado u. Cristina Bravo Lozano. Valencia 2015. S. 127– 143. Mur y Raurell, Ex Hispaniis sequuti (wie Anm. 827), S. 95 – 97; dies., La mancha roja (wie Anm. 84), S. 53 – 88.
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III Klientenstrategien der päpstlichen und spanischen Diplomaten
ropa symbolisierten somit die Santiago-, Calatrava- und Alcántarakreuze weniger die „reine Rasse“ als die Zugehörigkeit des Adeligen zum prospanischen katholischen Lager.⁹⁰⁰ Eine zentrale Rolle bei der Verleihung der Ordensgewänder an mitteleuropäische Adelige kam den spanischen Gesandten zu. Sie waren es, die üblicherweise den katholischen König über die Dienste, die diese Personen für die spanische Krone leisteten bzw. leisten könnten, informierten. In vielen Fällen wurden auch Protokolle von Zeugenvernehmungen niedergeschrieben, die ein untrennbarer Bestandteil der Dokumente waren, die der Rat für Ritterorden forderte, und die vor der Aufnahme eines jeden Mitglieds eingereicht werden mussten. Schließlich darf auch nicht vergessen werden, dass die Diplomaten am Kaiserhof den König, also den Großmeister des Ordens, vertraten. Aus diesem Grunde wurde ihnen eine zentrale Rolle bei der Investitur selbst zuteil, und sie hatten auch die Ehre, die ganze Zeremonie zu leiten und das neue Mitglied zum Ritter zu schlagen.⁹⁰¹ Während die Ordensgewänder in den ersten Herrschaftsjahren von Ferdinand I. ausschließlich Spanier aus dem engsten Umfeld des habsburgischen Herrschers zierten, waren am Ende seiner Herrschaft bereits auch einige Vertreter des örtlichen Adels unter den Ordensrittern. Eine gewisse Rolle hatte hierbei zweifellos Ferdinands Schwiegertochter Maria von Spanien gespielt, denn mit der Ankunft ihres Hofstaats wurden die spanischen Einflüsse in Mitteleuropa deutlich gestärkt.⁹⁰² Dabei wurden die spanischen Ritterorden nicht einmal in der herrschenden Dynastie selbst einheitlich empfunden. Während Ferdinand I. und Maria von Spanien die ideologische Grundlage der Orden betonten, die auf der Bekämpfung aller Feinde des heiligen katholischen Glaubens fußte, und sich hiermit identifizierten, war die Herangehensweise Maximilians II. an diese Ehrung äußerst utilitaristisch. Seine Ansichten zur Mitgliedschaft in spanischen Ritterorden formulierte er prägnant in seinem Brief an den kaiserlichen Gesandten Adam von Dietrichstein, in dem er schrieb: „Das Kreuz allein und nichts dazu würde ihm aber mehr Unkosten als Nutzen bringen.“⁹⁰³ In den Augen von Ferdinands Nachfolger auf dem Kaiserthron war also die Aufnahme eines Adeligen in
Mur i Raurell, Austríacos (wie Anm. 654), S. 94. Beispiele werden angeführt bei Mur i Raurell, La mancha roja (wie Anm. 84). Vgl. dazu Jiménez Díaz, El coleccionismo (wie Anm. 173); Marek, Pernštejnské ženy (wie Anm. 192). Mur y Raurell, Austríacos (wie Anm. 654), S. 83.
III.2 Belohnungen
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den Orden nur dann sinnvoll, wenn sie mit dem Erhalt einer Encomienda verbunden war.⁹⁰⁴ Wenngleich sich Maximilian II. zu Fragen der Verteidigung des katholischen Glaubens sehr lau stellte, erwarb gerade unter seiner Herrschaft die Zugehörigkeit zu spanischen Ritterorden in Mitteleuropa einen ausgeprägten religionspolitischen Aspekt. Die Inhaber von Ordensgewändern, die stolz ihren Glauben zur Schau stellten, waren in Zeiten des posttridentinischen Katholizismus dazu prädestiniert, sich an die Spitze der gegenreformatorischen Kampagne in Mittel- und Westeuropa zu stellen. Die mit dem Santiago-, Calatrava- bzw. Alcántarakreuz geschmückten Gewänder wurden damals zum Symbol eines kompromisslosen und kämpferischen Katholizismus, dessen Ziel es war, den Protestantismus dauerhaft zu besiegen und die Christenheit erneut unter der Autorität des Papstes zu vereinen. Die Ordensritter selbst, sogenannte freiles, hielten die aktive Bekämpfung der Reformation für ihre Pflicht. Der Kampf, den sie gegen die Anhänger der Lehre von Luther und Calvin führten, stellte für die spanischen Ritterorden eine bloße Fortsetzung ihres unaufhörlichen Kampfes gegen die Ungläubigen dar, dessen Wurzeln in die Zeiten der Reconquista reichten. Es ist offensichtlich, dass solch eine Haltung in Mitteleuropa äußerst ambivalent gesehen wurde.Während die Katholiken die Ordensbrüder als Hüter der Grundwerte des katholischen Glaubens und Beschützer der katholischen Moral betrachten mochten, waren sie aus der Sicht der Protestanten vor allem ein gefügiges Instrument der spanischen Imperialpolitik.⁹⁰⁵ Es scheint daher etwas überraschend, dass sich diese Ordensgewänder im mitteleuropäischen Raum gerade unter Rudolf II. erstmals stärker verbreiteten.⁹⁰⁶ Rudolf teilte offensichtlich die negative Haltung seines Vaters zu den spanischen Ritterorden nicht und fungierte oft als Fürsprecher bei der Erteilung dieser Eh-
Daher versuchte er für die Personen aus seiner Umgebung neben Ordensgewändern auch die Würde des Komturs zu besorgen. Es handelte sich beispielsweise um Francisco Laso de Castilla, der 1558 in den Santiagoorden aufgenommen wurde und anschließend die Encomienda Campo de Criptana in Neukastilien erhielt, oder z. B. um Diego Manrique de Mendoza, Maximilians Mundschenk und zukünftigen Stallmeister der Kaiserin Maria, der in den fünfziger oder sechziger Jahren des 16. Jahrhunderts dieses Ordensgewand anzog und 1572 aus den Händen Philipps II. die Encomienda Mora unweit von Toledo entgegennahm. – Mur i Raurell, Ex Hispaniis sequuti (wie Anm. 827), S. 98. Vgl. dazu Mur i Raurell, Las Órdenes Militares españolas y la Contrarreforma europea. In: Las Órdenes Militares en la Península Ibérica. Hrsg. von Jerónimo López-Salazar Pérez. Cuenca 2000. S. 1817– 1822. Mur i Raurell, La mancha roja (wie Anm. 84), S. 111– 158 (vgl. ebenfalls die Tabelle auf S. 441– 446).
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III Klientenstrategien der päpstlichen und spanischen Diplomaten
rung.⁹⁰⁷ Aus dem Verzeichnis der Männer, die in den Zeiten Rudolfs II. unter die Santiago- bzw. Calatravaritter aufgenommen wurden, geht zugleich hervor, dass politisch einflussreiche Männer vom Prager Hof nur selten unter den Geehrten waren. Eine Ausnahme war Wolf Rumpf zum Wielroß, der nach mehrerjährigen Verhandlungen 1592 in den Santiagoorden aufgenommen wurde.⁹⁰⁸ Es wäre zudem falsch, dem Kaiser den größten Verdienst um den Aufschwung der spanischen Ritterorden in Mitteleuropa zuzuschreiben. Viel wichtiger war der Beitrag, den der Gesandte Guillén de San Clemente leistete, und möglicherweise auch das Zutun von König Philipp II. selbst. Sie erkannten zu Recht das Potenzial der Belohnung in Form der Ordensgewänder und nutzten es zum Aufbau des eigenen Beziehungsnetzwerks.⁹⁰⁹ Die Gruppe der mitteleuropäischen Angehörigen spanischer Ritterorden war äußerst heterogen. Neben bedeutenden Persönlichkeiten des Hofes, wie z. B. Wolf Rumpf zum Wielroß und Adam von Dietrichstein, trugen auch Kämmerer des Kaisers (Lodovico Colloredo) und weitere niedere Beamte (Hieronymus Walter Zapata), Diplomaten (Otto Heinrich von Schwarzenberg), sowie beim Militär tätige Personen (z. B. Sebastian Lodron, Georg Tannenberg), darunter insbesondere Offiziere vom ungarischen Schlachtfeld, dieses Gewand.⁹¹⁰ Die meisten der Geehrten wurden in den Santiagoorden aufgenommen. Dieser erfreute sich auch des größten Prestiges im Ausland, und Ausländer begehrten vor allem die Gewänder mit den schwertförmigen Jakobskreuzen.⁹¹¹ Hierfür gab es offenbar mehrere Gründe. Es kann angenommen werden, dass die Tatsache, dass dieser Orden die meisten Encomiendas zur Verfügung hatte, eine zentrale Rolle spielte. Dadurch konnte der Santiagoorden viel besser als andere Orden die Hoffnungen jener Ritter erfüllen, die von ihrer Zugehörigkeit zur Ordensbruderschaft vor allem wirtschaftlichen Profit und gesellschaftlichen Aufstieg erwarteten. Der Santiagoorden war aber möglicherweise auch deshalb so beliebt, weil er keine übertriebenen Ansprüche an das Leben seiner Mitglieder stellte. Während sich die innere Organisation des Calatrava- und des Alcántaraordens nach der strengen Ordensregel der Zisterzienser richtete, hielt sich der Santiagoorden an
Vgl. z. B. AFT, Cod. 2088, Hans Khevenhüller an Cristóbal de Moura (Madrid, 30. 6. 1596). Edelmayer, Friedrich: Los extranjeros en las Órdenes Militares. In: Torre de los Lujanes 49 (2003). S. 177– 186; ders., Wolf Rumpf (wie Anm. 263). Mur i Raurell, La mancha roja (wie Anm. 84), S. 118 – 150. Mur i Raurell, La mancha roja (wie Anm. 84), S. 447– 451. Es handelte sich um einen allgemeinen Trend, den man auch in anderen europäischen Ländern beobachten konnte, wenngleich sich auf der iberischen Halbinsel selbst die Angehörigkeit zu den Orden Calatrava und insbesondere Alcántara viel größerem Ansehen erfreute. – Postigo Castellanos, Honor (wie Anm. 196), S. 118 u. 194– 195.
III.2 Belohnungen
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die weniger stringente Augustinusregel. In diesem Orden begann somit sehr früh der weltliche Ansatz gegenüber den geistlichen Aspekten zu überwiegen.⁹¹² Der strengere Calatravaorden war am Kaiserhof vor allem dank der Familie Adams von Dietrichstein langfristig vertreten. Dieser steirische Adelige zog das Gewand mit den roten Lilienkreuzen bereits 1568 an, als er kaiserlicher Gesandter in Madrid war, ein Jahr danach wurde er auch Komtur der aragonischen Encomienda Alcañiz. Diese blieb zwar nur bis zu Adams Tod († 1590) im Besitz der Familie Dietrichstein, aber bereits 1597 erwarb sein Sohn Maximilian, Graf de Licova, eine noch ertragreichere Encomienda im andalusischen Cañaveral. Maximilian von Dietrichstein setzte sich erfolgreich dafür ein, dass auch seine Nachkommen Gewänder mit dem Calatravakreuz tragen konnten, ja sogar dass sie ebenfalls Komture wurden. Cañaveral blieb somit bis Ende des 17. Jahrhunderts in den Händen der Familie Dietrichstein.⁹¹³ Die Würde des Komturs (encomendador) war am Kaiserhof nur den bedeutendsten Klienten des spanischen Königs vorbehalten. Neben den Dietrichsteinern wurde diese Gnadenbekundung in der zweiten Hälfte des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts auch dem italienischen Diplomaten in kaiserlichen Diensten, Claudio Trivulzio, und Wolf Rumpf zum Wielroß zuteil, dem 1594 die reiche Encomienda Paracuellos anvertraut wurde.⁹¹⁴ In den darauffolgenden Jahren wurde angesichts der steigenden Anzahl dieser Ehrungen die Möglichkeit, eine Encomienda zu bekommen, für mitteleuropäische Adelige noch geringer. Die Anzahl der Encomiendas an sich war nämlich recht begrenzt und konnte mit der Inflation der Verleihung von Ordensgewändern, zu der es im Laufe des 17. Jahrhunderts kam, nicht Schritt halten.⁹¹⁵ Während sich am Ende der Herrschaftszeit Philipps II. noch jeder zweite Ritter des Calatravaordens einer Encomienda erfreuen konnte, waren diese Güter unter seinem Nachfolger nahezu ausschließlich den
Postigo Castellanos, Honor (wie Anm. 196), S. 196 – 198; Fernández Izquierdo, Qué era ser caballero (wie Anm. 892). Baďura, Los intereses (wie Anm. 199); ders., La casa (wie Anm. 192). Mur i Raurell, La mancha roja (wie Anm. 84), S. 107. Bei der Erteilung der Encomienda an Conde Trivulzio spielte die Fürsprache von Kaiser Maximilian eine wichtige Rolle. – AFT, Cod. 2088, Kaiser Maxmillian II. an König Philipp II. (Wien, 10. 9. 1571). Dem Santiagoorden standen zu Beginn des 17. Jahrhunderts 94 Encomiendas im Gesamtwert von 308.889 Dukaten zur Verfügung, der Orden Calatrava besaß 51 Encomiendas im Wert von 135.000 Dukaten und schließlich der Orden Alcántara 38 Encomiendas im Wert von 118.248 Dukaten. – Postigo Castellanos, Las tres ilustres órdenes (wie Anm. 890), S. 69. Zum großen Anstieg der Anzahl von Ordensrittern im 17. Jahrhundert vgl. z. B. Fernández Izquierdo, Qué era ser caballero (wie Anm. 892), S. 152.
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III Klientenstrategien der päpstlichen und spanischen Diplomaten
einflussreichsten Mitgliedern des spanischen Hofes, Verwaltern einzelner spanischer Provinzen und weiteren bedeutenden Dienern der Krone vorbehalten.⁹¹⁶
III.2.3 Der Orden vom Goldenen Vlies Die größte Ehrung, die den Mitgliedern des Beziehungsnetzwerks der spanischen Könige zukommen konnte, war die Aufnahme in den Orden vom Goldenen Vlies. Gerade diese altehrwürdige burgundische Institution verwandelte sich nach ihrer Übertragung nach Spanien zu einem elitären Bund, in dem die bedeutendsten Anhänger der habsburgischen Politik vereint waren. Grundlegende konstituierende Elemente dieses Ordens waren Erhabenheit, Loyalität zur herrschenden Dynastie und Ergebenheit gegenüber der katholischen Kirche. Das Funktionieren des Ordens richtete sich nach den 66 Artikeln seiner Statuten, die 1431 während des ersten Ordenskapitels in Lille verkündet wurden. Sie regelten die Rechte und Pflichten der einzelnen Mitglieder bis ins kleinste Detail.⁹¹⁷ Um für Exklusivität des Ordens vom Goldenen Vlies zu sorgen, musste sich der Adelige, der diese Ehrung erhalten sollte, von allen anderen weltlichen und kirchlichen Orden lossagen.⁹¹⁸ Zugleich wurde absolute Unterwerfung unter die Ordensstatuten gefordert, bei deren Verletzung Sanktionen drohten.⁹¹⁹ Unter der Herrschaft des Hauses Habsburg begann sich der Ruhm der Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies auch außerhalb der ursprünglichen Grenzen des Herzogtums Burgund zu verbreiten. In den Zeiten Karls V. wurden neben mehreren gekrönten Häuptern und flämischen Aristokraten auch Spanier und Italiener in größerer Zahl in den Orden aufgenommen, denn der Kaiser nutzte dieses Mittel gekonnt, um die Adelseliten des habsburgischen Imperiums an seine Politik zu binden. In Mitteleuropa konnten sich dieser Auszeichnung zunächst
Fernández Izquierdo, Qué era ser caballero (wie Anm. 892), S. 153. Eine Abschrift der Ordensstatuten und ein Verzeichnis der Ritter vom Goldenen Vlies präsentiert Ceballos-Escalera y Gila, marqués de la Floresta, Alfonso (Hrsg.): La insigne Orden del Toisón de Oro. Madrid 2000. Vgl. ebenfalls de Pinedo y Salazar, Julián: Historia de la Insigne Órden del Toysón de Oro, dedicada al Rey, Nuestro Señor, Xefe Soberano, y Gran Maestre de ella. Bde. I–III. Madrid 1787; Romero de Juseu y Lerroux, marqués de Cárdenas, José: El Toisón de Oro. Orden dinástica de los duques de Borgoña. Madrid 1960. Die einzige Ausnahme galt für Kaiser, Könige und Herzöge, denen erlaubt war, auch andere Orden zu benutzen, vorausgesetzt, dass deren Verleihung zu ihren Zuständigkeiten gehörte. Vgl. Romero de Juseu y Lerroux, El Toisón (wie Anm. 917), S. 54. Vgl. z. B. Sumario de los registros del Tuson que tratan del castigo de los caballeros de la orden – Biblioteca Nacional de España Madrid, Documentos históricos. Siglo XVI, MSS 18768, fol. 123 – 134.
III.2 Belohnungen
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ausschließlich Angehörige von Herrscherhäusern und mächtige Reichsfürsten rühmen. Zu Inhabern der Kette (Collane) mit dem Schaffell gehörten beispielsweise der böhmische König Ludwig Jagiello (1516), Philipp der Streitbare, Herzog von Pfalz-Neuburg (1531), und der Herzog von Sachsen, Georg der Bärtige (1531).⁹²⁰ Nur in Ausnahmefällen erhielten unter der Herrschaft Karls V. Hofleute und Diener der österreichischen Linie des Hauses Habsburg das Ordensgewand. Im Jahre 1531 wurde zwar Nikolaus III. von Salm-Neuburg, ein Held aus den Zeiten der Belagerung Wiens, unter die Ritter vom Goldenen Vlies aufgenommen, er war aber für lange Zeit der einzige.⁹²¹ Erst mehr als zwanzig Jahre später folgte 1555 der böhmische Adelige Wratislaw von Pernstein, der in den Orden aufgenommen wurde kurz nachdem er als Gesandter von Erzherzog Maximilian und seiner Frau Maria von Spanien in Winchester der Hochzeit des spanischen Königs Philipp II. mit Maria Tudor beigewohnt hatte. Gerade die Beteiligung an dieser Mission war zusammen mit der Fürsprache des zukünftigen Kaiserpaars wohl der ausschlaggebende Faktor dafür, dass dieser damals noch nicht einmal fünfundzwanzigjährige junge Mann ohne größere persönliche Verdienste in die Elite des europäischen Adels aufgenommen wurde.⁹²² Im Jahre 1559 wurde auch der Oberstkanzler des Königreichs Böhmen, Joachim von Neuhaus, zum Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies ernannt, der ähnlich wie Pernstein an der Spitze einer diplomatischen Mission, die von den österreichischen Habsburgern nach Spanien gesandt wurde, gestanden haben soll.⁹²³ Diese burgundische Auszeichnung fasste jedoch an den Höfen der mitteleuropäischen Habsburger erst dann Fuß, als 1585 auch Rudolf II. die Kette mit dem Schaffell erhielt. Zusammen mit dem Kaiser wurden damals in Prag auch die Erzherzöge Karl von Innerösterreich und Ernst von Österreich in den Orden aufgenommen. Gleich am darauffolgenden Tag folgten der „böhmische Vizekönig“, Wilhelm von Rosenberg, und der Geheimrat des Kaisers, Leonhard von Harrach.⁹²⁴ Es war das erste Mal, dass sich die Zeremonie direkt am Hofe der österreichischen Habsburger abspielte, und es verwundert daher nicht, dass sie in
Ceballos-Escalera y Gila, La insigne Orden (wie Anm. 917), S. 268 u. 275. Zu ihm vgl. von Wurzbach, Constant: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. Bd. XXVIII. Wien 1874. S. 138 f. Marek, Pernštejnské ženy (wie Anm. 192), S. 54– 60. Joachim von Neuhaus wurde von den Historikern bislang vernachlässigt. Zu seiner Aufnahme in den Orden sowie zu seiner angeblichen spanischen Mission vgl. Ceballos-Escalera y Gila, La insigne Orden (wie Anm. 917), S. 293. Dazu vgl. Bůžek, Ferdinand von Tirol (wie Anm. 268), S. 283 – 303.
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III Klientenstrategien der päpstlichen und spanischen Diplomaten
Mitteleuropa für außerordentliche Aufmerksamkeit sorgte.⁹²⁵ Obwohl die Würde des Großmeisters vom spanischen König wahrgenommen wurde, gewannen die Ketten mit dem stilisierten Schaffell seitdem auch in der Habsburgermonarchie zunehmend an Ruhm und Beliebtheit. Dies veränderte auch nicht die Tatsache, dass die nächste feierliche Verleihung des Ordens vom Goldenen Vlies erst zwölf Jahre später stattfand und offensichtlich nicht auf solch ein Interesse wie die vorherige Investitur stieß. Am 19. Juni 1597 überreichte Rudolf II., betraut vom spanischen König Philipp II., bei einer Festzeremonie in Prag den Orden an seinen Bruder Matthias und an seinen Cousin Ferdinand von Innerösterreich.⁹²⁶ Im selben Jahr erhielt ebenfalls Fürst Sigismund Báthory, der kurz zuvor den Habsburgern die Herrschaft über Siebenbürgen überlassen hat, diesen Orden aus den Händen des Kaisers. Für die Ernennung Báthorys plädierten nicht nur päpstliche Diplomaten, sondern auch Kaiser Rudolf II. persönlich.⁹²⁷ Báthorys Fall belegt zudem, dass nicht jeder Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies zugleich ein Klient des spanischen Königs sein musste. Wenngleich dies für Rudolf II. nur bedingt galt, setzten sich die mitteleuropäischen Habsburger in den späteren Jahren oft beim Großmeister des Ordens dafür ein, dass er das Goldene Vlies einem ihrer Hofleute, Offiziere oder befreundeten Fürsten verlieh. Da der Kaiser keine vergleichbare Auszeichnung erteilen konnte, war dies für ihn der einfachste und kostengünstigste Weg zur Stärkung der Loyalität seiner Untertanen und Alliierten.⁹²⁸ Die Zeremonie in Wien, bei der Fürst Sigismund Báthory ausgezeichnet wurde, war die letzte, an der Rudolf II. teilnahm. Die darauffolgenden Feiern Der Verlauf des Festes wurde sogar im Buch von Paul Zehendtner vom Zehendtgrueb festgehalten, der als Sekretär des Erzherzogs Ferdinand von Tirol direkt daran teilnahm. Zehendtners Reportage wurde zugleich zur Unterlage der illuminierten Handschrift von Sigmund Elsässer. – Zehendtner vom Zehendtgrueb, Paul: Ordenliche Beschreibung mit was stattlichen Ceremonien vnd Zierlichheiten, die Röm. Kay. May. vnser aller gnedigster Herr, sampt etlich andern Ertzhertzogen, Fürsten vnd Herrn, den Orden deß Guldin Flüß, in disem 85. Jahr zu Prag vnd Landshut empfangen vnd angenommen […]. Dillingen 1587. Die Handschrift von Sigmund Elsässer befindet sich in Österreichische Nationalbibliothek Wien, Cod. 7249, fol. 123 – 126. Zitiert nach Bůžek, Ferdinand von Tirol (wie Anm. 268), S. 288. Ceballos-Escalera y Gila, La insigne Orden (wie Anm. 917), S. 304. Für beide Erzherzöge plädierten damals beim König Philipp II. der kaiserliche Gesandte Hans Khevenhüller zusammen mit der Kaiserin-Witwe Maria von Spanien. –AFT, Cod. 2088, Hans Khevenhüller an Cristóbal de Moura (Madrid, 27. 10. 1595); ebd., ein unbekannter Schreiber an König Philipp II. (Madrid, 16. 5. 1596), González Cuerva, Rubén: El prodigioso príncipe transilvano: La larga guerra contra los turcos (1593 – 1606) a través de las relaciones de sucesos. In: Studia historica – historia moderna 28 (2006). S. 292; AFT, Cod. 2088, Hans Khevenhüller an Cristóbal de Moura (Madrid, 30. 6. 1596). Weitere Beispiele zeigt Marek, La embajada (wie Anm. 34), S. 178.
III.2 Belohnungen
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fanden erst nach seinem Tod 1612 statt, und in den Orden wurden einstige enge Ratgeber des Kaisers aufgenommen. Im September wurde in Prag Georg Ludwig von Leuchtenberg mit der Collane dekoriert, im Dezember wurde bei einer nicht minder prächtigen Zeremonie in Wien Paul Sixt von Trautson in den Orden aufgenommen. In beiden Fällen vertrat Kaiser Matthias den Großmeister.⁹²⁹ Neben den erwähnten Personen wurden während der Herrschaftszeit Rudolfs II. auch die kaiserlichen Diplomaten und Gesandten in Spanien Hans Khevenhüller von Eichlberg (1587) und Francesco Gonzaga di Castiglione delle Stiviere (1611) in den Orden vom Goldenen Vlies aufgenommen.⁹³⁰ Während Hans Khevenhüller auf diese Weise nach vielen Dienstjahren geehrt wurde, als er bereits fest in den Strukturen des Königshofs von Madrid verankert war, erfuhr Francesco Gonzaga die frohe Botschaft bereits vor seiner Abreise zur iberischen Halbinsel. Seiner Ernennung war sicherlich auch zugutegekommen, dass seine Familie zu den altehrwürdigen Befürwortern der habsburgischen Herrschaft in Italien gehörte.⁹³¹ Es darf aber auch nicht die Tatsache unterschätzt werden, dass er dank seiner Vermählung mit Bibiana von Pernstein auch mit dem Adelsgeschlecht Pernstein versippt war.⁹³² Es war paradoxerweise gerade die Zusage des Ordens vom Goldenen Vlies, die Gonzagas Abreise nach Madrid deutlich verzögerte. Der toskanische Gesandte in Prag, Giuliano dei Medici, spekulierte sogar darüber, dass die Aufnahme von kaiserlichen Diplomaten in den Orden vom Goldenen Vlies den Kaiser dermaßen verärgert haben könnte, dass er sich entschloss, anstatt Gonzaga seinen einstigen Sekretär aus Venedig, Rossi, nach Spanien zu schicken.⁹³³ Obwohl offensichtlich ist, dass gerade während der Herrschaftszeit von Rudolf II. der Orden vom Goldenen Vlies definitiv in der Gedankenwelt des mitteleuropäischen Adels Fuß fasste und nachhaltig zu ihrem Bestandteil wurde, hat sich der Kaiser selbst jedoch kaum darum verdient gemacht. Vielmehr kann man
García García, El diario (wie Anm. 843), S. 488. Ceballos-Escalera y Gila, La insigne Orden (wie Anm. 917), S. 303 u. 316. Zu Khevenhüller vgl. Veronelli, Sara: Al servizio del signore e dell’onore: l’ambasciatore imperiale Hans Khevenhüller. In: Ambasciatori e nunzi. Figure della diplomazia in età moderna. Hrsg.von Daniela Frigo. Roma 1999 (Quaderni di Cheiron 30). S. 133 – 170; Alvar Ezquerra, Alfredo: El Embajador imperial Hans Khevenhüller (1538 – 1606) en España. Madrid 2015. Zu Francesco Gonzaga vgl. Marocchi, Principi (wie Anm. 648), S. 113 f. Gerade das geschickte diplomatische Vorgehen der Pernsteinʼschen Frauen, die ihre Kontakte zu Vertreterinnen und Vertretern des Hauses Habsburg nutzten, verhalf einige Jahre zuvor Andrea Matteo Acquaviva, Principe di Caserta, einem weiteren italienischen Adeligen, zum Orden vom Goldenen Vlies. – Marek, Pernštejnské ženy (wie Anm. 192), S. 267– 277. ASFi, Mediceo del Principato, 4364, fol. 282, Giuliano Medici an Großherzog Cosimo II. de’ Medici (Prag, 25. 5. 1609).
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III Klientenstrategien der päpstlichen und spanischen Diplomaten
hinter diesem Phänomen die Machtambitionen von Philipp II. vermuten, und vor allem sein Bestreben, am Kaiserhof sowie in den höchsten Landesämtern der einzelnen Länder der Habsburgischen Monarchie ergebene Befürworter seiner Vorhaben zu gewinnen. Der elitäre Charakter des Ordens und die Möglichkeit, einer Gruppierung beizutreten, die viele Mitglieder des Hauses Habsburg selbst vereinte, übte auf die Angehörigen des mitteleuropäischen Adels große Anziehungskraft aus. Magnaten, die mit dem Orden vom Goldenen Vlies dekoriert waren, erfreuten sich zudem vieler wirtschaftlicher Erleichterungen (Freistellung von Steuern, Maut und Zoll) und gesellschaftlicher Vorteile. Gerade sie besetzten zusammen mit ausländischen Gesandten und Geheimräten in den darauffolgenden Jahren die höchsten Stufen der höfischen Hierarchie.⁹³⁴ Das Prestige, das der Besitz des Ordens vom Goldenen Vlies mit sich brachte, wurde auch durch das Wissen um die begrenzte Anzahl der auf diese Weise gewürdigten Personen gestärkt. Während bei den spanischen Ritterorden im 17. Jahrhundert die Erteilung von Ordensgewändern radikal anstieg, war die Anzahl der Ritter vom Goldenen Vlies ab 1516 fest auf 51 Personen begrenzt.⁹³⁵ Nur ein geringer Teil von ihnen waren Hofleute des Kaisers.Von den 71 Männern, die in den Orden aufgenommen wurden, als Philipp II. Großmeister des Ordens war (1555 – 1598), stammten nur zwölf aus dem mitteleuropäischen Teil der Habsburgermonarchie. Davon gehörten sechs zum Herrscherhaus (Ferdinand II. von Tirol, Rudolf II., Karl von Innerösterreich, Ernst von Österreich, Matthias von Habsburg, Ferdinand von Innerösterreich), drei zum böhmischen Adel (Wratislaw von Pernstein, Joachim von Neuhaus, Wilhelm von Rosenberg), zwei zum österreichischen Adel (Leonhard von Harrach, Hans Khevenhüller) und einer zum ungarischen Adel (Sigismund Báthory). Auch aus diesen Zahlen geht hervor, welch große Bedeutung die spanischen Diplomaten ihrem Einfluss im Königreich Böhmen beimaßen. Denn unter den Magnaten aus den Ländern der Wenzelskrone wurden in den Zeiten Philipps II. ebenso viele Ordensgewänder verteilt wie unter den souveränen Fürsten im Heiligen Römischen Reich (Heinrich II. von Braunschweig-Wolfenbüttel, Erich II. von Braunschweig-Lüneburg, Wilhelm V. von Bayern). Ihre Ernennung mag umso überraschender erscheinen, da keiner von
Hengerer, Kaiserhof (wie Anm. 5), S. 573 – 577; Marek, Pavel: Ceremoniál jako zrcadlo hierarchického uspořádání císařského dvora Ferdinanda II. In: Šlechta v habsburské monarchii a císařský dvůr (1526 – 1740). Hrsg. von Václav Bůžek u. Pavel Král. České Budějovice 2003 (Opera historica 10). S. 371– 396 (insbesondere S. 390 – 392). Romero de Juseu y Lerroux, El Toisón (wie Anm. 917), S. 54. Im Jahr 1628 bat Philipp IV. den Papst, die Anzahl der Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies auf 60 Personen anzuheben. Seiner Bitte wurde jedoch nicht entsprochen. – Spagnoletti, Principi (wie Anm. 32), S. 79.
III.2 Belohnungen
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ihnen ein Amt am Kaiserhof innehatte. Wratislaw von Pernstein, Joachim von Neuhaus und Wilhelm von Rosenberg waren „bloß“ Landesbeamte!⁹³⁶ Zu einer großen Verbreitung der Ordensgewänder in Mitteleuropa kam es erst im Laufe des 17. Jahrhunderts. Die wachsende Aufmerksamkeit, welche die spanischen Habsburger in den Zeiten des Dreißigjährigen Krieges den Angelegenheiten in Mitteleuropa widmeten, schlug sich auch in der Anzahl der Orden nieder, die den Dienern des Kaisers verliehen wurden.⁹³⁷ Während in den Zeiten Philipps III. Adelige aus den böhmischen, ungarischen und österreichischen Ländern weiterhin nur ein Achtel der Gesamtzahl der neuen Ritter ausmachten, stellten sie unter Philipp IV. bereits ein ganzes Drittel dar. Unter den 123 Rittern, die zwischen 1621 und 1665 in den Orden vom Goldenen Vlies aufgenommen wurden, finden wir 42 Männer aus Ländern, in denen die österreichischen Habsburger regierten.⁹³⁸ Der Adel Mitteleuropas war also damals stärker im Orden vertreten als Aristokraten aus Spanien, Italien und Flandern!⁹³⁹ Wenn der Orden vom Goldenen Vlies Hofleuten des Kaisers verliehen wurde, kam eine wichtige Rolle den spanischen Gesandten am Kaiserhof zu. Sie waren es, die in der Regel dem Großmeister potenzielle Kandidaten vorschlugen und ihn detailliert über deren bisherige Dienste für die spanische Krone informierten.⁹⁴⁰ Während der hitzigen Sitzungen des böhmischen Landtags 1609 empfahl Baltasar de Zúñiga dem spanischen König Philipp III., den Oberstkanzler des Königreichs Böhmen, Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz, mit dieser Gunstbekundung zu ehren.⁹⁴¹ Für diesen Mann plädierte auch acht Jahre später Zúñigas Amtsnachfolger Iñigo Vélez de Guevarra Conde de Oñate. Seinen Antrag begründete er damals mit dem Verdienst von Lobkowitz, der sich dafür stark gemacht hatte, dass Ferdinand von Innerösterreich zum böhmischen König gewählt wurde.⁹⁴² Die Stellungnahme der spanischen Gesandten war aber nicht immer positiv. Bereits 1616 mahnte Baltasar de Zúñiga, man solle mit den Collanen mit dem Schaffell
Ceballos-Escalera y Gila, La insigne Orden (wie Anm. 917), S. 204– 265. Marek, La embajada (wie Anm. 34), S. 175 – 185. Auf die Zunahme der Auszeichnungen, die mitteleuropäischen Adeligen in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges verliehen wurden, wurde hingewiesen von Höbelt, Lothar: Der Orden vom Goldenen Vlies als Klammer eines Weltreiches. In: Das Haus Österreich und der Orden vom Goldenen Vlies. Beiträge zum wissenschaftlichen Symposium am 30. November und 1. Dezember 2006 in Stift Heiligenkreuz. Hrsg. von Kanzlei des Ordens vom Goldenen Vlies. Graz – Stuttgart 2007. S. 37– 52 (insbesondere S. 51). Ceballos-Escalera y Gila, La insigne Orden (wie Anm. 917), S. 306 – 362. Näheres zu Auffassungen zum Orden vom Goldenen Vlies in Italien vgl. Spagnoletti, Principi (wie Anm. 32), S. 51– 84. Beispiele sind angeführt bei Marek, La embajada (wie Anm. 34), S. 175 – 185. NAP, SP-S, Kart. 1, Baltasar de Zúñiga an König Philipp III. (Prag, 14. 2. 1609). Lasso de la Vega y López de Tejada, La embajada (wie Anm. 43), S. 14.
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III Klientenstrategien der päpstlichen und spanischen Diplomaten
besonnener umgehen. Er befürchtete nämlich, dass ein zu großes Entgegenkommen des Königs zu einer Geringschätzung des Ordens bei den mitteleuropäischen Adeligen führen könnte. Er meinte damals, Philipp III. sollte mit dem Orden sparsamer umgehen, ihn nur den bedeutendsten Männern (personas muy calificadas) verleihen und jede diesbezügliche Zusage erst mit seinem Gesandten am Kaiserhof besprechen: Was die Orden vom Goldenen Vlies und die Ordensgewänder der Ritterorden anbelangt, ist äußerst wünschenswert, dass Eure Majestät diese Gunstbekundungen nicht ohne vorherige Konsultierung des Gesandten erteilt. Wenn sie der Gesandte nicht unter Kontrolle hat, werden sie nämlich diese nicht nur nicht schätzen, sondern sie sogar missachten. Wenn wir sie aber nur den bedeutendsten verleihen, können diese Gunstbekundungen dem Dienst für Eure Majestät großen Nutzen bringen.⁹⁴³
Zur eventuellen Abwertung dieses Ordens am Kaiserhof trug die Tatsache bei, dass die Collane mit dem goldenen Schaffell für viele mitteleuropäische Adelige paradoxerweise besser erreichbar war als Ordensgewänder mit dem Santiago-, Alcántara- bzw. Calatravakreuz. Während auf gesellschaftlicher Ebene die Ansprüche an die Anwärter des Ordens vom Goldenen Vlies sehr hoch waren, waren die Ansprüche an den Glauben des Adeligen nicht so streng, wie es bei den Ritterorden der Fall war. Dies bekamen beispielsweise Herzog Adam Wenzel von Teschen und der führende Ratgeber Ferdinands von Innerösterreich, Johann Ulrich von Eggenberg, zu spüren. Wenngleich beide für die spanische Krone hervorragende Dienste leisteten, sollten ihnen die zu den Ritterorden führenden Türen für immer verschlossen bleiben, da sie Konvertiten waren.⁹⁴⁴ Weil der Rat
„En lo que toca a los Tusones y habitos conviene mucho que Su Majestad sin informacion del Embaxador no declare estas mercedes porque si no se tiene la mano en ellas no solo no las estimaran pero las despreçiaran con detrimento de Su Real Servicio y al contrario no dandolas sino a personas muy calificadas se puede sacar mucho fruto de este género de mercedes.“ – AGS, E 2502, fol. 164, Baltasar de Zúñiga an den spanischen Staatsrat (Prag, 18. 2. 1616). Die Ereignisse der späteren Jahre zeigten, dass Zúñigas Befürchtungen berechtigt waren. Näheres dazu Marek, La embajada (wie Anm. 34), S. 177– 178. Vgl. dazu Fernández Izquierdo, Qué era ser caballero (wie Anm. 892), S. 149.Vgl. ebenfalls das Gutachten des spanischen Staatsrats: „Advierte el conde que para todo lo que se hubiere de tratar con el Archiduque Ferdinando es importantíssimo ministro Equemberg (y que don Baltasar tuvo Orden de offrecerle una encomienda en caso que se acabasen bien estas cosas pero por haverse reducido a la religión cattolica no puede tener hábito) por lo qual y ser de calidad que otros muchos barones a quien se ha dado el tusón le parece ,al conde‘ que seria muy conveniente que Vuestra Majestad se sirviese de darle licencia para que se le pueda prometer pa quando convenga publicarse pues en la ocasion presente y en las de adelante podrá seruir muy bien esta merced.“ – AGS, E 711, fol. 113, der Staatsrat an König Philipp III. (Madrid, 16. 3. 1617).
III.2 Belohnungen
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für Ritterorden (Consejo de las Órdenes) die religiösen Ansichten des Anwärters streng beurteilte, empfahl Baltasar de Zúñiga, Adam Wenzel von Teschen solle sich lieber um den Orden vom Goldenen Vlies bewerben.⁹⁴⁵ Diesen Rat vom spanischen Gesandten bekam wahrscheinlich ebenfalls Johann Ulrich von Eggenberg, der die höchste habsburgische Ehrung 1621 übrigens auch tatsächlich erhielt.⁹⁴⁶ Wenngleich der erste Impuls für die Auszeichnung mitteleuropäischer Magnaten mit dem Orden vom Goldenen Vlies oft von den spanischen Gesandten am Kaiserhof ausging, war es absolut notwendig, dass der Prätendent selbst vor der Verleihung des Ordens einen schriftlichen Antrag stellte.⁹⁴⁷ Grund dafür war das Bestreben, das Prestige des Ordens zu wahren, das sicherlich Schaden genommen hätte, wenn der ausgezeichnete Adelige die Kette mit dem Schaffell abgelehnt hätte. Dies konnte vor allem dann passieren, wenn der Anwärter eine Encomienda eines Ritterordens besaß oder sich bemühte, eine solche zu bekommen, was wirtschaftlich gesehen viel vorteilhafter war.⁹⁴⁸ Am Kaiserhof gab es jedoch nur wenige Personen, die diese prestigeträchtige Würdigung ablehnten. Man kann hingegen eher annehmen, dass die Nachfrage nach dem Orden vom Goldenen Vlies größer war als das Angebot. Das Streben der mitteleuropäischen Adeligen nach diesem habsburgischen Orden bleibt den Historikern jedoch oft verborgen, da die ersten Verhandlungen hierüber in der Regel geheim waren und sich bei persönlichen Zusammenkünften mit dem spanischen Gesandten abspielten. Öffentlich meldeten ihr Interesse erst jene Magnaten an, die mit der Fürsprache des Kaisers rechnen konnten und daher im
Zum Santiagoorden verhalfen dem Teschener Herzog weder die Empfehlungen des Erzherzogs Ferdinand, des künftigen Kaisers Ferdinand II., noch des Kardinals Franz von Dietrichstein. – AGS, E 709, fol. 132, der Staatsrat an König Philipp III. (Madrid, 14. 8. 1610); NAP, SP-S, Kart. 2, Franz von Dietrichstein an König Philipp III. (Prag, 8. 10. 1612). Vgl. zu Eggenberg AGS, E 711, fol. 113, der Staatsrat an König Philipp III. (Madrid, 16. 3. 1617); Marek, Pavel: Vídeňská slavnost Řádu zlatého rouna z roku 1621 pohledem cestovního deníku Jeana Hervarta. In: Symbolické jednání v kultuře raného novověku. Věnováno Václavu Bůžkovi k jeho životnímu jubileu. Hrsg. von Josef Hrdlička [u. a.]. Praha 2019. S. 79 – 92. Baltasar de Zúñiga zufolge war es im Orden vom Goldenen Vlies üblich, diese Auszeichnung nicht zu erteilen, bevor der Prätendent dies selbst beantragte: „[…] particular estilo en la Orden del Tusson de no darle sin que le pidan.“ – AGS, E 2506, fol. 73, la relación de Baltasar de Zúñiga acerca de la concesión de la Orden de Toisón para Leonardo Helfrido de Meggau y Carlos de Lichtenstein en respuesta a la carta del conde de Oñate redactada en Viena el 6 de agosto de 1621. Dies geschah beispielsweise im Falle von Christoph Simon von Thun, Obersthofmeister des Hofes von Prinz Ferdinand Ernst, der Komtur des Johanniterordens war. – AGS, E 2333, El Consejo de Estado a 3 de agosto sobre lo que contienen las cartas de Jacques Bruneau y fray Diego de Quiroga para V. M. y el conde-duque de San Lúcar desde 28 de mayo hasta 22 de junio 1632.
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Voraus eine positive Antwort erwarteten. Der Adelige, der offen sein Interesse bekundete, diesem Orden beizutreten, riskierte einerseits, dass eine abweisende Antwort seinem Ruf schaden würde. Zugleich aber war dieses Verhalten eine Art Druckmittel gegenüber dem Großmeister des Ordens, denn dieser war sich bewusst, dass, wenn die Hoffnungen seines Klienten nicht in Erfüllung gehen würden, dies negative Auswirkungen auf dessen Bereitschaft, der spanischen Krone zu dienen, haben könnte.⁹⁴⁹
III.2.4 Benefizien, Ämter und geistliche Gnaden Was die Belohnungsressourcen der römischen Kurie, die von den Prager Nuntien an einzelne Klienten verteilt wurden, im Lichte der Definition von Wolfgang Reinhard anbelangt, wird von den entsprechenden historischen Quellen am häufigsten das Streben nach Kirchenpfründen festgehalten. Angesichts der sozialen Herkunft der meisten Mitglieder im Beziehungsnetzwerk des Papstes war dieses Interesse in der Regel nicht auf die Bedürfnisse der Klienten selbst gerichtet, sondern diente der Absicherung ihrer Verwandten und Freunde. Es musste sich dabei jedoch um Personen handeln, bei denen es Voraussetzungen für eine kirchliche Laufbahn gab, oder welche bereits die zwingenden Bedingungen erfüllten. Kaiserin Maria versuchte am Ende ihres Aufenthalts in Prag oft mittels der Nuntien Benefizien für Angehörige ihres Hofes zu erlangen, was wahrscheinlich durch den notwendigen Personalabbau am Kaiserinnenhof gegeben war. Die Nuntien mussten also in Kurialressourcen nach Möglichkeiten suchen, für verdiente Hofleute und Diener der Kaiserin zu sorgen.⁹⁵⁰ Eine vergleichbare Vorgehensweise finden wir häufig auch in den darauffolgenden Jahrzehnten im Falle von Würdenträgern des Kaiserhofs und katholischen Aristokraten. Nuntius Puteo schickte im August 1588 einen Bittbrief für ein Benefizium für einen nicht näher genannten Verwandten von Vizekanzler Kurz nach Rom.⁹⁵¹ Ob sein Antrag Erfolg hatte, geht jedoch aus den Quellen nicht hervor. An Cesare Speciano wandten sich im Juli 1592 zugleich der Rektor des Prager Jesuitenkollegs, Johann Elleborn, sowie Wolf Rumpf mit der Bitte, gewisse Personen für die Besetzung des gerade freigewordenen Kanonikats in Magdeburg zu empfehlen.⁹⁵² Der Heilige Stuhl entschied sich schließlich, den Antrag eines führenden kaiser-
AGS, E 2329, fol. 30, sine dato et loco, der Staatsrat an König Philipp IV. Koller, NBD III/10 (wie Anm. 234), S. XLIII, Anm. 253. Schweizer, Die Nuntiatur (wie Anm. 517), Nr. 156, S. 291. Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), Nr. 40,6, S. 91.
III.2 Belohnungen
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lichen Ministers zu unterstützen,⁹⁵³ der hiermit einen seiner Diener belohnen wollte.⁹⁵⁴ Auch Johann Barvitius hatte mit seiner Bitte um das Kanonikat in Breslau für seinen Neffen Gerhard Ecker 1599 Erfolg.⁹⁵⁵ Als 1606 der Prager Erzbischof Zbynko Berka von Dubá starb, wurde ein Kanonikerplatz im Salzburger Kapitel frei, und der führende böhmische katholische Aristokrat Wilhelm Slawata von Chlum bemühte sich darum, seinen Bruder Joachim auf die freigewordene Stelle setzen zu lassen.⁹⁵⁶ Der Antrag wurde in Rom positiv beschieden. Es besteht kein Zweifel daran, dass dabei die Bedeutung und Stellung des Antragstellers berücksichtigt wurde.⁹⁵⁷ Nicht jeder aber wurde nach seinen Erwartungen belohnt. Hermann Attems wünschte 1608 ein Kanonikat für seinen Sohn Johann Jakob. Seine Bittschrift wurde jedoch abgelehnt.⁹⁵⁸ Grund dafür war wahrscheinlich das Misstrauen, das der damalige Nuntius Antonio Caetani gegen Hermann Attems hegte (vgl. Kapitel I.4.). Als Belohnung konnte auch Verwandten der Adligen ein Studium am prestigeträchtigen Collegium Germanicum in Rom ermöglicht werden,⁹⁵⁹ dessen Alumnen oft wichtige Kirchenämter im Heiligen Römischen Reich besetzten, wohin sie dann die Ideen des posttridentinischen Katholizismus und den Geist der engen Verbindung mit dem Apostolischen Stuhl mitbrachten. Dies galt beispielsweise für den bereits erwähnten Joachim Slawata, der dank der Fürsprache von Nuntius Ferreri in den Jahren 1605 – 1606 sein Studium in Rom absolvierte.⁹⁶⁰ Slawata folgte mit seiner Laufbahn einigen Vorgängern aus den Reihen des böhmischen und mährischen katholischen Adels, die später – zweifellos u. a. dank ihres Besuchs römischer Bildungsstätten und ihrer Kontakte zur römischen Kurie – erfolgreich in Kirchenkreisen Karriere machten. Dies waren Franz von Dietrichstein, später Kardinal und Bischof von Olmütz, der in den Jahren 1588 – 1593 am Collegio Romano studierte, sowie Maximilian von Pernstein, Student am Germanicum und später geheimer päpstlicher Kammerherr von Clemens VIII. Pernsteins weitere Laufbahn endete jedoch 1593 abrupt durch seinen frühen Tod
Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), Nr. 56,3, S. 126. Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), Nr. 42,5, S. 94. AAV, FB III, 67b, fol. 166v, 332v. AAV, FB II, 170, fol. 137r–v. Meyer, NBD IV/3 (wie Anm. 64), Nr. 743b, S. 705. Černušák, EAAC IV (wie Anm. 63), Nr. 350, S. 299; Nr. 398,2, S. 334. Zur Geschichte des Kollegs vgl. Steinhuber, Andreas: Geschichte des Kollegium Germanikum Hungarikum in Rom. Bde. I–II. Freiburg i. Br. 1906; Schmidt, Peter: Das Collegium Germanicum in Rom und die Germaniker. Tübingen 1984. AAV, FB II, 152, fol. 187r; Schmidt, Das Collegium (wie Anm. 959), S. 301.
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III Klientenstrategien der päpstlichen und spanischen Diplomaten
mit gerade erst 18 Jahren.⁹⁶¹ Die Rolle der Nuntien war in beiden Fällen sehr wichtig gewesen. Dietrichstein wurde 1588 von Nuntius Puteo durch einen Brief in Rom empfohlen.⁹⁶² Ein Jahr später – als er von seiner Prager Mission zurückkehrte – begleitete Puteo Pernstein, der damals erst dreizehn Jahre alt war, bis in die ewige Stadt und erleichterte ihm somit zweifellos das Anknüpfen von gesellschaftlichen Kontakten bei der Kurie.⁹⁶³ Maximilian von Pernstein, der seine Karriere am römischen Hof systematisch entfaltete, stellt jedoch in den Kreisen des mitteleuropäischen Adels eher eine Ausnahme dar.⁹⁶⁴ Kurialämter, die von Wolfgang Reinhard als eine weitere Belohnungsressource identifiziert wurden, wurden von den Nuntien in der Regel nicht für Personen aus dem Umfeld des Kaiserhofs genutzt. Die persönlichen Ziele der Klienten waren nämlich anders ausgerichtet und verbanden nur sehr selten ihre Karriere und den Dienst direkt am Papsthof. Als einen ähnlichen Typus von Belohnungen in der Habsburgermonarchie könnte man wohl nur die Verleihung eines bedeutenden Postens bei den päpstlichen militärischen Truppen sehen, die an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert in Ungarn aktiv waren.⁹⁶⁵ In den Quellen erscheinen jedoch Belege für die Nutzung solcher Belohnungen nur sehr vereinzelt. Karl von Liechtenstein bat Anfang 1607 Nuntius Ferreri, seinem Bruder Maximilian zur Führung der deutschen Truppen zu verhelfen, die der Papst in Zukunft nach Ungarn senden sollte.⁹⁶⁶ Die Stellungnahme des Heiligen Stuhls ist nicht bekannt und die Nuntiaturberichte erwähnen diese Angelegenheit nicht mehr. Von der Häufigkeit her ganz anders sah es mit der letzten bedeutenden Kurialressource aus, nämlich mit den verschiedenen päpstlichen Gnaden. Von den vielen Varianten, die sich in dieser Gruppe theoretisch anboten, bestand unter den Hofleuten und Aristokraten beispielsweise Interesse für Reliquien von Heiligen. Auf diese eher geistliche Art und Weise wurden mehrere führende Klienten für ihre treuen Dienste belohnt. So erhielt Wratislaw von Pernstein 1581 Reliquien
Černušák [u. a.], Papacy (wie Anm. 40), S. 181– 182. Zu Maximilian von Pernstein jüngst Marek, Cardinal Purple (wie Anm. 563). Schweizer, Die Nuntiatur (wie Anm. 517), Nr. 107, S. 218. Schweizer, Die Nuntiatur (wie Anm. 517), Nr. 13, S. 16 – 17. Das Amt des Kammerherren von Papst Clemens VIII. hatte seinerzeit möglicherweise auch Bruno von Mansfeld inne, der später in den Malteserorden eintrat. – ASFi, Mediceo del Principato, 4362, fol. 172– 178, Francesco Guidi an den Großherzog von Toskana (Prag, 26. 12. 1605). Zur Involvierung von Papst Clemens VIII. in den Krieg in Ungarn vgl. Bartl, Peter: Der Türkenkrieg: Ein zentrales Thema der Hauptinstruktionen und der Politik Klemens’ VIII. In: Das Papsttum, die Christenheit und die Staaten Europas 1592– 1605. Forschungen zu den Hauptinstruktionen Clemens’ VIII. Hrsg. von Georg Lutz. Tübingen 1994. S. 67– 76. AAV, FB II, 171, fol. 72r–73r.
III.2 Belohnungen
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der Heiligen Monika für die neugebaute St.-Monika-Kapelle in seinem Schloss in Leitomischl (Litomyšl).⁹⁶⁷ Ähnlich wurde der Antrag auf nicht näher spezifizierte Reliquien für Jakob von Breuner akzeptiert, den Nuntius Ferreri 1605 nach Rom schickte.⁹⁶⁸ Eine weitere Belohnungsform war die einfachere Dispensierung von gewissen Pflichten, die sich aus dem kanonischen Recht ergaben. Relativ häufig wurde das Lesen von „verbotenen Büchern“ (libri prohibiti) gestattet, oder es wurden kanonische Heiratshindernisse dispensiert, sowohl bei den Klienten selbst als auch bei deren Verwandten. Im März 1606 beispielsweise bat Nuntius Giovanni Stefano Ferreri um einen Dispens für Jakob von Breuner, der die Cousine seiner verstorbenen Gattin heiraten wollte. In Rom wurde der Antrag angesichts der Verdienste des Antragstellers positiv erledigt.⁹⁶⁹ In diese Gruppe gehörten ebenfalls „geistliche Gnaden“ (gratie spirituali), die auf die Stärkung und Weiterentwicklung der eigenen Spiritualität in einer Form abzielten, die den gewöhnlichen Gläubigen zur Verfügung stehenden Rahmen überstiegen. Dies betraf beispielsweise Wilhelm von Rosenberg und Georg Popel von Lobkowitz, mächtige böhmische Aristokraten und Stützen der kurialen Interessen am Hof. Sie wandten sich 1585 über Nuntius Germanico Malaspina gleich mit mehreren Anträgen an den Apostolischen Stuhl. Sie versuchten so, vollkommenen Ablass nach jeder Beichte und heiligen Kommunion zu bekommen, ferner das Recht, ihren Beichtvater zu wählen, privilegierte Altäre für zwei Marienkapellen bzw. Marienkirchen zu erhalten und forderten einen Dispens von der Fleischenthaltung während der Fastenzeit, wenn dies von ihren Ärzten als notwendig erachtet und keine öffentliche Empörung hervorrufen würde.⁹⁷⁰ Das Bestreben, außerordentlichen Ablass, der ansonsten mit dem Heiligen Jahr verbunden war, ohne Pflicht der Generalbeichte zu erlangen, ist auch im Falle von Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz zu sehen. Der päpstliche Nuntius Antonio Caetani unterstützte 1608 bereitwillig seinen Antrag, indem er in seiner Bittschrift auf die persönliche Frömmigkeit des Antragstellers verwies.⁹⁷¹ Vielleicht kam der Papst ja gerade wegen der Fürsprache des Nuntius der Bitte von Lobkowitz sehr gerne entgegen.⁹⁷² Die letzte bedeutende Gruppe von Gnaden bildeten persönliche päpstliche Breven. Sie wurden von den Diplomaten im Prinzip auf zweierlei Art und Weise
Koller, NBD III/10 (wie Anm. 234), Nr. 174,6, S. 287– 288; Nr. 181,3, S. 298. Meyer, NBD IV/3 (wie Anm. 64), Nr. 676e, S. 620. AAV, FB II, 170, fol. 278r; Meyer, NBD IV/3 (wie Anm. 64), Nr. 783 f, S. 768. Reichenberger, Die Nuntiaturberichte (wie Anm. 530), Nr. 61, S. 110. Černušák, EAAC IV (wie Anm. 63), Nr. 85,2, S. 80. Černušák, EAAC IV (wie Anm. 63), Nr. 116, S. 101.
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III Klientenstrategien der päpstlichen und spanischen Diplomaten
genutzt. Empfehlungsbreven, die der Nuntius vor Anfang seiner Mission mitbrachte, dienten als zentrales Kommunikationsmittel während der Anfangsphase beim Anknüpfen von Kontakten. Die Breven wurden in der Regel den einzelnen Adressaten persönlich überreicht. Dies geschah jedoch stets erst nach der Antrittsaudienz beim Kaiser, also nachdem die Funktion des Vertreters des Papstes und seines Repräsentanten zu Hofe offiziell übergeben worden war. Ottavio Santacroce überreichte zunächst das Beglaubigungsbreve an Kaiser Rudolf II. und suchte unmittelbar danach, begleitet von seinem Amtsvorgänger Malaspina, zu diesem Zweck die Mutter des Herrschers, Kaiserin Maria, und ihre Tochter Elisabeth, Witwe des französischen Königs Karl IX., auf. Er besuchte ebenfalls Erzherzog Ernst, der gerade in Prag weilte. Die nächsten Tage seines Aufenthalts verbrachte der Nuntius mit Besuchen bei Gesandten und verschiedenen Adeligen.⁹⁷³ Diese Vorgehensweise wurde ihm übrigens auch in der Hauptinstruktion vorgeschrieben, der zufolge er geeignete Personen am Hof mittels der päpstlichen Breven „in ihrer üblichen Ergebenheit gegenüber dem Heiligen Stuhl bestärken und sie für die Angelegenheiten ihres Amtes gewogen stimmen sollte“.⁹⁷⁴ Ähnlich empfing Nuntius Sega gleich nach Übernahme seiner Funktion im Jahre 1586 Besuche verschiedener Hofleute, Adeliger und Geistlicher, die er später erwiderte und zur Übergabe der päpstlichen Empfehlungsbreven an Johann Trautson, Adam von Dietrichstein, Wolf Rumpf, Wilhelm von Rosenberg und Sigmund Viehäuser nutzte.⁹⁷⁵ Dem Oberstkanzler Adam von Neuhaus gab Sega das päpstliche Breve erst mit kurzem Verzug. Der böhmische Adelige fühlte sich den Worten des Nuntius zufolge „durch die Gunst des Vertrauens geehrt“, die ihm der Papst entgegenbrachte, und bot dem Nuntius „entschlossen und mit warmen Worten“ seine Dienste an.⁹⁷⁶ Nuntius Salvago informierte das Staatssekretariat in seinem Bericht vom 24. Januar 1611 über die kurze Antrittsaudienz beim Kaiser und fügte gleich hinzu, dass er „anfängt, die Breven auszuhändigen, um erste Gespräche mit den Ministern zu führen“.⁹⁷⁷
Archivio di Stato Roma, Santacroce 87, fol. 39v. „Con gli altri poi de la Corte ai quali Nostro Signore ha da dar brevi, farà li debiti officii per comfirmarli ne la solita devotione verso la Santa Sede Apostolica et renderli amorevoli per le cose del suo officio […].“ – Koller, NBD III/10 (wie Anm. 234), Nr. 282,5, S. 445 Reichenberger, Die Nuntiaturberichte (wie Anm. 530), Nr. 114, S. 232. „[…] mostrò di stimar molto il favore della confidenza, ch’io li significai, che Nostro Signore teneva della sua persona, et dopo il bascio del piede che humilmente disse, mi si offerse gagliardamente con affettuose parole, […].“ – Reichenberger, Die Nuntiaturberichte (wie Anm. 530), Nr. 116, S. 240. „Commincio a distribuir i brevi per introdurre la prattica con questi Ministri, se bene poco si può promettere della fede loro et della instabilità di questo clima.“ – BAV, Barb. lat. 6911, fol. 22r.
III.2 Belohnungen
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Daneben stellte das Staatssekretariat mittels Nuntiatur auch im Laufe der Gesandtenmission päpstliche Breven an mitteleuropäische Adelige zu, wenn dies von den Kurialdiplomaten als passend oder notwendig erachtet wurde. Nuntius Orazio Malaspina versuchte 1579 Wolf Rumpf zu überzeugen, von neuen Postulanten in den Bistümern Bremen und Halberstadt zu verlangen, dem Papst den üblichen Treueeid zu leisten. Ein päpstliches Breve sollte Rumpfs Unterstützung in dieser Angelegenheit zu gewinnen helfen.⁹⁷⁸ Aus den Nuntiaturberichten geht hervor, dass die Erstellung von solch einem Dokument in der Regel individuell vom päpstlichen Diplomaten selbst erst während seiner Mission beantragt wurde. Die einzelnen Mitglieder des päpstlichen Beziehungsnetzwerks sollten dadurch zu weiterer verlässlicher Tätigkeit ermutigt werden. Die Übergabe bedeutete aber zugleich eine spezifische Belohnung für eine außerordentliche Tat zugunsten des Papstes oder für kontinuierlichen, dauerhaften treuen Dienst für die katholische Kirche. Im Jahre 1607 bat Nuntius Ferreri um Ausstellung eines päpstlichen Breves für Karl von Liechtenstein, Andreas Hannewaldt und Georg Sigismund von Lamberg, um „allen zu danken für ihre Frömmigkeit, die sie in öffentlichen Angelegenheiten, die die Ehre Gottes betreffen, erweisen, und sie darum zu bitten, weiterhin dem Nuntius behilflich zu sein“.⁹⁷⁹ Ähnliche Dankbarkeitsbekundungen können in Nuntiaturberichten aus der ganzen Herrschaftszeit Rudolfs II. gefunden werden.⁹⁸⁰ Die auf diese Art gewürdigten Adeligen betrachteten die Zustellung eines persönlichen päpstlichen Breves keineswegs als Formalität. Sie wurde im Gegenteil als eine sehr begehrenswerte Ehre und Belohnung empfunden. Davon zeugt eine Notiz des bereits erwähnten Christoph Popel von Lobkowitz über „ein sehr gnädiges und kostbares Schreiben vom Papst“, das ihm vom Nuntius Ferreri am 17. Dezember 1604 überreicht wurde.⁹⁸¹ Es ist offensichtlich, dass die Belohnungen, die die Prager Nuntien den Hofleuten des Kaisers und weiteren Mitgliedern des päpstlichen klientelistischen Netzwerks vermittelten, ihren Besitzern keinen so großen wirtschaftlichen Profit
Koller, NBD III/10 (wie Anm. 234), Nr. 131,4, S. 216. „Possono esser tutti ringrazatovi della pietà mostrano nelli negotii publici concernenti l’honor di Dio e li preghi a continuar aiutando il Nuntio negl’istessi.“ – AAV, FB II, 171, fol. 135r. Vgl. z. B. Koller, NBD III/10 (wie Anm. 234), Nr. 131,4, S. 216; Pazderová, EACS I (wie Anm. 63), Nr. 2,1, S. 27; AAV, FB III, 67b, fol. 148 – 150; Meyer, NBD IV/3 (wie Anm. 64), Nr. 654c, S. 599 – 600; Nr. 687b, S. 627. „[…] psaní od papeže velmi milostivé a vzácné […].“ – Tůmová, Svět (wie Anm. 286), S. 272. Es handelte sich um das Breve von Clemens VIII. vom 20. November 1604, in dem dieser Popels frommen Eifer lobte und ihn zu weiteren Diensten anspornte. – Meyer, NBD IV/3 (wie Anm. 64), Nr. 330, S. 256.
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III Klientenstrategien der päpstlichen und spanischen Diplomaten
brachten, wie es die Anreize des katholischen Königs taten. Nur die Erteilung eines Benefiziums konnte womöglich materiellen oder gesellschaftlichen Profit für den Empfänger bedeuten.⁹⁸² Die übrigen Belohnungen des Papstes müssen eher als ein symbolischer Beleg für die Treue des gewürdigten Adeligen gegenüber dem Heiligen Stuhl und Ausdruck der Dankbarkeit Roms für seine Dienste für den Heiligen Vater gesehen werden.
Reinhard, Paul V. Borghese (wie Anm. 19), S. 23. Zum Konzept des Kapitals vgl. Bourdieu, Pierre: Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. In: Soziale Ungleichheiten. Hrsg. von Reinhard Kreckel. Göttingen 1983 (Soziale Welt, Sonderband 2). S. 183 – 198.
Schlusswort Die päpstliche Nuntiatur und die spanische Botschaft gehörten im 16. und 17. Jahrhundert zu den bedeutendsten Machtzentren des Kaiserhofs. Die Nuntiatur war bereits 1513 entstanden und konzentrierte sich zunächst auf die Unterstützung bilateraler Beziehungen zwischen Kaisertum und Papsttum, aber mit dem Wandel der konfessionellen Situation im Zuge der Reformation wurde die Rückeroberung verlorener katholischer Einflussbereiche in Mitteleuropa zu ihrer primären und langfristigen Aufgabe. Die gegenseitigen Beziehungen zwischen beiden universell ausgerichteten Mächten waren angespannt, und dies zeigte sich in vielen konfliktträchtigen Bereichen. Die Pontifices betrachteten die Kaiser aus dem österreichischen Hause Habsburg zumeist im Sinne der Überlegenheit der geistlichen über die weltliche Macht und betonten auch in der Außenpolitik mit Nachdruck die Bedeutung des Papstprimats. Solch eine Einstellung führte natürlich zu Unmut bei den habsburgischen Herrschern des Heiligen Römischen Reiches. Rudolf II. bildete hierbei keine Ausnahme. Auch er wahrte während seiner ganzen Herrschaftszeit große Distanz und Misstrauen gegenüber dem Papsttum. Spanien gründete seine ständische diplomatische Vertretung erst 1558 in Wien mit dem Ziel einer möglichst engen Zusammenarbeit zwischen den beiden bedeutendsten Linien des Hauses Habsburg. Philipp II. beanspruchte, ähnlich wie sein Vater Karl V., nach seiner Thronbesteigung die führende Rolle im ganzen Hause Habsburg und versuchte mittels seiner Gesandten auf das Verhalten von Kaiser Maximilian II. und dessen Sohn Rudolf II. im Sinne der Bedürfnisse der spanischen Politik Einfluss zu nehmen. Dies war keine einfache Aufgabe. Die Beziehungen zwischen den spanischen und österreichischen Habsburgern waren in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts relativ angespannt. Zu Konflikten führte der Aufstand in den Niederlanden, der Krieg gegen die Türken sowie die spanische Expansion in Norditalien. Zudem verschlechterten persönliche Auseinandersetzungen zwischen den habsburgischen Herrschern die Lage. Die Feindseligkeit zwischen Maximilian II. und Philipp II. sowie die Abneigung Kaiser Rudolfs II. gegen Spanien waren ein öffentliches Geheimnis. Auch Matthias, Erzherzog und späterer Nachfolger Rudolfs, erschien aus spanischer Sicht keineswegs als idealer Partner, denn sein niederländisches Abenteuer (1578 – 1581) schadete ihm in dieser Hinsicht deutlich. Der spanische König bemühte sich jedoch mittels seines Gesandten am Kaiserhof ebenfalls die Rolle eines zuverlässigen Beschützers der katholischen Kirche zu erfüllen. Seine Diplomaten sollten sich daher an ihrem Wirkungsort intensiv mit Religionsfragen auseinandersetzen. Wenngleich deren bigotter https://doi.org/10.1515/9783110616699-006
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Schlusswort
Katholizismus selbst von Anhängern Roms mit Verlegenheit betrachtet wurde, sind sie bereits im Laufe der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Hauptstütze der mitteleuropäischen Katholiken und Haupt des ganzen katholischen Lagers geworden. Hierzu waren sie durch ihre wichtige Stellung im System des Hofes und vor allem durch das Vertrauen, dessen sie sich bei den Angehörigen des Hauses Habsburg erfreuten, vorbestimmt. Nicht selten nutzten sie ihren Machteinfluss und ihre Autorität dazu, den Kaiser daran zu hindern, Entscheidungen zu treffen, die im Widerspruch zu den Interessen der katholischen Kirche gestanden hätten. In den Instruktionen, die die Gesandten üblicherweise vor ihrer Reise nach Mitteleuropa erhielten, wurden sie in der Regel dazu aufgefordert, in diesen Angelegenheiten im Einklang mit dem päpstlichen Nuntius vorzugehen und ihm in allem behilflich zu sein. Schriftstücke, die in spanischen, römischen und weiteren Archiven aufbewahrt werden, belegen, dass es nicht bei leeren Proklamationen blieb. Die Zusammenarbeit der Diplomaten beider katholischen Mächte wurde zur dauerhaften Realität des Kaiserhofs. Obwohl die Eingriffe der spanischen Könige in das Lehenssystem von Reichsitalien und in die politische Lage auf der Apenninenhalbinsel sowohl in Rom als auch am Kaiserhof weiterhin für starke Beunruhigung, ja für Feindseligkeit sorgten, herrschte während des Großteils des untersuchten Zeitraums in Wien und später in Prag zwischen den Vertretern Spaniens und des Heiligen Stuhls Harmonie. Die Aussagen der erwähnten Quellen erwecken sogar den Anschein, der Versuch, den Protestantismus im Heiligen Römischen Reich auszumerzen, habe dazu geführt, dass alle gegenseitigen Konflikte vergessen wurden. Von einer wirklichen Annäherung konnte dennoch keine Rede sein. Gerade zu jener Zeit, als die päpstlichen und spanischen Diplomaten am Kaiserhof eine mächtige Offensive gegen Nichtkatholiken führten, löste sich der Heilige Stuhl unter Führung von Papst Clemens VIII. aus seiner Abhängigkeit von Spanien und unterstützte offen dessen größten Rivalen, das Frankreich des Heinrich IV. von Navarra. Im Hintergrund der päpstlich-spanischen Zusammenarbeit am Kaiserhof stand jedoch nicht nur der Bedarf, gegen einen gemeinsamen Feind vorzugehen. Eine bedeutende Rolle spielte auch die Persönlichkeit Marias von Spanien. Die Tochter von Kaiser Karl V. wurde in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wichtigstes Bindeglied zwischen beiden Linien des Hauses Habsburg. Gerade sie sollte nach ihrer Vermählung mit Maximilian II. die Einheit des österreichischen Hauses verkörpern und mit Hilfe von verschiedenen Mitteln das Konzept der Familienpolitik verbreiten. Karl V. und sein Sohn Philipp II. legten zudem Maria ans Herz, durch ihre Religiosität ihrem Mann mit gutem Beispiel voranzugehen und somit seine Hinwendung zur Reformation zu verhindern. Obwohl die Bemühungen Marias, ihren Mann für eine offene Unterstützung der katholischen
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Kirche zu gewinnen, letztendlich vergeblich waren, stellte ihre Ankunft in Mitteleuropa eine bedeutende Ermutigung für die hiesigen Katholiken dar. Auch Maximilian II. hielt sich übrigens unter dem Einfluss seiner Frau sein Leben lang an die Grundsätze der Familienpolitik und zeigte sich, trotz offensichtlicher Sympathien für das Luthertum, nach außen hin als gemäßigter Katholik. Die Erziehung der Nachkommen Marias, einschließlich des künftigen Kaisers Rudolf II., spielte sich völlig im Geiste des kompromisslosen posttridentinischen Katholizismus ab. Als Maximilian II. an die Spitze des Heiligen Römischen Reiches trat, erhöhte sich der Machteinfluss seiner Frau markant. Maria von Spanien demonstrierte zwar nach außen hin ihre Ergebenheit ihrem Manne gegenüber, verfolgte aber dennoch weiterhin ihre eigene politische Linie, die auf einer möglichst engen Zusammenarbeit des Kaisers, des spanischen Königs und des Papstes gründete. Solche Prinzipien versuchte sie zudem erfolgreich unter ihrem eigenen Hofstaat und dem ihres Mannes zu verbreiten. Sie machte dabei von verschiedenen Strategien Gebrauch, unter denen besonders Heiratsallianzen hervorstachen, die Adelseliten aus Ländern, die durch die eine oder die andere Linie des Hauses Habsburg beherrscht wurden, miteinander verbanden. Hierdurch gelang es ihr, einen übernationalen, den Habsburgern völlig ergebenen Adel zu schaffen, der nicht zögerte, seinen Dienst fürs Herrscherhaus und die katholische Kirche über die Partikularinteressen einzelner Ständegemeinden zu stellen. Es war also vor allem Maria von Spanien, die das Fundament des Beziehungsnetzwerks legte, aus dem sowohl der spanische König Philipp II., dessen Nachfolger sowie Vertreter des Heiligen Stuhls ihre Klienten rekrutierten. Die Familien der engsten Vertrauten der Kaiserin, Wratislaw von Pernstein, Adam von Dietrichstein sowie Wolf Rumpf zum Wielroß, blieben dem politischen Erbe Marias von Spanien nicht nur nach ihrer Abreise auf die iberische Halbinsel 1581, sondern auch noch viele Jahre nach ihrem Tode treu. Das Konzept einer einheitlichen Linie der mitteleuropäischen habsburgischen Monarchie, Spaniens und des Heiligen Stuhls wurde von den Angehörigen dieser Familien sowohl am Kaiserhof in Prag als auch am spanischen Königshof in Madrid verteidigt. Dort konstituierte sich nach der Ankunft der Witwe Maximilians II. die sogenannte kaiserlich-päpstliche Partei, die in Opposition zur mächtigen kastilischen Partei stand, welche anstatt einer einheitlichen Politik des Hauses Habsburg und universeller katholischer Ideen Partikularinteressen des Königreichs Spanien bevorzugte. Im Zusammenhang mit dem Kaiserhof Rudolfs II. wurde in der älteren Literatur oft vom Bestehen einer „spanischen Partei“ gesprochen, die um den Gesandten des katholischen Königs versammelt war und danach strebte, nicht nur die Machtinteressen Spaniens, sondern auch des Kirchenstaats in Mitteleuropa
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durchzusetzen. Im vorliegenden Buch haben wir darauf hingewiesen, dass es solch einer Bezeichnung jedoch nicht an Vereinfachung fehlt. Im Bestreben, die komplizierte Realität des Kaiserhofs so genau wie möglich wiederzugeben, haben wir uns daher entschieden, diesen Begriff nicht zu verwenden. Stattdessen wurde der Begriff „Beziehungsnetzwerk“ bevorzugt, der das komplizierte Beziehungsgeflecht zwischen mitteleuropäischen Adeligen einerseits und spanischen bzw. päpstlichen Diplomaten andererseits umfasst, zu dessen wichtigsten Bausteinen Patronage und Klientelismus gehörten. Das Beziehungsnetzwerk verband alle Personen, die am Prager Hof den Machtvorhaben der spanischen Monarchie und des Heiligen Stuhls dienten, und die durch eine beiderseits vorteilhafte Beziehung an den katholischen König bzw. an den Papst gebunden waren, welche die Funktion von Patronen erfüllten. Ihren Gesandten kam hingegen eine Vermittlerbzw. Mittlerrolle zu, die man in der modernen Geschichtswissenschaft üblicherweise mit dem englischen Terminus „Broker“ bezeichnet. Die detaillierte Analyse jener Beziehungsnetzwerke, die um die päpstlichen Nuntien und spanischen Gesandten am Kaiserhof Rudolfs II. konzentriert waren, zeigt deutlich die Durchlässigkeit dieser Netzwerke auf. Die Diplomaten beider katholischen Mächte griffen nämlich bei ihrer Tätigkeit vor allem auf die Hilfe und Unterstützung derselben Personen zurück. Diese Tatsache kann in gewissem Maße als ein weiterer Beleg dafür interpretiert werden, dass die mitteleuropäische Politik des spanischen Königreichs und des Heiligen Stuhls dieselben Ziele verfolgte. Zugleich darf aber nicht übersehen werden, dass sich auch Gesandte, Residenten und Agenten weiterer fremder Herrscher gern an diese Edelleute wandten. Die zentrale Rolle, die sie bei der Implementierung der päpstlichen bzw. spanischen Politik im mitteleuropäischen Raum spielten, musste somit nicht ausschließlich mit ihrer Loyalität zum katholischen König bzw. zum Heiligen Vater zusammenhängen, sondern rührte in großem Maße von ihrem Machteinfluss und Ansehen bei Kaiser Rudolf II. her. Wenngleich die Grundlagen des Beziehungsnetzwerks, auf das Philipp II. und sein Nachfolger bei der Durchsetzung der spanischen Imperialpolitik in Mitteleuropa zurückgriffen, bereits von Kaiserin Maria von Spanien gelegt wurden, haben sich die Gesandten selbst in nicht geringem Maße um seine Ausweitung verdient gemacht. Auch sie mussten viel Kraft aufbieten, um diesen Organismus am Leben und bei voller Effektivität zu erhalten. Da der politische Einfluss und die Macht der einzelnen Hofleute und der kaiserlichen Räte von den aktuellen Präferenzen Rudolfs II. abhingen, war es notwendig, gleichzeitig auch den Umkreis der Personen abzuwandeln, die in Prag die Politik der spanischen Monarchie unterstützten. Daher war das Beziehungsnetzwerk, das die spanischen Gesandten umgab, nie eine geschlossene und unveränderliche Gruppe, und jeder Diplomat
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entschied selbst, welche Teile des Netzwerks er hervorheben und welche er hingegen in den Hintergrund treten lassen wollte. Ähnliche Züge wies natürlich auch das Beziehungsnetzwerk auf, dessen sich während der Herrschaftszeit Rudolfs II. die päpstlichen Nuntien bedienten. Es scheint sogar wahrscheinlich, dass dieses viel stärker veränderungsanfällig war, da es viel mehr als die spanischen Beziehungsnetzwerke von persönlichen Präferenzen bzw. Sympathien der einzelnen Diplomaten geprägt war. Während sich die spanische Botschaft im Laufe der Herrschaftszeit Rudolfs II. außerordentlicher Stabilität rühmen konnte und in den Jahren 1576 – 1612 bloß vier Gesandte an ihrer Spitze standen, wurde die Nuntiatur im selben Zeitraum von 16 Personen geführt! Ein Grund für diese Fluktuation waren die häufigen Veränderungen auf dem Stuhl Petri, den während der 36 Herrschaftsjahre Rudolfs II. gleich acht Päpste bestiegen. Ein deutlicher Unterschied zwischen den Beziehungsnetzwerken, die von den Diplomaten beider katholischen Mächte aufgebaut und aufrechterhalten wurden, beruhte jedoch ebenfalls in deren Charakter.Während sich das spanische Netzwerk auf das Prinzip der dynastischen Treue zum Hause Habsburg stützte, war für das päpstliche Beziehungsnetzwerk symptomatisch, dass seine Angehörigen eifrig ihre konfessionelle Zugehörigkeit zur katholischen Kirche kundgaben. Obwohl viele Edelleute Mitteleuropas die Tätigkeit der päpstlichen Nuntien und spanischen Gesandten am Kaiserhof aufgrund ihrer eigenen religiösen bzw. ideologischen Überzeugung unterstützten, wurden andere vor allem durch Aussichten auf materiellen Gewinn oder gesellschaftlichen Aufstieg in den Dienst für den katholischen König bzw. den Papst geführt. Die spanische Diplomatie arbeitete im Laufe des 16. Jahrhunderts diesbezüglich sehr vielfältige klientelistische Strategien aus. Am häufigsten wurden dabei einmalige Honorare, regelmäßige Pensionen und Geschenke genutzt. Die Höhe und Art der Belohnung hing von der gesellschaftlichen Stellung des Beschenkten sowie von der Bedeutung der Dienste, die er für die spanische Krone leistete, ab. Besonders verdienstvolle Klienten konnten in einen der prestigeträchtigen Ritterorden oder sogar in den Orden vom Goldenen Vlies aufgenommen werden. Die Vorschläge, einzelne Magnaten zu ehren, gingen in der Regel von den spanischen Gesandten aus. Zuweilen forderte auch der Kaiser selbst bzw. ein weiterer Angehöriger des Herrscherhauses eine Belohnung für seine Hofleute. Obwohl die Gunstbekundungen, die vom katholischen König in der Vergangenheit erwiesen worden waren, als Dank für die Dienste des Adeligen für das Haus Habsburg offen präsentiert wurden, war es in Zeiten der persönlichen Krise Rudolfs II. wünschenswert, sie geheim zu halten. Der unerwartete Fall von Wolf Rumpf zum Wielroß und Paul Sixt von Trautson zeigte ganz eindeutig, mit welchem Unmut der Kaiser die Kontakte verfolgte, die seine eigenen Untertanen zum katholischen König aufbauten.
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Schlusswort
Auch die päpstlichen Nuntien nutzten verschiedenste Belohnungen, um den Adel Mitteleuropas an die Politik des Heiligen Stuhls zu binden. Sie brachten jedoch den Empfängern einen deutlich geringeren wirtschaftlichen Profit als die Anreize des katholischen Königs. Eine Ausnahme war nur die Erteilung eines Kirchenbenefiziums, das neben der Stärkung des gesellschaftlichen Status ebenfalls finanzielle Vorteile in Aussicht stellte. Die übrigen päpstlichen Belohnungen brachten vor allem symbolisches Kapital mit sich. Für den Beschenkten waren sie ein Beweis seines starken katholischen Glaubens und der Bedeutung, die seinem Handeln von den höchsten Vertretern der katholischen Kirche beigemessen wurde. Wenngleich die Katholiken in der Habsburgermonarchie in der Minderheit waren, behielt die Gruppe der Personen, welche die Tätigkeit der spanischen Gesandten und der päpstlichen Nuntien unterstützten, maßgeblichen Einfluss auf Entscheidungen des Kaiserhofs sowie auf das Geschehen in den einzelnen Ländern, die das Imperium Rudolfs II. bildeten. Dies kann durch die turbulenten Ereignisse belegt werden, von denen während seiner Herrschaftszeit das Königreich Böhmen heimgesucht wurde, und die wir in diesem Buch näherzubringen versucht haben. Sei es nun die radikale Auswechslung von böhmischen Landesbeamten (1599), das Geschehen im Zusammenhang mit dem Bruderzwist im Hause Habsburg (1608 – 1609) oder mit dem Einfall der Passauer Truppen (1611), die Interessen der spanischen und päpstlichen Diplomatie stießen immer wieder auf konzentrierten Widerstand der nichtkatholischen Ständeopposition. Wenngleich die Gesandten beider katholischen Mächte während dieser Auseinandersetzungen auch Teilniederlagen erlitten, gelang es ihnen in Zusammenarbeit mit ihren Klienten schließlich zu verhindern, dass das Machtsystem in der Habsburgermonarchie erheblich vom Kurs abwich, der von den Grundsätzen der einheitlichen dynastischen Politik und des posttridentinischen Katholizismus vorgegeben war.
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Personenregister Acquaviva dʼAragona, Andrea Matteo, Principe v. Caserta 203, 241 Ago, Renata 7 Albiz, Francisco de 187 Albornoz, Gil de 173 Albrecht v. Habsburg 51, 66, 89, 115, 120, 126, 128, 179 Aldobrandini (Adelsgeschlecht) 24, 107, 162 Aldobrandini, Cinzio 80, 90, 151 Aldobrandini, Ippolito → Clemens VIII. Alexander VI. (Rodrigo de Borja) 48 Alidosi, Roderico 31, 100-101, 207, 209 Althan, Michael Adolph v. 136 Althauz, Johann 106, 204 Anhalt-Bernburg, Christian v. 227 Anna v. Habsburg 94 Aragón y Barreto, Francisca de 44 Aragón y Tagliaviva, Carlos de; duque de Terranova 180 Arco, Anna Maria d′ 99 Ardesi di Cremona, Carlo 102, 225 Attems, Hermann v. 105, 117-120, 122, 135, 153, 158, 161, 247 Attems, Johann Jakob v. 247 Aytona → Moncada, Francisco de Bandini, Ottavio 230 Bardoňová, Martina 227 Barvitius, Johann Anton 40, 84-85, 91, 97, 102–105, 117, 122, 135, 138, 141, 148, 150, 152-153, 155, 157-158, 161, 164, 177, 194, 247 Báthory, Sigismund 240, 242 Bayern v. → Wittelsbach Benavente, duque de → Pimentel de Herrera, Juan Alonso Bergeron, Pierre 171, 190, 193, 199 Berka v. Dubá (Adelsgeschlecht) 91, 94 Berka v. Dubá, Johanna 91 Berka v. Dubá, Ladislaus 85-86 Berka v. Dubá, Wenzel 82, 87, 90 Berka v. Dubá, Zbynko 70, 84-87, 91, 213, 247 https://doi.org/10.1515/9783110616699-008
Bernerio, Girolamo 162 Bevilacqua, Bonifacio 162 Biglia, Melchiorre 59–60, 65–66 Boncompagni, Ugo → Gregor XIII. Bocskai, Stefan 107 Bonelli, Michele 38 Bonomi, Giovanni Francesco 36, 41-42, 7273 Borghese (Adelsgeschlecht) 39, 163 Borghese, Camillo → Paul V. Borghese, Scipione 120, 123 Borja, Alfonso de → Calixt III. Borja, Rodrigo de → Alexander VI. Borja y Aragón, Francisco de (Hl. Franz v. Borja) 48 Borja y Castro, Juan de 25, 36, 44, 46, 4850, 55-57, 94, 197, 210 Borovička, Josef 24 Borzita v. Martinitz, (Adelsgeschlecht) 198 Borzita v. Martinitz, Georg 81-82 Borzita v. Martinitz, Georg Adam 134 Borzita v. Martinitz, Jaroslaw 170, 203 Borzita v. Martinitz, Johann Zdenko 203 Boschi, Annibale 215-216 Bourbon → Heinrich IV. v Navarra Boye, Arnoldo van der 92, 94, 187 Brandenburg, Johann Sigismund v. 128, 135 Braunschweig-Lüneburg, Erich II. v. 242 Braunschweig-Wolfenbüttel, Heinrich II. v. 242 Braunschweig-Wolfenbüttel, Julius v. 131 Breuner, Jakob v. 99, 153, 155, 159-160, 163, 214, 249 Briceño, Isabel de 66 Brindisi, Laurentius v. (Hl.) 211-212 Bruneau, Jacques 187, 245 Brus v. Müglitz, Anton 61 Cabrera, Luis Enrique de; duque de Medina de Rioseco 43 Caetani (Adelsgeschlecht) 39 Caetani, Antonio 11, 23, 31, 36, 38-39, 4142, 102-103, 105-106, 108-109, 111-112,
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Personenregister
116-118, 120-124, 126, 131, 138-139, 141, 146, 150-151, 154-155, 158-159, 161, 163164, 166, 192, 195, 202-203, 209-211, 213, 215, 247, 249 Caetani, Bonifacio 39 Caetani, Camillo 36, 38, 41-42, 71, 81, 146, 152, 154, 156-157, 159, 164, 201-202 Caetani, Enrico 38 Caetani, Pietro 209 Calixt III. (Alfonso de Borja) 48 Calvin, Johannes 235 Canisius, Petrus 39 Caraffa, Carlo 185, 230 Cárdenas, María de 44 Carlos de Austria 133 Carolina d’Austria 203 Castagna, Giambattista 48 Castiglione, Baldassare 30 Castro, Leonor de 48 Cattaneo, Camillo 104, 106, 138–142, 153, 209 Cavalli, Marino 210-211 Čechura, Jaroslav 29 Cerda, Baltasar de la; conde de Galve 47 Cerman, Ivo 175 Cesari, Giuseppe (Il Giuseppino) 231 Chantonnay → Perrenot de Granvelle, Tomás Chinichi 101 Chudoba, Bohdan 24, 168, 171 Christian II. (Kurfürst von Sachsen) → Wettin, Christian II. v. Ciriza, Juan de 221, 226 Clärhout, Ottilie de; Gräffin v. Maldeghem 181 Clemens VIII. (Ippolito Aldobrandini) 23, 33–34, 42, 74, 76, 83, 86, 89-91, 93, 107, 162, 164, 193, 220, 247-248, 251, 254 Colloredo, Lodovico 148, 236 Commendone, Giovanni Francesco 58, 65 Conti, Carlo 193 Conti, Lotario 193 Coraduz von und zu Nußdorf, Rudolf 40, 163 Czernin v. Chudenitz, Humprecht 87 Delfino, Giovanni
36, 41-42, 61, 65
Delfino, Zaccaria 58-59 Díaz de Pangua, Lope 187, 203 Dietrich von Raitenau, Wolf (Salzburger Erzbischof) 194 Dietrichstein (Adelsgeschlecht) 29, 54, 64, 180-183, 187, 237 Dietrichstein, Adam v. 45, 59, 96, 107, 149150, 180, 187, 226, 234, 236-237, 250, 255 Dietrichstein, Franz v. 29, 32, 86-87, 106107, 109–111, 179–183, 187, 191, 197, 219, 231, 245, 247-248 Dietrichstein, Margarete Franziska v. 183, 219 Dietrichstein, Maximilian v. 180, 237 Dietrichstein, Maximilian II. v. 183 Dietrichstein, Sigismund v. 86-87, 180-182, 205-207 Dohna (Adelsgeschlecht) 183 Dohna, Abraham v. 179 Dohna, Ferdinand v. 127 Donnersberg, Joachim v. 106, 195, 213 Doria, Giovanni Ambrogio 215 Dvorský, Jiří 170 Ecker, Gerhard 91, 153, 247 Edelmayer, Friedrich 12 Eggenberg, Johann Ulrich v. 176, 183, 244245 Elias, Norbert 4 Elisabeth v. Habsburg 49, 250, 259 Elleborn, Johann 246 Elsässer, Sigmund 240 Elton, Geoffrey R. 4, 6 Enríquez de Acevedo, Pedro, I conde de Fuentes 120 Ernst v. Habsburg 96, 239, 242, 250 Erstenberger v. Freyenthurm, Andreas 148 Este, Cesare d′ 162 Facchinetti de Nuce, Gian Antonio → Innozenz IX. Fajardo y Chacón, Luisa 43 Fajardo Fernández de Córdoba, Pedro; III. marqués de los Vélez 43 Farnese, Ferrante 36, 41-42, 73, 83 Ferdinand Ernst v. Habsburg → Ferdinand III. v. Habsburg
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Ferdinand I. v. Habsburg 64, 69-70, 233234 Ferdinand II. v. Habsburg (Steiermark, Innerösterreich) 32, 115, 131, 133, 135, 205, 221, 240, 242-245 Ferdinand II. v. Habsburg (Tirol) 77, 240, 242 Ferdinand III. v. Habsburg 205, 245 Fernández Vigil de Quiñones, Claudio; IV. conde de Luna 30, 226 Ferreri, Giovanni Stefano 24, 35-36, 38, 40–42, 100–105, 145-147, 149–151, 154– 159, 161–163, 191–193, 201–203, 213, 215-216, 230-231, 247–249, 251 Fieschi, Sinibaldo dei → Innozenz IV. Fink, Urban 10 Floriszoon Boeyens, Adriaan → Hadrian VI. Fornari, Sebastiano Lambert dei 104, 191, 193 Fosi, Irene 7 Forstenheuser, Otto 195 Friedrich II. v. Staufer 123 Fuentes → Enríquez de Acevedo, Pedro Fürstenberg (Adelsgeschlecht) 183 Fürstenberg, Friedrich v. 35, 99, 177 Galve → Cerda, Baltasar de la Ghislieri, Antonio Michele → Pius V. Gindely, Anton 24 il Giuseppino → Cesari, Giuseppe Gómez de Sandoval y Rojas, Francisco; marqués de Denia, duque de Lerma 51, 53, 56-57, 120, 133, 181 Gonzaga di Castiglione delle Stiviere, Francesco 104-106, 133, 138-142, 153, 178, 202, 209, 241 Gonzaga di Castiglione delle Stiviere, Luigi 187 Gonzaga di Mantua, Vincenzo I. 100-101 Grangia, Pietro Paolo della 35 Gregor XIII. (Ugo Boncompagni) 59, 62, 6667 Gregor XV. (Alessandro Ludovisi) 23, 42 Guidi da Volterra, Giovanni Francesco 111, 114, 190-191, 211, 248
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Guzmán y Pimentel, conde-duque de Olivares, Gaspar de (conde duque de San Lúcar) 245 Habsburg → Albrecht; Anna; Carlos de Austria; Carolina d’Austria; Elisabeth; Ernst; Ferdinand I.; Ferdinand II.; Ferdinand III.; Isabella Clara Eugenia; Karl II.; Karl V.; Katharina; Leopold I.; Leopold V. (Österreich-Tirol); Margarete; Margarete v. Österreich-Steiermark; Maria; Matthias; Maximilian II.; Maximilian III. v. Vorderösterreich; Philipp II.; Philipp III.; Philipp IV.; Rudolf II. Habsburg (Haus Habsburg, Casa de Austria) 16, 31, 44-48, 58, 62-63, 85, 89, 93, 9597, 100, 107, 118, 127, 133, 138, 145, 149, 168, 172-178, 181-182, 184, 186, 192, 206, 216, 219, 221, 226, 238-243, 253-255, 257 Hadrian VI. (Adriaan Floriszoon Boeyens) 232 Hannewaldt v. Eckersdorf, Andreas 102-103, 120, 153, 158, 166, 251 Harrach, Leonhard v. 150, 239, 242 Hasenburg auf Budin, Johann Zbinco v. 127 Haugvic v. Biskupice, Joachim 86 Heinrich IV. v. Navarra 85, 128-130, 171, 254 Henot, Hartger 122 Herrera y Tordesillas, Antonio de 16, 262 z Hradce → Neuhaus Hurtado de Mendoza, Francisco; conde de Monteagudo 36, 43-48, 53, 55-56, 6061, 200-201 Hurtado de Mendoza, Juan; conde de Monteagudo 43 Idiáquez, Juan de 51, 53, 83, 92-93, 110 Innozenz IV. (Sinibaldo dei Fieschi) 123 Innozenz IX. (Gian Antonio Facchinetti de Nuce) 42 Isabella Clara Eugenia v. Habsburg 89, 179 Jagiello, Ludwig 239 Jagiello, Wladislaw 73 Jülich, Johann Wilhelm v.
128, 130
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Personenregister
Karl II. v. Habsburg 43 Karl v. Habsburg (Karl v. Innerösterreich) 129, 239, 242 Karl V. v. Habsburg 15, 24, 45, 62-63, 132, 232, 238-239, 253-254 Karl IX. v. Valois 49, 250 Katharina v. Habsburg (v. Kastilien) 44 Khevenhüller v. Eichelberg, Hans 48, 57, 181, 236, 240-242, 261 Khlesl, Melchior 132, 134, 226 Khuen v. Belasy, Johann Eusebius 184 Klenová und Janovice, Johann v. 82 Koller, Alexander 15, 22, 37-38, 41 Kolowrat v. → Liebsteinsky v. Kolowrat; Novohradský v. Kolowrat Kolowrat (Adelsgeschlecht) 183 König, Hans Jakob 106, 204 Kurz v. Senftenau, Jakob 148, 152-153, 155, 159, 246 Kuthassy, Johann 148 Kybal, Vlastimil 24 Lamberg, Georg Sigismund v. 251 Lamberg, Karl v. 191, 210 Lang v. Langenfels, Andreas 102, 215-216 Lang v. Langenfels, Philipp 101-103, 153, 160, 163, 205, 216, 225, 231 Laso de Castilla, Francisco 235 Laval de Boisdauphin, Urbain de 171, 190191, 194 Leiter, Johanna von der 206 Leopold I. v. Habsburg 168, 170 Leopold V. v. Habsburg (Österreich-Tirol) 128-132, 135-141, 214 Lerma → Gómez de Sandoval y Rojas, Francisco Leuchtenberg, Georg Ludwig v. 120, 125, 177, 220, 241 Liebsteinsky v. Kolowrat, Heinrich v. 179 Liechtenstein (Adelsgeschlecht) 183 Liechtenstein, Anna Maria v. 183 Liechtenstein, Gundaker v. 179 Liechtenstein, Karl v. 40, 101–103, 134, 153-154, 161, 179, 183, 201, 245, 248, 251 Liechtenstein, Maximilian v. 179, 248 Liggenstorfer, Roger 11
Lipsius, Justus 52, 218 Lobkowitz → Popel v. Lobkowitz Lodron, Sebastian 236 Losu, Francisco de 119, 134 Lovencito, Gieronimo 98-99, 103, 113-114 Ludanitz, Katharina v. 156 Ludovisi, Alessandro → Gregor XV. Ludovisi, Ludovico 230 Luhmann, Niklas 152 Luna → Fernández Vigil de Quiñones, Claudio Luserna → Manfredi di Luserna Luther, Martin 235 Machiavelli, Niccolò 52, 133 Madruzzo, Ludovico 32, 40 Maior von Großenau, Wilhelm 106 Malaspina, Germanico 36, 38, 41-42, 147, 150, 160-161, 249 Malaspina, Orazio 36, 41-42, 65, 67, 75, 96, 147-148, 158, 163, 210, 250-251 Maldeghem → Clärhout, Ottilie de Manerbio, Aderbale 100 Manfredi di Luserna, Carlo Francesco 35, 68, 99-100, 192 Manrique de Lara y Mendoza, Anna Maria 208 Manrique de Lara y Mendoza, Juan 66 Manrique de Lara y Mendoza, Maria 66, 156, 168-169, 171-172, 180, 207-209, 220 Manrique de Mendoza, Diego 235 Mansfeld, Anna Maria → Manrique de Lara y Mendoza, Anna Maria Mansfeld, Bruno v. 248 Margarete v. Habsburg 49, 182 Margarete v. Habsburg (von Österreich; von Österreich-Steiermark, Königin von Spanien) 51, 53, 89, 94, 98, 112, 132, 206 Maria v. Habsburg 43-45, 48-50, 56, 62-68, 99, 148, 182, 208-209, 234-235, 239240, 246, 250, 254-256 Maria v. Tudor 239 Marra, Placido 142 Marradas y Vique, Baltasar de 139, 187, 197, 199, 212 Martinitz → Borzita v. Martinitz
Personenregister
Martínez Millán, José 7 Maťa, Petr 203 Matthias v. Habsburg 32, 44, 69, 107-111, 114-117, 122, 126, 128-129, 131-136, 138139, 141-142, 164, 205, 220, 226, 240242, 253 Mattingly, Garett 31 Maximilian II. v. Habsburg 36, 43-44, 4748, 50, 58-59, 61-67, 73, 206, 234-235, 237, 239, 253-255 Maximilian III. v. Habsburg (Vorderösterreich) 131, 135, 215 Medek, Martin 72 Medici, Cosimo II. dei 241 Medici, Ferdinando I. dei 101, 111, 114, 190191, 194, 200, 207, 209, 211, 248 Medici, Giuliano dei 190-191, 194, 200, 211, 241 Medina de Rioseco → Cabrera, Luis Enrique de Meggau, Leonhard Helfried v. 176, 184, 245 Mercadillo, Cristóbal de 187, 228 Metternich, Johann (Kurfürst von Trier) 123 Meyer, Arnold Oskar 22, 101 Meysztowicz, Walerian 25 Míka, Alois 170 Millini, Giovanni Garzia 32, 190-191 Miseroni, Ottavio 211 Mollart, Anna v. 99 Mollart, Ernst v. 40, 153, 205-206, 220 Mollart, Peter v. 99, 187 Moncada, Francisco de; conde de Osoña, marqués de Aytona 176 Montañana, Pedro de 109, 187, 203 Monteagudo → Hurtado de Mendoza Morone, Giovanni 39 Mörschel, Tobias 10 Moscaglia, Hector 106 Mosconi, Natale 22 Mošovský v. Moravčín, Šťastný 87 Moura, Cristóbal de 236, 240 Müller, Klaus 5 Müllner v. Mühlhausen, Johann 80 Navarra, v. → Heinrich IV. Neuhaus (z Hradce) (Adelsgeschlecht) 198
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Neuhaus (z Hradce), Adam II. v. 79-81, 150, 250 Neuhaus (z Hradce), Joachim v. 239, 242 Novohradský v. Kolowrat, Joachim 79 Novohradský v. Kolowrat, Wolf 87, 179 Nürnberg, Adam v. 101 Ochoa Brun, Miguel-Ángel 11 Olivares → Guzmán y Pimentel, conde-duque de Olivares, Gaspar de Oñate →Vélez de Guevara, Iñigo Osoña → Moncada, Francisco de Paravicini, Ottavio 145, 153 Passionei, Domenico 11 Paul V. (Camillo Borghese) 8, 10, 23, 32, 39, 106, 109, 115, 123-124, 126-127, 131132, 163-164, 212, 221, 249 Pazderová, Alena 15, 83 Pázmány, Peter 185 Peck, Linda Levy 6 Pérez, Antonio 56 Periati, Paolo 11 Pernstein v. (Adelsgeschlecht) 54, 64, 94, 171-173, 180-183, 187, 203, 207-209, 241, 263 Pernstein, Anna Maria → Manrique de Lara y Mendoza, Anna Maria Pernstein, Bibiana v. 202, 241 Pernstein, Elisabeth v. 220, 259 Pernstein, Franziska v. 203 Pernstein, Johann v. 180, 208 Pernstein, Maria → Manrique de Lara y Mendoza, Maria Pernstein, Maximilian v. 180, 220, 247-248 Pernstein, Polyxena → Popel v. Lobkowitz, Polyxena Pernstein, Wratislaw v. 59, 61, 66, 96, 147, 152, 159, 168, 180-181, 197, 207–208, 239, 242-243, 248, 255 Perrenot de Granvelle, François 203 Perrenot de Granvelle, Tomás; Herr v. Chantonnay 59-60, 65, 195, 259 Pfalz, Friedrich IV. v. der 85 Pfalz-Neuburg, Philipp der Streitbare v. 239 Pfalz-Neuburg, Philipp Ludwig v. 178
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Personenregister
Pfalz-Neuburg, Wolfgang Wilhelm v. 128, 135, 178 Philipp II. v. Habsburg 15-16, 19, 43-47, 4951, 59-63, 67, 69, 83, 92-94, 96-97, 108, 178, 196-198, 220-221, 226-227, 235237, 239-240, 242, 253-256 Philipp III. v. Habsburg 51-53, 56-57, 80, 89, 92-94, 98-102, 109-110, 112-116, 118122, 124, 126-129, 131-133, 140-141, 171, 178-184, 187-188, 196, 200, 205-208, 212-213, 219-221, 224-225, 227-228, 243-245 Philipp IV. v. Habsburg 43, 57, 113, 176, 182, 206-207, 221, 228, 233, 242-243, 246 Piergentile, Felice → Sixtus V. Pieri, Gianbattista 85 Pimentel de Herrera, Juan Alonso; conde y duque de Benavente 184 Pio di Savoia (Adelsgeschlecht) 162-163 Pio di Savoia, Carlo Emanuele 162-163 Pio di Savoia, Marco III. 162 Pius V. (Antonio Michele Ghislieri) 58, 65 Polišenský, Josef 169-170; 184 Popel v. Lobkowitz (Adelsgeschlecht) 29, 54, 64, 74-78, 80, 90-91, 181, 183 Popel v. Lobkowitz, Anna 75 Popel v. Lobkowitz, Christoph 83-85, 87, 90-91, 94, 127, 147, 152, 164, 198, 202, 213, 215, 251 Popel v. Lobkowitz, Eva 90 Popel v. Lobkowitz, Georg 72-81, 88, 90, 148, 160, 249 Popel v. Lobkowitz, Johann 90 Popel v. Lobkowitz, Ladislaus 76-77, 79 Popel v. Lobkowitz, Maria v. 84 Popel v. Lobkowitz, Polyxena v. 88, 125, 156, 168-169, 171-172, 181, 208-209, 217, 220 Popel v. Lobkowitz, Wenzel Eusebius 135, 203 Popel v. Lobkowitz, Wenzel Wilhelm 183, 219 Popel v. Lobkowitz, Zdenco Adalbert 29, 54, 87-88, 90-93, 106-107, 109-111, 117-119, 121, 124-127, 130, 134-135, 141-142, 147, 150, 153, 156, 164, 169-171, 174, 181,
183-185, 191, 197, 199, 203, 209, 211, 213-214, 217, 221, 243, 249, 263 Portia, Bartolomeo 36, 41-42 Postigo Castellanos, Elena 233 Prada, Andrés de 46, 102, 119, 134, 196, 219, 224-225 Pribram, Alfred 168 Pruskovský v. Pruskov (Adelsgeschlecht) 183 Pruskovský v. Pruskov, Georg 179 Pruskovský v. Pruskov, Ulrich Desiderius 179 Puteo, Antonio 36, 41-42, 146, 149, 159, 246, 248 Questenberg, Gerhard v. Quiroga, Diego de 245
213
Ramée, Laurenz 136, 139-140 Ranke, Leopold v. 3 Ravaillac, François 130 Reinhard, Wolfgang 7, 19, 151, 221, 246, 248 Říčany, Johann v. 79 Ridolfi, Alessandro 110 Roosen, William J. 5 Rosenberg (Adelsgeschlecht) 73-75, 172-173, 197 Rosenberg, Peter Wok v. 88, 156 Rosenberg, Wilhelm v. 61, 72-76, 81, 147-148, 150, 152, 156, 159, 171, 239, 242-243, 249-250 Rossi, Bernardino 241 Rubrich, Gaspar 101 Rudolf II. v. Habsburg 13, 15, 18, 22, 24, 3132, 35-36, 41-52, 54, 61-65, 67-69, 7285, 87-93, 95-139, 141-143, 145-150, 152155, 157-166, 171, 178, 180-181, 184, 191194, 201, 203-206, 210, 213, 216, 220221, 224, 235-236, 239-242, 250-251, 253, 255-258, 262 Rumpf zu Wielroß, Wolf 41, 54, 74-75, 88, 95-99, 148-149, 152-153, 155, 160, 163165, 176, 180, 187, 194, 226-227, 236237, 246, 250-251, 255, 257 Salm-Neuburg, Nikolaus III. v.
239
Personenregister
Salvago, Giovanni 36, 38, 41-42, 131, 139– 142, 149-150, 165, 195, 214, 250 San Clemente y de Centellas, Guillén de 26, 35-36, 40, 44, 46, 50-52, 54, 55, 67-68, 80, 83, 92-94, 96-102, 106, 108-114, 116, 133, 168-169, 171-173, 175, 178, 180, 187, 194, 196-200, 203-209, 212, 216, 219, 221, 224-225, 227, 236, 261 San Lúcar → Guzmán y Pimentel, condeduque de Olivares, Gaspar de Santacroce, Ottavio 35-36, 38, 41-42, 146, 148, 194, 250 Savoyen, Karl Emanuel v. 35, 50-51, 68, 98–100, 103, 113-114, 163, 192, 215-216 Schleswig-Holstein-Gottorp, Johann Friedrich v. 117 Schwanberg, Peter v. 164 Schwarzenberg, Otto Heinrich v. 236 Schweikhard v. Kronberg, Johann (Kurfürst von Mainz) 123, 135, 227 Sega, Filippo 36, 41-42, 149, 160-161, 250 Seld, Georg Sigmund 226 Seminara, Duca di v. 93 Seneca, Lucius Annaeus 218 Serra, Giacomo 104, 151 Sixtus V. (Felice Piergentile) 160-161 Skála v. Zhoř, Pavel 170 Skowron, Ryszard 25 Slawata v. Chlum und Koschumberg, Joachim 247 Slawata v. Chlum und Koschumberg, Wilhelm 90, 121, 134, 137, 169-170, 174, 198, 247 Soranzo, Francesco 213 Speciano, Cesare 15, 23, 36, 38, 40–42, 7374, 76, 80-84, 90, 92-93, 146, 148-149, 152, 154–156, 159, 193-194, 201-202, 215, 246 Spinelli, Filippo 36, 38, 40–42, 82-93, 95, 104, 147, 149, 153, 164, 194, 199, 201202, 214 Spinola, Ambrosius 179 Spinola, Antonio 215 Spinola, Ottavio 148 Starkey, David 6 Staufer → Friedrich II. v. Sternberg, Adam v. 82, 87, 90, 119, 121, 155, 179
297
Stloukal, Karel 95 Stralendorf, Leopold v. 105, 117, 158, 164, 165-166, 194 Stralendorf, Peter Heinrich v. 122 Strozzi, Cosimo 230 Sulz, Karl Ludwig v. 136 Tannenberg, Georg 236 Terranova, duque de → Aragón y Tagliaviva, Carlos de Teschen (Adelsgeschlecht) 183 Teschen, Adam Wenzel v. 179, 244-245 Thun, Christoph Simon v. 245 Trautson, Johann 150, 250 Trautson, Paul Sixt v. 74-75, 88, 95–99, 148, 152-153, 155, 160, 165, 176, 180, 199, 227, 241, 257 Trauttmannsdorff, Adam v. 136 Trauttmansdorff, Maximilian v. 176, 185, 213 Trivulzio, Claudio 237, 260 Tudor → Maria v. Tudor Uhagón, Francisco
233
v. Bayern → Wittelsbach v. Österreich → v. Habsburg v. Sachsen, → Wettin Valois→ Karl IX. Valois (Hause) 49 Vanegas de Figueroa, Luis 43 Vehse, Karl Eduard 167 Vélez → Fajardo Fernández de Córdoba, Pedro Vélez de Guevara, Iñigo, IV conde de Oñate 113, 171, 179, 183-184, 197, 200, 212, 219, 227-228, 243-245 Verospi, Fabrizio 185, 208 Viehäuser, Sigmund 41, 150, 160-161, 250 Vignau, Vicente 233 Vinta, Belisario 111, 191, 211 Visceglia, Maria Antonietta 7 Visconti, Alfonso 34, 36, 41-42, 159 Vizani, Pompeo 35, 146 Voit, Alexander 72 Vřesovec v. Vřesovice, Sebastian 76-77 Vries, Adrian de 106, 204
298
Personenregister
Waldstein, Adam der Jüngere v. 192, 198-199, 201, 203, 212, 214-215, 217 Waldstein, Henyk v. 84 Weber, Johann Baptist 226 Wettin, Christian II. v. 130-131, 133, 135, 200 Wettin, Georg der Bärtige v. 239 Wittelsbach, Albrecht v. 207 Wittelsbach, Ernst v. (Kurfürst von Köln) 65, 122-123, 131, 135, 202, 227 Wittelsbach, Ferdinand v. 210 Wittelsbach, Maximilian I. v. 129, 185, 195 Wittelsbach, Wilhelm V. v. 194, 242 Wolf, Adam 168 Württemberg, Johann Friedrich v. 156 Zangius, Liberalis
106, 204
Zapata, Hieronymus Walter 236 Zasius, Johann Ulrich 226 Zayas, Gabriel de 45, 47, 201 Zehendtner v. Zehendtgrueb, Paul 240 Želinský v. Sebuzín, Christoph 77, 79-82, 84-87, 90 Zeller v. Rosenthal, Kaspar 106, 205 Zierotin, Karl der Älteren v. 85–87, 134 Zúñiga y Fonseca, Baltasar de 16, 26, 36, 46, 52-53, 55, 57, 112-116, 118-122, 124-127, 129-135, 138-142, 171, 177-179, 181, 183, 187-188, 197-198, 200, 203, 205-206, 209-214, 219-220, 225-229, 243-245, 262 Zúñiga y Requeséns, Juan de 50, 68, 198, 224
Über die Autoren Pavel Marek ist Direktor des Historischen Instituts der Philosophischen Fakultät an der Universität Pardubice. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Geschichte der Habsburgermonarchie im 16. und 17. Jahrhundert, die Geschichte des böhmischen Adels in der Frühen Neuzeit sowie die Beziehungen zwischen der spanischen und der österreichischen Linie des Hauses Habsburg. Tomáš Černušák ist Historiker, tätig im Historischen Institut der Tschechischen Akademie der Wissenschaften in Prag (Zweigstelle Brünn). Seine Forschungsschwerpunkte sind die konfessionelle Geschichte der böhmischen Länder in der Frühen Neuzeit und die Tätigkeit der päpstlichen Nuntien in Prag bzw. Wien an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert.
https://doi.org/10.1515/9783110616699-009